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ZEITSCHRIFT FÜR DIE GESAMTE
EXPERIMENTELLE
MEDIZIN
ZUGLEICH FORTSETZUNG DER
ZEITSCHRIFT FÜR EXPERIMENTELLE
PATHOLOGIE UND THERAPIE
HERAUSGEGEBEN VON
E. ABDERHALDEN.HALLE, A. BIEDL-PRAG, TH. BRUGSCH • BERLIN,
E. ENDERLEN-HEIDELBERG, H. E. HERING*KÖLN, W. BIS*BERLIN,
F. KRAUS• BERLIN, 0. LüBARSCH-BERLIN, C. t. NOORDEN • FRANK¬
FURT A.M., R. PALTAUF-WIEN, E. PAYR-LEIPZIG, C. PIRQUET-WIEN,
J. POHL-BRESLAU, F. SAUERBRUCH.MÜNCHEN, A. SCHITTENHELM-
KIEL, W. STRAUB-FREI BURG, H. STRAUB-GREIFSWALD,
W. TREND ELENBURG-TÜBINGEN, P. UHLENHUTH-MARBURG
REDIGIERT VON
F. KRAUS C. PIRQUET A. SCHITTENHELM
W. TRENDELENBURG
30. BAND
MIT 31 TEXTABBILDUNGEN
BERLIN
VERLAG VON JULIUS SPRINGER
1922
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Druck von Osi'or Bnuulstotter in Leipzig.
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Inhaltsverzeichnis.
Seite
yäh der Reis« Der Aiitagonismus zwischen Koli- und Diphtheriebacillen und der
Versuch einer praktischen Nutzanwendung. 1
Platz, O« Uber die Wirkung des Adrenalins.42
Iwabuchi, Tomoji« Über Organanalysen bei experimentellem Skorbut der Meer¬
schweinchen nebst einigen Angaben über den Blutbefund. Mit 4 Text¬
abbildungen .65
Hagemann, Erich« Die Spezifität der Tuberkulinreaktion. Vergleichende Unter¬
suchungen mit Tuberkulin und Eiweißkörpern an experimentellem und klini¬
schem Material.80
Junkersdorf, P. Die hämoklastische Krise. (Zugleich ein Beitrag zur Frage
der Wirkung „unphysiologischer“ Eiweißabbauprodukte).110
Hopmann, R« und R. Schüler« Uber die Variation der relativen Erythrocyten-
menge und ihre Abhängigkeit von wechselnder Verteilung der Erytbrocyten
innerhalb der Blutbahn. Mit 4 Textabbildungen.148
Hecht, Adolf F« und Julius Langer. Über die Resorption von medikamentösen
Klysmen bei Kindern.168
Platz, 0. über die Wirkung des Pilocarpins.189
Botterl, Johann Hugo« Über Echinokokken-Anaphylaxie.199
Edelmann, Fritz« Über Ursache und Entstehung der Aderlaßlipämie.221
Hülse, Walter. Zur Frage der Blutdrucksteigerung. I. Experimentelle Unter¬
suchungen über die Bedingungen der Adrenalinwirkung.240
Hülse, Walter. Zur Frage der Blutdrucksteigerung. II. Untersuchungen über
gefäßverengemde Stoffe im Blute.268
Kollert, Y« und W. Starllnger. Die Albuminurie als Zeichen vermehrten Eiwei߬
zerfalles bei geschädigter Nierenfunktion.298
Zimmer, Heinrich« Klinisch experimentelle Untersuchungen über Blutserum¬
konzentration bei Arsenkuren. Mit 10 Kurven im Text.825
Lohr, Hanns« Haben parenteral einverleibte Proteinkörper und Nichteiweißkörper
(„Reizkörper“) dieselbe Wirkung auf den intravitalen Eiweißabbau in der
Leber? (VIII. Mitteilung zur Proteinkörperwirkung).344
Mlki, Y. und C. J« Rothberger. Experimentelle Untersuchungen über die Pause
nach Vorhofsextrasystolen. Mit 12 Abbildungen im Text.347
Seyderhelm, Richard und W r alter Lampe. Zur Frage der Blutmengenbestimmung.
I. Mitteilung. Untersuchungen über das Verhalten von Erythrocyten zu
kolloiden Farbstoffen und kolloidem Gold. Mit 1 Textabbildung.403
Seyderhelm, Richard und Walter Lampe« Zur Frage der Blutmengenbestimmung.
II. Mitteilung. Colorimetrische Blutmengenbestimmung mit Trypanblau . .410
Pohl, Julius. Physiologische Wirkungen neuer Gallensäuren.423
Alivisatos, G. P. Ein Beitrag zur Erklärung der Pathogenie der Myelitiden nach
' Schutzimpfung gegen Lyssa.432
; Schilling, Victor« Kurze Mitteilung. Blutbild und Blutkrise bei experimenteller
Bleivergiftung.446
\ Autorenverzeichnis. 447
£
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Original fro-m
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(Aus der Medizinischen Klinik Greifswald Direktor: Prof. Dr. H. Straub .)
Der Antagonismus zwischen Koli- und
Diphtheriebacillen und der Versuch einer praktischen
Nutzanwendung.
Von
Privatdozent Dr. van der Reis,
Aasistensarzt der Medizinischen Klinik.
(Eingegangen am 19. Juni 1922.)
Die gegenseitige Beeinflussung von zwei oder mehr Mikrobenarten,
die nebeneinander auf einem Nährboden wachsen, kann verschieden¬
artiger Natur sein. Bald zeigt sich Wechsel- oder einseitige Förde¬
rung des Wachstums, bald Hemmung, bald sogar völlige Abtötung
des einen Bakteriums. Diese Wechselwirkungen sind nicht nur der
Ausdruck eines Kampfes um die notwendigen Nährstoffe, die zur
Erhaltung des Zellebens erforderlich sind, sondern es spielen auch
die verschiedensten Bedingungen, die durch die Lebensprozesse ge¬
schaffen wurden, bei der Symbiose und dem Antagonismus eine
wichtige Rolle.
Die Bakterienassoziationen, wie sie bei der Symbiose in Erschei¬
nung treten und in Mischkulturen von Influenzabacillen und einer
Reihe artfremder Keime, ferner bei Anaerobiern beobachtet wurden
(Pringsheim), sind vielfach auch im menschlichen und tierischen Orga¬
nismus nicht ohne Bedeutung. Es sei nur auf den begünstigenden
Einfluß der Streptokokken, auf das Wachstum und die biologischen
Eigenschaften anderer pathogener Keime, z. B. die gesteigerte Toxin¬
bildung der Diphtheriebacillen hingewiesen ( Hilbert , Cantani, Luerssen).
Andererseits sollen z. B. die Tuberkelbacillen stark hemmend auf
Streptokokken wirken {Bonhoff). Empfindliche Mikroben wie der Pest¬
bacillus werden in Kulturen von den verschiedensten Konkurrenten
leicht überwuchert. Der Vibrio cholerae dagegen hemmt Vibrio
Metschnikoff, Staphylokokken und Milzbrandbacillen. Letztere können
auch von Typhusbacillen und Staphylokokken zurückgedrängt wer¬
den (Comil und Bcibes, Ferlito, Pavone). Das antagonistische Ver¬
hältnis der Choleravibrionen gegenüber dem Bact. coli commune wird
recht verschieden angegeben (zit. bei Gottschlich). Eine größere theo-
Z. f. d. g. exp. Med. XXX. 1
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2 van der Reiß: Der Antagonismu« zwischen Koli- und
retische Bedeutung haben der Bac. pyocyaneus und dessen Enzyme
und Stoffwechselprodukte gewonnen, die Gonokokken und vor allem
Diphtheriebacillen im Reagensglas völlig hemmen sollen (, Schäffer .
Emmerich und Löw), während in vivo diese Fähigkeit nicht in dem
Grade zur Entfaltung kommt, ähnlich wie Keime aus der Subtilis-
gruppe auch nur auf Agarplatten Diphtheriebacillen hemmen ( Prings -
heim).
Manche Erscheinungen im Darmkanal, soweit die bisher vor¬
liegenden Untersuchungen des Leichendarms und der Faeces all¬
gemeine Gültigkeit haben, können ebenfalls auf das überwiegen ge¬
wisser Bakterienarten zurückgeführt werden, die im Konkurrenzkampf
andere Keime überwuchert haben. So gewähren obligate Milchsäure¬
bakterien und ihre nahen Verwandten aus der Koli-Aerogenesgruppe,
nicht allein durch ihr Vermögen, bei Kohlehydratanwesenheit Säure
zu bilden, einen gewissen Schutz vor Fäulnis, sondern es muß diesen
Mikroorganismen eine besondere Kraft eigen sein, die Fäulniskeiroe
öder ihre Funktionen zu hemmen ( Blumenthal , Bienstock , Strasburger
In der Therapie ist wiederholt versucht worden, diese anta¬
gonistische Eigenschaft durch Verabreichung von Bac. bulgaricus und
Lactisaerogeneskulturen zur Beseitigung übermäßiger Fäulniserschei¬
nungen (de Jaeger, Escherich , Brudzinski , Loebel , Metschnikoff) und
zur Vertreibung der Typhuskeime aus dem Darmkanal (Nissle) nutz¬
bar zu machen. Die antagonistische Fähigkeit mancher milchsäure :
bildenden Stäbchen, vor allem der gramnegativen aus der Aerogenes-
gruppe, der auch nach unserer Ansicht das Bact. coli commune zu¬
zurechnen ist (Kruse), scheint sich auf die verschiedensten Keimarten
zu erstrecken. Einen besonders starken Antagonismus fand ich bei
Kolibacillen gegenüber Diphtheriekeimen, und zwar nicht nur auf
künstlichen Nährböden, sondern auch in vivo.
Bevor ich auf diese Eigenschaft von Koli näher eingehen kann,
ist es nötig, einige theoretische Erwägungen über den Antagonismus
vorauszuschicken, dessen Wesen noch nicht völlig aufgeklärt werden
konnte. Gewöhnlich haben wir es nicht mit einem „ gegenseitigen
Antagonismus zu tun (Oarre ), wobei zwei oder mehr Bakterienarten
sich gegenseitig verdrängen bzw. ab töten, sondern um einen „ ein¬
seitigen 44 . Bei dieser Konkurrenz kann es sich um einen Antagonismus
des Wachstums handeln — die schneller wachsende überwuchert die
langsamere Art — oder um einen Antagonismus der Funktion . Im
letzteren Fall entwickeln sich verschiedene Arten ungestört neben¬
einander, aber die überlegenen Bakterien schädigen die übrigen derart,
daß z. B. sonst charakteristische Stoffwechselprodukte oder Gifte nicht
zur Wirkung kommen, sei es, daß sie durch die Antagonisten unwirk¬
sam gemacht werden oder nicht gebildet werden können (Gottschlich .
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Diphtheriebacillen und der Versuch einer praktischen Nutzanwendung. 3
Die Gründe dieses eigentümlichen und interessanten Verhaltens können
sehr mannigfacher Art sein. Je nachdem die Wechselwirkung zweier
Doppelreinkulturen auf künstlichen Nährböden schon verhältnismäßig
früh oder erst bei alternden Kulturen auftritt, könnte es sich
1. um Entziehung von notwendigen Nährstoffen oder um Ent¬
wertung des Substrates durch die rascher wachsende bzw. früher
eingesäte Art handeln, oder
2. um eine größere Wachstumsgeschwindigkeit des siegreichen
Keimes.
3. Auch verschiedener Sauerstoffbedarf und
4. ungleiches Temperaturoptimum konkurrierender Bakterienarten
ist in manchen Fällen von gewisser Bedeutung.
5. Durch den Abbau der Nährstoffe infolge der Lebensfähigkeit
der Bakterien verändert sich gelegentlich die Reaktion der Nähr¬
böden derart, daß gewisse, gegen saure oder alkalische Reaktion
empfindliche Arten schlecht gedeihen (Sirotinin, Bitter ).
6. Eine schädliche Änderung der Reaktion kann weiterhin durch
irgendwelche Stoffwechselprodukte des Antagonisten bewirkt werden.
Besonders seitdem für das Zustandekommen der natürlichen Wachs¬
tumshemmung von Bakterien in alternden Kulturen, die zum völligen
Stillstand der Vermehrung führen kann, bakterielle Stoffwechsel¬
produkte, die sog. Autotoxine, angenommen werden, ist man sehr
geneigt, in diesen auch die Ursache des Antagonismus zu sehen.
Solche thermolabile, durch Tonkerzen nicht filtrierbare Hemmungs¬
stoffe, wurden zuerst von Eijkman in Agar und Gelatine, von
Faltin , der sie aber für filtrier- und adsorbierbar hielt, im Urin und
dann von Conradi und Kurpjuweit auch in Bouillonkulturen ge¬
funden. Besonders die letzteren Autoren, denen es gelang, die Auto¬
toxine vermittels Dialyse durch Schilfmembranen von den Bakterien
zu trennen, wiesen darauf hin, daß sie nicht nur gegen arteigene,
sondern auch sehr wirksam gegen artfremde Keime gebildet werden.
Diese Befunde konnten aber nicht in vollem Umfange bestätigt
werden, und es wurde versucht, die Entwicklungshemmung und das
Absterben der Bakterien lediglich auf Nährstoffmangel infolge des
Wachstums zurückzuführen ( Passini , Rolly, Oebius , ManteufelK
7. Schließlich liegt noch die Möglichkeit vor, daß die zurück¬
gedrängten Keime durch spezifische Produkte, vielleicht Fermente
des Antagonisten aufgelöst werden, wie es vor allem von der Pyo-
zyanase Diphtheriebacillen ( Emmerich und Löw) und Enzymen des
Prodigiosus Milzbrandbacillen gegenüber angenommen wird (Bertarelle).
Je nach dem Grade des Antagonismus werden die unterlegenen
Keime nur im Wachstum gehemmt oder ganz abgetötet. Eine völlige
und schnelle Baktericidie entfaltet nach den folgenden Versuchen
1 *
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1
van der Hein: Der Antagonismus zwischen Koli- und
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das Bact. coli commune gegenüber vollvirulenten Diphtheriebacillen,
die von den Tonsillen Diphtheriekranker gezüchtet waren. Die Koli¬
bakterien stammten aus dem Darmkanal verschiedener Versuchs¬
personen und wurden nach dem üblichen Verfahren identifiziert und
auf alle Stoffwechselfunktionen geprüft.
Versuchsreihe 1.
Nachdem festgestellt war, daß sowohl Koli- als auch Diphtherie¬
bacillen (von Serumröhrchen) in gewöhnlicher Nährbouillon (PH — 7,3
bis 7,5) und l 0 / 0 iger Traubonzuckerbouillon (PH — 7,3) gut wachsen,
impfte ich wechselnde Mengenverhältnisse der beiden Mikroben in
Bouillonröhrchen und hielt sie verschieden lange Zeit im Brut¬
schrank. Um nachweisen zu können, ob und wann unter diesen Be¬
dingungen die Diphtheriebacillen abgetötet werden, wurden die ver¬
schiedensten Versuche angestellt. Objektträgerausstriche von den
Bouillonkulturen waren nicht zu verwenden, weil hierbei tote und
lebende Bakterien nicht zu unterscheiden sind. Es mußte vielmehr
angestrebt werden, ein für Diphtheriebacillen optimales Nährsubstrat
zu finden, das mit der beimpften Bouillon beschickt werden konnte,
und auf dem aber gleichzeitig die Kolibacillen kaum oder besser
noch gar nicht gedeihen. Wenn nämlich die Bakterien aus der Bouillon
auf einen Nährboden gebracht wurden, der beiden Arten Wachstums¬
möglichkeiten bot — ein Verfahren, das man bisher anwandte —.
konnte die Verdrängung der unterlegenen Keime auf diesem Sub¬
strat weitergehen. Eine weitgehende Verdünnung schützte nur teil¬
weise vor Trugschlüssen. Malachitgrünplatten, auf denen Koli nicht
wachsen, entsprachen den Anforderungen nicht, auch nicht bei Zusatz
von Serum und Traubenzucker, weil die erforderliche Konzentration
auch das Wachstum der Diphtheriebacillen unterdrückte. Zusatz
von Ammoniumsulfat (Pesch) in den verschiedensten Mengenverhält¬
nissen zu den Nährböden schädigte Koli nur wenig, Pikrinsäure ließ
sie zwar nicht aufkommen, schädigte aber gleichzeitig B. diphtheriae
zu sehr. Das Petrolätherverfahren von Gonradi (Rhodovi) mußte
ebenfalls verworfen werden, weil auch die Kolikeime in die Petrol¬
ätherschicht übergehen, sich also auf diese Weise nicht von den
Diphtheriebacillen trennen lassen. Allen Anforderungen entsprach
die T ellurserumtraubenzucker pl&ttv (Conradi und Tr och), auf der die
Diphtheriekolonien tiefschwarz, Kolibabacillen — wie wir fest¬
stellten — dagegen überhaupt nicht wuchsen. Bei den folgenden
Versuchen über die Abtötungsdauer von Bac. diphtheriae bediente
ich mich ausschließlich des letzteren Verfahrens, das einseitig für
den Diphtheriebacillus einen günstigen Nährboden darstellt.
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Diphtheriebacillen und der Versuch einer praktischen Nutzanwendung.
Medium
Beimpft mit:
5 Ösen Koli -}-
1 Öse B.diphth.
a) Bouillon '3 Ösen Koli
3Ösen B.diphth.
1 1 Öse Koli
5 Ösen K. diphth.
! 5 Ösen Koli r
ii 1 Öse B. diphth.
bi Trauben¬
zucker- ,3ÖsmKoli :
bouillon 3 Ösen B. diphth.
ij 1 Öse Koli —
5Ösen B.diphth.
j| 5 Ösen Koli |
II1 Öse B. diphth.
c) Trauben-
zucker-
ascites-
bouillon
I 3 Ösen Koli *
3 Ösen B.diphth.
11 Öse Koli —
j! 5 Ösen B. diphth.
d) Bouillon
mit Kreide¬
zusatz
5 Ösen Koli-f
I 1 Öse B. diphth.
l.
Tabelle I.
Einwirkungs¬
dauer bei 37° C
in Stunden:
19
20
24
20
22
24
20
20
24
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20
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19
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20
20
*>o
24
26
20
24
20
20
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20
Bodensatz des Zentrifugats
ausgestrichen auf:
Objektträger | Tellurserum
Di f
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formen
Di -f-
wenige Kolon,
vereinz. kl. Kol.
Di-
Di *
Involutions¬
formen
Involutions¬
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van der Reis: Der Antagonismus zwischen Koli- und
Tabelle I (Fortsetzung).
Medium 1
1 1
Einwlrkuogs-
Bodensatz des Zentrifugal«
1 Beimpft mit:
dauer bei 37° C '
ausgestrichen auf:
i
in Stunden : i
Objektträger |
Tellurserum
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20
Involution»-
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22
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24
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*5 Ösen B. diphth.
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j 2 Ösen B. diphth.
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mit Kreide¬
zusatz
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Di -
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__ .Original from _
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Diphtheriebacillen und der Versuch einer praktischen Nutzanwendung. 7
Tabelle I (Fortsetzung).
Medium
1 Beimpft mit:
Einwirkungs¬
dauer bei 87° C
in Stunden:
Bodensatz des Zentrifugats
ausgestrichen auf:
Objekttrftger | Telluraerum
1) 24 ständige
Diphtherie¬
ascites¬
trauben-
zucker-
bouillon
mit Kreide¬
zusatz
(2 Ösen Di)
1 Öse B.coli
5 Ösen B.coli
i
25
2b
26
1 Involutions-
| formen
_
Di 4~
Di-
Di-
_
Kontrollen:
1 3 Ösen B. coli f-
| -lösen B. typhi
24
auf Endo:
Koli+Ty.-f
!
5 Ösen B. coli -f
! lÖseStreptoc.
24
Koli u. Strept.
auf Agar:
Koli 4- Strept. -f
Bouillon
!
3 Ösen B.coli 4- 1
30senB.subtilis
24
Koli u. Subt.
auf Agar:
Koli 4- Subt. -f
•
! 1 Öse B.coli 4-
3ösenStaphyl.
24
Koli u. Staphyl.
auf Agar:
Koli 4- Staph. -f-
3 Ösen B.coli 4-
5ösenProdigios. i
24 !
Koli u. Prodig. j
auf Agar:
Koli -f Prod. 4-
i
Aus Tabelle I ersehen wir, daß der Antagonismus der beiden
Keime in Bouillon mit verschiedensten Zusätzen nach 26 Stunden
eine wirkliche Abtötung der Diphtheriebacillen bewirkt, auch wenn
die Diphtheriebacillen 24 Stunden vorgewachsen sind. Die übrigen
untersuchten Bakterien dagegen wurden von Koli nicht abgetötet.
Schon in den direkten mikroskopischen Ausstrichen des Bodensatzes
der Zentrifugate fanden sich nach 16 Stunden nur noch wenige
normal gestaltete Diphtheriekeime; die Mehrzahl der grampositiven
Stäbchen erschien vielmehr kurz, keulenförmig, z. T. birnenartig
ausgezogen oder aufgequollen und hatte in der Färbbarkeit nach
Gram stark gelitten. Bei der Aewaerschen Färbung waren die
Babes — Emstschen Körperchen oft verschwunden, oft waren sie
rundlich verdickt und lagen frei im Präparat. In vielen Ausstrichen
wurden nur noch kokkenartige Gebilde gefunden, so daß die In¬
volutionserscheinungen wohl in erster Linie auf eine Schädigung der
Wachstumsenergie zurückgeführt werden können. Auf Tellurserum
waren nach 20—24 Stunden nur noch spärliche Kolonien zu finden.
Nach 26 Stunden blieb der Nährboden sowohl bei überwiegender
oder gleicher Koli-, als auch bei größerer Diphtherieeinsaat steril.
Die Abtötung ist also von den gewählten Mengenverhältnissen nickt ab -
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S van der Reis: Der Antagonismus zwischen Koli- und
hängig , eine Tatsache, die für die Erklärung des Wesens des Antago¬
nismus von Bedeutung sein wird.
Sie geht aber nicht nur in Bouillon, sondern auch auf festen
Nährböden vor sich: verschiedene Gemische beider Keime wurden
auf Serumschrägröhrchen, auf Serum-, Traubenzuckeragar- und
Ascitesagarplatten gebracht, nach Bebrütung abgeschwemmt und
davon einige Ösen auf Tellurserumplatten ausgestrichen.
Tabelle II.
...... —
---—
Abgeschwemmter
Medium
Bespatelt mit Aufschwemmung von:
ImBrut-
schrank
Bakterienrasen
auf Telluserum
ausgespatelt
5 Ösen B. coli -f- 1 Öse B. diphth.
40 Std.
21 n
B. diphth. spärl.
n —
Serum -
3 Ösen B. coli 4- 3 Ösen B. diphth.
21 „
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röhrchen
24 n
r
1 Öse B. coli 4- f> Ösen B. diphth.
20 n
v 1 Kolonie
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5 Ösen B. coli -|- 1 Öse B. diphth.
18 Std.
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Löffler ser um-
3 Ösen B. coli 4- 3 Ösen B. diphth.
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1 Öse B. coli r 5 Ösen B. diphth.
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20 Std.
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3 Ösen B. coli 4- 3 Ösen B. diphth.
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r. —
1 Öse B. coli 4 - 5 Ösen B. diphth.
19 »
n —-
21 r»
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1 5 Ösen B. coli 4- 1 Öse B. diphth.
, 20 Std.
1
1 n
1
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Ascitesagar -
3 Ösen B. coli 4- 3 Ösen B. diphth.
' 20
7) spärl.
platten
21 »
i
i
1 Öse B. coli 4 5 Ösen B. diphth.
19 n
n —
21 r
i » —
1 1 Öse B. coli 4- 5 Ösen B. subtil.
' 26 Std.
_
Koli + Subt. ~
Kontrollen :
1 3 Ösen B. coli 4- 3 Ösen Staph.
'30 „
j Koli 4- Staph. 4-
5 Ösen B. coli 4- 1 Öse Prodig.
126 n
Koli 4- Strept. 4-
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Diphtheriebacillen und der Versuch einer praktischen Nutzanwendung. 9
Die Objektträgerausstriche der abgeschwemmten Bakterienrasen
zeigten die gleichen Wuchsformen, wie sie schon in Tabelle I er¬
wähnt wurden. Auch die Abtötungsdauer auf den festen Nährböden
wich nur wenig von derjenigen ab, die wir in den Bouillon versuchen
fanden; nach 20—21 ständiger Zusammenwirkung waren die Diphtherie¬
keime tot. Heubacillen, Staphylokokken und Prodigiosus wurden
wiederum nicht abgetötet. Das Nährsubstrat an und für sich ist
demzufolge für die Wechselwirkung der Bakterien ohne besondere
Bedeutung. Die antagonistische Kraft gegenüber den Diphtherie¬
bacillen ist nicht die Funktion eines einzelnen Kolistammes, sondern
allen untersuchten Rassen eigentümlich, wenn auch in etwas ver¬
schiedener Stärke. Dieser Unterschied ist nicht durch den sogenannten
„antagonistischen Index“, den Nissle aufgestellt hat, bedingt; denn
wie aus Tabelle 3 hervorgeht, vernichten „Koli stark“ und „schwach“
die Diphtheriebacillen in derselben Zeit.
Tabelle III .
Stamm
i
Bouillon beimpft mit: *
i 1
Bodensatz des Zentrifugales
auf Tellurserum nach Be¬
brütung von
24 Std. 26 Std.
Koli stark *)
5 Ösen Koli -f- 1 Öse B. diphth.
wenige Di-Kol.—
Di-
Koli schwach l )
5 n -f* 1 »
77
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r ~
Der Antagonismus ist weiterhin an die lebenden Kolibacillen ge¬
bunden. Sobald sie in Bouillon- oder Agarschüttelkulturen abgetötet
sind, findet auch nach 36ständiger Bebrütung keine Baktericidie
statt, wenn Diphtheriekeimc eingeimpft werden.
Um einen Einblick in das Wesen dieses antagonistischen Ver¬
haltens zu gewinnen, versuchte ich zuerst festzustellen, ob es sich
hierbei um eine Erschöpfung des Nährbodens durch die Koli¬
bacillen handelte. Bei der verhältnismäßig schnellen Vernichtung
der Diphtheriebacillen war es von vornherein unwahrscheinlich, daß
eine hochgradige Entwertung des Nähr Substrates in Betracht kommen
konnte.
Versuchsreihe 2.
Eine Bouillonkultur Koli (5 Ösen) wurde 16—24 Stunden bei
37° gehalten, dann durch 2ständiges Erhitzen auf 60° abgetötet
*) Die Stämme stark und schwach verdanke ich der Liebenswürdigkeit von
Professor Nißle , Freiburg.
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Original fro-m
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10
van der Reis: Der Antagonismus zwischen Koli- und
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(Sterilitätsprobe) und mit 2 Ösen Bac. diphtheriae beimpft. Ausstrieh-
präparate, nach 6, 12 und 24 Stunden angefertigt, zeigten das Vor¬
handensein reichlicher Diphtheriekeime an, und Serumröhrchen mit
einigen Ösen dieser Bouillon angelegt, waren gut bewachsen
(18 Versuche). Die Vermehrung der Mikroben in der sterilisierten
Kolibouillon blieb nicht hinter der in frischer Bouillon zurück, was
aus folgender Tabelle ersichtlich ist. Die Zählplatten wurden aus
gewöhlichem Agar, dem 5°/ 0 frischer mit 10°/ 0 iger Sodalösung neu¬
tralisierter Zitronensaft zugesetzt war (Leichtentritt), hergestellt.
Dieser Nährboden ist zwar ein nicht ganz so günstiges Nährsubstrat
wie Löfflerserum, bietet dafür aber den Vorteil der Durchsichtigkeit,
der für die Zählmethode unerlässlich ist.
Tabelle IV.
Kolonienzahl
in gQwöhnlicher Bouillon in abgetöteter Kolibouillon
sofort 52 110 : *4 85
nach 24 Std. oo oo oo oo
Um dem Einwand zu begegnen, durch das Erhitzen der Bouillon
wären Hemmungsstoffe oder Autotoxine der Bakterien, die das Nähr¬
substrat entwertet hätten, abgetötet und es sei so eine Regeneration
desselben eingetreten, sterilisierte ich die vorgewachsenen Kolibouillon-
kulturen durch Zusatz von Chloroform, das wieder abgedampft wurde.
Auch in dieser Versuchsanordnung blieben die Resultate (8 mal) die¬
selben, selbst bei Benutzung 4 Tage alter Kolibouillonkultur (4 mal)
und auch nach Hinzufügen der doppelten Menge frischer Bouillon
(8 Versuche).
In weiteren Versuchen wurden Agar-, Traubenzucker- und As¬
citesagarschüttelröhrchen angelegt, 16 Stunden bebrütet und dann
durch Erhitzen (2 Stunden bei 60° C) abgetötet. Von diesem Agar,
der die toten Kolibacillenleiber enthielt, legte ich Agarplatten an
und bespatelte sie mit 1 und 2 Ösen Diphtheriebacillen, die auf
diesen Platten genau so üppig angingen, wie auf nicht erhitzten
Kontrollplatten von dem betreffenden Nährsubstrat. Es wurden im
ganzen 15 derartige Versuche gemacht, nur 2 mal war das Wachs¬
tum etwas weniger reichlich.
Ich legte nun 7 Kolispatelplatten auf Ascitesagar an, ließ sie
24 Stunden wachsen, hob die Agarschicht aus der Petrischale heraus,
brachte sie mit der Unterseite nach oben in eine neue Petrischale
und spatelte 1 Öse Diphtheriebacillen auf. Das Wachstum war
auch auf 48 Stunden alten Koliplatten (7 Versuche) gut, so daß sich
wiederum keine Erschöpfung des Nährbodens durch die noch lebenden
Kolibakterien zeigte. Kontrollplatten mit Staphylokokken, Prodi-
Original from
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Diphtheriebacillen und der Versuch einer praktischen Nutzanwendung. 11
giosus, Typhus- und Heubacillen hatten dasselbe Ergebnis. Auch
wenn der Kolirasen einer Spatelplatte sorgfältig mit physiologischer
Kochsalzlösung abgewaschen war und sich die Platte nach 12 stän¬
diger Bebrütung als steril erwies, gelang es, Diphtheriekulturen auf
ihr anzulegen (5 Versuche).
Die 5 soeben beschriebenen Experimente wurden nun so variiert, *
daß sowohl in die Bouillon als auch in die Schüttelplatten und auf
die Spatelplatten zugleich Koli- und Diphtheriebacillen gebracht wurden,
um festzustellen, ob beim Vorhandensein beider Konkurrenten eine
Entwertung des Substrates eintritt. Sie konnte aber auch bei dieser
Anordnung nicht beobachtet werden (19 Versuche).
Aus den Versuchen dieser Serie geht zur Genüge hervor, daß
eine Erschöpfung des Nährbodens durch das Bact. coli und seine
Stoffwechselprodukte, über die noch zu sprechen sein wird, unter
den gegebenen Bedingungen keine Rolle bei dem Antagonismus
gegenüber Diphtheriebacillen spielen kann. Es soll natürlich nicht
in Abrede gestellt werden, daß eine Verarmung an Nährstoffen ein-
treten muß, wenn die Bakterien längere Zeit auf den betreffenden
Nährböden wachsen. Jedoch kommt diese Tatsache bei dem relativ
schnell wirksamen Gegensatz zwischen den beiden Keimen nicht in
Frage.
Versuchsreihe 8.
Da der Sauerstoffbedarf beider Mikroben kein w f esentlich ver¬
schiedener ist, mußte nur untersucht werden, ob bei den Versuchen
in Reagensgläsern etwa ein gewisser Sauerstoffmangel für die Er¬
klärung der Hemmung der Diphtheriebacillen heranzuziehen war.
Es wurden deshalb alle Reagensglasversuche von Reihe 1, Tabelle I
in großen Kolben mit 25 ccm Bouillon wiederholt. Dabei stand die
relativ geringe Flüssigkeitsmenge in nicht sehr hoher Schicht über
dem Boden und bot so der Luft eine größere Berührungsfläche.
Der Zutritt der Luft konnte noch durch wiederholtes Schütteln der
TdbeUe V.
200 ccm Kolben
mit 25 ccm
Bouillon
(PH = 7,3)
T raubenzucker-
bouülon
(PH - 7,3)
Beimpft mit
j 5 Ösen Koli + 5 Ösen Di
| 5 „ Koli + 2 „ Di
| 5 „ Koli 4- 1 Öse Di
2 „ Koli 4- 5 Ösen Di
5 Ösen Koli 4- 5 Ösen Di
I 5 n Koli 4“ 2 r> Di
j,5 „ Koli 4- 1 Öse Di
|: 2 * Koli 4- 5 Ösen Di
Nach Bebrütung von
14h
24 h
26 h
Di + 1
Di
Di-
Di -f
nur
Di-
Di +
wenige
Di-
Di +
Kolonien
Di-
Di -f 1
Di +
Di -F (
Di
Di -
Di-
spärlich i
Di
Di -f j
Di-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
12
van der Reia: Der AntagonimnUH zwischen Koli- und
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Kolben gesteigert werden. Die Resultate wichen nicht von jenen
der Reagensglasversuche ab, so daß ein Mangel an Sauerstoff nicht
in Betracht zu ziehen ist. Es erübrigte sich, Versuche über den
Einfluß der Temperatur anzustellen, weil das Optimum beider
Bakterienarten das gleiche ist.
Die Abtötung der Diphtheriebazillen wurde wie oben durch Aus¬
saat auf Tellurserumnährböden festgestellt.
Versuchsreihe 4.
Da sowohl Koli- als auch Diphtheriebacillen auf geeigneten Nähr¬
böden Säure bilden, war es unwahrscheinlich, daß die Änderung der
H-Ionenkonzentration die Hemmung verursachte. Die H-Ionenkon-
zentration gewöhnlicher Nährbouillon (PH = 7,3) beträgt nach 24 stän¬
digem Wachstum von Diphtheriebacillen PH = 7,3—7,2, bei Trauben¬
zuckerzusatz bis zu PH = 5,0 (s. Tabelle VIH). Bei Kolieinimpfung
ist zwar die Säurebildung reichlicher — in Bouillon nach 24 Stunden
PH = 7,5 —7,4, in Traubenzuckerbouillon PH = 4,6. Aber selbst
in einer Bouillon PH == 4,6 —4,5 trat keine sehr starke Verminderung
der Wachstumsintensität, geschweige eine Abtötung, ein, wenngleich
die Grenz- und optimalen Wasserstoffionenkonzentrationen für den
Diphtheriebacillus 6,0—7,4 —8,3 sind ( Dernby ), und die Toxin¬
bildung bei steigendem Säuregrad des Nährbodens geringer wird.
Auch auf den Eintritt der Hemmung blieb die gesteigerte H-Ionen-
konzentration ohne Einfluß:
Bouillon (PH = 7,3) wurde mit 5 Ösen Koli und 2 Ösen Di
beimpft. Nach 26 Stunden (PH = 6,9 ) waren die Diphtheriebaeillen
abgetötet (19 Versuche). Dieselben Ergebnisse wurden bei Ver¬
wendung von Traubenzuckerbouillon (PH = 4,8, 4,6) und Trauben¬
zuckerascitesbouillon (PH = 5,8) (10 Versuche) erzielt. Andererseits
blieb auch eine Neutralisation des Säuregrades ohne jeden Einfluß
auf die antagonistische Koliwirkung: Je ein Reagensglas mit Bouillon,
Traubenzucker- und Traubenzuckerascitesbouillon wurde mit Schlämm¬
kreide versetzt (PH = 7,6; 7,6 und 8,4), dann, wie in den oben¬
stehenden Versuchen, mit 5 Ösen Koli- und 2 Ösen Diphtherie¬
bacillen beschickt. Nach einer Bebrütung von 26 Stunden war die
H-Ionenkonzentration in den Röhrchen (PH = 7,9, 6,9, 7,3) und die
Verdrängung der Diphtheriebacillen wiederum eine vollkommene
(insgesamt 18 Versuche).
Die Wirkung der Koli- auf die Diphtheriebacillen beruht also eben¬
falls nicht auf Reaktionsänderungen des Nährbodens infolge von Lebens¬
vorgängen der Mikroben; denn sie geht auch in Nährmedien vor
sich, deren Wasserstoffionenkonzentration für beide Keimarten un¬
günstig ist.
Original from
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Diphtheriebacillen und der Versuch einer praktischen Nutzanwendung. 13
Versuchsreihe 5.
Durch diese Lebensprozesse entstehen aber Stoffwechselprodukte
verschiedenster Art, die ihrerseits das Unterliegen des einen Keimes
bewirken können. Im vorliegenden Fall kommen in der Hauptsache
nur die Stoffwechselprodukte, Enzyme oder Autotoxine des Bact. coli
als der obsiegenden Art in Betracht. Wenn in der Tat Hemmungs¬
stoffe vorhanden sind, welche die Vernichtung der Diphtheriebacillen
bewirken, mußte versucht werden, sie entweder von den lebenden
Kolibacillen zu trennen und festzustellen, ob sie filtrierbar, thermo¬
labil oder -stabil sind, oder wenn eine Isolierung nicht gelang, ihre
Wirkung auf andere Weise sichtbar zu machen. Deshalb wurden
verschieden alte Kolibouillonkulturen durch Berkefeidfilter filtriert
und die Wirksamkeit des Filtrats geprüft. 10 ccm steriles Filtrat
von 24stündigen bis 16 Tage alten Kolibouillonkulturen wurden
mit 1—5 Ösen Diphtheriebacillen beschickt. In 50 Versuchen
(Tab. VI) stellte ich übereinstimmend fest, daß die Bacillen nicht ab¬
getötet waren, selbst wenn sie 48 Stunden im Filtrat verblieben.
Auch im Filtrat 12 Tage alter Kulturen, das nach Conradi und
Kurpjuweit „Autotoxine“ enthält, wuchsen sie ungestört. Fügte ich
aber zu 10 ccm Filtrat der verschieden alten Kolibouillon 5 Ösen
Koli ’-f- 1 Öse Diphtherie, dann waren letztere nach 26 Stunden
nicht mehr züchtbar, ebenso bei Einimpfung von gleichen Mengen,
während zur Kontrolle gleichzeitig mit Koli eingeimpfte Staphylo¬
kokken, Typhus-, Heubacillen und Prodigiosus nicht abgetötet
wurden. Die Abtötungszeit der Diphtheriebacillen im Filtrat ist
also dieselbe wie in frischer Bouillon, und filtrierbare Hemmungs¬
stoffe konnten bei dieser Versuchsanordnung nicht nachgewiesen
werden.
Tabelle VI.
10 ccm Filtrat von
Kolibouillonkultur
(5 Ösen)
Beimpft mit
Bebrütet
Wachstum der
Diphtheriebacillen
auf Löfflerserum
24 Stunden alt
1 Öse Diphtheriebacillen
6 Std.
_L
24
-T r
n
' 3 Ösen
77
24
77
-f-
2 Tage
! 1 Öse
77
24
n
-t*
* „
r
i 5 Ösen
48
n
-f-
4 „
r
i 1 Öse
r
(>
77
4 *
n
; 4 Ösen
r
12
r
—
n
n
1 Öse
12
7 *
1
4-
7 *
1 5 Ösen
48
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v 1
6
77
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10 „
n
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24
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1
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n
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12
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| 5 Ösen
1
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24
77
-
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14
van der Reis: Der Antagonismus zwischen Koli- und
Difitized by
Es blieb noch die Möglichkeit, daß das wirksame Agens erst
entsteht, wenn Koli- und Diphtheriebacillen in Kontakt gewesen
sind: 5 Ösen Koli und 2 Ösen Diphtheriebacillen wurden in 10 ccm
Traubenzuckerbouillon eingebracht, 16, 25 und 26 Stunden bei 37°
belassen und dann durch ein Berkefeldfilter geschickt. In den Fil¬
traten fand keine Abtötung von Diphtheriebacillen statt, selbst nicht,
wenn sie bis zu 48 Stunden in Kontakt blieben. Auch die oben¬
genannten Kontrollbakterien wuchsen in diesen Filtraten (zusammen
22 Versuche). raWfc
- --
— - —
-
10 ccm Filtrat von |
i
Wachstum der
Kolibouillonkultur |
i
Beimpft mit
Bebrütet
Diphtheriebacillen
(5 Ösen)
i 1
auf Tellurserum
24 Stunden alt
1 5 Ösen Koli 4- 5 Ösen Di-Bac.
16
Std.
Di spärl.
24
n
n
5
ii
n 1 Öse r
24
n
—
2 Tage
i ,r *
,,
„ -f- 5 Ösen „
26
71
: —
2
n
n
j 71
n
4 1 Öse ,,
24
ii
1 —
4
ii
1
i -
0
n
n -f 5 Ösen „
26
n
—
4
n
„ 1
1 5
ii
O + 1 °se „
26
71
8
n
1 5
n
» -f 5 Ösen
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71
1 ~
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i
10
71
1
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5
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„ 4- 5 Ösen „
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Di spärl.
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ii
„4-1 Öse „
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Di spärl.
12
71
n
5
ii
„ 4-5 Ösen .,
1 26
71
; —
12
n
n
5
n
„4-1 Öse „
26
71
—
Kontrollen:
i
i
24 Stunden alt
5
K.
-f 2 Staphylokokken
1 24
Std.
1 -u
2 Tage
n
15
K.
4-10 Typhusbacillen
| 12
r>
i -}■
4
n
n |
1 3
K.
-f 7 Heubacillen
48
71
8
»
n j
5
K.
4- 4 Prodigios.
12
71
1 ^■ L
10
ii
1
» 1
4
K.
4-10 Staphylokokken
24
71
O-
12
n
!
” i
5
1
K. -f-10 Heubacillen
j 48
11
! 4-
Wenn es also nicht gelang, in den Filtraten Hemmungsstoffe
nachzuweisen, die imstande gewesen wären, die Di-Bacillen zu ver¬
nichten, widerspricht diese Tatsache nicht ohne weiteres den An¬
gaben von Conradi und Kurpjuweit , die in Bouillon iso- und auch
heteroantagonistische Hemmungsstoffe des Koli gefunden haben. Sie
ist aber auch nicht im Sinne von Manteufel , RoUy und Faltin zu
verwerten, die in Bouillon keine Hemmungsstoffe fanden; denn in
unseren Versuchen handelt es sich nicht um eine mehr oder minder
starke Zurückdrängung des einen Keimes, sondern um eine völlige Abtötung.
Nach der Feststellung der Nichtfiltrierbarkeit der vermuteten
Hemmungsstoffe wurde versucht, sie im Zentrifugat von Bouillon¬
kulturen zu finden, die gleichzeitig oder nacheinander mit Koli-
und Di-Bacillen beimpft waren (Tab. VIII). Da es auch durch wieder¬
holtes Zentrifugieren nicht möglich war, das Zentrifugat völlig steril
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UNIVERS1TY OF MINNESOTA
Diphtheriebacillen und der Versuch einer praktischen Nutzanwendung. 15
zu gewinnen, wurde in einer weiteren Serie zu allen Zentrifugaten
der Versuche Tabelle VIII, a—1 Chloroform zugesetzt und erst
nach Abdampfen desselben die Einimpfung der Diphtheriebacillen in
das nunmehr sterile Zentrifugat vorgenommen. Die Resultate blieben
dieselben wie in vorstehenden Versuchen. Im Zentrifugat der Bouillon-
kulturen von Koli - und Di-Bacillen und der Doppelreinkulturen beider
wurden aho die Diphtheriebacillen nicht abgetötet t ungeachtet der Menge
und der Wachstumsdauer der eingebrachten Mikroben. Auch wenn
die gegnerischen Arten vorgewachsen waren (e—h) oder bis zu
26 Stunden in Berührung gewesen (d, e, i, k und 1) und aufeinander
gewirkt hatten, mißlang der Nachweis im Zentrifugat, trotzdem das¬
selbe in den Versuchen, die nicht mit Chloroform angesetzt wurden,
noch einige lebende Kolikeime enthielt.
Tabelle VIII.
1
Dauer der
Bebrütung
H-Ionen-
konzentra-
tion der
bebrüteten
Bouillon
Zentrifugat
beimpft mit
Ergebnis:
Di-Bacillen nach
12 Std. 28 Std.
a) Bouillon {PH = i
7,3) beimpft mit:
10 Std.
—
1 öße Di-Bac. |
-f-
+
3 Ösen Koli
22 n
—
ln n
—
24 n
7,3
ln n
-J-
-r
10 n
—
ln n
_L
5 Ösen Koli
24 n
7,2
1 n
+
~r
1 26 n 7,2 I
b) Traubenzuckerbouillon (PH = 7,3)
ln n
beimpft mit:
10 Std.
7,3
1 Öse Di-Bac.
-r
-L
2 Ösen Koli
16 n
_
ln n
-p
4-
24 n
6,0
ln n
+
ji 26 »
5,3
ln n
-
-
20 n
—
ln n
"T
~r
10 Ösen Koli
1 24 n
ln r
-f
c) Traubenz
1 26 n 4,9
uckerascitesbouillon (I
ln n
>H = 6,5):
+
1 Öse Koli
! 20 Std.
_
1 Öse Di-Bac.
;
' 24 »
1
5.»
ln n
4-
16 i,
—
1
1 1 n n
-f-
+
7 Ösen Koli
* 20 n
—
11 n n
'f
j 26 »
d) Bouillon (PH =
5,4 1 1 vi
7,3) beimpft mit:
4*
3 Ösen Koli
20 Std.
7,1
1 Öse Di-Bac.
-T-
-f
und 3 Ösen Di-Bac.
i 26 «
7,!
ln n
T’
5 Ösen Koli
20 n
7.1
ln n
4-
1 +
und 2 Ösen Di-Bac.
1 26 n
6,9
ln n
4-
, 4-
Ösen Koli und 6 Ösen Di-Bac.
26 n
—
ln n
-f
1
| ^
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1 ti van der Reis: Der Antagonismus zwischen Koli- und
Tabelle VIII (Fortsetzung).
| H-Ionen- j
| konsentra-
l Dauer der ti()n der Zentrffugat
| BebrUt,,n « bebrüteten beim P ft mit
J Houillon
Ergebnis:
Di-Bacillen nach
12 Std. 28 Std.
e) 24 std. Kolibouillon (3 Ösen Koli) (PH = 7,S) beimpft mit:
|! IG Std. — 1 Öse Di-Bac. -f
3 Ösen Di-Bac.
20
| 2G
IG
1 20
26
7,3
24std. Kolibouillon
(5 Ösen Koli und 1 Öse Di-Bac.)
24 std. Kolibouillon ||
(2 Ösen Koli und 6 Ösen Di-Bac.) ^
26
16
20
7,4
f) 24std. Kolibouillon {7 Ösen) mit Traubenzuckerzusatz (PH = 4.6) beimpft mit:
I 16 Std. — 1 Öse Di-Bac. -f —
3 Ösen Di-Bac.
20
1
4-
26 n
4.6
1 n
n
1
16 r
—
1 n
n
1
Ösen Di-Bac.
20 n
—
1 n
n
' -r ■
26 n
4,6
1 n
n
-f !
g) 248td. Diphtherietraubenzuckerbouillonkultur (7 Öse) (PH — 5,0) beimpft mit:
: io std.
_
1 Öse Di-Bac.
~L_
6 Ösen Koli 20 n
—
1 n
1 26 n
4,9
1 n n
4-
-
12 Ösen Koli ^ r
4,8
1 n n
4-
i 26 n
4,8
ln n
4-
—
h) 24std. Diphtherieascitestraubenzuckerbouillon (1
Öse) (PH = 5,3) beimpft
mit
1 10 Std.
—
1 Öse Di-Bac.
~r i
—
6 Ösen Koli 20 n
—
ln n
4-
j-
1 26 ”
5,1
ln n
4-
-r
12 Ösen Koli ^ Std -
o,2
ln n
4-
—
l 26 „
5,0
1 n
4~
i) Bouillon mit Kreidezusatz (PH =
7,6) beimpft mit:
>1 10 Std. ;
7,7
1 Öse Di-Bac.:
-i. i
- r )ösen Koli und 2 Ösen Di-Bac. 20 n
ln n
.4-
j| 26 „ |
< ,9
ln v (
•r i
k) Traubenzuckerbouillon mit Kreidezusatz (PH = 7,6) beimpft mit:
oÖsen Koli und 2 Ösen Di-Bac.
7,1
1 Öse Di-Bac.
4-
4-
2b n
6,9
1 ” ” |;
4-
-r
l) Traubenzuckerascitesbouillon mit Kreidezusatz (PH — 8,4) beimpft mit:
5ÖBen Koli und 2 Ösen Di-Bac. StA l l’l 1 Öse E>i-Ba.c + |
.26 * 7,3 1 n n ! -f
Qrigiraal from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
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Diphtheriebacillen und der Versuch einer praktischen Nutzanwendung. 17
Da sich das heteroantagonistisch wirksame Prinzip weder im
Zentrifugat noch im Filtrat überhaupt hatte bestimmen lassen, blieb
nur noch übrig, nach einer Adsorptionsfähigkeit desselben in den
genannten Medien zu fahnden. Ich stellte die Adsorptionsversuche
nur in Doppelkulturen der Bakterien in Bouillon an: 10 ccm Bouillon,
Traubenzucker- * und Traubenzuckerascitesbouillon wurden mit Koli-
oder Diphtheriebakterien (in demselben Verhältnis wie in Tabelle VIII)
beimpft und mit 5 0/ 0 Tierkohle versetzt. Serie I wurde nach 26
Tabelle IX.
Einwirkung*- ; Wachstum nach 24 Stunden
Medium dauer auf Telluraerum
Serie. I.
Bouillon und 5° l0 Tierkohle mit:
1. 4 Ösen Koli
— 5 Ösen Di-Bac.
20 Std. i
Di
26 »
Di-
2. 4 Ösen Koli
f- 1 Öse Di-Bac.
1 * 1
Di
2 n
Di-
Traubenzuckerbouillon und 4°/ 0 Tier -
kohle mit:
1. 4 Ösen Koli
j
* 4 Ösen Di-Bac. i
1 *
Di-
i 1
2 n |
Di-
2. 4 Ösen Koli
r 1 Öse Di-Bac. ^
1 r
Di-
i
2 n
Di -
Traubenzuckeraszitesbouillon und 4%
Tierkohle mit:
1. 5 Ösen Koli
-f 5 Ösen Di-Bac. j
1 n
Di-
2 v
Di
2. 5 Ösen Koli
• 1 Öse Di-Bac. !,
1 r
Di-
2 n
Di -
Serie I /.
Bouillon und 4°/ 0 Tierkohle mit: ■
1. 5 Ösen Koli -f 5 Ösen Di-Bac.!
2. 5 Ösen Koli 4- 1 Öse Di-Bac. j
|
Trauhenzuckerbouillon und 5 °/ 0 Tier¬
kohle mit:
1. 5 Ösen Koli 4- 5 Ösen Di-ßac. j
2. 4 Ösen Koli -f 1 Öse Di-Bac, j
ii
Traubenzuckeraszitesbouillon und 4°/ 0
Tierkohle mit: I
1. 5 Ösen Koli -f 5 Ösen Di-Bac. .
2. 4 Ösen Koli -f 1 Öse Di-Bac. |
Z. f. d. g. exp. Med. XXX.
1 *
2 *
1 r
2 n
1 ^ Nach der jeweili-
2 n t gen BebrütungB-
j I > zeit 10 Minuten im > Di
2 Schüttei apparat
geschüttelt
1 »
2 r
1 r
2 „
9
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18
van der Reis: Der Antagonismus zwischen Koli- und
und 28 Stunden auf Tellurserumplafcten ausgestrichen, Serie II vor¬
her 10 Minuten geschüttelt, um die Möglichkeit einer Adsorption zu
erhöhen. Die Diphtheriebacillen wuchsen in keinem Falle. Eine
Adsorption von Hemmungsstoffen war also nicht eingetreten.
Dagegen ließ sich bei kurzdauernder Erwärmung von Bouillon
und — weniger einwandfrei — von Plattenkulturen eine wesentliche
Beeinflussung des Antagonismus feststellen. Durch 5 Minuten langes
Erhitzen der Bouillondoppelreinkulturen auf 60° C wurde der hem¬
mende Einfluß völlig aufgehoben, so daß die Abtötung auch nach
folgender 30stündiger Bebrütung (Tab. X) nicht mehr eintrat. Dabei
blieben aber die Kolibacillen am Leben, wie wir durch einen Aus¬
strich Schrägagar und Endo feststellten. (Nach 15 Minuten langem
Erhitzen waren die Kolikeime abgetötet.)
Tabelle X.
' ~.
! Bodensatz des Zentri-
Medium
1 Alter der
Kultur
Erwärmung
mit f>0°C
Beimpft mit
fugats auf Tellurser.
| ausgestrichen nach
i _
2t; Std.
:;o iStd.
Kolibouillon
frisch
5 Min.
1 Öse B. diph
Di-f
Di —
4 Tage
5
r>
1
r>
n
Di
Di ^
Traubenzuckerbouillon
24 Std.
5
r
1
n
n
r
Di -
Di —
4 Tage
5
n
1
n
*1
n
Di —
DH
Kontrollen:
1
Kolibouillon
24 Std.
nicht erwärmt 1
w
r>
*
Di-
Di-
1 4 Tage
r
r»
1
n
*
n
I Di-
Di-
Traubenzuckerbouillon :
24 Std.
n
r
1
r
r
Di l
Di-
j
1 4 Tage
w
1
n
v
n
Di
Di -
Es muß also angenommen werden, daß das hemmende Prinzip
durch die Erhitzung auf 60° C vernichtet wurde und es sich um
einen thermolabilen Hemmungsstoff handelt, der in der Bouillon vor¬
handen ist. Auch auf Spatelplatten mit Koli- und Diphtheriebacillen,
die über dem Wasserbad 5 Minuten auf 60° C gebracht waren, stellte
sich in 10 Versuchen 7 mal nach 26 Stunden keine Abtötung ein,
3 mal dagegen wuchsen noch Diphtherieerreger auf Tellurserum, wenn
auch sehr spärlich. Es handelt sich wahrscheinlich ebenfalls um
thermolabile Hemmungsstoffe, deren Nachweis im Agar auf diese
Weise aber nicht sicher gelang, vielleicht weil die schnelle und gleich¬
mäßige Erwärmung der Agarschicht technisch auf Schwierigkeiten
stößt. Ich versuchte deshalb unter anderen Versuchsbedingungen
weitere Aufschlüsse über den Hemmungsstoff zu gewinnen. Agar-,
Traubenzucker-, Ascitesagar- und Löfflerserumplatten wurden mit
Diphtheriebacillen bespatelt und in der I. Serie (38 Platten) sofort
nach Art der Auxanogrammethode in der Mitte mit einem Tupfen
_ Original fram __
UNIVERSITY 0F MINNESOTA
Diphtheriebacillen und der Versuch einer praktischen Nutzanwendung 19
Kolibacillen von einem Schrägagarröhrchen beschickt. Sobald ein
sichtbares Wachstum beider Mikroben eingetreten war, zeigte sich
um den Kolitupfen herum ein runder keimfreier Hof , der makro¬
skopisch wie ein ausgestanztes, helles Loch mit scharfem Rand in
dem matten Diphtherierasen aussah. Die Breite dieser Zone betrug
nach völliger Ausbildung 4 bis 6 mm. Wenn ein Kolistrich auf der
Platte angelegt war, folgte der keimfreie Hof, ebenfalls dessen Grenze
in einem gewissen Abstande. Gelegentlich ließen sich unter dom
Mikroskop in dem Hof noch vereinzelte kleine Kolonien entdecken,
die bei Überzüchtung meistens nur kümmerlich anwuchsen. Ein Be¬
günstigungswall, wie er bei der oligodynamischen Metallwirkung auf
Bakterien angegeben wird, war nicht vorhanden. Wohl sind die
Kolonien an dem äußeren Rand des Hofes häufig größer und dicker,
stehen aber dafür einzelner als auf der übrigen Platte. Es handelt
sich hier, wie Cobel und v. d. Reis für andere Verhältnisse gefunden
und näher besprochen haben, wohl um Wachstumsbeeinflussungen
durch Nährstoflbegünstigung. Vielfach ist das üppigere Wachstum
am Rand der bakterienfreien Zone auch nur ein scheinbares und
wird besonders bei durchsichtigen Nährböden durch den plötzlichen
Übergang des blanken Hofes in den matten Bakterienrasen vor¬
getäuscht.
In einer 2. Serie (45 Platten) ließ ich die mit B. diphth. be-
spatelten Platten 6 bis 12 Stunden vorwachsen und brachte erst dann
die Colitupfen oder -striche auf. Nach 24 bis 36 Stunden bildeto sich
ein keimfreier Hof in dem Diphtheriebelag’, der kleiner war als auf
den gleichzeitig beimpften Platten. Ein Begünstigungswall konnte
nach mehreren Tagen nicht beobachtet werden. Auch hier fanden
sich in der Abtötungszone einige verkümmerte Kolonien, die nur in
wenigen Fällen auf Serum wuchsen, gewöhnlich aber abgetötet waren
und im Präparat Involutionsformen von B. diphth. zeigten. Hier
waren also schon gewachsene Kolonien nachträglich abgetötet worden.
Wenn die Platten mehrere Tage weiter bebrütet wurden, wuchsen
die Bakterien vom äußeren Rande der Hemmungszone dichter an
den Kolitupfen heran. Auf Kon trollplatten ließen Typhusbacillen,
Prodigiosus, Staphylokokken die Diphtheriebacillen ungestört wachsen,
während B. subtilis und mesentericus (Pringsheim) häufig ähnlich
wirkten wie B. coli. Bei den umgekehrten Kontrollen übte Koli
keinen Einfluß auf die genannten Keime aus. Auch in Diphtherie¬
schüttelplatten (45 Platten) (Agar, Traubenzucker-, Aszites- und Zitronen-
safttraubenzuckeragar), auf denen gleich nach dem Erstarren Koli-
striche angebracht waren, trat die Abtötung deutlich hervor. Beson¬
ders die durchsichtigen Schüttelplatten aus Zitronensaft! rauben-
zuckeragar ließen bei makroskopischer Durchsicht erkennen, wie
2 *
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
20
van der Reis: Der Antagonismus zwischen Koli- und
Difitized by
die im Nährboden punktförmig verteilten Kolonien in der Nähe
des Kolistriches seltener wurden und dann in einiger Entfernung
ganz, in einigen Platten fast ganz auf hörten. Diese helle Zone hob
sich von dem getrübten Nährboden deutlich ab und ging durch die
ganze Tiefe der Platte hindurch. Ein Begünstigungswall trat in
keinem Falle auf. Unter dem Mikroskop waren in dem Hemmungs¬
bezirk — ähnlich wie auf den Spatelplatten — vereinzelte winzige Kolo¬
nien sichtbar, vor allem wenn der Kolistrich erst 12 Stunden nach
dem Gießen der Schüttelkultur angelegt war. Der Hof war unter
diesen Bedingungen auch schmäler.
Das Auftreten des keimfreien Feldes kann nur durch die Diffusion
von Produkten des B. coli in den Agar erklärt werden, die für
B. diphth. giftig, für Bact. typh., Bac. subtilis, inesentericue, prodi-
giosus und Staphylokokken dagegen unschädlich sind, wie auf Kon-
trollplatten festgestellt wurde. Es war somit gelungen , im Agar die
Wirkung von Hemmungsstoffen sichtbar zu machen. Eine gleichzeitig
begünstigende Wirkung — etwa bei einer bestimmten Konzentration
dieser Stoffe — wurde aber nicht beobachtet.
Die hemmenden Produkte des B. coli üben aber nicht allein ihre
Wirkung auf die Diphtheriebacillen, sondern auch auf Kolibacillen
selbst aus, wie aus den folgenden Versuchen hervorgeht. Die Hem¬
mungsstoffe sind also zugleich hetero- und isoantagonistisch .
Kolitupfen erzeugten auf Kolispatelplatten dieselben keimfreien
Zonen, wie wir es bei Diphthorieplatten beobachteten, selbst wenn
alle Individuen von ein und derselben Kultur stammen. Ferner ging
ein Überflächenausstrich von B. coli auf Kolischüttelplatten nicht an.
während z. B. Staphylokokken, Heubacillen und Prodigiosus auf
solchen Platten wuchsen. Die Hemmungsstoffe sind aber an das
Vorhandensein lebender Kolibacillen gebunden. Waren nämlich die
Bakterien durch Hitze oder Formaldehyd abgetötet, dann traten
weder auf Koli- und Diphtheriespatelplatten noch in Schüttelplatten
keimfreie Zonen auf (wie auch in erhitzter Bouillon der Antagonis¬
mus nicht zustande kommt):
Auf Diphtherie- und Kolispatelplatten wurde der Rasen durch
Tupfen und Striche von abgetöteten Kolibacillen nicht unterbrochen.
Auf Schüttelplatten mit toten Kolibacillen wuchsen Bac. diphth.
und coli, die gleich nach dem Erstarren aufgebracht wurden (im
Gegensatz zu Eisler ), fast so üppig wie auf Kontrollplatten ohne
tote Keime.
Hierdurch ist gleichzeitig der Nachweis erbracht, daß kein Nähr¬
stoffmangel (Manteufel) vorliegen kann. Es wäre sonst schwer zu
erklären, daß Typhus-, Heubacillen, Prodigiosus und Staphylo¬
kokken, die nicht weniger große Ansprüche an den Nährboden stellen
Original from
UNIVERSITY 0F MINNESOTA
Diphtheriebacillen und der Versuch einer praktischen Nutzanwendung. 21
wie B. coli, als Oberflächenausstrich auf lebenden Koli- und Koli-
diphtherieschüttelplatten wachsen, Diphtherie- und Kolibacillen da¬
gegen nicht. Viel zwangloser ergibt sich die Annahme von Hemmunge-
stoffen — die sich gegen die Kolibacillen selbst, und vor allem
gegen die Diphtheriebacillen wenden — und zwar von thermolabilen.
Werden nämlich 24 Stunden gewachsene Kolischüttelplatten kurz
auf 60° C erhitzt, ohne daß dabei eine Abtötung der Keime erfolgt,
dann geht nunmehr sowohl der Oberflächenaustrich von Diphtherie¬
ais auch von Kolibacillen an, wenngleich in manchen Versuchen
sichtlich schwächer als auf völlig abgetöteten Schüttelkulturen.
Das Verhältnis des Hemmungsstoffes zurTemperatur wurde weiterhin
so untersucht, daß die fertigen Spatel- und Schüttelplatten 5 Minuten
über einem Wasserbad von 60° C erwärmt wurden. Die beiden
Deckel der Petrischale waren durch einen passenden Filzring ge¬
trennt, durch den ein Thermometer in die Agarschicht führte.
Wenn das Thermometer 60° anzeigte, wurden die Platten 5
Tabelle XI a.
Traubenzuckeragar-
sch Uttel platten mit:
Drigalskischale sofort bespatelt mit : !
1. Viertel
•2. V. 3. V.
4. V.
V. 2. V.
Resultate :
3. V.
4. V.
Di — Koli —Prod. f Tv.
Je 1 Öse:
20 Ösen B. coli ;j B.diphth. B. coli Prodig. B. typh.
Je 5 Ösen:
o Ösen B. coli | B.diphth. B. coli Prodig. Staph. j Di —Koli—Prod. 1 St.
I Je 7 Ösen:
1 Öse B. coli j B.diphth. B. coli Prodig. Staph.
Di—Koli—Sub. -f St.
Schüttelplattenl i
12 u. 24 Stunden f j
vorgewachsen ) j
dieselben Resultate.
Tabelle Xlb.
Schüttelplatten mit:
' Drigalskischale sofort bespatelt mit je 1 Öse
Resultate:
1. Viertel
2. V.
3. V.
4. V. | 1. V. 2. V. 8. V.
4. V.
5 Ösen Koli -f
1 Öse B.diphth.
1 Öse Koli -f
5 Ösen B.diphth.
3 Ösen Koli -f 1
3 Ösen B.diphth.!'
B. diphth. B. coli Prod. B. typh.
B. diphth. B. coli Subt. Staph.
B. diphth. B. coli B. typh. Prod.
Di — Koli — Prod. — Ty.
(schwach)
Di— Koli - Subt.-rStaph.
Di — Koli — Ty. -f Prod |-
(schwach)
Schüttelplattenj j|
12u.24Stunden>il dieselben Resultate,
vorgewachsen ) ij
Digitized b"
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van der Reis: Der Antagonismus /.witschen Koli und
Difitized by
Tabelle Xlla.
Traubenzuckeragar- .
schüttelplatten so - ‘
fort durchErhitzen !
(2 h auf SO 0 abge- 1
tötet) mit : |
Drigalskischalen sofort bespatelt mit
je 1 Öse
1 . Viertel 2. V. 3. V. 1 . V.
!
Resultate :
l.V. 2. V. s.V. 4 . V.
20 Ösen B. coli
1 Di
Koli
Prod.
Typh.
Di j-Koli {-Prod.-f-Typh. -
• r > ÖBen B. coli
1 Di
Koli
Subt.
Stapli.
Di! Koli i-Subt. f Staph.—
1 Öse B. coli
, W
Koli
Prod.
Staph.
Di f-Koli-f Subt. f Typh --
o Ösen Koli — 1
1
1 Öse B. diphth.
1 Öse Koli -f-
; Di
Koli
Prod.
Typh.
Di KoliProd.4Typh. }-
5 Ösen B. diphth. i
3 Ösen Koli f
Koli
Suhl.
Staph. ]
Dil-Koli+Prod.-j-Staph.-f-
3 Ösen B. diphth.;
; üi
Koli
Subt.
Typh.
Di f- Koli -Subt. -Typh.—
Hochschicht- ^
schüttelröhr-
chen 12 und 24
Stunden vor ge¬
wachsen, dann
abgetötet durch
Erhitzen(2hauf
60 °C),Schüttel¬
platten abgetö¬
tet durch Form¬
aldehyd
di esc Iben Resultate.
Tabelle XI Ib
---L
Traubenzuckeragar- 1
schütte] platten 1
(6 Minuten auf 60°
erhitzt) mit:
Drigalskischalen sofort bespatelt mit ,,, 4
mit je 1 Ose: Kesultate:
1. Drittel 2. Dr. 3. Dr. 1. Dr. 2. Dr. 3. Dr.
20 Ösen B. coli
5 Ösen B. coli
1 Öse B. coli j
B. diphth. B. coli Prod. Di f Koli + Prod. -f
B. diphth. B. coli Staph. Di -f Koli -f Staph. -f
B. diphth. B. coli Subt. Di + Koli + Subt. -f
5 Ösen B. coli -j-|
1 Öse B. diphth.
1 Öse B. coli f
5 Ösen B. diphth. i
3 Ösen B. coli 4
3 Ösen B. dipth. j|
i
B. diphth. ß. coli Prod. Di — Koli -f- Prod. -f
B. diphth. B. coli Staph. Di -j- Koli + Staph.+
B. diphth. B. coli Subt. Di -j- Koli 4 Subt. 4-
Bei 24 Stunden^ j
alten Trauben- '
zuckeragar- j
schütte! platten
(5 Minuten auf |
60° erhitzt) j
1
1
dieselben Resultate.
Gck igle
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Diphtheriebacillen und der Versuch einer praktischen Nutzanwendung. 23
Minuten bei der Temperatur belassen und bei 37° weiterbebrütet.
Von 25 Versuchen zeigten 20 keinen keimfreien Hof. Ebenso
wie in den Platten versuchen zu Tabelle X konnte auch bei dieser
Anordnung ein thermolabiler Hemmungsstoff im Agar nicht ab¬
solut einwandfrei, wenn auch mit größerer Wahrscheinlichkeit,
nachgewiesen werden.
Versuchsreihe 6.
Es handelte sich nunmehr darum, die Hemmungsstoffe näher zu
untersuchen und festzustellen, ob sie identisch sind mit den be¬
kannten Stoffwechselprodukten des B. coli oder ob Fermente oder
besondere Gifte in Betracht kommen, welche die bakterizide Wir¬
kung auf die Diphtheriekeime ausüben.
Die Diffusionsfähigkeit der Hemmungsstoffe in Gallerten, die
sich schon durch das Auftreten des keimfreien Hofes zu er¬
kennen gibt, konnte weiterhin durch folgende Versuche sichtbar ge¬
macht werden:
Eine Agarplatte, auf der ein breiter Kolistrich angelegt war,
wurde mit einer dünnen Scheibe (in einer 2. Petrischale fertiggestellt)
aus Ascites- oder Zitronensafttraubenzuckeragar bedeckt. Beim Be-
spateln der Oberfläche mit B. diphth. zeigte sich nach 24—36
Stunden in dem Diphtherierasen eine freie Stelle, die bei 7 von 10
Platten eine ziemlich genaue Projektion des Streifens (auf der
unteren Schicht) darstellte, bei den übrigen 3 weniger regelmäßig
gestaltet war. (Platten, auf denen die Kolibacillen nach den Seiten
weitergewuchert oder durchgewachsen waren, konnten nicht benutzt
werden). Durch eine dickere Schicht (ca. 10—13 mm) war nur bei
3 von 10 Platten eine Diffusion nachzuweisen, so daß anzunehmen
ist, daß es sich um verhältnismäßig geringe Mengen handelt oder
um Stoffe von schwacher Wirksamkeit. Dafür spricht auch die
Vergrößerung des keimfreien Hofes um 1—2 mm im Durchmesser,
die erzielt wurde, wenn wir die Kolitupfen auf papierdünnen Diph¬
theriespatel- und -schüttelplatten anlegten (20 Platten).
Die Dialysierbarkeit des hemmenden Agens prüften wir so, daß
in einer Petrischale eine passend zugeschnittene Scheidewand (Lode)
aus Dialysiermembran mit Hühnereiweiß äm Boden und am Rand
angeklebt wurde: Beim, Sterilisieren koaguliert das Eiweiß und
beide Hälften sind durch eine für Wasser undurchdringliche Wand
getrennt. Die Schale konnte nun mit Agar gefüllt, zu beiden
Seiten mit B. diphth. bespatelt oder mit Diphtherieschüttelagar be¬
schickt und auf der einen Seite mit Kolistrichen bis an die
Wand versehen werden. Die entstehenden Hemmungszonen griffen
bei 15 Versuchen niemals auf die andere Seite über. Eine Dialysier¬
barkeit der hemmenden Bakterienprodukte war also nicht festzustellen .
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24
van der Rein: Der Antagonismus zwischen Koli- und
Difitized by
Der Nachweis der Nicht filtrierbarkeit durch Tonkerzen war
schon durch den Umstand erbracht, daß im Filtrat der Kolibouillon-
kulturen keine Abtötung der Diphtheriebacillen stattfindet (Tab. VI).
Es konnte nun noch der Versuch unternommen werden, die bei den
Lebensprozessen der Kolibacillen entstehenden Stoffwechselprodukte
auf ihre Wirksamkeit und etwaige Identität mit den Hemmungs¬
stoffen zu’ untersuchen. Produkte wie Phenol und Ammoniak ent¬
stehen in solch geringen Mengen, daß sie vernachlässigt werden
können. Tryptophan tritt bei indolbildenden Kolibacillen — und
nur mit solchen wurde gearbeitet — nicht auf, dagegen wohl
Kreatinin. Letzteres entsteht aber nicht, wenn die Indolbildung
verhindert wird (s.Tab.XIIIc). Schwefelwasserstoff bildet sich erst in
Kulturen, die mehrere Tage alt sind. Wichtiger dagegen ist die
Prüfung der hauptsächlichen Lebensprozesse selbst:
Säurebildung aus Trauben- und Milchzucker.
Gasbildung aus Traubenzucker,
Indolbüdung
Reduktionswirkung auf Farbstoffe,
Lebensfähigkeit (Untersuchung erübrigte sich, nachdem bereits
festgestellt ist, daß die Bakteriophagie an die
lebenden Kolibacillen gebunden ist),
Fermentwirkung.
Da die verschiedenen Stoffwechselvorgänge relativ unabhängig
voneinander verlaufen, konnte versucht werden, durch gewisse Gifte
die einzelnen Prozesse nacheinander zu unterdrücken, ohne die Lebens¬
fähigkeiten des B. coli zu unterbinden. So hemmt Kristallviolett in
einer Konzentration von 0,01—0,001 °/ 0 die Reduktion in Neutral¬
rottraubenzuckerbouillon, während Gas- und Säurebildung nicht leiden
und das Wachstum erst bei 0,12°/ 0 gehemmt wird (Verzar). Die
Säure- und Gasbildung kann durch Zusatz von 20—26 °/ 0 gesättigter
wäßriger Chloroformlösung zu Kolikulturen in Traubenzuckerbouillon
verhindert werden, ohne die Lebensfähigkeit zu vernichten. Die
Indolbildung wird dabei nur unbedeutend beeinflußt. Besonders wirk¬
sam ist Cyankali , das die Reduktionswirkung bei einer Konzentration
von 0,001 °/ 0 und die Gasbildung bei 0,005 °/ 0 in Neutralrottrauben¬
zuckerbouillon und die Indolbilduwg bei 0,002 °/ 0 in gewöhnlicher
Bouillon aufhebt.
Die Wachstumsfähigkeit, die sowohl von der Reduktion, als
auch von der Gas- und Indolbildung unabhängig ist, leidet erst bei
einer Konzentration von 0,1 °/ 0 Cyankali. Den verschiedenen Koli¬
kulturen, die durch Zusatz von Kristallviolett, Cyankali oder Chloro¬
form einzelner biologischer Fähigkeiten beraubt waren, wurden jetzt
Original fram _
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Diphtheriebacillen und der Versuch einer praktischen Nutzanwendung. 25
Diphtheriebacillen zugesetzt. Aus den folgenden Tabellen ist er¬
sichtlich, daß sie trotz allem imstande waren, ihre Wirkung auf die
Diphtheriebacillen so auszuüben, als ob sie nicht geschädigt seien.
Denn die Abtötungsdauer ist dieselbe geblieben wie bei den nicht-
geschädigten Kolibacillen.
Tabelle XIII a.
Hemmung der Reduktion durch Kristallviolett.
Medium !
Beimpft mit
| Wachstum
Wachstum von B. diphth. auf
Tellurserum nach Stunden
i
[ von B. coli
1
IG 1
20 j 24
26
i
Neutralrot-
3 Ösen B. coli 4
traubenzucker- !
bouillon !
4
3 „ B. diphth.
4
i
4
2Kolo-
—
5 Ösen B. coli 4
1 Öse B. diphth.
1
: +
1
8Chw. D,en
posit. —
_
0,012 °/ 0 Kristall¬
violett
1 Öse B coli +
5 Ösen B diphth.
1 +
1
4 !.
SKolo-
nien
_
Tabelle XHIb.
Hemmung der Säure- und Gasbildung durch Chloroform.
Traubenzucker¬
3 Ösen B. coli 4
I
bouillon
3 „ B. diphth.
4-
4. 1
1 i
4
—
4
5 Ösen B. coli 4
1
i
|
23°/ 0 gesättigte
1 Öse B. diphth.
4
+ 1
wässerige Chloro¬
1 n B. coli 4
I
I
2 Kolo¬
formlösung.
5 Ösen B. diphth.
i
i
nien
Tabelle XIII c.
Hemmung der Indolbildung durch Cyankali.
i
3 Ösen B. coli -f
3 - B. diphth.
1
4- 1
i
Bouillon j
5 Ösen B. coli 4
j
schw.
0,002 °/ 0 Cyankali l
i
1 Öse B. diphth.
1 „ B. coli 4
+ i
1
+
posit.
■ - ,
1
1
5 Ösen B. diphth.
4
4
n .
TabeUe XIII d.
Hemmung der Gasbildung durch
Cyankali.
j 3 Ösen B. coli 4
i
i
1 l
Neutralrot¬
i 3 „ B. diphth.
+
4 |
2 ö
±
traubenzucker¬
bouillon
4* 1
0,005 °/ 0 Cyankali j
, 5 Ösen B. coli 4
1 Öse B. diphth.
I 1 „ B. coli 4
+ !
4
vereinzel
Kolonie]
i
5 Ösen B. diphth.
4
Außer den eben besprochenen chemischen Leistungen des Bak¬
terienstoffwechsels, die sich auf die eigentümlichen Stoffwechsel¬
produkte beschränken, scheiden manche Bakterien noch Fermente
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2<> van der Reit: Der Antagonismus zwischen Koli- und
(Ekto- und Endozyme) und Oifte aus. Von Fermenten des Koli ist
bislang nur ein Labenzym sicher bekannt. Zur Darstellung wurden
Kolitupfen auf Milch- und Caseinagar (100 ccm 3 °/ 0 Agar mit 1 °/ 0
Pepton, 1 / a °/o NaCl und 4 °/ 0 Milchzucker, versetzt mit 50 g
Casein und 15 g Ätzkali, in 1 1 Wasser gelöst, mit HCl neutralisiert
bis zur schwachen Ausscheidung von Casein) angelegt. (Eijlcman,
Mac Donnell). Um die Kolonien herum entwickelte sich ein deut¬
licher dunkler Hof, in dem das Casein durch das Labenzym ge¬
fällt ist. Dieser Hof ist um 1—2 mm größer als die keimfreie
Zone, welche um einen Kolitupfen entsteht, der sich auf einer Di¬
phtheriespatelplatte (mit Milch- oder Caseinagar) nach 24 Stunden
bildet. In den nächsten 24—36 Stunden schreitet der trübe Ring
im Nährboden weiter nach außen, während der keimfreie Hof sich
etwas verkleinert, so daß der Wirksamkeitsbereich des Enzyms nur
zum Teil keimfrei ist und sich nicht mit der Hemmungszone deckt.
Beziehung zwischen Hemmungsstoff und Enzym, die auf eine Iden¬
tität hätte schließen lassen können, besteht demnach nicht. Die
Suche nach weiteren ex^raeellulären Produkten mit fermentierender
Wirkung verlief ergebnislos. Es blieb noch die Möglichkeit, intra¬
celluläre Enzyme aufzufinden. (Die Unterscheidung von Ekto- und
Endoenzymen hat zwar kaum noch wissenschaftlichen Wert, ist aber
von praktischer Bedeutung, da sie auf ihrer verschiedenen Dar¬
stellungsmethode beruht.) Die Trennung der Enzyme von den Bak¬
terienleibern wird in erster Linie durch Auspressen mit der hydrau¬
lischen Presse besorgt, ein Verfahren, das aber für manche Bak¬
terien zu eingreifend ist und sich durch das Acetonverfahren (Albert)
umgehen läßt, welches für Bakterien besonders modifiziert wurde
(Hahn und Cathcart , Maassen). Der 48 Stunden auf großen Schalen
gewachsene Kolirasen wurde nach der Behandlung mit Aceton im
Vakuum schnell getrocknet, mit sterilem Wasser angefeuchtet und
im sterilen Achatmörser mit Quarzsand 10 Minuten kräftig zer¬
rieben. In den zerriebenen Bakterienmassen konnten durch Aus¬
saat auf Agar keine lebenden Keime mehr nachgewiesen werden,
auch war in Neutralrottraubenzuckerbouillon keine reduzierende Wir¬
kung zu verzeichnen. Aufschwemmungen dieser Bakterienreste von
1:2 Teilen Bouillon und physiologischer NaCl-LÖ3ung wurden in
wechselnden Mengen zu Bouillonröhrchen gegeben und mit Di¬
phtheriebacillen beimpft. Bei keinem Mengenverhältnis töteten die
zerriebenen Bakterien die Diphtheriekeime ab (s. Tabelle XIV).
Tupfen von den zerriebenen Kolibacillen brachten auf Di-
phtheriespatelplattcn auch keinen keimfreien Hof hervor; ebensowenig
hemmte Zusatz zu Agarschüttelplatten das Wachstum ausgespatelter
Diphtheriebacillen. Eine enzymatische Wirkung konnte ebenfalls nicht
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Diphtheriebacillen und der Versuch einer praktischen Nutzanwendung. 27
Tabelle XIV.
Nfihrmedium
Z «gesetzt
i_ .... . 1
Beimpft mit
Diphtheriebacillen
Aufstrich auf
Löfflerserum
! zerriebene
i Bakterien
Jl Öse
Di -
! zerriebene
Bakterien
130 Ösen
)
Di -f-
i
zerriebene
1 Bakterien
! . i
11 Öse einer Aufschwemmung
/von 2 Ösen in 2 ccm NaCl-
i Lösung
Di
!
Bouillon j
Aufschwemmung von
zerriebenen Bakterien j
in phys. NaCl- j
Lösung ää
2 Ösen
Di r
| Aufschw. 1:2 |
1 Öse |
Di -f
Bouillon |
' :J
i i
1 i
Aufschw. 1 : 2
I 1
l Öse einer Aufschwemmung
von 1 Öse in 2 ccm NaCl- j
Lösung
Di -f
gefunden werden, wenn die Kolibacillen durch Hitze oder Chloro¬
formzusatz abgetötet und dann zerrieben waren.
Bei den gewöhnlichen Stoffwechselvorgängen entstehen häufig
als Haupt- oder Nebenprodukte außer den Stoffwechselgiften , deren
chemische Natur bekannt ist — Säuren, Ammoniak, organische
Basen, aromatische Produkte — spezifische Gifte, die Eigengifte.
Die Gifte des Kolibacillus sind bisher nur wenig studiert worden.
Wir kennen das sogenannte Cellische Gift und die Gifte von Carega ,
Vanghan und Wheeler , beides Leibesgifte. Sekretgifte sind noch
nicht gefunden worden. Die Ergebnisse sind aber sehr vorsichtig
aufzunehmen, weil sich bei gleicher Behandlungsmethode auch aus
Eiweiß ein alkohollösliches Gift mit denselben Eigenschaften wie das
Koligift herstellen läßt. Nach dem Vorgehen von Celli wurde ver¬
sucht, das Gift durch Fällung mit 2 Teilen Alkohol aus dem Filtrat
einer 3 tägigen Kolibouillonkultur zu gewinnen. Bei Zusatz von
Diphtheriebacillen fand sich zwar ein etwas weniger günstiges
Wachstum als in Kontrollbouillon, das aber schon durch das
weniger vorteilhafte Medium erklärt werden kann. Selbst nach
72 8tündiger Bebrütung konnte keine abtötende Wirkung beobachtet
werden.
Wie aus den Tabellen XV und XVI ersichtlich ist, wirken
auch tote Kolibacillen, die 2 Stunden bei 60° ausgezogen wurden,
nicht giftig und sondern ebenfalls keine Gifte ab, die imstande
sind, die Diphtheriebacillen abzutöten.
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28
van der Reis: Der Antagonismus zwischen Koli- und
TabeUe XV.
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Wachstum auf
Medium I Versetzt mit Löfflerserum nach
24 Stunden
Diphtheriebouillonkultur
Filtrat von 3 tägiger Kolibouillonkultur
mit 2 Ösen Di
Filtrat von 3 tägiger Bouillonkultur mit
5 Ösen Koli -f 1 Öse Di
Filtrat von 10 tägiger Kolibouillonkultur
+ Di 1 Std. bei 37°
abgetöteter Koli¬
bouillonkultur
(2 h bei 60 ü C)
Di
Di -
Di
Di -
Tabelle XVI.
Wachstum auf
Medium i Beimpft mit Löfflerserum nach
1 24 Stunden
Zentrifugal von 24 std. Kolibouillon |
(2 h bei 60° abgetötet) I
Zentrifugal von 3 Tage alter Koli¬
bouillon (2 h bei 60°)
Zentrifugal von Bouillon beimpft mit
5 Ösen Koli -f 1 Öse Di, nach 26 Std.
abgetötet.
Öse Diphtherie¬
bacillen
Di -
Di
Di
Der Nachweis von thermolabilen Hemmungsstoffen in Bouillon
und — in der Mehrzahl der Fälle — im Agar spricht an sich schon
gegen Mitbeteiligung von Ubervmcherungsvorgängen bei dem Abtöten
der Diphtheriekeime. Ganz besonders beweisend dürfte das Auf¬
treten des keimfreien Hofes auf Spatelplatten und einer relativ
keimfreien Zone in Kolischüttelplatten sein, die beide nicht durch
Verdrängung der Diphtheriebacillen durch Keime mit größerer Wachs¬
tumsintensität entstehen können, wie es Langer für die Verdrängung
von Typhusbacillen durch Koli annimmt. Denn der Kolitupfen
wuchert nicht weiter, sondern bleibt scharf umgrenzt und übt auf
die unterliegende Art, selbst auf vorgewachsene Kolonien, gleichsam
nur eine Fernwirkung aus. In demselben Sinne sind auch die
folgenden Versuchsergebnisse zu verwerten: Auf einer Platte, die
mit einem stark antagonistischen Kolistamm von Nißle bespatelt
war, wurde ein Strich mit schwach antagonistischem Koli (Nißle)
angelegt. Auch hier trat der Abtötungskreis ebenso deutlich zutage,
wie bei umgekehrter Versuchsanordnung. Auf ein und derselben
Traubenzuckerplatte brachte ich schließlich 2 Kolitupfen in die Tiefe
von 2 mit dem Korkbohrer ausgestanzten Löchern und einen 3. auf
die Oberfläche, nachdem die ganze Platte mit B. diphth. bespatelt
war. Der erste Tupfen berührte die Ränder des Loches nicht, der
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Diphtheriebacillen und der Versuch einer praktischen Nutzanwendung. 29
zweite dagegen bedeckte die ganze Sohle. In allen drei Fällen trat eine
Abtötung8zoneumdieKolibacillenherum auf, trotzdem die beiden Tupfen
in der Tiefe mit den Diphtheriebacillen überhaupt nicht in Be¬
rührung gewesen waren, der keimfreie Hof hier also nur durch die Dif¬
fusion eines Stoffes oder aber durch ein Ansichreißen von Nährstoffen
durch die Kolibacillen entstehen konnte. Um die letzte Möglichkeit zu
untersuchen, wurde eine Platte mit Hemmungszone 2 Tage aufbewahrt
und dann der keimfreie Hof mit B. diphth. beimpft. Nunmehr wuchsen
die Keime an. Dasselbe Ergebnis stellte sich ein, wenn die bewachsenen
Platten wiederholt sorgfältig mit physiologischer NaCl-Lösung ab¬
gespült und von neuem mit Diphtheriebacillen bespatelt wurden.
Die Erschöpfungshypothese, die eine Entwertung des Nährbodens
annimmt, ist nach unseren Versuchen ebenso abzulehnen wie die Be¬
deutung von Uberwucherungsvorgängen infolge größerer Wachstums¬
intensität der Kolibacillen und von ReaktionsVeränderungen des Nähr¬
substrates. Es ist dagegen gelungen, in Bouillon den Nachweis thermo¬
labiler Hemmungs8toffe zu erbringen. Auch im Agar wurde die Wirkung
von Hemmungsstoffen sichtbar gemacht; ihr Verhalten gegenüber
Erhitzen konnte aber nicht einwandfrei bestimmt werden. Die
Hemmungsstoffe sind in Gallerten diffusibel, aber nicht dialysierbar
und durch Tonkerzen nicht filtrierbar. [Inwieweit Diffusionsvermögen
und Nichtfiltrierbarkeit physikalisch miteinander in Einklang zu
bringen sind, soll dahingestellt bleiben. Ein Beispiel hierfür ist
das Casein, das in geringem Grade in Gelatine- und Agargallerte
hinein zu diffundieren vermag ( Eijkman ), aber Tonkerzen ebenfalls
nicht passiert. In unserm Falle ist es noch denkbar, daß zwar der
größte Teil der gelösten Stoffe zurückgehalten wird und nur ein
geringerer das Filter durchwandert, jedoch nicht mehr genügend
wirksam ist, um eingeimpfte Diphtheriebacillen zu schädigen. Der
Beweis hierfür konnte durch entsprechende Versuche nicht erbracht
werden.] Da die Abtötungsdauer unabhängig ist von den Mengen¬
verhältnissen der beiden Keimarten und fast genau dieselbe bleibt,
wenn B. f coli durch Zusatz von Kristallviolett, Chloroform und
Cyankali seiner hervorstechendsten chemischen Leistungen beraubt
ist, darf wohl angenommen werden, daß die Produktion des Stoffes
von diesen Lebensprozessen unabhängig ist und es sich um ein gegen
arteigene und ganz besonders gegen Diphtheriekeime giftiges Agens
handelt. Eine enzymartig wirkende Substanz ist abzulehnen, da
die in Frage stehende Wirkung bei Zusatz sicher pilztötender —
aber Fermente nicht vernichtender — Mittel (Chloroform) verschwindet
und dem pulverförmigen Fermentpräparat nicht zukommt. Es handelt
sich mit größerer Wahrscheinlichkeit um ein thermolabiles, flüchtiges
Gift, das nicht dialysierbar und durch Tonkerzen nicht filtrierbar ist.
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30
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van der Rein: Der AntagoninmuK zwischen Koli- und
2. Teil.
Es lag nun der Gedanke nahe, diesen Antagonismus bei der Be¬
kämpfung der Diphtheriebacillen praktisch zu verwerten. Vorbe¬
dingung hierzu war, daß es erstens gelingt, den Kolibacillus auf
den in Frage kommenden Körpergeweben zur Ansiedlung zu bringen
und daß zweitens der Antagonismus auch im menschlichen und tierischen
Körper zur Geltung kommt. Im Tierexperiment stellte ich zuerst
fest, daß Koli sowohl auf der Conjunctiva bulbi von Katzen und
Meerschweinchen, als auf der skarifizierten Haut letzterer für mehrere
Tage anzusiedeln war. also an Stellen, auf denen auch der Diph¬
theriekeim gedeiht. —
Katze I brachte ich virulente Diphtheriebacillen in den Con-
junctivalsack des linken Auges, das rechte wurde mit 3 Ösen einer
Aufschwemmung von 5 Ösen Koli und 1 Öse B. diphth. infiziert.
Nach 2 Tagen wurden aus dem stark sezernierenden und verklebten
linken Conjunctivalsacke Diphtheriebacillen gezüchtet. Die Lider
des rechten Auges waren nicht verklebt, es bestand nur geringe
Sekretion. Auf Löfflerserum wuchsen keine Diphtherie-, dagegen auf
Endo Kolibacillen.
Bei Meerschweinchen VI und VII verlief der Versuch in der¬
selben Weise, dagegen schlug es fehl, Diphtherie künstlich auf der
skarifizierten Zunge und auf den Tonsillen anzulegen.
Meerschweinchen VIII, IX und X wurden auf dem Rücken rasiert.
Am folgenden Tag legte ich 3 skarifizierte Stellen an, infizierte die
erste mit Diphtheriebacillen, die zweite mit Kolibacillen und die
dritte mit Koli- - 4 - Diphtheriebacillen von frischen 24 ständigen Agar-
bzw. Serumröhrchen, und zwar bei Meerschweinchen VIII Koli und
B. diphth. üä, bei IX Koli > Di, bei X Koli 24 Stunden später als Di.
Nach 24 Stunden war jedesmal die erste Stelle stark gerötet und
infiltriert, die 2. und auch die 3. blieben reaktionslos, so daß anzunehmen
ist, daß die antagonistische Kraft des Koli sich auch im Tierkörper
entfalten kann. Kulturell wuchsen von den ersten beiden Wunden
Diphtherie- und Kolikeime, von der 3. aber nur Kolibacillen. Bei
Tier IX war auch die 3. Stelle etwas gerötet und fühlte sich hart
an, blieb jedoch in Stärke der Reaktion hinter 1 und 2 deutlich
zurück. Bei der Züchtung wuchsen nach 3 Tagen Diphtheriekolonien,
nach 4 Tagen keine mehr, nachdem noch 1 Öse Koli aufgebracht
worden war. An demselben Tage wuchsen aber von der 1. Stelle
noch Diphtheriekeime. Bei subcutaner Impfung gelangen diese
Versuche nicht, weil die Tiere ad exitum kamen. Dagegen konnten
Meerschweinchen II, III, V am Leben erhalten bleiben, wenn ihnen
Diphtherie- und Kolibacillen (Koli > Di) subcutan injiziert wurden,
während Tier I und IV binnen 48 Stunden nach Injektion von
Gck igle
-—Original from-
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Diphfcheriebacillen und der Versuch einer praktischen Nutzanwendung. 31
B. diphth. starben. Bei der Sektion fanden sieh die typischen
Veränderungen: ödem an der Injektionsstelle, Pleuraexsudat, Ver¬
größerung und Rötung der Nebennieren. Tier II, III, V zeigten
zwar auffallende Unruhe, geringe Temperatursteigerungen, an der
Injektionsstelle Rötung und geringe Infiltration, Schwellung der
regionären Drüsen, erholten sich aber binnen wenigen Tagen voll¬
kommen.
Die Ansiedlungsfähigkeit der Kolibacillen und ihre antagonistische
Kraft hatten sich somit auch bei den untersuchten Tieren bewährt.
Beim Menschen mußten die Versuche derart angestellt werden, daß
zuerst untersucht wurde, ob Koli in der Mundhöhle seßhaft zu
machen ist. Einer Beurteilung seiner antagonistischen Kraft stellten
sich jedoch Schwierigkeiten entgegen, weil sich ein experimentelles
Arbeiten mit dem pathogenen Diphtheriebacillus verbietet. Hier konnte
nur eine längere Beobachtungsreihe an Diphtheriekranken Aufschluß
geben.
Weil die keimtötende Kraft nur von den lebenden Kolibacillen
ausgeht, ist es Grundbedingung für eine therapeutische Verwendbarkeit,
daß die Ansiedlung von gewisser Dauer ist, damit die antagonistischen
Hemmungsstoffe genügend lange auf die Diphtheriekeime wirken
können. Ferner muß verlangt werden, daß die Kolibacillen in der
Mundhöhle keine schädlichen Einflüsse entfalten. Normalerweise
sind Mund- und Rachenhöhle frei von Kolikeimen und ihnen nahe
verwandten gramnegativen Stäbchen. Die gesunde Schleimhaut der
Mundhöhle und des Nasenrachenraumes weist ebenso wie der Inte¬
stinal traktus und die Vagina eine Bakterien Vegetation auf, die ihrem
Standort angepaßt ist und deren Formenkreis nahezu konstant ist
{Müler, Monti , Bloomfield). Durch die Verbindung mit der Außen¬
welt und besonders durch die zugeführten Speisen werden zwar
dauernd die verschiedenartigsten Keime eingeschleppt; sie vermögen
aber nicht auf ihr bodenständig zu werden und zu wuchern. Pa¬
thogene Keime wie Spirillen,. Diphtherie-, Tuberkalbacillen und
Aktinomykosepilze können nur unter besonderen Bedingungen, die
sich unserer Kenntnis noch entziehen, zur Ansiedlung gelangen und
infektiös werden. Wie an anderer Stelle {van der Beis) aus-
geführt ist, kann die Konstanz der Bakterienflora in der Mund¬
höhle nach Untersuchungen mit Typhus-, Ruhr-, Koli-, Heubacillen,
Staphylokokken, Streptokokken und Prodigiosus nicht auf die bak¬
terizide Wirkung des Speichels zurückgeführt werden. Auch in dem
steten Erneuern des Speichels kann nicht der Grund zum Persistieren
bestimmter Keimarten gesehen werden, weil nicht anzunehmen ist,
daß sich eine solche mechanische Spülwirkung nur gegen die mund¬
fremden Bakterien wendet, die „mundeigenen“ aber ausnimmt.
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o2 van der Reis: Der Antagonismus zwischen Koli- und
Vielmehr dürfte die spezifische Reaktion der Schleimhäute einer von
vielen Faktoren sein, die eine Selbstreinigung von nicht angepaßten
Mikroorganismen bewirken. Es kann also nur gelingen, solche Keime
künstlich zur Ansiedlung zu bringen, die in ihren Lebensgewohnheiten
den Schleimhäuten möglichst angepaßt sind. Bislang sind alie der¬
artigen Versuche fehlgeschlagen. Wohl gelang es, Prodigiosus
12 Stunden bis zu 2 Tagen ( Hallwachs , Friedberger , Weichardt und
Pape ) in der Mundhöhle zu halten und Staphylococcus pyogenes
aureus, B. bulgaricus und andere Milchsäurestäbchen einige Stunden
[Schiötz, Page, Alden , Lorenz und Mazyck, Womer ), aber eine wirk¬
liche Ansiedlung und Vermehrung der Bakterien konnte nickt erreicht
werden. Zudem wurde weder in vitro, noch im Tierversuch eine
antagonistische Wirkung dieser Keime gegenüber Diphtheriebacillen
{de Witt, Macdonald ) festgesfcellt, so daß damit die Möglichkeit
einer therapeutischen Beeinflussung entfällt. Es ist auch versucht
worden', durch vorhergehende Bestrahlung der Mundhöhle mit ultra¬
violettem Licht die Schleimhaut zu reizen, eine veränderte Gewebs-
tätigkeit hervorzurufen ( RoUy ) und dann die Ansiedlung von anta¬
gonistischen Keimen zu ermöglichen, ohne aber zum Ziel zu gelangen.
Ich stellte die Versuche zuerst mit darmeigenen Kolistämmen
an und zwar mit Bacillen von verschiedenem antagonistischem In¬
dex: 24 stündige Schrägagarkulturen wurden in Bouillon aufgeschwemmt
— 60 Ösen in 10 ccm — und dann mit einem Stieltupfer oder
vermittels Zerstäubers in die Mundhöhle, vor allem auf die Ton¬
sillen und in die Nase gebracht. Die Keime blieben noch nach
mehreren Tagen nachweisbar, trotzdem die Versuchspersonen täglich
mit Kaliumpermanganat oder Wasserstoffsuperoxyd gurgelten. Da
auch nach dem Genuß von festen Speisen und Getränken die Keime
keineswegs in den Magen gespült waren, wie es bei Prodigiosus
(van der Reis) der Fall ist und ähnlich von Hallwachs und Rose mit
Hilfe von Zählplatten nachgewiesen werden konnte, muß man annehmen,
daß Koli nicht oberflächlich auf der. Mundschleimhaut liegen blieb,
sondern gleich den mundeigenen Bakterien wirklich zum An¬
wachsen gelangte. Da die Diphtheriebacillen sich vorzugsweise auf
den Tonsillen auf halten, war es von besonderer Bedeutung festzu¬
stellen, ob sich Koli dort auch ansiedelt und vielleicht in die
Krypten wuchert. Die Gewinnung von Krypteninhalt gelingt leicht
mit einer Platinöse oder durch Ansaugen vermittels einer feinen
Glascapillare. Bei Kontrolluntersuchungen an Gesunden und
Patienten mit Angina, Scharlach, Masern, Diphtherie, Angina Plaut-
Vincenti (55 Fälle) wurden niemals Koli- oder koliähnliche Stäbchen
gefunden; auch in der Literatur wird nichts Derartiges berichtet
(Sanarelli, Ooodale, Grober (dort Lit.), Davis , E. Meyer, B. Framkel ,
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Diphtheriebacillen und der Versuch einer praktischen Nutzanwendung. 33
Plvder und Fischer , Levinstein , Renn). Nur ©in rumänischer Autor
hat einmal Kolibacillen als Erreger einer Belagangina angesprochen
(Manicatide). Dagegen gelang es, tagelang nach Abschluß der
Pinselungen mit Kolibouillonaufschwemmungen aus der Tiefe der
Lakunen Kolibazillen zu züchten, auch wenn eventuell oberflächlich
liegende Stäbchen durch energische Gurgelungen und mit Kochsalz¬
lösung nach Möglichkeit abgesprüht oder durch Bestrahlung mit der
Höhensonne (Friedberger) ab getötet waren. Bei Personen, denen
3 Tage Koli eingesprayt war und die gleichzeitig von uns herge¬
stellte Koliagarscheibchen (Kolischüttellagar wurde in Hochschicht
zum Erstarren gebracht und in Scheibchen geschnitten) genommen
hatten, konnten in
3 Fällen nach 6 — 7 Tagen,
4 ii ii 10 ii
8 » tf 20—35 »
25 n n 35—52 „
20 n n 52—54 v
6 ii ii 100 ii
Kolibacillen aus den Lakunen gezüchtet werden. Sie wiesen dieselben
kulturellen und biologischen Merkmale auf wie der betreffende
Ausgangsstamm. Somit war nachgewiesen, daß der seßhaft ge¬
machte Koli die Diphtheriebacillen in der Tat bis in die Tonsillar-
krypten verfolgen kann. Um festzustellen, wie tief die Keime ein-
dringen, wurden die Tonsillen eines 3 Tage lang mit Koli ge¬
pinselten Patienten 10 Tage nach Aussetzen der Pinselung histologisch
untersucht. Die Schnitte, die Herr Dr. Herzog liebenswürdiger¬
weise anfertigte, wurden senkrecht zur Oberfläche angelegt. Bei
Gramfärbung der Präparate fanden sich kurze gramnegative Stäbchen
nicht nur in den Hauptgängen der Krypten, sondern vielfach in
Häufchen auch in ganz engen Seitenkanälen und Buchten. Abb. 1*)
zeigt den kleinen Seitenast am Ende einer Fossula (durch einen
Kreis umrandet), aus dem ein Ausschnitt in Abb. 2 stark vergrössert
dargestellt ist. Neben Häufchen von Kokken finden sich hier zahl¬
reiche gramnegative koliähnliche Stäbchen. In den Schnitten von
2 normalen Tonsillen fanden sich keine ähnlichen Stäbchen. Die
Kolibakterien waren bei dem untersuchten Fall bis in die feinsten
Verzweigungen der Lakunen hineingewuchert, so daß auf diese Weise
die Möglichkeit einer langdauernden Ansiedlung dieses Mikroorganismus
erklärlich ist. Die folgende Tabelle ergibt eine Übersicht über die
Dauer des Kolinachweises bei insgesamt 99 Fällen.
*) Die Abbildungen wurden aus technischen Gründen fortgelassen.
Z f. d. g exp. Med. XXX. 3
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34
van der Reis: Der Antagonismus zwischen Koli- und
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Tabelle XVII .
Dauer der Pinselung: 3 Tage.
Zahl der Fälle:
Dauer des Nachweises
3
6 — 8 Tage
4
12 n
20
20—38 »
35
38—52 r
17
52—67 n
11
73—85 r
6
100
3
120—130 n
Die Ansiedlungsdauer in der Mundhöhle und in der Nase war
unabhängig davon, ob darmeigene oder darmfremde Stämme, gleich¬
gültig mit welchem antagonistischen Index, benutzt wurden;bemerkens¬
wert ist der Umstand, daß der Krypteninhalt der ersten 3 Personen,
bei denen Koli nur 6—7 Tage haften blieb, eine üppige Strepto¬
kokkenvegetation zeigte. Es hatte den Anschein, als ob sio das
Wachstum des Koli hemmten. In der Folge wurden bei solchen
Fällen nur noch darmeigene Stämme oder solche Bacillen eingesprayt,
die Subkulturen von früher in der Mundhöhle angesiedelten Rassen
waren. Besonders letztere überwanden die ungünstigen Verhältnisse
verhältnismäßig am schnellsten. Im bakteri oskopischen Bild konnte
verfolgt werden, wie die Kolistäbchen allmählich die Oberhand ge¬
wannen. Bei 4 derartigen Personen gelang es, allerdings nach
8tägigem Pinseln, zweimal eine Besiedlungsdauer von 37 Tagen,
einmal von 50 und einmal von 80 Tagen zu erzielen.
Eine nachteilige Wirkung konnte in keinem Falle festgestellt
werden; nur die Wasserstoffionenkonzentration verschob sich von
PH = 7,4 im Durchschnitt zu PH = 7,1—7,0, aber ohne subjektive
oder objektive Störung. Die angesiedelten Kolibacillen verschwanden
bei den Versuchspersonen wieder von selbst aus der Mundhöhle.
Gegenüber der üblichen harmlosen Mundflora übten sie einen stark
verdrängenden Einfluß aus, der vielfach derart war, daß aus den
Buchten der Schleimhaut, den Lücken zwischen den Zähnen und aus
den Tonsillen nur ganz spärlich andersartige Keime gezüchtet werden
konnten, während diese sonst sehr zahlreich und mannigartig waren.
Die Ansiedlung gelang aber nicht nur bei gesunden Personen,
sondern auch bei Diphtheriekranken. Der Gedanke, diese patho¬
genen Bakterien von den Schleimhäuten und selbst aus der Tiefe
der Tonsillenkrypten zu vertreiben, war jetzt nicht mehr so fern¬
liegend, nachdem sich herausgestellt hatte, daß Koli dort zum
Wachsen gebracht werden konnte. Es ergab sich somit die Mög¬
lichkeit , diese Verdrängungstherapie
1. im akuten Stadium der Diphtherie und
2. bei Diphtheriebacillenträgern zu versuchen.
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Diphtheriebacillen und der Versuch einer praktischen Nutzanwendung. 35
Ich behandelte bislang 33 Diphtheriepatienten mit dem Koli-
spray, war mir aber von vornherein klar darüber, daß diese Methode
günstigenfalls nur die Serumtherapie insoweit unterstützen kann,
daß sie die Erreger auf den Tonsillen schädigt und vielleicht
schneller als sonst zum Verschwinden bringt. Die Behandlung der
Keimträger bietet günstigere Aussichten, weil es bei ihnen nur
darauf ankommt, die Bakterien, die zwar für das betreffende In¬
dividuum, nicht aber auch für die Umgebung ungefährlich geworden
sind, von ihren Nistplätzen zu vertreiben.
Bei 2 Diphtheriekranken traten im Verlauf der Kolianwendung
neue Beläge auf den Mandeln auf, nachdem die alten 1—2 Tage
verschwunden waren. Die Beläge enthielten in der Hauptsache
Staphylokokken und Koli; Diphtheriebacillen wurden nicht mehr
nachgewiesen. Sie verschwanden wieder nach 2 Tagen.
Die Beurteilung des Erfolges bei dem beschränkten Material
ist eine schwierige, weil die Therapie mit der Serumanwendung
kombiniert sein mußte, und zudem in den einzelnen Epidemien
und bei den verschiedenen Kranken die Zeit, binnen der die Ba¬
cillen verschwinden, ganz außerordentlich schwankt. Es war des¬
halb zuerst an einem größeren Material festzustellen, wann im
Durchschnitt die Patienten bacillenfrei sind. Ich untersuchte darauf¬
hin das Material unserer Klinik aus den Jahren 1912—1915 und
fand, daß bei der üblichen Serumtherapie und bei Gurgelungen mit
antiseptischen Flüssigkeiten von 63 Patienten
nach 2 Wochen 19°/ 0 ,
« 3 - 46 °/ 0 ,
» 4 » 90 °/ 0 ,
■i b n 96,5°/ 0
keimfrei waren, und zwar vom 1. Krankheitstage an gerechnet.
3,5% wurden als Keimträger entlassen. Der Vergleich dieser
Statistik mit anderen ist leider nur beschränkt möglich, weil der
Beginn des bacillenfreien Stadiums von den Autoren teils auf
den ersten K. T. berechnet wird, teils auf die Abstoßung der
Membranen oder den Eintritt der Entfieberung. Mit unseren
Zahlen lassen sich die Angaben von Tjaden, Neisser und Büsing
vergleichen:
Tabelle XVIII .
1 — . .—
--_
Antor:
|| Bacillenfrei nach Wochen:
;L 213 ! 4 J_ _ 5 !
17
Tjadon (1833 Pat.) , 67°/ 0 75°/ 0 ' 83,6% 1 89,1%! 100%
Neisser (500 Pat.) r 22,7% 51,5% 82,5% 196,2% —
Büsing (2063 Pat.) ^ 55% 70% 82,5%! 90% 100%
3*
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36 van der Rei«: Der Antagonismus zwischen Koli- und
Die Greifswalder Zahlen sind nach den Zusammenstellungen bis
zur 3. Woche ungünstiger, werden aber von der 4. Woche ab den
angeführten Zahlen gegenüber etwas günstiger.
Um eine möglichst einwandfreie Zusammenstellung zu erhalten,
behandelten wir nur jeden 2. Patienten, der in die Klinik einge¬
liefert wurde, mit Kolibacillen, während die übrigen mit H 3 0. 2
gurgelten. So fanden wir bei 33 Patienten, denen z. T. sogleich
nach der Aufnahme, z. T. 1—2 Tage nach Abstoßung der Mem¬
branen während 5—7 Tagen Kolibacillen als Spray und in Agar¬
scheibchen verteilt eingebracht waren
nach 3 Wochen 91,3°/ 0 ,
» 5 » 100°/ o
bazillenfrei. Die Resultate bei 20 N ichtgepinselten gestalten sich
f olgendermassen :
nach 3 Wochen waren 58,8°/ 0 .
« 5 Wochen n 64,6%,
>7 6 Wochen » 70,5°/ 0
keimfrei. Die übrigen 29,5°/ 0 mußten als Bacillenträger entlassen
werden, während die Gepinselten sämtlich keimfrei wurden. Das
Ergebnis der Kolitherapie war ebenfalls günstiger als jenes der
Zusammenstellung von den Jahren *1912—1915 und von Tjaden.
Dabei fällt noch ins Gewicht, daß die Pinselungen bei einem Teil
der Fälle erst nach Abstoßung der Membranen begonnen und der
erste Abstrich’ erst nach weiteren 5—7 Tagen gemacht wurde, so daß
nochmals 'mindestens 3:<48 Stunden bis zum letzten Abstrich ver¬
flossen, ein Umstand, der das Ergebnis der Statistik nachteilig be¬
einflussen mußte.
(Außer diesen 3 Abstrichen wurden natürlich nach Möglichkeit noch
spätere Kon troll Untersuchungen vorgenommen.) Unser Resultat wird
deshalb bedeutend günstiger, wenn wir den Zeitpunkt des Keimfrei¬
werdens auf die Abstoßung der Membranen beziehen.
Gepinselte: Nichtgepinselte:
keimfrei nach 3 Wochen 95,23% 85°/ 0
77 3% V 100% —
77 4 77 92,8%.
Auch bei einem Vergleich mit größeren Statistiken (Tab. XIX), die
sich auf die Abstoßung der Membranen beziehen, sind nur die
Zahlen von Biggs günstiger, während im übrigen wieder die mit
Koli behandelten Patienten früher keimfrei sind.
Trotz der guten Resultate muß doch vor weitergehenden Schlüssen
gewarnt werden, weil das Material relativ klein ist und die Zahlen
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Diphtheriebacillen und der Versuch einer praktischen Nutzanwendung. 37
Tabeüe XIX .
Bacillenfrei nach
Welch (752 Fälle)
Bigge (605 Fälle)
Prig (345 Fälle)
Scheller (339 Fälle)
1 bis 3 Tagen
43%
10 %
! |
33%
10
1
” 1
70%
70%
12
- i
! * 1 %
20
n i
85%
21
r»
92,5%
98%
! 65%
24
r> 1
! 98%
1
28
” i
! i
1
82%
in einzelnen Epidemien bedeutende Schwankungen zeigen. Anderer¬
seits ist bemerkenswert, daß die Vergleichszahlen aus ganz verschie¬
denen Jahren stammen. Die von Welch aus dem Jahre 1894, Biggs y
Park und Beebe 1895, Prig 1901 und die von Scheller 1906.
Es ist hier noch eine Bemerkung über die Untersuchung der Ton¬
sillenabstriche von Gepinselten einzuschalten, die in der Hand Un¬
geübter leicht zu Mißdeutungen Anlaß gibt. Da auch die Koli-
bacillen auf Löfflerserum wachsen und die Diphtheriebacillen nach
der Kolibehandlung zur Involutionsbildung neigen, finden sich im
bakteriologischen Bild des Abstriches von Serumröhrchen oft kokken¬
artige Gebilde, die bei iVmserfärbung den Polkörperchen täuschend
ähnlich sehen. Die Kolistäbchen nehmen ferner ihrerseits dieselbeFärbung
wie die Diphtheriekeime an, so daß trotz der verschiedenen Größe eine
Verwechslung Vorkommen kann, wenn die den Polkörperchen gleichen¬
den blaugefärbten Gebilde sich reichlich im Präparat befinden. Des¬
halb ist zu fordern, daß neben dem Neüser- ein Growpräparat an¬
gefertigt wird, in dem sich die grampositiven (aber leicht entfärb¬
baren) Diphtheriestäbchen deutlicher von den gramnegativen Koli-
bacillen abheben.
Die Behandlung der Bazillenträger wurde so durchgeführt, daß
wir 3 mal täglich mit dem Zerstäuber möglichst große Mengen der
Kolibouillon in Mund- und Rachenhöhle oder in die Nase einbliesen.
Außerdem nahmen die Patienten 10 bis 12 Koliagarscheibchen, die
sie im Mund zergehen lassen mußten. 12 Scheibchen entsprechen
einem Hochschichtagarröhrchen, das mit 6 Ösen Bacillen beimpft
ist. (Für Kinder fügten wir des besseren Geschmackes wegen den
Scheibchen einige Tropfen Pfefferminzwass9r zu und überzogen sie
mit Zucker.) Je nach der Hartnäckigkeit des Falles setzten wir
diese Therapie 1 — 10 —15 — 20 Tage fort. Durchgehend wurden
solche Kolistämme benutzt, die bereits angesiedelt gewesen waren;
nur bei besonders langwierigen Fällen wurden darmeigene Bacillen
verwandt. Von jeder weiteren Behandlung der Patienten sahen wir ab.
Es standen uns bislang 9 sichere Bacillenträger zur Verfügung.
Davon waren 7 Patienten Haupt- und 2 Nebenträger.
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;38 van der Reis: Der Antagonismus zwischen Koli- und
Tabelle XX.
Bacillentrftger
An Diphtherie
erkrankt
1 Positiver Bacillen- j
| Befund noch nach j
Kolibehandlung [
1 *
Bacillenfrei
1. Vo.
' 8. VI. 1920
63 Tagen
io. vm—18. viii.
Seit der Behandlung
2. Schw. M.
! 18. I. 1921
| 39
27. II.—4. III.
r» r» r
3. Na.
7. HI. 1921 ;
100 n
18. VI.—26. VI.
n n r>
4. B. Ne. 1
1. II. 1921 !
! 50
21. III —25. III.
1. IV. schwach - r
1
i
4. IV. -
5. Ev.
| 14. IV. 1921
27 » l
9. V. —20. V.
Seit der Behandlung
6. H. Seh. S
30. I. 1921
40
11. III.—23. III.
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7. G. Seh. '
30. I. 1921
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24. III.—30. III.
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20. III.
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j kranken in Be-
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Ein Fall von Nasendiphtherie konnte nicht keimfrei gemacht
werden. Es ist anzunehmen, daß bei diesem Patienten die Di-
phtheriebaeillen sich in den Nebenhöhlen auf hielten, von wo sie
natürlich auch durch die Kolibacillen nicht vertrieben werden können.
Im übrigen wurden alle Keimträger, die in der Zwischenzeit mit
den üblichen Mitteln behandelt und nicht bacillenfrei geworden
waren, nach der Kolibehandlung entkeimt, wie aus Tabelle XX
hervorgeht. Es muß aber betont werden, daß bei der geringen Zahl
der behandelten Fälle natürlich kein abschließendes Urteil über den
Wert der Methode abgegeben werden kann, besonders weil bekannt
ist, daß die Träger oft auch ohne Therapie keimfrei werden. Nur
Feststellungen an einem großen Material, wie es einem Einzelnen
wohl kaum zu Gebote stehen dürfte, können hier entscheiden.
Andererseits ist es aber von Bedeutung, jede Behandlungsmöglichkeit
der Diphtheriebacillenträger weiter zu verfolgen, weil alle bisherigen
Methoden, den Dauerträgerzustand durch Chemikalien, Bakterien¬
fermente (Pyocyanase) oder immunisatorische Maßnahmen zu be¬
kämpfen, ohne genügenden Erfolg geblieben sind, wie aus den Zu¬
sammenstellungen von Weichardt und Pape, Reiche, Deckert hervor¬
geht. Der Nachteil aller Gurgelungen mit antiseptischen Mitteln,
die in der Therapie so zahlreich empfohlen sind, beruht haupt¬
sächlich darin, daß das Gurgelwasser die Hauptnistplätze, die Ton¬
sillen, wohl meistens überhaupt nicht berührt, günstigenfalls auch nur
Go gle
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Diphtheriebaoillen und der Versuch einer praktischen Nutzanwendung. 30
die oberflächlich gelegenen Keime ab töten kann, weil es nicht
in die Tiefe der Krypten eindringt und die Dauer der Ein¬
wirkung eine viel zu kurze ist, um genügend auf die Keime einwirken
zu können. Mit den Pinselungen verhält es sich ähnlich. Zudem
ist mit dieseQ Methoden nur das Gebiet der Fauces erreichbar (Reiche),
während Nase und Nasenrachenraum, die häufig Sitz der Diphtherie¬
bacillen sind, unzugänglich bleiben. Die Bedeutung der Dauerträger
für die Weiterverbreitung der Diphtherie ist noch strittig. Ihre Gefähr¬
lichkeit für die gesunde Umgebung ist zweifellos von vielen Autoren
überschätzt worden; aber es steht doch heute fest, daß nicht nur die
Hauptträger — das sind Personen, die nach Überstehen der Diph¬
therie die Keime weiter beherbergen —, sondern auch die Neben¬
träger — Personen, die selbst Diphtherie nicht durchmachten (Selig¬
mann, Sobernheim , v . Wassermann , Abel, Holst , Otto) — virulente
Bacillen übertragen können. Diese Keimträger sind als Ursache
vieler sporadischer Fälle von Diphtherieerkrankungen anzusehen,
aber auch von Epidemien selbst, wie durch zahlreiche Beobachtungen
in der Literatur einwandfrei sichergestellt ist. (Lit. bei Weichardt
und Pape, Seligmann.)
Da die Mortalität der Diphtherie auch nach Einführung des
Serums noch immer eine relativ hohe ist und z. B. für Hamburg
während der Jahre 1905 bis 1914 zwischen 6,1 und 11,1 °/ 0 der
Erkrankungsfälle (Reiche) (diese betrugen 15 bis 62 auf 10000
Lebende) schwankte, lohnt es sich wohl, nach Methoden, zu forschen,
die dazu beitragen können, die Patienten möglichst schnell bacillen¬
frei zu machen, ganz besonders aber die Weiterverbreitung durch Keim¬
träger einzudämmen.
Zusammenfassung.
1. Zwischen Bact. coli und Bac. diphtheriae besteht ein Anta¬
gonismus, der nicht nur eine Verdrängung, sondern eine völlige Ab¬
tötung der letzteren Keime bewirkt, während die anderen unter¬
suchten Keime nicht in diesem Maße geschädigt werden.
2. In Bouillon- und Agarkulturen erfolgt schon nach 10 bis 24
Stunden eine deutliche Zurückdrängung der Diphtheriebacillen; nach
20 Stunden finden sich nur noch spärliche Keime und nach 25 bis
26 Stunden ist die Abtötung eine vollständige.
3. Die Untersuchung des Wesens dieses Antagonismus führte
zur Ablehnung der Erschöpfungshypothese und der Bedeutung
von Uberwucherungsvorgängen und Reaktionsänderungen im Nähr¬
medium.
4. Dagegen wurden in Bouillon und im Agar thermolabile, flüch¬
tige, nichtdialysier-, durch Tonkerzen nicht filtrierbare Hemmungs-
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40
van der Reis: Der Antagonismus zwischen Koli- und
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Stoffe gefunden, die nicht durch Tierkohle adsorbiert werden und
zugleich hetero- und isoantagonistisch wirken.
5. Die Hemmungsstoffe sind nach den Untersuchungen nicht
identisch mit Produkten, die bei den normalen Stoffwechselprozessen
der Kolibacillen entstehen, nicht mit den Ekto- oder Endoenzvmen
und ebenfalls nicht mit den bisher bekannten Koligiften.
6. Es ist anzunehmen, daß es sich um ein Eigengift des BacL coli
handelt, das wie viele Stoffwechselgifte iso- und heteroantagonistisch
wirkt.
7. Der Antagonismus wurde praktisch zu benutzen versucht, da
die Ansiedlung der Kolibacillen bei Menschen und Versuchtstieren
gelang und die antagonistische Kraft auch im Tierkörper zur Wir¬
kung kam.
8. Bei akuter Diphtherie bewirkte die Anwendung des Kolisprays
und die Verabfolgung der Koliagarscheibchen ein schnelleres Ver¬
schwinden der pathogenen Keime als bei nicht behandelten Kontroll-
patienten. Vor allem konnten Dauerträger relativ schnell entkeimt
werden.
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(Aus der medizinischen Klinik des Krankenhauses Magdeburg Sudenburg
[Direktor: Prof. Dr. E . Schreiber].)
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Über die Wirkung des Adrenalins.
Von
Dr. med. 0. Platz,
Assistent der Klinik.
(Eingegangen am 24. Juni 1922.)
Der verschiedenen Wirkungsweise des Adrenalins auf den Blut¬
druck hat man eine gewisse diagnostische und pathognostische Be¬
deutung insbesondere für das vegetative Nervensystem zugeschrieben,
und zwar wandte man zur Funktionsprüfung desselben fast aus¬
schließlich die subcutane oder intramuskuläre Injektion an. Nun
hat Heubner im Anschluß an die Dissertation von Schulz auf den
Einfluß der Resorptionsverhältnisse für die Wirkungsweise des Mittels
mit Recht aufmerksam gemacht. Ich habe diese Versuche von Schulz, die
zum Teil in unserer Klinik gemacht wurden, systematisch fortgesetzt
und erweitert. In allerjüngster Zeit kamen auch Csepai und Sangui -
netti auf Grund ihrer Untersuchungen mittels der intravenösen
Adrenalinanwendung zu der Ansicht, daß die verschiedenartige
Reaktion auf das Mittel bei subcutaner und intramuskulärer In¬
jektion zum Teil durch ungleiche Resorption bedingt sei.
Im ganzen verfüge ich über 121 Versuche, von denen 31 von
Schulz für seine Dissertation und 90 von mir persönlich angestellt
wurden. Bei sämtlichen 121 Fällen wurden intravenöse Injektionen
verabreicht, bei 70 Fällen auch subcutane und teilweise intra¬
muskuläre, und zwar in Dosen von 0,001 mg bis zu 1,0 mg. Bei
60 Fällen wurde nur auf Puls, Blutdruck und Atmung geachtet, bei
den übrigen auch auf die Veränderungen des roten und weißen
Blutbildes und der chemischen Bestandteile: Blutzucker-, Kochsalz-
und Trockensubstanz. Die Bestimmungen wurden zunächst vor der
Einspritzung so wie etwa 2 — 5 Minuten nach derselben und dann
erneut immer in Abständen von etwa 15 Minuten vorgenommen.
Zucker, Kochsalz und Trockensubstanz wurden nach der jBawg’schen
Mikromethode bestimmt. Ich berichte nur über die subcutanen und
intravenösen Injektionen, die Ergebnisse der intramuskulären decken
sich mit denen der subcutanen.
Aus Gründen der Raumersparnis gebe ich nur einzelne Beispiele
für die jeweilige Wirkungsart.
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
Tabelle I.
Das Verhalten des Blutdrucks nach verschiedener Anwendung; des Adrenalins.
0. Platz: Uber die Wirkung des Adrenalins.
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0. Platz:
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Während alle Patienten mit einziger Ausnahme des Falles 19 (s. u.)
auf die intravenösen Injektionen, wie in den angeführten Beispielen,
mit einer Blutdrucksteigerung reagierten, verhielten sich von den
70.subcutan gespritzten 4 abweichend, und zwar trat einmal nach
0,1 mg zunächst eine Blutdrucksendung und anschließend eine Blut¬
drucksteigerung ein. Es handelte sich um einen 57 jährigen, an
Epilepsie leidenden Patienten, bei dem gleich nach der Einspritzung
der Blutdruck von 100 auf 87 fiel, um nach 10 Minuten einen Höhe¬
punkt von 117 mm Hg zu erreichen. Der oben angeführte Fall 1,
der bei intravenöser Injektion von 0,5 mg eine Blutdrucksteigerung
um 60 mm Hg erfuhr, reagierte auf 1,0 mg subcutan mit einem
Druckabfall um 22 mm Hg, ohne daß auf diese Blutdrucksenkung
eine Blutdrucksteigerung folgte. Ähnliches beobachtete ich bei zwei
weiteren Fällen. Die intravenöse Einverleibung hat, wie die Tabelle I
zeigt, bei weitem die größte blutdrucksteigemde Wirkung. Selbst
bei der geringen Menge von 0,001 mg Adrenalin sah ich in 6 von
9 Fällen noch eine Steigerung von mehr als 15 mm Hg nach Riva-
Rocci, diese Dosis dürfte etwa die geringste sein, auf welche die
Mehrzahl der Menschen eben noch mit einer Blutdrucksteigerung
antwortet, bei solchen von 0,005 mg habe ich sie ebenso wie Csepai
in allen Fällen beobachtet. Bei der subcutanen Verabreichung ließ
sich eine geringe Steigerung erst bei'0,1 mg, also der lOOfachen
Dosis nachweisen. Die Höhe der Blutdrucksteigerung geht sowohl
bei der intravenösen, als auch bei der subcutanen Injektion durch¬
aus nicht immer der injizierten Adrenalinraenge parallel. Die Blut¬
drucksteigerung tritt bei der intravenösen Anwendung sofort auf
und ist nach 5 Minuten wieder auf die Anfangshöhe oder unter die¬
selbe herabgesunken. Bei den kleinsten intravenösen Dosen von
0,001—0,01 mg erfolgte der Blutdruckabfall niemals unter dem Aus¬
gangswert, während bei den großen meist nach einer starken Steige¬
rung auch eine entsprechende Senkung eintrat und zwar zwischen
der 5. und 10. Minute, nach dieser Zeit nähert der Blutdruck sich
allmählich wieder seinem Anfangswert. Bei der subcutanen Injek¬
tion erreicht der Blutdruck seinen höchsten Punkt zwischen der 5.
und 20. Minute, dann sinkt er langsam wieder und erreicht seinen
tiefsten Stand meist nach der 30. Minute.
Meine Versuche und ihre Erklärung decken sich keineswegs mit
denen vieler Untersucher. Bauer , Falta , Petren und Thorling
fanden nach subcutaner Anwendung bei derselben Dosis bald einen
langsamen Anstieg des Blutdrucks und des Pulses, bald einen so¬
fortigen. Auch rief dieselbe Menge bei verschiedenen Individuen
niemals die gleiche Wirkung auf Blutdruck und Pulszahl hervor.
Die plötzliche und starke Blutdrucksteigerung fassen Falta , New-
Original from
UNIVERSITY 0F MINNESOTA
Über die Wirkung des Adrenalins.
45
burgh und Nobel als Zeichen gesteigerter Empfindlichkeit sym¬
pathischer Erfolgsorgane auf. Auch Bauer , Petren und Thorling
sprechen von einer „verschiedenen Adrenalinempfindlichkeit“.
Schmidt schließt aus seinen Versuchen an 34 Patienten mit
Dementia praecox, bei denen er nach 0,4—0,5 mg subcutan inji¬
zierten Adrenalins keine oder minimale Blutdrucksteigerung be¬
obachtete, auf eine Adrenalinunempfindlichkeit derselben. • Porack
fand bei einem Psychopathen und einem Mann mit Tumor der
Lumbalgegend nach der subcutanen Verwendung eine abgeschwächte
Wirkung, dagegen bei seniler Demenz, Epilepsie, Tabes und Syrin¬
gomyelie eine verstärkte. Nach Dresel soll bei Sympathicotonikern
die Blutdruckkurve nach subcutaner Injektion von 1 mg Adrenalin
steil ansteigen, bei Vagotonikern dagegen zunächst eine Senkung
erfahren und erst im Anschluß daran einen Anstieg. Bei jeder
sympathischen Erregung soll zentral eine Vagusreizung erfolgen, um
so gewissermaßen eine geordnete Bewegung Zustandekommen zu
lassen. Wenn nun in dem einen der beiden Systeme die Reiz¬
schwelle herabgesetzt ist, so wird das andere überwiegen. Arn¬
stein und Schlesinger fanden, daß sich der Blutdruck bei alten
Leuten, denen sie 0,3—0,8 mg Adrenalin subcutan injizierten, ent¬
weder gar nicht oder kaum veränderte, ein Verhalten, das sie teils
auf Erschöpfung des Herzens, teils auf Reizung der Vasodilatatoren
zurückführen. Schiff und Eppstein erklärten die geringe Reak¬
tion bei blassen Kindern nach 0,5 mg subcutan aus einer un¬
genügenden vasomotorischen Innervation, aus einer funktionellen
Minderwertigkeit des Gefäßsystems und aus einer mangelhaften Ge¬
fäßanlage. Schittenhelm und Schleckt sahen unter 11 ödemkranken 8
naeh 1 mg Adrenalin subcutan nicht mit Blutdrucksteigerung
reagieren.
Demgegenüber beobachtete ich nach subcutaner Injektion nur
selten einen sofortigen Anstieg, sondern einen mehr oder weniger
langsamen, während derselbe bei der intravenösen sofort erfolgt.
Ich verweise besonders auf die Differenz der Blutdrucksteigerung
nach subcutaner und intravenöser Einspritzung bei ein und dem¬
selben Individuum. Es kann ja kein Zweifel darüber bestehen, daß
der wahre Grund für diese Differenz in Resorptionsverschiedenheiten
zu suchen ist. Wie schon oben erwähnt, habe ich unter 121 Fällen
nur einen intravenös gespritzten Fall (19) gefunden, dessen Blut¬
druckkurve vielleicht einer vagotonischen im Sinne von Dresel nahe¬
kommt, obwohl ich annehmen muß, daß unter meinen 121 Patienten
mehrere Vagotoniker im Sinne von Eppinger und Heß sind. Ich
will aber trotzdem nicht bestreiten, daß die Vagotoniker.durch die
intravenöse Injektion von den Sympathicotonikern getrennt werden
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40 O. Platz:
können, jedoch müßte diese Frage besonders geprüft werden.
Übrigens konnte ich den Einfluß der Applik&tionsart auf die Wir¬
kungsweise auch beim Atropin zeigen. Selbstverständlich wird der
Zustand des Herzens und der Blutgefäße eine große Rolle spielen-
Gegenüber den Verßuchsergebnissen von Arnstein und Schlesinger
habe ich auch bei alten Leuten oft ansehnliche Blutdrucksteigerung
beobachtet, will jedoch ohne weiteres zugeben, daß bei gelegentlich
vorkommender Erschöpfung des Herzens die Blutdrucksteigerung
unwesentlich sein kann. Mit Schittenhelm und Schlecht möchte
ich auch annehmen, daß der Zustand der Gefäße bei der mangel¬
haften Reaktionsfähigkeit ihrer ödemkranken eine große Rolle ge¬
spielt hat, dazu kommt auch noch die schlechtere Resorptions¬
möglichkeit bei derartigen Patienten. Daß sich gewisse Nerven-
und Geisteskranke dem Adrenalin gegenüber anders verhalten als
normale Menschen, konnten wir nicht bestätigen. Weder hat Schulz
bei seinen Patienten mit Lues cerebri und Tabes eine Verstärkung
der Adrenalinwirkung beobachtet, sondern im Gegenteil eine Ab¬
schwächung, noch habe ich bei intravenösen Injektionen bei einer
großen Zahl von Nerven- und Geisteskranken eine besondere Ab¬
weichung gegenüber andern Kranken gefunden.
Erst neuerdings führen, wie schon eingangs angedeutet, Csepai
und Sanguinetti die verschiedenen Resorptionsverhältnisse für die
wechselnde Wirksamkeit an, so daß bei der subcutanen Anwendung
nicht eine wirkliche, sondern nur eine scheinbare Adrenalinempfind¬
lichkeit beobachtet wurde. Ich möchte besonders Sanguinetti in
seiner Schlußfolgerung zustimmen, daß die bisherigen Forschungen,
um den Zweck des vegetativen Nervensystems mittels subcutaner
Injektion festzusetzen, den größten Teil ihres Wertes verloren haben
(s. Tabelle II).
Bei 11 Patienten, die Adrenalin subcutan und intravenös be¬
kommen hatten, wurde eine Änderung der Pulsfrequenz beobachtet
In einem weiteren 12. Fall (Tabes) dieser Gruppe, bei dem nach
intravenöser Einspritzung starkes Erbrechen und Ubelsein auftrat,
blieb die Pulszahl immer unverändert.
Nach der intravenösen Injektion konnte der Puls auf der Höhe
der Wirkung zuweilen wegen großer Unruhe der Patienten und
Schwäche des Pulses nicht gezählt werden. Unter 90 genau kon¬
trollierten Fällen fand ich 5 mal an Stelle der Pulserhöhung eine
Verminderung der Pulszahl und zwar: bei 4 Frauen mit Magen¬
neurose, Neurasthenie, Hysterie und Gastroptose nach 0,1 mg um
15 bis 30 Schläge und bei einer Frau mit Neurasthenie nach 0,2 mg
um 24. Bei allen diesen Patienten war die Pulsverlangsamung zur
Zeit des Blutdruckanstiegs nachweisbar. In allen übrigen Fällen
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
Tabelle II.
Das Verhalten des Pulses bei verschiedener Anwendung des Adrenalins.
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über die Wirkung des Adrenalins.
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Dosis von 0,001 mg noch beträchtliche. Dieselbe erreichte ihr
Maximum sofort nach der Darreichung, um bereits zwischen 10 und
20 Minuten nach der Injektion wieder zur Norm abzusinken. Die Er¬
höhung schwankte zwischen 8 und 56 Schlägen. Auch Schulz fand
nach 0,5 mg Suprarenin intravenös unter 5 Fällen 4 mal eine deut¬
liche Frequenzsteigerung, während die Pulszahl einmal (Tabes) un¬
verändert blieb.
Nach subcutaner Injektion wurde bei 0,25 mg eben noch eine
geringe, aber nicht sichere Frequenzsteigerung beobachtet, erst bei
einer Dosis von 0,5 mg wurde die Erhöhung der Pulszahl deutlich.
Bei Darreichung von 1 mg betrug dieselbe in 15 Fällen 2—47
Schläge. In zwei Fällen (Asthma und Basedow) wurde eine Frequenz¬
verminderung von 8—16 Schlägen festgestellt. Die höchste Zahl
war meist zwischen der 10. und 20. Minute erreicht, nach 30 Minuten
näherte sie sich gewöhnlich der Norm. Nur ganz geringe Puls¬
frequenzsteigerung beobachtete Schulz bei Luespatienten.
Meine Beobachtungen bezüglich der Wirkung auf die Pulsfrequenz
stimmen im allgemeinen mit denen anderer Autoren überein. Nach
Bauer findet man eine Zunahme nach 0,7 mg Adrenalin häufiger
als die Blutdrucksteigerung, während nach Falta , Newburg und
Nobel das Gegenteil der Fall sein soll. Ich fand dagegen bei
meinen intravenös Gespritzten stets eine Erhöhung des Blutdrucks
und nur in 94°/ 0 eine Vermehrung und in 6 °/ 0 eine Verminderung
der Pulsfrequenz. Bauer beobachtete in 2 Fällen eine Abnahme
der Pulszahl mit nachfolgender Zunahme und in der gleichen Zahl
eine solche ohne spätere Steigerung; das habe ich nie beobachtet.
In einem der Bauers, chen Fälle trat neben Pulsverlangsamung eine
Blutdrucksteigerung von 140 auf 180 ein; bei Eintreten der Puls¬
beschleunigung hatte der Blutdruck wieder die Norm erreicht. Bei
den oben kurz erwähnten 5 Patientinnen fiel die Pulsabnahme stets
mit der Blutdruckerhöhung zusammen. Nach Szymonowicz, Kraus ,
Friedenthal und Biedl soll eine initiale Pulsverlangsamung kon¬
stant sein, sie läuft nach Szymonowicz mit dem Blutdruck¬
anstieg parallel; ich habe dies nie beobachtet. Bayer sah nur
manchmal eine kurz andauernde Hemmung der Herzaktion, welche
wegfällt, wenn die Vagi durch Atropin gelähmt werden. Ich habe
10 Versuche angestellt, bei denen ich zunächst 0,5—0,7 mg Atropin
und anschließend 0,1 mg Suprarenin, beides intravenös injizierte.
In allen diesen Fällen beobachtete ich eine Blutdrucksteigerung (um
40—110 mm Hg) und eine sofortige Pulsbeschleunigung um 30 bis
70 Schläge pro Minute, während der Durchschnitt der Pulsfrequenz¬
steigerung bei alleiniger Injektion von 0,1 mg Suprarenin um
Original from
UNIVERSITY 0F MINNESOTA
Über die Wirkung des Adrenalins.
49
30 Schläge betrug. Auch der Ansicht Biedls stimme ich bei, daß
durch den Wegfall der Pulsverlangsamung nach Atropinisierung die
Drucksteigerung bedeutend mächtiger wird, da sie sonst durch die
hochgradige Pulsabnahme zum Teil verdeckt wird. Csepai sah eine
Verstärkung der Adrenalinwirkung bei Kombination mit Papaverin,
dasselbe kann ich nach meinen Versuchen mit 0,02 Papaverin und
0,1 mg Suprarenin intravenös bestätigen.
Hering nimmt an, daß es für das Auftreten einer Steigerung der
Herzschlagszahl noch eines besonderen Koeffizienten bedarf, den
manche in einer herabgesetzten Anspruchsfähigkeit des Herzhem¬
mungszentrums suchen. Bieil und Reiner erklären die initiale
Pulsverlangsamung mit Recht mit einer reflektorischen Depressor¬
wirkung infolge der raschen Blutdrucksteigerung. Wie ja auch der
Fortfall der Pulsverminderung durch Atropinisierung nach Szymono -
wicz dafür spricht, daß dieselbe nicht immer nur zentral bedingt
sein muß. Auch Bauer nimmt für die Pulsverlangsamung ohne
Anstieg des Blutdrucks eine periphere Vaguswirkung an. Während
gewöhnlich nach Adrenalin die Acceleranserregung die Vaguswirkung
übertrifft oder ihr das Gleichgewicht halten soll, so daß eine Wir¬
kung auf die Pulsfrequenz überhaupt ausbleibe, könne in gewissen
Fällen die Vaguswirkung über wiegen und so die Pulsverlangsamung
herbeiführen. Konnte doch auch Langley bei Katzen und Ver -
worn bei Kaninchen eine periphere Vaguserregung beobachten. Die
Ansicht Ambergs , daß eine solche trotz Absinken des Blutdrucks
bestehen kann, dürfte nach meinen Beobachtungen nicht zutreffen.
Das Überwiegen des Vagus führt Bauer in seinen beiden Fällen auf
das Kropfherz mit Insuffizienzerscheinungen zurück, welche abnorm
ansprechen. Nach Kraus und Friedenihal bestehen ja zwischen
Schilddrüse und Vagus Zusammenhänge. Unter den von mir be¬
obachteten, anfangs mit Pulsverlangsamung reagierenden Fällen
handelt es sich um Patienten mit Basedow und Bronchialasthma,
Krankheiten, welche beide mit abnormer Vaguserregbarkeit einher¬
gehen können; allerdings fehlte bei den übrigen analog reagierenden
Kranken ein Anhalt für eine solche. Ich habe auch bei einer
großen Anzahl von Nerven- und Geisteskranken bei intravenösen
Injektionen in bezug auf die Pulsfrequenz wie auch auf den Blut¬
druck keine abnorme Wirkung gegenüber den anderen Kranken ge¬
sehen, mit Ausnahme der oben angegebenen mit Pulsverlangsamung.
Es dürfte sich demnach bei den Fällen von Porack nur um eine
scheinbare Abschwächung und Verstärkung handeln, bedingt durch
individuelle Resorptionsverschiedenheiten, bei deren Ausschaltung
durch die intravenöse Injektion vielleicht andere Ergebnisse ge¬
zeitigt würden.
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Uber die Wirkung des Adrenalins.
51
Wie zu erwarten war, ist die Steigerung der Atemfrequenz bei
intravenöser Applikation des Adrenalins viel größer als bei sub-
cutaner; ich habe sie bis zu Dosen von 0,005 mg herab beobachtet.
Die Atemzüge waren auf der Höhe der Wirkung oft infolge der
großen Unruhe der Patienten schwer zu zählen. Von 28 Patienten
mit intravenöser Injektion reagierten 6 nicht mit einer nennenswerten
Atemfrequenzänderung (1 Tabes, 1 Herzfehler, 2 Magenneurosen,
1 Dem. praec., 1 Lues cerebri), darunter ein Fall, der auch keine
Blutdruck- oder Pulsfrequenzsteigerung zeigte (Tabes); Schulz dagegen
beobachtete nach subcutaner in 2 Fällen eine Verlangsamung der At¬
mung um 4 und 6 Züge (Hysterie und Nervosität). Ich selbst be¬
sitze darüber keine eigenen Untersuchungen. Die Erhöhung der
Atemfrequenz bis zu ihrem Maximum tritt bei der intravenösen Ein¬
spritzung in den ersten 5 Minuten auf. Wie Bauer, fand auch ich
bei allen Fällen, die überhaupt eine starke Adrenalinreaktion zeigten,
auch eine erhebliche Erhöhung der Atemfrequonz, besonders deutlich
nach intravenöser Injektion. Auch Fuchs fand eine Steigerung der
Atemzahl. Bauer führt dieselbe wohl mit Recht auf eine zentrale
Erregung des bulbären Atemzentrums zurück, deren Ursache ich in
der durch das Adrenalin bedingten Gefäßkontraktion sehen möchte,
durch die das zentrale Nervensystem eine erhebliche Verminderung
seiner normalen Sauerstoffzufuhr erleidet; ebenso wie die nach
.Adrenalininjektion auftretenden Kopfschmerzen auf einer Anämie
des Gehirns infolge der Gefäßzusammenziehung beruhten. Biedl be¬
obachtete im Tierexperiment nach intravenöser Einverleibung eine
Verminderung der Atemfrequenz, das trifft also für die Menschen
nicht zu (s. Tabelle IV).
Die Patienten wurden alle nach dem ersten Frühstück unter¬
sucht, da die vorauf gehende Kohlenhydrataufnahme bei einem
etwaigen Blutzuckeranstieg eine Hauptrolle spielt. Sowohl in den
Versuchen von Schulz und in meinen eigenen weisen alle Patienten
bei den drei Applikationsarten des Adrenalins ausnahmslos ein An¬
steigen des Blutzuckergehaltes auf. Die bei den intravenösen In¬
jektionen gefundenen Werte übertreffen die bei den subcutanen,
auch dafür dürfte der Grund in den ResorptionsVerhältnissen zu
suchen sein: Die Blutzuckerunterschiede schwanken bei der intra¬
venösen zwischen 0,004 °/ 0 und 0,113 °/ 0 , noch bei 0,001 mg be¬
obachtete ich eine Erhöhung, welche in mehreren Fällen an 0,05°/^
heranreichte. Die Höhe des Blutzuckers geht jedoch nicht parallel
der eingespritzten Dosis, dabei dürfte wohl der Glykogenvorrat und
die Erregbarkeit der Nerven ausschlaggebend sein. Der Höhepunkt
des Zuckeranstiegs liegt um die 10. Minute herum, meist ist er nach
30 Minuten abgeklungen. Bei der subcutanen Injektion schwankten
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
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Über die Wirkung des Adrenalins.
53
die Werte der Erhöhung zwischen 0,01 und 0,095 °/ 0 , auch hier war
die Wirkung meist nach 30 Minuten wieder vorüber. Die geringste,
noch wirksame subcutane Dosis war 0,1 mg.
Auf Grund seiner Untersuchungen kommt Billigheimer zu dem
Schluß, daß die Glykämie nach subcutaner Injektion von 1—2 mg
unabhängig von der Serumkonzentration ist und als Ausdruck der
Reizbarkeit der die Leber versorgenden sympathischen Nerven und
der Leberzellen gegen Adrenalin aufzufassen wäre. Die glykosurische
Wirkung des Adrenalins spielt im nüchternen Zustand keine Bolle,
sie ist weitgehend abhängig von der Ernährung insbesondere von
der gleichzeitigen Traubenzuckeraufnahme. Jörger fand bei seinen
34 Patienten nach subcutaner Injektion 4 mal Glykosurie und Brö-
samlen bei 35 Patienten 4 mal. Schulz und ich beobachteten die¬
selbe nach subcutaner Injektion 2mal in 121 Fällen. Achard, Ribot
und Blnel sahen eine stärkere Blutzuckererhöhung nach Trauben¬
zucker- und Adrenalininjektion als nur nach Traubenzuckerinjektion.
Jörger sowie Brösamim behaupten, die Adrenalinglykosurie erreiche
nach einer Stunde ihren Höhepunkt, dem widersprechen aber unsere
Versuche. Jörger beobachtete bei Basedowkranken im allgemeinen
eine größere Biutzuckererhöhung als bei Gesunden, unser Fall von
Basedow blieb mit einer solchen um 0,034 °/ 0 weit hinter dem Durch¬
schnitt zurück. Jörger stellte bei drei Diabetikern zunächst eine
Erniedrigung des Blutzuckergehaltes und daran anschließend eine
Zunahme derselben fest. Bei unsem 5 Diabetikern fanden wir da¬
gegen eine Durchnittserhöhung um 0,07 °/ 0 , welche weit über dem
Mittel liegt. Nach Brösamlen zeigt die Adrenalinglykosurie beim
Diabetiker kein einheitliches Verhalten, z. T. einen geringen Anstieg
zuweilen nach vorherigem Abfall, z.T. einen stärkeren als beim Gesunden.
Bei 2 Graviden im 3. Monat (Fall 13 und 14), wie auch bei drei
weiteren im 7. und 8. Monat untersuchten Schwangeren lag die nach
Dosen von 0,005 und 0,001 mg Adrenalin intravenös eintretende
Hyperglykämie über dem Durchschnitt. Es dürfte sich lohnen, der
Frage nachzugehen, ob diese Blutzuckerhöhung als Frühsymptom der
Schwangerschaft herangezogen werden kann, wie ja in letzter Zeit
Seitz und Jeß eine Glykosurie nach Darreichung von 100 g Trauben¬
zucker ohne Adrenalin und Roubitschek eine solche nach 10 g Trauben¬
zucker und Injektion von 1 ccm Adrenalin als Frühsymptom der
Gravidität auffassen. In neuester Zeit fand Küstner eine Glykosurie
nach Dextrose auch bei Frauen während der Menses, damit dürfte
allerdings die Glykosurie als Fiühsymptom der Schwangerschaft an
Wert einbüßen (s. Tabelle V).
Das Adrenalin verursacht bei allen drei Applikationsarten ge¬
wöhnlich einen starken Anstieg der Bluttrockensubstanz, er findet
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Über die Wirkung des Adrenalins.
55
sich regelmäßig bei der intravenösen Anwendung, wurde bei der
subcutanen in 2 von 30 Fällen vermißt, in denen ich eine Ver¬
minderung um 1,2 resp. 1,1 °/ 0 (gon. Arthritis und Hysterie) be¬
obachtete. Die Bluttrockensubstanz steigt jedoch nicht mit der
Dosis. Die kleinste von mir intravenös injizierte Menge von 0,001 mg
hatte noch eine deutliche Vermehrung zur Folge. Dieselbe schwankte
bei der intravenösen Anwendung zwischen 0,1 und 7,2 °/ 0 . Meistens
erreichte sie ihren Höhepunkt nach der 15. Minute, nur in seltenen
Fällen schon nach der 5. Minute oder erst nach der 30. Minute.
Nach einer halben Stunde ist die Wirkung des Adrenalins auf die
Trockensubstanz gewöhnlich schon abgelaufen oder doch im Ab¬
klingen begriffen. Nach subcutaner Injektion schwankt die Erhöhung
der Trockensubstanz zwischen 0,3 und 8,0°/ 0 . In den Schulzschen
und meinen Versuchen entspricht ein starkes Ansteigen durchaus
nicht einer gleichen Erhöhung des Blutzuckers. Für die Erhöhung
der Bluttrockensubstanz ist also der Blutzuckergehalt nicht allein,
wenn auch in erster Linie entscheidend, dafür werden noch die
Leukocyten in Frage kommen und wohl auch z. T. die Vermehrung
des Salzgehaltes und Zunahme der Eiweißkonzentration (s. u.). In
den beiden oben angeführten Fällen mit Abfall der Trockensubstanz,
erfuhren die Leukocyten einen Anstieg um ca. 2000 und der Blut¬
zucker einen solchen um etwa 0,05 °/ 0 .
Nach Falta , Rudinger und Berlelli steigt das spezifische Gewicht
des Blutes nach Adrenalin. Ich selbst habe solche Bestimmungen
nicht vorgenommen, doch sind diese Angaben nach meinen Trocken¬
substanzbestimmungen verständlich. Billigheimer fand ebenfalls in¬
sofern eine Wirkung des Adrenalins auf die Blutkonzentration, als
im allgemeinen der Eiweißprozentgehalt eine geringe Steigerung bis
etwas über eine Stunde nach der subcutanen Injektion aufwies.
Diese Bluteindickung erklärt er durch Auspressung von Plasma in¬
folge der Blutdrucksteigerung; seltener findet sich eine Konzen¬
trationsabnahme, die erklärt wird entweder durch Blutdrucksenkung
und Rückfiltration, durch Abdichtung der Capillarendothelien gegen
Flüssigkeit oder durch Erhöhung des Quellungsdruckes der gelösten
Eiweißkörper. Donath gelang e3 durch Zufuhr von mäßigen Mengen
physiologischer Kochsalzlösung bei gleichzeitiger Adrenalininjektion
den Bluttrockenrückstand herabzusetzen, was ohne letzteie nicht
gelingt. Damit dürfte wohl die Auffassung von Billigheimer und
Donath zu Recht bestehen (s. Tabelle VI).
Die Veränderung des Kochsalzgehaltes des Blutes nach intra¬
venöser Injektion von Adrenalin habe ich in 20 Fällen untersucht.
Bei sämtlichen Patienten beobachtete ich eine, wenn auch nur ge¬
ringe Steigerung des Kochsalzgehaltes. Dieselbe erreichte ihren
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
56
0. Platz:
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Tabelle VI.
Veränderungen des Blutkochsalzgehaltes nach intravenöser Adrenalininjektion,
Fall
Name
Alter
Erkrankung
( Dosis
1
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Injkt.
Nach Injektion
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Minuten
Ver-
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42 J.
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0,001
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0,57 0,50
0,51
+ 0,03
2 1
Frl. K.
42 *
Chron. Bronch.
0,005
0,51
0,51 0,55
0,52
+ 0,04
3
Frau Kn.
62 „
Hypochondrie
0,05
0,52
0,55 0.50
0,53
+ 0.03
4 !
Frau S.
37 „
| Gravid. Mens. II
<u ,
0.52
0,5ß 0,54
0,50
+ 0,04
Höhepunkt meist um die 15. Minute und war nach 30 Minuten im
Abklingen. Sie lag zwischen 0,02 und 0,08 °/ 0 , ging aber mit der
Dosis nicht parallel. Ich will darauf hinweisen, daß Falta bei
hungernden Hunden mit der Steigerung der Stickstoffausscheidung
auch regelmäßig eine enorme stärkere Salzausscheidung fand. Diese
Störung des Salzstoffwechsels verlief unabhängig von denen des
Kohlenhydratstoffwechsels. Frey beobachtete dagegen eine Hemmung
der Kochsalzausscheidung.
Hinsichtlich der Wirkung des Adrenalins auf die Zahl der roten
Blutkörperchen fasse ich mich kurz, da Herr cand. med. Hornig über seine
am hiesigen Krankenhaus angestellten Untersuchungen später aus¬
führlicher berichten wird. Die roten Blutkörperchen zeigten sich
bei Blutentnahme mittels tiefen Einstichs in das Ohrläppchen nach
subcutaner wie intravenöser Injektion von 0,5 —0,1 mg abwärts in
allen Fällen beträchtlich vermehrt, bis um 2 000000. Sie erreichten
bei beiden Einverleibungsarten ihr Maximum um die 5. Minute p. I.,
während sie sich nach 20 Minuten bereits wieder ihrem Ausgangs¬
wert näherten. Auffallende Unterschiede in dem Grade der Ver¬
mehrung nach den verschiedenen Einspritzungsarten, sowie auch nach
verschiedener Art der Blutentnahme (aus Ohrläppchen, Fingerbeere,
Cubitalvene oder Radialarterie) konnten nicht festgestellt werden.
Wir befinden uns hiermit im Widerspruch zu Heß, der nur eine
Vermehrung im arteriellen Blut fand. Diese Frage muß noch weiter
geklärt werden (s. Tabelle VII).
Stets fanden wir eine beträchtliche Vermehrung der weißen Blut¬
körperchen, am ausgesprochensten nach der intravenösen Injektion,
bis zu der geringen Dosis von 0,001 mg Suprarenin herab. Sie schwankt
dabei zwischen 600 und 7900. Meist wurde die höchste Leukocyten-
zahl nach 15 Minuten gefunden, nur 2 Patienten zeigten diese Er¬
höhung erst nach 25 Minuten. Nach subcutaner Einspritzung liegen
die Erhöhungen zwischen 300 und 23400, letztere Zahl wurde bei
einer Patientin gefunden, bei der wir auch die stärkste Vermehrung
der Bluttrockensubstanz nachwiesen (Ischias). 7 mal war der Höhe¬
punkt der Leukocytenzahl erst nach 25 Minuten erreicht, bei den
Original fram
UNIVERSITY 0F MINNESOTA
Über die Wirkung des Adrenalins
D i
Tabelle VII.
Das Verhalten des Blutbildes nach verschiedener Anwendung des Adrenalins.
Fall 1. Frl. L., 21 Jahre alt, Go. Arthritis.
1. 0,5 mg Suprarenin intravenös . 2. 1,0 Suprarenin subcutan.
1
Vor
Nach Injektion
Verände¬
Vor
Nach Injektion
Verände¬
1
15'
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rung
15V 2 '
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Leukocyten
7500
14900
14800
+ 7400
7800
8400
10400
+ 2600
°/ 0
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+ 0,5
3
3,5
+ 0,5
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37,5
59
29
+ 21,5
31
47,5
52,5
+ 21,5
d) mononucleäre
3,5
4,5
—
+ 1
3,5
1,5
10
+ 6
Fall 2. Frau V.,
26 Jahre alt, Lues cerebri.
1. 0,25 mg
Suprarenin intravenös
2. 1,0 mg Suprarenin subcutan.
Leukocyten
7300
12900
10100
+ 5600
7300
10000
10300
+ 3000
0/
Io
77
0/
Io
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/ 0
°/o
°/o
0/
IQ
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°/o
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57
59
69
- 8
b) eosinophile
0
0
0
0
2
2
4
+ 2
c) Lymphocyten
18
44
28
+ 26
23
39
25
+ 16
d) mononucleäre
5
2
4
- 3
3
1
0
- 3
Fall 3 . Frl. D., !
21 Jahre alt
Obstipatio.
1,0 mg
Suprarenin subcutan.
i
Leukocyten
i
9000
12800
8800
+ 3800
0/
/ 0
°/
Io
Io
0/
Io
a) neutrophile
61
48
55
- 13
b) eosinophile j
2
6
6
+ 4
o) Lymphocyten
31
38
35
+ 7
d) mononucleäre
6
4
3
- 3
Fall 4. Frl. M., Hysterie und Obstipation.
0,5 mg Suprarenin intravenös.
i
i
Vor Injektion
Nach Injektion
15 Min. | 25 Min.
Veränderung
Leukocyten
8100
12300
7900
+ 1700
0/
Io
0/
;o
0/
Io
0/
lo
a) neutrophile
69
55
68
- 14
b) eosinophile
1 j
2
1
+ 1
c) Lymphocyten
25
39
26
+ 14
d) mononucleäre
2
1
1
1
- 1
Fall 5. Fr. K., 68 Jahre, Hypochondrie.
0,05 mg Suprarenin intravenös.
Leukocyten 5000 I 6700 I 5800 + 1700
°/o I °/o , °/o °/o
a) neutrophile 73 , 54 j 67 —19
b) eosinophile 1 | 1 j 5 +4
c) Lymphocyten 24 i 41 24 +19
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
0. Platz:
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58
Fall 6*. Fr. K., 48 Jahre, Neurasthenie.
Oft05 mg Suprarenin intravenös.
1
i Vor Injektion |
Nach Injektion j
16 Min. | 25 Min. |
Veränderung
Leukocyten |
| 11600 j
°/o
12700 j
01
10
11900
1 o; !
0
+ 1100
0
0
a) neutrophile !
77
79
i 78 1
+ 2
b) eosinophile
1
1
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c) Lymphocyten
21
19
! 22 |
-2
d) mononucleäre ;
1
1
1 — :
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Fall 7. Fr. S., 30 Jahre alt, Gravidität, II. Monat.
0,005 mg Suprarenin intravenös.
Leukocyten |
l| 5900
! 6100 i
6000
+ 200
0/
i 0
1 ° U ,
o/
>0
°/o
a) neutrophile
71
l 72
70
+ 1
b) eosinophile
2
1
1 1
- 1
c) Lymphocyten j
l 2 6
; 23
23
— 3
d) mononucleäre
1
3
3
+ 3
Fall 8. Fr. Sch., 24 Jahre alt, Neurasthenie.
0,005 mg Suprarenin intravenös.
Leukocyten
a) neutrophile t
b) eosinophile j
c) Lymphocyten
d) mononucleäre J
Fall 9. Fr. S., 40 Jahre
8700
10400
9200
+ 1700
0/
0! !
10
0/
oi
iO
10
1 10
68
52
69
-16
2
3
2
+ 1
26
41
27 1
! +15
1
! 1
—
0
, Hysterie.
0,001 mg Suprarenin intravenös.
Leukocyten
a) neutrophile
b) eosinophile
c) Lymphocyten
d) mononucleäre
Fall 10. L. T., 13 Jahre
6300
9500 ;
7800
0
I Of
0/
/ 0
0
iO
72
1 58
67
1
3
2
23
36
29
4
3
2
alt, Nephrose.
+ 3200
0 /
io
- 14
+ 2
+ 13
- 2
0,001 mg Suprarenin intravenös.
Leukocyten
j 6700
o i
! o 1
10000 8900 1
0 0/
0 io
+ 3300
' °l
Io
a) neutrophile
63
1 58 ,
|
65
1 -5
b) eosinophile
1
i i
1
1 0
c) Lymphocyten
31
39
31
1 +8
d) mononucleäre
5
1 1
2
-4
Original from
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Über die Wirkung des Adrenalins.
59
übrigen Patienten war er bereits nach 25 Minuten überschritten.
Vergleichen wir diese Tabelle mit derjenigen der Blutdrucksteigerung,
so haben wir in der Erhöhung der Leukocytenzahl bei der sub-
cutanen Einverleibung eine beständigere Reaktion auf Adrenalin,
als es die Druckerhöhung ist; bei der intravenösen sind sie gleich.
Was nun die verschiedenen Formen der Leukocyten anbelangt,
so nahmen die Neutrophilen erheblich ab, und zwar nach der intra¬
venösen Injektion gewöhnlich stärker als nach der subcutanen. Nur
in 2 Fällen fand ich nach intravenöser Anwendung von 0,005 mg
eine Zunahme derselben um 1 resp. 2 °/ 0 , und zwar bei einer Neu¬
rasthenie und bei einer Gravidität. Die Abnahme der Neutrophilen
ist am stärksten 15 Minuten nachher. Nach der subcutanen Ein¬
spritzung schwankt sie zwischen 4 und 40°/ 0 . Eine an Basedow
erkrankte Patientin reagierte dabei überhaupt nicht, und bei einer
Melancholikerin fand Schulz nach subcutaner Injektion eine Ver¬
mehrung um 9 °/ 0 . Als Ausgleich für die Verminderung der Neu¬
trophilen finden wir eine Zunahme der Eosinophilen und Lympho-
cyten. Die der ersteren ist am stärksten bei der subcutanen,
bedeutend schwächer bei der intravenösen und intramuskulären An¬
wendung In einem Falle von Lues cerebri blieb die Reaktion der
Eosinophilen auf alle drei Applikationsarten aus, bei allen anderen
Patienten fehlte dieselbe immer nur bei einer. Nach intravenöser
Injektion liegt die Vermehrung der Eosinophilen zwischen 0,5 und
fi°/ 0 . Dreimal ist die Zahl derselben unverändert und zwar bei
1 Nephrose, 1 Neurasthenie, 1 Lues cerebri und 2 mal sogar ver¬
ringert (Adipositas bei 0,25 mg und gon. Arthritis bei 0,005 mg
Suprarenin). In den meisten Fällen finden wir die höchsten Zahlen
derselben nach 15 Minuten. Von 25 Patienten zeigten bei der
subcutanen Einspritzung 17 eine Vermehrung der Eosinophilen; die¬
selbe schwankt zwischen 1 und 8°/ 0 . 4 Fälle reagierten überhaupt
nicht (1 Neurosis ventriculi, 2 Dem. praec., 1 Mitralinsuffizienz),
andere 4 wiesen eine Verringerung der Eosinophilen auf (1 Neu¬
rasthenie, 1 Gastroptose, 1 senile Demenz, 1 Lues).
Nach allen drei Applikationsarten finden wir gewöhnlich eine
Zunahme der Lymphocyten. Von 30 Patienten reagierten 25 nach
intravenöser Einspritzung mit einer zwischen 4 und 37°/ 0 liegenden
Vermehrung, die ihren Höhepunkt meistens nach 15 Minuten erreichte.
5 Kranke (1 Gravidität, 1 Neurasthenie, 2 Hysterie, 1 Dement, sen.),
zeigten eine Verminderung von 2—7 °/ 0 . Die Höhe der Dosis spielte
dabei keine Rolle. Nach subcutaner Injektion trat in allen 25 Fällen
eine Vermehrung der Lymphocyten ein, die zwischen 2,5 und 40 °/ 0
schwankte. Meistens war der Anstieg schon nach 25 Minuten vor¬
über, wenn auch der Ausgangspunkt öfters noch nicht wieder erreicht war.
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60
0. Platz:
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Das Verhalten der Mononucleären scheint nach Adrenalininjektion
nicht einheitlich zu sein. Nicht einmal dieselben Individuen reagieren
gleichmäßig bei den verschiedenen Applikationsarten. Nach intra¬
venöser Darreichung zeigten die Mononucleären unter 25 Fällen
10 mal eine Erhöhung, 5 mal fehlte jede Veränderung und 10 mal
trat eine Verminderung ein. Und zwar zeigte sich sowohl die Erhöhung
als auch die Verminderung ganz unregelmäßig bald nach 15, bald
nach 25 Minuten. Die Zahlenunterschiede waren in beiden Richtungen
nicht groß und liegen fast im Bereich der Fehlergrenze. Nach der
subcutanen Injektion waren die Zahlen der Mononucleären 15 mal
vermindert und 10 mal vermehrt unter 25 Fällen.
Billigheimer kommt ebenso wie wir zu dem Schluß, daß die Ver¬
änderung des weißen Blutbildes -das konstanteste Symptom ist,
während Fa'ta, Newburg und Nobel allerdings nach subcutaner In¬
jektion häufiger eine Veränderung des Blutdruckes beobachtet
haben wollen. Und zwar ist nach Billigheimer typisch eine absolute
und relative Lymphocytose in der ersten Phase und Steigen der
polymorphkernigen Zellen in der zweiten, ferner Neigung der Eosino¬
philen zur Verminderung. Walterhöf er sah eine rasch einsetzende
und rasch abklingende Leukocytenvermehrung sowohl nach subcutaner
als auch nach intravenöser Injektion, an welcher Leukocyten und
Lymphocyten beteiligt sind. Hatiegan stellte eine starke Leukocyten-
vermehrung eine Stunde nach der Einspritzung fest, desgleichen
Rosencw bei allen 9 Patienten eine beträchtliche Erhöhung der
ge>am en Leukocyten. Auch bei Kindern und Säuglingen fand
Grimm eine schnell ansteigende Leukocytose. Nach Falta , Rudinger
und Bertelli sind an der Leukocytose die polynucleären und neu-
tri phileu Zellen überwiegend beteiligt. Ebenso wie Billigheimer
und Wollenbeig sahen auch Falta , Rudinger und Bertelli die Eosino¬
philen . ich verringern. Nach Hatiegan verschiebt sich die relative
Zahl der Neutrophilen zugunsten der Lymphocyten. Frey be¬
obachtete ein Konstantbleiben oder gar Sinken der absoluten Zahl
der Neutiophilen in den ersten 30 Minuten und einen raschen Anstieg
der relativen wie absoluten Lymphocytenwerte, ebenso auch Grimm .
Dabei sank die Zahl der Neutrophilen relativ, absolut stieg sie
etwas an oder blieb unverändert, was sich aber mit meinen Be¬
obachtungen nicht deckt und wohl bedingt ist durch die Appli¬
kationsart. Frey und Hagemann sehen als Ursache der Adrenalin-
lymphocvtose eine mechanische Mobilisierung lymphocytärer Ele¬
mente an, vor allen Dingen in der Milz, wobei das Adrenalin auf
die glatte Muskulatur der Kapsel, Trabeckel und Gefäße wirken
soll. S e empfehlen daher die Adrenalininjektion zur Funktions¬
prüfung der Milz. Schenk und Nägeli erklären die Vermehrung zur
— -3rigin*Hröm -
UNIVERSITY 0F MINNESOTA
Über die Wirkung des Adrenalins.
61
Hauptsache durch eine plötzlich zustandegekommene Verstärkung
des Blutkreislaufs. Nach Friedt>erg soll es sich bei der Wirkung
des Adrenalins nicht um den Ausdruck einer Erregung der spezi¬
fischen Angriffspunkte, sondern vielmehr um eine allgemeine Reak¬
tionsweise des Organismus, speziell des Komplementes und der
lymphatischen Organe auf irgendwelche unspezifischen Insulte
handeln. Friedberg denkt an chemotaktisch wirkende Kräfte. Walter -
höfer meint mit Recht, der Lymphocytose sei zu große Bedeutung
beigelegt worden. Das Hauptgewicht bei der Veränderung der
weißen Blutzellen durch Adrenalin liegt in der absoluten Zunahme
der Gesamtzahl der Leukocyten. Er hat im Tierversuch nachge¬
wiesen, daß diese Leukocytose nicht auf einer ungleichmäßigen Ver¬
teilung, sondern auf einer Vermehrung der weißen Zellen im Blut
beruht. Die Erscheinungen folgen den für Leukocytose geltenden
Gesetzen: Intensität und Dauer des Reizes einerseits, Anspruchs¬
fähigkeit der blutbildenden Organe anderseits seien die Faktoren,
von denen die Veränderungen des weißen Blutbildes nach Adrenalin
abhängen. Auch das Verhalten der Lymphocyten müsse auf den
funktionellen Zustand des gesamten lymphatischen Apparates zurück¬
geführt werden.
An Nebenwirkungen der Adrenalineinspritzungen, die naturgemäß
bei der intravenösen stärker sind als bei der subcutanen, habe ich
folgendes beobachtet: Unter 92 Fällen sah ich 2 mal einen schnell
vorübergehenden Kollaps nach 0,2 resp. 0,5 mg intravenös. Bei
einem 60jährigen Patienten mit Angina pectoris trat bei 0,3 mg
intravenös eine kurz dauernde Hämoptoe auf. Bei Leuten mit
Herz- und Gefäßerkrankungen ist also äußerste Vorsicht in der
Dosierung des Adrenalins geboten. Einmal beobachtete ich bei
0,2 mg Erbrechen. Kopfschmerzen, Blässe und Schwindelgefühl
trat regelmäßig bei allen höheren intravenösen Gaben als 0,1 mg
ein, selbst bei dieser letzten Dosis sah ich sie bei 28 von 30 Pa¬
tienten noch. Die Blässe des Gesichtes ging dann in eine tiefe
Rötung über. Diese Nebenwirkung überdauerte zuweilen die übrigen
Adrenalinwirkungen. Ja selbst bei Dosen von 0,0075 mg und 0,01
und 0,025 mg sah ich sie je einmal auftreten. Bei den kleineren
Dosen fehlten sie, obwohl bei diesen Blutdrucksteigerung usw. als
Ausdruck einer Adrenalinwirkung nachweisbar war. Bei subcutaner
Verabreichung von 0,3 mg und weniger traten obige Erscheinungen
nie auf, wohl aber bei höheren Dosen. Diese Nebenerscheinungen
führe ich auf den hochgradigen, durch Adrenalin hervorgerufenen
Spasmus der Gehirn- resp. Gesichtsgefäße zurück. Die in 10 °/ 0 der
Fälle auftretenden Nierenschmerzen dürften als Ausdruck einer
starken Kontraktion der Nierengefäße angesehen werden. Bei 9
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62
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von 30 Patienten mit 0,1 mg intravenös beobachtete ich Tremor
der Hände, für den man vorläufig keine sichere Erklärung hat
13 dieser letzteren Kranken zeigten auch erhöhte Dermographie.
Bei 5 derselben trat auch eine respiratorische Pulsarhythmie auf,
wohl infolge Beeinflussung des Vaguszentrums. Ebenso klagten diese
30 Patienten über lästiges Herzklopfen.
Endlich habe ich auch noch versucht, ob Adrenalin bei rectaler
Applikation wirkt, und zwar wurden 1 —12 ccm Suprarenin in Form
eines Klysmas verabreicht. Auch bei den großen Dosen von 10—12 mg
sah ich keinerlei Adrenalinwirkung, Blutdruck und Pulsfrequenz
blieben unverändert. Ich schließe daraus, daß das Adrenalin bei
rectaler Einverleibung überhaupt nicht oder nur ganz langsam
resorbiert wird, so daß es keine augenfällige Wirkung zeigen kann
oder daß es bereits im Darm eine Zersetzung erfährt. Es folgt für
mich hieraus, daß es vollständig zwecklos ist, etwa Tropfeinläufen
Adrenalin zuzusetzen. Löwe hat bekanntlich auch bei der peroralen
Darreichung des Adrenalins keinerlei Wirkung gesehen.
Zusammenfassung.
Nach der intravenösen Adrenalininjektion trat stets mit einer
Ausnahme eine Blutdrucksteigerung ein mit nachfolgendem Ab¬
sinken, bei höheren Dosen selbst unter den Ausgangswert. Die
kleinste sicher wirksame Dosis war 0,005 mg; 67 °/ 0 der Fälle
reagierten sogar noch auf 0,001 mg. Die subcutane Einspritzung
rief in 94°/ 0 ebenfalls eine Druckerhöhung hervor, die zwischen 15
und 20 Minuten ihre Höhe erreichte und nach 30 Minuten abge¬
sunken war. Bei 6°/ 0 trat zunächst eine Blutdrucksenkung ein,
auf die, aber auch nicht immer, eine Steigerung folgte. Die kleinste
wirksame Gabe betrug 0,1 mg.
Atropin oder Papaverin mit Adrenalin gleichzeitig gegeben be¬
wirken eine beträchtlichere Blutdruckerhöhung als Adrenalin allein.
Der Puls zeigte nach intravenöser Einverleibung und zwar sofort
in 94 0/ 0 der Fälle eine Zunahme, in 6°/ 0 eine Abnahme und in
einem Fall keine Veränderung. Geringste wirksame Dosis 0,001 mg.
Nach der subcutanen Injektion beobachtete ich in 93 °/ 0 eine Ver¬
mehrung, in 7° 0 eine Verminderung. Geringste sicher wirksame
Menge 0,5 mg.
Nach gleichzeitiger Anwendung von Atropin und Papaverin steigt
die Pulszahl erheblich an.
Die Atmung nahm nach der intravenösen Einspritzung in 80 °/ 0
bis zu 28 Atemzügen zu, in 20°/ 0 trat eine Verminderung ein.
0,005 mg wirkten noch deutlich. Über den Einfluß bei subcutaner
Anwendung besitze ich selbst keine Beobachtungen.
- Qr i g i raH mm -
UNIVERSITY 0F MINNESOTA
über die Wirkung des Adrenalins.
63
Der Blutzucker zeigte stets eine Zunahme um 0,004 bis 0,113° 0
bei der intravenösen Einverleibung, selbst noch bei 0,001 mg; nach
der subcutanen um 0,01 bis 0,095 °/ 0 , geringste wirksame Menge 0,1 mg.
Glykosurie beobachtete ich nur nach subcutaner Injektion und
zwar in 4°/ 0 der Fälle.
Ebenso nahm nach der intravenösen Darreichung die Bluttrocken¬
substanz in 94°/ 0 der Beobachtungen um 0,1 bis 7,2 °/ 0 zu, selbst
bis 0,001 mg abwärts; nach der subcutanen blieb sie in 7°/ 0 aus.
Die Vermehrung betrug in den übrigen Fällen 0,3 bis 8,0 °/ 0 .
Die Vermehrung der Bluttrockensubstanz wird durch Auspressung
von Plasma aus den Gefäßen erklärt.
Der Kochsalzgehalt stieg nach intravenöser Injektion stets an
um 0,02 bis 0,08 °/ 0 ; nach subcutaner wurde nicht darauf untersucht.
Die roten und weißen Blutkörperchen nahmen nach der sub¬
cutanen und intravenösen Injektion zu, ein deutlicher Unterschied
trat hier nicht zutage.
Die Neutrophilen zeigten in 96°/ 0 der Fälle eine Abnahme, die
bei der intravenösen Einverleibung deutlicher war als bei der sub¬
cutanen; bei letzterer wurde in 94°/ 0 eine Abnahme gefunden,
einmal eine Zunahme und einmal ein Gleichbleiben.
Die Eosinophilen wiesen sowohl nach der intravenösen als auch
nach der subcutanen Injektion in 90 °/ 0 resp. 68°/ 0 eine Zunahme
auf, in den übrigen Fällen trat entweder keine Veränderung oder
eine Verminderung ein.
Die Lymphocyten nahmen nach der subcutanen Einspritzung
stets zu, dagegen bei der intravenösen nur in 85 °/ 0 der Fälle, in
den übrigen 15 °/ 0 zeigte sich eine Verminderung.
Die Mononucleären zeigten sowohl nach der subcutanen wie
intravenösen Einverleibung in 40°/ o eine Vermehrung, in 60°/ o
resp. 40 °/ 0 eine Verminderung, in den übrigen Fällen trat eine
Veränderung nicht auf.
In der Erhöhung der Leukocytenzahl haben wir bei der sub¬
cutanen Anwendung eine beständigere Reaktion auf Adrenalin, als
in der Blutdrucksteigeiung und Pulsfrequenzvermehrung,' bei der
intravenösen sind sie gleich.
Rectale Einverleibung des Adrenalins bewirkt keine Reaktion.
Zusatz von Adrenalin zu Tropfeinläufen ist daher zwecklos.
Nebenerscheinungen lassen sich durch richtige Wahl der Dosis
auch bei der intravenösen Einspritzung vermeiden, bei dieser sind
sie selbstverständlich stürmischer als bei der subcutanen.
Die Verschiedenheit in der Wirkung des Adrenalins je nach
dem Wege der Einverleibung ist nur durch örtliche Änderungen in
den Resorptionsverhältnissen zu erklären.
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04 0. Platz:
In einer nach Fertigstellung dieser Arbeit erschienenen Ver¬
öffentlichung kommt Fomet zu dem Schluß, daß der Effekt einer
genau dosierten Adrenalinmenge nur bei der intravenösen Injektion
sicher zu bestimmen ist. Dabei ist die Höhe der Blutdrucksteigerung
nur in Beziehung mit ihrer Dauer verwertbar. Fomet steht also
auf Grund seiner Untersuchungen auf demselben Standpunkt, wie
ich auf Grund meiner.
Literaturverzeichnis.
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Gck igle
Original from_
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Über Organanalysen bei experimentellem Skorbut der
Meerschweinchen nebst einigen Angaben
über den Blutbefund.
Von
Dr. Tomoji Iwabuchi (Korea, Japan).
(Aus der Universitäts-Kinderklinik in Wien [Vorstand: Prof. Dr. C. Pirquet].)
Mit 4 Textabbildungen.
(Eingegangen am 1. Juli 1922.)
Die Zahl der experimentellen Arbeiten, die sich mit dem Skorbut
der Meerschweinchen befassen, mit der Bedeutung der Zufuhr der
Vitamine für die Verhütung dieser Erkrankung, ist außerordentlich
groß, hingegen liegen nur ganz vereinzelte Stoffwechselversuche vor
bei der Barlowschen Krankheit und ganz vereinzelte Organanalysen
beim Kinde, welche zur Aufgabe hatten, die Organe bei dieser inter¬
essanten Krankheit chemisch zu untersuchen. Organanalysen über
den experimentellen Skorbut am Meerschweinchen sind bisher über¬
haupt nicht veröffentlicht worden. Von den neueren klinischen Ar¬
beiten, die sich mit dem Stoffwechsel bei der Barlowschen Krankheit
befassen, will ich nur die Arbeit von Lust und Klocman aus dem
Jahre 1912 und die Arbeit von Maria Frank aus dem Jahre 1920
erwähnen. Lust und Klocman fanden bei Stoffwechseluntersuchungen,
die sie an einem an schwerster Barlowscher -Krankheit leidenden
Kinde durchgeführt haben, daß der Stoffwechsel des Stickstoffs sich
in keinem Stadium der Krankheit von dem gesunder Kinder irgend¬
wie nennenswert unterscheidet. Sehr interessant ist ihre Feststellung,
daß der Mineralstoffwechsel (Gesamtasche, Kalk, Phosphor und Chlor)
während des floriden Stadiums der Erkrankung im Vergleich zu ge¬
sunden Kindern eher erhöht als geschädigt bezeichnet werden muß.
Sie fanden weiter, daß im Stadium der Rekonvaleszenz die erwähnten
Mineralstoffe eine stark negative Bilanz aufwiesen und erst nach
Wochen sich den normalen Verhältnissen näherten, ohne aber dieses
Ziel -zu erreichen zu jener Zeit, in der die klinischen Symptome der
Krankheit als beendet bezeichnet werden konnten. Lust und Klocman
nehmen an, daß die erwähnten negativen Aschenbilanzen ihr Ent¬
stehen einer vermehrten Ausscheidung, wie sie sagen, einer Art Aus¬
schwemmung von totem Material verdanken, das sich während des
Z f. d. g. exp. Med. XXX. 5
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
66 T. Iwabuchi: Über Organanalysen bei experimentellem Skorbut
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floriden Stadiums der Erkrankung angesammelt hat. Sie betonen
weiter, daß der Stoffwechsel beim Morbus Barlow in keiner Weise
mit dem bei Rachitis vorhandenen Ähnlichkeiten aufweist, ja sogar
zu diesem im Gegensätze steht. Frank hebt hervor, ebenso wie dies
Lust und Klocman getan haben, daß die von diesen zuerst beobach¬
tete Retention von Aschenbestandteilen in einem früher entwickelten
Stadium der Krankheit, ebenso wie die starke Kalkausscheidung im
Stadium der Heilung nicht auf Zufälligkeit beruht, sondern wahr¬
scheinlich zum Symptomenkomplex der Barlowschen Krankheit ge¬
hört. Es wird für unwahrscheinlich gehalten, daß der Ort der •
starken Aschenretention das Skelett wäre.
Währenddem die hier angeführten Untersuchungen von Lust und
Klocman sich mit dem Stoffwechsel des barlowkranken Kindes be¬
fassen, hatten es Bahrdt und Edelstein sich zur Aufgabe gemacht,
bei einem an der Barlowschen Krankheit verstorbenen Kinde eine
genaue Organanalyse vorzunehmen, speziell die Mineralien zu ana¬
lysieren. Sie untersuchten nicht nur die wichtigsten Knochensub-
stanzen, also Kalk und Phosphor, sondern außerdem die Alkalien
und analysierten außer dem Knochen auch andere Organe, nämlich
Leber, Niere, Muskel und Blut, um etwas über die Wege und den
Verbleib etwa fehlender Mineralien zu erfahren. Ähnliche Unter¬
suchungen wurden bei der Rachitis bekanntlich von Brubacher und
Stöltzner , Aschenheim und Kaumheimer angestellt. Das wichtigste
Resultat dieser Untersuchungen besagt, daß bei dem barlowkranken
Kinde der Knochen an Trockensubstanz außerordentlich verarmt war.
Sie fanden in dem Barlow-Knochen nur halb soviel Trockensubstanz
wie normal. Die Verminderung der Trockensubstanz geht zum
größten Teil auf Kosten einer Ascheverminderung. Die Asche bildet
nach den Untersuchungen von Bahrdt und Edelstein beim barlow¬
kranken Kinde weniger als die Hälfte der Trockensubstanz, beim
normalen viel mehr als die Hälfte. Sie fanden weiter eine gleich¬
sinnige Verminderung des Kalk- und Phosphorgehaltes, auf frische
Substanz bezogen nur etwa 1 / 3 — 1 / 5 der normalen Kalkwerte und
etwa 1 J 4 —der normalen Phosphorwerte. Sie beobachteten, daß
die chemischen Analysen von Calcium und Phosphor im Knochen
bei dem barlowkranken Kinde ähnliche Mineralzusammensetzung
zeigte wie bei der Rachitis, ohne natürlich eine ätiologische Ver¬
wandtschaft zwischen Barlow und Rachitis betonen zu wollen.
In ihren Resultaten stehen Bahrdt und Edelstein im Gegensatz zu
den Befunden im Stoffwechselversuche von Ijust und Klocman. Die
Analyse der inneren Organe und des Blutes ergab, daß große auf¬
fallende Abweichungen in den visceralen Organen nicht festzustellen
waren außer einer gewissen Kalkverarmung der Muskeln. Namentlich
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
der Meerschweinchen nebst einigen Angaben über den Blutbefund. 67
erwies sich auch der Phosphorgehalt als normal. Die Muskeln unter¬
schieden sich von normalen durch eine deutliche Kalkverarmung,
die bei Leber und Niere fehlte. Die genannten Autoren konnten
in den Barlow-Muskeln trotz genügenden Analysenmaterials kein
Kalk bestimmen. Der Phosphor wurde in allen inneren Organen in
normaler Quantität gefunden, auch im Muskel. Im Blut wurden
keine Kalk- und Phosphorbestimmungen vorgenommen, da zu wenig
Material vorhanden war. Kalium und Natrium waren im Blute
normal.
In Japan hat sich infolge der Zunahme der künstlichen Ernäh¬
rung die Barlowsche Krankheit immer mehr verbreitet. Diese Tat¬
sache hat mich bewogen, mich mit der Barlowschen Krankheit inten¬
siver zu befassen und zunächst die Nebennieren Veränderungen beim
experimentellen Skorbut zu studieren. Weiterhin habe ich mein
Interesse den chemischen Veränderungen der Organe zugewendet,
wobei ich erstaunt war, feststellen zu können, daß experimentelle
Arbeiten nach dieser Richtung noch nicht vorliegen. Die Versuche,
welche Verfasser an der Wiener Universitäts-Kinderklinik vornahm,
erstrecken sich auf Beobachtungen über die Veränderung des Blutes
am lebenden Tier, sowie auf die Untersuchung der Organe des toten
Tieres. Es wurden insgesamt 23 Meerschweinchen für diese Ver¬
suche verwendet, und zwar wurden 12 Meerschweinchen vitaminfrei
gefüttert zum Zwecke der Skorbuterzeugung, 6 Meerschweinchen er¬
hielten als Kontrolltiere eine antiskorbutische Nahrung, die sich von
der bei der ersten Gruppe nur durch den Vitamingehalt unter¬
schied, 2 Meerschweinchen wurden, um Vergleichszahlen zu ge¬
winnen, bei einfacher Wasserzufuhr verhungern gelassen und
3 gewöhnliche Laboratoriumstiere, bei denen auf die vorherige
Ernährung keine weitere Rücksicht genommen wurde, zwecks
Organanalyse getötet. Die Versuchstiere sind im Stadium der
schwersten Skorbuterkrankung entweder spontan zugrunde gegangen
oder sind so wie die übrigen Kontrolliere durch Entblutung
vorher schon getötet worden.
Um bei den Versuchstieren Skorbut hervorzurufen, wurde die
Milch (Kuhmilch) zwei Stunden hindurch gekocht, bzw. getrocknete
Haferkleie verwendet. Die gekochte Milch wurde derart verabreicht,
daß sie entweder durch Eindampfen auf das halbe Volumen gebracht,
in dieser Form gegeben wurde oder indem sie nach Einengen durch
nachherigen Wasserzusatz wieder auf das ursprüngliche Volumen ge¬
bracht wurde. Den Kontrollieren wurde zur Verhütung der Bar¬
lowschen Krankheit der Preßsaft von Kohlrüben gegeben. Der Kohl-
rübensaft wurde durch Zerkleinern der Kohlrüben auf einem Reib¬
eisen und nachfolgendes Auspressen mit Hilfe eines Tuches gewonnen.
5*
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
08 T. Iw&buchi: Über Organanalysen bei experimentellem Skorbut
Difitized by
Di© Meerschweinchen erhielten täglich 7—10 g dieses Saftes mittels
eines größeren Tropfglases gewaltsam zugefüttert. Nach ca. drei
Tagen nahmen die Tiere die dargereichte Nahrung bereits aus dem
Tropfglas spontan zu sich. Im folgenden bringe ich das Körper -
gewicht der spontan zugrunde gegangenen Tiere .
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Abb. 1.
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Die durchschnittliche Körpergewichtsabnahme bei diesen sieben Tieren
beträgt 31,59°/ 0 , die durchschnittliche Versuchsdauer 35.57 Tage.
x ) Milch als Gleichnahmng.
fl ) Milch als Doppelnahrung.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
der Meerschweinchen nebst einigen Angaben über den Blutbefund. 69
Um einwandfreie Vergleiche anstellen zu können, wurden fünf
erkrankte Tiere durch Entblutung getötet. Das Körpergewicht dieser
fünf getöteten Tiere betrug (vgl. Abb. 1 u. 3).
Gewicht beim |
Gewicht am Vor-
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tage des Todes
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XII 2 )
1 347 |
220
39
Die durchschnittliche Körpergewichtsabnahme beträgt bei diesen
fünf Tieren 22,83 °/ 0 , die durchschnittliche Versuchsdauer 46,4 Tage.
Die entsprechenden Daten der sechs antiskorbutisch gefütterten
Kontrolliere lauten (vgl. Abb. 2 u. 4):
Milch als Gleichnahrang.
2 ) Milch als Doppelnahrung.
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
70 T. Iwabuchi: Über Organanalysen bei experimentellem Skorbut
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Die durchschnittliche Körpergewichtszunahme beträgt bei diesen sechs
Tieren 66,27 °/ 0 , die durchschnittliche Versuchsdauer 51,8 Tage.
Die Daten der zwei Verhungerungstiere sind
Nr.
| Gewicht beim |
Versuchsbeginn
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Die durchschnittliche Körpergewichtsabnahme beträgt bei diesen
Tieren 25,8 °/ 0 , die durchschnittliche Versuchsdauer 6 Tage.
Die Unterschiede der Körpergewichtsabnahmen und der Versuchs¬
dauer gegenüber den Resultaten in meiner früheren Arbeit 8 ) erklären
sich durch den Unterschied in der Fütterung. Ich habe bereits
oben erwähnt, daß ein Teil der Versuchstiere mit einer auf gekochten
Milch als Gleichnahrung, ein anderer Teil mit konzentrierter Milch
als Doppelnahrung gefüttert wurde. Die mit Gleichnahrung gefüt¬
terten drei Kontrolliere zeigten bei einer durchschnittlichen Versuchs¬
dauer von 55 Tagen eine Körpergewichtszunahme von 88,17°/ 0 und
die mit doppeltkonzentrierter Milch gefütterten drei Kontrolliere bei
einer Versuchsdauer von 46 1 / 2 Tagen eine Körpergewichtszunahme
von 50,89 °/ 0 .
Von den sechs skorbutkranken Tieren zeigten die mit einfacher
Milch gefütterten, bei einer durchschnittlichen Versuchsdauer von
49,6 Tagen, eine Körpergewichtsabnahme von 21,73°/ 0 , bei konzen¬
trierter Milchfütterung die sechs anderen skorbutkranken Meer¬
schweinchen bei einer durchschnittlichen Versuchsdauer von 40 1 /«
Tagen eine Körpergewichtsabnahme von 34,66 °/ 0 . Diese Resultate
zeigen, daß sowohl die erkrankten wie die Kontrolliere die Voll¬
milch besser vertragen haben als die eingeengte.
l ) Milch als Gleichnahrung.
? ) Milch als Doppelnahrung.
8 ) Über die Nebennierenveränderungen beim experimentellen Skorbut.
Zieglers Beiträge 1922.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
der Meerschweinchen nebst einigen Angaben über den Blutbefund. 71
Klinischer Befund . Das Körpergewicht jedes Versuchstieres, das
vitaminfrei gefüttert wurde, nimmt durch 10—12 Tage langsam zu,
um dann ziemlich rasch abzunehmen, bis zum Eintritt des Todes. Vom
10. Tage an erwiesen sich die erkrankten Tiere weniger lebhaft, an den
Hinterbeinen traten Bewegungsstörungen auf, ebenso waren Schmerz¬
empfindungen bei der Berührung festzustellen. Diese Erscheinungen
konnten später auch an den Vorderbeinen beobachtet werden bei
gleichzeitiger starker Erschöpfung. Von zwei Ausnahmen abgesehen,
setzte am 24.—25. Versuchstage Diarrhöe ein, die mit der zunehmen¬
den Erkrankung immer hoch¬
gradiger wurde, jedoch einige
Tage vor dem Tode erlosch.
Bei vier Versuchstieren konnte
vor dem Auftreten derDiarrhöe
reichliche reine Blutentlee¬
rung (nicht blutige Diarrhöe)
beobachtet werden. Der Ap¬
petit der Tiere war bis zum
Tode gut.
Obduktionsbefund . Alle
Tiere waren stark abgemagert,
die Knorpel - Knochengrenze
aller Rippen war fahlgelb ver¬
färbt, ihre Umgebung lebhaft
gerötet. Jedes der skorbut-
krankenMeerschweinchen wies
dunkelrote Blutungen in den
Wadenmuskeln auf und strei¬
fenförmige Hämorrhagien im
Kniegelenk. In vier Fällen
war Zahnfleischblutung und
Lockerung der Zähne erkennbar. Vier Tiere zeigten Blutungen
in der Muskulatur der oberen Extremitäten. Drei Tiere wiesen
seröse Überzüge des Darmes auf mit zahlreichen kleinen punkt¬
förmigen Blutungen. Andere auffällige Veränderungen der Einge¬
weide oder der inneren Organe konnten makroskopisch nicht be¬
obachtet werden.
Refraktometrische Untersuchungen. Das Blut wurde in Capillaren
den Ohrmuscheln entnommen, bei drei erkrankten Tieren war die
Erschöpfung derart vorgeschritten, daß eine Blutentnahme nicht
möglich war. Bei 20 Versuchstieren (12 skorbutkranke, 6 Kontroll¬
iere, 2 Verhungerungstiere) schwankte der Eiweißgehalt des Blutes
beim Beginn des Versuches zwischen 5,23°/ 0 bis 7,11 °/ 0 , betrug
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•) declnem = 0,1 g Milchn&hrwert.
Abb. 3.
Digitized b'
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
T. Iwabuchi: Über Organanalysen bei experimentellem Skorbut
somit im Durchschnitt 6,1 °/ 0 . Die zwölf erkrankten Tiere zeigten
beim Beginn des Versuches einen Eiweißgehalt im Blut von ca. 6,2 °/ 0
im Durchschnitt, vor dem Tode betrug der durchschnitliche Eiwei߬
gehalt 5,85°/ 0 (8. Tabelle I).
Blutkörperchenzählung. Der Hämoglobingehalt wurde in 14maligen
Untersuchungen an drei gesunden Kontrollieren und an drei nor¬
malen Laboratoriumstieren festgestellt und betrug 78-—95°/ 0 Sahli,
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0.1 g Milchn&hrwert.
Abb. 4.
im Durchschnitt 87°/ 0 Sahli. Der durchschnittliche Gehalt an weißen
Blutkörperchen wurde bei diesen sechs Tieren mit 13 774, der Ge¬
halt an roten Blutkörperchen mit 5 350000 gefunden. Das Verhältnis
der weißen zu den roten Blutkörperchen beträgt somit 1: 388. Bei
den kranken Tieren w urden vom 25. Versuchstage an 28 mal Blut¬
untersuchungen vorgenommen, die einen Hämoglobingehalt von durch¬
schnittlich 70 °/ 0 Sahli zeigten. Die erkrankten Tiere weisen demnach
eine deutliche Verminderung des Hämoglohivg eh altes des Blutes auf.
Die kranken Tiere hatten im Durchschnitt 17 209 Leukocyten,
5140000 Erythrocyten. Das Verhältnis zwischen beiden etwa 1 : 298.
•) decinem
Original from— - -
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Digitized by
Prozente Eiweiß im Blutserum
der Meerschweinchen nebst einigen Angaben über den Blutbefund. 73
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
74 T. Iwabuchi: Über Organanalysen bei experimentellem Skorbut
Die kranken Tiere weisen demnach eine mäßige Leukocytose bei
deutlicher Hämoglobinverarmung auf. Die morphologische Blutunter¬
suchung der kranken Tiere zeigte keine Besonderheiten (s. Tab. II. u. III).
Tabelle II.
Blutuntereuchung bei gesunden Tieren.
Drei normale Laboratoriumatiere Zwel Verhungemn«.-
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Tag 28. 28. 28. 1. Tag 8. 2.
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Leukocyten 16224 15600 15912 10608 12700 14500 8424 10638
Erythrocyten ;| 570000015750000 6050000 5460000 5250000 15450000 5450000 5950000
Tag
38.
38.
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Hämoglobin °/ 0 |
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Erythrocyten | ,
95 | 95
1 15072 i 15954
(5350000 ,5450000
Durchschnitt:
Durchschnitt:
Hämoglobin °/ 0
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Leukocyten
14856
12633
Erythrocyten
5850000
5850000
Durchschnitt von 14 Untersuchungen (3 Kontroll- und 3 Normaltiere):
Hämoglobin °/ 0 | 87
Leukocyten 13774 Leukocyten 1:388 Erythrocyten
Erythrocyten 5 350000
Chemische Untersuchungen. Für derartige Untersuchungen, wie
ich sie durchzuführen die Absicht hatte, ist es unbedingt notwendig,
um ein verläßliches Resultat zu erhalten, möglichst viel Unter¬
suchungsmaterial und Vergleichsmaterial zu erlangen. Da die Organe
der einzelnen Tiere hierfür nicht genügt hätten, wurden die Organe
mehrerer Tiere gleichzeitig verarbeitet. Da auch die Ernährung und
die Altersverhältnisse einen großen Einfluß haben, wurden die
12 skorbutkranken und die 6 Kontrolliere durch längstens 56 Tage
gleichartig ernährt, nur erhielten letztere, wie bereits erwähnt, zur
UNIVERSITY OF MINNESOTA
der Meerschweinchen nebst einigen Angaben über den Blutbefund. 75
Tabelle III.
Blutuntersuchung bei kranken Tieren.
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5550000
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Tag
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Hämoglobin °/ 0
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Leukcyten
Erythrocyten
70
11232
4750000
50
27300
(3350000
65
5928 16458
4200000 6250000
75~
13164
5500000
80
16336
5850000
Tag
40.
40.
37.
:K
Hämoglobin °/ 0
Leukocyten
Erythrocyten
60
15345
47500 0
50
25428
4700000
70
19344
4450000 ;
75
1 20748
4600000
Tag
44.
42.
Hämoglobin °/ 0
Leukocyten
Erythrocyten
65
33072
5450000
70
26740 !
4650000 |
1
Tag
44.
Hämoglobin °/ 0
Leukocyten
Erythrocyten
74
27144 |
4750000
Durchschnitt von 27 Untersuchungen bei den erkrankten Tieren:
Hämoglobin °/ 0
Leukocyten
Erythrocyten
70
I 17 209
15140000
Leukocyten 1 : 298 Erythrocyten
Nahrung als Zulage an Vitanin Kohlrübensaft. Die chemischen
Vergleichsresultate sind daher gut zu gebrauchen und von großem
Interesse.
Zwecks Untersuchung der Knochen wurden die herauspräparierten
Röhrenknochen der Extremitäten und die Unterkiefer aller Tiere
zusammengenommen. Die Trockensubstanz wurde am Wasserbade
und dann im Trockenschrank bei 100° hergestellt, der Fettgehalt
wurde mit dem Soxhletschen Extraktionsapparat bestimmt, die
Phosphorbestimmung nach Neumann 3 die Calciumbestimmung nach
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7() T. Iwabuohi: Uber Ürgananalysen bei experimentellem Skorbut
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Aron vorgenommen. Nach der Neumannschen Methode wird die
Phosphorsäure bekanntlich aus der Säuregemischaschenlösung als
Ammoniumpho8phormolybdat gefällt. Der mit eiskaltem Wasser aus¬
gewaschene Niederschlag wird sodann in überschüssiger n/2-Natron¬
lauge gelöst; nach dem Wegkochen des Ammoniaks und völligem
Erkalten wird mit n/2-Schwefelsäure zurücktitriert. Jedem ver¬
brauchten Kubikzentimeter n/2-Natronlauge entsprechen 1,268 P a 0 5 .
Die Calciumbestimmung nach Aron beruht bekanntlich darauf, daß
man die organische Substanz von dem frischen oder getrockneten
Untersuchungsmaterial mit Salpeter Schwefelsäure zerstört und ver¬
ascht, das Calcium, das man als Sulfat in der Lösung hat, als solches
durch Alkohol abscheidet und bestimmt. Das Calcium wird hierbei
mit einem 2 1 / 9 fach so schweren Molekül (CaS0 4 ~ 136) zur Wägung
gebracht, als bei der Fällung als Oxalat und Bestimmung als Oxyd
(CaO = 56). Man braucht demnach nur 2 / 5 der Substanzmenge
zu veraschen, um dieselbe Genauigkeit zu erzielen, bzw. man erreicht
mit der gleichen Menge eine 2 l / a mal so große Genauigkeit. Alkali-
und sonstige Bestimmungen wurden wegen Mangel an Substanz
unterlassen. Die Bestimmung von Knochenphosphat und Calcium
und von Muskelphosphat, sowie die Fettbestimmung wurde für jedes
Kontrolltier einzeln durchgeführt (Doppelanalyten). Der Gehalt an
Muskelcalcium, sowie an anderen Organsubstanzen konnte wegen des
zu geringen Untersuchungsmaterials nicht beim einzelnen Tiere, son¬
dern nur in der Gesamtheit vorgenommen werden (s. Tabelle IV).
Wenn wir zunächst den durchschnittlichen Gehalt an Trocken¬
substanz der normalen Versuchstiere mit den Kontrollieren bzw.
mit den verhungerten kranken Tieren vergleichen, so finden wir den
Gehalt an Trockensubstanz bei den 3 normalen Laboratoriumstieren
und 6 Kontrollieren am höchsten. Bei den 7 spontan verstorbenen
skorbutkranken Meerschweinchen am niedrigsten (normale Labora¬
toriumstiere 41,82 °/ 0 , Skorbuttiere 29,41 °/ 0 ). Der Wassergehalt be¬
wegt sich naturgemäß in entsprechend entgegengesetzter Richtung.
Was nun den Phosphorgehalt und den Calciumgehalt der kranken
und gesunden Tiere betrifft, so konnten wir keinen auffallenden
Unterschied feststellen. Der Phospkorgehalt in den Knochen und
Muskeln ist zwar bei den skorbutkranken Tieren um etwas niedriger
als bei den normalen Laboratoriumstieren und 6 Kontrollieren, die
Ausschläge sind aber ganz unbedeutend. Der Phosphorgehalt des
Muskels ist bei den skorbutkranken Tieren um etwa 1 °/ 0 geringer
als bei den normalen Laboratorium stieren. Der Calciumgehalt der
Knochen und Muskeln der skorbutkranken Tiere ist zwar ebenfalls
um etwas niedriger als der der normalen Laboratoriumstiere, aber
in den Muskeln sogar eher etwas größer als bei den 6 Kontrollieren.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
der Meerschweinchen nebst einigen Angaben über den Blutbefund. 77
Tabelle IV.
Zusammenfassung der Resultate.
--
3
2
6
12 Skorbutkranke, davon
; Normal-
Hunger-
Kontroll-
7 spontan
6 entblut.
tiere
eingegangen
°/o
V.
V.
°/o
°/o
%
Trockensubstanz
41,82
31,92
38,40
30,57
29,41
88,55
Wassergehalt
58,18
68,08
61,60
69,43
70,59
66,45
Trockensubstanz
64,0
56,32
61,94
56,12
54,49
58,48
Asche
0
0
61,62
0
60,60
—
Knochen «
Fett
6,24
1,64
6,66
1,80
1,56
2,00
PA
28,88
26,13
27,01
26,13
—
—
CaO
30,37
29,01
29,43
28,49
—
—
Trockensubstanz
29,73
20,43
27,51
20,33
19,27
21,62
Asche
0
0
7,42
—
6,08
—
Muskel
Fett
38,97
6,60
21,60
8,96
6,62
10,85
PA
. 3,83
3,55
—
2,84
—
—
CaO
0,318
0,304
0,253
0,267
—
—
Trockensubstanz
27,38
25,68
27,60
25,48
23,92
26,52
Leber <
Fett
19,57
16,81
15,56
14,89
—
PA
3,22
3,43
2,95
3,01
—
CaO
0,132
0,145
I 0,128
0,132
-
—
f Trockensubstanz
j 22,35
20,69
21,74
19,90
19,66
20,44
Niere <
Fett
16,03
11,46
13,56
11,73
—
—
PA
4,64
3,94
3,63
3,25
—
i —
{ CaO
0,257
0
0,240
0,262
—
—
f Trockensubstanz
30,12
27,54
30,77
30,95
27,29
! 33,17
Neben¬
1 Fett
49,66
36,00
64,61
9,64
—
niere
1 PA
4,99
4,99
5,66
3,49
—
i
[ CaO
0
0
0
0
—
1
Trockensubstanz
19,98
0
18,23
17,33
—
—
Blut <
Fett i
' 1,54
0
1
! 1,35
1,01
—
—
PA
, o
0
0
0
—
—
[ CaO
i 0,0619
1 0
i o
0,0366
—
—
Auffallend niedrig sind die Werte für Fett in den Muskeln der
skorbutkranken Tiere gegenüber den Normal- bzw. Kontrollieren
(8,95°/ 0 gegenüber 38,97°/ 0 bzw. 21,6°/ 0 ); auch bei den Hunger¬
tieren ist der Fettgehalt der Muskeln naturgemäß sehr niedrig (6,6 °/ 0 ).
Die Resultate der Phosphor- und Kalkbestimmung in Leber und
Niere zeigen auffallende Ähnlichkeit bei den skorbutkranken — und
Kontrollieren. Die Nebenniere enthält lei den skorbutkranken Meer¬
schweinchen etwas weniger Phosphor als bei den normalen — bzw.
Kontrollieren, jedoch, und das ist das Bemerkenswerte an meinen
Untersuchungen, eine ganz enorme Differenz im Feltgehalte. Die Neben¬
nieren der Skorbutliere toiesen im Durchschnitt etwa 9,54°j 0 Fett auf.
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
78 T. Iwabuchi: Über Organanalysen bei experimentellem Skorbut
Difitized by
gegenüber der 4—5 fachen Quantität lei den Normal-, Kordroll - und
Hungertieren. Ich möchte in diesem Zusammenhänge insbesondere
auch auf die kürzlich erschienene Mitteilung von Peiper verweisen,,
die eine Bestätigung für meine an anderer Stelle 1 ) mitgeteilte
Beobachtung darstellt, daß nämlich eine innige Beziehung zwischen
Skorbut und Nebenniere zu bestehen scheint.
Ebenso ist der Calciumgehalt des Blutes der skorbutkranken Tiere
niedriger als der normalen Laboratoriumstiere.
Zusammenfassung.
An 23 Meerschweinchen wurden Organanalysen beim experi¬
mentellen Skorbut vorgenommon und Blutuntersuchungen angestellt.
Hierbei hat sich ergeben:
Auf Grund der refraktometrischen Blvluntersuchung ist der Ei-
woißgehalt beim erkrankten Tier im allgemeinen vermindert, der
Hämoglobingehalt deutlich vermindert,'die Zahl der weißen Blut¬
körperchen vermehrt, bei den zwei Verhungerungstieren wurde deut¬
liche Leukopenie beobachtet. Die Zahl der roten Blutkörperchen
und der morphologische Befund zeigte keine Besonderheiten . Die
chemische Untersuchung ergab eine Verminderung der Aschensubstanz
(Knochen und Muskeln) des erkrankten Tieres; der Fettgehalt ist beim
erkrankten Tier auffallend niedrig , besonders in der Nebenniere und
in den Muskeln . Der Phosphorgehalt der Nebenniere ist herab¬
gesetzt, ebenso der Calciumgehalt. Fünf Tiere wurden entblutet und
im Blut eine einmalige Calciumbestimmung vorgenommen. Der
Cälciumgehalt war beim erkrankten Tiere um etwa die Hälfte nie¬
driger als bei den normalen Laboratoriumstieren. Vielleicht spielt
die Calciumarmut des Blutes bei den skorbutischen Blutungen eine
gewisse Rolle. Die bisher in anderen Arbeiten festgestellte Calcium-
und Phosphorarmut der Knochen, wie sie auch bei Rachitis ge¬
funden wurde, konnte durch meine Untersuchungen nicht bestätigt
werden. Tatsächlich vorhandene Veränderungen bzw. Abweichungen
von den Normalwerten konnten nur im Blut und in den Neben¬
nieren festgestellt werden. Es dürfte wertvoll sein, diese Belunde
durch weitere Untersuchungen zu vermehren, bzw. durch Vergleiche
mit Organuntersuchungen bei barlowkranken Kindern zu erweitern.
Literaturverzeichnis.
Reiß , Refraktometrische Ausführung der Blutuntereuchung. Erg. d. inn.
Med. u. Kinderh. 10. 1913. — Bahrdt , Hans und Edelstein , F., Organanalysen
bei Morbus Barlow. Verh. d. Ges. f. Kinderh. Wien 1913. — Aron , Hans ,
') 1. c.
Gck igle
— Origina+-from -
UNIVERSITY OF MINNESOTA
der Meerschweinchen nebst einigen Angaben über den Blutbefand. 79
Eine einfache Methode zur Bestimmung des Calciums in organischen Substanzen.
Biochem. Zeitschr. 4 . 1907. — Frank , if., Beitrag zur Klinik und zum Stoff¬
wechsel der Möller-Barlowschen Krankheit. Jahrb. f. Kinderh. 91. 1920. —
Lust, F. und Klocman , L. , Stoffwechselversuche bei Barlowscher Krankheit.
Jahrb. f. Kinderh. 75. 1912. — Abderhalden , Handbuch der biochemischen
Arbeitsmethoden 1, 419 (Hans Aron). 1910. — Bahrdt, Hans und Edelstein , F. f
Organanalysen bei Barlowscher Krankheit. Zeitschr. f. Kinderh. 9. 1913. —
Klieneberger und Walter , Die Blutmorphologie der Laboratoriumstiere. —
Nobel , E. t Zur Barlowfrage. Zeitschr. f. Kinderh. 28. 1921. — Nobel , E. f Über
den Wasserhaushalt des kindlichen Organismus Zeitschr. f. Kinderh. 22. 1919.
— Lockemann , Georg , Aschenanalyse (Abderhalden, Chem. Untersuchungs¬
methoden 1922.) — Peiper , Herbert , Über den Lipoidgehalt der Nebennieren¬
rinde des Meerschweinchens bei experimentellem Skorbut. Klin. Wochenschrift
Nr. 25, 1922. — Peiser, Bruno , Störungen der Adrenalinbildung in den Neben¬
nieren unter äußeren Einflüssen und ihre biologische Bedeutung. Zeitschr. f
d. ges. exp. Med. 27. 1922.
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Digitized by
Die Spezifität der Taberkulinreaktion.
Vergleichende Untersuchungen mit Tuberkulin und Eiwei߬
körpern an experimentellem und klinischem Material.
Von
Dr. Erich Hagemann.
(Aus der Medizinischen Klinik Kiel [Direktor: Prof. Dr. A. Schittenhelm})
Eingegangen am 2. Juni 1922.
Eine Arbeit über die Spezifität des Tuberkulins wird zweck¬
mäßig mit einer kurzen Definition des Begriffs beginnen müssen, so
überflüssig dies bei einer so allgemein bekannten und gebrauchten
Vorstellung anmuten mag. Ein Überblick aber über die seit 3
Jahrzehnten entstandene Literatur dieser Frage rechtfertigt dieses
Vorgehen; scheint doch gleichsinnig mit der Häufigkeit der An¬
wendung eines solchen Begriffs seine Anschaulichkeit zu verblassen.
Unter spezifischer Wirkung des Tuberkulins verstehen wir zu¬
nächst, daß sie sich allein auf den tuberkulösen Organismus be¬
schränkt und den gesunden unbeeinflußt läßt. Letzteres wird heute
fast allgemein zugegeben (bewiesen durch Untersuchungen an sicher
tuberkulosefreien Individuen. Engel und Bauer , Rujypel u. a.).
Ferner muß gefordert werden, daß das Tuberkulin in einzig¬
artiger Weise imstande ist, im tuberkulösen Herd wie im Gesamt¬
organismus des Kranken charakteristische Veränderungen hervorzu¬
rufen, die auf Grund einer spezifischen Überempfindlichkeit (Allergie)
auftreten.
Wäre irgendein andrer Stoff, ein Eiweißkörper z. B., imstande,
„Tuberkulinreaktionen“ in gleicher Weise auszulösen, dürften wir
den Ausdruck der Spezifität auf das Tuberkulin allerdings nicht
mehr anwenden.
Seit den ersten Beobachtungen über die Wirkungen des Tuberkulins auf
den tuberkulösen Organismus, insbesondere den tuberkulösen Herd, sind auch
Zweifel über ihre Spezifität laut geworden. Auf dem X. Kongreß für innere
Medizin (1891) betonte Ziegler , daß die Prozesse, die sich in der Umgebung
des Tuberkels infolge der Kochschen Injektionen abspielen, keine Vorgänge
sind, die etwas ganz Besonderes darbieten, und im Verlaufe der durch Tuber¬
kulin nicht beeinflußten Tuberkulose fehlen. Die Entzündungsprozesse, die
auch sonst in der Umgebung des Tuberkels vorhanden sind, werden durch die
Injektion gesteigert, bzw. sie treten in ganz akuter und vielleicht intensiverer
Weise auf als unter gewöhnlichen Verhältnissen. Wie bei unbeeinflußtem Ver-
Gck igle
Origi nal frorn_ - _
UNIVERSITY OF MINNESOTA
G. Hagemann: Die Spezifität der Tuberkulinreaktion.
81
lauf kann dieser Vorgang in Richtung der Heilung oder Verschlimmerung aus-
schlagen, aber rascher und energischer.
Damit wird also die Tuberkulinreaktion als Reizerscheinung in den Rah-
men natürlicher Krankheitsvorgänge eingeordnet — eine Vorstellung, die uns
heute ganz zu eigen ist; mögen auch die reaktiven Prozesse, die sich dabei
abspielen, im einzelnen der Gegenstand der mannigfachsten Kontroverse gewesen
sein. Heute nähern wir uns mit der Auffassung des Tuberkulins als Reizstoff,
wie sie am prägnantesten wohl durch Selter vertreten wird, fast vollkommen
jener vor 30 Jahren ausgesprochenen Vorstellung.
Diese Fähigkeit des Tuberkulins, Reaktionen zu erzeugen, beruht nach
fast allgemein gültiger Anschauung auf der spezifischen Überempfindlichkeit,
der Allergie v. PirqueVs , des tuberkulösen Herdes wie aller scheinbar un¬
beteiligten Körperzellen, einer biologischen Umstimmung mit fein abgestimmter
Reaktion auf adäquate Reize. Andere Stoffe können außerhalb des Herdes
im tuberkulösen Organismus diese charakteristischen Reaktionen, z. B. in der
Haut, nicht erzeugen ( Bessern , Sons und v. Mikulicz-Radecki). Es ist be¬
wiesen, daß Tuberkulininjektionen histologisch ein andres Bild machen als
Cutanreaktionen anderer Stoffe ( Klingmüllcr , Zitier , Doutrelepont), durch Neu¬
injektionen (auch von Giweißkörpern) oder Veränderungen im Krankheitsver¬
lauf zum Aufflammen gebracht werden können, was bei klinisch ähnlichen
Intracutanquaddeln von Proteinkörpern nicht der Fall ist (v. Hayek , Bessau ,
eigene Beobachtungen). Weniger eindeutig stellt sich der Ablauf von Reak¬
tionen im tuberkulösen Gewebe dar. Es scheint möglich, mit „un spezifischen“
Reizen der verschiedensten Art, vor allem mit Proteinen verschiedener Her¬
kunft gleiche oder ähnliche Anfachungen des Entzündungsprozesses wie mit
Tuberkulin zu erzielen (Albumosentbeorie von Kühne , Büchner , Matthes , Krehl;
Proteinkörpertherapie bei Tuberkulose nach R. Schmidt , Kraus , Kaznelson f
A. Mayer u. a.). Die Autoren glaubten daher, die Spezifität der Tuberkuline
ablehnen zu dürfen. Der Vorgang ist zu komplex, als daß man heute ein¬
deutig entscheiden könnte, ob es sich bei der Tuberkulinreaktion um ein Spiel
von Antigen und Antikörpern handelt ( Wassermann und Bruck) oder wenigstens
zum Teil — ob um eine reine Form der Anaphylaxie (Krehl) oder um die
Wirkung eines Reizstoffes, der weder mit Antikörpern noch mit Anaphylaxie
etwas zu tun hat, sondern als Katalysator zu betrachten ist (Selter).
Es ist daher sehr wohl möglich, daß Reaktionen im tuberkulösen
Gewebe qualitativ gleichartig ablaufen, ohne Rücksicht auf ihre
kausale Genese. Die Vorstellung der Autotuberkulinisation v. Hayeks
spricht vielleicht dafür. Es ist kaum anzunehmen, daß die Akti¬
vierung eines Prozesses z. B. durch Masern oder Grippe ihrem
Wesen nach von einem Tuberkulinschaden verschieden sei.
Wenn Gegner der Spezifität sie aus diesem Grunde ablehnen,
wird man ihnen heute bei dem wenig befriedigenden Stand unserer
Kenntnisse über den eigentlichen Charakter des Tuberkulins wenig
widersprechen können. Aber selbt wenn sich jemand auf den
Standpunkt einer rein anaphylaktischen Erklärung stellte, müßte
man doch auch für das T.B.-Protein die auf diesem Gebiet gültigen
Gesetze der strengen Spezifität gelten lassen. Verwandschafts- und
Gruppenreaktionen lassen sich im Gebiet der ganzen Immunitäts¬
lehre aufweisen. Die Entscheidung wird gefällt durch die Dosen-
Z. f. d. g. exp. Med. XXX. 6
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
82
E. Hagemann:
Difitized by
menge, die zur Auslösung der Reaktion genügt. Ein krankes Organ,
in dem sich chronische Entzündungsprozesse abspielen, ist empfind¬
licher als gesundes Gewebe; es spricht auf viele Reize an. Daß
es gegen einen besonderen Stoff stets besonders Äfcerempfindlich sei,
macht die Beziehungen aus, die wir mit Spezifität bezeichnen.
In diesem Sinne darf das Tuberkulin als Stoff mit spezifischer
Wirkung angesprochen werden. Es wirkt in kleinsten Dosen auf
den tuberkulösen Organismus (z. B. MTbR.), in größten auf einen
nicht infizierten nicht anders als Eiweißkörper in entsprechender
Menge. Schon Matthes betonte die auffallende Potenz kleinster
Tuberkulindosen und erklärte sie durch ein besonders giftiges
Pepton. Selter sah beim Pepton bei intracutaner Einverleibung erst
bei Mengen von 1 mg Substanz eine deutliche Reaktion, bei TB bei
0.01 mg und darunter. Verfügen wir über einen derart wirksamen
Stoff und wollen wir eine Reiztherapie in der Klinik der Tuber¬
kulose anwenden, so scheint er von vornherein anderen, nicht so
fein ab gestimmten Reizstoffen überlegen — falls es uns nicht gerade
auf eine allgemeine unspezifische Leistungssteigerung ankommt (wie
sie den Proteinkörpern seit Weichardt zugeschrieben wird), unter
möglichster Umgehung der direkten Wirkung auf den Herd. Ob
wir nun mit den Proteinkörpern die Möglichkeit in der Hand haben,
empfindliche Herde stets schonend und milde zu beeinflussen oder
ob ihre Wirkungsweise gelegentlich unberechenbar sein kann, bedarf
jedenfalls eingehender Prüfung, da uns genügend brauchbare Tuber¬
kuline verschiedener Reizstärke vorliegen.
Es muß daher Widerspruch hervorrufen, w’enn R . Schmidt seine
Proteinkörpertherapie der Tuberkulose inauguriert mit den Worten:
,,Was die Tuberkulintherapie leistet, scheint die Milchtherapie auch
zu leisten“. Der vorjährige Tuberkulosekongreß in Elster zeigte,
wie übereinstimmend unsere namhaftesten Tuberkuloseforscher auf
dem Boden der Spezifität stehen; die Frage ist, abgesehen von einer
Diskussionsbemerkung Mayers kaum ventiliert w r orden. Und wenn
zwar die einst hochgestimmten Erwartungen, die sich an das
Tuberkulin als immunisierendes Mittel knüpften, eine Ernüchterung
erfahren haben, so scheinen die Ansichten über seine therapeutische
Verwertbarkeit heute doch durchaus gleichmäßig gesicherte zu sein.
Neufeld , Uhlenhuth u. a. vertraten die Überzeugung, daß die spezi¬
fische Therapie die im Körper vorhandenen Heilkräfte wirksam
unterstützen kann. Einstweilen scheint wenig Neigung, zugunsten
der Proteinkörpertherapie in diesem ausschließlichen Sinne Schmidts
und seiner Mitarbeiter das Feld zu räumen. Die Erfahrungen sind
noch nicht ausreichend. Im vorigen Jahr berichtete Weichsel über
unspezifisch behandelte Tuberkulosefälle und stellte die Tuberkulin-
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Die Spezifität der Tuberkulinreaktion.
83
therapie über die unspezifischen, die er zu gefährlich fand. Caseosan
soll danach leicht zu stark reizend wirken. Klemperer sah von
Milehinjektionen keinen sicheren Nutzen und keinen Anlaß, sie an
Stelle der spezifischen Therapie zu setzen.
Nachdem Sons und v. Mikulicz-Radecki an unserer Klinik die
Frage der Spezifität der Tuberkuline im Vergleich ihrer Wirkungen
mit der von Proteinkörpem auf den tuberkulösen Organismus ex¬
perimentell in einer Reihe von Tierversuchen und unter Benutzung
der Intracutanreaktion am Menschen studiert hatten, schien es
aussichtsreich, dieselbe Frage noch in anderer Beziehung zu verfolgen.
Die Intracutanreaktion, immer noch ein wenig geklärtes und
viel umstrittenes Gebiet im Bereich der immunbiologischen Zustands¬
änderungen, kann hier keinen vollbefriedigenden Aufschluß bringen.
Bei der Frage nach der Wirkungsweise oines Reizstoffes (der Aus¬
druck sei als möglichst neutral und unverbindlich für das Tuber¬
kulin wie für Proteine hier gebraucht) kommt es uns neben seiner
Wirkung auf den tuberkulösen Gesamtorganismus vor allem auf die
entzündlichen und hyperämischen Veränderungen an, die er im
tuberkulösen Herd hervorruft, und ihre mittelbaren Folgen. Von
diesem Herd ist ja jede Wirkung überhaupt erst abhängig. Neben
einer Ergänzung der früheren Tierversuche soll der Zweck dieser
Arbeit daher hauptsächlich sein, die Wirkung von Proteinkörpern
auf Tuberkulöse mit den bekannten Reaktionen auf subcutane
Tuberkulineinverleibung zu vergleichen. Um bei diesem Vorgehen
nach Möglichkeit Schädigungen zu vermeiden, wurden die Injektionen
des Eiweißkörpers (durchweg Caseosan) in den Rahmen einer Alt¬
tuberkulintherapie eingefügt, so daß unter diesen Bedingungen viel¬
leicht gleichzeitig ein Urteil über die Möglichkeiten einer Protein¬
körpertherapie bei Tuberkulösen gewonnen werden konnte. Davon
wird im 2. Teil der Arbeit die Rede sein.
I. Versuche an Meerschweinchen.
Als Sons unsere Klinik verließ, übernahm ich den Abschluß seiner
Tierversuche und verfuhr zunächst ganz in seinem Sinne. Da der
Proteingehalt der T.B. und der bekannten Tuberkuline den Grund
für eine Identifizierung ihrer Reaktion mit jener der parenteral
verabfolgten Proteinkörper bei chronischen Entzündungszuständen
^gegeben hat, mußte jeder Vergleich ihrer Wirkungen von der
Kenntnis ihres N-Gehalts ausgehen. Da die Konstanz dieses N-Ge-
halts weder bei Tuberkulinen noch bei den im Handel befindlichen
Proteinkörpem eine gesicherte ist, überprüfte ich in einigen Kjel-
dahlbestimmungen, die hier wiedergegeben seien, die tfonsschen
Zahlen (in Klammern):
6 *
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84
E. Hagemann:
Es sind enthalten in
1 ccm Alttuberkulin (Stammlösung) 32,26 mg N (11,9 mg, dagegen Perlsucht 32,34)
'1 „ Aolan.7,07 „ N(3,37)
1 „ Caeeoean.6,79 „ N (5,67)
1 „ Abijon.5,39 „ N (—)
Die Differenzen sind nicht unbeträchtlich; für Caseosan geringer
als für das Alttuberkulin. Ich benutzte meine Werte, um den mög¬
lichen N-Gehalt des Tuberkulins eher zu hoch als zu niedrig an¬
zusetzen (v. Hayek schätzt nach Kuppel 1 ccm AT auf 30 mg
Proteinsubstanzen). Das Tuberkulin ist in seiner Wirkung auf
empfindliche tuberkulöse Herde in kleinsten Dosen dem Protein¬
körper so weit überlegen, daß man bei diesem Vergleich den N-Ge-
halt des Tuberkulins getrost etwas zu seinem Nachteil berechnen
darf, und wäre es, wie hier, vielleicht um das Dreifache. Es ver¬
halten sich danach inbezug auf N-Gehalt
AT: Caseosan = 4,7: 1
( „ : Aolan = 4,5 :1)
oder eine bekannte Menge AT zur Errechnung des erforderlichen
N-Gehalts x einer Caseosandosis
AT: x = 1:4,7.
Z. B. 0,3 ccm AT: x Cas. = 1: 4,7
x „ =1,41 ccm Caseosan
oder 0,5 AT: x „ =1:4,7
„ = 1,35 ccm Caseosan.
Am 21. VI. 21 wurden 28 Meerschweinchen mit 1 / 8 Öse Tb. 9 hum.
(Kultur vom 14. VI. 21 Reichs-Ges.-A.) infiziert, subcutan linke Knie¬
kehle. Von diesen Tieren starben vorzeitig, ehe sie für Versuchs¬
zwecke benutzt werden konnten, 21 von Ende Juni bis Mitte Juli
an StallBeuchen. Die vergleichenden Untersuchungen an den über¬
lebenden Tieren hatten das folgende Ergebnis:
Nr.
Datum der
Iujektion
Menge und Stoff
intraperitoneal
Ergebnis
O
G
H
32
2. VIII. 21.
0,5 ccm Alttuberkulin
(Stammlösung)
stirbt nach 8 Stunden
.2
Cfl
q
45
1 »
0,3 ccm Alttuberkulin
» „ 6 „
39
n
2,5 „ Aolan
lebt bis Ende August
42
n
3,0 „ Abijon
n n 81. n
HH
48
n
2,5 * Caseosan
„ „ 25.
8
29
r
0,5 „ Alttuberkulin
*•£>
28
w
0,3 „
überleben sämtlioh
1 '
55
r
2,5 „ Aolan
bis Ende September
&
o
26
n
3,0 „ Abijon
27
! n
2,5 „ Caseosan
. Original from _
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Die Spezifität der Tuberkulinreaktion.
85
Am 24. VIII. 21 wurde der Versuch mit Tieren derselben Reihe
wiederholt. Diesmal wurde 2 Tieren noch albumosefreies Tuber¬
kulin injiziert, da Sons gefunden hatte, daß ein mit 0,5 ccm AF. (ip)
gespritztes Tier noch 31 Tage überlebte, und vermutete, das ver¬
wandte Tuberkulin könnte in seiner Wirkung unzuverlässig sein
(Moro).
j Nr.
Datum der
Injektion
Menge und Stoff
Intraperitoneal
Ergebnis
£
48
(ohne ;
■24.VII1.21
0,5 ccm Alttuberkulin
stirbt nach 5 l / a Std.
H
2
u
Nummer J
! »
0.3 „
lebt (?)
4!) :
1 ”
0,5 „ albumosenfr. Tub.
stirbt nach 7 Std.
*3
«2
S
37
i
T)
0.3 „
n n 6'/» Std.
42 1
1
n
3,0 Abijon
lebt bis 31. VIII.
39 |
1 n
3,0 Caseosan
„ „ Ende August
TT
.2
28
!
n
0,5 ccm Alttuberkulin
1 «
26
27
! r
0,3 * „
0,5 „ albumosenfr. Tub.
> überleben
'S
o
29
TJ
0,3 „ n „
bis Ende September
*
55
! rt
3,0 „ Abijon
Bei allen infizierten Tieren wurde autoptisch, makroskopisch und
mikroskopisch Tuberkulose nachgewiesen. Die tuberkulösen Ver¬
änderungen waren durchweg von ziemlich gleicher Ausdehnung, bei
den Anfang August gestorbenen Tieren natürlich wesentlich geringer.
Neben den linkseitigen Leistendrüsen waren am stärksten die Milz,
danach die Leber erkrankt, die später eingegangenen Tiere wiesen
außerdem sämtlich ausgedehnte Knötchen in den Lungen auf. Über
das Schicksal des Tieres „ohne Nummer“ ist mir leider nichts be¬
kannt geworden. Der Todestag ist mir unbekannt geblieben, ebenso
vermisse ich das Sektionsprotokoll. Der Ausfall ist daher nicht zu
verwerten; möglicherweise handelte es sich überhaupt um ein Kon-
trolltier.
Das Ergebnis der beiden Versuche ist augenfällig . Es handelt
sich bei den Proteinkörperinjektionen um die gleiche bis doppelte
Stickstoff menge, als sich aus dem Tuberkulin berechnen läßt; trotz¬
dem überleben alle mit ihnen gespritzten Tiere. Ich halte dabei in
dem 2. Versuch für die Tiere Nr. 42 und 39 die Dauer von einer
Woche für ausreichend als Beweis; Ende August bestand die ver¬
hältnismäßig massige Infektion ( 2 / 3 Öse) über 2 Monate und mußte
auch spontan zum Tode führen.
Am 14. XII. 21 wurden 10 Tiere mit 1 / 6 Öse Tb. 1 (Stuttgart 17)
hum. (Kultur vom 8. X. 21 Reichs-Ges.-Amt) in der gleichen Weise
infiziert. Von diesen Tieren starben vorzeitig 7, durchweg an
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86
E. Hagemann:
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Lobulärpneumonien, eins an Pleuraempyem (im Ausstrich-Eiter
keine Tbc.-B.). Es standen also nur 3 Tiere zur Verfügung. Am
26. I. 22 erhielt Tier Nr. 6 um 12 80h 0,6 ccm Alttuberkulinstamm¬
lösung intraperitoneal. Es starb nach 5 Stunden. 1 / 9 Stunde später
wurden die Tiere Nr. 7 und Nr. 10, die zur gleichen Zeit (12 80h )
3,0 ccm Caseosan bzw. 5 ccm sterilisierte Kuhmilch intraperitoneal
bekommen hatten, durch Schlag auf den Hinterkopf getötet. Sie
waren vorher vollkommen munter und gaben keinerlei Krankheits¬
zeichen zu erkennen, als Nr. 6 sich längst in der Agone befand.
Soweit wäre der Versuch als eine gleichartige Bestätigung der Vor¬
versuche zu betrachten.
Zweck der Versuchsanordnung war nun außerdem, autoptisch und
histologisch auf Veränderungen zu achten, die vielleicht als Herd¬
reaktionen angesprochen werden könnten. Die Temperaturmessungen
bei früheren Tierversuchen hatten uns keine eindeutigen Anhalts¬
punkte geben können, wann man die zeitliche Höhe einer Reaktion
anzunehmen hat. Da die bisher mit Proteinkörpem gespritzten
Tiere nie auf der Höhe einer Reaktion eingegangen waren, wurden
Nr. 7 und 10 eben annähernd gleichzeitig mit dem Tod des AT.-
Tiers getötet.
Die Sektionsbefunde der Tiere sind nun folgende:
Nr. 6: In der Bauchhöhle etwas sanguinolente Flüssigkeit. Leistendrüsen
links kleinerbsengroß, verkäst. Därme und Magen stark gebläht, intensiv ge¬
rötet. Dieselbe intensive Rötung zeigen alle Abdominalorgane (Leber, Müz,
Nieren, Nebennieren). Besonders die Milz fällt durch ihre Größe und ihren
Blutreichtum auf. In Leber und Milz zahlreiche Knötchen, Lunge makro¬
skopisch frei. Hilusdrüsen etwas geschwollen, nicht verkäst.
Nr. 7: Leistendrüsen kleinerbsengroß, verkäst. Retroperitonealdrüsen ver¬
größert, verkäst. In der freien Bauchhöhle in Spuren etwas trüb seröse
Flüssigkeit. Därme wenig aufgetrieben, blaß. Leber zeigt nur spärliche
Tuberkel. Milz zahlreiche große Knötchen. Milz im ganzen kleiner als bei
Nr. 6, auch kein auffallender Blutreichtum. Lungen klein, blasse Partien mit
dunkelroten wechselnd (aspiriertes Blut). Nieren und Nebennieren o. B.,
kleiner als bei Nr. 6.
Nr. 10: Leistendrüsen links bohnengroß, verkäst. Retroperitonealdrüsen
vergrößert, verkäst. Im Abdomen mehrere Kubikzentimeter milchiger Flüssig¬
keit. Leber makroskopisch keine sicheren Knötchen. Milz sehr klein, deutliche
Knötchen. Abdominalorgane im ganzen eher blaß als blutreich. Lungen wie bei
Nr. 7.
Auch mikroskopisch fand sich in Schnitten von Hämatoxylin-
Eosin-Färbung dieser auffallende Unterschied im Blutreichtum der
tuberkulös erkrankten Organe bei den drei Tieren; eine starke Hyper¬
ämie in Umgebung der Herde von Tier Nr. 6. Vielleicht kann diese
Hyperämie als Herdreaktion angesprochen werden; immerhin könnte
der Blutverlust der getöteten Tiere eine Rolle spielen. Das ge¬
naue Studium derartiger Veränderungen müßte natürlich eine größere
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
Die Spezifität der Tuberkulinreaktion.
87
Versuchsreihe umfassen und setzt pathologische Schulung voraus.
Herr Dr. Siegel ging mir bei der histologischen Beurteilung der Prä¬
parate hilfreich zur Hand, wofür ihm an dieser Stelle gedankt sei*
II. Subcutane Alttuberkulin- und Caseosaninjektionen bei
tuberkulösen Menschen.
Während diese Tierversuche, wie angenommen, in gleicher Weise
ausfielen wie die von Sons und v. Mikulicz unternommenen und sie
also weiter bestätigten, interessierte es mich vor allem, die Wirkung
subcutan oder intramuskulär einverleibter Proteinkörper am tuber¬
kulösen Menschen zu beobachten. Ist nach Schmidt das Tuberkulin
in der Therapie Tuberkulöser entbehrlich? Lassen sich mit Eiwei߬
stoffen unspezifischer Art (ich wählte hauptsächlich Caseosan) Herd-
und Allgemeinreaktionen nach Art der Tuberkulinreaktionen erzielen,
.und welche Mengen sind dazu erforderlich? Es mußten die In¬
jektionen vergleichsweise an demselben Patienten durchgeführt
werden, da die Empfindlichkeit Tuberkulöser gegen spezifische wie
unspezifische Reize eine durchaus individuelle ist und Kranke mit
klinisch ganz gleichem Befund in dieser Beziehung weit verschieden
reagieren. Andrerseits ist aber auch an einem Individuum diese
Empfindlichkeit keine konstante, sondern stetigen Verschiebungen,
Entwicklungen nach der einen oder nach der anderen Seite unter¬
worfen. Wer heute auf 1 mg AT z. B. reagiert, braucht es in
14 Tagen durchaus nicht* mehr zu tun, und umgekehrt. So wird
die nach dem N-Gehalt des Tuberkulins errechnete Caseosandosis
nicht mehr die gleichen Verhältnisse antreffen, nachdem auf eine
bestimmte Tuberkulingabe eine Reaktion erfolgte. Jede Reaktion
muß das immunbiologische Zustandsbild verschieben, nach welcher
Seite erkennen wir eigentlich erst aus der Antwort auf die nächste
Injektion — sc. des gleichen , quantitativ und qualitativ genau be¬
kannten Reizstoffes. Hier bleiben also 2 Unbekannte in der Rechnung
(1. welche Caseosanmenge macht eine ähnliche ‘^Reaktion; 2. wie
stark ist im Augenblick die Reaktionsempfindlichkeit des Herds?).
Man wird die eine — nämlich die Frage der veränderten Reaktions¬
fähigkeit — notgedrungen vernachlässigen dürfen, wenn auf der
andern Seite sich sinnfällige Unterschiede der Dosengröße erweisen
lassen. Es mußte also möglichst gezeigt werden, daß nicht nur eine
Dosis Caseoson vom gleichen N-Gehalt wie die entsprechende AT-
Gabe dort keine Reaktion macht, wo diese AT-Gabe eine auslöste,
sondern auch die doppelte, vielfache , ja eventuell 100- oder 1000fache
nicht.
Ich bin im allgemeinen so vorgegangen, daß ich in den Turnus
einer ordnungsmäßigen TuberktUintherapie dann eine Caseosaninjektion
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88
£. Hagemann:
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einschob, wenn die letzte AT-Menge eine deutliche Reaktion gemacht
halte . Dabei kam die Stichreaktion weniger in Frage; neben der
Herdreaktion mußte die Allgemeinreaktion die wichtigere Kom¬
ponente dieser Reaktion bilden — die Kernreaktion, weil die Frage
nach der Spezifität eines Reizstoffes hauptsächlich durch die Wirkung
auf den besonderen Krankheitsherd entschieden wird; die Allgemein -
reaktion, weil sie unter Umständen die objektivere sein kann. Unsere
Fälle gehören durchweg zur Gruppe der tertiären Phthisen
mit vorgeschrittenen Lungenprozessen. Die initialen Fälle lassen
sich meistens nicht lange in der Klinik halten. Es sind also vor¬
wiegend Patienten mit ausgedehnten Veränderungen, häufig mit
Kavernenbildung, die ständig reichlich physikalisch nachweisbare
Symptome aufweisen. Dabei hat die Zunahme von Rasselgeräuschen
über Partien, wo schon vorher welche gehört wurden, nicht immer
Beweiskräftiges und ist dem subjektiven Entscheid des Untersuchers
mehr oder weniger unterworfen. Eine genaue, möglichst 4 malige
tägliche Tömperaturmessung bietet da häufig die bessere Handhabe
für die Beurteilung der Reaktionen und die Leitung der Therapie.
Durch das Vorgehen der nachzeitigen Caseosaninjektion wird die
Beurteilung der Wirksamkeit des Caseosans wahrscheinlich oft etwas
zugunsten einer stärkeren Wirkung verschoben. Nach allgemein¬
gültigen Anschauungen sind grob merkbare Tuberkulinreaktionen
(deutliche Herd-, starke Allgemeinreaktion) nicht die besten, sondern
stehen an der Grenze des Tuberkulinschadens. Bei einigen der im
folgenden beschriebenen Reaktionen wird man zweifellos den Ein¬
druck eines Schadens, d. h. einer Steigerung der Empfindlichkeit
des Herdes mit Neigung zur Propagation gewinnen. Der dann ein¬
setzende Reiz wird also häufig nur ein kleinerer zu sein brauchen,
um ähnliche Effekte zu erzielen. (Selbstverständlich ist bei mittleren
Reaktionen ebensooft das Umgekehrte, die Resistenzsteigerung
möglich. Sonst müßten wir ja immer in der Dosierung nach einer
Reaktion heruntergehen.)
Da mir die Wirkung des Caseosans auf Lungenherde durchaus
unbekannt war, mußte die vertraute AT-Therapie als Maßstab dienen.
Im Anfang wurden ganz kleine Mengen Caseosan (z. B. 0,003 ccm
entsprechend 0,5 mg AT) injiziert, nachdem ähnlich wie beim Tuber¬
kulin Verdünnungen hergestellt waren. Nachdem sich dann zeigte,
daß derartige Dosen wohl nie eine Reaktion hervorrufen können,
blieben wir bei der Stammlösung und begnügten uns mit dem Herab¬
gehen auf 2 bis 3 Strich. Schon diese Stellungnahme in der Mengen¬
frage beleuchtet deutlich die Überlegenheit des Tuberkulins, so daß
man dem Caseosan ruhig quasi den Vorsprung einräumen konnte,
vielleicht öfters als das Tuberkulin einen empfindlich gemachten
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Die Spezifität der Tuberkulinreaktion.
89
Boden anzutreffen. Es konnte durch dieses Vorgehen unsere Frage
ja nur sicherer entschieden werden.
Der zeitlichen Entstehung und Entwicklung der Versuchsbe¬
dingungen folgend — tastende evtl, sehr kleine Mengen von möglichst
gleichem N-Gehalt im Beginn, später 1 / a —3 ccm Caseosan — sollen
im folgenden die Versuchsprotokolle wiedergegeben werden. Zunächst
soll der Versuch gemacht werden, die Frage zu beantworten: lösen
Caseosaninjektionen von gleichem N-Gehalt wie entsprechende AT-
Dosen auch eine Reaktion aus, wenn die AT-Injektion dieses be¬
wirkte? dann, da hierauf durchweg eine verneinende Antwort erfolgte,
möglichst die entsprechende Caseosanmenge gefunden werden, die
dann imstande war, reaktiv zu wirken. Zuletzt soll ohne Anhalts¬
punkte für die Allergie Verhältnisse des betreffenden Falles, wie sie
durch eine Tuberkulinreaktion in positivem Sinne gegeben werden,
in beliebigen Fällen stets eine relativ gleiche Caseosanmenge (1—2 ccm)
injiziert werden, um festzustellen, ob vielleicht diese Proteinkörper¬
menge konstant Reaktionen macht, unabhängig von immunbiologischen
Verhältnissen. Eine scharfe Trennung in 3 Gruppen wird sich dabei
nicht durchführen lassen, immerhin soll möglichst nach dieser Dis¬
position vorgegangen werden.
Fall Nr. 1: La., Friedrich, 39 jähriger Arbeiter. 14. IX. 21, bei Abschluß
der Arbeit noch in stationärer Behandlung.
Diagn.: Pröliferierend-indurierende Tuberkulose beider Oberlippen.
Hereditär o. B. Seit 1916 lungenkrank, öfters Hämoptoe. — Mäßiger Er-
nährungs- und Kräftezustand. Durchweg afebril. Ausgedehnte Prozesse in
beiden Oberlappen, geringere in den Unterlappen, Mischung produktiver Herde
mit alten cirrhotischen Prozessen. Verdacht auf Cavum r. o. Pleuraschwarte
1., Verziehung des Herzens nach 1. Sputummenge: zwischen 50 und 100 ccm
in 24 Std., T.B. +. Immunbiologisch: allergisch mit geringer Tendenz zur
positiven Anergie. (Wir verwenden die Ausdrücke positive und negative Anergie
im Sinne v. Hayeks).
Gewicht bei Aufnahme 63,5 kg,
Ende März 68,3 n ,
häufig schwankend.
Therapie: AT, Beginn mit 0,001 mg, bisher bis 40 mg.
Schon bei den Anfangsdosen häufig leichte Temperatursteigerungen, keine
deutlichen Herdreaktionen.
Injektion von
Datum
1921
Rektale Temperaturen 0
8 b | 12" | 4 h | ^
Menge des
Sputums
in ccm
Bemerkungen
0,2 mg AT
r 28. X.
normal
50
reaktionslos
1 31. X.
36,6
37,1
37,4 | 37,8
70
0,5 mg AT
! 1. XI.
36,5
36,8
37,3 ! 40,0
100
Erbrechen StR 0
1 2. XI.
39,0
38,4
38,1 | 38,0
50
HR 4-
j 3. XI.
36,8
37,0
37,0 ! 37,2
50
I
I 4.-6. XI.
normal
50
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
W)
E. Hagemann:
(Fortsetzung.)
-
Kektaie Temperaturen 0
Menge des
Injektion von
Datum
— _ .
_ _
Sputums
Bemerkungen
1921
8 h j 1 4 h
8 h 1
in ccm
0,008 ccm Case-
7. XI.
36,4 36,5 36,6
36,0
50
2 St. auf; Höhen-
osan
' 1
1
sonne
8. XI.
36,6 37,0 36,9
37,2 !
40
StRO
9. XI.
36,3 i 36,6 36,4
37,2 i
50
HR 0
0,005 ccm Cas.
10. XI.
36,2 : 36,6 37,1
37,1 ;
50
StRO
11. XI.
36,8 87,6 37,0
37,2
50
HR 6
: 12. xi.
36,5 | 36,3 36,8
36,8 '
50
Bettruhe
13.U.14.XI.
normal
50
0,5 mg AT
15. XI.
36,8 | 37,0 37,0
37,4
50
i \ 0
16. XI.
36,0 37,4 87,7
87,7
50
HR J
17. XI.
81,1 37,0 37,0
37,5
50
18. XI.
1 36,6 37,2 88,0
87,6
50
19. XI.
normal
20. XI.
•t V l«.»
1 *7,8
1 50 —
1 1AA
21.-23.XI.
normal
1 100
4 Std. auf
0,05 ccm Cas.
24. XI.
36,4 I 36,7 1 37,1 |
1 37,4
50
StRl ^
25. XI.
36,6 37,4 36,8
37,4
50
HR /
1 26. XI.
36,4 | 37,2 | 37,4
[ 37,5
50
0,5 mg AT |
| 29. XI.
normal
1
keine Reaktion
Bemerkung: StR = Stichreaktion; 0 = nicht nachweisbar;
HR = Herdreaktion; -j- = vorhanden.
Dgl. im wesentlichen bis 5 mg; hierbei Allgemeinre&ktion bis 38°, Stich-
reaktion, Husten vermehrt, Auswurfmenge steigt auf 200 ccm. Physikalisch
keine siohere Änderung. Dann bis 30 mg gut vertragen.
Injektion von
Datum
! Rektale Temperaturen 0
Menge des
.
Sputums
Bemerkungen
1922
8 S 1
is“
!
| 8»
in ccm
13. III.
| 36,6 1
36,8
37,1
37,3
100
1
40 mg AT
14. III.
i 36,4
37,0
37,1
88,5
250
StR -f
15. III.
! 88,9
37,4
36,8
! 37,3
100
HR -f
16. III.
36,4
37,2
37,5
| 37,1
100
17.—20. III.
normal
50
0,5 ccm Cas.
21. III.
36,4
37,0
1 36.5
37,0 |
j 40
22. III.
i 36,1
37,0
36,8
87,2
1 70
StR 1
23. III.
i 36,6
37,0
37,2
37.2
! 100
HR } ö
1,0 ccm Cas.
24. III.
1 36,4
37,3
37,2
i 37,6
90
StR-r
25. m.
36,0
37,0
37,0
36,8
i 90
HR 0
26. III.
36,2
37,0
37,2
1 37,0
60
1
■
27. III.
36,6
! 37,2
36,9
36,9
50 !
40 mg AT
28. III.
36,3
36,6
37,2
39,0
100
StR-f
29. III.
37,6
j 37,*
37,7
37,5
150
HR +
i
30. III.
36,7
36.7
i
|
l (mehr Husten)
vorne Rg',>
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_Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Die Spezifität der Tuberkulinreaktion.
91
Der Fall zeigt folgendes:
Fs verhalten sich 0.5 mg AT: x Cas. 1: 4,7
x f m 2,35 mg
= 0,002 35 ccm Cas.
Während also 0,5 mg AT am 1. XI. eine starke Allgemein-
reakbion und eine deutliche Herdreaktion auslöst, wird die ent¬
sprechende Menge Caseosan — 0,003 ccm reaktionslos vertragen,
ebenso am 10. XI. die doppelte Menge von 0,005 ccm. Am 15. XI.
auf 0,5 mg AT eine fragliche Allgemeinreaktion; 0,05 ccm Caseosan
— 20fache N-Menge keine Reaktion. Dasselbe Verhalten läßt sich
im März bei 40 mg AT noch einmal zeigen:
40 mg AT : x Cas. 1: 4,7
x = 188 mg
— 0,2 ccm Cas.
40 mg A T ruft wieder deutliche Allgemein- und Herdreaktion her¬
vor; 0,5 ccm und 1,0 ccm Caseosan keine Reaktion; am 28. März
auf 40 mg AT wieder starke Allgemein-, deutliche Herdreaktion,
als Zeichen, daß die Herdempfindlichkeit inzwischen nicht abge¬
nommen hat.
Fall Nr. 2: Pat., Hermann, 18jähriger Knecht.
18. V. biß 18. VI. 1921 und 30. VI. 1921 bis 27. I. 1922.
Diagnose: Proliferierend-indurierende Tbc. beider Oberlappen l>r. Hereditär
belastet (Vater an Tbc. gestorben, Mutter krank). Seit November 1920 suspekte
Anamnese. — Guter Allgemeinzustand; subfebril. Klinisch und röntgenologisch
produktive Herde mit cirrhotischen Veränderungen gemischt im Bereich des
linken Oberlappens, kleine Pleuraadhäsion 1.; geringere Veränderungen im
mittleren Drittel des r. Oberlappens. Sputummenge etwa 50 ccm; T.B. +
Immunbiologisch: schwach allergisch, Neigung zu positiver Anergie. Bei Ent¬
lassung Sputum T.B.&
Gewicht bei Aufnahme 49,4 kg;
bei Entlassung55,0 kg (Heilstätte).
Therapie: AT, Beginn mit 0,01 mg, durchgeführt bis 60 mg. Bis 40 mg
keine stärkere Reaktion, leichte Temperatur-Steigerungen im Verlauf der
Injektionstherapie bisweilen, ebenso Stichreaktionen.
Nach mehrtägiger fieberfreier Vorperiode (s. folgende Tabelle).
Es scheint mir zweifelhaft, ob man die Temperatursteigerung
auf 38,0° am 4. Tag noch als Allgemeinreaktion auf das Caseosan
auffassen darf, viel eher auf Aufstehen und Höhensonne. Jedenfalls
läßt sie sich mit dem Fieber am 25. und 26. X. nicht vergleichen;
damals Herd- und Stichreaktion, beide fehlen jetzt. Die Menge von
0,3 ccm Caseosan entspricht im N-Gehalt ziemlich genau einer
Dosis von 60 mg AT:
60:x 1:4,7
x 282 mg
0,3 ccm Caseosan.
Digitized b'
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
92
E. Hagemann:
Difitized by
Injektion von
60 mg AT
0,8 ccm Cas
Ü Rektale Temperaturen® (Menge d.j
lj - .- -r-—Sputums Bemerkungen
;| 1921 | I I2 h J_ 4 h ! 8 h 1 i n ccm 1
23.X.
36,7
37,4
37,5
37,5
50
24. X.
36,6
37,3
37,5
37,5
50
25. X.
36,4
37,3
37,2
39,8
90
StB •
26. X.
39,5
38,8
88,8
38,4
100
HR +
! ‘27.X.
37,1
37,3
37,0
37,5
150
28. X.
36,8
37,2
37,1
37,3
70
29. X
36,1
37,5
37,5
37,5
40
30. X.
36,6
36,7
37,3
! 37,3
50
l.b.4.XI.
normal
150
j 5. XI.
36,3
37,5
37,0
37,5
100
StR)
6. XL
36,3
37,4
37,4
1 37,4
100
HB
7. XI.
36,4
37,4
37,6
37,6
140
i Aufstehen
| 8. XI.
36,3
37,3
37,4
| 38,0
100
Höhensonne
Es folgt jetzt wieder eine fieberfreie Periode bis zum 17. XI.
unter symptomatischer Therapie.
Injektion von
l
| Datum
1921
Rektale Temperaturen ®
Menge des
Sputums Bemerkungen
in ccm
1 8 h
|_i£_
1 4 h
L * h
i
16. XI.
36,4
37,2
37,2
37,3
60
17. XI.
36,3
37,0
37,1
37,4
50 Höhensonne
60 mg AT
18. XI.
36,4
37,5
39,2
40,5
j 100 StR 0
19. XI.
39,2
38,0
36,4
36,8
100 HR?
20. XI.
37,4 i
37,3
37,5
37,3
! 120
21. XI.
36,5
36,9
37,0
37,4
100
Patient klagt am 18. und 19. über stärkeren Husten (und Aus¬
wurf). Obj. Rasselgeräusche gleich. Keine Reaktion der Einstich¬
stelle, dagegen Auf flammen alter Intracutanquaddeln vom 7. XI.
(AT 0,1 ccm Lsg. 1:1 Million
dgl. 1:100 000
dgl. 1:10000).
Die Caseosaneinstichstelle ist nicht mehr aufzufinden. Nachdem
Patient sich wieder im alten fieberfreien Zustand befindet, die Aus¬
wurfmenge auf 50 ccm zurückgegangen ist, erfolgt am 6. XII. eine
Injektion von 0,5 ccm Caseosan (s. folgende Tabelle):
Der Fall zeigt also bei 60 mg AT, anscheinend seiner derzeitigen
Grenzdosis, konstant eine äußerst kräftige, prompt einsetzende Reaktion,
während die eingeschaltete Dosis Caseosan von gleichem N-Gehalt
keine, die folgenden 0,5 und 0,7 ccm (also fast bzw. mehr als
doppelte N-Menge) nur schwache , verschleppte Reaktionen auslösen,
jedenfalls keine merkliche Herdreaktion . Die Temperaturen des
25. XII. sind noch angeführt, um zu zeigen, daß derartige Temperatur-
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Die Spezifität der Tuberkulinreaktion. 93
~ 1
Injektion von j
Datum
1921
Rektale Temperaturen 0
8 h 1 12 h i 4 h ! 8“
Menge des
Sputums
in ccm
Bemerkungen
5. XII.
36,4
37.3 1
50
0,5 ccm Cas.
6. xn.
36,3
37,5 ;
45
StRK
7. XII.
36,6
37,6
45
HRf
8. XII.
36,4
38,0
50
9. xn.
36,0
37,4
100
10. XII.
36,0
37,2
1 90
!
20. XII.
normal
0,7 ccm Cas.
2 i. xn.
36,4
37,0
50
StR-
22 . xn.
36,5 '
3N,0
100
HR 0
! 23. XII.
36,5
37,4
120
i
24. xn.
36,4
37,0
50
i
25. xn.
36,3 j
88,5
; 100
26 . xn.
i 36,3
37,5
| 70
Steigerungen, wie Caseosan sie hervorrief (?), auch ohne deutlichen Grund,
durch jeden andern unspezifischen Reiz bei diesem Fall auf treten konnten.
Fall Kr. 3: Ra., Lisbeth, 16jährige Haustochter. 8. VI bis 8. XII. 1921.
Diagnose: Proliferierend-indurierende Tbc. beider überlappen />r. Larynx-Tbc.
Erbliche Belastung fraglich. Früher nie krank. Seit November 1918 (nach
Grippe Tbc.-suspekte Anamnese. — Guter Ernährungszustand. Nach Periode
subfebriler Temperaturen im wesentlichen afebriler Verlauf. Klinisch und
röntgenologisch vorwiegend proliferierende Spitzenherde, geringere in der Hilus-
gegend 1. > r. Initialer spezifischer Larynxprozeß. Sputummenge wechselnd, 60 und
weniger ccm, T. B.+. Immunbiologisch: stark allergisch. Unter vorsichtiger AT«
und Krysolganbehandlung Besserung des Lungen- und Kehlkopfbefundes.
Gewicht bei Aufnahme 57,6 kg,
bei Entlassung 60,5 kg (Heilstätte).
Therapie: AT, Beginn mit 0,001 mg, durchgeführt bis 5 mg. Auf relativ
geringe Dosen oft Temperatursteigerung und Herdreaktion (bei 0,07 mg z. B. bis
39,0°). Zuletzt 2 mg gut vertragen.
Injektion von
Datum
1£21
Rektale Temperaturen 0
i
R k ! 18 h | 4“ 1 8 h '
Menge des
Sputums
ln ccm |
Bemerkungen
27. X.
36,7
37,4
37,0 i
1
37,1
i
40
i
3
mg
AT
28. X.
36,7 !
37,2
37,3
37,2
50
StR ~
29. X.
37,4
38,1
! 88,2
37,5
40
HR H
30. X.
36,5
36,9
37,2
37.1
50
31. X.
36,8
37,0
37,0
36,8
50
0,
,02 ccm Cas.
l.XI.
36,6
37,2
, 37,2
36,5
40
StR\ 0
2. XI
36,5
36,9
37,1
36,7
40
HR/ 0,2 Kry-
3. XI.
36,7
37,1
37,1
36,7
30
solgan.
4. XI.
36,6
37,1
37,3
36,4
30
0,
»2 ccm Cas.
5. XI
36,5
37,0
37,0
36,7
40 ;
StR (-*-)
6. XI.
36,7
i 37,2
37,4
37,0
20
! HR 0
b.IO.XI.
normal
3
mg
AT
11.XI.
i 36,5
i 37,4 !
37,2 1
1 37,0
20
StR -f*
! 12. XI.
| 37,2
87,0
38,0
87,8
30
HR 0 (Brust¬
1 13. XI.
1 36,7
37,3
37,2
36,8 1
20
schmerzen)
Digitized by Google
Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
04
E. Hagemann:
Einer Menge von 3 mg AT würde in bezug auf den N-Gehalt
0,014 ccm Caseosan entsprechen. Für 3 mg AT besteht eine ziem¬
lich konstante Empfindlichkeit (am 25. XI. erfolgt auf 3 mg eine
ganz ähnliche Reaktion [38,0°], erst am 28. reaktionslos vertragen;
am 1. XII. auf 3 mg 37,9°, am 5. XII. auf 5 m 38,1° und deut¬
liche Herdrektion), während sogar die 14 fache N-Menge in 0,2 ccm
Caseosan unter sonst gleichen Verhältnissen reaktionslos vertragen
wird (ganz- geringe Stichreaktion).
Fall Nr. 4: Zi., Frieda, ‘22 jährige Haustochter. 8. VI. bis 19. XII. 1921.
Diagnose: Vorwiegend indurierende Tbc. der linken Lunge. Vater an Lungenent¬
zündung gestorben, eine Schwester an Hirnhautentzündung. Seit September 191s
Tbc.-Anamnese. — Mäßiger Emährungs- und Kräftezustand; durchweg afebril.
Ausgedehnter, vorwiegend cirrhotischer Prozeß der linken Lunge mit Pleura¬
schwarte und großer Caveme im Oberlappen. Linke Thoraxseite geschrumpft.
Chronische Pharyngitis. Sputummenge: etwa 10—40 ccm durchschnittlich,
T.B. K Immunbiologisch: Neigung zu positiver Anergie
Gewicht bei Aufnahme 57,3 kg,
bei Entlassung 61,3 kg (Heilstätte.
Stellt sich Mitte März 1922 mit 10 kg Gewichtszunahme und ganz geringem
katarrhalischen Befund nach Rückkehr aus der Heilstätte vor.)
Therapie : AT, Beginn mit 0,05 mg, dann 0,1; durchgeführt bis 50 mg.
Bis 30 mg heine wesentliche Reaktion, Temperaturen normal,
geringe Stich-, keine Herdreaktion.
1 1
Rektale Temperaturen 0
Menge des
Injektion von
-
- . -
- -
Sputums
Bemerkungen
| v.m
_ 8"
12* 1 t
4 h |
8»
in ccm
—
I
28. XL
; 30,5
37,3 j
37,4
37,2
10
40 mg AT
29. XI.
36,7
37,3
36,9
40,2
10
StR b
30. XI.
87,6
i 38.1
37,7
! 37,4
I io
HR 0
1. X.
36,3
1 37,2
37,5
1 36,8
10
40 mg AT
12. X.
normal
keine Reaktion
50 mg AT
27. X.
36,5
) 36,5 | 37,4
| 38,0
; 10
StR-r
28. X. 1
37,5
! 37,5
i 37,4
| 37,4
10
HR? (Husten >)
normal
ca. 10
50 mg AT
15. XI.
37,2
37,5 |
37,9 j
1 39,8
80
StR -f
16. XI.
37,7
87,9
87,8
188,0
40
HR? (Husten>)
17. XI.
87,3
87,7
37,8 ,
87,7
| 50
!
18. XI.
37,4
37,3 |
37,7 |
37,6
30 ,
Es folgt nach einigen fast fieberfreien Tagen vom 22. bis 30. XI.
eine Periode febriler Temperaturen mit vermehrtem Auswurf,
frischem pleuritischen Reiben und Brustschmerzen. Anscheinend
bedeuten 50 mg die derzeitige Grenzdosis, vielleicht ist auch eine
Aktivierung des Prozesses durch die letzte Injektion anzunehmen.
Dieses Stadium mußte erst abgewartet werden, ehe vergleichsweise
Difitized
b > Google
_ 0 rigi naJJjom _
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Die Spezifität der Tuberkulinreaktion.
95
Caseosan injiziert werden konnte. Man mußte erwarten, die Krank¬
heitsherde gegen jegliche Reize empfindlicher zu finden. Ich injizierte
am 6. XII. 0,5 ccm Caseosan (50: x - 1 : 4,7; x = 235 mg = 0,235 ccm),
also die doppelte N-Menge im Vergleich zu 50 mg AT.
Injektion von
0,5 ccm Cas.
11
! Datura
1921
Rektale Temperaturen • [ Menge des
-. Sputums
! 8 h 12 h 4 h ! 8 h ! in ccm
I 1
4. XH.
30.9
i
! 37,3
1
j 37,5
i 37,5 |
30
ji s. xn.
37,0 ;
37,3 J
37,5
I 37,4 !
20
! 6. XII.
37.0 |
37,3
37,5
! 37,6 |
40
7. XII.
37,0
37,4
37,5
! *7,6 1
10
8. xn.
37,3
37,5
37,8
j 37,6 !
10
9. xn.
37.2 j
37 , 3 ;
37,4
i 37,8 j
20
io. xn. !
37,0 |
37,6
37,5
1 37,6 |
40
fieberfrei (nicht über 37,5)
i Bemerkungen
I
StR 0
HR 0
Neigung zu
Nacht-
schweimen,
Schmerzen
im r. Schul-
f tergelenk.
ObJ. o. B.
Halsschmer¬
zen (Pharin-
gitis).
Pat. fühlt sich wieder wohler, hat auch am 6. XII. und am
13. XII wieder an Gewicht zugenommen, das unter den letzten AT-
Dosen zurückgegangen war. Der Tukerkulinsohaden (?) scheint
überwunden.
Injektion von !
1
! Datum
1921
I
| rektale Temperaturen j Menge des
. — - Sputums
1 8 h I2 h ! 4 h ; fl h i »" ccm
1
! Bemerkungen
I
i
; 15. xn.
36,9 37,4 37,5 1 37,4 i 25
1 ccm Cas*
i 16. XII. i
36,7 ; 37,3 I 37,3 1 37,5 i 10
h»
17. xn j
36,8 ] 37,3 | 37,5 37,5 ! 20
; 18. XII. j 36,9 37,3 ' 37,5 37,5 j 10
i. 19. XII. I 36,7 i entlassen
1 ccm Caseosan enthält über die 4 fache N-Menge von 50 mg
AT; es wird ohne jede Reaktion vertragen. Die Injektion von
0,5 ccm am 6. XII. trifft wahrscheinlich einen weniger widerstands¬
fähigen Organismus. Eine sichere Reaktion ist auch hierbei nicht
zu verzeichnen; wobei unentschieden gelassen werden muss, ob
Schulter- und Halsaffektion als Ursache der geringen Temperatur¬
steigerungen anzusprechen sind oder als Begleit- und Folge¬
erscheinung einer verschleppten Allgemeinreaktion durch Caseosan:
Fall Nr. 6: Kl.. Heinrich, 3*2jähriger Arbeiter. 28. X. 1921 bis 8. IL 1922.
Diagnose: Proliferierend-indurierende Tbc. beider Oberlappen r.>l . Vater und
Schwester an Tbc gestorben. Schon als Kind Neigung zu Husten und Er¬
kältungen. Seit September 1921 deutliche Tbc.-Anamneee.—Guter Ernährungs¬
zustand. Im Beginn subfebril, später durchweg afehril. Klinisch und
röntgenologisch vorwiegend idurierende Prozesse der r. Lunge. Pleuraschwarte
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY 0F MINNESOTA
E. Hagemann:
Difitized by
( J6
und Kaverne r. o. Sputummenge zwischen 50 und 100 ccm, T.B. Immun¬
biologisch Neigung zu positiver Anergie. Anfangs geringer Katarrh, der im
Verlauf der Behandlung verschwindet.
Gewicht bei Aufnahme 61,4 kg,
bei Entlassung 65,7 kg.
Therapie: AT, Beginn mit 0,01 mg, ambulant bisher bis 1 mg.
Inkjetlon von
Datum
1921
1 Rektale Temperaturen 0 j
Menge des
Sputums
in ccm
1
| Bemerkungen
1 R h
12 h ! 4 h
i 8 ~ 1
0,01 mg AT j
4. XI.
i
I i 37,9
1
normal
0,07 mg AT
27. XI.
37,6 1
37,0 | 36,8
37,0
60
StR>
j
28 XI.
37,0
36,8 | 87,3
87,8
100
HR/ e
29. XI.
37,3
86 ,« 1 88,0
37,8
50
1
30. XI
37,0 |
37,2 | 37,3
37,3
60
normal
20
0,1 mg AT
3.1. 1922
1 86,8
37,0 1 37,4
37,5
50
I StB -f
4. I.
87,5
37,0 ! 37,3
37,0 1
20
HB -
j
! 5. I.
! 375
36,5 ! 37,5
37,4
50 1
|
1 6. I.
! ^7,2
37,0 37,5
37,4 :
100
0,2-04 mg AT i
1 17.-24.I. :
i 1
normal
keine Reaktion
Injektion von |
Datum
1921
Rektale Tei
8" | lü“
nperaturen
4 h | 8 h
Menge des
Sputums
ln ccm
Bemerkungen
" 1
26. I.
36,8
37,2
36,8
36,5
40
0.5ccmCaseosan
27. I
36,6
37,0
36,8
36,4
20
StR U
28. I.
36,8
37,4
37,3
36,8
40
HR J °
29. I
36,5
37,2
37,1
37,3
50
|
30. I.
36,5
37,0
37,2
36,8
| 100
0,5 mg AT |
0,7 n n t
3. II.
! 7. II.
}
normal
keine Reaktion
1 8. II
entlassen
1 mg AT
114. II.
36,5
38,6
i
StR -f
1 15. II.
37,5
37,6
HR 0
j
! 16. II.I
36.4
87,8
I
Es bleibt also die Injektion von 0,5 ccm Caseosan ohne jede
Reaktion (N-Gehalt entsprechend 100 mg AT), während vorher
0,07 und 0,1 mg, nachher 1 mg AT Reaktionen auslösen.
Fall Nr. 6: Pe., Alfred, 23 jähriger Sattler. 23. IV. bis 25. IV. 21, verlegt in
Halsklinik zwecks Tracheotomie.
4. V. Wiederaufnahme, Ende März 1922 noch in stationärer Behandlung.
Diagnose: Proliferierend-indurierende Tuberkulose beider Lungen; Larynx-
tuberkulose .
Hereditär o. B. Taubstumm. Seit März 1921 Tuberkulose-Anamnese, starke
Atemnot. — Dürftiger Ernährungszustand. Subfebril, später meist afebril.
Ausgedehnte vorwiegend proliferierende Prozesse in beiden Oberlappen mit
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Die Spezifität der Tuberkulmreaktion.
97
großer Caverne rechts oben, geringere in Unterlappen. Sputummenge zwischen
50 und 100 ccm, T.B. 4 *. Kehlkopf: Zunächst Larynxödem infolge spezifischer
infiltrativer Prozesse, keine Ulcera. Starke Stenosebeschwerden. Tracheotomie,
dann durch Dauerkanüle Stillstellung des Kehlkopfs mit sehr gutem Heilungs¬
erfolg. Immunbiologisch zunächst unentschieden, schwach allergisch, später
Neigung zu positiver Anergie. Lungenprozeß zeigt unter spezifischer Behand¬
lung ganz gute Indurationstendenz.
Gewicht bei Aufnahme 46,7 kg,
n Mitte März 53,0 n
Therapie: Zunächst M.Tb.R., dann AT; Beginn mit 0,01 mg, durchgeführt
bis SO mg.
Am 18 . X. werden 60 mg AT, wie bisher alle Injektionen,
reaktionslos vertragen. Am 1. XI. werden 80 mg injiziert, die eine
derart heftige und nachhaltige Reaktion hervorrufen, daß man von
Tuberkulinschaden sprechen muß. Es folgt eine Periode hochfebriler,
dann allmählich abklingender Temperaturen, die sich erst Ende
November dor Norm nähern bzw. sie erreicht haben. Wenige Tage
nach der Injektion setzt eine Pleuritis sicca links ein; die katarrha¬
lischen Erscheinungen über beiden Lungen sind vermehrt; es ent¬
steht eine Rekurrenslähmung, wahrscheinlich durch frisch geschwollene
Drüsenpakete verursacht. Die bereits entfernte Trachealkanüle mußte
wieder eingelegt werden. Das Körpergewicht nimmt um 3 kg ab;
öfters Erbrechen. Erst im Dezember und Januar trat eine Annähe¬
rung an den alten Zustand wieder ein, wenn auch in Temperatur,
Gewicht und Allgemeinbefinden sich noch eine gewisse Labilität
geltend machte. Noch im Januar erfolgten Temperatursteigerungen
nach mehrstündigem Aufstehen. Zur Zeit geht es dem Patienten
recht gut. Es ist anzunehmen, daß nach diesem Ereignis zu Ver¬
gleichszwecken verabfolgte Caseosaninjektionen einen ungünstigen
Boden vorfinden. Ich
Vergleich folgen:
lasse
jetzt die
tabellarische
Übersicht zum
P Datura
Rektale Temperaturen 0
Menge des
Injektion von
- __
Sputums
Bemerkungen
1921
8 *
I2 h
8 “
in ccm
31. X.
36,5
37,5
37,5
50
80 mp AT 1 1. XI.
36,8
37,6
39,0
40,2
5o
Erbrechen StRH
| 2. XI.
39,5
38,8
38,1
38,5
60
HR 4 -
- 3 XI.
37,5
37,8
37,7
38,0
60
Rekurrenslähm.
4. XI.
37,5
38,1
37,8
38,2
50
Pleuritis
II 5. XI.
38,2 |
38,6
38,1
80,0
50
II 6. XI. j
38,1 1
38,6 |
39,0
38,5
50
1
usw. bis 12. XI. dann wesentlich leicht- bzw. subfebril, immerhin an einzelnen
Tagen, zuletzt am 26. XI. bis 39°. Vom 2S. XI. bis Ende Dezember afebril,
gelegentlich subfebril. Sputummenge um 100 ccm.
Z. f. d. g. exp. Med. XXX. 7
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
98
E. Hagemann:
Difitized by
i Datum
Injektion von
1922
| ltektale Temperaturen 0
r »•> i 2 » i i h i
Menge iles
Sputumn
in ccm
Hemerklingen
2 . I.
36,6
37/,
37,7 ;
38,3
ioo
Aufstehen!
Bettruhe
5. I.
36,0
37,3
37,1
37,5
50
1 rem Caseosan 6. I.
36.5
37.S
37.5
37,5
100
StR H
7. 1.
30, t
37,4
37,2
37,3
50
HR H
normal
11 . I.
!
38.0
16. I.
30,2
37,3
37,0
87,5
50
2 ccm Caseosan 17. I.
36,2
37,0
37.5
37,3
50
StR 0
1 < 8 . I.
30,1
37,3
37,1
37,2
90
19. I.
30,4
37,4
37,6
37,5
100
8 Std. a. Rp H R ?
20 . 1.
37.3
37,5
37,5 ;
38,1
60
3Std.a.u. Hohen-
sonne
normal
20 . I.
36,0
37,3
37,1
37.1
s 0
2.5 ccm Caseosan 27. I.
30,1
37,3
38,0
38,4
50
StR 1
28. I.
37.0
37,5
37,3
37.2
70
HR J H
29. I.
36.0
36,9
37,0
37,3
70
80 I.
36.5
37,1
37,0 !
37,2
normal
0 . II.
36.3
37.4
37,3
37,1
60
1 Stunde auf
2,5ccinCaseosaii 7. II.
36,1
37,5
37,8
3N,1
60
StR -J-
8 . II.
36.6
37,2
37,6
37,6
40 ;
HR f-
9. II.
36,2
37,3
37,4
37,3
50
normal,
am 13
II. 38,4° und plcuritisches
Reiben links
16. 11.
36,2
36,8
37,4
37,5
60
2.5ccm Caseosan 17. II.
36.0
36,7
37,0 ’
37.5
70
StR 1
| 18. II.
36,3
37,1
37,1
37,3
200
HR / 0
: 19. II.
86,0
37,2
37,0
37,4
110
20. 11.
, 36,2
37,2
37,2 1
37,3
50
!
normal
24. II.
36,0
37,4
37,1
37,4
60
1 ecm Aolan 25. II.
36,0
37,3
37,4 !
37,0
60
StR 1
26. II.
36,0
37,0
37,3
37,3
100
HR j H
27. II.
36,1
37,2
37,0
37,3
80
28. II.
36,0
37,0
36,9 |
36,9
60
j
3 ccm Caseosan 1 • HI.
, 36,1
37,2
37,2 j
37,6
90
StR f (Oberarm)
2. III.
! 36,5
37,4
37,3
37,2
60
HR 0
3. III.
| 36,3
37,2
37,2 .
37,0
60
3 ccm Caseosan, 4. III.
I 36,2
37,0
37,2
37,8
50
StR (f) (Ober¬
i
1
1
1
schenkel)
5. III
36,8
37,6
37,4 1
37,4
100
HR 0
6. in.
37,2
37,3
37,3 i
37,5
100
normal
1 Rg< früher.
Di© Reaktionen, die auf steigende Caseosanmengen erfolgen, sind
nicht hochgradig und werden trotz Dosensteigerung allmählish ge¬
ringer. Ihre N-Mengen entsprechen dem mehr als Doppelten bis
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Die Spezifität der Tuberkulinreaktion.
99
6fachen der AT-Dosis (80 mg AT entspricht 0,376 ccm Caseosan).
Wir scheuten uns in diesem Fall, nochmals mit AT die Allergie¬
verhältnisse zu überprüfen. Nach den Erfahrungen der letzten In¬
jektion würde es ein Wagnis bedeutet haben, dem Caseosan-N ent¬
sprechend etwa 200—600 mg AT zu injizieren. Immerhin zeigt der
Fall, daß man mit diesen Eiweißdosen in empfindlichen Herden Reak¬
tionen auslösen kann.
Fall Nr. 7: Le., Frieda, 23jährige Arbeiterin. 17. VII. 1921 biß 18. II. 1922.
Diagnose : Prolifericrend indurierende Tuberkulose beiderseits.
Hereditär o. B. 1920 Grippe, anschließend Tuberkulose-Anamnese. —
Dürftiger Ernährungszustand. Temperatur subfebril-febril mit normalen Inter¬
vallen. Ziemlich ausgedehnte produktive und cirrhotische Prozesse. Kleine
Oavernen; Pleuraschwarte links. Sputummenge durchschnittlich um 50 ccm,
T B. 4-. Immunbiologisch: allergisch, stark tuberkulinempfindlich. Geringe
Besserung, klingende Rasselgeräusche nach Abschluß der Behandlung ver¬
schwunden
Gewicht bei Aufnahme 41,7 kg,
» - Entlassung 4S,6 „
Therapie: AT, Beginn zunächst mit 0,1, dann 0,01 mg. über 2 mg hinaus
nicht durchführbar.
Da
um
Rektale Tei
uperati
reu 0
Menge des
Inje
ktion
voll
Sputums
Bemerk u ngen
, Ü
JO
K h
12 b
4 h
>
in ccm
-0
0,02
mg
AT
4.
I.
37,6
50
StR -f- :
5.
I.
3S,5
HR?
0.02
mg
AT
17,
I.
n
ormal
or.
keine Reaktion
0,03
mg
AT
21.
I.
38,0
-t)
50
StR -f- 4-
HR-
0,04
mg
AT
24.
I.
normal
keine Reaktion
26.
I.
36,6
37,0
37,2
37,4
10
0,05
mg
AT
27.
I.
36,5
37,2
36,9
36,5
25
StR 4-
28.
I.
37,0
37,5
38,0
38,0
30
HR H
29.
I.
37,0
37,7
38,0
37,3
45
! 30.
I.
36,5
37,1
37,5
, 37,4 i
20
! 31.
I.
36,7
37,4
37,8
1 37,6
20
|
i 1-
II.
( 36,9
37,4
37,7
37,8
20
1 2 *
II.
36,8
37,6
37,6
37,6
50
pleurit Reiben
0,5 ccm Caseosan
3.
II.
! 37,0
37,6
'
38,2
38,7
50
StR 1 „
i
4
II
37,2
37,9
38,1
| 50
|HR [ 6
5.
II.
36,8
37,6
37,9
I 37,4
i 50
6.
II.
36,8
37,2
37,8
i 37,0 1
| 50
usw. subfebrill
unter
bis li
1. II.
50
0,05 mg AT
14.
II.
37,4
37,5
37,9
37,6
50 1
StR r
15.
n.
37,4
38,0
38,0
38,5
50
HR 0
i
16.
n.
37,9
30
i
17.
ii.
38,5
40
i
Difitized
by CjOOglc
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
100
E. Hagemann:
Difitized by
Der Fall ist schwer zu beurteilen. An und für sich unterbrechen
schon ständig Temperatursteigerungen die normalen Perioden; es
bestehen sicher neben älteren ganz frische reaktive Prozesse. Dazu
gesellt sich eine starke neurasthenische Komponente; die Patientin
war einer Injektionstherapie sehr abgeneigt.
Der Fall ist für unsere Fragestellung kaum verwertbar. Man ver¬
mißt die Vergleichsprüfung mit kleineren Caseosandosen. Die Dosis
von 0,5 ccm Caseosan (N-Dosis entspricht 100 mg AT) war ent¬
schieden für einen Vergleich viel zu hoch gewählt (2000fach) und
außerdem zu einer ungeeigneten Zeit, nämlich einen Tag nach dem
Einsetzen einer frischen Pleuritis, einverleibt. Sie stellt einen Reiz
für den empfindlichen Organismus dar, der eine ganz gleiche Reak¬
tion auslöst wie die umrahmenden AT-Dosen von 0,05 mg. Immer¬
hin darf zugegeben werden, daß — nach Kenntnis der oben ge¬
zeigten Tuberkulinempfindlichkeit — die entsprechende Dosis von
100 mg AT einen kaum gut zu machenden Tuberkulinschaden herauf-
beschwören müßte.
Auch der folgende Fall entspricht in seiner Versuchsanordnung
nicht der eigentlichen Fragestellung der Arbeit. Da er jedoch gut
zu den Fällen der 3. Gruppe überleitet, sei er hier angeführt:
Fall Nr. 8: Lu., Wilhelm, 21 jähriger Schlosser, 21. I. bis 1. III. 1922.
Diagnose : Proliferierend-indurierende Tuberkulose beider Oberlappen.
Hereditär o. B. Seit Grippe Juni 1921 Tuberkulose-suspekte Anamnese. —
Mäßig ernährt, afebril. Klinisch und röntgenologisch vorwiegend cirrhotische,
nioht sehr ausgedehnte Prozesse besonders am Hilus beiderseits. Sputummenge
zwischen 20 und 50 ccm, T.B. (nach Antiformin) spärlich-f. Nach Behandlung
Katarrh fast verschwunden. Immunbiologisch: Allergisch mit Neigung zu posi¬
tiver Anergie. Gewicht bei Aufnahme 53,6 kg,
* n Entlassung 56,5 n
Therapie: AT, Beginn mit 0,001 mg, ambulant bisher bis 0,04 mg.
Injektion von
| Datum |
| 1922
Rektale Temperaturen 0 |
H h 1 12 h 4 h K h 1
Menge des
Sputums
in ccm
Bemerkungen
0.001 mg AT
1
: 7.
II.
9.
II. i
37,7
20
0.002 mg AT
| 10.
n.
12.
n. |
87.8
20
1 13-
II. 1
36,0
37,3
37,3
37.2 i
10
0,004 mg AT
1 14.
ii !
36,2
37,3
37,4
37,2 i
10
8tR-r
15.
ii.
36,3
37,5
37,8
»8,2 i
10
HR +
16.
11.
36,8
36,8
36.8
36,7 j
10
1 ccm Caseosan
17.
II.
36,3
37,9
38,5
39,5
15
Alte AT— StR4-
18.
II.
37,4
37,1
37,3
37,3 1
fehlt
| HRO (Rg r = lH)
i io.
II.
37,7
38,3
37,7
37.5 j
40
20.
II.
37,1
38,0
37,3
36,9
30
normal
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Die Spezifität der Tuberkulinreaktion.
101
Blutbild
a) vor der Caseosaninjektion:
Leukocyten 8900, davon
Polynucl. neutroph.
™°/ 0 ,
Lymphocyten
22 °/ 0 ,
Mononucl.
3°/o>
Übergangsf.
3°/o>
Eosinoph.
2°/ 0 -
b) fi h nach der Injektion (Höhe der Reaktion):
Leukocyten 9400, davon
Polynucl. neutroph. 84 °/ 0 ,
Lymphocyten 9 °/ 0 ,
Mononucl. 5°/ 0 ,
Übergangsf. ()°/ 0 ,
Eosinoph. 2°/ 0 .
An dieser Stelle sei bemerkt, daß die in mehreren Fällen vor
und nach AT- und Caseosaninjektionen untersuchten Blutbilder im
allgemeinen keine deutlich verwertbaren Verschiebungen zeigten.
Man kann vielleicht sagen, daß reaktionslose Caseosandosen auch
keine Blutbildsveränderungen machen, während bei Auftreten einer
fieberhaften Reaktion eine leichte polynucleäre Leukocytose beobachtet
werden konnte.
AT machte bisweilen deutliche Lymphocytose, auch bei Fehlen
sonstiger Reaktionen (siehe z. B. Fall Nr. 12, Jh.; ebenso Fall Nr. 1,
La., bei 10 mg um 10°/ 0 von 22 auf 32 °/ 0 ).
NaegeH hält die bei Tuberkulosen mit Heilungstendenz durch¬
weg beobachtete Lymphocytose für den Ausdruck der Überwindung
des toxisch-infektiösen Moments, nicht für ein Zeichen der Chroni¬
zität. Seit Bergeis experimenteller Begründung der Lymphocytose
sind wir geneigt, mit ihm anzunehmen, daß die lymphocytären Ele¬
mente des Bluts elektiv chemotaktisch auf Krankheitserreger lipoiden
Charakters reagieren.
Bergei hält sinngemäß die wahllose künstliche Erzeugung einer
polymorphkernigen Leukocytose durch Proteinkörpertherapie bei
verschiedensten Krankheiten für fehlerhaft.
Wenn Weichsel , wie oben erwähnt, dem Caseosan die Eigenschaft,
öfters zu stark reizend zu wirken, zuschrieb, so geschah das auch
mit besonderer Berücksichtigung der Lymphocytenkurve. Wo infolge
Uberdosierung eine Verschlechterung als Folge der Injektionen ein¬
trat (beim AT wegen seiner bekannten Dosierung seltener als beim
Caseosan), fand er besonders bei schwereren Fällen Lymphocyten
stürz als ungünstiges Zeichen.
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
102
E. Hagemann:
Difitized by
Schulz fand Lymphocytose nach Tuberkulininjektionen als kon¬
stanten Befund. Bergei betont, daß therapeutisch günstig wirkende
Prozeduren wie neben dem Tuberkulin die Höhensonne, der Pneumo¬
thorax, Pettnahrung, Jod, Lebertran, Stauung, Höhenluft auch Lym-
phocytosen erzeugen.
Diese Annahmen und Ergebnisse, die sich mit unsern Befunden
decken, scheinen danach sämtlich für eine spezifische Wirkung des
Tuberkulins auf das Blutbild zu sprechen , die dem Caseosan algeht.
Im weiteren Verlauf der Therapie wurden am 22. H. 0,005 mg AT
und 0,007 mg am 25. II. reaktionslos vertragen. Ara 29. II. wurde
Pat. aus der stationären Behandlung entlassen und kam weiter
ambulant:
0,01 mg AT 7. III.
0,02 „ „ | 10. III.
0,04 „ „ I 14. III.
normal
dgl.
38°
i keine Reaktion
StR + +
HR? (vermehrter Husten)
In diesem Fall macht die Injektion von 1 ccm Caseosan eine
beträchtliche Allgemein- und Stichreaktion am 17.11., beides stärker
als die reaktiven AT-Dosen von 0,004 und später 0,04 mg(N-Gehalt
des Caseosans 50 000—5000 fach), dagegen sicher keine Herdreaktion
(Kopfschmerzen und Allgemeinerscheinungen, aber kein vermehrter
Husten, keine Rasselgeräusche) wie das AT vorher und vielleicht
auch am 14. III. Die Pause zwischen den beiden Injektionen
(0,004 mg AT und 1 ccm Caseosan) — ein fieberfreier Tag — ist
zu kurz.
Fall Nr. 9: Gi. Max, 42 jähriger Arbeiter. Seit Oktober 1920 mehrfach in
stationärer Behandlung der Klinik, zuletzt vom 12. I. biB 16. III. 22.
Diagnose: ProHferierend-indurierende Lungenibc. vom. r. Status nach para -
vertebraler Rippenresektion r. (zweizeitig Februar 1921).
Familienanamnese o. B. Seit 1918 lungenkrank. — Mäßiger Ernährungs¬
zustand. Oktober 1920 zunächst hochfebril, dann mit zunehmender Indura¬
tionstendenz des vorwiegend rechtsseitigen Prozesses Entfieberung und Ge¬
wichtszunahme. Pleuraschwarte r., Schrumpfung der r. Thoraxseite. Nach
paravertebraler Rippenreaektion zunächst wieder febril, bis Juni 1921 dann
afebril. Sputummenge um 50 ccm, T. B. +, später 0. Januar 1922 nach
Verschlechterung (Grippe) wieder febril aufgenommen. Auch links pro¬
duktive Herde. Hämoptoe. Von Anfang Februar an Besserung, afebril.
Sputummenge um 100 ccm, T. B.+. Neigung zu positiver Anergie. — Ter¬
tiäre Lues.
Therapie: AT von Juli bis Sept. 1921 bis 40 mg. Anfang Februar 1922
Beginn mit 0,001 mg (s. folgende Tabelle).
Leichte Allgemein- und Stichreaktion, vermehrte Sputummenge
nach 1 ccm Caseosan; keine AT-Reaktion.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Die Spezifität der Tuberkulinreaktion.
103
i
I |
Rektale Temperaturen i
Menge des
Injektion vop 1
--
_
Sputums
1
| 1922 j
8 h 1
!S h
! 4 h
1 8 h
| In ccm
Bis 0,01 mg AT
1. III.
normal
70
3. III.
36,7
37,5
37,4
37,4
100
1 ccm Caseosan
4. III.
36,9
37,4
37,4 |
IW,1
120
5 . in.
37,3
37,5
37,3
37,1
150
6. III.
36 |
| 36,9
37,1
37,1
110
0,02 mg AT
7. III.
i
norm
lal
bis 0.1 mg
ohne Reaktion (StR +
16. III.
1
entlassen
Bemerkungen
keine Reaktion.
|StR+ Vermehrung
tjd o der poly-
6 nucl. Leuko-
cytenvon 66
auf 71 # /o
StR -f*
i
Fall Nr. 10: BL, Ferdinand, 62 jähriger Arbeiter. 23. I. 22 — noch in
stationärer Behandlung.
Diagnose: Proliferierend-indurierende Tuberkulose beider Oberlappen.
Hereditär o. B. 1918 Lungenentzündung, 1921 leichte Grippe. Anfang
Januar 1922 Hämoptoe. — Mäßiger Ernährungszustand. Im Beginn leicht
febril, dann afebril. Wenig ausgedehnte produktive Herde über beide Spitzen
und in der Hilusgegend, mit guter Indurationsneigung. Sputummenge zwischen
50 und 100 ccm, T. B.+. Immunbiologisch: Neigung zu positiver Anergie.
Gewicht bei Aufnahme 66,0 kg,
Ende März 70,0 „
Therapie: AT, Beginn mit 0,001 mg, bisher bis 0,7 mg.
Injektion von
Datum
1922
Rektale Temperaturen
Menge des
Sputums
in ccm
Bemerkungen
8 h | 12 b 1 4 h | H h
0,001 mg AT
10. II.
normal
50
keine Reaktion
0,002 „ „
14. II.
r>
50
n »
1 ccm Caseosan
17. II.
36,5 | 37,0 1 37,8 ' 38,1
1 50
8tR+ Vermehrung'
HR 0 der neutro¬
18. II.
37,1 | 37,2 j 37,8 | 37,7
j
philen
19. II.
36,6 | 37,7 | 37,5 j 37,4
100
Leukocyten
1
i von 66 auf
i
20. II. !
normal
50
80 Vo
0,003-0.7 mg ATI
1 i
i
n 1
ohne Reaktion.
Wie der vorhergehende Fall.
Fall Nr. 11: We., Adolf; 24 jähriger Arbeiter 13. II. 22 — noch in statio¬
närer Behandlung.
Diagnose: Proliferierend-indurierende Tbc., vorwiegend der r. Lunge .
Hereditär o. B. Seit Herbst 1921 lungenkrank. — Mäßig ernährt; kurze
Zeit leicht febril, dann afebril. Im Bereich der rechten Lunge (Ober- und
Mittellappen mehr als Unterlappen) produktive und indurierende Herde in
ziemlicher Ausdehnung, 1. bedeutend geringer. Sputummenge zwischen 20
und 50 ccm, T. B. +. Immunbiologisch: allergisch, Neigung zu positiver Anergie.
Gewicht bei Aufnahme: 55,3 kg,
Ende März 57,5 „
Therapie: AT, Beginn mit 0,001 mg, bisher bis 0,8 mg.
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
104
E. Hagemann:
Difitized by
Injektion von
Datum
Rektale Temperaturen
; Menge des
Sputums
in ccm
Bemerkungen
| 1922
8 h j 12 h ! 4 h 1 8 h
0,005 mg AT
1. III.
normal
40
keine Reaktion
3. III.
normal
1 ccm Caseosan
4. in.
36,6 I 37,3 37,4 1 *8,7
30
StR 4*
5. III.
36,4 37,4 37,4 37,3
20
HR h
| 6. III.
normal
: 1
40
1 ccm Caseosan
7. III
36,3 , 37,4 37,4 | *8,1
50
StR —
8. III.
36.5 | 37,0 j 36,7 | 37,3
40
HR h
9. III.
normal
0,01 mg AT
10. III.
normal
StR h
| 11. III.
normal
HR-
0,05 mg AT
14. III.
i 37,6
i 1 !
1 ! 1
StR +
HR h
Auf 1 ccm Caseosan beide Male leichte Allgemein- und Stich-, keine Herd-
reaktion. 0,01 mg AT (N =
= Yaoooo des Caseosans) macht sichere Herdreaktion.
Fall Nr. 12:
Ih., Gustav, 36 jähriger Dreher.
20. I. bis 15. III. 22.
Diagnose: Vorw. rechtsseitige proliferierend-indurierende Lungentbc.
Vater an Lungenentzündung gestorben. Seit Sommer 1920 lungenkrank.
— Mittelernährt,
afebril. Nicht sehr progresse produktive Herde im Bereich
des r. Oberlappens mit guter Indurationstendenz.
Sputummenge zwischen 50
und 100 ccm, T.
B. +. Immunbiologisch: allergisch mit Neigung zu positiver
Anergie.
Gewicht bei Aufnahme 54,7 kg,
bei Entlassung 56,3
n
Datum
Rektale Temperaturen
j Menge des
Injektion von
1 Sputums
Bemerkungen
1922
8 h 12 h | 4 h i 8 h
in ccm
Bis 0,1 mg AT |
1 . IIL
normal
40
keine Reaktion
2. III.
n
70
,
3. III.
n
50
1 ccm Caseosan
4. III.
r>
100
StR +
5. III.
V
100
HR H
6 . IIL
r>
70
8 ccm Caseosan
7. IIL
n
100
StR +
8. III.
n
100
HR 0
9. IIL
n
100
0,2 mg AT i
10. IIL
T)
60
StR +
11. IIL
n
50
HR o
i
14. III.
Aus disziplinären Gründen
entlassen.
1 . III. Blutbild:
a) vor
Injektion von 0,1 mg AT
b) 6 h nachher
5200 Leukozyten, davon
5900
polynucl. neutroph. 76°/o
56 ° 0
Lymphocyten
22 °/„
1
30 »/„
Eosinoph.
2%
i
1 0 0
Mononucl.
—
3 %
Ubergangsf.
1 0 0
Gck igle
Origin*al_fram
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Die Spezifität der Tuberkulinreaktion.
105
4 III Blutbild:
a) vor Injektion von 1 ccm Caseosan
b) 6 11 nachher
6200 Leukozyten, davon
7000
polynucl. neutroph. 66 °/ 0
68 %
Lymphocyten 28 0 0
26%
Eosinoph. —
Mononucl. 5 0 0
4%
Ubergangsf. 1 °/ 0
2 %
Blutbild:
a) vor Injektion von 2 ccm Caseosan
b) nachher
5800 Leukozyten, davon
5200
polynucl. neutr. 65 °/ 0
67 %
Lymphocyten 29 0 0
27 %
Eosinoph. 1 °/ w
—
Mononucl. 5 0 0
5 %
Ü bergan gsf. —
1 %
Zu den Blutbildsveränderungen s. Bemerkungen zu Fall Nr. 8.
Im übrigen ein Fall, der sich Injektionen von 1 und 2 ccm Caseosan
gegenüber refraktär verhält, dessen Reaktion auf AT leider nicht
durchgeprüft werden konnte, da seine Entlassung vorher erfolgen
mußte.
Fall Xr. 13: Bl., Emil, 21 jähriger Schweizer. 27. X. 21 bis 1. II. 22.
Diagnose: Cavernöse Lungenphthise (Mischform). Larynx-Tbc.
Hereditär o. B. Seit 1918 lungenkrank. — Leidlich ernährt; febril (bis
38,5°). Ausgedehnte Prozesse in beiden Lungen, bes. r. produktiv-cirrhotischer
Art mit großer Caverne r. o.; 1. frischere Prozesse, teils wohl auch acinös-
käsiger und sublobulär-käsiger Natur. L. kleineres Cavum. Ulceröse Larynx-
tbc. Sputummenge um 100 ccm, T. B.+. Immunbiologisch: allergisch.
Gewicht bei Aufnahme: 62,4 kg,
bei Entlassung: 62,3 kg.
Therapie: Symptomatisch,kleine Caseosandosen (0,1—0,5 ccm) subcut., Krysol-
gan 0,05—0,1 iv als Larynxtherapie.
Es würde zu weit führen, die Fieberkurve im ganzen tabellarisch
wiederzugeben. Deutliche Einflüsse des Caseosans auf die Tem¬
peraturbewegung sind nicht zu bemerken. Pat. erhielt am 15. XI.
0,1 ccm Caseosan, höchste Abendtemp. 38,6° gegen 38,2° am Vor¬
tage; am 29. XI. 0,2 ccm [28. 38,1°; 29. 38,1°]; am 3. XII. 0,3
[38,2—38,2]; am 6. XII, 0,4 [38,0—38,0]; am 12. XII. 0,5 [37,7
—38,2]. Weitere Caseosanmengen erhielt er nicht. Die Auswurf¬
menge ist 1—2 Tage nach 0,3 ccm um 20 ccm vermehrt, sonst un¬
beeinflußt. Leichte Stichreaktionen waren jedesmal vorhanden.
Eine Herdreaktion konnte nicht beobachtet werden; es scheint, als
ginge der Katarrh allmählich während der Zeit von Mitte November
bis Mitte Dezember zurück, wie auch die Temperaturkurve eher eine
leichte Neigung zur Norm zeigt. Das Gewicht nahm auf 64 kg zu.
Es folgten dann die Krysolganinjektionen. Von ihnen hatte ich
Digitized b'
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
106
E. Hagemann:
Difitized by
(wie auch in anderen Fällen) den deutlichen Eindruck eines un¬
günstigen Einflusses auf empfindliche Lungenherde. Trotzdem es
nicht zum eigentlichen Thema der Arbeit gehört, sei es hier er¬
wähnt, weil es dem Caseosan gegenüber eine gewisse Vergleichs¬
möglichkeit gewährt.
Höchste Tagestemperatur:
Sputum
13.
XII.
37,9 0
100
14.
XII.
0,05 Krysolgan
38,4°
100
15.
XII.
38,7°
100
16.
XII.
38,7°
120
17.
XII.
38,3°
150
20 .
XII.
37,8°
100
21.
XII.
0,05
38,6°
100
22.
XII.
38,7°
100
23.
XII.
37,7°
100
24.
XII.
37,7°
150
und in ähnlicher Weise fort bis zum Absetzen der Therapie. Der
Husten war stärker, das Allgemeinbefinden schlechter, Gewicht fiel
auf 62,1°; Herdreaktionen nicht sicher.
Dagegen kann man dem Caseosan keinen merklich ungünstigen
Einfluß nachweisen. In diesen Mengen scheint es selbst auf emp¬
findliche Herde nicht stark reaktiv zu wirken.
Ich möchte nicht verfehlen, den Assistenten der Klinik, die nach
mir Stationsärzte der Tuberkulosestation waren, Herrn Dr. Schmid
von Neidhardt und Herrn Dr. Graf, welche die vergleichenden
Injektionen in meinem Sinne fortführten, für ihre Mitarbeit meinen
Dank auszusprechen.
III. Kritik der Versuchsresultate.
Die Ergebnisse beider Versuchsreihen sprechen eindeutig dafür, daß
ein aus der Errechnung gleichen N-Gehalts im Tuberkulin und im
vergleichsweise injizierten Proteinkörper gewonnener Maßstab eine aus¬
gesprochene Überlegenheit der reaktiven Wirkung des Tuberkulins erweist.
Im Koch sehen Hauptversuch gehen die mit 0,3—0,5 ccm AT oder
AF-StammlÖ8ung ip gespritzten Tiere prompt zugrunde, während
entsprechende Mengen von Eiweißkörpern ohne Effekt auf Leben
und Gesundheitszustand der Tiere bleiben.
Die vergleichenden Injektionen am tuberkulösen Menschen lassen
sich eigentlich nur im Zusammenhang des Reaktionsablaufs, d. h.
mit Berücksichtigung des sich ständig verschiebenden immunbiolo¬
gischen Zustandsbildes beurteilen und sich schwer in einer Synopsis
nach -|- und — zusammen bringen. Doch sei der Versuch gemacht.
Es sind dabei von positiven AT-Injektionen nur die unmittelbar der
Caseosaninjektion vorausgehenden oder die nachzeitigen berücksichtigt.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Die Spezifität der Tuberkulinreaktion.
107
AT
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
108
E. Hagemann:
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Es ergibt sich aus dieser Gegenüberstellung, daß das Caseosan
bei gleichem N-Gehalt nie , aber auch bei doppeltem und vielfachem bei
weitem nicht immer Reaktionen auslöst , wo durch AT solche hervor¬
gerufen wurden. In Mengen von 0,5—3,0 ccm kann es Reaktionen
auslösen, die denen des AT gleichen, unter denen aber nur eine
sicher beobachtete Herdreaktion sich findet. Dieser Unterschied er¬
scheint mir sehr wesentlich. Daß Tuberkulöse an und für sich leicht
fieberhaft auf beliebige Reize reagieren, bietet keine Besonderheiten.
Sie scheinen sich hierin übrigens kaum von andern Kranken mit
entzündlichen Affektionen zu unterscheiden. Bier betont die er¬
höhte Reizbarkeit, die Entzündungsherde vor dem gesunden Gewebe
auszeichnen, so daß Proteinkörper auf Kranke ganz anders als auf
Gesunde wirken. Für die individuell sehr verschiedenen Reizschwellen
lassen sich wohl kaum Standardzahlen aufstellen. Alle Autoren be¬
tonen die Schwierigkeit der Dosierung von Proteinkörpern (Zimmer,
Lindig u. a.). Arweiler fand, daß 0,05 ccm Casein bei gynäkologisch
Kranken Fieber hervorrufen kann; das würde also einer Menge von
1 ccm Caseosan-Heyden (5 proz. Caseinlösung) entsprechen. Dosen
unter 0,5 ccm scheinen bei Tuberkulösen nicht reaktiv zu sein.
Es scheint mir nach dem Gesagten nicht möglich, dem Caseosan
eine ähnlich elektive Wirkung wie dem Tuberkulin zuzuschreiben.
Vielleicht ist die Tuberkulinreaktion zum Teil eine Proteinkörper¬
reaktion; darin mag auch die äußere Ähnlichkeit beider begründet
sein. Das Tuberkulin ist dem Eiweißkörper jedenfalls in den beiden
wichtigsten Punkten überlegen: in dem gesetzmäßigen Überschreiten
der Reizschwelle , unter Umständen auch mit kleinsten Dosen, un¬
abhängig vom N-Gehalt, und in der stärkeren Affinität zum spezi¬
fischen Herd.
Dabei ist heute immer noch nicht in verneinendem Sinne über
die Frage entschieden, ob mit der bloßen Reizwirkung des Tuber¬
kulins, die ja schließlich auch die Proteinkörper, wenn auch in grö¬
berem Maße, mit ihm gemein hätten, seine Wirkungsweise erschöpfend
erklärt ist.
Therapeutisch wird man die elektive, fein abstufbare Wirksamkeit
des Tuberkulins nicht missen wollen, falls man eben nicht gerade
von der geringeren Affinität der Proteinkörper zum spezifischen Herd
in frisch-proliferierenden oder exsudativen Fällen Gebrauch machen
will. Dabei scheint mir immer noch fraglich, ob man mit den ver¬
wendbaren kleinen Dosen überhaupt Effekte erzielt oder unter der
Reizschwelle bleibt. Es sei ferner noch einmal an die Beeinflussung
des Blutbilds und die prognostische Bedeutung seiner symptomatischen
Veränderungen erinnert, die auch nicht für die Proteinkörpertherapie
bei Tuberkulose sprechen. Ich glaube kaum, daß man in derartigen
Gck igle
ÜrigiaaLfrom _ _
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Die Spezifität der Tuberkulinreaktion.
Fällen mit Protein körpern Besseres erzielen kann als mit intracutaner
Appiikation kleinster Tuberkulindosen, wie z. B. bei der MTbR-The-
rapie, die schon in der Haut spezifische Umstimmungen hervorrufen.
Zusammenfassung.
1 . AT- und Caseosaninjektionen von gleichem N-Gehalt haben
auf tuberkulöse Individuen, Meerschweinchen wie Menschen, eine
durchaus verschiedene Wirkung: erst Caseosandosen von weit höherem
N-Gehalt als entsprechende AT-Dosen machen ähnliche Reaktionen.
2 . In den verglichenen Mengen (bis zu 3 ccm Caseosan) macht
das Caseosan wohl flüchtige Stich-, mäßige Allgemein-, aber fast
niemals Herdreaktionen.
3. Mengen unter 0,5 ccm Caseosan scheinen unwirksam.
4. Es geht die Spezifität des Tuberkulins aus seiner außerordentlich
fein abgestuften Wirksamkeit auf empfindliche tuberkulöse Herde hervor,
die sich unterUmständen auch bei kleinsten Mengen in hohem Maße äußert.
5. In der Therapie der Tuberkulose verdient daher das Tuber¬
kulin vor den schwer dosierbaren Proteinkörpern den Vorzug.
Literaturverzeichnis.
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Dtsch. med.Wochenschr. 1911, Nr. 45. — Zimmer, Therap. d. Gegenw. 1920, August,
Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Digitized by
Die hämoklastische Krise.
(Zugleich ein Beitrag zur Frage der Wirkung „unphysiologischer*
Eiweißabbauprodukte.)
Von
P. Junkersdorf.
(Aus dein physiologischen Institut der Universität Bonn.)
1 Eingegangen am 23. Juni 1922.)
I.
Vor einiger Zeit wurde von Widal und seinen Mitarbeitern eine
Funktionsprüfung der Leber angegeben, die z. Z. in Frankreich im
Mittelpunkt des klinischen Interesses steht und die auch in Deutsch¬
land schon mehrfach Gegenstand wissenschaftlicher Erörterung und
verschiedener Publikationen gewesen ist.
Die französischen Forscher — Widal , Abrami und Jancovcsco M — stellten
fest, daß Zufuhr von eiweißhaltiger Nahrung bei einem mit Leberinsuffizienz
behafteten Organismus einen charakteristischen Symptomkomplex auslöst, den
sie als „ Crise kemoclasique* bezeichnen.
Sie gingen von Versuchen aus, die den Zweck verfolgten, den Grad des
Eiweißabbaues zu bestimmen, also die Frage zu entscheiden, ob nur tief-
abgebautes Eiweiß in Form von Aminosäuren oder aber auch Verdauungs¬
produkte mit Albumosen oder Peptonnatur die Darmwand passieren. Zu diesem
Zwecke injizierten sie Hunden Handelspepton und beobachteten, daß nach Zu¬
fuhr von mindestens 5 mg pro kg Körpergewicht Leukopenie , Blutdrucksenkung
und Veränderung der Gerinnungsfähigkeit des Blutes eintritt. Sie fanden außer¬
dem, daß bei hungernden Hunden das Portalblut in die v. cava übergeleitet
(Eck&che Fistel) oder in periphere Venen injiziert werden kann, ohne daß die
genannten Erscheinungen eintreten, daß diese aber jedesmal sich zeigen, wenn
1—3 Stunden nach reichlicher Eiweißfütterung das Portalblut in die Cava über¬
geleitet oder peripher injiziert wird, 4—5 Stunden nachher dagegen nicht mehr.
Da nach Nolf — wie sie angeben — Dosen von mindestens 500 mg Amino¬
säuren erforderlich sind, um die genannten Blut- und Gefäßveränderungen
hervorzurufen, so schließen sie daraus, daß das Portalblut im Beginn der Ver-
*) Widal, F. 9 Abrami , P. et Jancovesco , M. N.: Possibilit4 de provoquer la
crise h^moclasique par injection intravaineus du sang portal recueilli pendant
la Periode digestive. Action du foi sur les prot^ides de d6sint6gration incom-
plete provenant de la digestion et charries par la veine porte.
Cpt. rend. hebdom. des säances de l’acad. des Sciences 171, Nr. 2, 74.
1920. Referat: Berichte der gesamt. Physiologie u. experim. Pharmak. 3,
458. 1920.
Gck igle
—Original from—
UNIVERSITY OF MINNESOTA
P. Junkersdorf: Die hämoklastische Krise.
111
dauung höher molekulare Abbauprodukte des Eiweißes enthalten müsse. Da ferner¬
hin bei normaler Verdauung die Blut- und Gefäßveränderungen ausbleiben, so
ist dies nach ihrer Ansicht nur dadurch zu erklären, daß die Leber die ihr
normalerweise zugeführten höher molekularen Verdauungsprcdvkte entweder fixiert
oder verändert , also unschädlich macht .
Sie bezeichnen diese Kigenschaft der Leber als proteopectische , d h. eiwei߬
bindende, oder proteophytaktische Funktion und den Symptomkomplex der Blut-
und Gefäßveränderungen — wie schon erwähnt — als r hämoklastische Krise u .
Im Verlauf ihrer Untersuchungen 1 ) fanden die genannten Autoren dann,
daß bei Individuen mit Leberinsuffizienz (Cirrhoeen, NeoplaBma, katarrhalischem
Ikterus, akutem Spirochätenikterus u. a.), wenn diesen Eiweiß in Form einer
Probemahlzeit von 200—300 g Milch (unter Umständen genügen auch viel
kleinere Mengen bis herab zu 15 ccm Milch, statt Milch können auch andere
eiweißhaltige Nahrungsmittel, wie Fleisch, Eier verwendet werden) zugeführt
wird, die „ Verdauungshämoklasie u so gut wie immer auftritt, sofern die Kranken
längere Zeit nüchtern bleiben, während beim gesunden Menschen, ebenso wie
beim Kranken ohne Beteiligung der Leber nach Aufnahme einer Eiweißmahlzeit
bekanntlich Leukocytose , Steigerung des arteriellen Blutdrucks und Zunahme des
re fr aldometrischen Serumindexes sich bemerkbar machen.
Zufuhr von eiwei Qfreter Nahrung bewirkt nach ihrer Angabe auch bei
nsuffizienter Leber keine Krise. Es kann auch zu „ dissoziierten Krisen u
kommen, indem die Leukopenie nicht von Blutdrucksenkung und Veränderung
der Gerinnungsfähigkeit begleitet wird; ausnahmsweise, z. B. bei Verwendung
sehr geringer Mengen von eiweißhaltigen Nahrungsmitteln kann die Krise auch
stufenweise auftreten; man findet dann abwechselnd Abnahme und Zunahme
der Leukocyten.
Auf Grund dieser Vorsuchsergebnisse nehmen Widal , Abrami und Janco -
vesco nun an, daß bei Leberinsuffizienz das Leberfilter für die im Beginn der
Verdauung gebildeten unvollkommen abgebauten Spaltungsprodukte abnorm
durchlässig ist. Diese Stoffe werden infolgedessen nicht abgefangen, gelangen
in den allgemeinen Kreislauf und bedingen dann den dem anaphylaktischen
Chok ähnlichen Symptomkomplex der hämoklastischen Krise.
Im weiteren Verlauf ihrer Untersuchungen 2 ) über die praktische Ver¬
wertung der Methode gelang es ihnen fernerhin, bei Leberkranken eine Disso¬
ziation der proteopectischen und funktionellen Leberinsuffizienz nachzuweisen
und zu zeigen, daß die Probe auch imstande ist, Leberschädigungen aufzu¬
decken, die sich durch kein anderes Symptom kundtun. Auf die große Zahl
der mitgeteilten klinischen Fälle 3 ), die sie mit der Probe untersuchten, wollen
wir hier nicht näher eingehen. Sehr bemerkenswert aber erscheint uns die Fest -
*) Widal, F. f Abrami, P. und Jancovesco, M. N.: L ? 6preuve de l'hemoclasique
digestive dans T6tude de Tinsuffisiance h6patique. Cpt. rend. hebdom. des
s^ances de l’acad. des Sciences. 171, Nr. 3, 148. 1920.
Referat: Berichte der gesamt. Physiol. u. experim. Pharmak. 3, 459, 1920
und Kongreßzentral bl. 14, 327, 1920.
*) Widal, F ., Abrami, P . und Jancovesco, M. N.: L’ßpreuve de Thämoclasie
digestive et l’h6patisme latent. Cpt. rend. hebdom. des s6ances de Tacad.
des Sciences 171, Nr. 4, 223, 1920. Referat: Kongreßzbl. 14, 531, 1920.
8 ) Widal , F ., Abrami , P. und Jancovesco, M. N.: L^preuve de Hi&noclaaie
digestive dans T6tude de rinsuffisiance häpatique. Presse med. 28, Nr. 91, 893,
1920 und La crise hämoclasique par injection de suore chez les diab6tiques.
Presse med. 29, Nr. 13, 121, 1921. Referat: Kongreßzbl. 17, 262, 1921.
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
112
P. Junkersdorf:
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Stellung , daß bei Diabetes auch Zufuhr von Traubenzucker in Mengen von 20 g
bis herab zu 2 g, Rohrzucker in Mengen von 20 g und größere Mengen von
Fruchtzucker und Milchzucker die hämoklastische Krise auslösen können. Bei
Gesunden und an verschiedenen Krankheiten Leidenden fiel sie mit diesen
Stoffen negativ aus, während bei 20 Leberkranken in 6 Fällen mit 100 g
Dextrose eine Leukopenie erzielt wurde.
Im Verein mit Hutinel zeigten Widal und Abrami 1 ), daß sich mit der
Probe auch nach kurzdauernden Chloroformnarkosen (20—35 Min.) und länger
dauernden Athemarkosen und ebenso nach Stickoxydul und Novocaingebrauch
Leberveränderungen, durch diese Stoffe bewirkt, nachweisen lassen. Der Grad
der Schädigung ist je nach der Dauer der Applikation der Narkotica mehr
oder weniger früh nachweisbar und länger anhaltend zu erkennen.
Außer Widal und seinen Mitarbeitern haben sich auch eine Reihe von
anderen Forschem mit dieser Methode beschäftigt.
Renon und Blamontier 2 ) kamen hierbei zu ähnlichen Resultaten wie ihre
Vorgänger. Andere haben das Anwendungsgebiet noch erweitert.
So geben Le Noir und Richet 3 ) zum Beleg des von ihnen früher fest-
gestellten häufigen Vorkommens von Leber- und Nierenstörungen beim Ulcus
die Ergebnisse ihrer Untersuchungen über die Leber- und Niereninsuffizienz bei
zahlreichen Ulcuskranken an, wobei ihnen als Zeichen ihres Vorhandenseins
Aeotämie und, nach Nüchtemdarreichung von 200 g Milch, die auf tretende
r Hämoklasie u (Leukopenie!) gelten. Die allerdings lange nicht in allen Fällen
festgestellte Leukopenie geht häufig mit anderen Zeichen von Leberinsuffizienz
einher. Die Probe war in allen Fällen von Hyperchlorhydrie stets negativ.
Crdiniceanu und Popper*) fanden bei 30 Prozent der in den letzten Monaten
schwangeren Frauen eine deutliche hämoklastische Krise, obwohl gar keine
Symptome für eine Leberinsuffizienz Vorlagen.
Im Gegensatz zu diesen Arbeiten kommt Mauriac h ) auf Grund seiner um¬
fangreichen Untersuchungen zu dem Ergebnis, daß die Widalsche Verdauungs-
hämoklasie zum Nachweis von Leberinsuffizienz gänzlich unregelmäßige Resul¬
tate liefert. Bei Darmkranken und Kindern ist sie nach seinen Erfahrungen
von vornherein unzuverlässig.
In der Folgezeit wurde nun auch von deutschen Klinikern die Widalsche
Methode verschiedentlich benutzt, um einen näheren Einblick in die Pathologie
der Leber zu gewinnen.
L ) Widal , F. f Abrami, P. et Hutinel , J.: Recherches comparatives sur le fonc-
tionnement du foi ä la suite de l’anesth6sie chirurgicale par le Chloroform,
16ther, le protoxyde d’azote, ou la novocaine. Cpt. rend. hebdom. des.
s^ances de l’acad. des Sciences 172, Nr. 19, 1145. 1921.
Referat: Kongreßzbl. 19, 162. 1921.
2 ) Renon , L. et Blamontier , P .: L’£preuve de rh6moclasique digestive dans
l'insuffisiance höpatique. Gaz. des hop. civ. et milit. Jg. 93, Nr. 109, S. 1749.
1920. Z. n. Kongreßzbl. 1«, 346. 1921.
3 ) Le Noir Charles Richet fils et Jaquelin, Andre: Acotemie et h6moclasique
digestive dans Tulcus gastrique. Bull, et m6m. de la soc. med. des hop. de
Paris. Jg. 37, Nr. 4, S. 121. 1921. Z. n. Kongreßzbl. 18, 113, 1921.
4 ) Crdiniceanu. Al. et Popper , M .; Die digestive Hämoklasie während der
Schwangerschaft. Spitalul. Jg. 41, Nr. 5, S. 179. 1921. (Rumänisch) Kongreßzbl.
1», 294, 1921.
ft ) Mauriac , Pierre: A propos de Tepreuve de Th^moclasie digestive dans
l'insuffisiance h^patique. Journ. de med. de Bordeaux. Jg. 92, Nr. 13, S. 373.
1921. Kongreßzbl. 19, 294. 1921.
Original from—•
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Die hämoklastische Krise.
113
JRetzlaff l ) hat sie in einer Reihe von Fällen angewandt und für die Be¬
urteilung der Leberfunktion als recht brauchbar befunden. Er fand sie bei
nachweisbar kranker Leber immer positiv, gibt aber zu bedenken, daß es sich
hierbei auch nur um die Prüfung einer Teilfunktion der Leber handelt, so daß
auch bei positivem Ausfall der Probe z. B. die Gallenfunktion normal ab¬
laufen kann.
An sehr umfangreichem Material prüfte Sömjen 2 ) die Reaktion. Er zeitigte
hierbei aber keine eindeutigen Resultate. Wir kommen in anderem Zusammen¬
hang auch auf 6eine Untersuchungen zurück.
Insbesondere war es Bauer 9 ) und seine Schüler, die den klinischen Wert
der Widalschen Reaktion einer eingehenden Nachprüfung unterzogen. Seine
Beobachtungen sprechen dafür, daß dort, wo die hämoklastische Krise positiv
ausfällt, diese wirklich als Ausdruck einer Leberschädigung gelten kann. Was
die Blutdrucksenkung betrifft, so geht sie oft, aber keinesfalls immer, dem
Leukocytensturz parallel. In einem Fall von mittelschwerem Diabetes fanden
Bauer und seine Mitarbeiter weder nach Verabfolgung von Milch noch von 40 g
Rohrzucker einen positiven Ausfall. Bauer äußert sich zusammenfassend dahin,
„daß die in Intervallen von 20 Minuten durch eine Stunde verfolgten Leuko-
cytenzahlen nach dem Genuß von 200—300 g Milch eine wertvolle Handhabe
zur Feststellung einer eventuellen Leberinsuffizienz liefern können. Kommt es
zum Leukocytensturz mit oder ohne Drucksenkung, so ist eine Insuffizienz der
Lebertätigkeit bzw. einer Partialfunktion der Leber vorhanden. Fehlt der
Leukocytensturz, so ist allerdings eine Leberinsuffizienz deshalb nicht auszu¬
schließen.“ Über die anderen Symptome der hämoklastischen Krise, Änderung
des Refraktometerwertes und der Blutgerinnung sind von Bauer nur wenige
oder gar keine Beobachtungen angestellt worden.
In Deutschland wurde das Problem auch von pädiatrischer Seite auf-
gegriffen, und zwar von Schiff und Stransky 4 ).
Die Arbeit dieser Autoren ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil die
Untersuchungsergebnisse die Arbeiten von Widal und der bisher angeführten
Autoren von einer anderen Seite beleuchten und wesentlich zur Klärung der
Frage beitragen. Ihren Versuchsergebnissen, die eine auffallende Überein¬
stimmung zeigen, liegt ein umfangreiches Versuchsmaterial zugrunde. Es wurden
ungefähr 90 Fälle herangezogen, sowohl gesunde wie auch kranke Säuglinge,
unter letzteren auch solche, bei denen klinisch ein pathologischer Leberbefund
feststand. Sie fanden nun, daß die hämoklastische Krise (Leukopenie!) mit
einer faßt konstanten Regelmäßigkeit nach der Nahrungsaufnahme unabhängig
von der Art derselben auftritt und neben anderem, auf das wir noch zurück¬
kommen, daß beim Säugling die Leukvpznie nctch der Nahrungsaufnahme der
normalphysiologische Vorgang ist.
1 ) Retzlaff, K .; Zur Lehre vom katarrhalischen Ikterus. Dtsch. mcd.
Wochenschr. Nr. 28, S. 789. 1921.
2 ) Sömjen, E.: Bemerkungen zu Widals Leberfunktionsprobe (Hämoklastische
Krise). Med. Klinik Nr. 40, S. 1203. 1921.
3 ) Bauer, Julius: Die hämoklastische Krise. Dtsch. med. Wochenschr.
Nr. 50, S. 1519. 1911.
4 ) Schiff, Fr., und E. Stransky: Zur Frage der Verdauungsleukcytose. über
die Funktionsprüfung der Leber beim Säugling mit der TFwfatechen Methode.
Dtsch. med. Wochenschr. Nr. 42, S. 1255. 1921 Vortrag, gehalten von E. Schiff
im Verein für innere Medizin u. Kinderheilkunde am 20. VI. 1921. — Dieselben:
Über die hämoklastische Krise beim Säugling. Zugleich ein Beitrag zur Frage
der Verdauungßleukocytose. Jahrb. f. Kinderheilk. 95, 28B. 1921.
Z. f. d. g. exp. Med. XXX. 8
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
114
P. Junkersdorf:
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Wie aus dieser kurzen Übersicht über die Untersuchungen Widals
und seiner Mitarbeiter und die Erfahrungen, die deutsche und aus¬
ländische Kliniker mit der Methode gemacht haben, hervorgeht, läßt
sich z. Z. noch kein endgültiges, eindeutiges Urteil über die Brauch¬
barkeit der hämoklastischen Krise als spezifische Leberfunktions¬
prüfung abgeben. Dies geht auch unzweideutig aus der Diskussion
hervor, die sich an den Vortrag Schiffs im Verein für innere Medizin
und Kinderheilkunde zu Berlin anschloß. Hier wurde von den ver¬
schiedensten Klinikern über die bisher von ihnen gesammelten Er¬
fahrungen berichtet, auf die hiermit verwiesen sei 1 ).
Man wird, wie auch dort zum Ausdruck kam, auf Grund des
vorliegenden Materials die Funktionsprüfung mit der Widalpröbe
„nicht ohne weiteres ablehnen dürfen“ (L. Kuttner). Immerhin aber
ist bei den weit auseinandergehenden Resultaten, die damit gezeitigt
wurden, „der klinische diagnostische Wert nicht sehr hoch einzu¬
schätzen“ (P. Jungmann). Die Hauptbedeutung scheint darin zu
liegen, „daß es mit ihrer Hilfe vielleicht gelingt, Leberstörungen
nachzuweisen, die sonst keinerlei Symptome auf weisen“ ( Dresseil
Auf jeden Fall sind noch eingehende weitere Erfahrungen notwendig,
um entscheiden zu können, „was die Reaktion klinisch, diagnostisch
und differentialdiagnostisch leisten kann“ (Kuttner).
II.
Bei der theoretischen und praktischen Bedeutung, die die Unter¬
suchungen der französischen Autoren nicht nur für die praktische
Medizin, sondern auch für die Stoffwechselphysiologie haben, erscheint
es uns angebracht, wenn das ganze Problem auch einmal vom physio¬
logischen Standpunkt aus besprochen wird, zumal Widal und seine
Mitarbeiter gewisse Voraussetzungen bezüglich des Eiweißabbaues
im Verdauungstraktus und seines ferneren Schicksals im Organismus
machen, die bei dem heutigen Stande unserer Kenntnisse darüber
wohl nicht mehr ganz allgemein gültig sind.
Wie eingangs angeführt, fußen die Überlegungen Widals auf der
Annahme, daß normalphysiologischerweise peptonartige Eiweißstoffe
zur Resorption gelangen Da dies keineswegs immer der Fall ist,
resp. der Fall zu sein braucht, empfiehlt es sich, zunächst einmal
die Frage nach der Art und Menge der Eiweißprodukte im Zustand
der Verdauung im Pfortaderblut und ihre weitere Verwertung im Or¬
ganismus näher zu ventilieren.
l ) Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde, Berlin. Besprechung
über: E. Schiff: FunktioDsprüfung der Leber beim Säugling mit der Widahchen
Reaktion. Sitzung vom 20. VI. 1921. Dtseh. med. Wochenschr. Nr. 44, S. 1345.
1921.
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Die hämoklastische Krise.
115
Diese Frage wird nun, was bei der Schwierigkeit der experi¬
mentellen Erfassung von Spaltungsprodukten des Eiweißes im Blut
nicht weiter verwunderlich ist, heutzutage noch recht verschieden
beantwortet und bedarf noch der endgültigen Lösung. Nach der
von Widal vertretenen älteren Anschauung sollen die normalerweise
zur Resorption kommenden Verdauungsprodukte des Eiweißes die
Albumosen und Peptone sein, die schon ihrer Löslichkeit wegen
zum Durchtritt durch die Darmwand geeignet erscheinen. Es kann
aber heutzutage kein Zweifel mehr daran bestehen, daß normal-
phyeiologischerweise bei gewöhnlicher Ernährung mit gemischter, nicht
überreicher Kost der Eiweißabbau beim Erwachsenen im Magendarm¬
kanal bis zu kleineren Bruchstücken, bis zu den Bausteinen der
Eiweißstoffe, den Aminosäuren, erfolgt. Da diese in ihrer Struktur
mit dem Ausgangsmaterial nichts mehr gemeinsam haben, wird da¬
durch verhindert, daß den Körperzellen, insbesondere aber nach dem
Übergang ins Blut, den Leberzellen beständig bei der Verschieden¬
heit des Nahrungseiweißes ganz verschiedenartige und dauernd wech¬
selnde Aufgaben gestellt werden. Dadurch, daß die Umwandlung
über die Aminosäuren erfolgt, wird der Organismus von der Art
der aufgenommenen Eiweißnahrung bis zu einem gewissen Grade
unabhängig und auf diese Weise eine Umformung des artfremden
Nahrungseiweißes in arteigenes Körpereiweiß garantiert — sofern
überhaupt alle Bausteine, die der Organismus nicht selbst bereiten
kann, in hinreichender Menge vorhanden sind.
Von den verschiedenen Autoren konnten denn auch in Über¬
einstimmung hiermit Aminosäuren nicht nur im Chymus, sondern
auch im Blut nachgewiesen werden. Abderhalden 1 ) gelang es neuer¬
dings, durch Dialyse von großen Mengen von Rinder- und Pferde¬
blutplasma und -serum im Dialysat alle als Bausteine des Eiwei߬
moleküls bisher bekannten Aminosäuren zu isolieren, nachdem schon
Abel*) 1913 auf dem internationalen Physiologenkongreß in Groningen
durch Dialyse des strömenden Blutes beim lebenden Tier den Nach¬
weis von Aminosäuren hatte demonstrieren können.
Schon daraus geht hervor, daß unter normalphysiologischen Ver¬
hält niesen vom Darm aus das Eiweiß wohl nur in Form von Amino¬
säuren zur Resorption kommt; höhermolekulare Stoffe, Peptone und
Polypeptide geringerer Molekulargröße, gelangen höchstens in Spuren
als solche in die Blutbahn. Man wird derartige Stoffe wohl im
Blute feststellen können, aber ihr Vorkommen dürfte bei normaler
*) Abderhalden , E .: Isolierung von Aminosäuren aus Blut. Zeitschr. f. physiol.
Chem. 1921, 114, S. 250.
*) Zitiert nach Abderhalden, E.: Lehrbuch der physiologischen Chemie.
4. Aufl., I. Teil, S. 577.
8 *
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Ernährung und intaktem Verdauungstraktus hauptsächlich nur bei
endogenem Eiweißzerfall und auch dann nur in Spuren nachweis¬
bar sein.
Es kommt nun aber auch vor, daß höher molekulare Abbau¬
stufen des Eiweißes, ja bekanntlich selbst natives Eiweiß vom Darm
aus ins Blut übergehen. Dies ist nicht nur unter pathologischen
Zuständen der Fall, wie z. B. bei emährungsgestörten Säuglingen 1 ).
Auch unter physiologischen Verhältnissen läßt sich dafür der Nach¬
weis erbringen, vor allem bei neugeborenen Tieren — Hunden, Kätz¬
chen, Kaninchen, Zickeln —-). Bei letzteren fand Pfaundler und
Schübel 8 ) am 10. Lebenstage nach Verabreichung von artfremder
Kuhmilch nicht nur artfremdes Eiweiß, sondern auch Glucose und
Laktose im Harn. Auch beim gesunden menschlichen Säugling
konnten Orule und Bonar 4 ) zeigen, daß bei Zufuhr von artfremdem
Eiweiß in der Zeit vom 4.-—10. Lebenstage der Darm der Säuglinge
offenbar besonders leicht hierfür durchlässig ist, ohne daß irgendeine
Ernährungsstörung oder anderes vorliegt; auch sie fanden das ver¬
abreichte Eiweiß im Harn und zuweilen im Kot wieder. Gerade
diese Beobachtungen erscheinen uns im Hinblick auf die Versuchs¬
ergebnisse von Schiff und Stransky b ) über die Erfahrungen mit der
hämoklastischen Krise beim Säugling, auf die wir, wie gesagt, später
zurückkommen, wichtig. In all diesen zuletzt ausgeführten Fällen
wird man annehmen dürfen, daß die in Betracht kommenden
Verdauungsfermente resp. ihre Aktivatoren noch nicht in hin¬
reichender Menge vorhanden sind im Sinne von Salges ,,werdender
Funktion“ 6 ).
0 Lust , F.: Die Durchlässigkeit des Magendarmkanals für heterologes
Eiweiß bei emährungsgestörten Säuglingen. Jahrb. f. Kinderheilk. 1913, S. 243
u. 383, und Uffenheimer: Experimentelle Studien über die Durchlässigkeit der
Wandungen des Magendarmkanals. Arch. f. Hyg. 55, 1. 1906. — Derselbe: Zur
Frage der intestinalen Eiweißresorption. Ebenda 64, 383.
*) Ganghofer und Langer: Über die Resorption genuiner Eiweißkörper im
Magendarmkanal neugeborener Tiere und Säuglinge. Münch, med. WochenBchr.
1904, 1497.
3 ) Pfaundler, M., und Schübel , H.: Verdauungsversucho am Dünndarm
junger Ziegen bei Einverleibung arteigener und artfremder Milch. Zeitschr.
f. Kinderheilk. 30, 55. 1921.
4 ) Grüle , G. G ., and Bonnar, B. E.: Precipitins to egg white in the urine
of newborn infants. Amer. journ. of dis. of childr. 21, Nr. 1, S. 89. 1921. Re¬
ferat: ßer. d. ges. Physiol. u. exper. Pharmakol. 6, 465. 1921.
5 ) Schiff , Fr., und Stranshj , E .; 1. c.
H ) Salge , Br.: Die Bedeutung der Geschwindigkeit der Entwicklung für die
Konstitution. Zeitschr. f. Kinderheilk. 30, H. 1/2, S. 1. 1921.
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Die hämoklastische Krise.
117
Aber auch am ausgewachsenen Tier gelang es Messerli l ), wenn
wir von älteren Angaben [ Röhmann *)], [jReacA 8 )] absehen, in Über¬
einstimmung mit anderen Autoren [E. Zunz und P. Nolf 4 )] ge¬
gebenenfalls, z. B. experimentell bei Anlage der Thiry- Vella- Fistel,
zu zeigen, daß eine ergiebige Menge von Nahrungsstickstoff sicher in
Form von höheren Stufen wie Albumosen und Peptone durch das
Darmepithel resorbiert werden kann, und Borchardt 5 ) konnte beim
Hund im Blut ein Pepton aus Elastin als Hemielastin nachweisen.
Wenn nun auch beim „werdenden u Organismus die Annahme der
Resorption von höher molekularen Eiweißkomplexen auf Grund der ein¬
deutigen Versuchsergebnisse der oben angeführten Autoren naheliegt, so
kann man doch verstehen, w enn Abderhalden H ) und andere in Anbetracht
der Einwände, die man gegen derartige Experimentalversuche am Tier
machen kann, nach wie vor die Ansicht vertritt, daß für den Übergang
von Stoffen mit Peptonnatur ins Blut beim erwachsenen Menschen unter
normalen Bedingungen ein einwandfreier Beweis noch aussteht.
In seinen oben angeführten Versuchen zur Isolierung von Aminosäuren
gelang es Abderhalden in keinem Falle, Produkte nachzuweisen, „die
noch Biuretreaktion zeigten“.
Aber selbst wenn man den Versuchen über die Resorption von
Pepton und ähnlichen Stoffen aus mancherlei Gründen mit Abderhalden
keine entscheidende Bedeutung zuerkennen will, fo schließt der ne¬
gative Befund derartiger Stoffe im Blut doch keineswegs die Mög¬
lichkeit des Überganges von höher molekularen, aber bereits un¬
spezifischen Aminosäurekomplexen unter bestimmten Bedingungen
auch beim Erwachsenen vollkommen aus, und auch Abderhalden
äußert sich in diesem Sinne dahin, „daß man den Durchtritt von
Eiweiß und höhermolekularen Abbaustufen, die noch den Charakter
des Ausgangsmaterials haben, durch die Darmwand erzwingen 7 ) kann,
wenn man namentlich genuine, an und für sich schwer angreifbare
Proteine, wie Plasma- bzw. Serumeiweißkörper, Hühnereiweiß usw\
in großer Menge per os zugeführt“.
*) Messerli , H.: Über die Resorptionsgeschwindigkeit der Eiweiße und
ihrer Abbauprodukte im Dünndarm. Biochem. Zeitsohr. 54, 446, 1913.
2 ) Röhmann , F.: Über Sekretion und Resorption im Dünndarm. Pflügers
Arch. f. d. ges. Physiol. 41, 411. 1887.
8 ) Reach, F.: Untersuchungen über die Größe der Resorption im Dickdarm
und Dünndarm. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 86, 247. 1901.
4 ) Siehe bei Messerli: 1. c.
5 ) Vgl. hierzu: Abderhalden , E.: Lehrbuch der physiol. Chemie. 4. Aufl..
I. Teil, S. 543. 1920, und insbesondere ebenda, Anmerkung 1 ).
•) Abderhalden , E .: Lehrbuch.
r ) Von uns hervorgehoben!
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P. Junkersdorf:
Diese auch dem Kliniker bekannte Tatsache, möchten wir auf
Grund der Ergebnisse schon früher mitgeteilter Versuche noch er¬
weitern: Nicht nur die Zufuhr schwerverdaulicher Eiweißstoffe hat
einen unvollkommenen Abbau und damit den Übergang von pepton¬
artigen Körpern zur Folge, sondern jede unrationelle , einseitige Zu¬
fuhr von Eiweiß , zumal dann , wenn ein 'plötzlicher Obergang zu einer
ungewohnten , qualitativ und quantitativ anders zusammengesetzten Eiwei߬
nahrung eintriü .
In unseren an Hunden angestellten Versuchen war uns dafür
da8 Verhalten der Leber bei einseitiger überreicher Ernährung A ) mit
Eiweiß , bei der Glykogenmast und vor allem bei Eiweißfüüerung
nach voraufgegangener Qlykogenmast oder, genauer gesagt, die Reiz-
resp. Ausfallserscheinungen im Verhalten der Leberzellen der Indi-
cator für einen „ erzwungenen “ Übergang höherer Abbauprodukte
des Eiweißes ins Pfortaderblut.
Wir nahmen zur Erklärung der Versuchsergebnisse an, daß in
diesen Fällen auch der erwachsene Organismus resp. die Verdauungs¬
drüsen bei der Überschwemmung mit Eiweiß den an sie gestellten
Anforderungen in der Fermentproduktion unter diesen Umständen
nicht gewachsen seien, und daß es infolgedessen zu einer Ansamm¬
lung von höhermolekularen Abbauprodukten kommen müsse, die
ihrerseits auf den weiteren Abbau hemmend wirkten und als solche
die Darmwand passierten. Insbesondere aber hielten wir diesen
Fall für vorliegend in den Versuchen mit Eiweißfütterung nach vor¬
aufgegangener Glykogenmast, wo uns der Wechsel in der Nahrungs¬
zusammensetzung an erster Stelle hierfür verantwortlich schien:
Durch einen plötzlichen Übergang zu einer ungewohnten, qualitativ
anders beschaffenen Nahrung, ja eventuell schon durch Verabfolgung
von Eiweißstoffen verschiedener Herkunft und damit verschiedener
chemischer Zusammensetzung wird es erst zu einer Anpassung der
spezifischen Fermentproduktion kommen müssen; wissen wir doch
durch die einwandfreien Untersuchungen Weinlands 2 ) am Hund, daß
Pankreassaft sogar einen einfachen Nahrungsstoff wie Milchzucker
nur nach Milchfütterung zu spalten vermag, während er nach längerer
Milch karenz diese Fähigkeit verliert.
*) Junkersdorf , P.: Beiträge zur Physiologie der Leber. II. Mitteilung:
Das Verhalten der Leber bei einseitiger Ernährung mit Eiweiß. Pflügers Arch. f. d.
ges. Physiol. 180, 254. 1921. — III. Mitteilung: Das Verhalten der Leber bei
der Glykogenmast. Ebenda 187, 269. 1921. — IV. Mitteilung: Das Verhalten
der Leber bei Eiweißfütterung nach voraufgegangener Glykogenmast. Ebenda
192, 305. 1921.
2 ) Weinland, E ..* Über die Laktase des Pankreas. Zeitschr. f. Biol. 88,
607. 1889. — Derselbe : Über die Laktase des Pankreas. II. Mitteilung:
Zeitschr. f. Biol. 40, 386. 1900.
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Die hämoklastische Krise.
119
Wenden wir diese physiologischen Überlegungen nun auf die
Verdauungshämoklasie Widals an, so ergibt sich u. E., daß es nicht
ohne weiteres angängig ist, beim gesunden Menschen, bei gewöhn¬
licher, nicht überreicher Eiweißkost unter auch sonst normalphysio¬
logischen Bedingungen das Ausbleiben der Verdauungshämoklasie
kurzerhand immer durch Retention normalerweise entstehender höher¬
molekularer Eiweißabbauprodukte zu erklären . Wir sind vielmehr der
Ansicht, daß unter den angegebenen Bedingungen bei intaktem Ver -
dauungstraktus der Leber überhaupt keine , oder höchstens Spuren der¬
artiger Verdauungsprodukte zugeführt werden , daß diese vielmehr nur
bei überreicher Ernährung, besonders einseitiger Eiweißzufuhr, als
„unphysiologische* * Stoffe entstehen und infolge des unphysiologischen
Eiweißabbaues ins Blut übergehen.
Damit soll keineswegs die Möglichkeit des Überganges pepton¬
artiger Molekülkomplexe ins Blut unter den oben erwähnten Um¬
ständen von der Hand gewiesen werden. Außerdem aber ist nicht
ausgeschlossen, daß abgesehen von dem Einfluß, den Art und Menge
der Nahrung und eventuell Wechsel in der gewohnten Nahrungs¬
zusammensetzung ausüben, auch noch andere, vielleicht individuelle
Faktoren (Alter, Geschlecht u. m. a.) hierbei in Frage kommen, und
zudem ist, was besonders betont werden soll, der Übergang derartiger
Stoffe in die Blutbahn ein, wenn auch unphysiologischer , aber doch
nicht unter allen Umständen pathologischer Vorgang.
Um nun entscheiden zu können, wodurch es zur Auslösung der
hämoklastischen Krise kommt, müssen wir uns des weiteren die
Frage vorlegen, was dann geschieht, wenn Peptone oder polypeptid,
artige Stoffe bei unphysiologischem Eiweißabbau zur Resorption
kommen oder im Experiment parenteral verabfolgt werden. Wie
reagieren die Leberzellen, denen diese Stoffe zugeführt werden, auf
diese mehr oder weniger unphysiologischen Verdauungsprodukte?
Obschon wir diese Frage schon bei früherer Gelegenheit disku¬
tiert haben l ), halten w r ir es doch für angebracht, in diesem Zusammen¬
hang nochmals darauf näher einzugehen, da uns ihre Beantwortung-
wie wir sehen werden, in mancher Beziehung Aufklärung geben kann
über die Bedingungen, unter welchen die hämoklastische Krise auf-
tritt und damit über das Wesen derselben und uns so auch die ver¬
schiedene Beurteilung ihrer praktischen Bedeutung verständlicher
macht.
Auf jeden Fall wirken die zugeführten Verdauungsprodukte als
Reiz auf die Leberzellen, die als lebendiges System darauf mit einem
aktiven Vorgang reagieren. Sind sie nur in Spuren im Pfortader¬
blut enthalten und treffen auf funktionstüchtige Leberzellen, so werden
l ) Junkersdorf, P Beiträge zur Physiologie der Leber. IV. Mitteilung: 1. c.
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sie wahrscheinlich ohne weiteres verarbeitet, indem sie entweder als
Eiweiß angesetzt oder abgelagert, oder in Glykogen umgeformt
werden. Gelangen sie aber infolge unrationellen Abbaues in größerer
Menge ins Pfordaderblut, so wirken sie als ausgesprochene „Reiz¬
stoße“, indem sie die Leberzellen zu erhöhter Funktion anregen.
Diese Annahme machten wir zur Erklärung unserer Versuchsergebnisse
bei einseitiger Zufuhr von Eiweiß 1 ) und stellten infolgedessen eine „ physio¬
logische “ Hyperplasie der Leber fest mit Ansatz und eventueller Ablagerung
von Eiweiß (Reserveeiweiß) und Aufspeicherung von Glykogen. Auf die gleiche
Weise suchten wir uns auch das Verhalten der Leber bei der Glykogenmast 2 )
verständlich zu machen, wo wir als Folge der kombinierten Mast eine sehr be¬
trächtliche Glykogenablagerung (bis zu 18%) und dadurch mitbedingt eine
Lebergewichtszunabmo auf das 3 —4 fache des Normalgewichts beobachteten,
die wir in extremster Form als ,, pathologische “ Hyperplasie anzusprechen für
richtig befunden.
Treffen die hochmolekularen Verdauungsproduckte schließlich auf
Leberzellen, die schon infolge einer voraufgegangenen Kohlenhydrat¬
mast mit Reservestoffen (Glykogen und Eiweiß oder Fett) beladen
sind, wie in unseren Versuchen mit einseitiger Zufuhr von Eiweiß
nach voraufgegangener Glykogenmast 8 ), und die dadurch schon weit
über die physiologischen Grenzen hinaus in Anspruch genommen
sind, so wirken sie, zumal wenn sie in größerer Menge vorhanden
sind, direkt schädlich, als Giftstoffe, als spezifische „Lebergifte“
(Asher).
Durch die dadurch bedingte Funktionsstörung wurde uns in unseren Ver¬
suchen der beträchtliche Glykogenschwund verständlich, für den sonst keine
Erklärung gegeben werden konnte, da ja streng genommen die Glykogen¬
menge durch die Eiweißfütterung noch hätte zunehmen müssen.
Daß nun in Wirklichkeit Peptone und ähnliche Stoffe eine pri¬
märe Schädigung der Leberzellen bedingen können, das geht aus
den Arbeiten Ashers und seiner Mitarbeiter hervor. Diese Forscher
erbrachten den einwandfreien Beweis — wie wir bei früherer Ge¬
legenheit ausführlich gezeigt haben 4 ) —, daß bei intravenöser Pepton¬
zufuhr oder bei Verfütterung bestimmter Eiweißabbauprodukte die
Zellen nicht nur morphologisch geschädigt werden (Kusmine, Boehm
u. a.), sondern daß auch ihre Funktion deutlich beeinträchtigt wird,
indem diese Stoffe eine Hemmung der Glykogenbildung resp. An¬
häufung, eventuell sogar einen vollkommenen Glykogenschwund zur
Folge haben ( Pletnew , Tschannen , Richardson , Alelin und CorraL).
Und auch wir konnten ja, wie schon erwähnt, bei der Glykogen-
mast mit nachfolgender Eiweißfütterung, in Übereinstimmung mit
J ) Junkersdorf, P.: Beiträge zur Physiologie der Leber. Mitteilung IL 1. c.
-) Derselbe: Beiträge zur Physiologie der Leber. Mitteilung III. 1. c.
3 ) Derselbe: Beiträge zur Physiologie der Leber. Mitteilung IV. 1. c.
*) Derselbe: Vergleiche hierzu Mitteilung II und IV. 1. c.
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Die hämoklastische Krise.
121
den Versuchsergebnissen der genannten Autoren, eine beträchtliche
Glykogenabnahme und damit einhergehend eine auffällige Abnahme
des Lebergewichts feststellen, was wir ebenfalls auf die Giftwirkung
unphysiologischer Eiweißabbauprodukte zurückführten.
Ein sehr prägnantes Beispiel für die schädliche Wirkung un¬
physiologischer Eiweißstoffe bieten auch Versuche von Hashimoto
und Pick 1 ). Ihnen gelang es durch einmalige parenterale Applika¬
tion von äußerst geringen Mengen körperfremden Eiweißes eine
ausgesprochene Organproteolyse zu erzielen, die, was uns hier be¬
sonders interessiert, gerade vorwiegend die Leber betrifft, „so daß
ein Fünftel bis ein Viertel des Lebereiweißes in Spaltprodukte um¬
gewandelt wird“.
Auch neuere Untersuchungen von Pentimaüi 2 ) über Protein¬
körperintoxikation, insbesondere über die Giftigkeit des Peptons,
sprechen dafür, daß gewisse Eiweißderivate schwerwiegende Störungen
auslösen und berechtigen zu der Annahme, daß Pepton an einem
den Stoffwechsel beherrschenden Organ wie der Leber tiefgreifende
Veränderungen bedingen kann 8 ).
Wie aus diesen Ausführungen hervorgeht, ist also die Wirkungs¬
weise der eventuell resorbierten Peptone wesentlich von der Menge
abhängig. Was aber besonders wichtig erscheint, ist die Abhängig¬
keit der Wirkung vom jeweiligen Zustand der Leber zellen. Gerade
dieser Umstand ist für das Verständnis des Mechanismus der Pepton¬
wirkung von großer Bedeutung, weil wir hierin eine Erklärung sehen
für die verschiedene Reaktion des Organismus, sowohl des leber¬
gesunden wie des leberkranken, bei der Untersuchung mit Hilfe der
Wicfa/schen Methode.
Eine Leberzelle; die eine mehr oder weniger lange Zeit gehungert
hat, ohne hierdurch wesentlich geschädigt zu sein, wird die ihr zu¬
geführten Stoffe, also auch eventuell im Pfortaderblut vorhandene
Peptone, auf jeden Fall in ganz anderer Weise verarbeiten als eine
mit Reservestoffen überladene und daher weniger funktionstüchtige
*) Hashimoto , M. und Pick , E. P .; Über den intravitalen Eiweißabbau an
der Leber sensibilisierter Tiere und deren Beeinflussung durch die Milz. Arch.
f. exp. Pathol. u. Pharm. 76, 89. 1914.
*) Pentimalli , F.: Studi soll’ intossiciazioni proteica. III. Tossioita dell
Peptone. Rass. internaz. di clin. e terap. J. 2, 185. 1921. Referat: Ber.
d. ges. Physiol. u. exp. Pharm. 11, 250. 1922.
*) Hiermit stimmen auch klinische Erfahrungen über die diätetische Be¬
handlung des Diabetes überein. Das Eiweiß resp. seine Spaltprodukte sind
nicht nur lediglich Zuckerbildner, sondern sie üben auch toxische Wirkung auf
das Protoplasma der den Zucker assimilierenden und verwertenden Organe
aus. — Frank , E.: Über die moderne Entwicklung der Therapie der Zucker¬
krankheit. Jahresk. f. ärztl. Fortbild. 1922, Märzheft, S. 18.
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122
P. Junkersdorf:
oder gar durch irgendwelche voraufgegangene Einflüsse geschädigte
oder kranke Zelle. Die Wirkung wird also bis zu einem gewissen
Grade individuell verschieden sein und bei demselben Individuum,
abgesehen vom Funktionszustande, auch vom augenblicklichen Bedarf
nicht nur der Leber selbst, sondern auch des Gesamtorganismus an
bestimmten Baustoffen abhängig sein. Des weiteren wird auch die
durch die voraufgegangene und gewohnte Nahrung bedingte An¬
passung der Leberzellen an bestimmte Nährstoffe und die damit ge¬
gebene Einstellung auf einen bestimmten Stoffwechselchemismus von,
wenn auch vorübergehender, so doch weittragender Bedeutung sein
können, insofern bei plötzlich einsetzendem Wechsel in der Nahrungs¬
zusammensetzung, wie dies bei der Anstellung der JFtdaZschen Reak¬
tion doch oft eintreten kann, auch eine Umstellung im Stoffwechsel¬
getriebe der Leberzellen stattfinden muß 1 ).
Was läßt sich nun nach unseren Darlegungen bisher bezüglich
der Aufklärung des Wesens der hämoklastischen Krise Widals an¬
führen?
Wir nehmen ohne weiteres mit Widal an, daß der Leber im
Stoffwechselgetriebe neben vielem anderem die Aufgabe zukommt,
das ihr zugeführte Eiweißabbaumaterial, also auch eventuell höhet’
molekulare Komplexe des Eiweißmoleküls mit Peptonnatur, zu verar¬
beiten. Da aber derartige Stoffe nur bei unphysiologischem Eiwei߬
abbau unter den von uns angegebenen Bedingungen in nennens¬
werter Menge sich bilden, kann u. E. — wie schon erwähnt — das
Ausbleiben der hämoklastischen Krise beim gesunden Individum nicht
nach Widal durch Retention der die Auslösung der Krise bedingenden.
höhermolekularen Eiweißabbauprodukte erklärt werden, weil der Leber
normalerweise keine oder nur Spuren von diesen Stoffen zufließen.
Andererseits ist aber auch für das Zustandekommen der Krise
nicht unbedingt eine schon bestehende Insuffizienz der Leber ver¬
antwortlich zu machen, sie kann auch bei lebergesunden Individuen
auftreten. Ausschlaggebend hierfür ist der jeweilige physiologische
*) Anmerkung. Was Rössle in dieser Beziehung ganz allgemein ausführt, kommt
\nAsher8 und unseren Versuchen im Verhalten der Leberzellen der Peptonwirkung
gegenüber deutlich zum Ausdruck. „Man kann sagen, daß eine Reizung um
so gefährlicher für die Gesundheit und das Leben einer Zelle sein wird, je
mehr sie gezwungen ist, sich dabei passiv zu verhalten, wobei auch die Plötz¬
lichkeit der Einwirkung die Gefahr steigert, weil Ausgleich durch Anpassung
dabei gehindert ist,“ und „Hierbei wird sich das veränderte Verhalten je nach
dem Zustand der Zelle sowohl in einer Steigerung noch häufiger, aber wohl
mit abhängig von der Reizstärke, in einer Herabsetzung der allgemeinen oder
der besonderen (spezifischen) Leistungen der Zelle verraten.“ — Rössle , R.: Zellent¬
artung und Zelltod. Die Naturwissenschaften 1921, H. 14 (Die Pathologie als
biologische Wissenschaft).
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Die hämoklastische Kriee.
123
Funktionszustand der Leber . Da feststeht, daß Peptone als solche
je nach dem Zustand der Zellen eventuell eine Leberzellschädigung
bewirken können, besteht die Möglichkeit, daß schon so geringe
Mengen von Peptonen, wie sie bei der fTida/mahlzeit infolge der
gegebenenfalls ungewohnten Eiweißzufuhr in Form von Milch sich
bilden, genügen, um eine positive Reaktion herbeizuführen, wenn
wir annehmen, daß diese unphysiologischen Stoffe auf Leberzellen
treffen, die infolge eines weniger leistungsfähigen Zustandes nicht
imstande sind, sie irgendwie zu verarbeiten, so daß sie unverändert
in den Kreislauf übertreten. Zudem aber kann, wie wir später¬
hin noch ausführen werden, eine Leukopenie sich bemerkbar machen,
auch ohne daß die Leber irgendwie hierbei im Spiele ist, eine
Feststellung, die deshalb wichtig erscheint, weil von vielen, die die
TFtdoZprobe praktisch an wandten, oft nur der Nachweis der Leuko¬
penie herangezogen wurde.
Im übrigen stimmen wir mit Widal überein, daß bei bestehen¬
der Insuffizienz der Leber die Eiweißabbauprodukte, insbesondere
die unphysiologischen, in den allgemeinen Kreislauf übertreten und
dann die dem anaphylaktischen Chok ähnlichen Symptome der
hämoklastischen Krise bedingen.
III.
Die Tatsachen, daß Peptone sicher in größerer Menge und je
nach dem Zustand der Leberzellen auch schon in Spuren morpho¬
logische und damit einhergehende funktionelle Störungen bedingen
können, gibt uns auch für manche vom Kliniker bei der Unter¬
suchung mit der Widalmethode gemachte Beobachtungen eine ge¬
wisse Erklärung oder bringt sie wenigstens unserem Verständnis
näher.
Es gibt eine ganze Reihe von Stoffen, die ähnlich wie die
Peptone die Leberzellen beeinflussen. Ihre Wirkung läßt sich in
mancher Hinsicht mit der Peptonschädigung in Parallele setzen.
Wenn wir von den längst als spezifische Lebergifte bekannten Stoffen wie
Phospor, Arsen, Quecksilber u. a. absehen, so können dies die verschiedensten
chemischen Moleküle sein (Kaliumchromat, Urannitrat, Glycerincaijbol und
ähnliche), also Stoffe, die im allgemeinen nur selten dem Organismus zugeführt
werden. Hierher gehören aber auch eine Reihe von Medikamenten, die relativ
oft in den Organismus gelangen. Gerade in den letzten Jahren sind darüber
wichtige Erfahrungen gesammelt worden, deren Kenntnis von Bedeutung ist.
Wohl am meisten bekannt und in ihrer Wirkung in dieser Beziehung
näher untersucht sind Chloroform, Äther, Stickoxydul, Pilocarpin, Antipyrin,
Salvarsan, Chinin, Atropin und manche andere.
Von einer Reihe dieser Stoffe wissen wir, daß sie nicht nur mehr oder
weniger ausgeprägte Nekrosen des Leberzellenparenchyras bewirken, sondern,
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Original fro-m
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P. Junkersdorf:
was uns hier besonders interessiert, oft auch ausgesprochene Funktions¬
störungen zur Folge haben. Diese Störungen können sich natürlich bei der
Vielseitigkeit und Kompliziertheit der Leberfunktionen in der verschiedensten
Weise äußern.
So ist schon länger bekannt, daß bei Phosphorvergiftung ebenso wie bei
Chloroformvergiftung bestimmte Funktionen der Leberzellen beeinträchtigt
werden: die Toleranz gegen Galaktose und Lävulose ist im allgemeinen in
beiden Fällen herabgesetzt und der Nichtproteinstickstoff erscheint im Blute
vermehrt 1 ). Auch andere Funktionen wie die sterische Umwandlung von
Lävulose in Dextrose, die neuerdings von Isaac und Adler*) nach gewiesen
wurde, sind, wie aus den Durchströmungsversuchen dieser Autoren hervorgeht,
an eine ziemlich weitgehende Intaktheit der Leberzellenstruktur gebunden.
Ein interessantes Beispiel für die sehädigende Wirkung gewisser chemischer
Stoffe wurde kürzlich von Petini 3 ) angeführt. Er konnte zeigen, daß Antypirin,
wenn es per os zu 0,5 g etwa einen Monat lang an Kaninchen verabfolgt
wird, tiefgreifende Veränderungen zur Folge hat (Schwinden der radialen
Skruktur in den Leberläppchen und Anzeigen der trüben Schwellung der Zellen)
und auch, was in diesem Zusammenhang besonders wichtig erscheint, eine
Herabsetzung der Funktion auslöst, insofern es die Zuckerbildung in der Leber
hemmt, also ähnlich wirkt, wie Pepton in Ashers und unseren Versuchen.
Diese Beobachtung läßt sich in Einklang bringen mit den Befunden französischer
Autoren 4 ), die bei bestehender Idiosynkrasie gegen Antipyrin öfters die hämo-
klastische Krise bei bestehender Leberinsuffizienz, sowohl durch Eiweiß wie
durch Fett und Zucker auszulösen vermochten.
Auch das gehäufte Auftreten von Leberschädigungen nach Salvarsaninjek-
tionen wäre hier anzuführen, und die Ansicht mancher Syphilidologen, daß der
Spätikterus durch eine Leberschädigung nach Salvarsaninjektion bedingt, sei. be¬
steht sicher zu Recht.
Charakteristische histologische Veränderungen an den Leberzellen des
Frosches nach Verabfolgung von Schilddrüsengewebe beschreiben Dragoin und
Faure Fremiet 5 ). Ihre Befunde sind deshalb interessant, weil durch andere
Untersuchungen nachgewiesen wurde, daß nach Schilddrüsensubstanz ebenfalls
der Glykogengehalt der Leber stark herabgesetzt wird 6 ).
*) J larshall, E. K . and Rowntree , L. Q.: Studies in liver and kidney funk-
tion in experimental phosphorus and Chloroform poisoning. Joum. of exp.
Med. 22, H. 3, S. 333. Zitiert nach Zentralbl. f. Physiol. 31, 527.
а ) Isaac S.j und Adler , E .; Über die sterische Umwandlung von Hexosen
durch Organe und Zellen. (Ein Beitrag zur Frage der sogenannten Stereo¬
kinasen). Zeitschr. f. physiol. Chem. 115, 105.
8 ) Petini , A.: Azione delF antipyrina sulla cellula epatica. Arch. di farmaco).
8perim. e Science off. 29, 65. Zitiert nach Berichten der ges. Physiol. u. experim.
Pharmakol. 4,155. 1921.
4 ) Zitiert nach Bauer , Die hämoklastische Krise, 1. c.
ö ) Dragoin , /. et Faure-Fremiet: Divers aspects de la cellule hepatique chez les
tetards de Rana temporaria nourris avec de la thyroide. Cpt. rend. des seances
de la soc. de biol. 85, 434. 1921. Referat: Berichte der ges. Physiol u. experim.
Pharmakol. 10, S. 96. 1921.
б ) Literatur siehe bei Asher y L.: Beiträge zur Physiol. der Drüsen. 44. Mitt.
Königsberger , W Die Wirkung des Schilddrüsenhormons bei gestörtem Kohlen¬
hydratstoffwechsel durch Phlorhizindiabetes. Biochem. Zeitschr. 121, 64. 1922.
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ur€oOgle
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Die hämoklastische Krise.
125
Wir möchten auch in diesem Falle im Gegensatz zu Cramer 1 ) eine durch die
»SchilddrüsenSubstanz bedingte primäre Schädigung der Leberzellen als Grund
für die Glykogenmobilisation in der Leber annehmen. Siperstein und Litmann *)
sahen nach Chinininjektionen granuläre Degeneration mit deutlicher Kern¬
schädigung der Leberzellen; Rossi 3 ) fand nach Atropin und Qrynfellt und Lafont 4 )
nach Sulfonalgabe ausgesprochene histologische Veränderungen. Auch in
diesen Fällen hätte sich sicher eine Funktionsstörung nachweisen lassen, falls
man danach gesucht.
Daß als Folge der Strukturveränderungen meist Störungen im
Kohlenhydratbindungsvermögen der Leber erwiesen wurden und über
die anderen Funktionen weniger Angaben gemacht worden, mag
wohl seinen Grund mit darin haben, daß gerade diese am einfachsten
und leichtesten zu fassen sind. Man darf aber wohl annehmen, daß
es hierbei auch zu einer Störung der Gesamtleistung des Organs
kommen kann, da die verchiedenen sich in den Leberzellen ab¬
spielenden Prozesse doch miteinander verknüpft sind und in ihrer
Gesamtheit den physiologischen Ablauf der Stoffwechselvorgänge
bedingen.
Es ist wohl selbstverständlich, daß die Leber als spezifisches
Entgiftungsorgan dieser entgiftenden Funktion um so eher gewachsen
sein wird, je funktionstüchtiger ihre Zellen sind. Da nun der
Funktionszustand seinerseits wesentlich mitabhängig ist von der
Ernährung, so darf man weiterhin wohl annehmen, daß ein durch
unrationelle oder gar einseitige Nahrung schon stark in Anspruch
genommenes Organ auf körperfremde Gifte sowohl wie auf un¬
physiologische Verdauungsprodukte, anders reagieren wird, als ein voll
funktionstüchtiges 5 ).
*) Cramer und Mitarbeiter: Quart. Journ. of exp. physiol. 1917, 1918, 1919.
Journ. of physiol. 1916. Zitiert nach Asker, Biochem. Zeitschr. 121., 64. 1921.
2 ) Siperstein , David M . and Litmann , Morris: Studies on the effects of quinin
on the liver, bloods, cella and urin of rabbits. Arch. of jnternat. tned. 27, 4,
S. 449. 1921. Zitiert nach Ber.d. ges. Physiol. u. exp. Pharmakol. 8, 573.
1921.
8 ) Rossi , Alessandro: Modificationi istologiche del fegato prodotte dalP atro-
pina. Arch. di fisiol. 8, S. 15. 1920.
4 ) GrynfelU H . et Lafont, R.: Sur la porphyrinurie experimentale. L£sions du
foi chez un lapin porphyrinurique apr£s intoxication chronique par le sulfonal.
Cpt. rend. des s^ances de la soc. d. biol. 85, 292. 1921. Zitiert nach Ber.
d. ges. Physiol. u. exp. Pharmakol. 10, 94. 1921.
5 ) Anmerkung: Wie empfindlich die Leberzellen selbst körpereigenen Stoffen
gegenüber reagieren, geht aus den bedeutsamen Untersuchungen Skramliks und
Hünermanns hervor. Hiernach ruft schon Ringerlösung mit der Länge der Dauer
wachsende Schädigungen in Form der trüben Quellung und Schwellung und vor
allem Läsionen des Leberzellprotoplasmas hervor.
Stramlik, E. und Hünermann , Th.: Die Überlebende künstlich durch-
strömte Leber im histologischen Bilde. Zeitschr. f. exp. Med. 11. 349. 1921.
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So konnte Katz 1 ) — um ein praktisches Beispiel anzuführen — bei
einer mit Salvarsan vorbehandelten Luetikerin mit einem besonderen
von Trybs angegebenen Verfahren nachweisen, daß funktionstüchtige
Zellen das aufgespeicherte Salvarsan schneller eliminieren als ge¬
schädigte, und auf Grund der Kriegserfahrungen wird ja allgemein
angenommen, daß die Leistungsfähigkeit der Leberzellen durch
dauernde Unterernährung oder einseitige Nahrungezufuhr leidet und
damit ihre Widerstandsfähigkeit insbesondere Giften wie dem Sal¬
varsan gegenüber nachläßt.
Aus Untersuchungen von Graham u. a. 2 ) geht fernerhin her¬
vor, daß die Empfindlichkeit der Leber bestimmten Giften gegen¬
über bei Fleischdiät viel größer ist als bei kohlenhydratreicher Nahrung,
eine Beobachtung, die darauf hindeutet, daß die Leberzellen durch
die infolge der einseitigen Eiweißnahrung sich bildenden unphysio¬
logischen Verdauungsprodukte, die auch ihrerseits noch schädlich
wirken können, den an sie dadurch gestellten Anforderungen durch
Arbeitsüberlastung nicht gewachsen sind. — Derartige Feststellungen
sind natürlich auch von praktischem Interesse. Man wird bei An¬
wendung bestimmter Medikamente z. B. bei längerdauernder Chloro¬
formnarkose durch Regelung der Diät darauf Rücksicht nehmen
müssen, um eventuellen Schädigungen vorzubeugen.
Unter Berücksichtigung dieser Tatsachen, werden wir manche
der Befunde, die bei den klinischen Untersuchungen mit der Widal -
methode erhoben wurden, vorsichtiger einschätzen müssen. In all
den Fällen, wo eine längerdauernde Narkose mit Chloroform, Äther,
Stickoxydul oder eine Salvarsanbehandlung voraufgegangen ist oder
andere leberzellschädigende Medikamente der oben angeführten Art
appliziert wurden, wird allein schon hierdurch bedingt auch bei sonst
lebergesunden Individuen ein mehr oder weniger positiver Ausfall
der Probe erzielt werden können. Aber: Der Grad des Ausfalls der
Probe wird individuell sehr verschieden und nickt nur abhängig von
der Menge des Giftes , sondern wesentlich mitbedingt sein von dem je¬
weiligen durch die voraufgegangene Ernährung bestimmten 'physiologischen
Zustand der Leberzellen vor der Applikation der Medikamente.
Wir halten es weiterhin für nicht ausgeschlossen, daß gegebenen¬
falls eine an und für sich harmlose Medikamentschädigung der
Leberzellen sich in schwererer Form äußert,weil durch die An-
1 ) Katz: Über einen Fall von Lebersyphilis. Inang. Diss. Bonn 1912.
2 ) Graham, E . A.: The resistence of pups to late Chloroform poisoning in
its relation to liver glycogen. Journ. of exp. Med. 21, 2, 1*5 und Opie , E . L .
and Alford, L. B.: The influence of dictopon necrosis caused by hepatic and
renal poißons. I. Dict. and hepatic lesionß of Chloroform, phosphorus or Alcohol.
Journ. of Med. 21, 1, 1. Zitiert nach Zentralbl.f. Physiol. 30, 47 u. 75.
Go gle
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Die hämoklastische Krise.
127
Stellung der Probe in der gewöhnlichen Form mit Milch, infolge
unphysiologischen Abbaues der nicht gewohnten Milcheiweiße, sich
zu der Schädigung durch die Medikamente noch eine Peptonschädigung
addieren kann.
Dies gilt auch für die Fälle, wo eine krankhafte Veränderung
der Zellen durch andere Einflüsse vorliegt. Auch hier könnte, durch
den Mechanismus der Probe selbst mitbedingt, ein falsches Bild
von einer tatsächlich vorhandenen, vielleicht an und für sich gering¬
fügigen Schädigung erzielt werden, weil auch bei diesen durch
eventuell ins Pfortaderblut übergegangene, nicht gewohnte Müch-
eiweißpeptone eine neue Schädigung gesetzt werden kann. Manche
der in der Literatur angeführten Fälle von latentem Hepatismus,
die man mit der TFirfoZprobe aufgedeckt haben will, würden u. E.
auf diese Weise eine wahrscheinliche Erklärung finden.
Unsere Deutung, daß die hämoklastische Krise auch bei leber¬
gesunden Individuen durch unphysiologischen Eiweißabbau und da¬
durch bedingte Resorption höhermolekularer Abbauprodukte der
Eiweißstoffe ausgelöst werden kann, findet eine wesentliche Stütze
und Bestätigung durch die Befunde von Holzer und Schilling 1 ). Sie
stellten bei Fällen von Sub- und Anacidität meist eine ausgeprägte
Verdauungsleukopenie fest und sind der Ansicht, „daß vielleicht die
mangelhafte Aufspaltung des Eiweißes im Darm einen mehr oder
weniger großen Teil der Schuld der Widalschen Reaktion trage“ und
daß schon eine Störung im Magendarmkanal genügt, um eine hämo¬
klastische Krise hervorzurufen.
Durch unsere Darlegungen finden ihre Befunde eine ausreichende
Erklärung. Wie wir späterhin sehen werden, kann die Leukopenie
schon allein durch die Resorption von höhermolekularen und damit
blutfremden Abbaustufen erklärt werden. Aber auch die beiden
übrigen Hauptsymptome können unter diesen Umständen zutage
treten. Die infolge der Insuffizienz des Magendarmkanals zur Re¬
sorption gekommenen unphysiologischen Abbauprodukte können eben
unter diesen Umständen als Giftstoffe auf die Leberzellen wirken,
zumal wenn diese ihres Funktionszustandes wegen der Verarbeitung
derselben nicht gewachsen sind, und sie infolgedessen schon nicht
zurückhalten können.
In demselben Sinne spricht auch der gegenteilige Befund der
Verdauungsleukocytose bei einem Fall von Hyperacidität, wenn hier,
*) Holzer , P . und Schilling , E.: Muß die hämoklastische Krise als spezifische
Leberfunktionsprüfung aufgefaßt werden? Berl. klin. Wochenschr. Nr. 46,
S. 1352. 1921. Siehe auch Holzer , P. und Schilling , E.: Die hämoklastische
Krise nach Widal als Verdauungsleukopenie. Vergleichende Prüfung der
Leberfunktion bei Leberkranken und Gesunden. Zeitschr. f. klin. Med. 98, 302.
1922.
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wie in den Fällen von Hyperchlorhydrie, die Le Noir und Richet 1 )
mitteilen, die hämoklastische Krise negativ ausfällt, so dürfte dies
seinen Grund wohl darin haben, daß unter diesen Umständen die
Verdauung im Magendarmtraktus in erhöhtem Maße vor sich geht
und mithin keine höhermolekularen Abbauprodukte resorbiert werden,
die die Krise bedingen.
Vielleicht haben wir es in den von Le Noir und Richet oben
angeführten Fällen von Ulcus mit positivem Widal ebenfalls mit
einem unphysiologischen Eiweißabbau zu tun, so daß auch hier der
positive Ausfall der Widalprobe resp. eines Teilsymptoms, der Leuko¬
penie, nicht weiter auffallend wäre.
IV.
Wir wollen nunmehr untersuchen, wie die Auslösung der hämo-
klastischen Krise in den Fällen zustande kommt, wo die Probe nicht
mit Eiweiß (Milch oder anderen eiweißhaltigen Mitteln), sondern mit
Stoffen nicht eiweißartiger Natur angestellt wird.
Widal selbst und seine Mitarbeiter 2 ) äußern sich bezüglich der Auslösung
der Krise bei Diabetikern mit Zucker dahin, daß die Verdauungshämoklasie
nach Eiweißzufuhr mit der Hämoklasie nach Zuckergabe nichts zu tun habe.
Sie glauben, daß der Zucker die Krise nicht direkt auslöst, sondern daß die
Zuckerzufuhr beim Diabetes durch einen Übergang von Fermenten des Kohlen-
hydratstoffweohsels aus den Organen (Leber!) in die Blutbahn herbeigeführt
werde — eine Auffassung, die in dieser Form wohl wenig für sich hat.
Sömjen 8 ) gelang es zuweilen, die hämoklastische Krise bei bestehender
Leberinsuffizienz auch durch Fett in Form von Butter und durch Zucker in
Form von Rohrzucker und — was sehr merkwürdig erscheint — sogar durch
bloße Massage der Leber hervorzurufen. Er hält es auf Grund seiner Befunde
nicht für berechtigt, auch in den Fällen, wo die Probe mit eiweißhaltigem
Material ausgeführt wird, die von der eingeführten Nahrung abstammenden
unvollständig abgebauten Eiweißkörper als auslösendes Moment für die Krise
anzunehmen. Er nimmt deshalb zur Erklärung an, daß sie durch irgendeinen
Reiz auf die insuffiziente Leber reflektorisch vom Duodenum und unterem
Jejunum aus zustande kommt, und will der Krise überhaupt nur insofern Be¬
deutung beimessen, als sie anzeigt, „daß im Haushalt der Leber irgendeine
Veränderung aufgetreten — mehr aber nicht. u
Bauer*) nimmt eine Mobilisierung in der Leber aufgespeicherter, blut-
fremder, peptonartiger Stoffe an. Uns scheint diese Ansicht den physiologi¬
schen und klinischen Erfahrungen am ehesten gerecht zu werden. Wir halten
es deshalb für angebracht, diese Auffassung vom physiologischen Standpunkt
aus etwas näher zu beleuchten.
Auf Grund der Versuchsergebnis.se der verschiedensten Autoren
und unserer Befunde im Verhalten der Leber bei einseitiger Eiweiß-
*) Le Noir und Richet: 1. c.
2 ) Widal 9 Abrami und Jancovesco: La crise hemoclasique par injection de
euere chez les diabetiques, 1. c.
3 ) Sömjen: 1. c.
4 ) Bauer , J.: 1. c.
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Die hämoklastißche Krise.
12!)
ernährung ist wohl heute nicht mehr daran zu zweifeln, daß die
Leber als Eiweißspeicher angesprochen werden muß 1 ).
Wenn nun mit Reserveeiweiß überladenen und dadurch schon
weniger funktionstüchtigen Leberzellen oder gar gleichzeitig noch
durch irgendeine schädliche Noxe affizierten Zellen einseitig Kohlen¬
hydrat oder Fett zugeführt wird, so besteht die Möglichkeit, daß diese
Zellen durch die Inanspruchnahme bei der Verarbeitung dieser Stoffe
derartig mit Beschlag belegt werden, daß das in den Zellen auf¬
gespeicherte Reservematerial eiweißhaltiger Natur nunmehr nicht in
normaler Weise verarbeitet werden kann und infolgedessen in blut¬
fremder Form ausgeschwemmt wird. — Der positive Ausfall der Krise
nach Zufuhr von eiweißfreien Stoffen würde damit ebenfalls wesent¬
lich vom Funktionszustande der Leberzellen abhängig sein, in diesem
Falle von der Menge des Zelleinschlußeiweißes, des Reserveeiweißes.
Diese Annahme liegt nahe. Sie wäre in Parallele zu setzen der
allgemein bekannten Mobilisierung des Glykogens durch einseitige
Fettzufuhr, wie auch des zuerst von uns beobachteten Glykogen¬
schwundes nach einseitiger Eiweißzufuhr. Wenn wir im letzteren
Falle gewisse Abbauprodukte des Eiweißes für den Glykogenschwund
verantwortlich machten, so könnten im vorliegenden Falle getoisse
Bausteine der Fette (Fettsäuren) oder der Kohlenhydrate , oder diese
Stoffe seihst hierzu Veranlassung geben, zumal sie der unphysiologi¬
schen einseitigen Zufuhr wegen in unphysiologischer, vielleicht „zu-
stands fremder“ (Abderhalden ) Form zur Resorption gekommen sein
können. Diese Stoffe würden dann indirekt die Krise auslösen durch
Ausschwemmung der die Blutdrucksenkung und Veränderung der
Gerinnbarkeit bedingenden Eiweißstoffe mit Peptonnatur.
Bis zu einem gewissen Grade würde auch der positive Ausfall
der Probe nach Massage (Sömjen) verständlich; in diesem Falle
könnte die Massage als mechanischer Reiz für die Mobilisation der¬
artiger Stoffe verantwortlich gemacht werden. Hierfür läge allerdings
kein Analogon vor.
Aber selbst wenn die Leber überhaupt kein Reserveeiweiß in
ihren Zellen enthielte, könnte infolge der intensiven Inanspruchnahme
durch die Menge der ungewohnten, einseitig zugeführten, eiweißfreien
Nährstoffe oder deren vielleicht unphysiologischen, „zustandsfremden“
Bausteine, besonders bei gleichzeitig noch bestehender verminderter
Widerstandsfähigkeit durch die Art der vorauf gegangenen Ernäh¬
rung, ein degenerativer Prozeß mit Einschmelzung von Leberzellenproto¬
plasma einsetzen und zur Auslösung der Krise Veranlassung geben.
Daß tatsächlich in Abhängigkeit vom Funktionszustand der
Zellen durch unphysiologische Stoffwechselprodukte ein Gewebs-
l ) Literatur in unserer Mitt. 2, 1. c.
Z. f. d. g. exp. Med. XXX. 9
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zerfall eingeleitet werden kann, ergibt sich aus Versuchen von Ringer
und Underhill 1 ), die bei hungernden Hunden durch Profceoeenzufuhr
einen derartigen Zerfall einwandfrei nachweisen konnten. Insbeson¬
dere aber geht dies aus den bereits oben angeführten Befunden von
Hashimoto und Pick 2 ) hervor, die — wie gesagt — nach einmaliger
Verabfolgung ganz geringer Mengen von körperfremden Eiweißstoffen
eine auffallende Leberproteolyse eintreten sahen.
In diesem Zusammenhang erscheint es uns angebracht, auch noch
auf einen anderen wesentlichen Punkt aufmerksam zu machen. Nur
von den wenigsten Autoren, die die Widalmethode klinisch an¬
wandten, wurde im einzelnen Fall nach allen drei Hauptsymptomen
gefahndet, meist wurde nur die Leukopenie als auffallendstes und am
einfachsten zu bestimmendes Teilsymptom herangezogen. Nun kann
aber eine Leukopenie, wie schon angedeutet, nachweisbar sein, ohne
daß die Leber insuffizient ist, also ohne daß überhaupt peptonartige
Stoffe in den allgemeinen Kreislauf übertreten. Gerade diese Mög¬
lichkeit kann bei Anstellung der Probe mit eiweißfreiem Material
vorliegen: Der durch den Übergang eiweißfreier aber unphysiologi¬
scher Stoffe ins Pfortaderblut bedingten Leukopenie braucht dann
nicht eine Blutdrucksenkung und veränderte Gerinnbarkeit parallel
zu gehen; die Leber kann dieser Stoffe Herr werden — sofern sie
voll funktionstüchtig ist —, ohne daß von ihr, nach unseren obigen
Darlegungen, peptonartige Stoffe in den allgemeinen Kreislauf ab¬
gegeben werden. Auf diese Weise fänden die als „dissoziierte u
Krisen bezeichneten Fälle, bei denen die Leukopenie nicht von einer
Blutdrucksenkung und einer veränderten Gerinnbarkeit begleitet ist,
eine sehr wahrscheinliche Erklärung.
Ein klares eindeutiges Bild über diese komplizierten Verhältnisse
wird natürlich erst dann möglich sein, wenn — wie dies von Bauer*)
in Aussicht gestellt ist — der Nachweis von im Blut vorhandenen
Eiweißabbauprodukten mit Peptonnatur zur Aufklärung der Frage
mit herangezogen werden.
V.
Wir wenden uns nun der Frage zu, wie die interessanten und
überaus bedeutsamen Befunde von Schiff und Stransky 4 ) beim Säug¬
ling bei Anwendung der Widal- Probe zu bewerten sind.
1 ) Ringer, M., und Underhill, Frank P.: Studien über die physiologische
Wirkung der Eiweißderivate. VII. Der Einfluß verschiedener Eiweißspalt¬
produkte auf den Stoffwechsel hungernder Hunde. Journ. of biol. Chem. 48, 50*.
1921. Referat: Chem. Zentralbl. 1/2, Nr. 3, S. 148, 1922.
*) Hashimoto, M., und Pick, E. P.:
3 ) Bauer, J.: 1. c.
4 ) Schiff, Fr. und Stransky. E .; 1. c.
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Die hämoklastisohe Krise.
131
Wie schon erwähnt, ziehen die genannten Autoren aus ihren
umfangreichen Untersuchungen den Schluß, daß die hämoklastische
Krise beim Säugling nicht als ein Ausdruck gestörter Leberfunktion ge¬
deutet werden darf und auch keine eiweißspezifische Reaktion sein kann ,
weil sie sowohl beim gesunden wie auch beim kranken Säugling in
derselben Weise und unabhängig von der jeweils verabfolgten Nah¬
rung auftritt. In eindeutiger Weise stellten sie durchgehends eine
ausgesprochene Leukopenie als Zeichen des positiven Ausfalls der
Probe fest und kommen auf Grund ihrer Befunde zu dem Ergebnis,
„daß beim Säugling von einer Verdauungsleukocytose nicht ge¬
sprochen werden kann. Das Physiologische beim Säugling ist die
Verdauungsleukopenie u . Die Verdauungsleukocytose, die beim Er¬
wachsenen nach Eiweißzufuhr stets beobachtet wird, tritt beim Säug¬
ling nur nach peroraler Zufuhr von bestimmten Aminosäuren auf.
Wie ist nun dieses entgegengesetzte Verhalten hinsichtlich der
Leukocytenreaktion beim Säugling und beim Erwachsenen zu er¬
klären?
Schiß und Stransky nehmen zur Deutung ihrer merkwürdigen
Befunde eine sogenannte Verteilungsleukopenie (Schilling) an, derart,
daß sich während der Verdauung die weißen Blutkörperchen in den
Bauchorganen ansammeln und dadurch die Leukopenie im peripheren
Blut verursachen. Die Leukocytose dagegen führen sie auf Grund
experimenteller Untersuchungen anderer Autoren ( Ooldscheider und
Jakob) auf eine gesteigerte Tätigkeit des leukopoetischen Systems
zurück. Da sie nun beim Säugling einzig und allein mit Amino¬
säuren eine Leukocytose auslösen konnten, so ist man nach ihrer
Ansicht berechtigt, die Aminosäuren auch als die Stoffe anzusprechen,
die die gesteigerte Funktion des leukopoetischen Systems bedingen.
Diese Schlußfolgerung dürfte das Richtige treffen, sie würde uns
auch die Verhältnisse bezüglich der Leukocytenreaktion beim Er¬
wachsenen näherbringen. Hier muß bei durchgreifendem Eiwei߬
abbau, wie er normalerweise vor sich geht, infolge der zur Resorp¬
tion kommenden Aminosäuren eine Leukocytose einsetzen. Gelangen
dagegen infolge unphysiologischen Eiweißabbaues wie bei Über¬
schwemmung mit Eiweiß oder bei Sekretionsstörungen (Sub- und
Anacidität) peptonähnliche Stoffe ins Pfortaderblut, so wird eben¬
falls eine Verteilungsleukopenie in Erscheinung treten.
Daraus folgt mit großer Wahrscheinlichkeit, „daß die Entschei¬
dung darüber, ob es zur Verdauungsleukocytose kommt oder nicht —
auch beim Säugling — nicht in der Leber, sondern vornehmlich im
Magendarmkanal getroffen wird“, denn die Entscheidung über diese
Frage wird hauptsächlich „vom fermentativen Abbau wie auch von
den Resorptionsverhältnissen im Darmkanal abhängen, ob die Amino-
9*
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P. J Unkersdorf:
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132
säuren in solchen Mengen abgespalten werden und zur Resorption
gelangen, daß sie auf das leukopoetische System ihre Reizwirkung
ausüben u .
Auf Grund der oben von uns angeführten Arbeiten über die Art
der Eiwei üresorption bei neugeborenen Tieren und beim menschlichen
Säugling darf man nun wohl als bewiesen betrachten, daß beim
,,werdenden 44 Organismus der Eiweißabbau nicht bis zu Aminosäuren
erfolgt, wohl deshalb, weil die zum Abbau erforderlichen Fermente —
wie wir schon ausführten — noch nicht zur Verfügung stehen. Dieses
unvollkommenen Abbaues wegen ist es mithin auch verständlich , wenn
beim Säugling normalerweise keine Leukccytose, sondern Leukopenie
auftritt.
Das entgegengesetzte Verhalten hinsichtlich der Leukocyten-
reaktion fände damit seine Erklärung — wie dies auch Schiff und
Stransky schon angeben — in einer Verschiedenheit des Eiwei߬
abbaues. Es ist fernerhin ohne weiteres klar, daß es in einem be¬
stimmten Lebensalter zu einem Umschlag in der Art des Abbaues
der Nährstoffe und somit in der Reaktionsweise des Organismus
kommen muß. Der Zeitpunkt wild aber sicherlich, wie dies von
Salge 1 ) für andere Funktionen bereits erwiesen wurde, individuell
sehr verschieden früh oder spät eintreten können und auch wieder
abhängig von der Ernährung sein. In Analogie zu anderen „werden¬
den Funktionen 4 * (Salge) ist es vielleicht n«cht ausgeschlossen,
daß ein unvollkommener Abbau als „unphysiologisch 44 , als kon¬
stitutionelle Anomalie , sogar dauernd bestehen bleiben kann, an
die sich dann das Gesamtgeschehen im Organismus allmählich an¬
passen wird.
Versuche, den Zeitpunkt des Umschlages der Leukocytenreaktion
näher zu bestimmen, wurden schon von Schiff und Stransky an¬
gestellt. An umfangreicherem Material durchgeführt, werden sie
sicher noch manche interessante Resultate ergeben.
In Übereinstimmung mit dem Befund von Schiff und Stransky
kommt auch Adclsberger 2 ) zu dem Ergebnis, daß nach Aufnahme
von Muttermilch beim Säugling eine sofort einsetzende Leukopenie
zu konstatieren ist. Sie beobachtete aber im Gegensatz zu ihnen
nach Kuhmilch und künstlichen Nährgemischen, gleichgültig ob Ei¬
weiß, Fett oder Kohlenhydrate gereicht wurden, eine Leukccytose,
„vor der sich allerdings eine geringe Senkung sofort nach der Nahrungs¬
aufnahme einschieben kann.“ Während die Leukopenie nach ihren
Befunden immer sofort nach der Nahrungsaufnahme einsetzt, tritt
*) Salge , Br.: 1. c.
2 ) Adelsberger , Lucie: Die Vcrdauungsleukoeytosc beim Säugling. Zeitschr.
f. Kinderheilk. 29, 156. 1921.
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Die hüinoklastische Krise.
133
die Verdauungsleukocytose meist erst in der 2. bis 3. Stunde und
auch in der Größe individuell sehr verschieden ein.
Was nun die von Adelsberger bezüglich der Leukocytose nach
artfremder Nahrung, insbesondere nach Kuhmilch angeführten Fälle
betrifft, so ist wohl die Annahme zulässig, daß sich auch hier in
Übereinstimmung mit den Befunden von Schiff und Stransky wohl
ebenfalls eine Leukopenie hätte feststellen lassen, wenn die Leuko-
cytenzählung zu einem früheren Zeitpunkte wäre vorgenommen worden ,
zumal ja nach ihrer eigenen Angabe sich sofort nach der Nahrungs¬
aufnahme „eine Senkung einschieben kann“.
Untersuchungen an Neugeborenen 1 ), denen unnatürliche Nahrung
gereicht wurde, sprechen in demselben Sinne, zuerst tritt Leuko¬
penie, dann Ansteigen der Leukocyten ein.
Auch französische Autoren fanden neuerdings, daß sich sowohl
beim Brust- wie beim Flaschenkinde eine „leukopenische Phase u
findet. Sie tritt aber nur auf, wenn eine von dem Alter der Kinder
abhängige Mindestmenge an Milch getrunken wird 2 ).
Wir werden im folgenden Abschnitt auf diese Verhältnisse in
anderem Zusammenhang noch zurückkommen.
Ob die anderen Symptome der hämoklastischen Krise, die Blut¬
drucksenkung und die veränderte Gerinnbarkeit des Blutes beim
Säugling in derselben Weise und unter denselben Umständen auf-
treten wie beim Erwachsenen bleibt noch näher zu untersuchen.
Bezüglich des entgegengesetzten Verhaltens der Leukocytenroaktion
in beiden Lebensaltern möchten wir uns auf Grund der Befunde von
Schiff und Stransky — mit denen die Ergebnisse der Untersuchungen
von Adelsberger und Auricchio in Einklang zu bringen sind — und
nach den bisher vorliegenden Erfahrungen über die Art der Resorp¬
tion der Nährstoffe beim „werdenden“ Organismus dahin zusammen¬
zufassen :
Beim Säugling ist die Leukopenie physiologisch (Schiff und
Stransky) und durch eine mangelnde resp. noch in Entwicklung be¬
griffene Ausbildung der Funktion des Magendarmkanals im Abbau der
Nährstoffe bedingt, im Sinne von Salges „werdender Funktion u ; beim
Erwachsenen dagegegen tritt sie nur auf unter unphysiologischen resp.
pathologischen Bedingungen (einseitige Nahrungszufuhr, plötzlich ein¬
setzender Wechsel in der Ernährung resp. Sekretionsstörungen der
Verdauungsdrüsen).
*) Auricchio , Luigi: La razione loucocitaria digestiva nel neonato. Pediatria
29, 977. 1921. Referat: Ber. d. ges. Phyeiol. u. exp. Pharmakol. 12, 78. 1922.
3 ) Vorlencourt , H ., Baru , G . et Paychöre: Recherches Bur la leukocytose»
digestive chez les nourrissons. Paris m6d. II, 129. 1921. Zit. nach Ber. d.
ges. Phyeiol. u. exp. Pharmakol. 12. 247. 1922.
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P. Junkcrudorf:
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134
VI.
Wir hätten nunmehr näher zu untersuchen, wodurch die ver¬
schiedenen Symptome der Verdauungshämoklasie im einzelnen zustande
kommen.
Auch darüber gehen die Ansichten noch weit auseinander. Nach
Widal und seinen Mitarbeitern sollen die Symptome in ihrer Gesamt¬
heit, wie schon erwähnt, dadurch bedingt sein, daß höhermolekulare
Stoffe des Eiweißabbaues bei Leberinsuffizienz in den allgemeinen
Kreislauf übertreten resp. in den Fällen, wo die Probe mit nicht
eiweißhaltigem Material angestellt wird, sollen kohlenhydratspaltende
Fermente aus der Leber ins Blut übergehen.
Die eigentliche Ursache für die darauf in Erscheinung tretenden
Blut- und Gefäß Veränderungen sehen sie in einer dadurch hervor¬
gerufenen Störung des physikalisch-chemischen Verhaltens des Blut¬
plasmas resp. semer Kolloide. Sie bezeichnen deshalb den ganzen
Symptomkomplex auch als „kolloidoklastische Krise«.
Der Analogie der hämoklastischen Krise mit dem Peptonchok
wegen glaubt auch Bauer l ) y daß man um die Annahme wohl nicht
herumkomme, „daß es irgendwelche, vielleicht auch artgleiche, aber
blutfremde Eiweißprodukte sein müssen, die diesen „Chok en minia¬
ture“ herbeiführen.
1. Was zunächst die Leukopenie als wesentlichstes Symptom, das
gewöhnlich klinisch ausschließlich als charakteristischstes Merkmal
herangezogen wird, betrifft, so ist davon vorhin schon die Rede ge¬
wesen und hierbei erwähnt worden, daß sie beim Säugling, aber
auch wohl beim Erwachsenen als Verteilungsleukopenie angesprochen
werden muß, und daß die Frage, ob es zur Leukocytose oder Leu¬
kopenie kommt, beim Erwachsenen hauptsächlich abhängig ist vom
fermentativen Abbau im Darm.
Gerade die Tatsache, daß der Eiweißabbau im Darm das Aus¬
schlaggebende hierfür ist und daß normalerweise beim Erwachsenen
nach Eiweißzufuhr Leukocytose auf tritt, spricht für unsere eingangs
aufgestellte Behauptung, daß unter normalen Bedingungen beim Er¬
wachsenen der Eiweißabbau durchgreifend bis zu den Reizstoffen für
das leukopoetische System, den Aminosäuren, erfolgt und das Aus¬
bleiben der hämoklastischen Krise beim gesunden Erwachsenen mithin
auch nicht mit Widal durch Retention höhermolekularer Abbaustufen
des Eiweißes in der Leber erklärt werden kann.
In derselben Weise wird wohl auch die Leukopenie in den Fällen
zu deuten sein, wo die Widalprobe mit eiweiß/men Stoffen (Fett und
bestimmten Kohlenhydraten) angestellt wird. Auch hier wird infolge
der einseitigen Zufuhr dieser Nährstoffe wohl ein Teil derselben dem
l ) Bauer , J.: 1. c.
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Die hämoklaetische Krise.
135
fermentativen Abbau im Darm entgehen und unverändert ins Pfort¬
aderblut übergehen, wodurch es daun zu der abnormen Verteilung
der weißen Blutkörperchen kommt. Dieser Vorgang ist beim Säug¬
ling, wie Schiff und Stransky gezeigt haben, physiologisch realisiert.
Beim Erwachsenen denken wir uns ihn reflektorisch ausgelest , chemo¬
taktisch bedingt, durch den unphysiologischen Gehalt des Pfortader¬
blutes an unvollkommen abgebautem Nährmaterial. Er stellt eine
Abwehrreaktion des Organismus (. Abderhalden ) dar, in dem Sinne, daß
durch die Ansammlung der Leukocyten, die vielleicht diese Stoffe
als Vehikel transportieren und für die weitere Verwertung vorbereiten
oder gar durch Produktion spezifischer Abbaufermente schon denatu¬
rieren, eventuell vorliegende Störungen des physikalisch-chemischen
Zustandes des Plasmas beseitigt und Schädigungen der Leberzellen
verhütet werden.
Die Hauptaufgabe aber, diese Stoffe unschädlich zu machen,
fällt der Leber als eigentlichem Entgiftungsorgan zu. Ist sie voll
funktionstüchig, so wird sie dieser Aufgabe gewachsen sein; es
brauchen die Folgen der Störung nicht in den anderen Symptomen
der hämoklastischen Krise zum Ausdruck zu kommen. Ist dies da¬
gegen nicht der Fall, sei es der Menge der Stoffe resp. ihres eigenen
Funktionszustandes oder einer schon bestehenden Insuffizienz wegen,
so werden durch den Übergang der unvollkommenen Abbauprodukte
in den allgemeinen Kreislauf auch die anderen Symptome der hämo¬
klastischen Krise auf treten. (Erklärungsmöglichkeit für das Zustande¬
kommen der „dissoziierten “ Krisen!)
In diesem Zusammenhang müssen wir nun nochmals auf die Be¬
funde von Adelsberger 1 ) beim Säugling zurückkommen. Wenn tat¬
sächlich, wie aus ihren Untersuchungen geschlossen werden darf, ein
Unterschied in der Leukocytenreaktion bei Verabfolgung verschieden¬
artiger Nahrung beim Säugling besteht, insofern er auf arteigene
Nahrung mit einer sofort einsetzenden , länger anhaltenden Leukopenie
reagiert, auf artfremde dagegen mit einer nur kurzdauernden , die
schnell in eine mehr oder weniger ausgesprochene Leukocytose umschlägt,
so drängt sich die Frage auf, worin dieses verschiedene Verhalten
begründet ist?
Wird dem Säugling arteigenes Eiweiß in Form von Muttermilch
zugeführt, so ist eine Umformung dieser Nährstoffe ebenso wie der
übrigen in der Milch enthaltenen Bestandteile u. E. nicht in dem
Maße erforderlich, wie bei Verabreichung von artfremdem Nährmaterial.
Im ersteren Falle wird durch die sofort einsetzende Ansammlung
der Leukocyten in den Abdominalorganen wahrscheinlich, ohne daß
ein weiterer durchgreifenderer Abbau notwendig ist, das arteigene Mate-
l ) Adelsberger , I(u,cie: 1. c.
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rial vielleicht durch eine assimilierende Tätigkeit der Leukocvten
der Leber übergeben, wo es dann in bluteigene Stoffe übergeführt
wird. Wird dagegen artfremdes Material verabfolgt, so könnte man
sich vorstellen, daß nach dessen Resorption ebenfalls eine Leukocyten-
ansammlung eineetzt, so daß auch in diesem Falle aus denselben
Gründen eine, wenn auch schneller vorübergehende, Leukopenie sich
bemerkbar machen muß. Da aber dieses Material seiner Artfremd¬
heit wegen vom Säuglingsorganismus in dieser Form nicht ausgenützt
werden kann, so übernimmt die Leber die Rolle, es in unspezifische
Abbauprodukte zu zerlegen, da der Darm aus Mangel an spezifischen
Fermenten hierzu nicht imstande ist. Da nun bei der durchgreifenden
Proteolyse in der Leber unspezifische Aminosäuren entstehen, wird
es nunmehr gleich nachher zu einer Leukocytose kommen müssen, da
ja die Aminosäuren, wie angenommen wird, die Reizstoffe sind, die
das leukopoetische System zu erhöhter Tätigkeit anregen.
Hiernach wäre der Unterschied der Reaktion kein prinzipiell,
sondern nur graduell verschiedener, und es ist ohne weiteres ver¬
ständlich, daß diese Vorgänge sowohl in bezug auf die Geschwindig¬
keit der zeitlichen Aufeinanderfolge als auch auf die Größe der
Leukocytenschwankung nicht nur durch die Art, sondern auch die
Menge der Nährstoffe und ihre Vermischung und das Alter wesent¬
lich beeinflußt werden.
Diese Überlegungen, für die natürlich noch die Grundlagen fehlen,
würden u. E. das Wesen der Verdauungsleukopenie resp. Leuko¬
cytose dem Verständnis wesentlich näherbringen.
Es würde damit der Säuglingsleber eine sehr wichtige Aufgabe
zugeschrieben, deren normale Erfüllung für das gesamte Stoffwechsel¬
geschehen von weittragender Bedeutung wäre. Es ist wohl sicher,
daß diesem Organ, das gerade beim Säugling durch seine enorme
relative Größe imponiert, im Säuglingsalter auch noch manche andere
wichtige Aufgaben zufallen.
Es ergibt sich fernerhin daraus, daß plötzlicher Wechsel vor
allem in der Art der Ernährung mit Eiweiß verschiedener Herkunft
schwerwiegende Folgeerscheinungen nicht nur im Chemismus der
Leber selbst als Zentralstoffwechselorgan, sondern auch im Gesamt-
stoffwechselgeschehen auslösen muß, zumal, wenn durch vorauf gegangene
Überernährung infolge Überladung mit Reservestoffen oder durch
andere schädliche Einflüsse, der Funktionszustand der Leberzellen
beeinträchtigt ist.
Aus alledem ergibt sich mithin, daß bei der Leberfunktions¬
prüfung mit der WidalmethoAe beim Säugling sowohl wie beim Er¬
wachsenen der Nachweis der Leukopenie allein nicht ohne weiteres
als ein Zeichen gestörter Leberfunktion angesprochen weiden darf
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Die hämoklastische Krise.
137
da es in beiden Lebensaltern zu einer Leukopenie kommen kann,
ohne daß eine Leberinsuffizienz vorzuliegen braucht.
2. Zweifelsohne ist das zweite Hauptsymptom der hämoklastisehen
Krise, die Blitidrucksenkung, der Ausdruck der Erweiterung des peri¬
pheren Gefäßsystems.
Was die Wirkung unphysiologischer Verdauungsprodukte auf den
Blutdruck angeht, auf die es hier ankommt, so wurde experimentell
die Wirkung von Pepton von verschiedenen Autoren, wohl zuerst
von Thompson 1 ) untersucht. Er zeigte, daß nach Peptoninjektion
eine unter Umständen bis zur Chokwirkung gesteigerte Senkung ein-
treten kann, die durch direkte Einwirkung des Peptons auf die
Gefäßwand oder die in ihr liegenden Nervenendigungen bedingt ist.
Nach Popielski 2 ), der sich eingehend mit dem Mechanismus der
Pepton Wirkung befaßt hat, muß es als feststehende Tatsache an¬
gesehen werden, daß TPtttepepton, Hunden injiziert, den Blutdruck
durch Einwirkung auf den peripheren vasomotorischen Apparat er¬
niedrigt und zwar durch Lähmung der Endigungen der vasomoto¬
rischen Nerven der glatten Muskeln. Der Grad der Druckerniedrigung,
sowie die Dauer der Erniedrigung stehen hierbei in direktem Ver¬
hältnis zur Menge des eingeführten Peptons.
Die Ergebnisse dieser Experimente lassen sich wohl ohne Be¬
denken auf die hämoklastische Krise anwenden. Wir werden auch
hier für die Blutdrucksenkung in den Kreislauf übergetretene Peptone
oder peptonähnliche Stoffe heranziehen dürfen, mögen diese nun als
solche zur Resorption gekommen und infolge einer vorliegenden
Leberinsuffizienz die Leber unverändert passiert haben oder, nach
unserer ebenfalls möglichen Anschauung, erst eine Leberschädigung
bedingt haben und nun infolge der dadurch bedingten Funktions¬
störung der Leberzellen ins Blut übergegangen sein.
Auch in den Fällen, wo die hämoklastische Krise durch eiweiß-
freie Nährstoffe ausgelöst werden konnte, könnte die Blutdruck¬
senkung eine Erklärung finden, wenn wir, wie oben auseinandergesetzt
eine Ausschwemmung des in den Leberzellen deponierten Eiwei߬
materials in Form von Peptonen oder durch derartige Stoffe be¬
dingte degenerative Prozesse mit Eiweißzerfall annehmen.
3. Das dritte Hauptsymptom, was noch zu besprechen wäre, ist
die veränderte Gerinnungsfähigkeit des Blutes .
Aus zahlreichen Untersuchungen geht ohne Zweifel hervor, daß
Pepton nach intravasculärer Injektion nicht direkt gerinnungshemmend
l ) Thompson , W. H.: The physiological affects of „peptone“ when injected
into the circulation. Journ. of Physiol. 24, 374. 1899.
9 ) Popielski , L.: Über die physiologischen und chemischen Eigenschaften
des Peptons Witte. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 120, 483. 1909.
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wirkt, sondern daß es zur Erzeugung der Ungerinnbarkeit „einer vitalen
Tätigkeit des Organismus unter dem Einfluß des Peptons u bedarf
[Morawitz 1 )}.
Hierbei spielt nun die Leber eine wahrscheinlich ausschlaggebende
Rolle, denn in allen Versuchen, in denen die Leber ausgeschaltet
oder geschädigt wurde, bleibt die Gerinnungswirkung des Peptons
aus 2 ), so daß die Annahme berechtigt erscheint, daß der Sitz der
Störung unter der Peptonwirkung in den Leberzellen zu suchen ist;
es muß also mit anderen Worten die veränderte Gerinnbarkeit in
Beziehung zur Leberfunktion stehen.
Die von Asher und seinen Mitarbeitern und unseren Befund ein¬
wandfrei festgestellte Wirkung des Peptons auf die Struktur und
den Chemismus der Leberzelle legt es nun nahe, in diesem Zu¬
sammenhang die Frage nach dem Mechanismus der Peptonwirkung
bei der Blutgerinnung näher zu untersuchen und zu sehen, ob sich
nicht irgendwelche Beziehungen zwischen den in ihrer Struktur und
ihrem Chemismus veränderten Zellen und der veränderten Blutgerinn¬
barkeit nachweisen lassen, zumal die Ansichten über diese Wirkung
des Peptons zurzeit noch wenig geklärt und zum Teil noch weit
auseinandergehen, und das Wesen der Gerinnung des Blutes an und
für sich ebenfalls noch sehr verschieden gedeutet wird.
Es ist wohl ohne weiteres klar, daß eine wesentliche Vorbedingung
für das Studium des Gerinnungsvorganges und damit natürlich auch
für das Verständnis der Wirkung der die Blutgerinnung beeinflus¬
senden Stoffe die Kenntnis von der Herkunft resp. der Bildung des
Substrates der Oerinnung, des Fibrinogens , ist.
Eine ganze Reihe von Beobachtungen weisen auf die Leber als
Hauptursprungsort des Fibrinogens hin. Die fibrinogenbildende
Fähigkeit der Leberzellen haben wir a. a. O. 8 ) eingehend erörtert.
Wir haben dort gezeigt, daß die Resultate unserer Versuche (Leber¬
gewichtszunahme nach Eiweißfütterung durch Eiweißablagerung) so¬
wie der histologische Nachweis von Eiweiß in Form von Reserve¬
eiweiß ( Berg und andere) und nicht zumindest die Versuchsergeb¬
nisse von Doyen und Nolf (Abnahme des Fibrinogengehaltes nach
Leberexstirpation u. a. m.), ebenso wie die jedem Kliniker bekannte
1 ) Morawitz , P.: Die Chemie der Blutgerinnung. Erg. der Physiol., 1. u. 2
Abt., S. 400. 1904, und Derselbe: Die Gerinnung des Blutes. Handb. der
Biochemie des Menschen und der Tiere. Herausgegeb. v. C . Oppenheimer. II, 1,
S. 40. 1909.
2 ) Diesbez. Literatur siehe b. Ränders, F: Ein Beitrag zur Kenntnis der
Beziehungen zwischen Leber und Blutgerinnung. Wien. med. Woohenschr. 57.
314 u. 373. 1907.
3 ) Vergleiche die diesbezüglichen Ausführungen in unserer Mitteilung II
der Beiträge zur Physiologie der Leber, 1. c.
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Die hämoklastische Krise.
139
hämorrhagische Diathese bei Phosphorvergiftung und bei akuter
gelber Leberatrophie dafür sprechen, daß die Leber als Eiweiß -
reservoir das fibrinogensecemierende Organ ist, dem im normalen
physiologischen Geschehen die Aufgabe zukommt, aus dem zur Ver¬
fügung stehenden Zelleinschlußeiweiß, Reserveeiweiß, den Gehalt des
Blutes an Plasmaeiweiß zu regulieren.
Wenn nun die Leber in Wirklichkeit bei der .Bildung des Fibri¬
nogens eine Rolle spielt, so liegt es fernerhin nahe, anzunehmen,
daß zwischen dieser Leberfunktion und der Blutgerinnung eine Korre¬
lation besteht, daß weitergefaßt „die intakte Funktion der Leber bei
Lebergesundheit sich nebst vielen bekannten Wirkungen auch in
einer die Blutgerinnung beeinflussenden, vielleicht sogar fördernden
Weise äußert“ 1 ). Schwere Funktionsstörungen der Leber werden
mithin von tiefgehenden Folgeerscheinungen bezüglich der Koagu-
labitätsfähigkeit des Blutes begleitet sein. Da wir nun im Pepton
einen Stoff kennen gelernt haben, der spezifisch auf die Leberzellen,
ihre Struktur und ihren Chemismus einwirkt, so fände dadurch so¬
wohl die gerinnungsheramende als auch die gerinnungsfördernde
Wirkung des Peptons eine gewisse Erklärung.
W'ird Pepton in geringer Menge isoliert injiziert, wie dies von
Widal , Abrami und Jancovesco 2 ) in ihren Voruntersuchungen ge¬
schehen oder als unphysiologisches Verdauungsprodukt der Leber
nach voraufgegangener Karenz zugeführt, so übt es, wie Pletnew 8 )
ans seinen Versuchen schließt, eine Reizwirkung aus, es wird eine
günstige Vorbedingung für die Fibrinogenbildung geschaffen, Fibri¬
nogen vielleicht in größerer Menge aus dem Reserveeiweißbestand
ans Plasma abgegeben als der Norm entspricht, was eine erhöhte,
gesteigerte Gerinnbarkeit des Blutes vielleicht schon aus physikalisch¬
chemischen Gründen zur Folge haben könnte 4 ).
Gelangt dagegen Pepton in größerer Menge in die Leber durch
intravenöse Injektion höherer Dosen, oder trifft es bei unvollkom¬
menem Eiweißabbau im Darm auf funktionsuntüchtige, mit Reserve¬
stoffen beladene Zellen, wie in unseren Versuchen mit Glykogen¬
mast und darauffolgender Eiweißzufuhr, so übt es eine Oiftwirkung
aus, die Leberzellen werden tiefgehend geschädigt, die Fibrinogen¬
bildung leidet , das Plasma verarmt je nach dem Vorrat an Reserve-
Ränder 8, F., 1. c.
-) Widal, Abrami und Jancovesco: Possibilit^ de pourvoquer la crise haemo-
clasique usw., 1. c.
Pletnew: siehe unsere Mitteilung II, 1. c.
*) WaUich, F., Abrami, P. und Levy-Solal , E. gelang es neuerdings, Uterus¬
blutungen bei Schwangeren, die duroh verminderte Gerinnbarkeit bedingt
waren, durch subcutane Peptoninjektionen zu beheben und weitere Blutungen
zu verhindern Zitiert nach Ber. d. ges. Physiol. u. Pharmakoi. 5, 504.
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eiweiß in der Leber mehr oder weniger schnell an Fibrinogen, und
es wird infolgedessen, da das Substrat der Gerinnung mehr oder
weniger fehlt, eine verzögerte oder gar ein Ausbleiben der Gerinnung
sich bemerkbar machen müssen. — Die bei der Anstellung der
Widal^Tobe oft beobachtete Abnahme des Serumindexes ließe sich
auf dieselbe Weise erklären, hierbei ist allerdings zu bemerken, daß
ein Beweis für die Büdung der Serumeiweißstoffe in der Leber bisher
noch nicht erbracht ist.
Damit ist nun selbstverständlich keineswegs das Wesen der Pepton-
wirkung in bezug auf die Blutgerinnung resp. des Wirkungsmecha¬
nismus des Peptons erschöpfend geklärt; es ist vielmehr nur die
Entstehung, oder noch richtiger gesagt, die Möglichkeit der Ent¬
stehung des für die Blutgerinnung notwendigen Substrates, des
Fibrinogens, erläutert worden; nur ein Faktor, der bei der Blut¬
gerinnung, mithin auch bei der Blutgerinnungshemmung im Spiele
ist, herangezogen worden. Da nun aber unter ganz bestüumten
experimentellen Bedingungen, wie z. B. bei der Phosphorvergiftung,
mit der Zunahme der Intoxikation da« Fibrinogen immer mehr
schwindet 1 ) und es sich in diesem Falle wahrscheinlich auch um
eine primäre Schädigung der Leberzellen handelt, könnte auch bei
der Peptonwirkung unter bestimmten Bedingungen wenigstens ein
Qrund für die veränderte Gerinnbarkeit in einem durch Leberzell¬
schädigung bedingten anormalen QehaU des Plasmas an Fibrinogen ge¬
legen sein .
Die klinische Beobachtung, daß im Verlauf schwerer und lang¬
dauernder Infektionskrankheiten das Blut schwer gerinnbar wird
und die in solchen Fällen öfter festgestellte „Hypinose“, d. h. ein
geringerer Gehalt des Blutes an Fibrinogen, spricht ebenfalls für
unsere Anschauung: Bei Pneumonie und schwerer Tuberkulose hat
man häufig einen positiven Ausfall der hämoklastischen Krise be¬
obachtet.
Es gibt auch Fälle von Hämophilie, bei denen man die mangelnde
Gerinnbarkeit nicht wie gewöhnlich durch einen Fermentdefekt
(Defizit an Thrombokinase) erklären kann, die auch auf diese Weise
gedeutet werden könnten* 2 ).
*) Literatur siehe bei Morawüz: Ergehn, d. Physiol., 1. c.
“) Anmerkung: Ganz kürzlich veröffentlichten Opitz und Frei einen der¬
artigen Fall. Sie stellten bei einem 8 l / 2 Monate alten Mädchen mit der Wohl-
gemiUhüchen Methode der Fibrinogen- und Fibrinferment-Bestimmungsmethode
fest, daß dem Blute das Fibrinogen fehlte, was durch Koagulationsversuche
bestätigt werden konnte. Es waren keine gerinnungshemmenden Faktoren in
abnormer Menge vorhanden, es bestand fernerhin kein Mangel an Fibrinferment
und auch die Vorstufen des Thrombins, ebensowenig wie ein Defizit an Kalk¬
salzen konnte als Ursache für die üngerinnbarkeit des Blutes verantwortlich
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Die hämoklastische Krise.
141
Nimmt man nun eine Leberzellschädigung durch Pepton an, und
dazu glauben wir nach unseren bisherigen Darlegungen wohl be¬
rechtigt zu sein, so könnte außer der mangelnden Fibrinogenbildung,
oder auch ohne daß diese benachteiligt ist, der Chemismus der Zellen
auch in der Weise gestört sein, daß andere Stoffe, die bei der Blut¬
gerinnung in Frage kommen oder dieselbe zu hemmen imstande sind ,
infolge der ZeUschädigung durch Pepton entweder gar nicht oder in er¬
höhtem Maße auftreten oder überhaupt Stoffe unbekannter Natur , die
den Vorgang der Oerinnung zu beeinflussen vermögen , sich im patholo¬
gischen Stoffwechsel der Leberzetten bilden .
Vor kurzem wurden von Gratia 1 ) Versuche veröffentlicht, die in
diesem Sinne sprechen. Wird einem Hunde rasch Pepton injiziert,
so reagiert die Leber darauf mit einer abnormen Absonderung von
Antithrombin. Das Blut wird ungerinnbar und man erhält ein ge¬
rinnungshemmendes Peptonplasma. Nach Ansicht des Autors soll
der Vorgang in einer Lähmung der Thrombinproduktion zustande
kommen.
Auch nach Doyen 2 ) läßt sich beim Hund nach intravenöser
Peptoninjektion aus dem abzentrifugierten Plasma eine gerinnungs¬
hemmende Substanz isolieren — „Antithrombine“ —. Nach Atropin,
Hyoscyamin und Morphin tritt dieser antikoagulierende Stoff eben¬
falls im Blute auf. Auf Grund von mikroskopischen Untersuchungen
der gefrorenen Lebern kommt dieser Verfasser zu dem Schluß, daß
das Antithrombin aus den Leberzellkemen stammt. Die Gerinnungs¬
hemmung soll nach seinen Untersuchungen eine Eigenschaft sämt¬
licher Nucleinsäuren sein. Diese sollen wie Pepton und andere
Stoffe das Auftreten eines Nucleoproteids im Blut hervorrufen und
gelegentlich auch Blutdrucksenkung. Auch aus diesen Befunden
Doyens geht also hervor, daß der Sitz der Störung, die von Pepton
und ähnlich wirkenden Stoffen hervorgerufen wird, die Leberzellen
sind, wie dies aus den histologischen Veränderungen geschlossen
werden muß.
gemacht werden. Dies alles würde in unserem Sinne dafür sprechen, daß bei
dem Kinde durch eine Peptonschädigung, also letzten Endes durch einen per¬
sistierenden unphysiologischen Eiweißabbau die Leberzellen in ihrer fibrinogen-
bildenden Funktion dauernd gestört und infolge der Insuffizienz vielleicht un-
umgesetztes Pepton durchließen. — Opitz , H. u. Frei , M.: Uber eine neue Form
der Pseudohämophilie. Jahrb. f. Kinderheilk. 95. 3. Folge. 44 , 374. 1921.
l > Gratia, Andre: Recherches sur le m^canisme des actions anticoagulantes.
Ann. de l’inst. Pasteur 35 , 513. 1921. Ref. Ber. d. ges. Physiol. u. exp. Phar-
makol. 10, 75. 1021.
■) Doyen , M.: Une s6er6tion d’orgine nucl6äre: L’antithrombine. Pro-
prietes anticoagulantes des acides nucteiques. Arch. internat. de physiol. 16 ,
343. 1921. Ref. Ber. d. ges. Physiol. u. exp. Pharmakol. 8, 286. 1921.
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142
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Man wird gegen unsere Anschauung über die Wirkungsweise des
Peptons bezüglich der Fibrinogenbildung in den Leberzellen und die
eventuell durch eine mangelnde Umbildung desselben bedingte ver¬
langsamte Gerinnungsfähigkeit des Blutes einwenden, daß sich in
dem durch Pepton ungerinnbar gemachten Blut oft noch normale
Mengen von Fibrinogen nachweisen lassen. Dem wäre entgegen¬
zuhalten, daß auch hier wieder der Funktionszustand der Leber¬
zellen gegebenenfalls ausschlaggebend sein könnte, ob es unter der
Einwirkung des Peptons zu einer Störung der fibrinogenbildenden
Funktion kommt oder nicht. Wir nehmen diesen Fall auch nur
bei sehr schwerer Schädigung in Analogie zu der Phosphorvergiftung
an und würden für die anderen Fälle einen anderen bei der Ge¬
rinnung in Frage kommenden Faktor in Anrechnung setzen, aber
auch hierbei eine Leberschädigung unter der Peptonwirkung als das
Wesentlichste bezeichnen. Zudem könnten unter diesen Umständen
ja auch andere Körperzellen, etwa die Leukocyten, die sich nach
der Peptonzufuhr in den Abdominalorganen ansammeln, vikariierend
für die Fibrinogenbildung einspringen.
Auch auf einen anderen Punkt möohten wir noch aufmerksam
machen, der u. E. zur Klärung der ganzen Frage mit beitragen
kann. Wir sahen, daß durch eine auf eine Glykogenmast folgende
Eiweißfütterung das in der Leber angehäufte Glykogen schwindet
und führten dies auf Peptonwirkung zurück in Analogie zu der
Wirkung des in den Versuchen von Pletnew, Tschannen u. a. isoliert
zugeführten Peptons. Die letztgenannten Autoren beobachteten
sämtlich unter der Wirkung des Peptons eine Herabsetzung der
Assimilationsgrenze für Kohlenhydrate und eine verminderte Bildung
von Glykogen resp. in Übereinstimmung mit unserem Resultat nach
isolierter Eiweißzufuhr eine verminderte Fähigkeit , Glykogen zu speichern
oder gespeichertes Glykogen zurückzubehalten . Wir konnten zeigen, daß
das Glykogen wenigstens zum Teil unter diesen Umständen in der
Leber in Fett übergeht 1 ). Aber, wie dem auch sei, wenn unter der
Wirkung des Peptons eine mangelhafte Glykogenbildung oder eine
Umformung vorhandenen Glykogens stattfindet, muß doch wohl,
wenn auch nur vorübergehend eine Hyperglykämie eintreten. Sollte
nun der erhöhte Zuckergehalt des Blutes unter diesen Umständen,
vielleicht aus rein physikalisch-chemischen Gründen, nicht auch mit
im Spiele sein bei der Gerinnungshemmung, da wir ja doch experi¬
mentell durch Zucker die Gerinnung des Blutes verzögern können und
beimDiabetes eine verminderte Blutgerinnungsfähigkeit bestätigt finden?
Wir wollen uns, ehe dieses Problem nicht sicher durch dies¬
bezügliche Untersuchungen (Blutzuckerbestimmung nach Pepton-
*) Mitteilung II der Beiträge zur Physiol. der Leber, 1. c.
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Die hämoklastische Krise.
143
zufuhr u. a.) experimentell fundiert ist, vor der Hand nicht auf
weitere Fragestellungen einlassen. Es eröffnen sich aber u. E. in
dieser Beziehung auch für die Diabetesfrage gewisse Ausblicke.
VII.
Berücksichtigt man alle Faktoren, von denen der Ausfall der
hämoklastischen Krise sowohl beim Erwachsenen, wie auch beim
Säugling abhängig sein kann, so ist es nicht weiter auffällig, daß
die Resultate, die bisher klinisch damit gezeitigt wurden, sehr weit
auseinandergehen. Auf jeden Fall ist es u. E. zu weitgehend, aus
dem positiven Ausfall der fPidaZprobe schwerwiegende Schlüsse für
eine bestehende Leberinsuffizienz zu ziehen , wenn nicht andere Zeichen
in demselben Sinne sprechen . Vor allen Dingen scheint es uns nicht
angängig, nur das eine der drei Hauptsymptome, die Leukopenie,
als genügend für den positiven Ausfall der Probe anzusehen, wie
dies von Widal für diagnostische Zwecke als hinreichend angegeben
und von mancher Seite auch praktisch durchgeführt worden ist.
Dies gilt insbesondere, wie schon gesagt, für den Säugling, wo ja
nach den Untersuchungen von Schiff und Stransky die Leukopenie
das „ physiologische “ ist. Aber auch beim gesunden Erwachsenen
wird man sicher zuweilen Schwankungen in der Leukocytenzahl fest¬
stellen, und andererseits bei leberkranken Individuen wohl nur selten
alle drei Hauptsymptome nebeneinander nachweisen können, da ja
die Bedingungen für deren Zustandekommen von ganz verschiedenen
Faktoren abhängig sind.
Jedenfalls — das soll nochmals hervorgehoben werden — ist
die Feststellung der Leukopenie allein keinesfalls ausschlaggebend
für das Bestehen einer Leber insuffizienz, da ja sowohl beim Säugling
wie auch beim Erwachsenen die Entscheidung für das Zustande¬
kommen der Leukocytenreaktion letzten Endes im Darm getroffen
wird. Dies gilt auch, wie wir gezeigt haben, für die Fälle, wo die
Probe mit eiweiß/retew Material angestellt wird: Da der Übergang
unphysiologischer Verdauungsprodukte ins Pfortaderblut, der die
Leukocytenansammlung als Abwehrreaktion auslöst, eintreten kann,
ohne daß die Leber irgendwie geschädigt ist, könnte mithin die
alleinige Feststellung der peripheren Leukopenie eine Leberinsuffizienz
Vortäuschen (latenter Hepatismus!).
Soll die Methode wirklich beweisend für eine bestehende Leber¬
insuffizienz sein, so wird man außer der Leukopenie auch den
Nachweis der Blutdrucksenkung und einer veränderten Gerinnungs¬
fähigkeit fordern müssen. Aber selbst wenn diese Symptome der
Lenkopenie parallel gehen, liegt noch die Möglichkeit einer Täuschung
vor, da ja, wie wir gesehen haben, schon so geringe Mengen von
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P. Junkersdorf:
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unphysiologischen Abbauprodukten, wie sie beim Abbau der zur
Anstellung der Probe benutzten Nährstoffe entstehen können, even¬
tuell genügen, um eine Leberschädigung erst hervorzurufen, ins¬
besondere, wenn sie auf weniger funktionstüchtige mit Reservestoffen
beladene Leberzellen treffen.
Andererseits ist auch bei fehlender Leukopenie eine Leberinsuffi¬
zienz nicht ohne weiteres auszuscfdießm; dies trifft sicher beim
Säugling zu, wo nach den Untersuchungen Adelslergers die Leuko¬
penie unter Umständen sehr schnell in eine Leukocytose Umschlägen kann.
Was die Blutdrucksenkung und die veränderte Gerinnung beim
Säugling bei Anstellung der Hämoklasieprobe angeht, so liegen
darüber, soweit wir orientiert sind, noch keine näheren Unter¬
suchungen vor. Sie dürften aber, wie schon gesagt, zur Aufklärung
der Verdauungshämoklasie wesentlich beitragen. Darauf hinzielende
Versuche werden gerade beim Säugling in den verschiedensten
Lebensaltern sicher stark divergierende Resultate liefern, und, was
die Blutdrucksenkung betrifft, nicht einfach zu deuten sein, da zu
viele andere Faktoren hierbei noch in Frage kommen können. Schon
die Verschiedenheit des Eiweißabbaues beim Säugling und beim Er¬
wachsenen deutet darauf hin, daß der Säuglingsleber unter normal¬
physiologischen Bedingungen noch wesentlich andere Aufgaben zu¬
fallen, so daß auch dadurch die Verhältnisse noch unklarer sich ge¬
stalten.
Beim Erwachsenen spielt natürlich neben der Magendarmfunktion
die Leber beim Zustandekommen der Hämoklasie die Hauptrolle,
und gerade darin kommt ihr maßgebender Anteil am Gesamtstoff¬
wechselgeschehen unter normalphysiologischen und pathologischen
Bedingungen mit deutlich zum Ausdruck.
Nun können in beiden Lebensaltern — was zum Schluß nur an¬
deutungsweise hervorgehoben werden soll — die Verhältnisse in
bezug auf die Verdauungshämoklasie noch dadurch kompliziert sein,
daß auch vom endogenen Eiweißzerfatt herrührende Abbauprodukte
mit im Spiele sein können. Es ist nicht ausgeschlossen, daß diese,
ebenso wie die beim peroralen Abbau entstandenen entweder direkt
zur Auslösung eines oder mehrerer Teilsymptome der hämoklastischen
Krise Veranlassung geben können, oder aber, was näher liegt, in
der Leber als ihrem Entgiftungsorgan Schädigungen und damit
einhergehende sekundäre Folgeerscheinungen verursachen. Diese
Möglichkeit ist deshalb in Frage zu ziehen, weil andere Erfahrungen
bei Anwendung von körpereigenen Organextrakten lehren, daß schon
körpereigene, jedoch blutfremde Eiweißstoffe Symptome bedingen,
die dem anaphylaktischen Chok und damit der hämoklastischen
Krise ähnlich sind.
_ Original from_
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Die hämoklastische Krise.
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Vielleicht haben wir es bei der Pneumonie und der Tuberkulose
und bei anderen längerdauernden Infektionskrankheiten, die ja auch
in den Bereich der Untersuchung mit der Hämoklasieprobe Widals
gezogen wurden, hiermit zu tun. Auch das vielfach im späteren
Verlauf der Schwangerschaft beobachtete Auftreten der Krise würde
auf diese Weise durch den Übergang von blutfremdem Placentar-
oiweiß oder dessen Abbaustufen ins Blut eine gegebene Erklärung
finden.
Die Bedeutung der unphysiologischen Abbauprodukte der Eiwei߬
körper für das Zustandekommen der hämoklastischen Krise, sei es
nun, daß sie durch imphysiologischen Abbau im Verdauungstraktus
entstanden sind, oder vom intermediären Eiweißzerfall herrühren,
legt es nahe, dieser wichtigen Körperklasse resp. ihrer vielseitigen
Wirkung fürderhin mehr Beachtung zu schenken als dies bisher
geschehen ist. Eine ganze Reihe von pathologischen Zuständen und
Vorgängen, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, sind
sicher damit in Zusammenhang zu bringen.
Kurze Zusammenfassung.
I. Einleitend wird eine kurze Übersicht über die Untersuchungen
Widals und seiner Mitarbeiter und die wichtigsten Arbeiten der
Autoren gegeben, die sich mit der IFida/schen Leberfunktionsprüfung
praktisch beschäftigt haben.
II. Auf Grund der klinisch hierbei gezeitigten Resultate und
eigener Erfahrungen über die Wirkung „ unphysiologischer u Abbau¬
produkte der Eiweißkörper wird die Widalsche „Verdauungshämo-
klasie“ einer kritischen Besprechung vom physiologischen Stand¬
punkte aus unterzogen.
Zunächst wird der heutige Stand unserer Kenntnisse über die
Art des Eiweißabbaues und der Resorption der Verdauungsprodukte
beim Erw achsenen und beim Säugling unter verschiedenen Bedingungen
erörtert und insbesondere die schädigende Wirkung eventuell zur
Resorption gekommener Peptone auf die Leberzellen und die Rolle
der Leber in bezug auf die Verarbeitung der Resorptionsprodukte
besprochen.
Das Ausbleiben der hämoklastischen Krise beim gesunden Indi¬
viduum darf nicht mit Widal durch Retention der die Auslösung
der Krise bedingenden höhermolekularen Eiweißabbaustufen erklärt
werden. Andererseits ist für ihr Zustandekommen nicht unbedingt
eine bestehende Leberinsuffizienz verantwortlich zu machen, da die
Krise in Abhängigkeit vom jeweiligen physiologischen Funktions-
zustande der Leber unter bestimmten Bedingungen auch bei leber¬
gesunden Individuen auftreten kann.
Z. f. d. g. exp. Med. XXX. 10
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P. Junkeradorf:
III. Der Vergleich der Peptonschädigung der Leber mit der leber¬
zellschädigenden Wirkung bestimmter Medikamente und die Abhängig¬
keit dieser Wirkung von der den Funktionszustand der Leber mit-
bedingenden Nahrung, ebenso wie der unvollkommene Abbau der
Nährstoffe bei Sekretionsstörungen der Verdauungsdrüsen sprechen
dafür, daß eventuell durch die bei der Anstellung der Probe selbst
sich abspielenden, individuell verschiedenen Vorgänge eine Leber¬
insuffizienz sich in schwererer Form als wirklich vorliegend äußern
und unter Umständen sogar vorgetäuscht werden kann. — Erklärungs¬
möglichkeit für Fälle von „latentem Hepatismus“. —
IV. Der positive Ausfall der Hämoklasieprobe bzw. eines ihrer
Teilsymptome bei Anstellung derselben mit eiweißfreien Stoffen wird
durch Anschwemmung des in den Leberzellen aufgespeicherten Eiwei߬
stoffe oder abgebauten Leberzellenprotoplasmas zu erklären versucht
und gezeigt, daß das eine Symptom, die Leukopenie, auftreten kann,
ohne von einer Blutdrucksenkung und veränderten Gerinnbarkeit
des Blutes begleitet zu sein. — Erklärung für die sog. „dissoziierten
Krisen.“ —
V. Auf Grund der beim Säugling mit der Widal- Methode er¬
hobenen Befunde ergibt sich beim Vergleich mit den am Erwachsenen
gewonnenen Erfahrungen, daß in Abhängigkeit vom fermentativen
Abbau der Nährstoffe im Verdauungstraktus beim Säugling die Leu¬
kopenie physiologisch bedingt ist (Schiff und Stransky) und höchst¬
wahrscheinlich durch eine mangelnde bzw. noch in Entwicklung be¬
griffene Ausbildung der Funktion des Magendarmkanals im Abbau
der Nährstoffe zu erklären ist, im Sinne von Salges „werdender
Funktion“, daß sie dagegen beim Erwachsenen nur unter unphysio¬
logischen bzw. pathologischen Bedingungen auftritt infolge der Resorp¬
tion unphysiologischer Abbauprodukte der Nährstoffe.
VI. Die Bedingungen für das Zustandekommen der drei Haupt¬
symptome der hämoklastischen Krise werden im einzelnen besprochen:
1. Die physiologischen Erfahrungen und die klinischen Beobach¬
tungen legen es nahe, die Leukopenie — beim Säugling sowohl wie
beim Erwachsenen — als Verteilungsleukopenie (Schilling, Schiff und
Stransky ) anzusprechen und als Abwehrreaktion im Sinne Abderhaldens
zu betrachten. Ausschlaggebend für ihr Auftreten ist bei beiden
die Art des Eiweißabbaues. Beim Säugling besteht bei Verabfolgung
von artfremder Nahrung kein prinzipieller, sondern höchstens ein
gradueller Unterschied bezüglich der Leukocytenreaktion.
2. Die Blutdrucksenkung hat eine Insuffizienz der Leber zur Voraus¬
setzung, auch in den Fällen, wo die Probe mit eiweißfreiem Material
angestellt wird. Sie ist letzten Endes bedingt durch eine Lähmung
der Endigungen der vasomotorischen Nerven der glatten Muskulatur
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Die hämoklastische Krise.
147
{! Thompson , Poyielski) durch in den Kreislauf infolge der Leber¬
insuffizienz übergegangene unphysiologische Eiweißabbauprodukte.
3. Der Sitz der Störung, die für die Veränderung der Gerinnbar¬
keit des Blutes verantwortlich zu machen ist, ist in die Leber zu
verlegen. Eine Erklärung hierfür wird darin gesehen, daß eventuell
zur Resorption gekommene höhermolekulare Eiweißabbauprodukte
die Leberzellen in ihrer fibrinogenbildenden Funktion beeinträchtigen,
oder daß infolge einer Peptonschädigung andere Faktoren, die den
Vorgang der Blutgerinnung beeinflussen, hierbei beteiligt sind (Läh¬
mung der Thrombinproduktion bzw. abnorme Antithrombinbildung
oder Auslösung einer Hyperglykämie).
VII. Unter Berücksichtigung aller Faktoren, die für das Zustande¬
kommen der Verdauungshämoklasie Widals in Frage kommen, führt
die kritische Bewertung auf Grund physiologischer Überlegungen und
der praktisch gewonnenen sehr weit auseinandergehenden Erfahrungen
dazu, der Widal sehen Methode der Leberfunktionsprüfung nur für
den Fall Bedeutung beizulegen, daß alle drei Hauptsymptome neben¬
einander nachweisbar sind und gleichzeitig auch andere Zeichen für
eine bestehende Leberinsuffizienz sprechen.
10 *
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(Aus der Medizinischen Klinik Marburg d. L. [Direktor: Prof. Schwenkeribecher}.)
Über die Variation der relativen Erythrocvtenmenge
und ihre Abhängigkeit von wechselnder Verteilung
der Erytliroeyten innerhalb der Blutbahn.
Von
Dr. R. Hopniann und I)r. R. Schüler.
Assistenten der Klinik.
Mit 4 Textabbildungen.
(Einyiyangni am 2. Juli 1922.)
In den letzten Jahren wandte sich das erhöhte Interesse vieler
Forscher den Austauschvorgängen zwischen Blut und Gewebe zu.
Besonders die Beurteilung der Nierenfunktion, der extrarenalen ödem¬
genese, der Wirkungsweise der Diuretica erforderte einen tieferen Ein¬
blick in den Wasserwechsel zwischen Blut und Gewebe.
Für die Erkennung eines hydraulischen oder anhydrämischen Zu¬
standes des Blutes ergibt sich jedoch eine große Schwierigkeit da¬
durch, daß man zwar die relativen Konzentrationen der einzelnen
Blutbestandteile gut bestimmen kann, diese aber keinen Rückschluß
auf den absoluten Verdünnungsgrad des Plasmas zulassen, es sei denn,
man wählt als Grundlage der Berechnung einen solchen Bestandteil
des Blutes, dessen Gesamtmenge während des Ablaufes der beobach¬
teten Vorgänge unverändert bleibt.
Einige Autoren, 0. Heß 1 ), Nonnenbruch 2 ), Daniel und Högler 3 ),
nehmen an, daß wir in den im Blute zirkulierenden Formelementen
einen solchen unveränderlichen Standard maßstab besitzen, an welchem
die absolute Zu- oder Abnahme der übrigen Bestandteile gemessen
werden kann.
Man geht hierbei von der Vorstellung aus. daß die roten Blut¬
körperchen, gleichsam gefangen in der Blutbahn, in ihrem Mengen¬
verhältnis zum Plasma nur durch absolute Vermehrung oder Ver¬
minderung des Gesamtplasmavolumens infolge Flüssigkeitseinstrom
oder -abstrom verändert werden. Nonnenbruch 2 ) wies bereits darauf
hin, daß die Richtigkeit dieser Vorstellung zur Voraussetzung hat,
daß erstens die Gesamtzahl aller in dem Zirkulationssystem suspen¬
dierten Erythrocyten konstant erhalten bleibt — eine etwa hier störend
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R. Hopmann u. R. Schüler: Variation der relativ. Ery throeytenm enge usw. 149
eingreifende übermäßige Regeneration oder Zerstörung von roten Blut¬
körperchen kommt bei den zur Diskussion stehenden Vorgängen zu¬
meist allerdings nicht in Betracht —, zweitens, das die Verteilung der
corpuskulären Elemente in dem gesamten Gefäßnetz eine gleichmäßige,
nicht durch Verschiebung beeinflußbare ist. Nonnenbruch hält letztere
Möglichkeit für unbedeutend. Bauer und Aschner 4 ) weisen jedoch in
Anlehnung an die Untersuchungen von Cohnstein und Zuntz*) erneut
darauf hin, daß die Verteilung der Erythrocyten in den verschiedenen
Gefäßabschnitten wechselnd ist und von der Weite der Capillaren
abhängt.
Cohnstein und Zuntz b ) fanden nämlich bei Kaninchen nach Durchschneidung
des Rückenmarkes oberhalb des Ursprunges der Nn. splanchnici eine starke Ver¬
minderung der Erythrocyten im peripheren Venenblut infolge der eingetretenen
Dilatation der Splanchnicusgefäße und der dadurch erfolgten relativen An¬
häufung der roten Blutkörperchen in den dilatatierten Gefäßen. Bei elektrischer
Reizung der Vasokonstriktoren vom Rückenmark aus konnten sie dagegen eine
erhebliche Vermehrung der Erythrocyten in der Peripherie feststellen. Unter
dem Mikroskop beobachteten sie, daß die Kontraktion der Capillaren schließlich
so weit ging, daß gar keine roten Blutzellen mehr durchtraten und lediglich
Vasa serosa übrigblieben. Sie haben durch ihre Versuche nachgewiesen, daß die
Verteilung der Erythrocyten in den verschiedenen Gefäßgebieten wechseln kann
und abhängig ist von der Weite der Capillaren. Aus dem verengten Strom
gebiet werden die Formelemente in das weitere hinübergedrängt; dieses führt
relativ mehr Blutzellen, jenes mehr Plasma.
Es liegt ferner eine Reihe älterer Untersuchungen vor, welche zumeist zur
Erforschung der hydrotherapeutischen Beeinflussung des Fiebers unternommen
wurden, die fast übereinstimmend nach Kältereiz auf die äußere Körper¬
bedeckung (kalte Bäder oder Duschen) eine beträchtliche Vermehrung der roten
Blutkörperchen im Hautblut ergaben [ Becker 6 ), Breitenstein 7 ), Knöpfelmacher*),
Wintern itz 9 )].
Winternitz nimmt an, daß durch Veränderung der Zirkulation, der Herz¬
aktion, des Tonus der Gefäße und der Gewebe in den inneren Organen sta¬
gnierende Mengen von Blutkörperchen dem allgemeinen Kreislauf zugeführt
werden. Ähnlich spricht sich ßreiienstein aus. Friedländer 10 ) sieht in dem
Blutdruck und der Strömungsgeschwindigkeit wesentliche Momente, welche die
Zahl der in einem bestimmten Gefäßgebiet suspendierten Blutzellen beeinflussen.
Es ist ein großes Verdienst von Fr. 0. Heß 11 ), mit Hilfe der Hürterschen
Arterienpunktion auch das arterielle Stromgebiet einer direkten Untersuchung
unterzogen und damit die gesetzmäßige unterschiedliche Verteilung der roten
Blutkörperchen in der Arterie, den kleinen Hautgefäßen und der Vene gezeigt
zu haben. Er fand in der Art. rad. 4,75, in den kleinen Gefäßen 4,32 und in
der Vena med. 4,33 Mill. Erythrocyten im Durchschnitt. Also dort, wo ein
höherer Druck und eine größere Strömungsgeschwindigkeit herrscht, sind die
roten Blutkörperchen in einer reichlicheren Anzahl vertreten als dort, wo der
Druck und die Strömungsgeschwindigkeit geringer sind.
Die Unterschiede in den Venen und den kleinen Hautgefäßen sind nicht
konstant, was erklärlich ist, da ja bald der Druck in diesem, bald die Strö¬
mungsgeschwindigkeit in jenem Gebiet die Zahl beeinflussend überwiegen mag.
Das Wesentliche ist der Unterschied zwischen Arterienblut einerseits, Capillar-
und Venenblut andererseits.
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R. Hopmann und R. Schüler:
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ir>o
Deswegen sind auch die Einwändc gegenstandslos, welche früher Bürker vr ),
Bogendörfer und Sonnenbruch ,:1 ) gegen die Annahme einer verschiedenen Ver¬
teilung der Blutzellen erhoben, indem sie gestützt auf Untersuchungen im Blute
der Vene und der kleinen Hautgefäße zeigten, daß in diesen Gebieten keine
nennenswerten Unterschiede der Erythrocytenzahlen vorhanden, bzw. durch ein
warm es Handbad leicht ausgleichbar seien. Das trifft wohl zu. Von Bedeutung
ist aber die Differenz gegenüber dem arteriellen Gebiet, und dieses wurde nicht
in den Bereich der Untersuchungen jener Autoren gezogen. Wie wir uns in
einigen orientierenden Feststellungen überzeugten, läßt sich dieser Unterschied
auch nicht allgemein durch ein warmes Handbad ausgleichen.
Wenn Becker u ) am getöteten Tier keine Differenzen der Erythrocyten¬
zahlen in verschiedenen Gefäßgebieten fand, so ist demgegenüber einzuwenden,
daß nach dem Tode des Tieres wesentliche Momente wie Druck-, Spannungs-,
Strömungsverhältnisse, welche die verschiedene Verteilung bedingen, in Wegfall
kommen. Die nach dem Tode erhobenen Befunde sind also in keiner Weise
mit den Verhältnissen am Lebenden zu vergleichen.
Die unterschiedliche Verteilung der roten Blut körperchen wurde von Fr. O. Heß
zwar nur in der Peripherie nachgewiesen; es ist jedoch anzunehmen, daß ähn¬
liche Verhältnisse auch in den inneren Organen bestehen.
Die von Fr. 0. Heß gefundene Tatsache der unterschiedlichen An¬
häufung der roten Blutzellen in Arterie. Capillare, Vene ist nun prin¬
zipiell verschieden von der Verteilungsdifferenz zwischen zwei Körper¬
regionen, welche Cohnstein und Zuntz sahen. Letztgenannte Autoren
nehmen auf Grund ihrer obenerwähnten Experimente an, daß infolge
der Vasokonstriktion die roten Blutkörperchen aus dem verengten
Stromgebiet der Splanchnicusgefäße, also einer bestimmten Körper¬
region, verdrängt werden in die großen Gefäße; man fand ihre An¬
reicherung in der Peripherie (Leistenvene, Muskelvene, Ohrvene).
Bei den Befunden von Heß liegen die Dinge anders; hier handelt
es sich um Verteilungsunterschiede innerhalb der Blutbahn einer
kleinen Körperregion, nämlich des Armes; ferner um einen dauernden
Zustand unter physiologischen Bedingungen. Allein durch die Weite der
Gefäße, wie Cohnstein und Zuntz annehmen, dürfte diese Tatsache nicht
zu erklären sein. Es erscheint schwer begreiflich, wollte man annehmen,
die Erythrocvten würden deswegen in der Arterie angoreichert, weil
sie infolge der Enge der kleinen Gefäße keinen Zutritt zu denselben
haben, gleichsam vor der Tür stehen bliebon, welche nur eine be¬
schränkte Anzahl durchläßt. Es kann sich nicht um eine Stauung
der roten Blutzellen im Arterienrohr handeln. Hier müssen die be¬
sonderen Bedingungen des Druckes und der Strömungsgeschwindig¬
keit im Spiele sein.
Schwankungen der Ervthrocvtenzahl haben also verschiedene
Möglichkeiten:
1. Das Plasmavolumen kann verändert, etwa größer werden bei
unveränderter Verteilung und Suspension der Formelemente. Dann
wird die Zahl der roten Blutkörperchen in der Volumeinheit des
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über die Variation der relativen Erythrocytenmenge usw
151
Plasmas vermindert. Es ist hierbei gleichügltig, ob es sich um eine
Vermehrung des Plasmavolumens allein durch Verwässerung handelt,
wobei also der Eiweißgehalt des Plasmas auch abnimmt, ein Zustand,
den Daniel und Högler*) nach dem Vorbilde von Falta als „Hydro-
plasmie“ bezeichnen, oder um eine Plasmavermehrung durch Zu¬
strom eiweißreicher Flüssigkeit, „Hyperplasmie“, mit mehr oder
weniger gleichbleibenden prozentualen Eiweißwerten. Was für die
Verminderung der Blutkörperchen gilt, gilt auch umgekehrt für ihre
Vermehrung bei Plasmaverlust.
Die Erythrocyten stehen also im reziproken Verhältnis zum
Plasmavolumen:
1 )
Erythrocyten -- k
1
Plasma Vol. ’
(Diese Gleichung soll selbstverständlich nur annähernd die Ver¬
hältnisse rechnerisch veranschaulichen, keine absolute Gleichsetzung
ausdrücken.)
2. Die Relation Erythrocyten: Plasma kann ferner zugunsten
oder ungunsten der Erythrocyten durch gewisse Strömungs¬
bedingungen verschoben werden, unabhängig von einer Vermehrung
oder Verminderung des Plasmavolumens. Ja, es ist unter be¬
stimmten Bedingungen möglich, daß trotz einer Hydro- oder Hyper¬
plasmie, welche an und für sich die Formelemente relativ ver¬
mindern würde, durch gewisse Strömungsbedingungen dieselben in
einem bestimmten Gefäßabschnitt relativ angereichert werden.
Die Erythrocyten stehen also nicht allein im reziproken Ver¬
hältnis zum Plasmavolumen; in Gleichung 1) ist vielmehr noch ein
besonderer Faktor einzusetzen:
2) Erythrocyten
F
Plasma Vol.
Es wird also die Erythrocytenzahl in einem bestimmten Gefäß-
abschoitt einerseits durch das Plasmavolumen, anderseits durch die
Strömungsbedingungen beeinflußt.
Die im folgenden niedergelegten, insbesondere an Arteriosklero-
tikem gewonnenen Beobachtungen erscheinen geeignet, zu dieser
Frage der Variation der Erythrocytenzahl unter dem oben skizzierten,
nicht ganz neuen, aber bisher wenig beachteten Gesichtspunkt
Stellung zu nehmen.
Da diese Beobachtungen nach Darreichung größerer Flüssigkeits-
mengen gemacht wurden, sei zunächst auf die Verhältnisse kurz
eingegangen, die sich unter normalen Bedingungen innerhalb der
Blutbahn zwischen der Aufnahme des Wassers aus dem Magen-
Darmkanal in das Blut und der renalen und extrarenalen Abgabe
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152
R. Hopmaim und R. Schüler:
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desselben abspielen. Diese sind bereits von mehreren Forschern
zum Gegenstand ihrer Untersuchungen gemacht worden. Ins¬
besondere hat man die vorliegende Frage an dem Abfall der Ery¬
throcyten- und der Serumeiweißwerte studiert. Es zeigt sich beim
Vergleich der gefundenen Resultate der bemerkenswerte Unterschied,
daß die Verminderung der Serumeiweißwerte nicht so eindeutig und
graduell geringer ist, als man es bei den nach Wassergenuß deut¬
lich abfallenden Erythrocytenwerten erwarten sollte. Während
Reiß lh ) keine wesentliche Konzentrationsveränderung, Strauß (zit.
nach Reiß) ein Absinken des Eiweißgehaltes nur um 0,2—0,6 0 0 ,
Engel und Scharl (zit. nach Reiß) hierbei bald Verdünnung, bald
Eindickung, Veil 16 ) nur in der Hälfte der Fälle eine geringe Ver¬
dünnung mit Hilfe der Refraktometrie feststellten, konnten Nonnen¬
bruch 11 ) und Siebeck 1 *) einen deutlichen Abfall der Erythrocytenzahl
nach Wassergabe bei Gesunden erkennen. Aus eigener Erfahrung
können wir Letzteres bestätigen. So betrug bei einer vollständig
gesunden Versuchsperson die Zahl der Erythrocyten vor dem Trinken
4,98 Mill., 2 Minuten nach Beendigung des Trinkens von 1000 ccm
Tee stieg die Zahl vorübergehend auf 5,05 an, fiel dann progredient
ab, erreichte nach 35 Minuten den niedrigsten Wert mit 4,47, stieg
dann allmählich in 31 Minuten auf 4,63 Mill. In einem anderen
Falle betrugen die entsprechenden Werte 5,81 Mill., 8 Minuten nach
dem Trinken 5,90, nach 35 Minuten 4,32, nach weiteren 32 Minuten
5.42 Millionen. 15—20 Minuten nach Beginn des Trinkens tritt
eine deutliche Verminderung der Erythrocyten ein, welche nach 30
bis 40 Minuten mit 6—25 0 0 des Ausgangswertes ihr Maximum
erreicht.
Die Unstimmigkeiten zwischen Erythrocytenzahl und Eiwei߬
gehalt sind nicht verwunderlich. Es besteht durchaus die Möglich¬
keit der Eiweißpassage. Vergleichende Er 3 ’throcyten- und Eiwei߬
bestimmungen mit gleichzeitiger Aufstellung einer Wasserbilanz, wie
dies jüngst Daniel und Högler 3 ) durchgeführt haben, dürften jedoch
genügend Klarheit in den Ablauf der Wasserdurchwanderung er¬
bringen. Daniel und Högler stellten 15 Minuten nach Beendigung
bzw. 45 Minuten nach Beginn des Trinkens eine Abnahme der
Erythrocyten um durchschnittlich 11° 0 fest; die Viscosimeter werte
des Gesamtblutes, welche ja hauptsächlich durch die Formelemente
bestimmt werden (Xägeli), zeigten gleiches Verhalten. Dagegen
blieben die Viscosimeter werte des Serums ebenso wie die Refrakto¬
meterwerte desselben prozentual hinter der Verminderung der roten
Blutkörperchen und der Viscosität des Gesamtblutes zurück.
Ähnliches zeigte sich auch in unseren eigenen •Untersuchungen,
von denen eine in Kurve 1 wiedergegeben ist.
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Uber die Variation der relativen Erythrocytenmenge uew.
15:3
Zur Erläuterung der Kurven und Tabellen diene folgendes: Der Blutr
druck wurde mittels des Sphygmomanometers nach Riva-Rocci gemessen. In
den Kurven sind nur die Maximalwerte verzeichnet. Die roten Blutkörperchen
zählten wir in der Bürkerschen Kammer in Doppelbestimmungen aus. Es
wurde auf sorgfältige Blutentnahme, gut hervorquellenden Blutstropfen und
genügende Mischung in der Mischpipette geachtet. Wir legten Wert darauf,
daß die Hände vor der Blutentnahme gut durchwärmt und durchblutet waren,
besonders in dor kälteren Jahreszeit. Ein warmes Handbad, wie es vielfach
empfohlen wird, wandten wir jedoch nicht an, weil wir jede Störung in den
Austauschvorgängen zwischen Blut und Gewebe, sowie in der Verteilung der
Formelemente femhalten wollten; nach Bauer und Aschner 4 ) erscheint es durch¬
aus möglich, daß ein heißes Handbad allein bereits Austauschvorgänge zwischen
Blut und Gewebe anregt. Unsere Doppelbestimmungen — in den Kurven und
Tabellen sind nur die Mittel- mm
werte angeführt — zeigen eine m |
durchschnittliche Differenz
von 0,13 Mill., d. h. 2,8 °/ 0
Fehlerbreite.
Es ist hier noch eine Vor¬
frage zu erledigen: Welcher
Gefäßabschnitt wird durch
den Elinschnitt in der Finger¬
beere mittels der Francke-
schen Nadel eröffnet? Man
sagt gewöhnlich: das Capil-
largebiet. Dies dürfte jedoch
nicht ganz zutreffen. Der
nach einem ausgiebigen
Schnitt schnell hervorquel¬
lende Blutstropfen dürfte
nämlich nur zum geringsten
Teil aus den nur unter ge¬
ringem Druck stehenden Ca-
pillaren stammen, sondern
vielmehr aus den kleinsten Arterien und Präcapfllaren, aus welchen das Blut
infolge des höheren Druckes schneller und nachhaltiger hervorquillt.
Die für die später zu erörternden Untersuchungen am arteriellen Blute
notwendige Arterienpunktion wurde nach der von Hürter 19 ) angegebenen
Methode ausgeführt. Es sind dabei nie Komplikationen eingetreten oder
Schädigungen zurückgeblieben. Der Blutverlust betrug nie mehr als ca. 10 ccm.
Wir achteten besonders darauf, daß das Auffangen bzw. Aufsaugen aus dem
in pulsierendem Strahl sich entleerenden Blute erfolgte.
Kurve 1.
Körpergewicht, morgena nüchtern: 3. V. 22 (Vers.-Tg.) 50,0 kg
I.V.22 49,0 kg
Fall Nr. 20. H. B. Diagnose: SpÄtrachitis.
- Blutdruck. . Erythrocyten,
-Serumeiweiß, -apez. Gewicht.
Die Entnahme aus der Vene geschah gleichfalls durch Punktion und zwar
ohne jede Stauung.
Ferner bestimmten wir in unseren Untersuchungen die Trockensubstanz
des Serums — in einer Ausnahme auch des Gesamtblutes —, später refrakto-
metrisch den Eiweißgehalt des Serums. In unserer Ausführung sprechen wir
nur allgemein von Eiweißgehalt des Serums, da ja sowohl das Gewicht der
Trockensubstanz als auch die Brechungskraft des Serums hauptsächlich vom
Serumeiweiß bestimmt werden, und die anderen etwa in EYage kommenden
Substanzen vernachlässigt werden können. Auf den Kurven und in den
Tabellen ist im einzelnen vermerkt, um welohe Art von Bestimmung es sich
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154
R. Hop mann und R. Schüler:
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jeweils handelt. Die Trockensubstanz wurde nach dem Bangschen Verfahren
ausgewogen, in den Doppelbestimmungen mit einer Fehlerbreite von durch¬
schnittlich 3,5—4,0 °/ 0 . Die Brechungskraft wurde mittels des Pulfrischen
Refraktometers gemessen, der entsprechende Eiweißwert der Reißschen Tabelle
entnommen. Es ergab sich hierbei eine Fehlerbreite von 4,0 °/ 0 .
In den Kurven ist die Zu- oder Abnahme der Erythrocyten- bezw. Eiwei߬
werte in Prozenten des Ansgangs wertes angegeben, so daß die Zu- oder
Abnahme im gleichen Maßstab erfolgt. Die Ausgangswerte sind gleich 0
gesetzt.
Die Urinmengen wurden in halbstündigen Portionen gemessen, bzw. auf
halbstündige Mengen umgerechnet.
Den Wasserversuch nahmen wir nach einer Vorperiode vor, in der die
Versuchspersonen in Wassergleichgewicht gesetzt wurden, welches mit Hilfe
täglicher KörpergewichtswägUDgen und Registrierung der Wasseraufnahme
durch die Nahrung und Abgabe durch den Urin kontrolliert wurde.
Am Versuehstage gaben wir morgens nüchtern 1 1 / 2 1 dünnen Tees.
Wir hatten gesehen, daß die Befunde von Daniel und Högler 3 )
über den Ablauf der Konzentrationsverhältnisse des Blutes am Ge¬
sunden sich mit jenen der vorher genannten Autoren und den
eigenen decken. Daniel und Högler erklären das unterschiedliche
Verhalten der Serumei weiß werte und der Erythrocyten dadurch, daß
die vom Darm aus resorbierte, dem Blutplasma sich beimengende
Flüssigkeit bereits mit Eiweiß und Salzen angereichert, also plasma¬
ähnlich ist, daß die Vermehrung des Plasmavolumens daher weniger
durch eine Hydroplasmie als vielmehr durch eine Hyperplasmie be¬
dingt sei.
Wie aber auch die Beschaffenheit des Plasmas sein mag, zweifels¬
ohne wird nach dem Trinken unter physiologischen Verhältnissen
die relative Erythrocytenmenge in der Volumeinheit vermindert,
weil unter dem Wassereinstrom das Gesamtvolumen des Plasmas ver¬
mehrt wird.
Ervthrocyten = k Wie verhält es sich aber mit dem
Plasma Vol.
Faktor F , den wir oben in Gleichung 2) einsetzen mußten, welcher
dann variiert wird und sich geltend macht, wenn irgendein Ein¬
fluß in der Zirkulation die in der Blutbahn suspendierten Form¬
elemente anders verteilt als es der Norm entspricht.
Ein derartiger Einfluß ist aus unseren Normalkurven nicht zu
erkennen. Auch die von Daniel und Högler 3 ) aufgestellten Wasser¬
bilanzen des Blutes, der Gewebe und des Gesamtkörpers, welche
diese Autoren auf Grund der im Fingerbeerenblut gefundenen Ery-
throcytenmengen errechneten, also von der Annahme ausgehend,
daß die Verminderung der roten Blutkörperchen eine umgekehrt
proportionale Vermehrung des Plasmavolumens bedeutet, sind ohne
inneren Widerspruch und Lücke.
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Über die Variation der relativen Ervfchrocytenmenge usw.
155
Da wir aus den Untersuchungen von Fr. 0. Heß 11 ) wissen, daß
die Erythrocyten in dem Blute der Arterie in höherer Konzentration
enthalten sind als in dem Blute der Fingerbeere und der Vene, ein
Verhalten, welches, wie wir oben darlegten, offenbar von der Weite
der Gefäße oder der Strömungsgeschwindigkeit des Blutes abhängt,
so war es von Interesse, durch vergleichende Zählung der roten
Blutkörperchen in diesen verschiedenen Gefäßprovinzen zu erfahren,
ob durch den Flüssigkeitseinstrom in die Gefäßbahn an diesem Ver¬
teilungsmodus etwas geändert würde.
Wie aus Tabelle I zu ersehen ist, nahm die Zahl der Erythro¬
cyten in den drei Gefäßgebieten fast gleichmäßig um 6—9°/ 0 ihres
Ausgangswertes ab; dies geht besonders aus den Durchschnittszahlen
mehrerer Untersuchungen hervor. In der Arterie waren auch nach
dem Trinken relativ mehr Erythrocyten enthalten als in den beiden
anderen Gefäßabschnitten.
Zusammenfassend kann man also sagen: Der Flüssigkeitszustrom
in die Oefäßbahn vermindert bei normalen Verhältnissen die Zahl der
Formelemente in dem arteriellen , capillaren und venösen Teil des Oe -
fäßrohres in prozentual gleichmäßiger Weise. An der gesetzmäßigen
verschiedenen Verteilung der roten Blutkörperchen in den drei Gefäß -
abschnitten wird durch den Flüssigkeitszustrom nichts geändert , da offen¬
bar die Zirhdalionsbedingungen, die diesen stationären Zustand hervor-
rufen , sich nicht ändern. Der Faktor F der Gleichung 2) bleibt
konstant und kann unter physiologischen Bedingungen vernach¬
lässigt werden.
Ein ganz anderes Bild der Erythrocytenkune fanden wir bei /r-
terio&klerotikem. Es handelt sich um Kranke, welche teilweise die
Klinik wegen anderer Störungen, Asthma bronchiale, Pneumokoniose,
Tabes dors., Bechterewsche Krankheit, Ischias usw. aufsuchten — in
diesen Fällen ergaben sich gewisse arteriosklerotische Erscheinungen
als Nebenbefund —, teilweise durch die Beschwerden der Arterio¬
sklerose selbst uns zugeführt wurden. Alle diese Kranken zeigten
mit einer Ausnahme eine mehr oder weniger ausgesprochene Sklerose
und Schlängelung der Extremitätenarterien; vielfach konnte rönt¬
genologisch auch eine Aortensklerose nachgewiesen werden. Die Herz¬
leistung war suffizient, es bestanden keine Stauungen, keine Ödeme.
Ebensowenig konnten wesentliche Nierenschädigungen nachgewiesen
werden. Die Kranken befanden sich am Versuchstage im Wasser¬
gleichgewicht. Der Wasserversuch wurde in allen Fällen gut er¬
ledigt.
Uns interessiert hier vor allem der Gefäßtonus dieser Kranken.
In der Ruhe hielt sich der Blutdruck meistens an der oberen Grenze
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Uber die Variation der relativen Erythrocytenmenge usw.
157
der Norm oder war ein wenig erhöht, durchschnittlich 188 / 78 mm Hg
(R — R) — 108 mm Hg Mitteldruck.
Die Sklerose betraf in unseren Fällen vornehmlich die Extremi¬
tätengefäße, teilweise auch die Aorta, und verursachte gemäß ihres
anatomischen Charakters keine wesentliche Blutdruckerhöhung, ein
Typus, welchen Sawada 20 ) in einer unter Rombergs Leitung ange¬
fertigten Arbeit als an der Marburger Poliklinik am häufigsten be¬
obachteten schildert. Jedoch sahen wir bei unseren Kranken eine
ausgesprochene Vasolabilität: kleinere Anstrengungen, nervöse Er¬
regungen steigerten den Druck bis zu mehreren Zentimetern der Queck¬
silbersäule. Nach einem kalten Teilbad stieg der Druck in einem Fall
von 180 / fl5 auf 170 / H5 mm
Hg, in einem anderen von
1M SO auf 170 »0 mtn Hg.
und fiel nach Beendigung
des Bades innerhalb we¬
niger Minuten zur alten
Höhe zurück.
Wir müssen also funk¬
tioneile Zustände, Kon¬
traktionen der kleinen Ge¬
fäße oder Präcapillaren
annehmen, welche diese
Blutdrucksteigerung her-
vorrufen.
Derartige Druckstei¬
gerungen erfolgten auch
nach dem Trinken eines
größeren Flüssigkeits¬
quantums, etwa 1 1 / 2 1
eines dünnen Tees, welcher zum Wasserversuch verabfolgt wurde.
Diese Hypertonien erreichten in durchschnittlich 45—70 Minuten
nach Beginn des Trinkens bzw. 30—60 Minuten nach Beendigung
desselben ihren Höhepunkt, fielen dann langsam in durchschnittlich
3—4 Stunden wieder ab. Zumeist stieg der systolische Druck um
30 mm in weniger ausgesprochenen Fällen um 7—10 mm, in stär¬
keren um 40—50 mm Hg (s. Tabelle II und Kurven 2, 3, 4).
In einem Fall (Nr. 1 und 10 der Tabelle II) konnten wir die
Kontraktion der kleinen Gefäße des Nagelfalzes nach dem Trinken
direkt unter dem Capillarmikroskop beobachten.
An zwei Vortagen zum Versuchstage wurden die Capillaren ohne Flüssig¬
keitstrinken beobachtet. Die Capillaren zeigten wechselnde, manchmal lang¬
same, manchmal schnellere Strömung. Dieselbe war meistens kontinuierlich,
hin und wieder körnig. Die Schlingen zeigten gute Füllung.
Kurve 2 .
Versuchstag: 14. IX. 21.
Fall Nr. :i. W. D. Diagnose: Tabes dors.. Arteriosklerose.
-Blutdruck. . Erythrocyten,
—-Trockensubstanz.-spez. Gewicht.
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R. Hopmann und R. Schüler:
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Am Versuchstage besteht Blutdruck 150/95 mm Hg. Die meisten Capil-
laren zeigen kontinuierliche, rasche Strömung; in einigen langsamere, zeitweise
körnige Strömung; wenig Wechsel.
Es werden 1500 ccm Tee gegeben.
15 Minuten später Blutdruck 160/105 mm. In einer Capillare auffallender
Wechsel zwischen rascher und langsamer Strömung. Nach weiteren 10 Minuten
Blutdruck 210/110 mm. In fast allen Capillaren wechselt gleichzeitig langsame,
körnige Strömung, die bis zum Leerlaufen und zur Stase führt, mit rascher,
voller, kontinuierlicher Strömung.
75 Minuten nach dem Trinken ist der Blutdruck wieder abgefallen. In
den Capillaren schnelle, wenig wechselnde, gute Strömung.
Unter 12 untersuchten Sklerotikern macht eine Ausnahme von
dieser Drucksteigerung nach dem Trinken Fall 5 (Tabelle II). Hier
blieb der Blutdruck
gleich niedrig. Wir
werden auf diesen Fall
noch zurückkommen.
Ebenso nehmenFalll 6,
17, 18 der Tabelle II
eine gewisse Aus¬
nahmestellung ein in¬
sofern, als der Blut¬
druck bereits vor dem
Trinken wesentlich
höher war als vorher
in der Periode der Bett¬
ruhe (vgl. Stab 10 der
Tabelle II mit Stab 9).
Offenbar hing dies mit
den psychischen Ein¬
flüssen der Versuchs¬
anordnung zusammen.
Wir machten bei diesen Personen Blutentnahmen aus der Arterie, der
Haut und teilweise der Vene. Die mit den Vorbereitungen hierzu
verbundenen Umstände — die Kranken wurden in einen besonderen
Raum verbracht —, der Eindruck, daß etwas Besonderes geschah,
wirkte offenbar erregend auf die Vasomotoren, so daß der Blutdruck
bereits vor den ersten Punktionen höher war als in der Ruhe der
Vortage.
Als wesentliches Moment bei den dergestalt durch das Wasser¬
trinken hervorgerufenen Zuständen ergibt sich für uns die Möglich¬
keit, zugleich die Wirkung der flüchtigen Blutdrucksteigerung und
die Wirkung des Flüssigkeitseinstroms in die Blutbahn auf die Blut¬
konzentrationen verfolgen zu können.
Körpergewicht, morgens nüchtern: 24. X. 21 (Vers.-Tg.) 64,4 kg
10. X. 21 63,3 kg
Fall Nr. 6. Diacnose: Pneumokoniose, Arteriosklerose.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
Über die Variation der relativen Eryfchrooytenmenge ubw.
161
Das Nähere ergibt sich aus dem Vergleich der unter normalen
Verhältnissen festgelegten Kurve der Erythrocyten-, Serumei weiß-
und Blutdruckwerte mit den bei den Arteriosklerotikern erhaltenen
(Kurve 2, 3, 4).
Aus Gründen der Raumersparnis bringen wir nur drei Kurven;
in fünf anderen uns vorliegenden Kurven zeigen sich ähnliche Ver¬
hältnisse wie in den dargestellten.
Während wir unter normalen Bedingungen nach dem Trinken
ein wenn auch nicht gleichmäßiges, so doch gleichsinniges Absinken
der Erytbrocytenzahlen und des Eiweißgehaltes beobachteten, sehen
wir hier 30—60 Minuten nach dem Trinken, also an einem Zeit¬
punkt, an welchem dort der Flüssigkeitseinstrom in die Blutbahn
die größte Konzentra¬
tionsveränderung verur¬
sacht, ein Auseinander¬
weichen der Erythro¬
cyten- und Eiweißkurven.
Die Erythrocytenzahlen
steigen im Fingerbeeren¬
blut um durchschnittlich
7—8°/ 0 an, während die
Serumei weiß werte in glei¬
cher Weise wie beim Nor¬
malen absinken.
Dieses Verhalten sehen
wir überall dort, wo
nach dem Trinken der Kurve 4 .
Blutdruck ansteigt, also Körpergew., morgens nüchtern: 14. III.2S (Vers.-Tg.) 58,0$ kg
, , j m 15.III.M 56,01kg
neben den dargestellten Fall Nr. 19 . L.V. Diagnose: Arteriosklerose.
Kurve bei den Fällen 1,
2, 3, 6, 7, 9, 19 der Tabelle II. Fall 11 macht eine Ausnahme;
trotz der Drucksteigerung sind die Erythrocyten ein wenig
vermindert. In den Fällen 16, 17, 18 war, wie oben bemerkt,
der Druck bereits bei den ersten Blutentnahmen gesteigert; der
Unterschied in den Erythrocytenzahlen blieb hier auch aus. Bei
dem schon erwähnten Fall 5 (Tabelle II) blieb der Blutdruck auch
nach dem Wassertrinken niedrig. Es handelt sich um einen Kranken
in ziemlich desolatem Zustand bei Lungencarcinom. Infolgedessen bestand
wahrscheinlich ein gewisser Hypertonus. Hier zeigte sich zur Evidenz,
wie trotz der vorliegenden peripheren Arteriosklerose die Erythro-
cytensteigerung ausblieb, weil die Blutdrucksteigerung nicht eintrat.
Diese Dissoziation der Erythrocyten- und Serumeiweißkurven kann
nicht durch irgendwelche Eigentümlichkeit des Wasserwechsels bei
Z. f. d. g. exp. Med. XXX. \\
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R. Hopmann und R. Schüler:
Arteriosklerose erklärt werden; fanden wir doch in betreff desselben
keine anderen Verhältnisse als bei den Normalen. Nach dem reich¬
lichen Trinken setzte bald eine gute Diurese ein, die halbstündlichen
Urinmengen nahmen zu, das spezifische Gewicht fiel ab wie unter
normalen Bedingungen. Innerhalb 4 Stunden wurde eine dem auf¬
genommenen Flüssigkeitsquantum entsprechende Urinmenge wieder
ausgeschieden. In den nachfolgenden Stunden wurden noch weitere
Flüssigkeitsmengen dem Körper entzogen, so daß die Wasserbilanz
der 24 Stunden negativ wurde, das Körpergewicht abgesunken war.
Eine Wasserretention im Gewebe fand also nicht statt. Im Gegen¬
teil, wir müssen annehmen, daß mit der Passage der eingeführten
Flüssigkeit auch noch Gewebswasser in die Blutbahn hineingezogen
wurde. Auch das vorübergehende Absinken des Serumeiweißwertes
ist wohl nicht anders zu erklären als durch eine Hydroplasmie, wie
sie unter den gleichen Umständen beim Normalen eintritt.
Von Interesse ist der auf fallende Parallelismus zwischen ErythrocyUn-
zahl und Blutdruck . Ältere Autoren, Becker 6 ), Granitz 21 ), 0. Heß 1 >,
welche ähnliche Beziehungen zwischen Blutdrucksteigerung und
Erythrocytenmenge bereits sahen, haben diese Schwankungen in der
Zahl der roten Blutzellen als einen Ausdruck für den Wechsel der
Konzentration des Gesamtblutes angesehen, in der Annahme, daß
bei Vasokonstriktion und Blutdrucksteigerung eine Transsudation
von Flüssigkeit aus dem Blut ins Gewebe stattfindet. Neuerdings
schließt sich auch Full 22 ), welcher bei höherem Blutdruck ebenfalls
höhere Erythrocytenwerte fand als bei herabgesetztem, dieser Ludurig-
schen Filtrationstheorie an. Von anderer Seite, Asher 28 ), Böhm 21 ),
sind jedoch gegen diese Theorie schwerwiegende prinzipielle Bedenken
geltend gemacht worden. Man kann also in solchen Fällen die der
Blutdrucksteigerung folgende Vermehrung der roten Blutkörperchen
im Fingerbeeren- oder Venenblut nicht als Zeichen einer echten
Bluteindickung durch Plasmaverlust auffassen.
Vollends unsere eigenen Untersuchungen lassen wenigstens für
diese eine solche Erklärung nicht zu; denn in der Tat lag ja bei
denselben im Moment des Ansteigens der Erythrocytenzahlen keine
Bluteindickung, sondern gerade das Gegenteil, eine Hydroplasmie, vor.
Da also in unseren Fällen die Gesamtmenge der in dem Blute
zirkulierenden roten Blutkörperchen weder absolut noch relativ ver¬
mehrt waren, bleibt nur eine Erklärungsmöglichkeit übrig, daß näm¬
lich eine andersartige Verteilung für die Anreicherung der Erythro-
cyten im Fingerbeerenblut verantwortlich zu machen ist. Wir kommen
damit auf die bereits oben erwähnte Anschauung älterer Autoren
[ Breitenslein 7 ), Friedländer 10 ), Knöpfelmacher 8 ), Wintemitz 9 )] zurück,
welche die nach Kältereiz beobachtete Vermehrung der roten Blut-
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über die Variation der relativen Erythrocytenmenge ukw.
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körperchen in der Haut — auch hier handelt es sich ja um Kon¬
traktionen der Hautgefäße — durch Verteilungsänderung erklären.
Für eine solche andersartige Verteilung unter bestimmten Be¬
dingungen liegen zwei Möglichkeiten vor:
1. Es können die Verhältnisse so gestaltet sein wie beim Cohn¬
stein-Zuntz sehen Versuch. Die Blutdrucksteigerung würde dann der
Ausdruck eines vasokonstriktorischen Zustandes im Splanchnicus-
gebiet sein ohne kompensatorische Dilatation der peripheren Gefäße.
Die relative Erythrocytenmenge würde dann im Splanchnicusgebiet
vermindert in der Peripherie vermehrt sein. In unseren Fällen haben
wir es jedoch tatsächlich nicht oder nicht allein mit Kontraktion
der Splanchnicusgefäße zu tun, sondern auch der Peripherie, wie wir
oben auf Grund der klinischen und capillarmikroskopischen Be¬
obachtung darlegten. Es handelt sich also wahrscheinlich nicht um
eine Verschiebung der roten Blutkörperchen aus den inneren Organen
in die Peripherie.
2. Als zweite Möglichkeit käme in Betracht, daß innerhalb einer
jeglichen Strombahn Arterie, Capillare, Vene das von Fr. 0 . Heß
gezeigte normale VerteilungsVerhältnis abgeändert würde zugunsten
der kleinen Gefäße, etwa infolge höheren Druckes, größerer Strom -
geschwindigkeit in denselben oder durch Anstauung infolge Passage¬
behinderung in den Capillaren.
Um letztere Möglichkeiten nachzuprüfen, untersuchten wir bei
einigen unserer Arteriosklerotikern das Verteilungsverhältnis der
Erythrocyten in der Art. rad., in den Hautgefäßen der Fingerbeero
und der Vena med., wie dies auch bei den Normalfällen vor und
nach dem Trinken geschehen war (s. Tabelle II).
Bei niedrigem Blutdruck wurden auch bei den Arteriosklerotikern
dieselben Verhältnisse wie bei den Normalen gefunden: Nr. 7, 9, 10.
Es ließ sich manchmal nicht vermeiden, daß allein durch den
Eingriff der Blutentnahme (Arterienpunktion) bzw. durch die not¬
wendigen Vorbereitungen hierzu eine momentane Blutdrucksteigerung
auch ohne Trinken hervorgerufen wurde; es konnten hierdurch leider
keine reinen Versuchsbedingungen eingehalten werden. Aber aus den
Zahlen der Fälle Nr. 16, 17, 18 ist ersichtlich, daß bei gesteigertem
Blutdruck die Erythrocytenwerte die gewohnte Differenz gegenüber
den im Arterienblut gefundenen Werten vermissen lassen, daß jene
diesen angeglichen sind. Es ist hierfür gleichgültig, ob die Blut¬
drucksteigerung bereits vor dem Trinken aus irgendwelchen anderen
Gründen erfolgte oder nach dem Trinken und durch dasselbe wie
in den Fällen Nr. 7, 19, wo wir ebenfalls die Angleichung der Ery-
throcytenzahlen im Fingerbeerenblut an diejenigen des Arterienblutes
finden.
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Man könnt© diese Anreicherung der roten Blutkörperchen durch
einfache Stauung erklären, indem die Sperre der kontrahierten Ca-
pillaren und Präcapillaren zwar das Plasma passieren läßt, die Form¬
elemente dagegen nur unvollkommen. Zeigt ja auch die Mikro-
capillarbeobachtung einen auffallenden Wechsel zwischen ungehemmter
kontinuierlicher und körniger, seröser Strömung. Diese Erklärung
dürfte jedoch nicht befriedigen. Wir zeigten bereits oben, daß man
die unter physiologischen Verhältnissen auftretenden höheren Ery-
throcytenwerte in der Arterie schwerlich als Stauungserscheinung
auffassen kann. Ebensowenig dürfte dies für die obengenannte An¬
gleichung der relativen Erythrocytenmenge der kleinen Gefäße an
die der Arterie gelten. Wir müßten sonst auf eine einheitliche Er¬
klärung für die verschiedenartigen Verteilungszustände unter nor¬
malen und abnormen Bedingungen verzichten.
Hier kommen offenbar andere Momente in Betracht.
Seit langem ist durch direkte mikroskopische Besichtigung kleiner
Gefäße bekannt, daß die Formelemente in dem dahinströmenden
Blut den Querschnitt des Gefäßrohres nicht gleichmäßig erfüllen,
und daß insbesondere die roten Blutzellen in der Mitte, im Axial¬
strom, fortbewegt werden, an der Peripherie einen freien Plasma-
raum, den Poiseuilleschen Raum, freilassend [ Landois-Rosemann * 5 )].
Schklarewski 26 ), einem Schüler von Helmholtz , verdanken wir inter¬
essante Beobachtungen über das Strömen von Suspensionen in ca-
pillaren Röhren. Er untersuchte das Verhalten der Blutkörperchen
und anderer in strömenden Flüssigkeiten suspendierter Elemente mit
Hilfe des Mikroskops. Er konnte feststellen, daß es immer die
schneller fallenden, d. h. schwereren Körperchen, beim Blute also
die Erythrocyten sind, die den Axialstrom erfüllen, und daß mit
Zunahme der Geschwindigkeit des Stromes im ganzen die Geschwindig¬
keit der mittleren Schichten in stärkerer Progression zunimmt als
die der äußeren. Bei gleichbleibender Strömungsgeschwindigkeit
zeigt der Axialstrom immer denselben peripheren Abstand von den
Wandungen und in jedem Querschnitt annähernd dieselbe Zahl an
Blutkörperchen. Aus genauer Beobachtung der Strömungslinien bei
verschiedener Geschwindigkeit ergab sich, daß die Blutkörperchen
am Rande eine Ablenkung von der parallelen Richtung, bei klei¬
neren Geschwindigkeiten zur Achse, bei größeren dagegen zur
Wand hin erleiden. Es besteht damit die Möglichkeit, daß je
nach der Breite des Axialstromes das Verhältnis zwischen Erythro¬
cyten und Plasma verschoben wird, und daß bei breiter werdendem
Achsenstrom die roten Blutkörperchen nicht nur einen größeren
Raum einnehmen, sondern auch relativ zum Plasma vermehrt auf-
treten.
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Über die Variation der relativen Erythroeyteninenge ubw.
165
Noch wichtiger ist aber vielleicht die Beobachtung, daß mit zu¬
nehmender Geschwindigkeit des Gesamtstromes die Geschwindigkeit
der mittleren Schichten in stärkerer Progression zunimmt als die der
äußeren. Ein rascher Blutstrom befördert demnach nicht nur eine
größere Gesamtblutmenge in der Zeiteinheit durch einen Gefäßquer¬
schnitt als ein langsamerer, sondern auch eine zur Plasamenge relativ
vermehrte Blutkörperchenmenge, da der von diesen gebildete Axial¬
strom eine stärkere Beschleunigung erfährt als der hauptsächlich
vom Plasma gebildete Randstrom.
Wir glauben besonders im Hinblick auf diese Untersuchungen
von Schklarewski mit folgender Annahme nicht fehl zu gehen: Die.
roten Blutzellen werden bei den bei Arteriosklerotikem beobachteten
momentanen Blutirucksteigerungen deswegen in den kleinen Gefäßen der
Haut angereichert und in ihrer Zahl derjenigen im Arterienblut angenähert ,
weil die Strömungsbedingungen in denselben , d. h. der Druck und die Strom .-
geschwindigkeit, von letzterer können wir es allerdings nicht objektiv
feststellen, sich den Verhältnissen im Arterienrohr angenähert hohen .
Die von uns geschilderten Beobachtungen an Arteriosklerotikem
dürften deswegen von Interesse sein, weil sie eindeutig die Möglich¬
keit zeigen, wie trotz einer relativen Hydrämie eine Steigerung der
Erythroeytenzahl im Fingerbeerenblut zustande kommen kann. Daß
diese Erscheinungen bei Arteriosklerose gefunden wurden, hat nur
die Bedeutung eines Paradigmas, an welchem in glücklicher Koinzi¬
denz gleichzeitig eine Hydro- bzw. Hyperplasmie und eine Blut¬
drucksteigerung mit Vermehrung der Erythrocyten erzeugt werden
kann. Wir sehen hierin nicht etwa ein Charakteristikum für Arterio¬
sklerose. Vielmehr scheint es, daß manchmal auch bei Gesunden
wenige Minuten nach dem Trinken die Erythrocyten in der Peri¬
pherie, wenn auch in geringem Maße, angereichert werden; in un¬
seren beiden eingangs erwähnten Fällen zeigt der Blutdruck aller¬
dings keine gleichzeitige Erhöhung. In einem anderen Normalfall
(Kurve 1) finden wir auch eine leichte Blutdrucksteigerung kurze
Zeit nach dem Trinken. Domer 27 ) sah ebenfalls solche Blutdruck¬
steigerungen bei Gesunden 10 Minuten nach Wasseraufnahme.
Welche starken Spontanschwankungen des Blutdruckes bei Ne¬
phritiden Vorkommen, lehren uns fortlaufende Druckmessungen [ Moog
und Schürer 2 *)]. Full 29 ) konnte in mehreren Fällen von chronischer
Nephritis durch den Wasserversuch Hypertonien hervorrufen, welche
er durch die leichte Ansprechbarkeit des Gefäßtonus erklärt. Auch
Domer 21 ) sah Drucksteigerung nach dem Trinken bei chronischen
Nierenkranken, sieht den Grund hierfür allerdings nicht in Gefä߬
kontraktionen, sondern in der Vermehrung des Blut Volumens durch
den Wassereinstrom.
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Wir halten es für sehr wahrscheinlich, daß in manchen Fällen
von Nierenkrankheit Eryfchrocytenvermehrung beim Wasserversuch
durch solche Druckschwankungen und weniger durch den Wasser¬
wechsel hervorgerufen werden. Die Frage, inwieweit nach dem
Trinken auch eine echte Bluteindickung durch renalen oder extra¬
renalen in das Gewebe gerichteten Flüssigkeitsabstrom hervorgerufen
werden kann, bleibt hierdurch unberührt.
Man könnte einwenden, daß durch ein heißes Handbad die Ver¬
teilungsschwankungen ausgeglichen würden, und dieser störende Fak¬
tor deshalb vernachlässigt werden könnte. Wie wir bereits einleitend
bemerkten, sahen wir aber auch nach einem heißen Handbad die
physiologischen Unterschiede zwischen Arterien- und Fingerbeeren¬
blut aufrecht erhalten bleiben. Hier war also am Orte der Blut¬
entnahme kein Ausgleich eingetreten ; und selbst wenn dies der Fall
wäre, so würde doch das lokale Handbad die Verhältnisse in den
übrigen Körpergebieten unbeeinflußt lassen. Durch die Korrelationen,
welche zwischen den verschiedenen Körperregionen in der Blutver¬
teilung bestehen, würden also auch am Ort der Blutentnahme Stö¬
rungen unvermeidlich sein.
Auf Grund unserer Untersuchungen halten wir es demnach nicht
für statthaft, die Schwankungen der im Fingerbeerenblut gefundenen
Erythrocytenzahl unter allen Bedingungen eindeutig als Ausdruck
der Veränderung der Konzentration des Gesamtblutes anzusehen.
Die Beobachtung der Zirkulation, insbesondere eine fortlaufende
Blutdruckmessung dürfte vielleicht in dieser schwierigen Entscheidung,
ob Verteilung, ob Konzentrationsänderung, Aufschluß geben.
Zusammenfassung.
1. Bei Arteriosklerotikern, welche in der Ruhe keinen erhöhten
Blutdruck zeigen, aber leicht zu Hypertonien neigen, läßt sich durch
reichliches Wassertrinken, offenbar infolge Gefäßkontraktionen, eine
Blutdrucksteigerung erzeugen; die während des Ablaufes des Wasser¬
versuches wahrgenommenen Erythrocyten- und Serumeiweißkurven
zeigen eine auffallende Dissoziation, indem die roten Blutkörperchen
parallel der Blutdrucksteigerung im Fingerbcerenblut angereichert
werden, während das Serumeiweiß wie beim Normalen absinkt.
Dieses Verhalten kann nicht durch die Eigentümlichkeit des Wasser¬
wechsels bei Arteriosklerotikern erklärt werden; vielmehr muß die
Vermehrung der Erythrocyten ihren Grund in einer andersartigen
Verteilung der Formelemente in der Blutbahn haben.
2. Vergleichende Untersuchungen des Blutes der Arterie, der
kleinen Hautgefäße der Fingerspitze, der Vene ergaben bei Sklero¬
tikern mit niedrigem Ruheblutdruck dieselben Verhältnisse, wie sie
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Über die Variation der relativen Erythrooytenmenge usw.
167
Fr. 0. Heß bei Normalen gefunden hat, nämlich höhere Erythro-
cytenwerte in der Arterie als in der Fingerbeere und der Vene.
Bei momentaner Drucksteigerung, also auch unter den Bedingungen,
welche durch den Wasserversuch bei Arteriosklerotikern erzeugt
werden konnten, wird jedoch die Erythrocytenzahl in den kleinen
Hautgefäßen der in der Arterie angeglichen.
3 . Erklärung: Die Dichte und Art der Lagerung der Erythro-
eyten im strömenden Blut eines bestimmten Gefäßabschnittes ist
wahrscheinlich von den besonderen Bedingungen des Druckes und
der Geschwindigkeit, unter welchen jeweils die Strömung in dem
betreffenden Gefäßabschnitt vor sich geht, abhängig. . Bei physio¬
logischen Verhältnissen sind diese Bedingungen in den kleinen Haut¬
gefäßen derart, daß die Erythrocytenzahl in denselben geringer als
in der Arterie ist. Nähern sich die Strömungsbedingungen in den
kleinen Hautgefäßen denen der Arterie an, wie dies durch die be¬
sondere Versuchsanordnung bei unseren Arteriosklerotikern der Fall
war, so wird auch die relative Erythrocytenmenge in diesen der¬
jenigen des Arterienblutes angenähert, also erhöht.
4. Der zahlenmäßig verschiedenen Verteilung der Formelemente inner¬
halb der Blutbahn dürfte eine größere Rolle zukommen als man im all¬
gemeinen anzunehmen geneigt ist. Schwankungen in der relativen Ery¬
throcytenmenge sind also nicht immer als Ausdruck von Konzentrations -
änderungen des Gesamtblutes zu bewerten.
Literaturverzeichnis.
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Wochenschr. 1919, S. 455. — ") Full: Münch, med. Wochenschr. 1921, S. 1009
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
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Über die Resorption von medikamentösen Klysmen
bei Kindern.
Von
Priv.-Doz. Dr. Adolf F. Hecht.
(Kapitel V—VIII gemeinsam mit Dr. Julius Langer.)
(Aus der Universitäts-Kinderklinik in Wien [Vorstand: Prof. Dr. CI. Pirquet}.)
(Eingegangen am 5. Juli 1922.)
I. Einleitung.
Seit langer Zeit ist die rectale Einverleibung von Arzneikörpern
in Suppositorien und Mikroklysmen allenthalben in Übung; trotzdem
fehlt es an systematischen Untersuchungen über die Wirkungsweise
und die quantitativen Resorptionsverhältnisse. Die meisten Autoren
raten für die rectale Applikation dieselben Dosen wie für
die intere Darreichung an. Es wurde aber auch empfohlen, per
rectum doppelt so große Dosen als per os zu verordnen. Anderer¬
seits macht aber Magnus 1 ) darauf aufmerksam, daß Cocain und Phenol
im Tierexperiment vom Rectum aus besonders leicht Intoxikationen
hervorrufen. Diese Gefahr liegt in den eigenartigen Resorptions¬
verhältnissen der Mastdarmschleimhaut begründet. Wäßrige Lösungen
werden von den Hämorrhoidalvenen rasch aufgenommen; nun führt
im Gegensatz zur oberen und mittleren Vena haemorrhoidalis die
untere mit Umgehung des Pfortaderkreislaufes ihr Blut direkt der
unteren Hohlvene zu („anhepatischer“ Weg Rosental), so daß eine ge¬
wisse Ähnlichkeit mit der intravenösen Injektion gegeben ist. Die
Leber, deren Aufgabe ja die Entgiftung ist, wird dabei zum Teil
außer Funktion gesetzt und kann ihre Synthesen nur sehr unvoll¬
kommen durchführen.
Diese Tatsache läßt uns bei Empfehlung rectaler Applikation
von giftigen Arzneikörpern eine gewisse Vorsicht als geraten er¬
scheinen; da dieselbe aber aus dem gleichen Grund, nämlich mit Rück¬
sicht auf die unvermittelte Aufnahme in die Blutbahn, auch große
Vorteile bieten kann, erscheint ein eingehendes Studium der rectalen
Resorption verschiedener wichtiger Arzneikörper wünschenswert.
J ) Magnus, R.: Pharmakotherapie. Lehrbuch der inneren Krankheiten von
Krame und Garte, I. Jena: Fischer, 1911.
Original from
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A. F. Hecht: Resorption von medikamentösen Klysmen bei Kindern. 169
Erich Meyer 1 ) empfiehlt neuerdings warm die schon vielfach in
Verwendung stehende, bereits von Eichhorst gerühmte rectale Digitalis¬
therapie. „Die Erfahrung hat gezeigt, daß die rectale Anwendungs¬
form in ihrer Wirkung manches gemeinsam mit der intravenösen
hat und daß man mit ihr Erfolge erzielt, wo die perorale Therapie
versagt.“ Nach seiner Angabe wird 1 ccm Digipurat. liquid, in 10 ccm
Wasser mit einer kleinen Spritze 2—3 mal täglich rectal injiziert.
Über die Resorption des Zuckers aus Klysmen liegen auch
klinische Beobachtungen vor. Schon Amheim hat gezeigt, daß Dia¬
betiker Zucker besser verwerten, wenn er ihnen im Klysma ver¬
abreicht wird. Lüthje *) empfiehlt 60—100 g Traubenzucker in 5,4 proz.
Lösung (isoton) im Tropfklysma, um die Acidose zu bekämpfen. Auch
im Tierversuch stellt sich die Umgehung des Pfortadersystems nach
Lüihje als Vorteil bei der Zuckereinverleibung dar. — Spritzt man
eine isotonische Traubenzuckerlösung in die Vena femoralis, dann
erscheint weniger Zucker im Harn, als wenn man die gleiche Menge
in die Vena portae injiziert. Übrigens halten Zucker- und Wasser¬
resorption bei Zuckerklysmen in isotonischer Lösung gleichen Schritt;
denn wenn ein Teil des Klysmas nach 7—8 Stunden vom Patienten
entleert wird, wird der Zuckergehalt der Lösung unverändert ge¬
funden (5,4 °/ 0 ).
Über das Vordringen der Klysmen in höhere Darmabschnitte
wissen wir, daß ganz kleine Mengen nur das distale Kolon erreichen,
während große bis zum Coecum gelangen. Nährklysmen sollen sogar
bis in den Dünndarm hinauf fortbewegt werden können.
Über die Resorption im Darm liegen noch, abgesehen von den
Nahrungsmitteln, zahlreiche Arbeiten vor; doch fehlt es vielfach an
gesetzmäßigen Beziehungen.
Destilliertes Wasser schädigt nach O . Cohnheim die Magen- und
Darmepithelien nicht. Dieselben nehmen demnach unter allen Körper¬
zellen in dieser Hinsicht eine Ausnahmestellung ein.
Natriumchlorid und Natriumacetat werden vom Dünndarm gleich
rasch resorbiert, obwohl ihre Diffusionsgeschwindigkeit eine verschie¬
dene ist. Natriumbicarbonat wird in 1 / 9 —1 proz. Lösung neich Fried¬
rich Keller 8 ) vom Dickdarm aus nur in geringer Menge resorbiert.
Eisensalze sind leicht, die denselben nahestehenden Mangansalze
aber sehr schwer resorbierbar. Die Sulfate passieren die Wand der
*) Meyer , Erich: Über rectale Digitalistherapie. Klin. Wochenschr. 1922,
Nr. 2, S. 57.
2 ) Lüthje , Hugo: Die Behandlung des Diabetes mit Zuckerklystieren. Therap.
d. Gegenw. 1913, S. 193—195.
•) Keller , Friedrich: Experimentelle Beiträge zur Frage der Resorption im
Dickdarm. In.-Diss. Breslau 1909.
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170
A. F. Hecht:
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Blutgefäße ebenso schnell wie die Chloride, werden aber im Gegensatz
zu ihnen vom Darm kaum aufgesogen.— Zu den schwer resorbier¬
baren Substanzen gehören die Di- und Polysaccharide, Fette, Fluoride,
Oxalate, Ba-, Mg-, wahrscheinlich Ca-, Mn- und bis zu einem ge¬
wissen Grade auch die Bi-Salze. Der Dickdarm des Menschen und
des Hundes nimmt unverändertes Eiweiß (Caseinnatrium, Hühner¬
eiweiß nicht auf, peptonisiertes [Witte) wohl, aber in geringerer Menge
als der Dünndarm. Verhältnismäßig gut werden die Monosaccharide
resorbiert.
Leicht resorbierbare Lösungen werden isotonisch gemacht, w r enn
sie es nicht von vornherein sind, und zwar hypertonische durch
Resorption des Überschusses an der gelösten Substanz und hypo¬
tonische durch Resorption von Wasser; von diesem Zeitpunkt an
halten die Aufsaugung von Wasser und den gelösten Substanzen
gleichen Schritt.
Ist die gelöste Substanz unresorbierbar, dann wird Wasser bis
zur Isotonie resorbiert, wenn früher Hypotonie bestanden hatte, und
dann bleibt die Resorption stehen.
G . Diena 1 ) studierte die Resorption der unteren Darmabschnitte
bei Hunden an Fisteln im Colon descendens, indem er Kochsalz-,
Zucker- und Harnstofflösungen verschiedener Konzentrationen ein-
brachte. Wasser wird aus hypotonischen Kochsalzlösungen resorbiert,
aber bei steigender Konzentration immer weniger, und aus isotoni¬
schen Lösungen fast gar nicht mehr. Ist die Lösung hypertonisch,
dann kommt es umgekehrt zu einer Wasserausscheidung in den Darm.
Auch Kochsalz kann vom Darm ausgeschieden werden, wenn die
Lösung in dem Maß hypotonisch ist, daß der Kochsalzgehalt des
Blutserums ein höherer ist. Bei Glykose und Harnstoff aber spielt
der osmotische Druck keine Rolle. Beide Substanzen gelangen auch
aus hypotonischen Lösungen zur Resorption. Glykose wird pro¬
zentuell weniger als Harnstoff, dieser wieder weniger als Kochsalz
resorbiert.
Aus Dienas Versuchen folgt die Regel, daß man hypotonische
Lösung wählen muß, wenn man Wasser zur Resorption bringen will,
kommt es aber auf die gelöste Substanz an, dann soll die Lösung
isoton sein.
Diese Resorptionsversuche von Salzlösungen im Dickdarm stehen
im Gegensätze zu den berühmten Versuchen, die seinerzeit Heiden -
Aotn 3 ) an Dünndarmschlingen des Hundes vorgenommen hat. Von
100 ccm einer l,5proz. NaCl-Lösung waren trotz der Hypertonie
A ) Diena , G.: Studio sperimentale sull' assorbimento da parte del’ intestino
crasso. Arch. per scienze med. 35, 63—84. Ref. Maly 41, 289. 1911.
*) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 62, 331. 1896.
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Über die Resorption von medikamentösen Klysmen bei Kindern. 171
nach 25 Minuten nur 65 ccm einer lproz. Lösung noch vorhanden.
Die Resorption ist daher so verlaufen, als ob 35 ccm einer 2,4proz.
Kochsalzlösung resorbiert worden wäre; theoretisch hätte man’eine
Sekretion in den Darm erwarten müssen, die zur Auffüllung auf
150 ccm einer isotonischen Lösung geführt hätte. Bei 0,3—0,5proz.
Kochsalzlösungen verschwand das Kochsalz auch aus der Darm¬
schlinge, obwohl sein Partialdruck niedriger als im Blut ist. In
15 Minuten wurden aus 0,3proz. NaCl-Lösung 7Q°/ 0 des Salzes
resorbiert.
Diese Tatsachen lassen sich mit Diffusion und Osmose nicht er¬
klären und bestimmten Heidenhain zur Annahme einer Resorptions¬
kraft im Dünndarm, die im unteren Anteil desselben unvergleichlich
wirksamer als im oberen sein soll.
Der Darm kann außer wasserlöslichen auch lipoidlösliche Arznei-
körper aufsaugen, z. B. Salicylsäure. Eine Ausnahme bilden die
Fette; sie müssen vor der Resorption erst gespalten werden.
Der kranke Darm resorbiert ebenso wie der gesunde. Durch
gewisse Gifte geht aber die von Cohnheim nachgewiesene „Seitigkeit“
verloren, welche darin besteht, daß Wasser und gelöste Substanzen
vom Lumen aus rascher durchtreten können als in umgekehrter
Richtung.
Für therapeutische Mikroklysmen ist die Tatsache wichtig, daß
Mucilaginosa die Resorption vom Darm aus auf den 20. Teil herab¬
setzen; es ist bekanntlich gebräuchlich, bei Chloralhydratklysmen als
Vehikel Mixtur, gummosa zu verwenden.
II. Die Halogenverbindungen des Natriums.
Die CI-, Br- und J-Verbindungen des Natriums wurden in ihrem
biochemischen Verhalten vielfach miteinander verglichen, wobei ihr
verschiedenes Molekulargewicht berücksichtigt werden muß.
v. Limbeck 1 ) hat NaCI, NaBr und NaJ in 5proz. Lösung intra¬
venös injiziert und feststellen können, daß der diuretische Effekt
von NaCl und NaJ dem Molekulargewicht umgekehrt proportional
ist und mit steigender molekularer Konzentration der eingespritzten
Lösung wächst.
Molekulargewicht
Yerhältnisz&hlen der ausgeachiedenen Harnmengen
NaCl
58,5
149
NaBr 2 )
103
57
NaJ
150
60
x ) Zur Lehre der Wirkung der Salze. IV 7 . Über die diuretische Wirkung
der Salze. Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 25, 69. 1888.
-) Der diuretische Effekt des NaBr ist auffallend niedrig.
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Höher 1 ) studierte die Resorptionsgeschwindigkeit homotoner
Lösungen aus Dünndarmschlingen des Hundes und fand, daß NaCi
am schnellsten verschwindet, NaBr langsamer und NaJ am lang¬
samsten, wiewohl Wanderungsgeschwindigkeit und Dissoziation bei
den verwendeten Konzentrationen nahezu gleich sind. Nach Hof¬
meister 2 ) und Pascheies 3 ) dürfte die verschieden rasche Passage da¬
mit Zusammenhängen, daß die Jodide in den Resorptionsbahnen die
quellbaren Substanzen stärker als die Bromide und diese wieder
stärker als die Chloride zur Quellung bringen. Die Halogensalze
weisen aber untereinander nur geringe Resorptionsdifferenzen im
Vergleich zu den langsam diffundierenden Salzen auf, wie Natrium-
nitrat und gar Natriumsulfat.
Die physikalische Auffassung der Darmresorption findet nach
Höher in diesem Verhalten eine Stütze.
Die Resorption des Jodkaliums von der Analschleimhaut aus hat
Artur Friedmann 1 ) untersucht und dessen rasche Aufnahme und Aus¬
scheidung durch den Darm hervorgehoben.
III. Die Versuchsanordnung und ihre Leistungsfähigkeit.
Wir injizieren nach einem ausgiebigen Reinigungsklysma das
medikamentöse Klysma in isotoner Lösung und suchten durch eine
sorgfältige, nach bestimmtem Zeitintervall vorgenommene Darm¬
spülung den nicht resorbierten Rest wieder herauszuwaschen. Die
chemische Untersuchung ergibt den Gehalt des Spülungswassers an
der fraglichen Substanz. Durch Subtraktion läßt sich dann die resor¬
bierte Menge feststellen.
Bei dieser Versuchsanordnung mußten wir mit zwei Fehler¬
quellen rechnen.
X. Beim medikamentösen Klysma bleiben Reste im Darmrohr
und Spritze; auch können durch Pressen kleine Flüssigkeitsmengen
entleert werden. Diesen Fehler haben wir vermieden, indem wir
die Apparatur nach dem Klysma abspülten, dem Spülwasser das
Filterpapier, das als Vorlage am After gedient hatte, hinzufügten
und den durch Analyse bestimmten Verlust von der eingeführten
Menge in Abzug brachten, daher die Rubriken: eingeführt: —g, ver¬
blieben: — g.
2. Bei Beendigung des Versuchs wurde eine Darmspülung mit
1500 ccm lauwarmen Leitungswassers in 5—6 Einzelportionen vor-
*) Höher , Rudolf: Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol., a) 70, 624. 1898:
b) 74, 225. 1899; c) 74, 246. 1899; d) 86, 199. 1901.
2 ) Hofmeister: Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 28, 210. 1891.
3 ) Pascheies, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 71, 333. 1899.
4 ) Beiträge zur Resorption der Analschleimhaut. In.-Diss. Gießen: 1910.
(Original nicht zugänglich.)
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Über die Resorption von medikamentösen Klysmen bei Kindern. 173
genommen, wobei eine ziemlich vollständige Herausforderung nicht
resorbierter Lösungsreste zu erwarten ist. Wenigstens war in der
letzten Portion, wie wir uns wiederholt überzeugten, kein qualita¬
tiver Nachweis der fraglichen Substanz mehr möglich.
Wir hätten uns natürlich gerne von der quantitativen Heraus¬
beförderung nicht resorbierter Reste am liebsten durch Verwendung
einer ganz unlöslichen Substanz als Testobjekt überzeugt und in¬
jizierten zu diesem Zweck Ol. paraffini, doch konnten wir von diesem,
da es eben wasserunlöslich ist, nur 50°/ 0 wieder durch die Darm¬
waschung gewinnen. Daß die Darmschleimhaut sich von der ihr
innig aufliegenden Paraffinschicht nicht reinigen ließ, braucht nicht
weiter wunderzunehmen.
Dann zogen wir die Jodausscheidung im Harn zur Kritik unserer
Methode heran. Es ist ohne weiteres klar, daß ein ungünstiger
Ausfall dieser Probe gegen unsere Methode spricht, eine günstige
aber nichts für dieselbe beweist. Wenn von der Jodnatriumlösung
ein Teil innerhalb des festgesetzten Intervalls zwar nicht zur Auf¬
saugung gelangt ist, aber auch nicht im Spülwasser erscheint, dann
kann er eben noch später resorbiert werden und im Harn der
nächsten 24 Stunden nachgewiesen werden.
Nach Anten erscheinen auf Einnahme von 0,5 g Jodnatrium
per 08 im Harn der folgenden 35—40 Stunden 65—80°/ 0 .
Wir haben in 24 Stunden 46—58°/ 0 der resorbierten Mengen
im Harn wiedergefunden, allerdings enthielt der Harn des folgenden
Tages noch Spuren Jod. Es ist demnach gewiß der größte Teil der
im Darm verbliebenen Jodmenge resorbiert und nicht etwa mit dem
nächsten Stuhlgang entleert worden.
Berechnen wir die Fehlergrenze im Fall, der die größte Ab¬
weichungzeigt, nämlich die geringste prozentuelle NaJ-Menge in Harn:
verbliebene Menge NaJ: 0,975 g,
im Spülwasser gefunden: 0,275 g,
(Verweildauer 1 Stunde)
resorbiert: 0,700 g, d. i. 72°/ d ,
im Harn der nächsten 24 Std.: 0,319 g, d. i. 46°/ 0 .
Der Harn des folgenden Tages ist unberücksichtigt. Es sollten
aber darin enthalten sein 0,46 g, wenn 65°/ 0 resorbiert worden
wären. Ziehen wir die nicht erklärte Differenz von 0,14 g von der
resorbierten Menge ab, dann wäre statt 0,70 g nur 0,56 g Jodnatrium
resorbiert worden, also statt 72°/ 0 nur 56°j 0 bei einstündiger Ver¬
weildauer des Klysmas.
Für die Dosierungsfrage ist der Unterschied der Resorptionsgröße ,
ob 72 °/ 0 oder 56 °/ 0 , irrelevant. Für die theoretische Beurteilung der
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A. F. Hecht:
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Versuchsergebnisse ergibt sich aber die Forderung , die erhaltenen Risor -
ptionsgrößen als kaum ganz zutreffende Höchstwerte zu betrachten.
Daß die im Harn der ersten 24 Stunden gefundenen Werte
zwischen 46 und 58°/ 0 schwanken, erscheint nicht weiter auffallend,
da ja auch Anten 65—80°/ 0 gefunden hat, also eine noch größere
Spannung zwischen Minimal- und Maximalwert als wir
(46:65 und 58:82).
Das Jodstapelungsvermögen des Organismus ist offenbar ein
schwankendes und sinkt bei wiederholter Jodeinverleibung, wie im
folgenden gezeigt werden soll.
J odnatriumklysmen.
1 . ) Franz N., 10
2 . XI. im Harn
Jahre alt.
ausgeschieden
50 0/
i 0
4. XI. „
n
53 °/ n
5. XI. n «
ii
58°/o
der resorbierten Jodinengo.
21 . XI. v u
ii
46 »/o J
Am 3. XI. wurde im Harn bereits eine so geringe Jodmenge
gefunden, daß protrahierte Jodausscheidung zur Erklärung des fort¬
laufenden Ansteigens der Werte nicht in Betracht kommt, nämlich
0,003 Jodnatrium, so daß statt 50°/ 0 50,5 °/ 0 einzusetzen wäre.
In den 2—3 tägigen Intervallen stieg also die prozentuelle
Jodnatriumausscheidung an, d. h. die Jodspeicherung im Organismus
sank,' nach einem Intervall von 16 Tagen verhielt sich die Jod¬
retention wieder wie zu Beginn der ersten Versuchsreihe.
2 .) Liesl St., 6 8 / 4 Jahre alt.
29. XI. im Harn ausgeschieden
1 . XII. « ?? n
51 0 f
57
o? .
Io 1
7„i
der resorbierten Jodmenge.
Die Übereinstimmung beider Versuche, die das sinkende Jod¬
stapelungsvermögen durch Ansteigen der Ausscheidungsmengen im
Harn von 50 auf 58°/ 0 und von 51 auf 57°/ 0 zeigt, ist gleichzeitig
ein Beweis, daß den Untersuchungsergebnissen , wenn auch keine abso¬
lute Genauigkeit , so doch Vergleichbarkeit zugesprochen werden kann.
IV. Die Methodik der chemischen Untersuchung.
Die Salzlösungen wurden für die Klysmen immer nur in iso¬
tonischer Konzentration hergestellt. Die Berechnung der Isotonie
beruht auf den isotonischen Koeffizienten nach de Vries 1 ).
x ) Nach Hamburger: Osmotischer Druck und Ionenlehre in den medizinischen
Wissenschaften. Bergmann, Wiesbaden 1902.
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über die Resorption von medikamentösen Klysmen bei Kindern. 175
Für NaCl 0,85 °/ 0 ,
n NaBr 1,5 °/ 0 ,
» NaJ 2,18°/ 0 .
Alle drei Salze kann man bei 170° bis zur Konstanz trocknen.
Für die CI-Bestimmung verwendeten wir die Titration nach Volhard>
modifiziert nach Drechsel .
Die Chloridlösung wurde in einen 200 ccm fassenden Meßkolben
gegeben, dann im Überschuß n/10 AgNO s -Lösung zugefügt, mit HN0 3
angesäuert und geschüttelt, bis sich der Niederschlag zusammen¬
ballte und die darüber stehende Lösung geklärt war; dann wurde
bis zur Marke mit Wasser aufgefüllt, durchgemischt und durch ein
trockenes Filter gegossen. Die ersten 10 ccm wurden nicht ver¬
wendet. Vom klaren Filtrat wurden 50—100 ccm abpipettiert
und mit Eisenammonalaun als Indicator, der Silberüberschuß mit
n/10 Rhodanlösung bis zur bleibenden Rotfärbung zurück titriert.
1 ccm n/10 AgN0 3 = 0,003546 g CI.
Die Brombestimmung nach Bunsen 1 ) beruht auf dem Freiwerden
von Brom bei Zusatz von Chlorwasser:
2 KBr + 2 CI = 2 KCl + Br 3 .
Die farblose Bromidlösung wird mit titriertem Chlorwasser ver¬
setzt, wobei eine Gelbfärbung eintritt. Das Brom wird durch Er¬
hitzen der Lösung vertrieben; dadurch wird die Flüssigkeit wieder
farblos. Der Endpunkt ist das Ausbleiben der Gelbfärbung auf
Chlorwasserzusatz.
Vor jedem Versuch muß die Cl-Lösung mit einer Bromnatrium¬
lösung von bekanntem Gehalt gestellt werden. Die Bürettenspitze
soll fast an das Flüssigkeitsniveau heranreichen (sonst CI-Verluste).
Unter diesen Voraussetzungen ist die Methode sehr empfindlich.
Eine Bromnatriumlösung von 1: 5000 färbt sich noch deutlich gelb.
Sehr einfach ist auch die colorimetrische Methode . In gleiche
graduierte Zylinder mit eingeriebenem Glasstöpsel füllten wir je
40 ccm einer Bromidlösung von bekanntem wechselndem Gehalt,
fügten 10 ccm CI-Wasser und 5 ccm Schwefelkohlenstoff hinzu. Nach
Durchschütteln wartet man das Ab setzen des Schwefelkohlenstoffs
ab, der sich durch Aufnahme des ganzen freigewordenen Br gelblich
bis rotbraun färbt. Durch 3—4 Proben gelingt es jedesmal rasch,
die mit der fraglichen Lösung übereinstimmende Färbung zu erzielen.
Die Jodbestimmung wurde nach der altbekannten Methode von
Fresenius a ) vorgenommen, beruhend auf der Zersetzung des Jodids
durch Zusatz von HN0 2
_ 2HJ + 2HNO a = 2H 3 0 + 2NO + 2 J.
*) Aus Treadtvell, F. P.: Analytische Chemie 1, 5. Aufl.
2 ) Aus Treadwell . F. P.: Analytische Chemie 1, 5. Au fl.
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Hierzu benützt man ein etwa 120 ccm fassendes zylindrisches, mit
eingeriebenem Glasstöpsel verschließbares Gefäß, von dessen Boden
entfernt ein Ausflußhahn so angebracht ist, daß der unter diesem
befindliche, nicht entleerbare Raum verjüngt zylindrisch ist und
etwa 10 ccm faßt.
Man säuert die Lösung (etwa 75 ccm) mit verdünnter H a S0 4
an und fügt 5 Tropfen einer 2proz. Natriumnitritlösung hinzu.
Schwefelkohlenstoff wird bis zum Niveau des Ausflusses eingegossen
und dann geschüttelt. Der Schwefelkohlenstoff setzt sich dunkel¬
violett gefärbt ab. An der Wand adhärierende Tröpfchen werden
durch Drehen hinunterbefördert. Nun läßt man die überstehende
Flüssigkeit durch ein nasses Filter fließen, daß die noch suspendierten
CS a -Tröpfchen auffängt. Die Hauptmasse des CS a bleibt aber im
Gefäß zurück. Man füllt mit destilliertem Wasser auf und wäscht
dreimal nach, bis keine deutlich sauere Reaktion mehr vorhanden ist;
dann durchlöchert man das Filter und spült den Schwefelkohlenstoff
mit der Spritzflasche wieder zu dem übrigen, fügt 2 Tropfen einer
konzentrierten Lösung von Natr. bicarbon. hinzu und titriert mit
n/10 oder auch mit n/100 Natr. Thiosulfat-Lösung.
n/10 Na thiosulfat = 0,015 g NaJ,
n/100 Na thiosulfat = 0,0015 g NaJ.
Im Verlauf der Untersuchungen kombinierten wir CINa mit
BrNa, CINa mit JNa, BrNa mit JNa und endlich CINa, BrNa und JNa.
Die Jodbestimmung ließ sich in allen Fällen nach Fresenius
durchführen, BrNa störte dabei nicht. Aber bei der Brombestimmung
wird durch das CI-Wasser auch Jod frei. Man muß die nach
j Fresenius bestimmte JNa-Menge, als BrNa-Äquivalent berechnet,
also mit 103/150 multipliziert, in Abzug bringen und erhält so den
BrNa-Wert.
Bestimmt man bei Anwesenheit aller drei Halogensalze das
Silberhalogen nach Volhard , dann ist der JNa-Wert als NaCl-Äqui-
valent (58,5/150) und der BrNa-Wert als NaCl-Äquivalent (58,5/103)
vom Gesamtwert als NaCl berechnet abzuziehen, um NaCl zu er¬
halten.
V.
A. Jodnatriumyersuche.
50 ccm einer beiläufig isotonischen Lösung (2,18 °/ 0 ) werden im
Klysma verabfolgt, also 0,990 g, auch 0,922 g JNa (s. folg. Tabelle).
Die Versuche bei Franz N. ergeben bei 1—4 ständiger Verweil¬
dauer eine Resorptionsgröße von 72, 82, 96 und 99°/ 0 . Sehr diffe¬
rent sind die Halbstundenversuche bei Liesl St., 17 und 58°/ 0 . Da
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über die Resorption von medikamentösen Klysmen bei Kindern. 177
Datum \
NaJ-Gehalt
des Klymas
Verlost bei
Einführung
des Klymas
Eingeführte
NaJ-Menge
NaJ-Menge im
Spülwasser
nach
Resorbierte
NaJ-Menge
Im Harn der
ersten 24 Std.
ausgeschieden
g
g
g
g | Std.
* 1 %
_ « 1 0/ °
Franz N., 10 Jahre alt, Körpergewicht 20,2 kg, Si = 63, Encephalitis lethargiea.
21.
XI.
0,990
0,015
0,975
0,275
1
0,700
72
0,319
4.
XI
0,922
0,048
0,874
0,131
2
0,743
82
0,396
5.
XI.
0,922
0,441
0,481
0,016
3
0,465
96
0,297
2.
XI.
0,922
0,05
0,872
0,007
4
0,865
99
0,433
Liesl St., 6*/ 4 Jahre alt, Körpergewicht 17,3 kg, Si = 60,5, akut. Gelenkrheum&t.
29. XL j r 0,990 0,153 ' 0,837 I 0,697 I x /a I 0,140 I 17 I 0,072 I 51
1. XD. |i 0,990 0,048 0,942 | 0,505 | >/ 3 | 0,437 j 58 | 0,249 | 57
Hermine F., 7 8 / 4 Jahre alt, Körpergewicht 23 kg, Si = 66, Chorea minor.
16. XII. I| 0,990 0,045 0,945 | 0,044 j 2 | 0,901 , 95 | 0,564 | 63
ein so niedriger Resorptionswert wie 17 °/ 0 weder zum Einstunden¬
versuch noch zur Wiederholung des Versuches stimmt, ist vielleicht
ein Versuchsfehler nicht auszuschließen.
B. Bromnatriumversuche.
50 ccm einer isotonischen Lösung (l,5°/ 0 ) im Klysma, also
0,75 g BrNa.
j NaBr-
Verlust bei
. -
NaBr im Spül-
1 " ~
Datum
Gehalt des
Klysmas
Einführung
desselben
Eingeführte
NaBr-Menge
wasser
nach
Resorbierte NaBr-Menge
I «
g
g
g
Std.
L _i
L 0/ »
Franz N.,
10 Jahre alt, Körpergewicht 20,2 kg, Si --
63, Encephalitis lethargiea.
16. I.
1 0,75
I 0,04
0,71
0,15 1
7*
0,56
79
20. I.
0,75
0,05
0,70
0,09 i
1
0,61
87
17. I.
0,75
0,06
0,69
0,07
| 2
0,62
89
14. I.
, 0,75
0,06
0,69
max. 0,03
j 3
min. 0,66
min. 95
23. 1.
1 0,75
0,05
0,70
Spur
1 ^
0,75
100
Fr. Sn.
, 12 Jahre alt, Körpergewicht 24 kg, Si =
68, Lues, tumor hepatis.
22 . n.
0,75
0,05
0,70
0,1
1
0,60
85,7
i6. n.
: 0,75
0,12
0,63
0,025
1 2
0,605
96
20 . n.
| 0,75
0,05
0,70
Spur
j 3
0,70
100
24. II.
1 0,75
0,05
0,70
0,005
3 V,
0,695
99,5
Der Vergleich der NaBr- mit den NaJ-Werten ergibt eine wesent¬
liche Beschleunigung der Bromresorption gegenüber der Jodresorption.
Durchschn.
Zeit BrNa
JNa
Differenz
l .'„ h 79%
17%. 38%
21%
l h 87 %, 85,7 %
72%
14,5%
2" 89 %, 96 %, durchschn. 92,5 %
82 %, 95 %, durchschn. 8
8,5% 4%
6 h min.95 %, 100%
96%
2%
4“ 100%, 100%
99%
1%
Z. f. d. g. exp. Med. XXX. \ >
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178
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Mit zunehmender Verweildauer gleicht sich die Differenz immer
mehr aus, aber im Halbstunden- und Einstundenversuch ist die Bromid -
resorption der Jodidresorption um 21°j 0 resp. 14,5 °/ 0 voraus.
C. Chlornatrium versuche.
Eine exakte Durchführung der NaCl-Versuche scheitert an der
Tatsache, daß eine Darmspiilung drei Stunden nach einem Reinigungs¬
klysma vorgenommen, auch relativ große Kochsalzmengen enthält,
nämlich in etwa 1 1 / 2 Litern = 0,122 g NaCl.
Nun wurde bei den Spülungen nach Applikation von 100 ccm
physiologischer NaCl-Lösung (0,85 °/ 0 ) gefunden:
13. III. Bruno L., ll 1 / 3 Jahre alt, Körpergewicht 32,8 kg, Si = 71,
Struma vasculosa. 100 ccm 0,85 °/ 0 , 1 Stunde, verblieben 0,248,
abzüglich 0,1 = 0,146, resorbiert 0,70 g =- 82 ° 0 .
Franz N. (wie oben)
Abzüglich 0,1 g
(Minimalwert)
ll h
2
0,197 g NaCl
0,097
l h
0,190 g „
0,09
2 h
0,136 g „
0,036
0,114 g „
0,014
4 h
0,098
0
Approximative
Resorption
*8 o/o 1
89 o/ 0 \
98 °' )
Mini mal werte.
Daraus geht hervor, daß bei NaCl schon von der zweiten Stunde
an von einem nicht resorbierten Rest nicht mehr die Rede sein
kann und daß das Chlorid rascher als das Bromid und noch rascher
als das Jodid resorbiert wird, wenn es der Mastdarmschleimhavl in
isotonischer Lösung dargeboten wird.
Im Einstundenversuch verhallen sich bei demselben Kind die Jodid -
zur Bromid - zur Chloridresorption wie 72:87:89, {Franz N.)
im Zweistundenversuch wie 82:89 : 98.
Verschiedene Individuen sind nicht miteinander vergleichbar, da
ira Zweistundenversuch mit Jodnatrium der 10 jährige Franz N. 82°/ 0 ,
die 7 8 / 4 jährige Hermine F. 95°/ 0 resorbiert. Es bestehen also beträcht¬
liche individuelle Unterschiede.
Was die tatsächlich der Resorption zur Verfügung stehenden
Mengen anlangt, so waren wir beim Jodid und Bromid bestrebt,
äquimolekulare Mengen zu geben, was infolge der unvermeidlichen
Verluste durch Pressen ja nur manchmal gelingt.
So verblieben im Einstundenversuch bei Franz N.:
i
vom Jodid: 0,975 g resorbiert wurden 0,700 g
vom Bromid: 0,700 g „ „ 0,61g
975: 700 = 150: 100 (statt 103), 700:610= 150:130 (statt 103).
also beiläufig äquimolekular. Das äpuimolekulare Verhältnis ist
durch raschere Bromresorption er¬
heblich gestört.
Original from
UNIVERSITY 0F MINNESOTA
Über die Resorption von medikamentösen Klysmen bei Kindern. 179
Bei den Kochsalzklysmen verzichteten wir auf die äquimolekularen
Mengen von vornherein, da ja 0,425 g NaCl bei dem bereits im
blinden Versuch gefundenen Kochsalzgehalt von 0,098—0,122 g kaum
einigermaßen verläßlich hinsichtlich der Resorptionsgröße hätte ver¬
folgt werden können, und gaben 100 ccm physiologischer Lösung,
also 0,85 g NaCl. Dadurch, daß wir den Kochsalzgehalt des blinden
Versuchs mit 0,1 g ansetzten und doch höhere Resorptionswerte
als beim Bromid und Jodid erhielten, ist die NaCl-Resorption als die
rascheste von den drei Halogensahen sichergestellt , wenn auch nicht
zahlenmäßig genau.
VI. Kombinierte Jodid-, Bromid- und Chloridversuclie.
Wenn man von einer 2,18 proz. Jodnatriumlösung 20,6 ccm, von
einer 1,5 proz. Bromnatriumlösung 30 ccm und einer 0,9 proz. Chlor¬
natriumlösung 50 ccm nimmt, dann enthält jede Portion 0,45 g
Salz. Während wir in den Versuchen V., A., B. und C. annähernd
äquimolekulare Mengen verwendet haben, injizieren wir nun die
gleichen Gewichtsmengen in Kombination, usw.
1 . Jodid-Bromid, 2. Jodid-Chlorid, 3. Bromid-Chlorid und
4. Jodid, Bromid und Chlorid.
Durch diese Versuchsanordnung machten wir uns von dem
Fehler ungenügender Herausbeförderung des nicht resorbierten Restes
vollkommen unabhängig, da uns ja nur an der Feststellung des
gegenseitigen ResorptionsVerhältnisses gelegen war.
Die Verweildauer betrug in allen weiteren Halogen versuchen
eine Stunde, weil bei diesem Zeitraum die Unterschiede am deut¬
lichsten sind.
1. Jodid-Bromid.
Josef K., 12 Jahre alt, Gewicht: 26 Si 71, Purpura haemorrhagicn.
18. III. 1922. Einßtundenversuch.
Klysma. In 30 ccm Lösung BrNa = 0,45 g, Verlust 0,05 g. verblieben 0,40 g
In 20,6 „ „ JNa — 0,45 g „ 0,05 g „ 0,40 g
Im Spülwasser (nach Fresenius) 0,094 g NaJ.
Verbrauch an AgN0 3 -Lösung: 29,5 ccni|(l ccm = 0,00562 g NaCl)
/ (1 „ m= 0,0144 g NaJ)
abzüglich 0,1 g NaCJ, diese brauchen
AgNOy-Lösung: 17,8 ccm
11,7 ccm entsprechen 0,17 g NaJ
0,094 g NaJ (Fresenius)
0,076 g NaJ,
dem entsprechen 0,052 g NaBr.
Bei Berücksichtigung des Kochsalzgehaltes von 0,1 g im Blindversuch er¬
gibt sich 0,052 g NaBr im Spülwasser.
Für NaJ resorbiert: 0,306 g 77,5 °/ (>
NaBr „ 0,340 g 87 %
12 *
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
180
A. F. Hecht:
Digitized by
Die isotonische Mischung gleicher Gewichtsmengen NaBr und NaJ
wird in der Weise resorbiert , daß in einer Stunde mehr Bromid als
Jodid aufgesogen wird , u. zw. im Verhältnis von 87:77,5 oder bei¬
läufig 10:9.
Bei gleich rascher Resorption äquivalenter Mengen sollten sich
die Jodid- zu den Bromidmengen wie 150:103 verhalten; das Jodid
bleibt also lei der Resorption hinter dem Bromid an Gewichtsmenge ,
noch viel mehr aber an Äquivalent zurück .
2. Jodid-Chlorid.
Franz N., 10 Jahre alt, Gewicht 20,2 kg, Si 63, Encephalitis lethargiea.
11. 111. Einstunden versuch.
Klysma. In 20,6 ccm JNa = 0,45 g, Verlust 0,05 g, verblieben 0,40 g
In 50 ccm CINa = 0,45 g, „ 0,05 g, n 0,40 g
Im Spülwassser (nach Fresenius ) 0,110 g NaJ.
x Verbrauch an AgN0 3 -Lösung: 60,0 ccm
abzüglich 0,1 g NaCl, diese
brauchen an AgNO.,-Lösung: 17,8 ccm
42,2 ccm, entsprechen 0,61 NaJ
— 0,110 NaJ
0,5 g NaJ, dem entsprechen
0,19 g NaCl.
NaJ: Resorbiert 0,290 g, also 72,5 %
NaCl: „ 0,21 g, also nur 52,5%.
Da die Äquivalente von NaJ und NaCl sich wie 150:58,5 ver¬
halten , so wird nach der Proportion 150:58,5 = 72,5:27,5 fast doppelt
soviel Chlorid - als Jodidäquivalent resorbiert, j
3. Bromid-Chlorid.
Josefine H., 10 Jahre alt, Gewicht 21,9 kg, Si 67 cm, Hemiatrophia
facialis.
a) 19. III. Einstundenversuch.
Klysma: In 27 ccm BrNa = 0,40 g, Verlust 0,01 g, verblieben 0,39 g
„ 44 „ CINa — 0,40 g „ 0,01 g „ 0,39 g
Im Spülwasser (titriert und colorimetr.): 0,15 g NaBr
Verbrauch an AgNCX,: 45,0 ccm
abzüglich 0,1 g NaCl,
diese brauchen AgNO 3 : 17,8 ccm
27,2 ccm entsprechen 0,272 g NaBr
— 0,15 g NaBr
0,122 g NaBr, dem entsprechen
0,073 g NaCl.
NaBr: Resorbiert 0,24 g, also 61,5 %
NaCl: „ 0,32 g, „ 82%.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Über die Resorption von medikamentösen Klysmen bei Kindern. 181
b) 20. III. Einstandenversuch bei Josefine H.
Klysma: In BO ccm BrNa = 0,45 g, Verlust 0,08, verblieben 0,37 g
In 50 „ CINa = 0,45 g, „ 0,08, „ 0,37 g
Im Spülwasser (titriert) 0,22 g NaBr.
Verbrauch an AgN0 3 -
Lösung: 73,0 ccm
abzüglich 0,1 g NaCl,
diese brauchen 17,8 ccm
55,2 ccm entsprechen 0,552 g NaBr
— 0,22 g N aBr
0,332 g NaBr, dem entsprechen
0,188 g NaCl.
NaBr: Resorbiert 0,15 g 40,5 °/ 0
NaCl: „ 0,162 g 44 °/ 0 .
Die NaBr-Resorption betrug in zwei aufeinanderfolgenden Tagen
einmal 61,5 °/ 0 , das andere Mal 40,5 °/ 0 , war also niedriger, als wenn
NaBr allein injiziert wird.
Die NaCl-Resorption war einmal 44 °/ 0 , einmal 82 °/ 0 . Es läßt
sich nicht entscheiden, ob der Kochsalzgehalt des Spülwassers allein
an dieser Differenz schuld ist oder ob wirklich so beträchtliche
Unterschiede in der Resorption Vorkommen. Jedenfalls werden in
beiden Versuchen viel mehr Chlorid - als Bromidäquivalente resorbiert ,
das Verhältnis wäre 58,5:103.
4. Jodid-Bromid und Chlorid«
a) Josef K., 12 Jahre alt, Gewicht 26 kg, Si 71 cm, Purpura hämorrhagica.
2. III. 1922.
In 100,6 ccm! 20,6 ccm NaJ 0,45 g, Verlust 0,02 g, verblieben 0,43 g
Lösung { 30,0 „ NaBr 0,45 g, „ 0,02 g, „ 0,43 g
1 Stunde 150,0 „ NaCl 0,45 g, „ 0,02 g, „ 0,43 g
Der Vorgang bei der Bestimmung wie oben.
Q INaJ nach Fresenius 0,131 g, resorbiert 0,299 70 °/ 0
im Spul- I Naßr mit Aq chlori 0;24 g ^ 0,19 44 o j Q
wasser [ NaC i berechnet o,153 g ^ 0,277 64 %
b) Bruno L., 11 1 / fl Jahre alt, Gewicht 32,8 kg, Si 71 cm, Struma vasculosa.
7. III. 1922. Lösungsgemisch wie oben. NaJ, NaBr, NaCl, je 0,43 g ver¬
blieben. 1 Stunde.
. o ... ( NaJ nach Fresenius 0,1275 g, resorbiert 0,3025 g 70 °/ 0
lm fcpul- I Naßr mit Aq chlor . 0 233 g ^ 0, 197 g 46 °/ 0
wasser ( NaCl berechnet 0,163 g „ 0,267 g 62°/ fl
c) Franz N., 10 Jahre alt, Gewicht 20,2 kg, Si 63, Encephalitis lethargica
9. III. 1922. Wie oben. NaJ, NaBr, NaCl je 0,43 g verblieben.
Q ... (NaJ 1 0,09 g, resorbiert 0,34 g 79 # / 0
im aput- ^ NaBr j. wje oben 0 ,223 g . 0,207 g 48.. r ) °' 0
wasser ^ NaC1 J 0,112 g „ 0,318 g 74 °/ 0 .
Difitized
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182
A. F. Hecht:
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d) Adolfine H., 10 Jahre alt, Gewicht 21,9 kg, Si 67, Hemiatrophia facialis.
23. III. Wie oben. NaJ, NaBr, NaCl je 0,40 g verblieben.
... ( NaJ 1 0,096 g, resorbiert 0,304 g 75%
'3 {NaBr wie oben 0,20 g r 0,20 g 50%
w&ssor 1 NaC1 l 0,043 g „ 0,352 g 91,5 %
Es wurden gleiche Teile von NaJ, NaBr und NaCl, und zwar in Versuch
4a), b), c) je 0,43 g, in Versuch 4d) 0,40 g verabfolgt.
NaJ-Resorption : 0,299 g, 0,303 g, 0,34 g, 0,30 g
70 0 / 700 / 700 7 * 0 ;
I0> i0> f 0> i 0*
durchschnittlich 73,5 °' () also ziemlich gleichmäßig und beiläufig so hoch, als
wenn NaJ allein injiziert worden wäre.
Na Bf’Resorption:
0,19 g
0.197 g
0,207 g
0,20 g
4*°lo
46°/o
50,5°l 0 , durchschnittl. 47,2°!
N aCl-Resorption:
0,277 g
0,267 g
0,318 g
0,366 g
64%
62%
74%
88%, durchschnittl. 72%.
Die Jodid- sollte sich zur Bromidresorption wie 150:103 ver¬
halten, das stimmt beiläufig 73,5:47,2, und zur Chloridresorption
wie 150:58,5.
Die Chloride werden aber viel rascher resorbiert, einmal sogar
nicht nur nach dem Äquivalentverhältnis, sondern auch absolut.
Die Bromide fallen aus der Reihe, indem sie im Gemisch der
drei Halogensalze nur in äquimolekularen Mengen wie die Jodide,
aber nicht rascher resorbiert werden.
Es scheint , daß NaBr und NaJ einander in der Resorption nicht
stören , daß NaCl die Aufsaugung des NaJ auch nicht beeinträchtigt ,
wohl aber die des NaBr (sowohl in den Versuchen 3a und b als in
den Versuchen 4 a, b, c, d), denn im Einstundenversuch beträgt die
Resorption
für NaBr allein
„ neben NaJ
r r> NaCl
NaCl und NaJ
87% und 85,7%
87%
/ 61,5%
l 40,5%
44%
46%
48,5%
50,5%.
VH. Natr. salicyl.
Natr. salicyl. wurde in isotonischer 2,33proz. Lösung verwendet
und jedesmal 50 ccm injiziert, also 1,6 g.
Die Bestimmung gelingt leicht colorimetrisch, wenn man genau
die gleiche Menge Eisenchlorid zusetzt und beim Wasser der Darm¬
spülung auch auf genaue neutrale Reaktion achtet.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Über die Resorption von medikamentösen Klysmen bei Kindern. 183
Na salicyl.-Ge-
Verlast bei
Eingeführte
Na salicyl.-Menge
Resorbierte
halt des Klysmas
Einführung
Na salicyl. -
Menge
im Spülwasser i
Na salicyl.-Menge
8
8
8
8
| nach Std. |
8
Anna Sch., 6 1 /* Jahre alt, Gew.
18,6 kg,
Si 62, Gesiohtsekzem.
1,165
0,15
1,01
0,51
1
0,50 — 49 0 o
1,16
0,08
1,08
0,26
2
0,82 = 76«/ 0
1,16
0,04
1,12
0,24
3
0,88 = 78 °/ 0
1,16
0,08
1,08
0.23
4
O
cT'
00
II
£
©
Marta A., 11
Jahre alt,
Gew. 44,2 kg, Si 77,5,
Rekonv. nach Chorea minor.
1,16
0,08
1,08
0,52
1
0,56 = 52»,,,
1,16
j 0,07
1,09
0,25
l 2
0,84=77 °/ 0
Die Resorption von Na salicyl. bleibt erheblich hinter derjenigen von
Halogensalzen des Natriums zurück; auch wenn man das NaJ, das
schwerst resorbierbare Salz, zum Vergleich heranzieht.
1 2 3 4 Stunden
Na salicyl. 49 76 7s 80°/ 0
NaJ 72 82 96 99°/ 0
VIII. Chloralhydrat.
Chloralhydratklysmen haben in der kinderärztlichen Praxis eine
ausgedehnte Anwendung gefunden und wirken prompt schlaferzeugend.
Es wäre gewiß sehr interessant, bei Eintritt der Schlafwirkung sich
vom Resorptionsverhältnis zu überzeugen, doch geht es meist nicht
an, das beruhigte Kind durch eine Darmspülung zu stören. Unsere
Versuche sind daher nicht als abschließend anzusehen. Chloralhydrat
wird bekanntlich meist in schleimigem Vehikel verordnet; es wirkt
aber auch in wässeriger Lösung nicht darmreizend, wenigstens beim
älteren Kind, was für den Zweck möglichst rascher Resorption vor¬
teilhafter wäre, denn Mucilaginosa verzögern die Resorption erheblich.
Die Zusammensetzung unseres Klysmas war jedesmal:
Chloralhydrat 0,5
Mucil. Gummi arabio. ad 5,0
Aqu. destillat. ad 50,0.
Technik der Chloralhydralbestimmung [Kalomelmethode nach
C. Archangelsk *)]. Die Methode beruht auf der Zersetzung des Chlo-
ralhydrats bei saurer Destillation in Chloroform und Ameisensäure.
Letztere verwandelt das Sublimat in Kalomel. Die mit 20proz. Lö¬
sung von H 3 P0 4 angesäuerte Lösung wird der Wasserdampfdestillation
unterworfen, bis im Destillat auf Neutralisation mit n/10 NaOH und
Zusatz der gleichen Menge konzentrierter wässeriger Sublimatlösung
l ) Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 46, 347, 1901.
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184
A. F. Hecht:
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keine Trübung mehr auftritt. (Noch 0,00006 g Chloralhydrat geben
in 5 ccm Destillat deutliche Trübung.) Das Destillat wird nun mit
n NaOH deutlich alkalisch gemacht, auf dem Wasserbad auf etwa
30 ccm eingeengt und mit Essigsäure neutralisiert (scharf, durch ent¬
weichende C0 9 wird die Lösung leicht wieder alkalisch), dann Zu¬
satz von gleicher Menge konzentrierter Sublimatlösung. Überschüssige
NaOH führt zur Bildung von zitronengelbem Quecksilberoxychlorid
(HgCl 9 • 3 HgO), auf dem Wasserbad bilden sich dann schwarze Flocken
von HgCl 3 -2 HgO; dadurch erhält man zu hohe Werte [O. Dämmer 1 )].
Eine leichte Gelbfärbung des Kalomels auf dem Filter beim Trocknen
ist bedeutungslos. Nach 1—2 Stunden setzt sich ein flockiger Nieder¬
schlag ab, von dem abfiltriert wird. Das Filtrat kommt durch
6 Stunden ins kochende Wasserbad, der sich dabei bildende Nieder¬
schlag von Kalomel wird 2 Stunden absetzen gelassen, abfiltriert,
gewaschen, getrocknet und gewogen. Aus dem Kalomel errechnet
man das Chloralhydrat durch Multiplikation mit 0,3510.
Unsere Patienten waren zwei Fälle von Chorea und ein Fall von
Ekzem mit unaufhörlichem Juckreiz.
1. Martha A., 11 Jahre alt, Gew. 44,2 kg, Si 77,5 cm, Chorea minor.
a) 10. XII. 0,5 Chloralhydrat.
Verweildauer 4 Stunderi, war schläfrig, schlief aber nicht.
Verlust 0,15 g, verblieben 0,35 g.
Gehalt des Spülwassers: 0,189 g, resorbiert 0,311 g = 88°j 0 .
b) 15. Xn. 0,5 Chloralhydrat.
Verweildauer 1 Stunde , war nicht schläfrig.
Verlust 0,28 g, verblieben 0,22 g.
Gehalt des Spülwassers 0,16 g, resorbiert 0,06 g*= 27°; 0 .
2. Hermine F., 7*/ 4 Jahre alt, Gew. 23 kg, Si 66 cm, Chorea minor.
21. XII. 0,5 Chloralhydrat.
Verweildauer 2 Stunden , war schläfrig.
Verlust 0,13 g, verblieben 0,37 g.
Gehalt des Spülwassers 0,08 g, resorbiert 0,29 g =78 °/ 0 .
3. Anna Sch., 6 1 /« Jahre alt, Gew. 18,6 kg, Si 62 om, Eczema faciei.
a) 27. XII. 0,5 Chloralhydrat.
Verweildauer 2 Stunden, war schläfrig.
Verlust 0,15 g, verblieben 0,35 g.
Gehalt des Spülwassers 0,13 g, resorbiert 0,22 g = 50,5%.
b) 28. XII. 0,5 Chloralhydrat.
Verweildauer 1 Stunde, hat nach 8 / 4 Stunde 20 Minuten geschlafen,
zur Darmspülung geweckt.
Verlust 0,16 g, verblieben 0,34 g.
Gehalt des Spülwassers 0,153 g, resorbiert 0,187 g=^ 5,5 °/ 0 .
*) Handb. d. anorg. Chem. II, 2, 857.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
Über die Resorption von medikamentösen Klysmen bei Kindern. 185
Die schlaferzeugende Dosis betrug bei einem 6 1 / 3 jährigen Mäd¬
chen von 18,6 kg Körpergewicht und 62 cm Sitzhöhe 0,187 g, eher
noch weniger, da das Kind bereits 20 Minuten schlief.
Die Resorption ist bei 1 Stunde 27 °/ 0 , 55°/ 0 ,
bei 2 Stunden 59,5 °/ 0l 78 °/ 0 ,
bei 4 Stunden 88 °/ 0 .
Die Resorption von Chloralhydrat geht also etwa mit derselben Ge¬
schwindigkeit wie von Natr. salicyl . vor sich. Es scheint aber ein Bruch¬
teil (höchstens 1 / ;? der verabfolgten Dosis) zur Einleitung des Schlafes
zu genügen.
IX. Die Resorption von Campherklysmen.
(Gemessen am Gehalt des Harns an Campherglykuronsäure.)
Der per os aufgenommene Campher wird in der normalen Leber
gepaart und als Campherglykuronsäure ausgeschieden. Die quan¬
titative Bestimmung der letzteren im Harn beträgt in den ersten
24 Stunden meist über 90°/ 0 [Stejskal und Grünwald 1 )].
Dies ist leicht durchzuführen, da die linksdrehende Campher¬
glykuronsäure auch mit einem für Dextrose geeichten Polarimeter
bestimmt werden kann. Dextrose ( a )o — + 52 > 8
Campherglykuronsäure («) D =—32,5.
Man multipliziert also die für Dextrose ermittelte Drehungszahl
noch mit 1,6 und erhält Campherglykuronsäure.
Campher: Campherglykuronsäure = 152,16 : 362,26 (nach den Mo¬
lekulargewichten).
Den Campher berechnet man aus der Campherglykuronsäure
durch Multiplikation mit 0,42.
Bei Campherklysmen ist eine unvollständige Paarung zu er¬
warten, da ja, wie eingangs erwähnt, zum Teil eine direkte Einver¬
leibung in das Venensystem mit Umgehung der Pfortader erfolgt.
Man erhält also nur Minimalwerte . Es wurde sowohl Ol. camphora-
tum als auch Kadechol (Ingelheim), eine 17 °/ 0 Campher enthaltende
Verbindung des Japaneamphers mit Desoxycholsäure, verwendet.
1. Grete D., 12 Jahre alt, Tbc. pulmonum.
Klysma: 5 g Kadechol, enthaltend 0,85 g Campher, in 50 g warmer Milch
aufgeschwemmt.
Ham
nach Stdn.
3
Campher¬
glykuronsäure
0,08
6
0,12
Campher
0,04 nach 3 Stunden geformter
Stuhl, Kadechol enthaltend.
0,06
0 Wien. klin. Wochenschr. 22, Nr. 30, 1909.
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186
A. F. Hecht:
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In 6 Stunden waren 0,1 g Campher resorbiert und ausgeschieden
worden, wenn man vom anhepatisch resorbierten Campher absieht.
2. Konr&d F., 11 Jahre alt, Tbc. pulmonum.
Dieselbe Dosis Kadechol im Klysma.
Ham
Campher-
glykarona&ure
Campher
nach Stdn.
3
0,08
0,04
nach 3 Stunden geformter
Stuhl, Kadechol enthaltend.
6
0,11
0,055
Also das gleiche Ergebnis.
3. Grete D., Wie Versuch 1.
Ham
Campher-
glykurona&nre
Campher
nach Stdn.
3
0,18
0,09
6
0,09
0,045
9
0,12
0,06
12
0,1
0,05
nach ll 1 /* Stunden dünn¬
flüssiger Stuhl, Kadechol
enthaltend.
15
Spur
0,24
Die Ausscheidung war nach 16 Stunden beendet und hat für
0,85 g Campher 0,24 g, also mehr als ein Viertel, ergeben.
Der Verlust durch den Stuhlgang, sowie die bloß den gepaarten
Campher berücksichtigende Bestimmung lassen den Wert als tief
unter der Gesamtresorption liegend erscheinen.
4. Konrad F., Wie Versuch 2.
Ham
nach Stdn.
3
6
9
Campher*
glykuronsäure
0,24
0,12
deutliche Spur
Campher
0,12
0,06
Spur nach 9 Stunden dünnflüssi¬
ger Stuhl, Kadechol ent¬
haltend.
0,18
Im Harn ist über 1 / 5 des im Klysma dargereichten Camphers
erschienen.
5. Robert B., 6 Jahre alt, Pleuritis sicca.
a) 4,5 g Kadechol im Klysma, enthaltend 0,765 g Campher.
Im 24 ständigen Ham gefunden über 0,2 „ „
b) Campheröl (10°/ 0 ) im Klysma, enthaltend 0,765 „ „
Im 24 ständigen Harn gefunden etwa 0,3 n „
6. Karl P., 12 Jahre alt, Tbc. pulmonum.
a) 4,5 g Kadechol im Klysma, enthaltend 0,765 g Campher.
Im 248tündigen Harn gefunden über 0,3 „ „
b) Campheröl (10°/ 0 ) im Klysma, enthaltend 0,765 „ „
Im 24 ständigen Harn gefunden 0,3 „ „
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Über die Resorption von medikamentösen Klysmen bei Kindern. 187
Die Versuche 5. und 6. ergeben keinen wesentlichen Unterschied
zwischen Kachedol und Campheröl hinsichtlich der Resorption. Die¬
selbe beträgt 35—40°/ 0 , wenn man von der anhepatischen Resorp¬
tion absieht.
X. Die Resorption von Chloralhydratklysmen, gemessen am Gehalt
des Harns an Urochloralsäure.
Die Ausscheidung des Chloralhydrats erfolgt nach Reduktion zu
Trichloräthylalkohol und Paarung mit Glykuronsäure als Urochloral¬
säure. 4 — 6 Stunden nach interner Einverleibung treten auch ge¬
ringe Mengen Chloralhydrat in den Ham über [Neuberg 1 )].
Die spezifische Drehung der Urochloralsäure («)d = — 69 ’ 6 °
» » n n Dextrose (^==+52,8°.
Die Urochloralsäure bestimmt man polarimetrisch, indem man die
für Dextrose gefundene Drehungszahl mit 8 / 4 multipliziert. Chloral¬
hydrat : Urochloralsäure = 165 : 325 (nach den Molekulgewichten).
Der Wert für Chloralhydrat ist halb so groß wie für Urochloralsäure.
1. Jakob, L., 2 1 /* Monate alt, Pylorospasmus, Inanition nach der R&m-
stedtschen Operation.
Klysma: 0,3g Chloralhydrat in Mixt gummosa. Geringe Sohlafwirkung.
Innerhalb 18 Stunden im Ham 0,02 g Chloralhydrat,
n 24 „ „ „ 0,03 „ „
Nach 24 Stunden erscheint nur der 10. Teil der dargereichten
Menge im Ham als Glykuronsäurepaarung.
Tags darauf Klysma: 0,5 g Chloralhydrat ebenso, deutlichere
Schlafwirkung.
Innerhalb 13 A / 9 Stunden 0,08 g Chloralhydrat, also etwa der
6 . Teil im Harn gefunden.
Zusammenfassung.
1 . Läßt man einem medikamentösen Mikroklysma nach einem
gegebenen Zeitintervall eme sorgfältige Darmauswaschung folgen, dann
kann man durch Analyse des Spülwassers die beiläufige Resorptions¬
größe des verabfolgten Medikamentes berechnen. Wenn auch der
absolute Wert dem Fehler ungenügender Auswaschung unterworfen
ist, so sind doch verläßliche Vergleichs werte in bezug auf die Ver¬
weildauer des Klysmas und in bezug auf das Verhalten verschie¬
dener chemischer Substanzen zu erzielen.
2 . Die Halogensalze des Natriums verhalten sich in isotonischer
Lösung und äquimolekularen Dosen, so, wie es bereits aus Tierver-
x ) „Der Ham etc.“ Springer, I. Bd., S. 458, 814. — Ebenso Thitrfdder ,
Zeitschr. f. physik. Chem. 164. 1866.
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Original fro-m
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188 A. F. Hecht: Resorption von medikamentösen Klysmen bei Kindern.
suchen mit Darmschlingen bekannt ist. CINa wird rascher als BrNa
und dieses wieder rascher als JNa resorbiert.
3. Kombiniert man die Halogensalze durch Mischung isotonischer
Lösung von JNa, BrNa und CINa, dann erfolgt die Resorption bei¬
läufig nach dem Äquivalentgewicht.
BrNa und JNa stören einander in der Resorption nicht: es
scheint, daß CINa die Resorption des BrNa beeinträchtigt, die des
JNa unbeeinflußt läßt.
4. Natrium salicylicum wird langsamer als die Halogensalze des
Natriums resorbiert.
5. Chloralhydrat verhält sich beiläufig wie Natrium salicylicum;
es genügt bereits die Resorption von einem Drittel der verabfolgten
Dosis, um die Beruhigung einzuleiten.
6 . Bei Campher- und Chloralhydratklysmen erscheint nur ein
Bruchteil der verabfolgten Dosis im Harn als Glykuronsäurepaarling.
Ein Schluß auf die Resorptionswerte läßt sich bei dieser Versuchs¬
anordnung nicht ziehen, da ja nicht die ganze resorbierte Substanz
den Pfortaderkreislauf passiert und in der Leber synthetisiert wird.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
Ül>er die Wirkung des Pilocarpins.
Von
Assistenzarzt Dr. 0. Platz.
(Aus der Med. Klinik des Krankenhauses Magdeburg-Sudenburg
[Direktor: Prof. Dr. E. Schreiber].)
{Eingegangen am 7. Juli 1922.)
Unsere vergleichenden Untersuchungen über die Wirkung des Atro¬
pins und Adrenalins haben gezeigt, daß die verschiedenartige Wir¬
kung der Mittel bei subcutaner, intramuskulärer oder intravenöser
Einverleibung entweder auf ResorptionsVerschiedenheiten oder auf
eine Zersetzung der Drogen in den Geweben des Körpers zurück¬
zuführen ist und daß man daher, um diese auszuschließen, für die
pharmakologische Prüfung des vegetativen Nervensystems nur die
intravenöse Injektion benutzen wolle. In der Annahme, daß ähn¬
liche Momente auch bei der Wirkung des Pilocarpins eine Rolle
spielten, unternahm ich vergleichende Untersuchungen mit Pilocarpin
bei subcutaner und intravenöser Darreichung. Bei meinen 30 Pilo¬
carpinversuchen injizierte ich Dosen von 0,001—0,01 g. Beobachtet
wurden Puls, Blutdruck, Atmung, Speichelabsonderung, Schwei߬
sekretion und die Veränderungen des Zucker-, Kochsalz und Trocken¬
substanzgehaltes des Blutes (nach Bang), die Veränderung des Blut¬
bildes und event. Glykosurie. (Tabelle I.)
Das Pilocarpin rief in allen Versuchen eine Pulsbeschleunigung
hervor, wie sie die angeführten Beispiele zeigen. Dieselbe ließ
sich sowohl bei der intravenösen als auch bei der subcutanen In¬
jektion noch deutlich bei der Dosis von 0,001 g immer nach weisen.
Bei der intravenösen Einspritzung erreichte die Pulsfrequenz in allen
Fällen sofort nach der Injektion ihr Maximum, um sich bereits nach
der 20. Minute dem Ausgangswert wieder zu nähern, während bei
der subcutanen die Höchstzahl zwischen der 5. und 15. Minute und
der Anfangswert nach der 40. Minute noch nicht wieder erreicht
wurde. Die Steigerung der Pulsfrequenz betrug nach der intra¬
venösen Injektion 10—48 Schläge, nach der subcutanen 10—22 pro
Minute. Während bei der intravenösen Einspritzung die stärkste
Pulssteigerung bei den höheren Dosen erreicht wurde, konnte dieser
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Parallelismus bei der subcutanen nicht festgestellt werden. Eppinger
und Heß fanden bei subcutaner Einverleibung nie eine Wirkung des
Pilocarpins auf die Pulsfrequenz, während Bauer nach derselben
meist eine Pulsbeschleunigung, nie aber eine Pulsverlangsamung be¬
obachtete; Barlocco will die letztere bei seinen Vagotonikern gesehen
haben. Meine Beobachtungen stimmen nur mit denen von Bauer
überein. (Tabelle II.)
Aus den angeführten Beispielen, und zwar bis zu Dosen von
0,002 intravenös und 0,0025 subcutan abwärts, sehen wir, daß das
Pilocarpin stets eine Blutdruckerniedrigung hervorruft. Dieselbe er¬
reichte bei der intravenösen Einspritzung den tiefsten Stand ent¬
weder sofort oder spätestens nach 5 Minuten, bei der subcutanen
dagegen nach 10—20 Minuten. In beiden Fällen betrug sie 10 bis
15 mm Hg- Nach Bauer soll das Pilocarpin bei subcutaner Injektion
eine Neigung zur Blutdrucksteigerung bewirken, während es nach
Barlocco in Dosen von 0,01 subcutan bei Vagotonikern den Blut¬
druck herabsetzt.
Ein Vergleich der beiden letzten Versuchsreihen zeigt, daß sich
die Wirkung des Mittels auf den Puls bei beiden Anwendungsarten
noch bei geringeren Dosen nachweisen läßt als diejenige auf den
Blutdruck. Die Resorptionsverhältnisse spielen beim Pilocarpin keine
so erhebliche Rolle wie bei dem Adrenalin; immerhin treten natür¬
lich die Pulssteigerung und die Blutdruckerniedrigung schneller ein
bei der intravenösen, auch steigt die Pulszahl höher und geht schneller
zur Norm zurück. Beachtenswert ist, daß bei der intravenösen Ein¬
spritzung die Wirkung auf die Pulszahl der Größe der Dosis ent¬
spricht, nicht aber bei der subcutanen.
Was die Atemfrequenzveränderung nach Pilocarpin anlangt, so
fand ich bei meinen Untersuchungen bald eine geringe Vermehrung,
bald eine Verminderung. Irgendeine Gesetzmäßigkeit konnte ich
nicht finden. Der Atemfrequenzveränderung wird auch in der Lite¬
ratur keine besondere Wichtigkeit zugeschrieben. (Tabelle III.)
In meinen Versuchen rief sowohl die intravenöse als auch die
subcutane Einspritzung stets eine Steigerung des Blutzuckergehaltes
hervor; selbst bei der geringsten von mir angewandten Dosis von
0,001 g war die Vermehrung deutlich. Sie schwankte bei der intra¬
venösen Einspritzung zwischen 0,011 und 0,131 °/ 0 , bei der subcutanen
zwischen 0,010 und 0,039 °/ 0 . Sie erreichte ihre Höhe bei der intra¬
venösen Injektion spätestens nach 5 Minuten, um bereits nach 10 Mi¬
nuten sich ihrem Ausgangspunkt wieder zu nähern, bei der subcutanen
war infolge der langsamen Resorption die Höhe zwischen 15 und
30 Minuten (meist nach 15) und der Anfangswert nach 45 Minuten
annähernd wieder erreicht. Weder bei der intravenösen noch bei
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
Tabelle I . Wirkung dt» Pilocarpins auf die Pulsfrequenz.
Über die Wirkung des Pilocarpins.
191
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der subcutanen Darreichung konnte ein Parallismus zwischen der
verabreichten Dosis und der Höhe des Blutzuckeranstieges festgestellt
werden. Meine Versuche bestätigen die Befunde von Bomstein und
Vogel , die bei Hunden und Kaninchen durch intravenöse Pilocarpin¬
einspritzungen Hyperglykämie herv<>rriefen. Dagegen fand Ouygan
nach Pilocarpin keine Erhöhung des Blutzuckergehaltes.
Die Schwankungen des Blutkochsalzgehaltes sind, wie die vor¬
stehenden Zahlen zeigen, bei beiden Anwendungsweisen sehr gering
und liegen innerhalb des Bereiches der Fehlerquellen der Bestimuiungs-
methode. Der Kochsalzgehalt wurde in 26 Fällen (nach Bang), und
zwar 13 mal nach subcutaner und 13 mal nach intravenöser Injektion
untersucht. Bei letzterer stieg er in 6 Fällen um 0,01—0,03 °/ 0 , in
7 Fällen fiel er um 0,03—0,09 °/ 0 . Bei der subcutanen stieg er nur
in 1 Fall um 0,03, in den 12 anderen Fällen fiel er um 0,04—0,12 °/ 0 .
Die Kochsalzveränderungen zeigen also kein charakteristisches Ver¬
halten. Ein Parallelismus zwischen der Menge des Schweißes oder
Speichels bestand nicht, wie man vielleicht hätte erwarten können.
In der mir zur Verfügung stehenden Literatur fand ich keine Mit¬
teilung über das Verhalten des Blutkochsalzes nach Pilocarpin.
(Tabelle IV.)
In allen meinen Versuchen fand ich eine Vermehrung der Blut¬
trockensubstanz nach Pilocarpin. Dieselbe erreichte ihre Höhe bei
der intravenösen Einspritzung sofort und war bereits nach 10 Mi¬
nuten zum Ausgangswert herabgesunken; sie schwankte dabei zwi¬
schen 2,1 und 3,9 °/ 0 . Nach der subcutanen Einverleibung wurde die
Höhe mit Ausnahme eines Falles, bei dem sie erst nach 20 Minuten
erreicht wurde, stets nach 15 Minuten beobachtet, nach 8 / 4 Stunden
war sie auf den Anfangswert zurückgesunken: sie schwankte zwi¬
schen 2,6—2,7 °/ 0 . Die Vermehrung der Trockensubstanz nahm aber
bei beiden Anwendungsweisen nicht mit der Dosis zu. Auch bestand
kein Parallelismus zwischen der Menge des Speichels oder Schweißes,
ebensowenig zwischen der Vermehrung des Blutzuckers und der
Trockensubstanz.
Die Vermehrung der Trockensubstanz beruht zweifellos auf Blut¬
eindickung. Bomstein und Vogel fanden bei ihren Versuchen eine
Vermehrung des relativen Hämoglobingehaltes, der roten Blutkörper¬
chen und des Eiweißgehaltes des Serums. Sie führen diese Ver¬
mehrung mit Recht auf eine Wasserverschiebung innerhalb der Kör¬
pers und nur zu einem kleinen Teil auf Wasserverlust durch vermehrte
Exkretion, Sekretion und Perspiratio insensibilis zurück. (Tabelle V.)
Wie die Beispiele zeigen, fand sich in allen Fällen eine Ver¬
mehrung der roten Blutkörperchen. Dieselbe schwankte zwischen 80
bis 90000.
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Uber die Wirkung des Pilocarpins.
193
Ein Parallelismus mit der verabreichten Dosis konnte nicht
festgestellt werden. Auch Bornslein und Vogel fanden bei Hunden
eine Vermehrung der roten Blutkörperchen.
Die Gesamtzahl der Leukocyten wurde in 16 Fällen nach intra¬
venöser und in 14 Fällen nach subcutaner Injektion bestimmt, und
zwar stets am ersten Tage nach der intravenösen und 24 Stunden
später bei demselben Patienten mit derselben Dosis nach subcutaner.
Nach der intravenösen Injektion beobachtete ich in 10 Fällen
eine Vermehrung der Leukocyten um 200—1300 und in 6 Fällen
eine Verminderung um 300—800, nach der subcutan in 9 Fällen eine
Vermehrung um 200—2200, in 3 Fällen eine Verminderung um 200
bis 600. Das Maximum, desgleichen das Minimum der Leukocyten-
zahl lag nach der intravenösen Applikation zwischen 5 und 15 Mi¬
nuten, nach der subcutanen zwischen 15 und 25 Minuten. Eine
Abhängigkeit der Veränderung der Leukocytenzahl von der verab¬
reichten Pilocarpindosis konnte ich nicht feststellen. Harvey fand
nach Pilocarpin eine Leukocytose, die er auf Kontraktion der glatten
Muskelfasern der Milz zurückführt, denn nach Abbinden der Milz¬
gefäße bleibt die Leukocytose aus. Auch Schenk beobachtete nach
subcutaner Injektion eine starke Vermehrung der weißen Blutkörper¬
chen durch Lymphocytenzunahme. Caro , Horbazcewski, Rieder und
Wilkin8on sehen im Pilocarpin ein Leukocytotonicum. Frey fand
nach Policarpin subcutan keine nennenswerten Schwankungen im
Blutbild und weist darauf hin, daß diese Frage noch mittels intra¬
venöser Injektion nachgeprüft werden müßte. Allen den genannten
Autoren, die von Pilocarpin als von einem Leukocytose erregenden
Mittel sprechen, kann ich nicht zustimmen, denn aus meinen Ver¬
suchen geht keine einheitliche Wirkung desselben im Sinne einer
Vermehrung der weißen Blutkörperchen hervor.
Die neutrophilen Zellen fand ich nach der intravenösen Injektion
in 10 Fällen um 2—14 °/ 0 vermindert, in 2 Fällen um 5 resp. 15 °/ 0
vermehrt (Lues cerebri, Neurasthenie), bei der subcutanen in 9 Fällen
um 2—14°/ 0 vermindert und in 3 um 3—10°/ 0 vermehrt (Neurasth.,
Hyst., Dem. praec.). Der Zeitpunkt des Maximums resp. Minimums
der Zahl der Neutrophilen ist gleich demjenigen der Leukocyten¬
zahl überhaupt.
Die Eosinophilen waren nach der intravenösen Injektion in
10 Fällen um 1—5 °/ 0 vermehrt und in 2 um 1 und 2 °/ 0 vermindert
(Dem. sen., Lues cerebri), bei der subcutanen in 10 Fällen um 1 bis
4° 0 vermehrt und in 2 um 1 °/ 0 vermindert (Neurasth. und Lues
cerebri). Die Fälle, bei denen nach der subcutanen Einspritzung
eine Verminderung beobachtet wurde, hatten bei der intravenösen
eine Vermehrung und umgekehrt.
Z. f. d. ff. exp. Med. XXX. 1
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über die Wirkung des Pilocarpins.
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FcUta , Bertelli und Schweeger, Port und Brunow beobachteten nach
Pilocarpin stets eine Eosinophilie. Wollenberg spricht von einer ge¬
ringen Eosinophilie bei genügender Anspruchsfähigkeit des eosino¬
philen Systems. Nach Frey dagegen werden die Eosinophilen kaum
durch Pilocarpin beeinflußt, denn Differenzen von 3 °/ 0 liegen inner¬
halb der Fehlergrenzen. Schenk fand keine Veränderung dieser Zellart.
Schwenker und Schlecht kommen zu dem Schlüsse: Pilocarpin und
Physostigmin haben entweder keine nennenswerte Beeinflussung der
Eosinophilen zur Folge oder sie führen zur Abnahme bzw, zum
völligen Verschwinden derselben. Aus meinen eigenen Untersuchun¬
gen ziehe ich den Schluß, daß das Pilocarpin subcutan wie intra¬
venös in den meisten Fällen nur eine geringe Vermehrung dieser
Zellen bewirkt, in vereinzelten Fällen jedoch auch eine unerhebliche
Verringerung hervorrufen kann. Ich stimme dabei mit Frey überein,
daß die Differenzen der Zahlen so gering sind, daß sie kaum das
Bereich der Fehlerquellen übersteigen.
Die Lymphocyten erfuhren bei der intravenösen Injektion in
9 Fällen eine Vermehrung um 1—17 °/ 0 , in 3 Fällen eine Verminde¬
rung um 1—ll° 0 (Dem. sen., Lues, her., Hyst.); bei der subcutanen
in 9 Fällen eine Vermehrung um 1—10 °/ 0 , in 3 Fällen eine Ver¬
minderung von 1—12 °/ 0 (Hyst., Lues her., Neurasth.). Beachtenswert
scheint der Fall 1 der Tabelle VII (Epilepsie), bei welchem nach
der intravenösen Einspritzung eine Verminderung um 11 °/ 0 , bei der
subcutanen eine solche von 12 °/ 0 erreicht wurde.
Harvey , Faita und Waldstein fanden nach subcutaner Pilocarpin¬
einspritzung eine Lymphocytose, während Pechler , dschenheim und
Poms keine konstante Wirkung auf die Lymphocyten feststellen
konnten. Frey beobachtete bei Kaninchen und Meerschweinchen nach
Pilocarpineinspritzungen einen raschen Anstieg der Lymphocyten,
beim Menschen hingegen blieben dieselben in ihrem absoluten Wert
unverändert. Nach Schenk beruht die LeukocytenSteigerung in der
ersten halben Stunde nach subcutaner Anwendung auf einer Lympho-
cytenvermehrung. Nach meinen Versuchen tritt nach Pilocarpin sub¬
cutan wie intravenös in den meisten Fällen (5H°/ 0 ) eine Vermehrung
ein, welche die Fehlergrenze übersteigt, nicht unbeträchtliche Ver¬
minderung kommt jedoch auch vor (42 °/ 0 ).
Die Veränderungen in der Zahl der Mononuclearen waren nach
Pilocarpin derart gering, daß sie irgendwelche Schlüsse nicht zulassen.
Der Ansicht Friedbergs , daß diese Zellen sich den Schwankungen
der Polnucleären anschließen, kann ich nicht zustimmen.
Bei 30 Pilocarpinversuchen wurde auch die Speichelmenge sowie
die Schweißsekretion kontrolliert. Einen Schweißausbruch beobach¬
tete ich nur 2mal, und zwar bei einer Patientin, die 0,00ö g Pilo-
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Über die Wirkung de« Pilocarpins.
197
carpin intravenös, und bei einer anderen, die 0,01 g subcutan er¬
halten hatte. Nach der intravenösen Einspritzung trat der Schwei߬
ausbruch 5 Minuten später auf und war nach 1 / 4 Stunde beendet,
nach der subcutanen etwa nach 15 Minuten und dauerte bis zu
40 Minuten. Rötung des Gesichtes ohne Schweißausbruch fand ich
bei allen Versuchen bis zu Dosen von 0,0025 g intravenös wie sub¬
cutan, bei den geringeren Dosen wurde sie nicht beobachtet.
Die Speichelmengen schwankten zwischen 10 und 120 ccm. Eine
Abhängigkeit von der Dosis konnte ich nicht feststellen; auch war
die Speichelmenge bei der subcutanen und der intravenösen Ein¬
spritzung gleich groß. Die Sekretion begann bei der intravenösen
Einverleibung nach 2-—10 Minuten und hielt bis zu 30 Minuten an,
während sie nach der subcutanen etw^a 10—15 Minuten später be¬
gann und meist nach einer Stunde noch bestand.
Nach Bauer ist die Salivation eine häufigere Erscheinung nach
Pilocarpin als die Schweißsekretion, was mit meinen Resultaten
übereinstimmen würde. Dagegen habe ich die von Bauer zuweilen
beobachtete Blässe der Haut nicht gesehen.
Glykosurie habe ich in keinem meiner Fälle beobachtet. Harn¬
drang trat 3 mal, 2 mal nach subcutaner, 1 mal nach intravenöser
auf, dagegen niemals schmerzhafter Blasentenesmus. Von 1 Patientin
(Lues her.) wurde sowohl nach der intravenösen als auch nach der
subcutanen Einverleibung über Kopfschmerzen, Schwindelgefühl und
Herzklopfen geklagt.
Im allgemeinen wurde die intravenöse Injektion nach Pilocarpin
genau so gut vertragen wie die subcutane. Am lästigsten war den
Patienten die Speichel- und Schweißsekretion.
Zusammenfassung.
Pilocarpin bewirkt Pulsfrequenzerhöhung und Blutdruckerniedri¬
gung. Die Zunahme der Pulszahl ist nach der intravenösen Anwen¬
dung stärker als nach der subcutanen.
Die Atemfrequenz zeigt keine charakteristischen Veränderungen
nach Pilocarpineinspritzungen.
Stets erfolgte nach letzteren ein Blutzuckeranstieg, der nach
intravenösen beträchtlicher ist als nach subcutanen.
Die Veränderungen des Kochsalzgehaltes im Blut liegen inner¬
halb der Fehlergrenzen.
Die Bluttrockensubstanz nahm nach Pilocarpin zu, und zwar am
stärksten nach den intravenösen Einspritzungen. Ein Parallelismus
zwischen Zunahme des Blutzuckers und der Trockensubstanz konnte
nicht festgestellt werden.
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19S 0. Platz: über die Wirkung des Pilocarpine.
Beide Injektionsarten riefen eine geringe Vermehrung der Erythro-
cyten hervor.
Die Gesamtzahl der Leukocyten war bald vermehrt, besonders
nach der subcutanen Einspritzung, bald vermindert.
Die Neutrophilen zeigten meist eine mäßige Abnahme, die Eosino¬
philen eine Zunahme, die aber noch innerhalb der Fehlergrenzen
liegt, die Lymphocyten einen mäßigen Anstieg.
Pilocarpin bewirkt häufiger eine verstärkte Speichel- als Schwei߬
sekretion.
Bei der verschiedenen Wirkung der subcutanen Pilocarpinein¬
spritzung gegenüber der intravenösen dürften wahrscheinlich Re¬
sorptionsverschiedenheiten eine Rolle spielen, jedoch nicht in so
ausgesprochener Weise wie ich das beim Adrenalin und Atropin
nachweisen konnte.
Pilocarpin wird vom Menschen intravenös ebensogut vertragen
wie subcutan.
Anhang.
Da ich in meinen Arbeiten über die Wirkung des Atropins,
Adrenalins und Pilocarpins (wenn auch bei diesem in nicht so aus¬
gesprochenem Maße) nachweisen konnte, daß bei der sukcutanen
Applikationsart der Effekt oft ein anderer ist als bei der intra¬
venösen, was auch Csepai und Sanguinetti hinsichtlich des Adrenalins
betont haben, stehe ich auf dem Standpunkt, daß man zur pharma¬
kologischen Prüfung des vegetativen Nervensystems nur die intra¬
venöse Injektion dieser Mittel benutzen sollte. Die schwierige Frage
der Dosierung habe ich bereits in meinen Arbeiten gestreift, werde
aber in einer folgenden Mitteilung noch ausführlicher darauf zu¬
rückkommen.
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Wollenberg. — Wollenberg: Zeitschr. f. klin. Med. 92, 249. 1921.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Über Echinokokken-Anaphylaxie.
Von
Primararzt Dr. Johann Hugo Botteri.
Direktor des LaDdeskraokeDhauaei in Sibenlk (Sebenico) SHS.
(Eingegangen am 7. Juli 1922.)
Die Echinokokkenkrankheit ist eine in Dalmatien weitverbrei¬
tete Invasionskrankheit. In den letzten 20 Jahren haben wir im
hiesigen Landesspitale 262 Echinokokkuskranke auf ca. 40000 ge¬
samter Patientenzahl aufgenommen. Weibliche Personen erkranken
etwas öfter als männliche (4:3), und zwar wird am meisten das
Alter zwischen 20—40 Jahren befallen. Die Lokalisation ist ca. 60°/ 0
in der Leber, 14°/ 0 in den Lungen, 7°/ 0 in der Milz, 7°/ 0 im Peri¬
toneum, die übrigen Prozente sind in den anderen Organen verteilt.
Eine Multiplizität der Echinokokkuscysten in der Leber haben wir
in 20 °/ 0 der Fälle beobachten können.
Ähnliche Statistiken liefern auch die anderen Spitäler Dalmatiens.
Parallel damit geht die Infektion des Schlachtviehs. Die Rinder,
welche zum großen Teil aus Bosnien kommen, sind von 50—90°/ 0
infiziert, und zwar am meisten im Herbst und Winter, am wenigsten
im Frühjahr und Sommer. Es hängt diese Schwankung der Morbi¬
dität vielleicht mit der häufigeren Infektionsgelegenheit im Frühjahr,
wo das Gras beim schnellen Emporwachsen die Parasiteneier in die
Höhe treibt, zusammen. Natürlich wird die Infektion beim Schlachten
erst nach 6—9 Monaten manifest, wenn die Blasen eine bemerkbare
Größe erreicht haben. Die Lokalisation derselben ist überwiegend
in den Lungen, und zwar fast immer multipel, weniger oft in der
Leber. Beim Schafe sind die Verhältnisse ähnlich. Von Ziegen und
Schweinen finden wir hingegen höchstens nur 10°/ 0 infiziert.
Wegen Mangel an wirksamen inneren Medikamenten sind wir
auf die chirurgische Therapie angewiesen. Die Technik derselben
hat in den letzten Jahren, besonders nach Einführung der präven¬
tiven Formolisierung nach Entleerung der Cysten, große Fortschritte
gemacht, ist aber sicher noch lange nicht die ideale Behandlung
einer solchen Affektion. Die primäre Vemähung und Versenkung
der Cyste eventuell mit Capitonnage derselben gelingt in der Minder¬
zahl der Fälle. Die meisten hingegen sind den Gefahren einer lang-
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wierigen, sekundären Eiterung eventuell mit Gallenfluß aus der
marsupialisierten Cyste ausgesetzt. Man muß bedenken, daß man
noch immer ca. 15°/ 0 der marsupialisierten Echinokokkuskranken an
der monatelangen Eiterung erschöpft zugrunde gehen sieht. Je
größer die Cyste, desto ausgiebiger und länger ist die Eiterung.
Die einzige mögliche Verbesserung der Prognose wäre demnach
eine frühzeitige Diagnose, wenn die Cyste noch relativ klein ist.
Erstens gelingt bei solchen kleinen Cysten die primäre Reduktion
viel leichter und zweitens ist die sekundäre Eiterung nach einer
eventuell nötigen Marsupialisation eine viel geringere und kürzere
und die Prognose somit eine viel günstigere.
Eine frühzeitige Diagnose ist bei den Lungencysten mit Hilfe
der Radioskopie leicht, bei den Cysten in den anderen Organen
dagegen nicht. Eine Probepunktion ist auf alle Fälle streng unter¬
sagt, denn abgesehen von der möglichen Keimaussäung (Greffes) in
die durchstoßenen serösen Höhlen, ist nie die Gefahr eines selbst
tödlichen anaphylaktischen Choks auszuschließen. Klassisch bleibt
der Fall von Deve , wo eine junge Person wenige Stunden nach der
Operation einem Chok erlag, welcher auf eine Sensibilisierung in¬
folge einer 26 Tage vor der Operation ausgeführten Probepunktion
zurückzuführen war. Erst kürzlich (30. XI. 1921) wurde im Verein
der Ärzte in Halle a. S. ein Fall von Beneke mitgeteilt, bei welchem
ein tödlicher Chok nach einer Laparotomie als Folge einer vor Jahren
erfolgten Sensibilisierung durch eine spontan geplatzte Echinokokkus¬
cyste eingetreten ist.
Dem Bedürfnisse einer frühzeitigen Diagnose entspringen viele
serologische Reaktionen.
Die Präcipitinreaktion gab in den Händen Weinbergs gute Resul¬
tate. Sie ist aber doch nur in 35°/ 0 der Fälle positiv.
Die Meiostagminreaktion von Ascoli ist sehr inkonstant. Die
Abderhalden sehe Reaktion gab befriedigende Resultate, ist aber sehr
umständlich und heikel.
Die Komplementbindungsmethode von Bordet-Gengou wurde von
Ghedini-Weinberg für die Echinokokkose bearbeitet, sie ist eine der
konstantesten, indem sie 82°/ 0 positive Resultate liefert, muß aber
unbedingt einem gut eingerichteten Laboratorium genau wie die
Wassermann sehe Reaktion überlassen werden. Es sind vor kurzem
(Berl. klin. Wochenschr. 1921, Nr. 36) sehr gute Berichte über die¬
selbe von der serologischen Abteilung des Instituts „Robert Koch“
veröffentlicht worden.
Die Eosinophilie ist wenig konstant und dabei nicht spezifisch.
Experimentell wurde die Echinokokkenanaphylaxie von Weinberg
und Ciuca beim Meerschweinchen geprüft. Es gelang diesen Autoren,
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Über Echinokokken-Anaphylaxie.
201
sowohl di© aktive wie die passive Sensibilisierung regelmäßig zu er¬
zeugen. Die Intracutanreaktion wurde von französischen und italie¬
nischen Autoren versucht und geübt ( Boidin , Laroche , Caeoni ), aber
bis jetzt gar nicht oder nur höchstens sehr oberflächlich wissen¬
schaftlich bearbeitet. Nur einmal erwähnt Fontano , einen Menschen
aktiv sensibilisiert zu haben. Die passive Übertragung der Allergie
hat er nicht versucht und die Desensibilierung ist ihm nicht ge¬
lungen.
Der Inhalt der Echinokokkenblasen beim Menschen ist von leicht
alkalischer Reaktion und enthält immer Eiweiß, manchmal in Spuren,
oft aber in bedeutender Menge bis 2°/^, ohne daß dabei die ge¬
ringste Spur Vereiterung, etwa in Form leukocytärer Einwanderung,
wahrzunehmen wäre.
Natürlich habe ich dabei nur die Cysten mit wasserklarem Inhalt
und ohne Tochterblasen berücksichtigt, weil eben die Bildung der
letzteren eine Art Selbstverteidigung des Parasiten gegen irgendeine
äußere schädliche Einwirkung darstellt (Deve) und weil damit eine
Veränderung nicht nur der Blasen wand, sondern auch des primären
Blaseninhaltes doch möglich wäre. Beim Rinde aber enthalten einige
der jungen Blasen, welche sich in den Lungen entwickeln, eine
Flüssigkeit, welche selbst mit den feinsten klinischen Eiweißproben
(Sulfosalicylsäure) keine Spur von Trübung ergibt. Sie enthalten auch
keine Albumosen, wohl aber Spuren Pepton und ziemlich viel lipoide
Substanzen.
Entgegen der noch immer von vielen Lehrbüchern angeführten
Annahme (Mohr und Stctehelin), daß die Hydatidenflüssigkeit ein
Toxin enthält (intoxication hydatique), habe ich mich bei vielen
vorsichtig angestellten, quantitativ abgestuften Vorversuchen über¬
zeugen können, daß dieselbe für den Menschen primär nicht toxisch
ist. Normale Menschen reagieren weder auf intracutane, noch auf
subcutane, noch auf endovenöse Einspritzung von steriler Eohino-
kokkenflüssigkeit in keiner Weise. Es reagieren nur Echinokokkus¬
kranke darauf. Wäre diese Reaktion eine Toxinüberempfindlichkeit,
so müßte erstens mit wiederholten Impfungen eine antitoxische Im¬
munität gelingen und zweitens wäre eine solche atypische Form der
Toxinallergie (Doerr) passiv nicht zu übertragen. Nun geht aus
meinen später erwähnten Versuchen hervor, daß bei der Echinokokken¬
anaphylaxie weder die erste noch die zweite Voraussetzung zutrifft.
Es handelt sich eben um eine Allergie gegen Eiweißantigene und
nicht gegen Toxine.
Nach dem günstigen Ausfall dieser Vorversuche ging ich über,
am Menschen zu experimentieren.
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Die Berechtigung zu solchen Versuchen fand ich einerseits in der
Harmlosigkeit einer Sensibilisierung gegen ein Antigen, mit dem der
betreffende Organismus bei der relativen Seltenheit der Erkrankung
höchstwahrscheinlich in seinem Leben nie in Berührung kommen
wird, und andererseits, wenn auch einmal eine Invasion mit Para¬
siteneiern doch stattfinden sollte, könnte die Persistenz einer Sensi¬
bilisierung nie von Schaden, vielleicht sogar von Nutzen sein.
I. Aktive Anaphylaxie«
Es läßt sich beim Menschen ziemlich leicht eine Sensibilisierung
gegen Echinokokkenfiüssigkeit auf subcutanem Wege durch eine ein¬
malige, relativ kleine Antigendosis (2—5 ccm), manchmal sogar durch
wiederholte intracutane Impfungen von nur 0,10—0,20 Antigen er¬
zeugen, während die Sensibilisierung auf endovenösem Wege schwer
und nur mit wiederholten und größeren Dosen zu erreichen ist. In
dieser Beziehung sind die Verhältnisse beim Menschen dieselben wie
beim Meerschweinchen. Weinberg hat nämlich schon vor 9 Jahren
festgestellt, daß beim genannten Tiere die Erzeugung der Echino¬
kokkusanaphylaxie am besten auf subcutanem Wege, schlechter auf
peritonealem Wege und am schlechtesten auf endovenösem Wege
gelingt. Die Ursache kann die sein, daß bei der intravenösen Zu¬
fuhr das Antigen rasch und in starker Konzentration zu den Gewebs¬
zellen gelangt und ebenso rasch gebunden wird, während bei der
subcutanen Applikationsmethode nur ein geringer Bruchteil des An¬
tigens in langsamem Tempo ins Blut Übertritt und auf diese Weise
eine langsame, kontinuierliche, dafür aber um so wirksamere Sensi¬
bilisierung der in Betracht kommenden Gewebe bewirkt. Merkwürdig
ist die Tatsache, daß die Höhe der bei diesen Experimenten an
Meerschweinchen angewandten Sensibilisierungsdosen (bei einmaliger
Injektion 2 g, bei wiederholten 0,25 g) genau mit denen, welche ich
bei der Sensibilisierung des Menschen gegen dasselbe Antigen als
nötig gefunden habe, übereinstimmen. Und doch ist der Mensch
nicht weniger als 200 mal schwerer!
Einmal ist es mir gelungen, eine Patientin per os zu sensibili¬
sieren und zwar durch Darreichung von 350 g sterilen Antigens auf
7 Tage verteilt. Ich habe das Antigen immer unmittelbar vor dem
Essen gegeben, um die Einwirkung der Salzsäure womöglich auszu¬
schalten. Natürlich ist in diesem Falle an kleine Läsionen oder an
pathologische Durchlässigkeit der Magendarmwand zu denken.
Die Uberempfindlichkeit habe ich mit intracutaner Impfung von
0,1—0,2 steriler Hydatidenflüssigkeit geprüft. Etwa 8—10 Tage
nach der sensibilisierenden Einspritzung ist die intracutane Reaktion
positiv in Form einer Rötung und Infiltration der Haut von der
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Über Echinokokken Anaphylaxie.
203
Größe eines Fünfkronenstückes, währenddem vor der Sensibilisierung
entweder gar keine Reaktion oder nur eine leicht entzündliche Papel
von höchstens 1 cm Durchmesser auf tritt.
Nun gelingt es sowohl mit der menschlichen eiweißhaltigen wie
mit der tierischen eiweißfreien Hydatidenflüssigkeit (bei letzterer viel
größere Mengen vorausgesetzt) den Menschen zu sensibilisieren in
der Weise, daß er nach einer bestimmten Inkubationszeit eine posi¬
tive Intracutanreaktion nicht nur bei Impfung mit eiweißhaltigem,
sondern auch, obwohl viel schwächer und inkonstanter, bei Impfung
mit eiweißfreiem Antigene aufweise.
Ohne die später besprochene Frage der Mitbeteiligung der lipoiden
Substanzen an der Anaphylaxie zu berühren, wäre es wohl möglich,
daß es sich beim eiweißfreien Rinderantigen um die Wirkung ganz
minimaler Eiweißspuren handle, welche nicht mehr chemisch, sondern
nur serologisch nachweisbar wären.
Eine physikalische Vorbedingung der Antigenfunktion ist die
Wasserlöslichkeit Es ist daher die irreversible Koagulation durch
Erhitzen (Kochen) stets mit einem Verlust des anaphylaktogenen
Vermögens verknüpft. Durch einmaliges Auf kochen der Hydatiden¬
flüssigkeit wird ihre anaphylaktogene Wirkung nicht abgeschwächt,
wenn dabei das Eiweiß infolge der alkalischen Reaktion nicht aus¬
fällt. Erst wenn man durch Essigsäurezusatz den optimalen Säure¬
grad erreicht und die Flüssigkeit vom ausgefällten Eiweiß befreit,
wird die mit dem Filtrat bei anaphylaktischen Individuen angestellte
Intracutanreaktion stark abgeschwächt, ja ganz aufgehoben.
Die Intracutanreaktion ist bei echinokokkuskranken Menschen
eine imposante. Ich pflege sie an der Volarseite des Unterarmes in
der Weise anzustellen, daß ich mit einer sehr feinen Kanüle streng
intracutan 0,10—0,20 Echinokokkusblaseninhalt unter Bildung einer
weißen Quaddel einspritze. Ich nehme immer ausschließlich mensch¬
liche konservierte Hydatidenflüssigkeit, weil tierische zu inkonstant
ist. Ich suche womöglich eine solche Flüssigkeit anzuwenden, deren
Eiweißgehalt um 1 °/ 00 liegt, weil sich mir eine solche Konzentration
eben als die optimale erwies. Sie wird bei der Operation in sterile
Gefäße aufgefangen, zentrifugiert, das Sediment nicht nur auf Sterilität
sondern auch auf etwa eingewanderte Leukocyten (bei Schädigung
der Echinokokkusmembran) geprüft und mit 0,5 °/ 0 Karbol- oder
noch besser 2°/ 0 Chloroformzusatz aufgehoben.
Ich ziehe letzteres vor, weil das Chloroform einen Teil der lipoiden
Substanzen in sich aufnimmt und mir dann die Reaktion reiner
erscheint.
Selbstverständlich muß die Hydatidenflüssigkeit wasserklar sein.
Eine gelbe Farbe derselben verrät Galleinfiltration durch eine nicht
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mehr intakte Membran und ist darum eine Flüssigkeit als nicht
einwandfreies Antigen zu verwerfen. Tochterblasenbildung ist als
defensiver Vorgang der Cyste gegen äußere Schädlichkeiten aufzu¬
fassen und weil eben ein solcher aktiver Vorgang leicht Verände¬
rungen auch der primären Hydatidenflüssigkeit setzen könnte, ist
eine solche als Antigen nicht zu gebrauchen.
Am Tage nach der Impfung findet man eine manchmal hand¬
tellergroße Rötung und Schwellung der Haut an der Impfstelle und
zugleich ein subcutanes entzündliches ödem, welches manchmal die
ganze Volarseite des Unterarmes, ja sogar den ganzen Umfang des¬
selben einnimmt. Die Haut fühlt sich heiß an. Dieses ödem ist
oft nach 48 Stunden noch größer, die Rötung hingegen etwas blässer.
Die ganze Reaktion klingt meistens am vierten Tage vollständig ab.
Die Rötung allein ist nicht als positive Reaktion zu deuten. Nur
eine Hautinfiltration von mindestens 5—6 cm Durchmesser, besonders
aber ein gleichzeitiges subcutanes ödem ist als positive Reaktion
aufzufassen. Ich muß hier bemerken, daß dieses in erster Linie
charakteristische ödem manchmal bei kachektischen Patienten wenig
ausgesprochen ist. Man muß in solchen Fällen eine dicke Hautfalte
zwischen den Fingern emporheben und mit einer solchen an der
entsprechenden Stelle des anderen Unterarms vergleichen. Auch die
Rötung ist bei solchen herabgekommenen Patienten manchmal sehr
blaß und von cyanotischer Färbung.
Es kommt nie zu einer Allgemeinreaktion.
Eine positive Cutanreaktion nach v . Pirquet oder eine Ophthalmo¬
reaktion nach Calmelte läßt sich mit dem Antigen nicht erzielen,
selbst nicht mit seinem ätherischen Extrakt.
Die Echinokokkusflüssigkeit behält ihre Antigenwirksamkeit mo¬
natelang auf der gleichen Höhe, wenn sie gut verschlossen mit
2 °/ 0 Chloroformzusatz aufgehoben wird. Ich besitze ein solches An¬
tigen, welches nach über zwei Jahren noch gut wirksam ist. Die
damit angestellte Intracutanreaktion bei Echinokokkusträgern ist
streng spezifisch. Den Vorwand, daß es sich dabei um eine ein¬
fache Reaktion auf fremdes Eiweiß, daher um eine nicht spezifische
Reaktion handle, habe ich durch Impfkontrolle mit Eiereiweiß und
artfremden Seris a priori ausgeschlossen. Die Annahme von Ghraetz ,
daß das Eiweiß der Echinokokkenfiüssigkeit kein spezifisches Eiweiß,
sondern in die Cyste hinein diffundiertes Serumeiweiß des Wirtes
sei und daß es sich somit bei der Echinokokkenanaphylaxie nicht
um eine für Echinokokkose spezifische Reaktion, sondern ganz ein¬
fach um eine durch artfremdes Eiweiß bedingte Reaktion handelt,
ist nach meinen Experimenten am Menschen nicht mehr aufrecht
zu halten, da ich mit homologem Antigen gearbeitet habe.
Gck igle
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
Über Echinokokken-Anaphylaxie.
205
Temporäre Anergie kommt vor, und zwar hauptsächlich, wenn
der Echinokokkus vereitert ist. Daß es sich dabei nur um eine all¬
gemein verminderte Reaktivität eines durch die Infektion geschwächten
Organismus handelt, beweist die Tatsache, daß, sobald der Patient
nach der Operation sich zu erholen anfängt, die Intracutanreaktion
wieder positiv wird. Patienten mit multiplen Cysten im Peritoneum
(Echinococcosis peritonei), hauptsächlich wenn die Erkrankung unter
dem Bilde der Phthisis hydatidea verläuft, reagieren manchmal
negativ. In solchen Fällen habe ich beobachtet, daß bei guter
Pflege und roborierender Diät die anfangs negative Reaktion in
eine positive umschlägt. Man kann diese negative Reaktion bei
der Cachexia hydatidea auf verschiedene Weise erklären. In erster
Linie kann man an einen dauernden Zustand von Antianaphylaxie
denken, bei welchem durch kontinuierlichen Zufluß beträchtlicher
Antigenmengen sämtliche spezifische Antikörper sofort bei ihrer Ent¬
stehung neutralisiert werden. Zweitens könnte man in solchen Fällen
(den Versuchen von Dole am Meerschweinchen analog) an einen Ver¬
lust der Fähigkeit zur Antikörperproduktion durch eine forcierte,
durch längere Zeit hindurch fortgesetzte Überschwemmung mit An¬
tigen denken. In beiden Fällen wäre es doch denkbar, daß durch
Hebung der Körperkräfte eine erneute bzw. gesteigerte Antikörper¬
produktion stattfinden könnte, welche den Umschlag der Reaktion
erklären sollte. Ich erkläre mir das Ausbleiben der Reaktion in
solchen Fällen ganz einfach durch die verminderte Reaktivität eines
kachektischen Organismus.
Eine temporäre Abschwächung der Reaktion tritt nach einer
positiven subcutanen Tuberkulinreaktion genau wie auch im Verlaufe
von fieberhaften Infektionserkrankungen auf.
Es besteht keine gegenseitige Beeinflussung zwischen der Cutan-
reaktion v. Pirquet bzw. der Intracutanreaktion von Mantoux und
der Echinokokkusimpfung.
Milchinjektionen, Typhusvaccine, Thyreoidin, Jodkali und Sal-
varsan sind ohne Einfluß auf die Reaktion.
Es gelingt mit Hilfe der Intracutanreaktion ganz kleine Echino¬
kokkuscysten zu diagnostizieren, was wohl von großer prognostischer
Bedeutung ist. So gelang mir schon ein paarmal die Diagnose einer
hühnereigroßen Lebercyste, welche durch die Operation bestätigt
wurde. Selbstverständlich ist die Prognose in einem solchen Falle
eine viel günstigere, als wenn man die Cyste erst später etwa bei
Faustgroße und mehr operiert hätte.
Ein anderer Fall mit einer nußgroßen zentralen Lungencyste, ohne daß
klinische Anhaltspunkte für das Bestehen etwaiger sonstiger Lokalisation
des Parasiten vorhanden wären, bietet eine recht positive Reaktion.
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In den letzten Tagen habeieheine kleineigroße,rundliche Vorwölbung
am rechten Leberrand mit Hilfe der Intracutanreaktion als Echino¬
kokkencyste diagnostiziert. Bei der Operation konnte man die Cyste
vom Leberparenchym samt der Pericyste in toto ausschälen und auf
diese Weise erst eine wirklich ideale Operation ausführen. Bei
späterer Eröffnung der Cyste, welche einen inneren Durchmesser
von 38 mm hatte, fand ich eine große Menge Tochter blasen und
gefalteter und geschrumpfter Membranen, mit denen die primäre
Cyste vollgepfroft erschien. Natürlich in solchen Fällen hätte selbst
eine Probepunktion ein negatives Resultat ergeben.
Die Dauer der Uberempfindlichkeit ist bei Echinokokkenträgern
eine sehr lange. Ich habe viele Patienten gesehen, welche vor zehn
Jahren, einer sogar vor 22 Jahren operiert worden waren und klinisch
und radioskopisch nichts Pathologisches darboten, welche noch immer
stark intracutan reagierten.
Die künstliche Uberempfindlichkeit nach den von mir angewandten
Sensibilisierungsdosen dauert hingegen etwa 4—8 Wochen.
II. Passive Anaphylaxie.
Mit dem Serum von Echinokokkuskranken ist mir die passive
Übertragung der Uberempfindlichkeit auf andere Menschen zweimal
gelungen. Selbstverständlich habe ich jedesmal, neben der Wasser -
mannschen Reaktion, einen Vorversuch in bezug auf etwaige Hämo¬
lyse und Agglutination des Empfängerblutes durch das Spender¬
serum angestellt. Es waren zur Erzeugung der passiven Anaphylaxie
größere Serummengen (130 resp. 300 g) erforderlich, während kleinere
keinen Erfolg hatten. Selbst ca. 30 g Antiserum bei einem nur
5 Jahre alten Kinde genügten nicht, um die Anaphylaxie zu über¬
tragen, obwohl das Serum von einem stark reagierenden Echino¬
kokkusträger herstammte. Bei Verwendung größerer Serummengen
habe ich ein Gemisch aus mehreren Antiseris eingespritzt. Nach
intravenöser Einverleibung trat die passive Anaphylaxie bei der am
nächsten Tage ausgeführten Impfung in Form einer starken Reaktion
mit ausgedehntem ödem prompt auf, verlor sich aber sehr bald in
der Weise, daß schon die am 4. Tage angestellte Reaktion negativ
ausfiel. Bei der subcutanen Antiserumeinverleibung trat hingegen
die passive Anaphylaxie erst später, und zwar am 5. Tage, ebenfalls
mit einer starken Intracutanreaktion auf. Dieser spätere Eintritt
der Uberempfindlichkeit ist aus der langsamen Resorption der Serum-
kolloide bei subcutaner Präparierung ohne weiteres erklärlich.
Merkwürdig ist der Umstand, daß nach intravenöser Präparierung
die passive Anaphylaxie nur gegen das homologe eiweißhaltige
Antigen, dagegen nicht gegen das heterologe eiweißfreie Antigen ge-
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über Echinokokken-Anaphylaxie.
207
richtet war, während bei subcutaner Präparierung die Uberempfind¬
lichkeit gegen beide Antigene, wenn auch in verschiedenem Maße,
gerichtet war.
Ich muß hier bemerken, daß die passiv präparierten Patienten
am Tage der Präparierung weder gegen homologes noch gegen
heterologes Antigen nicht im geringsten reagiert hatten.
Ich erkläre mir dieses verschiedene Verhalten mit der größeren
Intensität der passiven Präparierung auf subcutanem Weg dem endo-
venösen gegenüber. Je intensiver die Präparierung, desto geringer
ist ihre Spezifizität und desto wahrscheinlicher die Gruppenreaktionen.
Eine lokale passive Gewebsanaphylaxie ist mir nicht gelungen.
Ich habe mich dabei des Versuches H . Küstners , aber in etwas
modifizierter Anordnung, bedient. Im Verlaufe eines Tages habe ich
mehrere Male in dieselbe Hautstelle 5 ccm Antiserum intracutan
eingespritzt, und jedesmal durch Gummischlauch eine stundenlange
passive Hyperämie folgen lassen. Die am nächsten Tage an der¬
selben Stelle angestellte Intracutanreaktion verlief aber bei drei
Versuchspersonen genau wie die mit Normalserum angestellte Kon¬
trolle durchaus negativ, was mit der relativen Antikörperarmut im
Serum echinokokkuskranker Menschen übereinstimmt.
Andere drei Versuche habe ich in derselben Anordnung mit dem
vom citrierten Blute reagierender Echinokokkusträger abzentri¬
fugierten Plasma angestellt. Dazu habe ich Blut mit hochgradiger
Eosinophilie angewandt (34 °/ 0 bei 10000 Leukocyten), um dabei
auch eine eventuelle Mitbeteiligung der im Plasma suspendierten
Eosinophilen an dem Zustandekommen der Reaktion zu prüfen.
Aber weder diese Versuche noch die intracutane Einspritzung von
einem Gemische Antigen und Antiplasma im Verhältnis von 1:5
ergaben positive Resultate.
Die Eosinophilie der Echinokokkuskranken fasse ich mit E. Schwarz
als einfache anaphylaktische Reaktion auf. Es ist mir gelungen,
durch lang fortgesetzte Intracutanimpfungen an Echinokokkusträgern
oder Echinokokkusoperierten eine enorme Steigerung der Eosinophilie
herbeizuführen, so in einem Falle von 300 auf 3500, in einem
anderen von 860 auf 4350! Wäre die Eosinophilie, wie Lepsky
annimmt, eine unspezifische Abwehrreaktion des Organismus gegen¬
über dem Eindringen fremder Stoffe ins Blutplasma und nicht eine
spezifisch anaphylaktische Reaktion, so möchte auch bei Einver¬
leibung anderer fremden Stoffe eine solche Eosinophiliesteigerung
öfters zu konstatieren sein. Eine fokale Steigerung der Eosinophilie
im Blute, welches durch Stich aus einer positiven Reaktionsstelle
gewonnen wurde, konnte ich dem Fingerbeerblute gegenüber nicht
konstatieren. Vielleicht ließe sie sich im Schnitte nachweisen. Wenn
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J. H. Botteri:
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man Äntigen und Antiserum in verschiedenen Verhältnissen (von
1:1 bis 1:10) 24 Stunden aufeinander im Thermostat einwirken läßt,
so bemerkt man bei Vornahme der Intracutanprobe mit dem Ge¬
mische keine Abschwächung der Reaktion. Es findet also im Glase
keine bemerkenswerte Bindung zwischen Antigen und Antikörper
statt, was wieder auf einen geringen Antikörpergehalt des Echino¬
kokkusträgerserums hinweist. Die Bildung eines anaphylaktischen
Giftes in vitro ist mir nicht gelungen. Zu einem Antigen Anti¬
körpergemische (1:4) habe ich d^s doppelte Quantum frischen
Komplementes in Form menschlichen Normalserums, um eine even¬
tuelle Komplementarmut des Antiserums auszugleichen, zugesetzt
und den nach 24 Stunden Bebrütung entstandenen Niederschlag
habe ich normalen Menschen intracutan eingespritzt. Keiner derselben
bot die geringste Reaktion dar.
III. Antianaphylaxie.
Eine Desensibilisierung durch lang fortgesetzte intracutane Re¬
aktionen gelingt nicht, auch läßt sich keine Abschwächung der Re¬
aktion damit erzielen. Größere Dosen kann man subcutan wegen
der Gefahr einer Nekrose nicht anwenden (Arthussches Phänomen).
In der Hoffnung, die Weiterentwicklung des Parasiten durch eine
mit steigenden Anti gendosen erzielte Immunisierung aufzuhalten,
habe ich, um eine vorbereitende Desensibilisierung zu erreichen, den
endovenösen Weg eingeschlagen. Selbstverständlich habe ich mit
großer Vorsicht und mit sehr kleinen Dosen angefangen. Nach der
Empfindlichkeitsskala von Doerr ist das Meerschweinchen gegen die
Erzeugung sowohl von aktiver wie von passiver Anaphylaxie am
empfindlichsten. Weniger empfindlich, aber doch dem Meerschwein¬
chen nahestehend, ist der Mensch. Dann folgen in einem erheblichen
Abstande die übrigen Tiere. Es wurde nun beim Meerschweinchen
bestimmt, daß die kleinste sensibilisierende Dosis und die minimal
tödbche Dosis ungefähr um das Tausendfache voneinander quantitativ
entfernt sind (Doerr und Buss).
Bei vielen Hunderten von Impfungen, welche keine Sensibili¬
sierung erzeugten, habe ich eine solche doch bei 7 Personen beob¬
achtet und zwar fast immer nach zwei- bis dreimal wiederholten
Impfungen. Wenn man nun die Menge Antigen für eine Impfung
auf 0,20 berechnet, wie ich meistens zu tun pflege, müßte die mini¬
mal tödliche Reinjektionsdosis 200 g betragen. Wahrscheinlich wird
sie aber höher liegen, weil eben die Menschenempfindlichkeit doch
geringer als diejenige des Meerschweinchens geschätzt wird. In An¬
betracht dessen habe ich bei meinen endovenösen Injektionen nie
die Dosis von 4—5 ccm überschritten, welche Menge etwa der zehn-
Original from
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Uber Echinokokken-Anaphylaxie.
20D
bis zwanzigfachen sensibilisierenden Dosis entspricht und dennoch
nur den vierzigsten bis fünfzigsten Teil einer hypothetischen minimal
gefährlichen Dosis darstellt.
Ich möchte hier hinzufügen, daß laut Experimenten am Meer¬
schweinchen der tödliche Chok bei der Echinokokkusanaphylaxie
viel seltener als bei der Serumanaphylaxie zu beobachten ist ( Wein¬
berg und Ciuca ), und auch das erst bei Reinjektion von 2 g Anti¬
gen, was im Verhältnis zum Körpergewichte eine hundertmal größere
posierung als die von mir beim Menschen angewandte darstellt.
Nach einer endo venösen Antigeninjektion tritt bei überempfindlichen
Menschen und zwar sowohl bei Echinokokkuskranken wie bei künst¬
lich aktiv und bei künstlich passiv anaphylaktisierten Menschen ein
charakteristischer Symptomenkomplex auf, der wohl als leichter Chok
zu deuten ist. Das klinische Bild ist folgendes: Sofort nach der
Injektion tritt Blutandrang zum Kopfe, Rötung des Gesichtes, In¬
jektion der Conjunctiven, hie und da Schwindel, und nach wenigen
Minuten bricht eine allgemeine Urticaria aus, welche an den Stellen
der früheren Cutanreaktion besonders gut ausgeprägt erscheint. Es
tritt dabei ein wahres Wiederaufflammen sämtlicher alter Reaktionen
auf, und zwar sowohl derjenigen, welche mit homologen als, wenn
auch in schwächerem Maße, derjenigen, welche mit heterologem
eiweißfreien Antigen angestellt w r orden waren. Ferner tritt manch¬
mal Blutdrucksenkung, Erbrechen, Dispnoe und Stuhldrang ein. Oft
beobachtet man leichte Temperatursteigerung, Eiweißspuren und ver¬
mehrtes Urobilinogen im Harne.
Diese allgemeinen Symptome lassen nach kurzer Zeit prompt nach
und die Patienten sind bald ganz hergestellt, ohne die geringsten
Folgen davonzutragen. Ich will gleich bemerken, daß ich solche
Patienten mehrere Monate lang tagtäglich in meiner Anstalt beob¬
achtet habe. Die Urticaria blaßt nach einer bis zwei Stunden voll¬
ständig ab, während die Reaktivierung der alten Reaktionen bleibt
in Form von ödem bis zum nächsten Tage bestehend.
Nach einem solchen Chok trat in drei Fällen eine vollkommene
Desensibilisierung gegen die Intracutanreaktion in der Dauer von
3—7 Tagen ein, nach welcher Zeit die Uberempfindlichkeit wieder
einsetzte. Bei dem passiv präparierten Falle war die Desensibili¬
sierung eine dauernde.
Man kann den Chok auch mit kurz aufgekochten homologen
Antigenen auslösen, wenn dabei infolge der alkalischen Reaktion das
Eiweiß nicht ausfällt. Hingegen läßt sich mit heterologen, eiwei߬
freien Antigenen kein Chok erzielen, obwohl, wie erwähnt, eine
Sensibilisierung damit wohl gelingt. Dieses Verhalten wäre durch
die Annahme ganz minimaler, nicht mehr chemisch, sondern nur
Z. f. d. g. exp. Med. XXX. ]4
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Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
210
J. H. Botteri:
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serologisch nachweisbaren Eiweißspuren erklärlich. Bekanntlich ge¬
lingt manchmal mit chemisch nicht nachweisbaren Eiweißspuren wohl
die Erzeugung einer Sensibilisierung, nicht aber die eines Choks,
weil dazu 1000 mal größere Mengen notwendig sind.
Die Hydatidenflüssigkeit enthält neben albuminoiden auch lipoide
Substanzen, und es wäre denkbar, daß auch die letzteren bei dem
Zustandekommen der Anaphylaxie eine Rolle spielen.
Jedenfalls wenn auch Lipoidextrakte aus Bandwürmern nach
K. Mayer in 50° 0 der Fälle zu sensibilisieren vermögen, reagiereg
die Tiere mit anaphylaktischen Symptomen nur, * wenn die eiwei߬
haltigen, wäßrigen Bandwurmextrakte zur Reinjektion benützt werden,
während reines Lipoid wirkungslos bleibt.
Dem Tierexperimente analog konnte ich bei meinen Versuchen
durch intravenöse Injektion von lipoidhaltigen, aber eiweißfreien
Rindsantigenen nie einen Chok erzielen, während mir ein solcher mit
eiweißhaltigem Antigen selbst bei viel geringerer Dosierung gelungen ist.
Im Tierexperimente gelingt die passive Übertragung der Uber¬
empfindlichkeit durch das Serum der mit Lipoiden behandelten Meer¬
schweinchen auf normale Meerschweinchen nicht. Es gelingt hin¬
gegen leicht die passive Übertragung der Anaphylaxie auf normale
Meerschweinchen durch das Serum echinokokkuskranker Menschen
( Weinberg) und Rinder (Schern). Mir ist, wie oben erwähnt, die passive
Übertragung der Echinokokkenanaphylaxie von Menschen zu Menschen
zweimal gelungen.
Es ist darum unwahrscheinlich, daß die Echinokokkenanaphylaxie
eine reine Lipoidreaktion sei. Man muß vielmehr die Mitwirkung
eines wahren Antigens aus der Gruppe der Proteine annehmen.
Da aber bisher die Rolle der lipoiden Substanzen bei den Immun¬
phänomenen sich nicht einwandfrei erweisen ließ, möchte ich auch
hier die Frage der Mitbeteiligung der lipoiden Substanzen an der
Echinokokkenanaphylaxie offen lassen.
Am Schlüsse will ich bemerken, daß Versuche im Gange sind,
um einerseits die diagnostische Bedeutung der Reaktion bei Tieren
und anderseits um den Schutzwert einer präventiven aktiven Immu¬
nisierung, d. h. einer Vaccination der Tiere gegen eine Echinokokken¬
infektion festzu stellen.
Ob bei bereits vorhandener Infektion durch künstliche Steigerung
des Antikörpergehaltes eine eingreifende Wirkung auf die Cysten¬
wand oder wenigstens eine Hemmung des Cystenwachstums zu er¬
zielen sei, scheint es unwahrscheinlich, da die betreffenden Anti¬
körper nicht auf Endotoxinwirkung entstanden sind und somit wahr¬
scheinlich keine aggressive Wirkung haben werden. Es werden
jedenfalls auch in dieser Richtung Versuche angestellt.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
V ber Echinokokken-Anaphylaxie.
211
Auszüge aus einigen Krankengeschichten.
I. Pr.-Nr. 1573. Acim L, 28 Jahre, aus Kolarine (Gemeinde Benkovac).
Außer Malaria keine früheren Erkrankungen. Vor l 1 /* Jahren bemerkte er eine
Vorwölbung unter dem rechtem Rippenbogen. Etwas Kurzatmigkeit beim
Laufen. Nie Ikterus, nie Urticaria, keine Schmerzen, kein Fieber. Die Leber¬
dämpfung fängt oben in der Mamillarlinie am oberen Rand der IV. Rippe mit
einer Linie, welche seitlich abfällt bis zum XI. Dornfortsatz. Die Herzdämpfung
fängt oben an dem oberen Rand der III. Rippe an. Der Spitzenstoß ist tast -
bar und sichtbar im IV. I. R. genau in der Mamillarlinie.
Der untere Leberrand ist von normaler Konsistenz und Schärfe in der
Mitte zwischen Nabel und Schwertfortsatz zu palpieren. Nach rechts kann
man ihn bis zum X. Rippenknorpel verfolgen, nach links verliert er sich in den
Müztumor. Der rechte Rippenbogen ist etwas vorgewölbt. Röntgen: Die»
rechte Zwerchfellskuppe steht in der Höhe des IV. Interkostalraumes und ist
in ihrer Bewegung eingeschränkt. Die hinteren Zwerchfellspartien zeigen nor¬
male Lagerung und Bewegungen. Der rechte Sinus pleurae ist frei und gut
aufhellbar.
Leukocyten 10000. Eosinophile 200 (2°/ 0 )* Auf intracutane Impfung
mit homologem Antigen tritt Rötung und starkes ödem im Umfange von
80*130 mm. Am nächsten Tage ist die ganze Volarseite des Unterarmes
ödematös. Die Impfung mit heterologem eiweißhaltigem Antigen ergibt Rötung
und ödem im Umfange von 00 00 mm. Diejenige mit heterologem eiwei߬
freiem Antigen nur im Umfange von 40-40 mm.
Diagnose: Große Ecluncoccouscyste an der vorderen Leberkuppe mit Herz-
und Leberverdrängung. Zweizeitige Operation nach Volkmann. Bei der trans-
pleuralen Eröffnung der Cyste entleert sich 1750 g wasserklare, leicht alka¬
lische Flüssigkeit mit 3 / 4 ° \ M Eiweiß. Ausspülung mit 2°/ 0 Formalin. ln den
nächsten Tagen starke Cholerrhagie. Sofort nach dem zweiten operativen Ein¬
griff wird die Intracutanreaktion negativ, und zwar glaube ich mehr infolge von
Anergie als infolge von Antianaphylaxie, weil bei der zweizeitigen Operation
keine Gelegenheit zu einer größeren Resorption Hydatidenfiüssigkeit geboten
war. Selbstverständlich kann man eine solche nicht ausschließen, weil durch
die infolge der Entleerung bedingte Entspannung der Pericyste eine bessere
Durchblutung und eine stärkere Durchlässigkeit derselben wohl möglich er¬
scheint. Der letztgenannte Vorgang scheint aber in konkretem B'alle unwahr¬
scheinlich, weil nach der Entleerung der Cyste keine anaphylaktischen Symptome
(Urticaria, Chok u. a.) aufgetreten sind. Dagegen ist der Rtarke Gallenfluß
ausreichend um die Schwächung des Gesamtorganismus und damit auch der
cutanen Allergie zu erklären. Die Anergie ging nach 14 Tagen in die frühere
Hyperergie über. Zuerst ting Patient gegen homologe Antigene und erst viel
später auch gegen heterologe intracutan zu reagieren.
II. Pr.-Nr. 470. Simo S., 45 Jahre alt, Banjevac (Benkovac). Außer Kurz¬
atmigkeit keine subjektive Beschwerden. Sehr blasser und cvanotischer, stark
heruntergekommener, kachektischer Pat. Die Leberdämpfung fängt vorne oben
an der IIL Rippe, rückwärts 2 Querfinger unter dem Angulus. Der Leberrand
reicht bis in die Mitte zwischen Nabel und Proc. xyph. und ist von normaler
Schärfe und Konsistenz. Eine faustgroße fluktuierende Geschwulst ist in der
Ileocöcalgrube zu palpieren, mehrere kleinere im kleinen Becken. Bei der
Röntgenoskopie steht die rechte Zwerchfellskuppe in der Höhe der III. Rippe-
Der seitliche und hintere phrenicokostale Winkel ist frei. Im linken Unter¬
lappen hinter dem Herzen ein runder, eigroßer, scharf begrenzter Schatten.
14*
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
212
J. H. Bottcri:
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Alb. 4 * Urobilinogen normal. Diazo neg. Leukocyten 9200 mit 9.3" c
Eosinophilen.
Diagnose: Echinococcosiß multiplex.
Die Intracutanreaktion mit homologem Antigen ergibt nur eine cyanotische
Verfärbung um den Einstich in der Ausdehnung von 50-100 mm ohne die ge¬
ringste Infiltration und ohne Spur eines Ödems. Die Impfung mit heterologem
Antigen verläuft vollkommen negativ. Bei guter Pflege und roborierender Diät
unter Anwendung hypertonischer endovenöser Traubenzucker- und Kochsalz¬
infusionen erholt sich Pat. so weit, daß er nach 5 Wochen auf die intracutane
Reaktion mit einem starken ödem 65.80 mm reagiert. Zu gleicher Zeit mit
der zunehmenden Besserung steigt die absolute und relative Eosinophilie in
der Weise, daß nach 2 Monaten die enorme Zahl von 3800 Eosinophilen auf
9100 Leukocyten erreicht wurde (41°/ 0 ).
HI. Pr.-Nr. 157. Ursula G., 19 Jahre alt, Jadrtovac (Sibenik). Aufge¬
nommen wegen Malaria. Zufälligerweise wird die P. zusammen mit vielen
anderen Kontrollpatienten intracutan geimpft. Statt einer erwarteten nega¬
tiven Reaktion reagiert sie mit einem starken ödem (100 160 mm). Bei ge
nauercr Palpation entdeckt man über der Leberincisur hoch oben unter dem
Rippenbogen bei starker Inspiration eine nußgroße Vorwölbung von derselben
Konsistenz wie das umliegende Lebergewebe.
Leukocyten 6600 mit 500 Eosinophilen (7,5%). Die Intracutanreaktion
mit eiweißfreiem, ganz frischem heterologem Antigen ist negativ, diejenige mit
eiweißhaltigem (0,5%) heterologem Antigen ergibt nur eine leichte Rötung
30*40 mm. Eine gleich darauf angestellte Wiederholung der Impfung mit
homologem Antigen ergibt wieder oino stark positive Reaktion.
Diagnose: Latenter Leberechinokokkus.
Die Operation bestätigt die Diagnose. Die Cyste war eigroß und im
Leberparenchim tief eingebettet.
IV. Pr.-Nr. 1511. Pasko M., 25 Jahre alt, Visoka, Lecevica. Seit einem
Monate intermittierendes Fieber mit Schüttelfrösten. Chinin bleibt ohne
Wirkung. Starkes Seitenstechen rechts in der Brust und unaufhörliche Diar-
köe, aber ohne Schleim und ohne Blut. Keine Amöben im Stuhle. Kein
Ikterus. Der stark heruntergekommene Patient macht einen septischen Ein¬
druck. Der obere Rand der Leberdämpfung steht in der Achselhöhle am
höchsten (V. R.). Nach unten ist die Leber wenig vergrößert. Am Röntgen
bemerkt man einen starken Hochstand der rechten Leberkuppe bei freiem
Pleurasinus. Alb.-Spuren. Urobilinogen etwas vermehrt. Leukocyten 14000.
Gegen die Intracutanreaktion ist Pat. energisch.
Diagnose: Leberabsceß. Bei der transpleuralen Eröffnung stößt man auf
einen vereiterten Leberechinokokkus. 8 Wochen nach der Operation ist die
Intracutanreaktion stark positiv (80* 110 mm) mit starkem ödem, aber fast
ohne Rötung. Leukocyten 8000 mit 3,5% Eosinophilen. Die Reaktion mit
heterologem Antigen ist negativ (leichte Infiltration 30-30 mm).
Die absolute und relative Eosinophilenzahl steigt mit zunehmender Besse¬
rung, um bei der Entlassung die Höhe von 520 bei Gesamt-Leukocytenzahl von
4500. d. h. 11% zu erreichen.
V. Pr.-Nr. 1516. Ivanica M., 32 Jahre alt, Vinisce, Trogir. Vor 4 Jahren
an Echinococcus hepatis operiert. Vor 3 Monaten Hämoptoe, Urticaria und
starkes Jucken am ganzen Körper, Schwellung der Augen. Seit einem Monate
Schmerzen hinter dem Sternum. Blaßcyanotische Patientin ohne Ödeme.
Die Leberdämpfung fängt oben in der Mamillaris an der IV. R. hinten am
Angulus scapulae. Der Leberrand ist scharf, von normaler Konsistenz und
reicht nach unten bis 2 Querfinger oberhalb des Nabels. Großer harter Milz-
Gck igle
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über Echinokokken-Anaphylaxie.
2U5
tumor. Herzspitze in dem V. I.-R. 3 cm außerhalb der Mamillarlinie. Der
rechte Rippenbogen ist vorgewölbt. Rechts ausgesprochener Caput medusae.
Kein Hydatidenzittern. Bei der Röntgeno skopie ist die rechte Zwerchfells¬
kuppe in der Höhe der IV. R. Im Harne Spuren Eiweiß. Urobilinogen -f -f-K
Leukocyten 7300 mit 3,2°/ 0 Eosinophilen. Fieberfrei. Intracutanreaktion
150-100 mm starke Rötung und starkes ödem.
Diagnose: Echinococcus hepatis mit Herzverdrängung nach links. Bei der
Operation entleert man 4 1 klarer, etwas gelblicher Flüssigkeit mit 1° (XJ
Eiweiß, im Sediment Scolices und Hacken. Marsupialisation der Cyste. Im
Verlauf der Behandlung entwickelt sich ein rechtsseitigas thoraxempyem. Exitus
an Herzschwäche 26 Tage nach der Operation. Obduktion: Die operierte Cyste
leer, gut drainiert. Im rechten Leberlappen findet man eine zweite, etwa
apfelgroße, vereiterte Cyste, welche durch eine 4 cm dicke Leberparenchym -
wand von der ersten entfernt war. Empyema Thoracis dextri.
VI. Pr.-Nr. 201. Niko B,. 28 Jahre alt, Sibenik. Trockener Husten seit
einigen Monaten, nie Hämoptoe, nie albuminöse Expektoration. Kein Fieber.
Am Röntgen sieht man in der Mitte des linken Lungenfeldes, vom Hilus ca.
3 cm entfernt, einen runden, scharf begrenzten Schatten von der Größe einer
Pflaume. Keine Tbc.-Bacillen im Sputum. Wassermann negativ. Leukocyten
7500 mit 4°/ 0 Eosinophilen. Die intracutane Reaktion mit homologem Antigen
ergibt ein starkes Odem 80-130 mm und eine blasse Rötung. Heterologes
eiweißfreies Antigen, gar keine Reaktion.
Diagnose: Echinococcus pulmonis.
VII. Pr.-Nr. 334. Antula G., 26 Jahre alt, Zablace. Operiert vor 1 Jahre
an einem enormen Echinococcus suppurativus peritonei. Jetzt subjektiv gesund
Objektiv keine Anhaltspunkte für andere Cysten. Leukocyten 7200 mit 300
Eosinophilen (4°/ 0 ). Die intrucutane Reaktion ergibt starke Reaktion sowohl
mit homologem (120-180 mm) wie mit heterologem Antigen (80-100 mm). Nach
mehreren Cutanimpfungen und einer endovenoser Injektion steigt stufenweise
die absolute Eosinophylenzahl bis auf 3466 bei einer Leukocytengesamtzahl
von 10200.
VIII. Pr.-Nr. 402. Ante D., 40 Jahre alt, Mandalina, Sibenik. Operiert vor
22 Jahren an Echinococcus suppurativus renis, welcher in das Nierenbecken
pereforiert hatte. Jetzt klinisch und radioskopisch gesund. Leukocyten 9800,
Eosinophilen 200 (2°/ 0 ). Reagiert auf homologes Antigen mit Rötung und
starkem ödem des ganzen Vorderarmes. Auf heterologes eiweißfreies Antigen
mit starkem Odem und Rötung 60 -70 mm.
IX. Pr.-Nr. 710. Jeka Z., 34 Jahre alt, Golubic, Knin. Seit einiger Zeit
Schmerzen und Vorwölbung im Epigastrium. Fieber. Enorme schmerzhafte
fluktuirende Prominenz im Epigastrium. Nabelwärts ist der Leberrand zu
palpieren. Leukocyten 10000. Eosinophilen 900. Die Intracutanreaktion mit
homologem Antigen ergibt eine schwache Rötung und mittelmäßiges ödem im
Umfange 55-84. Dieselbe mit heterologem Antigen nur eine Rötung von
40-40 ohne ödem. Bei der Operation entleert sich eine große Menge teils
vereiterter, teils durchsichtiger Tochterblasen.
X. Pr.-Nr. 690. Luca R., 30 Jahre alt, Vrlika. Kolikartige Schmerzen in
der Lebergegend. Am rechten Leberrande ganz seitlich palpirt man bei tiefer
Einatmung eine kleine eigroße Vorwölbung. Kein Fieber. Die intrakutane
Impfung mit homologem Antigen ergibt ein mäßiges ödem von 80-100 mm
Ausdehnung. Dieselbe mit heterologem Antigen ist vollkommen negativ. Bei
der Operation konnte man die zur Hälfte im Leberparenchym eingebettete Cyste
samt der Pericyste ohne besondere Schwierigkeit und ohne Blutung in toto
ausschälen und auf diese Weise erst eine wirklich ideale Operation ausführen.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
214
.]. H. Boüeri:
Bei späterer Eröffnung der Cyste, welche ein inneres Durchmesser von 38 mm
hatte, entleert sich eine große Menge von ganz kleinen Tochterblasen und
viele gefalteten und geschrumpften Membranen, mit welchen die primäre Cyste
förmlich vollgestopft war. Zu gleicher Zeit hat man eine Cholecystotomie wegen
Gallensteine ausgeführt, welche letzteren wohl die Ursache der in der Anam¬
nese erwähnten Kolikschmerzen gewesen sein dürfte.
Zusammenfassung.
Di© Flüssigkeit der Echinokokkusblase sensibilisiert den Menschen
im Sinne der Allergie. Die Sensibilisierung gelingt auf künstliche
Weise durch subcutane Injektionen von kleinen Mengen der Cysten¬
flüssigkeit. Dabei besteht kein Unterschied zwischen heterologer
und homologer Provenienz der Cystenflüssigkeit. Die vorbehandelten
Individuen reagieren nach einer mindestens 8 tägigen Inkubations¬
periode mit charakteristischen Erscheinungen. Der überempfindliche
Zustand läßt sich mit dem Serum sensibilisierter Individuen passiv
auf normale übertragen. Sensibilisierte Individuen kann man durch
parenterale Zufuhr der betreffenden Substanz desensibilisieren. Intra¬
venöse Injektion von Echinokokkenflüssigkeit verursacht bei sensi¬
bilisierten Individuen deutliche anaphylaktische Symptome. Nach¬
dem die Echinokokkenflüssigkeit alle vorstehenden Postulate erfüllt, ist
sie als wahres Antigen zu betrachten. Sie enthält keine primären Toxine-
Zum Beweis der eingetretenen Allergie eignet sich die Intra-
cutanreaktion; sie zeigt sehr charakteristische und eindeutige Sym¬
ptome. Die PirquetBche und Galmette sehe Probe sind dazu nicht geeignet.
Die intracutaue Reaktion ist als ein wertvolles diagnostisches Mittel
beim Menschen verwendbar.
Echinokokkusträger reagieren auf intracutane Impfungvon Echino-
kokkusflssigkeit mit einer spezifischen Lokalreaktion. Dieselbe ist mit
homologem Antigen viel deutlicher und konstanter als mit heterologem.
Die Reaktion gestattet die Diagnose auch latenter Fälle. Hühnerei¬
große Cysten geben schon eindeutige positive Reaktionen. Es hat darum
die Reaktion außer dem diagnostischen einen großen prognostischen Wert.
Die Echinokokkusflüssigkeit behält ihre antigene Wirksamkeit
monate-, ja selbst jahrelang, wenn sie gut verschlossen mit 2°/ 0
Chloroform aufgehoben wird.
Anergie kommt bei Vereiterung der Echinokokkuscysten und bei
dekrepiden Kranken mit ausgedehnter Cystenaussaat vor. Der
allergische Zustand, wenn er durch eine Erkrankung bedingt war,
dauert sehr lange, auch nach operativer Entfernung der Cysten.
Künstlich herbeigeführte Allergie ist kurzdauernd.
Die Eosinophilie der Echinokokkuskranken ist als Teilsymptom
der Anaphylaxie zu deuten.
Die Frage der Mitbeteiligung der lipoiden Substanzen an der
Echinokokkusanaphylaxie ist noch offen zu lassen.
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über Echinokokken-Anaphylaxie.
215
Anhang.
Tabelle A. Aktive Anaphylaxie.
i 1
1
i
c 5 - =
Intracutan-
r S P ’S
impfung mit
Proto-
Name, Alter.
Diagnose
Weg der Sensibilisierung und
2 * -4)
Dauer der Ana-
koll- i
Nr. J
Wohnort
nötige Antigendosis
® *3 N
x Ü t; *
£ 4 ~ ‘33
mensch¬
lichem
eiweiß-
freiem
phylaxie
,
1
•c * Q
Sfl c. *-> .
= . ri x
f- T3 c z:
Antigen
Rinds¬
antigen
I. Sensibilisierung mit
von menschlichem Echinokokkus stammendem
Antige
n.
175 I
iKarmela, M., 1 Cystitis poly-
Subcutan 60 g
IX
Über 2 Mo-
33, Sibenik
posa
1
1
nate für
menschliches
l
Antigen,
i
i
|
20 Tage für
1
1
|
eiweißfreies
Rindsantigen
188 !
Ilija, T., 16,
Caries Bterni
Subcutan 30 g
VIII
-H-r 1
neg.
Cber2Monate
Sibenik
1410
Gjuro, G., 26,
Entichiasis
Subcutan 5 g
X
-f
3 Wocheu
Cicvara
e Trachoma
i
1635
Vaso, S., 26,
Pannus Tra-
Subcutan 4 g
VIII
5 Wochen
1
Numic
chomatosus
1641 |
Marica, S., 20, i
Hysteria
Subcutan 5 g
VIII
-f- |
Bald
i
Sibenik
gravis
entlassen
274 ,
Frane, R., 40,
Gonitis rh.
Subcutan 5 g
VIII
-f-i-
Uber 7 Tage
Rab
chronica 1
(entlassen)
1249
jPetar, C., 17, 1
Vitium cordis
Subcutan 5 g
V
Vrpolje
1377
Fila, N., 27,
Lues sec.
Subcutan 3 g
VIII
+
30 Tage
Kucice
W. +++ 1
1462
Vinka, M., 22,
Paresis
Subcutan 3 g
IX
-f
20 Tage
!
Sibenik
facialis
|
1508
Petra, S., 22,
Trachom
Subcutan 3 g
IX
4-
l
Bald
Prvic Luka
i
entlasßen
127 !
Josip, M., 14,
i Bronchitis
Subcutan 2 g
VIII
1
T
Bald
Rogoznica
1
I
enttassen
551
Xiko, 0., 8,
! Glomerulo¬
Subcutan 1,5 g
VIII
+
15 Tage
Bilice
nephritis ehr.
Iniravenös 5 g
1522
Marija,M., 21,
Keratitis
—
n eg.
neg.
Böhmen
profunda
230
Marko, M., 46,
Chorioretini-
Intravenös 5 ccm -f 2,5 ccm
—
neg.
Tijesno
I tis luetica
in 10tägigen Intervallen
1497
Knmo, S., 24,
Ulcus
Intravenös 2 -f 2 -f 4 ccm in
—
neg.
Seget
duodeni
1 8 resp. 5 Tagen Intervallen
1
1579
Ante, S., 25,
Infiltratio
Intravenös 1 -f 2-f 2 + 5 ccm
XII
13 Tage
Ljubotic
apicis p.
nach 8, 5, 10 Tagen
156
t Stipe, G., 29,
Bakteriuria
Drei Impfungen (intracu-
X
++
Am 12. Tage
Rogoznica
tan) nach 10 resp. 2 Tagen
I
ven.desensib.
1376 ilLuka, G., 18,
1 Fungus genus Drei intracutane Impfungen
VI
+
Über 16 Tage
Sibenik
l
1 in 4 tägigen Intervallen
(entlassen)
Digitized by
Gck 'gle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
216
J. H. Botteri:
Tabelle A (Fortsetzung).
]
I
i i
t ;
i
!
ß
ü es *5 5
Intracutan-
Proto- 1
i
Name, Alter,
1
Diagnose
Weg der Sensibilisierung und
C g « JS
5 c S S
i 00 *m
gSj»
impfur
Lg mit
Dauer der Ana-
koll- !
Nr. |
j Wohnort
1
nötige Antigendosis
g u $ »
"i-do
mensch¬
lichem
eiwei߬
freiem
phylaxie
;
.
Z |j=o
o. o
ca . « oo
H-O B =
Antigen
Rinds¬
antigen
1578~!
1
Angja, M., 26,
Citluk
Graviditas
Drei Cutan-Impfungen
nach 2 resp. 8 Tagen
IX
-f
Bald
entlassen
1148 |
i
Marija, V., 50,
IvoSevci
Pannus Tra-
chomatosus
Zwei intracutane Impfun¬
gen in 8 tägigen Intervallen
xn
4 1
12 Tage
1435 I
Marin, P., 42,
Velaluka
• Trachoma
Zwei intracutane Impfun¬
gen in 12 tägigen Intervallen
IX
Weiter intra-
ven.eingespr
1400 |
Stipan,R., 19,
| Pakovoselo
Infiltratio j
pulmonum
Zwei Impfungen in 8 tägigen
Intervallen
VII
Über 20 Tage
1574 j
'Marija, P., 17,
Zlarin
Cat. apic. !
pulm.
Eine intracutane Impfung
■
vm
_L
24 Tage
1615 !
Pera, M., 19,
Kijevo
Multiple |
Sklerose
| Per os 350 g während einer
Woche
VI
-L I
'
6 Tage
303
339
II. Sensibilisierung mit eiweisfreiem Rindsantigen.
Krste, G., 41,
Prostatitis 1 Subcutan 30 g, intravenös 5 g
IX
r-f i -f-r
Konjevrat
chronica |
Mate, B., 43,
Sclerosis | Subcutan 30 g, intravenös 5 g
VII
— 1 -f
1 Radoniö j
multiplex j
.
Tabelle B. Passive Anaphylaxie.
■
J. c
3 ** O
Intracutan-
.
Proto-
i i
< ® ^
_ °
impfung mit
Name, Alter.
Diagnose
Weg der Sensibilisierung und
£ S c
homo-
Dauer der Ana-
koll-
Wohnort
angewandte Antiserumdosis
1 ogem
lietero-
phylaxie
Nr.
i
1 I
s m O
■S go
JS g
H ~ >
(men sch*
lichem)
Antigen
logem
(Rinds-)
Antigen
447 ,
Frane, Z., 24,
Dyspepsia j
300 g subcutan (von 4 ana-
r
~L_L
Über 10 Tage.
i Velaluka
nervosa j
phylaktischen Individuen
Wurde am 10.
i ;
i i
1 i
i j
gesammelt)
Tag mit 7,50
ccm homolog.
Antigens in¬
travenös de-
sensibilisiert
363
Marko, N., 39,
Leucoma
135 g intravenös
n
0
2 Tage
Sibenik
adhaerens
i
1639
Frane, B., 5,
Fractura
28 ccm subcutan
—
0
0
—
Sibenik
femoris
1619
Karimir, K.J
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
über Echinokokken-Anaphylaxie.
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*) Von raenschliebem Echinokokkus stammende Flüssigkeit.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1573 | Aöim, I., 28, | Vor 2 Monaten an j 2,50 g eiweißfreien Ohne Symptome.
I Koiarine Echinococcus he- Rindsantigens
I patis oporiert Tag darauf 5 g des- Symptomlos.
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Über Echinokokken-Anaphylaxie.
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
220
J. H. Botteri: über Echlnokokken-Anaphylaxie.
Literaturverzeichnis:
1. Ascoli: Grundriss der Serologie 1921. — 2. Chauffard , Boidin, Laroche: Ana¬
phylaxie hydatique experimentale. Soc. Biol. 1909. — 3. CraweUy Vegas: Trata-
raiento de los Quistee HidAticas 1910. — 4. Colombani: Ekinokokova holest u
Dalmaciji. IsvjeStaj Sibenske bolnice 1908—1913. — 5. Dörr: Die Anaphy¬
laxieforschung im Zeiträume von 1914—1921. — 6. Deve: Anaphylaxie hyda¬
tique postoperatoire mortelle. Soc. de Biol. 1910.— 7. Ders. Infantilisme hyda¬
tique, Soo. de Biol. — 8. Ders. L’echinococcose en pathologie compar£e 1920. —
9. Ders. Le cyste hydatique multivAsiculaire du foi 1917.— 10. Ders. L’hysto-
genAse du cyste hydatique 1916. — 11. Friedberger: Die Anaphylaxie 1917. —
12. Fontano: Intradermo e sottocutaneo reazione con liquido cistico neile
echinoccosi umane Policlinico 1920. — 13. Ohedini u. Zamorani: Versuche über
die durch helminthische Produkte hervorgerufene Anaphylaxie. Zentralbl. f.
Bakteriol., 55. — 14. Qraetz: Serodiagnostik der Echinokokkeninfektion. Ibidem. —
15. Rolle de Hartoch: Die Überempfindlichkeit 1920 (Ergehn, d. ges. Med.) —
16. Much: Pathologische Biologie 1920 (Immunwissenschaft). — 17. Pericic: Die
Echinokokkenkrankheit in Dalmatien. Wien. Klin. 1905. — 18. Pfeiler , W
Die Serodiagnostik der Echinokokkenkrankheit. Zeitschr. f. Haustiere 11. 1912. —
19. Bichei: Die Anaphylaxie 1920. — 20. Schern: Praktische Verwertung der
Anaphylaxie. Arch. f. Hyg. 1913. — 21. Schmidt: Technik immunbiologischer
Untersuchungsverfahren 1921. — 22. Schwarz: Eosinophilie, Jahreskurse für
ärztliche Fortbildung 1914. — 23. Weinberg u . Ciuca: Anaphylaxie hydatique
experimentale. Soc. de Biol. 1913. — 24. Weinberg , Segnin: Anaphylaxie et
eosinophilie. Soc. de Biol. 1914. —
Digitized by C^oucne
Original fram _
UNIVERSITY OF MINNESOTA
(Aus der Medizinischen Poliklinik in Freiburg i. Br. [Direktor:
Prof. Kurt Ziegler].)
Über Ursache uiid Entstehung der Aderlaßlipämie.
Von
Dr. Fritz Edelmann
Assistenzarzt.
(.Eingegangen am 5. Juli 1922.)
Die pathologischen Formen von Lipämie unterscheiden sich von
den physiologischen Zuständen vermehrten Blutfettgehaltes dadurch,
daß die letzteren eine, nach Fettzufuhr in der Nahrung auftretende,
in ca. acht Stunden abklingende Erscheinung sind, während die
ersteren längere Zeit bestehen bleiben und auch bei relativ fettarmer
Ernährung zustande kommen. Derartige pathologische Lipämie-
oder Lipoidämieformen sind bekannt beim Diabetes mellitus, bei
verschiedenen Intoxikationen (Phosphor-, Phlorizin-, Chloroform-,
Alkoholvergiftung), nach Pankreasexstirpation, im Hungerzustand, bei
Kachexieen und auch bei der Cholämie. Bei der letztgenannten
Form kommen allerdings besondere Verhältnisse (vermehrte Lösungs¬
fähigkeit des Serums für Lipoide?) in Frage. Quellen für das im
Serum angehäufte Fett sind nach Rosenfelds u. a. Untersuchungen
nur Nahrungs- oder Depotfett.
Als Ursache für die Fetthäufung im Serum kommt in Betracht:
1. eine mangelhafte Veränderung des in feiner Emulsion im Serum
vorhandenen Fettes, so daß es von der Zelle nicht aufgenommen
werden kann. Fischer u. a. halten nämlich für die Aufnahme des
Fettes eine vorhergehende Lösung oder Verseifung desselben für not¬
wendig; 2. eine Schädigung der Capillarwand und der Zellmembran
und als Folge davon mangelhafte Resorption; 3. allgemeine Gewebs-
zellschädigung mit gestörtem Zellstoffwechsel und dadurch bedingte
mangelhafte Verarbeitung des Fettes; 4. eine Funktionsstörung der
Leber; nach Freudenberg , Shibata u. a. hat die Leber im Fettstoff¬
wechsel die Aufgabe, das zur Verarbeitung bestimmte Fett in eine
bestimmte Modifikation (vielleicht Tributyrin) umzuformen, in welcher
es allein für den Zellstoffwechsel angreifbar ist; es soll daher eine
partielle Schädigung dieser Funktion ebenfalls eine Fettanhäufung
im Serum verursachen können.
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
222
F. Edelmann:
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Was diese Möglichkeiten betrifft, so ist zunächst zu bemerken,
daß die Resorption des Fettes von der Gewebszelle in gelöstem Zu¬
stande (analog der Darmresorption) wohl anzunehmen ist. Ebenso
aber ist durch die Untersuchungen von K. Ziegler u. a. erwiesen,
daß Fett auch in feinst emulgiertem Zustande von der Zelle auf¬
genommen werden kann, so daß der Resorptionsmodus der Fette aus
dem Darm nicht ohne weiteres auf die parenterale Resorption über¬
tragen werden kann. Eine besondere Rolle spielt ferner bei der
Frage der Fettresorption aus dem Serum die Annahme einer Serum¬
lipase, wobei zur Voraussetzung gemacht ist, daß die Resorption nur
in verseiftem oder gelöstem Zustande möglich ist. Ursprünglich war
das Vorhandensein eines derartigen Fermentes überhaupt zweifelhaft.
Nach der von Rona und Michaelis angewandten Methode (Stalagmo-
meter) ist aber an der Existenz desselben wohl nicht zu zweifeln.
Es wäre also die Entstehung einer Lipämie möglicherweise auf ein
Versagen dieser Lipase zurückzuführen.
Die experimentelle Erforschung der Lipämiefrage war mit großen
Schwierigkeiten verbunden, bis Boggs und Morris (und fast zu der¬
selben Zeit auch Morawitz und Pratt ) die Aderlaßlipämie beim Ka¬
ninchen beschrieben. Die ersteren erklärten diese Erscheinung durch
eine Stoffwechselstörung, welche durch den Eiweißverlust bedingt
sei. Sie glauben, daß das Fett in Form einer Protein-Calcium-Leci-
thinverbindung im Serum worhanden sei. Milne schreibt die Ent¬
stehung der Aderlaßlipämie einer durch die Anämie bedingten
schlechten Sauerstoff Versorgung und daraus resultierenden vermin¬
derten Oxydationsenergie zu. Was den letzten Punkt anbelangt, so
ist beim Diabetes mellitus, wo doch gerade die höchsten Lipämie-
grade Vorkommen, sicher keine verminderte Oxydationsenergie voi-
handen (Erhöhung der C0 2 -Ausscheidung; Magnus-Levy). Außerdem
hat Bieling nachgewiesen, daß bei der Aderlaßanämie des Kaninchens
bis zu 20 °/ 0 Hämoglobin das Kohlensäurebindungsvermögen des
Blutes nicht abnimmt, demgemäß keine Säuerung des Blutes und
also auch kein Sauerstoffmangel bestehen kann.
Sakai wies an Hand zahlreicher Versuche nach, daß Kaninchen
keine Resorptionslipämie bekommen. Eine solche trat nur ein bei
anämisierten Kaninchen. Er nahm an, daß beim normalen Kaninchen
die Elimination des Fettes aus dem Serum ebenso schnell verläuft
wie die Resorption aus dem Darm. Die Aderlaßlipämie war bei
fettreicher Ernährung leichter auslösbar wie bei fettarmer. Das
Serumfett stammt also nach seinen Ergebnissen sowohl aus dem
Nahrungs- als auch aus dem Depotfett. Weiter stellte Sakai bei den
anämisierten Kaninchen eine Abnahme der Serumlipase fest. Diese
Abnahme w r ar nicht proportional der Größe der Aderlässe, konnte
Gck igle
Original from- -
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Über Ursache und'Entstehung der Aderlaßlipämie.
223
also nicht von der Blutverdünnung herrühren. Sie war, aber nur
bei Milchfütterung, ungefähr umgekehrt proportional der Stärke der
Lipämie. Sakai schreibt diese Verminderung der Lipase einer Schä¬
digung gewisser, aber nicht näher bezeichneter, Lipase bereitender
Organe zu. Endlich fand er noch eine mit der Lipämie einher¬
gehende Hypercholesterinämie, welche er durch Lösung von Chole¬
sterin im Serumfett erklärt.
In neuester Zeit hat Horiuchi den Lipämiekomplex bei anämi-
sierten Kaninchen genau untersucht. Auch er glaubt als Ursache
der Lipämie eine Schädigung von Lipase bereitenden Organen, als
welche er Leber, Milz und Lymphknoten ansieht, annehmen zu müssen.
Als eine Betätigung dieser Auffassung könnte die von Bergei ver¬
tretene, aber bestrittene Lehre vom Lipasegehalt der Lymphocyten
herangezogen werden. Feigl hat die von Horiuchi gefundenen Zahlen
vor kurzem bestätigt, ohne auf die Pathogenese der Lipämie an sich
weiter einzugehen.
Wie ersichtlich, herrscht also zur Zeit die Neigung vor, die Ent¬
stehung einer pathologischen Lipämie rein aus einer Verminderung
der Serumlipase zu erklären, resp. eine partielle Organschädigung
anzunehmen, welche sich in einer verminderten Produktion von Li¬
pase ausdrückt. Da nun in den genannten Untersuchungen die
einzelnen Phasen der Anämisierung und das gesamte Verhalten der
Versuchstiere verhältnismäßig wenig berücksichtigt ist, schien eine
erneute Prüfung der Entstehung und des Verlaufs experimenteller
Aderlaßlipämien gerechtfertigt.
Eigene Untersuchungen.
Die Untersuchungen wurden so vorgenommen, daß Kaninchen in
längeren und kürzeren Intervallen durch verschieden große Aderlässe
anämisch gemacht und unter Berücksichtigung des Körpergewichtes,
der Blutveränderungen, zum Teil auch der Wasserausscheidung der
Gehalt des Serums an Neutralfett und Lipoiden bestimmt wurde.
Es wurden insgescmt 16 Tiere verwandt, welche alle nach guter
Erholung mehrere Male zu den Versuchen herangezogen werden
konnten. Ein Teil der Fettbestimmungen wurde nach der von
Shimidzu angegebenen Modifikation der Methode von Kumagawa und
Suto ausgeführt. Zum Teil wurde dann das nach der erwähnten
Methode erhaltene Gesamtextrakt (Gesamtfettsäuren -f- Cholesterin
-r Unver8eifbarem) in Chloroform gelöst und das Gesamtcholesterin
nach Autenrieth und Funk bestimmt. Zu dem anderen Teil der Fett¬
bestimmungen wurde die Mikromethode von Bang verwandt. Parallel-
bestimmungen mit der Kumagawa-Sutoschen Methode ergaben be¬
friedigende Resultate. Die nach Bang erhaltenen Werte aller Frak-
Difitized
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
224
F. Edelmann :
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tionen sind sämtlich durch Doppelbestimmungen gewonnen. Nicht
genügend übereinstimmende Werte wurden verworfen. Ebenso wurden
die Blutzucker-, Chlorid- und Trockensubstanzbestimmungen nach
den von Bang angegebenen Mikromethoden ausgeführt. Auch hier
sind sämtliche Werte Mittelwerte aus Doppelbestimmungen. Die
Aderlässe wurden aus der Ohrvene mittels der von Zahn angegebenen
Saugglocke gemacht. Die jeweils angewandte Methode und weitere
Einzelheiten sind bei den einzelnen Versuchsreihen erwähnt.
Verdauungslipämie.
Zur Frage der Verdauungslipämie bei Kaninchen wurden zunächst
einige Untersuchungen angestellt. Sie ergaben folgendes:
Tabelle I 1 ).
1
Petrol&therextrakt nach Bang
Bemerkungen
| vor der
Ölinjektion
1 2 Stunden nach
| der Ölinjektion !
1 24 Stunden noch
| der Ölinjektion
Kan. 40
Kan. 41
Kan. 42
1 0,090
0,059
0,076
1 0,107
i 0,074
1 0,072
0,075
0,070
0,086
Alle 3 Tiere erhielten
5 com 01. olivarum mit
Schlundsonde.
Nach einmaliger reichlicher Fettzufuhr (Olivenöl) tritt im Ver¬
lauf der nächsten Stunden keine sichtbare Serumverändqrung auf,
und es ist auch quantitativ kein wesentlich erhöhter Fettgehalt des
Blutes festzustellen.
Tabelle II.
i
Gesamtextrakt nach
Kumagawa-StUo
Bemerkungen
Bei Rübenfütterung
Nach einer Woche reiner
Haferfütterung
Kan. 100 |
, 0,146
0.282 1
Kan. 81
0,154
0,260
Bei Haferfütterung
Nach tägl. Gabe von 10 ccm
0,290 ;
1
0,244
Das öl wurde mit der Schlund -
sonde gegeben; es traten
01. olivarum (4 Tage lang)
0,346 I
0,310
keine Durchfalle auf.
Hält man jedoch die Tiere einige Tage hintereinander auf fett¬
reicherer Kost, so tritt eine deutliche Erhöhung des Blutfettgehaltes
ein. Außerdem hat K . Ziegler nach vorhergehender Hungerperiode
eine deutliche mikroskopisch sichtbare Resorptionslipämie beschrieben.
. Es ergibt sich daraus, daß beim Kaninchen die Fettaufnahme
aus dem Darm sich derart abspielt, daß Resorption und Verwertung
x ) Die einzelnen Versuche sind jeweils an mehreren Tieren vorgenommen.
Da es aber unmöglioh ist, sämtliche Protokolle zu veröffentlichen, so enthalten
die folgenden Tabellen immer nur Einzelbeispiele einer größeren Anzahl gleich¬
artiger Versuche.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
über Ursache und Entstehung der Aderlaßlipämie.
225
sich im allgemeinen die Wage halten, so daß es nicht zu einer
typischen Resorptionslipämie kommt. Bei einseitiger länger dauernder
Nahrungsänderung, bei reichlichem Fettgehalt derselben überwiegt
aber die Resorption über die Verwertung; ebenso anscheinend auch
bei vorausgehender Hungerperiode. Der Unterschied der Fettresorp¬
tion beim Kaninchen gegenüber anderen Tieren und auch dem Menschen,
wie er von Neisser und Bräuning , Bang , Sakai beschrieben wurde
ist also mehr quantitativer als prinzipieller Natur. Auf die Be¬
ziehungen der Resorptionslipämie zur Frage der Serumlipase soll
später ein gegangen werden.
Aderlaßwirkung.
Es wurden nun zunächst die durch einen einzelnen Aderlaß
hervorgerufenen Änderungen des Blutfettgehaltes nachgesehen und
außerdem untersucht, in welcher Beziehung die Größe der Aderlässe
und die Häufigkeit ihrer Wiederholung zum eventuellen Eintritt einer
Lipämie stehen.
Tabelle III.
Gesamtextrakt nach Kumagawa-StUo
vor dem
2 Stunden
6 Stunden
8 Stunden
24 Stunden
Bemerkungen M
II
, nach dem
nach dem
nach dem
nach dem
II
Aderlaß
Aderlaß
Aderlaß
Aderlaß
Aderlaß
Kan. 100
0,340
0,280
_
0,338
0,892
Aderlaß v.30ccm;
Kan.
31
0,310
0,308
0,303
!
0,494
nach 2 Std. noch
15 ccm Blut ent¬
zogen, nach 8 Std.
18 ccm.
Kan.
Kan.
100 ,
81 ,
0.217
0,248
_
0,244
; 0,204
—
| 0,244
Aderlaß v. 13 ccm
Was die Wirkung eines einzelnen Aderlasses anbetrifft, so ist bis
zu 2 Stunden nach dem Aderlaß der Fettgehalt des Serums durch
die Blutverdünnung etwas herabgesetzt. Nach ca. 4—8 Stunden
ist dieser Verlust jedoch wieder ersetzt, ja zum Teil sogar über¬
kompensiert. Nach 24 Stunden ist fast durchweg der Anfangswert
w r iederhergestellt, wenn keine weiteren Aderlässe mehr gemacht
werden; anderenfalls tritt natürlich eine Steigerung ein. Die Größe
des einzelnen Aderlasses spielt hierbei nur eine relativ geringe Rolle.
1 ) Bei dem ersten Versuch wurde nach 24 Stunden beiden Tieren nochmals
15 ccm Blut entzogen. Kan. 81. kam ad exitum. Am nächsten Tage wurden
bei Kan. 100 noch 15 ccm Blut entzogen. Das Gesamtextrakt hatte inzwischen
2,058 g pro 100 com Serum erreicht. Das Tier kam an diesem Tage ebenfalls
ad exitum. Das Gewicht fiel während dieser Tage bei Kan. 100 von 3380 auf
2350 g. Bei Kan. 81 von 2800 auf 2000 g.
Z. f. d. g. exp. Med. XXX. 15
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226
Tabelle IV.
Kan
1
100. |
Zeit¬
intervall
Tag
1.
1 Größe des
! Aderlasses
' ccm
1 25
Gesamtextr.
n. Kumag.-
Suto
0.210
Bemerkungen
Das Gewicht schwankte während der
r>
15.
30
0,207
Zeit zwischen 2920—3200 g.
n
n
23.
25
0,138
Am 19 Tage wurden ebenfalls 25 ccm
w
31.
24
t 0,151
Blut entzogen. Die Anal, ging verloren.
Ti
81. ,
1.
30
0,294
Das Gewicht schwankte auch hier und
V
n
14.
23
0,215
und zwar zwischen 2400—2580 g.
n
V)
19.
; 22
, 0,157 ■
r>
r?
i 26.
! 21
0,146
Mehrere kleine , mittlere und große Aderlässe in großen Zwischen¬
räumen machen dieselben Einzelveränderungen und bewirken auf die
Dauer keine Erhöhung des Blutfettgehaltes; dieser nimmt vielmehr
in mäßigem Grade, aber ausgesprochen, ab. Die Reparation des Blut¬
verlustes ist vor der Wiederholung des Aderlasses ausgeglichen.
Wird aber eine tägliche Entziehung von 20—30 ccm Blut vor¬
genommen, so tritt alsbald eine starke Erhöhung des BlutfettgehaÜes
bis auf das 10- und mehrfache des Ausgangswertes ein (vgl. Tabelle III,
V, VIII, IX, X). Manche Tiere gingen dabei unter rapidem Kräfte¬
verfall zugrunde; andere erholten sich rasch wieder. Der Fettgehalt
des Blutes fiel bei diesen letzteren nach Aufhören der Aderlässe
ebenfalls rasch innerhalb 3—4 Tagen wieder auf den Ausgangswert
zurück und zwar lange vor Ersatz der experimentellen Blutverluste.
Tabelle V (Kan. 49).
Datum
r
Gew. Erythroc.
g
"
Hgl.
°/o
Größe
des
Ader¬
lasses
ccm
Aussehen
des
Serums
Gesamt¬
extrakt
nach
Kumag.,
Suto
Chole¬
sterin
nach
AiUenr.,
Funk
Bemerkungen
13. XII. 20
12450 4 080 000
65
12
etw. trüb
0,456
0,029
27. XII. 20
i 2700 4 710 000
75
12
klar
0,324
0,036
10.1. 21
2890 5 190 000
65
30
klar
0,261
0,025
Am 9., 11., 13.,
11.1.21
2910 4 080 000
53
20
etw. trüb
0,316
0,026
15. Januar je
12.1. 21
2780 2 750 000
45
20
opalesc.
0,456
0,052
5 ccm 01. ofi-
13.1. 21
2650 ; 2 410 000
30
15
stark op.
0,656
0,054
varum. Sonst
14.1. 21
2700 2 380 000
28
10
■ milchig
2,060
0,187
Haferfütterung.
15.1. 21
2740 ! 2 430 000
29 |
12
stark op.
0,824
0,084
18.1. 21
3000,3 450 000
47
10
klar
0,447
0,045
1. II. 21
2930 i 5 080 000
65
18
klar
0,273
0,031
8. II. 21
3010 ; 4 540 000
60
25
klar
0,325
0,035
Reine Haferfütt.
9. II. 21
2960 ! 4 120 000
50
29
leicht op.
0,226
0,042
10. II. 21
3000 ! 3 110 000
40
28
etw. op.
0,360
0,061
11.11.21
3000 ; 2 420 000
30
30
opalesc.
0,292
0,039
12. n. 21
12950 1 2 000 000 j 25
25
milchig
1,020
0,078
Das Gew. stieg
18. II. 21
3000 1 710 000
23
10
milchig
1,293
0,105
i. d. folg. Tagen
22. II. 21
3000 ! 4 010 000
55
18
klar
0,235
0,035
bis auf 3150 gern.
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Über Ursache und Entstehung der Aderlaßlipämie.
227
Die Lipämie trat sowohl bei gewöhnlicher Kost (Hafer und Rüben)
als auch bei Fettzufuhr (Olivenöl) deutlich in Erscheinung. In
letzterem Falle war die Lipämie aber gegenüber fettärmerer Er¬
nährung leichter auslösbar und bedeutend hochgradiger.
Bestimmungen des Gesamtpetr olätherextraktes und des Cholesterins
ergaben, daß nicht nur das Neutralfett, sondern auch das Gesamt¬
cholesterin, wenn auch absolut in geringerem Maßstabe, an der Er¬
höhung beteiligt ist.
Die Lipämie trat durchschnittlich bei einer Verminderung der
Zahl der Ery throcy teil auf ein Drittel dos Normalwertes auf (bei
ca. 2 Millionen Ery throcy ten; 20°/ o Hämoglobin; vgl. Tabelle V).
Dieser Grad der Anämie ist indessen nicht in direkte Proportion
zu setzen zum Auftreten der Lipämie. Das Wesentliche bleibt stets
die in kurzen Zwischenräumen wiederholte Alteration des Blutes
und ihre Folgeerscheinungen. Der Grad der Anämie entspricht daher
unter den gegebenen Versuchsbedingungen nur der notwendigen
Summe von Blutentziehungen, welche imstande ist, diejenige Störung
auszulösen, deren Folgeerscheinung die Lipämie ist. Ähnliche Anämie¬
grade durch langsame sonstige Blutschädigungen hervorgerufen
brauchen deshalb nicht notwendig zu einer Lipämie zu führen. Es
erscheint mir wichtig, zu betonen, daß danach nicht die Anämie als
solche, sondern die durch die Aderlässe hervorgerufenen Reaktions¬
erscheinungen im Gesamtstoffwechsel von Bedeutung sind. Indi¬
viduelle Schwankungen bezüglich des Eintrittes der Lipämie und
des Anämiegrades sind je nach der konstitutionellen Verfassung des
Versuchstieres nach oben und unten möglich.
Verhalten des Körpergewichtes.
Interessant ist ferner das Verhalten des Körpergewichtes. Wieder¬
holte in größeren Zwischenräumen ausgeführte Aderlässe haben eine
auffallende Labilität der Körpergewichtskurve mit Zunahme und
Abnahme zur Folge, die weit über das Maß der durch die Blut¬
entziehungen gesetzten Gewichtsverminderungen hinausgehen.
Tabelle 17.
1,
li
Jl
i
Zeitraum
kiesamtextrakt n.
j Kumagawa'Suto
Größe der
Aderlässe
ccm
Gewicht
K
Bemerkungen
Kan.
100
1. Tag
0,:512
: 12
2800
In der Zwischenzeit
V
100
10. „
0,217
12
3030
tgl. 0—8 ccm Blut entz.
100 ,
20. „
—
—
3400
81 '
1. „
0,280
12
2350
In der Zwischenzeit
V)
81
10. „
0,248
13
2370
keine Blutentziehung
8! !|
20. „
—
—
2800
15 *
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F. Edelmann:
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228
Bei eine Woche lang wiederholten kleinen Aderlässen zeigt sich
anschließend eine sehr deutliche Tendenz zu Gewichtsansatz. Bei
häufigen großen Aderlässen tritt dagegen mit dem Auftreten der
Lipämie ein * deutlicher Gewichtssturz ein, der bei zwei tödlich
endenden Fällen innerhalb weniger Tage bis zu einem Drittel des
Körpergewichtes betrug (vgl. Tabelle III). Bei den Tieren, die sich
wieder erholten, stieg mit dem Geringer werden der Lipämie das
Gewicht wieder an, um häufig höhere Werte als den Anfangswert
zu erreichen. Bei oinem Tier, bei dem zweimal eine Lipämieperiode
im Abstande von Wochen hervorgerufen wurde, blieb beim
zweiten etwas geringeren Anstieg des Blutfettgehaltes auffallender¬
weise der Gewichtssturz aus. Die Lipämie war bei dieser Wieder¬
holung im Gegensatz zu der ersten Lipämieperiodo ohne besondere
Fettfütterung erzeugt worden (vgl. Tabelle V).
Die Versuche zeigen also, daß in größeren Zwischenräumen wieder¬
holte Aderlässe oder Perioden kleiner Aderlässe eine gewisse Labilität
in den stofflichen Umsetzungen verursachen, welche in einem starken
Schwanken der Gewichtskurve zum Ausdruck kommen; bei ge¬
nügender Verlängerung der Versuchsdauer aber eine deutliche Ten¬
denz zum Gewichtsansatz erkennen lassen. Die assimilatorischen
Vorgänge überwiegen schließlich die diesimilatorischen. Um eine
einfache Wasserretention kann es sich dabei nicht handeln, da bei
konstanter Wasser- und Nahrungszufuhr die W asserau$scheidungs-
verhältnisse durch die Nieren keinerlei Anhaltspunkte für eine Wasser¬
retention, überhaupt kein deutlich erkennbares Verhältnis zwischen
Wasserausscheidung und Körpergewicht zu Tage treten ließen. Wie
schon erwähnt, zeigt der Fettgehalt des Serums dabei geringe
Schwankungen, vorübergehende geringfügige Erhöhungen, mit zu¬
nehmendem Körpergewicht aber eine deutliche, wenn auch nicht
sehr hochgradige Abnahme. Man kann daraus schließen, daß auch
bezüglich der Fettsubstanzen eine Erhöhung und Beschleunigung der
assimilatorischen Vorgänge in der Gewebszelle statthat. Die stoff¬
lichen Umsetzungen werden also im ganzen erhöht, die Assimilation
überwiegt.
Bei großen täglich wiederholten Aderlässen kommt es dagegen zu
einem rapiden Anstieg des Blutfettgehaltes. Fast regelmäßig tritt
auch ein, in manchen Fällen geradezu rapider, Gewichtssturz ein.
An der Erhöhung des Blutfettgehaltes nehmen in erster Linie das
Neutralfett, aber auch die übrigen Lipoide teil (vgl. auch Tabelle VIII).
Die Dauer dieses Zustandes erhöhten Blutfettgehaltes ist experi¬
mentell dadurch begrenzt, als weitere Antriebe der Stoffwechsel¬
störung durch weitere Aderlässo nicht mehr möglich sind, ohne das
Leben der Tiere aufs Spiel zu setzen. Auf hören der Aderlässe führt
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über Ursache und Entstehung der Aderlaßlipämie. 229
zu alsbaldiger Wiedererholung, die Lipäinie schwindet so schnell als
sie gekommen, der Gewichtsverlust wird ersetzt, zum Teil sogar
überkompensiert. Der genannte Verlauf der Erscheinungen zeigt,
daß in diesen Fällen offenbar durch die Aderlässe intensive Reiz-
wirkungen ausgelöst werden, durch welche wahrscheinlich die dis-
similatorischen Vorgänge in der Gewebszelle eine abnorme Steigerung
erfahren, oder vielleicht auch sekundär die Resorptionsleistung der
Gewebszelle geschädigt wird.
Die scheinbar auseinandergehenden Zeichen erhöhter Assimilation
und Gewichtszunahme bei wiederholten kleineren Aderlässen auf der
einen Seite, und die mangelhafte Fettverwertung, die Lipämie ver¬
bunden mit starkem Gewichtsverlust bei täglichen großen Aderlässen
auf der anderen Seite dürften kaum durch eine verschiedenartige
biologische Wirkung der Aderlässe zu erklären sein. Es ist vielmehr
im höchsten Grade wahrscheinlich, daß es sich nur um quantitativ
abgestufte Wirkungen prinzipiell gleicher Art handelt. Man hätte
sich den Vorgang dann so vorzustellen, daß kleinere Aderlässe den
Stoffumsatz in der Zelle zwar erhöhen, daß aber, ähnlich wie bei
gesteigerter Muskelarbeit, eine Erhöhung der Assimilation resultiert.
Stärkere Protoplasmareizung durch große häufige Aderlässe führt
dagegen zu einer Erhöhung (Überreizung) des Stoffumsatzes, bei der
die Dissimilation weit überwiegt, ein Stoffansatz infolgedessen nicht
mehr möglich ist. Denkbar wäre auch, daß die resorptiven Vor¬
gänge überhaupt durch die funktionelle Überlastung der Gewebszelle
leiden. Daß gerade das Fett von diesen Störungen in erster Linie
getroffen wird, könnte vor allem dadurch bedingt sein, daß wir es
hier mit einem relativ schwer brennbaren Nährmaterial zu tun haben.
Befördernd käme hinzu, daß die Fettverbrennung durch den Mangel
des Glykogens (Glykogenschwrund der Leber vor Auftreten einer
Lipämie; Rosenfeld, Morawitz ) — falls das Fett überhaupt in die
Leberzellen gelangt — noch w r eiter erschwert wird.
Die Seruiulipase.
Bei dieser Stellungnahme zu den geschilderten Vorgängen ist
die Ansicht von der ausschlaggebenden Bedeutung, die ein ver¬
minderter Lipasegehalt des Serums auf das Zustandekommen der
Lipämie hat (Sakai u. a.), nicht berücksichtigt worden. Wir hielten
die Vernachlässigung dieser Frage schon aus dem Grunde für be¬
rechtigt, weil, wie schon erwähnt, die Aufnahme von Fett in die
Zelle in Form feinster Emulsion möglich und erwiesen ist. Trotzdem
soll die Möglichkeit der von Sakai beobachteten Abnahme des Li¬
pasegehaltes infolge der Aderlässe nicht bestritten werden. Aller¬
dings ist zu der von ihm verwandten stalagmometrischen Methode
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F. Edelmann:
DigiTize-d by
2:50
zu bemerken, daß eine gegen die Anfangszahlen verminderte Tropfen¬
zahl nicht unbedingt auf eine geringere Menge der Lipase zu be¬
ziehen ist, da auch geradeso gut die in gleicher Menge vorhandene
Lipase in ihrer Wirkung irgendwie gehemmt sein kann. Nun haben
die Untersuchungen von Koenigsfeld ergeben, daß bei der Lipämie
das Komplement durch das in vermehrter Menge vorhandene Chole¬
sterin gehemmt wird. Es konnte sich also bei der „Verminderung“
der Lipase um ähnliche Vorgänge handeln. Auch Aschoff hat schon
auf diese Möglichkeit hingewiesen. Es haben nun auch Versuche,
über die noch besonders berichtet werden soll, ergeben, daß ein
Serum mit bestimmtem Lipasegehalt — der durch eine bestimmte
Abnahme der Tropfenzahl charakterisiert ist — nach Zusatz von
Cholesterin, nicht aber nach Zusatz von Neutralfctten, keine oder
doch nur eine unwesentliche Abnahme der Tropfenzahl aufweist.
Wir sehen also bei gleichbleibendem Lipasegehalt das eine Mal die
lipolytische Wirkung eintreten, nämlich eine Verminderung der
Tropfenzahl der Tributyrinlösung, das andere Mal aber diese Wirkung
durch Cholesterinzusatz gehemmt. Es ist demnach aus derartigen
Untersuchungen nicht ohne weiteres zu schließen, daß bei der Ent¬
stehung einer Lipoidämie die Menge des lipolytischen Fermentes
abnorm geringer oder seine Produktion pathologisch vermindert sei;
es scheint vielmehr ein gleichzeitig hoher Cholesteringehalt hemmend
auf die Lipolyse einzuwirken. Das Ferment kann in gleicher Menge
vorhanden sein und produziert werden, seine Wirkung bleibt aber
aus. Hierfür spricht auch die rasch sich wieder einstellende volle
Lipasewirkung bei raschem Abklingen der Lipämie.
Hierher gehört auch die Beobachtung von Verse, daß beim
Kaninchen bei gleichzeitiger Fett- und Cholesterinfütterung eine
deutliche Resorptionslipämie auftritt, während sie bei alleiniger Fett¬
fütterung nicht zustande kommt. Nun hat das Kaninchen normaler¬
weise einen sehr niederen Cholesteringehalt des Serums (. Horiuchi ;
eigene Untersuchungen). Es scheint deshalb die Erklärung am nahe¬
liegendsten, daß eine gleichzeitig mit einer Fettaufnahme erfolgende
Cholesterinaufnahme eine Hemmung der Lipasewirkung bedingt und
infolgedessen das Fett in feinster Emulsion deutlicher hervortreten
läßt. Der Vorgang bei der Fettresorption und beim Hervortreten
einer Verdauungslipämie bei den verschiedenen Tierarten und auch
beim Menschen scheint danach wesentlich modifiziert durch den ver¬
schieden hohen Cholesteringehalt im Serum. Höherer Cholesterin¬
gehalt wie beim Meerschweinchen, Hund und auch beim Menschen
läßt infolge hemmender Wirkung des Cholesterins auf die Lipase
(und vielleicht dadurch bedingter langsamerer Elimination des Fettes
aus dem Serum) eine deutliche Resorptionslipämie hervortreten;
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Über Ursache und Entstehung der Aderlaßhpämic.
231
relativ geringer Cholesteringehalt, wie beim Kaninchen, läßt dagegen
die Lipase stärker in Aktion treten, die Fettemulsion im Serum hält
sich nur in geringen Grenzen, vielleicht geht auch die Elimination
des Fettes aus dem Serum rascher von statten. Die Frage, ob die
Fette aus dem Serum corpusculär oder gelöst resorbiert werden,
läßt sich deshalb vielleicht dahin beantworten, daß wohl stets beide
Arten der Resorption in Betracht kommen, daß aber je nach dem
Cholesteringehalt des Serums der geloste Anteil größer oder kleiner
ist. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint auch die Bemerkung
Salcais — der die Abnahme der Lipasewirkung bei anämisierten
Kaninchen am sichersten bei gleichzeitiger Milchfütterung nachweisen
konnte — in einem besonderen Licht, wenn man in Betracht zieht,
daß die Milch relativ beträchtliche Mengen Cholesterin enthält.
Ätherwirkung, histologische Untersuchungen.
Bei seinen Versuchen über Fettresorption beschrieb K. Ziegler
bei parenteraler peritonealer Injektion von Neutralfett eine außer¬
ordentliche Beschleunigung der Resorption desselben bei gleichzeitiger
Ätheraarkose. Um diesen Einfluß bei der Aderlaßlipämie zu kon¬
trollieren, wurden von zwei Kaninchen vom gleichen Wurf am fünften
Aderlaß tage das eine Tier 40 Minuten einer Äthernarkose unter¬
worfen, das andere nicht, und bei beiden Tieren der Fettgehalt des
Blutes fortlaufend nachgesehen. Das Ergebnis war folgendes:
Tabelle VII.
jl"
Petrol&therextrakt nach Bang
1
i;
!
i
2. Tag
7*/4 v.
Bemerkungen
M
4»/ a n.
5 V* n. :
■ !
6Va n. 1
Kan. 32
0,073
0,070
0,07.5 1
0,319
r 33 |
l!
0,319
0,2X4
0,374 1
i
1,093
Kan. 33 stand von 4 l / a bis
5V 4 n. unt. Äthereinwirkung
Bei dem nicht narkotisierten Tier war bis zum folgenden Tage
eine Steigerung des Blutfettgehaltes um das ungefähr 4 1 / 9 fache des
Anfangswertes eingetreten; bei dem narkotisierten Tier eine etwa
gleiche Erhöhung schon zur Zeit der Narkose, welche Erhöhung bis
zum folgenden Tag auf das ca. lOfache des Anfangawertes stieg.
Der direkte Einfluß der Äthernarkose gemessen am Blutfettgehalt
zeigte sich in einer deutlichen, wenn auch nicht sehr hochgradigen
Verminderung. 1*/ 4 Stunde nach der Narkose setzte die erwähnte
Steigerung ein, welche bis zum übernächsten Tage das 17 fache des
Ausgangswertes erreichte. Daraus scheint ebenfalls hervorzugehen,
daß durch die Ätherwirkung die Fettresorption vorübergehend eine
leichte Verbesserung erfährt. Auf die durch die Aderlässe hervor-
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282
F. Edelmann:
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gerufen© Stoff wechselstör ung wird jedoch durch die Äthernarkose ein
nachhaltiger Einfluß nicht ausgeübt. Um diese Ansicht zu stützen,
wurde vor Beginn der Aderlässe und sofort nach der Narkose beiden
Tieren jeweils ein Leberstückchen des gleichen Lappens exstirpiert
und untersucht.
Bei beiden Tieren waren vor dem Versuch die Leberzellen prak¬
tisch fettfrei. Nur in den Epithelien waren vereinzelt Spuren, und
etwas mehr und regelmäßiger im periportalen Bindegewebe Fett in
feinstkörniger Form nachzuweisen. Bei dem nicht mit Äther be¬
handelten Tier sah man während der mäßigen Lipämie eine ziemlich
deutliche Vermehrung des Fettes in der Peripherie einiger Läppchen
und zum Teil auch um die Zentralvene herum, und zwar ausnahmslos
in feinster Staubform. Teils waren die ganzen Zellen, teils nur die
Pvandzonen derselben mit Fettstäubchen besetzt. Nur ganz selten
hatten sich auch kleine Fettkügelchen gebildet. Die Endothelien
enthielten nur vereinzelt Fett. Der überwiegende Teil der Leber
zeigte keine Fettresorption, trotz der, wenn auch wenig hochgradigen
Lipämie. Beim zweiten, mit Äther behandelten Tier, zeigten un¬
mittelbar nach der Äthernarkose die Leberzellen, die im übrigen
etwas verbreitert — wie gequollen — aussahen, ziemlich gleichmäßig
in den Randzonen Fettkömehenaufnahme und zwar — im auf¬
fallenden Gegensatz zu dem Kontrollier — nicht in Staub-, sondern
in kleinster Tropfenform. Auch die Kupfer sehen Sternzellen ent¬
hielten zahlreicher als in dem vorhergehenden Falle Fettkörnchen.
Ein Vergleich der beiden Befunde zeigt also, daß in der Tat die
Ätherwirkung eine gewisse Erleichterung der Fettaufnahme und ein
Zusammenfließen desselben in Tropfenform zur Folge hat.
Auch bei zw r ei weiteren Fällen, die auf der Höhe der Lipämie
ad exitum kamen, wurden Leber und andere Organe auf ihren
zellulären Fettgehalt untersucht. (Vgl. auch Tabelle III.) Der Be¬
fund war folgender:
Kan . 7 00: Leber: Fleck weise in der Peripherie und Zentrum der Acini
staubförmiges und kleintropfiges Fett innerhalb der Leberzellen. Überwiegen¬
der Teil der Lebersubstanz, ebenso die Endothelien, frei von Fett. In den
Gefäßen deutliche Lipämie. Niere: Lipämie sehr deutlich auch in den Capillar-
schlingen. Zellen der Rinde vollkommen frei von Fett. Stützsubstanz der
Papillen enthält spärliche Fettröpfchen. Epithelien auch hier frei. Herzmuskel:
Deutlich hervortretende Lipämie. Muskelfasern frei von Fett. Die Mark¬
scheiden der Nerven zeigen eine intensive Fettfärbung. Müz: Pulpa, Follikel
und Kapsel frei von Fett. Ganz vereinzelte Fettkörnchenzellen. Dünndarm:
(Jejunum) Epithel frei von Fett (das Tier hat am Tage vorher 10 ccm Olivenöl
erhalten). Im lockeren Bindegewebe um die Chylusgefäße äußerst spärlich
Fettröpfchen. Clylusgefäße selbst frei von Fett. Ausgesprochene Lipämie.
Kan. 81: Leber: Wie bei Kan. 100 hauptsächlich staubförmiges und feinst-
körniges Fett fleckweise in den zentralen und peripheren Läppchenpartien.
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Über Ursache und Entstehung der Aderlaßlipämie. 233
Überwiegender Teil des Parenchyms und auch die Endothelien fettfrei. Niere:
Wie bei Kan. 100: Die Papillen enthalten noch weniger Fett. Die Fettzellen
im Hilus der Niere sind zerklüftet, deutlich in Auflösung begriffen, z. T. stark
verkleinert. Milz: Ebenfalls völlig frei von Fett. Dünndarm: Spuren von Fett-
kömchen im papillären Bindegewebe, etwas reichlicher wie bei Kan. 100. Epi¬
thelzellen völlig frei von Fett.
Kan . 15: (Diesem Tier wurde 5 Tage nach Abklingen der Lipämie —
vgl. Tab. X — ein Leberstückchen exstirpiert und untersucht). Es zeigte sich
in den Leberzellen ziemlich diffus feinstkömiges Fett, besonders auch im pcri-
portalen Bindegewebe reichlich intrazelluläres Fett. In der Umgebung der
Zentralvene und in den Endothelien feine Fettkömchen. Nur der periportale
Fettgehalt war etwas gegen die Norm erhöht.
Aus den histologischen Bildern ergibt sich, daß trotz hochgradig¬
ster Lipämie — vielleicht mit Ausnahme der Leber — keinerlei
Fettresorption nachzuweisen ist. Im Gegenteil, der normale Fett¬
gehalt der Organe, Milz, Nieren usw. ist völlig geschwunden trotz
hochgradigster — auch färberisch nachweisbarer — Lipämie. Ver¬
gleicht man die beschriebenen Präparate mit solchen, wie sie auf
der Höhe einer enteralen oder parenteralen Resorptionslipämie er¬
halten werden (derartige Präparate wurden mir freundlichst von
Prof. Ziegler zur Verfügung gestellt), so besteht ein absoluter Gegen¬
satz zwischen dem reichlichen Fettgehalt der Organe beim Normal¬
tier und dem durch Aderlässe lipämisch gemachten Kaninchen.
Das Verhalten des Darmes (trotzdem am Tage ante exitum 10 ccm
Olivenöl gegeben worden waren, waren in dem einen Fall nur noch
geringe Reste, in dem anderen fast nichts mehr von Fett im Darm
nachweisbar; außerdem Darmepithelien und Chylusgefäße völlig frei
von Fett) beweist, daß die enterale Resorption nicht gestört war.
Es sprechen also auch die histologischen Bilder zugunsten der An¬
sicht, daß in der Tat eine schwere Störung der Fettresorption oder
Fettverwertung in den Organzellen durch die Aderlässe hervorgerufen
wird.
Wirkung von intravenöser Traubenzucker- und Ringerlösung-
Injektion.
In drei Versuchsreihen mit je drei Tieren eines gleichen Wurfes
wurden nun noch in Anlehnung an frühere ergebnislose Versuche
von Freudenberg und auch von Sakai Untersuchungen angestellt, ob
der Eintritt und die Höhe der Aderlaßlipämie sich beeinflussen läßt
1. durch die intravenöse Zufuhr von Traubenzucker als leicht brenn¬
barem Nährstoff, oder 2. durch intravenöse Infusion einer entsprechen¬
den Menge Ringerlösung als Ersatz der wichtigen durch den Ader¬
laß entzogenen Salze und einer damit verbundenen Schonung des
Salzgehaltes der Gewebszellen. Die Ergebnisse sind aus der folgen¬
den Tabelle (dritte Versuchsreihe) ersichtlich.
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234
F. Edelmann
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Über Ursache und Entstehung der Aderlaßlipämie.
235
Daraus geht hervor, daß sich der Eintritt der Lipämie an sich
durch die geschilderten Maßnahmen nicht verhindern läßt. Es zeigt
sich aber, allerdings nicht immer gleichmäßig, daß sowohl durch
intravenöse Gaben von Traubenzucker- als auch von Ringerlösung
die Höhe der Lipämie etwas herabgedrückt, ebenso der Eintritt
derselben etwas verzögert wird und die Lipämie im allgemeinen
etwas rascher abklingt. Ein gewisser Einfluß ist also unverkennbar.
Es liegt nahe, anzunehmen, daß eine Schonung des Salzgehaltes der
Gewebe einen begünstigenden Einfluß auf den Ablauf der sonstigen
zellulären Umsetzungen ausübt; ebenso scheint die Zufuhr von leicht
brennbarem Traubenzucker der Arbeitsleistung der Zellen günstigere
Bedingungen zu schaffen. Auf jeden Fall sind die geschilderten
Erscheinungen eine weitere Stütze für die Ansicht, daß infolge der
häufigen Aderlässe ein erhöhter Reizzustand der Zelle mit erhöhten
Dissimilationsvorgängen besteht. Im einzelnen ist noch die Tat¬
sache bemerkenswert, daß bei Bestimmung der einzelnen Lipoide
bei dem mit Traubenzucker behandelten Tier der Wert für das ver-
esterte Cholesterin sehr hoch erscheint und fast die ganze Alkohol¬
fraktion einnimmt, während das freie Cholesterin in der Petroläther¬
fraktion gleichzeitig fast völlig verschwindet. Ob diese Verhältnisse
irgendwie in Parallele zu setzen sind mit dem Lipämiekomplex beim
Diabetes mellitus, wo ja bekanntlich auch das veresterte Cholesterin
dominiert (Beumer und Bürger ; Klemperer und Umber), ist schwer
zu entscheiden. Ebenso unklar ist auch die Rolle, welche die
künstlich erzeugte oder die pathologische Hyperglykämie dabei spielt.
Verhalten des Chloridgehaltes und der Trockensubstanz des Blutes
während der AderlaSlipämie.
Es wurden bei 3 Tieren während der Anämisierung fortlaufend
neben dem Petrolätherextrakt auch der Chloridgehalt und die
Trockensubstanz des Blutes nach Bang bestimmt. Die Ergebnisse
waren folgende (s. Tabelle IX):
Nach einem einzelnen Aderlaß fällt der Chloridgehalt des Blutes
unmittelbar nach dem Aderlaß etwas ab, was durch die gesetzte
Blutverdünnung zu erklären ist. Der Ersatz der Salze aus dem
Gewebe findet aber in überschüssigem Maße statt, so daß schlie߬
lich eine Hyperchlorämie resultiert. Es entspricht dies Verhalten
auch den Versuchsergebnissen von Veil (dort auch weitere Literatur).
Wie aus der Tabelle IX ersichtlich ist, folgt aber bei fortgesetzten
Blutentziehungen der erwähnten Hyperchlorämie ein, wenn auch
nicht sehr hochgradiges, Absinken des Chloridgehaltes sowohl des
Gesamtblutes als auch der Trockensubstanz. Durch Infusion von
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236
F. Edelmann:
Tabelle IX.
Kaninchen 33 (Kontrollier)
Kaninchen 36 (Kingerlösung) |
Datum und Gröüe
1 Prim.
Pctr.-
1 Extr.
nach
Bang
Trok-
kensub-
stanz
Chloridgehalt
Prim.
Petr.
Extr.
nach
Bang
Trok-
kensub-
s tanz
Chloridgehalt |
des Aderlässe»
des
Gesamt -
blutes
der
Trok-
kensub-
stanz
des
Gesamt¬
bildes
der
Trok-
kensub-
stanz
31. X. 1921
Aderl. v. je 15 ccm
0.094
16,46
0,511
3,10
0,121
17,76
0,455
2,70
1. XI. 1921
Aderl. v. je 10 ccm
0,080
12,68
0,536
4,25
0,091
14,72
0,530
8,60
2. XI. 1921
Aderl. v. je 15 ccm
0,099
11,42
0,511
4,47
0,070
13,21
0,561
4,25
3. XI. 1921
Aderl. v. je 15 ccm
'
0,068
10,44
0.530
5,08
I
0,078 1
13,35
0,548
1 4,10
4. XI. 1921
Aderl. v. je 15 ccm
0,319
10,80
0,482
4,46
0,091
13,36
! 0,552
4,13
5. XI. 1921
Aderl. v. je 10 ccm
1,093
| 11,45
0,456
3,98
0,102
12,52
0,546
4,36
7. XI. 1921
Kein Aderlaß |
1,620
i 14,39
0,467
3,-25
0,671
13,60
0,565
4,15
Be¬
merkungen
Bei Kan.
35 wurde
die ent¬
nommene
Blut¬
menge je¬
weils
durch
eine ent¬
sprechen¬
de Menge
Ringer¬
lösung er*
ersetzt
Ringerlösung (Kan. 35) wird dieses Absinken verhindert und da¬
durch also der Salzgehalt der Gewebe geschont.
Die Trockensubstanz des Blutes nimmt bei fortgesetzten Ader¬
lässen stetig ab. Es erklärt sich dies durch den Verlust corpuscu-
lärer und gelöster Blutbestandteile. Beim Auftreten der Lipämie
nimmt das Trockengewicht wieder zu, was auf die vermehrte Menge
der Fettkörper zu beziehen ist.
Verhalten des Blutzuckers während der Aderlaßlipämie.
Bei 4 Tieren wurde außer dem Blutfettgehalt der Blutzueker-
gehalt während der Anämisierung fortlaufend verfolgt. Die Ergeb¬
nisse waren folgende:
Tabelle X.
i
Kaninchen 15
Kaninchen 4
Zeit
j Größe des
| Aderlasses
| ccm
Prim. Petr.-
Extr. nach
Hang
Blutzucker¬
gehalt
Größe des !
Aderlasses
ccm
Prim. Petr.
Extr. nach
Bang
Blutzucker-
gehu It
1. Tag
30
0,121
0,125
30
0,126
0.127
2. n
20 1
0,074
0,192
28 |
0,105
0,146
3. n
10
0,4iS2
0,172
16 !
0.832
1 0.155
4. n
10
0.440
0,173
15
0,939
0.141
5. r
12
0.550
| 0,138
ti
0,518
0,125
6. r
11
0,«02
! 0,193
- !
_
_
7. n
—
0.369
0,159
—
_
_
8. n 1
—
0.090
0,103
6
0,125
0,129
9. * |
6 1
0/193 j
0,106
— |
—
—
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
Über Ursache und Entstehung der Aderlaßlipämie. 237
Durch einen einzelnen Aderlaß wird, wie schon mehrere Autoren
(Literatur bei Veil) fesfcgestellt haben, eine Hyperglykämie erzeugt.
Wie aus Tabelle X hervorgeht, ist der Blutzuckerspiegel im Verlauf
der Anämisierung starken Schwankungen unterworfen. Dieselben
zeigen aber die Tendenz, den Schwankungen des Blutfettgehaltes zu
folgen, und man erhält die höchsten Blutzuckerwerte auf der Höhe
der Lipämie. Man ist wohl berechtigt, auch dieses Verhalten des
Blutzuckerspiegels als einen weiteren Beweis für die Ansicht zu
betrachten, daß die Entstehung einer Lipämie auf eine Störung des
intermediären Stoffwechsels zurückzuführen ist. Von dieser Zellstoff-
wechselstörung werden nicht nur die Fettsubstanzen, sondern auch
die Kohlehydrate betroffen. Die Schwankungen des Blutzucker¬
gehaltes bei wiederholten großen Aderlässen sind also prinzipiell
gleicher Natur, wie diejenigen des Blutfettgehaltes. Sie bleiben aller¬
dings quantitativ stark hinter den Blutfettveränderungen zurück. Die
Ursache hierfür dürfte darin gelegen sein, daß wir es bei den Kohle¬
hydraten mit einem sehr viel leichter angreifbaren und brennbaren
Stoff zu tun haben.
Zusammenfassung.
Die Aderlässe wirken im allgemeinen durch den Verlust eorpus-
culärer und gelöster Blutbestandteile anregend auf die stofflichen
und zellulären Umsetzungen. In größeren Zwischenräumen vor¬
genommene Blutentziehungen sind im allgemeinen von einer Er¬
höhung der Assimilation mit erhöhtem Ansatz (Steigen des Körper¬
gewichtes) gefolgt. Die dissimilatorischen Vorgänge werden durch
erhöhte Assimilation ausgeglichen bzw. überkompemiert. Große, in
kurzen Zwischenräumen wiederholte Aderlässe führen dagegen zu
starkem Abbau von Körpersubstanz mit rapidem Gewichtsverlust
und zu einer Störung der Aufnahme und der Verwertung des Fettes
in der Gewebszelle und als Ausdruck hiervon zu einer starken Er¬
höhung des Blutfettgehaltes, welche das 10- und mehrfache der
Norm erreicht. An dieser.Erhöhung ist in erster Linie das Neutral-
fett. aber auch sämtliche andere im Serum vorkommende Lipoide
beteiligt. Es überwiegen hierbei die dissimilatorischen Vorgänge
absolut die assimilatorischen. Beide Folgeerscheinungen der Ader¬
lässe sind nicht als prinzipiell verschieden, sondern nur als quanti¬
tativ abgestufte Reizwirkung auf die Gewebszellen aufzufassen. Der
relativ sch werstbrennbare Nährstoff, nämlich das Fett, wird in erster
Linie von den Störungen der Assimilation (diese als Folge der
pathologisch erhöhten Dissimilation aufgefaßt) betroffen. Die Störung
der Lipase Wirkung im Serum ist dabei zwar nachzuweisen, kann
aber nicht als ausschlaggebend für die Zurückhaltung (Blockierung)
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238
F. Edelmann:
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des Fettes im Serum angesehen werden. Die Störung der Lipase¬
wirkung ist nicht bedingt durch eine verminderte Lipaseproduktion;
sie ist nur die Folge der Hemmung der Lipasewirkung durch das
gleichzeitig in vermehrter Menge vorhandene Cholesterin. Sie wirkt
also im Sinne einer Vermehrung des in feinster Emulsion kreisen¬
den Fettes. Eine Resorptionsstörung allein aus diesem Zustand
läßt sich nicht beweisen, da eine Fettaufnahme in die Zellen in
feinst emulgierter Form mit Sicherheit nachgewieseii ist. Die Stö¬
rung bei der Aderlaßlipämie betrifft vielmehr die Aufnahme und
Verarbeitung des gelösten wie des ungelösten Blutfettes.
Äthereinwirkung begünstigt in geringem Maße die Aufnahme v on
Fett in die Gewebszelle, hat jedoch keinen nachhaltigen Einfluß auf
den Verlauf der Lipämie.
Intravenöse Zufuhr von Traubenzucker- und Ringerlösung wirkt
in geringem Grade als Schutz gegen die durch die Aderlässe hervor¬
gerufene Schädigung. Sie verringert die Höhe und Dauer des lipä-
mischen Zustandes.
Der Kochsalzgehalt des Blutes zeigt, entgegen der vorübergehen¬
den Erhöhung nach einem einzelnen Aderlaß, bei fortgesetzten Blut¬
entziehungen und dadurch bedingten lipämischen Zuständen eine
mäßige Verminderung. Intravenöse Salzzufuhr verhindert diese Ver¬
minderung.
Der Blutzuckergehalt zeigt bei wiederholten Aderlässen Schwan¬
kungen, welche den Veränderungen des Blutfettgehaltes im großen
und ganzen gleichsinnig verlaufen. Die Erklärung für diese Schwan¬
kungen des Blutzuckerspiegels ist in den gleichen Einflüssen auf den
intermediären Stoffwechsel zu suchen, wie für die Lipämie.
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(Aus dem pharmakologischen Institut [Prof. Kochmann ] und der medizinischen
Klinik [Prof. Volhard der Universität Halle.)
Zur Frage der Blutdrucksteigerung.
I.
Experimentelle Untersuchungen über die Bedingungen der
Adrenalinwirkung.
Von
Walter Hülse,
Assistenzarzt der medizinischen Klinik.
(Eingegangen am 17 . Juli 1922.)
Inhaltsübersicht.
Seite
1. Uber den heutigen Stand der Hypertoniefrage.240
2. Kurze Besprechung der bisherigen Untersuchungen über den Adre¬
nalingehalt des Blutes
a) bei normalem Blutdruck.245
b) bei Hypertonien.246
3. Die Adrenalinwirkung am Gefäßapparat des Frosches
a) Methode.247
b) Spontane Empfindlichkeitssteigerung des Froschpräparates . 249
c) Beeinflussung der Adrenalinwirkung durch OH- und H-Ionen 250
d) Beeinflussung durch Kaliumchlorid.256
e) Beeinflussung durch Calciumchlorid.258
f) Beeinflussung durch Kochsalz und durch Änderung der mole¬
kularen Konzentration.258
g) Beeinflussung durch Natriumcitrat..260
4. Besprechung der Ergebnisse.262
5. Zusammenfassung.266
1. Über den heutigen Stand der Hypertoniefrage.
So wenig Überstimmung bisher in den Fragen über Wesen und
Bedeutung der krankhaften Blutdrucksteigerung herrscht, sei es, daß
sie im Zusammenhang mit Nierenkrankheiten, sei es, daß sie essen¬
tiell, losgelöst von jeder erkennbaren Komplikation, auftritt, so einig
ist man sich darin, daß ihr als unmittelbare Ursache erhöhte Wider¬
stände in der Peripherie des Blutkreislaufs durch Verengerung der
Arteriolen zugrunde liegen müssen.
Die Frage, ob die Gefäß Verengerung anatomisch oder funktionell bedingt
ist, kann heute bei allen Formen von Hypertonien als in letzterem Sinne ent-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
W. Hülse: Zur Frage der ßlutdruckBteigerung. I.
241
schieden angesehen werden. Denn der alten Lehre von Gull und Sutton '), daß
die Hypertonie auf einer Systemerkrankung im Bereiche der Arteriolen, einer
arterio-capillary-fibrosis, mit Querschnitts Verminderung der gesamten Strom-
behn beruht, widersprechen sowohl die Sektionabefunde wie die klinische Er¬
fahrung. Wenn man in älteren Fällen von chronischer Hypertonie auch ge¬
wöhnlich in verschiedenen Gefäßgebieten Veränderungen der Arteriolen fest¬
stellen kann, so sind sie niemals so ausgebreitet, daß durch eine kompen¬
satorische Erweiterung eine Regulation des Blutdrucks nicht mehr möglich
ist. Dazu sind Fälle schwerster Hypertonie bekannt, wo sich außer in den
Nieren nennenswerte Veränderungen an den in Betracht kommenden Gefäßen,
insbesondere im Splanchicusgebiet, nicht vorfanden (Volhard und Fahr 2 ). Und
bei der akuten Hypertonie der akuten diffusen Glomerulonephritis kommt
jene Ursache überhaupt nicht in Betracht.
Jene Annahme läßt sich auch gar nicht vereinigen mit der klinischen
Beobachtung, daß die Blutdrucksteigerung gerade bei den Fällen, bei denen
eine allgemeine Arteriosklerose am ehesten in Frage kommt, die essentielle
Hypertonie und die genuine Schrumpfniere, durch große Schwankungen aus¬
gezeichnet ist 3 ).
Diese Erfahrungen sprechen bestimmt gegen anatomische und für funk¬
tionelle Gefäßverengerungen.
Wenn somit ein erhöhter Vasomotorentonus als unmittelbare
Ursache der krankhaften Blutdrucksteigerung allgemein angenommen
wird, so weichen die Ansichten in der Frage über die Ursache der
allgemeinen Gefäßkontraktion auch heute noch weit auseinander.
Die Ursache liegt darin, daß trotz der großen Zahl von Unter¬
suchungen positive Tatsachen in dieser Frage überhaupt nicht
bekannt sind.
Als der einzige außer allem Zweifel stehende ursächliche Umstand
ist die Beziehung mancher Fälle von Hypertonien zu chronischen
Erkrankungen der Nieren anzusehen. Es darf nur auf die Blut¬
drucksteigerung bei Harnstauung und bei Cystenniere — Fälle, wo
es sich sicher nur um isolierte Nierenerkrankungen handelt — hin¬
gewiesen zu werden und auf die bekannten Versuche von Päßler
und Heinecke 4 ), die nach operativer Verkleinerung einer Niere und
Exstirpation der anderen Blutdrucksteigerung auftreten sahen, sobald
ein gewisser Grad von Niereninsuffizienz vorlag. Wenn in einzelnen
Fällen von Cystenniere trotz bestehender Niereninsuffizienz keine
Blutdrucksteigerung auf tritt [E. Kylin b )\ so berechtigt dieses nicht,
die ursächliche Beziehung der Hypertonie zu Nierenerkrankungen
gänzlich zu leugnen. Wir wissen gar nicht, auf welchem Wege von
*) Gull und Sutton: Medico-chir. Transaktions 55 9 273. 1872.
-) Volhard und Fahr: Dis Brightsche Nierenkrankheit. Berlin: Julius
Springer 1914.
3 ) Pal, J.: Gefäßkrisen. Leipzig: Hirzel 1905. — Monakow, P. v .; Dtsch.
Arch. f. klin. Med. 183, 129. 1920.
4 ) Päßler und Heinecke: Verhandl. d. dtsch. pathol. Gesellech. 1905.
5 ) Kylin, E .: Zentralbl. f. inn. Med. 1922, Nr. 3/4.
/>. f. d. g. exp. Med. XXX. 10
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242
W. Hülse:
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der Niere aus Gefäßtonus und Blutdruck beeinflußt werden und
können daher nicht sagen, welche besonderen Bedingungen sonst
noch erfüllt sein müssen, damit eine nephrogene Blutdrucksteigerung
auftreten kann.
Diese klinischen Erfahrungen haben den Grund gelegt zu der
verallgemeinernden Theorie, daß jeder Blutdrucksteigerung letzten
Endes eine Erkrankung der Nieren, speziell ihrer Gefäße, zugrunde
liegt 1 ). Das Bestechende dieser Theorie liegt darin, daß sie, gestützt
auf klinische Erfahrungen, eine anscheinend so vieldeutige Krankheits¬
erscheinung auf eine einheitliche Erkrankung zurückführt.
Nun sind aber doch Tatsachen bekannt geworden, die es wahr¬
scheinlich machen, daß auch auf anderem Wege als durch die Nieren
dauernde Blutdrucksteigerungen erzeugt werden können. Es sind
Fälle von Hypertonie beschrieben worden, wo nennenswerte Ver¬
änderungen an den Nieren, einschließlich ihrer Gefäße, nicht fest¬
gestellt werden konnten [v. Monakow*)]. Ich selbst habe anatomisch
einen Fall von Hypertonie mit Tod an Hirnblutung untersuchen
können, bei dem gerade die Veränderungen an den Nieren so gering¬
fügig waren, daß eine Erklärung der Hypertonie durch eine primäre
Erkrankung der Nierengefäße kaum möglich erschien.
Auch bei der akuten diffusen Glomerulonephritis ist es nach den
neuesten Untersuchungen sehr fraglich geworden, ob die Blutdruck¬
steigerung eine Folge der Nierenerkrankung ist. Tatsächlich scheint,
worauf Riegel und in letzter Zeit besonders Kylin 8 ) und Lundberg 4 )
hingewiesen haben, die Blutdrucksteigerung der Nierenerkrankung
vorauszugehen. Dieselbe Schädlichkeit, welche die allgemeine Gefä߬
verengerung verursacht, trifft in gleicher oder besonders starker
Weise auch die Nierengefäße und hat sekundär die anderen
Erscheinungen der sogen, akuten diffusen Glomerulonephritis zur
Folge.
Man muß sich demnach wohl vorstellen, daß der Mechanismus,
der zur Blutdrucksteigerung führt, auf verschiedene Weise in Be¬
wegung gesetzt werden kann. Einmal sind es Vorgänge, die sich
unter bestimmten Bedingungen primär im Körper entwickeln, wie
z. B. bei der akuten Glomerulonephritis unter dem Einfluß einer
Infektion (primäre Hypertonie), das andere Mal sind es Verände¬
rungen, die in Beziehung zu der durch gestörte Nierenfunktion be¬
dingten Stoffwechselstörung stehen (sekundäre Hypertonie). Eine
*) VoJhard und Fahr: 1. c. — Romberg , E. v.: Kongr. f. inn. Med. 1904,
S. 64. — Schlager: Münchn. med. Wochenschr. 1913, Nr. 2, S. 63.
*) Monakow , P . v.: Dtsch. Arch. f. klin. Med. 188, 129. 1920.
*) 1. c.
4 ) Lundberg: zit. n. Kylin.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
Zur Frage der Blutdrucksteigerung. I.
243
Niereninsuffizienz im klinischen Sinne mit Rest Stickstoff erhöhung im
Blute ist für die letztere Gruppe nicht in jedem Falle erforderlich.
Sieht man die sekundäre Blutdrucksteigerung als einen von den
Nieren ausgelösten kompensatorischen Regulationsmechanismus an
[A. Bier 1 )], um eine ausreichende Ausscheidung der harnfähigen
Stoffe aufrechtzuerhalten, so könnte bei sehr langsam einsetzenden
Nierenstörungen, wie z. B. bei Fällen von gutartiger Nierensklerose
Volhards, die Kompensation so vollkommen erreicht werden, daß
eine durch Reststickstofferhöhung im Blute kenntliche Niereninsuffi¬
zienz für die ganze Dauer des Krankheitsverlaufes ausbleibt (benigne
Nephrosklerose mit latenter oder kompensierter Niereninsuffizienz).
Für die Harnabsonderung ist nicht nur die sekretorische Leistungs¬
fähigkeit der Nieren maßgebend, sondern auch die Durchblutung.
Verminderung der ersteren kann durch Zunahme der letzteren weit¬
gehend kompensiert werden, und diese Kompensation wird um so
vollkommener erreicht werden, je länger der Körper Zeit hat, kom¬
pensatorisch wirkende Kräfte, in erster Linie Herzhypertrophie, zu
entwickeln. Daß mit Eintritt der klinisch erkennbaren Niereninsuffi¬
zienz (manifeste Niereninsuffizienz), die nur der Ausdruck des schließ-
lichen Versagens auch der kompensatorischen Maßnahmen ist, der
allgemeine Gefäßkrampf zu allgemeiner Ischämie und hochgradiger
Oligurie (die sich durch eine Senkung des Blutdruckes bessern läßt),
führen kann, vermag die Ansicht von der ursprünglich nützlichen,
kompensatorischen Bedeutung jenes Vorganges nicht im geringsten
zu berühren. Doch haben spekulative Erörterungen über die Zweck¬
mäßigkeit eines biologischen Vorganges wenig Wert, so lange wir
die Bedingungen zu seiner Entstehung nicht klar übersehen.
Die klinischen Erfahrungen bei den renalen sekundären Hyper¬
tonien sprechen für die Anschauung, daß die Vermittlung der Blut¬
drucksteigerung auf chemischem Wege vor sich geht: nur die Nieren¬
erkrankungen gehen mit Blutdrucksteigerung einher, die Neigung
zu Stickstoffretention zeigen. Auch die erwähnten Versuche von
Päßler und Heinecke lassen die enge Beziehung von Blutdruck¬
steigerung und Nierenfunktion deutlich erkennen. In diesen Fällen
hat es den Anschein, als wenn retinierte chemische Substanzen die
Gefäßmuskulatur direkt oder indirekt zur Kontraktion veranlassen.
Wenn man nun auf Grund dieser klinischen Erfahrungen all¬
gemein geneigt ist, wenigstens für einen Teil der Fälle von Hyper¬
tonie, eine solche chemische Vermittlung der Blutdrucksteigerung
anzunehmen, so sind wir dann noch ganz im Unklaren darüber, wie
diese fraglichen chemischen Stoffe zur Blutdrucksteigerung führen.
*) Bier , A.: Müncbn. med. Wochenschr. 1900, Nr. 16, S. 527.
16*
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2U
W. Hülse :
({reifen sie direkt oder auf Umwegen [Nebennieren? Volhard 1 )]
peripher an den Gefäßen an, oder versetzen sie das Vasomotoren-
zentrum direkt oder reflektorisch 2 ) in einen erhöhten Reizzustand.
et wa analog der Erregung des Wärmezentrums durch fiebererregende
Stoffe beim Fieber [v. Bergmann*)]'
Gewisse klinische Erfahrungen sprechen zweifellos für eine peripher
ausgelöste Gefäßverengerung. Es ist sehr auffallend, wie wenig der
Blutdruck bei Hypertonien reagiert auf Mittel, die gewöhnlich den
zentralen Gefäßtonus beträchtlich herabsetzen, wie z. B. Chloralhydrat
(eigene Beobachtungen). Volhard hat darauf hingewiesen, daß bei
der echten Hypertonie anscheinend alle Gefäßgebiete, sogar die Him-
gefäße (Pseudourämie, Retinitis albuminurica) von der Gefäßkon¬
traktion betroffen sind, während bei den Blutdrucksteigerungen, die
durch nervöse Vermittlung entstehen, die Verengerung der Bauch¬
gefäße von Erweiterung in anderen Gefäßgebieten begleitet ist.
Die Frage der Anwesenheit peripher angreifender pressorischer
Stoffe im Blute muß heute als die für das Blutdruckproblem dring¬
lichste bezeichnet werden. Die vielen mühevollen Untersuchungen
haben bisher nicht über das Stadium reiner Theorie hinaus zu einer
positiven Erkenntnis, weder in bejahendem noch in verneinendem
Sinne, geführt. Die Lösung dieser Frage wird die erste Aufgabe
systematischer experimenteller Untersuchungen über die Ursache
der Blutdrucksteigerung sein.
Unter den chemischen Stoffen, die hier in Frage kommen, hat
man in erster Linie an das Adrenalin gedacht. Von französischen
Forschern ist sogar ein Krankheitsbild der Hyperepinephrie auf¬
gestellt worden: Hyperplasie der Nebennieren mit vermehrter Aus¬
schüttung von Adrenalin und Hypertonie. Arbeiten aus neuerer
Zeit scheinen es auch wahrscheinlich zu machen, daß es länger
dauernde Erhöhungen des Blutdruckes ohne Mitwirkung des Adre¬
nalins nicht gibt 4 ).
Diese Adrenalintheorie der Hypertonie nimmt an, daß die Vorgänge im
Körper, die zur Hypertonie führen, nicht selbst die Gefäßkontraktion ver¬
ursachen, sondern zunächst die Nebennieren direkt oder indirekt zu einer ver¬
mehrten Ausschüttung von Adrenalin veranlassen, welche dann erst den allge¬
meinen Gefäßtonus erhöht. Infolge der direkten nervösen Verbindung von
Niere und Nebenniere \Jacoby h )) wäre dann auch eine rein reflektorische Blut¬
drucksteigerung denkbar, für welche Erschwerung der Blutzirkulation in der
*) Volhard , F .: Die doppelseitigen hämatogenen Nierenerkrankungen in
Mohr & Staehelin, Handb. d. inn. Med. Bd. 3. Berlin: Julius Springer 1918.
-) Frey , W. und E. Hagemann: Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. 25, 271. 1921.
3 ) Bergmann , v.: Münchn. m. Wochcnschr. 1922, Nr. 3, S. 97 (Ref. ü. Vortr.
im Ärztl. Verein Frankfurt a. M. vom 17. X. 21).
4 ) Anrep: nach Volhard 1. c. S. 1299.
Ä ) Jakoby , C.: Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmokol. 29, 171. 1892.
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^. Original frorn
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Zur Frage der Blutdruckßteigerung. I 245
Niere und Spannungsänderungen der Gefäßwandungen den auslösenden Reiz
bilden könnten.
Diese Theorie setzt natürlich voraus, daß eine anhaltende Adrenalinver¬
mehrung im Blute auch eine dauernde Blutdruckßteigerung zur Folge hat.
Daß dieses der Fall ist, haben die Versuche von Kretschmer 1 ) mit Adrenalin¬
dauerinfusion gezeigt. Auch vereinzelte klinische Beobachtungen scheinen dies
darzutun, bei denen jene im Experiment willkürlich geschaffenen Verhältnisse
im Leben gleichsam verwirklicht erscheinen.
Neußer *) hat 2 Fälle von Carcinom der Nebennieren beobachtet, die unter
dem Bilde der Schrumpf niere mit Draht puls und Hirnblutung verliefen.
Volhard erwähnt in seiner Monographie 2 Fälle von Hypernephrom, die das
Bild der hypertonischen Nephritis zeigten, und bei denen durch Entfernung
des Tumors die Erscheinungen zum Verschwinden gebracht worden konnten.
In den beiden letzten Fällen muß es allerdings von vornherein bezweifelt
werden, ob eine Vermehrung der Adrenalinsekretion Vorgelegen hat. Hyper¬
nephrome nehmen bekanntlich ihren Ursprung fast stets von der Nebennieren¬
rinde, und in Übereinstimmung hiermit hat Biedl 3 ) Extrakte von Hyper¬
nephromen bei Untersuchungen auf Adrenalin stets wirkungslos gefunden. In
einem von Neußer klinisch als Überfunktion der Nebennieren aufgefaßten Falle
stellte aber Biedl in dem Extrakt des gefundenen Nebennierencarcinoms eine
überaus starke Adrenalinwirkung fest.
Für den Zusammenhang von nephritischer Blutdrucksteigerung und Adre¬
nalin scheint auch ein von Kunstmann*) mitgeteilter Fall von Morbus Addi-
sonii und chron. Nephritis, der bis zum Ende ohne jede Blutdrucksteigerung
verlaufen ist, zu sprechen. Kunstmann erklärt dies damit, daß die chronische
Nephritis bei Morbus Addisonii den Blutdruck nicht steigern kann, weil zum
Zustandekommen der Hypertonie normale Funktion des chromaffinen Systems
erforderlich ist.
2 . Kurze Besprechung der bisherigen Untersuchungen über den
Adrenalingehalt des Blutes,
a) Bei normalem Blutdruck.
Die Angaben über den Adrenalingehalt des normalen Blutes
schwanken zwischen Konzentrationen von 1:400000 [Fraenkel 7 *)] und
1 : 2 Milliarden [Trendelenburg tt )]. Die Ursache dieser großen Unter¬
schiede ist in der Schwierigkeit des Adrenalinn ach weises im Blute
begründet. Eindeutige chemische Methoden können nicht in An¬
wendung gebracht werden, da ihre Empfindlichkeit nicht im ent¬
ferntesten an die hohen Verdünnungen, in denen das Adrenalin im
Blute scheinbar vorhanden ist, heranreicht. Einige der biologischen
Methoden weisen gegen reine Adrenalinlösungen eine vielleicht hin¬
reichend hohe Empfindlichkeit auf. Sie sind aber zu wenig spezifisch
l ) Kretschmer , W.: Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 57, 423. 1907.
-) Zit. nach Volhard: 1. c , S. 1291.
3 ) Biedl, A.: Innere Sekretion 2, 20. Berlin-Wien: Urban & Schwarzenberg.
'*) Kunstmann , G.: Über einen Fall von chronischer Nephritis mit allge¬
meinem primären Amyloid. Diss. Erlangen 1913.
,v ) Fraenkel , A.: Arch. f. exp. Pathol. und Pharmakol. 00, 395. 1909.
“) Trendelenburg , P.: idem 79, 154. 1910.
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
246
W. Hülse:
Digitizeü t
und gestatten in der bisher geübten Art kaum eine zu beobachtende
Blutwirkung eindeutig auf Adrenalin zu beziehen.
Die meisten Arbeiten über den Adrenalingehalt des Blutes haben nur noch
historisches Interesse. Sie sind in der Mehrzahl angestellt mit Blutserum. Wie
aber O'Connor 1 ) gezeigt hat, entstehen bei der Blutgerinnung Stoffe, die mit
ihrer vasoconstriotorischen Wirkung Adrenalin vortäuschen. Im Plasma des
normalen peripheren Venen- und Arterienblutes von Tieren konnte O'Connor
gefäßverengernde Stoffe nicht nachweisen. Trendelenburg 2 ) hat mit Berück¬
sichtigung dieser Erkenntnis Untersuchungen mit frischem arteriellen Citratblut
von Kaninchen ausgeführt und dann nur an hochemptindlichen Präparaten mit
der von ihm weiter ausgearbeiteten Laewen sehen Froschdurchspülungsmethode
eine eben angedeutete Wirkung, die einer Adrenalinkonzentration von 1:1 — 2
Milliarden entsprach, festetellen können. Aber auch hier läßt Trendelenburg
noch die Frage offen, ob es sich nicht auch nur um adrenalinähnliche Körper
handelt, die sich nach der Entnahme des Blutes rasch bilden.
Als unbedingtes Erfordernis hat sich weiter herausgestellt, daß zu Unter¬
suchungen über den Adrenalingehalt des BluteB arterielles Blut benutzt werden
muß, da das Adrenalin bei Entfaltung seiner Wirkung in den Geweben größten¬
teils aufgebraucht wird. Meine Untersuchungen haben diese von EUiot 3 ) zuerst
geäußerte Ansicht voll bestätigt (s. Abschnitt 8), so daß es als sicher angesehen
werden kann, daß das Adrenalin im peripheren Venenblute überhaupt nicht
oder wenigstens in noch niedrigeren Konzentrationen als im arteriellen Blute
vorhanden ist. Untersuchungen an menschlichem arteriellem Blute sind aber
der Schwierigkeiten wegen, die der Gewinnung solchen Blutes entgegenstehen,
bisher nicht ausgeführt.
b) Bei Hypertonien.
Einwandfreie Untersuchungen über die Adrenalinämie bei den
verschiedenen Formen von Hypertonien sind bisher nicht bekannt,
da sie sämtlich mit Serum angestellt sind. Nur Volhard erwähnt
Untersuchungen von Schuster mit Blutplasma, die aber stets ein
negatives Ergebnis hatten, selbst mit Plasma von Fällen mit Nieren¬
insuffizienz. Da es sich aber um Venenblutplasma handelte, kann
diesen Untersuchungen eine Bedeutung nicht beigemessen werden.
Da in den Serumversuchen nur der Gehalt an sog. Gerinnungsstoffen be¬
stimmt wird, iBt es nicht verwunderlich, daß die verschiedenen Untersucher zu
außerordentlich verschiedenen Adrenalinwerten gekommen sind. Denn es ist an¬
zunehmen, daß der Gehalt an solchen Stoffen in den einzelnen Fällen ganz
verschieden ist. Unter normalen Verhältnissen mag die Angabe von Trendelen -
bürg 4 ), daß bei der Gerinnung stets gleiche Mengen erregender Stoffe Entstehen,
unter der Voraussetzung, daß die Gerinnung unter gleichen Bedingungen erfolgt,
zutreffen. Dann würde, wie Bröking und Trendelenburg ö ) behauptet haben,
diesen Serum versuchen wenigstens ein relativer Wert innewohnen. Sicher trifft
diese Angabe aber nicht zu bei Fällen von Morbus Brightii. Sobald eine
*) O'Connor , «7. M.: Arch. f. exp. Pathol. und Pharmakol. 67, 195. 1912.
2 ) Trendelenburg , P.: 1. c.
3 ) Zit. nach Biedl: 1. c.
4 ) Trendelenburg , P.: Münch, med. Wochenschr. 1911, Nr. 36, S. 1919.
Bröking , E . B. und Trendelenburg , P.: Deutsch. Arch. f. klin. Med. 103,
1H8. 1911.
Go*, igle
_O riginal from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Zur Frage der Blutdrucksteigerung. I.
247
Hydräraie auftritt, muß auch der Prozentgehalt jener Stoffe im Verhältnis der
eintretenden Blutverdünnung sinken und demgemäß auch die Wirkung des
Serums auf die glatte Muskulatur. In mehreren Versuchen habe ich mich
davon überzeugt, daß die Wirkung des Nephritisserums in der Tat in genauem
Verhältnis zu der bestehenden Hydrämie steht, daß also das Serum von chro¬
nischer Nephritis im allgemeinen weniger wirksam ist, wie normales Serum.
Damit stimmen die Ergebnisse von Schlayer 1 ) und von Bröking und Trendelen¬
burg , daß im Blutserum bei chronischer Nephritis in der Mehrzahl der Fälle
eine Verminderung der Adrenalinkonzentration gefunden wird, überein. An¬
dererseits gibt es Fälle von Nierenkrankheiten mit einer Eindickung des Blutes,
besonders die ödembereiten Nephrosen ( Volhard). Man wird nicht fehlgehen,
wenn man annimmt, daß die Angaben über vermehrten Adrenalingehalt des
Blutes-) bei Nephritis sich auf solche ödemfälle beziehen.
Außer dem Versuche des direkten Nachweises einer Hyper&drenalinämie
hat man sich bemüht, die Adrenalintheorie der Hypertonie auf indirektem
Wege durch den Nachweis einer Hyperglykämie wahrscheinlich zu machen.
Wenn ich die bekanntgegebenen Befunde 3 ) durch meine eigenen ergänze,
möchte ich die Blutzuckerfrage bei Hypertonien als dahin entschieden ansehen,
daß bei chronischen Hypertonien, besonders bei der essentiellen Hypertonie,
öfter eine leichte Erhöhung des Blutzuckerspiegels vorliegt, die aber in keinem
Parallelismus zur Höhe der Blutdrucksteigerung steht, daß aber bei der akuten
Hypertonie der akuten diffusen Glomerulonephritis der Blutzuckerwert stets
im Bereich des Normalen liegt. Sichere Schlüsse auf eine Hyperadrenalinämie
können auch bei den chronischen Hypertonien mit Hyperglykämie nicht ge¬
zogen werden, weil jeder Parallelismus der Erscheinungen fehlt und weil die
Bedingungen zur Entstehung einer Hyperglykämie z. Z. noch so unübersehbar
sind, daß sie den Schluß auf eine ganz bestimmte Organstörung nicht zuläßt.
3. Die Adrenalinwirkung am Gefäßapparat des Frosches.
a) Methode.
Entsprechend dem Ziel der Untersuchungen, die Frage zur Ent¬
scheidung zu bringen, ob die Hypertonie auf eine Vermehrung vaso-
constrictorischer Stoffe im Blute zurückzuführen ist, mußte eine
Methode benutzt werden, die die gesamte gefäßverengernde Wirkung
des Blutes zur Darstellung bringt. Diesen Anforderungen genügen
nur die Durchströmungsmethoden überlebender Präparate. Da Prä¬
parate von Warmblütern nicht in genügender Menge zur Verfügung
standen, war die Froschdurchspülungsmethode nach Laewen-Trendelen -
bürg die Methode der Wahl.
Wenn das Froschpräparat sich auch durch besonders große Emp¬
findlichkeit gegen gefäßverengernde Reize auszeichnet, so reicht unter
den gewöhnlichen Versuchsbedingungen seine Empfindlichkeit doch
selten an die hohen Adrenalin Verdünnungen heran, wie sie nach den
Untersuchungen von Trendelenburg , wenigstens im normalen Blut, zu
J ) Schlayer: Dtsoh. med. Wochenschr. 1907, Nr. 46, S. 1897.
’ 3 ) Schur , H. und Wiesel , J.: Wien. klin. Wochenschr. 1907, Nr. 23 u. 27. —
Kretschmer , W.: Verhandl. d. dtsch. Kongr. f. inn. Med. 1910, S. 731.
3 ) Lit. bei Härle , F.: Zeitschr. f. klin. Med. 92, 124. 1921.
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248
W. Hülse:
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erwarten waren. Daher mußten zunächst im Anschluß an die im
Schrifttum bereits vorliegenden Untersuchungen die Bedingungen
studiert werden, unter welchen die Adrenalinwirkung besonders stark
auf tritt, damit die Y T ersuchsanordnungen so geregelt werden konnten,
daß hoch empfindliche Präparate mit einiger Regelmäßigkeit erzielt
wurden. Um entscheiden zu können, welcher Anteil dem Adrenalin
an einer eintretenden Reaktion zukommt, mußte zuvor die Wirkung
des Blutes am Froschpräparat genau zergliedert werden, so, daß die
Adrenalinnatur eines gefäßverengemden Stoffes eindeutig erkannt
werden konnte.
Zur Methodik ißt folgende« zu bemerken: die Herstellung der Präparate
erfolgte genau nach den Angaben von Trendelenburg. Die aus der Venenkanüle
abfließende Tropfenzahl wurde als Maß der Änderung der Gefäßweite betrachtet.
Die Versuche wurden stets an Präparaten von Rana esculenta angestellt. Da
mir zum Teil nur kleine Tiere zur Verfügung standen, machte anfangs das
Einführen der Aortenkanüle gelegentlich große Schwierigkeiten. Dieselben
lassen sich aber dadurch leicht überwinden, daß die Kanüle in dem Winkel
an der Vereinigungsstelle der beiden Aorten, die bei der Entfernung der Ein¬
geweide sorgfältig geschont werden müssen, eingeführt wird. Präparate, die
nach längerer Durchströmung die Flüssigkeit auch an anderen Stellen als aus
der Venenkanüle, auch nur in ganz geringer Menge abtropfen lassen, sind un¬
brauchbar.
Bei den Injektionen in den zuführenden Schlauch muß mit peinlicher Sorg¬
falt darauf geachtet werden, daß sich der Fliissigkeitsspiegel in dem Steigrohr
der Mariotteschen Flasche nicht im geringsten verschiebt. Sinkt der Spiegel
während der Injektion, so wird die eingespritzte Probe durch die vorbei fließen de
Durchströmungsflüssigkeit sofort verdünnt und der Ausschlag entspricht nicht
mehr der verwendeten Konzentration: das Präparat erscheint dann wenig emp¬
findlich. Erfolgt andererseits die Injektion zu schnell, so antwortet das Prä¬
parat auf den entstehenden höheren Druck sofort mit einer Zunahme der Ab-
tropfgeschwindigkeit, die aber fast stets sofort nach Beendigung der Einspritzung
von einer Verlangsamung gefolgt ist. Diese Verlangsamung kann bei einer zu
schnellen Injektion einer ganz indifferenten Flüssigkeit, wie z. B. der Durch¬
strömungsflüssigkeit selbst, bis zu 20°/ 0 betragen, also sehr beträchtliche Adre¬
nalinmengen Vortäuschen.
Auch bei guter Beherrschung der Technik wird die zu prüfende Lösung
nicht als vollkommen unveränderte Flüssigkeitssäule durch das Präparat hin¬
durchfließen. Eine leichte Verdünnung durch die in dem System befindliche
Durchströmungsflüssigkeit wird in jedem Falle, schon allein durch Diffusion,
eintreten. Um diesen Fehler möglichst klein zu gestalten, muß die Spritzen¬
kanüle möglichst weit aortenwärts bis in den fein ausgezogenen Teil der Aorten¬
kanüle eingeführt werden. Der durch die Verdünnung bedingte Fehler ißt ver¬
hältnismäßig um so größer, je kleiner die Injektionsmenge ist. Mit zunehmen¬
der Menge wächst aber die Schwierigkeit einer vollkommen gleichmäßigen Ein¬
spritzung, so daß es technisch schon fast unmöglich ist, 1 ccm jedesmal in
genau gleicher Weise in daß Präparat hineinzubringen. Um beidem Rechnung
zu tragen, bemaß ich bei den eigentlichen Versuchen die Injektionsmenge stets
auf 0,5 ccm.
Nur bei sorgfältigster Vermeidung der erwähnten Fehlerquellen können
mit der Froschdurchspülungsmethode gute Ergebnisse erzielt werden. Die
Origiralfm _ _
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Zur Frage der Blutdrucksteigerung. I.
249
Technik der Injektion, die nicht frei von persönlichen Umständen ist, ist für
die Genauigkeit des Ausschlages wie für die Empfindlichkeit des Präparates
von größter Bedeutung.
Die Adrenalinlösungen wurden vor den einzelnen Injektionen stets aus den
_ Stammlösungen frisch hergestellt. Ebenso wie bei den Lokalanästethika 1 ) wird
auch bei dem Suprarenin die Wirkung einer Lösung von ihrem Gehalt an
(freier Base abhängig sein. Da es kaum möglich ist, zu entscheiden, ob in einer
Lösung von salzsaurem Suprarenin eine vollständige Hydrolysierung eingetreten
ist und somit die größtmögliche Suprareninwirkung in Erscheinung tritt, schien
es ratsam, Lösungen der reinen Base zum Vergleich heranzuziehen. Die Base
Supraren. crist. puriss. Höchst) ist bekanntlich in Wasser fast unlöslich. Nach
5—10 Minuten langem leichten Schütteln fand sie sich aber stets ungefähr im
Verhältnis von 1:20000 in doppelt destilliertem Wasser gelöst. Der Gehalt
dieser Stammlösung wurde colorimetrisch gegen Lösungen mit bekanntem Supra-
reningehalt (aus Supraren. HCl synth. Höchst 1 : 1000 hergestellt) unter Be¬
nutzung des von Zanfrognini ~) angegebenen Reagens bestimmt. Diese Basen-
lösungen sind sehr leicht zersetzlicb. Sobald eine stärkere Rotfärbung eintrat,
was meist nach 1—3 Stunden geschah, wurden sie stets durch neue ersetzt.
Die weiteren Verdünnungen erfolgten stets, wenn in den Protokollen nichts
Besonderes angegeben ist, mit der entsprechenden Durchströmungsflüssigkeit.
b) Spontane Empfindlichkeitssteigeruug des Froschpräparates,
Es ist bekannt, daß die Adrenalinempfindlichkeit des Frosch¬
präparates in der ersten Zeit der künstlichen Durchströmung ständig
zunimmt. Trendelenburg 3 ) führt diese Empfindlichkeitesteigerung auf
eine allmähliche Beseitigung des Gefäßtonus durch den Druck der
auf den Gefäßen lastenden Durchströmungsflüssigkeit zurück. Wenn
aber eine solche passive Dehnung der Gefäße einträte, so müßte
gleichzeitig mit der Empfindlichkeitssteigerung eine Zunahme der
Durchströmungsgeschwindigkeit erfolgen. In Wirklichkeit geht aber
der Änderung der Ansprechbarkeit eine stetige Abnahme der Tropfen¬
zahl parallel. Eine Quellung des Gewebes, insbesondere der Gefäß-
endothelien, durch welche die größere Gefäßweite infolge der Abnahme
des Tonus ausgeglichen werden kann, kommt für die Erklärung
dieser Erscheinung kaum in Betracht. Denn peripher angreifende
Mittel, wie z. B. Äther {Kochmann) können ihre Wirkung an den
verengten Gefäßen auch bei mehrmaliger Einspritzung genau so ent¬
falten, wie vor der Verengerung. Dabei tritt diese Wirkung so
plötzlich ein, und hört auch wieder nach Aussetzen der Ätherein¬
wirkung so schnell wieder auf, daß eine Entquellung und erneute
Quellung schwer vorstellbar ist.
Diese prompte Reaktion spricht vielmehr dafür, daß nervöse
Einflüsse im Sinne einer stärkeren Tonisierung für die während der
*) Oros , O.: Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 63, 80. 1910.
-) Zanfrognini , A.: Dtsch. med. Wochenschr. 1909, Nr. 40, S. 1752.
3 ) Trendelenburg , P.: Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 63, 161. 1910.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
250
W. Hülße:
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Durchströmung eintretende spontane Gefäßverengerung die Verant¬
wortung tragen. Und zwar müssen es, da das Zentralnervensystem
zerstört ist, periphere Gefäßnervenzentren sein, die erst allmählich,
wahrscheinlich unter dem Einfluß einer Entsäuerung der Gewebe
infolge der Durchströmung (s. Abschnitt 4b) eines selbständigen Tonus
fähig werden.
Wir erkennen somit in der spontanen Empfindlichkeitssteigerung
eine Abhängigkeit der Adrenalinempfindlichkeit des Froschpräparates
von dem Tonus der Gefäße. Die weiteren Untersuchungen werden
eine allgemeine Bestätigung dafür geben, daß die Reizempfindlichkeit
für Adrenalin durch' tonisierende Stoffe erhöht, durch solche mit
tonushemmenden Eigenschaften vermindert wird.
c) Beeinflussung der Adrenalinwirkung durch Hydroxyl- und Wasserstoff-
Ionen»
Die ersten Untersuchungen wurden in dem heißen Frühsommer
des Jahres 1921 ausgeführt. Die Ergebnisse bei der Nachprüfung
in der kälteren Jahreszeit wichen von den zuerst gewonnenen in
mancher Hinsicht ab.
Den weiteren Erörterungen seien 2 Protokollauszüge als Versuchs¬
beispiele beigefügt (Tabelle I und II).
Diese Versuche bestätigen somit zunächst die bekannte Tatsache,
daß kleine Alkalimengen an sich eine Gefäßverengerung erzeugen
[Heymann 1 ) 9 Fleisch 9 )]. Weiter schien auch die Vermutung be¬
stätigt zu werden, daß die Verstärkung der Wirkung des Supra-
reninum-HCl durch OH-Ionen [ Alday-Hedonnet a ), Schmidt 4 )] nur
auf eine vollständigere Hydrolysierung des Salzes zurückzuführen
ist. Denn diese Verstärkung wurde nur bei Verwendung des salz-
sauren Salzes beobachtet, während die gefäßverengernde Wirkung der
Base in allen Versuchen durch die Anwesenheit von OH-Ionen auf¬
gehoben oder wenigstens stark herabgesetzt wurde. Dieses ver¬
schiedene Verhalten trat besonders in dem in Tabelle II mitgeteilten
Versuch zutage: bei Dauerdurchströmung mit Suprareninum-HCl
verursachte eine Injektion der normalen alkalischen Ringerlösung
eine deutliche Verstärkung der Gefäßkontraktion, während dieselbe
Injektion bei Durchströmung mit Suprareninbase eine teilweise Auf¬
hebung der Wirkung zur Folge hatte. Es muß aber bemerkt werden,
daß die Versuche mit salzsaurem Suprarenin auch nicht eindeutig
verliefen: in einem Teil der Versuche wurde auch die Suprarenin-
*) Heymann , P.: Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 90, 27. 1921.
*) Fleisch , A.: Zeitschr. f. allg. Physiol. 19, 269. 1921.
•**) Alday-Redonnel , Th.: Biochem. Zeitsohr. 110, 306. 1920. •
4 ) Schmidt. A. K. E.: Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 89, 144. 1921.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
Zur Frage der Blutdrucksteigerung. I.
251
Tabelle I. (Aus Protokoll 30.)
6. VI. 21. Kana esculenta. Von 12 h 45' ab mit bicarbonatfreier Frosch-Ringer¬
lösung durchströmt.
Zeit
Durchströraungsflüasigkeit
Injektion
Tropfenzahl
in 1 Minute
Änderung
der Tropfen
zahl in °/o
4“ 05' j
0,7 °/ 0 NaCl-Lösung
28.6
4 l * 27' !
dgl.
0,5 ccm Sup. HCl
27.9
4 h 28';
dgl.
1 :50 Millionen
23,1
~ 17,2
4 l * 30'
dgl.
25,0
4 h 50',
dgl.
0,5 ccm Sup. basic.
27,9
4 h 51'
dgl.
1 : 50 Millionen
18,8
~ 42,4
4 h 55'
dgl.
25,0
5 h 05' j
0,7 °/o NaCI-LöBung
30,0
I
4* 1 °/o D . i «rNaO H
5 h 20' !
dgl.
0,5 ccm Sup. HCl
30,0
5»‘ 21' !
dgl.
1 : 50 Millionen
‘21,4
- 28,7
5 h 25'
dgl.
27,2
5 h 40'
dgl.
0,5 ccm Sup. baeic.
27,2
5 h 41'
dgl.
1 : 50 Millionen
25,0
- 8
5»> 46'
| dgi. |
27,2
6 h 15'
0,7 °/„ NaCl-Lösung
27,2
+ n / t oo-NaOH
6 h 32'!
dgl.
0,5 ccm Sup. HCl
20,0
6 h 33'
i f V| |
1 : 50 Millionen
18,2
' - 9
6 h 35' |
dgl
19,4
6 h 43' 1
dgl.
0,5 ccm Sup baeic.
20,0
6 h 44':
i dg).
1 : 50 Millionen
20,0
0
6 h 45' |
1 dgl. j
20,0
6 h 48' i
1 dgl.
20,0
6 h 56' 1
j Normal-Ringer
20,0
7 h 15'
dgl.
0,5 ccm Sup. HCl
22,2
7 h 16' |
! dgl. j
1 : 50 Millionen !
16,6
-25,2
7 h 20' !
i dgl.
18',8
7 h 32'
1 dgl.
0.5 ccm Sup basic.
21,4
7 b 33'
dgl.
1 : 50 Millionen
20.0
- 6,5
7 h 35' i
dgl.
l
20,0
7 h 40' 1
0.7°, ’ 0 NaCl-Lösung |
1
20,6
7 h 58' ;
dgl.
0,5 ccm Sup. HCl
20.6
7 h 59'
dßl.
1 : 50 Millionen
16.6
-19,4
s h 05',
dgl.
19,4
8 h 15'
dgl.
0,5 ccm Sup. baeic.
20,0
8 h 16'
dßl.
1 : 50 Millionen
12,0
-40
s*> 20' ;
i dgl.
16,2
HCl-Wirkung durch Alkali deutlich abgeschwächt. Darauf gerichtete
Prüfungen ergaben, daß geringfügige Zeitunterschiede von der Her¬
stellung der Lösung bis zum Augenblick der Injektion schon aus¬
reichten, um diesen verschiedenen Einfluß des Alkali hervorzu¬
bringen. Es blieb daher kein Zweifel, daß in diesen Ergebnissen
nur die adrenalinzerstörende Wirkung des Alkali in Erscheinung
trat, der die Base natürlich schneller anheimfällt als das salzsaure
Salz.
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Original from
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252
W. Hülse:
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Tabelle II. (Aue Protokoll 33.)
9. VI. 21. Rana esculenta. Von l h 3CK ab mit bicarbonatfreier Frosch-Ringer-
lÖsung durchströmt.
Zeit
I Durchströmungsflüssigkeit
[
Injektion
i
Tropfenzahl
in 1 Minute
Änderung
der Tropfen¬
zahl in °/ 0
G h 25'
| bic.-freie Ringerlösung
!
30
6» 28'
bic.-freie Ringerlösung
! 30
-f- Supr. HCl 1 : 10 s
6» 32'
dgl.
26,1
6 h 35'
dgl.
21,4
6 h 36'
dgl.
0,5 ccm Normal-Ringer-
21,4
6 h 37'
dgl.
lösung
17,1
— 20
ß» 40'
dgl.
20,0
6 h 42'
bic.-freie Ringerlösung
20,0
6» 55'
dgi.
28,6
7* 03'
bic.-freie Ringerlösung
28,6
-f Supr. basic. 1:10"
7 h 06' 1
dgl.
24,0
7» 09'
dgl.
0,5 ccm Normal-Ringer¬
17,1
7 h 10'
dgl.
lösung
19,4
7 h 11'
dgl.
1 -21,4
— 25
7" 13'
dgl.
18,6
7 h 20'
bic.-freie Ringerlösung
17,6
7 h 40'
dgl.
27,2
7» 43'
dgl.
0,5 ccm Normal-Ringer¬
27,2
7 h 44'
dgl.
lösung
! 24,0
- 11.7
7“ 48'
dgl.
27,2
7 h 51'j
dgl.
0,5 ccm bic.-freie Ringer¬
27,2
7 h 52'
dgl.
lösung
! 27,2
0
7» 53' |
dgl.
27,2
7“ 55' !
dgl.
1 27,2 !
Da die Schnelligkeit der Suprareninzerstörung von der Temperatur
in hohem Maße abhängig ist, war damit zu rechnen, daß die Ver¬
suche bei niedrigerer Außenwärme einen anderen Verlauf nehmen
würden. Diese Vermutung wurde durch die Nachprüfungen in
kälterer Jahreszeit bestätigt: jetzt wurde sowohl die Wirkung des
Suprareninum-HCl wie die der Base regelmäßig durch Alkali ver¬
stärkt (Tabelle III). Dabei zeigte sich eine Abhängigkeit dieser
Sensibilisierung von der Alkalikonzentration derart, daß die Supra-
reninempfindlichkeit in dem Maße der Tonisierung durch Alkali stieg.
Aber auch unterschwellige Alkalimengen, die selbst ohne Einfluß
auf die Gefäßweite waren, ließen noch eine geringe Steigerung der
Reizempfindlichkeit der Gefäße gegen Suprarenin oft deutlich er¬
kennen (vorletzter Versuch in Tabelle III).
Sowohl die zuletzt angeführte Tatsache, als auch die Anordnung
der Versuche zeigen ohne weiteres, daß es sich nicht um eine ein¬
fache Summation von Alkali- und Adrenalinwirkung handeln kann.
Aus der in den Versuchen durchgeführten Maßnahme, daß zur Ver-
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Zur Frage der Blutdrucksteigerung. I.
253
Tabelle III (aus Protokoll 109).
27. X.
Kana eßculenta. Von
ll h 30' ab mit bicarbonatfreier Frosch-Ringer-
lösung durchströmt.
Tropfenzahl
in 1 Minute
Änderung
Zeit
Durchströmungsflüssigkeit
!
Injektion
der Tropfen¬
zahl in o/o
4 h -_>5'
bic.-freie Ringerlösung
0,5 ccm Sup. HCl 1 :10 H
23,1 !
4 b 26'
dgl.
20
-13,3
4 h 40'
dgl.
24
4 h 45'
dgl.
0,5 ccm Sup. basie. 1: 10 8
25
4 b 40'
dgl.
16,6
-33,6
5 b
bic.-freie Ringerlösung
24
+ 3% “/ 100 -NaOH
5 h 10'
dgl.
0,5 ccm Sup. HCl 1 :10 8
20
5 h 11'
dgl.
7,5
- 62,5
5 h 30'
dgl.
17,1
5 h 40'
dgl.
0,5 ccm Sup. basic. 1 : 10 8
18,8
5* 41'
dgl.
4,0
-78,9
6 h 10'
bic.-freie Ringerlösung
| 14,6
6 b 45'
dgl.
! 20,6
6 h 48'
bic.-freie Ringerlösung
20,6
; + 1 °/o ”/i«o-NaOH
7 h 05'
dgl.
0,5 ccm Sup. HCl 1: 10 8
20,0
7 h 06'
dgl.
12,5
- 37,5
7 h 20'
bic.-freie Ringerlösung
18,8
7 h 45'
dgl.
0,5 ccm Sup. HCl 1 : 10 8
19,4
7 h 46'
dgl.
15,4
20,6
7 h 58'
dgl.
18,2 i
dünnung des Suprarenins stets die Durchströmungsflüssigkeit benutzt
wurde, ergibt sich, daß durch die Injektion keine Änderung in der
OH-Ionenkonzentration im Froschpräparat eintritt, daß demnach der
ganze Anschlag in der Gefäßweite allein auf Suprarenin bezogen
werden muß.
Alday-Redonnet hat die Vermutung ausgesprochen, daß die Adre¬
nalinverstärkung durch Alkali darauf beruht, daß nicht dem Adrenalin
selbst, sondern nur seinen Zersetzungsprodukten, deren Bildung durch
Alkali gefördert wird, die gefäßverengernde Wirkung zukommt. Dem
widersprechen jedoch unsere ersten Versuche: durch die die Supra-
reninzerstörung fördernde hohe Außenwärme wurde die Suprarenin-
wirkung oft restlos beseitigt.
Gegen jene Anschauung spricht auch folgende Beobachtung: ge¬
legentlich wurde bemerkt, daß am Beginn der Durchströmung mit
alkalischer Ringerlösung eine kurzdauernde Gefäßerweiterung ein¬
trat, der die gewöhnliche Gefäßverengerung schnell folgte. Aus der
als Beispiel angeführten Tabelle IV ist zu ersehen, daß eine Supra-
reninprobe, die nach Eintritt der Gefäß Verengerung von starker
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254
W. Hülse:
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Wirkung ist, im ersten Stadium der Durchströmung die Durchflu߬
geschwindigkeit gar nicht ändert, obwohl der Einfluß des Alkali auf
die Adrenalinzerstörung in beiden Fällen der gleiche sein muß. Um
eine Lähmung im gefäßverengernden Apparat der Gefäße, welche
eine Verengerung nicht eintreten läßt, kann es sich nicht handeln,
weil die durch Alkali erweiterten Gefäße auf andere Reize deutlich
reagieren: sie verengern sich auf mechanische Plexusreizung und nach
Injektion von hypotonischen Lösungen ebenso prompt, wie sie sich
z. B. auf Äther erweitern. Diese Empfindlichkeit der Gefäße auf
andere Reize spricht auch dagegen, daß die Verengerung auf
Suprarenin deswegen ausbleibt, weil aktive vasodilatatorische Nerven¬
apparate in den Gefäßen durch das Alkali in erhöhte Erregung ver¬
setzt werden oder daß die Gefäßmuskulatur gelähmt ist. Es dürfte
sich vielmehr um eine Verminderung des Gefäßtonus handeln (siehe
Abschnitt 4 g).
Tabelle IV (aus Protokoll 110).
28. X. 21. Rana esculenta. Von 12 h 40' ab mit bicarbonatfreier Frosch-
Ringerlösung durchströmt.
Zeit
Durcbströmungsflllasigkeit
Injektion Tropfenzahl
m 1 Minute |
5*25'
bic.-freie Ringerlösung
24
5 h 28'
i bic.-freie Ringerlösung
-f 2,5 °/ 0 “/mo-NaOH
24
5 h 30'
dgl.
26,1
5 h 32\7
dgl.
0,5 ccm Sup. basic.
30,0
5 h 33'
dgl.
1 :50 Millionen
30,0
5* 34'
j dgl.
30,0
5 h 35' 1
dgl.
28,4
5 h 46'
dgl.
0.5 ccm Sup. basic.
18,1
5 h 47' ;
dgl.
1 :50 Millionen
9,1
6 h !
! dgl.
!
15,0
Änderung
ler Tropfen-
zahl in °/o
— 50
Der Gefäßverengerung als typischer Alkaliwirkung steht eine
Gefäßerweiterung durch schwach konzentrierte Säuren gegenüber
[Fleisch *), Adler 1 ), Krogh 8 ]. Ebenso wie frühere Untersucher konnte
auch ich diese Gefäßerweiterung nicht in jedem Falle erreichen.
In der Mehrzahl meiner Versuche war aber der gefäßerweiternde
Einfluß geringer HCl-Mengen ( n / 1000 ) sehr deutlich. Fleisch 4 ) und
Adler' 1 ) führen mehrere der Umstände an, die das Ausbleiben der
Dilatation bedingen können. In Hinsicht auf das Ziel dieser Unter¬
suchungen wurde von einer Zergliederung der direkten Säureein-
*) Fleisch, A.: Ptiiigers Arcli. f. d. ges. Physiol. 171, 77. 1918.
2 ) Adler , L.: Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 91, 81. 1921.
8 ) Krogh, A.: Journ. of physiol. 53, 399. 1920.
4 ) Fleisch, A.: Zeitsohr. f. allg. Physiol. 19, 269. 1921.
Original from
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Zur Frage der Blutdrucksteigerung. I.
255
Wirkung abgesehen und nur der Einfluß auf die Adrenalinempfind¬
lichkeit des Froschpräparates geprüft.
Entsprechend dem Tonusverlust wird die Adrenalinempfindlich¬
keit der Gefäße durch Säuren stark herabgesetzt, bzw. aufgehoben
(Tabelle V). Ein gewisser Anteil dieser Wirkung fällt aber zweifel¬
los auf die mangelhafte Hydrolysierung bzw. die Bildung von
Suprarenin-HCl aus der Base in der mit Salzsäure versetzten Lösung.
Dafür sprechen besonders die Befunde von Heymann 1 ), der, obwohl
er durch Säure Gefäßverengerungen erzielte, auch eine Abnahme der
Adrenalinempfindlichkeit feststellte.
Tabelle V (aus Protokoll 10).
2*. IV. 21. Rana esculenta von l h 30' ab mit bicarbonatfreier Ringer-Lösung
durchströmt.
Zeit !
|
1 Durchströmungsflüssigkeit ,
Injektion
!
Tropfenzahl'
in 1 Minute
5 h
46'
! bic.-freie Ringerlösung
0,5 com
Sup. HCl 1
: 10* ;
18,7
5 h
47 */,'
dgl.
10,3
5 h
50'
dgl.
12,2
6 h
bic.-freie RingerlÖBung
| U,6
; - n / 1000 -HCl-Gehalt
1 21,4
6 h
03'
1
;
6 h
05'
1
23,1 1
6 h
08'
! 0,5 ccm
Sup. HCl 1
: 10 h
23,1
6 h
09'
23,1
6 h
10'
22,2
6»*
15'
22,2
Änderung
ler Tropfen¬
zahl in °/o-
-46
r 31
0
Ganz kleine Säuremengen, die selbst die Gefäßweite nicht ver¬
ändern — z. B. n / 1000 o’HCl — können unter solchen Umständen,
unter denen die Suprareninzerstörung sehr schnell erfolgt (in leicht
alkalischer Lösung bei hoher Außenwärme) eine verstärkte Suprarenin-
wirkung hervorrufen. Bei diesen geringen Konzentrationen tritt nur
die die Suprareninzerstörung hemmende Eigenschaft der Säure-Ionen
in die Erscheinung. Es sei in diesem Zusammenhänge auf die
Untersuchungen von Kretschmer 9 ) hinge wiesen, der in Blutdruck¬
versuchen bei Säureinfusion eine beträchtliche Verlängerung der
Blutdrucksteigerung durch Suprarenin beobachtete.
In den Versuchen mit Alkali und Säure läßt sich demnach eine
enge Verknüpfung von Tonisierung und Sensibilisierung der Gefäße
deutlich erkennen. Bei der Beziehung von Suprareninempfindlieh-
keit und OH-Ionen handelt es sich nicht um eine einfache Sum¬
mierung, sondern um eine Potenzierung, gleich gerichteter Wir¬
kungen.
4 ) 1. c.
2 ) Kretschmer , W.: Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 57, 438. 1907.
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W. Hülse:
2ob
d) Beeinflussung durch Kalium-Chlorid.
Nach den angeführten Versuchsbeispielen (Tabelle VI und VIl)
hat das KCl eine dem Alkali gleichsinnige Wirkung auf die Supra-
reninempfindlichkeit der Froschgefäße. Auch bei KCl machte sich
das von der Temperatur abhängige gegensätzliche Verhalten be¬
merkbar. Nur ist der Einfluß von KCl lange nicht so stark, wie
der von Alkali. Die Vermutung, daß die Abhängigkeit der Kali¬
wirkung von der Temperatur auch durch eine die Suprarenin-
zerstörung begünstigende Eigenschaft des Kalis verursacht sei, wurde
durch Reagensglasversuche bestätigt: ein Vergleich der Suprarenin-
zersetzung in KCl-Lösungen mit solchen in Wasser oder gleich kon¬
zentrierten Kochsalzlösungen zeigt, daß sie in der ersteren, be¬
sonders bei Brutschranktemperatur, sehr viel schneller erfolgt. Diese
Erscheinung ist auch nicht überraschend, da bekannt ist, daß das
Kalium im Ablauf chemischer Umsetzungen als Katalysator wirken
kann 1 ).
Tabelle VI (aus Protokoll 20).
22. V. 21. Rana esoulenta. Von 12 h 10' ab mit 0,7 °, 0 NaCl-Lösung durch¬
strömt.
Zeit
! DurchströmunggflUssigkelt j
I _ !
Injektion
Tropfenzahl
in 1 Minute
Änderung
der Tropfen
1 zahl in °/o
5 h
20V»';
0,7
°/o
NaCl-Lösung
j 0,5
» ccm
Sup. HCl 1
,10*
i 27,2
5*
21'
dgl.
22,2
| -18
5 h
25'
dgl.
23,1
5 h
40'
dgl.
0,5
ccm
Sup. bas. 1 :
: 10*
25
5*
41'
dgl.
15,0
-40
5 h
45'
dgl.
23,1
!
5 h
56'
i 0,7
°/o
NaCl-Lösung
25
i
i
r0,
05 % KCl
!
6 h
20'
dgl.
0,5
ccm
Sup. HCl 1
: 10 9
24
6 h
21'
dgl.
18,2
- 26
25'
i
dgl.
22,2
6 h
40'
dgl.
0,5
ccm
Sup bas. 1 :
: 10*
25
6 h
41'
dgl.
18,7
i - 25.2
6 h
47'
dgl.
22,2
1
6 h
50'
0,7
%
NaCl-Lösung
23,1
-f 0,1 # /„ KCl !
|
7 h
05'
i
dgl.
0,5
ccm
Sup. HCl 1
: 10*
23,1
1
7 h
06'
dgl.
14,3
-38
7 h
09'
i
dgl.
18,7
|
7 h
25'
dgl.
0,5
ccm
Sup. bas. 1 :
: 10*
25
1
7 h
26'
dgl.
20
- 20
7 h
30'
; o,7
°/*
NaCl-Lösung
23,1
1
8 h
dgl.
0,5
ccm
Sup. HCl 1 :
10«
24
1
8 b
46'
dgl.
18,8
8 h
55' |
dgl.
21,4
l ~ 21
x ) M. Kochmann hat in analoger Weise über eine Verstärkung der Wir¬
kung von Novocainchlorid durch Kaliumsulfat berichtet. Vortr. im Verein
der Ärzte zu Halle. Ref. Münch, med. Wochenschr. 1920, Nr. 29, S. 858.
Gck igle
O rigina l from_ __
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Zur Frage der Blutdrucksteigerung. I.
257
Tabelle VII (aus Protokoll 106).
22. X. 21. Kana esculenta. Von l h an Durchströmung mit
0,7 °/ 0 NaCl-Lösurg.
Z.-it 1
■ DiirchströmungsflUMigkeit
1
Injektion
Tropfensahl
j in 1 Minute
| Änderung
der Tropfen
zahl in °/o
4 h 25'
0,7 ®/ 0 NaCl-LöBung
1
0,5 ccm Sup. bas.
23,1
4 h 26' j
dgl.
1
1 : 50 Millionen
17,6
- 23,8
4 h 33'
dgl.
‘21,4
4 h 25' 1
dgl.
0.5
ccm Sup. bas. 1 :
1G M
•>
4 h 36'
dgl.
20
10
4 h 45' j
j 0,7 % NaCl-Lösung
, 21,4
! + 0,1 °/„ KCl
4* 55' !
1 dgl.
0,5
ccm Sup. bas. 1 :
10*
22,2
4 h 56' |
i dgl.
14,8
- 35,6
5 h
dgl.
18,8
5 h 48'
dgl.
0,5 ccm Sup. bas.
l 21,4
5 h 49' ,
dgl-
1 : 50 Millionen
9,0 ,
- 58
5 h 55' i
0,7 °/ 0 NaCl-Lösung i
1 17,6 |
6 h 05'
dgl.
0,5
ccm Sup. bas. 1 :
10*
20,6
I
6 h 06'
dgl.
14,6
29
6 h 10'
f dgl.
i l- r >,8
6 h 15' |
dgl.
0,5
ccm Sup. bas. 1 :
10«
20
6 h 16'
dgl. ;
16,6
-17
♦»■* 22'
dgl.
18,8 ;
•
Im Gegensatz zu den Hydroxylionen übt aber das K-Ion keine
nachweisbare Tonisierung der Gefäße aus. Wenn bei höheren Kali¬
konzentrationen — die Grenzkonzentration lag bei den einzelnen
Präparaten in verschiedener Höhe — eine Gefäß Verengerung mit
Abnahme der Adrenalinempfindlichkeit eintritt, so findet diese Er¬
scheinung darin ihre Erklärung, daß das Kali in größeren Mengen
eine Giftwirkung“ auf die Gefäße ausübt. Denn solche verengten
Gefäße verhalten sich auch gegen mechanische Nervenreize mehr
oder weniger refraktär. Eine Analogie zu dieser Kaliwirkung ergibt
sich aus den Untersuchungen am quergestreiften Muskel, wo sich
ein ähnliches Verhalten verschiedener Kalikonzentrationen findet
[Overton x )\ Die Höhe der Kalikonzentrationen ist daher maßgebend,
ob eine Sensibilisierung ( Alday-Redonnet 1. c.) oder eine Abnahme
der Empfindlichkeit (Schmidt 1. c.) zutage tritt.
Einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Alkali- und Kali¬
sensibilisierung kann man aus der Tatsache, daß das Kali in den
wirksamen Konzentrationen selbst den Gefäßtonus nicht beeinflußt,
nicht entnehmen. Auch das Alkali hat in sehr geringen Mengen
keinen Einfluß auf den Kontraktionszustand der Gefäße.
*) Nach Nagel , W.: Handb. d. Physiol. d. Menschen, Braunschweig 1909,
Bd. IV, S. 497 ff.
Z. f. d. g. exp. Med. XXX. 17
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Original fro-m
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258
W. Hülse:
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e) Beeinflussung durch Calciumchlorid.
Entsprechend den Untersuchungen über die Erregbarkeit der
quergestreiften Muskulatur (J. Loeb 1 ) entfaltet das Calcium auch an
der glatten Muskulatur der Gefäße innerhalb gewisser Konzentration
eine die Erregbarkeit hemmende Wirkung: es schwächt die Adrenalin¬
empfindlichkeit deutlich ab. Adrenalinmengen, die beträchtliche Ge¬
fäßverengerungen auslösen, können durch Vorbehandlung des Prä¬
parates mit CaCl. 2 ihrer Wirkung gänzlich beraubt werden. Durch
diese Feststellungen gewinnen die von mir 9 ) gemachten klinischen
Beobachtungen, daß der Blutdruck bei der akuten diffusen Glomerulo¬
nephritis durch Calcium anscheinend in spezifischer Weise beeinflußt
werden kann, experimentelle Stützen. Dabei besitzt das Ca aber
selbst eine ausgesprochene Gefäß Wirkung: besonders solche Gefäße
die sich in einem gewissen Kontraktionszustand befinden, werden
durch kleine Ca-Mengen deutlich erweitert.
Da diese von mir im Anschluß an die klinischen Untersuchungen
angestellten Beobachtungen von Schmidt in zum Teil schon längere
Zeit zurückliegenden Untersuchungen (1914) bestätigt und eingehend
beschrieben sind 3 ), kann von einer Wiedergabe von Versuchsproto¬
kollen Abstand genommen werden.
Meine Versuche mit höheren CaCl^-Konzentrationen sind nicht
ganz eindeutig verlaufen. Es soll daher der Hinweis genügen,
daß auch beim Calcium durch Änderung der Konzentrationen mög¬
licherweise eine Abschwächung oder eine Sensibilisierung erzeugt
werden kann.
f) Beeinflussung durch Kochsalz und durch Änderung der molekularen
Konzentration.
Die Suprareninerregbarkeit der Froschgefäße ist ebenso wie die
der quergestreiften Muskulatur 4 ) an die Gegenwart von Na-Ionen
gebunden. Daß es das Kation ist, welchem diese Funktion zu¬
kommt, ergibt sich daraus, daß das NaCl durch andere Natrium¬
salze in isotonischer Konzentration weitgehend ersetzt werden kann
(siehe Abschnitt 4 g.). Wird die Konzentration der zur Durchströmung
benutzten froschphysiologischen NaCl-Lösung (0,6 °/ 0 ) verringert, so
ist zunächst eine Gefäßverengerung mit gesteigerter Reizempfindlich-
keit für Suprarenin zu beobachten. Dieser anfänglichen Sensibili¬
sierung folgt aber bei Dauerdurchströmung mit hypotonischen NaCl-
l ) Loeb, J.: Vorlesungen über die Dynamik der Lebenserscheinungen.
Leipzig 1906.
*) Hülse, W.: Zentralbl. f. inn. Med. 1920, Nr. 25.
a ) Schmidt, A . K. E.: 1. c.
4 ) Nagel, W.: 1. c.
Original from
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Zur Frage der Blutdrucksteigerung. I.
259
Lösungen eine verminderte Erregbarkeit, die bis zu völliger Un¬
empfindlichkeit fühlen kann (siehe Tabelle VIII).
Geringe Erhöhungen der NaCl-Konzentration können eine leichte
Erhöhung der Reizempfindlichkeit mit sich bringen (unter 10 Ver¬
suchen 6 positive), die oft noch im Verlaufe der Dauerdurch-
strömung etwas ansteigt. Mit etwa 1 °/ 0 gelangt man aber an eine
Grenzkonzentration, jenseits welcher mit einer Gefäßerweiterung ein
teilweiser Verlust der Suprareninempfindlichkeit eintritt.
Neben der spezifischen Wirkung des Na-Ions kommt in diesen
Erscheinungen die Anisotonie der Durchströmungsflüssigkeit zum
Ausdruck. Hypotonische Lösungen verursachen allgemein eine Ge¬
fäßverengerung mit Zunahme der Empfindlichkeit für Suprarenin,
hypertonische Lösungen entfalten die umgekehrte Wirkung. Hyper¬
tonische Zuckerlösungen oder Doppelringerlösungen, in denen das
Ionen Verhältnis nicht verändert ist, wo also kein überwiegender
Einfluß eines bestimmten Ions besteht, erweitern die Froschgefäße
in derselben Weise wie eine diesen Lösungen isotonische NaCl-Lösung
und schwächen auch dementsprechend die Verengerung durch Adrenalin
ab. Auf eine spezifische Wirkung des Na-Ions ist demnach nur der
Empfindlichkeitsverlust bei Dauerdurchströmung mit gering konzen¬
trierten NaCl-Lösungen und die gesteigerte Erregbarteit bei geringen
Erhöhungen der Kochsalzkonzentration zurückzuführen.
Tabelle VIII (aus Protokoll 17).
10. V. 21. Rana esculenta. Von 12 h 25' Durchströmung mit 0,0 u / 0 NaCl-
Lösung.
1
,
, Änderung
Zeit
i
j Durchströmungsflüssigkeit
Injektion j
Iropleniahl der j r0 p[ en .
in 1 Minute Mh , , n 0/#
4» 15'
0,6 °/ 0 NaCl-Lösung
0,5 Sup. bas. 1 : 50 Million.
21,4 j
4 h 16' !
dgl.
16,6 - 22,4
4» 25' J
0,3 °/ 0 NaCl-Lösung
20,0
4 h 32'
dgi.
0,5 Sup. bas. 1 : 50 Million.
17,1
4» 33'
dgi.
11,0 35,7
4» 40'
dgl.
i
15,0
5 h 45'
dgl.
0,5 Sup. bas. 1 : 50 Million.!
16,2
5 h 46'
dgl.
16,2 —
5 h 50' ,
dgl.
0,5 Sup. bas. 1 : 20 Million.
15,8
5 h 51'
dgl.
15,8 —
5 h 58' 1
dgl.
15,4
6 h
0,6 °/ 0 NaCl-Lösung
-f 3 0 rt Na. citr.-Lös. ana.
15,4
6 h 55'
dgl.
0,5 Sup. bas. 1 : 50 Million.
18,8
6 h 56' |
dgl.
12,5 33,5
7 h 02' jj
dgl.
* . . *1
15,0
Auch bei diesen Untersuchungen zeigt sich demnach wieder die
enge Beziehung von Gefäßtonus und Adrenalinempfindlichkeit.
17*
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OrigirkBl from
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260
W. Hülso:
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g) Beeinflussung durch Natriumcitrat«
Das Natriumcitrat ändert die Reaktion der Gefäße nur im Be¬
reich anisotonischer Konzentrationen. Tabelle IX sei als Beispiel
der direkten Einwirkung verschieden starker Citratlösungen auf die
Weite der Froschgefäße angeführt. Man ersieht, daß eine 4proz.
Lösung eine deutliche Gefäßerweiterung, eine 2proz. und noch deut¬
licher eine lproz. eine ausgesprochene Gefäßverengerung verursachen.
Die 3proz. Lösung verhält sich ungefähr indifferent. Bestimmungen
des osmotischen Druckes mit der Methode der Gefrierpunktsbestim-
mung ergeben, daß eine 3proz. Lösung von Natriumcitrat der ver¬
wendeten Durchströlnungsflüssigkeit ungefähr isotonisch ist. Die
Hypertonie der 4proz. Lösung kommt auch noch dann zur Geltung,
wenn man sie zu gleichen Teilen mit Durchströmungsflüssigkeit ver¬
dünnt. Wie die angeführte Tabelle zeigt, wird durch diese Erweite¬
rung die Adrenalinwirkung zum Teil verdeckt.
Während bei Durchströmung mit 0,3proz. Kochsalzlösung das
Präparat in kurzer Zeit einen beträchtlichen Teil seiner Erregbarkeit
Tabelle IX (aus Protokoll 42).
21. VI. 21 Rana esculenta. Von 2 h ab Durchströmung mit Ca- und bicarbonat-
freier FroBch-Ringerlösung.
"’l
Ant
i j
Hurchst römungsflüssigkeit
i
_ ... Tropfenzahl
Injektion |„ i Min.
1
Änderung
der Tropfen¬
zahl ln °/ 0
5 h 20'
bic.- u. Ca-freie Ringor-
0,5 ccm 4 °/ 0 Na citr. 1 24
21 '
5 b 25'
5 h 30'
5h 31'
:» h 35'
5 h 40'
5 h 41'
5 h 43'
5 h 55'
5 h 56'
6 h
6 h 20'
6 h 21'
fih 25'
6 h 55'
6 h 56'
7 h
7 h 05'
7 h 06'
7 h 20'
7 h 23'
24'
7 h 28'
7 h 40'
7 h 41'
7 h 45'
lÖBung
dgl.
dgl.
dgl.
dgl.
dgl.
dgl.
dgl.
dgl.
dgl.
dgl-
dgl.
dgl.
dgl.
dgl.
dgl.
dgl.
dgl.
dgl.
dgl.
dgl.
dgl.
dgl.
dgl.
dgl.
dgl.
0,5 ccm 3% Na citr.
0.5 ccm 2°/ 0 Na citr.
0,5 ccm 1 °/ n Na citr.
0,5 ccm 3 °/ 0 Citr.
+ DurchBtr.-FlüsB. ana
0,5 ccm 4% Citr.
+ Durchstr.-FlÜBB. ana
0.5 ccm Sup. bas. 1:10"
0.5 ccm Sup. bas. 1:10 H in
3 °/ 0 Citr. + Durchstr.-
i FIübb. ana
10,5 ccm Sup. bas. 1:10* in 4 °/ 0
; Citr. + Durchptr.-FlÜBB. ana
30
24
24
25
25
25
23,1
24
23,1
18.5
23,1
21,8
21.5
21.8
23.1
27.2
23,1
23.1
18.2
20.6
24
16,6
23,1
24
+ 25
+ 4
— 7,6
- 2ü
+ 18
-21
31
Go gle
_Original from
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Zur Frage der Blutdrucksteigerung. I.
261
einbüßt, hält sich dieselbe stundenlang unverändert, wenn die ent¬
sprechende Verdünnung der physiologischen NaCl-Lösung mit 3proz.
Natriumcitratlösung angesetzt wird (s. Tab. VIII).
Der angeführten Tabelle IX ist weiter die auffallende Tatsache
zu entnehmen, daß in dem Versuch mit Zusatz von 3proz. Citrat¬
lösung die Adrenalinwirkung verstärkt wird. Tabelle X läßt diese
Erscheinung noch deutlicher erkennen und gibt gleichzeitig einen
Tabelle X (aus Protokoll 41).
20. VI. 21 Rana esculenta. Von ll h 50'ab Durchströmung mit bicarbonat- u. Ca-
freier Frosch-Ringerlösung.
Zeit
' Durchatrömungsfllissigkeit
j
Injektion
Tropfenzahl
in 1 Min
Änderung
der Tropfen-
i
zahl in °/o
4 h 10'
bic.- u. Ca-freie Ringer-
0,5 ccm Sup. bas. 1:10* in
1 26,1
4 n ly
lösung
Durchstr.-Flüss.
1 20,0
-23
4 h 25'
Normal-Ringerlöß u ng
26,1
i
4» 40'
ohne CaCl^
0,5 ccm Sup. bas. 1:10** in
26,1
4 h 41'
dgl.
Durchstr.-Flüss.
26,1
0
4 b 43'
dgl.
26,1
4 b 50'
bic.- u. Ca-freie Ringer-
26,1
i
5» 10'
lösung + 0,1 °/ 0 Na citr.
0,5 ccm Sup. bas. 1:10* in
25,0
5» 11'
dgl.
Durchstr.-Flüss.
: 10.0
- 60
5 h 12'
dgl.
11,0
5» 15'
dgl.
14,3
i
5 b 40'
dgl
0.5 ccm Sup. bas. 1:400
23,1
5» 41'
dgl.
Millionen in Durchstr.-
12
— 4<^
5" 45'
dgl.
Flüss.
16,6
6» 05'
dgl-
0,5 ccm Sup. bas. 1:10 w in
25,0
6 h 06'
dgl. !
Durchstr -Fluss.
18,1
27.6
6» 10'
dgl.
, 22,2
6» 20'
dgl. ;
0,5 com Sup. bas. 1:10® in
I 25,0
<> b 21'
dgl.
Durchstr.-Flüss.
9,3
-63
6» 26'
dgl. i
! 13,0
6 h 30'
| dgl. 1
0,5 ccm der abgetropften
j 18,8
6 h 31'
dgl. j
Flüss i.d. Zeit 6 h 21'—6 h 25'
I 13,8
- 26,6
6*» 40'
1 dgl. I
1 16,6
6" 41'
bic.-u. Ca-freie Ringer- j
0,5 ccm Sup. bas. 1:10*
15,0
7“ 35'
lösung
23,1
7 b 36'
dgl.
17,3
25
7 b 40'
dgl.
21,4 |
Anhalt für ihre Erklärung. Während bei Durchströmung mit bicar-
bonatfreier Ringerlösung durch Injektion von Surprareninum-HCl
1 :10 8 nur eine Verengerung von 23°/ 0 und bei Durchströmung mit
Normalringerlösung überhaupt keine Verengeiung zu erzielen war,
wurde durch Zusatz von nur 0,1 °/ 0 Na-Citrat zur Durchströmungs¬
flüssigkeit, der an sich keinen Einfluß auf die Abtropfgeschwindig-
keit hatte, die Adrenalinwirkung so gesteigert, daß bei einer Ver¬
dünnung von 1 :1 Milliarde das Präparat noch mit einer Abnahme
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YV. Hülse:
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26*2
der Tropfenzahl von 27.6°/ 0 antwortete. Da, wie früher gezeigt
wurde, die geringe Empfindlichkeit des Präparates in der warmen
Jahreszeit, besonders bei Verwendung von alkalischer Durchströmungs¬
flüssigkeit, auf der sehr schnellen Adrenalinzerstörung beruht, lag
die Vermutung nahe, daß das Citrat die Adrenalinreaktion deshalb
verstärkt, weil es die Zerstörung des Adrenalins hemmt. Daß dies
in der Tat so ist, zeigt Tabelle XI: der durch Zusatz von etwas
Alkali zu der Adrenalinverdünnung vollständig aufgehobene Adrenalin¬
ausschlag erscheint in voller Stärke wieder, sobald außer dem Alkali
eine geringe Menge Citrat hinzugefügt wird. Bei Durchströmung
mit alkalischer RingerlÖ6ung ist die z. Z. der stärksten Gefäßverenge-
Tabelle XI (aus Protokoll 27;.
31. VI. 21 Rana esculenta Von 12 h SO 7 ab mit bicarbohat-u. Ca-freier Frosch-
Zeit
5 h 52'
5 h 53'
5 h 55'
10 '
6 b 11'
6 h 14'
6 h 20'
6 h 21'
6 h 25'
Ringerlösung durchströmt.
Durchat römungflütwigkeit Injektion
T
Tropfenzahl
! in 1 Min.
|ca- u. bic.-freie Ringer- 0,5 ccm Sup. bas. 1:10* 25
| lösung 17,6
I dgl- 21,4
dgl. 0.5 ccm Sup. bas. 1:10" in 27,2
\ dgl. Durchstr.-Flüss. + 1 °/ 0 27,2
dgl. n / 100 -NaOH 27,2
dgl. 0,5 ccm Sup. bas. 1:10* in 26,1
dgl. Durchetr.-Fluss. + 1% 18,2
| dgl. I n / 100 -NOaH +0,1 °/ 0 Na citr. 22,2
Änderung
der Tropfen-
zahl in %
-30
U
-30
rung aufgefangene Abtropfflüssigkeit von neuem in das Präparat
hineingebracht, gewöhnlich ohne jede Wirkung. Der in Tabelle X
durch Querstriche abgegrenzte Versuch zeigt, daß bei Gebrauch
citrathaltiger Durchströmungsflüssigkeit jener Flüssigkeitsanteil eine
sehr beträchtliche Gefäß Verengerung hervorrufen kann. Auch dieser
Versuch spricht dafür, daß die Verstärkung der Adrenalinwirkung
durch Citrat auf einer Konservierung des Suprarenins beruht.
Diese Annahme wird des weiteren durch Reagensglasversuche
bestätigt: in einer 2°/ 0 n / 200 -NaOH + 0,3°/ 0 Na-Citrat enthaltenden
Flüssigkeit wird die Suprareninbase wesentlich langsamer zerstört,
wie in einer Lösung, die nur das Alkali in der gleichen Konzen¬
tration enthält. Allerdings kann, wie der Vergleich mit rein wäs¬
seriger Suprareninlösung zeigt, die Alkalizerstörung des Suprarenins
durch Citrat nur verzögert, nicht vollständig aufgehoben werden.
4« Besprechung der Ergebnisse«
Diese Untersuchungen haben eine Reihe von Tatsachen ergeben,
die es ermöglichen, die Adrenalinempfindlichkeit des Laewen-Tren-
ddeiiburgschen Präparates erheblich zu steigern, ohne daß das Prä-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
Zur Frage der Blutdrucksteigerung. I.
263
parat seine physiologischen Eigenschaften verliert. Den stärksten
Einfluß auf die Erregbarkeit der Gefäße besitzt das Alkali. Dieser
starken Wirkung steht aber die schnelle Zerstörung des Suprarenins
in alkalischen Lösungen gegenüber. Bei sehr hohen Suprarenin-
verdünnungen genügen, besonders bei höheren Wärmegraden, ganz
geringe Zeitunterschiede vom Herstellen der Lösung bis zur Berüh-
riihrung des Suprarenins mit den Gefäßwänden, um beträchtliche
Unterschiede in der Wirkung hervorzubringen. Besonders die Base
fällt dieser Zerstörung sehr schnell anheim. In Anbetracht des her¬
vorgetretenen unterschiedlichen Verhaltens von Suprareninum-HCl
und Suprareninum basic., und der Tatsache, daß das Adrenalin im
Körper zweifellos in Basenform vorhanden ist, ist aber gerade die
Verwendung der Base zur Eichung der Präparate bei Blutunter¬
suchungen erforderlich.
Die Suprareninzerstörung durch Zusatz von Säuren zu verhindern,
hat sich als nicht brauchbar herausgestellt, da Säuren naturgemäß
die sensibilisierende Wirkung des Alkali aufheben, und weil unter
Umständen bereits ein ganz geringfügiger Säureüberschuß genügt,
um die umgekehrte Wirkung, Abnahme der Suprareninempfindlichkeit,
hervorzurufen.
Dagegen kann das Na-Citrat zur Verzögerung der Suprarenin¬
zerstörung benutzt werden. Eine große Zahl von Versuchen hat
aber gezeigt, daß man bei höherer Temperatur doch nicht ganz
sicher sein kann, daß stets die gesamte ursprüngliche Suprarenin-
menge in citrathaltigen alkalischen Lösungen ungekürzt zur Wirkung
kommt. Deshalb wurde bei den weiteren Untersuchungen das Alkali
zunächst vollkommen ausgeschaltet und erst in der älteren Jahres¬
zeit bei wenig empfindlichen Präparaten ein geringer Alkalizusatz
.*500 “ "/ßooo'^aOH-Gehalt) mit Vorteil verwendet.
Es haben sich auch keine Bedenken ergeben, die Kalisensibili-
siorung praktisch zu benutzen. Die Begünstigung der oxydativen
Suprareninzersetzung ist noch in Lösungen von 0,05 °/ 0 KCl kaum
merklich und kann bei schnellem Arbeiten ganz vernachlässigt wer¬
den. Die Kalisensibilisierung kann noch dadurch verstärkt werden,
daß das entgegengesetzt wirkende Ca-Ion aus den Lösungen entfernt
wird. Durch einen Zusatz von Na-Citrat würde der Kalk außerdem
doch zur Ausfällung gebracht werden.
Auoh die Eigenschaft des Na-Ions, fördernd auf die Erregbarkeit
der Gefäße einzuwirken, kann dadurch verwertet werden, daß man
mit dem Na-Ionengehalt bis dicht an die gefäßerweiternde Grenz¬
konzentration herangeht. Zur Erreichung einer möglichst hohen
Na-Ionenkonzentration wird auch am besten das Na-Citrat ver¬
wendet.
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264
W. Hülse:
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Die Untersuchungen wurden daher zunächst fortgesetzt mit einer
folgendermaßen zusammengesetzten Lösung (weiterhin mit D.-Fl. I
bezeichnet): 0,7 °/ 0 NaCl, 0,05°/ 0 KCl, 0,5 °/ 0 Na-Citrat. Die Präparate
erreichten damit eine durchschnittliche Empfindlichkeitsgrenze gegen
Suprareninbasenkonzentration von 1:400—500 Millionen, während
man sonst sehr selten auf mehr wie 1:200 Millionen gelangt, wenn
nicht Ausschläge durch technische Fehler auf Rechnung des Supra-
renins gesetzt werden.
Diese Untersuchungen haben gezeigt, daß die Adrenalinempfindlich¬
keit enge mit dem nervös bedingten Gefäßtonus verknüpft ist 1 ).
Diese Beobachtung erfordert noch einige Bemerkungen, weil sie im
Widerspruch steht mit den bisherigen Anschauungen über die Adrenalin¬
wirkung.
Nach den Untersuchungen von Elliot (zit. nach Biedl ), auf welche sich die
Ansichten über die Adrenalinwirkung hauptsächlich stützen, gewinnen gerade
dezentralisierte und denervierte Gewebe eine Überempfindlichkeit für Adrenalin.
Wenn man diese Erscheinung bei der Dezentralisation gut durch den Fortfall
sympathischer Hemmungen erklären kann, so scheint der gleiche* Einfluß der
sogenannten degenerativen Nervendurchschneidung doch zu beweisen, daß die
Adrenalinempfindlichkeit in keinem Zusammenhang mit dem Gefäßtonus steht.
Denn entnervten Organen können tonisierende Impulse nicht zufließen. Dieser
Schluß würde zutreffend sein, wenn es gelänge, durch eine sogenannte degene-
rative Nervendurchschneidung das betreffende Organ, z. B. die Gefäße, voll¬
ständig zu entnerven und ihres Tonus zu berauben. Die Versuche von Hey¬
mann (1. c.) über den Einfluß kleiner Säuremengen auf die Gefäße nach der
Denervation nach Pearce zeigen jedoch, daß Bolche denervierte Gefäße durch¬
aus nicht ihres Tonus beraubt sind: unter Säureeinwirkung tritt eine sehr
deutliche Gefäßerweiterung ein, die natürlich nicht möglich wäre, wenn die Ge¬
fäße infolge fehlenden Tonus’ maximal dilatiert wären.
Auch nach der sogenannten Denervation gewinnen die Froschgefäße einen
gewissen Tonus wieder, der, wenn man der Gefäßmuskulatur nicht eine weit¬
gehende Selbständigkeit beilegen will, nur dadurch Zustandekommen kann, daß
noch periphere Zentren vorhanden sind (Ganglien 3. Ordnung im Sinne Langleys ),
die eines selbständigen Tonus fähig werden. Solche Ganglienzellen sind in der
Tat besonders in den Gefäßen des Splanchnicusgebietes, wo sie direkt in die.
Gefäßmuskulatur eingelagert sind®), nachgewiesen. Der Tonus der Gefäße wird
unmittelbar durch diese peripheren Zentren bestimmt werden, deren Tonus
wieder abhängig ist von Impulsen fördernder und hemmender Art, die von den
übergeordneten Zentren auf getrennten Nervenbahnen (Vasoconstrictoren- und
Dilatatoren) übermittelt werden und wohl auch von Reizen, die von der äußer¬
sten Peripherie (Intima der Gefäße) ausgehen. Wenn man die „Zweckmäßig¬
keit“ biologischer Vorgänge voraussetzt, werden die letzteren, sofern die über¬
geordneten Zentren im Zusammenhänge erhalten sind, reflektorisch antagoni¬
stische Mechanismen in Bewegung und einen gefäßverengernden Reiz in seiner
1 ) Die die Muskulatur direkt zur Kontraktion veranlassenden Mittel, wie
BaCl* und KCl in größeren Gaben, vermindern die Erregbarkeit der Gefäße.
*) Glaser , W.: Die Innervation der Blutgefäße in Midier , L. R.: Das vege¬
tative Nervensystem, S. 82. Berlin: Julius Springer 1920.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
Zur Frage der Biutdrucksteigerung. I.
2<)5
vollen Auswirkung stören. An denervierten Organen, fällt jede reflektorische
Hemmung fort, und die Adrenalinwirkung kommt in ganzem Ausmaß ungehemmt
zur Geltung.
Daß von Gehirn uod Rückenmark solche reflektorischen Hem¬
mungen ausgehen können, ist bekannt. Sie werden durch einen Ver¬
such folgender Art bewiesen (Tabelle XII). Dieser Versuch zeigt,
daß die Empfindlichkeit gegen Suprarenin stufenförmig nach der
Decapitation und weiter nach der Ausbohrung des Rückenmarks
ansteigt.
Tabelle XII (aus Protokoll 76).
11. IX. 21 Rana esculenta. Curaresiert. Von 12 h 30' ab mit bicarbonat-freier
Ringerlösung durchströmt.
Zeit
Eingriff
Injektion
Tropfenzahl
in 1 Min.
Änderung
der Tropfen
! zahl in %
4 h 30'
0.5 ccm Sup. bas. 1:30
22,2
4 b 31'
Millionen
14,6
- 34.2
4 h 33'
16,2
4 h 40'
Daeapitation
;
20
4 h 45'
dgl.
‘21,4
4 h 46'
10,4
-51
4 h 48'
1
12
4 b 50'
Ausbohrung des
16,2
5 h
Rückenmarks
dgl.
20
I
5 b 01' 1
6,2
- 69
5 h 04'
i
12,2
Aber auch den Ganglien, die in den Verlauf der sympathischen
Nervenfasern vom Austritt aus dem Rückenmark bis zu den Endi¬
gungen in den Gefäßen eingeschaltet sind, muß eine weitgehende
Selbständigkeit beigelegt werden. Dadurch wird ja gerade die
Sonderstellung des sympathischen Nervensystems bedingt. Auch
durch diese Ganglien wird die Reizwirkung an den Gefäßen ab¬
geändert werden können. Bei einem sehr geringfügigen Reiz ist es
denkbar, daß die reflektorische Hemmung den ursprünglichen Reiz
überwiegt, d. h. daß eine Umkehr der Reizwirkung entsteht. Die
sogenannte Umkehr der Adrenalin Wirkung, wie man sie gelegentlich
bei Verwendung kleinster Adrenalinmengen beobachtet, ist vielleicht
auf solche reflektorische Überkompensation zurückzuführen.
Welche Bedeutung den peripheren Ganglien für die an den
Gefäßen zu beobachtenden Erscheinungen zukommt, zeigen z. B. die
Versuche von Fleisch 1 ) über die Übertragung von Reizen auf zirku-
latorisch selbständige Gefäßgebiete. Bei meinen Untersuchungen
fiel auf, daß die Technik der Präparate des Laeuien-Trenlelenburgschen
*) Fleisch , A.: Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 171, 128. 1918.
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266
W. Hirse:
Präparates, je nachdem, ob die der Aorta anliegenden feinen Nerven¬
fasern sorgfältig geschont oder bei der Einbindung der Aortenkanüle
mit unterbunden werden, beträchtliche Unterschiede in der Reaktion
des Präparates hervorrufen kann. Die Gefäßreflexe scheinen daher
für den Ausfall der Gefäßreaktionen von großer Bedeutung zu sein.
Durch die Annahme einer Reizung oder Lähmung gefäßverengernder
oder gefäßerweiternder Elemente allein lassen sich die Erscheinungen
an den Gefäßen kaum erklären. Eine aktive Gefäßerweiterung wird
man sich überhaupt so lange schwer vorstellen können, solange ein
anatomisches Gebilde, an dem ein aktiv erweiternder Reiz an den
Gefäßwänden angreifen kann, nicht bekannt ist.
5. Zusammenfassung.
1. Die Spontansensibilisierung des Laewen - Trendelenburgschen
Präparates steht im Zusammenhang mit der unter dem Einfluß der
Durchströmung eintretenden Zunahme des Gefäßtonus (Entsäuerung
der Gewebe).
2. Alkali verstärkt sowohl den Gefäßtonus als auch die Adrenalin¬
empfindlichkeit. Bei der Beziehung von Alkali zur Adrenalinwirkung
handelt es sich nicht um eine Summierung zweier Einzel Wirkungen,
sondern um eine Potenzierung. Die Steigerung der Reizempfindlich¬
keit kann durch die adrenalinzerstörende Wirkung des Alkalis ver¬
deckt werden. Die Alkalisensibilisierung ist daher, besonders bei
höheren Wärmegraden, nur mit Vorsicht zu verwerten.
3. Säuren haben in schwachen Konzentrationen eine Gefä߬
erweiterung mit Abnahme der Adrenalinempfindlichkeit zur Folge.
Die mangelhafte Bildung von freier Base in sauren Lösungen ist für
die Abnahme der Adrenalinreaktion auch von Bedeutung.
4. KCl hat in geringen Konzentrationen eine dem Alkali gleich¬
sinnige Wirkung. Bei höheren Konzentrationen schwächt es die
Ansprechbarkeit der Gefäße auf Adrenalin ab. Das Kali wirkt auch
fördernd auf die Suprareninzerstörung, wahrscheinlich infolge kata¬
lytischer Eigenschaften.
5. CaCl 3 verursacht innerhalb gewisser Konzentration eine Gefä߬
erweiterung mit Abnahme der Adrenalinempfindlichkeit.
6. Die Anwesenheit von Na-Ionen ist für die Erregbarkeit der
Gefäße für Suprarenin erforderlich. NaCl kann durch andere Na-Salze,
wie Na-Citräte, weitgehend ersetzt werden.
7. Hypertonische Lösungen bewirken eine Gefäßerweiterung und
Sinken der Reizempfindlichkeit für Suprarenin; hypotonische Lösungen
eine Gefäßverengerung und anfängliche Steigerung der Suprarenin-
empfindlichkeit mit folgender Verminderung (Mangel an Na-Ionen).
Digitizedtjy Go gle
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Zur Frage der Blutdrucksteigerung. I.
267
8. Natriumcitrat ist nur von Einfluß im Bereich anisotonischer
Konzentrationen im Sinne der unter 7 angeführten Regeln. Eine
3proz. Lösung von Na-Citrat verhält sich indifferent. Daneben hat
das Na-Citrat die Eigenschaft, das Suprarenin vor der Alkalizer¬
störung zu schützen.
9. Durch Verwertung dieser Ergebnisse kann die Suprarenin-
empfindlichkeit des Laetoen-Trendelenburgschen Präparates beträcht¬
lich gesteigert werden. Es besteht eine enge Verknüpfung von
Sensibilisierung und Tonisierung der Gefäße. Der Widerspruch dieser
Beobachtungen mit den im Schrifttum niedergelegten ist nur ein
scheinbarer, durch die verschiedene Deutung der Befunde bedingter.
Für die an den Gefäßen zu beobachtenden Erscheinungen sind wahr¬
scheinlich Gefäßreflexe von großer Bedeutung.
Difitized b 1
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(Aus dem Pharmakologischen Institut (Prof. Kochmann) und der Medizinischen
Klinik (Prof. Volhard) der Universität Halle).
Digitizert
Zur Frage der Blutdrucksteigerung.
II.
Untersuchungen über gefäßverengernde Stoffe im Blute.
Von
Walter Hülse,
Assistenten der Medizin. Klinik.
(Eingegangen am 17. Juli 1922.)
Inhaltsübersicht.
1. Wirkung des normalen Blutes am Laewen-Trendelenburgschen Präparat 268
a) Viscosität und Gerinnungsstoffe.269
b) Erkennung der Adrenalinwirkung.275
c) Gehalt des menschlichen Blutes an gefäüwrengcrnden Stoffen
bei normalem Blutdruck.277
2. Die physiologische Adrenalinämie.279
3. Untersuchungen mit dem Blute von Hypertonien.283
4. Suprareningehalt des Blutes bei Suprareninblutdrucksteigerungen . . . 287
5. Besprechung der Ergebnisse mit Schlußfolgerungen.290
6. Zusammenfassung.291
1. Wirkung des normalen Blutes am Froschpräparat.
Nach den Untersuchungen von Trendelenburg 1 wonach auch das
ungeronnene Citratblut und auch das Blutplasma durch längeres Stehen
eine ständig zunehmende gefäßverengernde Wirkung gewinnt, schien
es erforderlich, ebenso wie es Trendelenburg getan hat, zu den Unter¬
suchungen ganz frisches Citratblut zu verwenden. In zahlreichen Ver¬
suchen konnte ich mich davon überzeugen, daß an empfindlichen
Präparaten auch das von Gerinnung sicher ganz freie Citratplasma
eine Abnahme der Abtropfgeschwindigkeit verursacht. Diese 'Er¬
scheinung ist nicht mehr verwunderlich, nachdem Freund 2 ) gezeigt
hat, daß das Plasma auch ohne Gerinnung, wahrscheinlich durch
Zerfallsprodukte der Blutplättchen, gefäßverengernde Eigenschaften
gewinnt. Es bleibe hier dahingestellt, ob es sich um solche neu-
J ) Trendelenburg, P.: Areh. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 79, 154. 1916
*) Freund, II.: Arch. f exp. Pathol. u Pharmakol 86, 266. 88, 39. 1920.
Go-gle
Original fram __
UNIVERSITY OF MINNESOTA
W. Hülse: Zur Frage der Blutdrucksteigerung. II. 269
gebildete Stoffe handelt, oder nicht nur um eine Änderung des
Colloidzustandes der Bluteiweißkörper. Außerdem mußte mit der Mög¬
lichkeit gerechnet werden, daß in der verhältnismäßig langen Zeit,
bis das Plasma zur Injektion gebrauchsfertig gewonnen werden kann,
ein Teil des Adrenalins in dem alkalischen Blut verloren geht.
Zu den ersten unterrichtenden Untersuchungen wurde Blut aus
den Ohrvenen von Kaninchen ohne und mit Zusatz von Suprareninum
basic. benutzt. Ich nahm an, was durch die Untersuchungen auch
bestätigt wurde, daß das frische Venenblut allein keinen auf gefä߬
verengernde Stoffe zu beziehenden Ausschlag am Trenddenburgechen
Präparat verursachen darf, und daß es auf diesem Wege am besten
gelingen werde, die Wirkung des Blutes an sich, wie sie vielleicht
durch Viscosität, Eiweißgehalt, Zerfallsprodukte der Blutplättchen
verursacht sein kann, zu unterscheiden von der durch Adrenalin
bedingten Gefäß Verengerung. Als Ziel dieser Untersuchungen wurde
erstrebt, die Versuche so zu gestalten, daß das frische Venenblut
ohne jeden Einfluß auf die Tropfenzahl bleibt, daß aber dem Blute
zugesetztes Suprarenin am Froschpräparat in der gegebenen Konzen¬
tration wiedergefunden wird.
a) Viscosität und sog. Gerinnungssubstanzen.
Aus den Untersuchungen über den Einfluß des Natrium citricum
auf die Erregbarkeit der Froscbgefäße hat sich ergeben, daß zur
Verdünnung des Blutes, um die Gerinnung zu verhindern, eine 3proz.
Lösung am besten geeignet ist. Zu den Versuchen wurde daher das
Blut direkt aus der Vene in einer mit genau der gleichen Menge
von 3proz. Natriumcitratlösung gefüllten Spritze aufgefangen, und die
weiteren gewünschten Verdünnungen durch Nachfüllen mit der ent¬
sprechenden Menge von Durchströmungsflüssigkeit (D.-Fl. I) her¬
gestellt. Blutgerirmungen werden bei dieser Versuchsanordnung mit
Sicherheit verhindert.
Die ersten Untersuchungen schienen eine Bestätigung der Ergebnisse
von Trendelenburg zu bringen, daß sich auch im ungeronnenen Blute
nach der Entnahme aus dem Körper, rasch steigend, gefäßverengernde
Körper bilden, so daß das einige Zeit alte Citratblut eine stärkere
Wirkung entfaltet als ganz frisches Citratblut (s. Tabelle I).
Bei Verdünnungen des Blutes im Verhältnis von 1:5 war das
nach 20—30 Sekunden nach der Entnahme in das Präparat in¬
jizierte Blut von wesentlich geringerer Wirkung wie das im Ver¬
hältnis von 1:2 verdünnte. Mit längerem Stehen wurde aber auch
bei dieser Verdünnung eine Verstärkung des Einflusses auf die Ab¬
tropfgeschwindigkeit beobachtet. Bei einem Vergleich der Ausschläge
einer Versuchsreihe mit dem Blute desselben Tieres,- w r obei mit
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY 0F MINNESOTA
270
YV. Hülse:
Digitized by
Tabelle I. (Aus Protokoll 47.)
30. VI. 21. Rana esculenta. Von l h mit D.-Fl. I durchströmt.
1
Zeit
1
Tropfenzahl
Änderung der
| Injektion
in 1 Minute
| Tropfenzahl in %
5" 40' !
0,5 ccm Venenblut, Verdünnung 1:2 j
i 21,4
5» 41' i
(1. Portion)
l
18,2
i -1*
5 h 45'
20
1
6 h !
0,5 ccm desselben Blutes
19,4
6“ 01'
(2. Portion)
10
!
6 h 05'
15,8
1
6 h 30'
0,5 ccm desselben Blutes
20
1
6" 31'
: (3. Portion)
1 * 1
10
-50
6» 35'
15,8
I
peinlichster Sorgfalt auf genau gleiche Versuchsbedingungen geachtet
wurde, fiel die Verschiedenheit der Ausschläge aus, die, wie die
Prüfung des Präparates ergab, nicht auf einer Empfindlichkeits¬
änderung beruhte.
Es handelte sich jetzt zunächst um die Analyse dieser Erschei¬
nungen. Ich hatte von vornherein Zweifel, daß sie, wie Trendelenburg
annimmt, ausschließlich auf die Bildung gefäßverengernder Körper
im Citratblute zurückzuführen seien. Denn in mehreren Versuchen
zeigte sich, daß das verdünnte ganz frische Citratblut eine stärkere
Wirkung ausübte als das mehrere Stunden abgestandene Blutplasma.
Wahrscheinlicher erschien es, daß die Tropfenabnahme, wenigstens
die nach der Injektion des ganz frischen Blutes, a,uf die Blutviscosität
zurückzuführen sei, obwohl Trendelenburg die Möglichkeit, daß die
Viscosität des Blutes eine Verlangsamung der Geschwindigkeit des
Flüssigkeitsdurchflusses verursachen könnte, ablehnt. Seiner Begrün¬
dung gegenüber, daß die starke Wirkung des Citratblutes von der
Empfindlichkeit des Präparates abhängig ist, daß es also nicht rein
physikalische Eigenschaften des Blutes sein können, welche die Tropfen¬
abnahme verursachen, ist zu bemerken, daß die veränderten Strö¬
mungsverhältnisse, wie sie durch viscöse Flüssigkeiten bedingt wer¬
den, für die Gefäße einen Reiz darstellen können, auf den sehr
empfindliche Präparate stärker ansprechen als weniger empfindliche.
Es fällt aber auch die Vorstellung schwer, daß der rein physikalische
Einfluß der Viscosität am Froschpräparat die Durchsrömungsgeschwin-
digkeit gar nicht verändern soll. Es sei nur auf die Versuche von
O'Connor l ) hingewiesen, der bei Verwendung eines Glascapillarsystems
mit 4 fach verdünntem Serum noch eine geringe Tropfen abnahm e
beobachten konnte.
Die Bedeutung der Viscosität geht nun des weiteren hervor aus
Untersuchungen, die mit indifferenten viscösen Flüssigkeiten ange-
A ) O'Connor . J. M.: Münehn. med. Wochenschr. 1911, Nr. 27, S. 1439.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Zur Frage der Blutdrucksteigening. II.
271
stellt wurden, Arabinlösungen, deren Viscositätsgrad mit dem Heß-
schen Viscosimeter auf bestimmte Blutverdünnungen genau eingestellt
waren, verlangsamten die Durchflußgeschwindigkeit in derselben
Stärke wie die entsprechenden frisch hergestellten Blutproben. Nur
blieb bei Arabinlösungen die am Blut zu beobachtende Steigerung
der Wirkung bei längerem Stehen vollständig aus.
Dieses Verhalten des Blutes konnte aber in seiner geringeren
Stabilität begründet sein, derart, daß sich beim Stehen in den
verschiedenen Schichten ein verschiedener Viscositätsgrad ausbildet.
Bei Behandlung des Blutes in genau derselben Art, wie sie bei den
Injektionen in das Froschpräparat gehandhabt wurde, ließ sich bei
Prüfung der Viscositat in der Tat feststellen, daß die verschiedenen,
sonst zu Injektionen benutzten Blutproben mit dem Stehen eine
entsprechende Steigerung ihres Viscositätsgrad es aufwiesen. Beim
Stehen tritt nämlich in dem mit Citrat verdünnten Blute sehr schnell
eine teilweise Sedimentierung der Erythrocyten ein. Die spezifisch
schwerere an Erythrocyten reiche Schicht des Spritzeninhaltes sinkt
bei der Injektion sehr schnell nach dem Kanülenende, so daß bei
den späteren Injektionen eine Flüssigkeit in das Präparat gelangt,
die mit der Dauer des Stehens einen ständig zunehmenden Viscosi¬
tätsgrad gewinnt. Wurden die Injektionen mit gesenktem Stempel¬
ende der Spitze ausgeführt, so fand sich dementsprechend das um¬
gekehrte Verhalten: die späteren Injektionen verursachten eine we¬
sentlich geringere oder überhaupt keine Tropfenabnahme bis auf die
letzten Proben, die natürlich eine sehr starke Wirkung entfalteten.
Aus diesen Untersuchungen ergab sich demnach, daß auf eine
absolute Gleichmäßigkeit der Blutverdünnung ganz besonders geachtet
werden muß. Es fand sich, daß bei dem schnellen Arbeiten, wie
es Trendelenburg vorschreibt — 20 Sekunden von der Blutentnahme
bis zur Injektion —, eine solche Gleichmäßigkeit nicht zu erzielen war.
Daraus erklärte es sich, daß auch bei Verwendung ganz frischen
Blutes von demselben Tier selten ganz übereinstimmende Ausschläge
gesehen wurden. Ist eine Sedimentierung der Erythrocyten einge¬
treten, so ist es bei gefüllter Spritze sehr schwer, eine gleichmäßige
Verteilung wieder zu erreichen. Dieses gelingt am besten dadurch,
daß man dem Spritzeninhalt eine paraffinierte Glasperle von be¬
kanntem Volumen oder besser eine kleine Luftblase hinzufügt. Durch
leichtes Schwenken der Spritze gelingt es dann unschwer, die er¬
forderliche Gleichmäßigkeit der Blutverteilung wieder herzustellen.
Wurde für eine solche Vermischung Sorge getragen, so war auch
an den empfindlichsten Präparaten eine weitere Abnahme der Durch-
fiußmenge durch die Injektion längere Zeit abgestandenen Blutes
nicht mehr zu bemerken. Eine Stunde altes Citratblut übte z. B. die
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
272
W. Hülse :
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gleiche Wirkung aus wie ganz frisches, unmittelbar nach der Ent¬
nahme geprüftes. Damit war bewiesen, daß im vorsichtig entnommenen
Citratblut nachträglich keine gefäßverengemden Stoffe entstehen oder
jedenfalls erst nach so langer Zeit, daß dadurch die Untersuchungen
des Blutes auf den intra vitam vorhandenen Grad seiner gefäßver¬
engernden Wirkung nicht gestört werden.
Durch hohe Blutverdünnungen kann der Einfluß der Viscosität
ausgeschaltet werden. Wie die Versuche zeigten, verursacht das im
Verhältnis von 1:5 verdünnte Blut an empfindlichen Präparaten
noch fast ausnahmslos eine geringe Abnahme der Tropfenzahl. Erst
bei Verdünnungen von etwa 1:10 kann man bei vollkommener Ver¬
mischung sicher sein, daß der Verlauf des Versuches durch die Vis¬
cosität nicht mehr gestört wird. Diese hohen Blutverdünnungen
sind aber deshalb sehr mißlich, weil dadurch in Anbetracht der zu
erwartenden sehr geringen Adrenalinkonzentrationen der Adrenalin¬
nachweis im Blute wesentlich erschwert wird.
Um Versuchsfehler durch die Viscosität zu vermeiden, wählte
ich daher den Weg der Durchströmung der Präparate mit viscöser
Flüssigkeit. Als Mittel benutzte ich Gummi arabicum, da mir das
kalkfreie Arabin in genügenden Mengen nicht zur Verfügung stand.
Der Kalkgehalt des Gummi arabicum, durch den die Empfindlichkeit
des Präparates möglicherweise leiden konnte, ist deshalb zu vernach¬
lässigen, weil der frei in Lösung befindliche Kalk durch das Natrium
citricum zur Ausfüllung gebracht werden wird. Um diese Fällung
möglichst vollständig zu erreichen, wurde der Natriumcitratgehalt
der Durchströmungsflüssigkeit auf l 1 /‘j°/o* entsprechend dem Gehalte
des injizierten Blutes, erhöht. Es hat sich in den früheren Unter¬
suchungen gezeigt, daß dieser hohe Citratgehalt auch bei langer
Durchströmung die Empfindlichkeit nicht beeinträchtigt.
Am vorteilhaftesten würde es sein, wenn unverdünntes Blut, dem
Na-Citrat in Substanz beigefügt wäre, zu den Untersuchungen be¬
nutzt werden könnte. Es zeigt sich jedoch, daß, wenn die Viscosität
der Durchströmungsflüssigkeit auf die des unverdünnten Blutes ein¬
gestellt wird, die Tropfenzahl ständig abnimmt und schließlich bis
fast zum Nullpunkt heruntergeht. Es läßt sich auch durch Druck¬
steigerung im System nicht die Beständigkeit in der Tropfenfolge
erreichen, wie sie zur Gewinnung eindeutiger Ergebnisse erforder¬
lich ist.
Mit einer Durchströmungsflüssigkeit vom Viscositätsgrad 1,8 (mit
dem Heßs chen Viscosimeter gemessen), die ungefähr einer Verdünnung
des Blutes mit 3 °/ 0 Citratlösung zu gleichen Teilen entspricht, ge¬
langt man jedoch nach einiger Zeit rasch abnehmender Tropfenzahl
zu einer hinreichenden Beständigkeit der Durchflußgeschwindigkeit.
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
Zur Frage der Blutdrucksteigening. II.
273
Es mußte jetzt der Einfluß einer solchen Gummilösung auf die
Suprareninempfindlichkeit des Laewen-Trendelenlurg&chen Präparates
geprüft werden. Die Zusammensetzung der Gummilösung = D.-Fl. II
war folgende: 2 Teile 6proz. Gumrai-arabicum-Lösung, 1 Teil l,4proz.
NaCl- -f- 0,1 proz. KCl-Lösung, 1 Teil 6proz. Na-cit.-Lösung. Die
schwach saure Gummilösung wurde vorher durch Zusatz von Natrium¬
carbonat neutralisiert.
Wie zu erwarten, tritt infolge der Durchströmung mit Gummi¬
lösung eine beträchtliche Verlangsamung des Durchflusses ein. Diese
Verlangsamung nimmt auch noch weiter zu, wenn bereits die D.-Fl. II
in voller Konzentration das Präparat durchfließt. Erst nach längerer
Zeit, nach x j 2 —*/ 4 Stunden, stellt sich mit D.-Fl. II die Durchflu߬
geschwindigkeit auf eine annähernd beständige Höhe ein. Diese zu¬
nehmende Verlangsamung kann schlecht als rein physikalische Ein¬
wirkung der Viscosität aufgefaßt werden, da sich ja die Viscosität
nicht mehr ändern kann, sobald D.-Fl. II in voller Konzentration
hindurchfließt. Sie spricht vielmehr dafür, daß durch die viscöse
Flüssigkeit auch der Tonus der Gefäße im Sinne einer Steigerung
beeinflußt wird. Wie bereits erwähnt, ist es denkbar, daß die ver¬
änderten Strönrungsverhältni8S9 in den Gefäßen bei Verwendung
viscöser Flüssigkeiten, insbesondere durch die stärkere Kohäsion der
Colloidteilchen an den Gefäßwänden, ein Reiz ausgeübt wird, der
mit einer Kontraktion beantwortet wird. Analoge Beobachtungen
hat£. Adler 1 ) am Meerschweinchen uterus gemacht; auch bei diesen Ver¬
suchen zeigte sich, daß pharmakologisch indifferente Mucilaginosa, wie
Gummi arabicum, eine Tonussteigerung hervorzurufen imstande sind.
In dieser Tonussteigerung ist zweifellos die hauptsächlichste Ur¬
sache für den verstärkten Adrenalinausschlag bei Durchströmungen
mit Gummilösungen zu erblicken, wie er aus den als Versuchsbei¬
spiele angeführten Tabellen II und III deutlich zu erkennen ist. Die
enge Verknüpfung von Tonisierung und Sensibilisierung ist in den
früheren Versuchen überzeugend dargelegt.
Bei dem Gebrauch viscöser Durchströmungsflüssigkeit sind aber
wohl neben der Tonisierung auch noch rein physikalische Einflüsse
für die Verstärkung der Adrenalinwirkung von Bedeutung. Denn es
ist klar, daß, wenn auch nur die geringste Gefäß Verengerung auf tritt,
die Viscosität in der plötzlich verengten Strombahn sich stärker be¬
merkbar macht und eine stärkere Abnahme der Tropfenzahl ver¬
ursacht, als es der Adrenalinwirkung bei Durchströmung mit nicht
viscöser Flüssigkeit entsprechen würde. Die Verlängerung der Adre¬
nalinwirkung, die neben der Verstärkung in diesen Versuchen aus¬
nahmslos zutage trat, dürfte durch die veränderte Strömung in den
*) Adler , L Berl. klin. Wochenschr. 1913, Nr. 21, S. 969.
z. f. d. g. exp. Med. XXX. 18
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274
W. Hülse:
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Tabelle II. (Aus Protokoll 55.)
12. VII. 21 Rana escul. Von ll h 3(K mit D.-Fl. I durchbtrömt.
Zeit
Durcbströmungs-
flüssigkeit
| Injektion
Tropfenzahl
in 1 Min.
Änderung
der Tropfen-
zahl in •/„
5 h 04'
D.-Fl. I
0,5 ccm Sup. bas.
i
5 h 05'
dgl.
1:50 Millionen in D.-Fl. I
12
-41,7
5 h 08'
dgl.
17,1
5 h 20'
dgl.
0,5 ccm Sup. bas.
21,4
5* 21'
dgl.
1:10 8 in D.-Fl. I
17,6
-17,7
5“ 23'
D.-Fl. II
19,4
5 b 28'
dgl.
15,3
5" 33'
dgl.
12,8
5" 40'
(Druck + 5 cm)
10,5
6» 05'
dgl.
0,5 ccm Sup. bas.
17,1
6“ 06'
dgl.
1:10® in D.-Fl. II
8,3
-51,2
6» IO'
dgl.
11,6
6 h 30'
dgl.
0,5 ccm Sup. bas.
17,1
6 h 31'
dgl- |
1:500 Millionen in D.-Fl. II
j 14,0
-18,1
6 b 40'
dgl.
! 16,0
Tabelle III. (Aus Protokoll 59.)
17. VII. Rana escul. Von 12 h 45' mit D.-Fl. I durchströmt.
Zeit
1
Durchströmungs- _ , . ,.
flilaaigkeit Injektion
Tropfenzahl
in 1 Min.
Änderung
der Tropfen¬
zabl in %
3 h 50' 1
D.-Fl. I 0,5 ccm Sup. bas.
1:200 Millionen in D.-Fl. I
23,1
3 h 51' 1
18,2
- 21,2
4 h 05'
D.-Fl. II j
! Druck 4-5 cm
21,4
4 b 40'
! 0,5 ccm Sup. bas.
; 1:200 Millionen in D.-Fl. II
21,4
4 b 41 /
10,5
-51
4 b 48'
1
15,0
5 h
0,5 ccm Sup. bas.
1:800 Millionen in D.-Fl. II
19,4
5 h 01'
16,2
- 16,5
5 h 05'
Druck -f 2 cm
17,6 |
5 h 20' j
0,5 ccm Venenblut 1:2
18,2 !
5 h 21'
18,2
0
5* 25'
0,5 ccm Sup. bas.
18,2
5 h 26'*
1 -.800 Mill. in Venenblut 1:2
14,8
- 18,7
5 h 30'
•
16,6
6 h
! 0,5 ccm Sup. bas.
17,1
6 h 01'
| 1:800 Mill. in Venenblut 1:2
13,5
-21
6 h 03'
(2. Portion)
1 15,0
Gefäßen zu erklären sein. Infolge der erhöhten Kohäsion wird adre¬
nalinhaltige Lösung noch in Berührung mit den Gefäßwänden sein,
wenn im axialen Teil der Strombahn bereits adrenalinfreie Flüssig¬
keit hindurchströmt.
Alle diese Umstände haben zur Folge, daß Gummi arabicum
keine Herabsetzung der Adrenalingefäßverengerung, wie sie vielleicht
infolge der reizmildernden Eigenschaft der Mucilaginosa erwartet
Gck igle
_ Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Zur Frage der Blutdrucksteigerung. II.
275
werden könnte, eintritt, sondern im Gegenteil eine Verstärkung. Auf
diese Weise wurde mit D.-Fl. II an frischen Sommerfröschen eine
durchschnittliche Empfindlichkeitsgrenze gegen Adrenalinbasenkon¬
zentrationen von 1:500—800 Millionen, oftmals auch von 1:1 Milli¬
arde und darüber erreicht. Lange Zeit in Gefangenschaft befindliche
Frösche liefern nach meinen Erfahrungen weniger empfindliche
Präparate.
Tabelle III zeigt nun weiter, daß bei Durchströmung mit D.-Fl. II
das im Verhältnis von 1 : 2 verdünnte periphere Venenblut keinerlei
Wirkung mehr auf die abfließende Tropfenzahl ausübt, daß aber das
diesem Blute zugefügte Suprarenin noch nach 1 / 9 stündigem Stehen
in voller Konzentration nachzuweisen ist. Damit war das diesen
Untersuchungen gesteckte Ziel erreicht.
b) Erkennung der Adrepalinwirkung.*
Wenn bei strenger Einhaltung der beschriebenen Methode die
Gefahr, bei Untersuchungen des menschlichen Blutes auf gefäßver¬
engernde Stoffe, Täuschungen anheimzufallen, kaum noch zu befürch¬
ten war, so schien es doch ratsam, noch nach einer Methode zu
suchen, die es gestattet, die nach Injektion einer Blutprobe zu be¬
obachtende Reaktion auf möglichst einfache Weise auf ihre Adre¬
nalinnatur zu prüfen.
Der einfachste Weg ist der, durch Stoffe, die dem Adrenalin
streng spezifisch antagonistisch wirken, das Froschpräparat für
Adrenalin unempfindlich zu machen. Diesen Weg hat bereits Tren¬
delenburg 1 ) versucht, als er eine Gefäß Verengerung durch das Aus¬
bleiben derselben nach Vergiftung des Präparates mit Ergotoxin
als Adrenalin Wirkung anzusprechen versuchte. Trendelenburg fand
jedoch, daß am ergotoxinvergifteten Frosch neben der völligen
Unterdrückung der Adrenalin Wirkung auch eine Abschwächung der
Wirkung von altem Blut oder Plasma zu beobachten ist. Wenn
demnach nach Vergiftung mit Ergotoxin eine vorher auftretende
Gefäßverengerung auch vollständig auöbleibt, so ist man nicht be¬
rechtigt, diese Tatsache als Beweis für die Adrenalinnatur einer ge¬
fäßverengernden Substanz anzusprechen.
In neuerer Zeit hat Hildebrandt -) über einen Antagonismus zwi¬
schen Atropin und Adrenalin am Gefäßapparat des Frosches be¬
richtet. Meine Untersuchungen brachten eine Bestätigung dieser
Tatsache. Sie zeigten des weiteren, daß es mit Hilfe des Atropins
in der Tat gelingt, einen mittelbaren Beweis für den Adrenalin¬
charakter einer gefäßverengernden Substanz zu erbringen.
l ) Trendelenburg , P.: Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 79, 154. 1916.
a ) Hildebrandt , F.: Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 86, 225. 1920.
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27<i
Tabelle IV. (Aus Protokoll 51.)
x. VII. 21. Rana escul. Von l h 45' ab mit D.-Fl. I durchströmt.
/eit
Durchströmungs*
; flilssigkeit
ii
Injektion
Tropfenzab
in 1 Min.
Änderung
der Tropfen-
»hl In •/„
5 h 20'
ii D.-Fl. I
0,5 ccm Sup. bas.
22,2
1
5 h 21'
dgl.
1:50 Millionen
10
— 55
5 h 30'
]! dgl.
16,6
5» 43'
Ii dgl.
0,5 ccm Sup. bas.
21,4
5 h 44'
dgl.
1:300 Millionen
17/3
- 17,"
5" 50'
dgl.
18,8
6 h 08'
dgl.
0,5 ccm Serum 1:2
19,4
6 h 09'
dgl.
S 2
-57,7
6 h 15'
dgl.
14,3
6 h 25'
dgl.
0,5 ccm Serum 1:10
19,4
6 h 26'
dgl.
15,0
22.7
6 h 30'
dgl.
18,2
6 h 40'
D.-Fl. I
18,8
6» 55'
i mit Atrop. sulf. 1:10*
0,5 ccm Sup. bas.
19,4
6 h 56'
dgl.
1:50 Millionen
19,4
0
6“ 58'
dgl.
1 19,4
7" 05'
dgl.
0,5 ccm Sup. bas.
19,4
7 h 06'
dgl.
1:300 Millionen
20
: 0
7» 10'
dgl.
20
7 h 15'
dgl. j
0,5 ccm Serum 1; 2
20
i
7» 16'
dgl.
j 8,1
-59,5
7 h 20'
dgl.
13
7» 25'
dgl.
0,5 ccm Serum 1:10
17,6
7 h 26'
dgl.
14,3
i -18,8
7 h 30'
dgl.
i 1«,6
!
7 h 40'
dgl.
0,5 ccm Venenblut 1:2
18,7
■
7» 41'
dgl.
11,6
1 -38
7 h 47'
dgl.
16,2
Tabelle. V.
(Aus Protokoll 53.)
11.
VII. 21. Rana escul. Von l h 25' ab mit D.-Fl.
I durchströmt.
Tropfenzahl
Änderung
Zeit
Injektion
in 1 Minute
| Tropfenzahl
6" 15'
0,5 ccm Sup. bas. 1:10 H
23,1
1
6 b 16'
16,2
1 — 30
6 h 21'
20,0
6» 33'
0,5 ccm Serum 1:5
22,2
6 h 34'
15
- 32,4
6» 38'
ix,2
6 h 45'
1 ,0 ccm Atrop. 1:10 1
23,1
6 b 46'
23,1
6» 47'
0,5 ccm Sup. bas. 1:10*
23,1
6 h 4H'
23,1
0
6 h 52'
23,1
,
6» 5*'
1,0 ccm Atrop. 1 :10 J
23,1
6 h 59'
23,1
7»
0,5 ccm Serum 1:5
23,1
7» 01'
1
16,2
-30
7 h 05'
20
Gck igle
_ _Original fram
UNIVERSfTY OF MINNESOTA
Zur Frage der ßlutdrucksteigerung. II.
277
Vorstehende Protokolle mögen als Erläuterung aus einer Reihe
gleichsinnig verlaufener Untersuchungen dienen. (Tabelle IV und V.)
Durch diese Versuche war demnach die Tatsache gegeben, daß
durch Atropin in geeigneten Konzentrationen die Adrenalingefäß -
Verengerung vollständig aufgehoben wird, während die Wirkung der
sog. Gerinnungssubstanzen und der Einfluß der Viscosität gänzlich
unbeeinflußt bleiben. Jedoch mußte eine bestimmte Atropinkonzen¬
tration eingehalten werden, weil bei sehr starken Lösungen und
namentlich bei länger dauernder Einwirkung in einigen Versuchen
auch eine geringe Abschwächung der Serumwirkung zu beobachten
war. Andererseits durfte die Atropinlösung nicht zu schwach gewählt
werden, weil dann nur eine Abschwächung und keine vollständige
Aufhebung der Adrenalinwirkung eintrat. Am geeignetsten fand sich
eine Atropinlösung von 1:10 4 . Die bei Blutuntersuchungen in Be¬
tracht kommenden Adrenalinkonzentrationen werden dadurch ganz
unwirksam, während Gerinnungsstoffe und Viscosität voll zur Geltung
kommen. Der einfacheren Handhabung wegen und um zu vermeiden,
daß bei zu langer Einwirkung des Atropins doch eine Verminderung
der Gefäßverengerung durch andere Umstände als durch Adrenalin
zustande kommt, wurde bei den späteren Untersuchungen der Prüfung
des Blutes eine Injektion von 1 ccm der Atropinlösung 2—3 Minuten
vorausgeschickt. Auch bei dieser Versuchsanordnung tritt die eine
Differenzierung gestattende Eigenschaft des Atropins voll in Erschei¬
nung. Wie schon Hildebrandt beobachtet hat, verhalten sich die für
den Adrenalinreiz empfindlichen Elemente auch nach kurzdauernder
Atropineinwirkung für längere Zeit refraktär.
c) Gehalt des menschlichen Blutes an gefäß?erengernden Stoffen bei nor¬
malem Blutdruck.
Da die Viscosität des normalen menschlichen Blutes nur innerhalb
sehr enger Grenzen schwankt, konnten die Untersuchungen mit der
unveränderten Gummilösung (D.-Fl. II) ausgeführt werden. Mehrfache
Viscositätsbestimmungen ergaben, daß das im Verhältnis von 1:2
mit 3proz. Citratlösung verdünnte Blut stets ungefähr den gleichen
Viscositätsgrad aufweist (meist um 1,9). Wenn die Durchströmungs¬
flüssigkeit eine etwas geringere Viscosität besitzt, so stört dieses die
Versuche nicht. Es empfiehlt sich sogar, die Durchströmungsflüssig¬
keit auf einen etwas niedrigeren Viscositätsgrad einzustellen, als das
zu prüfende Blut. Es wurde nämlich gelegentlich gesehen, daß auch
bei genau gleicher Viscosität nach Injektion des Blutes die Abtropf-
geschwindigkeit um ein geringes anstieg. Trotzdem mit dem Heß -
sehen Viscosimeter eine gleiche Viscosität gemessen wird, ist die innere
Roibung, bedingt durch die Kohäsion der Teilchen, in einer Gummi-
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
278
\V. Hülse:
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lösung offenbar eine etwas andere als im Blute. Wenn außerdem
durch eine etwas höhere Viscosität des Blutes eine geringe Tropfen¬
abnahme verursacht wird, so kann man sich durch Verwendung von
Atropin von der Xichtadrenalinnatur dieser Erscheinung sehr leicht
überzeugen, während eine Zunahme der Tropfenzahl infolge zu nied¬
riger Viscosität des Blutes leicht eine vorhandene Adrenalin Wirkung
verdecken kann.
Die Untersuchungen an normalem menschlichen periphärem Venen¬
blut hatten das gleiche Ergebnis, das am venösen Kaninchenblut
gemessen wurde: das venöse Blut besitzt keine meßbaren gefäßverengen¬
den Eigenschaften , das dem Venenblut zugesetzte Suprarenin verursacht
aber stets bis zur Empfindlichkeitsgrenze des Präparates den entsprechenden ,
durch Atropin zu beseitigenden Ausschlag in der abfließenden Tropfenzahl.
Das gleiche Ergebnis lieferten aber auch die Versuche, die mit
frischem arteriellen Blut von Menschen mit normalem Blutdruck
angestellt wurden. Das arterielle Blut wurde stets durch Punktion
einer Arteria radialis gewonnen in der Art, wie es Hürter 1 ) ausführ¬
lich beschrieben hat.
Als Belege seien 2 Versuche angeführt (Tabelle VI). die an einem
besonders empfindlichen Präparat, das noch auf Adrenalinkonzentra¬
tion von 1: 3 Milliarden deutlich ansprach, ausgeführt werden konnten.
Tabelle VI. (Aus Protokoll 68.)
18. VIII. 21. Rana escul. Von 9 h 05' ab mit D.-Fl. I durchströmt,
von 4 h 40' ab mit D.-Fl. II.
■
" ■ ■
" — ■ -—
Tropfenzahl ■
‘Änderung der
/.CU
Injektion
| in 1 Minute 1
Tropfenzahl in °/o
5 h
21/
0,5 ccm Sup. bas. 1:10"
-3,1
5 h
21'
6,S
- 7o,6
5»i
35' ’ !
16,2
5 h
45 ' :
0,5 ccm Sup. bas. 1:10°
22/2
5 h
46' |;
15,4
-30,6
5 h
53'
18,8
6 h
;
0,5 ccm Sup. bas. 1:3 Milliarden
, 21,4
6 h
01'
17.6
- 17,8
6*
01'
19,4
6 h
25'
0,5 ccm Art.-Blut 1:2
21,4
6 h
26'
(Pat. A.)
21,4
0
6 h
27' ;
21.4
6 h
30' 1
20.6
6 h
35' :
0,5 ccm Art.-Blut
20,6
6 h
86' ;!
(Pat. B.)
18,8
- 8,7
6 h
3!*' j;
19,4
6*»
4.y !'
1 ccm Atropin 1:10'
19,4
6 h
47' .!
0,5 ccm Art.-Blut
19,4
6 h
48'
(Pat. B., 2. Teil)
17,6
- 9,3
6 h
53' „
18,*
1 )
Hürter:
Dtsch. Arch. f. klin. Med. 108, 1.
1912.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Zur Frage der Blutdrucksteigerung. II.
279
Die Tabelle zeigt, daß das Blut des Patienten A., der einen Blut¬
druck nach Riva-Rocci von 118:65 mm Hg auf wies, die Tropfenzahl
garnicht veränderte. Durch Injektion des Blutes vom Patienten B.
(Blutdruck 112:72 mm) wurde die Durchströmung ein wenig ver¬
langsamt. Sie konnte auch durch vorangehende Vergiftung mit Atropin
nicht beständig erhalten werden, so daß die Tropfenabnahme nicht auf
Adrenalin bezogen werden konnte. Die Viscositätsbestimmung der
zur Injektion bestimmten Blutprobe zeigte eine Viecosität von 1,95.
Nach entsprechendem Ausgleich des Viscositätsunterschiedes war auch
das Blut vom Patienten B. vollständig wirkungslos (in der Tabelle
nicht mehr angeführt).
Diese Untersuchungen haben also ergeben, daß die gefäßverengende
Kraft des normalen menschlichen arteriellen Blutes geringer ist 9 als es
einer Suprareninkonzentralion von 1: l y 5 Milliarden entspricht.
2. Die physiologische Adrenalinämie.
In neuerer Zeit haben sich verschiedene Forscher [ Trendelenburg 1 ),
Gley' 2 )] gegen die übliche Vorstellung gewendet, daß der Tonus der
Vasomotoren durch das aus den Nebennieren durch die Nebennieren¬
venen in den allgemeinen Blutkreislauf gelangende Adrenalin aufrecht
erhalten wird. Diese Einwände gründen sich vor allem auf die Tat¬
sache, daß das Adrenalin in so geringen Mengen im Blute zu kreisen
scheint, daß es eine Hormonwirkung kam äußern kann. Nach Oley
und seinen Mitarbeitern kann man das Adrenalin wohl in den Neben¬
nierenvenen finden, aber nicht mehr in den Venen, die den Leberkreis-
lauf überwunden haben. Das Adrenalin, dessen rasches Verschwinden
aus dem Blute dadurch erwiesen scheint, kann aus diesem Grunde
keine tonische Wirkung auf das cardio-vasculäre System ausüben.
Gley bemerkt, daß, wenn man den Sekretionsprodukten einer endo-
crinen Drüse eine physiologische Wirkung auf die allgemeinen Fun-
tionen des Oranismus zuschreiben will, verlangen muß, daß diese
Stoffe zum mindesten im Blute der linken Herzkammer nachweis¬
bar sind.
Der großen Bedeutung wegen, die das Adrenalinproblem für die
Physiologie und Pathologie des Menschen besitzt, schien es erforder¬
lich, mit der beschriebenen Methode nachzuprüfen, wie weit von den
Nebennieren entfernt das Adrenalin im Blute sich nachweisen läßt.
Zu diesem Zwecke wurde bei Kaninchen von einer Stelle dicht
oberhalb der Einmündung der Nierenvenen ein dünner Gummikatheter
in die Cava inferior eingelegt, und durch Vorschieben des Katheters
r ) Trendelenburg P.: Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 79, 154. 1916.
-> Zit. nach Sergent, E.: Press. m£d. 82, 1921.
Difitized
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
280
W. Hülse:
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das Blut zur Untersuchung auf folgenden Stellen entnommen: 1. Ein¬
mündung der Nebennierenvenen, 2. dicht oberhalb der Einmündung
der Lebervenen, 3. nach Einmündung der Lebervenen, 4. aus dem
rechten Herzen, und 5. noch durch Herzpunktion aus der linken
Herzkammer. Nach Beendigung der Untersuchungen wurde das Tier
getötet und durch Ausmessen nachgeprüft, ob die Blutentnahme tat¬
sächlich an den gewünschten Stellen erfolgt war. Vor jeder neuen
Blutentnahme wurde der nur etwa 1 / 3 ccm fassende Katheter durch
Ausspritzen mit Ringerlösung gereinigt und dann noch einige Tropfen
Blut duroh den Katheter abgelassen. Auf die Weise wurde ver¬
hindert, daß bei den späteren Blutentnahmen durch das im Katheter
vorhandene, vom vorhergehenden Versuch stammende Blut eine
Mischung von Blut aus verschiedenen Stellen der Cava gewonnen wurde.
Auf diese Art wurden zwei Versuche ausgeführt, die überein¬
stimmende Ergebnisse lieferten. Eines der Protokolle lege ich in
Tabelle VII vor.
Diese Versuche lassen die Tatsache erkennen, daß bei hinreichend
empfindlichen Präparaten das Adrenalin bis in das rechte Herz hinein
nachzuweisen ist . Erst nach Überwindung des Lungenkreislaufes ist
es mit der biologischen Methode nicht mehr zu fassen. Da bei dem
Übertritt vom rechten zum linken Ventrikel eine weitere Verdünnung
nicht mehr vor sich geht, muß angenommen werden, daß das Adrenalin,
wenigstens zum Teil, im kleinen Kreislauf zerstört wird, eine Tat¬
sache, auf die wir weiter unten nochmals zu sprechen kommen. Wir
werden dort sehen, daß diese Zerstörung keine vollständige ist und
können daraus mit Sicherheit den Schluß ziehen, daß eine gewisse
Adrenalinmenge in den großen Kreislauf gelangt. Sie liegt nur unter
der Grenze des für uns meßbaren.
Bei der Verwertung der mit der Froschdurchspülungsmethode ge¬
wonnenen Ergebnisse muß man sich darüber klar sein, was mit
dieser Methode gemessen wird: man bestimmt offenbar die Summe
der im Blute vorhandenen auf die Vasomotoren ein wirkenden Stoffe.
Diese Stoffe sind sicherlich nicht einheitlicher Natur. Neben gefä߬
verengernden Stoffen, die auch nicht allein durch Adrenalin dar¬
gestellt werden — es sei nur das Hypophysin und das p-Oxyphenyl-
äthylamin oder Tyramin erwähnt —, sind im Blute zweifellos auch
Stoffe enthalten, die eine Gefäßerweiterung verursachen. Wenn solche
Körper im Blute auch noch nicht mit Sicherheit nachgewiesen sind,
so wissen wir doch, daß z. B. ß = Imidazolyläthylamin oder Histamin
dessen Bildung im Organismus bekannt ist, eine Gefäßerweiterung
verursacht [Dole und Laidlow 1 ), Schenk*), eigene Versuche].
*) Dole und Laidlow : Joum. of physiol. 52, 355. 1919.
-) Schenk , P Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 89, 332. 1921.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Zur Frage der Blutdrucksteigerung. II.
281
TdbeUe VII (aus Protokoll 142).
26. XII. 21. Rana eecul.
Von 10* 15' mit D.-Fl. I durchströmt, von 3 k 10' mit D.-Fl. II durchströmt.
Zeit j
■
Durchströmungsfliluigkeit
i
Injektion
i
Tropfenzahl
in 1 Minute
Änderung
der Tropfen¬
zahl in */•
3 b
55'
d -Fi. n.
0,5 ccm Sup. bas. 1 : 10 7 !
22,2
3 b
56'1
I
3,2
-85,6
4 b
1 !
14,6 j
4 h
15'
1
0,5ccm Sup. bas. 1 : 10 K
21,4
4 h
16'
11,0
-49
4 h
20 '
1
16,2
4 b
22 '
! i
1
0,5 ccm Sup. bas. 1 : 800
20
4 h
43'
1
Millionen
16,2
- 19
4 b
45'
i Druck -f 2cm
17,1
5 h
10 '
|| i
0,5 ccm Cava-Blut I. 1:2
21,4
5 h
11 '
]
4,3
- 80
5 h
12 '
: i .
9,4
5 b
15'
i Druck 4-1 cm
12,5
5 h
28'
i
0,5ccm Cava-Blut II. 1 :2
20
5 h
29'
8,1
- 59,5
5 h
30'
11,5
5 h
85'
Druck + 2 cm
15,0
5 h
42'
i
0,5 ccm Cava-Blut III. 1:2
19,4
5*
42'
14,6
24,7
5 k
44'
15,0
5 h
45'
Druck -f 2 cm
16,2
5 h
56'
I
0,5ccm Herzblut rechtSB.
20
5 h
57'
1:2
17,1
- 14,5
5 h
58'
1
17.6
!
6 h
18,8
6 h
05'
1,0 ccm Atropin 1 : 10 4
19,4
6 h
06'
19,4
6 h
07'
i
0,5 ccm Herzblut rechtes, i
19,4 j
6 h
08'
1 :2
18,8
— 3
6 h
09'
18,8
6 h
12 '
Druck + 2 cm
18,8 1
6 h
15'
20
6 *
18'
1,0 ccm Atropin 1 : 10 4
20
6 h
19'
20
6 b
20 '
1
0,5 ccm Cava-Blut II. 1:2
19,4
6 h
21 '
19,4
0
6 h
22 '
19,4
6 h
25'
18.8
6 h
28'
D.-Fl. I.
7 h
33'
D.-Fl. II.
8 b
05'
0,5 ccm Herzblut linkss. 1:2
17,6
8 h
06'
j
17.6
0
8 b
07'
I ,
17,6
8 h
10 '
1 Druck -f 2 cm
1
17,1
8 h
23'
| !
0,5 ccm Sup. bas. 1 : 800
18,8
8 b
24'
'i
Million
15,4
— 18
8 h
30'
i
16,6
Die am Froschpräparate meßbare vasomotorische Eigenschaft des
Blutes ist offenbar eine Funktion einander entgegenwirkender Kräfte.
Die wirkliche Adrenalinkonzentration kann demnach mit biologischen
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Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
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28*2 VV. Hülse:
Methoden überhaupt nicht sicher bestimmt werden. Sie kann wesent¬
lich höher sein, als es sich aus den Untersuchungen mit der Frosch¬
durchspülungsmethode ergibt. Es wäre auch nicht verwunderlich,
wenn die verschiedenen biologischen Methoden einen verschiedenen
Adrenalingehalt anzeigen würden, da sich die einzelnen Prüfungs¬
gegenstände gegen die im Blute vorhandenen Stoffe zum Teil ver¬
schieden verhalten.
Aber wenn das Adrenalin auch tatsächlich nur in solch geringen
Mengen im arteriellen Blut vorhanden ist — bei einer Konzentration
von 1: 800 Millionen bis 1:1 Milliarde im rechten Herzen würde sich
bei Berücksichtigung der Zerstörung im Lungenkreislauf ein Adrena¬
lingehalt von 1:2—3 Milliarden im linken Herzkammer blute er¬
geben —, ist es schwer, dem Adrenalin jeden Einfluß auf den Vaso-
tonus abzusprechen. Ganz gleich, ob man das Adrenalin als ein
Sekretions- oder Exkretionsprodukt [Gley 1. c. 1 )] der Nebennieren auf¬
faßt, man wird sich schwer vorstellen können, daß die hervorragendste
pharmakologische Eigenschaft des Adrenalins, der Einfluß auf den
Gefäßtonus, im Organismus gar nicht in Wirksamkeit treten soll.
Wir wissen auch gar nicht, welches die geringste Adrenalinmenge
ist, auf welche die Gefäße noch ansprechen. Die Bedingungen, unter
welchen das Adrenalin im lebenden Organismus seine physiologische
Aufgabe erfüllt, sind wesentlich andere, vermutlich günstigere, als
bei den willkürlich geschaffenen Verhältnissen am überlebenden Prä¬
parat 9 ). Aber selbst hier sehen wir ja, daß es noch in Verdünnungen
von 1 :3 Milliarden gelegentlich eine deutliche Gefäßverengerung
erzeugt.
Die Untersuchungen über die Blutdrucksteigerung durch Suprarenin
können keine Antwort geben auf die Frage, ob das Adrenalin für
den normalen Gefäßtonus von Bedeutung ist. Die gesamten den
Gefäßtonus beherrschenden Vorgänge sind zweifellos durch nervöse
und hormonale Einflüsse auf das engste miteinander verknüpft, weil
nur auf diese Weise das erforderliche Zusammenspiel jener Vorgänge
gewährleistet wird. Ein noch hinzutretender vasoconstrictiver Reiz,
der das Gleichgewicht zu stören droht, wird, sofern er nicht durch
physiologische Bedürfnisse gefordert ist, infolge jener Verknüpfung
Widerstände zu überwinden haben und erst dann zur Wirkung ge-
*) Eine scharfe Trennung von Sekreten und Exkreten ist überhaupt kaum
möglich. Es ist wahrscheinlich, daß die sogen, inneren Sekrete überhaupt nur
Produkte des Organsto ff Wechsels sind, also Exkrete. Da jedes Organ einen
mehr oder weniger spezifischen Stoffwechsel hat, dürfte jedes Organ auch ein
spezifisches inneres Sekret liefern.
2 ) Nach Storn van Leeuwen u. v. d. Made (Arch. f. exp. Pathol. u. Phar-
makol. 88, 318. 1920) sind im Blute Stoffe enthalten, welche die Adrenalin¬
wirkung fördern.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Zur Frage der Biutdruckateigerung. II.
283
langen, wenn er einen gewissen Schwellenwert erreicht hat. So sehen
wir das Adrenalin andere pharmakologische Eigenschaften schon ent¬
falten in Gaben, in denen es den Blutdruck noch ganz unbeeinflußt läßt,
z. B. bei Unterdrückung eines Asthmaanfalles. Umgekeht verfügt der
Organismus zweifellos über Maßnahmen, durch welche der normale
Blutdruck auch nach Fortfall eines tonisierenden Stoffes eine Zeitlang
aufrechterhalten wird. Es kann als allgemein gültiges biologisches
Gesetz bezeichnet werden, daß lebenswichtige Funktionen durch
mehrere gleichsinnig wirkende Kräfte geregelt werden, die vikariierend
füreinander eintreten. Daher kann auch in den Versuchen von
Lewandowsky , nach denen die Ausschaltung der Nebennieren zunächst
kein Fallen des arteriellen Blutdruckes zur Folge bat, kein zwingender
Beweis dafür erblickt werden, daß das Adrenalin von keiner physio¬
logischen Bedeutung für den normalen Gefäßtonus ist.
Die besonders von Trendelenburg und Gley erhobenen Einwände
können demnach die Ansicht von der Hormonwirkung des Adrenalins
nicht widerlegen. Nachdem vielmehr bewiesen ist, daß das Adrenalin
nicht bereits nach Überwindung des Leberkreislaufes aus dem Blute
verschwunden ist, sondern vielmehr, wenn auch in sehr kleinen
Mengen, in den großen Kreislauf gelangt, wird mit Sicherheit an¬
genommen werdon können, daß es bei seiner außerordentlichen
pharmako-dynamischen Wirkung dort auch wichtige physiologische
Aufgabe, insbesondere bei der Regulierung des Blutdruckes und des
Svmpathicustonus zu erfüllen hat.
3. Untersuchungen mit dem Blute von Hypertonien.
Zur Untersuchung wurden die verschiedenen Gruppen von Hyper¬
tonien herangezogen: 4 Fälle von akuter diffuser Glomerulonephritis,
3 Fälle von chronischer Nephritis und 3 Fälle von primärer oder
essentieller Hypertonie. Es wurde darauf geachtet, daß nur solche
Fälle zur Untersuchung kamen, die ein besonders charakteristisches
Bild der betreffenden Gruppe darboten.
Während ich bei den Untersuchungen mit normalem Blut im all¬
gemeinen mit der unveränderten DurchströmungsflüssigkeitII auskam,
stellte es sich bei Versuchen mit Hypertonikerblut als erforderlich
heraus, daß die Viscosität der Durchströmungsflüssigkeit jedesmal
vorher auf das zu untersuchende Blut besonders eingestellt werden
mußte. Durch das sehr wechselnde Verhältnis von Trockensubstanz
und Wasser entstehen sehr erhebliche Unterschiede in der Viscosität.
Die Einstellung erfolgte mit dem Helschen Viscosimeter auf das vor
dem eigentlichen Versuch entnommene Venenblut. Da im allgemeinen
das arterielle Blut eine etwas geringere Viscosität wie das venöse
besitzt, wurde die Viscosität der Durchströmungsflüssigkeit gewöhn-
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Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
284
W. Hülse:
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lieh x / 9 —1 Teilstrich niedriger bemessen, als sie in dem entsprechend
verdünntem Venenblut gefunden wurde. Trotzdem wurde nach Be¬
endigung des Versuches auch noch die Viscosität des benutzten
arteriellen Blutes nachgeprüft, um vor Täuschungen sicher geschützt
zu sein.
Aus jeder der drei Gruppen sei ein Beispiel angeführt:
1. Akute diffuse Glomerulonephritis.
A. Fr., 15 jähriger Junge, Mitte Oktober 21 mit Halsschmerzen erkrankt,
die nach einigen Tagen verschwanden. Am 22. X. plötzlich Schwellung des
Gesichts, besonders der Augenlider; am nächsten Tage auch Schwellung der
Beine. Dabei Kopfschmerzen, Atemnot. Zwei Tage vor der Aufnahme Schwel¬
lung des Leibes. Status am 29. X. 21: allgemeiner Hydrops, sehr blasse Haut¬
farbe. Der linke Ventrikel deutlich dilatiert, Akzentuation des 2. Aortentones.
Starke Leberschwellung, geringer Milztumor. Urin trübe, bräunlich, Menge
350 ccm in 24 Std., spez. Gewicht 1023, Eiweiß 1 °/ 0 . Sediment: reichlich Ery-
throcyten, *Leukocyten, Nierenepithelien, hyaline und granulierte Zylinder.
Ambardsehe Konstante 0,14. Blut: Rest-N 51,74 mg Indican-, NaCl 0,634,
Cholesterin 162 mg°/ 0 , Kreatinin, 0,5 mg°/ 0 , Blutzucker 0,099 g°/ 0 . Blutdruck
173 :113 mm Hg, Venendruck 188 mm H 2 0, Capillardruck 280 mm H^O Capil-
laren ziemlich weit, in vielen Schlingen ausgesprochene körnige Strömung. Der
Blutdruck hielt sich bis zum 6. XI. stets um 170 und fiel dann unter Calcium-
behandlung zur Norm. Geheilt entlassen. Die Untersuchung des arteriellen
Blutes auf gefäßverengernde Stoffe erfolgte am 30. 10. bei einem Blutdruck
von 175 : 113. Die Viscosität des zur Hälfte mit 3proz. Citratlösung verdünnten
Venenblutes betrug 1,7, die des nachträglich geprüften Arterienblutes 1,65
(Tab. VIII).
Tabelle VIII (aus Protokoll 111).
30. X. 21. Rana escul.
Von 10 b 05' ab mit D.-Fl. I durchströmt, von 5 h 20 / ab mit D.-Fl. II durchströmt.
Zelt
ii Injektion '
J i
Tropfen zahl
Änderung der
in 1 Minute
Tropfenzahl in %
6 h 05'
0,5 ccm Sup. bas. 1 : 200 Millionen
22,2 i
6 h 06'
6 h 12'
15,0
19,4
— 33.*
6 h 20'
0,5 ccm Sup. bas. 1 : 500 Millionen
20
6 h 21'
16
— 20
ö h 25'
Druck -f 3 ccm
18,2
6 h 38'
0,5ccm Venenblut 1 : 2 (Pat. A. Fr.)
20
6 h 39'
6* 41'
6 b 42'
20
19,4
19,4
0
6 h 56'
0,5 ccm Arterienblut 1:2 (Pat. A. Fr.)'
18,8
6 h 57'
6 h 58'
6 h 60'
18,8
18,8
18,2
0
2. Chronische Nephritis mit Übergang in Schrumpfniere.
Pat. C. M., 43jähriger Mann. Sommer 1908 im Anschluß an Erkältung
mit Ödemen, Kopfschmerzen, Atemnot und blutigem Urin erkrankt. Seitdem
soll Urin stets Eiweiß enthalten haben. Gelegentlich auch leichte Schwellungen
— Original fram — - -
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Zur Frage der Blutdruckßteigerung. II.
285
an den Unterschenkeln. Im September 1921 traten Sehstörungon auf, deshalb
Überweisung in die Klinik. Status: blasse Hautfarbe, leichte Ödeme an den
Unterschenkeln. Herz besonders nach links verbreitert, Spitzenstoß deutlich
hebend, 2. Aortenton stark akzentuiert. Puls gespannt, systolischer Blutdruck
230 mm Hg, Venendruck 100 mm H a 0, Capillardruck 285 mm H 2 0. Milz und
Leber nicht vergrößert. Im Urin Eiweiß -f-f-, Sediment: granulierte und hya¬
line Zylinder, Erythrocyten, Leukocyten, einzelne Nierenepithelien. H 9 0 Aus¬
scheidung im H 2 0-Versuch qualitativ schlecht, geringes Verdünnungsvermögen.
Konzentrationsvermögen bis 1022. Ausgesprochene Retinitis albumin. Un¬
mittelbar vor der Blut Untersuchung betrug der Blutdruck 205 mm Hg. Die
Viscosität des kurz vor dem Versuch entnommenen mit 3proz. Citratlösung
1:2 verdünnten Veoenblutes war 1,8, die des zum Versuch benutzten Arterien¬
blutes 1,75 (Tab. IX).
Tabelle IX (aus Protokoll 134).
29. XI. 21. Rana escul.
Von l0 b 35' ab mit D.-Fl.I durchströmt, von 5 h 10' ab mit D.-Fl. II (Viscos. = 1,7)
durchströmt.
Zeit
Injektion
Tropfenzahl Änderung der
in 1 Minute Tropfenzahl in °/o
:> b
43'
0,5 ccm Sup. bas. 1:108
19,4
5*»
44'
10,0
-48,;
:> h
49'
Druck+ 2 cm
12,0
6 h
05'
i; 0,5 ccm Sup. bas. 1 : 500 Millionen
18,8
ö h
06'
i 15,8
— 16
b b
10 '
Druck-b 2 cm
17,1
6 h
28'
0,5ccm Venenblut 1 :2 (Pat. C. M.)
17,1
6 b
29'
16,8
0
6 h
31'
17,6
6 b
36'
0,5ccm Arterienblut 1:2 (Pat. C. M.)
17,1
6 h
37'
15,8
— 7,6
6*
39'
17,1
6 *
41'
1,0 Atropin 1 : 10 4
17,1
6*
43'
0,5 ccm Arterienblut 1 : 2
17,1
l
6 b
44'
15,4
i - 9,9
6*
47'
17,6
3. Essentielle Hypertonie.
Pat. G. Sch. 53 Jahre alt. Immer gesund gewesen. Seit einigen Wochen
zunehmende Atemnot, besonders nachts oft Anfälle hochgradigster Atemnot.
In letzter Zeit Schwellungen der Beine. Status: leichte Ödeme an den Knöcheln.
Hebender Spitzenstoß, Verbreiterung der Herzdämpfung nach rechts und nach
links, Töne rein, starke Akzentuation der 2. Aortentones. Leber etwas ver¬
größert, Milz nicht vergrößert. Urin: Spur Eiweiß. Sediment: nichts Patho¬
logisches. Wasserversuch gut, Konzentration bis 1030. Ambardsche Kon¬
stante 0,078. Blut: N 32,48 mg -°/ 0 , Id di kan —, NaCl 0,591 g-%, Cholesterin
186 mg-°/ 0 , Blutzucker 0,1313 g-°/ 0 . Blutdruck bei der Aufnahme 290:145 mm Hg,
Venendruck 128 mm H 2 0, Kapillardruck 210 mm H,0. Kapillaren sehr stark
geschlängelt, beide Schenkel ziemlich weit, ausgedehnte körnige Strömung.
Augenhintergrund: sehr enge, kaum sichtbare Arterien, einzelne kleine Blutungen
neben der Papille beiderseits. Am Tage der Untersuchung des Blutes auf
gefäßverengernde Stoffe betrug der Blutdruck 252 : 148 mm Hg. Die anfäng-
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Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
286
W. Hülse:
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liehe leichte Herzdekompensation war an diesem Tage bereits behoben. Das
zur Hälfte verdünnte Venenblut zeigte eine Viscosität von 2,15, das zur Injek¬
tion gebrauchte Venenblut eine solche von 2,05 (s. Tabelle X).
Tabelle X. (Aus Protokoll 81.)
20. IX. Rana escul Von IO 11 45' ab mit D.-Fl. I durchströmt,
von 5 h 25' ab mit D.-FL II (Visc. = 2,05) durchströmt.
Zeit
Injektion
Tropfenzahl Änderung der
in 1 Min. \ Tropfenzahl in
5 h 53'
5 h 54'
6 h
6 h 12'
6 h 13'
6 h 18'
6 h 19'
6 h 22'
6 h 30'
6 h 31'
8 h 33'
jj 0,5 ccm Sup. bas. 1:400 Millionen j
j Druck -f 2 cm
, 0,5 ccm Sup. bas 1:800 Millionen |
0,5 ccm D.-Fl. II I
I Druck +2 cm |
il 0,5 ccm Venenblut 1:2
I I (G. Sch) ;
6 h 42' |
6 b 43' I
6 h 45' j
6 h 50' i
6 b 51'i|
6 h 55'
0,5 ccm Arterienblut 1:2
(Fat. G. Sch.)
0,5 ccm Arterienblut 1 :2
17,1
11,5
1 H,2
17,1 i
— 29 2
14,0
16,0
-18,1
16,0 |
16,2
17,1
0
17.6
17,1
16.6
-f 3
17,1
17,1 |
16,6
4 - 3
16,6 |
15,8 1
0
Alle ausgeführten Versuche zeigten ein gleichsinniges Verhalten:
Stets halte die Untersuchung des arteriellen Blutes bei den verschiedenen
Formen von Hypertonien ein völlig negatives Ergebnis . Wie in dem
in Tabelle XXIII wiedergegebenen Versuch fand sich gelegentlich
eine eben merkbare Abnahme der Tropfenzahl, die aber durch Atropin
nicht zu beheben war und demgemäß nicht auf Adrenalin bezogen
werden konnte. In der Tat fand sich auch bei der Nachprüfung
in solchen Fällen stets eine etwas zu hohe Viscosität des injizierten
Blutes.
Da die von mir verfolgte Methode Irrtümer mit ziemlicher Sicher¬
heit ausschließen ließ, war eigentlich die Hoffnung, die Blutdruck¬
steigerung auf eine Hyperadrenalinämie zurückführen zu können,
schon hinfällig. Es war aber immerhin noch denkbar, daß im Blute
besondere Verhältnisse vorlägen. So könnte z. B. das Adrenalin im
Blute nicht frei, sondern an die Blutkolloide gebunden sein, und erst
am Orte seiner Wirksamkeit durch die Tätigkeit voll lebensfähiger
Zellen frei werden. Die Verhältnisse am überlebenden, mit O-armer
Flüssigkeit durchströmten Froschpräparat lassen sich nicht gleichsetzen
mit den im lebenden Organismus vorhandenen. Es schien daher
möglich, daß das im Blute vorhandene Adrenalin am Froschpräparat
nur zum Teil zur Wirkung kommt. Gegen eine solche Adsorption
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Zur Frage der Blutdrucksteigerung. II.
287
sprechen allerdings schon die Versuche, in denen wir dem Venenblut
nach der Entnahme Suprarenin zusetzten und dabei stets die wirk¬
liche Suprareninkonzentration wiederfinden konnten. Weiter war in
Betracht zu ziehen, daß vielleicht die Bedingungen, unter denen das
Adrenalin im lebenden Organismus zur Wirkung kommt, wesentlich
günsii ere sind, so daß schon Blutdrucksteigerungen entstehen bei
solch geringen Erhöhungen der Adrenalinkonzentration, an welche
die Empfindlichkeit der Präparate nicht mehr heranreichte. Gerade
zu diesen Untersuchungen hatten mir nur längere Zeit in Gefangen¬
schaft befindliche Frösche zur Verfügung gestanden, die trotz Zu¬
satzes von etwas Alkali selten noch auf höhere Adrenalinverdün¬
nungen als auf 1:500 Millionen ansprachen.
Diese Fragen sind dadurch zu entscheiden, daß man das Blut
bei Blutdrucksteigerungen untersucht, die künstlich durch Suprarenin-
injektionen erzeugt werden.
4. Supr&reningehalt des Blutes bei Suprarenin-ßlutdrueksteigerung.
Diese Untersuchungen wurden angestellt 1. dreimal an Menschen
mit normalem Blutdruck, 2. einmal an einem Fall von akuter diffuser
Glomerulonephritis zur Zeit der Blutdrucksteigerung, 3. einmal an
einem Pat. mit akuter Nephritis, nachdem der Blutdruck zur Norm
abgefallen war. Alle Untersuchungen brachten gleichsinnige Ergeb¬
nisse. Die Protokolle über den 2. und 3. Versuch sind etwas verkürzt
in folgenden Tabellen wiedergegeben (Tabelle XI und XII).
Diese Untersuchungen zeigen demnach, daß es bei den Blutdruck-
Steigerungen , die künstlich durch intravenöse Suprarenininjektionen her -
vorgebracht werden , mit Leichtigkeit gelingt , das Suprarenin im arteriellen
Blute nachzuweisen . Auch in einem Falle, in dem 1 ccm Suprarenin-
um HCl 1:1000 subcutan injiziert wurde, zeigte das arterielle Blut
zur Zeit der Blutdrucksteigerung deutliche gefäßverengemde Eigen¬
schaften. Die Adrenalinnatur dieser Gefäßverengernng ließ sich ein¬
deutig erkennen daran, daß sie nach Atropinvergiftung des Präpa¬
rates vollständig ausblieb. Im Gegensatz zum arteriellen Blute blieb
das venöse während des ganzen Ablaufes der Adrenalinwirkung im
Körper wirkungslos. Nur in einem Falle verursachte es eine leichte
Abnahme der Tropfenzahl, die aber, weil sie durch Atropin nicht zu
beheben war, nicht auf Suprarenin bezogen werden konnte.
Tabelle XL (Aus Protokoll 72.)
6 . XI. 21. 40 jähriger Mann 0. Sch. am 5. IX. wegen akuter diffuser Glome¬
rulonephritis der Klinik überwiesen. Blutdruck 180:100 mm Hg. Visoosität
des Venenblutes 1:2 verdünnt - 1,7. Viscosität des entsprechenden Arterien¬
blutes 1,65. Blutdruck kurz vor der Untersuchung 170 mm Hg. Nach intra-
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Google
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
288
W. Hülse:
venöser Suprarenininjektion von 0,2 ccm Sup. HCl Höchst 1:1000 um 6 h 30* und
7 h 47' stieg der Blutdruck um 8 bzw. um 10 mm Hg. Die Entnahme des
Arterienblutes erfolgte 8 Sekunden nach Beginn der Injektion, als ein leiohtes
Beklemmungsgefühl bei dem Pat. einsetzte und der Blutdruck um etwa 5 mm
gestiegen war. Das Venenblut wurde nach ca. 20 Sekunden entnommen.
Rana escul. Von ll h 30' ab mit D.-Fl. I durchströmt,
von 4 h 15' ab mit D.-Fl. II (Visc. = 1,65) durchströmt.
Zeit
i Injektion
Tropfenzahl 1 Änderung der
in 1 Min. Tropfenzahl in %
5 h
02'
0,5 ccm Sup. bas. 1:50 Millionen
! 20,6
5 h
03'
8.«
- 57,3
5 h
05'
Druck -f 2 cm
10,4
6 h
08'
0,5 ccm Arterienblut 1:2
21,4
6 h
09'
21,4
0
6 h
10'
21,4
6 h
30'
0,5 ccm Arterienblut 1:2 nach
21,4
6 h
31'
intraven. Inj. v. Sup. HCl (l.Teil)
9,5
— 55,6
6*
35'
14,3
6 h
40'
1 com Atropin 1:5000
19,4
6 h
42'
0,5 Arterienblut 1:2
19,4
6 h
43'
| (2. Teil)
19,4
0
6 h
45'
19,4
8 h
13'
10,5 ccm Sup. bas. 1:50 Millionen
19,4
8 h
14'
7,7
-60,3
8 h
25'
0,5 ccm Venenblut 1:2 nach in¬
18,8
S h
26'
traven. Inj. v. Sup. HCl
!
1
18,2 ,
-3
8 h
28'
18,2 ;
Tabelle XII. (Aus Protokoll 136.)
2. XII. 21. Pat. K., 18 Jahre alt, wegen akuter diffuser Glomerulonephritis
der Klinik überwiesen. Die Untersuchung des arteriellen Blutes auf gefä߬
verengernde Stoffe ergab am Tage nach der Aufnahme bei einem Blutdruck
von 162 zu 105 mm Hg ein völlig negatives Ergebnis. Blutdruckabfall unter
Calciumbehandlung. Am 14. XI. Blutdruck 122 mm Hg. Nach Injektion von
0,1 ccm Sup. HCl Höchst 1:1000 mit Ringerlösung auf 1 ccm aufgefüllt stieg
der Blutdruck nach 10 Sek. auf 140 mm Hg.
Rana escul. Von ll h 50' ab mit D.-Fl. I durchströmt,
von 5 h 20' ab mit D.-Fl. H (Visc. 1,8) durchströmt.
Zeit |
1
| Injektion
, i
Tropfenzahl
in 1 Min.
Änderung der
Tropfenzahl in %
6 h 35'
0,5 ccm Sup. bas. 1:10 8
21,4
6 h 36'
12,0
- 43,9
6" 40'
Druck p 2 cm
16,2
7 h 28'
0,5 Art.-Bl. 1:2 nach intraven.
20,6
7 h 29' !
Inj. v. Sup. HCl
9,7
-53
7 h 30'!
10,4 ;
7* 33' i
Druck -j- 3 cm
12,5
7 h 40';
1,0 Atropin 1:5000
18,8
7 h 42' |
0,5 Art.-Bl. 1:2
18,8
7 h 43' j
(2. Hälfte)
19,4
0
7 h 44'
19.4 |
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Zur Frage der Blutdruckßteigerung. II.
289
Die Grenze der Adrenalinkonzentration im arteriellen Blute, bei
welcher noch eine mit klinischen Methoden nachweisbare Blutdruck¬
steigerung eintritt, liegt bei etwa 1: 200 bis 1 :300 Millionen. Bei
hinreichend empfindlichen Präparaten läßt sich das Adrenalin im
arteriellen Blute auch noch bei wesentlich höheren Verdünnungen
nachweisen, obwohl im Blutdruck gar keine Änderung eintritt. So
fand sich z. B. in einem Versuch nach intravenöser Injektion von
“7 100 mg Suprarenin durch Injektion von Arterienblut, 1 : 2 verdünnt,
eine durch Atropin zu beseitigende Tropfenabnahme, die einer
Suprareninkonzentration von etwa 1 : 400 bis 500 Millionen ent¬
sprach *).
Das verschiedene Verhalten von arteriellem lind venösem Blute
kann nur, in Bestätigung der Ansicht von Elliot , so gedeutet werden,
daß das Adrenalin bei Ausübung seiner Wirkung, in den kleinen
Arterien und Capillaren aufgeb raucht wird.
Da bei intravenöser Einverleibung das Suprarenin die Lungen
durchströmen muß, ehe es in den großen Kreislauf gelangt, war nach
den im Abschnitt 6 geschilderten Ergebnissen zu erwarten, daß in
der Peripherie überhaupt nur noch ein Teil des zugeführten Supra-
renins in Wirksamkeit tritt. Wie früher hervorgehoben, ist diese
Zerstörung besonders für die Frage der physiologischen Adrenalin-
ämie von Wichtigkeit.
Rechnerisch aus der injizierten Adrenalinmenge und der Gesamt¬
blutmenge kann die Adrenalinkonzentration, die ohne Zerstörung im
Lungenkreislauf im peripheren Arterienblut vorhanden sein müßte,
nicht bestimmt werden. In der kurzen Zeit bis zum Eintritt der
Blutdrucksteigerung ist noch keine vollständige Vermischung mit der
gesamten Blutmenge eingetreten. Um die Verdünnungszahl festzu-
stellen, benutzte ich die von Griesbach 2 ) angegebene Methode der
Blutmengenbestimmung. Ich injizierte 5 ccm einer 1 proz. Kongorot¬
lösung intravenös und bestimmte colorimetrisch, in welcher Ver¬
dünnung das Kongorot in dem in genau entsprechender Zeit ent¬
nommenem Radiaiisblut vorhanden war, nachdem vorher der ent¬
sprechende Suprareninversuch ausgeführt worden war. Dabei wurde
auf genau gleich schnelle Injektion beider Lösungen, die auf das
gleiche Volumen aufgefüllt waren, geachtet. Aus der Verdünnung
des Kongorots konnte dann berechnet werden, in welcher Verdünnung
das einverleibte Suprarenin im Radiaiisblut vorhanden sein müßte,
wenn es noch in voller Menge vorhanden wäre. Dabei fand sich,
1 ) Bei Versuchen an Kaninchen ließ sich bei einer Suprareninkonzentration
von 1 :200 Millionen im arteriellen Blut eine eben merkbare Blutdrucksteigerung
in der Carotis regelmäßig erkennen.
-) Griesbach , W.: Dtsch. med. Wochenschr. 19*21, Nr. 43. S. 12S9.
Z. f. d. g. exp. Med. XXX. 19
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
290
W. Hülse:
daß es sich in dem einen Versuch nur noch zu etwa 1 2 , in dem
anderen zu etwas über */ 4 der ursprünglichen Menge am Frosch¬
präparat nachweisen ließ.
5. Besprechung der Ergebnisse und Schlußfolgerungen.
Durch diese Untersuchungen dürfte die Streitfrage, ob eine Hyper-
adrenalinämie die unmittelbare Ursache der krankhaften Blutdruckstei¬
gerungist,in vemeinendemSinneendgültigentschiedensein. Sowenigaus
dem negativen Ausfall der Untersuchungen am arteriellenBlut unter nor¬
malen Verhältnissen geschlossen werden kann, daß das Adrenalin für
den normalen Gefäßtonus ohne jede Bedeutung ist, so beweisend sind
die Untersuchungen bei Hypertonien dafür, daß es nicht allein eine
Hyperadrenalinämie sein kann, was die Blutdrucksteigerung ver¬
ursacht. Denn auch bei dem stärksten Grade der Hypertonie läßt
sich keine Adrenalinwirkung des arteriellen Blutes feststellen, wäh¬
rend auch schon bei ganz geringfügigen, durch Suprarenininjektionen
erzeugten künstlichen Steigerungen des Adrenalingehaltes, die nicht
einmal zu einer Blutdrucksteigerung führen müssen, ein solcher Nach¬
weis mit Leichtigkeit gelingt. Besonders lehrreich ist der in
Tabelle XII mitgeteilte Versuch: Bei einer akuten diffusen Glome¬
rulonephritis besaß das arterielle Blut zur Zeit des hohen Blut¬
druckes von 162 mm Hg keine gefäßverengernde Eigenschaft, wäh¬
rend nach Abfall des Blutdruckes zur Norm eine wesentlich niedrigere
künstlich erzeugte Suprareninblutdrucksteigerung bei demselben
Patienten mit einem hohen Adrenalingehalte des arteriellen Blutes
einherging.
Es ist nach diesen Uutersuchungen auch unwahrscheinlich, daß
die bei chron. Hypertonien gelegentlich vorhandene Erhöhung des
Blutzuckerspiegels durch eine Adrenalinvermehrung im Blute ver¬
ursacht ist. Die größte Wahrscheinlichkeit dürfte der von Fahr 1 )
gegebenen Erklärung beizumessen sein, daß es sich in diesen Fällen
um eine Pankreashyperglykämie, verursacht durch Sklerose der
Pankreasgefäße, handelt.
Da am Laewen-Trenielenburgsehen Froschpräparat die gesamte
periphere Gefäß Wirkung des Blutes gemessen wird, kann aus diesen
Untersuchungen des weiteren geschlossen werden, daß die Gefäß -
kontraktionen , die der Hypertonie zugrunde liegen , nicht auf eine ein¬
seitige Vermehrung der gefäßverengemden Bestandteile des Blutes zurück¬
zuführen ist .
Damit ist aber nicht ausgesagt, daß die Gefäßverengerung nicht
doch zutn großen Teile peripher ausgelö9t ist. Schon Senator 2 ) hat
J ) Fahr , Th.: Berl. klin. Wochenschr. 1921, Nr. 27, S. 730.
2 ) Senator , H.: Zeitschr. f. klin. Med. 72, 189. 1911.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
Zur Frage der Blufcdruckßteigerung. II.
291
darauf hingewiesen, daß durch den Ausfall antagonistischer Organe
die drucksteigernden auch ohne erhöhte Tätigkeit das Übergewicht
gewinnen können. Eine solche Leistungsschwache depressorisch
wirkender Organe muß auf den Gefäßtonus von demselben Einfluß
sein wie eine Funktionssteigerung der Organe mit pressorischer
Wirkung. Man wird allerdings annehmen können, daß eine solche
Verschiebung in dem Verhältnis der den Gefäßtonus regelnden Vor¬
gängen in gleicher Weise auch am Gefäßapparat des Frosches zum
Ausdruck kommen würde.
Es bleibt aber noch eine andere Möglichkeit offen, die eine peri¬
pher ausgelöste Tonussteigerung ohne entsprechende Zunahme gefä߬
verengernder Stoffe im Blute erklären kann. Die Versuche über die
Suprareninblutdrucksteigerung haben ergeben, daß normalerweise der
Schwellenwert des Adrenalinreizes, der eben noch eine Blutdruck¬
steigerung auslöst, ein relativ hoher ist. Es ist gezeigt worden, daß
unter normalen Bedingungen beträchtliche Suprareninmengen im
arteriellen Blute nachweisbar sein können, ohne daß sie sich im
geringsten in einer Erhöhung des Blutdruckes kenntlich machen.
Es ist denkbar, daß mit den Bedingungen der mit Blutdrucksteige-
rung verlaufenden Krankheiten eine Umstimmung des Organismus
einhergeht im Sinne gesteigerter Reizempfindlichkeit der Gefäße für
gefäßverengernde Einflüsse. Und so ließe sich wohl erklären, daß
ganz geringfügige, nicht mehr meßbare Erhöhungen, oder sogar die
normale Adrenalinkonzentration des Blutes ausreichen, eine dauernde
Steigerung des Vasotonus herbeizuführen. Bei diesen Überlegungen
ist damit zu rechnen, daß die Sensibilisierung sich nicht nur gegen
chemische Reize im allgemeinen und gegen den chemischen Reiz
des Adrenalins im besonderen richtet, sondern gegen die gesamten,
den Gefäßtonus aufrechterhaltenden Vorgänge; insbesondere gegen
die von den Zentren auf nervösem Wege zu strömenden Reize, die
wieder von den Gefäßen aus reflektorisch beeinflußt sein können.
Die in dieser Richtung unternommenen experimentellen Unter¬
suchungen werden Gegenstand einer besonderen Mitteilung sein.
6. Zusammenfassung.
1. Im von Gerinnung freien Citratblut konnten gefäßverengernde
Stoffe nicht nachgewiesen werden.
2. Von großer Bedeutung ist die Viscosität des Blutes. Erst bei
Blutverdünnungen von 1:10 werden bei vollkommener Vermischung
die Versuche durch die Blutviscosität nicht mehr gestört.
3. Da solch starke Verdünnungen den Adrenalinnachweis im
Blute wesentlich erschweren, wird eine viscöse Durchströmungs¬
flüssigkeit benutzt, die in ihrem Voiscositätsgrad einer Blutverdün-
19*
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
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29*2 W. Hülse: Zur Frage der Blutdrucksteigerung. II.
mmg von 1 :2 entspricht. Diese viscöse Durchströmungsflüssigkeit
verursacht eine Verstärkung der SuprareninWirkung infolge einer
Zunahme des Gefäßtonus und infolge rein physikalischer Einflüsse.
Die Präparate erreichen mit dieser Flüssigkeit eine mittlere Empfind¬
lichkeitsgrenze gegen Suprareninkonzentrationen von 1 : 500 bis 800
Millionen, oft von 1:1 Milliarde und darüber.
4. Atropin hebt in bestimmten Konzentrationen die Suprarenin-
wirkung vollständig auf, ohne die Serum Wirkung und den Einfluß
der Viscosität abzuschwächen. Es ist daher geeignet, die Adrenalin¬
natur einer gefäßverengernden Substanz zu erkennen.
5. Das frische menschliche VenenbltU verursacht keine Änderung
der Durchflußgeschwindigkeit am Laewen-Trendelenburg sehen Präparat.
Dem Venenblut zugesetztes Suprarenin kann noch nach 1 / a Stunde
in voller Konzentration nachgewiesen werden.
6. Auch das frische menschliche Arterienblut von Fällen mit nor¬
malem Blutdruck besitzt keine gefäßverengernden Eigenschaften. Die
gefäßverengemde Kraft des Arterienblutes ist geringer wie die einer
Suprareninverdünnung von 1 :1.5 Milliarden.
7. Das physiologische von den Nebennieren abgesonderte Adrenalin
läßt sich beim Kaninchen bis in das rechte Herz hinein verfolgen.
Im linken Herzen ist es nicht mehr nachzuweisen. Da das Adrenalin
im Lungenkreislauf nur zum Teil zerstört wird (siehe Nr. 10), muß
das periphere Arterienblut gleichfalls Adrenalin enthalten. Entgegen
der Ansicht von Gley wird daran festgehalten, daß dem Adrenalin
wichtige physiologische Aufgaben zukommen. Mit der biologischen
Methode kann die wahre Adrenalinkonzentration des Blutes kaum
bestimmt werden, da mit dieser Methode die Summe der vasomoto¬
rischen Eigenschaften des Blutes, die sich aus gefäßverengernden
und gefäßerweiternden Komponenten zusammensetzt, gemessen wird.
8. Auch bei den verschiedenen Formen von Hypertonien besitzt
das menschliche arterielle Blut keine meßbaren gefäßverengernden Eigen¬
schaften.
9. Bei künstlicher Blutdrucksteigerung durch Suprarenininjektion
läßt sich das Suprarenin im arteriellen Blute beim Menschen mit
Leichtigkeit nachw'eisen, selbst dann, wenn die Injektionsmenge so
gering ist, daß gar keine Blutdrucksteigerung auftritt. Die Reiz¬
schwelle für die Blutdrucksteigerung durch Suprarenin liegt normaler¬
weise bei Konzentrationen von 1 : 200 bis 300 Millionen im arteriellen
Blute. Im peripheren Venenblut läßt sich bei diesen Versuchen kein
Suprarenin nach weisen.
10. Bei intravenöser Einverleibung wird das Suprarenin etwa zur
Hälfte in der Lunge zerstört, ehr es in den großen Kreislauf gelangt.
Gck igle
_ _ Original ffom _
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Die Albuminurie als Zeichen vermehrten Eiweill-
zerfalles bei geschädigter Nierenfunktion.
Von
V. Kollert und W. Starlinger.
(Aus der II. med. Univ.-Klinik in Wien [Vorstand: Hofrat Prof. Dr. X. Ort n er].)
(Eingegangen am 21. Juli 22.)
I. Einleitung.
Die vorliegende Abhandlung stellt einen Versuch dar, aus den
regelmäßigen Beziehungen, die sich zwischen den Eiweißkörpern des
Blutes einerseits und der chemischen Zusammensetzung des Harnes
andererseits beim Normalen finden lassen, die Gesetze zu verstehen,
welche die Eiweißausscheidung bei Nierenkranken beherrschen. Es
werden zu diesem Behufe die Begriffe eines Bluteiweißbildes und
Harneiweißbildes aufgestellt und zunächst an Nierengesunden das
Verhalten derselben besprochen. An einem Beispiel aus der Patho¬
logie wird hierauf gezoigt, daß ein Wechsel in dem Aufbau des
Bluteiweißbildes auch mit einer Schwankung in der Zusammensetzung
des Harnes einhergeht. Die Veränderungen, welche bei Nieren¬
kranken die Eiweißdurchlägsigkeit der Niere an beiden Bildern hervor¬
ruft, erweisen sich dann als Spezialfälle gewisser allgemeingültiger
Gesetze.
Als Bluteiweißbild wird die Nebeneinanderstellung folgender, gleich¬
zeitig erhobener Werte bezeichnet: Fibrinogengehalt des Plasmas.
Eiweißgehalt des Serums, Verhältnis der Serumglobuline zu den
Serumalbuminen, Reststickstoff.
Als Hameiweißbild wird bezeichnet: Menge des eventuell aus¬
geschiedenen Eiweißes, Harnstofffraktion.
Auf die verwendeten Methoden und ihre Kritik soll im einzelnen
in einer späteren Abhandlung eingegangen werden. Im Hinblick
auf den uns zur Verfügung stehenden Raum wollen wir sie hier
nur dem Namen nach anführen. Die Fibrinogenbestimmungen wurden
größtenteils refraktometrisch ( Wintemitz) ausgeführt; Senkungsge¬
schwindigkeit der Erythrocyten (W. Starlinger) und der Ausfall der
Fibrinogenflockung (W. Starlinger) dienten als Kontrolle. Der Eiwei߬
gehalt des Serums wurde refraktometrisch gemessen (Reiß)] die Be-
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291 V. Kollert und W. Starlinger: Die Albuminurie als Zeichen
wertung des Eiweißquotienten erfolgte im Anschlüsse an die von
Bohrer ausgearbeiteten Grundsätze. Der Reststickstoff im Serum
wurde nach Pregl bestimmt. Den Eiweißgehalt des Harnes berechneten
wir nach Kjeldahl (Eiweißfällung durch Kochen nach entsprechendem
NaCl- und CH.,CooH-Zueatz). Für die Harnstofffraktion wurde das
Hypobromitverfahren mit der Apparatur von Ambard benutzt.
Als Arbeitshypothese, die auch den von uns gewählten Aufbau
des Blut- und Harneiweißbildes erklärt, wird in den folgenden Aus¬
führungen eine Theorie von Herzfeld und Klinger verwendet. Nach
ihr entstehen beim Zerfalle von Zellen zunächst grobdisperse Eiwei߬
teilchen, welche die physikalisch-chemischen Eigenschaften des Fibri¬
nogens aufweisen. Mit weiterer Ausspaltung dieser Teilchen erlangen
sie die Eigenschaften der Globuline, endlich der Albumine. Auf die
Details dieser Theorie und ihre kritischen Grenzen können wir hier
gleichfalls nicht eingehen; wir wollen uns mit ihr bei einer anderen
Gelegenheit auseinandersetzen, da zum Eindringen in das Problem
eine Erörterung zahlreicher Fragen nötig ist. — Daß der Harnstoff
das quantitativ wichtigste Endprodukt des Eiweißstoffwechsels ist,
steht heute (wenigstens bezüglich des Menschen) außer jeder Diskussion.
Zum Verständnis der im folgenden abgeleiteten Gesetze sollen
zunächst vier Typen von Blut- bzw. Harneiweißbildem in dem bereits
angeführten Sinne aufgestellt werden: der Gesunde, der an Pneu-
monia crouposa Erkrankte, der Nephrotiker und der Urämiker.
Dabei werden, ohne auf Einzelheiten einzugehen, zur Stütze der
eigenen Befunde in Schlagworten die entsprechenden Literaturan¬
gaben gleichfalls zusammengestellt. Mit Hilfe dieser Bilder wird im
Folgenden der Versuch gemacht in die Gesetze der Albuminurien
einzudringen.
Wir möchten dabei von vornherein betonen, daß infolge der
fließenden Übergänge zwischen den einzelnen Eiweißfraktionen einer¬
seits — so stellt z. B. unseres Erachtens der Begriff Globuline
weniger eine chemisch, als eine physikalisch-chemisch definierbare
Gruppe von Eiweißkörpern dar — der oft anfechtbaren Technik
vieler Autoren andererseits, die in der Literaturübersicht zusammen¬
gestellten Zahlen über die Mengen der einzelnen Eiweißkörper vielfach
nicht als absolute, sondern nur als relative Werte angesehen werden
dürfen. Es läßt sich — wie in folgendem ausführlich gezeigt werden
w ird — demnach bei bestimmten pathologischen Prozessen eine in
einer gewissen Richtung erfolgende gesetzmäßige Verschiebung der
einzelnen Eiweißfraktionen untereinander erkennen; andererseits wird
man über ihr Maß im Einzelfalle sich nur vorsichtig äußern. Dabei
erscheinen uns die Zahlen über das Fibrinogen verläßlicher, als jene
über das Verhältnis der Globuline und Albumine zueinander.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
vermehrten Eiweißzerfalles bei geschädigter Nierenfunktion. 295
II. Blut- und Harneiweißbilder.
1. Der Gesunde.
< harakterisfcica des normalen Bluteiweißbildes:
a) Fibrinogengehalt des Plasmas: 0,13—0,30 g °/ 0 (Mittelwert
des Fibringehaltes: 0,27 g °/ 0 ).
b) Eiweißgehalt des Serums: 7—9 °/ 0 .
c) Globuline sind stets weniger reichlich vorhanden als Albu¬
mine. Das Verhältnis schwankt anscheinend zwischen
20^-40:80—60.
d) Reststickstoff: Mittelwert 27 mg °/ 0 im Blute (Feigl). Eigene
Befunde: im Serum bis 50mg° 0 .
Charakteristica des normalen Harneiweißbildes:
a) In Harnen von niedrigem spez. Gewicht kein Eiweiß, in
hochgestellten Harnen Spuren ( Mömer ).
b) Bei gemischter Kost scheidet der Mann etwa 30 g Harn¬
stoff in 24 Stunden aus (Hammarsten).
Tabelle I (Gesunde).
Blut
Harn
Fibrinogen
Gesamt*
*r.
Kefrak-
j
Eiweiß
+
U-Aus-
tometer
S.M.W. j
Flok-
de«
Gl. : Alb.
H. X.
Eiweiß
i:-Fraktion
scheidung
Wert
kung
Serums
in S1 Stund.
K°/o
Minuten
ff %
mg °/o
ff 0 /«
ff
1
0,13
294 ;
+
1 7,83
10:90 1
50
H 1
1,08
! 15
•>
0,24
415
! 8,17
5:95 ;
40
0
1,44
23
3
0,11
295
—
; 7,46
i 30:70 :
36
0
2,29
s 20,7
4
: 0,20
780
-f
. 8,19
15:85 i
28
B
2,58
! 25,8
5
l 0,15
510 j
-4-
I 8,37
15:85 1
50
B
2,89
23.2
Literatur übersieht. Bluteiweißbild.
a) Fibrinogen:
Dienst: 0,27—0,47 g ° /0 , Mittelwert 0,336. Das Fibrinogen beträgt 4,7 ° ;o
des Gesamtei weißes des Plasmas. Erben: 0,323 g °/ 0 (Mann). Frisch: 0,13 bis
0,30 g %. Krösing: Fibrinogen N = 80—40 mg °/ 0 . Landberg: (Frau) 0,31 bis
0,445 g °/ 0 , Mittelwert 0,377 g °/ 0 . Lewinski: (Mann) 0,36—0,48 g %, (Frau) 0,27
bis 0,35. Nägeli: 0,9—3,8 Pulfricheinheiten. Mittelwert 2,1 Pulfricheinheiten
0,45 g % Eiweiß. Pfeiffer: (Mann) 0,38 g %. Whipple: 0,3—0,6 g %. Wintemitz:
0,21—0,57 g %, Mittelwert 0,456. Wu (1 Fall): 0,222. — Unsere Werte betragen
nach der Methode von Winternitz: (Mann) 0,13—0,25 g %, (Weib) 0,16—0,30 g%.
Nach dem Senkungsmittelwert: 300 Min. Mann, 200 Weib. Die Flockung
eines normalen Plasmas wird mit ± bezeichnet.
b) Fibrin:
Gram: Mann: 0,20—0,30 g %, Mittelwert 0,27 g %; Frau: 0,21—0,38 g %,
Mittelwert 0,29 g %. Lewinski: 0,21 g %. Nasse: 0,20—0,28 g %. Pfeiffer:
0,2324 g%.
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296 V. Kollert und W. Stärlingen Die Albuminurie als Zeichen
c) Serumeiweiß:
Alder: 8,02% (Mittelwert). Dienst: 6,56—7,914 g %, Mittelwert 7,17 g%
(normale Frau). Hammarsten: 7,62 g % (Mittelwert). Kisch: 6,5—8,5 g %.
Landoi8-Ro8emann: 7—8 g % im Plasma. Landberg: 6,78—7,22 g % Mittel-
7,01 (Frau). Lewinski: 7,26 g % im Plasma (Mittel). Nägeli: 7,0--9,l g %.
Reiß: 7 — 9 g %. FeiZ: 6,23—7,33 g % ^morgens im Bett). Wu: 6,50—7,54 g %,
Mittel 6,94. Zangemeister: 8,45 g % (Frau).
d) Globuline zu Albuminen:
Alder: 20—35:65—80. Dienst: 2,94:4,61. Halliburton: 3,1 : 4,5. Ham¬
marsten: 1:1,1511. Hoffmann: 28:72—35:65. Joachim: 30:70—47:53.
Lewinski: 1 :1,39—2,13. Mya und Vizeglio: 2,43 : 5,72. Nägeli: von 20 : 80 bis
40 : 60. Bohrer: 22 : 78-46 : 54. Wu: 2,09 : 4,85 (Mittel).
e) Rest Stickstoff:
Bang: 19—39 mg % im Blute. Feigl: 20—35 mg %. Folin: 28—30 mg %.
Zahlen vor Folin nach Feigl unzuverlässig. Nach Feigl sind in der Norm
etwa 50 % des Reststickstoffs durch Harnstoflfstickstoff eingenommen.
f) Harnstofffraktion:
Feigl 1 ): 21,0—34,2 mg % (N —-10—16 mg % im Blute) Mittelwert 27,8 mg %
(N = 13,0 mg %).
Bemerkung: Die ausgeführten Werte gelten für den Erwachsenen, der bei
gemischter Kost nicht schwer arbeitet. Schon unter physiologischen Ver¬
hältnissen bestehen unter Umständen große Schwankungen. So beträgt z. B.
der Eiweißgehalt des Serums beim Neugeborenen nur etwas über 5 % {Zange¬
meister , Nägeli). In der Gravidität steigt das Fibrinogen, es sinkt der Eiwei߬
gehalt, die Globuline sind reichlicher vorhanden (Literatur bei Dienst). Im
Senium steigt der R. N. (Literatur bei Feigl).
2* Pneumonia crouposa,
Charakteristica des Bluteiweißbildes:
a) Fibrinogen- bzw. Fibringehalt erhöht.
b) Eiweißgehalt des Serums sinkt in schweren Fällen.
c) Das Verhältnis Globuline zu Albuminen ist zugunsten der
ersteren verschoben.
d) Reststickstoff kann normal sein, ist bei Fällen mit starker
Intoxikation oft erhöht.
Charakteristica des Harneiweißbildes:
a) Febrile Albuminurie in vielen Fällen (Stortz 43 °/ 0 ); Rosen¬
stein 23 °/ 0 ); sie geht nicht mit der Höhe des Fiebers,
sondern mit der Intoxikation parallel ( H . Strauß ).
b) Vermehrte Hamstoffausscheidung, die mit der Schwere der
Infektion parallel geht (F. Wagner). Die epikritische Harn¬
stoffausschwemmung kann sich anscheinend bis über das
5 fache der Norm steigern (Pribram und Robitschek: 168 g
in 24 Stunden)
+ +
l ) Berechnet nach UN zu U — 28 .* 60. Es ist demnach der gesamte N der
Fraktion auf Harnstoff bezogen.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
297
vermehrten Eiweißzerfalles bei geschädigter Nierenfunktion.
Tabelle II [Pneumonie] 1 ).
Nr.
! Fibrinogen
j Refrak-1
tometer SM w
Flok-
Blut
Gesamt-
EiweiU j
des
Gl. : Alb.
1
R. N.
Eiweiü
Harn
-r
U-Fraktion
+
LJ-Aua-
scheidung
Wert .
R °/o Minuten
kting
Serums
«°/o
; mg o/o
ff °/o
in 24 Stund.
ff
1
0,45
15
4 -f
! 8,30
70:30
_
Spur
! 1,36
6,8
2 ;
0,79
13
4 -f
7,14
50 : 50
—
Spur
1,69
15.2
3
0,62
13
5 -f
4,96
60:40
96
Spur
1 ,56
14
Literatur über nicht. Blutei weißbild.
a) Fibrinogen:
Vermehrung erwähnen Nägeli , Landois-Rosemann. Krösing fand in einem Falle
117,6 mg % Fibrinogen N im Plasma. Reye fand Erhöhung bei experim. Pneum.
b) Fibrin:
Vermehrung beschreiben Andral und Öavarret , Berggrün , de la Camp , Gram f
Halliburton , Lakschewitz , Langstein und Mayer , Nägeli , Pfeiffer.
c) Serumeiweiß:
Nach Achardy Touraine und *$7. Qirous deutliches Sinken bis zur Ent¬
fieberung. Zu dieser Zeit tiefster Stand. Nun rascher Anstieg auf übernormale
Werte. Ähnlich Reiß. In leichten Fällen nur geringe Eiweißverminderung.
Landois-Rosemann erwähnen Ei weiß Vermehrung bei fast allen Infektionen,
nach Nägeli dagegen sinkt bei Infektionen der Eiweißwert.
d) Globuline zu Albuminen:
Halliburton , Langstein und Mayer , Mya und Vizelio, Reye fanden eine Ver¬
schiebung zugunsten der Globuline. Müller bestreitet die Gesetzmässigkeit
des Befundes.
e) R. N.:
Cohn: 7 Fälle 35 mg %, 14 Fälle 45 mg %, 34 Fälle über 45 mg ° 0 .
f) Harnstoff-Fraktion:
Erhöhung in vielen Fällen (aber nicht konstant) fanden: Falta f Jaksch y
Michaudj Nobecourt , Meillet und Bidaut , Wagner. Nach diesem Autor sinkt
der Harnstoffgehalt rapid nach der Krise.
Harneiweißbild.
a) Albumen:
Nach de la Camp meist geringe Albuminurie, die nach Cohn nicht parallel
der R.-N.-Erhöhung geht. Wagntr betont, daß sie mit gleichzeitiger sehr
starker Harnstoifausscheidung einhergeht.
b) Harnstoff-Fraktion:
Epikritische vermehrte Harnstoffausschwemmung: Aufrecht , de la Camp 9
Huppert , Pribram und Robitschek , Naunyn: 1. Fall: am 10. Fiebertag
+ +
10,7 U ausgesch., 11. Fiebertag (Temperatur beginnt zu sinken) 45,4 U, 12. Tag
+
(weiterer Temperaturrückgang) 91,9 g U. 2. Fall: 12. Tag (Beginn des Fieber-
4 - +
abfalles) *54,5 g U, 14. Tag (normale Temp) 90,4 g U. Nach Wagner geht in
l ) Die Fälle sind auf der Höhe des Fiebers untersucht, weshalb die erst
zur Zeit der Krise auftretende Harnstoffausscheidung in der Tabelle fehlt.
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298 V. Kollert und W. Starlinger: Die Albuminurie als Zeichen
der Fieberperiode die Hamstoffausscheidung parallel mit der Hamstoffver-
mehrung im Blute. Nach Richter überdauert der vermehrte Eiweißzerfall und
mit ihm die vermehrte N-Ausscheidung die Krise.
Bemerkung: Die angeführten Regeln des Blut- und Hameiweißbildes gelten
nicht für die Fälle mit weitgehender Schädigung der Leber. Bei ihnen ist
der Fibrinogengehalt des Plasmas gegenüber den Fällen ohne Leberschädigung
stark herabgesetzt. Die eigenen Fälle sind auf der Höhe des Fiebers untersucht,
weshalb die Hamstolfausschwemmung noch nicht zutage tritt.
8. Nephrose.
Charakteristica des Bluteiweißbildes:
a) Fibrinogen bis zum 5 fachen des normalen Mittelwertes
vermehrt.
b) Serumeiweiß: mindestens in den späteren Stadien der
Krankheit vermindert („Hydrämie“).
c) das Verhältnis Globuline zu Albuminen ist zugunsten der
ersteren verschoben.
d) Reststickstoff normal, nur bei stärkerer Oligurie bzw. Anurie
Erhöhung.
Charakteristica des Hameiweißbildes:
a) Albuminurien von dem höchsten bekannten Ausmaß. Die
Menge des Hamei weißes kann gelegentlich jene des Serum¬
eiweißes übertreffen (Volhard).
b) Harnstoffausscheidung über die Norm gesteigert.
Beispiel:
V.: Chron. Nephrose bei kavernöser Lungenphthise. 1. Bef. 1. XII. 21:
Blutfibrinogen 0,8 g %, Serumeiweiß 6,38 g %, Eßbach Ham 5 °/ 00 .
14. XII. 21: Blut Fgen. 0,67 g %, Serumeiweiß 6,47 g %, Hamei weiß
(Kjeldahl) 2,16 g %.
6. I. 22 1 ): 8 h vm. Blut Fgen. 0,95 g%, Serumeiweiß 5,82 g %, Hameiweiß
0,74 g %. 12 h vm. Fg. 1,0 g %, Serumeiweiß 6,85 g %, Hameiw. 3,06 g %.
4. II. 22: Blut Fgen. 0,88 g %, Serumeiweiß 5,61 g %. R,N. 61 mg %,
Ham: Eiweiß 1,27 g %, U 1,59 g %.
18. V. 22: Blut Fgen. 1,19 g %, Serumeiweiß 6,10 g %, Globulin: Albumin
=r= 80 : 20, RN. 44 mg %, Ham: Eiweiß 1,785 g %, Harnstoff 2,106 g %, NH,
0,105 g %, Chloride 1,1 g% (Tageshammenge unbekannt).
Literatur über sicht. Bluteiweißbild.
a) Fibrinogen:
Vermehrt: Kollert , Kollert und Starlinger: 1,0, 0,98, 0,63, 0,89, 0,83, 0,79 g %
im Plasma. Dienst glaubt, daß vielleicht die Fibrinogen Vermehrung aus der
„Schwangerschaftsniere“ die „Schwangerschaftsnephritis“ mache. Er fand bei
letzterer 0,443—0,88 (als Mittel 0,623 g %) Fibrinogen. Dieses machte 11,85 %
des Gesamteiweißee aus.
*) Die Versuche vom 6. I. 22 sind bereits in der vorläufigen Mitteilung
enthalten.
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vermehrten Eiweißzerfalleg bei geschädigter Nierenfunktion.
299
b) Fibrin:
Bei „parenchymatöser Nephritis“ vermehrt: Bequerel und Rotier, Erben,
Papp, Schmidt.
c) Serumeiweiß:
Verminderung des Trockenrückstandes fanden: Bequerel und Rodier, Erben,
Popp, Schmidt. — Bartels, Munk betonen, daß Hypalbumose nicht der Ausdruck
einer Hydrämie sei. Nach Askanazy hängen die stärksten Hydrämien mit
den stärksten Albuminurien zusammen. Nach Volhard zuerst (auch bei stärksten
Ödemen) erhöhte Konzentration des Blutes, dann zunehmende Hypalbumose,
die auf die langdauemden Verluste an nativem Eiweiß zurückzuführen ist.
Ähnlich Nonnenbruch. Dienst bei Schwangerschaftsnephrose 4,828-6,34 g%
Eiweiß, Mittelwert 5,25 g %. Kollert und Starlinger: 5,8, 4,79, 5,01, 5,25, 4,5
6,7 g %. Kisch: 5,9, 4,8, 5,2 g %.
d) Globuline zu Albuminen:
Globulinvermehrung Erben (parench. Nephr.). Ebstein, Munk (Nephrose).
Nach diesem Autor ist auch das Verhältnis Euglobuline: Pseudoglobulinen
zugunsten der ersteren verschoben. Volhard fand gelegentlich Viscositäts-
steigerung im Serum. (Nach Nägeli ist gleich Globulin Vermehrung.) Dienst:
(eine Schwangerschaftsnephrose) Globulin : Albumin = 1,32 : 3,41.
e) Reststickstoff:
Lichtwitz: normal oder nur wenig erhöht. Volhard: nie stark erhöht.
80 mg % schon selten. 100 mg % nur ante mortem oder bei Anurie (Sublimat¬
nephrose!). Dienst (Schwangerschaftsnephrose): 23—71 mg %.
Hameiweißbild:
a) Albumen:
Bartels fand tägl. Eiweißverluste von 15—17 g. Karvonen erwähnt einen
Fall („syphilitische Nephritis“) mit 110 g tägl. Eiweißausscheidung. Volhard
sah Albuminurien bis 50 %<,, ebenso F. Müller. Die Verteilung Globuline zu
Albuminen im Blut und Harn ist verschieden {Hoffmann. Groß), noch relativ
am meisten Globuline bei Amyloidose (Edlefsen, Senator). Sowohl Globuline
wie Albumine des Harnes stammen nach Erben aus dem Blute (Präcipitations-
methode). Auch starke Albuminurien gehen ohne Retention von Harnstoff im
Blute einher {Bang).
b) Hamstofffraktion:
Nach Volhard ist die prozentuelle N-Ausscheidung auffällig über die Norm
gesteigert. Der N-Gehait des Harnes kann (nach Ausfällung des Eiweißes!)
bis 3 % steigen. F. Müller betont, daß die Fähigkeit der Niere einen stickstoff-
reichen Harn zu bereiten intakt sei.
4* Urämie«
(Nephritis chronica tertii stadii ohne nephrotischen Einschlag. Chronische
stille Urämie.)
Charakteristica des Bluteiweißbildes:
a) FibrinogengehaU: Wenig untersucht. Wahrscheinlich normal
oder nur mäßig erhöht.
b) Eiweißgehalt des Serums: normal.
c) Verhältnis der Globuline zu den Albuminen entweder im Sinne
der Verminderung verschoben oder annähernd normal.
d) Reststickstoff stark erhöht.
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:t()0 V. Kollert und W. Stariinger: Die Albuminurie als Zeichen
Oharakfcerisfcica des Harneiweißbildes:
a) Albuminurie nur gering.
b) Hamstoffausscheidung gestört.
Eigene Befunde konnten aus Mangel an reinen Fällen nicht
erhoben werden.
L Heratu rüber sicht. Bluteiweißb ild.
a) Fibrinogen:
Krösing sah bei einem Urämiefall einer postacarlatinösen Nephritis 53,4 mg 0 o
Fibrinegen N. Th. Pfeiffer fand bei Urämie normale Fibrinwerte (Gerinnungs¬
fähigkeit des Blutes verzögert! Volhard).
b) Eiweißgehalt des Serums:
Kisch (1 Fall) 0,9 g %. Reiss normal, leichte Verminderung anscheine nd
in Fällen mit etwas erheblicherer Albuminurie.
c) Das Verhältnis Albumine zu Globulinen annähernd normal [Erlen,
Csatdry ). Lange fand eine hochgradige (scheinbare?) Verminderung der Globu¬
line zugunsten der Albumine.
d) Reststickstoff nach Fcigl bis 600 mg °/o * m Pl&ema. Bis 90 °/ 0 des R.-X.
kann durch Harnstoff gebildet werden. Nach Strauß sind bei Urämie R.-X.-
Werte über 1*20 mg °/ 0 . Nach Marshall und Davis kommen Harnstoffwerte bis
700 mg °/ 0 vor.
Harneiweißbild.
a) Eiweiß nur in geringen Mengen. Es fehlt manchmal in dem nach der
Nachtruhe entleerten Urin ganz, während es im Tagesharn auftritt und nach
Muskelarbeit und Aufregungen sich verstärkt (P. F . Richter).
b) Harnstoff-Fraktion. Urämie kann bereits auftreten, wenn auch die
Harnst off konzentration bis 1 °/ 0 betragen hat. Auf N-Zulage verzögerte Aus¬
scheidung (Volhard). Ähnliches Richter u. a.
III. Vergleichende Besprechung der aufgestellten Bilder.
Wenn unsere aus der Literatur geschöpfte Anschauung richtig
ist, daß beim Zerfalle von Körpereiweiß Teilchen entstehen, die
zuerst großenteils die physikalisch-chemischen Eigenschaften des
Fibrinogens, dann die der Globuline, endlich die der Albumine be¬
kommen und fechließlich vorwiegend in Harnstoff umgewandelt werden,
so liefert die gleichzeitige Betrachtung der genannten vier Abbau¬
stufen gewissermaßen einen Querschnitt durch diesen Prozeß. Es
bleibt dabei ganz außerhalb des Rahmens der Besprechung, wo im
Körper der vermutete Eiweißabbau statthat. Es kommt diesbezüglich
das Blut — was wenig wahrscheinlich ist — und die Gewebsflüssig¬
keit — was uns wahrscheinlicher dünkt — in Betracht. Das Blut
ist dann, großenteils wenigstens, nur ein Bild für die in den Ge¬
weben sich abspielenden Vorgänge. Wir werden später auf die ersten
Schritte hinweisen, den bereits geschilderten Bildern noch ein r Ge-
webseiweißbild* anzureihen, um auch von dieser Seite her einen
näheren Einblick in den Eiweißabbau zu erlangen.
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vermehrten Eiweißzerfalles hei geschädigter Nierenfunktion.
301
An und für sich gibt die gleichzeitige Betrachtung der genannten
Eiweißfraktionen noch keine klare Einsicht in die Stärke der Eiweiß-
mauserung. Es liegen dabei ähnliche Verhältnisse vor, wie sie
Eppinger für die Blutmauserung dargelegt hat: eine morphologische
Betrachtung des Erythrocytenbildes allein gibt noch keinen Hinweis
auf die Intensität des Zellunterganges. Vergleicht man aber die
Stärke der Ausscheidung der Derivate des Blutfarbstoffes im Harn
und Stuhl mit dem jeweiligen morphologischen Blutbilde, so kommt
man zu einer tieferen Einsicht -4n die Raschheit des Zerfalles der
roten Blutzellen.
In ähnlicher Weise glauben wir auf einen gegen die Norm be¬
schleunigten Abbau von Körpereiweiß schließen zu dürfen, wenn wir
bei einem Menschen vermehrtes Fibrinogen im Blute und vermehrte
Harnstoffausscheidung im Harne antreffen. Der erste Befund sagt
nach unserer oben entwickelten Anschauung, daß mehr lebendes
Protoplasma in grobe Eiweißbruchstücke zerfällt und daß diese teil¬
weise in die Blutbahn ausgeschwemmt werden. Die vermehrte Harn¬
stoffausscheidung weist dann darauf hin, daß auch mehr derartige
Bruchstücke des Zellprotoplasmas in ihre letzten Abbaustufen ge¬
spalten werden, ganz gleichgültig, auf welchem chemischen Wege die
Bildung dieser Endprodukte erfolgt Es braucht dabei wohl kaum
betont zu werden, daß die Harnstoffausscheidung im Harne eine
sehr komplexe Größe ist, die sich zusammensetzt aus der Menge
der Eiweißzufuhr durch die Nahrung, aus der Größe des Eiwei߬
zerfalles im Körper, aus der Retention von Harnstoff in den Ge¬
weben oder der Ausschwemmung aus ihnen, aus der Fähigkeit der
Niere Harnstoff auszuscheiden und anderem. Auch ist die Bedeu¬
tung der Konzentration des Harnstoffes in einer Einzelportion und
die in 24 Stunden ausgeschiedene Menge wohl auseinanderzuhalten.
Die genannten Charakteristica, nämlich gegen die Form vermehrter
Fibrinogengehalt des Plasmas und gesteigerte Hamstoffausscheidung im
Urin finden wir bei zweien der von uns aufgestellten Bilder: bei
der Pneumonie und bei der Nephrose. Tatsächlich ergeben sowohl
die Stoffwechselversuche 1 ), die N-Ein-und Ausfuhr bestimmen, als auch
die klinische Erfahrung, die sehr oft eine exzessive Abmagerung der
Kranken im Verlaufe der genannten Prozesse feststellt, daß während
ihres Bestandes ein gesteigerter Zerfall von Körpereiweiß erfolgt.
In der Literatur ist seit Vogel (1854) bekannt, daß bei Pneumonien
häufig mehr Eiweiß zugrunde geht als im Hungerzustande.
Das Bluteiweißbild bei Pneumonie und Nephrose hat noch ein
zweites charakteristisches Merkmal: die Vermehrung der Globuline im
1 ) Siehe bezüglich der „parenchymatösen Nephritiden“ bei Askoli: Ver¬
lesungen über Urämie, Tabelle 1.
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302 V. Kollert und W. Starlinger: Die Albuminurie als Zeichen
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Verhältnis zu den Albuminen . Sie ist nach verschiedenen Methoden
von so zahlreichen Autoren festgestellt worden, daß an ihrem Vor¬
handensein kein Zweifel bestehen kann. Auch in unseren Beobach¬
tungen ist der Unterschied deutlich. So wurden z. B. beim zweiten
normalen Fall 5°/ 0 , bei der ersten Pneumonie aber 70°/ 0 , der Ne¬
phrose 80°/ 0 Globuline gefunden, über ihr Ausmaß im Einzelfalle
muß man. wie bereits erwähnt, sich allerdings im Hinblick auf die
Unsicherheit der Methodik sehr zurückhaltend äußern. Für die uns
hier beschäftigenden Grundfragen sind diesbezügliche absolute Zahlen
jedoch wenig bedeutungsvoll.
Da die Globulinteilchen — nach den physikalischen Eigenschaften,
die sie besitzen, beurteilt — im Blut zu größerer* Komplexen ver¬
einigt zu sein scheinen als die Albumine, verleihen sie, falls sie ver¬
meint auftreten, dem Serum eine erhöhte Viscosität. So erklärt
sich dieser von Volhard mehrfach bei Nephrosen erhobene Befund.
Dabei muß man noch bedenken, daß bei dieser Krankheit häufig
der Eiweißgehalt des Serums vermindert ist und daß dieses Sinken
eine Herabsetzung der inneren Reibung bedingt (vgl. die Tabellen
von Nägeli). Wenn trotz der Verminderung des Eiweißes ein solches
Serum sogar eine erhöhte Viscosität aufweist, darf daher angenommen
werden, daß zu dieser Zeit die relative Zunahme der Globuline eine
sehr beträchtliche ist.
Allgemein ausgedrückt, finden wir demnach im Blutplasma bei
Pneumonie und Nephrose eine Verschiebung der einzelnen Dispersitäts¬
phasen des Eiweißes in dem Sinne , daß die großen Teilchen im Ver¬
hältnis zu den fein verteilten gegenüber der Norm bedeutend reichlicher
vorhanden sind .
Nach dieser Feststellung genügt es nicht mehr, falls wir in einem
Plasma eine vermehrte Eiweißmenge vorfinden, ähnlich wie dies
Volhard für das erste Stadium der Nephrose angibt, einfach von
einer Eindickung der Blutflüssigkeit (hinsichtlich des Verhältnisses
Eiweißkörper zu Wasser) zu sprechen, sondern wir müssen uns von
nun ab stets fragen, ob ein solcher Befund auf einer gleichmäßigen
Zunahme aller genannten Eiweißkörper zurückzuführen ist, oder etwa
durch das Vordrängen einer Fraktion entsteht. Im ersten Falle kann es
sich um ein Abströmen von Wasser, um eine echte Eindickung handeln,
im zweiten Falle ist die Eiweißzunahme der Ausdruck einer Veränderung
im Eiweißstoffwechsel. Häufig treten Verschiebungen des Wasserrgehaltes
und Veränderungen des Eiweißstoffwechsels nebeneinander auf und
bedingen, da sie nicht stets im gleichen Sinne und derselben Stärke
erfolgen, mannigfache Variationen im Aufbau des Bluteiweißbildes.
Trotzdem einzelne der hier zusammengestellten Befunde wieder¬
holt von sehr verschiedenen Autoren erhoben wurden, hat die eben
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vermehrten Eiweißzerfalles bei geschädigter Nierenfunktion. 303
dargelegte Verschiebung der Dispersitätsphasen in der Literatur un¬
seres Wissens keine systematische Bearbeitung erfahren. Nägeli , der
die Verhältnisse bei den verschiedensten Krankheiten studiert hat,
hat sich bisher auf ihre Registrierung beschränkt. Munk kam für
die Nephrose zur Ansicht, daß es sich bei dieser Krankheit um eine
pathologische Veränderung der dispersen Phase des Serums handle,
dedingt durch eine Quellung der Kolloide.
Ein eingehenderes Verständnis der verschiedenen Eiweißblutbilder
ist aber erst möglich, wenn wir gleichzeitig die Verhältnisse der
Ausscheidung der Endprodukte des Eiweißstoffwechsels im Harn be¬
trachten. Viel Mühe ist schon auf das Studium der Gesetze der Be¬
ziehungen zwischen Blut und Ham angewandt worden, seit man er¬
kannt hat, daß ihre Zusammensetzung sich gegenseitig beeinflusse.
Von unserem Standpunkte aus müssen wir erklären, daß die Mehr¬
zahl der angestellten Untersuchungen, auch wenn sie nach den je¬
weils besten Methoden und mit allen Kautelen durchgeführt worden
waren, meist schon dadurch zu weitgehender Fruchtlosigkeit in der
Auswirkung der Ergebnisse verurteilt waren, daß die Fragestellungen
durchweg zu eng gefaßt waren, da die Autoren nicht eine große
Zahl von Eiweißabbaustufen gleichzeitig berücksichtigten, sondern
bereits Korrelationen zwischen einzelnen suchten. Nach dem heutigen
Stand der Eiweißchemie ist es auch heute noch vollkommen un¬
möglich, die Reihen der Abbaustufen des Eiweißes exakt in ihre
Einzelindividuen zu zerlegen und deren Mengen zu bestimmen. Die
Benützung der physikalisch-chemischen Eigenschaften einzelner Grup¬
pen scheint uns aber einen vorläufigen Weg zu geben, diese Schwierig¬
keit etwas zu umgehen und wenigstens die gröbsten Abweichungen
von der Norm zu erkennen. Es sei gestattet, für dio oben erwähnte,
in unserem Sinne zu enge Fragestellung ein Beispiel anzuführen:
Solange man geglaubt hatte, daß der Eiweißquotient, d. h. das Ver¬
hältnis der Albumine zu den Globulinen, im Blut und Ham in engen
mathematischen Beziehungen miteinander stehe, hat sich eine große
Anzahl von Forschern mit dieser Fragestellung befaßt. Von dem
Augenblicke aber an, als sich herausstellte, daß der erwähnte Eiwei߬
aufbau in Blut und Harn nicht identisch ist, erschien unseres Wis¬
sens keine Arbeit 1 ) mehr über dieses Thema. Und doch ergibt die
Überlegung, daß das Eiweiß des Harnes aus dem Blute stamme,
daß dieses letztere in seiner Zusammensetzung durch das Auftreten
einer Albuminurie tiefgreifend beeinflußt werden müsse. Ja, unserer
Anschauung nach bietet gerade der Befund, daß die Eiweißkörper
*) Der Aufsatz von Mandelbaum (Dtscli. Arcli. f. kl in. Mod. 130) gehört nur
teilweise hierher.
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304
V. Kollert und W. Starlinger: Die Albuminurie als Zeichen
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des Blutes nicht gleichmäßig in den Harn gelangen, eine wichtige
Möglichkeit, dem Wesen der Albuminurie näherzutreten.
Betrachten wir zu dießem Zwecke die vier von uns aufgestellten
Stoff ivechseltypen vom Standpunkte der Albuminurie! Bezüglich des
Gesunden haben Posner sowie Mörner nachgewiesen, daß man nur
dann einen vollkommen eiweißfreien Ham ausscheidet, wenn dieser
von niedrigem spezißschen Gewichte ist. Nimmt die Konzentration
zu, so kommt es zu „physiologischer Albuminurie u . Kordnyi weist
darauf hin, daß eine solche Albuminurie bei hochgestelltem Harne
sogar bisweilen zur irrtümlichen Annahme eines pathologischen Nieren¬
prozesses führen könne, daß sie aber sofort verschwindet, wenn die
Wasserzufuhr erhöht wird. Wir glauben nicht auf großen Wider¬
spruch rechnen zu müssen, wenn wir annehmen, daß ein solcher
Harn (abgesehen z. B. von der uns hier nicht beschäftigenden NaCl-
+
Menge) auch den U in höherer Konzentration aufweist. Im Hinblick
auf spätere Überlegungen möchten wir daher für die physiologische
Albuminurie den Satz aufstellen: Steigt beim gesunden Menschen die
+
Konzentration des U im Harne , so wächst auch die Wahrscheinlichkeit
einer physiologischen Albuminurie.
Ähnliches dürfte auch bezüglich der Albuminurien bei Urämie
gelten. Wenigstens hebt P. F. Richter hervor, daß dabei in der
Ruhe häufig kein Eiweiß ausgeschieden wird, wohl aber nach Körper¬
bewegung. Daß eine solche unter krankhaften Bedingungen zu ver¬
mehrter Harnstoffausscheidung Anlaß gibt, scheint ziemlich sicher
zu sein; speziell über die Verhältnisse bei der Urämie sind uns aller¬
dings keine Untersuchungen bekannt, auch wird die Beantwortung
der Frage hier noch dadurch erschwert, daß bei diesem Leiden die
Harnstoffausscheidung verzögert erfolgt. Beim vollkommen Gesunden
führt mäßige Körperbewegung nicht zu vermehrtem Eiweißabbau,
nach starken Anstrengungen aber erhöht sich der Eiweißgehalt des
Serums ( Böhme) y der R.-N kann über 20°/ 0 gegen den Ruhewert
steigen. Auch ändert sich seine Zusammensetzung; während er früher
+
50°/ 0 U-N enthalten hatte, steigt dieser nun bis 80°/ 0 . Die Kon¬
zentration des Harnes erhöht sich, etwa 25 °/ 0 der Menschen scheiden
Eiweiß aus (. Albu , Rumpel und Feigl). Zur Vermeidung von Mi߬
verständnissen wollen wir noch betonen, daß wir bei der folgenden
Besprechung alle Urämien mit, wenn auch nur zeitweiser, höher-
gradiger Eiweißabscheidung ausschließen, da es sich hier um die
Aufstellung von Typen handelt. — Gehen wir zu den Pneumonien
über, so finden wir, wenigstens in einer bestimmten Periode der Er¬
krankung, Hamstoffausscheidungen, die weit das physiologische Maß
Gck igle
O riginal frem
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vermehrten Eiweißzerfalles bei geschädigter Nierenfunktion. 305
übersteigen. Die Stärke der Eiweißausscheidung ist größer als unter
normalen Verhältnissen, es kommt zu „febrilen“ Albuminurie. Auf
die Frage, ob wir diese auf eine Schädigung der Niere zurückführen
müssen, kommen wir noch später zurück. — Im Gegensätze zum Ge¬
sunden und zur Pneumonie steht die Funktion der Niere bei der
Nephrose. Wenn wir dafür eine Formel prägen sollen, können wir
sagen: Die Niere ist in hohem Grade eiweißdurchlässig. Daß es
sich dabei nicht etwa um eine einfache Filtration von Eiweiß drehen
kann, geht schon daraus hervor, daß, wie namentlich Lichtwitz hervor¬
hebt, Kristalloide mit kleinem Molekulargewicht von der Niere zurück¬
gehalten werden, während diese die großen Eiweißmoleküle durch¬
läßt. Wir stehen vielmehr auf dem Standpunkte, daß gewisse Teile
der Niere in dem Sinne anders arbeiten, als diese auf Reize, die
physiologischerweise — ähnlich wie wir oben schon gesprochen —
nur von einer minimalen Albuminurie gefolgt werden, bereits mit
einer massiven Eiweißausscheidung anspricht. Erinnern wir uns an
dieser Stelle noch der Tatsache, daß bei der Nephrose der Harn¬
stoff in exzessiver Konzentration (bis 3 °/ 0 ) ausgeschieden wird.
Die klinische Untersuchung zeigt nun, daß die Intensität der
Albuminurien bei den genannten Prozessen im Einzelfall häufig in
kurzen Zeiträumen schwankt. Welche Umstände bestimmen nun
jeweils ihre Stärke? Um uns darüber klar zu werden, müssen wir
zunächst über die Bedeutung des Auftretens von Eiweiß im Ham
Rechenschaft geben.
Bekanntlich denken wir alle beim Befunde einer Albuminurie
fast ausschließlich an das Vorhandensein eines Nierenprozesses. Diese
Verbindung der beiden Begriffe wird vielfach als so fest angesehen,
daß im praktischen Leben ohne Albuminurie die Annahme des Be¬
standes eines Nierenleidens von vielen Ärzten abgelehnt wird und
andererseits, noch häufiger, mit dem Auftreten einer Albuminurie
renaler Natur auch die Diagnose einer Nierenerkrankung für gesichert
gehalten wird. Das die erste Anschauung unrichtig ist, lehrt die
Erfahrung, wonach gelegentlich Urämien bei Kranken auftreten, bei
welchen der Harn kurz vor dem Ausbruch der akuten Erscheinungen
eiweißfrei gefunden worden war. Die Gesetze, nach denen wahrend
des Bestandes einer Urämie die Menge der Albuminurie schwankt,
haben wir schon erwähnt. Im Verlaufe des Weltkrieges hat weiter
His nachdrücklich auf den Bestand akuter analbuminurischer Nephri¬
tiden hingewiesen. Wir können daher den Satz präzisieren: Es kann
eine Nierenentzündung ohne gleichzeitige Albuminurie bestehen . Auch
die weitverbreitete Anschauung, daß renale Albuminurie eine Nieren¬
schädigung bedeuten müsse, hält bei näherem Zusehen der Kritik
nicht stand. So ist von diesem Standpunkt aus die Feststellung
Z. f. d. g. exp. Med. XXX. 20
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306 V. Kollert und W. Stärlingen Die Albuminurie als Zeichen
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Mörners schon schwer verständlich, nach der ein gesunder Mensch
einen vollkommen eiweißfreien Harn hat, wenn dieser diluierfc ist,
aber Eiweiß in Spuren ausscheidet, wenn er konzentriert. Soll etwa
jeder dichtere Harn bereits ein Hinweis auf eine leichte Nieren¬
schädigung sein? Im Anschluß an die Entdeckung der physiologischen
Albuminurie hat sich eine Reihe von Autoren bemüht aus vorwiegend
quantitativen Gesichtspunkten heraus die Grenzen zwischen physio¬
logischen und pathologischen Albuminurien festzustellen. Die Ver¬
suche sind alle gescheitert. Das Auftreten von oft reichlichem Eiweiß
nach kalten Bädern, üppigen Mahlzeiten, Thoraxkompression usw.
konnte nichc als Zeichen einer Nierenerkrankung gedeutet werden
und war andererseits auch kaum als „physiologisch“ zu werten. Die
größten Schwierigkeiten aber bedeutete und bedeutet bis heute die
Erklärung der sogenannten orthotischen Albuminurie. Während ein¬
zelne Autoren (z. B. Stejskal) im histologischen Bilde der Nieren
solcher Kranker einzelne nephritische Herdchen fanden und auf deren
Bestand großes Gewicht legten, wurde von anderer, und zwar der
überwiegenden Seite ein rein funktioneller Vorgang, der zur Eiwei߬
ausscheidung führt, angenommen. Pollitzer unterscheidet einen läsio-
nellen Typus der orthostatischen Albuminurie von einem nicht läsio-
nellen. Wir glauben, daß diese wenigen Andeutungen genügen, um
erneut zu zeigen, daß nicht jede Eiweißausscheidung im Ham eine
schwerere Nierenveränderung beweise.
Unsere eigenen Untersuchungen über die Entstehungsbedingungen
der Albuminurie gingen von einer Beobachtung am Krankenbette
aus, die eine gewisse Ähnlichkeit mit der zyklischen Albuminurie
der Jugendlichen hat. Wir sahen bei einem Nephrotiker innerhalb
weniger Stunden einen gewaltigen Wechsel der Albuminurie, je nach¬
dem er vorher in Ruhe oder Bewegung gewesen war, nüchtern blieb
oder reichlich gegessen hatte. Im subjektiven Befinden und bei der
übrigen objektiven somatischen Untersuchung ergab sich aber zwischen
den verschiedenen Perioden der Eiweißausscheidung kein Unterschied.
Wir legten uns daher die Frage vor: Beeinflussen die verschiedenen
genannten Umstände die Funktion der Niere, oder ist etwa die
wechselnde Nierenarbeit nur der äußere Ausdruck eines verschieden
stark auf sie einwirkenden extrarenalen Faktors? Die erste Anschau¬
ung ist bekanntlich die heute allein gültige. Nimmt bei einem Ne-
phritiker die Menge des Harneiweißes zu, so denkt man ceteris pa-
ribus an eine Verschlechterung des Zustandes der Nieren; sinkt die
Albuminurie, so wird eine Besserung diagnostiziert. Auch die ortho-
tische Albuminurie wird, wie erwähnt, mit Störungen in der Funktion
des Organes in Zusammenhang gebracht, wie sie etwa durch Stauung
in der Vena renalis entstehen sollen. Alle diese Erklärungsversuche
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vermehrten Eiweiüzerfalles bei geschädigter Nierenfunktion. ,‘{07
haben aber bis heute zu keiner befriedigenden, alle Erscheinungen
umfassenden Deutung des Wesens der Albuminurie geführt. Wir
stellten uns daher auf den anderen Standpunkt und legten uns, ohne
zunächst auf den Zustand der Niere selbst Rücksicht zu nehmen,
die Frage vor: Kann der Wechsel der Stärke einer Albuminurie bei
ein uni demselben Kranken nicht der Ausdruck des wechselnden An¬
gebotes irgendeines Stoffes an diese Niere sein? 1 )
Betrachten wir — zunächst ohne Hinblick auf die Albuminurie— die
Ausscheidungsgesetze der Niere, so finden wir dabei immer wieder
die Regel, daß, unter sonst gleichbleibenden Umständen, das vari¬
ierende Angebot eines Stoffes zu einem Wechsel seiner Ausscheidungs¬
größe führt. Es sei als Beispiel nur an die Glykosurie im Anschluß
an alimentäre Hyperglykämie erinnert. Ambard und seine Mit¬
arbeiter unterscheiden hinsichtlich der Gesetze, nach denen die Ent¬
fernung eines im Blute kreisenden Stoffes durch die Nieren erfolgt
(abgesehen von der „Elimination par effraction u ), zwei Reihen von
Stoffen. Die Glieder der ersten diffundieren einfach durch die Nieren,
so daß Blut und Harn jederzeit die gleiche Konzentration des be¬
treffenden Stoffes aufweisen. Hierher sollen gehören: Äthyl-, Methyl-,
Propylalkohol, Aceton, Äthylacetat. Die zweito, weitaus größere
Gruppe von Körpern aber wird durch die Niere sezerniert: Es han¬
delt sich um einen biologischen Vorgang. Auch hier steigt im all¬
gemeinen mit dem Angebot die Ausfuhr, aber diese letztere hat einen
Grenzwert, über den hinaus die Niere nicht arbeiten kann („Concen-
tration maxima“).
Betrachten wir von diesem Standpunkte aus das Problem der
wechselnden Albuminurie, so ist, da die Identität der Harn und
Bluteiweißkörper feststeht (Erben) y anzunehmen, daß die Eiweißkörper
des Blutes auf die Albuminurie einen Einfluß nehmen. Um eine
einfache Diffusion bei geschädigter Niere dürfte es sieh nach dem
bereits erwähnten, gegen eine solche Auffassung gerichteten, voll¬
berechtigten Ei wand von Lichiwitz nicht handeln. Wir kamen daher
zu der Hypothese, daß die Nierenzellen, durch die das Eiweiß durch¬
geht, unter dem Einflüsse einer wechselnden Zusammensetzung der
Bluteiweißkörper verschieden arbeiten, d. h. verschiedene Mengen
Eiweiß durchlassen. Soll diese Auffassung haltbar sein, so muß im
Einzelfall die Menge der Eiweißkörper des Blutes sich in irgendeiner
*) Vom historischen Standpunkte betrachtet ißt diese Fragestellung sehr
alt: eine humorale Theorie der Albuminurie wurde z. B. von Elliotson (1830),
Graves (1831) aufgestellt, durch Bright aber vollkommen zurückgedrängt. In
neuester Zeit überlegte Abderhalden , ob die Albuminurie nicht einfach die Folge
einer Hyperproteinplasmie «ei — was unserer Ansicht nach unrichtig ist —
oder etwa mit einer „Heteroproteinplasmie“ Zusammenhänge.
20 *
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308 V. Kollert und YV. Starlingcr: Die Albuminurie als Zeichen
Weise ändern, wenn der betreffende Kranke mehr oder weniger Al-
bumen ausscheidet. Es ergab sieh damit die Frage, ob und wie
eine solche Veränderung festzustellen wäre.
Einen Anhaltspunkt für die Richtung, in der sich eine derartige
Untersuchung zweckmäßig bewegen konnte, schien uns das Verhalten
der Albuminurie bei Nephrose zu geben. Da bei dieser Krankheit
die höchsten bekannten Eiweißmengen ausgeschieden werden, mußte
die Blutveränderung — wenn eine solche mit Albuminurie in Zu¬
sammenhang steht — ebenfalls die höchsten Grade erreichen. Be¬
trachten wir nun das Serum bei Nephrosen hinsichtlich der Eiwei߬
körper, so finden wir in der Literatur zwei Charakteristica angegeben:
a) es besteht Hypalbuminose, b) die Globuline sind im Verhältnis
zu den Albuminen vermehrt. Weiter ist das Serum milchig getrübt,
eine Beschaffenheit, die auf das Vorhandensein großer Molekular-
komplexe zurückgeführt wird. Nach Bemert sollen diese aus einer
Globulin-Lipoidverbindung bestehen. Wir gewannen aus diesen Be¬
funden den Eindruck, es sei für diese Sera vor allem eigentümlich,
daß in der Blutflüssigkeit bei Nephrosen die grobdispersen Eiwei߬
körper vermehrt seien und legten uns daher die Frage vor, wie sich
die gröbstdisperse Eiweißfraktion des Plasmas , das Fibrinogen, bei
der Nephrose verhalte. Zu unserer Überraschung fanden wir bei
ihm eine grobe Abweichung von der Norm, die in ausgesprochenen
Fällen Steigerungen bis über das Fünffache des Wertes bei Gesunden
betragen kann. Die Ergebnisse bei den ersten sechs diesbezüglich
beobachteten Fällen haben wir bereits in unseren vorläufigen kurzen
Mitteilungen niedergelegt und sie hier nochmals bei der Besprechung
des Bluteiweißbildes der Nephrose kurz vermerkt. Außerdem konnten
wir noch drei hierher gehörige Kranke untersuchen. Die Einzel¬
heiten ihrer Eiweißbilder sind aus Tabelle S. 312 unter Nr. 7, 14, 10
ersichtlich.
Es zeigt sich also auch bei diesen Fällen das prinzipiell gleiche
Verhalten wie bei den früheren und wir dürfen, gestützt auf unsere
Befunde und die zwar zerstreuten und nicht systematischen Ergeb¬
nisse in der Literatur, den Satz aufstellen: Bei jener Nierenkrankheit,
die zu den höchsten bekannten Albuminurien führt , der Nephrose , findet
sich im Blutplasma eine starke Zunahme der grobdispersen Eiwei߬
körper .
Wir wollen hier nur kuiz andeuten, daß in dieser enormen Ver¬
mehrung des Fibrinogens im Plasma anscheinend eine der charakte¬
ristischsten Eigenschaften der Nephrosen zu sehen ist. In den
folgenden Ausführungen wird nur über eine Seite dieses Problemes,
die Beziehung zur Eiweißausscheidung, besprochen. Es gelang uns
aber bereits mehrfache Befunde zu erheben, die dahin deuten, daß
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vermehrten Eiweißzerfalles bei geschädigter Niorenfunktion.
309
dieses Symptom auch in andere Erscheinungen des heute noch so
wenig durchsichtigen Leidens Einblick gewähren dürfte.
Ehe wir uns der Frage zuwenden, ob dieses abnorme Bluteiwei߬
bild überhaupt die Ursache der Albuminurie sein kann, sei es ge¬
stattet, die in gewissem Sinne entgegengesetzte Fragestellung zu
erörtern und zu erwägen, ob die Verschiebung des Eiweißquotienten
nicht etwa die Folge der Albuminurie ist. Es liegt folgende Argu¬
mentation nahe: nach den Ergebnissen der Literatur besteht das im
Harne ausgeschiedene Eiweiß vorwiegend aus Albuminen. Die Eiwei߬
körper des Harnes stammen aus dem Blute. Im Blute besteht bei
Nephrose oft eine Hypalbuminose, die von mehreren Untersuchern
auf die Albuminurie zurückgeführt wird. Schwinden nun bei ur¬
sprünglich normalem Globulin-Albuminverhältnis infolge der ver¬
änderten Nierentätigkeit teilweise die Albumine aus dem Blute, so
muß hier eine relative Zunahme der Globuline in Erscheinung treten.
Die Überlegung ist sicher richtig, aber der Schwund der Albumine
erklärt nicht alle Erscheinungen des Bluteiweißbildes der Nephrose.
Vor allem bleibt vollkommen unverständlich, wieso es zu einer ab¬
soluten Zunahme des Fibrinogens kommt, das, wie bereits mehrfach
erwähnt, Werte bis zum Fünffachen der Norm annehmen kann. Eine
Eindickung des Blutes kommt nicht in Betracht, denn es kann sich
nicht allein das Plasma eindicken, sondern es müßten auch die
Erythrocyten an Zahl zunehmen. Und Werte von 25 Millionen
Erythrocyten hat noch niemand gesehen 1 ). Es bleibt also nur die
Erklärung, daß das Fibrinogen von außen in das Blut hineinkommt,
ähnlich wie wir dies schon bei der Deutung des Blutbildes der Pneu¬
monie angenommen haben. Nun lehrte aber gerade die Analyse
dieses Bildes, daß Hand in Hand mit der Fibrinogenzunahme auch
eine relative Vermehrung der Globuline erfolgt, ohne daß bei diesem
Leiden erhebliche Eiweißverluste durch die Niere statthätten. Das
gleiche findet sich, wie hier nur angedeutet werden kann, auch
bei den anderen Krankheiten, die zur Fibrinogenvermehrung führen,
z. B. frische Lues, progrediente Tuberkulose. Wir kommen daher
zu dem Schluß: Die relative Zunahme der Globuline lei der Nephrose
erfolgt aus zwei voneinander vollkommen unabhängigen Ursachen , aus
^ 1 ) Wir müssen hier kurz auf die Ansicht Nonnenbruchs hinweisen, daß die
Erythrocyten des Blutes eine annähernd konstante Größe darstellen, während
die Sero-Eiweißwerte und der R.-N infolge des lebhaften Austausches der in
Betracht kommenden Stoffe zwischen Blut und Geweben keine gleichbleibenden
Werte ergeben. Unserer Ansicht nach liegt in dieser Anschauung ein richtiger
Kern, wenn sie aber zu allgemein gefaßt wird, erreicht sie ihre kritische Grenze
und verhindert leicht die Erkenntnis gewisser, unter pathologischen Verhältnissen
anscheinend stets auftretender gesetzmäßiger Verschiebungen zwischen Geweben
und Blut.
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310 Y r . Kollert und W. Stärlingen Die Albuminurie als Zeichen
der bei Fibrinogenzunahme stets auftretenden Verschiebung des Eiwei߬
quotienten und aus dem Einfluß der Albuminurie auf die Menge der
Blutalbumine.
Ist sonach die Ansicht, daß die Verschiebung des Eiweißquotienten
einfach die Folge der Albuminurie sei, abzulehnen, so können wir
uns wieder der Frage zu wenden, ob die Änderung des Bluteiwei߬
bildes etwa ursächlich die Eiweißausscheidung bedingen könne. Dabei
ist eine, an dieser Stelle nicht näher zu erörternde Voraussetzung,
daß die Niere eiweißdurchlässig sei, denn wir finden, wie zahlreiche
Untersuchungen vieler Autoren ergeben haben, eine große Zahl von
Hyperinosen, die ohne Albuminurie einhergehen. Wollen wir mittels
klinischer Methoden den geschilderten Zusammenhang beweisen, so
steht uns vor allem ein Weg zur Verfügung: Wir müssen feststellen,
ob bei Kranken Schwankungen des Fibrinogens im Plasma auch mit
gleichsinnigen Veränderungen des Eiueißgehaltes der Harne einhergehen.
Wir können dabei nur Untersuchungen an ein und demselben Kranken
miteinander vergleichen, da die einzelnen Menschen nach unserer
Vorstellung eine ganz verschiedene Durchlässigkeit der Niere für
Eiweiß besitzen. Auch dürfen die Versuche nicht weit zeitlich aus¬
einanderliegen, da die Eiweißdurchläs&igkeit der Niere auch bei den
gleichen Menschen starken Schwankungen unterworfen ist. Am besten
sind Untersuchungen zu vergleichen, die am selben Tage ausgeführfc
wurden.
Da wir in der vorliegenden Abhandlung das Bestreben haben,
die Gesetze der Eiweißausscheidung als einen Spezialfall von Regeln
zu erweisen, die für jeden Harn gültig sind, wollen wir uns zunächst
fragen: In welcher Weise verändert sich der Ham bei Bestand einer
für Eiweiß nicht durchlässigen Niere , wenn wir durch irgendeine Ma߬
nahme den Fibrinogengehalt des Plasmas verändern? Die folgende
Tabelle bringt mehrere zu diesem Zwecke angestellte Versuche. Es
wurde dabei derart vorgegangen, daß bei einem zu Bette liegenden
nüchternen Kranken die Eiweißbilder morgens bestimmt wurden.
Hierauf wurde 1 / Ä0 ccm Vaccineurin intravenös gegeben und mehrere
Stunden später nochmals eine Bestimmung der Eiw'eißbilder vor¬
genommen.
Die Tabelle III zeigt, daß Schwankungen im Fibrinogengehalt des
Plasmas mit gleichsinnigen Veränderungen der Harnstoffkonzentration
in der gleichzeitig gelassenen Harnportion einhergehen.
Wir wollen nunmehr an einer größeren Reihe von Kranken, die
Eiweiß ausscheiden, zwei in kurzem Zeiträume vorgenommene Auf¬
stellungen der Blut- und Harneiweißbilder miteinander vergleichen.
Wir gingen zu diesem Zwecke meist derart vor, daß wir die erste
Untersuchung morgens ausführten, dann den Kranken irgendeine
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Nummer
vermehrten Eiweißzerfalles bei geschädigter Nierenfunktion.
Tabelle III.
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steigt
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steigt
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sinkt
steigt
sinkt
steigt
steigt
etwas
Tätigkeit des täglichen Lebens (Spazierengehen, Stehen, Essen usw.)
ausüben ließen und nach einiger Zeit wieder untersuchten. Es ergab
sich so bald ein Steigen des Fibrinogens, bald ein Gleichbleiben oder
Sinken des Wertes. Im Hinblick auf eine bessere Übersicht haben
wir die Befunde der ersten auf diese Weise untersuchten und bereits
teilweise veröffentlichten Krankengeschichten in die folgende Tabelle
mit einbezogen.
Es ergibt sich daraus, daß bei den im Laufe eines Tages vor¬
genommenen Doppelbestimmungen bei Nierenkranken ein Steigen des
Fibrinogens im Plasma einer Vermehrung der Albuminurie entspricht ,
während bei Sinken des Fibrinogenspiegels Verminderung der Eiwei߬
ausscheidung statthat. Weiter gehen auch in den Fällen dieser
Gruppe die Schwankungen des Fibrinogens parallel den Veränderungen
der Harnstoffkonzentration im Urin. Wir verweisen in diesem Zu¬
sammenhänge nochmals auf die schon früher erörterte, vielleicht all¬
gemein gültige Vermutung, daß — unter sonst gleichen Umständen —
ein Harn um so eher Eiweiß enthält, je höher sein Harnstoffgehalt
ist. Wir möchten auch betonen, daß es sich bei dem Wechsel der
Konzentration des Harneiweißes nicht etwa einfach um eine Schwan¬
kung in der Dichte der Harnportionen handelt, wenn diese dabei
auch häufig Veränderungen unterliegt. Die Untersuchungen haben
nämlich gezeigt, daß bei der gewählten Versuchsanordnung in ziem¬
licher Regelmäßigkeit einem Steigen des Harnstoff geholtes ein Sinken
der Chloride im Harne (und umgekehrt) entspricht. Wir bringen in
dieser Abhandlung nicht die entsprechenden Zahlen, da einige Ge¬
setze der Chloridausscheidung in einem anderen Zusammenhang be¬
sprochen werden sollen.
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Tabelle IV.
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V. Kollert und W. Starlinger: Die Albuminurie als Zeichen
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vermehrten Eiweißzerfalles bei geschädigter Nierenfunktion. .^13-
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V. Kollert und W. Starlinger: Die Albuminurie als Zeichen
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Wenn wir die eben dargelegte Beziehung zwischen Fibrinogen¬
gehalt des Plasmas und Eiweißgehalt des Harnes als gesetzmäßig
anerkennen, kommen wir zu der Anschauung, daß es für jede eiwei߬
durchlässige Niere einen bestimmten Schwellenvoert im Fibrinogenspiegel 1 )
des Plasmas geben dürfte, bei dessen Überschreiten es zur Albuminurie
kommt , während, wenn er nicht erreicht wird, der Harn eiweißfrei
ist. Es braucht der Erwähnung, daß für die Feststellung dieses
Wertes auch die Methode des Eiweißnachweises im Harne von Be¬
deutung ist, da ja, wie allgemein bekannt, der eingeengte Harn des
Gesunden nach dem Vorgehen von Posner , Mömer bereits Eiweiß
erkennen läßt, während er etwa mit der Essigsäure-Ferrocyankali-
probe noch eiweißfrei erscheint.
Um die klinische Bedeutung dieser Auffassung über das Auf¬
treten einer Albuminurie darzutun, sei es gestattet, kurz eine
Krankengeschichte mitzuteilen: Es wurde uns ein 25jähriger Mann,
der eine derzeit latente Lues hatte, mit der Frage gesandt, ob eine
antiluetische Kur erlaubt sei, da drei Tage, bevor der Kranke zu uns
kam, etwa 1 / 2 °/ 00 Eiweiß im Harne gefunden worden war. Die Unter¬
suchung erwies einen normalen Herzbefund, keine Hypertonie. Im
Harne nach der Kochprobe und mittels Essigsäure-Ferrocyankalium
kein Eiweiß nachweisbar. Im Sediment keine Erythrocyten, keine
Zylinder, einzelne Epithelien. Die darauf nochmals erhobene Ana¬
mnese ergab, daß der Kranke vier Tage vor der Untersuchung durch
den Kollegen eine akute Angina lacunaris gehabt hatte. In der
Jugend waren bei ihm Anginen sehr häufig gewesen. Wie läßt sich
dieser vom klinischen Standpunkt aus banale Fall hinsichtlich
seines Nierenbefundes deuten? Eine chronische diffuse Nephritis, die
infolge Angina einen Nachschub erfahren hatte, dürfte kaum vor¬
liegen: dagegen spricht der normale Herzbefund, das Fehlen der
Blutdrucksteigerung, endlich der vollkommen negative Sediment¬
befund. Weiters kommt eine herdförmige Nephritis in Frage: der
somatische Befund ist mit ihr vereinbar, nicht aber der Sediment¬
befund. Da das Charakteristikum der herdförmigen Nephritiden die
Hämaturie ist ( Volhard ), so ist es recht unwahrscheinlich, daß drei
Tage nach dem Vorhandensein eines derartigen Nierenprozesses, der
sogar zu einer immerhin mäßig reichlichen Albuminurie geführt
hatte, auch bei sorgfältiger Durchmusterung des Sedimentes nicht
l ) Der erhöhte Fibrinogengehalt erklärt die gegen die Norm verstärkte
Ausflockbarkeit des Plasmas von Nierenkranken mittels konzentrierter Koch¬
salzlösung. Von Hoefft hat nachgewiesen, daß auch das Serum solcher Kranker
eine gesteigerte Fällbarkeit durch Alkohol hat und bringt diesen Befund mit
der Zunahme der Globuline in solchen Seren zusammen. Viscositätserhöhung
im Plasma von Nierenkranken fanden Rotky , Kottmann.
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vermehrten Eiweißzerfalles bei geschädigter Nierenfunktion. 315
ein Erythrocyt zu finden wäre. — Von dem Standpunkte aus, unter
dem wir in der vorliegenden Abhandlung die Albuminurien be¬
trachten, läßt sich unseres Erachtens das Bild anders deuten. Die
wiederholten Halsentzündungen in der Kindheit haben zu einer
(herdförmigen?) Schädigung der Niere geführt, die zu gering war,
um sonstige somatische Symptome zu erzeugen, sich funktionell aber
dauernd in einer erhöhten Eiweißdurchlässigkeit der Niere äußert. Leidet
dieser Kranke nun zu einer bestimmten Zeit nicht zufällig an irgend¬
einem interkurrenten Prozeß, der zu erhöhtem Zellverfall Anlaß gibt,
so ist das alte Nierenleiden aus dem Harnbefunde nicht zu erkennen.
Tritt aber durch irgendeine Ursache, z. B. in diesem Falle durch
die Angina lacunaris, im Blute ein erhöhter Fibrinogengehalt auf,
so manifestiert sich die vermehrte Eiweißdurchlässigkeit der Niere
sogleich durch Albuminurie. Mit dem Normalwerden des Fibrinogen¬
gehaltes schwindet die Eiweißausscheidung wieder. Eine Nieren¬
schädigung, im Sinne eines Nachschubs des alten Prozesses, trat im
Anschlüsse an die Angina nicht auf. — Unsere Deutung hat mit den
allgemein üblichen gemeinsam, daß immer eine Nieren Veränderung
angenommen wird. Der prinzipielle und wichtige Unterschied liegt
aber darin, daß wir nicht einen neuen Nachschub des Prozesses in
die Niere annehmen müssen, um die vorübergehende Albuminurie
zu erklären, während die übrigen Anschauungen hierzu bemüßigt
sind. Wir würden diese Annahme nur bei einem positiven Sediment¬
befunde machen. Daß unsere Auffassung auch für therapeutische
Fragestellung weitgehende Bedeutung hat, sei hier nur kurz gestreift.
Soweit unsere bisherigen Erfahrungen reichen, liegt der zum Auf¬
treten einer mit den gewöhnlich vertretenen Methoden nachweis¬
baren Albuminurie nötige Fibrinogenspiegel des Blutes höher als
der Normalwert. So findet man bei allen in der Tabelle IV zu-
saramengestellten Nierenkranken zur Zeit der Eiweißausscheidung
das Fibrinogen im Plasma vermehrt. Dabei ist zu sagen, daß gleich
wie die Albuminurie der Glomerulonephritiden, wenn der nephrotische
Einschlag nicht zu stark ist, die Stärke der bei den Nephrosen zu
beobachtenden Eiweißausscheidungen nicht zu erreichen pflegt, ebenso
auch meist der Fibrinogen wert bei den Nephitiden tiefer liegt als
bei den Nephrosen. Daß der zum Auftreten einer Eiweißausscheidung
nötige kritische Grenzwert des Fibrinogenspiegels bei den einzelnen
Kranken sehr verschieden ist, sieht man z. B. aus Nr. 11 und 13.
In beiden Fällen war bei der einen Untersuchung kein Eiweiß im
Harn nachweisbar, wohl aber bei der andern. Dementsprechend ist
im Versuch 11 der kritische Fibrinogenwert zwischen 0,58 und
0,67 g °/ 0 , bei 13 aber bereits zwischen 0,21 und 0,34 g °/ 0 gelegen.
Wir werden daher die erste Niere für weniger eiweißdurchlässig an-
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Original fro-m
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316 V. Kollert und W. Stärlingen Die Albuminurie als Zeichen
sehen können als die zweite. Bei dem zweiten Kranken dürfte zur
betreffenden Zeit schon eine ganz geringe Steigerung des Eiwei߬
stoffwechsels, wie sie etwa durch eine sehr reichliche Mahlzeit ent¬
stehen kann, genügen, um eine Albuminurie hervorzurufen. Beim
ersten Kranken dagegen sind wohl nur schwerere Störungen hierzu
fähig. Vielleicht gelingt es auf diese Weise, eine neue Einsicht in
die Stärke der Nierenschädigungen im Einzelfalle zu erlangen.
Der Begriff der verschiedenen Eiweißdurchlässigkeit der Niere er¬
klärt auch den Befund, daß bei mehreren Kranken dem gleichen
Fibrinogen werte im Plasma eine ganz verschieden starke Albuminurie
entsprechen kann. Weiter ist es so verständlich, daß der Nieren¬
gesunde auf Fibrinogenzahlen, die beim Kranken bereits hochgradige
Albuminurie bedingen, noch nicht mit Eiweißausscheidung ansprechen
muß. Die klinische Erfahrung, die seit langem ergeben hat, daß
auf die gleiche Schädigung des Körpers, die eine Reihe von Menschen
trifft, nur bei einem gewissen Prozentsatz Albuminurie auftritt, hat
den Begriff der Eiweißdurchlässigkeit vielfach benützt. Seine Ana¬
lyse war aber bislang nicht möglich gewesen.
Von dem entwickelten Gesichtspunkte aus ist zu erwarten, daß
bei Nierenkranken zu Zeiten, in denen keine Eiweißausscheidung
besteht, der Fibrinogengehalt des Plasmas normal oder nur wenig
erhöht ist. Hierher gehören z. B. zwei Nephritiker mit fehlender
Albuminurie, die wir bereits in unserer ersten Mitteilung erwähnten,
der eine hatte 0,15 der andere 0,26 g°/ 0 Fibrinogen. Es ergibt sich
daraus die Anschauung: Sinkt im Blute eines Nierenkranken das
Fibrinogen auf annähernd normale Werte, so schwindet das Eiweiß
aus dem Ham. Wir verstehen nunmehr, w r arum sich Albuminurie
und Nierenkrankheit nicht vollkommen decken. Die Albuminurie
ist eben an den erhöhten Fibrinogenspiegel des Blutes, d. h. nach
unserer Auffassung, an den vermehrten Eiweißzerfall gebunden. Bei
den früher erwähnten analbuminurischen Nephritiden dürfte die
Eiweißmauserung annähernd normal gewesen sein (oder eine sehr
geringe Eiweißdurchlässigkeit bestanden haben). Inwiefern die ein¬
zelnen, teilweise bereits aufgezählten Momente, die zu „physiologischer u
Albuminurie fühlen, den Fibrinogen wert des Blutes beeinflussen,
soll in einer folgenden Abhandlung besprochen werden. Es wird
nun auch begreiflich, inwieweit der Satz, daß mit Besserung der
Albuminurie auf eine Besserung des Nierenleidens zu schließen ist ,
Geltung hat. Bedingt, eine infektiöse Noxe, durch Erhöhung des Ei¬
weißzerfalles einerseits ein Steigen des Fibrinogenspiegels, andererseits
aber etwa durch Toxinwirkung eine Schädigung der Niere, so
wird es häufig Vorkommen, daß mit ihrem Schwinden Blutveränderung
und Nierenschädigung sich im gleichen Sinne rückbilden. Es ist
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vermehrten Eiweißzerfallee bei geschädigter Nierenfunktion.
317
aber leicht verständlich, daß die Alteration des gesamten Eiwei߬
abbaues sich nicht immer parallel mit der Nierenveränderung ent¬
wickeln muß. Aus diesen Überlegungen ergeben sich die Grenzen,
in denen der obige Satz Richtigkeit besitzt.
Bei durch längere Zeit fortgesetzten Versuchen kann die Eiweiß-
durchlässigkeit der Niere bei dem gleichen Kranken ebenfalls Schwan¬
kungen unterworfen sein. Es besteht dann auch im einzelnen Falle
kein so strenger Parallelismus zwischen Fibrinogengehalt des Plasmas
und Eiweißgehalt des Harnes, wie in den in der Tabelle IV nieder¬
gelegten Eintagversuchen. Als Beispiel hierfür diene folgender Fall,
den wir teilweise gleichfalls bereits in unserer früheren Mitteilung
erwähnten:
1 .Befund v. 15. XII. 21: Fibrinogen 0,32 g°/ 0 , Harneiweiß 0,14 g°/ 0 .
2. ” n 26. I. 22: Fibrinogen 0.23 g°/ 0 , Hameiweiß-Spuren.
3. v ?? 10. V. 22: Fibrinogen 0,48, Gl.: Alb. =- etwa 30:70; R.-N44
mg°/ 0 , Harneiweiß 0,03 g°; 0 , U: 1,26 g°/ 0 .
4. - n 16. V. 22: Fibrinogen0.42,R.-N36mg °/ 0 , Harnei w.0,07g°/ 0 ,
U: 2,39 g°/ 0 .
Es handelt sich um maligne Nephrosklerose (Blutdruck 270 mm Hg).
Zur Zeit des ersten Versuches war nach dem Sedimentbefund
ein nephritischer Nachschub wahrscheinlich. Bei der zweiten
Untersuchung fast negativer Sedimentbefund. Kurz vor der dritten
Untersuchung Haemorrhagia cerebri (+Oedema cerebri?). Zwischen
dritten und vierten Befund Aderlaß von zirka 400 ccm Blut (Be¬
nommenheit, meningiales Bild: Nackenstarre, Kernig, Oppenheim,
negativer Liquorbefund. Oculomotorius und Facialislähmungen im
wechselnden Ausmaße).
Vom Standpunkte der Eiweißdurchlässigkeit der Niere wäre nach
unserer Hypothese anzunehmen, daß diese zwischen erster und
zweiter Untersuchung vielleicht gleich blieb, zwischen erster und
dritter sich entschieden gebessert hatte, während zwischen dritter
und vierter wieder eine Verschlechterung eintrat.
Es entsteht nunmehr die Frage: Bis zu welchen Werten muß beim
nierengesunden Menschen das Fibrinogen im Plasma ansteigend ehe es
zur zur Albuminutie kommt ? Genaue Zahlen können wir diesbezüglich
trotz sehr zahlreicher Untersuchungen, die über den Fibrinogengehalt
des Plasmas im letzten Jahre auf unserer Klinik angestellt wurden,
nicht geben; wir schätzen den Grenzwert aber sehr hoch, etwa
zwischen 0,6 und 1,0 g°/ 0 , ja sogar vielleicht in vielen Fällen noch
bedeutend höher. Die Frage, ob jede vollkommen gesunde Niere
überhaupt einen solchen Schwellenwert hat, ist deshalb so schwierig
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318 V. Kollert und W. Starlinger: Die Albuminurie als Zeichen
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zu beantworten, weil wohl die höchsten Grade des Eiweißzerfalles
bei fieberhaften Zuständen .auftreten und es noch ein unerledigtes
Problem ist, inwieweit eine solche „febrile Albuminurie“ jedesmal
mit einer Nierenschädigung einhergeht. Auch im Experiment dürfte
sich eine ausgiebige Erhöhung des Fibrinogenspiegels nur unter Be¬
dingungen erzielen lassen, unter denen eine leichte, vorübergehende
Schädigung der Niere nicht vollkommen ausgeschlossen werden kann.
Die große Zahl der Albuminurien, die bei Athleten nach Höchst¬
leistungen auftreten (vergl. Collier ), sprechen für einen auch beim
Gesunden bestehenden Schwellenwert.
Als ein Beispiel einer febrilen Albuminurie diene folgender Fall:
Sch. Kruppöse Pneumonie. Fibrinogen: 0.99 g°/ 0 . Im Ham niini-
+
malste Spuren Eiweiß, U : 2,40 g°/ 0 , Chloride: 0,13 g 0/ 0 . Hier besteht
bei stark erhöhtem Fibrinogenwert eine so geringe Albuminurie, daß
die Eiweißdurchlässigkeit der Niere als sehr gering gewertet werden
kann.
Fassen wir unsere Anschauung über das Wesen der Albuminurie
zusammen, so kommen wir zu folgendem Satze: Die Albuminurie der
Nierenkranken ist der Ausdruck eines erhöhten Eiweißzerf alles bei
gleichzeitigem Bestände einer für Eiweiß stärker als in der Norm durch¬
lässigen Niere. Es ist demnach zu ihrem Entstehen das Zusammen¬
treffen zweier, voneinander weitgehend unabhängiger Bedingungen
nötig.
Es erhebt sich nunmehr die Frage, ob jeder vermehrte Eiwei߬
zerfall mit Bluteiweißbildern einhergeht, die den bei der Pneumonie
und der Nephrose beschriebenen Typen analog sind. Da es fest¬
zustehen scheint, daß das Auftreten der Hyperinose auch einen
gesetzmäßigen Einfluß auf die anderen Glieder der Eiweißbilder
bedingt, können wir die Frage auch näher dahin präzisieren, ob
jeder vermehrte Eiweißzerfall mit Erhöhung des Fibrinogenspiegels
im Blute einhergeht. In dieser Form gestellt, müssen wir sie ver¬
neinen. Da ihre Beantwortung eine weitere Möglichkeit der Ana¬
lyse der von uns aufgestellten Eiweißbilder gibt, sei es gestattet,
auf sie näher einzugehen.
Zuerst wollen wir die Wahl der Pneumonia crouposa und der
Nephrose als Paradigmen für eine bestimmte Veränderung des Ei¬
weißstoffwechsels begründen. Die beiden Krankheiten haben zu¬
nächst gemeinsam, daß bei ihnen häufig der Diplokokkus pneumoniae
eine ätiologische Rolle spielt. Für das erste Leiden ist das all¬
bekannt. Bezüglich des zweiten verweisen wir auf die Autopsie¬
fälle in der Monographie Volhards . Auch unter unseren Nephrosen
findet sich ein Kranker, bei dem die Sektion als Todesursache eine
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vermehrten Eiweißzerfalles bei geschädigter Nierenfunktion. ;j J 9
Pneumokokkenperitoniti8 ergab. Im Tierexperimente führen die In¬
fektionen mit Pneumokokken ebenfalls zu starken Hyperinosen (Heye).
Bei der chronischen Nephrose scheint, soweit derzeit Erfahrungen
darüber vorliegen, die starke Erhöhung des Fibrinogens konstant zu
sein. Nicht ganz so regelmäßig ist dieser Befund bei der Pneu¬
monie zu erheben. Wohl wird die Lungenentzündung unter den
fieberhaften Prozessen, die zur Hyperinose führen, von den ver¬
schiedenen Forschern auf diesem Gebiete immer wieder hervor¬
gehoben und vielfach bei der Aufzählung der hierher gehörigen
Leiden als Typus dieser Stoffwechselstörungen betrachtet; immerhin
aber gibt es in der Literatur einzelne Fälle verzeichnet, bei denen
ein annähernd normaler Fibrinogenwert gefunden wurde. Nägeli
betont z. B., daß das Fibrin bei croupöser Pneumonie fast ausnahms¬
los vermehrt sei; doch mangelt diese Zunahme bei fehlender Leuko-
eytose. Gram vermißte bei Krankheiten, die im allgemeinen mit
Fibrin Vermehrung einhergehen, dann die Hyperinose, wenn gleich¬
zeitig eine schwere Leberschädigung (meist autoptisch) nachgewiesen
werden konnte. Wir möchten — ohne wegen der Weitläufigkeit der
sich aus dieser Fragestellung ergebenden Untersuchungen auf Einzel¬
heiten einzugehen — darauf hindeuten, daß wir das Fehlen der
Fibrinogenvermehrung bei Pneumonie auf Grund experimenteller Er¬
fahrungen mit einer veränderten Funktion der Leberzellen in Zusammen-
zu bringen. Der annähernd normale , ja vielleicht verminderte Fibrinogen -
geholt im Verlaufe eines infektiösen Prozesses ist demnach kein Beweis
dafür , daß der Eiweißzerfall nicht gesteigert sei. Erinnern wir uns,
daß nach der eingangs erwähnten Theorie von Herzfeld und Klinger
Eiweißspaltprodukte von großem Einflüsse auf die Stabilität der
grobdispersen Eiweißkörper und die Geschwindigkeit ihres Zerfalles
in kleinere Teile sind. Wir stellen uns nun vor, daß bei geschädigter
hepataler Funktion Eiweißabbauprodukte aus der Vena portae in
gesteigerter Menge die Leber passieren können, in den großen Kreis¬
lauf gelangen und hier auf das physikalisch-chemische Verhalten des
Fibrinogens von Bedeutung sind. Einzelheiten und die nähere Be¬
weisführung sollen in einem anderen Zusammenhänge erörtert
werden. Hier wollen wir nur darauf hinweisen, daß aus zahlreichen
Angaben in der Literatur zu schließen ist, daß auch der Eiwei߬
abbau bei geschädigter Leber Veränderungen erfährt. In allen
solchen Fällen scheint nämlich die Ammoniakbildung gegenüber der
Hamstoffbildung zu überwiegen.
Für die uns hier beschäftigende Fragestellung ist nur von
Wichtigkeit, daß normaler Fibrinogengehalt noch nicht ausnahms¬
los das Fehlen eines gesteigerten Eiweißzerfalles bedeutet, wenn auch
für die Mehrzahl der Prozesse die Regel gelten dürfte, daß die
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:*20
V. Kollert und W. Starlinger: Die Albuminurie als Zeichen
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Fibrinogenmenge im Plasma ungefähr ein Maß der Eiweißmauserung
ist. Sehen wir nun, ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit, wie
sich die häufigsten Infektionskrankheiten bezüglich des Fibrinogen¬
gehaltes des Plasmas verhalten.
Vermehrung zeigen:
Gelenkrheumatismus (Andral und Gavarret, Berggrün , Gram ,
Halliburton, Nagelt , Pfeiffer).
Erysipel (Gram, Halliburton, Pfeiffer).
Lues recens ( Wintemitz), Gram fand normale Fibrinwerte.
Progrediente Tuberkulose (Frisch, Berggrün ), Gram fand normale
Fibrin werte.
Eiterungen (Andral und Gavarret , Gram).
Peritonitis acuta (Pfeiffer).
Annähernd normale Werte zeigen:
Typhus abdominalis (Andral und Gavarret, Becquerel und Rodier,
Gram , Hayem und Steiger, Nägeli , Pfeiffer).
Malaria (Andral und Gavarret, Gram, Pfeiffer).
Hinsichtlich der ersten Gruppe hat uns die Pneumonie als Bei¬
spiel gedient. Bezüglich der zweiten Gruppe wollen wir auf den
Typhus abdominalis hin weisen 1 ). Leider konnten wir in dieser Hin¬
sicht noch keine persönlichen Erfahrungen sammeln. Es geht aber
aus der Literatur hervor, daß febrile Albuminurien auch bei Typhus
sehr häufig sind. Es besteht also der Widerspruch gegen unsere
bisherige Hypothese von dem Zusammenhang zwischen Albuminurie
und Fibrinogenvermehrung bei geschädigter Niere, daß eine Krank¬
heit, die mit normalem Fibrinogengehalt einhergeht, häufig zu
Albuminurien führt. Diese Lücke unserer Kenntnisse kann nur
durch genaue Analyse der entsprechenden Blut- und Harneiweiß-
biider in ihrer Bedeutung geklärt werden. Der Objektivität der
Darstellung wegen ist aber der Hinweis auf diesen Punkt nötig. Der
Widerspruch zu unserer Hypothese ist wahrscheinlich in dem Sinne
nur ein scheinbarer, als in diesen Fällen wohl nicht das Fibrinogen
(wegen zu rascher Zerspaltung desselben) aber doch die Globuline
(siehe Langstein und Meyer) vermehrt sind. Für die Globulinver-
*) Die Giweißbilder hei Typhus dürften in folgender Weise zu präzisieren
sein. Blut: Fibrinogen normal (S. o.) oder vermindert (Jürgens). Serumeiweiß
vermindert (Reiß). Globuline: Albumin.? i?.-JV.;bei schwerer Intoxikation erhöht
(Wagner , u. a.). Harn ; febrile Albuminurie häufig ( H . Strauß); geht mit der
Schwere des Prozesses parallel (Stolte, Jürgens). Harnstoff: hohe Konzentration
zur Fieberzeit, rasches Absinken nach der Entfieberung (Jürgens). Die von
Langstein und Mayer an Typhustieren erhobenen Befunde ergaben teils stark
unter-, teils übemormale Fibrinogenwerte (Zustand der Leber!). Die Globuline
waren gegenüber der Norm vermehrt.
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vermehrten Eiweißzerfallee bei geschädigter Nierenfunktion. 821
mehrung spricht auch der Befund, daß solches Blut trotz normalen
Fibrinogengehaltes Senkungsbeschleunigung aufweist (Schürer-Eimer
1921 und Waldheim 1917).
Wir wollen schließlich die Eiweißbilder vom Standpunkt des R.-N
betrachten. Trotzdem gerade über dieses Gebiet eine sehr große
und exakte Arbeit vorliegt, hoffen wir doch durch die Einordnung
der Reststickstoffwerte in die von uns aufgestellten Schemen auf
neue und wichtige Beziehungen hinweisen zu können.
Betrachten wir von diesem Gesichtspunkte zunächst die Rest¬
stickstofferhöhung bei der Pneumonie. Sie wird in der Literatur
verschieden ausgelegt: F. Wagner betont, daß der Faktor des Ei¬
weißzerfalles im ganzen Gebiete des R.-N eine größere Rolle spielt
als dies bisher angenommen wurde und sucht durch gleichzeitige
Bestimmungen von RN und Harnstoffausscheidung nachzuweisen,
daß die R.-N-Erhöhung nicht auf eine schwere Funktionsstörung der
Niere zurückzuführen sei, sondern vielfach mit dem vermehrten
Hamstoffangebot an die Niere Zusammenhänge. Dem gegenüber
deutet W. Falta den Befund dahin, daß bei Infektionskranken die
Niere nicht den gleichen Anforderungen gewachsen sei wie die Nor¬
male. — Unseres Erachtens wird sich die Frage durch reihenweise
Bestimmungen der Bluteiweißbilder klären lassen. Wir wollen hier
nur betonen, daß nach den bereits angeführten hohen Fibrinogen¬
werten bei Pneumonie über das enorme Angebot von Eiwei߬
schlacken an die Niere kein Zweifel sein kann und daß unter
solchen Umständen eine Niere gelegentlich wohl ihre maximale
Konzentrationsfähigkeit im Sinne von Ambard erreichen wird. Je
tiefer vorher dieser individuell ja variierende Grenzwert lag, desto
eher wird es zur R.-N-Erhöhung kommen. Andererseits müssen wir
uns dabei aber der Befunde Ambard's erinnern daß eben dieses
maximale Angebot von Harnstoff an die Niere wieder eine Schädi¬
gung dieses Organes bedingen kann. Nonnenbruch kam auf einem
ganz anderen Wege als Wagner zu der Ansicht, daß ein hoher
R.-N kein Beweis für eine N-Retention zu sein brauche. Nach
Harnstoffgaben per os fand sich nämlich gelegentlich ein er
höhter R.-N im Blute, nachdem schon die ganze zugeführte
Menge Harnstoff wieder ausgeschieden war. Schon Monakow hatte
ähnliche Erwägungen aus seinen Befunden abgeleitet. Auch Folin ,
Denis und Seymour glauben nach Versuchen an Nephrosklerosen, daß der
Reststickstoffgehalt des Blutes auch durch den Grad des Eiweißab¬
baues beeinflußt werde. Es sei hier darauf hingewiesen, daß bei
der Pneumonie ein erhöhter Fibrinogen- und R.-N-Wert anscheinend
ziemlich gleichzeitig bei der Entfieberung rasch zur Norm absinken,
worauf nun die starke Harnstoff-Ausschwemmung einsetzt.
Z. f. d. ff. exp. Med. XXX. 21
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»J22 V. Kollert und W. Stärlinger: Die Albuminurie als Zeichen
Die Frage der Beziehungen von Fibrinogen und Bluthamstoff,
der ja einen beträchtlichen Teil des R.-N ausmacht, regt uns noch
zu einer zweiten, einstweilen wohl noch hypothetischen, trotzdem
aber vielleicht bedeutungsvollen Überlegung an. Wir haben in
früheren Mitteilungen gezeigt, daß im Reagensversuch Harnstoff in
Konzentrationen, in welchen er nicht allzu selten im menschlichen
Blute anzutreffen ist, bereits einen deutlichen Einfluß auf die Flock-
barkeit des Fibrinogens ausübt. Er vermag die Ausfällbarkeit dieser
Eiweißfraktion durch Kochsalz, Alkohol, Hitze aufzuheben. Eine
solche Stabilisierung des Fibrinogens geht nun nach der Anschauung
von Herzfeld und Klinget mit erhöhtem Zerfall einher, wofür im
Versuche allerdings exakte Beweise noch fehlen, da nur eine ver¬
änderte Quellung der Kolloide unter Einwirkung des Harnstoffes
feststeht. Ist diese Hypothese aber richtig, so bewirkt bei Uraemie
der durch die Erhöhung des R.-N beschleunigte Zerfall der grob-
dispersen Eiweißteile seinerseits wieder eine Vermehrung des wich¬
tigsten Endproduktes, des Harnstoffes. Da gleichzeitig dessen Aus¬
scheidung durch die Nieren daniederliegt, entsteht so ein Circulus
vitiosus, der vielleicht gelegentlich an dem raschen Ausbruch einer
Urämie beteiligt ist. Auch aus der Literatur lassen sich für die
eben entwickelte Hypothese gewichtige Stützen finden. Dieses Pro¬
blem ist allerdings sehr kompliziert (siehe Volhard, Theorie der
Urämie). Mit dem Eintreten der Urämie tritt ein rapider Muskel¬
schwund auf, der die Annahme eines toxischen Eiweißzerfalles nahe¬
legt ( Bradford , Senator , Richter , v. Noorden , Volhard ). Im Serum
nehmen die Globuline ab, was Lange mit der „lyophilen“ Fähigkeit
des Harnstoffes in Zusammenhang bringt. Die bereits früher er¬
wähnte verzögerte Blutgerinnung dürfte mit der Beeinflussung des
Fibrinogens durch den abnorm reichlich vorhandenen Harnstoff in
Beziehung stehen. Wir finden also Anhaltspunkte für einen
Einfluß des vermehrten R.-N auf die fixen Körperzellen und
auf die zirkulierenden grobdispersen Eiweißkörper. Eis braucht
dabei wohl kaum der Erwähnung, daß aus dieser Überlegung
über die toxische Wirkung von Hamstoffstauung nicht etwa der
Schluß gezogen werden darf, daß das gesamte klinische Bild
der Urämie nur mit dem Harnstoff Zusammenhänge. Der Einfluß
anderer Endprodukte des Eiweißstoffwechsels auf die Stabilität der
grobdispersen Eiweißteilchen ist aber unseres Wissens nur wenig
untersucht.
Wir wollen diesen Abschnitt nicht schließen, ohne darauf hinzu¬
weisen, daß die getroffene Wahl des Harnstoffes als Paradigma der
Endprodukte des Eiweißstoffwechsels wohl dadurch berechtigt ist,
daß er quantitativ unter den verschiedenen Eiweißschlacken an
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vermehrten Ei weißzerfall es bei geschädigter Nierenfunktion.
323
erster Stelle steht, andererseits aber willkürlich ist, als vielleicht
auch andere Stoffe ähnlichen Gesetzen folgen.
Weiter bedürfen die vorgelegten Befunde in einer weiteren
Richtung einer Ergänzung. Zur besseren Klärung der besprochenen
Stoffwechsel Vorgänge müssen im Hinblick auf den regen Austausch
vieler Stoffe zwischen Blut und Geweben neben den Blut- und
Harneiweißbildern auch „Gewebseiweißbilder“ studiert werden. Als
Beispiel der Bedeutung derselben für das Verständnis der darge¬
legten Befunde sei das von Berad erhobene Ergebnis betont, daß
bei Nephrosen trotz normalem R.-N im Blute der R.-N in den Ge¬
weben stark erhöht ist. Dies erhellt den Zusammenhang zwischen
der Fibrinogenanreicherung im Plasma und der Harnstoffausschwem-
mung im Harne. Vielleicht liefert die von Oännslen und Müller
ausgearbeitete Methode des Studiums des Kantharidinblaseninhaltes
hierfür einen brauchbaren Weg.
Die dargelegten Untersuchungen führten zu folgenden Schlu߬
sätzen :
1. Schwankt bei gesunder Niere im Laufe eines Tages der
Fibrinogenspiegel des Plasmas, so ändert sich gleichsinnig die Konzen¬
tration der Harnstofffraktion des Urins.
2. Schwankt bei kranker Niere im Laufe eines Tages der
Fibrinogenspiegel des Plasmas, so ändert sich — falls das Fibrinogen
vermehrt ist - gleichsinnig die Konzentration des Eiweißes und der
Harnstofffraktion des Urins.
3. Nephrosen mit starker Albuminurie haben einen außerordent¬
lich hohen Fibrinogengehalt des Plasmas. Gleichzeitig ist das Ver¬
hältnis der Globuline zu den Albuminen zugunsten der ersteren
verschoben. Die hohe Harnstoffkonzentration des Urins steht mit
dem vermehrten Fibrinogengehalt des Plasmas in Beziehung.
4. Nephritiker mit Albuminurie zeigen einen gegen die Norm
mehr oder weniger erhöhten Fibrinogengehalt des Plasmas. Die
Albuminurie der Nierenkranken ist der Ausdruck eines vermehrten
Eiweißzerfalles bei gleichzeitigem Bestände einer erhöht eiwei߬
durchlässigen Niere.
5. Sinkt bei Nierenkranken der Fibrinogenspiegel des Plasmas
unter einen bestimmten, individuell verschiedenen Wert, so schwindet
die Albuminurie. Es läßt sich auf diese Weise ein objektiver Ma߬
stab für die Eiweißdurchlässigkeit der Niere finden.
6. Mit Hilfe sogenannter Blut- und Eiweißbilder gelingt es,
eine ungefähre Übersicht über den jeweiligen Zerfall des Körper¬
eiweißes bei verschiedenen krankhaften Zuständen zu erlangen.
21 *
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.‘124 V. Kollert und \V. Starlinger: Die Albuminurie als Zeichen usw.
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Klinisch experimentelle Untersuchungen Uber Blut¬
serumkonzentration bei Arsenkuren.
Von
Dr. Heinrich Zimmer.
(Aue der inneren Abteilung des Krankenhauses Berlin-Wilmersdorf [Leitender
Arzt: Prof. R. von den Velden].)
0
Mit 10 Kurven im Text.
(.Eingegangen am 25. Juli 1922.)
Unsere theoretischen Vorstellungen über die Pharmakodynamik des
Arsens lassen noch manche Frage ungeklärt und es muß uns deshalb
jede Methode willkommen sein, die geeignet ist, die wissenschaftliche
Erklärung der klinischen Erscheinungen zu fördern. Nach den Er¬
fahrungen der Klinik, sowie den Ergebnissen des Experimentes muß
man dem Arsen sowohl eine reizende, als auch unter entsprechen¬
den Bedingungen eine hemmende, lähmende, zerstörende Wirkung
zuschreiben, welch letztere ja vor allem in dem Einfluß auf neopla¬
stische Zellkomplexe ihren Ausdruck findet.
Für das Arsen als Roborans und Tonicum sind es vor allem
zwei Hauptpunkte, die für die Beurteilung des Erfolges einer Arsen-
kur maßgebend sind, nämlich: die Veränderung des Blutbildes im
Sinne einer Vermehrung der Erytkrocyten und die Zunahme des Kör¬
pergewichtes unter Fettansatz.
Man hat früher auf Grund nicht eindeutiger Stoffwechselversuche dem
Arsen in kleinen Dosen eine oxydationshemmende Wirkung zugeschrieben,
allein Untersuchungen der A r oorrfe/ischen und Clöttaschen Schule 1 ) ergaben
zwar eine Eiweißeinsparung und eine Zunahme des Fettgehaltes, aber keine
verminderte Oxydationsenergie der Zellen. Wenn auch durch diese Unter¬
suchungen ein echter Stofiansatz fest gestellt war, so ließen doch mancherlei
klinische Erfahrungen, wie der oft nur temporare Erfolg einer Arsenkur, sowie
der innerhalb kurzer Zeit ziemlich erhebliche Gewichtsanstieg und sonstige
Erscheinungen die Frage aufwerfen, ob die Gewichtsveränderungen zu einem
nicht unerheblichen Teil durch Änderungen im Wassergehalt des Organismus
bedingt seien. Auf diese Vermutung führten auch die Ergebnisse von Ver¬
suchen, die von den Velden' 2 ) über den Wasserhaushalt des Organismus bei der
Antipyrese angestellt hatte.
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Original from
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H. Zimmer:
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Am nächstliegendsten zum Studium der Verhältnisse des Wasser¬
haushaltes erscheint die einfache Aufstellung einer Wasserbilanz aus
der Flüssigkeitsaufnahme und Abgabe während einer Arsenkur, allein
diese Methode bietet zu große Fehlerquellen. Eine andere Möglich¬
keit, der Frage näher zu kommen, bietet die refraktometrische Unter¬
suchung des Wassergehaltes des Blutserums. Nach den Arbeiten
von Reiß 9 ) läßt sich aus der vergleichenden Betrachtung des Eiweiß-
bzw. Wassergehaltes des Blutserums mit regelmäßigen Körper¬
gewichtsfeststellungen entscheiden, ob eine echte oder auf Wasser¬
retention beruhende Gewichtszunahme vorliegt. Ich führte deshalb
über längere Zeit sich hinziehende refraktometrische Blutserumunter-
Stockungen bei chronischen Arsenmedikationen durch, um der Verhält¬
nissen des Wasserhaushaltes während der Arsenkur näher zu
kommen.
Die Untersuchungen wurden in der Art vorgenommen, daß jeden zweiten
Tag morgens in nüchternem Zustande unter möglichst gleichen Bedingungen
ohne vorherige Desinfektion der Einstichstelle, der Fingerbeero Capillarblut
entnommen, in U-förmige Röhrchen aufgesaugt, zentrifugiert und das Serum
refratet ometrisch auf seinen Eiweißgehalt untersucht wurde. Wie schon Reiß
erwähnt, macht es für vergleichende Untersuchungen des Wassergehaltes keinen
Unterschied, ob man Blutplasma oder Serum benützt. Zugleich wurde mor¬
gens nüchtern in Abständen von 2 bis 3 Tagen das Körpergewicht mög¬
lichst genau bestimmt. Allerdings wird man ja bei der Blutentnahme aus der
Fingerbeere (Capillarblut) kein reines Serum, sondern dasselbe mehr oder
minder gemischt mit Gewebsflüssigkeit erhalten, aber da die Blutserum¬
konzentration der Konzentration der Gewebsflüssigkeit an dieser Entnahme¬
stelle parallel geht, kommt diese Fehlerquelle für die vorliegenden Reihen¬
untersuchungen wohl kaum in Betracht. Nur bei Stoffaustauschuntersuchungen
zwischen Blut und Gewebe , bei akuten Gleichgewichtsstörungen durch intra¬
venöse Injektion hochprozentiger Lösungen von Kochsalz und anderen Salzen,
wo es darauf ankommt, die Veränderungen des Refraktometerwertes im Serum
allein innerhalb einer gewissen kurzen Zeit zu beobachten, darf dieser Faktor
als Fehlerquelle nicht vernachlässigt werden (Kontrolluntersuchungen am
venösen BlutV Als Arsenpräparate wurden stomachal: Dürkheimer Max-Quelle
und Fowlersche Lösung und subcutan Solarson verwendet. Die Ergebnisse der
Untersuchungen seien in folgenden Tabellen und Kurven mitgeteilt.
Als Vorversuch wurde zunächst der Verlauf von Eiweißkonzen¬
tration und Gewicht bei zwei unter möglichst reichlicher Nahrungs¬
aufnahme ohne bestimmtes Vorherrschen einer reinen Fett-Eiwei߬
oder Kohlenhydraternährung stehenden Patientinnen untersucht, um
festzustellen, wie sich der Refraktometerwert des Serums unter reiner
gemischter Mast (wie sie ein städtisches Krankenhaus zur Zeit er¬
laubt) verhält und ich fand in beiden Fällen den schon von Reiß*)
angegebenen Verlauf bestätigt: während das Gewicht steigt , bleibt die
Blutserumkonzentration von kleinen Schwankungen abgesehen im großen
und ganzen konstant.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Klm. exper. Untersuchungen über Blntserumkonzentration bei Aroenkuren. 327
Fall 1. 24 Jahre alte Patientin mit abgelaufener leichter Bronchitis ohne
sonstigen pathologischen Befand der inneren Organe. 19 tägige Mastkur.
Datum
Gewicht in kg
Eiweiß ®/ 0
8. X.
47,0
8,47
9. X.
—
—
10. X.
47,0
8,28
11. X.
47,0
8,172
12. X.
—
—
13. X.
47,6
8,28
14. X.
—
—
15. X.
48,0
8,366
16. X.
—
—
17. X.
48,0
7,778
18. X.
—
—
19. X.
48,5
8,601
20. X.
—
—
21. X.
48,5
8,28
22. X.
—
—
23. X.
48,9
8,708
24. X.
—
—
25. X.
49,3
8,708
26. X.
49,4
8,622
Gewichtszunahme in 19 Tagen: 2,4 kg Refraktometerwert bleibt mit Aus-
nähme der Schwankung vom
15. X. bis 19. X.
nahezu konstant.
Fall 2. 27 jährige Frau
haften organischen Befund.
mit chronischer Arthritis ohne sonstigen krank-
18 tägige Mastkur.
Datum
Gewicht in kg
Eiweiß °/ 0
26. X.
50,5
8,92
27. X.
50,5
8,92
29. X.
50,6
8,92
31. X.
1. XI.
2. XI.
51,1
51,1
9,12
9,05
8. XI.
52,1
8,97
5. XI.
52,1
8,85
7. XI.
52,1
9,02
9. XI.
52.2
8,92
10. XI.
52,0
9,13
12. XI.
52,3
9,0
Gewichtszunahme in 18 Tagen 1,8 kg Blutserumkonzentration behält den
gleichen Wert.
Es folgen die Resultate, die bei Verabreichung der uns freund-
lichst zur Verfügung gestellten Dürkheimer Maxquelle erzielt wurden.
Die Maxquelle in Dürkheim (Pfalz) ist ein erdmuriatischer Koch¬
salzsäuerling, dessen Gehalt an As a 0 8 im Liter 19,5 m beträgt. Die
Medikation wurde in der aus den beigefügten Protokollen und Kurven
ersichtlichen Form durchgeführt.
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
328
H. Zimmer:
Digitized by
Fall 3. 18 jähriges Mädchen, das wegen allgemein nervöser Beschwerden,
sowie Ödemen an beiden Knöcheln das Krankenhaus aufsuchte. Die inneren
Organe und das Nervensystem waren ohne krankhaften Befund, die ge¬
schwollenen Knöchel hatten ihre Ursache in Plattfußbeschwerden. Patientin
war von sehr pastösem Habitus. Es bestand keine wesentliche Anämie:
Hb. 65 °/ 0 , Erythrocyten 4,2 Millionen, F. J. 0,7. Immer fieberlos, W.-R. neg.
Patientin erhielt Maxquelle, die immer gut vertragen wurde. Die Gesamt¬
menge des während der 22 tägigen Kur zugeführten As^O* betrug 57,33 mg.
Datum
Medikation
Gewicht in kg
Eiweiß */u Bemerk.
10. VIII.
57,3
7,85
11. VIII.
3-20
ccm
Maxquelle
57,0
7,55
13. VIII.
3-20
Y>
r>
57,2
7,65
14. vrn.
3-40
r>
n
15 . vm.
3-40
n
n
57,9
7,63
16 . vm.
3-60
V
n
58,0
7,76
19. vm.
3 80
n
«
58,0
7,85
21 . vm.
3-80
rt
r>
59,1
7,85
23. vm.
3-60
rt
r
59,3
7,76
25. vm.
3-40
r>
n
60,5
7,63
27. vm.
3*40
n
60,6
7,65
29. vm.
320
T)
60,4
7,68
3i. vm.
3-20
n
n
61,0
8,01
2. IX.
61,0
7,63
4. IX.
61,5
7,63
Wie aus dem Protokoll ersichtlich, stieg das Körpergewicht in 22 Tagen
von 57 kg auf 61 kg und zwar ziemlich gleichmäßig. Die Blutserumkonzen¬
tration hielt sich während dieser Zeit, von einigen Schwankungen abgesehen,
fast auf gleicher Höhe von 7,54 °/ 0 bei Beginn und 7,63 °/ 0 am Ende der Kur.
Die vom 23. VDI. bis 29. VIII. ersichtliche Gewichtsschwankung ist von einem
entsprechenden Verlauf der Refraktometerkurve im Sinne einer Wasserretention
begleitet. Sicher handelt es sich in diesem Fall um einen zum größten Teil
echten Stoffansatz (vgl. Fall 1 und 2) unter Arsen. Eine Beteiligung des
Wasserhaushaltes, soweit er refraktometrisch im Blutserum festzustellen ist
kann nur vom 23. VITE, bis 29. VIH. ersehen werden.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Klin. exper. Untersuchungen über Blutserumkonzentration bei Arsenkuren. 329
Fall 4. Patientin mit allgemeiner Defatigatio und nervösen Beschwerden.
Innere Organe o. B. Hb. 75 °/ 0 , Erythroc. 5,2 Mill. F. J. 0,75. W.-R. neg.
Immer fieberlos. Erhält als Roborans Maxquelle. Während der Kur keine
Magen-Darmstörungen, guter Appetit. Dauer der Kur 26 Tage. Menge des
in dieser Zeit zugeführten As^O,
63,76 mg.
Datum
Medikation in ccm
Gewicht in kg
Eiweiß «/<
Bemerk.
16. IX.
49
8,28
19. IX.
50
8,28
21. IX.
50,13
8,28
22. IX.
50,5
8,28
24. IX.
310
50,8
8,43
25. IX.
3-20
26. IX.
3-20
51,1
8,194
28. IX.
3 20
50,7
8,064
29. IX.
3-40
30. IX.
3-40
50,8
8,515
1. X.
340
■8,4
2. X.
3*60
51,4
8,494
4. X.
3-60
52,3
8,344
5. X.
3-80
6. X.
3-80
52,4
8,28
8. X.
3-80
52,6
8,064]
9. X.
360
8,064
10. X.
3-60
52,5
8,87
* Menses
12. X.
340
53,0
7,848
14. X.
340
53,1
7,912
15. X.
3-20
17. X.
3- 20
53,4
8,28
18. X.
3 10
19. X.
3-10
53,8
8,624
21. X.
53,8
8,494
rss MJZ * 10.
it 2* 26. iS. 30. ZI. t*. 6. 6
iq n. n i
* 18.
Kurve 2.
Die schon vor Beginn der Kur aus Kurve und Tabelle ersichtliohe Ge¬
wichtszunahme setzte sich auch während der Arsenmedikation zunächst in
demselben Maße fort, von einer Schwankung (26. IX. bis 30. IX.) abgesehen.
Gewichtszunahme während der 26 tägigen Kur von 50,8 kg auf 53,8 kg, also
3 kg. Refraktometer wert zeigt bis ca. zum Höhepunkte der Kur am 8. X.
außer der Zeit vom 28. IX. bis 30. IX. die Tendenz zum Sinken. (Konzen*
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
330
H. Zimmer:
trationsabnahme vom 24. IX. bis 8. X. 0,4 °/ 0 ), um dann nach der Schwankung
vom 8. X. bis 12. X. wieder zu steigen. Bei Vergleich beider Kurven finden
wir eine offenbar auf WasBerretention beruhende Gewichtszunahme vom 30. IX.
bis 8. X. bzw. 12. X. Für das Verhalten der Konzentrationskurve vom
8. X. bis 12. X. sind vielleicht die Menses verantwortlich zu machen (ver¬
änderter Wasserhaushalt durch gestörte NaCl-Bilanz). von den Velden b ) fand
bei Epilepsiekranken zur Zeit der Menstruation eine Störung der NaCl-Aus¬
fuhr und damit indirekt auch des Wasserhaushaltes des Körpers. Der Ver¬
lauf vom 8. bis 12. X. prägt sich auch in der Gewichtskurve im Sinne einer
Änderung der Wasserbilanz aus. Doch müßte man bei einer reinen Störung
des Wasserhaushaltes, bei einer Konzentrationserhöhung von 0,8 °/ 0 einen stär¬
keren Gewichtssturz als wie 100 g erwarten. Jedenfalls fand hier in dieser
Zeit vielleicht unter dem Einfluß der Menses auch eine wechselnde Verteilung
des Wassers im Organismus statt
Es handelt sich sicher in diesem Fall um eine Kombination
von echter Gewichtszunahme mit durch Wasserretention im Körper
bedingter. Der Einfluß des Wasserhaushaltes tritt besonders vom 30. IX.
ab in Erscheinung. Vom 12. X. ab dann gleichsinniges Ansteigen
beider Kurven (echter Stoffansatz, vielleicht auch Nachlassen der
wasserretinierenden Arsenwirkung bei fallenden Arsendosen).
Fall 5. 27jährige Frau, die kurz vor der Krankenhausaufnahme eine
akute Gastro-Enteritis durchgemacht hatte und wegen allgemeiner Defatigatio
auf genommen wurde. Innere Organe sowie Nervensystem zur Zeit der Auf¬
nahme ohne pathologischen Befund, Hb. 70 ü / 0 » Erythroc. 4,4 Mill., F. J. 0,8.
Patientin erhielt als Roborans Maxquelle. Die Dauer der Kur betrug 27 Tage
und die Gesamtmenge des in dieser Zeit zugeführten As^Oj 70,2 mg.
Datum
Medikation in ccm
Gewicht in kg
Eiweiß o/ 0 Bemerk.
24. VIII.
49,2
7,848
26. vm.
27. VIII.
3-20
49,2
7,416
28 . vm.
3-20
49,3
7,7
so. vm.
3-40
49,4
1. IX.
3-40
49,3
8,494
2. IX
340
49,8
7,848
3. IX.
3 • 60
5. IX.
3-60
49,5
8,333
7. IX.
3-80
49,6
7,848
10. IX.
3-80
49,7
8,1
11. IX.
3*60
13. IX.
3-60
49,8
\ Durchfall
15. IX.
16. IX.
3-60
3-40
49,4
<,060/ Magenbeschwerden
7,427/ *
19. IX.
3-20
49,9
7,643
21. IX.
3-20
50,2
7,278
23. IX.
50,1
6,98
24. IX.
50,1
25. IX.
50,1
7,211
27. IX.
50,6
7,632
29. IX.
50,6
7,632
31. IX.
50,8
7,642
Digitized by GOO^lC
•
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Klin. experim. Untersuchungen über Blutserumkonzention bei Arsenkuren. 331
Während der Arsenmedikation nahm das Körpergewicht nur um 0,9 kg
zu. Die Blutserumkonzentration zeigte unter erheblichen Schwankungen eine
Konzentrationsabnahme um 0,43°/ 0 von Beginn bis Ende der Kur. Vom
25. VIII.—1. IX., also im Beginn stieg die Konzentration zunächst um 1 °/ 0 bei
geringer Gewichtszunahme um 100 g, also fast Konstanz des Körpergewichtes
bei Eindickung des Blutes (Wasserverlust bei gleichzeitigem echten Stoffansatz).
Nach der Anamnese hatte Patientin ca. 8 Tage vor Beginn der Kur eine
Gastro-Enteritis durchgemacht, im Krankenhaus sind aber keine Durchfälle
mehr beobachtet worden, so daß der in der Kurve sich ausdrückende Wasser¬
verlust klinisch nicht geklärt ist. Zwischen 1. IX.—5. IX. ist eine deutliche
von einer Störung der Wasserbilanz abhängige Gewichtsschwankung wahrzu¬
nehmen gewesen. Vom 5. IX. ab ist bis zum Ende der Kur eine deutliche
Tendenz der Refraktometerkurve zum Sinken zu bemerken. Die Maxima, der
im Verlauf der Kurve bemerkbaren Konzentrationsschwankungen, erreichen
einen immer tieferen Wert, dabei mäßiges Steigen der Körpergewiohtskurve,
abgesehen vom 13. IX.—16. IX. Die Gewichtsabnahme in dieser Zeit hat ihre
Ursachen wahrscheinlich in leichten Magen-Darmstörungon, dadurch verminderter
Nahrungsaufnahme und leichten Durchfällen. Zugleich bleibt der vorher
sinkende Refraktometerwert vom 13. IX.—15. IX. nahezu konstant. (Es strömt
aus dem Gewebe ins Serum immer so viel Wasser nach, als durch die leichten
Durchfälle ausgeschieden wird.)
Auch in Kurve 5 tritt also der Einfluß der Wasserbilanz auf Änderungen
des Gewichtes unter Arsen deutlich in Erscheinung.
Die refraktometrische Methode bot nun noch insofern Vorteile,
als sie gestattete, in verschiedenen Stadien der Arsenkur den Ablauf
ahuier Gleichgewichtsstörungen zwischen Blut und Oewebe innerhalb
kurzer Zeit zu studieren, und hieraus Schlüsse auf eine durch Arsen
eventuell veränderte Reaktionsfähigkeit des Gewebes auf solche Ein¬
griffe hinsichtlich Zeit und Intensität zu ziehen.
Es wurden deshalb in Fall 5 zwei akute Versuche vorgenommen;
der erste im Beginn der Kur nach 7 Tagen, der zweite nach 17 Tagen.
Es wurden beidemale 20 ccm lOproz. sterile Kochsalzlösung intravenös
injiziert und die Änderungen des Refraktometerwertes innerhalb der
nächsten vier Stunden beobachtet. Uber den Effekt siehe Tabellen
und Kurven.
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
332
H. Zimmer:
Digitized by
V orbestimmung
Versuch 1. 2. IX. — -
Skala
58,0
Eiweiß •/•
7,85
20 ccm lOproz. Kochsalzlösung intravenös
5 Min. post Injekt.
57,0
7,632
10 „ „
r>
56,8
7,588
20 „ „
r>
55,6
7,329
30 „ „
n
57,0
7,632
1 Std. ,
57,0
7,632
2 ti .
n
57,4
7,718
3 „ ,
n
57,0
7,632
4 „ ,
V
57,0
7,632
Vorbestimmung
Versuch 2. 13. IX. - -
Skala
57,9
Eiweiß °/ 0
7,826
20 ccm lOproz. Kochsalzlösung intravenös
5 Min. post Injekt.
56,5
7,624
10 „ ft
n
54,6
7,119
20 „ „
n
54,1
7,005
30 ft „
n
54,6
7,763
1 Std. ,
n
55,0
7,2
2 „ *
n
56,0
7,416
3 „ „
n
54,6
7,136
4 n ,
n
57,0
7,632
Kurve 4.
Beim ersten Versuch war der stärkste Grad der Verdünnung nach 20 Minuten
erreicht, und zwar betrug er 0,5 °/ 0 . Nach 30 Minuten war der Refraktometer-
wert wieder um 0,3 °/ 0 gestiegen und es hielt sich diese Verdünnung auch
noch nach einer Stunde. Nach 2 Standen betrug die Konzentration 7,72 °/ 0 ,
nach 3 Stunden 7,63 °/ 0 und nach 4 Stunden ebenfalls.
Im zweiten Versuch war der höchste Verdünnungseffekt ebenfalls nach
20 Minuten erreicht, und zwar fiel der Refraktometerwert um 0,82 °/ 0 . Nach
30 Minuten war der Anfangswert fast wieder erreicht, dann setzte eine neue
Verdünnung ein, die sich auch in den nächsten 3 Stunden hielt und ihren
tiefsten Grad nach 3 Stunden erreichte.
Wie aus dem Vergleich der beiden Kurven ersichtlich, waren
die Amplituden der Ausschläge im zweiten Versuch größer als im
ersten und auch der Verdünnungseffekt stärker und zeitlich länger.
Die Annahme liegt sehr nahe, daß dieser verschiedene Verlauf im
zweiten Versuch seine Ursache in einer größeren Labilität des Gleich¬
gewichtszustandes zwischen Blut und Gewebe hatte. Vielleicht
spielen hier Veränderungen der Quellungsverhältnisse des Eiweißes
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Klin. exper. Untersuchungen über Blutserumkonzentration bei Arsenkuren. 333
sowie Änderungen der Zellmembranpermeabilitäfc besonders der Ge-
fäßendothelien und der Wassergehalt des Gewebes unter Arsen eine
Rolle.
Fall 6. 56 jährige Frau mit Magenscirrhus, sehr kachektisch und atrophisch,
ohne Pylorusstenose, erhielt Dürkheimer Maxquelle in den üblichen Dosen.
Die Dauer der Kur betrug 25 Tage, die Menge des in dieser Zeit gegebenen
AsoO ;j 66,6 mg.
Datum
Medikation in ccm
Gewicht in kg
Eiweiß o/o
Bemerk
15. VI.
41.2
5,7
17. VT.
18. VI.
3-20
41,2
5,648
19. VI.
3-20
41,4
4,703
21. VI.
3-40
4,703
22. VI.
3-40
43,3
5,226
25. VI.
360
43,4
5,226
26. VI.
3-60
5,248
27. VI.
3* 80
5,03
28. VI.
3-60
42,4
30. VI.
3 80
41, s
6,379
1. VII.
3-60
2. VH.
3-60
41.5
6,379
5. VH.
3-40
43,4
4,921
9. VII.
3-20
44.0
4,637
13. VII.
44,0
4,812
Kurve 5.
Die Betrachtung der Kurve zeigt uns, daß, während das Körpergewicht
in 25 Tagen um 2,8 kg zunahm, im Blutserum ein Sinken des Eiweißgehaltes
um ca. 0,86 °/o eintrat (vgl. Anfangs- und Endwert der Serumkonzentration).
Gleich nach Beginn der Kur erfolgte vom 18.—22. VI. ein sehr erheblicher
Gewichtsanstieg von 41,2 auf 43,3 kg, also um 2,1 kg und zugleich, wenn auch
in dem Maximalwert nicht ganz synchron mit dem Höhepunkt der Gewichts¬
zunahme eine Verdünnung im Serum um 0,94 °/ 0 . Die sehr erhebliche Gewichts¬
zunahme ist hier sicherlich auf eine Wasserretention im Organismus zurück¬
zuführen und die Annahme ist wohl berechtigt, daß um diese Zeit eine gewisse
kachektische Ödembereitschaft des Gewebes bestand, die unter der Wirkung
des Arsens beschleunigt wurde. Unsere Kenntnisse über die Entstehung kachek-
tischer Ödeme sind noch ziemlich dürftig, auf jeden Fall müssen wir diese
Difitized
by Google
Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
334
H. Zimmer:
Digitized by
Ödeme als Störungen des Gewebsstoffwechsels auff&ssen, wozu vielleicht
Schädigungen der Capillarendothelien, sowie die durch die Gewebsreduktion
bedingte Verminderung der Gewebsspannung hinzutreten. Dazu kommt viel¬
leicht auch eine Veränderung des Blutes infolge des allgemeinen Kräfte Verfalls.
Es ist klar, daß dem Arsen als Kapillar- und Zellgift eine beschleunigende
Wirkung auf alle diese Faktoren zukommt. Für die große Schwankung zwischen
25. VI. und 5. VII. ist klinisch keine Ursache zu eruieren gewesen, es sei denn
eine Ursache im Tumor selbst zu suchen (nach As?).
Es tritt in vorliegendem Fall ganz besonders deutlich unter der Einwirkung
des Arsens eine fast nur durch Wasserretention bedingte Körpergewichtszunahme
in Erscheinung.
Es folgen die Versuche mit Fowlerscher Lösung .
Fall 7. 19jähriger junger Mann, der wegen allgemeiner Schwäche und
Unterernährung im Krankenhaus aufgenommen wurde. Die inneren Organe
ergaben außer einer leichten Verschattung der rechten Spitze im Röntgenbild
keinerlei krankhaften Befund. Es bestand starke peripherische Anämie, Hb. 66 °/ 0?
Erythrooyt. 5,6 Mill., F. J. 0,6. Temperatur war dauernd normal. Zur Hebung
seines Zustandes machte Patient eine Arsenkur mit Fowlerscher Lösung durch
nnd zwar steigend von H l bis 3 15 Tropfen täglich und wieder zurück. Die
Dauer der Kur betrug 33 Tage.
Dutum
Medikation
Gewicht in kg
Eiweili °/ 0
26. VIII.
53,1
7,56
29. VIII.
53,5
8,2
30. VIII.
31
Trpf. Sol. Fowl.
31. VIII.
32
V
r> n
53,5
8,71
1 . IX.
33
T)
n r>
54
8,1
2. IX.
3-4
r
*
55
3. IX.
3-5
r
n n
56
7,84
4. IX.
3 6
ry
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5. IX.
3 7
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56
7,76
6 . IX.
3-7
n
n r»
7. IX.
38
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r* ri
57
8 . IX.
3-8
r
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6,95
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T*
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57,3
7,76
10. IX.
39
n r»
56,8
7,*6
12. IX.
310
n
n r»
57,8
7,61
14. IX
3-12
n
r* r
7,62
15. IX.
3-13
r»
r> v
57,6
16. IX.
3-14
V
r> n
57,5
7,67
17. IX.
3-15
V
r n
57,3
7,2
19. IX.
3-13
n
r n
57
7,66
21. IX.
3-11
v>
r n
57
7,63
22. IX.
3-10
*y
r n
57
7,5
24. IX.
3-s
V V
5*
7.2
26. IX.
3-6
- V
57,6
7,7
28. IX.
3-4
M
- ri
57,7
7,85
30. IX.
32
r r»
57,7
7,63
1 . X.
3-1
r r>
7.8
2 . X.
—
—
—
3. X.
—
—
7,6
4. X.
—
57
Bemerk.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Klin. exper. Untersuchungen über Blutserumkonzentration bei Arsenkuren. 335
Bei Betrachtung der Kurve sieht man schon einige Tage vor Beginn der
Kur einen Verlauf im Sinne eines echten Stoff-(Eiweiß-)Ansatzes [JU&ß 4 )].
Die Gewichtszunahme während der 33 tägigen Kur betrug 4,2 kg, dabei sank
die Eiweißkonzentration im Blutserum von 8,71 bis 7,63%? *1 b<> um ca. 1,1 %•
Sofort nach Einsetzen der Arsenmedikation erfolgte starker Gewichtsanstieg
unter gleichzeitiger Verdünnung bis 8. IX. um 1,76%. Vom 8. IX.—10. IX.
wieder Eindickung des Serums um 0,91 °/ 0 , der eine Gewichtsabnahme vom
9. IX.—10 IX. von 0,5 kg entsprach. Das langsame Sinken des Körpergewichts
vom 12 IX.—22. IX. ist auf die während dieser Zeit bestehende Appetitlosigkeit
und infolgedessen mangelhafte Ernährung (verursacht durch die Fowlersehe
Lösung) zurückzuführen. Vom 16. IX.—19. IX. handelte es sich sicher um
Wasserverschiebungen innerhalb des Organismus, für die eine Ursache klinisch
nicht in Erscheinung trat.
Wir sehen also außerordentlich deutlich , wie unter der Arsenmedi¬
kation , allerdings unter erheblichen Schwankungen , eine Gewichtszunahme ,
die zu einem recht erheblichen Teil auf Wasserretention im Körper
beruhte , eintritt.
Es wurden in diesem Fall am 6 . Tage der Kur und am 18. Tage
akute Gewichtsstörungen wie in Fall 5 (s. S. 332) vorgenommen.
Versuch 1. 5. IX.-
Skala
KI weiß %
Vorbestimmung
57,6
7,76
20 com lOproz. Kochsalzlös.
intravenös
5 Min. post Injekt.
55,6
7.329
10 r»
n n
56,0
7,416
20 „
n n
59,0
8,064
30 n
n n
56,5
7,624
1 Std.
n n
58,0
7,848
2 »
n r>
58,0
7,848
3 „
n n
58,0
7,848
4 »
rt n
58,0
7,848
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
33t)
H. Zimmer:
Digitized by
Versuch 2 . 17. IX. —-
Skala Eiweiß °/o
Vorbestimmung
5 Min. post Injekt.
10 n r> r>
20 n r» n
30 r n n
1 Std. r> n
2 n r> r>
3 n rt n
55,0
7,2
53,8
6,832
54,4
7,07
52,6
6,681
53,0
6,708
54,0
6,948
53,0
6,748
53,0
6,748
54,2
7,243
Im ersten Versuch war der höchste Grad der Verdünnung um 0,35°/ 0
schon nach 5 Minuten erreicht, dann wieder Eindickung; nach 30 Minuten
noohmals geringe Verdünnung; nach 1 Stunde hatte sich die Konzentration
wieder auf ungefähr den alten Wert wie vor Beginn des Versuches eingestellt
und blieb in den nächsten 4 Stunden konstant. Im zweiten Versuch ebenfalls
in den ersten 5 Minuten Verdünnung, dann wieder Eindickung, dann höchster
Grad der Verdünnung nach 20 Minuten erreicht (0,5°/o)> dann steigt die Kon¬
zentration allmählich, um erst nach zeitweise geringer Senkung nach 4 Stunden
den Anfangswert wieder zu erreichen.
Vergleichen wir beide Versuchsergebnisse, so sehen wir im zweiten,
der im Höhestadium der Kur ausgeführt wurde, erstens einen um
0,17 °/ 0 größeren Verdünnungseffekt # und zweitens hält sich die er¬
reichte Verdünnung viel länger wie im ersten Versuch. Auch hier
ist dieser Unterschied auf eine vielleicht unter Arsen veränderte
Reaktionsfähigkeit des Gewebes auf osmotische Störungen zurück¬
zuführen.
Fall 8. 47 jährige Frau, die wegen akuten Magen-Darmkatarrhs im Kranken¬
haus Aufnahme gefunden hatte. Es bestanden stark schleim- und bluthaltige
Durchfälle, kein Erbrechen. Höchsttemperatur einmal bei der Aufnahme 37,5°.
Hb. 75°/ 0 , Erythroc. 4,6 Mül., F.-J. 0,8. Herz nnd Nervensystem o. B. Auf
den Lungen leichte Bronchitis. Ungefähr eine Woche nach Sistieren der
Diarrhöen und Behebung des Magen*Darmkatarrhs wurde mit einer Arsenkur
mit Fowlerscher Lösung begonnen. Die Solution wurde in sehr starker Ver¬
dünnung in den gleichen Dosen wie im vorigen Fall 28 Tage gegeben.
Datum
7. IX
Medikation
Gewicht in kg
52,5
Eiweiß in °/ 0
7,113
Bemerkungen
9. IX.
31 Sol. Fowl.
52,5
7,1
10. IX.
3-2 rt v
52,8
7,07
12. IX.
3*4 „
53,5
7,416
14. IX.
3*6 n r*
53,6
7,642
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Klin. exper. Untersuchungen über Blutserumkonzentration bei Arsenkuren. 337
Datum
Medikation
Fortsetzung.
Gewicht in kg
Kiweiü in °/
15.
IX.
3
7
Sol. Fowl.
53,6
7,524
17.
IX.
3
9
n
n
54,0
7,524
19.
IX.
3
11
n
„
53,9
7,158
22.
IX.
3
14
n
r>
53,5
8,1 1
24.
25.
IX.
IX.
3
14
n
r>
53.5
8,064 J
26.
LX.
3
13
n
f*
54,2
7,632
28.
IX.
3
11
n
n
54,*
7,480
30.
IX.
3
9
n
n
55,5
7,416
2.
X.
8
7
n
n
7,221
3.
X.
3
6
r>
n
55,8
7,2
5.
X.
3
4
n
r>
55,4
7,623
7.
X
3
2
r>
n
7,682
s.
X.
3
1
r,
n
55,4
8,107
1L
X.
55,1
7,545
,, 9.
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mm
m
Bemerkungen
Magenschmerzen,
Erbrechen
i"
5 i
1
■
1
1
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1
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1
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Kurve 8.
Die Gesamtgewichtszunahme betrug von Anfang bis Ende der Kur 2,9 kg.
Bei Vergleich beider Kurven ist zunächst vom 9. IX.—14. IX. ein gleich¬
sinniger Anstieg von Gewichts- und Refraktometerkurve ersichtlich. Es ist
dieser Verlauf zu erklären durch einen echten Stoffansatz, wobei durch die vor¬
hergegangene doch immerhin konsumierende Erkrankung verloren gegangenes
Körpergewebe ersetzt wurde. Es überwog also vom 9. IX.—14. IX. echter
Stoffansatz über die wasserretinierende Wirkung des Arsens derart, daß die¬
selbe in der Kurve dadurch verdeckt wird. Vom 14. IX. ab verläuft dann die
Gewichtskurve derart, daß allen größeren und über längere Zeitabschnitte sich
erstreckenden Körpergewichtsänderungen, Änderungen der Blutserumkonzen¬
tration im Sinne einer Störung der Wasserbilanz entsprechen. Die Gewichts¬
abnahme vom 17. IX.—24. IX. ist wie im vorigen Fall hier ebenfalls auf
Appetitlosigkeit und Magen-Darmstörungen infolge der Medikation mit Fowler-
seher Lösung zurückzuführen. Am 23. und 24. IX. waren die Magenbesohwerden
derart, daß überhaupt kein Arsen gegeben werden konnte. Am 25. IX. wurde
in der Kur wieder fortgefahren und die Lösung hinfort gut vertragen. Be¬
merkenswert ist vielleicht, daß während der kurzen Unterbrechung vom
23.—24. IX. die Konzentration, die vorher im Steigen begriffen war, konstant
blieb, während sofort nach Wiedereinsetzen der Arsenmedikation Verdünnung
eintrat.
Z. f. d. g. exp. Med. XXX. 22
Digitized b
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
338
H. Zimmer;
Es seien nun noch zwei Beispiele mit •parenteraler Arsenzufuhr
durch Injektionen mit Solarson mitgeteilt.
Fall 9, 56 jähriger Mann mit chronisch cirrhotischer, offener Lungen¬
tuberkulose in sehr reduziertem Ernährungszustand. Zur Zeit der Kur fieberlos.
Erhielt 12 subcutane Solarsoninjektionen.
Datum
Medikation
Gewicht in kg
Eiweiß in */o Bemerkungen
9. IX.
10. IX.
1
ccm
Solarson
47
8,5
11. IX.
1
n
n
47
9,1
12. IX.
1
n
n
13. IX.
1
n
n
14. IX.
1
n
n
47
8,4
15. IX.
1
n
7)
16. IX.
1
n
n
46,8
9,8
18. IX.
1
n
r5
19. IX.
1
n
n
20. IX.
1
n
n
46,9
7,4
21. IX.
1
n
n
22. IX.
1
n
n
47,1
8,5
25. IX.
46
8,3
27. IX.
28. IX.
46,5
«,4
Aus der Betrachtung der Kurve sind während der Kur starke Schwan¬
kungen des Wassergehaltes des Blutserums bei gleichbleibendem Gewicht er¬
sichtlich, wohl als Verschiebungen des Wasserdepots im Körper zu deuten.
Vielleicht sind diese Schwankungen hervorgerufen durch den entzündlichen
Reiz im Gewebe nach den As-Injektionen, vielleicht auch verursacht durch
akut veränderte Quellungsverhältnisse des Blut- und Gewebseiweißes.
Fall 10. 32jährige Patientin mit allgemein nervösen, funktionellen Be¬
schwerden und Defatigatio. Innere Organe o. B. Anämie von Hb. 55 °/ 0 . Ery-
throcyten 3,3 Mill., F.-J. 0,8. Immer fieberlos. Erhielt 12 Tage täglich eine
Solareoninjektion subcutan.
Datum
Medikation
Gewicht in kg
Eiweiß in °/o Bemerkungen
18. IX.
20. IX.
1 ccm Solarson
49,7
8,5
21. IX.
ln n
49,7
8,5
22. IX.
In n
23. IX.
ln n
49,6
8,28
Digitized by GOO^lC
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Klin. exper. Untersuchungen über Blutserumkonzentration bei Arsenkuren. 339
Fortsetzung.
Datum
Medikation
(iowicht in kg
Eiweiß in °/o
24. IX.
1
ccm
Solarson
49,8
8,28
25. IX.
1
r>
n
26. IX.
1
r>
V
50,4
8,28
27. IX.
1
n
V
28. IX.
1
T>
r>
50,2
29. IX.
1
n
-
30. IX.
1
n
r
49,9
8,2
1. X.
1
r>
n
3. X.
51,0
8,17
5. X.
8,7
Bemerkungen
Während der Injektionen erfolgte Gewichtszunahme um 1,8 kg in 14 Tagen
mit gleichzeitiger Verdünnung um 0 f 33°/ o . Bemerkenswert ist, daß nach Be¬
endigung der Kur die Konzentration wieder stieg.
Es finden sich also in fast allen vorliegenden Fällen Änderungen
des Körpergewichtes, denen meist ein entgegengesetztes Verhalten
des Serum-Eiweißgehaltes im Capillarblut entspricht. Fast immer,
am deutlichsten bei Dürkheimer Maxquelle und Fowlerscher Lösung,
ist eine zum Teil recht erhebliche Steigerung des Körpergewichtes
am Ende der Kur im Vergleich zum Anfangswert festzustellen.
Vergleicht man die Werte für die Eiweißkonzentration am Anfang
und Ende der Arsen-Medikationen einzeln, so läßt sich in den Fällen
5, 6, 7, 10 eine deutliche Verdünnung des Blutserums feststellen.
In den anderen Versuchen ist der Endeiweißgehalt gleich oder fast
gleich dem Anfangswert, in Fall 8 sogar etwas höher. Man würde
aber zu ganz falschen Schlußfolgerungen kommen, wenn man nur
die Versuchsergebnisse zweier einzelner Tage einander gegenüber¬
stellen wollte, um hieraus Schlüsse zu ziehen, denn bei Betrachtung
des Verlaufs der Kurven über längere Zeit hin im ganzen ist er¬
sichtlich, und darauf kommt es an, daß fast allen größeren und über
längere Zeitabschnitte sich erstreckenden Oeurichtsveränderungen jeweils
ein Wechsel des Eiweiß- bzw. Wassergehaltes des Serums im Sinne
einer Störung der Wasserbilanz entspricht. Ist also am Ende der
Kur der Refraktometerwert der gleiche wie am Anfang oder ist
derselbe sogar etwas höher, so kann trotzdem die beobachtete
Körpergewichtszunahme auf einer Wasserretention beruhen. Die
oo*
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
340
H. Zimmer:
Digitized by
Entscheidung hierüber ergibt die vergleichende Betrachtung des Ver¬
laufs der beiden Kurven mit Berücksichtigung aller ihrer Schwankungen
zwischen den beiden Einzelwerten. Der Verlauf der Konzentrations¬
und Gewichtskurven zeigt uns in unseren Versuchsreihen deutliche
Änderungen des Wasserhaushaltes in ihrem Einfluß auf das Körper¬
gewicht während der Arsenmedikation. Dort, wo beide Kurven
stellenweise nicht in diesem Sinne verlaufen (Zacken der Eiwei߬
kurve bei konstant bleibendem Gewicht oder Schwankungen der
Gewichtskurve bei konstantem Wassergehalt des Serums) darf nicht
vergessen werden, daß außer Störungen der Wasserbilanz auch der
eiweißsparende und fettansatzbewirkende Einfluß des Arsens, die
klinische Besonderheit der Falles (konsumierende Krankheiten) so¬
wie Verschiebungen der Wasserdepots innerhalb des Organismus auf
den Verlauf beider Kurven von maßgebendem Einfluß sind. Des¬
halb braucht auch die höchste beobachtete Verdünnung im Serum
nicht immer ganz synchron mit dem höchsten Gewichtswert zu
gehen. In einem Teil der Fällo findet man höchste Verdünnung
zur Zeit der stärksten Steigerung des Körpergewichtes. In den Fällen
4, 6, 7 tritt sofort nach Beginn der Kur der Einfluß der Änderung
der Wasserbilanz auf das Körpergewicht in Erscheinung. In den
Fällen 3, 5, 8 beginnt der Verdünnungseffekt unter Arsen erst
einige Zeit nach Beginn der Kur deutlich zu werden. Im Fall 3
z. B. erst vom 13. Tage ab, man muß dabei berücksichtigen, daß
es sich ja meist um eine Kombination mit echtem Stoffansatz
handelt, der die Verdünnung zeitweise überdecken kann. Bei Fall 7
findet sich der tiefste Refraktometerwert auf dem Höhepunkt der
Medikation, in anderen Fällen (5) erst am Ende. Sehr schön ist
aus Kurven 2, 3, 6, 10 trotz aller Schwankungen die deutliche Ten¬
denz der Konzentrationskurven zum Sinken ersichtlich. Bei einigen
nur bis zum Höhepunkt der Kur (2), um dann bei fallenden
Arsendosen wieder zu steigen, bei anderen (3, 10) bis zur Beendigung
der Kur.
Leider war es aus äußeren Gründen nur in den beiden Fällen 5
und 7 möglich, acute Gleichgewichtsstörungen im Stoffaustausch
zwischen Blut und Gewebe durch intravenöse Injektionen lOprox. Koch
salzlözung hervorzurufen, auch konnten aus eben diesen Gründen
Kontrollbestimmungen am venösen Blut (s. o.) bei der Häufigkeit
der notwendigen Blutentnahmen innerhalb kurzer Zeit nicht vor-
genon men werden. Ich war deshalb nur auf die Refraktometer-
wertbestimmung im Capillarblut angewiesen und muß deshalb dieser
Faktor als Fehlerquelle bei der Beurteilung der Ergebnisse dieser
Versuche in Rechnung gestellt werden. Dazu kommt, daß in dem
Ablauf dieser Reaktionen zwischen Blut und Gewebe sicherlich
Original from
UNIVERSITY 0F MINNESOTA
Klin. exper. Untersuchungen über Blutserumkonzentration bei Arsenkuren. 341
mannigfache, zeitlich dispositionelle, in ihren Einflüssen und Einzel¬
wirkungen nicht immer ganz übersehbare und durchsichtige Ein¬
flüsse stattfinden (dauernde Schwankungen der Konzentration in den
verschiedenen Gewebskomplexen usw.); die auf das Versuchsergebnis
von maßgebendem Einfluß sind, so daß wir schon unter normalen
Verhältnissen innerhalb der physiologischen Breite mit großen
Schwankungen in der Ausgiebigkeit und Dauer solcher akuten
Gleichgewichtsstörungen zwischen Blut und Gewebe rechnen müssen.
Es sollen deshalb zunächst aus diesen akuten Versuchen keine
zu weitgehenden Schlußfolgerungen gezogen werden, aber vielleicht
ist nach dem Ergebnis derselben (stärkerer und längerer Verdünnungs¬
effekt auf dem Höhepunkt der Kur) doch die Annahme berechtigt,
daß es unter Arsen zu einer Änderung der Stabilität des Gleich¬
gewichtszustandes zwischen Blut und Gewebe und einer erhöhten
Mobilisierungsfähigkeit des Gewebswassers bei acuten osmotischen
Störungen kommt.
Bezüglich der Pharmakodynamik der wasserretinierenden Wirkung
sind folgende Möglichkeiten in Betracht zu ziehen: Die erhöhte
Wasseravidität des Gewebes steht vielleicht in einem ursächlichen
Zusammenhang mit der Beeinflussung des Stoff- besonders Fettstoff¬
wechsels durch Arsen. Die Frage nach den Beziehungen zwischen
Wasserwechsel und Fettstoffwechsel ist viel diskutiert und es scheinen
hier Zusammenhänge zu bestehen, die für eine Wasserverhaltung
bei Fettansatz sprechen, analog der mit dem Ansatz von Kohlen¬
hydraten einhergehenden Wasserretention. Das Fettpolster enthält
zu ca. ein Drittel seines Gewichtes an Wasser [vgl. Dennig 6 ) und
Zuntz 7 )]. Des weiteren wäre zu denken an eine Änderung der
schon öfter erwähnten Quellungseigenschaften des Blut-und Gewebs-
eiweißes und der Ionenpermeabilität der Zellmembranen, um so mehr,
als es sich bei dem Arsen doch um ein ausgesprochenes, im Gewebe
angreifendes Zellgift handelt.
Die Beeinflussung der Permeabilität ist ja zum größten Teil
schon begründet in der Stoffwechselwirkung selbst. Wissen wir
doch aus physiologischen Experimenten, daß das Auftreten der
durch den Zellstoffwechsel selber gelieferten Abbauprodukte die
lonenpermeabilität der Zellen auch schon unter normalen Verhält¬
nissen stark beeinflussen kann. Die dissimilationshemmende Wirkung
des Arsens in kleinen Dosen führt im Zellstoff Wechsel dazu, daß der
Ab- und Umbau großtoolekularer Verbindungen in kleine und kleinste
vermindert wird; dadurch kommt es zu einem Sinken des normaliter
vorhandenen osmotischen Druck Überschusses in den Geweben. Die
Folge davon ist eine herabgesetzte Saugkraft derselben [Höher*)].
Es ist klar, daß in einem so veränderten chemisch-physikalischen
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Google
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
H. Zimmer:
Digitized by
342
Milieu acut gesetzte Konzentrationserhöhungen im Blut zu einer
leichteren und ausgiebigeren Mobilisierung des Gewebswassers im
Sinne eines Rückströmens in die Blutbahn und dadurch einer Ände¬
rung des Stoffaustausches zwischen Blut und Gewebe führen (siehe
akute Versuche).
Zusammenfassung.
1. Zur Entscheidung der Frage, ob echter oder Pseudoansatz
durch Wasserretention, hat Reiß in die Klinik die refraktometrische
Methode eingeführt und an zahlreichen Untersuchungen dargelegt,
welche Schlußfolgerungen aus der vergleichenden Betrachtung der
Körpergewichts- und Blutserumkonzentrationskurven gezogen werden
können. Meine beiden Versuche bei einfachem Stoffansatz bestätigen
den von Reiß für diese Fälle angegebenen Verlauf.
2. Nach früheren Untersuchungen und auch nach vorliegenden
Versuchsreihen kommt es unter Arsen zu einem echten Stoffansatz .
3. Zugleich wird aber durch meine Versuche die durch eine oft
außerordentlich beschleunigte Gewichtszunahme innerhalb kurzer Zeit
hervorgerufene Vermutung bestätigt, daß es sich zum großen Teil
auch um einen Pseudoansatz durch Wasserverhaltung im Blut und Gewebe
handelt , ersichtlich an dem Eiweißgehalt des Blutserums.
4. Die beiden Versuche mit akuter Belastung des Blutes durch
hochprozentige NaCl-Lösung sprechen für eine größere Labilität des
Gleichgewichtszustandes zwischen Blut und Gewebe , vielleicht hervor¬
gerufen durch veränderte Quellungsverhältnisse des Blut- und Ge-
webseiweißes (verminderter Quellungsdruck?) oder Schwankungen in
der Zellmembranpermeabilität der Zellen, besonders der Gefäßendo-
thelien.
5. Praktische Schlußfolgerungen aus den bei den Versuchen ge¬
machten Erfahrungen: Mit der Dürkheimer Maxquelle ist ein zum
Teil sehr erheblicher gleichmäßiger Gewichtsanstieg mit geringen
Schwankungen (abgesehen von dem Fall VI) zu erreichen. Es
herrscht also wohl sicher der „wahre Gewichtsansatz“ vor.
Ebenfalls gute Erfolge sind auch bei Fowlerscher Lösung mit
starker Gewichtszunahme zu erzielen, aber es zeigen sich erhebliche
Schwankungen im Wasserhaushalt des Organismus und Magen¬
beschwerden auf dem Höhepunkt der Kur, die zur Gewichtsabnahme
führen und dadurch den Erfolg der Kur beeinträchtigen.
Geringere Erfolge in bezug auf Gewichtszunahme und „Ansatz“
durch parenterale Zufuhr des Arsens in Form von Solarsonein¬
spritzungen . In einem Fall starke Verschiebungen der Wasserdepots
im Körper, vielleicht hervorgerufen durch den jedesmal gesetzten
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Klin. erper. Untersuchungen über Biutserumkonzentr&tion bei Arsenkuren. 343
entzündlichen Reiz des Gewebes bei der Einspritzung. Unmöglich¬
keit der allmählich steigenden und fallenden Dosierung des Arsens,
die für den Erfolg der Kur doch wahrscheinlich von maßgebendem
Einfluß ist.
Berlin, April 1922.
Literaturverzeichnis.
*) von den Velden: Zit. Münch, med. Wochenschr. 1909, Nr. 5. — 3 ) Dera .; Kon¬
greß f. inn. Med. Wiesbaden 1921. — *) Reiß: Zeitschr. f. Elektrochem. 14 ,
613. 1908. — Der8.: Münch, med. Wochenschr. 1908, S. 1853. Dera.: Ergehn,
d. inn. Med. 10. 1913. Dera.: Dtsch. Arch. f. klin. Med. 117. 1915. — 4 ) Dera.:
Jahrb. f. Kinderheil k. 70, H. 3, S. 318. 1909. — a ) von den Velden: t Dtsch.
Zeitschr. f. Nervenheilk. : 38, 87. 1909. — •) Dennig: Zeitschr. f. physikal.
u. diätet. Therap. 1, 281. — 7 ) Zuntz: Therap. d. Gegenw. Juli 1901. —
8 ) Heber: Physikalische Chemie der Zelle und der Gewebe. 1906.
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Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Haben parenteral einverleibte Proteinkörper und
Nichteiweißkörper („Heizkörper") dieselbe Wirkung
auf den intravitalen Eiweißabbau in der Leber?
(VIII. Mitteilung zur Proteinkörperwirkmig.)
Von
Hanns Lohr.
(Aus der Medizinischen Universitätsklinik Kiel [Dir. Prof. Dr. A. Schittenhelm].)
(Eingegangen am 16. September 1922.)
Bei der jetzigen Entwicklung der Proteinkörpertherapie droht
eine völlig kritiklose Polypragmasie einzureißen. Die Überschwem¬
mung des Marktes mit Spezial- und Geheimpräparaten aller Art.
Proteinkörpern und Nichtproteinstoffen, hat einen großen Umfang
angenommen. Von wissenschaftlicher Seite werden die hererologsten
Stoffe ausprobiert und in ihrer Wirkung ohne irgendwelche experi¬
mentellen Beweise alle als gleichwirkend, als „aktivierend“ erklärt.
Man hilft sich bei den Nichteiweißkörpern mit der durch nichts be¬
gründeten Hilfshypothese der sekundären Abspaltung von Eiwei߬
abbauprodukten im Organismus. Immer wieder weist A. Schitten -
heim darauf hin, daß z. B. der Erfolg einer Terpentininjektion oder
der eines Kohlensäurebades doch auf chemisch und pharmakologisch
völlig anderer Wirkung im Organismus beruhen muß als eine Pro¬
teinkörperinjektion, deren Reaktionsablauf biologisch, pharmakologisch,
chemisch und physikalisch-chemisch sich ganz charakteristisch und
eben völlig anders verhält. Mit Recht verlangt Schittenhelm , „daß
die Kritik der Phantasie Halt gebietet“. Nach den Untersuchungen
Siarken8tein8 wirken Nichteiweißkörper, wie z. B. auch hypertonische
Lösungen usw., auf die Gefäße. Sie verhindern z. B. exsudative
Entzündungsprozesse, sie verzögern den Durchtritt von Fluorescin-
natrium in die Ciliargefäße des Auges. Terpentin wirkt nur auf die
Entzündung solange es im Organismus kreist. Proteinkörper hin¬
gegen verursachen eine über Wochen hinausgehende Beeinflussung
des Organismus (z. B. Antikörper). Ich kann an dieser Stelle nicht
alle die Differenzen aufzählen, die der Experimentator bei der An¬
wendung von Eiweißkörpern und Nichteiweißkörpern feststellen muß.
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
H. Löhr: Haben Proteinkörper u. Nichteiweißkörper dieselbe Wirkung usw. 345
Eines aber soll noch herausgehoben werden, daß Proteinkörper weit¬
gehend den Stoffwechsel verändern, während das von „Heizkörpern“
nicht feststeht.
Wir bedienten uns zur Klärung dieser Fragen des Verfahrens von
Hashimoto und Pick (Schmiedebergs Arch. Bd. 76). Diese fanden,
daß bei Meerschweinchen unter gleichen Bedingungen das Verhältnis
des unkoagulablen Stickstoffs zum Gesamtstickstoff nur geringen
Schwankungen unterliegt. Die normale Meerschweinchenleber enthält
im Durchschnitt 3,47°/ 0 an Gesamt-N und 0,28°/ 0 an Rest-N. Der
Der unkoagulable N beträgt also etwa 8 °/ 0 des Gesamt-N. Nach
Injektion allerkleinster Proteinkörpermengen verschiebt sich das Ver¬
hältnis ganz wesentlich. Der unkoagulable N nimmt dann im Durch¬
schnitt Werte von 19,31°/ 0 an. Ich konnte an einigen Tieren diese
Versuche bestätigen. Nach Beginn unserer Arbeit fand sich auch
eine entsprechende vorläufige Mitteilung von Bieling , Qottschalk und
Isaac (Klin. Wochenschr. Nr. 31, 1922). Analysen dieser Autoren
liegen mir noch nicht vor. Sodann injizierte ich die Meerschweinchen
aber mit „ Reizkörpern “, 10°/ 0 Terpentinemulsion, Olivenöl, Silber-
präparaten, destilliertem Wasser, isotonischen und hypertonischen
Kochsalz- und Zuckerlösungen. Ich verfüge bisher nur über 15 Ana¬
lysen vorbehandelter Tiere. Normaltierlebern erhielt ich durch die
Liebenswürdigkeit von Herrn Prof. Schütz vom hiesigen hygienischen
Institut aus den völlig entbluteten Wassermann-Meerschweinchen. Die
Kostbarkeit des Tiermaterials und ihre heutzutage sehr schwierige
Beschaffung zwingt nur zu schrittweisem Arbeiten. Die Versuche
werden aber fortgesetzt.
Methodisch gestalten sich unsere Untersuchungen folgendermaßen:
Meerschweinchen werden mit dem Reizkörper injiziert und nach einigen
Stunden bis einige Tage später nach dieser Vorbehandlung durch Duroh-
schneidung beider Karotiden völlig entblutet und die sofort körperwarm ent¬
nommene, blasse Leber verarbeitet. Die sofortige Verarbeitung ist eine un¬
bedingte Notwendigkeit, da sonst schon die Autolyse einsetzt. Als Kontrolle
dient die Leber unvorbehandelter Meerschweinchen, die in gleicher Weise ge-
getötet werden. Nach Möglichkeit sind alle Versuchstiere mit dem gleichen
Futter: Hafer und Kohlblätter, ernährt.
Die entnommene Leber wird sodann nach Entfernung der Ligamente und
der Gallenblase ohne Waschen in einer kleinen Reibschale mit einem Pistill
zu einem feinen halbflüssigen Brei verrieben und durch ein trockenes, feines
Metallsieb getrieben. Von dem erhaltenen Organbrei wird in zwei Wägegläschen
je 1,5—2 g abgewogen. Die eine Portion wird sodann quantitativ in Kjeldahlkolben
übergespült und in diesem der Gesamtstickstoff nach Kjeldahl betimmt. In der
zweiten Portion soll der unkoagulable Stickstoff bestimmt werden. Zu diesem
Zwecke verdünnten die Autoren den Brei in einem Becherglas mit 60—70 ccm
Wasser und koagulierten nach Zusatz von zwei Messerspitzen festen Kochsalzes
und einiger Tropfen Essigsäure bis zur schwach sauren Reaktion in kochendem
Wasserbade, bis das geronnene Eiweiß sich in groben Flocken an dem Boden
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346 H. Löhr: Haben Proteinkörper u. Nichtei weißkörper dieselbe Wirkung usw.
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des Becherglases sammelte. (Verfahren nach Salkowsky.) Bei unseren Ver¬
suchen bewährte sich mit guter Konstanz Enteiweißung durch Zusatz von 75 bis
100 ccm 2 °| 0 Kaliummonophosphat zu dem Organbrei und anschließendes Kochen
mit Rohrrückflusskühler auf dem Wasserbade bis zur völligen Koagulation.
Nach Filtration und Nachwaschen des Filters wird im Filtrat sodann gleich¬
falls nach Kjeldahl der Reststickstoff bestimmt. Coccidienkranke Lebern müssen
von der Untesruchung ausgeschlossen werden, da diese an und für sich schon
höhere Rest N-Werte haben.
Im folgenden seien in einer kurzen Tabelle nur 10 von den
15 Analysen wiedergegeben, die wir aus den Lebern mit verschie¬
denen Nichteiweißkörpern erhielten.
Injektion von:
I
Zelt nach
Injektion:
Gesamt-N
in 10 g
Leberbrei
Unkoogu-
labler N
Proz.-Verhlltnis
von unkoogulabl.
zum Geaamt-N
_
0,5 Terpentinemuls.
8 Std.
0,3216
0,0251
7,8
0,5 Terpentinemuls.
1 14 *
0,3282
0,0297
9,0
1 ccm Olivenöl.
24 *
0,346
0,0346
9,9
1 ccm aqua dest. intram. . . i 18 »
0,3308
0,0290
8,8
0,5 phys. NaCl intram. . . .
10 n
0,348
0,0302
8,6
0,5 10°/ o NaCl intraper. . . .
6 n
! 0,3723
0,0364
9,78
0,5 ccm 5°/ 0 Dextr. intram. .
11 »
0,441
0,040
9,22
1 ccm 20°/ 0 Dextr. intraven. .
5 n
1 0,346
0,02797
8,2
1 ccm 20°/ 0 Dextr. intraper. .
28 r>
0,2565
0,0185
7,2
1 ccm l°/o Morphin intram. .
12 „
| 0,377
0,357
9,4
Wir sehen also aus diesen Analysen , daß eine Verschiebung des Ver -
haltnisses Rest-N zu Oesamt-N nach Injektion von Nichteiweißkörpern
nicht eintritt , während dieses nach kleinen Eiweißmengen (0,01 g Pferde -
serum z. B. Hashimoto und Pick) immer der Fall ist . Die Versuche
werden noch ausgedehnt werden.
Jedenfalls scheint erwiesen, daß Nichteiweißkörper bei parente¬
raler Einverleibung ganz anders an den Organen wirken wie Eiwei߬
körper. Es ist daher auch völlig unberechtigt, kritiklos Nicht¬
eiweißkörper oder Proteinpräparate mit unbekannter Zusammensetzung
unterschiedslos therapeutisch zu verwenden, vor allen Dingen, da
diese sich auch tatsächlich in ihrem therapeutischen Effekt wesent¬
lich unterscheiden, worauf A. Schittenhelm kürzlich (Sammelreferat
Med. Klin. Nr. 30, 1922) ausdrücklich hinweist.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
Experimentelle Untersuchungen über die Pause nach
Y orhofsextrasystolen.
Von
Y. Miki (Tokio) und (\ J. Rothberger.
(Aus dem Institut für allgemeine und experimentelle Pathologie in Wien
[Vorstand: Hofrat Prof. PaUauf].)
Mit 12 Abbildungen im Text.
(Eingegangen am 10. Juli 1922.)
Es ist bekannt, daß die von der Kammer ausgelösten Extra¬
systolen (E.-S.) von einer vollständig kompensierenden Pause gefolgt
sind; das gilt auch, wie Engelmann fand, für die vom unversehrten
Vorhof des Froschherzens ausgelösten E.-S. Dagegen folgt nach der
Reizung des Venensinus (Tigerstedt und Strömberg ) und der Hohlvenen
( Engelmann ) des Frosches eine Pause, die ebenso lang ist wie eine nor¬
male Herzperiode, aber auch etwas kürzer oder länger sein kann.
Diese Befunde konnten im wesentlichen auch für das Warm¬
blüterherz bestätigt werden; es zeigte sich aber insofern ein Unter¬
schied, als die Vorhofs-E.-S. meist von einer verkürzten Pause gefolgt
waren.
Mackenzie hatte schon 1894 bei der Analyse von Venen- und
Leberpulsen gefunden, daß die vom Vorhof kommenden vorzeitigen
Schläge eine zu kurze Pause haben; diese Angabe war aber übersehen
worden und erst Wenckebach hat auf sie später hingewiesen. Das
abweichende Verhalten der Vorhofs-E.-S. beim Säugetierherzen ist
zuerst von Cushny und Matthews 1 ) experimentell festgestellt worden.
Sie fanden, daß die Pause nur dann vollständig kompensiert, wenn
die E.-S. spät in der Diastole auftritt; wenn sie früh kommt, ist die
Pause immer zu kurz, die postkompensatorische Systole also vorzeitig.
Sie meinen, man könne diesen Befund entweder dadurch erklären,
daß die Erregungswelle auf die großen Venen zurücklaufe und dort
eine E.-S. auslöse, oder dadurch, daß die Erregbarkeit des Vorhofs
allmählich an wachse, bis endlich eine von den großen Venen unab¬
hängige Kontraktion erfolge, die im Vorhof selbst entsteht. Hering a )
hat dann die Befunde von Cushny und Matthews bestätigt. Als
Cushny 8 ) dann kurz nach Wenckebach 4 ) die Ergebnisse des Tier-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
348
Y. Miki und C. J. Rothberger:
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expeiimentes auf die menschliche Pathologie anwandte, wies er dar¬
auf hin, daß eine kompensierende Pause sowohl von einer Kammer-
wie von einer Vorhofs-E.-S. stammen könne, daß die kürzeren Pausen
aber mit Sicherheit auf den Vorhof zurückzuführen sind.
Die Erklärung für die Verkürzung der Pause nach Vorhofs-E.-S.
gab dann Wenckebach in einer anderen Arbeit 5 ): Die Frage, ob die
Pause vollständig kompensiere, hänge in erster Linie davon ab, ob
der auf die Venen zurücklaufende Extrareiz noch vor der Fertig¬
stellung des normalen Reizes eintreffe oder nicht. Wenn er bei früh
eintretenden E.-S. noch rechtzeitig in der Vene ankommt, erzeugt
er dort eine Sinus-E.-S. und auf diese folgt eine Pause, die ebenso
lang ist wie ein Normalintervall. Wenn der Reiz aber zu spät kommt,
findet vollständige Kompensation statt, weil der mit dem Refraktär¬
stadium des Sinus zusammenfallende Extrareiz den Normalrhythmus
nicht verschieben kann. Wenn eine E.-S. also spät in der Diastole
einsetzt, ist die Pause kompensatorisch, und andererseits ist der Bige-
minus um so kürzer, je früher die Vorhofs-E.-S. auf tritt. Wenckebach
weist darauf hin, daß außerdem noch der Umstand in Betracht
kommt, daß sehr frühzeitig auf tretende Vorhofs-E.-S. langsamer weiter¬
geleitet werden, so daß die Rückleitungszeit (R.-L.-Z.) um so länger
wird, je früher die E.-S. eintritt. Auch dies sei also für die Länge
der Pause von Bedeutung, und die frühzeitig auftretenden E.-S. könnten
demnach eine längere Pause haben. Wenckebach meint weiter, wenn
diese Erklärung richtig sei, dann müsse auch der Ursprungsort der
E.-S. für die Länge der Pause von Bedeutung sein: Reize, die weit
entfernt von der Vena cava entstehen, könnten eine lange, und viel¬
leicht kompensierende Pause haben, während diese um so kürzer sein
werde, je näher der Reizort zur Cava liege. In seinem neuen Buche 6 )
sagt Wenckebach: „Die Extra-A-Periode ist um soviel länger als die
Normal-A-Periode, als der Extrareiz braucht, um vom Vorhof den
Sinus zu erreichen.“
Es war aber schon Cushny 7 ) aufgefallen, daß man beim Menschen
Vorhofs-E.-S. mit einer so langen Pause finden kann, daß die Er¬
klärung durch die Rückleitung des Reizes schwierig ist. Er weist
darauf hin, daß die Differenz zwischen der Pause und einem Normal¬
intervall nicht die reine R.-L.-Z. darstelle, sondern auch noch die Zeit
enthalte, die der nächste Normalreiz braucht, um den Vorhof zu er¬
reichen, denn es wird ja nicht die Sinussystole, sondern die Vorhofs¬
systole verzeichnet. Immerhin sei aber die Pause auch für diese
Erklärung noch zu lang; er glaubt jedoch, daß man sie doch bei¬
behalten könnte, wenn man annimmt, daß der auf den Sinus zurück¬
laufende Extrareiz dort nicht nur das Reizmaterial vernichtet,
sondern auch die Reizbildung hemmt. Wir kommen auf diese An-
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Experimentelle Untersuchungen über die Pause nach Vorhofsextrasystolen. 349
sicht und auf die Nachwirkung der Extrareizung überhaupt noch
später zurück.
In der 2. Auflage seines Lehrbuches der Herzkrankheiten sagt
Mackenzie 8 ) bei der Besprechung der von Gushny und Wenckebach
gegebenen Erklärung, daß sie zwar plausibel, aber keineswegs be¬
wiesen sei: „Es gibt andere Möglichkeiten, die in Betracht gezogen
werden müssen, bevor sie endgültig akzeptiert werden kann. Da
aber diese Möglichkeiten immer noch spekulativer Natur sind, so
würde es nicht angebracht sein, sie hier zu diskutieren.“
Dann haben Lewis , Mealcins und Withe 9 ) die von Wenckebach ge¬
gebene Erklärung in Versuchen an Hunden nachgeprüft. Sie be¬
stimmten zunächst die Leitungszeit zwischen dem Sinusknoten und
dem rechten Herzohr. Dann reizten sie dieses mit Einzelschlägen
und erzeugten dadurch E.-S. von verschiedener Vorzeitigkeit. Sie
fanden Pausen von etwas verschiedener Länge, und zwar längere
bei den vorzeitigeren E.-S., was sie mit Wenckebach durch die in den
früheren Stadien der Diastole ungenügend wiederhergestellte Leit¬
fähigkeit erklären Sie suchten nun die spätesten E.-S. mit den
kürzesten Pausen aus, bestimmten die Differenz zwischen der Pause
und der Länge der Normalperiode und verglichen sie mit der recht¬
läufigen Leitungszeit. So fanden sie im Durchschnitt einen Wert
von 0,03". Sie sagen nun: „On the assumption, that the speed of
travel through the auricle is the same in both directions, the time
so lost is according to our findings sufficient to account for the leng-
thening of the retuming cycle (postextrasystolische Pause). Wenckebachs
explanation holds £pod therefore in so far, as it applies to hearts
undisturbed by changes in vagal tone over the temporary period of
disordered heart action.“
In einer anderen, in demselben Jahre erschienenen Arbeit sagen
Lewis und White 1( *\ daß die Länge der Pause in erster Linie von
der Länge der Normalperiode bestimmt werde. Die Angaben von
Cushny und Matthews und von Hering , daß die Pause bei sehr vor¬
zeitigen E.-S. länger ist, sei in den Kurven dieser Autoren nicht be¬
gründet; dagegen bestünden feste Beziehungen zur Länge der Normal-
periode. Die Differenz gegenüber dieser ist aber klein und schwankt
zwischen wenigen Tausendstel-Sekunden und 1—4 Hundertstel-Sekunden.
Sie sagen: „For reasons which we consider later, we are not con-
vinced, that Wenckebachs explanation, namely difference in the rate
of conduction to the pacemaker accounts for these differences.“ Auf¬
fallend sei die Kürze dieser Differenz; sie beträgt bei Beizung des
Herzohres oder der Cava inf. bei mittelgroßen Hunden nicht
mehr als 0,03—0,05" und ist gewöhnlich halb so groß wie das
A -V- Intervall, nie größer als dieses. Bezüglich der Beziehungen
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350 Y. Miki und C. J. Rothberger:
zwischen der Entfernung des Reizpunktes vom Sinusknoten und der
Länge der R.-L.-Z. finden die Verfasser, daß ihre Befunde nicht un¬
vereinbar seien mit der Ansicht Wenckebachs, daß die größere Länge
der Pause wenigstens in der Hauptsache als R.-L.-Z. aufgefaßt werden
könne. In zwei Versuchen betrug bei Reizung des rechten Herzohres
und der Cava inf. die Entfernung vom Sinusknoten 30 mm; nach
der durchschnittlichen Leitungsgeschwindigkeit von 955 mm in der
Sekunde wären 0,031" notwendig gewesen; um diesen Weg zurück¬
zulegen; da nun die Pause um 0,0384—0,0372" länger war als die
Normalperiode, stimmt dies mit dem erwarteten Wert recht gut über¬
ein. Die erste postextrasystolische Normalperiode ist fast immer
etwas länger als die anderen Normalperioden, und zwar um 0,003
bis 0,005", höchstens um 0,01—0,02". Die Verfasser meinen, daß dabei
vielleicht eine Hemmung im Sinne vonCushny eine Rolle spielt,was aber
nicht bewiesen und nach Vagotomie auch nicht sehr wahrscheinlich sei.
In der 2. Auflage seines Buches bespricht Lewis 11 ) auch die Pause
nach Vorhofs-E.-S. ausführlicher. Er sagt: Die Pause ist um so viel
länger als eine Normalperiode, als die Erregungswelle braucht, um
vom Reizpunkt bis zum Schrittmacher zu laufen; dies sei schon lange
vermutet ( Gushny und Matthew , Wenckebach) und von Letvis, Meakins
und White bewiesen worden. Die Pause besteht also aus der R.-L.-Z.
und der Dauer einer Normalperiode. Wenn die Pause vollständig
kompensiert, was nur selten vorkommt , und zwar dann, wenn die E.-S.
spät in die Diastole fällt, nimmt man an, daß der auf den Sinus
zurücklaufende Reiz zu spät gekommen und schon in die Refraktär¬
phase des Sinus gefallen sei. In einer Anmerkung sagt Leids aber:
„Diese Erklärung gilt nicht für alle kompensierten Störungen des
Vorhofsrhythmus; einige Kompensationen sind, wie ich glaube, rein
zufällig und beruhen auf einer vorübergehenden Verlangsamung des
Herzschlages. w
Es ist nun dem einen von uns ( Rothberger ), der gemeinsam mit
Kaufmann die Entstehungsweise der extrasystolischen Allorhythmien
studierte, noch ehe die eben zitierte Bemerkung von Leuns erschienen
war, aufgefallen, daß man in Fällen von auriculärer Extrasystolie
beim Menschen Pausen von sehr verschiedener Länge finden kann.
In dem von Kaufmann und Rothberger gesammelten Kurvenmaterial
finden sich Fälle, wo der überwiegende Einfluß der chronotropen
Vaguswirkung außer Zweifel steht. Dies möge das folgende Bei¬
spiel zeigen. Es handelt sich um eine schon in der 3. Mitteilung
von Kaufmann und Rothberger 1 ^) erwähnte Kranke, bei der auriculäre
E.-S. mit positiver Vorhofzacke in unregelmäßigen Zwischenräumen
auftraten, und zwar immer in demselben Abstande von der vorher¬
gehenden Normalsystole. Der Sinusrhythmus zeigte sehr beträcht-
Original from
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Experimentelle Untersuchungen über die Pause nach Vorhofsextrasystolen. 351
liehe periodische Schwankungen und die E.-S. treten gerade immer
dort auf, wo die zunehmende Beschleunigung der normalen Reiz¬
bildung von einer brüsken Verlangsamung unterbrochen wird. Wir
greifen als Beispiel einen Teil der aus der Kurve gemessenen
Periodenlängen (in 1 / 100 ' / ) heraus (Nr. 41—64); die Kupplungen, d. h.
die den E.-S. vorhergehenden Perioden sind fett gedruckt: 31, 103,
57, 49, 48, 47, 38, 102, 60, 51, 50, 48, 49, 33, 106, 60, 55, 51, 50,
48, 33, 104, 60, 51. Es ist nun ohne weiteres klar, daß man in
diesem Falle nicht die Differenz zwischen der Pause und dem folgen¬
den Normalintervall als Rückleitungszeit (R.-L.-Z.) auffassen darf,
denn ein Reiz kann nicht 0,42—0,46" brauchen, um von irgendeinem
Punkte des Vorhofs den Sinus zu erreichen, abgesehen davon, daß
die Normalintervalle nach der Pause allmählich kürzer werden, bis
die nächste E.-S. auftritt. Da eine so starke Hemmung (durch die
E.-S.) nicht anzunehmen ist, kann es kaum einem Zweifel unterliegen,
daß in diesem Falle der Eintritt der ersten postextrasystolischen
Systole durch den hohen Vagustonus verzögert und die Länge der
Pause in erster Linie von der chronotropen Vaguswirkung und nicht
von der Länge der R.-L.-Z. bestimmt wird.
Etwas ganz ähnliches finden wir bei einem zweiten Falle (Prot.
Nr. 1068), einem 30 jährigen Manne, bei dem nur nach Bewegung
auriculäre E.-S. auftraten. Bei Ruhe war die Sinusfrequenz nahezu
konstant, die Herzperioden schwankten nur zwischen 71 und 77
(in Vioo O- Nach Kniebeugen stellten sich periodische Schwankungen
ein, und auch da traten die einzelnen auriculären E.-S. immer dann
ein, wenn die allmählich zunehmende Beschleunigung von einer
Steigerung des Vagustonus abgelöst wurde. Auch hier genüge ein
Teil der gewonnenen Werte (Nr. 94—112): 56, 38, 93, 62, 54, 38, 95,
65, 54, 53, 40, 97, 74, 67, 60, 56, 40, 90, 70.
In den beiden angeführten Beispielen ist die Verlängerung der
Pause so beträchtlich, daß man nicht einmal entscheiden kann, ob
der Extrareiz überhaupt auf den Sinus zurückgelaufen ist, denn wenn
man die Kupplung und die Pause addiert, kommt eine bedeutende
Uberkompensation heraus. Trotzdem sind diese Beispiele deshalb
nicht ungeeignet für unseren Zweck, weil sie zeigen, daß die Länge
der Pause in erster Linie von der Höhe des zu dieser Zeit be¬
stehenden Vagustonus abhängt. Man muß dies wohl im Auge be¬
halten und zwar auch in Fällen, wo die Unterschiede weniger kraß
sind, denn es scheint, als ob die E.-S. gerade dann gern auftreten,
wenn ein steigender Acceleranstonus auf eine plötzliche „Bremsung“
des Herzens folgt. (Kaufmann und Rothberger.)
Es ist nun ohne weiteres klar, daß auf diese Weise Pausen von
sehr verschiedener Länge Zustandekommen können, auch wenn alle
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352
Y. Miki und C. J. Rothberger:
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E.-S. von demselben Reizherd ausgehen, und zwar kann dies auch
dann der Fall sein, wenn keine Scheinkompensation erfolgt, sondern
die Pausen zu kurz sind. Wir müssen also vor allem trachten,
diesen schwankenden Vagustonus* auszuschalten.
Wir wollen deshalb, ohne auf die übrigen von Kaufmann und
Rothberger gesammelten Fälle näher einzugehen, nur solche Beispiele
untersuchen, wo die Normalperioden vor und nach der Rhythmus¬
störung gleich oder fast gleich lang waren, wo also größere Schwan¬
kungen im Tonus der extrakardialen Nerven nicht bestanden.
Prot. Nr. 881. Einzelne aurio. E.-S. mit poe. Vorhofzacke.
K-S. |
Nr. j
Kupplung
Normalintervall
Länge der
Pause
Differenz
1
vorher
nachherj
5
65
76
! 75
87
kompensiert
9
1 46
74
1 74
85
! 11
13
48
72
1 73
84
i n
18
! 65
74
; 78
89
kompensiert
23
53
78
1 78
89
11
28
54
78
! 76
86
10
33
70
75
; 74
78
kompensiert
37
58
75
1 73
84
11
41
! 50
72
1 72
82
10
45
50
72
1 74
84
10
50
65
75
74
84
kompensiert
54
j 48
75
73
84
11
58 ;
56
71
72
84
12
62
65
70
75
80
kompensiert
66
, 65
73
74
82
kompensiert
70
66
73
76
84
kompensiert
74
56
74
7 6
86
10
78
44
76
76
84
8
82
50
74
74
83
9
In diesem Falle scheint alles mit den experimentellen Angaben
zu stimmen: die spät auf tretenden E.-S. 5, 18, 33, 50, 62, 66 und 70,
die eine lange Kupplung haben, sind von einer vollständig kompen¬
sierenden Pause gefolgt, denn die Summe aus Kupplung und Pause ist
gleich zwei Normalintervallen (z. B. bei Nr. 5: 65 + 87 = 152 = 2 • 76).
Die anderen E.-S., die eine kürzere Kupplung haben, also früher in
der Diastole eintreten, haben eine zu kurze Pause; diese ist um
8—12 Hundertstelsekunden länger als ein Normalintervall und man
hätte also 0,08—0,12" die Rückleitungszeit anzusehen und einen
solchen Wert findet man auch bei anderen Vorhofs-E.-S. nicht selten.
Nun ist diese R.-L.-Z. doch auffallend lang. Bei Reizung des rechten
Hundevorhofes fanden Kaufmann und Rothberger (1917) nicht mehr
als 0,03", und denselben Wert finden, wie oben erwähnt, auch Lewis
und seine Mitarbeiter; selbst wenn man berücksichtigt, daß der Vor¬
hof beim Menschen größer ist als beim Hunde, ist nicht zu ver-
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Experimentelle Untersuchungen über die Pause nach Vorhofsextrasystolen. 353
stehen, warum die R.-L.-Z. 3—3,5 mal so lang sein soll. Daß die
E.-S. beim Menschen nicht durch Einzelschläge erzeugt werden, kann
den Unterschied wohl nicht erklären.
Nun ist der oben angeführte Fall einer von denen, wo die E.-S.
auf einer rhythmischen Reizbildung beruhen, es ist ein Fall von
Parasystolie , und als solcher ist er auch von Kaufmann und Roth-
berger 18 ) beschrieben worden. Bei solchen Fällen scheint nun die
Länge der Pause von ganz anderen Gesetzen bestimmt zu werden,
deren Studium nicht in den Rahmen dieser Mitteilung gehört. Nur
auf folgendes wollen wir aufmerksam machen. Es ist auffallend,
daß in diesem Falle die E.-S. 78 nach 0,08" den Sinus erreicht und
dort eine E.-S. erzeugt, während z. B< die E.-S. 50 nach 0,10" schon
zu spät kommen soll.
Die eigentliche Veranlassung zu unseren Untersuchungen bilden
aber Fälle wie der folgende.
Prot. Nr. 871. Auric. E.*S. mit posit. Vorhofzacke. 2. Aufnahme. Wir
bringen nur diejenigen E.-S., wo das Normalintervall vorher und nachher ganz
oder fast ganz gleich ist.
E.-S.
Nr.
i- ”
' Kupplung
1;_
Normalintervall
vorher nachher
LÄnge des
Bigeminua
Lfinge der
Pause
Differenz
17
49
116
114
177
1 128
12—14
20
‘ 50
114
115
167
1 117
2-3
24
51
110
113
164
i ns
0
32
46
117
120
169
I 123
! 3-6
48
49
112
114
172
123
9-11
58
48
115
112
161
1 113
0
123
80
115
115
212
| 132
17
129
52
119
121
171
119 I
0-2
156
50
123
121
178
128
5-7
171
49
118
120
181
132
12-14
176
60
120
120
189
l 129
i I
9
In diesem Falle sieht man, obwohl zur Zeit der tthythmusstörung
keine wesentlichen Schwankungen im Vagustonus erfolgen, doch sehr
verschiedene Differenzen zwischen der Pause und der Länge des zu¬
gehörigen Normalintervalles. Es besteht gar kein Grund zu der An¬
nahme, daß die einzelnen E.-S. von verschiedenen Punkten im Vor¬
hofe ausgegangen sind, und daß die Unterschiede auch mit der Zeit
des Eintrittes der E.-S. nichts zu tun haben, läßt sich aus der
folgenden Zusammenstellung ersehen, in der zu den einzelnen Kupp¬
lungen die zugehörigen Differenzen in Klammer gesetzt sind: 46 (3—6),
48 (0), 49 (12—14, 9—11, 12—14), 50 (2—3, 5—7), 51 (0—3),
52 (0—2), 60 (9), 80 (17). Warum sind in diesem Falle die sog.
Rückleitungszeiten so außerordentlich verschieden? Da kein Grund
dafür besteht, eine so stark wechselnde Leitfähigkeit in der Vorhof-
Z. f. d. g. exp. Med. XXX. 23
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Y. Miki und C. J. Rothberger:
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:;r>i
muskulatur anzunehmen, und auf diese Art der Wert 0 ja auch gar
nioht erklärt werden könnte, haben wir, da solche Fälle durchaus
nicht selten sind, uns dazu entschlossen, die Verhältnisse unter ein¬
facheren Bedingungen noch einmal zu untersuchen, wo vor allem der
Tonus der extrakardialen Nerven mit Sicherheit ausgeschaltet werden
und man dafür sorgen kann, daß alle Reize von demselben Punkte
ausgehen, so daß die zurückzulegende Strecke immer dieselbe ist.
Da, wie erwähnt, in den Fällen, wo die einzelnen E.-S. auf einer
rhythmischen Reizbildung beruhen, die Länge der Pause von eigen¬
artigen Umständen abzuhängen scheint, mußten Versuchsbedingungen
gewählt werden, wo eine rhythmische Reizung sicher ausgeschlossen
werden konnte.
Die zu lösenden Fragen lauteten:
1. Wie lange braucht ein am Vorhofe gesetzter Reiz, um vom
Reizpunkte aus den Sinus zu erreichen und welche Änderungen er¬
fährt diese Rückleitungszeit unter verschiedenen Bedingungen?
2. Ist zur Erklärung der Pause die Annahme einer Reizrückleitung
ii berhaupt notwendig ?
Alle Versuche sind an mittelgroßen Hunden in Morphin-Äther¬
narkose ausgeführt. Der Thorax war in der gewöhnlichen Weise
geöffnet, das Elektrokardiogramm wurde von Ösophagus und Anus
abgeleitet, und außerdem die Suspensionskurven des Vorhofes und
der rechten Kammer verzeichnet; die Zeit wurde mit der Stimm¬
gabel in 1 / 50 " geschrieben. Gereizt wurden verschiedene Punkte des
Vorhofes, und zwar das rechte und das linke Herzohr, die obere und
die untere Hohlvene, und endlich der Sinusknoten "selbst, und zwar
mit Einzelschlägen ohne Abblendung; die Elektroden wurden in einer
nur wenige Millimeter betragenden Entfernung in die Vorhofmusku¬
latur eingehakt.
Da nach den Befunden von Lewis und von Kaufmann und Roth¬
berger die Rückleitungszeit sehr kurz ist (gewöhnlich um 0,03"), war
vor allem die Wirkung von Stromschleifen auszuschließen, die am
Sinus direkt hätten eine Extrasystole hervorrufen können, obwohl
von diesem Gesichtspunkte aus die Zeit von 0,03" ja wieder viel zu
lang gewesen wäre. Daß nun Stromschleifen nicht in Betracht
kommen, ließ sich leicht auf folgende Weise feststellen: Es wurde
zunächst die Spitze des rechten Herzohres mit Einzelschlägen gereizt
und die die Extrasystolen enthaltende Kurve aufgenommen. Dann
legten wir unterhalb der Reizstelle über die ganze Breite des Herz¬
ohres eine Klemmpinzette an und zerquetschten dadurch die gefaßte
Vorhofmuskulatur. Nun folgten auf Einzelschläge keine Extrasystolen
mehr und bei faradischer Reizung mit starkem Strome flimmerte der
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Experimentelle Untersuchungen über die Pause nach Vorhof sextrasy stolen. 355
Vorhof nicht. Damit ist bewiesen, daß Stromschleifen als Reiz¬
ursachen anderer Vorhofteile nicht in Betracht kommen; wenn dann
die Reizelektroden unterhalb der Klemmstelle angelegt wurden, traten
natürlich die E.-S. wieder auf.
An den aufgenommenen elektrographischen Kurven wurden dann
die einzelnen Herzschläge der Reihe nach numeriert, die Dauer der
aufeinanderfolgenden Herzperioden an den Stimmgabelschwingungen
gemessen und die so gefundenen Werte in Form von Tabellen zu¬
sammengestellt, so wie es Kaufmann und Rothberger in ihren Unter¬
suchungen über die extrasystolische Allorhythmie getan hatten. Es
enthält also der erste Stab die Nummern der aufeinanderfolgenden
Herzschläge, der zweite die Dauer der vorangehenden Herzperiode,
der dritte die „Kupplung“, d. h. das Intervall zwischen Normal- und
Extrasystole, und der vierte die Differenz zwischen der Pause und
der Länge des Normalintervalles, und zwar sind alle diese Werte
in Vioo" angegeben*).
1. Reizung des rechten Herzohres.
Nehmen wir zunächst ein Beispiel für die Reizung des rechten
Herzohres bei erhaltenen Vagis (Versuch 19, s. folgende Tabelle.)
Die Dauer der Normalperioden beträgt, obwohl die Vagi erhalten
sind, beinahe konstant 52. Von den Reizen ist meist sowohl der
Schließungs- wie der Öffnungsschlag wirksam, an einzelnen Stellen
aber nur der eine von beiden, wenn der andere in die refraktäre
Phase des Vorhofs fiel. Entsprechend der absichtlich unregelmäßigen
Reizung**) sind die ersten Kupplungen ungleich lang. Die Länge
der Pause nach den Extrasystolen schwankt im ersten Teile des
*) Wir bezeichnen den Wert, um den die Pause länger ist als das Normal-
interv&ll im folgenden als Differenz (Diff.). Wenn man sich auf den Boden
der Theorie der Reizrückleitung stellt, würde diese Differenz der Reizrück-
loitungszeit (R.-L.-Z.) entsprechen.
**) Wie in der Einleitung ausgeführt wurde, entsteht nach den Befunden
von Kaufmann und Rothberger bei rhythmischer Reizung immer eine extra¬
systolische Allorhythmie, die in unseren Versuchen vermieden werden sollte.
Ks wurde daher dem den Reizapparat bedienenden Assistenten eingeschärft, in
ganz willkürlichen und unregelmäßigen Zwischenräumen zu reizen. Dies scheint
aber merkwürdigerweise die Überwindung eines dem Menschen innewohnenden
Bedürfnisses nach Rhythmus vorauszusetzen, und cs ist interessant, festzu-
steilen, wie nach einiger Zeit sich dieses Bedürfnis unbewußt doch durchsetzt,
wenn die Aufmerksamkeit etwas nachläßt. Wenn man die zwischen den ersten
Reizen liegenden Intervalle ausmißt (Nr. 2—7, 7—11, 11—14 usw\), bekommt
man folgende Werte: 222, 181,5, 153,5, 214, 232,5, 266,5, 183,5, 270, 187.5,
305, 293,5, 316 , 5 , 311 , 311 , 369 . Wenn man bedenkt, daß diese Werte in
Hundertstelsekunden angegeben sind, ist die Gleichheit der letzten Reizinter¬
valle doch bemerkenswert.
23*
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Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
V. Miki und C. J. Rothberger:
Difitized by
3ot>
Dauer der
i
| Dauer der
1
Nr.
vorangeh.
Kupplung
Nr.
1 vorangeh.
Kupplung
Diflf. |
Herzper.
,j Herzper.
i
1
52
1
49
52
j
v>
20
20
i
50
52
I
3
4
31
55
31
3 106
51
52
52
30
30
--
5
52
53
21
! 21
98
6
52
i ;
54
47;
4
s
32
55,5
32
| 3,:> 87,5
55
56
52
51,5
i
9
52
57
51
10
52
!
58
52
1
11
22
22
nn \
59
40
40
12
55,5
3,5 * 1 ’**
60
27
27
i 121
To
52
61
54
2
14
46
46
1
i
62
52
i
i
15
24,5
24,5
126,5
63
52
1
l
16
56
4
64
52
1
17
51,5
65
52
IS
52 |
!
i 1
66
27,5 |
! 27, r,
; 1
19
30
30
67
22
22
103,5
20
25
25
110,5
68
54
2
21
55,5
3,5 i
69
52 !
22
52
l
70
1 51
23
52
i
i
71
51
24 |
48
4s
72
r 5i
25
2 s
-’s
i 1 131
73
30
30
26
55
3 !
74
215
21,5
104
27
52
1
75
52,5
1,5
28 ■
52
76
51
29 |
52
77
51,5
30
27,5
27,5
00
78
51
31 ;
54
79
52
32
52
i
80
32
32
_
33
52
1
81
27
27
1 113
34
52,5
82
54
! 2
35
23
23
83
1 52
j
36
24
24
103
84
, 52
37
56
4
85
51,5
38
52
86
; 51,5
39
52
87
1 21
21
40 !
52
88
| 56
s : 78
41 1
34
34
3,5 i
89
51
42 '
55,5
90
1 52
43 ;
52
I
91
51,5
l
44
52
1
92
51,5
!
;
45
28
28
93
51
i
46
21
21
i 96
94
i 51,5
'
47
47 !
1
95
52
j
48
51
■
i
' 1
.
Versuches (Nr. 1-44)
nur in sehr engen Grenzen, sie beträgt meist
55 —
56, ist also um 3
—4 länger als
ein Normalintervall
, und diese
Differenz wäre also als R.-L.-Z. anzusehen, was ja gut mit den oben
zitierten Angaben von Lewis übereinstimmt. Die nach der Pause
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Experimentelle Untersuchungen über die Pause nach Vorhof sextrasy stolen. 357
folgenden Normalperioden sind unverändert. In der zweiten Hälfte
des Versuches finden sich zunächst zwei Pausen (Nr. 47 und 54), die
kürzer sind als ein Normalintervall; wir kommen auf diese später
noch zurück. Die folgenden Pausen zeigen eine kleinere Differenz
als in der ersten Hälfte, sie betragen nur 1,5—2 und nur die letzte
(Nr. 88) ist größer. Entsprechend der Verkürzung der Pausen ist,
wie es bei Vorhofs-E.-S. die Regel ist, die physiologische Reizperiode
nicht erhalten: Die Intervalle zwischen den die Rhythmusstörung
einschließenden Normalsystolen sind kürzer als 2 oder 3 Normal¬
perioden. Bei Doppelreizen kann aber die postextrasystolische Systole
auch zu einem solchen Zeitpunkt auftreten, daß die Rhythmusstörung
fast genau kompensiert wird. (Nr. 2/4, 35/37, 66/68, 73/75.)
Nach Vagotomie verkürzt sich die Dauer der Normalperioden
auf 32. Bei der Reizung bekommen wir nun folgendes Bild (s. um¬
stehende Tabelle):
Unter 10 Differenzen sehen wir sechsmal den Wert 3, zweimal 2.
einmal 4 und einmal 5,5. Die kleinste Diff. wäre also 2. Die E.-S.
79, die nur um 0,01" vor dem zu erwartenden Norraalschlage ein-
tritt, kann also den Sinus nicht mehr erreichen und muß daher von
einer kompensierenden Pause gefolgt sein: dasselbe gilt für die
E.-S. 46, die um 0,02" zu früh kommt. Die verschiedene Länge
der Diff. hat keine erkennbare Beziehung zur Einfallszeit des Extra¬
reizes. Die kürzeste Kupplung ist 19,5, sie ist also nur um wenig
länger als die refraktäre Phase des Vorhofes, denn diese beträgt nach
unserer Erfahrung für die von uns gewählte Reizstärke ungefähr 16.
Dies ließ sich leicht dadurch feststellen, daß der auf einen wirk¬
samen Schließungsschlag folgende Öffnungsschlag fast immer dann ver¬
sagte, wenn er 0,16" oder noch früher auf den ersteren folgte*).
Man sollte nun glauben, daß die R.-L.-Z. bei früh eintretenden J3.-S.
länger dauert, als bei spät gesetzten, aber das ist nicht der Fall.
Die E.-S. 28 mit der Kupplung 19,5 hat eine Diff. von 3, ebenso
aber auch die E.-S. 21 mit der Kupplung 28; dagegen finden wir
bei der E.-S. 37 mit der Kupplung 24 eine Diff. von 5,5, bei der
*) Lewis, Drury und Bulger 1 *) reizten am Hundevorhof mit einem um
300—400 °/ 0 über der Schwelle liegenden Strom und fanden für die absolute
refraktäre Phase (R.-P.) bei 200 Reizen in der Minute Werte zwischen 0,029
und 0,118 bei erhaltenen Vagis, und ungefähr 0,125 nach Atropin. Bezüglich
des Einflusses der Reizfrequenz (F.) bei atropinisierten Tieren ergaben sich
folgende Beziehungen: F. 100, R.-P. 0,2; F. 130—140, R.-P. 0,15 bis 0,17; F.
290, R.-P. 0,08—0,11“. Nach unserer Schreibweise würden diese Werte also
lauten: 20, 15—17 und 8—11. Unser Wert von 16 würde also ganz gut
stimmen. Jedenfalls soll darauf aufmerksam gemacht werden, daß die R.-P.
des Vorhofs beträchtlich länger sein kann als die Dauer der P.-Zaoke, was
ja übrigens schon bekannt ist (Trendelenburg).
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Y. Miki und C. J. Rofchberger:
Difitized by
358
Nr.
Dauer der
vorangeh.
Herzper.
Kupplung
Diff.
Nr. j
Dauer der
vorangeh.
Herzper.
Kupplung
Diff.
i
32
49
32
2
32
50 ,
32.5
3
29
29
51
32
4
31
31 1
94,5
52
23
23
5
34,5
2 ;
53
18
18
76
6
32,5
54 |
35
3
7
32
55
32,5
,
8
32
56
32
!
9
20
20
h $
57
32
1
10
22
22
, 78
58
32,5
11
36
4
59
32
12
32
60
32
i
13
33
61
32
14
32
62
32
15
32
63
22
22
16
32
64
24
24
82
17
19,5
19,5
|
65
36
3
18
32
32
i 86,5
66 i
32,5
19
35
2
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33
20
33
i
68
33
21
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1 CO
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32
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35
3
u o
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32
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33
i
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l 26
26
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! 32
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| 30
30
91
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32
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3
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27
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32 |
28 1
19,5
19,5
i t rr
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32,5
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32
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32
31 1
32
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31
31
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32
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1
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—
l komp.
33 ;
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32
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32,5
I
35
32,5
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31
1
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32
!
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32
I
37
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24
C 1 c
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33
i
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37,5
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32
i
39
32
:
87 ,
25
25
60
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32
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35
1 3
41 |
32
89 1
32
42 i
32
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32,5
43
32,5
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32
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32
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32
|
45 ,
32
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32,5
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30
30
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94
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•
47
34
—
komp.
95 1
32
i
48 1
32
! I
i ~i
96
32
1
E.-S. 87 mit der Kupplung 25 wieder eine Diff. von 3. Es ist
nicht ersichtlich, warum gerade die E.-S. 37 eine so lange Diff. hat,
und wir wollen daher diese Tatsache vorläufig nur zur Kenntnis
nehmen, ohne uns auf Erklärungsversuche einzulassen.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Experimentelle Untersuchungen über die Pause nach Vorhofsextrasystolen. 359
Reizungen des rechten Herzohres bei durchschnittenen Vagis
haben wir noch in folgenden Versuchen ausgeführt, deren Ergebnisse
wir nun kurz wiedergeben können.
Versuch 13. 10 Reizungen. Diff. 1 mal 4,5, 2 mal 4, 6 mal 3 und
1 mal 1,5.
Versuch 14. 9 Reizungen. Diff. 1 mal 4, 2 mal 3,5, 3 mal 3, 1 mal 2
und 1 mal kompensiert (Normalperiode 39,5, Kupplung 38).
Versuch 17. 15 Reizungen. Diff. 1 mal 5, 1 mal 4,5, 4 mal 4, 2 mal 3,5,
1 mal 3, 2 mal 2,5, 4 mal 2.
Prüfen wir nun auch in diesen Versuchen die Beziehungen zwi¬
schen der Länge der Diff. und der Einfallszeit der E.-S. In der
folgenden Zusammenstellung sind die Kupplungen in aufsteigender
Reihe geordnet; dort, wo “zwei E.-S. nacheinander auftraten, stehen
beide Kupplungen nebeneinander.
Versuch 13.
Normalperiode 65.
Versuch 14. Normalperiode 39,5.
Kupplung
Diff.
Kupplung Diff.
30
3,5
25 3
31
3
32 3,5
32
33
4,5
3
33 2
33,5 3
34
3
35, 33 4
35, 59
3
36, 31,5 3
36
4
38 kompensiert
45
3
47
3
60
1
Versuch 17.
Normalperiode 53—54.
Kupplung
Diff.
20, 41
25, 28
5
2,5
Es geht aus diesen Versuchen
28
3,5
hervor, daß die Diff. meist um
28, 35
O*) tL
4
3 herum liegt, daß aber nach
33,5
3
beiden RichtungenAbweichungen
34
4
Vorkommen, die in keiner er¬
36
37
4 und 2,5
4 5
kennbaren Beziehung zur Länge
42, 23,5
2
der Kupplung, d. h. zur Ein¬
44
4
fallszeit der E.-S. stehen.
45
3,5
45, 5, 28
2
47, 25
2
2. Reizung des linken Herzohres.
Versuch 21. Die Ergebnisse der bei intakten Vagis vorgenomme¬
nen Reizungen werden wir in einem späteren Teile dieser Arbeit
anführen. Nach Vagotomie betrug die Dauer der Normalperiode 34.
Die Ergebnisse der Reizung zeigt die folgende Tabelle.
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
360
Y. Miki und C. J. Rothberger:
Dauer der
i i
i
Dauer der
i ~
Nr.
vorangeh.
Kupplung
Diff.
Nr 1
vorangeh.
Kupplung
Diff.
Herzper.
Herzper.
i
1
34
68
! 17
17
2
34
69
j 40
6
3
34
70
! 34
i
4
27
27
1
71
33,5
5
29
29
96
72
| 34
6
| 40
6
73
34
7
34
74
34
8
33.5
75
34
9
34
76
33
33 1
10
34
77
16?
16 1
11
34
78
' 21
21)spon-
12
34
79
25
25J tan
13
33,5
80
37
3
14
34
81
34
15
34
82
! 33
|
16
34
83
34
1
17
34
84
19,5
19.5
18
32,5
32,5
85
40
6
19
17
17
89
86
i 34
20
39,5
5,5
87
34
,
21
34
88
34
22
34
89
34
23
34
90
34
24
34
91
27 5
27,5
25
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4
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1 34,5
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1 84
30
33,5
.
97 ,
33
i
31
34
98
34
32
34
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33.5
33
34
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29,5
29,5 !
34
18
18
58
101
40,5
6,5
35
, 40 j
6,5
102
34
36
33.5 j
103
34
37
34
104
33,5
38
33
105
34
39
34
106
34
40
34
107
26,5
26,5
41
27,5 '
27,5
ß7 t;
108
17,5 1
17,5
42
40
6,5
109
38
4,5
43
: 33,5
110
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44
34
111
83,5
45
33,5 !
112
34
46
34
113
34
47
30
30
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34
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4
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23
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34 j
116
20,5
20,5
50
34
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! 38,5
4,5
51 !
34
118
34
52
1 34
119
; 33
53
1 26
26
65
120
! 34
54
39
5
121
34
55
34
122
23
23
123
20
20
66
34,5
124
3*
4
67
M
125
34
132
59,5
131
69,5
82
82
81
e
— Original fröm-- - -
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Experimentelle Untersuchungen über die Pause nach Vorhofsextrasystolen. 361
Es wurden 15 Reizungen ausgeführt. 8 mal trat nur 1 E.-S.
auf. 5 mal folgten zwei, und 2 mal vier E.-S. aufeinander. Die
Diff. betragen 3mal 6,5, 3mal 6, 1 mal 5,5, 1 mal 5, 2mal
4,5, 3 mal 4, 1 mal 3,5 und 1 mal 3. Es ist schon daraus
ersichtlich, daß die Diff. lei Reizung der Spitze des linken Herzohres
bedeutend länger ist als von der Spitze des rechten, denn bei dieser
lagen die Werte um 3 herum. In unserem Versuche wurde einmal
(Nr. 47) die Rhythmusstörung kompensiert; der auf den Sinus
zurücklaufende Extrareiz kam offenbar gerade in dem Augenblick
an, wo das normale Reizmaterial schon fertig war. Die erste E.-S.
der Viererreihe (Nr. 76) kommt jedenfalls schon zu spät. Daß im
übrigen auch in diesem Versuche die Dauer der Diff. nicht von der
Einfallszeit der E.-S. abhängt, ist schon aus dem Vergleich der E.-S.
34, 41 und 100 zu ersehen, denn diese haben trotz sehr verschiedener
4
Abb. 1. Die zwei Relz-E.-S. sind von zwei spontanen E.-S. gefolgt (|): Siehe die hohe, zwei-
phasische P-Zacke der Normalschläge.
Kupplungen dieselbe Diff. Dagegen zeigt sich die interessante Tat¬
sache, daß diese einzelnen E.-S. die längste Diff. haben, während in
den ziemlich gleich gebauten Viererreihen 76—79 und 91—95 sich
am Schlüsse die kürzeste Diff. von 3 und 3,5 ergibt. Diese Werte
sind aber hier nicht zum Vergleich heranzuziehen; die Kurve zeigt
nämlich, daß von den vier Extrasystolen nur die beiden ersten
künstlich ausgelöst sind, während die beiden letzten spontane E.-S.
sind, die auch eine kleinere Vorhofzacke haben als die Normal¬
schläge. Dies ist aus Abb. 1 deutlich zu ersehen. Auf die Tat¬
sache selbst kommen wir noch zurück.
Wir haben noch in einem zweiten Versuche (13) das linke Herz¬
ohr gereizt, dies geschah aber erst mehr als eine Stunde nach der
Durchschnoidung der Vagi und der Accelerantes: dementsprechend
war die Dauer der Normalperiode lang (77). Es sind nur 6 einzelne
E.-S. verzeichnet worden, die Diff. schwanken zwischen 3 und 6 und
verhalten sich in folgender Weise zur Einfallszeit der E.-S. (Diff. in
Klammer): 38,5 (3), 39 (3). 48 (6), 49 (6), 61 (4 und 5).
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362
Y. Miki und C. J. Rothberger:
3. Reizung der unteren Hohlvene nahe der A.-V.-Grenze.
Versuch 23. Vagi intakt.
. —
_ _ _
-
_
I 1
Dauer der
1
Dauer der 1
Nr.
vorangeh.
Diff.
Nr. 1
vorangeh. ,
Kupplung
Diff.
! Herzper.
| Kupplung
1
| Herzper. f
1
33 |
53
33,5
1
2
38
54
34 |
o
33
55
33,5 !
4
33 i
1
56
33,5
i
5
33,5
57
15,5 1
15.5 !
53,5
6
33,5
58
38
4
7
34
59
34 ,
8
34
60
34
1
9
10
31
35,5
31
2
66,5
61
62
33 i
34,5 I
0
11
33,5
63
33,5
12
33
64
33,5
18
33.5
i
65
33,5 ,
14
33,5
,
66
33,5 ;
15
24,5
24,5
i
67
33,5
16
18,5
18,5
80
68
34
17
37
3,5 1
69
34
i
18
33,5
70
18
18
19
20
33,5
33
1
71
72
21
! 21
21
21
spont.
E.-.S.
96
21
33
1
73
37?
22
27
27
64,5
74
! 33,5
j 3,5?
28
37,5
3,5
75
33
24
t 34
76
. 33
25
33
1
77
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26
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78
1 33
27 |
28 1
3!
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2
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; 1H
! 38
16
• 4
54
29
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81
34
|; '
'
80
34
!
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34
31
33
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33,5
32
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18
c
84
33,5
33
37
4
Ou
85
34
i
34
33
86
26
26
I
64
35
34
1
87
38
4
36
33,5
88
34
1
37
24,5
i *24,5
89
34
38
21
21
81,5
90
34
39
36
3
91
33
40
33
1
92
27
27
41
33,5
93
i 18
18
83
42
34
94
38
4
43
33,5
95
1 34
44
45 |
24.5
37.5
24,5
3,5
60,5
96
97
33
33,5
46
34
98
34
47 |
34
99
33
48
33
100
22
22
49 |
34
i
101
27?
27?
8 ->
50
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' 31
67
102
36?
51
36
2,5
103
34
52
33,5
104
34
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_ Original from . _
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Experimentelle Untersuchungen über die Pause nach Vorhofsextrasystolen. 363
jj Dauer der |
Nr.
i vorangeh. Kupplung
i Diff.
i Heriper. | |
105
33 !
106
33,5 ;
107
33,5 ,
108
! 34 1
109
l 34
110
I 33,5 i
110
; 33,5 1
112 1! 34 , 1
113
114
1 30,5 i 30,5
115
1 30 !
2
116
i 34 ;
117
! 33,5 ; i
Nr.
Dauer der
vorangeh.
Herzper.
Kupplung
i
| Diff.
118
34
119
34
120
33
33
121
35
122
34
123
34
1
124
34
125
l 34
126
! 34
127
24,5
24,5
128
37
3
129
34
130
1 34
i
I
i 68
j komp.
61,5
i
Die vorstehende Tabelle zeigt fast durchwegs Diff. von 3—4.
Einmal (Nr. 120) wird die Rhythmusstörung kompensiert, weil der
Extrareiz nur um 0,01" vor dem zu erwartenden Normalreize ge¬
setzt wurde. Die Bigemini 9/10, 27/28, 60/51 und 114/115 sind
einander sehr ähnlich: Die Werte lauten zweimal 31, 35,5, einmal
31. 36 und einmal 30,5, 36. Hier ist die Differenz zwischen der
Pause und dem Normalintervall am kürzesten (2—2,5) und man
darf wohl auch in diesen Fällen eine Kompensation annehmen, ob¬
wohl der Bigeminus etwas kürzer ist, als die Summe des vorher¬
gehenden und des nachfolgenden Normalintervalls (67, 67,5 und 68).
Wir werden aber diese Verkürzung für unsere spätere Untersuchug
im Auge behalten und ebenso auch die Tatsache, daß nach den zwei
künstlichen E.-S. 70 und 71 eine spontane (72) auftritt.
Es wurden dann 2 mg Atropin intravenös eingesprizt und nach
2 Minuten mit der Aufnahme begonnen. Es zeigte sich nun, daß
nicht nur keine Pulsbeschleunigung eingetreten, sondern die Dauer
der Herzperiode sogar noch etwas länger geworden war (35—36).
Es sind nun 22 Reizungen vorgenommen worden: von diesen müssen
wir zwei für die spätere Besprechung ausschalten. Für die übrig
bleibenden 20 ergeben sich folgende Diff.: Je 1 mal 7, 6, 5,5 und
5. 2mal 4,5, lOmal 4, 1 mal 3,5 und 3mal 3. Von den
20 Werten liegen also 10 bei 4 und 16 zwischen 3 und 4,5. Die
längsten Diff. 7 und 6 betreffen die zwei Reizungen mit den kür¬
zesten Kupplungen (17 und 18), so daß der Reiz fast unmittelbar
nach dem Ende der refraktären Phase wirkte. Sie finden sich gegen
das Ende der Kurve, wo die Hohlvene schon öfter gereizt worden
war, während im ersten Teile des Versuches auf eine Kupplung 18
eine Diff. von 4 folgte.
Im nächsten Versuch (24) betrug die Länge der Herzperiode
nach Vagotomie 35. Es sind 14 Reizungen vorgenommen worden,
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
3 64
V. Miki und C. J. Rothberger:
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wobei 6 mal nur eine E.-S. auftrat, 7 mal zwei hintereinander und
1 mal 3. 1 mal wurde die Rhythmusstörung kompensiert, weil
die E.-S. nur um 0,01" vor dem zu erwartenden Normalschlage ein¬
trat. 1 mal läßt sich die Diff. nicht bestimmen; im übrigen finden
sich folgende Werte: 2 mal 5,5, 1 mal 5, 2 mal 4,5, 3 mal 4, 2 mal
3,5, je einmal 3 und 2. Es liegen also von 12 Werten 10 zwischen
3,5 und 5,5. Die Beziehungen der Diff. zur Kupplung, also zur
Einfallszeit der E.-S. ergeben sich aus folgender Zusammenstellung:
Es sind zunächst zwei E.-S.-Paare da, mit den Kupplungen 34 und
14. Die erste E.-S. kann nicht auf den Sinus zurückgelaufen sein,
denn auch die einzelne E.-S. mit kompensierender Pause hatte die
Kupplung 34. Es kommt also für die Reizrückleitung nur die
zweite E.-S. mit der Kupplung 14 in Betracht. Dies ist der
kleinste Wert, den wir überhaupt gefunden haben, gewöhnlich betrug
die refraktäre Phase für den Vorhof 16. Wir bekommen also für
diese beiden Paare und für die einzelnen E.-S. folgende Reihe:
(Diff. in Klammer): 34,14 (5 und 4), 26 (5,5, letzte Reizung), 26,5
(4), 28 (2), 29 (3), 29,5 (3,5), 34 (kompensiert). Im großen und
ganzen scheinen also die früher auftretenden E.-S. eine größere
Diff. zu haben, ohne daß strenge Beziehungen bestünden. Die un¬
gewöhnlich lange Diff. der E.-S. mit der Kupplung 26 ist wahr¬
scheinlich darauf zurückzuführen, daß es die letzte Reizung war.
Bemerkenswert und nicht ganz verständlich ist, daß bei fast allen
E.-S. das P.-R.-Intervall beträchtlich verkürzt ist (6 statt 10), so
daß der Reiz also auf einem kürzeren Wege die Kammer erreicht
haben muß.
4. Reizung der oberen Mohlvene.
Wir beginnen mit dem Versuch 13, obwohl da die Reizung erst
spät — 86 Minuten nach der Durchschneidung der Herznerven —
vorgenommen wurde. Die Reizelektroden lagen hoch, ungefähr 2 cm.
über dem Sinusknoten, und zwar außen an der oberen Hohlvene.
Die Dauer der Herzperiode betrug 83, das Herz schlug also ent¬
sprechend dem weit gediehenen Ausfall des Acceleranstonus lang¬
sam. Es sind nur 7 Reizungen ausgeführt worden und alle ergeben,
obwohl die Kupplung zwischen 38 und 69 schwanken, die Diff. 3.
Versuch 25- In diesem Versuche wurden die beiden Reizelek¬
troden knapp über dem Sinusknoten in die obere Hohlvene ein¬
gehakt, und zwar so, daß sie in der Längsachse des Gefäßes saßen
und 4—5 mm voneinander entfernt waren. Es wurde mit schwachem
Strom (12 cm Rollenabstand) und mit starkem Strom ( 6 cm R.-A.)
gereizt.
_ Qiigiraalirom __ _ „
UNIVERSITY 0F MINNESOTA
Experimentelle Untersuchungen über die Pause nach Vorhofsextrasystolen. 365
Die Aufnahme bei intakten Vagis zeigte eine doppelgipflige P.-Zacke: der
erste Gipfel war rund und niedriger, der zweite spitz und höher. Stellenweise
wird die P.-Zacke kleiner, und dort kann die erste Phase ganz verschwinden
oder so undeutlich werden, daß die Messung ungenau wird. Daß auch an
diesen Stellen nicht von der Spitze aus gemessen werden darf, erhellt daraus,
daß man sonst zu einer stark verkürzten Überleitungszeit käme (0,06 statt 0,10"),
so daß es klar ist, daß die erste Phase bei der Verkleinerung der Vorhofzacke
verschwunden ist; denn daß die Überleitungszeit sich tatsächlich nicht ge¬
ändert hat, ist auch aus den Suspensionskurven zu ersehen.
Es sind zunächst 14 Reizungen mit schwachem Strom ausgeführt
worden; infolge der geringen Stromstärke war immer nur der Öff¬
nungsschlag wirksam, es sind also nur einzelne E.-S. erzielt worden.
Nur an einer Stelle folgten zwei E.-S. aufeinander: die erste ist
durch den Reiz hervorgerufen, der unmittelbar nach dem Ablaufe
der refraktären Phase (Kupplung 14,5) wirksam war, die zweite ist
eine spontane E.-S., die nach der Kupplung 38 eintritt. Die Dauer
der Normalperioden schwankt etwas, und zwar zwischen 38 und 40.
Zwei E.-S. die spät auftraten, sind von einer kompensierenden Pause
gefolgt, die Diff. der übrigen betragen: je 1 mal 4, 3,5, 3 und
2.5, 3 mal 2, 3 mal 1,5 und 2 mal 1. Die Beziehung der Diff.
zur Länge der Kupplung ergibt sich aus folgender Zusammen¬
stellung (Diff. in Klammer): 20 (2,5), 22 (4), 24 (1,5), 25,5 (2), 26
(1,5), 26,5 (3,5), 27,5 (3), 31 (1), 32,5 (2), 34 (1,5 und 3), 37 und
37,5 kompensiert. Dann trat einmal zwischen den Reizungen eine
spontane E.-S. mit der Kupplung 36 auf und ihr entspricht die
Diff. 1.
Die bei Reizung mit starkem Strom gewonnenen Werte sind in
der folgenden Tabelle enthalten.
Wenn wir diese Tabelle überblicken, sehen wir, daß bei Reizung
mit stärkerem Strome die Diff. noch etwas kürzer werden als bei
Reizung mit schwachem Strom. Unter 14 Diff. finden wir folgende
Werte: 2 mal 2, 2 mal 1,5, 9 mal 1 und lmal 0. Bei der Reizung
mit schwachem Strome war, wie erwähnt, eine spontane E.-S. mit
der Kupplung 36 aufgetreten; es ist nun sehr interessant, daß nach
einigen Reizungen mit stärkerem Stibm diese spontanen E.-S. regel¬
mäßig nach den künstlich ausgelösten auftreten und daß die Kupp¬
lungen wieder so lang oder nur wenig länger sind (36—38). Man
muß also annehmen, daß dieser Wert (36—38) die präautomatische
Pause für den in der Nähe des Sinusknotens gelegenen Reizherd
darstellt und daß dieser durch die vorangehende künstliche, wenn
auch indirekte Reizung des Sinusknotens zur Reizbildung veranlaßt
wird. Diese spontane E.-S. findet sich zuerst bei Nr. 33, nachdem
vorher sowohl der Schließungs- wie der Öffnungsschlag gewirkt
hatten; dies ist auch bei Nr. 53, 60 und 67 der Fall. Dort wo in
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Gck igle
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36(i Y. Miki und C. J. Rothberger:
Versuch 25. Vagi intakt, Reizung mit stärkerem Strom.
Dauer der
vorangeh.
Heriper.
Kupplung
Diff.
Nr.
Dauer der
vorangeh.
Herzper.
Kupplung
Diff.
1
37,5
1 48 || 38
2
37,5
49 |
37
3
38
50 !
38
4 1
26
26
j
51
30
30
5
39,5
1,5
00,0
52
16
16
122,5
6
38
-
53
36
36
apont.
7
38
54
40,5
•2,5
8
38
55
38
9
37,5
56
38
10
35,5
l
57
37,5
11
23
23
1
1
58
19
19
12
40
1 1
Do
59
18
18
1 1 T
13
39
" ~
60
37
37
spont.'
14
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61
39,5
1
15
38
62
38.5
16
38
63
3H
17
36
i
64
38
1
18 j
25,5
25,5
65
18
18
19 1
•20 |
40
39
1
65,5
66
67
18,5
38
18,5
38
apont.
113,5
21
38
68
39
1
22 !
38
69
38
23
37
70 |
38.5
!
24 1
38 ,
71
38,5?
25
21,5 |
21,5
72
16
16
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39 1
1
60,5
73
38
38
spont.
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27 :
j 38
— -
74
39,5
2
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! 38
75
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29
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30 1
38
,
77 |
27
27
31 !
1 22
22
78
1 18,5
18,5
121,5
32 ,
! 26
26
124
79
36
36
apont.
33 !
36 i
36
(spont.)
80
40
2
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40
1,5
81
38 j
■
35
38,5
—
82 1
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38
83
j 38
i
37
38
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22
!
38
38
85
18
18
i
117.5
39
23
! 23
_
86
37,5
37,5
spont.
40
1 38
1
0
61
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1
1
41
1 38
- •
88
39
42
38
89
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i
43
i 38
1
90
35
35
44
I 38
91
17,5
17,5 ,
1 k, H 5
45
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22
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spont.
1 -•V'
46 .
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1
61
93
39 i
1
47 |
i »»
-
94
38
der ersten Hälfte des Versuches der Schlioßungsschlag unwirksam
war und nur eine künstliche E.-S. auftrat, blieb die spontane E.-S.
aus (Nr. 4, 11, 18, 25, 39 und 45). Erst später, bei Nr. 73, nach¬
dem wiederholte Reizungen zu Doppelschlägen geführt hatten, kam
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Experimentelle Untersuchungen über die Pause nach Vorhofsextrasystolen. 367
die spontane E.-S. schon nach einem künstlichen Reiz. # Es scheint
also, als ob die spontane Reizbildung oder der Austritt des Reizes
aus dem Reizherd durch mehrere vorangegangene künstliche Reizungen
erst in Gang gebracht würde; es ist aber dabei auch die Kupplung
der unmittelbar vorhergehenden künstlichen E.-S. zu berücksichtigen:
die spontanen E.-S. treten (mit Ausnahme der Nr. 32) dann auf,
wenn vorher eine künstliche E.-S. kurz nach dem Ende der Refrak¬
tärphase ausgelöst worden war. Auch dies kann dazu beitragen,
daß die einzelnen künstlichen E.-S. im ersten Teile der Tabelle nicht
von spontanen E.-S. gefolgt waren.
Nach Vagotomie trat kaum eine Beschleunigung des Herzschlages
ein. Es wurde nun wieder zuerst mit schwachem Strome gereizt,
so kamen 12 einzelne E.-S. zustande; die Diff. betragen: je lmal
3,5 und 3, 4 mal 2, 2 mal 1 und 4 mal 0. Es trat keine spontane
E.-S. auf. Bei Reizung mit stärkerem Strom sind 14 Reizungen
ausgeführt worden. Die Diff. betragen: 2 mal 2, lmal 1,5, 3 mall
und 8 mal 0. Auch hier sind sie also bei stärkerem Strom etwas
kürzer. Es ist aber die Vorhofzacke manchmal so klein, daß eine
genaue Messung nicht überall möglich ist. Es finden sich zwei spon¬
tane E.-S. mit den Kupplungen 29,5 und 35,5. Nach Atropin be¬
trägt die Dauer der Normalperiode 39—40. Es sind mit schwachem
Strome 11 Reizungen ausgeführt worden. Die Diff. konnte einmal
nicht bestimmt werden, die anderen Werte betragen: 2mal 2, lmal
1,5, und 7 mal 1. Keine spontane E.-S.
Versuch 24. Wir haben den ersten Teil dieses Versuches schon
erwähnt, als wir von der Reizung der unteren Hohlvene sprachen.
Die Reizung der Cava superior wurde erst 28 Minuten nach der
Durchschneidung der Herznerven vorgenommen. Die Reizelektroden
lagen so wie in dem eben erwähnten Versuch 25 der Länge nach
auf der oberen Hohlvene, waren 4 mm voneinander entfernt, und
die untere Elektrode saß unmittelbar oberhalb des Sinusknotens.
In diesem Falle haben die Reizungen kompliziertere Störungen zur
Folge gehabt, wie aus der folgenden Tabelle hervorgeht. Es sei
erwähnt, daß die Normalschläge und die E.-S. große positive Vor¬
hofzacken haben und daß es sich um eine schöne, gut meßbare
Kurve handelt.
Dieser Versuch ist in mehrfacher Hinsicht von großem Interesse.
Vor allem sehen wir hier, obwohl die Elektroden ebenso nahe dem
Sinusknoten lagen wie in dem vorher besprochenen Versuche 25,
doch Diff. von ganz ungewöhnlicher Länge, wie wir sie bisher auch
von den entferntesten Punkten des Vorhofs nicht erhalten haben.
Die Differenzen zwischen der Pause und dem folgenden Normal¬
intervall betragen: lmal 22, 2mal 21, lmal 17,5, 2mal 16, je lmal
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368
Y. Miki und C. J. Rothberger:
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Versuch 24.
Dauer der
Dauer der
Nr.
voran¬
gehenden
Kupplung
Dl ff.
Nr.
voran¬
gehenden
Kupplung
Diff.
Herzperlode
_
Herzperiode
1
40,5
51
22,5
22,5
•22 ' 86,5
2
40,5
52
64
3
40,5
53
42
4
40,5
54 !
46
5
32
32
■
55
46
6
18
18
o
00
'b*
56 ,
43,5
7
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10
57 1
18
18
8
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58
19
19
96,5
9
38,5
38,5
spont.
82,5
59
59,5
16
10
44
4
60
43,5
11
40
40
61
46
12
19
19
116
62
45
13
57
ii
63
42
14
46
64
41,5
15
48
65
41
16
45
66
18
18
4 18
17
42
67 1
50
18
17
17
68
46
19
18
18
96,5
69 ,
44
20
61,5
16
70 I
44,5
21
45,5
71
42,5
22
47
72
41,5
1
23
44
73
41
24
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16
16
25
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28,5
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26
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32
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76
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17,5 !.
27
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98
40,5
49
42
50
41,5
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Experimentelle Untersuchungen über die Pause nach Vorhofsextrasj'stolen. 36l>
15,5, 12, 11, 10, 8,5 und 3,5*). Diese Zahlen sind in Anbetracht
des Umstandes, daß die Elektroden unmittelbar über dem Sinus¬
knoten lagen, so auffallend, daß man sie unmöglich als R.-L.-Z. auf¬
fassen kann, und zwar um so weniger, als sie sehr weit auseinander
liegen. Nun stellen sie die Differenz dar zwischen der Pause und
dem folgenden Normalintervall und da «eigt eich wieder eine wich¬
tige Abweichung gegenüber den vorher besprochenen Versuchen. Die
Normalperiode hat nämlich nach den E.-S. nicht dieselbe Länge wie
vor der Reizung. Im Beginn der Kurve sehen w'ir vier gleichlange
Normalperioden (40,5). Aber schon die ersten Reizungen haben eine
nachhaltige Wirkung auf die Länge der folgenden Normalperioden.
Denn nach der Pause Nr. 7 (50,5) folgt nicht das Intervall 40,5,
sondern 48,5, es ist also wesentlich länger. Wenn wir nun längere
Reihen von Normalperioden ansehen, wie Nr. 14—17, 21—25, be¬
sonders aber die längeren 44—50, 60—65 usw., so sehen wir, daß
immer die letzte von diesen Normalperioden die kürzeste ist und
fast die Länge der Perioden im Beginne der Kurve aufweist. Es
scheint also, als ob sich die durch die Reizungen hervorgerufene
Unordnung in der normalen Reizbildung allmählich beruhigte, daß
der Normalrhythmus wieder zur Norm zurückkehrt und durch die
nächste Reizung immer wieder gestört wird. Dabei vollzieht sich
diese Rückkehr zur Norm oft in Schwankungen, indem das auf die
Pause folgende Normalintervall kürzer ist als das folgende und dieses
wieder länger als das nächstfolgende. Die folgenden Beispiele zeigen
dies (Kupplungen fettgedruckt):
Nr. 18—26: 17, 18, 61,5, 45,5, 47, 44, 42,5, 42,
Nr. 33—40: 20, 16, 59, 43,5, 48, 44,5, 43,5, 42,
Nr. 42—50: 24, 17, 55, 43, 46, 45, 43,5, 42.
Dies ist um so merkwürdiger, als das Herz schon fast seit 1 / 3 Stunde
dem Einflüsse der extrakardialen Nerven entzogen war, so daß es
sich um einen rein peripheren Vorgang handeln muß. Es sei noch
erwähnt, daß etwa die Hälfte der postextrasystolischen Systolen,
nämlich die Nr. 7, 13, 27, 44, 67 und 84 eine etwas kleinere Vor¬
hofzacke haben als die anderen Normalschläge. Ob dies einen an¬
deren Reizursprung bedeutet, ist fraglich; jedenfalls zeigen die folgenden
Normalschläge keine Änderung in den Vorhofzacken, so daß die
auf diese postextrasystolischen Systolen folgende Arhythmie, wenig-
*) Unter allen E.-S. ist nur eine, nämlich Nr. 9, spontan aufgetreten und
diese hat bemerkenswerterweis3 so wie in dem vorher besprochenen Versuch 25
wieder die Kupplung 38,5. Ihr Vorhof zacke unterscheidet sich nicht von der
der Normalschläge. Die dazu gehörende Differenz beträgt 3,5.
Z. f. d. g. exp. Med. XXX. 24
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
370
Y. Miki und ü. J. Rothberger:
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stens auf Grund des Elektrokardiogramms, nicht aus Verschiebungen
des Reizursprungs erklärt werden kann. Die Tatsache, daß die Normal¬
perioden nach der Reizung länger sind als im Beginn der Kurve,
wo die Frequenz des entnervten Herzens rein zum Ausdruck kommt,
sowie der Umstand, daß diese Verlängerung allmählich zurückgeht,
wenn genug Zeit bis zur nächsten Reizung verstreicht, endlich die
außergewöhnliche Länge der postextrasystolischen Pausen, die es un¬
möglich macht, die Differenz einfach als R.-L.-Z. aufzufassen — alles
dies spricht dafür, daß es sich da um eine starke und die Reizung
überdauernde Hemmung handelt. Daß aber solche Arhythmien an
einem vollständig entnervten Herzen zustande kommen können, ist
deswegen von großem Interesse, weil man auch beim Menschen eine
außerordentliche Länge der sogen. R.-L.-Z. und eine allmählich ab¬
klingende Verlängerung bzw. fortschreitende Verkürzung der folgenden
Normalperioden findet und man leicht versucht sein könnte, dieses
Verhalten auf eine Abnahme des Vagustonus zurückzuführen und
vielleicht auch das Auftreten der E.-S. mit Schwankungen im Tonus
der extrakardialen Nerven in Zusammenhang zu bringen. Es ist
zwar richtig, daß es sich in unserem Versuche um eine elektrische
Reizung handelt und daß es bei spontanen E.-S. anders sein kann,
aber unser Befund mahnt doch zur Vorsicht.
Noch ein anderer Umstand verdient unsere Aufmerksamkeit.
Wenn wir bei den 13 Reizungen überall die Kupplungen und die
Pause addieren, so bekommen wir folgende Werte: 68, 82,6 (spontane
E.-S.), 86,5, 93, 95, 95,5, 96, 2 mal 96,5, 97, 104, 108,5 und 116.
Es liegen also von den 13 Werten 7 zwischen 93 und 97, was bei
den großen Unterschieden in der Länge der R.-L.-Z. merkwürdig ist,
und es ist besonders auffallend, daß vier aufeinanderfolgende Werte
fast gleich sind (Nr. 18—20, 26—27, 33—35 und 42—44). Wenn
wir nun die einzelnen Summanden dieser Zahlen zusammenstellen,
bekommen wir folgende Reihe (die Kupplungen sind fettgedruckt):
68 = 18 + 50, 82,5 = 38,5 + 44 (spontane E.-S.), 86,5 = 22,5 + 64,
93 = 31 + 62, 95 — 20 + 16 + 59, 95,5 — 32 + 63,5, 96 — 24 + 17
+ 55, 96,5 — 17 + 18 + 61,5, 96,5 — 18 + 19 + 59,5, 97 — 30 + 14,5
+ 52,5, 104 — 16 + 28,5 + 59,5, 108,5 = 32 + 18 + 58,5, 116 —40
+19 + 57. Wenn wir aus dieser Reihe nur die fast gleichen
Werte 95—97 herausgreifen, so sehen wir, daß bei ihnen die Länge
der Pause zwischen 52,5 und 63,5 schwankt, also um 11, so daß
also die verschiedene Länge der Kupplung durch die Pause so kom¬
pensiert sein muß, daß ungefähr dieselbe Summe (95—97) heraus¬
kommt. Dies scheint nun gegen die Hemmung zu sprechen, denn
man sollte erwarten, daß eine stärkere Hemmung, also eine längere
Pause entsteht, wenn eine E.-S. sehr früh oder wenn zwei E.-S.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
Experimentelle Untersuchungen über die Pause nach Vorhofsextrasystolen. 371
hintereinander erzeugt werden, daß aber nach längeren Kupplungen
die Hemmung weniger ausgesprochen sein wird. Dies ist aber nicht
immer der Fall; so sehen wir nach der Kupplung 31 (Nr. 90) die
Pause 62, nach der Kupplung 32 (Nr. 26) die Pause 63,5, nach der
Kupplung 22,5 (Nr. 51) die Pause 64, aber nach der kurzen Kupp¬
lung 18 (Nr. 66) die kurze Pause 50 und auch nach Doppelschlägen
kurze Pausen, wie z. B. bei Nr. 33—34: 20, 16, 59 usw., wo man
eine stärkere Hemmung erwarten sollte. In diesen Beispielen hat
also die Hemmung die Tendenz, die Länge der Kupplung auszu¬
gleichen, so daß fast gleiche Bigemini herauskommen.
Daß bei der auf die E.-S. folgenden Arhythmie die Vagusendi¬
gungen eine Rolle spielen, ergibt sich aus der Fortsetzung des Ver¬
suches; denn als 1 Minute nach der intravenösen Injektion von 1,5 mg
Atropin die Reizungen wiederholt wurden, trat diese Arhythmie nicht
mehr auf. Die folgende Tabelle zeigt dies.
Es ist zunächst zu bemerken, daß sich die Normalfrequenz 1 Mi¬
nute nach der Atropininjektion noch nicht geändert hat; die Dauer
der Herzperiode nimmt erst im weiteren Verlaufe der Kurve etwas
ab. Die Differenzen sind nun viel kürzer als vor dem Atropin. Sie
betragen: je lmal 10 und 9, 2mal 8, je lmal 7,5, 7 und 6,5,
2mal 6, je lmal 5, 4,5, 4, 3, 2,5 und 2, 2mal 1,5 und lmal 1.
Schon die großen Unterschiede in diesen Werten zeigen, daß es sich
auch hier nicht R.-L.-Z. im eigentlichen Sinne des Wortes handeln
kann. Die längeren Differenzen finden sich mehr gegen das Ende
der Kurve, wo schon öfter gereizt worden war. Außerdem ist zu
bemerken, daß besonders in der ersten Hälfte der Kurve nach den
künstlich erzeugten Doppelschlägen oft eine spontane E.-S. auftritt,
die gewöhnlich nicht auf die Kammern übergeht; die Kupplung
dieser spontanen E.-S. ist aber jetzt kürzer als vor dem Atropin, wo sie
mit der im Versuch 25 übereinstimmte und 38,5 lang war; sie be¬
trägt nun 19—21, einmal 34 und erst gegen das Ende der Kurve 38.
Die auf die E.-S. folgenden Normalperioden zeigen keine Arhythmie
wie vor dem Atropin, aber es ist doch an manchen Stellen zu sehen,
daß auch jetzt noch derselbe Einfluß sich geltend machen möchte,
daß er aber nicht mehr so zum Durchbruch kommt. So zeigt die
Reihe 38—42 die absteigenden Werte: 39, 38, 38, 37,5 (die Kurve
ist noch einmal genau nachgemessen worden) und die Reihe 46—49
die Werte 39, 38, 38, 37. Auch an anderen Stellen ist die auf
die Pause folgende Periode noch ganz wenig verlängert. Man kann
also wohl annehmen, daß die Mitreizung der Vagusendigungen
zwar den Hauptanteil an der Hemmung hat, daß aber auch nach
Lähmung der Vagi noch eine geringe Hemmung zustande kommen
kann.
24*
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Y. Miki und C. J. Rothberger:
Versuch 24. Nach Atropin.
Sr.
Dauer der
vorangeh.
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lung
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Nr.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
Experimentelle Untersuchungen über die Pause nach Vorhofsextrasystolen. 373
5. Reizung des Sinusknotens*).
Versuch 22. Das rechte Herzrohr wurde gegen die Herzspitze zu herunter¬
gezogen, das linke Herzrohr suspendiert; die Reizelektroden wurden beiderseits
vom Kopfe des Sinusknotens angelegt, die eine etwa 4 mm oberhalb an der
Cava sup., die andere unterhalb an der Basis des rechten Herzohres, so daß
der Kopf des Sinusknotens in der interpolaren Strecke lag.
Reizung hei intakten Vagis. Dauer der Normalperiode 44, im weiteren
Verlauf der Kurve 45—46. Es sind 14 Einzel- und Doppelreizungen ausgeführt
worden. Die Differenz ist einmal nicht zu bestimmen, die anderen Werte be¬
tragen: 6 mal 1 und 4 mal 0,5. Dann wurden viele Reizungen unmittelbar
hintereinander vorgenommen, so daß eine Reihe von 12 E.-S. entstand; darauf
folgte die Pause 49,5, während sie sonst 47 betrug: sie ist also um 2,5 länger.
Auch die unmittelbar folgenden beiden Bigemini haben noch etwas längere
Pausen (49,5 und 48,5). Dreimal sind nach Doppelschlägen spontane E.-S.
aufgetreten; die zugehörigen Kupplungen betragen 46, 40 und 38,5.
Nach Vagotomie verkürzte sich die Dauer der Herzperiode auf 38—38,5 bei
hoher spitzer Vor hof zacke, später 45—46 bei kleiner, gespaltener Vorhof zacke. Es
lassen sich 14 Differenzen berechnen. Diese betragen: je 1 mal 6, 4, 3 und 2, 5mal 1
und 5 mal 0. Worauf die großen Verzögerungen (6 und 4) beruhen, ist aus der
Kurve nicht zu entnehmen. Es sind ferner nach Doppelschlägen 3mal spontane
E.-S. aufgetreten, die zugehörigen Kupplungen betragen 39,5, 45 und 40. —
Nach 2 mg Atropin beträgt die Dauer der Herzperiode 44—45. Es lassen sich
15 Differenzen berechnen. Diese betragen: 1 mal 10 (letzte Reizung), 2mal 6,5,
2 mal 4, 1 mal 3,5, 3 mal 3, 4mal 2 und je 1 mal 1,5 und 1. Spontane E.-S.
sind nicht aufgetreten.
Versuch 26. Reizung des SinusknotenB der Länge nach. Die eine Elektrode
liegt am Herzrohr-Cava-Winkel etwas dorsal vom Kopf des Sinusknotens, die
andere halbwegs zwischen diesem und der Cava infer. Rollenabstand 10 cm.
Bei intakten Vagis betrug die Dauer der Normalperioden 46—46,5. Die Normal-
schläge haben eine zweiphasische Vorhofzacke mit vorangehender Negativität,
die E.-S. eine große positive Vorhofzacke, und zwar sowohl, wenn der Schlie¬
ßungsschlag wirkte wie nach dem Offnungsschlage. Gewöhnlich wirkte ent¬
sprechend der geringen Stärke des Reizstromes nur die Öffnung, und von
13 Reizungen haben 10 nur eine E.-S. erzeugt. Die Differenzen betragen je
lmal 2,5, 2 und 1,5, 3 mal 1, 2mal 0.5 und 5mal 0. Die längste Verzögerung
findet sich nach einem Doppelschlage mit den Kupplungen 37 und 16; bei
einem anderen Doppelschlage mit den Kupplungen 23 und 15 war die post¬
extrasystolische Systole nach der Kupplung von 47 eingetreten, aber von einem
anderen Punkte ausgegangen, was sich auch später in diesem Versuche öfter
wiederholte. Dieser spontanen E.-S. entspricht die Differenz 0.
Nach Vagotomie betrug die Dauer der Normalperioden 44—45,5, die Vor¬
hofzacken sind nun zunächst positiv, nehmen aber schon nach den ersten
Reizungen dieselbe Form an wie vor der Vagotomie. Dann kommt es an drei
Stellen vor, daß nach den Reizungen wieder die positive P-Zacke für einige
Schläge zum Vorschein kommt. Wir schalten diese Stellen für die spätere Be¬
sprechung aus. Es sind im ganzen 17 Reizungen ausgeführt worden und an
den 14 hier in Betracht kommenden Stellen finden wir die folgenden Diffe¬
renzen: je lmal 2 und 1,5, 3mal 1, 2mal 0,5 und 7mal 0. — Nach 1,5 mg
Atropin beträgt die Dauer der Normalperiöden 45. Die Vorhofzacke ist groß
und spitz, wird dann kleiner und ist in der zweiten Hälfte der Kurve klein
*) Die Abschnitte 5, 6, 7 und 8 (1. Teil) sind irrtümlich klein gedruckt worden.
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374
Y. Miki und C. J. Rothbcrger:
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und spitz. Es sind 17 Reizungen ausgeführt worden und bei nicht weniger
als 13 von diesen hat die postextrasystolische Systole eine andere Vorhof zacke
als die der betreffenden Reizung vorangehenden Normalschläge. Der Unter¬
schied in der Form ist manchmal äußerst geringfügig und betrifft nur die deut¬
lichere oder kaum mehr erkennbare Ausbildung eines der spitzen Zacke voran¬
gehenden Vorschlages. An diesen Stellen ist eine genaue Messung nicht möglich.
Wenn man ohne Rücksicht auf diese Form Verschiedenheiten dort, wo eine ge¬
naue Messung ausführbar ist, die Differenzen bestimmt, so ergeben sich folgende
Werte: lmal 1,5, 6mal 1 und 9mal 0. Nach drei Reizungen ergeben sich die
scheinbar langen Differenzen 2, 3 und 4, aber an diesen Stellen spricht alles
dafür, daß diese Werte nicht richtig sind, sondern durch die nicht mehr er¬
kennbare Ausbildung des Vorschlages zur Vorhofzacke zustande kommen, so
daß die Pause zu lang genommen wird.
. 6. Wirkung des Ausfalles des Acceleranstonus.
Wir haben bisher diejenigen Differenzen angeführt, die vor und
nach Vagotomie bzw. nach Atropininjektion bestimmt wurden, und
wollen sie jetzt mit den Werten vergleichen, die nach der Durch¬
schneidung beider Accelerantes gewonnen wurden.
Versuch 21. Reizung des linken Herzohres.
Nach Vagotomie (siehe S. 361): 3mal 6,5, 3mal 6, je lmal 5,5 und 5.
2mal 4,5, 3mal 4, je lmal 3,5 und 3.
Nach 2 mg Atropin: lmal 8,5, je 2mal 8 und 7,5, 3mal 7, lmal 6,5,
3mal 6, lmal 5,5, 2mal 5 und lmal 4,5.
16 Minuten nach Acceleransdurchschneidung hatte sich die Dauer der Nor¬
malperiode von 34 auf 41—42 verlängert, der chronotrope Ausfall war also
deutlich. Die Differenzen sind nun regelmäßiger, sie betragen: 8mal 7, lmal 6,5,
2mal 5 und lmal 3. Außerdem ist bemerkenswert, daß sich an 4 Stellen der
Kurve an zwei Reizextrasystolen zwei spontane ansohließen. (Die Kupplungen
dieser vier Paare betragen: 23,5(?) und 22(?), 20,5 und 20, 21,5 und 25, 26
und 31.) An einer Stelle geht die postextrasystolische Systole nicht vom Sinus
aus, die zugehörige Vorhofzacke hat die Mittelform zwischen der der Normal¬
systolen und der Reiz-E.-S.
Versuch 22. Reizung des Sinusknotens.
Nach Atropin (siehe S. 373): lmal 10 (letzte Reizung), je 2mal 6,5 und 4,
lmal 3,5, 3mal 3, 4mal 2 und je lmal 1,5 und 1. Spontane E.-S. waren nicht
auf getreten.
22 Minuten nach Acc.-Durchschneidung batte sich die Dauer der Normal¬
periode von 44—45 auf 58 verlängert. Es finden sich nun folgende Differenzen:
je lmal 10 (letzte Reizung), 9,5, 8 und 4,5 und 3mal 4. Die doppelten Reiz-E.S.
sind an drei Stellen von spontanen E.-S. gefolgt, und zwar sind diese zweimal
aurioulären Ursprungs mit einer anders geformten Vorhofzacke und den Kupp¬
lungen 52 und 46 und den langen Differenzen 9,5 und 8; das drittemal ist es
eine a.-v.-Extrasystole mit der Kupplung 59.
Versuch 24. Reizung der unteren Hohlvene.
Nach Vagotomie (siehe S. 364): 2mal 5,5, lmal 5, 2mal 4,5, 3mal 4,
2mal 3,5, je lmal 3 und 2. Es lagen also von 12 Werten 10 zwischen 3,5
und 5,5.
26 Minuten nach Acceleransdurchschneidung hatte die Dauer der Normal¬
perioden von 35 auf 40—41 zugenommen. Einmal wurde die Rhythmusstörung
kompensiert (Kupplung 38), im übrigen finden sich folgende Werte: je lmal
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Experimentelle Untersuchungen über die Pause nach Vorhofsextrasystolen. 375
10 und 9,5, 2 mal 8,5, je lmal 8, 7,5, 7, 6,5 und 5, 3 mal 4 und lmal 3,5.
Die drei Viererwerte gehören nicht zu Reiz- sondern zu Spontan-E.-S., die nach
den Reiz-E.-S. auftraten und eine kleinere Vorhofzacke aufwiesen als die
Normalsystolen. Die Kupplungen dieser spontanen E.-S. betragen 45,49 und 50,5.
Diese spontanen E.-S. sind nach künstlichen E.-S. auf getreten, die gleich nach
dem Ende der refraktären Phase gesetzt worden waren, nämlich nach den
Kupplungen 16,15 und 16. — Der kleinste Werte 3,5 gehört zu einer Reiz-E.-S.
mit der Kupplung 33; vielleicht besteht hier Kompensation, der Bigeminus ist
nämlich nur um 0,02" zu kurz. Die Beziehungen der Einfallszeit der E.-S.
zur Länge der Differenzen ergeben sich für die einzelnen E.-S. aus folgender
Zusammenstellung (Differenz in Klammer): 20,5 (9,5), 25 (10), 29 (7), 32 (6,5),
33 (3,5, kompensiert?), 38 (kompensiert). Es haben also auch hier wie vor
der Acceleransdurchschneidung die früher eintretenden E.-S. im allgemeinen eine
längere Pause. Es ist aber an einzelnen Stellen zu sehen, daß auch die nach
der postextrasystolischen Systole kommende Normalperiode noch um 0,01 bis
0,02" länger ist; es dürfte also auch hier keine einfache R.-L.-Z. vorliegen,
sondern auch eine Hemmung durch Mitreizung der Vagusendigungen eine
Rolle spielen.
61 Minuten nach Acceleransdurchschneidung betrug die Normalperiode 43
bis 44. Es sind 24 Reizungen ausgeführt worden und es ergeben sich folgende
Differenzen: lmal 11,5, 2mal 11 (ein Wert ist fraglich), je lmal 10, 7,5 und 7,
je 3mal 6,5 und 6, je lmal 5, 4,5, 4 und 3,5, 3mal 3, je 2mal 2 und 1. Es
traten 6 mal spontane E.-S. nach den Reiz-E.-S. auf und zu diesen gehören die
Differenzen 5, 4,5 und je 2 mal 2 und 1. Das nach der Pause kommende
Normalintervall ist nicht länger als die folgenden.
Versuch 25. Reizung der oberen Hohlvene.
Nach Atropin. Reizung mit schwachem Strom (siehe S. 367). 2mal 2,
lmal 1,5 und 7mal 1. Keine spontanen E.-S.
38 Minuten nach Acceleransdurchschneidung hatte die Dauer der Normal*
periode von 39—40 auf 43—44 zugenommen. Die Vorhofzacke war negativ,
es ist also der Reizursprung nicht mehr im Sinusknoten anzunehmen, die Über
leitungszeit beträgt 15. Die von der oberen Hohlvene ausgelüsten E.-S. haben
eine positive Vorhofzacke und, auch wenn sie nicht sehr vorzeitig sind, eine
verlängerte Überleitungszeit: Kupplung 33,3, P.-R. 17, Kupplung 24, P.-R. 28!
Es sind nur 6 Reizungen ausgeführt worden. Zweimal ist die Differenz nicht
zu bestimmen, weil die postextrasystolische Systole keine deutliche Vorhof¬
zacke hat (Ubergangsform zwischen positiver und negativer P-Zacke). Im üb¬
rigen finden wir lmal den Wert 5, 2mal 4 und lmal 3,5. Daß die Differenzen
nun umso viel größer sind als vor der Accelerans-Durchschneidung könnte in
diesem Falle darauf zurückgeführt werden, daß die sog. Normalschläge nicht
mehr vom Sinusknoten ausgehen, sondern von der Nähe der a.-v.-Grenze, so
daß der an der oberen Hohlvene gesetzte Reiz jetzt einen längeren Weg zu¬
rückzulegen hat, so wie wenn der Normalreiz im Sinusknoten entstünde und
die untere Hohlvene gereizt würde.
Versuch 26. Reizung des Sinusknotens der Länge nach.
Nach Afropin (siehe S. 373). lmal 1,5, 6mal 1 und 9mal 0. Bei 13 von
17 Reizungen hatte die postextrasystolische Systole eine andere Vorhofzacke
als die der Reizung vorangehenden Normalschläge.
27 Minuten nach Acceleransdurchschneidung zeigt sich vor allem die sehr
auffallende Erscheinung, daß trotz der Ausschaltung des Acceleranstonus die
Dauer der Normalperiode nicht nur nicht zugenommen hat, sondern sogar noch
etwas kürzer geworden ist; sie betrug nach Atropin 45 und beträgt jetzt 41.
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376
Die Vorhofzacken sind groß und spitz, größer als vor der Acceleransdurchschnei-
dung, so daß also auch da der Ausfall nicht zur Geltung kommt. Eine Er¬
klärung für diese a u ff all e n de, von un s e re n sonstigen regelmäßigen Erfahrungen
abweichende Tatsache können wir nieht geben; die GangJia stellata waren in
der gewöhnlichen Weise präpariert worden und es ist auch im Versuchsprotokoll
nichts Besonderes vermerkt. Es sind 21 Reizungen ausgeführt worden und es
ergeben sich folgende Differenzen: je 2mal 5, 4, 3 und 2,5, 11 mal 2 und je
lmal 1,5 und 1. Die zwei Fünferwerte gehören zu spontanen E.-S. (Kupp¬
lung 38 und 34,5), die nach den Reiz-E.-S. aufgetreten waren; eine von ihnen
hat eine andere Vorhofzacke als die Normalschläge. Der Wert 4 gehört zu
einer Reihe von drei E.-S., von welchen die erste eine spontane (Kupplung 38),
die beiden anderen Reiz-E.S. sind. Die nach der Pause folgende Herzperiode
beträgt in der Regel 42, ist also um weniges länger als die folgenden Normal¬
perioden (41).
4 Minuten später, d. i. 31 Minuten nach Acceleransdurckschneidung wurden
die Reizungen mit einem etwas schwächeren Strome wiederholt. Die Frequenz
hatte merkwürdigerweise noch weiter zugenommen, die Dauer der Normal¬
periode ist jetzt auf 37—38 abgekürzt, die Vorhofzacken sind wieder groß
und spitz. Es sind 14 Reizungen ausgeführt worden und es war immer nur
der Öffnungsschlag wirksam. Zweimal bestand Kompensation, im übrigen be¬
tragen die Differenzen: 2mal 3, 5mal 2,5, 3mal 2 und 2mal 1,5. Es ist nur
einmal eine spontane E.-S. nach einer Reiz-E.-S. aufgetreten, und zwar mit
der Kupplung 37 und mit einer anderen Vorhof zacke. Die nach der Pause
folgende Herzperiode beträgt in der Regel 38, ist also um ganz wenig länger
als die folgenden (37).
7. Wirkung der Erstickung auf die Länge der Differenz.
Versuch 21. Reizung des linken Herzohres.
16 Minuten nach Acceleransdurchschneidung (siehe S. 374): Dauer der Nor¬
malperiode 41—42. Differenz: 8mal 7, lmal 6,5, 2mal 5 und lmal 3. An vier
Stellen schlossen sich an zwei Reiz-E.-S. je zwei spontane E.-S. an.
Zwei Minuten später wurde die künstliche Atmung ausgesetzt. Nach drei
weiteren Minuten war das Herz deutlich cyanotisch, aber nicht sehr dilatiert.
Es wurden nun bei fortschreitender Erstickung die Reizungen des linken Herz¬
ohres wieder aufgenommen und dabei folgende Werte gewonnen (siehe neben¬
stehende Tabelle).
Man sieht, daß während der Erstickung die Differenz zwischen
der Pause und der folgenden Normalperiode bedeutend länger ist
als bei künstlicher Atmung. Im ersten Teil der Kurve finden wir
3 mal den Wert 13 und 2 mal 10. Dabei ist die nach der Pause
folgende Normalperiode selbst wieder länger als die nächstfolgende,
so daß für diese Differenz eher noch ein zu kleiner Wert angenommen
worden ist. Man sieht nämlich, daß die nach den E.-S. folgenden
Normalperioden allmählich kürzer werden, so daß die wirkliche Nor¬
malperiode im ersten Teile der Kurve mit 51 anzunehmen ist (Nr. 27
und 28), dann mit 52 (Nr. 36), dann mit 54 (Nr. 45), und am
Schlüsse der Kurve mit 64. Diese nach den Reiz-E.-S. allmählich
fortschreitende Abnahme der Dauer der Herzperioden bestand vor
der Erstickung nicht; wir haben sie schon einmal (S. 369) gefunden
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Experimentelle Untersuchungen über die Pause nach Vorhofsextrasystolen. 377
Nr.
_
Dauer der
vorangeh.
Herzper.
Kupp-
lung
j Diff.
’
Nr.
Dauer der
vorangeh.
Herzper.
I
Kupp¬
lung
1
19
19
32
62
o __
40,5
40,5
33
59
3
66
13
34
54
4
53
35
i 54
5
49
36 | 52
6
47,5
37 ! 32
32
i
24
24
38
16
16
8 i
65
13
39
27 (?)
27 (?)
9
52
40
56 (?)
10
48
41
63
11
47,5
42
62
12
47,5
43
54
13
26
26
44
54
14
18
18
45
54
15
36,5 i
36,5
spontan
46 i
21
21
16
65
10 kleines P
47
26
26
17
55
48 i
240)
24 (?)
18
50,5
49 ,
70(?)
19
49,5
!
50
62
20
49
51
62,5
21
49
52
62,5
j
22
19,5
19.5
53
63
23
70
13
54
61,5
24 -
57
55 ;
19,5
19,5
25 1
52
56 !
24
24 |
26 ,
52
i
57 .i
! 35(?)
35(?)
27 ,
51
58 1
72,5
28
51
59 i
64
,
29
50,5
60
64
30
26 ,
26
■
61 1
64
31
72
10 kleines P
62 |i
64
Diff. I
i
kleines P
spontan
kleines P
dgl.
j anderes P
1
I >k leinen P
!l
i P wie hei 49
8
kleines P
und dort als ©ine länger dauernde Hemmung aufgefaßt; sie war
nach Atropin nicht mehr aufgetreten. In diesem Falle aber hatte
das Tier schon vor einer halben Stunde 2 mg Atropin intravenös
bekommen und da zeigt sich nun diese Hemmung während der
Erstickung. Ferner ist bemerkenswert, daß nur bei drei Reizungen
die postextrasystolische Systole dieselbe Vorhofzacke hat, wie die
anderen Normalschläge; sonst hat sie eine kleinere P.-Zacke. Bei der
5. und 6. Reizung hat auch der nächste Normalschlag noch ein
kleines P. und bei den letzten Reizungen finden wir diese Abweichung
sogar bei allen folgenden Schlägen.
Nachdem die Atmung im ganzen durch 4 Minuten ausgesetzt
gewesen war, wurde sie wieder eingeschaltet, und eine Minute später
haben wir die Reizungen wiederholt. Der Herzschlag war sehr
kräftig, die Dauer der Normalperiode betrug nur 33. Es sind 12
Reizungen vorgenommen worden und es ergeben sich nun folgende
Differenzen: 3mal 8, je lmal 7,5, 7 und 5, je 2mal 4, 3,5 und 3.
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378
Y. Miki und C. J. Rothberger:
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Versuch 22. Reizung deB Smusknotens (Kopf).
22 Minuten nach Acceleransdurchschneidung (S. 374). Dauer der Normal¬
periode 58, Differenz: je lmal 10, 9,5, 8 und 4,5 und 3mal 4. Auf die dop¬
pelten Reiz-E.-S. folgen an drei Stellen spontane E.-S.
4 Minuten nach Aussetzung der künstlichen Atmung war das Herz cyanotisch
und etwae dilatiert, schlug aber noch sehr kräftig. Die Dauer der Normalperiode
betrug im Beginne der Kurve 62 und am Schlüsse 71. Es sind 14 Reizungen
ausgeführt worden und es ergeben sich folgende Differenzen: je 2mal 11 und
10,5, je lmal 7 und 6,5, 2mal 6, lmal 5, 4mal 4 und lmal 0. Außerdem
finden sich zwei Stellen, wo die Pause kürzer ist, als ein Normalintervall und
an einer Stelle ist die folgende dafür länger. Diese Stellen lauten: 32, 18, 61,
66 , 64 und 48, 18, 66 , 71 (dann folgt eine spontane a.-v. E.-S. Der Wert 71
entspricht der Dauer der Normalperiode zu dieser Zeit). Diese offenbar vor¬
zeitigen Systolen haben keine von der Normalform abweichende P.-Zacke. Am
Schluß der Kurve war das Herz stark dilatiert und begann unregelmäßig zu
schlagen (Beobachtung). Es wurde daher, nachdem die Erstickung im ganzen
5 Minuten gedauert hatte, die künstliche Atmung wieder eingeschaltet. Die
nun wieder aufgenommene Kurve zeigt aber, daß jetzt atrio-ventrikuläre Auto¬
matic bestand, so daß wir die bei den Reizungen gewonnenen Werte hier nicht
zum Vergleich heranziehen können.
Die im Versuch 17 bei Erstickung angeführten Reizungen werden
wir im folgenden Abschnitte besprechen.
8. Wirkung von Chinin auf die Länge der Differenz.
Da das Chinin die Reizleitung schädigt und die refraktäre Phase
verlängert, haben wir seine Einwirkung auf die sog. R.-L.-Z. untersucht.
Verwendet wurde folgende Lösung: Chinin, bisulf. 0,6, Natr. chlor. 3,0,
Aqu. dest. 30. In einem ccm waren also 0,2 g Chinin enthalten. Die
Lösung wurde intravenös eingespritzt.
Versuch 17. Hund 8,7 kg. Reizung des rechten Herzohreß.
Nach Vagotomie (siehe S. 359). Differenz: je lmal 5 und 4,5, 4mal 4, 2mal
3,5, lmal 3, 2mal 2,5 und 4mal 2.
Nach 0,4 g Chinin (in zwei gleich großen Dosen) trat eine geringe Be¬
schleunigung ein; die Dauer der Normalperiode, die vorher 54 betragen hatte,
ist nun im Beginn der Kurve 50, am Ende 48 lang. Die schon vorher ge¬
spaltene R.-Zacke ist jetzt tiefer gespalten, fast verdoppelt, P. immer noch sehr
hoch. Es sind 17 Reizungen ausgeführt worden und es ergeben sich folgende
Differenzen: lmal 11, 2mal 9,5, 3mal 9, 2mal 8,5, 4mal 8, 3mal 7, je lmal 3
und 2,5. Die Differenzen sind alßo bedeutend länger geworden, was mit der,
wenn auch geringen Pulsbeschleunigung in einem interessanten Gegensatz steht.
Die kleinen Werte 3 und 2,5 betrafen spät einsetzende E.-S. (Kupplung 38
und 43), aber eine andere, nicht viel früher eintretende E.-S. (Kupplung 36,5)
hat schon die Differenz 8,5.
Nach 15 Minuten wurden 0,4 g Chinin auf einmal eingespritzt, so daß der
Hund also im ganzen 0,8 g bekommen hatte (0,092 g pro kg). Nun stellte ich
sich eine Verlangsamung ein: die Dauer der Herzperiode ist auf 62, am Ende
der Kurve auf 66—68 verlängert. Die Reizungen ergeben nun ein ganz anderes
Bild, wie aus der folgenden Tabelle hervorgeht.
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Experimentelle Untersuchungen über die Pause nach Vorhofsextrasystolen. 379
| Dauer der
“ 1
Dauer der
:
Nr.
vorangeh.
Kupplung
Diff.
Nr.
vorangeh.
Kupplung
Diff.
Herzper.
J
1 Herzper.
1
62 *
58
62
2
57,5
57,5
59
62
3
38,5?
38,5? j
164
60
40,5?
40,5?
4
68?
61
28?
28?
134,5
5
66
|
62
66?
6
62,5
63
70
—
7
45
45
64
62
8
30?
30?
141
65
66
9
66?
66
41,5
41,5
106,5
10
68
67
65
—
11
62,5
68
65,5
12
48
48
69
62
13
30?
30? !
144
70
66
14
66?
i
71
54
54
15
67,5
72
31
31
151
1«
62
73
66
17
64
74
68
_
18
50
50
114
75
62
19
64
!
76
66
20
62
1
77
62
21
60
!
78
66?
22
50
50
©
79
64
23
60,5
80 1
66
I
24
64
81
62
'
25
62
;
82
68
*
20
63
88
62
27
50
50
114,5
84
54
54
118
28
64,5
85
64
29
62
86
64
30
61
87
57
57
1
31
62
88
32
32
155
32 !
36?
36?
102
89
66
1
33
66?
90
68 1
1
r _ .
34
1 66
91
62 |
35
1 61,5
92
66 !
36
65,5
93
62
37 !
44
44
I
94!
67
38
36
36
| 146
95 ;
63
j
39
66
96
67 !
40 l
67
97
37
37
104,5
.
41 ;
61
98
67
42
57
57
99
66 ,
1
43
32
32
153
100
63
i
44
64
101
66,5
1
45
68
102
62,5
1 _
46
62
103
48
48
47
65
i
104 I
28 ?
1 28?
i 144
48 !
i 61
105
68?
<
49 !
| 48
48
106
67,5
50 |
! 27?
27?
142
107
63,5
51
; 67?
108
66
52
! 68
109
63
53
62
110
66
54
66
111
63
55 !
| 49
49
11 ß
112
67
56 |
1 67
i
110
113 1
1 64
57 ■
61
114 |
1 66
| 1
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Die in der vorstehenden Tabelle angeführten Werte sind, wenn
nicht ein Fragezeichen beigefügt ist, genau, d. h. der Fehler ist
kleiner als 0,01". An den durch ein Fragezeichen gekennzeichneten
Stellen ist aus irgendeinem Grunde der Beginn der E.-S*. nicht sicher
zu bestimmen, so daß die Länge der Kupplung und der Pause nicht
genau angegeben werden kann, wohl aber die Länge des Bigeminus.
Nach den ersten beiden Chinindosen hätte die Differenz, wenn wir
von den vereinzelten extremen Werten absehen, sich zwischen 7 und
9,5 bewegt. Man sollte nun jetzt, nach der Verdopplung der Dosis
eine weitere Verlängerung der Differenz erwarten. Statt dessen aber
sehen wir, daß die Pause nirgends auch nur so lang ist, wie nach
den ersten Dosen (62 + 7 bis 9,5 = 69 — 71,5). Sie ist nur um
wenig länger, an einzelnen Stellen sogar kürzer als ein Normal¬
intervall. Daß dies nicht etwa daher rührt, daß die Reiz-E.-S. den
Sinus nicht erreichen, erhellt daraus, daß nirgends eine vollständige
Kompensation besteht. Es kommt also die nach der Pause folgende
Systole offenbar vorzeitig, sie ist also wahrscheinlich selbst eine E.-S.,
und zwar eine spontane. Wenn wir nun zunächst von der Pause
absehen und die ihr nachfolgenden Intervalle ins Auge fassen, sehen
wir nach den doppelten E.-S. folgendes: Nr. 5/6: 66, 62,5, Nr. 10/11: 68,
62,5, Nr. 15/16: 67,5, 62, Nr. 40/41: 67, 61, Nr. 45/46: 68, 62,
Nr. 52/53: 68, 62, Nr. 63/64: 70, 62, Nr. 74/75: 68, 62, Nr. 90 91: 68,
62, Nr. 106/107: 67,5, 63,5 Das ist also ein ganz gesetzmäßiger
Aufbau. Das zweite von den angeführten Intervallen entspricht dem
Normalintervall, und das erste, das auf die Pause folgt, ist länger,
das ist also die eigentliche Pause und diese gibt folgende Differenzen:
lmal 8, 5 mal 6, 2 mal 5,5 und je 1 mal 4 und 3,5. Das auf die
beiden Reiz-E.-S. folgende Intervall wäre als Kupplung der spon¬
tanen E.-S. anzusehen, deren Vorhofzacke sich nicht wesentlich von
der der Normalschläge unterscheidet. Im ersten Teile der Kurve
wird die auf die Reiz-E.-S. folgende Reihe von Normalsystolen ge¬
wöhnlich bald wieder von neuen Reizungen unterbrochen, aber an
einzelnen Stellen (Nr. 45—48 und 63—65) sieht man doch Ansätze
zu einem fortdauernden Zeit-Alternans, wie er im zweiten Teile der
Kurve an den längeren Reihen 74—83,90—96, 99—102 und 106—114
deutlich wird. Wir wollen uns vorläufig nicht weitor mit dieser
merkwürdigen Erscheinung befassen, sondern nur darauf hin weisen,
daß unter Umständen der Herzrhythmus durch die Reizungen dauernd
verändert werden kann, so daß die wirkliche Differenz vollständig
verdeckt wird und in der Länge der Pause nicht mehr erkannt
werden kann.
15 1 / 2 Minuten nach dem Beginne der eben besprochenen Auf¬
nahme haben wir die künstliche Atmung ausgesetzt und nach weiteren
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Experimentelle Untersuchungen über die Pause nach Vorhofsextrasystolen. 381
2 1 j 2 Minuten wieder eine Kurve aufgenommen; wir haben aber nicht
gereizt, weil schon eine spontane Arhythmie bestand, die in der
folgenden Tabelle dargestellt ist.
Dauer der
Nr.
vorangehenden
Kupplung
Di ff.
|| Herzperiode
1
93,5?
2
88
3
78
78
4
70
70
5
94
6
6
88
7
78
78
8
71
71
9
94
5
10
89
11
80
80
12
74
74
13
92
5,5
14 |
86,5
15
81
81
16
72
72
17
93
5
18
88
19
84
84
|
20
76
76
21
92
7
22
85
23 ;
85
24
79
79
i
25
92
5
26
87
27
82
82
28
89
2
29
87
30
79
79
31
89
3
32
86
I
Intervall zwischen zwei
aufeinanderfolgenden
Normalsystolen
Extrasystolen
242
70 (2 x 35)
—
•_'»><> -
(7 -•< 37)
243
71 (2 x 35,5)
263
(7 x 37,5)
246
74 (2x 37)
259,5
_ (7 37)_
246
72 (2 x 36)
: 265
(7 x 38)
252
76 (2 .;< 38)
341
(9 >.; 38)
171
261
(7 x 37)
171
255
(7 ;:< 36,4)
168 j
,«,*■ -
Die ganze in der vorstehenden Tabelle wiedergegebene Kurve
umfaßt nur 32 Herzschläge, aber es ist doch daraus zu ersehen, daß
es sich hier um eine typische Parasystolie (Kaufmann-Rothberger)
handelt. Da zuerst 5 E.-S.-Paare auftreten, kann man die zweite
Kupplung, d. h. die Entfernung der beiden E.-S. voneinander als
die Extrareizperiode ansehen. Sie schwankt etwas — das Tier ist
im Begriffe zu ersticken — und zwar zwischen 70 und 76. Wenn
man die Intervalle zwischen den weiter auseinanderliegenden E.-S.
untersucht, so findet man, daß sie nicht durch 70—76 teilbar sind,
wohl aber durch die Hälfte. Es ist also das scheinbare Extrareiz¬
intervall 70—76 selbst schon ein Doppelintervall (2 x 35 — 2 x 38),
was sich wohl daraus erklären läßt, daß an dem mit Chinin ver¬
gifteten und erstickenden Herzen die refraktäre Phase länger ist als
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382
Y. Miki und C. J. Rothberger:
35— 38, so daß der mittlere Extrareiz unwirksam bleiben muß. Die
größeren Intervalle (255—341) sind dann ziemlich genau das 7—9fache
des wirklichen Extrareizintervalles.
Wir möchten hier darauf Hinweisen, daß wir schon bei der Besprechung
anderer Versuche das Auftreten einzelner spontaner E.-S. erwähnt haben und
daß ihre Kupplung, also ihre präautomatische Pause, ungefähr denselben Wert
hatte, wie die Extrareizperiode in dem eben besprochenen Versuche. Wir er¬
wähnen folgende Beispiele: Seite 365, Kupplung 38 und 36, S. 365, Kupplung
36— 38, S. 369 Anm. Kupplung 38,5; im Versuch 24 finden sich nach Atropin
(S. 371) die Kupplungen 19—21, dann 34 und gegen Ende der Kurve 38: S. 373.
in einem anderen Versuch die Kupplungen 39,5, 40 und 45; S. 376. Kupplungen 38
und 37. In den Versuchen 21, 22 und 24 (S. 374) finden sich andere Werte,
u. z.: bei doppelten spontanen E.-S.: 23,5 und 22, 20,5 und 20, 21,5 und 25,
26 und 31. Im Versuch 22: 52 und 46 und im Versuch 24: 45, 49 und 50,5.
Es ist sehr wohl möglich, daß auch die um 35—40 herumliegenden Extra¬
reizperioden noch Doppelintervalle sind, wir haben aber keine Veranlassung,
hier weiter darauf einzugehen.
6 7 ^ 8 y 9 10
Abb. 2. Parasyatolie bei einem erstickenden, mit Chinin vorbehandelten Hundeherzen; die spon¬
tanen E.-S. haben eine andere Vorhofzacke ( r ).
Daß diese spontanen E.-S. auf den Sinus zurückgehen, erkennt
man daran, daß die Pause fast überall zu kurz ist, die physiologische
Reizperiode ist also nicht erhalten; nur an zwei Stellen (24/25 und
27/28) könnte vielleicht eine Kompensation angenommen werden.
Die Differenz dieser spontanen E.-S. betrugen je lmal 7.6 und 5,5,
3mal 5, je lmal 3 und 2. Wir können sie aber mit den früher
gewonnenen Werten nicht vergleichen, weil die spontanen E.-S.
offenbar nicht vom rechten Herzohr ausgehen. Die beifolgende Ab¬
bildung 2 gibt das Kurvenbild wieder. Die Normalsystolen 6, 9 und
10 haben kleine, die E.-S. 7 und 8 große Vorhof zacken, und zwar
entsprechen diese großen Zacken denjenigen der Normalsystolen vor
der Erstickung (und nach Wiedereinleitung der künstlichen Atmung),
während die kleinen Zacken der jetzigen Normal schlage bisher noch
nicht vorgekoinmen waren. Die E.-S. gehen also offenbar vom nor¬
malen Schrittmacher aus und die Normalschläge von einem andoren
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Experimentelle Untersuchungen über die Pause nach Vorhofsextr&9ystolen. 383
Sinusteil. Auch dies ist für das Verständnis der extrasystolischen
Allorhythmie durch Parasystolie interessant.
Die Reizung des rechten Herzohres wurde dann, nachdem diese
spontane Arhythmie aufgehört hatte, 4 1 / 2 Minuten nach der Aus¬
setzung der künstlichen Atmung wieder aufgenommen. Am Schlüsse
dieser Aufnahme war das Herz schon stark dilatierr und erholte sich
bei Wiedereinleitung der künstlichen Atmung nur langsam. Die
Dauer der Normalperiode betrug im Anfang der Kurve 95, und stieg
dann allmählich bis zum Ende der Kurve auf 108. Die Differenzen
sind sehr lang: wenn man sie aus der Differenz zwischen der Pause
und dem zu der betreffenden Zeit bestehenden Normalintervall be¬
rechnet, findet man folgende Worte: je lmal 29, 25, 18, 17, 16,
und 2 mal 14. Es ist aber immer das auf die Pause folgende Normal¬
intervall länger und es läßt sich deshalb bei 5 weiteren Reizungen
die Differenz nicht bestimmen, weil zwischen den Reizungen kein
zweites Normalintervall lag.
Versuch 24. Reizung der unteren Hohlvene.
61 Minuten nach Acceleransdurchschneidung (S. 375). Normalperiode 43—44
Differenz: 11,5, 11, 11?, 10, 7,5, 7, je 3mal 6,5 und 6, 4, 3,5 und 3mal 3
Von den Differenzen der spontanen E.-S. ist abgesehen.
1 Minute nach 0,4 g Chinin ( 0,062 pro kg). Normalperiode im Beginn der
Kurve 63, gegen das Ende auf 70 ansteigend. 12 Reizungen. 2 mal Kompen¬
sation bei spät auftretenden E.-S. (Kupplung 63 und 64,5), 2 mal spontane E.-S.,
im übrigen folgende Differenzen: 20, 19, 16, 14, 13?, 9, 7, 6,5. Die ersten 5
Werte, die großen, finden sich nach doppelten Reiz-E.-S., von denen immer die
zweite rasch auf die erste folgte. (Differenz in Klammer): 42/19 (20), 27/21 (13?),
31/18,5 (19), 42/22 (14), 48/22 (16). Dagegen treten die kürzeren Differenzen
nach einzelnen E.-S. auf, die spät in die Diastole fallen: 35 (9), 48 (7), 50 (6,5).
Auf die spontanen E.-S. kommen wir noch zurück.
Derselbe Versuch. Reizung der oberen Hohlvene.
Nach Atropin (S. 371). Normalperiode im Beginn 41, am Ende 36. Diffe¬
renz: 10, 9, 2mal 8, 7,5, 7, 6,5, 2mal 6, 5, 4,5, 4, 3, 2,5, 2, 2mal 1,5 und 1.
3 Minuten nach Chinin (2 Minuten nach der eben besprochenen Reizung
der unteren Hohlvene). Normalperiode im Beginn 62, gegen Ende auf 51 ab¬
fallend; es ist also die durch das Chinin hervorgerufene Verlangsamung wieder
in Rückbildung begriffen. Es ergeben sich folgende Differenzen: 20, 18, 17,
2 mal 12, 11, 3mal 10, 9,5, 8 und 6. Die Beziehungen zwischen der Differenz
und der Einfallzeit der E.-S ergeben sich aus folgender Reihe (Kupplung in
Klammer): 20 (50/18), 18 (21), 17 (37), 12 (30,5), 12 (40,5), 11 (33), 10 (31,5/19),
10 (52,5), 10 (50,5/51), 9,5 (34), 8 (46), 6 (52). Es finden sioh also die kurzen
Differenzen vorzugsweise nach den spät auftretenden E.-S. Im ersten Teile
der Kurve haben die naoh den Reiz-E.-S. folgenden Normalschläge immer
eine negative Vorhofzacke, so wie es noch im letzten Teile der unmittelbar
vorher aufgenommenen Kurve (Reizung der unteren Hohlvene) der Fall war.
Nach den ersten drei Reizungen ist die postextrasystolische Systole auch vor¬
zeitig. Wir kommen darauf noch zurück.
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384
Y. Miki und C. J. Rothberger:
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Versuch 26. Reizung des Sinusknotens der Länge nach.
31 Minuten nach Acceleransdurchschneidung (S. 376). Dauer der Normal¬
periode 37—38. Differenz: 2mal 3, 5mal 2,5, 3mal 2 und 2mal 1,5.
Nach 21 Minuten bekam der 7,7 kg schwere Hund 0,4 g Chinin (0,052 pro
kg). Darauf trat eine sehr beträchtliche Pulsverlangsamung ein. Die Dauer
der Normalperiode beträgt im Anfang der Kurve 77—78 und steigt gegen das
Ende bis auf 82. Dabei besteht eine geringfügige spontane Arhythmie dieses
seit längerer Zeit entnervten Herzens. So lauten z. B. die aufeinanderfolgenden
Normalperioden 5—16: 76,5, 78, 76, 78, 78, 77, 78, 76, 79, 81, 77, 78,5. Die
Vorhofzacke, die früher groß und spitz war, ist jetzt breit und mehrfach ge¬
spalten. Die Stromstärke, mit der die früheren Reizungen vorgenommen worden
waren, ist jetzt wirkungslos; die Rollen mußten etwas mehr übereinander-
geschoben werden und es treten nun starke Stromscbleifen in der Kurve auf.
Trotzdem ist aber auch jetzt nur der Öffnungsschlag wirksam, so daß also nur
einzelne E.-S. erzielt wurden; auch daraus geht hervor, wie sehr die Erregtar-
keit durch das Chinin herabgesetzt worden ist. Die Differenzen lassen sich
bei 8 Reizungen gut messen und es ergeben sich folgende Werte: 6mal 6, je
lmal 5,5 und 5. Es ist also auch hier eine sehr beträchtliche Verlängerung
gegenüber den vor der Chinininjektion gewonnenen Werten festzustellen.
9. Wirkung von Muskarin auf die Länge der Differenz.
Versuch 14. Reizung des rechten Herzohres.
Nach Vagotomie (S. 359). Normalperiode 39,5—40. Differenzen: lmal 4,
2mal 3,5, 3mal 3, je lmal 2 und 1.
Nach Muskarin: Normalperiode 48. 13 Reizungen. Differenz: 2mal 5,5,
6 mal 5, 4mal 4 und lmal 2,5. Nach einer zweiten Muskarindosis beträgt die
Normalperiode im Beginn der Kurve noch 47, steigt aber gegen das Ende auf
55. 20 Reizungen. Differenz: je 2mal 10 und 9, 6mal 8, lmal 7,5, 2mal 7,
lmal 6,5, 3mal 6, 2mal 5,5 und lmal 5. Es sind zwei spontane E.-S. auf¬
getreten mit den Kupplungen 40,5 und 47.
Versuch 15. Reizung des rechten Herzohres. Keine Aufnahme vor dem
Muskarin. Nach der ersten Muskarindosis , 1 Stunde 25' nach der Durch¬
schneidung der Vagi und Accelerantes, betrug die Dauer der Normalperiode 82,
am Ende der Kurve 92. Differenz: 2mal 20, je lmal 10,5, 10, 9 und 8,5, 5mal 8,
2mal 6,5 und lmal 5,5. Die beiden größten Werte (20) sind nicht ganz sicher,
der Schließungsschlag war wirksam und der nach 19 und 20 folgende Öffnungs¬
schlag fällt gerade in die Anfangsschwankung des K.-Ekg hinein. Eine Vorhof¬
zacke ist nicht zu sehen. Wenn man annimmt, daß nur der erste Schlag auf
den Sinus zurückgegangen ist, bekommt man die Differenz 20, wenn der zweite
auch eine E.-S. erzeugt hat, die Differenz 1 und 0, was bei dem muskarinisirten
Herzen wohl ausgeschlossen sein dürfte. Wir haben angenommen, daß der
zweite Schlag nicht gewirkt hat, weil die refraktäre Phase wohl länger ist als
19—20: aber beweisen läßt es sich nicht.
13 Minuten nach der ersten wurde eine zweite Muskarindosis verabreicht.
Darauf verlängert sich die Dauer der Herzperiode auf 156, was einer Frequenz
von ungefähr 38 entspricht; es bestand also eine sehr hochgradige Verlang¬
samung. Auch die atrioventrikuläre Reizleitung ist stark gestört, indem viele
Vorhofschläge auch nach langen Intervallen nicht auf die Kammern übergehen.
Dort wo sie übergehen, beträgt die Leitungszeit 22. Die bei der Reizung des
rechten Herzohres gewonnenen Werte sind in der folgenden Tabelle enthalten.
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Experimentelle Untersuchungen über die Pause nach Vorhofsextrasystolen. 385
Dauer der
Lauer der
—
Nr.
vorangeh,
Kupplung
Diff.
Nr.
vorangeh.
Kupplung
Diff.
Herzper.
Herzper.
1
156,5
;-
39
33
33
181
2
156
40
148
3
156
41
152
4
157
42
156
51
51
93
93
269
190
*kO
6
139
115
115
44
176
159
20
7
291
45
8
176
20
46
157
9
10
112
175
112
19
287
47
48
157
55
55
200
11
92
92
268
49
145
.
12
176
20
50
154
13
66
66
222
51
158
14
156
52
156
15
! 158
53
110
110
16
> 157
67
54
29
29
288
17
67
231
55
149
l._.
18
164
i •
56
158
19
161
57
156
20
! 158
114
58
146
146
330
21
1 114
t
287,5
59
36
36
22
I 173,5
18,5
60
148
23
1 155
61
153
24
154
62
154
25
153
153
63
143
143
26
27
27
329
64
39
39
330
27
149
65
148
28
155
i
66
153
29
158
67
156
30
162,5
68
154
31
152
69
62
62
220
32
1 155
70
158
33
1 106
106
282
71
158
34
176
20
72
156
35
68
68
227
73
154
1
36
159
74
156
|
37
156
75
156
:
38
154
1
Wenn wir die auf die E.-S. folgenden Pausen in der vorstehen¬
den Tabelle überblicken, sehen wir, daß auf die langen Kupplungen
eine Pause folgt, die eine Differenz von 18,5—20 ergeben würde;
nur diese haben wir eingetragen. Andere Pausen sind bedeutend
kürzer als das Normalintervall. Die Beziehungen zwischen der Ein-
fallszeit der E.-S. und der Länge der Pause sind gut aus der folgen¬
den kleinen Tabelle zu ersehen, in der die Werte nach der Länge
der Kupplung aufsteigend geordnet sind. Man sieht, daß die früh
eintretenden E.-S. (Kupplung 27—55) ungefähr gleich lange Pausen
haben, daß diese aber noch viel kürzer sind als das Normalintervall
(156). Auf die Kupplungen 62 und 66 folgen Pausen von der
Z. f. d. g. exp. Med. XXX. 25
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Y. Miki und C. J. Rothberger:
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886
Läng© des Normalintervalls, auf die Kupplungen 67 und 68 etwas
längere. Erst auf die nach 92 und noch später eintretenden E.-S.
folgen die großen, ungefähr gleich langen Pausen, die eine Differenz
-
Nr.
Kupplung
| Pause'
Nr.
1 Kupplung
| Pause
20
27
149
13
1 66
' 166
54
29
149
17
67
; 164
39
33
148
35
68
159
59
36
148
11 :
92
1 176
04
39
148
43 1
1 93
176
5
51
139!
33
106
, 176
48
55
, 145
9
112
175
1
21
114
173,5
69
62
158
' !
115
176
von 18,5—20 ergeben würden. Es kann keinem Zweifel unterliegen,
daß alle früheren postextrasystolischen Systolen vorzeitig sind, daß
sie also selbst spontane E.-S. sind, wenn sich auch ihre Vorhof¬
zacke nicht von den anderen unterscheidet. Diese spontanen E.-S.
kommen um so früher nach der Reiz-E.-S., je früher diese nach dem
letzten Normalschlage gesetzt worden war. Auch die längste von
diesen Pausen (164, Nr. 17) würde nur eine Differenz von 8 ergeben,
und diese ist bei der enormen Hemmung durch das Muskarin wohl
sehr unwahrscheinlich. Von der Kupplung 92—115 bleibt die
Pause fast gleich lang und auch das spricht dafür, daß diese langen
Pausen durch Rückleitung zu erklären sind.
Diese merkwürdige Kurve führt uns nun zu der zusammen¬
fassenden Besprechung der auf die Reiz-E.-S. folgenden spontanen E.-S.
10. Das Auftreten spontaner E.-S. nach den Reiz-E.-S. und die
Verschiebung des Reizursprungs.
Wir haben schon bei der bisherigen Besprechung der Versuche
zu wiederholten Malen erwähnt, daß nach den Reiz-E.-S. spontane
E.-S. aufgetreten sind. Bei näherer Untersuchung zeigt sich, daß
dies nicht etwa nur gelegentlich vorkommt, sondern sehr häufig:
unter den 14 Versuchen, welche dieser Arbeit zugrunde liegen, ist
nicht ein einziger, in dem die spontanen E.-S. gefehlt hätten. Sie
sind fast immer auriculären Ursprungs, nur hier und da haben wir
eine atrioventrikuläre oder eine ventrikuläre E.-S. gesehen. Man
erkennt die spontane E.-S. zum Teil an ihrer Vorzeitigkeit, und
manchmal auch daran, daß sie eine andere Vorhofzacke hat als
der Normalschlag, der nach der Pause zu erwarten gewesen
wäre. Bezüglich der Vorzeitigkeit wäre folgendes zu sagen. Es
kann auch bei auriculären E.-S. eine Pause zustande kommen,
die kürzer ist nls ein Normalintervall, z. B. dann, wenn von zwei
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Experimentelle UnteiBuchungen über die Pause nach Vorhofsextraßystclen. 387
künstlichen Reizen der zweite nicht auf den Sinus zurückläuft; wir
haben aber gar keinen Anhaltspunkt dafür, daß das bei den von
uns gewählten Versuchsbedingungen jemals vorgekommen ist. Andrer¬
seits kann einer spontanen E.-S. auch eine Pause vorangehen, die
länger ist als ein Normalintervall und die E.-S. ist doch vorzeitig.
Dies zeigt z. B. die Abb. 8. Das Normalintervall beträgt 68,5—69,
die Pause nach den doppelten Reiz-E.-S. 72; das gäbe also eine
R.-L.-Z. von 3—3,5, und das ist zu wenig, da es sich um eine Reizung
6 7 8 9 10 11 12
Abb. 3. Spontane E.-S. (Nr. 10) mit anders geformter Vorhofzacke.
57 58 59 60 Öl ö2 63
Abb. 4. Spontane E.-S. (Nr. 61) mit anders geformter Vorhofzacke.
des linken Horzohres bei erhaltenen Vagis handelt. Die Svstole
Nr. 82, die auch eine etwas anders geformte Vorhofzacke hat, ist
also selbst eine E.-S.
Was nun dieForm der Vorhofzacke bei den spontanen E.-S. anlangt, so
unterscheidet sie sich manchmal sehr deutlich von derderNoi malschläge.
Dies zeigen die Abb. 3, 4 und 5. In Abb. 3 kommt die postextrasystolische
Systole Nr. 10 vorzeitig (Kupplung 54. Normalintervall 58 — 59) und
hat eine sehr hohe Vorhofzacke, während die der Normalschläge
ganz klein ist. In Abb. 4 ist die Vorhofzacke der Normalschläge
zweiphasisch mit vorangehender Negativität, die postextrasystolische
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388
Systole Nr. Hl hat aber eine breite, gespaltene positive Vorhofzacko,
die zu ihr gehörende Kupplung ist gleich dem Normalintervall. In
Abb. 5 hat nicht nur die postextrasystolische, sondern auch noch
die nächste Normalsystole eine nega¬
tive P.-Zacke, (Nr. 53 u. 54) während
diese bei den Normalsystolen positiv,
breit und gespalten ist. In anderen
Fällen ist aber von einer Verände¬
rung der Form der Vorhofzacke bei
den spontanen E.-S. nichts oder kaum
etwas zu sehen. Dies zeigen die
| Abb. 6 — 8, die aus einer und der-
ip selben Kurve stammen (Versuch 21,
g Reizung des linken Herzohres bei in-
5 takten Vagis), und von demselben Ver-
•g suche, von dem nach Vagotomie die
rr ; Abb. 1 gewonnen wurde. In Abb. H
t ist die postextrasystolische Systole 1 7
'S vorzeitig (Kupplung 51, Normalinter-
- vall H4 — H5), die Vorhofzacke unter-
= scheidet sich aber nicht von der der
■z Normalsystolen. In Abb. 7 geht die
* zweite Reiz-E.-S. (Nr. H4) nicht auf
f die Kammern über, die postextra-
« systolische Systole 65 kommt vorzeitig
c und hat eine etwas anders geformte
? P.-Zacke. Von Abb. 8 haben wir schon
**■
9 gesprochen.
| t Wenn nach den Reiz-E.-S. mehrere
z
y spontane auftreten, bedeutet dies eine
ir ; länger dauernde Verschiebung des Beiz -
5 Ursprungs. Eine solche Verschiebung
ist aus den Abb. 9. 10 und 11 gut zu
ersehen. Die Abb. 9 stammt von dem
aus S. 373 besprochenen Versuch 22 und
stellt den Beginn der Kurve Nr. 2 dar.
Die der ersten Reizung vorangehenden
Normalsystolen 1—7 haben große,
spitze Vorhof zacken. Nach den Reiz-
E.-S. 8 und 9 wird die Vorhofzacke klein, breit und gespalten. Die
Abb. 10 stellt ein späteres Stück aus derselben Kurve dar; man sieht
zuerst 4 Schläge mit kleinen, gespaltenen Vorhofzacken, dann kommen
6 große spitze P.-Zacken, wie sie im Beginn der Kurve zu sehen
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Experimentelle Untersuchungen über die Pause nach Vorhofsextrasystölen.
waren. In die beiden letzten von diesen Zacken (Nr. 104 und 105)
fallen der Schließungs- und der Öffnungsschlag, die aber, wie die
14 15 1« 17 lrt 1!»
Abi». U.
Abb. 7
Abh. s.
Stromschleifen zeigen, beide zu spät kommen und in den absteigen¬
den Schenkel der P.-Zacke, also in die refraktäre Phase fallen. Sie
sind also unwirksam, und trotzdem stellt sich dann wieder die
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Ahh. 11.
Abb. 9—11. Verschiebung des Reiziirsprungs durch die künstliche Reizung.
Experimentelle Untersuchungen über die Pause nach Vorhofsextrasystolen. 391
kleinere Form der Vorhofzacke ein*). Noch deutlicher ist die Ver¬
schiebung des Reizursprungs durch die ersten Reizungen in Abb. 11
zu sehen. Sie zeigt den Beginn der ersten Aufnahme im Versuch 17.
Die Normalschläge haben eine negative Vorhofzacke — auf der
Originalkurve sind vor dem hier reproduzierten Stück noch 7 solche
Normalschläge zu sehen — der Schließungsschlag wirkt nicht, der
Öffnungsschlag erzeugt eine große positive Vorhofzacke (es wurde
das rechte Herzohr gereizt) und nun haben alle folgenden Normal¬
systolen große positive Vorhofzacken, und in der ganzen übrigen
Kurve kommen negative Vorhofzacken nicht mehr vor. Es ist dies
derselbe Versuch, den wir auf S. 359 und 378f. besprochen und
von dem wir auf S. 382 die spontane Parasvstolie abgebildet haben.
Wenn wir uns nun wieder den einzelnen, nach der Reizung auf¬
tretenden spontanen E.-S. zu wenden, so finden wir, daß sie besonders
dann auftreten, wenn vorher eine künstliche E.-S. mit kurzer Kupp¬
lung stand, d. h. wenn durch einen Einzelreiz eine E.-S. bald nach
dem Ende der refraktären Phase gesetzt wurde, oder noch eher
dann, wenn zwei künstliche E.-S. erzeugt worden sind und die zweite
sehr bald auf die erste folgt. Eine spontane E.-S. tritt also beson¬
ders leicht dann auf, wenn die vorhergehende künstliche E.-S. eine
kurze Kupplung hatte. Bei der Durchsicht der Kurven stellt sich
heraus, daß diese Kupplung in den meisten Fällen zwischen 16 und
24 liegt. Wenn man die refraktäre Phase für die von uns ver¬
wendete Stromstärke mit 15 —16 annimmt — kürzere Kupplungen
kommen kaum je vor —, so sind diese künstlichen E.-S., auf die die
spontanen folgen, unmittelbar oder doch sehr bald nach dem Ende
der refraktären Phase erzeugt worden (s.S.375, Vers.24; S. 378, Vers.22).
Es kommt aber auch in einer und derselben Kurve vor, daß eine
solche früh gesetzte E.-S. das eine Mal von einer spontanen gefolgt
wird, das andere Mal nicht, und es kommt, wenn auch nicht
so oft, vor, daß spontane E.-S. nach später gesetzten künstlichen E.-S.
folgen, manchmal sogar erst nach dem die Pause abschließenden
Normalschlage.
Wir haben schon erwähnt, daß gelegentlich nach zwei Reiz-E.-S.
auch zwei spontane auftreten können, wie es in den Abb. 1 und 5
tu sehen ist. In Abb. 1 betrugen die Kupplungen der künstlichen
E.-S. 27,5 und 17, dann folgen die spontanen mit den Kupplungen
24 und 25. In Abb. 5 betrugen die Kupplungen der Reiz-E.-S. 27
*) Es ist weiter zu bemerken, daß diesen beiden verschiedenen Formen
der Vorhofzacken auch etwas verschiedene Rhythmen entsprechen. Die Dauer
der Herzperioden beträgt nämlich im Beginn der Abb. 10, dort wo die Vorhofzacken
klein sind, 45—46, in der Mitte, wo die P.-Zacken groß sind, nur 42—43 und
am Schluß wieder 44—45.
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392
und 23, die der spontanen 58 und 59,5. Das Herz war vorher der
Erstickung ausgesetzt gewesen und zwar so lange, daß es bei der
Wiedereinleitung der künstlichen Atmung maximal dilatiert w r ar,
kaum noch schlug und sich erst nach Massage und rhythmischer Vorhof¬
reizung erholte. Zu der Zeit, wo die in Abb. 5 wiedergegebene Kurve
aufgenommen w r urde, bestanden noch deutliche Nachwirkungen der
Asphyxie in Form von a—v Leitungsstörungen (die Vorhof-E.-S. 52
geht nicht auf die Kammern über).
In zwei Versuchen, wo die Reizung sehr früh wirkte, trat an
Stelle der E.-S. Wühlen bzw. Flimmern der Vorhöfe ein. Im Versuch 13
trat nach der Kupplung 22,5 kurzes Wühlen auf. Später folgte ein
Schließungsschlag nach der Kupplung 46 und nach 17 der Öffnungs¬
schlag, worauf es wieder zu Wühlen kam. Dann kommen wieder
zwei Reiz-E.-S. mit den Kupplungen 54 und 22 und auf diese folgt nur
eine spontane E.-S. mit der Kupplung 30. Im Versuch 22 Nr. 1 ent¬
stand nach der Kupplung 11 ein kurzer Anfall von Vorhofflimmern.
Das Auftreten spontaner E.-S. und das von Vorhofflattern bzw. -flim¬
mern gehören offenbar zusammen. Diese Befunde sind nur weitere
Beispiele für die zuerst von Mines 15 ) am gekühlten, künstlich ge¬
speisten Kaninchenherzen gefundene, dann von de Boer am Frosch¬
herzen bestätigte und mehrfach publizierte Tatsache, daß ein un¬
mittelbar nach dem Ende der refraktären Phase einsotzender Reiz
Kammerwühlen erzeugt, ein etwas später wirkender aber nur eine E.-S.
hervorruft. Diese Wirkungen sind dann auch von Lewis , Drury und
Iliescu 1H ) näher untersucht worden. Daß diese spontanen E.-S. aber
nicht, wie de Boer will, auf eine Kreisbewegung zurückgeführt wer¬
den können, d. h. darauf, daß die Erregung noch ein oder mehrere
Male herumläuft, erhellt daraus, daß die spontanen E.-S., wie z. B.
Abb. 5 zeigt, sehr spät auftreton können, so daß gar keine Kon¬
tinuität mit der künstlichen E.-S. besteht. Außerdem kommt es vor,
daß die spontanen E.-S. nicht gleich nach den künstlichen auftreten,
sondern erst nach der postextrasystolischen Normalsystole. Dies
zeigt die Abb. 12 (Vers. 20, Nr. 2). Man sieht uerst zwei Normal¬
systolen (70 und 71), die Dauer der Normalperiode beträgt 67. Der
Schließungsschlag ist unwirksam, der Öffnungsschlag löst nach 44,5
die E.-S. 72 aus, die ein verkrüppeltes K.-Ekg. hat. Dann folgt eine
Pause von 71,5. Die Vorhofzacke der postextrasystolischen Systole 73
hat die gewöhnliche Form, und erst dann folgt nach der Kupplung
57,5 die spontane E.-S. 74, die eine ganz andere Vorhofzacke hat
und von der Pause 73 gefolgt ist. Am Schluß der Kurve sind
wieder zwei Normalsystolen (75 und 76) mit der kleinen Vorhof¬
zacke zu sehen. An einer anderen Stelle derselben Kurve findet sich
eine a.-v. E.-S. mit der Kupplung 55 und der Pause 83.
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Experimentelle Untersuchungen über die Pause nach Vorhofsextrasystolen. 393
Die Kupplung der spontanen E.-S. kann sehr verschieden sein.
Man findet oft Werte zwischen 36 und 38 (S. 382), und das ist in¬
sofern interessant, als dieser Wert mit der Länge der Extrareiz-
poriodo in der Parasystolie (S. 381) überei ns timint. Es kommen aber
70 71 72 73 74 75 76
AM). 12.
auch viel kürzere Kupplungen vor, wie z. B. in Abb. 1, und auch
längere. Auch in einer und derselben Kurve können die spontanen
E.-S. verschieden lange Kupplungen haben. Nach Chinin haben wir
lange Kupplungen gefunden, meist um 60 herum, bei Erstickung
sahen wir in einem Versuch (21. Nr. 5) die kurzen Kupplungen 36,5,
27, 24 und 35.
11. Übersicht über die Versuchsergebnisse.
Bevor wir die Schlußfolgerungen besprechen, die aus unseren
Versuchen gezogen werden dürfen, stellen wir unsere Ergebnisse in
übersichtlicher Form zusammen, begnügen uns damit, nur das Wich¬
tigste anzuführen und heben die Hauptwerte durch Fettdruck hervor.
Reizung des rechten Herzohres.
Versuch 19. Differenz 3—4. Mittel 3.15. Hier, wie fast in
allen folgenden Versuchen, finden sich Abweichungen nach beiden
Seiten.
Versuch 13. 4,5, 2mal 4, 6iual 3, 1,5. Mittel 3.2.
Versuch 14. 4, 2mal 3,5, 3mal 3,2. Mittel 3,5.
Versuch 17. 5, 4,5, 4 mal 4. 2 mal 3.5, 3. 2 mal 2,5. 4 mal 2
Mittel 3,2.
Reizung des linken Herzohres.
Versuch 21. 3 mal 6.5, 3 mal 6. 5,5, 5, 2 mal 4.5. 3mal 4, 3.5, 5.
Mittel 5.
Nach Atropin: 8,5, je 2mal 8 und 7,5, 3mal 7, 6,5, 3mal 6, 5,5,
2 mal 5, 4,5. Mittel 7.2.
Versuch 13. 2 mal 6, 5, 4, 2 mal 3. Mittel 4,5.
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394
Y. Miki und C. J. Rothberger:
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Beizung der unteren Hohlvene.
Versuch 21. Fast durchweg 3—4. Nach Atropin liegen von
20 Werten 16 zwischen 3 und 4,5 (Mittel 4,2). Die größten Diffe¬
renzen 7 und 6 nach den kürzesten Kupplungen (17 und 18).
Versuch 24. Von 12 Werten liegen 10 zwischen 3,5 und 5,5
(Mittel 4).
j Reizung der oberen Hohlvene.
Versuch 13. 2 cm über dem Sinusknoten Differenz immer 3.
Veisuch 25. Reizung knapp über dem Sinusknoten. Schwacher
Strom; Mittel 2,1.
Dasselbe. Staiker Strom. Mittel 1,14. (Unter 14 Werten 9mal 1.)
Dasselbe. Nach Vagotomie schwacher Strom. Mittel 1,3. (Unter
12 Werten je 4 mal 2 und 0.)
Dasselbe. Starker Strom. Mittel 0,6. (Unter 14 Werten 8 mal 0.)
Dasselbe. Nach Atropin, schwacher Strom. Mittel 1,25. (Unter
10 Werten 7 mal 1.)
Versuch 24. Reizung wie im Versuch 25. 28' nach Accelerans-
durchschneidung. Mittel 13,6. Die folgenden Normalperioden sind länger,
allmählich abklingende, starke Hemmung. Nach Atropin Mittel 5,2,
Hemmung angedeutet.
Beizung des JSinusknctens.
Versuch 22. Mittel 0,8 (6mal 1, 4mal 0,5), nach Vagotomie 1,43
(unter 14 Weiten je 5mal 1 und 0), nach Atropin 3,8.
Versuch 26. Mittel 0,8 (unter 13 Werten 2 mal 0,5, 5 mal 0),
nach Vagotomie 0,5 (unter 14 W 7 erten 7mal 0), nach Atropin 0.47;
von 17 Reizungen haben 13 postextrasystolische Systolen eine andere
V orhofzacke.
Ausschaltung des Aaderanstonus (A.-D .).
Versuch 21. (Linker Vorhof.) Nach Atropin Mittel 7,2, 16 Min.
nach A.-D. Verlängerung der Herzperiode von 34 auf 41 2. Differenz
Mittel 7,1.
Versuch 22 (Sinusknoten). Nach Atropin 3.8. 22 Min. nach
A.-D. Verlängerung der Herzperiode von 44 5 auf 58. Differenz
Mittel 6,3.
Versuch 24 (untere Hohlvene). Mittel 4. 25 Min. nach A.-D.
Verlängerung der Herzperiode von 35 auf 40/1. Mittel 7,8. Die
Werte liegen zwischen 5 und 10. Die frühen E.-S. haben eine
längere Differenz, es besteht aber auch geringe Hemmung der folgen¬
den Normalintervalle. 61 Min. nach A.-D. Verlängerung der Herz¬
periode auf 43 4. Mittel 6,4. Keine Verlängerung der folgenden
Normalperioden.
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Experimentelle Untersuchungen über die Pause nach Vorhofsextrasystolen. 395
Versuch 25 (obere Hohlvene). Mittel nach Atropin 1,25. 38 Min.
nach A.-D. Verlängerung der Herzperiode von 39/40 auf 43/4.
Negative Vorhofzacke, die Normalschläge gehen von der a.-v. Grenze
aus!. Mittel 4,2 (nur 3 Werte).
Versuch 26 (Sinusknoten). Nach Atropin Mittel 0,47. 27 Min.
nach A.-D. Verkürzung der Herzperiode von 45 auf 41 (unter
15 Werten 11 mal 2), Mittel 2. 31 Min. nach A.-D. weitere Ver¬
kürzung der Herzperiode auf 37/8. Mittel 2,6.
Erstickung.
Versuch 21. Nach A.-D. Mittel 7,1. Bei Erstickung 3 mal 13
und 2 mal 10. Verlängerung der folgenden Normalperioden.
Versuch 22. Nach A.-D. Mittel 6,3. Bei Erstickung 6,4.
Chinin.
Versuch 17. Mittel 3,2. Nach Chinin Mittel 7,8 (die meisten
Werte liegen zwischen 7 und 9,5). Nach 2. Dosis spontane E.-S.
nach den Reiz-E.-S. (S. 380), dann Parasystolie. Erstickung (S. 381).
Mittel 19.
Versuch 24. Nach A.-D. Mittel 6,4. Nach Chinin Mittel 13,1.
Die großen Werte (20—13) nach rasch aufeinanderfolgenden Doppel-
E.-S., die kleineren nach einzelnen späten E.-S.
Derselbe Versuch (obere Hohlvene). Nach Atropin Mittel 5,2.
2 Min. nach der früheren Reizung Chininwirkung im Abklingen.
Mittel 12.
Versuch 26. Nach A.-D. Mittel 2,6. Nach Chinin Mittel 5,8.
Muskarin.
Versuch 14. Mittel 3,1. Nach Muscarin Mittel 4,5. Nach
2. Dosis 7,16.
Versuch 15 (rechtes Herzohr), vorher nicht aufgenommen. Nach
Muskarin Mittel 8.
Fassen wir also kurz zusammen:
1. Reizung der Spitze des rechten Herzohres. Die Differenzen
liegen um 3 herum; es finden sich Abweichungen nach beiden Seiten
ohne erkennbare Beziehung zur Länge der Kupplung.
2. Reizung der Spitze des linken Herzohres. Die Differenzen
liegen etwa bei 5.
3. Reizung der unteren Hohlvene an der a.-v. Grenze. Die Diffe¬
renzen betragen etwa 4.
4. Reizung der oberen Hohlvene 2 cm über dem Sinusknoten.
Differenz immer 3. Dasselbe knapp über dem Sinusknoten. Diffe¬
renz für schwachen Strom 1,25—2,1, für stärkeren Strom 0,6—1,14.
In einem Versuch sehr große Differenzen (bis 22) und allmählich ab¬
klingende Hemmung nach jeder Reizung.
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5. Reizung des Sinusknotens. Differenz 0—1, meist 0, es kommen
aber Werte bis 10 vor.
6. Ausfall des Acceleranstonus verlängert die Differenz fast
immer, und zwar auch dann, wenn er chronotrop nicht in einer Ver¬
langsamung zum Ausdruck kommt.
7. Erstickung verlängert die Differenz meist beträchtlich.
8. Chinin und Muskarin haben eine bedeutende Verlängerung der
Differenz zur Folge. Auch Atropin hat meist eine verlängernde
Wirkung.
12. Schlußbetraclitungen.
Ist die Differenz zwischen der Pause uni dem NormalinteroaU als
Rückleitungszeit aufzufassen , d. h. erklärt sie sich durch die Zeit , die
der Reiz braucht , um zum Sinus zu gelangen uni dort eine E.-S. aus¬
zulösen? Wenn wir zunächst die Versuche ins Auge fassen, wo vom
Sinus entfernte Punkte gereizt wurden (rechtes, linkes Herzohr,
untere Hohlvene), so sehen wir, daß diese Differenz je nach dem
Reizwerte zwischen 3 und 5 schwankt. Das stimmt gut mit den
Befunden von Lewis und White 10 ). Sie haben auch die Leitungs¬
geschwindigkeit im Vorhofe berechnet und finden, daß auch nach
der Leitungsgeschwindigkeit ein solcher Wert zu erwarten ist. Dabei
läuft der Reiz in umgekehrter Richtung. Vergleichen wir damit die
Ergebnisse der Messung bei rechtläufiger Leitung, wie sie Garten 17 )
mit zwei Differentialelektroden vorgenommen hat: Die normale Er¬
regung geht vom Sinusknoten aus; ein 17 mm von ihm entfernter
Punkt an der oberen Hohlvene bekommt den Reiz um 2,2 (0,022")
später — wir haben für die umgekehrte Leitung bei etwa 20 mm
Entfernung 0,03" gefunden. Lag die zweite Differentialelektrode an
der Grenze zwischen unterer Hohlvene und Vorhof, so betrug die
Verspätung 0,025" — wir haben für die umgekehrte Leitung etwa
0,04 gefunden. Lag die zweite Differentialelektrode in einer Entfernung
von 18 mm auf der Mitte des rechten Vorhofs, so betrug die Diffe¬
renz in einem Versuch 0,026", in einem anderen 0,022" — wir
fanden für die umgekehrte Leitung vom weiter entfernten Herzohr
ungefähr 0,03. Man kann also sagen, daß diese Werte hinreichend
übereinstimmen: Punkte, die weiter vom Sinusknoten entfernt sind,
geben längere Rückleitungszeiten. Es würde mit dieser Auffassung
auch übereinstimmen, daß Erstickung, sowie Gifte, welche die Leitung
verlangsamen, wie Chinin und Muskarin, eine deutliche Verlängerung
der R.-L.-Z. herbeiführen.
Wenn wir nun aber dieses Gebiet, das der Reiz zu durchlaufen
hat, näher betrachten, sehen wir, daß es sich nicht um eine funk¬
tionell homogene Strecke handelt. Der Reiz durchläuft die Vorhofs-
muskulatur bis zum Sinusknoten und dort hat er einen Widerstand
ÜrigiraLEmm _
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Experimentelle Untersuchungen über die Pause nach Vorhofsextrasystolen. 397
zu überwinden, bevor er an den Schrittmacher herankommt. Es
kann ja keinem Zweifel unterliegen, daß es eine normale sino-auri-
culäre Leitungszeit gibt, wenn auch über ihren genauen Betrag die
Meinungen geteilt sind; daß aber eine Leitungsverzögerung an der
Sinus-Vorhofgrenze stattfindet, ist sicher. Diese Grenze hat nun der
Reiz einmal in umgekehrter Richtung und dann in normaler zu
durchlaufen, denn das was wir verzeichnen, ist ja nicht die Sinus-,
sondern die Vorhofsystole. Bezüglich des Betrages dieser Verspätung
können uns vielleicht die unter Gartens Leitung ausgeführten Ver¬
suche von Sülze 1 *) gewisse Andeutungen geben. Er fand zunächst,
daß die spontane Erregung an zwei Punkten des Sinusknotens selbst
fast gleichzeitig auftritt. Dagegen ergaben sich beträchtliche Ver¬
spätungen, wenn die Grenze nach dem rechten Vorhofe oder nach
der unteren Hohlvene zu überschritten wurde. So fand er in einer
Entfernung von 12 mm vom Sinusknoten eine Verspätung von 0,002",
in einer Entfernung von 14 mm schon 0,015" und bei 22 mm 0,027".
Entfernt man sich vom Sulcus terminalis nur um 3,5 mm nach dem
rechten oder dem linken Vorhofe, so beträgt die Verspätung schon
0,010—0,015". Bezüglich der Fortpflanzungsgeschwindigkeit des
Reizes innerhalb des Vorhofs ergeben verschiedene Versuche Sülze s
ungleiche Resultate (z. B. bei 19 mm 0,010", bei 11 mm 0,023", bei
6 mm 0,010" und 0,012", bei 12,5 mm 0,022—0,024"). Sülze meint
daß gleich große Entfernungen nicht in derselben Zeit durchlaufen
werden müssen, weil man die Bahn nicht kennt. Jedenfalls zeigen
diese, mit ganz einwandfreier Methodik ausgeführten Versuche, daß
gewisse nicht unbeträchtliche Schwankungen in der Größe der Werte
Vorkommen; man darf also nicht erwarten, daß auch bei gleich¬
bleibendem Reizorto immer ganz genau dieselben R.-L.-Z. sich er¬
geben werden.
Wenn nun unsere Werte ungefähr richtig sind, so ergibt sich
daraus, daß der Reiz auch vom entferntesten Punkte, nämlich von
der Spitze des linken Herzohres nur ungefähr 0,05" braucht, um.
zum Sinus zu gelangen. Wenn man also auch berücksichtigt, daß
der menschliche Vorhof größer ist als der des Hundes, so würde
sich wohl kaum eine größere R.-L.-Z. als 0,06—0,07" ergeben. Nun
findet man aber beim Menschen, wie wir in der Einleitung bemerkt
haben, sehr viel größere Werte und diese können demnach gewiß
nicht einfach als R.-L.-Z. aufgefaßt werden.
Wenn man nun in Betracht zieht, was sonst noch für die Diffe¬
renz zwischen der Pause und dem Normalintervall in Betracht
kommen kann, so ergibt sich in erster Linie der hervorragende Ein¬
fluß der extrakardialen Nerven. Es ist offenbar, daß der Zeitpunkt,
wo die postextrasystolische Systole eintritt, in erster Linie vom Tonus
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398
Y. Miki und C. J. Rothberger:
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dieser Nerven bestimmt wird. Wenn zu dieser Zeit der Vagustonus hoch ist,
wird das Auftreten der ersten Normalsystole verzögert, es entsteht eine
größere Differenz und es kann so auch zur Scheinkompensation
kommen. Unter diesen Umständen kann auch an den folgenden
Normalperioden die hemmende Wirkung des abklingenden Vagus¬
tonus noch zutage treten, es muß aber nicht sein. Es ist sehr wohl
möglich, daß schon das auf die Pause folgende Normalintervall un¬
gefähr die normale Länge hat, denn wir wissen, daß besonders nach
Anstrengungen der Vagustonus sehr brüske Schwankungen aufweisen
kann (Wenckelach, Kauf). Andrerseits kann aus der nach der Pause
erfolgenden allmählichen Verkürzung der Normalperioden nicht mit
Sicherheit auf eine* Abnahme des Vagustonus geschlossen werden,
weil solche Verkürzungen auch bei durchschnittenen Vagis, ja sogar
nach Atropin Vorkommen.
Neben dem Vagustonus können noch andere Vorgänge für die
Länge der Pause nach Vorhofextrasystölen von Bedeutung sein.
Dies zeigt sich deutlich in den Versuchen, wo man mit den Reiz¬
elektroden näher an den Sinus heranrückt oder wo man diesen selbst
reizt. Es ist klar, daß es bei der Reizung des Sinus keine R.-L.-Z.
geben kann, und doch haben wir in 2 Versuchen bei intakten Vagis
Mittelwerte von 0,8 (0,008") gefunden, nach Vagotomie 0,5 und 1,4, nach
Atropin 0,47 und 3,8, und nach Acceleransdurchschneidung in einem
Versuche sogar 6,3. Im Versuch 24, wo die Reizelektroden knapp
über dem Sinusknoten lagen, haben wir 28 Minuten nach Accelerans¬
durchschneidung einen Wert von 13,6 bekommen, und da zeigen auch
die folgenden Normalperioden eine beträchtliche, allmählich ab¬
klingende Verlängerung. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß wir es
hier mit einer Hemmung zu tun haben, die wohl auf die direkte
Einwirkung des elektrischen Reizes zurückzuführen ist. Man könnte
nun geneigt sein, diesen Versuchen aus diesem Grunde jede Bedeutung
für die menschliche Pathologie abzusprechen, aber es ergeben sich
ähnliche Hemmungen auch unter Umständen, wo die Stromschlejfen
nicht bis zum Sinus gelangen können, und endlich auch nach spon¬
tanen E.-S. Man findet manchmal eine sehr große Differenz zwischen
Pause und Normalintervall, also scheinbar eine lange R.-L.-Z. nach
früh auftretenden E.-S., und schon Hof mann und Holzinger 19 ) haben
solche Hemmungen an der isolierten Froschherzkammer beschrieben.
Nach ihren Versuchen kann die Verzögerung der auf die Reizung
folgenden Spontanerregung besonders hochgradig werden, wenn mehrere
E.-S. in kurzen Zwischenräumen aufeinanderfolgen und es kann dabei
zu recht beträchtlichen Stillständen der Kammer kommen. Hofmann
und Holzinger kommen daher zu dem Schlüsse, daß die E.-S. einen
direkt hemmenden Einfluß auf die Kammer ausüben. Diese Hem-
Qrigmal f r am
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Experimentelle Untersuchungen über die Pause nach Vorhofsextrasystolen. 399
mung ist dann von Rothberger tmd Winterlerg 30 ) auch am Hunde¬
herzen bei atrioventrikulärer und ventrikulärer Automatie untersucht
worden. Diese Autoren fanden, daß die Hemmungswirkung von dem
Zustande des Herzens abhängt und auf einem Mißverhältnis zwischen
der Erregbarkeit des Herzens und der jeweils disponiblen Reizgröße
beruht.
Daß auch in unseren Versuchen die Hemmung einen bedeuten¬
den, wenn auch nicht genau abgrenzbaren Anteil an der Länge der
Pause hat, haben wir schon mehrmals erwähnt. Die Bedeutung der
Hemmung wird um so deutlicher, wenn wir unsere Ergebnisse mit
denen vergleichen, die Cushny 7 ) an überlebenden Katzenherzen fand,
denen er das Hissche Bündel durchschnitten hatte. Nach Cushny
ist der Grad der Hemmung abhängig 1. vom Zustande des Herzens:
Der hypodyname Zustand (bei Kälte, Asphyxie und längerer Versuchs¬
dauer) ist einer von den Faktoren, welche die Erholung nach der
Reizung verzögern, also die Pause verlängern; 2. von der Zahl der
Reize und der Dauer der Reizung: der Grad der Hemmung ist
diesen Faktoren ungefähr proportional; 3. von der Reizfrequenz:
je höher diese ist, um so stärker ist die Hemmung; dabei ist es für
den Reizeffekt gleichgültig, ob die Reizelektroden nahe dem Bündel¬
querschnitt liegen oder an der Herzspitze, was für die Vorstellung
von der Reizrückleitung wichtig ist. Die Hemmung beruht nicht
auf einer Vagusreizung, denn Cushny sah sie auch nach Atropin.
In unseren Versuchen spricht folgendes für den Einfluß der Hemmung:
Wir haben im allgemeinen die größeren Differenzen nach den kür¬
zeren Kupplungen gesehen, also nach den früher gesetzten E.-S.
Wir fanden ferner die größeren Werte oft nach längerer Versuchs¬
dauer bzw. am Schlüsse einer Kurve, nachdem schon oft gereizt
worden war. Endlich fanden wir starke Verlängerungen der Pause
nach Asphyxie, nach Chinin und nach Muskarin. Alles das könnte
freilich auch auf eine Verzögerung der Leitung bezogen werden, aber
dazu sind die Unterschiede doch zu groß.
Man könnte nun geneigt sein, die Vorstellung der Reizrückleitung
•auf den Sinus überhaupt abzuweisen und die Differenz der Pause
gegenüber dem Normalintervall ausschließlich auf die Hemmung
zurüekzuführen. Es ist aber klar, daß man auch dann, wenn man
die Hemmung in den Vordergrund stellt, eine Reizrückleitung an¬
nehmen muß, denn sonst könnte der Sinus nicht gehemmt werden.
Es ist also nur die Frage, ob man die Differenz zwischen der Pause
und dem Normalintervall als reine Rückleitungszeit auffassen darf.
Das ließe sich dadurch entscheiden, daß man mit je einem Gal¬
vanometer den Abgang der Erregung vom Reizorte und die An¬
kunft im Sinusknoten verzeichnet, wobei man auch die Richtung
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400
Y. Miki und C. J. Rothbergor:
des Erregungsablaufes feststellen könnte. Da wir nicht über zwei
Galvanometer verfügen, konnten wir solche Versuche nicht anstellen.
Wir glauben aber doch sagen zu können, daß die Differenz unter
gewissen Bedingungen mit der R.-L.-Z. identifiziert werden kann.
Die wichtigste dieser Bedingungen scheint die zu sein, daß man mit
den Reizelektroden nicht zu nahe an den Sinus heranrückt und daß
man nicht zu starke Ströme verwendet. Es spricht manches dafür,
daß die von den Herzohren und der unteren Hohlvene gewonnenen
Werte die R.-L.-Z. darstellen: denn erstens ist die Differenz größer,
wenn vom weiter entfernten linken Herzohr gereizt wird, als vom
rechten, dann stimmen die gefundenen Werte ungefähr mit der Dauer
der rechtläufigen Leitung überein, und endlich kann die Tatsache,
daß man in einer und derselben Kurve gleich lange Pausen auch
bei sehr verschiedenen Kupplungen bekommen kann (siehe Tabelle I,
S. 356), doch kaum anders gedeutet werden, als daß die Differenz
der R.-L.-Z. entspricht.
Die wirkliche R.-L.-Z. kommt aber nicht immer, vielleicht
sogar nur selten rein zum Ausdruck. Sie wird verwischt eines¬
teils durch die Hemmung und andrerseits durch das Auftreten
spontaner E.-S. Es ist nun sehr merkwürdig, daß diese spontanen
E.-S. gerade dann mit Vorliebe auftreten, wenn vorher eine künst¬
liche E.-S. bald nach dem Ablauf der refraktären Phase ausgelöst
wurde, also gerade unter den Umständen, die auch die Hemmung
befördern, man sieht nämlich, daß gerade solche früh auftretende
E.-S. oft von einer Pause gefolgt sind, die kürzer ist als ein Normal¬
intervall. Es ist also die postextrasystolische Systole vorzeitig, und
da eine Kompensation nicht stattfindet, muß sie selbst eine E.-S.
sein. Oft hat eine solche spontane E.-S. eine andere Vorhofzacke
als die Normalschläge, woraus deutlich zu ersehen ist, daß sie von
einem anderen Punkte ausgeht. Wir haben solche Beispiele abge¬
bildet und auch erwähnt, daß manchmal auch die folgenden Systolen
andere Vorhofzacken haben. Manchmal führen schon die ersten
Reizungen zu einer dauernden Verschiebung des Reiz Ursprungs, wofür
wir auch Beispiele gebracht haben. Es ist klar, daß dieser für daa
Verständnis der Pause wichtige Umstand nur durch das Elektro¬
kardiogramm aufgedeckt werden kann, während die mechanischen
Methoden des Experimentes und die Pulsschreibung beim Menschen
für diese Verkürzung der Pause keine Aufklärung zu geben ver¬
mögen.
Daß das zweite Intervall länger sein kann als die Pause, hatten schon
Erlanger und Hirschfelder , sowie Cushny gesehen, und dieser erklärte es damit,
daß zwei entgegengesetzte Vorgänge tätig sind, und zwar die Hemmung durch
die Reizung und ein fördernder Faktor, wobei er an eine Verbesserung der
Ernährung durch gesteigerte Sauerstoffzufuhr und Selbstmassage während der
_ Origiralic;m _ _
UNIVER5ITY OF MINNESOTA
Experimentelle Untersuchungen über die Pause nach VorhofsextrasyStolen. 401
Reizung dachte; diese Selbstmassage bewirke ja auch die wachsende Kon¬
traktion sstärke nach der Pause. Auch die Entwicklung eines spontanen
Rhythmus während der Reizung hat schon Cushny beobachtet.
Xun haben wir gesehen, daß die einer spontanen E.-S. voran¬
gehende Pause auch länger sein kann als ein NormalintervaU, und
sie ist doch zu kurz, so daß sich eine scheinbar sehr kurze R.-L.-Z.
ergibt, wenn man diese nur aus der Differenz zwischen der Pause
und dem Normalintervall berechnet. In anderen Fällen haben diese
spontanen E.-S. keine von der Normalform abweichende Vorhofzacke;
sie sind dann nur durch ihre Vorzeitigkeit als spontane E.-S. zu er¬
kennen, und da muß man wohl annehmen, daß sie in einem anderen
Teile des Sinusknotens entspringen. Es wäre dann auch zu ver¬
stehen, warum auf solche spontane E.-S. oft ein Normalintervall
folgt, denn eine R.-L.-Z. kommt ja da nicht in Frage. Eine solche
spontane E.-S. ist als ,, escape “ infolge der Hemmung der normalen
Reizbildung aufzufassen, d. h. sie wird immer dann auf treten , wenn
Normalintervall plus R.-L.-Z. länger dauern als die präautomatische
Pause für einen im Vorhof oder in der Sinusgegend gelegenen , zur
rhythmischen Reizbildung befähigten Reizherd. So läßt es sich auch
verstehen, daß noch eine oder mehrere spontane E.-S. nachfolgen
können, was ja auch beim Menschen schon wiederholt beobachtet
worden ist.
Die durch die künstlichen E.-S. hervorgerufene Hemmung der
normalen, sowie die Förderung einer offenbar heterotopen Reizbildung
können merkwürdige Folgen haben, die den Herzrhythmus auch
weiterhin beeinflussen. Wir erinnern vor allem an den Versuch 24.
wo der Herzrhythmus durch die Reizung über die Pause hinaus in
Unordnung gebracht wird und diese in eigentümlichen Schwankungen
zur Norm zurückkehrt (S. 369), ferner an die merkwürdige, in dem¬
selben Versuche beobachtete Tatsache, daß unter 13 Reizungen sich
7 mal die Pause so nach der Kupplung richtet, daß fast gleich lange
Bigemini herauskommen (S. 370). Hierher gehört auch der Zeitalternans
im Versuch 17 (S. 380) und die Parasystolie in demselben Versuche
und manches andere. Vielleicht treten solche Folgen nur bei Herzen
auf, die dem Einflüsse der extrakardialen Nerven entzogen sind, und
vielleicht hat man darin das Bestreben nach einem Ausgleiche der
Störung auf einem ungewöhnlichen Wege zu erblicken. Daß aber
sowohl die Hemmung der normalen, wie die Förderung der hetero¬
topen Reizbildung auch bei den E.-S. des Menschen eine Rolle
spielen, kann nicht zweifelhaft sein. Die näheren Umstände müssen
freilich erst erforscht werden.
Es ergibt sich aus alledem , daß man nicht berechtigt ist, die Dif¬
ferenz zwischen der Länge der Pause und dem Normalintervall einfach
7 . f. d. g. exp. Med. XXX. 26
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402 Y. Miki u. C. J.Rothbergcr: Untersuch, üb. die Pause n. Vorhofsextrasystolen.
als Rückleitungszeit aufzufassen , sondern daß diese Differenz von sehr
verschiedenen Faktoren bestimmt ivird, so daß unter Umständen der
Anteil der wirklichen R.-L.-Z. an der Länge der Pause ganz in den
Hintergrund treten kann ,
Alles was hier vorgebracht wurde, gilt aber vorläufig nur für
die in ganz ungleichmäßigen Zwischenräumen ausgelösten künstlichen
E.-S. Die Entscheidung der Frage, von welchen Umständen die
Länge der Pause in solchen Fällen bestimmt wird, wo die E.-S. in¬
folge einer rhythmischen Reizbildung entstehen (Parasystolie) muß
einer besonderen Untersuchung Vorbehalten bleiben.
Literaturverzeichnis.
*) Cushny und Matthews: Joum. of phyeiol. 21. 1897. — *) Hering: Pflügers
Arch. f. d. ges. Physiol. 82, 1. 1900. — 8 ) Cushny: Joum. of exp. med., 4,
827. 1899. — 4 ) Wenckebach: Zeitschr. f. klin. Med. 86, 181. 1898. — A ) Der-
selbe: Kgl.) Akad. Wiss. Amsterdam, Jan. 1908. — ®) Derselbe: Die unregelmäßige
Herztätigkeit usw. Leipzig 1914, S. 38. — 7 ) Cushny: Heart 8 , 257. 1912. —
8 ) Mackenzie: Lehrb. d. Herzkrankh. 2. Aufl., übers, v. Grote. Berlin 1910.
S. 141. — 9 ) Lewis, Meakins und White: Phil. Transact. roy. soc. of London B.
205, 375. 1914. — l0 ) Lewis und White: Heart 5, 335. 1914. — «) Lewis:
The mechanism and graphic registr. of the heart beat. London 1920, S. 224. —
l% ) Kaufmann und Rothberger: Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. 9, 116. 1919. —
18 ) Dieselben: Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. 11, 44. 1920. — 14 ) Lewis y Drury
und Bvlger: Heart 8, 83. 1921. — ,fi ) Mines: Transact. roy. soc. Canada 8,
43. 1914. — 16 ) Lewis, Drury und Iliescu: Heart 8, 311. 1921. — 17 ) Garten:
Skand. Arch. f. Physiol. 29, 131. 1913. — 18 ) Sülze: Ein Beitrag zur Kenntnis
des Erregungsablaufes im Saugetierherzen. Dies. Gießen 1913. — 19 ) Hof mann
und Holzinger: Zeitschr. f. Biol. 57 , 309. 1911. — 20 ) Rothberger und Winterberg:
Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 146 , 385. 1912.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Zur Frage der Blutmengenbestiiinnung.
I. Mitteilung.
Untersuchungen Ober das Verhalten von Erythrocyten
zu kolloiden Farbstoffen und kolloidem Gold.
Von
Kichard Seyderhelm und Walter Laiupe.
(Aus der Medizinischen Universitätsklinik und Poliklinik in Göttingen [Direktor:
Prof. Dr. Erich Meyer])
Mit 1 Textabbildung.
(Eingegangen am 5. August 1922.)
In dieser und in weiteren Mitteilungen sollen neue Unter¬
suchungen über eine mit Hilfe von kolloidalen Farbstoffen auszu¬
führende Blutmengenbestimmung gebracht werden. Derartige Blut-
mengenbe8timmungen mit kolloidalen Farbstoffen sind in den letzten
Jahren von amerikanischen Autoren ausgeführt worden. Bisher
kamen die verschiedensten kolloidalen Farbstoffe wie Vitalrot, Kongo-
rot, Trypanrot und Diaminreinblau *) hierbei zur Verwendung. Die
erste Forderung, die an derartige Farbstoffe zum Zweck der Blut¬
mengenbestimmung gestellt werden muß, bezieht sich neben der
möglichst langen Verweildauer in der Blutbahn auf die Undurch¬
lässigkeit der Membran der roten Blutkörperchen für diese Farbstoffe.
Auch die Möglichkeit einer Adsorption, wenn auch nur kleiner Farb¬
stoffmengen von der Membran der Erythrocyten mußte ausgeschlossen
werden. Derartige Untersuchungen wurden bereits von amerika¬
nischen Autoren, wenn auch nur in beschränktem Umfange (3 Ver¬
suche) ausgeführt, und zwar durch Keith , Qeraghty und RowtUree 1 )
mittels Vitalrot. Die genannten Autoren gingen in ihrer Arbeit so
vor, daß sie einer bestimmten Menge Blut Farbstoff zusetzten, den
Farbstoffgehalt des aus diesem Blut gewonnenen Plasmas colori-
metrisch feststellten und mit dem berechneten Farbstoffgehalt ver¬
glichen. Es fand sich, daß praktisch in Betracht kommende Mengen
von Vitalrot von den Erythrocyten weder adsorbiert, noch durch¬
gelassen wurden.
*) Literatur siehe II. Mitteilung.
26 *
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
R. Seyderbelm und VV. Ivampe:
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404
Im folgenden sollen zunächst Versuche wiedergegeben werden,
die unter Einhaltung einer hiervon abweichenden Versucbstecbnik
das Verhalten bestimmter kolloidaler Farbstoffe gegenüber Erythro-
cyten untersuchen sollten. Notwendig erwiesen sich derartige ein¬
gehende Untersuchungen, da von später zu erörternden Gesichts¬
punkten ausgehend bei den folgenden Blutmengenbestimmungen Kol¬
loide verwandt wurden, über die analoge Untersuchungen noch nicht
vorliegen. Es handelt sich um Trypanblau und Goldhydrosol. Als
weiterer kolloider Farbstoff wurde Kongorot verwandt, das nicht
nur von einem englischen Autor \Harris 2 )], sondern neuerdings in
Deutschland auch von Griesbach 3 ) für Blutmengenbestimmungen be¬
nutzt wurde.
Die angewandte Versuchstechnik war folgende: Es wurde gesunden
Individuen durch Venenpunktion eine größere Menge Blut, z. B.
170 ccm, entnommen und in einem peinlichst gesäuberten Glas¬
zylinder aufgefangen. Zur Verhütung der Gerinnung wurde in Er¬
mangelung von Hirudin eine bekannte Menge (zirka 1 10 des ent¬
nommenen Blutvolumens), in unserem Beispiel 17 ccm, einer 2proz.
Ammoniumoxalatlösung, die durch Auflösen von 2 g Ammonium¬
oxalat und 0,9 g Kochsalz in 100 ccm Wasser erhalten wurde,
hinzugesetzt. Nach sorgfältiger Durchmischung wurden mit diesem
Oxalatblut 3 Hämatokriten gefüllt. Als solche wurden in Anlehnung
an die von Bönninger angegebenen U-förmigen Hämatokriten U-förmig
gebogene, fein graduierte Therrnometerröhrchen benutzt, die mittels
Quecksilbersäule in der üblichen Weise nachgeeicht wurden*).
Darauf wurde ein bestimmtes Quantum des Oxalatblutes, z. B.
100 ccm, nach nochmaligem sorfältigem Durchmischen mit einem
bekannten (am besten gewogenen) Quantum der zirka lproz. Lösung
des betreffenden Farbstoffes, die mit 0,9proz. Kochsalzlösung her¬
gestellt wurde, im Beispiel 0,3079 g Trypanblaulösung versetzt. Von
einer Korrektion bezüglich des spezifischen Gewichts wurde abge¬
sehen. Hierauf wurden
1. die drei Hämatokriten,
2. das mit Farblösung versetzte Oxalatblut,
3. der Rest des Oxalatblutes (ohne Farblösung)
eine halbe Stunde gleichzeitig zentrifugiert (3000 Touren pro Minute
bei 17 cm Radius). Mit dem unter 3. gewonnenen Oxalatplasma
wurde zur colorimetrischen Vergleichsbestimmung eine Standard¬
lösung (Oxalatplasma plus Farbstofflösung) hergestellt, um, worauf
*) Nach unseren Erfahrungen empfiehlt sich eine derartige Kontrolleichung
auch für die im Handel befindlichen U-förmig gebogenen Hämatokriten, da
sic häufig an der BiegungssteÜe beträchtliche Ungenauigkeiten aufweisen.
Original from_
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Zur Frage der lilutmengenbeBtiminung. I.
405
.später noch hingewiesen werden muß, die jeweils wechselnde Eigen¬
farbe des Plasmas zu berücksichtigen. Es wurden z. B. 20 ccm
dieses Oxalatplasmas mit einer wiederum gewogenen Menge der
Farbstofflösung, die schon vorher benutzt wurde, z. B. mit 0,1944 g
Trypanblaulösung versetzt. Mit einem Teil dieser Standardlösung
wurde der Keil eines Aviznrieth-Qolonmetevs gefüllt. Dann wurde
mit dem Rest der Standardlösung durch Hinzufügen verschiedener
Mengen farbstofffreien Oxalatplasmas Verdünnungen hergestellt, z. B.
75-, 50-, 25proz. Lösungen, bezogen auf die Standardlösung gleich
100proz.,und durch colorimetrischen Vergleich eine Eichkurve gewonnen.
Die Ablesungen ergaben z. B. bei
100 75 50 25 °/u
12,3 32,4 52,0 72,6 Skalenteile.
Bei den Ablesungen wurde jedesmal das Mittel aus zehn Werten
gewählt, wobei die einzelnen Ablesungen in der Breite von 2 bis
3 Skalenteilen lagen. Es muß darauf
hingewiesen w erden, daß die Eichkurven
stets mit dem dazu gehörigen Oxalat¬
plasma hergestellt w'urden. Ein Ver¬
gleich der mit den verschiedenen
Plasmen gewonnenen Eichkurven zeigt,
daß diese nicht immer völlig zusammen¬
fallen. Das hängt wohl in erster Linie
damit zusammen, daß im Autenrieth-
Colorimeter eine Plasmamenge von
gleichbleibender Dicke (Trog) auf der
einen Seite mit der in dem sich ver¬
jüngenden Keil befindlichen Plasma- am>. i.
Schicht von wechselnder Dicke auf der
anderen Seite verglichen wird. Bei dieser Anordnung entstehen Misch¬
farben, die auf der einen Seite (Trog) eine veränderliche Gelbkomponente
enthalten, während auf der Seite des Keils die Gelbkomponente im
Vergleich zum Farbstoff stets die gleiche bleibt. Infolge der durch
den jeweils verschiedenen Grad der Plasmafarbe auftretenden ver¬
schiedenen Mischfarben resultieren die für die verschiedenen Plas-
mata sich nicht immer deckenden Kurven.
Der wichtige Faktor der Eigenfarbe des Plasmas kann also Hin¬
auf die Weise mit in Rechnung gezogen werden, daß für jede Unter¬
suchung eine eigene Eichkurve hergestellt wird. Versuche mit wässe¬
rigem Standard und künstlichem Licht, w r ie es Griesbach angibt (1. c.),
ergaben bei unseren Untersuchungen keine brauchbaren Resultate.
Die Abweichungen waren so groß, daß man u. E. auch bei der
Methode der Blutmengenbestimmung besser davon absieht.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
406
R. Seyderhelm und W. Lampe:
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Nachdem in der oben geschilderten Weise die Eichkurve für
das Farbplasma hergestellt war, wurde der Trog des Colorimeters
mit dem aus 2. durch Zentrifugieren gewonnenen Farboxalatplasma
beschickt. Im gewählten Beispiel ergab die Ablesung 50,3 Skalen¬
teile gleich 52,8 °/ 0 Farblösungsgehalt des Standards. Der abzu¬
leitenden Berechnungsformel des Blutkörperchenvolumens sind fol¬
gende Einzel werte zugrunde zu legen:
Das Volumen des durch Aderlaß gewonnenen Blutes sei . = b
" - •• zu b gesetzten Ammonoxalates sei . . = o
" •' zur Standardbereitung benutzten Oxalat¬
plasmas sei ..— p
der zum Standard verwandten Farblösung sei ~a
** des Oxalatblutes, das zur eigentlichen Be¬
stimmung benutzt wurde, sei . . . . = g
•• « der zu g gesetzten Farblösung sei . . . . -- f
Der auf die Standardmenge p -f- a bezogene Prozentgehalt an
Farbstofflösung im Farboxalatplasma, das aus g -f- f Farboxalatblut
gewonnen wurde, sei gleich c. Das Blutkörperchenvolumen sei
gleich K.
Die Verdünnung der Farblösung a im Standard ist
V + «
a
fach.
Also ist die Farblösung f im Zentrifugat von g
100 f(p -}- a)
a-e
d. h. in g f Farboxalatblut sind
100 f(p -f
a-e
in g (tiii Oxalatblut sind folglich
riOO f[p a
L a-e
b-g
In g ccm Oxalatblut sind aber — —
b o
Oxalat.
100 ccm Blut enthalten also
°'9 "
f auf
ccm verdünnt,
ccm Farboxalatplasma,
— f ccm Oxalatplasma.
ccm Blut und ^
b — c
ccm
100 f(p-j-a)
ae b
b-g
b o
100
ccm Plasma,
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
Zar Frage der Blutmengenbestimmung. I.
407
d. i.
K = 100 -
oder
K - - 100- 1
100• • f-(p -f- a) (6 + o) , 100/'(6 + o) , 100 o
a-eb-g bg b
o f(b -\- 6) _ 100 fip + a) (6 -f o)^
6 1 bg ae-bg J‘
ln dem oben gewählten Beispiel war a = 0,1944, p = 20, 6 = 170,
o = 17, 6-fo - 187, f= 0,3079, g = 100 und e = 52,8, also
K = 100 1 4
17 0,3079-187 30,79-20,1944-187
' 170
170-100
0,1944-52,8 170-100
45,36.
Die Hämatokritwerte betrugen 45,71
45,84
45,72
137,27 : 3 - 45,76.
Dei' mittlere Hämatokritwert für das Blutkörperchenvolumen
beträgt also 45,76, der Wert, der mittels Farbmethode gewonnen
wurde, 45,36. Es ergibt sich demnach in diesem hier angeführten
Beispiel eine gute Übereinstimmung zwischen beiden Werten.
Die folgende tabellarische Übersicht gibt die im einzelnen ge¬
wonnenen Untersuchungsresultate wieder.
I. Versuche mit Kongorot.
Nr.
K Kongorot
K Hämatokrit
Differenz
bezogen auf Hämatokrit
1
48,56
49,31
— 0,75
2
49,15
48,40
} 0,75
3
51,90
49,20
4- 2,70
4
45,94
45,99
-0,05
Summe
195,55
192,90
+ 2,65
Im Mittel beträgt also die Abweichung der Resultate mittels
Farbstoffcolorimetrie und Hämatokrit noch keine +l,!-i° 0 .
II. Versuche mit Trypanblau.
Nr. K Trypanblau
K Hämatokrit
Differenz
bezogen auf Hämatokrit
5 ! 50,37
i 50,97
- 0,60
6 42,43
39,65
4-2,78
7 j 45,36
45,76
-0,40
Summe 138,16 ,
136,38
4-1,^8
Im Mittel beträgt also die Abweichung
ca. + 1.3 °/«-
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
408
R. Seyderhelin und W. Lampe :
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III. Versuche mit Goldhydrosol.
Aus besonderen Gründen, auf die in der II. Mitteilung näher ein¬
gegangen werden soll, wurden in gleicher Weise auch Untersuchungen
mit kolloidalem Gold von einer Teilchengröße von 4 — 6 fifx angestellt.
1
K Goldhydrosol
K Hämatokrit
Differenz
bezogen auf Hämatokrit
8 !
46,18
48,65
— 2,47
9
47,00
46,06
; 0,94
10
53,80
53,50
- 0,30
11
55,71
52,94
-f 2,77
12
52,70 1
51,65
+ 1,05
13
, 50,93
52,06
-1,13
14
1 46,64
47,92
-1,28
Summe 352,96
352,78
+ 0,18
Im Mittel beträgt also die Abweichung ca. 0,05 °/ 0 .
Aus den obigen Resultaten geht hervor, daß die Werte für das
Blutkörperchenvolumen, die durch Zusatz bekannter Farbstoff- bzw.
Goldhydrosolmengen eruiert wurden, eine weitgehende Übereinstim¬
mung mit den Hämatokritwerten, die aus dem gleichen Oxalatblut
gewonnen waren, auf wiesen. Für die in obiger Weise untersuchten
Farbstoffe, das Kongorot und Trypanblau, sowie für das benutzte
Goldhydrosol trifft daher die Annahme zu, daß nachweisbare Mengen
derselben von den Blutkörperchen weder adsorbiert noch sonstwie
aufgenommen werden. Die genannten Farbstoffe und ebenso da«
Goldhydrosol verteilen sich gleichmäßig und ausschließlich im Blut¬
plasma, wenn sie einem bestimmten Blutvolumen zugesetzt werden.
Sie erfüllen somit die oben postulierten Bedingungen, die eine Ver¬
wendung bei der Blutmengenbestimmung gerechtfertigt erscheinen
lassen. Die Frage allerdings, ob sie genügend lange in der Blut¬
bahn verweilen, wird zunächst durch die Untersuchungen nicht
berührt.
Aus der weitgehenden Übereinstimmung der Resultate von den
durch Hämatokrit und Farbstoffcolorimetrie gefundenen Werten geht
weiterhin hervor, daß bei Verwendung von Ammoniumoxalat als
gerinnungshemmendem Mittel nach scharfem Zentrifugieren bei
3000 Touren (Radius 17 cm) sich kein Plasma mehr zwischen den
Blutkörperchen findet. Selbstverständlich kann hieraus nicht der
Schluß gezogen werden, daß dieser Hämatokritwert des Ammonium¬
oxalatblutes das wahre Blutkörperchenvolumen darstellt. Der Ein¬
fluß, den der Zusatz von Ammoniumoxalat an und für sich auf das
Blutkörperchenvolumen durch Quellung, Entquellung, Osmose und
dergleichen ausüben könnte, bleibt hierbei unberücksichtigt. Bei der
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Zur Frage der Blut mengenbestimm ung. I.
409
Blutmengenbestimmung spielt selbstverständlich der wahre Wert des
Blutkörperchenvolumens eine große Rolle, da die Farbstoff in jektions-
methode zunächst nur die absolute Plasmamenge ermitteln läßt.
Aus den obigen Untersuchungsresultaten dürfte wohl die Berechtigung
abgeleitet werden, zunächst bei den im folgenden wiederzugebenden
Blutmengenbestimmungen Ammoniumoxalat sowohl zur Blutkörper¬
chenvolumenbestimmung mittels Hämatokrit, als auch zur colori-
metrischen Bestimmung der Farbstoffverdünnung im Plasma zu ver¬
wenden, da das gleiche Moment, das eventuell das Volumen der
Blutkörperchen vergrößert resp. verkleinert, die Plasmamenge in der
Farbblutprobe verkleinert resp. vergrößert.
Literaturverzeichnis.
l ) Keith , Qeraghty , Bowntree: A method for the determin&tion of plasma
and blood-vol. Arch. of internal med. 10, 547. 1915. — *) Die Originalarbeit
war nicht zu erhalten, zitiert bei Erlanger : Blood Volume and ite regulation.
Physiol. Rev. ed. The americ. phyeiol. Soc. 1, Nr. 2. — 3 ) Griesbach : Dtech.
med. Wochenechr. 1921, Nr. 43.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
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Zur Frage der Blutmengenbestiminung.
II. Mitteilung.
Colorimetrische Blutmengenbestimmung mit Trypanblau.
Von
Richard Seyderhelra und Walter Lampe.
Aus der med. Univ.-Klinik und Poliklinik in Göttingen [Direktor: Professor
Dr. Erich Meyer].)
(Eingegangen am 5. August 1922.)
Ohne Zweifel ißt das experimentelle Studium der Blutmengen¬
bestimmungsmethoden durch die während des Weltkrieges ausgeführten
Arbeiten amerikanischer Autoren im Jahre 1915, die sich mit
Blutmengenbestimmung durch Injektion kolloidaler Farbstoffe be¬
schäftigen, in ein neues aussichtsreiches Stadium getreten. Auf die
mannigfachen Einwände, die den bisher bekannten Methoden der
Blutmengenbestimmung entgegengehalten werden, soll hier nicht ein¬
gegangen werden. Es sei diesbezüglich auf die übersichtliche Dar¬
stellung der verschiedenen Methoden durch Domarus 1 ) und J. Er¬
langer 2 ) hingewiesen. (Der Aufsatz von Erlanger weist allein über
130 Literaturangaben auf.)
Allein die Tatsache, daß die mit den bisherigen Methoden ge¬
fundenen Normal werte zwischen 4,8 °/ 0 [.Haldane-Smith 3 ) mittels
Kohlenoxydmethode] und 9,8 °/ 0 [Kämmerer und Waldmann 4 ) mittels
Antitoxinmethode] des Körpergewichts schwanken, steht im auf¬
fälligen Gegensatz zu der alten Vorstellung, daß die Blutmenge ein
Dreizehntel (7,7 °/ 0 ) des Körpergewichts betrage. Mit der Welckers chen *)
Auswaschmethode wurden von verschiedenen Untersuchern bei Hunden
und Kaninchen, und von Bischoff 8 ) auch bei zwei Menschen, Werte
gefunden, die ungefähr ein Dreizehntel des Körpergewichts betrugen.
Aber auch der Auswaschmethode haften verschiedene Mängel an,
und die zahlreichen Nachprüfungen verschiedener Autoren ergaben
wiederum mehr oder minder beträchtliche Abweichungen.
Die amerikanischen Autoren Keith , Oeraghty und Bowntree 7 ) be¬
nutzten als Erste einen intensiv gefärbten kolloidalen Farbstoff: das
Vitalrot, dessen intravenöse Injektion in einer Dosis von 3 mg pro
Original from
UNIVERSITY 0F MINNESOTA
R. Seyderhelm und W. Lampe: Zur Frage der Blutmengenbestimmung. U. 411
Kilogramm Körpergewicht in wäßriger 1 proz. Lösung anstandslos
von Menschen und Tieren vertragen wurde. Sie fanden, daß das
in die Blutbahn injizierte Vitalrot nur langsam aus dieser ver¬
schwindet. Aus der colorimetrisch festgestellten Verdünnung des
injizierten Farbstoffes berechneten sie das Plasmavolumen des In¬
dividuums und indirekt unter Verwertung des mit Hämatokrit ge¬
fundenen relativen Blutkörperchen Volumens die Gesamtblutmenge.
Die Gerinnung des Blutes verhinderten sie mit gepulvertem Natrium¬
oxalat. Als Standardlösung für den colorimetrischen Vergleich be¬
nutzten sie Plasma des jeweiligen Individuums, dem eine bekannte
Menge Farbstoff zugesetzt wurde. In 36 Fällen entnahmen sie 3
und 6 Minuten nach der Injektion Blutproben und fanden in deren
Plasma in 25°/ 0 der Fälle bei beiden Proben die gleiche Farbkon-
zentration, in 25°/ 0 der Fälle eigentümlicherweise nach 6 Minuten
einen etwas höheren Wert als nach 3 Minuten (2,5 °/ 0 Unterschied),
und in 50 °/ 0 der Fälle nach 6 Minuten einen niedrigeren Wert als
nach 3 Minuten (3 °/ 0 Unterschied).
Im folgenden soll ein Versuch der genannten Autoren betreffs
Verweildauer des Vitalrots in der Blutbahn wiedergegeben werden.
Nach 2 Minuten betrug die Farbkonzentration im Plasma 100 °/ 0
- 4 , •• „ * •• •• 104 °/ 0
« .. * ■ •• •• 103 °/ 0
a r * r * •• r 102 °/ 0
10 .. .. .. •• „ 102 °/ 0
.. 12 .. „ „ 97 °L.
Die Konzentration des Farbstoffes im Plasma wurde dabei in der
ersten Probe gleich 100°/ 0 gesetzt.
Auf die mittels Vitalrot erhaltenen Blutmengenwerte soll im
Zusammenhang eingegangen werden.
Im Jahre 1920 wurden analoge Untersuchungen mit Kongorot
von Harm 8 ) am Hunde durchgeführt. In Deutschland wurden der¬
artige Untersuchungen mit Kongorot von Griesbach am Menschen
ausgeführt. Griesbach 9 ) injiziert 10 ccm einer 1 proz. wäßrigen
Lösung von Kongorot. Seine Methodik weicht insofern von der der
amerikanischen Autoren ab, als er mit defibriniertem Blute arbeitet
und als Standard eine wäßrige Kongorotlösung benutzte. Er glaubte,
den durch die Eigenfarbe des Serums bedingten Färb unterschied
durch künstliches Licht ausgleichen zu können. Er fand, daß
Kongorot außerordentlich lange in unverminderter Konzentration im
Blute kreist, wie sich aus den folgenden hier wiedergegebenen Daten
ergibt:
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Original fro-m
UNIVERSITY 0F MINNESOTA
412
R. Seyderhelm und W. Lampe:
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Die Farbkonzentration im Plasma
4
Minuten
nach der Injektion betrug
100 °/ 0
11
n
?? r
100 °/ 0
20
??
v n n
n
97°/ 0
30
r ?? r
95,5 °/ 0
60
•i
»i n "
90 °j o
Auf die von Griesbach gefundenen Blutmengenwerte soll weiter
unten eingegangen werden.
Während der Niederschrift dieser Arbeit wurde im Referat eine
weitere Blutmengenbestimmungsmethode mit Trypanrot und Diamin¬
reinblau von Feringa und van Grefeld 10 ) (Holland) bekannt. Nähere
Einzelheiten über diese Versuche konnten leider nicht erlangt
werden.
Die von oben erwähnten amerikanischen Autoren einerseits,
sowie von Griesbach andrerseits durchgeführten Untersuchungen, die
übereinstimmend eine beträchtliche Verweildauer der kolloidalen
Farbstoffe in der Blutbahn ergaben, weisen gegenüber den früher
bekannten Blutmengenbestimmungsmethoden erhebliche Vorteile auf.
Der theoretisch mögliche Einwand, daß vielleicht geringe Mengen
Farbstoff von der Oberfläche der Erythrocyten aufgenommen werden
könnten, wurde bereits durch die in der ersten Mitteilung wieder¬
gegebenen Untersuchungen widerlegt. Eine Adsorption resp. Diffu¬
sion findet nicht statt; und es konnte das gleiche auch von einem
konzentrierten und geschützten Goldsol durch colorimetrische Be¬
stimmung festgestellt werden. Vom Goldsol wissen wir, daß es
ein typisches Kolloid ist, während bei den kolloiden Farbstoffen die
Möglichkeit besteht, daß ein, wenn auch nur geringer Teil krvstalloid
in Lösung geht. Es müßte von Interesse sein, festzustellen, ob die
angewandte kolloide Goldlösung geeigneter wie die genannten
kolloidalen Farbstoffe ist.
Die intravenöse Injektion des zur Verwendung gelangten Goldsols
verlief für Kaninchen und Mensch, abgesehen von einer leichten
Temperatursteigerung beim Kaninchen, völlig reaktionslos. In Dia-
lysierversuchen wurde beobachtet, daß sowohl die benutzten Farb¬
stofflösungen (Kongorot und Trypanblau) als auch das Goldsol in
einem Zeitraum von 3 Tagen die Dialysiermembran von Schleicher und
Schüll nicht passierten. Es war demnach durchaus denkbar, daß
das Goldsol, das weder durch die Membran der Erythrocyten, noch
die Membran der Dialysierhülsen diffundierte, längere Zeit im Blute
kreiste. Die diesbezüglichen Untersuchungen ergaben, daß diese
Vermutung bezüglich des hier zunächst verwandten Goldsols nicht
zutraf, daß vielmehr die Verweildauer dieses intensiv dunkelrot ge-
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Zur Frage der Blutmengenbestimmung. II.
413
färbten Goldsols im Blut auffallend kurz ist*). Im Kaninchenversuch
ergaben sich folgende Werte für die Konzentration des Goldsols im
Plasma:
7 Minuten nach der Injektion 100 °/ 0
10 37°/ 0
15 „ .. „ 0 °/ 0
Hierbei wurde der nach 7 Minuten erhaltene Wert gleich 100 °/ 0
gesetzt. Dem 1825 g schweren Kaninchen waren 2 ccm Goldsol
injiziert worden. Nach einer Injektion von 10 ccm Goldsol bei einer
55 kg schweren Frau zeigte sich das Plasma bei der Entnahme
(3 Minuten nach der Injektion) völlig ungefärbt.
Diese Versuche zeigen, daß nicht die kolloide Natur an und für
sich eine längere Verweildauer in der Blutbahn garantiert. Es läßt
sich zunächst nicht entscheiden, ob das rasche Verschwinden des
Goldsols auf einer Ausflockung oder auf ein Verlassen der Blutbahn
durch intraendotheliale Zwischenräume (?) zurückzuführen ist. Ob hier¬
bei die Teilchengröße eine entscheidende Rolle spielt, muß noch
offen bleiben. Das in obigen Versuchen benutzte Goldsol kann jeden¬
falls für Blutmengenbestimmungen nicht in Frage kommen. Die
genannten hochmolekularen Farbstoffe erwiesen sich diesem anor¬
ganischen Kolloid bezüglich ihrer Verweildauer im Blute überlegen.
Es war von Interesse festzustellen, inwieweit noch andere
kolloidale Farbstoffe, deren intravenöse Injektion symptomlos ver¬
tragen wird, zur Blutmengenbestimmung geeignet sind. Im Gegen¬
satz zu den bisherigen Untersuchungen mit Vital- und Kongorot
sollte der Versuch gemacht werden, einen geeigneten blauen Farb¬
stoff aufzufinden. Für die Colorimetrie bedeuten blaue Farbstoffe
gegenüber roten einen entschiedenen Vorteil, ganz abgesehen davon,
daß oft unkontrollierbar auftretende geringe Grade von Hämolyse,
die eine Blutmengenbestimmung unmöglich machen, in einem von
Farbstoff intensiv rot gefärbten Plasma einmal übersehen werden
können. Uber derartige Versuche, einen geeigneten blauen Farb¬
stoff zu finden, berichtet iHarris. Es wurden von ihm Kongoblau,
Nachtblau und Anilinblau als völlig ungeeignet befunden. Es gelang
uns, in dem seit langem als Chemotherapeutikum bekannten Trypan-
blau einen kolloidalen Farbstoff aufzufinden, der bezüglich der Ver¬
weildauer im Blute des Menschen dem Vital-und Kongorot zum mindesten
zur Seite gestellt werden kann. Zur Verwendung gelangte ein Präparat
*) Die Verweildauer des Goldsols im Blute hängt sehr von der Art seiner
Bereitung ab. Untersuchungen in Gemeinschaft mit Prof. Hob. Wintgen über
dieses interessante Verhalten verschieden hergestellter Goldsole sind noch nicht
abgeschlossen und werden später veröffentlicht.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
414
R. Seyderhelm und W. Lampe:
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von Casella, Frankfurt a. M. Als geeignete Dosis wurde ein Milli¬
gramm pro Kilo Körpergewicht ermittelt. Bei Verwendung von
2—3 mg pro Kilo Körpergewicht stellte sich eine leicht bläuliche
Verfärbung der Haut namentlich des Rumpfes, aber auch des Ge¬
sichtes, ein, die nach einigen Tagen wieder verschwand. Versuche
betreffs der Verweildauer des Trypanblaus im Blute geschahen unter
Mitwirkung von B . Büttner 9 der demnächst eine ausführlichere Ar¬
beit über das Schicksal der verschiedenen bei Mensch und Tier inji¬
zierten kolloidalen Farbstofflösungen veröffentlichen wird.
In 5 Versuchen, bei denen die Farbkonzentration des Plasmas
in der erstentnommenen Probe gleich 100 °/ 0 gesetzt wurde, fanden
sich folgende Werte:
Min. nach der ;
I j
2.
8.
4
ö.
Injektion !
i Vo 1
°/o
°/o
°/o
°/o
3
100
100
—
100
100
4
—
-
100
—
—
6
9*,4
—
! —
100
«V,
1
98 i
i —
98,9
—
8
—
—
98,4
—
—
»V.
—
—
—
96 3
—
10
97,0
—
—
—
—
io V.
—
95
—
—
—
n
—
—
! 96,1
—
—
Diese Werte beweisen, daß auch das Trypanblau zu den kolloi¬
dalen Farbstoffen gehört, die verhältnismäßig lange Zeit in der Blut¬
bahn verweilen. Diese Eigenschaft des Trypanblaus berechtigte zur
Durchführung einer Blutmengenbestimmung in analoger Weise wie
mit Vital- und Kongorot.
Im einzelnen gestaltete sich die Versuchstechnik folgendermaßen:
Nachdem Größe und Gewicht des Individuums festgestellt war,
wurde I. aus einer ungestauten Armvene ca. 5 ccm Blut entnommen
und zur Verhütung der Gerinnung mit 1 / 10 seines Volumens Am¬
moniumoxalatlösung versetzt. (Die Lösung wurde durch Auflösung
von 2 g Ammoniumoxalat und 0,9 g Kochsalz in Wasser zu 100 ccm
gewonnen und bewährte sich besser als der Zusatz von gepulvertem
Natriumoxalat.)
II. wurde aus der, wenn nötig, gestauten Vene in zwei peinlichst
mit destilliertem Wasser gesäuberten und getrockneten Meßzylindern
je 25 ccm Blut aufgefangen und wiederum mit 1 / l0 ihres Volumens
Ammonoxalatlösung geschützt. Dann wurden 10 ccm einer Trypan-
blaulösung intravenös injiziert, die so viel Milligramm Trypanblau ent¬
hielt, als der Patient Kilo wog.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Zur Frage der Blutmengenbestimmung. II.
415
Wiegt z. B. ein Individuum 60 Kilo, so werden von der vorrätig gehaltenen
1 proz. (in 0,9 proz. Kochsalzlösung gelösten) Trypanblaulösung 9 ccm nach Fil¬
tration in ein Kölbchen gefüllt, mit ca. 10 ccm 0,9 proz. Kochsalzlösung ver¬
setzt und das Ganze bis zu 15 ccm zwecks Sterilisation eingekocht, dann ent¬
halten 10 ccm dieser Lösung 60 mg Trypanblau.
Bei der Injektion ist aus Gründen der Genauigkeit und um
Vitalfärbung zu vermeiden, darauf zu sehen, daß die gesamte Trypan¬
blaulösung in das Blut gelangt.
3 und 6 Minuten nach beendeter Injektion werden dann III. aus
einer möglichst nicht gestauten Armvene ca. je 10 ccm Blut ent¬
nommen und in gleicher Weise mit Oxalat versetzt.
Bei Gewinnung des Ammonoxalatblutes läßt sich Hämolyse so gut wie
sicher vermeiden, da aber aus unbekannten Gründen mitunter doch einmal
Hämolyse auftritt (vgl. auch Keith u. a.), ist es schon aus diesem Grunde prak¬
tisch, zwei Blutproben nach der Injektion zu entnehmen, um bei etwaiger
Hämolyse in einer Probe die andere benutzen zu können.
Mit dem bei I. gewonnenen Blut wurden 2—3 Hämatokriten
gefüllt und
I. die Hämatokriten,
II. das Oxalatblut,
III. die beiden Farboxalatblutproben
eine halbe Stunde bei 3000 Touren pro Min. zentrifugiert (Radius
der Zentrifuge gleich 17 cm).
Aus dem bei II. gewonnenen Oxalatplasma und einer bekannten
(am besten gewogenen) Menge der gleichen Trypanblaulösung, die
injiziert wurde, wurde darauf ein Standard hergestellt und mit
diesem der Keil eines Autenrieth-Colorimeters gefüllt. Durch Ver¬
dünnung der Restmenge des Standards mit Oxalatplasma wurde
eine 75 proz. Lösung (bezogen auf den Standard gleich 100) her¬
gestellt und eine Eichkurve gewonnen. Die Eichung ergab z. B.
bei 100°/ 0 : die Ablesung von 11 Skalenteilen, bei 75°/ 0 : die Ablesung
von 31 Skalenteilen.
Schon oben wurde erwähnt, daß die Injektion größerer Trypan-
blaumengen unter Umständen Blaufärbung der Haut bewirkt, wie
dies übrigens schon Ehrlich beobachtet hat. Es mußten daher ge¬
ringere Farbstoff mengen (1 mg pro Kilo) injiziert werden, die nicht
eine totale Blaufärbung, sondern eine oliv- bis blaugrüne Farbe des
Plasmas ergaben. Aus dieser Modifikation der Versuchsanordnung
ergaben sich zunächst infolge der jetzt colorimetrisch stärker mit¬
sprechenden gelben Eigenfarbe des Plasmas gewisse Schwierigkeiten,
die besonders bei der Ablesung in jenen Regionen, wo sich der
Standardkeil stark verjüngt, auftreten. Wenn man bei Herstellung
des Standards so vorgeht, daß nach Möglichkeit die Ablesung der
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
416
R. SeyderhehB- und W. Lampe:
Digitized by
xu untersuchenden Farboxalatplasmaproben, die unter III. gewonnen
wurden, in die Region des oberen Viertels des hier noch dicken
Keiles fällt, erleichtert sich die Ablesung ganz wesentlich.
Im allgemeinen wird man die Standardkonzentration richtig treffen, wenn
man beim Menschen pro Kilo Körpergewicht 45 ccm Plasma annimmt, d. h.
bei einem 60 kg schweren Menschen 2700 ccm Plasma und 1 / 6 — 1 j 7 der für die
Plasmamenge gefundenen Zahl (dazugesetztes Oxalat) dazu addiert. Das wäre
im Beispiel ca. 3100 ccm Oxalatplasma. Sind nun 10 ccm Trypanblaulösung
injiziert, so wäre der zu erwartende Farblösungsgehalt in diesen 3100 ccm ca.
0,32 °/ 0 . Der Farbgehalt des Standards müßte also auch ca. 0,32°/ 0 betragen.
Im Beispiel wäre das 0,064 Trypanblaulösung in 20 ccm Oxalatplasma.
Die erwähnten Schwierigkeiten, die sich einerseits aus der Eigenfarbe des
Plasmas, andrerseits aus dem sich verjüngenden Standardkeil ergeben, und
zwar nicht nur bei Verwendung von Trypanblau, sondern prinzipiell auch bei
Mischung von Plasma mit irgendwelchen Farbstoffen, zu beseitigen, war Auf¬
gabe einer besonderen Untersuchung, die zu einer Modifikation des Colorimeters
führten und über die später nach völligem Abschluß der Untersuchungen be¬
richtet werden soll.
Nach Feststellung der Farbkonzentration der unter III. gewon¬
nenen 2 Farboxalatplasmaproben, die in der Regel 3 und 6 Minuten
nach der Injektion gewonnen wurden, wurde rückwärts auf die
Farbkonzentration im Plasma bei 0 Minuten geschlossen, da, wie die
oben angeführten 5 Beispiele zeigen, die Farbkonzentrationswerte
der innerhalb 11 Minuten gewonnenen 3 Proben praktisch auf einer
geraden Linie liegen.
Ein Beispiel soll dies näher erläutern:
a) Die Farbkonzentration einer nach 3 Minuten entnommenen Blutprobe
betrug im Plasma 93,5°/ 0 des Standards;
b) Die Farbkonzentration einer nach 6*/^ Minuten entnommenen Blutprobe
betrug im Plasma 91,5 °/ 0 des Standards Trägt man diese Werte in ein Ko¬
ordinatensystem ein, dessen Abszisse die Minutenangaben, dessen Ordinate die
Prozentangaben trägt, so schneidet die Verbindungslinie beider Punkte die
Ordinate bei 95 °/ 0 , d. h. bei 0 Minuten beträgt die Farbkonzentration im
Plasma 95 °/ 0 des Standards. Der auf diese Weise gefundene Wert wurde dann
bei Berechnung der Blutmenge zugrunde gelegt.
Die Ableitung der Berechnungsformel ergibt sich aus folgendem:
Das durch Hämatokrit gewonnene Blutkörperchenvolumen sei = K
Das Volumen des zur Standardherstellung verwandten Oxalat¬
plasmas sei.= p
Das Volumen der zur Standardherstellung verwandten Farb¬
lösung sei. = a
Das Volumen der injizierten Farblösung sei.= f
Das Volumen der entnommenen Farbblutprobe sei.=6
Das Volumen des zu 6 gesetzten Ammonoxalats sei .... — 0
Die gegen den Standard abgelesenen Eichprozente des Farb-
oxalatplasmas, das aus 6 + 0 gewonnen wurde, seien . . = e
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Zur Frage der Blutmengenbestimmung. II.
417
p — a
Die Verdünnung von a in p -j- a ist-fach.
Ci
Die Verdünnung des Farboxalatplasmas, das aus b }- 0 gewonnen
i • i p - a 100
wurde, ist also -fach.
a e
Die injizierten f ccm Farblösung sind also auf * —ccm
Ci ' 6
verdünnt.
Wäre die ganze Blutmenge des Menschen so behandelt worden,
so hätten sich also ~ ccm Farboxalatplasma ergeben
müssen. Wie groß ist nun das Volumen des darin enthaltenen
A mmoniumoxalates ?
b ccm Farbblut sind mit o ccm Ammoniumoxalat versetzt;
b ccm Farbblut enthalten - 00 " ^ CCm ^ asma -
/100 - K\
\ 100 )
o ccm Oxalatplasma enthalten mithin o ccm Oxalat.
100 1
100 f(p \ ^) _^ ccm Oxalatplasma enthalten also:
• 6 ccm Plasma sind also mit o ccin Oxalat versetzt.
a-e
o l l00f(p t a) 1
ae
["(100 ~ K)b
Too
ccm Oxalat.
f- o
Das Volumen des Gesamtplasmas beträgt also:
rioo /■(? + «)_
100 f (p ~\ - ci) 1 ° L a e
/ " a e f \ ~ [(10 0^K]b~~~
. ,.»>
1 1
oder
“100 f(p - 4 - a)
ae
(100 - K) b
100
- 4 - o
ccm
ccm,
also ist die Blutmenge B gleich
ioo [ioof(p -h«) ,i r.
^- -T - -f *! 1
100 — K L a e
Z. i. d. g. exp. Med. XXX.
100 o ]
(100 - K) -f- 100 oj
27
ccm.
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Gck 'gle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
418
R. Seyderhelm und W. Lampe:
Digitized by
Im folgenden soll ein Beispiel einer derartigen Blutmengen¬
bestimmung im einzelnen wiedergegeben werden:
Frau, 21 Jahre, 58,5 kg.
Blutentnahme vor der Injektion = 60 ccm.
Injektion von 10 ccm Trypanblaulösung.
Farbkonzentration im Oxalatplasma der nach 3 Minuten ent¬
nommenen Blutprobe (10 ccm Blut + 1 ccm Oxalat) = 93,5 °/ 0 .
Farbkonzentration im Oxalatplasma der nach ß 1 /^ Minuten ent¬
nommenen Blutprobe (10 ccm Blut -f- 1 ccm Oxalat) = 91,5°/ 0 .
Standard = 20 ccm Oxalatplasma + 0,0753 der injizierten Trypan¬
blaulösung.
Mit Hämatokrit gefundenes Blutkörperchenvolumen = 46.
Also: JE' = 46; 100 -K =54; /* = 10; a = 0,0753; p = 20;
e — 95 (auf 0 Minuten berechnet); b = 10; o = 1.
Dann ist
iOO/10 0 * 10 -20, 07 5:i x r 100
~~ 54“ \ 0,0753^95 "" V * L* ~ (54 • 10) + 100. .
= 4373 ccm Blut
4 - 60 ccm (Blutentnahme!)
also B — 4430 ccm Blut.
Dann ist die Blutmenge ausgedrückt in Prozenten des Körper¬
gewichts =
4,430-1,050-100
58,5
— = 7,95°/ 0 oder
1
12,6 ‘
Dabei wurde das spezifische Gewicht des Blutes als 1,050 gesetzt.
Die Plasmamenge p beträgt
/100-10-20,0753 \ / 100 \
\ 0,0753^95 10 ) ’ \ “ 540 + 100/
= 2363 ccm Plasma
-f- 27 ccm (Plasma der Blutentnahme!)
also p = 2390 ccm Plasma.
Dann ist die Plasmamenge ausgedrückt in Prozenten des Körper¬
gewichts =
2,390-1,030-100
58^5
4,2 °/ 0 oder
1
23,8 *
Dabei wurde das spezifische Gewicht des Plasmas als 1,030
gesetzt.
In der ersten Mitteilung war schon darauf hingewiesen, daß bei
Verwendung von Ammoniumoxalat als gerinnungshemmendem Mittel
das Blutkörperchenvolumens vielleicht nicht absolut richtig gefunden
_ Orig inal fr&m
UNIVERSITY 0F MINNESOTA
Zur Frage der BlutmengenbeBtimmung. II.
419
wird, daß aber dieser Fehler bei Berechnung der Gesamtblutmenge
praktisch herausfällt. Zwei Vergleichsuntersuchungen mit Blut, dem
einerseits eine Spur Hirudin, andrerseits ein Zehntel seines Volumens
an 2proz. Ammonoxalatlösung hinzugesetzt war, ergaben folgende
Blutkörperchenvolumina:
I. 1. Hämatokrit (Hirudin) 2. Hämatokrit (Ammonoxalat)
51,90 52,97
und 51,87 und 53,00
Der Mittelwert betrug also bei dem Hämatokritversuch
mit Hirudin 51,89, mit Ammoniumoxalat 52,99.
Der Unterschied zwischen beiden Werten beträgt dem¬
nach nur 1,1 Vol.-°/ 0 .
II. 1. Hämatokrit (Hirudin) 2. Hämatokrit (Ammonoxalat)
45,1 46,2
45,4 46,3
und 44,7 und 46,4
Der Mittelwert betrug also bei dem Hämatokritversuch
mit Hirudin 45,1, mit Ammoniumoxalat 46*,3.
Der Unterschied zwischen beiden Werten beträgt dem¬
nach nur 1,2 Vol.-°/ 0 .
Die Gegenüberstellung der obigen Werte spricht dafür, daß die
Verwendung von 2proz. Ammonoxalat auch für die Bestimmung der
absoluten Plasmamenge keine wesentliche Fehlerquelle darstellt.
Im ganzen wurde nach der obigen Methode bei 12 Menschen
die Blutmenge bestimmt. Es handelt sich um Individuen männlichen
und weiblichen Geschlechts aus verschiedenen Altersklassen und mit
verschiedenem Körpergewicht. Die folgende tabellarische Übersicht
gibt die gefundenen Werte wieder.
Die Durchschnittswerte aus den oben angeführten 12 Einzel¬
untersuchungen ergaben für die Plasma- und Blutmenge in ihrer
Beziehung zum Körpergewicht folgende Zahlen:
Plasmamenge 4,63° 0 oder - des Körpergewichts; das sind
21,b
45 ccm Plasma pro kg.
Blut menge--8,59 °/ 0 oder des Körpergewichts, das sind
82 ccm Blut pro kg.
Wenngleich sich diese Durchschnittswerte nur aus 12 Unter¬
suchungen ableiten, so soll doch hervorgehoben werden, daß mit dem
von Keith , Qeragkty und Roumtree 7 ) in ihrer Arbeit gefundenen
27*
Digitized b'
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
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420
R. Seyderhelm und VV. Kampe
£
Durchschnittswerten
ei ne auff allendeUber-
einstimmung besteht.
Die entsprechenden
Durchschnittswerte
sind folgende:
Plasraamenge
— 5,15°/' oder —-—
/0 19,4
des Körpergewichts;
das sind 50 ccm Plas¬
ma pro kg.
Blutmenge
— 8,8% oder ~ -
des Körpergewichts;
das sind 85 ccm Blut
pro kg.
Der von Gries¬
bach 9 ) mittels Kongo -
rot gefundene Durch¬
schnittswert für die
Blutmenge beträgt
6,7 °/ 0 des Körper¬
gewichts.
Wie bisher jeder
Blutmengenbestim¬
mungsmethode mehr
oder minder große
Mängel anhaften, so
ist auch die Methodik
mit kolloidalen Farb¬
stoffen sicher noch
nicht als die ideale
Mengenbestimmung
zu bezeichnen. Die
Mängel, die ihr je¬
doch anhaften, be¬
treffen weniger die
Zuverlässigkeit und
Genauigkeit der Me¬
thode, als vielmehr
Gck igle
_ Origina l frcm __
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Zur Frage der Blutmengenbestiromung. II.
421
die Umständlichkeit der Technik. Ungeachtet dessen wurden die
obigen Untersuchungen zunächst in dem Bestreben ausgeführt, mög¬
lichst alle in Betracht kommenden Fehlerquellen auszuschließen.
Hierzu gehören die Verwendung einer wäßrigen Farbstofflösung als
Standard und die Benutzung von durch Schlagen defibriniertem
Blut, letzteres um so mehr, als nach unseren Erfahrungen hierbei
Hämolyse häufiger als bei Gewinnung von Oxalblut eintritt. Ferner
wurden auch durchgehend statt der sonst üblichen Volumbestim¬
mungen Gewichtsbestimmungen ausgeführt.
Durch die Verwendung von Eigenplasma zur Herstellung des
Standards wird immer der Farbstoffinjektion eine Blutentnahme von
ca. 50 ccm vorausgehen müssen. Durch den Zusatz von Ammon¬
oxalatlösung komplizierte sich die Blutinengenberechnungsformel
wesentlich. Daß aber die Zuverlässigkeit der auf obige Weise ge¬
wonnenen Blutmengenresultate diese methodischen Nachteile aufwiegt,
geht wohl daraus hervor, daß einerseits die von uns gewonnenen
Resultate mit jenen der amerikanischen Autoren, die ebenfalls Plasma¬
standards benutzten, weitgehend übereinstimmen, während anderer¬
seits hier Trypanblau, dort Vitalrot angewandt wurde.
Daß die kolloiden Farbstoffe tatsächlich die gewünschte Bedingung
erfüllen, quantitativ längere Zeit in der Blutbahn zu verweilen, folgt
übereinstimmend aus den Untersuchungen von Keith , Geraghty f
Rowntree , Griesbach und uns.
Daß auch die Verteilung der im gesamten Blutkreislauf kreisen¬
den Farbstoffmenge-eine gleichmäßige ist, geht mit großer Wahr¬
scheinlichkeit aus eigenen Untersuchungen hervor, in denen bei mög¬
lichst gleichzeitiger Blutentnahme aus den Venen des linken und
rechten Armes die gleiche Farbkonzentration im Plasma gefunden
wurde.
Bei einem der untersuchten Fälle wurde nach Verlauf von
3 Wochen die Blutmengenbestimmung wiederholt. Die in der Ta¬
belle angeführten Werte ergeben eine weitgehende Übereinstimmung
der ersten und zweiten Blutmengenbestimmung (Nr 6 und 7 der
Tabelle).
Uber die oben bereits aqgedeutete Modifikation der colorimetri-
schen Technik, sowie über Blutmengenbestimmungen bei Kranken
sollen weitere Mitteilungen folgen.
Herrn Prof. Dr. R. Wintgen (Assistent am anorganisch-chemischen
Institut, Prof. Zsigmondy) sind wir für die Herstellung des Goldsols
sowie für die liebenswürdige Unterstützung bei Aufstellung der Be¬
rechnungsformeln zu größtem Dank verpflichtet.
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
422 R. Seyderhelm und W. Lampe: Zur Frage der Blutmengenbestimmung. II.
Difitized by
Literaturverzeichnis.
*) Domarus: Methodik der Blutuntersuchung, Berlin 1921. — 2 ) J. Erlanger ,
Blood Volume and its Regulation. Physiol. Rev. 1921, 1, Nr. 2. — 3 ) Hol -
dane-Smüh: Journ. physiol. 25. 1899 bis 1900. — 4 ) Kämmerer und Waldmann:
Dtsch. Arch. f. klin. Med. 109. 1913. — ft ) Welcher: Aroh. f. ration. Med. 1858. —
fl ) Bischof}: Zeitschr. f. Wissenschaft!. Zool. 1856. — 7 ) Keith , Geraghty und
Roumtree: A method for the determination of Plasma and Blood Volume. Arch.
of internal, med. 1915, lö. — *) Harris: Originalarbeit war nicht zu erhalten,
zitiert bei J. Erlanger: Blood Volume and its Regulation. Physiol. Rev., ed.
Americ. physiol. soc. 1921, 1, Nr. 2. — e ) Griesbach: Dtsch. med. Wochenschr.
1921, Nr. 43. — 10 ) Feringa und van Crefeld: Originalarbeit war nicht zu erhalten,
zitiert in der Dtsch. med. Wochenschr. 1921, Nr. 44.
Gck igle
Original from _
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Physiologische Wirkungen neuer Gallensäuren.
Von
Julius Pohl.
(Aus dem pharmakologischen Institut Breslau).
(.Eingegangen am 12. August 1922.)
In den letzten Jahren hat die Gallensäurenchemie bemerkens¬
werte Fortschritte gemacht. Während wir bisher von dem Molekül
derselben kaum mehr gewußt haben, als daß sie drei CH(OH)
Gruppen und eine Carboxylgruppe enthalten, sind wir jetzt über
eine Reihe von Eigenschaften derselben belehrt worden, die bereits
ein konstitutives Bild zu entwerfen gestatten. So würde z. B. nach
Widand der Cholsäure und Desoxycholsäure nachfolgendes Formelbild
zukommen. „
h/
H C 10 H ib COOH
H # H C 10 H 18 ( ()OH
H 1 H H
HOH A HOH
* - / v
H
Hg Hg
Cholsäure C. 24 H 40 O 5
H H H
/ , \
H a
HOH
HOH
\
H
H, H,
Desoxycholsäure c 24 h 40 o 4
Vorwiegend waren .es Heinrich Wieland 1 ), Windaus , Barsche ,
Boedecker, Pregl u. A., denen wir eine Reihe von einschlägigen Re¬
sultaten verdanken. Der Reflex dieser Fortschritte auf pharmako¬
logisches Gebiet blieb nicht aus. Hermann Wieland 2 ) belehrte uns
über die Wirkung der verschiedenen Gallensäuren auf das Frosch¬
herz mit dem Hauptergebnis, daß den Gallensäuren eine nach Art
der Saponine sich abspielende Herzwirkung mit spezieller Beteiligung
des N. vagus eigen ist.
In dem Besitz einer Reihe von modernen Gallensäuren gelangt*),
schien es mir wichtig, diese Beobachtung nach bestimmten Rich¬
tungen hin zu ergänzen. Wie auf dem Gebiete der Alkaloidchemie
es gelungen ist, durch willkürliche Variation von den natürlichen
Produkten ausgehend zu verbesserten Alkaloiden zu gelangen, so
müßte es das Ziel der pharmakologisch-chemischen Gallensäure-
*) Der Chem. Fabrik I. D. Riedel , Berlin, sei für Überlassung der Präpa¬
rate der wärmste Dank ausgesprochen.
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
424
J. Pohl:
Digitized by
forschung sein, Gallensäuren zu schaffen, die hei einer maximalen
Wirkung auf die Leber, die bekannte Nebenwirkung auf Herz und
Blutkörperchen zurücktreten lassen. Ich untersuchte die neuen
Gallensäuren zunächst auf die spezifische Funktion derselben, am
Warmblüter die Gallensekretion zu fördern, sodann auf ihr Vermögen,
die Fettresoiption vom Darm aus zu steigern.
Neben diesen klinisch-therapeutischen Zielen habe ich mir noch
eine Reihe pharmakologischer Aufgaben gestellt. Hat man nämlich
einmal einen gut verlaufenden Gallensäureversuch mit seiner rasch
ansteigenden Sekretionswelle der Galle gesehen — eine Kurve, die
homolog der Harnflutkurve nach Salzinjektionen verläuft —, so ist
der Gedanke berechtigt, diese Funktion auf ihre Beeinflußbarkeit
durch andere chemische Agenzien zu prüfen. Ich suchte daher (im
Abschnitt II) festzustellen, wie die einmal erhobene Volumsvermehrung
nach einer Gallensäure durch wechselnde Zusätze gefördert oder ge¬
hemmt wird. j
Das Prinzip der Gallenvermehrung durch Gallensäuren ist voll¬
kommen sicher. Sie sind die einzigen absolut zuverlässigen Chola¬
goga. So ergibt schon intravenöse Injektion von nur 0,10 chol-
saurem Salz eine deutliche Gallenvolumsvermehrung. Die gleiche
Menge Kochsalz ist in dieser Richtung völlig gleichgültig.
Methode.
Um die cholagoge Wirkung der Gallensäuren vergleichend zu
prüfen, wurden mit Grünfutter gefütterten Kaninchen, die einen Tag
gehungert hatten (damit der Magen für die folgende Operation nicht
störend ausgedehnt sei) in Urethannarkose (1,0 Urethan pro Kilo)
der Ductus choledochus unterbunden, eine Kanüle in die Gallen¬
blase eingebunden und die ausflließende Galle in halbstündigen
Portionen gemessen. Nach meinen Erfahrungen schwankt die Menge
der Galle bei derartigen Tieren trotz gleicher Fütterung individuell
von 1 / a bis 12 1 / 2 ccm in einer halben Stunde. Letztere Zahl be¬
deutet Bildung von fiOO ccm Galle (!) in 24 Stunden bei einem 2 kg-
Tier. Bei einer Normalzahl von etwa lOccm in einer halbenStunde ist eine
wesentliche Steigerung der Sekretion durch Zufuhr anderer Substanzen
nicht mehr wahrscheinlich. Bei diesen schwankenden Verhältnissen der
Normalsekretion kann man also von keinem Tier auf ein anderes schließen,
sondern muß stets eine Normalperiode desselben Tieres als Versuchs¬
basis haben, und alle gewonnenen Größen sind in Prozentzahlen
dieser Basis anzugeben.
Wie schon erwähnt, tritt die Wirkung einer Gallen Säureninjektion
sofort ein. Pari passu mit der intravenösen Injektion tritt ein
Mehrabtropfen aus der Kanüle ein, die zugeführte Gallensäure wird
Qriginaiitöm ^
UNIVERSITY 0F MINNESOTA
Physiologische Wirkungen neuer Gallensäuren.
425
geradezu hinausgeworfen (sehr hübscher Vorlesungsversuch!). Die
Injektion der auf 40° erwärmten Lösungen ins Blut ist natürlich
äußerst langsam vorzunehmen, um die durch die Gallensäuren be¬
dingte Schädigung der Herztätigkeit aufs Mindestmaß herabzusetzen.
Die sezernierte Galle wurde meist auf ihr spezifisches Gewicht bestimmte
Gewöhnlich sind die Unterschiede der einzelnen Portionen minimal.
Es sind somit die Versuchsgallen in ihren wesentlichen Bestandteilen
als gleichmäßig vermehrt anzusehen. Nur der Farbenton wird in
den positiven Versuchen heller. Der Wunsch, durch Cholesterin¬
bestimmung der sezernierten Gallen Näheres über Schwankungen dieses
Körpers zu erfahren, scheiterte an dem geringen Cholesteringehalt der
Kaninchengalle und an deren kleinen Volumen. Die Tiere blieben
während des Versuches natürlich auf gespannt und wurden durch
Tücher und elektrische Lampe gewärmt.
Als Beispiel der Versuchsresultate sei ein Protokoll ausführlich
wiedergegeben, die übrigen in eine Tabelle zusammengestellt.
1. Versuch: Kaninchen 9 2,600 kg
ll h 23' bis ll h 53' 2,9 ccm Galle, 1,0081 spez. Gew.
Dann intravenöse Injektion von 0,5 cholsaurem Natron in 50,0 Wasser.
1 l h 53' bis 12 h 23' 11,9 ccm Galle, 1,0141 spez. Gew.
12 h 23' „ 12 h 53' 5,6 „ „ 1,0143 „
12* 53' „ l h 23' 3,2 „ r 1,0113 „
Bei der Sektion: Blut nicht lackig, gerinnt. Die Gallenvermchrung in der
ersten halben Stunde beträgt also +313°/ 0 gegenüber der Norm, im ganzen
Versuch in P/a Stunden + 138°/ 0 .
Tabelle I. Chokaures Natron-Versuche.
- -
_ — —
— --
— _ _
_ —
_ .—
— - . _
—
Ver-
sucbs-
Nr.
Gewicht
des
Tieres
1 Normal-
1 Sekretion,
Vs Std.
Gallens.
Menge
| Erste
Vs Std.
1 Zweite :
Vs std.
Steigerung 1
in o/ für
Vs Std.
Bemerkung
2
i 2100
i 2,8
0,5 in 50 H 9 0
6 ,N
142
3
(i 1900
! 4,4
0,15 in 30H 9 O
»5,8
3,2
55
4
i 2100
i 4 - 7
0,15 in 30 H 2 0
6,8
44
5
2100
! 4,75
0,15in30H 9 0
1 »5,9
46
mit 0,3 Natrium
6
; 2800
| 3,8
0,15 in 30 H 2 0
7
3.8
84,2
benzoic.
7
1600
2,5
0,15in30H 2 0
4,5
3
80
8
|;1*>0C(?)
4,1
0,15 in 30
8,3
102
Jodalkalivers.
Tabelle 11. Desoxycholsaures Natron.
Ver-
suchs-
Nr.
Gewicht
des
Tieres
1 Normal-
Sekretion,
; Vs Std.
Gallens.
Menge j
I Erste
Vs Std.
; ». d.
Injekt.
Zweite
7 2 Std.
Injekt. !
Steigerung
in ®/o für
Vs Std.
Bemerkung
9
1900
1 2700
5,1
0,5 in 50 H 2 0
18
13,5
-t- 252
10
3,7
0,5 in 50 d,0
*,?
4,2
108
11
2100
2,7
0,4 in 40 H*01
8,7
9,4
222
Atropinversuch
12
2140
3,7
0,44 in 44H a O
! 8,2
9,1
121
Hafertier
13
2200 1
7,5
0,15
13,5
80
14
2500
2,2
0,09
5,3
140
15
| 2660
4,6
0,3
9,7
8,4
110
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
42G
J. Pohl :
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Überblickt man die Tabellen I und II, so sieht man besonders
bei II beträchtliche Steigerung der Volumina.
Wählt man zum Vergleich gleich schwere Tiere, denen die gleichen
Mengen Gallensäure gegeben war, so könnte man nach dem Resultat
von rund 2000 g Tieren nach 0,15 für
Cholsäure aus Versuch III, IV und V ein Mittel von 46°/ 0
Desoxychols. „ „ XIII, XIV (sogar nur 0,09) Mittel v. 110° 0
ziehen (unter aller Reserve, wegen verschiedener Ausgangswerte,
was oben als bedeutsam besprochen wurde).
Die Desoxycholsäure ist somit sicher ein recht energisches Chola¬
gogum*). Auch bei direkter Einführung von 0,5 desoxychols. Natrium
ins Duodenum (Kanüle) wurde eine deutliche cholagoge Wirkung
(von 2,9 ccm normal auf 5,1 ccm = + 75°/ 0 und 4,1 ccm) beob¬
achtet. Hingegen hat cholsaures Natrium zu 0,5 g subcutan inner¬
halb der nächsten 2 Stunden nicht gewirkt (Resorptionsstörung?).
Da Salkowski 8 ) auf die leichtere Fällbarkeit des desoxycholsauren
Kalks gegenüber dem cholsauren hinweist, so sei ausdrücklich be¬
merkt, daß die gelieferten Gallen stets absolut klar sezerniert
wurden. Ich beobachtete ferner, daß desoxycholsaures Natron in
Konzentrationen von 1—2,5 °/ 0 zu Galle hinzugefügt niemals eine
Spur Trübung oder Ausfällung hervorgerufen hat. Selbst gleiche
Volumina Tiergalle und 2,5 °/ 0 desoxylcholsaures Natrium bleiben
12 Stunden lang klar. Der Calciumgehalt der Galle ist sehr gering.
Der größte Teil der Gallenasche ist Kochsalz 4 ). Um aber ganz
sicher zu gehen und zu erfahren, ob desoxycholsaures Natron in der
Kalkausscheidung der Galle eine Änderung hervorruft, habe ich
einen quantitativen Versuch mit Calciumbestimmung in der Galle
nach Zufuhr von desoxychol saurem Natron durchgeführt. Waren in
der Norm 1,5 mg Ca in 10 ccm Galle (Bestimmung mit n / 20 Kalium¬
permanganat), so fand ich in der absolut klaren Versuchsgalle 1,2 resp.
1,7 mg Ca pro x / 2 Stunde, Werte, die im wesentlichen mit der Normal¬
zahl übereinstimmen. Da es sich aber vielleicht bei der Anlegung
zur Gallensteinbildung weniger um die Menge, als um die Form der
Ausscheidung des Kalkes handelt, mache ich darauf aufmerksam,
daß selbst ausgefällter desoxycholsaurer Kalk in physiologischer
Kochsalzlösung und Galle vollständig löslich ist. Kaninchengalle
mit 1 / 3 ccm desoxycholsaurem Natrium (2,5 °/ 0 ) und 2 Tropfen 14proz.
Chlorcalciumlösung (auf wasserfreies CaCl 2 berechnet) versetzt, bleibt
*) Bemerkung bei der Korrektur: Während des Druckes obiger Mitteilung
erschien in der Biochem. Zeitschr. 180, 566, eine Arbeit von Emst Neubauer
(Wien): Beiträge zur Kenntnis der Gallensäuren. II., in der ebenfalls über die
stark cholagoge Wirkung der Desoxycholsäure berichtet wird.
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
Physiologische Wirkungen neuer Gallensäuren.
427
stundenlang vollkommen klar, erst weiterer Zusatz bedingt Trübung,
genau so wie bei normaler Galle.
Ich habe ferner zur Orientierung in dieser Frage zwei jungen
Hunden von gleichem Gewicht innerhalb 16 Tagen die Kolossaldosis
von je 4 g Cholsäure resp. Desoxycholsäure in der Nahrung als Natron¬
salz zu täglich 0,25 gereicht; bei der Sektion der Tiere, die kräftig an
Gewicht zugenommen, erwiesen sich beide Gallen als absolut klar, die
Gallenblasen wände samtartig weich, glatt in der Oberfläche, nirgends eine
Spur pathologischer Veränderung. Auch das mikroskopische Bild der
Organe war normal. Hofmeister 5 ) hat darauf hingewiesen, daß die Kalk¬
ausscheidung in kolloiden Medien ganz anders verläuft, resp. ausbleibt als
in wäßriger Lösung, was ebenfalls eine Ausscheidung von desoxychol-
saurem Kalk in der Galle höchst unwahrscheinlich macht: die theoreti¬
schen Bedenken Salkowskis sind also in praktischer Richtung hinfällig.
Kombinierte man mit Rücksicht auf Angaben von Heinz*) di6
Desoxycholsäure mit Menthol, indem man eine Verbindung der Des¬
oxycholsäure mit Ol. menthae injiziert, so ergab der Halbstunden¬
versuch nur eine Steigerung um 108 °/ 0 , einen Wert, wie er auch
bei reinem desoxycholsauren Natron beobachtet wird. Irgendein Einfluß
des Menthols konnte bei einem quantitativen Versuch mit demselben
allein nicht festgestellt werden. Hierfür folgende Zahlen als Beleg:
Nonnale Sekretion 6,6 ccm in 1 / a Stunde. Dann intravenöse In¬
jektion von 30 ccm einer mit Menthol gesättigten Kochsalzlösung.
Gallenmengen in je 1 / 3 Std. 5,9 ccm, 4,8 ccm und 5,8 ccm. Auch
intravenöse Injektion von 0,23 g Mentholglykuronsauren Natrons
(dargestellt nach Neuberg ) hatte keine gallentreibende Wirkung: nor¬
mal 4,4, nach der Injektion je 3,3 ccm durch zwei halbe Stunden.
Selbst energische Atropinisierung hat auf die Wirkung der Des¬
oxycholsäure keinen Einfluß, z. B.: normal 2,7 ccm Galle, während
und nach der Injektion von 40 mg Atropin + 0,4 desoxycholsaurem
Natron halbstündige Gallenmengen von 8,7, 9,4, 8,6 ccm Galle.
II.
Die unter den eingeschlagenen Bedingungen energische cholagoge
Wirkung der Cholsäure und Desoxycholsäure habe ich nun als Basis
zur Prüfung der Beeinflußbarkeit der Leber durch eine Reihe von
Substanzen gewählt, denen man eine Beziehung zur Leber zuge¬
schrieben hat, wie Alkohol, Jodnatrium, Salvarsan.
Versuch: Kaninchen, 2,700 kg. 8 h 35' Lösung von 10,0 Äthylalkohol in
100,0 H 3 0 per os. Nach etwa einer Stunde schwankt das Tier beim Laufen.
Operation. 9 h 45' bis 10* 1 15' Gallensekretion 9,3 ccm. Injektion von 0,15 chol-
saurem Natron in 30,0 dest. Wasser. Gallenmengen in den nächsten halben
Stunden 11,75 und 6,3ccm ist pro Stunde gleich 18,05 ccm gegenüber 18,6 com der
Norm. Somit Ausfall der Cholsäurewirkung. Wenn auch gegen den Versuch ein-
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Original from
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428
J. Pohl:
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gewendet werden kann, daß die Ausgangszahl von 9,3 eine relativ hohe ist,
so daß sich eine Steigerung nur schwer äußern konnte, eo ist es doch auf¬
fällig, daß die nach derselben Cholatmenge einmal an einem andern Tier er¬
hobene Steigerung von 125 °/ 0 , hier für die erste halbe Stunde nur eine solche
von 24 °/ 0 ergibt. Immerhin liegt hier die Möglichkeit einer H&nmung spezi¬
fischer Reize durch Lebernarkose infolge Alkoholwirkung und eine weiter zu
verfolgende Beobachtung vor.
Ausgehend von Sgalitzers 7 ) Beobachtungen über die Leberschädi¬
gung durch Jodnatrium, habe ich Tieren zunächst Jodnatrium und dann
Gallensäuren gereicht, um in einer eventuellen Änderung der Gallen¬
sekretion einen Indicator für Funktionsstörungen der Leber zu finden.
Wieder sei ein Versuch ausführlicher, die übrigen gekürzt angeführt.
Kaninchen 2,800 kg, Galle normal in l /« Std. 4,1 ccm spez. Gewicht
1,0112 Dann 0,15 cholsaures Natron 4" 0,3 Jodnatrium (NaJ -f- 2 H Ä 0) in
30 ccm dest. Wasser. Gallensekretion der nächsten halben Stunde 3,5 ccm,
spez. Gewicht 1,0113, der folgenden halben Stunde 3,0 ccm, spez. Gew. 1,0121.
Der ausgedrückte Ham stark jodhaltig, ebenso gibt die Galle starke Jod¬
reaktion. Die cholagoge Wirkung ist somit ausgeblieben.
Tabelle III. Jodid-Gallensäure-Versuche.
Ver¬
such 8-
Nr.
i|Gewicht
j des
I Tieres
II
Normal -
Sekretion,
Va Std.
Injiziert
intravenös
1 Sekre¬
tion
i erste
V« std.
Sekre-
i tion
1 zweite
Steigerung
in Vo
Bemerkungen
18
| 2300
1!
3,8
Chols Na 0,15
-f- Jodnatrium
0,3 in Wasser
3,2
. r >
V 13
in einer Stunde
17
1900
3,8
Chols. Na -f
Jodnatrium
0,3in0,9NaCl
13,5
7,2 1
{- 172
in einer Stunde
18
2100
4.1
Chols. Na 0,15
Jodnatrium
0,3 in NaCl
8,3
4,9
; 102
in einer */« Std.
19
2800
0,5
Chols. Na 0,15
- r Jodnatrium
0,3 in Wasser
0
H
20
2300
i
0,15 Chols. Na
r 0,3 Jodna-
tfiuminWass.
9,9
4,9
in einer Stunde
14,8 statt 14
einerNormalstd.
21
2300
7,2
Zuerst 0,3
Jodnatrium,
nach 3' Chols.
Natrium 0,15
i.destill.Wass.
10,5
2,8
in einer Stunde
13,3 statt 14,4
22
! 2100
f
2
Zuerst 0,3
NaCl, dann
0,15 Chols. Na
in dest. Wasser
8.9
1
2,8
4 147
in einer Stunde
9,5 ccm statt4
einerNormalstd.
Die vorstehenden Versuche beweisen, daß unter bestimmten Be¬
dingungen die cholagoge Wirkung der Cholsäure durch gleichzeitig
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Physiologische Wirkungen neuer Gallensäuren.
429
oder vorher gereichtes Jodnatrium gemindert bis aufgehoben werden
kann. Wird jedoch die Lösung des Jodids in Kochsalzlösung und
nicht in destilliertem Wasser injiziert, so tritt die Wirkung der Chol-
öäure unverändert ein. Es hindert demnach das Kochsalz den Über¬
tritt von Jodalkali in die Leberzelle, homolog wie es den Übertritt von
Brom in die Gehirnzellen erschwert bis aufhebt. Ferner ist durch
Jodkali versuche eine Prüfung der verschiedenen Gallensäuren auf die
Stärke ihrer Reizwirkung für die Leber ermöglicht: die Choleäure-
wirkung konnte durch Jodide gehemmt werden, nicht aber die der
Desoxycholsäure und der Apocholsäure.
Durch praktisch-klinische Gesichtspunkte angeregt, habe ich das
Verfahren der Gallensäureinjektion benützt, um mich über die viel¬
fach diskutierte Frage der Leberschädigung durch Salvarsanpräparate
zu orientieren. Ich habe den Versuchstieren zunächst lmal, dann
wiederholt Neosalvarsan zu 0,15 sowohl unzersetzt als auch in zer¬
setzter Form gereicht und dann 0,15 Cholsäure in 30 ccm destillier¬
tem Wasser gegeben. Die beobachteten Gallenzunahmen von 84 °/ 0 und
191 °/ 0 beweisen, daß die Kaninchenleber im Gegensatz zur syphi¬
litischen Menschenleber durch Neosalvarsan nicht getroffen wird.
Die mit der Injektion von gallensauren Salzen gegebene Funk¬
tionsprüfung der Leber wird sich auch in anderen Fällen mit Erfolg
anwenden lassen.
III. Weitere Cholsäuren.
Die durch Abspalten von Wasser aus Cholsäure entstehende Apo¬
cholsäure = C 24 H 88 0 4 hat ebenfalls eine kräftige cholagoge Wirkung
(siehe Tabelle IV). Eine als Campher-Apocholsäure bezeichnete nach
dem Choleinsäureprinzip gewonnene Lösung von Campher in Apo¬
cholsäure brachte keinen prinzipiellen Fortschritt in bezug auf chola¬
goge Wirkung, indem eine Steigerung von 83 °/ 0 (von 4,5 ccm auf
9,9 ccm in A / 2 Std.) nach Injektion von 20 ccm einer nahezu 3proz. Lö¬
sung beobachtet wurde. Die Apocholsäure hat aber eine Eigenschaft, die
es gestattet, noch folgende Frage mit ihr anzugehen. Es wäre mög¬
lich, daß die intravenös gereichte Apocholsäure oder Desoxycholsäure
bei ihrem Kreisen durch den Körper in irgendeiner Form verändert,
z. B. oxydiert oder dehydriert und dadurch in ihren grundlegenden
Eigenschaften verändert würden. Schon daß die Desoxycholsäure
deutlich stärker wirkt als die Cholsäure, macht es unwahrscheinlich,
daß sie im Körper oxydiert würde. Von der Apocholsäure sah ich
folgendes: frisches Kaninchenblut in lOproz. Aufschwemmung in phy¬
siologischer Kochsalzlösung bleibt mit cholsaurem Natron (0,2 in
5proz. Lösung) versetzt durch eine Stunde fast unverändert, wird
nicht sichtbar lackig. Hingegen wird eine Mischung von Blut, Koch¬
salzlösung und 0,1 5proz. Natriumapocholat in wenigen Minuten
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430
J. Pohl:
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lackfarben. Wurde nun die Galle obigen Campherapocholafcversuches
mit Kaninchenblut versetzt, so wurde 1 ccm dieser Galle + 5,5 ccm
Normalblutaufschwemmung sofort lackfarben, während normale Galle
mit demselben Blut, durch 10 Minuten beobachtet, unverändert blieb:
Die Apocholsäure ist somit als solche, unverändert durch die Galle
ausgeschieden worden.
Tabelle IV. Weitere Gallensäuren.
Ver- 1
suchs-
Nr.
i Gewicht
j de«
Tiere«
Normal-
Sekretion
7a Std.
I ~ ‘ i
| Substanz (
Erste
7a Std.
Zweite
7a Std.
Bemerkungen
23 !
j
. 1300 !
i •
1 5,3
Dehydrochols. Na |
j 0,5/50 !
9,4
10,7
+ 89°/o pro Std.
24 '
2700
8
dgl.
21
13,5
+ 162% pro % Std
25
| 2000
3
Apochols. 0,45
4,5
3,4
+ 31% pro Std.
26
2300
2,6
Apochols. 0,18/30
7
5,7
+ 169% pro % Std.
27
1900
5,4
Campho-apochols.
0,6
9,9
8,6
+ 83% pro % Std.
28
2100
4,1
ßilians. Na 0,15/30 !
4,6
4,6
wirkt nicht
29
1900
3,6
Dioxycholens. 0,15 ,
14,1
5,6
264% pro 7* Std.
Eine Reihe von homologen Versuchen mit weiteren Substanzen
verlief negativ, und zwar nach intravenöser Injektion von
Glykohyocholsaurem Natrium (0,15/30),
Hyocholsaurem Natrium (0,15),
ölsaurem Natron (0,4/40),
Natrium sulfat. 0,990,
Natrium salicylicum,
Rheumextrakt (2/50),
Isocyanallyl (wegen der Radieschenkur angestellt),
Isocyanallyl-cholsaurem Natrium.
IV.
Die nächstbedeutsame Funktion der Galle ist die Förderung der
Fettverdauung , möge sie in einer Beschleunigung der Emulgierung
des Fettes oder Aktivierung eines Profermentes des Steapsins (Abder¬
halden) oder Steigerung der Durchgängigkeit der Darmepithelien für
Fette beruhen.
Ich verfolgte nun den Einfluß einer Anzahl obiger Gallensäuren
auf den Umfang der Fettresorption mit folgender Versuchsanordnung:
da mir ein Gallenfistelhund nicht zur Verfügung stand, so nahm ich
zu jedem Versuch zwei Kaninchen von nahezu gleichem Gewicht,
durchschnittlich 2 Kilo-Tiere, gleicher Ernährungsart, ligierte inUrethan-
narkose nach 16—20 ständigem Fasten den Ductus choledochus,
schloß die Bauchwand und führte anschließend eine Emulsion aus
Gummi, 2,0 Sesamöl und 0,5 des betreffenden gallensauren Salzes
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Physiologische Wirkungen neuer Gallensäuren. 431
in gleichem Volumen durch Schlundsonde ein. Nach 24 Stunden wurden
die Tiere getötet, der gesamte Magen-Darminhalt ausgespült, in
großen Schalen am Wasserbad zur Trockne eingedampft und sodann
die gesamten Massen mit Äther bis zur Erschöpfung extrahiert.
Wenn man die auf 50 oder 100 ccm durch Destillation eingeengten,
dunkelgrünen Extrakte nun mit Blutkohle versetzt und filtriert, so
erhält man fast farblose ätherische Lösungen, deren Rückstand zur
Gewichtskonstanz getrocknet, gewogen wurde. Ich habe mich durch
Kontrollbestimmungen von ätherischen Fettlösungen überzeugt, daß
dieses Verfahren quantitativ brauchbar ist. In jenen Fällen, wo die
Gallensäure die Resorption des Fettes gefördert hat, muß man beim
Versuchstier einen geringeren Rückstand finden als beim Kontrolltier.
Ich bin mir wohl bewußt, daß die gewonnenen Zahlen keine abso¬
luten, sondern nur orientierende Werte geben, da sie voraussetzen,
daß zwei verschiedene, aber gleichschwere Tiere nach Unterbindung
des Ductus choledochus eine gleiche normale Fettextraktzahl liefern.
Ich stelle die in dieser Versuchsreihe erhaltenen Werte wieder in
einer Tabelle zusammen.
Tabelle V. Fettresorption aus dem Darm nach 0,5 gallensaurem Natrium.
Ver¬
so ch*-
Nr.
Kontroll-
. tier,
Äther¬
extrakt
Gallensaures Natrium,
Ätherextrakt in g
Bemerkungen
30
2,78
Chols. Na 1,56
-1,22
fördert die Fettresorption
31
32
2,40
2,03
Desoxychols. 0,7
Apochols. 2,024
-1,7
fördert
indifferent
33 1
1,59
Apochols. 1,97 :
+ 0,4
hemmt die Fettresorption
34
1,48
ßilians. 1,66*)
+ 0,18
dgl.
35
1,39
Hyochols. Na 2,24
+ 0,85
dgl.
36 i
2,00
| Dioxycholens. 2,24**)
+ 0,18
dgl.
37
2,00
Dioxycholadiens. 2,88 ***)
+ 0,88
dgl.
Ohne auf die absoluten Werte ein besonderes Gewicht zu legen,
zeigt diese Zusammenstellung, daß gerade die physiologischen Gallen¬
säuren, wie die Cholsäure, Desoxycholsäure ein deutliches, die Fett¬
resorption steigerndes Vermögen haben, die künstlich erhaltenen Deri¬
vaten abgeht. _
Li teraturverzeichni s.
x ) Wieland, Heinrich: Zeitschr. f. physiol. Chem. 119,95. 1922. — 2 ) Wieland ,
Hermann: Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 80. — 3 ) Salkowski: Klin. Wo-
chenschr. 1922, Nr. 27. — 4 ) Brand: Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 90, 491.
1902. — 5 ) Hofmeister , Fz.: Ergehn, d. Physiol. 9, 434. — 6 ) Heinz: Therap.
Monatsh. 1920, 356, und Münch, med. Wochenschr. 1921, 625. — 7 ) Sgalitzer:
Arch. internst, de pharmacodynamie 18, 285. 1908.
*) Biliansäure = C 24 H S4 0 4 .
**) Dioxycholensäure — C. 24 H 38 0 4 .
***) Dioxycholadiensäure — C.> 4 H 36 0 4 .
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Ein Beitrag zur Erklärung der Pathogenie der
Myelitiden nach Schutzimpfung gegen Lyssa.
Von
Dr. G. P. Alivisatos.
{Aus dem Bakteriologischen und Antirabischen Institut in Nisch flngoslavien].)
(Eingegangen am 24. August 1922.)
Eine nur sehr seltene, aber sonst schwere und oft lebensgefähr¬
liche Komplikation der Schutzimpfung gegen Lyssa bilden die, be¬
sonders während, manchmal aber auch nach der Behandlung auf¬
tretenden Lähmungen und Myelitiden.
Soweit wir die diesbezügliche Literatur übersehen konnten, reichen
die ersten festgestellten Beobachtungen bis in das Jahr 1888 zurück
und zwar wurden sie gleich während der ersten Anwendungen der
Pasteurschen Schutzimpfungen im großen Maßstabe gemacht. Von
da an sind in der Literatur oftmals neue Beobachtungen veröffent¬
licht, aber die genaue Zahl der bis jetzt vorgekommenen Fälle ist
sehr schwer festzustellen, erstens weil viele davon vielleicht nicht
zur Publikation gekommen sind, zweitens weil viele verkannt oder
nicht in ätiologischen Zusammenhang mit der Behandlung gebracht
wurden (besonders Nervenlähmungen). Auch ihre Häufigkeit im
Vergleich zur absoluten Zahl der Behandelten ist schwer zu be¬
stimmen, aus den gleichen Gründen und weil oftmals vereinzelte
Fälle zur Veröffentlichung kamen ohne Bezug auf die Zahl der in
demselben Jahre Behandelten.
Remlinger , welcher als erster eine eingehende Statistik über solche
Lähmungen veröffentlicht hat, führt bis zum Jahre 1905 30 Läh¬
mungen für eine Gesamtzahl von 59 317 Behandelten an, außerdem
11 in sechs anderen Instituten vorgekommene Lähmungen ohne
weitere statistische Angaben. Simon erwähnt in seinem, im Jahre 1913
erschienenen Aufsatz 100 Lähmungen für eine Gesamtzahl von
211774 Behandelten. Somit wäre die Häufigkeit dieser Lähmungen
ungefähr 0,48 °/ 00 . Die Zahl erscheint klein, fast unbedeutend zu
sein, nachdem sie sogar unter der des Chloroformtodesniveaus steht,
ein Vergleich, der mit Vorliebe bis jetzt gezogen wurde. Dabei
führen nur 15° 0 dieser Lähmungen zum Tode, so daß, um bei dem
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
(i. P. Alivisatos: Pathogenie der Myelitiden nach Schutzimpfung gegen Lyssa. 433
Vergleiche zu bleiben, eine prophylaktische Behandlung gegen Lyssa
bei weitem nicht so gefährlich ist wie eine Chloroformanästhesie. Die
Sache liegt aber nicht ganz so, denn oftmals unterzieht man sich
auch bei Bissen von ganz gesunden Tieren, lediglich aus Vorsicht,
der Schutzbehandlung, wobei es schon einige Male vorgekommen ist,
daß so Behandelte, obwohl das Tier ganz gesund geblieben war,
ihrerseits von Lähmungen während der Behandlung befallen wurden
und sogar starben. Dieser Umstand wiegt schon schwerer, denn es
muß als eine Schattenseite der Pasteurschen Schutzimpfung gelten,
daß diese bisher vielfach als harmlos angesehene Behandlung in
Fällen belangloser Bisse, in denen sie hauptsächlich zur Beruhigung
überängstlicher Gemüter angewendet wurde, imstande war, derartige
üble Folgen nach sich zu ziehen. Außerdem scheint es, als ob diese
Lähmungen häufiger in gewissen Instituten vorkämen, obwohl überall
das Prinzip herrscht, daß der von einem unbekannten und ver¬
schwundenen Hunde Gebissene der Behandlung unterzogen werden
muß. Somit können des öftern ganz härmlose Bisse sehr schlechte
Folgen haben, und ich finde die pedantische Genauigkeit sehr gerecht¬
fertigt, mit welcher in einigen Instituten nach allen Einzelheiten
des Unfalls und nach dem bisherigen Gesundheitszustand des Tieres
sowie nach den übrigen Umständen geforscht wird, ob und wie weit
die Hundswut in dem betreffenden Orte verbreitet ist, damit, wenn
irgend möglich, die Gebissenen von der Behandlung befreit werden können.
Zuletzt soll eine Behandlung, sei sie prophylaktisch, therapeutisch
oder gemischt, ganz ungefährlich sein, und dieses allgemein gültige
Postulat hat dazu geführt, daß fast überall, wo diese Lähmungen
vorgekommen sind, sie vom klinischen und ätiologischen Standpunkt
eingehend untersucht wurden, damit man ihr Wesen erkennen und
womöglich Vorbeugungsmittel finden könnte.
Was nun die Pathogenese dieser Lähmungen anbelangt, sind drei
Hypothesen aufgestellt worden, die man experimentell zu stützen
versucht hat.
Babes war der erste, der ein Wuttoxin als Ursache dieser Läh¬
mungen angesehen hat. Daß ein Wuttoxin existiert, soheint heute,
besonders nach den Studien des genannten Autors und den Arbeiten
von Blassi und Russo-Tavali t Marie u. a. festzustehen. Vieles spricht
für diese Theorie, aber es kann nicht näher auf dieselbe eingegangen
werden, denn der Zweck dieses experimentellen Beitrages ist vor¬
läufig nur der, der einen dieser drei Theorien durch das Experiment
die Basis zu nehmen.
Es sei nur gesagt, daß, nach eigener Erfahrung bei sehr großem
Material und bei Anwendung von verschiedenen Methoden, die Art
der Behandlung und besonders die Qualität des verwendeten Virus
Z. f. d. g. exp. Med. XXX. 28
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
434
G. P. Alivisatos: Ein Beitrag zur Erklärung
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fixe — dessen Begriff noch zu unbestimmt und dessen Eigenschaften
noch immer zu wenig erforscht sind — für das Vorkommen der
Lähmungen besonders in Frage kommen. Der experimentelle Beweis
für diese Behauptung kann erst in einer späteren Abhandlung er¬
bracht werden.
Eine zweite Theorie, die von verschiedenen Autoren (Lateran,
Chaniemesse , Daddi , de Giovanni), aber besonders von J. Koch durch
reiche Beobachtungen und Versuche verteidigt wird, ist diejenige der
abortiven Tollwut , der atypischen Lyssa humana . Daß eine typische
Lyssa mit Lähmungen beginnen kann, habe ich auch beobachten
können, auch daß Lähmungen nachträglich durch Tollwutausbruch
kompliziert werden können, ist leicht verständlich, daß die Nerven-
substanz gebissener Menschen eine Zeitlang infektiös sein kann und
die Wut zu übertragen vermag, ohne daß sich diese bei Lebzeiten
durch irgendein klinisches Symptom bemerkbar machen mußte, hat
schon Paltauf ie ) beobachtet und experimentell nachgewiesen, endlich
ist es auch möglich und manchmal konstatiert worden, daß die
Tollwut einen ganz atypischen Verlauf zeigen kann. Das aber alle
derartigen Lähmungen eine atypische, abortive Wut sind, kann als
ausgeschlossen gelten, erstens weil trotz genauer mikroskopischer
Untersuchungen die Nervensubstanz der zur Sektion gekommenen
, Fälle in der überwiegenden Zahl keine Negrischen Körperchen ent¬
hält und andrerseits selten sich als fähig erweist, die Wut zu über¬
tragen, zuletzt aber, weil diese Lähmungen der Mehrzahl nach in
eine Zeit fallen, wo der Wutausbruch der kurzen Inkubation wegen
als ausgeschlossen gelten kann, besonders wenn die Bisse minimal
sind und sich an Stellen befinden, die vom Z. N. S. weit entfernt
sind. Aber auch diese Frage soll in einer anderen Abhandlung ein¬
gehend besprochen werden, zusammen mit der vorigen, und somit
treten wir an die letzte Hypothese heran, welche die jüngste, aber
auch am meisten verteidigte zu sein scheint.
Fast zu gleicher Zeit (1908) haben Müller 11 ) und Marinesco 1 *) die Auf¬
merksamkeit auf die bei der Schutzimpfung einverleibte Nerven¬
substanz gelenkt. Der erstere meinte gelegentlich der Beobachtung
einer solchen Lähmung bei einem Veterinär am 15. Tage nach dem
Bisse und am 12. nach Beginn der Behandlung, daß die Menge der
einverleibten fremden Nervensubstanz bei weitem nicht vernach¬
lässigt werden darf und daß diese toxisch wirken kann. Desgleichen
betont Marinesco bei der Diskussion eines Falles von Lähmung nach
Schutzimpfung gegen Lyssa, welcher von Babis und Minorescu mit¬
geteilt war, die Möglichkeit eines cytotoxischen Einflusses der bei
der Schutzimpfung einverleibten Nervensubstanz von Kaninchen auf
das Zentralnervensystem des behandelten Menschen.
__ Origina l fro-m _
UNIVERSITY 0F MINNESOTA
der P&thogenie der Myelitiden nach Schutzimpfung gegen Lyssa. 435
Die Arbeiten von Abderhalden und die durch eie gegebene Mög¬
lichkeit, die Abwehrfermente in vitro zu demonstrieren, hat dazu
geführt, daß Babte und Pittdesku 4 ) im Jahre 1914 das Serum von
gegen Lyssa prophylaktisch geimpften Individuen auf gegen Ka-
ninchennervensubstanz gerichtete Abwehrfermente prüften und solche
auch wirklich nach weisen konnten. * Rochaix und Durand 23 ) haben
gleichfalls solche Abwehrfermente im Serum des Patienten gelegent¬
lich einer Lähmung, und zwar in großen Mengen, nicht nur gegen
Hunds- undKaninchennervensubstanz, sondern besonders gegen solche
vom Menschen stammende, nachweisen können. Auf diese und ähn¬
liche Tatsachen sich stützend, neigen die letztgenannten Autoren zu
der Ansicht, daß es sich bei diesen Lähmungen um Effekte der ein¬
verleibten Nervenmbstanz handelt, welche durch die ihretwegen hervor¬
gerufenen Abwehrfermente das zentrale Nervensystem des Behandelten
schädigt.
Auch Joanovic 10 ) spricht sich für die Meinung aus, daß die ein¬
verleibte Nervensubstanz die Ursache der Lähmungen sei und zwar
auf Grund von Experimenten, die ein anderes, aber analoges Gebiet
betreffen.
Gaurmont und Rochaix T ) vertreten nochmals diese Meinung ge¬
legentlich der Publikation einer zusammenfassenden Statistik über
die 20 jährige Arbeit der Antirabischen Abteilung des Bakteriolo¬
gischen Instituts in Lyon.
Die außerordentlich schweren Verhältnisse, unter welchen die
Gebissenen in Serbien gewöhnlich infiziert werden — über die eine
kurzgefasste Übersicht in der Deutsch. Med. Wochenschr. 27 ) er¬
schienen ist — haben mich dazu geführt, eine Methode der Schutz¬
impfung auszuarbeiten, bei welcher von Beginn der Behandlung an
große Mengen von durch Äther abgeschwächtem V. f. einverleibt
werden. Dabei werden selbstverständlich hohe Dosen von Kaninchen-
nervensubstanz eingeführt, da ja bis jetzt das Virus bekanntlich nicht
rein hergestellt werden konnte.
Obwohl nun diese Methode, bevor sie auf den Menschen über¬
tragen worden ist, genügend auf ihre Unschädlichkeit im Tieroxperi-
mente erprobt wurde und obwohl *ie danach bei einer großen Zahl
nicht gerade in den besten Verhältnissen Lebender und schwer Ge¬
bissener ohne jeden Schaden angewendet wurde, würde sie als
ziemlich angreifbar in diesem Punkte erscheinen, wenn nicht gleich¬
zeitig ein direkter Beweis für die Unschädlichkeit der einverleibten
Xervensubstanz von mir erbracht worden wäre.
Die weitere Entwicklung einer Methode, die besonders dahin
zielt, ohne viel Zeitverlust und in einigen Seancen solche Personen
zu immunisieren, die von nur minimal wmtverdächtigen Tieren ge-
2 **
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436
G. P. Ali visatos: Ein Beitrag zur Erklärung
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bissen wurden, hätte gewiß eine starke Hemmung erfahren wegen
des Bedenkens, daß im Anwendungsfalle derselben durch die hohen
Nervensubstanzdosen ab und zu einmal mehr geschadet als genützt
werden könnte. — Nebenbei bemerkt, wurde dieses rasche Immuni¬
sierungsverfahren hier bei uns schon mehrmals mit Erfolg angewendet.
Außerdem schien es mir notwendig, diese Methode als nicht
schädlich darzustellen auch in bezug auf die in größeren Dosen mit
einverleibte Nervensubstanz und zwar besonders mit Rücksicht darauf,
daß die bezügliche Hypothese von namhaften Autoritäten aufgestellt
wurde und noch immer verteidigt wird.
Somit habe ich mir folgende Fragen gestellt und ihre Beantwortung
auf experimentellem Wege versucht.
1. Können größere Mengen von arteigener oder artfremder,
nativer oder mit Äther behandelter Nervensubstanz (letzteres um
unserer Behandlung vollkommen analoge Verhältnisse zu schaffen)
subcutan einverleibt jemals zu klinisch bemerkbaren Schädigungen
führen? Das Serum der so behandelten Tiere weist immer Abwehr¬
fermente auf, sind nun diese aber nur gegen die eingespritzte Nerven¬
substanz gerichtet oder auch gegen andere Arten von Nervensubstanz?
2. Kann das so gewonnene abwehrfermenthaltige Serum von
behandelten Tieren, anderen unbehandelten Tieren intralumbal
injiziert, zu einer klinisch bemerkbaren Schädigung führen und kann
man in vitro im Serum der nach letzterer Art behandelten Tiere
(der mit Serum intralumbal injizierten) Abwehrfermente nachweisen ?
Es ist nämlich denkbar, daß, abgesehen von klinischen Erscheinungen,
bei der Wirkung eines gegen die Nervensubstanz abwehrferment¬
haltigen Serums direkt auf dieselbe eine Schädigung dieser Substanz
stattfände (Abbau), wobei sie als parenteral einverleibtes (resorbiertes)
Eiweiß zur Abwehrfermentbildung führen könnte, was in vitro durch
die Abderhaldensche Reaktion ersichtlich gemacht werden könnte.
Es wäre um so eher denkbar, als Serum, intralumbal eingespritzt,
sehr langsam resorbiert wird und somit genug Zeit hat, seine
schädigende Wirkung zu entfalten. Auf diesen letzten Punkt, der
Fahndung nach diesen Abwehrfermenten, meinte ich besonderen
Wert legen zu müssen, da man schon weiß, daß der Abbau von
Nervensubstanz, besonders bei Tieren, sich klinisch unter Umständen
kaum bemerkbar macht und das Ausbleiben der Myelitiden nicht
genügt, um die Unschädlichkeit der einverleibten Substanz zu be¬
weisen. Nun war ein noch schwereres Problem zur Lösung zu
bringen. Abgesehen davon, daß die Resultate von Tierexperimenten,
welche die Wirkung von Abwehrfermenten auf die Nervensubstanz
beweisen sollen, gar nicht geeignet sind, ohne weiteres auf den
Menschen übertragen zu werden, dessen hoch entwickeltes Nerven-
Gck igle
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der Pathogenie der Myelitiden Dach Schutzimpfung gegen Lyssa. 437
System ganz andere Empfindlichkeit besitzt, sind diese Myelitiden
und Lähmungen sehr selten, und zwar, wie schon gesagt, wurde ein
Fall für 2000 Behandelte errechnet. Da es nun unmöglich ist,
über ein so ungeheueres Tiermaterial zu verfügen und in so großem
Maßstabe zu experimentieren, um die erste Frage bejahend oder
verneinend beantworten zu können, habe ich die Dosen der einver¬
leibten Nervensubstanz in relativ so hohem Maße gesteigert, daß
eine Schädigung, wenn sie Vorkommen sollte, auch bei einem be¬
schränkten Tiermaterial hätte eintreten müssen.
Es wurde also folgendermaßen vorgegangen: Einer ersten Serie von
Tieren, zusammengesetzt aus Schafen, Kaninchen und Meerschweinchen
wurdeKaninchennervensubstanz in hohen Dosen subcutan injiziert,einer
zweiten Serie aus denselben Tieren bestehend, Schafnervensubstanz.
Nachdem im Serum aller dieser Tiere Abwehrfermente gegen Schaf-,
Kaninchen- und Meerschweinchennervensubstanz in höherem Maße
gefunden wurden, sind bestimmte Dosen solchen abwehrferment¬
haltigen Serums anderen gesunden Tieren intralumbal eingespritzt
worden, und zwar so: von Schafen an Schafe und Kaninchen, von
Kaninchen an Kaninchen, von Meerschweinchen an Kaninchen, wonach
die Sera aller so behandelten Tiere auf Abwehrfermente gegen
Nervensubstanzsubstrate untersucht und negativ befunden wurden.
Die Durchführung der Experimente gestaltete sich folgender¬
maßen*):
Art der behandelten
und Gewicht
Kaninchennervensub-
stanz. Emulsion 1:20
| in Kochsalzlösung
Kaninchennervensubst.
72 Std. in Äther einge¬
taucht. Emuls. wie vorher
12. V. 1921
16. V. 1921
20. V. 1921
24. V. 1921
ir, V. 1921
19. V. 1921
23. V. 1921
27. V. 1921
1 1 Schaf Nr. 77
jl) : : S
Schaf Nr. 81
( n 71
J
29 kg
2s,5 kg
31.2 kg
27,3 kg
28.5 kg
7 g
7 g
7 g
4 g
7 g
7 g
7 g
4 g
s. VI. 1921
12. VI. 1921
i|Kaninchen Nr. 2u, 21, 22.
ii 2:i, 24, 25 (2,8-3 kg)
17. VI. 1921 Meerschw einchen Nr. 1,2,
21. VI. 1921 I; 3, 4. 5, 6 (600—800 g)
1,5 g
h5 g
1 g
1 g
Wie man nun aus dieser Tabelle zu ersehen vermag, wurde den
Tieren, auf Kilogramm Körpergewicht berechnet. 8—10mal mehr
Nervensubstanz einverleibt, als man einem Erwachsenen bei der von
mir vorgeschlagenen Methode Virus fixe einspritzt.
*) Aus Raumersparnis lind weil sich die Experimente in gleichem Sinne
wiederholen, sind nur einige Tabellen wiedergegeben.
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438
G. P. Alivisatos: Ein Beitrag zur Erklärung
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Am 2. VI. wurde den Schafen der ersten Serie Blut entnommen
und das hämoglobinfreie Serum auf Abwehrfermente gegen Kaninchen-
und Schafsnervenßubßtanz untersucht. Es erübrigt sich zu sagen,
daß die Substrate nach den Abderhaldenschen Vorschriften mit
Tetrachlorkohlenstoff im Soxhlet-Apparat extrahiert und jedesmal
vor Anstellung der Experimente mit Ninhydrin geprüft wurden. Die
Emulsion der so vorbereiteten Substrate wurde knapp vor der
Untersuchung im Verhältnis 1:3 mit destilliertem Wasser bereitet
und sofort mit dem zu untersuchenden Serum versetzt.
Die Resultate gestalteten sich folgendermaßen:
Art. des Tieres |
und Nr.
Serum
Substrat Emulsion 1:3
Ninhydrinprobe im
Dialysat nach
17- 18 Std.
Schaf 77
1 a 1 ,5 g 1
Kaninchennervensubstanz 1 ccm
+ T + 1
[ b 1,5 g
Schafnervensubstanz 1 ccm
! c 1.5 g
—
y
Schaf 7* |
ia 1,5 g |
Kaninchennervensubstanz 1 ccm
! + + -F
b 1.5 g
Schafnervensubstanz 1 ccm
-F + -F
c 1,5 g
e
a 1,5 g
Kaninchennervensubstanz 1 ccm
+ -F -F
Schaf 79 |
b 1,5 g
Schafnervensubstanz 1 ccm
_L -f-
)
c 1.5 g
—
Schaf 80
la 1,5 g
Kaninchennervensubstanz 1 ccm
H
Unbehandelt
;b 1,5 g
Schafnervensubstanz 1 ccm
0
(als Kontrolle)
lc 1,5 g
—
H
|
1 a —
Kaninchennervensubstanz 1 ccm
0
b —
Schafnervensubstanz 1 ccm
0
Wie nun aus der Tabelle ersichtlich ist, sind Abwehrfermente im Sinne
Abderhaldens schon am 9. Tag nach der letzten Einspritzung der Nerven-
substanz im Serum der so behandelten Tiere in hohem Maße nach¬
weisbar und zwar nicht nur gegen die injizierte artfremde Nerven-
substanz, sondern auch fast in gleicher Höhe gegen die Substanz
arteigener Tiere, obwohl diese in keiner Speziesbeziehung zum antigen¬
spendenden Tiere stehen.
Am 6. VI. wurden die Sera der Tiere 81, 82 auf Abwehrfermente
genau nach dem obigen Schema untersucht und ihr Gehalt an Fer¬
menten gegen Kaninchen- und Schafsnervensubstanz in fast gleich
hohem Maße konstatiert. Kleine Nuancen in der Blaufärbung der
Ninhydrinreaktion waren nicht genügend, um auf einen Unterschied
in der Menge der vorhandenen Abwehrfennente schließen zu lassen.
Nachdem abermals das Serum der Schafe Nr. 77 und 79 am
7. VI. auf Abwehrfermente gegen dieselben Substrate untersucht
wurde, und jene des Schafes Nr. 81 am 11. VI. und konstatiert
wurde, daß keine nennenswerten Differenzen in der Intensität der
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der Pathogenie der Myelitiden nach Schutzimpfung gegen Lyssa. 439
Reaktionen festzustellen waren, wurde am 9. VI. den Schafen Nr. 77,
78, 79 und am 12. VI. den Schafen Nr. 81, 82 je 45 ccm Blut ent¬
nommen und das gewonnene Serum anderen, nicht behandelten
Schafen und Kaninchen, intralumbal — wie auf untenstehender
Tabelle — injiziert. (Bei Schafen nach Ablassen 10—15 ccm Zere¬
brospinalflüssigkeit.)
1 . Serie .
10. VI.
15 ccm Serum
vom
Schafe .
Nr.
77
intralbl. dem Schafe Nr. 84
10. VI.
20
n
n
r>
n .
r>
78
r>
n
n
r
85
10. VI.
20
7?
r>
V
r .
r
79
V
n
r>
n
8b
als Kontr. 20
V
n
n
unbehand. Schafe
r
80
r
n
T)
w
88
10. VI.
2
n
V
n
Schafe .
r>
77
n
Kan.
«
47
10. VI.
2
n
n
n
n .
n
78
r
n
rj
r
48
10. VI.
2
r>
n
n
n .
n
79
n
n
r>
n
49
10. VI.
2
n
n
ri
unbehand. Schafe
V)
80
n
rt
r>
n
44
2. Serie.
13. VI. 20 ccm gern. (10-f 10) Serum vom Schafe 81 u. 82 intralbl.dem Schafe 87
lii. VI. 2 „ Serum n » 81 r n Kan. 41
13. VI. 2 n ri n n 82 n n n 42
Die Einstellung des Kontrolltieres unterblieb, da sie ja in der
vorigen Serie ausgeführt wurde.
Alle Schafe und Kaninchen vertrugen die Injektion sehr gut,
nur bei den Schafen machte sich eine geringe Freßunlust und Müdig¬
keit bemerkbar, welche aber nur einen Tag dauerten, wonach keine
objektiven Symptome mehr wahrnehmbar wurden.
Am 18. VI. wurde mit der ersten Serie, am 22. VI. mit der zweiten
Serie genau die gleiche Prozedur vorgenommen, mit dem Unterschied,
daß jetzt den Schafen nur 10 ccm Serum von denselben Tieren
stammend intralumbal injiziert wurde.
Nun wurde das Serum der Schafe Nr. 84, 85, 86 und 88 am
27. V 7 L, 6. VII. und 6. VIII. (9., 18. und 50. Tag nach der Injektion),
den Kaninchen Nr. 47, 48, 49, 44 am 28. VI., 9. VII. und 26. VII.
(10., 21., 38. Tag nach der Injektion) auf Abwehrfermente gegen
Schaf- und Kaninchennervensubstanz untersucht, jedoch mit nega¬
tivem Resultat, während zwei Kontrollreaktionen mit Serum der
Schafe 77 und 81 sich wieder in hohem Maße positiv zeigten. Die¬
selbe Erscheinung ließ sich noch weiterhin beobachten, man konnte
nämlich keine Abwehrfermente gegen die obengenannten Substrate
im Serum des Schafes 87 und der Kaninchen Nr. 41, 42 nach weisen,
welche am 1. VII. und 15. VII. auf diese Eigenschaft hin unter¬
sucht wurden*).
*) Die intralumbal eingespritzten Serumdosen möchten vielleicht im Ver¬
gleiche zur gesamten Blutmenge zu klein erscheinen und somit eine eventuell
fehlende Wirkung des abwehrfermenthaltigen Serums auf das Zentralnerven-
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440
G. P. Alivisatos: Ein Beitrag zur Erklärung
Difitized by
Außerdem wurden die Tiere wöchentlich gewogen, wobei es sich
erwies, daß bis zu einem gewissen Grade alle an Gewicht zugenommen
hatten (9 Monate Beobachtungszeit).
Das Serum der mit Kaninchennervensubstanz behandelten
Kaninchen wurde am 23. VI. von den Tieren Nr. 20, 21, 22, 23
und am 25. VI. von den übrigen Tieren auf Abwehrfermente gegen
Schafs- und Kaninchennervensubstanz untersucht. Als Kontrolle
diente das Serum eines unbehandelten Kaninchens, welches eine
negative Reaktion zeigte, während alle übrigen Seren starke positive
Reaktionen erkennen ließen. Kleine Unterschiede in der Blau¬
färbung durch Ninhydrin waren vorhanden, demnach fielen die Reak¬
tionen im großen ganzen etwas stärker mit Kaninchennervensubstanz
aus als mit Schafsnervensubstanz, welche Unterschiede aber meiner
Meinung nach nicht von Belang sind.
Nun wurde am 25. bzw. am 26. VI. allen Kaninchen und einem
nicht vorbehandelten Tiere Blut entnommen und am 27. VI. nach¬
mittags anderen Kaninchen wie folgt injiziert (nach Ablauf von un¬
gefähr 1 ccm Cerebrospinalflüssigkeit):
vom Tiere Nr. 20 dem Kaninchen Nr. 30 je 3 ccm Serum
n
n
n
21
r
n
n
31
r>
3
r
rt
n
r
n
22
n
71
n
32
n
3
n
n
n
n
71
23
n
n
n
33
n
3
n
n
n
n
r )
24
n
71
n
34
11
3
n
n
n
n
n
25
r>
n
n
35
n
3
71
71
vom unbehandelten
n
n
26
V
11
v
36
n
3
71
71
(als Kontrolle)
Alle Tiere vertrugen die intralumbale Einspritzung sehr gut, bis
auf das Kaninchen Nr. 33, bei welchem sofort nach der Injektion
eine Lähmung der hinteren Extremitäten auftrat. Diese Lähmung,
die sich sofort zeigte, sobald das Tier losgebunden und freigelassen
wurde, ist als Folge einer Läsion des Rückenmarkes durch die Kanüle
aufzufassen, da erstens die Lähmung während der Operationszeit ein¬
getreten ist und zwar bei einem sehr unruhigen Tiere, bei welchem
die Durchführung der intralumbalen Injektion mit großen Schwierig¬
keiten verknüpft war, und zweitens, weil eine ähnliche Lähmung bei
einem Kontrolliere eines späteren Experimentes unter den gleichen
System auf die geringe Menge der injizierten Dosen zurückgeführt werden.
Demgegenüber möchte ich als sicher geltend annehmen, daß, nachdem be¬
kannterweise die Abderhctidensche Schwangeraohaftsreaktion schon am 8. Tage
nach der Empfängnis positiv ausfällt, minimale Mengen von parenteral einver¬
leibtem Eiweiß genügen, um zu einer in vitro nachweisbaren Abwehrferment¬
bildung zu führen Desgleichen könnten in diesem Falle — wenn ein noch so
geringer Abbau von Nervensubstanz stattfände — Abwehrfermente in genügen¬
der Menge gebildet werden, um in vitro zur Wahrnehmung zu kommen.
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der Pathogenie der Myelitiden nach Schutzimpfung gegen Lyssa. 441
Bedingungen bemerkbar wurde. (Kontrolltier mit Serum behandelt,
welches von unbehandelten Kaninchen stammte.) Zehn und zwanzig
Tage nach dieser intralumbalen Injektion, also am 7. VII. und am
17. VII. wurde allen Kaninchen Blut entnommen und das gewonnene
Serum am 8. und 9. VII., 18. und 19. VIL auf Abwehrfermente
gegen Kaninchennervensubstanz untersucht. Alle Serumproben gaben
negative Resultate, außer jenen der Kaninchen Nr. 33 und 25; das
Serum dieses letzteren Tieres, welchem homologe Nervensubstanz
injiziert war, ist als Kontrolle des Substrates (Kaninchennerven¬
substanz) »n diese Serie eingefügt. Was das Serum des Tieres Nr. 33
anbelangt, ergab dieses am 9. VII. mit Kaninchennervensubstanz ver¬
setzt ein schwach positives Resultat, dagegen zeigte dasselbe Serum,
am 19. VII. untersucht, eine viel stärkere Reaktion und zwar auf
Kaninchen und Schafsubstrat (auf letzteres etwas schwächer). Diese
Erscheinung ist meiner Meinung nach leicht zu erklären, da ja
bekanntermaßen bei einigen Erkrankungen des Zentralnervensystems
sich im Serum des Patienten Abwehrfermente gegen Nervensubstanz
bilden.
Somit scheint mir der Widerspruch in den Angaben von Babes
und Pitvlescu einerseits, Rochaix und Durand andererseits gelöst,
indem die ersteren Autoren während der Lyssaschutzimpfung im
Serum der Geimpften konstant Abwehrfermente gegen Nervensub¬
stanz, und zwar gegen die von Kaninchen in hohem Maße, in ge¬
ringerem gegen die von Menschen finden, Rochaix und Durand hin¬
gegen konstatieren, daß in einem Falle von Lähmung nach Schutz¬
impfung Abwehrfermente in hohem Maße gerade gegen menschliche
Nervensubstanz, in schwächerem gegen die von Kaninchen und
Hund vorhanden waren. Im ersteren Falle (Babes, Pituiescu ) sind
die Abwehrfermente als Folge der einverleibten Nervensubstanz ent¬
standen, im zweiten Falle (Rochaix und Durand) außer aus dem¬
selben Grunde auch als Folge des parenteral einverleibten Nerven-
eiweißes, welches sich bei einer Lähmung abbaut. Ein ähnlicher
Prozeß geht im Falle unseres Kaninchens 33 vor sich und die kon¬
statierten Abwehrfermente im Serum wären als Ausdruck des Ab¬
baues der Nervensubstanz aufzufassen. Das Tier ist am 26. Tage
nach Eintritt der Lähmung gestorben. Die Sektion ergab Atrophie
des Lendenmarkes und Erweichung der Substanz, welche die Ein¬
stichstelle und benachbarte Gebiete betraf und als Folge der trau¬
matischen Myelitis aufzufassen ist.
Am3. VIL,also am 12. Tage nach der Injektion, wurden dieSera der be¬
handelten Meerschweinchen auf Abwehrfermente gegen Kaninchen- und
Meerschweinchennervensubstanz untersucht (als Kontrolle diente Serum
eines nicht behandelten Meerschweinchens). Alle behandelten Tiere.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
442
G. P. Ali visatos: ETh Beitrag zur Erklärung
zeigten Ab wehr f er mente gegen beide Substrate, dieselben waren aber
fast durchwegs gegen die erstere Nervensubstanz in stärkerem Maße
nachweisbar als gegen die zweite. Da aber mangels geeigneter Kanülen
die Technik der intralumbalen Injektion an Meerschweinchen nicht
gelingen wollte, habe ich drei Kaninchen ein Serumgemisch von je
zwei Meerschweinchen intralumbal zweimal (4. VII. und 7. VII.) in
Dosen von je 2 ccm injiziert. Alle Tiere blieben ganz gesund (fast
ein Jahr lange Beobachtung) und ihr Serum am 11. und 26. Tag
nach der letzten Injektion auf Abwehrfermente gegen Kaninchennerven-
substanz untersucht, ergab negative Reaktionen. [Kontrolle wie
oben: Serum von Kaninchen, welchen das Serum von nicht behan¬
delten Meerschweinchen intralumbal injiziert wurde (negative Reak¬
tion). Außerdem das Serum von Meerschweinchen 4 (positive Re¬
aktion).]
Zuletzt wurde im Dezember eine neue Versuchsreihe auf-
gestellt. Diese Reihe wurde fast genau so behandelt wie die vorige,
was das Quantum (Dosen der einverleibten Nervensubstanz), die
Zeit zwischen den einzelnen Injektionen und die Versuchsanordnung
anbelangt, nur ist diesmal Schafsnervensubstanz anstatt der von
Kaninchen gebraucht worden. Der Ablauf der Versuche sei hier —
um Wiederholungen zu vermeiden — nur kurz gefaßt wiedergegeben:
Den Schafen Nr. 97, 98, 99 je 25 g native Schafsnervensubstanz
(Emulsion 1: 20) subcutan in die Bauchgegend injiziert, den Schafen
94, 95, 96 dasselbe Quantum Nervensubstanz, welches aber vorher
72 Stunden in Äther belassen war. (Nach Entnahme aus dem Äther
Trocknen der gehackten Substanz unter der Glocke eine Stunde lang
und Emulsionierung in physiologischer Kochsalzlösung 1 : 20 von
dem ursprünglichen Gewicht berechnet.)
Den Kaninchen Nr. 50, 61, 52, 53, 54, 56 wurde zweimal je
1,50 g Schafsnervensubstanz subcutan in die Bauchgegend injiziert,
den Meerschweinchen Nr. 10, 11, 12, 13, 14, 15 je 1 g an der gleichen
Stelle.
Es folgte die Untersuchung auf Abwehrfermente, welche in allen
Fällen positiv ausfiel (Schaf- und Kaninchennervensubstanz).
Serumproben von Schafen wurden anderen, nicht behandelten
Schafen und Kaninchen in den oben erwähnten Dosen intralumbal
injiziert und zwar wie folgt:
vom Schafe 97 (2 mal je 15 ccm) dem Schafe 83 und dem Kan. 58 (2 mal je 2 ccm)
»» r 98 u. 99 (gemischt) *
r n 96 n
n n 94 U. 95 r>
v. unbehan¬
delt. Schafe 93 *
n 89 r>
r> 90 n
* 91 «
r 92 *
n r 59
r n 60
r » 61 u. 62
r v 63
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Original from
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der Pathogenie der Myelitiden nach Schutzimpfung gegen Lyssa. 443
Serumproben von allen diesen so behandelten Tieren wurden am
9. und 25. Tage nach der letzten Injektion auf Abwehrfermente
gegen Schaf- und Kaninchennervensubstanz untersucht, sie gaben
überall ein negatives Resultat. Alle Tiere sind bis heute noch ganz
gesund, außer den Kaninchen Nr. 60 und 61, die ca. 4 1 / a Monate
nach obiger Behandlung an Septicämie eingegangen sind.
Nachdem nun Serumproben der Kaninchen 50—56 und der
Meerschweinchen 10—15 auf Abwehrfermente untersucht, positive
Resultate für Schaf- und Kaninchen- und, etwas schwächer, für
Meerschweinchennervensubstanz gegeben hatten, wurden von neuem
die Sera der so behandelten Tiere anderen nicht behandelten inji¬
ziert und zwar so:
’om
Kaninchen
50 und
51
gemischt dem
Kaninchen
64 (2 mal
je 2 ccm in In-
tervall
von S Tagen)
r
n
52 a
58
r
n
V
65
dgl.
r>
n
54 n
5«
V
n
r>
66
dgl.
T-
Meerschw.
10, 11,
12
r
n
67
dgl.
-
n
13, 14,
15
r>
rt
r
68
dgl.
-
nicht behandeltem
Kanichen
yi
n
69
dgl.
(u. danach d. Kan. 19)
-
*
n
Meerschw.
n
n
70 (2 mal
je 2 ccm in In-
tervftll von 8 Tagen)
Das Kaninchen Nr. 69 bekam sofort nach der ersten Injektion
Lähmung der hinteren Extremitäten, weshalb gleich an seine Stelle
das Kaninchen Nr. 19 in Behandlung genommen wurde. Das ge¬
lähmte Kaninchen starb am 33. Tage nach der Injektion infolge der
Lähmung; die Sektion ergab das gleiche Bild, wie es schon einmal
beschrieben wurde. Das während seines Lebens entnommene Serum,
am 9. und 19. Tag nach der eingetretenen Lähmung auf Abwehr¬
fermente untersucht, gab beim erstenmal ein schwach positives, beim
zweitenmal ein viel stärker positives Resultat, und zwar besonders
mit Kaninchennervensubstanz (Kaninchen- und Schafsnervensubstanz-
substrat).
Serumproben der so behandelten Tiere zweimal (10., 28. Tag
nach der letztenInjektion)auf Abwehrfermente gegen Schaf-, Kaninchen-
und Meerschweinchennervensubstanz untersucht, gaben ein vollständig
negatives Resultat. Im übrigen sind alle Tiere bis zum heutigen
Tage ganz gesund.
Zuletzt sei erwähnt, daß Serumproben am 5. V. 1922 (das ist ein Jahr
nach der Behandlung) den Schafen Nr. 77, 78, 81 und den Schafen
97, 94, 93 (also 6 Monate nach der Behandlung) entnommen und
auf Abwehrfermente gegen Kaninchen- und Schafsnervensubstanz
untersucht, folgende Resultate ergaben: die Sera 77, 81 schwache
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444
G. P. Alivisatos: Ein Beitrag zur Erklärung
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aber noch deutliche Resultate, die Sera 78, 97 und 94 stark posi¬
tive Resultate mit beiden Substraten. Serum 93 ergab ein voll¬
ständig negatives Resultat.
Zusammenfassung.
1. Arteigene oder artfremde native oder mit Äther behandelte
Nervensubstanz Tieren subcutan injiziert, führt zu reichlicher Bildung
von Abwehrfermenten im Sinne Abderhaldens ; diese Fermente sind
aber nicht streng spezifisch, sondern imstande, Nervensubstanzen
von mehreren, nicht in verwandtschaftlicher Beziehung stehenden
Tieren abzubauen. Allerdings wirken gewöhnlich diese Fermente
stärker auf das der eingespritzten Substanz homologe Substrat.
2. Diese Abwehrfermente, obwohl — nach unserer Behandlungs¬
art — in hohem Maße im Serum der Tiere vorhanden und nur sehr
langsam verschwindend, haben niemals auf das Zentralnervensystem
der so behandelten Tiere schädlich wirken können. Es blieben sogar
andere normale Tiere, denen das von den behandelten Tieren ge¬
wonnene abwehrfermenthaltige Serum intralumbal injiziert wurde,
in jeder Beziehung gesund und haben niemals in ihrem Serum irgend¬
welche Abwehrfermente aufgewiesen, die ja durch ihr Auftreten auf
einen Abbau der durch das injizierte Serum geschädigten Zentral-
nervensubstanz hingewiesen hätten.
Aus allen diesen Ausführungen geht hervor, daß die lei Schutz¬
impfung gegen Lyssa leobachteten Lähmungen nicht auf Effekte der mit
eingespritzten Nervensubstanz aufgefaßt werden können .
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Kurze Mitteilung.
Blutbild und Blutkrise bei experimenteller
Bleivergiftung.
Bemerkungen zu der gleichnamigen Arbeit von H. Rauch.
Diese Zeitschrift Band 28, Seite 50.
Von
Privatdozent Dr. Victor Schilling,
I. Med. Klinik, Berlin.
(Eingegangen am 26. Juni 1922.)
Rauch schreibt ohne Literaturangaben:
„Ich halte somit die basophil — getüpfelten roten Blutkörperchen
für degenerative Regenerationsformen ... Rauch nimmt weiter an,
daß die basophile Tüpfelung durch „eine abnorme Verklumpung des
basophilen Spongioplasmanetzes “ entsteht.
Beide Entdeckungen entsprechen absolut meiner seit Jahren
Naegeli gegenüber vertretenen Anschauung, die ich in einer aus¬
führlichen histologischen Studie (Fol. haem. Arch. 11, S. 327. 1911) be¬
gründet habe. In meinem 1912 erschienenen Leitfaden „Das Blut¬
bild“ 1 ) steht unter
„3. degenerierte regenerative Erythrocyten:
a) blau punktierte Erythrocyten-basophile Punktierung ' 4
und in der Beschreibung „degenerative tropfige Auflösungsform der
Poly ehr omasie u .
Die abnormen Verklumpungen des basophilen Spongioplasmanetzes
(Netzsubstanz) habe ich in der erwähnten Studie und in meinen
Arbeiten über die basische Substanz der Erythrocyten im „dicken
Tropfen“ gerade auch für Bleivergiftungen in allen Übergängen be¬
schrieben und abgebildet-).
Ich hoffe, daß die wörtliche Übereinstimmung unserer Definitionen,
die übrigens auch den Anschauungen Askanazys und Pappenheims
nahestehen, dazu beiträgt, die immer wieder auftauchende, unhalt -
bare , karyogen-regenerative Abstammung der basophilen Punktierung
(P. Schmidt , Naegeli , Kreibich, Le Blanc u. a.) nun endlich auch aus
den klinischen und experimentellen Arbeiten verschwinden zu lassen.
*) Gustav Fischer , Jena.
2 ) Siehe besonders , ; Anl. z. Diagn i. dicken Bluttropfen I. AuH. 1917
{G. Fischer), ausführlicher Virchows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. 234. 548
und 582 ff. 1921.
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Autorenverzeiehnis.
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klärung der Pathogenie der Myeli¬
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kokken-Anaphylaxie. S. 199.
Edelmann , Fritz. Über Ursache und
EntstehungderAderlaßlipämie. S. 221.
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Hülse , Walter. Zur Frage der Blut¬
drucksteigerung. I. Experimentelle
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— Zur Frage der Blutdrucksteigerung.
II. Untersuchungen über gefäßver¬
engernde Stoffe im Blute. S. 268.
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bei experimentellem Skorbut der
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Junicersdorf , P. Die hämoklastische
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Kollert , V. und W. Starlinger. Die
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Latwpe , Walter s. Richard Seyderhelm.
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Lohr , Hanns. Haben parenteral ein¬
verleibte Proteinkörper und Nicht¬
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abbau in der Leber? (VIII. Mitteilung
zur Proteinkörperwirkung.) S. 344
Mihi, Y. und C. J. Rothberger. Experi¬
mentelle Untersuchungen über die
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Platz , 0. Über die Wirkung des Adre¬
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S. 189.
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Blutbild und Blutkrise bei experi¬
menteller Bleivergiftung. S. 446.
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Zur Frage der Blutraengenbestim-
mung. I. Mitteilung. Untersuchungen
über das Verhalten von Erythrocvten
zu kolloiden Farbstoffen und kol¬
loidem Gold. S. 403.
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bestimmung. II. Mitteilung. Colori-
metrische Blutmengenbestimmung
mit Trypanblau. S. 410.
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schen Koli- und Diphtheriebacillen
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Zimmer, Heinrich. Klinisch experiment.
Untersuchungen über Blutserumkon¬
zentration bei Arsenkuren. S. 325.
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