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Full text of "Zeitschrift für Ethnologie"

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ZEITSCHRIFT 

FÜR 


ETHNOLOGIE 


Organ  der  Berliner  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  nnd  Urgeschichte. 

Bedac  tioDS  -  Commission : 

A.  Bastian,  R.  Hartmann,  R.  Virchow,  A.  Voss. 


Fünfzelmter  Band.  . 
1883. 

Mit  lO   lithoKraphirten  Tafeln.' 


BERLIN. 

Verlag  von^A.  Asher  &  Co. 
1883. 


1J3V30 


Inhalt. 


Seite 

Kollmann,  J.,  Die  Autochthonen  Amerika's.    (Hierzu  Tafel  I) 1 

Bartels,  Max,  Die  Gemme  von  Alsen  und  ihre  Verwandten.    (Mit  Holzschnitten)  .      48 
Sommer,  W.,  lieber  fünf  lettische  Grabschädel  von  der  Kurischen  Nehrung.    (Mit 

OuTvenzeichnungen) 65 

Krause,  £.,  Abergläubische  Kuren  und  sonstiger  Aberglaube  in  Berlin  und  nächster 

Umgebung 78 

V.  Schulenburg,  W,  Schlange  und  Aal  im  deutschen  Volksglauben 94 

Schwartz,  W.,  Der  Zauber  des  ,.,riickwärts**  Singens  und  Spielens 113 

Gat sehet.  Albert  S.,  Der  Yuma- Sprachstamm,  nach  den  neuen  handschriftlichen 

Quellen  dargestellt 123 

Schliemann,  Heinrich,  Untersuchung  der  Thermopylen 148 

Bötticher,  Ernst,  Analogien  der  Funde  von  Hissarlik.    (Hierzu  Tafel  IV)    .    ,    .    157 
Arzruni,   A,   Neue   Beobachtungen   am   Nephrit  und   Jade!t.     Nach   einem,   am 

17.  März  1883  in  der  Berliner  anthropologischen  Gesellschaft  gehaltenen  Vortrage    1G3 
Kulischer.  M.,   Die  Behandlung  der  Kinder  und  der  Jugend  auf  den  primitiven 
Kulturstufen.     Vorgelegt  in  der  Sitzung  der  Berliner  anthropologischen  Gesell- 
schaft am  21.  April  1883 191 

Finsch,  Otto,  üeber  weisse  Papuas 205 

Undset,  Ingvald,  Zwei  Grab'stelen  von  Pesaro.   (Hierzu  Tafel  V  und  3  Holzschn.)    209 
Miscellen  und  Besprechungen. 

First  Annual  Report  of  the  Bureau  of  Ethnology  to  the  Secretary  of  the  Smith- 
sonian  Institution  1779—80,  by  J.  W.  Powell,  Director,  S.  62  —  Wahl,  L'Alg^rie, 
S.  63.  —  Berge,  de  la,  En  Tunisie,  S.  63.  —  Largeau,  Le  Sahara  alg^rien,  S.  63. 
—  Choisy,  Le  Sahara,  S.  ^3.  —  Bonnafort,  Douze  ans  en  Algerie,  1830  k  1842, 
S.  63.  —  Faring,  Kabiles  et  Kroumirs,  S.  63.  —  Vigoni,  Abissinia,  S.  63.  —  Doyle, 
The  English  in  America,  S.  63.  —  Lesson,  Les  Polynesiens,  S.  63.  —  Abbot,  Primi- 
tive Industry  or  illustrations  of  the  handiwork  in  stone,  hone  and  clay  of  the  Native 
Kaces  of  the  Northern  Atlantic  Seabord  of  America,  S.  63.  —  Burgess,  Notes  on  the 
Amaravati  Stupa,  S.  63, 156.  —  Herm.  Dietrichs  und  LudolfParisius,  Bilder  aus  der 
Altmark,  S.  64.  —  John  T.  Short,  The  North  Americans  of  antiquity,  their  origin, 
migrations,  and  type  of  civilization  considered,  S.  64.  —  J.  F.  Bransford,  Archaeo- 
logical  researches  in  Nicaragua.  Smithsonian  Contributions  to  knowledge,  S.  64.  — 
JoLKanke,  Beiträge  zur  physischen  Anthropologie  der  Bayern,  S.64.  —  B.B.Redding, 
Wie  unsere  Voreltern  in  der  Steinzeit  ihre  W^erkzeuge  machten,  S.  110.  —  Beal,  Ab- 
stract  of  four  Loctures  on  Buddhist  Li terature  in  China,  S.  112.  —  Hörn,  Geschichte 
der  Literatur  des  Skandinavischen  Nordens  von  den  ältesten  Zeiten  bis  auf  die  Gegen- 
wart, S.  112.  —  Cowan,  The  Bora  Land,  a  description  of  the  Country  and  People, 
S.  112.  —  J.  W.  Powell,  First  annual  report  of  the  Bureau  of  Ethnology  of  the 
Secretary  of  the  Smithsonian  Institution  1879 — 80,  S,  151.  —  Lewis  H.  Morgan, 
Hooses  and  house  life  of  the  American  Aborigines,  S.  152.  —  Victor  Gross,  Les 
Protohelvetes  ou  les  premiers  colons  sur  les  bords  des  lacs  de  Bienne  et  Neuchatel, 
8. 152.  —  Alfred  Kirchhoff,  Rassenbilder  zum  Gebrauch  beim  geographischen 
Unterricht,  S.  153.  —  Hermenigildo  Capello  and  Roberto  Ivens,  From 
Benguella  to  the  Territory  of  Yacca,     Description  of  a  Joumey  into  Central-  and 


West-Africa.  Expedition  organized  in  the  jears  1877 — 80.  Translated  by  A.  Elwes, 
S.  154.  —  Alfredo  de  Sarmento,  Os  Sertoes  d'Airica,  S.  165.  —  Falb,  Das  Land 
der  Inca,  S.  155.  —  Medina,  JosÄ  Tosibio:  Los  Aborijenes  de  Chile,  S.  156.  — 
Sewell,  Lists  of  the  antiquarian  remains  in  the  Presideney  of  Madras,  S.  156.  — 
Elutschak,  Als  Eskimo  unter  den  Eskimos,  S.  156.  —  Kaltner,  Konrad  von  Mar- 
burg, S.  156.  —  Voigt,  Die  Wiederlebung  des  classischen  Alterthums,  S.  156  — 
Bonnemere,  L'ame  et  ses  manifestations  k  travers Thistoire,  S.  156.  —  Maine,  Sir 
Henry  Summer,  Dissertations  ou  early  law  and  custom,  S.  156.  —  Transactions  and 
Procedings  of  the  New-Zealand  Institute  1881,  S.  156.  —  Proceedings  of  the  Royal 
Geographical  Society,  S.  204.  —  Ploss,  Das  Kind  in  Brauch  und  Sitte  der  Völker, 
S.  204.  —  Revue  de  Phistoire  des  religions,  S.  204.  —  M.  Bailand,  Ein  altes  Straussen- 
ei,  S.  204.  —  A.Bastian,  Amerikas  Nordwestküste,  S.  220.  —  Arthur  Milchhöfer, 
Die  Anfänge  der  Kunst  in  Griechenland,  S.  221.  —  Oscar  Schneider,  Naturwissen- 
schaftliche Beiträge  zur  Geographie  und  Culturgeschichte,  S.  223.  —  John  Anderson: 
Catalogue  and  hand-book  of  the  archaeological  collections  in  the  Jndian  Museum,  S.  224. 


Verhandlungen  der  Berliner  Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte 

unter  besonderer  Paginirung. 

Ein  specielles  Inhalts- Verzeichniss  der  Sitzungen,  sowie  ein  alphabetisches  Namen-  und 
Sach- Register  befinden  sich  am  Schlüsse  der  Verhandlungen. 


Verzeichniss  der  Tafeln. 


Tafel  I.  Graphische  Darstellungen  der  amerikanischen  Srhädelfornicn    ( Zeitschr. 

f.  Ethnol.  S.  1.) 
„     II.  Alterthümlichos  Haus  aus  dem  J*flertschthal  in  Tyrol.     (Verh.  S.  11.) 

-  III.  Fmidstücke  aus  einem  Kurgan  bei  Stawrojiol.    (Verh.  S.  171.) 

IV.  Orientalische  Gesiclitsumen  und  Libirgefasse.   f Zeitschr.  f.  Ethnol.  S.  157.) 

-  V.  Grabst^len  von  Pesaro.     (Zeitschr.  f.  Ethnol.  S.  209.^ 

-  VI.  Alterthumer  von  Colorado,  Alt-  und  Neu -Mexico.    (Verh.  S.  3()4.) 

VII — VIII.    Xeolithische    Thongefässe    aus    Cujavien,    der    Altmark    und    Anhalt. 

(Verh   S.  430.) 
.,     IX.  Bronzespeei-spitze  mit  Runen  von  Torcello.   (Verh.  S.  520.) 

jt     X.  ThongerUthe  und  eisenie  Pincette  aus  dem  Gräberfelde  von  Kischan, 

Kr.  Berent,  Pomerellen.    (Verh.  S.  55(5.) 


Verzeichniss  der  Holzschnitte. 


Zeitsohrift  für  Ethnologie. 


Seite    53.    Gemme  von  Roden. 

,       72.    Curven  von  Maassen  der  Lettenschädel. 


214. 
218. 
219, 


218.    Stelen  von  Bolo^a. 

Verhandlungen  der  anthropologischen  Q-esellschaft. 

21.  I)ie  Bökelnbiirg  in  Holstein. 

27  Kartenskizze  der  Gegend  von  Tellingstedt  in  Holstein. 

31  Baueraburg  von  Wettingstedt  in  Holstein. 

37.  Kartenskizze  der  Umgegend  um  den  ToUense-See,  Meklenburg. 

42.  Karte  von  Prillwitz  und  der  Lieps,  ebenda. 

45.  Karte  des  Hanfwerders  in  der  Lieps,  ebenda. 

46.  Durchbohrter  Knochen  (Pfeife?)  vom  Haufwerder. 

49  —  53     13  Stück  Alterthuraer  aus  der  Umgegend  von  Guben. 

73—75.    G  Holzschnitte,  betr.  Mikrocephalen  von  Eschbach,  Nassau. 

78  —  79.    4  Holzsclmitte  von  westpreussischen  Spielen. 

86.    Zinngeräthe  aus  Gräbern  von  Amrum. 

112.    Thongeräthe  aus  dem  Silberberg  bei  VVollin  und  von  Michendorf  bei  Potsdam. 
116.    Gefässstrichler  aus  Stein. 
121.    Skizze  einer  Wohngrube  von  Premyslenl  in  Böhmen. 

123.  Verzierungen  von  Gefässen  aus  dem  Umenfeld  von  HoHneves  in  Böhmen. 

124.  Zweispitziger  Speer  aus  dem  Walde  Lisek  bei  Stradonice  in  Böhmen. 
128.    Fundstücke  von  Kl.  Ladebow  bei  Greifswald, 

149.  üeckelgefäss  und  Scliale  mit  Hakenkreuz  von  Loitz,  Vorpommern. 

153.  Omamentirtes  Falzbein  von  Tangermünde. 

1()5.  Bronzegefäss  von  Unia,  Kr.  Wreschen,  Posen. 

166.  Bronzenadeln  von  Dlnzjn,  Kr.  Kosten,  Posen. 

174.  Thongeräthe  und  Bronzespiegel  aus  einem  Kurgan  von  Stawropol. 

196.  Goldfigur  mit  Tapinfissel  von  Medellin. 

199.  Bronzewagen  von  Cometo. 

208.  Bronzereif  aus  der  Mlezka,  Ostgalizien. 

209.  Kirchenmarken  von  Dippoldiswalde. 

218.  Kalkstein  von  Schwarzau,  Kr.  Neustadt,  W.-Preussen 

219.  Bronzeringe  von  Brünhausen,  Kr.  Neustadt,  W.-Preussen. 
221.    Kartenskizze  des  Umenfeldes  von  Jüritz  und  Jessen,  Lausitz. 

247.    Karte  über  die  territoriale  Verbreitung  der  Zwölftengottheiten  in  Nord-  und 

^litteldeutschland. 
252—253.    Topfscherben  aus  dem  Burgwall  Waldstein  im  Fichtelgebirge,   darunter 

ein  Bodenstempel. 
254.    Nadel  und  Nadelbüchse  von  Bronze  von  La  Tene,  Schweiz. 
289.     Unterirdischer  Steinbau  von  Zeust  bei  Friedland,  Lausitz. 


Seite  294—95.    Thongefässe  von  Borgstedt^rfelde,  Holstein. 

„  300.    Thongefässe   von   Radewege   bei   Brandenburg,    darunter   ein    durchlöchertes 

Seihgefäss. 

,  305.    Gussform  aus  Thon  von  Koban,  Kaukasus. 

,  310.    Schädel  mit  occipitaler  Verletzung  von  La  Tene. 

^  321.    Sepulcraikrug  von  Albano  nebst  Inhalt, 

j,  323.    Backofenume  von  Marino  am  Albaner  Gebirge. 

„  324.    Hüttenunie  mit  Verzierungen  von  Marino. 

„  331.    Bogenfibula  von  Bronze  aus  der  kleinen  Tschetschna. 

.,  343.    Kartenskizze  alter  Ansiedelungen  hei  Schlagsdorf,  Kr.  Guben. 

.,  348.    Schulzenstab  (Kringel,  Kuli)  von  Saalfeld,  Ostpreussen. 

„  354.    Amulet  mit  der  Satorfonnel. 

„  3G1.    Trapezförmige  Feuersteinscherben  aus  der  Gegend  von  Berlin, 

j,  373-374.    Thongefässe  und  Ohrring  von  Bronze  mit  Glasperlen  von  Tangermünde. 

„  375.    Eiserner  Gürt^lhaken  und  Nadel  mit  Bronzescheiben  von  Tangermünde. 

„  404— 40G.    Knochengeräthe  aus  einer  Höhle  bei  Mentone. 

,  416  —  417.    Bronzewagen  von  Cortona. 

„  420.    Thonkegel  (Kiehnspahnleuchter)  von  Carwitz,  Meklenburg. 

y,  421.    Tauschirte  Eisenaxt  von  Guben. 

„  423.    Kartenskizze  des  Gräberfeldes  von  Zilmsdorf  bei  Teuplitz,  Lausitz. 

„  425.    Eiserne  Geräthe  von  da. 

„  426.    Thöneme  Dose  von  Platkow  bei  Müncheberg. 

„  427  —  428.    Steine  mit  Radomamenten  von  Herrestrup  und  Aspatria  (Cumberland). 

„  434.    Kugelume  vom  Goplo-See. 

„  435—436.    Thonscherben  von  Eichenhagen,  Posen. 

,  438 — 441.    Neolithische  Gefässe  von  Tangermünde. 

„  443.    Thongefässe  von  tVose,  Anhalt 

,  446.    Thongefäss  von  Jerxheim,  Braunschweig. 

„  447.    Thongefäss  von  Güsten,  Anhalt. 

„  449.    Bronze -Armplatten  von  Tangermünde. 

„  450.    Thonscherben  von  Albsheim,  Pfalz. 

„  4(>6.    Schädel  aus  der  Pampa  de  la  Plat^. 

„  472—473     Neolithische  Thongefässe  und  Steingeräthe  von  Nickelsdorf,  Kr.  Zeitz. 

„  474—475.    Näpfchen  und  Rillen  an  neolithischen  Grabplatten,  ebendaher. 

,  476—477.    Thongefässe,  ebendaher. 

„  485.    Eiserne  Pfeilspitze  mit  Widerhaken  aus  Berlin. 

^  487.    Silberring  von  Schluckenau,  Böhmen. 

„  489.    Brandgrube  von  Vettersfelde  bei  Guben. 

,.,  513.    Topfböden  mit  erhabenen  Ornamenten  von  Waldstein,  Fichtelgebirge. 

„  515.    Thonrad  aus  dem  Pfahlbau  von  WoUishofen,  Züricher  See. 

j,  516.    Grundplan  und  Profildurchschnitt  der  Höhle  im  Ith  bei  Holzen,  Harz. 

„  518.    Fundstücke  aus  Knochen  und  Bronze,  ebendaher. 

„  552.    Kupferner  Ohrring  aus  der  ältesten  Stadt  von  Hissarlik. 

„  555.    Fibula  mit  Glasflussbelag  des  Bügels  von  Kazmierz,  Posen. 

„  557.    Steinkistcngrab  von  Schloss  Kischau  in  Pomerellen. 


I. 

Die  Autochthonen  Amerika's. 

Von 

Prof.  J.  EoUznann  in  Basel. 


Hierzu  Tafel  I. 


Die  vorliegende  Untersuchung  über  die  autochthone  Bevölkerung  Ame- 
rikas bezieht  sich  ausschliesslich  auf  somatologischo  Merkmale.  Es  handelt 
sich  in  allererster  Linie  um  die  Feststellung  der  Rassen  Vielheit  und  um 
eine  vergleichende  Prüfung  über  die  Vertheilung  der  Rassen  in  diesem 
für  Völkerwanderung  ungünstig  geformten  Kontinent.  Seine  langgestreckte 
Gestalt  und  die  Richtung  seiner  Gebirge  sind  o£Penbar  weniger  hierfür  ge- 
eignet als  Europa,  das  streng  genommen  nur  ein  Vorgebirge  des  compakten 
asiatischen  Welttheiles  darstellt.  Es  kommt  aber  noch  eine  andere  Erwä- 
gung hinzu,  welche  gerade  die  Prüfung  Amerikas  nach  dieser  Seite  hin  als 
wünschenswerth  erscheinen  Hess.  Für  Europa  ist  uralte  Einwanderung 
nachgewiesen  und  zwar  zum  erstenmal  während  der  diluvialen  Periode.  Seit 
jener  fernliegenden  Zeit  ist  der  Strom  der  Einwanderung  nie  mehr  zur  Ruhe 
gekommen.  Die  Folgen  davon  zeigen  sich  überall.  Die  Spuren  anthropolo- 
gisch verschiedener  Elemente  sind  unter  jedem  Volk  nachweisbar.  Schon 
seit  vielen  Jahrhunderten  bestehen  die  Völker  Europas  nicht  mehr  aus  einei 
einheitlichen  Rasse,  und  in  der  Gegenwart  existirt  kein  auch  noch  so  ent- 
legenes Thal,  das  Reinheit  der  Rasse  aufzuweisen  vermöchte.  In  Europa 
sind  dadurch  alle  die  ethnischen  Fragen  sehr  complicirt  und  es  lag  nahe 
von  einer  anderen  Seite  her,  diesem  Problem  von  der  Herkunft  der  Völker 
nahezutreten.  Amerika  schien  hierfür  manche  Yortheile  zu  bieten,  wie 
gänzlicher  Mangel  an  ausgedehnter  Vermischung  durch  moderne  Einwan- 
derung, zweifellos  für  die  präcolumbische  Geschichtsperiode,  und  ein  bereits 
sorgfaltig  beobachtetes  Material  von  gesicherter  Provenienz.  Man  durfte 
also  erwarten,  Aufschlnss  über  manche  Fragen  von  Völkerwanderung  und 
Völkerehe,  die  auf  gegenseitiger  Durchdringung  beruht,  von  dort  drüben 
her  gerade  auch  für  Europa  zu  gewinnen.  In  welch'  unerwarteter  Weise 
dies  der  Fall  ist,  werden  die  nachfolgenden  Blätter  zeigen. 

Bei   einer  anthropologischen  Umschau   über  den  weiten  Raum  zweier 

Z«iuehrirt  fnr  StbnoloKie.    Jahrg.  1869.  l 


2  J^  Rollmaon: 

Kontioente  treten  aber  noch  aodere  Probleme  in  den  Vordergrund,  deren 
Berücksichtigang  kaum  umgaDgen  werden  kann.  Darunter  ist  dasjenige 
von  der  Lebensdauer  der  mensclilichen  Rassen  und  dasjenige  von  der  Ein- 
heit oder  Vielheit  menschlicher  Spezies  in  dem  folgenden  besprochen 
worden,  beide  freilich  nur  auf  Grund  der  somatologischen  Erfahrungen.  Ich 
habe  jüngst  die  Thesis  von  der  Unveranderlichkeit  der  menschlicheu  Rassen 
aufgestellt  und  manche  Belege  beigebracht  (16.  28),  daas  die  Menschheit 
heute  nicht  mehr  unter  dem  allgewaltigen  Eiafluss  der  natürlichen  Zucht- 
wahl stehe,  dessen  fördernde  Kraft  för  die  Stammesgeschichte  aller  Lebe- 
wesen unverkennbar  ist.  Gerade  dieser  Satz  von  der  Un Veränderlichkeit 
der  Varietäten  des  Menschen  soll  noch  weiter  ausgeführt  werden,  als  dies 
bisher  geschehen  konnte. 

Eine  ausgedehnte  Vergleichung  diluvialer  und  moderner  Schädel 
hat  herausgestellt,  dass  sich  die  am  Schädel  und  aui  Skelet  vorhan- 
denen Rassenmerkmale  seit  der  diluvialen  Periode  nicht  geändert  haben. 
Seit  jener  Zeit  hat  also  in  dem  Sinn  des  Darwin'schen  Wortes  „Variation" 
der  Mensch  nicht  variirt  anter  dem  Einfluae  der  natürlichen  Zucht- 
wahh  Seine  Rassenzeichen  haben  mit  grosser  Zähigkeit  den  äusseren  Ein- 
flüssen Aviderstanden  and  haben  trotz  derselben  ausgedauert.  Dieses,  wie 
mir  scheint,  wichtige  Ergebniss  craniologiacher  Prüfung  steht  freilich  im 
Widerspruch  mit  der  geläufigen  Ansicht,  welche  dae  Gegentheil:  eine  be- 
ständige Umänderung  dea  Menschen  annimmt.  Allein  bei  genauerer  Ueber- 
legung  wird  man  zugeben  müssen,  dass  sich  die  von  mir  beigebrachten  Be- 
lege wenigstens  (16)  in  meinem  Sinne  deuten  lassen.  Die  folgende  Dar- 
stellung meiner  Auffassung  von  der  Beständigkeit  der  Menschenrassen  wird 
aber,  wie  ich  hoffen  darf,  zeigen,  dass  sie  weder  mit  der  Deacendenztheorie 
noch  einer  unserer  täglichen  Erscheinungen  im  Widersprucb  steht-  Ich 
nannte  den  Menschen  einen  „Dauer typus""  (28).  Diesen  Ausdruck  hat 
Huxley  in  die  Literatur  eingeführt.  Ich  citire  ihn  aus  einem  Vortrag  über 
die  Entwicklungaletre  (29),  von  dem  ich  wünschen  möchte,  dass  ibn  alle 
lesen j  welche  sich  für  die  Urgeschichte  des  Menschen  interessiren,  weil 
darin  eine  vortreffliche  Darstellung  von  der  langen  Dauer  epecifi scher 
Lebensformen  zu  finden  ist.  Cnvier  versuchte  bekanntlich  die  La- 
mark'sche  Hypothese,  dass  die  Thiere  allmählige,  fortschreitende  Umbil- 
dungen erfahren,  durch  Vergleichung  der  Skelete  und  der  Mumien,  mit  den 
entsprechenden  Theilen  der  jetzt  in  Aegyten  lebenden  Vertreter  dieser  Arten 
zu  prüfen.  Das  Resultat  ist  bekannt,  er  kam  dabei  zu  der  Ueberzeugung, 
dass  bei  diesen  Thieren  im  Laufe  dieses  beträchtlichen  Zeitraumes  keine 
merkliche  Veränderung  stattgefunden  habe.  Und  die  Berechtigung  seiner 
Schlnssfolgerung  ist  unbestreitbar.  Ganz  dasselbe  gilt  für  die  Menschen 
des  Nilthalö.  Diese^  wie  die  mumificirten  Ibisse  und  Krokodille  Aegyptens, 
sie  liefern  alle  Beweise  von  der  langen  Dauer  spezifischer  Lebensformen, 
Der  Fortschritt   der  Forschung   bat    aber    noch    viel  auffallendere  Beispiele 


Autor btbonen  Amerika*». 


3 


aufgedeckt.  Ein  bemerkcnswertlier  Fall  findet  öich  in  Amerika  in  der  Nähe 
der  Niagarafälle.  In  den  oberflachlicheo  Abkgerungeo,  welche  deo  felsigen 
Untergrund  in  jenen  Gegenden  bedecken,  kommen  üeberreate  von  Thieren 
10  vollkommener  Erhaltung  vor,  und  darunter  Molluskenschalen,  welche  zu 
genau  denselben  Arten  gehören,  die  gegenwartig  die  ruhigen  Wasser  des 
Erie-Seea  bewohnen.  Aus  der  BesclmflPenheit  des  Landes  geht  hervor,  dass 
diese  Thierreöte  dort  zu  einer  Zeit  abgelagert  worden  aind,  wo  der  See  sich 
noch  über  die  ganxe  Gegend  erstreckte.  Daraus  ergiebt  eich  aber,  dass  sie 
gelebt  haben  und  gestorben  sind,  ehe  die  Fälle  sich  ihren  Weg  durch  die 
Niegaraschlucht  gebrochen  hatten,  und  man  hat  berechnet,  dass  damals,  als 
diese  Thiere  lebten,  die  NiagarafaÜe  loindestcns  10  Kilometer  weiter  strom- 
abwärts gelegen  haben  müssen  als  jetzt  Ueber  die  Geschwindigkeit,  mit 
der  sich  die  Fälle  rückwärts  verschieben,  glaubt  Hnxley  innerhalb  der 
Grenzen  der  Vorsicht  zu  sprechen,  wenn  er  annimmt,  dass  sie  dazu 
einige  30  (X)0  Jahre  gebraucht  haben.  So  lange  Zeit  wird  etwa  vergangen  sein, 
seitdem  diese  Species,  deren  Reste  wir  in  den  erwähnten  Ablagerungen 
Enden,  nicht  variirt  haben.  Allein  wir  liaben  noch  stärkere  Belege  für  die 
lange  Datier  gewisser  Typen.  In  der  langen  Reihe  der  tertiären  Forma- 
tionen giebt  es  viele  mit  den  jetzt  lebenden  identische  Thierarten.  Die  Ge- 
steine der  Kreidezeit  zeigen  Ueberreste  von  einigen  Thieren,  welche  sich 
selbst  bei  der  genauesten  Untersuchung  in  allen  ivesentlichen  Beziehungen 
als  nicht  verschieden  von  den  jetzt  lebenden  erweisen.  Das  ist  z,  B.  bei 
einer  Terebratula  aus  der  Kreide  der  Fall,  welche  bis  auf  den  heutigen  Tag 
unverändert  oder  wenigstens  ohne  bedeutende  Veränderungen  geblieben  ist. 
Das  ist  ferner  der  Fall  bei  den  Globigerincn,  deren  angehäufte  Skeletc 
einen  grossen  Theil  der  englischen  Kreide  ausmachen  Jene  Globigerinen 
lassen  sich  biß  auf  die  Globigerinen  hinab  verfolgen,  welche  an  der  Ober- 
fläche der  jetzigen  grossen  Oceane  leben,  und  deren  zu  Boden  -fallende 
Ueberreste  einen  kreideartigen  Schlamm  bilden.  Danach  muss  man  zu- 
geben, dass  es  gewisse  Thierarten  giebt^  welche  keine  deutliche  Spur  einer 
Veränderung  oder  Umgestaltung  im  Laui^  der  ganzen  Zeit,  die  seit  der 
Kreideperiode  verflossen  ist,  zeigen,  d.  h,  in  einer  Zeit,  die,  mag  ihr  ab- 
solutes Maass  sein,  welches  es  wolle,  sicher  weit  über  30  000  Jahre  ge- 
dauert hat  In  der  mesozoischen  Periode  giebt  es  Gruppen  von  Reptilien 
wie  die  Ichthyosaurier  und  die  Plesiosaurier,  welche  kurz  nach  dem  Beginn 
dieser  Periode  auftreten  und  in  ungeheuren  Mengen  vorhanden  sind.  _  Sie 
verschwinden  mit  der  Kreide,  und  während  der  ganzen  Reihe  der  mesozoi- 
schen Gesteine  sind  keine  Veränderungen  an  ihnen  nachzuweisen,  'welche 
sich  mit  Sicherheit  als  Belege  für  eine  fortschreitende  Umbildung  betrachten 
Hessen.  Thatsachen  dieser  Art  sind  ohne  Zweifel  verhängnissvoll  lur  die 
Annahme,  dass  alte  entstandenen  Thierformen  sich  beständig  umbilden;  und 
ebenso  entschieden  widersprechen  sie  der  Ansicht,  dass  solche  Umbildungen 
mit   derselben  Geschwindigkeit    bei    allen    verschiedenen  Typen    der  Thier- 

1* 


J,  KoUmann: 

uad  Pflatizenwelt  statttindeD  müsaten»  Ein  anderer  Forscher^  der  sich  auf 
da»  eingeliendöte  und  Jahre  hindurch  mit  grosseo  Gruppen  der  STuige- 
thiere  bcfasst  hat,  kommt  gänzlich  uaabh äugig  von  Hwxlcy  zu  ähnlichen 
Anschaunngen,  Ich  will  seio  echwerwieüjendes  Zeugoiss  besonderes  deshalb 
hier  anfuhren,  weil  diese  Säuget hiere  hoch  hinauf  reichen  auf  der  Stufe  der 
Organiäulion^  mitten  tinter  uns  leben  und  noch  heute  jedem  die  Prüfung 
und  Beobachtung  gestatten,  Kütimeyer  (30)  legt  neuestens  die  Ergeb- 
nisse seiner  anatomischen,  speciell  craniologi sehen  Studien  ober  die  Familie 
der  Hirsche  vor,  die  sich  jedocb  gleichzeitig  auf  geographische  und  histo- 
rische Beziehungen  erstrecken.  Bei  Vergleichung  der  gewonnenen  ResuUiUe 
mit  denjenigen,  zu  welchen  ähnliche  Arbeiten  an  anderen  Wiederkäuer- 
gruppen führten,  drängt  sich  ihm  der  Eindruck  auf,  daes  der  Typus  Hirsch 
trotz  fast  cosmopolitiöcher  Verbreitung  in  Bezug  auf  Schädelbau  sich  inner- 
halb viel  knapperer  Grenzen  bewegt,  als  die  Mehrzahl  der  anderen  Formen 
von  Wiederkäuern.  Man  könnte  geneigt  sein,  solche  Eintörmigkeit  als  ein 
„Symptom  geringer  Elasticität  von  Structur  oder  als  Folge  einförmiger 
Schicksale  der  Familie  zu  deuten.  Allein  weder  die  Zeichen  von  Lebens- 
energie  noch  die  geologische  Fri.st,  in  der  wir  bereits  die  Thiere  kennen, 
gestatten  eine  solche  Deutung,  Viel  eher  wurden  solche  Erscheinungen 
für  eine  ungewöhnliche  UnabhiVogigkeit  von  Einflüssen  irgend  welcher  Art 
sprechen,  wofür  sich  unter  Thieren,  welche  iür  Nahrung  und  Bewegung  so 
vollständig  auf  die  Festlaudoberfläche  angewiesen  sind,  kaum  ein  zweites 
Beispiel  namhaft  machen  Hesse".  Hier  ist  allerdings  von  einer  grossen 
Familie  die  Rede,,  aber  was  fax  sie  gilt  von  Zähigkeit  gegen  äussere  Ein- 
flüsse, ist  eben  das  Resultat  der  Eigenschaften  einzelner  Gattungen  und  ein- 
zelner Species.  Es  giebt  übrigens  gerade  unter  der  Hirschfamilie  zwei  Arten, 
welche  die  äusöerste  Zähigkeit  zeigen.  Aa  den  Rand  der  nördlichen  He- 
misphäre verdrängt  stehen  zwei  verschiedene  Formen  neben  einander 
unter  demselben  Klima,  unter  ähnlichen  Lebensbedingungen,  and  dennoi'h 
haben  sie  sich  unverändert  erhalten  wähi-end  der  ganzen  letzten  geologischen 
Epoche,  Es  hat  sich  weder  die  systematische  Kluft  zwischen  ihnen  ab- 
geschwächt, noch  haben  sie,  soviel  mir  bekannt  ist,  irgend  welche  Modi- 
ßkationcn  der  Speciescharuktere  erfahren.  Obwohl  Hausgenossen,  stehen 
Elenthier  und  Renthier  nach  Structur  einander  seit  alter,  alter  Zeit  gegen- 
über und  Keines  der  differirenden  Merkmale  hat  sich  ausgeglichen  seit  dem 
Diluvium.  Das  ist  ein  deutlicher  Beweis,  dasa  es  Dauertypen  im 
strengsten  Sinn  des  Wortes  selbst  unter  hoch  organisirten  Thieren  giebt, 
ja  ganze  Gattungen  und  Species  in  den  Zustand  der  Beharrung  ihrer  typi- 
schen Merkmale  eintreten  können. 

Ganz  dasselbe  ist  nun  bei  dem  Menschen  der  Fall,  er  befindet  sich  seit 
dem  Diluvium,  was  Species  und  Va  rietätenmerkm  ale  betrifft,  in  dem 
Zustand  der  Beharrung,  er  iat  eine  Dauerlorm  der  Schöpfung  geworden. 
Die  Thatsuchen,  auf  die  ich  (16)  hingewiesen  habe,  verlieren  nichts  an  ihrer 


Die  AutochfhcDeii  Amerika 's. 


5 


Beweiskraft  durch  den  Einwurf,  dass  dadurch  ja  die  Periode  der  Yariabilität 
in  der  Menscheunatur  hinter  das  Diluvium  zuruckverlegt  würde.  Zii  der- 
selben Annahme  ist  die  vergleicbende  Anutomie  und  die  Palaeontologie 
längst  gezwungco  für  die  grösste  Zahl  der  Wesen  des  Thier-  und  Pflanzen- 
reiches. Wir  haben  uns  allzu  sehr  daran  gewöhnt,  gerade  unter  der  Herr- 
schaft der  Darvvin'öchen  Theorie,  alle  Wesen  um  ans  her  in  beständiger 
Umwandlung  zu  wähnen*  Wir  müssen  jetzt  daran  gehen,  die  Unterschiede 
nnd  die  Grenzen  des  Variirens  im  Kaum  und  in  der  Zeit  genauer  zu 
Studiren,  Die  lange  Dauer  gewisser  Tbier-  ond  Pflansentypen  oder  die  des 
Menschen  ist  deswegen  noch  kein  Einwurf  gegen  die  Eutwickluugshypo- 
these.  Man  kann  sich  um  so  mehr  in  dieser  Beziehung  beruhigen,  als 
gerade  die  Geschichte  der  Säugethiere  auch  entgegengesetzte  Falle  klar- 
gelegt hat  Rütimeyer  hat  auf  das  Schlagendste  z.  B.  für  Rinder  und 
Pferde  den  Nachweis  erbracht,  das 9  ihre  Formen  noch  heute  nicht  fest 
gefugt,  sondern  im  Gegentheil  bis  in  liefliegende  Einzelheilen  noch  formbar 
im  höchsten  Grade  sind,  sowohl  durch  die  natürliche  als  durch  die  künst- 
liche Zuchtwahl.  Das  letztere  wissen  die  Thierzuchter  nur  zu  gut.  Auf 
der  heute  noch  fortwirkenden  Variabilität  beruhen  allein  die  erfolgreichen 
Resultate  der  künstlichen  Züchtung  bei  diesen  Familien,  Aber  sie  hat 
zweifellos  auch  ihre  Grenzen,  Die  einen  erreichen  diese  Grenzen  später, 
die  andern  früher.  Der  Mensch  gehört  aber  nach  allen  Zeugnissen,  die  er 
ans  in  seinen  Grastatten  hinterlassen  hat,  zu  den  letzteren  Wesen.  Er  hat 
sich,  so  lange  er  in  Europa  wandert,  weder  in  seinen  osteologi sehen 
Rassencharakteren  noch  in  seinen  osteologiachen  Merkmalen  der 
Varietäten  verändert.  Ja  man  kann  dasselbe  auch  bezüglich  der  Muskeln 
annehmen,  insofern  ja  die  Knochen  durch  ihre  Muskellinien  einen  Rück* 
achluss  auf  diesen  beträchtlichen  Bruchtheil  seines  Organismus  gestatten. 
Diese  Ueberzeugung  habe  ich  an  osteologischem  Material  europäischer  Kassen 
gewonnen,  sie  steht  jedoch  für  mich  auch  fest  für  diejenigen  Amerikas  und 
der  übrigen  Kontinente.  Ein  auffaüendes  Exempel  von  der  weitgehenden 
Gültigkeit  dieser  Regel  ist  abgeseheD  von  vielen  andern  die  Differenz 
zwischen  Papuas  und  Malayen*  Seit  undenklichen  Zeiten  wohnen  sie  neben 
einander  in  denselben  tropischen  Gegenden,  welche  physikalisch  so  gleich- 
geartet sind,  und  dennoch  sind  sie  verschieden. 

Obwohl  die  Varietäten  nnd  Rassen merkmale  des  Menschengeschlechtes 
nach  meiner  Ueberzeugung  von  zäher  Dauer  sind,  und  noch  keine  Äende- 
rung  erworbener  typischer  Merkmale  nachgewiesen  werden  konnte,  halte  ich 
doch  selbstverständlich  an  der  gleichzeitig  bestehenden  Thatsache  der  iudu- 
viduellen  und  sexuellen  Variabilität  der  Menschen  fest.  Es  ist  ferner 
wohl  überflüssig  hier  zu  erklären,  dass  die  Widerstandsfähigkeit  der  thieri- 
sehen  oder  menschlichen  Natur  gegen  die  Specieszeichen  nicht  auch  Immu- 
cität  gegen  Krankheiten  in  sich  schliesse.  Das  Individuum,  die  Person 
kann  in  ihren  physiolugischeu  Lebensäiisserungen  gestört  werden,  und  wird 


6  J.  KollmaDD: 

es  ja  oft  genug,  Mensch  wie  Thier,  aber  die  Species  hat  ein  anderes  Leben, 
sie  überdauert  geologische  Epochen. 

Nichts  liegt  mir  also  mehr  fern,  als  die  auffallenden  Erscheinungen  der 
sexuellen  Variabilität  zu  bestreiten,  um  deren  Feststellung  die  menschliche 
Anatomie  schon  so  manchen  Streit  gefuhrt  hat.  Denn  was  ist  es  denn 
anders,  wenn  der  weibliche  Schädel  kleiner  ist  als  der  mannliche,  die 
Muskulatur  schwächer,  wenn  dsLß  Skelet  der  Brust  und  des  Beckens  ver- 
schieden ist  gegen  dasjenige  des  Mannes  und  sofort  bis  in  die  Organe 
hinein  und  selbst  bis  in  die  geheimnissvoUen  Tiefen  der  physiologischen 
Function?  Also  Variabilität  existirt,  aber  die  eben  hier  fluchtig  skizzirte 
gehört  in  das  Bereich  der  sexuellen  Variabilität,  deren  Grenzen  noch  immer 
der  endlichsen  Feststellung  harren.  Daneben  giebt  es  noch  eine  indivi- 
duelle, welche  aber  ebensowenig,  wie  die  vorhergehende  meine  Annahme 
von  der  Unveränderlichkeit  der  Menschenrassen  irgendwie  berührt  Die 
Höhe  der  menschlichen  Gestalt,  die  Stärke  der  Knochen,  der  Umfang  der 
Muskelatur,  die  Dicke  der  Haut,  kurz  alle  Organ  können  variiren  inner- 
halb einer  bestimmten  Grenze.  Ich  will  nur  an  ein  Organ,  an  das  hervor- 
ragendste von  allen,  an  das  Gehirn  erinnern.  Welche  individuellen  Unter- 
schiede! Kann  doch  seine  Schwere  innerhalb  der  enormen  Grenze  von 
mehr  als  500^  bei  dem  Durchschnittsmenschen  hin  und  her  schwaQken, 
der  physiologischen  Leistung  gar  nicht  zu  gedenken!  Um  die  Schwankungen 
der  individuellen  und  sexuellen  Variabilität  festzustellen,  ist  es  aber 
unerlässlich,  dass  erst  die  Merkmale  der  Rassen  bestimmt  seien.  So  lange 
dies  nicht  der  Fall,  wird  der  Boden  der  Kassenlehre  überhaupt,  und  auch 
derjenige  der  Craniologie,  die  ja  ein  Theil  derselben  ist,  jene  Festigkeit 
vermissen  lassen,  welche  die  physiologische  oder  die  pathologische  Be- 
trachtung erheischt  Nun  sind  die  Schwierigkeiten  nicht  gering.  Die 
meisten  Männer  von  Fach  ziehen  sich  überdies  von  dieser  Aufgabe  zurück, 
und  folgen  nicht  selten  mit  Geringschätzung  den  Bemühungen  der  Morpho- 
logie der  Menschenrassen.  Auch  dass  ändert  sich  wohl  noch,  unterdessen 
wächst,  wenn  auch  langsam,  der  Schatz  der  Thatsachen,  freilich  wie  überall 
nur  in  dem  Widerstreit  der  Meinungen.  So  wird  mir  neuestens  entgegen- 
gerufen wegen  meiner  Thesis  von  der  Unveränderlichkeit  der  Menschen- 
rassen seit  dem  Diluvium,  die  Craniologie  sei  also  jetzt  glücklich  an  der 
Arche  Noah  angekommen;  das  erste  Aoftr^en  rücke  eben  in  unfassbare 
Feme.  Ich  bedaure,  dass  wir  selbst  noch  hinter  die  Arche  auf  die  Suche 
gehen  müssen,  wie  wir  das  schon  längst  gethan  haben  mit  sammt  der  ganzen 
Paläontologie,  und  bedaure,  dass  wir  noch  nicht  soweit  sind,  den  Pro- 
anthropos  vorzeigen  zu  können.  Wer  übrigens  nach  dieser  Seite  schnelle 
Befriedigung  wünscht,  dem  können  wir  nur  dringend  rathen,  eine 
modeine  Anthropogenie  oderi  eine  sogenannte  Schöpfungsgeschichte  zur 
Hand  zu  nehmen,  er  wird  darin  selbst  weitergehende  Wünsche  erfüllt  sehen. 

Ein  wichtiges  Ergebniss,   das   ich  mit  ausgedehnten  Belegen  versehen 


Die  Äutocbthonen  Amenk«'«. 


habe,  und  daa  an  mittelbar  aus  der  ÜDV^eränderlichkeit  folgt,  ist  ferner,  dass 
wir  Europäer,  die  wir  alle  von  uraltem  Gescblechte  sind,  seit  dem  Diluvium 
bestäüdig  auf  der  Wanderschaft  begriflen  sind.  Durch  ein  unablässiges 
Hin-  und  Herziehen  durchdrangen  sich  im  Laufe  der  Zeiten  die  verschiedenen 
Rassen,  ein  Vorij^ang,  den  ich  mit  Penetration  bezeichnen  will.  Sie 
brachte  es  dahin,  daäs  heute,  wie  schon  vor  vielen  Jahrtausenden  überall 
in  Europa  Vertreter  mehrerer  Rassen  neben  einander  leben,  jedea  Volk  und 
jeder  Staat  also  einen  Theil  der  verschiedenen  Rassen  in  verschiedener 
Proportion  enthält.  Diesen  Schluss  zog  ich  aus  einer  Vergleichung  von 
mehr  als  3000  Schädeln  europäischer  Völker.  Die  Zahlen  selbst  ergaben 
dieses  Resultat,  und  ich  habe  mich  jeder  Interpretation  enthalten.  Dass 
dieses  Ergebniss  überraschen,  und  liebgewonnene  Vorstellungen  zerstören, 
folglich  auf  Widerspruch  stossen  würde,  habe  ich  wohl  erwartet,  dass  es 
oebenbei  als  ,, Nekrolog  auf  die  ganze  von  Retzius  inaugurirte  Graniologie 
angesehen  würde  und  als  erfreuliches  Ende  der  Selbstzerselzung"  ist  eine 
jener  seltsamen  Hoffnungen,  welche  mehr  erheiternd  als  nachhaltig  wirken. 
Es  ist  allerdings  unbequem,  dass  die  Möglichkeit,  an  denJGräberschadeln 
die  Nationalitat  abzulesen,  dabei  verloren  geht,  wenn  es  sich  herausstellt, 
dass  das  gegenseitige  Durcheinanderwandern  der  Rassen,  schon  überall  seit 
langer  Zeit  in  ergiebigstem  Maasse  stattgefunden.  Allein  man  darf  doch 
nicht  übersehen,  dass  nur  im  Anfang  der  anthropologischen  und  speciell  der 
craniologi sehen  Studien  ein  blindes  Vertrauen  auf  solch'  diagnostische  Lei- 
stnngen  bestanden  hat.  Sehr  bald  wurde  es  erschüttert  und  wird  heute 
nur  mehr  von  wenigen  mit  ganzer  Ausdauer  festgehalten.  An  dem  Schädel 
lassen  sich  eben  nur  anatomische  Merkmale  ablesen.  AJs  diese  sich 
entwickelten  und  befestigten,  gab  es  weder  Germanen  noch  Sarmaten  noch 
Gallier  u.  s.  w.  Unseren  westlichen  Nachbarn  und  vor  diesen,  den  Jung- 
Amerikanern  blieb  es  vorbehalten,  politische  Graniologie  zu  treiben.  Die 
einen  fühlten  das  Bedürfniss  hierzu  um  die  Sclaverei  mit  Hülfe  der  .Granio- 
logie zu  rechtfertigen,  die  andern  nm  „natürliche''  Grenzen  zu  ziehen  oder 
nationalen  Ingrimm  auf  anthropologische  Gründe  zurückzuführen.  Eine 
Variante  aus  einem  allerdings  edleren  Beweggrund  vertritt  Holder  (31), 
der  mit  unerschütterlicht*r  Ausdauer  für  die  anthropologische  Einheit  der 
Germanen  eintritt,  offenbar  darauf  hingeführt,  weil  sie  einst  als  grosse 
kulturhistorische  und  staatliche  Einheit  in  der  Geschichte  auftraten. 
Er  beharrt  bei  seinem  Glauben  trotz  aller  Beweise,  dass  an  die  50  pGt.  aus 
andern  Rassenelementen  und  aus  Mischbngen  bestanden.  Das  ficht  ihn 
wenig  an.  Er  hilft  sich  auf  seine  eigene  Art  über  die  Schwierigkeiten 
hinweg.  Da  sind  nur  einige  „Servi",  Knechte,  die  in  die  gute  Gesellschaft 
eingeschleppt  wurden,  im  übrigen  „bestehen  die  Germanen  aus  lauter 
Menschen  gleichen  Schlages.  In  dem  glänzenden  Bilde  eigenartiger  Kultur- 
entwicklung, welches  einen  grossen  Zeitraum  und  das  weite  Gebiet  von 
Ipinz  Westeuropa    umfasst,    stehen    in    der  That  die  Germanen  als  eine  ge- 


8  J.  Kollmaiin: 

schlossene  Yölkergruppe  da.  Nichts  erscheiDt  einftcher,  mh  der  gleicii- 
gearteten  EntwickluDg  in  Sitte  and  Sprache  mehr  iibereinstinuBend.  als  die 
Annahme,  dass  alle  diese  Völker  einer  und  derselben  Absummiuig  gsevesen 
seien,  dass  dieser  grosse  einheitliche  Zag  in  den  Gehirnen  cnd  StiJdelii 
einer  und  derselben  Menschenabart  allmählich  gewachsen,  und  ämk  sie 
über  die  Hälfte  eines  Welttheiles  getragen  worden  seL  Allein  wihreod  ich 
die  Einheit  germanischer  Kultar,  and  germanischen  Geistes  anerk^eose.  rnnss 
ich  gestehen,  dass  der  Beweis  von  einer  specifischen  ^germani&cben  Rasse* 
nicht  erbracht  ist,  und  dass  er  sich  auch  niemals  erbringen  la&$t.  Xiemals 
in  keiner  Epoche,  die  hier  in  Betracht  falle  bestanden  die  Germanen  aas 
einer  einzigen  Rasse,  sondern  sie  waren  eine  mechanische  Mischung 
von  Abkömmlingen  verschiedener  Rassen,  die  sica  zu  einem  ein- 
heitlichen Volk  ineinandergelebt  hatten. 

Es  ist  keine  schwierige  Aufgabe,  den  Nachweis  eines  zusammen- 
gesetzten craniologischen  GefQges  innerhalb  der  germanischen  Völker  zu 
führen  (16,  28).  Wer  irgend  nur  eine  gewissenhafte  Zahlentabelle  über  die 
Form  Verhältnisse  der  vorliegenden  Schädel  gemacht,  kann  uumöglich  die 
Ueberzeugung  von  der  anthropologischen  Gleichartigkeit  der  Germanen  fest- 
halten. Ueber  die  geradezu  unvereinbaren  Gegenaaae  ^sr  Sdiadel  aus 
germanischen  Gräbern  hilft  sich  Holder  dadurüh  itixwfic.  dass  er  fünf 
v'ersc.hiedene  Typen  innerhalb  der  Germanen  a&xarci£ä»&äciL.  Also  doch 
typische  unterschiede  trotz  der  Einheit?  Dabei  denki  er  sich  offenbar  die 
Völker  herangezüchtet  wie  Tanbenrassen.  Europa  i«:t  r»ewohiit,  woher  die 
McnHchen  kamen,  ist  für  ihn  eine  milssige  Frage,  genug  sie  vermehrten  sich 
wacker,  bildeten  staatliche  Gruppen,  reiche  sich  immer  scharfer  trennten, 
nicht  blos  geographisch  oder  politisch,  nein.,  auch  phjsisch.  Mit  einem 
Schlag  sind  die  Germanen  auf  dem  Plan  mit  fünf  für  ihn  „langen  Schädel- 
typen^.  Das  klingt  scheinbar  sehr  einfach,  aber  doch  nur  für  die  Cranio- 
logen  von  Württemberg  zufriedenstellend.  Dass  in  der  paläolithischen  und 
iu  der  neolothischen  Periode  mit  Mammuth  und  Renthier  und  später  mit 
unscrn  Hausthieren  genau  dieselben  „Typen^  vorkommen,  wird  einfach 
ignorirt,  erst  mit  den  Germanen  kommen  nach  seiner  Anschauung  die 
echten  Langschädel  in  die  Welt,  aber  gleich  mit  fünf  verschiedenen  Typen. 
Was  er  sich  unter  „Typen**  denkt,  ist  unklar.  Sicher  ist  für  den  Leser 
nur,  dass  Holder  folgendermassen  rechnet:  Fünf  mal  Eins,  macht  Eins, 
ergo  beweisen  fünf  Typen  die  Einheit  der  Germanen.  Ick  denke  diese 
„zoologische**  und  von  ihm  besonders  als  „natürliches  System*  bezeichnete 
Aufstellung  können  wir  zu  weiterem  Ausbau  ihm  selbst  überlassen. 

Wichtiger  ist  die  Stellung  zu  der  Frage  von  der  Einheit  des  Menschen- 
geschlechtes. Die  Craniologie  muss  sie  mit  entscheiden  helfen,  soll  sie 
festen  Boden  gewinnen.  So  lange  man  nicht  klar  ist^  ob  nur  eine  Species 
und  mehrere  Rassen,  oder  viele  Species  und  wenig  Rassen,  kommt  auch 
der  Streit,    wo  Rassenmorkmale    beginnen    und   die   Speciesmerkmalc   auf- 


Dfe  AtitocKthaoen  Amenka's. 


I 


hören,  zu  keiner  Eotscheidang,  ja  man  wird  nicht  einmal  im  Stande  sein, 
die  sexuellen  Charaktere  feststellen  zu  können.  Nuu  mochte  ich  hier 
wiederbolen,  dass  ich  an  der  Einheit  des  Menschengeschlechtes  festhalte, 
and  dasB  ich  von  diesera  Gesichtspunkt  aus  mir  verschiedene  Unter- 
urten,  und  in  sehr  secnndärer  Reihe  dann  Yarie täten,  Subvarietäten  u.  6.  w, 
sehe.  Die  Unterschiede  zwischen  dem  Neger,  dem  Indianer,  Kaukasier  u.  a.  w. 
sind  einmal  nicht  so  gross,  dass  man  jeder  Form  den  Werth  einer  beson- 
deren Species  beilegen  könnte. 

Wozu  also  die  Voraussetzung  eines  grossen  Saaten wnrfes  von  ver- 
schiedenen Specles,  der  sich  nicht  beweisen  lässt?  Daraus  folgt,  dass  ich 
von  einer  einzigen  Stammform  aus  die  Subspecies  oder  Unterarten  ableite 
und  von  diesen  aus  die  Varietäten.  Nach  meiner  Auffassung  von  der  Einheit 
des  Menschengeschlecbtes,  und  von  der  Unverrtnderlichkeit  der  Species-  und 
und  Varii^tntenmerkmale  seit  dem  Diluviara,  folgt  selbstverständlich,  dass  ich 
die  Periode  ihrer  Variabilität  in  die  praglaciale  Periode  verlege. 
Ofleubar  hatte  auch  die  Species  homo  sapiens  eine  praglaciale  Urgeschichte, 
iu  welcher  der  gemeinsame  Stamm  in  die  verschiedenen  Zweige  auseinander- 
ging. Diese  erste  Periode  musste  sich  präglacial  abspielen,  nachdem  seit 
dem  Diluvium  keine  Variabilität  zu  beobachten  ist  Der  Mensch  verhält 
sich  eben  hier  genau  so  wie  die  grösste  Zahl  der  noch  heute  ihn  um- 
gebenden Wesen,  In  der  That,  „hinter  der  Arche  Noah*',  wie  sich  Rieger 
(24)  ausdruckt,  ist  noch  meiner  Meinung  die  Diffcrenzirung  der  Species 
erfolgt,  nachdem  xunn  sich  heute  vergeblich  nach  Beweisen  für  die  fort- 
dauernde Kraft  umgestaltender  Einflüsse  auf  den  Menschen   umsieht. 

Von  diesen  Gesichtspunkten  ausgehend,  findet  der  Leser  am  Scblass 
einen  Stammbaum  des  Menschengeschlechtes  aus  der  praglacialen  Periode, 
von  einer  Stammform,  einer  Species  ausgehend.  Er  enthält  sechs  Unter- 
arten, von  denen  sich  je  drei,  also  18  Varietäten  abgliedern.  Ein  Stamm- 
baum für  die  Menschenrassen  der  glacialen  Periode  ist  nberflüssig,  weil  sie 
sich  seit  jener  Zeit  ja  nicht  mehr  geändeit  haben.  Die  Aufgabe  der  Anthro- 
pologie und  der  Craniologie  für  diese  jüngere  Periode  liegt  darin,  die  Zu- 
sammen ae-t  zun  g  der  Völker  zu  geben,  soweit  sie  dazu  berufen  ist, 
d.  h*  soweit  ost'eologische  Merkmale  Aufschloss  geben.  Die  Ethnologie 
Linguistik  und  Archäologie  mögen  von  andern  Punkten  ausgehen,  die  Her- 
kunft und  die  Eigenschaften  der  Völker  zu  bestimmen;  die  Wege  werden 
sich  schliesslich  begegnen,  dessen  darf  man  überzeugt  sein. 

L 

Die  Frage  nach  der  Herkunft  der  autochthonen  Bevölkerung  Amerika's 
knüpft  an  die  übrigen  Kontinente  an.  Ist  das  Räthsel  gelöst  für  Europa* 
Asien,  oder  für  Afrika,  dann  liegt  auch  die  Lösung  für  Amerika  nicht  mehr 
fern,  vorausgesetzt,  dass  man  sieb  auf  den  Boden  von  der  Einheit  der  Ab- 
stammung   stellt.      Dann    ist    uämlich    der    innige    Zusammeubang    selbst- 


t  (fi»  Cieijrtea   sieht  so  tief 
ÜMffall   diccelbeB   wären  und 
arkesnbv  Uieben.   Der  Schädel 
inor  wis  Jon.  «fieaeObcm  GesicLtdbriMn  kommen 
ji  Mies,  'xeaiesn  tw.  me  iienexL  (iem  Besbcektcr  kdigtich  Varietäten  dar, 

1er  EUrnkapael,  allerdings 
3«^ajLi£rea  MuLaalea  tod  einander  ab.  Der 
amie  lieec  alao  cbrin^  das  Basaenzeichen  inner- 
iah ^liie:»  ifiiHmiiTniga  ^ilmaBtifig  erkaanc  za  haben.  £a  wäre  aber  falsch, 
3L  srnmoL  flflK»  Ziel  mi  dadnrdi  err«ckbar,  dass  man  sich  nun  zunächst 
jDC  -Kulaai  Sny  aoc  'ia»  anthcopdociache  and  craniologiscbe  Stadiam  eines 
maiiaiaii  ii.  BTimÄnmn»  anaacUkftilxdi  werfe.  Im  Gegentheil,  je  weiter  die 
finiirnaii    iesa  =aadher  werden  die  Xebel  sich  zeratrenen. 

In.  Edvnm  lanea  äek  Ter^ckiedene  Unterarten  nachweisen.  Die- 
iebesa  kmuBisn.  «wcs  mciiie  £i£ümuigen  reichen,  fiberall  vor,  aber  in 
aad«r«a  VazietäsesL  So  kaoa  ea  nicht  aberraschen,  dass  wir  auch  in 
and  K]insck*del  in  alter  and  neuer  Zeit  und  weit  in  die 
P«w«ie  znrack  finden.  Ea  handelt  sich  also  um  die  Zahl 
jor  sa^rikaAi sehen  MenschenTarietäten  und  um  ihre  hauptsächlichsten 
f.  In  £es«r  FrageateHong  zeigt  sich  schon  ein  wesentlicher  Fort- 
;  ia  «itf  Kesncnisa  der  anthropologischen  Verhältnisse  dieses  Kontinentes. 
Fr^&er  xMboe  ann.  eine  einzige  Rasse  sei  über  ihn  verbreitet,  vom  Kap 
H««  knaof  b»  zn  dtn  grossen  Seeen  des  Nordens.  Ich  bin  weit  entfernt, 
älr  iüä«  Anskkt  ansschliesalich  Blumenbach  verantwortlich  machen  zu 
w^iikm.  mackdem  noch  riel  später  Morton  und  Andere  auch  für  dieselbe 
sind.  Denn  ea  scheint  mir  der  naheliegende  um  nicht  zu  sagen 
Gang  nnserer  Vorstellungen  zu  sein,  dass  wir  einen  Kontinent 
vva  Mtldker  Focm  and  solch  isolirter  Lage  —  die  starren  Eisfelder  des 
N^xd^tts  sind  Ton  ebenso  isolirender  Kraft,  wie  das  wogende  Meer  — 
lunSbckss  Ton  einer  dnzigen  Kasse  bevölkert  denken.  Die  genauere  Unter- 
^ttcknng  hat  zwar  bald  gelehrt,  dass  diese  eine  Rasse  doch  sehr  bedeutende 
Varianlen  basiize,  und  der  Gedanke  von  mehreren  autochthonen  Rassen  ist 
anck  bi»w^en  ausgesprochen  worden,  aber  festen  Fuss  hat  er  trotz  mancher 
aaaK>HÜacker  Gründe  nicht  gefasst.  Wer  den  Standpunkt  bis  zum  Jahr  1865 
k^ttnen  lernen  will,  den  darf  ich  auf  die  vortreffliche  Studie  von  Th.  Waitz: 
Di«  Indianer  Nordamerika's  verweisen,  welche  von  Dr.  Ploss  nach  dem  Tod 
diesem  bewunderungswürdigen  Gelehrten  herausgegeben  wurde.  Entscheidende 
Thal^taclien  gegen  die  unitarische  Ansicht  hat  später  erst  Andreas  Retzius 
b^'ig^bracht«  Wenn  sie  nicht  jene  Beachtung  fanden,  die  sie  verdienten,  so 
li«gt  der  Grand  unzweifelhaft  darin,  dass  er  sofort  die  Lösung  der  grossen 
Pn>bleme>  welche  die  physische  Anthropologie  Amerika's  birgt,  mit  kecker 
Zuveraicht  versucht  Er  beweist  aber,  dass  in  Amerika  zwei  verschiedene 
Menschenrassen   zu   finden  sind,   im  Westen   des   ganzen  Continentes   eine 


Die  Anfocht  honen  Amerilta's, 


11 


kurzköpfige  und  im  Osten  eine  langköpfige.  Das  ihm  vorliegendle  Material 
war  entscheidend  für  die  Doppeloatur  der  Äutochthonen.  Das  Dogma  von 
der  Kassen  ein  heit  war  für  Amerika  dadurch  zerstört,  nnd  scheinbar  war  er 
im  Recht,  nach  der  Provenienz  des  ihm  vorliegendeD  Materiales  eine  ganz 
bestimmte  Vertheilung  dieser  beiden  Rassen  anzonehmen.  Aber  es  hat  sich 
später  herausgestellt,  dass  sie  in  dieser  Art  nicht  existirt.  Der  Gebirgstock, 
welcher  den  langgestreckten  Erdtheil  vom  Norden  bis  zum  Süden  durch- 
zieht, bildet  keine  Volker^cheide,  wie  A.  Retzins  nach  der  Provenienz  der 
ihm  zur  Verfügung  gestellten  Schädel  annehmen  durfte.  Der  Wunsch,  auch 
die  Herkunft  dieser  beiden  Rassen  sofort  aufzuklären,  legte  ihm  dann  noch 
die  Vermuthung  nahe,  die  langköpfige  Bevölkerung  sei  vom  Osten  von 
Afrika  her,  eingewandert  vielleicht  als  Berbern  und  Guanchen,  während  die 
dea  Westens  von  Asien  stammen  sollte,  und  auf  mongolische  und  vielleicht 
auch  malayische  Stämme  zurückgeführt  werden  müsse.  Die  angenommene 
geographische  Trennung  der  Rassen  war  aber  bald  durch  die  Beobachtung 
als  falsch  erwiesen,  und  so  hat  auch  weder  sein  Erkläruogs versuch  vou  der 
Herkunft  derselben  noch  der  Nachweis  zweier  Kassen  tiefere  Spuren  in  der 
Anthropologie  Amerikas  zurückgelassen. 

Mit  einem  Vortrage  R.  Virchow's  (3J  tritt  die  Rassenfrage  Amerika  s 
in  eine  neue  Phase.  „Von  dem  Standpunkt  der  klassificirenden  Anthropologie 
aus  drängen  die  Beweise  zu  dem  Schliisse,  dass  es  unter  der  autochthonen 
Bevölkerung  Amerika's  keine  Einheit  der  Rasse  giebt."  Wir  haben,  führt 
er  aus,  nach  zwei  Richtungen  hin,  in  den  am  wenigsten  cultivirten  Theilcn 
des  grossen  Conti nents  z\^ei  ganz  auseinanderiiegende  Typen  kennen  geler dL 
Bei  den  Eskimo' s,  den  Tapuio^s,  Botokuden  und  Patagoniem,  selbst  bei 
Peruanern  und  Chibchas  sind  dolichocephale  Formen  gefunden,  und  auf  der 
anderen  Seite  stossen  wir  bei  den  Moundbuilders  und  Muschelmenschen, 
den  Garaiben,  Araucanem  und  Pampeos  auf  kurzköpfige  Rassen.  Beide 
müssen  seit  undenklicher  Zeit  existirt  und  sich  durcheinander  geschoben 
haben.  Mit  ruhiger  Ohjectivität  enthält  er  sich  jeder  Folgerung,  welche 
von  beiden  die  frühere  ist  und  sv eiche  die  spätere.  Denn  es  steht,  wie  er 
ausdrücklich  hervorhebt,  noch  keineswegs  fest,  dass  nur  eine  dolichocephale, 
und  eine  brachycephäle  Rasse  sich  gegenseitig  verdrängt  haben.  In  diesen 
letzten  Worten  liegt  deutlich  der  Hinweis,  dass  das  Problem  der  physischen 
Anthropologie  Amerika's  mit  der  Entdeckung  der  Zweiheit  der  Rassen 
keineswegs  abgeschlossen  sei.  In  der  That  taucht  in  Amerika  sofort  die 
Frage  nach  der  V'^ielheit  und  in  naturgemässem  Zusammenhang  damit 
auch  diejenige  nach  dem  Alter  dieser  Rassen  auf,  gerade  wie  in  Europa, 
Bei  uns  währt  der  Streit  hierüber  schon  geraume  Zeit,  und  die  Ueberzeugung 
gewinnt  mehr  und  mehr  die  Oberhand,  dass  wie  in  der  Geologie  eine  Reihe 
von  Schichten  in  strenger  Zeitfolge  sich  über  einander  gelagert,  so  auch  in 
der  Bevölkerung  des  kleinsten  aller  Continente  eine  Stratihkation  von  auf- 
einanderfolgenden Rassen  nachzuweisen  sei.    Die  Entscheidung  dieser  Frage 


jl  ^  J.  Kollmanoi 

für  Amerika  wurde  für  die  in  Europa  von  nicht  geringerem  Einfluss  seiiij 
als  ea  der  Nachweis  mehrerer  Rasaen  ist  Auch  hierfür  gicht  Amerika  einen 
unerw^arteten  rSeitrag,  um  tlie  Sachlage  in  Europa  zu  entscbeiden. 

Ich  will  zunächst  lediglich  an  der  Hand  cranio logischen  Materiales 
Zablenbelege  beibringen: 

1,  Für  die  Piuralität  der  Varietäten*)  in  Amerika, 

2,  Für  die  Verbreitung  aller  dieser  Varietäten  über  den  ganzen 
Kontinent 

Das  Verfahren,  das  ich  hierfür  einschlage,  besteht  in  der  Benützung 
der  Lüngt;nbreitenindices  von  1500  Schüdelo  aus  allen  Gebieten  vom  Feuer- 
land bis  zur  Behringstraase.  Diese  Zahl  scbeint  mir  ausreichend,  um  damit 
wenigstens  eine  allgemeine  Uebersicht  zu  gewinnen»  Denn  aus  einem  zahlen- 
mässigen  Vergleich  der  Haaptdiraensionen  an  der  Hirnkapsel  muss  nicht 
allein  die  Frage  über  Einheit  oder  Vielheit  sieh  endgiltig  entscheiden  lassen, 
auch  die  Verbreitung  dürfte  wenigstens  in  den  allgemeinsten  Umrissen  bei 
einer  solch  ausgedehnten  Vergleich uug  gewonnen  w^ erden. 

Die  in  der  Literatur  vorhandenen  Zahlen  verzeichnen  die  Lange  und 
Breite  und  zwar 

aus  den  Gebieten  Nordamerikas  für     ...     ,    917  Schädel 

„     Central-  und  Südamerika  für 248         „ 

„     den  Gebieten  der  Eskimo's  für       ....    127         „ 
„      „     Mounds,  Muschelhaufen  u,  s.  w.  für    .   208        „ 

Die  meisten  Angaben  über  die  autochthone  Bevölkerung  enthält  Otis 
G.  A.  (1). 

In  diesem  Catalog  des  Army  medical  Museum  von  Washington,  ist  die 
Provenienz  all  der  aufgeführten  Speer mina  gegeben,  und  zwar  in  so  voll- 
ständiger Weise,  dass  keinerlei  Zweifel  bleiben  kann  über  das  Gebiet,  aus 
welchem  das  mit  der  Catalognummer  aufgeführte  Object  erhalten  wurde. 
Die  Sorgfalt  ist  noch  weiter  getrieben,  denn  die  Indianerstämme  sind  mit 
Namen  aufgeführt,  deren  Vertreter  sich  in  dem  Army  medical  Museum  finden, 
so  dass  jedes  Oranium  bis  zu  seinem  Stamm,  also  bis  zu  seiner  ethnischen 
Ursprungastätte  zurück  verfolgt  werden  kann.  Neben  der  Länge  und  Breite, 
Höhe  und  Circumferenz  des  Schädeldaches  ist  dann  noch  ein  Gesichtswinkel 
und  die  Distanz  der  Jochbogen  angegeben  und  überdies  das  Geschlecht  be- 
zeichnet worden.  Ich  fuhi^e  diese  Umstände  an,  um  einen  Beleg  für  die 
Genauigkeit  und  Sorgfalt  dieser  Arbeit  zu  geben.  Denn  daduich  recht- 
fertigt sich  auch  das  Vertrauen  in  die  genaue  Abnahme  der  einzelnen  Masse, 
welche  für  die  vorliegende  Arbeit  in  Verwendung  kommen^). 

Für  die  vorliegende  Untersuchung  enthält  femer  der  Thesaurus  Craniorium 


1)  Meba  Bezeichnuijg  »Vanetäf  ist  ideDtisch  mit  dem,  was  gew5bo1icb  als  Rasse  be- 
zeichnet wird. 

2)  Ich  möchte  die  Aothropologen  auf  die&e  Publicatioa  aufmerksam  machen^  weil  in  ihr 
noch   eine  Fiitle  wer th Völler  Zahlen  zur  Bearbeitung  uledergelegt  ist. 


Die  Autochtht^Tien  Amerika*«. 


13 


von  B.  David  ansehnliche  Zühlenreihen,  und  ebenso  fruchtbar  erweist  sich 
jetzt  schon  das  von  der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  in  der 
Durchführung  begriflfene  Yerzeichnisö  des  in  Dcutnchland  vorhandenen  an- 
thropologischen Materiales.  Die,  unter  Leitung  des  Vorsitzenden  Schaaff- 
hausenj  zu  diesem  Zweck  ernannte  Cümmission  hat  bereite  unter  dem  Titel 
jjdie  anthropologischen  Sara ailun gen  Deutschlands**  mehrere  Verzeichnisse 
veröffentlicht  Diejenigen,  welche  für  meine  Untersuchung  Material  boten, 
sind  in  dem  Literaturverzcichniss  am  Schluss  besondere  aufgeführt. 

Dieses  ansehnliche  Material  bedurfte  einer  bestimmten  Gruppirnng.  Sie 
erfolgte  nach  folgenden  Gesichtspunkten.  Zunächst  wurden  die  Schädel  aus 
den  Mounds  ausgeschieden.  Wie  Europa  so  hatte  auch  Amerika  eine  Hügel- 
gräberepoche höchst  überraschender  Art,  über  die  bereits  eine  reiche 
Literatur  vorliegt.  Aus  diesen  Uügeln  (Mounds)  sind  Artefakte  ans  Metall 
Qod  Stein  und  Thon  etc.  erhoben  worden,  und  ebenso  menschliche  Reste. 
Wie  weit  diese  Mounds  und  andere  Arten  von  präcolumbischen  Bauten, 
welche  von  einer  hohen  ond  weitverbreiteten  Cnltur  Zetigniss  geben,  in  die 
vergangenen  Jahrliunderte  zurückreicheD,  ist  nicht  festgestellt.  Jedenfalls 
hat  der  Craniologc  die  Verpflichtung,  die  Schadet  aus  dieser  Periode  einer 
gesonderten  Prüfung  zu  «üterw^erfen.  Diese  Mounds  kamen  vorzugsweise 
in  Nordamerika  vor<  Es  sind  aber  auch  in  CenU'al-  und  Südamerika  Schädel 
in  alten  Grabstätten  und  Muschelhugeln  gefunden.  Alle  solche  Schädel, 
selbstverständlich  auch  jene  der  Cliff-D wellers,  der  Bewohner  der  Felsen- 
bürgen  sind  unter  dem  CoUectivbegriä  der  präcolumbischen  Bewohner 
oder  kürzer,  obwohl  nicht  ganz  richtig,  der  Mound-Builders,  zusammen- 
gefasst  worden.     So  bleiben  denn  noch  12^2  Schädel,  welche  zu  einer 

L  Aufstellung    einer  Gesamra tubersicht    benützt    wurden.     Sie 
umfaast  Cranien^  welche  nur  von  Autochthonen  Amerika  s  stammen. 

Dieser  Ausdruck  schliesst  jedes  Miaaverständniss,  wie  ich  hoffe,  voll- 
ständig aus.  Es  sind  damit  die  Eingeborenen  des  Continentes  gemeint  von 
der  Entdeckung  Araerika's  bis  in  unsere  Tage  herein.  Es  ist  dabei  gleich- 
giltig,  ob  die  betreffenden  Schädel  aus  Indianergräbern  stammen,  oder  in 
irgend  einem  der  letzten  Kämpfe  gewonnen  wurden,  ob  also  ihre  einstigen 
Besitzer  im  16.  Jahrhundert  nach  europäischer  Rechnung  gelebt,  oder  die 
Schwelle  der  letzen  Jahrzehnte  überschritten  hatten.  Diese  Gesammtübersicht 
findet  ihren  zahlen  massigen  Ausdruck  in  der  Tabelle  I,  in  welcher,  wie  in 
allen  folgenden  der  Längenbreiteuindex  (L.  B.)  in  der  ersten  Columne,  die 
Zahl  der  auf  jeden  Längenbreiteuindex  gefundenen  Schädel  in  der  zweiten 
Columne  aufgeführt  ist,  während  die  dritte  Columne  diese  Zahlen  anf 
Procente  reducirt  enthält  Diese  letzte  Reduction  der  1292  Cranien  auf 
100,  in  procentischer  Zusammensetzung  und  nach  dem  Längenbrei tenindex 
geordnet,  gewährt  einerseits  eine  klare  Oebersicht  der  sonst  schwerfälligen 
Zahlen,  and  entspricht  andererseits  selbst  weitergehender  strenger  Methode. 
Wenn  Rassen  Verschiedenheiten  exi  stiren,    so  müssen   sie    durch  ein    solches 


u 


J.  Kollmann: 


Verfahren,  das  auf  einem  grossen  Beobachtungsmaierial  beruht,  zum  Ausdruck 
gebracht  werden  können.  — 

Tabelle  I 

für  eine  Ourve  der  Autochthonen  Amerika*s,  nach  dem  Längenbreitenindex 
des  Schädels  (L  :  B)  bestimmt. 


Zahl  der  auf 

Schadelzahl 

L:B 

jeden  L :  B 
kommenden 

anf  100 

Bemerkungen 

Schftdel 

redacirt 

1 

68 

2 

0,15 

Benutzt   wurden   fSr 

diese 

64 
65 

0 
3 

0,00 
0,23 

Tabelle: 

66 
67 

2 

11 

0,15 
0,85 
1,00 

Eskimoschädel  .    .    .    . 

127 

68 

13 

(22,77  pOt.) 

Indianersch&del  aus  Nord- 

69 
70 

9 
32 

0,69 
2.74 

Dolichocephalie 

amerika     

917 

71 

29 

2,24 

Indianersch&del  ans  Cen- 

72 

25 

1,93 

tral-  and  Südamerika . 

248 

73 

35 

2,70 

74 

58 

4,64 

zusammen    .    . 

1292 

75 

74 

5,72 

76 

78 

6,03 

" 

77 

74 

5,72 

(36,92  pCt.) 

78 
79 

107 
104 

8,28 
8,00 

80 

102 

7:89 

81 

89 

638 

82 

(^8 

5,26 

(22,60  pCt.) 

83 

84 

50 
49 

3,81 
3.79 

Brach  ycephalie 

86 

57 

2,86 

86 

32 

2,47 

' 

87 

27 

2,08 

88 

31 

2,47 

89 
90 

23 
17 

1,77 
1,31 

(14,3  pCt) 

91 
92 

11 
14 

0,85 
1.08 

Hyperbrachycephal. 

93 

10 

0,77 

94 

8 

0,61 

96 

8 

0,61 

96 

3 

0.23 

97 

4 

0,30 

98 

10 

0.77 

99 

3 

0.23 

100 

12 

0.92 

101 

7 

0.54 

102 
103 

2 
4 

0,16 
0.30 

(4,66  pCt.) 

104 
106 

t 

0,00 
0.23 

KünttHcbe 

106 

2 

0,15 

Braohyeephalie 

107 

2 

0,15 

108 

1 

0,07 

109 

3 

0,28 

111 

1 

0.07 

114 

1 

0,07 

116 

1 

0,07 

110 

1 

0,07 

Dte  Atitoebtboneti  Amertka^s. 


15 


Auf  die  Berechnung  von  Mittelzahlen  wurde  gänzlich  verzichtet  Der 
Grund  hiervon  soll  später  hervorgehoben  werden.  Dagegen  habe  ich  von 
der  sogenannten  graphischen  Methode  Gebrauch  gemacht,  wie  solche  «eit 
lange  in  den  physikalischen^  physiologi sehen  und  statistischen  Disciplinen 
verwendet  wird,  und  die  neuerdings  auch  in  der  Anthropologie  Eingang 
gerunden  hat.  Sie  überträgt  die  Ergebnisse  der  Messung  der  Cranien  und 
die  der  prozentischen  Berechnung  von  den  Unterschieden  der  Form  in  eine 
Fjgur,  die  ans  auf-  und  absteigenden  Linien  zusammengesetzt  ist  Giebt 
es  z.  B,  von  einem  bestimmten  Längenbreitenindex  viele  Schädel,  so  steig 
die  Linie  in  die  Höhe,  umgekehrt  fallt  sie  auf  die  sogenannte  Abscisse  zurück. 
So  entstehen  jene  Curven,  welche  dem  Kenner  mit  einem  Blick  alles  sageUj 
was  in  den  Zahlen  verborgen  ist. 

Als  Abscissen  sind  an  der  Curventafel,  ähnlich  wie  in  den  Tabellen 
die  Längenbreitenindices  fortschreitend  von  62 — 116  aufgezeichnet,  als 
Ordinate D  ^itehen  die  Zahlen  der  Schädel,  an  welchen  dieser  Index  be- 
obachtet wurde.  Durch  die  Curven  sind  Trennungsstriche  gezogen,  um  die 
einzelnen  Abtheilungen  tür  Dolicho-^  Meso-,  Brachycephalie  und  namentlich 
auch  für  die  künstliche  Brachycephalie  leichter  unterscheiden  zu   können^). 

Die  enorme  Länge  der  Abscisse  ist  nothwendig  geworden  für  Amerika, 
weil  dort  die  künstliche  Schädel verbildnng  geübt  wird  und  zwar  vorzugs- 
weise in  der  Absicht,  möglichst  breite  und  hohe  Schädel  hervorzubringen. 
Dadurch  erhält  die  Curve  ein  für  diesen  Continent  eigenaitiges  Gepräge, 
Ich  habe  aus  guten  Gründen  auch  diese  künstlich  erzeugten  Formen  mit 
aufgenommen,  weil  es  zur  Zeit  unmöglich  ist,  die  äussersten  Grade  der 
Hy  per  brachycephalie  von  derjenigen  durch  absichtliche  Umformung  ent- 
standenen zu  unterscheiden.  Im  Allgemeinen  dürfen  wir  sagen,  dass  alle 
Schädel,  deren  Längenbreitenindex  jenseits  von  95  Hegt,  nur  durch  gewalt- 
same mechanische  Mittel  soweit  getrieben  wurden.  Unter  diesen  allgemeinen 
Ausdruck  fallen  auch  jene  alten  Gräber schädel,  welche  post  mortem  durch 
das  Gewicht  der  Erde  allmählich  „verdrückt  wurden/ 

Es  ist  in  vielen  Fällen  unmöglich  zu  entscheiden,  ob  vor  dem  Tod  oder 
nach  dem  Tod  die  Deformation  eingetreten  ist.  In  weitaus  den  meisten 
Fällen  ist  sie  nach  den  vorliegenden  Berichten  intra  vitam  geschehen. 

Nach  dieser  allgemeinen  Uebersicht  über  die  1292  Schädel  (siehe  Ta- 
belle 1  und  Curve  1),  wurden  dann  noch  einzelne  grosse  Gebiete  speciell 
untersucht,  und  zwar 

2.  Nordamerika,  umfassend  das  Gebiet  der  Vereinigten  Staaten  und 
Britisch- Amerika  mit  Ausschluss  der  sog*  Polarvölker:  Tabelle  2  und 
Cnrve  2. 

3.  Central'  und  Sudamerika.     Tabelle  3  und  Curve  3,    Wegen  der 


1)   Bei  d6r  Berechoung  der  Indices  und  der  Hersteiluog  der  Tftbellea  und  CurTön  hat 
mich  Herr  Studiosus  med.  Nordmaon  aua  Basel  uaterfttuLzt* 


16  J.  KoUrnann: 

eigenartigen  Kultur  wurde  Mexiko  ia  diese  Abtlieilung  eingeatellt, 
B.  Davis  zählt  wie  üblich  in  dem  Thesaurus  craniorum  Mexiko  zu 
dem  Norden.  Nach  meiner  Ueberzeugung  hat  der  Anthropologe  das 
Kechl,  anthropologische  Grenzen  zu  ziehen  ^ind  sich  von  den  poli- 
tischen Grenzen  zu  befreien,  wie  dies  offenbar  stets  auch  die  Hassen 
gethan  haben.     Eine  besondere  Zusammenslellung  omfasst  ferner: 

4.  Die  Eskimo'ö.  Es  ist  dies  der  CoUectivbegriff  für  die  verschie- 
denen Stämme,  welche  unter  einem  anderen  allgemeineti  Ausdruck 
auch  als  Polar  Völker  betrachtet  werden.  Es  wurden  alle  Cranien 
von  dem  arktischen  Gebiete  Nordamerikas  berücksichtigt,  also  das 
ganze  durch  die  Literatur  erreichbare  Material  zusammengetragen. 
Die  gewonnenen  Resultate  enthält  die  Tabelle  4  und  die  Curve  4. 

Endlich  sind  wie  schon  erwähnt 

5,  die  präcolumbischen  Volker  getrennt  von  den  Üebrigen  auf- 
geführt in  der  Tabelle  5  und  der  Cnrve  5.  Diese  Trennung  hat 
etwas  willkürliches,  allein  es  giebt  bei  dem  Fehlen  jeglicher  geschicht- 
lichen Grenze  kein  anderes  Mittel,  als  der  Archäologie  das  letzte 
Wort  einzuräumen-  Die  Art  der  Bestattung  wurde  hier  der  Weg- 
weiser. 

Um  überdies  möglichst  sicher  zu  gehen,  wurden  alle  Cranien,  welche 
als  Alt-Peruaner  und  als  Peruaner  überhaupt  in  der  Literatur  aufgeführt  sind, 
der  actuellen  Bevölkerung  Centralamerikas  zugezählt.  Ich  glaube,  man  hat 
kein  Recht,  die  Altperuaner  als  präcoLumbisch  zu  bezeichnen  und  sie  mit 
den  Mound-Builders  zusammenzuwerfen,  Sie  gehören  mit  zu  der  Gruppe 
der  spatem  Autochthonen,  ihre  Nachkommen  leben  noch  heute,  Reste  des 
Volkes  haben  sich  erhalten  wie  seine  Gräber  und  seine  Mumien,  Der  eth- 
nische Znsammen  hang  ist;  gewahrt  von  der  Eroberung  des  Gontinentes  bis 
herein  in  unsere  Tage.  Das  alles  lässt  sich  von  den  Mound-Builders  nicht 
sagen,  sie  gehören  einer  früheren  für  uns  völlig  dunkeln  Periode  an  und 
was  von  ihnen  an  anatomischem  Material  vorliegt,  können  und  müssen  wir 
getrennt  benrtheilen. 

Ich  darf  diese  Bemerkungen  über  die  Methode,  das  vorliegende  cranio- 
logiscbe  Material  zu  benützen,  nicht  seh  Hessen,  ohne  einige  andere  Bemer- 
kungen über  den  Werth  des  Längenbreitenindex  für  die  Bestimmung  der 
Rassen merkmale  beizufügen.  Für  die  vorliegende  Studie  wurde  nur  ein 
einziger  Schädelindex  verwendet,  der  allerdings  stets  eine  besonder©  Beach- 
tung für  die  Bestimmung  der  Rassen  gefunden  hat.  Der  Längenbreitenindex 
giebt  nämlich  einen  zahlen  massigen  und  kurzen  Ausdruck  für  die  Länge  der 
Schädelkapsel  in  dem  Verhaltniss  zu  ihrer  Breite.  Die  Species  Homo  zeigt 
in  dieser  einen  Dimension  so  bedeutende  Unterschiede,  dass  man  schon  seit 
A.  Retzius  Unterarten  mit  langem  und  solche  mit  kurzem  Hirnschädel 
von  einander  treant.  Sie  werden  einander  gegenüber  gestellt,  und  die  Be- 
rechtigung zu  dieser  Auffassung  ist  von  allen  Seiten  anerkannt.     Später  hat 


Die  Antocbthonen  Amerika^s. 


17 


Tabelle  II 

für  eine  Curve  der  Autochthoneu  Nordamerika's,  nach  dem  LäDgen- 
breitenindex  der  Schädel  (L  :  B)  bestimmt. 


Zahl  der  auf 

Schädelzahl 

L:B 

ieden  L :  B 
kommenden 

auf  100     1 

Bemerkuof^en 

Schädel 

reducirt     | 

65 

1 

0,10 

Benutzt    wurden    für    diese 

66 
67 

""" 

^"~ 

Tabelle  917  Schädel  von  An- 

68 

2 

0,21 

tocbthonen  Nordamerika's  i.  e. 

69 
70 
71 

1 

0,10 

(15,75  pCt) 

von  Indianern.  Davon  befinden 

8 
10 

0,87 
1,09 

Dolichorephalie 

sich  845  im  U.  S.  Army  med. 

72 
73 

7 
15 

0,73 
1,63 

Museum  zu  Washington.    Die 

74 

43 

4.68 

übrigen  in  verschiedenen  Mu- 

75 

58 

6,32 

seen  Europa's. 

76 

61 

6,65 

' 

77 

58 

6,32 

(40,26  pCt.) 

78 

90 

?'H^ 

Mefiocephalio 

Namen  der  Autoren,  denen 

79 

80 

88 
83 

9,05 
8,99 

das  Zahlen materinl  entnommen 

ist: 

81 

72 

7.85 

(        (25,81  pCt.) 
Bracbycephalie 

82 

58 

?'?? 

Otis  (Nr.  1) 

83 
84 

39 
39 

4,14 
4,14 

Spengel  (Nr.  2a) 

85 

31 

3,86 

, 

Broesike  (Nr.  2b) 

86 

18 

1,90 

Ecker  (Nr.  2c) 

87 

13 

1,41 

Schaaffbausen  (Nr.  2d) 

88 
89 

20 
12 

2.18 
1,30 

Virchow  (Nr.  8) 

90 

14 

1,52 

(11,96  pCt.) 

Davis  B.  (Nr.  5) 

91 
92 

7 
11 

0,73 
1,19 

Hyperbracbjcepbal. 

93 

5 

0,54 

94 

5 

0,54 

NB.    Die  Schädel  aus  Mexiko 

95 

0 

0,65 

wurden   zu  der  Tabelle  der 

96 

1 

0,10 

autochthoneu  Rassen   Cen- 

97 
98 

4 
8 

0,43 
0,87 

tral-  und  Südamerika's 

99 

3 

0,32 

gestellt. 

100 

8 

0,87 

101 

5 

0.54 

102 
103 

1 
2 

0,10 
0,21 

(4,48  pCt.) 

104 

__ 

105 

2 

0,21 

Künstliche 

106 
107 

1 
2 

0,10 
0,21 

Brach  ycephalie 

108 





109 

3 

0,82 

110 



— 

111 

1 

0,10 

112 



— 

113 



— 

114 

1 

0,10 

ZcMRchrift  für  Ethnologie.    Jabry.  1833, 


18  ^^HB^I  ^'  Kullmann: 

man  dann  zwischen  den  DoHchocephalen  und  den  Brachycephalen  auf  Grund 
eingebender  Studien  eine  mesocephale  Unterart  festgestelk,  NcnesteDs  i»t 
ciidlicii  noch  eine  hyperbrachycephale  unterschieden  worden,  in  der  ako  alle 
jene  Cranietj  Kusammengefasst  werden,  welche  durch  eine  besondere  Kurze 
sich  auszeichnen.  Die  zahlenmässigen  Grenzen  für  diese  verschiedenen 
Schädelformen  werden  wie  folgt  angenommen: 

Die  Dolichocephalie  (Langschädel)  liegt  unter    .     75,0 

,,     Mesocephalie  reicht  von 75,1—80 

yy  Brachyccphalie  (Kurzschädel)  reicht  von  .  .  80,1 — 85 
„  Hyperhrachycephaüe  liegt  über  .....  85,1  ^) 
Dieser  allgemein  gehaltene  Maassetab  untersuch  cid  et  abo  nach  dem 
liängenbreitenindex  vier  verschiedene  Rassen.  Die  Skala  dient,  das  sei  aus- 
drücklichst bemerkt,  fär  die  methodische  Craniologie  überhaupt,  nicht  blos 
für  jene  Amerika'»  und  wenn  ich  sie  anwende,  ao  halte  ich  jede  Diskuaeion 
über  die  Berechtigung  einer  solchen  Aufstelhing  selbstverständlich  offen. 
Die  Einwurfe  sind  ja  bekannt.  Man  kann  darüber  streiten,  ob  es  hyper- 
brachycepliale  Russen  und  ob  es  mesocephale  Rassen  gebe.  Ich  will  be- 
züglich dieser  noch  bestrittenen  Kategorien  hier  keinerlei  Norm  aufstellen, 
obwohl  ich  zu  der  Frage  über  die  Existenz  einer  typischen  Mesocephalie 
wenigstens  für  Europa  viele  Thatsachen  beigebracht  habe.  Man  kann  ge- 
trost die  Entscheidung  hierüber  noch  der  Zukunft  überlassen.  Das  Zahlen- 
material in  den  Tabellen  und  die  Gestalt  der  Curveo  an  jener  Stelle,  wo 
die  Grenzen  für  die  Mesocephalie  eingetragen  sind,  sprechen  so  vernehmlich, 
dass  sie  jedem  Craniologen  ein  quos  ego  zurufen,  und  die  Erörterung  dieser 
Frage  für  Amerika  ebenso  wenig  umgangen  werden  kann  wie  für  Europa. 
Ich  ziehe  es  aber  vor,  über  die  Mesocephalie  und  die  Hyperbrachycephalie 
zunächst  nur  die  Tabellen  und  die  erklärenden  Ciii'ven  reden  zu  lassen. 

Bezüglich  der  am  meisten  nach  rechts  in  den  Curven  befindlichen  Ab- 
theilung, derjenigen  für  die  künstliche  Brachycephalie  bemerke  ich  da- 
gegen folgendes.  Die  künstliche  Schädel bildung  ist  in  Bexug  auf  die  extremen 
Grade  der  künstlichen  Verdrückung  und  in  der  Häufigkeit  des  Vorkommens 
eine  charakteristische  Eigenthnmlichkeit  des  amerikanischen  Continentes. 
Aus  keinem  Gebiet  mit  dem  barbarischen  Gebrauch  gewaltsamer  Umformung 
des  Hirnschädels  sind  so  zahlreiche  Specimina  bekannt  geworden,  und  dabei 
Cranien  von  solch  extremer  Kürze.  Ganz  besonders  lehrreich  sind  in  dieser 
Hinsicht  die  Curven  1,  2,  3  und  5^  auf  welchen  künstliche  Brachycephalie 
bis  zu  einem  Längen br ei  tenindex  von  114—116  wiederholt  vorkommt.    Dar- 


I 


1)  In  den  Curven  kommeu  stark  ausgezojireiie  Linien  vor.  Sie  bezeichnen  die  Grenzen 
der  obigen  Schädel  längen.  Solche  Linien  erleichtem  den  Ueherblick,  denn  die  äusaerste  licke 
Abtheil ong  jeder  Curve  enthüll  die  graphiache  Darstelluigg  von  der  Hiu%keit  der  Lang- 
achadel;  an  der  iassersten  rechten  Abtheilung  sind  die  künstlich  verbildeten  und  extrem 
kurzen  Cranien  erkennbar,  und  die  mittleren  Abtheitungen  enIhulteD  die  Meso-  und  Brachy- 
cephalie. 


l>ie  AijtofTithöneu    Amenk^'s, 


19 


über  hiuttua  öclieiut  ^icli  der  kiiidlicbe  Schädel  oiclit  widorniUCirlicli  ver- 
schieben zu  hi8äf!Q,  Wahrend  damit  die  eine  Grenze  der  küDstlicheu  Brachy- 
cephalie  feätgeatellt  ist,  fehlt  an  den  Cranien  leider  oft  das  Criteiium,  um 
die  leichteren  Grade  zu  erkennen.  Das  ist  zwar  für  uns  hier  in  diesem 
Fall  im  Ganzen  glcichgiltig.  Um  jedoch  vollkommen  sicher  zu  gehen,  habe 
ich  in  den  Tabellen  und  Curven  den  Anfang  auf  den  Längenbreitenindex 
yon  95,0  gesetzt*  Manche  der  ah^  lijperbrai*iiyce[>hal  durch  den  Maassstab 
bestimmten  Schädel  mögen  wold  schon  künstlich  deformirt  sein,  allein  das 
ändert  wenig  an  dem  Ergebniss,  daa.s  die  Ilyperbrachycephalie  auch  durch 
natürliche  Bedingungen  hergestellt  sehr  bedeutend  vertreten  ist*  Die  Angaben 
der  Autoren,  welche  die  Schädel  gemessen  iiaben,  sind  in  dieser  Hinsicht 
so  präcid  als  immer  möglicb.  Rechnet  man  alle  Fälle  ab,  in  denen  auch 
nur  der  Verdacht  auf  künstliche  Umformung  besteht,  so  bleibt  dennoch  eine 
betrachtliche  Zahl  reiner  Hyperbrachycephaten  in  Amerika,  die  übrigens  ja 
auch  in  Europa  in  grosser  Ausdehnung  zu  fiudrn  ist.  Ich  verweise  in  dieser 
Hinsicht  nur  auf  die  Arbeiten  J.  Rauke 's  (15)  über  die  Schädel  der  alt- 
bayerischen  Landbevolkeruug  und  meine  Beiträge  zu  einer  Craniologie  der 
europäischen  Völker  (16).  So  anfgefasst  dürfte  vs^eder  die  in  den  Tabellen 
und  Uurven  erscheinende  Kategorie  der  Hyperbruehyoephalen,  noch  diejenige 
der  kün etlichen  Brachycephalen  auf  schwerwiegende  Bedenken  stossen. 

Die  weite  Grenze,  welche  ich  der  Hyperbruchycephalic  gesteckt,  schliesst 
jedenfalls  den  Vorwurf  aüs,  dass  ich  die  Zahl  der  künstlich  erzeugten  Kurz- 
schfidel  zu  hoch  gegiifien.  Ich  verzichte  darauf,  in  weitere  Details  über  die 
Arten  der  kunatHchen  Schädelumformuag  hier  einzutreten.  Sie  sind  schon 
oft,  und  erst  wieder  in  der  jüngsten  Zelt  erschöpfend  behandelt  worden,  z.  B. 
durch  V.  Lenhossek  (18)  und  A.  B  Meyer  (17).  Es  handelt  sich  hier 
nur  um  eine  übersichtliche  Darstellung  der  allgemeinen  Rassen vcrhältuisse 
Amerika's.  Das  überraschende  Ergebnias,  dass  unter  den  Monnd-Builders 
die  DeformiruDg  am  stärksten  betrieben  wurde,  zeugt  für  das  hohe  Alter 
dieser  seltsamen  Sitte, 

Ich  muss  wohl  noch  des  Umstandes  gedenken,  daas  die  Methode  die 
Länge  des  Schädels  zu  messen  nicht  überall  dieselbe  ist,  und  dass  manche 
der  von  mir  benutzten  Autoren  ein  anderes  Verfahren  angewendet  haben 
Allein  ich  darf  diu  an  erinnern,  dass  die  Unterschiede  oichl  sehr  beträchtlich 
sind.  Für  brachycephale  Schädel  ist  es  nahezu  gleichgiltig,  ob  man  die 
Länge  nach  dem  Projections System  bestimmt,  oder  mit  dem  Tasterzirkel. 
Für  die  Doüchocephalie  ist  der  Unterschied  in  manchen  Fällen,  nicht  in 
allen,  etwas  beträchtlicher,  allein  er  kommt  nur  in  Frage  an  den  Grenzen 
zwischen  der  Dolichocephalie  und  Mesocephalie,  Zur  Beruhigung  kann  ich 
mittheilen,  dass  Schädel,  welche  nach  dem  Projectionssystem  einen  Längen- 
breitenindex  von  74,6  aulweisen,  durch  kein  Messverfabren  der  Welt  in  die 
Mesocephalie  hinaufgerückt  werden,  sondern  stets  der  Seite  der  Dolicho- 
cephalie   zufallen.     Dadurch,   dass  also  Projectionssyätem   und  gewöhnhche 

2* 


'^^O  J*  Kollmann: 

Art  der  Langem essung  für  dieso  StuJie  Zahlen  geliefert,  wird  nur  .die  Menge. 
der  Mesocephalen  etwns  geringer,  eJn  Umstand,  der  vielleicbt  Manchem 
vertrauenerweckend  rr8clieint,  nacbdcm  die  Mesocephnlie  in  den  Tabellen 
und  Curven,  und  folglicli  atjch  unter  der  autochthonen  Bevölkerung  Amerika  8 
eine  kaum  minder  hervorragende  Rolle  spielt,  als  in  Europa. 

Die  letzte  AUtheilung  der  Curven  1,  2,  3  und  5,  die  der  künstlichen 
Brachycephalie  ist  nicht  vollständig  dargestellt,  sondern  aus  rein  äussern 
Gründen  abgekürzt.  Es  hätte  die  Ciirventafel  zu  sehr  in  die  Breite  gedehnt, 
wären  alle  einzelnen  Abscissen  von  96  bis  114  oder  bis  IIG  eingetragen 
worden.  Ich  habe  also  einen  Theil  eliauoirt  und  die  hörliste  Ziffer  der 
beobachteten  künstlichen  Schädeh^erkürzuog  an  das  Ende  der  Ordinate  ge- 
setzt. In  den  Tabellen  ist  dagegen  die  auf  die  betreffenden  Indices  beob- 
achtete Zahl  eingetragen.  — 

Wie  schon  erwähnt  sind  die  Cnrven  nach  der  anf  100  redueirlen  Zahl 
entworfen,  ^iehe  die  dritte  Columne  der  Tabellen  Bei  der  starken  Hcduction 
entstehen  nothweodig  Bruche,  die  sich  in  der  Curventafel  nicht  ausdrucken 
lassen,  wie  z.  B.  von  2,3  pCt.  Dolichocephalen.  Es  wurden  nun  alle  Bruche 
nach  oben  abgerundet,  und  die  betreffende  Zahl  auf  der  Ordinate  ringetragen. 
Es  erscheint  also  in  den  Curven  die  reducirte  Zahl  von  OAO—Oßi)  pCt. 
ebenso,  wie  1,0  pCt.  auf  der  Ordinate  1,  1,10 — 1,90  und  2,00  auf  der  Ordi- 
nate 2  u.  s,  f. 


Diese  Erortcrungen  hahen  den  Leser,  wie  ich  hoffen  darf,  in  den  Stand 
gesetzt,  die  Zahlentabellen  und  ihre  Uebersetzung  in  Curven  richtig  zu  beur- 
theilen.  Ich  kann  nunmehr  daran  gehen,  die  Sprache  der  Tabellen  und 
Curven  in  unser  geliebtes  Deutsch  zu  übertragen,  wie  folgt:  die  verschie- 
den eu  Schadellängen,  welche  wir  als  Lang- Kurzschädel  u*  s.  w.  unter- 
scheiden, sind  durch  alle  Grade  über  den  ganzen  amerikanischen 
Kontinent  zerstreut,  und  zwar  von  der  extremen  Dolichoccphalie  (Langen- 
breiten index  63,0)  bis  zu  der  extremen  Brachycephalie  (Länge nbrcitenindex 
95,0).     Siehe  die  Tabelle  1   und  Curve  L 

Um  zu  beweisen,  dass  weder  der  Norden  noch  der  Stiden  eine  andere 
Zusammensetzung  aufweise,  wurden  die  Indianer  Noidamerikas  und  die 
Autochthonen  Central-  und  Südamenka's  gesondert  untersucht  AU  ein  die 
beiden  grossen  Gebiete  zeigen  dieselben  Schädelformen.  In  der  nord- 
lichen, wie  in  der  südlichen  Hälfte  deis  Kontinentes  ist  die  au- 
tochthoue  Bevölkerung  aus  denselben  Rassen  zusammengesetzt. 
Nur  die  Procentverhältnisse  derselben  verschieben  sich.  Tabellen  und  Cur* 
veo  II  und  III.  Man  kann  angesichts  der  Zahlenbelege  also  nicht  von 
einer  amerikanischen  Menschenrasse  sprechen,  sondern  nur  von  amerika- 
nischen Menschenrassen.  Die  drei  oberen  Curven  und  die  entsprechenden 
Tabellen   sind    unumstössliche  Beweise   für  die  Pluralität  der  Rassen  in 


Amerika*  Der  GeJanke  an  Einheit  muss,  -wie  schon  Virchow  auf  Grund 
seiner  vergleichenden  craniologischeü  Studien  angenominen  hat,  volktändig 
aufgegeben  werden.  Ich  will  sogleich  hinzufugen,  dass  auch  die  Hoflfoung 
ausgeschlossen  ist,  vielleicht  noch  iuuerhalb  kleinerer  Gebiete  die  Einheit 
der  Kasse  zu  finden,  in  der  Weise  zum  Beispiel,  dass  einzelne  Stamme,  sei  es 
des  Norden»  oder  des  Südens,  nur  aus  Dolichoccplialen  oder  nur  aus  Brachy- 
cephalen  beständen.  Es  wäre  ja  denkbar,  dass  in  einigen  Thrilern  die 
Penetration  der  verschiedenen  Rass^en  noch  nicht  so  weit  gediehen  wäre, 
dass  man  nicht  doch  irgendwo  einen  Stamm  fände,  der  undurchaetzt  ge- 
blieben ist  Aber  wir  können  aus  mehrfacheo  Gründen  mit  einer  solchen 
Möglichkeit  nicht  rechnen.  Ich  bemerke  iti  dieser  Hinsicht  folgendes. 
Diese  Annahme  setzte  voraus,  dass  iu  pracolumbisächer  Zeit  der  Grad  der 
Vertheilung  aller  Rassen  Über  den  ganzen  Kontinent  geringer  gewesen  sei. 
Prüft  man  nun  diese  Voraussetzung  an  der  Hand  der  Tabelle  5  uud  der 
Curvc  5,  so  ergiebt  sich,  dass  die  Völker  der  Mound-Builderi  und  Clifl- 
Dwellera  schon  aus  denselben  Rassen  bestanden,  welche  später 
vorkommen.  Ja,  so  wie  die  Zahlen  erweisen,  war  die  Penetration  schon 
so  voUstuodig,  dass  ein  gewisses  Gleichgewicht  herrscht  Auf  Procente 
redtacirt  befanden  sich  unter  denselben: 

Dolichocephale 12,56  pCt. 

Mesocephale 23,09     „ 

Brachycephale 22,09     „ 

Hyperbrachycephale     ....  20,65     „ 

Die  präcolumbiöche  Kultur,  welche  bekanntlich  viel  höher  war,  als 
die  der  heutigen  Indianervölker,  war  nicht  von  einer  einzigen  Rasse  ge- 
tragen, sondern  von  mehreren.  Man  wird  also  zugeben,  dass  schon  die 
ältesten  Schädelfunde  des  Continentes  die  Pluralität  der  Rassen 
verkünden^}*  Quatrefages  und  Hamy  (20)  stellen  die  Ansicht  auf, 
dass  die  Mound-Builders  brachycephal  seien  und  dass  Brachycephale  über- 
haupt die  erste  ethnische  Schichte  Ämerika's  darstellten.  Offenbar  war  das 
den  beiden  Forschern  vorliegende  Material  ungenügend,  um  diese  Frage 
endgiltig  zu  enti?cheiden.  Mit  der  Erweiterung  desselben  hat  sich  das  Er- 
gebniss  völlig  geändert.  Schon  die  Mound-Builders  und  Cliff-Dweüers  sind 
Völker  aus  mehreren  Rassen  zusammengesetzt  gerade  wie  die  Menschen  der 
ersten  diluvialen  Periode  in  Europa,  oder  unsere  Rennthierjäger,  Pfahlbanern, 
Germanen  und  Kelten.  Das  ist  ein  höchst  überraschendes  Krgebniss,  denn 
es  lehrt,  dass  Amerika  wohl  ebenso  lange  bewohnt  ist,  wie  Europa  und 
Asien,  wo  ebenfalls  jedes  Volk  aus  mehreren  Varietäten  besteht.  Man  muss 
sich  diese  Thatsache  immer  vor  Augen  halten,  und  es  wird  noch  vieler  Be- 


1)  Für  die  Pluraütit  der  pr&columbiacheri  Rftssea  finden  flieh  b«i  Virchow  (21)  «inige 
bemerkeDswerthe  Btispietep  auf  die  ich  besonder»  hinweise,  weil  sie  alt}}iit&fnuiscbe  und  alt- 
cMJtiüaehe  Schädel  btt reifen« 


29 


J.  Kollmann: 


weise  bedürfen,  um  ihr  allgemeine  Geltung  zu  verschafFea,     Icii  werde  des- 
halb noch   eine  besonders   schlagende  Beobachtung    hierfür    mittheilen.     Es 
liegen  aus  Amerika  vollkommen    zovürlässigo  Beweise  vor,    aud    zwar    aus 
der  Zeit  der  Mound-Builders,    dass   innerhalb  der  allerengsten  geogra- 
phischen  Grenzen  die  verschiedenen  Rassen  Amerika's  untereinander 
und  miteinander  lebten.     Im  Staat  Tenessee  wurden  Ausgrabungen  ge- 
macht, und  zwar  auf  einer  Farm  fünf  Bcgräbnissmounde  untersucht,  welche 
zusammen  600—800  Stcitigraber  enthielten,    einer    derselben    enthielt    alleiu 
200-     Dieselben  waren    in    fünf  un rege! massigen  Reiben  oder  Stockwerken 
aufgebaut,  und  jedes  Stockwerk  war  von  dem  folgenden  dui*ch  eine  Schicht 
Erde    getrennt     60  englische  Meilen  entfernt  (bei  Nash  rille)   wurden   ähn- 
liche Begräbniasätätten  geöffnet,    die   Ausbeute   bestand    ebenfalls    in    einer 
Anzahl    leidlieh   wohl   erhaltener  Schädel    und  in  einer  bedeutenden  Menge 
8ehr  iutercssanter  Artefakten.     Die  letzteren  führen  zu  folgenden  Schlüssen: 
Das  Volk  Tenessee's,  welches  seine  Todten  in  Steiugräbero  beiset/.te,  stand 
in  naher  Beziehung   zu    den   Erbauern    der  Mouuds   in  Missouri^  Arkansas 
und    Illinois      Die    Gleichheit    der    Thonwaaren    in    Bezug    auf   Form    und 
Ausführung,    die    Uebereinstimraung    des    Ornaments    auf    SchmucksachcD, 
Muscheln  etc.  gt'ben   Grund   zu   dieser  Annahme.     Dieses  Volk  begrub  we- 
nigstens in  diesem  Theil  Tenessec's  seine  Todten   stets  in  aus  Steinplatten 
zusammengesetzten  Steingräbern,  es  hat  ohne  Zweifel  bis  zu  einer  gewisaen 
Ausdehnung  Landwirthschoft  getrieben,  es  stand  in  ausgedehnten  Handels- 
beziehungen   (Kupfer  vom  liake  superior,   SeemuschelschaleD),     Die   ausge- 
dehnten Untersuchungen  Pntnam*s  (19)  haben  „keinen  einzigen  Gegenstand 
europäischer  Herkunft  zu  Tage  gefördert".     Es  lässt   sich    daher    mit   sehr 
grosser  Wahrscheinlichkeit    sagen,    „dass   die  Stone-grave    Leute   vor  dem 
Eindringen    der  Europäer   in  Amerika  lebten,**     Soweit  der  Archäologe  von 
Fach»     Seine  Wissenschaft    zeigt    ihm   ein  Volk,    eine  Sitte^    einen    und 
denselben  Giad  der  Kultur.     Nun  sollte  man  doch  wohl  erwarten,  analog 
den  herrschenden  Vorstellungen,  dass  die  Schädel  aus  diesen  Mooods  einer 
einzigen  Rasse  angehörten^  dass  sie  alle  dieselben  charakteristischen  anato- 
mischen Merkmale  an  sich  trögen.     Aber  das  entgegengesetzte  ist  in  Wirk- 
lichkeit der  Fall.     Hören  wir  den  Anatomen,    der  diese  Schädel  untersucht 
hat,  Hrn.  Luc.  Carr  (12):    „Die  ans  den   erwähnten  Gräbern  stammenden 
Schädel  kommen  von  Localitaten,  deren   ganze  Verhältnisse  dafür  sprechen, 
dass  es  ein  einziges  Volk   gewesen  ist,    dem   sie  angehörten.     Nichtsdesto- 
weniger zeigen  sie  sehr  bedeutende  Verschiedenheiten  untereinander,  es  finden 
sich  Dolichocephale,  Meso-  und  Brachycephale  darunter  und  starke  künstlich 
deformirte«     Ich  setze  die  folgenden  Zahlen  aus  der  dem  Bericht  beigefugten 
Tai» eile  hierher. 


I 


I 

I 


I 


Die  Antocbthooeo  Amerika'«. 


S3 


Scbädelzahl       Capacität 


Breite  n- 
iDdex 


L  DoHcbocepbale  Scli&de]  .    . 

2.  Mesocephale  ,        .    . 

3.  Brach  jcepbale         «        .     ^ 

4.  stark  sloliopädische  Schiidel 


Diese  Zahlen  bedürfen  keines  Comraentars.  Sie  reden  laut  nicht  allein 
für  die  Pluralität  der  VarietäteD,  sondern  aoch  für  ihre  Verbreitung  über 
den  ganzen  Kontinent.  Jetzt,  wie  in  der  Periode  der  Mouud-Bailders  und 
der  Maöchelbaiifen  sind  sie  alle,  überall  vorbanden,  im  Süden*)  wie  im 
Norden. 

Das  kann  nur  geschehen  unter  dem  Einfluss  eioes  anaufhörlichen 
Wanderns  der  Kassen  in  der  allerfrübesten  Zeit. 

Seit  der  Mensch  auf  der  Erde  lebt,  wandert  er,  sowohl  die  Individuen 
wie  die  Völker.  Da  mögen  manche  lange,  beharrlicb  an  ihrem  Platze 
bleiben,  aber  endlich  treibt  irgend  ein  äusserer  oder  innerer  Grund  selbst 
die  sesöhaftesten  fort.  Seit  der  glaciaien  Epoche  dauern  diese  Wanderungen, 
das  ergeben  die  Schädelfunde  in  Europa,  das  zeigt  die  Ubiqaiiät  der  ameri- 
kanischen Rassen  anf  dem  weiten  und  für  eine  rasche  Verbreitung  sehr  un- 
günstig geformten  Continent.  Für  dieses  unablässige  Durcbeinanderlaufen 
brauchen  wir  in  der  Ethnologie  und  Anthropologie  einen  besonderen  Begriff, 
sollen  nicht  beständig  Miss  Verständnisse  auftauchen.  Ich  habe  dies  bisher 
als  die  mechanische  Mischung  der  Rassen  bezeichnet  und  davon  die  Kreuzung 
unterschieden.  Allein  bei  dem  Ausdruck  „Mischung"  taucht  doch  der 
Gedanke  an  Kreuzung  immer  wieder  auf,  und  alle  lateinischen  und  griechi- 
schen Ausdrücke,  welche  den  Begriff  Mischung  enthalten,  rufen  dieselbe 
Vorstellung  hervor.  Ich  werde  deshalb  den  Process,  der  schliesslich  das 
Resultat  der  Allgegenwart,  aller  Rassen  eines  Continentes  herbeiführt  durch 
das  lateinische  Wort  Penetratio^)  bezeichnen. 

Dieee  Penetration  ist  jedoch,  das  sei  bemerkt,  keine  nur  in  Amerika 
vorhandene  Erscheinung.  Genau  in  derselben  Weise  hat  sie  auch  in  Europa 
und  in  Central-  und  Südafrika  stattgefnuden,  von  Nordufrika  zu  schweigen, 
das  ja  seit  Jahrtausenden  der  geschichtlich  erwiesene  Boden  für  Raesen- 
penetration  ist. 

Ueber  Central-  und  Süd- Afrika  wird  in  der  nächsten  Zeit  eine  Arbeit 
erscheinen,  welche  diese  Thatsache  auch  für  diesen  Welttbeü  mit  Zahlen 
nachweist.     Für  Europa  Belege  beizubringen,  halte  ich  an  dieser  Stelle  für 


1)  Die  TOn  Ecker  (18)  beacb riebe oeti  Scheel  von  eiuer  und  derselben  Begrabnisast&tte 
der  Halbinäel  Florida  zeigen  dieselbe  Erscbeinnni^. 

2)  Da«  DurcbdriDgeQ  oder  Durcbsetzeu  eines  V'alkes,  Landes,  Coiitineiites  mit  verscbie* 
denen  Raä&enelementeo. 


24  .).  Kollmatin! 

aberflQssig.    Sio  finden  sich  in  der  Literatur  der  Anthropologisclien  Gesell- 
Hchaftcn    Deutschlands    zu   Dutzenden.      Virchow    allein    hat    eine   ganze 
Reihe  davon   beigebracht.      Die  Rassen    verhielten   sich  jedoch  dabei   nicht 
etwa  so,   dass  jede  an  einem  besondern  Fleck  sich  festgesetzt  und  dort  ein 
Volk    gebildet   hat,   uoin    die    Rassen    drängten    sich    durch    unaufhörliche 
Wanderungen  durcheinander  (Penetration),    und  aus  bestimmten,  durch 
natürliche  Grenzen    oder    anderen   Ursachen    zusammengefugten 
Haufen  dieses  Rassenaggregates    entwickelten    sich  die  Völker. 
Die  Begri£Pe    von   Rasse    und    von  Volk    sind    also    streng   auseinander   zu 
halten.  Rasse  bezoichnet  stets  eine  anatomisch  charakterisirte  Varietas 
generis  humani,  Volk  bedeutet  dagegen  eine  ethnische  Einheit,  welche  nach 
den    Ergebnissen    der   Craniologie    aus    einer    anatomischen    Vielheit    (von 
Rassen)  besteht.     Ethnos  schliesst  nur  den  Begriff  politischer  und  socialer 
Verwandtschaft   in   sich,    nicht   auch  den    der   Rasseneinheit.    Erst  in  der 
letzten  Zeit  hat  man  diese  Vorstellung  irriger  Weise  häufig  damit  zusammen- 
geworfen,   und  von  einer  germanischen,  sla vischen  und  romanischen  Rasse 
gesprochen.     Es  giebt  nach  dem  eben  Gesagten  einen  germanischen,  roma- 
nischen etc.  Sprachstamm,  germanische,    slavische  und  romanische  Völker, 
aber  keine  germanische  etc.  Rasse,  ebensowenig  eine  Rasse  derMoand-Builders. 
Die  Mound-Builders  und  die  Gormanen  u.  s.w.  bestehen  aus  mehreren  Rassen, 
welche  sich  zu  einer  ethnischen,  einer  nationalen  Einheit  vereinigt  haben. 
Sociale,  religiöse,  sprachliche  Kräfte  haben  z.  B.  die  Entwicklung  der 
Germanen,  Slaven,  Romauen  etc.  seiner  Zeit  vollzogen.     Diese  gewaltigen, 
geistigen  Mächte  haben  sie  zu  dem  gemacht,  was  sie  waren,  eben  dieselben 
Mächte  haben    das  Reich    der  Abbassiden    auf   drei  Welttheile   aasgedehnt 
und  das    der  Pharaonen   mit  begründet.      Durch  Einheit  der  Varietäten  bat 
sich    keines    derselben    ausgezeichnet.      Weder  in  Afrika    noch  in   Europa 
waren  jemals  die  oben  genannten  Völker  das  Produkt  einer  einzigen  Rasse, 
Mondoni    umgekehrt   aller  Orten    bestanden   sie  aus    mehreren^).     Ich  habe 
dieses   Resultat    craniologi^cher  Prüfung    schon    früher  ausgesprocheo,    und 
fQr    Europa    durch    eine    Curventafel    bewiesen  (16).      Ein  Blick    auf  jene 
C'urvou  lehrt,    wie   ausserordentlich  verschieden  der  Grad  der  Penetration 
in  Wirklichkeit  ist       Sobald  man  von  dieser  Erscheinung  an  und  für  sich 
spricht«  so  taucht  zunächst  die  Vorstellung  auf«  als  ob  sich  die  Penetration 
ikborall  gleichmässig  im  Lauf  der  Zeit  vollzogen  habe.   Allein  es  hat  jeden- 
fwlls  oino  grosse  Mannigfaltigkeit  der  Bedingungen  geherrscht  nnd  sehr  ver- 
sohiedoue  Cirade    nicht    blos  in  Europa^    sondern  in  allen  oben   erwähnten 
Woltt heilen    hervorgebracht.     Für   Amerika   ist    der  Vei^leich    der  Canren 
untoreiuaudor  und  immonilioh  mit  deijenigen  der  Eskimo*s  in  dieser  Richtung 

l>  IVher  di<»  Inselwelt  fch'en  mir  binr^!cb«nii«  Bekf««  na  die  obi««a  SitM  aoch  auf 
»II«  auMUtlohiien.  Was  1«;$  jeiit  Tor!i«|^l«  i»t  nork  im  fhinentuiicli.  Jedenfclis  darfeii  wir 
auf  hoch»!  ätM^rra^ch^ntl^  Krsobeinuu^n  \oo  dort  k«r  g«Xassl  mib«  etauo  wie  aaf  diif  Ke- 
»ultat*  onuiioKyi<ohor  l ;  («r>u«;buimE«u  o«s  »ch^arMu  tVutiMBlM^ 


Die  Autochtboneu  Amerika*8. 


25 


Tabelle  III 

für  eine  Ourve  der  Autochtbonen  Central-  und  Südamerika^ti 
dem  Längen breitenindex  (L :  B)  der  Schädel  bestimmt. 


nach 


Zahl  der  üiif 

äcbädalzahl 

L:B 

küen  L :  B 
lom  tuende  IL 

auf  100 

Bemerkungen 

Sefaidel 



reducirt 

66 

1 

0,40 

ßeuötit    wurden    für    diese 

G8 
69 

1 
2 

0,40 

o^eo 

Tabelle  248SGbadel,  darunter 

TO 

4 

i:6i 

^        (16^  pCt.) 

tnuch  die  Meici kauen 

71 
72 

5 
6 

2,01 
il2 

Dol{i.-h(KephaUa 

78 

7 

%m 

74 

7 

%m 

Namen  der  Anlüren,  denen 

7ö 

8 

3,26 

dai  betreffende  Zableomaterial 

76 

13 

bM 

^ 

entnommen  istt 

77 

11 

4.43 

,        (29,02  pOi ) 

Olia  (Nr.  1) 

78 
79 

15 
16 

6,05 
6,45 

*        Meflücephalie 

Spengel  (Nr.  2a) 

80 

17 

6,85 

^ 

Btoeflike  (Nr  2b) 

81 

15 

6,05 

Ecker  (Nr  2c) 

82 

8 

B.26 

(19,79  pCl.) 

Schaaffbauaen  (Nr.Sd) 

aa 

34 

10 
10 

4,03 
4,03 

Rrachyci'philie 

Vircbow  (Nr.  3) 

86 

Ü 

2,4'^ 

Virchofv  {Nr.  4) 
Bohr  (Nr.  6) 

86 

87 

14 
13 

6,61 
6,24 

Broca  (Nt,  7) 

88 

11 

4,40 

Flower  (Nr.  8) 

89 
SO 

11 
3 

4,43 
1^ 

(27,78  pCL)        ! 

Huxley  (Nr.  9) 

91 

4 

1J61 

H]rpt»rbracijyce|>baK 

ßessets  fNr.  14) 

9i 
93 

3 
5 

1.20 
2,01 

Da?is  (Nr.  6) 

94 

3 

1,20 

95 

S 

0,80 

96 

2 

0^     ,               : 

97 

— 

98 

2 

0,80 

m 

2 

0,80 

100 

8 

1,20 

101 

S 
1 

0,80 
0,40 

(7,00  pCt,) 

m 

im 

! 

0,80 
0.40 

K5iiBt1iebs 

u» 

1 

0,40 

HracbyoephaHft 

m 

__ 

^ 

m 

1 

0,40 

%m 

. — ■ 

HO 

'^~ 

■ 

115 

1          1 

0.40 

m 

1 

0,40 

26 


J.  RoUmanii: 


Tabelle  IV 

fär  eine  Corve  Qber  die  Eskimo 's,  nach  dem  Längenbreitenindex  des 
Schädels  (L  :  B)  bestimmt. 


Zahl  der  auf 

Schädelzahl 

L:B 

jeden  L:B 
kommenden 

auf  100 

Bemerkungen 

Schädel 

redacirt 

63 

2 

1,57 

Benätzt    wurden    für    diese 

(U 

— 

— 

Tabelle  127  Eskimoscbädel,  yon 
denen  76  in  der  Check-List  von 

65 

2 

1,57 

Otis  aus  dem  Army  med.  Mus. 

66 

1 

0,80 

yerzeichnet  sind. 

67 

11 

8,66 

68 

10 

7,87 

(85,14  pCt.) 

Namen  der  Autoren,   denen 

69 

6 

4,72        1 

das  betreffende  Zahlenmaterial 

Dolichocepbalie 

entnommen  ist: 

70 

20 

16,55 

Otis  (Nr.  1) 

71 

14 

11.02 

Spengel  (Nr.  2a) 

72 

12 

9,43        ! 

Brösike  (Nr.  2b) 

73 

13 

10,23 

Ecker  (Nr.  2c) 
Schaaffhausen  (Nr.  2d) 

74 

8 

6,73 

Virchow  (Nr.  3) 

75 

8 

6,37 

Dali  (Nr.  10) 
Toldt  (Nr.  11) 

76 

4 

1,14 

Dayis  (Nr.  5) 

77 

5 

3,93 

(8,21  pCt.) 

78 

2 

1,57 

Mesocepbalie 

79 

- 

— 

80 

2 

1,57 

81 

2 

1,57 

82 

2 

1,57 

83 

1 

0,80 

(3,94  pCt.) 
Brachycephalie 

84 

— 

— 

85 

— 

- 

86 

— 

— 

(0,80  pCt.) 

87 

i           1 

0,80 

Hyperbrachycephal . 

Die  Aatochthonen  Amerika's. 


27 


Tabelle  V 

fiar  eine  Curve  der  präcolumbiachen  Bewohner  Amerika's  (Mound- 
Boilders  etc.),- nach  dem  LäugeabraiteniDdex  des  Schädels  (L :  B)  bestimmt. 


Zfthl  der  auf 

S€bädelza1]l 

LiB 

jeden  L^B 

kotumcQcten 

Schilde] 

atif  100 
redücirt 

Beiuerkunf^en 

72 

4 

1,92 

[         (12,56  pCt.) 

1       Dollcbacepbalie 
J 

Benfitit    wurden    fSr    diese 

73 
74 
7ö 

7 

10 
1 

4^S0 
0,48 

Tabelle  208  Seh&deL 

Die  All- Peruaner  blieben 

76 

9 

4.36 

\ 

(^,09  pCt) 

ausgeschlossen. 

77 

7 

?'^ 

78 
7^ 

13 

6 

6,25 

3,84 

Meaocepbftlie 

80 

It 

5.28 

Namen  der  Autoren,  denen 

das  betrefl'pnd^  Zablenniatfirial 

81 

10 

4,80 

entnommen  ist: 

m 

d 

1,44 

(29,09  pCt,) 

sa 

84 

13 
10 

b,25 
4^ 

Brachjcephftiie 

Otia  (Kp.  1) 

85 

10 

4!80 

Gurr  {Nr.  12) 
Ecker  (Nn  IS) 

m 

87 

10 
12 

4,80 
5,77 

' 

Virchow  (Nr.  3) 

88 

5 

2,40 

Bessels  (Nr.  14) 

89 

7 

3,36 

90 

il 

1,44 

(20,60  pCtJ        ' 

91 

m 

6 
4 

2,88 
1,92 

Hyperhrachyrepbah 

m 

a 

1,44 

B4 

(1 

1,44 

B& 

3 

1,44 

iHr 

4 

i,m 

\ 

97 

4 

1,92 

il8 

& 

2,40 

99 

:i 

1,44 

lOU 

5 

2,40 

101 

3 

1,44 

102 

2 

0,9(1 

loa 

— 

' 

104 
105 

■ — 

— 

(n,7G  pCt.) 

106 

^ 

— 

Eüitstlicbe 

107 

. 

— . 

106 

4 

1,92 

Brachyi'epbftUe 

109 

— 

— . 

110 

. — . 

— . 

111 

2 

0,96 

112 

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118 

— 

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115 

-^ 

^ 

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2 

0,96 

jl 

28 

höchst  leljrreieb.  Die  letzteren  Völker  eDtbalten  85  pCt.  DolicLocophalc. 
Die  Zalil  anderer  Rasseiiindividiicu,  welche  unter  die  Langköpfe  eich  biiiein- 
geschoben,  ist  also  Behr  gering:  ein  lehrreiches  Beihpirl  sowohl  für  die 
geringe  penetrirende  Ltjst  der  Hassen  nach  den  polaren  Gegenden,  die  ja 
sehr  erklärlich  ißt,  als  für  den  Sutx,  duss  die  am  zahlreichsten  vorhandene 
Rasse  einem  Volk  das  anthrrpologische  Gepräge  verleiht.  Die  dolicho- 
cephaleu  Araerikacer  erscheinen  als  der  an  Zahl  hervorragendste  Tb  eil  der 
Eakimovölker  und  die  reisenden  Forscher  werden  nur  von  solchen  erzählen 
und  die  anderen  kaum  beachten,  wie  das  in  der  That  der  Fall  iat.  Einer 
ähnlichen  Ersclieinung  begegnen  wir  bei  den  germanischen  Völkern,  welche 
zur  Zeit  der  Iränkisch-allemanniachen  Periode  aus  ungefähr  50  pCt*  europäi- 
scher Dolichocephalen  bestehen.  Sowohl  von  diesen  n\s  den  übrigen 
Repräsentanten  der  verschiedenen  Rassen  war  wohl  ein  Tb  eil,  wie  noch 
heute,  blond.  Vielleicht  war  die  Zahl  der  blonden  Männer  noch  grösser 
als  heute-  Sic  mussten  den  vorzugsweise  brünetten  Römern  auffdlllg  er- 
scheinen, weil  sie  so  oft  davon  sprachen,  dass  es  selbst  Tacitus  zu  Ohren 
kam.  Wie  wir  uns  heute  den  Italiener  oder  den  Franzosen  nur  mit 
dunkelm  Aug',  rabenschwarzem  Haar  und  gelblicher  Hautfarbe  vorstellen, 
also  in  dem  extremsten  Brünett,  ebenso  stellten  sich  ilaraals  die  Römer 
alle  Germanen,  aber  als  blond  vor.  Das  war  zweifellot^  für  viele  richtig, 
doch  keinesfalls  für  alle.  x-Vllein  wie  so  oft,  so  ward  auch  von  Tacitus 
die  pars  pro  toto  genommen>  In  ganz  denselben  Fehler  verfallt  jeder 
bezüglich  der  Indianer.  Die  Bezeichnung  „Kothhaut"  genügt,  um  die 
falsche  Vorstellung  immer  aufs  Neue  auf  die  Oberfläche  zu  treiben,  doss 
alle  Indianer  eine  kupferrot  he  Farbe  beaasseu.  Colorirte  Abbildungen 
vollenden  dann  noch  den  Irrthum.  Die  Hautfarbe  variirt  aber  auch 
dort  in  grossem  Maasstabe  Der  Coniinent  bietet  alle  möglichen 
Farben  von  dem  tiefsten  fast  schwärzlichem  Braan  bis  zu  einem  sehr 
hellen,  fast  curopäi selten  Weiss.  Nur  das  eigentliche  Negerschwarz 
fehlt  Das  ist  ein  für  Alle  offen  daliegender  Beweis  von  der  Verschieden- 
heit der  Varietäten  und  gleichzeitig  von  dem  gänzlichen  Erlöscheu  der 
Variabilität  seit  undenklicher  Zeit,  Hätte  der  Uontinent  an  sich,  sein  Clitna 
etc  irgend  einen  Einfluss  auf  die  Rnssencharaktere  gehabt,  dann  könnte 
man  nur  lauter  „Rothhäute"  finden.  Dag  wirkliche  Verhalten,  die  Ver- 
schiedenheit der  Farbe  ist  ein  vortrefflicher  Beleg  für  den  Menschen  als 
Dauerlypus.  In  derselben  Form,  in  der  die  Varietäten  in  Amerika  ein- 
wanderten, haben  sie  sich  erhalten.  Nur  bezüglich  eines  einzigen  Rassen- 
zeichens scheint  völlige  Uebereiustimmung  in  Amerika  zu  herrechen,  nämlich 
bezüglich  der  Haare.  Die  straffen  Haare  scheinen  allen  amerikanischen 
Rassen  gemeinsam  zu  sein,  soviel  wir  bis  jetzt  wissen.  Ich  füge  jedoch 
bei,  dass  diese  Haarsorte  nicht  lediglich  auf  den  amerikanischen  Coutinent 
beschränkt  ist,  sondern  bekanntlich  auch  In  Asien  vorkommt  (bei  nord- 
asiatischen  Volkern  und  auf  Inseln  des  stillen  Oceans), 


Die  Ati  bebt  honen  Amerika^ 


29 


Also  auch  die  Form  der  Haare  ist  nicht  aueschliesölich  auf  den  amerika- 
Diöchen  CoatiDeat  beschränkt,  wieder  einer  jener  starken  Beweise,  dass 
liasseumerkmale  unter  dem  Einflu^s  des  Climas  seit  der  glacialen  Epoche 
sich  nicht  änderten. 

Die  Zahlcntabelle  und  die  Curven  zeigen,  das  durfte  ak  sicher- 
gestellt  erscheinen,  dass  in  Amerika,  wie  in  Europa,  die  Zusanimen- 
setzang  der  Volker  auf  denselben  anatomischen  Grundlagen 
beruht,  Sie  bauen  sich  auf  aus  verschiedenen  Rasseuelementen, 
heute  gerade  so,  wie  in  den  vorgeschichtlichen  Epochen  (Mound- 
Builders  und  Germanen).  Man  ist  nun,  naraenttich  im  Anschluss  an 
die  Ergebnisse  der  Ethnologie,  sehr  f];ene!gt,  au  jedem  Volk  auch  nach 
einer  gewissen  Summe  anatomischer  Eigenschaften  zu  sucheu,  welche 
ihm  ausschliesslich  angehören  ^  die  aus  ihm  eine  besondere  Varietas 
generis  humani  machen  sollen.  Die  Theorie  von  der  naturlichen  Zuchtwahl 
hat  diese  Meiautig  besonders  plausibel  gemacht.  Denn  wenn,  so  hört  mao 
sagen,  im  Laufe  der  Zeit  unter  dem  Einlluss  der  VariabilitTtt  Thierrassen 
entstehen,  warum  nicht  auch  Menschenrassen  und  Völker?  So  ist  es  nahe- 
liegend, jeder  der  grossen  Nationen  auch  sppxilit^che  Rassencharaktere  zu- 
zuschreiben und  die  Berechnung  der  Mittelzahlen  aus  den  Maassen  einer 
bestimmten  Schädelmenge  hat  dafür  scheinbar  craniologische  Belege  ge- 
liefert Allein  die  Mittelzahlen  geben,  in  der  bis  jetzt  gebräuchlichen  Form  an- 
gewendet, nur  einen  ganz  allgemeinen  Ausdruck  für  die  craniologiscbe  Be- 
schaffenheit eines  Volkes,  weil  sie  eine  mittlere  Schudelform  herausstellen, 
die  nicht  existirt.  Und  dennoch  steckt  ein  Theil  von  Wahrheit  in  diesen 
Zahlen.  Sie  verkünden  eben  doch  den  Satz  Von  einer  spezifischen  Eigenart 
der  ethnischea  Einheit*  Berechnet  man  nämlich  die  Mittelzahlen  der  Seh  adel- 
in dices  für  verschiedene  Volker,  so  stellt  sich  schliesslich  doch  ein  be- 
stimmter Unterschied  heraus,  der  zahlenmässig  gefunden  ist  und  der  sich 
nicht  we^disputiren  läast  Ueberdies  ist  eine  gewisse  physische  Verschieden- 
heit der  Nationen  angenföllig,  und  es  wäre  falsch,  sie  zu  leuguen,  von  der 
man  so  viel  spricht,  die  jeder  zu  kennen  glaubt,  ohne  doch  im  Stande  zu 
sein,  die  unterscheidenden  Merkmale  klar  und  bestimmt  anzugeben.  Wenn 
ich  selbst  immer  und  immer  eine  solche  Differenz  anerkannt  habe,  so  habe 
ich  mich  dabei  mehr  auf  den  Standpunkt  des  allgemeinen  Urtheils  gestellt, 
und  habe  mich  von  der  weitverbreiteten  Stimme,  der  eigentlichen  vox  popuU 
leiten  lassen,  mehr  als  von  den  Ergebnissen  einer  direkten  Beobachtung,  Denn 
sobald  man  die  zweifelhafte  Bahn  des  sog.  ersten  Eindruckes  vcrlässt,  und 
an  die  Erscheinung  näher  herantritt,  dann  gleiten  alle  die  überraschenden 
Angaben  von  deutlichen  Unterschieden  zwischen  benachbarten  Gebieten 
durch  die  Löcher,  welche  die  kritische  Umschau  in  diese  Rassenhülle  der 
Nationalitäten  schlagt.  Und  mit  jedem  Schritt,  den  man  %veitergeht,  wird 
das  Problem  complicirter.  Ich  will  gar  nicht  davon  reden,  dass  der  Eng* 
länder  von  dem  Pranzosen  durch  physische  Merkmale  unterschieden  ist;  die 
Existenz  von    ganz  prägnanten  Unterschieden  wird  bis  in  die  Amtsbezirke 


90  ^-  KollmanTt- 

hinein  behauptet.  Ich  habe  überall,  wq  ich  immer  reiäte,  Erkundigungeo 
eingezogen,  und  jeder,  seihst  der  urLheiLsfähigste>  ist  der  festen  Ueberzeugung 
gewesen,  die  Bevölkerung  eines  Dorfes  sei  von  der  des  nächsten  ver- 
schieden. Hier  in  der  Schweiz,  wie  in  Bayern,  und  wohl  wie  überall,  hl 
diese  Ueberzeugung  allgemein  verbreitet,  und  sie  tritt  mit  einer  Sicherheit 
auf,  welche  jeden  zum  Nachdenken  darüber  zwingt  und  die  Annahme  eines 
einfach  negirenden  Standpunktes  ausschlietist.  Ein  solch'  allgemeines  Ur- 
theil  kann  doch  nur  auf  einer  thataächlichen  Unterlage  beruhen  und  der 
Reöpect  vor  den  Zahlen,  obwohl  nur  Mittelzahlen,  hat  mich  immer  aufs 
Neue  veranlasst,  dem  Problem  nahe  zu  treten,  obwohl  ich  in  dieser  meiner 
respectvollon  Rücksicht  sehr  oft  und  sehr  auffallend  erschüttert  worden  bin. 
Bei  dem  interoationiilen  anthropologischen  Congress  zu  Pest  umgab  uns 
auf  den  Ausflögen  nach  Valko  und  Hatvan  Landvolk  in  Menge  uad  einige 
Gutsbesitzer  aus  der  Umhegend  begleiteten  mich,  um  mir  echte  Ungaren  zu 
zeigen.  Sie  behaupteten  des  bestimmtesten,  sie  von  eingewanderten  Slaven 
und  Dentacli-Oesterreichern  unterscheiden  zu  können.  Sie  waren  nicht 
wenig  erfreut  darüber,  dass  ich  mich  für  die  Magyaren  interessire  und 
Name  und  Alter  und  Wohnort,  die  Farbe  der  Augen,  dt-r  Ilaare  und  Haut 
aufschreibe,  Sie  gaben  sich  also  alle  Mühe,  nur  Magyaren  von  reinstem 
Blat  ausliridig  zu  machen.  Das  Resultat  war  für  die  Lehre  von  der  phjsi- 
acheu  Charakteristik  der  Nationalitäten  höchst  bedenklich.  Denn  da  fanden 
aicli  Blonde  mit  blauen  Augen  darunter  nnd  alle  Uebergange  bis  zu  den 
Brünetten  mit  geraden  und  krummen  Nasen.  Sehr  bald  war  zu  bemerken, 
dasa  der  Schnitt  der  Kleidung,  der  Haare^  bei  Männern  die  Art  den  Bart 
zu  tragen  und  ähnliche  Dinge  die  Entscheidung  herbeiführten*  Kehrte  ich 
nunmehr  das  Experimetit  um,  dann  waren  die  Irrthümer  meiner  Führer 
nahezu  permauent.  OriflF  ich  aus  der  Schaar  junger  Männer  solche  heraus, 
die  den  kleinen  gekrenapten  Hut  und  die  kurze  geschnürte  Jacke  tiugeu^J 
so  ging  die  Diagnose  stets  auf  Magyar,  während  mehr  als  50  pCt.  bei  der 
Erkundigung  nach  der  Herkunft  sich  als  Slaven  oder  Deutsch- Oesterreic her 
entpuppten*  Noch  niederschlagender  w^aren  meine  Erfahrungen  in  der 
grossen  Kabylie.  Von  den  zwei  Völkern,  welche  das  alte  Numidien  und 
Maurilanien  bewohnen^  sind  nach  der  Ansicht  der  Ethnologen  die  Kabylen 
der  autochthoue  Stamm,  und  in  allem,  in  8itte  und  Sprache  und  körper- 
lichen Merkmalen  verschieden  von  den  Arabern,  Aber  auch  hier  wieder- 
holte sich  dasselbe  Schauspiel  Da  wurde  bald  der  Araber  für  einen 
Kabylen  oder  umgekehrt,  der  Kabyle  für  einen  Araber  erklärt.  Immer  war 
der  Schluss  lediglich  auf  die  Merkmale  der  Tracht  gegründet.  Das  Exterieur 
der  eigentlichen  Menschen,  nämlich  seine  Gesichtaform^  die  des  Schädels, 
die  Farbe  der  Haut  spielten  nur  eine  secundare  Rolle  dabei.  Es  liegt  dies 
offenbar  daran,  dass  die  Beurtheilung  rein  körperlicher  Merkmale  bestimmte 
und  sehr  genaue  Vergleichung  erfordert.  Zeigt  es  sich  doch  selbst  bei 
Reisenden    von  Profession    im  Innern    des    dunklen  Coutinentes,    dass    die 


L 


Ok*  Anti>chthon«n   Amerikas. 


31 


Trennung  io  Völker  und  Stämme  bei  dem  Mangel  der  Bekleidung  sich  auf 
Sprache,  Sitten,  anf  Ackerban  oder  Viehzucht,  oder  anf  i^estimmte  Form  der 
WaOen  (Lanzen-,  Messerformen,  Bog^n arten)  u,  a.  w.  gründet,  anatomische 
Zeichen  dagegen  sehr  spärlich  herbeigezogen  werden. 

Sobald  man  also  au  die  einztVlnen  Individuen  herantritt,  hört  die  ünter- 
scheidungsfahigkeit  auf,  welche  doch  den  grossen  ethnischen  Gruppen 
gegenüber  mit  einer  groaaeu  Beharrlichkeit  und  mit  Recht  festgehalten  wird. 
Urn  diese  Unterschiede  zu  erklären,  kommt  man  immer  wieder  auf  die  Ver- 
muthuüg  von  dem  allmählichen,  umändernden  Einflusa  der  Natur.  Dennoch 
ist  sie  falsch,  denn  die  Rasaenmerkmale  ändern  sich  nicht.  E8  giebt 
nirgends  in  der  Literatur  zuverlässige  Belege  einen  umgestaltenden  Ein- 
flussea.  Man  hört  so  viel  von  dem,  enropäische  Einwanderer  so  tief  modili- 
cirenden  Eiaflues  des  amerikanischen  ContineuteB,  die  Basse  würde  mager 
und  hoch,  die  Muskeln  würden  dünn,  das  Fettpolster  verschwindej  aber  alt- 
gesehen  davou,  dass  dieft  gar  keine  Rassen meikmale  sind,  sondern  lediglich 
individuelle  Varianten,  welche  unter  jeder  HimraelHgegend  wechseln,  haben 
sie  absolut  nichts  charakteriätisches  für  Amefjka.  Denn  competeute  Leute 
versichern^  dass  eingewanderte  Europäer  auch  in  Amerika  muskulös  und 
fettleibig  würden,  und  ich  kann  das  von  vielen  Amerikanern  bestätigen. 
Aber  der  stärkste  Beweis  für  die  Unveränderlichkeit  der  Rassen  bleibt,  ich 
wiederhole  es,  die  Thatsache,  dass  seit  dem  Diluvium  die  Rassen mcrkmale 
am  Skelet  sich  trotz  des  Wechsels  der  natürlichen  Bedingungen  nicht  im 
geringsten  geändert  haben.  Wenn  nun  dennoch  die  Nationen  körperliche 
Unterschiede  aufweisen,  so  müssen  sie  auf  einem  anderen  Wege  entstanden 
sein,  als  demjenigen  der  Umwandlung  der  einzelnen  Individuen  durch  die 
sogenannten  natürlichen  Einflüsse.  Ich  habe  weiter  oben  diese  Bedingung 
schon  erwähnt,  es  ist  die  Penetration  der  Rassen  untereinander. 
Aber  sie  erfolgte  nicht  überall  in  derselben  Weise.  In  Europa,  auf  dessen 
Boden  fünf  verschieden e  Rassen  noch  heute  aufzuweisen  sind,  ist  die 
Penetration  in  verschiedenen  geographischen  Gebieten  sehr  ver- 
schieden gewesen.  Diese  zahlreichen  und  feinen  Abstufungen  lassen 
sich  mit  Hilfe  der  Laogenbreitenindices  oder  irgend  eine:«  anderen  Rassen- 
merkmales, zum  Beispiel  der  Farbe  der  Augen,  der  Haare  und  der  Haut, 
leicht  nachweisen.  Das  habe  ich  für  mehrere  Gebiete  Europa'ö  gethau. 
Es  hat  sich  dabei  ausnahmslos  herausgestellt, 

L  dass  jede  ethnische  Einheil  Europa's  aus  den  Nachkommen  mehrerer 
Rassen  aufgebaut  ist; 

2.  dass  die  Penetration  in  alleu  Culturstaaten  schon  so  weit  gediehen 
ist^  dass  in  jedem  noch  so  entlegenen  Dorf  Vertreter  der  verschiedenen 
Baasen  vorkommen; 

3.  dass  das  Verhältniss,  in  welchem  die  verschiedeneu  Rassen  und  ihre 
Abkömmlinge  zu  einander  stehen ,  in  den  verschiedenen  ethnischen 
Gebieten  eine  verschiedene  ist. 


J.  Koll mannt 


lu  dieser  Verschiedenartig  kbeit  der  Penetration  liegt  der 
ScLlüsscl  zu  einer  n  aturgem  aasen  Erklrirting  jener  typiechen  Züge  der 
einzelnen  ethnischen  Gruppeo,  welche  mit  so  grosser  Zähigkeit  in  der  Tradition 
wie  in  der  Gegenwart  festgehalten  werden.  Diejenige  Rasse,  welche 
innerhalb  eines  politischen  Vorbandes,  sei  er  gross  oder  klein, 
am  zahlreichsten  vertreten  ist,  giebt  der  ethnischen  Einheit  das 
bestimmte  somato logische  Gepräge.  Sie  tritt,  weil  in  der  Uebcr- 
zahl,  ans  am  häujigsten  entgegen,  prägt  sieb  in  einem  Collectivbild  unserer 
Vor8te!lung  ein,  und  wird  für  das,  was  wir  nationalen  Typus  nennen,  erklärt , 

Die  übrigen  noch  vorhandenen  Rassenelemente  werden,  auch  dann,  wenn 
ihre  Zahl  beträchtlich  i^^t,  von  unserm  Urtheil  nicht  weiter  berücksichtigt, 
sie  Hlecken  in  denselben  Kleidern,  und  die  Aufmerksamkeit  wird  gerade 
dadurch  von  den  körperlichen  Merkmalen  des  Gesichtes  völlig  abgelenkt 
Dennoch  sind  sie  vorhanden,  und  die  complicirte  Zusammensetzung,  ebenso 
das  numerische  Uebergewicht  einer  bestimmten  Rasse  innerhalb  einer  ctb- 
niöcben  Gruppe  lässt  sich  zahlenmassig  nachweisen.  Die  noch  so 
wenig  beachtete  Statistik  über  die  Farbe  der  Augen,  der  Haare  and  der 
Haut  ergiebt  in  Verbindung  mit  den  Schädelmessungen  die  unumstössliche 
Thatsache,  dass  nicht  allein  die  centraleuropriischen  Völker,  nein,  auch 
Stamme,  denen  sonst  Rasseneioheit  nachgerühmt  wird,  wie  Esten,  Letten 
und  Finnen,  in  Wirklichkeit  ein  Produkt  mehrerer  Rassen  darstellen. 

Und  diej^es  Ergebnis«  hat  craDiologisches  Material  geliefert,  das  nicht 
aus  den  Städten  stammt,  sondern  aus  ländlichen  Bezirken,  welche  eine 
sogenannte  ungemischte  Bevölkerung  enthalten,  ein  Material,  das  überdies 
aus  den  älteren  Grabstätten  dieser  Gebiete  entnommen  ist,  und  die  Garantie 
bietet,  dass  die  politischen  Umgestaltungen  der  letzten  zwei  Jahrhunderte 
von  keinem  Einfluss  auf  unser  Ergebniss  gewesen  sind.  Die  Thatsache 
von  der  ßassenmehrheit  innerhalb  der  Nationen  muss  also  dem 
früheren  irrigen  Dogma  von  der  Rasseneinheit  gegenüber  gestellt  werden* 
Der  Gedanke  an  solch'  beträchtliche  Mischung  innerhalb  der  Völker  mag 
dabei  vielleicht  unwillkommen  sein.  Die  Vorstellung  von  „reinem  Blut" 
in  den  Adern  schmeichelt  Individuen  und  Völkern  und  das  Gegentheil 
klingt  nicht  wie  ein  Lob.  Als  man  im  Jahr  1870  den  Preussen  vorwarf  — 
es  war  Herr  de  Quatrefages  —  sie  seien  eine  Mischung  von  Slaven, 
Finnen  und  Borussen,  da  sollte  damit  entschieden  etwas  sehr  Schlimmes 
der  Welt  m^itgetheilt  werden.  Vielleicht  wird  man  aber  bei  genauerer 
Untersuchung  einsehen  lernen,  dass  gerade  in  dieser  starken  Penetration 
der  Rassen  untereinander  ein  Vorzug  liegt  Bringt  doch  jede  Rasse  ein 
bestimmtes  Erbtheil  nicht  allein  körperlicher,  nein  auch  geistiger  Eigen- 
schaften als  Vermögen  mit  in  die  Ehe.  Und  nachdem,  wie  nach  einem 
Naturgesetz,  die  edleren  Eigenschaften  des  Geistes  allmähüch  die  Oberhand 
gewinnen,  so  muss  diese  Penetration  günstig  wirken.  Femer  ist  es  be- 
kannt,    dass  nicht  die  Ehe   unter  Blutsverwandten,   sondern  diejenige  unter 


Dift  AutochtboaeB  Äiuerika'a, 

Fremden  die  besser  organiöirien  NachtommeD  liefert.      So  ist  es  im  Leben 

der  Familie  uod  im  Leben  der  Völker.  Ja  man  könnte  den  Satz  mit  guten 
Beispielen  belegen,  dass  eine  hohe  Ciilturstufe  von  dem  Grad  der  Raasen- 
mischung  abhängig  sei.  Die  Häufung  verschiedener  Rassenelemente  inoer- 
halb  einer  Nation  ist  nach  der  Zusammensetzung  der  central-  uod  west- 
europäischen Völker  eher  als  eine  Bürgschaft  iür  vielseitige  geistige 
Begabung  und  physiscbe  Vollkommenheit  ^u  betracbten,  als  mit  vorwurfs- 
vollem Tadel  aufzufassen.  Alle  Völker,  die  Englands  ^  Scandinaviens, 
Frankreichs,  Deutschlands,  Italiens  etc,  sind  aus  verschiedenen  europäischen 
Rassen  zusammengesetzt.  Jener  Winkel  unseres  Kontinents,  auf  dem  eine 
auclj  nocb  so  kleine  Gemeinde  reiner  Rassenmenschen  lebt,  harrt  noch  der 
Entdeckung  und  wird  wohl  niemals  aufgefunden  werden.  Diese  Erfah- 
rungen der  Anthropologie  über  die  Zusammensetzung  der 
europäischen  Völker  haben  ihre  volle  Geltung  auch  für  die 
Autocht honen  Amerikas.  Dort  kommen  andere  Varietäten  in  Betracht, 
allein  ihre  Penetration  ist  auf  diesem  Continent  ebenso  intensiv  gewesen, 
wie  in  Asien  oder  irgend  einem  andern  der  grossen  Continente.  Dabei 
sehen  w^ir  aller  Orten,  dass  die  Völker  sterblich  sind,  „unzählige  versanken 
im  gähnenden  Schoos  der  Zeil**,  aber  die  Rassen  bleiben  erhalten  und  dauern 
aus  mit  ihren  physischen  Merkmalen.  Dieselben  Elemente  werden  unter 
neuen  Namen  Theile  anderer  Nationen.  Die  Sitte  wechselt,  die  Sprache 
ftndert  sich,  die  Tradition  erblasst  oder  nimmt  neue  importirte  Bilder  auf, 
während  die  verschiedenen  Rassenelemente  sieb  ewig  verjüngen,  und  sich 
im  breiten  Strom  des  Lebens  untereinander  Terbinden. 

Wenn  man  den  Ergebnissen  der  vergleichenden  Craniologie  Rech- 
nung trägt,  dann  lehrt  die  Untersuchung  der  Autochthuneo  Amerikas  unti 
die  zweifellosen  Parallelen  innerhalb  europäischer  Völker,  dass  sich  die 
Eigenart  der  ethnischen  Gruppen  auch  ohne  die  Annahme  von 
äusseren  umgestaltenden  EinflQssen,  und  naturgemäss  als  eine  noth- 
wendige  Folge  der  Zusammensetzung  aus  verschiedenen  Rassen 
erklärt  Die  Zahlen tabellen  und  die  Curven  sind  hierfür  die  nächsten  un- 
umstössliehen  Belege,  —  Wird  die  Beweiskraft  der  Zahlen  anerkannt,  so 
kommen  wir  zu  dem  ferneren  Ergebniss,  dass  die  amerikanischen  Menschen- 
rassen, soweit  sie  craniologischer  Untersuchung  erreichbar  sind,  keine  Zeichen 
von  auffallender  Abweichung  ihrer  Merkmale  durch  die  Natur  aufweisen.  Ich 
erinnere  an  die  Mound-Builders  und  die  heutigen  Indianer.  Die  Schädel* 
formen  sind  dieselben  und  zeigen  keine  Spuren  von  Umänderung  durch  die 
äusseren  Einflösse  des  Klimas  oder  um  ganz  allgemein  zu  sprechen,  keine 
Spuren  der  natürlichen  Zuchtwahl  seit  undenkhcber  Zeit. 


IL 

Ich    habe    bisher     zumeist    den    Ausdruck    Rasse    gebraucht,    um    die 
charakteristischen  Unterschiede   in  der  Menschheit  anzudeuten.     An  nnd  für 

ZiilfrclirlA  für  Elhuologl«.    Jihrg,  1833.  3 


J.  Kolltn^nn; 


sich  ist  dies  vieißrebrauchte  Wort  hierffir  verwerflich.  In  Wirklichkeit  be- 
zeicbnet  es  ja  die  im  Culturziistande  durch  die  ktnistliche  Zuchtwahl  eiit- 
standeneo  Subspecies  und  Varietäten.  Nachdem  aber  jede  kuosliiche 
Zuchtwahl  bei  dem  Menschen  ausser  Betracht  lullt,  mosa  man  versuchen, 
dem  Begriff  „Rasse**  sein  Burgerrecht  in  der  Anthropologie  für  die  Zukunft 
gänzlich  zu  entziehen,  —  Der  Formen  kreis  der  Species  Mensch  ist  ausser- 
ordentlich gross.  Aber  selbst  die  extremsten  Formen  werden  nach  den 
gystematisirenden  Grundsätzen  von  den  Naturforschern  zu  einer  einzigen 
Art  gehörig  angesehen,  wenn  sie  durch  eine  zusammenhängende  Reihe 
fein  abgestufter  Zwischenfonnen  continuirlrch  verbunden  sind,  oder  sobiild 
sich  die  Abstammung  von  der  gemeinsamen  Slammart  empirisch  erweisen 
lagst.  Bei  dem  Menschengeschlecht  treffen  diese  beiden  Bedingungen 
xusamroeD,  und  deshiilh  entsteht  die  Verpflichtung,  alle  Formen  unter  eine 
Species  zu  ordnen.  Die  aus  einer  Art  hervorgegangenen  unterscheid- 
baren  Formen,  welche  bestimmte,  erworbene  und  dauernde  Eigenscliaften 
regelmässig  auf  die  Nachkommen  übertragen,  müssen  dann  je  nach  der 
Sumnae  dieser  cbarakterislischen  Eigenschaften  entweder  in  die  Kategorie 
der  Subspecies,  Unterarten,  oder  in  jene  der  Spiehirten,  Varietates  ein- 
gereiht werden.  Es  sind  Raogstufeo,  welche  innerhalb  der  Species  Gruppen 
vereinigen,  welche  sich  durch  eine  bestimmte  Summe  von  Eigenschaften 
auszeichnen.  Ihre  Unterscheidung  ist  von  der  höchsten  Bedeutung  für  das 
Verstandniss  der  natürlichen  Verwandtschaft  W^äbrend  ich  nun  den  Regeln 
der  klassifizirenden  Zoologie  folge,  und  den  Nachdruck  auf  die  Unter- 
schiede lege,  so  bin  ich  doch  weit  entfernt,  das  Gemeinsame  in  der 
Erscheinung  des  Menschengeschlechtes  aus  dem  Auge  zu  lassen.  Die 
Qualität  der  unterscheidenden  Merkmale  ist  ja  niemals  das  für  eine  Art 
Charakteristische,  sondern  die  Conatanz.  Constanten  Merkmalen  kommt 
auch  eine  viel  höhere  Bedeutung  zu,  als  z.  B.  der  räumlichen  Trennung, 
der  wir  unbewusst  ein  grosses  Gewicht  beilegen,  WasH&ckel  (25)  in 
dieser  Beziehung  für  die  Thter-  und  Ffanzenvarietaten  als  wichtig  hinstellt, 
hat  auch  ffir  die  des  Menschen  Geltung.  Zwei  Varietäten,  wenn  sie  aus 
zwei  entfernten  und  nicht  zusammenhängenden  Gegenden  stammen,  \Yerden 
oft  als  zwei  gute  Species  betrachtet,  während  Jedermann  dieselben  nur  als 
untergeordnete  Varietäten  einer  und  derselben  Species  betrachten  würde, 
wenn  sie  in  derselben  Gegend  gemischt  vorkämen^). 

Um  die  Unterschiede  innerhalb  des  Menschengeschlechtes  zu  klassifiziren, 


I 


I 
I 


1)  Von  örtheilsfShi^en  Beobacbtem  habe  ich  wiederholt  bei  deo  Schaustellungen  der 
Lüf^pl&Dder  oder  der  Indianer  d&s  Urtbeil  gebort,  das  seien  eiufueh  uiaskirte  Schwhbc'n  oder 
Bayern,  obwohl  die  Aecbtheit,  von  den  berufensten  Ethnologen  fest^estdli ,  ausser  Zweifel 
war.  Da»  tst  ein  deullicher  fioff^rzQig,  wie  «nffallend  gering  der  Unterschied  seltist  sehr 
diiTerenter  sog-,  R&sseo  ißt,  uud  dasa  es  nothwendijr  i^ird,  im  Hinblick  auf  die  vorliejjenden 
Thatsachen  von  der  Gemeinsamkeit  der  wichtigsteu  Merkmale,  io  der  Aufetellung  der  ver- 
schiedenen KAtegorien  den  Maasfistab  oicbt  tu  hoch  anzulepfen. 


Die  ÄubchÜionön  Ameriki.*s. 


35 


lügen  vollauf  zunächst  die  Begriffe  voo  Sabspeciea  und  VarietasJ)  Damit 
können  voltaul'  die  verschiedenen  Grade  in  der  Con stanz  der  wesent- 
lichen Differential  Charaktere  bezeichnet  werden,  wobei  die  Snbspecies 
eine  grössere  Summe  von  solchen  E)ifferentiakbarakteren  enthält,  die  Varietät 
eine  geringere. 

Von  diesen  Gruudslitzen  ausgehend,  werde  ich  einen  Stammbsam  der 
lebenden  Formen  des  Menschengeschlechtea  weiter  unten  aufstellen,  worin 
von  einer  Species  eine  begrenzte  Anzahl  Subspecies  (Soustypes  der 
Franzosen)  abstammt  nnd  zwar  nur  sechs,  welche  wiederum  die  Ausgangs- 
punkte der  Varietfiten  geworden  sind.  Darüber  hinauszugehen  ist  hier  nicht 
meine  Aufgabe,  doch  wird  es  später  wohl  DOth wendig  werden,  auch  Unter- 
varietaten  anzunehmen. 

Ethnologische  Bezeichnungen  sind,  weil  die  Missverständnisse  und 
IrrihQmer  durch  sie  in  Permanenz  erklärt  werden,  gänzhch  bei  Seite  ge- 
bliehen. So  habe  ich  mich  denn  bei  der  Herstellung  des  Stammbtiumes 
lediglich  voo  anatomischen  Merkmalen  leiten  lassen.  Nach  dem  Prinzip 
der  Vermehrung  und  der  stufenweisen  Divergenz  der  Eigenschaften  der  von 
einem  gemeinsamen  Ahnen  abstammenden  Unterarten,  Varietäten,  und  in 
Verbindung  mit  der  erblichen  Erhaltung  eines  Theiles  des  gemeinsamen 
Charakters  lassen  »ich  die  ausserordentlich  verwickelten  und  strahlenförmig 
auseinandergehenden  Verwandtschaften  begreifen,  wodurch  alle  Glieder  dieser 
Gruppe  miteinander  verkettet  werden.  Denn  der  gemeinsame  Stammvater 
einer  Reihe  von  solchen  Unterarten  und  Varietäten  bat  einige  seiner  Charaktere 
allen  gemeinsam  mitgetheilt,  und  die  verschiedenen  Formen  werden  nur 
durch  Verwandtschaftslinien  vun  verschiedener  Lfmge  mit  einander  verbunden 
sein,  welche  eben  in  der  Stammform  ihren  Verein igungspunkt  finden.  Die 
Schwieriji^keitenj  sich  von  dem  verwickelten  Vorgacge  einer  solchen  Descendenz 
ein  deatliche»  Bild  in  der  Vorstellung  zu  entwerfen,  sind  sehr  beträchtlich. 
Darwin  hat  hierfür  einen  treffenden  Vergleich  gewählt.  Wie  e>^  schwer 
ist,  die  Blutsverwandtschaft  zwischen  den  zahlreichen  Angehörigen  einer 
alten  Familie  sogar  mit  Hilfe  eines  Stammbaumes  zu  zeigen,  und  es  fast 
unmöglich  ohne  dieses  Hilfsmittel  zu  thun,  so  begreift  man  die  mannigfaltigen 
Schwierigkeiten,  auf  welche  Naturforscher  ohne  die  Hilfe  einer  bildlichen 
Skizze  stoasen,  w^enn  sie  die  verschiedenen  Verwandtschafts  bezieh  unp^en 
zwischen  den  vielen  lebenden  und  erloscheneD  Gliedern  einer  grossen  natür- 
lichen Gruppe  nachweisen  wollen.  Dabei  ist  die  Annahme,  dass  viele 
Zwischenforroen  erloschen  sind,  welche  einen  grossen  Antheil  an  der  Bildung 
und  Erweiterung  der  Lucken  zwischen  den  verschiedenen  Abarten  und 
Varietäten  des*  Menschengeschlechts  hatten,  nicht  voo  der  Hand  zu  weisen- 
Sowohl  aus  den  früheren  Erörterungen,  als  aus  den  zunächst  folgenden  geht 


1)   Ich  Teriichte   atif  phj8iolD|pflche  Variet&tea  und  Subspecies.    Die  Morphologie  bat 
alkin  bei  der  prakttsclien  Unterscheidung  einer  Benenuung  iQBäcbst  deo  Aasschlag  za  geben 

3* 


;)g  J.  Kollmann: 

doutlioh  hervor,  daas  auch  ich  an  ein  Yariiren  des  MeDSchengeacblechtes 
glaubo,  aher  die  Zeit  der  Variabilität  auf  Grund  der  vorliegenden  Constanz 
dor  heutigen  Abarten  und  Varietäten  in  die  präglaciale  Periode 
zurückversetze.  Man  kann  dies  die  erste  Epoche  in  der  Urgeschichte  des 
Mennchcn  nennen,  und  muss  die  zweite  mit  der  glacialen  Epoche  be- 
ginnen lassen,  in  welcher  diese  Varietäten  bereits  in  Dauertypen  am- 
gewandolt  waren.  Nach  den  vorliegenden  Thatsachen  ist  nun  folgende  Auf- 
fassung über  die  Entwicklung  der  Unterarten  und  Varietäten  des  Menschen- 
geschlechtes von  einer  gemeinsamen  Stammform  aus,  gestattet 

Aus  der  ursprünglichen,  einen  Menschenspecies,  die  wir  der  Deutlich- 
keit halber  als  Stammform,  als  Homo  sapiens  primigenius  bezeichnen  wollen, 
und  die  ich  mir  als  eine  mesocephale  Form  mit  niedrigem  und  breitem  Ge- 
sicht, niedrigen,  viereckigen  Augenhöhlen,  platyrrhiner  Nase,  überhaupt  was 
die  Form  des  Gesichtes  betrifft^  mit  niedrigem  Gesicht,  also  chamaeprosop 
vorstelle,  gingen  unter  dem  Einfluss  der  natürlichen  Zuchtwahl  die  Subspecies 
von  folgender  Beschaffenheit  hervor: 

a)  chamaeprosopo  Langschädel,  Breitgedichter  mit  langem  Schädel. 

b)  chamaeprosope  Kurzschädel,  in  der  Weise  nämlich,  dass  die  chamae- 
prosopen  Mesocephalen  zunächst  die  Form  des  Gesichtes  im  Wesentlichen 
beibehalten,  dagegen  am  Hirnschädel  beträchtliche  Variationen  zur  Ent- 
wicklung brachten.  Die  Annahme  einer  chamaeprosopen  mesocephalen  ^) 
Stammform  liegt  in  dem  Umstand,  dass  die  chamaeprosope  Mesocephalie  wie 
die  übrigen  chamaeprosopen  Unterarten  entschieden  mehr  pithekoide  Zeichen 
HU  sich  tragen,  als  die  leptoprosopen  Formen. 

Der  eine  Zweig  erhielt  also  dolichocephale  Himkapsel,  der  andere  brachy- 
oopbale.  So  lieferte  die  Stammform  zunächst  zwei  Varietäten,  während 
die  ursprüngliche  gleichfalls  erhalten  blieb. 

l>ie  Stammform  der  chamaeprosopen  Mesocephalen  veränderte  sich  aber 
auch  noch  in  folgender  Weise.  Unter  anderen  Einflüssen  der  Zuchtwahl 
kam  nicht  allein  die  Urform  des  Hirnschädels  in  Flnss,  sondern  auch  die- 
jenige dos  Gesichtes. 

Es  wurde  schmal  und  hoch«  die  Augenhöhlen  wurden  rund,  der  Nasen- 
rücken erhob  sich,  wurde  gerade  and  gebogen^  und  es  entstand  so  eine  Form 


\)  l^tT  Wid<»r»prucb  $^^d  die  Existent  einer  ckimaeprosopen  Mesocephalie  wird  sich 
wohl  DAoh  uu(i  nach  \erHer^D.  wenn  man  statt  dti  RaisonaemeDts  die  ^nane  Verurleiciiaiig 
\\^T  Sch*\iel  «ciuuul  \<^T»uoheu  virvi.  Das^elb«  isi  der  Fall  mit  den  Randbemerkongea  ober 
\\\^  y^K^A^wXwx^  Kitx  ohautaeprv>$op^n  [V>Uchocepha]ie  ^Holder).  Die  bekannte  Unterscheid ong 
i'iuor  u^^oUtischiMi  uiM  paU^oüthisch^n  D.«Iicboo«pha)ie,  wie  sie  Ton  sorgf&ltif^n  Beobachtern 
lS««ittiioht  wiTxi,  unvi  d^e  Kii^teni  ^in«r  iraoiea  Literatar  bieräber  dürfte  weni^tens  Veran- 
Uiisuni;  g^b^n.  di^^  Anca^<^n  obj^^tiT  m  pnf^n.  --  Dass  die  Chaniaeprosopie  an  sich  der 
prinur^u  v»i?>ioh!!iform  enis;*r:oht.  mini  danfh  das  Antiitx  des  neugeborenen  Kindes,  durch 
Jii»  .»hjj^eudfv^rW  tpbt*:  •*:!*  Kjb^^le^t,  welche  stete  niedrig  ist.  Auch  bei  den  jngendlirhen 
Auihu^l^Mxi^n  isj  ^w  ObAnwepiwsopie  x.^rhAndea«  wie  akh  ans  den  Zahlen  bei  Virchow  (22) 
b^iiKhueu  U»t. 


/ 


Dia  Autochthonen  Amerika*s. 


37 


des  Gesichtes,  die  ich  schmal,  leptoprosop  genannt  habe.  Diesen  schmalen 
Gesichtern  gesellten  sich  bei  den  einen  kurze  Galvarien,  bei  den  andern  auf 
dem  Wege  allmäbliger  Entwicklung  lange  Galvarien  hinzu,  und  so  ent- 
standen die  längst  bekannten  und  oft  beschriebenen  Rassen: 

a)  leptoprosope  Dolichocephalen   (dolichocephale  Langgesichter), 

b)  „  Mesocephalen        (mesocephale  ,^  ), 

c)  „  Brachycephalen     (brachycephale  „  ). 

So  ergeben  sich  sechs  Unterarten,    deren  nähere  oder  entferntere  Ver- 
wandschaft die  folgende  Tabelle  errathen  lässt 


18      17      16   15  14     13  12  11    10 

j  !  IST?  T 

i 


'# 


\\ 


/ 


f' 


Leptoprosope: 


// 


Dolicho-  Meso-         Brachy- 

cephalen cepbalen      cephalen 

VI  V  IV 


Y 

! 


9       8 

f 
i 

i 


•^,1/ 


6     6    4  8 


a 
1     • 


~¥  l 


Chamaeprosope: 


Dolicho- 
cephalen 

m 


¥■ 


/ : 


Meso-      Brachy- 
cephalen cephalen 
U  I 


%4 

u 

P 


Chamaeprosope  Mesocephalen 


(Stamm- 


form) 


Species  homo  sapiens 


38  J-  Kollmaan: 

Wir  erhalten  drei  chamaeprosope  und  drei  leptoprosope  Unterarten 
aus  der  einen  Stammform.  Offenbar  musste  die  Isolirnng^)  der  neuen  Unter- 
arten anfangs  geschehen,  damit  sich  dieselben  befestigen  konnten. 

Der  Stammbaum  auf  der  vorhergehenden  Seite  macht  verstandlich,  dass 
die  Divergenz  der  einen  Species  in  sechs  verschiedene  Unterarten  sehr  we- 
sentlich differirende  Formen  erzeugt  hat,  welche  durch  so  markirte  Zeichen 
getrennt  sind,  dass  der  Gedanke  an  besondere  Species  wohl  auftauchen 
konnte.  Ein  chamaeprosoper  Dolichocephale  III  des  Schema  ist  von  dem 
chamaeprosopen  Brachycephalen  durch  eine  beträchtliche  Kluft  getrennt 
Diese  vergrössert  sich,  je  weiter  wir  in  der  Reihe  nach  IV,  V,  oder  VI  fort- 
schreiten. Das  Schema  bringt  in  diesem  Fall  eine  Erscheinung  zum  klaren 
Ausdruck,  welche  die  Craniologie  und  die  klassifizirende  Anthropologie 
schon  längst  festgestellt  haben.  Denn  es  treten  sowohl  die  Unterschiede 
als  der  gemeinsame  Ursprung  ins  rechte  Licht,  oder  wie  dies  weiter  oben 
angedeutet  wurde,  die  Qualität  der  Unterarten  in  die  Constanz  der  Species. 

Auf  die  Periode  der  isolirten  natürlichen  Entwicklung  der  Unterarten 
musste  eine  Periode  der  Wanderung  folgen,  in  welcher  sie  gegenseitig 
penetrirten,  und  allmählig  die  ganze  Oberfläche  der  bewohnbaren  Erde  er- 
füllten. Es  entwickelten  sich  nun  erst  weitere  Formen,  so  wie  dies  etwa 
die  punktirten  Linien  andeuten  mögen.  Diese  Formen  gehören  in  die  Kate- 
gorie der  Varietäten.  Für  ihre  Bezeichnung  habe  ich  die  Eigenschaft  der 
Haare  gewählt,  und  zwar  die  drei  Hauptunterschiede  derselben,  die  schlichten 
Haare  Crines  lissotriches,  die  straffen  Haare  Crines  euthycomi  und  die 
Wollhaare  Crines  ulotriches.  Jede  der  sechs  Unterarten  ging  in  drei 
Varietäten  auseinander,  die  wir,  um  jedes  Missverstlindniss  zu  beseitigen, 
zunächst  mit  ihrem  vollständigen  systematischen  Namen  bezeichnen  müssen, 
der  die  Charaktere  der  Unterart  und  der  Varietät  in  sich  vereinigt. 

Wir  unterscheiden  also  folgende  Varietäten: 

1.  schlichthaarige  Langköpfe  mit  niederem  Gesicht, 

2.  straffhaarige  „ 

3.  wollhaarige  „ 

4.  schlichthaarige  Mesocephalen  mit  niederem  Gesicht 

5.  straffhaarige  „  r>  it  j) 

6.  wollhaarige  „  »  ^  « 

7.  schlichthaarige  Brachycephalen 

8.  straffhaarige  „ 

9.  wollhaarige  „ 


1)  Jene,  welche  sich  über  die  Redentong  der  Isoliran^  für  die  Entstehung  der  Arten  ein 
Bild  verschaffen  wollen,  verweise  ich  auf  die  beachtenswerthen  Abhandlungen  von  Moritz 
Wagner  (32)  über  die  Migrationstheorie.  Vielleicht  finden  wir  auf  einzelnen  Inseln  des  in- 
dischen Oceans  noch  Unterarten,  die,  nicht  penetrirt  von  anderen,  ihre  Wohngebiete  erreichten, 
auf  denen  sie  seit  der  präglacialen  Epoche  geblieben  sind. 


Die  Autochthonen  Amerika's.  39 

(Langköpfe      mit  hohem  Gesicht 
Mesocephalen  „         ^  „ 

Eurzschädel     »         »  ^ 

Jede  der  sechs  Unterarten  liess  eine  schlichthaarige,  eine  straffhaarige 
und  eine  wollhaarige  Varietät  aas  sich  entstehen.  Um  diese  differente  Eigen- 
schaft je  nach  der  Beschaffenheit  der  Haare  wenigstens  anzudeuten,  endigen 
die  punktirten  Linien,  welche  die  Varietäten  andeuten,  abwechselnd  gabel- 
förmig, punkt-  oder  ringförmig  (Stammbaum  Nr.  1—18).  Die  schlichthaarigen 
Varietäten  der  Lang-Kurzschädel  und  der  Mesocephalen  Europas  werden  also 
von  mir  in  die  Stufe  der  Varietäten,  nicht  der  Subspecies  verwiesen.  Das- 
selbe ist  der  Fall  mit  den  straff  haarigen  Menschenformen,  oder  mit  den 
Wollhaarigen. 

Alle  miteinander  bilden  eine  Reihe,  deren  extremste  Formen  sehr 
weit  von  einander  abstehen  (Vergleiche  den  Entwurf  des  Stammbaumes  und 
den  Abstand  zwischen  1  und  10 — 18).  Man  wird  dadurch  mindestens  den 
grossen  Unterschied  der  in  der  Reihe  entferntesten  Varietäten  verstehen, 
der  schon  wiederholt  soweit  gefuhrt  hat,  dass  man  eine  grosse  Zahl  von 
Species  aufgestellt  hat  (Hack  el  u.  A.).  Ebenso  erklären  sich  die  allmähligen 
Uebergänge.  Bekanntlich  bedarf  es  genauer  und  sorgfaltiger  Prüfung  um 
die  einzelnen  Merkmale  der  Unterarten  am  Schädel  aufzufinden,  selbst  inner- 
halb grosser  somato logischer  Provinzen.  Einmal  deshalb,  weil  wir  die  grosse 
Thatsache  von  der  Constaoz  der  gemeinsamen  Varietäten -Merkmale  nicht 
hinreichend  berücksichtigen,  und  uns  die  Differenzen  grösser  vorstellen,  als 
sie  in  Wirklichkeit  sind,  und  überdies  Mischformen  und  wohl  noch  ein 
Theil  der  „Uebergangsformen"  das  Auffinden  erschwert.  Es  wird  noch  be- 
sonderer Studien  bedürfen,  die  Charakteristik  der  verschiedenen  Varietäten 
festzustellen.  Denn  die  Beschaffenheit  der  Haare  ist  nur  eines  der  somato- 
logischen  Merkmale.  Als  in  der  präglacialen  Entwicklungsperiode  des 
Menseben  dieses  Merkmal  sich  entwickelte,  nahmen  auch  die  anderen 
Organe  an  der  Umänderung  theil.  Bis  zu  welchem  Grad,  ist  nur  für  die 
schlichthaarigen  Varietäten  Europas  und  Westasiens  in  den  Hauptumrissen 
bekannt.  Ich  will  bezüglich  des  Schädels  daran  erinnern,  dass  bei  den 
schlichtbaarigen  leptoprosopen  Formen  der  Knochen  in  allen  Beziehungen 
ein  gewisses  Gleichgewicht  und  ein  Ebenmaass  in  der  Gliederung  zur  Schau 
trägt,  das  bei  den  straff  haarigen  Formen  nicht  in  jenem  Grade  zum  Ausdruck 
kommt.  Ein  ähnlicher  Gegensatz  besteht  zwischen  den  schlichthaarigen 
Ghamaeprosopen  Europas  und  den  straffhaarigen  Amerikas.  Ich  möchte 
hier  auf  diesen  Unterschied  nur  hinweisen,  ohne  weiter  in  diese  Aufgabe  der 
Anthropologie  einzutreten.  — 

Die  Existenz  grosser  somatologischer  Provinzen  soll  hier  eben- 
falls nur  berührt  werden.  Es  ist  schon  längst  bekannt,  dass  die  schlicht- 
haarigen Varietäten,  oder  die  straffhaarigen  u.  s.  w.  nicht  auf  einen  Gontinent 
beschränkt  sind,    sondern  viel    umfangreichere  Verbreitungsgebiete  besitzen. 


40 


J.  KoUmanD: 


Entstehang  der  Unterarten  (Subspecies)  und  der  Varietäten  (Varietates)  des 
Menschengeschlechtes  während  der  praeglacialen  Entwickelangsperiode  (Schema). 


Sechs  Unterarten 
(Subspecies) 


1«  Chamaeprosope 

Doliehocephalen 

(Lan^schädel  mit 
breitem  Qesicht) 


2,  Chamaeprosope 

Mesocephalen 

(Hittelköpfe  mit 
breitem  Qesicht) 


8.  Chamaeprosope 

Braehjcephalen 

(Karsköpfe  mit 
breitem  Gesicht) 


4«  Leptoprosope 

Doliehocephalen 

(Dolichocephale 
Langgesichter) 


5«  Leptoprosope 

Mesocephaleu 

(Mittelköpfe  mit 
langem  Gesicht) 


6«  Leptoprosope 
Braehjcephalen 


Penetration  der  Varietäten  unter  sich 
und  in  die  Continente 


[/ 


Europa 

Nordafrika 

Westasien 


\\\ 


V  \ 


\/v  ^^ 


\  \j 


\l 


Amerika 

Ostasien 

Inseln    des 
stillen  Oceans 


\A\ 


^\   \ 


A 


VI 


\  \ 


^  (3entralafrika, 
Südafrika  u. 
benachbarte 

^        Inseln. 


Yariet&ten,  bestimmt  nach  der 
Beschaffenheit  der  Haare 


Varietas  cham.  dolich.  lissotrlehis 
,  ,      mesoc. 

,  •       brach.  , 

j,      leptopr.  dolich.  , 

,       mesoc. 


Varietas  cham.  dolich.  enthyeoma 
9  ,      mesoc.  9 

„  ,       brach.  , 

,        leptopr.  dolich.  enthyeoma 
,  ,       mesoc.  eythycoma 

-  y,       brach.  , 


Varietas    cham.    dolich.  nlotriehüi 
,       mesoc         , 
,       brach.  , 

leptopr.  dolich.  « 

,       mesoc         , 
brachy.        „ 


Die  Äntocbthooen  Aio«rika^s. 


41 


Die  geographische  Yerbreitung  der  ersteren  Formen  erstreckt  sich  z,  B.  ober 

ganz  Europa,  über  Nordafrika  und  Woötasien.  Die  atraffhaarigen  VarietateD 
zerstreuen  eich  über  ganz  Amerika,  Oatasien  und  die  ösflichen  Inseln  des 
stillen  Oceans.  Den  Rest  der  übrigen  Erde  nehmen  die  Wollhaarigen  ein. 
Diese  Gebiete,  die  nur  in  ganz  allgemeinen  Umrissen  angedeutet  wurden, 
stellen  also  trotz  trennender  Meere  grosse  somatologische  Provinzen  dar,  in 
welche  die  verschiedenen  Unterarten  eingewandert  sind ^)*  In  ihnen  erhielten 
sie  dann  wohl  das  specitisclie  Gepräge  der  Varietäten.  Zur  Zeit  kenne  ich 
keine  andere  Deutung  für  die  überraschende  Erscheinung,  dass  in  Europa 
mit  dem  Beginn  der  glacialen  Epoche  schon  Abkömmlinge  von  fünf  der 
obenerwähnten  Varietäten  auftauchen,  chamaeprosope  Dolicho-,  Meso-  und 
Brachycephalen  und  die  leptoprosopen  Vertreter  derselben  Schädelformen. 
Alle  treten  sofort  auf  den  Schauplatz,  wo  wir  sie  noch  heute  finden.  Es  ist 
aus  diesem  Grunde  ud statthaft,  von  alten  und  jungen  Menschenrassen  zu 
sprechen,  denn  alle  sind  gleich  alt  und  gleich  jung.  Man  mag  von  jungen 
und  alten  Völkern  sprechen,  aber  darf  nicht  vergessen,  dass  wir  als  Re- 
präsentanten der  Varietäten  von  uraltem  Adel  sind,  der  seinen  Stamm- 
baum in  der  präglacialen  Epoche  hat. 

Die  Wanderung  der  Unterarten  in  die  grossen  somatologischen  Gebiete, 
und  die  Entwicklung  der  Varietäten  mag  in  deu  allgemeinsten  Zögen  das 
Schema  verani^chaulichen.  Die  erste  Colmnne  enthält  die  Namen  der  sechs 
Unterarten.  Von  ihren  verschiedenen  Standorten  begann  die  Wanderung  in 
die  grossen  somatologischen  Provinzen  (zweite  Columne).  Diese  Standorte 
mögen  sehr  weit  auseinander  gelegen  haben,  so  dass  z.  B.  Amerika  von 
mehreren,  verschiedenen  Punkten  aus  Sendlinge  empfangen  konnte  und  zwar 
zu  sehr  verschiedenen  Zeiten.  Nach  den  vorliegeoden  Erfahrungen  drangen 
also  in  diese  grossen  Provinzen  stets  mehrere  Unterarten  ein,  um  dort  unter 
dem  Einöuss  der  Variabilität  sich  weiter  umzuändern,  sich  in  Varietäten 
zu  spalten.  Diese  Ereignisse  der  menschliehen  Urgeschichte  werden  durch 
die  Columne  III  und  IV  ersichtlich.  Das  Schema  stimmt  mit  der  Thatsache 
überein,  dass  wir  überall  die  Plurahtät  der  Unterarten  in  ihren  Varietäten 
finden  *)* 

Es  bleibt  weiteren  Untersuchungen  vorbehalten,  wie  viel  Rassen  in  die 
grossen  somatologischen  Heiraathländer  (Columne  IL)  eingewandert  sind. 
Für  die  Länder  der  schlicblhaarigen  Varietäten  (Europa,  Westasien  und 
Nordafrika)  ist  die  Zahl  derselben  von  mir  genauer  bestimmt  worden.  Ich 
habe  (16  des  Literaturverzeichnisses)  deren  Zahl  auf  folgende  fünf  berechnet, 
nämlich: 

1)  Auf  dem  lüsel&rcfaipel  mögeu  sicti  die  Verbreitang»gebjete  sehr  mannichfacb  durcb- 
ecboeideo,  ich  lasse  alio  jeder  scbärferen  Umgrenzung  völlig  frei©  Bahn. 

2)  Mau  darf  die  Wandening  der  Vunetiten  nicht  aj§  eine  so  gleicl)  massige  auffaBaen^ 
wie  sie  iu  dem  Schema  erscheint.  Duich  EiDiuss«  des  Klimas,  des  Bodens  u,  s.  w.  sind 
offenhar  niaunichfache  Modifieationen  des  in  dem  Schema  gleicbmässig  erscheinendeu  Vor* 
gaoges  veranlaast  werdeii« 


42  J.  Kollmann: 

1.  LeptoproBope  Dolichocephalen 

2.  „  Brachycephalen 

3.  Chamaeprosope  Dolichocephalen 

4.  „  Mesocephalen 

5.  y,  Brachycephalen. 

Sie  treten  sämmtlich  als  schlichthaarige  Varietäten  auf.  Dabei  er- 
giebt  sich  aus  den  vorliegenden  Arbeiten  (Ecker,  Bis  und  Rütimeyer, 
Virchow,  Bogdanow  und  Anderer),  dass  oft  einzelne  Varietäten  lange  an 
Zahl  überwiegen,  so  z.  B.  in  der  ncolithi sehen  und  in  den  Anfangen  der 
Metallperiode  die  schlichthaarigen  leptoprosopen  und  chamaeprosopen  Lang- 
schädel, während  später  die  schlichthaarigen  Brachycephalen  in  der  Ueber- 
zahl  erscheinen,  soweit  die  Gräberfunde  ein  Urtheil  gestatten. 

Diese  Schwankungen  in  der  Zeit  wiederholen  sich  in  anderer  Form  auch 
im  Raum,  insofern  als  wir  in  einem  bestimmten  Gebiet  mehr  die  breit- 
gesichtigen  Unterarten  antreffen  (Amerika),  oder  diejenigen  mit  den  schmalen 
Gesichtern  (Europa).  Diejenigen  Unterarten,  welche  am  zahlreichsten  ver- 
treten sind,  bestimmen  dann  den  anthropologischen  Charakter  des  ganzen 
Welttheiles. 

In  Central-  und  Sudafrika  und  den  angrenzenden  Inseln  sind  dies  die 
wollhaarigen  Varietäten,  in  den  beiden  auderen  Gebieten  andere. 

Dieselben  Erfahrungen,  die  in  Europa  über  die  Einwanderung  von 
mehreren  Varietäten  und  über  ihre  Verbreitung  gemacht  worden  sind,  gelten 
auch  für  Amerika.  Soviel  bis  jetzt  bekannt  ist,  sind  nur  straffhaarige 
Varietäten  eingewandert.     Nämlich: 

1.  Breitgesichter  mit  langem  Hirnschädel, 

2.  „  „     mittellangem  Hirnschädel, 
8.              „               „     kurzem  Hirnschädel, 

4.  Langgesichter  mit  kurzem  Hirnschädel. 
Ob  die  übrigen  Unterarten  in  der  Form  von  straflhaarigen  Varietäten 
überhaupt  fehlen,  müssen  erst  weitere  Untersuchungen  unterscheiden.  Ich 
kann  auf  Grund  craniologischer  Vergleiche  nur  für  die  Existenz  dieser 
ebenerwähnten  Varietäten  einstehen,  welche  sich,  wie  schon  wiederholt 
gezeigt,  auf  den  ganzen  Kontinent  verbreitet  haben,  aber  nicht  überall  in 
gleicher  Zahl.  Die  langschädeligen  Breitgesichter  mit  ihrem  straffen  Haar 
kann  der  Craniologe  überall  finden,  im  Süden  und  im  Norden,  am 
häufigsten  wird  er  ihnen  aber  unter  den  Eskimos  begegnen  (Curve  und 
Tabelle  IV).  Die  mesocephalen  Breitgesichter  sind  in  den  arktischen 
Regionen  gering  an  Zahl,  ebenso  die  brachycephalen  Breitgesichter  (siehe 
dieselbe  Curve),  dagegen  beherrscht  ihre  Zahl  den  ganzen  übrigen  Continent. 
(Vergleiche  die  Tabellen  I — V  und  die  Curventafel).  Was  die  straffharigen 
Schmalgesichter  mit  kurzem  Hirnschädel  betrifft,  so  besitze  ich  Objecte  aus 
Peru,  welche  diesen  Typus  an  sich  tragen,  sich  durch  einen  hohen 
Nasenrücken  auszeichnen,    und   gegen  die  Breitgesichter  mit  eingedrückter 


Die  AulochlLoneD  Amedka*g. 


43 


platter    Nase    einen    auffallenden    Gepjensatz    bilden,    welche    ebenfalls    in 
peruanischem  Gräbern  und  unter  den  Peruanern  von  hente  vorkommen. 

So  lasst  sieb  trotz  lückenhafter  crauiologiacher  Untersuchunpf  schon 
jetzt  des  Bestimmtesten  aussagen,  dass  die  grossen  und  kleinen  ethni- 
aclien  Gruppen  Amerikas  eine  complicirte  Zusammensetzung  be- 
sitzen, gerade  so  wie  dies  in  Europa  der  Fall  ist.  Die  einzelnen 
Völker  sind  seit  undenklichen  Zeiten  auf  den  beiden  so  weit  entfernten 
Continenten  aufgebaut  aus  den  Vertretern  verschiedener  Varietäten, 
die  »ich  unverändert  erhalten  haben,  dort  als  straff  haar  Ige,  hier  als  schlicht- 
haarige.  Hier  wie  dort  bestimmt  die  ladividuenxahl  der  einzelnen  Varietäten 
das  anthropologische  Gepräge.  Wenn  die  Etbno lotsen  berichten,  dass  die 
Indianer  Nordamerikas,  dann  die  Autochthonen  Central-  und  Südamerikas 
verschieden  seien  unter  einander,  sa  ist  diese  Angabe  gewiss  zutreffend,  aber 
ihre  Erklärung  ist  nicht  aui  Eiufluss  des  Klimas  zurückzuführen,  s^mdern 
auf  die  innige  Penetration.  Die  statistische  Vergleicijung  eines  einzigen 
Merkmales  wie  des  liängenbreitenindex  reicht  aus,  um  den  durchschlagenden 
Beweis  hierfür  zu  erbriogen.  In  den  vorüegcnden  Curven  konnte  nur  dieser 
Index  benutzt  werden,  und  dennoch  zeigt  sich  eine  höchst  bcmerkenswerthe 
Differenz  auf  den  Curven  von  JI— V.  Keine  gleicht  der  nndern  vollständig. 
Jede  Zeit  und  jede  der  ethnischen  Regionen  erhält  ihr  eigenartiges  Ge- 
präge durch  die  Verschiebung  der  Prozentverhältnisse  der  ein- 
zelnen Varietäten  and  zwar  io  Amerika  so  gut,  wie  in  Europa-Asien^). 


Die  Hauptsätze  der  vorausgegangenen  Erörterungen  lauten  dahin,   dass 
in  Amerika 

L  die  Pluralität  der  Varietäten    erweisbar  ist,    welche  in  Form  straff- 
haariger Varietäten  auftreten; 

2,  die  Ubiquität  dieser  Varietäten  auf  dem  ganzen  Gebiet  ist  zweifellos; 

3.  die    Penetration    der    Varietäten    untereinander    ist    so    vollständig, 
dass  nirgends  Völker  nachzuweisen  sind,  welche  aus  einer  einzigen 


1)  Wft»  weiter  olien  voti  grossen  somatoJogjachen  Gebieteo  gesagt  wurde,  die  sich  durch- 
&Q8  nicht  io  die  engea  Grenztü  der  sogenanoten  Welltbeile  eioschränken  lassen,  schliesat 
glekhaeilig  die  Änfürdening  in  sich,  die  Eititheiluug  der  Varietäten  nach  Welttheilen  fallen 
in  IflAsen,  ao  schwer  es  auch  werden  mag,  diese  fie wohnte  VorsteiluDg  zü  verlasseo.  Es  ist 
also  wönschenswerth,  nicht  von  amerikanischen,  eurnpäischen  eic  Varietäten  des  Meüscheu- 
geschlecht&»  zu  sprechen^  w^il  d:i mit  denselben  eogere  Verbreitungsbezirke  angewiesen  werden, 
als  sie  in  Wirklichkeit  besitzen.  Nachdem  ßine  beHondere  ErachafTung  der  Aut och I  honen 
t,  B.  Amerika'«  aiisgeschhjssen  bleibt,  also  die  Abstammnng  auf  die  getueinschaftlichen 
Stsimmeltera  hinleitet,  ho  dürfen  die  physisrhen  Merkmale  der  Coustanz  der  Tnterarten  nie- 
mab  aus  den  Augen  geliiss^en  werden,  Buhald  die  klassificirende  Anthropübgie  in  ihr  Recht 
tritt.  Das  obige  Schema  ist  jeder  Erweilerang  f*hig,  wekhe  sich  u&th  einer  Richtung  hin 
scboQ  Jetzt  voraussagen  läsat.  Die  Zahl  der  Unterarten  wird  wcihl  dirrch  ein©  vermehrt 
werden,  für  jene  der  Pjfgmäeo,  welche,  wie  e»  icheint,  eine  eigenartige  Stellung  einnehmen. 


44  <^*  Kollmann: 

Varietät  beatehen;  stets  sind  sie  aus  mehrereD  zusammengefügt. 
Ferner  ist  erweisbar^  dass 
4.  diese  vollständige  Penetration  schon  in  der  pracolumbiscben  Zeit  in 
sehr  intensivem  Grade  vollzogen  war.  (Tabelle  V  und  Curve  V). 
Parallele  Verhältnisse  sind  von  mir  bereits  für  die  achlichthaarigen 
Rassen  Europas  nachgewiesen  worden  (Nr.  16  und  28  des  Literatur- 
verzeichnisses), 

Der  Nachweis  der  Ubiquität  und  der  Penetration  der  Varietäten  prä- 
eolnmbischer  Periode  wurde  in  der  vorliegenden  Mittheilung  mit  Hilfe  des 
Läügenbreitenindex  des  Schadeis  erbracht.  Auf  Grund  weiterer  Uater- 
suchuDg  an  lebendem  und  todtem  Material  lassen  sich  jedoch  noch  folgende 
Angaben  machen: 

Es  findet  sich  in  Amerika 

a)  die  leptoprosope  Brachycephalie,  Kurxschädel  mit  schmalem  Gesiebt, 

b)  die  chamaeprosope  Brachycephaliej         „  „    niedrigem       ^ 

c)  „  „  Mesocephalie,  Mittelköpfe     „  „  „ 

d)  ^  ^  Dolichocephalie,  Langköpfe  „  „  „ 

sämmtUch  als  straffhaarige   Varietäten.     (Varietät es  euthycomae). 

5.  Die  Unterschiede  der  Autocbthonen  Amerikas  von  denjenigen  anderer 
Continente  lassen  sich  nicht  auf  klimatische  Einflüsse  zoröckzuführenj 
soweit  auch  craniologische  Prüfung  zurückreicht. 

6.  Die  Unterschiede  der  Indianervölker  untereinander,  d.  h.  die  ethni- 
schen Gruppen  sind  abhängig  von  dem  Grad  der  Penetration  der 
VarietätcD,  welcher  weder  im  Raum  noch  in  der  Zeit  gleich- 
massig  war. 

Was  das  grosse  Problem  von  dem  Einfluss  der  umgebenden  Natur  auf 
den  Menschen  betrifil^  so  fehlen  positive  Anhaltspunkte  für  eine  solche 
Annahme.  Wie  in  Europa  alle  Zeichen  dafür  sprechen,  dass  seit  der  dilu- 
vialen Epoche  die  Organisation  keinerlei  Umwandlung  in  Bezug  auf  die 
typischen  Merkmale  erfahren  habe,  so  zeigen  sich  nirgends  an  den  ver- 
schiedenen Varietäten  Amerikas  Eigenschaften,  welche  durch  Klima  oder 
ahnliche  Wirkungen  erzeugt  worden  wären.  Auch  die  amerikanischen 
Varietäten  des  Species  homo  sapiens  sind  wie  diejenigen  Europas  in  den 
Zustand  der  Daoertypen  seit  lange  übergetreten.  Die  Zeit  der  Elasticität, 
die  Entstehung  neuer  physisch  verschiedener  Formen  ist  längst  vorüber. 
Dagegen  ist  der  Geist  entschieden  in  einer  wachsenden  Periode,  die  Kraft* 
entfaltüDg  des  Gehirns  ist  in  der  Zunahme.  Ich  spreche  ausdrucklich  nur 
von  der  Kraftentfaltung  des  Gehirns  und  verstehe  darunter  die  EDtwicklung 
der  schon  in  das  Diluvium  mit  hinüber  gebrachten  Fähigkeit  zu  geistiger 
VervoUkommnun  g. 

Wo  wir  Menschen  finden  in  den  glacialen  Schichten  Europas,  da  sind 
sie  sofort  hoch  organisirt,  ebenso  wie  heute,  Sie  standen  allerdings  auf 
einer  niederen  Caltüratufe.     Die  gleichzeitige  Annahme  von  der  körper- 


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Die  Autocbthonen  Amerika's.  45 

liehen  Inferiorität  der  ältesten  Einwanderer  beruht  auf  der  falschen  Voraus- 
setzung, dass  die  roh  behauenen  Steinbeile  von  Menschen  hergestellt 
worden  seien,  welche  soeben  die  pithekoide  Natur  abgestreift  hätten.  Die 
Schädelreste  liefern  den  schlagendsten  Gegenbeweis;  sie  sind  ebenso  hoch 
organisirt,  als  die  der  Culturmenschen  unserer  Tage.  In  der  ersten  Ueber- 
raschung  ob  der  unerwarteten  Funde  von  Menschenschädelu  in  so  alter 
geologischer  Zeit  gab  man  etwas  übereilte  Entscheidungen  über  ihre  physi- 
schen Eigenschaften  und  sprach  von  unergründlicher  Inferiorität  z.  B.  der 
Mammuthjäger.  Bei  ruhigerer  Ueberlegung  stellt  sich  nun  aber  mit  aller  nur 
wün Sehens werthen  Bestimmtheit  heraus,  dass  man  sieh  darin  gründlich 
geirrt  hat.  Man  darf  also  heute  nicht  mehr  von  primitiven  Rassen 
Europas  sprechen  in  dem  Sinn,  sie  dadurch  als  „inferior^  zu  erklären.  Die 
europäischen  Rassen  haben  einen  primitiven  Culturzustand  aufzuweisen, 
das  liegt  in  dem  Entwicklungsgang  der  Menschheit,  und  diesen  Nach- 
weis erbracht  zu  haben,  ist  das  Verdienst  der  prähistorischen  Forschung, 
aber  es  ist  falsch,  von  einer  niedern  Culturstufe  auf  „inferiore  Rassen^  zu 
schliessen. 

Damit  fällt  auch  das  alte  und  oft  verkündete  Dogma:  die  höher 
organisirten  Rassen  wären  später  gefolgt,  und  hätten  die  nieder  stehenden 
vernichtet.  Auch  nicht  der  geringste  anatomische  Beleg  ist  hierfür  zu  finden. 
Wahr  und  unzweifelhaft  ist  nur  ein  stetiges  Aufsteigen  von  niederer 
Culturstufe  zu  höherer.  Vom  rohen  Steinbeil  bis  zum  Bronzehammer  und 
bis  zum  Eisen  und  Dampf  und  Telegraphen  folgt  ohne  Unterbrechung 
eine  culturgescbichtlich  ansteigende  Bahn.  Es  ist  also  eine  gänzlich  irrige 
Voraussetzung,  jeden  Fortschritt  von  dem  Auftreten  einer  neuen,  höher 
organisirten  Rasse  abzuleiten.  Die  Craniologie  kann  beweisen,  dass  die- 
selben Varietäten  es  sind,  die  zu  immer  höheren  Stufen  sich 
emporarbeiten.  Es  ist  nicht  die  Verbesserung  der  physischen  Merkmale, 
welche  den  Fortschritt  gebracht  hat,  sondern  der  Gebrauch  des  Gehirns, 
die  Weiterentwicklung  der  schon  vorhandenen  Fähigkeiten  in  dem  belebenden 
Kampf  um  die  Existenz. 

Basel,  Ende  Oktober  1882. 


literaturverzeiolmiss. 


1.  Otis,  6.  A.,  Check  List  of  praeparations  and  objects  ia  tbe  section  of  buman  anatomy 

of  tbe  U.  S.  Army  medical  Museum.     Wasbin^ton  D.  G.   1876.    8^ 

2.  Schaaffhauaen,  die  anthropologischen  Sammlangeo  Deutschlands.  Archiv  f.  Anthropo- 

logie von  A.  Ecker  u.  Lindenschmit    Bmunschweig.  4^   Zur  Benutzung  standen: 


J.  KoHmaDii: 


ä)   Spengel,  J.  W.,   diö  anthrop.  SÄmiiilanjj  von  OSttinjjren. 


h)    Broesike, 
c)    Ecker,  A., 


Berlin. 
Frei  bürg. 


d)  8ebaaffhaiiHen,     ,  ,  ,  ,      Boun, 

3-    Vircbow,  R.,  Anthrüpologie  Amerika's.     Zeitscbrifl  für  Elhnologie     Verhüntilungen  der 
Berliner  anthrop.   Gesellschaft,     Ausserordenllüh©  Sitzung  vom  7,  April  1877. 

4.  Virchow,  die  Feuerländer.     Ebenda.    Sitzung  vom  H.November  1881.    8". 

5.  DaTis,  B»  J.,  Thesaurus  Cranionim.     London  1867.    8". 

6.  Bohr,    Besuch  vod  Feoerlfindern   m  Bord  S.  M.  S.  Haosa.     Ein©  Notiz.    Zeitschrift  für 

Elhfiojogie.     VerbLiTidlun^eo    der   Berlitier   anlbropolog.  Gesellschaft.    Sitiung  vom 
15.  Jannar  1881 

7.  ßroca,    Sur  deux  series  de  cranes  provenant  dancieDTies  »^piilturca  indiennes  des  eti- 

virons  de  Bogota.     Bulletin  de  Ja  sociele  d'Aiitbropolo^ie.     VatU  1876,    8''  \k  359. 

8.  Fiöwer,  B*,  Cat:i!ogue  of  tbe  specimeDs  illustnitinf;  Ihe  osteology  elf.  rootained  io  the 

museuro  of  fbe  Hoysil  Cdleg  of  Surgeons  of  England     London  1879*  8''.  Part  L^  Man. 

9.  Huxley,  Juiirnal  uf  Anatomy  and  pbyeiotogy.     1868.     Vol.  ü.    pag.  268. 

10.  Dali,  H.  W.,  Tdbe»  nf  the  extiem  Norlhwest  U.S.    lleographical  and  geobtgical  Survey 

of  the  Rocky-mounlaiii  Rei^iMU.     Sniiihsonian  Inslitnlion.     Washington  1877. 

11.  Toldt,   UeWr  die  Schädelform  der  Eskimo.     Prager  medici)ai*che  Wochenschrilt.    1881. 

Nr,  3     Mit  2  Holzs*  hnitfen. 

12.  Carr,  L.,    Observatiuns  on  tbe  cmnia   from   tbe  Stone  graves   in  Teije«s-*c    io    If  Ann, 

Ei'port  Peabody  Museum.     VuL  Iti   pn.  S81— 384.    Siehe  auch  die  Literaturangab« 
Nr.  19, 

13.  Ecker,  Ä,,    üeber  die  körperlichen  Eigenscliafteo  der  früheren  Einwohner  von  Flonda. 

Archiv  für  Anthropologie,  Bd.  X,  S.  101    und  in:    Die  an tbropo logische  Siimmlung 
von  Frei  borg  i.  B.  ebenda. 

14.  Bessels,  J.,  The  huoQan  rematns  fonnd  among  the  ancient  ruins  of  South western  Colo- 

rado and  Ni-rtbern  Mexico,     Bulletin    of   tbe   ü.  S    geolog,  and   geograph.  &urve]r. 
Washington  1876,    Vol.  II.    pag,  48.    Hieriu  Taf.  23-29, 

15.  Ranke,  J.^  Die  Schädel  der  alt  bayerischen  Landbevolkening,    Beitrage  lur  Anihropologie 

und  Urgeschicbte  Bayerns.     München   1880     gr.  8**.    Bd,  111.  S.  108.    Mit  1  Cuiven- 
tafeL 

16.  K  oll  mann,  J.,  Betträge  zu  einer  Craniologie  der  etiropäisrhen  Volker,     Archiv  fiir  An* 

thropolngie,  Bd.  XllI  1881  u.  Bd,  XIV  1882.     Mit  5  Tafeln  n,  1  Cnrventafel 
n.    Lenbossi^k,    Jos.  v.    Die    künstlichen   S^'hidelverbildnrtgen    im   Allgemeinen    u.    swei 
künstlich  verbildete  Stbädel  aus  üngurn.     Budapest  1878.    4^»     Blit  11  pbototypi- 
scben  Figoren  auf  3  Tafeln  und  mehreren  Fignren  im  Text 

18.  Meyer,    A.  B.,    Ueber   künstlich   deformirte  Schädel  von  Borneo    und  Mindanäoj   nebst 

Bemerkungen  über  die  Verbreitung  der  Sitte  der  kÜDstlicben  Schädel-Deformirong, 
Mit  1  Tafel.     Leipzig  und  Dresden  1881. 

19.  Putnam,  F.  W.,    Annual  repurts  of  the  trusteea   uf  Ihe  Peabody  uioseum   of  american 

archaeology  and  ©thnology  1868—1878.    11.  Rep.  pwg,  3(fö  erschienen  1879.     Nach 
eiTjem  Referat  von  E.  Schmidt  in  dem  Archiv  für  Anthropologie. 

20.  Qualrefages  et  Hamy,  Crania  ethnica.    Paris  1882.    4^.    pag.  462.     Ebenda  eine  sehr 

gute  üebersiiht  der  üeschi^bte  der  amerikanischen  Ru^senfrage, 

Die  beiden  Autoren  enthalten  sieb  jedoch  ausdrücklich  einer  bestimmten 
Glassißcation  und  bringen  nur  thatsächliches  Materini  bei,  das  durch  mehrere  Tafeln 
auch  bildlich  vertreten  ist. 

21.  Virchow,  R.,  üeber  altpatagumiBcbe,  altchileniscbe  und  niodero©  Pampas-Schadel,    Zeit- 

scbrift  für  Ethnologie   1874,    Bd,  6.     Verhandlungen  der  Berliner  antbrop.  Gesell- 
schaft   S.  (60)* 

22.  Vircbow,  R,,   Ueber  den  Scb&del  des  jungen  Gorilla.     Monatsberichte  der  k.  Akademie 

der  Wiss.  zu  Berlin.    Sitzung  der  pbysik.-tiiatL  Klasse  vom  7.  Juni  1880.   S,  516. 
Mit  2  Tafeln. 

23.  Vircbow,  R.,  Darwin  und  die  Anthropologie,     Rede  gebalten  bei  der  Vereammlung  der 


Die  Autochthonen  Amerika's.  47 

deatschen   anthropologischen   Gesellschaft   zu  Frankfurt  a.  M.    Gorrespondenzblatt 
dieser  Gesellschaft  f.  d.  Jahr  1882.    September.    S.  80. 

24.  Rieger,   Dr.,    Ueber  die  Beziehungen  der  Scbädellehre  zur  Physiologie,  Psychiatrie  und 

Ethnologie.    Würzbiirg  1882.    8^ 

25.  Haeckel,  E.,  Generelle  Morphologie  der  Organismen.    Berlin  1866.  II.  Bd.  S.  336. 

26.  Darwin,  Ch ,  Die  Entstehung  der  Arten  im  Tbier-  und  Pflanzenreich  durch  Datürliche 

Züchtung.    2.  Aufl.    Stuttgart  1863.     S.  125  ff. 

27.  Kollmann,  J.,  Ueber  Slaven  und  Germanen.    Ein  Vortrag  bei  der  Xill.  Versammlung 

der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  zu  Frankfurt  a.  M.     CorrespondenzbUtt 
dieser  Gesellschaft  1882.    S:  203. 

28.  Hnxley,  Tb.  H.,  Wissenschaftliche  Vortrage,  in  Amerika  gehalten.    Antorisirte  deutsche 

Ausgabe  von  J.  W.  Spengel.    2.  Aufl.    Braunschweig  1882.    8.26. 

29.  Rntimeyer,   L.,    Studien    zu   der  Geschichte   der   Hirscbfamilie.     Verhandlungen  der 

Naturforschenden  Gesellschaft  in  Basel     VII.  1.    S.  3. 

30.  ▼.  Holder,  Zusammenstellung  der  in  Württemberg  vorkommenden  Schädelformen.    Stutt- 

gart 1876.  4^  und:  Die  Skelete  des  römischen  Begräbnissplatzes  in  Regensburg. 
Archiv  f.  Anthropologie  Bd.  XIII,  Supplement. 
81.  Wagner,  M.,  Die  Darwin'scbe  Theorie  und  das  Migrationsgesetz  der  Organismen.  Leip- 
zig. Verlag  von  Dunker  und  Dumblot.  1868.  Derselbe:  Ueber  den  Einfluss  der 
geographischen  Isolirung  und  Colonienbildung  auf  die  morphologischen  Verände- 
rungen der  Organismen.  Vortrag  in  der  Sitzung  der  k.  bayer.  Akademie  d.  Wiss. 
vom  2.  Juli  1870. 


Erklärung  der  Curventafel. 


Jede  Curve  giebt  ein  Bild  der  Vertheilung  der  verschiedenen  Varietäten  und  der  Häufig- 
keit ihrer  Vertreter  (vergl.  S.  12  u.  ff.).     Für  die  Herstellung  (vergl.  8.  15)  sind  die  Längen- 
breitenindices  (L :  B)  von  1500  Schädeln   verwendet  worden.    Die  stark   ausgezogenen   senk- 
rechten Linien  zeigen  übersichtlich  für  alle  Curven  die  Grenzen  für  die  einzelnen  Varietäten 
und  die  Form   des   dazwischen    befindlichen  Curvenabschnittes  die  Häufigkeit  der  Vertreter. 
Links  befindet  sich  die  Äbtheilung  für  die  Langschädel,   rechts  jene  für  die  künstlich  defor- 
mirten  Schädel  (siebe  S.  18  u.  f.),  die  mittleren  Abtheilungen  zeigen  die  Häufigkeit  der  Meso-, 
Brachy-  und  Hyperbrachycephalen. 
L  Curve  für  die  Schädelformen  des  ganzen  amerikanischen  Continents  mit  Ausschluss  der 
präcolumbischen  Völker.    Nach    der  reducirten  Zahl  von  1292  Schädeln  herge- 
stellt.    Vergleiche  hierzu  Tabelle  l,  S.  14. 
IL  Curve  für  die  Schädelformen  der  Indianer  Nordamerika  s  mit  Ausschluss  der  Pol ar Völker. 
Nach  der  reducirten  Zahl  von  917  Schädeln  hergestellt.    Vergl.  Tabelle  II,  S.  17. 

III.  Curve  für  die  Schädelformen  der  Central-  und  Südamerikanischen  Völker  mit  Einschluss 

der  Mexikaner.    Nach  der  reducirten  Zahl  von  248  Schädeln  hergestellt.     Ver- 
gleiche Tabelle  111,  S.  25. 

IV.  Curve  für  die  Schädel  der  Eskimo's.    Nach  der  reducirten  Zahl  von  127  Schädeln  her- 

gestellt.   Vergleiche  Tabelle  IV,  S.  26. 
y.  Curve  für  die  Schädelformen  der  präcolumbischen  Bewohner  Amerika*8  (Moundbuilders, 
Cliffdwellers  etc.).    Nach  der  reducirten  Zahl  von  208  Schädeln  hergestellt    Ver- 
gleiche Tabelle  V,  S.  27. 


II. 

Die  Gemme  von  Alsen  und  ihre  Verwandten. 

(Nachtrag  und  Berichtigung.) 

Von 
Dr.  Max  Bartels  in  Berlin. 


Als  ich  im  Joli  des  Jahres  1882  meine  unter  dem  obigen  Titel  auf  Seite  179 
bis  207  des  vorigen  Bandes  veröffentlichten  Aufsatz  der  Redaktion  über- 
gab, da  sprach  ich  bereits  die  Hoffnung  aus,  dass  die  in  der  Abhandlung 
beschriebenen  und  in  Holzschnitt  reproducirten  zwölf  Gemmen  noch  nicht 
die  gesammte  Anzahl  der  Exemplare  dieses  absonderlichen  Typus  v^ären, 
Vielehe  auf  uns  gekommen  sind.  Diese  Hoffnung  hat  sich  bedeutend  schneller 
bestätigt,  als  ich  selbst  es  gedacht  und  erwartet  hatte  und  ich  habe  mit  dem 
vorliegenden  Nachtrage  gleichzeitig  eine  Unterlassungssünde  wieder  gut  zu 
machen.  Zwei  unserer  Gruppe  angehörende  Gemmen  waren  nämlich,  wie 
Herr  Dr.  Ingvald  Undset  (Christiania)  mir  auf  der  anthropologischen 
Generalversammlung  in  Frankfurt  am  Main  roittbeilte,  bereits  im  Jahre 
1877  von  dem  Conservator  des  Rijksmuseum  für  Alterthümer  zu  Leiden, 
Herrn  Dr.  W.Pleyte,  publicirt  worden.  Sie  sind  in  seinem  Werke:  Neder- 
landsche  Oudheden  van  de  vroegste  tijden  tot  op  Earel  den 
Groote.  Leiden  1877)  aut  Tafel  XVII  Figur  12  a  und  e  abgebildet  und 
auf  meine  Bitte  hatte  Herr  Dr.  Pleyte  die  Gefälligkeit,  mir  Siegelabdrücke 
derselben  zu  übersenden  und  einige  erläuternde  Bemerkungen  hinzuzufügen. 
Das  erste  dieser  beiden  Specimina  ist: 

XIII.    Die  Gemme  von  Franeker. 

Fundort:  Franeker.  (Westergo,  Friesland,  Niederlande). 

Jetziger  Besitzer:  Die  friesische  Sammlung  in  Leiden.  (Man 
vergleiche  W.  Pleyte  a.  a.  O.  Fig.  12  a). 

Ovale  Glaspaste,  einen  nachgemachten  Niccolöstein  darstellend..  Bild- 
fläche: 27  mm  zu  21mm. 

Drei  stehende  Figuren  von  ungefähr  gleicher  Grösse,  die  linke  nach  rechts 
blickend  und  die  mittlere  und^die  rechte  nach  links  blickend.  Es  sind 
kurze,  breite,  gedrungene  Gestalten,  an  diejenigen  des  zweifigurigen  Typus 
erinnernd.  Sie  gehören  ganz  unverkennbar  zu  unserer  Gruppe  von  Kunst- 
werken und  bilden  ein  interessantes  Mittelglied  zwischen  den  Gemmen  mit 
zwei  und  denjenigen  mit  drei  Figuren. 


Dr.  Max  Harteis;  Die  Gemuie  von  ,4Iseii  und  ilire  VerwaDflten. 


Die  linke  Figur  hat  einen  niedrigen  Kopf  mit  flach  abgeschnittener 
Scheitelhöhe  und  einer  langen,  ganz  gegen  die  Stirn  hin  aufgekippten  Nase. 
Das  Kinn  ist  kurz  und  spitx  nnti  auch  der  HaU  ist  nicht  lang.  Der  Rumpf 
ist  kurz  und  breit.  Der  rechte  Arm  iet  vom  Ellenbogen  abwärts  öebr  ver- 
dickt und  die  klumpige  Hand  hült  nicht,  wie  es  sonst  dm  Gewöhnliche  ist, 
einen  Korperfortsatz,  sondern  sie  beröhrt  scheinbar  das  hintere  Körperende. 
Von  dem  letzteren  entspringt  ein  dicker  KörperfortsatÄ,  welcher  einem 
Schwänze  abnlicb  fast  senkrecht  heriibhängt  und  unten  glatt  abgeschnitten 
erscheint.  Dieses  Gebilde  ist  ungefähr  noch  einmal  so  dick,  als  sonst  die 
Körperfortsätze  und  die  Arme  zu  sein  pflegen  und  reicht  bis  zur  Höhe  der 
Kniekehle  abwärts.  Es  ist  wohl  das  Wahrscbeinlichste,  dass  wir  darin  ein 
Schwert,  welches  umgegürtet  ist  und  in  der  Scheide  steckt,  zu  erkennen 
haben. 

Der  linke  Arm  ist  kurz  und  trifft  sich  nicht  genau,  wie  das  sonst  immer 
der  Fall  ist,  mit  (\vr  rechten  Hand  der  mittleren  Figur.  BeidelHände  liegen 
vielmehr  in  gleicher  Hohe  neben  einander  und  scheinen  einen  kurzen,  hori- 
zoDtalliegenden  Stab  zu  halten,  welcher  sich  bis  zu  der  Unterbauchregion 
der  mittleren  Figur  verfolgen  lässt  und  als  ein  kurzer  Stummel  am  hinteren 
Korperende  derselben  wieder  zum  Vorschein  kommt.  Auch  dieses  ist  ver- 
muthlich  wieder  ein  Schw^^rt.  Die  Beine  der  linken  Figur  verlaufen  im 
leichten  Bogen;  die  Fösse  sind  dick  und  klumpig  und  scheinen  dadurcht 
da.S8  sie  etwas  oberhalb  des  untersten  Endes  den  Unterschenkel  treffen,  mit 
hohen  Absätzen  versehen  zu  sein. 

Die  mittlere  Figur  hat  an  der  Scheltelhöhe  des  Kopfes  drei  kleine,  spitze 
Fortsätze,  weiche  wohl  als  die  Andeutung  der  Zacken  einer  Krone  betrachte, 
werden  müssen.  Die  Nase  ist  kurz,  das  Kinn  ist  lang,  breit  und  unten  ab- 
gerandet,  wie  ein  grosser  Kinn  hart  Der  Hals  ist  ebenfalls  lang  und  breiter 
als  wir  es  sonst  bei  diesen  hageren  Gestalten  zu  sehen  pflegen.  Die  rechte 
Schulter  steht  etwas  höher,  wie  die  linke,  und  die  linke  Hand  berührt  das 
vordere  Endstück  des  bereits  bei  der  vorigen  Figur  besprochenen  Körper- 
fortsatzes, den  wir  als  ein  umgegürtetes  Schwert  gedeutet  haben,  in  einer 
WeiBe,  als  ob  sie  sich  auf  den  SchwcrtgrifT  stütze  and  es  scheint  hierdurch 
die  Schulter  in  die  Höhe  gedrängt  zu  sein.  Die  ganze  Gestalt  bekommt 
durch  diese  Asymmetrie  in  der  Haltung  einen  ungemein  trot/Jgen  Ausdruck, 
von  dem  ich  wohl  glauben  möchte,  dass  er  von  unserem  Künstler  wirklich 
beabsichtigt  worden  ist,  und  nicht  nur  zufallig  zu  Stande  kam. 

Der  linke  Arm  ist  in  gewöhnlicher  Weise  nach  unten  ausgestreckt  und 
kreuzt  sich  mit  dem  untersten  Ende  des  Schwertes.  Seine  Berührung  mit 
dem  rechten  Arme  der  Nachbarfigur  ist  auch  eine  ganz  absonderliche  und 
wird  bei  dieser  besprochen  werden.  Die  Beine  sind  gerade  und  steif,  die 
Fasse  ziemlich  gross  und  dick ;  der  Absatz  des  linken  Fusses  steht  auf  der 
rechten  Fussspitze  der  rechten  Figur, 

Die    rechte  Figur    hat    einen  hohen,    absonderlich    abgerundeten  Kopf, 

ZelUebrlf^  fEr  EUiooloftie.    Jubrg.  1S83.  4 


50  I>i'.  Max  Bartels: 

welcher  aussiebt,  als  ob  ihm  eine  niedrige  Kaiserkrone  aufgesetzt  wäre. 
Eine  ganx  feine,  aber  lange  Nase  geht  wagerecht  von  der  Mitte  des  Antlitzes 
ab.  Das  etwas  aufgekippte  Kinn  springt  stark  nach  vom  hervor,  einem 
spitzen,  von  unten  hinten  her  hochgestrichenen  Kinnbarte  ähnlich.  Der  Hals 
ist  lang  und  sitzt  dem  Rumpfe  schief  auf,  so  dass  der  Kopf  etwas  vor- 
geschoben erscheint.  Der  Rumpf  ist  plump  und  in  seiner  untersten  Partbie 
gespalten.  Der  rechte  Arm  ist  dem  .linken  der  mittleren  Figur  entgegen- 
gestreckt und  verbindet  sich  mit  ihm  auf  ganz  absonderliche  Weise.  Man 
kann  nämlich  ganz  deutlich  erkennen,  dass  die  rechte  Figur  den  Vorderarm 
der  mittleren  von  hinten  her  umfasst  und  die  Hand  um  deren  Handgelenk 
legt,  fast  so,  als  ob  sie  die  mittlere  Figur,  deren  Arm  gestreckt  ist,  unter- 
fassen wollte.  Hierin  haben  wir  wieder  einen  neuen,  interessanten  Beleg  für 
die  Zusammengehörigkeit  sämmtlicher  von  mir  publicirter  Gemmen  zu  er- 
kennen. Denn  ganz  dasselbe  Motiv  finden  wir,  allerdings  nicht  in  dieser 
unverkennbaren  Deutlichkeit,  auf  der  (zweifigurigen)  Gemme  von  Olden- 
burg (Nr.  XII)  wieder. 

Aber    auch   noch    etwas  anderes  erinnert  uns   bei  dieser  rechten  Figur 

an  den  zweifigurigen  Typus.  Das  ist  der  linke  Arm,  welcher,  weit  vom 
Körper  abstehend,  durch  eine  abgerundete,  aber  lang  ausgestreckte  Schulter 
mit  ihm. verbunden  ist.  Hier  haben  wir  diejenige  Form  der  oberen  Extremität, 
wie  sie  sich  bei  der  kleinen  Gemme  des  Berliner  Reliquariums  (IXNr.5) 
und  bei  der  grösseren  Luneburger  Gemme  (XI  Nr.  7)  findet.  Wir  waren 
im  Stande  gewesen,  nachzuweisen,  dass  diese  Form  des  Armes  als  das 
Rudiment  eines  grossen  Adlerflugeis  betrachtet  werden  muss.  Das  Handende 
dieser  Extremität  berührt  den  untersten  Theil  eines  Körperfortsatzes,  welcher, 
das  hintere  Körperende  kreuzend,  vorn  wie  ein  Phallus  um  ein  kleines  Stück 
hervorragt.  Das  ist  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  wieder  ein  umgegürtetes 
Schwert. 

Auch  bei  dieser  Figur  sind  die  Beine  gestreckt  und  die  Füsse  ziemlich 
lang.  Der  rechte  Absatz  erscheint  sehr  dick,  was  durch  Ausspringen  der 
Gemmenoberfläche  verursacht  ist.  Demselben  Umstände  scheinen  eine  Reihe 
regellos  über  das  Gemmenfeld  zerstreuter,  kleiner  punktförmiger  Vertiefungen 
ihren  Ursprung  zu  verdanken.  Es  sind  aber  noch  zwei  Attribute  zu  er- 
wähnen, welche  an  gewohnter  Stelle  über  den  Köpfen  der  drei  Figuren 
schweben.  Sie  sind  jedoch  im  Gegensätze  zu  dem  sonstigen  Vorkommen 
nicht  symmetrisch  gebaut.  Ich  glaube  wohl,  dass  diese  Asymmetrie  eher 
eine  Folge  der  Ungeschicklichkeit  unseres  Künstlers  ist,  als  eine  wirklich 
beabsichtigte. 

Das  rechte  Attribut  erscheint  als  ein  System  von  vier  Linien,  welche, 
von  oben  her  kommend,  sich  in  einem  Punkte  treflfen.  Das  ist  wahrschein- 
lich wieder  der  Baumzweig,  welchem  wir  ja  schon  öfters  begegnet  sind. 
Das  linke  Attribut  steht  etwas  niedriger.  Eine  horizontale  Linie  kippt  sich 
mit  ihrem  medialen  Ende  etwas  nach  oben;  eine  Senkrechte,  von  oben  her 


Die  Gemme  von  Alsen  und  ihre  Verwandten.  51 

kommend  schneidet  sie  eben  noch,  und  eine  von  aussen  herabziehende 
schräge  Linie  schneidet  sie  und  die  Senkrechte.  Das  hieraus  resultirende 
Gebilde  erinnert  wieder  mehr  an  die  rohe  Darstellung  eines  Vogels.  Zwi- 
schen und  über  diesen  Attributen  genau  in  der  Mitte  befindet  sich  einer  der 
vorhin  erwähnten  regellos  vertheilten  Punkte.  Auch  diesen  Platz  nimmt  er 
wohl  ohne  Absicht  ein.  Ein  zweiter  schwebt  zwischen  den  Köpfen  der 
linken  und  der  mittleren  Figur,  ein  dritter  über  der  Flügelschulter  der 
rechten  Figur,  ein  vierter  zwischen  den  umschlungenen  Armen  dieser  und 
der  mittleren  uud  ein  fünfter  zwischen  den  Unterschenkeln  der  mittleren 
Figur.  Endlich  steht  noch  ein  sechster  neben  dem  Schwanzfortsatze  der 
linken  und  ein  siebenter  unter  den  Füssen  dtT  rechten  Figur.  Der  rechte 
Kand  des  Gemmenfeldes  zeigt  einen  Defekt  fast  von  der  Grösse  eines 
Hanikoms. 

Angeblich  wurde  diese  Gemme  bei  Franeker,  einem  alten  Euotenr 
punkte  früh -mittelalterlichen  Verkehrs,  in  der  Erde  gefunden,  in  Gemein- 
schaft mit  bearbeiteten  Thierkuocheu  und  Kupferschmucksacheu.  Herr 
Dr.  Pleyte  erwähnt  bereits  die  Möglichkeit,  dass  diese  Gemme  als  Amulett 
gedient  habe.  Im  Uebrigen  acceptirt  er  die  Stephens 'sehe  Ansicht. 

Die  zweite  Gemme,  deren  Abdruck  ich  Herrn  Dr.  Pleyte  verdanke,  ist 

XIV.    Die  Gemme  von  Klaarkamp. 

Fundort:  unbekannt. 

Jetziger  Besitzer:  Die  friesische  Sammlung  in  Leiden.  (Man 
vergleiche  W.  Pleyte  a.  a.  0.  12  e  —  soll  wohl  heissen  12  d!) 

Ovale  Gemme,  wahrscheinlich  ebenfalls  eine  Glaspaste.  Bildfläche:  21mm 
zu  16  mm.  Sie  stammt  aus  Klaarkamp,  dem  altberühmten  Kloster  Clarae- 
campus  bei  Dantumadeel  zwischen  Dockum  und  Leeuwardeu.  (Fries- 
land, Niederlande). 

Drei  stehende  Figuren  von  ganz  besonderer  Dünne  und  Magerkeit,  ver- 
bunden mit  ausserordentlicher  Flachheit  des  Intaglio.  Das  alles  findet  sich 
in  ganz  ähnlicher  Weise  nur  noch  an  der  grossen  Gemme  des  Berliner 
Reliquaiiums  (IV  Nr.  4). 

Die  linke  Figur  blickt  nach  rechts,  die  mittlere  uud  die  rechte  Figur 
bUcken  nach  links. 

Die  linke  Figur  ist  etwas  kleiner  als  die  beiden  anderen  und  trägt  an 
der  Stirn  einen  gekrümmten  hornartigen  Fortsatz,  mit  der  Gonvexität  nach 
unten,  eine  krumme  Nase,  wie  ein  Policinello,  und  ein  spitzes,  nach  auf- 
wärts gekrümmtes  Kinn,  üeber  dem  Hörn,  welches  wohl  einen  vorspringen- 
den Kranz  bedeuten  soll,  entwickelt  sich  die  etwas  nach  hinten  übergekippte 
Scheitelhöbe,  welche  zusammen  mit  dem  Hörne  fast  wie  eine  Jockeymütze 
aussieht.  Der  Hals  ist  ganz  besonders  kurz  und  breit,  die  Schultern  springen 
stark  eckig  hervor.     Der  rechte  Arm    hält   einen  Körperfortsatz  (Schwert?). 


52  Dt-  W«E  Bartels! 

welcher  etwas  oberhalb  de»  Körperendes  abgeht.  Der  linke  Arm  trifft  sich 
mit  dem  rechten  der  Nach barfi gar  so,  dass  beide  vereint  noch  eine  ziem- 
liche Strecke  abwärts  laufen.  Dieses  gemeinsame  Stuck  macht  den  Eindruck, 
als  wenn  die  beiden  vereinten  Hände  einen  herabhängenden  Gegenstand 
hielten. 

Der  schmale  Körper  trägt  in  seiner  Mittellinie  eine  feine,  erhabene 
Lungsleiflte.  Sie  ist  zweifellos  ohne  jede  Bedeutung  und  verdankt  ihren 
Ursprung  nur  dem  Umstände,  dass  der  Steinschneider  den  Leib  durch  zwei 
sich  berührende  Längsfnrchen  darstellte;  natürlicher  Weise  ist  der  Berüh- 
rungsrand dieser  beiden  Längsfurchen  erhabener,  vorspringender,  oberfläch- 
licher, als  ihre  Mitte  und  erscheint  somit  als  eine  den  Rumpf  der  Länge 
nach  halbirende  Leiste.  Die  Beine  sind  leicht  im  Knie  gebeugt  und  die 
groseen  Füsse  sitzen  an  ihnen  etwas  oberhalb  ihres  unteren  Endes,  so  da«s 
dieses  letztere  weiter  herabreicht.  Hierdurch  wird  der  Eindruck  hervor- 
gerufen, als  hätte  das  Männchen  habe  Absätze. 

Die  mittlere  Figur  hat  *  einen  kleinen,  runden  Hinterkopf,  eine  stark 
und  lang  hervorspringende  Nase  und  ein  kurzes,  spitzes  Kinn.  Auch  hier 
ist  der  Hals  kurz,  aber  doch  viel  langer,  als  bei  der  vorigen  Figur,  Der 
schmale  Rumpt  ist  kurz  und  die  fast  geraden  Beine  sehr  lang.  Der  rechte 
Arm  wurde  bereits  erwähnt;  die  linke  Hand  hält  einen  kurzen  Korperfortsatz 
(Dolch?)  an  seinem  unteren  Ende,  berührt  sich  aber  gleichzeitig  mit  dem 
rechten  Arm  der  rechten  Figur, 

Die  rechte  Figur  hat  einen  hohen ^  schmalen,  oben  abgerundeten  Kopf, 
eine  grosse,  rüsselförmig  nach  oben  strebende  Nase  und  ein  langes,  unten 
abgerundetes  Kinn.  Der  Hals  besitzt  eine  ziemliche  Länge.  Der  Rumpf  ist 
aber  ausserordentlich  kurz  und  die  langen  Beine  sind  durch  zwei  ganz 
gerade  Striche  gebildet.  Das  linke  Bein  wird  etwas  zurückgesetzt;  die  Füsse 
haben  kurze  Absätze.  Der  Arm  hält  einen  sehr  langen  Körperfortsatz  in 
seiner  Mitte,  vielleicht  eine  Lanze« 

Attribute  entdecke  ich  in  dem  Gemmen felde  nicht,  wohl  aber  einige 
punktförmige  regellos  vertheilte  Defekte  der  Oberfläche.  Es  sei  gestattet, 
daran  zu  erinnern,  dass  auch  die  dreifigurige  Gem  me  von  Selchausdah  1 
(die  kleine  Kopenhagener  Gemme)  (III  Nr.  3)  anscheinend  keine 
Attribute  besass. 

Herr  Dr,  Pleyte  hatte  die  grosse  Freundlichkeit,  mich  noch  auf  fol- 
gende in  den  Niederlanden  befindliche  Stücke  aufmerksam  zu  machen; 

XV.    Die  grosse  Gemme  van  Utrecht. 

Sie  zeigt  drei  stehende  Figuren. 

XVI  Die  kleine  Gemme  von  Utrecht. 
Auf  ihr  sind  nur  zwei  Figuren  dargestellt. 
Diese  beiden  Exemplare  von  unbekannter  Herkunft  zieren  den  Einband 


I 


XM^  Gemmp  von  kh^n  und  ihre  WrwandleD* 


5a 


elaes  Mb^sale  in  dem  erzbiscböäicben  Museum  tu  UtrecbL  Es  bedarf  wobl 
Dicht  erst  der  ErwuhntiDg,  dass  ich  mich  direkt  an  die  DirektioD  dieses 
Museums  gewandt  habe.  Eine  Antwort  habe  ich  nicht  erhallen  und  bin 
daher  zu  meinem  grossen  Leidwesen  auch  ausser  Stande,  Näheres  über  diese 
Gemmen  anzugeben.  Interessant  ist  es  aber^  dass  auch  hier  wie  bei  dem 
Reliquarium  des  Berliner  Museums  an  demselben  Gegenstände  des  christ- 
lichen Cultus  eine  dreifigurige  und  eine  zweißgnrlge  Gemme  neben  einander 
vorkommen.  Natürlicher  Weise  kann  das  aber  auch  ein  blosser  Zufall  sein. 
Da«  dritte  derjenigen  Stücke,  auf  welche  Herr  ür.  Pleyte  mich  hin- 
wies  und  das  er  mir  durch  eine  Skizze  und  kurze  Beschreibung  bekannt 
machte,  %'erdient  unser  Interesse  in  einem  ganz  besonderen  Grade,  Es  zeigt 
uns  nämlich  mm  ersteo  Male  vier  eingeschnittene  Figurf^n  und  eine  höchst 
merkwürdige  Abweichung  in  den  schwebenden  Attributen.  Im  Uebrigen 
»ieht  man  aber  wieder  auf  den  ersten  Blick,  daas  auch  dieses  Specimen 
nnzweifelhaft  zu  unserer  Gruppe  zu  rechnen  ist.  Denn  die  Technik,  die 
Zeichnung  und  das  benutzte  Material  ist  dasselbe,  wie  bei  den  übrigen  uns 
scholl  bekannten  Exemplaren,     Ich  bezeichne  dieses  Stück  als: 

XVII.    Die  Gemme  von  Roden. 

Fundort:  Lieveren.  Gemeinde  Roden,  Provinz  Drenthe,  Nieder- 
lande. 

Jetziger  Besitzer:  Das  Provinciaal  Museum  van  Oudheden  in 
Drenthe  zu  Assen. 

Der  Sekretär  der  Commissie  van  Bestuur  dieses  Museums,  Herr  C.  R. 
W.  Kijmmetl  hatte  die  grosse  Gefälligkeit,  meine  Bitte  um  genaue  An- 
gaben über  diese  ioteressante  Gemme  zu  erfüllen  und  mir  auch  eine  vor- 
zügliche farbige  Zeichnung  derselben  mitzuschicken.  Hierdurch  iiin  ich  in 
den  Stand  gesetzt,  diese  erste  Gemme  vom  vieriigurigen  Typus  dem  Leser 
im   Bilde  vorzuführen  und  folgendes  über  dieselbe  auszusagen: 

Es  ist  eine  ovale*  dunkelblaue  Glaspaste,  an  den 
Handflächen  f^chwarzblau,  fast  schwarz,  weiche  auf  der 
Kehrseite  glatt  geschliffen  ist,  ohne  jedoch  hier  irgend 
welche  Gravirung  zu  zeigen.  Bildflache:  2^7nm  zu  ISmm. 

Gefunden  wurde  das  Stück  vor  25  bis  30  Jahren 
in  einem  Torfmoore  bei  der  zur  Gemeinde  Roden  ge- 
hörigen Ortschaft  Lieveren.  l^/.j  Fuse  unter  der 
Oberflache.  Durch  den  Bürgermeister  von  Roden, 
Herrn  C.  W.  E.  Kijm'mell  wurde  der  merkwürdige  Fund  dem  Museum  in 
Assen  geschenkt. 

Von  den  vier  stehenden  Figuren,  welche,  wie  gewöhnlich,  sich  die 
Hände  reicheo,  bückt  die  linke  (w4e  immer  im  Intagiio  und  vom  Beschauer 
aus  gerechnet)  nach  rechts,  während  die  drei  anderen  den  Blick  nach  links 
gerichtet    haben.     Wir    müssen    hierin     eine  interessante  Analogie    mit  den 


fi- 


Gemmen  vom  dreifigurij^eu  Typud  erkcnneD,  denn  auch  nuf  dieseu  allen 
i*teht  ausnahmslos  die  linke  Figor,  nach  reclits  blickend,  den  beiden 
anderen  gegenüber. 

Die  linke  Figur  ist  um  em  iranzcs  Stack  kleiner  als  ilie  Uebrigen;  es 
fällt  dieses  aber  nicht  sofort  auf,  denn  sie  steht  etwas  hüher,  wie  die  anderen, 
ihre  Füsse  reichen  nicht  so  weit  herab,  so  dass  ihr  Kopf  in  derselben  Ebene 
sich  befindet,  wie  die  Kopfe  der  übrigen  drei  Personen.  Die  Scheitelhöhe 
des  Kopfes  erscheint  in  horizontaler  Richtung  glatt  abgeschnilten,  was  viel- 
leicht eine  Krone  zur  Darstellung  bringen  soll.  Die  Nase  springt  lang  und 
spitz  hervor;  das  lang  nach  abwärts  ausgezogene,  abgerundete  Kinn  soll 
wohl  mit  einem  Barte  geschmückt  sein.  Der  rechte  Arm  hält  einen  vom 
Korperende  iibgehendcn  Fortsatz,  welcher  wahrscheinlich  ein  Schwert  be- 
deuten soll.  Die  beiden  Beine,  namentlich  das  Rechte,  sind  von  einer  ganz 
ungewöhnlichen  Kürze,  deren  Ursache  wir  in  dem  Mangel  an  Platz  auf  dem:^ 
Gemmenfelde  zu  suchen  haben.  Ich  halte  es  für  berechtigt,  hieraus  den! 
tSchluss  zu  ziehen,  dans  der  Künstler  bei  seiner  Arbeit  die  linke  Figur  zti-^ 
letzt  ausgeführt  hat.  Er  musstc  sie  nun  in  den  Raum  componiren,  so  gut 
es  eben  gehen  wollte.  Und  wir  können  auch  hier  wiederum  erkennen,  dass 
er  bei  aller  ünbeboUenheit  doch  eine  ganz  genial  angelegte  Nattir  gewesen 
sein  muss;  denn  er  bat  sich  auch  hier  wieder  ganz  geschickt  zu  helfen  ge- 
Avusfit,  indem  er  die  Beine  im  Knie  gebeugt  darstellte  und  sie  dadurch  ein 
Wenig  verlängerte.  Die  Gestalt  macht  durch  diesen  Kunstgriff  den  Ein- 
druck, als  ob  sie  einen  Sprung  ausführte.  Jedoch  glaube  ich,  wie  gesagt, 
nicht,  dass  dieser  Eindruck  ein  beabsichtigter  ist,  sondern  ich  lialte  ihn 
einzig  und  allein  durch  die  Raumverhäl^nisse  bedingt.  Die  Füsse  erscheinen 
im  Vergleich  zu  den  Schenkeln  etwas  gross,  jrdocii  sind  sie  von  der  ge- 
wöim liehen  Länge  und  sind  durch  den  üblichen  Querstrich  angedeulet. 

Die  linke  mittlere  Figur  hat  einen  ziemlich  hohen,  anscheinend  bekränzten 
Kopf  mit  kurzer  Nase  und  grossem,  vermuthlich  bärtigem  Kinn,  Der  Hals  ist 
hing.  Das  linke  Bein  ist  viel  kürzer  ols  das  rechte  und  wird  etwas  vom 
Körper  abgespreizt  gehaltent  Das  rechte  Bein  ist  wieder  nur  durch  einen 
senkrechten  Strich  markirt,  welchem  als  Fuss  ein  ziemiich  grosser  Quer- 
strich angesetzt  ist.  Zwei  grosse  runde  Vertiefungen  markiren  sich  auf  dem 
Bilde  zwischen  den  Beinen  dieser  Person  und  zwar  die  eine  ganz  hoch  oben 
zwischen  den  Oberschenkeln  und  die  andere  zwischen  dem  Hacken  des 
linken  Fusses  und  der  Mitte  des  rechten  Unterschenkels,  Ob  es  zufällige 
Defekte  im  Glase  aind^  oder  ob  der  Künstler  sie  absichtlich  eingrub,  kann 
ich  natürlich  nicht  sicher  entscheiden.  Ich  vermuthe  aber  das  Letztere,  da 
wir  auch  bei  der  Gemme  von  Schonen  (VI  Nr,  lOj  solche  runden  Grüb- 
chen zwischen  den  Beinen  der  beiden  Gestalten  vorfinden,  welche  der  links 
stehenden  Figur  zugekehrt  sind. 

Die  rechte,    mittlere  Figur  erscheint  in  der  Kopf  höhe  flach    und    breit, 
wahrscheinlich  bekränzt.    Die  Nase    ist  sehr  klein  j    der  Kiunbart  ist  kurz. 


DiV  Genim*^  von  Alsen   Mml  ihr©  Ver wandten, 


55 


Der  Körper  ist  schriml  uimI  lang  g&streckt;  die  langen  Beino  verlaufen  im 
leichten  Bogen.  Einen  K«>rperfortsat/  besitzt  sie  ebenso  wenig,  als  die  vorige. 

Die  recliie  Fififur  liat  einen  kleinen,  runde«  Kopf  mit  kurzer  Nase  und 
kleinem  Kinnbart  Dif  li^cb alter  ist  achmal;  die  linke  Hund  ist  durch  eioen 
kleinen,  schrägen  Strich  markirt,  Violieicht  »oll  dieser  Strich  aber  aiieli  ein 
kurzes  Schwert  bedeuten.  Ihm  parailel  geht  vom  hinteren  Korpereude  ein 
kürzer  Korperfortsatz  ab.     Die  Beine  ver hinten  in   leiclitem  Bogen. 

Üeber  den  Köpfen  der  Gestalten  betinfJen  öicli  in  der  Lnft  schwebend 
drei  Attribute,  wuhrend  wir  sonst  nnr  zwei  zu  treffen  priemten.  Rechts  und 
linka  tiumlicli  ««cliwebe«  zwei  Gebilde,  welche  wir  wohl  wieder  als  Sterne 
ansprechen  müssen.  Sie  gleichen  vollkommen  denjenigen  anf  der  Gemme 
von  Jordloese  (V.  Nr.  9).  Jeder  Stero  ist  dadurch  gebildet  worden,  dass 
vier  gleich  lan^e  Linien  sich  unter  ungefiilir  gleichen  Winkeln  in  demselben 
Punkte  kreuzen.  Somit  ist  jeder  Stern  aubtstrnhlig.  E)er  Linke  schwebt 
über  und  zwisclien  den  Köpfen  der  beiden  linken  und  der  rechte  über  und 
zwigichen  den   Köpfen  der  beiih^n   rechten  Figuren. 

Das  dritte  der  in  der  Luft  schwebenden  Attribute  ist  das  Merkwürdijrgte 
vfin  allen  und  ündct  sich  noch  nicht  einmal  andeutungsweise  auf  irgend  einer 
der  ubri^ren  16  Gemmen.  Es  ist  ein  grosses  Krenz.  dessen  Querbalken 
dem  l^nngsbalken  an  Länge  gleich  ist  und  diesen  fast  genau  lialbirt;  nur  um 
ein  ganz  Geringes  ist  der  obere  Abschnitt  ktirzer  als  der  untere.  Sn  entsteht 
also  beinahe  die  Form  eines  griechischen  Krenzes.  Es  ist  aber  jedem  der 
vier  Balkenendcn  ein  kleiner,  den  Abschluss  luldcnder,  Quer^strieh  recht- 
winklig aufgesetzt.  Dieses  Kreuz  .steht  mit  seinem  senkrechten  Balken  ganz 
genau  in  der  Längs^Mittelaxe  de«  Gemmenfcldes  und  füllt  den  Kaum  zwischen 
den  Köpfen   der  beiden  mittleren  Figuren   und  den   beiden  Sternen  aus. 

Was  haJ>cn  wir  uns  unter  diesem  [vreuzc  vorzustellen?  Ist  es  das 
Symbol  des  Christenthums  und  sollen  wir  daher  rinuehmen,  dass  auch  unsere 
Gemmen   von    einem    bereits    christianisirteu  Volke  stammen?     So   sehr  be- 


stechend diese  Annahme  auch  auf  den  ersten  Augenblick    erscheinen 


mag, 


so  dürfen  wir  doch  nicht  vergessen,  dass  uns  das  Kreuz  iu  sehr  verscliie- 
denen  Formen  als  einfaches  Ornament  an  x\rtefakten  unzweifelhaft  heid- 
nischer Abkunft  erhalten  worden  ist.  Allerdings  bin  ich  nicht  im  Stande, 
mit  Sicherheit  anzugeben,  ob  unter  diesen  letzterwähnten  Kreuzen  auch  das 
ganz  absonderlich  geformte  unserer  Gemme  sieh  befindet. 

Sollten  jedoch  zwingende  Gründe  für  uns  vorliegen,  dieses  Kreuz  als 
ein  christliches  anzusehen,  so  bleibt  uns  immer  noch  die  Frage  zu  beant- 
worten, ob  wir  es  auch  als  ein  Werk  unseres  Gemm  en  Schneiders 
betrachten  müssen,  oder  ob  irgend  ein  Epigone  den  leeren  Platz  zwischen 
den  tfchwebendeo  Ornamenten  benutzte  und  aus  irgend  welchen  mystischen 
Gründen  dieses  Symbol  des  Gekreuzigten  in  sein  Juwel  hineingravirte. 
Dieses  zu  entscheiden  bedürfte  es  naturgemäss  der  allerscrupulösesten  Unter- 
suchung des  Originales.    Ich  bin  nur  iui  Stande  nach   der  mir  vorliegenden 


56 


Dr.  Max  Barteid; 


Zeichnung  zu  urtheileii.  Jedoi-h  kaon  ich  nicht  verhehlen,  dass  es  mir 
scheinen  will,  als  oh  das  Kreuz  in  allen  seinen  G  Theilen  mit  viel  zu  grosser 
Genauigkeit  gravirt,  fast  wie  mit  riem  Lineal  gezogen  sei,  als  dass  wir  es 
unserem  Künstler  zuzuschreiben  Uerechtigt  waren,  dessen  unsicheiL»  und 
immerhio  doch  recht  ungeschickte  Hand  wir  an  vielen  Proben  kennen  ge- 
lernt haben. 

Was  kann  nun  aber  der  Grund  gewesen  sein,  dieses  heidnische  Kleinod 
durch  das  Zeichen  des  Kreuzes  zu  einem  christlichen  zu  weihen  ?  Ich 
glaube,  die  Antwort  auf  diese  Frage  ist  nicht  sehr  schwer.  Waren,  wie  ich 
bewiesen  zu  haben  glaube,  die  un«  hier  beschäftigenden  Gemmen  wirklich 
Amulette,  so  kann  es  uns  nicht  Wunder  nehmen,  dass  sie  unter  Umstanden 
vom  Vater  auf  den  Sohn  vererbt  wurden  und  dass  auch  der  Christ,  welcher 
in  ihren  Besitz  gelangte,  den  Glauben  an  ihre  schutzende  Kraft  trotz  seines 
Christenthumes  beibehielt  Um  aber  nicht  eines  Bündnisses  mit  den  finsteren 
Mächten  sich  schuldig  zu  machen,  so  weihte  und  lieiligte  er  seinen  Besitz 
diarch  das  Zeichen  des  Kreuzes.  Mit  Recht  macht  Dr.  Pleyte  darauf  aul- 
raerksam  (Privatraittheilung)»  dass  eine  ganze  Anzahl  unserer  Werke  —  es 
ist  mehr  als  der  dritte  Thei!  —  an  Geräthen  des  christlichen  Cnltus  sich 
vorfinden:  zwei  an  dem  Reliquarium  in  Berlin,  zwei  an  der  Altartafel  in 
Lüneburg,  eine  im  Klosterschatze  in  Klaarkamp  und  zwei  an  dem  Mis- 
sal e-Ein  bau  de  in  Utrecht,  Er  ist  der  Meinung,  dass  dergleichen  Steine 
nicht  nur  im  gewabnlichen  Sinne  zum  Schmuck  der  heilif^en  Geräthe  gedient 
hätten,  sondern  dass  man  ihnen  auch  noch  irgend  eine  besondere  mystische 
und  magische  Kraft  und  Bedeutung  beigelegt  habe.  Natürlich  Ist  aber  hier- 
mit noch  immer  nicht  unwiderleglich  bewiesen^  dass  das  Kreuz  ein  christ- 
liches ist 

Ueber  die  Bedeutung  unserer  Gemmen  spricht  Herr  Dr.  Pleyte  die 
folgende  Meinung  aus,  welche  ich  hier  anführe,  allerdings  ohne  sie  zu  theilen: 

,,Was  reprasentiren  die  Figuren?  Zwei  Männer  mit  den  zwei  Sternen 
sind  das  Bild  von  Castor  und  PoUux,  das  Zwillingszeichen  des 
Thierkreises,  ein  Bild  des  Horoacopes.  Die  dritte  oder  vierte  Figur  ist 
dann  die  Person,  welche  sich  unter  ihren  Schutz  stellt.  Oder  sie  sind  die 
Begleiter  von  den  Seelen  der  Verstorbenen.  Die  einzelne  Person  ist  vielleicht 
ein  Mercuris,  Thot  oder  Anubis." 

Oh  wirklich  unser  Künstler  sich  so  viel  bei  seinem  Werke  gedacht  hat, 
möchte  ich  doch  bezweifeln.  Auch  können  wir  bei  der  Rohheit  aller  Figuren 
durchaus  nicht  wissen,  wie  ich  das  ja  früher  schon  ausgeführt  habe<  ob  er 
sich  immer  dasselbe  dachte;  ganz  abgesehen  davon,  dass  er,  wenn  über- 
haupt, doch  wohl  viel  eher  an  Gottheiten  der  nordischen  Mythologie  gedacht 
haben  würde.  Ich  musa  daher  bei  meiner  auf  Seite  203  ausgesprochenen 
Meinung  verharren.  Darin  aber  stimme  ich  Herrn  Dr.  Pleyte  ganz  voll- 
kommen  bei,  dass  man  eine  genaue  Durchmusterung  der  noch  existirenden 
Kirchenschätze  aus  byzantinischer  und  romanischer  vornehmen  muss  —  und 


I 


Df*»  nomine  von  Ahen  nnd  ihr/»  Verwandtpn. 


57 


ich  selbst  habe  seit  Jabrea  keine,  Hieb  mir  birrzii  darbietend«;  Gelegen  bei  t 
voröbergeben  lassen  —  dann  wird  mit  aller  Wnbrselieinlicbkeit  noch  manches 
interessante  Specimen  an  das  Tageslicht  gefördert  werden,  duss  der  vor- 
liegenden Gruppe  von  Kunstwerken  angereiht  werden  muss.  aber  heute  noob 
ia  Jahrhunderte  Innger  Vergessenheit  des  glücklichen  und  aiifmerksamen 
Entdeckers  harrt. 

In  meinen  Aufsatz  haheu  sich  ein  Paar  Irrthiiraer  und  Druckfehler  ein- 
geschlichen und  ich  freue  mich,  an  dieser  Stelle  die  günstige  Gelegenheit 
zu  iinden-^  dieselben  zu  verbessern.  Auf  Seite  186  8te  Reihe  von  unten  ist 
eine  Zeile  ausgelassen.  Der  Satz  muss  heissen :  „Der  oberste  Kürperfort* 
»atz,  wie  der  Körze  wegen  diese  Dinge  genannt  werden  mögen,  beginnt  fast 
fiteis  am  Hinterende  des  Rumpfes  und  bisweil,en  beginnt  der 
nächstiintere  fast  an  derselben  SteLIe.  Dann  siebt  es  aus,  als  ob  die 
Figur  mit  ein   Paar  nach  hinten  flatternden  Frackschussen  versehen  sei.'' 

In  den  Figuren  2.  3  und  4  haben  sich  mehrere  der  im  Text  beschrie- 
benen und  auf  den  Holzstöcken  befindlichen  feinen  Details  im  Druck  leider 
nicht  niarkirt. 

Nr.  4.  Die  grosse  Gemme  des  Berliner  Reiiquariume  ist  in 
umgekehrtem  Sinne  gezeichnet  Die  im  Bilde  links  befindliche  Figur  ist 
aUo  die  Rechte,  die  rechu  befindliche  Figur  ist  die  Linke.  Es  blickt 
daher  auch  hier,  wie  auf  den  übrigen  dreifigurigeii  Geramen  die 
linke  Figur  nach  rechts,  die  rechte  und  die  mittlere   nach  links. 

Auf  S»  186  ist  durch  ein  Versehen  bei  der  iTemme  von  Schonen 
(VI.  Nr*  10)  angegeben,  das«  die  Figuren  umgekehrt,  als  auf  den  übrigen 
Gemmen  vom  dreifigurigen  Typus  gruppirt  waren.  Das  ist  nicht  richtig. 
Sie  stehen  ebenso  wie  auf  den  anderen  auch,  die  linke  Figur 
nach  rechts  blickend  und  die  rechte  und  die  mittlere  nach  links 
blickend,  wie  auch  die  Figur  6  dieses  Verhalten  richtig  wiedergiebt.  Da- 
hin ist  also  die  Angabe  auf  Seite  186  Zeile  3 — 7  und  auf  Seite  192  Zeile  9 
und  10  zu  corrigiren. 

Nr.  6.  Die  Leipziger  Gemme  ist  nach  einem  negativen  Abdruck 
gezeichnet.  Wir  haben  daher  die  linke  Figur  nach  rechts  und  die  rechte 
geflügelte  nach  links  zu  versetzen.  Die  Beschreibung  ist  demgemäss  ge- 
macht worden. 

Endlich  muas  es  auf  Seite  197  Zeile  11  am  Ende:  Der  linke  Arm  heissen. 


Ich  halte  es  für  meine  Pflicht  hier  noch  eine  andere  Sache  zur  Sprache 
zu  bringen.  .Unter  dem  26.  Oktober  1882  erhielt  ich  aus  Athen  folgendes 
Schreiben  unseres  Herrn  Dr.  Heinrich  Schliemann; 

„Ihren  Artikel  „Die  Gemme  von  Alsen  und  ihre  Verwandten** 
habe  ich  mit  höchstem  Interesse  gelesen,  aber  dabei  ungemein  bedauert,  dass 
Ihnen  die  von  mir  im  Juli  1881  der  trojaniBchen  Sammlung  in  Berlin 


beigefügleu  und  dort  woIjI  im  GoldsdjiTtnk  ftufgestellteii  m  y  kenischen 
Gemmen  unbekannt  geblieben  sind,  denn  die  eine  davon,  —  obwohl  au« 
feinem  Stein  und  spätestens  aas  dem  12.  Jahrhundert  vor  Christo  stammend, 
ist  das  voUkommenate  Gregenstdck,  welches  siV  ntir  wünschen  können  und 
haben  die  darauf  intaglirten  Riesen  die  allergrosste  Aehnbchkeit  mit  denen 
der  scandinarisc  h  en  Gemmen.  Ich  habe  diese  Gemme  immer  als  eine 
phönizische  Importation  angesehen,  da  ich  mich  zu  erinnern  glaube, 
höchst  ähnliche  Gestalten  in  Bronze  im  Museum  in  Cagliari  gesehen  zu 
haben.  Das  Werk  von  V*  Crispi  über  dies  Museum  bildet  zwar  nur  wenige» 
so  Rohes  ab,  aber  Seite  54  sehen  Sie  bei  einer  eben  so  rohen  Figur  eehr 
?ihnliche  Zeichen," 

Das  Werk  von  Crispi  habe  ich  mir  leider  nicht  verschaffen  können. 
Was  nun  aber  die  Schliemann'sche  Gemme  betrifft,  so  hat  die  Sache 
etwas  Bestehendes :  eine  Aehntichkeit  ist  üözweifelhatt  vorhanden,  aber  den- 
noch ist  sie  ebenso  unzweifelhaft  nor  eine  oberflächliche,  ausser! iche.  Die 
betreffende  Gemme  ist  von  Herrn  Dr,  Schlieraann  in  seinem  Werke  über 
Mvkenae  ^)  auf  Seite  412  als  Figur  540  publicirt.  Selbstverständlich  ist 
meine  folgende  Beschreibung  aber  onch  dem  Originale  gemacht  worden. 

Wir  können  g^nz  davon  absehen,  dass  sie  als  die  einzige  in  wirklichen 
Edelstein,  dunkejrotben  Achat  eingegraben  ist,  wahrend  alle  unsere  17  Exem- 
plare in  übereinstimmender  Weiae  aus  Glaspasten  bestehen.  För  uns  müssen 
die  Unterschiede  in  der  Ausführung  und  Zeichnung  selbst  massgebend  sein. 
Bei  dem  ersten  Anblick  der  Seh lie  mann  "sehen  Gemme  ist  man  aller- 
dings frappirt  durch  den  glatten,  scharf  abgeschnittenen  oberen  Abschluss 
des  Kumpfes  mit  den  spitzen  Schultern  und  dem  darauf  balancirenden  langen 
Halse*  Diese  scharfe  Grenze  ist  aber  nicht  wie  bei  uiisern  Figuren  die 
einfache  Basis  eines  Keiles,  dessen  basale  Ecken  die  Schultern  repräsen- 
tiren.  Hier  stehen  bei  der  rechten  Figur  auf  derselben  Grundlinie  nach 
unten  gerichtet  drei  gleichschenklige  Dreiecke,  ein  mittleres  grosses:  der 
Brustkorb,  und  zwei  seitliche  kleine:  die  Schultern.  Der  Leib  wird  ange- 
deutet durch  eine  unten  an  der  Spitze  des  Thoruxdreiecks  stehende  ,  nach 
links  convexe  Halbkreisliuie,  wie  ein  abnehmender  Mond.  An  der  unteren 
Zacke  derselben  hangt  als  gerader  Strich  das  rechte  Bein,  dessen  hufahn- 
licher  Fuss  wieder  durch  ein  kleines  Dreieck  repräsentirt  wird.  Das  linke 
Bein  entspringt  als  senkrechter,  nach  unten  fein  auslaufender,  nur  an  der 
aussersten  Spitze  sich  wieder  etwas  verdickender  Strich  von  einer  kurzen, 
schrilgen  Linie,  welche  der  Halhkreislinie  benachbart  ist,  aber  weder  mit 
ihr  noch  mit  dem  Thorax  in  irgend  welchem  Zusammenhange  steht.  Wahr- 
scheiulicl»  müssen  i^ir  hierin  die  linke  Hütte  erkennen.  Der  rechte  Arm 
hängt  als  ein    langer,    leicht  gebogener  Strich    an    der  Spitze    des  Schulter- 


1)  Hemrich    SchlietuaiiD,    Mjkenae.      Bencht    über    meine    Forschungen    und    Ent- 
(lecküngeti  in  Mykermc  und  Tiryns.     Leipzig,    1S78. 


Die  G«mtn<^  ron  khmi  tm<1  ihre  Verwand  ton. 


S9 


» 


P 


dreiecks  und  reicht  fast  bif*  in  dem  Fus>se  beraU  Der  rechte  Arm  ebeoao 
an  i»einer  Schulter  hängend,  verlSuft  nur  bis  zur  Gurtelhöhe  senkrecht  und 
geht  dann  in  eine  sich  stark  verjüngende  Zickzacklinie  (mit  vier  abge- 
rundeten Ecken)  über,  so  dass  das  ganze  a*)  den  überlangen  Aermel  einer 
Zwangsjacke  erinnert.  Der  strichförmige  Hals,  fast  dem  ganz.en  Beine  an 
Länge  gleich,  trägt  den  kleinen  Kopf,  von  dem  nachher  noch  gesprochen 
werden  soll. 

Der  Rumpf  der  linken  Figur  wird  durch  ein  kurzes,  verschobene« 
Dreieck  gebildet,  welches  wieder,  wie  bei  der  vorigen  Figur,  nur  den  Brust- 
korb repräsentiren  kann.  Die  Beine  stehen  in  keinerlei  Verbindung  mit  dem 
Rumpfe,  entspringen  aber  alle  beide  oben  aus  demselben  Punkte.  Von 
diesem  aus  verlauft  das  rechte  Bein  ganz  gerade  nach  unten,  während  da** 
Unke  Bein  einen  kurzen  Oberschenkel  hat,  dessen  im  spitzen  Knie  gebeugter 
Unterschenkel  fast  die  dreifache  Länge  desselben  besitzt.  Beide  Beine  haben 
ebenfalls  hufiirtige  Füsse. 

Der  linke  Oberarm  bildet  die  direkte  Fortsetzung  von  der  Grundfläche 
des  Körperdreiecks;  hierdurch  erscheint  er  bis  zur  Horizontalen  elevirU 
Senkrecht  nach  oben  gerichtet  schüesst  sich  ihm  der  Vorderarm  an,  dessen 
Hand  an  Form,  oder  vielmehr  Formlosigkeit,  und  Grösse  den  beiden  rohen 
Köpfen  der  Figuren  in  nichts  nachsteht.  Der  rechte  Arm  hat  wieder  sein 
besonderes  und  zwar  recht  grosses  Schulterdreieck  und  von  diesem  aus  ver- 
läuft er  in  scharfem  Zickzack  bis  zur  unteren  Grenze  des  Gcmraentydes, 
indem  er  zwei  lateral wtirts  gerichtete  feine  und  zwei  medianwärts  gestellte 
grosse,,  stark  vertiefte  Spitzen  bildet.  Das  unterste  Ende  schliesst  mit  einem 
senkrechten  Strich  ab. 

Der  Hais  erscheint  noch  langer,  als  bei  der  vorigen  Figur  und  ist  dabei 
von  linearer  Feinheit  „Ihre  Köpfe  sind  nur  durch  eine  kleine  horizontale 
Aushöhlung  dargestellt  und  es  ist  kein  Gesicht  vorhanden*"  Es  ist 
das  also  eine  Darstellungsweiae,  welche  grundverschieden  ist  von  den  wohl- 
charakterisirlen  und  individuell  ausgebildeten  Gesichtern  auf  unseren  Gemmen. 
Und  so  werden  wir  uns  doch  wohl  der  Annahme  nicht  verschliessen  können, 
dass  diese  Dinge  überhaupt  ausser  allem  Zusammenhange  stehen.  Wurde 
dieses  eigentlich  schon  bewiesen  durch  die  vielfachen  Abweichungen  in  der 
Zeichnung  der  Körper  und  Extremitäten,  so  stellen  diese  Cardioalunter- 
schiede  in  der  Ausprägung  der  Köpfe  die  Heterogen ie  der  Stücke  in  das 
klarste  Licht. 

Sollte  man  aber  trotz  alledem  an  die  Möglichkeit  glauben,  dass  doch 
eine  innere  Verwandtschaft  dieser  Gemme  von  Mykenae  mit  den  unsrigen 
bestehen  könnte,  so  wird  man  das  Eine  wenigstens  zugeben  müssen,  dass 
nämlich  die  Erstere  in  jeder  Hinsicht  weit  hinter  den  nordischen  Gemmen 
zurücksteht  und  dass  der  Uebergang  von  jener  zu  diesen  einen  ganz  unver- 
mittelten Sprung  darstellen  wurde.  Es  bliebe  uns  dann  also  nichts  anderes 
übrig,    als    anzunehmen j    dass    eine  Reihe   verbindender    und    vermittelnder 


fiO  •»  -  "Dr.  ü&x  Rartelt:  ^^^^ 

^^^^^ 

Zwisnbenglieiler  eKistirt  linbe,  aber  nicht,  bis  auf  uusere  Ta^ö  erhalteu  worden 
»ei;  und  eine  «niche  Anr>alime  bat  doch  ganz  sicherlich  ihr  Missliches.  Ich 
glaube  daher  wohl,  dasR  wir  dabei  verbleiben  raüasen,  die  entfernte  Aehn- 
lichkeit  zwischen  den  beiden  Gemmenarten  aU  eine  rein  äuaserlicbe  und 
zufallige  zu  constatiren.  Natürlicher  Wei«e  verliert  deshalb  die  Gemme 
von  Mj^kenae  für  uns  durchaus  nicht  an  Interesse,  und  wir  miissen  dem 
Herrn  Dr.  Schliemann  sehr  dankbar  sein,  dass  er  uns  auf  dieses  Specimeii 
noch  besonders  hingewiesen  hat.  Es  muss  uns  das  ein  erneuter  Beweis 
dafür  sein,  dass  wir  unsere  Forschungen  und  Studien  auf  diesem  Gebiete 
uo^h  lange  nicht  für  abgeschlosseo  betrachten  dürfen,  sondern  dass  wohl 
noch  eine  geraume  Zeit  hindurch  von  allen  Seiten  mit  Ernst  und  Aufmerksam- 
keit auf  diese  Dinge  geachtet  werden  mu.ss,  bis  wir  z\i  einem  unanfechtbaren 
Abschluss  gelangen  werden. 

Ganz  nahe  verwandt  dieser  Gemme  von  Mykenae,  aber  ebenfalls  mit  di^n 
unsrigen  nicht  zn  verwechseln,  ist  das  Intagtio  auf  einer  dreiseitig  prismati* 
sehen  Stein  perle  aus  Athen,  welche  ku  den  neusten  Erwerbungen  des 
königlichen  Museums  von  Berlin  gehört.  Dieses  kleine  steinerne  Prisma 
ist  im  Sternsaale  de.s  Antiquariums  ausgestellt.  Es  ist  V/icm  hoch,  in  der 
Richtung  der  Längsachse  durchbohrt  und  auf  allen  drei  Seitentlächen  gravirt. 
Nur  das  lutaglio  der  einen  Seitenfläche  ist  für  uns  hier  von  Interesse.  Es 
zeigt  eine  einzelne,  stehende  menschliche  Figur,  deren  Kopf  durch  ein  kleine« 
auf  der  Spitze  stehendes  Quadrat  zur  Dar^^tellung  gebracht  worden  ist.  Der- 
selbe wird  von  einem  Überlangen,  strichförmigon  Halse  getragen,  dessen 
IjUnge  die  des  ganzen  Kumpfes  um  fast  das  Doppelte  übertrifft.  Letzterer 
ist  ein  ganz  kleines  gleichschenkliges  Dreieck,  von  dessen  unterer  Spitze  die 
langen,  in  leichtem  Bogen  verlaufenden,  strichformigen  Beine  ausgehen.  Ihr 
Bogen  ist  nach  vorn  concav,  so  dass  der  kleine  Mann  die  Kniee  stark  durch* 
zudrücken  scheint.  Die  die  Füsse  raarkirenden  Querstriche  beweisen,  dass 
die  Figur  nach  links  gerichtet  ist.  Der  rechte  Oberarm  ist  mehr  als  recht- 
winklig erhoben  und  «ein  Vorderarm  ist  wie  zum  Schwüre  senkrecht  in  die 
Höhe  gestreckt.  Zwei  dicke,  krebsscheerenartige  Finger  markiren  die  Hand. 
In  gleicher  Weise  ist  die  linke  Hand  angedeutet,  jedoch  ist  sie  nach  unten 
und  etwas  vom  Körper  ubge.streckt.  Der  linke  Arm  verläuft  in  einem  Bogen. 
Die  ausserordentliche  Kohheit  der  ganzen  Darstellung  geht  wohl  schon  aus 
dieser  Beschreibung  hervor;  ebenso  deutlich  aber  erhellt  daraus,  dass  wir 
hier  kein  Analogon  unserer  Gemmen  vor  uns  haben.  Erwähnt  mag  noch 
werden,  dass  links  oben  und  rechts  und  links  unten  im  Gemmenfelde  sich 
je  ein  schwer  zu  deutendes  Attribut  befindet. 

Erwähnen  muss  ich  ferner  noch,  dass  ein  befreuDdeter  Anthropologe 
mir  den  Einwurf  machte,  er  hielte  meine  Annahme,  dass  ein  einziger  Künstler 
alle  diese  Stücke  gefertigt  habe,  für  eine  irrige.  Es  handle  sich  eben  ein- 
fach um  Repräsentanten  des  damaligen  Styl  es.     Allerdings  vermag    ich  ja 


Die  Gemme  von  Alsen  und  ihre  Verwandten.  61 

nicht  za  leugnen,  dass  die  Zahl  der  ,, Wanderer^  im  Vergleiche  zu  den- 
jenigen StuckeD,  welche  in  der  von  mir  sapponirten  Heimath  des  Künstlers, 
in  der  Insel  Seeland  gefunden  worden  sind,  eine  recht  erhebliche  ist.  Das 
allein  widerlegt  meine  Hypothese  aber  noch  nicht.  Denn  wenn  wir  in  prä- 
historischen Zeiten  einzelne  Stücke  von  Etrurien  nach  Scandinavien,  andere 
von  den  Bernsteinküsten  der  Ostsee  nach  Mittel-Italien,  uod  endlich 
asiatische  Nephritgerätbe  bis  nach  der  Schweiz  und  dem  westlichen 
Deutschland  wandern  sehen,  dann  können  doch  auch  unsere  Gemmen, 
die  im  Vergleich  zu  jenen  Entfernungen  kleine  Reise  von  Dänemark  nach 
den  Niederlanden  zurückgelegt  haben.  Eine  Wanderung  dieser  Stacke 
ist  ja  doch  auch  um  so  weniger  zu  verwundern,  als  ihnen,  wie  es  wohl  mit 
grosster  Wahrscheinlichkeit  anzunehmen  ist,  der  Ruf  von  dem  Besitze  über- 
natürlicher Zauberkräfte  anhaftete.  Wären  unsere  Gemmen  einfach  weiter 
nichts  als  Repräsentanten  des  damaligen  Stiles,  so  würden  wir  ohne  allen 
Zweifel  denselben  Stil  auch  an  anderen  Artefakten  aus  derselben  Zeitperiode 
nachzuweisen  im  Stande  sein.  Und  da^  eben  ist  nicht  der  Fall.  Es  ist  bis 
jetzt  kein  einziger  Gegenstand  bekannt  geworden,  welcher  eine  gleiche  Zeich- 
nung aufzuweisen  vermöchte,  wie  unsere  Gemmen.  Wir  müssen  deshalb 
auch  ferner  noch  an  der  Annahme  festhalten,  dass  es  ein  einziger  Künstler 
gewesen  ist,  welcher  alle  unsere  Gemmen  gefertigt  hat. 


Miscellen. 


Der  Director  der  Etboolopgcben  SaiumluD(|ren  in  Paris,  dessen  thätigen  BemubuDgen  Tor 
Allem  die  gläniende  Eröffnung  des  Mosenms  im  Trocadero  zu  verdanken  ist,  bleibt  aucb,  wie 
früher,  auf  dem  literarischen  Felde  tbätig,  wo  unter  den  letzten  Veröffentlichungen  i.  B.  zu 
erwähnen  sind: 

Rapport  8ur  le  develeppoment  et  l'^tot  actuel  des  Collections  Ethnographiques,  apparte- 
nant  au  Mioist^r^  de  rinstruction  Publique.  (Extrait  du  Bulletin  de  la  Society 
de  Geographie.)    Paris  1880. 

Cook  et  Dalrymple.    (Centenaire  de  la  Mort  de  Cook.) 

Les  Toltiques,  Conference  du  26  Mars  1882,  faite  ä  la  Sorbonne.  (Association  Scienti- 
fique  de  France.)  • 

Note  sur  les  figures  et  les  inscriptions,  gravees  dans  Im  ri)che  a  El  Hadj  Miraoun,  pres 
Figuig.  Paris  1882;  aus  der  .Revue  dEthnographie",  die  unter  Leitung  des  gleichen 
Gelehrten,  in  jeder  ihrer  Nummern  eine  Reibe  werthvoller  Artikel  bringt.  Unter 
den  „Memoires  originaox^  (im  ersten  Bande)  sind,  neben  den  Namen  des  Heraus- 
gebers, zu  verzeichnen:  L.  de  Cessac,  J.  E.  de  la  Croix,  E.  Duhousset,  E.  F^ueoz, 
A.  Laudrin,  Fr.  Lenormant,  Ern.  Martin,  J.  Montano,  J.  Moura,  A.  Peney,  A.  de  Quatre- 
fages,  A.  Retzius,  G.  Revoil,  A.  T.  de  Rochebrune,  Dr.  Scheu  be,  P.  Schumacher  und 
R.  Vemeau.     Vier  Tafeln  mit  Abbildungen  sind  heigegeben.  A.  B. 


Bücherschau. 


First  Anoual  Report  of  tbe  Bureau  of  Ethnology  to  the  Secretany  of  the 
Smithsonian  Institution  1879—80,  by  J.W.Powell,  Director.  Washing- 
ton 1881. 

Dieser  erste  Bericht,  dem  in  einer  hoffentlich,  und  voraussichtlich,  unabgebrochen  langen 
Reihe  weitere  folgen  werden,  ist  freudigst  zu  begrussen,  als  eine  neue  Era  in  der  Geschichte 
der  Ethnologie  inaugurirend.  Hiermit  ist  das  lange  Gewünschte  und  für  die  gesunde  Fort- 
entwicklung unserer  Wissenschaft  unbedingt  Erforderliche  schliesslich  begonnen,  ein  auf  brei- 
ter Basis  genommener  Mittelpunkt,  von  dem  aus  die  unabsehbaren  Massen  des  Materials,  deren 
Sichtung  und  Ordnung  es  für  die  inductive  Behandlung  bedarf,  unter  einer  systematischen 
Methode  wird  an  die  Hand  genommen  werden  können.  Und  nirgends  war  diese  Initiative 
naturgemässer  zu  erwarten,  als  eben  in  demjenigen  der  CuUurländer,  welches  als  das  jüngste 
ans  den  eingeborenen  Unterschichtungen  emporgewachsen  ist,  im  Anschlnss  an  die  von  der 
Regierung  organisirten  Forschungsreisen  und  die  umfassenden  Sammlungen  im  Museum  des 
Smithsonian  Institution. 

Dass  dieses  Werk  in  keines  dazu  Berufeneren  Hand  hätte  gelegt  werden  können,  als  eben 
in  die  des  Herausgebers,  Major  Powell,  bedarf  keiner  Erwähnung,  und  unter  Vorbehalt  eines 
Eingehens  auf  die  einzelnen  Artikel  von  Yarrow  (Mortuary  Custoujs*),  von  Holden  (Picture 
writing),  Mallery  (Sign  language)  u.  s.  w.,  sowie  von  Powell  selbst,  seien  zunächst  nur,  für 
allgemeine  Beherzigung,  seine  Worte  verzeichnet  (S.  86): 


Mi^cellen  und  ßöcberscbau.  63 

«Antbropology  needs  trained  devotees  with  philosopbic  metbods  and  keen  Observation  to 
stndy  every  tribe  and  nation  of  tbe  globe  almost  de  novo,  and  from  materials  tbus  coUected 
a  science  may  be  establibhed".    Nur  so  allein!  aber  dann  mit  bester  Zuversiebt  für  den  Erfolg. 

Für  die  Linguistik  können  unter  den  Mitarbeitern  die  Namen  Oatscbet,  Riggs/  Dorsey, 
Pilling  u.  A.  m.  aufgeführt  werden.  A.  B. 

Wahl,  L'Alg^rie,  Paris  1882. 
Statistique  de  la  population,  S.  169. 


Berge,  de  la,  £n  Tnnisie,  Paris  1881. 
Histoire  (3.  partie). 

Largeau,  Le  Sahara  alg^ricn,  Paris  1881,  2.  ed. 
Les  Touaregs  (Cap.  11,  troisieme  partie). 


Choisy,  Le  Sahara,  Paris  1881. 

A  defaut  des  Arabes,   les  races   les    plus  etranges  sont  ici  representeej»,  c*est  un  musee 
antbropologique  vivant  (in  Ooleab). 

Bonnafort,  Doaze  ans  en  Alg^rie,  1830  ä  1842,  Paris   1880. 

Als  Beitrag  zur  Betrachtung  .comment  dans  un  pays  nouvellement  conquis,  aux  moeurs, 
et  k  la  religion  si  differents  des  notres,  la  societe  civile  s'y  est  etabli. 

Faring,  Kabyles  et  Kroumirs.     Paris  1882. 

La  Kabylie  (Gap.  XIII— XIV).    Le  pays  des  Kroumirs  (Gap.  XXXVI). 

Yigooi,  Abissinia,  Milano  1881. 

Besuch  bei  den  Bogos  (S.  d3  u.  ff.),  dann  nach  Gondar. 


Doyle,  The  English  in  America.     London  1882. 

Für  die  Golonisation  in  Virginien,  Maryland,  den  Garolinas.  Später  ist  die  Behandlung 
Neu-England's  (down  to  tbe  end  of  the  XVII  Century)  in  Aussicht  gestellt,  sowie  ein  dritter 
Band. 

Lesson,  Les  Polynesiens.     Paris  1880—1881,  VoL  I— IIL 

Nach  den  Reisen  im  Jahre  1827,  dann  1840  und  1843—1849,  durch  Martin  et  heraus- 
gegeben. A.  B. 

Abbot,  Primitive  Industry  or  lUustraiions  of  the  handiwork  in  stone,  bone 
and  clay  of  the  Native  Races  of  the  Northern  Atlantic  Seaboard  of  America. 
Salem  1881. 

Mit  zahlreichen  Abbildungen,  denen  fernere  Vermehrung  nicht  fehlen  wird,  wenn  der 
ausgesprochene  Wunsch  Erfüllung  findet,  die  Beweisstücke  stets  gleich  zu  sichern  «by  placing 
them  in  a  public  museum*'. 

Burgers,  Notes  on  the  Amoravati  Stupa,  Madras  1882.  Archaeological 
Survey  of  Southern  India  (No.  3). 

After  some  violent  destruction,  the  stupa  seems  to  have  heen  recon^tructed  in  a  rough  way. 

A.  B, 


64 


Misrellen  und  Bücherschaii. 


Herrn.  Dietrichs  und  Lydolf  Parisius,  Bilder  aus  der  Altmark.  Ham- 
burg 1882.  4.  Mit  140  OriginaI-Holz.subniUeo. 
VoD  diesem  Werk  \hjf^i  j^egenwärti^*'  der  orstt'  Band  iü  be^te^  typographischer  Atij»stattiing 
volleadet  vor.  Die  von  Hrn.  Die  trirhs  durchweg  an  Ort  und  Stelle  au^enommeuen  Ab- 
biidunjjen  sind  miislerbnir.  Fnr  die  bier  ^erlretjeiien  Illtele^sen  niD^sseti  ti«ment!ich  iiie  hut- 
stelhmßfcn  der  mefsralitbischen  ilonnineTJte  der  Alttuark,  in  der  6.  lieferunfj,  der  Äufinerküam- 
keit  der  Facbgeiiosseu  fmpfühleij  werdMi,  Der  Text^  bei  dessen  Abfai^suri^  Hrn.  Pari  sin*, 
dem  SpecialkeoDifr  der  Altmark,  Ur,  Dr.  Schi^ebel  zur  Seite  (resUiidcD  bat,  briiijft  eine 
Fälle  der  wichtigsten  Erinnerungen  aus  der  ersten  Zeit  der  Besiedelun^  de«  Lan^i^s.       (t.  V, 

JoliB  T,  Short,  The  North  Americans  of  antiquity,  their  origin,  migrations, 
and  type  of  civilization  coDsidered.  New- York  188(1  Zweite  Ausgabe. 
Ein  vortretnichei',  mil  zahlreichen  liJastrationen  ansgestattetes  Werk,  i^ekhes  in  geiiränp- 
ter  iJar.'stellunp'  die  Fillle  der  ErJnneninfren  aus  (hr  Vorzeit  der  amenk^nii^chen  Stimme  zii- 
sammeiifiisst.  Das  j^rhnelle  Kracheinen  einer  zweiten  Auflag-e  legt  ZenKni^s  davon  ab,  welclken 
Eindruck  dan-'^elbe  in  Amerika  hervorgebracht  bat.  Mit  ß[!ei eher  Vollständigkeit  sind  das  erste 
Auftreten  des  ileiischen,  soweit  es  bis  jetzt  b«t  featRestelU  werden  kunuen,  und  die  R*'ihe  der 
wicbti^s^ten  prähistorischen  Entwickelunpen,  von  den  Mouüdbnilders  und  den  Cliffdwellers  an 
biti  zu  den  Maya-  nnd  Nahua-Stämmen  hin,  ge^rchildert  worden.  Sowohl  die  Anatomie,  ah  die 
LiR^nietik  sind  iii  der  Anfklärufifj  der  dunklen  nnd  äusserst  schwierii^en  Probleme  der  ameri- 
kanischen AntbrO|>olO)srie  beran^jezopen  worden.  Man  kann  sagen,  da^s  wir  im  Augenblick  in 
Europa  kein  wiasenf^chattüebeä  Werk  besitzen,  welche«»  dnmit  in  Parallele  gestellt  werde u 
könnte.  (t  V. 


J.  F.  Bransford,  Archaeological  researches  in  Nicaragua.  Smithsonian  Con- 
tributions  to  knowiedge,  Washington  188i.  4, 
Der  Verfasser,  frijberer  üürinearzt,  schildert  eigene  Erfahrungen,  die  er  als  Begleiter  der 
Expedition  des  Comniandeirs  Lull  zur  Aufsuchung  einer  Route  für  deo  Schififahrtskanal  durch 
Centralamerika  ge«;ammelt  hat.  Ein  Haupttbeil  der  Arbeit  betrifft  rfie  sonderbaren  Begrab nias- 
uruen  von  der  Insel  Omeiepoc,  deren  Bedeutung  hier  zum  ersten  Mate  klar  gelegt  ist.  Ver- 
schiedene Arten  von  Steingräbern,  Mounds,  Steinbildern  und  Fels  Zeichnungen  werden  beschrie- 
ben Die  Töpferei  findet  b«souf?ere  Berticksichtigung.  Auch  brachte  der  Verfasser  von  Costa 
Rica  16  grüne  Steine,  sogenannte  Chalchihuits  mit.  Er  betont  mit  Recht  dm  grosse  Inter- 
©Bse,  welches  dieses  auf  der  Grenze  mehrerör  alter  Cultnrvfilker  gelegene  Land  in  archiologi- 
Bcber  Beziehung  darbietet  und  gedenkt  mit  Anerkennung  der  Verdienste,  welche  der  leider 
viel  zu  früh  verstorbene  Dr.  Berendt  und  Hr.  Bastian  sich  um  die  Erforachung  seiner 
Älterthuuier  erworben  haben.  R.  V. 


Johannes  Ranke^  Beiträge  zur  phy&ischen  Anthropologie  der  Bayern. 
München  1883.  gr.  8. 
Der  Verfasser  h^U  eine  Reihe  von  Specialarbeite Uj  welche  seit  mehreren  Jahrt'u  in  den 
»Beiträgen  mr  Anthropologie  und  Urgeschichte  ßsiyerns*  erßchienen  sind,  in  einem  growen 
Bande  zusammengefasst,  der  mit  Tabellen,  Holzschnitten,  Curventafeln  nnd  Lithographien  reich 
ansgesistttet  ist.  Httuptgegenstand  di-r  UDter&uchung  waren  die  Schädel  der  bayrischen  Be- 
völkerung, wozu  sich  das  Slaterial  in  reichlicher  Anzahl  in  den  Beinhäusern  des  Landes  tind 
den  wissenschaftlichen  Anstalten  gewinnen  liess  Allein  darauf  beschränkt  sich  die  Dar- 
stellung nicht,  auch  die  übrigen  Verhältnisse  der  körperlichen  Enlwickelung  sind  möglich 
ToJlfil5ndig  geschildert.  Auf  Einzelheiten  einzugehen,  ist  hier  nicht  der  Platz,  Wir  können 
nur  sagen^  dass  ein  gleich  vollständiges  und  dabei  gleich  vorzügliches  Werk  über  anthro- 
polc^giBcbe  Landeskunde  nirgend  existirt.  Hrn.  Ranke *b  Buch  wird  für  alle  derartigen  Ar- 
beiten ein  Vorbild  sein  können.  Hoffentlich  wird  es  an  Nachfolge  nicht  fehlen  Denn  nur 
anf  diesen]  Grunde  wird  »ich  der  endliche  Auf  bau  einer  wahrhaft  etbnogenelischen  Erkennt- 
nis« der  modernen  Völker  herzte Men  lasüen,  nach  dem  alle  nnser©  Bestrebungen  fielen. 


III. 

Ueber  fünf  lettische  Grabschädel  von  der  Kurischen 

Nehrung. 

Von 

Dr.  W.  Sommer, 

Assistenzarzt  an  der  ProTinzial-Irrenanstalt  in  Alienberg  bei  Weblau. 


Im  Laufe  des  Sommers  1881  hatte  ich  die  seltene  Gelegenheit,  auf 
ein  Paar  Tage  die  Kurische  Nehrung  zu  besuchen.  Wurde  ich  allerdings 
vorzugsweise  von  dem  Wunsch  geleitet,  jene  so  merkwürdige  und  in  sich 
abgeschlossene  Halbinsel  vom  landschaftlichen  Standpunkte  kennen  zu 
lernen,  so  war  ich  doch  hoch  erfreut,  auch  eine  kleine  ethnologische  Aus- 
beute davontragen  zu  dürfen.  Ich  konnte  nämlich  fünf  Schädel  einigen 
alten  Gräbern  entnehmen,  die  von  der  unaufhaltsam  weiter  wandernden 
Dfine  vor  etwa  zwei  Jahrhunderten  verschüttet  und  jetzt  wieder  freigelegt 
waren.  Ich  bitte  nun  um  Erlaubniss,  diesen  Fund  hier  etwas  genauer  be- 
sprechen zu  dürfen  und  hoffe  nicht  nur  bei  dem  Anatomen  Gehör  zu  fin- 
den, sondern  auch  bei  dem  Alterthumsfreund,  der  in  poetischem  Sinne  es 
vermag,  die  trockenen  Schädel  mit  frischem  Leben  zu  beseelen  und  der  in 
ihnen  die  Zeugen  eines  Volksstammes  erblickt,  der  als  solcher  seiner  Ver- 
nichtung schnell  entgegengeht.  So  sind  schon  viele  Völker  im  Laufe  der 
Zeit  fast  spurlos  verschwunden;  unsere  Pflicht  ist  es  daher,  wenigstens  jetzt 
jeden  sicheren  Rest  eines  dem  Untergang  geweihten  Stammes  der  Nachwelt 
zu  überliefern,  um  uns  ähnliche  Vorwürfe  zu  ersparen,  wie  wir  sie  mit  ge- 
wissem Recht  der  früheren  Zeit  machen  dürfen. 

Bekanntlicli  wurde  die  sogenannte  Kurische  Nehrung  in  den  letzten 
Jahrhunderten  von  Letten  bewohnt,  einem  indogermanischem  Volksstamm, 
der  nur  noch  in  einzelnen  Distrikten  der  russischen  Ostseeprovinzen  ver- 
treten ist,  ohne  dass  dort  indessen  eine  Garantie  der  absoluten  Reinheit  der 
Raee,  wenn  man  sich  so  ausdrücken  darf^   übernommen  werden  kann.    Auf 

Nehrung  aber  gab  es  in  Folge  ihrer  isolirien  Lage  bia  zum  Anfange 
[dieses  Jahrhunderts  kaum  einen  Menschen,  der  nicht  rein  lettischer  Her- 
kunft war-  heute  freilich  ist  die  Vermischung  mit  Lithauern  und  Deutschen 
schon    so    innig   geworden,    dass    es    schwer    hält,    cbarakterietische  Typen 


r. 


$Q  ^^^^^^^^^^^  W.  Sommer: 

uoter  den  Lebendea  aufzafitidea.  ürabachiidel  aus  früherer  Zeit  besitzeo 
daher  einen  besonderen  Werth  für  die  Bestimmung  der  ethöologiflcheo  Merk- 
male einer  Race.  — 

Die  erste  Grabstelle,^  die  ich  besuchen  konnte,  lag  bei  Pillkoppen. 
Es  ist  dies  ein  kleines  aber  freundlich  und  fast  behaglich  aussehendes 
Fischerdorf,  das  etwa  in  der  Mitte  der  annähernd  13  Meilen  langen  Nehrung 
liegt  und  natürlich  auf  der  Haflseite,  wie  alle  Ansiedelungen  daselbst;  doch 
ist  gerade  an  dieser  Stelle  die  Kette  der  mächtigen  Dünen  von  einem  tiefen 
Pass  durchschnitten,  durch  welchen  sich  früher  ein  Arm  der  Memel  in  die 
Ostsee  ergossen  haben  soll.  Wandert  man  nun  von  der  Mitte  jenes  Passes 
auf  dem  niedrigen  Plateau  zwischen  der  See-  und  der  Ilafidüne,  die  hier 
über  1()0  Fuss  Höhe  hat,  mehrere  Kilometer  nach  Kos  Sitten  zu,  so  trifft 
man  auf  dem  nordwestlichen,  tlach  ansteigenden  Abhänge  der  Haftdüne  eine 
eigenthümliche  schwarze  Verfärbung,  die  als  ein  dunkler  horizontaler  Strich 
mit  dem*  so  weit  das  Auge  reicht,  monotonen  Gelb  des  unendlich  öden 
Sandmeeres  lebhaft  kontrastirt  In  dieser  Schicht  liegen  nun  zahlreiche 
Gräber;  die  meisten  sind  freilich  noch  haushoch  von  der  Düne  begraben, 
einige  aber  waren  zur  Zeit  meines  Besuches  schon  freigelegt  von  ihrer  bis- 
her sie  verhüllenden  Decke,  die  durch  den  über  die  See  hin  wellenden 
Westwind  den  Abhang  der  Düne  hinautgewirbelt  wird,  um  am  Kamm  der- 
selben nach  dem  Uafie  herabzustürzen.  Auf  diese  Weise  wandert  vom 
Meere  her  jener  Sandwall  nach  dem  Binnen  lande  zu,  Alles  verschüttend, 
was  sich  seinem  unaulhalisamen  Zuge  bis  zum  Haff  entgegenzustellen  wagt: 
nach  einiger  Zeit  aber  hat  er  dann  seinen  Schrilt  fortset/.en  müssen;  das 
früher  bedeckte  Terrain  wird  frei,  und  so  kamen  auch  jene  Gräber  wieder 
zum  Vorschein,  freilich  nur  so  lange  die  nächste  Wanderdüne  sie  nicht  von 
Neuem  begräbt.  Ein  grossartiges  Gefühl  erfasst  wohl  Jeden,  der  in  dieser 
grenzenlosen  Eiusamkeit  —  kaum  der  grelle  Schrei  einer  Möve  dringt  an 
das  Ohr  des  vereinzelten  Wanderers;  auch  nicht  ein  grüner  Hahn  erquickt 
sein  Auge  —  zwischen  Himmel,  See  und  Saud  nichts  als  die  Spuren 
vergangener  Generationen  trifft,  über  die  die  Zeit  erbarmungslos  dahin- 
geschritten«  Aehulich  schwinden  die  kleinen  Nationalitäten  vor  der  Alles 
nivellirenden  Kultur^ 

Das  Jahrhundert,  welchem  jene  Gräber  angehören,  ist  schwer  zu  be- 
stimmen: an  der  Art  der  Bestattung,  die,  wie  es  scheint,  in  der  Beisetzung 
in  flachen,  niedrigen  Holzsärgen  ohne  weitere  Beigaben  bestand  und  aus  der 
BeschaÖ'enheit  der  Skelettlieile  kann  man  nur  schlicssen,  dass  der  Kirchhof 
nicht  sehr  alt  sein  kanu;  soviel  ich  bei  dem  leider  nur  flüchtigen  Aufent- 
halt festzustellen  vermochte,  ist  derselbe  150  Jahre,  vielleicht  noch  etwas 
älter,  da  keiner  der  Bewohner  Pillkoppens  etwas  von  seiner  Existenz 
gewusst  hat,  ehe  die  heftigen  Stürme  des  Winters  1880  auf  1881  ihn  frei- 
legten. Mit  den  jetzigen  Kirchhöfen  von  Alt-  und  Neu-Pillkoppen, 
welcher  letztere  Ort  übrigens  seit  circa  70  Jahren  auch  schon  wieder  unter 


I 


üthtT  fniif  Intliscli«  Hrabsthädel  etc. 


Rl 


■ 


dem  Saude  ruht,  wahrend  das  früher  verschüttete  Alt-Pillkoppen  aageu- 
blicklich  zum  zweiten  Male  bewohnt  -wird,  hat  er  wahrscheinlich  keJoen 
ZusammenhaDg:  vielleicht  ist  es  der  Begräbnissplatz,  von  welchem  Jach- 
mann  in  seiner  1825  erschienenen  Schrift  als  von  einem  längst  aufge- 
gebenen berichtet» 

Dieser  Grabstelle  konnte  ich  nun  drei  Schädel  entnehmeD.  Einer  von 
diesen  war  schon  vor  einigen  Wochen  wenig^stens  theilweise  freigelegt  und 
daher  durch  die  ununterbrochen  anprallenden  Sandkörnchen  an  dem  der 
Windseite  ausgesetzt  gewesenen  Hinlerhaupt  lädirt,  ja  an  einigen  Stellen 
völlig  durchbohrt  in  ähnlicher  Weise,  wie  man  in  neuester  Zeit  durch  das 
sogenannte  Sandgebläse  selbst  Glasplatten  schleift  uud  durchlöcherL  Sonst 
ist  er  wie  die  beiden  anderen  Schädel  ausgezeichnet  erhalten. 

In  einem  wesentlich  schlechteren  Zustande  befinden  sich  aber  die  bei- 
den Schädel  vom  Konten  er  Todtenfeid.  Hier  stund  in  früherer  Zeit  ein 
Fischerdorf,  von  dem  sich  nnr  die  Sage  noch  zu  erzählen  wusste,  da  es 
schon  vor  langer  Zeit  von  der  erbarmungslosen  Sand  woge  verschüttet  war; 
erst  seit  etwa  20  Jahren  Hegen  die  spärlichen  Trümmer  Jenes  Dorfes  wieder 
frei,  —  Von  den  Ilütteo  ist  freilich  wenig  zu  erkennen;  doch  haben  wohl 
auch  die  Bewohner,  als  sie  flüchten  mussteo,  Alles,  was  irgendwie  noch  zu 
benutzen  war,  mit  fortgeführt.  Ja,  wie  Passarge  in  ^6iner  lebenswahren 
Schilderung  der  Kiirischen  Nehrung  erzählt,  hat  sich  noch  bis  jetzt  die  Tra- 
dition erhalten,  das  einzige  massive  Bauwerk,  die  Kirche,  sei  damals  bis 
auf  unscheinbare  Reste  abgebrochen  und  die  Ziegel  seien  nach  Nid  den 
gebracht  worden;  dort  sei  aus  dem  Material  der  Konzener  Kirche  das 
Gebäude  errichtet,  in  dem  noch  jetzt  für  die  Niddener  Gottesdienst  ge- 
halten wird. 

Mit  den  Trümmern  des  Dorfes  sind  nun  auch  seine  Gräber  eröffnet 
Der  Wind  hat  den  Boden  tief  aufgewühlt,  und  nun  bleiben  die  alten  Gebeine 
unbedeckt,  ohne  Schutz  gegen  Sand  und  Sturm;  um  sie  nicht  ganz  zer- 
streuen zu  lassen,  hat  eine  pietätvolle  Hand  eine  kleine  Pyramide  von 
Knochen  und  Schädeln  errichtet,  die  jetzt  selbst  schon  wieder  halb  verweht 
dem  Wanderer  ankündigt,  was  ihn  erwartet:  ein  Todtenfeid,  wie  man  es 
vielleicht  nur  noch  in  der  Wüste  erblicken  kann,  als  Keat  einer  jammervoll 
verschmachteten  Karawane.  — 

Allen  Einflüssen  der  Witterung  ausgesetzt,  sind  nun  freilich  die  Schädel 
im  Laufe  der  Zeit  sehr  beschädigt:  alte  sind  zerfressen,  verwittert  und  zer- 
fallen bei  leichter  Berührung  in  Trümmer.  Ich  konnte  daher  bei  dem  aller- 
dings nur  flüchtigen  Besuch  nur  zwei  und  auch  nicht  einmal  gut  erhaltene 
Schädel  aufbewahren. 

Dass  nun  die  gesammelten  5  Schädel  der  früheren  Bevölkerung  auf  der 
Kurischen  Nehrung  vor  mindestens  100  Jahren  angehören  und  daher  unver- 
fälscht lettischer  Herkunft  sein  müssen,  ist  nach  meiner  Meinung  wohl 
nicht   zu    bezweifeln.     Sie    können   daher  mit  grosser  Sicherheit   als  Typen 


68 


W.  Sommer: 


des  lettischen  Kacenschädels  betrachtet  werden.  Die  Fizirung  desselben  ist, 
wie  schon  angedeutet,  um  so  wunschenswerther,  ja  nothwendiger,  als  in 
nicht  allzu  langer  Zeit  durch  die  fortschreitende  Vermischung  mit  anderen 
Volksstämmen  die  ethnologische  Selbstständigkeit  der  dem  deutschen  Reich 
angehörenden  Letten  verschwinden  wird. 

Ich  lasse  nun  zunächst  die  genauere  Beschreibung  der  5  Schädel  folgen 
und  bemerke  dazu,  dass  die  Maasse  (resp.  ihre  Abbreviaturen)  genau  den 
Definitionen  entsprechen,  die  einer  in  Virchow's  Archiv  Bd.  89  und  90 
veröffentlichten  grösseren  Arbeit  über  85  pathologische  Schädel  von  mir  be- 
nutzt sind. 


Maasse  der  5  lettischen  Schädel. 


P.  1 


Kapazität 

Maximallänge  L 

Iniailänge  Lin 

Mazimalbreite  B 

Basislänge  bn 

Basisbreite  Bas 

JheriDg*8  Höbe  HI 

Haximalböhe  H  max 

Auricularhohe  H  aur 

Cristae  tempor.  Cr 

Asterialbreite  Ast 

Squamalbreite  Sq 

Pterialbreite  Pt 

Bimastoid.  Bim 

Bistyloid.  Bist 

Bispinos.  Bisp 

Distanz  der  Frontalhöcker     .    . 

„        «    Parietalhoclier     .     . 

,         ,     For.  spin.  n.  styl.  1. 

•  1»  n  »  »  «j  r. 
Basion  bregma  b^ 

„      lambda  bA 

Länge  des  For.  magn 

Breite     „       ,        

HorizoD  talumfang 

Längsamfang  L-U 

Stirnlänge  F 

Parietallänge  P 

Occipitallänge  0 


1320 

183 

179 

138 

103 

123 

130 

132 

111 

96 

116 

122 

110 

101 

80 

57 

51 

127 


128 
112 
38 
27 
515 
353 
121 
114 
118 


1470  ' 
186 
175 
138 

97  I 
119 
133  I 
139 
115 

98  ' 
105 
122 
115? 

%   ; 

82  ; 

63 

55 
124 

25 

24  i 
130 
126  , 

38  i 

30 
523 
377 
134 
121 


K.  1 

1400? 
180 
169 
135? 

% 

121? 
125 
128 
112 

97 
112 
121 

105? 

87 

61 

54 

? 

? 

? 

124 

107 

40 

29 

505 

359 

128 

138 

103 


P.  3 


K.  2 


1240 

173 

167 

134 

91 

114 

122 

123 

110 

96 

108 

120 

? 

89 
75 
56 
51 

112? 
? 
? 

120 
HO 
36 
29 
496 
349 
129 
116 
104 


? 

% 
116 

? 
? 
? 

91 

7 

114 
108 

? 

? 

56 

74 

? 


110 

? 
? 


Ueber  fünf  lettische  Orabschädel  etc. 


69 


Sehne  zu  'F  =  ^  .    .    .    . 

;,    P  =  //  .    .     .    . 

„  0  =  12  .  .  .  . 
*+/7  +  Ä  =  Lü  chord.  . 
Breitenumfang  =  BU 
ÜDker  Ast  dess.  S  .  .  . 
rechter  „  ,  D  .  .  . 
Sehne  «u  S  =  -S"   .    .    .     . 

.  D=J .  .  .  . 
2-+^  =  Büchord.  .  .  . 
Längenumfang  bis  Inion.  . 
Etbmoidealbreite  Etbm.  . 
Zygomaticofrontalbreite  zz. 
Jochbogenbreite  ZZ.      .    . 

Orbita  links 

,     rechts 

Gesichtslänge  SL.  .  .  . 
Gesichtsbreite  SB.  .  .  . 
Oberkieferlänge  nx.  .  .  . 
Länge  der  Nasenöffnung  . 
Breite     ,  , 

Nasenlänge  ns 

Basion-Nasenstachel  bs. 
0  -Alveolarrand  bx. 
Choanenbreite  .... 
Gboanenhöhe  .... 
Längenbreitenlndex  .  . 
Längenböbenindex  .  . 
Breiten  höhenindex  .  . 
Auricularindex  .  .  . 
Gesichtsindex  .... 
Obergesichtsindex     .     . 

Nasenindex 

Orbitalindex      .... 
Choaneuindex  .... 


P.  1 


106 

104 

100 

310 

302 

149 

153 

12G 

125 

251 

295 
25 

101 

130 
39:32 
39:32 

114 
% 
70 
35 
27 
56 
94 
% 
26 
24 
75,4 
72,1 
95,6 
60,6 

118,7 
72,9 
48,2 
82,0 
92,8 


P.  2 


K.  1 


P.  3 


118 
HO 
101 
329 
310 
156 
154 
129 
125 
254 
327 

25 

103 

131 

39:35 

39:36 

112? 

94 

70 

37 

27 

57 

89 

92 

29 

26 

74,2 

74,3 
100,7    i 

61,8   I 

110,1    I 

74.4   1 

47,3  : 

89,7    ' 
89,6    I 


109 
117 

86 
322 
303 
150 
153 
127 
125 
252 
319 

24 

? 

? 
39:32 

? 

? 

92? 

66 

38 

23 

54 

90 

90 

? 

? 

75,0 

71,1 

94,8 

62,2 

? 

71,7 
42,5 

82,0 
? 


i 


112 

105 
87 

304 

298 

146 

152 

121 

123 

244 

301 
23 

101 

125 
40:34 
39:34 

105 
85 
64 
35 
24 
51 
82 
88 
28 
26 
77,4 
71,1 
91,8 
63,5 
123,5 
75,2 
47,1 
85,0 
93,0 


K.  2 


97 


28 

98 

126 

36:33 

36:33 

? 

94 

66 

37 

27 

55 

93 

97 

26 

22 

? 

? 

? 

p 

? 

69,1 

49,1 

91,1 

84,6 


Pillkopper  Schädel  P.  1. 

Gut  erhaltener,  gelbbraun  gefärbter  Schädel  eines  40jährigen  Mannes 
mit  massiger  Asymmetrie  durch  stärkere  Wölbung  der  rechten  Seite.  In 
der  ProBlansicht  rund,  mit  einem  minimalen  Sattel  im  vordersten  Theil  der 
ri'eilnaht,  Scheitel  flach  abfallend  und  ohne  Absatz  in  das  Hinterhaupt  über- 


tl(^h^fn4.  4»U  $«tif^  «iifi  ^xmfA  tan  tn^A  «ir  ler  A!m€Bseite  bereits  in 
*U^  ^Aiit^^um  v^^rrAn.  nir  -li^t  Z«udiiuiiur  ier  Eraiuaak  Ist  koBplicirt, 
h^m  TrHfpnnkt  »t  t#^  Vniafrtiiiinwr^inT*»  üekc  x^ekakb.  Liage  der 
H\k*uau\piiär,^MtiiUit  ,.  1.^.  r.  J3  «jm.  äeuie  Sui]iop<iEinkEe  UaSen,  wmhrcnd 
'iut  r^fUr»  B^:^r»nz3iur  t^r  rjuusodinnir  uwsfläiicen  KeilbciBflfigel  on- 
k^nnttirji    j$l     Liniu    ^ai    £aaar   «nngüeBEoiaicBr  Sekikkaocbett    in  der 

AJe  K^tieJLan^'r^raarimpL,  Sera-  xiiii  Schfnpfihiicfcpr,  AngenbrmoenwQlste 
imi  MoaSflüauiCBe  tiiiii  ur  v^sqi^  usicüiliieL 

D»r  «^nduasdukiei  :^  ume  -v3S9«sxiüi!iie  Au^irmiiil;  die  Zihne  sind 
zam  Tiesi  aacn  iea  Ti«ie  ma^säüLgssL  £e  v^rUBde»ea  sind  aber  gnt  er- 
baitFO.  mf  ier  ITini&i'hft  ledeoiEsiii  ibcadiäiSeL  IVr  linke  Jochbogen 
iemc:   ie*  imii,u  .  12iiii:<caciiei  -vec  ▼rrczesdiiiML 

Sdüi  jemtiraff"  aeaamsr  •saiiabsi'viisc.  wc4I  aber  die  Spar  einer 
jtirzmaii'rnta  imi  Siscb  ier  Zvascäeakfecsssaas  bekkrseits.  Leicht  al^eo- 
!ara  PrmcgaE&ie  ieis  C>h«fsie»»  ^att  loäer  Arr^ciarfortsatz.  — 


P.  2. 

MääEQC  fiT  ■— "aityn»^  Söbknei  öcass^  etma  50jihrigen  Mannes;  die 
r^-'änf  Sitta  idr*g<5i:i  sGicsar  TiswöaB^  ak  £e  Unke.  In  der  Profilansicht 
aof  i«au  SIC  üeäes&ur  5«zn.  Jafc'tiiifta'  Sdieitel  nnd  gat  gewölbtem  Hinter- 
uoDC  JLla  Xüiutt  :]i  ier  ^«rvsc^sattc  begriffeD;  ihre  Zeichnung,  soweit 
?ie  aüca  «unaMr.  «n2a:a.  T^i*  Zaiaie  der  Laaibdanafat  greifen  mit  breiten 
Tpa'iryBX  .Lk&sx  jut  ite  Sra^.i^eihiäne  nber. 

£iLvä«fr>^ir<erIn^  imi  Mcf^dansatae  weni^^  entwickelt;  Slimhöcker 
JK^HucOi.  -«äpsoa  Ali  r:Kr«;f:a[hu<^«r  aheeiaclil  sind. 

?<i\Mrsiafi^    JL    iisr  Xjöc    rröcbeik  Sobeitelbein    nnd  Wangentheil    ein 

v^-:^s»rifis«sc2;äSK  .^öotf  v^eMiLÜMiiif  AKacRaitix:  linker  Jochbogen  defekt 
V^^uiioitf  Sbcx'iiakcrzsca.   dbrärta-  trtmsciiaaigL     Processus   pterygoidei  an- 

Sv'^ii^  ^«^«fscftoic  SAiM  euM«  etwa  40jihrigen  Weibes,  mit  massiger 
\^x-a.a>^r*^  iu^xä  :§Mäci)e  Veraddebang  der  linken  Schädelhälfte  nach 
i.4^f>t.  IW  JOJ^tr  ^c^^tISHa  aad  besonders  das  Hinterhaupt  scheinen 
iwru^^"^  ^<f^  Ml  asSfli^vfkinsickeB  Einlüssen  ausgesetzt  gewesen  zu  sein 
4^iv£  $»fei  «öirvaL  ii#  aapraIW«ilea  Saadkoraer  bis  auf  die  Vitrea  zerstört,  ja 
«X  s-«^.  a^fi^js<^MJkA;iniL  i^Hnkieea  gaaz  durckbrochen.  In  der  Profilansicht 
N^r^^C^  ii!^  ^^ära  :A«tt  ia  die  Höhe«  am  dann  in  kräftiger  Wölbung  in  die 
^.v  vXndhiHitic^  KrüwaaBtir  des  Uinterkauptes  dberzugehen. 


Ueber  fonf  lettische  Orabscb&del  etc.  71 

Die  Nähte  siDd  mit  AusDahme  der  durch  postmortale  Einflüsse  klaffen- 
den Schuppennähte  obliterirt,  zum  Theil  schon  verstrichen  und  unkenntlich. 
Muskelansätze  und  Enochenvorsprunge  wenig  entwickelt;  Stirnhöcker  sehr 
deutlich. 

Gesichtsschädel  ohne  wesentliche  Abnormität.  Alveolarrand  des  Ober- 
kiefers prognath;  auf  der  Gaumenfläche  Margin alcrista  und  Gaumen wulst. 
Innere  Platte  beider  Processus  pterygoid.  wenig  entwickelt.  Die  Zähne  sind 
gut  erhalten,  sehr  bedeutend  abgeschh'ffen.  Der  Unterkiefer  zart,  vorderer 
Kinnstachel  weit  vorgeschoben. 

Konzener  Schädel  K.  1. 

Stark  verwitterter  Schädel  eines  etwa  50jährigen  Mannes;  die  beiden 
Schuppennähte  sowie  die  Basisnähte  klaffen  weit;  die  Tempor^lschuppen 
sind  postmortal  weit  nach  aussen  gebogen.  Die  rechte  Hälfte  des  Gesichts- 
schädels fehlt  ganz,  ebenso  das  Gaumenbein. 

In  der  Profilansicht  gleichmässig  gewölbter  langer  Schädel  ohne  Sattel 
und  ohne  Absetzung  des  gut  entwickelten  Hinterhauptes.  Sagittalnaht  schon 
verstrichen. 

Alveolarrand  des  Oberkiefers  atrophisch.  Alveolen  zum  Theil  schon 
geschlossen.     Medianer  Gaumenwulst  nur  angedeutet.  — 

Konzener  Schädel  K.  2. 

Hochgradig  verwitterter  Schädel  eines  etwa  30jährigen  Weibes,  mit 
Stimnaht.  Alle  Nähte  weit  klaffend,  die  Knochen  so  verbogen,  dass  nur 
wenige  Maasse  sicher  zu  nehmen  sind.  Das  ganze  Hinterhaupt  fehlt. 
Gaumenwulst  und  Marginalcrista  angedeutet. 


Auf  eine  specielle  Besprechung  der  ermittelten  Maasse  muss  ich  leider 
verzichten,  da  mein  Material  zu  unbedeutend  ist,  um  allein  aus  demselben 
sichere  Schlüsse  zu  ziehen;  da  indessen  gerade  in  den  letzten  Jahren  die 
ethnologische  Stellung  des  Lettenvolkes  häufig  und  mit  verschiedenem  Re- 
sultat untersucht  worden  ist,  so  möchte  ich  mir  doch  noch  einige  Worte 
erlauben. 

Was  zunächst  den  Längenbreitenindex  der  Lettenschädel  anbetrifft,  so 
stehen  sich  hier  augenblicklich  zwei  Ansichten  gegenüber.  Nach  den  Mes- 
sungen dorpater  Forscher,  welche  Letten  der  Jetztzeit  untersucht  haben,  wie 
Stiede  und  Waeber,  beträgt  nämlich  der  Längenbreitenindex  durch- 
schnittlich 77,5.  Virchow  fand  dagegen  bei  der  Messung  lettischer  Grab- 
schädel 73 — 75,  also  eine  wesentliche  Differenz;  Kupffer  und  Bessel- 
Hagen  haben  dann  in  dem  Katalog  der  Königsberger  Schädel  Sammlungen 
für  50  Schädel  von  der  Kurischen  Nehrung  als  Durchschnittswerth  78  ermittelt, 


7/ 


1  — 

g%.^  ^r%  v-*^jr5 

7J  L^.rt^ii.w^f-'äd/'J 

: — ^ 

iJ  ■> 

'mt't^U        VvtfzJJ       7xxJft.J 

5 


T= 


1^    * 


—     -     »         » 


T 


^^--'T^'.     ^^    '  .  -r  ^    ^-WiW 


l'-lC 


V  T 


'^^v-.^„-,--;z-z: 


-^■ 


Ueber  fünf  lettische  Qrabschädel  etc. 


73 


während  meine  allerdings '  nar  wenigen  Schädel  wieder  einen  ^Index  von 
etwa  75  ergeben.  Nach  den  Einen  sind  also  die  Letten  lang-  oder  richtiger 
schmalköpfig,  nach  den  Anderen  nehmen  sie  eine  Mittelstellung  ein  mit  Hin- 
neigung zur  Breitköpfigkeit. 

Für  diese  immerhin  auffallende  Differenz  Messungsfehler  verantwortlich 
zu  machen,  ist  wohl  nicht  gestattet,  wenn  auch  die  Methode  Waeber's,  der 
lebende  Letten  maass  und  dann  mit  Rücksicht  auf  die  Hautdicke  u.  s.  w. 
eine  empirische  Reduktion  eintreten  Hess,  nicht  ganz  einwandsfrei  ist.  Ich 
selbst  habe  nehmlich  an  einigen  20  Leichen  sowohl  den  Kopf-  als  auch  den 
Schädelindex  im  Sinne  Broca's  bestimmt  und  dabei  in  fast  einem  Viertel 
der  Fälle  für  den  frischen  Schädel  ohne  Weichtheile  einen  höheren  Index 
erhalten  als  für  den  Kopf,  während  Waeber  einen  konstanten  Abzug  von 
etwa  2  Einheiten  empfiehlt;  häufig  ganz  unberechenbar  scheinen  mir  aber 
die  Differenzen  zwischen  frischem  Kopf  und  macerirtem  trockenem  Schädel 
zu  sein ;  in  der  folgenden  kleinen  Tabelle  habe  ich  fQnf  Fälle  mit  bedeuten- 
der Irregularität  zusammengestellt;  sie  stammen  sämmtlich[]aus  der  Allen- 
b erger  Irrenanstalt. 


Geschlecht 
und 

Kopf 

Schädel 

Herkunft 

frisch 

frisch 

macerirt 

r        --------     -— —         --- 

— ---  — 

..  _._=-„. 

Mann,  deutsch     .... 

81,2 

84,2 

80,8 

..      Stirnnaht      .    .     . 

79,5 

76,9 

77,8 

^      Litthauer      .     .     . 

83,2 

85,1 

84,5 

Frau,  deutsch     .... 

76,3 

78,7 

77,2 

.      Stirnnaht  .... 

83,7 

82,4 

81,5 

Dass  aber  trotzdem  die  Methode  Waeber's  bei  einem  reichen  Material 
praktisch  verwendbar  ist,  dafür  spricht  die  Uebereinstimmung  seiner  Resul- 
tate mit  denen  Stieda's,  Kupffer's  und  Bessel-Hagen's;  auch  dürfte 
vielleicht  bei  meinen  Messungen  zu  berücksichtigen  sein,  dass  es  sich  um 
Schädel  geisteskranker  Individuen  handelte,  die  ja  häufig  an  mehr  oder 
weniger  ausgebreiteten  Hyperostosen  leiden,  so  besonders  am  Stirnbein;  die 
abnorm  dicken  Knochen  werden  aber  bei  der  Eintrocknung  einer  anderen 
Verbiegung  unterworfen  sein,  als  unter  normalen  Verhältnissen. 

Um  nun  auf  die  verschiedenen  Werthe  für  den  lettischen  Längenbreiten- 
index  zurückzukommen,  so  könnte  man  eine  andere  Erklärung  der  diffcrenten 
Resultate  in  dem  Materiale  selbst  suchen.  Waeber  und  Stieda  haben 
Letten  der  Jetztzeit  gemessen.  Virchow  nnd  ich  Letten  aus  ältereren 
Gräbern;    ceteris  paribus    ist  es   aber  klar,    dass  moderne  Menschen  wahr- 


(uniner: 


scheiulicli  einer  weniger  reinen  und  nn vermischten  Race  ao gehören,  als 
Leute  auö  fruliereü  Jahrhunderten,  und  gerade  in  den  russischen  Ost^ee- 
provinzen,  wo  die  lettische  Sprache  (nach  Virchow's  Mittheilungen)  in  der 
Jetztzeit  an  Ausbreitung  gewinnt,  und  Liven  und  Esthen  aozuaa^eu  lettisirt, 
wird  der  echt  lettische  Typns  zur  Zeit  schwieriger  rein  zu  finden  sein,  als 
vor  200  Jahren.  Doch  ist  auch  dieser  Erklärungsversuch  nicht  stichhaltig: 
denn  die  Königsberger  Lettenschädel  mit  ihrem  Index  von  78,05  gehören, 
was  ihr  Alter  anbetrifft,  mindestens  dem  vorigen  Jahrhundert  an  und  stammen 
ebenso  wie  meine  Schädel  mit  dem  durchschnittlichen  Index  75,5  von  der 
sogen.  Kurischen  Nehrung,  die  noch  vor  etwa  80  Jahren  mit  Ausnahme  der 
2-3  Prediger  und  der  auch  nicht  viel  zahlreicheren  Schullehrer  nur  von 
Letten  bewohnt  war.  Die  Königsberger  Lettenschädel  stehen  also  in  Uezug 
auf  Alter  und  Racenreinheit  den  meinigeu  völlig  gleich,  an  Zahl  aber  über- 
trefien  sie  die  mein  igen  bedeutend;  die  Ergebnisse  ihrer  Untersuchung  wer- 
den daher  a  priori  dem  wirklichen  Verhalten  näher  kommen,  als  die  der 
meinigen;  voraussichtlich  wird  es  allein  auf  einem  Zufall  beruhen,  dass  ich 
nur  schmale  Schädel  gefunden  habe,  während  in  der  Königsberger  Samm- 
lung auch  sehr  viel  mittelbreite  vorhanden  sind.  In  jeder  statistischen  Ar- 
beit können  aber  die  Fehler  des  Zufalls  nur  durch  vergrössertes  Material, 
soweit  es  überhaupt  möglich  ist,  eliminirt  werden;  je  höher  die  Zahl  der 
verglichenen  Objekte,  desto  wahrscheinlicher  wird  die  Richtigkeit  des  Re- 
sultates. 

In  der  nebenstehenden  Tabelle  I  habe  ich  mir-  daher  erlaubt,  alle 
zweifellosen  Letten  schade),  deren  Maasse  ich  in  der  mir  zugänglichen  Ijiteralur 
zu  finden  vermochte,  in  Bezug  auf  den  Langenbreiten-  und  auf  den  Längen- 
höhenindex  nebeneinander  zu  stellen.  Von  dem  Material  Vircbow's,  über 
das  in  den  Verhandlungen  der  Berliner  ethnologischen  Gesellschaft  aus  dem 
Jahre  1877,  78  und  79  referirt  ist^  habe  ich  nur  diejenigen  Schädel  benutzt, 
die  er  selbst  L  c.  1879^  pag,  122  seq.  zusammengefasst  hat;  aus  den  Königs- 
berger Sammlungen  habe  ich  nach  dem  gedruckten  Katalog  derselben  die 
einzelnen  Indices  und  ihr  arithmetische?  Mittel  selbst  berechnet,  wodurch 
sich  der  geringe  Unterschied  gegen  die  Endzahlen  Kupffer^s  und  Bessel- 
Hagen^s  erklären  dürfte,  und  Wacber's  Messungen  habe  ich  ganz  aus- 
geschlossen, obschon  sie  mit  den  Königsberger  Resultaten  gut  überein- 
stimmen, da  sie,  wie  schon  gesagt,  nicht  am  Schädel,  sondern  am  lebenden 
Kopf  genommen  sind. 

Aus  81  Lettenschädeln  ergiebt  sich  nun  ein  mittlerer  Längenbreilenindex 
von  76,7-,  sie  sind  also  niesocephal  mit  bedeutender  Hinneigung  zur  E>olicho- 
cephalie,  und  dabei  werden  die  männlichen  Schädel  in  genügender  Ueber- 
einstimmung  der  Autoren  durchgehends  schmaler  gefunden,  als  die  weiblichen, 
ein   Verhältniss,  auf  das  bereits  Virchow   aufmerksam  gemacht  hat. 

Während  ferner  der  Längenbreitenindex  innerhalb  ziemlich  bedeutender 
Grenzen  schwanki,  jsclieint  sich  der  Längenliölieniudex  einer  gewissen  Kon- 


Deber  fünf  lettische  GnbsebMel  etc. 


75 


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76 


W.  Sommer: 
Tabelle  II. 


Männliche 

Weibliche 

Alle 

Differenz 
d.  letzten 

1 ndices 

Schädel 

Schädel 

Schädel 

I  ndices 
zwischen 

1 

Virchow 

Virchow 
73,1 

Sommer 
74,8 

Virchow 
76,0 

Sommer 

Virchow  : 

1 

Sommer 

und 
Sommer 

LäDgenbreite 

77,4 

74,4 

75,4 

1,0 

Längenhube 
H  max. :  L 

73,7 

72,5 

72,7 

71,1 

73,1 

72,1 

1,0 

Breitenhöhe 
H  max. :  B 

99,7 

97,1 

%,2 

91,8 

97,8 

95,7 

2,1 

Auricularhöhe 
H  aur. :  L 

60,2 

61.5 

61,2 

63,5 

60,7 

62,0 

1,8 

Durchschnittliche  Differenz  der  Schädelindices 

1,3 
2,6 

Gesichtsiodex 
SL  :SB 

116,8 

118,9 

119,6 

123,5 

117,8 

120,4 

Obergesichts- 
indez  nx :  SB 

71,3 

73,0 

68,5 

72,1 

70,2 

72,6 

2,4 

Nasenindex 

47,9 

46,0 

51,1 

48,1 

49,7 

46,9 

2.8 

OrbiUlindex 

77,8 

84,5 

85,3 

87,0 

81,1 

85,5 

4,4 

Durchschnittliche  Differenz  der  Gesichtsindices 


3,0 


stanz  zu  erfreuen,  wenigstens  differirt  das  Virchow' sehe  Mittel  nur  ganz 
unbedeutend  von  dem  Mittel  aller  angegebenen  Werthe  dieses  Index  73,1 
gegen  72,9,  ein  Umstand,  der  vielleicht  geeignet  ist,  Einwände  gegen  die 
Güte  des  verglichenen  Materials  zurückzuweisen,  und  um  so  mehr,  als 
jener  Werth  schon  an  und  für  sich  als  ein  relativ  hoher  und  daher  seltener 
anzusehen  ist. 

In  der  2.  Tabelle  sind  dann  die  von  Virchow  angegebenen  Zahlen  der 
gebräuchlicheren  Schädel  und  Gesichtsindices  mit  meinen  Ergebnissen  zu- 
sammengestellt, und  ich  möchte  darauf  hinweisen,  dass  die  Uebereinstim- 
raung  zwischen  beiden  Reihen  genügend  hervortritt;  besonders  die  Ver- 
hältnisse der  Hirnkapsel  sind  in  jeder  Weise  befriedigend,  sobald  mau 
berücksichtigt,  dass  Durchschnitts  werthe  von  einigen  20  Objekten  solchen  von 
nur  4  gegenüberstehen.  Bedeutender  sind  allerdings  die  Differenzen  in  der 
Gesichtsform;  doch  ist  diese  ja  natürlich  grösseren  individuellen  Schwan- 
kungen unterworfen,  die  an  nur  4  Köpfen  nicht  gegenseitig  ausgeglichen  zu 
sein  brauchen.  Ferner  ist  noch  hervorzuheben,  dass  die  meisten  Indices 
für  die  beiden  Geschlechter  verschiedene  Werthe  ergaben;  bald  ist  der 
weibliche  Index  höher,  bald  ist  er  niedriger,  als  der  entsprechende  männ- 
liche nach  Virchow.  Ganz  analoge  Schwankungen  finden  sich  aber  auch 
bei  meinen  Indices;  kein  einziges  Mal  ist  eine  Inkongruenz  zwischen  Vir- 


Ueber  fünf  Jettische  Grabschädel  etc.  77 

chow's  und  meinen  Reihen  auflallend:  ist  der  weibliche  Index  bei  Vir- 
chow  niedriger,  als  der  männliche,  so  ist  er  es  auch  stets  bei  mir,  und 
umgekehrt.  Trotz  der  verschiedenen  Herkunft  der  untersuchten  Schädel 
durfte  dies  wohl  auch  für  ihre  Racenreinheit  sprechen. 

Um  nun  die  bisherigen  Resultate  kurz  zusammenzufassen,  so  sind  die 
Letten8chädel  also  im  Allgemeinen  lang,  dabei  schmal  und  hoch;  ihre  Kapa- 
zität ist  mittelgross,  scheint  aber  beispielsweise  von  der  der  jetzt  lebenden 
Bevölkerung  Ostpreussens  nicht  wesentlich  abzuweichen;  sie  beträgt  nach 
meiner  Messung  1396  cm  für  Männer  und  1240  cm  för  Frauen.  Das  Ge- 
sicht sowohl  wie  der  Oberkiefer  allein  ist  ziemlich  lang,  die  Nase  schmal 
bis  mittelbreit,  die  Augenhöhlen  sind  mesokonch.  Eine  alveolare  Prognathie 
scheint  nicht  selten  zu  sein,  doch  sind  sonst  die  Schädel  wohlgeformt, 
Knochenvorsprunge  und  Muskelansätze  sind  nur  massig  ausgebildet,  Naht- 
anomalinen  und  dergl.  fehlen;  kurz,  deutliche  Zeichen  einer  sogenannten 
Inferiorität  sind  bei  den  Letten  nicht  nachzuweisen.  Dagegen  scheinen 
einige  Racenmerkmale  vorhanden  zu  sein.  Der  von  Kupffer  undBessel- 
Hagen  beschriebene  mediane  Gaumenwulst  ist  häufig  ausgebildet,  ebenso 
die  Marginalcrista;  dass  die  Gaumenfortsätze  des  Keilbeins  auffallend  wenig 
entwickelt  seien,  konnte  ich  mich  an  meinem  Material  nicht  überzeugen, 
wohl  aber  von  der  ebenfalls  von  jenen  Autoren  entdeckten  Annäherung  der 
horizontalen  Gaumenplatte  an  die  parallele  Schädelbasis.  Wenn  man  die 
Distanz  des  hinteren  Endes  der  medianen  Gaumennaht  von  der  hinteren 
Spitze  des  Vomer  als  Höhe  und  die  innerhalb  der  Alveolarfortsätze  gelegene 
hintere  Kante  des  knöchernen  Gaumens  als  Breite  der  Choanen  betrachtet, 
so  ergiebt  sich  für  meine  Lettenschädel  ein  durchschnittlicher  Index  von 
90,0,  während  ich  an  15  zufällig  herausgegriffenen  Schädeln  deutscher  Her- 
kunft einen  Index  von  100,7  berechnet  habe;  bei  den  ersteren  ist  also  die 
relative  Choanenhöhe  wesentlich  geringer,  als  bei  den  letzteren.  Ob  dem 
entsprechend  der  Alveolarfortsatz  des  Oberkiefers  besonders  im  hinteren 
Abschnitt  höher  ist,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden,  da  mir  nur  5  Schädel 
vorliegen ;  eine  weitere  Vermehrung  des  Untersuchungsmaterials  ist  jeden- 
falls sehr  wünschenswerth,  und  gerade  auf  der  Kurischen  Nehrung  werden 
sich  vielleicht  noch  Hunderte  von  Schädeln  bewahren  lassen,  die  in  kürzester 
Zeit  wieder  verloren  sein  werden,  wenn  jetzt  nichts  für  ihre  Rettung  ge- 
schieht. 


IV. 

Abergläobische  Kuren  oud   sonstiger  Aberglaube  in 
Berlin  und  nächster  Umgebung. 

Gesammeb  in  den  Jahren  1862—1882. 
Von 

E.  Krause. 

A.    Atarglirtiseke  Karen,  unter  Reihfllfe 

1.  der  Mensciwn  oder  menschlicher  Prodokte;  '  4.  von  Steinen  ond  Erden; 

2.  Ton  Thieren,  ihrer  Theile  oder  Produkte;       5.  ohne  obige  Halfemittel. 

3.  Ton  Pflanzen; 

B«    Sonstiger  Aberglanbe. 

1.  Dis  Familienleben  betreffend:  |  2.  Geschäftsleben  betreffend! 

«.  Gebart;  |         a.  im  Allgemeinen; 

ß,  Kinderaeit;  |        ß,  Aberglaube  einzelner  Berufsklassen. 

y,  Hochzeit;  \  3.  Aberglaube  im  Allgemeinen. 
i.  Tod. 


A  1. 

Muttermale  zu  vertreiben.  Man  stiehlt  beim  Schlächter  rohes  Rind- 
fleisch Yon  der  Grösse  des  Males,  oder  lässt  es  sich  schenken,  ohne  sich  zu 
bedanken.  Dieses  Fleisch  wird  einer  Leiche  in  die  Axelhöhle  gelegt,  wo 
es  drei,  nach  Anderen  zwölf,  nach  Anderen  24  Stunden  liegen  bleibt  und 
dann  auf  dreimal  24  Stunden  auf  das  Mal  gelegt  wird  und  darauf  unter 
einer  Dachtraufe  vergraben.  Wenn  es  verwest  ist,  ist  auch  das  Mal  ver- 
schwunden. 

Andere  lassen  das  Fleischstuck,  nachdem  es  frisch  24  Stunden  auf  dem 
Male  gelegen,  mit  der  Leiche  begraben. 

Ebenso  werden  lieberflecke  vertrieben. 

Die  Krankheit  einem  Anderen  anzuhexen  und  sie  dadurch 
dem  Leidenden  zu  vertreiben.  Irgend  ein  Abschnitt  vom  Körper  des 
Kranken,  z.  B.  etwas  Haar,  oder  ein  Abschnitt  vom  Fingernagel,  oder  auch 
ein  Geldstück,    das   er  in    der  Tasche  oder  eine  Zeit  lang  auf  der  kranken 


E.  Krause:     Abergläubische  Kuren  und  sonstiger  Aberglaube  in  Berlin  etc.  79 

Stelle  getrageo,  wird  an  einem  Kreuzweg  niedergelegt.  Hebt  es  Jemand 
auf  und  steckt  es  zu  sich,  so  überträgt  sich  die  Krankheit  auf  ihn. 

An  einem  Junimorgen  des  Jahres  1879  früh  5  Uhr  sah  ich  eine  Frau 
an  der  Kreuzung  zweier  Strassen  in  der  Gegend  des  Schönhauser  Thores 
ein  Gewirr  von  dünnem  Bindfaden  niederlegen.  Ich  nahm  es  auf  und  fand 
in  seiner  Mitte  einen  Fingernagelabschnitt,  wodurch  (wie  durch  die  sonder- 
bare Art,  in  der  sie  es  niederlegte,  und  dann  hastig  verschwand)  es  sich 
als  ein  sympathetisches  Mittel  kennzeichnete,  weshalb  ich  es  dem  Märki- 
schen Provinzial  Museum  für  seine  Abtheilung  für  „Aberglauben  etc.^ 
übergab. 

Warzen  zu  vertreiben.  Aus  dem  Hemd,  in  dem  Jemand  gestorben 
ist,  zieht  man  einen  Faden,  kräuselt  ihn  zwischen  Daumen  und  Zeigefinger 
der  rechten  Hand  zu  einem  Klümpchen  zusammen,  bestreicht  damit  dreimal 
kreuz  weis  die  Warze,  unter  dem  üblichen:  „Im  Namen  Gottes,  u.  s.  w.,  und 
thut  ihn  heimlich  in  den  Sarg  einer  Leiche,  am  besten  in  die  Axelhöhle 
des  Todten.  Geht  dies  nicht,  so  vergräbt  man  ihn  unter  der  Dachtraufe. 
Wenn  er  verwest  ist,  ist  auch  die  Warze  verschwunden. 

Blutbesprechen  —  wird  noch  viel  geübt  und  selbst  von  gebildeten 
Leuten  daran  geglaubt 

Das  „Gerstenkorn"  vom  Auge  zu  vertreiben.  Der  damit  Be- 
haftete muss  in  Gegenwart  eines  Anderen  entweder  durch  ein  Astloch  oder 
soDst  eine  natürliche  Oeffnung  sehen,  oder  durch  einen  Küchen-Durchschlag 
(Blechsieb)  in  den  Schornstein,  wobei  der  Andere  einen  Spruch  murmelt, 
angeblich:  „Im  Namen  Gottes,  des  Vaters,  des  Sohnes  und  des  heiligen 
Geistes.**  Dies  wirkt  aber  nur,  wenn  beide  Personen  verschiedenen  Ge- 
schlechts und  möglichst  verschiedenen  Alters  sind. 

Wenn  durch  den  Durchschlag  in  den  Schornstein  gesehen  wird,  muss 
der  Patient  dreimal  sagen: 

„Durch  den  Schornstein  geht  der  Kauch, 
Und  meine  Gerstenkörner  vergehen  auch." 
Im  Namen  Gottes  u.  s.  w. 

A2. 

Beim  Schichten  der  Kinderzähne  wird  dasWachsthum  der  neuen  Zähne 
dadurch  befördert,  dass  das  Kind  den  ausgefallenen  Schichtzahn  über  die 
Schulter  wirft  und  dabei  sagt:  „Maus,  da  hast  du  den  alten  Zahn  (oder 
„Beisser"),  gieb  mir  einen  neuen." 

Dasselbe  muss  derjenige,  der  sich  einen  Zahn  hat  ausziehen  lassen, 
thun,  um  einen  neuen  zu  bekommen. 

Kein  besseres  Präservativ  gegen  die  Cholera  giebt  es,  als  eine  sogen. 
Elephantenlaus  (in  den  Apotheken  käuflich)  nebst  etwas  Camphor  in  einem 
leinenen  Beutelchen  an  einer  Schnur  um  den  Hals  getragen. 


80  E^.  Krause: 

Als  Mittel  gegen  Hühneraugeu  wird  „schwarzes  Schneckenwasser^  ge- 
braucht. 

Fieberkranke  müssen  einen  Frosch  in  der  Hand  sterben  lassen,  so 
werden  sie  ihr  Fieber  binnen  dreimal  24  Stunden  verlieren. 

A3. 

Orchis  latifolia  und  Orchis  maculata,  Knabenkraut,  auch  ,,6otte8hand  — 
Teufelshand^  genannt,  auf  unseren  Wiesen  wild  wachsend,  bilden  um 
Johanni  neben  ihrer  alten,  bandförmig  gethcilten,  dunklen  Wurzel,  die 
ausserdem  in  lange  krallenartige  Wurzelfaden  ausläuft,  eine  neue  gelblich 
weisse  Wurzel,  welche  die  langen  Wurzelfaden  erst  später  bekommt.  Im 
Volksglauben  ist  die  alte  Wurzel  die  Teufelskralle,  die  andere  die 
Gotteshand,  daher  obiger  Name  für  diese  Pflarizen.  Sie  werden  zu 
mancherlei  abergläubischen  Gebräuchen,  unter  anderen  auch  zu  Wunder- 
kuren benutzt 

Bestreicht  man  um  die  Mittagsstunde  des  Johannistages  (24.  Juni)  ein 
krankes  Glied  Jemandes  mit  der  heilen  Wurzel  der  frisch  ausgegrabenen 
Pflanze  dreimal  kreuzweis,  doch  so,  dass  der  erste  Strich  quer  über  das 
Glied,  der  zweite  vom  Körper  nach  dem  Ende  des  Gliedes  gezogen  wird 
und  ruft  dabei  die  Sonne  als  Auge  Gottes  zum  Zeugen  an,  ao  wird  das 
Glied  gesunden,  sobald  die  dem  Kranken  heimlich  in  seinem  Kleide  ver- 
steckte Pflanze  vertrocknet  und  zu  Staub  zerfallen  (resp.  von  ihm  fortge- 
worfen) sein  wird.  Bestreicht  man  jedoch  irgend  Jemand  einen  Körpertheil 
dreimal  in  umgekehrter  Reihenfolge  und  Richtung  mit  der  „Teufelskralle**, 
so  wird  er  sehr  bald  an  diesem  Theile  erkranken. 

Letzteres  ist  namentlich  sehr  wirksam,  wenn  es  um  die  Mitte  der 
Johannisnacht  an  einem  Schlafenden  geschieht,  doch  darf  der  Mond  es 
nicht  sehen.  So  erzählte  mir  eine  alte  Landfrau  in  der  Gegend  von  Königs- 
Wusterhausen  und  zeigte  mir  auch  später  einen  fröhlich  spielenden  Knaben, 
kerngesund,  der  früher  den  „Schwund"  am  linken  Beine  hatte,  und  den  sie 
mit  obiger  Kur  geheilt  hatte,  was  mir  von  den  Eltern  bestätigt  wurde.  (Na- 
türlich hatten  sie  so  nebenbei  einen  Arzt.) 

Denselben  Wunderglauben  fand  ich  in  der  Gegend  zwischen  Spandau 
und  Potsdam;  er  ist  überhaupt  weit  verbreitet. 

Die  „Rose"  zu  vertreiben.  An  das  Besprechen  der  Rose  wird 
noch  viel  geglaubt,  es  soll  sogar  noch  hie  und  da  von  Aerzten  verordnet 
werden.     Deshalb  w^ird  es  auch  noch  sehr  viel  geübt. 

Ein  Dienstmädchen  in  Berlin  hatte  die  Rose  am  Knöchelgelenk  des 
Fusses.  Der  Arzt,  der  die  geeigneten  Mittel  anwandte,  konnte  ihr  nach 
ihrer  Meinung  nicht  helfen;  sie  nahm  deshalb  zu  einer  alten  Streich-  und 
Kräuterfrau  ihre  Zuflucht.  Diese  kam  und  brachte  von  7  HoUunderblättern 
die  drei  zusammenhängenden  obersten  Blättchen  mit.  Diese  wurden  unter 
„Pusten"  und  „Streichen"  auf  die  kranke  Stelle  gelegt,  wobei  die  alte  Frau, 


Abeigl&abiscbe  Euren  und  sonstiger  Aberglaube  in  Berlin.  81 

welche  ich  unbemerkt  belauschte,  murmelte:  „Helpt  et  nischt,  denn  schadt 
et  nischt.  Im  Namen  Gottes  des  Vaters,  des  Sohnes  und  des  heiligen 
Geistes,"  wobei  sie  drei  Kreuze  über  den  Fuss  schlug.  Acht  Tage  lang 
wurde  dies  mit  immer  frischen  Blättern  wiederholt.  Am  neunten  Tage 
war  die  Rose  verschwurfden,  worauf  dem  Spruch  noch  ein  Amen  hin- 
zugefugt wurde.  Auf  meine  Frage,  weshalb  sie  heute  Amen  sage,  meinte 
die  Alte:     „Det  is  mien  Dank,  weilt  nu  jeholpen  bat." 

In  dem  ^Helpt  et  nischt,  denn  schadt  et  nischt"  liegt,  nach  anderem 
Aehnlichen  zu  schliessen,  auch  ein  Aberglaube  versteckt.  Man  darf  näm- 
lich bei  allen  sympathetischen  Kuren  nie  seine  Absichten  deutlich  aus- 
sprechen oder  zu  Tage  treten  lassen,  sondern  muss  sie  möglichst,  wenn 
auch  nur  durch  Redensarten,  verdecken  und  verstecken.  Daher  jene 
Redewendung,  als  ob  der  Besprechenden  gar  nichts  am  Erfolge  der  Kur 
läge,    damit   sie    seiner   um  so  sicherer  ist. 

Ein  anderer  Spruch  beim  Besprechen  der  Rose  lautet: 

Die  Rose  und  die  Weide, 
Die  lagen  beide  im  Streide  (Streite); 
Die  Weide  die  gewann. 
Die  Rose  die  verschwann  (verschwand). 
Im  Namen  Gottes  etc. 
dessen    Wirksamkeit   noch    dadurch    erhöht   wird,    dass    der  Besprechende 
eine    auf   dem  Wege    zum  Kranken    gepflückte  Weidenruthc  versteckt  (zu- 
sammengeknickt) in  der  Hand  hält,    auch  wohl  die  kranke  Stelle  damit  be- 
streicht. 

Die  Kopfrose  zu  vertreiben.  Man  lässt  sich,  ohne  dafür  zu  danken, 
neun  Eicheln  schenken.  Von  diesen  isst  man  an  einem  Freitag,  Morgens, 
Mittags  und  Abends  je  drei,  zu  Pulver  gestampft,  und  die  Rose  wird  ver- 
gehen und  nie  wiederkehren.  Doch  muss  sich  ein  junger  Mann  die  Eicheln 
von  einer  alten  Frau,  ein  alter  von  einem  jungen  Mädchen,  und  umgekehrt 
schenken  lassen.  Beim  Gebrauch  wird  natürlich  wieder  jedesmal  gesagt: 
„Im  Namen  Gottes  etc." 

Knochen-  und  „Krebs- "Schäden  zu  heilen.  Hypericum  perfora- 
tum,  Johannis-,  Jesuwunden-  oder  Siebziglöcherkraut.  Es  wird  hauptsächlich 
gegen  Knochenschäden  (auch  „Krebsschäden")  gebraucht  und  soll  bei 
längerem  Gebrauch  den  Urin,  ja  sogar  die  Knochen  von  Menschen,  oder 
Thieren,  denn  auch  bei  diesen  wird  es  angewendet,  roth  färben,  —  ein 
sicheres  Zeichen,  dass  die  Kur  einschlug. 
Spruche  und  Anwendung: 

Bei  Deinen  sieben  Wunden i),  bei  Deinem  Blute  roth*) 
Befreie  mich,  Herr  Jesu,  von  meiner  Schmerzensnoth; 
Im  Namen  Gottes  etc. 
oder  (wie  man  in  Berlin  sagt): 

Zeiucbrifl  für  Ethnologie.    Jahrg.  1883.  6 


g2  ^'  Krause: 

Bei  Deine  ßleben  Wunden  i)  nnd  bei  Dein  rothes  Blnt') 
Mach'  lieber  Herre  Jesu  mir  meine  Wunden  gut; 
Im  Nameu  Gottes  etc. 
oder: 

Grün  wie  Gras^),  roth  wie  Blut') 
Miich'  bald  mir  meiue  Wunden  gut 
Im  Namen  Gottes  etc. 

Bei  1)  siebt  man  durch  die  Blätter  gegen  das  Licht,  wobei  die  in  den- 
selben b<,'liijdlicheij  FetttröpfclieD  für  Löcher  uud  für  Symbole  der  Wunden 
Jesu  gehalten  werde«;  bei  2)  reibt  mau  mit  der  rothfarbenden  gelben  Blüthe, 
resp.  Knospe  die  krauke  Stelle. 

Schwache  Augen  werden  gestärkt,  indem  man  an  vier  auf- 
einanderfolgeuden  Morgen  eine  Stunde  lang  auf  ein  grünes  Saatfeld  oder 
einen  Grasplatz  sieht,  mit  dem  Rücken  gegen  die  Sonne  stehend. 

Der  Thau,  der  Morgens  vor  Sonnenaufgang  stillschweigend  von  der 
Saat  mit  einem  reinen  Gefäss  abgestreift  wird,   ist  gut  gegen  AugenQbel. 

Die  Wansersucht  zu  vertreiben.  Der  Kranke  muss  seinen  Urin 
durch  einen  aungehöhlten  Uettig  lassen,  worauf  dieser  im  VoUmondschoin 
Kum  Trocknen  aufgehängt  wird.  Ist  der  Rettig  vertrocknet,  so  ist  auch  die 
Wassersucht  verschwunden. 

Fieberkranke  niUHsen  um  die  Mittagszeit  durch  ein  blühendes  Roggen- 
feld gehen  und  die  einzelnen  Aehren  (3,  nach  Anderen  7)  durch  die  Hand 
zieh«*n.  Die  in  dt^r  IJaiid  bh'ibendcn  Thoilo  der  Bluthe  (Staubkolben)  wer- 
den eingenommen  und  schützen  (bis  ganze  Jahr  hindurch,  bis  zur  neuen 
Roggenblüthe,  vor  Fieb^'r.  Der  Gang  durchs  Feld  muss  an  7  aufeinander- 
folgenden Tagen  wiiMlrrholt  wt^rden.  Für  Gesunde  ist  dies  Mittel  ein  Prä- 
servativ gegen  das  Fii'bor. 

Fieber  winl  vt*rtrieben  dadurch,  dass  der  Kranke  dreimal  um  einen  Baum 
geht  und  dem  Hauin  sein  FiebiT  anklagt. 

Drei  reife  KaHtanien  (Aesculus  llippocastanuui)  in  der  Tasche  oder  in 
einem  leiiuuien  Heutelcheu  am  Halse  getragen,  vertreiben  das  Reissen. 

Die  Kastanien  muss  num  selbst  finden,  sie  stehlen  oder  geschenkt  er- 
halten, ohne  sich  zu  InMlanken. 

Das  Einschneiden  (oder  Al)nies8en)  der  gelben  Sucht  (Gelb- 
sucht). Kin  junger  Seliuss  vom  llollunder  (JSanibucus  niger)  wird  abge- 
schnitten und  seine  Länge  durch  Verkürzen  des  oberen  Endes  der  Höhe 
des  aufrecht  stehenden  Kranken  gleich  t^emacht.  Darauf  werden  die  ein- 
zelnen Cilieder  (Interiuulien'i  des  Triebes  abgeschnitten,  doch  muss  der 
Schneidende  von  sieh  weg  sehneiden,  nicht  zu  sich,  weil  sonst  die  gelbe 
Sucht  auf  ihn  ül)ergeht.  l>ies  Alles  muss  Angesichts  des  freien  Himmels 
geschehen.  Früher,  als  man  noch  weite  Schornsteine  hatte,  durch  die  man 
den  Himmel  sehen  konnte,  gesehah  es  (wie  auf  dem  Lande  noch  heute) 
unter    diesen,    was    die  Kur    noch  wirksamer  machte.     Die  abgeschnittenen 


Abergläubische  Kuren  und  sonstiger  Aberglaube  in  Berlin.  83 

Glieder  des  Hollandertriebes  werden  dann  in  ein  Bündel  gebunden  in  den 
Schornstein  gehängt.  Wenn  sie  verdorrt  sind,  wird  auch  die  gelbe  Sucht 
vergangen  sein.  Naturlich  wird  wieder:  „Im  Namen  Gottes  etc."  dabei  ge- 
murmelt. 

„Bewährtes  Mittel"  gegen  Hühneraugen.  Man  nehme  Knoblauch 
Freitags  Nachts  frisch  aus  der  Erde,  zerstosse  ihn  und  lege  ihn  kurz  vor 
Mitternacht  auf^  so  fault  das  Hühnerauge  heraus. 

Kunzein  im  Angesicht,  sowie  Sommersprossen  vergehen,  wenn  man  sich 
mit  Wasser  von  weissen  Lilien  wäscht;  auch  giebt  dies  ein  zartes,  frisches 
Aussehen. 

Gegen  das  Ergrauen  des  Haares  und  zur  Wiedererlangung  der 
Farbe  für  schon  ergrautes  Haar  muss  man  täglich  zweimal  zwei  Loth 
Melissenwasser  trinken. 

Das  Gerstenkorn  zu  vertreiben.  Man  geht  mit  einem  entwendeten 
Gerstenkorn  in  der  entsprechenden  Hand  stillschweigend  an  ein  fliessendes 
Wasser  und  wirft  im  Anblick  des  Wassers  das  Gerstenkorn  nach  hinten 
über  den  Kopf,  ohne  sich  jedoch  umzusehen.  Darauf  geht  man  stromauf- 
wärts nach  Hause. 

A4. 

Warzen  werden  durch  Besprechen  vertrieben,  indem  der  Besprechende 
zu  gleicher  Zeit  einen  kleinen,  runden  Stein  auf  die  Warze  drückt,  am 
besten  einen  versteinerten  Seeigel  (Echiniten),  sogen.  „Krötenkrone"  oder 
Kröten  stein. 

Gelber  (auch  rother)  Ocker  heilt  die  Gelbsucht  und  schützt  Gesunde 
davor.  — 

A5. 

Vertreibung  des  Fiebers.  Auf  dem  Lande,  namentlich  in  sumpfi- 
gen, oder  waldigen  Gegenden  kommt  das  Wechselfieber,  sogenannte  Drei- 
tägige, oft  vor,  bei  dem  der  Kranke  einen  Tag  um  den  andern  vom  Fieber 
frei  bleibt.  An  einem  solchen  fieberfreien  Tage  macht  der  Kranke  mit 
Kreide  innen  an  der  Stubenthur  drei  Kreuze  und  schreibt  dahinter:  „Fieber 
bleib'  aus,  ich  hin  nicht  zu  Haus',"  wobei  er:  „Im  Namen  Gottes  etc." 
murmelt.     In  Zehlendorf  bei  Berlin  beobachtet. 

In  Berlin  schrieb  eine  Dame  auf  Anrathen  eines  Bekannten,  als  ihr 
Mann  am  Fieber  krank  war,  einige  Worte  unter  eine  an  den  Thürpfosten 
gehängte  Schurze,  doch  so,  dass  der  Kranke  nichts  davon  sah.  Er  durfte 
auch  die^  Schürze  nicht  aufheben.     Sein  Fieber  verschwand. 

Welche  Worte  unter  die  Schürze  geschrieben  wurden,  konnte  mir  nicht 
verrathen  werden,  wahrscheinlich  dieselben,  wie  oben. 


Bla. 

Kftcb  der  Gebort  eines  Kindes  pflegt  die  Hebeamme  dem  Vater  die 
al^^ieirocknete  Kabelficfanur  zu  überreichen,  mit  der  eindringlicLen  Empfeh- 
lung, me  »orgeam  zn  bewahren:  denn  solange  sie  aufgehoben  wird,  lebt  nnd 
gedeiht  das  Kind  und  ist  tot  Krankheit  geschätzt 

Eine  Wöchnerin  daxf  in  der  ersten  Zeit  nach  der  Niederkonft  keinen 
maciilidt^en  Beeocher  empfuigen.  anch  nicht  die  nächsten  Verwandten,  wenn 
sieht  zuTor  drei  Besncherinnen«  die  nicht  gleichzeitig  za  ihr  kamen,  bei  ihr 
gewec»es  sind  und  ihr  Kiodlein  gesehen  habeo.  Handelt  sie  dem  zuwider, 
ao  wird  ihr  Kind  kein  Jahr  ak  werden,  und  sie  wird  nie  wieder  eines  Kin- 
des geoei^en. 

Neng^^Kvene  Kinder  dürfen  nicbt  gewogen  werden,  weil  sie  sonst  nicht 
«cliwerer  werden,  nicht  gedeihen. 

Säuglingen  dürfen  die  Fingernägel  nicht  beschnitten  werden,  sondern 
müssen  ron  der  nährenden  Mutter  oder  der  Amme  abgebissen  werden, 
weil  sie  sonst  nicht  länger  wachsen. 

Täter  tragen  die  ausgefallenen  oder  ausgezogenen  Zähne  ihrer  Kinder 
als  Berloqnes,  om  ihnen  neue  Zähne  zu  verschaffen  und  die  alten  stand- 
hafter zo  Sachen. 

Foehszaline.  ab  Amulet  um  den  Hals  getragen,  erleichtern  den  Kindern 
das  Zahnen  und  rerschaffen  ihnen  gute  und  dauerhafte  Zähne. 

Belemniteo  "^sogenannte  Donnerkeile).  Schrecksteine,  im  märkischen 
Kie^i^sande  Läufig  vorkommend,  werden  von  säugenden  Müttern  als  Amulet 
getragen,  damit  dem  Kinde  die  Milch  nicht  schade,  wenn  die  Mutter  einen 
Selireck  bekommt.  Auch  wird  etwas,  von  dem  Schreckstein  abgeschabtes 
Pulver  dem  Säugling  zu  demselben  Zweck  eingegeben.  Belemniten-Stücke 
sind  unter  dem  Namen  Schrecksteine  in  vielen  Apotheken,  selbst  in  Berlin, 
zum  Preise  von  5  Pfennigen  das  Stück  käuflich. 

Ans  Serpentin  geschliffene  Schrecksteine  werden  zu  demselben  Zweck 
als  Amulet  getragen. 

Kindern,  die  nach  ihren  Eltern  schlagen,  wächst  die  Hand  aus  dem 
Grabe,  - 

Schneiden  Kinder  Grimassen,  so  wird  ihnen  dies  ängstlich  verwehrt,  in 
dem  Glauben,  dass  wenn  inzwischen  die  Uhr  schlägt,  oder  die  Kinder  einen 
Schreck  bekommen,  ,.das  Gesicht  stehen  bleibt^. 

Am  (1.  und)  30.  April  und  am  1.  Mai  machen  sich  die  Kinder  mit 
Kreide  weisse  Kreuze  auf  die  Schuh  und  die  Kleider,  um  sich  gegen  böse 
Hexerei  zu  feien. 

Ein  Kind,  das  eine  blaue  Ader  quer  über  der  Nase  hat,  wird  nicht  ein 
Ja^ir  alt. 


Aber((läabi8che  Kuren  und  sonstiger  Aberglaube  in  Berlin.  35 

Kinder,  die  Branntwein  zu  trinken  bekommen,  wachsen  nicht. 

Wird  ein  Kind  „Kröte''  geschimpft,  so  gedeiht  es  nicht,  sondern  muss 
„elendiglich  verquienen^  (dahinsiechen). 

Steigt  man  über  ein  am  Boden  liegendes  Kind  hinweg,  so  wächst  es 
nicht  mehr;  soll  der  Zauber  gelöst  werden,  so  muss  man  sofort  wieder  über 
dasselbe  zurücksteigen. 

In  Caputh  bei  Potsdam  dürfen  Kinder .  Abends  nicht  an's  Wasser 
gehen,  sonst  holt  sie  der  Kockernoll. 

Bly. 

Bei  Hochzeiten  muss  der  Wagen  so  vor  das  Haus  der  Braut  fahren, 
dass  er  nach  dem  Einsteigen  derselben  nicht  Kehrt  zu  machen  braucht,  um 
zur  Kirche  zu  fahren,  weil  sonst  die  Ehe  eine  unglückliche  wird.  Auch 
auf  dem  Wege  von  der  Kirche  darf  der  Wagen  nicht  Kehrt  machen. 

Regnet  es  der  Braut  auf  dem  Wege  zu  oder  von  der  Kirche  in  den 
Kranz,  so  wird  die  Ehe  eine  thränenreiche,  unglückliche  werden. 

Tritt  die  Braut  beim  Jawort  vor  dem  Altare  dem  Bräutigam  auf  den 
Fuss,  so  wird  sie  das  Regiment  im  Hause  haben. 

Will  ein  Mädchen  ihren  Zukunftigen  kennen  lernen,  so  muss  es  von 
dem  ersten  Grünkohl,  der  im  Jahre  gekocht  wird,  einen  Mund  voll  direkt 
aus  dem  Kohltopf  nehmen,  damit  an  den  nächsten  Kreuzweg  gehen  und 
dort  den  Grünkohl  ausspeien.  Der  nächste,  ihr  entgegenkommende  Mann 
ist  ihr  Zukünftiger. 

Nach  Anderen  muss  dies  am  Weihnachtsheiligabenä,  am  Sylvester,  na- 
mentlich aber  am  Gründonnerstag  geschehen. 

Wie  man  einen  ungetreuen  Liebhaber  zur  alten  Treue  zu- 
rückführt: Einem  jungen  Mädchen  war  ihr  Schatz  untreu  geworden, 
weshalb  sie  sich  an  eine  ^kluge  Frau"  wandte.  Diese  verlaugte  von  ihr 
ein  Bild  des  Schatzes,  eine  Nadel  und  ein  Hemd  des  Mädchens,  das  dieses 
eine  Nacht  getragen  hatte.  Mit  der  Nadel  durchstach  sie  die  Photographie 
in  der  Gegend  des  Herzens  und  wickelte  dann  beides  in  das  Hemd,  welches 
das  Mädchen  Nachts  unter  das  Kopfkissen  legen  musste.  Andern  Morgens 
musste  das  Mädchen  der  Alten  ihren  Traum  der  letzten  Nacht  erzählen, 
und  da  sie  erklärlicher  Weise  von  ihrem  Geliebten  geträumt  hatte,  wurde 
ihr  das  Erscheinen  desselben  am  nächsten  Sonntag  in  sichere  Aussicht  ge- 
stellt, was  diesmal  auch  eintraf. 

Lichtmess-Orakel  sind  noch  vielfach  im  Schwnnge: 

Die  liebesdurstige  Maid  muss  sich  Abends  in  ihrem  Kämmerlein  vor 
einen  kleinen  Tisch  der  Thür  vis-ä-vis  setzen;  auf  dem  Tisch  stehen  zwei 
Lichte  und  dazwischen  etwas  selbstgebackener  Kuchen  und  ein  Glas  Wein. 
Bis  Mitternacht  muss  das  Mädchen  am  Tische  bleiben,  ohne  sich  zu  rühren 
und  ohne  den  Blick  von  der  Thür  zu  wenden,  dann  erscheint  der  Zukünftige 
und  kommt  auf  den  Tisch  zu.     Greift  er  dann  nach  dem  Kachen,    so   wird 


86  E.  Krause: 

er  ein  häuslicher  Ehemann  und  die  Ehe  eine  glückliche;  greift  er  nach  dem 
Glase  Wein,  so  trifft  von  beiden  das  Gegentheil  ein;  rührt  er  nichts  von 
beiden  an,  so  erreicht  die  Ehe  schon  vor  Ablauf  eines  Jahres  durch  den 
Tod  eines  Gatten  ihr  Ende,  oder  es  stirbt  einer  von  beiden  schon  vor  der 
Hochzeit  Statt  des  Kuchens  wird  auch  wohl  gebratener  Fisch  angewendet. 

Fällt  eine  Spinnewebe  von  der  Decke  des  Zimmers  senkrecht  herab,  so 
kommt  bald  ein  Freier  in's  Haus.  An  der  Zimmerdecke  häugende  Spinne- 
weben werden  überhaupt  ,,Freier"  genannt. 

Geschwister  dürfen  nicht  an  demselben  Tage  Hochzeit  haben,  weil  sie 
damit  ihr  Glück  verscherzen. 

Bld. 

Auf  vielen  Dörfern  in  der  Umgegend  von  Berlin  herrscht  die  Sitte,  dem 
Vieh,  den  Gebäuden  etc.  den  Tod  des  Herrn  anzusagen,  sobald  dieser  ge- 
storben ist;  dem  Yieh  wird  es  ins  Ohr  gesagt,  in  die  Scheune,  die  Ställe 
die  Keller  wird  es  hineingerufen,  nachdem  vorher  an  die  Thür,  oder  den 
Thfirpfosten  geklopft  worden  ist.  Auch  den  Obstbäumen  und  Weinstocken 
wird  es  gemeldet.  Es  geschieht  dies,  um  zu  verhüten,  dass  der  erste  Todes- 
all weitere  nach  sich  zieht,  und  damit  keine  Krankheit  eintrete,  sondern 
Alles  gut  gedeihe. 

Der  Holzwurm  in  den  Möbeln,  die  sogen.  Todtenuhr  zeigt  den  Tod 
irgend  eines  Familien gliedes  vorher  an. 

Spielen  Kinder  auf  dem  Hofe  oder  im  Garten  Beerdigung  (mit  Puppen, 
Stückchen  Holz  etc.),  so  wird  bald  Jemand  im  Hause  sterben,  auch  wenn 
sie  beim  Spiel  choralartige  Lieder  singen,  wird  es  bald  eine  Leiche  im 
Hause  geben.  Dasselbe  geschieht,  wenn  der  Hofhund  ohne  ersichtlichen 
Grund  anhaltend  heult,  oder  wenn  Nachts  die  Eule  schreit. 

Sitzen  Dreizehn  zu  Tische,  so  muss  noch  in  demselben  Jahre  einer  von 
ihnen  sterben. 

Trifft  es  sich  zufallig,  dass  eines  Tages  sämmtliche  Mitglieder  einer 
Familie  in  schwarz  gekleidet  gehen,  ohne  dass  sie  einen  Trauerfall  (in  kür- 
zerer Zeit)  gehabt  haben,  so  werden  sie  bald  einen  solchen  zu  beklagen 
haben. 

Fällt  Jemandes  Bildniss  von  der  Wand,  so  muss  er  noch  in  demselben 
Jahre  sterben. 

B2a. 

Ist  man  von  Hause  fortgegangen,  so  darf  man,  selbst  wenn  man  zu 
Hause  etwas  vergessen  hat,  nicht  wieder  umkehren,  weil  man  sonst  Unglück 
hat  und  einem  alle  Unternehmungen  fehlschlagen. 

Beim  Ausfahren  von  Hause  darf  man  nicht  von  der  linken  Seite  auf 
den  Wagen  steigen,  weil  man  sonst,  namentlish  bei  Geschäften  resp.  auf 
der  Jagd,  Unglück  hat. 

Am  Freitag  ein  Geschäft  zu  beginnen  oder  abschliessen,  ist  nicht  rath- 


Abergläubische  Euren  und  sonstiger  Aberglaube  in  Berlin.  87 

sam,  da  es  zum  Unglück  ausschlägt;  dagegen  ist  f&r  solche  Handlungen 
der  Dienstag  sehr  zu  empfehlen,  da  er  ein  Gluckstag  ist. 

Der  7.  und  der  13.  Tag  jedes  Monats  sind  ünglückstage;  ebenso  der 
28.  Februar. 

Handgeld.  Die  Marktleute  und  andere  Händler  sah  ich  öfters  das 
erste  am  Tage  eingenommene  Geldstuck,  das  „Handgeld^,  bespeien  (schein- 
bar), dann  an  die  Erde  werfen  und  mit  dem  Fuss  drehend  darauf  treten, 
worauf  sie  es  dann  erst,  indem  sie  zugleich  dabei  sagten  „Handgeld^,  in  die 
Geldtasche  thaten.  Essoll  dies  Verfahren  Glück  bringen,  ihnen  eine  reiche 
Einnahme  verschaffen. 

Das  erste  in  einem  neuen  Geschäft  eingenommene  Geldstück,  „Hand- 
geld,^ ist  ein  Heckestück  und  wird  in  Papier  eingesiegelt  in  die  Kasse  ge- 
legt und  sorgfältig  aufbewahrt,  weil  dies  dem  neuen  Geschäft  reichen 
Segen  bringt. 

Fällt  Geld  zu  Boden,  so  kommt  denselben  Tag  noch  mehr  ein. 

B2/?. 

Kein  weibliches  Wesen  darf  das  Gewehr  eines  Jägers  berühren,  weil 
es  sonst  nicht  mehr  trifft. 

Die  Eckzähne  von  erlegten  Hirschen  (Hirschhaken)  werden  von  Jägern, 
namentlich  von  den  Berliner  Jagdliebhabern  an  der  Uhrkette  getragen,  um 
ihnen  Glück  bei  ferneren  Jagden  zu  bringen. 

Wünscht  man  einem  Jäger  Glück  auf  den  Pürschgang,  so  wird  er  sicher 
Unglück  haben,  d.  h.  nichts  vor's  Rohr  bekommen.  Als  Gegenmittel  gegen 
solchen  Glückwunsch  muss  der  Jäger  dem  Glückwünschenden  einen  Besen 
an  den  Kopf  werfen.  Soll  der  Jäger  Glück  haben,  so  muss  man  ihm  wün- 
schen, dass  er  sich  das  Genick  breche,  nach  Anderen  —  Hals  und  Beine. 
Der  Wunsch  wird  ausgedrückt,  indem  man  einfach  sagt:  „Na,  Hals  und 
Bein." 

Wenn  Jemand  ein  guter  Jäger  werden  will,  so  muss  er  von  dem  ersten 
in  seiner  Gegenwart  erlegten  männlichen  Stück  der  hohen  Jagd  (Hirsch 
oder  Reh)  beim  Ausweiden  einen  Hoden  durchbeissen  und  verzehren.  Noch 
vor  einigen  Jahren  in  der  Gegend  von  Bernau  zur  Ausübung  gelangt. 

Trifft  der  Jäger  nicht,  so  glaubt  er,  dass  ihm  Jemand  „einen  Waid- 
mann gesetzt"  habe.  Wie  dies  geschiebt,  darüber  konnte  ich  nichts  er- 
fahren. Er  muss  dann  sein  Gewehr  auf  eine  besondere  Art  reinigen,  um 
es  wieder  treffEahig  zu  machen. 

Andere  sagen,  das  Gewehr  sei  verhext  und  wenden  dasselbe  Gegen- 
mittel an. 

Läuft  dem  Jäger  morgens  oder  gleich  nach  Beginn  der  Jagd  ein  Hase 
quer  über  den  Weg,  so  wird  er  den  ganzen  Tag  nichts  vor^s  Rohr  bekommen 
oder  immer  fehl  scbiessen. 

Kugeln,  die  ein  Stück  Wild  erlegt  haben,  sogen.  „Treffer",   auch  wohl 


88  £•  Krause: 

„Freikogeln^  hebt  der  Jäger  auf,  denn  sie  treffen  immer.  Auch  die  yon 
entwendetem  oder  gefundenem  Blei  gegossenen  treffen  besser,  als  andere, 
ebenso  die  um  Mitternacht  gegossenen. 

Will  der  Jäger,  dass  seine  Hunde  klein  bleiben,  so  gicbt  er  ihnen  in 
der  Jugend  Branntwein. 

Soll  Jemand  ein  tüchtiger  Angler  werden,  so  muss  er  den  ersten  ge- 
fcmgenen  Fisch  durchbeissen;  am  besten  wirkt  ein  Kaulbarsch. 

Angler  speien  auf  den  an  den  Angelhaken  befestigten  Wurm,  damit  die 
Fische  besser  beissen. 

Fischer  retten  keinen  Ertrinkenden,  weil  sie  sonst  selbst  bald  ertrinken 
müssen. 

Diebe  haben  Mittel,  die  Hunde  zu  bannen,  so  dass  sie  nicht  bellen  und 
sie  auch  nicht  beissen.  Welche  Mittel  sie  anwenden,  ist  mir  nicht  bekannt 
geworden. 

Haben  Diebe  einen  Einbruch  ausgeführt,  so  verunreinigen  sie  den  Ort 
der  That  durch  eigenen  Auswurf,  um  nicht  gefasst  zu  werden.  Noch  vor 
einigen  Jahren  geschah  dies  in  der  Philipps-Kirche  zu  Berlin. 

Holzdiebe  können  die  Förster  bannen,  wenn  sie  ihnen  in  der  Forst  be- 
gegnen. «Und  wenn  hinter  jedem  Baum  ein  Förster  steht,  gehe  ich  doch 
in  den  Wald  nni  hole  Holz"  sagte  ein  alter  Holzdieb  in  der  Gegend  von 
Bemax  .Ich  weiss  etwas,  womit  ich  sie  banne,  dass  sie  mir  nichts  an- 
haben können.*     Womit  er  sie  bannt,  hat  er  nicht  verrathen. 

Im  Volksglauben  ist  der  Wald  herrenloses  Gut.  .,er  wächst  fiär  Alle;'' 
deshalb  ist  e^  acch  kein  Unrecht.  Holz  aus  dem  Walde  zu  holen.  Holz- 
üebssahl  kennt  das  Volk  nicht,  doch  passirt  dann  doch  einmal  etwas,  was 
sie  Tca  Holzsiehlen  abschreckt, 

Eiz.  al^er  Bauer  im  Dorf  Stolpe  bei  Potsdam  hatte  auch  den  obigen 
GIa^'i^s  ::i:d  machte  daraus  kein  Hehl,  war  aber  doch  schliesslich  daron 
a-.Zrk.sziei;  ii.i  -:rng  niiht  mehr  in  den  Wald",  weil  ihm  in  einer  Nacht 
i'.^rzyt  cerkw^i;^^  Erscbricane  wurde.  Als  er  gerade  dabei  war.  eine 
jLr»ii*c*  T£;*:er)  Stange  mit  seiner  Axt  zu  fällen,  wurde  es  plötzlich  om 
-jLi.  ".t^-tli  7^i  es  ^riüZiX^  ein  Brausen.  Als  er  mit  der  Arbeit  inne  hielt. 
r^ryjT  *d'-i  Tj^litA.  sxk\m  sich  aber  beim  ersten  Aithiebe  wieder  ein.  «Seit 
2i!£L  Thzi  zehe  icL  ucLt  mehr  in  den  Wald,^  erklärte  er,  «denn  es  ist  dock 

B3. 

Zyr,r..,i.:  'a:  citer  Fefcilichkeit  ^Geburtstag.  Hochzeit  etc.)  Glas  oder 
y.^rx^.AiX.   iü*rL*M.Jii.  er-T'eres.  e-o  bedeutet  das  Glück. 

T'ia.vuujin  i:.jr.«i  \A  ^\l*:t  Ta§§e  Kaffee  oder  Thee  ein  Häufchen  kleiner 
i.:fc^»*a-  ♦^.i  G^-v^-^ÄiL*  ^^  n.QSS  man  dieses  vorsichtig  mit  dem  Ldffel  ab- 
i**r.**;i    uiiC   •..:jr»r:K-'r:  :i.  deii  Müiid  nehmen,    und  man  erhält  noch  «elhigeii 


Abergläubische  Euren  und  sonstiger  Aberglaube  io  Berlin.  gg 

Klingt  Einem  das  Ohr  and  trifft  Jemand  auf  die  Frage:  „Welches  Ohr 
klingt?"  das  richtige,  so  wird  Gutes  von  Einem  gesprochen;  Schlechtes  hin- 
gegen, wenn  er  das  richtige  Ohr  nicht  nennt.  Am  Besten  wird  von  Einem 
gesprochen,  wenn  das  linke  Ohr  klingt  und  richtig  getroffen  wird. 

Auch  erzählt  man,  dass,  wenn  Einem  ein  Ohr  klingt,  Jemand  an  Einen 
denkt,  und  dass  das  Ohr  so  lange  klingt,  bis  Einem  der  richtige  einfällt. 

Steht  Jemandem  ein  Examen,  oder  sonst  etwas  Wichtiges  bevor,  so 
müssen  seine  Freunde  während  der  Entscheidungszeit  den  „Daumen  drücken", 
d.  h.  den  Daumen  in  die  Handfläche  legen  und  mit  den  umschliessenden 
Fingern  drücken,  so  gelingt  Alles  gut. 

Am  Tage  der  Ziehung  einer  Lotterie,  in  der  Jemand  mitspielt,  muss  er 
und  seine  Freude  den  Daumen  drücken,  dann  gewinnt  er. 

Begegnet  man  einem  Leichenwagen,  oder  dem  Schinder,  oder  hört  man 
den  Kukuk  rufen,  so  muss  man  seinen  Geldbeutel  umschütteln,  damit  er  nie 
leer  werde,  sondern  das  Geld  darin  sich  vermehre. 

„Spinne  am  Morgen, 
Unglück  und  Sorgen. 
Spinne  am  Abend, 
Wohlthuend  und  labend." 

Geht  man  aus  und  begegnet  zuerst  einem  jungen  Mädchen  oder  dem 
Schinder,  so  bedeutet  das  Gluck.  Man  soll  aber  umkehren  und  wieder  nach 
Hause  gehen,  wenn  man  zuerst  einer  alten  Frau  oder  einem  Leichenwagen, 
der  dieselbe  Kichtung  verfolgt,  begegnet,  denn  man  vrird  Unglück  haben;  hin- 
gegen bringt  ein  einem  entgegenkommender  Leichenwagen  Glück. 

Ein  gefundenes,  schon  gebrauchtes  Hufeisen  bringt  Glück;  mit  der  ge- 
schlossenen Seite  nach  aussen  auf  die  Schwelle  genagelt,  verwehrt  es  dem 
Teufel,  überhaupt  dem  Bösen  den  Eintritt. 

Sagen  zwei.  Personen  zufällig  zu  gleicher  Zeit  dasselbe  Wort,  oder 
sprechen  denselben  Gedanken  aus,  so  leben  sie  noch  ein  Jahr  zusammen. 
Nach  Anderen  geht  ihnen  ein  sofort  geäusserter  Wunsch  sicher  in  Erfüllung. 

An  einer  Schafheerde  so  vorüberkommen,  dass  sie  Einem  links  bleiben, 
bedeutet  Glück;  rechts  Unglück.  Schweine  müssen  im  ersteren  Falle  rechts, 
im  zweiten  links  kommen. 

Für  Juden  bedeutet  die  Begegnung  mit  Schweinen  immer  Unglück;  sie 
müssen  dann  an  Eisen  —  Schlüssel,  die  sie  in  der  Tasche  tragen,  oder 
Messer  —  fassen,  um  den  Bann  wieder  zu  heben. 

Yierblätterige  Kleeblätter  finden  bedeutet  Glück. 

An  jedem  Haselstrauch  wächst  in  jedem  siebenten  Jahre  eine  Ruthe 
von  „sehr  wunderbarem  Ansehen";  das  ist  eine  Wünschelruthe.  Doch  nur 
ein  Sonntagskind,  das  den  rechten  Glauben  hat  und  ganz  unschuldig  ist^ 
kann  sie  in  der  Johannisnacht  finden,  dem  liegen  dann  alle  Schätze  der  Erde 
offen.  —    ^ 

Ehe  man  ein  Brot  anschneidet,    soll  man  mit  dem  Wasser  dreimal  dais 


90  £•  Krause: 

Kreaz  auf  der  Unterseite  schlagen,  oder  leicht  einritzen,  so  wird  es  Einem 
gut  bekommen. 

Geht  Jemand  aus,  so  muss  man  hinter  ihn  her  spucken,  damit  er 
Glack  habe. 

Zieht  man  in  eine  neue  Wohnung,  so  muss  zuerst  ein  Stück  Brot  und 
etwas  Salz  auf  den  Ofen  oder  an  einen  anderen  nicht  sehr  zugänglichen  Ort 
gelegt  werden,  und  Wohlstand  (Brot)  und  Zufriedenheit  (Sulz)  werden  in  der 
neuen  Wohnung  herrschen. 

Andere  tragen  ausserdem  einen  Eimer  Wasser  in  die  Wohnung  oder 
schieben  ein  Geldstuck  (Groschen)  unter  den  Ofen  oder  die  Thürschwelle. 

Wer  des  Morgens  nüchtern  „aus  heiler  Häuf*,  d.  h.  ohne  das  Niesen 
künstlich  erzeugt  zu  haben,  niest,  erhält  am  Tage  ein  Geschenk. 

Sonntagskinder  haben  Glück. 

Sonntagskinder,  d.  h.  solche  Leute,  die  an  einem  Sonntag  geboren  sind, 
können  Gespenster  sehen,  doch  müssen  sie  daran  glauben. 

Spricht  Jemand  von  seiner,  oder  eines  Anderen  Gesundheit  oder  Glück, 
so  sagt  er  dabei  dreimal  „unberufen^,  damit  nicht  Gesundheit  in  Krankheit, 
Glück  in  Unglück  sich  wende. 

Wer  Morgens  mit  dem  linken  Fuss  zuerst  aus  dem  Bette  steigt,  wird 
den  ganzen  Tag  unwirsch  sein  und  es  wird  ihm  Alles  fehl  schlagen. 

Juckt  Einem  die  Nase  früh  Morgens,  so  wird  man  etwas  Neues  erfahren, 
oder  auch  mit  der  Nase  in  den  Schmutz  fallen. 

Zum  Binden  von  Blumen sträussen  und  Kränzen,  darf  kein  schwarzer 
Faden  verwendet  werden,  weil  das  „Unglück  bedeutet." 

Wer  eine  Katze  tödtet,  wird  eines  schweren  Todes  sterben. 

Wenn  Einem  eine  Katze  über  den  Weg  läuft,  muss  man  dreimal  aus- 
speien („spucken")  und  umkehren,  weil  man  sonst  Unglück  hat. 

Um  den  Einfluss  des  „Bösen"  abzuhalten,  muss  immer  ein  Stück  von 
jeder  Gattung  Ilausthiere  ganz  schwarz  sein,  also:  eine  schwarze  Kuh,  ein 
schwarzes  Huhn,  eine  schwarze  Katze  etc. 

Töpfe  mit  Milch,  überhaupt  Gefässe  mit  Flüssigkeiten  dürfen  über 
Nacht  nicht  offen  stehen  bleiben,  —  es  fallt  Unglük  und  Krankheit  hinein 
„wie  Mehlthau". 

Wenn  ein  Mitglied  der  Familie  stirbt,  so  muss  der  Kanarienvogel,  resp. 
jedes  andere  Hausthier  auf  einen  anderen  Platz  gesetzt  werden,  sonst  stirbt 
es  bald. 

Wer  sich  einen  Knopf  an  einen  Rock  nähen  lässt,  den  er  an  hat,  über- 
haupt Zeug  auf  dem  Leibe  flicken  oder  die  Stiefel  auf  den  Füssen  putzen 
lässt,  wird  eines  schweren  Todes  sterben  (oder  sich  im  Todeskampfe  ver- 
unreinigen). 

Eierschalen  von  in  der  Wirthschaft  gebrauchten  Eiern  darf  man  nicht 
verbrennen,  weil  sonst  die  Hühner  auch  am  Hintern  verbrennen  und  nicht 
mehr  legen. 


Abergläubische  Euren  und  sonstiger  Aberglaube  in  Berlin.  91 

Das  Brot  darf  nicht  mit  dem  Rücken  auf  den  Tisch  gelegt  werden, 
noch  mit  der  angeschnittenen  Seite  von  der  Mitte  des  Tisches  abgewendet, 
oder  es  giebt  Krankheit  und  Noth,  oder  überhaupt  Unglück. 

Wenn  bei  Tische  ein  Unverheiratheter  die  Butter  anschneidet,  so  muss 
er  noch  7  Jahr  ledig  bleiben. 

Wer  bei  Tische  an  der  Ecke  sitzt,  bleibt  noch  7  Jahr  ledig. 

Von  jeder  anderen  Speise  darf  man  ungestraft  verschütten,  nur  vom 
Brod,  „dem  lieben  Gut",  nicht.  Ein  Krümchen  Brot,  an  die  Erde  geworfen, 
zieht  schwere  Strafe  des  Himmels  nach  sich. 

Bei  Tische  das  Salz  umschütten,  bedeutet  Zank. 

„So  viel  Körnchen  Du  verstreuest. 
So  viel  Sünden  Du  begeuhst," 
heisst  es,  wenn  Kinder  Salz  verschütten. 

Wer  den  Mund  mit  der  Serviette  wischt,  ehe  er  einen  Bissen  im  Munde 
hat,  dem  gedeiht  das  Essen  nicht. 

Fällt  einem  ein  Bissen  von  der  Gabel  weg  an  die  Erde,  so  ist  er 
einem  von  irgend  Jemand  nicht  gegönnt. 

Hat  man  aus  einem  Gefass  —  Glas,  Tassen  köpf  etc.  —  getrunken,  so 
darf  nicht  eher  wieder  frisch  eingeschenkt  werden,  als  nachdem  das  Geschirr 
ganz  geleert,  weil  man  sonst  die  Gicht  bekommt.  Junge  Mädchen,  die,  ohne 
auszutrinken,  sich  neu  hinzugiessen,  werden  alte  Jungfern. 

Trinkt  ein  junges  Mädchen  mit  einem  bärtigen  Mann  aus  einem  Glase, 
so  bekommt  es  einen  Bart. 

Zu  Weihnachten  muss  etwas  Grünes  gegessen  werden  (Grünkohl),  weil 
das  Gluck  bringt;  zu  Neujahr  werden  Fische  gegessen,  weil  man  dann  reich 
vrird.  Einige  Fischschuppen  werden  in  das  Portemonnaie  gethan,  dann 
„wird  einem  das  ganze  Jahr  hindurch  das  Portemonnaie  nicht  leer^. 

Beim  Essen  darf  man  dem  Nachbar,  oder  dem  Gegenüber  nicht  auf  den 
Mund  sehen,  weil  ihm  dann  das  Essen  nicht  bekommt. 

Thut  man  Jemandem  Haar,  oder  Fingernägelabschnitte  in  das  Essen, 
und  isst  er  das  mit,  so  wird  er  siech. 

Fällt  Einem  ein  Messer,  Gabel,  Scheere  auf  den  Boden  und  spiesst 
sich  dabei  in  die  Diele,  so  giebt  es  Besuch  —  „spitzfindigen"  sagen  Einige. 

Niest  Jemand,  der  den  Schnupfen  hat,  so  darf  man  nicht  „Prosit"  sagen, 
weil  er  dann  seinen  Schnupfen  nicht  los  wird. 

Wenn  man  einen  Schlucken  hat,  so  denkt  Jemand  an  Einen. 

Schuhe  und  Stiefel  dürfen  nicht  auf  den  Tisch  gestellt  werden,  sonst 
giebt  es  Zank. 

Fingernägel  müssen  Freitags  geschnitten  werden,  sonst  wachsen  sie 
nicht  nach. 

Das  Haar  wird  bei  zunehmendem  Mond  geschnitten,  damit  es  zunimmt, 
wächst  und  stark  wird;  bei  abnehmendem  Mond  geschnitten,  würde  es  ab- 
nehmen, ausgehen. 


92  E.  Krause: 

Bandwarmkaren  beginnen,  selbst  auf  Yerordnang  von  Aerzten,  bei  ab- 
nehmendem Mond. 

Kartenlegen,  Schäfer-  and  Soharfrichterkuren  sind  noch  sehr  beliebt, 
sogar  bei  gebildeten  Leuten,  ebenso  das  Wahrsagen  aus  den  Linien  der 
Hand,  den  Adern  der  äusseren  Handfläche,  der  Kopf-  und  Stirnbildung, 
aus  dem  Kaffeesatz,  Eiweiss,  aus  dem  in  der  Neujahrsnacht  gegossenen 
Blei  etc. 

Oft;  treiben  Nachts  Kobolde  ihr  Wesen  in  Küche  und  Schrank,  indem 
sie  Geschirr  umwerfen,  Flüssigkeiten,  namentlich  Milch,  umschütten  and 
dann  auflecken,  oder  Fleisch  und  andere  Speisen  benaschen.  Man  kann  sie 
fangen,  wenn  man  eine  tiefe  Schüssel  mit  Wasser  aufstellt  und  das  Wasser 
mit  Mehl  bestreut;  doch  nur  ein  Sonntagskind  kann  sie  in  ihrer  wahren 
Gestalt  sehen;  für  Andere  nelimen  sie  die  Gestalt  von  Mäusen  an. 

Nachts  bedrückt  oft  ein  „Alp"  die  Menschen.  Er  hat  die  Gestalt  eines 
mit  scheusslicher  Fratze,  langer  Nase  und  Buckel  behafteten  Affen.  Er 
setzt  sich  auf  die  Brust,  erschwert  das  Athmen  und  verursacht  grässliche 
Träume.  Oft  erstickt  er  auch  die  Schlafenden  durch  seinen  Druck.  Von 
ihm  Befallene  fühlen  sich  am  anderen  Morgen  sehr  matt,  wie  betäubt,  ganz 
„duselig"  im  Kopfe  und  haben  oft  wochenlang  Kreuzschmerzen  und  Schwere 
in  den  Gliedern.     Offene  Fenster  erleichtern  ihm  den  Zutritt. 

Wer  Jemandes  Blut  leckt  oder  trinkt,  kann  nicht  mehr  von  ihm  lassen; 
Andere  behaupten,  dass  er  dann  die  „Sucht"  bekäme,  öfters  fremdes  Blut 
zu  trinken,  und  sich  so  zum  Vampir  ausbilde.  Noch  nach  dem  Tode  wird 
er  Nachts  bei  offenem  Fenster  in  Gestalt  einer  Fledermaus  in  die  Schlaf- 
zimmer dringen  und  den  Schläfern  das  Blut  aussaugen.  Dies  hört  erst  dann 
auf,  wenn  man  seinen  Leichnam  in  der  Herzgegend  mit  einem  spitzen 
Eisen  —  Dolch  etc.  —  oder  mit  einem  spitzen,  an  der  Spitze  verkohlten 
Pfahl  durchsticht  und  das  stechende  Instrument  in  dem  Leichnam  stecken 
lässt.  Man  hüte  sich  deshalb,  wenn  sich  Jemand  Anderes  in  den  Finger 
gestochen  oder  geschnitten  hat,  die  Wunde  auszusaugen,  weil  dies  der  An- 
fang zum  Yapirthum  ist. 

Wer  einen  Meineid  schwört,  dem  schwören  die  bei  dem  falschen 
Schwur  erhobenen  drei  Finger  ab.  Andere  behaupten,  dass  sie,  wenn  er 
auf  dem  Todtenbette  liegt,  zuerst  sterben  und  vor  seinem  Tode  verwesen; 
ausserdem  zwingt  ihn  dann  sein  Gewissen,  den  Meineid  einzugestehen, 
sonst  kann  er  nicht  sterben. 

Das  Verzehren  des  Herzens,  Leber  und  Lunge  oder  das  Verzehren  des 
Herzens  und  der  Besitz  von  Leber  und  Lunge  eines  unschuldigen  Kindes, 
namentlich  von  einem  Mädchen,  macht  unsichtbar  und  schützt  vor  Ver- 
folgung. Schon  oft  sind  in  Folge  dieses  Wahnes  scheussliche  Verbrechen 
—  Morde,  Leichenschändungen  —  begangen  worden. 

Li  Caputh  bei  Potsdam  wurde  einer  Bäueriu  ein  Schwein  krank.  Wahr- 
scheinlich hatte  es  in  Folge  des  Genusses  von  Fischen  Gräten  in  den  Hals 


Abergläubische  Kuren  und  sonstiger  Aberglaube  in  Berlin.  93 

bekommen  und  zeigte  deshalb  Unlast  zam  Fressen.  Nach  Ansicht  der  Be- 
sitzerin war  es  von  in  ihrem  Hause  wohnenden  Sommergästen  behext.  Sie 
malte  deshalb  mit  Kreide  drei  Kreuze  über  der  Stallthür  unter  fortwähren- 
dem Gemurmel  und  Drohen  mit  der  Faust  nach  dem  Fenster  der  Wohnung 
der  Sommergäste  hin. 

Schiebt  man  unter  die  Schwelle  eines  Viehstalles  ein  Büschel  Haar  vom 
Besitzer  des  Viehes  oder  von  einem  seiner  Familienmitglieder,  so  fangt 
das  Vieh  an  zu  siechen.  Auch  Theile  von  getragenen  wollenen  Kleidern 
ihnen  dieselben  Dienste,  nach  Einigen  auch  die  Haare  und  Kleider  der  die 
Hexerei  ausübenden  Person  (meist  Frau).  Ich  habe  öfters  auf  dem  Lande 
in  der  Nähe  Berlins  beim  Erkranken  von  Vieh  nach  dergleichen  Dingen 
fahnden  sehen. 

Um  Raubvögel  vom  Gehöft  und  dem  Hausgeflügel  abzuhalten,  wird  in 
Zehlendorf,  Kr.  Teltow,  eine  Stange  aufgerichtet,  auf  der  ein  Rad  wagerecht 
befestigt  ist. 

Raupen  aus  dem  Garten  zu  vertreiben,  wird  Folgendes  angewandt. 
Die  Besitzerin  oder  ein  weibliches  Glied  ihrer  Familie  begiebt  sich  nach 
Sonnenuntergang,  einen  Reissbesen  hinter  sich  herschleifend,  in  den  Garten 
und  umgeht  diesen,  von  der  Thür  aus  rechts  anfangend,  in  seiner  ganzen 
Ausdehnung,  indem  sie  immer  den  Besen  hinter  sich  herzieht  und  fort- 
während murmelt:  „Guten  Abend,  Mutter  Rupsch  (Raupe),  Sie  sollen  mit 
Ihrem  Mann  in  die  Kirche  kommen.^  (Doch  darf  sie  sich  dabei  nicht  um- 
sehen.) Die  Gartenthür  bleibt  dann  bis  vor  dem  nächsten  Sonnenaufgang 
geöffnet.  Nach  Anderen  muss  der  Umgang  um  Mitternacht  ausgeführt 
werden.     (Eberswalde,  auch  in  Meklenburg  gebräuchlich.) 

Der  Glaube,  dass  verscharrtes  Geld  sich  Nachts  durch  aus  dem  Erd- 
boden schlagende  Flammen  bemerkbar  mache,  ist  weit  verbreitet. 

An  der  Chaussee  von  Königs- Wusterhausen  nach  Storkow  steht  rechts 
hinter  Körbis-Krug  dicht  am  Graben  ein  etwas  stärkerer  Kieferbaum,  als 
die  umstehenden.  Seine  Wurzeln  sind  beim  Ausbeben  des  Grabens  zum 
Theil  blosgelegt  oder  abgehauen  worden.  „Hier  hat  vorigten  Mittwoch  Geld 
gebrannt,"  sagte  mir  der  Kutscher,  als  ich  (vor  einigen  Jahren)  daran  vor- 
überfuhr. Es  sei  eine  blaue  Flamme  gewesen,  die  aus  dem  Erdboden  kam, 
ohne  dass  Holz  da  gewesen  wäre.  Der  Maier  des  Gntes  kam  Nachts  mit 
ihm  aus  der  Stadt  gefahren.  „Wenn  de  Meier  nich  redt  hädde,  dann  hadd' 
ick'n  Kobold  gefasst  un  dünn  hädden  wir't  Geld  utgraben  können.  De  olle 
däselige  Meier !^  sagte  er  betrübt.  Ich  stieg  ab  und  schalmte  den  Baum 
an,  um  ihn  wieder  zu  erkennen.  Einige  Tage  darauf  fuhren  wir  wieder 
nach  K.-W.  Ich  nahm  einen  Spaten  mit  und  grub  an  der  bezeichneten 
Stelle  dicht  unter  der  Grabensohle  aus  ziemlich  festem  Lehmboden  grosse 
Mengen  verwitterter  und  unverwitterter  Schwefelkiesknollen,  was  der  Kutscher 
natürlich  fiir  unreines  Gold  hielt,  das  ich  ihm  jedoch  grossmüthigst  über- 
liess.      Aufklären    Hess  er  sich  nicht   einmal  vom  Goldarbeiter,  zu  dem  er 


94  £•  Krause:    Abergläubische  Kuren  und  sonstiger  Aberglaube  in  Berlin. 

mit  seinem  Schatz  ging.  „Der  wolle  blos  billig  kaufen  ^^^  meinte  er,  „dnim 
mache  er  es  schlecht 

Auch  bei  Zehlendorf  haben  schon  öfter  Leute  Geld  brennen  sehen,  doch 
regelmässig  beim  Graben  gesprochen  und  deshalb  den  Schatz  nicht  heben  können. 

Wie  man  einen  Dieb  ermittelt.  Die  „Streich-  und  Tretfrau"  des 
Dorfes,  d.  h.  diejenige,  gewöhnlich  sehr  alte  Frau,  welche  mit  „Streichen", 
„Pusten **,  ^Treten **  und  „Besprechen"  alle  möglichen  Leiden  heilt,  oder 
wenigstens  in  dem  Rufe  steht,  sie  heilen  zu  können,  besitzt  auch  das  Ge- 
heimniss,  nach  geschehenem  Diebstahle  den  Thäter  zu  ermitteln. 

In  einem  Dorfe  bei  Königs- Wusterhausen  waren  während  meines  Aufent- 
haltes daselbst  mehrfach  Gänsediebstähle  vorgekommen.  Man  hatte  mehrere 
Personen  im  Verdacht  der  Thäterschaft.  hauptsächlich  aber  einen  etwas  blöd- 
sinnig aussehenden  jungen  Menschen,  der  erst  einige  Monate  als  Knecht  im 
Dorfe  im  Dienst  stand.  Bei  einem  Tanzvergnügen  im  Kruge  war  die  Rede 
von  dem  letzten  Diebstahl,  über  den  man  allgemein  entrüstet  war,  weil 
einer  armen  Tagelöhnerfamilie  ihre  fetteste  Gans  gestohlen  war.  Da  die 
Verdächtigen  mit  auf  dem  Tanzboden  waren,  wurde  beschlossen,  die  Streich- 
frau zu  rufen  und  durch  sie  den  Dieb  ermitteln  zu  lassen.  Sie  kam,  liess 
sich  die  Sache  vortragen,  sah  jeden  Einzelnen  scharf  an  und  verliess  dann 
auf  kurze  Zeit  den  Tanzsaal.  Bald  kehrte  sie  wieder  zurück,  ging  in  die 
Mitte  des  Saales,  machte  unter  wunderbaren  Gesten  und  stetem  Gemurmel 
einen  kreisrunden  Kreidestrich  um  sich  herum  auf  dem  Fussboden  und  setzte 
sich  mitten  hinein  auf  einen  Stuhl,  doch  so,  dass  sie  die  Stuhllehne  unter 
einem  Arme  hatte,  der  Rücken  also  frei  wur.  Dann  liess  sie  alle  An- 
wesenden in  eine  Reihe  hinter  einander  treten,  so  dass  der  erste  dicht 
hinter  ihrem  Rücken  stand.  Nun  wurde  alles  Licht  im  Saale  ausgelöscht 
und  der  Zug  setzte  sich  in  Bewegung;  unter  stetem  Gemurmel  der  Alten 
musste  ihr  jeder  einen  leisen  Schlag  auf  den  Rücken  geben.  Der  Dieb,  so 
sagte  sie,  würde  eine  schwarze  Hand  bekommen.  Vor  dem  Saale  war  es 
hell,  jeder  musste  nach  dem  Schlage  sofort  hinausgeben  und  zweien  Un- 
parteiischen, die  an  der  Thür  standen,  seine  Hand  zeigen.  Alle  hatten 
schwarze  Hände,  nur  jener  Knecht  nicht.  Er  hatte  im  Bewusstsein  seiner 
Schuld  und  im  festen  Glauben  an  die  Zaubermacht  der  Alten  sich  wohl  gehütet, 
sie  auf  den  Kücken  zu  schlagen,  um  nur  ja  nicht  die  Hand  schwarz  zu  färben. 
Er  gestand,  so  überführt,  den  Diebstahl  ein  und  wurde  mit  Schimpf  und  Schande 
fortgejagt,   seine  Lohnforderung  den  Bestohlenen  als  Ersatz  zuerkannt. 

In  einem  andern  Dorfe  war  von  einem  Gehöfte  Holz  gestohlen  worden. 
Die  Streichfrau  kam,  zählte  die  Anwesenden  und  liess  sich  nach  den  oben 
beschriebenen  Vorkehrungen  von  jedem  die  Hand  geben,  natürlich  wieder 
im  Finstem.  Der  Schuldbeladene  machte  sich  w^ahrscheinlich  durch  Zittern 
beim  Handreichen  verdächtig,  denn  bei  der  Besichtigung  der  Hände  hatten 
Alle  nur  leichte  Spuren  von  Schwärze,  er  eine  ganz  schwarze  Hand.  Auch 
er  gestand  sein  Verbrechen  ein. 


VI. 
Schlange  und  Aal  im  deutschen  Volksglauben. 

Von 

W.  V.  Soliulenbupg. 


Seit  Alters  wird  im  Volke  behauptet,  dass  Aale  in  warmen  dunklen 
Sommernäcbten  das  Wasser  verlassen  und  über  Wiesen  in  nahegelegene 
Brbsenfelder  geben.  Streue  man  im  Grase,  wo  sie  ihren  Pass  haben 
Asche  aus,  so  könnten  sie  nicht  wieder  zurück  und  man  könne  sie  so 
fangen. 

üeber  diese  Meinung  ist  viel  geschrieben  worden  und  Naturforscher 
haben  ihre  Erfahrungen  gegen  sie  ins  Feld  geführt.  Es  konnte  bisher, 
unseres  Wissens,  kein  zuverlässiges  Zeugniss  erbracht  werden,  dass  jemals, 
ein  Mensch  Aale  in  die  Erbsen  gehen  sah,  um  Erbsen  zu  fressen^). 
Nichtsdestoweniger  hört  man  in  ganz  Deutschland  diese  Meinung  von  un- 
zähligen Menschen  wiederholen.  Es  fehlt  auch  nicht  an  ähnlichen  unerwie- 
senen  Behauptungen,  z.  B.,  dass  Männer  mit  weisser  Leber  keine  Frau 
behalten,  und  umgekehrt:  solche  Frauen  keine  Männer,  Bienen  aus  Aas 
entstehen,  Molche  und  Schlangen  Schlafenden  in  den  Mund  kriechen  und 
im  Leibe  jungen,  Kröten  und  Schlangen  den  Kühen  die  Milch  aussaugen, 
wie  man  dies  und  anderes  von  klein  auf  im  Volke  erfahren  hat. 

Ich  selbst  habe  seit  einer  Reihe  von  Jahren  sehr  viele  Landleute, 
darunter  auch  alte  erfahrene  Fischer,  welche  alle  von  der  Erbsenliebe  der 
Aale  zu  berichten  wussten,  gefragt,  ob  sie  oder  ein  ihnen  bekannter  leben- 
der Mensch  Aale  in  Erbsenfelder  hätten  gehen  und  Erbsen  verzehren 
sehen.  Allein  unter  so  vielen  war  nicht  ein  einziger,  der,  eindringlich  zur 
Rede  gestellt,  hätte  sagen  können:  „Ich  selbst  habe  es  gesehen,  oder  kenne 
einen  lebenden  Augenzeugen.'^  Immer  war  schliesslich  der  Grossvater  oder 
sonst  ein  Verstorbener  der  Beobachter  gewesen,  ungeachtet  dessen  sprachen 
alle  von  der  wunderlichen  Aalfrage  wie  von   einer  feststehenden  Thatsache. 


1)  Dass  zufällig  Aale  auch  in  Erbsen  gefanden  worden  sind,  ist  leicht  möglich.  — 
Mehrere  glaubwürdige  Leote  erzählten  mir,  sie  hätten  Aale  ausserhalb  des  Wassers,  aber 
nahe  demselben,  im  Grase  gesehen. 


96  W.  T.  Schalenbarg: 

Diese  Sicherheit  und  die  AUgemeiDheit  der  Meinung  liesscn  mich  schon 
vor  Jahren  vermuthen,  dass  die  letztere  auf  das  mythische  Gebiet  zu  ver- 
weisen sei. 

Nichts  von  Allem,  was  die  Herzen  der  Völker  bewegt  hat,  selbst  nicht 
die  grossen  Thaten  und  Ereignisse  in  der  Geschichte,  die  das  Wohl  und 
Wehe  von  Millionen  umfassten,  ist  haften  geblieben  in  der  Erinnerung  der 
Menschheit;  alles  ging  unter  im  Strom  der  Vergessenheit.  Nur  die  alten 
mythischen  Vorstellungen,  welche,  voll  unverwüstlicher  Lebenskraft,  oft  auf- 
gefrischt durch  erneute  Eindrucke,  in  Sagen  und  Gebräuchen  sich  ablagerten, 
haben  die  Zeit  überdauert  und  sich  zum  Theil  aus  Zeitaltern,  Jahrtausende 
von  dem  unsrigen  entfernt,  zu  uns  hinübergerettet. 

In  vorgeschichtlichen  Zeiten  —  und  das  muss  bei  dem  Widerstände 
gegnerischer  Meinungen  immer  wieder  hervorgehoben  werden,  glaubte  der  in 
seiner  Anschauung  noch  nicht  durch  viele  Erfahrungen  bereicherte  Mensch 
in  gewissen  Erscheinungen  am  Himmel,  wie  in  der  Natur,  Erscheinungen 
und  Vorgänge  zu  sehen,  welche  er  an  sich  selbst  oder  in  seiner  Umgebung 
auf  der  Erde  wahrnahm,  denn  er  hatte  keine  weiterliegenden  Erfahrungen. 
Je  älter,  desto  roher,  sinnlicher,  einfacher  (nach  unserer  jetzigen  Auffassung) 
war  die  Vorstellung.  Je  mehr  der  Geist  des  Menschen  und  sein  äusseres 
Leben  sich  entwickelten,  desto  reicher  und  geistiger  entwickelten  sich  auch 
die  mythischen  Anschauungen.  In  Wolken,  welche  noch  heute  selbst  bei 
Gebildeten  die  Erinnerung  an  Thiergestalten  wachrufen,  sah  man  Rinder, 
Wölfe,  Hunde,  Katzen  u.  dgl.  Trieb  ein  leiser  Abendwind  die  Wölkchen, 
welche  wir  noch  Schäfchen  nennen,  über  den  Himmel,  so  glaubten  unsere 
„Alten*^  (oi  7ia?Mioll)^  am  Himmel  treibe  ein  Schäfer  seine  Heerde,  und 
was  der  Schäfer  auf  der  Erde  thun  könnte,  müsste  auch  der  Schafer  am 
Himmel  thun  können.  Seitdem  sagt  man  noch:  n^er  Schäfer  ist  am 
Himmel,  es  giobt  gutes  Wetter."  Wer  jemals  in  der  Natur  Wolken  be- 
schaute, weiss,  wie  er  oftmals,  wieder  aufblickend,  erstaunte,  wenn  eine  noch 
eben  vorhandene  Wolkonform  verschwunden  war,  oder  allmählich  unsichtbar 
wurde,  oder  wie  durch  Zauber  sich  in  andere  Form  verwandelte  ^). 

Solche  Verwandelungen  und  Zaubereien  im  mannichfachstcr  Fülle  sahen 
Jäger,  Fischer  und  Hirten  der  Vorzeit,  und  was  sie  am  Himmel  mit  Thieren 
und  Zauberwesen  vor  sich  gehen  sahen,  das  übertrugen  sie  wieder  auf  ähn- 
liche Thiere  und  Vorgänge  in  ihrer  Umgebung.  Nur  auf  Vergleichen  schritt 
der  menschliche  Geist  weiter.  Der  Blitz  erschien  den  Alten  u.  A.  wie  eine 
feurige  Kuthe.  Oft  folgt  auf  Blitze  Regen.  Darum  folgerte  man:  die 
Kuthe  oder  Zauberweseu,  die  mit  der  Kuthe  hantieren,  machen  den  Regen. 
Wenn  man  das  nachmacht,  kann  man  sich  auch  Regen  machen.  Daher  die 
Volksmeinnng,  jetzt  und  ehedem:  bei  Dürre  soll  man  Teiche  mit  Ruthen 
schlagen,    dann    giebt    es'  Regen.     Aber  die  Einbildungskraft,    diese  Quelle 

1)  Vergl.  W.  V.  Schulenburg,  Wendisches  Volksthum,  Berlin,  1882,  S.  166,  Anm.  2. 


SchlaD(|re  und  Aal  im  deutschen  Volksglauben.  97 

aller  Dichtung  und  Kunst,  im  Laufe  der  Zeit  mehr  und  mehr  vom  Verstände 
verdrängt,  indem  Wissen  an  Stelle  des  Glaubens  trat,  war  damals,  weil  sie 
das  ganze  Weltall  in  sich  aufnahm  und  in  ihren  Anschauungen  wieder- 
spiegelte, eine  so  reiche  und  grossartige,  dass  wir  Menschen  mit  vor- 
wiegender VerstandesaufiPassung  nur  mit  Muhe  in  jenen  gewaltigen  An- 
schauungen uns  zurechtfinden,  welche  im  Regenbogen  nach  Seh  war  tz  das 
Hom  einer  Euh  oder  eine  riesige  Sichel  sahen. 

Bei  den  Deutungen  solcher  uralten  Vorstellungen,  zum  Theil  so  alt  wie 
das  Menschengeschlecht,  muss  mancher  Irrthum  unterlaufen,  wenn  sie  zu 
sehr  auf  Einzelheiten  sich  erstrecken.  Sie  werden  da  am  zuverlässigsten 
sein,  wo  sie  auf  den  Ursprung  der  Vorstellungen  zurückgehen.  Dann  kommt 
man  an  die  Grenze,  wo  die  einfachsten  Vorstellungen  liegen,  die  in  den 
mannichfachsten  Zusammensetzungen,  in  Sagen  und  Mährchen  und  Götterge- 
schichten, entsprechend  einer  höheren  £ntwickelung  des  geistigen  wie 
äusserlichen  Lebens,  immer  wieder  so  zu  sagen  als  GrundstofiPe  vorkommen. 

Unbestreitbar  ist,  dass  den  Indogermanen,  wie  den  meisten  Völkern 
der  Erde,  die  Blitze,  welche  vom  Himmel  sich  nieder  schlängelten, 
auch  als  Schlangen  galten,  gleichwie  bisweilen  noch  Landleute  bei 
Gewittern  Blitze^)  den  Schlangen  vergleichen.  HerrSchwartz  erfuhr  dies 
einmal  und  auch  ich  hörte  ebenso  bei  einem .  schweren  Gewitter  eine 
Wendin  die  Blitze  voll  Schrecken  als  Schlangen  bezeichnen.  Hierbei  ist 
nicht  zu  vergessen,  dass  solche  gewaltigen  Naturerscheinungen  in  der 
freies  Natur  ganz  anders  ergreifend  auf  das  Gemüth  der  Menschen  ein- 
wirken, als  in  dem  Treiben  und  Wogen  einer  Grosstadt.  Erwiesen  ist 
femer,  dass  das  alte  Heidenthum  in  gewissen  Himmelserscheinungen  ein 
Milchmeer,  gemolkene  Milch,  kurz  Milch^)  wahrzunehmen  glaubte,  wie 
denn  auch  die  Milchstrasse  der  verspritzten  Milch  der  Here  von  einer 
ähnlichen  Anschauung  bezüglich  der  Sternenwelt  Zcugniss  ablegt. 

Es  ist  nun,  wie  schon  erwähnt,  noch  heute  ein  alter  Glaube  in  unserem 
Volke,  dass  Schlangen  den  Kühen  die  Milch  aussaugen.  Mir  erzählte^)  ein 
alter  sehr  verständiger  Bauer:  „Als  mein  (verstorbener)  Onkel  einmal  in 
den  Kuhstall  kam,  fand  er  eine  Schlange.  Die  hatte  sich  einer  Kuh  um 
das  Bein  gewickelt  und  saugte  ihr  die  Milch  aus.  Als  er  sie  todt  ge- 
schlagen hatte,  brüllte  die  Kuh  nach  ihr  wie  nach  dem  Kalbe'^.  Auch  bei 
sängenden  Frauen  finden  sich  die  Schlangen  ein,  springen  nach  der  Brust 
und  halten  so  fest,  dass  sie  nur  mit  Mühe  und  Noth  entfernt  werden 
können.  Allbekannt  sind  die  Sagen  vom  Scblangenkönig,  der  zu  kleinen 
Kindern   geht   und  die  für  sie  hingestellte  Milch  verzehrt.     Dieser  Vorfall, 


1)  Sehwartz,  Ursprung  der  Mythologie,  26;  W.  y.  Scbulenburg,  Wendische  Sagen, 
(8.  271,  Anm.  1.) 

2)  Schwarte,  Ursprung,  S.  44,  229  und  a.  0.    Oberwendisch  heisst  die  Milchstrasse 
nach  Pfuhl)  belosta  (von  bely  weiss,  belomli^ny  milchweiss). 

8)  Wendische  Sagen,  8  97. 

ZeSticbrift  for  Ethnologie.    Jahrg.  1883.  7 


98  W.  V.  Schulenburg: 

der  sich  in  verschiedenen  Bauernfamilien,  wie  lebende  ältere  Mitglieder 
derselben  aus  voller  Ueberzeugung  versichern,  zugetragen  hat,  liefert  ein 
sprechendes  Beispiel  für  die  Uebertragung  mythischer  Anschauungen  auf 
die  Verhätnisse  des  Lebens.  Inwiefern  die  Neigung  der  Schlangen  zu 
kleinen  Kindern  in  Beziehung  steht  zu  den  Blitzgeburten,  der  Wiederkunft 
der  Seelen  u.  d.  m.,  muss  hier  übergangen  werden.  An  jene  Ueberlieferungen 
reihen  sich  in  erweiterter  Beziehung  die  Berichte  vom  Milchmelken  ans 
Stricken  und  Peitschen,  vom  Buttermachen  der  Hexen  und  dem  unfläthigen 
Buttern  des  Teufels  u.  d.  m.  An  die  Milchgeluste  der  Schlangen  schliesst 
sich  ferner  die  ganz  allgemeine  Meinung  an,  dass  mau  Blitzfeuer  nur  mit 
Milch  löschen^)  kann,  dass  ebenfalls  die  berüchtigten  Diebsfinger,  wenn  sie 
brennen,  nur  mit  Milch  auslöschbar  sind.  Indessen  verbietet  sich  hier  ein 
weiteres  Eingehen  auf  diese  Ueberlieferungen,  welche  alle  im  inneren  Zu- 
sammenhange stehen  mit  dem  Wesen  der  mythischen  Schlange.  Gleich  der 
Schlange  zitzt  auch  die  Kröte  die  Kühe  (ebenso  soll  der  Iltis  die  Kuheuter 
aussaugen).  Wie  eine  freundliche  Mittheilung  des  Dr.  Voss  besagt-,  wird 
in  dem  südlichen  Theile  des  Kreises  Camrain  in  Pommern  süsse  (rohe) 
Milch  als  Mittel  gegen  den  Biss  der  „Schnaken"  (Schlangen)  getrunken, 
ebenso  aber  auch,  wie  überall,  gegen  jedwede  Vergiftung.  Es  muss  daher 
sehr  fraglich  erscheinen,  ob  man  bei  diesem  Mittel  an  mythische  Beziehungen 
denken  darf. 

Fast  allgemein  wird  bestritten,  dass  Schlangen  überhaupt  Milch  saufen. 
Wenn  aber  auch  vereinzelt  der  Fall  einträte,  so  entzöge  sich  diese  That- 
sache  wohl  zu  sehr  der  allgemeinen  Kenntniss,  um  Veranlassung  für  die 
Entstehung  so  vieler  uralter  germanischer,  litthauischer,  slavischer  u.  a. 
Sagen  zu  werden,  in  denen  Schlange  und  Milch  wesentliche  Bestandtheile 
bilden.  Vereinzelte  Erfahrungen  geben  niemals  die  Grundlage  für  einen  so 
weit  verbreiteten  Glauben  ab.  Alles  weist  deutlich  auf  den  mythischen 
Hintergrund.  Dergleichen  Ueberlieferungen  leben  noch  immer  in  unseren 
Tagen  fort,  sie  sind  der  dichterische  Schimmer,  der  über  dem  Dasein  des 
Volkes  ausgebreitet  liegt. 

Auch  ein  entsprechender  Gebrauch  konnte  nicht  die  Veranlassung  für 
diesen  Glauben  sein,  denn  der  Gebrauch  folgt  erst  der  Erfahrung. 

Nach  Prätorius  ^)  setzte  zu  Nürnberg  Paul  Creuz  in  einem  gewissen 
Plan  ein  neues  Tischlein  hin,  deckte  darauf  ein  weisses  Tuch,  stellte  darauf 
zwei  Milchschüsslein,  ferner  zwei  Honigschüsslein,  zwei  Tellerchen  und 
neun  Messerchen,  zerriss  eine  schwarze  Henne  über  einer  Kohlpfanne  u.  d.  m. 
Dann   kamen   zwei  Bergmaunlein  (Zwerge)  aus  der  Erde   und  setzten  sich 

1)  Wendisches  Volksthnin,  S.  12ö,  lai,  Wendische  Sapen,  S.  241  und  a.  0.  Im  vori- 
f^n  Jahre  erwiderte  mir  auf  meine  Fnipre:  war  wioilcr  Feuer  in  der  Nachbarschaft?  ein 
kleiner  Junge  in  der  Lausitz:  „Bei  Lapans  hut  der  Blitz  ein^^eschlagen,  aber  Me  hatten  Milch 
im  Hause.*     Zu  ergänzen  war:  sie  konnten  deshalb  gleich  löschen. 

2)  Grimm,  deutsche  Sagen,  I,  4i2. 


100  W.  V.  Schalenburg: 

Pferden  silberne  Hufe  unterschlagen  Hessen  und  dergleichen  mehr.  EDdlich 
gingen  sie  gar  so  weit,  dass  sie  ein  Schwein  ins  Bett  legten,  ihm  ein 
Hemd  anlegten  und  den  Pastor  kommen  liessen,  dem  sie  sagten,  es  sei  da 
ein  Kranker,  welchem  er  das  Nachtmahl  reichen  solle.  Da  ist  der  Pastor 
auch  gekommen,  und  hat  es  thun  wollen,  aber  im  selben  Augenblicke  hat 
er  auch  gesehen,  dass  ein  Aal  aus  dem  Feuer  des  Herdes  hervorkroch, 
und  daran  erkannt,  dass  sich  Ungeheures  begebe.  Da  hat  er  sich  schnell 
zu  Pferde  gesetzt  und  ist  eiligst  davongesprengt,  und  unmittelbar  hinter 
den  Hufen  seines  Rosses  ist  das  Land  weggebrochen  nnd  von  der  See 
verschlungen  worden  und  so  sind  die  sieben  Kirchspiele  untergegangen." 

Gleichwie  der  Blitz  im  feurigen  Wolkenherde  erscheint  und  hinter  ihm 
die  Regenfluth  sich  ergiesst,  so  erscheint  hier  der  Aal  gleich  der  Blits- 
schlange,  und  ihm  nach  die  Wasserfluth. 

Schärfer  und  bestimmter  noch  hebt  der  mythische  Grundriss  dieser 
Sage  bei  Müllenhoff^)  sich  ab.  „Rechts  vom  Wege  von  Schalkholz  nach 
dem  jetzigen  Telliugstede,  nicht  weit  vom  Schalkholzer  Tegel,  lag  das  alte 
Tellingstede.  Die  Leute  waren  so  gottlos  und  übermüthig,  dass  sie  einen 
Prediger  zwangen,  einer  Sau  das  Abendmahl  zu  geben.  Doch  schon  als 
er  ins  Haus  kam,  drang  ihm  ein  Schwefelgeruch  entgegen  und  als  er  nach- 
her wieder  auf  die  Diele  trat;  wimmelte  sie  von  Aalen  mit  grossen  Augen 
und  zischend  wie  Schlaugen,  und  grässlicbe  Kröten  und  andres  Ungeziefer 
lief  umher  und  ein  furchtbarer  Sturm  erhob  sich  und  die  Hunde  heulten. 
Da  rief  der  Prediger  schnell  die  frommen  Leute  des  Orts  zu  sich  nnd  sie 
flohen  und  erbauten  nachher  das  jetzige  Tellingstede.  Gleich  hinter  ihnen 
war  mit  Krachen  das  alte  Dorf  in  die  Erde  gesunken  und  ein  trfiber 
bodenloser  See,  der  Ecksee  oder  Neckssee,  steht  jetzt  da,  in  dem  kein  Fisch 
lebt."  Hier  finden  wir  eine  ganze  mythische  Gesellschaft  vereinigt.  Es 
wimmelt  von  Aalen,  wie  die  Schlangen  um  den  Schlangenkönig  wimmeln, 
oder  bei  der  ünthat,  die  der  Schlange  vom  Menschen  widerfahrt,  wimmelnd 
sich  erheben.  Sie  haben  grosse  Augen,  wie  die  sagenhaften  Fische,  wie 
die  Gewittervögel,  Eulen  und  Hexen 2).  Sie  zischen  wie  Schlangen,  Kröten 
und  sonstiges  Ungeziefer,  laufen  umher  und  treten  uns  als  mythische 
Bekannte  entgegen.  Dazu  kommt  furchtbarer  Sturm,  die  Windhunde  heulen, 
es  fehlt  nur  der  wilde  Jfiger  oder  der  zürnende  Wolkengott,  der  seine 
eiserne  Keule  aus  der  Höhe  niederschleudert  auf  die  Sterblichen. 

Hier  ist  kein  Zweifel:  die  Aale  sind  an  die  Stelle  von  Schlangen 
getreten.  Schon  der  Schwefelgeruch 3)  ist  bezeichnend.  Er  ist  so  oft  der 
Gestank,  den  der  Gewitterteufel  mit  höhnischem  Lachen  hinterlässt. 

Zwei  kleine  Stunden  von  Göttingeu  liegt  der  seeburger  See.  In  alten 
Zeiten   stand    da   eine   stolze  Burg,    auf  welcher  ein   Graf^    Namens  Isang, 

1)  Müllenhoff,  Sagen  aas  Schleswißr-Uolstein,  S.  131. 

2)  Vergl.  Schwartr,  Poetische  Naturanschauungen,  S.  108. 

3)  Schwartz,  UrspruDg,  S.  6,  74,  19G-198. 


102  W.  V.  Schulenburg: 

worden.    Diess  alles  lässt  man  verrichten  in  der  Stunde  von  Mars.     Dieser 
also  zubereitete  Degen  Hess  alle  Degen  der  Gegner  in  Stucke  springen. 

Wenn  man  von  keinem  Menschen  verwundet  werden  will,  so  kann 
man  auf  den  rechten  Arm  eine  Schlangenhaut  binden,  welche  mit  einer 
gegerbten  Aalhaut  überzogen  ist.  Dann  lässt  man  ein  eiser.  es  Zeichen 
von  einem  Stücke  eines  Henkerschwertes  schmieden **  u.  s.  \v.  Die  Ver- 
wandtschaft des  Aales  und  der  Schlange  in  volksthümlicher  Aufiassong 
spricht  sich  hier  sehr  deutlich  aus,  wie  denn  auch  manche  Leute  keinen 
Aal  (oder  Pezker)  essen  mögen,  weil  er  sie  zu  lebhaft  an  die  Schlange 
erinnert.  Selbst  allgemeiner  war  früher  die  Abneigung  vor  dem  Genoms 
der  Aale. 

Auch  die  Erbse  hat  ihre  mythologische  Bedeutung.  Dem  deutschen 
Donnergotte,  Donar,  scheinen  Erbsen  geweiht  gewesen  zu  sein  und  ihm 
zu  Ehren  isst  man  noch  Donnerstags  in  Berlin  Erbsen^).  A.  v.  Perger 
führt  in  seinen  Pflanzensagen  bezüglich  der  Erbse  siebzehn  Gebräuche  und 
Sagen  an.  Bei  ihm  heisst  es  u.  a.:  „wer  eine  einzelne  Erbse  findet,  soll 
sie  nicht  unbeachtet  liegen  lassen,  denn  mancher  gewann  durch  Erbsen 
eine  Königstochter  und  ein  Schloss."  Darin  tritt  klar  genug  das  Wesen 
der  zauberkräfligen  Erbse  hervor.  Bei  Haupt 2)  wirft  Martin  Pumphut, 
der  ein  verstecktes  Verhältniss  mit  der  Schlange^)  hat,  Erbsenkörner*)  in 
den  Kacheltopf  (Ofenblase),  dem  sofort  eine  ganze  Schwadron  ausgerüsteter 
Reiter  entsteigt.  Auch  Pumphut  fängt  unerlaubt  Fische  und  stiebitzt 
Aepfel  im  Lustgarten  des  alten  Dessauer ^),  geht  auch  ungefährdet  über 
Wasser.  Bei  Kuhn  und  Schwartz^)  sind  die  Erbsen  besonders  berück- 
sichtigt. Der  Drache  lässt  seine  Last  in  einen  Brunnen  fallen,  und  als 
nun  einer  hinging,  um  zu  sehen,  was  es  sei,  war  der  Brunnen  bis  zum 
Rande  mit  Erbsen  gefüllt.  —  Der  Drache,  der  sonst  auch  halbverbranntes 
Korn,  Weizen  und  Goldstücke  fallen  lässt,  ist  ursprünglich  einer  der 
wichtigsten  Vertreter  der  Gewitterwesen.  Auf  den  mythischen  Ursprung 
aber  muss  man  zurfickgeheu,  will  man  aus  dem  mannichfachen  Wirrwarr 
der  Sagenwelt  einzelne  Gestalten  bestimmen,  weil  ihnen  trotz  aller  Wand- 
lungen und  Zuthaten  in  den  verschiedenartigen  Sagengcbilden  die  mythisch 
wesentlichen  Eigenschaften  von  ihrem  Ursprünge  her  noch  immer  anhaften. 
—  Einer  Frau  schenken  Zwerge  eine  Erbsranke.  Sie  musste  nämlich,  zam 
Tode  verurtheilt,  in  den  unterirdischen  Gang  hinuntersteigen,  der  ehedem 
auf  Usedom  von  Pudagla  nach  Mellenthin  führte.  Unten  sprang  vor  ihr 
eine  grosse  eiserne  Thüre  auf  und  sie  sah  viele  Zwerge  um  einen  Tisch 
sitzen,  die  ihr  dann  die  Erbsranke  gaben.  Als  sie  wieder  oben  war, 
verwandelte    sich  die  Erbsranke  vor  aller  Augen   in  eine  schwere  eiserne 


1)  Schwartz,  Ürspranfr,  S.  248.    Norddeutsche  Sagen,  S.  446. 

2)  Haupt,  Sagenbuch  der  Lausitz,  I,  S.  185.    3)  Wand.  Sagen,  S.  45. 
4)  Sonst  Häcksel,  Hirse  oder  Hafer.    5)  Wend.  Sagen,  S.  45. 

6)  Kuhn  und  Schwartz,  Norddeutsche  Sagen,  S.  5,  12,  138,  411,  445,  446^  6M» 


Schlange  und  Aal  im  deutschen  Yolksglaubon.  103 

Kette,  die  zam  Andenken  am  Soot  befestigt  wurde,  wo  sie  noch  bis  auf 
den  heutigen  Tag  hängt.  —  Erbsen  darf  man  nur  am  Mittwoch  oder  Sonn- 
abend säen ,  sonst  holen  die  Vögel  sie  hinweg.  —  Am  Johannisfeuer 
kocht  man  Erbsen,  dienlich  zur  Heilung  von  Wunden.  —  Sie  sind  ein 
Sonntagsgericht.  In  Berlin  sagt  man:  _  Erbsen  mit  Speck  müsse  man 
Donnerstags  essen,  an  anderen  Tagen  bringen  sie  Schwären.  —  Sie  bilden 
die  Lieblingsspeise  der  Zwerge  und  das  Gericht  beim  Mahl  der  Hexen. 
Mit  Erbsen  soll  man  an  den  Zwölften  die  Hübner  füttern,  dann  legen 
sie  viele  Eier.  —  Aber  durchaus  nicht  soll  man  während  der  Zwölften 
Hülsenfrüchte,  Erbsen  essen,  das  ist  ganz  allgemein  Vorschrift  aus  Rück- 
sicht für  die  heilige  Zeit  der  Gottheiten.  Isst  man  in  dieser  Zeit  Erbsen, 
so  bekommt  man  Geschwüre^).  In  einer  Räubergeschichte  wird  erzählt, 
wie  ein  Räuberhauptmann  sich  als  Freier  auf  einem  Schlosse  einführt  und 
die  junge  Gräfin  in  den  Wald  verlockt.  Hingestreuten  Erbsen  folgend 
gelangt  sie  durch  eine  Eiche  und  dann  durch  einen  (wohl  unterirdischen) 
Gang  in  die  Wohnung  oder  das  Schloss  der  Räuber^).  Aehnlich  hatten 
Räuber  ein  Mädchen  gefangen  und  in  ihre  Höhle,  die  Mordkuhle  am  Mord- 
kuhlenberge bei  Damme,  geschleppt.  Nach  langer  Zeit  erlaubten  sie  ihr 
(zu  Ostern)  in  die  Eirche  zu  gehen,  wenn  sie  keinem  Menschen  ihren 
Aufenthalt  verrathen  wollte.  Wie  sie  dann  wieder  aus  der  Kirche  war, 
kaufte  sie  sich  Erbsen,  stellte  sich  vor  den  Kirchthurm  hin  und  klagte  ihm 
ihr  ganzes  Leid,  sagte  auch,  dass  sie  wieder  in  die  Mordkuhle  zurückkehren 
und  Erbsen  hinter  sich  streuen  werde^).  Kuhn  gedenkt  dabei  einer  andern 
Sage,  nach  der  die  Räuber  verdeckte  Leinen  über  den  Weg  gespannt 
hatten,  welche  zu  Glocken  führten,  und  das  Mädchen  nach  sieben  Jahren 
Gefangenschaft  die  Erlaubniss  erhielt,  Ostern  zu  feiern.  —  Die  Erbsen, 
welche  zur  Eiche  und  nach  dem  (wohl  unterirdischen)  Schlosse  hinführen, 
sowie  die  Eiche  erinnern  daran,  wie  auch  die  Zwerge  bei  Eichen  ihre 
unterirdischen  Gänge  und  Löcher  haben.  So  wird  überliefert*),  dass  die 
Lntchen  bei  einer  der  berühmten  Rieseneichen  unweit  von  dem  Dorfe  Straupitz, 
am  nördlichen  Rande  des  Spreewaldes,  ihren  Gottesdienst  abgehalten  haben; 
vermuthlich  wohnten  sie  auch  in  der  Nähe.  In  oder  bei  dem  Dorfe 
Lucknitz  (Muskauer  Gegend)  sollen  sie  unter  einer  Eiche  gewohnt  haben, 
unter  die  ein  Fusssteig  führte,  wo  sie  ein  und  ausgingen^).  Noch  sei  aus 
dem  Wendischen  ein  Volksreim  erwähnt,  der  also  lautet:  „Juro,  puro, 
pjer§<5en  groch,  dunder  (oder  dundix)  baba,  zberaj  groch."  Deutsch:  Juro 
(Jürge,    Georg),    puro,    Ring,    Erbsen,    Donnerfrau  (Gewitteralte),   lies    die 


1)  Wendisches  Yolksthum,  8.  134. 

2)  Wendische  Sagen,  8.  6  Anm.  1. 
8)  Kahn,  Westftlische  Sahiren,  21. 
4)  Wendische  Sagen»  S.  22,  276. 
6)  Wendisches  Yolksthum,  8.  170. 


104  W.  V.  Schalonburg: 

Erbsen  auf^).  Diese  Worte  beziehen  sich  sicherlich  auf  ein  mythisches 
Yerhältniss;  aach  hier  tritt  wieder  die  Erbse  in  Beziehung  zur  Donnerfran. 

Es  ist  also  ein  Verhältniss  der  Erbsen  zu  den  Gewitterwesen  erweis- 
bar. Wie  die  Erbsen  mythisch  zu  erklären  sind,  ist  hier  nebensächlich, 
genug,  dass  sie  mythisch  sind. 

Es  wäre  sehr  erklärlich  und  kann  gefolgert  werden,  dass  auch  die 
Schlangen  mit  den  Erbsen  zu  thun  haben,  weil  der  Drache  ebenfalls  in 
Gestalt  einer  feurigen  Schlange*)  durch  die  Luft  zieht. 

Auch  Auen  oder  Gärten,  in  denen  wunderbare  Blumen  blühten,  kennt 
die  Mythologie.  Noch  spricht  der  Landmann  vom  Gewitter,  das  aufblüht, 
von  blühenden  Wolken  u.  d.  m.^).  Die  Alten  kannten  desgleichen  Wiesen 
mit  Blumen  und  Kräutern.  Es  genügt,  auf  die  Wiesenauen  im  Wasser* 
reiche  hinzuweisen,  wo  die  Verstorbenen  weilen  und  die  Gottheit  über  sie 
waltet,  jene  unterseeischen  Gefilde  in  zauberischer  Pracht,  die  nur  selten 
der  Fuss  Lebender  betrat,  wenn  ein  eigenes  Schicksal  sie  dorthin  führte, 
um  Verwünschte  zu  erlösen  oder  Todte  zu  befreien.  Wem  wäre  nicht  ans 
den  homerischen  Gesängen  die  Aphodeloswiese  vertraut?  Mit  jenen  Eräatem 
haben  auch  die  Schlangen  zu  schaifen,  sie  kommen  und  holen  die  heilenden. 
Asklepios,  dem  Gott  der  Aerzte,  umwindet  die  Schlange  den  Stab.  Es 
folgt  nothwendig  aus  den  vorhandenen  Ueberlieferungen,  dass  man  auch 
Erbsen  dort  vermuthete. 

Wie  der  Aal  zeigt  die  Schlange,  welche  vornehmlich  nach  Milch  und 
gebratenen  Eiern*)  geht,  und  ihre  Verw^andtin,  die  Kröte  Naschsncht 
Wolf  berichtet*):  „In  einem  Hause  zu  Gent  wohnten  ein  paar  bejahrte 
Leutchen,  die  konnten  kein  Essen  in  ihrem  Brodschranke  über  Nacht  ver- 
wahren. Das  klagten  sie  einst  ihrem  Schwiegersohne  und  der  sprach, 
er  wolle  es  schon  machen.  Li  der  folgenden  Nacht  versteckte  er  sich  unter 
den  Tisch  und  da  sah  er  denn,  wie  um  Mitternacht  ein  Schlänglein  unter 
dem  Boden  herauskroch  und  nach  dem  Scliranke  schlich.  Gleich  darauf 
kam  eine  Kröte  aus  einem  andern  Loche  und  die  machte  sich  gleichfalls 
nach  dem  Schranke  zu.  Als  das  Schlänglein  an  das  Schloss  rührte, 
sprang  dies  auf  und  die  beiden  Thiere  theilten  sich  in  den  Vorrath  von 
Essen,  den  sie  fanden." 

1)  Wendisches  Volkstham,  8.216  Anm.  1;  Voiksthum,  S.  175  Anm.  1.  Ein  anderer 
Volksreim  lautet: 

»Geh,  hole  Weizen, 

Geh,  hole  groch  (Erbsen) 

Und  schiess  das  alte  Weib  ivg  loy,* 
Bemerkens werth  die  Verbindung  zwischen  dem  alten  Weib  und  £rbsen,  welche  letzteren  auch 
in  einigen  Rinderreimen  noch  vorkommen,  indcä&en  \suhl  ohne  tieferen  Sinn. 

2)  In  China  soll,  wie  ich  einer  Mittheilung  des  chine^siscben  Hauptmannes  Herrn  Za  Lenn 
Biau  entnehme,  die  Auffassung  vom  Drachen  als  einer  goldgeschuppten  Schlange,  die  Regen 
bringt,  im  Volke  allgemein  sein. 

3)  Wendisches  Voiksthum,  S.  164,  165.    4)  Wendische  Sagen,  S.  97,  100. 
5}  Wolf,  Deutsche  Märchen  und  Sagen,  S.  492. 


Schlange  und  Aal  im  deutschen  Volksglauben.  105 

Ansser  den  Aalen  mit  ihrer  merkwürdigen  Vorliebe  für  Erbsen  zeigen 
auch  noch  andere  Geister  oder  mythische  Wesen  entsprechende  Essgelüste. 
Vor  allen  sind  es  die  Zwerge,  die  als  Näscher  in  die  Erbsen  gehen. 
Statt  vieler  eine  Sage^)  aus  dem  Spreewald,  die  auch  sonst  in  Deutschland 
sich  vielfach  wiederholt. 

In  der  Dorfgemeinde  Burg  liegt  der  Schlossberg,  bekannt  durch  seine 
vorgeschichtlichen  Alterthümer.  Auf  dem  hatte  ein  Mann  Erbsen  gepflanzt, 
aber  der  Schoten  waren  alle  Tage  weniger.  Er  hörte  immer  etwas  in  den 
Schoten  knistern,  aber  sah  keinen  Menschen.  Da  wurde  er  ärgerlich, 
nahm  einen  Dreschflegel  und  schlug  in  die  Erbsen.  Da  schlug  er  dem 
Zwerge  die  Nebelkappe  ab  und  sähe,  es  war  ein  Lutchen  da.  Der  sprang 
ein  paar  Schritte,  zog  sich  die  Nebelkappe  wieder  auf  den  Kopf  und  war 
dann  verschwunden.  Entsprechender  noch  zieht  sonst  ein  Mann  mit  seinem 
Knechte  ein  Seil^)  über  das  Feld  und  streift  den  Zwergen  in  den  Erbsen  die 
Nebelkappen  ab^). 

Aehnlich  von  himmlischer  Herkunft  wie  die  Zwerge  sind  die  deutschen 
Nixe ,  in  deren  Bereiche  wir  auch  Wasserfräulein  finden.  Denn  von 
weiblichen  „Nixcn^  ist  mir  im  Volke  nichts  bekannt  geworden,  trotzdem 
alle  Welt  davon  redet  Darum  tragen  die  Nixe  auch  rothe  Käppchen,  oder 
grüne  mit  rother  Puschel,  haben  rothe  Kleider  und  trennen  mit  einer 
Zauberruthe  das  Wasser  wie  Mauern,  gleichwie  der  Blitz  durch  die  Wolken 
fahrend  auch  diese  wie  Wände  theilt  und  öffnet. 

Bei  dem  Dorfe  Neustadt  (in  Schlesien),  gelegen  an  der  Spree,  die  dort, 
umsäumt  von  hohen  Bäumen,  in  breitem  Bette  ihr  Wasser  führt,  war  früher 
ein  tiefes  Loch  in  dem  Flusse*).  Nicht  weit  von  dieser  Wassertiefe  hatte 
der  Förster  seinen  Acker  und  da  kam  der  Nix  immer  aus  dem  Wasser 
und  ist  in  die  weissen  Rüben  auf  dem  Felde  gegangen.  Also  auch 
beim  Wassergeiste  Neigung  in  die  nahegelegenen  Felder  zu  gehen,  nur  dass 
er  statt  der  Erbsen  Rüben  nascht  oder  stiehlt. 

„Einem  Manne  zu  Wetleren  wurde  in  jeder  Nacht,  die  Gott  er- 
schaffen hat,  sein  Tabakfeld  zerstört,  die  Blätter  niedergeschlagen, 
abgebrochen  oder  was  Anderes,  kurz  er  fand  jeden  Morgen  eine  neue 
Ursache   zu  Aerger   und  Verdruss.     Schliesslich   verbarg   er   sich  Abends 


1)  Wendische  Sagen,  S.  285. 

2)  Seil  heisst  in  vorgeschichtlicher  Sprache  auch  Blitz. 

3}  Yergl.  Kuhn)  Westfälische  Sagen.  Einem  Bauer  naschten  die  Zwerge  fortwährend 
die  Erbsen  aus,  ohne  dass  er  sie  jemals  sehen  oder  fangen  konnte.  Da  erhielt  er  den  Rath, 
er  sollte  mit  seinoi»  Knechte  hinausgehen  und  ein  s\H  snöre  mitnehmen,  aber  noch  vor 
Sonnenaufgang.  Deshalb  ging  er  bereits  am  Abend  hin,  um  die  Nacht  bindurch- 
tQwachen.  Wie  er  so  sitzt,  hört  er  die  Zweige  miteinander  sprechen;  da  sagt  der  eine  zum 
anderen : 

aDaf  s  gaut,  dat  dat  de  dumme  biure  nich  weit, 
Dat  de  sünn  um  twölben  npgeit*  u.  s.  w*^ 
4)  Wendisches  Volksthum,  8.  53. 


106  W.  T.  Schulenburg: 

mit  einer  Flinte  in  der  Nähe  des  Feldes.  Bis  Mitternacht  blieb  alles  still, 
dann  aber  regte  es  sich  in  den  Blättern  und  eins  wurde  nach  dem  andern 
geknickt  Dreimal  versuchte  er  zu  schiessen  und  erlitt  selbst  Ungemach. 
Sein  Hut  wurde  ihm  eine  Viertelstunde  weit  geschleudert,  dabei  hörte  er 
ein  schallendes  Gelächter:  ,,Hahaha!  Da  hab'  ich  euch  einmal  festgehabt^ 
Da  erkannte  er,  dass  ihm  der  Wassertcufel  den  Streich  gespielt  habe  und 
ging  still  nach  Hause  zurück^)." 

Gerade  so  gehen  und  schleichen  auch  die  Hexen  in  die  Kuhställe, 
um  Milch  oder  den  „Nutzen^ ^)  sich  zu  holen.  Was  jenem  Manne  mit  dem 
Wasserteufel,  widerfuhr  ähnlich  einem  Bauer  in  der  Lausitz,  als  er  na 
opargi  (auf  Wolborgen)  mit  geladener  Flinte  den  Hexen  auflauerte.  Mond- 
schein war  und  völlige  Stille.  Ein  trockenes  Blättchen  kullerte  an  ihn 
heran  und  auf  einmal  war  ein  grosser  Sturm,     ü.  s.  w.*) 

Eine  Hexe  sagte: 

„Ich  thue  einen  Schritt, 
Butter  und  Käse  du  musst  mit." 
Der  Bauer  mit  dem  Knüppel: 

„Ich  thue  einen  Schlag 
Auf  den  Dunder- Wetter-Sack." 
Hier  wird  ausdrücklich  noch  das  ursprüngliche  Verhältniss  gekennzeichnet. 

Einer  wachte  mit  Degen  und  Stahl  im  Stall  und  machte  einen  Kreis  um 
sich.  —  Um  Mitternacht  kam  ein  grosses  Thier,  wie  ein  Drache,  mit  silberner 
Krone  und  vielem  Feuer;  selbigem  hieb  er  einen  Flügel  ab.  Am  anderen 
Morgen  fehlte  einer  Nachbarin,  einer  Hexe,  der  Arm.  So  zeigt  sich  überall 
ein  wechselreichcs  Eintreten,  weil  die  meisten  Geister  Verwandte  sind. 

Hinter  der  Stadt  Vetscliau  lebt  noch  jetzt  ein  alter,  vom  Volke  in 
seiner  Würde  bestallter  „Tliierarzt",  der  weithin  Ruf  hat.  Auf  Bitten  einer 
Frau  ^citirte"  dieser  eine  Hexe  zu  sich.  Die  hatte  zwei  grosse  Flügel, 
wie  ein  Drache,  war  ganz  dünn  wie  ein  Gerippe  und  fuhr  durch  die  Decke 
hinaus.  Davon  entstand  in  der  Stubendecke  ein  grosses  Loch,  das  man 
noch  heute  sehen  kann.  Ein  solches  Loch  in  der  Decke  macht  ebenso  der 
Drache.  Ein  wendischer  Bauer,  mit  dessen  Sohne  ich  gut  bekannt  bin, 
hatte  einen  Drachen,  der  alle  Nächte  vom  Boden  zu  ihm  herunter  kam  und 
unter's  Bett  kroch;  dazu  war  in  der  Stubendecke  ein  Loch.  Sehr  oft 
knasterte  es  auf  der  Decke,  u.  s.  w. 

Es  war  vorher  von  den  Erbsen  in  mythischem  Sinne  die  Rede  ge- 
wesen; hier  muss  ihrer  noch  in  anderer  Hinsicht  gedacht  werden.  Da  sie 
als  Schoten  ein  Lieblingsgericht  der-Kinder  sind,  scheucht  man  letztere  wie 
aus  dem  Korn,    den  Weinbergen,    von  den  Erbsen  zurück  und  droht  ihnen 


1)  Wolf,  Deutsche  Sagen,  S.  193. 

2)  Das  Wort  „Nutzen*    in   diesem  Sinne  ist  ein  ganz  bestimmter  Fachausdruck  in  der 
Volkssprache,  auch  nicht  zu  verwechseln  mit  dem  .Nutzen*  in  der  Nachgebart  einer  Kuh, 

3;  Wendische  Sagen,  S.  164,  170,  165,  164.    4)  Ebenda,  S.  104. 


Schlange  and  Aal  im  deutschen  Yolks^^lanben.  107 

mit  allerhand  Gespenstern,   so  in  der  Gegend  von  Zossen  mit  dem  Hanne- 
mann.    Aber  die  Kinder  singen  spottend  in  den  Schoten^): 

^Hannemann!  Hannemann!  husch!  hasch!  husch! 

Ich  sitz'  in  Deine  Schoten, 

Wenn  der  Hannemann  käme, 

Mit  de  rot  he  Bräme  (Augenbraue), 

Mit  de  rothe  Mütze, 

Juch,  wie  wollt'  ich  flitzen"^). 
Bei  Trebatsch: 

„.  •  .  Wenn  der  Amtmann  käme. 
Mit  de  lange  Zähne, 
Mit  de  rothe  Pudelmütze  .  .  .^ 
In  Deutschland  werden  verschiedene    solcher  Erbsengeister*)   genannt,    auf 
die  näher  einzugehen  hier  nicht  der  Ort  ist. 

In  der  Niederlausitz,  da  wo  man  wendisch  spricht,  heisst  das  Erbsen- 
gespenst pos^erdanc,  preäerpajnc,  priserpajnc,  serpotnica,  serpowa  baba, 
serpel,  serp.  Wie  es  scheint,  wiederholt  sich  in  allen  diesen  Namen,  die 
der  Mehrzahl  nach  mit  Muhe  nur  im  Volke  noch  aufzufinden  sind,  das  Wort 
serp,  Sichel.  Diese  ist  also  das  Wahrzeichen  des  Feldgeistes,  wenn  wir 
wollen,  einer  Gottheit,  wie  auch  die  wendische  Mittagsfrau,  prezpol^nica, 
namentlich  nach  der  Oberlausitz  zu,  mit  der  Sichel  erscheint,  die  sie  an 
einer  Stange  über  der  Schulter  trägt.     Beide  fallen  zusammen^). 


1)  Wendische  Sa^jfen,  S.  300.  —  Eine  Volksmeinung  ist,  dass  der  Blitz  Löcher  wie  eine 
Erbse  schlägt.  —  Die  Zwerge,  das  kleine  Volk,  auf  der  Edenburg  in  Sachsen,  wollten  Hoch- 
zeit halten  und  sprangen  hinab  auf  den  glatten  Fussboden,  wie  Erbsen  auf  die  Tenne  ge- 
schüttet werden.  Grimm,  Deutsche  Sagen,  J,  S.  84.  —  Der  mythische  Jäger,  ein  nord- 
deutscher Theseus,  welcher  das  alte  Schloss  zu  Lübbenau  wieder  auffand  und  von  Ungethümen 
reinigte,  nahm  dem  Schlangeukonig  die  Krone  fort.  Als  ihn  deshalb  die  Schlangen  ver- 
folgten, warf  er  zu  eigener  Rettung  seinen  Mantel  vom  Pferde.  Den  fand  man  nachher  ganz 
durchlöchert  und  zerschunden.  Dieser  Jäger  gilt  als  Stammherr  und  Ahne  der  Grafen 
Lynar  u.  s.  w.  (Sagen,  S.  97).  Bei  Haupt  (1,  S.  76)  heisst  es  in  derselben  Sage:  , Augen- 
blicklich hört  er  ein  helles  Pfeifen  und  da  schiessen  die  Schlangen  vom  Berge  herab  und 
links  aus  dem  Wasser  in  unzähliger  Menge,  und  alle  hinter  ihm  her  wie  feurige  Blitze  u.  s.w. 
Zu  gedenken  ist  hier  noch  der  Schlange  (nach  den  weiteren  Ausführungen  des  Talmud  auch 
in  die  Klasse  der  Haus-  und  milchschleckenden  Schlangen  gehörig),  welche  im  Wonnegarten 
Paradies  mit  den  zauberhaften  Äpfeln  zu  schaffen  hat,  von  denen  Eva,  die  Frau  des  Adam 
(wie  Embla  des  Ask  im  Germanisch-Nordischen),  in  zwergenhafter  Weise  heimlich  und  un- 
erlaubt geniesst.  Das  Verständniss  einer  solchen  Auffassung  und  Gedankenverbindung, 
die  schon  vor  Jahrtausenden  selbst  in  jenen  Euphratländem  im  ursprünglichen  Sinne 
nicht  mehr  verstanden  wurden,  liegt  uns  natürlich  sehr  fern  (um  so  mehr,  da  wir  ganz 
ausserhalb  jener  kleinasiatischen  Mythen-  und  Sagenkreise  stehen),  etwa  ebenso,  wie  jenen 
Alfuren,  die  nach  dem  Bericht  des  Herrn  Joest  (Zeitschr.  f.  Ethn.,  1882,  Verh.,  S.  75)  die 
Missionare  über  die  Unterhaltung  zwischen  Eva  und  der  Schlange  auslachten  und  sagten: 
»Eine  Schlange  kann  ja  gar  nicht  sprechen,  das  wissen  wir  besser.* 

2)  Vergl.  Mannbar  dt,  Die  Komdämonen,  u.  A. 

d)  Wendisches  Volksthnm,  S.  148,  45.  Sagen,  S.  89.  --  Schon  der  treffliche  Zwahr 
(Wend.  Wörterbach,  S.  d81)  sagt:  sserpyschyja  eine  Mittagsgottheit  oder  Gespenst,  sonst 
psehfepolniza  genannt. 


108  W.  V.  Schulenburg: 

Unter  Deutschen  schwingt  der  wilde  Jäger,  unser  mächtiger  Wode,  eine 
Sichel,  Sicheln  tragen  die  Weiber  der  Hulda^),  mit  Sicheln  schneiden  die 
Mäher,  welche  den  von  Odin  in  die  Höhe  geworfenen  Wetzstein  aufGEmgen 
wollen,  auf  der  Wiese  einander  die  Hälse  ab.  Mit  der  Sichel  verscheucht 
der  griechische  Zeus  die  Gewitterwesen,  die  Pschespoliza  die,  welche  es 
wagen,  in  mittäglicher  Ruhe  den  Acker  zu  betreten,  und  der  Sserpel  (bei 
Trebatsch  die  Sichelfrau)  die  Erbsennäscher. 

Leute  in  Sakrow  (nördlich  vom  Spreewalde)  nannten  das  Schoten- 
gespenst Mürawa  (=  wend.  M6rawa).  Wenngleich  ich  diese  Bezeichnung 
nur  vereinzelt  gehört  habe,  so  verdient  sie  immerhin  Beachtung.  Morawa 
ist  dieselbe  Göttin,  welche,  wie  die  deutsche  Fricka,  Berchta,  Holda,  Harke, 
Fuik,  nicht  duldet,  dass  zwischen  Weihnachten  und  Heiligen  drei  Königen  ge- 
sponnen wird.  Auch  wo  sie  auftritt,  dürfen  in  den  Zwölften  keine  Erbsen 
(keine  Hülsenfrüchte)  gegessen  werden. 

Im  Wasser-  und  wiesenreichen  Burg  im  Spreewalde  ist  der  Glaube  oder 
die  Erinnerung  an  den  Sserpel  oder  die  Sscrpelbaba.  die  Sichelfrau,  sehr 
geschwunden  und  statt  ihrer  ein  anderer  serpel  oder  serp,  nämlich  der  so 
genannte  Wachtelkönig  (Crex  pratensis)  eingeruckt.  Dieser  Vogel,  von 
vielen  gehört,  von  wenigen  gesehen,  dessen  Ruf  man  treffend  mit  serp,  serp 
wiedergiebt  und  dem  W^etzen  einer  Sichel  vergleicht,  hat  daher  seinen  Na- 
men. Von  ihm  sagt  man,  dass  er,  der  hörbar,  aber  unsichtbar  im  Grase 
nasser  Wiesen  lebt').  Nachts  in  die  Erbsen  gehe.  Ich  für  meine  Person 
habe  ihn  unmassgeblicher  Weise  niemals  in  den  Erbsen  gehört.  Doch  mag 
es  vorkommen,  wie  denn  der  Wachtelkönig  auch  in  Getreidefelder  gehen 
soll.  Indessen  kommt  er  sicherlich  nicht  in  Erbsenfelderu  vor,  welche  weit 
von  nassen  Wiesen  entfernt  liegen,  und  doch  sagten  die  Leute  auch  da, 
dass  er  in  den  Erbsen  sich  hören  Hesse.  Also  auch  der  beziehungsreiche 
Wachtelkönig  „geht  in  die  Erbsen". 

Ob  es  nun  mit  den  Besuchen  des  Sserpels  eine  ähnliche  Bewandtniss 
habe,    wie  mit  denen  der  Aale  in  den  Erbsen^),    sei  gänzlich  dahingestellt 


1)  Schwartz,  Ursprung,  S.  113  und  a.  0. 

2)  Beim  Heumähen  mrd  ihm  öfter  Kopf  und  Ilals  wegf^eschnitten,  darum  der  Ruf  der 
Mäher:  serp,  serp,  syju  pfec,  syja  prec,  Sserp,  Sserp,  den  Hals  wegl 

8)  Nichtig  ^äre  der  Einwand,  dass  keine  Vorstellungen  von  Erbsen  überliefert  werden 
konnten,  falls  man  s.  Z.  keine  hatte.  Dann  yerglich  man  mit  ähnlichen  Kurnern,  etwa 
Wicken,  Saubohnen  und  dgl.,  an  deren  Stelle  in  der  Auffassung  die  Eibse  trat,  sobald  sie 
Bedeutung  gewann. 

Unter  dem  mehrschichtigen  Ürnenlager  in  Müschen  (Kreis  Cottbus)  fand  ich  in  zwei  zer- 
fallenen Thongefassen  erbsenäbn liehe,  schwarzverkohlte  Körner,  welche  indessen  nach  dem 
Urtheile  des  Herrn  Prof.  Wittmack,  der  sie  gütigst  einer  Besichtigung  unterzog,  sehr  wahr- 
scheinlich Sau-  (Pferde-,  Futter-)  Bohnen,  Faba  vulgaris  Munch  oder  Vicia  Faba  Linn.  sind, 
von  geringerer  Grösse  als  die  jetzt  hier  heimischen  Arten  (auch  als  Erbsen  bestimmt,  ver- 
gleiche die  Verhandlungen).  —  Saubohnen  waren  früher  bei  der  Bevölkerung  der  Lausitzer 
Niederung  ebenso  wie  anderwärts  eine  Hauptnahrung  (Vergl.  Zeitschr.  f.  Ethn.,  XII,  1880, 
S,  247,  auch  in  Wend.  Sagen,  S.  18,  llö).    Auf  alte  Hoperga  (stara  hoperga),  das  war  acht 


Schlanfife  uod  Aal  im  deutschen  Volksglauben.  109 

So  viel  aber  steht  fest,  dass  der  Aal  mythisch  an  Stelle  der  Schlange 
vorkommt,  daher  es  auch  berechtigt  erscheint,  die  durch  keine  naturwissen- 
schaftlichen Beobachtungen  festgestellte  Vorliebe  der  Aale  fQr  Erbsen  auf 
einen  mythischen  Ursprung  zurückfuhren.  Denn  wenn  wirklich  mehrmals 
Aale  in  Erbsenfeldern,  Erbsen  verzehrend  —  und  das  könnte  doch  nur  ihr 
Zweck  sein  —  getrofifen  worden  wären,  was  trotz  der  unzählbaren  Menge 
der  Beobachter  noch  niemand  hat  erweisen  können,  so  wurde  eine  so  ver- 
einzelte Naturbeobachtung  schwerlich  zu  solchem  Ansehen  im  Volksglauben 
gekommen  sein;  dazu  gehört  mehr. 


Tage  nach  Walpurgi,  der  hohen  Zeit  der  HexeD,  ^o  sie  sich  versammelten  und  ihr  Festmahl 
hielten,  wurden  nach  Hantscho-Hano  in  Schleife  früher  bei  den  (Grenz-)  Wenden  in  der  Mus- 
kauer  Gegend  Saubohnen  gekocht.  Hierl>ei  sei  an  das  Erbsenessen  der  Hexen  bei  Kuhn  und 
8chwartz  erinnert. 


Miscelle. 


B.  B.  Redding:  Wie  unsere  Voreltern  in  der  Steinzeit  ihre  Werk- 
zeuge machten.    The  American  Naturalist,  November  1879,  p.  668. 

Gonsolulu,  ein  kräftiger  Greis  vom  Stamme  der  "Wintoon  oder  Cloud-RlTer- 
Indianer,  die  um  den  Fuss  des  Sbasta-Bergcs,  im  Norden  von  Californien  wohnen,  brachte, 
in  Hirschfell  eingewickelt,  ein  Stück  Obsidian,  etwa  ein  Pfund  schwer,  ein  Stück  Hirschhoni 
von  einem  der  Länge  nach  gespaltenen  Zacken,  etwa  4  Zoll  lang,  einen  halben  Zoll  im 
Durchmesser  und  an  den  Enden  glatt  abgescbliiTen,  so  dass  jede  Endfläche  einen  Halbkreis 
bildete,  ferner  zwei  Zacken  eines  Hirschgeweihes  (Cariacus  columbianus),  deren  Spitzen  zu 
einer  viereckigen  scharfspitzigen  Feile  (a  square  sharp  pointed  file)  zugeschliflPen  waren,  die 
eine  viel  kleiner  als  die  andere.  Er  hatte  auch  einige  Stücke  Eisendraht,  die  an  hölzernen 
Stielen  befestigt  und  in  derselben  Weise  zugescblifTen  waren.  Diese,  sagte  er,  benutzte  er 
mit  Vorliebe  seit  die  Weissen  in's  Land  gekommen,  weil  sie  härter  sind  und  nicht  so  oft 
geschärft  zu  werden  brauchen.  Den  Obsidian  erhielt  er  angeblich  von  einer  Stelle,  etwa 
GO  Miles  N.  vom  Berge  Shästa,  aus  einem  Gebiete,  das  früher  die  Yreka-Indianer  be- 
anspruchten, und  da  die  Triuity-Yreka  und  Modoc-Indianer,  sowohl  als  die  Wintoons  des 
Steines  bedurften,  so  erlangte  man  ihn  selten  ohne  Kampf.  Das  Stück,  welches  er  hatte, 
war  hellblau,  er  schätzte  es  auf  zwanzig  Dollars;  wäre  es  weiss,  so  würde  es,  wie  er  meinte, 
40  bis  60  Dollars  werth  sein.  Ich  konnte  nicht  erfahren,  dass  weisser  Obsidian  härter  oder 
leichter  zu  bearbeiten  sei;  der  höhere  Werth  liegt  wohl  nur  in  seiner  grösseren  Seltenheit 

Er  legte  das  Stück  Obsidian  in  die  linke  hohle  Hand,  steckte  zwischen  den  ersten  und 
zweiten  Finger  derselben  Hand  das  vorher  beschriebene  Stück  gespaltenen  Hirschhorns,  so 
dass  dessen  gerade  Kante  etwa  '/^  Zoll  von  dem  Rande  des  Obsidians  entfernt  war,  ent- 
sprechend der  Dicke  des  abzusprengenden  Scherben;  dann  wählte  er  einen  kleinen,  ab- 
gerundeten, etwa  ein  Pfund  schweren  Rollstein  und  gab  damit  auf  das  andere  Ende  des 
Hirschhorns  einen  scharfen  Schlag.  Der  erste  Versuch  misslang,  es  wurde  ein  l^cherben  ab- 
getrennt, er  zerbarst  aber  in  kleine  Splitter.  Der  Mann  wiederholte  den  Versuch,  indem  er 
das  Hirschhorn  anscheinend  fester  und  sorgfältiger  aufsetzte,  der  zweite  Schlag  gelang;  ein 
vollkommener  Scherben  mit  schönem  muschligen  Bruch  sprang  ab;  ich  kaufte  ihn  und  liess 
einen  anderen  absprengen,  um  eine  Pfeilspitze  daraus  anzufertigen.  Es  gelang  abermals.  Die 
Form,  welche  der  Obsidian  naturgeniäss  annimmt,  wenn  er  in  dieser  Weise  abgesprengt 
wird,  ist  die  einer  Lanzenspitze,  und  er  könnte  mit  geringer  Modification  als  solche  verwerthet 
werden. 

Die  Dicke  des  abzusprengenden  Scherben  wird  bedingt  durch  die  Entfernung  vom  Rande 
des  Obsidians,  in  welcher  die  gerade  Kante  des  Hirschborns  aufgesetzt  wird,  bevor  der  Schlag 
erfolgt. 

Der  Mann  hockte  auf  dem  Boden,  auf  seinem  linken  Fuss  sitzend,  sein  rechtes  Bein  war 
aasgestreckt,  eine  Stellung  wie  man  sie  oft  bei  Schneidern  während  der  Arbeit  wahrnimmt. 
In  seine  hoble  linke  Hand  legte  er  ein  Stück  wohlgcgerbtes  Hirschleder,  anscheinend  vom 
Halse  des  Thieres  herrührend,  es  war  dick  aber  weich  und  geschmeidig,  darauf  legte  er  den 
Obsidianscherben,  den  er  mit  den  ersten  drei  Fingern  derselben  Hand  fest  in  seiner  Lage 
erhielt.  Den  Ellenbogen  stützte  er  auf  das  linke  Knie,  wodurch  der  linke  Arm  und  die  den 
Scherben  haltende  Hand  festen  Halt  bekamen.  Dann  nahm  er  mit  der  Rechten  den  grösseren 
der  Hirschgeweihzacken,  dessen  Spitze,  wie  erwähnt,  in  Gestalt  einer  viereckigen  Feile  zu- 
geschärft war,  hielt  ihn  wie  ein  Holzschneider  seinen  Stichel  und  begann  damit  den  einen 
Rand  des  rundlichen  Scherben  in  eine  gerade  Linie  zu  verwandeln.  Indem  er  den  Daumen 
der  rechten  Hand  auf  den  Rand  der  linken  Handfläche  stützte,  kam  die  Spitze  des  Geweih- 
zackens etwa  V^  2oll,  oder  weniger,  vom  Rande  des  Scherben  zu  liefen;  durch  einen  starken 
Druck  derselben  nach  unten  brach  dann  jedesmal  ein  Stück  von  der  gewünschten  Grösse  mit 
muscbligem  Bruch  ab.  Die  Spitze  des  Zackens  wurde  dann  etwas  weiter  gerückt  und  das- 
selbe Verfahren  wiederholt  bis  nach  wenigen  Minuten  der  eine  Rand  des  Scherben  eine  gerade 


Miscelle  und  Bncbersehan.  111 

Linie  bildete.  Da  dnrch  diese  Bearbeitung  alle  Splitter  von  der  untern  Seite  des  Scherben 
abgesprengt  wurden,  so  würde  die  Pfeilspitze,  hätte  man  sie  in  diesem  Zustande  gelassen, 
nicht  gleichmässig  gestaltet  gewesen  sein,  d.  h.  die  beiden  schneidenden  Kanten  würden  sich 
nicht  in  der  Mitte  befunden  haben.  Deshalb  rieb  er  auf  der  scharfen  Kante,  die  er  gemacht 
hatte,  mit  der  Seite  des  Hirschhomes  kräftig  hin  und  her,  bis  die  Schärfe  abgestumpft  war. 
Dann  wurde  der  Scherben  umgedreht  und  das  Absprengen  von  Neuem  begonnen.  Nach 
Vollendung  dieser  Arbeit  war  von  jeder  Seite  des  Scherbenrandes  gleich  viel  abgesprengt  und 
die  schneidende  Kante  lag  in  der  Mitte.  Jetzt  war  es  klar,  dass  der  auf  diese  Weise  her- 
gestellte gerade  Rand  eine  Seite  des  langen  gleichschenkligen  Dreiecks  bilden  sollte,  welches 
die  Form  der  von  diesem  Stamme  verwendeten  Pfeilspitze  ist. 

Wenn  der  Obsidianscherben  fest  in  dem  Kissen  der  linken  Hand  lag,  und  die  Spitze  des 
Hirscbhoms  kräftig  gegen  den  Rand  des  Scherbens  gepresst  wurde,  so  war  die  Wirkung  die- 
selbe, wie  die  des  Schlages,  welche  den  Scherben  von  dem  grossen  Stück  absprengte.  Während 
der  Alte  aber  der  Wirkung  des  Schlages  nicht  immer  ganz  sicher  war,  schien  er  mit  der 
Spitze  des  Birschhoms  im  Stande  zu  sein  genau  das  gewünschte  Stück  absprengen  zu 
können.  Das  dicke  weiche  Hirschleder  scheint  keinen  andern  Zweck  gehabt  zu  haben,  als 
die  Hand  gegen  Schnittwunden  von  den  unzähligen  abgesprengten  scharfen  Splittern  zu 
schützen.  Nachdem  nun  die  eine  Längsseite  der  Pfeilspitze  vollendet,  wurde  der  Scherben 
umgedreht  und  die  andere  Seite  auf  dieselbe  Weise  hergestellt.  Da  aber  hier  vielmehr  Ob- 
sidian  fortgebrocben  werden  musste,  so  wurde  stärkerer  Druck  angewendet,  und  grossere 
Stücke  abgebrochen,  bis  der  Scherben  die  gewünschte  Form  annahm,  worauf  dieselbe  Sorgfalt 
der  Behandlung,  wie  bei  Bearbeitung  der  ersten  geraden  Seite  angewandt  wurde.  Bei  dem 
Absprengen  der  grossen  oder  kleinen  Scherben  blieb  die  Handhabung  dieselbe.  Der  Druck 
der  Hirschhomspitze  ge^en  die  obere  Kante  des  Scherben  schien  nie  ein  Stück  abzusprengen, 
welches  an  dem  oberen  Rande  über  den  Ansatz  des  Hirschhorns  hin  aussagte,  während  auf 
der  unteren  Seite  das  ausgebrochene  Stück  doppelt  so  gross  war. 

Jedesmal  nachdem  eine  Reihe  Splitter  abgesprengt,  wurde  die  scharfe  Kante  abgerieben, 
der  Scherben  umgedreht  und  das  Absprengen  auf  der  andern  Seite  fortgesetzt.  Durch  dieses 
Verfahren  erlangt  man,  dass  diese  schneidenden  Kanten  in  derselben  Ebene  liegen.  Die 
Basis  des  Pfeils  wurde  in  derselben  Weise  gebildet.  Linien  wurden  nicht  gezogen,  aber  ge- 
legentlich betrachtete  der  Alte  sein  Werk,  während  es  fortschritt,  und  bearbeitete  die  eine 
oder  die  andere  Seite,  um  sie  gleichmässig  zu  erhalten.  Die  Basis  der  vollendeten  Pfeil- 
spitze wird  in  eine  Kerbe  im  Ende  eines  hölzernen  Schaftes  eingepasst  und  mit  Hirsch- 
sehnen daran  festgebunden.  Damit  die  Pfeilspitze  am  Schafte  festsitze  und  die  Sehne  das 
Eindringen  des  Pfeiles  nicht  hemme,  wird  ein  etwa  7^  Zoll  grosser  Ausschnitt  in  beiden 
scharfen  Kanten  der  Pfeilspitze  angebracht,  etwa  Vi  Zoll  über  der  Basis.  Daher  sieht  die 
Pfeilspitze  aus,  als  hätte  sie  Widerhaken;  es  scheint  aber  nur  auf  ein  Mittel  abgesehen  zu 
sein,  um  die  Pfeilspitze  fest  an  dem  Schafte  zu  befestigen,  ohne  ein  Hindemiss  für  das  Ein- 
dringen derselben  zu  schaffen.  Das  Ausbrechen  dieser  Oeffnungen  war  die  letzte  Manipula- 
tion, und  schien  mir  schwieriger  als  alle  übrigen,  ich  fürchtete,  dass  alle  bisher  aufgewendete 
Geduld  und  Mühe  dabei  aufs  Spiel  gesetzt  wurde.  In  Wirklichkeit  aber  war  das  Verfahren 
das  einfachste,  sicherste  und  schnellste  von  allen.  Der  Mann  hielt  die  wohlgeformte  Pfeilspitze 
zwischen  Daumen  und  Zeigefinger  der  linken  Hand,  die  Spitze  nach  oben,  die  Basis  auf  dem 
Lederkissen  in  der  Handfläche  ruhend,  dann  nahm  er  den  kleinen  Geweihzacken,  der  in  der- 
selben Weise,  wie  der  grosse  zugeschärft,  aber  in  allen  seinen  Verhältnissen  viel  kleiner  war; 
seine  Enden  konnten  nicht  über  ^ji^  Zoll-Quadrat  gross  sein.  Er  stemmte  dieses  Ende  gegen 
den  Rand  der  Pfeilspitze,  wo  er  die  Vertiefung  anbringen  wollte,  und  begann  in  wiegender 
Weise  damit  hin  und  her  zu  sägen,  die  feinen  Splitter  sprangen  von  jeder  Seite  ab,  die 
Spitze  des  Hirschhorns  drang  tiefer  und  in  weniger  als  einer  Minute  war  der  Ausschnitt 
fertig;  dann  drehte  er  die  Spitze  um  und  wiederholte  dieses  Verfahren  an  der  anderen  Seite. 
Es  schien,  als  hätte  er  auf  diese  Weise  in  wenigen  Minuten  die  Pfeilspitze  mitten  durch- 
schneiden können.  Nun  besah  er  seine  Arbeit  im  hellen  Sonnenlicht,  und  übergab  mir,  da 
er  damit  zufrieden  war,  die  Pfeilspitze.  Er  hatte  vierzig  Minuten  gebraucht  um  die  beiden 
grossen  Scherben  von  dem  Obsidianstück  abzusprengen  und  einen  derselben  zu  einer  Pfeil- 
spitze zu  formen.  Als  es  an  das  Feilschen  ging,  fand  ich,  dass  sie  75  Cents  (3,20  JC)  kosten 
sollten,  zahlbar  in  Muscheln  (Deutalium  eutalis),  welche   er  höher  schätzte,  als  ihren  Geld« 


112  Miscelle  und  Bücherscban. 

wertb.  Der  Wertb  des  Scherben  und  der  Pfeilspitze  gründete  sich  nicbt  aaf  die  verwendete 
Zeit  nnd  Mnbe,  sondern  auf  den  Wertb  des  Obsidians,  da  sieb  der  Mann  erbot,  mir  för  einen 
DoUarwertb  in  Muscbeln,  zebn  aus  Bierliascbenboden  gemacbte  Pfeilspitzen  von  g;leicber 
Form  und  Grosse  zu  überlassen.  Die  Celte,  Messer,  Schaber,  Meissel  der  Steinzeit  sind  alle 
viel  leichter  herzustellen,  als  dergleichen  Pfeilspitzen.  Ich  bezweifle,  dass  bei  ihrer  Anferti- 
gung Steinhämmer  benutzt  wurden,  ausser  um  Scherben  von  einem  grossen  Stück  Feuerstein 
oder  Obsidian  abzuspreugeo,  und  in  solchem  Falle  wurde  der  Schlag  wohl  durch  ein  Stück 
Hirschhorn  oder  hartes  Holz,  in  der  Art,  wie  ich  es  beschrieben  habe,  übertragen.  Ein  un- 
mittelbar mit  dem  Steinhammer  auf  den  Feuerstein  geführter  Schlag  würde  selbst  in  geübter 
Hand  sehr  nnsicher  in  seiner  Wirkung  sein.  .  .  .  Wahrscheinlich  könnten  grosse  Splitter  ans 
der  Kante  eines  Scherben  ausgebrochen  werden  vermittelst  einer  Einkerbung  am 'Ende  eines 
Geweihzackeus,  so  wie  jetzt  die  Eingebornen  von  Alaska  den  Walrosszabn  verwenden,  und 
wie  ich  Fensterglas  mit  einem  Schlüssel  habe  ausbrechen  sehen;  eine  Pfeilspitze  aber  ist  zn 
klein  iind  zu  fein  für  derartige  Manipulationen. 

Ich   kann   nicht  umhin  zu  glauben,   dass  unsere  Voreltern  iu  der  Steinzeit  in  derselben 
Weise  wie  Consolulu  verfuhren.  F.  Jagor. 


Bücherschau* 


Beal,  Abstract  of  four  Lectares  on  Buddhist  Literature  in  China.   London  1882. 

Die  werthvollen  Beiträge,  welche  der  Verfasser  seinen,"  zu  den  fundamentalen  im  Buddhis- 
mus  gehörigen,  Arbeiten  femer  zufügt,  vermehren  sich  durch  5  Tafeln,  ,copied  from  those 
found  in  Jin-chau's  History  of  Buddhism  (Fa-kiai-lih-tu),*  Mount  Sumeru,  the  four  kings, 
the  Sakwala,  the  four  Dvipas,  the  thirty-tbree  gods.  A.  B. 


Horn's  Geschichte  der  Literatur  des  Skandinavischen  Nordends  von  den  Ute- 
sten  Zeiten  bis  auf  die  Gegenwart.    Leipzig  1880. 

Für  berechtigte  Anspräche  auf  Interesse  des  deutschen  Lesers,  führt  der  Verfasser  unter 
den  ersten  Gründen  an,  ,weil  die  nordische  Literatur  im  Ganzen  genommen  ein  Ausdruck 
des  Geisteslehens  einer  mit  der  deutschen  nahe  verwandten  Volksindividualität  ist,*  und  fühlt 
sich  in  der  That  diese  Verwandtschaft  mehr  und  mehr,  je  mehr  in  der  Anthropologie  und 
Pr&historie  gerade  gemeinsame  Studien  zusammenführen.  A.  B. 


Cowan,  The  Bora  Land,  a  description  of  the  Country  and  People.    Antfr* 
nanarivo  1881. 

Dem  Besuche  dieses  Districts  (lying  to  the  south  and  west  of  southern  Betscheo)  ist  eine 
Karte  beigegeben:  South  Central  Madagascar,  Sketch  map  of  the  Bora  (nach  den  Aufnahmen 
der  Reise).  A.  B. 


VII. 
Der  Zauber  des  „rückwärts"  Bingens  und  Spielens*). 

Von 
Direktor  W.  Sohwartz  in  Berlin. 


In  der  anthropologischen  Gesellschaft  ist  öfter  von  der  Zauberformel: 
sator,  arepo,  tenet,  opera,  rotas  die  Rede  gewesen  und  die  Wörter 
haben  allerhand  eigentumliche  Deutungen  dann  hervorgerufen,  wie  auch  sonst 
schon,  indem  eine  individuelle  Lösung  gesucht  und  die  Sache  nicht  auf  eine 
breitere  Basis  dazu  gestellt  wurde.  Die  Formel  steht  nämlich  nicht  isolirt 
da,  wie  einfach  ein  Einblick  in  Wuttke^  Der  deutsche  Yolksabcrglaube, 
Berlin  1869,  zeigen  kann,  der  unter  vielen  ähnlichen,  aus  dem  Mittelalter 
stammenden  Formeln  auch  diese  anführt,  indem  er  bei  den  vielen  Spielereien 
in  dieser  Hinsicht  mit  Worten  und  Buchstaben  auch  das  sator,  arepo,  tonet, 
opera,  rotas  als  oft  vorkommend  erwähnt  und  hinzusetzt:  „diese  fünf  W^örter 
zu  je  fünf  Buchstaben,  finden  sich  sehr  oft  vor  zu  vielerlei  Zauberzweck, 
oft  genau  unter  einander  geschrieben,  so  dass  man  die  25  Buchstaben  nach 
jeder  Richtung  lesen  kann.  Sie  werden  auch  dem  Vieh  gegen  Behexung 
eingegeben  und  auch  Pferde  müssen  Zauberzettel  fressen.  Es  wäre  vergeb- 
liche Muhe,  wenn  man  aus  allen  diesen  Buchstaben  und  Wörtern  einen  Sinn 
heraus  deuten  wollte  u.  s.  w."  —  „Die  grosse  Verschiedenheit  der  Buch- 
staben- und  Zeichenformeln  för  dieselbe  Sache,"  fahrt  er  fort,  „zeigt  übrigens, 
dass  (im  Einzelnen)  keine  bestimmte  Ueberlieferung  vorliegt,  sondern  die 
erfinderische  Willkür  waltet.**  So  Wuttke  im  Anschlus  an  J.Grimm, 
indem  er  zum  Schluss  noch  darauf  hinweist,  „dass  die  speciell  in  auf- 
geschriebenen Worten  bestehenden  Zaubermittel  sich  im  Allgemeinen  mehr 
an  das  orientalische,  durch  die  Araber  weiter  gebildete  und  nach  Europa 
gebrachte  Zauberwesen  anlehnen,  womit  nicht  ausgeschlossen,  dass  nicht 
auch  hebräische  und  lateinische  Wörter  und  Buchstaben  in  Anwendung 
kämen,  ja  zuletzt  auch  der  Name  Christi  und  der  Apostel  und  dergleichen 
hineinspiele.^ 

Das  Charakteristische  dieser  Art  von  Zauberei  war  nämlich,  dass  sie 


1)  Mit  einem  Nacbtraff  Tom  TodtenfäbrmaDn  and  der  Schatten  weit. 

ZcitM-hrirt  für  Ethnologie.    Jahrg.  188S. 


114  ^^^^^^^^  W.  Schwartz: 

zunächst  aus  mehr  oder  minder  gelehrten,  wenigstens  schriftkuDdigen 

Kreiden  dem  allgeraeiDeti^  in  Europa,  herrschendeo  Volksglauben  eutgegetikara, 
und  hieriu  liegt  auch  der  Grund,  dass  sich  zum  Theil  doch  auch  in  dieseE 
Abstrositäten  eine  ge wiese  Methode  zeigt.  So  beraht  z,  B.  die  o^| 
erwähnte,  aus  der  Kenntniss  des  Lateinischen  gebildete  FormeP)  auf  dem 
alt h e idn i scheu,  weit  verbreiteten  Glauben,  dass  ein  Zauber  durch 
Umkehr uüg  gewandelt,  ja  äogar  aufgehoben  und  man  dies  letztere  be- 
sondere erreichen  könne,  wenn  man  Zauberiieder  „rückwärts"  spräche 
oder  spiele,  was  dunn  auf  dem  Gebiet  der  Worte  and  Buchstaben 
zu  solcbeo  Konstruktionen  und  Erfindungen  wie  die  obige  führte.  Denn 
der  Kernpunkt  des  Spruches  ist  ja,  dass  in  diesem  Sinne  die  Worte  zu- 
sammengestellt sind-,  dumn  sator,  arepo,  tenet  rückwärts  geleaeo  beisst 
tenet,  opera,  rotas;  tenet  ist  gleichsam  die  Axe,  um  die  sich  das  Ganze 
dreht;    einen  Sinn  hat  es  weiter  nicht! 

Diese  Eigenthümlichkeit  beim  Zatiber,  namentlich  beim  Gegenzauber, 
hebt  auch  Wuttke  S.  171  hervor,  indem  er  sagt:  Eine  verwandte  Bedeutung 
hat  es,  wenn  beim  Zauber  vieles  umgekehrt  gemacht  werden  muss;  maD 
geht  rückwärts,  spricht  bestimmte  Formeln  und  Gebete  rückw^ärts  und 
dergh  mehr."  Das  ist  uralt  und  tritt  in  Sage  und  Gebrauch  in  der  mannich- 
fachöten  Weise  hervor,  namentlich  im  Sinne  des  Aufhebens,  des  Ruck- 
gängigmachen s,  wie  schon  angedeutet,  von  jeglicher  Art  Zauber,  Bu- 
schwöruugen  u.  dergl.,  was  auch  schon  Voss  zu  Georg,  IV.  485  ff,  für  das 
klassische  Alterthum  ausspricht.  Wie  z.  B.  in  deutschen  Sagen  der  Jäog- 
ling,  welcher  die  Prinzessin  erlosen  will,  sich  nicht  nach  all'  dem  bei  dem 
Erlösungswerk  um  ihn  auftauchenden  Spuk  umsehen,  sich  nicht  um- 
kehren darf,  sonst  verschwindet  der  Zauber,  und  die  Prinzessin  ver- 
sinkt in  die  Tiefe  unter  dem  dröhnenden  Nachruf  ^Ewig  verloren",  wird 
auch  Jason  aufgefordert,  als  er  die  Hölle  mit  der  Hekate  am  Himmel  herauf- 
beschworen, ruhig  fortzugehen  und  sich  nicht  nach  all  dem  Spuk  um- 
zukehren, sonst  störe  er  das  Zauberwerk,  und  als  Orpheus  bei  dem- 
selben Verbot  eich  doch  nach  der  durch  sein  Spiel  aus  der  Unterwelt 
heraufgezauherten  Eurydike,  welche  die  Sage  zu  seiu er  Gattin  macht, 
umkehrt,  so  versinkt  die  aus  der  Tiefe  heraufsteigende  Gestall 
wieder,  wie  die  Prinzessin  uud  ist  ihm  ewig  verloren  (Voss  a.a.O. 
dann  Heut.  Volksgl.  1862  p.  109  £  Berl.  Zeitschr.  f.  Gymnasial wesen  1866. 
p,  786  fl.  Poet.  Nsturan,  II  154  f,,  wo  die  Scenerie  der  betr.  Sagen  am 
Gewitterhimmel^  das  Versinken  des  betr.  weiblichen  Wesens,  ursprüng- 
lich der  Sonne,  im  niederfahr enden  Blitz  u.  s.  w.  nachgewiesen). 

Was  in  diesen  Sagen,  trotz  der  eigenth  um  lieben  Gestaltung,  die  sie  in 
ihrer  individuellen  Entwickeinng  zeigen,  immer  noch  hindurchreflektirt,  triti 
uns  bei  lateinischen  Dichtern   in  Bezug   auf  die  Anwendung   von  Zauber* 

1)  Wie  w«it  sie  auch  später  gewaadert  und  welche  Umwandlungen  sie  auch  im  Kinwlaw 
erfabr^ri  hat.  darüber  u.  Zeitschr.  f.  Eibnol.  1881  8.85  und  1880  ».556. 


Der  Zauber  des  ,rdckwärt8*'  Sinfirena  uo<i  Spielens. 


form  ein  als  gelorderter  Gebraucli  behufs  Aufhebung  des  Zaubers 
(inf^lvoifjg  f{iVüftoL\  Hom  bymn.  m  Cererem  v.  230j  uocb  direkt  entgegen. 
So  läsest  2.  B.  Ovid  den  Maüareus,  des  Odyseeus  Gefäbrteu,  seine  und 
seiner  Genossen  Entzauberung  Metam.  XIV,  297  ff,  folgendermussen  er- 
zählen. Als  Odyeseus  von  der  Circe  die  Aufbebung  des  über  seine  Ge- 
^»  fährten  verhängleu  Zaubers  fordert,  heisst  es: 
^B  »pargiuiur  inuocuae  succia  raelioribus  herbac^ 

^B  percutimurque  capul  conversae  verbere  virgae: 

^^^K  verbaque  dicuntur  dictis  contraria  yerbis. 

^^^B  quo  magis  illa  canit^  magis  hoc  tellure  levati 

^^^B  erigimur:  setaeque  cadunt  clc. 

^H  Neben  dem  heilenden  Salt  treten  charakteristisch  die  umgewandte 
'  Zanberruthe')  und  die  verba  dictis  contraria^  um  den  früheren  Zauber 
aufzuheben,  und  dass  mit  letzterem  nicht  etwa  bloss  ein  Gcgenzauberlied, 
sondern  faktisch  das  alte  rückwärts  gesungen  (wie  oben  beim  sator 
arepo  n.  s,  w  )  gemeint  ist,  zeigt  ausser  anderen  Analogien,  auf  die  wir  gleich 
noch  kommen  werden,  schon  einfach  eine  Stelle  beim  Valerius  Flaccue 
1.  779  ff,,  wo  es  von  Aeson  in  Betrefl'  einer  wieder  am  Himmel  herauf- 
beschworenen Hölle  heisst: 

Ihunc  (seil,  taurum)  sibi  praecipnum  gentis  de  uiore  nefandae 
Thessalis  in  serös  Ditis  servaverat  usus. 
TergemiiTam  tum  placat  heram  Slygiasque  supremo 
obsecrat  igne  domos  jam  jam  exorabile  retro 
Carmen  agens;   neque  enim  ante  leves  niger  avehit  umbras 
portitor  et  vinctae  pigris  stant  fancibus  Orci, 
Nicht  eher  verschwindet  die  am  Himmel  heraufgekommene  Unterwelt 
it  ihrem   Todtenkahu,    den    man    namentlich    in    der    dunklen    dahiD 
gleitenden    Gewitterwolke   zu   erblicken   wähnte^},    nicht    eher    sinken 
die  dunklen  Schatten  wieder  in  die  Tiefe  hinab,  ale  bis  das  Zauberlied, 
^^  welches  sie  heran  beschworen,  rückwärts  gesungen. 

^B  Dieselbe  Vorstellung  zeigt  die  deuti^iche  Sage  beim  zauberhaften  Citiren 
und  Vertreiben  der  Gespenster  überhaupt.  In  Ladebiirg  in  der  Mark  hörte 
ich  eine  dahin  schlagende  Sage*  Die  alten  Zaubergescbicbten ,  heisst  es, 
stehen  alle  im  VI,  und  VU.  Buch  Mose;  das  hat  eiunuil  Einer  gehabt  und 
hat  es  liegen  lassen.     Ein  Knecht  kommt   darüber  und,    wie  er  anfangt  au 


f  1)  Eine  Doppelwirkuiig  der  Zaubermthe  tritt  amh  sonst  beim  caduceuB  hervor.  Wen 
Hermes  mit  dem  dicken  Ende  desselben  berührte,  tier  starbt  wen  mit  dem  dÜDnen,  der 
lebte.  Urspr,  d.  Myth.  S.  12ö;  ebenso  heisst  es  allgemeia  bei  Vergil  voü  ^eiüer  Knihe  immer 
in  doppelter  BeziehuDg  ,  IV,  242  ff,: 

tum  Tir^am  <!apit^    iiac  animas  itle  evocat  Ot(^o 
pallentis,  alias  snh  Tartara  Iristia  mittit, 
dat  aomnos  adimitque  et  Inmina  morte  resij^nat. 
2)  Eine  maanjchfach    entwickelte   Vi)r.stellüai(    der  Indogermaiieii.      Ürspr,  d.  Myth,  273. 
Fast,  Nalnran.  IL  s.  aiiib  den  Anhang  zu  diej^om  Aufsatz, 

8* 


116 


W,  Schwurtz: 


lesen,  füllt  sich  das  gaoze  Gehöft  mit  Ratten  und,  wie  er  immer  weiter 
liest,  mitRaben^  die  kamen  von  allen  Seiten  geflogen,  dann  kamen  lauter 
schwarze  Männer,  Zum  Gluck  sieht  es  der  Gutsherr,  der  kannte  die 
Geschichte  und  dränge  sich  durch  und  risa  dem  Knecht  das  Buch  fort. 
Dann  fing  er  an,  rückwärts  zu  lesen,  uad  wie  Alles  gekommen  war,  ver- 
schwand Allee  allmählich  wieder V).  Eine  ähnliche  Sage,  nur  mit  etwa» 
modificirter  Sceneric,  berichtet  Roch  holz  aus  d*fm  Aargau*)  und  bemerkl 
dazu;  „die  Geschichte  von  dem  rückwärts  gelesenen  Zauberbuche  wird 
auch  dem  Heinr.  CorneL  Agrippa  uacherzäblt  in  Philonis  Magiologie 
(1675)8.246.'*  Dazu  stellt  sich  ferner,  wenn  Liebreich,  Gervasius  von 
Tilbury.  Hannover  1856.  S,  117,  wo  er  von  dem  sössen,  zauberhaften 
Gesang  und  Spiel  der  Elfen  und  dem  dänischen  Strömskarlslag,  der 
selbst  leblose  Dinge  tanzen  machte,  redet,  folgendermassen  fortfahrt: 
„dem  Zurückspielen  dos  Musikstückes  wird  nach  dänischem  Glauben  die 
Kraft  beigemessen,  die  zauberische  Wirkung  zu  brechen,  ebenso  dem 
Rück  wärt 8811  gen  des  Paternosters  nach  schottischem  Glauben,  s.  W.  Scott 
zur  Batlade  Young  Benjie  in  der  Minstrelsy." 

Sind  es  gleich  nur  wenige  Bruchstücke  eines  alten  Glaubens,  welche 
nns  der  Zufall  bat  übrig  gelassen,  so  genügen  sie  doch,  die  Entwicklung 
desselben  erkennen  zu  lasseo.  Ergiebt  sich  das  liückwärtsschreibeD 
in  den  Formeln  wie  sator  arepo  u.  s.  w.,  das  angebliche  Rückwärtslesen 
schon  von  vornherein  mit  der  Verwendung  der  Schrift  als  eine  spätere 
mehr  mechanische  Anwendung  eines  alten  Glaubens,  so  gilt  auch  dasselbe 
zum  Theil,  einfach  vom  Standpunkt  praktischer  Ausführung  aus,  schon  von 
dem  sogenannten  Rück  wärtssprechen,  während  zu  dem  ursprunglichen 
Charakter  aller  Zauberformeln,  wo  es  weniger  auf  einen  bestimmten  Inhalt 
als  auf  ein  gewisses  gefaeimnissvolles  Wispern  und  Murmeln  (Summen  I 
and  Singen)  ankommt,  ebenso  wie  bei  dem  Strömekiirislag,  dem  zauberhaften 
Gesang  und  Spiel,  sich  die  Vorstellung  eines  gleichsam  ansteigenden 
und  dann  vice  versa  sich  senkenden  Affekts  als  etwas  natürlicheres  sich 
ergiebt,  und  in  dieser  Form  auch  der  Ursprung  der  doppelten  Wirkung  des 
Heraufbeschwören  s  des  Zaubers  und  die  Kunst,  ihn  wieder  ver- 
schwinden   zu  lassen,  zu  suchen  sein  dürfte. 

Das  Summen  und  Wispern  des  Zauberliedes  hat  ausser  Grimm 
auch  schoD  Wuttke  a.  a,  0.  hervorgehoben  und  bei  griechischen  wie 
romischen  Dichtern  tritt  es  gleichfalls  auf  das  cbarakteriatischste  hervor. 
So  heisst  es  z.  B.  Orpheus  Argon,  V*  1001,  als  der  Schlaf  beschworen 
wird,  den  Drachen  einzuschläfern: 

xlayia  ö'a^  ik  x^Xvnq  ßa(ivav%iva  (p(i}v^v 

aiyaliog  aff^iyzcyv  BfioJg  vno  xBikBat  niftnmv*^  desgl. 


1)  Ifärkbche  Forschutigeii.     Berlin  1863.  VII T.  184. t  wo  ich  mich  auch  über  das  Hinein- 
xjeh«a  dei  angebt.  Vi;  und  VIJ.  ßuch»  Muses  f^äuAftert  habe. 

2)  Schweizeraagen.     185G.  iL  147. 


Der  Zauber  des  pr5ckw5rU'  Sinjfens  utirl  Spielen». 


in 


Metam.  VIL  251   von  der  Medea: 

quos  ubi  placavit  (Medea)  precibiisque  etraurmure  longo.    Ebenso: 
WL       Valeriua  Flaccua  Argon,  VII.  463  ff. 
^^^H  carmina  nunc  totos   volvil  Bgitque  per  artus 

^^^H  AesoDidae  ot  totum  nepteuo  murmure  fertur 

^^^H  per  clipeiim  atqiie  viro  f^raTiorem  reddidit  ImBtam,  ' 

^^^^  Ea  ist  immer  mehr  ein  gesummtes  oder  gemurmeltes  oder  still  gesungeues 
"Ijied,  wie  ea  auch  meist  immer  als  Carmen  bezeicbnet  wird  und  von  einem 
Singen  die  Rede  ist,  z,  B,  bei  Silius  Italicus  VIIL  473  f.  kurzweg  von 
Jen  Miiröern  hei  st: 

hae  belbre  acies  norant,  at  Marsica  pnbea 
et  bellare  manu,  et  cbelydria  cantare  soporem, 
vipereumque  herbis  hebetare  et  c  arm  ine  dentem, 
5JDe  hierher  gehörende  Stelle  erinnert  aoch  noch  apeciell  an  die   oben 
erwähnten  Sagen  vom  Heraufzaubern  der  Gespenster  und  dem  sie  wieder 
TTertrei  ben,  wenn  es  beim  Papinius  Statins  IV.  550^  wo  Teireaias  mit  der 
Manto  die  Geister  der  Unterwelt  heraufbeschwort,  heisst; 
^L  jusaa  facit  carmenque  serit,  quo  dissipat  umbras, 

^m  quo  regat  et  sparsas, 

^M        Die  exstatische  Steigerung  des  Gemurmele  aber  bis  zum  Geheul 

^Blritt  in  anderen  Stellen  hervor  und   bringt    uns    damit    die  Vorstellung    dea 

Auf-    und   Absteigeos  reap.  Rückwartssin  gena    oder    Spielena    noch 

speciell  naher.     So   heisst  ea    bei   Ovid  Metam.  VII,  1874   von    der  Medea, 

als  sie  zu  ihrem  Zauberwerk  die  Geister  der  Nacht  beschwört: 

eilet  humidus  a6r« 
sidera  sola  micant:  ad  qune  aua  brachia  tendens 
ter  se  convertit:  ter  sumtis  flumine  crinem 
irroravit  aquia;    ternis  ululatibua  ora 
solvit;  ...  Di  omnee  noctis  adeste: 
quarum  ope,  cum  volui,  ripis  niirantibna,  amnea 
in  fontcs  redierc  suos:    concussaque  sifito, 
stautia  conoutio  cantu  freta;    nubila  pello; 
nubüaque  inducoi    ventoa  abigoque,  vocoque  etc 
Wetter  ausführt  ea  faican.  Phars.,    wenn   es   von    der  Erichtho  VI.  655 
bei  einer  Beachwörung  der  Geister  der  Nacht  heisst: 
tunc  vox  Lethaeos  conctts  pollentior  herbis 
excantare  deos,  confundit  murmura  primnm 
d  i  8  s  0  n  a ,  et  li  u  m  a  n  a  e  m  u  1 1  u  m  d  i  s  c  o  r  d  i  a  1 1  n  g  u  a  e. 
la  trat  US  habet  illa  canum  gemituaque  luporum. 
quod  trepidus  bubo^  quod  atrix  nocturna  queruntur, 
quod  strident  ululantque  ferae,  quod  sibilat  anguia 
exprimit  et  planctus  illisae  cautibua  undae 
silvarumque  sonum  fractaeque  tonitrua  nubis; 


118  W.  Schwarte; 

tot  rerum  vox  uua  fuit»  mox  ct^tera  canta 
explicat  HaetQonio,  peüetratque  in  Tar 

Diesena  dämonischen  Zauherlied  treten  nachher  wieder  carraTB?r 
magica  gegenüber ^  durüh  die,  entsprechend  der  Scenerie,  das  dissipat 
um b ras  das  Statius  ausgeführt  werden  soll,  denn  in  diesem  Falle  lässt 
Lucan  nur  einen  Todten  wieder  von  der  Schwelle  der  Unterwelt  zurück- 
gerufen und  belebt  werden^  sonst  kommt,  wie  schon  angedeutet,  in  finstrer 
Wolken  nacht  die  ganxc  Hölle  mit  ihren  Scbreckbitdern  herauf. 

Ueberschauen  wir  das  beigebrachte  Material  und  erwägen  folgende 
Momente,  dass  nach  den  im  Urspr.  der  Myth.  und  tu  den  Poet  Naturao, 
gegebenen  Ausführungen 

1)  bei  Griechen,  Römern  und  Dentachen  —  den  Hauptreprasentanteo 
der  Indogermaneu  für  uns —  die  Vorstellung  zauberhafter  Wandlonge^f 
in  plastischen  Bildern  und  daran  sich  schliessenden  Gebrauchen  (\velche 
dann  die  Tradition,  unbekümmert  om  ihre  Ausfuhr burkeit,  festhielt)  besonders 
an  die  plötzlichen  wunderbaren  Veränderungen  des  Gewitter- 
himmels sich  anlehnte  und  an  ihnen  entwickelte,  und  demgem&sa  vor  allem 

2)  Regenzauber,    Ge^vitter machen,   sowie,   —  indem  man  die  aa 
Himmel  heraulkömmende  Gewi  ttcroacht  als  eine    heraufsteigende  Untcr^ 
weh,  eine  Art  Hölle  fasste,  welche  losgelassen  sei,  —  allerhand  Vorölellungen 
von  Todtenbeachwörungen    und   dergL  in    den   verschiedensten  Formen 
an  jene  himmlischen  Erscheinungen  sich  anschlössen,  in  denen  der  Donner 
dann  angeblich  als    die   himmlische  (weissagende)  Stimme   eine  Roll 
spielte    und    dem    Ganzen    elwae    Prophetisches     gab^);      erwägen 
ferner,  dasa 

3)  der  Wind  und  der  Blitz  die  hauptsächlichsten  „Media"  für  die' 
Herbeiführung  jener  im  Gewitter  sich  abspielenden  Zauberscenen 
abzugeben  schienen*),  letzterer  als  die  Zauberrnthe,  ersterer  als  das 
geheimnissvolle  Zauberlied,  das  Zauberspiel,  welches  summend, 
wispernd,  murmelnd  anhebend,  sich  in  immer  volleren  Äccorden 
steigerte,  und  wie  das  oben  erwähnte  Lied,  zuletzt  alle  Tonarten  des 
Sturmes  annahm^),  bis  es  die  Zauberwelt,  d.  h.  die  Geisterweit  der 
Schatten  beschwor;  so  werden  wir  auch  hierin  allein  den  Urs  prang  des 
Accidens  finden,    dass   wie  der  Zauberstab   die  Geister  heranffübrte 

1)  z,  B.  der  Glaobe  auch  solche  Figuren  schuf  wie  di©  des  Tiresias,   den  Prophctao  der 
Unterwelt,    die  Sibylle  oder  auch    historische  Personen    an    ihre  Stelle   treten    und    aus    der 
Unterwelt  excitirt  werden  Hess,  wie  Samnel  bei  der  Hexe  von  £iidor,    Danos  in  den  PerseiSH 
bei  AeBcbylos,  Lajus  in  der  Thebaia  bei  Statins  und  dergl  mehr.  ^| 

2)  Urspr.  d.  MythoL  die  unter  ^Zauber&tab''  und  *  Verwandlungen'  im  Indax  angeführten 
Stellen;    über  den  .Wind".     Poet  Naturao.  II  61. 

3)  Daa  oben  cliirte  Zaubcrlied  des  Lucan  ht  in  seiiiem  ganzen  Tenor  noch  deutlich  ein 
Sturmlied,  iodem  rias  anlänfrlkhe  Marmeln  sich  zum  Klagen,  Henleo^  Zischen  n.  s,  w.  bis 
Kum  donnerähnlichon  Braosen  steigert j  Momente,  welch©  überall  in  der  mythischen  AuffassuD^ 
des  Sturmes  reüektirea.  s,  Poet.  Naturan.  [I  unter  Wind,  TergL  die  Stimmen  des  Tjpboeufi* 
ürspr.  d.  Mytliol.  32. 


Der  Zauber  <ie»  „räclcwarts"  Sini^ens  nnd  Spfelens.  719 

und  scheuchte  und  so  im  Einzeloeu  dann  überbiiupt  doppelte  Bedeutang 
erhifjlt,  so  auch  das  Zauherlic»d  und  Spiel  einmal  die  Geister  herauf- 
beschwor, dann  aber  umgekehrt,  d.h.  faktiach  in  entgegen  ge  setzte  r 
Wetae,  d,  h.  rückwärts  gesungen  oder  gespielt^  die  Zauberwelt  wieder 
verschwinden  liesöO.  Der  Wind,  zu  immer  Tolleren  Tönen  anschwellend, 
fuhrt  das  Unw^etter  herauf;  sein  allmähliches  Sinken  von  dem  Höhepunkt 
mit  dem  gleichzeitigen  allmählichen  Verschwinden  der  beraufbe- 
scbworenen  Gewitternacht  ist  das  auch  augeblich  jenes  bewirkende 
rückwärts  Spielen.  Was  sonst  realiter  keinen  Sinn  hat  und  kaum  eine 
Ausführung  zuiässt,  ergicbt  sich  so  ganz  natürlich  innerhalb  der  analogen 
Au  sc  bau  ungs  kreise  als  eine  der  [irimitivsteu,  aul  gläubiger  Naturanschauuug 
beruhenden  mythischen  Vorstellungen  und  hat  dann  im  Laufe  der  Zeiten 
lin  den  verschiedensten,  den  Culturverhältnissen  sich  anscbliessenden  Formen 
weitere  mehr  formale  Ausbildung  erhalten. 


Ein  Nachtrag  vom  Todtenfährmann  und  der  Schattenweli    (^    S.  115/^) 

Die  ruinischen  Epiker  sind,  wie  wir  schon  z.  T.  gesehen,  !>e9onder9 
reich  an  Bildern,  welche  sich  auf  eine  im  Gewitter  heraufkommende  Unter- 
welt und  ihre  ev.  Beschwörung  bezichen.  Ich  habe  in  einer  Abhandlung  „über 
die  angebh  Schmarotzerpllanzen  am  himmlischen  Liciitbaum'*,  welche  sich 
dem  Artikel  über  den  bimmlischen  Lichthaum  in  dieser  Zeitschrift  (v.  J.  1881) 
anschÜesst  und  demnächst  mit  jenem  vereint,  als  „Beitrage  zur  indogerma- 
Dischen  Mythologie  1,  Heff*  veröffentlicht  werden  wird,  eingehender  darüber 
zu  handeln  Veranlassung  geliabt.  Denn  abgesehen  von  dem  Blitz  als 
Zaubcrruthe  und  dem  Winde  als  Zaubergesang  spielen  auch  gewisse 
Blumen  und  Rankengewächse  in  den  betr.  mythischen  Bildern  als 
Repräsentanten  entsprechender,  dem  Gewitter  vorangehender  Wolken- 
bildungen, mit  den  ,, Blitzen**  eben  als  „Ranken"  zu  jenen  angeblichen 
„Wolken hl umen"  gefasst,  dabei  eine  bedeutsame  Rolle,  indem  sie  entweder 
auch  die  Unterwelt  heraufbeschwören  oder  den  Eingang  zu  ihr,  wie 
z,  B.  die  Mistel  beim  Vergil  in  der  Aeneas-Sage,  zu  öffnen  schienen. 

Hier  will  ich  nor  noch  auf  ein  in  den  oben  erwähnten  Stellen  hervor- 
tretendes Moment  hinweisen,  welches  für  die  Alterthümlichkeit  und  Volk.s- 
thumlichkeit  der  aus  den  erwähnten  Dichtern  beigebrachten  Stellen  ein 
charakteristisches  Zeugniss  ablegt  und  den  ganzen  mythischen  Hintergrund 
weitet,  nebenbei  aber  auch  noch  apeciell  fiir  die  Elemente  einer  gräco- 
italischen  Mythologie  und  ihre  Beziehungen  bedeutsam  wird.  Es  hieas 
oben  beim  Valerius  Flaccus: 

neque  enim  ante  —  ehe  nicht  das  Zauberlied  rückwärts  gesungen  — 

leves  niger  avehit  umbras 

portitor  et  vinctae  pigria  stant  faucibus  Orci* 


b 


1)  Es  ist  derselbe  Gegensaht,  den  man  im  Jahre  1848  in  Betreff  der  revolutionären  Volb- 
timmimg  mit  ,Äuf-''  und  .Abwiegeln"  bezeichnete, 


tiwaftt: 


Dass  die  liier  licrvortreteude  Erwähnting  des  niger  portilor  als 
Fährmfinn  der  Schatten  am  Himmel  nicht  bW  ein  herangezogener, 
bildlicher  Ausdruck,  sondern  die  Sache  auf  vr>lksthumlicher  VorstclItiDg 
beruht^  testÄtigt  neben  anderem  eine  Stelle  in  Statlus  Thehais  XL  587  tt, 
wo  e«  von  ebendemselben  heisst,  dass  er  zu  Zeiten  sein  gewöhnliches  Amt 
in  der  Ünterwt^lt  verlässt  und  am   Himmel  erscheint: 

qualia  si  (|>uppe  relicta) 
exosus  pigri  manee  sulcator  Averni 
exeat  ad  superos  solemque  et  pallida  tnrbet 
astra,  nee  ipae  diu  forti^  patiensque  superni 
aeris^  (interea  longum  cessante  magistro 
creacat  opus  Lotisque  expectent  saecula  ripis)'). 
Wie  die  betr.  Dichter  ganz  gewöhnlich  von  einem  tnrbo  piceus,  pro- 
cella  nigrans,  einem  aterNotus,  einem  Boreas  mit  schwarzen  FlögelD 
oder  in  mehr  mythischer  Gestaltung  von  einem  Jupiter  niger  oder  dem 
Pluto  als  moestus  rcx  ooctiö  reden,  der  dann  als  Beherrscher  und 
Föhrer  der  Todieti  annlog  dem  Hermes  im  Unwetter  gleichfalls  mit 
einem  Goldstab,  dem  Blitz,  auftritt^),  so  eröffnet  jener  niger  portitor, 
der  den  Himmel  verdunkelt,  nur  ein  modificirtea  Bild  der  letzteren  Scenerie, 
indem  die  um  Himmel  wie  ein  Eahn  dahingleitende  schwere  Gewitter- 
wolke unter  dem  Reflex  der  dahinziehenden  Geistorwelt  die  Vorstellung 
einer  Ueberfahrt  der  Seelen^  eines  Geisterkahnes,  eines  Fährmanns, 
dem  dann  in  den  fallenden  leuchtenden  Blitzen  sein  Zoll  gezahlt 
werde,  weckte^).  Hat  sich  in  jenen  oben  erwähnten  sagenhaften  Zügen 
römischer  Dichter  noch  das  Protolyp  des  mehr  ubgeblassten  homerischen 
Charon  erhalten  nnd  ergiebt  sich  nach  Allem  so  die  betr.  Vorstellung  als 
ein  alter  gemeinsamer  gräco-italischer  Glaube,  so  hat  derselbe  auch  noch  eine 
weitere  Basis  im  celtischen  Westen,  wie  Grimm  nach  Procop,  Tzetzes  und 
späteren  Sagen  auf  das  manuichfachste  auch  den  Glauben  von  der  Ueberfahrt 
der  Seelen  nach  einer  fernen   Insel,    von   dem   Todtenkahu   oder  dem 


I 


1)  Die  eingeklammerlen  Stellen  beziefaeii  &kh  auf  die  frewöbnlicbe  h«»kalisirun^ 
der  Hölle  in  der  Tiefe,  oebm  d«r  tu  Zeiten  d&im  der  niger  portitor  am  /Himmel''  erscheint 
ursprünglich  fiind  mao  ihn  uberbaupt  nur  um  Himmel  zugleich  mit  dem  piger  Averntis, 
Aeheron,  Styx,  Pyriphlegethon  u*  s.  w.  in  den  betr.  Gewitterericheinungen  und  davon  ist 
iein  seitwei&es  Auftreten  noch  eine  ReminiäceriK  od^r  Reproduktion  der  betr.  ÄDächauuag, 
cf.  ApolJ.  Bhod.  4.  1694  sqq, 

Lucrez.  VI.  251.     QuckI  bunc  per  totum  concrescunt  aere  nubes 
Ündique,  utt  teoebras  omnes  Acberunta  reamur 
Liqui»fie  ei  magoas  ce«li  complesse  caTernas. 

2)  Urspr.  d,  Myth.  p.  126 
3}  Urspr  d,  Mylb,  p.  27B  \\.  248  vergl.  Wein  hold'!*  Bemerkungen   daiu  in    deo  Grab- 

Älterthümem    aus    Klein  Glein    in    UoterslftieTinark.      örati  1861   p.  10.      desgl    Kuhn    and 
Öchw&rtx,  Nordd.Sag^n  1849.  S.291  und  S.  126  ö  und  Beutiger  VolksgK  1862.  p.SBf.  43 f. 


Der  Zauber  des  ^röckwärfs*  Slngctt»  nnd  Spielens. 


121 


der  Luft,    dessen  Räder    knarren    und    dergl.    mehr 


Todtenwagen   m 
nacbgewieseo  liat*). 

Wie  ahnr  der  im  Gewitter  daliin  fiilirende  T od  ten  wagen,  dessen 
Kader  mnn  au&  der  Höhe  hurt,  an  di^n  myihm^hen  Donn erwägen  er- 
innert, den  man  ganz  gewöhnlich  im  rollenden  Donner  vernahm,  so 
erscheint  Pluto  wie  Charon  daneben  dann  auch  im  Unwetter,  jener  zu 
Wagen,  dieser  in  der  niederen  Mytliulogie  der  tokaUuge  auf  dem  Donner- 
rose, dessen  hallenden  Hnfschlag  man  im  Donner  zu  vernehmen 
glaubte,  während  in  der  nationalen  Mythologie  letzterer  nur  eben  als  Fähr- 
mann nnd  jener  als  Todtenkönig  galL  Ursprünglich  sind  die  Bilder  in 
ihrem  natürlichen  Hintergrund,  abgegeben  von  der  Färbung,  die  ihnen 
die  betr.  Sage  im  Uebrigen  verleiht,  parallel,  wenn  es  vom  Erscheinen  des 
Pluto  beim  Raube  der  Proserpina,  der  Sonnen  Jungfrau  z,  B.  beim  Claudian 
heisst: 

ecce  pol  um  nox  foeda  rapit,  tremefactaque  nutat 
insula  cornipedum  strcpitu  pulsuque  rotarum. 
»osse  nee  nurigan^  licuit:  geu  mortifer  aestus, 
seu  mors  ipsa  fuit  lotor  permanat  in  herbas. 
deficinnt  rivi,   squnhint  rubigine   prata, 
et  nihil  afflatum   vivit,  pal  lere  ligustra, 
expirare  roaas,  decrescere  lilia  vidi, 
ut  rauco  „reducea'*  tractti  detorsit  habeuaa^), 
nox  suH  prosequitur  eurrum;    lux  redditur  orbi, 
Persephone  nusquam.  — 
unil   daneben    noch    heut  zu   Tsige   neugriechischer  Volksglaube  den  Charon 
im   Unw^etter  mit  den  Todten  hinziehen   lässt,    indem   ein  neugriechisches 
Volkslied  von  ihm  sagt  (cf.  Urspr.  der  Myth.  p.  126): 

Warum  sind  schwarz  die  Berge  dort  und  stehen  da  so  duster? 
Ob  wohl  der  Sturm  mit  ihnen  kämpft?  ob  sie  der  Regen  peitscltet? 
Nicht  kämpft  der  Sturm  mit  ihnen  jetzt,  nicht  peitschet  sieder  Regen, 
Nein,  Charos  ist's,  der  über  sie  mit  den  Verstorbnen  ziehet 
Alle   diese   verschiedenen  Bilder  kehren  auch  in   deutscher  Mythologie 
wieder  und  knüpfen  sieb  hier  meist  an  Wodan;    er  zieht  mit  dem  Geiaterheer 
im    Gewitter^);     weder    der    Donnerwagen,    noch    das    Donnerross    fehlen; 
diinn  steuert  er  auch  auf  goldenem  Kahn  —  golden,  weil  er  im  Gewitter 
leuchtet  —  die  Erschlagenen  von  Brävalla  nach  Valhall.     Ursprung  der 
Mythologie  273. 

Dass  aber  nicht  blos  die  europäischen  Indogermanen  unter  den  manoich- 
fachst  nüancirlen  Bildern  die  Vorstellung  eines  im  Gewitter  auftretenden 
Todtenreichs  gehabt,  ergiebt  der  indische  Jama,  der  auf  der  einen  Seite 
himmHscheo  Ursprungs  als  Sonnensohn,  andererseits  als  Todtengott 


1)  Grirom,  Myih.  790  f.  und  das  Ende  dieses  Anfsatfes«  2)  Die  ,rednces"  babenae 
eatsprecheo  dem  , rückwärts'"  Spielea,  sowie  ^UmkuhreQ*  des  Zauberstabes.  B)  Ileatig^r 
\oiksgl  186S. 


122  ^*  Schwarte:    Der  Z:iuW  des  , rückwärts*  8?R??iifl  and  Spielern, 

mit  dem  Seepter  auf  einem  Büffel  (dem  brüllenden  Donner  stier)  ein- 
herreitend  mit  seiner  ganzen  dämonischen  Umgebung  in  ecbt  indischer  Weise 
dann  die  ganze  Gewitt  erhölle  repräsentirt,  s.  namentlich  die  Schilderung 
eines  Kampfes  der  Diener  Jamas  mit  denen  Wischnu's  in  der  Altindischen 
Myth,  V.  Wollheim  da  Fonseca,  Berlin  1857*  p.  106  f.  Die  Blitze  er- 
scheinen als  Seile  seiner  Diener  oder  als  Schlangen,  cf,  Angelo  deGu- 
bernatis,  Die  Thiere  u.  s»  w.     Leipzig  1874.  8.  G47. 

Ja  noch  weitere  Kreise  zieht  die  Vorstellung,  und  eigenthümlicher  Weise 
finden  wir  auf  den  Sudseeinseln  nicht  blos  den  Glauben  an  in  der  Nacht 
dahin  ziehende  Seelen,  wie  bei  Homer,  sondeni  auch  die  oben  geschilderte 
Vorstellung  der  Todtenkahne  in  der  primitivsten  Form  im  Anschluss  speciell 
an  den  GewitterhimmeK  ^Auf  Neuseeland  hört  man  zur  Nacht,  be- 
sonders nach  grossen  Schlachten,  den  Flug  der  Geister  durch  die  Luft. 
Unaufhaltsam  ziehen  sie  ihren  Weg  wie  Schatten,  welche  man  vergebens 
zu  greifen  trachtet*"  Besonders  aber  heisst  es,  „wenn  es  stürmt,  blitsst 
und  regnet,  bereiten  die  Götter  ihre  Kähne  zur  Todten fahrt.  Schirren, 
Die  Wandersagen  der  Neuseeländer.     Riga  1856.  S.  93  und  110^). 

Die  Anfange  derartiger  Vorstellungen  treten  überall  mehr  oder  weniger 
hervor^).  Sie  sind  eben  menschlich  uatürlich  und  reflektiren  im  Glauben 
wie  in  der  Sprache,  aber  bei  begabteren  Völkern  und  unter  einem  fort- 
schreitend sich  entwickelnden  Kulturleben  haben  sie  selbst  reicher  sich 
entfaltet  und,  indem  sie  Poesie,  Religion  und  die  Kunst  in  ihren  Ent- 
wicklungsphasen  begleitet,  in  diesen  Kreisen  allmählich  immer  ideellere 
Elemente  menschlichen  Denkens  und  Empfindens  in  sich  aufgenommen  und 
damit  Scenerie  und  Form  oft  in  solcher  Weise  gewandelt,  dass  der  elementare 
U^^!prung  fast  ganz  verdeckt  worden  ist  und  nur  stellenweise  noch  in  einzelnen 
Momenten  hindurchschimmert,  lo  den  unteren  Volksschichten  leben  freilich 
noch  öfter  Ueberreste  der  alten  Vorzeit,  von  Geschlecht  zu  Geschlecht 
überliefert,  in  alter  roher  Form  fort,  um  den  Weg  zu  weisen  zu  der  Urzeit, 
wo  die  ganze  Menschheit  sich  noch  in  ähnlichen  Kreisen  bewegte. 


1)  Wie  oben  beira  Tod ten  wagen  das  Rasselo  und  Rollea  des  Donners  mit  binein- 
spielte,  tuaj?  aoch  bior  neben  der  Ver^leicbung  einer  lan^satn  dahin  ziehenden  Wolke 
mit  ein^m  Scbiff  ein  Änalogon  mit  dem  Kamtschadaliscfien  Glauben  initgrewirkt  haben, 
nach  wekbem,  wenn  es  donnert,  ^der  Kutka  seine  Kribno'*  aus  dem  Flus-a  über  die  Kiesel- 
steine nach  dem  Ufer  ziehe  und  davon  der  Donner  entstehe.  St  elter,  Kamtacbatka 
1714.  p   U. 

2)  Wie  weit  historischer  Zo^ammenhnng  fnr  die  Urzeit  gehl,  mit  Sicherheit  2U  beMimmen, 
dam  fehlen  um  noch  viele  Mittelglieder,  auch  roÜBste  eine  derartige  Untersnchnnu  allseitiger 
und  blos  lu  diesem  Zweck  unternommen  werden.  Ziel  der  mythologischen  Wissen- 
scbaft  bleibt  auch  dies;    zunäeh&t  ^It  es  aber  ersi,  die  Fundamente  tu  legen. 


I 


vriL 

De r  Y u m a-Sprac lista iii iii, 
nach  den  iieuesteü  liaiidscliriftlicheii  Uiiellen, 

dargestellt  von 

Albert  S.  Gatacliet  in  Washington. 
Zweiter  Artikel. 


Seit  dem  Jahre  1877,  id  deni  ich  einen  längeren  Artikel  über  obigen 
Gegenstand  in  dieserZeitöclmft  veruffentlichthabe(Seiten341— 350;  365 — 418), 
ist  wieder  neues  Material  zu  Händen  gekommen,  welches  unsere  Kenntoiss 
des  Sprachstammes  auf  dessen  Nord-  und  Südgränze  beträühtlich  erweitert 
und  gleichzeitig  werthvolle  grammatische  Andeutungen  über  alle  Dialekte 
liefert.  Ich  halte  es  daher  für  angezeigt,  dag  Neue  in  seinen  wichtigsten 
Zügen  in  der  Form  von  Vocabnlarien  und  KUgebörigen  ethnographischen  und 
gramniati sehen,  namentlich  phonologischen  Bemerkuögcn  den  Lesern  des 
früheren  Aufsatzes  zum  Stndiom  vorzuführen,  und  bedauere  nur,  dass  sich 
der  Horizont  diesmal  nicht  auch  über  diejenigen  Stämme  aufgeklärt  hat,  die 
höchst  wahrscheinlich  noch  dem  Yumastamme  angehören:  die  Koninos  und 
die  Indianer  des  Südens  der  Halbinsel  Californien. 

Ich  führe  nun  die  diesmal  abzuhandelnden  Stamme  und  Dialekte  in  fol* 
gender  Ordnung  anf:  Yävapai,  Könino,  Tooto,  M'Mat,  Seri,  und  gebe  die 
einschlägigen  Vocabnlarien   zum  Schluas  des  Artikels* 


Nationale  Stammesnamen. 

Als  Ergänzung  zu  der  in  der  Ztscbr.  f  Ethnoh,  1877,  Seite  368 — 371, 
enthaltenen  Liste  erwähne  ich  folgende,  von  den  Znni,  Yavapai,  Seri  und 
Nachbarn  gebrauchte  Stamm esbezeichnungen  (der  Stamm,  der  sie  gebraucht, 
ist  in   KlaTOmern  beigefügt): 

Ahwa-pÄya-kwaüwa:  ,, Feinde,  alle,  sprechen";  die  Apache* Tontoa 
(YÄvapai). 

Atchi-hwa:  die  Maricopa  (Ydvapai). 

Apats:  die  Tinne-Äpaches  (Seri), 

Avesü-pai:  „Drunten- Volk";  die  Könino  (Yävapai,  Hudlapai  etc),  d.  h. 
das  Volk,  das  drunten  im  tiefen  Canon  wohnt. 


124  ÄIHert  S.  (latBcb«t: 

Hnyuko-häni:  Mexikaner  (Yavapai), 

Hayako-jiyatclii:  Neger  (Yiivapai). 

Ha-hwddslia:  die  Pinaleno-  oder  Pinal-Apachca  (Yavapai). 

Kmike:  so  nenueo  sich  die  Seri  selbst. 

Kolieain:  die  Apache-Moliaves  oder  Yavnpai  (Pinaleno,  Nävajo). 

Koksol:  die  EinwohiK^r  der  mexikrjiigchen  Staaten  (Seri). 

Könino,  Casnino  elc.  Siehe  Avrsii-pai,  Der  Name  Kööino  soll  der 
MtSkisprache  entlehnt  sein. 

Ku^nij  plur.  KüTcni-k«e:  Könioos  (Zuni). 

Kuweveka-paya:  „Volk  im  Süden'',  die  mit  den  Tonloa  zusaramen  le- 
benden Apache-Mohavee  oder  Yavapai;  von  den  ülirigen  Yavapai  so 
geheissen« 

Mukdba:  die  Mohaves  (Yavapai), 

Nasuid-kue:   die  Uta-Indianer  (Zuiii). 

Nätch<Sn:  „Eidechsen",  die  Apache-Yuuia  oder  Tulkepaya  (Pinaleno). 

Pa-ingotisätch:  die  Amerikaner  oder  Weissen  (Moliave);  Wliipple. 

Payiidshe,  die  Ptii-Uta;  so  corrurapirt,  bedeutet  der  Name  im  Yavapai: 
„alle  Augen**,  oder  ^ganz  voll  Augen**. 

Papani:  die  Papagos  (Seri). 

Shiwi,  plur,  Ashiwi:  so  nennen  sieb  die  Zufii-Indianer  selbst, 

Täbkc-paya:  „Nordvolk'*,  die  Hualapais  (Yivapai);  abgeknrzi  aus  Muta- 
veke-paya. 

TcbikiiQ;  80  nennen  sieh  die  Pinaleno-Tinn^  selbst. 

Tulkepaya  venuna  tchehwdie:  ^Tulkepaya  mit  gefleckten  Bäuchen*^; 
Spottname  der  Apache-Yuma,  gegeben  von  den  Yavapai. 

Tchishe-kue:  Tonto-Indianer  von  der  Tinn^-Rasse  (Zuui). 

Ydkkom:  die  Y^aqui  am  YaqaifiuRse  in  Sonora  (Seri);  vgl.  korokak:  Volk* 

Yava-paya,  Yavapä:  so  nennen  sich  die  Apache-Mohaves  selbst. 

Ydvapai. 

In  einem  etbnographiscben  Anhange  zu  seinem  Yavapai- Vocabular  be- 
richtet der  Arzt  W.  H.  Corbusier  Folgendes  über  diesen  Yuma-Stamm: 

„Die  Yava-päya  oder  Apache-Mohaves  behaupten,  dass  sie  als  Erbe  von 
ihren  Vorfahren  das  ganze  Thal  des  Rio  Verde,  sowie  die  Black  Mesa  zwischen 
dem  Rio  Salado  nnd  dem  Bill  Williams -Berge  empfangen  haben.  Können 
wir  iodess  einer  Sage  der  Moki-Indianer  Glauben  schenken,  so  liaben  diese 
bis  vor  fünf  Menschenalteru  („five  old  nien  ogo"*,  wie  der  charakteristische 
Ausdruck  lautet)  das  Rio  Verde-Thal  bewohnt,  die  jetzt  in  Ruinen  liegenden 
Steinhäuser  darin  erbaut  und  die  Höhlungen  unter  den  überhängenden  Felsen 
(cliffs)  mit  Mauern  verseben ;  verlassen  hätten  sie  das  Thal  bloss,  weil  eine 
anhaltende  Dürre  mit  gleichzeitiger  Epidemie  viele  dahinraffte.  Dass  die 
Yavapai  den  Mobaves  und  anderen  Stämmen  des  Colorado-Thalcs  entsprossen 
sind,    unterliegt  wegen  der  Aehnlichkeit  der  Sprache  keinem  Zweifel,   doch 


Der  Yuaia-Sptichstamiii. 


125 


sageD  iUrtj  Traditionen  hierüber  nichts  Befitimmtos  aus,  und  die  Trennung 
gehört  daher  einer  bereit a  langst  vergungeoen  Zeit  an." 

Die  Manner  der  Yavapai  sind  von  ebenmässigem  und  liohcoj  Wüchse, 
messen  im  Mittel  5  (engl.)  Fnss  8j  Zoll,  und  zeigen  ein  mittleres  Gewicht 
von  157|^  Pfund.  Diese  Messungen  wurden  an  24  Individuen  vorgenommen, 
von  denen  einige  wenige,  wie  der  Arzt  bemerkt,  noch  nicht  völlig  aus- 
gewachsen waren.  Die  Weiber  sind  meist  kurz  und  corpulent,  und  zeigen 
eine  Mittelhöhe  von  5'  3'%  bei  einem  mittleren  Gewichte  von  140  Piundm. 
Im  Winter  ist  die  Hautfarbe  dieser  Indianer  ein  helles^  im  Sommer  ein  dunkles 
Mah^gony- Braun.  Ihr  grobes,  straflfes  Haar  wird  in  der  Höhe  der  Augen- 
brauen quer  über  die  Stirne  abgeschnitten;  im  Sommer  etwas  tiefer,  um  die 
Augen  gegen  die  Sonnenstrahlen  zu  schützen. 

Der  Stamm  der  Apache-Yuma  oder  Tufkepa)  a  spricht  dieselbe  Sprache 
wie  die  Yavapai,  ist  jedoch  an  Zahl  geringen  Die  Tulkepaya  sind  ein  Miscli- 
volk,  das  sich  erst  in  neuerer  Zeit  aus  Bestandtheilen  der  Kutchän,  der 
Yavapai  und  Mohaves  gebildet  hat  und  als  ererbtes  Land  die  Gebirgsgegend 
zwischen  den  Yavapai  und  dem  Coloradoöusse  beansprucht.  Die^^elben  sind 
etwas  knochiger  und  schlanker  als  die  YAvapai;  als  Mittelwerth  für  die 
Statar  der  Männer  fand  Corbusier  5  (engl)  Fuss  8|  Zoll,  für  ihr  Gewicht 
152||  Pfund  (Mittel  aus  22  Individuen). 

„Langjährige  Kampfe  mit  den  Truppen  der  Vereinigten  Staalen-Regierung 
übten  einen  so  vernichtenden  Einfluss  auf  diese  Stamme  aus,  dass  sie  im 
Mai  1873  allen  Widerstand  aufgaben.  Ungefähr  1000  Apache-Mohaves  und 
500  Apache* Yoma  wurden  Ruf  die  im  Rio  Verde-Thale  ftir  sie  eingerichtete 
Reservation  gebracht.  Ausserdem  betanden  sich  dabei  Tontoa  oder  Tunto- 
Apaches,  sowie  Tinne-Apaches  von  den  Pinal-Gebirgen  (oder  Pinaleiios), 
beide  zusammen  etwa  500  zäblend.  Sie  erholten  eich  bald  von  dem  aus- 
gestandenen Elend  und  begannen  mit  Erfolg  den  Boden  zu  bebauen.  Doch 
als  im  Frühjahr  1875  die  Regierung  deren  VerpflauKung  nach  der  San  Carlos- 
Reservation^  isudlich  vom  Rio  Verde,  oo befahl,  protestirten  viele  gegen  diese 
Maassregel  und  aU  dies  nichts  half,  flüchtete  sich  eine  Anzahl  in  ihre  früheren 
Gebirgssitze  zurück,  während  andere  sich  als  Kundschafter  in  di(*  Armee 
aafnehmen  liessen.  Die  Mehrzahl  ist  indees  seit  jener  Zeit  auf  der  San 
Carlos-Reservation  verblieben,  in  unmittelbarer  Nachbarschaft  einiger  Tino^- 
Apaches-Horden,  die  ebenfalls  auf  dieser  Reservation  untergebracht  sind  und 
in  neuester  Zeit  (Spätjahr  1881)  die  Fahne  des  Aufstaodes  erhoben  haben  "* 

In  diesen  zwei  Volksbenennungen:  Apaehe-Mohaves  und  Apache-Yuma, 
ist,  wie  Corbusier  erklärt,  das  Wort  Apache  aus  apa-ahua-tche  in  contra- 
hirler  Form  enthalten,  Äpa  ist,  wie  pä,  pa-a,  dpa:  Mann,  im  Plural  Volk, 
ahua  Krieg,  Kampf,  und  -tche  ein  Substantive  bildendes  Suffix,  und  a^iatche, 
ap&tcb  bezeichnet  demnach  kriegerische,  oder  feindlich  gesinnte^  weiterbin 
auch  wilde,  uoge7.ähmte,  in  den  Gebirgen  lebende  Indianer,  ohne  Unter- 
schied der  Rasse,   der  sie  angehören.    (V^gl.  Ztachr.  f.  EthnoL,  1877,  S,  369.) 


Albert  S.  Gitachet: 

^ Diese  zwei  Stämme,  wie  auch  andere  Yuma-Yölker,  besitzen  ein  eigenes 
Mittel,  um  sich  vor  allzu  stiirker  SoDnenhitze  zu  schützen.  Beide  Ge- 
sciilechter  bedecken  sich  namlicb  mit  pulveriüirtem  Thon,  meist  von  rother 
Farbe,  den  sie  vorher  mit  Speichel  angefeuchtet  haben,  in  ziemlich  dicken 
Lugen  den  ganzen  Leib,  ist  dies  geächehen,  so  ziehen  sie  mit  den  Fingern 
gerade  sowohl  als  wellige  Linien  durch  diese  Masse,  so  dass  die  Haut  da- 
selbst wieder  zum  Vorschein  kommt.  Das  Gesicht  wird  dagegen  mit  einer 
Mischung  von  Bleiweiss  und  verkohltem  Mescal  eingerieben  und  die  frei- 
gelassene  Nase,  sowie  das  Kinn,  roth  angemalt.  An  Abwechselung  in  den 
im  Gesichte  angebrachten  Farbenlinien  und  -Punkten  fehlt  es  nicht;  diese 
Bemalung  verleibt  indess  den  Indianern  nicht  gerade  ein  anziehendes 
Aeuasere*  Sie  achatzt  das  Individuum  gegen  Kalte  im  Winter,  gegen  allzu 
grosse  Hitze  im  Sommer,  und  Vorrnthe  von  geknetetem  Thon  werden  daher 
zu  künttigem  Gebrauche,  in  Ringen  geformt,  am  Leibgurtel  befestigt,  be- 
standig herumgetragen.'* 

Einige  der  in  Dr*  Corbusier's  Wortsammlung*)  enthaltenen  Ausdrucke 
werden  durch  folgende  Analyse  verdeutlicht: 

pa-hemi:  Mann;  wörth:  „grosser  Mann^;  hemi:  gross,  erscheint  auch 
in  hamanyc-hemi:  „Kind,  grosses*',  d.  h.  Knabe;  wohl  auch  in 
yavinyrmi:  Bart 

hi:  mein.  Dies  Pron.  praeüxum  tritt  in  diesem  Vocabular  blos  als  hi-, 
nicht  als  i-  auf. 

hwaiyda:  Feind,  feindlicher  Krieger;  enthält  ahwä:  Krieg. 

akua  hamat:  Kochkessel;  wortl.:  Eisen,  Metall  (akua)  f&r  das  Fleisch 
matr,  mat). 

hapii:   Bogen;  heisst  so,  weil  aus  Weiden -(hapii)- Holz  verfertigt 

mätr-haiya:  Wind,  d.  h.  „was  aber  das  Land  (raate)  bläst**  (yalya,  blasen, 
athmen). 

ikwi-w6:  Regen,  von  ikwi;  Wolke. 

ahake  tchikemi:  Thal;  wörtl.;  „Wasser-Schlucht** 

kwäka:  Reh  und  kwakata:  Hornvieh;  von  kwa:  Hörn,  Geweih;  letzteres 
also:  grosses  Reh  (täya,  ta  gross). 

kanümdi  bezeichnet  ursprüngh  die  Enten -Species,  genannt  teal-duck 
(QuerqueduUi). 

hami:  sehen,  anblicken,  betrachten. 

Eönino. 

Eine  enge,  bei  7000  Fuss  tiefe  und  äusserst  steil  abfallende  Schlucht  im 
Nordwesten  Arizonas  fuhrt  die  Gewässer  des  Cataract  Creek  in  Westsüdwest- 


1)  Am  Scbluas«  dieses  Artikeln  folgen  Auszöge  aaB  Hro*  Dr.  Corbaaier^s,  des  Arttes 
auf  Her  St.  Carl us- Reservation,  handschriftlichem  Yavapai-VocabuUr^  das  derseltw  dem  Bureau 
of  Ethnolo|rj  in  Washington,  D.  C,  eingesandt  hat.  Ich  habe  besonders  solche  Ausdrücke  b«- 
räckskbtigl,  die  vun  ethnographischem  fnteres&e  htnd. 


M 


Der  YoniÄ-Sprachstamni.  |27 

lieber  Richtuiig  dem  Colüradoflusse  eu.  Diese  Schlucht  enthält  die  Wohn- 
sitze des,  wie  man  i^hmbt,  etwa  100  Fumilien  umfasscoden  Stammes  der 
KÖQiDO- Indianer,  und  die  Unwirthliclikeit  der  Gegend  ringsum  erklärt  es, 
warum  diese  Schlucht  erdt  vor  Kurzem  von  Forschern  e^esehen  worden  ist* 

Herr  G.  K*  Gilbert,  MitgHt'd  der  alljährlich  nach  dem  Westen  ent- 
sendeten geologischen  Regierungsexpeditionen,  gelangte  zuerst  1871)  an  den 
Rand  dieset*  schreckenerregenden  Abgrundes  und  erblickte  unten  die  Hütten 
der  Bewohner,  bekam  jedoch  keinen  derselben  zu  Gesiebte.  Die  Hualapai 
ia  der  Nähe  theilten  ihm  indessen  mit,  „dass  sie  eine  ähnliche  Sprache 
sprächen  wie  sie  selbst  und  nannten  sie  Avesii-pai,  Akuesii-pai,  Nävrau-pai, 
Sdpai.  Der  Name  Konino  ^ei  iboen  von  den  M6ki  in  Oniivi  gegeben  wurden 
und  auch  die  Nävajos  nennten  sie  so.''  Die  Zuni  nennen  sie  Kuxui-kue 
(kue:  Volk,  Stamm)  und  auch  die  Namensformen;  Kokoninos,  Coconinos, 
Cochnichoos  werden  dort  gebort.  Avi^sü-pai  heiest:  ^das  Volk  da  drunten" 
üod  in  den  jährlichen  Bericfiten  des  Indianer-Bureaus  in  Washington  werden 
sie  jetzt  als  Suppai  aufgeführt 

AIphoDse  L.  Pinart  besuchte  fast  gleichzeitig  den  Stamm  unten  im 
Canon  und  nahm  ein  Vocabular  ihrer  Sprache  auf,  dm^  über  seine  Zugehörig- 
keit zum  Yuma*Sprach?^tamoie,  wie  er  behauptet,  keinen  Zweifel  aufkommen 
Iftsst. 

Der  Cataract  Creek  ist  ein  Flüsschen  von  etwa  25  Meilen  Länge,  das 
einen  west^ud westlichen  Laut  durch  das  Colorado-Plateau  innehält  und  da  in 
den  Coloradotluss  einmündet,  wo  sich  der  Grand  Canon  desselben  befindet 
(112"  50'  westl.  L.,  Se""  10'  nördl  Br,).  Die  Wohnsitze  der  Avcsü-pai  liegen 
zwischen  zwei  Wasserfallen,  nicht  allzu   weit  vom  Ooloradoflusse. 

Eine  Abbildung  von  drei  diest_T  Indianer  findet  sich  in  Capt.  Sitgreaves 
Bericht  an  die  Vereinigte  Staaten-Kegierung,  abgestattet  den  12.  Februar  1853; 
ebenso  von  Yävapai,  Zuni  und  anderen  Stämmen.  Neuerlich  bat  auch  Frank 
H,  Cushing,  ein  Ethnolog  des  Smithson'^chen  Instituts  in  Washington, 
eine  sehr  ausführliche  und  lesenswerthe  Schilderung  seines  dortigen  Be- 
suchen im  Bostoner  „Atlantic  Monthlj**,  vom  Oktober  1882  veröfientlicht^  be- 
titelt: j,Tbe  Nation  of  the  Willows**  (pag,  541—559).  Herr  Cushing  hat  sich 
von  1879  an  stets  bei  den  Zuni -Indianern  aufgehalten  und  hat  auch  über 
diesen  Stamm  neue  und  wichtige  Atifschlüsse  in  amerikanischen  Zeitschriften 
niedergelegt.  Ihm  zutblge  nennen  sich  die  Coconinos  die  „Kinder  des  Coyote- 
wolfes^  leben  in  polygamischer  Ehe,  beerben  sich  in  mäonlicher  Linie  und 
sprechen  einen  Yuma-Diaiekt.  Letzleres  ist  auch  durch  ein  von  ihm  er- 
wähntes Wort  ahäniga:  „Dank"*  Jingedeutet,  dm  dem  Mohave  a)[6tk,  dem 
Hualapai  aj(änega,  dem  Tooto  ahönni:  gut,  recht  entspricht. 


Tonto. 

Durch  das  Bei  samoien  wohnen  von  Tonto-Yuma  mit  Apache -Indianern 
von  echter  Tinnö-Rasse  hat  sieb,    wie  neuerlich  vielfach  bezeugt  wird,    der 


128 


Albert  8,  Ottschet: 


Name  ToDto  auch  auf  echte  Tinn^-Apaches  ausgedehnt,  wae  üaturlich  ethno- 
graphische  Confusion  zur  Folge  haben  muss. 

Diese  Tonto-Tiöoe  gehören  am  nächsten  zu  den  Coyotero-Apaches  und 
das  Vocabular  von  Charles  Smart  (erwähnt  1877,  S,  374),  das  sich  ßeither 
vorgefunden  hat,  enthält  einen  Apache-Tinue- Dialekt  Die  Sprache  der 
Touto-Yuma  zeigt  grosse  Aehnlichkeit  iini  der  der  Yavapai  und  hat  sich 
wohl  einst  von  ihr  abgezweigt. 

Charles  Smart  erwähnt,  dass  vor  dem  Eintreffen  der  amerikanischen 
Bundestruppen  in  Arizona,  aUo  bis  186f>,  die  Tinne-Tontos,  die  sich  selbst 
Coyoteros  nannten,  in  der  Gegend  des  späteren  Fort  Mac  Dowell  gewohnt 
hätten,  am  Rio  Verde,  wenige  Meilen  oberhalb  seiner  Vereinigung  mit  dem 
Salinas.  Dort  führten  sie  ein  Käuberleben,  befehdeten  sich  mit  den  Pirna 
und  nährten  sich  von  Hasen  und  Coyote  Wolfen,  Die  Amerikaner  und  Mexi- 
kaner geben  den  Namen  Coyoteros  einem  südlich  vom  Gila  in  den  Gebirgen 
wohnenden  Tinne-Starame, 

Am  Schlüsse  dieses  Artikels  gebe  ich  eine  Fortsetzung  der  Auszöge  aus 
Dr.  John  ß,  White'ö  Tonto-Vocahiilarj  die  sich  für  das  Studium  des  ganzen 
Sprachstammes  als  sehr  fruchtbar  erweisen  wird. 

M  Mat. 

Der  Kutch^n- Stamm  derM'Mat  wurde  im  Januar  1876  von  J.  T,  Helmsing 
am  unteren  Cüloradoflusse,  und  zwar  zu  beiden  Seiten  desselben,  auf  Cali- 
fomiachcm  und  auf  Arizona-Gebiet  angetroffen.  Sein  Name  enthält  das  Wort 
amat:  Erde,  Land,  Landstrich,  das  allen   Yuma  Dialekten  gemeinsam  ist. 

Helm  sing,  der  seiner  Handschrift  zufolge  f*in  Deutscher  ist,  hat  sich 
sein  Alphabet  aus  spanischen  und  englischen  Lautwerthen  zusammengetragen; 
er  bemerkt  dazu,  „dass  sich  das  spanische  Alphabet  am  besten  zur  Dar- 
stellung der  Yumasprachen  eigne."  Sein  c,  qu  habe  ich  durch  k,  j  durch  x^ 
cti  durch  tch,  n  durch  ny  wiedergegeben ;  h,  sli,  w  sind  wie  im  Englischen, 
th  ist  der  eugb  Äspiratlaut  tb  in:  month,  dh  der  in:  other,  the;  zh  ist  das 
franz.  j,  gh  das  gälische  gh.  Geminirte  Consonanten  setzte  ich  als  einfach,  wo 
nicht  die  Phonetik  es  anders  erforderte.  Die  Wörter  des  Vocabulars  sind 
durchweg  accentuirt. 

Da  dasselbe  von  den  zwei  früher  von  mir  publizirten  Kutchan -Wort- 
verzeichnissen oft  bedeutend  abweicht,  so  habe  ich  es  hier  nach  dem  Yavapai 
abdrucken  hissen  und  Leser  werden  viele  Formen  desselben  als  sehr  in- 
structiv   für  Beurtheilung  der  übrigen  Dialekte  erkennen. 

Besondere  Bemerkungen, 
Kind,  Säugling;  wenn  weiblich:  X^™^^  xetchin. 
mein   Vater:  na-aya,  wenn  von  der  Tochter  angeredet, 
mein  Sohn:  s^äwa,  wenn  von  der  Mutter  angeredet 
meine  Tochter:  nyepesa-üts,  wenn  von  der  Mutter  angeredet. 


i 


« 


Die  Sabata&irri  izi  Ar-*er^Ti  »rf  -ri^  *:ti  \frK::!hl;i:h  .Vnxr^rtcr, 
oder  waren  es  frcker:  *•:-  •rii-ri*:  **  :2:3T>  \»r5.;;rvMe:  «^  ^5i  kah:  ^*|vr^^: 
er  ist  surk.  mirhtig. 

Xuuttä-ik:    Fren-yrg.    ^ai    3l*er    :>:    ein    ::si    ii^.s^'lSe    Wv^rt:    ^viel 

»W  ■■IM   I        ^.^- 

knlojoiiio  'n-ik:  3l?r2«u  i  i.  isr  sjuräirol^^nle  T**:. 

nikopilke:  Soauser:  i  L  zya-ik  azilke:  üe  S-ri:ce  i>:  heisju 

Die  Wörter  in  IL  wie  x^^-  F^^-'*-  X'^'*"^=  KaamcbeB,  lokAmil):  ><n1w. 
enthalten  wohl  alle  das  spanische  Korifllirte  II. 

Die  Fürwörter  man.  abaa.  s'tat*an.  bex^in.  vei:ia  eQthai:en  im  Aus^lauie 
das  spanische  monilHrte  n 

Wir  ist  entweder  a^sbiktik:  wir  zwei,  oder  a\ftmoktik:  wir  drei«  oder 
etche-nrabaptik:  wir  rier  a.  s.  w. 

In  den  etchi-,  tchi.  etsa-etc.  welche  aU  Prädxa  einige  Verha  bilden« 
erkennen  wir  das  itchi-.  tchi-  des  Tonte,  das  itcha-«  toha-  des  Mohave  mit 
Leichtigkeit  wieder. 

Seri. 

Die  Seri,  auch  Ceri«  SScn  geschrieben,  sind  ein  unabhängiger  Volks- 
stamm  des  Köstenstaates  Sonera,  der.  in  neuerer  Zeit  wenigstens«  auch  die 
Insel  Tiboron  (d.  h.  Haifischinsel)  bewohnt  und  wegen  seiner  Rohheit  und 
Grransamkeit  stets  bei  den  Mexikanern  ein  Gegenstand  des  Abscheues  ge- 
wesen ist 

Der  Chronist  Villa  Senor  (Theatro  Americano,  Mex.  1748.  p.  99*2"^  er- 
wähnt die  heidnischen  Seri  and  Tepoca  als  die  Wüste  bewohnend  vom 
Presidio  Pitiqai  bis  zur  Küste  des  Golfes  Ton  Califomien.  Die  von  ihm 
(p.  400-— 401)  geschilderten  Seri  waren  sämmtlich  Christen  geworden  und  be- 
wohnten die  Missionen  el  Populo  und  los  Angeles;  die  Salineros,  eine  Tuter- 
abtheilimg  derselben,  lebte  an  der  Mündung  des  Pitiqui-Flusses.  Bartlett 
(1851 — 52)  lasst  die  Seri  dagegen  hauptsächlich  die  Insel  Tiburon  bewohnen« 
mit  Ausnahme  der  zu  Christen  gewordenen«  welche  ein  Dorf  bei  Hermosillo 
inne  haben.  Die  älteren  Nachrichten  über  dieses  Volk  sind  gesammelt  bei 
B aschmann,  Sparen  der  aztek.  Sprache,  S.  218 — 221.  Die  Guuymas  und 
Upangnaimas  werden  von  Pimentel  und  Orozco  y  Berra  (p.  354)  ebenfalls 
den  Seri  beigezählt;  dagegen  sagt  Pinart,  der  die  Gegend  bereist  hat,  das 
GoATmas  sei  ein  Dialekt  des  Pirna  bajo,  indem  er  von  demselben  sogar 
noch  einige  Aasdrücke  hat  sammeln  und  zu  Papier  bringen  können.  Oio 
Cocomaqaes  sprachen  nach  Orozco  y  Berra  dieselbe  Sprache  wie  die 
Gaaymas. 

Die  Kähne  der  Seri,  welche  nachfolgend  beschrieben  sind,  scheinen  in 
ihrer  Constraction  beträchtlich  von  den  central-  und  südamerikanischen  MalsiiM 
alnniweichen;  ihr  Vordertheil  und  Stern  endigt  nämlich  in  einer  bogenförmig 
geschwongenen  Linie. 

ZcHMltflft  fb  Sttaotofto.    Jahrg.  ISdS.  *.) 


130  Albert  S.  Qatüchct: 

Herr  H*  v.  Ba^er,   ein  deutscher  Ingenieur  an  Bord  des  Ver,  Staaten- 

Vermessungsdauipfcrs  ^Narragansett"^  besuchte  diese  Küste  im  Jahre  1874 
und  giebt  folgende  Einzelheiten  in  seinem  Berichte')  (p,  145):  „Die  Seri- 
Indianer,  die  auf  dem  Festlande  leben,  briogen  einen  grossen  Theil  des 
Jahres  auf  der  Tihuron-Insel  zu,  und  ihre  Lager  sind  dem  Strande  entlang, 
namentlich  auf  der  Ostseite  der  Insel,  von  der  See  aus  sichtbar.  Sie  gelten 
für  höchst  gefährlich  und  sollen  sich  namentlich  den  Landungen  Fremder 
mit  vergifteten  Pfeilen  widersetzen.  Beim  Besuche  des  Dampfers  ^Narra- 
ganaett^  zeigten  sie  sich  erst  scheu  und  machten  drohende  Geberden;  da 
sie  jedoch  bald  unsere  friedliche  Gesionung  bemerkten,  so  wurden  sie  freund- 
licher und  besuchten  uns  selbst  an  Bord,  wo  sie  oft  lange  verweilte«.  Auf 
der  Jagd  und  beim  Fisch-  und  Scbildkrötenfang  sind  sie  äusserst  behende, 
Ihre  sonderbaren  Kähne  tiind  aus  langen,  mit  Stricken  faschineo artig  äu- , 
sammen gebundenen  Stuben  von  Schilfrohr  construirt.  Drei  dieser  BCmdel 
werden  alsdann  zusammen  verbunden  und  besitzen  Schwebekraft  genug,  um 
eine  bis  zwei  Personen  zu  tragen  (hierzu  Abbildung  im  Bericht).  Das  Wasser 
dringt  in  die  Kähue  ein  und  steht  darin  ebenso  hoch  als  ausserhalb j  wenn 
sie  ihre  an  beiden  Enden  mit  einer  Schaufelflache  versehenen  Ruder  hand- 
haben^ so  knieen  sie  am  Boden  des  Kahnes.  Sie  verkauften  uns  eines 
dieser  Fahrzeuge  gegen  zwei  Paar  alte  Hosen  und  eine  Flasche  AikohoL, 
stark  mit  Wasser  versetzt." 

L  Alph.  L,  Pioart's  Wort  er  Sammlung.  Im  Frühjahr  1879  trat  Herr 
Alphonse  L,  Pinart  eine  Forschungsreise  durch  die  nördlichen  Staaten 
Mexikos  an.  Er  gedachte  auch  das  Gebiet  der  Seri-Tndiauer  zu  berühren, 
vernahm  jedoch,  als  er  im  Gebiete  der  Opata  und  Pirna  Felsen  Inschriften 
indianiechen  Ursprungs  copirte,  dass  im  Lande  der  Seri  Krieg  ausgebrochen 
sei  (laut  Correspondenz  aus  Caborca,  Sonora,  vom  6.  März  1879),  Dieser 
Stamm  verwüstete  damals  die  Ansiedlungen  auf  dem  Festlande  gcgeuüberi 
der  Insel  Tiburon  und  raassakrirte  z,  B.  auf  einer  Hacienda  über  ein  Dutzend  | 
weisse  Ansiedler.  Nichtsdestoweniger  gelang  es  Pinart,  am  18.  April  mit' 
einem  Anführer  oder  Haupt  des  Stammes  (an  jeneral)  in  Verbindung  zu 
treten;  er  erlangte  von  ihm  und  einem  Begleiter  ein  reichhaltiges  Vocabular, 
wovon  inliegende  Wortreibe  ein  Auszug  ist.  Derselbe  war  der  einzige  Mann 
von  seiner  Abtheilung  oder  Baude,  der  einigermassen  des  Spanischen  mächtig 
war.  Alle  Fragen  des  Reisenden  über  die  religiösen  Gebräuche  und  An- 
schauungen seines  Volkes  liess  er  unbeantwortet.  Pinart  schildert  die  Aus- 
aprache  als  sehr  guttural  und  findet  hierin  Analogie  mit  den  Dialekten  der 
Sauta-Barbara-Spracbgruppe  im  südlieben  Küsteutheil  des  Staaten  Californien. 


l)  The  West  foaat  of  Mexico;  from  the  boundary  lin©  betweeti  tho  IL  S.  and  Mexico  to 
Cape  Cürrientea  etc.  Washington,  1880.  8**.  209  Seiten,  uiit  vielea  Kusleaprofileti.  —  Bildet 
Baod  Nr,  56  der  Publicationen  des  U.  S.  Hydrograpliic  Office,  I3ureau  of  JJavigatioD.  Loider 
wurde  eine  grosse  Zahl  uaturwisseDschaftlicJiQr  und  ethoographiBctier  Beobachtungen,  die 
H.  V.  Bayer  niedergettcbriebeü^  aus  dem  gedruckten  Berichte  weggela&seQ. 


riima-SpracbsUmm, 


Weitere  Dialekle  des  Scri  i^iebt  es,  seiner  bestimmtcD  Ausaage  ziifoJge, 

keioc.  Das  Tepoca,  das  südlich  vom  Rio  del  Altar  gesproclien  wurde  oder 
wird,  ist  identisch  mit  i?eri. 

Nach  Pioart's  Wortsamralung  stellt  sich  das  Lautsystem  dieser  Sprache 
dar,  wie  folgt: 

Vocale:  u,  o,  a,  c,  i  mit  ihn^n  Längen;  der  Urlant  e  (bei  Lepsiusre) 
ond  ein  dem  russischen  Halbvocule  yersi  eDtsprecheoder  Laut,  auch 
lang  gesprochen j  voq  mir  durch  u  wiedergegeben, 

Diphthonge:    oi,  ai,  ei. 

Gutturale:    k,  k,  x^    laryogeale  G.:    -,  h. 

Palatale;    y,     %. 

Lioguale:    tl,         s,         I,  1* 

Dentale:    t,         s,         d. 

Labiale:    p,  b,     f,  v,     m. 

In  vootth:  Coyotewolf,  patth:  Röhricht,  erscheint  ausserdem  noch 
ein  Laut,  der  vielleicht  dem  englischeo  th  (oline  Stimmton)  CDtsprioht.  Das 
il  wird  beschrieben  als  „un  son  detonn ant  assez  semblablc  au  ll  des  Mexi- 
cains  et  de  la  cote  nordouest^,  also  wohl  das  deotal-linguale  t  des  Lep* 
81  US 'sehen  Standard-Alphabet,  1  ist  „beinahe  das  11  im  Welsh**;  ^  ist  das 
plötzliche  Einhalten  des  Atbems,  das  allen  hidianern  eigen  ist  und  das  will- 
kürlich angebracht  werden  kann.  B  erscheint  blos  einmal  in  ba-a^t:  Mistel, 
r  nur  in  meron:  Melone,  also  einem  Fremdworte;  letzterer  fehlt  daher  ver- 
muthlich  in  der  Sprache.  Die  meisten  explosiven  Laute  finden  sich  auch 
geminirt  vor,  sowie  alle  Vokale;  unter  den  Cooeonanten  namentlich  k,  t,  m, 
1,  p,  8,  V,  sogar  h 

Consonantenhäufuugen  sind  nicht  selten  (mtk,  slkl,  11)[,  ](sh  u.  A.)  und 
ea  lauten  ebenso  viele  Vocabeln  consonantisch  wie  vocalisch  aus;  in  dieser 
Hiß  sieht  ist  der  Unterschied  gegenüber  dem  Maricopa  und  Tooto,  namentlich 
dem  letztereo,  sehr  auffallend.' 

In  Folge  der  genaueren  Notirung  lässt  sich  aus  Piaart's  Wörter- 
aammluDg  ein  bedeutend  schärferes  Büd  der  Seri-Phonetik  gewinnen,  als  es 
bei  den  zwei  anderen  Vocabularien  der  Fall  ist. 

Nach  dem  Vorstehenden  ist  die  gutturale,  linguale  und  labiale  Artiku- 
latioo  über  die  anderen  stark  vorwiegend;  die  paiatale  ist  sehr  schwach 
vertreten,  was  den  übrigen  amerikaoischeo  Sprachen  gegenüber  fast  wie 
eine  Ausnahme  erscheint.  Nicht  vertreten  in  diesem  südlichen  Lautsystem 
sind  mehrere  Diphthonge,  die  Umlaute:  ä,  ö  {ü?)^  die  Consonanten:  w^  g, 
d  (b?),  dsh^  n,  z  (das  mit  Stimmton  gesprochene  s)  und  k\  h  ist  im  Voca- 
bular  durch  sh  wiedergegeben.  Die  Zahlwortreihen  von  1  bis  10  im  Voca- 
bular  rühren  beide,  die  absolut  wie  die  conatruirt  gebrauchte,  von  A.  L. 
Pinart  her. 

IL  Herr  John  Russell  Bartlett  nahm  das  hier  an  zweiter  Stelle  ab- 
gedruckte reichhaltig©  Vocabular  am  1.  Januar  1852  von  eineos  Seri-Indianer 


4 


n 


182  ^^^^^^^  Albert  S.  Gatscbet; 

in  HermoBillo  auf.    Dasselbe  liegt  in  der  Gestalt  vor,  wie  es  von  G,  Gibb 
(in  einigen  Ausdrucken  wenigstens)  transliterirt  wurde  und  befolgt  die  voa 
dem  Letzteren  empfohlene  Ortliogra|ihie.     Eine  Anzahl  Wörter  sind  accen- 
tairt;    der  Lautanstoss  (arrested  soaad)  zeigt  sich   häufig,    wie  in  kipk'ha: 
klein;  so  auch  die  gedehnten  Vocale:  li,  l,  iL 

Eigene  Buchstaben    für   Laute,    die    der    Sprache    eigeothüinlich    sind, 
wurden  von  B.  nicht  verwendet;  der  Laut  ch  steht  hier  meist  für  x,  oft  auch  ^ 
furjt,  scheint  jedoch  nirgends  den  Palatal:  tch  (deutsch;  tsch)  zu  bezeichnen;  H 
Bartlett  hat  auch  hie    und   da  h    für  -(  gesetzt.     Mit  seinen  hr,    sr,    seh,  ~ 
jrch,    tl  will   er  offenbar   eigen thüni liehe  Laute   bezeichnen,    die  bei  Pinart 
oft  genauer  angedeutet  sind.    Das  Pron.  praefixura  mein  steht  bei  allen  Ver- 
waadtöchaftagraden  und  Theilen  des   menschlichen  Körpers   in  der  Form  i-, 
während  es  bei  Pinart  meist  hi-  lautet     Ueberhaupt  erscheinen  die  Wörter 
bei    Bartlett    fa-st    durcliweg    in    einer    abgeschliffeneren    Gestalt,    als    bei 
Ersterem  und  namentlich  gilt  dies  von  den  Endungen. 

Zum  besseren  Verstandniss  diene  Folgendes: 

Die  Begriffe:  Bruder,  Schwester  sind  bei  Bartlett  nicht  in  alter, 
jünger  differenzirt 

si-ip:  Knabe,  bedeutet  ursprünglich  jung,  und  alternirt  mit  aep, 

l-apU:  Winter  und  kalt  ist  ein  und  dasselbe  W^ort.  Die  dortige  Gegend 
besitzt  nur  zwei  Jahreszeiten:  Regenzeit  und  trockene  Periode  de» 
Jahres. 

Das  für  Name  gegebene  Wort  ist  vermuthlich  ein  ganzer  Satz 

iko-oht:  tanzen;  vielleicht  ikocht  zu  lesen, 

Bartlett  und  Pimentel  haben  nur  je  eine  Serie  von  Zahlwörtern; 
Bartlett  hat  die  kürzeren,  beim  continuirlichen  Zählen  benutzten  Formen 
wie  folgt: 

1  =  tohom,  2  =  kahom.  3  —  phra-om*  4  ^  scoch-hom.  5  =  huavat'hom. 
6  =  napk'öchoch.  7  =  kachq'hue  oder  kachkwe,  kacbkue.  8  —  phraque 
oder  phrakwe.  9  =  sobantl.  lO^honachth  Die  übrigen  sind  ia 
der  Zahlenreihe  aufgeführt. 

IlL  Herr  Francisco  Pimentel  hat  in  der  zweiten  Auflage  seines  „Cuadro 
de  las  lenguas  indigenas  de  Mexico**,  11,  2'29— 242  (Mexico,  1874—75),  eine, 
wie  es  scheint,  anonym  der  Geografihitsch- Statistischen  Gesellschaft  von 
Mexico  zugegangene  Liste  von  etwa  70  Seri-Vocabelu  abgedruckt,  welche 
ich  hier  unter  Chiffre  P,  zur  Vergleich ung  beifüge.  Der  Autor  derselben 
hat  das  spanische  Alphabet  zu  seinem  Zwecke  benutzt,  und  da  er  zur 
Bezeichnung  eigenthumlicher  Laute  keine  eigenen  Zeichen  verwendet,  so 
sind  gewisse  Laute  höchst  unvollkommen  wiedergegeben.  Sein  j  ist  unser 
X^  wie  jedoch  das  daneben  vorkommende  x  ausgesprochen  w^erden  soll  (okaxla 
Wolke),  wird  nicht  gesagt;  sein  b,  bb  entspricht  ziemlich  unserem  v»  und  das 
h  steht  oft  für  X* 

Zur  Bildung  des  Plurals  bei  Nomina  bietet  er  folgende  Anhaltspunkte: 


1 


Der  Yurna-Sprarhstamm. 


133 


(für  ktam):    Manu;  pL  iamuk,  ktamuk. 
kmum:    Weib;  pl  kamujik. 

öip:  jang,  Knabe;  pl.  psipilkj. 
atepim:  Hand  korb;  pL  atepiska. 
Das  seinea  Zeitwörtern  präfigirte  p-  bezeichnet  die  erste  Person.     Die 
Zahlwörter  lauten  bei  Pimentel  wie  folgt; 

l=taso  (tüjon:  der  erste).    2  =  kokjl  (knjom:  der  zweite).    3  =  kupjtku. 

4  =  kosojkl,  kosojbL    5  =^  ko-uton.    6  -  snapkaBhroj.    7  =  tonakujkcni. 

8  =  09rojoBkmn(?).     ^  ==  ksobbejo-  aul.     10  =  taul.     20  ^  taul  jaukl. 

100  -  tatd  taul 


Weitere    Vocabelnj    die    sich    in 
Boden^  sind: 

ajojkora:      zündender      Blitzstrahl 

(rayü);    haxo^kura    bei  Pinart: 

im  Cabita:  yukums. 
yutj:  BInme. 

asot,  Maguey:  hassoot  bei  Pinart. 
moan:  eine  Art  Bohnen  (judias)* 
mazojl :  amerikanischer  Löwe;  jtatio 

maasol  bei  Pioart 


der    Liste    bei   Pimentel    noch    vor- 

kokeb,  Chile  (eine  Gewörzechote); 

vergl  Wald. 
obeke:  Balg, 
atankai:  Brot. 
juakir:  hören, 
amtiki;  hinab;  unten, 
amlarsu:  Jabr. 
ijae;  Oheim» 

Die  mir  vor  einiger  Zeit  vom  Pfr,  Wilh.  Herzog  in  Oppau  (Rhdnpfalz) 
mitgetheilte  Vermuthung,  dass  das  Seri  ein  Yama- Dialekt  sei,  habe  ich  voll- 
kommen bestätigt  gefunden  und  habe   daher  diese  Sprache  dem  Yumastamme 
beigezählt.    Die  Ergeüthümlicbkeit  der  spanischen  Orthographie  verdeckt  zwar 
nicht  selten  die  Zeichen  der  Affinität;    das  Seri  ist   ein  von  den  Gila-  und 
Colorado-Dialekten  sehr  weit  abstehender  Dialekt    und  (n dianern  jener  Ge- 
genden nur  in  wenigen  Ausdrücken  verstandlich.     Bezüglich  der  Theile  des 
menschlichen  Körpers  stimmen  indess  die  Ausdrucke  für  Blut,  Fiogernägel, 
Kopf,  Stirn,  Zunge,  und  ich  vermuthe,  dass  in  den  Wörtern  für  Arm,  Hand, 
Finger  auch  das  sal,  säl  der  nördlichen  Dialekte  enthalten  sei.    Wenigstens 
findet  es  sich  im  Seri:    isselka  —  Fliigel.    In  den  Zahlwörtern  findet  wenig 
Üebereinatimmung  statt,   am  ersten  noch  mit  dem  Cochimi  auf  der  anderen 
Seite  des  californischen  Golfes.    Andere  Ausdrücke^  die  übereinstimmen,  sind; 
Seri:  x^üo  massol  amerikanischer  Löwe;  Yavapai :  hana  wild,  in:  kutli4r't 
hana:  Coyotewolf,  wörtL:  „wilder  Hund". 
„      ehe,  e-a  Baum;  Yüvapai:  i-i'h;  M'Mat:  e-i  etc. 
„      hukkua  Fichte  (auch  unter  Holz);  M'Mat:  X*'^"»  Moh. :  o  älya. 
„       apis  Tabak;  Diegoeiio:  öpe';  Cocopa:  opi  etc. 
„      amime  Himmel;  Yävapai:  umiyä  etc. 
„      kotam  spalten,  in  e-ipa-kohotom :  Beil,  Axt;  YÄvapai:  tekäte,  in  i-i- 

tckäte;  Beil;  vergl.  die  übrigen  Dialekte,  wie  Tonto  etc. 
In  den  Ausdrucken  für  Erde,   Wasser  zeigt  sich  ebenfalls  Affinität  mit 
allen    Dialekten   Arizonas    und   wäre   die   Phonetik    des    Seri    einfacher,    so 
wurden  noch  weit  mehr  derselben  sich  zeigen. 


184 


Albert  S.  Gatscbet: 


Augenfällige  Aebnlichkeiten  mit  anderen  Yuma-Dialekten  weist  Seri  ferner 
auf  in:  sehen  (YÄv.,  Hudl.);  sechs  (Tonto,  HuÄl,,  Yäv.);  Du,  Pronomen  (alle 
Dialekte);  Taube  (Cochimi,  M'Mat);  Fliege,  Hund  (M'Mat);  Abend,  Nacht 
(Marie,  Hual.)  u.  s.  w. 

Aus  welchem  der  vielen  Yumastamme  sich  die  Seri-Indianer  zunächst 
ablösten,  als  sie  nach  Süden  zogen,  ist  aus  dem  jetzt  vorhandenen  Sprach- 
material wohl  kaum  mit  Sicherheit  zu  entnehmen,  doch  war  es  jedenfalls 
einer  der  westlichen  Stämme. 

Vergleichende  Worttafel  dreier  Yuma-Dialekte. 


Deutsch. 


^aon  (vir) 
Weib  (mulier) 
Knabe 
Mädchen 
Kind,  Säuglin{( 
mein  Vater 
meine  Mutter 
mein  Gatte 
meine  Gattin 
mein  Sohn 
meine  Tochter 


Tävapai. 

W.  H.  Corbusier. 


M'Mat. 

J.  T.  Helmsing. 


Seri. 

A  L.  Pinart;  J.  R.  Bartlett;  P.  =  F.  Pimeotel. 


pa,  pa-h^mi 
puki 

hamanye-h^mi 
musi 

i  hamäny^ 
tcbiti;  tali 
tchiti 

j  lowah 

:  homlh;  tbaüwi 
'  hSTetchi;  bn- 
tcbän 


mein  alter.  Bruderl     — 
mein  jung.  Bruder      — 

meine    ältere       •  tchi-mu8i 

Schwester 
meine    jüngere    ;  k§li 

Schwester 
Indianer  — 

Volk  !     — 


Kopf 

Kopfhaar 

Antlitz 

Stirn 

Ohr 

Auge 

Nase 

Mund 

Zunge 

Zähne 

Bart 

Hals 

Arm 


küwawa 
yo 

himSpüla 
smäll^ka 
yu'h 
hu 
ya 

hi-päl 
yo'h 

I  yavinygmi 
hi-pük 
thudi 


knra-aka  (s.  alt) 

sinya-aka 

;fumär  sj 

muzha;^a-i 

/umar 

iniko;  na-aya 

ntaya 

i-ngraake 

nya-abe 

;^uniay:i;  s'awa 

nyepevetsits 

nyepentsen  ku 
kütsintsah 

sho-otskuannogh 
intsab 

nyepentsen  ku 
kütsintsah 

nyi'ik 

kutchan;  yuka-i; 

pi-ipa 
pi  •  ipa    tsepalle- 

nam 
e-dsuksba 
e-e 

e-dokuämkoba 
dokullem^ 
shmälke 
e-dhö 
\-yö 
i-yä 
i-pal 
e-tbayo 
e-yavome 
miak'ke 
e-shal 


ktam; 

kmam ; 

sep; 

shakam; 

ove  (Säugling); 

hio; 

hittan; 

bikam ; 

bikkom ; 

isaak; 

bivek ; 

imiak; 

ishksb ; 

hipäk ; 

hikömroi; 


komkak; 

illit; 

iilit  kopt'no; 

hipen ; 

hitto-o/fi; 
hif; 

hiten; 
hip/1 ; 
bitast; 
hitamokken ; 
i-ap; 
innol/'- ; 


eketam;  P.  'tarn 
ekemam;  P.  kmam 
si-ip;  P.  sip 
srakam;  P.  — 
h'racht  kisil;  P.  — 
ive;  P.  ib,  ip 
ita;  P.  itta 
ikam;  P.  ikum 
ikom;  P.  — 
iket;  P.  isak 
iket  brakam;  P.  — 

imiak;  P.  — 

—    P.  o-iach-j 


ikomi;  P.  — 


komkak;  P.  — 

i-hlit;  P.  - 
i-na;  P.  — 
i-yen;  P.  — 
i-pen;  P.  — 
i-stia;  P.  — 
i-to;  P.  iktoj 
i-fe;  P.  — 
i-ten;  P.  iten 
i-pl;  P.  — 
i-tast;  P.  — 
i-tamoken;  P.  - 
y'-ape;  P.  — 
i-noyl;  P.  inte 


Der  Yuma-SpracbstaiDiD. 


135 


Dentscli. 

TAfapai. 

M'Mat. 

Seri. 

W.  H.  Corbusier. 

J.  T.  Helmsing. 

A.  L.  Pinart; 

J.  R.  Bartlett;  P.  =  F.  Pimentel. 

Haod 

s&l 

e-sbaltchagpeyen 

intlasb; 

i-nosiskersk;  P.  — 

Finger 

— 

e-sb&lke  sharap 

inol'-tis; 

i-Dos-shak;  P. 

Daumen 

s&l  kub^te 

i-shal  tcheveta 

inor-veko/; 

—        — 

N&gel 

smhö 

sbäl  glo;^6 

inoskl;^; 

i-nosk'l;  P.  — 

Leib,  Körper 

mät)^;  mat 

i-mat 

isso/; 

i-soch'l;  P.  — 

Brost 

— 

i-wa  v^ 

ippes; 

—        — 

Bauch 

▼enüna 

i-tö  ^ 

anoyahet; 

i-a/-;  P.  - 

weibl.  Brüste 

nyinidya 

i-nyama   ^ 

himt; 

Fnaiachenke] 

thimuwäla 

e-mä 

hippeiJ; 

i-tahom;  P.  — 

FU88 

mrh 

e-megn  zlapazlap 

ittOTa/; 

i-toTa;  P.  itoba 

Fusszebeo 

s^Uho 

e-megue  zaraps/ 

— 

i-nosshak;  P.  i-tÖTa 

Knochen 

tchiyaka 

ndshashähk'  ^^ 

— 

hrehitak;  P.  — 

Knie 

mäpuk 

— 

hifl; 

—        — 

Herz 

hi-waiya 

i-guako*obo-6t 

himmos; 

i-morch;  P.  — 

Blut 

hwat 

nye/uit 

ayat; 

avt;  P.  — 

AoriedeluD^i^ 

— 

abä  (s.  Haus) 

— 

a-irritom;  P.  — 

Häoptlin(( 

pa-mülwa 

kapitan 

— 

ki-eheh;  P.  — 

Krieger 

hwaiyöa  (Feind) 

mntapde;enekoy- 

— 

h'tammukoka;  P.  — 

Freund 



metashu-upaügh 

— 

e-ahamikoka-eme;  P.  — 

Haus 

— 

uba 

asbamtako; 

aki;  P.  - 

Kochkessel 

dkua  hamat 

itsilülgue 

— 

hrehrepäsonich ;  P.  —            ^ 

Bogen 

hapü 

o-otish  v/ 

hakken; 

akon;  P.  - 

Pfeil 

apa 

e-epa  u^ 

ha/ash-sha; 

ahasa;  P.  — 

Beil 

i.it^käte 

takiat 
sha'hk   v/ 

e-ipa-kohotom ; 

e-epakötam;  P.  — 

Messer 

äkua  tchSmälS 

vennom; 

b^no;  P.  - 

Boot,  Gaooe 

k^lho 

gul/0;!fa 

— 

is'sbaskom;  P.  — 

Moccasins 

nyähänyo 

n/aminyii 

asapato  (span.) 

;    ataint;  P.  — 

Tabakspfeife 

mulhu 

mil;f6 

— 

amahi-inpäkka;  P.  — 

Tabak 

üba  ^ 

U-ÜT 

apiskuptua; 

apis;  P.  — 

Himmel 

ümiya 

m'ma-i  ^ 

aminone; 

amime;  P.  ammime 

Sonne 

ny& 

nya  V 

shaa; 

schra;  P.  rahj,  lahj 

Mond 

hala 

XeWi 

ish-sha;^; 

isab;  P.  — 

Stern 

hamSsi 

/amerse  '^ 

vaBtlk; 

▼asoh;  P.  bassojh 

Tag 

— 

nya-ik  "^ 

shaabepkak; 

amtifey'r;  P.  — 

Nacht 

— 

tiny&m  ^ 

ihammok; 

i-amok;  P.  yamok 

Finsteroiss 

— 

— 

— 

kekup6-il;  P.  jikopo'hl 

Morgen 

— 

kuloyomo  'yä-ik 

itapl;fk; 

italpch;  P.  — 

Abend 

— 

nya/dbnk 

aneiyaot; 

anayäuet;  P.  — 

Frnhling 

mn^mi 

;^azata-ik 

— 

eshaketamoch;  P.  — 

Sommer 

ny&rayi 

oikopilke 

— 

ekasyom;  P.  — 

Herbst 

— 

matimk 

— 

i'pkeki;  P.  - 

Winter 

«tchüdr^ 

/atsürgae 

— 

i-ap1;  P.  — 

Wind 

m&tS-haiya 

mut;^a   \/ 

avü; 

äve;  P.  abb  (aire) 

Donner 

knVho 

amopotka  v 

^in/1; 
ivam;fo; 

inekl;  P.  — 

Blitz 

mSr'abi 

uravgue;  ukäsk^ 

iyamqua;  P.  — 

Regen 

ikwi-wö 

oba-uk  ^ 

bipka; 

ipka  käoknk;  P.  ipka 

Schnee 

pW 

sa-ik  ^' 

— 

ach'hihaps;  P.  — 

Feuer 

o-6h 

a-ä-u  - 

— 

amakinocb;  P.  amak 

136 

Albert  S.  Gatschet: 

Deutsch. 

TäTapai. 

H'Mat. 

SerL 

W.  H.  Corbusier. 

J.  T.  Helmsing. 

A.  L.  Pinart;  J.  R.  Bartleit;  P.  =  F.  PimeoteL 

Wasser 

aha;  U 

,,  y 

Ä/; 

ache;  P.  ahj 

Eis 

thSpdtch 

;^a-nap4tsk 

a^e^apsh; 

—            — 

Erde,  Land 

mat;  dmdt;  mäte 

h^mat 

harnt; 

am*t;  P.  ampte 

Meer 

— 

;^azata-ik 

ieppe; 

hipe;  P.  - 

Fluss 

aha  ketchjkemi 

X&  abil 

hassol/; 

asoch;  P.  — 

Landsee 

— 

/enyo  / 

— 

ash  kakiton;  P.  — 

Thal 

— 

mata-kdksi 

hamtkash  (cafiada); 

kaTilch-k  milcht;  F.  — 

Wiese,  Prairie 

— 

;^atamats  pa;^aLke 

— 

—            — 

Berg 

wi;  wi-kutaya 

mata-olke;  abi 

hast; 

astkakoch;  P.  ahstaka- 
koj  (peäa) 

Hagel 

— 

— 

— 

—  P.a8tasro(cerro) 

Insel 

— 

atishke  y/ 

— 

hepe-ipach;  P.  — 

Stein,  Fels 

wi;  wi'h 

abi 

hast; 

ast;  P.  — 

Salz 

hathi 

s*i  >/ 

— 

amtipt;  P.  — 

Eisen 

akua;  kwa 

;)fata/manyio 

— 

bennom;  P.  — 

Wald 

— 

tomarresi-imä 

— 

—    P.kokabate(bot- 
que) 

Baum 

i-i'h 

e-i 

ehehapek,  ebehamtisp 

;  e-a-omt-kite;  P.  ehe 

Holz 

i-i'h 

e-i  y 

aka/-;^ukua  (s.  Fichte) 

;  ukahoke;  P.  — 

Blatt 

therk;  habSsüwi 

aDaWerhera 

ebe-istkl; 

istl;  P.  - 

Baumrinde 

therk 

/ana-odil 

— 

ina>olch;  P.  — 

Gras 

iwilla 

;ifatamdts    (siehe 
Wiese) 

— 

kooö;    P.    amptijubl 
(yerb») 

Fichte 

— 

/uäll 

bukkua  (pino); 

—           ^ 

Mals 

tiy&tch 

teditche 

▼ap/o1fl;r; 

—    P.  bapute 

Kürbis 

— 

/mat 

/am; 

—    P.  jam,  kam 

Fleisch 

mate;  mat  (siehe 
Leib) 

kaekoä-iv 

— 

^ven;  P.  — 

Hand 

kutbart 

/atsoksök 

a/sh; 

achks;  P.  - 

Büffel 

— 

kuekuav-ipa 

— 

—           — 

Bär 

— 

ba;fuet 

tonnom; 

—           — 

Wolf 

— 

;^fatelu^ 

/ekkos; 

bashokeYlch;  P.  — 

Coyotewolf 

kutbart  häna 

— 

▼aottb; 

—    P.  bo-ot 

Fuchs 

kokötra 

matkoava 

— 

— 

Hirsch,  Reh 

kwäka 

koäk/ 

heppem ; 

epem;  P.  — 

Biber 

pioä 

/am-abir 

— 

—            — 

Hase 

— 

— 

hevve; 

-     P.  ehe 

Kaninchen 

kül«;  h^Iö 

/ellä-u   . 

vap/a; 

—           — 

Schildkröte 

hälSkäbä 

kapet  ^ 

/tamosün; 

'h'tamösn;  P,  — 

Pferd 

ahat;  hat 

/at  emsin 

kavai  (span.); 

—            —  ■ 

Fliege 

tbimpüdrka 

;ifäl-esm6 

/1/ommo/t; 

hlomolch;  P.  — 

Moskito                1 

— 

shampüilkev 

koshipka  (zancudo); 

koshipka;. 

Schlange 

hänupüga 

abe  ^ 

— 

kovemach;  P.  kabimaj 

Klapperschlange 

mm 

a-abe 

— 

—           — 

Vogel 

— 

etsiyerre 

shek; 

schaik;  P.  - 

Ei 

sakaüwa 

kuliya-stere-ür 

ip;^; 

schek-äipch;  P. 

Federn 

müsema 

etsiyerre  e-emist 

inna; 

brek-ina;  P.  — 

Flügel                  1 

w4lle 

etsiyerre  mila/ö   " 

isselka; 

is^ka;  P.  — 

Ente 

kanümü                | 

/anamö                < 

vak; 

ahanohrft-ik;  P.  — 

Der  Tnma-SprMhstamm. 


187 


Dentach. 

TAtaiiai. 

M'Mat. 

8ert. 

ATOHIOVII» 

W.H.Corbusier. 

J.  T.  Helmsing. 

A.  L.  Pinart;  J.  B.  Bartlett;  P.  =  F.  Pimentel. 

TrntbabD 

yäs 

t 
oröta 

—    P.  to-obo 

Taube 

ikawi 

ko& 

kniukku; 

koyöchko;  P.  — 

Fisch 

etcbi 

etsi  \y 

she;^kam ; 

schechkam;  P.  — 

Name 

— 

mumdlk  v 

— 

itasi-iyatcuyip;  — 

weiss 

nyum^s&bi 

;|rama1gae  \/ 

koho/p; 

köpcht;  P.  - 

schwarz 

nyitchi;  nyä 

ny^lgue    v/ 

kopo/I: 

kopolcht;  P.  — 

roth 

tch§*bwäta  (siehe 
Blnt) 

kuikdv-o;|ruit 

kfeyeil; 

kiyilch;  P.  - 

hellblau 

hab^sdwi 

m'mai;   m*maiko- 
/oshanyÄ 

koyür;f; 

yalch  kopolch;  P.  — 

gelb 

aka&tha 

aku^ske 

kmassol/; 

k*m&so1;  P.  kmozol 

hellgrän 

habSsüwi 

;|rtbashdk 

koynl/,  ;fpanam8; 

köyilch;  P.  — 

gross 

t4ya,  ta;  hSmi 

beta-ik 

kakkoi; 

kakolch;  P. 

Ueiu 

kötchi 

n*nok  V 

kissil;^; 

kipVha;  P.  - 

stark,  mächtig 

— 

esp^r^e 

— 

kayohach;  P.  — 

alt 

— 

kara-aka 

— 

ikomikolch;  P.  kmakoj 

jung 

— 

i-ipdk  v/- 

— 

si-ip  (8.  Knabe);  P.  — 

gut 

hani 

a/6tk  v^ 

;Keppe; 

kipi;  P.  - 

böse,  schlecht 

kal^pi 

ria-ik        X 
opd-ik    ^ 

/omipli,  kmiplä; 

homi-ip;  P.  — 

todt 

pih 

ko/Jce; 

koch'he;  P.  - 

lebendiijr 

— 

ellopü-imuk 

— 

ekäm;  P.  - 

kalt 

mani 

/otsüigue 

kapll; 

hyapl;  P.  - 

warm 

mue 

— 

— 

—           — 

heiss 

i'u^'h 

apilk  v^ 

kmatkl; 

kemachtl;  P.  — 

ich 

ny&tche 

n*nyip  ^ 

eye,  iyye; 

iye;  P.  ibe 

du 

match 

man   / 

me; 

me;  P.  — 

er 

nu-idshi;  nyuwi 

aban  ^.. 

imki; 

imk;  P.  — 

wir 

— 



oye; 

oye;  P.  — 

ihr 

— 

man  dshekedik 

moyye ; 

moye;  P. 

sie 

— 

sHub&n 

imkoye; 

moye;  P.  — 

dieser 

nyiy&-a;  TÜ-a 

bezan;  vedan 

— 

ipk^,  P.  - 

jener 

niuya-i;  nyü^pi 

sftab4n 

— 

imk^;  P.  itäm  (s.  Mann) 

jeder,  alle,  ganz 

paya 

tchdmill 

moyekos; 

koch;  - 

fiel 

laüwi 

e't4.ik  v/ 

kat^o,  /otio; 

kafho;  P.  - 

welcher 

— 

mukitch 

ki-ia? 

kiya?  wer?  sherame?  was? 
P.  — 

weit,  entfernt 

tuwdya;  kürama 

ekork    v/' 

to/kaka; 

nahe 

hip^ 

/eipdnik  ^ 

imtail; 

ickh;  P.  - 

hier 

▼iäki;  y&m 

yed^hi 

ishkak; 

—            — 

dort 

yidl;  ydl 

zeyill 

imkahaka; 

—            — 

heute 

nyäyam 

nyata-öryuk 

sha-ipkapete ; 

aposhk;  P.  — 

gestern 

l^nyahum 

ten4-i 

mn;^emma ; 

moch*h^mma;  P.  — 

morgen 

yW;  y^g«™ 

kuliyi-um 

ampo/en; 

ampt  poher;  P.  — 

jal 

m  iki\ 

hVdl  tÄ-Qtl 

— 

yoa!    P.  yoha! 

nein! 

öpi!  ömil 

kubargM 

— 

6-om!   P.  o-oml 

eins 

siti 

sh^ntik 

tash-sho; 

tokj^om;  P.  — 

zwei 

hi^wäki 

;ifubik 

ko-ok/; 

ka;^kum;  P.  — 

drei 

hl^maki 

;ifamök 

kap;fa; 

piao;  P.  - 

▼ier 

hop4 

tcha-umpap 

kshu/kuä ; 

sho^kum;  P.  — 

188 


Albert  S.  Oatiohet: 


Dentgch. 

TATApai. 

M'Mat. 

8eri. 

W.  H.  Corbnsier. 

J.  T.  Helmsing. 

A.L.  Pinart; 

J.  R.  Bartlett;  P.  =  F.  Pimentel. 

fünf 

b^räpi 

sa-arap,  sar&p 

ko-0;Ktom; 

kuaotom;  P.  — 

sechs 

despe 

;^o-um;if6k 

imapkasho; 

napsho;^;  P.  — 

sieben 

hgwak-espe 

pa.a;rkek 

tomka/kue ; 

ka;Kk;fUe;  P.  — 

acht 

hSmuk-espe 

si-ip;fök 

ksho;^olka; 

piak;fue;  P.  - 

neun 

hälSthuyi 

/um;|ramük 

ksOTikanl;r; 

so;fanthe;  P.  — 

zehn 

buwäwi 

shaha;^6k 

kanl/; 

/ona^-;  P.  - 

eilf 

sitikwa-ä'hli 

shaha;^6k  umaiga 
shend 

— 

tantasokue;  P.  — 

zwölf 

hewakS  kwa-ä'hli 

shaha;^ök    umai 

— 

tanchltokue;  P. 

zwanzig 

hSwakS  buwawi 

shaha;^6k  a-a  /a- 
vik 

kanljK  ko-okjK; 

e-anslkoch;  P.  taul  jaukl. 

dreissig 

hSmakS  buwawi 

sh.  a-a  /amük 

— 

eanslkapka;  P.  — 

▼ierzig 

hopachS  buwÄwi 

sh.  a-a  tse-umpap 

— 

—            — 

fünfzig 

h^r&pg  bawdwi 

sh.  a-a  sa-arap 

— 

—            — 

secbBzig 

despaya  buwawi 

sh.  a-a/o-um;f6k 

— 

—            — 

siebenzig 

h^wakespaya  ba. 

sh.  a-a  pa-a;|fkek 

— 

—            — 

achtzig 

hSmukespaya  bu. 

sh.  a-a  se-ip;fök 

— 

—            — 

neunzig 

hül^thüyi  buwawi 

sh.a-a^um/omuk 

— 

—            — 

hundert 

sShana-siti  baw. 

sh.  a-a  shaha/6k 

— 

hiantl  kantl;  P.  taul  Uul 

tausend 

sShuna  buwawi 

sh.  a-a  sh.  ababa 
ashentik 

— 

—           — 

essen 

ma 

m'mam 

ikohet; 

iko-a;  P.  — 

trinken 

— 

e'sim    ^ ' 

kassi; 

ikosi;  P.  — 

rennen 

— 

hab^sbk 

— 

ikoch 'horch;  P.  — 

tanzen 

himä 

i-imak    ^ 

a^üt; 

iko-oht;  P.  — 

singen 

— 

ahashbargue 

— 

ikos;  P.  — 

schlafen 

sma-kiydkum; 
sma 

ashmam  ^ 

iki; 

iki-im;  P.  — 

sprechen,  reden 

kwaüwi 

tchokaerk 

— 

ikavato;  P.  — 

sehen 

bami 

iyük^ 

— 

ikehom;  P.  — 

lieben 

— 

aramnyinamgue 

— 

ikomsho;  P.  — 

tüdten 

n^hi 

topüik 

ikoyink; 

ikovikae;  P.  — 

sitzen 

mua 

n'näk    ^ 

amtil/; 

amtikiche;  P.  — 

stehen 

güskui 

ab'a-nk 

— 

ikafit;  P.  — 

geben 

yami 

eb'ak    V 

— 

ikatarch;  P.  psitahj 

kommen 

— 

abedik^ 

— 

m'keven;  P.  psif 

zu  Fass  reisen 

bo 

arao-ik 

— 

—            — • 

arbeiten 

härahära 

etsumevgue;    et- 
suvim 

— 

—            """ 

stehlen 

— 

kutßitsuigue 

— 

—            — 

lügen 

— 

etchinya-ik  ^ 

— 

—            — 

geben 

— 

abik     -■ 

— 

—            — 

lachen 

tchik^vdre 

tchikabargue 

— 

—    P.  psiyzon 

weinen 

— 

hamim  .. 

— 

—           — 

schreien 

— 

— 

ikkentl; 

"~~           "~" 

^^B 

Der  Yuma-Sprachatamm. 

• 

^^^^^^u^^^l 

^       Yävapai-Wortverzeichniss 

.      ^^             1 

Dr.  W.  H.  Corbusier. 

H 

^^    «ibib;   Riesencactus  (Cereus 

riabttika:  1.  Exkrement;  2  Ver- 

hnnlkerapa:  Scbnietterlißg.             ^^^B 

(sn^fanteup,  bis  70'  hoch). 

ricbtunj^  der  Notbdurft. 

banikusäha-  Tausend  fus««.                ^^^^| 

abiVbalchl:  1.  bitter;  2.  Cbina- 

d  sb  tdka  -  b  wdte :     Ruhr;     von 

hnpi:   steinerne   Keibeplatte:          ^^^^| 

rinde. 

dshelka,  und  bwät:  Blut. 

die    mexikanische    metlatl.          ^^^^| 

Aha  ka  teber&kua;  Name  von 

dshelko:  After,  Ende  dea  Maat- 

Vergl. bäbetchü.                            ^^^H 

Peck*sL:ike,  IBengl.  Meilen 

darm?, 

bapü-mesnmr  Bogensehne.              ^^^^| 

riürdlich  Ton  Camp  Verde; 

hatawih    1.  ein  Oewäch?,  zu           ^^^| 

wörtl.  ^gehoffenps  Wasser*; 

emii:  die  drei  Sterne  im  Guttel 

Pfei  Iscbaften  verwendet.  Vg.          ^^^| 

See  in  Gestalt  eines  EM- 

des    Orion;   wurlL    ,Ber^- 

atä.    2.  Pfeilscbafl.                     ^^H 

moudea. 

schaf-. 

batälniu  mesaba:  Eae).                     ^^^H 

Aba  kidsbekedsha  uom.  pr. : 

er iir'e :     Nävajo  -  ücberwurf ; 

hatyä:  die  Pleiaden.                        ^^^H 

Gilaflasst. 

ein    aui^serst     dauerhaftes 

hat  venuna.Spielkii  riet).  Diese          ^^^H 

afaa  pük:   Quelle.     V|»K  pok, 

wollenps  Gewebe,  auch  als 

Karten    werden    aus    dem          ^^^| 

Wi-puk. 

Bettdecke  dienend. 

Banchfet)  (venüna:  Bauch)          ^^^| 

abai  muf-i*.  Stute. 

©sabithti  tcbe-üdre,  oder  esa- 

der  Pferde  (bäta)  verfertigt          ^^^| 

ahän&le,    banale:    L  Kärbis; 

batbü:   Federschmuck;    an 

und   40  machen  ein  Spiel          ^^^| 

2.  kleiner,    hohler   Kürbis^ 

den  Haaren    befestigt  und 

^^^H 

der   von    dem   Schiimanen 

meist  aus  Adlerfedern  be- 

batbi: trinken;  wo rtl*, Wasser           ^^H 

mit  SteiDcbeD  gefüllt  und 

stehend. 

schlürfen''.                                      ^^^H 

dann  beim  Onriren  tils  Lirm- 

elchi-yöye:  Fischangel,  Fisch- 

hrLbetchä:  Stein,    womit  auf          ^^^H 

Instrument  verwendet  wird. 

buken. 

dem  bapi  Korner  zu  Mehl          ^^^H 

akna  niu^rka;  Taschenmesser, 

etchüdre:  Jabr. 

£@Trieben  werden,                       ^^^| 

aktia-sebiiiwa:  Pfeilspitze  aus 

bäuübi,  ho>ümi:  rechtaeitig;          ^^^H 

Stein. 

Hak'  athielu,nom.  pr.:  Rio 

säl  h.:  rechte  Hand,                    ^^^^| 

uktia    tikewekoa:     Taschen- 

Sabdo,    oder    Salt    River, 

he-ella:  Laus.                                   ^^^B 

masser. 

nördlicher  Zuflnsa  des  Gila. 

hen^ku:     Halsachinuck;    be*          ^^^H 

a-kwal:  gegerbte  lürschbaut. 

(halbi:  Salz.) 

stehend  ans  einem  Strang          ^^^H 

Ver^L  Icbi-thkuila. 

IIa    ba    riiya:    Name    eines 

aus    Hirschleder,   an    dem          ^^^H 

amät:  LErde,  Kotb-  Land. 

Baches  auf  der  Rio  Verde- 

Korallen,    Glasperlen  etc.          ^^^H 

2,  j rdene r Topf,  Krug,  a ro at 

Reaervation,  der  warm  ans 

aufgereiht  sind.                             ^^^H 

hatbiwa:    grosser    irdener 

dem  Felsen  «trömt.    VergL 

bene-     Constelhition     de.«             ^^^^| 

Wasserkrng, 

aha,  royi'b. 

Grossen  Büren.                             ^^^^| 

apa  makuana:  Scbiesspulver. 

Ha  ke  so-onwa,  nom,  pr.  von 

hepä  "  tumi :     Morgendamme-                 ^H 

ata;    1.  Snmpfrohf;  2.  Pfeil - 

Camp   Date-Creek;   wortl.: 

^^^H 

scbaft    aus    Robr.      Ver|fL 

„der  einsame  Cottonwood- 

bithtil- tchiyi:    Unterkiefer;          ^^H 

hatamiL 

banm," 

wörtl. :    gKtnn  Knochen*.             ^^^^| 

aläta:    L  Dotd;    2.  Granne. 

hata  ke  räpa:  Schale  einer  Bi- 

hiuye-üyebi:    eine   ganz  der         ^^^^| 

Ver^K  tchelatata. 

vftlve,  als  Halsschmuck  ge- 

Bkäliskfiü gleichende  Kinn-          ^^^H 

tragen. 

Tätowirung    der    Frauen;          ^^^H 

bete:  1.  adj.  ifross;  ifross  und 

hamänie  kuadro,  oder  b.  3  äki: 

drei    Verticalstriche    statt          ^^^H 

breit ;  dick,  carpulent ;  2.ad  v. 

Tragekorb ,     an     welchem 

^^^^H 

1              riet,  hetr&cbtlicb. 

Säuglinge  befestigt  und  am- 

hornfh:  Gürtel,  Gurt.                     ^^^| 

hergelragen  werden. 

howal:  Weisatanne.                          ^^^H 

desp^bika:  der  andere  (von 

hameBi:  Stern;  hamesi  sike* 

bowal  tchibiyi :  Bretterboden.         ^^^H 

zweien).    Verf^L  midespeha. 

wekwa:  Polarstern. 

buale:  Vertiefung  im  Boden,          ^^^^| 

drabi,  drabi,  rubi:    1.  dünn. 

häna:    1.   wild,    iingezähmt; 

Loch;    aba    bualewa:     Ci-         ^^^H 

majter;   2.  trocken,  dürre. 

2.  wildes  Thier. 

steme,  Ziehbrunnen.                    ^^^^| 

auBgedorrt;  s.  ravi  im  Mo- 

haoa  tömekum!  ea  ist  in  der 

hualebnale:  röhrenförmig.              ^^^H 

b*Te.    y^Tgl  ya:  Mond, 

1 

Ordnung!   so  recht! 

humiräpa:    aQs    Haaren    ge-         ^^^H 

140 


Ja  tieftet  s 


fertigte  Schnar;  ?oii  den 
Nävajo-lDdiauern  verfertigt. 

Jiuöiekü:  Frosch. 

hwaiyoa:  1.  feindlicher  Krie- 
ger j  2.  Kriegs|fefangener, 

hwoyömi:  zleleo  (mit  dem 
Bogen,  Gewehr  etc.). 

i-i  muamä:  Wurzel,  Baura- 
wurzeL 

i-i  tekttto:  Kriegakeule. 

mäya,  yise:  Schatten  eines 
Baumes,  Felsens  etc.;  tuko- 
s4ya:  Schatten  eines  Men- 
Bchen. 

it&se:  Sykomore  (Fiatanus). 

itemärika :  Beg ribnias* 

itcbinälii  fallen  lasaent  mit* 
chinälil    la8s  es  fallen  I 

itcbipäya;  Tbier. 

ya^Mnnd;  y4-arubi:  durstig; 
wörtl:  «Mund  trockfln*. 

y&ko:  Betl,  Nachtlager. 

yäläka:  wilde  Gans. 

yätch:  Pflanzen saroen;  durch- 
weg als  Nabrungsmittet  ge- 
braucht. 

yipübi:  Kocher. 

yiti :  genug;  yebel  is ilha  yiti? 
ist  dies  hinreichend? 

yu,  yuh:  l.Aoge;  yuh-baomi: 
blind;  yuh-keleme:  Augen- 
braue o;  2.  Gesicht,  Antlitz; 
ya  -  theluthelu :  Blattern- 
Darben. 

yuhupiiki:  vorne  dran,  auf 
der  Vorderseite. 

kapitmpka:  Heoscbrecke. 
kava,  kwa?    pron.  rebt.;    in 

kwiUha?    was?    kavayümi? 

was?    warum?     weshalb? 

kava  nyyku?   wann? 
kätharo:    links  dl  ig;    säl    kl- 

Ihäro:  Unke  Band, 
kedshi:    wenig;    pa    k^dshi: 

wenig  Männer;  püki  kt!dsbi: 

wenige  Weiber, 
kele-uiki: Kugel;  pa  keie-ulkü 

kurzer,  dicker  Mensch;  säl 

tchikeie-üiki  :geballte  Hand, 

Faust. 
keDÜmi,  in :  aäl  kenämi :  Zeige- 
finger, 
kiyäroi :     loftschi essen  ,     ab 

schiesaen  (Pfeil,  Kugel  etc.). 


kithi4:  Är^t;  wörtKi  „zu 
trinken  gebend";  von  thi: 
trinken,  schlarfeu. 

kiyli^  kluii:  lang,  hoch,  hoch* 
gewachsen. 

kiikwa^  adv.:  sehr;  yä-a  riibi 
kükwa:  sehr  durstig. 

kuadra,  kuaj  :  Schmioke, 
Farbe  aur  ßemalung  des 
Körpers. 

kuadrakio:  rother  Tbon,  in 
Kuchen-  oder  Riiigform  ge- 
backen; ab  Schminke  und 
Ueberzug  über  den  Körper 
dienend. 

kuadra-tchiätui:  rotber  Thon^ 
als  Farbe  in's  Gesicht  ge- 
schmiert. 

kuaka  takwä:  Pul  verhorn. 

kuäka  tapäbi:  Fleisch  in  eioer 
Erdhöhlung  ruslen,  braten. 

kuathevriya:  Tasse,  Schale. 

kuluma;  After^  Ende  des  Mast- 
darms.    VgK  dshelkü. 

kuniehuidewi :  Fell  lur  Be- 
deckung der  Lenden  und 
Scham  tbeile. 

kuthak :  grosser  Korb  von  ko- 
ui  scher  Form;  von  den 
Weibern  lum  Gewinnen  von 
Pflanzensamen  benutzt  und 
auf  dem  Rücken  getragen. 

kn-trh*  runder,  niedriger  und 
wasserdichter  Korb. 

kuwe-i\  kuwevi:  1.  herab,  ab* 
wärts;  SS.  Süden» 

kwa  tesotcbätcha :  Regenbo- 
gen. 

Kwathaaiki*ita:  nom..  pr.  von 
Prescott,  politische  Haupt- 
stadt von  Arizona. 

kwauwa:  ürossvater. 

1  a  b  e  -  ä  n  y  i :  scbei  hen  f ör  m  ig. 

m  i  k  a ;  hinter^  hintendran, 
auf  der  Rückseite,  auf  der 
anderen  Seite  (im  Tonto: 
Eücken}. 

luaka-tetcheku:  der  hintere 
Tbeil  des  totch^kwa,  s.  d. 

matavi:  Norden. 

Mai  bathi:  nom.  pr«  von  Camp 
Verde,   Lagerplatz  auf  der 


Rio    Verde  -  Reservation ; 
wörtl.:  ,SaIz-ErdeV 

mateyiisi:  Jahr. 

matektinu  miella;  Adobe; 
Lebmiiegel. 

Mate  kütebÄha,  nom.  pr. :  Rio 
Verde,  ein  nördlicher  Zu- 
fluss  des  Gila,  Arizona. 

mute  kutchiika;  Lehm  und 
Stroh  mischen  (zur  Adohe- 
fabrikation). 

mat-sehepe-i:  Schaufel. 

märamirai  bald,  baldigst 

metäma:  hinauf^  aufwärts. 

mevil:  hölzerne  Pfeilspitze. 

miävi :  hinauf,  anfwärts.  Vgl. 
metama. 

miella:  Gebackenes;  Brot. 

midespeba:  ein  halber  Real; 
sechs  amenk.  Cents- Münze. 

mf'bt  Fuss;  in  mi-muwala: 
Wade;  mi-tikitha:  Absatz 
des  Fasses. 

miyuli:  süss. 

minyi  -  häta :  zahmes  Thier, 
Hausthier. 

muiit:  wildwachsende  Gerste 

mue:  warm;  hakamue:  war- 
mes Wasser;  muemi:  Früh- 
ling. 

mubü:  Gesichtsmaske  oder 
maskenartiger  Anzug,  um 
auf  der  Jagd  das  Gewild  zu 
tauschen:  Rebfelle,  Hirsch- 
Geweihe  u,  s.  w* 

mulbn :  Tabakspfeife  aus  Stein 
oder  gebranntem  Thon  und 
ohne  Biegung. 

muniemiya,  s.  tchipebi. 

musema:  Pfeilfeder. 

müsi:  weibl.  Thier;  küthart 
m.:  Hündin. 

JDnsma:  1.  Wurzel;  venat 
musmu:  Wurzel  der  Yucca 
baccata;  2.  Strange  Schnur, 
Sehne.     Vgl  bapü-mesmi. 

muwiye,  adv,,  1.  mehr,  in 
grösserer  Menge;  2.  wie- 
dernm,  nucbmals;  müwi 
kuwarubi:  immer,  stell. 

uäli:  hinabsteigen,  herunter- 
kommen; hat  näll:  vom 
Pferde  absteigen;  ve  nälil 
me  Däiki!    komm  herabl 


Der  Yuina-Sprftchstiiinin. 


141 


i 


uegi:  die  Bogensehne  ^n 
ddben^  spanneü. 

iii3li«ipu:  Seh  ie^sw  äfft?;  so- 
irohl  Feuerwaffe  als  Bogen 
und  Pfeile;  hapü.  Bogen. 

Uli,  nya,  nyä:  Pfad,  Fahrte, 
Weg.     Vergl  Sonne. 

nii  r'opi:  SonDeountergaiig; 
nii  ropohi:  Westen. 

nia  tchexalöbi;  Osten. 

nii  ve/nd  kakwäm?  zu  welcher 
Zeit  (od.  Slnufte}?  wörtL: 
,dio  Sonne  woV* 

ni-ibdya:  Soppe« 

nistukuwälkat  Skorpion. 

ajawib;  Kleidungsstörk;  Be- 
kleidung. 

nfiiui  Begattung. 

o'hwayä:  Rauch 

o-o  kidshi:  1.  der  Busi^h,  der 
d&t  por5»e  Höh  2um  Feuer- 
Beibeapparat  liefert;  2. 
Fencr-Reibeapparat ;  o-ö  vi- 
huJubi:  Feuersignal, Rauch- 
Bignal. 

o-otbna:  Stein  zum  Glätten 
der  Pfeilschäfre;  ist  drt-i 
Zoll  lang  und  wird  vor  dem 
Gebraucbe  heiss  gemacht. 

padur:  Spitze  (des  Hessers, 

Pfeiles  etc.). 
pädormi:     weniger    als    die 

Hälfte;  ein  Vieriheil  u,  s.  w. 
pabu:  Kerbe  am  unteren  Ende 

des  Pfeiles, 
pa-semitchet  Zauberer,  Scba* 

mane;  s.  semdtche. 
pemi:  nicht  mehr,  nicht  langer. 
pidur:  nur, blos,  allein  ;  match 

pidurr   dti  allein,  nur  du; 

viitchi  p. :  nur  dieaer  allein, 
pokuldta:  Tarantel, 
pudr:  Hut;  Kopfbedeeknog. 
pudrpadr'kutn :  «rahenförmigr 

cylindrisch-TüDd. 
pdk:    unteres    Ende,    Basis; 

ßaumstrunk. 
pumii:    Ruthen  mm  Verfer- 
tigen von  Körben. 

rujTb:  beias,  siedend ;  haka 
rnyi'h:  siedendes  Wasser. 


I  fettig;  beleibt;  2.  sahst. 
j  Fett;  kwabatft  &njA:  Fett 
I        von  Rindern. 

säläm:  Vorrichtung  z,  Schutz 
der  Hand  heim  Abschiessen 
Ton  Pfeüen. 

sebehuwebi:  Kronx. 

siedshdtut:  L  eine  au«  sieben 
Verticalf trieben  bestehende 
Täte  wirung  am  Kinn  der 
Weiber;  2.  eine  dito  am 
Kinn  der  Männer,  aus  drei 
Strichen  bestehend. 

semd,  s'ma:  Schlaf. 

Seinätchet  t.  Name  des  im 
Osten  wohnenden  Gen  ins; 
sein  symbolisch  gebniurbtefl 
Zeichen  ist  ein  Stierkopf» 
der  auch  die  Sonne  dar- 
stellt. Von  56m ä:  Schlaf 
u.  dem  Nominal&uffix  -tcbe, 
2.  Schutzgeist  eines  Zau- 
berers oder  Schamauen. 

sili:  auf  den  Kohlen  röslen 
(Fleisch). 

simküirki:  Cigarrctle;  wörtL: 
^gerollt'. 

sitemi:  irgend  einer;  ein  an- 
derer  (von  mebr  als  zweien). 
Veigl  despebika. 

sidyi;  tlasselbo  wie  biuye- 
dyebi,  q.  v. 

skäliskäli:  dieselbe  Kinn  Ver- 
zierung wie  sedsbdtui  ^  die 
zwei  änasorsten  verticalen 
Seitenlinien  lauleo  jedoch 
jEickzackartig  aus. 

smäleka  küli:  Mault  hier;  wört- 
lich: , lange  Ohren". 

suku-dla:  Glasperlen:  Ko- 
rallen zu  Halssclinüren  etc. 

sowah:  Wasserflasche  aus 
Flechtwerk,  oder  ans  ge- 
branntem Thon. 

snkäbi:  Schnur  mm  Binden, 
nyahänyo  sukabt :  schmaler 
Riemen  lur  Befestigung  der 
Moccäsius. 

sukwmya:  Fruchtkapsel  der 
amerikaniächen  Aloe. 

suminui:  Franse  an  Fellen. 

snpehi :  V  ordert  heil  des  tetcbe- 
kwa,  q.  V. 


§ijm  (Mgz.  se):    1,  adj.  fett,    I    labiler  Eidechse. 


Inma,  und  wi'htämi:  Steine 
mit  der  Schleuder  (udshelite) 
werfen. 

taliäl:  Flöte;  aus  dem  Stengel 
der  Yucca-  oder  Soap- 
weedpflanze  verferUgt. 

Täse  kubete:  nem.  pr.  der 
Rio  Verde- Indianer-Reser- 
vation ;  wörtlich :  .,  gros  so 
Sykomore".     Vgl.  itise. 

teniödewa:  Buch. 

tenidri,  tenydri:  1.  Schrift, 
Geschriebenes;  2.  Zeich- 
nung, Malerei;  magischer 
Zirkel  oder  Zeichnung  dea 
Zauberers. 

terafi:  eine  aus  vielen  Pnnk- 
ten  und  drei  Vertical- 
stricben  bestehende  Kinn- 
Verzierung.   VgLsedsbutuL 

tetchekwa:  Unterrock  oder 
Schurze  von  Hirschfell;  ein 
Kleidungastuck  d.  Frauen* 

thempd:  gelbe  Wespe. 

Ihi:  schlurfen;  s.  hathi. 

thipidöf;  Haarschmuck. 

thirikuthirikn :  Heimchen. 

thitu:  färben. 

tibi:  tatuirtea  Bild  axif  den 
Armen  der  Weiber;  eine 
rohe  Menscbenfigur  dar- 
stellend. 

tiyddäha:  Vorfahren. 

tirhui:  um  etwas  hemm  ge- 
wunden; säl  tirbuir  Arm- 
band von  Glasperlen.  Vgl. 
nyahänyo  tiri:  Schnur  zur 
Befestigung  der  Moccasins. 

tobobi:  Karten  spielftn. 

to-ole:  kochen;  to-nle  nl-ibÄya; 
Suppe  kochen. 

tdburai:  halb,  die  Hälfte 
(raumliche  Dimension);  tu- 
mu-hubd:  balbwegs. 

(uelkepdba:  Ereu^i  das  im 
Haar  befestigt  wird  und  als 
Amulet  dient. 

tnh:  Tod  ten  Verbrennung. 

tukö;  Magen  im  Yävapai; 
tälkö  im  Tulkepdya^ 

tulkwumt  gehörnte  Eidecbse, 

t  n  m esa  y a :  N  us s ke rn . 

tdfebi:  1,  Stab,  Stange;  2.  ein 
Gesellschaftsspiel,  worin  ge- 
worfene Ringe  mittelst  8tä- 


U2 


Albert  S.  GaUchet: 


bell  aufgefangen  werdeü. 
Die  KutcMnit  oben  dasselbe 
Spiel. 

tcbäk:  hinauf,  auffrlrU;  8. 
metnma,  miävi. 

ichebuanimehuelu:  Jobaonis- 
beere. 

tcbesa  nyewa:  Vogelnest. 

tcheta:  Wt'izefi 

Icbetatätat  cuitivlrte  Gerste. 
YergL  atata. 

Icbibek&bo:  reunen:  nyi  bat 
tch. ;  mein   Pferd  tauft 

icbimi^ül:  grosso  Ameisen- 
Art. 

tcbinapnka:  kleine  Anieiseu- 
Art. 

tchinieki:  Bogen  mit  ge- 
spannter Sehne. 

tibipebt:  Bettdecke;  Ueber- 
wurf;  die  Apache -Ytima 
sauren  d^fur  munyemiya. 

tchitmisi:  iihnecbBelnd  rothe 
u,  Kchwarzeverticale  Striche 


(Cor 


von  Schminke^ ins  üesicbt 

gescbmiert. 
tcbi-tbkoih:  Hirschrell,  Reh- 

feil, 
tchiviyämi:  renneUi  laufen, 
tchiwäki:    t«*mporäre5  Lager, 

aus  uwä'b  (s.  d.)  bestehend, 
tcbn-obi:    kämpfen,    fechten 

(voß  iweieo);  tchau-obi  (von 

vielen  Individuen). 

libatcha:  Taba,k  rauchen, 
tidsbelite:  Schleuder     Vergl. 

täma. 
umuhöl :  Ast' he. 
utchi;  f^luheude  Kohle, 
uwä'h:   Hütte   oder  Zell  vc^n 

Strauchwerk  und  Zweigen. 

vamr  jetzt ;  vam  drabi:  gerade 
jetzt;     vaui     bepil:     letzte 
Nacbt. 
venit:     eine     Yuccaapecies: 
I       Yucca  baccata* 
l    viel:  amerikanische  Aloe;  ihre    | 

busier's  f  Ist  ein  haibvocaüaches 


Blatter;     viel    therk;    ihre 

Fruchtkapsel:  äukwtnya. 
vi^l  maikamä:  Hexcal  (Frucht 

der  amerik.  Aloe)  in  einer 

Erdbühlung  rösteu. 
vikei?    wo? 

wäye;  Sessel,  Stuhl. 

wal wälle,  wa^lwadre:  Fieber- 
fros^t,  Schuttelfi  eher. 

wikiyatch:  Bergkrystall;  »Is 
Amulet  getragen. 

Wi-kuse-iiyebä,  n.  pr*;  North 
Peak,  in  den  Matzatzjil- Ge- 
birgen. 

Wj-kutchäsa,  nom.pr.:  „Fnur 
Peaks*,  mit  Gebüsch  be- 
deckte Anhöben  in  den 
U  atz  a  tzal  -  G  ebi  r|r  e  u , 

WI-Hji'me-kwä,  nom.  pr.:  die 
Sau    Francisco  -  Gebirge; 
wortl,:  ,8ehr  kalter  Berg*". 

Wi-ptik,  öom,  pr,:  der  Mo- 
gollori-Mesa;  wortLj  ^breite 


Basi&'* 
n) 


Tonto-Wortverzeichniss. 

Von. 

Dr.  John  B.  White. 

(Die  Seitenzahlen  in  vürliegendem  Vocababr  beziehen  sich  auf  die  früheren  Verzeichnkse 
in  dieser  Zeitschrift,  1877,  Seile  lOäR  —  418,  —  Hier  sind  die  Vocabeln,  die  mit  u  und  nach- 
folgendem Vocal  begiunen,  uuter  w  eingetragen  und  die  Wörter  auf  tcb-,  ts-  von  denjenigen 
auf  t-  im  Alphabet  getrennt  Da  s  mit  at  durchweg  alteniirt,  so  wurden  beide,  wenn  in 
Anfang  eines  Wortes  befindlicbi  in  eine  Keihe  combinirt.  —  muvjami^  S.  410,  corrijfire  man 
in  nuveyami;  sasawi,  S.  411,  in  savawi;  bamiM,  S.  408,  bedeutet  Haut.) 


a-a-ivi-i:  zubören,  aufmer- 
ken. 

ah  nie:   Wasserkrug. 

aha  si)u:  Ziehbrunnen;  vgl, 
bat»  siyu,  S.  408. 

abat  itcbitaima:  Hafer;  vergL 
hata;  Pferd. 

ahata  tatikui-isa-u;  S^ittel. 

ahonami^  hanami,  hemi-omi: 
schlecht;  vgl.  aboiini:  gut. 

akälavi:  erzürnt,  aufgeregt. 

:*kawi;  brechen;  vergL  itikati. 

akua,  oft  apbäret.  koa;  b. 
S.  408  (auch  Glaa,  und 
Glatfabrikate). 


akua  am'lo,  amblo:  kleines 
Trinkglas,  oder  zinnerner 
Trinkbecher;  akua  hamilu: 
Lederbecher. 

akua  ajihajkuavi  jfuli:  Zügel^ 
Zaum. 

akua  gawuge:  Pfeilspitze. 

akua  guli:  langes  SJes^er, 
Dolch;  «ürtL:  , langes  Me- 
tall, Eisen." 

akua  hatchuti:  Zinn. 

akua  imjübikuavi:  Schnalle. 

akua  iwa!   knöpfe  Dich  zu! 

akna  yovi:  Messer,  scbirfes 
Instnrraent 


»kua  kaitchi:    kleine  Gleeke, 
akua  kaniabewü :  Gbj^flasche; 

s,  kanesha. 
akua  kuavi:  8c bloss  (an  Tbö- 

ren). 
akua    nala:    Traggefis«    für 

Flüssigkeiten^  Kantine, 
akua  £^huadi,   shwati;    Bügel 

(Blasinstrument), 
akua  tigiti,   a.  tikati:    Spitz* 

hammer,  Spiizhaue;  siehe 

S.  408. 
akua  timapi;  SchleifsCein. 
akua    liwagf:     LeticbUtoek, 

Kerzenstock. 


I 
I 

I 


r^er  Yiima-Spracbstirmm. 

^^^^             H 

^^^    aSSAvakan  hiUr   Gescbuti; 

goisüli:  Kork,  Stöpsel. 

bipawo:  Jahr;  YergLbalawägi,               ^H 

*örtl.:     ,MetaJj  -  Geräusch 

giili:  lang;  gow»«a  g.:  langes 

halnyagi:  Monat.                               ^H 

vier. 

Haar;  ipagnti:  erwachsener 

bo  giadt,  ho-kiati:  Nasenbein.               ^H 

igijfuilfi:  Tuch. 

Mann;  vergl  yula:  Strick. 

bo-giali:    Schlund  zapf  eben,               ^M 

itikuadi:  Kobre. 

gufpali,  itieipali:  Knoten  (an 

Uvula;  w,:  .Kopf-knochen".              ^M 

aliMyatie,  aktia  toyidie:  Sieb, 

Stricken  etc.). 

hn-kina:  den  Kopf  schütteln;         ^^^B 

Steioflieb  oder  Kiessieb. 

gutwiraa-hatni:  Unterhosen. 

^^^^ 

aloye,    itoye;    warm,    heiss; 

ho  yovi:  die  Nase  abschneiden.         ^^H 

?er^.  iraat  aUi-i,  u,  ituye. 

hewnle:  Fichte  und  Fabrikate               ^H 

S.409. 

ha    (ans    aha):     1.  Wasser; 

aus  Fichten hok;   wal  (aus              ^M 

aiüikwa*.  Galtin 

2.  alles  wüsgrige»    flüssige. 

howale):  hölzerner  Tisch.           ^^^| 

aweya:  Flamme,  Lohe;  ver^l 

trinkbare. 

^^^M 

oveya:  raachen  u    o-naiti. 

ha  dsbüki:  tiefes  Wasser 

ibuUavi    ko:    Eopfschmer-         ^^^| 

8.  41L 

ba-kidito:  Spekhel. 

zen;  vergl.  iravi.                             ^U 

ha  metesbue :  Wassermelone. 

i'iQi    Zündbolzcben;    wortl.:               ^M 

ba-imile:     Verwandter;    s. 

Im   iiudsha:    Kaßee;    wortl: 

^Sub  dea  Feuers";    bo-o:               ^| 

pa-imila,  8.  41 L 

,F€hwar?,©  FlÜ8si!jkeit'. 

Feuer.  S.  894.                                  ■ 

bika,  im  Plursil  owicHmi,  wo- 

ba  tchawi  yukie:   Ruder. 

i-ituga;   es  ist  so,    dem  ist        ^^^^ 

koßiwi:  Frau;  vgl.  anlikwa, 

ha-vidsbo:    Thau,    Thau- 

^^^M 

bikU  bite  (make  b.  L  o  e  w , 

tropfen. 

Wi  twayir  Baum.                            ^^^B 

8.  390). 

ba-wali:  Damm,  Flusseindäm- 

iyogi:   gurgeln,    z.    ß.    mit              ^H 

biki:  ait;  ipa  b, :  alter  Mann. 

mung. 

Wasser:  vergl.  yt^ki,  S-  409.               ^M 

bik-lapi    oder    ipa   bik-lapi: 

badilwayi:  lieben. 

iyule:  herumdrehun,  tpiirlen.               ^| 

alte    Frau;    vergL    habpj, 

bale  veta:   Vollmond. 

ikil  iiop:«:  Fass.                                     H 

8, 406.  % 

halhaie:  Streifen. 

ikilcbldi:     verstecken,     ver>               ^M 

bokiyadß:    Schale,  Schössel- 

halpiti:  rauh,  uneben. 

beblen.                                                ^| 

chen  (patella). 

hamdokiti:  unzünden. 

iködsbe:      schwerer     Wagen               ^M 

bomuBbma:    Drücker   an  d^r 

bamili :  ungegerbte  Haut ;  akua 

(engl,  wagon).                                     ^| 

Flint«  6tc.    Vergl  gititi 

harailn :   Lederbccher. 

ikuigdmi?   dasselbe  wie:    k&-              ^M 

banarai,  hani-omi:   scblecbt, 

weituye?                                                 ^B 

etra-ii   Tragebrelt,    worauf 

unbrauchbar;    dass.    Wort 

ikutsi:  die  Arme  binden,  ar-               ^M 

l                der  Säugling  befesi  igt  wird ; 

wie  ahonami. 

retireu.                                                ^U 

Wiege. 

hashma:  in  Blasen  aufsteigen, 

ikule:     lang,     tanggestreckt;               ^M 

Blasen  bilden. 

dass.  Wort  wie  guli;  vergl.               ^H 

Itili:  Pferdefliege  (horee-fly); 

haia:  öeberachwemmungCbu: 

yula,  S.  409.                                       ■ 

eine     grosge,    farbenscbil- 

Wasser,  ta:  gross). 

ildsbegowali :      Scblundkopf,               ^M 

Icrnde  Fliege. 

hata,  abata,  ahat:    I.Pferd; 

Laryni.                                         ^^^H 

gilchimi-i:  Bajoanet. 

2,  die  Königin  im  Karten- 

imat  atüi,    atoyi:    Hitze  der         ^^^| 

fre*dii§:  kyrz;  gowäva  geidi«; 

spiel 

flaut.     Vergl.  atoye.                   ^^^| 

kurzes  Haar. 

hata  batcbelgir  Pferdedünger, 

imat  wikuidl:  Papierdrache.          ^^^| 

g^-iabali:  Regenschirm. 

batavi:  Peitsche. 

imi,  mi:    beweinen,  seufzen;        ^^^H 

giagi,  ßiadi,  tiyagi:  Knocbeii, 

hata  vi-i'i  oder  hitavi  i-i: 

a.  mi,  S.  410.                                    ^M 

gid^bidawJ^gQo :    kauern,    — 

Peitscbenstockj  engl,  whip- 

imiBhikuav),  s    ahua.                      ^^^| 

bocken. 

BtMk. 

imitjg«»;  giessen.                              ^^^| 

gilage:  Narbe. 

bäte  kuä-e:  Pferileinähne. 

imoni    bati:    zahmes    »Schaf;               ^H 

gimaimi:     grosser    Ldlfel, 

bäte  sbakamwite:   Pferdebul. 

amo-nio  bat,  im  Mobave.                 ^M 

Schöpflöffel;  g.  shlvi :  LutfeL 

bat  savi:    Fohlen;  vgl.  lava. 

impadt   tigiomt!    kreuze    die               ^M 

gilili:   Drücker    am    Flinten- 

bätsi:  sich  erniessen. 

Beine  t                                              V 

schlossii  vergl  bomnsbma. 

hawagitawi:  sich  niederlegen. 

inavi :  peitschen.    Vgl  halavi.        ^        H 

golaTe;  idontiach  mit  kalyave, 

hempi:  durstig. 

inina:  wiegen,  bin-  und  her-               ^M 

q.Y. 

hi-ivi?  verstehst  du?  verstan- 

bewegen.                                         ^H 

golkc»;  9.  ahal  golko. 

den?   8.  ivi,  S.  409. 

inyeti    tiuuti:    Diute;    vergl.              ^H 

gonoi    Herd^   Feuerstitte,  a. 

hilo:  Salz;  auch  iii. 

tinuvi,  tinutivi,  S.  411  und         ^^H 

gvno  gl  wo,  S.  408. 

bimami  atadiwe:  letzte  Nacbt, 

ittyudit  schreiben.                      ^^^| 

gudiyndeke:  du m|ifig, dunstig. 

gestern  Nachts. 

inkatye?    wa»  willst  Du?              ^^H 

ifhwAv^i:  Krtu- 

iUmJATi:  Frost,  KiUe. 

ftavi:  «frfeo. 

fUfiUkj:  Bett,  Lager. 

itbttlcooit  Hitf  der  Wieder- 
Jtiaer. 

iCiawäli:  PHaiix«!!  tien  Uzw- 
kom«. 

itidibedsbi  kedthe :  kleine  Axt. 

itidibed^hi  iwa  i:  Axtstiel 

it%0lTiki:  Wa^e, 

Hijnil^  h  Bleistift,  Schreib- 
»lift;  Scbreibfeder;  i,  wami: 
FtedpaAS^  vom  Agenten  der 
RüerTation  den  iDdianerQ 
aosgeateltt;  2.  Acbreiben. 

itlk8j>i:  Stecknadel. 

itikoeji,  ikuavi,  ilima;  ipte- 
eben,  sieb  onterbalten;  s. 
ma  kuariwa,  8.  410. 

itikwitba:  grCm;  ».  idikuifb», 
8.408, 

itipasi:  fühlen,  empfinden; 
ver^L  uiikiiitbL 

itopalawi:  mit  Karten  spielen; 
¥gL  t<»bi,S.411;  f.  Pftlawi, 
8.  87t 

ito-i:  loiknüpfen,  tosbinden, 

ilcha  -  epulwa;  Haus,  Woh- 
nung; vergl.  owapultL 

itcheni^o:  sich  aufhalten,  ste* 
h«iu  bleiben. 

ikbi  fibwili:  FischbAken. 


Kfr;  wrtL;  ,«bi  Schwmrxer* 
iTiri:  Läim,  Gerittsek 
ifoti  jvlt: 

ivaUlMT»:  Dofanetaeher. 
iwalkaoie:  SintmpC 
ivameihtcbx:   wischen;  eti|ft 

U  swaep 
iwo:  gehen,  tu  fum  gehen; 

Tg;!,  magawo. 
iwutoje:  kntschiren{?);  engl. 

to  drive* 

ja,  je;    L  Mond:  2.  Lippe; 

fergh  jaapidimi;  3,  Loch, 

Bohlung,  Vertiefung. 
ja  (ye)  apidimi  and  ja  kelepe : 

Dnterltppe;  «,  yipi,  S  409. 
jatiahi ;  «chlageu  (von  Uhren) 
ja jngnaU:  Stiefel;  Tgl.  yayn, 

ikoali. 
jali:  nuten,  unterhalb. 
James  hosi:  Ra«irmes«er,     - 
yandiira  nafi!  lege  es  wieder 

bin!    bringe    es   dahin   wo 

zuvor!  TgL  mamavi^  S.  412. 
yapa:  lebendig,  lebend;  vgl, 

ipa,  Mann. 
yebodshe :  Hals  (nicht  jebuka^ 

8.  390). 
jowitaTi-i;  Hotpilse, 
yndc,    judi:    Leibesumfanp, 

Taille, 
ynde-okini;  Weste. 
yu    golavi:    von    hasHlichem 

Aussehen, 
jugiiegi,  yu  mihi  mir  von  et- 
was abtreten^  weggehen  (to 

get  off), 
ynla:   Faden;  Strick;  Sehne; 

siehe  nknavi,   kas&ta  yuli, 

S.  4ia 

juli  kuomi:  stoben, 
y  n  mi  d  ika m  i :  au  fr ä  hren . 


ka-ileki,  ka-Hslii: 


9Uwß 


Vgl  ketf  ja; 
kaiteU:  kleiM 
kalatm,    kaljBTbt, 
golavi:   L 

kali:i 
sharp-sidD  ha«k  (Acdflla' 

fdscns), 
ktneiba,  kanisbeva:  Glaa. 
kasake:  Korb;  kaaake  b^tiya: 

kleiner  Korb.  ^^ 

kasata-sava;  BändiD.        ^M 
kastohidiiiibi:  Speer  mit  faa- 

gern  Griffe. 
ka«eitaye?  was  ist  los? 

was  bandelt  es  sielt? 

iknigaiiii 
ketiya:  klein;  kasak«rola1 

tija:  kleiner  Korb, 
kishav  ^bave:  Ifan^. 
kobita:   Elenntbier;   ans  kaa 

bita:  ,Oross-Horn*. 
kotcbe:    pnlairen«    schlagen: 

k.  iya:  das  Ben  puUirt 
kowata  ikwasbse:   Rexsesaek, 

Felleisen, 
kowavi  shinknibj:  Haarlocke, 
kua:  Hörn  d.  Viebes,  Hirsche» 

U.S.  w.    (Davon;) 
knaki^  kvoaki:  Hirsch,  Refa. 
kuakitij  ktiariti,  kua-iti:  Rind; 

Kuh. 
küsklti  bita:  SÜer;  vgl.  kobita. 
kna4ü  iboga:  ein  Joch  Ochsen, 
kna-emake  r  Oceipi  talknocheo; 

vergL  mago:  Rücken,    ^i 
kuaktbävi:  Biber.  ^1 

knall    amyuga:    Stiefel  röhr; 

ikuali. 
kna-mati:  Rindfleiseh;  kuama- 

tüfi:  getrocknetes  Ochse n- 

Heiseh. 
kuamkuandi:  Pulver.         ^M 
kuapo-uli:  Nastuch.  ^1 

kuasbwade,  goswandi:   Pans- 

üöte,  Mundharmonika, 
kuate  veyill  imi :  ledigerMann ; 

vergl  manbi. 


^lier  Yurna-SprachRlimm. 

^^vn 

■    kSäfimeyi:  Knbeuter;  vergl 

miigegi:  sich  lanken. 

nimiweyoA^a.,  s.  wasipili.                        H 

V        imeyeJ  Milcli. 

miyugi;   L  sich  niedeHegen; 

nishe:  Skorpion;   mani-ia  im                H 

koe    gia^a  mesba.Ta;    Bernd - 

vgl.  bawagitawi ;  2.  nieder- 

Mohave.                                             H 

knöpf  (kne  alalt  alraa). 

legen  j    fihal    miyugi:    8ich 

nindsba,    nndsba:    schwarz;          ^^H 

kuini:  Band;  pudi  kuinir  Hut- 

die  Hand  reichen* 

vergL  ba  nudsbe.                        ^^^^ 

band. 

mikuithi:  fühlen,  eropßnden; 

niuvaJ    vorwärts!                              ^^B 

knioo,  kuno:  Eotli. 

vergl.  itipasu 

'nkowa,    ingowa,    warne  wa:                 H 

koittt  Zuber.  Eimer. 

mluyntir  Scbweater. 

flitzen,     Vergl-  mowa.                         H 

roi-o-i;  Bcbulden, 

nkimvi:  Bogen;  n.  yula:  Bo-          ^^H 

ma-anmK  iwiscben. 

mi-pate,  mi-tchishuve:  Fus«- 

gensehne.                                      ^^^| 

maj;awo:     zn    Fuas    sariick* 

zehe. 

nowaba:     frenndlich;     vergl          ^^H 

kebröD;    verjfl,  iwo,   maki- 

mi'BhalehoQ ;  Zehen-Nagel 

enovaha:  Frennd  (Mohave).          ^^H 

bomi. 

misbe-i.    wiahe-i:    Athem, 

'nshavi  i-imi :  Fahne,  Bnnner.            ^^B 

makibomi:  zurückgeben. 

Älbemholen, 

nudliamwitbit  büisten.                            H 

inakjyumiwila:     Hoseo;     im 

misheve:  brav,  tapfer;  vergl. 

nulmiwavi:     hassen,    verab-                 H 

MobaTe;  memtokobava 

misbäwi:  feige. 

scheoen,                                              H 

loakiwajrui  isichberomdrehen. 

miaiti:  ans'Ainden,  z.B.  nasse 

H 

mjikaoß«;  riecben^  v,  trans. 

Tücher.      Vergl.    milyiali, 

o-o-i:    1.  buÄten;  2.  schnar-                 H 

minba,  matiM:  Jünf^^liß^,  an- 

8,  410. 

chen.                                                    ■ 

verheiratbeter    Mann;     m. 

misbiteyi:     Mädchen;    etwas 

oakidi:  schrauben.                            ^^^| 

maiileyi    und     m,    teyihi: 

älter  als  bimani». 

otiwati:  Docht  der  Kerze.               ^^^| 

Knabe,  dem  Jünglingsalter 

mitavigege;    drucken    (Band 

oy'    mbhavi:     Cigarette;     s,          ^^H 

nabe. 

f.  B.). 

numisbawi,    S.    408;    ova,           ^^H 

niftnleyi;     Mädcben;     etwa« 

mitaralatami:  Sfinod,  Pfropf; 

S.  411. 

älter  als  himania. 

engl,  a  top  per. 

owapiilti:   Hans,    W-iboung; 

masbkooi:  AnBtreicherpinsel. 

mityiyiga:  eine  Art  ßühueu. 

vglbuwa:  Haus(Diegnefio). 

masbma:  Adern. 

miloyi!    binde  es  ziisammeu! 

owidimi,  a.  bika. 

raatati,  matyali,  mtiTati:  lau- 

mnwa: aich  niedersetzen;  vgL 

owilaila:  Eichel 

fen,  renneti. 

*okowa. 

owilegeyu,  ouvehas  Wöiden- 

roategatie:    Koth,  Scbbmm; 

mu  shi  m  ik  uidi :    eine   Fl  asche 

bauro. 

ft.  knino. 

verkorke  D. 

matuaboU:    Harke;    nucb   ha 

pa-geteya:  junger  Mann. 

m&tepiye« 

naga,nage:  Glocke;  n.  bita: 

pavigo-it4 :  Hefe-Pulver. 

matingülibi:  Staub. 

grosse  Glocke;   n.  kailchi: 

pokego-otega:  Hagel.                          h 

matyali :      laufen ,     rennen; 

kleine  Glocke. 

polwndsbi:  Tauäendfnss.                  ^^^| 

tispida  m.:  scbnell  rennen; 

napodikamh  mit  der  flachen 

pnte,    pntyi    ahavä:    Mutze»          ^^H 

s.  tnatatL 

Hand  acbbgeo,  züchtigen; 

^H 

matchikiati:  Nabelschnur, 

engl,  to  spank. 

^^^^^M 

matskaawavi:  Grand,  Boden,   | 

uatchipa:     Tag,    Tageslicht. 

shakawi:    Vogelnest.     Vgl           ^^H 

Erdoberfläcbe;    vgL   mata: 

Vergl.  nia:  9nnne. 

wakei-tchi.                                    ^^H 

Erde;  oiJ-am'ti,  S.  410.        1 

ndehesba:  Erdban,    Erdwoh- 

shale,    sbal,    sali    1.   Hand;          ^^| 

mboler  Stirn,  Stirnbein;  pola 

nung  (der  Nagethiere  etc.). 

2.   Hand    mit    Vorderarm;            ^^B 

(Loew). 

Dia:  Säugling. 

3.  Flägel                                            ■ 

menokuo:  b&sslicb,  utiscbon; 

nia  shite:  beute;   vergl  niai 

shal  giagi ;  Radius  am  Vorder-                  H 

Ä.  kalete. 

Sonne,  und  natebipa» 

arm.                                                     1 

-mi,  -omi,  -ami  ist  ein  oft  vor- 

nia  ahipogo?    veretebat   Du? 

^htil  golko:  Handschelle.                        ■ 

kommendeÄ  Privativ-Suffii 

iabipo,  8  412. 

shal  bele,  abale  ade:    Hand-                 H 

in  Ädjei'tiven,  wie  abonami, 

nianibeyi:  seh  willen. 

fläche.                                            ^^ 

ni-eT©ami,  waabiami. 

niatuyi:    Sommer;    au»    nia, 

i»hal  goigidsbe:  Handgelenk.             ^^H 

iniabi ;      zerfilosaen  ,      durch 

ütüyii.beisse Sonne*.  Auch 

shal  igitämi:  Zeigefinger.                  ^^H 

Stossen  ^jder  Schlagen  ter- 

yalaki  atüyi. 

shal  tokvodi^hiavi ;  Rlnglinger.                 ■ 

kleißern. 

ni-evearaii   gran;    vergl.   iti- 

shal  tome:  Fingf»rring.                           H 

mt-edshil    nimm  es! 

kuithe. 

fibal  tcb^yüdi:  Handscbub,             ^^fl 

mißisbrna:     Flechse,    Sehne, 

nimeyagedie ;  Brustwarze;  vgl. 

sbale-wö:  Fingernagel                    ^^H 

Ligament. 

imeye:  Milch. 

sbateyj:  Zaunkönig.                         ^^H 

Zoiuehrm  fBr  Glbnctlogie,    J«brg 

UBZ, 

^H 

146 

&d?a,  shavät  sbüve:  jimg; 
klein;  kualis.:  jongeroder 
kleiner  Hirsch*  pute  shavä, 

s^Tawi;  GeburtsireheD  (aicht 

aasawi !) 
Beiseyi;  es  regnet, 
sheya:  Fett,  Oel;  tgL  shaTie: 

htL 
s^ß,  so»:  pfeifen, 
aimpu  wjt  Wespenoest. 
shitiTi;    MaarbürMe.      Vorgl, 

-tbl  in  nudliiim^ilbi, 
sivilidikua:    öeJäugnissraum. 
shivUho:  Ripi>e. 
sodi:  Knoten  im  Holz, 
sudya:  HambiasD. 
shumbjlübi^  ertränken, 
suvi  g:iage:  Ulna-KnocUen  am 

Vorderarm. 


Umai    Zwiebac^k;    äof^liscb 

Crackers, 
tawakwodiwi:  hochroth,  lina- 

uberroth;    engl«  vermiliDtt; 

auch  itcbi-wakuota,  s.  d. 
iiyagif    tiagi;    Euocben,   bei 

Loew  kuevata.    S.  giadi, 

811  vi  giage. 
tiyu  deke;  Pillen, 
timieki:  behalten,    bewahren 

(to  keep). 
tiahmatie:    Traum    (aus    iti- 

bhiDa-tie);  vgl,  ishma. 
tispida,    adv«:    schnell,    ge- 

scbvüod« 
tistili  (statt  itUuli):   Wasch- 
brett; 8.  S,  409. 
tishwülvi:  Fingerknöchel, 
liikami:   klatschen,  k!n|jpen; 

vergl.  itcbikauii. 
togobogobi:     klopfen,    an* 

klopfen, 
tome,  s.  shal  toiDe. 


Albert  S.  Gatscbet; 

travi,  ravi:  krank;  vgl.  ma- 
nuna  travi»  S.  410j  im  Mo- 
haTe.'  rävi. 

tcbagi- iato  •  i:     mit    dem 

Fasse  stampfen, 
tchakuadshi:  gafen. 
tcbavfyedi:  sich  niederlegen. 

VergL  hawagitawi. 
tchaweyi:    auf  etwas  treten, 

hinanftreten  (to  gel  on). 
tchawiti:  Ellhflgen. 
tcheyiigi,    aba    tclieyngi: 

schwimmen;  aha  tcbayngi, 

S,406. 
tcbewata:  Flanell, 
tchidfpavi:  Leiter, 
tchikapa:  hinaufklettern,  he- 

steigen, 
tsidigo:  in  Furcht  gesetzt. 
Ichiviliokuandiobu :   Oeffnung 

des  Flinten  [auf  es, 
tchokgo    havashuva:     ,blae- 

bird"*  (h,:  blau), 
tchü vinkinmi :  springen ;  einen 

Sprung  machen, 
tchukato  *  i   oder  tchitato  -  i; 

einen  Fusstritt  vorsetxen. 
tcbulkuibi:  krumm,  gebogen, 
tchutchuli:  grübeln;  yo  t.:  in 

den  Zähnen  stij ehern. 

n  V  i  a  m  i :  stumpf  (Messer  etc.). 

w  a  i  I  a  y  i :  erzu  rn  t  ^  missge- 
giöüUmmt. 

wakei-khi:  V^ogeloesl;  vergl. 
ti$ba:  Amsel,  und  &hakairi. 

wake  yagi:  vargcalern. 

w^knabnbui  wakuiimbo  :  lang- 
sam gehen,  schlendern ;  vgl. 
iwo. 

Vi  ak  i  t j  bi  V  i :  Hof  u  m  das  Haus, 
Vorplatz, 


wakue,  wakua:  1.  Schale; 
shikvdU  viakue:  Eieröchale; 
2,  Clitoris. 

wakniamikaro :  Adstern,  zu- 
tlüfllern. 

wamitavi:  1.  miauen;  2.  blo-  \ 
ken;  auch  vom  Geschrei^ 
anderer  Thiere  gebraucht. 

waUilse:  Ahle. 

wamyamtche:  Junger  Mann; 
vergL  pa-getega. 

wa'nabave:  Zelt;  wtl. ;  ^weisse 
Wohnung'  (uwa), 

washami:  1.  zuschliessen ;  2. 
Thor. 

«ashiami,  pashiami:  1.  ein- 
fältig, idiotisch;  2.  betrun- 
ken. 

wasipili:  Lederaelt,  Wohnung 
mit  Häuten  bedeckt;  auch 
nimiweyowp. 
'    wathiwi!    lebe  wohl! 

watapave:  ßrc«t. 

wawati:  bluten;  bn  w.:  aua 
der  Nase  bluten. 

wedshi;  oberster  Theii;  putu 
wedshi:  Kopf  des  Hutes. 

wevi:   VVade. 

wit  L  Vagina^  s.  weya,  8.  411, 
2,  Schamlippen;  3.  Oeff- 
nung, Behälter;  aimpn-wi: 
Wespennest. 

wi  bita:  Felsen,  Felablock. 

wi-iboga^  Schulterbein  (hu- 
mer us). 

wi-lipi:  OS  iDnoruinatum,  ein 
Enocben  in  der  Leudeu- 
gegeud. 

wilmiya-  Gerste. 

wisiuya:  Mark. 

wis'hosi:  schnitzen. 

wUiti-i;  erschrocken;  auf  der 
Hut  seiend. 

wokiniivi,  s.  bika. 

wudi watige;  kitzeln. 


Der  Yuma-äpracbstamm. 


147 


ZahIwSrter. 


Die  von  Dr.  J.  B.  White  notirten  Tonto-Zahlwörter  lauten  wie  folgt: 


1  sisi. 

2  wagi. 
8  mofri, 

4  hopa. 

5  sarapi. 

6  dishpi. 

7  wagispi. 

8  mogispi. 

9  alesayi. 

10  wavi. 

11  washidi. 

12  wawagi. 

13  wamogi. 


14  wahopa. 

15  wasarapi. 

16  wadishpi. 

17  wawagispi. 

18  wamogispi. 

19  wa-alisuyi. 

20  wakwayi. 

21  wakwavi  sisi. 
30  mogoayi. 

40  hopayiwayi. 
50  sanipiwayi. 
60  dishpiwavi. 
70  wagispiwavi. 


80  moßispiwavi. 
90  alesuyiwavi. 
100  shunesbidi. 
200  wagishaneshidi. 
300  mogishuneshidi. 
400  bopashunesbidi. 
500  sarapisbunesbidi. 

etc.  etc. 
1000  owavisbuDesbidi. 
5000  sarapiwavishunesbidi. 
10000  owavi-wavisbanesbidi. 


10» 


Untersuchung  der  Therm opylen. 

Von 

Dr.  Heinrieli  ScMiemann, 


(Bnefliche  Mittheilung  au  Herrn  Virchow,) 


Athen,  4  Februar  1883. 
Dat  Dampf boot  mit  welchem  ich  am  Dienstag,  den  30.  Januar,  von  Stjlis 
abzureisen  dachte,  k»m  gar  nicht  an,  denn  es  war  bei  Euboia  gescheitert; 
ich  ging  daher  nach  Volo,  dem  alten  Jolkos,  wo  das  Schifi  „Ärgo"  für  die 
Argonautenfahrt  gezimmert  wurde,  um  von  dort  mit  dem  französischen  Dampfer 
zurückzukehren;  dieser  war  aber  durch  das  schlechte  Wetter  um  2  Tage  ver- 
spätet; aus  gleicher  Ursache  blieb  auch  der  österreichische  Lloyd-Dampfer 
aus,  und  so  konnte  ich  erst  gestern  den  Piraeus  erreichen.  Der  Engpass 
der  Thermopylen  hat  seinen  Namen  von  den  hcissen  Salzquellen,  die  aus 
der  steilen  östlichen  Felswand  des  Berges  KalUdroraos,  eines  Ausläufers  der 
Oetischeo  Bergkette,  hervorströmen  und  jetzt,  wie  auch  bestimmt  im  Alter- 
tham,  als  Heilquellen  benutzt  werden.  Die  starken  Ablagerungen  dieser 
Quellen,  sowie  die  AUuvia  des  das  Thal  durchströmen  den  Flusses  Spercheios 
haben  die  Physiognomie  der  Thermopylae  so  total  umgestaltet,  dass  der 
Reisende  Zeit  braucht,  um  sich  zu  orieotirtn  und  auszufindeuj  wo  denn 
eigentlich  der  berühmte  Engpass  gewesen  ist,  der  nach  Herodot  nur  eine 
Wagenbreite  hatte.  Bekanntlich  wurde  derselbe  auf  der  Südseite  von  der 
steilen  Felswand  des  Kallidromos,  auf  der  Nordseite  vom  unmittelbar  daran 
grenzenden  Meere  und  tiefen  Sümpfen  gebildet.  Durch  die  Alluvia  aber  ist 
im  Laufe  von  2363  Jahren  das  Meer  um  mehr  als  10  km  zurückgedrängt- 
Man  findet  zwar  genau  den  Ort  des  Engpasses^  denn  dieser  kann  ja  nur 
auf  der  kurzen  Strecke  gewesen  sein,  wo  die  Felswand  am  steilsten  ist  und 
keinen  Ausläufer  hat,  aber  unmöglich  ist  es  jetzt,  genau  den  Schauplatz  der 
von  Herodot  beschriebenen  verschiedenen  Phasen  des  Kampfes  der  Spar- 
taner und  Perser  auszufindeu:  den  engsten  Theil  nämlich,  wo  die  Spartaner 
in  den  ersten  Tagen  fochten,  und  den  breiteren  Theil,  in  den  sie  hervor- 
traten, als  sie  wussten,  dass  Ephialtes  (vgl.  Herodot  VII,  213)  ihnen  die 
Perser  in  den  Rücken  führte*    Denu  gerade  da,  wo  die  Felswand  zu  steil  ist, 


Dr.  Heinrich  Srhliemaun:    l^ntersurhnno^  der  Thfrmnpylen. 


149 


lim  eretiegeß  zu  werden,  eiod  die  beiöseo  Salzquellea,  deren  Ablagerungen 
eine  sich  auf  mehrere  Kilometer  nach  Norden  und  Osten  ausdehnende  bori- 
zoutale  Felsfläche  von  Kalkstein  gebildet  ond  den  Boden  bedeutend  erhöht 
haben.  Ein  am  üstlichen  Ende  der  heisseu  Quellen  befindlicher,  etwa  um 
200  m  vorspringender,  circa  80  m  breiter,  unter  einem  Winkel  von  etwa  18° 
ansteigender  Ausläufer  des  Kaüidromos,  der  wobi  so  alt  ist  als  der  Berg 
selbst,  bringt  den  Besucher  noch  mehr  in  Verlegenheit,  denn  die  Versuchung 
ist  stark,  anzunehmen,  dass  im  Engpasa,  westlich  vor  diesem  Ausläufer,  die 
von  Herodot  (Vif,  225}  erwähnte  Schntzraauer  war.  wnd  dass  daher  dieser 
Ausläufer  die  Anhöhe  ist,  auf  die  sich  die  Spartaner,  nachdem  Leonidas  ge- 
fallen war,  zuröckzogen,  um  den  letzten  Todeskampf  zu  fechten;  ja,  man  ist 
um  so  mehr  zu  dieser  Annahme  versucht,  als  hinter  oder  östlich  von  diesem 
Ausläufer  der  Fels  weniger  steil  abfallt,  und  daher  von  hier  ab  von  einem 
Engpass  eigentlich  nicht  mehr  die  Rede  sein  kann  Man  ist  ebenfalls  stark 
versucht,  anzunehmen,  dass  dieser  Ausläufer  die  Anböbe  ist,  die  Herodot 
(Vll,  216)  K£Qx(jj/i(t}p  i'ÖQat^)  nennt  und  als  an  der  engsten  Stelle  des 
Passes  gelegen  bezeichnet.  Weiterhin  (Vll,  228)  sagt  Herodot,  dass  die 
Spartaner  dort,  wo  sie  gefallen  waren,  begraben  wurden;  jedoch  besteht  diese 
Anhabe  aas,  mit  nur  wenig  Humus  und  vielen  grossen  Steinen  bedecktem, 
mit  Gebüsch  überwachsenem  Fels,  und  ist  daher  an  ein  Polyandreion  hier 
gar  nicht  zu  denken;  ebenso  wenig  konnte  ich,  trotz  eifrigster  Nachgrabungen, 
hier  auch  nur  eine  Spur  von  einzelnen  Gräbern  entdecken.  Uebrigens  nennt 
Herodot  {\IU  225)  die  Anhöhe,  auf  die  sieb  die  Spartaner  zurückzogen  und 
auf  der  sie  von  den  Persern  nledergetnetzelt  wurden,  „xn^.w»'f;£;",  welches 
Wort  nur  auf  einen  einzeln  dastehenden,  kegelförmigen  Hügel  angewandt 
werden  knnn,  unmöglich  aber  auf  diesen  ansteigenden  und  mit  dem  Höhen- 
rucken des  Kallidromos  zösammenhaugenden  Ausläufer.  Ausserdem  sagt 
Herodot  (VII,  225),  dass  auf  dem  xolmvog  dem  Lconidas  zu  Ehren  ein 
steinerner  Löwe  errichtet  wurde,  der  auf  diesem  Abhänge  ebenfalls  nicht 
wohl  gestanden  haben  kann,  da  es  hier  an  einer  horizontalen  Fläche  dazu 
durchaus  fehlt.  Da  nun  die  Natur  dieser  Anhöhe  den  Angaben  Herodot's 
widerspricht  und  sich  weiter  westlich  kein  Hügel  findet,  so  müssen  wir  den 
xohamg  weiter  östlich  suchen.  Nach  dieser  Seite  hin  begegnen  wir,  etwa 
300  m  von  jenem  Ausläufer  entfernt,  einem  9  m  hohen,  unter  einem  Winkel 
von  etwa  45°  ansteigenden,  sich  lang  ausstreckenden  Hügel,  der  eine  durch- 
schnittlich 8  m  breite,  ziemlich  ebene,  53  m  lange  Oberfläche  hat  nnd  von 
allen  Reiseführern  als  das  Polyandreioo  gezeigt  wird.  Zwar  passt  die  Ge- 
stalt dieses  Hügels  durchaus  nicht  für  die  Bezeichnung  „nohovog^^  auch  eignet 
sich  seine  Lage  nicht  recht  dafür,  besonders  da  er  durch  eine  etwa  3  m 
hohe,  50  m  lange,  8  m  breite  Anhöhe  mit  dem  steilen  südlichen  Höhenrücken 
zusammenhängt  und  daher  leicht  umgangen  werden   konnte.     Dieser  Hügel 

1}  Dia  GercopeJt  m^nren  possierliche^  koboldartige  Wesen,  welt;be  deu  Bercules  bald  neckte u, 
bitd  belnstigtea. 


150 


Dr  HßiDricb  Schliemann:    üntersacfainig  der  Tberniopy}«fi. 


hat  aber  den  Umstand  für  sich,  daB8  auf  ihm  jedenfalls  der  steinerne  Lowe 
gestanden  zu  babeo  scheint,  denn  alle  älteren  Reiseführer  in  Athen  erinnern 
sich  sehr  wohl  der  hier  auf  der  Fläche  des  Hügels  gelegenen,  grossen,  wohl- 
bearbeiteten Blocke,  die  1856  weggenommeii  and  zum  Baa  der  vom  Strom  der 
heissen  Salzquellen  gedrehten  Mühle  verwandt  wurden,  und  die  höchst 
wahrscheinlich  als  Fundamente  des  steinernen  Löwen  gedient  haben,  der 
hier  wenigstens  bis  zür  Zeit  des  Kaisers  Tiberius  gestanden  hat*)  und  auf 
dem  die  Inschrift  war:  ^^  ^6iv\  ayyikkeiv  ^Jaxidai^oyioigy  Sti  tfjÖs  y.€lfi6iPa 
loig  xsiHt/y  (if]fiaot  7ifi*'>oi/ei'0/."  Nocb  jetzt  sieht  man  hier  die  Spuren  der 
Ausgrabungen  zur  Hebung  jener  Blöcke.  Dieser  Hügel  besteht  aus  uralten 
Kalkablagerungen  der  Salzquellen  und  ist  mit  einer  nur  40  bis  50  cm  tiefen 
Humus-Schicht  bedeckt  Er  eignet  sich  daher  aasgezeichnet  zum  Polyan- 
dreion,  und  dennoch  ist  hier,  wie  meine  Ausgrabungen  bewiesen  haben, 
weder  ein  solches,  noch  eine  Spur  von  einzelnen  Gräbern,  Auch  an  der 
steileren  Nordseite  dieses  Hügels^  wo  vom  Winterregen  ein  bedeutender 
Theil  desselben  abgelöst  ist,  sieht  man  nur  reinen  Kalkboden,  Etwa  300  m 
weiter  östlich  ist  ein  zum  grössten  Theil  aus  naturwüchsigem  Fels  bestehender 
Hügel,  welcher  der  Kegelform  etwas  näher  kommt  und  der  identisch  sein 
mag  mit  dem  von  Herodot  „Melampygos"  genannten  Felsen,  bei  dem  der 
geheime  Fusssteig  endete,  auf  dem  Ephialtes  die  Perser  leitete;  dieser  Fuss- 
steig  hiess,  gleich  dem  Berge,  über  den  er  führte,  ,^Anopaea".  Dieser  letztere 
Hügel,  auf  dem  man  die  Ruine  eine^  kleinen  türkischen  Gebäudes,  wahr- 
scheinlich eines  Wachthauses,  sieht,  kann  aber,  nach  meiner  Meinung,  in 
gar  keine  Beziehung  mit  dem  letzten  Kampfe  der  Spartaner  gebracht  werden, 
da  er  reichlich  600  m  östlich  vom  eigentlichen  Engpass,  ausserdem  auf  viel 
höherem  Boden  liegt  und  von  allen  Seiten  angegriffen  werden  konnte.  Noch 
viel  weniger  kann  ein  noch  um  ca,  50  m  weiter  östlich  gelegener  kegel- 
förmiger Fels  in  Betracht  kommen. 

Das  Resultat  meiner  Forschungen  nach  dem  Polyandreion  fasste  ich 
daher  in  dem  einen  Wort  „unfindbar**  zusammen,  welches  ich  Ihnen  am 
30.  Januar  von  Lamia  telegraphirte. 


1)  Vergl.  das  Epigramm  ron  ßiis8Q$. 


Besprechungen, 


J.  W.  Powrll,  First  aooual  rcport  of  the  Bureau  of  Ethnology  fco  the  Secre- 
tary  of  the  SmithsoBitm  iDsHtiition  1879  —  80.  Washington  1881.  kl.  4, 
603  p. 

Durch  eine  Congressakte  vom  3.  März  1879  wurden  die  Terschiedenen  Abthöiliingen  des 
Geographica!  and  Oeological  Survey  of  ihe  Temtories  in  eioeo  eändgen  Cnited  States  Geo- 
'  logicti!  Survey  vereinigt,  ÄiijrU^ich  aber  angeordnet»  dass  die  bisher  von  jenen  Behörden  aos- 
'  geführten  anthtopologisicheri  rntersncbungfen  über  die  iiordanierikanischen  Indianer  durch  ein 
Bureau  nf  Ethnolojey  Uüter  der  Direktion  der  Smiihsonian  Instilution  fortResetjtt  wordon  soll- 
tet]. Professor  Baird,  der  Secretär  der  Instimtiou,  stellte  an  die  Spitze  des  neuen  Bureaus 
als  Direktor  den  verdienten  Leiter  de»  bis  dahin  bestehenden  Geogr  and  Geol.  Survey  of  tbe 
Rocky  Monntain  Region,  der  so  viel  dazn  beigetragen  hatte,  dasB  die  untbrüpologist^be  Kennt- 
niss  des  Westens  in  wenigen  Jahren  .so  gewjdti^e  Fortstbriite  gemaebt  hat.  Major  Powell. 
So  ist  es  möglich  geworden,  die  Continuität  d«?r  Arbeiten  ohne  jede  Sturung  tu  erbalten,  wie 
der  jetzt  vorliegende  erste  Jahresbericht  des  Bureaus  in  seiner  stattlichen  Ausdehnung  und 
mit  seinem  reichen  Inhalt  bezeugt.  Die  Ansstattung  des  Biicbes  ist  mit  jener  Liberalität 
aoageführt,  die  wir  von  den  Publikationen  der  Smithsooian  Institution  kennen:  Karten,  Licht- 
druck- und  chromolitbographlsche  Tafeln,  sowie  Eulisehnitte  sind  in  reichster  Weise  den  Artikeln 
beigegeben,  welche  eine  Reibe  der  bewährtesten  Forscher  bearbeitet  hat.  Wir  müssen  uns 
hier  darauf  beschranken,  eine  karze  luhsiltsangabe  zu  geben:  1)  0r*  Powell  selbst  bringt 
4  Artikel  (über  Fntwickelung  der  Sprache,  Skizze  der  Mytbologie  der  oordamerikanischen 
Indianer,  sociale  Einrichtungen  bei  den  Wyandots  und  BeaehräDkungen  in  der  Be- 
nutzung anthTOpologischcr  Daten)  voll  geistvoller  Bemerkongen  und  umEassender  Kenntniss; 
2}  Dr*  H.  C.  Yarrow,  jetxt  am  Ärmy  Medicni  Museum  angestellt,  liefert  eine  grosse,  sebr 
reich  illustrirte  Äbbandfung  über  die  Begräbnissgebräuche  der  nordamerikaDiscben  Eingebomen, 
wekbe  eine  staunenswert  he  Mannichfiiltigkeit  der  allerTerscbiedenaten  Bebandlungsw  eisen  der 
Todten  ergiehtj  3)  Hr.  Holden.  Professor  der  Mattiematik  an  dem  ü.  S.  Naval  Observatory, 
hat  Studien  ül>er  die  ceolratamerikaniscbe  Bilderschrift  angestellt*  Es  ist  ihm  gelungen, 
einige  grundlegende  Punkte  festzustellen,  z.  B.  die  völlige  üebereinstimmung  gewiiser  Zei- 
chen, die  Richtung,  in  ii^flcber  die  Zeichen  gelesen  werden  müssen,  aber  da  ihm  dit>  Kennt- 
niss  der  Sprachen,  namentlich  der  Maya -Sprache  abgebt,  so  konnten  positive  Ergebnisse  nicht 
gewonnen  werden»  4)  Landabtretungen  Seitens  der  Indianer  von  Hrn.  Royce.  5)  Zeichen- 
sprache der  Indianer  von  Oberst  Garrirk  Maller y,  eine  weit  umfassendo  und  höchst  lehr- 
reiche Abhandlung  über  einen  fast  prähistorischen  Gegenstand.  6)  Katalog  der  linguistischen 
Mannskripte  in  der  Bihliulbek  des  Bureaus  durch  Hrn.  Pilling.  7)  Darlegung  der  Methode, 
die  Indianersprache  in  Beispielen  und  Erzählungen  zu  fixiren,  durch  die  Herren  Dorsay, 
Gatschet  und  Riggs« 

Wir  begrÜÄsen  das  schone  Werk  mit  unserer  herzlichen  Theilnabuie  und  sprechen  im 
Voraus  unsere  üeber/eugung  aus,  dass  auf  diesem  Wege^  bei  einer  so  glücklichen  Cooperaiion 
der  besten  Kräfte,  das  Dunkel  der  amerikanischen  VoTgeschicbte  bald  In  grosserer  Ausdehnung 
gelichtet  werden  wink  Major  Powell  drütkt  ati  verM:hieden»n  Stellefi  weine  Üeberzeugung 
aus,  dass  die  Reste  der  Eingebornen,  nachdem  sie  Mch  der  Culturbewegung  des  Landes  au- 
gescbloBsen  halben,  nicht  nur  in  guten  Verhältnissen  leben,  sondern  sich  auch  wieder  zu  vor* 


152  ß^'sprechnDzen 

mehreo  aofingeD:  es  ist  daher  auch  Aussicht  Torfaandeo.  dass  eine  encfaöpiead« 
derselben,  namentlich  in  lingois- tischer  ucd  mythologischer  Richtung,  «iid  bcrfwulh 
ki'nneD.  Virch«v. 

Lewis   H.  Morgan,    Houses  and  house-lite  of  the  American  Aborigtnes. 
Washington  ISSl.    (Cöntributions  to  Xorth  American  Ethnology.    VoL  IV.) 


r-Ie  :e-ztr  pL^-.ikati.n  des  früheren  Geozr.  an:  Geol.  ScrTey  Gf  the  Rocky 
Ee^:—  \<z  dtr  rrirhtijre  Kani.  dessen  Titel  cb-ec  angefahrt  ist.  Eine  gr»>«eTC  AnaU  d« 
iirl:  =:::^:he:;:en  Einie^ Leiten  ist  schon  frdher  in  Zeitschriften  und  EncTklopidim  m- 
§.:'!:*= Tl.  i'tter  r^rai*  iis  enropäisihe  Pü^'ikiim.  Jem  viele  dieser  VerT-flentlicbiiiigvB  iw- 
5.:h.;***-  £*:■..*■"*=.  *i:.1,  wiri  Major  Powe'/.  :n  b  hrc  Grade  dirktir  dafür  s<in,  da«« 
es  :i=  ^erf»ss^r  ern:3f':cLt  h:W  das  ,L:riarLehkan:«che  Hans*  einmal  ia  Games  duifr- 
«'^.>~  -.' :  iiTiz  nz:*ich  die  interessintesten  s:ci:.:tbis  len  M:::h?Lnn^n  in  knipfes.  Dii 
1*-  ;*w.ire-e  ReLLt-iss  'ier  Puebls  T.:n  N>--Mei:::.  Li:  wesentlich  daiu  bggtüJf, 
i:*se:i  Ui:ers-^hnr^ec  eine  »reite  Thätsä:hl::he  rrterlaje  vi  schafen.  A^s  Haspteifebni 
s:ei ;  s>:i  die  merkvcrii^e  Erscheir.ung  heri'.:«.  dass  nbera'.:  in  Noriimerika,  nacMaoi  fii 
i:ecer>  ei  S:i;ei  der  Existenz  ut<e:ircniei  waren,  iäs  eiifaohe  Familienhans  anihm***«-*  u' 
iiflr  ^'ss^re  öemeiihäuser  errichtet  «urier.  in  «e'.cben  eine  Mehrzahl  von  FamÜMB  CbIb^ 
k:=zen  fmi.  Mes«  Einrichtung  «ird  knsführlich  i^r£es:ellt  und  dorch  gute  ZekksamHi 
e-ÜTiter:.  X-^-h  ien  A'^s: 6 br Winsen  'es  Verfasser«  siii  i.t  Ei^seboreen  too  NoidaacAa 
L.r^tnif  ':•  s  zi  ier  .etzien  Per. >2e  ier  B:>r  «rei.  «ei'.he  u'3ii:tel6jr  in  die  Cin  isaticn  abcfffoht, 
1  rre*:!::::*!:  ei.,  Tbe.l  T.:n  ihnen  lerharrte  in  cer  ä'teren  Perlode,  deren  Bcginm  Hr.  Mor- 
gan =i:  ier  E  ntdhmnr  ier  T-Tpferei  ditirt:  ein  mierer  fcliLzte  bis  in  die  uiittif  FariiJlb 
«eile  ^:::r:h  iie  Anwen^iur;:  der  Bicks:?:ne  a::':e  br.cks  uni  'iuich  die  EiiJihmy  te 
R:e*r":n.:cr  :ir  Miis  uii  a:. 'ere  f  rSnien  t'ezei:hne;  :*!.  I'ie  lärmte.  Innc  ge«iBBl  ciac  b^ 
siriere  Verr:!  >"inäi^::ng  Jaiurch.  ■■"ass  .:er  Veri??er  nich:  fc::s»  die  c^^iamerikaBia 
•l:nxe>.rir=.  e  zsjhliessÜ.h  der  M.^cn  :-':-u;l:crs  uid  Clif-dweller«.  r«hacdelt.  fondciB  i 
-is  El--*  der  Azteken  -nj  ias  der  sessi^rte-  Ir.d.aner  ^cn  Yüc-un  und  Ceni 
^ir^ich  erTrerT- 

Ein  :*>.n:rr*  in:eres54n:er  TLeil  i*:  ierer.ire,  »einher  i;e  Puetlrs  tob  X 
»3:5:.  M:i  Verjr.j^en  ersehen  wir,  iiss  sich  Mr.  Cusbicz  ia  Acfirage  des  Boimeb  rf 
E:i:i.:;fy  '-n:er  :ei  Z-ni-Iniiiner-  ani:e?i*ie::  rat,  ux  ei'iehecie  StndieB  m  iBirkM 
An:h  l»r.  mstav  Brih:  ha:  iies-m  .fir  we*:*  e  »e-  Be£.::b  ir^estauet,  über  «elchcB  »«r- 
'i-^e  Ber.:L:e  i:.  ;*■.:-  ,Ti*:.:^hen  Cincim'i  V..käba::*  Teröfen:;icht  sind.       Vircko«. 


Victor  vires?,  L-??  Pn:::helv'.:es  •  u  les  premiers  cclons  sur  les  bords  des 

lacs  de  Bionse  er  N^üoha:e:.    B«  Hin  1^^3.    A.  Asheri  Co.    gr.  4.    114  p. 

Mi:  33  L:ch:'iru^k:at-ln  und  HolzS-h-'-en. 

En  reich  a'-*^t*:j::e:cs  un:  iLha:*'^:'.  es  Wfrk.  »el.ie*  ien  .\c«chittss  jcDer  laofia, 
W.T  t  De^t-r  ULI  Sch«a:  e::*:e.^::e:er.  ".Lr.i  >:  -:-rr»-;s  ':-:h:bAien  Reihe  tob  ÜBtü- 
*jv-h-rce:.  ier  PrtriYi-*:^::::.--  rr  ^Vv-T-iine:;  ::— j:.  l:e  Seik^r;  i«r  Seen  ihuck  BB- 
'asser.ie  hydrctech:.  s^rhe  Ar:-r.'.en  .l  Ve:  .-.iLi:  m:  :ezi  ^er::.:rn  Wa4s*r»tasde  des  letillB 
Jahres  hat  e?  enn'^'.ioh:,  len  B:>:cn  :er  ?:>.  i-:e>.  jer  ^-le:  siihsaffi  iurch  Baiagtra  Bld 
Fischer  au*;:e-eu:e;  wu-ie.  -nr.-.i^tir  :.  A:  zr.z  :?.  r.ei^rL  -»;  ier  An  ic  duKkarbciUB, 
'.a*s  dain.i  mvh.  :5r  ic:n:c:  er.  .\rs:h  -?>  ^e^rr-en  s^i-  ^jrz.  Se.tsi  die  ^«rikaite  SlatiOD 
Tca  La  lene,  «e.che  .Vrij^.s  n  :h:  ire«:  T-.:TLs:in:  -.e:  i  esziali^ec  BespreckBBf  dM 
Verfjksser?  is\  .^ar:  ^«irenmär::^;  ni-T"-  /.>  er^;i'r^  ariressie.  werden.  Hr.  GrcM.  der  Mit 
vielen  Jahrein  mit  ^r.s*:-.:  A.;:=:eriSi=:kT.:  :e  .\.:j:--:r  ier  :jTa-$«*c  dieils  abervackt, 
theii*  se;i#i  a^sjmmelt  zä:,  :espr.:h:  ::.  :e=  x  :  :ej:ei:e-  W^rie  die  StitMaec  der  Staia- 
ui:d  der  Br.n:e:t/  uv.i  ..e'-.r:  e ::.f  j^i:.:  ^:'.  *-.ir.::.:r  l  f:-r-&.:i:  :es  ^esan:al«B  «MofaiSaia* 
derse.ten.  l»ie  ^^r.  :nas  se  :s:  ^rx..;:::'!  rL.:;>T4;h  *:iri  A-fnahmei  =nd  aie  iazaack  tob 
Hrr.  Hä:kma:Ln  :n  0?r  >•:;:.-   i  .Me. --.rL  :.::hi--  ku"*  '    »erier  w:h'.  *bt  Ifng«  Zeit  die 


Besprecfautigen. 


153 


I 


Grundlage  deß  verf^Wicheoden  Studiums  aller  derer  bilden,  welche  diese  frühe  Periode  m  der 
Eotwirkelunfr  des  europlif^ctien  Mannes  gepaner  studiren  wollen.  Die  Danitellunj;^  des  Hrn. 
Qrots  ist  eine  so  sorgfäUi^^e  und  seine  Treue  in  der  Wiedergab©  der  wespiitlicbeii  Merkmal« 
der  Gegenstände  eine  bo  vielfach  erprobte,  da-ss  sein  Werk  als  ein  wahres  l^rkundenbiicb  der 
Prutoheketier,  wie  er  das  alte  Volk  nennt,  angesehen  werden  kann.  Es  mag  hier  bemerkt 
werden,  dnss  er  die  Pfahlbauten  als  die  wirklichen  Wobnst&tten  dieses  Volkes  und  iiubt  ata 
btoase  Zufluchtsstätten  oder  3fagazine  ansieht.  Die  vnn  ihm  coti&truirte  und  als  TitelTignette^ 
fpef^ebene  Abbildung  des  pprotofaeivetiscben  naused**,  beil&ußj3[  gesaf^t«  eines  Rundbause^  mit 
herum!  au  Tender  Plattform,  entspricht  «Ueser,  durch  seine  Nachweise  unzweifelhaft  featgestellten 
^  Dachau  un(|r. 

Die  Ver]af(»buchhandlun^,  welche  mit  so  grosser  EntschlosBeubeit  und  Rüstigkeit  die 
archäologische  und  anthropidogische  Literatur  in  die  Hand  genommen  und  in  wenigen 
Monaten  eine  Anzahl  der  koatbaraten  Knplerwerke  verüfFentlicht  hat,  erwirbt  sich  ein  be- 
sonderes Verdienst,  indem  aie  eine  Publikation  in  Vertrieb  genommen  hat,  welche  für  die 
Cnlturgescbichte  des  Menachen  überhaupt  bleibenden  Werth  haben  wird.  Möge  ein  reicher 
Absatz  ihr  und  noch  mehr  dem  Hrn.  Verf.,  der  so  i^iel  Mühci  Zeit  nnd  KoSkeu  an  die  Arbeit 
geaelzt  bat,  lohnen,  was^  üe  der  präbistorischen  Wissenschaft  durch  dieses  Werk  geleistet 
haben.  Virchow. 

Alfred  Kirchhoff,  Rasseubilder  zum  Gebrauch  beim  geograpkischen  Ünter- 
ricbt.    Erste  Lieferung.     Kassel  1883.     Verlag  von  Tb*  Fischer, 

Die  sehr  thatige  und  durch  die  Trefflicbkeit  ihrer  llluslrationen  weit  bekannte  VerUgs- 
b&ndlung  hat  es  unternommen^  eine  Art  von  S^bulatlas  aDthropulngi^cber  Typen  in  grosstem 
Format  herauszugeben.  Das  ganxe,  auf  4  Lieferungen  zu  je  3  Blatt  berechnete  Werk  soll 
noch  im  Laufe  dieses  Jahres  beendigt  werden.  Der  Preis  (3|60  M,  für  die  Lieferang,  1,20  M. 
für  das  einzelne  Blatt)  kann  als  ungewöhnlich  billig  bezeichnet  werden,  so  dass  die  An- 
schaffung für  Schnlanstalten  dadurch  sehr  erleichtert  wird.  Der  Text,  soviel  tu  ersehen,  nur 
als  Tafelerklärung  gedacht,  soll  in  deutscher,  franiösiseher  und  englischer  Sprache  erscheinen* 
Wie  jede  neue,  auf  weitere  Entwick«?Iung  des  Änscbaunngs-Unterricbts  berechnete  Unter- 
nehmung, begegnet  auch  diese  unserer  Sympathie,  Die  Berliner  anrbropologisebe  Gesellschaft 
hat  bei  verschiedenen  Oelegenbeiten,  insbesondere  bei  der  unter  tbrer  Mitwirkung  erfolgten 
Hemnsgabe  des  Atlas  Dammann,  gezeigt,  wie  sehr  ihr  die  Verbieitnng  gnter  Abbildungen 
der  Menschenrassen  am  Herzen  liegt.  Noch  jetzt  ist  die  Anthropologie  nur  bei  lau  Hg  ein 
Gegenstand  des  Schulunterrichte,  und  auch  in  der  vorliegenden  Ankündigung  erscheint  sie 
in  fremdem  Gewiinde,  als  ein  Glied  des  .geographiachen  Unterrichts",  fndeas  jeder  Weg,  anf 
welchem  sie  einen  Zugang  zu  der  Schule  findet,  kann  ihr  an  sich  recht  sein ;  man  wird  sich 
bei  der  praktischen  HandhabLing  am  schnellsten  davon  dberzeugen,  dass  weder  in  dem  Inhalt, 
noch  in  der  Methode  der  Anthropologie  ein  Grund  liegt,  sie  in  die  Geographie  einzuverleiben, 
und  die  Eman€i|<ation  der  Anthropologie,  die  in  der  wissenschaftlichen  Behandlung  vollständig 
Tullzogen  ist,  wird  auch  in  der  pädagogischeu  Behandlung  nicht  mehr  kuge  zurückgehalCtsn 
werden  können. 

Die  erste  Lieferung  bringt  die  Brustbilder  eines  Seh wargfoss -In dianers  vom  obersten 
Missouri  nach  dem  RHsewerke  des  Prinzen  Maximilian  zu  Wied,  eines  ostafnkaniscben 
Negers  nach  Dammann's  Atlas,  und  eines  Papua  von  Nea-Guinea  nach  Job.  Mülle r's  Hum* 
boldtsbai.  Es  treten  dabei  einige  Miastaude  recht  lebhaft  hervor.  Vor  Allem  der  ganx  ver- 
schiedene Maass!»tab  der  einzelnen  ßlulter.  Um  die  Rothhaut  und  den  Papua  in  weit  ab- 
steheDdem  Federschmuck  darstellen  zu  können,  mui^ste  durch  Verkleinerung  des  Körpers 
Raum  auf  dem  Blatt  geschaffen  werden.  Das  erschwert  natürlich  das  Verstand niss  .ausser- 
ordentlich und  lenkt  den  Blick  des  Schülers  auf  das  Aeusserliche.  Man  mag  ja  zugestehen, 
dass  es  vou  Interesse  ist,  auch  das  bloss  Ornamentale  in  der  Erscheinung  der  Menschen  mit 
iDr  Anschauung  zu  bringen,  aber  man  wird  nicht  leugnen  können,  dasa  durch  das  Hertordrängen 
Iyou  Hchmuck  und  Tmcbt  die  Aufmerksamkeit  in  eine  ganx  falsche  Richtung  gelenkt  wird. 
Nichts  ist  schwieriger,  als  düS  Yerstandniss  für  die  physischen  Besonderheiten  der  einzelnen 
Stimme  zu  erscbliessen.  Man  kann  diess  am  besten  daraus  ersehen,  dass  unsere  Künstler, 
sowohl   die   Zeichner,   als   die  Bildhauer   sich  von  den  ihnen  gelänfigeu  europäischen  Tjpen 

10*' 


i 


154  BefT»reetranireti. 

■titoii  fmQ£  l<töQ]«cben  können;  un^illkörlich  europüsireii  sie  die  Fremden«  und  uüc\ 
YOffkfendeD  BtAtt«m  i$t  dieser  Vorwurf  nicbt  abiuspreffaen.  Wir  verireU«ii  in  di«eer 
mlmtij?  aaf  die  Bebandloof^  de«  Ha&res  des  Nefen  tmd  det  P&pu»,  welches  recht  gut  i 
Ulf  dem  Kopfe  eines  Europäers  Plati  findeo  könnte.  Jede  Herrorfaebon^  des  Kostämt 
«ioe  Krscbwening  für  das  Sludiam  des  Körpers,  and  wenn  sie,  wie  hier,  augkich  in  ei 
TeräoHetun^  des  Maassjtabes  iwingt,  i^eradeia  verwerflieb.  Nicht  tnindere  Bedeoken  bat 
10  demselbeD  Werke  Photofp^aphien  und  bloa«e  Zeichnungen  ata  Vorlagen  zu  t^outJteaT  i^* 
weon  oan  reine  Profile  mit  ganzen  nnd  halben  Vorderansichten  Knsammenstellt.  Die 
sonderen  Fehler  jeder  einzelnen  dieser  Methoden  ver^sjeni  sieb  bei  der  Ver^letcbung  n 
rerer  EUtter  unter  einander,  and  wie  der  Zeichner  nur  in  leicht  in  die  Gefahr  kommt,  dn 
Hineintiehen  ihm  geläufiger  Zügt  in  das  fremde  Bild  eine  C&rrikstar  zu  sehafea,  so  em 
ein  Itanzer  Atlas  der  Art  den  Eindruck  öbertriebener  Gegensätze,  ohne  doch  das  Diagnostil 
zu  ToUer  nnd  reiner  Erscheinung  zu  bringem  Wir  möchten  durch  diese  Ben»erkung6n  dai  1 
dienst  der  VerlugSHOStalt  nicht  herabsetzen«  aber  es  wird  tieUeicbt  möglich  sein,  hm  i 
folgenden  Liefenmgen  noch  eine  gewisse  Einwirkung  auf  die  Ansführong  und  die  Wahl 
Objekte  SD^oulien.  So  neblig  es  ist,  doss  man  nicht  componirte,  irteficielle  Tjpentil< 
sendem  wirklii  he  ludiTidualbilder  giebt,  so  wird  es  doch  nothwendig  ^io,  in  der  Anai 
groe^  Vormcht  zu  beobachten,  und  wir  würden  es  mit  Freoden  begTÖsaea,  wenn  dabei  * 
dem  besonderen  Aufputz  der  Indiriduen  möglichst  abgesehen  und  als  Vorlagen  auf^cblisasl 
gut  ausgeführte  Photographien  beoutzt  würden.  Dia  Ethnologie  kann  alletdings  a^  Eestj 
bilder  nicbt  Tenichten;  für  die  Anthropologie  dafegta  atellen  sie  nur  «ersehwereode  l 
aüade*  dar.  Virehev. 


From  Besguella  lo  tbe  Territory  of  Yacca.  Descriplion  of  a  Jotuney  fl 
Central*  and  West-Africa  by  Hennemgildo  Capello  and  Roberto  Ivel 
Expedition  organized  in  the  vears  1877^1880.  Translated  by  A.  ^Bj 
London  1882.     2  toL  S"**  fl 

So  lautet  beträchtlich  ibgekant  der  Titel  eines  Reiseberichtesi,  wetcbeo  tot  Karren 
beiden  portugiesiscbeQ  Matineofduere  Capello  und  iTens,  nraprönglicb  ala  Breiter  i 
I>urch(|uerer  Afrikas«  Major  Serpa  Pinto  tuertheilt^  über  ibi«  unabbaogtf  von  letilel 
ao&geführte  Heise  in  West  Afrika  in  englischer  Baarbeituttg  Tmfientlichten.  Serpa  Pil 
hatte  in  seinem  eigenen  Reisewerk  die  beiden  Offisiere  angeklagt,  ihn  in  Aengateu  und  Not! 
SQ  Bilembo  am  Caläe-Flua»e  Terlaaaen  xu  haben.  Capello  und  Ivens  vertbeidigeD  sich 
ihrer  Vorrede  sehr  energisch  g^gta  jeden  derartigen  ihnen  femachten  Vorwurf.  Wir  veriae 
abei  dieae  rein  persönliche  Angelegenbeit  um  so  «choeller  und  um  so  lieber,  als  »ebliecä 
dvrcb  sie  keiner  der  Betheiligten  enkstlich  geschädigt  er^beint.  Das  Buch  der  beiden  Pa 
gieseu  ist  gut  und  spannend  geschrieben,  enthalt  auch  viel  Belehrendes  in  etbuo^ogiatlMr  1 
in  rein  naturge^rhichtlicher  Beziehung,  so  daas  wir  es  immerhin  unter  die  baaseren  Reä 
werke  über  Westafrika  rechnen  müssen.  UeberaU  sind  die  Herren  Capello  und  Ivens 
strebt  gewesen,  selbst  zu  beobachten,  mit  Fleiss  und  Cmstcht  au  sammeln.  Ein  Ibnlk 
Verdienst  gebohrt  übrii^na  auch  Serpa  Pinto.  Wenn  diese  drei  wackeiea  Offisiara  i 
nicht  gans  selten  die  naturwissenschaftliche  Komendamr  u.  s.  v.  etwas  aalep  behandelt  hal 
so  sollte  ihnen  daraus  kein  besonderer  Vorwurf  gemacbt  werfkn.  Diaaer  kusinle  koeM 
den  englischen  und  den  deutschen  Cebersetzer  tref^n,  wekbtsieiiilteDbedeBjtaiB  aoOea,  bfl 
wie  Fetus  arboreus  (Filii  arboreus?  d.  h.  Bjiufflfam?  —  bei  Pinto'  und  Aebolicbeg»  4m 
geheu  lu  lassen.  Die  oben  erwibnten  Reisenden  sprechen  ohne  Ausnahme  mit  fTOaam  L 
Ton  dem  Naturforscher  Joz^  de  Anchieta,  wekber  bocbgebildetf  arm,  abet  eelliatlos»  elai 
derer  Poeppig  und  Tschodi,  Tieie  Jahre  seines  beschverdenreicben  Lebens  der  Flora,  Wm 
und  den  ethnografbischen  VerhiltBisBBQ  daa  inneren  Westafrika  gewidmet,  welcher  das  W 
booer  üus^um  und  andere  europäisebe  Sammlungen  mit  den  koalharsteii  Plipailtn  iNnisl 
bat.  Am  Schtuss  des  Weikee  too  Capello  und  Wens  fisdan  mtk  leÄt  daftliMW 
naturwiaseßscbaftliche  Anhänge,  ferner  Vokabultfien,  namentlich  des  ITiwIwmda  it.a.w*  ! 
HehlUfSsessay  über  die  Weetafrika  bewohnenden  nigritiscbeo  Stämme  «olfcitt  atfich«  • 
harsigenawertbe.    Aueb  dieser  Theü  Territh  d>s  Bemühen  der  BiiMideA,  Lkkt  in  die  a 


Besprechungen. 


155 


Thei!  noch  so  wenig  bekannt©  Lander-  und  Völkerkunde  Afrikas  binemzuKringen,  Der  illo- 
«trative  Theil  des  Werke»  ist  bis  auf  einige  Daratelltingen  von  Waffen  und  Gerätben,  lowie 
von  einzelnen  Thieren  des  Landes  onr  eelir  massig  geratfaen.  Die  beigegebenen  Karten  sind 
dagegen  saaber  ausgeführt.  R,  Hart  mann. 


I 


AKredo    de  Sarmento,  Os  Sertoes  d'Africa.     (Apont amentos  de  Tiagem.) 
Lisboa  1880,     8,     731  p. 

Obne  die  Frätension,  eine  wisf-enschaftliebe  Darstellung  liefern  zu  wollen,  bestrebt  sich 
Verfasser,  welcher  am  27,  Juli  1856  von  Loauda  nacb  den  Kupfenuinen  von  Bembe  anfbracb, 
Interessantes  über  den  Cbarakter^  den  FetiacbismiiSj  die  Sitlen  und  Gebräuche  der  west-  ' 
»frikaniscben  Schwarzen,  über  die  natürlicben  Hnifsquellen  von  Congo  utvd  Angola  beizubringeiL 
"Verfasser  beklagt,  wie  schon  Manche  vor  ihm,  das»  so  grosse  vegetabilische  Reichtbümer, 
nutzbare  Hölzer  n.  s.  w  ,  dass  die  vieles  versprechende  ßienenzncht^  dass  werth volle  minerali- 
sche StoiTe  unter  der  gegenwärtigen  Coliinialwirlhachaft  vergeblich  ihrer  methodischen  Ana- 
bentuniT  harren.  Eine  augeblich  schrecklicbe  Geissei  dieser  Gegenden,  a  doent«  do  somnOf 
die  in  Tod  endigende  Schlafsucht,  wird  vom  Verfasser  m  Kurze  berührt.  Die  von  ihm 
und  Dr.  De  bange  veranlasste  Obduktion  dreier  Opfer  dieses  üebels  ergab  keinen  Anhalt  fär 
dessen  Entstehnng.  Habituelle  Raucher  einer  angeblich  narkotischen  Pianse,  der  Liamba 
(vielleicht  Hanf?),  sollen  jener  Kranibeit  besonders  leicht  anbeimfallen.  Cnter  den,  Sarnaento'» 
Werkchen  begleitenden,  nur  dürftigen  Abbildungen  fiel  dem  Referenten  die  recht  charakteri- 
stische Kopf  Silhouette  eines  der  «Ra^a  Unxiconga*  angehörenden,  jugendlichen  Individuums 
auf.  Die  bcige|,rebene  Karten$kiz?e  enthält  fast  nur  eine  zwischen  Ämbriz,  Bembe  und  Encoge 
aich  erstreckende  Marschroute.  R.  IL 


Falb,  Das  Land  der  Idch.     Leipzig  1883. 

I  Wer    na^h    dem     Aufschlagen    des    obigen     Buches    noch     weiter    hineinzublicken    den 

Mnth  haben  sollte,  wird  unter  dem  Yerffunderlichen  aus  dem  Wnndem  kaum  heraus- 
kommen, —  bis  tum  Erstannen  über  die  hier  verschwendete  AuBstattung  nicht  minder,  wie 
über  die  desperaten  Versnebe,  welche  sich  hie  und  da  in  den  Spalten  einiger  Blätter  her- 
vorgewagl  haben,  eine  scheinbar  ernstlich  gemeinte  Besprechung  tu  simuliren. 

Ans  geologischen  Antecedenticn  könnte  dieses  Buch  erinnern  an  das  »Buch  Cbevilla*, 
das  über  die  «bevorstehenden  Katastrophen  am  Kode  der  Welt  Johel*  unterrichtet,  und  in 
,»Enthnllung  der  gottlichen  Hieroglyphen*  entdeckt  vrar  (178E  p.  d.).  Doch  treibt  bei  den 
peruanischen  der  Wirrwarr  noch  wuster,  vom  Kopf  bis  zur  Zehe  (susqne  deque),  weil  meist 
auf  philologischem  Gebiet,  einem  an  sich  schlüpfrigen,  das  selbst  die  mit  schulastiscber  Vor- 
bildung Ausgerüsteten  oft  genug  zu  Falle  bringt.  Wer  nun  ohne  solche  Mcb  hinaufwagt, 
dessen  Irrfahrten  ptlegen  allzu  sehr  in  s  pathologische  Gebiet  zu  streifen,  als  dass  sie  auf 
einem  anderen  in  ernsthafte  Betrachtung  gezogen  werden  konnten. 

Aus  derartigen  Hexenküchen  und  dem,  was  der  Wahnwitz  dort  zusammenbraut»  i^llt  ge- 
rade auf  die  Augen  derjenigen,  auf  deren  Urtheil  ea  ankommt,  zeitweise  Miscreditirung  der 
Ethnologie  und  ihrer  Ziele.  Unverbrüchlich,  wie  an  einer  Lebensfrage,  hat  sie  festzuhalten 
ao  dem  Grundsatz,  dass  beim  Betreten  der  ungeheuren  Weiten  ihres  noch  unerforschten  Ge- 
bietes jeder  und  jeglicher  einzelne  Schritt  vorsichtig  nüchternste  Prüfung  erfordert,  dass  es 
bedarf  voller  Kraft  der  Entsagung  (einer  ^?io/jj  und  no(ttmift^  wie  Ton  altersher  schon  ver- 
Ifljjgt;:  nicht  heute,  am  Tage  erster  Anpflanzung,  die  Früchte  schon  geniessen  zu  wollen,  die 
nach  hundertjähriger  Arbeit  erst  vielleicht  zur  Keife  berangedeihen  mögen  (und  dann  zum 
Besten  onaerer  Kenotnisg  vom  Menschen).  Von  dem  zehrend,  was  unsere  Vorfahren  für  uns 
angelegt,  haben  wir  unsererseits  für  die  später  Kommenden  naturgemäss  gesunde  Nahrung 
vorzubereiten,  —  sofern  bewahrt  Tor  solchen  Katastrophen,  wodurch  Erdbeben-  und  andere 
Ünglücks-Propheten  die  fest  unter  den  Fusseo  gebreitete  Basis  der  Thatsacben  erschüttern  zn 
können  meinen  (im  Sinne  jenes  Neger-Potentaten,  dem  das  Weltall  aus  den  Fugen  geht, 
vrenn  sich  auf  seinem  krausen  Scheitel  die  Mütze  schief  rücken  sollte,  wofür  dann  meist  gute 
Grunde).  A.  B. 


Analogien  der  Funde  von  HissarliL 

Von 

Ernst  BötÜcher, 

liauptmann  a.  D.  zu  Berlin. 
(Hierzu  Tafel  IV.) 


I.  Gesichts-Umen. 

In  Hissarlik  sind,  gleichwie  in  vielen  Grabstätten,  Gesichts-Urnen  ge- 
fanden worden.  „Eulenvasen**  nennt  sie  Hr.  Dr.  Schliemann.  Ihr  Aus- 
sehen hat  zwar  Nichts  ausschliesslich  mit  der  Eule  gemein,  man  könnte  sie 
z.  B.  ebenso  gut  „Sperbervasen  (-kanopen)**  nennen.  Hr.  Prof.  Virchow 
stimmt  Hrn.  Dr.  Schliemann  in  der  Eulenfrage  nicht  völlig  bei  (Ilios,  Vor- 
rede, S.  XV)  und  exemplificirt  auf  die  nordischen  Gesichts-Urnen.  Auch 
Hr.  Dr.  Schliemann  erwähnt  zwar  eine  Gesicht«-Urne  mit  Falkenschnabel 
des  Danziger  Prov.-Museums  (cfr.  Ilios,  331),  aber  die  Gesichts-Urnen  mit 
,, Sperbertypus **  in  der  ägyptischen  Abtheilung  der  Kgl.  Museen  in  Berlin 
scheint  er  nicht  zu  kennen  (sie  stehen  sehr  versteckt),  sonst  durfte  er  diese 
vollkommenste  Analogie  zu  seinen  Eulenurnen  nicht  übergehen.  Der  Schmuck 
der  Graburnen  mit  einem  Vogeltypus,  mag  man  Falken,  Eulen  oder  Sperber 
darin  erkennen,  die  Ausbreituug  derselben  Sitte  von  der  Ostsee  bis  an  den 
Nil,  ist  sehr  bemerkenswerth.  In  der  Darstellung  des  Vogelgesichts  treten, 
trotz  der  verschiedensten  Grade  künstlerischer  Leistung,  durchgehende  Ana- 
logien hervor: 

1.  Im  Allgemeinen:  Die  Bogenlinien  über  den  Augen  sind  überall 
gleichgezeichnet  und  stark  accentuirt,  wo  sie  oder  entsprechende  Leisten  und 
Vorsprünge  überhaupt  vorhanden  sind,  was  bei  nordischen  Urnen  nicht 
immer  der  Fall  ist.  Dieser  Zeichnung  entspricht  die  bekannte  ägyptische 
Sperberhieroglyphe  und  die  analoge  auf  den  Hissarlik-Idolen,  z.  B.  Nr.  202, 
209  u.  a.  in  Ilios  (cfr.  Tafel). 

2.  Im  Besonderen:  Die  ägyptische  Kanope,  Nr.  7184,  im  Saal  V  der 
ägyptischen  Abtheilung  der  Egl.  Museen,  zeigt  uns  ein  wunderliches  Ge- 
misch von  Menschen-  und  Vogeltypus  in  einer  Ausführung,  die  jeden  Zweifel 

ZeiUehiül  Ol  Bthnologle.    Jahrg.  1883.  11 


158  Krnst  Rotticher: 

ausschliesst,  dass  hier  ein  Gesicht  von  menschlichen  Umrissen  mit  menschlich 
gebildeten  Ohren  einen  Schnabel,  deshalb  keinen  Mund,  und  kreisrunde  Vogel- 
augen besitzt.  Andere  Eanopen,  z.  B.  Nr.  7201,  345  u.  a.,  haben  dagegen 
ein  reines  Vogelgesicht  vom  Sperbertypus,  bestehend  lediglich  aus  dem 
Schnabel  zwischen  kreisrunden  Augen.  Wieder  andere  Eanopen ,  z.  B.  Nr. 
7165  und  7168,  zeigen  in  ebenso  künstlerisch  vollendeter  Ausführung  ein 
menschliches  Gesicht. 

Alle  drei  Kategorien  nehmen  wir  auch  unter  den  Gesichts-Urnen  von 
Hissarlik  und  vom  Ostsee -Gebiet  wahr,  so  schwierig  auch  bei  den  nor- 
dischen, in  Folge  geringer  Kunstfertigkeit  ihrer  Verfertiger,  die  Unterscheidung 
zwischen  Nase  und  Schnabel  sein  mag.  Aegyptische  Kanopen,  wie  Nr.  345 
(gelbes  Etiq.),  haben  auch  keinen  so  scharf  ausgeprägten  Schnabel  wie 
andere,  z.  B.  Nr.  7184. 

Kategorie  1:  Die  in  Ilios  Nr.  235  abgebildete  Gesichts-Urne  hat,  gleich 
ägyptischen  Kanopen  mit  Sperbertypus,  nur  Schnabel  und  kreisrunde  Augen. 
Gleiches  finden  wir  an  dem  kanopischen  Gesichtsdeckel,  Ilios  Nr.  236  u.  v.  a., 
und  an  nordischen  Gesichts-Urnen.     Das  ist  der  reine  Vogeltypus. 

Kategorie  2:  An  dem  kanopischen  Gesichtsdeckel,  Ilios  Nr.  991,  be- 
merken wir  den  gemischten  Typus,  wie  an  der  ägyptischen  Kanope  7184 
(s.  oben)  mit  menschlich  geformten  Ohren.  Gleiches  lässt  die  nordische 
Gesichts-Urne  I,  5123  a  der  Sammlung  nordischer  Alterthiimer  der  Kgl. 
Museen  erkennen;  an  ihr  ähnelt  die  Bildung  des  Schnabels  —  mangels 
Mundes  werden  wir  nicht  Nase  sagen  dürfen  —  durchaus  derjenigen  in  Ilios 
Nr.  234,  235,  986  u.  a.  m. 

Kategorie  3:  „Rein  menschlicher  Typus."  Wir  finden  in  der  Schlie- 
mann-Sammlung  der  Kgl.  Museen  3  Gesichts -Urnen  mit  ausgesprochen 
menschlichem  Typus,  Nr.  604,  606,  609.  Sie  sind  sicher  nicht  die  einzigen, 
welche  in  Hissarlik  an's  Licht  gefordert  wurden,  scheinen  aber  Herrn 
Dr.  Schliemann's  Aufi:nerksamkeit  entgangen  zu  sein.  Der  menschliche 
Typus  ist  unverkennbar,  nicht  nur  wegen  Vorhandenseins  eines  Mundes, 
sondern  auch  durch  die  längliche  menschliche  Bildung  der  Augen  mit  halb- 
geschlossenen Lidern,  eine  für  Todtenumen  sinnreiche  Besonderheit.  Trotzdem 
erwähnt  Hr.  Dr.  Schliemann  Nichts  von  solchen  Gesichts-Urnen  in  seiner 
Abhandlung  (Ilios  318 — 332).  Er  sagt,  die  Verfertiger  der  nordischen  Urnen 
hätten  zweifellos  immer  ein  menschliches  Gesicht  darstellen  wollen  und  un- 
terscheidet von  ihnen  seine  Eulenurnen  (cfr.  Ilios  330)  als  einzig  in  ihrer 
Art  Einzig!  Und  die  ägyptischen  Sperberkanopen?  —  Ilios  372  sagt  Hr. 
Dr.  Schliemann  bei  Besprechung  des  Kopfes,  Nr.  190,  der  wie  ein  rohes 
Urbild  des  von  uns  abgebildeten,  etruskischen,  kanopischen  Gefassdeckels 
(vgl.  Tafel)  aussieht,  jene  Völker  hätten  trotz  dieses  Beweises  für  ihr  Können 
nicht  auch  menschlichen,  sondern  beständig  Eulentypus  auf  ihren  Vasen 
(Urnen)  und  Idolen  angebracht.  Diese  Behauptung  wird  durch  die  Existenz 
von  Gesichtsurnen  mit  rein  menschlichem  Typus  widerlegt! 


Analogien  der  Funde  von  Hissarlik.  159 

Auf  Dordiscbeu  Uruon  habe  ich  kaum  einen  so  ausgeöprochen  mensch- 
lichen Typus  feststellen  können,  wie  der  auf  den  Hissarlikurnen  ist;  auf 
keiner  so  menschlich  gebildete  Augen  im  Gegensatz  zu  den  kreisrunden 
Yogelaugen.  Auf  Anfrage  war  Hr.  Director  Dr.  Conwentz  so  freundlich, 
die  Danziger  Sammlung  eigens  darauf  zu  prüfen.  Es  scheint,  dass  die  Augen 
der  nordischen  Gesichtsurnen  durchweg  kreisrund  sind,  sei  es  als  Tüpfel  • 
oder  gehöfte  Tüpfel  0  oder  als  Doppelkreise. 

Nach  ägyptischer  Analogie  könnte  man  bei  ihnen  das  Vorhandensein 
oder  Fehlen  des  Mundes  entscheiden  lassen,  und  z.  ß.  auf  unserer  Tafel  die 
Urne  I,  c.  208  der  Sammlung  nordischer  Alterthümer  der  Kgl.  Museen  als 
von  menschlichem  Typus  ansprechen,  die  mundlose  aber,  I,  5123  a,  in  die 
Kategorie  des  gemischton  Typus  rechnen.  An  diesen  beiden  Urnen  unter- 
scheidet sich  auch  deutlich  Nase  von  Schnabel,  dessen  stumpfwinklige  Form 
auch  die  ägyptische  Eanope  345  und  verschiedene  Uissarlikvasen  aufweisen. 
Nordische  Urnen,  ähnlich  wie  I,  5123  a,  aber  ohne  Ohren,  würden  alsdann 
dem  reinen  Vogeltypus  (Kategorie  1)  angehören. 

Ein  gemeinsamer  Zug  an  allen  diesen  Gesichts- Urnen  vom  menschlichen 
und  vom  gemischten  Typus  scheint  zu  merkwürdig  zu  sein,  um  ihn  mit 
Stillschweigen  übergehen  zu  dürfen:  die  eigenthümliche  Stellung  der  Ohren 
nach  ägyptischem  Typus.  Es  scheint  dies  nicht  aus  roher  Kunstfertigkeit 
erklärbar  zu  sein,  denn  die  etruskische  Kanope  des  Antiquariums  der  Kgl. 
Museen,  welche  ich  nach  Levezow^s  „Verzeichniss  der  Denkmäler^  etc., 
Taf.  XV,  308,  in  dreifach  vergrössertem  Maassstabe  zum  Vergleich  stelle,  ist 
gewiss  nicht  von  roher  Arbeit,  trägt  aber  ganz  denselben  Typus. 


II.   Libirgefässe. 

„Gefässe  mit  Ausguss^,  in  Hissarlik  wie  überall  gefunden,  hat  Herr 
Dr.  Schliemann  für  etwas  ganz  Besonderes  gehalten.  Siehe  Sachregister 
zu  Ilios  864:  „Saugflaschen  für  kleine  Kinder. ""  3.  Stadt  453,  454.  5.  Stadt 
649.  6.  Stadt  666.  —  S.  453  heisst  es,  diese  kleinen  Gefässe  mit  Ausguss 
könnten  nur  als  Nährflaschen  für  kleine  Kinder  gedient  haben.  Diese  ori- 
pnelle  Idee  hält  er  fest,  obgleich  ihm  bekannt  ist  (siehe  ebendort),  „dass 
kleine  Terrakottagefässe  mit  Ausguss  am  Bauch  sowohl  in  den  Gräbern  auf 
Cypern  als  in  altägyptischen  Grabmälern  häufig  sind.^ 

Ausser  den  kleinen  giebt  es  auch  grössere  derartige  Gefasse,  aber  immer 

nur  80  grosse,    dass  sie  noch  bequem   mit  den  Händen  erfasst  und  regiert 

werden  können.     Von   diesen   sagt  Hr.  Dr.  Schliemann,    er  könne  ihren 

Gebrauch  nicht  anders  erklären,  als  durch  die  Annahme,  dass  sie  unter  eine 

Quelle  gestellt  wurden,  deren  Wasser  oben  in  die  Vase  rann,  und  dass  die 

„durstigen  Seelen^    den  Mund   an    die    kleine  Rinne  legten    und    tranken. 

(Wörtlich,  S.  453.) 

11  ♦ 


160  Eni^t  Bötticher: 

Hr.  Dr.  Schliemann  hat  die  in  Rede  steheoden  Geta66e  aus  ägyp- 
tischen Gräbern  zwar  im  Louvre  und  British  Museum  gesucht,  aber  nicht 
in  den  Kgl.  Museen  zu  Berlin,  sonst  würde  er  hier  auch  ihren  Gebrauchs- 
zweck  erkannt  haben.  Die  von  Hm.  Prof.  Lepsius  eingerichtete  Aegyptische 
Abtheilung  dieser  Museen  ist  eben  einzig  in  ihrer  Art. 

Bekanntlich  sind  die  ihre  Wände  bedeckenden  Abbildungen,  meist  Scenen 
des  ägyptischen  Kultus,  der  Mythologie  nnd  der  Geschichte,  mathematisch 
genaue  Copien  von  ägyptischen  Originalen  aus  Grabern,  Tempeln  and  an- 
deren Denkmälern.  Sie  geben  Aufschluss  auch  über  den  Gebranch  dieser 
kleinen  Gefasse  mit  Ausgur^s,  wenigstens  der  ägyptischen,  und  dies  schliesst 
die  Wahrscheinlichkeit  gleichen  Zweckes  der  anderen  in  sich,  angesichts 
des  mächtigen  Einflusses  ägyptischer  Kultur  weithin  über  die  Erde. 

Unsere  Tafel  bringt  ägyptische  Kultscenen,  worin  solche  kleinen  Ge- 
fasse mit  Ausguss  als  .Libirgefasse*"  in  der  Hand  der  Könige  und  Priester 
erscheinen.  Vgl.  im  Saal  I  der  genannten  Abtheilung  das  5.  Bild  der  Ost- 
seite (Lepsius,  Wandgemälde,  Taf.  28,  2):  ^Ramses  X.  libirt  der  löwen- 
köpfigen  Göttin  Tefennt  und  dem  Sonnengotte  Sii.''  Der  libirende  König 
hält  ein  Gefäss  mit  Ausguss  mit  beiden  Händen  empor  und  lässt  seinen  In- 
halt (Honigmilch,  Wein  oder  Wasser)  auf  Lotoslilüthen  träufeln.  Die  beiden 
sänlenartigen  Ständer  dienen,  wie  aus  anderen  Bildern  ersichtlich,  zum  Auf- 
stellen des  Libirgefasses,  wozu  sie  eine  entsprechende  Vertiefung  (wegen 
dessen  Kugelgestalt)  besitzen  ^).  Sehr  häutig  ist  ein  Opferstein  über  sie 
gelegt  (Lepsius,  Taf.  27,  2.  23,  2).  Solche  Ständer  hat  man  auch  in 
Hissarlik  gefunden  (Ilios,  Nr.  1473.     2  w  tief). 

Während  auf  den  in  Rede  stehenden  Gemälden  eine  gewisse  elegante 
Form  der  Libirgefasse  hervortritt,  trägt  ein  solches  Gefiiss  aus  dem  alten 
Reich  (siehe  Gräber-Saal  (II)  Nr.  1430),  von  rothem  Thon,  ein  primitiveres 
Gepräge.  Ihm  gleich  in  der  Form,  aber  von  schönerer  Arbeit  ist  das  kleine 
Bronzegefass,  Nr.  4383,  im  Saal  V  (Schaukästen).  Vgl.  Tafel.  Eine  sehr 
primitive  Form,  entsprechend  den  Hissarlikgetassen  (Ilios,  Nr.  1126,  444, 
447  u.  a.),  besitzen  Libirgefasse,  weiche  ich  auf  der  Grabstele,  Nr.  7273,  im 
Säulenhof  abgebildet  fand.  Vgl.  Tafel.  Sie  sind  oben  schmal,  unten  weit- 
bauchig, ein  Typus,  der  eher  nordischen  Gefässen  eigen  ist. 

Zwei  kleine  Getasse  mit  Ausguss  in  der  Schliemann-Sammlung  der 
Kgl.  Museen,  Nr.  281  und  819,  sind  in  Ilios  nicht  abgebildet  Da  gerade 
sie  eine  hervorstehende  Formverwandtschaft  zu  antiken  Gefässen  dieser  Art 
bekunden,  bringt  unsere  Tafel  sie.  Man  wolle  mit  ihnen  die  im  Antiquarinm 
der  Kgl.  Museen  befindlichen,  sogenannten  Tropfgefässe  vergleichen,  deren 
einige  aus  Levezow's  Verzeichniss  der  antiken  Denkmäler  im  Antiqua- 
rium  u.  s.  w.  hier  reproducirt  sind.     Ragen    sie   auch    durch   ihre  Formen- 

1)  Im  Saal  II  (der  bekanntlich  nur  Dinge  aus  dem  alten  Reich  enthalt)  stehen  solche 
Ständer,  sind  aber  im  Verzeichniss  der  Aecrvptisohen  Altorthümer  als  Kandelaber  bezeichnet. 
Vgl.  Nr.  G2,  74,  auch  100. 


1()2  Ernst  BoUicher:   ÄDalogien  der  Funde  Ton  Ilissarlik. 

hatten  die  auf  dem  Handelswege  zu  ihnen  gebrachten  Originale  schlecht 
kopirt.  Wenn  dem  so  wäre,  waram  hat  sich  denn  nie  ein  klassisches  Ori- 
ginal dort  gefunden,  und  warum  giebt  es  im  klassischen  Boden  die  gleichen 
rohen  Formen  wie  dort? 

Könnte  nicht,  hier  wie  dort,  die  Kulturentwickelung  von  gleichen  An- 
fangen aus  gleiche  Wege  gegangen  sein?  Dann  wurden  unsere  nordischen 
Funde  eine  eigene  Kultur  bedeuten,  deren  höhere  Stufe  entweder  unbekannt 
oder  nicht  vorhanden  ist.  Die  Ursachen,  warum  am  Mittelmeer  eine  gleich 
primitive  Kultur  zur  höchsten  Blüthe  sich  entfaltete,  bedürfen  keiner  Er- 
örterung. 


XL 
Neue  Beobachtungen  am  Nephrit  und  Jadeit. 

Nach  einem,  am  17.  März  1883  in  der  Berliner  anthropologischen  Gesellschaft 

gehaltenen  Vortrage. 

Von 

A.  Arzruni,  Professor  in  Breslau. 


Die  Hauptveranlassung,  die  mich  dazu  bewogen  hat,  hier  noch  einmal 
auf  die  sogenannte  „Nephritfrage^  zurück  zu  kommen,  ist  das  Erscheinen 
eines  diesen  Gegenstand  behandelnden  äusserst  verdienstvollen  Werkes  des 
Herrn  Dr.  A.  B.  Meyer,  Director  des  zoologischen  und  anthropologisch- 
ethnographischen Museums  zu  Dresden,  betitelt:  „Jadelt-  und  Nephrit-Ob- 
jecte**  ^),  welches  bereits  vielorts  in  ethnographischen  Vereinen  und  auch  in 
mehreren  Blättern  besprochen  worden  ist.  Ausserdem  ist  aber  gerade  in 
letzterer  Zeit  auch  von  anderen  Seiten  mancher  werthvolle  Beitrag  geliefert 
worden,  um  der  Lösung  der  Frage  näher  zu  kommen^).  Ich  habe  es  daher 
für  zweckmässig  erachtet,  diese  Gelegenheit  zu  ergreifen,  um  an  den  Gegen- 
stand der  Frage  selbst  zu  erinnern  und  über  ihren  gegenwärtigen  Stand  zu 
berichten,  um  so  mehr,  als,  meiner  Ansicht  nach,  dieselbe  in  eine  Phase  ge- 

1)  Der  genaue  Titel  ist:  .Königliches  Ethnographisches  Museum  zu  Dresden.  II.  und 
III.  Jadeit-  und  Nephrit-Objecte.  A.  Amerika  und  Europa. '  1882.  Gross-Folio.  86  Seiten 
Text  und  2  Tafeln  in  Lichtdruck  (eine  colorirt).  B.  Asien,  Oceanien,  Afrika.  1883.  Gross- 
Folio.  33  Seiten  Text  und  4  Tafeln  in  Lichtdruck.  Herausgegeben  mit  Unterstützung  der 
Oeoeraldirection  der  Königlichen  Sammlungen  für  Kunst  und  Wissenschaft  zu  Dresden  von 
Dr.  A.  B.  Meyer,  Director  des  König),  zoologischen  und  anthropologisch -ethnographischen 
Museums  za  Dresden.  —  Leipzig.     A.  Naumann  und  Schröder. 

2)  Darunter  sind  zu  erwähnen  die  bereits  auch  im  Werke  des  Hrn.  Meyer  berücksich- 
tigten Abbandlungen  mineralogischen  Charakters: 

A.  Damen r.  Ncnvelles  analyses  sur  la  Jadeite  et  sur  quelques  roches  sodiferes.  Bull. 
soc.  min^ralog.  de  France  IV,  157;  Cumptes  rend.  de  TAcad.  Paris  92,  1312  und  Ann.  de  Gbim. 
et  de  phys.  [5],  24,  136.    1881. 

£.  Jannettaz  et  L.  Michel.  Note  sur  la  nephrite  ou  jade  de  Siberie.  Bull.  soc. 
mio^ralog.  de  France  IV,  178.    1881. 

H.  Fischer.  Ueber  die  mineralogisch-archäologischen  Beziehungen  zwischen  Asien,  Europa 
und  Amerika.    Neues  Jahrbuch  für  Mineralogie.    1881.    II.    199—227. 

W.  T.  Beck  und  W.  J.  v.  Muschketow.  Ueber  Nephrit  und  seine  Lagerstätten.  Mit 
6  Tafeln.   Verh.  der  Kaiserl.  russ.  Mineralog.  Gesellsch.  St.  Petersburg  [2].  XYIII.  1— 7G.  1882. 


164  ^'  Arzruui: 

treten  ist,  in  welcher  sie  für's  Erste  verbleiben  wird,  wenn  nicht  anerwartete 
und  kaum  in  nächster  Zeit  vorauszusehende  Entdeckungen  dazu  beitragen 
werden,  sie  umzugestalten,  in  andere  Bahnen  zu  lenken,  oder,  was  wahr- 
scheinlicher ist,  die  gewonnenen  Ansichten  noch  mehr  zu  kräftigen.  Denn 
ich  bin,  für  meinen  Theil,  der  Ueberzeugung,  dass  wir  augenblicklich  aaf 
den  richtigen  Standpunkt  angelangt,  genauer  —  zu  ihm  zurückgekehrt  sind, 
obwohl  uns  noch  mancher  erwünschter  Beweis  dazu  fehlt. 

Die  Nephritfrage  ist  bereits  vor  längerer  Zeit  angeregt  worden,  eine 
Reihe  von  Gelehrten  hat  schon  längst  diesem  Mineral  ihre  Aufmerksam- 
keit zugewendet  und  über  die  Bedeutung,  welche  ihm  von  Seiten  vieler 
Volker  beigelegt  wird,  berichtet,  es  ist  und  bleibt  aber  ein  Verdienst  des 
Herrn  H.  Fischer,  in  seinem  bekannten,  umfangreichen  Werke  die  ganze 
Wichtigkeit  der  dem  Nephrit  sowie  dem  JadeYl  in  der  prähistorischen  Cultar 
und  in  dem  Völkerverkehr  zufallenden  wichtigen  Rolle  eingehend  hervor^ 
gehoben  zu  haben. 

Die  meisten  Funde  von  verarbeiteten  Steinen  erweisen  aufs  Deutlichste, 
dass  die  prähistorischen  Menschen  zu  ihrem  Bedarf  sich  desjenigen  Materials 
bedienten,  welches  ihnen  zugänglicher  war,  also  meist  denjenigen  Gesteins- 
arten entnommen  wurde,  die  in  nächster  Nähe  der  Funde  anstehend  oder 
auch  als  Gerolle  in  Flüssen  und  Alluvionen  angetrofien  werden.  —  Neben 
der  überwiegend  grössten  Zahl  aus  nachweislich  einheimischem  Material  gear- 
beiteter Steingegenstände  finden  sich  aber  auch  solche,  deren  Material  in 
natürlichem  Zustande  au  Ort  und  Stelle  unbekannt  ist  und  daher  als  exotisch 
gelten  könnte.  —  Unter  solchen  mineralischen  Substanzen  unbekannten  Ur- 
sprungs verdient  gewiss  der  Nephrit  eine  specielle  Beachtung,  schon  aus 
dem  Grunde,  weil  ihm  auch  jetzt  an  vielen  Punkten  der  Erde,  bei  vielen 
Völkern  eine  ganz  besondere  Bedeutung,  Heilkraft,  Schutz  vor  Unglück 
und  sonstige  nützliche  Eigenschaften  und  Wirkungen  zugeschrieben  werden, 
wozu  zweifelsohne  die  ihn  kennzeichnenden  physikalischen  Eigenthümlich- 
keiten,  wie  hohe  Härte,  Zähigkeit,  vielleicht  auch  seine  meist  gefälligen 
Farben  nicht  am  Wenigsten  beitragen.  Mö^^l Icherweise  ist  auch  seine  Selten- 
heit ein  Moment  für  den  hohen  Werth,  der  ihm  beigemessen  wird.  — 
Jedenfalls  ist  es  allgemein  bekannt,  dass  der  Nephrit  auch  jetzt  in  Süd-  und 
Ostasien,  auf  den  Inseln  der  Südsec  zu  Schmuck-  und  Prunk-Gegenständen, 
zu  Amuletten  und  dergl.  verarbeitet  wird,  und  mag  er  vielleicht  auch  in 
früheren,  vorgeschichtliclien  Zeiten  eher  zu  solchen  Zwecken  gedient  haben, 
als  zur  Herstellung  wirklicher  Waöen,  trotz  der  W^affenform,  welche  bei 
weitem  die  grösste  Zahl  der  prähistorischen  Nc|)hrit- Objecto  besitzt. 

Mit  dem  Nephrit  wurden  und  werden  auch  jetzt  noch  andere  derbe,  fein- 
körnige, krystallinische  Mineralien  (zum  Theil  auch  Gesteine,  d.  h.  Mineral- 
gemenge) verwechselt.  Sie  wurden  wie  der  Nephrit  verarbeitet  und  werden 
häufig  unter  demselben  Namen  ausgegeben,  —  was  entweder  auf  einer  Ana- 
logie der  meisten  Eigenschaften  oder  der  Farbe  allein  beruht.    Untei*  diesen 


Neue  Beobachtun^^en  am  Nephrit  und  Jadeit  lg5 

dem  Nephrit  ähnlichen  Substanzen  und  mit  ihm  gleich  hoch  oder  oft  noch 
höher  im  Werthe  stehend  ist  der  Jadeit  zu  nennen,  dessen  chemische  Ver- 
schiedenheit vom  Nephrit  von  Hrn.  Dam  cur  (G.  R.  Acad.  Paris,  vol.  56, 
pag.  861.  1863)  festgestellt  wurde,  während  es  anderen  Beobachtern  vor- 
behalten war,  dieser  Substanz  eine  richtige  Stellung  im  Mineralsystem  zu- 
zuweisen. Der  von  Hrn.  Damour  gewählte  Name  —  „Jadeit"  sollte  an  die 
ursprüngliche,  auch  von  Seiten  der  Mineralogen  geübte  Verwechselung  mit 
„Jade**,  d.  h.  Nephrit,  erinnern. 

Auch  dem  Jadelt  ist  eine  ebenso  wichtige  Rolle  in  der  Prähistorie 
zngefollen ,  wie  dem  Nephrit,  auch  an  ihn  knüpfen  sich  bei  vielen 
Völkern  Vorstellungen,  die  einen  Besitz  aus  diesem  Mineral  angefertigter 
Gegenstände  erwünscht  und  nützlich  erscheinen  lassen.  Solcher  Aberglaube 
hat  sich  auch  bis  in  die  Gegenwart  bei  der  Landbevölkerung  derjenigen 
Theile  Europas  erhalten,  in  denen  das  Vorkommen  resp.  Auffinden  von  Ja- 
deltbeilen nicht  zu  den  Seltenheiten  gehört.  So  berichtet  Hr.  Damour 
(C.  R.  Acad.  Paris,  vol.  61.  p.  362.  1865)  über  die  Aufbewahrung  von 
Jadettobjecten  in  Frankreich,  als  Mittel  gegen  verschiedene  Uebel,  über  das 
Einmauern  solcher  Beile  in  das  Fundament  mancher  Häuser,  um  ein  Ein- 
schlagen des  Blitzes  zu  verhüten  u.  s.  w. 

In  Europa  ist  bisher  weder  der  Nephrit  noch  der  Jadeit  anstehend  an- 
getroffen worden,  auch  nicht  mit  Sicherheit  als  Gerolle,  sondern  in  ver- 
arbeitetem Zustande  in  der  Nähe  ehemaliger  menschlicher  Ansiedelupgen,  in 
Höhlen,  Pfahlbauten,  Dolmen  u.  dergl.  —  Die  verbürgten  Fundstätten  des 
Nephrites  sind:  in  Asien  —  die  Gegend  von  Yarkand  und  Khotan,  im  öst- 
lichen Turkestan,  wo  er  anstehend  von  Hermann  v.  Schlagintweit  und  von 
Stoliczka  angetroffen  wurde;  ferner  an  und  in  den  Flüssen  des  südlichen 
Transbaikaliens,  wo  er  in  den  Alluvionen  in  Gestalt  von  Gerollen  abgelagert 
vorkommt,  während  man  dort  über  die  primäre  Lagerstätte  nichts  Positives 
weiss.  Eine  dritte  Fundstätte  ist  die  Westküste  der  Süd-Insel  von  Neu- 
seeland, wo  zahlreiche  lose  Blöcke  von  vielen  Reisenden  gesehen  und  ge- 
sammelt wurden,  während  es  Forster  allein  gelungen  ist,  bis  an  das  An- 
stehende zu  kommen.  Endlich  ist  vor  wenigen  Jahren  dasselbe  Mineral 
anstehend  in  Neu-Caledonien  gefunden  worden. 

Eine  Fandstätte  des  Jadeit  war  bis  vor  Kurzem  überhaupt  nicht  be- 
kannt; erst  in  ganz  neuerer  Zeit  erfuhren  wir,  dass  er  in  rohem  Zustande 
aus  Ober-Birma  nach  China  und  Indien  importirt  wird,  von  welchem  Punkte 
aber  speciell  —  ist  immer  noch  un gewiss. 

In  verarbeitetem  Zustande  besitzen  beide  Mineralien,  wie  aus  den  Nach- 
grabungen hervorgeht,  eine  nicht  unbedeutende  Verbreitung  über  den  ganzen 
näher  erforschten  Theil  der  Erde,  was  zu  der  Frage  drängt:  Wo  haben  die 
Menschen  das  ungewöhnliche  Material  gewonnen  oder  wober  haben  sie  es 
erhalten?  — 

Der  Aufgabe,  diese  schwierige  Frage  zu  lösen,  unterzog  sich  nun  Ilr. 


166  A.  Arzruiii: 

H.  Fischer,    und  ein  noch  so  fluchtiger  Blick  in   sein  Werk  reicht  schon 
aus,   um  zu  überzeugen,    wie  viele  zu   berücksichtigende  Nebenfragen  dazu 
beitrugen,  die  Beantwortung  immer  verwickelter  zu  gestalten  and  die  Haupt- 
frage ihrer  Lösung  zu  entrücken.  —  Durch  Aufwand  der  vielseitigsten  £i^ 
fahrungen,    Studium    der    ältesten,    unzugänglichsten    und    üast    von   neaem 
zu    entdeckenden    Quellen,    kritische    Sichtung    des    in    Folge    dessen    an- 
gesammelten gewaltigen  Materials   gelang  es  Hrn.  Fischer,   nicht  nor  auf 
bequemere  und   einfachere  Mittel  zur  Unterscheidung  der  beiden  in  Frage 
kommenden  Substanzen   von   anderen  ihnen    auf  deu   ersten   Blick   äusserst 
ähnlich  sich  verhaltenden  Mineralien,  sowie  von  einander  hinzuweisen,  sondern 
auch  Klarheit   über  die  Verbreitung  von  Nephrit-   und  Jadeit- Objecten  zu 
verschaffen.     Er  gelangte  zum   Aufbau   der  bereits  von   Anderen  mehr£Mh 
geäusserten  Hypothese,  dass  die  Fundstätten  der  beiden  Mineralien  in  Europa 
und  Ajnerika  blos  deswegen  unbekannt  geblieben  seien,  weil  sie  hier  ebenso 
wenig  wie    dort  vorhanden    sind,    dass    alles  Material  vielmehr,    sei  es  in 
rohem  oder  verarbeitetem  Zustande,    aus  Asien,    entweder  durch  Handels- 
verkehr oder  während  frühzeitiger  Völkerwanderungen,  herübergebracht  worden 
sei.     Er  suchte   seine  Ansicht  unter  Anderem  auch   dadurch  zu   begründen, 
dass  er  in  der  Kunst  der  Verarbeitung,  in  der  Ausführung  der  Arbeit  selbst 
sowohl,  wie  in  den  dargestellten  Motiven,  Annäherungen  bei  Gegenständen, 
die  einander  sehr  entlegenen  Gegenden  entstammen,    wie  z.  B.  China  and 
Mexico,  hervorhob.     Auf  Grund   genauer  statistischer  Aufzeichnungen   über 
die  europäischen  Funde  von  Gegoustäuden  aus  den  beiden  Substanzen,  ver- 
suchte dann  Hr.  Fischer  in  Gemeinschaft  mit  Hrn.  Damour  (Revue  ar- 
ch^ologique.    vol.  36.    p.  12.    1878.    Paris)  die  Verbreitungsgebiete  derselben 
in  allgemeinen  Zügen  abzugrenzen.     Er  zeigte,  dass  wahrend  der  Jadelt  vor- 
zugsweise im  nordwestlichen  Theil  Europas  sich  findet,  die  Nephritwerkzeage 
fast  ausschliesslich  auf  die  Schweiz  beschränkt  sind,  dass  sie  nur  vereinzelt 
im  östlichen  Theilc  Europas  angetroffen  worden  sind,   während  im  Westen, 
in  Frankreich,  blos  zwei  Nephritwerkzeuge  sieh  fanden,  von  denen  es  sogir 
zweifelhaft  geblieben  ist,    ob  man   sie   nicht  vielleicht  einem  modernen  Im- 
porte zuzuschreiben  hat.  —  Schliesslich  wurde  auch  darauf  hingewiesen,  dass 
die  Form  der  in  Europa  aufgefundeneu  Nephrit-   und  Jadelt-Beile  eine  von 
einander  abweichende  ist  —  für  Nephrit  sind  verliältnissmässig  dicke  Beile 
ebenso   charakteristisch,    wie   es,    nach  Hru.  Virchow's  Bezeichnung,  die 
„Flachbeile^  für  Jadeit  sind.  —  Diese  Uniformität  ist,  meiner  Ansicht  nach, 
offenbar  auf  die    näheren   Beziehungen   der  Bewohner    innerhalb  jedes  der 
beiden    gesonderten    und    durch    das    Auftreten    des    specifischen    Materials 
charakterisirten  Rayons    unter  sich   und  eher  auf  die  specielle  VerwendoDg 
der  Objecte,  als  auf  die  Natur  des  Materials  zurück  zu  führen. 

Gegen  die  von  Hrn.  Fischer  vertretene  Ansicht  des  Transportes 
exotischen  Materials  erhob  sich  von  verschiedenen  Seiten  und  von  ve^ 
schiecleuen  Gesichtspunkten  aus  Widerspruch.    Man  griff  sie  unter  Anderem 


Neue  Beobachtung[6u  aui  Nephrit  und  Jadeit  167 

aas  dem  Grunde  an,  weil  in  Norddeutscbland  mehrere  Nephritblöcke  ge- 
fanden worden  waren,  deren  bedeutende  Dimensionen  einen  Transport  durch 
Menschen  während  ihrer  Wanderung  unwahrscheinlich  machten;  weil  man 
ferner  annahm,  dass,  welchen  Weg  von  Asien  nach  Europa  der  Verkehr  auch 
eingeschlagen  haben  mochte,  er  sich,  einer  berechtigten  Erwartung  gemäss, 
darch  eine  Continuität  in  der  Verbreitung  von  verarbeiteten  Objecten  oder 
von  rohen  Stücken  desselben  Materials  ausweisen  lassen  müsste. 

Auf  den  ersten  Einwand  und  die  sich  daran  knüpfenden  anderweitigen 
Hypothesen  komme  ich  gleich  zurück.  Dem  zweiten  aber  braucht  man  keine 
besondere  Bedeutung  beizumessen.  Auf  blossem  Raisonnement  basireud, 
lässt  er  sich,  ebenfalls  durch  Raisonnement,  wenn  nicht  widerlegen,  so  doch 
bedeutend  abschwächen:  die  Annahme  einer  Wanderung  schliesst  nämlich 
nicht  zugleich  eine  solche  von  dauernden  Ansiedelungen  auf  dem  durch- 
schrittenen  Wege  in  sich  ein,  ebenso  wenig  wie  es  unbedingt  nothwendig 
ist,  dass,  &ll8  solche  Niederlassungen  auch  bestanden  haben,  sie  nachweisbare 
oder  bereits  entdeckte  Spuren  ihrer  Existenz  zurückgelassen  haben  müssen. 
Noch  viel  weniger  braucht  der  Weg  des  Durchzuges  durch  verstreute  Gegen- 
stände gekennzeichnet  zu  sein. 

Im  Gegensatz  zu  Hrn.  Fischer's  Ansicht,  vertritt  Hr.  Meyer  den 
Standpankt,  dass  uns  in  den  verarbeiteten  Gegenständen  weder  in  Europa, 
noch  in  Amerika  oder  sonst  wo  exotisches  Material  vorliege;  er  ist  vielmehr 
der  Meinung,  dass  hinsichtlich  des  Nephrits  und  des  Jadeits  dieselbe  Regel 
wie  auch  für  alles  andere  Material  volle  Gültigkeit  besitzt,  dass  nämlich 
immer  das  bei  der  Hand  gewesene  auch  zur  Verarbeitung  verwerthet  worden 
sei,  naturlich  unter  sorgfaltiger  Auswahl  des  Geeignetsten.  Hr.  Meyer  kann, 
aelbstverständlich  ebenso  wenig  wie  seine  Vorläufer  in  der  von  ihm  ver- 
fochtenen  Ansicht  (z.  B.  Damour,  Berwerth  u.  A.),  auf  bestimmte  Locali- 
tftten  als  auf  sichere  Fundpunkte  der  beiden  in  Rede  stehenden  Mineralien 
hinweisen,  meint  aber  auf  Grund  des  differenten  Verbreitungsrayons  der  aus 
jeder  der  beiden  Substanzen  gearbeiteten  Gegenstände  in  Europa,  dass 
Nephrit  in  den  östlichen  Alpen  sich  finden  durfte,  während  er  im  Westen 
desselben  Gebirges  Fundstätten  für  den  Jadeit  prognosticirt,  hauptsächlich 
sich  auf  die  Ergebnisse  einer  Analyse  des  Hrn.  Damour  stutzend,  die  ein 
dem  Jadelt  sehr  nahe  kommendes,  angeblich  vom  Monte  Viso  in  Piemont 
herstammendes  Gestein  betrifil.  Für  die  in  Norddeutschland  gefundenen 
Nephritblöcke  beansprucht  Hr.  Meyer,  wie  es  vor  ihm  schon  Des or  gethan 
hatte,  einen  skandinavischen  Ursprung.  Für  die  amerikanischen  (in  Mexico, 
Central-  und  Süd-Amerika  gefundenen)  Jadelt-Objecte  —  denn  blos  solche 
sind  ans  Amerika  mit  Sicherheit  bekannt,  während  Nephrit  dort  gänzlich  zu 
fehlen  scheint,  bis  auf  am  Mackenzie-Fluss  in  Canada  gefundene  Nephritstäbe, 
die  aber  möglicher  Weise  sibirischen  Ursprungs  und  dann  wahrscheinlich 
neueren  Importes  sein  dürften  —  will  er  auch  eine  einheimische  Provenienz 
annehmen.  —  Vom   ethnologischen  Standpunkte   aus  erklärt  er  sich    gegen 


168  A.  Arzruoi: 

die  Annahme  von  Handelsbeziehungen  oder  Wanderungen  von  Continent  za 
Continent  in  prähistorischen  Zeiten  und  will  die  Auffindung  anstehenden 
Nephrits  und  Jadeits  in  Europa  wie  in  Amerika  der  Zeit  und  genaaeren 
geologischen  Nachforschungen  in  den  Erfolg  versprechenden  Gebieten  über- 
lassen, zumal  er  der  Meinung  ist,  dass  die  Nephritfrage  aufgehört  habe,  eine 
ethnologische  zu  sein  und  lediglich  als  eine  geologische  zu  betrachten  aei^). 

Im  Wesentlichen  Hrn.  Mcyer's  Ansicht  theilend,  will  ich  hier  zu- 
nächst diejenigen  Punkte  hervorheben,  in  denen  ich  seinen  Erklärungen  nicht 
beistimmen  kann. 

Dem  Ausspruch,  die  Ethnologie  habe  sich  mit  der  Nephritfrage  nicht 
mehr  zu  beschäftigen,  kann  ich  insofern  nicht  beitreten,  als  immerhin  be- 
stimmte Beziehungen,  bestinimte  Wanderungen  auch  prähistorisch  angenommen 
werden  müssen,  du  solche  allein  die  Verbreitung  der  Objecte  aus  einem  and 
demselben  Material  auf  einem  und  demselben  Continent  zu  erklaren  ver- 
mögen. Es  ist  klar,  dass  man  nicht  überall,  in  jeder  beliebigen  geologischen 
Formation  nach  Nephrit  oder  Jadeit  zu  suchen  habe,  sondern  blos  in  Ge- 
bieten, in  welchen  krystallinische  Schiefer  zur  Entwickelung  gelangt  sind, 
indem  alle  Aussagen  über  die  Nephritvorkommen,  sowohl  in  Turkistan,  wie 
in  Sibirien  und  in  Neuseeland  darin  mit  einander  im  Einklänge  stehen,  dass 
der  Nephrit,  der  ein  dieht(T  Strahlstein  ist,  in  Nestern  an  die  ältesten  kry- 
stallinischen  Schiefer  gebunden  ist.  Dasselbe  dürfte  auch  vom  Jadelt  gelten, 
dessen  Lagerstätten  zwar  geologisch  noch  nicht  erforscht  sind,  der  aber,  ak 
dichte  Pyroxenvarietät,  wohl  unter  ähnlichen  Bedingungen  sich  findet,  wie 
der  ihm  verwandte  Khodonit,  der  einzige  dichte  Pyroxen,  der  in  grösseren 
Anhäufungen  in  der  Natur  bekannt  ist,  also  ebenfalls  in  krystallinischen 
Schiefern.  —  Mag  man  für  beide  Mineralien  in  Europa  die  Alpen,  Skandi- 
navien, Schlesien,  Sachsen  oder  ein  sonstiges  Schiefergebiet  als  Heimath  an- 
sehen, —  von  Amerika  und  dessen  Jadeütlagerstätten  abstrahiren  wir,  da  das 
Land  in  geologischer  Hinsicht  zu  ungenügend  bekannt  ist,  als  dass  wir  irgend 
welche  bestimmte  Theile  desselben  als  wahrscheinlich  Jadelt -fuhrende  Ge- 
biete betrachten  könnten^),  —  so  musste  von  diesen  Punkten  aus  das 
Material,  ob  roh  oder  verarbeitet,  exportirt  worden  sein,  um  bis  nach  den 
nordwestlichsten  Grenzen  Europas  oder  nach  dem  Süden  und  Südosten  dieses 
Continents  zu  gelangen,  kurz,  überall  dahin,  wo  es  jetzt  in  Gestalt  verar- 
beiteter Objecte  angetroffen  wird.  Die  Wanderungen  oder  Handelsbeziehungen 
müssen  dann  doch  angenommen  werden,  wenn  auch  in  beschränkterem 
Maasse,  als  es  Hr.  Fischer  will,  weshalb  es  mir  keineswegs  correct  er- 
scheint,  die  Nephritfrage  in  ihrem   ganzen  Umfange  der  Geologie  allein  za 

1)  Herr  Meyer  hat  diesen  seiuen  Standpunkt  uusfübrlich  in  einem  in  Dresden  gehaltenen 
und  als  besondere  Schrift  erschienenen  Vortrage  —  ,Die  Nephritfrage  kein  ethnologisches 
Problem",  Berlin,  K.  Fried  Und  er  &  Sohn,  1883  —  darj^clegt. 

2)  Ich  mochte  daher  Herrn  Meyer  in  der  Bevorzugung  der  Qehiele  am  Amazonenstrom 
und  von  Mexico  nicht  foI((on. 


Neue  BeobacbtuDd^n  am  Nephrit  und  Jadeit.  Ig9 

überweisen.  Die  Geologie  weist  nach  den  Gebieten  hin,  die  Nephrit  oder 
Jad^t  beherbergen  könnten,  die  Geologen  werden  vielleicht  auch  über  kurz 
oder  lang  auf  die  Spur  des  längst  gesuchten  Materials  kommen,  den  Ethno- 
logen allein  fallt  aber  nachher  die  Aufgabe  zu,  darüber  Klarheit  zu  ver- 
breiten, wie  die  Objecte  aus  dem  Ursprungsorte  der  Substanz  nach  einem 
entlegenen  Punkte,  wenn  auch  desselben  Continents,  gelangt  sind;  welche 
Vorstellungen,  welcher  Glaube  an  diese  Mineralien  sich  knüpfte;  welche  Be- 
deutung von  Seiten  der  prähistorischen  Menschen  bestimmten  Gegenständen 
beigelegt  wurde;  welche  Nutzanwendung  sie  fanden  u.  s.  f.  Die  Unsumme 
von  ethnologischen  Fragen,  die  sich  an  den  Gegenstand  knüpfen,  hier  auf- 
zuzahlen, kann  nicht  meine  Aufgabe  sein:  den  Ethnologen  sind  sie  ihrer 
ganzen  Bedeutung,  ihrem  Umfange,  ihrer  Tragweite  nach  besser  bekannt 
and  ihnen  kommt  es  zu,  sich  derselben  als  Mittel  zu  bemächtigen  zur  Be- 
reicherung unserer  Kenntniss  der  Urgeschichte,  zur  Erschaffung  eines  mög- 
lichst vollkommenen  Bildes  vom  prähistorischen  Menschen. 

Wenn  Hr.  Meyer  die  eminent-ethnologische  Bedeutung  der  Nephrit- 
Frage  leugnet,  so  hat  er  wohl  die  vorhistorischen  Beziehungen  von  Continent 
zu  Continent  im  Auge,  welche  allerdings  Hrn.  Fischer's  leitender  Gedanke 
sind.  Dieses  „Eminente^  mag  der  Nephritfrage  nunmehr  abgehen,  eine 
grosse  ethnologische  Bedeutung,  ein  grosses  berechtigtes  Interesse  bleibt  dem 
Nephrit  darum  nicht  minder  gesichert,  denn  nicht  unwesentlich  ist  die  Rolle, 
welche  er  im  psychischen  Leben  der  Völker  besessen  hat  und  auch  noch  besitzt. 

Wenn  ich  so  eben  gesagt  habe,  dass  eventuelle  neue  Funde  von  an- 
stehendem Nephrit  und  Jadeit  in  den  Kegionen  der  Entwicklung  der  kry- 
stallinischen  Schiefer  zu  erwarten  seien  und  einige  solcher  Gebiete  in  Europa 
namhaft  machte,  so  will  ich,  um  etwaigen  Missverständnissen  vorzubeugen, 
gleich  bemerken,  dass,  meiner  Ansicht  nach,  in  den  Alpen,  Skandinavien  etc. 
die  in  Rede  stehenden  Mineralien  gefunden  werden  können,  nicht  dass  sie 
gefanden  werden  müssen.  Freilich,  hinsichtlich  der  Alpen  lässt  sich  das 
Müssen  kaum  umgehen,  denn  die  europäischen  verarbeiteten  Nephrite  sind 
sämmtlich  und  zum  Theil  in  grosser  Anzahl  in  der  Nähe  der  Alpen  gruppirt 
(Schweiz,  SQd-Baden,  Bayern).  Eine  exotische  Herkunft  derselben  ist 
ziemlich  ausgeschlossen,  nicht  blos  weil  der  Transport  aus  weitentlegenen 
Gegenden  aus  manchen  Gründen  unwahrscheinlich  ist,  sondern,  wie  ich  es 
weiter  ausführen  werde,  weil  die  schweizer  Nephrite  einen  bestimmten, 
eigenartigen,  keinem  andren  Nephrit  zukommenden  Charakter  an  sich  tragen. 
—  Anders  gestaltet  sich  die  Frage  bezüglich  Skandinaviens,  wo  nicht  nur 
kein  anstehender,  sondern  überhaupt  kein  Nephrit,  weder  als  Gerolle,  noch 
in  verarbeiteter  Form  bisher  gefunden  worden  ist.  Trotzdem  ist  speciell 
aof  Skandinavien  das  Augenmerk  mehrfach  schon  gelenkt  worden  und  zwar 
jedesmal,  um  die  problematische  Provenienz  der  zwei  norddeutschen  Nephrit- 
blöcke, welche  bei  Potsdam  und  bei  Schwemsal  gefunden  wurden,  zu  er- 
klären.   Ueber   einen    dritten  Block,    der    auch    in    der   Literatur    erwähnt 


170  A.  ArzruDi: 

worden  ist,  den  leipziger,  herrscht  nicht  nar  ein  zweifelhaftes  Dunkel,  son- 
dern sicher  auch  eine  nicht  zu  lösende  Verwirrung,  weshalb  es  angebracht 
sein  dürfte,  denselben,  vorläufig  wenigstens,  von  jeglicher  Betrachtang  aas- 
zuschliessen.  — 

Wie  bereits  erwähnt,  hatte  sich  früher  Desor,  wie  jetzt  Hr.  Meyer, 
in  Anbetracht  der  Grösse  des  Schwemsaler  Stucks  (die  sich  aber  leider 
nicht  controliren  lässt,  sondern  auf  einem  „on  dit^  beruht)  dasselbe  f&r  ein 
nordisches  Geschiebe  zu  erklären  bewogen  gefühlt,  wonach  auch  für  das 
Potsdamer  Stück  denselben  Ursprung  anzunehmen  nahe  lag.  Dieser  Ansicht 
ist  neuerdings  auch  Hr.  H.  Credner  (Corr.  Bl.  Nr.  4,  1883)  beigetreten. 
In  einem,  in  dem  Leipziger  Anthropologischen  Verein  gehaltenen  Vortrage 
hat  er  die  geologischen  Gründe  darzulegen  gesucht,  weshalb,  seiner  Meinung 
nach,  die  norddeutschen  Nephrite  aus  Skandinavien  nicht  etwa  stammen 
könnten,  sondern  daher  stammen  müssen.  Das  Vorkommen  des  krystalli- 
nischen  Schiefergebirges  in  Schweden;  das  anderweitig  erwiesene  Auftreten  des 
Nephrites  in  Nestern,  Knollen  oder  Bänken  in  solchen  Schiefem;  die  un- 
vollständige Eenntniss  der  Geologie  Schwedens,  die  das  bisherige  Nicht- 
auffinden  des  Nephrits  daselbst  erklärt;  das  Vorkommen  unzweifelhaft  schwe- 
discher Gesteine  als  Geschiebe  im  norddeutschen  Diluvium,  —  das  sind  die 
ganz  richtigen  Voraussetzungen,  von  denen  Hr.  Credner  ausgeht,  um  die 
von  ihm  adoptirte  These  zu  vertheidigen.  —  Er  giebt  freilich  zu,  dass  in 
Skandinavien  kein  Nephrit  gefunden  worden  sei,  meint  aber,  dass  man  sich 
dadurch  nicht  beirren  lassen  dürfte:  es  sei  dies  kein  Hinderungsgrund  f&r 
die  Annahme  einer  nordischen  Herkunft  der  norddeutschen  Nephrite.  Be- 
kanntlich lassen  sich  die  meisten  Geschiebe  Norddeutschlands  mit  unzweifel- 
hafter Sicherheit  mit  dem  Anstehenden  in  Schweden  identificiren,  weshalb 
auch  ihr  Transport  von  dort  als  erwiesen  angesehen  wird.  Umkehren  lässt 
sich  aber,  meiner  Meinung  nach,  der  Satz  nicht,  indem  wir  Alles,  was  sich 
hier  findet  und  hier  nicht  als  einheimisch  gelten  kann,  auf  einen  nordischen 
Ursprung  zurückführen.  Es  mag  in  dieser  Beweisführung  viel  Prophetisches 
oder  Divinatorisches  liegen,  für  mich  ist  sie  trotzdem  eine  Umschreibung 
des  schlichten  Ausdrucks:  „darüber  wissen  wir  Nichts!"  —  Wenn  Herr 
Credner  die  norddeutschen  Nephritblöcke  als  auf  einer  Transportlinie  durch 
Schonen  —  Bornholm  —  Odermündung  —  Berlin  —  Leipzig  sich  befindend 
ansieht,  so  erblicke  ich  darin  nichts  weiter  als  eine  Construction.  Diese 
Linie  ist  allerdings  dadurch  charakterisirt,  dass  sie,  von  Nord  nach  Sftd 
verlaufend,  Schweden  mit  Deutschland  verbindend,  zugleich  die  beiden 
Fundpunkte  der  norddeutschen  Nephrite,  Potsdam  und  Schwemsal  berührt; 
sie  könnte  aber  bequemer  durch  Verbindung  dieser  Punkte  und  Verlängerung 
nach  Norden  hergestellt  werden  und  würde  auch  dann,  ebensogut  wie  jede 
andre  nach  Schweden  mündende  Gerade,  als  Geschiebetransport -Richtung 
gelten,  indem  bekanntlich  die  auf  skandinavischen  Ursprung  zurückführbaren 
Geschiebe  der  norddeutschen  Ebene  nach  fächerförmig  divergirenden  Linien 


Nene  Beobachtungen  am  Nephrit  und  Jadeit.  171 

über  dieselbe  ausgebreitet  sind.  Bemerken  will  ich  übrigens  noch,  dass  gegen 
die  Geschiebenatar  des  Nephrits  von  Potsdam  die  Abwesenheit  jeglicher 
Eisspuren,  Eritzen,  Schrammen  auf  dessen  Rinde  spricht.  Die  ursprüngliche 
Oberfläche  des  Schwemsaler  Stückes  durfte  wohl  nicht  erhalten  geblieben  sein. 

Obwohl  ich  nach  all  dem  Gesagten  mich  zu  der  keinesfalls  erwiesenen 
Auffiissung  über  den  nordischen  Ursprung  des  norddeutschen  Nephrits  nicht 
bekennen  kann,  will  ich  dennoch  nicht  in  Abrede  stellen,  dass  dies  im  Be- 
reich der  Möglichkeit  liegt,  und  beeile  mich,  eine  für  Hm.  Credner  will- 
kommene Mittheilung  hinzuzufügen,  dass  nämlich  im  Berliner  ethnographi- 
schen Museum  (Nordische  Abtheilung,  Katalog  II.  76)  ein  flaches,  dreieckiges, 
dunkelgrünes  NepbritgeröUe,  welches  angeblich  bei  Suckow  (bei  Prenzlau) 
in  der  Uckermark  gefunden  worden  ist,  aufbewahrt  wird^).  — Suckow  liegt 
allerdings  auch  auf  der  Linie  Potsdam-Schwemsal-Leipzig.  —  Wunderbar 
bleibt  es  aber  immerhin,  dass  auf  der  ganzen  übrigen  norddeutschen  Ebene  auch 
nicht  die  Spur  von  Nephrit  vorgefunden  worden  ist.  Sollte  es  eine  einzige 
Linse  gewesen  sein,  die  alle  die  erwähnten  Stücke  geliefert  hat,  die  auf 
einer  Linie  sich  ablagerten,  oder  sollten  vielleicht  andere  Linsen  in  Folge 
ihres  grösseren  absoluten  Gewichtes  nicht  so  weit  transportirt,  sondern  in 
demjenigen  Theil  ihres  Weges  geblieben  sein,  der  später  zur  Einsenkung 
der  Ostsee  sich  gestaltete?! 

Die  beiden  Stücke  von  Potsdam  und  Schwemsal  sind  übrigens  ihren 
sämmtlichen  Charakteren  nach  so  verschieden,  dass  sie  kaum  demselben 
Punkte  entstammen  dürften,  da  die  Nephrite  einer  und  derselben  Localität, 
wie  weiter  gezeigt  werden  soll,  durch  auffallende  Constanz  ihrer  Merkmale 
sich  auszeichnen. 

Für  die  Annahme  einer  nordischen  Provenienz  würde,  wie  mir  scheint, 
viel  mehr  sprechen,  wenn  die  Roh-Ncphrite  der  norddeutschen  Ebene  nicht 
auf  einer  Geraden  sich  befönden. 

Wollte  man  sich  in  Hypothesen  weiter  bewegen,  so  könnte  man  ja 
sagen:  wenn  wir  auch  niemals  zur  Entdeckung  von  anstehendem  Nephrit  in 
Europa  kommen  sollten,  so  brauchen  wir  immer  noch  nicht  der  Annahme 
za  huldigen,  er  sei  exotischen  Ursprungs;  —  es  können  ja  in  Europa  die 
Nester  dieses  Minerals  viel  weniger  zahlreich  und  viel  weniger  mächtig  ge- 
wesen sein,  als  z.  B.  die  turkistanischen  oder  neuseeländischen,  uud  können 
im  Laufe  der  Zeiten  sämmtlich  aus  den  krystallinischen  Schieiern,  die  sie 
beherbergten,  erodirt  worden  sein;  sie  sind  darauf  als  GeröUe  liegen  ge- 
blieben, da  sie  vermöge  ihrer  Härte  der  Zerreibung  viel  weniger  ausgesetzt 
waren,  als  die  sie  umschliessenden  Schiefer,    und    leisteten  auch  in  Folge 


1)  Herrn  W.  v.  Schalen  barg  bin  ich  zu  aufrichtigem  Danke  verpflichtet,  mich  anf 
diflses  Stück  aufmerksam  gemacht  zu  haben.  Dieses  Gerolle  ist  noch  nicht  näher  untersucht 
worden,  jedoch  hat  Hr.  Bastian  die  Freundlichkeit  gehabt,  das  spec.  Gewicht  desselben  be- 
stimmen zo  lassen.  Dasselbe  betragt  3,01,  also  auf  Nephrit  gut  passend.  Das  absolute  Ge- 
wicht des  Stückes  ist  113,36  g. 


172  A.  Arzruni: 

ihrer  Compiictheit  der  Zersetzung  einen  grösseren  Widerstand.  Dieser  Ge- 
rolle haben  sich  nachher  die  Menschen  bemächtigt  und  sie  sämmilich  za 
Steinbeilen  verarbeitet,  so  dass  sämmtlicher  europäischer  Nephrit  jetzt  blos 
in  Beilform  existirt,  soweit  er  nicht  in  der  Tiefe  der  Ostsee  liegt!  .... 
Ich  sehe  nicht  ein,  weshalb  eine  solche  „Hypothese^  (!)  für  absurder  gelten 
sollte,  als  manche  andre,  der  man  doch  mit  allem  Ernste  nachhängt  and 
durch  deren  Aufstellung  man  unsere  Kenntnisse  wesentlich  gefördert  zu  haben 
glaubt.  Es  werden  sich  immer  Menschen  finden,  die  sich  auch  zu  so  einem 
Nonsens  bekennen  werden,  wenn  er  nur  mit  genügender  wissenschaftlicher 
Umhüllung  vorgebracht  wird,  vielleicht  auch  mit  aufrichtiger  Ueberzeugang 
von  Seiten  des  Begründers  einer  so  bahnbrechenden  und  neues  Licht  ver- 
breitenden Hypothese!  —  Ist  doch  noch  neuerdings  allen  Ernstes  z.  B.  be- 
hauptet worden,  dass  die  Reste  der  nächsten  Ucbergangsformen  von  den 
anthropomorphen  Affen  zum  Menschen  in  den  vom  Meere  bedeckten  Ge- 
bieten begraben  liegen  dürften! 

Uebrigens  haben  vorläufig,  wie  Hr.  Meyer  richtig  bemerkt,  die  nord- 
deutschen Nephrite  keine  ethnologische  Bedeutung,  da  die  hier  in  Betracht 
kommenden  verarbeiteten  Gegenstände  Deutschlands,  bis  auf  das  eine  ba- 
dische ßeilchen  und  die  zwei  am  Starnbergcr  See  gefundenen,  ausschliesiich 
aus  Jadeit  gefertigte  sind.  Ich  berührte  hier  aber  diesen  Theil  der  Frage, 
weil  die  sich  an  denselben  knüpfenden,  wenn  auch  lediglich  geologischen 
Charakter  besitzenden  Hy))othesen  dennoch  das  uns  beschäftigende  Mineral 
und  dessen  Provenienz  betreffen. 

Unter  den  Beweisen,  welche  Hr.  Meyer  gegen  den  Import  asiatischen 
Materials  oder  verarbeiteter  Gegenstände  nach  Amerika  vorbringt,  vermisse 
ich  einen  sehr  nahe  liegenden.  Alle  dortigen  Gegenstände,  wie  er  selbst 
betont,  sind  lediglich  aus  Jadeit  gearbeitete,  denn  es  ist  bisher  kein  ver- 
bürgter Nephrit  von  daher  nachgewiesen  worden.  Kämen  die  Gegenstände 
aus  Asien,  so  würden  sich  sicher  darunter  auch  solche  aus  Nephrit  finden, 
zumal,  wie  es  scheint,  man  in  China  selbst  nicht  immer  genau  zwischen 
beiden  Mineralien  unterscheidet.  Es  müsste  dann  angenommen  werden, 
dass  zur  Zeit,  als  die  Wanderung  und  der  Transport  stattfanden,  kein 
Nephrit  in  Asien  gewonnen  wurde,  sondern  lediglich  JadeYt.  Eine  solche 
Annahme,  dass  die  Gewinnung  und  Verarbeitung  des  JadeYts  älteren  Datams 
sei,  als  die  des  Nephrits,  dürfte  aber  wohl  jeglicher  Begründung  entbehren 
und  dafür  schwerlich  ein  logischer  Beweis  zu  erbringen  sein.  Man  müsste, 
um  das  gänzliche  Fehlen  von  Nephrit  in  Mexico  undCentralamerika  zu  erklären, 
zu  einer  der  so  vielen,  auf  den  bestimmten  Fall  zugeschnittenen  Hypothesen 
greifen,  wodurch  die  Sache  nicht  einfacher,  nicht  annehmbarer  sich  gestalten 
würde.  —  Wie  neuerdings  Hr.  Meyer,  auf  eine  briefliche  Mittheilung  des 
Hrn.  Baird  in  Washington  sich  stützend,  berichtete  („Ausland"  Nr.  23, 
S.  456,  1883),  wäre  es  übrigens  nunmehr  gelungen,  in  Amerika,  und  zwar 
in  Alaska  (nicht  Louisiana,  wie  Hr.  Baird  in  Folge  eines  Versehens  schrieb. 


Nene  Beol>achtangen  am  Nephrit  and  Jadeit.  173 

Vgl.  ebenda  Nr.  27,  S.  540  und  Nr.  29,  S.  580),  eine  Fundstätte  von  Jadelt- 
objecten  und  rohem  Material,  welches  zu  ihrer  Anfertigung  gedient  hat,  zu 
entdecken.  Wenn  hierin  vielleicht  auch  nicht  der  Fundort  desjenigen  an- 
stehenden Jadeits  zu  erblicken  ist,  welcher  den  Mexicaneru  und  Central- 
amerikanern  das  Material  zu  ihren  Jadeltobjecten  geliefert  hat,  so  ist  derselbe 
dennoch  von  grosser  Wichtigkeit:  er  widerlegt  die  Behauptung,  dass  Ame- 
rika keinen  eignen  Fundort  dieses  Minerals  besitze  und  es  daher  aus  einem 
anderen  Continent  erhalten  haben  müsse.  —  Leider  liegt  uns  über  die  geo- 
logischen Verhältnisse  dieser  Fundstatte,  über  Aussehen  und  Beschaffenheit 
des  Materials  zur  Stunde  noch  nichts  Näheres  vor.  — 

Vollkommen  plausibel  erscheint  es  mir,  wenn  Hr.  Meyer  die  Annahme 
einer  eventuellen  nachträglichen  Ummodelung  bereits  verarbeitet  importirter 
Gegenstände  als  entschieden  unwahrscheinlich  verwirft.  Wenn  er  sich  aber 
dabei  hauptsächlich  auf  den  Geröllcharakter  mancher  Stücke  stützt,  so  wäre 
vielleicht  daran  zu  erinnern,  dass  dieser  einem  Stücke  auch  nach  dessen 
Verfertigung  verliehen  werden  kann.  Oflfenbar  wurden  auch  in  den  ältesten 
Zeiten  die  Ansiedelungen  naturgemäss  vorwiegend  in  der  Nähe  von  Wasser- 
läufen oder  an  Seeufem  angelegt.  In  Folge  dessen  konnten  also  bereits 
fertige  oder  gar  in  Gebrauch  gewesene  Gegenstände  unschwer  (etwa  bei 
Ueberschwemmungen  oder  auch  sonst  durch  irgend  einen  leicht  denkbaren 
Zufall)  ins  Wasser  gerathen,  von  demselben  fortgerissen,  dabei  abgerundet, 
abgeschliffen  werden  und    somit  einen  theilweisen  Geröllcbarakter  erlangen. 

Doch  alle  diese  Beweisführungen  beruhen  auf  ebensovielen  Vermuthungen, 
Voraussetzungen,  Deutungen,  die  für  sich  zwar  eine  grössere  oder  geringere 
Wahrscheinlichkeit  beanspruchen  dürfen,  dennoch  zu  einer  positiven  Ent- 
scheidung nicht  zu  führen  vermögen,  wofür  die  so  divergirenden,  ja  oft  dia- 
metral entgegengesetzten  Auffassungen  bestimmter  Facta  einen  ausreichenden 
Belag  liefern.  —  Ich  für  meinen  Theil  bin  der  Ansicht,  dass  wenn  auch 
der  Import,  als  Ausnahmefall,  nicht  ausgeschlossen  ist,  die  Regel  doch 
lautet:  das  Material  zu  den  in  Europa  und  Amerika  sich  findenden 
Gegenständen  ist,  ohne  Rücksicht  auf  die  mineralische  Natur 
desselben,    ein  einheimisches. 

Mit  Recht  hat  Hr.  Meyer  zum  Motto  seines  Aufsatzes,  des  bereits 
citirten  Vortrages,  die  Worte:  „Was  der  Ethnologie  vor  Allem  Noth  thut, 
ist  —  Methode"  gewählt.  Hier,  in  der  vorliegenden  Frage,  kann  nur  mit 
naturwissenschaftlicher  Methode  vorgegangen  werden  und  von  dieser  allein  ist 
eine  Entscheidung  —  wenn  eine  solche  überhaupt  möglich  ist  —  zu  erwarten. 
Bios  chemische  und  mineralogische  Untersuchungen  sind  hier  am  Platze  und 
am  besten  ist  es,  wenn  beide  Hand  in  Hand  geführt  werden,  sich  gegen- 
seitig controliren.  —  Die  chemische  Analyse  vermag  Differenzen  in  der  Zu- 
sammensetzung nachzuweisen,  die,  wenn  auch  noch  so  gering,  von  hohem 
Werth  sein  können,  faUs  sie  constant  wiederkehren,  gesetzmässige  sind. 
Hrn.  Meyer' s  Werk  beweist  uns,    dass  auch  dessen  Verfasser  dieser  An- 

Zeittchrift  ffir  Ethnologie.    Jahrg.  1S88.  12 


174  ^'  Arzrani: 

siebt  huldigt,  indem  er  sich  die  werthvoUe  Mitarbeiterschaft  des  Herrn 
A.  Frenzel  sicherte,  durch  welche  die  Kenntniss  der  chemischen  Natur 
der  beiden  Mineralien  in  hohem  Grade  gefördert  worden  ist.  Hrn.  FrenzeTs 
zahlreiche  und  sorgfaltige  Analysen  werden  sicher  noch  zu  manchem  nicht 
gezogenen  Schlüsse  berechtigen. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  (denn  es  handelt  sich  ja  hier  um 
dichte  Mineral  Varietäten,  bei  denen  andere  Untersuchungsmethoden  nur  in 
ganz  exceptionellen  Fallen  mit  Erfolg  anzuwenden  sind)  ihrerseits  ist  im 
Stande,  auf  Structurunterschiede,  auf  charakteristische  Einschlüsse  hinzu- 
weisen, die  für  eine  bestimmte  Localität,  für  eine  bestimmte  Art  des  Vor- 
kommens unter  bestimmten  geologischen  Verhältnissen  sprechen,  wenn  diese 
selbst,  falls  nicht  genauer  bekannt,  sich  vielleicht  auch  nicht  in  ihrer  Voll- 
ständigkeit dadurch  reconstruiren  lassen.  —  Ein  Beispiel  mag  das  Gesagte 
verdeutlichen:  die  sibirischen,  Nephritgerölle  führenden  Flüsse  durchiiiessen 
ein  Gebiet  von  krystalliuischen  Schiefern,  unter  welchen  die  Graphitschiefer 
eine  nicht  unbedeutende  Mächtigkeit  besitzen  und  welche  durch  den  Alibert*- 
schen  Graphit  eine  Weltberühmthoit  erlangt  haben.  Hrn.  Fischer  gelang 
es  nun,  zu  beobachten,  dass  die  Sibirischen  Nephrite  häufig  mikroskopische 
Flitter  von  Graphit  eingeschlossen  enthalten,  was  uicht  nur  als  Merkmal  für 
den  Nephrit  dieser  Provenienz  dienen  könnte,  wenn  sich  diese  Erscheinung 
als  constanter  Charakter  erwiesen  hätte,  sondern  auch  zum  Schlüsse  be- 
rechtigt, dass  die  ausgewaschenen  Nephrit-GeröUc  und  Blöcke  ehemals  auf 
primärer  Lagerstätte  in  der  Nähe  des  Graphits  Nester  in  den  krystallini sehen 
Schiefern  bildeten.  —  Dadurch  ist  einigermassen  auch  das  geologische  Bild 
der  Gegend  mit  grosser  Wahrscheinlichkek  in  seinen  allgemeinen  Zügen 
recoustruirt,  obwohl  jegliche  genaue  Kenntniss  der  dortigen  geologischen 
Verhältnisse  darum  nicht  minder  fehlt. 

Andere  physikalische  Merkmale  sind,  wie  es  scheint,  nicht  entscheidend, 
so  z.  B.  das  spec.  Gewicht,  das  zwar  erfahrungsgemäss  bei  einer  und  der- 
selben Substanz  mit  deren  Zusammensetzung  etwas  variabel  ist,  jedoch  nicht 
in  dem  Maasse,  dass  etwaige  geringe  chemische  Dififerenzen  sich  auch 
durch  regelmässige  Abweichungen  in  demselben  kundgäben.  —  Das  spec 
Gewicht,  welches  von  Hrn.  Fischer  anfänglich  zur  Unterscheidung  von 
Nephrit  und  Jadeit  von  einander  mit  Erfolg  angewendet  wurde,  läset  uns 
selbst  darin  in  manchen  Fällen  im  Stich,  wie  neuerdings  Versuche  der 
Herren  Damour  und  Frenzel  gezeigt  haben,  geschweige  denn,  dass  es 
sich  eignen  sollte,  als  Kennzeichen  für  verschiedene  Varietäten  des  Nephrits 
oder  Jadeits  oder  irgend  eines  anderen  Minerals  benutzt  zu  werden.  —  Dass 
übrigens . auch  die  chemische  Analyse  allein  oder  neben  der  Bestimmung 
des  spec.  Gewichts  nicht  immer  ausreicht,  oft  nicht  einmal  zur  sicheren 
Bestimmung  des  Minerals,  ist  dadurch  erwiesen,  dass  ein  IVüneral-Ge menge, 
also  ein  Gestein  zufallig  eine  Elementar-Zusamracnsetzung  aufweisen  kann, 


Neue  BeobachtuDgen  am  Nephrit  und  Jadeit.  175 

die  za  einer  einfachen  chemiechen  Formel  eines  Minerals  führt  und  auch 
ein  mit  diesem  ähnliches  spec.  Gewicht  besitzt.  Auch  nach  dieser  Richtung 
hin  hat  sich  Hr.  Fischer  hohe  Verdienste  erworben,  indem  er  für  zahl- 
reiche sogenannte  Mineralien  den  Nachweis  führte,  dass  sie  Gemenge  ver- 
schiedener Substanzen  seien;  er  gelangte  zu  diesen  wichtigen  Resultaten 
durch  die  mikroskopische  Untersuchung  (Kritische  mikroskopisch -minera- 
logische Studien  Freiburg  i.  B.  1869.  1.  Forts.  1871,  2.  Forts.  1873).  Herr 
Dam  cur  zeigte  seinerseits,  dass  die  von  ihm  analysirten  verarbeiteten  Ja- 
deite Frankreichs  oft  aus  nicht  einheitlicher  Substanz  bestehen,  sondern  ein 
Gemenge,  also  nicht  ein  Mineral,  sondern  ein  Gestein  sind. 

In  unserem  Falle  würde  die  Frage  etwa  so  zu  stellen  sein:  ist 
es  möglich,  durch  die  chemische  Analyse,  combinirt  mit  der 
mikroskopischen  Untersuchung,  zu  entscheiden,  ob  zwei  Ne- 
phrite oder  Jadeite  derselben  oder  verschiedenen  Localitäten 
entstammen? 

Auf  diese  Fragestellung  macht  uns  die  Geologie  gleich  verschiedene 
berechtigte  Einwände,  die,  wenn  sie  durchweg  gültig  wären,  uns  auch  diese 
Methode  aufzugeben  veranlassen  könnten.  Es  werden  uns  näiqlich  zwei 
Erfahrungssätze  in  Erinnerung  gebracht:  erstens^  dass  unter  gleichen  Be- 
dingungen Gleiches  resultirt,  aber  auch  unter  verschiedenen  Bedingungen 
das  Nämliche  entstehen  kann,  und  zweitens,  dass  diese  Bedingungen  inner- 
halb einer  und  derselben  Localität  geringe  Schwankungen  erfahren  können, 
in  Folge  deren  das  Endproduct  nichts  Einheitliches,  vielmehr  unzählige 
Uebergänge  darbietet. 

Betrachten  wir  beide  Einwände  näher.  Der  erste  würde  also,  auf  un- 
seren Fall  übertragen,  Folgendes  besagen:  Der  Nephrit  und  der  Jadeit 
bilden  beide  Einlagerungen  in  krystallinischen  Schiefem,  diese  aber  verhalten 
sich  überall,  wo  sie  auftreten,  auffallend  ähnlich,  folglich  dürften  auch  für 
die  uns  hier  beschäftigenden  Einlagerungen  derselben  keine  typischen,  von 
der  Oertlichkeit  abhängenden  Differenzen  zu  erwarten  sein.  Darauf  lässt 
sich  aber  bemerken,  dass  die  krystallinischen  Schiefer  selbst  aus  einer  Reihe 
von  Gliedern  bestehen,  von  denen  die  entsprechenden  an  verschiedenen 
Punkten  der  Erde  allerdings  grosse  Analogien,  fast  Identität  zeigen,  dass 
dagegen  die  einzelnen  Glieder  von  einander  wohl  unterschieden  sind  und  es 
also  wohl  auch  deren  Einlagerungen  (d.  h.  Nephrit  und  Jadelt)  sein  dürften, 
falls  sie  in  verschiedenen  Niveaux,  oder  auch  sonst,  wenn  auch  unter  un- 
merklich verschiedenen  Bedingungen,  auftreten.  Ausserdem  ist  zu  erwähnen, 
dass  allerdings  gewisse  Mineralien  eine  auffallende  Constanz  in  ihrem  Habitus 
aufweisen  trotz  der  verschiedensten  Verhältnisse,  unter  denen  sie  entstanden 
sein  mögen,  dass  andere  im  Gegentheil  unter  speciellen  Verhältnissen  auch 
ein  ganz  bestimmtes  Gesicht  annehmen.  —  Auf  den  zweiten  Einwand  lässt 
sich  mit  denselben  Tbatsachen   antworten,    und    somit   reducirt  sich  unsere 

12» 


174  A-  Arm.1^ 

5rv*  hii  z*  i'.jig^aiO*:-.    ^iitz  den  N«-:lini  und  d^m  J&^^:;  i>>nsunte  Cba- 

jvcv^rt  i^'-fr   ii*^  Ter*'_\Lj*d*TiM'aL  Er.i*:iet;;r4ff*l-<'i:ii2Tm2*a  '•i?«^   cdcr  rind 

c.'*  '«i'kr-iiij:»!.  lu-er  CiAkTLinar*-  tiifc^iiiiig:^  roa  ihrer  2e>c-l':-ziMrb«i  Uncebang 
laiC  Sfe-«**-  *•:    :»*-D*'ir-»'i;  i.  oiiff  s*  r»:cr.t  e;i.xL2Ü  iriLrrriftl'r»  eiuf-r  oad  (l«r«elbeB 

^»-iiX3H?:  tn.  II  i:i.-»*rr*2i  FiJIe  Tcnrenit-T  zu  weriea.  ue3  gläcklicLc-rveiM 
rrE"  tsj*  '.  *-it  y*:ir-;  ir.  der  Tr.äi  za.  Der  Jairl:  djigegen  »ckeÄci  in 
•^^.»•iL  ''^«rLi.r.*!.  i*-:  *rK:*T.  -i  :  ihnrra  Ka'e^r-rir  aczo^ehvreo.  ind«B  « 
iiii!*rTii^!:  ijer  ••*:.:•*  1  L^'-Aliik:  -»Tii^rLri.den  ScLwa^ kanten  in  s^icer  ckemi- 
te-ju^  Zl'ATi Ti*a.*'*'j;:ix  :^:*r»  irff-a  i*i.  dair::  aber  ein  merkwürdig  coo- 
«aar.^  "^^r^tr.*!  i-:i.«jiL*^'ji  seiner  Mikr'-s:rüci.ir.  sc-fera  djcss«  die  rÖDC 
r^u'-*"-«-:  :»r^-'^.  r»Kj.  wrlii^  ?>:•  »rii  2er.:.  das«  man  nicht  nnr  die  tct- 
— ji:rfr:/t!i.*r*a  >'ljlz.:-5:1  —  t—  -■:*:•.?  ri«  jrzr.  mi  ^-':'.aa  —  t:*e«^izeBd€i 
«'fi*ü*':vt  ^"1  *;iLii*r.  «•citri.  *:r  alle  s^T'Zakj  vvc  fiLem  ai-drreii  mr  «elbe« 
-1 — in»:-*  r-^ii'r^fi:»*^  K_L*rk_  fra  i.:z:":-eer-r::hr::  Kfcc'drni*..  nichi  zn  iuii«r- 
-•-if*i.>»a  --»mitar  :■•.  ▼'.»i-  i:«^r  r:n  Ma^Ätbifilic*!.  wairend  ieoer  eu 
J^Br-ta-Tii:*iirr:i*-r^!jL-i»-  -Vu  —  W^^^  hl?  a'.*o  li-ih  etwaige  andere  Merk- 
aai*r  T-f*.  z^  1  :L'  *»*^-r.  v  tt--=-  V.:rk■::LII.:ii^^r  cLa:ak:rr**'"r:^che  fremde  Ein- 
-»-.-iijij-^  tu  Is'-i.tijjin^^jit^rd^iL  l:efem  waf  *:ch  :«e:  vermehrMa  Beob- 
rf--<j.iiL:?r*fi  l*rr^^Uf•*r.*;lHa  w„-:  „  «•:  werde:;,  ia  F:U:e  der  Oot«iaiiz  der  Mikra 
■mjtr.ir  u.rr  /'bü-*!;*  uri  itr.  *eli*?'  bei  5r3  a->  ärr*^lbeii  Localiti: 
'^Tirz^-i'^-'i  iili:  ••-ü,»*  i.i»'.i^Tw:r*-7i.en  grrffrii  S:":.waz.k.ingen  in  ikrei 
.-ü>fs--*:.f-n  1-ii^unini*n;4»*f;.r:xz  ::i.rere  Bemih-Lg*-.  -n:  '..r  PrcTmienz  fest 
zi^0^'.f<:  -':i»*;r»*-n  ***'•  't  VTri-er  zz.*rrz,  gezeigt  wrrder  s:'-l-  $>ci)einen  abe 
:.->    '.-.V- ::;.L-?*^    ::i :    '»  *r;.iT*-i:gi^rL  ::.   dri:  Jairlie^  geeigne;  za  sein,  all 

-:*--':;  r -.'-.  "•  i-*r.u-^i  ?.  11  i:e  V^rhilnis^f  glr-srirer.  Wenn  aacl 
...r:  . --  r -...'!.-  -•:  *-:ic  1^3  .  r>:iLi.;*  Str^:Ti^TiLerfcmaLie  darbieteo 
jw-r  .-,^.  -*•  13  :  •  i/'H^^-eiej  SiiLeriei-i  i'>  v.l  ei-em  ganz  hMEtammiei 
'  .-..:.  -^^  -f-«yr:.r.i^..t  »-i^."*c  i.AJ.i~  =-:  ^'^^  ^  •-'-  i'^'^i^  wjii  i:LT«r9chcidl»r 
>r-  ••.;^..'*<'  t:p*  •*•*-  Lie  Vr:we:L*i"-i:ng  acsS'rL-iesj.eL  -'^  So  rermaj 
x^T     ^:    %'r.     <  '^-1    i-''-£     1-*    *-:2iwe;7er  Piai-t.&L-NrTLrite   rnn    den   neo 

-•---.-    "  :■---•:.»--:'    .:    .>•  V  t-  >r:  .:l-  _l  .  -vi:    .l  atL  Eiwriilnsse 
s        ;--'■■     1      .    -i*s    t:.'!;  v'k'Oiii    :r?  ikT.:'r  i^p•  sein«:  m  vcnip  em 

._^      -.r^-r:         L*     •■rI^-"i'»Ä       «-.T  ■.  L     IL  :     J.iTL:       .".k^>     .;U    lLilTi«trai)f    »b«    fori 

„^  ^         •:.;.--  r:     ri?-.'i   " :  m    J: : '    *  "••     ^":    r.r:L«:  <  Ailf*^eli  ober  di 

^,     ..     ...■:..:     LA.;    "'■:  >  '    :>"      > -  •"-    '»:>■:■■*'..      T.:   lu-rDckMrLIjpi  banpi 

_■    ...  \_-_^  !.  L-'.f      .-.  ■■  :    i  : ":  '^*':■   •  ■  *.  •   ^-^ri.i-.SpL    Kud  !«]het  di 

>.^-   .,.         ^','.:.-.     »-.se-::!-.      "i-i-! - :  "    !"   "*'"■:    '■"'■'     •   i^*  ^  '^^^    W'^'   eir.ipei  Sicberbc' 

..-,---'.»-       -       rru:.:.:-   L-"   v-t : :  :  ^ :    k  ■:  if ;. 

.-«--    .-.    .»r-i-iJfi:  ^-^  v.:^.    ;.:  :• -;fcMT'*?  >»     *    ■■   H- — *-r   x    F«;  i  uiiO  x.  Mnscli 
.^      .-  .     Lfü;*.:-    :  :  ■    »'•»■•  =^»      -^  *''  *  •  "'■""•    •'•=<  '"'*  »5*i«itisrbfL  Nephrit 
■^'.'   ■.■-■    ..-!^-   -'-::"  i.'Xr.ir:    ■.  i    vr-r-    .i;-.-.^» 


Neae  Beobachtungen  am  Nephrit  und  Jadeit.  177 

seeländischen ,  sibirischen  und  turkestanischen ,  sowie  die  beiden  letzteren 
von  den  neuseeländischen  unter  dem  Mikroskop  zu  unterscheiden.  Viel 
schwieriger  gestaltet  sich  oft  die  Aufgabe,  wenn  es  darauf  ankommt,  andere 
Vorkommnisse  in  sicherer  Weise  zu  charakterisiren  und  typische  Unter- 
scheidungsmerkmale für  sie  zu  finden,  wobei  übrigens  ein  mehrmaliges  Be- 
trachten eines  und  desselben  Schliffes  häufig  hilft  und  viel  dazu  beiträgt, 
Eigenthümlichkeiten  herauszuerkennen,  die  anfänglich  verborgen  oder  un- 
berficksichtigt  blieben. 

Es  standen    mir   zur   mikroskopischen  Untersuchung  folgende   18  ver- 
schiedene Varietäten  des  Nephrits  (22  Objecte)  zu  Gebote: 
Aus  dem  Berliner  mineralogischen  Museum : 

Potsdam^),  Fluss  Bjelaja,  „Türkei"  (Originale  zu  Hrn.  Rammels- 
berg's  Analyse.  Pogg.  Ann.  62.  148.  1844),  Gulbashen  in  Turkistan 
(durch  H.  von  Schlagintweit),  Neuseeland  (durch  Hrn.  G.  von 
Bnnsen). 
Aus  dem  Breslauer  mineralogischen  Museum: 

Eslohe,  sw.  von  Meschede,  Sauerland.    Länge  :  Breite  :  Dicke  =  Scm: 
7^  cm  :  2  cm  (durch  Hrn.  von  Lasaulx)*). 

1)  Herrn  A.  B.  Meyer  ist  es  gelungen,  die  älteste,  auf  dieses  Vorkommen  sich  beziehende 
und  Tom  Pagenhofmeister  Johann  Christoph  Fuchs  herrührende  Angabe  ausfindig  zu 
machen.  Herr  Meyer  hatte  die  Freandiichkeit,  sie  mir  mitzutheilen.  Dieselbe  ist  betitelt: 
«Fortgesetzte  Beyträge  zur  Geschichte  merkwürdiger  Versteinerungen.  Potsdam  1781'  und 
ist  in  den  Schriften  d.  Berl.  Ges.  d.  Naturforsch.  Freunde  III,  S.  151,  1782  abgedruckt  worden. 
Die  betreffende  Stelle  lautet:  „Unter  den  übrigen  in  diesem  Jahre  gefundenen  Versteinerungen 
scheinen  mir  folgende  nicht  unwürdig,  bekannt  gemacht  zu  werden:  1.  Ein  durch  seine  weiss- 
liche,  yerwitterte  Oberfläche  mit  einer  schönen  grünen  Farbe  durchschimmernder,  ziemlich 
grosser  Stein,  dergleichen  mir  in  unserer  Gegend  noch  niemals  vorgekommen  war,  gab  bey 
der  Probe,  die  ich  davon  abschneiden  liess,  alle  Merkmale  des  lapidis  nephritici  cornei  zu  er- 
kennen. Der  Herr  Leibmedicus  Brückmann  in  Braunschweig  hat  eine  andere,  ihm  davon 
gesandte  Probe  bewährt  gefunden.  Und  einer  von  meinen  berlinischen  Freunden  hat  aus  der 
▼erwitterten  Rinde  sehr  gute  lapides  mutabiles  erhalten."  Herr  Meyer  theilt  mir  ferner  mit, 
dass  auch  der  erwähnte  Leibmedicus  Brück  mann  (Urban  Friedrich  Benedict)  in  der  2.  Fort- 
setzung seiner  „Abbandl.  von  den  Edelsteinen*",  Braunschweig  1783,  S.  217  von  diesem  Nieren- 
stein spricht  und  dessen  Entdecker,  den  Pagenhofmeister  Fuchs  in  Potsdam  nennt.  Die  An- 
gaben Brückmann's  hat  auch  Hr.  Fischer  (in  Mitth.  d.  Anthrop.  Ges.,  Wien  1879,  VIII, 
S.  12)  citirt,  es  ist  mir  aber  leider  weder  die  Original notiz  Brückmann 's  noch.Hrn.Fischer*s 
Aufsatz  zugänglich  gewesen. 

2)  Bezüglich  dieses  Nephrits,  welcher  schon  von  Hrn.  Fischer  erwähnt  wird  (vergl. 
„Nephr.  u.  Jad.',  S.  836  u.  387,  wo  von  einem  „fast  schieferigen  Bruch*,  den  ich  nicht  habe 
beobachten  können,  die  Rede  ist),  hatte  Hr.  v.  Lasaul x  die  Freundlichkeit,  mir  noch  mitzu- 
theilen, dass  er  das  Stück  im  Jahre  1861  in  Siegen  erwarb,  dass  aber  auch  ihm  selbst  un- 
bekannt ist,  wie  es  zur  Bezeichnung  Eslohe  gekommen.  Hr.  v.  La  sau  Ix  hegt  ferner  die  Ver- 
muthung,  dass  es  mit  dem  im  Bonner  mineralogischen  Museum  befindlichen  als  „aus  China^ 
stammend  bezeichneten  Block,  dessen  dunkle,  bläulich  -  grüne  Farbe  mit  der  des  Esloher 
Stückes  übereinstimmt,  von  gleicher  Provenienz  sei.  Da  ich  nun  Hrn.  v.  Las  au  Ix  Material 
zur  Herstellung  eines  Dünnschliffs  verdanke,  so  werde  ich  in  der  Lage  sein,  den  Vergleich 
auch  hinsichtlich  der  Mikrostructur  beider  Stücke  anzustellen.  —  Ueber  den  Bonner  Block 
vgl.  Fischer,  1.  c.  336  und  Zeitschr.  f.  Krystallogr.  III,  593,  1879,  wo  auch  eine  Analyse 
des  Hrn.  v.  Ratb  abgedruckt  ist  und  wo  es  auch  heisst,  dass  ein  anderer  Theil  dieses  selben 
Blocks  sich  in  der  Privatsammlung  des  Hm.  Sack  in  Halle,  mit  der  Fundoitsangabe  «Topayos- 
fluss  in  Südamerika'  befindet. 


178  ^'  ArzruDi: 

Von  Hm.  H.  Fischer  in  Freiburg,  Baden: 

Fhiss  Eiioj. 
Von  Hm.  A.  B.  Meyer  in  Dresden: 

Stücke  Ton  .Lapis  nephriticus*^  aus  eiDCin  von  einer  Urkunde  aus 
dem  Jahre  1658  begleiteten  Vorrathe  einer  Dresdener  Apotheke^); 
Cilli  a.  d.  Sann  (rgl.  „Ausland^  Nr.  27,  1883),  Fluss  Onot  =  Berg 
Botogol  (durch  Hm.  Alibert.  Dresd.  ethn.  Mus.  Nr.  5049  und  Hrai. 
A.  B.  Meyers  Werk,  S.  40a):  China,  grünes  Blatt  (a.  a.  O.  S.  45ä, 
Nr.  5102):  China^  mit  hohem  Thonerdegehalt  (ebend.  S.  44  b);  Yunan, 
Beil  CIndian  Museum  Calcutta  Nr.  985.  ebend.  S.  48a  Nr.  8  und  S.68b); 
Platte  Ton  unbekanntem  Fundort,  Dresd.  Mus.  Nr.  5037  (ebend.  8.38  b); 
Neacaledonien,  Steinbeil,  hell  mit  grünen  Adern,  Dresd.  Mus.  Nr.  5104 
(ebend.  S  54a):  Neucaledonien,  dunkelgrün. 
Von  Hrn.  A.  St  übel  in  Dresden: 

SchwemsaL  , Türkei*'^. 
Von  Hm.  Virchow  in  Berlin: 

Macracb.  drei  Steinbeile  (vgl.  diese  Zeitscli.  1882,  Verh.  S.  563). 
Allen  den  genannten  Herren,  sowie  den  Herreu  Websky  und  Roemer, 
Direct^jren  der  Mineralogischen  Museen  zu  Berlin  und  Breslau,  möchte 
1<L  nioLt  unterlassen,  auch  an  dieser  Stelle  meinen  verbindlichsten  Dank 
flr  das  Interesse  auszusprechen,  welches  sie  durch  Ueberlassung  des  Ma- 
t*nAl«  meiner  U::tersuchung  gegenüber  bewiesen  haben  ^). 

Ke  folgen le  Z'isammenstellung  kurzer  Diagnosen  der  einzelnen  soeben 
*:Twi^ttn  Vcrkommnisse  mag  als  Versuch,  dieselben  von  einander  zu  unter- 
<<eü>ieB.  angesehen  werden.  Es  muss  dabei  freilich  bemerkt  werden,  dass 
«r«  allerdings  n::r  schwer  gelingt,  scharfe  und  präcise  Diagnosen  aufzustellen, 
zcaul  3a.*  Acge  oft  deutliche  und  constant  wiederkehrende  Unterscheidungs- 
■lerkzAle  wahrnimmt,  die  in  Worten  sich  trotzdem  äusserst  unvollkommen 
wi*?d*rg**^i.  lassen.     Diese  Diagnosen  beziehen  sich  auf  Unterschiede,  die 

1    r*r'*r  V:r^:i*  tc.r,  Lapis  cephrlticus  in  Apotheken  vgl.  Fischer.  .Nephr.  o.  Jad.*, 

^  Viihth  Hfjtfr^'.  Trirj  iri'tT.  weisser  Farbe  ,',mölkenfarbis*  nach  Hm.  Fischer*s  Bc- 
zeiiccLLLj^  .  vf-1'.Left  Hr.  Üxi'j':'.  btrim  MineralieDhäudler  Dr.  ßondi  in  Dresden  erworben 
ifcne,  Ut  el::  deiL  im  Hn»  Kaxnmelsberg  analysirten  unzweifelhaft  identiicfa,  vie  die 
JffiKr-rtrbrtur  durti  »ty.Lt  z',i  l^riiec  Stacke  >ioh  von  anderen  Nephriten  unterstfheideit  be- 
w*rir.,  Il  der  '.:i:r:*rL  krj^A  d*:?  Hrc.  Rammelsberc  findet  sich  keine  Angabe  ober  dis 
fcjMrr.  GtwitLr.  tlit  £v.Lt:u  i'«*-r.  »tl.be  er  «ien  im  Berl.  Min.  Mus.  befindlichen  Splittern 
ißtiiutr^t,  jrie''*  ^S:»*-«..  Oe».  ■-  t*/;1^i  Br.'  a:.,  wo  -Hr.-  wahrscheinlich  Breithaapt  bedeutet, 
\0L  oen.  du  Ktter^fe.  ifrrrCir.e.  Hr.  Fischer,  der  die  Analyse  des  Hm.  Ramme  labe  r^ 
8»u5  «TL  ;«ro^l*:n.fc::b':iiei;  Ltit'iirtr  N*-;.irit  bezieht,  beansprucht  für  denselben  spe<.  Gew.  = 
i,^J5.  wtiirfrLd  c^t  '.'.'.•^i  Zti  üci  :tm  einem  anJeren.  grün-graoen  bis  berggrinen,  an- 
pe^ikL  T*j  Fi: lö  w.L»er  rt»*;-tL*rL  h  >:k  zuk-mmt,  der  von  einem  poiciscben  Offixier  mos 
fler  Türk*-.  iLit-tbrfc'.l:  wir  jti  fr*.:,  h'.-.].  —  Ve;.  'iaröJer  Fischer,  a.  i.  0.  204  und  217.  Wie 
biZiL  liUL  Sifrbt  £•-£•* -»«i  u*-'  i.iJi->.T  11  Kir.klang  zu  brin^ien? 

V  Aii^b^r  ytL  bitr  «.'.l^cz^L.itL  N^pbritvarietäten  liegen  mir  noch  andere  nir  Unter- 
»u'-iiLLr  ^'jt.  Lver  die  j'.L  '«t!  «rcr  xzititii  Gelegenheit  /u  berichten  beabsicbtife. 


Neue  BeobachtungeD  am  Nephrit  and  Jadeit.  179 

lediglich  durch  den  Vergleich  der  Structur  der  einzelnen  Vorkommnisse 
miteinander  hervortreten;  sie  beanspruchen  daher  keinesfalls  als  absoluter 
Ausdruck  der  Kennzeichen  zu  gelten.  So  ist  z.  B.,  die  durchgängige  Fein- 
fiftserigkeit  aller  Nephrite  vorausgesetzt,  der  Ausdruck  „grobfaserig^  selbst- 
verständlich blos  relativ  zu  nehmen.  — 

Nochmals  betone  ich  besonders  die  scharfen  Differenzen,  welche  die 
schweizer,  neuseeländischen  und  sibirischen  Nephrite,  mit  einander  ver- 
glichen, darbieten  im  Gegensatz  zu  Hrn.  Fischer 's  Ansicht,  dass  die 
ersteren  auf  einen  gemeinschaftlichen  Ursprung  sowohl  aus  der  zweiten  wie 
aus  der  dritten  der  genannten  Localitaten  zurückgeführt  werden  können. 
Die  mikroskopische  Structur,  welche  auffallende  und  hinsichtlich  der  Vor- 
kommnisse aus  räumlich  getrennten  Gebieten  constante  Unterschiede  auf- 
weist, spricht  ganz  entschieden  gegen  die  Hypothese  gleicher  Provenienz, 
also  auch  gegen  diejenige  des  Transports. 

Alle  nunmehr  folgenden  Angaben  beziehen  sich  auf  Beobachtungen  in 
polarisirtem  Lichte  zwischen  gekreuzten  Nikols,  da  sonst  die  Struktur  in 
Folge  der  vollkommenen  Wasserhelligkeit  der  Dünnschliffe  (bis  auf  einzelne 
opake  oder  gefärbte  Einschlüsse)  in  den  seltensten  Fällen  deutlich  genug 
hervortritt  Unter  gekreuzten  Nicols  kommen  bei  allen  Varietäten  mehr  oder 
minder  lebhafte  Interferenzfarben ^)  zum  Vorschein,  was  hier  bemerkt  wird, 
um  später  Wiederholungen  zu  vermeiden. 

Europa. 

Mau  räch;  bräunlichgrün,  an  den  dünnsten  Stellen  durchscheinend^). 
Lange,  sanftwellige,  sehr  dünne,  seidenartige  Fasern,  die  ziemlich  parallel 
grnppirt  sind  (mikroschiefrige  Structur)  und  in  einer  dichten  flaumartig- 
Bchimmemden,  aus  noch  feineren,  selbst  bei  sehr  starken  Vergrösserungen 
kaum  in  ihre  Elemente  aufzulösenden  filzigen  Masse  liegen.  Einschlüsse 
von  Magneteisen,  z.  Th.  in  Brauneisen  umgewandelt,  welches  dann  in  die 
umliegende  Masse  diffundirt  ist  und  derselben  eine  bräunliche  Färbung  ver- 
liehen hat. 

Cilli  a.  d.  Sann;  tief  grün,  Gerolle.  Im  Wesentlichen  dem  vorigen 
ähnlich;  die  sehr  langen  Fasern  dicker,  weniger  elastisch,  daher  nicht  ge- 
bogen, sondern  vollkommen  gerade  gestreckt,  zu  parallelen,  optisch  wie  ein 

1)  Es  ist  eine  Yolikommen  falsche  Ausdrucksweise,  wenn  die  Herren  Jannettaz  und 
Michel  (Bull.  soc.  min.  de  France.  1881.  p.  182)  in  ihrer  Beschreibung  des  Nephrits  vom 
Flusse  Onot  von  «dichroisme  des  plus  eclatants*"  reden.  Die  Erscheinung,  die  sie  so  be- 
zeichnen, ist  das  durch  Interferenz  der  polarisirten  Strahlen  erzeugte  Auftreten  bunter  Farben; 
sie  hat  mit  dem  Dichroismus,  d.  h.  mit  der  den  doppelbrechenden  Ery  stallen  eigenthum- 
lichen  verschiedenartigen  Absorption  einzelner  Componenten  des  weissen  Lichtes,  je  nach 
der  Richtung,  in  welcher  dasselbe  durch  den  Krystall  geht,  also  der  daraus  sich  ergebenden 
Yerschiedenfarbigkeit  des  in  verschiedenen  Richtungen  durchgelassenen,  resp.  austretenden 
Lichtes  nichts  zu  schaffen. 

2)  Die  Angabe  über  Farbe  und  Durchschienenheit  bezieht  sich  hier,  wie  auch  weiter, 
auf  das  Stuck  seihst.    Der  Dünnschliff  ist  8t<^t8  ungefärbt  und  vollkommen  durchsichtig. 


180  ^'  Arznini: 

Krystall  einheitlich  sich  verhaltenden  Bundein  gruppirt.  An  einem  von 
beiden  Enden  abgebrochenen  Bündel  wurde  gemessen:  Dicke  =  0,011,  Länge 
=  2  mm.     Mikroschiefrige  Structur.     Einschlüsse  —  nicht  vorhanden. 

Potsdam;  dunkelgrün,  wolkig,  an  den  Randern  durchscheinend,  mit 
einer  theils  weissen,  theils  orangerothen  Rinde.  Hr.  Frenzel  in  Freiberg 
wird  demnächst  eine  Analyse  dieses  Vorkommens  veröffentlichen.  —  Die  Fk- 
sern  kurz,  nicht  stark  gekrümmt,  zu  federballartigen  Büscheln  gruppirt,  sonst 
die  Masse  feinkörnig,  wie  punktirt;  die  beiden  Arten  des  Aussehens  ent- 
sprechen longitudinalen  und  transversalen  Schnitten  durch  die  Büschel,  wo- 
durch auch  ihre  nicht  durchgängig  parallele  Lage  erwiesen  ist:  Abwesenheit 
deutlicher  Schieferung.  Einschlüsse:  grössere  grau  erscheinende  Krystalle 
des  Nephrits  mit  allen  Merkmalen  des  Amphibols:  rhombische  Querschnitte 
mit  Winkeln  von  52° — 56^°,  je  nach  der  Schiefe  des  Schnittes  zur  Längs- 
richtung variirend,  mit  deutlichen  Spaltungsdurchgilugen  parallel  der  äusseren 
rhombischen  Begrenzung,  —  theoretischer  Werth  des  normal  zur  Längs- 
richtung geführten  Schnittes:  um  55.]°  herum  —  mit  diagonaler  Auslöschung. 
Längsschnitte  unter  15° — 17°  gegen  die  Längsrichtung  (welche  durch  parallel 
verlaufende  Sprünge  kenntlich)  auslöschend.  Optische  Axenebene  durch  den 
stumpfen  Winkel  des  rhombischen  Querschnitts  gehend,  also  parallel  der 
Symmetrieebene  des  Krystalls;  in  denselben  Querschnitten  eine  optische  Axe 
excentrisch  sichtbar.  An  fremden  Einschlüssen:  ein  Pyroxenmineral,  vereinzelt 
Quarz  (?)  in  Körnern.  Nahe  der  Rinde  Umwandlung  in  eine  Serpentin- 
ähnliche Substanz. 

Schwemsal;  hell  graugrün,  durchscheinend.  Die  Fasern  kurz  und  sehr 
verworren,  daher  einheitlich  faserige  Partien  nicht  vorhanden;  punktirte, 
wie  bei  Potsdam,  sind  äusserst  sparsam.  Abwesenheit  von  Mikroschieferung. 
Fasern  sehr,  dicht  aneinander  gedrängt,  zu  plattigen  Ausbreitungen  vereinigt 
Einschlüsse:  schmutzig  grüngelbe  Körner  bis  zur  Grösse  von  0,283  mm,  mit 
deutlichem  Pleochroismus;  die  Auslöschungsschiefe  spricht  nicht  gegen  ein 
Amphibolmineral,  d.  h.  Nephrit  selbst  oder  ein  verwandtes;  auch  die  Spalt- 
risse lassen  sich  auf  ein  solches  zurückführen.  Also  keine  fremde  Ein- 
schlüsse. 

Eslohe;  dunkelbläulich  grün,  wolkig,  durchscheinend.  Auch  von  diesem 
Vorkommen  hat  Hr.  Frenzel  eine  Analyse  in  Aussicht  gestellt.  Masse 
feinkörnig  oder  faserig,  je  nach  der  Richtung  des  Schnittes;  fast  identisch 
mit  Potsdam.  Einschlüsse:  zahlreiche  grössere  und  kleinere  Kryställchen 
derselben  Substanz,  deren  zwei,  unter  beiläufig  60°  (theor.  Werth  «=  55^**) 
sich  durchkreuzenden  Spaltrichtungen  und  deren  optisches  Verhalten,  wie 
die  je  nach  der  Lage  des  Schnittes  zwischen  0°  und  14^50'  variirende, 
diesen  letzten  Werth  aber  niemals  übersteigende  Auslöschungsschiefe  mit 
Amphibol  vollkommen  harmouiren.  Fremde  Einschlüsse:  grössere,  bis 
0,226  7n7n  Breite  und  die  doppelte  und  mehrfache  Länge  erreichende  Kry- 
stalle eines  Pyroxens  (Auslöschungswinkel  =  33°  55'),  der  durch  Para- 
morphose  (moleculaie  Umwandlung)  in  den  faserigen  Nephrit  übergeht  (vgl. 


Neue  Beobachtungen  am  Nephrit  und  Jadeit.  181 

weiter  unten).  An  den  Rändern  des  Präparates,  nahe  der  Rinde  (?),  eine 
anscheinende  Umwandlung  in  serpentinähnliche  Substanz. 

Dresdener  Apotheke;  zwei  Stack.  1.  „molkenfarbig^,  2.  grQnlich 
gelblichgrau.  Rundliche,  äusserst  feine,  z.  Th.  punktartige  Körner,  wie  die 
der  folgenden  Varietät,  neben  breiteren,  parallelen  Bändern,  die  aus  sehr 
feinen  Fasern  bestehen.  Die  Bänder  auseinandergerissene,  parallel  ausein- 
andergerückte und  umgewandelte  Spaltungsstücke  eines  ursprünglichen  wahr- 
scheinlich pyroxenischen  Minerals,  dessen  z.  Th.  frische  Reste  noch  vor- 
handen (mit  Auslöschungsschiefe  um  18°  herum;  auch  0° — 13°  15'  ist 
beobachtet  worden);  sie  sind  an  den  Rändern  in  die  faserige  Nephritsubstanz 
▼erwandelt  und  laufen  in  dieselbe  aus.  In  1.  sind  keine  weiteren  Einschlüsse 
vorhanden;  in  2.  ein  einziges  ziemlich  grosses  Korn  von  Quarz (?). 

„Türkei"  =  Leipzig?;  milchigweiss.  Aeusserst  feinkörnig,  punktirt; 
bei  275  maliger  Vergrösserung  theils  körnig,  theils  blätterig,  steugelig  und 
faserig.  Die  Blätter  unregelmässig  begrenzt,  zerfetzt,  abgerundet,  von  fei- 
neren Fasern  z.  Th.  quer  durchwachsen,  weshalb  im  Schnitt  wie  durchlöchert; 
sehr  frisch.  (Anslöschungsschiefe  10^°  im  Querschnitt:  Rhomben  mit  nahezu 
44°  resp.  136**,  statt  55|°  bezw.  1244**,  wegen  nicht  genau  normaler  Lage 
zur  Längsrichtung;  optische  Axenebene  parallel  zur  Symmetrieebene;  eine 
Axe  fast  in  der  Mitte  —  ebenfalls  ein  Hinweis  auf  die  Schiefe  des  Schnitts. 
Alles  spricht  für  Amphibol).  Die  Fasern  kurz,  verworren,  scharf  gekrümmt. 
Parallel-  (Schiefer-)  Structur  nicht  zu  beobachten.  Fremde  Einschlüsse  nicht 
vorhanden.  —  Mit  dieser  Varietät  ist  die  des  Apothekenvorraths  zu  vereinigen. 
Ist  „Türkei"  thatsäcblich  =  Leipzig  (deswegen  hier  zu  Europa  gestellt),  so 
würde  die  Identität  des  Apothekenmaterials  damit  erklärlich  erscheineu. 

Asien. 

Fluss  Bj^laja;  dunkelgrün,  kaum  durchscheinend.  Theils  verworren- 
und  kurz-faserig,  theils  mikroschieferig;  einzelne  gelbliche,  unregelmässig  ver- 
laufende Bänder  —  offenbar  Spalten  und  Sprünge,  in  denen  sich  grössere 
Krystalle  mit  allen  Merkmalen  des  Amphibols  (Winkel  von  55**  25',  51**  15'  — 
theoretischer  Werth  um  55** 30'  herum)  finden.  An  fremden  Einschlüssen: 
rundliche,  z.  Th.  in  Brauneisen  umgewandelte  und  dann  braun  durchscheinende 
Kömer  von  Magneteisen  (oder  Chromeisen?),  die  fast  stets  von  einem  braun- 
gelb gefärbten  Hofe  umgeben  sind.  Damit  stimmt  auch  der  Befund  des  Hrn. 
Muschk^tow  überein  (a.  a.  0.  S.  11). 

Fluss  Kitoj;  dunkelgrün;  Hr.  Muschkctow  giebt  helle  Flecke  au, 
die  ich  indess  nicht  beobachtet  habe,  da  mir  blos  ein  kleiner  Splitter  vorlag. 
Sehr  dicht  aneinander  gedrängte,  sehr  kurze  Fasern,  an  gewissen  Stellen 
einzelne  Bündel  nur  schwer  zu  unterscheiden,  weil  in  verworrener  Lage;  an 
wenigen  Stellen  gleichgerichtete,  sauft  wellige,  zu  Bündeln  gruppirte  Fasern; 
versteckte  Schieferstructur.  Fremde  Einschlüsse:  Magnetit  (oder  Chromit?). 
Nach  Hrn.  Muschköto  w  (a.  a.  0.  S.  18)  noch  Pyrit,  Brauneisen,  und  hellere 


182  A.  Arzruni: 

Adern  mit  Quer-  oder  Längsfaserang,  die  er  für  Asbedt  hält.  (Vgl.  unten 
bei  Fluss  Onot.) 

Flu 88  Onot;  bell,  ^runlichweisa  mit  dunkelgrünen  Bändern.  Mikro- 
structur  ähnlich  der  des  vorigen;  doch  ganz  deutlich  parallel  gefaserte 
(schiefrige)  Grundmasse,  in  welcher  Gänge  einer  äusserst  feinfaserigen,  seiden- 
glänzenden  Substanz,  deren  Fasern  quer  zur  Richtung  des  Ganges  stehen 
und  die  beiden  gegenüberliegenden*  Wandungen  desselben  verbinden  oder 
auch  frei  in  einen  Spaltenraum  hineinragen.  (Vielleicht  ist  es  die  Substanz, 
welche  Hr.  Muschketow  bei  Kitoj  mit  Asbest  identificirte.)  Wahrscheinlich 
nicht  verschieden  von  der  Hauptmasse.  An  fremden  Einschlüssen  nichts 
beobachtet. 

Gulbashdn;  milchigweiss,  mit  einem  Stich  in's  Gelbe.  Unter  dem 
Mikroskope  sanft  gebogene,  fast  gerade  Fasern,  aber  verschieden  gerichtet; 
an  den  Mauracher  Typus  etwas  erinnernd;  doch  sind  die  Fasern  hier  viel 
dicker  und  viel  kürzer,  zeigen  auch  den  seidenartigen  zarten  Glanz  nicht; 
die  flaumartige  Grundmasse  fehlt.  Auch  in  radial  gruppirten,  kurzen,  feder- 
ballartigen Büscheln.  Andeutungen  auf  schiefrige  Structur,  welche  Hr.  Musch- 
ketow (a.  a.  0.  36)  leugnet,  indem  er  sie  körnig,  dünnfaserig,  lamellarkörnig, 
radialstrahlig  nennt.  An  Einschlüssen  fand  Hr.  Muschketow  Magneteisen, 
als  welches  ich  die  äusserst  feinen,  schwarzen  Körner,  die  ich  beobachtete, 
anzusehen  geneigt  bin;  dagegen  sah  ich  keine  Diopsid-(Pyroxen-) Einschlüsse, 
für  welche  Hr.  Muschketow  den  Krystallwinkel  von  87°  augiebt,  die  Aas- 
löschungsschiefe longitudinaler  Schnitte  aber  nicht  erwähnt.  Ich  beobachtete 
hingegen  vollkommen  umgewandelte,  parallel  gelagerte,  band-  oder  leisten- 
förmige  Reste  eines  ursprünglichen  Minerals,  über  dessen  Natur  sich  aber, 
selbstredend.  Nichts  aussagen  lässt.  Sollten  es  aber  ebenfalls  Pyroxene  ge- 
wesen sein,  so  ist  aus  einzelnen  p]inschlüssen  immerhin  noch  nicht  zu  folgern, 
dass  die  turkistanischen  Nephrite  keine  dichten  Amphibole,  sondern  Pyroxene 
(Diopside)  sind  (a.  a.  0.  38  und  57).  Auch  ist  der  Ausdruck  „Strahlstein 
der  Diopsid reihe"  kein  glücklich  gewählter.  Strahlstein  ist  eine  Amphibol- 
Varietät  und  eben  kein  Diopsid,  der  zu  den  Pyroxenen  gehört.  Als  be- 
sonderes Merkmal  für  die  Yarkander  Nephrite  führen  die  Hrn.  Beck  und 
Muschketow  die  Abwesenheit  von  Chrom  in  denselben  an.  Allein  sie 
selbst  haben  gezeigt,  dass  dieses  Element  auch  in  manchen  sibirischen 
gänzlich  fehlt  (Fluss  Bystraja).  Es  ist  ferner  der  höhere  Eisengehalt  der 
sibirischen  Nephrite  ebenfalls  nicht  geeignet,  sie  von  den  turkistanischen  zu 
unterscheiden,  denn,  wie  Hr.  Muschketow  selbst  (a.  a.  O.  65)  bemerkt, 
ist  es  in  hohem  Grade  walirscheinlich,  dass  es  auch  unter  den  turkistanischen 
Nephriten  grüne  Abänderungen  giebt,  welche  sich  dann  aber  sicher  als  eben- 
falls eisenreich  erweisen  würden.  Andererseits  sollen  unter  den  Vorräthen, 
welche  Hr.  Alibert  aus  Transbaikalien  nach  Europa  mitbrachte,  zahlreiche 
Stücke  sich  finden,  die  hellfarbig  sind  (vgl.  oben  das  Stück  vom  Fluss  Onot, 
welches  ebenfalls  den  Vorräthen  des  Hrn.  Alibert  entstammt).    Diese  hellen 


Neue  Beobachtongen  am  Nephrit  und  Jadeit.  183 

Tariet&ten  Sibiriens  müssen  naturgemäss  eisenarm  sein,  wie  übrigens  auch 
die  Analyse  der  Hrn.  Jannettaz  und  Michel  beweist  (Bull.  sog.  min.  de 
France  1881,  pag.  179,  wo  dieselbe  als  „vari^te  blonde^  bezeichnet  wird).  Der 
yerschieden  hohe  Eisengehalt  ist  mithin  nicht  als  untrügliclies  Merkmal  für 
eine  Bestimmung  der  Provenienz  zu  verwerthen.  —  Noch  will  ich  bemerken, 
dass  es  mir,  ebenso  wenig  wie  Hrn.  Muschki^tow,  gelungen  ist,  in  den 
sibirischen  Nephriten  Graphit  nachzuweisen,  obwohl  ich  absichtlich,  zum 
sichereren  Yergleich,  Schliffe  eines  Graphit  führenden  Gesteins  anfertigen  Hess. 

China;  grünes  Blatt;  feinkörnig  mit  zerfaserten  Kr}'stallresten ,  die 
grosse  Aehnlichkeit  mit  Serpentin  (Chrysotil)  aufweisen. 

China;  mit  hohem  Thonerdegehalt  Ausgezeichnet  durch  sehr  zahl- 
reiche-Pyroxen-Ein  Schlüsse,  denen  wohl  auch  die  viele  Thonerde  zuzuschreiben 
ist.  Grössere,  unregelmässig  contourirte  krystallinische  Partien  einer  matt- 
grauen,  stark  zersetzten  Substanz  (Amphibol?),  die  an  den  Rändern  rundum 
in  feine,  durchweg  parallel  gerichtete  Fasern  (Serpentinbildung P)  ausläuft. 

Yanan;  grünlichgrau.  Typisch  durch  eine  sehr  ausgeprägte  Bildung 
von  plattigen  Ausbreitungen  der  Faserbündel.  Einschlüsse  nicht  bestimm- 
barer Natur,  weil  stark  zerfasert.  Gänge  eines  feinfaserigen,  serpent.inähn- 
lichen  Minerals,  wie  bei  Onot.     Braune  Eisenoxydfarbuug. 

Platte  von  unbekanntem  Fundort,  fast  identisch  mit  dem  vorigen, 
daher  hierher  gestellt;  etwas  reicher  an  parallel  gruppirten  Faserbiindeln  — 
mikroschiefrig. 

Neucaledonien;  hellfarbig  mit  grünen  Adern.  Grundmasse  an  die 
gröberen,  büscheligen  Partien  von  Potsdam  oder  auch  au  Bjelaja  erinnernd. 
Parallel  gelagerte  Reste  eines  zerfaserten  (Pyroxcu?)  Minerals. 

Neucaledonien;  dunkelgrün.  Grobe  Fasern,  z.  Th.  parallel  gelagert, 
daneben  noch  nicht  vollständig  zerfaserte  Bänder  mit  oft  einheitlich  aus- 
löschendem (Schiefe  um  17.]°  herum)  Amphibolkern;  endlich  schön  silber- 
glänzende Faserbündel. 

Neuseeland;  die  bekannte  grüne  Varietät.  Die  ganze  Masse  aus 
ausserordentlich  dicken,  scharfgekrummten  und  zu  hahnenschweifförmig  ge- 
wundenen Bündeln  sich  vereinigenden  Fasern  bestehend.  Einzelne  Stellen, 
durch  diffundirtes  Brauneisen,  gelb  geiurbt.    Intacte  fremde  Einschlüsse  fehlen. 

Aus  den  gegebenen  Diagnosen  ist  es  ersichtlich,  dass  man  bequem  fein- 
körnige („Türkei",  Dresdn.  Apotheke),  feinfaserige  mit  weichem,  flauniartigen 
Seidenglanze  versehene  (Maurach,  Cilli),  körnig-kurzfaserige  (Potsdam,  Es- 
lohe,  Schwemsal),  langfaserige,  des  zarten  Seidenglanzes  aber  entbehrende 
(alle  asiatischen  und  neucaledonischen),  grob-  und  krumm-faserige  (Neusee- 
land) Varietäten  des  Nephrites  unterscheiden  kann.  —  Nur  sind  die  einzelnen 
Glieder  der  asiatischen  Gruppe  schwer  von  einander  auf  Grund  ihrer  Structur 
zu  unterscheiden,  indem  sie  darin  ziemliche  Uebereinstimmungen  zeigen  und 
man  sich  dabei  an  secundäre,  nicht  sofort  auffallende  Merkmale,  wie  die 
Serpentinbild uug  bei  den  chinesischen  (vgl.  China,   Yuuan),    oder  den  auf- 


Ig4  A.  Arzruni: 

fiallenden  Silberglanz  bei  den  neucaledonischen  n.  s.  w.,  halten  mass.  Wenn 
je  ein  solches  Merkmal  je  zwei  Vorkommnissen  gemeinsam  ist,  so  lassen 
sich  doch  drei  Varietäten  vielleicht  durch  Combinirung  zweier  Merkmale 
unterscheiden.  Z.  B.  Turkistan  und  Neucaledonien  wären  vielleicht  dorch 
Abwesenheit  von  Magneteisen  im  letzteren  zu  unterscheiden,  Sibirien  von 
Turkistan  durch  das  Aultreten  von  Amphibolausscheidungen  im  ersteren, 
während  die  mehr  oder  minder  mikroschiefrige  Structur  allen  drei  Varietäten 
gemeinsam  ist.  Jedenfalls  bedürfen  die  Glieder  der  Gruppe  Neucaledonien- 
Turkistan-Sibirien  noch  einer  präciseren  Gharakterisirung. 

Beim  Jadeit,  zu  dem  wir  nunmehr  übergehen,  wäre  zunächst  daran  zu 
erinnern,  dass  der  Entdecker  desselben,  Hr.  Damour,  dem  das  Mineral  an- 
fänglich (1863)  in  einer  reinen,  ungemengten  Varietät  vorlag,  bald  (1865) 
die  Ueberzeugung  gewann,  dass  in  manchen  verarbeiteten  Gegenständen 
(for^t  de  S^nart)  Gemenge  oder  Gesteine  zu  erblicken  seien,  in  denen  ver- 
schiedene Pyroxene^)  und  andere  Mineralien  (Hr.  Damour  nennt  auch 
Epidot,  wie  wir  sehen  werden,  nicht  mit  Unrecht)  in  Betracht  kommen  dürften. 

1)  Es  ist  dies  die  erste  Andeutung,  dass  der  Jadeit  zu  dieser  Mineralgrappe  gehören 
konnte,  denn  derselbe  Autor  hatte  ihn  zunächst  (1863)  zu  den  Wemeriten,  darauf  Hr.  Sterry 
Hunt  (1863)  zu  den  Zoisiten  gestellt.  Ueber  das  Krystallsystem  des  Minerals  war  bis  1880 
Nichts  bekannt,  als  Hr.  Fischer  (Zeitschr.  f.  Erystallogr.  IV,  371)  für  dasselbe  als  wahr- 
scheinlich eine  monokline  Symmetrie  in  Anspruch  nahm.  Hr.  DesCloizeanx  zeigte  darauf 
(in  einer  Anmerkung  zu  Hrn.  Damour 's  Arbeit  über  Jadeit  und  jadeitähnliche  Substanzen 
—  Bull.  soc.  miner.  de  France  1881,  158),  dass  der  Jadelt  optische  und  sonstige  Charakter« 
eines  Pyroxens  aufweise,  dem  Diopsid  besonders  nahe  komme  und  entweder  dem  monoklinen 
oder  dem  triklinen  Krystallsysteme  angehöre.  Für  letztere  Annahme  und  dass  der  Jadelt 
ein  Pyroxen  sei,  wofür  die  Priorität  Hrn.  Des  Cloizeaux  gebührt,  sprach  auch  ich  mich  dann 
(diese  Zeitschr.  1881,  Verb.  S.  281)  auf  Grund  der  Beobachtungen,  die  ich  am  Rabber  Beil  an- 
stellte, aus.  Das  grobkrystallinische,  aus  Banna  gekommene  Material  gestattete  mir  Winkel- 
messungen an  losgelüsten  Fasern  anzustellen,  dabei  zwei  un gleich werthige  Spaltbar keiten  and 
eine  Unsymmetrie  in  den  optischen  Charakteren  zu  beobachten,  was  meine  Yorherige,  Auf* 
fassung  über  die  Zugehörigkeit  des  Jadeits  zu  den  Pyroxenen  und  zwar  zur  asymmetrischen 
Abtheilung  derselben  befestigte.  Neuerdings  hat  auch  Hr.  Krenner  in  Budapesth  sich  mit 
den  Eigenschaften  dieses  Minerals  beschäftigt  und  eine  vorläufige,  vom  9.  April  1888  datirte 
Notiz  veröffentlicht,  von  der  ich  durch  die  Freundlichkeit  des  Hrn.  A.  B.  Meyer  in  Dresden, 
der  mir  eine  Abschrift  des  Flugblattes  sandte,  die  erste  Kunde  erhielt.  Das  gedruckte 
Blättchen  hatte  nachher  auch  Hr.  Fischer  die  Güte,  mir  mitzutheilen.  Hr.  Krenner 
erkannte  im  barmanischen  Mineral  eine  Diopsidvarietät  (also,  wie  Qr.  Des  Cloizeaax  and 
ich  selbst,  ein  Pyroxenmineral),  welcher  er  ein  monoklines  System  zuschreibt.  Daraus  folgert 
er  aber,  dass  das  Mineral  kein  Jadelt,  sondern  Nephrit  sei!  Wenn  ich  auch  trotzdem  am 
asymmetrischen  System  des  Jadeits,  d.  h.  auch  des  barmanischen  Minerals,  festhalte,  bin  ich 
doch  gern  bereit,  die  Beweise,  welche  Hr.  Kren n er  für  seine  Ansicht  in  Aussicht  stellt,  abzn- 
warten.  Bezüglich  der  zweiten  Behauptung  aber,  dass  nämlich  das  barmanische  Mineral  bisher 
fälschlich  zu  den  Jadeiten  gestellt  wurde,  möchte  ich  schon  hier  bemerken,  dass  Hr.  Krenner 
im  offenbaren  Widerspruch  nicht  blos  mit  den  Tbatsachen,  sondern  mit  sich  selbst  sich  be- 
findet. Er  erkennt  in  dem  barmanischen  Mineral  richtig  einen  Pyroxen  und  stellt  ihn  doch 
zu  dem  Nephrit,  der,  wie  Hr.  Fritz  Berwerth  (Sitzb.  d.  Wien.  Akad.  1879.  I.  Abth.  Bd.  Sa 
Juli-Heft)  nachwies,  ein  Amphibol,  also  kein  Pyroxen  ist.  Die  Zurechnung  des  barmanischeo 
Minerals  zum  Nephrit  geht  auch  aus  dem  Grunde  nicht  an,  weil  wir  unter  «Nephrit*  bisher 
noch  niemals  ein  Alkali-Bisilicat  verstanden  haben,  und  darüber,  dass  das  barmanische  Uinenl 


Nene  Beobachtnnfren  am  Nephrit  and  Jadeit.  ]g5 

Meine  Untersachang  erstreckte  sich  auf  folgende  Jadeite  und  ähnliche 
Substanzen,  die  ich  den  Herren  Fischer,  A.  B.  Meyer  und  Virchow  ver- 
danke. 

Vom  ersteren  genannter  Herren  erhielt  ich: 

1.  „Orient**,  3  Stück;  2.  Moogkoung,  Barma,  8  Stuck;  3.  Mexico  (6  Perlen- 
fragmente eines  Kranzes);  4.  Lüscherz  (2  Stück);  5.  einen  Schliff  eines  im 
Bemer  Museum  aufbewahrten  Discus,  Fandort  (?);  6.  Schliffeines  Fragmentes 
der  Substanz  des  Humboldt'schen  Aztekenbeils  (Berl.  ethnogr.  Mus.);  7.  ein 
Stück  des  Yon  Hrn.  Damour  analysirten  jadeltähn liehen  Gesteins  vom 
Monte  Viso. 

Herr  A.  B.  Meyer  sandte  mir:  1.  zwei  Bruchstucke  von  Perlen  aus 
Mexico  (vgl.  A.  B.  Meyer,  a.  a.  O.  S.  9a  und  9b,  No.  1606,  4  und  1606,  8); 
2.  ein  Stück  eines  Steinbeiles  von  Yunan  (abend.  S.  48a,  No.  5,  Mus. 
Calcutta,  No.  979;  S.  68b). 

Durch  Hm.  Virchow's  Güte  standen  mir  zu  Gebote:  1.  das  Beil  von 
Rabber;  2.  ein  Beil  von  Unteruhldingen. 

Die  gewonnenen  Resultate  sind,  kurz,  folgende: 

Europa. 

Rabber.  Grobkrystallinische  Masse.  Pyroxen,  asymmetrisch,  ungleiche 
Vollkommenheit  der  zwei  unter  86°  5'  —  89°  25'  sich  schneidenden  Spalt- 
richtungen: die  eine  bedeutend  schärfer,  die  andere  kaum  angedeutet  oder 
treppenformig  abgesetzt;  in  Querschnitten  ungleiche  Auslöschungsschiefe  gegen 
die  beiden  Spaltrichtungen  54°  resp.  35°.  In  der  reinen  Pyroxensubstanz,  die 
lebhafte  Polarisationsfarben  bei  gekreuzten  Nicols  aufweist,  kleine  schmutzig- 
grüne  KryslÄllchen  —  Epidot(?).  Vgl.  diese  Zeitschr.  1881 ,  Verh.  S.  281, 
wo  ich  übrigens  den  Kryställchen  eine  andere  Deutung  gegeben  hatte. 

Unteruhldingen.  Aus  rundlichen  Körnern  bestehendes  Gemenge 
eines  Pyroxens  mit  viel  Quarz.  Der  Pyroxen  gab  in  sehr  sparsam  beob- 
achteten deutlichen  Längsschnitten  als  Auslöschungsschiefe  36°.  Einschlüsse 
kleiner,  stark  lichtbrechender  Krystallnadeln  (EpidotP),  die  unter  einem 
stumpfen  Winkel  mit  einander  verwachsen  —  vorwiegend  in  Quarz  ein- 
gelagert. Das  Material  ist  also  wohl  kaum  als  echter  Jade!t  anzusehen, 
um  so  mehr  als  die  schwere  Schmelzbarkeit  auch  dagegen  zu  sprechen  scheint, 

ein  solches  ist,  lassen  Hrn.  Damoar*s  Analysen  keinen  Zweifel  aufkommen.  Hr.  Krenner 
mag  vielleicht  ein  anderes  Mineral  in  den  Händen  gehabt  haben,  als  dasjenige,  welches  die 
HHrn.  Damour  und  Fischer  und  ich  selbst  untersucht  haben;  Eines  steht  aber  fest,  dass 
kein  Mineral  zugleich  Diopsid  und  Nephrit  sein  kann,  falls  es  nicht  Jedem  Ton  uns  eine 
Sprache  und  eine  Terminologie  für  sich  zu  gebrauchen  beliebte.  Eine  Verwechselung  in  der 
Nomenclatur  kann  blos  zu  einer  solchen  in  den  Begriffen  führen.  —  Auch  die  Hm.  Beck 
und  Muschk^to  w  unterscheiden  nicht  zwischen  Nephrit  und  Jadelt,  halten  vielmehr  letzteren  für 
eine  Varietät  des  ersteren  (a.  a.  0.  S.  49).  Verführe  man  in  dieser  Richtung  consequent  weiter, 
so  brauchte  man  überhaupt  auch  zwischen  Pyroxenen  und  Amphibolen  keine  Unterscheidung 
zu  machen,  wofür  doch  genügende  Grande,  vor  allem  ihre  abweichende  geologische  Rolle  und 
die  Verschiedenheit  aller  ihrer  physikalischen  Eigenschaften  sprechen. 


186  A.  Arzruni: 

woraaf  mich  aach  Hr.  FiRcher  brieflich  aufmerksam  machte.  Danach  nind 
meine  früheren  Angaben  (diese  Zeitschr.  1882,  Verh.  S.  566),  zu  berichtigen. 

Lüscherz.  Sehr  feine,  z.  Th.  abgerundete  Körner;  Pyroxenstructur: 
Spaltbarkeit  unter  86^  55'  —  89  ^  Aaslöschung  gegen  die  Längsausdehnung  s^ 
38** 5'.  Punktförmige,  feine  opake,  in  Haufen  gruppirte  Einschlüsse  — 
£pidot(?).     Ob  die  Hauptsubstanz  ganz  homogen? 

Monte  Viso.  Fein-  und  gleichkörnige  Masse,  vielleicht  nicht  homogen; 
von  Pyroxennatur  nicht  die  Spur!  Zahlreiche  Einschlüsse  schmutzig-grüner, 
etwas  pleochrol'tischer  Körner  —  Epidot(?).  Ist  wohl  kaum  zum  Jadelt  zu 
stellen;  wohl  zufallig  Jadelt-ühnlichc  Zusammensetzung  und  spec.  Gewicht. 

Asien. 

„Orient"^.  Keiner  Jadeit.  Die  goniometrische  Untersuchung  abgelöster 
Fasern  ergab  für  den  Spaltungswinkel  (zwei  ungleichwerthige  Spaltbarkeiten) : 
85**  56'.  Unter  dem  Mikroskope  —  parallel  stengelige  Structur.  Auslöschung 
an  manchen  Präparaten  ganz  einheitlich,  was  für  einen  vollkommenen  Pa- 
rallelismus einzelner  Krystallelemente  spricht;  Auslöschungswinkel  =  33**  bis 
40°.     Lebhafte  Polarisationsfarben. 

Mongkoung,  Barma  (z.  Th.  Originale  zu  Hrn.  Damour's  Analysen, 
Bull.  soc.  miner.  de  France  1881,  pag.  157 ff.).  Vollkommen  homogene,  grob- 
kry stallin ische  Massen,  die  manchmal  aus  radial  gruppirten  längeren  Erystallen 
bestehen.  Ungleichwerthige  Spaltbarkeit  nach  zwei  Flächen.  Spaltwinkel 
goniometrisch  bestimmt  zu  86°56'  —  87*^20'  (Hr.  Des  Cloizeaux  fand 
85^*20',  Hr.  Kreuner  86°  55').  Unter  dem  Mikroskope  wurde  derselbe 
Winkel  zu  86°  40'  (Mittel  aus  12  Messungen  an  verschiedenen  Erystallen 
und  verschiedenen  Präparaten)  gefunden.  Auslöschungsschiefe  in  den  Längs- 
schnitten gegen  die  Verticalaxe,  rcsp.  die  Spaltrisse,  meist  um  35**  heram 
(Hr.  Des  Cloizeaux  giebt  31°— 32°  an,  Hr.  Krenner:  33°  34';  beim 
Diopsid  beträgt  dieser  Winkel  nach  Hm.  Des  Cloizeaux  38°  54');  das 
Maximum,  welches  ich  beobachtete,  betrug  41°.  Die  Auslöschungsrichtung 
in  den  Querschnitten  ist  unsymmetrisch  gegen  die  beiden  Spaltrichtungen 
(vgl.  oben  bei  Rabber)  und  beträgt  im  spitzen  Winkel  des  Rhombus  34° — 35** 
gegen  die  eine,  48*^ — 54°  gegen  die  andere  (Summa  =  82° — 89°,  im  Mittel 
85.J,  was  mit  obigen  direkten  Messungen  des  Spaltungswinkels  gut  har- 
monirt.  Wenn  die  einzelnen  Werthe  stark  schwanken,  so  liegt  es  daran, 
dass  die  Schnitte  nicht  vollkommen  normal  auf  die  Spaltflächen  geführt 
wurden).  Diese  Jadeite  sind  die  reinsten  von  siimmtlichen  von  mir  unter- 
suchten: sie  führen  nicht  einmal  kleine  fremde  Einschlüsse,  wie  Rabber, 
der  sonst  auch  wesentlich  homogen  ist.    Durchweg  grelle  Polarisationsfarben. 

Yunan.  Ist  ein  merkwürdiges  Gemenge  eines  Jadeltahnlichen  Pyroxens 
mit  anderen,  Bronzit- ähnlichen  Varietäten  dieser  Mineralgrnppe.  Deatliche 
Umwandlung  in  ein   serpentinähnliches  Gestein,    wie  solche  aus  Thonerde- 


Neue  Beobachtungen  am  Nephrit  und  Jadeit.  187 

freien  and  Thonerde-armen  Amphibolen  und  Pyroxenen  (Diallag,  Bronzit  eto.) 
entstanden,  nachgewiesen  worden  sind.     Darin  Koste  des  frischen  Minerals. 

Amerika. 

Mexico.  Alle  Präparate  fuhren,  neben  dem  Jadeüt  mit  allen  seinen, 
auch  in  den  reinen  Varietäten  nachgewiesenen  Merkmalen,  Quarz,  z.  Th.  in 
▼orherrschender  Menge.  Beim  Jadelt:  Auslöschungsschiefe  in  den  Längs- 
schnitten 32—35,  in  Querschnitten:  35°  resp.  um  50®  herum.  Spaltwinkel  = 
85^^  Derselbe  ist  nicht  direct  goniometrisch  bestimmt  worden,  da  die  Sub- 
stanz feinkörniger  als  die  barmanische  und  zu  sehr  mit  Quarz  gemengt  ist, 
um  ein  Abspalten  geeigneter  Fasern  zu  gestatten.  —  Es  scheinen  einige 
Jadeite  von  Mexiko  auch  einen  Arophibol  zu  fuhren.  In  den  Quarzpartien 
sind  Jadelt-Leisten  häufig* radial  vertheilt.  —  Mit  diesen  Varietäten,  sowie 
mit  der  von  Yunan  hat  ein  mir  von  Hrn.  A.  Frenz el  in  Freiberg  freund- 
lichst gesandtes  Gestein  von  Waldheim  grosse  Analogien.  Darin  sind  freilich 
ausser  den  hier  erwähnten  Gcmengtheilen  noch  andere  (Glimmer,  Feldspath?) 
enthalten,  einzelne  aus  Quarz  und  Pyroxen  bestehende  Partien  sind  aber 
fast  ebenso  beschaffen,  wie  die  mexicanischen  JadeUe. 

Aztekenbeil.  Ist  kaum  Jadelt.  Die  Masse  aus  äusserst  feinen,  rund- 
lichen, dicht  aneinandergedrückten  Körnern  bestehend;  ein  Pyroxenmineral 
scheint  vorhanden  zu  sein,  aber  ob  Jadeit?  Lange  schmutziggrüne,  quer- 
gegliederte  Krystalle  mit  schwachem  PleochroXsmus  —  Epidot  (?)  —  sind  in 
der  körnigen  Substanz  eingebettet. 

Discus,  ßerner  Museum,  Fundort?  Weissgrau,  mit  grünen,  ab- 
solut nicht  pleochroitischen  Bändern  und  Adern.  Unzweifelhafte  Jadeit- 
Structur;  sonst  sehr  zerfasert. 

Resultat:  Die  reinsten  und  typischsten  Jadeite  sind  die  barmanischen. 
Einige  europäische  sind  einschlussarm  (Rabber,  Lüscherz);  ihre  Einschlüsse 
(Epidot?)  kehren  aber  bei  allen  europäischen,  auch  jadeit- ähnlichen  Sub- 
stanzen wieder.  Die  mexicanischen  sind  sämmtlich  mit  Quarz  gemengt,  so 
dass  nur  einzelne  Partien  aus  homogener  Jadeitsubstanz  bestehen  und  ein- 
schlussfrei sind;  charakteristisch  ist  für  sie  auch  das  Auftreten  von  Amphibol. 
Yunan  zeigt  eine  Serpentinisirung.  Das  Material  vom  Aztekenbeil,  vom 
Monte  Viso  und  vom  Beil  von  Unteruhldingen  ist  entweder  vollkommen  frei 
von  Pyroxen,  also  kein  JadeU,  oder  als  Pyroxengestein  aufzulassen.  Be- 
merkens werth  ist  es,  dass  die  beiden  letztgenannten  Gesteine  dieselben  Ein- 
schlüsse führen  wie  die  europäischen  Jadeite,  während  die  Einschlüsse  des 
Aztekenbeils  zwar  auch  ähnlich  sind,  was  Farbe  und  Pleochrolsmus  betrifft, 
jedoch  durch  ihre  Quergliederung  von  den  übrigen,  meist  körnig  oder  kurz- 
prismatisch gestalteten  sich  unterscheiden.  Die  Bestimmung,  oder  richtiger 
Vermuthung,  dass  hier  Epidot  vorliege,  bedarf  noch  weiterer  Prüfung. 


188  A.  Arzruni: 

Es  möge  mir  hier  noch  gestattet  sein,  an  die  eben  dargelegten  Thai- 
Sachen  einige  Bemerkungen  über  beide  in  Frage  stehenden  Mineralien  vom 
geologischen  Standpunkte  aus  anzuknüpfen. 

Bei  dem  Nephrit,  der  eine  Amphiholvarietät  ist,  sind  von  Hrn.  Masch- 
ketow  zuerst  (und  nun  auch  von  mir)  Einschlüsse  einer  Pyroxensubstanz 
beobachtet  worden,  woraufhin  der  genannte  russische  Gelehrte  die  Ansicht 
äusserte,  dass  manche  Nephrite  überhaupt  keine  Amphibole,  sondern  Py- 
roxene  sein  dürften.  Diesem  Ausspruch  kann  ich  mich  nicht  anschliessen. 
Meinerseits  beobachtete  ich  aber  in  allen  Pyroxene  führenden  Nephriten 
einen  deutlichen  Uebergang  ersteren  Minerals  in  die  Nephritsubstanz,  eine 
Erscheinuug,  die  ich  mit  der  sogenannten  ^Uralitisirung"  (wie  die  moleculare 
Umwandlung  von  Pyroxcn  in  Amphibol  ohne  Veränderung  der  Zusammen- 
setzung genannt  wird)  in  Zusammenhang  bringen  möchte.  Für  mich  giebt 
es  keine  Nephrite  oder  Strahlsteine  der  „Pyroxenreihe**  oder  „Diopsidreihe'', 
wie  Herr  Muschketow  sich  ausdrückt,  weil  ich  mir,  wie  gesagt,  unter 
einem  Mineral,  welches  zugleich  ein  Pyroxen  und  ein  Amphibol  ist,  nichts 
vorzustellen  vermag.  Wohl  aber  kann  ich  mir  den  Fall  denken,  dass  manche 
Nephrite  aus  ursprünglichen  Pyroxen -Mineralien  von  gleicher  oder  nahezu 
gleicher  Zusammensetzung  mit  dem  Nephrit,  durch  „üralitisirung"  hervor- 
gegangen sein  mögen  und  ihre  ursprüngliche  Natur  durch  die  eingeschlosse- 
nen z.  Th.  frischen  Pyroxenreste,  die  aber  auch  in  Nephrit-Fasern  auslaufen, 
verrathen.  Man  könnte  mir  zwar  einwenden,  dass  das  gerade  dasselbe  sei 
wie  „Nephrite  der  Pyroxenreihe"  anzunehmen.  Allein  dem  ist  nicht  so:  ein 
„Nephrit"  letzterer  Art  müsste  mit  der  Feinfaserigkeit,  die  wir  mit  diesem 
Begriff  verbinden,  die  Charaktere  eines  Pyroxens  aufweisen;  diese  besitzt  er 
aber  nicht  und  sind  solche  meines  Wissens  auch  niemals  beobachtet  worden. 
Aus  den  Pyroxenresten  können  wir  schliessen,  dass  die  ursprüngliche  Sub- 
stanz, falls  sie  gleich  massig  beschaffen  war,  grob  krystallinisch  sein  musste, 
und  dtiss  sie  später  erst,  durch  Umwandlung,  faserig  wurde  und  Amphibol- 
eigenschaften  annahm.  Ein  Faserig-werden  unter  Beibehaltung  der  Pyroxen- 
natur,  also  eine  Umwandlung  eines  Minerals  in  sich  selbst,  ist  ein  Unding 
und  also,  auf  alle  Fälle,  ausgeschlossen. 

Unter  Nephrit  verstehen  wir  einen  faserigen  Amphibol,  die  ur- 
sprüngliche Substanz  aber,  sofern  wir  über  dieselbe  nach  den  Resten  ur- 
theilcn  dürfen,  war  weder  das  Eine  noch  das  Andere.  Dem  Ausdruck 
^  Pyroxen nephrit"  könnte  blos  dann  eine  Berechtigung  zugesprochen  werden, 
wenn  damit  angedeutet  werden  sollte,  dass  es  sich  um  einen  aus  Pyroxen 
entstandenen  Nephrit  handelt,  wie  wir  in  der  petrographischen  Nomen- 
clatur.  ^Diallagserpentin"  u.  dgl.  anwenden.  Der  Pyroxen nephrit,  in  diesem 
letzteren  Sinne,  wäre  demnach  ein  secundäres  Mineral,  während  andere 
Nephrite  als  primär  angesehen  werden  können,  wie  frische  Amphibolkrystalle, 
die  in  manchen  derselben  auftreten,  zu  beweisen  scheinen.  Uebrigcns  ist 
auch  die  Annahme  eines   ursprünglichen   Gemenges   von  Pyroxen  und  Am- 


Neue  BeobachtaDgfen  am  Nephrit  und  JadeYt.  Ig9 

phibol  nicht  ausgeschlossen,  wobei  blos  der  erste  „uralitisirt^  wurde,  wahrend 
der  zweite,  der  überhaupt  viel  beständiger  ist  und  dessen  Rückumwandlung 
nirgends  in  der  Natur  nachgewiesen  worden  ist,  unverändert  bleiben  oder 
Umwandlungen  anderer  Art,  auf  die  wir  gleich  zurückkommen  werden,  er- 
leiden musste. 

Eine  zweite  Erscheinung,  die  ich  beobachtete,  ist  die  Umwandlung  der 
Nephrite  in  ein  serpentinähnliches  Gebilde  (far  andere  Amphibole  liefern 
z.B.  die  Serpentine  der  Vogesen,  deren  ursprüngliches  Mineral  unzweifel- 
haft ein  Amphibol  war,  Analoga)  mit  allen  Merkmalen  eines  solchen.  Für 
eine  solche  (beginnende)  Umwandlang  spricht  zunächst  die  Beobachtung, 
dass  fast  überaU  die  grösseren  Amphibole  der  Nephrite  mattgrau,  trübe, 
nicht  mehr  frisch  und  durchsichtig  sind,  zwischen  gekreuzten  Nicols  nicht 
einheitlich  dunkel  werden,  sondern  wandernde  Schatten  zeigen  (Potsdam, 
Eslohe),  besonders  aber  die  direkt  zu  sehende,  bereits  begoDuene  Umwand- 
lung in  eine  kurzfaserige  Chrysotil -ähnliche  Substanz  (Potsdam,  Eslohe, 
besonders  aber  China,  Yuuan,  Onot);  endlich  aber  bestätigt  sich  diese 
Ansicht  durch  die  Beobachtungen  in  den  neuseeländischen  Nephritlager- 
st&tten,  wo  der  Nephrit  von  Tangiwai,  d.  h.  Serpentin  (Yar.  Bowenit),  be- 
gleitet wird. 

Der  Jadelt,  wie  im  Verlaufe  dieser  Zeilen  mehrfach  betont  wurde,  ist 
ein  Pyroxenmineral.  Es  gelang  mir  aber,  an  Faserspaltstücken  des  barma- 
nischen Materials  in  zwei  oder  drei  Fällen  ganz  scharf  auch  den  typischen 
Am  phibol  winkel  von  55^^  goniometrisch  zu  bestimmen,  dabei  aber  auch 
die  "Wahrnehmung  zu  machen,  dass  die  Spaltflächen  gleich  vollkommen 
waren,  was  bei  frischen  Jadeltfasem  niemals  beobachtet  wurde.  Es  liegt 
hier  also  wohl  eine  Umwandlung  des  Jadeits  in  einen  gleich  zusammen- 
gesetzten Amphibol,  eine  moleculare  Umlagerung,  eine  Paramorphose  vor. 
Das  Auftreten  von  Amphibol  in  einigen  mexicanischen  Jadeit -Quarz -Ge- 
steinen (vgl.  oben)  würde  eine  solche  Umwandlung  des  Jadeits,  eine  partrelle 
„Uralitisirung^  desselben  bestätigen.  Endlich  ist  auch  seiner  Umwandlung 
in  ein  serpentinähnliches  Gestein  (Yunan)  Erwähnung  gethan  worden,  wofür 
Analoga  in  den  aus  z.  TL  auch  Thonerde -reichen  Pyroxenen  hervorgegan- 
genen Serpentinen  (Windisch  Matrey,  St.  Gotthard,  Ural  —  sog.  Diallag- 
serpentine  u.  dgl.  mehr)^)  vorliegen. 

1)  Mit  diesen  Gesteinen  identisch  oder  vielleicht  aus  Amphibol  auf  ähnliche  Weise  her- 
vorgegangen ist  anch  die  von  Hm.  Pich  1er  neuerdings  fär  Nephrit  angesprochene  Substanz 
(Tgl.  Corr.-Bl.  d.  D.  Anthr.  Ges.  1883.  No.  3.  S.  17,  auch  in  Tschermak's  Min.  u.  petr. 
Mitth.  V.  801,  femer  in  Hm.  A.  B.  Meyer's  Werk  66b  und  67a,  und  auch  Corr.-Bl.  1883. 
No.  4  S.  25  und  29).  Was  aber  die  von  Hrn.  Fr  aas  bei  dieser  Veranlassung  gemachten  Be- 
merkungen (Corr.-Bl.  1883.  No.  3.  S.  26)  betrifft,  so  sind  dieselben  so  überraschend,  dass  sie 
nicht  einmal  einer  Widerlegung  bedurft  hätten.  Auch  hat  Hr.  Fr  aas  seine  Sache  dadurch 
nicht  verbessert,  dass  er  im  Corr.-Bl.  1883,  No.  5,  S.  85,  erkl&rte,  er  habe  es  wohl  gewusst, 
dass  Fibrolith  kein  Nephrit  sei,  —  denn  diese  Verwechselung  hatte  Hr.  Fraas  veranstaltet, 
um  über  die  Auffindung  des  aNephrits'  durch  Hm.  P ichler  seiner  Freude  Ausdrock  zu 
geben  und  anch  seinerseits  auf  weitere  europäische  Nephrite,  die  .die  Spanier  Fibrolith  nennen", 
Ztitoehrift  fSr  Ethsologi«.    Jahif.  1681.  13 


190  A.  ArzruDi:  Neue  fieobachtongeii  am  Nephrit  und  Jadelt. 

Demnach  wäre  die  Entstehung  der  beiden  hier  abgehandelten  Mineralien 

einerseits  und  ihre  Umwandlung  andererseits  folgendermaassen  auszudrücken: 

I  —  Nephrit 
Pyroxen  mit  Nephrit-Zusammensetzung  <         c  ♦• 

J  —  Uralitisirter  Jadeit  d.  h.  Amphibol  mit  Jadelft-Zusammensetzang 
\  —  Serpentin 
Hieraus  erhellt,  dass  der  Nephrit^  wenigstens  zum  Theil,  als 
secundäres  Umwandelungsproduct  anzusehen  ist,  während  der  Jadelt  als 
primär  gelten  muss.  Ob  zur  Umwandlung  des  Jadeits  in  Serpentin  ein 
Zwischenstadium  der  Uralitisirung  unzunehmcu  ist,  oder  ob  es  zwei  unab- 
hängig voneinander  und  parallel  verlaufende  Umwandelungsprozesse  sind, 
können  erst  weitere  Beobachtungen  lehren. 


Da  vorstehendem  Aufsatze  eine  gastfreundliche  Aufnahme  in  einer 
ethnographischen  Zeitschrift  zutheil  geworden  ist,  so  will  ich  ihn  denn 
auch  damit  schliessen,  dass  ich  das  ethnologische  Ergebniss  meiner  Unter- 
suchung nochmals  hervorhebe,  ein  Ergebniss,  zu  welchem  auch  Herr  A.  B. 
Meyer,  obwohl  auf  anderem  Wege  und  von  anderen  Gesichtspunkten  aus- 
gehend, gelangte: 

Die  typischen,  constanten  structurellen  Unterschiede  der 
einzelnen  Nephrit-  und  Jadelt-Varietäten  lassen  sich  meist  mit 
einer  Provenienz  derselben  aus  räumlich  getrennten  Locali- 
täten  in  Einklang  bringen,  was  die  Annahme  eines  exotischen 
(und  gemeinschaftlichen)  Ursprungs  aller  über  die  ganze  Erde 
verstreuten  verarbeiteten  Objecte  überflüssig,  ja  unhaltbar 
macht. 


hinzuweisen.  Wenn  aber  Hrn.  Fr  aas  bekannt  ist,  dass  der  Fibrolith  kein  Nephrit  iat,  und 
er  ersteren  mit  dem  Namen  des  zweiten  bezeichnet,  um  „sich  auf  den  Standpunkt  der  alten 
Steinschleifer^,  denen  bis  auf  Härte  und  Zähigkeit  alles  egal  war,  zu  stellen,  so  duifte  die 
Frage  vielleicht  gestattet  sein:  in  welcher  Weise  der  spanische  Fibrolith  zur  AaffinduDg  von 
Nephrit  in  Europa  beitragen  kann?  Denn  darum  handelte  es  sich  in  diesem  Falle  und  oiebt 
am  harte,  zähe  , Steine*  im  Allgemeinen,  und  deswegen  hatte  sich  Hr.  Fraas  an  der 
^Discussion  über  die  Nephritfrage"  wohl  auch  betheiligt. 


XII. 

Die  Behandlung  der  Kinder  und  der  Jugend  auf  den 
primitiven  Kulturstufen. 

Von 

M.  Eulisolier. 


Bei  der  Besprechung  dieses  Gegenstandes,  könnte  ich  mich  eigent- 
lich mit  dem  Hinweis  auf  die  Werke  von  Bastian  (insbesondere  „Die 
Rechtsverhältnisse  bei  verschiedenen  Völkern  der  Erde^)  und  Ploss  („Das 
Kind  in  Brauch  und  Sitte  der  Völker^)  beschränken,  wo  die  Thatsaohen  in 
Hülle  und  Fülle  vorhanden  sind.  Da  aber  meine  Folgerungen  auf  dem 
Boden  der  Thatsachen  fusscn,  so  konnte  ich  nicht  umhin,  dieselben,  wenn 
auch  in  Kürze,  hier  zusammenzufassen. 

•  I. 

Die  Nothwendigkeit,  der  Mangel  an  Lebensmitteln  führt  zum  Kindermord, 
zur  Ausrottung  der  Neugeburt,  inwiefern  die  Mittel  zu  ihrer  Ernährung 
fehlen.  Diese  Beseitigung  der  überflussigen  „Mäuler^,  der  bouches  inutiles, 
erscheint  als  eine  allgemeine  Thatsache  auf  den  primitiven  Kulturstufen.  — 
Bei  den  Knistenos  ermorden  die  Frauen  zuweilen  ihre  Töchter,  „um  ihnen 
das  Elend  dieses  Lebens  zu  ersparen''.  Wie  Mackenzie  berichtet,  treiben 
sie  auch  durch  gewisse  einfache  Mittel  die  Frucht  ab^). 

Die  Indianer  in  Californien  übten  ebenfalls  den  Kindermord,  »weil  die 
Mütter  nicht  die  Mittel  hatten,  die  Kinder  zu  ernähren"^).  Nach  Lafitau 
tödten  die  nordamerikanischen  Indianer  „nach  der  Geburt  von  Zwillingen 
eins  der  Kinder**  3).  Bei  den  Eskimo  des  Smith-Sundes  erlebte  Bessels 
einen  Fall,  dass  eine  Mutter,  „das  jüngste  ihrer  drei  Kinder,  ein  Knäblein 
von  fünf  Monaten,  eigenhändig  erdrosselte,  um  der  Nahrungssorgen  über- 
hoben zu  sein**^).  Von  den  Guanas  in  Südamerika  erzählt  Azara,  „dass 
die  Mütter  den  grössten  Theil  ihrer  Töchter  gleich  nach  der  Geburt  tödten, 
indem  sie  dieselben  lebendig  begraben"*).  Dasselbe  erzählt  Azara  von 
den  Mbayas,  „nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  diese  auch  männliche^Kinder 
tödten**  ^).  Den  Untergang  der  früher  zahlreichen  Nation  der  Guayacurus 
schreibt  derselbe  Azara  dem  Gebrauche  des  Kindermordes  zu^).  Bei  den 
Abiponern  ist  der  Kindermord,  nach  Dobritzhoff er,  eine  gewöhnliche 
Thatsache®).     Auch  von  anderen  südamerikanischen Yölkern  wird  berichtet. 


1)  Klemm,  Allf^emeine  Kulturgeschichte  II,  S.  84. 

2)  Ploss,  Das  Kind  in  Brauch  und  Sitte  der  Völker.    Stuttgart  1876.   8.  181. 
8)  Lubbock,  Enstebung  der  Civilisation.    S.  27.  4)  Ploss,  II.   S.  181. 

5)  Klemm,  II,   S.  83.    Ploss,  II,  S.  182.    Darwin,  Abstammung  des  Menschen,  II, 
320.  6)  Klemm,  ib.,  1.  c.    Ploss,  ib.,  1.  c.  7)  Klemm,  ib.,  1.  c. 

8)  Klemm,  ib.,  1.  c.    Ploss,  ib.,  1.  c. 

13* 


192  M.  Kalischer: 

dass  sie  den  Eindermord  üben,  speciell  an  missbildeten  Kindern.  ^Unförm- 
liche Kinder  oder  Missgeburten  sollen  von  den  Manaos  in  Südamerika,  wie 
berichtet  wird,  lebendig  begraben  werden  nnd  es  ist  merkwürdig,  dass  hier 
ein  Gebrauch  wiederkehrt,  der  von  den  Zigeunern  erzählt  wird,  dass  sich 
nämlich  ....  die  Bewohner  der  Hütte  heulend  so  lange  im  Kreise  um  die 
Grube  bewegen,  bis  das  Neugeborene  gänzlich  von  der  Erde  bedeckt  ist, 
die  £iner  nach  dem  Andern  darauf  wirft^  ^).  Auch  im  alten  Mexico  wurde 
von  Zwillingskindern  eins  getödtet^).  In  Afrika  war  und  ist  dieser  Ge- 
brauch weit  verbreitet.  „Werden  zu  Arebo  in  Guinea,  so  heisst  es  bei 
Smith  und  Bosmann,  Zwillinge  geboren,  so  pflegt  man  nicht  nur  die 
Kinder,  sondern  auch  die  Mütter  zu  ermorden.  In  Dahomey  und  in  Ngura, 
einer  der  Schwesterprovinzen  von  Unyanyembe,  bringt  man  ebenfalls  die 
Zwillinge  um's  Leben  und  wirft  sie  in's  Wasser,  damit  das  Land  nicht  von 
einer  Dürre,  Hungersnoth  oder  Ueberschwemmung  heimgesucht  werde"'). 
Hier  hat  sich  das  Motiv  —  die  Hungersnoth,  die  den  Brauch  wahrscheinlich 
hervorgebracht  hat,  in  eine  von  Aussen  her  verhängte  Strafe  verwandelt. 
Folge  und  Ursache  haben  ihren  Platz  gewechselt.  Nach  Barth  stehen 
Doppelgeburten  überhaupt  bei  fast  allen  afrikanischen  Völkern  in  Misskredit 
„und  werden  Zwillinge  wohl  meist  getödtet"*).  Als  Missgeburten  werden 
schon  solche  Kinder  betrachtet,  die  sich  in  irgend  einer  Hinsicht  von  an- 
deren Kindern  unterscheiden.  „Wird  bei  den  Sotho-Negern  ein  Kind  mit 
einem  Gebrechen  oder  mit  Zähnen  geboren,  so  wird  es  von  den  Wehe- 
müttem  in  einem  schon  bereitstehenden  Topfe  mit  Wasser  ertränkt"*).  Bei 
einigen  Völkern  in  Ostafrika  wird  ein  Kind  getödtet,  dessen  beide  „Schneide- 
zähne in  der  oberen  Kinnlade  früher  durchbrechen,  als  die  in  der  unteren^. 
Solche  Kinder  heissen  „tlola",  d  h.  sie  haben  die  von  der  Natur  gestellten 
Normen  und  Grenzen  überschritten"  ^).  ,  „Bei  den  Kaffern  ist  Kindesmord 
nicht  selten;  namentlich  werden  missbildete  und  eins  von  Zwillingskindem 
getödet.  Bei  den  Zulus  geschieht  diess,  nach  Arbousset,  in  ähnlichen 
Fällen.^  Die  Hottentoten  begraben,  wie  Kolbe  berichtet,  „theils  das  Kind 
lebendig,  indem  sie  es  in  die  von  einem  Stachelschweine,  Tiger  oder  an- 
derem Thiere  ausgegrabene  Höhle  legen,  und  Erde  und  Steine  darauf  werfen, 
oder  es  an  einen  Baum  binden,  wo  es  sich  todtschreien  und  verhungern 
kann,  bis  ein  Raubthier  es  verzehrt,  oder  sie  begnügen  sich  auch,  das  Kind 
in  irgend  ein  Gebüsch  hinzuwerfen"  ^).  Die  Thatsachen  über  den  Kinder- 
mord in  Australien  und  Polynesien  werden  wir  unten  kennen  lernen,  wo 
sie  zu  einem  anderen  Zwecke  angeführt  sind.  Bei  einigen  Völkern  von 
Hindostan  pflegt  man,  falls  „Zwillinge  geboren  werden,  meistens  ein  Kind 
zu  tödten"^).  Ueberhaupt  ist  in  Ostindien  die  Aussetzung  oder  Tödtung 
Neugeborener,  insbesondere  der  Mädchen  sehr  gebräuchlich,  wenn  man 
glaubt,  sie  nicht  ernähren  zu  können^).  Auch  in  China  ist  „das  Aussetzen 
der  Kinder  weiblichen  Geschlechts  am  Wege  oder  dicht  am  Wasser  .  .  . 
noch  Sitte"  ^  *^),  In  Japan  bringen  die  Ainos  „immer  nach  der  Geburt  eines 
Zwillingspaares  das  eine  Kind  um"^^).  Bei  den  alten  Persern  „war  bis 
nach  der  Eroberung  Persiens  durch  die  Chalifen  der  Kindermord  gestattet"  *  *). 
Der  Kindermord  herrscht  noch  gegenwärtig  bei  den  Beduinen,  wie  er  auch 
in  alter  Zeit  bei  allen  Araberstämmen  geherrscht  hat^  ^).  Der  Koran  erwähnt 
diesen  Brauch:  „Ihr  sollt  euere  Kinder,  heisst  es  dort,  aus  Furcht  in  die 
Armuth  zu  gerathen,  nicht  tödten;  denn  wir  wollen  sie  erhalten,  so  wie  wir 


1)  PI088,  II,  S.  182.    Bastian,  Rechtsv.,  S.  356.  2)  Ploss,  II,  S.  1%. 

3)  Lubbock,  S.  26.  4)  Ploss,  II,  S.  192.  5)  Ploss,  ib.,  S.  188. 

6)  Ploss,  II,  S.  187.    Bastian,  Der  Mensch  in  der  Geschichte,  S.  284. 

7)  Klemm,  III,  8.  277.  8)  Labbock,  S.  26.  9)  Ploss,  II,  S.  188. 

10)  Idem,  II,  S.  189.    Klemm,  VI,  S.  112. 

11)  Lubbock,  S.  26.  12)  Ploss,  II,  S.  176.  13)  Klemm,  VI,  S.  154-158. 


Die  Behandlung  der  Kinder  in  der  Jugend.  193 

Eadi  erhalten"^).  Bei  den  alten  Hebräern  mass  diese  Sitte  ebenfalls  gebräuchlich 
gewesen  sein,  wie  die  von  der  jüdischen  Chronik  einem  ägyptischen  Pharao 
sogeschriebene  Vorfägung,  alle  Kinder  männlichen  Geschlechtes  zu  tödten, 
and  dSe  Aussetzung  Mosis  im  „Schilf  am  Ufer  des  Wassers^  beweisen^). 
Die  Procednr  der  Aussetzung  am  Wasser  und  der  Ertränkung  im  Wasser 
ist  fiist  überall  heimisch  und  es  kann  also  bei  der  Aussetzung  Mosis  von 
keinem  extraordinären  einzelnen  Fall  die  Rede  sein,  wie  es  die  biblische 
Chronik  darstellt.  —  Die  Tschuktschen  tödten,  nach  Wrangel  „alle  miss- 
gestalteten Kinder"*).  Bei  den  Kamtschadalen  herrscht,  wie  Steller  be- 
riehtety  die  Sitte,  „dass  Mütter  durch  allerlei  Getränke  und  äussere  Mittel 
die  ScJiwangerschaft  hintertreiben  und  der  Frucht  auf  unnatQrliche  Weise 
sich  entledigen,  oder  auch  dass  sie  die  neugeborenen  Kinder  erdrosseln,  sie. 
lebendig  den  wilden  Thieren  zuwerfen  und  den  Hunden  überlassen''^).  Wenn 
Zwillinge  geboren  werden,  bringt  man  Eins  um^). 

IL 

Dorch  den  Kindermord  werden  einerseits  alle  diejenigen,  von  denen 
im  Yoraas  schon  constatirt  werden  kann,  dass  sie  zum  Kampf  um*s  Dasein 
nntanglich  sein  werden,  aus  der  Welt  geschafft.  Alle  Schwächlinge,  Miss- 
geborten    allerlei  Art,    wobei    mau  schon  die  kleinste  Abweichung  von  der 

Sewöhnlichen  körperlichen  Organisation  als  Fehler  betrachtet,  werden  aus 
en  primitiven  Kommunen  beseitigt.  Man  erzieht  nur  diejinigcn  Kinder, 
von  denen  man  hoffen  kann,  dass  sie  im  Stande  sein  werden,  die  ahgewor- 
denen  Mitglieder  zu  ersetzen,  d.  h.  die  Thätigkeit  der  ausgeschiedenen  Mit- 
glieder ftür  die  Ernährung  und  Yertheidignng  der  Kommune  aufzunehmen, 
oder,  was  auf  dasselbe  herauskommt:  diejenigen  aus  dem  Nachwuchs, 
welche  die  Emährungskosten,  die  auf  sie  in  ihrer  Kindheit  verwendet 
werden  müssen,  im  späteren  Alter  durch  ihre  Arbeit  der  Kommune  wer- 
den xnrückerstatten  können.  Andererseits  wird  durch  den  Kindermord 
das  Gleichgewicht  zwischen  der  Zahl  der  Mitglieder  der  Kommune  und 
der  Emährungsmittel,  die  ihr  in  einer  gegebeneu  Zeit  zu  Gebote  stehen, 
festgehalten  und  bei  jeder  möglichen  Störung  durch  Uebervölkerung  immer 
von  Neaem  hergestellt.  Nicht  von  dem  Willen  des  Einzelnen  hängt  also 
die  Yerminderung  oder  Vermehrung  der  Neugeburt  und  in  Folge  dessen 
der  Bevölkerung  ab.  Feste  Normen  über  die  Zahl  der  zu  erziehenden 
Kinder  sind  aufgestellt  und  eine  Abweichung,  eine  Ueberschreitung  dieser 
objektiven  Normen  wird  keineswegs  gestattet.  Bei  den  Abiponern  pflegten 
mehr  als  zwei  Kinder  nicht  aufgezogen  zu  werden^).  Bei  den  meisten 
nordamerikanischen  Yölkern  werden,  wie  Hunter  berichtet,  meistentheils 
,nicht  mehr  als  zwei  bis  drei  Kinder  aufgezogen^  ^).  Bei  den  Mbayos 
wurde  nur  das  mutbmasslich  letzte  Kind  leben  gelassen  ^).  Yon  den 
Eskimos  des  Smith  Sundes  berichtet  Bessels:  Die  Zahl  der  Kinder 
einer  Familie  beträgt  bei  ihnen  durchschnittlich  zwei;  was  darüber  ist, 
wird  meistens  getödtet;  indem  die  Mutter  das  Kleine  entweder  strangulirt 
oder  es  an  einem  entlegenen  Orte  aussetzt  und  dem  Hungertode  oder  dem 
Tode  durch  Erfirieren  preisgiebt  ....  Man  scheint  hierbei  weniger  auf 
das  Geschlecht,  ob  Knabe  oder  Mädchen  zu  achten^  ^).     Nach  v.  Martins 


1)  Koran,  Sure  VI.  2)  2.  Mosis,  I,  15-16,  22.    II,  3. 

9)  Pl088,  II,  8.  188.    Bastian,  Mensch,  III,  S.  284. 

4)  Steller,  BescbreibuDK  über  Kamschatka  1774,  S.  849.    Klemm,  II,  S.  208. 

(A  Bastian,  Mensch,  III,  S.  285. 

6)  l^alts,  Anthropologie  der  Natarvülker,  III,  S.  47G. 
7}  Idem,  III,  8.  106.  8)  Klemm,  II,  S.  83. 

9  )  AkUv  1  Anthropologie,  VIII,  2.  Heft,  S.  112.    Flosa,  II,  S.  180-181. 


194  M.  Eulischer: 

ist  es  „bei  den  Guyacurus  .  .  .  sehr  häufig,  dass  die  Weiber  im  Allgemeinen 
erst  vom  dreissigsten  Jahre  an  Kinder  zu  gebären  und  aufzu- 
ziehen anfangen '^,^).  Sobald  die  Eingeborenen  Australiens  „so  viele 
Kinder  haben,  als  sie  bequem  mit  sich  herumschleppen  können,  tödten  sie 
die  anderen  gleich  nach  der  Geburt .  .  .  Am  Spencer-Golf,  in  Victorialand,  an 
der  Moreton-Üai  und  in  Australia  felix  wurden  ausserordentlich  viele  Kinder 
umgebracht;  das  dritte  Mädchen  ganz  gewiss,  oft  schon  das 
zweite  .  .  .  Am  Cap  York  unter  den  Muralugs  zieht  man  nur  sehr 
selten  mehr  als  drei  Kinder  auf,  im  Süden  fast  nie  mehr  als  vier^'^). 
Auf  einigen  Carolinen-Inseln  durfte  „keine  Frau  aus  dem  Volke  .  .  .  wegen 
der  Unfruchtbarkeit  der  Inseln  mehr  als  drei  Kinder  auferziehen,  alle 
übrigen  mussten  lebendig  vergraben  werden"  *).  Auf  den  Marianen  durfte, 
nach  Chamisso,  keine  Frau  „wegen  der  Unfruchtbarkeit  der  Inseln  mehr 
als  drei  Kinder  auferziehen,  alle  übrigen  mussten  lebendig  begraben  wer- 
den''^). Auf  einer  der  melanesischen  Inseln,  der  Insel  I^ate,  zieht  man 
nur  zwei  oder  drei  Kinder  auf,  die  übrigen  aber  werden  lebendig  be- 
graben^). „Auch  auf  Neu-Guinea  ist  Kindermord  zu  Haus:  selten  zieht 
man  ....  mehr  als  zwei  Kinder  auf  und  künstlicher  Abortus  ist  hier  sehr 
verbreitet**  *).  Auf  den  Fidschi-Inseln  sterbeu  zwei  Drittel  aller  Eander  auf 
diese  Weise  ^)  —  es  wird  also  nur  ein  Drittel  der  Neugeborenen  am  Leben  ge- 
lassen. Auf  Tahiti  wurden  ebenfalls  zw^ei  Drittel  aller  Kinder,  hauptsächlich 
Mädcheo,  umgebracht;  die  ersten  drei  Kinder,  sowie  Zwillinge  tödtete  man 
immer  und  mehr  wie  zwei  oder  drei  Kinder  zog  Niemand  auf**  ^).  Ueber 
diese  That  schämten  die  Einwohner  dort  sich  gar  nicht,  „vielmehr  gestand 
man  sie  offen  ein  und  wunderte  sich  nur  über  die  Europäer,  die  sie 
tadelten^  ^).  In  Hawai  zog  man  ebenfalls  „nie  mehr  als  zwei  oder  drei 
Kinder  auf"  '  **).  Auf  einer  polynesisohen  Insel  Tikopia  werden,  wie  Capi- 
tain  Di  Hon  berichtet,  „alle  männlichen  Kinder  mit  Ausnahme  der  zwei 
ältesten  nach  der  Geburt  erdrosselt.  Alle  Kinder  weiblichen  Geschlechts 
lädst  man  am  Leben^  ^  ^).  Bei  den  Mulagaschen  auf  Madagascar  werden 
alle  Kinder,  „welche  im  März  und  April,  in  der  letzten  Woche  jeden 
Monats,  an  den  Mittwochen  und  Freitagen  des  ganzen  Jahres  geboren  wer- 
den ....  ausgesetzt  und  so  dem  Tode  preisgegeben"^^).  Die  Guanchen, 
die  Ureinwohner  der  canarischen  Inseln,  haben,  ^um  der  Uebervölkerung 
ihrer  Inseln  vorzubeugen,  in  den  frühesten  Zeiten  nur  das  erste 
Kind  der  Ehe  am  Leben  gelassen"  *^). 

III. 

Die  am  Leben  gelassenen  Kinder  müssen  während  ihrer  Kindheit  bis 
zu  einem  gewissen  Alter  von  der  Commune  ernährt  werden.  Nachdem  sie 
dieses  Alter,  gewöhnlich  die  Zeit  der  Mannbarkeit,  erreicht  haben,  werden 
sie  selbständiji^e  Mitglieder  der  Commune  und  müssen  ihrerseits  zur  Er- 
nährung und  Erhaltung  der  Commune  beisteuern.  Zu  dieser  Thätigkeit 
werden  sie  aber  nur  dann  herangezogen,  wenn  sie  die  zu  diesem  Zwecke  . 
Döthigen  Fähigkeiten  und  Eigenschaften  that^ächlich  besitzen.  Die  Neu- 
geburt wird  unter  einer  sogouanteu  resolutiven  Bedingung  am  Leben  ge- 
lasj^en  und  auterzogen,  nämlich:  dass  sie  in  einer  späteren  Zeit»  in  einem 
gewissen  Alter  im  Stande  sein  wird,  gewisse  Leistungen  zu  verrichten.    Beim 

^^  Ploss,  IL  S,  1>-J.  1>  Idem,  H.  S.  1S3.    Waitz-Uerland,  VI,  S.  778—779. 

*  Ploss,  IL  ^.  1S5.  3^  Waitt-GerUnd.  W  2   Abth..  S.  IIL 

-t  Ii*ni,  VL  :>.  tÄ\  5'  Liem,  L  c.  tV  Idem.  VL  S.  638. 

T  Ii*nj.  VL  S.  13?.  Lubbook,   S.  3Ä     Parwir.    Ab>taiumiui^  des  Menschen,  II, 
8.  ;=äOL            S    Ibi  j  ,  !.  0.  9^  Ibid.,  I.  c. 

Iv*  P:?*<.  IL  8.  185.  Waiti-Gerlaoi.  V.  i.  Abih..  8.  19L 

:r  P\ms.  IL  8.  IS^  1-2    Idem.  IL  8    18v^ 


Die  Behandlang  der  Kinder  in  der  Jugend.  195 

Eintritt  dieses  Alters,  dieser  festgesetzten  Zeit  wird  daher  die  heran- 
gewachsene Jagend  einer  PrQfuDg  unterworfen,  ob  das  Vo/ausgesebene  sich 
bew&hrt  hat,  ob  das,  was  als  wahrscheinlich  angenommen,  in  der  Wirklich- 
keit eingetroffen  ist,  ob  die  Jugend  die  ihr  gestellten  Bedingungen  erfüllen 
kann.  Diese  Pr&fungen  sind  ihrem  inneren  Wesen  nach  eine  Wiederholuog 
des  früheren  Mord-  und  Aussetzungsprocesses,  mit  dem  ünterbchied,  dass 
diese  Processe  nicht  an  unbehülflichen  Kindern  verübt  werden,  die  ihrem 
Loose  nicht  entgehen  können,  sondern  an  Erwachsenen,  die  aus  den  au 
ihnen  verübten  Gewaltthaten  die  Möglichkeit  haben  dennoch  unbeschädigt 
hervorzugehen.  Das  heisst:  die  Prüfung  besteht  darin,  dass  mau  den 
fr&her  bei  ihrer  Geburt  unterlassenen  Mord  oder  die  Aussetzung 
an  ilmen  jetzt  als  Erwachsenen  verübt;  wenn  sie  nach  den  Martern, 
denen  sie  unterworfen  werden,  am  Leben  bleiben,  so  erscheinen  sie  da- 
durch ipso  facto  lebensfähig.  In  Bezug  auf  die  Kinder,  die  am  Leben 
gelassen  sind,  ist  der  Mord-  und  Aussetzuugsprocess  nur  aufgeschoben, 
anf  eine  spätere  Zeit  anberaumt,  aber  nicht  aufgehoben.  Bei  den 
Huronen,  Irokesen  und  den  Algonkin Völkern  begeben  sich  die  Kinder  zur 
Zeit  der  Mannbarkeit,  wie  Lafitau  berichtet,  in  einen  Wald,  die  Knaben 
unter  der  Aufsicht  eines  älteren  Mannes  und  die  Mädchen  unter  der 
Aufsicht  einer  älteren  Frau.  Während  dieser  Zeit  müssen  sie  streng 
£asten,  das  Gesicht,  die  Schultern  und  die  Brust  schwärzen.  Sie  beobachten 
mit  grosser  Sorgfalt  ihre  Träume  und  geben  über  sie  umständliche  Berichte 
an  diejenigen,  unter  deren  Aufsicht  sie  stehen.  Nach  den  Träumen  und 
der  Aufführung  der  Kinder  wird  für  sie  ein  Schutzgott  —  Manitou  —  ge- 
wählt, von  welchem  das  Glück  ihres  Lebens  abhängt i).  Bei  den  Ojibwäeren 
bereiten  sich  die  mannbar  gewordenen  Knaben  im  Frühling  eine  Hütte  auf 
einem  hohen  Baum  und  verbleiben  dort,  auf  Moos  gelagert,  „soviel  Nächte 
fastend,  bis  die  Qualen  des  Hungers  und  Durstes  nicht  mehr  gefühlt 
werden  und  die  Seele  frei  wird".  Nach  der  Ansicht  der  Ojibwäer  soll  die 
Seele  während  des  Schlafes  im  Himmel  sich  aufgehalten  haben  und  ihr 
dort  die  Kenntniss  des  Lebens  enthüllt  worden  sein^).  Nachdem  in  Vir- 
ginien  „die  Knaben  geprügelt  und  sonst  gequält  waren,  wurden  sie,  in- 
dem die  Mutter  weinend  das  Grab  bereitete,  einer  über  den  andern 
in  ein  Thal  geworfen,  gleichsam  als  wenn  sie  todt  wären^.  Sie  blieben 
nachher  neun  Monate  lang  in  einer  Wüstenei  und  konnten  während  dieser 
Zeit  mit  keinem  Menschen  umgehen^).  Sie  gebrauchen  hier  keine  andere 
Nahrung  als  ein  Decoct  von  Wurzeln,  das  eine  Verwirrung  der  Gehirn- 
thätigkeit  hervorruft  und  dieses  Getränk  wird  ihnen  so  lange  servirt,  bis 
man  voraussetzen  kann,  dass  sie  dadurch  ihre  ganze  frühere  Umgebung 
vergessen  haben.  Wenn  sie  in  ihre  Heimath  zurückgeführt  werden,  müssen 
sie  sich  anstellen,  als  ob  ihnen  hier  Alles  fremd  ist,  sie  sich  an  Nichts 
erinnern.  „Auf  dieee  Art  fangen  sie  auf's  Neue  zu  leben  au,  nachdem  sie 
eine  kurze  Zeit  gestorben  waren,  und  werden  zu  den  älteren  Mitgliedern 
gezählt,  nachdem  sie  vergessen  haben,  dass  sie  einmal  Kinder  gewesen 
sind*).  Durch  die  hier  geschilderten  Handlungen  >vird  unsere  Annahme  über 
den  Ursprung  und  den  Sinn  aller  Ceremonien  dieser  Art  auf  das  Glänzendste 
bestätigt.  Eine  Variation  dieses  Brauches  finden  wir  in  West-Carolina. 
Dort  wurden  die  jungen  Manner  und  selbst  die  Mädchen  5 — 6  Wochen 
lang  in  ein  dunkles  Haus  eingesperrt,  ....  wo  sie  hart  fasteten,  angeblich 
um  sie  gehorsam  zu  machen  und  abzuhärten"^).  Bei  den  Dakota  und  Sioux 
müssen  die  jungen  Leute,  ehe  sie  in  die  Zahl  der  Erwachsenen  auf- 
genommen  werden,  verschiedenen  Martern   unterworfen  werden,    ohne  dass 


1)  Bastian,  Rechtev.,  S.  394,  398— 399'Anm.  2)  Idem,  Rechtsv.,  S.  898—399. 

3)  Ibid.,  S.  400.  4)  Ibid.,  S.  401.  5)  Waitz,  III,  S.  118. 


196  ^^^^^^^^^  ^*  KuliBCher: 

gie  dabei  einen  Seufzer  ausstosaen.  Eine  von  den  Prüfungen  besteht  darin, 
daas  „der  Candidat,  mit  einem  durch  die  Haut  gezogenen  ötnck  an  eine  Säule 
befestif^,  den  Tag  über"  sich  drehen  mus8^  ^dem  Lauf  der  Sonne  folgend**^). 
In  Cahfornien  gab  man  den  Kindern  bei  Erreichung  der  Mannbarkeit 
ein  sinnverwirrendes  Getränk,  wie  in  Virginien.  Nachdem  sie  in  einen 
Zustand  der  Besoffenheit  gerathen,  liess  man  sie  nicht  einschlafen,  indem 
man  sie  ohne  Uoterlass  befragte,  ob  sie  irgend  welche  Raubthiere:  einen 
Ldwen,  einen  Bär,  einen  Wolf  u.  s.  w.  sähen.  „Je  nach  der  Hallucination 
wird  ihnen  dann  die  Figur  des  Thieres  auf  Brust  und  Armen  eingebrannt^). 
Bei  den  Eskimo,  die  Franklin  besuchte,  wurde  den  Knaben,  die  ihr 
aechszehntes  Juhr  erreicht  haben,  „die  Unterlippe  auf  beiden  Seiten  des 
Mundes  und  der  Nasenknorpel  durchstochen,  'in  welche  dann  Knochen, 
Glasperlen  u.  s.  w.  gesteckt  wurden ** 3).  Bei  den  Thlinket  io  Alaska  wurden 
die  Mädchen  bei  Beginn  der  Mannbarkeit  „durch  drei  Monate,  früher  sogar 
durch  ein  Jahr  in  eine  abseits  gelegene  Hütte  verbannt  ....  Zu  Ende 
des  bestimmten  Termins  wurde  ihnen  die  untere  Lippe  durchbohrt  und  ein 
silberner  Stift  ,  .  ,  durchgesteckt"*)* 

Bei  den  Koljusclien  an  der  Küste  der  Behringstrasse  herrscht  dieselbe 
Sitte,  wieErman  zn  sehen  Gelegenheit  hatte.  „Ansserhalb  des  Dorfes,"  er- 
zählt er,  „steht  eine  Reihe  S — 8  Fuss  hoher  Hütten  oder  Käfige,  die  nur 
mit  einem  vergitterten  Lichtloch  versehen  sind.  In  jedem  dieser  Ställe 
befand  sich  ein  Mädchen  ,  ,  .  ,  Man  erfnhr,  dass  diese  Mädchen  eben 
menstruiren'*^).  Nach  Wenjaminow  soll  diese  Einsperrung  nach  altem 
Gebrauch  ein  Jahr  dauern,  der  unmittelbar  die  Durchscnneiduug  der  Unter- 
lippe folgt  ^),  Bei  den  Indianern  im  Norden  von  Mexico  musste  der 
nmunbare  Knabe,  ehe  er  aufgenommen  w^urde,  von  einigen  Kriegern  ein 
Zeugüiss  erhalten,  dass  er  etwas  aushalten  könne.  ,,Darauf  macht  der 
Häuptling  die  Probe  ao  dem  nackenden  Knaben:  er  rauft  ihn  an  den  Haaren, 
wiift  ihn  hin  und  her  auf  den  Hoden,  stösst  ihm  mit  Fäusten.  Dies  ist  die 
eriste  Prüfung.  Sollte  der  Knabe  dabei  nur  einen  einzigen  Seufzer  aus- 
stossen,  würde  er  als  ein  untauglicher  verworfen  und  abgewiesen.  Wenn 
er  dazu  lacht,  sich  frisch  und  munter  zeigt  und  zu  viel  raehrerem  sich  er- 
bietet, wird  an  ilim  die  zweite  Probe  gemacht.**  Der  Häuptling  peitscht 
den  Knaben  mit  Rutben  nnd  Dornen  ^am  ganzen  Leibe,  wobei  zwar  Blut 
fliesst,  aber  kein  Ach  dem  Knaben  entfallen  darf.  Jetzt  muss  er  sich  ooch 
dem  dritten  spitzigen  Examen  unterwerfen.**  Der  Häuptling  „nimmt  unter- 
schiedliche, den  grossen  Raubvögeln  abgeschoittene,  ausgestreckte  und  mit 
Fleiss  dazu  gedörrte  Füsse,  sticht,  hackt^  kratzt  und  reisst  den  Candidaten 
am  ganzen  Leibe,  dass  er  fast  durchaus  blutet,  wozu  der  Knabe  sich  ganz 
m Hüter  ohne  Winden  und  Drehen  darstellen  muss.  Ein  eioziger  aus- 
brechender Seufzer  würde  nicht  zum  Krieger  tauglich  erklärt  werden,*' 
Nach  bestandener  Probe  giebt  der  Häuptling  dem  Knaben  Pfeil  und  Bogen 
und  hält  ihm  eine  Anrede,  dass  er  niemals  zaghaft  sein  soll,  dass  er  und 
sein  Volk  allein  nur  Menschen  wären,  „und  alle  ihre  Feinde  nur  als  wilde 
Thiere  vun  ihm  müssen  angesehen  und  niemals  gefürchtet  werden,  dass  er 
sich  und  seiue  Landsleute  allezeit  zu  beschützen  suche ^,  Kaum  ist  der 
Bube  angeoommeD,  so  schiebt  maa  auf  ihn  die  schwersten  Arbeiten.  „Er 
muss  täglich  die  Wege  ausspioniren,  um  zn  sehen,  ob  nicht  Fusstapfen  der 
Feinde  vorhanden  sind,  muss  mit  Schwitzen  die  höchsten  Berge  erstetgea, 
bei  jeder  Witterung,  Tag  und  Nacht  das  Vieh  hüten  ....  und  immer  Boten 
lauten"^).  Bei  den  südamerikanischen  Mauhes  „werden  die  Knaben  im 
Älter    von    8 — 9    Jahren    den    versammelten    Nachbarn     vorgestellt ^    denen 


4 

I 


I 


1)  Bastian,  Hechtäv.,  ?.  345  Adiu.,  39Q  Arn».  2)  Bastian,  Recbtsv.,  S.  3^. 

EJ)  Klemm,  11,  S,  209.  4)  Flosa.  II,  S.  261-262.  5)  Idem,  U,  S.  262. 

6)  Idem,  I.  c,  7)  Klemm,  II,  S.  89-90.    Bastian,  RecbtaT.,  S.  395. 


Die  BehiDdlung  der  |[inder  in  der  Jugend.  197 

mmn  ein  Mahl  bereitet  Dem  Knaben  legt  man  baumwollene  Aermel  an, 
die  oben  and  unten  zugebunden  werden,  nachdem  man  einige  grosse,  heftig 
beiesende  Ameisen  hineingesperrt  hat.  Sobald  nun  der  Knabe  vom  brennen- 
den Schmerse  gepeinigt  zu  iammern  und  zu  schreien  beginnt,  schliesst  die 
tobende  Rotte  der  Männer  einen  Kreis  um  ihn  und  tanzt  so  lange  jauchzend 
und  aafmunternd  um  ihn  her,  bis  er  erschöpft  zu  Boden  sinkt.  Er 
wird  nun,  da  die  Extremitäten  furchtbar  angeschwollen  sind,  den  alten 
Weibern  zur  Behandlung  mit  dem  frischen  oaite  des  Mandioccakrautes 
übergeben.  Hat  der  Zögling  seine  Kräfte  wieder  erlangt,  so  wird  der 
Yereuch  gemacht,  wie  er  den  Bogen  spannen  kann.  Diese  Ceremonie  wird 
gewöhnlich  bis  ins  vierzehnte  J:ihr  wiederholt,  wo  dann  der  Zögling  den 
Schmerz  ohne  Zeichen  des  Unmuths  zu  ertragen  pflegt.  Nun  wird  er  als 
Mann  betrachtet  und  darf  heirathen"^).  Die  Mädchen  müssen  ähnliche 
schmerzhafte  Proben  aushalten^).  Diese  Proben  bestehen  bei  den  süd- 
amerikanischen Macusis,  nach  dem  Berichte  von  Martius  in  Folgendem: 
,iMit  dem  Eintritt  der  Pubertät  wird  das  Mädchen  von  den  übrigen  Be- 
wohnern der  Hotte  ....  abgesondert  und  bringt  den  Tag  in  der  Kugelspitze 
der  rauchigen  Hütte  zu,  die  Nacht  an  einem  von  ihr  entzündeten  Feuer. 
Nach  sieben  Tagen  Fasten  darf  es  im  dunklen  Winkel  den  Brei  sich 
bereiten  und  später  wird  es  durch  den  Paje  (Zauberer)  durch  murmelndes 
Anblasen  entzaubert,^  wobei  die  von  dem  Mädchen  gebrauchten  Gegen- 
stände zerbrochen  werden.  Das  Mädchen  wird  nachdem  gebadet.  „Nach 
der  Rückkehr  aus  dem  ersten  Bade  muss  es  sich  während  der  Nacht  auf 
einen  Stuhl  oder  Stein  stellen,  wo  es  von  der  Mutter  mit  dünnen  Ruthen 
gegeisselt  wird,  ohne  eine  Schmerzensklage  ausstossen  zu  dürfen,  welche 
die  Schlafenden  in  der  Hütte  aufwecken  könnte.  Bei  der  zweiten  Periode 
der  Menstruation  wiederholt  sich  diese  Geisselung.  Dann  gilt  das  Mädchen 
f&r  rein"  und  kann  von  einem  Bräutigam  heimgeführt  werden^).  Aehnlichen 
Pr&fungen  werden,  nach  dem  Berichte  desselben  Reisenden,  die  Mädchen 
bei  einem  anderen  südamerikanischen  Volke  —  den  üaupes  —  unterworfen. 
Sie  werden  ebenfalls  im  oberen  Theil  der  Hütte  gehalten,  auf  karge  Kost 
beschränkt  und  einer  Geisselung  unterworfen.  „Sie  empfangen  von  jedem 
Familiengliede  und  Freunde  mehrere  Hiebe  über  den  nackten  Leib,  oft 
bis  zu  Ohnmacht  oder  Tod.  Diese  Exccution  wird  in  sechsstündigen 
Zwischenräumen  viermal  wiederholt,  während  sich  die  Angehörigen  dem 
reichlichen  Genuss  von  Speisen  und  Getränken  überlassen,  die  zu  Prüfende 
aber  nur  an  dem  in  die  Schüssel  gelegten  Züchtigungsinstrumente  lecken 
darf.  Hat  sie  die  Marter  überstanden,  so  wird  sie  für  mannbar  erklärt***). 
Bei  den  Gnanas  werden  die  Knaben  im  Alter  von  8  Jahren,  nach  dem 
Berichte  von  Azara,  folgendermassen  behandelt.  Sie  „gehen  ganz  früh 
Morgens  in's  Feld  und  kehren  erst  Abends  nüchtern  in  feierlicher  Weise 
heim.  Hier  werden  sie  von  einigen  alten  Weibern  gestochen  und  ihre 
Arme  mit  einem  spitzigen  Knochen  durchbohrt.  Die  Knaben  geben  kein 
Zeichen  von  sich  und  erhalten  dann  von  ihrer  Mutter  zu  essen^^).  Und 
ebenso  werden  bei  den  südamerikanischen  Passes  die  Knaben  nur  dann 
für  waffenfähig  erklärt,  wenn  man  ihnen  mit  einem  Speerschnabel  die  Brust 
blutig  geritzt  hat'). 

IV. 

Bei    den    afrikanischen   Völkern    finden   wir   dieselben  Qualen  zur  Zeit 
der  Pubertät   wie    bei    den  amerikanischen  Völkern,    mit  dem  Unterschied, 


1)  Klemm,  I,  S.  237.  2)  Klemm,  ibid.,  1.  c.  3)  Bastian,  Rechtsv.,  S.  391. 
4)  Bastian,  Recbtsv.,  S.  392-393.            1)  Klemm,  II,  S.  89. 

2)  Bastian,  Rechtsv.,  S.  395. 


198  M.  Kulischer: 

dass  die  Qualen  in  Afrika  eine  bestimmtere  Form  allgemein  angenommen 
haben:  die  Form  der  ßeschneidung.  Aucb  hier  ist  das  Resultat  der  Qualen 
sehr  oft  der  Tod  des  betreffenden  Subjectes.  Wenn  aber  der  Tod  auch 
nicht  erfolgt,  so  ist  allenfalls  ein  Theil  seiner  körperlichen  Organisation 
statt  des  ganzen  Körpers  —  ein  noth wendiges  Aequivalent  zu  Grunde 
gegangen.  Bei  den  Hottentoten  bestehet  die  Beschneidnng  ,,in  der  Aus- 
schneidung des  linken  Testikels,  welche  ein  alter,  für  dieses  Geschäft 
besonders  geübter  Mann  an  den  Knaben  zwischen  dem  8.  und  18.  Lebens- 
jahre mit  einem  ganz  gemeinen,  wenn  auch  scharf  geschliffenen  Messer  vor- 
nimmt. Der  Knabe  wird  mit  ausgespreizten  Armen  und  Beinen  auf  die 
Erde  gestreckt,  festgebunden  und  gehalten,  an  die  Stelle  des  ausgeschnittenen 
Testikels  eine  mit  Kräutern  gemischte  Fettkugel  gelegt  ....  Dann  wird 
der  Knabe  losgebunden,  mit  Fett  tüchtig  eingeschmiert  und  von  dem  Aus- 
schneider über  und  über  mit  Urin  benetzt.  Hierauf  darf  der  Knabe  in  eine 
für  ihn  in  der  Nähe  erbaute  Hütte  kriechen,  während  seine  Verwandten  einen 
Schmaus  halten.  Arme  Hottentoten  lassen  ihre  Knaben  erst  mit  dem 
18.  Jahre  beschneiden,  damit  sie,  im  Falle  der  Knabe  stirbt,  wenigstens 
die  Kosten;  welche  die  Feierlichkeit  verursacht,  ersparen.  Damit  ist  jedoch 
der  JüDglin^  noch  nicht  vollkommen  in  den  Kreis  der  Männer  aufgenommen, 
dazu  bedarf  es  einer  anderweiten  Ceremonie;  der  Aelteste  im  Kral  ver- 
sammelt die  Männer,  diese  setzen  sich  im  Kreise  auf  die  Hacken,  stemmen 
die  Ellenbogen  auf  die  Kniee.  Der  Aelteste  befragt  nun  die  Versammlung 
um  ihre  Einwilligung  und  tritt,  wenn  diese  erfolgt  ist,  zu  dem  ausserhalb 
des  Kreises  harrenden  Jüngling  und  kündigt  ihm  an,  dass  er  von  nun  an 
des  Gehorsams  gegen  die  Mutter  enthoben  und  ihm  gestattet  sei,  in  die 
Gesellschaft  der  Männer  zu  kommen"^). 

Bei  den  Kaffern  findet  die  Beschneidung  nicht  bei  einzelnen  Knaben 
statt,  sondern  bei  mehreren  zusammen,  nämlich,  wenn  der  Sohn  des  Häupt- 
lings das  erforderliche  Alter  erreicht  hat.  „Alle  die  Knaben,  die  mit  ihm 
von  gleichem  Alter  oder  etwas  darüber  sind,  werden  vor  den  Fürsten  ge- 
bracht. Dieser  lässt  sie  in  eine  eigens  dazu  an  einem  einsamen  Orte  er- 
baute Hütte  bringen,  wo  sie  eine  Zeit  lang  miteinander  leben,  und  die 
Aufsicht  über  eine  Heerde  Kühe  führen,  deren  Milch  ihnen  zugleich  als 
Nahrung  dient.^  Endlich  wird  die  Beschneidung  vorgenommen.  9,Die 
Knaben  werden  einer  nach  dem  andern  auf  den  Rücken  gelegt,  an  Händen 
und  Füssen  festgehalten,  und,  indessen  sich  zum  Ueberflusse  noch  ein 
starker  Mann  über  ihre  Brust  legt,  verrichtet  die  dazu  bestimmte  Person  die 

Operation  mit  einer  scharfen  Hassagay Dann  werden  die  Wanden 

mit  gewissen  heilkräftigen  Kräutern  .  .  .  verbunden.  Man  gestattet  durch- 
aus nicht,  dass  sich  eine  Kruste  auf  der  Wunde  erzeuge,  und  hält  streng 
darauf,  dass  die  Knaben  die  Wunden  immer  frei  davon  erhalten.  Dadurch 
wird  die  Heilung  sehr  in  die  Länge  gezogen,  und  dauert  oft  zwei  Monate 
lang  .  .  .  Nach  völliger  Heilung  bringen  die  Jünglinge  die  Kleider,  die  sie 
bisher  trugen,  nebst  den  Milchkörben  und  allem  übrigen  Hausgeräthe,  dessen 
sie  sich  während  ihrer  Absonderung  bedienten,  in  die  Hütte,  und  stecken 
diese  in  Brand."  Man  überreicht  ihnen  zuletzt  Wurfspiesse  und  andere 
W^ äffen  und  erklärt  ihnen,  „dass  sie  nun  unter  die  Zahl  der  Erwachsenen 
aufgenommen  seien,  und  sich  fortan  als  Männer  zu  betragen  haben" ^). 
Bei  den  Negern  von  Central-Afrika  findet  die  Beschneidung  im  14.  bis 
15.  Jahre  statt  und  wird,  wie  Mungo-  Park  berichtet,  „wie  bei  den  Kaffem, 
bei  mehreren  jungen  Leuten  zu  gleicher  Zeit  vorgenommen.  Die  Jünglinge 
bleiben  zwei  Monate  lang  von  aller  Arbeit  frei,  und  bilden  während  dieser 
Zeit  eine  Gesellschaft,    welche  Sobimana  genannt  wird.     Sie  legen  Besuche 


1)  Klemm,  II,  S.  289.  2)  Klemm,    III,    S.  290—291. 


Die  BehandluDg  der  Kinder  in  der  Jagend.  199 

in  den  umliegenden  Ortschaften  ab  „und  leben  von  Almoäen*"  ^).  Man  muss 
annehmen,  dass  diese  Gesellschaft  auch  von  Raub  lebt,  denn  durch  die 
AuBacheidanff  der  Jugend  aus  der  Kommune  wird  wahrscheinlich  ihre  Fähig- 
keit sich  Nanrungsmittel  zu  verschaffen  auf  die  Probe  gestellt.  Von  Bam- 
baok  wissen  wir  ausdrücklich,  dass  die  herumirrenden  Knaben  diese  von 
ans  bezeichnete  Aufgabe  lösen  müssen  ^).  Aehnlichen  Proben  werden  die 
Mädchen  hei  Antritt  der  Pubertätszeit,  die  mit  der  Verheirathung  gewöhn- 
lich zusammenfallt,  bei  den  Kaffern  und  Negern  unterworfen^).  In  Kalabarien 
wird  die  Beschneidung  der  Mädchen,  wie  Dapper  berichtet,  auf  folgende 
Art  vollführt:  Sie  binden  „Ameisen  an  einen  Stock  und  stecken  sie  in  ihre 
Schaam,  auch  wiederholen  sie  es  zuweilen  mit  den  Ameisen,  damit  der  geile 
Kitzel  am  so  besser  möchte  ausgebissen  werden.  Hiermit  bringen  sie  zwei 
bis  drei  Monden  zu,  ja  so  lange,  bis  um  die  Schaam  herum  ein  Hand  wächst, 
ungefähr  einen  Finger  lang  und  dann  werden  sie  zum  Beischlafen  geschickt 
f^ehalten'' M.  Dieselbe  Art  der  Beschneidung  soll  auch,  nach  dem  Bericht 
desselben  Reisenden,  in  Ulkami  zwischen  Ardru  und  Benin  gebräuchlich 
gewesen  sein^).  y,Bei  der  Beschneiduug  der  Knaben  und  Mädchen  in  Tom- 
bura  ist,  wie  Raffen el  meldet,  das  Gebot  zugefügt,  kein  Wasser  zu 
berühren,  sondern  getränkt  zu  werden,  nur  Abends  zu  essen,  sowie 
Knthenschläge  zur  Erdulduug  des  Schmerzes^  ^).  Bei  den  Paravilhaua, 
den  Nachbaren  der  Cuburiceua  am  Cabuny,  mussten  die  Knaben  nach 
der  Beschneidung  eine  Schale  „mit  dem  bitteren  Prüfungstrank  Caapi 
leeren^.  Nach  Leerung  der  Schaale  „wirft  sie  der  Knabe  heftig  an  die 
Erde,  und  flieht  in  den  Wald,  wo  er  sich  einen  Mr)nat  einsam  aufhält, 
nur  verstohlen  Nachts  zur  väterlichen  Hütto  kommend.  Auch  die  Mad- 
chen haben  bei  ihoen  durch  Fasten  und  Schläge  eine  Prüfung  zu  be- 
stehen^ ^). 

Bei  den  Einwohnern  des  Kio-Nunez  werden,  nach  Caillie,  die  Knaben 
im  Alter  von  12—14  Jahren  an  einen  Ort  versammelt,  worüber  man  dem 
Zauberer  —  Simo  meldet.  Er  erscheint  an  dem  augezeigten  Orte,  um  die 
Kinder  zu  beschneiden.  Nach  der  vollzogenen  Beschneidung  zieht  sich  der 
Simo  in  den  Wald  zurück,  wohin  er  alle  der  Beschueidung  unterworfenen 
Kinder  mit  sich  nimmt.  Von  dieser  Zeit  an  haben  sie  keinen  Umgang 
mit  ihren  Landsleuten.  Im  Walde  wohnen  sie  in  Hütten,  die  von 
Banmzweigen  eingerichtet  sind.  Als  einzige  Bedeckung  füi*  den  Körper 
dienen  ihnen  die  Blätter  der  Bäume.  Die  Knaben  müssen  losgekauft  wer- 
den, um  in  ihre  Heimath  zurückkehren  zu  können.  Alle  7 — 8  Tage  bringt 
der  Simo  die  Losgekauften  zurück,  —  die  Anderen  bleiben  bei  ihm  im 
Walde,  kehren  nur  zur  Erntezeit  zurück,  aber  nachher  wieder  in  den  Wald  **). 
Bei  den  Quojas  in  Afrika  werden  die  Knaben,  nach  dem  Berichte  von 
Dapper,  nach  der  Beschneidung  gewaltsam  nach  dem  Walde  gebracht. 
Dort  bleiben  sie  einige  Jahre  und  werden  von  den  älteren  Mitgliedern  der 
Gemeinschaft  —  den  Seggone  —  „in  den  Rechten  den  Dorfes  und  in  den 
Kriegssachen  unterwiesen**.  Die  Proben,  denen  diese  Knaben  unterworfen 
werden,  nennt  man  Belli-Paato  oder  Belli-Paaro.  Ihr  Sinn  und  Bedeutung 
wird  von  den  Quojas  auf  folgende  Art  erklärt:  Es  ist  „ein  Tod  und 
eine  Wiedergeburt,  indem  die  im  Busch  Eingeweihten  ganz  ver- 
ändert werden,  dem  alten  Leben  und  Wesen  absterben  und 
einen  neuen  Verstand  mit  neuer  Wissenschaft  erhalten."  Wenn 
daher  die  Knaben  „aus  dem  Busch  zurückkehren,  erzählt  Dapper,  stellen 
sie  sich  an,    als  ob  sie  erst  in  die  Welt  kämen  und  nicht  einmal  wüssten^ 

1)  Wem,  III,  S.  291.  2)  Bastian,  Rechtsv.,  8.  389  Anm. 

3)  Klemm,  III,  8.  292.     Bastian,  Rechtsv.,  8.  390,  392. 

4)  Bastian,  Rechtsv.,  S.  392.  5)  Ibid.,  1.  c.  Anm. 

G)  Ba.8tian,  Reehtsv.,  S.  390-391.    7)  Ibid.,  8.  389,  39U.  ö)  Ibid.,  S.  387  Anm. 


200  H.  Eolischer: 

wo  ihre  Eltern  wohnten,  oder  wie  sie  heissen,  was  für  Leute  sie  seien,  wie  sie 
sich  waschen  sollen  oder  mit  Oel  beschmieren,  was  Alles  ihnen  die  Aelteren 
—  So^gone  —  lehren  müssen.  Zuerst  sind  sie  ganz  mit  Buschgewächsen 
und  Voffelfedern  behängen,  aber  später  werden  sie  mit  Kleidern,  Korallen 
Leopardzähnen  geschmückt''^).  Die  frappante  Aehnlichkeit  dieser  Cercmonien 
mit  denjenigen,  die  wir  bei  manchen  amerikanischen  Völkern  gesehen 
haben,  wie  auch  die  ihnen  gegebene  Erklärung  sind  ein  sehr  starker  ßeweis 
für  unsere  oben  aufgestellte  Ansicht,  dass  hier  in  Bezug  auf  die  leben 
gelassenen  Kinder  der  früher  unterlassene  Mord-  und  Aussetzungsprocess 
vorgenommen  wird.  Von  diätetischen  Massregeln  und  Gesundheitsrück- 
sichten, die  man  der  Einführung  der  Beschneidung  immer  noch  zu  Grunde 
legt,  von  rationalistischen  Erklärungen  dieser  Sitten,  die  einfach  auf  Qual 
und  Martern  hinauslaufen,  kann  keine  Rede  sein.  Richtig  aber  ist,  dass 
diese  von  der  Vorzeit  vererbten  Qual-  und  Marter-Bandlungen  sich  an  die 
späteren  Umstände  anpassen  und  dadurch  umgeändert  werden.  Die  an 
den  Kindern  zu  vollziehenden  Martern  passen  sich  an  die  späteren  Bedürf- 
nisse der  Gesellschaft  an.  Man  will  die  Kinder  nicht  durch  Martern  und 
Peitschen  umbringen  und  zu  Grunde  richten,  sondern  man  erzieht  sie 
dadurch  zu  ihrem  späteren  Berufe.  Sie  müssen  durch  Mangel,  Noth  und 
Schläge  abgehärtet  werden.  Die  alte  Gewohnheit  bekommt  ein  neues 
Motiv,  um  beibehalten  zu  werden.  Es  ist  die  Erziehungsmethode  der  Ab- 
härtung, die  der  vererbten  Gewohnheit  zu  Hilfe  kommt.  Auch  die  noth- 
wendige  Betheiligung  der  Jugend  am  Militärdienste  erscheint  als  Stütze  der 
alten  Ordnung,  wonach  die  Kinder  in  Schule  und  Haus  nicht  zart  behandelt 
werden  sollen. 


Li  Australien  und  Polynesien  finden  wir  dieselben  Qualen  und  Martern 
zur  Zeit  der  Mannbarkeit.  Meisten th eil s  ist  auch  hier  die  Beschneidang 
heimisch.  Zusammen  mit  der  Beschneidung  oder  anstatt  derselben  findet 
die  Verstümmelung  anderer  Körpertheile  statt.  So  wird  ein  Zahn  bei  dem 
betreffenden  Subjecte  ausgeschlagen  oder  ein  Fingerglied  abgeschnitten. 
Diese  verstümmelten  Theile  dienen  ebenfalls  als  Ersatz  für  das  bei  der 
Geburt  unterlassene  Umbringen  des  ganzen  Körpers.  Dabei  werden  diese 
Marter-  und  Qualprocesse  von  solchen  Gebräuchen  begleitet,  die  auf  ein 
Absterben  und  Wiederaufleben  der  mannbar  gewordeneu  hindeuten. 

„Am  Cap  York,  wo  Beschneidung  und  Ausschlagen  des  Zahnes  im 
Gebrauch  ist,  geschieht  beides  verborgen  im  Walde  ....  Es  folgt  auf  die 
Operation  ein  Monat,  in  welchem  die  Jünglinge  gleichsam  Novizen  ihrer 
neuen  Würde  der  Mannheit  sind  .  .  .  .;  nach  Ablauf  desselben  kehren  sie 
zu  ihren  Eltern  zurück,  noch  mit  dem  Schmuck  jener  Festzeit,  den  sie 
tragen,  bis  er  abfällt"^).  Bei  dem  Goulburnstamm,  nördlich  von  Melbourne, 
wird  der  Jüngling,  der  zur  Mannheit  eingeweiht  werden  soll,  von  drei 
Stammesgenossen  in  den  Wald  geführt,  wo  er  zwei  Tage  und  eine  Nacht 
bleibt  und  sich  die  zwei  oberen  Schneidezähne  ausschlägt,  die  er  sorgfältig 
aufhebt  und  zurückgekehrt  seiner  Mutter  giebt.  Dann  ^eht  er  wieder  in  den 
Wald,  wo  er  nun  zwei  Nächte  und  einen  Tag  bleibt"^).  In  anderen 
Gegenden  von  Australien  werden  die  zu  beschneidenden  Knaben  „gewalt- 
sam den  Weibern  entführt,  dann  mit  Ruthen  gepeitscht,  auf  die  anderen, 
welche  sich  nach  feierlichem  Zuge  auf  die  Erde  legen,  hingesetzt  und 
beschnitten"*).  Wenn  im  östlichen  Theil  von  Australien  irgendwo  in 
einem  Orte  eine  Anzahl  mannbarer  Knaben  vorhanden  ist,  so  ertönt  plötzlich 


1)  Ibid.,  S.  388-389,  399.  2)  Waitz-Gerland,  VI,  S.  787. 

3)  Idem,  VI,  S.  786.  4)  Waitz-Gerland,  VI,  S.  786. 


Die  BehandluDg  der  Kinder  in  der  Jugend.  201 

in  der  Nacht  ein  Schrei  im  Walde  ....  die  Männer  fuhren  sie  an  einen 
Terborgen  Platz  nnd  da  werden  sie  unter  Tanzen  und  Fechten,  unter  aller- 
hand ....  Ceremonien,  unter  verschiedenen  Proben  von  Muth  und  Stand- 
haftigkeit  mit  den  Mannespllichten  bekannt  gemacht.^  ,,Dann  wird  bei  der 
KOatenbevölkerung  den  Knaben  ein  Vorderzahn  ausgeschlagen^).  Das 
AasBchlagen  des  Zahnes  wird,  wie  Hunt  er  berichtet,  auf  folgende  Art 
vollzogen.  Dem  jungen  Menschen  wird  ^das  Zaimfleisch  mit  einer  scharfen 
Muschel  etwas  losgemacht;  der  Zahn  wird  mit  einem  Stöckchen  oft  an- 
geschlagen und  gestossen,  bis  ihm  endlich  der  entscheidende  Streich  ver- 
setzt wird  —  die  darauf  folgende  Entzündung  und  Geschwulst  wird  mit 
grosser  Geduld  ertragen***).  Diese  Sitte,  die  Beschneidung  als  Aequivalent 
rar  den  ganzen  Menschen  anzunehmen,  hat  wahrscheinlich  ihren  Grund 
darin,  dass  an  diesem  Gliede  sich  die  vorzugliche  Manneskraft  oder  Frauen- 
kraft äussert.  Es  scheint  mir,  dass  ich  eine  solche  oder  ähnliche  Er- 
klärung schon  irgendwo  gelesen  habe.  Ganz  anders  verhält  es  sich  mit 
der  Sitte,  einen  Zahn  speciell  als  Aequivalent  anzunehmen,  und  ihn  bei 
dem  Uebergang  vom  Jugendalter  zum  Manncsalter  auszuschlagen.  Der 
Brauch  hat  sich  wahrscheinlich  dadurch  gebildet,  dass  man  dabei  einem 
Naturvorgang  nachahmte.  Wie  bei  dem  Uebergang  vom  Kindesalter  in  das 
Jugendalter  ein  Wechsel  in  den  Zähnen  von  selbst  vorgeht,  so  wird  hier 
der  Uebergang  aus  dem  Jugendalter  in  das  Mannesalter  ebenfalls  durch 
Ausschlagen  eines  Zahnes  bezeichnet.  Es  ist  dasseli)e  Merkmal  des  Ueber- 
ganges  mit  dem  Unterschied,  dass  es  nicht  von  selbst  geschieht,  sondern 
gewaltsam  vorgenommen  wird,  als  Nachahmung  des  ersten. 

In  Sparta  wurde  der  Knabe  im  siebenten  Jahre  ^dem  Pädenomen, 
dem  Vorsteher  der  gesammten  Jugenderziehung  zugeführt,  der  ihn  dann 
einer  bestimmten  Abtheilung  von  Altersgenossen  zuwies.  Die  Abtheilungen 
hiessen  Hai  oder  Rotten,  deren  mehrere  wieder  eine  grössere  Gesammt- 
heit,  eine  Schaar  ausmachten"^). 

Die  ganze  Lebensart  der  Jungen  war  auf  sogenannte  ,. Abhärtung" 
gerichtet.  „Sie  gingen  unbeschuht,  ohne  Koj)fbedecku^g,  leicht  und  knapp 
bekleidet,  vom  zwölften  Jahre  an  selbst  im  Winter  im  blossen  einfachen 
Oberkleide,  ohne  Untergewand,  und  mussten  mit  einem  Kleide  das  ganze 
Jahr  hindurch  ausreichen.  Das  Haar  trugen  sie  kurz  verschnitten,  durften 
sich  selbst  nicht  baden  und  salben,  einige  Tage  im  Jahre  ausgenommen, 
lagen  in  ihren  Schlafstellen  ohne  Teppich  und  Decken,  nur  aut  Ueu  oder 
Stroh,  und  vom  fünfzehnten  Jahre  an,  wo  die  Pubertät  sich  zu  entwickeln 
beginnt,  auf  Schilf  oder  Rohr  ....  Ihre  Kost  war  nicht  blos  einfach  im 
höchsten  Grade,  sondern  auch  so  knapp  zugemessen,  dass  sie  zur  vollen 
Sättigung  nicht  hinreichte,  und  die  Knaben,  wenn  sie  nicht  hungern  wollten, 

fenöthigt  waren  sich  Lebensmittel  zu  stehlen/  Ausser  den  gewöhnlichen 
arten  Strafen  für  Vergehen  waren  jährlich  Dimastigosis  —  Geisseiproben 
—  angestellt  „am  Altar  der  Artemis  Orthia  oder  Orthosia,  wo  die  Jungen  bis 
aufs  Blut  gepeitscht  wurden  und  es  für  schimpflich  galt,  Schmerz  zu  äussern 
oder  um  Nachlass  zu  bitten,  derjenige  aber,  der  am  längsten  standhaft  aus- 
hielt, als  Bomonikas,  Sieger  am  Altar,  gepriesen  wurde.  Es  kam  aber 
auch  vor,  dass  Knaben  unter  der  Geissei  den  Geist  aufgaben"^).  Diese 
Erziehungsart  hat  sich  in  Sparta  bis  auf  die  späteste  Zeit  erhalten^).  Die- 
jenigen, die  auf  Eigenartigkeit  und  Diflferenzcn  im  Leben  der  Völker  pochen, 
insbesondere  aber  im  Leben  der  indo-europäischen  Rasse,  sollten  diese 
spartanische  Erziehungsart  mit  der  Erziehungsart  bei  den  oben  angeführten 
Völkern  vergleichen.     Am  allerwenigsten  würde  ein  solcher  Vergleich  diese 

1)  Wem,  VI,  S.  786.  2)  Klemm,  I,  S.  291. 

3)  Schoemann,  Griecb.  Alterthümer,  I,  S.  265. 

4)  Schoemaniit  Oriechische  Alterthümer,  I,  S.  266—267.  5)  Idem,  S.  267. 


809  M.  KuHscher: 

t$ohlü8S6  fördern,  denn  die  Uebereinstimmung  in  der  Behandlung  der  Kinder 
bei  den  Spartanern  und  den  sogenannten  wilden  Völkern  ist  überraschend. 
Aber  diese  sogenannte  spartanische  Erziehungsmethode  finden  wir  überall 
in  Europa  im  Mittelalter. 

Von  der  Erziehungsmethode,  die  im  Mittelalter  gebräuchlich  war,  er- 
zählt der  heilige  Augustinus  aus  eigener  Erfahrung:  Man  gab  „mich  in  die 
Schule^  um  mich  in  den  Wissenschaften  zu  belehren,  deren  Nutzen  ich 
Armer  nicht  einsah,  während  ich  doch  Schläge  bekam  .  .  .  Das  hatte  den 
l^ifall  der  Aeltem;  und  Viele,  die  vor  uns  diese  Lebensart  (d.  h.  das  Ler- 
nen) erwählt,  hatten  uns  den  mühevollen  Weg  bereitet;  wir  mussten  ihn 
gehen  unter  einer  Pein  und  MühsaK  die  den  Kindern  Adams  noch  yer- 
vielfacht  w^r^.  Im  weiteren  Verlauf  seiner  Erzählung  kommt  der  heilige 
Augustinus  wieder  darauf  zurück,  dass  die  Aeltem  zu  lachen  pflegten  über 
die  ^Martern,  die  uns  Knaben  von  den  Lehrmeistern  angethan  wurden  .  .  . 
Es  ergötzte  uns  das  Spiel,  und  das  wurde  an  uns  von  denselben  gestraft, 
welche  ohne  Anstand  dasselbe  trieben.  Aber  die  Kurzweil  der  Alten  nennt 
man  Oeschäfte;  thun  die  Knaben  dasselbe,  ao  werden  sie  von  jenen  ge- 
züchtigt** 0- 

Auf  die  Kinderzucht  im  Mittelalter  wirft  auch  die  Kaiserchronik  ein 
Tiicht.     Dort  heisst  es: 

Da  sprach  der  König  hehre. 

Nun  vernehmet  meine  Lehre: 

Wer  den  Besen  dem  Leibe  des  Sohnes  entzieht. 

Der  hasset  und  schadet  dem  Sohn. 

Zucht  und  Furcht  ist  gut'). 
Und  weitex  heisst  es  in  derselben  Chronik: 

Meine  Kinder  müssen  werden  bezwungen 

Mit  Frost  und  auch  mit  Hunger, 

Mit  Nöthen  und  mit  Arbeit 

Ueberwinden  sie  so  die  Kindheit 

Dann  ehret  ihre  Weisheit  das  Reich''*)- 
Dieser  Zucht  wurde  das  ganze  Mittelalter  unterworfen,  gleichviel,  ob 
sie  reich  oder  arm  waren.  Diese  Zucht  war  ^hart,  streng,  mönchisch-finster. 
Die  Ruthe  war  das  allgemeine  Strafinstrumeni.  Fasten  und  Kasteien  ge- 
hörten zu  den  Schulstrafen '^^).  In  der  sogenannten  Pariser  Universität 
^bestand  eine  sehr  gewöhnliche  Strafe  in  Ruthenstreichen,  die  dem  Schul- 
digem auf  den  entblössteu  Rücken  in  Gegenwart  des  Rectors  und  der  Pro- 
oumtoren  gegeben  wurvlen;  und  diese  Strafe,  die  schon  im  Jahre  1200  als 
bekannt  vorausgesetzt  wird  und  die  im  ..XV.  JahHiundert  noch  sehr  ge- 
wöhnlich war«  wurde  nicht  nur  an  Scholaren,  sondern  selbst  an  Baccalaureen 
voUiofii*n'**\ 

Ueber  die  Erziehung:  in  einem  Pariser  Colle«ium.  wo  Erasmns  seine  Ju- 

Seud  zugebracht  hat«  haben  wir  einen  Bericht  desselben,  der  ans  dem 
ahre  14^¥  stammt:  ^Das  La|£:er  war  hart  die  Speisen  so  schlecht  und 
kärglich«  die  Arbeit  mit  dem  Nachtwachen  so  beschwerlich,  dass  viele  sehr 
begabte  «IClnglin^^  in  den  ersten  Jahren  ihres  dortigen  Aufenthaltes  starben, 
oder  blind«  wahn:!dnnig«  aus^äuig  wurden  Dabei  wurde  die  Strafe  in 
Peitschenhieben  mit  Henkerstrenge  volliogen~*\  In  rinem  Manoacript  vom 
Jahre  KV^O  wird  u.  A.  berichtet^  dass  in  dem  bekannten  engtischen  Eton- 
OoUe«e  Frt>itag  ein  Ta«  der  Züchtigung  w^ir  —  fiogging  day*).  In  der 
tnitteklterlichen    Behandlung   der  Ju^^   finden  wir  üso  die  beoden  Rich- 


te Sohmiai,  i»<!Khvh:*  0^  rüj^.v*.  H.  .Cc;b?r'  IST4  Sw  11— «X 

i^  ivWii.  u.  s.  i::si     >^  i>w«.  IL  >i.  j:^     r  li«.  n  s.  la    i)  ä«l,  s.  424. 


Die  Behandlung  der  Kinder  in  der  Jugend.  203 

tangen,  das  sogenannte  Abhärtungssystem  einerseits  wie  das  Iso- 
lirangswesen  andererseits  vertreten.  Das  Isolirungssystem  der  Jugend, 
das  Entfernen  derselben  aus  dem  Schoosse  der  Gesellschaft  vor  der  Puber- 
tät haben  wir  schon  bei  den  wilden  Völkern  gesehen.  Dieses  System  ist 
eine  Nachahmung  des  Aussetzungsprocesses.  Im  Mittelalter  findet  diess  von 
einer  früheren  Zeit  vererbte  Syqtem  eine  neue  Stütze  in  dem  Umstand,  dass 
die  ganze  damalige  Wissenschaft  sich  in  den  Klöstern  concentrirt  und  dass 
die  ganze  Wissenschaft  in  lateinischer  Sprache  vorgetragen  wird.  Die  Kin- 
der, Knaben  wie  Mädchen  mössen  ins  Kloster  gehen,  um  ihre  Studien  zu 
machen.  Sie  werden  also  ieolirt.  Dort  treiben  sie  Griechisch  und  Latein 
und  sind  daher  bei  der  Rückkehr  in  ihre  Heimath  von  ihrer  ganzen  Um- 
gebung entfremdet.  Sie  erscheinen  als  ganz  neue  Persönlichkeiten,  als 
Wiedergeborene,  die  mit  der  früheren  Kindheit  in  geistiger  Hinsicht  keine 
Aehnlichkeit  haben.  Die  von  alter  Zeit  vererbte  Aussetzungstendenz,  die  in 
der  Erziehung  lag,  hat  also  dazu  mitgewirkt  die  Kluft  zwischen  Schule  und 
Leben,  zwischen  Lehrgegenständen  und  Lebensbedürfnissen  auszubilden. 
Die  Schule  hatte  ursprünglich  keineswegs  den  Zweck,  den  Knaben  für  das 
Leben  vorzubereiten,  sondern  einen  neuen,  nicht  dagewesenen  Menschen  zu 
schaffen«  Erst  allmählich  haben  die  Mord-  und  Aussetzungsprocesse  sich  zu 
Erziehungsmethoden  ausgebildet. 


Besprechungen. 


Proceedings  of  tbe  Royal  Geographica!  Society.     Mai  1883,  London, 

mit  .Notes   on   the  Central  Provinces   of  Colombia*,  durch  Bobert  Blake  White,  der  durch 
seinen  langen  Aufenthalt  dort  am  sachTerstindigsten  darüber  zn  berichten  Termag.        A.  B. 


Ploss:  Das  Kind  in  Brauch  und  Sitte  der  Völker.     Berlin,  1882. 

Eine  der  monographisch  grundlegenden  Arbeiten,  wie  sie  nnter  der  Masse  des  sich  an- 
sammelnden Materiars  für  Concentrirung  auf  die  einzelnen  Gesichtspunkte  der  Ethnologie 
jetzt  als  nichste  Aufgabe  gestellt  sind.  Und  keine  günstigere  Fügung  konnte  eintreten,  als 
dass  sie  sogleich  in  solch'  musterhafter  Weise  in  Angriff  genommen  ist  Ton  einem  Altmeister 
unserer  jungen  Wissenschaft,  die  auch  von  ihm,  aus  der  Wiege  zu  heben,  thitig  mitgeholfen 
worden,  und  die  er  noch  Unge  dorch*s  Leben  begleiten  möge,  gleich  dem  Kinde,  dessen  Leben 
er  uns  ton  der  Wiege  an  erzählt.  A.  B. 

Revue  de  Thistoire  des  religions.     Tome  III.    Paris  1881. 

Neben  kritischen  Besprechungen  und  Mittheilungen  finden  sich  selbstst&ndige  Artikel  Ton 
Maurice  Yerues  (dem  Herausgeber),  Lenormant.  Nicolas.  Perrat,  Tiele,  BeauToit, 
BoQohe-Leclerq.  A.  B. 


M.  Bailand:  Ein  altes  Straussenei.     Journal   de  Medec.  et  de  Pharmac  de 
TAlgerie.     Ootober  1S81. 

In  der  Umgebung  ton  ChercheK  dem  römischen  Casjrea.  dem  alten  Jol  —  unter  Juba, 
Hauptstadt  tou  MaQr>(Unien  —  finden  sich  lAhIrfiche  Rainen.  Im  Jahre  1878  entdeckte 
mau  beim  Umarbeiten  des  Bodens  ein  Columbariom  acd  in  diesem  neben  Medaillen  ans  der 
/.eit  der  Antv^nioe,  neben  Münien«  Vis^n  nach  Art  der  schwarzen  Töpferwaare  ron  Aretiam 
und  meuKhlicheu  Gebeinen,  welche  Spuren  ier  Verbremnucg  trugen,  zwei  Stransseneier, 
von  denen  das  eine«  ausser  einem  !^ — T  «in  ärtvxs^n  Lc<he  an  eicer  seüier  Spitzen  intakt,  das 
andere  terbtoohen  war.  IVr  Verfasser  ▼ervr'iofc  üe  chemische  Beschaffenheit  der  antiken  E- 
fra^^mente  mit  denen  eine«  hiscben  $;raus$ene:e<  aus  Siiiljcerien.  IHe  Dicke  der  Schale  be- 
trag bei  beiden  :i  aun.  Pie  Aussen-  und  Incen^icbe  de»  altes  hatte  jedoch  Glani  und  Glatte 
verloren  und  erschienen  ruoilig.  ihclich  wie  Bisccii-PorcelUn.  Das  alte  Kcsle  sick  anaser- 
ordentlich  schnell  in  verduccter  SalRs4ui«.  d&s  frische  «ranx  lacgsam.  Die  wwtew  Unter- 
schiede stellen  sich  folgendermaasjien  .iar: 

Ahe  Eis^-hilf.        Frisch  EiKkale. 

Dkhte  t^i  ÄV       ■    2.^g^  2314 

K.^hlensauiw  Kalk    .    .  .  i4.14  ?lW 

Kohlensaure  Magneisia  .         .         vX»^  2.05 

rh^>sph<Mr«atti«r  Kalk 1.5e  iXTö 

Oririni^he.  schwe^Ibalti^  Ma:er>  ;:vOo  -U» 

Wasser OJ.^  aiS 

Verlust .    i\I5  OgS 

L.  Lewin. 


XIII. 
lieber  weisse  Papuas. 

Von 
Dr.  Otto  Flnsch  in  Bremen. 


W&hrend  meines  Aufenthaltes  an  der  Sudostkuste  Neu  Guineas  traf  ich 
zum  ersten  Mal  Eingeborene  von  so  heller  Hautfarbung  \i^ie  Europaer,  die 
ich  deshalb  als  „weisse  Papuas^  und  nicht  als  „Albinos^  bezeichne,  weil 
ihnen  der  Hanptcharacter  reiner  Albinos,  nämlich  die  röthUchen  Augen, 
fehlten.  Auch  waren  die  betreflfendcn  Personen  nicht  tagblind,  wie  echte 
Albinos,  sondern  konnten  vollkommen  gut  sehen.  Von  irgend  einer  Ver- 
mischung mit  weissem  Blute  kann  bei  keinem  dieser  Individuen  nur  entfernt 
die  Rede  sein.  Ich  traf  überhaupt  nur  einen  Mischling  von  einer  Papua- 
motter  und  einem  weissen  Vater:  ein  kleines  Mädchen,  welches  sich,  wie 
alle  Mischlinge  von  Weissen  und  Farbigen,  sogleich  als  solcher  erkennen 
liess.  Das  blonde,  schlichte  Haar  dieser  weissen  Papuas,  die  ohne  Zweifel 
in  die  Kategorie  des  Albinismus  gehören,  hat  nichts  mit  einer  muthmasslichen 
Vermischung  mit  Weissen  zu  thun,  da  solches  Haar  öfter  bei  reinen, 
dunklen  Papuas  in  Neu  Guinea  vorkommt. 

Indem  ich  die  Resultate  meiner  Untersuchungen  hier  folgen  lasse,  will 
ich  noch  erwähnen,  dass  die  Eingeborenen  diesen  weissen  Individuen  keiner- 
lei besondere  Beachtung  schenkten,  obwohl  die  Hautfärbung  des  weissen 
Mannes  noch  immer  ein  Gegenstand  ihrer  Aufmerksamkeit  und  Bewunderung 
war.  Sie  haben  keinen  Eigennamen  für  solche  weisse  Individuen,  sondern 
bezeichnen  sie  nur  mit  „uro-uro'^  d.  h.  „weiss^.  Auch  haftet  an  solchen 
Personen  keinerlei  Aberglaube,  Abscheu  oder  Verachtung,  wie  dies  in 
einem  Falle  von  Melanismus  bei  weissen  Eltern  wahrscheinlich  eintreten 
wurde. 

Ich  beobachtete  sonst  nur  noch  einen  Fall  von  Albinismus  in  der  Süd- 
see und  zwar  an  einer  Maorifrau,  im  Gefolge  des  Königs  Tawihao  in  Waikato. 
Ich  hielt  sie  anfanglich  fQr  eine  Europäerin,  fand  aber,  und  die  eingezogenen 
Erkundigungen  bestätigten  es,  dass  sie  eine  Vollblut-Maori  war.  Sie  hatte  ganz 
hellblondes  Haar  und  etwas  blöde  Augen,  die  das  helle  Sonnenlicht  nicht  gut 
ertragen  konnten,  —  eine  Eigenthümlichkeit,  die  ja  f&r  Albinos  als  typisch  gilt. 

UiXMhrilt  ßr  Bthnolofle.    Jahrg.  1998.  14 


206  Otto  FiDSch: 

Albino  No.  1.  Ewarlnam,  kräftig  gebauter,  starker  Mann  von  gewöhn- 
licher Mittelgrösse,  ca.  30 — 32  Jahr  alt,  aus  dem  Fischerdorfe  Hula  in  Hood- 
Bai.    (Hierzu  Gesichtsmaske  No.  171.) 

Höhe  1,61  c/n;  Brustumfang  93  cm;  Längsaxe  des  Schädels  182  mw.  — 
Hautfarbung  so  hell  als  die  eines  Weisen,  im  Gesicht  No.  23  (Broca),  aber 
Ohren,  Nase,  Wangen,  Brust,  Arme,  Schultern,  obere  Bauchpartie,  also  alle  am 
stärksten  von  der  Sonne  beschienenen  Theile  lebhaft  fleischroth,  weil  sonnver- 
brannt. Lippen  roth,  wie  bei  Weissen;  Scrotum  fleischroth;  Brustwarzen 
klein,  ohne  dunklen  Hof.  An  den  sonnverbrannten  Thcilen  fühlt  sich  die 
Haut  rauh  an,  an  den  übrigen  weich.  Auf  fast  allen  Körpertheilen  mehr 
oder  minder  stark,  im  Ganzen  aber  spärlich  mit  kleineren  und  grösseren, 
hell"  und  dunkelbraunen  Flecken  bespritzt.  Die  grösseren  Flecke  sind 
dunkelbraun  und  stehen  am  dichtesten  längs  der  Wirbelsäule,  obwohl  auch 
hier  die  grössten  nicht  mehr  als  6  mm  im  Durchmesser  messen;  keine  der 
Flecken  fliessen  ineinander.  Sie  haben  keine  scharf  abgesetzten  Ränder, 
sondern  die  letzteren  sind  mehr  oder  minder  ausgezackt.  Die  hellen  Flecke 
haben  ganz  die  Färbung  und  das  Aussehen  von  Sommersprossen,  und  sind 
alle  kleiner  als  die  dunkelbraunen.  Die  dunklen  Flecken  sind,  wie  erwähnt, 
am  zahlreichsten  längs  der  Wirbelsäule.  Hier  bemerkt  man  ca.  20,  von 
denen  5  auf  der  Rückenmitte  fast  einen  Stern  bilden;  auf  Oberschenkel  ca. 
8,  auf  Schultern  7 ;  im  Ganzen  sind  die  Flecke  also  spärlich. 

Augen  gelbbraun,  ungefähr  wie  No.  4,  aber  lebhaft  und  glänzend;  sie 
verrathen  keine  Spur  von  Blödigkeit,  wie  der  Mann  in  der  That  bei  hellem 
Sonnenlicht  sehr  gut  sehen  kann,  was  bekanntlich  bei  Albinos  nicht  der  Fall  ist. 

Haar  fein,  lockig,  ganz  hellblond,  wie  sogenannte  Flachsköpfe,  aber 
mehr  mit  gelbem  Schein.  Augenwimpern  hellblond;  Augenbrauenhaar  aus- 
gerissen; Bart,  soweit  derselbe  nicht  ausgerissen,  hellblond;  Arme  und  Beine 
mit  kurzem,  feinkräusligem,  ganz  hellblondem  Flaumhaar  ziemlich  dicht  be- 
setzt, was  aber  wegen  der  hellen  Haut  nicht  deutlich  sichtbar  ist,  auf  Brust 
und  Rücken  kaum  bemerkbar.  Scham  mit  hellbraunem,  kräusligem  Haar 
bewachsen. 

Die  Physiognomie  dieses  Papua  ist  ganz  europäisch,  trotzdem  aber  von 
irgend  einer  Blutsvermischung  nicht  die  Rede. 

Ich  untersuchte  diesen  Mann  wiederholt  und  zog,  als  ich  nach  Hula  kam, 
eingehende  Erkundigungen  über  die  Familie  ein. 

Die  Eltern  von  Ewarinam  sind  beide  dunkel.  Der  Vater  ist  ein 
kräftiger  Mann,  anscheinend  im  Anfang  der  50er  Jahre;  Hautßlrbung  etwas 
heller  als  No.  29;  Haar  schwarzbraun  mit  helleren  Enden;  Augen  dunkel- 
braun, etwa  wie  No.  3.  ^— 

Der  Bruder  dieses  Mannes  ist  ebenfalls  dunkel,  zwischen  No.  29  und  30. 

Die  Mutter  ist  etwas  dunkler  als  ihr  Mann,  mehr  zu  No.  28  hinneigend. 

In  der  ganzen  Familie  war  kein  Fall  von  Albinismus  bekannt;  die  3 
übrigen  Eander  dieses  Eltcrnpaares  sind  dunkel,  wie  dieses. 


Ueber  weisse  Papaas.  207 

Die  Frau  von  Kwarinam  war  eine  kräftig  gebaute  Frau  von  ca.  25  Jah- 
ren, etwas  heller  als  No.  29  gefärbt;  Haar  schwarz,  schlicht;  Augen  dunkel. 
Mit  dieser  Frau  hatte  Kwarinam  zwei  Kinder: 

1.  ein  Mädchen,  ca,  4— 5  Jahre  alt;  dunkel,  zwischen  No.  29  und  30, 
im  Gesicht  etwas  heller;  Haar  dunkelbraun,  an  der  Eudhälfte  blond,  in 
langen,  schmalen  Locken;  Lippen  hübsch  blassroth;  Augen  dunkel. 

2.  einenKnaben,  ca.  2  Jahre  alt,  kaum  heller  als  die  Schwester;  Haar- 
farbung  ebenso,  aber  fein  lockig;  Augen  dunkel.  — 

In  demselben  Dorfe  (Hula)  lebte  ein  zweiter  Albino,  der  übrigens  in 
keinerlei  Familienbeziehung  zu  Kwarinam  stand  und  in  dessen  Familie  eben- 
falls kein  weiterer  Fall  von  Albinismus  bekannt  war.  Seine  Eltern  waren 
beide  dunkel. 

Albino  No.  2.  Kräftig  gebauter  Mann  von  ca.  28— 30  Jahren.  Fär- 
bung ganz  wie  bei  Kwarinam,  ebenfalls  sommersprossenartig  dunkel  ge- 
sprenkelt, aber  weit  weniger;  Haar  hellblond,  eine  zarte,  weiche  Wolke  bil- 
dend; Augen  wie  beim  vorigen. 

Der  Mann  war  auf  einem  Auge  blind,  konnte  aber  auf  dem  anderen,  auch 
bei  Sonnenlicht,  vollständig  gut  sehen. 

In  dem  zu  dem  grossen  Dorfe  Keräpuno  in  Hood-Bai  gehörigen  Fischer- 
dorfe  Alt-Hula,  von  Hulaleuten  bewohnt,  die  vor  der  Zerstörung  des  Dorfes 
hier  siedelten,  traf  ich  zwei  weitere  Albinos,  Kinder,  von  dunklen  Eltern, 
die  ausserdem  zwei  dunkle  Kinder  hatten.  Weder  in  der  Familie  des  Vaters, 
noch  in  der  der  Mutter  sind  Fälle  von  Albinismus  vorgekommen. 

Der  Vater  war  ein  kräftiger  Mann  von  ca.  35— 40  Jahren;  Hautfär- 
bung wie  No.  29;  Haar  schwarz,  groblockig  mit  braunen  Spitzen.  Augen 
dunkel. 

Die  Mutter  ca.  30 — 32  Jahr  alt,  hatte  dieselbe  Hautfärbung,  wie  ihr 
Mann;  Haar  ganz  kurz  geschoren,  schwarz.     Augen  dunkel. 

Die  Kinder  dieser  Eltern  waren  nach  dem  Alter  folgende: 

1.  ein  Sohn,  ca.  16  Jahr  alt,  unbedeutend  heller  als  die  Eltern,  zwischen 
No.  29  und  30. 

2.  Albino  No.  3,  eine  Tochter,  ca.  9  Jahr  alt.  Schlank  gewachsenes 
hübsches  Mädchen,  das  ihrer  Mutter  bereits  über  die  Achsel  reichte.  Haut- 
farbung  No.  23;  auf  den  der  Sonne  ausgesetzten  Theilen,  namentlich  Brust 
und  Knieen,  stark  roth  tingirt;  die  vom  Grasrock  bedeckten  Theile  so  hell 
i^ie  der  übrige  Körper;  etwas  sommersprossenartig  dunkel  gesprenkelt.  Haar 
schlicht,  hellblond.  Augen  hellbraun  (zwischen  No.  3  und  4);  das  Kind 
konnte  auch  am  Tage  sehr  gut  sehen. 

3.  ein  Sohn,  ca.  7  Jahre  alt;  dunkler  als  der  Vater  fast  wie  No.  28;  Haar 
lockig,  dunkelbraun  mit  hellen  Enden. 

4.  Albino  No.  4,  ein  Sohn,  ca.  5  Jahre  alt;  Hautförbung  genau  wie  bei 

der  Schwester  (No.  3),  ebenfalls,    aber   äusserst   wenig  dunkel  gesprenkelt 

14» 


208  Otto  Fiosch:  Üeber  weisjie  Papuas. 

schlichtes,  hellblondes  Flachshaar;  über  den  ganzen  Körper  ein  zartes, 
weisses  Milchhaar;  die  langen  Wimpern  weiss;  Lippen  schön  roth,  Wangen 
zart  geröthet.  Augen  hell  gelblichbraun.  Das  Kindchen  schielte  auf  einem 
Auge,  vras  im  Ganzen  äusserst  selten  ist,  konnte  aber  sehr  gut  sehen. 

Die  Hautfärbung  dieser  Kinder  war  genau  so  hell,  wie  die  meines  Armes, 
und  sie  würden,  modern  angezogen,  auch  nicht,  was  den  Gesichtsausdruck 
anbelangt,  in  irgend  einer  Weise  von  Kindern  weisser  Eltern  zu  unterscheiden 
gewesen  sein. 


XIV. 
Zwei  Grabsteleu  von  Pesaro. 

Von 

Dr.  Ingvald  Undset  aus  Christiania. 

Hierzu  Tafel  V. 


In  seinem,  an  neuen  weittragenden  Gedanken  und  anregenden  Ideen 
80  reichen  Buche  „Ucber  die  Anfänge  der  Kunst  in  Griechenland*' 
hat  Dr.  Milchhöfer  ausgesprochen,  dass  die  etruskischen  Grabstelen  von 
Bologna  in  vielen  Hinsichten  uns  an  die  von  Schliemann  über  den  alten 
Gräbern  in  der  Burg  von  Mykenae  aufgefundenen  Grabstelen  erinnern, 
trotz  dem  grossen  chronologischen  Unterschiede,  der  stattfindet.  Diese  rühren 
aus  einer  vorhellenischeo ,  geradezu  vorhistorischen  Zeit  her,  jene  gehören 
einer  nicht  mehr  frühen  etruskischen  Epoche  an,  in  dem  Gebiete  nördlich 
des  Apennin;  und  doch  bieten  sich  für  die  Betrachtung  mehrere  Vergleichs- 
punkte dar:  in  der  Hauptform  der  Stelen,  in  der  Art  der  Bearbeitung,  in 
den  Ornamenten,  in  der  Anordnung  und  auch  im  Inhalt  der  Darstellungen. 
Bemerkenswerth  bleibt  dabei,  dass  solche  Stelen  im  eigentlichen  Etrurien, 
südlich  des  Apennin,  nicht  aufgefunden  worden  sind. 

Aof  meiner  Studienreise  durch  das  adriatische  Küstengebiet  Italiens 
kam  ich  im  letzten  Juni  auch  nach  Pesaro,  und  sah  dort  in  der  Biblioteca 
Oliveriana  die  zwei  Stelen,  die  ich  hier  veröffentliche.  Ich  gehe  sofort 
zur  Beschreibung  dieser  hochinteressanten  Denkmäler  über. 

Figur  1 — 3  auf  Tafel  V  stellen  das  grössere  Exemplar  dar,  Vorder- 
seite, Rückseite  und  Randseite.  Die  Stele  ist,  wie  man  sieht,  oben  voll- 
ständig und  dort  am  breitesten,  verjüngt  sich  nach  einem  kleinen  Absätze 
nach  unten,  ist  aber  leider  hier  abgebrochen;  was  wir  übrig  haben,  ist 
0,90  m  hoch;  die  Breite  beträgt  1,46  m  oben,  1,48  m  unten;  wie  viel  fehlt, 
lässt  sich  vor  der  Hand  nicht  feststellen.  Die  Dicke  ist  etwa  11  cm.  Die 
Steinart  ist  ein  ziemlich  weicher  Sandstein. 

Von  den  Darstellungen  auf  der  figurenreichen  Vorderseite  nimmt  zuerst 
die  Abbildung  eines  grossen  Schiffes  unsere  Aufmerksamkeit  in  Anspruch. 
Der  Kiel  läuft  vorn  wie  ein  Stachel  aus;  der  Vorderstefen  ist  hoch  empor- 
ragend, nach  vorn  gebeugt,  wie  ein  Vogelhals,  und  endet  scheinbar  als  ein 
Kopf  mit  Hörnern;    der  Hinterstefen   ist  nicht  mehr    deutlich;    das  Steuer- 


210  Ingrrald  üodset: 

rüder  ist  aber  hier  bestimmt  wahrnehmbar.  Mitten  im  Schiff  steht  der 
Mast,  mit  einem  grossen  viereckigen,  quadratisch  eingetheilten  Segel;  Taue 
laufen  vom  obersten  Rande  des  Segels  nach  beiden  Stefen.  Im  Schiffe 
sehen  wir  15  Mann,  alle  in  derselben  Stellung,  wie  sitzend,  mit  vor- 
gestreckten Armen,  rudernd,  dargestellt;  nur  in  der  Mitte  deuten  schräge 
Striche  vier  Ruder  an.  In  der  Mitte,  am  Mast,  hat  man  wahrschein- 
lich auch  eine  stehende  Figur  zu  erkennen,  die  mit  dem  Segel  beschäftigt 
ist.  Unter  dem  Schiff  sind  5  Fische  gezeichnet.  Unterhalb  des  grossen 
Schiffes  sehen  wir  zwei  kleinere  Schiffe  offenbar  im  Kampf;  sie  liegen  gegen 
einander  an,  so  dass  die  Vorderstefen  sich  kreuzen.  Die  Form  ist  im 
Ganzen  wie  die  des  grossen  Schiffes,  nur  dass  diese  kleineren  ohne  Mast 
und  Segel  sind.  Das  Steuerruder  ist  nur  bei  dem  linken  angegeben;  bei 
dem  Schiffe  rechts,  das  seine  linke  Seite  uns  zuwendet,  müssen  wir  uns 
das  Steuerruder  an  der  anderen  Seite  denken;  an  beiden  Schiffen 
scheinen  4  schräge  Striche  an  der  Schiffsseite  Ruder  anzudeuten,  wie  an 
dem  grossen  Schiffe  oben.  In  diesen  Schiffen  stehen  kämpfende  Personen: 
in  dem  links  drei  (und  hinter  diesen  vielleicht  noch  am  Ruder  eine  sitzende 
Figur),  in  dem  grösseren  Schiffe  rechts  fünf  Personen;  alle  schwingen 
Schwerter;  ob  die  runde  Form,  die  den  Körpern  gegeben,  dadurch  zu  er- 
klären ist,  dass  die  Männer  schildtragend  aufzufassen  sind,  scheint  nicht 
ganz  klar.  Links  sind  unter  diesen  Schiffen  6  Fische.  Rechts  sieht  man  vier 
schreitende  menschliche  Figuren,  die  etwas  tragen;  diese  sind  umgekehrt 
gezeichnet,  so  dass  sie  die  Füssc  gegen  den  Schiffskiel  wenden;  ihre 
Köpfe  fehlen,  indem  der  Stein  gerade  hier  abgebrochen  ist. 

Oberhalb,  vorn  und  hinten  vom  grossen  Schiff  sind  mehrere  zum  Theil 
unklare  Darstellungen.  Rechts  oben  stehen  zwei  Menschen-Paare:  die  einen 
wenden  sich  gegen  einander,  die  anderen  folgen  einander  nach;  in  beiden 
Paaren  sind  die  zwei  Figuren  durch  eine  Linie  verbunden.  Links  vom 
grossen  Schiff  sehen  wir  drei  Menschen,  die  mit  etwas  beschäftigt  sind, 
was  als  eine  grosse  viereckige  Flache,  innen  mit  parallelen  Zickzacklinien 
angefüllt,  gezeichnet  ist;  das  soll  vielleicht  ein  Netz  darstellen  und  somit 
eine  Fischerei-Scene.  Weiter  oben  eine  räthselhafte  Figur:  von  einem 
Mittelstück,  das  oben  in  3  kleine  Zungen  ausläuft,  gehen  unten  zwei  lange 
gebogene  Arme  aus.  Zu  oberst  erkennt  man  ein  Thier,  auf  dem  Rücken 
liegend,  zwei  Menschen  stehen  oberhalb;  links  davon  sind  zwei  kleine 
Thiere,  das  eine  mit  einem  langen  Schwanz;  vielleicht  Jagdscenen?  — 
Alles  ist  nur  in  Umrisszeichnung  dargestellt,  und  wie  man  sieht,  ganz  roh. 
Die  Verwitterung  des  Sandsteins  hat  viele  Linien  verundeutlicht,  so  dass 
mehrere  Einzelheiten  nicht  mehr  klar  zu  erkennen  sind. 

Die  ganze  Rückseite  ist  mit  Spiralornamenten  gefüllt,  in  eigenthümlicher 
Verschlingung,  so  dass  in  jedem  Spiralknoten  Linien  aus  zwei  Spiralen 
zusarammenlaufen  und  davon  wieder  in  zwei  andere  Spiralen  übergehen; 
echte,  wirklich  aufgerollte  Spiralen  kommen  eigentlich  nur  an  beiden  Enden 


Zwei  Grabstelen  Ton  Pesaro.  211 

der  obersten  Reihe  vor;  die  anderen  sind  nur  spiralartig  in  einander  ein- 
gehakte Doppellinien,  je  zwei  und  zwei.  Diese  Seite  des  Steins  hat  von 
der  Verwitterung  sehr  gelitten,  namentlich  an  den  Rändern;  nur  am  ober- 
sten Rande  ist  ein  grähtenförmiges  Ornament  sichtbar,  das  gewiss  diese 
ganze  Seitenfläche  einrahmte. 

An  den  Schmalseiten  laufen  ähnliche  Ornamente:  zwei  Reihen  spiral- 
artiger Doppellinien,  durch  eine  in  der  Mitte  hervortretende  Kante  getrennt. 

Dieser  merkwürdige  Stein  wurde  um  1860  ausgegraben,  4  Miglien  süd- 
lich von  Pesaro,  bei  San  Nicola  nel  Valmanente,  unter  der  Höhe  des 
Dorfes  Novilara,  oder  genauer  auf  der  halben  Höhe  der  Hebung  von  San 
Nicola  gegen  Novilara.  An  dem  Fundorte  war  früher  Wald,  jetzt  sind 
Vignen  da,  aber  die  Localität  trägt  noch  den  Namen  Selva  di  San  Nicola. 
Der  Fundort  liegt  jetzt  etwa  1  km  vom  Meeresufer  entfernt;  das  Land  ist 
aber  hier,  wie  überall  an  der  oberen  italisch-adriatischen  Küste,  stark  an- 
gewachsen, so  dass  das  frühere  Ufer  ziemlich  nahe  an  San  Nicola  lag;  der 
Weg,  welcher  von  Pesaro  nach  Fano  führt,  wird  etwa  die  ältere  Küsten- 
linie bezeichnen.  Der  Stein  lag  nur  zwei  Fuss  tief  in  der  Erde;  doch  war 
er  vielleicht  früher  tiefer,  indem  die  oberen  Schichten  bei  Wegräumung  des 
Waldes  und  Anlage  der  Vignen  natürlich  viel  umgegraben  worden.  Nach 
dem  Bericht  des  Finders  lagen  in  der  Erde  an  dieser  Stelle  vielfach  Frag- 
mente von  Thongefassen,  Menschenknochen  und  „sostanze  carbonate.^ 

Der  Stein  wurde  durch  Vermittelung  des  Herrn  F.  Odorici,  damals 
Bibliothekars  der  Biblioteca  Oliveriana  in  Pesaro,  1871  in  Bologna  während 
der  dortigen  Session  des  internationalen  archäologischen  Kongresses  aus- 
gestellt; bei  dieser  Gelegenheit  wurde  dies  Denkmal  aber  nicht  zum  Gegen- 
stand einer  Verhandlung  gemacht;  es  scheint  nicht,  dass  Jemand  damals 
eine  bestimmte  Meinung  darüber  geäussert  hat.  Allein  Worsaae,  der  an 
dem  Kongress  von  Bologna  Theil  genommen  hatte,  soll  kurz  danach  in  der 
Gesellschaft  für  nordische  Alterthumskunde  in  Kopenhagen  einige  Bemer- 
kungen über  dies  Denkmal  mitgetheilt  haben  i);  dieselben  sind  aber  nicht 
publicirt  und  der  Inhalt  ist  mir  unbekannt;  wahrscheinlich  hat  er  zunächst 
auf  die  auffallende  Aehnlichkeit  dieser  Darstellungen  mit  den  nordischen 
Felsenbildern  (Helleristninger)  aufmerksam  gemacht.  1873  hat  Odorici 
diesen  Stein  veröflFentlicht  und  abgebildet^),  ohne  aber  zu  wagen,  eine  Mei- 
nung über  Zeit  und  Stilcharakter  zu  äussern ;  er  theilt  mit,  dass  er  Abbil- 
dung an  mehrere  hervorragende  Archäologen  Italiens  und  des  Auslandes 
geschickt  habe,  aber  Niemand  habe  eine  bestimmte  Ansicht  aussprechen 
können.  Es  war  eben  zu  der  Zeit  noch  nichts  ähnliches  bekannt,  so  dass 
wir  wohl  verstehen  können,  dass  man  nicht  wusste,  wie  man  dies  Monu- 
ment   auffassen    sollte.     Indessen   scheint  die   Publikation  von  Odorici,  — 


1)  Hemoires  de  la  societe  les  antiquaires  da  Nord.     1871.    S^auces. 

2)  F.  Odorici:  Di  una  pietra  figurata,  a  forma  di  stele,  discoperta  a  Pesaro 
(in:  Oioraale  di  eradizione  artistica,  11,  1873,  Perogia). 


212  lüfrald  Undset: 

in  einer  provinziellen  nicht-archäologischen  Zeitschrift  —  unbeachtet  und 
wieder  ganz  vergessen  worden  zu  sein;  ich  halte  es  deshalb  für  nützlich, 
hier  die  Abbildungen  dieser  Stele  zu  wiederholen,  zugleich  mit  der  einer 
zweiten,  früher  nicht  publicirten  ^). 

Figur  4  auf  Tafel  V  stellt  diese  andere  etwas  kleinere  Stele  dar,  Vorder- 
seite und  Randseite.  Sie  hat  dieselbe  Form,  wie  die  erste,  oben  am  breite- 
sten, nach  unten  sich  verjüngend;  auch  sie  ist  unten  leider  unvollständig. 
Die  Breite  ist  oben  0,96,  unten  0,82  //i.  Die  Höhe  des  erhaltenen  Stückes  be- 
trägt 0,75  fn;  nach  der  Anordnung  der  Ornamente  können  wir  schliessen,  dass 
mindestens  ein  Stück  von  0,25  m  abgebrochen  isL  Der  omamentirte  Theil 
ist  also  von  etwa  1  m  Höhe  gewesen.  Dazu  kam  das  nicht  omamentirte 
Stück,  was  in  die  Erde  eingesetzt  sein  sollte.  Auch  dies  Exemplar  ist 
von  demselben  Sandstein  wie  das  erste;  die  Platte  ist  10  cm  dick. 

An  diesem  Exemplar  ist  nur  die  eine  Seitenfläche  decorirt  und  zwar 
mit  Spiralornamenten  von  Doppellioieo,  hier  in  klarer,  durchdachter  An- 
ordnung *).  In  der  Mitte  ist  ein  viereckiger  Raum  mit  drei  schrägen  Spiral- 
linien ausgefüllt,  durch  Reihen  von  kleinen  schrägen  Strichen  getrennt;  die 
zwei  leeren  Eckräame  sind  mit  Spiralschlingen  ausgefüllt,  die  ganz  an  die 
Form  der  sogenannten  brillenförmigen  Bronzespiralschliogen  unserer  prä- 
historischen Funde  erinnern.  Ausserhalb  dieser  Mittelpartie  laufen  parallel 
mit  den  Kanten  zwei  Spiralreihen.  Alle  diese  drei  Abtheilungen  der  Fläche 
sind  durch  dasselbe  grähtenförmige  Strichomament  eingerahmt,  was  wir 
auch  an  der  Rückseite  der  ersten  Stele  bemerkt  haben.  Die  Schmalseiten 
sind  mit  einer  einfachen  Spiralreibe  decorirt.  Die  Rückseite  dieses  Steins  ist 
ganz  ohne  Decoration. 

Wie  man  sieht,  sind  dis  Spiralen  an  dieser  Stele  klarer  gezeichnet 
wie  an  der  ersten;  hier  kann  man  immer  die  eine  Linie  im  Zusammenhang 
verfolgen;  die  andere  Linie  scheint  in  die  Knoten  an  beiden  Seiten  wie 
eingehakt.  Die  Eckschlingen  in  der  Mittelpartie,  von  einer  ein&chen 
Linie  gebildet,  haben  regelmässig  aufgerollte  Spiralen. 

Dies  Exemplar  wurde  um  1865  gefanden,  in  der  Nähe  von  Novilara« 
nicht  weit  von  der  Stelle,  wo  der  erste  Stein  gestanden  hatte.  Das  Grund- 
stück, wo  diese  zweite  Stele  eingegraben  war,  führt  den  Namen  La  tomba, 
weil  dort  viele  Gräber  und  Menschenknochen  gefunden  sind.  Odorici  hatte 
auch  von]^der  Existenz  dieses  Exemplars  gehört,  es  aber  nicht  gesehen,  so 
dass  er  keine  Beschreibung  oder  nähere  Nachrichten  geben  konnte ;  es  diente 

1)  Den  Abbildan^en  Fig.  1 — 3  auf  ooserer  Tafel  V  sind  die  von  Odorici  {^egebeoen 
Lithographien  ond  eine,  allerdings  sehr  massige  Photographie  za  Gmnde  geleimt  Die  Ab- 
biidang  der  zweiten  Stele  Fig.  4  ist  nach  einer  Photographie,  die  ich  in  Pesaro  dorch 
die  gütige  Vermitteloog  des  Herrn  Professor  Grossi,  des  jetzigen  Bibliothekars  der  OU?e- 
riana,  habe  anfertigen  lassen. 

2)  Man  könnte  Ticlleicht  hieraus  schliessen  wollen,  dass  diese  kleinere  die  ältere  sei; 
jedoch  kann  der  Zeit -Unterschied  nnr  so  unbedeutend  sein,  dass  man  an  diesem  Punkt  nicht 
D&ber  au  verweilen  braucht. 


Zwei  Grabstelen  Ton  Pesaro.  213 

damals  als  Tischplatte  im  Garten  des  Pfarrers  in  Novilara;  nachher  ist 
auch  dies  hochwichtige  Monument  vom  Untergang  gerettet  worden  und 
wird  jetzt  in  der  Biblioteca  Oliveriana  in  Pesaro  mit  dem  andern  auf- 
bewahrt. 

Ich  habe  jetzt  nicht  die  Müsse,  diese  zwei  Denkmäler  in  erschöpfender 
Weise  zu  besprechen;  wenn  ich  die  mehrjährige  Studienreise,  auf  der  ich 
mich  noch  befinde,  beendet  und  zu  der  nöthigen  Literatur  Zutritt  habe, 
werde  ich  darauf  zurückkommen;  speciell  werde  ich  dann  die  Schifisfiguren 
einer  näheren  Untersuchung  unterziehen,  in  ihrem  Verhältniss  zu  den 
ältesten  Scbiffsdarstellungen  auf  den  ägyptischen  und  phönicischcn  Monu- 
menten, sowie  zu  verschiedeneu  sehr  alten  Münztypen  aus  dem  inneren  Mittel- 
meergebiet, und  innerhalb  der  Gruppe  des  Kunststyls  der  Dipylon-Yasen. 
Da  ich  aber  eben  jetzt  die  Abbildungsmaterialien  bekommen  habe,  halte  ich 
es  für  wünschenswerth,  sie  sofort  zu  veröflFentlichen.  Der  Beschreibung  der 
Objecte  luge  ich  hier  nur  noch  einige  vorläufige  Bemerkungen  und  An- 
deutungen bei. 

Dass  diese  Steine  Grabstelen  sind,  ist  unzweifelhaft;  nach  den  Be- 
richten scheint  es,  als  ob  zugleich  Gräber  an  den  Fundstellen  aufgedeckt 
worden  sind,  von  deren  Inhalt  aber  leider  nichts  erhalten  worden  ist. 

Wir  können  verstehen,  wie  vor  10 — 12  Jahren,  als  Odorici  die  erste 
Stele  einigen  Archäologen  in  Abbildung  vorführte,  man  nichts  damit  an- 
zufangen wusste.  Dank  den  Funden  Schliemann's  in  Mykenae  ist  uns 
jetzt  eine  neue,  reiche,  grosse  Culturgruppe  erschlossen  worden,  die  unseren 
Gesichtskreis  über  die  ältesten  Verbindungen  der  Völker  im  inneren  Mittel- 
meergebiet und  ihre  Culturbeziehungen  im  ungeahnten  Grade  erweitert  hat; 
mehrere  Forscher  sind  jetzt  ernstlich  an  die  Arbeit  gegangen,  diese  Gruppe 
zu  durchforschen,  ihren  Ursprung  und  ihre  Entwickelungsgeschichte  näher 
ans  Licht  zu  rücken. 

Jetzt  ist  es  nicht  mehr  schwer  zu  erkennen,  dass  diese  zwei  Grab- 
stelen in  nächster  Beziehung  zu  der  Gruppe  der  mykenischen  Alterthümer 
stehen.  Die  Spiralornamentik,  die  Weise  wie  an  der  Rückseite  der  ersten 
Stele  mehrere  Spiralknoten  mit  einander  verbunden  sind,  die  Art  der  Arbeit, 
indem  die  Linien  in  ganz  niedrigem  Relief  herausgearbeitet  sind  ^),  endlich 
auch  die  Hauptform,  —  Alles  erinnert  uns  bestimmt  an  die  ^ykenae- 
Gruppe,  während  wir  sonst  nichts  Aehnliches  kennen.  Die  figürlichen  Dar- 
stellungen auf  der  Vorderseite  des  grösseren  Steines  werden  wohl  noch 
ziemlich  alleinstehend  innerhalb  dieser  Gruppe  sein;  die  Zeit  wird  aber 
ho£Pentlich  mehr  ähnliches  Material  bringen.  Die  am  meisten  ähnlichen 
Darstellungen  bieten  uns,  wie  schon  berührt,  die  nordischen  Felsenbilder 
(Helleristninger). 

Alterthümer,  die  in  näherer  Beziehung  zu  der  Mykenae-Gruppe  stehen, 

1)  "Wie  oben  bemerkt,  sind  aber  die  Figuren  an  der  Vorderseite  der  grösseren  Stele  nur 
UinrisszeicbnuDgen  mit  eingeritzten  Lioien. 


214 


fDf^Tald  ündset: 


waren  bisher  in  Italien  nicht  bekannt*).  Es  oxistirt  jedoch  nocb  ein  Stuck, 
was  in  diesem  Zusamtneti hange  vorgeführt  werden  nmss,  nriralich  der  in 
llokschnitt  1  abgebildete  Stein.  Gozzatlini  hat  zuerst  denselben  be- 
schrieben als  eine  Grabstele;  er  ist  in  der  Stadt  Bologna  selbst  ^g- 
fanden.  Die  Darstellung  ist  eine  merkwürdige:  um  eine  Süule  iu  der  Mitte 
sind  zwei  Thiere  wappenartig  angeordnet.  Der  uaterste  Tb  eil  des  Steins  ist 
abgebrochen;   scheinbar  aber   sind    die  Tbiere   an    den  Hinterfiissen    sitzend 

Hokschn.  1. 


^•VO 


1)  Ich  beniitie  diese  Gelegenheit,  um  auf  ein^n  allgemeinen  Irrthinu  aufmerksam  zu 
machen.  Im  Aotiqnitriiim  lu  Münclieii  befindet  nkh  ein  eigenthömlicbes  OelasB^  iba  all- 
gemein als  eine  Art  U:iusurne  tnif^efasst  wurde:  sieben  runde  Hütten  stehen  auf  einer  Art 
Pbttform,  die  nnf  4  Beinen  ruht,  und  umgeben  einen  offenen  Hof  in  der  Mitte  :  vorn  ist  ein 
Portal»  Miin  hat  an  einen  Pf^ihlban  jredacht.  Aussen  ist  da»  iiefä^s  mit  Spiralornamenten 
versehen.  Dieser  merkwürdige  Gegenstand  ist  bei  Linden  seh  mit,  Altertbomer,  1,  X 
lif,  Fi|^.  B  abj^ebildet  als  ein  Tbon^efüs<%  aus  Älbano;  so  wurde  nämlich  früher  im  Antit^uarinm 
tingegebfn.  Es  ist  anietzt  bei  Virehow:  Üeber  die  Zeitbestimmung  der  Haufturnen, 
Seite  7  und  13  «lederholl,  Wie  ich  aber  Tor  Kurzem  in  München  erfuhr,  hat  genauere 
Nachforschung  ergeben.  da$s  dies  ein  Irrtbntn  ist;  in  der  Ausgabe  von  1883  de.*;  Führers 
durch  d:is  K.  Antiqnarinm  iu  München^  von  W.Christ  und  J*  Lauth,  heisst  es  jeUt 
S.  25  von  diesem  Gefäss:  ^Grahcrefass  von  Topfstein,  in  einem  alten^  wahrscheinlich  kari- 
scben,  Felsengrab  der  Insel  MiJo  (Melos)  gefunden.*  Wenn  es  hier  kariach  beisst,  so  ist  das 
wobl  mit  Beziehung  auf  Koehler's  Abhandlung  in  den  MittheiL  des  archäol.  Inst,  in  Athen 
jj^eschebeUf  wo  er  die  Ansicht  tvk  begründen  versucht  hat,  dass  die  Mjkenae-Gräber  karisehen 
Seeriubero  zuiuscbreiben  sind,  —  Sicher  scheint  es  also,  dass  wir  den  Monumenten vorrath  der 
Mykenae- Gruppe  auch  mit  diesem  Topfsteingefäsa  von  Meios  ku  bereichern  habeD. 


J 


Zwei  Qrabstelen  von  Pesaro.  215 

dargestellt;  ihre  Körper  sind  längs  der  Säule  in  die  Höhe  gestreckt;  mit 
den  YordcrfÜsscn  stutzen  sie  sich  an  einem  volutenartigen  Absatz  an  der 
Säolc;  ihre  Köpfe  sind  nach  hinten  gedreht;  sie  sehen  Kälbern  am  meisten 
ähnlich.  Die  Säule  endet  nach  oben  kapital-ähnlich  und  ist  mit  einer 
palraettenartigen  Krönung  abgeschlossen.  Die  Darstellung  ist  identisch^an 
beiden  Seiten  des  Steins;  indem  der  Kucken  der  Thiere  und  die  krönende 
Palmette  zugleich  die  Contouren  der  Platte  ausmachen,  bildet  das  Ganze 
mehr  eine  Vollbild-Gruppe,  als  ein  doppelseitiges  Relief.  Brizio  hat,  glaube 
ich,  zuerst  ausgesprochen,  dass  diese  Darstellung  an  das  bekannte  Re- 
lief vom  Löwenthore  in  Mykenae  erinnere*).  Bekanntlich  sind  in  neuester 
Zeit  in  Kleinasien  zwei  ähnliche  Reliefs  entdeckt  worden,  auch  über  Thoren 
angebracht.  Nun  hat  Zannoni  mir  mitgctheilt,  dass  dieser  Stein  gefunden 
worden  ist  eben  an  der  Stelle,  wo  die  alte  „umbrische"  Stadt  gegen  den 
kleinen  Fluss  Aposa  (der  jetzt  mitten  durch  Bologna  unterirdisch  fiiesst) 
ihre  Grenze  gehabt  haben  muss,  wo  wir  also  ein  Thor  anzunehmen  haben; 
die  Stelle  ist  in  der  Nähe  der  bekannten  zwei  schiefen  mitteralterlichen 
ThQrme;  alte  Gräber  sind  erst  eine  Strecke  weiter  aussen  gefunden  worden. 
Die  Annahme  liegt  also  ganz  nahe,  dass  dieser  sculpirte  Stein  von  einem 
Thor  des  aller-ältesten  Bologna  herrührt;  die  Form,  nach  oben  sich  ver- 
jüngend, passt  auch  zur  Einfügung  in  einen  über  dem  Thore  ausgesparten 
dreieckigen  Raum,  ganz  wie  an  dem  Thore  von  Mykenae  und  den  ge- 
dachten kleinasiatischen  Thoren. 

Diese  Monumente  reichen  einander  jetzt  die  Hand  und  eröffnen  uns 
neae  hochinteressante  und  weite  Perspectiven:  Zur  Zeit  der  mykenischen 
Cultur  im  griechischen  Archipel  drangen  bereits  dreiste  Seefahrer  tief  ins 
adriatische  Meer;  an  der  Küste  bei  Posaro  haben  sie  uns  reich  dekorirte 
Grabstelen  hinterlassen,  mit  Spiralschlingen  im  Mykenae-Styl,  mit  Figuren, 
die  ihre  Schiffe  darstellen,  Scenen  von  Kampf  und  vielleicht  aus  ihrem 
Leben  an  dem  fremden  Ufer,  von  Fischeroi  und  Jagd.  Wenn  wir  fragen, 
welchem  Volke  diese  Seefahrer  wohl  angehört  haben  können,  liegt  es  ja  am 
nächsten,  an  Phöniker  zu  denken,  die  zu  der  Zeit  und  noch  lange  nachher 
die  Rolle  ausfüllten,  Handels-  und  Industrieprodukte,  Impulse  und  Samen- 
korner der  Cultur  von  Volk  zu  Volk  an  den  Ufern  des  Mittelmeers  zu 
übertragen  und  zu  verpflanzen.  Das  uralte  Thorrelief  von  Bologna  tritt  uns 
als  das  erste  Zeugniss  entgegen,  wie  auch  diese  Einflüsse  von  der  Küste 
ins  Innere  weiter  vorgedrungen  sind.  Jetzt  fällt  auch  neues  Licht  auf  die 
Analogien  der  Certosa-Grabstelen  mit  denen  von  Mykenae;  sie  stehen  einander 
nicht  mehr  so  fern:  unsere  Stelen  von  der  Küste  bei  Pesaro  fallen  in 
die  geographische  Lücke  hinein;  fernere  Funde  werden  hoffentlich  auch 
die  chronologische  mehr  füllen.  Ein  derartiger  Fund  ist  schon  im  letzten 
Jahre    gemacht:    auf  dem  Grundstück  Arnoaldi,    wo   die  Gräber    bedeutend 

1)   In  einer  Abhandlung:  Monumenti  archeulogici  della  proTincia  di  Bologna, 
enchienen  in  einer  Pablication  von  1881  des  Club  Apennino  iu  Bologna. 


216  IngTald  Undset: 

älter  sind  als  in  der  Certosa,  ist  ein  Fragment  von  einer  figurirten  Stele 
entdeckt  worden,  die  bedeutend  älter  scheint  als  die  von  der  Certosa.  In 
den  Darstellungen  zeigt  sie  auffallende  Uebereinstimmungen  mit  einer  eben- 
falls dort  entdeckten  neuen  figurirten  Situla,  die  auch  noch  nicht  publicirt, 
aber  älter  ist,  als  die  von  der  Certosa.  Diese  Stele  wird  wohl  Zannoni,  bei 
dem  ich  eine  Photographie  davon  sah,  nächstens  publiciren.  —  Die  Sitte, 
Gräber  mit  derartigen  sculpirten  Stelen  auszustatten,  ist  also  schon  in 
mykenischer  Zeit  an  die  adriatische  Euste  direct  übertragen  worden  und 
hat  dort  lange  Zeit  fortgelebt,  noch  bis  in  die  verhältnissmässig  späte  etrus- 
kische  Zeit  herunter,  gegen  das  Jahr  400.  So  wird  es  auch  verständlich, 
dass  wir  solche  Stelen  im  eigentlichen  Etrurien  nicht  wiederfinden. 

Fernere  Entdeckungen  und  Forschungen  müssen  uns  über  die  wahre 
Art  und  Bedeutung  dieser  überseeischen  Einflüsse  auf  das  norditalische 
adriatische  Küstenland  belehren,  ob  wir  nicht  nur  mit  „Cultureinflüssen'^, 
sondern  auch  mit  einem  Eindringen  von  Volkselementen  zu  rechnen  haben, 
ob  Eigen thümlichkeiten  in  der  Cultur  der  ältesten  Bologneser  Nekropolen 
auch  unter  diesem  Gesichtspunkte  aufzufassen  sind  u.  s.  w.  Die  Traditionen 
des  klassischen  Alterthums  hatten  keine  klaren  Erinnerungen  mehr  an  solche 
Vorgänge  hier;  handelt  es  sich  doch  auch  um  Verhältnisse,  die  mindestens 
etwa  ein  Jahrtausend  vor  Christo  fallen! 

Das  Erste  aber,  was  die  Forschung  auf  diesem  Punkte  erwarten  kann, 
ist,  dass  Ausgrabungen  in  den  Grundstücken,  wo  diese  Stelen  gefunden 
worden  sind,  vorgenommen  werden.  Die  Fundberichte  sprechen  ja  davon, 
dass  die  Bewohner  der  Gegend  an  diesen  Stellen  vielfach  Gräberreste  und 
Alterthümer  beobachtet  haben.  Ohne  Zweifel  werden  die  italienischen 
Archäologen  sich  in  Bewegung  setzen,  nachdem  die  Aufmerksamkeit  auf 
diese  merkwürdigen  Fundstellen  nun  hingelenkt  worden  ist. 

Einen  Punkt  will  ich  hier  noch  berühren.  Es  ist  bekannt,  dass  an 
mehreren  Orten  des  westlichen  Mittelmeers,  und  noch  weiter,  eine  Reihe 
von  grossen  merkwürdigen  Steindenkmälern  erhalten  ist,  auf  Malta,  Sar- 
dinien, den  Balearischen  Inseln,  in  Apulien,  Spanien  und  noch  weiter  bis 
Frankreich,  Irland  und  England;  mehrere  von  diesen  Monumenten  erinnern 
an  die  Tholosbauten  der  Mykenae-Gruppe,  an  anderen  finden  wir  Spiral- 
monumente, die  jetzt  unsere  Gedanken  in  dieselbe  Richtung  lenken  ^).  In 
äusserster  Reihe  kommen  auch  hier  die  Felsenbilder  der  nordischen  Bronze- 
zeit in  Betracht.  Der  alte  Nilsson,  der  Nestor  unserer  paläo- ethnologischen 
Forschungen,  hat  das  meiste  von  diesem  Material  zusammengefasst  und  für 
seine  phöuikische  Bronzezeit-Theorie  verwerthet.  In  dem  Sinne,  wie  Nilsson 
vor  50  Jahren    seine  Theorie    formulirt    hat,    wird   sie  nicht  mehr  erstehen; 

1)  Sophus  Maller  bat  auch  neuerdings  iu  einer  Abhandlung  über  die  Alterthümer 
von  Mykenae  (in  den  dänischen  Jahrbächern  von  1882)  dieses  Monumeuten-Zusammenbangs 
gedacht  und  auch  auf  die  analogen  Erscheinungen  innerhalb  der  liykenae-Cirup^e  und  der 
nordischen  Bronzezeit  hingewiesen. 


Zwei  Grabstelen  ▼on  Pesaro.  217 

weDD  wir  aber  viele  Phänomene  in  jener  fernen  Epoche,  welche  die  Bronze- 
zeit in  Mittel-  und  Nord-Europa  umfasst,  erforschen  und  erklären  wollen, 
wer3en  wir  gewiss  auch  mit  den  ausgedehnten  Reisen  und  Handelsbezie- 
huDgen  der  Phöniker  zu  rechnen  haben. 

Es  besteht  ein  äusserer  merkwürdiger  Parallelismus  zwischen  der 
aiykenischen  Culturgruppe  in  der  griechischen  Welt  und  der  älteren  nordi- 
schen Bronzezeit:  auf  beiden  Gebieten  tritt  eine  glänzende,  reiche  Cultur, 
mit  grossen  technischen  und  künstlerischen  Mitteln  auf,  um  nachher  wieder 
zu  verschwinden,  ohne  sich  in  der  folgenden  Entwicklung  fortzusetzen;  sie 
stirbt  aus,  fast  ohne  der  folgenden  Zeit  etwas  von  dem  in  technischer  und 
kOnstlerischcr  Hinsicht  Errungenen  zu  hinterlassen.  Wenn  später  die  Ent- 
wickelungen  beginnen,  die  nachher  in  der  historischen  Blüthezeit  ihre  Früchte 
setzen,  fangen  sie  so  ziemlich  von  Neuem  an. 

Ob  und  wie  ein  innerer  Zusammenhang  zwischen  diesen  Parallelen 
stattfindet,  können  wir  noch  nicht  darlegen;  unsere  Forschungen  sind  noch 
nicht  weit  genug  vorgeschritten,  unser  Material  reicht  noch  nicht  aus  und 
fehlt  gerade  vollständig  aus  dem  wichtigsten  Zwischengebiet.  Aber  einige 
Facta  können  doch  hervorgehoben  werden:  wie  noch  in  homerischer  Zeit 
Thrakien  eine  ganz  andere  Rolle  spielt,  uns  als  ein  ganz  anderes  Cultur- 
land  entgegentritt,  als  in  der  späteren  historischen  Epoche,  wo  es  halb  Bar- 
barenland geworden;  wie  Scherben  mykenischer  Thongefasse  in  Thrakien 
und  selbst  in  Siebenbürgen  gefunden  worden ;  wie  die  drei  Alterthumsgruppen, 
innerhalb  welcher  die  Spiralornamentik  eine  Hauptrolle  spielt,  gerade  die 
Mykenae-Gruppe,  die  ungarische  und  die  nordische  Bronzezeit  sind;  wie  in 
der  Ornamentik  dieser  Gruppen  schlagende  Detailübereinstimmungeu  sich 
wiederholen. 

Die  wahre  Bedeutung  dieser  Analogien  und  Uebereinstimmungen  ver- 
mögen wir  aber  noch  nicht  zu  überblicken. 

Salzburg,  15.  September  1883. 


Nachsclirift. 

Als  ich  vor  10  Tagen  diesen  kleinen  Artikel  in  Salzburg  schrieb,  ohne 
ein  Bach  bei  mir  zu  haben,  erinnerte  ich  mich  nicht  klar,  wie  es  sich  mit 
den  ältesten  Bologna-Stelen  vorhält.  Indem  ich  mich  jetzt  wieder  in 
Bologna  befinde,  supplire  ich  das  oben  Angeführte  mit  Folgendem.  Mehrere 
von  den  Bologna^Stelen,  die  kleineren  und  offenbar  älteren,  rühren  nämlich 
auch  Ton  dem  Grundstück  Arnoaldi  her;  sie  sind  meistens  ohne  Ornamente 
oder  mit  einer  einzelnen  Figur  u.  s.  w.  Unter  diesen  kleinen  Arnoaldi-Stelen 
befindet  sich  aber  speciell  ein  Stück,  welches  in  jeder  Beziehung  die  Lücke 
aosfbllt.  Auf  der  Vorderseite  ist  diese  Stele,  wie  umstehender  Holzschnitt  2 
deutlich  macht,  mit  Kreis-   und   Spiralornamenten  dekorirt,   sowie   mit  fünf 


1)  GoEiftdioi:  IntorDo  agli  Rcav»  artheoloRici  fatti  dal  Sij?.  A.  Amoaldi 
Veli»  ßülo^a  1877,  Tav.  XIII.  Fip.  7,  wooach  iiDsere  Abbildung  gemacht  ist,  mit  Correcturen 
nach  dem  Original.  i>ie  ganze  Dekoration  Ut  auch  hier  in  jß[anz  flachem  U<"Hef  gegeben 
oder  wie  tnit  hjeit  ausgearbaiteteu  Coutourlinieu  peieichnet.  Erst  wpüti  wir  uns  die  g&m& 
Fläche  ausserhalb  der  Figuren  bis  tnr  Tiefi*  der  Umrisslinien  weggemeissclt  denken^  treten 
die  Bilder  id  flachem  Relief  herror»  ^^o  ist  das  Verhältuiss  an  deu  Uykenae-Steten  und  aD 
den  am  sorgfälligsteu  ausgelübrleo  spateren  von  liologiiii. 


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Zwei  Orabstelen  von  Pesaro.  219 

and  Pesaro  und  den  bogenförmigen  von  der  Certosa.  Nachstehende  Umriss- 
zeichnung  (Holzschn.S)  stellt  die  Form  der  jüngeren  Arnoaldi-  und  der  Certosa- 
Stelen  dar.  Holzschnitt  4  zeigt  die  Form  einiger  bei  Arnoaldi  vorkommenden 
grossen  kugelrunden  Stelen  mit  Basis.  Dieselbe  Form  kehrt  auch  im  eigent- 
lichen Etrarien  wieder,  z.  B.  bei  Orvieto ,  aber  in  ganz  kleinen  Exemplaren. 
Holzscbn.  3.  Holzschn.  4. 


Man  sieht,  dass  Figur  3  und  4  dieselben  Contouron  zeigen.  Haben  dann 
die  eigentlichen  Certosa-Stelen  ihre  Platten  form  von  der  älteren  nord- 
apenninischen  Form,  die  uns  in  den  Pesaro  -  Exemplaren  und  den  ältesten 
Amoaldi-Stelen  in  der  Form,  wie  Holzschuitt  2,  entgegentritt,  ihre  Con- 
to uren  aber  von  der  auch  in  Etrurien  vorkommenden  kugligcn,  vollen 
Stelen-Form  (Holzschn.  4)  bekommen? 

Conestabile  hat  in  seiner  Abhandlung  Sovra  due  dischi  etc.  die 
Pesaro-Stelen  erwähnt,  die  Schififsdarstellungen  mit  denen  der  griechischen 
Dipylon-Yasen  verglichen  und  auf  die  angenommeneu  Eriegszuge  von  Mittel- 
meer-Völkern  nach  Aegypten  unter  Ramses  II  hingewiesen,  sie  aber  nicht 
ausführlicher  besprochen  oder  bestimmter  charakterisirt. 

In  seinem  grossen  Werke  Gli  scavi  della  Certosa  hat  Zannoni 
ebenfalls  der  Pesaro-Stelen  Erwähnung  gethan,  p.  121,  Not.  10,  und  sie  als 
wahrscheinlich  „umbrischen  Ursprungs*'  hingestellt. 

Bologna,  27.  October  1883. 


Besprechungen. 


A.  Bastian:    Amerikas  Nordwestkuste. 

Zorn  ersten  Mal  erbalten  wir  in  dem  TOrlie^nden  Prachtwerk  ein  Bild  von  der  eigen - 
thämlichen  Gultnr  der  Indianerstärame  Nordwest-Amerikas,  von  der  wir  bis  dabin  fast  nur 
durch  die  kleinere  Arbeit  Ton  Dawson  (Report  on  the  Queen  Charlotte  Islands  1878)  einige 
Kunde  erhalten  haben  und  deren  Erzeugnisse  Tor  Kurzem  in  den  europäischen  Museen  bei- 
nahe gänzlich  fehlten.  — 

Während  seines  Aufenthaltes  in  Portland  (Oregon)  war  der  berühmte  Verfasser  von 
Neuem  auf  das  betreffende  Qebiet  anfmerksam  geworden,  und  mehr  noch  wie  anderswo  drängte 
sich  ihm  die  Wahrnehmung  auf,  dass  hier  ein  hochinteressantes  Stuck  ursprünglichen  Cultnr- 
lebens  in  Gefahr  war,  verloren  zu  gehen  und  vergessen  zu  werden.  Seinen  eifrigen  Be- 
mühungen gelang  es  nach  seiner  Rückkehr,  diejenigen  Kreise  Berlins,  die  schon  mehrfach 
wissenschaftliche  Unternehmungen  durch  ihre  gern  gewährte  Unterstützung  gefördert  haben, 
für  seine  Pläne  zu  interessiren,  und  es  glückte  ihm  ferner,  in  der  Person  des  Herrn  Jakobsen 
einen  Reisenden  zu  finden,  der  mit  Geschick  und  Verständniss  die  ihm  gestellte  Aufgabe 
löste.  —  Wem  es  vergönnt  war,  die  im  vorigen  Sommer  nach  Berlin  gesandte  Sammlung  von 
ethnographischen  Gegenständen  aus  dem  Gebiet  der  Haida- Indianer  auf  den  Queen  Charlotte 
Inseln  zu  besichtigen,  wird  überrascht  gewesen  sein  nicht  nur  von  der  Reichhaltigkeit,  son- 
dern auch  von  der  verständnissvollen  Auswahl  der  Gegenstände  in  der  Sammlung,  die,  ausser 
den  noch  vor  hundert  Jahren  allgemein  im  Gebrauch  gewesenen  Werkzeugen  aus  Knochen 
und  Stein  (die  jetzt  für  die  Eingeborenen  nur  noch  als  Reliquien  Werth  haben),  alle  die 
kunstvoll  gearbeiteten  Geräthe  des  Krieges,  der  Jagd,  des  Fischfangs  und  der  Hausindustrie, 
wie  auch  die  Symbole  des  Scharaanenthums  und  die  eigenthümlichen  Wappenbilder  —  To- 
tems  —  in  einer  grossen  Mannichfaltigkeit  nmfasste.  —  Die  in  dem  vorliegenden  Werke  ge- 
gebenen prächtigen  Abbildungen  einiger  ausgewählter  Stücke  dieser  Sammlung,  welche  durch 
ausführliche  kritische  Beschreibungen  der  Herren  Dr.  Grünwedel  und  Krause  erläutert 
werden,  sprechen  in  ihrer  Vorzüglichkeit  für  sich  selbst  Was  Referent  nur  noch  nach  eigenen 
Erfahrungen  in  benachbarten  Gebieten  hervorheben  möchte,  ist  dies,  dass  diese  Sammlung, 
die  erste,  welche  einigermassen  erschöpfend  die  Cultur  des  Haidavolkes  in  ihrer  natürlichen 
Ursprünglichkeit  darstellt,  höchst  wahrscheinlich  auch  die  letzte  ist,  die  in  einer  der  Wissen- 
schaft nutzbringenden  Weise  zusammengebracht  werden  konnte.  Bis  vor  wenigen  Jahrzehnten 
hatten  die  tfaidas  und  die  benachbarten  Völker  der  Tachimsean  und  Tlingit,  trotz  des  leb- 
haften Verkehrs,  den  sie  seit  längerer  Zeit  mit  Russen  und  Engländern  unterhalten  hatten, 
ihre  Individualität  fast  unverändert  erhalten;  aber  seitdem  das  frühere  Russisch-Nordamerika 
in  die  Hände  der  Vereinigten  Staaten  übergegangen  ist,  haben  sich  die  Verhältnisse  sehr 
geändert.  Hier  und  dort  in  dem  Gebiete  entstanden  Ansiedlungen  der  Weissen,  industrielle 
Unternehmungen  wurden  gegründet.  Schulen  und  Missionen  folgten,  und  seitdem  die  regel- 
mässig an  der  Küste  nach  Norden  fahrenden  Dampfer  nicht  bloss  den  Geschäftsmann,  sondern 
auch  zahlreiche  Vergnügungsreisende  aus  S.  Franzisko  und  Portland,  die  allerorten  die  «Indian 
curiosities*'  aufkaufen,  zu  den  gletscherreichen  Küsten  Alaskas  hinaufführen,  seitdem  ist 
der  Verfall  der  alten  Sitten  und  Gebräuche  ein  so  unaufhaltsam  schneller  geworden,  dass 
ihr  völliger  Untergang  nur  eine  Frage  der  nächsten  Zeit  ist.  Von  besonderem  Einflui^s  in 
dieser  Hinsicht  ist  der  Charakter  des  Indianers  selbst,  der  die  neue  Civilisation  mit  Begierde 
aufnimmt;  er  ist  zu  klug,  um  sich  nicht  die  Ueberlegenheit  des  weissen  Mannes  einzugestehen  ; 
er  sucht  ihm  ebenbürtig  zu  werden  und  zwar  zuerst  in  Aeusserlichkeiten,  in  der  Kleidung. 
Derselbe  Indianer,  den  wir  auf  der  Jagd  in  seinem  kleidsamen  Lederkostüm  sahen,  das  seinen 
muskulösen  Körper  vortheilbaft  zeigt,  der  auf  weichem  Mokassin  geräuschlos  durch  das  Waldes- 


BeBprechongen.  2S1 

dieldcht  hindurchgleitet,  präsentirt  sich  uns  zu  Haus«  jedenfalls  in  einem  schlecht  sitzen- 
den Arbeitsanzuge  aus  dem  Laden  des  Hindiers,  mit  groben  Nägelschuhen  an  den  Füssen 
und  einem  abgetragenen  Filzhut  auf  seinem  Haupte.  Aber  nicht  nur  auf  Aeusserlichkeiten 
beschr&nkt  sich  sein  Nachahmungstrieb;  er  hockt  unter  Knaben  und  Mädchen  in  der  Schul- 
stube  des  Missionärs,  um  in  die  Geheimnisse  des  ABC  einzudringen,  er  lernt  Bibelsprüche 
answendig  und  singt  einen  Hymnus  zum  T^obe  des  Gottes  der  Weissen  mit  eben  der  Andacht 
und  Erwartung  auf  guten  Erfolg,  mit  der  er  früher  die  Beschwörungen  der  Schamanen  an- 
hörte und  im  feierlichen  Chorgesange  die  mystischen  Manipulationen  derselben  begleitete.  — 
Der  Indianer  der  Nordwestkuste  ist  nicht  zufrieden,  sein  Leben  nothdürftig  zu  fristen;  tiel- 
mebr  ist  der  Trieb  zu  erwerben  in  ihm  ausserordentlich  entwickelt,  und  dem  kann  er  nur 
«lurch  engen  Anschluss  an  die  Weissen  gerecht  werden.  Nicht  nur,  dass  er  diesen  die  Pro- 
dukte seiner  Jagd  und  des  Fischfanges  verkauft,  dass  er  den  Zwischenhändler  zwischen  ihnen 
und  den  Indianervöikem  des  Inneren  macht,  er  verdingt  sich  auch  als  Tagelöhner  zu  jeglicher 
Arbeit,  er  wird  in  den  .Ganneries*,  den  Anstalten  zur  Herstellung  von  Fischconserven  und 
Fischöl,  beschäftigt,  in  denen  er  sich  mit  allerhand  Maschinerie  und  Handwerkzeng  vertraut 
macht,  er  hilft  dem  Händler  bei  Einkauf  und  Verkauf  und  befasst  sieb  als  persönlicher 
"Diener  mit  Kochkunst  und  Aufwartung.  Dem  Prospector  —  Goldsucher  —  dient  er  als 
Führer  und  Träger  auf  Märschen  in's  unbekannte  Innere  und  vermittelt  die  Communication 
zu  den  Goldminen;  so  namentlich  in  den  sechziger  Jahren  nach  den  Caribou-M inen  am  oberen 
Fraserflusse,  in  den  siebziger  Jahren  zu  den  Cassiare-Minen,  zu  denen  der  Weg  von  Fort 
Wrangel  in  Alaska  den  Stakblnfluss  hinauf  vorzugsweise  in  den  Ganoes  der  Eingeborenen 
gemacht  wurde  und  jetzt  vom  Lynnkanal  zum  Yukongebiet  hinüber.  In  den  Goldwäschereien 
selbst,  z.  B.  in  Junean  City,  werden  sie  als  gute  Arbeiter  gern  beschäftigt.  —  Seine  altbe- 
währte Kunstfertigkeit  in  der  Herstellung  von  Schnitzereien  in  Holz,  Stein  und  Hörn  hat  der 
Indianer  keineswegs  vergessen,  aber  er  bethätigt  sie  jetzt  mehr  in  der  fabrikmässigen  An- 
fertigung von  „curiosities*'  zum  Verkauf  an  die  Händler  und  Besucher.  Dabei  hat  er  seinen 
Geschmack  mehr  nach  dem  des  weissen  Mannes  geformt;  er  giebt  seinen  hölzernen  Schüsseln 
und  Geräthen  fremde  Gestalten  und  fremde  Zeichnungen.  Die  hübschen,  dauerhaft  geflochtenen 
Körbe,  Taschen  und  Hüte  zeigen  neue  Formen  und  Muster,  auf  den  silbernen  Arm-  un^ 
Fingerreif  werden  unsere  Arabesken  eingravirt  und  die  Frauen  und  Mädchen  sticken  Blumen 
nach  den  vom  weissen  Manne  erhaltenen  Vorbildern  auf  die  zierlichen  Lederschuhe.  —  Wie 
die  alte  Kleidung  und  die  alten  Geräthe  verändert  werden,  so  verändern  sich  auch  Sitten 
und  Gewohnheiten.  Unsere  Kartenspiele  treten  an  die  Stelle  des  alten  Stabspiels,  die  Kunst, 
das  Feuerwasser  zu  brauen,  ist  dem  Wilden  nicht  mehr  fremd,  Frauen  und  Töchter  demo- 
ralisiren  im  Verkehr  mit  den  niedrigsten  Schichten  der  weissen  Gäste  und  ansteckende 
Krankheiten  bringen  das  Volk  auch  physisch  herunter. 

Der  Untergang  der  alten  Cultur  vollzieht  sich  unaufhaltsam  überall,  wo  eine  höhere 
Givilisation  eindringt;  aber  an  der  Nordwestkuste  Amerikas  verknüpfen  sich  mehrere  Ursachen, 
um  diesen  unvermeidlichen  Prozess  zu  einem  besonders  raschen  zu  machen,  Ursachen,  die  vor 
allen  EHngen  in  den  Charaktereigenschaften  der  ursprünglichen  Bewohner,  wie  nicht  minder 
in  der  Eigenartigkeit  derjenigen  Givilisation  zu  suchen  sind,  die  im  raschen  Triumphzuge 
durch  den  amerikanischen  Continent  hindurch  jetzt  in  dieses  Gebiet  gedrungen  ist.  —  Um 
so  mehr  müssen  wir  dem  hochverdienten  Forscher  Dank  wissen,  der  mit  scharfem  Blicke 
das  Rechte  erkennend,  noch  in  der  letzten  Stunde  für  die  Wissenschaft  die  Reste  einer 
untergehenden  Cultur  gerettet  hat,  deren  näheres  Studium  von  ganz  besonderer  Wichtigkeit 
für  die  Ethnographie  Nordamerikas  werden  muss.  Ehrend  müssen  wir  auch  die  Bereit- 
willigkeit derjenigen  Männer  anerkennen,  die  in  uneigennützigster  Weise  die  erforderlichen 
Mittel  zu  einem  Unternehmen  hergegeben  haben,  dessen  ausgezeichneter  Erfolg,  wie  vor- 
liegendes Werk  beweist,  die  kühnsten  Erwartungen  übertrofiTen  bat.  A.  Krause. 


Arthur    Milchhöfer.      Die  Anfange   der  Kunst  in  Griechenland.     Leipzig. 
1883. 
Dieses  interessante,  in  vieler  Beziehung  epochemachende  Werk  unternimmt  es,   gestützt 
auf  die   ältesten  Reste    der  griechischen  Kunst,  ein  Bild  des  ältesten  Culturlebens  der  vor- 
hellenischen Völkerstämme  zu  entwerfen,   zugleich   aber  auch  die  erzielten  Resultate  für  die 

Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahrg.  1883.  15 


232  EeaprechaDgea. 

Oesehicbte  der  Gesammtcultur  za  Terwerthen.  Der  Verfasser  beg^innt  mit  der  CbarakteriHirung 
der  Funde  von  Mykenae  aas  fönf,  von  Schliemann  innerhalb  der  ßarpr  im  Jabre  1876  auf- 
gefundenen  Schacbtgr&bem:  es  sind  Schmuck-  und  Geräthsachen ,  welche  die  verschieden- 
artigste Ornamentimng  zeigen.  Gerade  die  Gliederung  dieser  mannichfaltigen  Elemente,  die 
vortrefflich  angelegte  Gruppirung  der  verschiedenen  Formen  bat  dem  Verfasser  die  bedeutend- 
sten Resultate  ermöglicht.  Da  ist  in  erster  Gruppe  eine  „orientalische*' -  Richtung,  welche 
assyriscb-lgyptiscbe  Formen  bietet  und  sofort  ausgeschieden  wird,  daneben  aber  eine  zweite 
rein  ornamentale,  deren  Hauptformen  die  Spirale,  welche  auch  zu  Knauf-  und  Knopfver- 
sierungen verwendet  wird,  dann  aber  auch  die  Typen  der  Flechtung,  der  Uolzverschränkunc 
und  Webemuster  enthalten.  Diese  Gruppe  ergiebt  sich  als  eine  ungemischte  Omamentgrund- 
form,  weiche  dem  assyrisch-ägyptischen  fremd  gegenübersteht  und  als  deren  Parallelen  der 
Verfasser  die  alte  Metalltechnik  Phrygiens  und  die  Teppichmuster  an  phrygischen  Gräbern 
(speciell  am  Grab  des  Midas)  heranzieht.  Indem  der  Verfasser  in  trefflicher  Weise  die 
Stellung  der  l'hryger  zu  den  übrigen  Völkern  Vorderasiens,  ihre  Verwandtschaft  mit  den 
Armeniern  und  Iraniern  hervorhebt,  betritt  er  zuerst  den  Boden,  auf  dem  im  Verlaufe  der 
Darstellung  seine  Vergleichungen  theils  von  Kunst-,  theils  von  Cultusformen  der  arischen 
Völker  Asiens  so  interessante  Resultate  erzielen.  Die  erwähnten  zwei  Richtungen  ergänzt 
eine  dritte,  welche  aus  den  Elementen  beider  gemischt  ist,  sie  enthält  Abbildungen  von  Thieren 
des  Meeres,  —  Polypen,  zu  deren  Darstellung  die  alte  Spirale  verwendet  ist,  und  derb- 
naturalistische Wasservögel  und  -Pflanzen.  Diese  dritte,  auch  dem  Material  nach  bedeu- 
tendste Gruppe  umfasst  meist  Goldringe  oder  massivgoldne  «Schieber^,  auf  denen  äusserst 
lebendige  Scenen  von  Jagden,  Wettfahrten  und  Kämpfen,  oder  blosse  Thiei^ruppen,  in  ver- 
tiefter Arbeit,  gebildet  sind.  Damit  findet  der  Verfasser  den  Uebergang  zu  den  «Insel- 
steinen*. 

Jene  letzte  Gruppe  von  Goldschmucksachen  aus  Mykenae  steht  nämlich  im  Zusammenhange 
mit  den  Grabstelen  und  besonders  mit  den  geschnittenen  Steinen  (ebendaher  und  aus 
dem  Kuppelgrabe  von  Menidi).  Diese  Gemmen  aber  stehen  nicht  allein,  sondern  reihen  sich 
in  eine  ganz  Griechenland  vertretende  Gruppe  ein.  Kypros,  Rhodos,  besonders 
jber  Kreta,  dann  Melos,  der  Peloponnes  und  Nordgriecbenland  sind  vertreten,  daneben  aller- 
dings nur  schwach  auch  Böotien  und  Attika.  Die  Darstellungen  umfassen,  den  semitischen 
Einfluss  fast  völlig  ausschliessend,  was  die  Thierwelt  betrifft,  nur  die  europäischen  Thiere 
des  Hauses,  des  Waldes,  des  Wassers  (hier  allerdings  wohl  nur  Geflügel)  —  aus  der  ersten 
■Reihe  aber  als  das  wichtigste  das  Pferd  und  zwar  in  verschiedenartiger  Verwendung.  Diess 
Lieblingsthier  der  geometrischen  Kunst  erscheint  hier  auch  symbolisch:  .pferdehäuptige,  ge- 
flügelte, gewaltig  kräftige  Wesen,  die  ganze  Stiere  fortzuschleppen  im  Stande  sind,  zeugen 
von  dem  mythischen  Gehalte  der  Darstellungen.*  Der  Verfasser  betont  mit  Recht  die  Be- 
deutung des  l'ferdes  bei  den  Völkern  arischer  Rasse  und  bespricht  in  der  interessantesten 
Weise  mehrere  epische  Stellen,  welche  über  die  erwähnten  Wesen  ungeahnten  Auf- 
schluss  geben. 

Kr  erklärt  uns  diese  Bilder  als  die  der  ältesten  griechischen  Götter,  —  er  findet  Analoges 
in  Iran  und  bei  den  indischen  Aryas  und  entwickelt  uns  die  ältesten  Typen  der  Har- 
pyien,  der  Krinnys,  der  Gorgo,  der  Iris,  sowie  der  Kentauren  und  Satyren;  wir  erfahren  die 
Entstehung  der  Hippokampen  und  die  der  monströsen  Chimaira.  Und  dass  auch  das  Haupt- 
Htück  alter  arischer  Sage  nicht  fehle,  erscheint  auf  zwei  Gemmen  der  vom  Geier  gequälte 
Promet heusi  So  viel  Mythisches  weiss  der  Verfasser  aus  den  Darstellungen  zu  gewinnen: 
daran  anschliessend  entwirft  er  uns,  indem  er  die  Jagdeu,  Schlachten  u.  s.  w.  behandelt,  ein 
liild  dor  ältesten  griechischen  Cultur,  in  dem  Schmuck,  Bewaffnung  und  Bekleidung  be- 
Hpruchen  und  das  Resultat  gewonnen  wird,  dass  Bewaffnung  und  Bekleidung  der  Männer  nicht 
so  ganz  ausser  Zusammenhang  stehen  durften  mit  den  auf  ägyptischen  Denkmälern  der  Ra- 
nioHsidvnzeit  vorkommenden  und  so  oft  schon  in  anderem  Sinne  erklärten  Abbildungen  von 
«Völkern  doM  Nordens*,  während  in  der  Tracht  und  dem  Goldschmnck,  besonders  der  Frauen, 
Mich  deutlich  die  Verwandtschaft  mit  den  arischen  Völkern  Asiens  bis  über  Iram  nach  Indien 
hin  hcruusitellt. 

Diese  Resultate  werden  nun  auf  Grund  der  griechischen  Literatur  in  Bezug  auf  die 
ethnographische  Stellung  gewisser  Stämme  geprüft  Die  Minyer,  Leleger  und  Karer  erscheinen 
uU  «Sonderbitdungen  der  ansehen  Pelasger*,  zugleich  wird  ihr  Zeuskult,  den  man  theilweise 


Besprechungen.  223 

lum  Beweise  für  Semitismus  f^enommeu  hat,  als  arisch  in  Anspruch  genommen.  Dieser 
Kult  ist  der  älteste  und  einzige  der  Pelasger,  neben  dem  nur  noch  ein  Kult 
Ton  Dämonen  steht,  die  ihre  Entwicklung  und  feste  Fixirung  in  bestimmte 
Gestalten  erst  dem  Epos  verdanken.  Die  älteste  Culturentwicklung  im  griechischen 
Laben  gehört,  so  fährt  der  Verfasser  weiter  aus,  Kretn  an,  die  Gestaltung  der  Kunst  des 
Festlandes  (Mykenae)  ist  nar  von  dorther  abgeleitet. 

Doch  genng!  Alle  übrigen  Ausführungen,  die  sich  in  der  klarsten  und  fast  unwidersteh- 
lichen Weise  anreihen,  sollen  dem  Leser  selbst  überlassen  sein;  es  soll  nur,  um  die  Bedeut- 
samkeit dessen,  was  sie  bieten,  hervorzuheben,  erwähnt  werden,  dass  die  Galturarbeit  des 
homerischen  Zeitalters,  die  Entwicklung  fester  mythischer  Gestalten,  wie  die  Fortpflanzung 
und  Verwerthung  gewisser,  auf  mythische  Stoffe  verwendeter  künstlerischer  Typen  sich  an- 
schliessen  und  dass  endlich  noch  die  Ausführung  des  Verfassers,  auch  das  alte  Italien,  — die 
Etruskcr  dürften  vom  Pelasgerthum  nicht  gelrennt  werden,  das  Werk  zu  Ende  führt.  Es 
ist  in  der  That  schwer,  in  knrien  Worten  den  Inhalt  des  Buches  zu  charakterisiren,  da  man 
der  gewaltigen  Anregung  des  frischen  und  forsch nngsfroben  Werkes  nur  langsam  sich  wieder 
entziehen  kann.  Orünwedel. 


Oscar  Schneider.  Naturwissenschaftliche  Beiträge  zur  Geographie  und 
Culturgescbichte.  Dresden  1883. 
Ein  ungemein  interessantes  und  lehrreiches  Werk,  zugleich  vortrell'Iich  ausgestattet, 
welches  allerdings  nur  in  einzelnen  Abschnitten  die  in  dieser  Zeitschrift  vertretenen  Disci- 
plinen  berührt.  Der  Aufmerksamkeit  unserer  Leser  mögen  besonders  folgende  Abschnitte 
empfohlen  sein: 

1)  Ueber  Anschwemmungen  von  antikem  Arbeitsmaterial  an  der  Alexandriner  Küste. 
Der  Verf.  schildert  in  eingehender  Weise,  unter  Heranziehung  des  mannichfaltigsteu  literari- 
schen Stoffes,  den  Reirhthuni  eines  gewissen  Abschnittes  der  Küste  bei  Alexaudrien  an  Edel- 
steinen und  anderen  werthvollen  Mineralien,  welche  aus  den  Trümmern  der  alten  Stadt  stammen, 
und  auf  welche  schon  Hr.  Fr  aas  hingewiesen  hatte.  Von  besonderem  Werthe  für  das  Ver- 
ständniss  der  alten  Handelsbeziehungen  sind  die  Krorteningen  über  die  Herkunft  gewisser 
Edelsteine,  welche  schon  lange  den  Gegenstand  der  Untersuchung  gebildet  haben,  wie  des 
Sapphirs  und  des  Lapis  lazuli.  Der  Verf.  erwähnt  mit  Anerkennung,  jedoch  nicht  ohne  Ein- 
spruch, die  Arbeiten  des  Hrn.  H.  Fischer,  dem  gegenüber  er  geneigt  ist,  den  einheimischen 
Ursprung  mancher  Gesteine  (jedoch  nicht  des  Lasursteins)  zu  vermuthen;  er  verweist  insbe- 
sondere auf  die  mangelhafte  geologische  Erforschung  des  Berglandes  zwischen  Nil  und  Rothem 
Meer,  das  in  alter  Zeit  mit  Bergwerk-  und  Steinbruchcolonien  reich  besetzt  war,  jetzt  aber 
fast  öde  ist. 

2)  Ueber  den  rothcn  Porphyr  der  Alten  (porfido  rosso  antico).  Derselbe  stammt  von  dem 
Gebet  Duchan  (mons  Porphyrites)  in  Aegypten,  der  neuerlich  durch  Hrn.  Schweinfurth 
einer  genaueren  Durchforschung  unterworfen  worden  ist.  Ausführlich  wird  der  gesammte  Be- 
stand der  aus  dem  Alterthnm  erhaltenen  Nachrichten  und  Kunstgegenstände  dargestellt.  Es 
möge  daraus  erwähnt  sein,  dass  auch  in  Metz,  Trier  und  Bergheim  bei  Cöln  Stücke  der  Art 
gefunden  worden  sind  und  dass  die  herrlichen  Sarkophage  der  letzten  Normannen  und  der 
Hohenstaufenkönige  im  Dum  von  Palermo  derselben  Quelle  zugt^  seh  rieben  werden. 

3)  Zur  Bernstein  frage,  insbesondere  über  sicilischen  Bernstein  und  das  Lynkurion  der 
Alten.  Es  ist  dies  derjenige  Abschnitt,  welcher  die  Prähistorie  am  direktesten  berührt,  und 
zugleich  derjenige,  den  der  Verf.  mit  besonderer  Vorliebe  bearbeitet  hat.  Er  geht  davon 
aus  (S.  184),  dass  nach  Pliuius,  der  sich  auf  Nikias  beruft,  der  Bernstein  im  Altägyptischen 
(wie  später  im  Koptischen)  Sakal  heisst.  Dieses  Wort  erinnere  au  Sikolos,  wie  denn  die  Be- 
zeichnung Sukalscha  in  einer  Inschrift  Kammes'  III  auf  die  Siciiier  bezogen  werde.  Bei 
Moses  IL  30.  v.  34  werde  unter  dem  Käucherwerk  Schechelet  erwähnt.  Da  nun,  wie  er  aus- 
führlich nachweist,  in  Sicilien  Bernstein  (oder  nach  Hrn.  Helm  Retinit)  sehr  häufig  vor- 
komme, auch  in  neuerer  Zeit  viel  zu  Schmuck  verarbeitet  sei,  so  erscheine  es  in  hohem 
Maasse  wahrscheinlich,  dass  auch  schon  in  sehr  alter  Zeit  eine  Verarbeitung  desselben  statt- 
gefunden habe.    Indess  dürfte  das  Material  nicht  als  Bernstein  (succinum),  sondern  als  Lyn- 

15* 


224  BesprechüTi^n, 

kurion  \u  den  Verkehr  ^ebracbt  worden  sein.  In  der  Septua^inta  werde  das  Wort  Lesicheni 
dofch  Lynkurlnn  wiederjreiifebpn  nnd  Strabon,  der  dtis  Land  der  Lijfycr  ids  Fundort  dc*s  letzteren 
finführl,  sa|?e  aiit^dnlcklkh,  da?»  Lynkurion  aoch  Eleklnin  (^ensinnt  werde.  Wir  müssen  weg^n 
einer  pjenauer^n  Wiürdifijun^  der  sehr  ausgedehnten  BeHeisfnhnmp  auf  das  Original  verweisen, 
müchteii  aber  daranf  aufmerksam  nmcheri,  diiss  den  Au«fubmn(^en  de>(  Qrn.  Veif.  ein  em- 
pfindlicher Mangel  anhaftet,  der  gerade  für  Feine  Scbluaameiiiunij  von  der  undten  Keortt- 
niss  des  sicilischen  Bernsteins  von  grosser  Bedentung  erscheint,  nehmlich  auf  den  Manf(el 
aller  thciL»&chltcheii  Beweise  für  das  Vorkominen  pdihistoriseber  oder  ältester  hislorischer 
Fände  ans  sirili&i'hem  Bernatein.  Ich  erinnere  mich  nicht,  in  den  sicilianischen  Museen 
irgend  ein  prähistorisches  Stück  gesehen  lU  haben,  welches  auf  eiribeimische  Bemsteinhe&r* 
b«itiing  bingedeutet  hätle.  Das  Vorkommen  von  Bernstein  im  allen  Aegy pten  ist  bis  jetzt 
überhaupt  nicht  nachgewiesen,  und  es  ist  daher  die  Fm^e  wohl  erlaubt,  ob  in  der  That  das 
Wort  Sakiil,  Menn  es  wirklich  alt*ägyptisch  ist,  die  Bedeutung  von  Bernsloin  bntte.  Dass  da- 
gegen  in  jener  ziemücb  spät  historischen  Zeit,  ans  welcher  die  uns  zugänglichen  Citate  über  dss 
Lynknrion  stammen,  dies^e  Rezeicbiiung  auf  den,  durch  «eine  Fluorescenz  so  au sgei^i ebneten 
Rötioit  von  Sicilien  gedeutet  werden  kunne^  erscheint  nach  den  Ausführungen  des  Verf.  in 
der  That  möglich,  Sache  der  Philologen  wird  es  sein,  die  sprachlichen  Annahmen  des  Verlv 
einer  genatieron  Kritik  n\  unterziehen.  Virchow. 


Jokn  Anderson,  Catalogae  and  haßd-book  of  the  archacological  collectioD.s 
in  the  lüdian  Museum,  Calcutta  1883.  Part,  L  Asoka  and  Indo-Scyttian 
Galleries, 
Das  Indische  Mu&euni  in  Calcutta  wurde  lB54j  gegründet.  Den  Kern  dcäselben  bilden 
dio  arcbaolop;1scben  Sammlungen  der  Asiat ic  Society-  die  Erweiterungen  bestehen  hauplaäch- 
lieh  aus  Skulpturen  von  Bhurhnt,  aus  den  Giindhära-Basrelicfss,  aus  den  Schatten  des  Buddha 
Uayä  und  aus  Abgüssen  von  den  Tempeln  von  Orissa,  Mr.  Anderson,  ursprünglich  Zoo- 
loge, gegen  wittig  Superintendent  desJJnseums,  hat  in  Form  eines  rdsonuirenden  Katalogs  ein 
übersichtliches  Handbuch  der  indischen  Archäologie  begonnen,  {leisen  erster^  jeHsit  vorl legender 
Tbeil  die  alterten  Ahtheilnngen  des  Museums  nmfasst.  Dabei  mu^s  jerloch  bemerkt  werden, 
dass  die  Funde  ans  den  Cromlechs  von  Sudtndtpn»  sowie  die  Steingeräthe,  also  die  noch  älte- 
ren Sachen,  anderweitig  untergebracht  sind.  Nach  Mr.  Anderson  enthält  die  Astoka-Gallerie 
Skulpturen,  welche  mindestens  zwei  Jahrhunderte  vor  untrerer  Zeitrechnung  entstanden  sind. 
Darunter  steht  obenan  die  durch  General  Cunningham  aufgefundene  boddhi^tUche  Stup.i 
von  Bharbut  (in  dem  kleinen  Staate  Nagode),  deren  Einzeichnungen  wichtige  Aufschlüsse 
über  die  Bevölkerung  jener  alten  Zeit  gewähren.  Nach  dem  Verf.  war  es  eine  verhältnissmäs^ig 
kleine  Rasse  mit  mehr  kurzem,  rundem  nnd  fiiichem  Oejjieht,  gam  verschieden  von  der  grcisae- 
ren,  mehr  scharf*  und  langgesichtigen  Bevulkeiung«  webhe  jetzt  die  Gegend  bewohnt;  sie  war 
mehr  den  Uirassen  des  Plateaus  von  Centralindien^  als  einem  arischen  Volke  ähnlich.  Die 
Einzelheiten  der  Stupa  werden  in  ausführlicher  Weiae  geschildert  und  erläutert.  —  Die  zweite 
Abiheilung,  die  sog,  indoskytbische  Oallerie,  umfasset  Gegenstände,  welche  den  ersten  zwei 
oder  drei  Jabrhnnderten  der  cbristlichen  Aera  lugeschrieben  werden.  Darunter  befinden  sich 
vor  allem  Skulpturen  aus  den  Ruinen  von  Mathura  am  Jumna  (Jomanes  des  Flinius)  im 
Distrikt  von  Agra,  einem  der  ältesten  Platze  Indiens  (Metbora  bei  Arrian,  Flinius,  Ptole- 
maeus  etc).  Darin  sind  Leute  dargestellt^  welehe  mit  denen  auf  einer  noch  älteren  Stupa 
¥on  Sanchi  (p.  157)  zusammengebracht  werden;  die  Herren  Fergusson,  Beul  und  W,  Simp- 
son halten  sie  für  nördliche  „Skythen*  aus  Afghanistan  (p.  264).  Es  wird  namentlich  auf 
ihr  lockiges  (curly)  oder  wolliges  Haar  hingewiesen^  wie  es  sieb  übrigens  auch  an  den  ülteslen 
Buddha- Bildern  tindet  (p.  175).  Schon  in  jener  alten  Zeit  mü^sten  Skythen  im  Gangesthul 
gewohnt  haben,  während  die  Säkyas,  zu  denen  Buddha  selbst  gehöre,  ein  turaniscber  Stamm 
gewesen  seien. 

Diejic  Hinweise  werden  genügen,  um  zu  zeigen j  eine  wie  gross©  Bedeutung  diese  Älter- 
Ihümer  für  die  so  schwierige  Erfürscbung  der  indischen  Ethnologie  besitzen,  und  wie  viel 
Dank  wir  dem  Verf,  schulden,  dass  er  in  so  anschaulicher  Weise  die  seltenen  Schätze,  welche 
seiner  Obbnt  anvertraut  sind,  geschildert  hat.  R,  Virchow, 


Verhand-liiiigeii 


der 


Berliner  Gesellschaft 


für 


Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Redigirt 


la-vad..  TTircliOT^. 


Jahrgang  1883. 


BERLIN. 

Verlag   von   A.   As  her   &   Co. 

1883. 


Berliner  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 

1883. 


Vorstand. 

Dr.  Virohow,  Professor,  Vorsitzender. 


Stellvertreter 

dea 
Vorsitzenden. 


Dr.  Bastian,  Professor  1  9\ 

Dr.  Beyrloh,Prof.,Geh.  Bergrat  hj  v 
Dr.Rob.  Hartmaiifi,  Prof.,  erster  Schriftführer. 
Dr.  Max  Kuhn,  zweiter  Schriftführer,  Luisen- 
strasse  67,  NW. 


Dr.  Albert  Vo83,  dritter  Schriftführer,  Alte 

Jacobstrasse  167,  SW. 
W.  Ritter,  Banquier,  Schatzmeister,  Beuth- 

Strasse  2,  SW. 


Dr.  Koner,  Professor,  Obmann. 

Dr.  W.  Reiea. 

Frledei,  Stadtrath. 

Dr.  F.  Jagor. 

Dr.  G.  Fritsoli,  Professor. 


Aussoliuss. 

Dr.  Wetzstein,  CodsuI  a.  D. 

Dr.  Stelnthal,  Professor. 

Deegen,  Geh.  Regier ungsrath. 

Dr.  W.  Schwartz,  Gymnasialdirector. 


Ehrenmitglieder. 

Dom  Pedro  d'Alcantara,  Kaiser  von  Brasilien. 


Dr.  Lisch,  Geh.  Archivrath,  Schwerin,  M kl bg. 
Dr. Schott,  Prof.,  Mitglied  der  Akademie  der 
Wissenschaften,  Berlin. 


Caesar  GodefTroy,  Hamburg. 
Dr.  Heinrich  Schllemann,  Athen. 


Correspondirende 

1.  John  Beddoe,  M.  D.,  F.  R.  S.  Clifton,  I   8. 

Glocestershire.  |    9. 

2.  Huxley,  Professor,  F.  R.  S.,  London.         10. 

3.  Sven  Nilsson,  Professor,  Lund.  i  11. 

4.  Worsaae,  Kammerherr,  Kopenhagen.      ' 

5.  Graf  UwarofT,  Präsident  der  archäolo-    V2, 

gischeu  Gesellschaft,  Moskau. 

6.  Capellini,  Professor,  Bologna.  13. 

7.  Dr.  Giustiuiano  NIootuccI,  Isola  di  Sora, 

Napoli.  14. 


MitgUeder. 

Paolo  Mantegazza,  Professor,  Florenz. 
Juan  Vitanova  y  Piera,  Prof.,  Madrid. 
Francisco  M.  Tubino,  Professor,  Madrid. 
Edouard   Dupont,   Directeur  du   Musee 

royale  d'histoire  naturelle,  Bruxelles. 
Japetus  Steenstrup,  Professor,  KopeA- 

hagen. 
Sir  John  Lubbocic,  M.  V,  High  Kims, 

Farnborough,  Keot. 
Dr.  Philipp!,  Professor,  Santiago,  Chile. 


f^J 


16. 
17. 

18. 

19 

20. 
21. 

•22. 


23. 
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26. 

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29. 
30. 

31. 
32. 
33. 
34. 

3\ 

36, 

37. 

38, 

39. 
40. 


41. 
42. 

4H, 
44 

15. 


\)r,  Jnitaft  Naatt,  F.  R.  S.,  Cbristdioreb,  46. 

Dr.  med.  A.  WeittfcMfc,  ConsUotiiMfieL  47. 

Loigt  Miri,  ProfeMor,  Bologna. 

Edgar  Leopold  Layvi.  Britiaeher  Coo-   4^. 

aal,  Paia,  Braailien. 
GnaUT  Haue,  Director   des  kaukaai-  49. 

scbeo  Museuma,  Tiflia. 
RfaM,  Holündiacher  ResideDt,  Flores.   5<>. 
Dr.  um  Bwiater,  Profcasor,  Boeoos-Ajr^  51. 
Loigi  PffarW,  Capo  Sezioae  nelU  dire- 

zione  generale  dei  Masei  e  degü  Scari  52. 

del  RegDO,  Roma.  53. 

Dr.  Pcreira  ia  CMtm,  Prof.,  Lissaboo.  54. 
Dr.  Cmwimi.  Professor,  DorpaL  55. 

Aogostns  W.  FnMk%  31.  A.,  Loodoo.      56. 
V.  JwdkmM,  Schweizerischer  Gesandter, 

Wien.  57. 

Dr.  LctBMa^  Director,  Leiden,  Holland. 
Dr.  HansHMiferaiii.Reichsantiqiiar.Di-  58. 

rector  des  historischen  MuseoBs  nod 

des  MedaillencJibineta,  Stockholm.        59. 
Dr.  Carl  Rml  Washington.  D.  C. 
Conte  GioTanni  CmiKfci,  Senator.  Bo-  (SO. 

logna.  .  61. 

Stockholm. 
Professor.  Stockholm. '  62. 
\  Melboarne^.Aostralien. 
Professor.  Director  des  1  63. 

botanischen  Gartens,  Athen. 
Dr.  Georg  Zwfe^paMik  \ledicinalin$pec<  ;  64 

tor«  Astrachan. 
Oscar  Fta.  Missionär.  Ranchi.  Nagpore«  j  65. 

Ostindien.  ; 

Bror  Emil  NMaferMii.  ReichsarehiTar. ;  66. 

StookhiUm. 
A.  L,  Laraait^  Director  des  Alterthums-  67. 

Museums^  Bergen,  Norwegen. 
Dr.  J.  R.  Aaptlki>  HeMngfors.  Finland.   (^S. 
John  Evaaa.  F.  R.  S..  President  of  the  >  69. 

Numiüim.  Society,  Nash  Mills,  Herael 

Hempstoi).  ' 

SpleialtlHll,  Sohwed.  Cousul,  Smyroa.    I  70. 
Frank  GalvaH>  Amer.  Consul,  Darda-i 

Hellen,  Kleinasien.  , 

Di\  KatPtnMil,  Krakau.  |71. 

Dr  N.  VM   HiklMiio-Maolay,   Sydney,! 

AuMralien.  72. 

Alt^xaniier  CwiBiaglNiM,  Major-Geueral,   73. 

hireot.  Archaeol.  Siirvey,  Calcutta.        74. 


Dr.  Oscar 
Baron  vaa 
Baron  F.  V. 
Dr,v< 


Professor,  Director  des  Ar- 
chäologischen Cabinets,  Rrakau 

JodL  Vi«  Ltifeaaaak,  Professor,  K.  Ratb, 
Budapest. 

Geotge  M.  Wfeatlar.  Lieut.  Corps  of  £d- 
ginecrs,  Washington,  D  C. 

Dr.  F.  T.  Kay*«,  U.  S.  Geologist  io 

Charge,  Washington.  D.  C. 

J.  W.  PltM.  Major,  Washington,  D.  C. 

Franz  v.  PünU.  Director  des  Nationai- 
Moaeam,  Budapest 

Dr.  Fl.ÜMMr,  Canonicus,  Gross wardeio. 

B«ytf  W.  DawkiM,  Prof..  Manchester. 

Dr.  Dciaali.  Washington,  D.  C. 

Dr.  Wenzel  Cmfeu,  Prof., St. Petersburg. 

Dr.  OimUbl  Chefarzt  der  griechischen 
Armee,  Athen. 

A  tartraiC  Director  des  Museums  zu 
St  Germain  en  Laye. 

Don  Francisco  MaraM,  Director  des 
National-Mnsenms,  Buenos  Ayres. 

Dr.  BaJMr.  Präsident  der  Academie, 
Krakan. 

Dr.  BafiMaf,  Professor,  Moskau. 

RajaBajMiiiraLai«  HHra,  Bahadur,  Cal- 
cutta. 

John  Shartt,  M.  D.,  Rrcaud,  Sheraroy 
Hills,  Madras  Pres.,  Ostindien. 

Giuseppe  Ptazi,  Professor  und  Senator, 
Rom. 

Dr.  ErMt,  Directordes  Nationalmuseums, 
Caracas. 

F.  A.iellaepatart,  Assistant  Superinten- 
dent, Port  Blair,  Andaman  Islands. 

IfewÜM  ScfeiMler,  General  und  Telegra- 
phendirector,  Teheran. 

Dr.  V.  MMbari,  Staatsrath,  Barnaul, 
Westsibirien. 

Dr.  Ry|h.  Professor,  Christiaoia. 

Dr.  Rieh.  Sobonborgk,  Director  des  bo- 
tanischen Gartens,  Adelaide,  Süd- 
australieo. 

Prof.  Dr.  Paul  Topinard,  Generalsecretar 
der  anthropologischen  Gesellschaft, 
Paris. 

Ch.  1:.  de  Ujfalvy  de  MezS-KSvead,  Pro- 
fessor,  Paris. 

Hubrig,  Missionar,  Oaoton. 

William  Henry  Flower,  Prof.,  London. 

Dr.  med.  V.  Gross,  Neuveville,  Schweiz. 


7&.  Dr.  meü.  Qerlach,  Hotigkon^. 

76.  Pen!,  von  Hoßhstetter,  Ititentlaut  des  k.k. 

iiulurhisloriscLei]   Mudpums,   Wien, 

77,  J.  F,  Nery  Oelgado,  Att.  GeoL  Landes- 

jvufnahrae,  Lissabon. 
E.  Chantre,  Prof,  SuUdirector  des  Mu- 

5**ume,  Lyon. 
E,  OartailKaC;  Toulouse. 
80.  GiuBeppi*  Belluoci,  Professor,  Perugia. 
8L  Dr   m(*d.  Mor^elll,  Prnfeaaor,  Turin. 


78 


n 


90. 


V.  Erckert.  General,  Petrowsk,  HuBölaad. 
Friedrich  Bayern,  Tiflis. 
Dr.  Ingvaid  Undset,  z.  Z,  iß  Rom. 
Dr,  Sopbus  Müller;  Kopeubageß. 
Dr.  E,  T.  Hamy,  Paris. 
Prof.  Dr.  Giiöt.  Reülus,  Stockholm. 
K  Gulmit^  Lyon. 

J.  H,  Rlvett-Carnao,   Allahaba.U    Ost- 
indien. 
Dr,  ßütimeyer,  Profeasor,  BaaeL 


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7. 

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23. 

24. 

25. 
26. 
27. 


28, 
211. 
30. 


Abarbanell,   Dr.^  SanitiUsrath,  Berlin. 
AbfaoL  Dt,  med.,  Berlin. 
Abeklag,  l)n  med.^  Berlin. 
Acbenbach,  Dr.,  Staatsminister,  Oher- 

Präsident,  Potsdam- 
Adler,  l)r.  med.,  Berlin. 
Adolph,  Herrn..  CommerÄiejirath,  Thorn, 

Westpreussen. 
Albrecht,  P.,  Dr.,  Professor,  Königsberg, 
Alfleri.  L.,  Kauf  mim  o,  Berlin. 
Althoff.  Dr.,  G eh. -Reg.- Rat b,   Ikrli«. 
V.  Andrian,  Krhr,  Miaisterialratb,  Wien. 
Appel,  Gh.,  Dr.  pbil,  Stockholm. 
Arons,  Alb.,  Gommerziearath,  Berlin. 
Arzruni,  Dr.,  Frivatdocent,  Berlin. 
Ascherson*  P.,  Dr.,  Profeasor,  Berlin, 
Ascherson,  F.,  Dr.  pbil,  Berlin. 
Aschotr,  Dr.  med.,  Berün. 
Assmann,  Dr.  med.,   Magdeburg. 
Audouard,  Major,  Charlotteaburg. 
Awater,   Ür.  med.,  Berlin. 
Baer,  Dr.  med.,  öanitätsrath,   Berlin. 
Band.  Dr,,  Oberlehrer^  Berlin. 
Barchewitz,   Dr.,  Hauptmann,    Treptow 

bei  Berlin. 
Bardcleben,  Dr.,   Geh.  Mediclnal-Rath, 

Berlin, 
ßarnewitz,  Realgymnasiallehrer,  Bran- 
de obnrg  a/H. 
Barscball,  Dr  med.,  Berlin. 
Bartels,  M.,  Dr.  med.,  Berlin. 
Bastian ;    Dr.,  Professor,    Dircctor  der 

ethnologischen    Äbtheilung   des   Kgl. 

Museums,  Berlin. 
ßauermeUterr  A.,  Saigon,  Cochiochina. 
Becker,  Bauinspector,  Berlin. 
Behla,  Dr.  med.,  Luckau. 


Ordentüclie  Mitglieder. 

31,  Beim,  W.,  Maler,  Tempelhof  bei  Berlin. 


52.  Behrend,  BLichhändler,  Berlin. 

33.  V.  Benda,  Rittergutsbesitzer,  Berlin. 

34.  v.Bennlgaen,  Landesdirector,  Bennigsen 

bei   Hannover. 

35.  Berendt,  Dr.,  Professor,  Berlin, 

36.  Berglus,  Oberstlieutenant,  Berlin. 

37.  Bernhardt,  Dr.  med.,  Professor,  Berlin. 
3H,  Bernliardy,  Kaufmann ,  Berlin. 

39.  Bert  beim.  Stadtverordneter,  Berlin. 

40.  Beuster,  Dr.,  Sanitätsrath,  Berlin. 
4).  Beyfuss,  Dr.  med.,  Stabsarzt,  Berlin. 

42.  Beyrich,  Dr.,  Prof., Geh.  Bergrath,  Berlin. 

43.  Rogalla  von  Bleberatein,   Vorsteher  des 

Statist.  Bureau  der  N ieder seh  1,- Mark. 
Eisenbahn,  Berlin, 

44.  Biefel,  Dr.,  Sanitätsrath,  Breslau. 

45.  Blscboff^  Dr.,  Professor,  Berlin. 

46.  Blaslus,  Dr.,  Professor^  Braunschweig. 

47.  Blumenthalj  Dr.  med.,  Berlin, 

48.  BQdinus,  Dr.,  Berlin. 
40.  Beer.  Dr.  med.,  Berlin. 

ÖO.  Boehm,  Dr,,  Medicinalrath,  Magdeburg. 
61.  Boenlnger  M.,  Rentier,  Berlin. 

52.  V.  Boguslawki,  Dr.,  Berlin. 

53.  du  Bois-Reymond ,   Dr.,  Professor,  Geh. 

Medicinalrath,  Berlin, 
v^  Bork,  Kammerberr,  Möllenbeck,  Mek- 

lenburg-Strelitz. 
Bornj  Dr.,  Berlin* 

56.  V.  Brandt,  Oberst  z.  D.,  Berlin, 

57.  V.  Brandt,  Gesandter^  Peking,  China. 
V.  Bredow,  Rittergutshesitzer,  Berlin. 
B  res  lauer,  Dr.,  Professor,  Berlin. 
Bretschnelder,  Dr.,  Berlin. 
Bröalke,  Dr.  med.,  Berlin. 

I  62.  Bruchmann,  Dr.  phiL,  Berlin, 


54 


55 


5ö, 
59. 
GO. 
61. 
62. 


(6) 

63.  Briokner  sen.y  Dr.  med.,  Neu-RraDden-   105.  FiakeliiNrg,  Dr.,  Geh.  Rogieningsratb, 

bürg.  Godesbcrg  bei  Bonn. 

64.  Briokwr,  Professor,  Dr.,  Berlin.  ,  lOG.  Fisdier,    Dr.,    Marine  -  Assisteozarzt, 

65.  BwMolz,  Custos  des  Märkischen  Mu- ;  Berlin. 

seums,  Berlin.  107.  Förster,  F.,  Dr..  Berlin. 

66.  Bndezies,  Schulvorsteher,  Berlin.  108.  Frtas,  Dr.,  Professor.  Stuttgart. 

67.  BioMeMUiii,  Regierungs-Assessor  a.  D.,   109.  Friikel,  J.,  Dr.  med.,  Berlin. 

Rcichstags-Abgeordneter,  Berlin.  1 10.  Frinkel.  ßemh.,  Dr.  med.,  Berlin. 

6^,  Bitow,  Geh.  Rechnungs-Rath,  Berlin.  111.  Fraide,  Rentier,  Dessau. 

69.  V.  Bmaen,  Georg,  Dr.,  Berlin.  11^.  Friedel.  Stadtrath,  Berlin. 

70.  B«8Ch.Dr.,ünterstaatssccretair,  Berlin.  113.  Friederich.  Dr.,  Stabsarzt.  Dresilen. 

71.  Ctro,  Dr.,  Hofapotheker,  Dresden.  114.  Friedländer,  Dr.,  Berlin. 

72.  Cattai^Besitzerd. Panoptikums, Berlin.  115.  Frisch.  Photograph.  Berlin. 

73.  Cbrieteller.  Dr.  med..  Berlin.  116.  Frltsch,  Gust,  Dr.,  Professor,  Berlin. 

74.  CorM,  Schriftsteller,  Berlin.  117.  Frohihofer,  Major,  Berlin. 

75.  Cnn^,  Dr..  Proskau  i  Schles.  118.  FirstenheiM.  Dr.  med.,  Berlin. 

76.  Creaer,  Abgeordneter.  Berlin.  119.  GaertBer,  Consnl,  Berlin. 

77.  CroMT,  Dr.  Sanitatsrath,  Berlin.  120.  Gaffky,  Dr..  .Assistenzarzt.  Berlin. 

78.  Cirlh,  G.«  Dr.  med..  Berlin.  121.  GelM,  Banquier.  Berlin. 

79.  Baaes.  Dr.,  Professor,  Berlin.  122.  Geatz.  Professor,  Berlin. 

80.  Ptvidsoii.  H.,  Dr.  med.,  Beilin.  123.  Gesenias.  Stadtältester.  Berlin. 

''l.  DivMaol«,  L..  Dr.  med.,  Berlin.  124.  Gierke.  H..  Dr.,  Professor,  Breslau. 

82.  Beeflea.  Geh.  Regierunesrath.  Berlin.  125.  Götz.  Dr..  Ober-Mediciualrath,  Neu- 
>r».  Befeaer.  Amtsrichter.  Königs- Wuster-  Strelitz. 

hausen.  I2i».  GStze.  Burgermeister,  Wollio. 

84.  Beaiel.  Dr.  Assistenzarzt.  Berlin.  127.  Götze.  Ernst.  Kaufmann.  Zossen. 

85.  Boriai,  Dr..  Ober-Stabsarzt.  Berlin.  12n.  Goldschaiidt.  Leo  B.  H..  Banquier, Pari;«. 
>6.  Brieawl  jr..  Fabrikbesitzer,  Guben.  129.  Goldschaiidt.  Heinr..  Banquier.  Berlin. 
87.  Briese.  Erust.  Kaufmann.  Guben.  l3o.  Goldschmidt  Geb.. lu st izrath,  Professor, 
S*^.  Biaaebea.  Dr..  Prof.  Strassbur^  i  Eis  Beriir. 

89.  Baawat  Dr..  Berlin.  131.  Gddeticker.  Buchhänuler,  Berlin. 

90.  Medaczycki.  Graf.  Lemberc  132.  GottdaaHaer,  Dr.  med.,  Berlin. 

91.  Oell.  Dr.  med.,  Berlin.  133.  Gcslich.  Rentier.  Berlin. 

*»2.  Ehrearetdu  Dr.  med..  Berlin.  l?4.  Gossaiaan.  J..  Verlagsbuchh..  Berlin. 

'.»:».  Eade,  Professor.  B.iuratb.  Berlin.  I3ö.  Gottschau.  Dr.  med..  Wurzburg. 

V4.  Eaiel,   Dr.,  Medecin-Insp.  des  bains  136.  Grawitz.   Dr.  med..  Berlin. 

d*Helouan.  Egypten.  137.  Grenpler.  Dr.,  Sanitätsrath.  Berlin. 

9r>.  V.  Eferjesy.  K.  K.  Oestr.  Kammerherr.  138.  Greve.  Dr.  med..  Tempelhof  in  Berlin. 

Korn.  139.  Griesbach.  Or.  med..  Weissenburg  i  Eis. 

96.  ErdaMaa,  Gymnasiallehrer,  Züilichau.  140.  Gränwedel,  Dr.  pbil.,  Berlin. 

97.  EaMbarg,  Dr.,  Geheimer  Sanitatsrath,  141.  Gabitz.  Rud.,  Notar,  Berlin. 

Berlin.  142.  Gubitz.  Erich,  Dr.,  med.,  Berlin. 

98.  Ewald,  J.,  Dr.,  Professor,  Berlin.  143.  Günther,  Carl.  Phoiograph,  Berlin. 

99.  Ewald,  Ernst,  Professt^r.  Berlin.  144.  Gössfeldt  Dr.  phil.,  z.  Z.  Südamerika. 

100.  Ewald,  C.  A.,  Dr.,  Professor,  Berlin.      145.  Göterbocli.  P..  Dr.  med..  Berlio. 

101.  Falkeasteia,  Dr.,  Stabsarzt.  Berlin.         146.  Gottstadt.  Dr.  med.,  Berlin. 

102.  Fasbeader,  Dr..  Professor,  Berlin.  147.  Hagenbeck.  Carl.  Hamburg. 

lv>3.  Feldberg  in  Meklenburg  Strelitz.  An-    14^.  Hahn,  Gust..  Dr.,  Oberstabsarzt, Berlio. 

throj^^logischer  Verein.  149.  Haha,  Dr.  med.,  Director  des  Allgem. 

lOi   Felkia,  K.  W.,  Edinburgh.  Städtischen  Krankenhauses,  Berlin. 


(7) 


l  Hahn,  Dr.  m^<l.,  Stabsarzt.  Spandau, 

163,  Malberstadtj  K.iufmoDu,  Berlin, 
152.  Handke.  Rf>ntier,  ßeriiiu 

lf)3.  Handtmann,  Prediger,  Seeclorf  bei  Leo- 

len  u,  d.  Elbp. 
15)4.  Hanaemann,  Rentior^  Berlin. 
155*  Harms^  L.  Heinr.,  Lübeck, 

156.  Harseim,  Geh,  Kriegaraib,  Berlin. 

157.  Hartmann,  R-,  E)r.,  Professor»  li(*rlin. 
15H.  Martung,    Dr.,  Stabsarzt,  Trier. 

159.  V.  Haselöerg,  Dr  med,,  Berlin. 
100.  Hattwlch,   Dr.  med.,  Berliii. 
ICL  HauDhecorne;Geh.Ob.-Bergrath, Berlin, 
162.  Heifnann,  Dr.,  Redactetin  Berlin. 
IG:^.  Heintzel.  Dr.,  LFineburg, 

164.  Henning,   Prof.,  Dr.,  Strassburg  i;Els. 
I(i5.  Henoch.  Anlon^  Kaufmaßo,   Berlin. 

166.  Hermes.  0.,  Dr.,  Berlin. 

167.  Herrinann,   Reiuh.,  Fabrikant,  Guben. 

168.  Hertz,   VViUiara  D  ,  Lo ndrin. 
16H.  Heriberg.  Dr.  med.,  Berlin. 

170.  Heudtlass.  Hotelbesitzer,  Berlin. 

171.  HHgendorf.  Dr.  pbiL,  BprJio. 

172.  Hille,   Pr  med.,  Strassburg  i,Ei&ass. 

173.  HirscIiberQ,  Dr.,  Frofessorj  Berlin, 

174.  Hitiifl,  Dr.,  Professor,  Halle  a/S. 

175.  Hoffmann,  Dr.^Geb.Sanitatsratlt.  Berlin. 

176.  Hoffmann.  Landrath,  Spremberg. 

177.  V,  Holleben,  ^filliäterresideut,   Berlin. 

178.  Ho II mann,  Landgericbtsiatbj  Berlin. 
17f>.  Hörn  v  d.  Hork,  Dr,  z.  Z.  in  Hougkimg. 
li^O.  Horwitz,  Dr.,  Rechtsanwalt,  Berlin. 

181.  Hoalua.  Professor,  Münster. 

182.  Kousselte,  Dr  .  Geh.  Moii-Ratb,  Berlin. 
18:3.  Huld.  r> ,  Dr.,  Stabsnrxt,  Gnesen. 
1H4.  Humhert;  Geh.  J.egatioasrath,  Berlin. 

185.  lacob,   Dr  med.,  Roembild. 

186.  lacobsen,  Dr.  pbil.,  Beilio. 

1H7.  JacobBthal,  Professor,  Charlottenburg. 

188.  Jaffe,   Benno,  Dr.  pbii..  Berlin. 

189.  Jagor,   i\,  Dr.,  Berlin. 

l'JO.  lahn,  Rentier,   Burg  Lenzen  a  Klbe. 
191.  Jannascti,   Dr.  jur.  et  phil,   Berlin. 
1M2.  Jaquet,  Dr.,  Sanität'iratb,  Berlin. 

193.  Ideletj  Dr.  med,,  Sanitätsratb,  Dalldorf 

bei  Berlin. 

194.  lentsoh.  Dr.,  Oberlehrer,  Guben. 

195.  Jetschln,  Geh.  Calculator,  Berlin. 

196.  Joist,  Wilhelm,  Berlin. 

U)7.  Israel,  Oscar,  Dr.  med.,  Berlin, 


198.  JUrgena,  Rud.,  Dr.  med  ,  Berlin. 

199.  Junker,  Dr..  2.  Z,  in  Africa. 

200.  lunker  v.  tangegg,  Dr,  Berlin. 
*20L  Kahlbaum,  Dr.  med.,  Görlitz. 

202.  Kantecki,  Clemens,  Dr.,  Posen. 

203.  Karls.  Kaufmann.  Berlin. 

204    V.  Kaufmann,  R.,  Dr.,  Prof,,  Berlin. 

205.  Kayser,  Em.,  Dr.,  Professor,  Berlin. 

206.  Kirchhoff,  Dr.,  Professor,  Halle  a/S. 

207.  Kny,   Dr.,   Professor,  Berlin. 

208.  Koch,  Dr ,  Regierungsrath,  Berlin, 

209.  Koehl,  Dr.,  Ffeddersbeim  bei  Worma. 
210    Koehler,  Dr.  med.,  Kosten,  Prov. Posen. 

211.  König.  Kaufmann,  Berlin. 

212.  Körbin,  Dr.  med.j  Potsdam. 

21:1  Körte.  Dr.,  Geh,  Sanitätarath,  Berlin, 

214.  Koner,  Dr.,  Professor,  Berlin. 

215.  V.  KorfT,  Baron,  Oberst  a,  D.,  Berlin. 

216.  Krahmer,  Carl,  stud.  phih,  Halle  a/S. 

217.  Krause,  Ed.,  Architekt,  Berlin. 

218.  Krug, Rittmeister a.D, Jessen, Kr. Soruu. 

219.  V.  Krzyzanowski,  Probst,  Kamieniec  bei 

Wolkowo.   Posen. 
221K  Kuchenbuch,  A mtsgerichtsratb, Mijnche- 
berg. 

221.  Kiinne.  Buchhändler,  Gharlottenburg. 

222.  Küster.  Dr,,  Prof.,  Sanitütsratb,  Berlin. 
22;i  Kuhn.   M.,  Dr.  phil.,  Berlin. 

224.  Kuntze.  Dr.  phil ,  Eutritzsch  b.  Leipzig. 

225.  Kunz,   Stadtrath,  Berlin. 

226.  Kunze,  Kreisbauraeister,   Samter.  Pro- 

vinz Posen. 

227.  Kurtz,  Dr,  phiL,  Berlin. 

228.  V.  KüSserow,  H.,Geh.Leg,-Rath,  Berlin. 

229.  Laehr.  Geb.  Sanitütsrath.  Schweizerhof 

bei  Zehlendorf. 

230.  Landau,  H,,  Banquier,  Berlin. 

231.  Landau.  Dr.  med.,  Prlvatdoc,  Berlin. 

232.  Landau,  W.,   Dr.  phil.,   z  Z.  auf  den 

Philippinen. 
23:1  Lange,  Henry,  Dr.  phil.,  Berlin. 
234.  Langen,  Cupitain,  Coln  a,Rh. 
235    Langen,  Köuigl.  Baumeister,  Kyritz. 

236.  Langerbans,  Dr.  med  ,  Berlin, 

237.  Lasear^  Dr.  med.,  Berlin. 

238.  Lazarus,  Dr.,  Professor,  Berlin. 

239.  Lehnerdt,  Dr.,  Sanitätsrath,  Berlin, 

240.  Lelnlngen,  Graf  zu,  Lieut.  im  3,  Garde- 

Regiment,  Spandan. 

241.  V.  Le  Coq,  Darmstadt 


(8) 


242.  Loriw,  £.,  Elombitton    bei  Saalfeld, 

Ostpreussen. 

243.  Letter,   Ad.,  Dr.  med..  Pri?at>Ioceot, 

Berlin. 

244.  Leetier,  P.,  CodsuI,  Dresdeo. 

245.  Lewie,  Dr.,  Professor,  Berlin. 

246.  Uwie.  Dr.,  Geb.  Saoititsratli,  Berlin. 

247.  Ueke.  Dr.,  Professor,  Berlin. 
24^.  Ueke.  Professor,  Gera. 

249.  Liebeeow,  Geh.  Recbnungarath.  Berlin. 
251».  UebenuM,  Geh.  Comm.-Rath,  Berlin 
:f51.  UeberauuM,  Felix,  Dr.,  Berlin. 
252.  UebenuM,  Dr..  Profesbor,  Berlin. 
25.3.  Uebreieh,  Dr.,  Professor,  Berlin. 

254.  Uaaa,  Dr..  Professor,  Geh.  Medicinal- 

Rath,  Berlin. 

255.  Liffler,  Dr..  Assistenzarzt  Berlin. 
25G.  Leew,  Dr.,  Oberlehrer,  Berlin. 

257.  Lette«,  Dr.  pbil.,  Professor,  Berlin. 

258.  LiMei^  Dr.  med.,  Wollin. 

2.M^.  LOW,  Dr.,  ObersUbsarzt,  Beigard. 

260.  Lavtte«,  Dr.,  Generalconsul,  Berlin. 

261.  Unebvf,  MuseamsTerein. 

262.  Lttüf,  Dr.  med.,  Berlin. 

263    HafHt,  P.,  Dr.,  Professor,  Berlin. 

264.  Mertey.  O.,  Dr.  med.,  Cairo. 

265.  Maatt,  Heinr.,  Raufm.,  Berlin. 

266.  Maatt.  Jal.,  Kaufm..  Berlin. 

267.  Maratte.  Dr.  pbil.,  Berlin. 

268.  Hareard,  Ministerialdirector,  r>erlin. 

269.  Haren,  Dr.  med.,  Berlin. 

270.  Härene,  Siegb.,  Dr.  med.,  Berlin. 

271.  Härene,  Dr.,  Sanitatsrath,  Berlin. 

272.  Harifraff;  Stadtratb.  Berlin. 

273.  HarJBW  y  Tede.  Sebastian,  Or.  med., 

SeTilla. 

274.  ¥.  Harten,  Dr.,  Professor.  Berlin. 

275.  Hartbe.  Dr.,  Oberlehrer,  Beiliu. 

276.  HartiL  Dr.  med.,  Berlin. 

277    Hayer,  L..  Dr.,  Sanitaurath.  Berlin. 
278.  Haycr,  Dr.,  .Sub?arzt,  Berlin. 
27;^.  Hebfit,  Dr.,  Dürkbeim. 
29.K  Hcftzea,  Dr..  Geb.  R^g,-R*ih.  Berlin. 

281.  Hdtiea.  E.,  Dr.,  Berlin. 

282.  WmifA.  Dr.  med..  PriTatdoc.,  Berlin. 

283.  Heufcr,  Dr.  med.,  Berlin. 

281.  V.  Hereeebkewtky,  C,  Custos  am  Zoo- 
>f:.^MrLen  Ic^titut,  Petersburg. 

\  M'vritx.  Dr..  G**h.  Sanitätsratb. 


286.  Heyer  Ad.,  Buchhalter,  Berlin. 

287.  Heyer,  Geh.  Legat ionsratfa,  Berlin. 

288.  Heyer,  G.  Alf.,  Dr.  pbil.,  Berlin. 

289.  Heyer,  Hans,  Dr.,  Leipzig. 

290.  HSIIer.  Professor,  Dr..  Berlin. 

291.  Hotet,  Dr.  med.,  Berlin. 

292.  Hnb.  M ,  Dr.,  Wien. 

293.  Hibleebeek,  Gutsbesitzer.  (;r  Wachlin 

in  Pommern. 

294.  HihtaiB.  Dr  med.,  Berlin. 

295.  Heller,  L..  Dr,  Berlin. 

296.  Heiler.  O.,  Buchhändler,  Berlin. 

297.  Hiller.  Bruno.  Kaufmann,  Berlin. 

298.  Heiler,    Carl,    Dr.,    .Medicinal-Kath, 

Hannover. 

299.  Heiler-Beeck.  Berlin. 

300.  Hetzel,  Gust.,  Tbiermaler,  Berlin. 

301.  Heak,  Herm.,  Dr.,  Professor,  Berlin, 

302.  Nachtigal,  Dr..  Geueral-Consul,  Tunis. 

303.  Nagel,  Kaufmann,  Berlin. 

304.  Nathaa.  J  .  Kaufmann.  Berlin. 

305.  Nehriag.  Dr..  Professor,  Berlin. 
30t).  NewMUHi,  G..  Kaufmann,  Guben. 

307.  Neeauiyer.  Dr.,  Professor,  Wirklicher 

Admiralitätsrath,  Hamburg. 

308.  Nieaderir,  Amtsrichter,  Berlin. 

309.  NotiiBagel.  Hofmaler.  Berlin. 

310.  Oeltaer,  Fr.,  Amsterdam. 

311.  Oettea.  Subdir.d.  Wasserwerke,  Berlin. 

312.  Olsbausen.  Otto,  Dr..  Berlin. 

313.  Orth,  hr.,  Professor.  Göitingen. 

314.  Orth,  Dr.,  Professor,  Berlin. 

315.  Otborae,  Ritterguutesiuer.   Dresden. 

316.  Otke.  £..  Vereid   Makler,  Berlin. 

317.  Paechter.  Herm ,  Buchhändler,  Berlin. 

318.  Paetel,  Staitverord neter,  Berlin. 

319.  Paettch.  Job..  Dr.,  Berlin. 

320.  PalBi.  Dr.  med.,  Berlin. 

321.  Parey.  BuobbÄndler,  Berlin. 

322.  Pedell.  Dr.,  Stabsarzt,  Berlin. 

323.  Pelpers.  Dr.,  Stabsarzt,  Frankfurt  a,  M. 

324.  PieUlerer.  Pn^f ,  Dr.,  Charlotlenburg. 

325.  PfWil,  Dr  yXnU  Oterlehrer,  Posen. 

326.  PbUipp,  D; .  med..  Herlin. 

327.  La  Pierre.  Dr.,  Sanitätsrath,  Berlin. 

328.  Pippew.  Dr.  med.,  Kreisphvsikus,  Eis- 

leben. 

329.  Pletsaer.  Dr.  med..  Berlin. 

330.  Peaftek.  Dr..  Professor,  Breslau. 

331.  PHagsbeiB.  IV..  Pr\>fess«^r.   Berlin. 


^^^^^^^^^^^^  (fl)    ^^^^^^^^^^H 

332.  V,  Proliius,  M.,  Meklenlmr^iscimr  (»6-374.  Schelbler.  Dr.  iiiej.,  Bt^rliii.                           ^M 

saniitt^r,  UmIi>  Li^^.-liaüi,  lifvlin,         Hlb.  Schemel,  Max,  Pabrlkbesitzf^r,  (iubeu.           ^| 

333.  Püchstein.  Dn  med.,  fierün. 

376.  Scherk.  Dn  med.,  Berlin.                               ■ 

334.  Pudil,    H,.     Hau- Verwalter.    BiHii   in 

377.  Scblerenberg,  Fninkfurt  a  M.                          ^M 

Bölimeu. 

378.  Schillmann,  Dr,,   Sradt-Schulinspect^n-,    ^^H 

335.  von  Quistorp,    GiMiprul»    Commamlant 

^^M 

von   Spapdau. 

37!>.  Schlemm,  Dr,  SanitaisratK,  BerHn.         ^^H 

330.  Rabepiau,  Öpcoiifuji.  V^'iiscliau.               , 

380.  Schlesinger.  H.,  Dr.  med.,  Berlin.            ^^H 

337    Rabl-RückharilJ)T.,liegim..ArÄtBnrlin. 

381.  Schlesinger,  Georg,  Dr.  jur,  Berliji.            ^H 

338.  Rahmer  H  ,  Dr.,  Berlin. 

382.  Schmidt.  Emil,  Dr.,  Leipzig.                           ^M 

33'J.  V,  Bamberg.  Freibr.,  PremierlieuteDaDt 

383.  Schmidt,  F.  W.,  Fabrik besiUer,  Guben.          H 

iin  2.  Garde- Reßiiiieiit,   r3f^rliii. 

384.  Schneider,     Ludwig,     Fabrikdir^^otor.          ^M 

340.  RÄSChkow,  Dr.  med.,  ßerlin. 

Gitschin,  BöhmeD.                                   ^^^H 

34 L  Rath,  PauL  Yoin,  Cöln  a/Rh. 

385.  Schoch,  Dr.  med  ,  Berlin.                        ^^^| 

34:?.  Reichenheim.  F erd ,  Berlio. 

386.  Schöler.  Dr.,  Professor,  Berlin.               ^^H 

343,  Reichert,  PrnfHj^srjr,üeh.Medicinalrath. 

387,  Schoene,  R.,  Dr.   Gen^-raldirector  di^r    ^^H 

Berlin. 

Königl.  ALigeeu,  Berlin.                          ^^^H 

344,  Reichert.  Apt>il»i*ker,  Berlin. 

388.  SchÖnlank,  ■  W.,  Kaufmann,  Berlin.          ^^H 

345.  Reinhardt,  Dr,  Oberlehrer,  Berlin. 

38!).  Schröder,  Dr,  Geh.  Med.-Rath,  Pro-          V 

346.  Reinhardt,  Riid.  Küpferwerksbesltzerj 

fe^ftor,  Berlin.                                                   ^M 

Bautzen,  Köüigreich  Sachsen, 

390.  Schroeter,    Dr.    med.,    Dalldorf    bei          H 

347,  Rela«,  W.,  Dr.,  Berlin. 

Berlin.                                                         ^B 

348,  Reisa.  übrejifabrikaat,  Berlin. 

391.   Schubert,  Kaufmann,   Berlin.                      ^^^| 

3411.  Richter,    Oerth  ,  B:ini|nier,   Berlin. 

392.  Schubert,  Dr ,  Generalarzt,  Berlin.         ^^H 

350.  Richter,  Isidor,  Bancjuier,  Berlin. 

303    Schuchardt,  Th.,  Dr.,  Görlitz.                 ^^M 

35 K  Rieck,  Dr.  med.,  Köpenick  bei  Berlin. 

394.  Schütz,  Dr.,  Professor,  Berlin.               ^^M 

352.  Riedel.  Dr.  med.,  Berlin. 

395.  Schütze,  Alb.,  Aead.  Künstler,  Bi'din,     ^^H 

353,  Ritter,  W.,  Banquier,   Berlin. 

396,  V.  Schulenburg,  W..  Charlotten  bürg.        ^^^| 

354.  Robel,  Dr.  phü.,  ßerlin. 

397.  Schultze,  Ose,  Dr.  med.,  Berlin.             ^^B 

355.  Rocholl  Amt^gerichtsrath,  Berlin. 

398.  Schwarti,  W.,  Gyninasialdirect.^Berlin.     ^^H 

356.  Röhricht  Dr.,  Oberlehrer,  Berlin. 

399.  Schwarzer,   Dr.,  Zümsdorf,  Kr.  8orau.    ^^H 

357.  Roloir,  Dr.,  Geh.  Med.-R^itli,  Direeior 

400.  Schwebel,  Dr.,  Oberlehrer,  Berlin.          ^^M 

der  Thierurzneiachule,  Berlin. 

40  L  Schweinfurth,  Georg,  Dr.,  Prof.,  Cairo.         V 

358.  Rosentbal,  Dr.,  AsäisleDzarzt,  Berlin. 

402,  Schweitier,  Dr.  med.,   Daaden,  Kreis          ^M 

359.  Rosenthal,  Dr.  med.,  Berlin. 

Altenkircben.                                                    ^H 

360.  Roth,   Dr.,  Generalarzt,  Dresdeu. 

403.  Schwerin,  Ernst,  Dr.  med.,  Berlin.                ^| 

361.  Rüge,  Max,  Dr.  phil.,  Berlin. 

404.  Seile,  Apotheker,  Kosten,  Prov.  Posen.          ^M 

362.  Rüge,  Carl,  Dr.  med.,  ßerlin. 

405.  V.  Slehold,  Alex.,  Freiherr,  Berlin,                ^M 

363.  Ryge.  Paul,  Dr.  med.,   Berlin. 

406.  V.  Slebold,  Heinrich,   Attache  d.  K.  K.          H 

364.  Runge,  Stadtratli,  Berlin. 

Oe&terr.  Gesandtschaft  in   Berlin.               ^M 

365.  Saohau,  Prof.,  Dr.,  Berlin. 

407.  Sieflttiund,  Gustav,   Dr.,  Sanitätsrath,         H 

366.  Samson,   Banqnier,  Berlin. 

Berlin.                                                                  ■ 

367.  Sarichei.  Don  Jose  Villar,  Sevilla. 

408.  Siehe,  Dr.  med.,  Kreisphys.,  Calau.              H 

368.  Sander,  W.,  Dr.  med,, Dalldorf  b,  Berlin. 

409.  Siemene,W.,  Dr.,  iieb.Reg.-Rath,  Berlin,         H 

369.  Sander,  Jul,,  Dr.  meii..  Berlin. 

410.  SlerakowBki,  Graf,    Dr,  jur.,   Waplitz         H 

370.  Sattler.  Dr.  med,,  Fluntern  bei  Zijrich. 

bei   Altmark,   Westpreussen.                 ^^^B 

371.  V.  Saurma-Jeltsch,    Baron,   Bukarest. 

|41L  Sieskind,  Rentier,  Berlin.                        ^^H 

372.  Schaal,  Maler,  Berlin. 

.412.  Slmcn,  Tb.,  Banquier,  Berlin.                 ^^^B 

373.  Schall,  Gutsbesitzer,  Neu-lioofen  bei 

413.  Simonschn,    Dr.  med.,    Friedrichs  fei  de        ^| 

Menz,  Kr.  R^ippin. 
1 

bei  Berlin.                                                    ^H 

00) 


4H.  Souchay.  WniBhantllpr,  Berün. 

415.  Springer  Verlagsbuclihäudler,  Berlin, 

416.  Stahl,  Dn  med.,  Berlin. 

417.  Starke,  Dr„  Oberstab^^nrzl:,  Rerlin. 

418.  Steohow,  Dr.  Assistenzarat,  Berlin. 

419.  Stechow,  Kanitnerßer.-R(»ferend.,B<'Hin. 

420.  V.  d.  Steifien,  Stabsarzt,  z.Z.Süd-Geor* 

gi*^n. 

421.  SteinthaL  Leop.,   Banquier^  Berlin* 

422.  Steinthal,  Or,  Prufessior,  Berlin. 
42H.  V.  Strasser,  Fabrikhes,,  Hiisio  bei  Prag* 

424.  Straiich«  Corv*itteri- Kapitän,  Kiel. 

425.  Strebel,  Herrn  ,  Kaufmann,  EilUeck  bei 

Hamburg. 

426.  Strecker,  Kreissekretair,  Snldin. 

427.  Stricker.  Verlagsbuch  hSVi]  dl  er.  Berlin. 

428.  Struck,  Dr.,  Dir.  des  Reich  »-Gesund - 

heits- Amtes,  Geh,  Reg.-Kath.  Berlin, 

429.  Stubel,  Alf,  Dr.,  Dresden, 

430.  Sükey,  G.,  Kaufmunu.  Berlin 

431.  Tappetner,  Dr.,  Scbbrns  Keieheiihach, 

bei  Meran. 

432.  Teige,  Juwelier,   Berlin. 

433.  TepluchofT^    A.,    Gubcmiol  -  öecrelar, 

lljinsk,  Gouv.  PeriiK  Russtand, 
4ti4.  Teschendorf,  Pmlr^dtmaler,  Berlin, 

435.  Tesmar,    Ritterguts bo&iuer,     Eichen- 

bagen,  Provinz  Posen. 

436.  Thorner,  Dr.  med,,  Berlin. 

437.  Thunjg,    Domäneupächter,    Katserhof, 

Dn.sznik,  Posen. 
43H.  Tiedemann,  Rittergutsbesitzer,  ^labo- 
szewo  bei  Mogilno. 

439.  Timann^  Dr.  med.,  Berlin. 

440.  Titel,  Max,  Kaufmann,   Berlin. 

441.  Trautmann,    l>r.  med.,    Oberstabsarzt, 

Berlin. 

442.  Treichel,  A-,  Rittergutsbesitzer,  Hoch- 

l'üleschken  bei  Alt-Kiscbau,  Westpr. 

443.  UbI,    Mfijyr,    Ingenieur- Officier    vom 

Platz  Spandau, 

444.  Ulrich,  Dr.  raed.,  Berlin. 

446.  Ümlayff,  J,  F.  G.,  St.  Pauli,  Hamburg. 

446.  V,  Onryhe-Bomst,   Freiherr,  Landralh, 

Wollstein,  Frovinx  Posen.  i 

447.  Urban,  J..  Dr.  pbil.,  Schoneberg  bei  | 

Berlin. 

448.  Vater  Dr.,  Oberstabsarzt,  Spandau. 

449.  Veit.  Dr ,  Geb.  Sanitatsrath,  Berlin. 


476. 
477. 
478. 
479. 
480. 
481. 

482. 
4^3. 
484. 
485. 
486. 
4H7. 

488. 


Viedenz,  Bprgrath,  Eberswalde. 
Virchow,  R,  Dr.,  Profes^wr,  Geheinier 

Medicinalrath,  Berlin. 
Voigtmann,  CarL  Hau  meiste  r,  Guben. 
Vorländer,  Fiibrikant,   Dresden. 
Vormeng,  Dr..  Stabsarzt,  Berlin. 
Voss,  A.,  E)r.  med., Di rectorial- Assistent 

am  ethnologischen  Museum,  Berlin. 
WankeK  Dr.  meij.,  Blansko  bei  Brunn, 
Wassmannsdorff,  Dr.  pkiL,  Berlin. 
Wattenbach    Dr.,   Professor,  Berlin. 
Weber,  Mder,   Berlin. 
Wegacheider,    Dr,    Geh.  Sanitätsratb, 

Berlin, 
Weichand,  Kaufmann,  Berlin. 
Weinberg.  Dr.  mnd.,  Berlin. 
Weisbach,  V,,  Banquier,   Berlin. 
Weiss,   H.,  Professor,  Berlin. 
Weiss.  Guido,  Dr.,   Berlin. 
Weissstein.  Bmiführer,  Bpriin. 
Weithe,  Dr.  med..  Buk,  Provinz  Po?en. 
Wensieroki-Kwitecki,  Graf.  Wroblewo, 

Provinz   Posen. 
Werner,  F.,  Dn  metl..  Berlin. 
Wessely,  H..  Dr..  Berlin. 
Westphal.   Dr..   Geb.  Medictufd-Rath, 

Pn»tVssor.    Berlin. 
Wetzstein,  Dr,  ConsuL  Berlin. 
Wiechel,  Ingenieur.  Dresden. 
Wilke,   Tbeod..  Rentier.  Guben. 
Wileky,    Director.    Rununelsburg    bei 

Berlin. 
Witt,  Sladtrath.  Cbarlottenburg. 
V. Wittgenstein,  H..  Gutsbesitzer. Berlin. 
Wittmack.   Dr..   Professor.   Berlin. 
Woldt,  Sebrift^teller.   Berlin. 
Wolff,  Alex..  Stadtratb.  Berlin. 
Wollf,    ^lax.    l>r.  med..  Pri?atdacent, 

Berlin. 
Wolff,  J..  Kaufmann,   Berlin. 
Woworsky,  A.,  Riltergnlsbes, ,    Berlin. 
Wredow.  Professor.   P»erlin. 
Wütier,  Dr.  med..  Berlin. 
Zabel,  K,  Gymnasiallehrer,  Guben. 
Zenker,  Rittergutsbesitzer,  Bruno w  bei 

Heckelberg. 
Zlerold,  Rittergutsbesitzer,  Mietzeifelde 

bei  Sold  in. 
Zuelier,  Dr.,  Privatdoeent,  Berlin. 


SiUung  am  20.  Jan.  1883. 
Vorsitzender  Hr.  Virchow. 

(1)  Die  Wahl  der  Mitglieder  des  Ausschusses  fDr  das  Jahr  1883  erfolgt  in 
statutenmässiger  Weise  durch  schriftliche  Abstimmung.  Ans  der  vom  Vorstande 
vorgelegten  Vorschlagsliste  werden  mit  Stimmenmehrheit  gewfihlt  die  Herren 
W.  Reiss,  Friedel,  Koner,  F.  Jagor,  Wetzstein,  G.  Fritsch,  Steinthal 
Deegen  und  W.  Schwartz. 

(2)  Der  Vorsitzende  begrösst  das  in  der  Sitzung  anwesende  correspondirende 
Mitglied  Hrn.  Dr.  Gustav  Radde. 

Hr.  Rivett-Carnac  in  Alhihabad  dankt  für  seine  Ernennung  zum  correspon- 
direnden  Mitgliede. 

Als  iipue  Mitglieder  sind  angemeldet: 

Hr.  Stabsarzt  a.  D.  Dr.  Hahn  —  Spandau. 

Hr.  Graf  Wensierski-Kwilecki  — Wroblewo. 

Hr.  Geh.  Rath  Prof.  Goldschmidt— Berlin. 

Hr.  Prof.  Dr.  Sachau— Berlin. 

Hr.  Prof.  Dr.  Brückner— Berlin. 

Hr.  Dr.  Paul  Rüge  — Berlin. 

Hr.  General  von  Qu istorp  — Spandau. 

(H)  Hr.  A.  B.  Meyer  in  Dresden  übersendet  folgende  Mitthoilung  über  ein 

alterthümliohes  Haus  im  Pflertschthal  (Tirol). 

(Hierzu  Taf.  II.) 

Als  ich  diesen  Sommer  einige  Wochen  in  Gossensass  auf  dem  Brenner  weilte, 
hörte  ich  von  Hrn.  Ludwig  G robner,  dem  gefälligen  Wirthe  des  Grobner* sehen 
Gasthauses  daselbst,  dass  im  Pflertschthale,  welches  oberhalb  Gossensass  in  das 
Eisackthal  einmündet,  ein  uraltes  Haus  stünde:  man  sehe  es  als  das  älteste  der 
ganzen  Gegend  an  und  schreibe  ihm  ein  Alter  von  über  700  Jahren  zu. 

Im  Pflertschthal  ist  in  früheren  Jahrhunderten  Bergbau  betrieben  worden,  wie 
noch  heute  an  den  vielen  Halden,  besonders  an  der  rechten  Thallehne,  zu  sehen  ist; 
auch  ein  grosses  Stück  Schwarzkupfer  wurde  mir  als  merkwürdiger  Fund  von  einem 
Schmied  im  Thale  gezeigt.  Es  sollen  s.  Z.  2000  Knappen  dort  beschäftigt  gewesen 
sein;  in  Gossensass  befand  sich  ein  Bergamt,  dessen  Wahrzeichen  aus  Serpentin  (?) 
noch  heute  über  der  Thür  des  Wohnhauses  der  Gröbner'schen  Familie  zu  sehen 
ist,  da  diese  nunmehr  jenes  alte  Gebäude  bewohnt,  und  eine  Knappsohaftskapelle; 
diese  stammt  aus  dem  Anfange  des  IG.  Jahrhunderts  und  ist  eine  gut  erhaltene 
Sehenswürdigkeit  des  Ortes. 

Man  erzählt  nun  von  einem  früheren  Besitzer  des  alten  Hauses  im  oberen 
Pflertschthal,  er  sei  so  reich  und  mächtig  gewesen,  dass  die  Messe  Sonntage  in 
Gossensass  nicht  eher  beginnen  durfte,  als  er  mit  seinen  Knappen  eingetroffen  war 


(12) 


und  *lpm  (leisllidie»  dm  ZeicLen  ^pgelien  hatte.  Oli  es  ßich  wirklicli  um  einen 
Besitzer  d^s  betr»  Hauses  gehandelt  hat  —  die  Wahrheit  der  Erzählung  voraus- 
gesetzt —  konnte  ich  niclit  ermitteln.  Von  WohlstantJ  ist  iin  sdiunen  Pflertächthal 
heute  nichts  mphr  zu  sehen;  der  Weg  atii  Flusse  entlang  ist  miserabel  geliaiten, 
kaum  fahrbar;  num  pÄSsirt  auf  einer  zwei  Sfuuden  langeTi  Strasse  in  eiuem  trotz 
meiner  Hohe  von  1000 — KiCiÜ  w,  wie  der  Pflanzenwuchs:  WeiÄen,  Laubhölzer,  wilde 
Fiosen  u,  dgl.  zeigt,  milden  Hochihale  nur  wenige  Häuser,  und  der  „Herr  Curat" 
IQ  Inn^-rpflertsch  sucht  seiue  Heerde  möglichst  von  dem  Verkeiar  mit  der  Aussen  weit 
tibzuschliessen.  Nach  einem  lialb*  bis  dreiTierteUtündigeD  Aufstieg  Tom  „Curaten* 
aus  gelangt  man  nach  HinterpÜertsch  nti  das  ^Blasbichl^  genannte  alte  Hau<^.  das 
letzte  irn  Thal,  welches  als  solches  in  Tirol  vielfach  diesen  Namen  führt. 

Es  gelang  mir  nicht  aus  einer  lueiehrift  oder  an  sonstigen  äusseren  Zeichen 
einen  Anhaltspunkt  für  das  angeblich  hohe  Alter  des  Hauses  zu  tioden;  allein 
dennoch  bezweifle  ich  nicht,  dass  man  es  mit  einem  Hause  von  beträcht Hchena 
Alter  zu  thun  bat,  da  es  manche  Kigenthümlichkciten  aufweist,  welche  man  an 
anderen  Hatisern  der  Gegend  nicht  findet  und  welche  daher  die  Tradition  slutzen. 

Von  aussen  fällt  zweierlei  auf: 
L  die  terrassenförmig  aufsteigenden  Heukästen  unter  dem  Giebel  (Figur  3}  und 
2.  der  Umstand,    dass    der  Eingang  des  Hauses  nicht,    wie  sonst,    unter  dem 
Giebel,  sondern  an  der  Seite  liegt  (Figur  4). 

In  Hrn*  Meitzen's  belehrender  Abhandlung:  Das  Deutsche  Haus  iu  seinen 
volksthumlichen  Formen,  mit  6  Tafeln  und  1  Karte  (Verh.  d.  Deutschen  Geogr.« 
Tages  zu  Berlin  1881),  fand  ich  keinen  Typus,  welcher  demjenigen  des  Hauses  io 
dieser  Gegend  Tirols  entspricht,  oder  etwa  speciell  demjenigen  des  vom  dortigen 
tiroler  Typus  abweichenden  allen  Hauses  vou  Hinterpflertsch^  weder  das  fränkiecbe 
noch  das  friesisch- sächsische,  noch  das  schweizer  oder  nordische  Haus  zeigeo  ahn 
liehe  Grundrisse. 

Gnindrtss  und  Ansicht  des  einfachen ^  in  der  Gegend  von  Gossensass  üblichen 
Bauern bauses  sind  schematiach  in  Figur  1  und  2  dargestellt:  der  Haupteingang 
liegt  unter  dem  Giebel,  und  Wohnung,  Kiiche  und  Stallungen  befinden  sich  an 
beiden  Seiten  eines  Ganges,  welcher  die  ganze  Tiefe  des  Hauses  tlurchläuft.  Die 
Giebel  sind  in  dieser  Gegend  meist  mit  Ziegenköpfen  geziert 

Bei  dem  alten  Bauwerk  im  Fflertächthal  aber  läuft  der  Gang  nicht  von  vorn 
nach  hißten,  sondern  von  einer  Seite  des  Hauses  zur  andern;  hierin  und  in  den 
auch  sonst  nicht  üblichen  terrassenförmig  aufsteigenden  Heukasten  unter  dem  Giebel 
(Figur  5a,  b,  c)  Hegt  eine  Sonderstellung^  welche  auffällig  und  wohl  nicht  bedeu» 
tungslos  ist  Der  ganze  Zustand  des  Hauses,  Steinmauern  und  Balkenwerk  machen 
den  Eindruck  grossen  Alters,  wenn  es  auch  nicht  möglich  zu  sein  scheint,  ausser 
etwa  durch  Ausgrabungen  im  Hause  selbst,  zu  eruiren,  wie  lauge  das  Bauwerk 
steht.  [)a  aber  Wassers-  und  Feuersnoth  dem  interessanten  Bau  iiber  kurz  oder 
lang  ein  Ende  bereiten  könnten,  so  schien  es  mir  nicht  uberHilssig,  denselben  zu 
skizziren.  Grundriss  (Fig.  5),  Vorder-  und  Seitenansicht  (Fig.  3  und  4)  geben  eine 
genugende  Vorstellung,  so  dass  ich  von  einer  detailHrten  Beschreibung  absehe.  Ich 
bemerke  nur,  dass  die  Bezeichnung  ^Keller'^  nicht  einen  tief  gelegenen  uoterirdischen 
Raum  bezeichnet,  gondern  überhaupt  einen  Ruum,  welcher  zum  Aufbewahren  von 
Speise  und  Trank  dient.  W^ahrscheinliclt  war  früher  der  Haupleingang  dort,  wo 
jetzt  der  Ausgang  i$t,  so  dass  man  s.  Z.  zuerst  rechts  und  links  die  Stuben  betrat; 
jetzt  geht  man  an  der  dem  Thalausgnag  zugewendeten  Seite  ins  Haus  und  durch- 
schreitet erst  den  ganzen  H ausgangs  ehe  man  an  Stube  und  KiJclie  gelaugt.  Da« 
Ganze   ist  sehr  verfallen  und  schmutzig.     Die  schwarz  ausgezogenen  dicken  Linien 


(13) 

ip  •^Pigur  5  bedeuten  Steiütuaucrü,  die  dritiiien  Holz  wände.  Der  Herd  ist  enorm 
gross  und  nimmt  den  ganzen  hinteren  Theil  der  Küche  ein. 

Leider  ist  wenig  Aussicht  vorhanden,  über  die  ßesiedelung  nnd  die  Geschichte 
dieser  so  lange  ganz  abgeschlossenen  Oebirg^thäler  etwas  Gennueres  zu  erforschen. 

Der  Vorsitzende  begrübst  diese  Mittheilung  mit  Frt'uden.  Seitdem  die  sich 
ergänzenden  xVrheiten  der  Herren  M  ei  Iren  und  Henning  die  allgemeine  Auf- 
merksnrnkejt  auf  das  deutsche  Haus  gelenkt  haben,  tritt  auch  für  die  anthropologische 
Gesellschaft  die  Aufgabe  heran,  die  noch  vorliantlenen  Reste  der  ältesten  Wobn- 
gebäuiie  zum  Gegenstand  ilirer  Studien  zu  machen.  Viele  Mitglieder  werden  viel- 
leicht gerade  in  dieser  Richtung  einen  angeTiehtnen  Anreiz  für  praktische  Betheiliguog 
an  den  Arbeiten  der  Gesellschaft  finden. 


(4)  Der  Herr  Cuttusrainister  übersendet  zur  Kenntnissnahme  den  36,  Bericht  zur 

Aiterthumskunde  Schleswig- Holsteins  von  Handel  mann, 

(5)  Hr,  Handelmanu  übermittelt  irn  Auftrage  des  Vorstandes  des  MeldorfiT 
Museums  eine  Photographie  der  Immens tadter  Fundsachen,  aufgenommen  vor 
deren  in  Mainz  erfolgter  Reinigntkgj  sowie  eine  AbhandJung  über 

Thongefässe  und  Haselnüsse  im  Moor. 

In  den  Verhandlungen  ISsö,  S.  17  und  135,  1881,  S.  22  kamen  die  Thon- 
gefässe zur  Sprache,  weiche  hie  und  da  in  Mooren  gefunden  sind  und  ausser  der 
hineingewachsenen  Torfmasse  nichts  enthalten.  Eine  Zusamn^enstellung  derartiger 
Funde  habe  ich  früher  in  den  Schriften  des  Naturwissenschaftlichen  Vereins  für 
Schleswig-Holstein  ßd,  H,  Heft  2,  S.  87  ff,  veröffentlicht  und  ich  bin  jetzt  in  der 
Lage,  einige  andere  Fälle  oiitzutheiJen,  welch«  zu  einer  weiteren  DiscuBsioD  dieser 
Frage  anregen  dürften : 

1.  Hr,  Hofpachter  H.  Bockniaou  schenkte  dem  Kieler  Musen m  No.  4907: 
ein  kleines  Töpfchen  mit  aufgesetzter  schwarzer  Glätte,  hoch  8\,  j  cm ,  Durchmesser 
am  Boden  b  cm^  an  der  Mündung  ll'/jcm,  während  auf  b  ctn  Höhe  der  grösste 
Durchmesser  13  cm  beträgt.  In  der  Einschnürung  des  Halses  ist  eine  kleine,  1  cm 
lange,  leistenrürmige  Erhöhung.  Gefunden  in  einem  Moor  bei  Horusdorf  (Kirch* 
spiel  Schlamersdorf,  Kreis  Segeberg),  w eiche a  vor  zwanzig  Jahren  noch  als  Fisch- 
teich benutzt  wurde  und  früher  mit  dem  Honsdorfer  See  in  Verbindung  gestanden 
haben  mag. 

[n  diesem  Moor  kommen  wiederholt  Töpfe  vor;  aber,  wie  Hr.  Bockmann 
schreibt,  „es  ist  nie  etwas  darin  oder  dabei  gefunden.**  Die  früher  ausgegrabenen 
Töpfe  waren  bedeutend  grösser,  wnrden  aber  niemals  heil  zu  Tage  gefördert.  Eine 
derartige  Scherbe  ist  im  hiesigen  Museum  unter  Ko,  4270  inventarisirt;  s.  Be- 
richt 36,  S,  4, 

2,  Die  Zeitung  „Dannevirke**  berichtete,  dass  im  Sommer  1880  „in  einem 
kleinen  Moor  zwischen  den  Dörfern  Ladegard  und  Stüding  (Kirch^^piel  Hamnie- 
leff,  Kreis  Hadersleben)  beim  Torfgraben  Urnen  von  verschiedener  Gestalt  gefunden 
wurden,  und  dass  es  dem  Finder  gelang,  eine  wohlerbaltene  Urne  herauszuheben. 
Man  hat  seiner  Zeit  in  das  Moor  Locher  bis  zu  eiu  Paar  Ellen  Weite  gegraben, 
um  die  Urnen  hineinzusetzen.  Dass  sie  nicht  in  einen  See  versenkt  sind,  ist 
doatlich,  denn  die  Erde  ringsaia  ist  sowohl  dunkler,  als  auch  loser,  wie  die  übrige 
Moorerde,  Der  betreflFende  Torfgräber  meint,  dass  die  Urnen  sich  meistens  in  der 
Nachbarschaft  der  im  Moor  vorkomtnenden  Eichenstamme  finden,  und  dass  diese 
Bäume  nicht  umgestürzt,  sondern  von  Menschen  timgehaueii  sind.     Im  Moor  findet! 


sich  viele  Haselnüsse,  was  keine  Seltenheit  und  mich  nicht  sonderbiir  ist^  Ja  Ha'»ol- 
busche  oh  das  Unter  hob  im  Eicliwalde  bilden.  Dagegen  erscheint  es  beai^rkenb- 
wertb,  dass  zwischen  dem  Moos  vom  Gründe  des  Moors  kleine  rothe  Beeren  vor- 
koromen,  verinuthüch  Moorheidelbeereti  (Kranichbeereo,  Vacciiiiuni  oxycoccufi),  was 
jedoch  der  Torfgräber  bezweifelt,  da  d)e§elben  nach  seiner  Meinung  zu  klein  dafijr 
sind,** 

Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ist  dad  oh  gedachte  wohlerhalteoe  Thongefäss 
mit  einer  neuerdiogs  angekaufteü  Privateamnilung  in  den  ßesitz  des  KieJer  Museums 
übcrgegaügen.  No.  5U91j  Thongf^fäss  mit  schwarzer  Glätte,  hoch  13'/,  cwi,  Durch- 
messer am  Boden  7  tm,  an  der  Mündung  17  cm.  Der  Untertheil  gleicht  einer 
Schaale,  welche  oberhalb  ihrer  grossten  Weite  ('21  cm  Durchmesser  auf  6  cm  Hohe) 
einen  nngsumlaufenden  eingeritzten  Streifen  mit  Ornamenten  zeigt.  Der  darüber 
ansetzende  Hab  ist  scharf  eingezogen  und  am  Hände  wieder  aui^legetid.  Gefunden 
in  einem  Mcmjt  bei  Ladegard  in  der  Nähe  des  Törningsees  (welche  Ortsangabe 
mit  obiger  Zeitungsnotiz  zutrifft). 

3.  Laut  einer  Aufzeichnung  im  Archiv  des  Kieler  Museums  (No,  G6  vom 
Jahre  Jö7ö)  fand  der  hiesige  Anatomiediener  Hanstfu  vor  Jahren  beim  Tor f graben 
in  einer  zum  Gute  l*'reudenhoim  (Kirchspiel  l^reetz»  Kreis  Piön)  gehörigen  Moor- 
parcelle  unter  dem  mindestens  14  Fuss  machtigen  Torflager  auf  dem  sandigen 
Grunde  eine  Stelle,  welche  mit  Asche  bedeckt  war,  zwischen  welcher  eine  Menge 
Topfscherben  lagen  Als  er  seine  Mitarbeiter  herbeirief,  erklärten  diese,  solche 
Stellen  hätten  sie  dasyibst  schon  mebrere  gefunden.  In  demselben  Moor,  mehr  nach 
der  Mitte  hin^  lagen  viele  dick  stämmige  Tannen,  der  ganzen  Lange  nach,  und  zwar 
sämmtlicb,  als  ob  sie  bei  einem  Sturm  au^  Nordwesten  umgestuijct  seien.  Die 
Aschenstellen  oder  Herdstätten  waren  aa  der  Kante  des  Moors  belegen. 

Anch  in  dem  Moor  bei  Rasdorf  (Kirchspiel  Preetz,  Kreis  Plön),  w*o  die  Stein- 
axt mit  hölzernem  Stiel  No,  3557,  ».Bericht  36,  S,  12,  gefunden  ist,  waren  wieder- 
holt Urnen  mit  einer  schmierigen  schwarzen  Masse  Torgekommen,  aber  achtlos  zer- 
schlagen worden, 

4.  Als  der  Ein  bäum  von  Vaalermoor,  s.  Bericht  35,  S.  8,  erhoben  wurde, 
erhielt  ich  No.  4233:  Scherben  von  einem  kleinen  dünnwandigen  Thongefa^s  mit 
plattena  blindem  Griff,  welche  etwa  SQcm  unter  der  Oberfläche  des  Moors,  oberhalb 
des  Einbau  ras,  gefunden  waren.  An  einer  Scherbe  klebten  noch  einige  kurze  Haare. 
Daneben  hatten  vertrocknete  Heeren  gelegen,  welche  die  Finder  nicht  zu  bestimmen 
wussten. 

Am  '25.  Novbr.  1H80  schrieb  mir  Hr.  Lehrer  P.  Voss  in  Vaale  (Kirchspiel 
Wacken,  Kreis  Kendsburg);  „Es  herrscht  hier  wie  im  Vaaiermoor  bei  Cnkiviruug 
der  Wiesen-  und  Moorländereieu  die  Methode,  dass  man  mittelst  einer  Maschine 
die  sehr  tief  liegende  Kleierdej  den  sogen.  Marsch niergcl,  an  die  Oberfläche  fördert 
und  denselben  alhdanu  auf  die  Ländereien  schaÜt.  Etwas  Mourerde  liegt  gewÖbnlich 
über  dem  Marschmergel,  wekhe  erst  weggeräumt  wird,  und  danach  beginnt  die 
Arbeit  mit  der  Maschine.  Mau  hebt  zuweilen  den  Mergel  aus  einer  Tiefe  von  2Ü 
bis  30  Fuss.  An  manchen  Stellen  kommt  man  gar  nicht  durch  denselben  hindurch} 
anderswo  sitzt  er  nicht  so  tief  und  trifft  man  darunter  wieder  Moorerde.  Bei  der- 
ürtiger  Arbeit  sind  iii  diesem  Herbst  verschiedene  Alterthumsgegenstiinde  äu  Tage 
gefordert,  und  zwar  sämmtlich  aus  einer  Tiefe  von  2()  i^u^s,  was  sich  genau  au 
der  Maschine  fesstellen  liess.  Es  war  in  derselben  Niederung,  wo  vor  zwei  Jahren 
der  Einbaum  gefunden  wurde,  circa  4tHl  Rutlien  nördlicK  von  der  Fundstelle. 

Die  eingesandten  Fundsachen  Kind:  No.  4636  u)  8cherbeu  von  drei  oder  vier 
Thougelassen;  h)  Uührivukoochen  und  e)  Itiuciistücke  vom  Unterkiefer  eines  Schafes? 


(15) 


d)  piB  Kliutspeer.  Äussenleiu  bracht*?  tue  Maschine  pwe  ziemlicbe  Masse  Holzkohlen 
mit  in  die  Höhe,  sowie  auch  mehre  faualgrosße  i^teioe.  weiche  in  dem  Marachthon 
eioe  ungewöhnliche  Erseheinuiif;  mtu\,  Hr  Voss  machte  daraus  folgern,  dass  die 
Thongefasse  hier,  ebeuso  wie  sonst  die  Urnen,   mit  Steinen  Terpackt  gewesen  sind. 

Weiter  schrith  Hr,  Voss;  ^Beim  Torfketschern  werden  sehr  häufig  Haaeltiüaße 
und  zwar  in  ziemlicher  Menge  herausgefordert.  Ich  habe  das  Moor  schon  vor 
fTinfziisi  Jahren  gekannt;  damals  war  es  noch  an  vielen  Stellen  UDZugäiiglich,  Weoo 
man  darauf  ging,  so  mnss>te  man  befi'irehttHi  eiuÄiisiuken.  Giösstentheils  war  es 
damals  mit  Hiiideknuit  bewachsen,  und  von  Striiu^hern  uivtl  Bfiscben  sah  man  keine 
Spur.  Nach  meiner  Erfahrung  wä<:hBt  der  Hasel stranch  überhaupt  uicht  gern  auf 
Moor.  Woher  mögen  also  die  Haselnüsse  herrühren,  welche  beim  Ketschern  ge- 
funden werden?"' 

Djis  Vorkommen  von  Haselnüssen  ist  bereits  oben  im  Moor  bei  Ladegaard 
constatirt,  und  auch  aus  einem  Moor  bei  Ahrenshöft  (Kirchspiel  Drelisdorf,  Kreis 
Husum)  im  Bereich  des  vormaligen  Friesen wal des  sind  früher  HiiBelnüsse,  No.  3369, 
eingeliefert.  Ich  übermittelte  die  Frage  daher  dem  Hro.  Professor  Dr.  A.  Eugler 
hierselbst,  und  erhielt  von  diesem  demnächst  den  betr.  Bogfu  des  IL  Bandes  seiner 
^Botanischen  Jahrbücher**,  worin  eine  Abhandlung  von  Axel  Blyft  über  ^die 
Theorie  der  wechselnden  kontinentaleü  uiKJ  insularen  Klimate**  veröffentlicht  ist. 
Daraus  möchte  ich  die  hier  in   Betracht  kommenden  Stelleo  hervorheben, 

(S,  '2iK)  „Aus  den  dänischen  Beobachtungen  ergiebt  sich,  dass  Lager  von 
Wurzelstöcken  auch  in  vielen  Mooren  Danemark«!  vorkommen,  und  die  genauen  Be- 
schreibungen Steenstrup's  weisen  nach,  dass  sie  zwischen  den  Torfschichten 
der  verschiedenen  Perioden  auftreten.  Daraus  erhellt,  dass  diese  Waldschichten 
die  einzigen  Deberbleibsel  jener  langen  trockenen  Zwischenzeiten  darstellen, 
während  welcher  die  Flora  des  Landes  sich  änderte  und  neue  Baumarten  ein- 
wanderten.** 

(S,  2l — 22.)  ^Als  das  Eis  während  einer  trockneren  Periode  sich  Kurückzog, 
fand  sich  zuerst  die  arktische  Flora  ein,  ~  unter  den  zunächst  hierauf  folgenden 
klimatischen  Aenderungen  fand  die  Einwanderung  der  subarktischen  Flora  statte 
während  gleichzeitig  die  beiden  ältesten  Torfschichten  und  die  älteste  Waldschicht 
sich  bildeten.  —  Die  boreale  Flora  hielt  ihren  Einzug  unter  trockenem  Klima  mit 
starker  Sommerwärme.  Die  Moore  beweisen,  dass  die  skandinavische  Halbinsel 
einst  weit  mehr  Laubwald  besessen  hat  als  in  der  GegenwarL  Reste  wärmeliebender 
Laubhötzer  finden  sich  massenweise  in  deo  Mooren,  sogar  in  Gegenden,  wo  solche 
Bäume  heutzutage  nicht  mehr  vorkommen.  Der  Haselstrauch  war  einst  viel  häufiger 
als  jetzt.  Die  Moore  von  Bohuslan  bewiesen,  dass  der  Vogelkirscbbaum  seiner 
Zeit  viel  ausgebreiteter  gewesen  ist,  als  in  der  Gegenwart.  —  Vom  Haselstrauch 
findet  man  Nüsse,  vom  Vogel kirseh bäum  Steine  in  den  Mooren.  —  Beide  oben  ge- 
nannte Arten  sind  boreale,  und  die  HaseJstaude  ist  geradezu  eini*  Charakterpflanze 
dieser  Artgruppe. "^ 

(S.  18,)  ^Kohlen schichten  liudet  mao  sowohl  auf  dem  Grunde,  wie  oben  im 
Torf,  was  auf  wiederholte  Waidbriindc  deutet*  Da  der  Blitz  durrc  Bäume  anzündet 
und  solche  zur  Zeit  der  Urwälder  im  üeberfluss  vorhanden  waren,  konnten  Wald- 
brände natürlich  leicht  entstehen  auch  ohue  Zuthun  der  Menschen.** 

Zur  Vergleichung  möchte  ich  zwei  Moorfundc  aus  Jütlaod  heranziolien,  w*etche 
Hr;  Arthur  Feddersen  in  den  AarbÖger  for  Nordii?k  Oldk^-ndighed  og  Historie  1881 
S.  369  ff,  ÄUsfiUirlich  beschreibt. 

Im  siidiichen  Theil  des  Moors  ßroddcabj  ävg,  ziemlich  dicht  an  {iandi\  atie99 


(Iß) 


man  beim  Torf^aben,  April   18 
iefen   Moores 
welche  entzwei  ging 


etwa  4 
verpftck 


auf  einen  Steio hänfen»  der  auf  Jem  Grunde  den 

fgeatapeh  war     Zwischen   den  Steinen    war  eine 

Nach  der  Meinung  des  Finders  sollte  ^Aäche*^ 


hier 

Urne 

darin  gewesen  sein;  aber  es  war  durchaus  keiue  Spur  dnvan  oder  von  Knochen  z\i 
constatiren«  Dajj;egeii  fanden  sieb  Scherben  von  wenigstens  zwei  ThoDgefUssen,  uüd 
auf  dem  einen  Bodf*nbtück  war  eine  ziemlich  unvollkommene  Kreisßgur  mit  deut* 
liebem  Mittelpunkt  eingeritzt.  An  de*r  Seite  des  Steinhaufens  stand  aufrecht  eine 
8S  cm  hohe  Priapusfi^wr  von  Eichenholz,  welche  Hr.  F.  mit  der  reichlich  1'/,  i» 
hohen  Holzößur  V(m   A  1  t-Frii?sack  im  Berliner  Museum ')  u.a.m.  zusammenstellt. 

Ifu  Lauf  des  Souimers  1880  fand  der  EigeBthCiraer  im  östUchen  Theil  desselben 
Moors  und  auf  einem  eng  begrenzten  Raum  etwa  zwanzig  Topfe  von  schwarzer 
Masse  mit  den  characteristischen  scharfkantigen  Granitkörnern;  sie  standen  ziemlich 
dicht  bei  einander  und  waren  alle  leer,  üeberhaupt  sollen  in  diesem  Moor  Öfter 
Tbongefässe  vorkommen,  wie  daselbst  auch  früher  ein  ßroncecelt  und  ein  anderes 
Mal  drei  Stficke  Kingschmuck  des   Bronzealters  j^efnudpn  sind. 

Im  Moor  Skj  elm ose  fand  man  b*^irn  Torfgrahen  18M>  einen  aufrecht  stehendeo, 
1  t/i  langen  awsge höhlten  Eichenstumpf,  auf  denj  die  Rinde  noch  feüitsass;  derselbe 
hatte  weder  Deckel  noch  Boden  und  war  zum  Theil  mit  kleinen  abgerindeten 
Stocken  angefüllt.  Darunter  war  ein  Steinhaufen,  dessen  Spitze  augeblich  in  die 
cylinderfr^rmige  Höhlung  des  Baumstumpfs  hineinreichte^  und  als  die  Steine  auf- 
genommen wurden,  zeigte  sich,  dass  sie  in  einer  tricbterr^rnugen  Vertiefung  auf 
dem  Grunde  des  Moors  eingegraben  waren.  In  der  siid westlichen  Seite  des  Steiti- 
hanfens  stand  ein  leeres  Thongefass,  17  cm  hoch,  von  schwarzer  Farbe  und  mit 
Ornamenten;  mitten  in  den  Boden  deäaelhen  war  ein  Loch  vom  Umfange  eines 
Bleistifts  durchgebohrt.  Neben  dem  Topfe  lag  ein  BruchstQck  von  einem  hölzernen 
Löffel  nebst  einigen  anderen,  zum  Theil  angebrannten  Stücken  Holz.  Ausserdem 
fanden  sich  zwischen  den  Steinen  Scherben  von  mehreren  anderen  Gefasseo* 
Zwischen  beiden  Steinhaufen  waren  verschiedene  Quarzite  und  andere  Steine, 
welche  Spuren  der  Bearbeitung  und  des  Gebrauchs  trugen;  in  letzterem  Haufeti 
auch  zwei  Bruchstücke  von  Qnemsteinen. 

Hr.  Feddersen  denkt  an  einen  Opferbrauch,  und  in  dem  einen  Falle  mit  der 
Priapuafigur  wäre  ich  nicht  abgeneigt,  ihm  beizustimmen.  Im  Allgemeinen  jedoch 
scheint  mir  die  Frage  wegen  der  Thongefasae  im  Moor  noch  keineswegs  spruchreif 
zu  sein. 

Bei  dieser  Gelegenheit  möchte  ich  auch  berichten  über 

zwei  anderweitige  Funde  von  Thongefässen  in  Dithmarschen. 

Etwa  24  m  vom  Weslabhang  der  Düne  hei  Lehe  (Kirchspiel  Lunden,  Kreia 
Norder- Dithmarschen)  stiess  ein  Arbeiter,  August  1882,  beim  Sandgraben  auf  einen 
viereckigen  Holzbau,  welcher  reichlich  1  in  unter  der  Oberfliiche  lag  und  etwa  1  in 
lang  und  75  em  breit  war.  Derselbe  bestand  aus  etwa  5  Fuss  langen,  zugespitzten 
Eichenboblen,  welche  dicht  aneinander  in  die  Erde  eingerammt  waren,  und  soll 
angeblich  mit  einem  (vermoderten)  Holzdeckel  verschlossen  gewiesen  sein.  Leider 
wurde  dieser  merkwürdige  Bau  ohne  sachkundige  Aufsicht  ausgeleert  und  grössten- 
theil B  zerstört.  Als  Hr.  Lehrer  Heinrich  Carstens  in  Dahrenwurth,  welchem 
das  Kieler  Museum  einen  ausführlichen  Bericht  und  die  üebermittelung  der  Fund- 
Btücke  verdankt,  zur  Stelle  kam,  war  insbesondere  nur  noch  eine  mit  Zapfenlöchern 


I 


1)   Oorrespondenzbl&tt   des  Oesammtveioins   der  D«ulschen  Qeschichts-  im'l   Alterthutna- 
vereine  1858,  S.  104. 


(IT) 


Versehefle  EokU^hie  vtjfrbanden,  und  in  diese  Löcjjer  passten  genau  die  Zapfen  von 
vier  lerbrochenen  dicken  Queerbölzern.  Es  scheint  uist>  eine  Art  Rahmen  in  die 
Rrde  geseUt  zu  Bein,  der  die  ÄUBdeliüUDg  der  Grube  bestimmte;  oder  die  Queer- 
hölzer  konnten  dazu  gedient  baben,  ein  Ausweichen  der  Ffäble  zu  verhindern, 
Sämmtlicbe  Bohlen  schienen  glatt  und  sauber  bearbeitet  211  sein. 

In  diesen  Holzbau  waren  etwa  (mindesteos)  zehn  Thongefässe  hiüeiDgestellt, 
welche  angeblich  bis  an  den  Rand  mit  „Asche"  gefüllt  waren;  da  diese  Asche 
jedoch  einen  unangenehmen  Geruch  verbreitete,  bo  wurde  sie  weggeschüttet.  So 
viel  ist  aber  durch  die  sorgfältigen  Nachfragen  des  Hrn.  Carstens  und  namentlich 
durch  die  Aussage  des  Hrn.  Conditor  H.  U  ml  an  dt  in  Lunden,  der  noch  früher 
2ur  Stelle  gewesen,  als  ausgemacht  auzuseben^  dass  unter  der  sogeuannteo  Asche 
durchaus  keine  calcinirteu  Koochenreste  vorkameDj  und  dass  also  kein  Urnen  begrabe  iss 
hier  gewesen  ii*t*  Aucii  ist  von  sogenanDteo  Beigabeu  oder  Todtengeschenken  durch- 
aus nichts  gefunden  worden.  Dagegen  wird  eine  gelblich -graue  fettig -klebrige 
Masse  erwähn t,  die  sich  wie  Butter  schmieren  liess.  Die  geringfügigen,  eingetrock- 
neteo  Reste,  welche  noch  an  den  Scherben  klebten,  erwiesen  sich  als  Thon,  der  mit 
organischen  Substanzen  vermengt  ist. 

Von  den  Thongefassen  sind  nur  zwei  heil  zu  Tage  gefördert^  die  übrigen  waren 
durch  den  Spaten  vollständig  zertrümmert  und  die  Scherben  in  alle  Winde  zer- 
streut; doch  gelang  es,  Einzelnes  wieder  zusammen  zu  passen.  Es  mnss  übrigens 
bemerkt  werden,  dass  in  der  Umgebung  der  Fundstelle  schon  seit  Jahren  beim 
Sandgraben  Topfscherbeo  zum  Vorschein  kamen.  Auch  hat  man  später  nördlich 
vom  Hobbau  (grösstentheils  auf  dem  anliegenden  Acker,  wo  sonst  keine  Scherben 
g<>funden  sind)  eine  Fläche  blossgelegt,  die  mit  schwarzer  Äsche  übersäet  war.  Es 
wird  bei  der  Sachlage  schwerüch  an  eine  Leichenbrandstätte  zu  denken  sein,  son- 
dere eher  vielleicht  ao  einen  Brenn  platz,  wo  die  frischgeformten  Töpfe  (gleicli  den 
jüfclä od ischeii  Tatertöpfen)  im  Schmauchfeuer  gebrannt  wurden.  Andererseits  möchte 
ich  den  Holzbau  mit  dem  wenn  auch  viel  jüngeren  Keller  des  Burgberges  auf  der 
Insel  Rom  vergleichen,  dessen  Umfassung  aus  dicken  Eichenpfosten  bestand*). 

Die  in  das  Kieler  Museum  gelangten  Stucke  aus  diesem  Funde  sind  unter 
No.  41*95  inventarisirt,  wie  folgt: 

a.  Krugförmiges  Gefäss  mit  schwärzlicher  Glätte,  hoch  20  cw*,  grösster  Durch- 
mef*ser  ll^j^cvt  auf  10  bis  11cm  Hohe,  Durch messer  am  Boden  8'y.j  ci/ij  an  der 
Mündung  !>,8cm.     Unten  auf  dem  Boden  iet  ein  Kreuz  eingedruckt. 

b.  Desgl.  mit  schwarzgrauer  Glätte,  hoch  17  rm,  grösster  Durchmesser  \üy^  cm 
auf  1' cm  Höhe,  Durchmesser  am  Boden  8rm,  an  der  .Mündung  11  ^m.  Das  unten 
auf  dem  Boden  eingedrückte  Kreuz  ist  noch  deutlicher  wie  bei  dem  torigen  Gefäss. 

Bei  beiden  Krügen  hat  die  Glätteschicht  sich  nur  am  oberen  Theil  erhalten. 

c.  Zusammengestücktes  fragmentarisches  Gefäss.  wo  nur  am  Kande  Spuren  einer 
schwärzlichen  Glatte  bewahrt  sind.  Eine  horizontale  Furche  bezeichnet  den  Ansatz 
des  HatseSj  und  unten  auf  dem  Boden  ist  ein  Kreuz. 

d.  Bodenstück  eines  Gefasses  mit  schwarzer  Glätte,  auf  welchem  gleichfalls  ein 
Kreuz  ^)  eingedrückt  ist.  Dicht  über  dem  Boden  laufen  fünf  Parallel  furchen  rings 
um  den  Fosb  des  Gefas&es  herum. 

1)  Zeitschrift  der  Oe^eü^chaft  für  Schlesw.-Holst.-Lbg.  Geschichte  Bd.  IX,  S.  189;  vgb 
Bd.  XII,  a  400. 

2)  Einfache  Kreuze  unten  auf  dem  Boden  kornmea  Im  Kieler  Museum  vor  bei  einer 
Grahurne  von  Tungendoif,  Kirchspiel  Neuraünster,  und  M  iwei  Thongefässen  aus  dem 
Tasch berger  Moor.  Ein  drittes  Gefäss  aus  eben  diesem  Moorfun^le  zeigt  uoten  auf  dem 
Bo<len  ein  HakenkTeuiJ. 

VcrhitidL  der  Bftri.  Aniluopo).  QeceUtcluka  lü^S.  2 


C18) 

e— L  Scherben  verschiedener  Art  und  Farbe,  zum  Theil  lüit  OrnameDtea^ 
im  hanflschriftlichen  Katalog  genauer  bescbriebeo  siod). 

üeber  eioeü  zw(*ite»  Fond  von  Thongefässen  auf  der  Wurtb  von  Hassel 
b&ttel  (Kirchspiel  Wesselburen,  Kreis  Norder-Ditbmarschen)  liegt  noch  wenig! 
vor.  Vor  sechs  Jahren  nämlich  wurden  beim  Abbruch  eines  Backofens  in  der  NSfc 
des  abgebrannten  Kruse' sehen  Geweses  und  bei  der  nachmaHgen  Ümpflügung  di 
Grundstucks  eine  Anzahl  Scherben  und  auch  einzelne  heile  Gefa^se  zu  Tage  gl 
fördert.  Es  war  die  Rede  von  einigen  dreissig  Töpfen,  welche  an  einer  etwi 
erhöhten  Stelle  in  gleichoiässiger  Tiefe  nebeneinander  gestanden  hätten  und  m 
irdenen  Platten  zugedeckt  gewesen  sein  sollten;  sonst  sei  nichts  mIs  Erde  in  d« 
Topfen  gefunden.  Jedoch  im  Gaoxen  war  die  Erinnerung  an  diesen  Vorgan| 
dem  mau  s.  Z.  keine  Bedeutung  beigelegt  hatte,  durch  ilie  lange  Zwischenzeit  ziemlic 
abgeschwächt,  und  man  wusste  kaum  die  eigentliche  Fundstelle  mit  Vüllstäodig« 
Bestimmtheit  anzugeben, 

üeber  eine  daselbst  am  13.  Juli  1882  von  dem  Vorstande  des  Meldorf« 
Museums  veranstaltete  Nachgrabung  hat  Htjrr  Professor  Chalybäus  mir  gütigi 
Nachstehendes  naitgetbeilt;  „Wir  Hessen  auf  dem  Grundstück,  welches  mit  Ruoke 
ruhen  bepflanzt  war,  mehrere  Quergräben  bis  zu  5^6  Fiiss  Tiefe  ziehen,  wäbcfeg 
die  Urnen  nur  ca*  3  Fusa  tief  gesessen  haben  sollen.  Aber  wir  fanden  nicbcdl 
einzelne  Scherben,  zum  Tiieit  vom  oberen  Rande,  unter  denen  zwei  fast  1  an  ttÄf 
and  von  so  hartem  grauen  Thon  waren,  dass  wir  —  wären  wir  auf  ganze  Gefas! 
gestossen  —  diese  ohne  Zweifel  unbeschädigt  hätten  heben  können.  Ein  Stück  hl 
ein  Oehr  mit  Fingerspuren^  die  dasselbe  an  beiden  Seiten  zusammengedruckt  habei 
andere  sind  rothlich,  in  der  Miete  gran,  andere  schwarz;  die  letzteren  nur  halb  s 
stark  wie  jene.  Ganze  Urnen,  oder  Bodenstucke,  welche  nach  Aussage  des  Herr 
Kruse  heim  Pflügen  an  Ort  und  Stelle  geblieben  w^aren,  konnten  wir  nicht  findei 
Da  das  Grundstück  bepflanzt  war,  so  war  immerhin  etwas  Schonung  geboten;  m 
Erlaubniss  des  Herrn  Kruse  wurden  gegen  fünfhundert  Pflanzen  ausgezogen,  ui 
Gräben  nach  den  verschiedensten  Richtungen  zu  ziehen;  leider  vergeben sl  Deshal 
gaben  wir  schliesslich  die  Sache  auf.  —  Die  Wnrth  von  Hassen buttei  ist  übrigen 
im  höchsten  Grade  interessant;  sie  ist  fünf  Dithroarscher  Morgen  gross  und  misi 
an  Höhe  in  der  Mitte  22 Vj  Fnss  über  ordinärer  Fiutb.  Namentlich  an  der  Seeseit« 
wo  der  Fahrweg  in  einem  Winkel  von  circa  40  Grad  herabführt,  ist  die  Höhe  voi 
trefflich  zu  ii hergehen .  In  einer  Tiefe  von  fünf  Fusg  folgte  unterhalb  der  obere: 
Kleierde  eine  mehrere  Fuss  mächtige  Schicht  von  verrottetena  Reth,  mistartigei 
Torf  u.  dgl.** 

Andererseite  schreibt  mir  Hr.  Kl,  Peters  in  Jarren wisch,  welcher  zuerst  i 
den  Zeitungen  auf  diesen  Fund  aufmerksam  machte,  dass  nächstes  Frühjahr  ein 
umfangreichere  Nachgrabung  vorgenommen  werden  soll.  ,, Davon  erwarte  er  besser 
Resultate,  namentlich  auch  aus  dem  Grunde,  weil  ihm  von  glaubhaften  Leuten  mil 
getheiit  worden,  dass  auf  jener  Wurth  ein  riesiger  Felsldock  vorhanden  sei,  welche 
mitten  in  die  Marsch  hinein  nur  durch  Menschenhand  und  zu  einem  besoDderei 
Zwecke  hat  hingeschafft  werden  können."  —  E*  mag  in  diesem  Zusauimenhaog  aud 
einer  alten  sageniiaften  üeberlieferung  gedacht  werd|?n,  wonach  die  Kirche,  welch 
jetzt  auf  der  Wurth  Wesselburen  steht,  ursprüngliüii  auf  der  Hassenbütteler  Wi 
hätte  erbaut  werden  Bollen. 


(6)    Hr.  Handelmann  schreibt  über 

vorgeschichtliches  Bjjrgwerk  und  Brückwerk  In  Dlthmarachen. 
Die     eigenthümliche     politische    Entwickelung    Dithmarschens    bis    zu 


(19) 

gewttitsaineu  Unterjochung  im  Jahre  1559  und  die  Sooderstelluapf^  welche  die  Land- 
schaft auch  oachher  nooh  Jahrhunderte  lang  behauptet  hat,  erklärt  sich  nicht  zum 
mindesten  aus  den  physisch -topographischen  Verhältnissen.  Die  Dithmarscher 
Geest  ist  nämlich  p;egßn  Osten  fast  Überall  von  Bächen,  Niederiingea  und  Mooren 
umgeben  und  hängt  nur  mittelst  eines  schmalea  Landstreifens  mit  dem  Mittelrücken 
der  Halbinsel  ("Alt- Holstein)  zusammen.  Bevor  also  die  modernen  Chausseen  und 
Eisenbahnen  die  Landschaft  mit  den  andern  Schleswig- holsteiniscb»^n  Gauen  zu- 
summen  schmiedeten,  war  daher  die  Verbindung  mit  der  Aussen  weit  zu  allen  Zeiten 
auf  dem  Wasserwege  leichter  und  erspries^licher  als  zn  Lande.  Von  jenseits  der 
Elbe  kam  die  christliche  Mission;  Atrebanus,  der  erste  Märtyrer  im  ^Diethmarsgau** 
(7Ü2),  war  ein  Schüler  des  nachmaligen  Bremer  Bischofs  Willehad.  Und  seit  der 
Zeit  Karls  des  Grossen  gehörte  Dithmarschen  zusammen  mit  dem  südlichen  Ufer 
der  Eibemu ndnngr  to  geistlicher  Hinsicht  zum  Sprengel  des  Bischofs  von  Bremen, 
in  weltlicher  Hinsicht  zum  Amtsbezirk  des  Grafen  Ton  Stade.  Der  damalige  Hafen- 
platz Meldorf,  unmittelbar  auf  dem  westlichen  Rande  der  Geest,  wo  derzeit  die 
Mieie  in  die  Elbe  aiiindete,  wurde  der  staatliche  und  kirchliche  Mittelpunkt  des 
Landes.  Hier  ist  die  erste  Kirche  erbaut,  welche  lange  die  einzige  Taufkirche 
für  ganz  Dithmarschen  blieb;  hier  stand  die  Burg  des  Grafen,  von  welcher  die 
Geschichte  allerdings  nichts  zu  melden  weiss,  deren  Andenken  aber  noch  in  den 
Namen  der  ^Burgatrasse**  und  des  ^ Burgviertels"  fortlebt.  Ob  bei  solcher  engeren 
Verbindung  zwischen  beiden  Eibufern  auch  ein  Geluhl  gemeinschaftlicher  Abstam- 
mung zu  Grunde  lag  oder  mitwirkte,  d,  h.  ob  die  Dithmarscher  ursprünglich  dem 
grossen  friesischen  Volksstamm,  der  ringsum  die  Ufer  der  Nordsee  bewohnte,  an- 
gehört und  erst  in  geschichtlicher  Zeit  allmählich  die  friesiBche  Mundart  mit  der 
niederaachBischen  vertauscht  haben,  wie  desgleichen  nachweislich  später  noch  in 
pjidersledt,  auf  Nordstrand  und  Pelworm  geschehen  ist:  diese  neuerdings  wieder 
angeregte  Frage  *)  mnss  hier  unerortert  bleiben. 

Auf  der  Landseite  ist  die  Verbindung  zwischen  Holstein  und  Dilhmarschen 
noch  in  neuester  Zeit  schwierig  gewesen.  Ais  vom  Jahr  1849  an  die  Gemeinsame 
Regierung  eine  tägliche  „Diligence"  nach  Meldorf  u.  s.  w.  einrichtete,  erwiesen  die 
Wege  sich  so  schlecht,  dass  umwerfen  im  eigentlichen  Wortverstande  eine  Zeit 
lang  zu  den  taglichen  Begebenheiten  geborte.  In  der  vorhergehenden  Periode  (ich 
finde  diese  Angabe  schon  im  Altonaischen  Almanach  auf  das  Jahr  1785}  fuhr  die 
^Dithmarsische  fahrende  Post**  einmal  wöchentlich  (Freitags  Mittags)  von  Altona 
über  Itzehoe  nach  Meldort  Heide,  Lunden  und  weiter  über  Friedrichstadt,  Husum 
nach  Schleswig  (Sonntags  Morgens)  und  von  dort  einmal  wöchentlich  (Sonntags 
Nachmittags)  auf  demselben  Wege  zurück  nach  Altona  (Dienstags  Nachmittags). 
Die  alte  L-mdstrasse  ging  vorüber  an  dem  holsteinischen  GrenzBchloss  Hanerau 
und  folgte  dann  dem  einzigen  Passweg,  welcher  zwischen  den  Quellen  der  Giselau 
und  der  Holstenau  die  dithmarscher  Grenze  überschreitet,  während  jetzt  die  Eisen- 
bahn von  Neumünster  nach  Heide  in  gerader  Richtung  die  Niederung  der  Giselau 
durchschneidet. 

Nordostlich  von  der  jetzigen  Eisenbahnbrücke,  wo  von  Alters  her  eine  Fürth 
ond  ein  Fussweg  und  Steg  über  die  Giselau  führten,  haben  sich  üeberreste  der 
uralten  Grenzbefestigung  erhalten^  Auf  holsteinischer  Seite,  Feldmark  Beldoif, 
liegt  eine  Erhöhung,  umgeben  von  einem  breiten  Graben,  um  dessen  südliche  Seite 


1)  Vergh  den    Aufsatat:    ,Friesi*cbe  Spuren   in  Dith marseben*    von  H,  Chr.  Tamm   im 
[VI.  Bande  der  Zeitschrift  der  Gesellschaft  fnr  Schlesw.^Qolst.-Lbg,  Geschichte  S.  1—93,  233.  , 

2* 


f20) 


in  halbmoodförmiger  Wall  lauf):.  Dies  ist  obae  Zweifel  der  eigentlicbe 
der  zu  den  Erdwerken  von  abgestumpfter  Kegel-  oder  Pjrainidenforni,  wie  » 
mach  anderweitig  zablreicb  irorkommen,  m  recbneD  ist.  Auf  ditbmarscher  S«?it 
Feldmark  Wennbütte],  ist  eine  WalUtnie,  die  ziemlich  gerade  vom  nordlicheD  Ufi 
der  An  ausgebt  and  deren  nördliches  Ende  sich  schanzeDformig  nmbtiBgt;  von  d« 
Mitte  der  Linie  läuft  ein  Seiten  wall  bis  ober  den  Weg,  Früher  ist  der  Kukswa 
wohl  als  eine  Gerichtsstatte  gedeutet,  weil  man  im  Jahr  I5G0  übereinkam,  d« 
künftige  Streitigkeiten  zwischeQ  Holstein  und  Ditbmarschen  durch  beiderseiti| 
Schiedsrichter  an  dieser  Stelle  beigelegt  werden  sollten.  Aber  es  kann  kein  Zweifi 
*eio,  dass  sowohl  der  Wallberg  als  die  Walllinie  ui^prünglich  zu  militärische 
Zwecken  aufgeworfen  sind.  Erinnern  wir  uns  des  romantischen  Bildes  aus  Gusta 
Freytag's  „Ahnen**  (Bd.  I),  wie  Ingo  hinaufsteigt  zu  dem  Verbau,  der  die  Wald« 
der  Thünnge  von  den  Katten  schied,  und  wie  der  Grenzwächter  ihm  H»lt  gebiete 
So  mag  unsere  Phantasie  steh  auch  ausmalen,  wie  hier  an  der  Giseiau  di 
Nachbarstamme  der  Holtsaten  (Holsten)  and  der  Diethmannger  (Dilhmarschd 
gegen  einander  die  Landesmark  wahrten.  Dm  die  Grenze  wird  hier  oftmals  un 
blatig  gestritten  sein;  eine  Erinnerung  an  diese  Kämpfe  haben  uns  die  OrtsD&m« 
bewahrt.  Die  Giseiau  z.  ß,  ist  benaout  nach  einer  Walküre  Gisila,  d.  h»  Spee 
Jungfrau,  und  auch  manche  Orts-  und  tlurnamen  des  holsteinischen  Grenzkirct 
Spiels  Hademarscben  scheinen  ihren  Ursprung  aus  der  altgermanischen  Mythologj 
herzuleiten  ^). 

Längs  der  Grenze  breitete  sich  ein  mächtiger  WaldbestaDd  aus  der  Rie» 
wohld,  wovon  jetzt  nur  der  Name  und  geringe  Restbestände  übrig  sind,  der  ahi 
vormals  etwa  das  Gebiet  der  heutigen  Kirchspiele  Albersdorf  uud  Nord-Haste< 
bedeckt  haben  mag.  Freilich  ist  nicht  an  einen  unberührten  Urwald  zu  deokei; 
die  zahlreichen  Graber  aus  der  Stein-  und  Bronce- Periode  zeugen  vielmehr  dafu 
dass  schon  die  ältesten  ßewohner  Dithmarscheus  den  Riesewohld  in  ihren  Bereit 
gezogen  hatten.  Und  sie  haben  sich  gewiss  nicht  darauf  beschränkt,  jene  Gral 
denkmäler  zu  erbauen^  wo  das  Material,  die  mächtigen  Felsblocke,  zur  Hand  wäret 
es  mögen  auch  auf  einzelnen  I^ichtuDgen  Höfe  gebaut  und  Ackerbau  betrieben  seil 
At>er  Herkommen  und  Gesetz  schützten  den  Grenzwald  vor  unbedachter  und  xnutl 
williger  Zerstöruag.  Wenn  das  Landrecht  vom  Jahre  1447  das  Hülzfällen  in  d< 
Ramme  oder  im  Schalkholz  oder  in  irgend  einer  Landwehr  mit  der  hohen  Brucl) 
von  60  Mark  Lübsch  bedrohte,  so  hätte  in  jener  Vorzeit  Denjenigen,  der  da 
Riesewohld  zu  „verbauen'^  wagte,  gewiss  noch  viel  härtere  Strafe  getroffen.  Den 
dieser  Grenz wald  war  der  Schirm  und  Schutz  des  ganzen  Landes  und  mochte  darui 
mit  Recht,  wie  die  Sage  erzählt,  als  heilig  gelten. 

Wo  die  Grenz  Waldung  im  Süden  zu  Ende  geht,  da  finden  wir  einen  Ort! 
namen^  welcher  für  die  älteste  Kriegsverfassung  Dithmarschens  bedeutungsvoll  et 
scheint:  „Beristede^,  später  als  ein  gleichnamiges  Dorf  weiter  nordwärts  erwuchs 
„Kerkherstede"  (Kirchen*HO  und  endlich  Süder-Hastedt  genannt  Der  Name  dürft 
sich  als  die  „Heerstatte^,  Versammiungsplatz  des  allgemeinen  Aufgebots,  erkläre] 
Ob    der  Ring  wall    bei  Scfaafstedt,    von   dem  noch  Spuren  vorhanden  sind,    zu  eine 

1)  ZeilBcbrift    der  Gesellschaft   für  Scbl-HoUL-Lbpr,  Geschichte    Bd,  I\%   S.  16,     Vaig 
Förstemann:   , Altdeutsches  l^amenfaucb*  Bd.  lli  S.  1635:   «Kulcesborg  in  der 
Hildesbeim,* 

2)  Vergl-  den  Aufsatz:  ^Dithmurschenkämpfe  im  Heidentbum"  (mit  einer  Karte)! 
W,  Mannbardt  In  dessen  Zeitschrift  rür  Deutsche  Mythologie  und  Sittenkunde  Bä) 
S.  70 — 83.     Jedoch  sind  bei  Hannhardt  die  Oils-  und  Flurnamfu  nicht  immer  richtig  ac 


(21) 

VorpostenstelluDg  dea  Volkabeeres  diente,  oder  ob  eiu  dithniRrscber  Ceßcblecbt  hier 
deu  Versucb  gcamcht  bat,  seiu  Geböft  auf  ritterlicbe  Weise  oiit  Tburm,  Wall  und 
Grabeu  eiuzurichten,  das  mag  dalimg**sLellt  bleiben.  Auch  die  Hofstelle  Speersdielt 
ist  yoß  alten  Wällen  umgeben,  und  vom  Frestedter  Moor  bis  zur  Au,  aüdJi^b  von 
Qtiickborn,  ziehen  äicli  drei  parallel  laufende  ßefestigungaliDieu,  welche  Laufgräben 
geöauDt  werden» 

ün¥ergleichlicb  grnssurtig«r  ist  die  Bökeloburg  *),  welche  auf  dem  Höhenzuge 
oberhalb  des  Kirchdorfes  Burg  belegen  ist,  und  deren  innerer  Raum  seit  dem  Jahr 
1818  als  Begräbüiasplatz  dieoL     Der  hohe  kreisförmige  Ringwall  hat  oben  auf  dem 


Fiß.  1. 

Kamm  eiaen  Umkreis  von  circa  547  Scbritteo;  der  ionere  Durchmesser  beträgt 
etsva  330  Fuss,  Ala  der  Wendeßfüret  Gottschalk  ura  das  Jahr  1032  das  ganze 
nordelbische  Land  mit  Feuer  und  Schwert  verheerte,  da  ist,  wie  der  Chronist  Hei- 
mold  erzählt,  seiuen  Hiinden  nichts  eotgangen  ausser  den  weitberühmten  Burgen 
Itzehoe  und  Bökel tiburg,  wohin  einige  Bewaffnete  mit  Weibern,  Kindern  und  Hab- 
selii^keiten  sich  gefluchtet  hatten,  und  zu  demselben  Zweck  hatte  der  gewaltige 
Ringwall  damals  ohne  Zweifel  schon  seit  mehreren  Jahrhuoderten  fjfedieut.  Die  an 
seinem  Fusse  voruberfiiessende  Au  ist  gleichfxdls  nach  einer  Walküre  Walburg  be- 
nantiL  Der  verstorbene  Kirchspiel vogt  Messner  zu  Burg  bewahrte  in  seiner  Samm- 
lung (jetzt  im  Berliner  Museum)  „einen  halben  Stein bamraer,  gefunden  an  der 
Ostseite  der  hohen  ßurg^  am  zweiten  äusseren  Wall"j  doch  darf  man  darauf  nicht 
allzuviel  Gewicht  legen.  Von  anderweitigen  Funden,  die  für  eine  Altersbestimmung 
besser  zu  verwerfchen  wären,  ist  nichts  bekannt  geworden,  obwohl  man  sie  gerade 
hier,  wo  die  jetzige  Bestimmung  des  Orts  fortwährende  Grabungen  veranlasst,  am 
ehesten  hätte  erwarten  sollen. 

Nach  der  altherkömmlichen  Ueberlieferung  wäre  hier  der  Schauplatz  der  Sagen- 
geschtchte  vom  Untergang  des  alten  Grafenhauses,  die  im  Volksgesaog  fortlebte, 
bis  sie,  wie  Neokorus  sagt,  „durch  Vielheit  der  neuen  Lieder  vergessen  uud  aus 
dem  Gedachtniss  entfallen".  Ich  habe  an  einem  anderen  Ort^)  ausführlicher  meine 
Ansicht  dargelegt,  dass  der  alte  Grafensitz  nicht  hier  in  der  Bökeln  bürg  zu  suchen 
ist,  sondern  vielmehr  in  der  obgedachten  Burg  bei  Meldorf*  Ich  halle  es  für  wahr- 
ficheinlich,  dass  dort  im  staatlichen  und  kirchlichen  Mittelpunkte  der  Landschaft 
der  Aufstand  ausbrach,  bei  welchem  Graf  Rudolf  umkam.  Es  war  eben  damals  die 
Zeit,    wo    die  Grafen  der  nordelbingischen  Gaue^    welche    vom    sächsischen  Herzog 


1)  Die  Atisiebt  Fig.  1  ist  nach  einer  im  ersten  Britkl  dieses  Jahrhunderts  von  Marston 
angefertjoteo  Zeichnung,    Jetzt  Ist  die  ganze  Anhöhe  mit  Bäumen  bestanden. 

2)  Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Schl-Boist.-Lbg.  Geschichte  Bd.  IV,  S.  3-13. 


(22) 

zur  Ausübung  der  obersten  kriegsberriicbeu  und  ricbterlichen  Gewalt  bestellt  war 
den  Versuch  macbten,  ibrc  Befugnisse  weiter  auszudehnen  und  zu  einer  furstlicl 
Gewalt  auszubilden.  Dem  Grafen  Adolf  in  Holstein  gelang  es;  er  hat,  wie  £ 
mold  schreibt«  .den  unbändigen  Waldeseln  zuerst  den  Zaum  ubergeworfe 
Anders  war  der  Verlauf  in  Bitbmarschen;  Graf  Rudolf  ward  am  15.  März  1144  i 
den  Aufstandischen  erschlagen;  ob  in  seiner  Hauptstadt  Meldorf,  ob  im  Bur{ 
RingwalK  wo  er  eine  letzte  Zuflucht  suchen  mochte,  darauf  kommt  wenig  an.  ] 
*;rnsserer  Zuversichtlichkeit  können  wir  annehmen,  dass  im  Jahre  1149,  als  < 
sächsische  Herzog  Heinrich  der  Löwe  heranzog,  um  den  Tod  des  Grafen  an  ,< 
Keichsfeindeu,  den  Dith marschern \  zu  rächen,  diese  ihrerseits  in  die  Bukelnbi 
flüchteten,  ebenso  wie  ihre  Vorfahren  bei  dem  Kiiegszuge  des  Wenden fürsteD  Gl 
schalk.  Ueber  die  Einzelheiten  dieser  Reichs- Execution  vom  Jahre  1149  ist  nie 
überliefert:  wir  wissen  nur.  dass  die  Dith marscher  besiegt  und  gcdemuthigt  si 
und  dass  sie  (als  Kriegscontribution)  drittehulb  Jalirhumlerte  lang  einen  jährlicl 
Korn-  und  Viehzins  an  die  holsteinische  Burg  Hanerau  gezahlt  haben,  der  uo 
dem  Namen  der  .Zeheuten  des  alten  Herzogs  Heinrich''  bekannt  war. 

Ich  habe  schon  früher  die  Vermuthung  ausgesprochen,  dass  den  rebelliscl 
Dithmarschern  damals  noch  eine  besondere  Demüthigung  auferlegt  sein  mag,  wel< 
den  Anlass  gab  zu  einem  characteristischen  Zug  der  Grafensuge.  Bekanntlich 
zählt  Neokorus,  dass  zur  Zeit  des  Grafon  Rudolf  die  Bauern  zum  Zeugniss  ih 
Dienstbarkeit  einen  Klawen  *)  am  Halse  tragen  mussten.  Ein  Gegenstück  dazu  fii 
ich  in  der  grossen  belgischen  Chronik,  welche  in  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Ja 
hunderts  aufgezeichnet  ist.  Diese  berichtet:  «Der  Normannenkr»nig  Gottfried,  ( 
an  den  Rheinmündungen  herrschre  und  im  Jahre  ^^.3  erschlagen  ward,  habe 
widerspenstigen  Westfriesen  unter  ein  so  hartes,  knechtisches  Joch  gezwungen,  d 
sie  alle  einen  Strick  um  den  Hals  iesohlunjjen  tracen  niussten.**  Aber  was 
spätere  Sage  hier  wie  vlort,  in  den  Nie^ier landen  mul  in  Dithmarschen.  als  Willk 
massregel  eines  überiualliigen  Tyrar.Leii  ausl.^g:,  das  wird  vielmehr  als  eine  der 
frühen  Mittelalter  ül -liehen  Krire:^ strafen  anzusehen  s-.Mn.  Missethater  mussten 
demülhigendem  Aufzuije,  ein  Zeicl.er.  lier  verwirkivi;  Strafe  auf  ihrem  Hals  « 
Rücken  tragend,  v.>r  ii.re::i  Herrn  erscheinen  und  eiue  vorgeschriebene  Stre< 
Weges  wandern.  Kaiser  Frie  irioh  I  .  der  Rothbart,  setzte  diese  zum  Tbeil  sei 
veralteten  Ehren  strafen  mit  grosser  Strenge  wjp.Jer  in  Kraft.  Z.  B.  als  das  reb 
lische  Mailand  li.'»'^  lezwuii^en  war.  erschiener.  di'^  Riithsherren,  Edelleute  u.  s. 
l.iifuss  und  ein  Mankes  S  hwort  :\m  Halse  vcr  dem  Richterstuhl  des  Kaisers;  u 
nach  der  zweiten  Capitulatioü  \\*y2  musste  die  ganze  Mailändische  Burgersch 
njit  Stricken  um  den  Hals  au?/iehen.  Ks  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  Heinri 
der  Lowe  114^^  hier  in  Dithmarschen  Gleiches  verlan^zte  wie  sein  kaiserlieJ 
Vetter  in  Italien,  und  das*  n.ich  der  Untorwerfai-i:  e:i:e  ähnliche  Procession  y 
dem  siegreichen  Herz-^ge  vorül'cr  detilirte.  Anstatt  des  hänfenen  Seils  aber  pflej 
man  vormals  die  Weide,  d.  h-  den  aus  frisci.en.  zähen  Eichen-  oder  Weidi 
iierten  gedrehten  Slrarg.  zu  gebrauchen,  und  dieser  Weidenstrick  kann  spät 
als  die  alte  Sitte  in  Vergessenheit  gerieth.  leicht  mit  dem  hölzernen  Klawen  ▼< 
wechselt  sein. 

Zwischen    dem  Kirchdorfe  Burg    und    dem    l>enach harten  Dorfe  Buchholz   li< 
die  sogenannte  Burgholzupg.  vormals  Borgholt,  welche  in  alter  Zeit  zu  den  land 


r  «Klawen*  bedeutet  das  hoUene  Halsband  für  Hornvieh,  «oran  dasselbe  angebonc 
«irl    S.  die  AbhUduBg  in  Schitte*«  bohteinischem  Idiotikon  Bd.  li*.  S.  Ih^». 


(2;j) 


» 


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I 


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herrlichen  Nutzungsrechten  gehörte,  naclimals  dem  G^^sahleclit  der  Vogedingmannpn  ') 
lustätidi^  war,  uod  aua  der  Niemand  HaI/.  bauen  durfte  ohna  allgeoieine  Beliebuug. 
Oboe  Zweifel  ist  dieser  Waldbestand  ursprünglich  als  öffentliches  Bigenihum  der 
Bökeln  bürg  zugelegt  gewesen,  damit  man  mi^  demselben  das  n5thige  Material  an 
Bohlen,  Brettern,  Faschiiieii  u.  dgl  zum  Burgwerk  und  ßrückwerk  eutnehmea 
konnte. 

Noch  etwas  weiter  sudwestlich,  beim  Dorfe  Kuden,  liepjt  mitten  in  der  Niede- 
rung der  Walburgsuu  die  sogenannte  nakwieso.  Dieselbe  war  bei  MenBchengedenken 
ringsum  von  Rieth wuchs  (l)ak:  Ijcbilfrohr,  Rieth)  umgeben  und  ist  noch  durch 
solchen  vom  Kudensee  getrennt.  Der  höchste  Tlieil  wird  gegenwärtig  als  Acker- 
land benutzt,  und  man  ist  hier  mit  dem  Pflug  wiederholt  auf  Piahle  geßtoasen;  der 
iibrige  Theil  ist  feuchte  Wiese.  Bei  einer  Besichtigung  im  Herbst  1870  sah  ich 
an  den  Gräben,  welche  Acker  uud  Wiese  scheiden,  ein  paar  aufrech tstchende  und 
mehrere  querliegeode  EicheDpfäble;  viele  andere  waren  schon  früher  ausgerissen 
und  entfernt.  Neokorus  (Bd,  I,  S.  26t>)  hat  bereits  berichtet»  dass,  „wenn  man 
hier  ein  wenig  eingräbt,  man  viel  verbauten  Hohes  findet;  also  auch  eine  rechte 
Steinstrassej  so  von  Norden  in  die  Dakwiese  durch  gen  Süden  gegangen.**  Er  fügt 
hinzu,  „dass  das  Hok  zu  einer  Gruudfeste  gebraucht  gewesen,  und  dass  etliche 
meinen,  es  habe  hier  ein  Junkern -Haus  (also  ein  ndeliger  Wohnsitz  oder  eine 
Ritterburg)  gelegen.**  Jedoch  daran  ist  nach  der  BeschafFenheit  des  Terrains  ganz 
und  gar  nicht  zu  denkeu.  Die  alten  grossen  Ziegelsteine,  welche  hier  hin  und 
wieder  gefunden  werden^  durften  eher  als  Unterlage  beim  Feueranmacheo,  als  Heerd- 
platten  gedient  haben.  Auch  wird  unter  der  ^Steinstrasse**  des  Neokorus  ein  Pfad 
von  sogenannten  Stapfsteine n,  der  durch  das  Moor  führte,  zu  verstehen  sein.  Denn 
das  eine  und  das  andere  ist  an  ähnlichen  Stellon  in  gleicher  Weise  beobachtet^). 
Die  Dakwiese  war  Dämiicii  vor  Alter»  eine  Art  Insel  mitten  im  Morast,  welche 
wahrscheinlich  in  Krtegszeiten  als  Versteck  und  Zufluchtsort  dif^nte,  und  die  Pfälile 
sind  hier  wohl  zur  Befestigung  des  schwanken  Bodens,  sowie  der  Uebergaugsstellon 
hineingelegt  oder  eingerammt.  Ob  auch  eine  förmliche  Bohlenbrücke  vorhanden 
gewesen  ist^  wird  sich  jetzt  schwerlich  noch  feststellen  lassen. 

(Welche  ßewandtuiss  es  mit  solchem  Versteck  im  Moor  hatte,  davon  giebt  die 
Kirchspiels -Chronik  von  Oster- Lfigum,  Kreis  Apeunidp'),  ^-^^  lebendiges  Bild.  In 
der  Kriegszeit  von  1657—1660,  als  sowohl  die  feindlichen  Schweden  wie  die  ver- 
bündeten Brandenburger,  Kaiserlichen  und  Polen  auf  das  schlimmste  im  Lande 
bausteo,  hatten  die  Einwohner  des  Dorfes  Habers! und  sich  mit  ihrem  besten  Haus- 
rath  auf  die  kleine  Insel  Bygholm,  nördlich  vom  Dorfe,  gefluchtet.  Hier  waren 
damals  höhere  Banme^  und  ringsum  war  ein  tiefer  Morastr  über  den  sich  so  leicht 
kein  Feind  wagte.  Doch  war  man  gewöhnlich  im  Dorf,  hielt  aber  stets  Wache  in 
den  hohen  Eschenbaumeu,  welche  beim  Hofe  No.  27  A  standen,  uod  sobald  die 
Wache  das  Zeichen  gab,  zog  sich  Alles  nach  der  Insel  zurück*  Wenn  dann  der 
Feind  ins  Dorf  kam  und  keine  Leute  vorfand,  so  nahm  er  was  zu  nehmen  war, 
steckte  auch  wohl  einige  Häuser  in  Brand   und  zog  wieder  ab.) 

Vom  Kudensee  ging  früher  ein  Wasserlauf,  der  sogenannte  Holsteograbeüj  bis 
in  die  Elbe  und  bildete  die  Grenze  zwischen  der  holdteiniscten  Wilstermarsch  und 
dem   Dithmarscher  Suderstrand  (Sudermarscb).     Die    Grenzbecke    heisst    noch    das 


1)  Vergl  den  Aofiatz:  ,Di6  Vogte  und  das  Geschlecht  der  Vogdemanncn"  von  Professor 
Dr,  Chalybaens  in  Meldorf  (Beider  Zdtung  1882,  Nr,  28— 32), 

2}  Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Schlesw. -Holst .^Lb|f,  Geschichte  Bd.  X,  8,20»  34,  i2, 
3)  Jahrbürber  für  die  Landeskunde  von  8chle6w»-Hd»t,  und  Lbg.  Bd.  XI,  8.84-35. 


Crv'iL..:.:  -f-  «•:  ii^  L  i-rT  riis.'.^f.i-t'rfr  '^Ti-z  t-r-r-^i:  .W.r  n ls*^i  t:^"*  Beim 
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Tm-n    Li:i     :*r  t;*   :^—   AT*T.tkf:  I'ii   i-r-rz-riT  Mir-nfisTTri-t.   ix?  S:**2*sf 

-Iri*-:*!  It*  i.T-i  Hrri  rf  Hr:ir.:i*.  :r:?:r-rrL 

11*  r«-'  "=f-rL:  ".r:-?..  t»  ■    i.r  W.rs-i  5  .rzir.z.  r  ir^iiwri    .-  :  :.r  K-ir-rl::  Li^g^ 

-JL*"i^I.        N    •:  1      "r'^tr     "Wr-TTr    l7ri..ri    -IItI     «».T    .1    TlIrT    '*"»". rs*t     "-•r-    SÜ^rTVÖ*    C 

Ni-ri  C.:*i:;ri.  irr  :tr  Tjr^fs:!.:*:  lir  I-ttV?:  j-:zt1  i*-z  t— £"rii>*iD  l 
••  :isL£-i  :*-m  ?-:i  .•:.  Z»:-:iri  :'-.iri  '.''ri-n  ::T::r:  •.;-  t.i*  "■■*::».  frü] 
"»:^irs::-.i  :i  'r-"«!  if^r  Hi. £-£i:iT  is.;*.  ■."*:-ri  i  i  i.».  i.r  I^n-fL^tritirr  Ix 
I™  "»^i  . m  »f.:!-:  rr?-":  *•-::  irn  -."-rr  1**.'  :_ii  Tif  .  ■».r-i*T  ^7 fr*'-*'st  : 
!■•■:  ?L*-  IL.--  .LZ  i.f:  T:r  I,:.:fi  -r.i  rr  ".T-f  I  :::  I-iiri-":r-r:-  ik?  ^;;rcr£  «-ii 
•  1  N  ::-:  l  --ziirz  Tr.zi  :  i  i.'  L^z  .-ri:  :  i^-?:'r:  n.::*  I».-?  E:=:»;^ii 
^  .:fi  •.  1  i_i  t.Iti  11 :-:-:-  W:  17. 1:1  -u.ifi.  i:.  z.ii  ki—  r.ü^  *4i£^ 
Z'»  >*  '  !*-?:  1  -.iri  5  :.;"::■:.  _i-*:;  :_  .i**"i  ~  ;-:r  r:._.r  *:ri*-  5«:.!r  dks  m 
1'  r:    £*:.!.:   ^-:  >:       I:    ifi    :r  ,1   :1   ■  ri.-ir:  ^ti   i^.r.i  :'r:r:i  A.:-*räö:rf  h 

^:.:-Il:    ?^t       I    ■.:     "p  r:   ■>.':.:■-*    i._:i    -■:    Sl  i-::-?:^:.:   zzi  r*f.-f-    ri.-*r.>:.  t 

--*  «.Ti:*:  7:  r:--  -^  t  . :  r  :i:i  :  i-Tti.  -  i::f  1  _-f  -i  "^  r*  11  i  irr  «r»n  < 
N  ri^:  tjr-i;    i.i\:L-:.     -     :^:   V ;:    ■   :^  ^    t>  ^:   :i-  ..-   iii  zz-irrZZrrT   \''4k 

5.  i.-:::i:-  .l.:-  •!  ri:  :*  .  .•.:■-->.-.  .Kirii:-  ^  ir.-r  :if  A-fffr^r-atsf« 
?-: :     ::r:T-i"Sii:f    }.rr.  :.:r    r:*.r   -^:    üti-        Nr     1     -r-.ili-:  :     :-*  Br:::Z"?4Jl-< 

T.r:r:^-:    i:^    _-:    Zt  :     >^    7t:::^i:i->    ■    -    :{r  .  _:i.l    ::-    CiriKrriiük« 
i'    ~-*s      —i    *.->•:-:     "   '.       ■  :_ii?  -  -  :-i"  :    1  •    "_.:ti.;    .1  Ivr  .:.:■:,    }":_.  K*?::- 


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vorföbrleo.  Die  meisten  Graber  wür<*ii  mit  spärlichea  ßeipabpii  bedacht:  ein 
Messer,  ein  Speereisen ,  ein  Bündel  Pfeilftpitzen  u.  s,  w.  \oi\  hervonragendem 
Kang  uüd  Reichtlmm  aber  zeugten  zwei  Gräber  mit  pnlcbti^em  Frauenscbmuek 
und  i»in  drittes,  welches  einen  Krieger  in  voller  WiilVenriistunp  barg.  Sein  Schwert 
und  die  mit  Gold  tauscbirten  Steigbügel  entsprechen  den  Formen  des  Dordischen 
sogenannten  jüngeren  Eisenalters,  resp,  der  karotingischen  Periode;  sein  Speer  mit 
zwei  vorspringenden  Zapfen  an  der  Tülle  insbesondere  dem  T^Knebelspiess"  der 
Wesaobninner  Handschrift  vom  Jahre  8H\  Steigbügel  und  Sporn  erinnern  auch 
daran,  wie  der  Todte  vor  den  Leuteo  geringeren  Standes,  zwischen  denen  er  zur 
letzten  Hube  gebettet  ist,  sich  dadurch  auszeichnete,  dass  er  hoch  zu  Ross  in  den 
Krieg  zu  ziehen  pflegte.  Dies  Zahlen verbakniss  stimmt  zu  der  anderweitig  ver- 
bürgten Th}«tsiache,  dass  die  Norddeutschen  der  Zeit  und  auch  später  noch  gewohnt 
waren,  hauptsachlich  zu  Fuss  zu  kämpfen.  In  den  Jahrbüchern  Einbard's  wird 
während  des  langwierigen  Krieges  zwischen  Sachsen  und  Franken  nur  einmal  aus- 
drucklich von  einem  Reitertreffen  au  der  Lippe  im  Jahre  784  berichtet. 

Das  sind  die  Zeiten,  wo  Kaiser  Karl  der  Grosse  mit  eiserner  Faust  die  nord- 
deutscben  Stämme  in  den  Schooss  der  christlichen  Kirche  und  in  den  deutschen 
Eeichsverband  hineinzwang.  Auch  Dithmarschen  ist  davon  nicht  unberührt  ge- 
blieben; bei  der  wiederholten  Schilderhebung  Widukind's  im  Jahr  782  wurden 
überall  die  MissionJire  und  Christgläubige a  hart  verfolgt,  und  im  Diethmarsgau 
erlitt  der  Geistliche  Atrebanus  den  Miirtyrertod,  Drei  Jahre  später  (785)  erliess 
Kaiser  Karl  zu  Paderborn  das  berühmte  Kapitular  für  die  siichsischen  Lande,  daB 
wie  mit  Blut  geschrieben  ist;  ein  Artikel  nach  dem  anderen  lautet  dahin,  dass 
wer  die  neue  christliche  Staatsordnung  verletzt  oder  rückfällig  wird  in  heidnische 
Grauelj  ^der  soll  des  Todes  sterben**.  Hier  kommen  besonders  zwei  Artikel  in 
Betracht.  Kapitel  7  verbietet  bei  Todesstrafe  die  Leichenverbrounung,  die  damals 
in  Norddeut^chland  vorherrschend  gewesen  zu  sein  scheint.  Doch  sind  daneben 
schon  von  älterer  Zeit  her  einzelne  Bestattungen  vorgekommen,  und  um  so  leichter 
mochte  der  christliche  Brauch  sich  allgemein  einbürgern.  Anders  war  es  mit 
Kapitel  22,  wo  es  beisst:  „man  solle  die  Leichen  der  christlichen  Sachsen  nach  den 
Kirchhöfen  bringen  und  nicht  lu  den  heidnischen  Grabhügeln.**  Damit  waren 
offenbar  solche  uralte  Begräbnissplätze  gemeint  wie  der  Immenstedter  Karkhof, 
welche  durch  alle  Perioden  hindurch  benutzt  sind.  Die  strenge  Durchführung 
dieses  Gesetzes  hatte  um  so  mehr  Schwierigkeiten,  da  die  Zahl  der  Kirchen  in 
den  neubekehrten  Provinzen  anfangs  nur  gering  und  die  Entfernungen  desl]alb  uro 
so  grösser  waren.  Fn  Dithmarschen  war  lange  Zeit  nur  die  einzige  Taufkirche  zu 
Meldorf*  So  tnusste  noth gedrungen  bei  den  meisten  Beerdigungen  von  einer  geist- 
licheu  Mitwirkung  abgesehen  werden,  und  es  wird  um  so  länger  gedauert  haben, 
ehe  die  althergebrachten  heidnischen  Begrabni^sge brauche  ganz  und  gar  abkamen. 
Im  üebrigen  mochte  ich  zum  Vergleich  den  sogenannten  Thyra-Hngcl  bei  JelHnge 
in  Jütlaod  heranziehen.  Dort  ist  in  derselben  Grabkammer  zur  Seite  ihres  heid- 
nischen Gemahls,  des  Dänenkon igs  Gorm,  die  Konigin  Thyra  Danebod  beigesetzt 
gewesen^  welche  nach  Saxo  Grammaticns  eine  Christin  war,  und  für  deren  christ- 
liches ßekenntnias  auch  ein  daselbst  gefundeoes^  mit  Gold  belegtes  Bronzekreuzeheu 
zu  zeugen  scheint').  Wer  kann  nach  alledem  wissen,  ob  nicht  das  cliristliche 
Taulwasser   auch    den  ei  neu  oder  anderen  der  Immenstedter  Todten  benetzt  hatte? 


1)  Kornerup:  „Kongehöiene  i  Jellinge'  S,  20  u,  ff.;  Worsaae  in  den  Meinoires  de  Ja 
sociiHe  Rojale  des  antiquaires  du  Nord  1878— 187^,  S.  120—121.  Ueber  die  uhweicheuHe  An- 
sicht Kngelhardt'i^  s.  Aarboger  for  Nordisk  Oldkyndighed  og^  Historie  1876,  S.  IIG  n.  £ 


(26) 


Dagpgen  babeo  wir  gar  keinen  Grund  iiüzuD^^hmeo,  dass  dieser  alte  B^grabni« 
jeronl»    zu    einem    christUcIten  Kirchhof  geweiht  wurde.     Keioe  Spur  dcutC 
liiii,  dass  m  Immeastedt  jemals  eine  Kirche  oder  KapelJe  geweseo  sei. 

Von  der  Grenze  (beim  KukswaJI)  fuhrt  die  alte  Land&trasse  in  ziemlicb" 
Hichtiilig  nach  Meldorf,  Der  Fei  od  hatte  ayf  diesem  Wege  den  Ries«»W€ 
passiren,  utid  ionerbalb  dieser  Greazwaldung  oder  utinnttelhar  biDter 
muBflten  selbstverstäüdlich  VorkehruDgeii  zur  Abwehr  getroffen  werdeu. 
war  hei  Tensbijltel  ein  iiller  Wall,  der  sogenannte  Königsgrahen;  auch  soll 
wärts,  zwischen  Sarzbütlel  und  üdderade  eine  Burg  gelegen  hnbeu.  Wie  ea 
nun  audi  damit  verhatten  mag,  uU  der  eigentliche  Schlüssel  zu  Meldorf  is 
Pass  bei  Delf brücke  anzusehen,  wo  die  Landstrasse  die  Norderau  (Süder-Ä! 
überschreitet.  Kurz  vor  DeUbrucke,  diesseits  (nordöstlich)  TOii  der  Au,  Heg 
runder  Högel^  der  mit  einem  breiten  Graben  versehen  ist;  um  die  Ostseite 
selben  lieht  sich  im  Halbkreise  ein  zweiler  Wall,  den  wieder  ein  Süsserer  Gl 
umgieht.  Dieser  sogenannte  Schlossberg  wird  gewohnlich  als  der  üeberres' 
Marienburg  angesehen^  welche  die  Holsteiner  im  Jahr  141)3  erbauten.  Ea 
jedoch  auf  der  Hand,  dass  diese  während  des  Kriegs  und  mitten  in  Feindes 
nicht  Zeit  üoch  Arbeitskräfte  geoiig  zur  Aufhäufung  eines  solchen  Erdwerka  g 
hatten.  Dasselbe  muss  vielmehr  damals  schon  vorhanden  gewesen  sein,  um 
bolsteinibchen  FeldhaupÜeutej  welche  die  militärische  Bedeutsamkeit  dicBer  Pa 
zu  schätzen  wusten,  setzten  sich  darauf  fest;  sie  liesscn  hier  ein  Blocichani 
Pal issaden zäun  und  Graben^)  errichten,  welches  den  wiederhoken  Angrifiei 
Dithmarscher  trotzte,  aber  nach  der  Niederlage  am  St  Oswalds- Abead  1404 
tragsmässig  geräumt  und  geschleift  werden  mnsste.  Die  Delfbrücke  ist  Dacl 
Tou  den  Dithmarschern  weiter  befestigt  worden;  nördlich  der  Au  scboeiden 
die  üeberreste  tieftr  Bcfestigungsgrilben  bastionsforinig  in  einen  Hügel  eio. 
der  Burg  wall  reicht  offenbar  in  eine  viel  frühere  Periode  zurück  und  ist  zur  La« 
vertheidigung^  nicht  zum  AngriB*  erbaut  worden.  ^M 

Die  Landstrasse  von  Delfbrücke  nach  Meldorf  fuhrt  bei  Bmrgenstedt^J 
über  die  Spur  einer  Schanze  südlich  von  diesem  Dorf  läset  sich  schwerlich  i 
sagen.  Bei  Nindorf  müadet  ein  anderer  Weg  eia,  der  von  Schafstedt  über  K 
stedt  und  Farne winkel  herkommt  Vielleicht  dass  die  Holsteiner  im  Jahre 
diesen  südlichen  Weg  eingeschlagen  haben;  der  damalige  halb  sagenhafte  „H; 
krieg**'"')  soll  auf  dem  Krumstedter  Viertb  geschlagen  sein.  Die  ScbaDzen 
Farnewinkel  sind  nach  der  Ueberlieferung  erst  1713  von  den  Schweden  aDg« 
Dagegen  der  Engelsberg  daselbst,  welchen  NeokoruB  die  „ Engel sburg^  neoDt 
von  dem  er  eine  Riiubersage  erzählt,  ist  offenbar  nichts  anderes  als  eioj 
Hünengrab.^) 


I 


Am    nördlichen    Ende    des    Grenzwaldes    liegt    das   Dorf  Tellingstedt," 
Kirche  bereits  um  das  Jahr  1140  urkundlich  erwähnt  wird;  das  ältere  Urdorf 
der  Sage    nach*),    zur  Strafe    des  Frevels    in   dem  benachbarten  Ecksee  Tersni 


1)  Diese  Erklärung    ist  um  fO  rnehr  berechtigt  nach  dem,  wa§  der  Presbyter  Breia 
Kap.  21>  ausdrücklich  von  einer  ^leichzei  tilgen  Befestigung  der  Burp;  Haue  ran   berichti 
stnim  H.  munieruat  palis  loagis,  ligneis  meniis  et  novis  domibas  atL|Tie  fossatis.* 

2)  MüllenhofFs   Sagen    Nr.  11  ^    S.   19;   Topographie    von    Holstein    und    La 
Bd.  II,  S.  58. 

3)  Topographie  Bd.  1.  8.  377;  Zeitschrift  der  Geseltscbafl  für  SchL-H(jl«t.-Lbg.  i 
Bd.  IV,  S.  14 

4)  MÜHenhoffs  Sagen  Nr.  174|  S.  131. 


-  Breifl 
cht||^ 


(•27) 

sein.  Eine  kurze  Strecke  hinter  Tellin^tedt  ist  der  Üebergaug  über  die  Ti(*lenau^ 
die  Tielenbrucke,  welche  als  der  Schlüssel  zur  norderditlimarscber  Geest  galt  und 
bis  zum  Dnterj[jang  der  Freiheit  slark  befestigt  war.  OestHch  von  TelHngstedt  war 
vormals  eine  Befestigung  in  riiuder  Form.  Die  Namen  der  benachbarten  Ortschaften 
Oesterborstel  und  W«^stcrhor6tel  deuten  ohnehin  auf  eine  altere  Bauernburg  oder 
Zufluchtsstätte.  Dagegen  die  Hypothese,  als  sei  hier  in  alter  Zeit  der  Sitz  einer 
adeligen  Urenzerniannschaft  gewesen,  welche  nian  aus  der  ursprünglichen  Namens- 
form ^Ethelingstede'*  herzuleiten  suchte,  halie  ich  an  eioera  anderen  Orte*)  zurück- 
weise q  jnÜBS4!n. 

Westlich  von  TelHngatedt  breitet  sich  ein  grosses,  gegenwärtig  recht  gut  ent- 
wässertes Moor  aus;  südlich  Tan  diesem  ist  der  Holmer  (Süderhol mer)  See  und 
jetzt  auch  dessen  kleiner  üeberrest,  der  Benuewohlder  See,  trocken  gelegt,  wahrend 
im  Norden  der  tiühe  und  hodenlose  Ecksee  noch  den  ursprünglichen  Lagunen- 
Charakter  verriith.  f^enn  es  kann  kein  Zweifel  sein,  dass  die  ganze  Niederung  in 
früherer  Zeit  Tollständig  versyrapft,  ein  tiefer  unzugänglicher  Morast  gewesen  ist, 
aus  welchem,  wie  noch  deutlicli  zu  erkennen,  verschiedene  kleinere  und  grossere 
SandÄachen  ineelartig  hervorragten.    Die  grusste  dieser  Inseln  bildet  die  Gemarkung 


*^,-    w-J 


Schalkhafi 


J^ 


m> 


TiflingsUdt 


yB«ninie«9h|derseB 


R(f-  2- 


Redcrstall;  eine  zweite  heisat  im  Volks  munde  „der  Heiin  **;  eine  dritte  kleinere  hat, 
als  bald  nach  dem  Orientkrieg  von  185^  —  185G  das  erste  Haus  daseibat  gebaut 
wurde,  den  Spottnamen  „die  Krim**  erhalten.  ^  Hr.  Lehrer  A.  F,  W.  Thomsea 
iu  Schalkholz  hat  gütigst  die  obenstehende  Kartenskizze  (Fig.  2)  entworfen,  welche 
die  Situation  veranschaulicht.  Eben  demselben  verdanken  wir  auch  die  gelegentlich 
der  Moorarbeiten  festgestellte  hochinteressante  Beobachtung,  dnss  obgedachte  InseJn 
zum  Theil  unter  einander  und  mit  dem  eigentlichen  Festlande  durch  Bohl  brücken 
Terbunden  sind^). 


1)  Zeitscbrift  der  Gesellscbaft  für  Scbl-Hcilst,-Lbf,  Geschiebt©  Bd.  XTI,  S  397. 

2)  Stehe  dessen  Aufsatz  (^Eia  Hammenweg?'')  vom  Octob^r  1&8U  jn  den  Uzebner  Nach- 
richten» 


(28) 


l,  Nordilicb  von  Weslnrborstel  fügt  sich  das  Mnor  so  sebr  elo,  dass  mun 
schwer  mit  einfm  Sleinwurf  die  g^^genüberliegende  Hohe  (die  Krim)  erreicht.  1 
wurde  im  Sommer  18H0  auf  der  Sohle  des  hier  tdcht  tiefen  ^foors  ein  querdu 
gehender  Pfud  blossgelegt,  der  aus  ßtark  scb rittweit  auseinander  liegenden  groi 
Steiöblöeken  bes^tand  (sogen,  Stapfstei«ie).  Nur  etwa  20  m  davon  ODtferot,  faßd  i 
ein  etwa  2  Fuss  unter  der  Oberfläche  liegender  BohleDdamra,  der  eine  so  ^ 
8anduuterh)ge  hatte,  dass  das  Moor  zum  Zweck  der  Torfbereitung  unbro^act 
wird.  —  leb  werde  auf  diese  Bohlbrücke  noch  ausführlicher  zurückkommeu. 

IL  Die  Krim  ist  ein  schmaler  Huhenrücken,  der  sich  reichlich  eioe  Li 
Stunde  in  West  Nord-West-Richtung  hinzieht  uud  südlich  von  einem  wasserreic 
Bache  Öaukirt  wird.  Dem  westlieheti  Ende  dieses  Kückens  nähert  sich  bis 
etwa  200  Schritt  ein  schmaler  Ausläufer  des  Hell  na,  uud  wieder  stellt  ein  Dal 
der  aber  des  hier  tiefgehenden  Moors  wegen  mehrfache  Lagen  aufweiset,  in  ci 
Tiefe  von  etwa  5  Fuss  die  Verbindung  her.  Wie  es  scheint,  hat  man  hier  vrenl 
als  sonst  Eichenhok  gebraucht;  Erlen-  und  Birkenstämme  sind  vorwaltend, 

lU.  Von  Schalk holi  her  ffdirte  ein  dritter  Bohlendamm,  der  etwa  2  Fuss  ui 
der  Oberfläche  lag,  nach  dem  Hello  hinüber.  Zwei  parallele  Reihen  ziemlich  die 
Eichenstämrae  mit  einem  seillichen  Abftande  von  etwa  8  Fuss  sind  durch  Sp 
pfähle  verhindert,  nach  aussen  ausÄUweichen.  Bierüber  ist  eine  dicht  zusamiz 
schliessende  Lage  etwa  ' >>  Fuss  dicker  und  ^j^  Fuss  breiter  Eichenbohlen  gel 
und  oben  darauf  finden  sich  geringe  Spuren  weissen  Sandes. 

Der  Hclln  und  Rederstall  reichen  mit  den  auasersten  Vorsprungen  dicht 
einander  hinan;  nur  dass  sich  die  Hederstaller  Au  zwischen  beiden  dorcbwin- 
Die  beiden  Inseln  bildeten  eine  natürliche  Zufluchtatätte  mitten  im  Sumpf,  und 
Einwohner  sowohl  der  südlich  wie  der  nordlich  belegenen  Geest  hatten  sich  3 
sichere  Kückzugswege  dahin  gebaut.  Drts  Material  zu  den  ßohlenbrücken  war 
der  Hand;  denn  erweislich  ist  der  Helln  in  der  Vorzeit  ein  prachtiger  Wald 
wegen.  Davon  geben  die  gewaltigen  Eiclienstümpfp,  sowie  die  ganzen  2  —  S  t 
starken  Eiche ostamme^  welche  am  Rande  desselben  noch  im  Moor  gefunden 
ein  redendes  Zeugniss. 

IV.  Wo  dem  anssersten  südwestlichen  Punkt  der  Insel  Rederstall  nicht  all 
fern  eine  flache  sandige  Erhebung  gegetiübeiliegt,  führte  ein  vierter  Damra  hiniil 
welcher  von  besonders  sorgfältiger  und  fester  Beschaifenheit  gewesen  sein  s 
Eine  zur  Längsrichtung  im  Winkel  von  45  Grad  nach  links  stehende,  dichte  Li 
aus  lendendicken  Stammen  war  von  einer  eben  solchenj  im  gleichen  Winkel  m 
rechts  geschichteten  und  diese  von  einer  dritten,  der  Längsrichtung  entsprechen« 
Lage  aus  gleichen  Eichenstämmen  überdeckt.  Die  beiden  unteren  Lagen  waren 
den  beiden  Enden  senkrecht  durchbohrt  und  mittelst  Hoknagel  znsammeiigehalt 
Seitlich  von  diesem  Damm  in  etwa  einfüssigem  Abstände  hat  noch  ein  Faschio' 
dämm  gelegen,  dessen  einzelne  Bündel  von  den  umschliessenden  Weidenruthj^ 
noch  wohl  zusammengehalten  gewesen  sind.  ^^ 

Neuerdings  schreibt  mir  Hr.  Thomson,  dass  er  vf>n  einem  fünften  ßohlendac 
gebort  habe.  Südlich  von  IlederstaU  ist  namJich  ein  einzelnes  Haus  bis  an  ( 
Moor  vorgeschoben  j  in  geringer  südöstlicher  Entfernung  von  dort  soll  eine  we( 
umfangreiche  sandige  Höhe  liegen  und  nach  dieser  der  gedachte  Damm  fuhr 
Das  Gerücht  erfordert  eine  genauere  Prüfung  und  Lokaluntersncbung;  doch  ist  < 
Möglichkeit  keineswegs  ausgeschlossen,  dass  auch  noch  an  anderen  Stellen  < 
Moors  derartige  Dämme  zu  Tage  gefördert  werden. 

Vou  hervorragender  Wichtigkeit  für  die  Zeitbestimmung  dieser  Bohlbruckeo 
ein    bronzener  Armring,    ahidich    wie  die  Abbildung  bei  Lindenschmit:    ^Alt 


(29) 


^ 


^ 


^ 


ler  unserer  heidnischen  Vorz^if*  Bd.  II,  Heft  5,  Tafel  3,  Figur  G,  welcher  im 
Friihjahr  1882  auf  derß  Damm  Nr.  I  zwischen  Westerborstel  und  der  Krim  ge- 
fbndeü  wurde.  Derselbe  gehört  jetzt  dem  Hm.  Apotheker  Fr,  Hart  mann  in  Tel- 
lingstedt  und  ist  sowohl  dem  Kieler  Museum  wie  auch  dem  IJöoaisch-GermaDischen 
Ceotral'Museum  zur  Aosicht  eingesandt  worden.  Wie  Ilr  Hart  mann  gefälligst 
mittheiltj  ist  dieser  Damm  Nn  1  250  Schritte  lang  gewesen.  An  der  Seite  waren 
lugeapitzte  Pfähle,  daran  Langsboblen,  und  darauf  erst  eine  Luge  von  2,30  m 
l&Dgeo  Querbohlen,  welche  aus  gespaltenen  Baumstämmen  von  ca.  G  Zoll  Durch- 
messer hergestellt  und  an  beiden  Enden  gefalzt  waren,  so  dass  sie  auf  die  Längs- 
hohlen  fassten.  Darauf  lagen  wieder  zwei  Schichten  von  runden,  nicht  ge^palteDen 
ßunmstämmeö  oder  Bohlen.  Die  ganze  Brücke  war  mit  weissem  Sande  beschüttet, 
und  auch  an  jeder  Seite  derselben  befand  sich  viel  weisser  Sand,  Die  Torfschicht 
oberhalb  der  BriJcke  betrug  etwa  1  m. 

Nach  den  von  Hrn.  Hart  mann  eingezogenen  Erkundigungen  hat  der  Ring  in 
der  Mitte  der  Briicke  auf  der  untersten  flachen  und  gefalzten  Qu  er  bohle  gelegen. 
Die  ilöglichkeit,  dass  derselbe  nach  trag!  icb  zwischen  den  Fugen  der  Bohlen  hin- 
durch gefallen  sei,  ist  ausgeschlossen;  da,  wie  gesagt,  drei  Reihen  Querbohlen 
übereinander  lagen,  von  denen  die  obersten  die  Fugea  der  mittleren  und  die  mitt- 
lereo  die  Fugen  der  unteren  bedeckten,  so  da&s  der  Ring  hatte  einen  Zickzack- 
Weg  machen  müssen.  Nach  alledem  kann  kein  Zweifel  sein,  dass  der  Ring  beim 
Brückenbau  verloreu  oder  niedergelegt  ist. 

Man  pflegt  diese  Art  Armringe  in  die  römische  Kaiserzeit  zn  setzen.  Jedoch 
im  Sommer  1880  wurde  ein  solcher  silberner  Armring  im  Ried  bei  Lauterach  (Vor- 
arlberg) gefunden  zusammen  mit  einigeu  anderen  silbernen  Schmucksachen,  drei 
keltischen  Qninaren  und  24  romischen  Denaren  (Familienmünzen)  aus  der  Zeit 
zwischen  ca.  25t)  und  ca.  80  vor  Chr.')  Die  Form  reicht  also  bis  in  die  Zeiten 
der  römischen  Republik  zu  rock.  Die  Einfachheit  derselben  und  die  äusserst  prak- 
tische Einrichtung,  dass  sie  durch  spiralförmige  Aufrollung  des  einen  Drahtendes 
über  das  andere  eine  passende  Vergrosserung  oder  Verkleinerung  der  Oeffuung 
zulieB»,  bewirkte,  dass  diese  Art  Ringe  eine  grosse  geographische  Verbreitung 
gewiinDen  und  sehr  lange  Zeit  im  Gebrauch  blieben.  Lind ensch mit  weiset  die* 
selben  aus  Merowingischen  und  Angelsächsischen  Grabfunden  nach;  und  nach  einer 
Mittheihng  des  Hrn,  Dr.  Sophus  Müller  findet  dieselbe  Art  des  Verschluäsea 
sieb  noch  bei  einer  grossen  Menge  silberuer  und  goldener  .Armringe  aus  der  letiteu 
Zeit  des  nordischen  Heidenthums,  welche  im  Kopenhagencr  Muüeum  bewahrt  werden 
und  zum  Theil  aus  grosseren  Silberfunden  herstammen. 

Wenn  nach  dem  Obigen  ein  weiter  Spielraum  für  die  Zeitbestimmung  bleibt, 
so  möchte  ich  andererseits  daran  erinnern,  dass  eine  Bohl  brücke  schon  im  Moor 
Taschberg  bei  Suderbrarup  beobachtet  wurde,  wo  die  romischen  KaisermiVnreo  (die 
jöngste  von  Septimius  SeveruSj  193—211)  einen  genaueren  Anhalt  für  die  Periode 
der  Niederlegung  des  grossen  Moorfundes  gaben.  Engelhardt-)  berichtet  darijber 
folgeodermassen:  ^.Auf  einer  Stelle  an  der  Westgrenze  der  Fundschicht  fand  sich 
eine  Art  regelmässiger  Brücke  oder  üebergangsstelle,  gebildet  aus  eingerammten 
Pfählen,  auf  welche  querüber  andere  Pfahle  gelegt  und  darauf  das  Ganze  rait  Busch- 
werk und  Reisig  bedeckt  war:  diese  Pfählo  waren  mit  einzelnen  Ausnahmen  von 
Erlen,  Birken  oder  Ntissbaum,"     Ofifenbar    hatte    man  diese  Brücke  erbaut,    um  jeu 


1)  S.  den  XXL  Reebenscbaftf^-Bericht  des  Ausscbupses  des  Vorarlheiijer  Museum -Vereins 
in  Bregenz  über  den  Verein*jabrgat>g  1881»  S.  12  u,  ff. 

2)  ,ThoT*bjerg  Moaefund*  S.  14. 


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dem  tiefateu  uod  wasserreicbsteo  T heile  des  Moörs,  der  sich  zur  opfern 
Versenkung  der  Kriegsbeute  am  besten  eignete,  bequem  und  aiciier  gelaof 
köooen!  Nach  dem  Obigen  habe  ich  keine  VeraolassuDg,  darao  zu  zweifeto,  d 
die  Böhi brücken  bei  Tellingstedt  wenigstens  von  gleichem  Alter  sein  mögen 
die  Scbleswigflchen  Moorfunde,  und  weon,  meines  Erachtens,  der  Boblbrückeiil 
als  ein  uralter,  aaturgemässer  und  daher  bei  den  verschiedeusten  Volkern  i 
kommender  Brauch  anzusehen  sein  dQrfte,  so  bleibt  oichtsdestoweniger  die  MogU 
keit,  das«  die  hiesigen  Erbauer  zum  Theil  von  der  römischen  Technik  gelernt  hat 
ebenso  wie  jener  Schiffsbaumeister,  der  iu  den  Ein  bau  m  von  Vaalermoor  Rip| 
einfugte  und  einen  Spalt  mit  Schwidbeoschwanzen  verschloss  ^), 

Ehe  wir  die  Nachbarschaft  Tellingstedt's  verlassen,  ist  noch  zu  erwähoeo,  d 
ein  Landgraben,  auch  Laufgraben  genannt,  von  der  Tielenbrucke  über  das  wfl 
Moor  sich  nach  dem  Bennewohlder  See  liinzog.  Ich  veTmuthL%  dasa  derselbe  a 
tereo  Ursprungs  ist  und  auf  die  Entwässerung  des  Moor»  Bezug  hatte.  Als  li 
teres  allmählich  trockener  und  pnssirbar  wurde,  wird  man  sich  bemuht  bab 
innerhalb  desselben  wenigstens  einen  Wasserlauf  herstellig  zu  machea  und  ol 
zu  halten,  der  die  gefahrdrohende  Lücke  zwischen  der  Tieleoau  und  der  ßroklaodi 
verschliessen  ioUte. 

Hinter  der  Tielenbrucke,  wo  der  Weg  von  Schalkholz  nach  Linden  auf  etc 
Geestrfjcken  sich  zwischen  verschiedenen  Mooren  hindurch  windet,  ist  DOcb  e 
Landwehr  gewesen.  Quer  ijber  die  Landstrasse  zogen  sich  vier  Reihen  von  ] 
Ellen  langen  Verschanzungen,  welche  durch  ziemlich  tiefe  Gräben  getrennt  war 
an  der  östlichen  Front  war  eine  balbmotidformige  Bastion.  Eine  Tradition  apri 
von  den  Schweden  im  Jahre  1713;  aber  die  Wälle  sind  jedenfalls  viel  älter  i 
können  kaum  noch  in  den  letzten  Zeiten  der  Dithmarscher  Freiheit  eine  militäriei 
Bedeutung  gehabt  haben.  Nach  einer  gefälligen  MilthRilui^g  des  Hrn.  Lehr 
Tbomsen  hiess  die  Schanze  ursprijnglicb  der  ^Grafen wall^,  und  der  ßesit 
erzählte  ihnij  dass  bei  dem  Dorf  Linden  in  alter  Zeit  ein  Graf  wohnte,  der  i 
Schanze  aufgeworfen  habe»  Jetzt  ist  nur  noch  t^in  Fragment  übrig;  bei  der  J 
tragiing  soll  in  den  Schanzen  selbst  nichts  gefunden  sein^  neben  denselben  mau  eher. 
Insbesondere  ein  vermodertes  menschliches  Skelett,  unter  dessen  Kopf  ein 
geschoben  war,  wnd  neben  welchem  ein  Thongefass  (Urne)  stand '^). 

Eine  gute  halbe  Stunde  vom  Dorfe  Fedderingen  liegt  ein  Fleck  Landes,  i 
im  Volksmunde  und  im  Erdbuche  die  „hoge  ßtirg"  heisst,  wie  die  denselben  u 
gebenden  Wiesen  die  „ Borgwischen, ^  Dazu  kommt^  dass  ehemals  eine  Bolzu 
^ Borgholt"  südlich  von  dem  benachbarten  Kirchdorfe  Hennstedt  gelegen  hat.  H 
war  offenbar  unter  Benutzung  der  natürlichen  Verhältnisse  eine  Zufluchtstatte  | 
schaffen,  und  dass  man  zu  demselben  Zweck  auch  einzelne  Bodenerhebung 
innerhalb  der  Eidern iederung  benutzt  haben  mag^  darauf  labsen  verschiedene  Or 
namen  i*chliessen:  bei  Bergewöhrden  erzählt  man  von  einer  Burg,  und  das  D^ 
Wallen  hiess  vormals  ^^to  dem  Walle",  wobei  man  an  einen  Wallberg  oder  Burgw 
denken  möchte,  (Ebenfalls  die  nachmaligen  holsteinischen  Grenzschlösser  T^^ 
bürg  und  Halvesburg  sind  hier  in  der  Eid ern iederung  erbaut  worden.)  ^M 


i 


Es  bleibt  uns  noch  die  südlich  von  der  vorigen  belegene  Geesthalbinsel  zu  I 
trachten  öhrig,  ^reiche  zwischen  den  Niederungen  der  Broklandaau  und  der  Mii 
belegen    ist    und    im  Wesentlichen  den  alten  Bezirk  des  Kirchspiels  Weddingsti 


1)  Verhundlungen  der  Berliner  anthropologischen  Gesellschaft  1881,  8  406. 

2)  Zeitschrift  der  OeseOschaft  fnr  Schl.-Dolst-Lhg.  GeBchichte  Bd.  IV,  8. 15. 


(31) 

ausmachL  Denn  tn  der  bereits  um  das  J.  1140  urkuDdlich  erwähnten  Weddingstedter 
Kirche  war  ursprüxigHch  auch  die  jetzige  8tadl  Htnde  eingepfarrt,  welche  noch  zu 
Anfang  des  15.  Jahrhunderts  ein  bescheidenes  Dorf  auf  der  Haide  („to  der  Haide**) 
war,  aber  binnen  kurzer  Zeit  die  alte  Landesfiauptstadt  Meldorf  überflügelte.  Ein 
schmaler  Geestrücken,  die  sogenannte  Süder-Hamme,  verbindet  diese  Halbinsel  mit 
der  östlichen  Geest,  und  an  dieser  Stelle  waren  Vorkehrungen  getroffen,  um  dem 
Feinde  Halt  zu  gebieten.  Der  holsteinische  Chronist  zum  Jahr  1404 ')  erwähnt 
zwei  oder  drei  Grüben  im  dichten  Walde  zwischen  den  beiderseitigen  sumpfigen 
Niederungen  und  eioe  enge  Steinstrasse  (Stapfsteine?)  von  der  Länge  eines  Ballisten- 
Wurfes,  welche  sich  durch  den  Wald  hindurchzog.  Diese  kurze  Schilderung  erinnert 
lebhaft  an  den  Grafenwall  bei  Linden,  den  Königsgraben  bei  Tensbuttel  (auf  dem 
Wege  nach  Meldorf)  und  den  dreifachen  Laufgraben  zwischen  Frestedt  und  Quick- 
born (auf  dem  Wege  nach  Burg),  von  denen  oben  die  Rede  war.  Wann  diese 
gleichartigen  Landwehren  zuerst  angelegt  sind,  steht  dahin;  doch  bin  ich  geneigt, 
ihnen  ein  verhältnissmäesig  hohes  Alter  beizumessen»  Von  allen  bewahrte  nur  die 
Söder-Hamme  bis  zum  Untergang  der  Dithmarscher  Freiheit  ihre  militärische  Be- 
deutung; die  übrigen  sind  ohne  Zweifel  viel  früher  vernacblüssigt  und  in  Verfall 
gerat  hen. 

Die  grossajrttge  Bauernburg  des  Kirchspiele  Weddingstedt  liegt  unweit  vom 
Kirchdorf  an  der  Grenze  der  Marsch  und  zwar  auf  der  Feldmark  des  Dorfes  Borg- 
holz, Also  ist  auch  hier  der  Name  einer  vormaligen  BurghÖlzuug  haften  geblieben^ 
ebenso  wie  bei  der  „hegen  Borg"  von  Fedde  ringen  und  der  Bökeln  bürg  in  Siider- 


W- 


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9***^***— -  .-^. 


Fig.  3. 

dithmarschen.  Nach  einem  anderen  etwas  nördlicheren  Dorf  Stelle  ist  der  Hingwall 
benannt;  die  Stellerburg.  (Fig.  3.)  Eine  schmale  moorige  Niederung,  durch  welche 
die  Steller-Au,  ein  ZuBuss  der  Brok landsau  fliesst,   trennt  die  Bodenerhebung,    auf 

1)  Pre«byler  Bremensis  CHp.  31. 


(32) 

welcher  der  Ringwall  erbaut  ist,  von  der  ostlichen  Weddingstedter  Geest.  .And 
seits  soll  die  Burg  durch  eine  jetzt  6  bis  7  Fuss  unter  der  Oberfläche  lieg 
Steinstrasse  (Stapfsteine?)  mit  der  nordlicher  belegenen  Geestinsel  vod  Stelle 
bunden  sein.  Der  Ringwall,  welcher  an  der  Sudseite  am  höchsten  ist,  1: 
14  Fuss,  und  auf  dessen  Kamm  ich  380  Schritte  zählte,  umschliesst  eine  abgen 
viereckige,  ungefähr  15  Ruthen  lange  und  10  Ruthen  breite  Fläche  tod  etwa 
Preussischen  Morgen.  Gegenwärtig  fuhrt  iu  einiger  Entfernung  nordwestwärti 
Eisenbahn  von  Heide  nach  l'onning.  süd westwärts  die  Eisenbahn  vod  Heide 
Wesselburen  an  der  Burg  vorüber. 

Was  die  Sagengeschichle  betrifft,  welche  sich  an  die  Stellerburg  ankDÜpfl 
habe  ich  bereits  an  einem  anderen  Orte')  die  gänzliche  Haltlosigkeit  und 
späteren  Ursprung  derselben  nachgewiesen.  Der  alte  Ringwall  ist  niemals 
Grafensitz  gewesen,  sondern  nur  eine  Bauernburg  wie  die  anderen.  Der  wände 
Wald  aber  ist  seit  dem  6.  Jahrhundert  in  vielen  deutschen,  dänischen,  britischei 
Sagen  nachweisbar,  von  denen  durch  Shakespeare  und  Schiller  am  bekannt« 
wurde  die  Sage  vom  Schottenköuige  Macbeth,  welcher  unüberwindlich  blieb, 

„Bis  der  Birnam-Wald  auf  ihn  heran 

„Ruckt*  zum  Schlosse  Dunsinan.** 
In  Holstein  lokalisirt  sich  dieselbe  Wandersage  auf  der  Jloh-Haide  an  der  Bunzi 
Au  (Kreis  Rendsburg),  wo  Graf  Gerhard  der  Grosse  im  Jahre  1317  die  Dithman 
überfiel.  Hier  auf  der  Stellerburg  erscheint  der  wandelnde  Wald  als  der  al 
kömmliche  Festzug  zur  Frnhlingsfeier.  wo  man,  mit  grünen  Maien  geschmückt, 
Winter  (den  Tod)  austrieb  und  den  Sommer  einholte.  (Ebenso  erzählt  eine  spi 
lübekische  Sage,  dass  die  Bürger  heim  Maigrafenfe^^t  122G  die  Burg  überrui; 
und  die  Stadt  Lübek  von  den  Dänen  befreit  haben.) 

Ich  darf  nicht  unerwähnt  lassen,  dass  neuerdings  in  der  Stellerburg  eine 
grabung  vorgenommen  wurde,  wobei  man  nur  auf  eine  Heerdstätte  gestossei 
Es  fanden  sich  ausser  Kohlen,  Asche  und  den  vom  Feuer  stark  angegriff 
Heerdsteinen  verschiedene  caicinirte  Knochen,  von  denen  einige  mit  voller  Si< 
heit  als  von  einem  Schwein  herrührend  bestimmt  werden  konnten,  sowie  auch 
Anzahl  Topfscherben  ohne  Ornamente. 

Vergegenwärtigen  wir  uns,  am  Schluss  dieses  Ueberblickes  über  den  Be 
einer  kleinen  Landschaft,  welch  ein  ungeheueres  Aufgebot  von  Arbeitskräften  i 
in  der  Urzeit  für  die  Landesvertheidigung  aufgewandt  wurde!  Neben  dem  ei| 
liehen  Kriegsdienst  erscheint  die  Verpflichtung  zur  Erbauung  und  Unterhaltung 
Burgen  und  Brücken,  das  sogenannte  Burgwerk  und  Brückwerk,  schon  bei 
Angelsachsen,  dann  im  Karolingischen  Reich  und  nachmals  in  manchen  Th 
Deutschlands  als  die  drei  Leistungen,  welche  jedem  Freigebornen  obliegen  (tri 
necessitas).  In  einem  Gesetz  des  Kaisers  Karl  des  Kahlen  vom  Jahr  864  wc 
bei  den  betr.  Dienstleistungen  ausdrücklich  auch  die  Bohlbrücken  (transitoa  | 
dium)  ^aufgeführt-). 

Erst  im  Laufe  des  13.  und  14.  Jahrhunderts  gewann  die  Grenze  awii 
Dithmarschen  und  Holstein  allmählich  ein  anderes  Aussehen.  In  der  langen  ] 
densperiode,  welche  auf  die  Bornhöveder  Schlacht  vom  Jahr  1227  folgte,   §ßm 

1)  Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Schl.-Holst.-Lbpr.  üeschichte  Bd.  IV,  8   ^" 
S.  151 ;  Bd.  X,  S.  42-43. 

2)  Lappenberg:    ^(Jeschichte    von  England*    Bd.  I,  S.  579.     W» 
fassungsgeschichte*  Bd.  IV,  S.  30—31 


(33 

[die  DitbiiiÄrscber,  die  alte  SchuUwehr  der  GreuzwalduDg  entbehreD  zu  konneo. 
uod  der  Kiese wohld  wurde  stark  gelichtet^  um  für  neue  Dorfaolagen  Platz  tu 
sciiaffeo.  Davoü  zeugeu  die  Ortönameo  BeoDewöLld,  Oesterwolld,  Westerwobld, 
Odderade,  Oesterrade,  ScLelrade,  Süderrade.  Im  Verzeiclioiss  vom  Jahr  1281  wird 
zuerst  die  Kirche  zu  Albersdorf  ervväbüt,  uud  im  Jabr  1342  die  Kircbe  zu  Nord- 
Hastedt  Bei  letzterem  Kircbapiel  deutet  der  ursprünglicbe  Name  Reep  -  Herstede 
ausdrücklich  auf  ei  De  VermessuDg  mit  dem  Reep,  d.  h.  der  MessscbBur,  also  auf 
ei  De  systematische  Anlage,  Auch  weiter  südwärts  lasst  der  Name  des  Dorfes  Rade 
(GrosseQ'Rade)^  Kirchspiel  Süder- Baatedt,  auf  eine  Hodung  im  vormaligen  Wald- 
bestande scbliesaen.  Die  Folge  lehrte  jedoch,  dass  man  diese  neuen  Dorfer  im 
Kriege  gegen  den  Grenz nacbbar  nicht  vertbeidigen  konnte.  Wenn  im  Jahr  1319 
Graf  Gerhard  der  Grosse  mit  einem  raschen  Vorstoss  über  die  Siiderbamme  und 
Hemmingstedt  bis  nach  Wobrden  in  der  Marsch  vordrang,  so  beweiset  das  deutlich 
genug,  wie  uflkitjg  es  gewesen,  den  Grenzwald  zu  „verhauen"'  und  die  alten  Land- 
webren zu  vero  ach  lässigen.  Der  schoelle  Wechsel  des  Kriegsglücks  rettete  damals 
Ditbmarscbens  Freiheit;  und  seitdem  hat  man  weiter  rückwärts  neue  stärkere  Ver- 
tbeidigungsliüien  hergestellt  oder  ältere  besser  befestigt;  (so  die  Norderbammc  mit 
der  Tielenbrüüke  und  der  Aubrücke  bei  Suderheistedt.  die  Süderbamme,  die  Delf- 
brücke).  Dagegen  die  östliche  und  südliche  Geest  muaste  für  die  Zukunft  preis- 
gegeben  werden.  Es  ist  offenbar  das  Urtheil  eiaes  erfahrenen  holsteinischen  Feld- 
hauptmanns, welches  wir  bei  dem  Chronisten 0  lesen,  ^dass  die  Kirchspiele  Burg, 
Suder-  uud  Norder-Hastedt,  Albersdorf  und  Telllngstedt,  welche  ohne  SchutÄwebr 
auf  der  Geest  liegen,  leicht  zu  zerstören  siad,**  Der  politische  und  militärische 
Schwerpunkt  DithmarscheiJ&  war  eben  längst  nicht  mehr  auf  der  Geest,  sondern 
die  erst  im  12,  und  13.  Jahrhundert  eingedeichte  fruchtbare  und  reiche  Norder- 
marech  war  inzwischen,  wie  derselbe  Chronist  aagt,  ^die  ganze  Kraft  und  das 
Herz  des  ganzen  Ijandes"  geworden« 


(7)   Hr.  General  von  Quistorp  in  Spandau   macht  mit  Bezug  auf  S.  313  der 
Verhandlungen  18B2  folgende  Mittheilung  über 


den  Gebrauch  des  Schul2enatabes  in  Werbelln. 


^B        Im  Frühjahr  1847  hatte  ich  ein  Wacbkommando  von  Weissenfels  nach  Prettin 

~au    der  Elbe    unterhalb  Torgau   zu  führen  und  nahm  auf  dem  Marsch  eines  Tages 

.     Quartier  in  dorn  Dorfe  Werbelio,  eine  Meile  südlich  Deutsch,    Es  mussten  i*us  An- 

la88  dieser  Eiinquartierung  mehrere  Anforderungen  an  die  Gemeinde  gestellt  werden. 

hÜiii  Mittag  sah  ich  von  meinem  Fenster  aus,  das  am  freien  Platze  inmitten 
des  Dorfes  lag,  einen  Einwohner  umhergehen  und  an  die  Tbür  jedes  Gehöfts  drei 
Hammerschläge  thun.  Auf  mein  Befragen  erhielt  ich  die  Auskunft,  dass  der  Schulz 
auf  diese  Weise  die  Gemeinde -Versammlung  beriefe.  That&ächlich  sah  ich  etwa 
eine  halbe  Stuode  später  die  Bauern  an  dem  Baum  (wahrscheinficli  Dorflinde)  um 

Pden  Schulzen  vereinigt,  der  —  in  allerdings  bäuerlich  formloser  Weise  —  auf  einem 
wohl  zufällig  vorhandenen  Erdhaufen  erhobt  stand  und  mit  seiner  Gemeinde  eine 
lebhafte  Debatte  führte. 

Das  Instrument,  mit  welchem  der  Zusammenruf  geschah,  habe  ich  mir  nicht 
Ingeseben;  doch  war  es  augenscheinlich  ein  Hammer,  — 

DeT  AnfsÄt»  in  den  VerhandluDgen  ruft  jene  Erinnerung  in  mir  wach,  da  der 
Gebrauch  eine  Fortaetzung  alter  Sitte  zu  seio  scheint 


(34) 


(8)   Hr.  BrückDer  zu  Neu- Brandenburg  übersendet  einen 

Bericht  über  eine  Exoureion  nach  denjenigen  Uferpunl(ten  der  Tollense  und  Uep 
weiclien  die  Lage  von  Rettira  gesuolit  worden  Ist. 

Die  seitens  der  Berliner  anthropologischen  Gesellschaft  neuerdings  aDge 
Untersuchungen  über  die  Lage  von  Rethra  haben  den  NeubraD  den  burger 
veranlasst,  sich  ebenfalls  wieder  mit  der  Rethrafrage  zu  beschäftigen.  Die 
lassung  dazu  lag  sehr  nahe.  Rethra  ist  in  der  nächsten  Umgegend  von  Neabi 
bürg  an  mehreren  Oferpunkten  der  Tollense  und  der  südlichen  Fortsetzung  dei 
der  Liepa,  gesucht  -worden. 

An  der  nordwestlichen  Ecke  der  Tollense,  da  wo  jetzt  der  grosshen 
Park  von  Belvedere  liegt,  hat  Sponholz^),  Pastor  zu  Rülow,  die  Stelle  von 
finden  wollen. 

An  der  südwestlichen  Ecke  der  Tollense  bei  und  um  Wustrow  und  a 
gegenüberliegenden  kleinen  Werder,  der  Fischerinsel  in  der  Tollense  [vulgo  ^Uü 
Häuschen,  genannt  nach  einenr  dort  stehenden,  dem  Fischereibetriebe  diei 
kleinen  Häuschen]  ist  von  Beyer^),  Archivrath  zu  Schwerin,  Rethm  | 
worden. 

Die  meisten  Forscher  haben  Rethra  an  der  südlichen  Fortsetzung  der  T< 
an  der  Lieps,  bei  Prillwitz  gesucht.  —  Hier  glaubte  es  schon  1611  La 
(Bernhard  Steinmetz)  Rector  an  der  lateinischen  Schule  zu  Neubrandenl 
seinem  Genealo-chronikon')  suchen  zu  sollen.  —  Hierher  verlegten  es  auch 
rius,  Landsyndikus  zu  Neubrandenburg,  und  Masch^),  Superintendent  i 
strelitz.  —  Auch  Lisch ^)  bezeichnet  nach  seinen  Untersuchungen  Prillwitz 
Stelle^  an  der  Rethra  mijsse  gelegen  haben. 

Auch  F.  Boll^),  Präpositus  zu  Neubrandenburg,  hat  Rethra  an  den  üf< 
Lieps  gesucht;  zunächst  auch  in  der  Gegend  von  Prillwitz.  Später  schien  i 
Theil  des  zwischen  der  Tollense  und  Lieps  liegenden  sogenannten  Liepsl 
die  tief  in  die  Lieps  einschneidende,  Prillwitz  gegenüber  liegende  Halbinsi 
Angaben  der  alten  Chronisten  über  die  Lage  der  Stadt  Rethra  zu  entsp 
Auf  der  gegen  Morgen  von  dieser  Halbinsel  mitten  in  der  Lieps  liegende! 
dem  ^Hanfwerder^,  waren  wiederholt  Alterthümer  gefunden  worden.  Dies 
konnte  nach  seiner  Meinung  vielleicht  auch  zu  Rethra  in  Beziehungen  gei 
haben. 


1)  F.Tb  Sponholz:  Wo  hg  Bbetra?  Versuch  einer  historisch-kritischen  Beani 
dieser  Frage.    Neubrandenburg  18G1. 

2;  Beyer  in  Jahrb.  des  Vereins  f.  Meklbg.  Gesch.  u.  Altertbumskunde:  Bd  80,  { 
Seitenblicke  auf  Retbra  und  Arkona.  Hd.  37,  S.  55  ff.:  Die  Landwehren  und  Grenzheilij 
des  Landes  der  Redarier. 

3)  Dasselbe,  als  ^anuscript  lange  unbekannt  geblieben,  ist  abgedruckt  in  Wei 
Monumenta  inedita.    Bd.  4. 

4)  Die  gottesdienstlichen  Altertbümer  der  Obotriten  aus  dem  Tempel  zu  Rhetn  i 
lenzer  See.    Berlin  1771. 

5)  Jahrbücher  des  Vereins  f.  Meklbg.  Gesch.  u.  Altertbumskunde.    Bd.  111,  8.21 

6)  Fr.  Boll:  Ueber  die  Lage  von  Rbetra  bei  Priiwitz  und  ober  die  sogen.  Pi 
Idole;  in  Archiv  f.  Landeskunde  in  d.  Grossberzogtb.  Meklbg.    Jahig.  1868,  S.40C 

Franz  Boll,  Pastor  an  St.  Jobannis,  Chronik  der  Vorderstadt  Neiibnnduibw| 
brandenburg  1875)  S.  296. 


(36) 

NacL  den  goeheu  bezeichiieteu  Fiiükteo,  so  weit  sie  am  Sudeade  der  Tollouse 
lund  an  der  Lieps  liegen,  hat  der  NeubraDdenburger  Vereio  am  28.  Joli  von  J. 
teine  Exkursioa  utiternommen,  der  ßich  zur  Freude  der  übrigen  TlieilEehmer  Herr 
[Dr.  Voss  und  Herr  Künoe  aus  Berlio  angescblosseti  hatten,  tis  galt,  zu  prüfen, 
\ytie  weit  die  gedachten  Oertlicbkeiton  mit  den  Angaben  der  Chronisten  in  Einklang 
riu  bringen  seien. 

Um  diese  Angaben  noch  einmal  kurz  hier  zusammen  zu  stelleD^  so  lag  nach 
[Thietmar  von  Merseburg  im  Gau  Ridirienira,  umgeben  von  einem  grossen  und 
[Ton  den  Einwohnern  unberührten  und  heiiig  g'^haltenen  Walde  eine  Stadt  Ridegost, 
rwelcbe  eine  dreieckige  [tricornis]  Gestalt  und  drei  Thore  hatte.  Das  gegen  Morgen 
[fechauende  Thor  führte  an  das  Seeufer,  zum  Tempel  und  zu  dem  visu  nimia  horri- 
fbile,  den  Grauen  erregenden  Stätten  des  heidnischen  Gotzenkultua. 

Nach  Adam  von   Bremen   lag  Rethra  im  Gau  der  Retharier  auf  einer  Insel  in 
einem  Seej  eine  Brücke  führte  hinüber.     Die  Stadt  hatte  neun  Thore.    Der  Haupt- 
^gotze,  welcher  dort  verehrt  wurde,  hiess  Redigast. 

^1  Dass    beide    Chronisten    dasselbe    Heiligthum    der    Retharier    beBchreibeD,    ist 

^kuit  Grund  wohl  nicht  zu  bezweifeln. 

^^         Von  einer  erneuerten  üfitersuchung   des   am  Nordende  der  Tollense  gelegenen 
^pTerrains  bei  Belvedere    konnte  man  bei  der  Exkursion  absehen,     Belvedere  ist  ein 
unfern    von    Neubrandeoburg    belegener,    vielfach    besuchter    Vergnügungeort.     Die 
ganze  Lokalität  ist  genugsam   bekannt 

Sponholz,  der  hierher  Rethra  verlegt,  stützt  hauptsächlich  seine  Ansicht  auf 
jdie  schone  Lage  des  Ortes,  die  eines  Tempels  würdig  sei;  —  auf  den  umstand, 
Idass  der  Blick  von  hier  aus  gegen  Morgen  auf  den  See  ßllt;  —  und  endlich  mit 
»besonderer  Betonung  darauf,  d&as  an  dem  hier  steil  in  den  See  abfallenden  hohen 
1  Ufer  an  der  Westseite  der  Tollense  einzig  und  allelD  ein  ^bart  am  See  hinlaufender, 
[Schwindel  erregender*),  Fussweg*  denkbar  sei.  So  wird  nämlich  die  Stelle 
[bei  Thietmar:  tramitem  ad  mare  juxta  positum  et  visu  uimis  horribile  übersetzt. 
[Eine  solche  IJebersetzung  würde  aber  nur  einigermassen  zulässig  sein,  wenn  die 
[Stelle  visu  nimis  borribilem  lautete, 

Dass  Rethra  nun  an  der  Stelle  von  Belvedere  nicht  gelegen  haben  kann,  dafür 
[Bprechen  mehrere  entscheidende  Gründe.  Eiomal  ist  an  der  mehr  oder  weniger 
[insularen  Lage  von  Rethra,  oder  wenigstens  des  Tempels  von  Rethra  fest  zu  halten, 
[Eine  Insel  oder  Halbinsel  kann  es  aber  bei  Belvedere  nie  gegeben  haben.  — ^  Dann 
Ifiind  dort  auch  nie  Alterthümer  gefunden  worden,  namentlieb  nie  slavische  Urnen, 
leder  Scherben  mit  slavischen  Ornamenten^  und  solche  müssten  doch  dort,  wo  die 
iTulgatissima  Retbre  des  Chronisten  gestanden  hat,  zu  finden  sein,  —  Endlich  liegt 
{ Belvedere  auch  nicht  in  dem  alten  Gau  der  Retharier,  dem  Radver.  Im  Radver, 
wie  der  Gau  der  Retharier  auch  kurzweg  genannt  wird,  ist  aber  Rethra  nach  den 
Angaben  der  Chronisten  zu  suchen. 

Die  Bestimmung  der  Grenzen  des  Radver  ist  für  die  Ermittelung  der  Lage 
JTon  Rethra  von  besonderer  Wictiiigkeit 

Die  Untersuchungen  über  die  Lage  und  die  Grenzen  des  Radver  sind  naraent* 
!licb  gefordert  worden  durch  Boll*),  Lisch '),  und  Wigger*). 


1)  8ponhi>lz  a.  a.  0.  S.  B6. 

2)  F.  Boll:  Gesch.  d.  Landes  SlargartJ.    Tbl  I,  a  17  fr. 

3)  Lisch:  Juhrb.  d,  Vereins  f.  Mklbg,  Gesch.  n.  ArteTtbumskunde.    Tbl.  111,  S.  11  ff. 

4)  Dr*  Friedr.  Wigger:  Meklenburgische  Anualen  bis  zum  Jahre  1066.    (Schwerin  1860.) 


a* 


Nach  ihren  Untenacbungen  ist  die  L»age  des  Radver  mm  devtlicIisteB  n  » 
kennen  aus  der  Stiftungsurkunde  des  Klosters  Broda.  Diese  Urkunde  ist  amgMhJI 
im  Jahre  1170,  zwanzig  Jahre  nach  der  letzten  Zerstörang  Bethras,  die  ii  di 
Jahr  1150  fallt     Die  Urkunde  ist  also  ausgestellt  zu  einer  Zeit,   mls  die  alte  6» 

graphie  noch  genugsam  bekannt  sein  musste. 

Fürst  Kasimir  fon  Pommern  ferschreibt  in  der  Stiftaagearkunde  dem  Doli 
folgende  Ortschaften: 

uilla  Bruode,  cum  foro,  taberna  et  omnibus  attinentiis  sais,  nmiliter  et  hi 
uillas,  Wointin,  Caminiz,  Wogarzin,  Szilubin,  Calubye  usqae  in  floTiam,  qoi  foctft 
Pretustniza,  Patsutin,  Wolcazin,  Crucowe,  Michnin,  Pacelia,  Vilim,  item  TS^ 
Carstici,  Cyrice,  Wustrowe  castrum  cum  villa.  In  Radair:  Podnlin,  Trilnii^ 
Wigon,  Cussowe,  Tuardulin,  Dobre,  Step,  Roueoe,  Priulbitz,  Nicakowe,  Malkc^  L- 
mino,  Lang,  Ribike,  Tsaple,  Nimyrow,  Malkowe,  Stargard,  et  Lipis,  com  omaSim 
uillis  suis  usque  in  stagnum  Woblesko  et  sursum  HaTelam  usqae  Chotibii%  <t 
desertas  uillas,  quae  a  Vilim  inter  fines  Chotibanz  Lipiz  et  Hmyelam  jecent 

Diese  Urkunde,  deren  Mittheilung  zum  Verständniss  des  Folgenden  notbvMii 
war,  ist  mitgetheilt  nach  dem  Abdruck  bei  Lisch  (Mekbg.  Jmhrb.  III.  pa^  \\\ 
und  ist  als  besonders  wichtig  bei  derselben  hervorzuheben,  daas  in  der  OrigiMl' 
Urkunde  —  wie  Lisch  sagt  —  „nach  dem  Worte  yilla  eio  Pankt  steht  mid  di 
folgende  Wort  „In^  mit  einem  gross  und  sorgfältig  geschriebenen  I  beginnt^  io  im 
also  „In  Raduir^  als  Einleitung  zu  einer  neuen  Reihe  von  Namen  an  die  Bfim 
gestellt  wird. 

Die  in  der  Urkunde  genannten  Ortschaften  existiren  dem  grGseten  Theik  Mk 
noch  heute  mit  ihren  alten  Namen  und  liegen  im  Umkreise  weniger  Meila  ■ 
die  Tollense  herum. 

Es  sind  drei  Gruppen  von  Ortschaften  deutlich  zu  unterscheiden. 

Die  in  der  ersten  Gruppe  genannten  Ortschaften  liegen  alle  westwftrts  «m^ 

Tollensefluss,    dem  Tollenser  See,    dem  alten  Bach,    [welcher  firüher  die  d^ 

und  einzige  Verbindung  zwischen  Tollense  und  Lieps  bildete],  der  Lieps  und  ~ 
Zufluss  derselben,  der  zwischen  Hohenzieritz  und  Prillwitz  von  der  Sandmikh 
herabkommt  Offensichtlich  haben  diese  zusammenhängenden  „Tollenaegewiiia', 
wie  sie  der  Kürze  wegen  bezeichnet  sein  mögen,  eine  geographische  Grenae  swiKki 
den  Ortschaften  der  ersten  und  zweiten  Gruppe  gebildet.  Es  wird  dies  ht 
sonders  deutlich,  wenn  man  auf  die  Reihenfolge  achtet,  in  welcher  die  Ortidiita 
aufgezählt  werden.  Die  Ortschaften  der  ersten  Gruppe  werden  von  Broda  ans  ■■ 
erst  nach  Norden  und  dann  im  Hogen  herum  nach  Süden  aufgexählt  Bei  fa 
Aufzählung  der  Ortschaften  der  zweiten  Gruppe,  die  ostwärts  von  den  TulliMi 
gewfissern  liegt,  beginnt  dann  die  Reihenfolge  wieder  von  Norden. 

Die  Ortschaften  der  ersten  Gruppe,  soweit  sie  noch  nachweisbar  sind  1»» 
heute  Broda,  Weitin.  Chemnitz,  Woggersin,  Lebbin,  KalGbbe,  Passentin,  Wolkw^ 
Krukow,  Maliin?,  Penzlin,  Gr.  Vielen,  Kl.  Vielen,  Hohen«ieriU,  Wattn«,  fc 
liegen  nach  der  Ansicht  der  meisten  Forscher  im  früheren  Lande  Wostrow  [(te 
späteren  Lande  Penzlin]  und  in  der  alten  Provinz  Tholenk. 

Die    zweite  Reihe    von  Ortschaften,    welche    alle  ostwärts  von  den 
wässern  liegen,  beginnt  mit  den  Worten:    In  Raduir.     Es    hexest  aho  aa 
Ton    dieser  Gruppe    von  Ortschaften,    dass    sie    im  Gau  der  l^^^itrhl^ 
sind  grösstentheils  noch  heute  mit  ihren  alten  Namen  Vorhände«» 


(a?) 


Treptow® 


Lebbin  ^ 
KalUbbeo         ^A      q  Podewall 

Wog3.rslnO      YJ]    \     ^„„„h.jM 


ChemnH'zo 


PAS«entlnO   Jf .. .   Brod« 

-Wullciiizln         Q 


Penzlin®  ^ 

AHR«h« 


O  GfsVieUn 

WuBtPowO 


O  Kl.Vialan 
Hohan-ZiarltzO 


AdamsdonP 
o 


>är«^v>&ift^ ,  d«T  >^  «V  «N 


Neu-Stpelitz    o 
V 


Wesenberg® 


Weetr^ 


(38) 


PoduUn        hei86t  jetzt  Podewall. 
Tribinowe         ^  „     Trolleohageo? 

Wigon  lag  wahrscheinlich  im  BordlicheD  Theile  des  Neiibraodenburger  Stadt- 

feldes. 
Cus&owe       heisst  jetzt  Küsbow, 
Tuardulin         ^  „     Warlio, 

Dobre  wahrscheiDlich  öötüch  vod  Neubrandeoburg  auf  Staditfeld,  untergegangen. 

Step  lag  DachweLsbar  auf  Neubrandenburger  Feldmark,  südlich  toü  der  Stadt. 

RoTiene         heisst  jetzt  Rowa. 
Priulbits  „         ^     Prillwitz. 

Nicakowe    Dicht  Dachau  weisen. 
Malke  nicht  nachzuweisen, 

Kamino        heisst  jetzt  Canamin, 
Lang  nicht  nachzuweisen. 

Ribike         heisst  jetzt  Riepke. 
Tsaple  „  „     Säbel. 

Nimjrow         ^  „     Nemerow. 

Malkowe      nicht  nachzuweisen, 
Stargard       heisst  jetzt  Stargard. 

Alle  diese  Orte,  so  weit  sie  oachzu weisen  sind,  liegen  also  ostwärts  ron  den 
Totlensegewässern  im  nordwestlichen  Mekleubarg^Strelitz.  Hier  ist  mttbia  un- 
zweifelhaft  das  Land  der  RetharteTj  der  Radver,  zu  suchen > 

Die  Westgrenze  des  Landes  der  Retbarier  ist  durch  die  bezeichneten  ToUense- 
ge Wässer  gegeben.     Nordwärts  reichte  der  Rad?er  bis  an  den  Landgraben,  der  noch 
heute  die  Grenze  zwischen  Mekleuburg  und  Pommern    bildet,     Jenseits  des  Land- 
grabe DS   war   Land   Treptow.    Wie    weit   nach  Osten  und  Süden  der  Rad? er  sich 
^  erstreckt  haben  mcjge,  igt  nicht  mit  Sicberbeit  anzugeben. 

Nach  Süden  kann  sich  nbrigens  der  Radver  nicht  sehr  weit  erstreckt  haben. 
Hier  lag  das  Land  Lipiz,  derjenige  Landstrich,  welcher  als  dritte  Gruppe  dem 
Kloster  verlieben  ward:  ^Lipiz  mit  allen  seinen  Dörfern  bis  zum  See  Woblesko 
(dem  Woblitzsee  bei  Wesenberg)  und  die  Havel  aufwärts  bis  Cbotibanz  (jetzt 
Adamsdorf)')  und  die  wüsten  Dörfer,  welche  von  Vielen  an  zwischen  den  Grenien 
von  Chotibanz,  Lipiz  und  der  Havel  liegen.** 

Am  echwierigslen  ist  es,  gegen  Osten  die  Grenze  des  Radver  zu  bestimmen. 
Das  aber  ist  nach  dem  Wortlaut  der  Broda' sehen  Urkunde  nicht  zu  bezweifeln,  dass 
die  Tollensegewässer  gegen  Westen  die  Grenze  gebildet  haben. 

Die  Hübe  am  Westufer  der  Tollense,  auf  welcher  der  Pavillon  von  Belvedere 
erbauet  ist,  lag  ausserhalb  der  Grenzen  des  Radver.  Hier  kann  Rethra  nicht 
gelegen  haben. 

Bas  erste  Ziel  der  Excursion,    die  zu  Wasser  ausgeführt  wurde,    weil  man  auf 


1)  Nach  P.  Kübnel,  Gymnasiallehrer  in  Neubrandenburg:  Die  slavischen  Orfanamen  In 
MekJetihurij  (in  Jahrk  d.  Vereins  f.  Jlkllig.  Gesch.  n.  Alterthumskunde.  1S8L  S.  21)  heisst 
d.  Ort  1170  Chotibanz,  1182  Chotebani,  1244  Chotihanz;  später  1460  Kostal!,  1473  Kostal. 
Traditionell  ist  der  Ort  Koschwanz,  Kiihscbwanz,  und  bis  1815  officiel  Kostall,  Kuhstall  ge- 
nannt worden*  Der  Name  Kostall  kommt  zueri»t  1640«  also  nach  dor  Dentscben  Besledeluug 
vor.  Ob  da  die  gegebene  Ableitung  von  altslav.  Kostelu,  Kastell,  Thurm,  poln.  kosciol,  Kirche, 
Tempel  und  die  Deutunf^  f,Eirchort'  richtig  ist,  scheint  doch  fraglich.  War  einmal  Chott- 
ban*  in  Koscbwani  cikrrumpirt,  Bcbeint  bei  de  utachen  Bewobncm  der  üebcrgang  in  Kostall 
mit  der  Bedeutung  Kuhstall  doch  dos  WahrschBiulichere.  —  Nacb  1812  («stufte  der  Besitzer 
dm  Gut  um  in  Adamsdorf  tum  Andenken  an  einen  in  Rusaland  gebliebenen  Sohn, 


(39) 

diese  Weise  alle  zu  untersuclienden  Puakte  leicht  erreichen  konote,  war  die  Fischer* 
iosel  IQ  der  Südostecke  der  Tollense  und  das  gegeDÖber  liegeode  Wuatrow.  Nach 
zweistiiDdig<?r  Fahrt  über  den  schooen  See  wurde  die  Insel  betreten. 

Die  kleine  Insel  ist  niedrig,  theilweise  sogar  sumpfig,'  sie  ist  150  bis  180 
Schritte  lang,  30  bis  36  Schritte  breit  und  umfasst  dabei  ein  Areal  von  rund  G500 
Quadratmetern, 

Auf  dieser  kleinen  Insel  soll  nach  der  Ansicht  von  Beyer  der  Tempel  von 
Rethra  und  auch  das  castrum  Wustrow  gelegen  haben.  Die  zu  dem  Tempel 
gehörende  civitas  yod  Retlira  soll  dann  auf  dem  bei  Wustrow  gegenüber  liegenden 
Festlande  zu  finden  sein  uod  nicht  sowohl  eine  Stadt  als  vielmehr  ein  Tempelhain, 
jener  van  den  Einwohnern  unberührte  und  heilig  gehaltene  Wald  Thietmars 
gewesen  sein»  Dieser  heilige  Tempelgau  soll  das  ganae  Land  Wustrow,  das  spätere 
Land  Pewxlin,  timfasst  haben. 

Lassen  wir  diesen  heiligen  Tempelhain  ausser  Acht,  so  ist  nicht  zu  leugnen, 
doas  die  topographischen  Verhaltnisse  speciell  bei  Wustrow  naanehen  Angaben  der 
Chronisten  entsprechen.  Ostwärts  vom  Featlande  bei  Wustrow  tind  nahe  detn selben 
Hegt  eine  Insel  im  See,  Von  Wustrow  und  von  der  kleinen  Insel  aus  blickt  man 
gegen  Morgen  auf  den  Spiegel  der  Tolleßse,  des  grosaten  Sees  der  ganzen  Um- 
gegend, Wer  diese  Verhaltnisse  auf  der  Karte  betrachtet,  nicht  aus  eigener  An- 
schauung die  ganze  Gegend,  die  Ufer  der  Tollense  und  namentlich  auch  der  Lieps 
kennt,  kann  sehr  leicht  auf  die  Idee  kommen,  Rethra  müsse  bei  Wustrow  gelegen 
haben.  —  Dass  es  Beyer  so  gegangen  ist,  erfahren  wir  von  ihm  selbst^)»  ^Ich 
glaube  —  sagt  derselbe  —  dass  die  Burg  Adams  auf  einer  wirklichen,  ringsum 
von  tiefem  Wasser  umgebenen  Insel  lag,  und  zwar  nach  Tbietmars  Angabe  am 
Westufer  des  Sees,  so  dass  man  aus  der  zu  diesem  hinausgehenden  Pforte  nach 
Osten  schaute.  Demnach  suche  ich  die  Tempel  bürg  am  Westufer  des  Tollenser 
Sees,  und  hier  findet  sich  an  der  hinter  dem  Dorfe  Wustrow  gelegenen  Insel  ein 
in  jeder  Beziehung  geeigneter  Platz,*' 

Aut?ser  der  Oertlichkeit  bei  Wustrow  giebt  es  nun  aber  noch  andere  Plätze, 
die  den  Angaben  der  Chronisten  entsprechen,  ond  von  welchen  man  auch  gegen 
Osten  hinaus  auf  den  Seespiegef  blickt.  Diese  Plätze  liegen  an  den  ufern  der 
Lieps,  und  wer  diese  Pliitze  besucht^  wird  sich  leicht  überzeugen,  dass  auf  ihnen 
ebenfalls  die  Lage  von  Rethra  denkbar  i^t.  Dieselben  sollen  spfiter  ganz  objectiv 
ebne  vorgefasste  Meinung  betrachtet  werden. 

Geht  man  aber  von  einer  bestimmten  Auffassung  über  die  örtliche  Lage  von 
Rethra  aus,  so  muss  sieb  dann  Alles,  was  sonst  noch  über  Rethra  bekannt  ist, 
dieser  Auffassung  anbequemen. 

Es  ist  oben  bereits  nachgewiesen  worden,  wo  nach  dem  unzweifelhaften  Wort- 
laute der  Broda sehen  Urkunde  der  Radver  zu  suchen  ist. 

Im  Radver  lag  Rethra,  Geht  man  von  der  Voraussetzung  aus,  Rethra  habe 
bei  Wustrow  gelegen,  so  ist  es  vor  allen  Dingen  nothwendig,  nachzuweisen,  Wustrow 
habe  im  Radver  gelegen.  , 

Es  ist  oben  bei  Besprechung  der  Brodaschen  Stiftungsurkunde  gezeigt  worden, 
dass  die  dem  Kloster  verliehenen  Ortschaften  deutlich  in  drei  Gruppen  zerfallen. 
Die  zweite  Gruppe  beginnt  in  der  Urkunde  nach  einem  Punkte  mit  einem  gross 
und  deutlich  geschriebenen  J  und  den  Worten:  In  Radnir.  Lisch,  der  die  Urkunde 
selbst  in  Händen  gehabt  bat,  bemerkt,  es  sei  ganz  unzweifelhaft,  dass  die  Worte 
„Fn  Raduir**  an  die  Spitze  einer  neuen  Reihe  von  Ortschaften  gestellt  seien,  —  Dm 


1)  Jahrb.  d.  Vereins  f.  Mklbg.  Oescb.  u.  Alterthamskunde,    Bd.  32,  S,  136, 


(40) 

DUD  Wustrow  io  den  Radier  zu  bringen,  verändert  Beyer  die  loterpunktion  and 
die  Schrift  (das  grosse  J),  Er  verbindet:  Wnstrow  castrum  cam  viUa  io  Ridotr. 
Er  meint,  der  Zazatz  Wustrow  in  liaduir  »ei  bier  zum  üoterachiede  töb  mam 
anderen  Orte  Wufitrow,  welcher  südlich  von  Wesenberg  am  Rätzsee  liegt,  geoudt 
worden.  Eine  solche  Umgestaltung  des  klaren  Wortlautes  einer  Urkunde  —  oui 
IDUS8  sagen  einer  vorgefassten  Idee  za  Liebe  —  ist  mindestens  doch  sehr  bedetl* 
lieh.  —  Dazu  kommt  dann  noch,  dass,  wenn  die  Lesart  ^on  Beyer  richtig  viic, 
ein  ganz  sonderbarer  Sprung  in  der  Aufzählung  der  Ortscbaftea  gemacht  vtcl; 
auf  Wustrow  am  Södende  der  Tollense  folgte  dann  unvermittelt  Podewall,  ohtt 
weit  nordlich  der  Tollense*  Wenn  durch  die  Worte  „In  Raduir^  nicht  ein«  o«w 
Gruppe  von  Orten  abgegrenzt  werden  sollte,  wäre  es  dann  Dicht  am  natürlicbiiit 
gewesen,  nach  Hohenzieritz  und  Wustrow  gleich  das  benachbarte  PrillwiU  a 
nennen?  —  Es  kann  nicht  zweifelhaft  sein,  dass  die  oben  bezeichoeteo  ^Toücni»- 
gewässer**  eine  geographische  Grenze  gebildet  haben. 

Liegt  nun  aber  Wustrow  nicht  im  Radver,  so  fiilit  jeder  Grand  weg,  hier 
Rethra  suchen  zu  wollen. 

Dass  man  übrigens  in  den  ersten  Jahrhunderten  nach  der  Zeratömng  Rethm 
nicht  bezweifelt  bat,  Rethra  habe  an  der  Ostseite  der  Tollensegewä&scr  im  Laadt 
Stargard  gelegen,  dafür  spricht  eine  Stelle  in  den  handschriftlichea  Aafxeichouogfi 
des  fahrenden  Schülers  Michael  Frank ^),  eines  Studenten  der  Theologie^  der  mctli* 
rere  grosse  Wanderungen  gemacht  hat  Bei  der  ^Beschreibung  des  Meklenbarg« 
Landes**')  heisst  es  u.  a.; 

,Item  Rhetra,  da  noch  alte  Uhrkundt  und  mdera  einer  feiaea  Stmdt  TorhandeOi 
allda  auch  ein  Tempel  des  Abgottes  Radagast  gewesen;  diese  Stadt  soll  stebei 
feste  Thor  gehabt  haben ^  auch  mit  tifen  Graben  und  Mauern  wohl  verwahret,  soll 
gelegen  sein  in  dem  stargartischen  Lande   nicht  weit  von  einem  grossen  Set.* 

Grabungen,  die  anf  der  Fischen nsel  bei  Wustrow  leider  bei  der^Excursion  nicb 
vorgenommen  werden  konnten,  weil  die  Arbeiter  nicht  rechtzeitig  zur  Stelle  warfa, 
die  aber  später  mehrfach  nachgeholt  worden  sind^  haben  gar  keine  Resultate  ergeben* 
Es  sind  weder  slavische  noch  mittelalterliche  Reste  gefunden  worden« 

Nach    Allem    hat    sich    die   Ueberzeugung    Geltung   verschaffen    müsseii« 
Rethra   an    der  Stelle    oder   in    der  Umgegend    von  Wustrow    nicht  gelegen 
könne.    Der  Besuch  der  Gegend  war  aber  doch  nicht  ohne  Interesse, 

Schon  während  der  Fahrt  auf  der  Tollense  winkte  von  der  ansehaliches  Hfibe 
hinter  Wustrow  ein  grosseft,  noch  ziemlich  wohl  erhaltenes,  Kegelgrab  herob». 
Der  Besitzer  von  Wustrow,  Hr  Baron  von  Maltzan,  hatte  die  Anfgrabaog  des 
Kegels  gestattet,  und  waren  dazu  alle  Vorbereitungen  getroffen  worden.  Allein  als 
man  auf  der  Höhe  angelangt  war,  wurde  es  sofort  klar,  dass  man  fiir  heute  voo 
der  Oeffnung  des  Grabes  abstehen  müsse.  Das  Grab,  welches  am  unteren 
noch  mit  einigen  Steinen  umstellt  ist,  hat  eine  Hohe  von  etwa  4  bis  5  Metern 
einen  Umfang  von  etwa  30  bis  3^  Metern.  Zur  Oeflfnung  desselben  waren  l  Sb 
i  volle  Tage  erforderlich  gewesen.  Bei  dem  ferneren,  für  den  Tag  entworfeueo 
Programm  war  an  eine  Grabung  bier  nicht  zu  denken. 

Von    diesem  Eegelgrabe   begab   sich  nun  ein  Theil  der  Ge^llschaft 
anderen,    weiter    entfernt  liegenden  Hügeln.     Der  grösste  TheU  des  W^^s 


1)  S#ine  handschriftticbaii  Aufzeicbnangen  befinden  sich  in  der  BathsbibUolhah  der  Slidl 
Ziitan.    Al>g«dnickt  ist  aus  denselben  in  den   Baltitchen  Studien  Jahigang  1880),  S.  bl  £: 
»Waadcrnog  eines  fahrenden  Scbölefs  durch  Posmern  und  Mekl^nhurg  aono  1590. 
?)  a.  a.  0.  S.  82. 


(41) 


I 


rte  bergauf  bergüb  über  schwereo,  durch  laugen  Regen  aufge weichte»,  frisch 
«mgebrocheEen  Acker,  Wer  oicht  mit  festem,  wasserdichtem  Öclmh2eug  Teraehen 
war,  sah  sich  gezwungen,  diese  Expedition  aufzugebeD.  —  Die  beiden  Hügel  sind 
später,  am  20,  August,  von  NeubrandeDburg  aus  noch  einmal  besucht  worden  und 
sind  bei  der  Gelegenheit  die  gteieh  anzugebenden  Maasse  ermittelt  worden. 

Die  blosse  Besichtigung  lässt  nicht  mit  Sicherheit  erkennen,  ob  die  Hügel 
nicht  etwa  ganz  oder  wenigstens  doch  theilweise  durch  die  Natur  gebildet  sind. 
Der  kleinere  Hügel  hat  einen  Durchmesser  Ton  70  Fuss  und  mag  etwa  220  bis 
230  Fuss  im  Umkreise  messen.  Seine  Basia  ht  rund  und  hat  derselbe  ganz  die 
Form  der  Kegelgraber.  —  Der  grossere  Hügel  dürfte  bestimmt  dem  grossten  Theile 
nach  eine  natürliche  Bildung  sein.  Er  ist  auf  der  Höhe  100  Schritte  lang  und 
15  Schritte  breit;  seine  südliche  Langseite  geht  unmittelbar  in  ein  tief  liegendes 
Thal  über.  An  dem  westlichen  Ende  des  langgestreckten  Rückens  liegt  eine  ganze 
Anzahl  grosser  Geschiebeblocke  in  ziemlich  regelmassiger  Lage.  Daas  diese  eine 
alte  Grabstelle  umschliessen,  ist  möglich. 

Der  Theil  der  Geseilschaft,  welcher  die  Expedition  nach  den  Hügeln  hatte 
ftufgeben  müssen^  schiffte  sich  wieder  ein  und  besuchte  eine  alte  Ffahlstellung  in 
der  Lieps.  Die  Pfähle  sind  kurz  über  dem  Grunde  vermorscht  und  abgebrochen, 
Sie  waren  in  dem  trüben  Wasser  der  Lieps,  obschon  dieselbe  hier  nur  etwa  3  Fuss 
tief  ist,  nicht  zu  sehen,  konnten  nur  durch  Sondiren  mit  den  Rudern  aufgefunden 
werden.  Ihre  Stellung  wurde  dann  durch  neben  gesteckte  Zweige  markirt.  Die 
Fflhle  stehen  in  einer  graden  Reihe;  eine  Doppelstellung  wie  bei  einer  Brücke 
ist  nicht  vorhanden.  Die  Reihe  der  Pfahle  beginnt  an  der  Mündung  des  ^alten 
Grabens**  (einer  künstlichen  Verbindung  zwischen  Tollense  und  Lieps),  und  zieht 
sich  in  einer  Linie  mit  dem  Westufer  des  alten  Grabens  bis  nach  einer  kleinen 
unbedeutenden  Insel  (von  den  Fischern  Heidensriihe  genannt)  hin.  An  dieser  Pfahl- 
steil  ung  wurden  in  einem  Boote  zwei  Leute  zurückgelassen  mit,  der  Weisung,  in 
der  Nahe  der  Pfähle  Proben  vom  Grunde  des  Sees  heraus  zu  baggern* 

In  dem  Baggersch lamme  haben  sich  ausser  zahlreichen  Conchylien  nur  he* 
arbeitete  Holztheile,  zugespitzte  durch  Moder  geschwärzte  Pfahlenden  und  ebenso 
beschaffene  Bruchstücke  von  Zweigen  und  Ruthen  vorgefunden.  Das  FIolz  rührt 
theils  von  Elsen,  theils  von  Weiden  her.  Die  Zweigreste  sind  alle  gewunden,  als 
hätten  sie  einem  Flechtwerk  angehorf.  Wahrscheinlich  ist  hier  bei  Anlage  des 
alten  Grabens  durch  Verzäunung  und  Flechtwerk  eine  Art  Buhne  als  Schutz  gegen 
Yerschlamroung  des  Grabens  angelegt  worden.  Eine  Zeitbestimmung  dieser  Anlage, 
da  keine  Alterthümer  gefunden  wurden,  ist  unmöglich. 

Nachdem  die  Gesellschaft  an  der  Wust ro wer  Ziegelei  sich  dann  wieder  ver- 
einigt hatte,  wurde  die  Fahrt  bis  Prillwilz  fortgesetzt,  und  hier  zunächst  ein  Rund- 
gang durch  den  Grossherzoglichen  Schlossgarten  und  das  Dorf  unternommen,  um 
ein  Bild  der  ganzen  OertÜchkeit  zu  gewinnen.  Das  feste  Terrain ,  auf  dem  das 
Dorf  Prillwitz  und  der  Schlossgarten  liegt,  ist  begrenzt  theilweise  vom  See,  der 
sogenannten  Lieps,  theilweise  von  grossen  Wiesenflachen,  zwischen  denen  nur  eiu 
schmaler  fester  Zugang  nach  Prillwitz  hineinführt.  Die  Wiesen  sind  theilweise 
sehr  sumpfig,  theilweise  bildet  die  Grasnarbe  auch  nur  eine  auf  dem  Wasser 
schwimmende  Decke.  Der  Fischerei pachter,  Hr.  Melz,  welcher  die  Gesellchaft  als 
kundiger  Wegweiser  begleitete,  zeigte  eine  mitten  in  der  Lieps  festsitzende  kleine 
Insel,  die  im  letzten  Winter  durch  Abreissen  von  dem  Bchwimmenden  Prillwntzer 
Wiesenplane  entstanden  war.  Es  leidet  keinen  Zweifel,  dass  die  Prillwitzer  Wiesen 
nach  und  nach  durch  Zuwachsen  entstanden  sind,  und  dass  das  ganze  Terrain  von 
Prillwitz  bis  auf  die  schmale  feste  Verbindung  früher  von  Wasser  umflossen  war. 


Angabe  Ton  neun  Thoren  und  dem  oeunfachen  Styx  klingt  entschieden  noch 
poetischer  AusschnuickuDg»  Drei  Thore  sind  natnrgemass  auf  dem  Terraia  bei 
PnllwiU  z\i  constnnreti.  Das  erste  Tlior  führte  auf  dem  schmalen  Strich  festen 
Bodens  TOn  Snden  her  in  den  Ort  hinein.  Von  Westen  oder  Nordwesten  her,  vod 
Zippelow,  wo  jetzt  ein  aufgeschütteter  Damm  die  Verbindung  Tormittelt,  bat  es 
noch  in  ziemlich  neuer  Zeit  nnr  eine  auf  Pfählen  Tuhende  Holzöberbruckung  ge- 
geben.   Hier  möaste  also  das  zweite  Thor  gelegen  hahen.    Das  dritte  Thor,  weichet 


M 


(43) 

gegen  MorgeD    hiDauablickte,   fülirte    danu    nur   an  den  See  und  zum  Heiligthume 
(faDum),  vermittelte  keioe  VerbinduDg  nach  aussen. 

Der  Eindruck,  dass  auf  der  Stelle  voo  PrilJwitz  Rethra  könne  gelegen  hÄben, 
ist  sehr  vielen  Besuchern  dieser  Gegend  geworden.  So  z.  B.  sagt  Liscb'):  ^icb 
habe  bei  einer  persönlichen  Untersuchung  an  Ort  und  Stelle  die  Localitat  von 
Prillwitz  so  überraschend  und  gowohl  in  den  grossartigen  Ausdehnungen,  ak  in 
den    kleinsten  Einzelheiten    so  ijbereinsticumend   mit  den  alten  Berichten  gefunden, 

dass    ich    keinen  Augenblick  zweifele:  Frillwitz  sei  die  Stelle  von  Rethra 

Als  eine  grosse  Merkwürdigkeit  aber  inusä  es  angesehen  werden,  dass  auf  den 
erhabensten  Stellen  von  Prillwitz,  auf  dena  mit  tiefen  Wiesen  umgebenen  Plateau, 
naraenilich  in  den  Pfarrgärten  und  in  dem  lürstlicheD  Garten  eine  so  grosse  Masse 
von  blaugrauen  Scherben  von  mittelalterHchen  Gefässen  gefunden  wird,  dass  sie 
wahrhaft  in  Erstaunen  setzt.  .  .  .  Zwei  angestellte  Proben  lohnten  ,  .  .  mit  einer 
Hand  voll  Scherben,  welche  denen  in  den  sogenannten  Wendenkirchhöfen  ähnlich 
waren,  zumal  da  einige  ganz  charakteristische  Verzierungen  hatten.**  Demnach 
hätte  Lisch  also  Scherben  mit  sla vischen  Ornamenten  gefunden. 

Seitens  der  Theilnehraer  der  EKkursion  ist  nun  auch  mehrfach  unten  am  Scbloss- 
berge  im  fürstlichen  Garte o^  sowie  auch  im  Pfarrgarten  gegraben  worden.  Man 
war  nicht  so  glücklich  im  Pfarrgarten  irgend  etwas  zu  finden.  Was  im  furstliclieu 
Schlossgarten  zu  Tage  gefördert  wurde,  waren  mittelalterliche  blaugraue  Scherben, 
Scherben  mit  slavischen  Ornamenten  wurden  nicht  gefunden^). 

Directe  Beweise  einer  stavischen  Ansiedelung  sind  demnach  bei  der  Exkursion 
nicht  gefunden  worden.  Allein  der  Name  PHllwitz,  der  entschieden  slavischen 
Ursprunges  ist,  kann  als  sicherer  Beweis  dafür  dienen,  dabs  Slaven  hier  angesiedelt 
waren. 

Aus  dem  Umstände,  dass  der  Ort  zwanzig  Jahre  nach  der  Zer&töruDg  von 
Rethra  den  slavischen  Namen  Prülwitz  trägt,  hat  Bucliholz,  Pastor  zu  Lychen, 
in  einer  anonymen  Schrift^),  die  gegen  die  Ausführungen  von  Masch  gerichtet  ist, 
zu  deduciren  gesucht^  dass  Rethra  nicht  an  der  Stelle  von  PrillwiU  gesucht  werden 
könne.  ^Es  ist  unbegreiflich**  —  sagt  er  —  „dass  die  Sachsen,  wenn  sie  an  der 
Steile  von  Rhetra  eine  neue  Festung  Liaueu,  und  den  alten  wendischen  Namen  nicht 
behalten  wollen,  dieselbe  mit  einem  neuen  Namen  aus  eben  der  Sprache  sollen 
belegt  haben.  Das  war  wider  ihre  Gewohnheit;  wo  ihnen  das  Wendische  nicht 
gefiel,  da  gaben  sie  deutsche  Namen."  Wenn  in  der  ßrodaschen  ürkundü  zwanzig 
Jahre  nach  der  Zerstörung  von  Rethra  ein  Ort  mit  dem  wendischen  Namen  Frill- 
witz  genannt  wird,  so  musa  es  allerdings  Bedenken  eiregeo,  wie  derselben  Ort 
zwanzig  Jahre  früher  den  wendischen  Namen  Rethra  geführt  haben  könne. 

Es  dürfte  nicht  uninteressant  sein,  hier  auf  eine  Bexuerkung  von  Sponholz"^) 
aufmerksam  zu  machen.  ^'Pifr/Jat  —  sagt  derselbe  —  heisat:  Ausspruch,  Gotter-, 
Orakelspruch.  Wie,  wenn  unsere  Chronisten  das,  in  der  ihnen  zugekommenen 
Schilderung  der  Redarier^Stadt,  ihnen  Bedeutungsvollste':  ^dort  war  das  Orakel 
der  Ungiäubigen'^  in    der    ihneo  geläufigen  griechischen  Sprache  bezeichneten,  den 


1)  Jährt»,  d.  Vereins  f.  Mklbg.  Gescb.  n.  AUertbumskunüe.    ßtl.  üf^  S.  21. 

2)  Hr.  Inspektor  Engholm  xu  Prillwiti  hat  küriÜch  eine  grosse  Menge  von  Seherlicn 
eingesandt,  die  beim^ünibau  de»  Pferd  est  ullea  au?i  gegraben  wurden.  Es  sind  durchweg  mittel* 
alt« fliehe  Topfstherleo. 

S)  Hhetra  und  dessen  Götzen.    Sendschreiben  eines  Mürkers  an  einen  Meklenburj^er  über 
die  zu  Prillwitz  gefnüdeiun  wendischen  Ällenhümer.    Ijützow  und  Wismar  1773. 
4)  a,  a.  0.  S.  3^. 


wicbtigvteii  Gegenstand  in  der  5udt  zum  Namen  derselbeo  machteD?^  Will 
eine  aolcbe  Erklärung  acceptlreo^  daisD  lies^e  sich  Prillwits,  aU  Oft,  mit  dem 
Heiligtbame,  dem  Orakelplatz  Eethra,  ohne  Schwierigkeit  Tefcinigea.  —  Beachteos- 
wenh  iBt  dabei  dann  oocb,  wie  durch  eine  solche  Annahme  die  Ter^hiedenen  An- 
g;aben  der  ChronisteD  eioigerraaaseen  sich  decken;  wihrend  der  eine  das  Hei ligtLum, 
wo  das  Orakel  ist,  nach  dem  dort  Terehrten  Götzen  (Riedegoet)  benennt,  wird 
es  Ton  dem  anderen  ganz  allgemein  nur  als  der  heilige  Ormkelplatz  oder  TempeJ* 
platz  bezeichnet  0* 

Darauf  mag  schliesslich  noch  biogewiesen  werden,  dasa  der  älteste  bekannte 
Eethraforscher;  Latnmns,  auch  bei  Prillwitz  die  Stelle  toq  Bethra  sucht  Konnte 
XU  seiner  Zeit,  fünf  Jahrhunderte  nach  der  Zerstörung,  sich  noch  eine  Traditioii 
über  die  Lage  Ton  Eethra  erhalten  haben? 

Nachdem  man  im  Schlossgarten  unter  schonen  alten  Bäumen  am  Ufer  des 
Sees  das  mitgebrachte  Mahl  Terzehrt  hatte,  wurde  unter  Fühmog  des  Hrn*  Pastor 
Jacobi  im  Pfarrgarten  die  Stelle  besichtigt,  an  welcher  angeblich  die  fraglichen 
Prillwitzer  Idole  gefunden  sein  sollen.  Die  Stelle  liegt  hinter  dem  Pfarrhofe  un- 
fern Ton  dem  hier  Sachen  Seeufer* 

Nun  drängte  die  Zeit  zur  Fortsetzung  der  Eiücursion.  Es  handelte  sich  für 
den  Rest  des  Tages  noch  darum,  die  TOn  Boll  für  Rethra  in  Anspruch  genommenen 
Orte  aufzusuchen. 

Nach  BoU's')  Ansicht  entspricht  die  tief  in  die  Lieps  einschneidende,  Prill- 
witz gegenüber  liegende  Halbinsel  allen  Angaben  der  Chronidten,  «Ich  wurde 
zuerst  auf  diese  Lokalität  aufmerksam  —  sagt  Boll  —  als  ich  erfahr,  dass  auf  der 
kleinen  in  der  Lieps  gelegenen  lasel,  dem  sogenanoten  Hanfwerder,  eine  grosse 
Menge  eiserner  Alterthümer  gefunden  wären« *^  Nach  einer  Mittheilung  des  Csadel- 
schen  JiJüllers^  welcher  den  Haofwerder  in  Facht  hatte,  waren  dort  viele  Thier- 
knocben  von  nnge wohnlicher  Starke  ausgeaekert,  auch  hatte  man  beim  Ziehen  eines 
Grabens  eine  grosse  Menge  von  Hirschgeweihen  gefunden.  Eiserne  Alterthümer 
waren  nach  der  Aussage  des  Müllers  wohl  ein  Scheffelstheil  gefunden  worden, 
darunter  besonders  viele  Barbirmesser,  Scheeren^  den  Schaf  seh  eeren  ähnlich,  Huf- 
eisen, Lanzenspitzen  u.  dergl.  Boll  koonte  xon  diesen  Dingen  noch  eine  Lanzen- 
spitze,  ein  Hufeisen  und  einen  sehr  kleinen  Dreifuss  acquiriren. 

Die  Halbinsel  des  Liepsbniches  entspricht  nun  uDzweifelhaft  io  yielen  Punkten 
den  Angaben  der  Chronisten.  Die  Halbinsel,  die  nicht  durchweg  Bruch  oder  Wiese 
ist,  sondern  mehrere  feilte,  sehr  wohl  bewohnbare,  grosse  Horste  einschliesat,  bat 
eine  vollkommen  dreieckige  Ges'talt.  Sie  kann  von  zwei  Seiten  allgemein  zugäng- 
lich gewesen  sein,  —  von  Westen,  von  Wustrow  her  über  den  alten  Bach  und  den 
alten  Graben,  —  von  Osten  her  über  den  Nonnenbach  und  den  neuen  Graben. 
Letzterer  stammt  allerdings  aus  verhält nissmässig  neuerer  Zeit,  aber  das  Liepsbruch 
war  abgesehen  davon  in  früherer  Zeit  dennoch  von  beiden  Seiten  nur  durch 
Brückenanlagen  zugänglich.  An  der  Wustrower  Seite  liegt  noch  heute  in  der  Wiese 
gegen  den  alten  Bach  zu  eine  Doppelreihe  von  grossen  Geschiebeblöcken.  Etwa 
von  10  zu  10  Schritten  stosst  man  auf  eine  solche  doppelte  SteinsteUöDg.  Diese 
Steine  können  knum  zu  etwas  anderem  als  zur  üoterlage  einer  HoUbrücke  dxirch 
die  Wiese    gedient   haben.    —    Das  dritte  Thor  von  Eethra  wäre  dann  am  Oa^^fet 


1)  Kühne  1  a.a.  O.S.  116  leitet  Rethra  von  dem  alUliv.  rati,  Krieg,  ah  und  «^5^>^    ^ 
Sciinfiink  ralars  Knegstenipel  bedeuteu 

2)  Archiv  für  Landeskund«  in  dem  GrosshefZögtluni  Meklenbur?.    J.higanjf  1^^,^   -  ^ 


(4«) 


r 


NatfirUche  GroNte 


Im  Neubraodenburger  Maseam  wird  toq  den 
Fanden^  die  auf  dem  Haofwerder  gemacht  sind,  Nach- 
gteheodef  aufbewahrt: 

eine  eiseroe  Scheere, 

eine  Hacke  von  Hirschbom, 

ein    künstlich  durchbohrter  kleiner  Knochen, 

(s.  Abbildung), 
zahlreiche  üroenscherben  mit  slaT.  Ornament, 
Proben  der  Brand  erde, 
zahlreiche  Knochen  rom  Rind,  theilweise  zer* 

schJageo,  om  die  Markhöhle  zu  öffnen^ 
Knochen  vom  Schaf, 
Zähne  vom  Schwein, 
ein  Yogelknochen. 
Die  Untersuchung  des  Hanfwerders  hat  uozweifel* 
haft  dargethan,  dass  derselbe  wahrend  der  Slavenzeit 
ein  viel  benutzter  Wohn  platz  gewesen  ist. 
Leider  konnte  wegen  vorgerückter  Tageszeit  die  Uotersuchung  des  Liepsbruches 
nicht    mehr   in  Angriff  genommen    werden.     Da    unsere   Berliner  Gaste    noch  den 
Abendzug  zur  Heimreise  benutzen  wollten,  war  es  die  höchste  Zeit,  den  Rückweg 
anzutreten. 

£3  ist  dftnn  später  von  Neu  branden  bürg  aus  speciell  nach  dem  Liepsbruche 
noch  eine  Exkursion  unternommen  worden.  Das  Bruch  worde  von  Osten  her  be- 
treten, und  wurde  die  UntersuchuDg  den  sogenaonteti  Horsteo ,  den  festen  Stellen 
zwischen  den  theiJ weise  recht  sumpfigen  Wiesen,  zugewendet  Nach  üebersch reitung 
des  Noonenbaches  gelangte  man  zunächst  nach  dem  ^Leinhorst^  Derselbe  war 
grösstentbeils  zur  Wegebessemng  abgegraben,  uod  unterblieb  deshalb  hier  die  [Tnter- 
suchuDg.  —  Nach  Üeberschreitung  des  neuen  Grabens  gelangte  man  dann  nach 
dem  ^kleinen  Horst '^.  Derselbe  liegt  am  östlichen  Ufer  der  Ha] biosei  und  ist 
26  476  Qm  gross.  Von  hier  aus  blickt  man  gegen  Osten  auf  den  See  und  den 
gegenüber  liegenden  Hanfwerder.  Diese  Lage  des  Horstes  forderte  zu  eingehender 
Untersuchung  auf.  E^  wurde  deshalb  an  vielen  Stellen  gegraben^  nach  der  Mitte 
der  Halbinsel  zu  und  am  Seeufer.  Das  Ergebnis»  war  wieder  Erwarten  ein  sehr 
dürftiges.  Die  ganze  Ausbeute  bestand  in  einem  Rinderknochen^  einer  mittelalter- 
lichen Topfscherbe  und  einigen  Scherben  eines  Topfes  der  Neuzeit.  —  Demnächst 
wurde  dann  der  „grosse  Horst**  betreten.  Derselbe  reicht  durch  die  ganze  Breite 
der  Halbinsel  yom  Ost-  bis  zum  Westufer,  und  ist  er  45  210  Dm  gross.  Er  war 
an  mehreren  Steljen  von  der  Grasnarbe  entblösst,  so  dass  sich  diese  Stellen  leicht 
durchsuchen  Hessen.     Gefunden  wurde  nichts. 

Endlich  wurde  dann  noch  der  an  der  Spitze  der  Halbinsel  liegende  „ Bachers- 
wall**  durchsucht.  Er  ist  M2BGm  gross.  Bell  giebt  an,  dass  er  ihn  mulden- 
förmig vertieft  gefunden  habe.  Es  konnte  nur  noch  in  der  Mitte  eine  seichte  Rinne 
bemerkt  werden.  Da  er  seit  Jahren  zum  Kartoffel  bau  gedieut  hat,  wird  seine 
Oberflache  durch  die  Spateükultur  wesentlich  eine  andere  geworden  sein.  Mehrere 
tiefe  Grabungen,  die  hier  vorgenommen  wurden,  brachten  eine  Brandstelle  mit 
Kohlen,  Asche  und  Branderde  und  eine  einzige  Urnenscherbe  zu  Tage^  die  glatt^ 
d*  h.  ohne  alle  Ornamente  war. 

Spuren  einer  grösseren  Ansiedelung  im  Liepsbruche  gind  demnach  nicht  ge- 
funden worden. 

Mit   einem    endgültigen  Ortheil    über   die  Lage  von  Rethra   ist  zur  Zeit  noch 


n 


C4R) 

af»  t>[iiQibus  (jupulis  Slav^trum  frequeDtarentur  propter  responsa  et  edduas  sacriBclorum 
impeDsiones.  Demnach  ist  anzunehmen,  dtiss  das  gemeiDschaftlich  vertheidigte 
oelebeirinitiin  fanum  auch  ein  den  verböndeteo  Tholenzero  uud  RÄdariero  geoaeiD- 
schaf^liches  war^  und  dürfte  daraus  zu  scbliessen  sein,  dass  es  demgetnaBS  an  der 
Grenze  ihrer  Gaue  gelegeo  hat  Schwerlich  hg  das  gemeiu  schaff  lieh  vertheidigte 
faoum  an  deo  Greuzen  der  Riezaner  oder  Ukrer. 

Kach  Allem  bleibt  io  Bemg  auf  die  Lage  vou  Rethra  eiostweilen  ooch  immer 
das  Wahrscbeialichste,  dass  es  an  der  Lieps  gelegen  hat  Sollten  eich  am  Wantz* 
kaer  oder  Rodliner  See  uicht  etwa  ganz  unzweideutige  Spuren  auffiudeQ,  ao  kann 
man  mit  Bestimmtheit  aussprechen,  dass  Rethra  an  der  Lieps  gelegen  hat  Dieser 
See  ist  auch  tou  alten  Wasserbecken,  die  m  Betracht  kommen  können,  der 
grö&ste,  ihn  konnte  der  Chronist  am  ersten  noch  ein  ^mare**  nennen.  An  dtn 
Ufern  der  Lieps  kann  dann  in  erster  Linie  riur  Prillwitz  und  dann  Hanfwerder- 
Lieps bruch  in  Frage  kommen. 

Hr,  Voss  bemerkt  dazu»  dass  er,  soweit  er  Augenzeuge  gewesen,  obigen  Be- 
richt über  die  Excursion  in  Allem  nur  bestättigen  könne.  Auch  darin  stimme  er 
bei,  dass  die  Oertlichkeit  von  Prillwitst,  sowohl  der  Terrainbüdung  ab  der  insularen 
Lage  nach  wohl  geeignet  erscheine,  einstmals  einem  bedeutendem  Heiligthume  als 
Sitz  gedient  zu  haben.  Allerdings  sei  die  Bestältigung  dieser  Vermuthung  dnrcb 
entsprechende  Funde  vorlaufig  noch  abzuwarten,  Jedenfalls  aber  seien  die  anderen 
durch  Funde  coostatirten  Niederlassungen  auf  den  flachen  Seeinseln,  auf  dem 
Hanf  Werder^  sowie  auf  den  Inseln  des  Carwitzer  Sees  wohl  einst  Ton  grösserer 
Bedeutung  gewesen  als  jene  auf  3en  ahnlich  formlrten  Inseln  der  Oberspree,  dem 
Rohr  wall  bei  Schmockwitz»  der  Liebesinsel  bei  Treptow  u.  s.  w. 

(9)    Hn  Jeutscb  bespricht 

VargeschlcMlIcNea  aus  dem  Kreise  Guben. 

L  Das  heilige  Land  bei  Niemitzsch.  Die  in  dem  XIV,  Jahrgange  der' 
Zeitschrift  für  Ethnologie  S,  112—128  enthaltenen  Angaben  vervollständige  ich 
durch  nachstehende  Ergebnisse  der  vorjahrigen  Untersuchung  und  durch  einzelne 
anderweitige  Nachträge.  Im  Laufe  dVs  Frühsomraers  ist  ein  Theil  der  West  wand 
abgestiirzt  worden  und  zugleich  ist  auf  der  südöstlichen  Erhebung  eine  flache  Ab- 
tragung nach  dem  äusseren  Rande  hin  erfolgt,  welche  vorzugsweise  mit  slavischen 
Resten  durchsetzte  Erdlagen  eröffnet  und  die  oberste  der  Schichten  mit  germani- 
schen Einschlüssen  bloss  gelegt  hat:  aus  beiden  sind  zahlreiche  Scherben  und 
Knochen,  aus  den  ersteren  auch  Geweibstucke,  aus  d^r  letzteren  ein  theilweise  zer- 
störter viereckiger  Webestein  zu  Tage  gefordert  worden.  Bis  in  die  Tiefe,  in 
welcher  sich  auf  der  bekannten  Abbruchsteile  (s.  a.  a,  O.  S.  114)  Baure^te  ge- 
funden haben,  ist  diese  Bodenbewegung  nicht  eingedrungen»  Endlich  ist  an  der 
Sudecke  ein  ganz  neuer  Abbruch  hergestellt  worden,  der  bis  jetzt  nur  grauschwarze 
Erde  ohne  Scherben^  ausserdem  aber  eine  grössere  Zahl  von  Schneckenbausern 
zeigt  (vergl  ebd.  S.  114):  die  orsprijogliche  Anlage  scheint  hier  durch  eine  An- 
schüttung aus  dem  nahen  Sumpfe  entnommenen  Bodens  verstärkt  zu  sein,  wenn 
nicht  etwa,  was  erst  später  klar  gestellt  werden  kann,  eine  ursprungliche  OefiTuung 
im  Walle  nach  S&den  hin  später  geschlossen  worden  ist 

Aus  der  umfassenden  westlichen  Abgrabung  sind  (und  zwar  zumeist  auf  der 
Strecke^  welche  a.  a,  0.  S.   114,  Fig.  2,  durch  die  Worte  Ost  und  Söd  beieichnet 


(49) 

ist)  folgende  Gegenstande  gewonnen  worden^  die,  soferD  nicbt  anderes  aogegelien 
iat,  von  Hrn.  Potzßchke  der  Gubener  Gymnosialsammlnng  geschenkt  worden  sind: 
A.  aus  Bronie  (vgl,  ebd.  S,  117):  ein  koopFartiger,  massig  gewölbter  Gegen- 
stend,  mit  grüoeDi  Ueberzug:  eine  runde,  nach  einer  Seite  hin  ein  wenig  aus- 
gezogene Platte  von  2,7  resp.  2,9  cm  Durchraesser,  aus  welcher  eine  abgebrochene 
Spitze  (Durclim.  4  mm)  2  mtn  hoch  hervorragt,  und  unter  welcher  ein  3  mm  brei- 
ter, i?,5  cm  langer  Bügel  in  einem  Abstände  von  9  wm  angebracht  ist,  durch  welchen 
ein  Riemen  gezogen  werden  konnte  (Fig,  1  c?,  b).  Das  a.  a  0.  unter  Nr.  5  erwiihnle 
schn&llenartige  Schmuckstück  von  38  ff  Gewicht  besteht,  wie  sich  nach  Entfernung 
des  grossten  Theiles  der  dasselbe  nmhuHenden  bröckligen  und  schillernden  Masse 
ergeben  hat,  aus  3  zusammengebackenen  Broozeringen  von  2,8  im  Durchmesser 
mit  fast  viereckigem  Querdwrchschnitt.  Der  mittlere  greift  etwa  bis  zur  Hälfte  über 
den  unteren  und  ist  ein  wenig  übergebogen,  der  obere  ist  in  den  mittleren  hinein' 
gedruckt  und  starker  über  ihn  hin  weggebogen.  Die  Lange  des  ganzen  Stuckes  be- 
trägt direkt  gemessen  4  cm.  Die  ÜmhijUuog  ist  eine  theils  durchsichtig  weisse, 
theila  mattgrüne  Glasmasse  (Fig,  2).  —  B.  aus  Stein:  l,  ein  abgestumpfter  Kegel 
TOD  blassrother  Färbung  mit  nicht  ganz  ebener  Oberflache  von   13  vm  Höhe,  10  cm 


unterem,  7  cm  oberem  Durchmesser,    Gewicht  2065  g.     Die  untere  Grundfläche  ist 
beschädigt  (Fig.  3).  —  2.  ein  glimmerbaltiger  grauer  Stein j  etwa  in  der  Form  eines 
halbierten  Scheibenabschnittes,  dessen  runde  Seite  glatt  und  durch  abgerundete  Kan- 
ten begrenzt  ist  (Fig.  4);  die  kleine  Seitenfläche  (gleichsam  die  Halbieruugsebene  des 
Scheibenabschnittes)  ist  uneben,  also  wohl  abgesprengt,  ebenso  der  eine  der  beiden 
den  Kor  per  oben  und  unten  begrenzenden  Kreisabschnitte;  der  andere  dagegeti    i»^ 
eben,  ohne  jedoch  durchweg  geglättet  tu  sein.  (Gegenwärtige  Längsausdehnung  i5  cfi*i 
grosste  Breite  9  er«,  Dicke  1,9—5  an).     3.    ein  flach  abgesprengtes  Stück  von   4  c^^ 
Durchmesser  und  etwa  1  cm  Stärke  uiit  einer  ganz  glatten  Oberfläche;  das  Nlf|,^^^a\ 
ist  ein  nicht  zu  feinkörniger  graubrauner  Stein.    4.  Aus  älterer  Zeit  ist  in  dex^    -A\le^' 
thumersammlung  der  Lausitziachen  Gesellschaft  der  Wissenschaften  ein  ovales    ^     ^c\\-' 
bohrtes  Stein  platt  che  n  vorhanden  (nach  deren  handschriftlichem  Katalog):  offeci'^^;^    ^lO 
Schmuckstück  gleich  den  Verband L  188],   S.  183   beschriebenen,  von  welcher   >^        «ia 
ovales  Exemplar  aus  dem  Reinhard  tischen  ürnenfelde  bei  Bautzen  sich  ini  <3 
Stadtmuseum  befindet     C.  Aus  T hon;   1.  (zu  S.  118»  IV,  4)  ein  vierkantiger- 


stein    mit    etwas    eingewolbten  Seitenwänden,    (einschliesslich    des   oben  ervv^ 


^:ttigei^ 
^^VVebe- 

hinten 


(50) 


?ierte  aus  dem  beiligeo  LaDde);  2.  der  Rest  eioee  aDScheiDend  TJerseitiges~ 
giagftlrotheD  Körpers,  van  dessen  Seiten flüchea  our  sehr  weaig  erh&lt«ii  ifit  und 
durch  deo  eine  gerade  und  glatte  Durclibobrung  von  5  mm  Durch meBser  hiadurcb- 
lauft;  etwa  der  Rest  eines  NetÄbescbwerers.  3,  ein  etwa  die  hohle  Hand  füllendea 
flaches  roth gebranntes  Tbonstuck  mit  deutlichen  Haimeindrückeo.  4.  (zu  S.  U9,  6) 
eine  wohl  erhaltene,  wenig  verzogene,  etwas  nacbgeb rannte  Flasche  von  H  ctn  Böbe, 
ri,5  cm  Bodenfläche,  9,ö  ctn  grössteni  DurchmeSBer,  mit  deutlich  markirtem  Halse  und 
Janglicbem  Henkel,  der  aber  nur  einen  kleinen  Finger  einlasst  (Fig,  5),  Die  stellen- 
weise noch  mattgläDzende,  meist  rissige  braune  Oberfläche  ist  auf  der  dem  Henkel 
gegeoüber  liegenden  Seite  schwammig  aufgetrieben,  5,  (ebd.  Nr.  8)  ein  Ausschnitt 
ans  einem  sechsten  runden  Thoabrett,  glatt^  mit  massig  aufgerichtetem  Rande,  auf 
der  Oberseite  schwarzbrauo,  a*if  der  unteren  blassrotb,  —  unter  den  Scherben  is^t 
ein  isiemlich  formlos  gewordenes^  fast  1  cm  dick  aufgequollexies  grosses  RandstQck 
hervürzuheben,  das  9  cm  unter  dem  glatt  geweseuen  Rande  eine  wulstige  Leiste 
mit  Fingereindrückeo,  und  2  (m  unter  dem  Rande  eine  offenbar  bei  der  Fabrikation 
hergestellte  glatte  Durchbohrung  von  0,5  cm  Durchmesser  (jedenfalls  zum  Durch- 
ziehen einer  Schnur  bestimmt)  zeigt,  ^on  der  Art  der  S.  119 — 20  bescbriebenen 
Gefassfragmente  sind  sehr  zahlreiche  Exemplare  gefunden  r  ich  erwähne  daraus  nur 
eine  Reihe  von  solchen,  die  concentrische  Halbkreiseindrücke  unter  oder  über  paral- 
lelen reifen  artigen  Kehlstreifen  tragen. 

Eine  zwingende  Deutung  der  Oertlichkeit  lässt  sich  auch  aus  diesen  Funden 
nicht  herleiten;  aJs  sicher  ergiebt  sich  (namentlich  aus  den  Webesteinen)  nur,  dass 
der  Platz  mit  Haushaltungen  besetzt  war.  Von  den  beiden  Auffassungen  der  An* 
läge,  die  aus  der  erFcböpfenden  und  wohl  noch  nicht  überholten  Behandlung  der 
Burgwallfrage  in  Preusker*s  Blicken  in  die  Vaterland.  Vorzeit  1  (1841)  S,  104, 
Nr,  1,  3,  vgl  II,  195 ff.,  hier  in  Betracht  kommen,  ist  keine  ausgeschlossen:  auch 
die  heiligen  Stätten  konnten  wie  die  Befestiguugs platze  Wohnräume  enthalten. 
Aber  für  die  Annahme  einer  Cultusstatte  spricht,  wie  bereits  Zeitschr.  f.  Ethnol. 
LXiV,  S.  127  bemerkt  ist,  keiner  der  Üeberrester  sehr  wohl  kann  die  Anlage  ein 
fester  Platz  —  der  dauernde  Siti  eines  Führers  oder  eioe  wiederholt  benutzte  Zu- 
flucht —  gewesen  sein. 

Das  zweite,  nächst  den  Funden  bei  Ermittelung  des  Zweckes  in  Betracht 
kommende  Moment,  die  Tradition,  ergiebt  ebenso  wenig  ^twas  Sicheres:  es  kann 
ein  Hain,  wie  ihn  Tacitus  als  den  üblichen  altgermanischen  Opferplatz  bejEeichnet, 
um  den  Wall  her  gelegen  haben,  obwohl  dies  in  dem  vom  jetzigen  guben-niemitzsch- 
sadersdoifer  Fahrwege  her  ersichtlich  achräg  zur  Neisse  abfallenden,  vormals  offen- 
bar sumpfigen  Terrain  nicht  sehr  wahrscbeialich  ist.  Mit  dieser  Möglichkeit  wäre 
aber  die  Einordnung  der  Oertlichkeit  unter  die  von  Tacitus  bezeichneten  Cultus- 
atätfcen  noch  nicht  begründet  Die  lokale  Tradition,  welche  in  dem  Namen  dea 
heiligen  Landes  liegt,  beweist  nichts,  weil  der  an  sieb  sehr  wohl  mögliche  Zu- 
sammenhang mit  dem  germanischen  Alterthum  durchkreuzt  wird  durch  die  ebenso 
gut  mögliche,  Zeitschr.  f,  Ethnol.  S.  127  erörterte  Anknüpfung  des  Namens  an  die 
Einrichtungen  der  christiichen  Zeit* 

Die  Frage  nach  dem  Zweck  der  Anlage,  die  zunächst  wohl  noch  gegen 
die  nach  der  Zeitstellung  derselben  zurücktreten  muss,  wird  daher  trotz  der  ver» 
hältnissmässig  zahlreichen  uns  erhaltenen  Einschlüsse  vorläufig  offen  gelassen 
werden  müssen;  möglich,  dass  die  Ergebnisse  künftiger  Jahre  mehr  Anknöpfuiigs- 
punkte  für  Folgerungen  bieten  oder  dass  durch  sichere  negative  Resultate  der  Nach- 
forschung eine  und  die  andere  Deutung  ausgeschlossen  wird. 

Aus  dem  a.  a.  0.  S.  122  besprochenen  üruenfelde  am  Finkenheerd  sind  durch 


I 


L 


(50 


die  oeuerlicbcu  Aut»giabungeu  nur  Scher beD  gewooDeu  wordiiu:  1.  ein  Tbeil  eiues 
Fläschcbens  aus  dicbtem^  bulleiii  Tbon;  unloT  dem  deutlich  abgesetzten  Halsse  ziehen 
sich  3  schmale  Kehlstreifea,  unter  ihnen  eine  Reibe  flacher  tupfenartiger  kreis- 
ruoder  Eiodrucke  herum.  2.  Die  Hälfte  eines  Näpfcbene  mit  eben  aufliegendem 
Boden  (Höbe  2,5  rm),  mit  kleinem,  ober  den  Rand  aufragendem  Heukel,  unter 
dessen  unterer  Ansatzsielle  zwei  Reiben  you  2  resp.  3  fiacben  Eio drucken»  3.  einige 
FlaacheBbälse  mit  Henkel;  4.  glatte  Randstücke  von  Scbu&seln  mit  verdicktem 
Rande,  doch  ohne  Verzierungen  auf  demselben;  5.  Bruchstücke  eines  Decktellers 
mit  dünnem,  aufragendem,  ein  wenig  eiugezogenein  Rande,  in  dessen  EinBchnüniug 
ein  schmaler,  langlicb  heruntergehender  Knopf  sitzt;  6.  Stücks  aus  Seitenwandungee 
mit  Oehsen,  die  2^-3  Längsstreifen  tragen.  —  Farbe  und  Masse  dieser  Scherben 
zeigt  von  denen  aus  der  unteren  Schicht  des  heiligen  Landes  keine  wesentliche 
Abweichung:  die  leichte  Differenz  der  Färbung  und  Erhaltung  erklärt  sich  aus  der 
Einbettuag  in  verschiedenartigen  Boden.  Scherben  mit  Wulst  und  Fingereindrücken 
befinden  sich  unter  diesen  Funden  nicht  Die  a.  a.  0.  beschriebene  Schüssel  ist, 
allerdings  nicht  ganz  genau,  gleich  der  zugehörigen  Urne  abgebildet  in  Freusker^ 
Blicke  u.  B.  w.  III,  Taf.  6,  Nr.  yi  f.,  wo  auch  (Nr.  30  a.  b.)  eine  Abbildung  des 
Rundwalles  selbst  und  seiner  Bösciningsverhaltüiese  aus  der  Zeit  um  1844  ge- 
geben ist  — 

Was  die  slavischen  Funde  aus  der  oberen  Schicht  betrifft,  so  aind  zu  den 
a.  a.  0.  S.  124  besprocbenen  Scherben  nachzutragen  die  mit  einem  zweireihi- 
gen Kranze  von  scharfen  Einstichen  verzierten.  Die  einzelnen j  länglichen  Ein- 
stiche sind  wie  die  Tannennadeln  oder  Fischgräten  auseinander  gerichtet.  Zwei 
Fragmente  zeigen  einen  Ersatz  des  den  slavischen  Topfen  fehlenden 
Henkels:  das  eine  trägt,  an  die  Wandung  des  Gefasses  angesetzt,  den  3  cm 
langen  Stumpf  eines  massiven  Thonslieles,  ähnlich  dem  Ansatz  der  Griffstiele  mo* 
derner,  thönerner  Tiegel.  Bei  dem  anderen  ist  vor  die  bei  der  Fabrikation  her- 
gestellte Durchbohrung  der  Seiten  wand  (0,8  cm  Durchmesser  im  Lichten)  in  der 
Richtung  dieser  Durchbohrung  ein  Thoncjlinder  von  2  cm  Länge  und  2  an  Durch- 
messer^  vorn  roh  abgernndet,  vorgelegt,  so  dass  durch  die  beiden  correspondiren- 
den  Oeffnungen  des  Gefasses  etwa  ein  Stab  durchgesteckt  und  dies  selbst  daran 
getragen  werden  konnte. 

Zu  den  13  gezeichneten  Topfbuden  treten  16  andere  hinzu:  4  mit  kreisförmigem 
Stempel  eindrucke  der  zum  Theil  sehr  flach  istj  ein  fünfter  zeigt  innerhalb  4  wenig 
hervortretender  concentrischer  Kreise  einen  ganz  seichten,  centralen  Fingereindruck. 
Zu  den  in  den  Verhandl.  1882,  S.  365,  erwähnten  beiden  durchbohrten  Boden- 
stöcken kommt  ein  drittes,  dessen  Oeffnung  3  cm  Durchmesser  hat.  In  demselben 
Bericht  ist  das  Fragment  mit  einem  nicht  durchgehenden  Einstich  erwähnt.  Her- 
austretende Zeichen  tragen  folgende;  ein  bis  zu  5,5  cm,  Hohe  erhaltenes  Töpfchen 
mit  einem  Bodendurchmesser  von  5  cm  zeigt  ein  flaches  breites  Kreuz,  das  nicht 
genau  in  der  Mitte  liegt;  Länge  der  sich  kreuzenden  Linien  2  resp.  2,5  cm, 
Breite  2  inm;  4,8  cm  über  dem  Boden  beginnt  die  Riefeln og  der  Gefasswand.  Auf 
einem  Scherben  ist  das  Kreuz  von  gleich  langen  Armen  (Gesammtlänge  der  Linien 
3  cm)  scharf  markirt;  auf  einem  andereo  sind  die  Balken  von  20  resp.  35  fmn 
Länge  schräg  gegeneinander  gestellt.  Auf  einem  Boden  tritt  ein  achtstrahliger  Stern 
(Fig-  6)  deutlich  hervor,  dessen  vier  Hauptstrablen  etwas  länger  (2  cm)  sind  als  die 
übrigen  und  spitz  auslaufen');  auf  einem  anderen  von  9  au  Durchmesser  5  starke 


1)  Der  Durchmesser  des  a.  a.  0.  9.  125  erwähnten  ach tspeich igen  Rades  beträgt  3  bis 
3^  cm.  —  Ebenda  ist  Z.  3  v,  ob,  zu  lesen:  5,5  cm  lang;  S.  123,  Fig.  6,  Grosse  »/s. 


(52J 

TParallelatreifeD,  zwischeo  deneo  schwächere  erkennbar  sind  und  die  ßenkrecht  voo 
eiöem  geraden  erhabenen  Streifen  geschnitten  werden.  Eine 
ahn  liehe,  aber  scbwäcbor  hervortreteEde  Zeichnung  oebst 
einer  kleinen  Erhöhung  in  der  Mitte  hat  ein  dritter;  auf 
eiiaem  vierten  gehen  von  einem  centralen  Knöpfchen  unregel- 
maaaige,  annäherd  radial  geordnete,  stark  heraiiagedr^Dgte 
Striche  ans  (Fig.  7).  Eine  flache  knopfförm ige  Erhöhung  von  un- 
regelurä seiger  Peripht^rie  (Durchmesser  2,5  resp.  4  cm)  haben 
zwei  Boden;  der  Thou  scheint  nachträglich  angedruckt  za 
sein. 

Von  massirer  Thonarbeit  sind  3  Spinnwürtel  nachzu- 
tragen r  1.  koöisch  geformter  mit  ein  gewölbter  Unterseite  und 
etwas  *  eingezogener  Seiten  wand  (Besitzer  Herr  Rentier 
Th,  Wilke),  2  mit  herauBtretender  Mittelrippe,  Von 
EiRengeräth  folgende  Stucke,  die  zugleich  dem  am  Schliisse  des  Burgwallberichtes 
Verh.  1 882, 8, 3G7, gegebenen  Verzeichoisse  einzureihen  sein  würden:  1.  ein  kleiner  Zier- 
rath  von  3,7  cnt  Länge,  aus  einem  Ringe  von  1,3  cm  Durchmesser  und  daran  befestigter, 
zwei  Mal  eingeschnürter  Quaste  bestehend  (Fig.  8);  2,  ein  5,5  cm  langer  Stift,  der 
sich  nach  oben  lanzettförmig  verbreitert;  3,  ein  8  cm  langer,  nach  oben  hin  ein 
wenig  sich  verjiingender  Stift,  wohl  zu  einer  Spindel  gehörig  (Besitzer  Herr 
Th.  Wilke);  4.  ein  Geräth  in  der  Form  eines  der  Länge  nach  halbirten  Cylinder» 
von  12  an  Länge  und  4  cm  Durchmesser  (Fig.  9),  dessen  beide  l^angskanten 
gekerbt  sind  und  dessen  Oberfläche  zwei  kleine  Nagellocher  symmetrisch  geordnet 
zeigt;  einem  Pflug-  oder  Deichselbeschlage  ähnlich.  Ein  gleichartiges  vollßtiindigeres 
Gerath  (Fig.  10)  ist  zu  Guben  im  Baugrunde  am  Markt  zugleich  mit  einer  eiserueo 
Sehafschoere  u.  a.  gefunden  worden:  hier  setzt  ein  starker,  an  der  Anaatzstelle  ge- 
theilter,  spitzwinklig  zulaufender  eiserner  Griif  an,  —  Das  a.  a.  0.  S.  125  Fig.  10 
abgebildete  krallenartige  Gerüth  No.  3  war  vielleicht  zum  Bogenspannen  bestimmt; 
der  S.  126  abgebildete  Körper  (No.  10)  ist  anscheinend  ein  Degenknauf  gewesen^ 
da  sich  an  einer  Seite  eine  dieser  Bestimmung  entsprechende  Vertiefung  gefunden 
hat.  Anzureihen  ist  hier  ferner  ein  Stück  Eisenschlacke  von  2370  g  Gewicht, 
zwei  Wetzsteine  aus  Glimmerthon  (deren  im  ganzen  also  vier  vorliegen),  endlich 
ein  angespitzter  Eberzahn  von  8  mn  direkter  Länge,  ein  Stuck  defekten,  angespitzt 
gewesenen  Hirschgeweihs,  endlich  ausser  zahlreichen  Knochen  und  Geweihstücken 
&Ü8  dieser  Schicht  eine  einzelne  Fi&chschuppe  (von  der  Grösse  einer  Karpfen- 
schuppe), 

IL  In  einem  bei  Schöneich,  Kr*  Guben,  nördlich  vom  Gutshofe  gelegenen,  wohl 
völlig  durchackerten  ürnenfelde  ist,  quer  durch  dasselbe  laufend,  ein  Damm 
aus  Findlingssteinen  aufgegraben  worden.  VergL  Undset,  Eisen  in  Nord- 
europa, S.  200.  Die  dort  gefundenen  Scherben  sind  dick,  roh,  rothbraun  gefärbt; 
einer  zeigt  an  der  Oberfläche  energische  unregelmässige  schrSge  Einstriche  dicht 
neben  einander. 

IIL  In  den  Gräberfeldern  hei  Goschen  W.,  Jessnitz  und  Reicbersdorf  sind 
zwischen  den  Beigefäsöen,  in  Wirchenhlatt  sind  neben  den  ohne  ßeigefäaae  ein- 
gesetzten Urnen  hartgebrannte  oblonge,  nicht  ganz  regelmässig  gefrirmte  Thon- 
steine  von  graugelber  Färbung  und  durchweg  fein  porösem  Zustande  gefunden 
worden;  in  einen  derselben  ist  in  Folge  starker  Hitze  ein  bläulicher  Feuerstein 
glatt  eingeschniolzen.  Ein  ebenfalls  oblonger  Stein  von  ganz  ähnlichem  Aussehen 
fand  sich  neben  den  Urnen  in  dem  Felde  nördlich  von  Plesse.  Die  Annahme 
liegt  nahe,  dass  diese  Gegenstände    bei    der  Verbrennung   der  Leichen,    vielleicht 


) 


9 


(53) 


^ 
n 


'/j  natürl.  Gr.         V'  natärl  Gr- 


als Unterlage  j   VerweDduDg   gefußdeD    habtso,  —  Von    anderer  Art   sind    zwei   im 
ganiep  pyramidale,  glekiifulls  uo regelmässige  Kör-  p.     ^n  Fi«  13. 

per  mit  geradliuigeu  Kanten  und  ebeaen,  uo merk- 
lich eingewdlbten  Seiten  flächen,  nnscheiDend  aus 
feinkörnigem  Öandätein,  gefunden  unmittelbar  neben 
den  Urnen  bei  Strega:  sie  dürften  zum  Formen 
oder  zum  Abreiben  von  Gegenstanden  gedient 
habe».     (Fig.  12  u.  13.) 

IV.  StarzeddeL  Dem  ßabhebbel  (s.  Verb.  1882,  S.  355)  entsprechend  tritt 
westlich  von  der  Lubst  aus  dem  HobenzügCj  der  jedenfalls  cbemals  das  Flussufer  bil- 
dete (Tergl,  a.  a.  0.  S,  363  Plesse)  ein  Vorsprnng  heraus  (ebd.  ö.  358),  Garten  und  Feld 
des  ßauerngutsbesitxers  Seibke  auf  Lehmanns,  der  sehr  gefällig  Nach forseliun gen 
jeder  Art  gestattet  hat.  Dort  sind  den  germanischen  Burgwallscberben  aus  der  unteren 
Schicht  des  Bai sh ebbeis  durchaus  gleichartige  Gefässtrummer,  namentlich  von  grossen 
kräftig  gearbeiteten  Topfen  mit  heraustretendem  Wulst  und  Fingereindrficken 
auf  demselben,  gefunden  worden;  ausser  diesen  auch  Randstucke  mit  spirali- 
gern  Eindruck,  einige  mit  einem  einzelnen  heraustretenden  Knopf,  andere 
Scherben  mit  vom  Henkel  ausgelienden  flachen  Einstrichen,  nur  wenige  dünnere 
und  sauberer  gearbeitete,  alles  von  dunkelbrauner  oder  schwärzlicher  Farbe,  zum 
Theil  mattglanzeud,  Stucke  Ton  kleinen  ßeigefassen  haben  sich  bis  jetzt  nicht 
gefunden.  Während  angeblich  früher  auch  ganze  Urnen  vorgekommen  sein  sollen, 
sind  jetzt  grossere  Fragmente  nur  von  2  Gefässen  vorbanden.  Das  Feld  ist  namlicb 
bereits  vor  langer  Zeit  einmal  als  Baustelle  benutzt  worden:  es  findet  sich  darin 
allerlei  Eisengerath  und  Scherben,  die  etwa  in  di^Zeit  des  dreissigjährigen  Krieges 
und  weiter  zurück  zu  weisen  sind.  (Die  Reste  befinden  sich  in  der  Gubener 
GymnaBialsammlung).  Geordneter  Steinsatz  ist  nicht  vorhanden;  vereinzelt  kommen 
Findlingssteine  vor.  Bis  jetzt  kann,  da  sich  Leichen brand  zwischen  den  Truraraern 
nicht  konstatiren  lasst,  nicht  entschieden  werden,  ob  hier  eine  der  Änsiedlung  auf 
dem  Baishebbel  korrespondirende  Begräbnissstclle  vorliegt  oder  eine  ähnliche  An- 
lage, wie  auf  der  weiter  östlich  gelegenen  Insel,  so  daaa  diese  beiden  den  Lauf 
des  Flusses  beherrscht  hätten.  Vielleicht  deutet  auch  die  alte  Sage,  nach  welcher 
vom  Balshebbel  ein  unterirdischer  Gang  uoter  diesem  Vorsprung  hin  zu  der  noch 
etwas  weiter  westlich  auf  der  Hohe  gelegenen  Kirche  führte,  den  alten  Zusammen* 
hang  der  beiden  Oertlichkeiten  hin. 

V.  Der  Kiebitzhebbel  zwischen  Guben  und  Buderose,  ein  dürrer 
Sandhügel  ohne  Hnmnsschicht,  hebt  sich,  300  Schritt  östlich  von  der  Neisse, 
400  Schritt  nördlich  vom  Damm  der  Märkisch- Posener  Eisenbahn  gelegen j  aus 
seiner  Umgebung,  die  ein  massig  welliges  Terrain  ist,  ersichtlich  ab.  Er  Hegt 
östlich  vom  Guben- Buderoser  Wege,  der  früher  über  ihn  hingeführt  haben  soll, 
dicht  anstoBsend  an  diesen  Weg,  über  den  er  sich  4  m  erhebt,  im  NO  am  höchsten. 
Er  hat  einen  Umfang  von  2ßO  Schritt,  eine  Böschung  von  25*'.  Eine  Einseukung 
ist  nicht  erkennbar.  Im  SW»  ist  er  angegraben.  Das  Terrain  gehört  der  Stadt 
Guben,  ist  aber  seiner  Unfruchtbarkeit  wegen  nicht  verpachtet.  Pretisker,  seit 
dessen  Zeit  der  Hügel  nicht  mehr  untersucht  zu  sein  scheint,  ist  geneigt,  ihn  für 
eine  neuere  Schanze  zu  halten,  setzt  indessen  (Bücke  u.  s.  w.  HL  1844.  S,  112) 
hinzu:  ^Der  Name  kommt  oft  bei  alten  Wällen  und  Grabhügeln  vor:  Kepjez  m. 
Grabhügel,  Eopiza  f.  Grenzhügel. ^  Jene  erstere  Annahme  hat  sich  als  irrig 
erwiesen:  der  Platz  ist  bereits  in  vorgeschichtlicher  Zeit  benutzt  worden,  wie  sich 
bei  einer  Untersuchung  im  Herbst  v.  J.  aus  den  allerdings  recht  spärlichen  Scherben- 


kwamr  kleiaeren  Brokern  tealfl  ääe 

Offtberfeld 
Mt  cmi  OQfCll 

Adterkb  2<rw«iditai  Tboot  kfiottlidb  r»ilig«B»ehte  Obaiicbe,  eiii  anderer  einige 
oNffficUieh^  Elmrielifl. 

ft  DtOl  Vtrc^tekttM  der  ßargwlUe  im  nod  mm  Kreise  Guben  (i;  Verb.  1882^ 
8^  M)  bt  der  bttber  (rgl,  Preotker  und  Sehnater)  oiebt  beaebtete  bei  Schiedio 
M  der  Od«r  |!el«(eii«  eioitureibeii.  , 

TU.  fo  de«  ii5rdltcben  Thetle  des  ümeofeldes  auf  dem  Etablissemeot  grüne 
Eiche  bei  SebeDkendorf,  Kr.  Guben,  Qod  zwar  io  dem  dicht  Tor  dem  ost- 
ficbao  Baui«  gettgeoeo  biAher  uoberuhrteo  Stucke  sind  bei  NacbgraboDgen  im 
B&fUmnhtf  d.  J.  die  R«#te  eioes  grossereo  Gefasses,  eioes  gewolbteo  Decktellera  mit 
flaeb  aai||elegtem  Rande  und  radialen  scharfen  EinstricbeD  auf  der  AasaeDdeit«, 
BmcbttGcke  von  kleinen  GeCässen  Terscbiedener  Form  und  unter  diesen  ein  rier- 
fllttig«>r  Tiegel  gefunden  worden  fKig.  H),  ein  Seiteostück  zu  dem  rou  Herrn  Dr. 
Bebla  in  einem  H&gelgrabe  bei  Weiseagk  Kr*  Lackau  187B  gefundenen  und  jeUt  im 
Königin  Mufteum  zu  Berlin  befiadlicheii.  Der  Durcbmesscr  der  unregelmäsdig  ge- 
formteDi  grob  gearbeiteten,  5—7  mm  dicken  Schale  betragt  im  Liebten  6,4—6,8  cm^ 
die  IlJyhe  dertelbeo  2,5  cm.  Die  Fusse^  deren  einer  abgebrochen  ist^  und  die  sich, 
UDgleicbmiiilg  geformt ,  ton  l  em  Durchmesser  nach  unten  massig  bis  zu  0,0  crn 
Terjdngen,  uud  1,5  ctn  hoch  dind,  bildeo  die  Ecken  eine^  Quadrats.  Die  glatte  Ab- 
bniebatetle  zeigt,  daes  die  Kusse  der  Aussenseite,  deren  Rand  oben  ein  wenig  uacb 
ouiaeQ  gestrichen  ist,  aufgesetzt^  nicht  eingefijgt  sind.  Das  Material  ist  grob,  durch- 
tatst  mit  Sand  und  Cilimmerspähochcn;  die  eine  Hälfte  der  Aussenfläcbe  und  zwei 
KQsso  sind  s'/iegelrülb^  die  ufjdere  und  die  Ionen  fläche  grau  und  rissig  j  ein  wenig 
blniig  aufgetrieben.     (Besitzer  Herr  Rentier  Tb.  Wilke  in  Guben,) 

VEll,  Dio  Fl  ach 'sehe  Frtvutsammlung  ist  durch  Schenkung  in  den  Besitz  des 
hioitigen  Gymnasiums  übergegangen. 

VII,  Beigelegt  ist  ein  himdschriftlicher  Schutzbrief  gegen  Verwundungen,  ge- 
scbriiVben   182:i. 

(10)  Hr.  Fr t edel  berichtet  über 

Prerdeschädel  als  Sohlltten. 

Auf  8.  272  dfT  Zeitschrift  „Daheim*'  von  1882  schreibt  G.  Ha m mann  aus 
lluitenrod  (Kt»g.*Be3E.  Wiesbaden)  Foigeodes:  „Hinter  der  alten  Stadtmauer  meiner 
nicfit  nnhokrinnten  wetterauscben  Vaterstadt  Butzbach  befand  sich  —  und  befindet 
Mich  thrilwiiiso  noch  jetzt  —  ein  grosser,  tiefer  Graben,  mit  steilen  ßoscbungen. 
Da  bildülQ  es  nun  ein  bauptsÜcblichea  Winterverguugen  der  edlen  Stadtbuben  schar, 
mit  ihren  Schlitten  dahin  zu  ziehen  und  über  Hals  und  Kopf  auf  diesen  in  dio 
Tiefe  zu  jagen;  auf  der  anderen  Seite  des  Wallgrabens  ging  es  dann  unwillkürlicb 
noch  oine  ziemliche  Strecke  wieder  aufwärts,  um  dann  schliesslich  kopfüber  wieder 
riut  dor  Grabeusohio  anzulangen.  Unverdrossen  ward,  nach  einiger  Erholung  von 
di*m  Plnlfiir  des  eben  ausgestandenen  Follersturzes,  das  kleine,  winterliche  Extra* 
fuhrwerk  die  steile  Hohe  wieder  hinauf  geschleppt,  um  das  halsbrechende  sogenannte 
V^ergnügen  aufs  Neue  zu  beginnen  etc.  Wer  aber  nun  nicht  zu  den  Glücklichen 
gehörte,  olnen  regelrechten  hölzernen,  mit  Eisen  wohl  beschlagenen  Schlitten  zu  be- 
fidm^n,  der  lief  nach  dem  etwa  eine  Viertelstunde  entfernten  Schindanger,  um  eioeu 


I 


io  ZusaEnmPDSeUuQgeD  wie  hobgrozjs  unihageo,  ymschlieBSeD,  umfasseo  (gleichgültig 
ob  mit  eiüem  geÜochteüeQ  oder  einem  Lattenzaune).  Es  bat  aucb  den  Begriff  des 
ümkreisena;  hobgroda,  hobgroia,  ist  der  Hof  um  den  Mond*).  Ich  faud  ingleicbeD, 
dasa  maoche  den  Kreiß  so  nannte d.  Hobgroda  ist  auch  ein  altes  Wort  in  der 
Sprache  der  Zauberei  und  heisst  Zauber  kreis,  aber  den  Jüngeren  in  diesem  Sinoe 
nicht  mehr  bekannt.  Will  man  einen  festbannen^  &o  mnss  man  einen  Zauberkreis 
UQ]  ibo  z^ieben  und  liohgro/-ony  ist  der,  welcher  nach  Sonnenuntergang  so  um- 
8ohlo8»eD,  festgebannt,  nicht  von  der  Stelle  kann,  bis  er  durch  Zauberworte  wieder 
gelost  wird.  Die  Endung  in  grozisco  (oberwend,  hrodzisco)  bedeutet  eine  gewisse 
Ansdehtmng,  Meng»',  Ansammlung,  FQÜe,  so  heisat  das  Wort  Gebäge,  Umzäunung 
(auch  BurgwaJl,  Scbanse),  ureprüngtich  Yielleicht  aus  Flechtwerk.  Groiis^io '■')  nanote 
man  früher  auch  die  aus  Stangen  angefertigten  Schaafgehäge,  Hürden.  Aup  dem 
BegriÖ'e  des  Wortes  darf  man  vielleicht  einen  Schluss  auf  die  ursprungliche  Hnr- 
stellungsweise  derartiger  Anlagen  machen. 

Der  wendische  Eigeothumer  des  Schlossberges  zeigte  mir  einen  Erdstrich,  der 
sich  auf  einer  anliegenden  Wiese  (irre  ich  nicht,  in  der  Richtung  von  Morgen  nach 
Abend)  als  ein  sthr  flacher  Rucken  hemerklich  macht,  und  sagte:  ^jHier  hatte  der 
wendische  König  seinen  Weg  herunterzugehen  (vom  Berge)  nach  Bun;  da  auf  dem 
Striche  wächst  auch  alles  noch  immer  schlechter.**  Bun  ist  die  Wiese.  Bon,  bun 
heisst  Hofedienst  (Prohn),  der  als  Gegenleistung  bei  dem  früheren  Erbpacht&ver- 
hältniss  ühlich  war.  Bon  heisst  auch  eine  der  Landstellen,  welche  die  Fundstelle 
der  Babower  Ringe  umgeben*).  Dass  beide  Namen  dasselbe  Landstück  bezeichnen 
sollten,  acheint  mir,  wegen  der  Entfernung  heider  Stätten  von  einander,  nicht  wahr- 
scheinlich. Der  wendische  König  hat  also  auf  dem  Brahmoer  Schlossberge,  ebenso 
wie  derselbe  auf  dem  Burger,  einen  Weg,  der  noch  gezeigt  wird  *).  Auf  dieses 
Verhältniss  gedenke  ich  vielleicht  später  noch  zurückzukommen  und  will  nur  hier 
darauf  hingewiesen  haben. 

Auf  dem  Ackerlande,  welches  den  eigentlichen  Sehlossberg  umgiebt,  wurden, 
nach  Aussage  des  dortigen  alten  Ausgedingers  Döbrik,  Kohlenheerde  und  ^Töpfe** 
mit  Knochen  gefunden.    Scherben  fanden  sich  vielfach,  sowohl  »olche  von  Lausitzer, 


I 
I 


Schlostfberg  sonat  grodowa  gora  (in  meinen  wendischen  Sagen  S.  8,  Anm.  5,  ist  das  aui  Ver- 
sehen gedruckte  pytko  tu  (streichen) :  gtoi  Stall. 

1)  Sonst  auch  dwor  (Hof)  und  murja  Mauer. 

2)  Folaiöch  heisst  der  Ringwall,  wi©  Albin  Koho  (Icr  Ringwall  bei  Fordon,  Posen  1880} 
anmerkt,  gtodzist:ko,  rütlienisch  borcdyszrze,  rii*sbch  gorodyszcie,  bobtnisch  hradiisko  u.  ß.  w, 
GroÄisco  heifsen  in  der  Niederlausit«  die  Orte  Sonnen  wald*  (Kr.  Luckau}  und  Grötsch  (Kr. 
Cottbus;  ein  Dorf  G rutsch  noch  im  Kreis«  Gaben,  Brodzisco  Gröditz  In  der  Oberlausitz,  Wie 
mir  llr.  Uan  tsebo-linuo  in  Schleife  Ireuudliclist  mittheilte,  beis&t  eine  Wiese  bei  Treben- 
dorf  (Kr.  Rutbeifburg)  gradzina,  deutsch  ebenso  benannt,  ,weii  sie  in  allen  Zeiten  gegen 
Wildschaden  umzäunt  war/ 

3>  Diese  Flecken  heimsen,  wie  ich  sie  im  Volke  auffand  und  auf  einer  Gutskarte  zu  Wü* 
sehen,  wenigstens  zum  Theil  verzeichnet  sah:  chmjetiseo,  zanak,  tralina,  hon,  tleda,  na  kle, 
dlujka  görka,  Koppelhytung.  Von  ihnen  sind  In  ihrer  Bedeutung  klar  i-hrnjeliBCO  Hopfenland,  ■ 
oder  derleii  vom  chmjel  Hopfen*  Aehnlich  heisst  ein  Landstück  in  Bur|T- Kauper,  wie  denn  ■ 
zu  Burg  überall  wilder  Hupfen  wächst;  siedu  wohl  Hinterland,  von  sledy  hinten;  na  klo  auf 
Klee,  halb  deutsch  (wendisch  Klee  hier  kwesiiia,  sonst  dxecelin  u.  a.),  dlujka  gurka  langes 
Borgeben  (Hügel)  Bei  tralina  könnte  mau  an  die  nahee^leb enden  trawa  Gras  und  traeh 
Ftircht,  Spuck,  Gespen^it  di^nken,  ^ränden  nicht  spracblicLo  Bedenken  entgegen.  Dunkel 
bleibt  jtanak;  die  Form  ianaki,  welche  Hn  Veckenatedt  b.  Z.  erwähnte,  Ist  mir  nicht  be- 
ksinul  geworden  (zanaac  ^  irerlegen). 

A)  Vergl.  meine  wend.  Sagen,  4,  7. 


(57) 


wie  Ton  Burgwalltypiis.  Von  letzteren  sah  ich  noch  vor  einigen  Jahren  einen  grosseo 
Haufen  bei  dem  dortigen  Gehöfte  liegen  und  habe  eine  Anxnhl  derselben  gesammelt 
Die  Gefässe  dieser  Art  mussten  gross  gewesen  sein  und  mehrere  von  ihnen  hatten, 
uacb  den  Scherben  zu  urtheileiij  einen  Durchme&ser  von  etwa  18  —  2i  cm.  Die  Ver- 
«icrung  besteht  aus  dreizinkig  eingerissenen  Zickzacklinien,  über  welche  sich  auch 
Reihen  gleichmässig  grosser ,  eingedrückter  Punkte  hinziehen.  Die  Masse  ist  bart- 
gebrannt  und  fest,  von  graner  und  erdiger  Färbung.  Die  Stärke  der  Scherben  selbst 
beträgt  9  mm.  Von  diesen  Burgwallscherben  fand  ich  neuerdings  keine  mehr  vor. 
Ob  die  Scherben  von  Lauaitzer  Typus  nur  auf  dem  eigentlichen  Öchlossberge, 
oder  nur  auf  dem  umliegenden  Acker,  oder  auf  beiden  sich  vorfinden,  konnte  ich 
bisher  nicht  mit  Sicherheit  feststellen. 

Ferner  Ingen  Steine  auf  dem  Berge,  ^^wie  ein  Pflaster,  hänfen  weise,  so  dass  die 
Leute  mit  der  Schippe  nicht  konnten  hineinkommen*'.  Einen  auf  dem  Schlossborge 
gefundenen  Schleifstein,  klein,  sehr  fein,  mit  einem  Loche  verseben,  erwarb  ich 
von  dem  Besitzer;  solcher  sollen  mehrere  gewesen  sein.  Auch  sprach  dieser  von 
2wei  metallenen  (also  bronzenen)  Ringen,  die  er  vordem  besessen  habe.  Mitten  auf 
dem  Scliloasberge,  behauptete  er,  liege,  nicht  tief,  ein  Meoschengerippe,  „ein  Reiter, 
Kopf  und  Alles,**  und  unfern  (etwa  zehn  Schritte)  von  ihm,  sein  Pferd  begraben. 
Starke  Einbildung  konnte  hier  also  den  wendischen  König  wiederfinden.  Jener 
»eigte  mir  die  Stelle  und  war  bereit,  die  Gerippe  auszugraben,  doch  lies»  die  grosse 
Nisse,  eine  Folge  des  diesjährigen  Hochwassers  (1882)^  und  der  beständige  Regen, 
ea  nicht  iu  weiteren  Untersuchungen  kommen.  Die  Thatsache  bleibt  demnach  vor- 
läufig fraglich;  jedenfalls  handelte  es  sich  dann  um  das  erste  vorgeschichtliche  (?) 
Gerippe  aus  der  Lausitz,  was  mir  wenigstens  Hr.  Dr.  Behla,  der  gründliche  Kenner 
Lansitzer  Altertbümer,  bestätigte.  Gelegentlich  will  ich  hierbei  bemerken,  daas  zu 
Burg  eine  Gegend,  welche  übel  berufen;  nass  und  unwegsam,  Freoidlingea  uo- 
bekannt,  R^g^Q  dem  Stawenzfliesse^)  liegt,  ten  carny  rog,  die  schwarze  Kcke  heisst, 
^weil  früher  viel  Wald  da  war,  und  der  Töpferberg,  gjancarska  göra,  ebenda  so, 
weil  ein  Topfer  da  gewesen  sein  soll.  Daselbst  hat  man  viele  alte  Scherben,  Kohle 
und  Knochen  gefunden.  Da  liegen  auch  jetzt  noch  die  Gebeine  von  einem  Schweden, 
oder  wie  andere  sagen:  Kosaken,  der  von  Vetschau  auf  Ranb  nach  Burg  geritten 
kam;  es  soll  gerade  Dürre  gewesen  sein*).  Da  schoss  ihu  einer  —  (manche  sagen: 
Förster  Laoschke*)  —  vom  Pferde,  die  Leiche  aber  versenkten  sie  im  Luch.  Daa 
Pferd  lief  nach  Vetschau  zurück.  Ein  Vetschauer  Schmidt,  Namens  Bartholomäus, 
hatte,  so  soll  in  einer  Urkunde  gest^inden  haben,  einen  Mann  in  Vetschau  erscblagen, 
und  floh  über  die  Grenze*)  nach  Burg,    auf  preussisches  Gebiet.     In  der  Wildniss 


1)  Vergl.  in  der  Zeilachr.  für  Ethuol.  XII  auf  der  vorgeschichtlichen  Karte  von  Btn^  am 
linken  Rande.    Mehrere  Sagen  sind  hier  tu  finden.    Vergl.  wend.  Sagen  IIG,  119,  281,  183. 

2}  Wegen  der  vielen  Wassörläiife  etc.  konnte  ein  Reiter  sonst  schwerlich  da  durch- 
kommen. 

3)  Ein  Forfiter  Lanachke  (?)  scheint  nach  Allem,  vvas  ich  erfahren^  thatsachlich  In  Bur^ 
gewesen  sa  sein,  und  hat  ^ewuhiit  in  Burg- Kolonie,  da,  wo  jt'tzt  der  Kaufmann  Lecha-KuUk 
mohnt.  Bier  soll  er  eine  Nachbarin  (Hexe)  erscho^^sen  haben.  Er  muss  ^mehr  gekonnt  haben 
wie  andere*,  denn  um  seinen  Namen  haben  sich  viele  Sagen  gesponnen.  Berichte  über 
ihn  wend.  Sagen  166^  197.  Es  irtand  mit  dem  Scbiossbergnetzker  im  Bnnde,  beide  trugen 
die  berühmte  Scbiees weite  9,ua*  Dat^a  die  Sagten  über  ihn  mythisch  »ind,  erbellt  ancb  ana 
denen,  die  vom  alten  Förster  Petrik  in  Trebendorf  (viend.  Velksthnm.  S7)  umgehea,  und 
anderwärts. 

4)  Die  fhächsische  Grenze  ging  früher  bis  an  das  preussische  Burg;  an  der  Grenze  von 
Bnr^,  gen  Stradow  bin,  fand  ich  zwischen  ßänmeii  versteckt,  in  der  Erde  noch  stehend,  den 


leUteo  GreQzpf^hl    (auf   dem  Steffenaebeii  Flofe).     Ich    weüe  dartuf  hio»   well  er  mit  seinein 
KopFe  einem  aUen  G5t3^eD  gleicbend»  eiomal  auf  derartif^eM  angc^proclieu  werden  könole. 

1)  Seese,  wendisch  Biez,  ist  ein  Dorf  bei  Lübbenau.  Solcher  ZufluehtsÄfätten  werden 
noch  mehrere  im  Spree wald©  nachg:ettie8eD. 

2)  Dies  letztere  hp^tätigten  auch  sehr  zuverlässige  Leute.  Ein  ,Conducteur*  (Vermesser) 
soll  dort  Pfähle  mit  eiserueu  Spitzen  gefunden  haben.  Zu  meiner  Zeit  hatte  der  dortige  Be- 
sitzer Wetülauk  ein  eispfn«»  Beil    irgendda  in  der  Erde  gefunden,     Vergl.  wend.  S^gen»  16. 

3)  In  Müschen  wurde  mir  s.  Z.  mitgetheüti  dass  hinter  einem  Hause  des  Dorfes  xwei 
begraben  lagen^  wie  man  muthmsiäste  Franzosen.  Mir  wurde  diese  Stelle  bt^kannt  und  ich 
grub  mit  Krbubniss  des  Eigenlhümers  nach;  dabei  fanden  sieb  zwei  Gerippe.  Der  eine 
Scbidel  (oder  z»ei?)  war  kurz  und  hatte  sehr  xiiedrige  Stirn,  die  Zähne  fehlten,  obwohl  sie 
angeblich  IVüber  vorhanden  waren.  Mit  diesen  Todten  mnss  es  eine  eigne  Bewandniss  gehabt 
baben.  Wärei*  sie  in  neuerer  Zeit  erschlagen  werden,  hätte  sie  niemand  im  Dnrle  ver- 
graben. —  Vor  etwa  drei,  vier  Jahren  hriinnten  im  Dürfe  Burg  mehrere  Häuser  nebeneioander 
nieder*  Als  man  mit  dem  Neuhan  begonnen  hatte,  bteas  es,  dass  KtiOfheu  von  Riesen  in 
der  Erde  unter  dem  alten  Hause  gefundea  seien.  Als  ich  zur  Stelle  kam,  fand  ich  noch 
Menscbenknochen  von  Armen  und  Beinen,  aber  nicht  überm|Lssiger  Gross© ,  und  einen 
Schädel,  den  ich  dem  Königlichen  Museum  übergpben  habe.  Aus  oeues^ter  Zeit  konnte  das 
Gerippe  auch  nicht  seln^  weil  es  tiemUch  tief  im  Grunde  nnter  dem  Gebäude  gelegen  hatte, 
das  wer  weiss  wie  lange  gestanden  hnt. 


I 


(58) 

siedelte  er  sich  auf  dem  Topferberge  an  und  lebte  nar  tod  riscberei.  i:»pater,  lo 
KriegsDothen,  zeigte  er  den  Herrschaftea  von  Seese  (andere  sagen:  von  Eaddusch), 
den  Weg  zu  seinem  Verstecke,  daher  heisst  in  der  Gegend  ein  Stück  Land  noch: 
nah  ^.eikim,  d,  h.  auf  Seeseschem  ^),  üeber  den  Töpferberg  sind  die  Schweden  einmal 
von  Straupitz  nach  Vetschau  gezogen  und  haben  über  die  Mühlspree  vor  der  grossen 
Bank  (Brücke)  bei  Werchosch  (Kolon ic-Kaupen)  eine  Brücke  geacblagen.  Von  der 
ist  bei  kleinem  Wasser  noch  ein  Pfahi  zu  sehen  ^).''  So  die  Ueberlieferungen  der 
Wenden,  wie  ich  sie  im  Laufe  von  Jahren  aus  dem  Volke  zu&ammengebracht  habe, 
nichtsdestoweniger  braucht  nicht  Alles  Sage  zu.  sein. 

Ab  ich  vor  Jahren  das  erste  MaJ  auf  dem  Topferberge  war,  erzählte  mir  der 
dortige  Eigenthümer  Schichan,  dass  er  das  Gerippe  des  Schweden  oder  Kosaken, 
ich  entsinne  mich  nicht  mehr  genau:  beim  Ragolen  ausgegraben  habe,  oder  nächstens 
ausgraben  und  wo  anders  unterbringen  müsse*  Ein  Knochen  des  .p^Schweden'*  vwurde 
mir  gezeigt,  der  irgendwie  über  der  Erde  zurückgeblieben  war.  leb  bat  dringeod^  H 
mich  zu  benachrichtigen,  wenn  der  Fall  des  Äusgrabens  einträte,  mir  namentlich 
den  Kopf  zu  überweisen,  wurde  über  immer  auf  kommende  Tage  vertröstet,  bin 
auch  oftmals  nachdem  noch  da  gewesen,  doch  ohne  Erfolg»  So  ist  mir  das  Gebein 
nicht  vor  Augen  gekommen  und  muss  noch  da  im  feuchten  Grunde  liegen.  Es 
giebl  nur  sehr  wenige  Wenden  noch,  die  vom  Topferberge  den  Namen  nach  wissen, 
mancher  ist  wohl  kaum  in  der  schwarzen  Erke  gewesen.  Noch  bemerke  ich,  dass 
jenseits  des  Stawenzfliesses  Lutchen  (ludki,  Zwerge)  gewesen  sind,  da  wo  früher 
der  „alte  Barth el^,  ein  Häusler  (das  Wohnhaus  steht  noch),  gewohnt  hat.  Sehr  .H 
häufig  sind  ludki  Anzeiger  für  vorgeschichtliche  Fundstätten.  Dass  in  neuerer  Zeit 
ein  Töpfer  auf  dem  jetzt  ganz  abgeflnchten  Topfer  berge  gelebt  habe,  ist  ganz  un- 
wahrscheinlich. 

Doch  ich  kehre  zum  Brahmoer  Schlossberge  zurück.  Vor  mehreren  Jahren  er- 
zahlte mir  der  greise  Böbrik,  dass  ein  fremder  Herr  einen  „Topf",  der  dortselbst 
zugedeckt  mit  einem  Hachen  Steine (?),  lu  der  Erde  gefunden  wurde,  gekauft  und 
mit  sich  genommen  habe,  üeber  den  Verbleib  desselben  war  weiter  nichts  in  Er- 
fahrung zu  bringen.  Auf  eine  Anfrage,  hatte  Hr.  Alexander  Raben  au  in  Velschau 
die  Güte,  mir  mitzutheilen:    „Vor  vielleicht  drei  Jahren,  es  kann  auch  noch  binger 


(59^ 


I 


her  seiQ^  hat  ein  Herr  einen  Topf  mit  aheni  Gelde  (sächsischeo  Münzen,  die  in  der 
Nähe  des  Schlossberges  gefunden)  angekauft.  Wie  ich  glaube,  ist  es  ein  Cottbuser 
Goldschmied,  oder  ein  jüdischer  Händler  gewesftn.  Ich  habe  nur  Scherben  und  ab- 
gerundete Steine  gefunden.**  Von  dem  Gelde  ist  mir  an  Ort  und  Stelle  nichts  ge- 
worden. 

Gleichfalls  ist  ^, vor  Alters"  dort  erzählt  worden:  „Dass  die  Ltitchen  ihre  Leichen 
ir  er  brannten ,  die  Asche  in  „solche  Topfe**  thaten  und  sie  vergruben .  Sie  waren 
kleine  Meoschcnj  wohnten  in  Erdhudikeu ')  und  sagten:  ^Poäiycio  roe  zHkii  njezezku, 
iny  buÄomy  kolack*)  njekolack  pHnjasc,  borgt  mir  Backfasschen  Nichtbackfaaschen, 
wir  werden  (wollen)  Brotchen  Nichtbrotehen  (wieder)  bringen.'*  Sie  hatten  solche 
Sprache,  weil  es  solche  wilden  Leute  waren,  keine  Christen,  sie  waren  aus  dem 
Auslände  gekommen.  Weil  sie  aber  nichts  wiederbrachten,  haben  sie  nichts  mehr 
geborgt  bekommen.  Vieh  hatten  sie  nicht,  raan  weiss  nicht,  wie  sie  lebten.  Bei 
der  Dämmerung  kamen  sie  vor,  setzten  sich  auf  die  Mauerbank')  und  wärmten  sich, 
und  dabei  sind  sie  auch  gestorben (?).  —  Wie  die  Glocken  kamen,  gingen  sie  weg, 
die  konnten  sie  nicht  hören.  Sie  sind  gestorben,  geschwind,  haufenweise.  Den 
Graben  am  Schlossberge  zog  früher  der  Nachtjäger,  ten  nocny  jaga^,  von  Muschen 
her  entlang*)." 

So  die  Berichte  aus  wendischem  Volksmunde;  för  den  Schlossberg  folgt  daraus 
Diehts.  Der  dortige  nocny  jagar  fällt,  wie  eine  Sage  vom  Schwurstein*)  beweist 
und  andere  ans  Burg,  nnmentlich  vom  Schfossberge'^)  und  Mal ka- Acker,  welche  dtirch 
den  „Schatz^  mit  dem  wendischen  Konige  in  Beziehung  stehen,  in  mehrfacher  Hin- 
Bicbt  mit  letzterem  zusammen. 

Weiter  heisst  es  im  Volke:  „Früher  stand  auf  dem  Brahmocr  Schlossberge  ein 
Schloss,  in  dem  wohnte  der  wendische  König.  Er  war  aber  auch  auf  dem  Burgschen 
Schlosaberge,  denn  beide  gehorten  zusammen.  Er  war  ein  Räuber  und  hat  die 
Christen  beraubt.  Die  Hufeisen  hatte  er  verkehrt  aufgeschlagen,  und  es  wiir  immer 
»o,  als  wäre  er  ansgeritten;  sie  konnten  ihn  nicht  abfassen.  Ueber  die  Brücke  ist 
er  durch  die  Luft  geflogen,  als  wenn  er  auf  Erden  ginge.  Es  hat  kein  Mensch  er- 
fahren, wo  er  geblieben  ist;  auf  einmal  war  er  weg^),**  Er  nimmt  also  ein  Ende, 
ganz  wie  Dietrich  von  Bern  in  der  Deutschen  Heldensage,  der  auf  rabenschwarzem 
Hengst  dahinfuhr,  „so  schnell,  dass  kein  Vogel  so  schnell  fliegen  konnte.  Sein 
bester  Knappe  ritt  hinter  ihm  auf  seinem  besten  Hengste  Blanka^  und  dem  folgten 
alle  Hunde.  Da  rief  der  Knappe  ihm  nach:  ^Herr,  wann  wirst  Du  wieder  kommen, 
weil  Du  HO  schnell  reitest?**  .  .  .  Da  antwortete  König  Dietrich:  ^Ich  bin  übel  be- 
ritten, dies  muBS  der  böse ^)  Feind  sein,  auf  dem  ich  reite.  Doch  wieder  werde  ich 
kommen.^     Demnächst  kamen  beide  auf  ihren  Hengsten   weit  auseinander,   so  dasa 


1)  Wendisch  buda  Bude»  Ofitte,  davon  budka;  budar  der  üläusler,  Hütiner;  budlis, 
bydlis  wohnen. 

2)  Hier  zu  sprechen  kowack,  pr  =  psch. 

3)  =  Ofenbank,  die  wie  noch  jelzt  voa  Steinen  (vielfach  vno  Holz)  früher  steinern  war,- 
wendisch  mtrrja  Maner,  nuirka  Ofenbank.  Bei  Zossen  in  einem  Neujahrs  wünsch  der  Schweine- 
hirten ...  «die  Mächen»  liefen  gern  auf  die  Mure." 

4)  Wend,  Sagen,  7,  31,  137,  28a 

5)  Eb.  87  (123,  135,  185,  32),  135  (4),  wend.  Volkstbnm  63. 

6)  Wond.  Sagen  214,  11,  1,  3,  9,  10,  12,  (88,  100),  133-135. 

7)  »Er  hl  mal  fortgeritten  und  nicht  wieder  gekommen*  beidst  es  zn  Bnrg  Ton  den  wen- 
dischen Könige  auf  dem  Bürger  Scblossbeige,     Eh.  6. 

8)  Theodorich«  Asche  wurde  als  die  einei  ^fSuch würdigen  Ketzers*  (A rianers)  ans  dem 
Rieseograbe  in  Ravenna  hinausgeworfen  und  in  alle  Winde  zerstreut.* 


(60) 

der  Knappe  den  Kmig  nicht  mehr  %sh.     Und   Dimmer  h&t  man  eeitdem  etwas  von 
ihm  vernommei].     Daher  kann  Niemand   tod  EÖDig  Dietrich  sagen,    was  aas  i 
geworden  ist,** 

Der  germanische  Fürst,  der  als  geschichtliche  Persoolichkeit  in  die  Sage 
Dietrich'«  verwoben  wurde,  war  durch  seine  machtvollen  Tbaten  zu  leb 
Herzen  «einer  Völker,  als  dass  sie  an  sein  Ende  glauben  naocbteiJ.  Aber  d«' 
Dietricli  dc^r  Heldensage  nimmt  auch  noch  ein  anderes  Ende.  „Er  war  io  die 
Stadt  Höfferdli  gekommen  und  als  er  erkannte,  dass  es  bald  mit  ihm  zu  Tode  ginge, 
da  verbot  er  den  beiden  Knappen,  die  ihn  begleiteten,  irgend  Jemand  zu  sagen,  wo 
er  war*  Kurz  darauf  starb  er  an  den  Wunden,  welche  Witig,  WielaDd's  S0I1&, 
ihm  geschlflgen  hatte  und  ward  in  derselben  Stadt  begraben  als  ein  Kaufmann*).* 
So  weiss  auch  kein  Mensch,  wo  der  sogenannte  wendische  K5nig  geblieben  ist,  er 
ist  fortgeritten,  aber  auch  begraben,  denn  es  beisst  von  ihm*):  „Er  soll  einen  sil- 
bernen Sarg  gehabt  haben;  vier  haben  ihn  begraben.  Sie  wurden  todt  geschosiea, 
dass  Niemand  wissen  sollte,  wo  er  begraben  ist.  Er  soll  mit  den  Schweden  da  gi- 
lagert  haben.'*  Diese  letztere  Nflchricht  von  dem  Begräbnisse,  habe  ich  oor  bei 
jüngeren,  mehrfach  ztigezogenen  Bewohnern  von  Bahow  gefunden.  In  Muschen  wir 
sie  nur  einem  alten  Manne  bekannt,  und  dem  vielleicht  auch  erst  von  den  Babower» 
geworden.  Niemand  wusste,  dass  das  Grab  an  der  Fundstelle  der  Babower  Ring«') 
gewesen  sei,  von  denen  ich  doch  eher  als  andere  gewuest  habe,  üeberhaupt  habt 
ich  vor  dem  Auffindrn  des  Babower  Sclimtickes  nichts  vom  Grabe  des  wendisckeo 
Königs  dort  gehört,  obwohl  ich  grade  in  jener  Gegend  oftmals  gewesen  war,  w«i 
dort  viele  Ortssagen  spielen,  z,  B.  vom  Schworptein*),  von  der  ßuHengrobe,  dff 
Wasserfrau  (einer  Loreley),  von  der  ehemals  vielgekrijmmten  Kschiscboka  u*  a,  bl, 
alle  nahe  beieinander,  und  das  Sammeln  der  alten  Ueberlieferungen  Difii 
Zweck  war,  Hr.  Veckenstedt  hatte  diese  Gegend  woh!  erst  später  besurbt, 
nachdem  ich  dem  königlichen  Museum  in  Berliu  entsprechende  Nncb richten  ob^r 
den  Fund  und  seine  etwaige  Erwerbung  gegeben  hatte.  Erst  nachher  also  h"»rte 
ich  die  Leute  von  dem  Grabe  des  wendischen  Königs  erzählen,  und  dass  man  dußn 
nua  diese  Sage  in  Beziehung  setzte  zu  dem  Babower  Fun  de  ^  der  die  Gerouther  so 
lebhaft  erfüllte,  war  sehr  natürlich  und  ein  Vorgang,  der  sieb  überall  wiederholt 
Ich  habe  selbst  eine  sogenannte  Pilgerflasche,  aus  der  der  wendische  König  ge- 
trunken haben  soll,  weil  sie  angeblich  auf  dem  Burger  Schtossberge  gefoodea 
worden  ist, 

1)  Wilkina  nnd  Nfflimjra-Saga,  von  Friedrich  von  den  Haaren,  Bresbo  1872,  469,  491  Hit 
den  beiden  Knappen,  die  Friedrich  nachfolgen,  ver^ldriie  die  heiden  Gesellen,  welfhe  deft 
wendischen  Konig  begleiten  (wend.  S.  2).  Wpnn  der  eine  dieser  beiden  bisweilen  MorkBiU 
genannt  wird,  wie  auch  der  König  und  die  Konigin  ihre  Namen  haben,  s;o  scheinen  mir  auf 
Grund  meiner  eigenen  Erfahrungen  diese  Kamen  nicht  ganz  Tolksthümlich  zu  sein.  Viel- 
leicht siud  i^ie  er8t  ans  Hrn.  Prediger  Berger 's  E)arstellong  der  Sage  TOm  Kinderrau^« 
(Mtrja  ifon  Dronow,  in:  der  SprcoiÄald  von  Dr.  Berger,  Cottbus  1866,  und  im  CfartsUidifn 
Familien  boten)  weiter  in  das  Volk  gedrungen.  Hr.  Berge  r,  dpr  in  seiner  Scbitdernng 
dankenswert  he  Einzel  heilen  ifieht,  erfuhr  diese  Sage  durch  den  Oherpfarrer  Mttdra  in  Pek 
dieser  sie  durch  den  Lehrer  Lehmann  in  Drehnow  bei  Pek^  dieser  sie  durch  den  tlt<B 
Kitte  (,der  ein  alter  Soldat  war,  ein  präihtii^er  Mann  und  Vorsteher  einer  Spree w»ld-Spi>K 
»fhale  vor  hundert  Jahren*);  dieser  si«  von  einem  alten  Miltterlein  irgendiwo  im  Bpreeimlile. 
—  Vergh  wcnd-  Sagen  2.  Eine  eingehende  Besprecbnng  der  Sagen  vom  wendischen  Eüni^t 
muss  ausführlicher  Darstellung  vorbehalten  bleiben. 

2)  Wend.  Sagen,  7. 

3)  Vergl  Zeitschrift  für  Ethnologie,    X*  Verb,  318. 

4)  Bbend.  1880,  XII,  260. 


(ßl) 

Für  den  Brahmoer  Schlossberg  läs&t  sich  also  Nichts  aus  der  erwahüteü  Sage 
[foigeru.     Wollte    man    dies  aber  in  der  so  häufig  beliebten  Weise,    so   könnte  mnn 
B.  sageD:  Beziehungen  zu  den  Schweden,  etwa  unter  König  Gustav  Adolph,  sind 
unverkennbar,    die   dort  gemachten   Funde  wären  am  sichersten  schwedischem  Her- 
koromen zuzuweisen  u.  8.  w»     Aüeiu  das  würde  niemand  glauben,  weil  die  Kenntnis 
euer   Schweden  zeit,    wie  der  Neuzeit  uberhaijpt,    zu  gründlich  ist.     Die  Sage  von 
iinem    derartigen    Begrabnisse    ist    auch   sonst  in  Deutschland  allgemein   verbreitet. 
äo    berichtet    z.  B,    Hr,  Schwartz')    in  einer    ganz    gleichen   Sage,    dass  Bischof 
IVepelitz  von  Havelberg  in  einem  goldenen  Sarge  an  den  steilen  Abhängen  nach 
Idem  Vorwerk  Wepelit«  lu  ruhe.    Als  Soldaten  da  Schanzen  gegraben  haben»  fanden 
^ftie  Urnen  und  dergleicbeii.     Waren  das  nun  Gefässe  aus   dem  ellften  Jahrhundert, 
iie  irgendwie  mit  dem  Bischof  in  Beziehung  standen,  der  1041   gestorben  ist,  bei» 
rgesetzt  im  Havelberger  Dom,    wo   er  auf  seinem  marmornen  Grabdenkmal    liegend 
in  Lebensgrosse  zu  sehen  ist?     Niemand  folgert  das^  aber  in  der  Lausitz  mit  dem 
wendischen  Konige  ist  derlei  gestattet.      Diese  Begräbnisssage  gestattet  an   und  für 
sieb    weder    bei    ßabow    noch    au  anderen  Orten  einen  besonderen  Scbluss  auf  die 
Geschichte  oder  Völkerkunde.    Wer  das  thut,  ist  sich  über  das  Wesen  solcher  all- 
gemeinen Sagen  nicht  klar  und  begebt  einen  Irrthum.    Man  kann  nicht  ohne  ganz 
bestimmte    Merkzeichenj    die   ja    bisweilen    zu  Sagen  hirizutreteDj    aus  dem  sagen- 
mässigen   Begriffe   „wendischer  König**   schltessen  auf  bestimmte  thatsächliche  Ver- 
hältnisse, die  vorgeschichtliche  Funde  bestimmen  könnten.    Am  allerwenigsten  darf 
oian  folgern,  dass  die  Babower  Ringe  (gleichwie  die  Burger  Bronze  wagen)  wendisch 
seien,  weil  in  dieser  Gegend  Sagen  sich  eingefunden  und  entwickelt  haben^  die  vom 
wendischen  Könige  reden*     Niemand    weiss,    wann    sie    sich    eingefunden    oder    in 
^k.der  jetzigen    Fassung    ausgebildet    haben^    und    nichtsdestoweniger  sollen  sie  Zeit- 
^■HBgaben  abgeben!     In  anderen  Provinzen  sind  solche  literarischen  Sagen gespinnste 
^Bron  den  Alterthumsforiä ehern  meist  beseitigt,  in  der  Lausitz  werden  sie  immer  noch 
^Kmit  Vorliebe  aufgebunden*     Das  liegl  an  einem  hohen  Grade  von  Voreingenommen- 
™^  beit,  Subjectivitat,  die  so  vielen  derartigen  Arbeiten  in  der  Lausitz  anhaftet*) 


1)  W.  Schwarte,  Sagen  der  Mark  Brandenburg,  1871,  153,  —  Bei  Seeben  bei  Sali- 
wedel  ist  ebenfalls  ein  Grab  eines  Riefen  oder  Wendenlionigs,  genannt  Zamkal  (welches  man 
auch  für  den  Namen  des  Wendenkonigs  halt)  und  eine  Sage  von  dem  Jean  Kaie  fJübann) 
♦  .  .  Dort  lag  noch  bis  vor  knnem  ein  Stein,  den  Jean  Kai  hatte  nach  Sal2wedel  ^werfen 
wollen  und  der  ihm  aus  der  Hand  gefallen  war  Vergl  Kuhn,  Märkische  Sagen  1R43,  35, 
229.     So  auch  bei  Kemnitz  bei  Pritzwalk  ein  Riesenkonig  in  mehreren  Särgen  u.  s.  w. 

1)  In:  die  GiStter  Dentschlands,  vorzüglich  Sachsens  und  der  Lansitz  von  Dr.  Böuisch, 
ausäbendem  Arzte,  Wundarzte  und  Geburtshelfer,  auch  Stadtphysjco  und  Stirtsmedico  tu 
Camenz,  Mitgliede  der  Oberlausitzischen  Gesellschaft  der  Wiasen Schäften  in  Görlitz  und  der 
deutschen  Gesellschaft  für  Sprache  nnd  Älterlhi^mer  zn  Leipzig  u.  b.  w.,  einem  Buche,  das 
neben  einem  tücbtig^en  Wissen  viele  beaebtenswerthe  Bettierkuiigen  enthalt,  hehst  es  z.  B. 
S.  1:  ^Das  Pnradies  selbst,  so  wie  die  Namen  Adam  und  Kva  scheinen  deutsche  Worte  zu 
gein,  denn  in  Paradeus  liegt  anjjenfällig  ein  (erstes)  Paar  Deuts;  Adam  aber  iat  zu^Jimmen- 
geäetzt  ans  dt-m  ersten  Laute,  welchen  der  Mensch  als  nengebüreties  Kind  von  sieb  giebt, 
nämlicb  aus  A,  und  aus  dem  ersten  trocknen  Plätzchen  der  Erde,  auf  welcher  er  wohnen 
ioll,  Damm.  Zu  der  Zeit  nämlith  .  .  ,  .  i^ar  jeder  Damm  ein  Dempel,  Damj^el,  Dnmpel, 
Tempeij  Haus  und  des  Lateiners  Templum  nnd  Domus  erinnert  noch  ebenso  .  »  .  .  an  die 
frühen  Tempel  und  Wohnungen  ....  Warf  aber  Adam  den  ersten  Damm  auf  und  bauele 
so  das  erste  Haus,  so  war  er  auch  der  erste  Bauer  und  so  konnte  Paradies  auch  den  ersten 
Bau  des  ersten  Dentschen  bezeichnen.  Eva  scheint  zusammengesetzt  aus  Ehe  und  Fe^  imd 
o bschon  difi  Sagen  vou  den  Feen  der  Bewohner  des  sud liehen  Asiens  (des  Dschesirad-  oder 
Belad-Ml-Ar&d)    am    Sinai    und  Eoreb,    am    Astan    und  Euphrat,    am    rothen  und  persischen 


Der  weDÜiscbe  König  ist  oie  ion  Spreewalde  gewesen  und  auch  niemaU  begraben 
i^'orden,  aber  er  würde  sich  im  Grabe  uradreben,  erfubre  er,  was  aUes  auf  seine 
Schultern  gewätzt  wird.  Er  ist  rein  mythisch,  keineswegs  geschiebt! icb$  ähDÜcb  wie 
der  alte  Fritz  ^),  der  SchwedenkÖDig,  Erka,  Königin  der  Heuoen,  der  Heidenkomg, 
der  HiiDenkooig,  der  Riesenkönig,  der  Konig  der  Zwerge^),  der  König  der  Erd- 
mannchen,  und  wenn  wir  Grimm'j  folgen,  der  König  der  Etben  (Elbericb,  Lauriii 
und  andere  mehr),  wie  Huldra,  Königin  des  Huldrevolks,  Berchtba  der  Heimchen 
ist.  Auch  in  englischen  Uebedicferungen  eine  elfquecn,  the  fairy  queen,  im  Alt- 
französischen  roi  Oberon,  mit  dem  royaum  de  la  feerie  u.  s.  w. 

Er    hat    ebenso    wenig    gescbtchtlicbe    Spuren    hinterlassen,    wie    etwa  an  den 


Meere  erst  In  dem  Mittelalter  von  den  Europäern  beaebiet  und  iiitere^saut  gefunden  wurden i 
»0  sind  sie  nichts  desto  weniger  uralte  und  In  dem  Namen  Eva  darf  wohl  untwdenkllch  die 
erste  nni  Ada  verehlicbte  Fee,  Eh-Fee  gefunden  werden.  ^  S.  3  ,.  ,  .  weil  er  durch  seinen 
wehenden  Odem  (den  Weh'nd  oder  Wind)  Oden  oder  Odiu  {jenannt  wurde,"  und  dazu  in 
einer  Anmerkung:  »Ocean,  O^ieh  an,  Odin  zieh  an."  — 

In  dem  Ruche:  Skytbika  von  Liebusch,  Oberpfarrer  und  Adjnnct  der  Spremberger 
Superintendentur  zu  Senftenberg,  Gamenz,  1833:  , Berlin  helsst  eine,  in  einer  ziemlich  nie* 
drigen  Gegend  ijelegene,  i^rösse  Stadt  (elin).  Die  SylV»e  bcr  deutet  die  Beschaftenheit  des 
TerrJiina  an,  auf  welchem  diu  Sladt  liegt  und  hat  eine  adjectivische  Potenz,  Mit  einem 
Worte  der  jetzigen  deutlichen  und  wendischen  Sprache  lässt  sich  Beilin  nicht  wiedergeben. 
Wollte  mau  den  Namen  durch  ein  neugebildetes  Wort:  TiefGrossstadt  übersetzen,  so  druckte 
dies  doch  die  ßedeu(uui;c  de&selben  nicht  bestimmt  und  vollatäudig  ans.  Wäre  die  Gef^nd, 
in  welcher  Berlin  ließt,  noch  niedriger,  so  müsste  der  Ort  Birlin  heisaen.  Der  Name  Berlin 
darf  nicht  von  dem  jetzigen  Worte  Berg  (mons)  und  von  dem  wendischen  Lina  (der  Lehm) 
abgeleitet  werden,  sondern  es  ist  ebenso  fut  primitiv  als  Budisain  ,  .  .  .  .  Als  Name  eines 
(^rösaeren  Ortes  iat  er  generis  masculini  .  .  .  »  .  Es  ist  Tiel  wahrachelnl icher,  daaa  Coln  auch 
nach  den  Regeln  der  Ursprache  gebildetj  als  dasa  es  von  dem  lateinischen  Oauptworte  co- 
lonia  ahfireleitet  ist.  Ist  der  Name  Colo  primitiT^  wie  ea  scheint,  so  sollte  er  Hein  geschrie- 
ben werden.  Das  Wort  Kein  (kel-en,  Uügelort)  bezeichnet  einen  ein  wenig  höher  liegenden 
Ort  als  Berlin  Ist  Bein  kommt  das  Wort  in  dem  Namen  des  auf  einer  Anhöhe  liegenden 
Dorfes  Kein  bei  ßautiten  ?tir.    Glinijio  heisst  ein,  in  einer  niedrigen  Gegend  gelegenes,  kleine« 

Dorf Die  Sylbe  ni  bezeichnet  die  tiefe  Lage  des  Ortes*  —  S.  92   Lieberose  (lin-ber- 

ose)  [heisßt  wendisch  Lnhorae,  nnd  Liebusch  war  des  Wendischen  mächtig!  W.  v,  SJ.  S*  94, 
Potsdam,  bu'Cits-dam-uni  [wird  gewühnüeh  in  Uebereinstimmung  mit  einer  älteren  Form  dieses 
Namens,  aus  dem  wendischen  pod  dubami  (mit  2wischengescbot}enem  s)  =  unter  Eichen  er- 
klärt. W.  V,  SOi  —  Hifichhorn,  her-isch-bar-on,  —  Ziegen  hals,  zie-egeü-bal-as,  8.  d^X  Königs- 
brück  bat  seinen  Namen  nicht  von  des  Konigsbrücke,  sondern  es  hiess  vor  der  Corruption 
seiner  gegenwärtigen  Beneoniing  ken-ik-bor-ik,  welches  eine  kleine  an  einem  niederen  Berge 
gelegene  Stadt  bedeutet.  S.  319.  Aum.  7.  Weil  durch  die  Stadt  Berlin  ein  Fluss  fliegst, 
deshalb  lautet  die  erste  Silbe  in  dem  Namen  dieser  Stadt  Ber  und  nicht  bal  u.  s.  w.  Zu 
aolcben  Scbnurrpfeilereien  kam  bei  einseitiger  Betrachtungsweise  ein  Mann,  dessen  Gelehrsam- 
keit, wenn  auch  in  abgenöthigtem  Vorworte,  «elbal  ein  Ritter  hervorhebt.  Um!  doch  hat 
Liebusch  Einfluss  gehabt  nnd  verschiedene  Schriftsteller  der  Lausitz  mit  seiner  Gelehrtheit 
angefüllt»  Wie  jene  beiden  sich  in  Wort  zerr  erelen  ergangen  haben,  so  andere  bis  in  die 
neuere  Zeit  in  Sagenspielereien. 

1)  Geac  hiebt  lieh  König  Friedrich  der  Grosse  von  Preussen. 

2)  Auch  den  wendischen  König  hörfe  ich,  wenn  auch  sehr  selten,  von  Wenden  Zwergen- 
kunig  nennen,  doch  möchte  ich  hierin  deutschen  EinJlues  vermulben, —  Nach  Hr.  Dr.  Bolle 
8oll|  wo  bei  Ranschendorf  [einer  ausgedehnten,  ergiebiegen  und  sehr  beachtenswerthen  vor- 
geschichtlicben  Fundstätte]  die  Urnen  gefunden  werden,  der  Zwergen köuig  begraben  lie^n. 
Ebenda  bei  R,  (Kr.  Ruppin),  auf  freiem  Felde,  heisst  eine  Stelle  Wendenfeld.  Desgleichen 
soll  der  Zwergeniönig  begraben  liegen  bei  Lindow.     Wend.  Volkstbnm,  2* 

3)  Grimm,  Deutsche  Mythologie,  4.  Ausg.  1875,  374. 


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(63) 


^ 


Dardanelleo  beim  I>ic!ite  der  Fackel  auf  hohem  8611er  Hem  den  Freier  erwartet« 
UQd  dieser  aachtlicb  fltirch  das  Wasser  zu  ibr  scliwauiiii  *)^  uod  in  Deulsebland  und 
undereu  germaoischen  Länderu  cacb  der  Volksüberlieferting  verscbiedeoe  Liebes- 
und Leidensgeoossen  dasselbe  tfaatea.  Oder  wie  vielleicbt  Polykrates  den  Ring  bei 
Samoa  ins  Meer  warf  Uüd  der  Koch  ibn  im  Ma^u  des  Fiacbes  faüd,  deo  ein  Fiscber 
gefaugen  hatte,  uüd  der  Probst  Conrad  vod  Sankt  Severin  in  Cöln  auf  der  Fabrt 
nach  Xanthcn  seinen  Ring  in  den  Rhein  lallen  liess,  den  der  Koch  wiederfand  in 
den  Eingeweiden  eines  Fisches,  den  ein  Fischer  gefangen  baüe^).  Ebensowenig 
wie  der  griechische  Theseus  auf  Kreta,  den  Faden  der  Ariadne  vom  Knaule  ab- 
wickelnd, in  dem  unterirdiscbeo  Gewölbe  des  Labyrinths  den  stierartigen  llirmtauros 
erlegte  und  die  sieben  Knaben  und  Mädchen  befreite,  und  der  mythische  Jäger, 
welcher  den  Spree wald  durchzog  und  vorm  alten  Schlosse  zu  Lübbenau,  das  so 
viele  Fenster  hatte  als  Tage  im  Jahre,  das  ünthier,  den  Ziegenbock  mit  gewaltigen 
fldToerD  erlegte  und  nach  sieben  Jahren  wiederkehrte  mit  sechs  Gefährten,  den 
Faden  vom  Knaule  abwickelnd,  um  den  Weg  zu  fiaden  nach  dem  Scblosse,  in 
dessen  Kellergewölben  der  gefurchtete  Basilisk  hauste.  Ebensowenig  wie  Dadalos 
aus  Neid  seinen  erfindungsreichen  Schuler  Talos,  weil  dieser  ihn  übertraf,  Vtin  der 
Akropolis  zu  Athen  herabstiirzlp,  und  in  Deutschland  der  ^ebrenwerthe**  Meister 
der  Lausitz  aus  Eifersucht  den  kunstreichen  Burschen  erstochen  hat,  auf  dass  er 
nicht  klüger  wurde  denn  er  selber.  Ebensowenig  wie  derselbige  Dädalus  sich 
und  seinem  Sohne  künstliche  Flügel  mit  Wachs  angeklebt  hat  und  Ikarus  aus  der 
flöhe  niederstürzte  in  das  Meer,  das  noch  nach  ihm  das  i karische  heisst,  und  der 
alte  Fischer  Krepel  aus  Leipe  bei  Lübbeuati  sich  Storcbflügel  mit  Fech  angeklebt 
bat  und  aus  der  Luft  niederstürzte,  so  dass  noch  heute  die  Rede  geht:  er  flog  wie 
ein  Engel  und  fiel  wie  ein  Teufel,  won  leseso  ak  janfei  a  panu  ak  cart;  wie  denn 
auch  nach  ihm  eine  Stelle  im  Tozkefliesse  Krepelsecka  heisst  bis  auf  den  heutigen 
Tag.  Ebensowenig  wie  Dranos  in  Griechouland  verstümmelt  wurde  und  gleich 
anderen  der  alte  Krepel  dasselbe  vornabm.  Ebensowenig  wie  auf  Sicilien  bei 
Tische  an  einem  Fferdehaare  das  Schwert  des  Dionysius  über  dem  Haupte  des 
Daniokles  schwebte,  und  in  Deutschland  beim  Mahle  der  unterirdischen  der  Mühl- 
stein an  einem  seidenen  Faden  über  dem  Kopfe  der  Dienstmagd  niederhing. 
Und  deren  mehr. 

Der  „wendiscLe  König"  ist  oller  Wahrscheinlichkeit  nach  überhaupt  erst  auf- 
getreten, als  die  wendische  Herrschaft  ein  Ende  hatte,  und  ich  glaube  behaupten 
zu  können  —  die  Wenden  selbst  (oder  richtiger  gesagt:  die  Bewohner  der 
Lausitz)  haben  niemals  den  wendischen  König  gekannt,  wenn  denselben  auch 
Hn  Veckenstedt  als  „Messias  der  Slaven  im  Herzen  Deutschlands**'^)  auffasst. 
Sie  haben  den  ^wendischen  König**  wohl  erst  von  den  Deutschen  gerade  mit  dem 
Namen    als    Sagengestalt    erhalten ^     wie    solche    Bezeichnungen*    Wendenkonig*), 


1)  Hat  man  doch  sogar  in  neuerer  Zeit  sich  bemuht  durch  ScbwimmleiatiingGn  eile  Mög- 
lichkeit d^r  nach  [liehen  Besuche  tu  erweisen!  Aus  alleikm  geht  immer  wieder  hervor,  ^ie 
innig  die  gesamtiit©  höhere  Geistesentwicklung  unserer  Zeit  in  ihrer  poetischen  Rieht iiug  noch 
mit  der  Sagenwelt  verweht  ist  utid  wie  noth wendig  für  die  Jillgenieine  Bildung  es  wäröi  eud- 
lieh  auf  Schulen  uud  Hochachuleu,  ebenso  wie  bereits  griechische,  römische  und  hebrüische, 
81»  auch  deutsche  Sagen  zu  lehren. 

2)  Wolf,  Nied erb  Sagen,  Leipzig  1843,  24fij  Panzer,  Bayen  Sag.  11,  liMj  Grimm, 
Deutsche  Sag.  I,  284;  Sakuntala  von  A.  v.  Wohoi^en,  Leipzig  (Reclam)  46,  Ö8, 

a)  Veckenstedt,  Weodiache  Sagen.    Graz  1880.    S.  VIL 

4)  Ich  schreibe  lür  die  Lausitz:  wendischer  Konig,  und  nicht  Wendenkunig,  weil  ich  ibn 
denlach  in  der  Lausitz,  entsprechend  dem  (slftTiscben)  serski  ocler  serbsM  kral  nur  wendi&cher 


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Wendenschlachten ')»  Seen  gercithct  vom  Blute  der  Wenden,  Wendengräber,  Wenden- 
kirchliöfe  u*  dgU  m.  sich  reichlich  m  Norddeutschlaod  findeo.  Ja  selbst  alte  ver- 
knitterte IrtschnfteD,  wie  wir  bei  Haadtmant)^)  ersehen^  gelten  als  weadische. 
Wendisch  ist  in  der  Yorst^llung  des  Volkes  vorwiegend  heidnisch^). 

(lewiase  mythische  und  mythologische  Erinnerungen  aua  alten  und  verschiedenen 
Zeiten  haben  vorgelegen.  Si^  haben  sich  ruannigfach  umgebildet  in  Sage  und  Dich- 
tung und  verschiedene  Namen  hat  man  im  Laute  der  Zeit  auf  sie  ii bertragen.  Denn 
mit  dem  Wechsel  der  Geschlechter  im  Volke  und  der  geschichtlicljeD  Anschauungen*) 
wechselte  auch  die  Beoennuug  (Bezeichnung)  und  die  steitgemilsse  Färbung,  und  da, 
wo  die  Erinnerung  an  die  Wenden  lebhaft  vorherrschtCj  wurde  Alles  wendisch,  wie  — 
unter  ürostauden  schwedisch,  franzosisch  u.  s,  w,,  in  Erinnerung  an  die  harten  ■ 
Drangsale,  welche  unser  Land  seiner  Zeit  von  Schweden  und  Franzosen  zu  erleiden 
hatte,  geradeso  wie  auf  gevvtt^se  eigenthümliche  Persiinltchkeiten,  die  die  Einbildung 
dea  Volkes  lebhaft  erfüllen,  gewisse  alte  Geschichten  immer  wieder  von  Neuem 
übertragen  werden.  So  kommt  es,  da^s  ein  und  derselbe  umstand  von  den  vex- 
scliiedensten  geschichtlichen  Persönlichkeiten  oder  mytbischeo  Gestalten  ausgesagt 
wird,  ohne  dass  sie  oftmals  in  unmittelbarer  Beziehung  stehen.  Wie  vielfach  hat 
man  (namentlich  die  classischeu  E'hilologeii)  zu  allen  möglichen  und  uumoglichen 
gekünstelten  Erklärungen  seine  Zuflucht  genommen,  um  solche  Verhältnisse  streng 
,,logiscli"  zu  erklären,  die  im  Grunde  einfach  und  natürlich  auf  Zufälligkeiten  be» 
nihen.  So  w^oMte  man  altgriechischen  Schriftstellern  schwankende  Auffassung  zu- 
muthen,  weil  die  diese  oder  jene,  melir  oder  weniger  sagenhafte  Geschiebte  (auch 
als  Gebildete  treu  der  Üeberlief^i-ung  ilires  Volkes)  in  verschiedener  Weise  erzählen, 
und  man  quälte  sich  ab,  künstlich  und  gelehrt  Uebereiustimmung,  „System"  in  das 
zu  bringen,  was  doch  nie  über  einen  Kamm  geschoren  werden  kann.  Ebenso  viel- 
gliedrig  und  lebendig  die  ßestaudth eile  der  Volker  immer  waren,  ebenso  mannigfach 
sind  ihre  Anschauungen  gewesen,  die  wir  in  Sagen  überkommen  haben.  Leider  hat 
man  in  frtiherer  Zeit  die  betete  Quelle^  als  sie  noch  rein  flo*s,  unser  eignes  Volk 
selbst,  fast  nie  erforscht,  sondevu  sich  bemüht,  eine  diirftige  Bücherweisheit  fortzu- 
schleppen und  weiterzuspimieu,  wie  denn  noch  jetzt  von  Staatswegen  in  Preussen 
der  volksth  um  liehen  Forschung  meistentheils  fast  gar  keine  Unterstützung  zu  Theil 
zu  werden  pflegt.  Während  sie  des  „gemeinen  Pöbels  Wahn'*  verachteten,  die 
„albemen  Sagen*  und  „Ammenmärchen**  des  Volkes*)  und  wie  immer  die  beliebten 

König  hake  nennen  bor^n.  —  in  Burg  hiess  eine  Gastwirthsebaft:  zum  wend'gcben  König. 
Diese  Bezeichnung  verdankte  ;)ber  nicht  einem  volksibumlichen  Drange,  sondern  meiner  persön- 
Heben  AnreguDg  ihr  Dasein. 

1)  Ancb  der  Tortreffliche  Haupt  (Sügeohucb  der  Lausitz.  Leipzlfr  1862.  11,  14  n.  a.  0<) 
bringt  zu  willkürlich  und  unberechtigt  die  Kümpfer-  oder  Käropenberge  mit  Wendenschlacbten 
zusanümen. 

2)  IT  an  dt  mann,  Sagen  aos  der  Neumark  und  Kujmafk,  ein  leider  noch  unveröffent- 
lichies»  inbaltreiche«,  rein  sachliches  Werk.  Hm.  Ilandtmann  ist  es  biBher  (wie  anderen) 
noch  nicht  gelungen,  für  diese  wissenschaftliche  Arbeit  in  Deutschland  einen  Verleger  zu 
fiuden.     Da  wäre  ea  Fflicbt  des  Stautes,  den  Druck  ?.u  übernehmen 

3)  So  heisst  aucb  in  der  PflanEenwelt  nach  Ilrn.  Dr.  Bolle  hier  oder  da  in  der  Mark 
die  Goldrntbe  (Solidago  virgfturea)  wendisch  oder  heidniacb  Wundkraut,  Vergl.  wend,  Volkt- 
tbum  3. 

4)  So    haben   aich  bei  un&eten  Stammverwandten»  g-ewissen  VölkerBchaften  im  Kaukasus, 
nunmehr  £um  grossen  TheÜ  zersetzl  und  aufgelöst^   sehr  alle  EritiDerongen  in  unveränderter 
Weise   erhallen.    YergL  die  Sagen    des  Tsefaerkessen  -  Volks  nuch  8chora-Bekniur8in*Nogmow       h 
von  Berge.    Leipiig  18G6.  I 

5)  Vergl.  daiu  Bürgers  Leonore,  Göthes  Erlkönij?.  Heines  Loreley,  Schillers  Teil  u.  a. 


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(65) 


Aösdröcke  der  Genügscbatsung  im  Munde  vieler  (lebildeten ')  lauten »  ilachtea  sich 
msDche  Bücbergelehrte  sekr  viel  werthit>sere  literarisühe  Sagen  aus.  Spater  sind 
dann  diese  „thörichten  Fabeln*)**  der  betreffenden  Gelehrten  leider  ab  und  zu  ins 
Volk  gekommen,  dag  zwar  das  Fremd  artig;*  te  ausgestossen  hat,  aber  doch  manches 
in  sich  aufnahm.  —  Noch  iat  Zeit  zum  .Sammeln,  aber  die  Jahre  sind  gezählt.  Mit 
den  Augen  der  „Alten%  die  unter  dem  Namen  ntthsim  bei  maiicben  Gelehrten  als 
geachichtliche  Quellen  in  grosser  Anerkennimg  stehen,  schliesst  sich  für  immer  der 
iirft]t6  Bora  germanischer  Volkssage,  Mit  Aufbietung  aller  ivräfte,  auch  der  staat- 
lichen Unters tijtzung,  kann  nocli  vieles  gerettet  werden^  was  sonst  unwiederbringlich 
im  Strome  der  Zeit  dahingeht  — 

Auch  viele  Einzelheiten  über  den  wendischen  König,  welche  in  dem  Sagen- 
werke') des  Hrn.  I>r.  Veckenstedt  berichtet  werden,  sind  wohl  nicht  ursprimg- 
lieh.  Wenn  der  Forscher  nicht  in  der  Lage  ist,  selbst  alles  im  Volke  sammeln  zu 
könneD,  so  werden  sehr  leicht  auf  dem  Zwischenwege  durch  andere  (literarisch 
Gebildete,  welche  nnbewusst  mehr  oder  weniger  kritisircn),  und  namentlich  durch 
unrichtige  und  drängende  Fragen,  subjective  Aeusserungen  festgestellt,  die  den  Vnlks- 
riberliefernngen  nicht  entsprechen  und  spater  die  wisseusc haftliche  Untersuchung 
auf  unrichtige  Wege  fuhren  müssen.  Nur  allein  das  Volk  mit  seinem  innigen 
Glauben  vermag  die  alten  üeberlieferüugen  in  jener  immergleichen  und  wunder- 
baren Treue  weiterzufuhreD  und  wiederzuerzählen.  Der  Gebildete  und  vor  Allem 
der  sogenannte  Halbgebildete,  nimmt  nicht  bedingungslos  an,  sondern  verändert  und 
begründet  nach  seinem  Verstände,  was  dem  Volke  gar  nicht  einfällt  begründen  zu 
wollen,  wie  es  denn  nach  jetziger  menschlicher  Auffassung  überhaupt  nicht  begründet 
werden  kann.  Dem  Volke  ist  Glaube:  CJlaübe,  und  in  schlichter  Treue  überliefert 
es  sein  heiliges  Vermächtniss  unangetastet  den  Kommenden,  Grade  aber  beim  wen- 
dischen Konige  sind  mann  ichfache  Erzählungen  im  Volke  auf  literarischen  Ursprung 
zurückzuführen,  wie  deutlich  nachweisbar  ist. 

Bei  meinen  Wanderungen  in  der  Lausitz  habe  ich  die  Grenzen  gefunden,  wo 
der  wendische  Konig  aufhört,  und  nichts  ist  von  ihm  da  in  der  preussi^chen  Lausitz 
bekannt,  wo  sich  am  meisten  Wendenthum  in  der  TJeb  erlief  er  ung  und  Anschauung 
tiodet^  südlich  von  Spremberg  in  der  Gegend  von  Muskau  und  Hoyerswerda,  wo  eine 
Marawuj  Myrlata,  Ssmerkawa,  eine  Dremotka  uns  recht  volksthümlich  entgegentreten, 
freilich  auch  ein  Windhans  (w^teroc  Hansko),  und  als  männliches  Gegenstück  zur 
wendischen  Dremotka  (^Schlummergottin^)   ein  deutscher  Hermann*},    der  wie  ein 


1)  Und  das  alles  noch  nach  Jacob  Grimm,  der  uns  durch  eine  Gunst  des  Schicksals 
zu  Theil  warttt 

2)  äJan  braucht  nur  an  die  literarischen  Stammsagen  s^u  denken.  „Die  Grafen  v.  Franken- 
berg führen  drei  Ziegel  im  Schilde  und  einen  Luchs  auf  dem  Helme.  Sie  stammen  ab  von 
dem  tapferen  messenis^chen  Generale  Arislomenes,  der  um  das  Jahr  der  Welt  3641  lebte. 
Dieser  wurde  einst  von  den  Lac^dämoniern  gefangen  und  in  eine  gemauerte  Grube  geworfen, 
dtrinnen  er  sterben  sollte.  Er  entdeckte  aber  ein  Loch,  welches  ein  Fuchs  unter  der  Mauer 
durchgegrabeo,  brach  einige  Ziegel  aus  und  entkam  also  glncklicb/  ü.  d*  m.  Sinapius 
Schiesischer  Curiosit&ten  erste  Vorstellung.     Leipzig  1790  (bei  Haupt,  II,  80). 

S)  Beiläufig  t^emerkt,  nennt  leio  bnrger  Wende  (wie  in  Veckenstedt's  Sagen  S.  21^  23) 
den  Scbkissberg  zu  Burg  (wendisch  Borkowy)  Burgberg,  allgemein  und  ausnahmslos  ist  sein 
Name  Schlossherg  (wendisch  grod).     Auch  Haupt  (U,  16j  schreibt  irrthumlicfa  Burgberg. 

4)  Wend.  Volksthum  67,  ^^  168,  VeigL  auch  Haupt  I,  13,  der  die  anderweitigen 
Quellen  anführt,  Berinann  ivie  im  Deutscljen:  Sandmann  u.  a,  (uiederw.  zaspicki).  leb  ge- 
denke »uf  diesen  Hermann  nnd  einige  hindere  entsprechende  VerbÄltnisse  noch  eingehender 
zurückzukommen. 

VcrbABiU.  <itr  B«rL  JUtbropoL  QaadJAcliAft  IBSS.  5 


(66) 

aeltsames  Fragezeicht'n  durch  das  Wendenthum  hindurchhlickt,  gleichwie  in  def 
Oberlau^itz  und  im  Lande  Bölieinij  altdeutscher  Heiiiiiith.  lunge  vor  tschechischer 
Ausbreitung,  Pan-E»iftrich,  Bern-Dietnch,  Bariadicitrich,  Bajiditterch^  Dyterbernat, 
Dyter  Beoada,  Dykef^jadual,  DjkeberBak*)  noch  wie  ein  Schlaglicht  den  Ruhmes- 
scbimmer  des  mächtigen  Dietncli  von  Bern  asu  uns  heniberwirft,  in  Erianwing  ao 
Theodorich  den  Ostgotheu,  unvergesshchen  Angcdenkpoe  bei  den  Völkern  seiner  Zeit. 
I>a  also  ist  nichts  vom  wendischeo  Konige  bekutint,  der  nicht  wendisch  ist  und 
nicht  geschichtlich,  sondern,  wie  er  jetict  vorliegt,  eine  allgemeine  unbestiiurnte 
Sttgeogestalt,  durch  die  folglich  vorgeschichtliche  Funde  in  keiner  Weise  bestätigt, 
werden  können. 

(12)    Hr.  W.  y.  Schuleoburg  macht  neue  Mittheilung  über 
iten  Topfach  erben  mit  ftad  Verzierung  und  prähiatorlsobe  Erbse  n  von  Mii  sehen,  Spree  wald. 

Auf  dem  mit  eig*^Dthumlicben  Beigaben  reich  besetz  ton  üroenlager  von  Wüschen 
(Kreis  Cottbus)  fand  sich  unter  vielen  tausend  Scherben  von  laiiäiJzer  Typus,  die 
ich  mehrmals  durchsuchte,  ein  einziger  (dem  Märkiscben  Museum  ubergebouer)  der 
mit  einem  Rade  verziert  war.  Dieses  in  erhabener  Arbeit,  5,5  cm  im  Durchmesser, 
etwa  5  mm  abstehend,  angebracht  auf  der  Seiten  wand  eines  Gefässes,  ist  zur  Hälfte 
abgeschlageo ,  jedoch  erbalten  drei  Speichen  und  vom  Reifen  die  grossere  Hälfte, 
Auch  das  einzige  Kad,  welches  Wagner  auf  einem  Scherben  im  ßurgwall  von 
Schlieben  fand,  war  in  erhabener  Arbeit  Ebenso  nach  Behla  (Urnen friedhofe. 
Luckau,  IS82,  62)  das  Rad  auf  einem  bei  Garrfnichen  (Kr.  Luckau)  gefundenen 
Scherben  (Sitzung  vom  21.  Oci.  1882,  Yerh.   S.  446). 

Ohne  auf  einen  Zusammenhang  hinweisen  zu  wollen,  darf  vielleicht  daran  er- 
innert werden,  das«  in  der  detitschen  Mythologie  das  Rad  dem  Donar  ynd  Fro 
(Freyr)  zugeschrieben  wird.  Wenn  auch  in  dieser  Richtung  einzelne  Untersuchungen 
noch  ungenügend  erscheinen,  so  sind  die  allgemeinen  Beziehungen  jenes  zur  Sonne 
und  dem  rollenden    Donnerrad  doch  sicher. 

Auf  derselben  Begräbnissstätte  kamen  u.  A.  zwei  gänzlich  zerfallene  ThongefUsse 
(keine  Urnen!)  zum  Vorschein,  der^n  Inhalt  aus  schwarzer  Erde  und  verkohlten 
Fruchtkörnern  bestand.  Von  letztere n^  scheinbar  Erbsen,  habe  ich  s.  Z.  Proben  dem 
Königlichen,  sowie  dem  Märkischen  Museum  übergehen;  dortsei bst  wurde  indessen 
keine  Untersuchung  veranlasst.  Hr.  Prof.  Witt  muck,  dem  kh  eine  Anzahl  dieier 
Früchte  neuerlich  wieder  vorlegte,  hatte  die  Güte,  sie  zu  untersuchen  und  kam  zu 
der  Ansicht,  dass  sie  jedenfalls  keine  Erbsen,  sondern  mit  aller  Wahrscheinlichkeit 
eine  Art  der  Pferdebohne  seien. 

Hingegen  erklärt  Hr.  Dr.  Boller 

^Dass  die  Samen  nicht  von  Bohnen  oder  Saubohnen  (Vicia  Faba)  herrfibreu, 
unterliegt  nicht  dem  mindesten  Zweifel,  Es  sind,  wofür  ich  sie  mit  einer  ao  Ge- 
wiesheit  grenzenden  Wahrscheinlichkeit  erkläre,  richtige  Erbsen,  doch  ist  es  unmog* 


1)  Ornhro!\Dn,  Sagen  aus  Böhmen,  Pra^  18Ö3,  76;  Hanpt,  1,^121,  128:  ,DuTch  die 
Flor«n  mancber  Ortschaften  zieht  sish  piop  sogenannte  Branilader,  riiese  nennen  die  Wenden 
Dyter  benmtowy  püc,  cL  h,  Dieter  Bernhardts  Wcf^.^  Vergl.  auch  Grimm,  11,  781  (Ab 
Si'hnitt  XXI,  der  «Is  Quellen  bezeichnet:  Job.  HorUsrhan^ky  von  8iüen  und  Gehräurhen  der 
Wend<?n,  3.  Abth.  (Üessiiu  und  Görlitz  17S2;,  LauBilz.  Monätsschr.  1797,  S.  74J*j  Liehusch 
Skyihika  287,  und  auf  Berndietrich  ab  N.-itxien  des  wilden  Jägers  Im  Ürlai^üU  hinweist,  auf 
den  versteinerten  Bernhard  am  Bodekessel  über  der  Rosstrappe,  den  von  Fichte  (einem  Lau- 
sitzer;  Dietrich  v(»n  Bern  genannten  Knecht  Rnprechl  it.  d.  m. 


(67) 

Itch^  genau  zu  beatimmeD,  ob  sie  von  der  echten  uod  wirklicheo  Erbse  un&erer 
CultDren  (Pisum  sativum,  L,)  oder  toh  der  ^«uen  oder  Ackererbse  (Pisum  ar- 
veoee,  L.)  herstammen. 

Letztere  wird  jetzt  nicht  mehr  in  der  Mark  angebaut,  sondern  kommt  hier  nur 
als  Ackerunkraut  vor,  Wohl  aber  ist  sie  in  Preu*>aen  ein  Gegenstand  sorgfaltiger 
Cultur  unter  dem  Namen  der  grauen  oder  preussischen  Erbse.  Die^  Samen  der 
letzteren,  nicht  erbsengelb,  sondern  grau  voo  Farbe  und  weniger  nind  als  die  ge- 
wöhnlichen^ vielmelir  ein  wenig  eckig,  wurden  anscheinend  am  allermeisten  mit 
den  Torliegenden  Proben  zusammenstimmen,  erlaubte  der  ziemlich  firagwördigc  Zu- 
stand  der  Erhaltung  ein  genaueres  ürtheil. 

Pisum  sativtim,  unsere  gewöhnliche  Erbse,  im  Jugendzustand  der  Frucht  als 
Schote  bekannt  und  beliebt,  ist  eine  Pflanze  nicht  mehr  bestimmbarer,  wahrsthein- 
Heb  aber  s^orderassi »tisch er  Herkunft,  Niemand  hat  sie  in  neuerer  Zeit  mehr  wild 
gesehen. 

Ihre  f'ultur  muss  der  ribereinstimraenden  Benennungen  wegen  in  mehr  als 
einer  Sprache,  bei  den  arischen  Völkern  sehr  froh  eine  allgemeine  gewesen  sein. 
Auch  sind  Funde  der  Samen  aus  der  Bronzezeit  in  der  Schweiz  und  in  Savoyen 
verbürgt.  Prof,  Heer  kennt  sie  sogar  als  Ueberbleibsel  der  Steinzeit,  indem  er 
dafür  als  Lokalität  die  Pfahlbauten  von  Moosseedorf,  gleichfalls  in  der  Schweiz, 
anfuhrt. 

Alle  diese  prähistorischen  Erbsen  sind  kleiner  als  die  der  Gegenwart^  unstreitig 
durch  Pflege  und  Sorgfalt  im  Laufe  so  langer  Zeit  verbesserten.  Dies  stimmt  mit 
den  Dimensionen  der  unsrigen  ganz  ijberein  und  lässt  auch  die  Annahme,  es  konnten 
diese  Platterbsen  Samen  gewisser  LathyrusarteD  sein,  als  unannehmbar  erscheinen. 

In  seinem  neuerschienenen  trefflichen  Werke  Origine  des  plantes  cultiv^a 
fParis  1883)  sagt  Hr;  Alphonse  Decandoller  Wenn  diese  Speciee  sich  auf  die 
Steinzeit  in  der  Schweiz  zurückfuhren  lässt,  würde  dies  ein  Urund  sein,  sie  als 
bereits  ?or  den  arischen  Bevölkerungen  dort   vorhanden  zu  betrachten. 

In  sehr  früher  Periode  war  die  Erbse  (groch)  bei  den  Slaven  Gegenstand  des 
Ackerbaues.  Dies  heiläufig,  denn  die  unsrigen  datiren  entschieden  aus  vorstaviBcher 
Zeit  her^  was  ja  auch  nach  Erwägung  der  oben  angeführten  Thatsachen  durchaus 
nicht  Wunder  nehmen  kann  ^  — 


^ 
^ 
N 


(13)    Hr.  V.  Schulen  bürg  erörtert  die 

Uebereinetimmung  deutscher  und  kaukasischer  Safee. 

Das  in  den  Verhau dlungen  S.  26*^  von  Hrn.  W.  Dolbeschew  mitgetheüte 
Märchen  ^Die  drei  Brüder"  kommt  mit  Veränderungen  in  Deutschland  ebenfalls 
vor.  Ich  fand  es  in  der  Niederlausitz  unter  dem  Volke  auf,  sciemüch  ausführlich  ^); 
mehr  bruchstückweise  zweimal  in  Sagensammlungen  Deutscher;  wo,  ist  mir  ent- 
fallen. 

Bei  mir  hat  ein  Vater  3  Sohne  (ebenso  bei  den  T,),  der  jüngste,  dumme  Hans, 
mnss  in  die  Fremde  und  bewacht  hei  einem  Bauer  l^  Nächte  hindurch  3  Haufen 
Grummet  gegen  3  Pferde  (weiss,  braun,  schwarz),  worauf  in  der  3,  die  3  Haufen 
zu  Gold  werden.  (Bei  den  T.  fangt  der  :1  Bruder  die  3  Rosse  —  Rappe,  Fuchs, 
Schimrael  —  und  nimmt  von  jedem  3  Haare).  Eine  weisse  Maus  begleitet  als 
guter  Geist  Hansen^  der  sich  7  Jahre  stumra  halten  muss,  über  das  Meer  fahrt  und 
Gärtner    bei    einem    Grafen    wird.      Dessen    ledige  Tochter    lässt  Freier  sich  vorm 


1)  W.  V.  Schulenhurgf,  WenHiscbe  Sagen.     Berlin  1880.    8. 


^—11  der  goldene  Apfel. 
5* 


Scblosse  TPFsammeln^  H,  darf  zusehen.  Wen  sie  mit  einem  goldnen  Apfel  triffi:^  der 
soll  der  ihre  mlu.  Das  Fratilein  oifiiet  im  obersteD  Stock  das  Fenster  und  trifft 
zufallig  H.  So  wird  er  ihr  Gemahl;  aber  mao  sucht  ibn  los  zu  werden.  3  mal  in 
den  Kampf  geschickt  erhält  er  jedesmal  besseres  Pferd  ond  Waffen  an  einem  Strauch 
durch  das  Mäuschen;  wird,  verwundet,  durch  eioe  2^ubersalbe  gebeilt,  ^ch neidet 
um  Miltemacbt  im  Stall  3  Pferden  (b.  w.  seh.)  die  Bäucho  auf,  aus  deneu  eiD 
Graf,  Gräfin  und  wunderschönes  Fräulein  hervortipringen,  Yerwuo6cht<»  Nachbarn, 
—  Dort  bei  den  T.  gewinnt  der  Jüngste  beim  Wettren oen  in  3  Tagen  die  3  Töchter 
eines  Forsten,  die  3  Pferdehaare  jedesmal  los  Feuer  werfend^  und  findet  zu  Hause 
in  der  Erde  vorm  Kamin  Gold  und  Silber,  während  die  »wei  bösen  Bruder  in  SteiDe 
verwandelt  werden'). 

Die  üebereiDstimniung  ist  in  einigen  Zögen  sehr  gross.  Dort  fehlt  der  SoDDeo- 
m}'tbuSy  und  die  Deutung  der  Pferde  als  Finsternif^se.  Hr.  Dolbescbew  merkt  au 
^Finsleruiss  =^  Tma,  die  uureine  Gewalt".  Niederwendisch  ist  sma  Dunkel,  Fioater- 
niss.  Der  Scbluss  lautet  bei  den  T.  ,,Vrin  diesem  Falle  hörte  mein  Grossvater 
von  meinem  Vater.**  Herr  Dol besehe w  bemerkt:  „Letzteres  ist  der  gewöhnliche 
Schluss,  obgleich  nicht  verständlich,^  Wahrscheinlich  sei  es  mehr  oder  weniger 
ernst  gemeint,  soll  er  die  Glaubwürdigkeit  der  üeberÜeferung  (wie  ein  Stamrobaum) 
bestätigen.  Aehnlich  schliessen  unsere  Sagenerzähler  zur  ßetheueruug  der  Wahr- 
heit, obachon  sie  nur  bis  zum  Grossvater  oder  der  Grossmutter  zurückgehen.  Wenn 
nicht  weiter,  liegt  es  daran,  dass  durch  die  Äusbreituug  der  Bücher  das  Gedächtniss 
der  Völker  schwächer  wird. 

Auch  die  Sage  vom  Helden  und  Riesen  (S.  271)  zeigt  unseren  Sagen  gemeinsame 
Züge;  namentlich  beraerken^werth  ist  der  einäugige  Nogaie  mit  seinem  Hammer 
auf  dreibeinigem  Rosse  und  die  Wiederbelebung  der  zusammengelesenen  Knochen 
des  durch  deo  Hammer  zerschmetterten  Tschetscheneo. 

Weitere  denirtige  üebcrlieferungeo  derselben  Mären  mit  vielem  [>aDke  zu  be- 
gruBsen. 

(14)    Hr.  E.  Fr i edel  berichtet  über 

neue  Funde  In  der  Onterspree  innerhalb  Berlins. 

Bei  den  FuEdirungsarbeiten  fiir  die  neue  hölzerne  Lessing- Brücke  in  Berlin, 
welche  die  Slrom-Strasse  mit  der  Lessiiig- Strasse  verbindet,  sind  tiefere  Schicht* 
proben  des  alt-alluvialen  Spree*Grundes  zu  Tage  gefordert  worden,  welche  ich  im 
September  1^82  untersuchtet  Dieselben  enthalten  im  scharfen  Flusssande  folgende 
subfossile  Conchylien : 


A.    Muscheln. 
h  Anodonta  (Fragmente), 
2,  ünio  tumidus  Retz, 
3»  V,  pictorum  L*, 

4.  Cyclas  cornea  L,, 

5.  G.  Rivicolft  Lara , 

6.  C*  solida  Normand, 

7.  Pistdium  amnicum  MülL, 

8.  F.  ca-zertanum  Poli, 

9.  F.  henslowianum  Shepp, 


B.    Schnecken. 

L  Paludina  contecta  Millel, 

2.  P*  fasciata  Müller, 

3.  Bjthinia  tentaculata  L., 

4.  B.  Troschelii  Paasch,, 

5.  Valvata  contecta  Müll. 


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1)  Vergl.  auch  Veckenstedt  (wendkcb.  Sagen,  Graz  1880,  fi6%  wo  in  der  abgekürzten 
Sage  ehenfnlls  drei  Brüder  wachen. 


Vermischt  mit  diesen  Coachylien  finden  sich  io  derselben  Schicht  viele  häufig 
gespalteoe  oder  abgesägte  bezieheatlicii  abgeschlageoe  Koocheti  Ton  starker  ßräunuDg, 
Dach  dem  dicken  und  glänzenden  Periosteum  zu  schHessen  wenigatenfi  theilweise 
voG  Wildthieren  herriihrend,  vermischt  mit  groben  aus  niil  Steingrus  vermengten 
Thon  gefertigten  Oefässscherben,  worunter  ich  verzierte  bisher  nicht  gefunden  habe, 
desgleichen  geschlagene  Feuersteinsplitten  Alle  diese  Beste  mÜB3(*n  viele  Jahr- 
hundert« im  Wasser  gelegen  haben  und  dürften  wendischer  Herkunft  sein. 
Die  Funde  erinnern  an  die  von  mir  bei  der  Lunebnrger  Strasse  hieraelbst  im 
Jahre  1881  gemachten  nnd  Verh.  Band  XIV  S,  1S7  beschriebenen  Funde  aus  der 
Spree  und  vom  Rande  derselben« 

(15)    Hr  F*  Jagnr  übergiebt  einen  Auszug  aus  einem 
neuen  Bericht  über  ille  Andamaneaen. 

Mr.  M,  V,  Portman  giebt  Nachrichten  über  die  Andamanesen  ^),  die  um  so 
werthvoller  sind,  als  er  seit  Juni  1879  amtlich  mit  der  Sorge  für  das  Wohl  der- 
selben betraut  war^  ihre  Sprache  erlernt  und  im  Walde  mit  ihnen  kampirt  hat. 
Nachstehend  ein  Auszug  mit  besonderer  Berücksichtigung  dessen j  was  unsere 
früheren  Mittheikngen  (Verb.  187C  S.  18,  1877  S.  13,  S,  428,  1880  S.  409)  ergänzt 
oder  von  ihuen  abweicht.  Früh  Morgens  werden  die  Feuer  angeblasen j  die  Deber- 
bleibsel  der  Nahrucgsraittpl  verzehrt;  die  Männer  gehen  auf  Jagd  oder  Fischfang, 
die  Zurückbleibenden  machen  Bogen,  Pfeile,  auch  Topfe-}.  Ihre  Moralität  lässt  viel 
zu  wünschen.  Sie  essen  nichts  roh  ^  rühren  keine  Austern  an,  früher  wohl.  Sie 
können  nicht  über  zwei  zählen.  Kinder  dürfen  kein  Schweinefleisch  essen  und  kein 
Scbildkrolenfleisch  anrühren,  bis  sie  mannbar  geworden  sind,  das  erste  Schildkroten- 
essen  wird  durch  Tanz  und  viele  Cerenaonieu  gefeiert*).  In  der  Regel  werden 
Mannerleichen  auf  Gerüsten  in   Bäumen  ausgestellt,  Weiberteichen  begraben. 

Die  Süd-Andamanesen*)  sind  im  schnellen  Aussterben  begriffen,  weil  sie  mit 
der  Civil isatiou  in  zu  nahe  Berührung  gekommen  sind.  Sie  gehören  alle  einem 
Stamme,  dem  der  ßojingiji  an,  der  früher  in  mehrere  kleinere  zerfiel,  von  denen 
aber  nur  noch  geringe  üeberbleibsel  vorhanden  sind. 

Auf  der  Mittel-Ändamane  im  Osten,  Nordwesten  und  Centrum  und  auf  Interview- 
Eiland  wohnt  ein  ganz  neues  Volk,  ein  grosser  niächti;^er  Stamm,  die  Aka  Kedes; 
an  der  Westküste  ein  kleiner  Stamm,  die  Aka  Jawais,  die  einen  Uebergang  zu 
den  Bojingijis  bilden;  die  Sprachen  dieser  Stämme  sind  ganz  versehiedeCj  ebenso 
die  Form  ihrer  Bogen.  Weiter  nördlich  sind  die  Hütten  schöner  und  sorgfältiger 
gebaut,  die  Hautfarbe  der  Männer  ist  rother. 

Die  Aka  Juru,  gering  an  Zahl,  wohnen  im  Süden  der  Nord-Andamane,  die 
nördliche  Hälfte  dieser  Insel  wird  von  den  Aka  Ghariars  eingenommen.  Die  Aka 
Eris  scheinen  in  der  Mitte  der  Insel  zerstreut  zu  leben.  Die  Sprachen  aller  dieser 
Stämme  sind  guttural,  ihre  Kochtöpfe  aind  V  förmig,  die  der  übrigen  Andamanesen 


I 


1)  Jonrn,  R.  As.  8oc,  Lond.  Oct  1881. 

2}  Nach  den  mir  gemachten  Angaben  tioHlen  Topfe  nur  von  Frauen  an^fertigt  werden. 

3)  unter  den  auf  der  Viptr  Insel  verpflegten  Andamanesen  wurde  diese  Vorschrift  lur 
Zeit  meiner  Anwesenheil  (1B75)  nicht  beobachtet.  ».  .,.  ein  anderer  (kleiuer  Knabe)  schabte 
mit  einem  grossen  Messer  von  einem  Stück  Sc bi tdkröte  das  Fett  ab  und  bot  ^s  mir  dar,  ver* 
schlang  es  aber  seibat  mit  Behagen,  da  ich  ea  nicht  annahm.**     (».  Verbamll  11.  Febr.  1877.) 

4)  Ei  sind  diejenigen,  ujjt  denen  kh  1875  verkehrte. 


(70) 


wie  eiu  U  geformt;  ibre  Bogeo  sind  yerscbieden  Ton  denen  der  Südauaaojauesea 
und  schöner. 

YoD  den  Jarawa  Stammen^)  haust  einer  5  Miles  westl.,  ein  anderer  ebenso- 
weit 8Üdl.  voQ  Port  Blair,  Bis  voriges  Jahr  wusst**  man  nichts  von  ihnen,  obgleich 
sie  in  so  grosser  Nähe  der  seit  20  Jahreu  bestehenden  Niederlassang  wohnen;  ihre 
Existenz  sogar  wnrde  von  erfahreüen  Beamten  iäeherlich  getuacht.  Selbst  Mr.  Man 
giebt  eine  ganz  unrichtige  BeschreibuDg  von  ihoen,  Bei  eioer  Expedition  1880 
gegen  den  Weststamm  wurde  ein  altes  Weib  gefangen,  ihr  Haar  war  weiss  und 
ungeschoren,  sie  war  unbekleidet,  trug  nur,  wie  alle  Jaiawaweiber.  eine  Schnur 
(a  wreath)  mit  einer  Pnschel  um  die  Hüften,  statt  des  BlatteB,  Bei  einer  anderen 
Expedition,  etwas  nördlich  vom  Port  Mouat,  wurden  ein  alter  Mann,  3  Weiber, 
6  Kinder  gefangen,  nach  Fort  Blair  gebracht,  bald  wieder  frei  gelasseu,  Ihr  Vo- 
knbulor  ist  ein  ganz  fremdes.  .  .  .  Die  Bewohner  vom  Centioal-Eüaud  sind  wahr- 
scheinlich mit  denen  von  Klein*Ändaman  identisch. 

Klein- Ändaman- Eiland  ist  nach  einigen  das  Centrum,  von  wo  die  Jarawas 
herstammea;  es  ist  sehr  schwer  zugänglich  und  daher  wenig  bekannt*  1873  be- 
suchte General  Stewart  die  Insel,  um  freundschaftliche  Beziehungen  anzuknüpfen, 
wurde  aber  zur  Selbstvertheidigung  zu  schiessen  gezwungen.  Bei  einer  späteren 
Expedition  zur  Bestrafung  von  Mordthaten  wurde  ein  Koabe  gefangen,  nach  Port 
Blair  gebracht;  man  behandelte  ihn  mit  der  groseten  Gute,  als  er  aber  eines  Tages 
sein  Bild  im  Spiegel  gesehen,  nnd  vielleicht  angenommen  hatte,  dass  ihm  einer 
seiner  Landsleute  erschienen  sei,  zehrte  er  sich  ab  und  starb. 

Bald  daranf  fing  h\T,  Homfray  einen  Mann  und  eine  Frau,  vielleicht  die 
Eltern,  da  sie  eich  ohne  Widerstand  abführen  Hessen  (Verb,   1877,  S.  35). 

Die  Eingeborenen  diesor  Insel  sind  immer  feindselig;  bei  einer  Expedition 
1880  wurde  auf  Oberst  €  ad  eil  und  Mr,  Port  man  geschossen.  „Die  Leute,  die 
ich  aah,  glichen  durchaus  denen  der  Centinal-Insel,  ihre  Bogen  und  Canoes  gleich- 
falls; sie  waren  mit  gelbem  Thon  eingerieben,  ihr  Haar  ungeschoren. 

Im  November  1880  ist  Mr.  Portuian  an  einer  neuen  Expedition  betheiligt, 
versucht  Freundschaft  zu  schliessen,  l&sst  Geschenke  an's  Land  schwimmen,  seine 
Leute  nähern  sich  den  Eingeborenen  schwimmend;  endlich  kommen  einige  der 
Letzteren  an  den  Strand,  Bogen  und  Pfeile  mit  deu  Zehen  nachschleifend,  „wir  werfen 
mehr  Geschenke  aus,  plötzlich  scLiessen  zwei  oder  drei  Eingeborene  und  verwunden 
einen  unserer  Sikhs,  wir  erwidern  aber  nicht  das  Schiessen*'. 

Bei  der  Rückkehr  von  Car-mcobar  besuchen  wir  abermals  Klein-Andaman* 
Eiland,  schwemmen  Geschenke  ans  Land,  sie  weiden  angenommen,  ich  sende  einige 
Ändamauesen  mtt  Geschenken  aus,  die  Jarawas  lassen  Bogen  und  Pfeile  fallen, 
kommen  ihneti  entgegen,  höchst  freundschaftliche  Begegnung,  sie  umschlingen  ein- 
ander mit  deu  Armen,  springen  auf  dem  Sande  herum  ujad  jauchzen.  Wir  landen 
nicht,  um  sie  nicht  scheu  tu  machen.  Nach  einer  Stunde  riefen  wir  unsere  Leute 
zurück,  sehr  erfreut  über  unseren  Erfolg.  Dm  J 1  lande  ich  mit  neuen  Geschenken, 
wahrend  Oberst  Cadell  mich  vom  Boote  aus  bewachte.  Drei  meiner  Leute  nähern 
sich  den  Jarawadas,  kommen  aber  schnell  unter  ei  Dem  Regen  von  Pfeilen  zuriick- 
gelaufen;  gegen  dreissig  Kerle  stürzen  aus  dem  Walde  und  schiessen  auf  uns,  so 
endete  unser  letzter  Versuch.''  Nach  einem  Vergleiche  der  Bogen  verschiedener 
Stämme  beschreibt  Portman  die  Hütten  der  Kleio^Andamanesen  als  grosse  Bauten, 
oft  BO  Fuss  hoch.      Der   Oberst   maass    eine    von    60  Fuss  Umfang.     In  der  Mitte 


1)  In  d©n  Verhandl.  1877,  8.63,  sind  die  Jarawa  nach  Mr.  Homfray's  Schreibart  Juni- 
vaddah  genannt. 


(71) 


i*teht  eiu  Pfahl,  6  bid  8  Pfähle  um  Um,  üaiitj  nach  etwa  6  Fuss  Zwi^acbenraum  ein 
Kreis  voo  kürzeren  Pfählen,  über  welche  sich  das  Dach  ausbreitet  bis  es  den 
Boden  berührt.  Kleine  Locher  am  Rande  gestatten  den  Bewohnen]  hineinzukriechen. 
An  mehreren  Stellen  in  Norduodaman-Eiland  b*^merkte  Portman  ähnliche  Hütten, 
aber  kleißer.  Im  Innern  waren  Plätze  durch  Stammslücke,  die  wohl  als  Kopfkissen 
dienen,  abgetheÜt.  Gegen  6  Fuss  über  dem  Boden  liegen  Gestelle  zum  Aufbewahren 
von  Nalirungsmittelnj  Waffen  etc.  Der  Boden  der  Hütte  bestand  aud  den  gewöhn - 
liehen  Kuclienabfälien.  Auch  kleinere  Hütten  nach  demeelben  Muster  wijren  vor- 
banden. Gewöhnlich  standen  diese  zu  fünf  im  Kreise,  Da«  Auffallendste  ist,  dass, 
obwohl  die  Jarawadas  auf  der  Hauptinsel  Jahrhunderte  hindurch  in  nfichster  Nach- 
barschaft der  ßojiügiji  gelebf  hoben,  sie  immer  Feinde  waren,  dass  ihre  Bogen  und 
ihre  Sprache  gänzlich  verj?chieden  sind,  dass  sie  einander  nicht  kennen,  aber  fürchten. 
Die  Jarawadas  verw^endcn  gelben  Thon,  die  andern  rothen  nnd  grauen,  ihre  Canoes 
Bind  roher,  haben  keinen  Schnabel,  ihre  Schmucksachen  aber  sind  viel  schöner  als 
die  der  Gross -Andamanesen.  Die  Nahrungsmittel  sind  dieselben,  die  Netze  und 
Kürbe  auch,  aber  gröber.  Sie  tnigen  nur  die  Unterkiefer  ihrer  verstorbenen  Ver- 
wandten, keine  andere  Kochen.  Alle  Andamanesen  verfallen  in  Waldbewohner 
(Ereratagas)  und  Strand bewohner  (Aryitwtos)*  Die  Bewohner  der  grossen  Andainane 
theilt  Port  man  in  zwei  durch  ihre  Bogen  j  ihre  Sitten,  ihre  Sprache  bedingte 
Gruppen, 

I,  Die  nordiich  der  Homfray -Strasse  wohnenden  Aka^Chariar,  Aka-Eri,  Aka- 
Jaru,  Ak&-Kede  und  Aka-Jnwai,  die  gleiche  Sprache  und  gleiche  Bogen  haben. 
Alle  diese  nördlichen  Stämme  tatowiren  sich  auch  in  gleicher  Weise,  nämlich  drei 
breite  Striche  längs  des  Rückens  (auf  dieser  Eigenthümlicbkeit  beruht  z.  Th.  die 
Classificadon), 

Die  Bojingiji^  umfassend  die  Bojingiji,  Bojigiab  und  Balawa,  fast  alle  wohnen 
südlich  der  Böaifray-Strassc,  haben  gleiche  Bogen,  ßojingiji  ist  die  gt^mcinschaflliche 
Basis  ihrer  Spraciien.     Sie  sind  über  den  ganzen  Körper  in  Mustern  tStowirt'), 

Zum  Schluss  hebt  Mr.  Port  man  die  merkwürdige  Thatsache  liervor,  dass  so 
viele  kleine  Stäoime  auf  einer  winzigen  Inselgruppe  lebend  und  offen t>ar  von  ur- 
sprünglich gleicher  Abstsimraung,  wie  ihre  zwerghafic  Gestalt,  schwarze  Farbe 
und  Verschiedenheit  von  allen  rings  um  sie  wohnenden  Rassen  zeigt,  nicht  nur 
verschiedene  Sprachen  reden,  verschiedene  Waffen  führen,  einander  als  Feinde  be- 
gegnen, wenn  sie  zusammentreffen,  sondern  auch  vor  Gründung  der  Niederlassung 
in  Port  Blair  thatsächlich  von  ihrer  gegenseitigen  Existenz  nichts  wussten, 

^Ich  nehme  an^  dass  vor  unserer  Niederlassung  die  nord liehen  Gruppen  den 
böchsten  Cuilur/ustaod  erreicht  hatten,  dass  die  südlichen  Gruppen  nach  ihnen 
kommen  und  die  Jarawadas.  aus  denen  möglicherweise  alle  übrigen  hervorgegangen 
sind,  am  tiefsten  stehen.  Klein-Andnmau*Kiland  ist  äusserst  dicht  bev cd kerr,  wanim 
soll  dies  nicht  auch  früher  mit  der  grossen  Andaroane  der  Fall  gewesen  sein? 
Jetzt  aber  ist  in  Folge  verschiedener  mit  der  Civilisation  eingedrungener  Epidemien 
der  grösate  Theil  der  südlichen  Abtheibjog  ausgestorben,  obgleich  Krankenhäuser 
errichtet  und  die  Kranken  sorgfallig  aufgespürt  und  eingeliefert  werden;  sie  werden 


1)  Die  südlich  der  ITomfray-Strasse  wohnenden  Andamane^<»n,  mit  denen  ich  einen  Motiat 
Jung  verkehrte,  waren  gar  nicht  titowirt:  sie  verzierten  ihren  KTirper  gelegentlich  durch  Auf- 
tragen von  welsMin  und  rolhem  Thon  in  Mustern,  mj»ehlen  sU-h  auch  mit  Glasscherhen  Ein- 
schnitte in  di«  Baut,  aber  weder  an  bestimmten  Stellen,  noch  nach  bestimmten  Regeln, 
r namentlich  als  Hdlmitteb  wohl  kaum  zur  Vfrschonpning;  die  kleinen  Narben  kommen  iiiif 
^der  schwaTxen  Haut  kaum  tAw  Geltung.  Hoffentlich  erfabren  wir  bald  dnrtb  Hrtj.  Portman 
wie  die  Tat o wirungen  iiusgtffuhrt  werden? 


(72) 


aber    too  Knuilüieilca   hri— ywfht, 
Pflege   getiogeo    wird,   imd  wMkt 
iaoerhaJb  weniger  Jalife  TcrtdiviiMleC. 
Dm  einzige,    wa»  wir  tbaa  kooBei 
Bcboiieii  umI  to   fcfaiiell   »k  »dgisefc   i 
iUrlMO  M  juu»  bevOT  die  Wii 


liUa  fittvis  «eitles,  daa»  die  Bme 

iit  die  Bocfa  Oebericbeadea  torglillif  sn 
ies  m  B^refeode  so  eifofciiep,  vmU 
nt  ilioeB  geoaoer  bek&aoi  geworden  ist 


(1$)  Hr  Virchow  tdgt  pholopspidiclK  AnÜMkineB  der  Fände  ron  Mmdi- 
•onTilie  to  Okto,  wekbe  ibm  dtireb  Hm.  Dr.  GasUv  Bröbl  in  Cincinand  za- 
gtfßttg<tü   ftind.     Er   bebilt   neb   tot,   spiter   anl  diene  Aagelefnabett  xar5cle  sa 


(17)   Hr.  O.  FUseb^  jeUt  in  Bero,  berlcbtet  ^h& 


Id  dem  Dorfe  Etcbbach  bei  üsiDgeo,  Regiernngabesirk  Wienbaden,  wobnt  eine 
Paoillie»  io  welcher  oebeo  drei  normal  gebildeten  drei  ansgenpfndien  microcepbale 
Kinder  leben.  Dem  fTeuodlicben  Entgegenkommen  des  Hm.  Sanitätsratb  Dr,  Ho  sen- 
kranz, KönigJ.  KreUpbj^sicQB  in  Usingen,  rerdanke  icb  die  Möglichkeit,  diese 
Familie  und  speciell  die  microcephalen  Kinder  einer  üntersncbong  zn  unterziehen, 
deren  Ergebnisse  hier  folgen. 

Die  Familie  besteht  aus  dem  Oeconomen  Hofmann,  dessen  Fran  und  6  Kin- 
dern. Beide  Eltern  stehen  im  Alter  von  etwa  50  Jahren  (die  geoane  Zahl  habe 
icb  Terainmt  zu  er&agen),  sind  gesund  und  geben  ausdrücklich  an,  dass  bei  keinem 
ihrer  Verwandten  ähnliches  vorgekommen  sei.  Frau  Hof  man  d  bat  einen  nicht 
unbedeutend  asymmetrischen  Kopf;  es  ist  die  linke  Stirnseite  deutlich  Bacher  als 
die  rechte,  anscheinend  ist  dagegen  die  rechte  Hinterbaoptshälfte  etwas  flacher  als 
die  linke.  -Das  Haar  des  Mannes  ist  dunkel,  jenes  der  Frau  licbtbraun,  gleich  dem 
der  Kinder, 

Frau  Hof  mann  bat  6  Kinder  geboren,  welche  sammtlicb  leben: 

1.  Johannes  Hofmann,  jetzt  25  Jahre  alt,  microcephal, 

2.  Katharina  Hofmanu,  jetzt  20  Jahre  alt^  microcephal, 

5.  n.  i.  Zwillinge  (ein  Knabe  und  ein  Mädchen),  jetzt  IG  Jahr  alt,  normal, 
d.  Knabe,  jetzt  15  Jahre  alt,  normal, 

6.  Lisette  Hofmann,  jetzt  12  Jahre  alt,  microcephal. 

Die  Schwangerschaften  verliefen  sammtlicb  normal,  die  Geburten  leicht»  Be- 
sondere Beschwerden,  von  der  Zwülingsschwangerjscbaft  abgesehen,  haben  nie  be- 
standen und  werden  speciell  für  die  Uicrocephaleo  ausdrücklich  bestritten. 

Von  den  Kindern  waren  aur  Zeit  meines  Besuches  im  Hause  anwesend  die 
beiden  microcephalen  Mädchen  und  der  IGjäbrige  (Zwillings-)  Knabe.  Der  ältere 
microcepbale  Sohn  war  mit  einem  Bruder  auf  dem  Felde.  AusführHche  Messungen 
konnten  nur  an  den  Mädchen  Yorgenommen  werden;  auch  diese  nach  Lage  der 
Sache  nicht  mit  absoluter  Genauigkeit,  da  es  zweckmässig  schien,  dieselben  nicht 
entkleiden  zu  lassen,  da  ferner  das  dichte  Haar  die  Kopfmessung  erschwerte.  Jo- 
bannes Hofmanu  wurde  nachträglich  auf  dem  Felde  aufgesucht,  wo  eioige  Haupt- 
maasse  genommen  wurden;  hier  beschmnkten  sich  dieselben  natürlich  auf  Tasteirk el 
und  Bandcuass;  von  den  Köpfen  der  Mädchen  wurden,  unter  freundlicber  Assistenz 
des  Hrn.  SaDitätsrath  Dr.  Rosenkranz  und  des  Hm,  cand.  med.  Berthold  Guten* 
berg  aus  Darmstadt  Curvenmaasse  nach  einem  toö  Hrn.  Dr.  Rieger  in  Wurzburg 


(73) 

eatworfenea  und    gemesfieneDy  mit  Hrn.  Dr*  HanB  Virehow  ausgebildeteo  Systeme 
aufgenomtDen. 

L  Johaones  HofmaDU,  25  Jahre  alt.  Derselbe  war  auf  dem  Felde,  etwa  2  km 
vom  Hause  mit  eiDem  jüngeren  Bruder  beim  Koroschneiden  beschäftigt  Bei  unserem 
Kommeu  war  er  ziemlieh  indifl^ereiit  und  arbeitete  alsbald  weiter,  nach  unserem 
Weggang  schaute  er  uns  aber  längere  Zeit  nach,  gesdculirend  und  aascheiuend  mit 
seinem  Bruder  sprechend;  seine  Arbeit  thut  er  langsam,  aber  mit  grosser  Ausdauer. 
Die  mil  der  Sichel  geschnittenen  Bündel  legt  er  gewissenhaft  in  die  Rechen;  er 
nimmt  beim  Schneiden  mehr  Dukraut  mit,  aJs  andere  thun  würden.  Er  kennt  das 
Unkraut;  eioe  Distel  nennt  er  mit  Namen.  Seinen  Namen  kennt  er;  aufgefordert 
denselben  atu  schreiben,  malt  er  einige  Schriftziige  auf  ein  Yorgebaltenes  Blalt  und 
sagt   dann:    das    heisst  Johannes  Hofmann  (Fig.  1).     Den  Messungen  unterzieht  er 

Fig,  1. 


Schriftprobe  des  Johannes  Hofmanu. 


»ich  jetzt  willig;  überhaupt  soll  er  durchaus  gutartig  sein.  —  Haare  dicht,  licht- 
braun,  Auge  graublau,  mehr  nach  grau.  Sehr  dicke  Kopfschwarte.  Der  Kopf  ist 
flach,  die  Stirn  fällt  flach  ab  mit  massiger  Vorwolbung  der  Augenbrauen -Gegend, 
Das  Kinn  tritt  verhältnissmassig  wenig  zurück.  Die  PnpiJlen  sieben  centrisch  und 
reagiren  gut  auf  das  Licht.  Dm  rechte  Ohr  ist  abDorm  gebildet  durch  auffalleode 
Breite  der  zwischen  Belix  und  Anthelix  gelegenen  Flache;  doch  ist  die  Missbildung 
nicht  so  bedeutend,  wie  bei  der  Schwester  Katharina.  Die  Wangen  zeigen  ziem- 
lich starken  Bartansatz  aus  hellen  Haaren;  im  Gesicht  ist  auch  sonst  ziemlich  er- 
hebliche Lanugo- Bildung  verbreitet  Die  Zähne  sind  defekt,  regelmässig  angeordnet; 
die  oberen  Schneidezahne  sind  stark  abgeschliffen^  ausserdem  unregel massig  aus- 
gebrochen. Der  Unterkörper  erscheiut  relativ  schlank  gegen  den  Oberkörper;  der 
Bau  ist  ein  kräftiger,  die  Haltung  des  Kopfes  nicht  in  dem  Maasse  vorgebeugt,  wie 
bei  den  Schwestern  und  anderen  Microcephakn. 

2.  Katharina  Hofmano,  20  Jahre  alt  (Fig.  2  u,  3).  Kalharioe  ist  klein,  geht  vor- 
wärts gebückt  Sie  erscheint  etwas  plump,  ist  aber  schnell  zutraulich  und  heiter. 
Sie  spricht  alle  Worte  nach,  antwortet  auf  einfache  Fragen  richtig.  Sie  kennt  Far- 
ben und  nennt  dieselt»en  correkt  (u.  a.  einen  blauen  Streifen  an  der  Wand;  ein 
roth  gefärbtes,  jedoch  grün  schillerndes  Tuch  nennt  sie  erst  buot,  dann  roth).  Ihr 
Alter  giebl  sie  richtig  an.  Sie  hat  Kinder  sehr  gern  und  verkehrt  viel  bei  einer 
Nachbarfamilie,  wo  solche  mit  ihr  spielen.  Wahrend  unserer  Messungen  ist  sie 
sehr  geduldig,  trotz  deren  langer  Dauer  und  Unbequemlichkeit,  Der  Kopf  ist  nie- 
drig, die  Stirn  fällt  flach  zur  Nase  ab;  die  Kleinheit  des  Hirntheiles  ist  durch  die 
Dicke  des  Haarwuches  verhältniss massig  wenig  auffallig.  Das  Kinn  steht  nicht 
auffällig  zurück,  doch  mag  hier  die  starke  Fette nt wickeln og  eine  etwaige  Klein* 
heit  des  Unterkiefers  etwas  verdecken.  Gesichtsfarbe  blühend,  hell.  Stark  vor- 
gewölbtes Doppelkinn*  Auf  den  Wangen  ist  reichliche  Lanugo  vorhanden*  Das 
Kopfhaar  ist  lichthraun,  sehr  dicht,  die  Kopfschwarte  dick.  Auge  graublau;  Pu- 
pilten  etwas  esteentrisch  lateral  oben  stehend,  reagiren  gut  auf  das  Licht.  Das 
rechte  Ohr  ist  missbildet;  das  zwischen  Hei  ix  und  Anthelix  eingefasste  Feld  ist  in 


der  Hohe  der  Spine  helicis  ca.  23  mm  breit  (liDkea  ca^  14)  und  in  sei  Dem  mitt- 
leren Tlieil  wie  durch  stumpfkaotige  Knickung  nacb  aussen  gedriingt.  Die  Zäbne 
Bind  regelmässig^  angeordnet,  schön  entwickelt:  beide  oberen  Weisheitszahne  liegen 


Fi^,  2,    Portrait-SkizÄ*. 


Fig.  3.    Köpf-Ciir?e. 


Käthchen  Hofmann. 

Erklirung  lu  Fig.  S.     —  Sagittal bogen.     —  Fronlile  Böjjen,     ----  Horixontil -Ebene  (durch 

Glabeüa   und  Protuherawt,  Occ,  ext.).  Obere  Horizonlal-Kbene    (2  cm    über  der  voTigeu) 

von  den  frontalen  Bögen  ist  h  der  Ohrlochbogen.    o  und  c  sind  anfgenommen  über  der  Mitte 

des  Abstaridea  gi — o  bezw.  o  —  pe.   -    gl  —  pe  Grundlinie  zwischen  Gl&hena  (7/)  und 

Protuberanz  p  «.  —  0  Projectloiispünkt  des  Ohrlorhbogens, 

bereits  frei,  der  dritte  linkt*  untere  Backzahn  fehlt  durch  Carieß.  —  Der  Ober- 
korper  wird  vorwärts  gebeugt  getragen.  Die  Brüste  sind  anscheinend  wenig  ent- 
wickelt,  der  Bauch  ist  sehr  dick.  Der  linke  Daumen  fehlt  durch  eine  Verletzung 
in  früher  Jugend.  —   K,  hat  die  Periode  regelmässig  seit  ihrem  18.  Lebensjahre* 

3,    Lisette  Hofmann,   VI  Jahre  alt  (Fig.  4  u.  ö),  das  jüngste  Kind  der  Familie, 
ist    anfangs    scheu,    später    wird    sie    dnrch  einige  Kleinigkeiten,  die  ihr  geschenkt 
werden,  sehr  zutraulich»    Sie  kennt  Farbeuj  wie  die  ältere  Schwester,   unterscheidet 
Ol.  a.  sehr  gut  roth  und  grunj    sie  stellt  Fragen,    verlangt  das  ihr  geschenkte  buaie 
Tuch    und    äussert  Freude.     Bei    den  Messungen    hält  sie  gleichfalls  sehr  geduldig 
aus.  —  Der  Kopf    ist    relativ    etwas    höher    als    bei  der  Schwester;  die  Stirn   fallt 
flach  ab;  der  Unterkiefer  steht  nicht  unerheblich  zurück,     L.  tragt  den  Kopf  etwas 
nach  vorn  gestreckt»     Das  Haar  isf  hellhrauu  wie  bei  den  Geschwistern,    lang  wöd 
dicht;  die  Augen  sind  graublau,  mehr  nach  blau  hin.    Pupillen  reagiren  g^M^  ^g^^w 
central     Auffällig    ist    das    starke   üebergreifen    der  Sclera  oni  oberen  Q^^*  -o?»  ^^^ 
Cornea;    die  Ohren    sind    normal    gebüdet.     Gesichtsfarbe    biass.     ZieocwV^^         j3ö5**ä 
l/anugo  auf  der  Oberlippe.     Die  Zäbne   zeigen   enorm  starke  Weinsteiii^'^;;^x**^^^  aäöc^o^* 
Der  Durchbrach  der  bleibenden  Zahne  ist  in  etwas  unrege  1  massiger  "W&^i^^*»^  .^^    -^^Sfe 


Schnftprabe  der  Lisette  Hofmaaii. 

Die  drei  microcephalen  Kinder  zeigen  in  ihrem  K5rperbau  keine  Spur  ^cn 
Rachitis.  ,  Bei  alleu  besteht  keiü  Speichel fluss,  die  Zunge  wird  gerad  herauFgestreckt» 
Der  Schlaf  bei  allen  dreien  ruhig,  ungestört-  Sie  essen  alles,  was  sie  bekornnjen; 
sie  halten  sieb  rein.  Auf  der  Strasse  weichen  sie  Oindernissen  aus,  so  dass  sie 
ohne  Gefahr  aus  dem  Hause  können.  Besondere  Erkrankungen  sind  nicht  vor- 
gekommen. 


Maasse  (in  Millimetern) 


Johannes 


fiathebtii 


Li&eti« 


a,    Kopfmaasse. 


Hork  o  n  t  al  -  ü  mfan  g 
Sagittal-Bogeii  ,  . 
Ohrl och  bogen     .     . 


453 

428 

253 

912 

)im 

254 

413 
256 


Miasse  (m  Millimeter o) 


(h6«Bte  Länge 

Grtete  Breite 

Joch  böge  Q-ßreite ,     .     .     . 

Hohe  des  Gesiebte 

Breite  am  önlerkiererwinkel    ........ 

Abstand    der    Spina,  meot.  anr.  vom    ünterkiefer- 

winkel  (rechts  jj^emesdeti) 

Hube  der  Naseo 

Höhe  der  Augenhohle . 

Breite  der  Augenhöhle 


JohiDoeB 


143 
IIS 

116 
130 

102 

85 
52 
31 
86 


Kitbchen 


fa.   Ktirpermaasse. 


KörperlioKe  .,,...,., 

Schulterbreite  (incl.  Kleider) 

Breite  des  Becken»  mdq  D&rmheitikniiim  (incL  Klei- 
dung)   .    »     . 

Länge  der  rechten  Oberextremität 

,         ,    linken  «  

ReohleT  Oberarai 

,        Vorderarm 

^       Carpufi      

,        Mittelßiiger    ........... 

tlöhe  ironi  Darmbein  kämm  zyr  Sohle 

^         „     Knie  tut  Sohle      ........ 


1570 
325 

U2 

715 
702 
855 
296 
79 
117 
1170 
530 


188 

1S6 
HS 
190 
100 

90 

4b 
28 
85 


1460 
810 

310 
663 
663 
298 
212 
75 
98 
959 
443 


Lisette 


c.    Messungeti  des  Kopfes  an  Rieger-Viro  ho  waschen  Curven^). 


Abstand  der  Glabella  von  der  Protub.  occip.  ext. 
Breite  der  Basis  des  Stirnbugeus     .**... 
Höhe  des  Stirobogens    .......... 

Breite  der  Basis  des  Ohfbo(fen« 

Hohe  de«  Ohrbogens 

Breite  der  Basis  des  Occipitji  1  bogen s  .    .     .    .    . 
Höhe  des  Occipitalbogens , 


138 
100 

50 
122 

66 
120 

60 


135») 
llß«) 
107 
106 
01 

78 
40 


1821 
295 


564 
594 
293 
204 

71 

84 

820 

410 


134 

102 

108 
69 

110 
5«» 


1)  An  den  CurTen  jj^emessen. 

2)  An  den  Cunren  gemessen. 

S)  Bemerkt  werden  muss  tu  diesen  MaasseD,  dass  sie  lu  keiner  Weise  mit  der  Exa<;theit 
ausgeführt  werden  konnten,  das»  alle  Curven  absolute  Uebereinsiimmnng  zeigen.  Eine  nicht 
nnbedenteude  Erschwerung  erwuchs  ans  der  uusymmelriseben  Stellung  der  Ohröflnungen. 
Möge  weiter  in  Berracht  gezogen  werden,  d^iss  die  Messungen  deA  jungen  Mannes  auf  freiem 
Feld,  die  anderen  in  einer  Stulie^  in  welcher  i;leicbzeitig  der  Tüncher  die  De^ke  bearbeitete^ 
in  grosser  Eile  auÄgeföhrl  wurden.  Möge  auch  meiner  geringen  Uebung  in  der  Angewendeten 
Methode  Rechnung   getragen    werden.     Immerhin  wird  das  aus  den  Curven  resultirende  Bild 


(77) 


» 


I 


Leider  kaou  die  Bescbreibuog  hier  nicht  viel  mehr  bedeuteu,  als  eine  Ver- 
Diebruog  der  allerdings  Doeb  kleinen  Casuistik.  Zur  Aetinlogie  der  Microcephalie, 
die  hier  einen  ziemlich  hohen  Grad,  wenn  auch  Dicht  gleich  dem  bei  den  Kindern 
Becker  vorliegeuden,  erreicht,  köonen  wir  nichts  neues  beibringen.  Insofern  eine 
üebertragung  irgend  welcher  Art  von  Seite  der  Eltern  in  Betracht  gezogen  werden 
sollte,  musste  dies  hier  wohl  nach  der  Seite  der  Mutter  geschehen,  mit  welcher  Id 
einigen  Punkten  die  Kinder  mehr  AehnlJchkeit  zeigen.  Für  die  Kleba'sche  Auf- 
fassung bezüglich  meehanischer  SU'kungen  während  des  iutrauteriDen  Lebens  ist 
diese  Beobachtung  nicht  zu  verwerthen;  ebeoiowenig  kann  man  sie  aber  direkt 
gegen  jene  Anschauung  anführen;  der  Grad  der  Erkrankung  ist  geringer;  die  yer- 
rautheten  spastischen  ContractioneD  waren  vielleicht  nicht  heftig  genug,  um  Schmerzen 
zu  erzeuge D.  Kommen  lokale  EioflriBse  in  Betracht?  Crelinen  fehlen  in  Eschbach 
und  überhaupt  in  dem  Becken,  in  welchem  Usingen  und  Eschbach  liegen,  wie  mir 
Hr  Physicus  Dr.  Rosenkranz  mittheilt:  dagegen  kommen  solche  in  den  Ort- 
schaften auf  den  umgebenden  Hohen  vor.  üebrigeus  ist  ai/  deu  drei  Midrocephalen 
nichts  Cretineuhaftes  zu  sehen.  Demnach  durfte  auch  ein  cansaler  Zusammenhang 
mit  den  in  jener  Gegend  vorkommeudeu  Midaria-lnfectionen  auszuscbliessen  sein. 
Auffallig  und  vielleicht  weiterer  Nachfori^chung  werth  sind  linige  Erfahruugoa  aus 
der  Praxis  des  seit  fast  '30  Jahrtu  dort  wohuenden  Hrn.  Dr.  Rosenkraüz.  Der* 
selbe  hat  eine  ganze  Reihe  (wenn  ich  mich  recht  erinnere  10  oder  1 1)  von  Kindern 
mit  Spina  bifida,  die  aammtlich  gestorben  sind^  behandelt;  dazu  kommt  eine  Beob- 
acbtuog  von  zwei  aufeinanderfolgenden  Geburten  anencephaler  Kinder  einer  Frau, 
endlich  noch  ein  weiterer  Fall  von  Microcephalie,  der  indessen  im  2.  Lebensjahr 
gestorben    ist.     Beachten s werth  ist  diese  Häufung  verwandter  Bildungen  immerhin. 

Ich  beschranke  mich  auf  die  Mittheilung  des  Thatsäcblicben.  Anch  dieses  ist 
leider  unvollstäDdig;  fehlen  doch  wichtige  Angaben  u.  a.  Üb^r  das  genaue  Alter  der 
Ellern,  das  etwaige  Vorhandensein  eines  Kropfes  bei  Frau  H.,  LMessuugen  der  nor- 
malen Familiengtieder.  Eschbach  ist  nur  2  Stunden  von  der  hekanoten  Saalhurg 
im  Taunus  entferut  und  werden  andere  Fach  genossen  vielleicht  Gelegenheit  nehmen, 
die  auch  der  landschaftlichen  Reize  nicht  entbehrende  Tour  vorzunehmen;  vielleicht 
wird  es  denselben  gelingen,  nachdem  die  erste  Untersuchung  ^  bei  der  immerhin 
einige  Vorsicht  notbig  war  —  die  Scheu  der  Familie  überwunden  hat,  weiter  vor- 
zudriugen,  ab  es  mir  in  der  kurzen  zu  Gebote  stehenden  Zeit  möglich  war. 

Hrn.  Sanitütsrath  Dr.  Rosenkranz  sage  ich  für  sein  Jiebeu&würdiges  Entgegen- 
kommen herzlichsten  Dank. 


(18)    Hr.  Tr eiche  1  schreibt  über 

westpreusslsohe  Spiele. 

L    Schimmel,  Fastnachtsb engst  und  Gwizdi  in  Westpreussen. 

In  der  Sitzung  vom  21.  Januar  1882  kommt  Hr.  W.  v.  Scbulenburg  in  seinen 
Mittheiluugen  zu  sprechen  auf  den  Siebreiter,  der  nach  einer  weitverbreiteten  Sitte 
io  unserem  Vaterlande,  sowohl  unter  Deutschen,  wie  unter  Wenden,  zu  einer  ge* 
wissen  Zeit  (Weihnachten  oder  Fastnacht)  im  Aufzuge  einhergefährt  zu  werden 
pflegt     Da  eine  merkwürdige  Coincidenz  der  Thatsacben  mit  dem  Empfange  dieser 


ein  treneres  und  aBSchanlicheres  sein^  als  es  irgend  sonst  möj^licb  gewesen  wire.  In  Fig.  3 
ist  leider  die  Busis  des  Occipitalbogens  dnrch  nn  Versehen  bei  der  ersten  Zeichnung  etwas 
zu  weit  nacb  hinten  verlegt;  ich  habe  vorgezogen,  diese  Ungenuuigkeit  zu  reprodaciren,  nm 
Aendetungen  der  Zeichnung  lu  vermeiden. 


(78) 

gediucktuu  MiUheiluDg  mir  cißig«  gleiche  Miltheüungeo  aus  Westprcussen  brachte, 
80  möchte  ich  Dicht  unterlassen,  zur  Vervolbtäiidiguog  des  Bildes,  sowie  behufs 
AufstelluDg  einer  Parallele  zwischen  Deutschthum,  Polenthuai  und  Wendeothum 
hiervon  in  all(*r  Kfirze  eitve  Schilderung  zu  geben.  In  diesen  mythischen  Gebildeo 
kooamt  der  alto  heidnische  Glaube  wieder  zum  Vorschein  und  Götterbilder  und  reli- 
gioae  Gebräuche,  die  ihrer  Harmlosigkeit  wegen  selbst  mit  dem  alten  Namen  oder 
doch  anklingend  an  diesen  von  Seiten  des  Christenthums  Duldung  erfuhren»  leben, 
wie  hier  auch  Wotau's  Schimmel,  als  MumraeDschanz  oder  Spiel  noch  fort  im 
Kreise  der  VolkssitteD, 

Die  erstere  Miüheilung  verdanke  ich  der  Gute  dea  Fräulein  Elisabeth  Lemke 
in  RombitteD  bei  Saalfeld  in  Ostpreussen  und  begreift  sie  die  oben  genannte 
Lncalität.  Der  Schimmel  kommt!  heisst  es,  wenn  er  und  seine  Zeit  im  Anzüge. 
Einige  Tage  vor  Weihnarhten  verkleidet  sich  ein  Mann  oder  Bursche  als  Schimmel* 
Ein  verschieden  gestaltiger  Pferdekopf  aus  Holz,  ein  grosaes  weisses  Laken  und  ein 
Paar  Stangen  genügen  zu  seiner  Metamorphose,  Er  hat  eine  Glocke  in  der  Hand, 
um  sein  Kommen  aaaeigend  einzuläuten.    Sein  Aussehen  wird  wie  Fig.  L  geschildert. 


Fig.  2. 


Fig.  3. 


Doch  sieht  das  ÜDgethQm  auch  wie  Fig.  2.  aus,  bald  auch  noch  anders,  wenn  auch 
immer  die  Grundidee  befolgt  wird.  Der  Schimmel  muss  fortwährend  tanzen,  springen 
und  mit  dem  Schweife  wedeln.  Der  Bursche,  der  ihn  daratellt^  leistet  oftmals  Du- 
glaublichea  im  Krunrmgehen  und  in  schnellen  Weiidungen.  Von  Rechtewegen  ist 
der  Schimmel  mit  dem  Reiter  verwachsen.  Der  Reiter  peitscht  sich  selbst,  d.  h, 
die  weissen  Tücher,  die  um  ihn  herum  gesteckt  sind,  um  ihn  xum  Schimmel  su 
stempeln.  Der  Reiter  steckt  auch  im  Pferde  und  dadurch,  das»  er  sein  eigenes  Haupt 
frei  erheben  kann,  entgeht  der  Künstler  der  Pein,  sich  anhaltend  bücken  zu  müssen. 
Diese  regelmässige  Maske  würde  sich  also  dergestalt  ausnehmen,  wie  hei  Figur  3.  Aoi- 


(79) 


ttabmsweise    und   zerstreut   kommen  audi  die  anderen   Weiaeu  der  AuffiibruDg  zum 
VoFÄchein,  dass  der  Acterr  sich  föf  die  Vorstelluog  fortwEbrend   bücken  myss. 
Die  ibn   begleitenden  Darsteller  sind  dann  noch  die  foIgendcDi 

1.  Die  Nfusik:    ein   ausgeputzter  oder  nicht  ausgeputzter  Harmonika-Spieler; 

2.  Der  Bär;  ein  kolossaler  Baufeii  Stroh,  der  ura  einen  Mann  gewickelt  ist; 
der  Mann  muss  auf  Hauden  und  Füssen  gehen,  bestäDdig  brurnmf^n  und  schnappen 
(auch  Luft!}^  während  derjenige,  der  ihn  an  einer  Kette  fuhrt,  und  auch  Andere 
auf  ihn   lo&schlagen; 

3.  Das  Pracherweib:  ein  Juoge>  als  alte  Frau  verkleidet,  mit  einem  Korbe, 
woriD  er  »ich  für  gewöhnlich  Gaben  von  der  Herrschaft  oder  dea  »onst  ßesuchtea 
erbittet; 

4.  Der  Storch:  ein  Junge  mit  einer  Zange  aus  HoUstaben^  nach  Art  des 
Geatelles  für  Hohsoldateu  beliebig  zu  erweitern  und  zusammenzuschieben,  oft 
selbst  über  den  Raum  einer  grossen  Stube  auszustrecken  (F»g*  4), 


xxxxxx 


Fig.  4. 


^B  5,    Der  Jude:    ein  armseligeB  Wesen,   das   sich    immer   vordrängt   und  oft  un* 

^"    gerechte  Schlage  bekommt 

Zn weilen  sind  noch  andere  Figuren  dabei«  Der  Zug  geht  von  Haus  zu  Haus. 
Den  kommenden  Sciummel  meidet  die  Glocke  an  und  wer  sie  hört,  wird  von  der 
Festfreude  ergrilfea  und  beeiJt  sich,  sein  Möglichstes  zu  dem  fröhlichen  Lärmen 
beiifiutrHgen.  Schlagen  und  stossen,  selbst  mit  Wasser  begiessen  u.  b.  w.  sind  nicht 
nur  erlaubte,  sondern  da^u  gehörige  Dinge.  Das  Ganze  wiederholt  sich  in  mancbem 
Jahre  vor  Weihnachten  zwei  bis  vier  Mala. 

Ein   Aehn liebes  kommt   nach   gef.  Mittheilung   des   Predigers  H,   Freitag  um 
Tempel  borg  von     Es  geht  unter  deoT  Namen   Fastnachtshengst     Bei  ihm  ist 
aiso  nur  die  Zeit  verwechselt-^    da,    wie  wir  sehen  werden,    Siebe  dabei  auch  ihre 
Rolle  spielen.     Dieser  Hengst  wird  also  zur  Fastenzeit  geritten.     Dem  Reiter  wird 
^K  ein  Sieb  vor  die    Brust   und   eins   auf  den  Rucken    gebunden.      Stiibe  daran  bilden 
^V  da«    andere  Fusspaar    des  Gaules*     Ein    ausgestopfter    Frauenatrumpf    stellt  seinen 
Hals  und  Kopf  dar,  sowie  eine  Rispe  Flachs  seinen  Schweif,    Weisse  Decken  hüllen 
das  Ganze  ein.     Die  Bewegung   ist  meist  eine   hupfende.     Der  Reiter   besucht   be- 
»        sonders  die  Spiniistiiben  und  ist's  wohl  auf  ein  Erschrecken  und  Einschüchtern  ab- 
^B  gesehen,  wenn  der  Hengst  in's  Zimmer  hinein  und  auf  die  dort  Versammelten  zn- 
^™  springt.    Es  handelt  sich  sonst  ebenfalls  um  Ergatterung  von  Gaben.    Der  Schimmel- 
reiter Saaifeld's  wird  hier  zwar  mit  Sieben  ausslaffiert,  bekommt  aber  seinen  Namen 
^L  f OD  der  Zeit  und  nach  dem  Gescblerhte, 

^^M  Der  Liebenswürdigkeit    des    Hrn.   Rector   H.  Frisch  hier   in  Königsberg    ver- 

danke ich  ferner  einige  hierher  gehörige  Beiträge  aus  der  ostpreussischen  Landschaft 
Natangen.  Vergl.  Preussischer  Volkskalender,  enthaltend  Sitten,  Gebräuche 
etc      Neue  Freuss.  Prov,-BL  1848.     Bd,  6,  S.  220,  Nr.  55. 

feÄm  Sylvester   ziehen    auf  dem  Lande    drei   eigenthümliche  Gestalten  umher: 
Schimmelj    ein    Bock    und    ein    buckliger    KerL     Dra    den    Schimmel  zu 
cn,    wird    ein    Pferdekopf   auf    eine  Stange   gesteckt,    auf  der  ein  Knecht,    mit 
^i^iaeoü  Tuchern    bedeckt,    reitet,    und   hinten  wird  au  die  Stange  statt  des  Ros«- ' 


I 


(80) 

Schweifes  ein  Bündel  Flachs  angebunden.  Der  Schioomel  schlägt  eDtsetzlich  aus, 
d.  h.  sein  Reiter  hat  einen  Stock  in  dar  Hand  und  prügelt  aile  Mädchen,  die  gicb 
blicken  lassen,  ohne  Barmherzigkeit.  Der  Bock  ht  ähnlich  wie  der  Schimmel  ge- 
macht, nur  dfiss  sein  Reiter  statt  der  Stange  mit  Pferdekopf  den  Flachsschweif  an 
eine  Ofengabel  (Forke)  befestigt  und  mit  ihren  Zinken^  welche  die  Hörner  vorBtellen, 
unaufhörlich  den  mitziehenden  buckligen  Kerl  ötosst 

Ferner  narh  einem  handscliriftlichen  Zusätze  von  R*  Reuse h  zu  Nr,  7  des 
„Preuss.  Volkskale nders''  (S.  213): 

Am  Weihnachtsabende  „ziehen  zuweilen  Bär  und  Schimmel  vereint  um- 
her.    Letitert?r  fragt  die  Mädchen,    ob  sie  fleissig  spinnen,  die  Jungen,  ob  sie  die     _ 
Pferde  gut  gefuttert  haben.     Die  Faulen  werden  mit  Peitschen  hieben  belohnt.'*  ■ 

Sehr  häußg  erscheint  (am  Weihnachtsabend)  ein  Bär,  der  einen  umgekehrten 
Pelz  trägt  und  einen  Aermel  desselben  als  mächtigen  Schwanz  nachschleppen  lässt. 
Brummend  zieht  er  einher  und  fordert  die  Kinder  auf,  ihren  Weihnacbtswunftch 
aufzusagen. 

Hinsichtlich  der  geschilderten  Nebenfiguren  verdanke  ich  die^childerung  eines 
ähnlichen  (Gebrauches  aus  der  Gegend  von  Marien  bürg  der  freundlichen  Mit- 
theilung des  Hrn,  IV.  L<;gowski,  NeuBtadt  i.  Pr.  Dieser  Gebrauch  geht  dort  vor 
sich  in  der  gatizen  AdTentszeit,  also  vier  Wochen  vor  Weihnachten,  besonders  aber 
in  der  ganzen  letzten  Woche  zuvor.  Ist  die  ganze  Sache,  wie  wir  ^ehen  werden, 
religiös  angelegt,  so  finden  wir  doch  die  auch  beim  Siebreiter  figurirenden  Neben- 
Staffagen  auch  hierbei  wieder.  Die  einzelnen  Darsteller  werden  dort  Gwizdi  ge-  ■ 
nannt  Es  ist  dies  Wort  eine  sprachlich  eigentbiimliche  und  locale  Umbildung, 
Gwiazdka  ist  nämlich  Weihnachten,  nach  dem  Sterne  (gwiazda),  welcher  die  heiligen 
drei  Konige  zu  Thristi  Geburtsstiitte  gefuhrt  hatte.  Die  Gwizdi  kommen!  ist 
ihre  allgemeine  Ankündigung.  Auf  Abends  hingestellten  Tellern  bekoromeo  die 
Kinder  Geschenke  aufgelegt,  namentlich  aber  Backwerk,  Doch  nur  die  artigen 
Kinder,  welche  daran  wirklich  gluuben^  und  soweit  sie  beten  und  fürnehmlich  das 
Vaterunser  können.  Andernfalls  ist  nichts  oder  eine  Ruthe  ihre  ßescheerung.  Auch 
die  jungen  Leute  in  nicht  mehr  kindlichem  Älter  müssen  beten  oder  bekommen 
andernfalls  Schläge;  ebenso  werden  die  jungen  Mädchen  dazu  herTorgezogen^  wenn 
sie  sich  versteck ten. 

Nachdem  ein  halb  geistliches  Lied  in  polnischer  Sprache  im  Hause  gesungen 
ist,  geht  jenes  Examen  vor  sich  und  oaclt  diesem  erst  die  Gaben vertheilung.  Vor- 
her mag  Seitens  der  Eltern  den  Gwizdi  wohl  gereicht  werden,  was  diese  dem 
F^tnzelnen  zu  geben  haben.  Jedoch  bringen  sie  auch  lauter  Kleinigkeiten  mit  und 
nehmen  davon  noch  mehr  wieder  mit  sich*  Dieses  gegenseitige  Beschenken  ähnelt 
unserer  deutschen  ('hristbescheerung.  Grosse  Korbe  bergen  die  zu  vertheilendeo 
Gaben. 

Als  Acteure  treten  alle  die  Thiere  auf,  welche  nach  der  Legende  das  Cbrist- 
kindlein  bedient  hatten,  der  Gänserich,  die  Ziege,  der  Storch,  der  Ochs,  der  ihn 
erwärmte,  vor  Allem  der  Bär,  der  niemals  fehlen  darf  und  gefuhrt  mit  nach- 
geahmten Sprüngen  tanzen  muss,  selbst  die  Wald- Vogelchen,  welche  besonders  die 
so  beliebten  Zwerge  (eine  .^rt  Käse)  bringen.  Unter  nachgeahmten  Naturlauten  ■ 
halten  sie  ihren  Einzug  und  agiren  später  ihrer  Maske  gemäss.  AJie  Thiere 
bringen  Etwas  und  ganz  besonders  wird  von  ihnen  darauf  gehalten,  dass  die 
Kinder  namentlich  das   Vaterunser  beten  können  und  dazu  angehalten  werden. 

Einen  ähnlichen  Gebrauch  lernte  ich  auch  hier  in  Hoch-Paleschken,  Kr. 
Berent  W.  Pr.,  kennen«  Er  fallt  auf  den  Weihnachts-Heiligabend.  Agirende  F^iguren 
sind  die  stossende  Ziege,  auch  Storch,  geleitet  von  einem  dick  aufgeputzten  Manne 


(81) 

(aber  Nichts  von  Stroh!)  und  begleitet  voo  dem  mäon lieben  Weibe  (es  mangelt 
hier  ganz  die  Bezeichnung  des  Pracherns  =  Bettehs!),  dessen  Maske  man  wohl  nur 
auswählte,  um  ihm  den  dem  Weib*:  mehr  attributiven  Korb  zum  allerdings  auch 
nicht  fehlenden  Einsammeln  von  Liebesgaben  in  die  Rand  zu  geben.  Der  Ziegen- 
back macht  seine  grotesken  Sprijnge  und  beunruhigt  nameatlich  die  sich  im 
Kreiächen  ijhende  weibliche  Besatzung  des  Hauses.  Ist  ein  Klapperstorcb  dabei, 
ßo  gilt  es  hier  als  Glaube,  das»  dasjeDige  Mädchen,  welches  er  hat  ia's  Bein  beissen 
können,  im  folgenden  Jahre  die  nach  bekannter  Kinderbelehrung  daraus  entstehen- 
den Fülgeu  zu  kosten  haben  wird.  Naturtoce  fehlen  ebenfalls  nicht.  Nach  einer 
Weile  folgen  sie  gern  dem  zarten  Winke  und  ziehen  gabenbeschwert,  auch  mit 
Geldstücken  regalirt,  in  die  Wohnungen  der  nächsten  Häuser.  Ich  glaube,  dass 
ein  ähnliches  Anftretcn  in  den  benachbarten  Gixt**rn  nicht  vorkommt;  höchstens 
mag  es  in  Bauerndörfern  stattEnden,  wo  man  sich  mehr  Gleich  zu  Gleich  fühlt. 
Auch  ziehen  uoi  diese  Zeit  Kinder  mit  dem  Brummtopfe  umher,  sowie  mit  einer 
kleinen  tragbaren  Schaubude  mit  der  betreffenden  Darstellung  aus  der  biblischen 
Geschichte  und  singen  dabei  ein  geistliches  oder  im  ersteren  Falle  das  modern  ge- 
flickte sog.  Brummtopflied.  Die  Fastnacht  dagegen  ist,  soweit  ich  hier  in  der 
Gegend  umherspähte,  mit  gar  keiner  Vermummung  verbunden. 

ßrammtupflied. 

Wir  kommen  aus  aller  Welt. 

Einen  schönen  (fut^n  Abend  ij^iebt  uns  Gott, 

Kine  fröhliche  Zeit,  wer  un^  den  Brumm  topf  hat  bereift. 

Wir  wüoschen  dem  Herrn  einoii  gedecktem  Tisch, 

Auf  alle  vier  Eeken  einen  gebratenen  Fisch, 

In  tfer  Mitt\  in  der  Milt*  eine  Kanne  mit  Wein, 

Dabei  der  Herr  kann  lustig  sein. 

Wir  wünschen  dem  jungen  Herrn  ein  grüne«  Kraut, 

Aufs  »ndere  Jahr  i'ine  hübsche  Braut. 

Wir  wünschen  der  Madame   ne  jjold'ne  Kron\ 

Aufs  andere  Jahr  einen  jungen  Sohn. 

Wir  wünschen  dem  Fräulein  ein  i^obl'nes  Paschnir, 

Aufs  andere  Jahr  'nen  jungen  Ofl'*zi*'r. 

Wir  wünschen  dem  Stubenmädchen  'neu  Besen  in  'ne  Hand, 

Damit  sie  kann  fegen  diö  Stnbt'n  enthtng. 

Wir  wünschen  der  Köchin  'ne  kupferne  Kann', 

Aufs  andere  Jahr  einen  puckligeo  Mann. 

H.  Frischbier  in  seinen  Preussischen  Volksreimen  und  Volksspielen  (B.  212  ff.) 
führt  dies  Lied  noch  weiter  und  verschiedenartiger  aus,  so  dass  ein  Jeder  der 
Hausbewohner  seinen  Wunsch  bekommt.  Hier  aber  wird  es  nicht  weiter  gesungen. 
Das  Paschnir  in  meiner  Version  dürfte  eine  breite,  metallene  Gürtelspange  sein, 
wie  sie  bei  der  früheren  Kleidertrncht  getragen  wurde. 

2.    Das  Stepckespiel. 

Da  ich  in  dieser  Zeitschrift  Jahrg.  XIV,  Sitz.-Ber.  vom  2 L  Januar  18S2,  S*  12, 
von  dem  früher  auch  in  bevorzugteren  Kreisen  recht  häufig  exercirten  Kartenspiele 
zur  gesellschaftlichen  Unterhaltung,  welches  den  Namen  Stepcke  führt,  gesprochen 
und  dessen  Personification  sammt  seinem  Instrumente  dem  Dorfschulzen,  welcher 
mit  seinena  Schulzenstocke  ebenfalls  die  Bauern  ins  Amt  ruft,  verglichen  hatte,  so 
möchte  ich  folgends  an  eine  Schilderung  dieses  Spieles  gehen,  indem  ich  es  bei 
friiherea  Zeiten  wenigstens  unserer  Provinz    fiir    etwas  Volksthümliches    anspreche 

V«rb*i]4L  der  BorL  AuHiropoL  Ge^eHBclittlt  loü^.  0 


1 


(82) 

und  auääerdem  der  Meinung  bin,  daas  es  bald  genug  gans  TOn  der  Bildfläche  yer- 
»ch winden  wird.  In  den  letzten  dreissig  Jahren  habe  ich'«  selbst  öur  ein  einziges 
Mftl  gespielt« 

Durchaus  müssen  dabei  figuriren  der  Herr  AmtmÄnn  (Carreau-Ass),  die 
Klägerin,  vulgo  KlÜgersche  (Pic^tie-Dame),  der  Büttel  Stepcke  (Trefle-Bube), 
der  König  ((loeur*Kooig)  und  einige  Zäblkartett,  je  eine  von  der  Zehn  an  abwärts, 
welche  die  Zeitstunden  bedeuten.  Um  Auswahl  zu  haben,  müssen  allerwenigstens 
die  Zehn  und  die  Neun  dabei  sein.  Die  Zhhl  der  Älitspieleiiden  ist  also  auf  min- 
dehtenö  secha  zu  bemessen,  sowie  andererseits  höchstens  auf  dreizehn.  Auf  einen 
Jeden  trifft  eine  Karte.  Natiirlich  ist  das  Geschlecht  des  Inhabers  der  Karte  un- 
Abbungig  von  der  Rolle.  Angeben  thut,  nachdem  abgehoben  ist,  erst  Jemand  aus 
diT  GeBellschaft;  dann  geht'a  der  Reihe  nach  weiter,  sowie  auch  die  Vertbeilung 
der  Karten  der  Reihe  nach  stattfindet.  Aufgehoben  und  besehen  wird  die  Karte 
nicht  eher,  als  bis  der  Gebende  aufgeklopft  hat.  Erst  dann  müssen  die  Besitzer 
der  Kurten  Amtmann,  Klägerin  und  Stepcke  dieselben  aufdecken^  während  die 
übiig*!n  Karten  vt?rdeükt  wieder  hingelegt  werden,  ohne  dasä  man  ein  oft  versuchtes 
Hineinschielen  gestattet. 

Der  Stepcke  empfängt  einzig  ein  Attribut  seiaer  Würde.  Es  besteht  das  in 
einem  stramm  zusammengedrehten  und  an  den  Zipfeln  verknoteten  Taschentuche. 
Wir  wollen  es  Plump^^ack  nennen  und  dient  er  zur  Bestrafung.  Während  im 
späteren  Verlaufe  des  Spieles  der  alte  Stepcke  den  neuen  (möglicherweise  wieder 
sich  selbst!)  in  sein  Amt  einfuhrt,  geschieht  zu  Anfang  die  Einweihung  durch 
irgend  einen  Mitspieler.  Der  Akt  selbst  vollfulirt  sich  durch  einen  ersten  Schlag 
mit  dem  Taschentuche  auf  den  Tisch,  durch  einen  zweiten  auf  die  innere  Hand- 
fläche des  Wi'trdenträgers  und  dureh  einen  dritten  wieder  auf  die  TiBcbplatle. 
DurÜber  wird  auch  eiu  Protokoll  aufgenommen  oder  Quittung  geleistet,  d»  h*  der- 
selbe Gang  wird  vom  würdenbelehnteu  Empfänger  vorgenommeo.  Alsdann  erst 
waltet  der  Stepcke  seines  Amies.  Es  besteht  dies  aber  zunächst  darin,  dass  er 
beim  Austheilen  der  Karten  dafür  sorgt,  dass  sich  keine  Hände  oder  Arme  auf 
dem  Tische  ruhend  blicken  lassen  (die  betretende  Redensart  herrecht  hier:  „Rind- 
fleisch vom  Tisch  l'*)  und  dass,  halb  in  Verbindung  damit,  die  Karten  nicht  vor 
dem  Aufklopfen  des  Austheilers  angefasst  und  besehen  werden^  was  man  mit  Vor- 
liebe zu  versuchen  trachtet.  Die  Strafe  erfolgt  unbarmherzig,  aber  stets  auf  hand- 
b&fter  That,  daher  man  auch  während  dieser  Zeit  sich  gern  neue  Uebergriffe  er* 
laubt.  Den  Flumpsack  darf  Stepcke  nicht  vergessJich  liegen,  noch  auch  sich 
entreissen  tasseü,  weil  er  dann  seiner  Würde  verlustig  geht,  und  zwar  ohne  Will- 
kommen und  Abschied.  Anstrengungen  genug  werden  dazu  gemacht!  In  weiterer 
Eiecutive  aber  theilt  er  die  diktirten  Strafen  aus.  Noch  bemerke  ich  hierzu^  dass 
proviijziell  ein  kleiner  Gern  gross  oder  ein  kleines,  stammiges  Jungchen  oder 
Kerlchen  ebenfalls  Stepcke  genannt  wird. 

Sobald  also  die  Hauptrollen  durch  die  vertheilten  Karten  f^tgestellt  siod, 
spricht  die  Klagersche:  «Herr  Amtmann^  ich  klage !^  9iNa^  was  ist  denn  los? 
was  hat  Sie  denn  nur  wieder  vorzubringen?*'  *Ja,  Einer  Ihrer  Bauern  hat  das 
und  das  gethan!*^  Es  werden  die  widersprechendsten ,  unsinnigsten,  feinfühligsten 
ADschuldiguogen  vorgebracht,  aber  immer  des  Diebstahls.  Gestobleo  ist  bald 
ein  halbes  Ei,  bald  das  Hemd  vom  Leibe,  bald  das  Schwarze  unterm  Nagel,  bald 
die  Gans  von  der  Weide,  bald  dies,  bald  jenes,  wie  es  Laune,  Witz,  Spott,  An- 
spielung aufs  Tapet  bringen.  Es  replicirt  der  Amtmann:  «Nun,  meine  Baueni 
halte  ich  einer  solchen  Dnthat  für  unfähig;  wenn  Sie  aber  meint,  so  gebe  Sie  dem 
Stepcke  ein  gntet  Wort  oder  Trinkgeld,  dass  er  mit  Ihr  Haussuchung  halte!*    Das 


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(83) 

geücbieht  huü  in  Worten  uud  auch  mit  der  für's  Trinkgelcl    ent&precbeüdl    nachge- 
ahmten Handbeweguug,  nachdem  besonders  Torher  nocli  die  betreffende  Stunde  der 
That  (eine  beliebige  von  rkti  vorhandenen)  von  der  Kiägersclien   ausgesagt    wurde, 
gemeinhin  von  der  Wechselrede  des  Amtmanns  unterbrochen,    ^dass  um  jene  Zeit 
seine  Bauern  bereits  zu  schlafen  pflegen!**     Stepke  geht  alsö  auf  die  Suche,  klopft 
auf  den  Tisch,  befiehlt;  „Hauern  in^s  Amt!*^,  worauf  die  Karten  vorgeschoben  werden, 
und  klopft  dann  bei  der  Stelle  an,  welche  ihm  die  Klägerin  bezeichnete,    die  sich 
«UTor    heimüch    nach   Möglichkeit    zu    informiren   suchte.     Ist  nun  die  bezeichnete 
Stunde  für  den  Kartenbesitzer  getroffen,  so  erbalt  er  Strafe  für  den  dadurch  allein 
überwiesenen  Diebstahlj   wenn  aber  nicht,  so  wird  die  KJägerin  zur  Strafe  gezogen 
wegen  falscher  Anschuldigung.     Dreimal  nur  (daher  mindestens  drei  Karten  ausser 
den  offenen   Hauptrollen!)  kann  sich  die  Klägerin  irren,    stets  mit  Bestrafung;    hat 
sie  dann  nicht  das  Uichtige  getroffen,  so  wird  zusammengeworfen.    Die  Bestimmung 
der  Strafen  liegt  dem  Herrn  Amtmann  ob,    sowohl   nach   Quantitiit,    als  auch  nach 
Qualität.     Beides    wird    bei    einer    Dame    möglichst    klein    bemessen.     Eine    Straf- 
befreiuDg  ist  unzulässig.     Das  Mindeste  ist:  „Eins  aus  Salz!**     Damit  koinraen  wir 
auf  die  Qtialitat  der  Strafe.     Ihre  Ausmessuug    ist    nicht    minder   mit  sonderbaren 
Namen   belegt,  w^ovon  mir  bekannt  sind  die  folgends  nach  der  Klinaax  geordneten: 
aus  Sah,  aus  Pfeffer,  aus  Pfeffer  und  Salz,  aus  Kordemum  u.  s,  w.    Die  Steigerung 
ist  also  von  scharfen,  beissenden  Ingredienzien  unserer  Küche  hergenommen.     Man 
könnte  ihnen  noch  den  Ingwer  hinzusetzen  und  manche  Zwischenstufen  einrichten, 
wie  Kresse,  M errettig,  Zwiebel,  —  Angelika,  Wermnlh,  —  Kaddick,  Brennessel  u,  s.  w* 
Je  nachdem  wird  schwächer  oder  stärker  zugehauen.      Dass   aber  der   Stepke    nur 
nicht  vergibst,  nachher  und  besonders  vor  Anfang  der  Procedur  mit  seinem  Plump- 
sacke je  einmal  auf  den  Tisch  zu  klopfen!     ünterliesse  er  das  in  seinem  Eifer,  80 
zieht  es  unbarmherzig  die  ganze  Rückgabe  aller  applicirten  Hiebe  nach  sich!    Dazu 
ist    die    mit    gleichen  For malitaten    vollzogene  Üebergabe  des  Plumpsackes  an  den 
Bestrafteii  nolbwendig,  naturlich  stets  unter  Quittungsleistung.    Das  Abzeichen  wird 
dann  aber  glcicherraassen  zurückgegeben.     Gemeinhin  sucht  der,  welcher  schon  ein 
gutes  Theil  Schläge  empßng,    dass  die  HandMchen    auf-^    oder  roth  anlaufen,    der 
Wuchtigkeit  fernerer  Scblage  dadurch  zu  entgeheD,  dass  er  nur  die  Fingerspitzen, 
wo  es  aber  noch  mehr  weh  thut,  darbietet    oder    die    Hände    vor    dem    drohenden 
Schlage  plötzlich  entzieht,  was  ihm  aber  nichts   hilft,    da   jeder  Schlag  mindestens 
antippen    musa.     Immer    aber    kommt    es,    wie  man  sieht,    auf  Schläge  und  Hiebe 
(Kloppe,  Wammse,    Keile,    Schmiere,    wie  die  sonstigen  Provinzialismen  lauten)  an 
und  ist  Stepke  daher  ein  för  zart  besaitete  Naturen  äusserst  waghalsiges  Spiell 

Es  bleibt  noch  zu  betrachten  die  Rolle  des  Königs.  Auch  er  legt  gleich  den 
Zäh  l  ka  rten  besitz  er  n  seine  Karte  verkehrt  auf  den  Tisch  und  wartet  mit  der  ruhigsten 
Miene  von  der  Welt  die  weitere  Entwickelung  der  Dinge  ab.  Trifft  nun  die 
Klägersche  bei  der  Diebssuche  auf  ihn,  so  bi'aucht  er  nach  dem  ersten  Anklopfen 
des  Stepke  nicht  sogleich  seine  Karte  aufzudecken  (es  beisst:  ^Se.  Majestät  schJäft!** 
—  ,^immer  noch!'*),  so  dass  man  sofort  merkt,  was  los  ist,  sondern  hat  dies  erst 
nach  dem  dritten  Male  nothig.  Dann  aber  erfolgt  wegen  beleidigter  Majestät  eine 
gesteigerte  Bestrafung  der  Klägerin,  d.  h.  die  Jagd  wird  bei  ihr  angestellt,  Stepke 
schlägt  ihr  so  lange  auf  die  Hände,  bis  der  Konig  selbst,  welchem  also  in  diesem 
Falle  der  Befehl  über  den  Amtmann  hinweg  zusteht,  sagt,  es  sei  genug I  Stepke 
begleitet  seine  executivlschen  Maassnahmen  (auch  jetzt  nicht  ohne  Auftakt)  in 
diesem  Falle  mit  den  wiederholten  Worten;  „Ich  jage,  jage,  Hasen,  Fuchse,  Rehe, 
Hirsche  u.  s.  w.,  grosse,' kleine,  —  brauoe,  blaue,  rotbe,  grüne  u,  s,  w,  1**  Nachdem 
endlich  das  Genug!  gesprochen,  ist  das  Einzelspiel  beendet, 

6* 


^ 


(84) 


Ich  ersehe  oachträglich  aus  H.  Friscbbier's  Preuss,  Volksreime  und  Volks- 
spiele (Berlin^  I8G7),  dass  er  dasselbe  Spiel  uoter  dem  Namen:  „Herr  Aintujuitn'* 
(8.  204)  kurz  beschrieben  hat  Ktwaige  Abweichungen  werde  ich  hier  wiederholen. 
Der  AmtDiann  let  Pique-König,  Stepcke  (sie!)  ist  Picjue-Buhe,  Kläger  (also  inasculinum !) 
Carreau-Acbt.  Es  fehlt  hier  also  die  Kolle  des  Königs ,  wogegen  er  in  Piquet-Ass 
den  Dieb  mehr  bat.  Die  Wechsel  reden  sind  nach  ihm  folgende.  Hr.  Amtmano, 
ich  komme  klagen.  —  üeber  was  denn?  —  üeber  Ihre  schelmischen  Bauern.  — 
Was  haben  sie  denn  getban?  —  Sie  haben  mir  (meine  Frau  aus  dern  Bette)  ge- 
stohleo.  —  Sollte  das  unter  meinen  ehrliclien  Bauern  sein?  —  Ich  ho0e  es!  — 
Stepke,  ruf  die  Bauern  in's  Amt.  —  Dann  thut  er  es,  mit  dem  Plumpsacke  auf- 
schlagend.  Hier  werden  dann  die  nach  der  Mitte  des  Tisches  geschobenen  Karten 
durch  einander  gemischt  und  wieder  genommen,  so  dasa  Einer  Pique-As«  (deo 
Dieb)  erhält.  Der  Kläger  hat  das  Recht,  drei  Karten  aufzudecken.  Findet  er  den 
Dieb^  so  bleiben  diesem,  sonst  aber  jenem  die  Hiebe  nicht  aus.  Auch  die  Gesell- 
schaft kann  sie  nach  Fr,  zudictiren.  Ebenso  bat  Fr.  für  die  geringste  Stärke  der 
Hiebe  nach  die  Bestimmung:  Aus  dem  Schmalz,  Er  verweist  noch  auf  V<dkgreinie 
und  Volkslieder  in  Au  halt- Dessau^  gesammelt  von  Eduard  Fied  ler,  (Dessau, 
1847),  80  dass  daraus  das  Bekanotsein  dieses  Spieles  auch  im  Änhaltischen 
folgert. 

Von  Interesse  erscheint  mir  dieses  volksthömliche  Spiel  deshalb  zu  sein,  weil 
die  ZusammenstelJung  der  handelnden  Personen  sammt  der  Hauptperson  Stepke, 
nach  welchem  es  auch  den  Namen  empfing,  auf  eine  alte  Volksanschanung  hinzu- 
deuton  scheint.  Bei  dem  Grtindlicrrn  war  alle  Macht  und  auch  die  Strafbestimmung, 
und  so  hat  denn  auch  der  Herr  Amtmann  des  Spieles  denselben  feudalen  Anstrich. 
Nächst  ihm  excellirt  der  Stepke  mit  seiner  Executive,  der  stadtische  Büttel  oder 
ländliche  Gutsdiener:  ihm  muss  man  ein  gutes  Wort  oder  Trinkgeld  geben ^  damit 
er  seine  Pdicht  thue;  er  wird  in  seine  nach  Zufall  und  auf  Zeit  bemessene  Würde 
eingeführt;  er  ruft  die  Banern  in's  Amt  und  er  vollzieht  die  Haussuchungen  nach 
hergebrachter  Weise  und  die  Strafen  mit  einem  Instruraeutj  das  zugleich  Zeichen 
seiner  Würde  ist  (Plumpsack  =  Schulzenstock).  Als  Strafe  giebl's  nur  Schläge  (keine 
Freiheitsstrafen)  und  das  in  Rede  stehende  Verbrechen,  welches  Jene  leithtere  und 
gewohnheitsmässig  geübte  Strafe  nach  sich  zieht,  ist  das  leichtere,  kein  Mord, 
sondern  Diebstahb  Nur  um  diese  Personen  in  Bewegung  zu  setzen,  wird  die  Kla* 
gerin,  mit  volksthünilichem  Gefühle  eine  weibliche  Person ^  geschafifen,  und  werden 
die  Zeitstuuden  personificirt.  Der  Könige  der  sich  nicht  sogleich  zu  zeigen  braucht, 
dessen  Beleidigung  eine  besondere  und  schwerere  Strafe  nach  sich  zieht,  dem  sogar 
über  den  Amtmann  hinweg  der  Befehl  und  die  Gnade  zusteht,  scheint  aber  eine 
neuere  Figur  zu  sein.     Frisch  hier  kennt  ihn  nicht. 

Die  Verweisung  nach  dem  Süden  (Anhalt)  mitsammt  dem  .\u3drucke  der 
fjSchelmischen  Biiuern^  bringt  mich  durauf,  den  Ursprung  des  Spieles  vielleicht  noch 
südlicher  zu  suchen,  da  ich  mich  erinnere,  jenen  Ausdruck  recht  h§u6g  in  den 
gewiss  volksthümlicheu  Dramen  von  Hans  Sachs  gelesen  zu  haben. 


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(19)    Hr.  ßehla  berichtet  unter  Uebersendting  Terschiedener  Topfscherben  über 
den  Gehrener  Opferheerd  bei  Luckau. 

Da  Wagner  in  seinem  Buche:  ^Aegypten  in  Deutschland^  S.  52  erwähnt,  da 
der  Opferheerd    bei  Gehreu  ')  im  Vergleich    zu    den  anderen  Hundwälleu  der  Uttt» 


1)  Schuster:  «Die  altea  HeidsnschaDzen  Dentschlaiids*  8.96«  Nr.  29. 


gegend  manches  abweichende  darbietet,  so  hab€  fch  im  vorigen  Herbst  dieaeo  Funkt 
Dfiber  untersucht. 

Der  G^breoer  Opferheerd  Hegt  nicht,  wie  die  anderen  Rundwälle  in  unserem 
Bezirk,  io  sumpfigem,  wiesigem  Terrain,  sondern  auf  der  Spitze  des  sogenannten 
„grünen  Berges*'.  Letzterer,  welcher  circa  70  Fuss  über  die  Oberfläche  der  Um- 
gebung an  der  Nonl-,  Ost-  und  Westseite  frei  hervorragt,  schliesst  sich  südlich  an 
eine  Erhöbung  an,  den  Anfang  eines  in  südlicher  Richtung  verlaufenden  holzbestan- 
denen Bergzugea,  der  Gehrener  Berge,  bildend.  Er  ist  au  den  Seiten  und  auf  dem 
Gipfel  nirgends  mit  Bäumen  bewachsen;  die  Seiten  sind  mit  Rasen  bedeckt,  daher 
der  Name.     In  der  Umgebung  desselben  Hegt  eine  Mt'Uge  von  Quellen. 

Die  Ober0äche  des  grünen  Berges  bildet  eine  breite  Flache ');  der  Durchmesser 
von  Nord  nach  Süd  betragt  ungefähr  130  Schritt;  im  Allgemeinen  ist  dieselbe  von 
viereckiger  Gestalt.  Das  Ganze  scheint  früher  vnn  einem  Walle  umgeben  gewesen 
zu  sein;  an  der  Südseite  sind  nocb  grössere»,  küostlich  errichtete  Wullreste  sichtbar. 
Das  Innere,  jetzt  beackert,  ist  walirscbeiulich  nach  und  nach  planirt  worden;  in 
der  Mitte  jässt  sich  jetzt  noch  eine  kleine  Erhöhung  erkennen. 

Die  Ausgrabungen  auf  diesem  Punkte  hatten  folgendes  Resultat.  Erst  in  ziera- 
1  ich  er  Tiefe  sind  prähistorische  Gegenstände  zu  finden;  dadurch  wird  die  Ver- 
muthung  bestätigt,  dass  der  frühere  Wallraud  zur  Ausgleichung  des  lonern  ver- 
wendet worden  ist  fn  circa  6 — 7  Fuss  Tiefe  traten  Knochen  von  Kind,  Schaf,  etc, 
sowie  Scherben  zu  Tage.  Diese  Gefässbrnchstücke,  welche  ich  in  grösserer  Anzahl 
sammelte  und  von  denen  ich  einige  zur  Ansicht  einsende,  weichen  jedoch  von  den 
slavjschen  und  vorslaviscben  Scherben  unserer  Gegend  ab.  Sie  sind  nämlich  fester, 
härter  gebrannt  und  klingend;  die  Masse,  aus  der  sie  bereitet  sind,  ist  feiner;  kleine 
concentrische  Riefen  an  der  0 herfläche  deuten  auf  Herslei lung  mittelst  der  Töpfer- 
scheibe. Verzierungen  fehlen  meist;  einige  Thonfragmente  zeigten  im  der  Aussen» 
Seite  parallele,  um  den  Bauch  verlaufeude  Furchen.  Ganze  Gefasse  wurden  oicbt 
ausgegraben.  Henkel  fehlten.  Scherben  mit  dem  Wellenornament  oder  sonstige, 
auf  slavischen  Ruiidwällen  vorkommende  Verzierungen  wurden  nicht  bemerkt.  Beim 
Betrachten  der  Scherben  des  Gehrener  Opferheerda  erinnerte  ich  mich  der  Be- 
schreibung Wagner 's;  er  sagt  unter  Anderem  an  der  vorher  citirten  Stelle: 
^Sonderbar  war  es  indessen,  dass  die  hier  vorgefundenen  UrneDScherben  an  Festig- 
keit und  Feinheit  der  Masse  alle  anderen  in  hiesiger  Gegend  weit  übertreffen  und 
darin,  sowie  auch  zum  Theil  in  der  Verzierung,  von  den  anderen  abweichen')." 
Ohne  Zweifel  meint  Wagner  hier  dieselben  Gefassbruch stücke,  wie  die  von  mir 
zu  Tage  geförderten.  — 

Die  zwi:schen  dem  Centrum  und  dem  Rande  der  Anlage  ausgegrabenen  Sclier- 
ben  lagen  gewöhnlich  im  Saude j  von  kohlehaltigen  Schiebten  war  hier  wenig  oder 
nichts  nachweisbar.  Dagegen  stiess  ich  beim  Untersuchen  der  in  der  Mitte  ge- 
legenen Erhöhung  in  circa  3  Fuss  Tiefe  auf  sehr  starke  ausgedehnte  Aschenschich- 
ten,  welche  Scherben  der  obenerwähnten  Beschaffenheit,  Knocbenstuckclien  und  eine 
grössere  Steinlagerung  in  sich  bergen.  Das  Ganze  machte  mir  den  Eindruck  einer 
alten  Heerdstelle.  W^agner  berichtet  noch  von  grossen  Steinen,  die  in  der  Nähe 
dieser  centralen  Erhöhung  zu  sehen  waren ;  davon  ist  jedoch  jetzt  nichts  mehr  vor- 
handen. — 


1)  Die  Gestalt  derselben  zu  Wagner 's  Zeiten  veranschaulicht  Taf.  VI,  Fig.  16  in  seinem 
Werk:  »Aegyi^ten  in  DeutschlaDd'. 

2)  Mdnes  Wissens    ist   dies    die    einzige  Stelle,    wo  Wagner    in    seinen  Schriften   vnn 
einem  Unterschied  des  Topfgerätba  spricht. 


1 


(Üf) 


St€io-  UQd  Metall  gegen  staode  fand  ich  bei  meioeo  ÄUBgmbu&gen  üicht.  Aucb 
sind  mir  derartige  Fände  von  dem  Orte  Dicht  bekannt  geworden, 

Ob  dieser  Punkt  als  Opferstelle  aufzufassen  ist,  muss  Torläufi;^  dahiogestellt 
bleiben;  wichtiger  ist  Tor  der  Hand  die  chronologische  Stellung  dieser  Anlage.  Die 
Lage  und  Gestalt  derselben  geben  uds  keinen  Anhaltspunkt;  doch  durfte  die  Tor- 
her  geschilderte  Art  des  Topfgeraths  den  Schluss  rechtfertigen,  dass  hier  eine  spät- 
sJavische  Benutzung  vorliegt. 

Die  Sage  geht,  dass  auf  diesem  Berge  der  Markgraf  Gero  ein  Schloss  gehabt 
haben  und  dass  das  Dorf  Gehreu  von  ihm  angelegt  und  nach  ihm  benannt  sein 
solL  Dies  halte  ich  nicht  für  richtig.  Von  Trümmern  oder  Grundmauern  habe 
i^  auf  dem  grünen  Berge  nirgends  eine  Spur  entdecken  k«3nnen;  derartige  Ruck- 
bleibsel  hatten  auf  einem  solchen  hoher  gelegenen  Orte  UDZweifelhaft  sich  erhalten 
müssen.  Wahrscheinlich  ist  es  wohl,  dass  der  Name  ^Gehren**  xon  dem  wendischen 
^gora*^  (der  Berg)  herstammt.  Wenden  wohnten  allerdings  einst  hier;  ein  Nachbar- 
dorf heisst  Wendisch-Drehna  Danach  nun  aber  annehmeD  zu  wollen,  dass  das 
Dorf  Gehren  aus  sl arischer  Zeit  herrühre,  wäre  ein  falscher  Schluss. 

Wie  ich  in  meineu  „ürnenfriedhÖfen*' *)  näher  ausgeführt  babe^  ist  in  einem 
Lande,  wo  ein  Wechsel  der  BcTÖlkerung  statt  hatte,  wie  z.  B.  in  der  Lausita,  die 
Orts  namenforsch  ung  nicht  stickhaltig.  Gehren  bestand  mit  grÖsster  Wahrscheinlich- 
keit schon  zur  germanischen  Zeit^  denn  in  unmittelbarer  Nähe  des  Dorfes  liegt  ein 
miiBgedehntes  Urnenfeld.  — 

Hr,  Virchow  bestätigt,  dass  die  Torgelegten  Scherben  keine  slawischen  sind, 
auch  nicht  dem  gewöhnlichen  ^lausitzer^  Typus  angehören;  allem  Anscheine  nach 
müsse  man  sie  einer  spateren  Zeit  zurechnen. 


I 


(20)   Hr.  Ol shausen  spricht 

über  Zinngeräthe  aus  Gräbern  und  über  den  Belag   der  GrifTiunge  eines  Bronzeschwertea 

mit  Blei  weiss. 

Im  Laufe  der  beiden  letzten  Sommer  unternahm  ich  die  Eröffnung  einer  An- 
zahl von  Hügelgräbern  auf  der  Insel  Amrum  an  der  scWeswigachen  Westküste, 
Dieselben  stammten  aus  der  Bronzezeit,  enthielten  ausser  Zinngegenstanden  an  Bei- 
gaben BroQzegeräthe,  Goldschmuck ^  zum  TheÜ  auch  Bernstein  und  einzelne  Flint- 
Werkzeuge,  niemals  aber  eiserne  GerÄthe  oder  deren  üeberreste,  Fa^t  immer  waren 
unverbrannte  Leichen  in  längliche  Haufen  loser  Feldsteine  gepackt^  oft  auf  HoU- 
unterläge;  die  meisten  Hügel  enthielten  mehre  derartige  Begräbnisse  zugleich,  In 
den  Steinmassen,  bilu6g  mit  den  Holzresten  Termischt,  lagen  die  Beigaben  ohne 
besonderen  Schutz;  die  Hohlräume  zwischen  den  einzelnen  Steinen  waren  grossten 
Theils  durch  hincingesickerten  Sand  ausgefiillt 

In  t^  dieser  Skeletgräber,  die  3  verschiedenen  Hügeln  ao- 
fc  gehorten,  fand  ich  zinnerne  Geräthe  oder  Tielmehr  Theile 
derselben;  ich  bezeichne  die  Hügel  als  „Nr,  1  u.  Nr.  2  auf 
Steenodde**  und  als  ^Bagberg**;    in   einem  Hügel  Nr.  3  auf 
Steenodde  stiess  ich  ferner  auf  ein  Klümpchen  Zinn  ohne 
bestimmte  erkennbare  Form;  endlich  liefeilc  Hügel  2 
in  einem  Grabe  a  gleicher  Art,  wie  das  obige,  das  ich  b  nenne, 
ein  Object,  das  vielleicht  nur  scheinbar  hierher  gebort. 
Der  Gegenstand  aus  Hügel  ]   ist  das  äusserste  Ende  einer  zweischnei- 
digen Waffe,    die  Spitze    eines  Dolches   oder    das  Ende    einer  Pfeilspitze,  8  mm 

1)  Behlii,  Die  Urneiirriedli3fe  S.  96,  97. 


Natürliche  Grosse. 


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I 


I 


(87) 

]aug,  ED  der  BriichsteUe  6^/2  '""*  ^^^»^  ^^^  ^^  ^'?''  Mitte  der  Brurhiache  2  mm 
dick:  sie  wiegt  67  m^?.  Keine  Spur  von  metallischem  Aeussern  ist  au  ihr 
wahrnehmbar,  sie  bildet  vielmehr  eine  bräunlich  gelbe,  leicht  bruchige  Masse; 
iD  der  That  besteht  sie  jetzt  ganz  aus  Zinn  säure  (Sn  0^),  die  an  »ich  weiss,  hier 
aber  durch  die  Berührung  mit  dem  modern  den  Holz  bräuulich  gefärbt  iat;  man 
konnte  glauben,  es  mit  einem  Produote  der  Kerao^ik  oder  auch  mit  einem  aus 
Knochen  gefertigten  GegeostaDd  zu  thuu  zu  haben,  letzteres  natürlich  nur  so  lange 
man  nicht  das  Mikroskop  zo  Rathe  zielit  (Fig.  1). 

Grab  b  in  Hügel  2  lieferte  das  Alittelstuck  einee  kleinen  Spateis  mit  rund- 
lichem Stiel  und  flacher  Klinge,  im  Ganzen  19  mm  lang,  wovon  9'/*  auf  den  Stiel 
kommen j  der  4^^  mm  Durchmesser  hat;  die  Klinge  bat  an  der  Bruchstelle  7^/g  mm 
Breite  bei  1^1^—2  mm  Dicke.  Das  Gesaoiratgewicbt  des  Brncbstücks  betrug  wenig 
mehr  ala  0,5  fj.  Zwischen  Stiel  und  Klinge  befindet  sich  ein  schmaler  Wnlat  mit 
schrägen  Streifen,  die  von  oben  Hnks  nach  unten  rechts  laufen,  wenn  man  den 
Stiel  nach  unten  hält.  An  diesen  Wulst  setzt  die  Klinge  mit  6'/^  mm  Breite  an; 
ihr  Rücken  ist  mit  Einkerhu^igen  versehen,  wie  der  Wulstj  die  von  oben  rechts 
nach  unten  links  laufen  (Fig*  2,  o,  b^  c). 

Die  Farbe  des  Spatels  ist  schmutzig  grau  bis  bräunlich,  inneu  weisslich;  von 
Metall  als  solchem  ist  nichts  mehr  zu  sehen,  das  Stück  ist  vielmehr  wie 
das  vorbin  beschriebene  vollständig  zu  Zinn  säure  oxydirt« 

Das  Grab  im  Bagberg  ergab  eine  gerade  Nadel  aus  rundem  Draht,  deren 
beide  Enden  indess  fehlten:  sie  ist  so  noch  95  mm  lang  ^nd  3  —  BVs  »T*m  dick, 
weiss  und  vollständig  in  Zinn  säure  umgewandelt. 

Der  Zinnklumpeu  aus  Hügel  3  auf  Steenodde  bildete  eine  ganz  uoregel- 
mässig  geformte  Masse  mit  rauber  OberÖache,  angenähert  1  cm  im  Durchmesser, 
Die  Farbe  ist  im  allgemeinen  daukelgraUj  doch  fanden  sich  auch  grünliche  und 
bränn liehe  Stellen  an  ihm,  aber  so  sehr  zurücktretend  an  Intensität  der  Färbung 
und  an  Ausdehnung,  dass  sie  nur  zufälligen  von  aussen  her  gebrachten  Vertin- 
reiniguogen  zugeschriehen  werden  müssen.  Einzelne  Bruchstücke  erschieueu  innen 
hellgrau  bis  weisslich  mit  stark  irisirenden  Stellen;  manch maj  glaubt  man  wirkliches 
Metall  vor  sich  zu  haben,  doch  ist  in  Wahrheit  wohl  nicht  der  geringste  Rest  von 
Metali  im  unoxydirten  Zustande  in  der  Masse  enthalten. 

Als  fünften  Gegenstand  habe  ich  endlieh  eine  grau  weisse  flache  Spirale, 
eine  Spiralscheibe,  aus  Grab  a  des  Hügels  2  zu  nennen;  sie  ist  so  fein  gearbeitet, 
dass  sie  ein  selbständiges  Objekt  nicht  darstelleu  kann,  vielmehr  lediglich  die  Aus* 
füllmasse  einer  eingelegten  Aiheit  zu  sein  scheint,  z.  ß,  eines  bölzerneii  Schwert- 
griffes oder  dergleichen,  Sie  mag  einen  Durchmesser  von  ca,  1  cm  gehabt  haben, 
ihre  Höbe  ist  1  Ya  ""^^  ^^^  Dicke  der  Mas&e  an  der  stärksten  äussern  Windung 
}^/^mm,  Sie  besteht  aus  Zinnsäure;  den  Grund,  weshalb  ich  sie  trotzdem  oben 
als  vielleicht  nicht  hierliergeh5rig  bezeichnete,  werden  wir  später  sehen.     (S.  90,) 

In  den  betrefienden  Gräbern  wurden  gefunden:  neben  der  zweischneidigen 
Spitze  des  Hügels  No.  1  3  goldene  Ringe;  mit  dGm  Spatel  des  Hügels  2  ein 
goldner  Ring  und  ein  kleines  Thonbecherchen  (Fig.  3),  letzteres 
an  demselben  Rnde  der  Steinsetzung,  wo  der  Spatel  lag;  die  Spiral- 
ßcheibe  ans  einem  gleichaltrigen  Grab  dee^aelben  Berges  fand  sich 
zusammen  mit  einem  goldneu  King  und  einem  Brouzeschwert; 
der  Zinnklumpen  aus  Hügel  5  bildete  den  Theil  einer  mannigfaltigrn 
Ausstattung  mit  Bronzesach  en,  Berns teinstücken,  einem  Feuer-  */>, 

zeug  und  einem  goldnen  Hinge, 

Diese  3  Hügel   lagen    einander   benachbart  auf  ein    und  demselben  Felde  im 


I 


(88; 

SMoB  der  loset  dicht  oebeo  dem  LandungspUtz  Steenodde,  der  ßtgberg  dagegen, 
in  wekhem  ich  die  weisse  Nadel  uod  uDoiittelbar  Deb«n  derselben  als  eiozige 
weitere  Beigabe  des  betreffeadea  Grabes  eine  broDzene  Fibel  der  oordischoti 
Form  fand,  lag  mehr  nach  Nordeo  in  der  Mitte  Amrums. 

Die  chemische  Analjse  der  Zionsacheo  bot  iosofero  einige  Schwierigkeit, 
mls  eratiich  selbatferst&odlich  maglichst  weoig  Substanz  geopfert  werden  sollte,  dann 
aber  aoch  daa  Aeussere  derselben  mich  anfangs  in  ganz  falscher  Richtnng  soeben 
Hess,  Da  ich  zonächst  an  Knochen  dachte,  so  prüfte  ich  die  Dolch  spitze  und  den 
Spatel,  deren  Masse  in  kochender  Salzsäure  löslich  war,  auf  Phosphorsaure 
mittelst  Moljbdänsauren  Ammoniaks  und  erhielt  in  der  That  den  für  Phosphor- 
saure  charakteristischen  gelben  Niederschlag;  damit  schien  die  Knocbeosubstanz 
unzweifelhaft  nachgewiesen;  allein  die  Menge  der  Phosphorsaure  war  sehr  gering 
und  es  gelang  nicht,  Kalk  aufzufinden.  Ammoniak  erzeugte  id  der  sauren  Losung 
eine  gelatinöse,  wie  schmutzige  Thonerde  aussehende  Füllung;  das  Filtrat  hiervon 
war  kalkirei.  Der  durch  Ammoniak  erzeugte  Niederschlag  war  in  Essigsäure  nicht 
Tollst^dig  löslich;  in  Salzsäure  aufgenommen  und  mit  essigsaurem  Natron  ver- 
setzt entstand  er  Ton  neuem;  dies  Y  erb  alten  Hess  auf  phospborsaure  Thonerde, 
nicht  auf  Kalk  schliessen.  Um  nun  die  Thonerde  sicherer  nachzuweisen,  wurde 
die  Ammoniak  fall  ung  mit  reinem  Aetznatron  zerlegt;  braunes  Eisen  oxyd  schied 
sich  ab  uod  das  Filtrat  gab  nach  dem  Ansäuern  mit  Salzsäure  durch  essigsaures 
Natron  einen  geringen,  durch  Ammoniak  einen  erheblich  stärkeren  weissen  Nieder- 
adilag;  es  schien  also  thatsächlich  Thonerde  mit  weniger  Pbosphorsäure,  als  zur 
Bindung  derselben  erforderlich,  vorzuliegen»  Terunreinigt  durch  etwas  Eisenoxyd. 

Da  eine  Substanz  dieser  Zusammensetzung  als  Material  für  Gerathe  der  Bronze- 
nit  durchaus  unrersiändlich  war,  so  entscbloas  ich  mich,  Ton  dem  Spatel  ein 
grosseres  Stück  des  Stieles  zu  opfern«  um  die  Nator  die^r  beiden  Gegenstände 
endgiltig  festzustellen. 

100  mff   der    gepulverten  Masse  wurden  auf  einem  Platinblech,  das  mit  einem 
Ubrglase  bedeckt,  langsam  erhitzt;  es  entwich  Wasser  und  das  Pulver  färbte  sich 
bei    ganz    schwacher  Rothgluth    gelbücli;    der  Gewichtsverlust    betrug  23  m^.     Die 
verbleibenden  77  mg  sollten  mit  Salzsaure  im  Platin  schäl  chen  gelöst  werden,  allein 
es    zeigte    sich^    dass    die  geglühte    Masse    nicht    mehr   vollständig    auf-       ^ 
genommen    wurde^    die    SalzsSure    musste    daher    veijagt   und    der   getrocknete      ■ 
Rückstand  mit  kohlensaurem  Kali-Natron  aufgeschlossen  werden.     Denn  wegen  der 
weissen  Ammoniak  fältung  (Thonerde?)    vermutbete    ich,    ein  Silicat  unter  Händen 
zu  haben;    der  Versuch,    Kieselsäure  nach  bekannter  Methode  abzuscheiden,    ergab       H 
jedoch    ein   negatives  Resultat.     Dagegen  gab  die  saure  Lösung  der  Alkalisch melze 
mit  Sehwefelwassersioff   eine    starke  Fällung    von  SchwefeUinn,    die    eine  8pur 
Kupfer  enthielt.     Das  Filtrat  hiervon  nach  dem  Verjagen  des  Schwefelwasserstoffs 
mit  einigen  Tropfen  Salpetersäure  heisa  oxydirt  und  dann  mit  Ammoniak   versetzt, 
gab  eine  weissliche  Fällung,  die  mit  reinem  Aetznatron  in  Eisenoxyd  und  Thon- 
erde zerlegt  wurde. 

Im  wesentlichen  bestand  also  die  Masse  d^  Spatels  aus  Zinnsaure  mit  etwas 
Bis«DO(zyd»  Thonerde,  einer  Spur  Kupfer  und  ein  wenig  Phosphorsiore;  die  Zinn- 
säure  scheint  aber«  soweit  man  aus  dem  Gewichtsverlust  beim  Glühen  entnehmen 
kann,  als  Hydrat  vorhanden  gewesen  zu  sein. 

Die  Dolch  spitze,  die  sich  im  Ganzen  chemisch  wie  der  Spatel  verhielt,  hat 
also  jedenfalls  dieselbe  Zusammensetzung  gehabt,  nur  die  Thonerde  bleibt  zweifel- 
haft und  Kupfer  wurde  niclit  beobachtet.  Ich  verwendete  übrigens  zu  der  Prüfung 
oichi   einen  TheU    der  Spitae   selbst,   sondern  kleine  Brochstuoke,  die  ihrer  Form 


(89) 


und  dem  soDstigen  Aussehen  nach  als  yod  den  SclmeideD  desselben  Geräthes  her- 
atammend  zu  betrachteo  waren. 

Die  Spirale  aus  Grab  a  des  HQgels  2  zeigte  insofern  ein  etwas  anderes  Ver- 
balten,  wie  die  Dolch  spitze  und  der  Spatel,  ab  ihre  Masse  in  Salzsäure  und  auch 
in  Königswasser  nicht  vollständig  loslich  war.  Man  muss  indess  berück- 
sichtigen, dass  Zinnsaure  in  ihren  beiden  ModiBcatiooeo  Losungsmitteln  sehr  un- 
gleich widersteht,  und  wenn  auch  nicht  einzusehen  ist,  warum  hier  2  verschiedene 
Arten  Zinnsäure  entstanden  sein  sollten,  so  kommt  doch  noch  in  Betracht,  dass  der 
Conceotrationsgrad  und  die  Temperatur  der  angewendeten  Säure  yon  wesentlichem 
Eiofluss  ist.  Geringe  Abweichungen  des  Versuchs  mögen  hier  das  verschiedeue 
Verhalten  der  Zinnsfiureobjecte  bedingt  haben» 

Wegen  der  mangelhaften  U'islichkeit  in  Säuren  wurde  zur  Prüfung  ein  Weg 
eingeschlagen,  der  unter  allen  Umstanden  zum  Resultat  fuliren  mussle,  nämlich 
Schmelzen  mit  kohlensaurem  Natron  und  Schwefel  im  PorzellantiegeJ;  beim 
Lösen  in  Wasser  hinterbÜeb  dann  eine  Spur  eines  schwarzen  Rückstandes; 
das  alkalische  Filtrat  Hess  mit  Salzsäure  versetzt  Schwefelzinn  fallen.  Der 
schwarze,  mit  Schwefelwasserstoffwasser  gewaschene  Ruckstand  mit  dem  Filter  zu- 
sammen verasch t,  durch  Salpetersäure  oxydirt  und  in  Salzsäure  gelost,  gab  die 
Eisen  reactioneUj  Kupfer  wurde  nicht  gefunden,  auf  Blei  nicht  geprüft. 

Ein  kleines  Stiickchen  der  Spirale  vor  dem  Lothrohr  mit  kohlensaurem  Natron 
und  Cjankalium  geschmolzen  lieferte  ein  dehnbares  MetiUkorn,  das  in  kochen- 
der Salzsäure  unter  (Wasserstoff-)  Gas-Ent Wickelung  losüch  war,  wodurch  das  Vor- 
handensein von  Zinn  Bestätigung  findet. 

Die  Analyse  des  Klumpchens  aus  Hügel  3  ergab  Zinnaäure  mit  etwas 
Phosphorsäure  und  ein  wenig  Eisenoxyd,  vielleicht  auch  eine  Spur  Kupfer  oder  Hlei. 

Die  weisse  Nadel  aus  dem  Bagberg  endlich  enthielt  neben  Zinn  säure  etwas 
Kupfer  und  eine  äufserst  geringe  Menge  Phosphorsäure. 

Die  chemische  DetersucbuDg  führte  ich  im  Laboratorium  der  Königlichen  Berg- 
akademie aus  und  sage  meinem  Freunde  Hrn,  Prof.  Finken  er  meinen  besten  Dank 
für  seine  gefallige  Unterstützung  bei  diesen,  wegen  der  geringen  Menge  von  Material 
etwas  delicaten  Arbeiten. 

Was  nun  die  Nebenbestand theile  anlangt,  die  sich  ausser  der  Zinnsäure 
Torfanden,  so  bietet  zunächst  die  PhosphorsEure  nichts  besonders  auffallendes^ 
sie  ist  ja  überall  im  Erdboden  Torhanden  upd  in  den  Skeietgrabem  speciell  gaben 
die  Gebeine  reichlich  Material;  denn  in  den  meisten  Fällen  sind  dieselben  voll- 
ständig  oder  bis  auf  äusserst  geringe  Spuren  verschwunden,  was  wohl  eine  Folge 
der  Durchlässigkeit  des  sandigen  Bodens  ist.  Das  eindringende  atmosphärische 
Wasser  mit  seinem  Kohlensäure-  und  Sauerstoffgehalt  führte  den  phoRphorsauren 
Kalk  hinweg  und  bewirkte  zugleich  die  Oxydation  des  Zinns»  Etwas  Phosphorsäure 
wurde  dann  von  der  Zinnsäure  zurück  gehalten,  da  beide  Substanzen  sich  bekannt- 
lich zu  einer  unlöslichen  Verbindung  vereinigen. 

Die  Thonerde  dürfte  in  gleicher  Weise  wie  die  Phosphojrsäure  von  aussen 
aufgenommen  sein,  nicht  minder  zum  Tbetl  das  Eisen;  dagegen  verlangt  der 
Kupfergeh  alt  noch  eine  eingehendere  Erwägung.  Man  könnte  versucht  sein,  in 
ihm  den  Beweis  zu  finden,  da!?s  man  es  hier  überhaupt  nicht  mit  ümwandjungs- 
producten  von  Zinn,  sondern  von  Bronze  zu  thun  bat.  In  der  That  verlieren 
sehr  dünne  ßronzestückchen  beim  Liegen  in  der  Erde  einen  Theil  ihres  Kupfer* 
gehftlbea    und   sehen,    weil  durch   und  durch  oxydirt,  schmutzig  weiss  aus').     Aber 


1}  Oater  Umstinden  scheint  auch  bei  grösseren  Stacken  eine  derartige  vollständig«  Um- 


(90) 

räcs  TWila  ttt  dodi  ^  B*  der  Sfaitd  idio«  xa  dk^  ^  iUs6 
käiiiK^  «r  limbe  jede  Spur  tod  GHtn0ubaiig  einfcb^iM  («id  leicbtei'  grüner  Hmncb 
ist  den  <Kxxdirte«  Broiueii  ^sl  imaner  eig««X  "»^  aiMlercfwsts  lelirt  der  direete 
Ycrgkiek  des  ZiimkliiDpebeB»  mit  den  daaeben  gefnndeaio  BramesaidkeD  aus 
Hof  ei  3,  Miwie  beaooders  der  Nadel  mit  der  tamitteibcr  dibei  gdcgeseii  FibuU 
aus  dem  Bagberg,  da»  kier  dorcbai»  tod  ^ruberer  Bronze  nieht  die  Rede  sein 
kmao.  Die  FiboU  zeigt,  obgleich  sie  zum  Tbeil  nicbt  dicker  isu  ^^  die  weisse 
Nsde],  docb  ToUig  das  gewobDliche  grüce  AeuMere  oxydirter  BronzeD,  desgleichen 
b&beo  die  Broozegeräihe  des  Hügelä  3,  selbst  die  kleiasteo,  zum  Tbetl  sUrk  ge* 
weisateo,  nicht  die  mindeste  Aeholiebkeit  mit  dem  EJümpcfaen,  dessen  Gessmmt- 
eindrack  trotz  der  einzeJaen  an  ihm  haltenden  grünlichen  Partikelchen  ganz  und 
gsmicht  der  yod  ßroDze  i^t.  Seine  eigen  th  umliehe  Farbe  mag  er  zum  Tb  eil  too 
den  daneben  gelegenen  Bronzeetücken,  besonders  aber  ron  einem  Schwefelkies- 
knolien  angenommen  haben,  der,  wie  es  scheint^  mit  ihm  in  ein  Stuck  Zeug  eio- 
gewickelt  und  welcher  Yollstandig  zersetz!  wsr  Sofern  man  also  nicht  annehmen 
will,  dass  auch  der  genoge  Kupfergebalt  den  Zinnotjecten  fon  aussen  zugeführt 
ist,  bleibt  nur  übrig,  die  Verwendung  schwach  kopferhalügen  Zinns  Toraaszusetzeo. 
Geringe  Mengen  Kupfer  finden  sich  ja  sehr  häufig  in  Zinn,  so  giebt  E.  t.  Bibra: 
Die  Bronzen  und  Kopferlegirungen  der  alten  und  ältesten  Tölker.  Erlangen  1869, 
Tabelle  S.  150^51,  Analysen  von  7  modernen  Zinngegenständen,  die  »jnmtlich 
Enpfer  enthalten  (bis  zu  J.2  p€t.). 

Etwas  anders  liegt  die  Sache  bei  der  Spirale;  sie  ist  so  ausserordentlich 
dÜQD^  dass  sie  wohl  ihr  Kupfer  Totlstandig  Terloren  haben  kann;  ich  halte  sie  des- 
halb nicht  für  beweisend  und  tbeilte  ihr  schon  oben  eine  Ausnahmestellung  zu. 

Ich  komme  nun  zunächst  zu  der  Frage  der  früheren  Verwendung  der  Zinn- 
sachen.  Ueber  die  Nadel  braoche  ich  kaum  etwas  zu  sagen;  es  haftete  jedoch  an 
ihr  eine  Spur  eines  Gewebes^  so  dass  sie  wohl  eher  als  eine  Gewand-  wie  als  eine 
Haarnadel  aufzufassen  ist,  obgleich  der  Geweberest  auch  Ton  einer  EinhüÜUDg  der 
ganzen  Leiche  oder  der  Beigaben  allein  herrühren  konnte. 

Das  Zinnklümpchen  mag  too  seinem  Besitzer  als  Rarität  aulbewahrt  sein 
zugleich  mit  eiuer  Anzahl  kleiner,  meist  unbearbeiteter  Bemsteinstuckchen  und  mit 
einigen  Knollen^  die  nichts  anderes  als  Terkieste  Ammonitenkammern  oder  Seeigel 
gewesen  zu  sein  scheinen,  jetzt  aber  völlig  in  Braun  eisen  umgewandelt  sind. 

In  Bezug  auf  die  zweischneidige  Waffe,  sei  es  Dolch  oder  Pfeilspitze, 
kilnnte  man  allerdings  fragen»  was  für  einen  Zweck  dieselbe  gehabt  habeo  möge, 
da  sie  doch  zu  praktischem  Gebrauch  nicht  geeignet;  in  dieser  Beziehung  erlaube 
ich  mir  iodess,  an  Schliemann^s  silbernen  Dolch  uad  goldene  Pfeilspitze  zu  er- 
innern, die  er  beide  als  Prunk-  oder  Ceremonial- Waffen  auffasst  (Ilios  S.  556/57). 
Auch  die  BerDsteinnachbilduogen  tod  Aexten  Terdienen  hier  erwähut  zu  werden. 
Siehe  ferner  nuten  die  Pfeilspitze  in  Perugia.  Von  einem  zinnernen  Schwerte  aller- 
dings nur  vergleichsweise  und  ge wisser maassen  dessen  TJnbrauchbarkeit  hervor* 
bebend,  spricht  P.  Aelius  Aristides^  ein  griechischer  Rhetor  des  2.  Jahrhunderts 
n.  Chr.,  11,  40G  (editio  Dindorf  vol.  11,  S.  553). 


Wandlung  in  eine  )^ae,  bruchige  Mi s»e  Torzugehen;  so  berichtet  t.  Cohaosen  über  Statuen- 
Bruchstücke^  gefunden  auf  der  Saslburg  bei  Homburp,  die  ohne  Patin*,  grau,  und  aach  im 
Bnirh  aschf»rMg,  fast  erdig  waren;  er  erklärt  diese  Vcränderong  dnrch  den  Bletgehalt.  Die 
Analyse  durch  Fresenius  und  Souch&j  ergab  nämlich:  Kupfer  70^13;  Zinn  8,57:  Blei 
20»6%;  Zink  0,013;  Eisen  0,086;  Kickel  0,211  =  99,899.  —  Annalen  des  Verein»  f.  Nassauische 
Alterthumskande  n.  OeschkbtäforscbuDg,  Bd.  XII  (1873)«  a2%/2a 


I 


I 
1 


(91) 


D<jr  Ziiiuspulel,  welcher  ia  der  Nabe  des  TbotibecUers  lag,  mag  wobl  auch 
wirklich  dazu  gehört  haboD;  man  hat  es  hier  vielleicht  mit  einem  Saibentopfcben 
zu  thun  und  dem  nothigeti  Werkzeuge,  die  Salbe  herauszunehinen;  doch  bin  ich 
anderen  DeutußgeQ  gerue  zugänglich. 

Es  ist  im  höchsten  Grade  bedaueriich,  dass  von  den  interessanten  Objecten  nur 
verbältnissmiissig  kleine  Stucke  erhalten  siod;  ich  habe  nicht  den  mindesten  Zweifel, 
dass  die  Geräthe  zur  Zeit  ihrer  Niederlegung  vollständig  vorhanden  waren,  wenn 
auch  möglicherweise  zerbrochen.  Jedenfalls  habe  ich  bei  der  Aliriiwmung  der  Stein- 
setzungen  die  anderen  Theiie  uberseheD,  wofür  ich  als  Entschuldigung  die  wenig 
hervorstechende  Farbe  und  die  grosse  ßrüchigkeit  der  Gegenstände  anführen  kann, 
sowie  die  Schwierigkeit,  ans  dem  Haufen  loser,  ganz  un regelmässig  gettulteter,  mit 
Sund  untermischter  Handsteine  zarte  Objecte  Qberhaypt  unversehrt  zu  Tage  zu 
fördern.  Spatel,  Spinde  und  Dolcbspitze  erhielt  ich  ausserdeni  bei  den  allerersten, 
von  mir  jemals  veranstalteten  Ausgrabungen,  bei  denen  es  mir  an  Hebung  fehlte. 

Nachdem  ich  im  Vorhergehpnden  das  Thatsächbche  über  meine  Ziunfunde  mit- 
getheilt  habe,  erübrigt  noch  ein  Rückblick  auf  den  gegenwärtigen  Stand  unserer 
Eenntoiss  derartiger  Sachen  überhaupt* 

Ich  bemerke  jedoch  von  vornherein,  dass  die  hier  zn  gebende  Zusammen- 
stellung nicht  Anspruch  auf  VoUständigkeit  macht;  die  prähistorische  Literatur  ist 
so  zerstreut  und  mir  so  schwer  zugänglich  und  von  Museen  habe  ich  noch  so  wenig 
gesehen,  dass  sehr  wohl  erhebliche  Lücken  mir  mögen  nachgewiesen  werden  können. 
Was  ich  an  Daten  hier  zusammengebracht,  verdanke  ich  grossen  Theib  der  GiJte 
von  Fachgeiiosseu,  welche  sich  zu  diesem  Behufe  zum  Theil  erheblicher  Mühe- 
waltung unterzogen  haben;  FräuL  J.  Mestorf  und  den  Hrn.  (Teh.  Rath  Virchow, 
Dr.  0.  Tischler  in  Königsberg,  Th,  Blell  auf  Tüngen  und  C.  Knorrn  in  Stettin 
bin  ich  zu  besonderem  Danke  verpflichtet 

Ich  werde  nun  in  der  folgenden  Aufzählung  alterer  Zinnsachen  zunächst  die 
Gräberfunde  von  den  anderen  trennen»  weil  sie  sich  meinen  eigenen  Beobach- 
tungen am  nächsten  anschliessen.  Es  sind  deren  äusserst  wenige,  aber  auch  die 
Funde  anderer  Art  stehen,  wenn  man  von  denen  aus  den  Pfahlbauten  absieht^  noch 
ziemlich  vereinzelt  da,  besonders  was  selbständige  Geräthe  anlangt. 

John  Lubbock  sagte  noch  1874  in:  Die  vorgesclncbtüche  Zeit,  Theil  1,  S,  4, 
dass  bis  jetzt  keine  zinnernen  Gerätlischaften  und  Waffen  gofnnden  seien,  während, 
wie  er  S.  55,  Anm,  2,  hervorhebt,  Zinn  wohl  zu  Schmucksachen  verwendet  ward. 

Schliemann  führt  in  seiner  llios  kein  einziges  Zinnobject  ao,  schliesst  viel- 
mehr aus  dem  Umstände,  dass  in  der  ersten  und  zweiten  Stadt  in  Hissarlik  nur 
reine  Kupfer-,  nicht  Bronze- Sachen  vorkommen,  dass  Zinn  überhaupt  den  Ein- 
wohnern gänziich  unbekannt  war  (S*  ''IB2).  Im  Bieler  See  wurden  jedoch  bei  Finelz 
ziemlich  viele  Kupfeimesser  und  -Dolche  neben  unlegirtem  Zinn  gefunden  (s.  unten)* 
das  Vorkommen  von  Kupfergerathen  schliesst  also  die  Bekanntschaft  mit  dem  Zinn 
nicht  aus. 

E,  V.  Bibrar  Bronzen  und  Kupferlegirungen,  giebt  keine  Analjse  und  keinen 
Bericht  über  irgend  einen  alten  Zinngegenstand  iind  schliesst  sich  S.  16  WibeTs 
Ansicht  an,  dass  in  Nord-  und  Mittel-Europa  metallisches  Zinn  erst  nach  der 
Bronze  bekannt  geworden;  er  sogt  ferner  (S,  161,  Note),  dass  er  für  gewiss  halt, 
man  habe  in  der  ersten  Zeit  der  Bronzedarstellung  die  Legirungen  nicht  aus  den 
regulinischen  Metallen  hergestellt. 

Auch  E.  Reyer:  Aligemeine  Geschichte  des  Zinns  (Oesterreichische  Zeitschrift 
für  Berg-  und  Hütten-Wesen,  Jahrgang  28,  1880,  S.  500)  halt  es  mit  Wibel  für 
wahrscheinlich^  dass  man  kiesige  Kupfererz<?  mit  Zinngranpen  gemengt  verschmolz, 


F.  Wibel  selbst  führt  allerdioga  in  seiner^  Kulfcur  der  BroDzezeit  Nord-  und 
Mittel-EuropaSj  Kiel  1865,  einige  Ziniifünde  aus  Cktrnwall,  Hallstatt  und  deü  Schwei- 
zer Seen  an,  die  später  mit  aufgeführt  werdeo  sölleo,  schreibt  aber  den  meisteo 
derselben  kein  hohes  Alter  zu. 


Grab  erfände* 

Dänemark 

lieferte  in  seiner  älteren  Bronzezeit  in  den  Bautnsärgen  Julian ria  und  Schleswigs 
die  iDtereöBanteii  Holzgeffisse,  an  welchen  Muster  durch  eingesch lagen e  kleine 
Zinnstifte  gebildet  sind,  ferner  eine  Art  Doppel  knöpf  und  einige  Kliimpchen 
Zinn,  nämlich: 

L  Aus  dem  Kongshöi,  Gemarkucg  Haydrup,  Vamdrup  Sogo,  Anst  Herred 
Amt  Ribe^  Jütland,  eine  Holzschale;  dabei  soll  noch  ein  Zinnklurapen  ge- 
funden sein;  Ä.  P.  Madsen:  Afbildninger  af  D^nske  Olclsager  og  Mindesmärker, 
ßroncealderen  II  (Samlede  Fund),  Taf.  7,  Fig.  Dl  und  Seite  15, 

2,  Von  Fl)  n der  Sogn,  Skodborg  Herred,  Amt  Ringkjöbing,  Jütland,  Frag- 
mente eines  solchen  Oefäases,  Aarboger  for  Nordisk  Oldkjndigbed  og  Historie, 
1866,  Tillaeg,  S.  4—6,  Fig.  ^,  b. 

3,  Ans  dem  DragshÖi  bei  Hoirup,  Schleswigs  SO.  von  Ribe,  eine  Holzschale 
mit  Zinn  stiften  garnirt  und  einen  kleinen  Zinn  klumpen;  Worsaae:  Om  Sleavigs 
eller  Sönderjyllands  Oldtidsminder,  K<^penhagen  1865,  S.  31,  Anni.  und  Fig*  ö,  S.  .^3; 
fluch  Bericht  20  der  Schlesw.-Holst.-Lauenb.  Ges.  för  die  Sammlung  und  Erhaltung 
Taterl.  AlteHhumer,  Kiel  1861,  S,  26. 

4,  Aus  demTreenhnir  Havdruper  Gemarkung,  Ynmdrup  Sogo,  Anst  Herred, 
Amt  Ribe,  Jutland,  eine  Art  Doppel  knöpf,  eigentlich  ein  kurzes,  rundes  Pflock - 
chen  nach  den  Enden  hin  leicht  anschwellend,  daher  in  der  Mitte  etwas  dünner; 
Madsen  nennt  es  einen  kleinen  massiven  Gegenstand  von  ungewisser  Bestimmung, 
spricht  aber  an  anderer  Stelle  von  zintiprnon  Doppel knnpfen  aus  den  ßaumsärgen, 
wobei  er  wohl  das  hier  erwähnte  Stück  im  Auge  hat*  O.Tischler  in  Königsberg 
bezeichnet  es  bestimmt  ais  einen  Doppelknopf,  verwandt  in  der  Form  den  mit 
Gold  belegten  Bronzedoppelknopfen  der  alleren  Bronzezeit  und  den  ßernstein- 
doppeJ knöpfen  der  ostlichen  Steinzeit  (briefliche  Mittheilung).  Hr,  E.  Krause  vom 
hiesigen  Königl.  elhnoK  Museum  macht  mich  auf  die  Aehnlichkeit  mit  gewissen 
Ohrpflockeu  aufmerksam,  die  allerdings,  soweit  sich  aus  der  Abbildung  bei  M  ad - 
sen  erkennen  lässt,  schlagend  ist,     Madsen:  BronceaJderen  H,  S.  1)  u.  Taf.  HI,  4. 

GroBsbritannien 
hat  einen  einzigen  Gräberfund  aufzuweisen.  John  Evans:  The  ancient  Bronze 
Implements,  Weapoos  and  Ornaments  of  Great  Britain  and  Ireiand,  London  1881, 
citirt  S»  394  aus  Hoare:  Ancient  Wilts,  vol.  1,  p.  103,  eine  gekerbte  Zin  nperle, 
wie  eine  Anzahl  an  einander  gereihter  Ferien  aussehend,  die  mit  einer  Kupfer-  oder 
Bronze-Nadel  und  einigen  conischen  Knöpfen  von  Knochen  oder  Elfenbein  in  einem 
Hügel  mit  Leichenbrand  zu  Sutton  Verney  Down  niedergelegt  war;  Hoare  sagt 
dazu:  ,^e3  ist  der  einzige  Gegenstand  aus  diesem  Metall,  den  wir  jemals  in  einem 
Hügel  fanden.*^ 

In  Oesterreich 
wurde   Zinn    in    mehreren    Grabern    zu    Hall  statt    angetroffen,    nämlich    nach    E. 
Y.  Sacken:  das  Grabfeld  von  Hallstatt  in  Oberosterreich  und  dessen  Alterthümcr, 
Wien  1868,  S,  74,  91   und  119: 

L   4    einfache    Ringe    von    %-=l  Zoll  Durchmesser,   aus  rundem,  7,  Linie 


J 


I 


^ 


(93) 

dickem  Zloodraht,  an  der  Brust  eines  in  aussergewobn lieber  Richtung,  d,  b,  mit 
dem  Gesicht  gegen  Weaten  gekehrten  Skelettes;  eioige  der  Ringe  waren  mit 
weissem  Oxjrd  überzogen,  was  ▼.  Sacken  einem  Bleigebalt  zuschreibt;  die 
Analyse  v.  Fellenbergs  ergab  nämlich  94,76  pCl,  Zinn,  4,10  Blei,  0,49  Eisen  = 
99,35  pCt 

2,  Spiralringe  aus  Zinn,  vrie  Taf.  XVJI,  10;  v.  Sacken  beschreibt  sie  so; 
sptralartig  mehrmals  mit  gleichem  Durchtnesser  gewunden,  dann  zuruckgebogen, 
worauf  die  WindaDg  tu  entgegengesetztem  Sinne  fortgeführt  ist.  Hr,  Dr.  0-  Tisch- 
ler giebt  mir  über  diese  höchst  charakteristische  Form  folgendes  an:  „der  Ring  biegt 
nach  einer  halben  Windung  um,  bildet  so  eine  Oehse  und  setzt  dann  seine  Wla* 
dangea  ia  entgegengesetzter  Richtung  fort;  ich  nenne  Ringe  mit  solcher  Bück- 
biegung  Oehsenringe^  den  hier  speciell  beschriebenen  ^mit  einer  mittleren 
Oehse**;  chronologisch  sind  dieselben  wichtig,  sie  treten  wabrend  der  mittleren  und 
jüngeren  nordischen  Bronzezeit  und  während  der  Hallstätter  Periode  anf,  in  Italien 
in  den  oberitalienischen  Necropolen,^  In  der  Form  ganz  ähnliche  bronzene  Fioger- 
apiraten  aus  Ost-  und  Westpreussen  erwähnt  i.  Undaet;  Das  erste  Auftreten  des 
Eiaeoa  in  Nord-Euri*pa,  Hamburg  1882,  S  119  und  Taf  XIII,  16.  —  Auch  die  Spiral- 
ringe  sind  durch  Oxydation  zum  Theil  mit  einer  weisslicheu  Kruste  überzogen. 

3.  Die  Fassung  eines  Schleifsteins  (Taf.  XIX,  26),  ein  kurzes  Heft  aus 
reinem  Zinn,  mattgrau,  aber  ohne  alle  Patina,  am  Ende  beider&eirs  hornartig 
ausgebogen,  1*/^  Zoll  kng,  und  mit  einem  Loche  behufs   des  Aufljängens  versehen. 

Es  mag  übrigens  hier  daran  erinnert  werden,  dass  Hallstatt  für  dortige  Gegend 
die  frühe  Eisenseit  repräsentirt 

Aus  Mahren  tou  einem  Gräberfeld  bei  Selowitz  erwähnt  Karl  Wein  hold 
la  ^Die  heidnische  Todtenbeslaltung  in  Deutschland**  Ohrringe  Ton  Bronze  und 
Zinn  (?},  die  mit  mancherlei  Eisenstücken  etc.  dort  Torkommeo;  Sitzungsberichte 
d.  phil-hist  Classe  d.  Kais.  Akad.  d.  Wissensch.,  Wien  1859,  Bd.  30,  Heft  2,  S   191. 

In  der  Original mittheilung,  Sitzungsber.  pro  185^,  Bd  12,  S.  4S0/81,  beisst  es: 
^Ohrringe  aus  Blei  oder  Zinn,  die  zu  einer  aschgrauen  Masse  geworden,  die  wie 
halb  gebrannter  Topferthon  sehr  leicht  bricht*;  dies  passt  allerdings  gut  auf  die 
völlig  oijdirten  Zinnsachen.  Das  Grabfetd  enthielt  2  oder  3  Graber  lagen  über- 
einander; wie  es  scheint,  fanden  sich  die  Ohrringe  (von  1—2  Zoll  Durchmesser 
and  2  —  3  Linien  Dicke)  in  allen  3  Schichten;  als  Beigaben  sind  ausserdem  er- 
wähnt: Glasperlen      In  die  Bronzezeit  reicht  wokl  keins  der  Gräber  hinauf. 

Aus  der  Schweiz 

werden  Ton  Hermann  Genthe  in  seiner  Schrill:  üeber  den  etruskischen  Tausch- 
handel nach  dem  Norden,  Frankfurt  a.  lA*  1874,  3  Gräberfunde  erwähnt,   nämlich: 

a)  S.  48,  Bronzenadein  von  Murzelen  (Canton  Bern)  mit  dreitheiligen  Bern- 
steinknopfen.  an  denen  zinnerne  Platten  und  Stifte  eingelegt  sind,  aus  einem 
Frauenskeletgrabe  der  Eisenzeit;  citirt  nach;  G.  de  Bonstetten:  Recueil  d^anti^ 
quites  Suisses  (1855),  S.  30,  und  Taf,  VI,  U,  wo  der  betreffende  Grabhügel  der 
Helvetisch -Römischen  Periode  zugetheik  wird;  Bonstetten  erwähnt  übrigen« 
die  Zinneinlagen  nicht. 

b)  Aebniiche  Nadeln  wurden  gefunden  in  einem  Hügel  bei  TrüUikon  (Can- 
ton Zarich), 

c)  S.  131,  an  einer  Haarnadel  von  Sitten  im  Wallis  aus  einem  Steinkisten* 
grabe  mit  Skelet  ist  der  Knopf  mit  Stiften  eines  oxydirten  Metalles  verziert, 
das  Genthe  für  ZTnn  hält;  daneben  fanden  sich  offene  Hals-  und  Arm-fiinge  and 
andere  Beigaben,  sämmtlicb  ans  Bronze. 


(94) 


Der   Kaukasus 

lieferte  Hru.  Ernest  Chuatre  in  LyoD  einige  Gegeostatide  aus  ireüBiP,  morschem 
(friable)  Metall,  das  dieser  Forscher  in  Folge  einer  gefälligen  MitthciJung  des  Fräul. 
Mestorf  ober  meine  Beobachtungen  in  Bezug  auf  Zinoobjecte  ebenfalls  als  Zinn 
erkannte.  Uie  Sat-ben  stammen  von  Koban  am  Fusse  des  Kasbek,  also  von  dem- 
selben Graberfelde,  das  Hr.  Geh,  Ratb  Vircbow  kurz  nach  ihm  untersuchte,  und 
welches  des  letzteren  Beobachtungen  zu  Folge  Begräbnisse  der  späten  Bronie-  oder 
der  frühen  Eisen^Zeit  enthält  (Zeitschr,  für  Ethnol.  XIII,  Verb.  1881,  S.  418;  XIV, 
Verb.  1882,  S.  llü);  es  sind  Knöpfe  und  eine  Art  kleiner  Rädchen  oder  durch- 
brochener Scheiben  aus  Zinn. 

Nach  Ansicht  besonders  der  französischen  Forscher  kam  das  in  Aegypten  schon 
zur  Zeit  der  vierten  Dynastie  (3600  v.  Chr.)  zu  Bronzen  verwendete  Zinn  aus  dem 
Kaukasus;  siebe  F,  Lenormant,  Die  Anfange  der  Kultur  1,  S.  97  E  {Jena  1875); 
Du  freue:  Etüde  sur  Fhistoire  de  la  production  et  du  commerce  de  r^tain,  p.  22 
und  34  (Paris  1881);  Germain  Bapst:  rorfevrerie  d'ctain  dans  Tandquite,  in  der 
Revue  archeologique  vot  XIJII  (Paris  1882),  K.  E.  von  Baer  dagegen  bestreitet  das 
Vorkommen  von  Zinn  in  Georgien  und  Armenien .  Zinnmineo  und  alte  einheimi- 
sche Zinnwaareniodustrie  finden  sieb  aber  nach  ihm  in  der  persischen  Landschaft 
Chorasäö,  also  in  verbalt  nissmassig  grosser  Nabe  des  Kaukasus  ^  auch  der  bergige 
Theil  des  Gebietes  der  Teke-Turkmenen  liefert  Zinn  (Archiv  f.  Anthrop,  IX,  1876), 
S.  264 /*>5;  K,  E,  v.  Baer  in  der  Abhandlung :  Von  wo  das  Zinn  zu  den  ganz  alten 
Bronzen  gekommen  sein  mag?). 

Damit  scbliesst  die  Reihe  der  mir  bekannt  gewordenen  älteren  Gräberfunde 
von  Zinn;  vom  Kaukasus  und  dem  zweifelhaften  Selo witzer  Falle  abgesehen j  sind 
es  nur  11,  nämlich  3  aus  Jutland,  1  aus  Schleswig,  1  aus  England,  3  aus  Hallstatt 
UDd  3  um  der  Schweiz;  für  Hallstatt  sind  hierbei  allerdings  die  Spiralringe  sub  - 
als  ein  F"uud  aufgefasst,  während  sie  sieb  vielleicht  auf  mehrere  Gräber  vertheilen. 
Im  VerbältnisH  zur  uageb euren  Menge  aller  Orten  untersuchter  Gräber  Ist  diese 
Zahl  verschwindend  klein  und  da  Zinn  in  Funden  anderer  Art  entschieden  häufiger 
vorkommt,  so  muss  man  sich  doch  fragen,  ob  dieses  Metall  wohl  wirklich  in  Grä- 
ber so  überaus  selten  niedergelegt  sein  mag,  oder  ob  es  nicht  vielmehr  bei  den 
Ausgrabungen  zu  wenig  beachtet  wurde.  Es  ist  wohl  nicht  blosser  Zufall,  dass  ich 
auf  einem  so  eng  begrenzten  Gebiete,  wie  die  Insel  Amrum,  und  bei  nur  16  ge- 
öffneten Griibcrn  in  Form  von  Steinpackungen,  die  sich  auf  9  Hugel  vertbeilten, 
nicht  weniger  wie  4  Mal  (in  4  verschiedenen  Bergen)  Zinn  angetroffen  habe  und 
darunter  A  Mal  als  selbständtges  Geräth;  ich  glaube  vielmehr,  dass  die  Anwendung 
des  Zinnes  überhaupt  und  die  Verwendung  von  Zinnobjecten  zu  Beigaben  eine  viel 
allgemeinere  gewesen  ist,  als  die  obige  Aufstellung^  schliessen  lässt,  dass  sich  aber 
diese  Dinge  bei  den  Ausgrabungen  der  Aufmerksamkeit  entzogen,  weil  sie  ihr  me- 
tallisches Aeussere  verloren  haben,  die  entstandene  Zinosäure  geringen  Zusammen- 
bang zeigt  und  die  Objecte  also  leicht  zerstört  werden. 

Dass  die  Vergänglichkeit  des  Zinnes  die  Ursache  seiner  Seltenheit  in  alten 
Funden  sei,  haben  schon  andere  Forscher  ausgesprochen;  Schtiemann  sagt  Ilios 
S.  684,  dass  die  in  Novum  llium  gefundenen  Gemmen  immer  ohne  Ring  (Fassung) 
angetroffen  werden  und  erklärt  dies  dadurch,  dass  sie  in  Zinn  gefasst  gewesen,  ^wel- 
ches Metall  verseh windet,  ohne  eine  Spur  zurückzulassen.**  Dies  ist  natürlich  voai 
Standpunkte  des  Chemikers  aus  nicht  richtig,  da  das  Zinn  vielmehr  in  die  aulös- 
licbe  Zinnsäure  i'ibergeht»  aber  praktisch  genommen  ist  das  Re^ltat  dasselbe;  denn 
wenn  wirklich  die  Fassung  der  Gemmen  aus  Zinn  bestand,  so  koimte  dieselbe  nach 
ihrer  voUstänfligen  Oxydation  unmöglich  als  solche  erhalten  bleiben,  sondern  musste 
zerbröckeln  und  verloren  geben* 


I 
I 


^ 


(BS) 

Auch  Bapst  schreibt  a,  a,  0,  p.  23G/37  das  Fehlen  der  Ziunsachen,  selbst  aus 
griechischer  und  römischer  Zeitj  in  den  Museen  der  gleichen  Ursache  zu,  da  doch 
eine  ZionwaareniDdustrie  z»  B.  in  Italien  nachweislich  bestanden  habe  (Spiegel-Fa- 
brikation u.  s.  w.). 

Im  Anscbluss  an  die  älteren  Gräberfunde  will  ich  aus  späterer  Zeit  anführen; 

a)  10  Schläfe  Dringe  aus  3  slavischen  Gräbern  von  Slahoszewo  bei  MogUno 
10  Pösenj  W.  Schwartz,  Verbands  der  Berf,  Ges,  f,  Anthrop.  etc.  1878,  S.  276; 
1879,  S.  378;  Tiedemann  ibid.  18S1,  S.  358/59;  siehe  auch  Schwartz:  Materialien 
zu  einer  prahlst  Kartographie  d.  Prov.  Posen,  Nachtrag  T,  S,  10;  II,  S.  13;  IV,  S*  5. 
Geb.  Rath  Virchow  publicirte  eine  Analyse  Salkowski's,  wonach  ein  solcher 
Ring  bestand  aus  G9  Tbl.  Blei  und  31  Zinn  (Verb.  1878,  S.  276/77);  Tiederaann 
spricht  desshalb  auch  mit  Recht  nur  von  bleiernen  Ringen  oder  solchen  aus  Blei- 
tDischuDg,  nicht  von  zinnernen. 

b)  einen  zinnernen  Teller  mit  Eisenreif  im  Rand  aus  einem  fränkiscbeii  Grabe 
bei  Wiesbaden;  Wiesbadener  Museum  Nr.  1*^38  nach  gef.  Mittheilung  des  Hrn. 
V*  Cohausen.  I>u&  Metall  ist  suhon  stark  oxydirt,  in  Folge  dessen  leicht  aerreib- 
licb,  grau  und  mit  weisser  Kruste  überzogeo;  es  enthält  etwas  Blei 

Ziniij  da»  nicht  aas  Oräberu  btatnmt. 

Die  grössere  Zahl  der  alten  Zinnsachen  rührt  nun,  wie  bereits  bemerkt,  nicht 
aus  Gräbern  her,  sondern  gehört  theils  Äloor-  und  Giesserei-Funden  an,  hauptsäch- 
lich aber  den  schweizer  Pfahlbauten;  von  einigen  wenigen  habe  ich  bisher  die  Fuod- 
umstände  nicht  ermitteln  können» 

Moorfunde  giebt  es  aus  Schweden,  Däßemark»  Irlami  und  Pommern  jo  einen; 
Giessereifunde  kenne  ich  aus  Schottland  und  Siebenbürgen  ebenfalls  je  einen* 

In  der  Schweiz  lieferte  vornebmiich  der  Neuenburger  See  eine  ganze  Anzahl 
Produkte  einer  höchst  eigentbümlichen  Industrie,  nämlich  mit  Stanniol  belegte 
ThoDwaaren^  die  in  an  sonst  nur  noch  in  den  benachbarten  Bieler  und  Mur  teuer 
Seen,  im  Genfer  See  und  im  Lac  du  Bourget  in  Savoyen  angetroffen  bat.  Aber 
auch  andere  Zinnartikel  sind  in  den  Pfahlbauten  gehoben,  besonders  kleine  Schmuck- 
sachen. 

Was  mir  sonst  an  Zinngegenstäuden  bekannt  gewordeu,  vertheilt  sich  auf  Däne- 
mark, England,  Irland,  Ostpreussen,  (Böhmen),  Italien. 

Ich  werde  in  der  folgendem  Aufzählung,  wie  oben,  nach  Ländern  vorgehen  und 
mit  dem  Norden  beginnen, 

Schweden, 
Liingbro,    Sodermanland ;    Ein    lerbrochener  510  (^  schwerer  Ring  aus  Zinn, 
neben  7  Habriugen  mit  wechselnder  Torsion,  4  doppelten  Spindringen  mit  Endöhse, 
3  Hohlcelten    und    anderen  Bronaen   1,5  w*  tief   im    Moor    gefunden,    der  jiingeren 
Bronzezeit  oder  dem  Ende  derselben  angehtirig. 

Die  Analyse  ergab  nach  Mittheiiung  von  Frl.  Mestorf:  96  Zinn,  4  Blei  -  lOO, 
0.  Montelius:  Antiqu.  Sui^doises;  description  Nr.  144.     Stockholm  1>573— 75, 

Dänemark*), 

Baarsc,  Amt  Praesto,  auf  Seetand:  Spjralring  von  eigenthümticher  Biegung, 

auB  einem  Moor,   Kopenhagener    Museum  No.  3725.     Hr.  Dr,  O.  Tischler,    dem 

ich  diese  Mittheiiung  Tierdanke,  schreibt  mir  darüber:  er  ist  nahe  verwandt  mit  den 

Spiralringen  aus  Hallstatt  (mit  einer  mittleren  Oehse)  und  so  herzu  siel  Jen,  dass  maq 


1 


1)  Siehe  Nachtrag« 


(96) 

eine»  DraLt  ao  eiüem  Emle  umbiegt,  bo  dass  2  ungleiche  Scheukel  entstehen,  den 
Doppeldrabt  Bpiralig  iiufwickelt,  so  dass  die  Of^bse  au  der  ümbiegungdsteÜe  den  Ao- 
fang  Litdet,  und  nach  7«  WinduDgen  des  Doppeldrahtes  den  einfachen  Draht  noch 
4  Windungen  machen  läast.  Diese  Spiralringe  mit  Endohse  sind  meist  im  ganzen 
Verlauf  aus  Doppeldrabt  gebildet  etc.,  wie  z.  B.  die  goldenen  bei  Worsaae,  Nordiske 
Oldaager,  Kopenhagen   1859,  No.  246  und  250, 

Die  beiden  Formen  der  Ringe  mit  Mittel-  und  Endöbse  scheinen  gleichzeitig 
aufzütretea^  aus  Bronze  fanden  sie  sich  zusammen  mit  obigem  Zinnringe  von  Liing- 
bro  in  Schweden  (Montelius,  Fig-  243.). 

Siehe:  0,  Tischler;  Beitrage  zur  Kenntniss  der  Steinzeit  in  Ostpreussen  und 
den  angrenzenden  Gebieten,  Königsberg  1882,  S.  (18);  Separatabdr.  aus  den  Schrifteo 
der  phye,  ocon.  Ges.,  Jahrg.  23,  S.  M.  Vergleiche  ijbrigens  auch  M.  Mucb:  Baugen 
und  Ringe  (Mittheilungen  der  Anthropologe  Gesellschaft  in  Wien,  Bd.  \\  S,  89); 
Much  hält  ^Iche  Spiralen  für  Geldringe. 

Ruthsker  Sogn  auf  Bornholm:  Im  Kopenhagener  Museum  befindet  sich  unter 
Nn  B  564,  wie  Frl,  iMestorf  mir  mittheilt,  ein  importirtes  Schwert  aus  Ita- 
lien, bei  welchem  die  Füllung  des  Griffes  von  Zinn  oder  Blei  zu  sein  scheint;  ab- 
gebildet bei  Sophus  Müller:  die  nordische  Bronzezeit  und  deren  Periodentheilung, 
Jena  1878,  S,  16,  Fig.  13,  Siehe  aucb  Äntiqvarisk  Tidskrift  f»>r  Sverige,  Stockholm, 
Bd.  Ilf,  S.  208, 

Ich  nehme  ao,  dass  es  nicht  aus  einem  Grabe  stammt,  da  MuUer  S.  17  sagt: 
von  den  fremden  und  eingeführten  Schwertern  ist  nur  eines  nachweislich  in  einem 
Hijgel  gefunden;  Alle  übrigen  in  Alooren  oder  unter  einem  Stein. 

Schottland. 

Äclitertyre,  Morajshire:  4  Zinnfragmente,  wie  es  scheint,  eines  Barren  Ton 
15^4  <^i  Länge,  etwa  85  g  Gewicht,  mit  ovalem  Querschnitt  und  etwas  gebogen, 
bestehend  aus  78,66  Zinn,  21,34  Blei,  schmelzbar  bei  185**  C.  Die  Stucke  wurden 
mit  verschiedenen  Bronzesachen  (Schaftcelten,  Lanzen,  Armbandern)  zusammen  ge- 
funden und  gehören  zu  dem  Vorrath  eines  Giesser^.  Es  ist  zweifelhaft,  ob  man 
es  hier  mit  ^Loth**  zu  thun  hat  oder  nur  nait  unreinem  Zinn;  alle  in  Schottland 
gefundenen  Bronzeinstrumentc  enthalten  Blei  in  verschiedener  Menge.  —  Dies  ist 
der  einzige  Zinnfund  aus  dem  Vorrath  eines  Bronzegiessers  in  Grossbritannien^ 
von  dem  Evans  weiss,  während  Kupfer  häufig  vorkommt. 

John  Evans:  Bronze -Iroplements,  p,  425,  citirt  nach  Froc.  Soc.  Antiq,  Scotl. 
voL  IX.,  p.  435. 

Bogland. 

Gornwall,  Falmouth:  im  Hufen  aufgefischt  ein  grosaer  Barren  ^  fast  72% 
schwer,  89  am  lang,  28  breit  und  7,6  dick.  Seine  eigeotlmmliche  Form,  die  mit 
den  Angaben  des  Diodorua  Siculus:  bibliotheca  historica  üb,  V,  cap.  22  iiberein- 
etimmen  soll^  berechtigt,  ihn  ala  alt  anzusehen;  Evans  L  c.  p.  426,  Fig.  514,  citirt 
nach  dem  Archaeological  Journal  vol.  XVI,  pag.  39, 

Andere  in  Cornwall  gefundene  Barren  hält  Evans  in  Bezug  auf  ihr  Alter  nicht 
für  sicher  genug. 

Wibel:  Cultur  der  Bronzezelt,  S.  42  erwähnt  noch  3  Funde  aus  Cornwall; 
einer  deriäelbeu  mt  jedenfalls  ziemlich  jungen  Datums  und  Qber  die  beiden  anderen 
herrscht  Ungewissheit;  Evans  erwähnt  dieselben  gar  nicht  in  seinen  „Brouze-lm* 
plemeots^;  ich  will  indessen  hier  die  Einzelheiten  geben. 


pr 


Der  erste  Fund  betrifft  2  Schalen,  obeo  4*/.^,  Zoll  und  iiTiten  2^j^  weit,  aus 
Xinn  von  V30  ^^^1  Stiirke,  die  eine  luitj  die  andere  ohne  Henkel;  letztere  an  der 
Innenseite  des  Bodens  mit  einer  römischen  Widmung  versehen;  und  ferner  einen 
zinnernen  Krug  mit  Henkel;  alles  3  wurde  zusammen  mit  anderen  Dingen  in  dem 
Brunnen  einer  romischen  befestigten  Ansiedlung  zu  Bossen s,  8t,  Erth,  nord- 
»^stlich  von  St.  Michaels  Mouat  gefunden;  William  Borlase  in  Philo?^ophical  Trans- 
actioQS  für  1759  (London  1760)  voL  51,  P,  1,  p,  13  und  15,  PL  I.,  1,  2;  sowie 
p.  \S  und  Fig.  3.  Siehe  aach  Daniel  Wilson:  The  archaeology  and  prehistoric 
annals  of  Scotland,  Edinburgh  1H51,  p.  197. 

Ich  will  hier  nur  darauf  aufmerksam  raachen,  dass  englische  Ziangefässe  mit 
ronftischen  Inschriften  mehrfach  bekannt  sind,  so  von  Southwark,  London;  Ickliug- 
toD,  Snffolk;  fiambridgeshire;  siehe  Emil  Hühner:  Corpus  inecriptionum  latiuarum 
voL  VJI  (1873),  No.  1270  u.  71. 

Der  zweite  Fund  ist  ein  Zinnbecher  eigenthumlicher  Form,  gefunden  171>3 
beim  Suchen  nach  Zinn  in  einem  Seifenwerk  Hallivick;  Archaeologia,  London  1812, 
vol.  XVI,  p.  137  und  Tat  IX.  Sichere  Anhaltspunkte  für  das  Alter  dieses  Bechers 
fehlen  wohl;  D.  Wilson:  Archaeology  of  Scotland,  p.  197  hält  ihn  für  alt,  da  er 
mit  einem  Broniering,  der  offenbar  britische  einheimische  Arbeit,  zusammen  ge- 
funden sei;  dies  ist  jedoch  ein  Irrtlium,  da  der  Bronzering  (Archaeologia,  p.  137, 
TaL  X.)  im  Jahre  1802  im  Seifenwerk  Trenoweth  aufgelesen  wurde.  Wilson  be- 
merkt übrigens  au  dieser  Stelle:  It  seems  surprising  that  relics  formed  of  the  most 
abundant  native  metal«  tiu^  should  not  be  fouud  in  the  tumuli. 

Der  dritte  bei  Wihel  erwähnte  Fand:  eine  Art  Barren  oder  Gussfladen 
(,a  rüde  smelted  block  of  tin^,  wie  es  im  Ofticial  descriptive  catalogue,  International 
Exhibition,  London  1851,  voL  L,  p.  165  heisst)  aus  alten  verlaesenen  Zinngruben 
voQ  Ladock  bei  Trum,  Cornwall,  wird  zwar  (Reports  by  the  Juries,  Class  I,  Mining 
inetallurgical  Operations  etc.j  p.  12)  als  verniuthlich  von  den  Phöniciern  herrührend 
bezeichnet,  doch  fehlen  bestimmte  Angahen,  welche  wahrscheinlich  machen,  dasg 
jene  Gruben  aus  vorcbristHcher  oder  vorromischer  Zeit  stammeu  und  seitdem  un- 
benutzt  geblieben;  nach  E.  Hey  er  (a.  a.  0.  8,  500)  war  früher,  selbst  bis  ums  Jahr 
1200  n*  Chr,  Devonshire  der  Hauptproductionsplatz  in  England  und  Com  wall  gewann 
erst  später  die  Oberhand. 

Devonshire:  Die  berühmte  Kent höhle  bei  Torquay  lieferte  nach  Baer- 
Hellwald:  Der  vorgeschichtliche  Mensch,  2.  Aufl.,  Leipzig  1^80,  S,  367,  Zinn- 
gusssachen neben  Kupferschmuck  und  Kupferfladen.  Dieses  Vorkommen  würde 
»ehr  interessant  sein,  allein  in  den  officiellen:  Reports  of  the  committee  for  explo- 
ring  Kents  cavern  (aus  den  Reports  of  the  meetings  of  tbe  British  Association  for 
the  advaneement  of  science,  for  1865  —  1880,  London),  findet  sich  nichts  darüber, 
auch  in  den  Cavern  Researches  von  J.  Mc.  Enery,  edited  by  E,  Vi  vi  an,  London 
1859,  ist  dieser  Fund  nicht  erwähnt  und  ebensowenig  von  R*  A.  C,  Austen  in 
seinen  Mittheilungen  über  Kents  Hole  (Transactions  oF  the  Geological  Society  of 
London,  second  series,  voL  VI,  1842.  p.  444  (46).  Die  Angabe  entstammt  daher 
wohl  einer  minder  zuverlässigen  Quelle  und  das  Vorkommen  von  Zinn  in  der  Höhle 
kann  einstweilen  nicht  als  sicher  festgestellt  gelten. 

Lincolnshire:  Zlnnlothung  an  einer  gehämmerten  Bronzetrompete  viel- 
leicht aus  der  Zeit  kurz  vor  der  römischen  Invasion  Englands,  gefunden  Im  Flusse 
Witbara;  Evans  1,  c.  p.  363;  Philosoph.  Transact,  London  1796,  p.  398,  Fl  XI,  1; 
John  M.  Kcmble:  Horae  feralea,  p.  171,  T&f.  XÜI,  2,  London  1863, 

VerÜtQdl.  der  B«rl.  AntLrupoL  Ge»<)llS4:h»ri   USi.  7 


») 


J.  W.  Mall  et  keuDt  ausser  zweieo  der  tod  Wibel  aDgefübrleii  noch  folgeo- 
deD  Fuod  tod  EDgland: 

£b ehester,  Co.  Durham:  eine  bedeotende  QuaDtität  gescbmoUeDeo  Metalls, 
das  mad  anfangs  für  Silber  hielt,  das  aber  sich  spater  als  „pewter**  erwies;  wie  es 
scbeiot,  lag  das  Metall  uoter  einem  geoiauerten  FuDdament  \n  einer  romisctien 
NiederlasöUDg;  J.  W.  Mallen  Äccouot  of  a  cbemical  examinatioD  of  the  celtic  auti- 
quities  in  the  collection  of  the  Royal  Irish  Acadenay,  Dublin  1852,  (Göttioger  [o- 
aiigural- Dissertation),  p.  32;  citirt  nach  den  Philos.  Transact  für  1702  und  1703, 
London  1704.  vol.  XXIII,  p.  1130. 

Fewter  ist  ein  durch  Zusatz  geringer  Mengen  anderer  Metalle  gehärtetes  Zinn, 
eine  Zinnlegirung  mit  Blei  und  ein  wenig  Kupfer,  Antimon  oder  Wismuth  und 
yielleicbt  auch  Zink, 

2  Barren  aus  „pewter**  oder  Zinn  vom  Jahre  382  n.  Chr  mit  romischen 
Stempeln  sind  »«geführt  im  Corpus  inscriptionum  latioarum  VII,  Nr,  1221;  dereine 
ist  7  Zoll  laug  und  4  breit  und  wiegt  44  Unzen,  der  andere  ist  SYs  Zoll  lang  und 
4V?  breit  und  wiegt  11 0^/4  Unzen. 

Ueber  angeblich  verzinnte  Bronzccelte  siehe  Evans  a.  a.  0,  p,  55 — 57 j  Evans 
hält  die  Anschauung  nicht  für  richtig. 

Dagegen  erwähnt  er  p.  426  und  445,  dass  die  alten  Briten  in  Kent  und  Um- 
gegend (um  die  Zeit  vor  Christi  Geburt,  d.  b.  schon  in  der  Eisenzeit)  Zinnüaünjsen 
in  hölzernen  Formen  gössen.  Näheres  hierüber  siebe:  J.  Evans;  The  coins  of  the 
aucieut  ßritous,  London  1864,  p.  123--126.  Auch  gallische  Münzen  aus  demselbea 
Material  sind  in  Euglaud  gefunden. 

Zinngeld  soll  Dionysioa  der  Aeltere  (etwa  400  v,  Chr.)  die  Syracusaner  genothigt 
haben,  statt  Silber  anzunehmen;  Poilux:  Ouomasticon,  0  79.  Ob  wohl  jemals  der- 
artige MGozeu  gefunden  und  analysirt  sein  mögen? 

In  China  war  Geld  aus  Zinn  lange  vor  der  christlicben  Zeitrechnuog  ebenfalls 
gebräueblich;  Bapst  a,  a.  0.  p.  226,  Note  4. 


I 


Irland. 

Aus  einem  Sumpf  bei  Cullen,  Tipperary^  ein  Bronzesch wert,  in  \velche& 
ein  Stück  „pewter**  eingelegt  war^  das  wiederum  Kupfer  (Bronze ?}-Streifen  als  Ein- 
lagen enthielt« 

Evans,  Bronze  Imp*  S.  296  nach  der  Archaeologia  voL  III,  p,  365  (London  1786). 

Den  Kern  eines  Ringes,  der  nach  Mallets  Analyse  aus  reinem  Zinn  be- 
steht, führt  F.  Wibel;  Cultur  der  Bronzezeit^  Tabelle  5,  auf;  ob  das  Stuck  aus 
der  Bronzezeit  stammt,  lasst  er  traglicb,  Mallet  setzt  es  aber  in  dieselbe  Zeit,  wie 
die  iibrigen  älteren  ßronzesachen  des  Museums  der  Royal  Irish  Acaderoy,  Dublin; 
fiber  die  Fundumstaude  wird  iadess  nichts  mitgetbeilt  Der  Zinoring  war  die  Aus- 
füllung eines  hohlen  Bronzeringes  von  4'/»  Zoll  Durchmesser  uud  \i^  Zoll  Dicke; 
er  war  zum  Tbeil  mit  einer  Schiebt  Zinnsäure  bedeckt.  —  Evans  erwähnt  den 
Gegenstand  nicht, 

Mallet  a.  a.  0.  p,  32  und  33. 

Pommern 

lieferte    den    einzigen  Gegenstand    von  Bedeutung    aus   Deutsch land.     Im  Stettinef" 
Museum  beinden  sich  3  Stücke  eines  ^Barreo^  uus  reinem  Zinn,  im  Ganzen  15  cm 
lang,  4  mm  breit,  mit  gestreiftem  Ornament  (Jouruabummer  1703);   dieselben 
lagen  in  einem  Moore  bei  Ziegenberg  bei  Colberg  zusammen  mit  kleinen  Bronze- 


I 

I 


ringen  und  2  Armsplrajen  au«  Doppeldrabt  mit  einer  Eodöbse,  die  anderen  Enden 

verschlungen,  nebst  2  Bernstein  perlen  an  der  einen  Spirale.  (Jahresbericht  44  der 
Gesellscbßft  für  Pommericbe  Geschichte  und  Alterthutnskunde,   L  II,  Januar  1882, 

^S.  106,  laO,  und  Fig.  2  der  Hthog,  Tafel.) 

Der  Name  ^ Barren*^,  für  so  kleine  Stäbchen  an  sich  wenig  geeignet,  passt  für 

[diesen  ornanaentirten  garnicht,  Dr.  O.  Tiscbler  in  Königsberg  halt  die  Stücke 
für  Theile  eines  ringartigen  Schmuckes;  das  Ornament  besteht  nach  ibxn  aus  Strich- 
reiben, die  in  Intervallen,  ihre  Richtung  wechijeln,  eine  Ornameutatioo,  die  in  der 
jiingereu  Bronzezeit  Yorkommt,  wie  bei  den  Halsringen  mit  wechselnder  TorsioD 
(Briefliche  Mittheilung). 

Vergleiche  das  ornamentirte  Armband  aus  dem  Lac  du  Bourget^  Savoyen,  und 
den  Ring  aus  dem  Murtener  See. 

I  Ostpreussen 

besitzt  in  der  Sammlung  des  Hrn.  Th,  ßlell  auf  Tiingen  bei  Wormditt  einen 
Gegenstand  aus  der  Bronzezeit  mit  Zinnlöthung.  Daselbst  beendet  sich  ferner 
das  Obertbeil  eines  pokalartigen  zinnernen  Gefässes  mit  Deckel,  aus- 
gegraben in  Workellen,  dem  Hr.  Blell,  weil  es  fast  ganz  oxydirt  ist  ein  hohes 
Alter  zuschreibt.  Ob  dasselbe  in  einem  Grabe  gelegen,  ist  nicht  ermittelt;  der  Form 
Dach  mochte  ich  das  Stück  nicht  sebr  weit  zurückdatiren,  die  starke  Oxydation 
kann  auf  grosser  Dnrchliisäigkeit  des  Erdreiches  oder  dergleichen  beruhen;  das 
Original  selbst  habe  ich  übrigens  nicht  gesehen. 

Die  im  Wiesbadener  Museum  befindlichen  3  oder  4  Löffel  aus  Zinn  (einer 
vielleicht  aus  Blei)^  Nr.  6874/7,  und  8  aus  Weissmetail  sind  wohl  römische; 
fiber  die  Fundumstaode  ist  nichts  bekannt.  Weissmetall  dieser  Art  von  einer  auf 
der  Saalbürg  bei  Bomhurg  gefundenen  armbrustformigen  Gewandnadel  ist  von 
Fresenius  und  Souchay  analyeirt  und  besteht  aus  75,71  Kupfer,  (>,97  Zinn, 
16,41  Blei,  0J4  Zink,  0,17  Eisen  =  100;  Nassauische  Annalen  XII,  1873,  323; 
vergleiche  unten  bei  Böhmen;  diese  weisse  Bronze  bewahrt  nach  Hrn.  v.  Co- 
hausen  häufig  im  Gegensatz  zu  gewöhnlicher  Bronze  sehr  schön  eine  blanke  Ober* 
flache;  sie  findet  sich  öfters  unter  den  Gewandnadeln  der  späten  Römer-  und 
Frankenzeit,  i^owie  unter  den  Schnallen  und  Gürtel  beschlagen  der  letzteren. 


Böhmen. 


I,  ..„.........__,.,. 

tischen   Münzen  aus  Potin,  d.  h.  etner  Art   Weisi^nietaü  aus  Zinn  und   Blei  mit 

(etwas)  Kupfer,  geboren  der  Zeit  der  la  Teoe-Culturj  etwa  um  Christi  Geburt,  an. 

Potin,  eigentlich  TopfroetalJ,    scheint    eine    etwas  schwankende  Bedeutung  zu 

■^ben;  wurde  es  überall  mit  Weissmetalj  identisch  sein,  so  konnte  es  wohl  sehr 
▼erscbiedene  Legirungen  bezeichnen,  z,  B,  ein  Hartmetall  aus  Kupfer  und  Zink  mit 
einem  Zusatz  von  Blei  oder  Zinn;  oder  Zbk  mit  etwas  Zinn  und  wenig  Kupfer, 
oder  Zinn  mit  etwas  Antimon  und  wenig  Kupfer;  oder  Zinn  und  Blei  mit  Antimon. 
Die  Numismatiker  scheinen  indes«  im  Altgemeinen  unter  Potinmünzen  solche  zu 
verstehen  aus  minderwerthigem,  verfälschteiD  Silber,  ohne  Rücksicht  auf  die 
anderweitigen  BestandtheiJe,  und  zwar  vorzugsweise  die  ägyptischen  Kaieermünzen 
aus  Alexandrien  von  Auguetu«  bis  Diocletian. 

■  Ingvald  Undset:  Das  erste  Auftreten  des  Eisens  in  Nord-Europa^  S.  48  (Harn* 
bürg  1882).  W.  Osborne:  Mittbeiluogen  der  Anthropol.  Gesellsch.  in  Wien,  Bd.  X, 
S.  241  und  Taf.  I,  5. 

7* 


(100) 


Siebenbürgen, 

Bei  Hammersdorf  faodeD  sich  in  einer  uoit  Lebm  ausgeschlagenen  )cesBe]- 
lutigen  Vertiefung  auf  einem  Acker  über  8  Ceotner  Bronze  und  Kupfer  zum  Tbeil 
verarbeitet,  aber  über  6  Centner  davon  an  Bronze  nnd  Rohkupfer  als  Gussfladen 
lind  Barren j  letztere  von  $  —  9  Zoll  Durchmesser  und  höchstens  1  —  2  Zoll  Dicke 
(Depot  eines  MetallarbeiterB).  Neben  diesem  Metall  fand  sich  eine  kleinere 
Menge  reinen  Zinns,  in  kleinen  Stückchen,  ursprÜD glich  wohl  sogenanntes  Körner- 
zinn, wie  es  auch  jetzt  noch  in  besonderer  Reinheit  im  Haudel  vorkommt;  die 
Stückchen  waren  in  der  Erde  tbeilweise  2ii&animen  gebacken.  Ausgerdem  enthielt 
der  Schatz  zwei  Stücke  unbekannter  Bestimnaung  ebenfalls  aus  reinem 
Zino,  deren  eines  in  Hermannstadt,  das  andere  im  Pester  National  in  useum  auf- 
bewahrt wird.  Das  Berraannstädter  ist  ein  auf  der  einen  Seite  ganz  Qacher,  auf 
der  anderen  an  den  Händern  abge^tchriigter  Stab  von  2  Zoll  4  Linien  Länge  und 
8  Linien  Breite  mit  etwas  hervortretenden  ebenfalls  sirh  abschräge ndrn  Armen  an 
beiden  Seiten,  im  Gewicht  von  etwa  2  Loth;  ähnlich  ist  dos  Pester  Stück;  sie 
haben  durch  Oxydation  gelitten.  Der  Fund  gehört  der  ungarischen  Bronze- 
zeit an. 

Ludwig  Reisse  nherger:  Der  neneste  archäologische  Fund  bei  Hammersdorf; 
Archiv  des  Vereins  für  aiebenbürgische  Landeskunde.  Neue  Folge  X,  Heft  1, 
1872,  S.  25,  27,  28  und  Taf.  iV,  22. 

Im  Pester  Museunj  befindet  sich  ein  cylin drischer  Bt^hälter  aus  Zina; 
näheres  über  die  Herkunft  des«elt>en  weiss  man  nicht  anzugeben,  halt  ihn  aber  für 
römisch;  derselbe  diente  vielleicht  zur  Aufbewahrung  von  ArÄueistoffen: 

K.  B.  Bofmann:  Zur  Geschichte  des  Zinkes  bei  den  Alten,  Leipzig,  S.  37 
(Separatabdruck  a«  d,  Berg-  und  Hitttenmännischen  Zeitung,  Jahrgang  41,  Nr.  46  bis 
51),  und  Privatroitthf^ilung. 

Die  Schweiz. 

Die  schweizerischen  Pfahlbauten  lieferten  die  grösste  Anzahl  von  Zinnfnnden 
aus  der  Bronzezeit  Papierdünne  Zinn  streifen  und  Fäden  sind  auf  dunkle,  schwach 
gebrannte  Thongefas>.e  gelegt  und  fest  angedrückt:  der  helle  Zinnbelag  gab  dann 
zura  Tbeil  recht  geschmackvolle  Muster,  die  sich  auf  der  schwärzlichen  Thoomasse 
schön  abhoben^  jetzt  mag  übrigens  das  Zinn  selbst  wohl  auch  gedunkelt  sein^ 
wenigstens  spricht  ßapst  a.  u.  0>  p.  229  von  einem  fragment  de  poterie  lacuetre 
sur  lequel  les  lanies  d'etain  noircies  par  le  terops  fönt  une  decoration  grecque 
des  plus  pures  sur  la  pause  du  vase.  —  F.  Keller  schreibt  diese  Art  Geschirr 
einer  „spateren  Periode",  also  wohl  dem  Ende  der  Bronzezeit  zu. 

Man  fand  in  den  Pfahlbauten  ausserdem  eine  Reihe  kleiner  Zinn  Stäbchen, 
die  verniuthlich  zur  Anfertigunjir  des  in  der  ebeu  geschilderten  Industrie  verwende- 
ten Stanniols  und  zu  anderen  Zinnwaaren  dienen  sollten,  nicht  zur  Brouzebereittiog. 
Endlich  wurden  auch  verschiedene  andere  Gegenstände,  besonders  Schm  tick  such  en 
in  l'orm  kleiner  Ringe  und  Radchen,  gehoben,  und  nach  einer  Mittheilung  des  Orn, 
öudset  (durch  gefällige  Vermittelung  des  Frävil.  Mestorf)  sind  bei  den  häutig 
vorkommenden  zusammeugesetzten  Bronzearmbandern,  deren  verschiedene  Ringe 
dtirch  einen  Stift  zusammengehalten  werdeu,  diese  Stifte  an  den  Bnden  faat 
immer  aus  Zinn. 

Neuen  burger  See: 

L  Hauterive:  Eine  Vogelfigur  aus  dunklem  Thon  mit  Zinnstreifen  belegt, 
wohl  ein  Spielzeug. 

Anzeiger  für  Schweizerische  Alterthum«kunde  1881,  Heft  2,  S.  134,  Tat  X,  5. 


I 


Ti 


2,  Auvernier:  2  flache,  vierspeichige,  duruh  ein  Quer baod  mit  einaader  ver- 
bundene Rad  c  Leo  niit  ZickzacklinieD  um  beiderseitig  abgeflachten  Reif,  sowie  eine 
21   an  lange  dünne  Hfiar-  oder  Gewand-Nadel  mit  grOBsem  Zinnküopf. 

Anzeiger  1881,  Heft  2,  S.  135,  Taf.  X,  4  und  2;  siehe  auch  V.  Gross:  Deux 
statioDB  Jacusties,  Moerigen  et  Auvernier,  Netiveviile  1878,  Taf.  YIL 

Ein  vierspe ichiges  Zinnrad  mit  orüamentirtem  Reif,  und  eine  Gewand- 
nadel  mit  Ziaovprzieruog  am  sehr  grossen  Kopf;  Mittheilungen  der  antiquarischen 
Geseüschaft  in  Zürich  XX,  Abtheiluug  I,  Heft  3  (Ferdinand  Keller  Pfablbau- 
bericht  8,  1879,  Taf,  VI,  12  und  Taf.  Vlü,   12). 

Hierher  gehört  ferner  eine  im  Jahre  188t?  von  Hrn,  Dr,  Gross  an  Hrn.  Geh, 
Rath  Virchow  gesandte  durchlöcherte  Leiste  oder  Platte,  die  nach  einer 
Analyse  des  Hrn.  Salkowski  aus  bleihaltigem  Zinn  besteht;  Yerbandl.  d,  Berl. 
Gesellscb,  f.  Anthrop.  1882.  S.  388. 

3,  Cortaillod:  Ein  schön  erhaltener  schwarzer  Teller  mit  Muster  in  Zinn- 
folie und  Fragmente  von  4  Tellern; 

Züricher  Mittheilungen  XIV,  Heft  G,  S.  174,  Taf.  Xllf,  1—5.  (Bericht  5, 
1863,  S.  46). 

Ferner  eine  prachtvolle  verzierte  Schale;  Mittheilungen  XV,  Heft  7»  S.  308, 
Tat  XVI,  L     (Beriebt  6,  1866). 

Endlich  ein  kleiner  offener  Zinn  ring,  an  dem  mehrere  dünne,  etwas  grossere 
Bronzeringe,  hingen,  nach  E.  Desor:  Anzeiger  1870,  Heft  4,  S.  187/89,  ein  sog. 
^porte-monoaie  lacustre",  bei  dem  der  Sammelring  aus  dem  gescbmeidigen  Zinn  her- 
gestellt; siehe  jedoch  H.  Genthe:  Etruskischer  Tauschhandel,  Frankfurt  1874,  S.  117. 

4,  Estavayer;  a)  eine  Art  Deckel  aus  Thou  mit  Oebr  mit  Zionhelag;  b)  der 
Hals  einer  Vase  aussen  uiad  innen  mit  Zinn  belegt;  c)  eine  prismatische  gehämmerte 
Stange  völlig  reinen  Zinna,  I8S  mm  läDg,  bis  zu  5  mm  dick,  im  Gewicht  von  15  g* 

Züricher  Mittheilungen  Xill,  Abtheilung  II,  Heft  3,  S,  ^3  u.  104,  Tafel  V,  40 
und  VII,  32  (Kell er *8  Bericht  3,  1860), 

d)  ein  offener  Zinn  ring,  an  dem  mehre  Broozeringe  hingen; 
Zürcher  Mittheilungen  XIX,  Heft  B,  Taf.  XVI,  9  (Bericht  7,  1876), 

e)  eine  Zinnstange.,  prismatisch^  5  Zoll  lang,  wie  es  scheint  nur  einige  MÜli- 
tneter  dick. 

Mittbeilongen  XIV,  Heft  6,  S.  175,  Taf.  XIV,  L     (Bericht  5  1863,  S.  47). 

f)  eine  Stange,  4  Zoll  lang,  */a  Unze  schwer  mit  angenShert  10  pCt.  Anti- 
mon Gehalt  und  Spuren  von  Blei  und  Kupfer. 

Prüderie  Troyon:  Habitations  lacustres  etc.,  Lausanne  1860,  p.  152;  die  Ana- 
lyse ist  von  Prof.  Bischoff  in  Lausanne;  die  Legirung  würde  in  die  Kategorie  der 
S.  99  bei  den  Böhmischen  Potinmünzen  aufgeführten  HartmetaüuiischungeD  gehören. 

Für  die  im  vorstehenden  aufgeführten  Zinnstäbchen  aus  den  Pfahlbauten  findet 
man  oft  den  Ausdruck  „Barren*  angewendet;  schon  Keller  hat  auf  das  On passende 
dieser  Bezeichnung  hingewiesen,  Anzeiger  etc.  1881,  S.  134. 

5,  Corcelettes:  a)  achtspeichige  Räder  aus  Zinn, 

Victor  Gross:  Station  de  Corceluttet*j  epoque  du  brooze,  Neuveville  1882,  p.  8 
und  Taf.  IV,  12. 

b)  ein  Thonbecher  (?)  mit  5  Reihen  paralleler  dunner  Zinnfaden,  deren 
Richtung  von  Reihe  zu  Reihe  wechselt;  die  Fäden  sind  mit  braun  gelbem 
Birkenbarz  aufgeklebt. 

Ibid.  p.  10  und  Taf.  I,  3. 

c)  ein  anderes  Thongefäss  mit  Zinnfaden, 
Ibid.  p.  10  und  Taf.  HI,  6. 


(102) 

6.  Pfahlbau  La  Tene  bei  Marin:  Gegossene  gallische  Potinmünzen  wie  die 
Tom  Hradischt  bei  Stradonic  in  Böhmen. 

(Keller»  Pfahlbaubericht  6,  1866,  S.  302  und  Taf.  XV,  35-37).  Auch  Baer- 
Hellwald:  Der  Torgeschichtliche  Mensch,  2.  Aufl,  1880,  S.  593.  £.  Desor:  Die 
Pfahlbauten  des  Neuenburger  Sees,  Frankfurt  1866,  S.  116/117  (und  Fig.  90)  spricht 
nur  Ton  Bronie  münzen,  scheint  aber  diese  Potinmünzen  zu  meinen. 

An  diesen  der  Eisenzeit  angehörigen  PCahlbau  schliesst  sich 

7.  einer  aus  derselben  Zeit,  zwischen  Cudrefin  und  Port  Alban  gelegen, 
in  welchem  das  yerzinnte  Mundblech  eines  eisernen  Dolches  gefunden  wurde. 

Zürcher  MittheUungen  XIV,  Heft  1,  S.  28,  Taf.  III,  7  (Bericht  4,  1861). 

8.  E.  Desor  erwähnt  (Materiaux  p.  Thist  de  Thomme,  Ann.  6,  p.  535,  PI.  XX, 
1)  ein  fünfspeichiges  Zinnrad  von  37  tum  Durchmesser,  mit  doppeltem  Reif,  aus 
dem  Neuenburger  See,  aber  ohne  nähere  Angabe  des  Fundortes. 

Im  Bieler  See  fanden  V.  Gross  und  ▼.  Fellenberg  bei  Finelz  einen  Zinn- 
block und  mit  Zinn  belegte  Topfwaare.  Dieses  Vorkommen  ist  um  so  inter- 
essanter, als  Finelz  eine  Kupferstation  ist,  indem  15  Artefacte  ans  reinem  Kupfer 
daselbst  gehoben  wurden. 

Corresp.-Blatt  d.  Deutschen  Ges.  für  Anthrop.  etc.  1882,  S.  100. 

Im  Murtener  See: 

Montellier:  ein  sehr  elegant  mit  Zinnstreifen  belegtes  Thongefäss. 

Zürcher  Mittheilungen  XV,  Heft  7,  S.  268,  Taf.  IV,  3  (Bericht  6,  1866). 

Femer:  das  Randstück  einer  Urne  mit  Reifen  Yon  Zinn, 

das  Bruchstück  eines  Ringes  aussen  mit  Gruppen  gerader  Linien  Ter- 
ziert»  deren  Richtung  wechselt;  dieser  Ring  erinnert  an  den  Stet- 
tiner cS.  98  und  99). 
ein  offener  Handgelenkring  aus  Zinn;  ibid.  S.  270,  Tat  V,  5,  8,  9. 

Von  der  Westseite  des  Sees,  zwischen  Schwab 's  Stationen  Ko.  10  (Bronze) 
und  No.  11  (romisch):  ein  Teller  Ton  Bronze  mit  Spuren  Ton  Verzinnung, 
ähnlich  denen,  die  in  gallo-römisehen  Ansiedlungen  gefunden  werden; 

Mittheilungen  XIV,  Heft  6,  S.  177,  Taf.  XV,  7.    (Bericht  5,  1S63,  S.  49). 

Genfer  See: 

Ouchv  bei  Lausanne:  ein  Zinnstäbchen,  15  omi  lang.  2^^  breit  und  1  ami 
dick;  graulich  angelaufen;  nach  der  Analyse  t.  Fellenberg's  fast  reines  Zinn. 

Mittheilungen  der  naturforscheuden  Gesellschaft  in  Bern  aus  dem  Jahre  1863, 
S,  140;  L.R.  T.  Fellenberg:  .\nalvseu  antiker  Bronzen,  siebente  Fortsetzung,  Nr.  154. 

F.  Wibel^  der  diesen  Gt^ustand  in  seiner  Tabelle  V  auffuhrt,  lässt  die  Zeit, 
aus  welciier  der  Fund  stemmt,  zweifelhaft 

Genf:  ein  kleiner  Ring  (anneau  apiate)  mit  ein£ieher  Verziening; 

Zürcher  Mittheilungen  XIX,  Heft  S,  Tal  XXIV,  8  (Ber.  7,  1876}, 

In  Bezug  auf  die  mit  Stanniol  belegten  Gefas$e  der  Schweizer  Pfahlbauten  hebt 
F.  Keller  in  dem  Artikel:  Zinn  in  Pfahlbauten  (Anzeiger  für  schweizerische  AI- 
t^rthum^unde  ISSK  S.  1S4^  als  auffallend  herrv^r.  das«  man  keinerlei  Bindungs- 
mittel entdecken  kann  und  da$s  die  Zinnstreifen,  die  auf  den  noch  weichen  Thon 
eingeiitÄckt  wunüen«  tiv>tz  de$  mehr  als  zweitausendjahrigen  Aufenthaltes  im  See- 
scbiamme«  jetzt  noch  innig  haften^).  Er  sieht  in  diesser  Belegung  mit  Zinnfolie  den 
mttthmaas«ltchen  E^srinn  wirklicher  Verzinnung,  die  Plinius  (Lib,  ^,  Gap.  48) 
al$  gallische  Rx€ndung  bezeiclinet. 

V  Sieiie  jk^kvh  (v>Wn  S.  lOV  Oro$$:  CvK«4ett««  K  laci  A  Perria  malen  b«  SaTOjen  b 
umi  c:  WKk  (Vm^Imc  N^^hskcbliKe«  di^  lWI««i:k«a|r  ier  Zi&Bsstmlen  mittitte  Hari.  —  Inter- 


(103) 


Reyer  sagt  I,  c.  S.  500  und  501  vom    ZIdd,    daes    das   reine  Metall  nur  Ver- 


ndnng  fand 


Verzi 


I 


» 


I 
I 


des  Kopferf»,  zur  Darstellung  yon  Gefassen  und  tnit- 
aoter  als  Münzroetall;  er  meint  allerdiogs  wohl  nur  bei  deo  Völkern  des  Mittel- 
meeres, aber  dass  auch  diese  schön  frühzeitig  Stanniol  gekannt  haben,  scheint 
aus  einer  Stelle  bei  Pausanias:  Beschreibung  Griechenlands  IV,  26  hervorzugehen, 
wo  erzahlt  wird,  dass  der  argivische  Feldherr  Epiteles  ein  Bronzegefass  ausgrub, 
das  ein  coit  Inschrift  versehenes,  aufgerolltes  Stuck  Stanniol  enthielt;  Epiteles 
lebte  etwa  in  der  erbten  Hälfte  des  4,  .lahrh,  vor  Chr.  und  wenn  auch  diese  Er- 
zählung nur  ein  Märchen  sein  mag,  so  beweist  sie  doch,  dass  schon  erheblich  vor 
der  Zeit  des  Pausanias  (2,  Jahrb.  nach  Ohr)  das  zu  dünnen  Platten  ausgeschlagene 
Zinn  bekannt  war,  da  die  alteren  Quellen,  aus  denen  Pausanias  schöpfte,  dasselbe 
erwähnt  hüben  müssen,  wobei  naturlich  vorausgesetzt  ist,  dass  Kassiteros  wirklich 
Zinn  bedeutet  und  nicht  eine  Verwechselung  nait  Blei  vorliegt;  denn  dünne  Blei- 
platten,  ebenfalls  nach  Art  der  Bücher  aufgerollt,  sind  uns  aus  dem  Alterthum  erhalten. 
Keller  bemerkt  ferner  a.  a,  0.:  das  Zinn  ist  ganz  gewiss  zur  Zeit  der  Pfahl- 
bauten bei  uns  (in  der  Schweiz)  in  äusserst  geringer  Menge  vorhanden  gewesen, 
wie  sich  aus  dem  Umstände  ergiebt,  dass  es  nur  in  dünnen  Stängelcben,  nie  in 
Barren  gefunden  wird  und  nur  in  den  eben  angeführten  Blättchen  und  streifen 
und  zu  einigen  kleinen  Schmucksachen  verarbeitet  zum  Vorschein  gekommen  ist. 
Das  ganze  Quantum  reinen  Zinns,  das  in  den  genannten  Formen  bisher  in 
der  Schweiz  aufgehoben  wurde,  beträgt  indessen  kein  halbes  Kilogramm,  Da 
die  Bearbeitung  dieses  Metalls  so  leicht,  seine  Farbe  angenehm  und  der  Glanz 
ziemlich  dauerhaft  ist,  so  hätte  man  dasselbe,  wenn  es  leichter  zu  beschaffen  ge- 
wesen wäre,  gewiss  bäu6ger  zu  mannigfachem  Schmuck   und  Gerathen  verwendet. 

In  dieser  Beziehung  sagt  auch  Pol  Nicard  in:  Tetain  dans  les  habitatioDS  la- 
custres  (Revue  archeologique  XLI,  p.  324)  ganz  richtig,  das«,  wenn  man  mehr  Zinn 
gehabt  hätte,  man  die  schweizer  Gefasse  vollständig  aus  Zinn  gemacht  haben 
wurde,  (citirt  nach  Bapst  L  c.  p.  229).  Dasselbe  gilt  wohl  von  den  dänischen,  mit 
Zinnstifte 0  beschlagenen  Hokgefassen  aus  den   Baumsärgen. 

Endlich  erklärt  auch  E.  Desor  die  Anwendung  bronzener  Samroelringe  bei 
„porte-monnaies  lacustres^  von  Auvernier,  anstatt  zinnerner,  wie  zu  Cortaillod,  aus 
der  Seltenheit  des  Metalles  (Anzeiger  1870,  S.  187/9). 

Meine  Ansicht  ist  die,  dass  Zinn  zwar  allgemein  auch  ausserhalb  der  Schweiz 
Qolegirt  verarbeitet  wurde,  dass  aber  die  in  Umlauf  befindlichen  Gewichtsmengen 
solchen  Zinnes  nur  gering  waren,  weil  das  Metall  immerhin  noch  selten  war.  Im 
Grossen  und  Ganten  bin  ich  geneigt,  zu  glauben,  dass  die  Ans^^hauung  Wibels, 
die  Bronze  sei  in  ältester  Zeit  aus  den  Erzen,  nicht  mit  Hülfe  von  metallischem 
Zinn,  dargestellt,  durch  meine  Nachforschungen  eine  StiJtze  erhält,  ohne  ihr  indess 
eine  ausschliessliche  Geltung  zuzuerkennen. 

Bapst  schliesst  p.  230  aus  der  Spärlichkeit  des  Vorkommens  und  weil  Barren 
in  der  von  Diodorus  Siculus  (lib.  V,  cap.  22)  beschriebenen  Form  in  der  Schweiz 
nicht  angetroffen  werden,  dass  das  Zinn  der  Schweizer  Pfahlbauten  nicht  aus  Corn- 
wall,  sondern  aus  Asien  kam,  und  schreib!  den  Ursprung  der  Schweizerischen  In- 
dustrie aus  Asien  eingewanderten  Stämmen  zu. 


Msant  ist  auch  der  von  Ühl  mann  (Kellers  Berichts,  S,  37)  beschriebene^  mit  einer  dünnen 
Schicht  Asphalt  überzogene  and  dann  mit  pyramidenförmigen  Blättchen  von  Birkenrinde 
beklebte  Topf,  den  er  als  Vorgänger  der  schwarzen  Pfablbangeflsse  der  Bronzezeit  mit  Zinn- 
belegnng  auflasKt  Das  betreffende  Fragment  stammt  aus  deni  östlichen  Pfahlbau  von  Moos- 
seedorf,  Oantoii  Bern. 


(104) 


Sayoyen* 

Luc  du  BouTget:  Zahtreicbe  schwarze  Tbongefasse  mit  ZioDfadeD  oder  Strei- 
fen yerziert.  Andre  Perrio:  Etüde  prehistorique  sur  la  Savoie,  sp^^cialpment  a 
lepoqtie  lacustre  (age  du  bronze),  Cbambery  1B69>  {Text  1.H70,  extrait  des  memoires 
de  racad^mie  imperiale  de  Savoie,  2.  serie,  tonie  XU')  führt  besonders  folgende  auf: 

a)  von  Le  Saut:  2  Gefasöe  der  Art,  Taf.  V,  2  und  3,  und  einen  Teller,  Fig.  6. 

b)  von  GhätilJoß:  ein  Gefäss,  bei  dem  die  ZinDstreifen  tnitteJs  eines  Kittes 
oder  Harzes  befestigt  sind  (siebe  oben  S.  101   und  102);  ibid,  Fig.  1. 

c)  von  Gresine:  Boden  eiues  Topfes  mit  Harz  überzogen,  auf  dena  ein  Gitter- 
werk von  Zinnfäden  befestigt;  ibid.  Fig>  4. 

Ausser  diesen  Topfwaaren  fuhrt  Petrin  noch  folgende  interessante  Gegen- 
stände an: 

d)  von  Cbätillon:  2  Wirtel  aus  echwarzem  Tbon  mit  rotbem  Deberzug,  mit 
kleinen  eoncentrischen  Zinnstreifeu  gescbinückt  etc.;  ibid.  PL  VI,  2  und  5, 

e)  V.  Gr^sine:  Ein  offenes  Kinder-Armband  aus  Zino  von  grosser  Biegsam- 
keit, mit  parallelen  Strichen  geziert;  PI,  XIII,   1   und  Text  S.  19. 

f)  von  Le  Saut:  Ein  gegossenes^,  durchbohrtes  Stuck  Zinn,  ^presentani  un 
dessin  regulier  sur  l'une  des  faces  et  ayant  tous  les  caracteres  d^une  monnaie^; 
PL  XYII,  ß.  I^ie  Herren  Dr.  Friedländerund  Dr,  v.  Salet  vom  hiesigen  Konigb 
Münzeabinet,  welche  ich  auf  das  Stück  aufmerksam  machte,  halten  es  jedoch  nach 
der  von  Perrin  gegebenen  Zeichnung  nicht  för  eine  Münze. 

Endlich  ist  aus  dena  Lac  du  Bourget  verzeichnet,  aber  ohne  nähere  Angabe  der 
Pfüblbaustation:  ^une  petite  filiere  percee  de  quatre  trous*  ebenfalls  aus 
Zinn;  ibid.  p.  19;  eine  Abbildung  ist  nicht  gegeben,  unter  ^filiere'*  versteht  man 
unter  anderem  das  Zieheisen  eines  Drahtzuges,  welches  ja  allerdings  mit  verschie- 
denen Löchern  versehen  ist;  kann  aber  ein  solches  Instrument  hier  gemeint  sein? 

Vergleiche  übrigens  oben  S,  101  die  durchlöcherte  Leiste  von  Auvernier 

Italien. 

Nach  Aussage  des  Hrn.  Dr.  Montelius  (durch  gefällige  Vermittelung  des  FrL 
Mestorf)  befinden  sich  in  der  Sammlung  Guardabassi  (jetzt  Universität  Perugia) 
ein  Schaftcelt  vom  gewuhnlichen  Typus  der  italienischen  apäteren  Bronzezeit  und 
eine  kleine  Pfeilspitze,  beide  von  weissem  Metall  (Zinn  oder  Blei). 

K,  B.  iJufmaun  analysirte  Bruchstücke  eines  cjliudri scheu  Gefässea  aus 
Pompeji  und  fand  dasselbe  „aus  sehr  gutem  Zinn"  bestehend  (Zur  Geschichte  des 
Zinkes  etc.  S.  37  und  briefliche  Mittheilung). 


Die  von  Brn.  Chantre  als  Zinn  bestimmten  Sachen  aus  dem  Kaukasus  sind 
bisher  die  einzigen  Gegenstände  in  Museen,  welche  in  Folge  meiner  Nachforschungen 
als  solche  erkannt  wurden. 

Da  nämlich  das  Aussehen  meiner  Amrümer  Zinngegenstände  in  keiner  Weise 
ihre  wahre  chemische  Natur  verriethj  ich  selbst  vielmehr  dieselben  lange  Zeit  theils 
für  knöchern,  theils  für  thÖnern  gehalltn  habe,  so  vermuthete  ich,  dass  sich  wohl 
in  grösseren  Sammlungen  Stücke  befinden  möchten,  die  ju  gleicher  Weise  verkannt 
seien;  denn  da  der  Nichtchemiker  im  AllgemeineB  mehr  auf  die  Form,  als  auf  die 
stoffliciie  Zusammensetzung    der  Altsacben    sein  Augenmerk  richten  wird,  wäre  ein 


I)  Ein  Än^Eüg   hieraus   fittdet   sich-    Materiaux  ponr  rbiatoire  primitive  et  naturell«  de 
rhomme,  Paria  1870,  Ann,  6,  p.  433/34,  PI.  XVÜ^  4,  6,  13,  14 


(105) 

solcher  Iritbuiu  sehr  verzeihlich,  Iü  meiaeii  Nach forechuD gen  oach  derartigen  Oh- 
jecten  bin  ich  durch  FräuleiD  J,  Mestorf  auf  das  Naclidrücklichste  unterstützt  wor- 

Ideo,  wofür  ich  ihr  ao  dieser  Steile  meiuen  verbindlichsten  Dank  sage. 
In  Bezug  auf  Zinn  ist  nun,    wie  bemerkt,  der  eioiCige  Erfolg  bisher  aus  Lyon 
SU  verzeichnen,  dagegen  halte  ich  Gelegenheit,  eine  andere  Beobachtung  zu  machen, 
die  ich  hier  noch  mittheilen  mochte. 
Bleiweli^ä  al»  ßelftg  einer  Griffxungc. 
Im  Kieler  Museum    beenden    sich    Terschiedene,    als    weisse    oder  geJbUche 
Kittmassen  bezeichnete  Gegenstäude,  daruoter  auch  ein  Tutnlus,   „nach  aussen 
kuppel förmig,  und   mil  einem  frei  gearbeiteten  Queriiegel  an  der  inneren  Seite,    so 
da6S  er  auf  einen  Riemeu  aufgezogen  werdeu  konnte**  (HaDdelmaun:  Ausgrabungeu 
auf  Sylt  II,    Kiel  188:i,    8.  7,    Nr.  3);    früher    hielt  man  ihu  für  knöchern,  —  Ich 
kanote  das  Object  nicht  ans  eigener  Anschauung  und  hatte  den  Tutulus  in  Verdacht, 
ein  ^Zino knöpft  zu  sein.    Er  stammt  aus  dem  zweiten  Tiiderioghoog  und  mit  ihm 

■  wurde  unter  anderen  Sachen  gefundeu  ein  Seh  mwck gegenständ  aus  Goldblech, 
ibid.  Nr.  5,  mit  erhabenen  gepnnzten  fc>treifen  und  Punkten  beeetzt,  dessen  Rückseite 
mit  einer    weissen  Kittmasse    bestrichen  ist,  dem  Aussehen  nach  derselben  wie 

■  die  des  Tntulus. 
Ferner  sind  in  Kiel  2  Bruchstücke  einer  weissen  kittähnlichen  Masse  von 
derselben  Art,    wie    die  FnlluDg    des    Goldschmucks,    aber    bei  rührend    aus    einem 
Bronzugrab  bei  Emmerlev.    (Correspondenzblatt  des  Gesammtvereins  der  Deut* 
scheu  üeschichts-  und  Alterthumsvereine  XXV,  1877,  S*  1). 

Handelmaun  ntmn»t  an^  dass  auch  dieser  Kitt  als  Ausfüllung  einer  Gold- 
plattirung  diente,  welche  über  der  hölzernen  Griffbekleidung  angebracht  war;  er 
sagt:  das  eine  der  beiden  Stücke  hat  ohne  Zweifei  auf  der  Griffzunge  gelegen;  bei 
dem  zweiten  in  Ge&talt  eines  un vollständigen  Ringes  \nn  12  mm  innerem  Durch- 
messer, mit  abgebrochenem  Stielchen,  möchte  ich  an  den  bügel förmigen  Abschlusa 
der  Grißzunge  denken  (cf,  Madsen,  Afbildninger,  Broncealderen  I,  Suiter,  Fig.  17, 
1%  20). 

In  seinen  Ausgrabungen  II,  S.  15,  Nr,  2^  erwähnt  Handelmano  ferner  zwei 
grössere  und  ein  kleineres  Stuck  gelblicher  Kittmasse,  die  wahrscheinlich  von 
einer  tSekleidung  eines  Dolchgriffs  herrühren;  Stücke  der  Dolchklinge  lagen  damit 
zusammen  in  einer  Steinkiste. 

Noch  andere  älinüche  Sachen  finden  sich  in  Kiel;  keine  derselben  ist 
analysirt  Fräul.  Mestorf  hatte  nun  die  Güte,  mir  zunächst  ein  Stuckchen  des 
Belags  einer  flachen  Griffzunge  von  eiuem  Bronzeschwert  von  Rumohrshof 
auf  Alsen  zu  senden,  bezeichnet  K.  S.  4G45r  es  ist  eine  gelblich- weisse,  harte  Masse, 
an  einer  Stelle  rein  weiss;  sie  sieht  aus  wie  geschmolzen,  schÜesst  einige  wenige 
grössere  Blasseu  ein  und  gleicht  durchaus  uicht  weder  meinen  Ziunobjecten,  noch 
durch  Oxydation  weiss  gewordener  Bronze;  vor  allem  ist  es  die  grossere  Festigkeit, 
die  sie  von  diesen  Dingen  unterscheidet,  und  die  reinere  Farbe, 

Zur  Prüfung  auf  Zinn,  wurde  ein  Theil  der  Substanz,  wie  oben  (S.  89)  an- 
gegeben, uiit  kohleusanrem  Natron  und  Schwefel  im  bedeckten  Porzellantiegel 
geschmolzen,  wobei  eine  tbeilweise  Reduction  zu  Metall  stattfaud;  nach  Behandlung 
der  Schmelze  mit  Wasser  lieferte  das  Filtrat  auf  Salzsaurezusatz  keine  Fallung, 
Zinn  war  also  nicht  vorhanden^  die  Metallkügelchen  und  der  schwarze  Ruck- 
stand, der  ausserdem  beim  Lösen  in  Wasser  zurückgeblieben,  erwiesen  sich  als  Blei 
(resp.  Schwefelblei).  — 

Im   offnen  PorzeJIantiegel   für   sich    erhitzt   schmilzt   die  Substanz   zu  einem 


I 


geibeu,  klaren  GJase,  Jmi»  ebenso  Leim  ErkaUen  erstairt,  in  verdünnter  Salpeter- 
saure  löalicb  untl  nichts  anderes  als  Bleioxyd  hi;  auch  ira  bedeckten  Tiegel  war 
die  Erscheinung  dieselbe,  es  fand  keine  Reduction   zu   Blei  statt. 

Die  Masse  selbst  direct  mit  Salpetersäure  behanclelt  lost  sieb  unter  (Kohlensäure-) 
Gas-Entwickelung  vollständig  auf;  die  Lösting  enthält  neben  Blei  nur  eine  Spur 
Chlon  Andere  Substanzen  konnten  nicht  nachgewiesen  werden,  vor  allem  war 
kein  Kalk  vorhanden,  was  wegen  des  Vorkommens  kalkhaltiger  Kitte  voü  loter- 
esse').     Der  Belng  war  also  reines  Blei  weiss. 

Ändere  ähnliche  Qdassen  habe  ich  zur  Zeit  noch  oicbt  aoaljsirt;  von  dem 
Tutuins  und  dem  Belag  des  Emoierlever  Schwertes  erklarte  Fräul.  Meatorf,  aus 
nabeliegenden  Gründen  nichts  abgeben  zu  können,  dagegen  übersandte  sie  mir 
Nr.  7ÖG5:  Füllung  der  oben  erwähnten  Goldspange  aus  dem  zweiten  Tilderingboog. 
Dem  Aeusseren  nach  unterscheidet  sich  diese  Masse  ein  wenig  von  dem  oben  ana- 
lye^irten  Belag  K,  S.  4645,  sie  ist  weisslich  und  nicht  porös;  das  Resultat  der  Ana- 
lyse werde  ich  im  Nachtrag  mittheileu.  Im  Stralsuiuler  Museum  befindet  sich 
ein  Brönzeschwert,  senkrecht  im  Boden  steckend,  mit  der  Spitze  abwärts,  ge- 
funden zw  Barkow,  Kreis  Demmin,  dessen  GriÄ  miti  „einer  noch  nicht  untersuchten 
weissen  Masse**  ausgefüllte  Querstreifeo  enthält  (Rudolf  Baier:  Die  vorgescliicbtUchen 
Alterthümer  des  Provinzial-Museums  für  Neu-Vor|iommern  und  Rügen  etc.  Stral- 
sund 1880,  S.  32);  diese  Masse  wäre  der  Cntersuchung  werth,  schon  allein  im  Hin- 
blick auf  die  von  mir  beschriebene  Spiralscheibe,  die  wiibrscheinlich  auch  Aus- 
füllmasse  eines  Griffes  gewesen  (siehe  ohen  S.  87),-  es  ist  mir  indessen  nicht  ge- 
lungen, etwas  von  der  fraglichen  Substanz  zu  erhalten. 

Man  kann  nun  über  den  Ursprung  des  Bleiweissbelags  an  dem  Alsener 
Schwert  veischiedener  Ansicht  sein;  entweder  es  war  wirklieb  die  Substani  von 
Anfang  an  Bleiweiss,  so  lässt  sich  wnbl  nur  denken,  daas  hier  eine  Art  Oelkitt 
vorliegt.  So  weit  ich  nach  dem  kleinen  Bruchstück,  das  ich  in  Händen  hatte, 
schliessen  kann,  wäre  diese  Ansicht  sehr  wohl  zulässig;  die  Masse  sah  aus,  als 
wenn  sie  im  dickbreiarligen  Zustande  aufgetragen  sei,  schloas  grosse  Blasen  ein, 
zeigte  aber  erhebliche  Cohärenz.  Will  man  einen  Oelkitt  gelten  lassen,  so  lie&se 
sich  auch  noch  denken^  dass  ursprünglich  ein  BJeiglilttekitt  verwendet  sei,  der 
später  Kohlensäure  aufgenommen;  doch  sollte  ich  meinen^  dass  die  Substanz  dann 
weniger  fest  sein  wurde.  Es  ist  aber  noch  m5glich,  dass  der  Belag  von  Anfang 
aus  metallischem  Blei  bestanden  habe  und  dann  in  Bleiweiss  ütierging;  viel- 
leicht war  eine  Bleiplatte  zwischen  Griffzunge  und  äusserer  Schale  eingeschaltet 
des  besseren  Anschmiegens  wegen  (wie  z,  B.  nach  einer  gefälligen  Mittheilung  des 
Brn,  Tb.  Blell  auf  Tungen  in  Ostpreussen  beim  Einschrauben  der  Feuersteine  in 
die  alten  BatteriebHline);  auch  könnte  der  ganze  Griff  ijberbaupt  nnr  mit  Blei  be- 
legt gewesen  sein.  Ob  Bleiweiss,  so  entstanden^  den  hier  beobacbleten  Grad  von 
Festigkeit  haben  wurde,  lasse  ich  unentschieden,  überhaupt  rauss  ich  erst  die 
Bauptstucke  ähnlicher  Beläge  gesehen  haben,  ehe  ich  mich  darüber  äussern  mochte, 
welche  Annahme  die  wabischeinlicliste  ist.  Hier  sei  our  daran  erinnert^  dass  aller- 
dings von  Sacken;  Grabfeld  von  Hallstatt,  S.  119,  Blei  a!s  Unterlage  eines 
Goldplättcheos  erwähnt. 


1)  Tb.  Blell*Tungen:Die  fränkischen  Rundschilde  des  6,  Jahrhunderts  n.  Chr.  (Sitzunj^s- 
berichto  der  Älterthumsjfesellsebaft  Prassia  zn  Konigsherif  i/Pr.,  XXXV.  Vereinsjiihr,  1878/79, 
S.  4ö — 59)  bespricht  S  49/5C*  den  Kitt  an»  den  Tnllen  der  eisern«?n  Speerspitzen  und  an  den 
hÖliernen  Schilden  (Mi«cbung  aus  gemahlenem  Euhkäse  und  unj^elüscfatem  Kalk).  Siehe  ferner: 
Correfipondenxblatt  des  Gesammt verein»  XXIX  (1881),  S>  4  und  6,  Frage  7. 


(107) 

Welche  Anschauuiig  man  aber  auch  in  Bezug  auf  diese  Frage  haben  mag,  so 
viel  scheint  mir  gewiss,  dass  der  Arbeiter,  welcher  den  betreffenden  Belag  des 
Alsener  Schwertes  gemacht  hat,  metallisches  Blei  als  solches  gekannt  haben 
mu88,  denn  es  ist  wohl  nicht  denkbar,  dass  Jemand  längere  Zeit  mit  Bleiweiss  oder 
Glätte  arbeitet,  ohne  Blei  selbst  zu  kennen,  auch  wonn  er  die  genannten  Materialien 
von  anderer  Seite  sollte  bezogen  haben;  dazu  ist  Blei  zu  leicht  reducirbar.  Nun 
gehören  Gegenstände  aus  metallischem  Blei  für  den  Norden  Europas  und 
in  älterer  Zeit  zu  den  grossen  Seltenheiten,  gerade  wie  Zinnsachen.  Ich  habe  Ter- 
sncht,  auch  hierüber  einige  Daten  zu  sammeln,  die  ich  gleich  mittheilen  will,  und 
bemerke  nur  vorweg,  dass  mir  Funde  älterer  Bleisachen  aus  Skandinavien  und 
Dänemark  nicht  bekannt  geworden  sind. 

Wenn  nun  wirklich  metallisches  Blei  in  diesen  Ländern  unbekannt  war,  so 
können  die  mit  bleihaltigem  Kitt  so  wenig,  wie  die  mit  Bleiplatten  versehenen,  dort 
gefundenen  Schwerter  einheimisches  Fabrikat  sein.  Ich  kenne  das  Alsener  Schwert 
Dicht  und  um  festzustellen,  wie  weit  die  rein  stylistische,  nur  auf  Form  und  Orna- 
mentirnng  Rücksicht  nehmende  Betrachtung  obigen  Schluss  rechtfertige,  würde  wohl 
überhaupt  ein  grosseres  Material  erforderlich  sein.  Sollten  aber  anderweitige  Gründe 
zwingen,  auch  mit  bleihaltigen  Auf-  oder  Einlagen  versehene  nordische  Bronze- 
sachen  als  nicht  importirt  zu  betrachten,  so  würde  sich  umgekehrt  der  Schluss 
ergeben,  dass  unmöglich  dieses  die  einzigen  Spuren  der  Verwendung  des  Bleis  sein 
können,  die  uns  erhalten  sind,  dass  vielmehr  im  Schooss  der  Erde  noch  selb- 
ständige Bleigeräthe  und  Schmucksachen  oder  deren  Umwandlungsproducte  ruhen 
müssen  und  dass,  wenn  man  bei  Ausgrabungen  sorgfilltig  hierauf  achtet,  dieselben 
lach  aufgefunden  werden  dürften,  so  gut  wie  im  Süden  das  Blei  massenhaft  für 
sich  allein  verarbeitet  angetroffen  wird. 

Bisher  scheinen  die  britischen  und  bretagner  Hohlcelte  die  einzigen  selbst- 
ständigen Bleiartikel  des  Nordens  aus  älterer  Zeit  zu  sein.  Man  muss  hierbei  be- 
achten, dass  das  Blei  noch  leichter  als  Zinn  durch  Oxydation  u.  s.  w.  verändert 
wird.  Wibel:  Cultur  der  Bronzezeit,  S.  65/66,  kommt  durch  seine  Untersuchungen 
über  die  Zusammensetzung  und  die  Art  der  Herstellung  der  Bronze  zu  dem  Schluss, 
„dass  ein  entscheidendes  ürtheil  über  das  relative  Alter  nicht  durch  die  Chemie 
geboten  wird^;  wenn  dies  in  Bezug  auf  die  Bronze  an  sich  in  den  meisten  Fällen 
richtig  sein  mag,  so  hoffe  ich  doch,  dass  durch  Beachtung  der  die  Bronzesachen 
begleitenden,  zum  Theil  mit  ihnen  mechanisch  verbundenen  anderen  Substanzen 
sich  in  manchen  Fällen  die  Chemie  als  ein  sehr  zuverlässiger  Wegweiser  in  dieser 
Richtung  bewähren  werde.  Ein  solches  Ziel  lässt  sich  aber  nur  erreichen  durch 
Prüfung  eines  grösseren  Materials,  und  ich  richte  daher  an  die  Herren  Fach- 
genossen die  ergebene  Bitte,  mich  durch  Zusendung  solcher  Gegenstände  zu  unter- 
stützen, deren  chemische  Natur  nicht  unzweifelhaft  feststeht  und  die  möglicherweise 
als  Zinn-  oder  Blei-Artikel  sich  durch  die  Analyse  herausstellen  könnten,  wobei 
mir  natürlich  Kitte  ebenfalls  höchst  willkommen  sein  würden. 

Zur  qualitativen  Analyse  ist,  falls  es  sich  nur  um  die  Entscheidung  der  Frage: 
«Zinn,  Blei  oder  keines  von  beiden^  handelt,  eine  sehr  geringe  Menge  Substanz  aus- 
reichend. 

Gegenstände  aus  metallischem  Blei. 

Lubbock  sagt  in:  Die  vorgeschichtliche  Zeit,  S.  18:  dass  bei  den  Funden  aus 
der  Bronzezeit  weder  Silber,  noch  Blei  vorkommt. 

Schliemann  hat  allerdings  bei  Hissarlik  Blei  in  allen  Städten  (mit  Ausnahme 
der  zweiten,  ^Ilios  S.  311)  beobachtet,  aber  aus"  der  ersten  Stadt  nur  in  formlosen 
kleinen  Klumpen,  also  wohl  noch  als  Seltenheit  damaliger  Zeit. 


(108) 

y.  Bibra  sagt  in:  Bronzen  and  Kupfer legirungen  eta  nichts  Erhebliches  in 
dieser  Beziehung. 

Wibel  bezeichnet  S.  65,  Cultur  der  Bronzezeit,  das  Blei  als  ein  neues 
Metall  (für  Nord-  und  Mittel-Europa);  er  stellt  dann  S.  66  einige  Funde  metal- 
lischen Bleis  zusammen,  die  aber  meist  einer  spaten  Zeit  angehören. 

Mallet:  Account  of  a  chemical  examination  etc.  p.  35  spricht  zwar  von  zahl- 
reichen Bleiobjecten  aus  der  Zeit  der  römischen  Invasion,  die  in  England  gefunden 
sind,  erwähnt  aber  keine  alteren,  und  in  Irland  fehlen  naturgemäss  selbst  diese 
jüngeren. 

Aus  dem  ganzen  Skandinavischen  Norden  and  Dänemark  habe  ich 
nichts  Sicheres  über  Bleivorkommen  aus  der  Bronzezeit  ermitteln  können.  Die 
Eisenzeit  lieferte  Bleilöthung  an  Gegenständen  aus  dem  Taschberger  Moor  bei 
Süder-Brarup  in  Schleswig,  z.  B.  an  Messingnägeln,  deren  Stifte  an  die  Köpfe  an- 
gelöthet;  Zur  Kunde  vaterländischer  Alterthümer,  Kieler  Bericht  XVII,  1859,  S.  17. 
(Separatabdruck  aus  den  Jahrbüchern  für  die  Landeskunde  etc.) 

In  England  fanden  sich  nach  Evans:  Bronze- Implements  p.  442  und  444/5 
Gelte  aus  Blei  auf  der  Isle  of  Harty,  Sheppej,  Kent,  und  in  Lincolnshire 
(hier  vielleicht  in  einem  Grabe),  und  die  gleichen  Instrumente  hat  man  nach 
ihm  ans 

Frankreich  von  Morbihan  in  der  Bretagne. 

Da  diese  Gelte  ab  schneidende  Werkzeuge  natürlich  gänzlich  unbrauchbar 
waren,  so  kommt  Evans  nach  längerer  Discussion  zu  dem  Scbluss,  dass  sie  viel- 
leicht gedient  haben  mögen  als  Formen  für  die  thöuernen  Kerne,  die  zum 
Giessen  der  Bronzehob Icclte  in  Bronzeformen  nöthig  waren. 

üeber  den  Bleigehalt  der  brittischen  Bronzen  bemerkt  er  p.  417,  dass  die 
älteren  Bronzesachen  (flache  Gelte,  Paalstäbe,  und  selbst  Lanzenspitzen)  frei  oder 
fast  hei  davon  seien,  aber  in  den  jüngeren,  den  Schwertern  und  Hohlcelten,  oft 
bedeutende  Mengen  sich  fänden  (besonders  auch  aus  der  Bretagne  in  den  sog. 
Votivcelten,  bis  32'/,  pGt.  Blei,  mit  nur  1'/,  pGt.  Zinn). 

Ich  führe  dies  hier  nur  an,  weil  derartige  Bronzen  natürlich  die  Kenntniss  des 
metallischen  Bleis  voraussetzen. 

In  Deutschland  besitzt  Hr.  Blell  auf  Tüngen  in  Ostpreussen  nach  seiner 
gefälligen  Mittbeilung  ein  grosses  bronzenes  Heerhorn  aus  der  Bronzezeit, 
dessen  Mundstück  von  Blei;  ob  dasselbe  einem  Gräberfunde  angehört,  ist  nicht 
bekannt,  nach  dem  was  Genthe:  Etruskischer  Tauschhandel,  S.  58,  sagt,  aber 
nicht  gerade  wahrscheinlich. 

Aus  Mainz  stammt  ein  plattes  unförmliches  Stück  Blei,  3—4  mm  dick  (mit 
schwarzem  Ueberzug),  dessen  Analyse  v.  Fellenberg  unter  Nr.  153  giebt;  es 
wird  nicht  gesagt,  ob  dasselbe  römischen  Ursprungs  oder  welcher  Art  die  Fund- 
umstände überhaupt  gewesen;  Berner  Mittheilungen  für  1863,  S.  139. 

Aus  Oesterreich  berichtet  von  Sacken:  Grabfeld  von  Hallstatt,  S.  119,  über 
Blei  in  dünnen  Stäbchen  oder  Draht  als  Futter  der  umgebogenen  Rander  bei 
Kesseln  (wie  bei  den  altitalischen  Gefassen)  und  bei  einem  Helm,  sowie  als  Aus- 
füllung des  Bodens  bei  einigen  Erzgefässen;  das  Blei  ist  etwas  kupfer-  und  silber- 
haltig. 

Zu  selbständigen  Geräthen  verarbeitet  findet  sich  Blei  in  Hallstatt 
nicht 

Aus  der  Schweiz  führt  Keller  von  Gortaillod  und  Gorcelettes  am  Neuen- 
burger  See  (und  aus  dem  Bieler  See?)  an: 


(109) 

BrODzenadeln,  deren  hohle  runde  Kopfe  an  den  symmetrisch  angebrachteD 
Lochern  mit  Blei  besetzt  sind; 

Mittheilungen  d.  antiq.  Gesellsch.  in  Zürich  XII,  Heft  3,  S.  150  und  Taf.  II, 
51—55,  (Pfahlbanbericht  2,  1858)  und  ferner  ibid.  XIII,  Abtheil.  2,  Heft  3,  S.  102, 
und  Taf.  VII,  3  und  5;  (Pfahl bau bericht  3,  1860). 

Dagegen  gebort  das  bei  Wibel:  Kultur  der  Bronzezeit,  S.  66,  mit  aufgezählte, 
von  ▼.  Felienberg  unter  Nr.  169  analysirte  Blei  von  Ciarens  am  Genfer  See 
mit  0,79  pCt.  Zinngehalt  nicht  hierher,  weil  es  von  einem  römischen  Bleirohr 
stammt;  Berner  Mittheilungen  aus  dem  Jahre  1864,  S.  127. 

Wegen  des  Gegenstandes,  den  es  betrifiFt,  mag  hier  noch  erwähnt  werden  aus 
Spanien,  von  Oviedo  in  Asturien,  ein  Paalstab,  dessen  eines  Ende  mit  Blei 
gefüllt  worden,  vielleicht  schon  in  älterer  Zeit;  der  Zweck  dieser  Füllung  ist 
allerdings  unbekannt;  J.  Evans:  Bronze  Implemeuts  p.  97. 

Dies  ist  alles,  was  ich  über  das  Vorkommen  von  Blei  in  älterer  Zeit  für  Nord- 
und  Mittel -Europa  habe  in  Erfahrung  bringen  können. 

Vielleicht  gehören  hierher  noch  die  oben  beim  Zinn  erwähnten  zweifelhaften 
Sachen,  nämlich:  1.  die  Griflffüllung  des  italischen  Schwertes  im  Kopenhagener 
Museum  (8.  96);  2.  der  Schaftcelt  und  die  Pfeilspitze  in  Perugia  (S.  104).  Gewisser- 
maassen  muss  man  auch  hier  anreihen  das  Schwert  aus  Irland  mit  Einlage  von 
pewter  und  die  Metallmasse  von  Ebchestor  (S.  98),  die  Potinmünzen  aus  Böhmen 
(S.  99)  und  von  La  Thne  (S.  102). 

Ans  Vorstehendem  ergiebt  sich,  dass  Bleigegenstände  usa  ältester  Zeit  womög* 
lieh  noch  seltener  sind  als  zinnerne;  aus  spaterer  Zeit  hat  mau  wohl  derartige 
Sachen,  z.  B.  aus  slavischer  die  schon  oben  beim  Zinn  angeführten  Schläfen- 
ringe aus  dem  Gräberfeld  von  Slaboszewo  bei  Mogilno  in  Posen,  nach  Virchow 
Berliner  Verhandlungen  1878,  S.  276/77,  und  nach  Tiedemann  ibid.  1881  S.  358/59. 
Virchow  giebt  eine  Abbildung  eines  solchen  Ringes  1881  S.  367. 

Im  Süden  war  ferner  das  Blei  längst  allgemein  in  Anwendung  zu  einer  Zeit, 
wo  im  Norden  noch  die  Bronzeperiode  herrschte;  die  Römer  machten  den  aus- 
giebigsten Gebrauch,  sowohl  von  Blei,  als  auch  von  Bleipräparaten,  Pflastern  u.  s.  w. 

Aus  Transkaukasien  wird  die  bedeutende  ßleiindustrie  von  Redkin- Lager 
erwähnt  von  Hrn.  Friedrich  Bayern,  Zeitschr.  f.  Ethn.  14,  S.  341. 

Nachtrag. 

Zinn  aus  Gräbern. 

Insel  Sylt,  Tilderinghoog  II:  Die  (S.  105  erwähnte)  angebliche  weisse  Kitt- 
masse  von  dem  Goldschmuck  habe  ich  analysirt;  sie  besteht  aus  reiner  Zinnsäure, 
der  Belag  war  also  eine  Zinn  platte.  Ueber  diesen  Goldschmuck  gedenke  ich 
demnächst  im  Verein  mit  Fräulein  Mestorf  noch  besonders  zu  berichten. 

Rahenthaler  Grabstätte  bei  Hattingen  in  Westfalen:  Hr.  Director  W. 
Sehwartz  machte  mich  aufmerksam  auf  die  Stelle  in  Gustav  Klemm 's  Handbuch 
der  germanischen  Alterthumskunde,  Dresden  1836,  S.  19,  Note  6,  wo  ein  von  Kor- 
tum  gefundenes  Stück  Zinn  aus  der  Ruhenthaler  Grabstätte  erwähnt  wird.  Nach 
E.  A.  Kortum:  Beschreibung  einer  neuentdeckten  alten  germanischen  Grabstätte, 
Dortmund  1804,  S.  105/6,  §  79,  handelt  es  sich  um  ein  schmales,  längliches,  aussen 
etwas  xerfressenes,  innen  wie  das  reinste  Zinn  erscheinendes  Stück,  welches  genau 
die  Greatalt  eines  Haarspiesses  hat,  „so  wie  ihn  noch  jetzt  die  Bäuerinnen  in 
hiesiger  Gegend  sar  Befestigung  ihrer  Haarflechten  gebrauchen^.  Nach  der  bei- 
gefügten Zeichnung  war  der  „Haarspiess^  aber  auffallend  kurz  und  dick.    £r  fand 


(110) 

sich  mit  andereD,  wie  es  scheint  einer  Frau  gehörigen,  Beigaben  in  einer  mit 
Schiefer  bedeckten  Urne.  Die  Grabstätte,  18  Fuss  lang,  S'/a  Fuss  breit,  bestand 
aus  4  Sandsteinmauern  ohne  Bedachung,  enthielt  etwa  9  Drnen,  und  an  Metallen 
noch  eine  silberne  Schale,  sowie  verschiedene  Eisensachen  neben  den  Urnen 
gelegen,  aber  keine  Bronze-  oder  Kupfergeräthe.  Auch  gebrannte  Ziegel- 
steine und  andere  Dinge  (ein  Steinkeil)  fanden  sich  vor. 
Das  Grab  kann  wohl  nicht  sehr  alt  sein. 

Zinn  aus  einem  Moore  (zu  Seite  95  und  96). 

Bornholm,  Noerre  Herred,  Ruthsker  Sogn:  Eine  neben  anderen  Sachen 
(worunter  ein  eisernes  Schwert  und  eisernes  Ortband)  1832  im  Moor  gefundene 
zusammengedrückte  Opferblutschale  (Lautbolle)  aus  Bronze,  welche  die  innere 
Ausfiillung  einer  Holzschale  gewesen  zu  sein  scheint  und  die  inwendig,  so  viel  man 
sehen  kann,  verzinnt  ist.     Der  Fund  wird  als  Metallhändlersvorrath  angesehen. 

Nordisk  Tidsskrift  for  Oldkyndighed,  Kjoebenhavn,  Bd.  III  (1836),  S.  311. 

Blei  aus  einem  Grabe. 

Gross- Je  na  bei  Naumburg,  Provinz  Sachsen:  Hrn.  Director  Schwartz  ver- 
danke ich  die  Kenntoiss  einer  Stelle  in  Samuel  Christoph  Wagener:  Handbuch 
der  vorzüglichsten  in  Deutschland  entdeckten  Altertbümer  aus  heidnischer  Zeit, 
Weimar  1842,  S.  538  und  Taf.  101,  Fig.  1015,  wo  eine  bleierne  Scheibe  von  Rehe- 
bausen  bei  Pforta,  Reg. -Bez.  Merseburg,  erwähnt  wird.  In  der  Originalabhandlung 
im  2.  Jahresbericht  (vom  Februar  1822)  über  die  Verhandlungen  des  Thüringisch- 
Sächsischen  Vereins  für  Erforschung  deä  vaterländischen  Alterthums,  Naumburg, 
S.  2 — 6  und  Taf.  XI,  wird  indessen  Gross-Jena  als  Fundort  bezeichnet.  Die  kleine 
Bleischeibe,  eine  „Medaille^,  lag  mit  Knochenresten  in  einer  Urne,  ist  mit  einer 
bräunlichen  Kruste  überzogen,  trägt  auf  dem  Avers  die  Zeichen  der  Sonne,  des 
Mondes  und  einiger  Sterne,  auf  dem  Revers  orientalische  Schriftzeichen,  aber  keine 
Jahreszahl;  sie  ist  ein  Mal  durchbohrt  und  wahrscheinlich  als  Amulet  getragen. 

Die  Schrift  wird  als  früharabisch,  karmatiscb,  bezeichnet;  das  Stück  soll  kurz 
nach  Mohammed  geprägt,  das  Grab,  in  dem  es  lag,  als  dem  6.  oder  7.  Jahrhundert, 
dem  Ende  der  Heidenzeit  in  Thüringen,  angehörig  zu  betrachten  sein.  Hr.  Prof. 
Ed.  Sachau  hieselbst  erklärt  jedoch  die  betreffenden  Zeichen  für  nicht  arabisch, 
soweit  er  nach  der  Abbildung  im  Jahresbericht  urtheilen  kann;  die  auf  diese 
Legende  basirte  Zeitbestimmung  wäre  demnach  hinfällig^).  Die  Medaille  ist  auch 
abgebildet  und  erwähnt  bei  Johann  Karl  Baehr:  Die  Gräber  der  Liven,  Dresden 
1850,  Taf.  XX,  7  und  S.  62. 

Angeblicher  Bleiring  aus  einem  Pfahlbau. 

Genthe:  Etruskischer  Tauschhandel  S.  117  erwähnt  nach  Desor:  Anzeiger  f. 
schwzr.  Alterthumsk.  1870,  Heft  4,  S.  187,  einen  bleiernen  Sammelring  eines 
„porte-monnaie  lacustre**  von  Auvernier  am  Neuenburger  See.  Dieser  Bleiring 
scheint  indess  nicht  zu  existiren;  allerdings  steht  bei  der  Desor'schen  Abbildung, 
Taf.  18,  8,  neben  dem  Sammelring  das  Wort  „Blei^,  aber  der  Text  erläutert  aus- 
führlich, dass  derselbe  aus  Bronze  ist. 


1)  In  dem  Jahresbericht  wird  auch  S.  3,  Note  **  erwähnt,  dass  Stieglitz:  Arch&ologi* 
sehe  Unterhaltungen  Bd.  2,  S.  185,  alle  auf  uds  gekommenen  Bleisachen  für  römisch  hält. 
Die  vorliegende  Medaille  ist  nun  zwar  nicht  romisch,  aber  doch  auch  südlichen  Ursprungs. 


(111) 

(21)  Der  Yonitzende  legt  die  Photographie  des  juDgeo  Akkamädchens 
Saidah,  welche  vor  wenigen  Jahren  von  Romoio  Gessi  aus  Centralafrika  gebracht 
wurde,  vor. 

(22)  Im  Auftrage  des  Hrn.  K.  Friedel  übergiebt  Hr.  Buchholz  folgende 
Mittheilungen : 

I.   Der  Silberberg  bei  Wollin  als  Stätte  der  Jomsburg. 

Ueber  Wollin,  den  Siiberberg  bei  der  Stadt  und  die  Statte  des  alten  Julin 
(Jamneta,  Vineta)  sowie  die  Jomsbnrg  oder  Jomswikingerburg  haben  die  Verhand- 
lungen der  Berliner  Anthropologischen  Gesellschuft  bereits  manche  wichtige  Mit- 
theilaugen geliefert.  Vergl.  Virchow's  Hauptbericht,  Verh.  vom  13.  Jan.  1872, 
S.  58  flg.  Albert  Voss  erwähnt  den  Woliiner  Pfahlbau  gelegentlich  in  Verh.  1873, 
S.  131,  eine  weitere  beiläufige  Notiz  Virchow's  siehe  in  Verh.  1874  S.  14  u.  116. 
Küster  berichtet  über  Gerippe-Ausgrabungen  und  Münzfunde  von  ca.  1030  am 
Silberberg,  Verh.  1874,  S.  207,  Virchow  a.  a.  0.  über  die  Schädel,  vgl.  auch  die 
Notiz  Virchow's  S.  247.  Küster  zeigt  ferner  2  menschliche  Gerippe  und  1  Urne 
von  Silberberg,  Verh.  1876,  S.  234,  Virchow  spricht  hierüber  S.  235  und  kommt 
in  Verb.  1877  S.  399  nochmals  gelegentlich  auf  die  Sache  zurück. 

Wenn  ich  gleichwohl  von  dieser  Stelle  und  zwar  hauptsächlich  vom  Silberberg 
neue  Funde,  die  ich  selber  an  Ort  und  Stelle  gemacht,  beziehentlich  für  da«  Mark. 
Museum  erworben  habe,  vorlege,  so  möge  das  mit  dem  grossen  Interesse  entschuldigt 
werden,  welches  die  hochberühinte,  von  Sage  und  Geschichte  umwobene  Gegend 
immer  wieder  erweckt,  auch  damit  feiner,  dass  mindestens  eines  der  Fundstücke 
einen  neuen  Gesichtspunkt  eröffnet  und  dass  ein  neu  gewonnener  reicher  Münz- 
fiind  einen  Blick  in  die  weit  verzweigten  Handelsbeziehungen  des  hier  bestandenen 
£mporinm8  und  in  seine  Chronologie  verstattet. 

In  der  Gegend  kommen  3  Lokalitäten  vorzugsweise  in  Betracht: 

L  Der  eigentliche  Pfahlbau  Wollin  oder  Julin,  dessen  Kulturreste,  soweit  ich 
übersehe,  alle  dem  sogen.  Burgwalltjpus  entsprechen. 

II.  Die  sehr  ausgiebigen  Wirthschaftsabfälle  bei  der  Plantage,  südlich  der 
Stadt,  die  sich  durch  ihre  schwärzlichen  Kohlen-  und  Aschstreifen  schon  vom 
Dampfi»chiff  aus,  wenn  man  von  Stettin  kommt,  auf  dem  linken  Dievenow-Ofer, 
kurz  ehe  man  an  die  Stadt  gelangt,  bemerkbar  machen.  Auch  hier  findet  sich  echt 
wendische  Poterie  der  letzten  heidnischen  Periode,  durchaus  ohne  Glasur,  bröcklich, 
grob  mit  Steinchen  gemengt,  mit  Schlangenlinien,  Parullelriefen  und  dgl.  nationalen 
Ornamenten  versehen,  ledergelb,  röthlich  oder  schwärzlich. 

in.  Sehr  verschieden  davon  ist,  neben  einiger  wendischer  Poterie,  die  Haupt- 
masse der  Geschirrrest-Funde  von  dem  Silberberg  nördlich  der  Stadt,  der  noch  jetzt 
darch  bruchiges  Wiesenterrain,  ersichtlich  früher  durch  Mora&t  und  Wasser,  von 
der  Stadt  W^ollin  getrennt  war,  wobei  bemerkt  sei,  dass  diese  ehemalige  Wasser- 
fläche hier  bequem  mehrere  100  Wikingerschiffe  wie  ein  Hafen  aufnehmen  konnte. 

Auf,  um  und  am  Silberberg,  der  bereits  durch  Abgrabungen  viel  von  seiner 
früheren  Gestalt  und  Grosse  verloren  hat,  finden  sich  sehr  harte  schwarze,  aus 
feinerem  Thon  bestehende  Gefässe,  zum  Theil  mit  Henkeln  versehen,  mitunter  mit 
Ornamenten,  die  an  das  W^endische  anklingen,  verziert.  Besonders  charakteristisch 
Bind  aber  Scherben,  welche  der  skandinavischen  Töpferwaare  des  10.  bis  12.  Jahr- 
hunderts gleichen,  viel  fester  sind  als  die  wendischen  gleicher  Zeit,  und  sich  auch 
tonst  durch  Farbe  und  Gestaltung  von  dem  spätwendischen  Geschirr  leicht  sondern 
lassen.     Proben  solcher  Gefassreste,  die  ich  selbst  im  und  am  Silberberg  gesammelt. 


(112) 

befindeo  sich  im  Mark.  Museum  unter  Nr.  11.  8112 — 19  uebst  3  Schädeln  (Kat.  VIII, 
885 — 888)  von  derselben  Stelle,  die  Schädel  in  den  Formenkreis  der  von  Küster 
und  Virchow  besprochenen  offenbar  hineingchorig.  Der  Berg  hat  sich  seit  Jahr- 
hunderten so  reich  an  Funden  von  Silber  (Münzen  und  Schmuck)  erwiesen,  dass 
er  daher  den  Namen  Silberberg  erhalten  hat  In  einem  ßriefe  von  1590  (Verh. 
1874,  S.  209)  heisst  es,  dass  unter  den  abgebrochenen  Grund-  und  Ecksteinen  sil- 
berne BlÜDzen,  desgleichen  Gebeine  von  sehr  grossen  Leuten  gefunden  wurden. 

Der  Besitzer    der  Mühle    auf  dem  Silberberg,  Hr.  Hartwig,  grub  im  October 

1882  in  der  Nähe  seiner  Mühle  das  hier  abgebildete  Scbälchen,  Fig.  1  (Durchmesser 

am  Rand    10  cm,    am  Boden    7  cm,    Höhe  5  cm\    mit  ca.  130  ^  Silbermünzen  aus. 

\u  natärl.  Gr.       ^^^^  Ge^s  ist  sehr  merkwürdig,  vor  Allem  durch  eine  deutliche 

grüngraue  Glasur    und    durch    seine    feine  röthliche  Thonmasse, 

^9^C*-i-^    die  etwa  unseren    gewöhnlichen  Blumentöpfen   entspricht.     Es  ist 
\         /        /     also    grundverschieden    von    aller   wendischen    Töpferei.     Ebenso 
\^     \      J       merkwürdig  ist  es,    dass  dies  Töpfcbeo  eingemauert  gewesen  ist; 
'  man    sieht   die  Spuren    des    steinhart  gewordenen  unvertilgbareo 

Kalkmörtels  deutlich  an  der  Unterseite.  Von  dergleichen  ver- 
mauert gewesenen  Gefassen,  so  häufig  sie  sonst  auch  vorkommen, 
ist  niemals  etwas  constatirt  worden,  so  weit  es  sich  um  wen- 
discbe  Poterie  handelt. 

Zur  Vergleichung  verweise  ich  auf  das  hier  abgebildete,  um 
etwa  100  Jahre  jüngere,  nach  Masse,  Form  und  Ornamentirung 
acht  wendische  G^fäss  mit  Deckel  von  Michendorf  bei  Pots- 
dam, Fig.  2  (Kat.  II  des  Mark.  Mus.  11  828  —  29),  welches  vom 
grössten  Interesse  erscheint,  nicht  blos,  weil  es  das  vielleicht 
V'io  natürl.  Gr.  späteste  wendische  Gefäss  ist,  welches  chronologisch  durch  Münzen 
bestimmt  wird,  sondern  auch  weil  es  den  überaus  merkwürdigen,  schnell  berühmt 
gewordenen  Mich en dorfer  Münzfund  mit  den  ersten  Münzen  der  bis  dahin 
halb  mythischen  Petrissa  (oder  Petrussa),  Gemahlin  Przibislaws,  des  Adoptiv- 
vaters  Albrechts  des  Bären,  und  viele  andere,  theils  bis  dahin  ganz  unbekannte, 
theils  nur  in  wenigen  Stücken  erhaltene  Münzen  des  12.  Jahrhunderts  in  sich 
eingeschlossen  hat.  Die  durchweg  silberne  Münzen  aus  dem  Gefäss  vom  Silber- 
berg bestehen  ungefähr  zur  Hälfte  aus  sog.  Wendenpfennigen  in  etwa  10  verschie- 
denen Geprägen.  üeber  diese  Münzen  hat  sich  Hermann  Dannenberg  in  seinem 
vorzüglichen  Werk  „Die  deutschen  Münzen  der  sächsischen  und  fränkischen  Kaiser- 
zeit** des  Nähern  ausgelassen.  Gefunden  werden  die  Wendenpfennige  in  der  nord- 
ostdeutschen Tiefebene,  in  Polen  und  bis  nach  Kiew  hin.  Die  andere  Hälfte  der 
Münzen  besteht  vorzugsweise  aus  Abschnitten  von  Lothringen'schen,  Friesländischen, 
Fränkischen  und  Bayrischen  Münzen,  ausserdem  sind  ein  ungarisches,  ein  Böhmi- 
sches und  2  Englische  Gepräge  erkennbar.     Es  kommen  vor: 

1.  Aus  Lothringen: 

Cöln, 

Huy,  König  Heinrich  II  (1002—24). 

2.  Westpfalen: 

Dortmund,  Heinrich  II  (1002—24). 

3.  Friesland: 

Markgraf  Bruno  v.  Friesland  (1038—57). 
Deventer,  Heinrich  II  (1002—24). 

^  Bischof  von  Utrecht. 

Utrecht,  Bischof  Barnolf. 


(113) 


4.  Franken: 

Mainz,  Enbischof  Bardo  (1031—51). 

Speyer. 

Worms,  Otto  III  (091—905). 

5.  Bajern: 

Regensburg,  Herzog  HeiDrich  VII  (1030—47). 
,,  Bischof  Gcbhard  III  (i(»3u— 60). 

6.  Böhmen: 

Bracislaus  I  (1037—55). 

7.  Ungarn: 

Stephan  I  (der  Heilige)  (lO(K)— lo.Ss). 

8.  England: 

Ethelred  II  (979—1016). 
Kanut  d.  Gr.  (1016-35). 

9.  Als  eine  zeitgenossische  ^'achahmung  erscheint 

1  Stück,  Otto  111  und  Adelheid. 
Die  M&nzen  reichen  darnach  von  etwa  079  bis  etwa  1060  und  gehören  zumeist 
der    ersten  Hälfte    des  1 1.  Jahrhunderts  an.     Hierneben    sind    bezüglich  der  Joms- 
bürg  und  WoUins  folgende  geschichtliche  Jahreszahlen  zu  vergleichen: 


a)  die  soandinavische  Jomsburg. 

1.  Handd  Blausahn  (f  986  oder  987), 
wild  965  Christ,  mit  Gunhild  seiner 
Gemahlin;  Kaiser  Otto  der  Grosse 
hebt  ihren  Sohn  Sven-Otto  aus  der 
Taufe. 

2.  970—980  Erbauung  der  Jomsburg. 

3.  991  oder  992  stirbt  König  Harald 
in  der  Jomsburg. 

4.  Onter  Kanut  dem  Grossen  (1014  bis 
1035)  wird  Dänemark  christlich.  Die 
Jomsburg  hat  sich  während  dessen 
den  Dänen  wieder  unterworfen  und 
hat  dänische  SUtthalter. 

5.  Als  sie  unter  Magnus  dem  Guten 
den  Gehorsam  versagt,  wird  sie  1042 
oder  K^  von  Grund  aus  zerstört. 


6.  In  dieser  ganzen  Zeit  und  späterhin 
sind  keine  historischen  Daten  über 
die  Jomsburg  mehr  vorhanden. 


4. 


7. 


VwrhudLdtc  BtrL  Aathnpol.  G«MUtebBft  1883. 


b)  das  wendische  Wollin. 


\^^'i  tlieht  König  Harald  v.  Dan.  nach 
Wollin  und  wird  von  den  Wenden,  wie- 
wohl er  Christ,  gut  aufgenommen. 
991  wird  or  verwundet  nach  Julin  ge- 
bracht und  begieht  sich  demnächst  iu 
die  Jomsburg,  vgl.  a.  3. 
In  diese  Zeit  gehören  die  wendischen 
Niederlassungen  an  der  Plantage  süd- 
lich der  jetzigen  Stadt  Wollin  und  das 
Anwachsen  der  eigentlichen  Stadt  Wol- 
lin (Julin,  Jumneta.  Vineta). 


1075  schildert  Adam  v.  Bremen  die 
Hlüthe  Vineta's  (Wollin's). 
Als  um  10i»5  sich  viele  aus  Dänemark 
Vertriebene  nach  Wollin  geflüchtet  und 
von  dort  Secraub  getrieben  hatten,  legt 
sich  eine  dänische  Flotte  vor  Wolliu 
und  erzwingt  die  Auslieferung  der  scan- 
dinavischen  Seeräuber. 
1120  wird  Wollin  von  den  Schweden 
und  Polen  erobert,  Herzog  Wartisiav 
von  Pommern  verspricht,  Christ  zu 
werden. 

11 22  predigt  der  spanische  Mönch  Bern- 
8 


(114) 


(> 


In  dieser  ganzen  Zeit  und  späterhin 
sind  keine  historischen  Daten  über 
die  Joinsluirf;  mehr  vorhanden. 


hard  den  Wollinero  das  Ghristeothum 
vergeblich. 

8.  1124  erscheint  der  Ponamern bekehrer 
Otto  von  Bamberg  zum  ersten,  1129 
zum  zweiten  Male  in  Wollin.  Die 
Stadt  wird  christlich. 

9.  1133  wird  Wollin  schon  als  Sitz  eines 
.Bischofs  erwähnt. 

10.  1170  wird  die  Umgegend  von  Wollin 
verwüstet,  1175  die  Stadt  verbrannt. 
Helmold,  der  Slavenchronist  (Ende 
des  12.  Jahrhunderts)  kennt  die  Stadt 
nur  als  untergegangen. 

11.  1180  wird  das  Bisthum  von  Wollin 
nach  Camin  verlegt,  Wollin  ist  Ton 
da  an  unbedeutend  geblieben. 

Zu  dieser  historischen  Parallele  passen  die  Funde  vom  Silberberg  genau.  Die 
sämmtlichen  Münzen  sind  zweifellos  kurz  vor  1042  oder  1043,  d.  h.  vor  der  Zer- 
störung der  Jomsburg  hier  vergraben  worden.  Bei  der  Eroberung  derselben  wur- 
den die  Vertheidiger  getödtet  oder  in  die  Sklaverei  verkauft,  daher  die  grosse 
Menge  vergrabener  und  verborgen  gebliebener  Silberschätze. 

Auch  das  Vorkommen  von  Bruchstein-Mauerwerk  und  Mörtel  auf  dem  Berge 
in  Verbindung  mit  Münzen  aus  der  ersten  Hälfte  des  1 1 .  Jahrhunderts  erklart  sich 
ungezwungen,  sobald  wir  nur  davon  absehen,  dass  auf  dem  Silberberg  eine  slavi- 
sehe  .Nnsiedluug  war,  denn  die  Wenden  unter  sich  und  für  sich  kannten  allerdings 
in  jener  Gegend  —  wenn  überhaupt  —  erst  sehr  wenig  Mörtelbau,  ja  auch  die 
nächsten  christlichen  den  tscheu  Ansiedelungen  begnügten  sich  zumeist  mit  Holz 
und  Lehnilvauten.  Dagegen  waren  die  Skandinavier  durch  ihre  Eroberungen  in 
Kngland«  wo  sich  der  römische  Mörtel-  und  Mauerbau  von  den  Zeiten  des  Julius 
i'äsav  her  in  Uebung  erhalten  hatte,  schon  seit  dem  9.,  gewiss  seit  dem  10.  Jahr- 
hundort mit  dem  Mörtel-  und  Bruchstein-Mauerbau,  sowie  dem  Steinschnitt  ver- 
traut. Soll  doch  schon  die  grossartige,  hoch  gefeierte  Kathedrale  zu  Lund  in 
Schonen  mit  ihn^n  gewaltigen  steinernen  Portalen  und  Gewölben  im  altromani- 
schen Styl  aus  Hausteinen  im  Jahre  1011  begonnen  worden  sein.  Vergl.  C.  G.  Bru- 
nius:  Nonlens  äldsta  Metro]^litankyrka  eller  historisk  och  arkitektonisk  beskrifning 
öfver  l.unds  l>omkyrka,     Lund  1836.     S.  '24  und  26flf.O. 

Nahe    verbunden    aber  sind  nach  allen  historischen  Nachrichten  die  Jomsburg 


V  \^w  «lomslur«;  w.ir  ein  Rurgwall  von  liranitblCs^keu  und  Pallisaden,  inmendig  waren 
hoho  rhüriMu  drr  lUfeii  ^»r  durch  einen  ^^emauerton  Thurm  mit  einem  (romanischen) 
Soh>ÄibK»»;x»»  und  FÄlljrattor  ab}:o:iperrt.  An  Baokstein-Hau  ist  hierbei  nicht  za  denken^  dieser 
Ol  scheint  oist  in  ^ior  zweiten  Hälfte  des  12.  Jabihuiivierts  in  Pommern  und  Meklenburg, 
aUouhn^>  «iislotum  oiiiirt^tühTt  durch  dänische  Baukür.stler.  Vergl.  hierüber  Karl  v  Rosen 
„l  cbot  l\r,'tiMÄrk>  Kint'.uss  au:"  die  früheste  christliche  Architektur  Rügens,  1872':  J.L.  Löff- 
let ,P:c  KKvstorkirche  :\\  Hergen  auf  Rübsen*  ^Balt.  S:ud.  XXIX,  S  77  ff.)  und  ders  :  »Die 
Kirchen  i\\  .Vitculljchon  und  Schaprode  auf  Uü^r*  ^das.  XXXL  S.  211  ff.\  sowie  J.  Korne- 
lup:  «Oie  VerMr.duuc  des  Klo>tors  Ksrv^m  mit  oen  «er.discben  Ländern  und  deren  architek- 
toiusche  Sj»uren\  .tllo  o  .\bh.  vcn  ii.  von  Roser.  aus  dem  Danischen  übertracen.  Eornerup 
jix'hlii«»st  mit  der  intorxv^'Santen  llypothose,  dasa:  Dänemark  und  IVotschland  ihre  romanische 
Uück^tioin- \rv*hitektur  aus  ^emeiuschattücher  Quelle«  Nord-Italien,  speciell  der  lombardi- 
Kchou    liett'l'eue^  «o  lUu>teiu  loblt«  alwuteiten  hätteu. 


(115) 

UDd  die  Stadt  Wollin  (Julin)  immer  gewesen  und  jedenfalls  räumlich  näher,  als 
Lebbin  sein  wurde,  2  deutsche  Meilen  westlich  Wollin,  in  welchem  Punkt  G.  W. 
V.  Raumer:  Die  Insel  Wollin,  Berlin  1851,  S.  20,  die  Jomsburg  sucht,  eine  Stelle, 
wo  ein  wendisches  Fischerdorf  seine  geringen  Reste  hinterlassen  haben  mag,  von 
ausgiebigen  Silberfunden  aber  keine  Rede  ist.  Bezeichnend  erscheint  es  ferner, 
dass  langst  nach  dem  Falle  der  Jomsburg,  zur  Waldemarischen  Zeit,  Svend  Agesön, 
als  er  von  der  Zerstörung  Julin's  (Wollin's)  spricht,  meint,  er  sähe  mit  eigenen 
Augen  die  alte  Jomsburg  fallen  ^). 

Nach  den  vorstehenden  Ausführungen  löst  sich  das  Verhältniss 
beider  Ortschaften  ungezwungen,  wenn  man  in  Wollin  oder  Julin  die 
wendische  heidnische  Pfahlbau-Stadt,  auf  dem  Silberberg  mit  seinen 
Verschanzungen  die  skandinavische,  halbchristliche  «Jomsburg  sieht. 
Dass  auf  dem  Silberberg  bei  Wollin  die  Jomsburg  gestanden  hat, 
mochte  ich  hiernach  als  Hypothese  aufstellen. 

II.   Der  Michendorfer  Fund. 

Zu  den  beiden  Gefässen  von  Michendorf  bei  Potsdam,  Kreis  Zauche-Belzig,  sei 
bemerkt,  dass  dieselben  aus  hellbraunrothem  Thon  sind.  Leider  ist  das  Haupt- 
gefass  sehr  defect,  Durchmesser  des  Bodens:  9,5  c/n,  der  Durchmesser  der  grössten 
Weite  mag  15  Cf»,  die  Höhe  des  Topfes  18  cm  betragen  haben.  Der  grösste  Durch- 
messer des  mit  einem  knopfartigen  Griff  versehenen  Deckels  ist  12  c/w,  die  Höhe 
5  em.  Der  Topf  ist  mit  seichten  Parallel-Hiefeln,  der  Deckel  mit  eingedrückter 
Schlangenlinie  verziert  (cfr.  Fig.  2). 

Der  Inhalt  an  Silbermünzen  hat  in  der  numismatischen  Welt  das  grösste  Auf- 
sehen erregt.  Es  sind  über  2000  Stuck,  theils  Bracteaten,  theils  zweiseitige  Mün- 
zen, aus  der  Zeit  von  1140 — 1184  gefunden  worden  und  zwar  Gepräge  von  Przi- 
bi^law  (dem  letzten  wendischen,  zuletzt  zum  Christenthum  unter  dem  Namen 
Heinrich  übergetretenen  Fürsten  von  Brandenburg),  von  Albrecht  dem  Bär  und 
Otto  L  Unter  den  Przibislaw  zugeschriebenen  Münzen  (dies  sind  die  zweiseitigen) 
befanden  sich  bi-^^her  ganz  unbekannte  Gepräge,  darunter  namentlich  eine  mit  dem 
Bilde  seiner  Gemahlin  Petrissa  (oder  Petrussa)  auf  der  Rückseite.  Näheres  über  den 
Fund  haben  von  Sallet.  Dannenberg  (Zur  Brandenburgischen  Münzkunde,  zwei- 
ter Nachtrag,  S.  277),  E.  Bahrfeld t  (Der  Bracteatenfund  von  Michendorf)  und 
Lange  (Berliner  Münzblätter  1880,  Nr.  4)  publicirt. 

III.   Vorgeschichtliche  Gefässstrichler. 

In  das  Märkische  Museum  sind,  mit  anderen  Fundstücken  aus  verschiedenen 
Gegenden  der  Provinzen  Brandenburg  und  Pommern,  eigenthümlich  sägeförmig  ge- 
kerbte Geräthe  von  Feuerstein,  Kalkstein,  Bronze  oder  Knochen  gelangt,  deren 
Zweck  zweifelhaft  erschien,  bis  die  im  Märkischen  Museum  damit  angestellten 
Versoche  darthaten,  dass  sie  zur  Herstellung  der  parallel  gestrichelten  Ver- 
zierungen an  Thongefässen  der  letzten  vorgeschichtlichen,  namentlich  der  ^slavi- 
8cheo^  Periode  gedient  haben  mögen  und  am  bezeichnendsten  „Strichler^  zu 
nennen  sind.  Diese  Geräthe  haben,  wenn  von  Stein,  a)  die  Form  von  flachen, 
prismatischen  Messern,  deren  Schneid^  mit  regelmässigen,  rundlichen  Kerbzähnen 
versehen  ist,  wie  der  von  den  Bauzelvitzer  Bergen  auf  Rügen  (II,  13  374).  der 
TOD  Feldberg   in  Meklenburg-Strelitz    vorgelegte   und  derjenige,    welchen  Hr.  Oe- 

1)  Saxo  Grammaticus  nennt  sogar  die  Jomsburg  selbst  Julin,  ^as  ebenfalls  dafür  spricht, 
dass  beide  Punkte  hart  bei  einander  lagen. 


(116) 

»teu  gelegentlich  des  letzten  Berichts  über  die  Umgegend  von  Feldberg  (Heklen- 
t>urg-Strelitz)  im  Jahrgang  1882  besprochen  hat  Derselbe,  vom  Steinwerder, 
befindet  sich  in  der  Feldberger  Sammlung,  Facsimilia  werden  im  Märkischen 
Museum  unter  II,  13  772,  aufbewahrt.  —  Oder  sie  haben  b)  die  Form  einer 
der  natiirlichen  Abtheilungen  einer  Apfelsine,  wie  ein  Strichler  aus  Kalkstein  (Fig.  3) 
im  Besitz  des  Hrn.  Budach  in  Greifswald  bei  Grimmen,  Reg.-Bez.  Stralsund,  in 
einem  Torfmoor  gefunden.  Abguss  sub  II,  13  251,  im  Märkischen  Museum.  Fig.  3a 
zeigt  eine  Topfwand,  welche  mit  diesem  Geräth  nach  wendischer  Art  gestrichelt  ist 
Unter  11,  13  230,  wird  ein  ganz  ähnliches  natürliches  Steinstück  verwahrt,  von  mir 
1882  auf  einem  mit  anscheinend  wendischen  Scherben  besäeten  Acker  nahe  Kagel, 
Kreis  Nicder-Barnim,  gefunden.  Wenige  kleine  Absplitterungen,  welche  an  diesem 
Stück  bei  der  Auf6ndung  sich  bereits  befanden,  genügen,  dasselbe  in  vollkommen 
analoger  Weise,  wie  den  Budach 'sehen  Strichler  zu  benutzen. 


Fig.  3. 


Fig.  3  a. 


Fig.  4. 


Fig.  4a. 


ys  natürlicher  Grösse. 


Va  natarlicher  Grosse. 


Von  Bronze  befindet  sich  im  Märkischen  Museum  ein  bei  Himmelpfort,  Kreis 
Templin«  auf  einem  Urnenfelde  gefundenes  kleines  Messerchen  (11,  13  723),  dessen 
scharfer  Rücken  siigoformig  gezähnt  ist;  von  Knochen  ein  in  dem  spätwendischen 
Burgwall  von  Potzlow,  Kreis  Prenzlau,  gefundenes  Instrument  (II,  9187),  welches 
MUH  einer  sehr  flachen  und  scharfkantigen  Rippe  (von  einem  Pferd?)  hergestellt 
int,  in  deren  scharfe  Kante  eine  Reihe  regelmässiger  Zähne  tief  ausgekerbt  sind. 
Pio  Ornamente  einer  grossen  Zahl  von  wendischen  Gefösssch erben,  darunter  auch 
der  oben  gedachte  Münztopf  von  ^lichendorf,  gleichen  den  probeweise  mit  jenen 
Striühlorn  gezogenen  sehr,  ja  zufällig  passen  die  Zähne  des  Knochenstrichlers  von 
Potzlow  fast  genau  in  die  an  dem  Münztopf  von  Sonnewalde,  Kreis  Luckau,  an- 
gobriushton  Ornamentlinieu,  welcher  Leiuwandsäckchen  mit  silbernen  Wenden- 
pfonnigen  (I).  11,  10  063  —  56  des  Katalogs)  enthielt  und  in  den  Verh.  von  1880, 
S.  *J2r>  und  22G,  besprochen  ist. 

Fig.  4  zeigt  den  Knochen-Strichler,  Fig.  4  a  eine  mit  ihm  bearbeitete  Topf- 
wund. 


(117) 

IV.    Dcorselbe  legt  eioea 

Depot-Fund  (BroozeQ  und  hüsen)  von  Carlseteln,^ 

Kreis  Köoigeberg  in  der  Neu  mark,  vor,  welcher  vom  Rittergutsbesitzer  von  Stulp- 
oagel  dem  Märkischen  Museum  übergeben  ist.  Letzterer  Hess  im  herrscbaft- 
lichen  Garten  zu  Carlssteiu  im  vorigen  Jahre  Bäume  ausroden,  virobei  die  Arbeiter 
etwa  60  cm  tief  3  Bronze-Halsringe  (II,  13  606 — 8),  darunter  einen  scharf  gewundenen 
(Torques),  einen  massiven  stabrunden  Bronze-Armring  (II,  13  609)  und  die  Reste 
von  eisernen  massiven  Armringen  (II,  13  610)  fanden,  von  denen  die  letzteren  zum 
grössten  Tbeil  in  eine  klumpenförmigo,  oxydirte  Masse  unter  Aufnahme  erdiger 
Bestandtheile  übergegangen  waren,  ähnlich  den  Thoneisenstcinbildungen,  welche 
sich  häufig  in  Eiesschichten  finden.  Da  das  Alter  des  Fundes  in  die  Zeit  gehört, 
in  welcher  Eisen  neben  Bronze  häufiger  wird,  so  würden  Geologen  aus  diesem 
Falle  Schlüsse  auf  das  Minimalalter  jener  Naturbilduugen  zu  ziehen  in  der  Lage 
sein.  .Dergleichen  aus  Rostklumpen  entstandene  Massen  ähneln  von  Natur  ge- 
wachsenen Steinen  so  überaus  täuschend,  dass  es  wohl  kaum  ein  Alterthumsforscher 
der  Mühe  für  werth  halten  würde,  sie  in  die  Hand  zu  nehmen.  Gleichwohl  zeigt 
dies  mineralische  Gebilde  durchgeschlagen  im  Innern  noch  deutlich  Reste  des 
eisemeo  Artefakts,  aus  dem  es  durch  Umbildung  entstanden  ist.  Mit  Recht  hat 
Hostmann  warnend  und  zur  Vorsicht  mahnend,  darauf  aufmerksam  gemacht,  wie 
▼iele  eiserne  Geräthe  auf  diese  Weise  auf  mineralischem  und  chemischem  Wege 
umgewandelt  und  völlig  verzehrt  worden  sind,  ohne  dass  die  hinterbliebenen  eisen- 
haltigen Erdklumpen  von  irgend  Jemand  beachtet  wurden.  Als  diese  Erdklumpen 
zuerst  gelegentlich  der  im  Jahrgang  1882  geschilderten  Excursion  des  Märkischen 
Museums  nach  Alt-Rüdnitz  an  der  Oder  (Neumark)  den  zahlreichen-  Tbeilnehmern 
der  Excursion  vorgelegt  wurden  und  sich  als  umgewandelte  Eisengeräthe  erwiesen, 
machten  sie  auf  dieselben  einen  geradezu  frappirenden  Eindruck.  Die  Frage  des 
ersten  Auftretens  von  Eisengeräthen  erhält  in  der  That  durch  dergleichen  Funde 
eine  ganz  veränderte  Perspective. 

(23)   Hr.  V.  Martens  zeigt 

kleine  Sohneoken  aus  einem  aiten  Menschensohädel. 

Dieselben  sind  bei  Bernburg  von  Director  Dr.  Fischer  gefunden  worden.  Sie 
gehören  einer  in  ganz  Mitteleuropa  verbreiteten  lebenden  Art^,  Cionella  acicula 
(auch  Achatina  acicula  oder  Caecilianella  acicula  genannt)  an,  welche  unterirdisch 
io  lockerer  Erde,  Wiesenboden  u.  dgi.  lebt  und  verkümmerte  Augen  hat.  Der  be- 
treflfende  Schädel  lag  nach  der  Mittheiiung  des  Finders  70 — 75  cm  unter  der  Ober- 
fläche des  Ackers,  war  mit  Erde  gefüllt  und  enthielt  etwa  250  Stück  der  genannten 
Scboeckenschalen,  welche  theils  erwachsen,  einige  ungewöhnlich  gross,  5  mm  lang, 
tbeils  jung,  alle  aber  noch  glänzend  weiss  waren ;  eine  200  Schritt  davon  gefundene, 
ebenfalls  mit  Erde  gefüllte  Urne  enthielt  keine  Schnecke.  Auch  in  England  ist 
dieselbe  Schneckenart  unter  ähnlichen  Verhältnissen  gefunden  worden,  nehmlich  von 
Rev.  H.  Housman  in  einem  älteren  britischen  Begräbnissplatz  an  Knochen,  3  Fuss 
tief  unter  der  Oberfläche  (^the  bones  were  infested  with  Ach.  acicula*',  Journal  of 
Conchology,  April  1882,  S.  317).  Da  das  Vorhandensein  des  Geruchsinns  bei  den 
Schnecken,  speciell  den  Landschnecken,  durch  verschiedene  Versuche  bewiesen  ist, 
and  dieselben  gern  faulende  Substanzen  fressen,  so  erscheint  es  wahrscheinlich, 
dass  diese  Tbiere  durch  den  in  der  umgebenden  lockeren  Erde  sich  verbreitenden 
Verwesungsgeruch    herbeigelockt,    sich    in    so    bedeutender  Anzahl    um  die  Leiche 


(118) 

sammelten,  um  von  ihr  zu  zehren,  und  yielleicht  mehrere  Generationen  an  und  in 
ihr  lebten  und  starben ;  denn  man  findet  sie  sonst  nicht  leicht  in  solcher  Zahl  bei- 
sammen. 

(24)  Hr.  Arzruni  spricht  im  Anschluss  an  einen  Brief  des  Hrn.  A.  Frenzel 
über  das  Vorkommen  von  Nephrit  und  Jadeit. 

(25)  Hr.  Bartels  übergiebt  folgende  Notiz  aus  der  Norddeutschen  Allgemeinen 
Zeitung  vom  12.  d.  M.  über 

Krao,  ein  haariges  Mädchen  von  Laos. 

Ein  sonderbares,  kleines,  behaartes  Geschöpf  wird  gegenwärtig  im  König- 
lichen Aquarium  zu  Westminster  in  London  von  Wr.  Farini  als  „das  fehlende 
Glied**  in  der  Verbindungsreihe  zwischen  Affe  und  Mensch  gezeigt. 
Krao  ist  kein  Monstrum  in  der  gewöhnlichen  Bedeutung  des  Wortes,  sondern  ein 
sehr  gut  aussehendes,  intelligentes  Mädchen  von  ungefähr  sieben  Jahren.  £s  wurde 
nach  dem  über  sie  von  Mr.  Farini  gegebenen  Berichte  in  einem  Walde  von  Laos 
gefunden  und  von  Hrn.  Karl  Bock,  einem  Norweger,  welcher  seit  der  von  ihm  in 
„The  Head  Hunters  of  Borneo**  beschriebenen  Expedition  nach  Borneo  auch  Siam 
und  die  Staaten  des  Nordostens  von  Hinter-Indien  durchforscht  hatte,  nach  Eng- 
land gebracht.  Da  er  an  verschiedenen  Orten  von  der  Existenz  einer  behaarten 
Menschenrasse  gehört  hatte,  welche  einer  Familie  ähnlich  sein  sollte,  die  er  im 
Hafen  von  Mandalay  gesehen,  setzte  er  eine  Belohnung  für  die  Einfangung  eines 
solchen  Exemplars  aus.  In  Folge  dessen  wurde  eine  Familie  dieser  sonderbaren 
Rasse,  bestehend  aus  einem  Manne,  einer  Frau  und  dem  eben  ausgestellten  Kinde, 
auch  wirklich  gefangen  und  dem  Forscher  überliefert.  Wenn  die  Kleine  weglief, 
so  riefen  sie  die  Eltern  in  einem  klagenden  Tone:  Kra-o,  und  so  wurde  dieser  Ruf 
als  ihr  Name  angenommen.  Der  Vater  starb  noch  in  Laos  an  der  Cholera,  und  der 
Beherrscher  dieses  Landes  schlug  es  ab,  die  Mutter  ziehen  zu  lassen;  es  gelang 
jedoch  Hrn.  Bock,  das  Kind  nach  Bangkok  zu  bringen,  und  dort  erhielt  er  vom 
Könige  von  Siam  die  Erlaubniss,  es  mit  nach  Europa  zu  nehmen.  Die  Augen  des 
Kindes  sind  gross  und  glänzend,  die  Nase  platt,  die  Nasenlöcher  kaum  sichtbar, 
die  Wangen  fest  und  pfirsichfarben  und  die  Unterlippe  dicker  als  die  der  Europäer. 
Die  grösste  sichtbare  Eigenthümlichkeit  ist  jedoch  der  starke  und  üppige  Haar- 
wuchs. Am  Kopfe  ist  das  Haar  schwarz,  dicht  und  straff;  es  wächst  über  die  Stirne 
nieder  zu  den  dichten  Augenbrauen  und  setzt  sich  in  bartartigen  Locken  an  den 
Wangen  fort.  Der  Rest  des  Gesichtes  ist  mit  feinem,  dunklem,  flaumigem  Haar, 
Schultern  und  Arme  sind  mit  1  —  2  Zoll  langen  Haaren  bedeckt.  Das  Kind  besitzt 
ausserdem  eine  schwanzartige  Verlängerung  der  untersten  Rückenwirbel,  und  in  der 
Formation  seiner  Muskeln,  wahrscheinlich  auch  der  Knochen,  zeigt  es  von  der  ge- 
wöhnlichen Form  abweichende  Bildungen,  die  wahrscheinlich  wissenschaftliche  Dis- 
cussionen  hervorrufen  werden.  Kra-o  hat  bereits  einige  englische  Worte  gelernt; 
sie  ist  offenen,  zuthulichen  Charakters  und  zeigt  über  ihre  Kleider,  ihren  Schmuck 
und  ihre  Bänder  aufrichtiges  Entzücken. 

(26)  Hr.  L.  Schneider  in  Jicin  bespricht  in  folgender  Zuschrift 

die  Lage  von  Asliiburgion. 

Vor  zwei  Jahren  erschien  im  Programm  des  Taborer  Gymnasiums  ein  Artikel  von 
Prof.  Aug.  Sedlaöek  über  Ptolemaios,    in  welchem  nach  Sadowski^s  Methode 


(119) 

versucht  wird,  durch  Kurzen  und  Strecken  der  Ptolemaischeu  Grade  einen  Theii 
seiner  Karte  Böhmen  und  Mähren  anzupassen. 

So  wenig  Aussicht  auf  Erfolg  auch  derlei  Versuche  haben,  so  läset  sich  doch 
nicht  verkennen,  dass  einzelne  topische  Bezeichnungen  seit  Ptolemäus  bis  auf  unsere 
Tage  sich  erhalten  haben.  Zu  diesen  gehört  jedenfalls  der  slavische  Name  des 
Ricsengebirges  ^Korkonose**.  mit  welchem,  in  der  Form  Korkonti,  Ptolemzius  ein 
nahe  an  der  Weichsel  wohnendes  Volk  bezeichnet. 

Ich  kann  daher  Sedlucek  durchaus  nicht  beistimmen,  wenn  er  auf  Grund  der 
Worte  des  Ptolemäus:  „Oestlich  von  den  Chama\i  wohnen  an  der  Elbe  die  Eaio- 
chaimi,  oberhalb  diesen  die  Bateni  (?)  und  uhor  diesen  am  Fusse  des  Askiburgion 
genannten  Gebirges  die  Korkonti  und  die  Buri*"  —  die  Korkonti  nach  Böhmen  ver- 
legt and  in  Askiburgion  das  Riesengebirge  sieht.  Dem  allgemeinen  Sprachgebrauche 
nach  konnten  die  Bewohner  Böhmens  das  Rieseugebirge  nur  dann  als  ^Korkonter- 
berge*^  bezeichnen,  wenn  die  Korkonti  jenseits  des  Gebirges,  also  in  Schlesien 
wohnten.  Ueberdiess  hat  sich  aber  auch  der  Askiburgion  entsprechende  Name  bis 
heute  erhalten. 

Bekanntlich  erhebt  sich  zwischen  Mähren  und  Schlesien  ein  von  den  Deutschen 
„Gesenke**  genannter  Gebirgszug.  Die  Bezeichnung  „Gesenke**  für  ein  Gebirgo 
müssten  wir  sehr  absonderlich  finden,  wenn  wir  nicht  wüssten,  dass  dieses  Wort 
nur  eine  Verbalhornung  des  Wortes  „Jesenik^  ist,  mit  welchem  die  ^laven  jenen 
Gebirgszug  benennen.  „Jesenik"  ist  aber  soviel  wie  ^Eschengebirge"  vom  slavi- 
Bchen  jesen,  deutsch  Fische  und  altdeutsch  Aske  und  folglich  identisch  mit 
Askiburgion. 

Oestlich  und  sudlich  vom  Askiburgion  entspringen  nach  Ptolemäus  zwei  Flüsse, 
nehmlich  die  Wistula  (slavisch  Vis(t}la)  und  ein  zweiter  ungenannter  Fluss,  welcher 
seinen  Lauf  zur  Elbe  richtet.  Dieser  zweite  Fluss  kann  nur  die  Oder  gewesen 
sein,  und  wenn  Ptolemäus  den  mittleren  Lauf  dt^rselben  so  schlecht  kannte,  so  be- 
weist diess,  dass  die  Handelsstrasse,  auf  welcher  seine  Gewährsmänner  von  der 
Donau  zur  Ostsee  gelangten,  nicht  dem  Laufe  der  Oder,  sondern  dem  Laufe  der 
Weichsel  folgte. 

Ist  „Askiburgion**  gleich  „Eschengebirge"  und  „Jesen ik"^,  dann  müssen  wir 
alle  Orte,  welche  Ptolemäus  zwischen  jenem  und  der  Donau  nennt,  in  Mähren 
suchen  und  zwar  in  den  zahlreichen  dortigen  Burgwällen,  in  denen  häufig  genug 
romische  Münzen  gefunden  werden. 

(27)    Hr.  L.  Schneider  übersendet  Bemerkungen  zu 

(jBdset's  Buch  „Das  erste  Auftreten  des  Eisens  in  Nord-Europa*',  soweit  es  Böhmen  betrifft. 

In  der  Einleitung  zu  seinem  monumentalen  Werke  bespricht  Undset  die  bei- 
den Culturstromungen,  welche  von  verschiedenen  Seiten  und  zu  verschiedenen  Zei- 
ten das  mittlere  und  nördliche  Europa  beeinfiussten  und  hält  sich  dabei  längere 
Zeit  bei  Böhmen  auf,  in  welchem  beide  Strömungen  ausgezeichneter  Weise  zur 
Geltung  kommen. 

Es  ist  nur  zu  bedauern,  dass  Undset  die  in  böhmischer  Sprache  erschienenen 
einschlägigen  Publicationen  (namentlich  die  bereits  30  Jahrgänge  zählenden  Pamätky 
archaeologicke)  nicht  benutzen  konnte;  daher  will  ich  versuchen,  diesen  Ab- 
schnitt seines  Werkes  zu  completiren  und  wo  es  nötliig  ist,  zu  berichtigen. 

Dass  der  nördliche  und  der  mittlere  Tbeil  von  Böhmen  bereits  in  neolithischer 
Zeit    ziemlich    dicht    bevölkert  war,    zeigen  nicht  bloss  die  seit  Langem  häufig  ge- 


(120) 

fundeneo  Gerätbe  von  polirtem  Stein  ^),  sonderD  noch  deutlicher  die  sich  nunmehr 
stets  mehrenden,  früher  wenig  beachteten  Funde  von  geschlagenen  Silexinstrumen- 
ten.  Auch  meine  Hypothese,  dass  der  Nordwesten  Böhmens  Ton  Meissen  aus  durch 
den  Eibspalt  bei  Tetschen  bevölkert  wurde'),  gewinnt  an  Wahrscheinlichkeit  durch 
den  umstand,  dass  unlängst  auf  dem  Quaderberge  bei  Tetschen,  welcher  das  be- 
treffende Defile  abschliesst  und  den  Ausgang  aus  denselben  beherrscht,  eine  prk- 
historische  Ansiedelung  —  oder  besser  Befestigung  —  mit  Feuersteinspahnen  und 
Getreidereibsteinen  gefanden  wurde'). 

Was  an  Geräthen  dieser  frühesten  Bevölkerung  Böhmens  gefunden  wurde,  stammt 
aus  Wohnstätten;  beglaubigte  Gräberfunde  aus  dieser  Zeit  sind  sehr  selten.  Um  so 
werthvoller  ist  der  Bericht  des  Conservators  Lüssner^)  über  einen  Skeletfund  in 
der  neolithischen  Ansiedelung  bei  Cbrudim,  den  ich  hier  vollständig  mittheile:  In 
der  Lehmgrube  der  Chrudimer  Ziegelei  kam  im  Sommer  des  Jahres  1858  ein 
trichterförmiges  Grab  zum  Vorschein.  Dasselbe  hatte  oben  an  der  Ackerkrume  4* 
im  Durchmesser  und  reichte  2^  in  die  Tiefe.  Der  ganze  Raum  war  mit  Asche, 
Kohlen  und  Resten  von  Organismen  angefüllt.  In  der  obersten  Schichte  fand  man 
eine  grosse  Menge  von  Thierknochen,  Scherben  und  angebrannten  Steinen;  3  Fuss 
tiefer  lagen  auf  einem  Herde  von  Steinen  der  Schädel,  die  Geweihe  und  zahlreiche 
Knochen  von  einem  starken  Hirsche;  noch  tiefer  kamen  einige  Scherben  zum  Vor- 
schein, dieselben  waren  dunkel,  glänzend,  mit  sehr  kleinen  Henkeln  oder  Oehsen 
▼ersehen,  die  Ränder  waren  verziert  oder  fein  gezahnt.  Ganz  wurde  bloss  ein 
kleines,  2  Zoll  hohes,  3  Zoll  weites  Gefäss  von  Bombenform  mit  senkrecht  auf- 
steigendem Rande  gefunden,  welches  in  einem  Steinkreise  stand.  Ein  zweites  Ge- 
föss  war  kegelförmig,  —  ein  abgelöster  Henkel  war  mit  einem  eingestochenen  Jo- 
hanniterkreuz  verziert.  Bei  diesen  Gefässscherbeo  lagen  Stiicke  von  Hirschgeweihen, 
Eberzähne,  ein  geschlagener  Feuerstein  etc.  Wenig  tiefer  lagen  Stücke  eines 
Menschenschädels.  In  einer  Tiefe  von  9  Fuss  lag  endlich  ein  ganzes  menschliches 
Skelet,  mit  dem  Kopfe  gegen  West,  den  Füssen  gegen  Ost  gerichtet.  Der  Todte 
lag  auf  der  rechten  Seite,  die  Arme  vor  die  Brust  gelegt,  die  Schenkel  eingezogen, 
so  dass  die  Fersen  das  Kreuzbein  berührten.  Neben  dem  Skelet  lag  ein  Stierhom, 
Stucke  von  Hirschgeweihen  und  zwei  menschliche  Schädel,  der  eine  zu  Füssen,  der 
andere  zu  Häupten  des  Todten.  Die  Zähne  an  allen  Schädeln  waren  sehr  wohl 
erhalten  und  wiesen  auf  jugendliche  Individuen.  H.  Lüssner  übergab  alle  drei 
Schädel  den  Sammlungen  des  Nationalmuseums,  doch  wurden  dieselben  von  Nie- 
mand näher  untersucht.  Es  scheint,  dass  bei  Chrudim  ein  Grab  aus  jener  uralten 
Zeit  gefunden  wurde,  wo  man  den  Todten  in  dem  Trichter  seiner  Erdhütte  unter 
den  Trümmern  derselben  begrub  und  dass  sich  später  abermals  Jemand  in  dem 
nicht  ganz  ausgefüllten  Trichter  ansiedelte. 

In  die  neolithische  Zeit  reicht  auch  die  Ansiedelung  von  Vokovice,  bezüglich 
welcher  ich  Hrn.  v.  Strassern  viel  mehr,  als  den  Herren  Berger  und  Miks  bei- 
stimme. 

Dass  die  von  Undset  nach  Angaben  des  Hrn.  Miks  gezeichneten  Gruben- 
durchscbnitte  nicht  Gräber,  sondern  Reste  von  Wohnungen  sind,  dürfte  die  neben- 
stehende Zeichnung    einer  Grube   aus  der  gleichfalls  neolithischen  Ansiedelung  von 


1)  Bereits  im  Jahre  1846  waren  15  Fundorte  bekannt.    Casopis  ceskeho  Musea  1845. 

2)  Verhandlungen  der  Berliner  antbrop.  Gesellscb.  1881,  S.  243. 

3)  Klästersky,  Pamdtky  arcbaeol.  XI,  p.  432. 
4}  PamÄtky  ill,  p.  285. 


(121) 

Pfernysleni^)  beweisen.     Diese  Grube  (165  cm  tief,  125  cm  weit),  welche  ich  letzten 

Sommer   in    der  Ziegelei    von  Premysleni    sah,    zeichnete   sich  sehr  scharf  in  dem 

gelben  Loss  ab,  enthielt  aber  absolut  nichts  als  ^^ 

dankelgeffirbte  Ackererde,    so   dass    ich   sie  für 

nichts  anderes  erkennen  kann,  als  für  einen  auf-  ^.  /^a'w#iw 


gegebenen  Getreidebehalter.    In  den  Resten  der  ^' "   "  f' 

Yokovicer  Ansiedelung  kommen  ausser  Gefass-  / 

Scherben  auch  Artefakte  von  Feuerstein,    polir-  /         k 

teo  Steinen,  Knochen  und  antiker  Bronze  vor^).  [  1 

Auch  der  Bronzeeber  „aus  der  Sarka"  wurde  \         "        j 

von  Krolmus  im  Jahre  1848  „hinter  den  Wirth-  y 

Schaftsgebäuden    (zabumny)'^    des  Bauers  Hla- 

dik  in  Vokovice  ausgegraben,  vermuthlich  an  jener  Stelle,  wo  sich  noch  im  Jahre 
1858  eine,  damals  von  mir  oft  besuchte,  nunmehr  längst  aufgelassene  Lehmgrube 
(rechts  von  der  Strasse)  befand.  Die  Skcletgräber  mit  La  Tenebeigaben,  welche 
von  Arbeitern  in  den  neuen  grossartigen  Ziegeleien  (links  von  der  Strasse)  spora- 
disch anter  den  sogenannten  „Brandgräbern*^  gefunden  werden,  durften  zu  der 
alten  Ansiedelung  in  demselben  Verhältnisse  stehen,  wie  die  analogen  Gräber  zu 
der  neolithischen  Ansiedelung  bei  Bydzov*).  Hr.  Ziegeleiverwalter  Winter  in 
Vokovice  besitzt  von  hier  ausser  Silexartefakten  etc.  auch  ein  Stück  eines  roth- 
lackirten  mit  gestochenen  Ornamenten  verzierten  Gefasses  von  der  Art  derer  von 
Kralupy,  PoJepy  und  Markovice*). 

Eine  unzweifelhafte  Grabstätte  aus  alter  Bronzezeit  fand  Dr.  Ryzuer  in  der 
Nähe  von  Roztoky: 

Zwischen  Roztoky,  ünetice  und  i^alov  erstrecken  sich  über  eine  Area  von  etwa 
40  Hetzen  prähistorische  Gräber,  von  welchen  Dr.  Ryzner  zwei  Gruppen  aus- 
gebeutet hat.  Die  erste  Gruppe  zählte  27  Gräber  mit  Skeletten  neben  3  Urnen- 
funden.  Die  Gräber  sind  Reihengräber,  eines  von  dem  andern  80 — 100  cm  entfernt, 
die  Tiefe  beträgt  Vj^  —  IVj  '«,  die  Breite  1  ?«,  die  Länge  Vj»  —  2  m.  In  jedem 
Grabe  liegt  ein  Skelet  auf  der  rechten  Seite,  der  Kopf  gegen  Süd,  die  Füsse  gegen 
Nord  gerichtet,  also  mit  dem  Gesichte  gegen  Sonnenaufgang,  in  zusammengekauer- 
ter  Lage,  so  dass  die  Kniee  an  die  Brust,  die  Fersen  fast  bis  an  das  Kreuzbein  ge- 
zogen sind.  Die  Arme  liegen  an  dem  Brustkasten,  in  den  Ellbogen  zurückgeschlagen, 
80  dass  die  Hände  an  den  Kopf  reichen.  Ausnahmen  bildeten  die  Gräber  Nr.  20, 
wo  der  Schädel  fehlte  und  die  Knochen  zerstreut  lagen,  und  Nr.  21;  dieses  war 
ein  Massengrab  mit  durcheinandergeworfenen  Skeletresten. 

Fast  jedes  Grab  enthielt  ein  Gefass,  in  den  Frauengräbern  war  es  klein  und 
stand  in  dem  von  Unter-  und  Oberarm  gebildeten  Winkel,  in  den  Männergräbern 
war  es  ein  grosses  und  fast  immer  zerdrückt.     Skelette  von  Männern  wurden  ver- 


1)  Im  Jahre  1878  hielt  ich  die  Gruben  von  Premysleni,  Liben,  Byd^ov,  Zaiany  etc.  auch 
noch  for  Gräber  (Verbandl.  d.  Berl.  antbrop.  Gesellscb.  1878,  S.  368). 

2)  Ich  erwarb  hier  eine  Broozenadel  einfachster  und  wohl  ältester  Form.  Sie  besteht 
ans  einem  Stöcke  Bronzedraht,  dessen  einse  Ende  zugespitzt  ist,  während  das  andere  platt- 
gehämmert und  zusammenfiferollt  den  Nadelkopf  bildet. 

3)  Siehe  Mittheilungen  der  k.  k.  Centralcommission  für  Erhaltimg  von  Kunst-  und  Bau- 
denkmalen 1882,  S.  82. 

4}  Derlei  Gefässe  worden  in  Zulany  nicht  gefunden,  dagegen  erregte  hei  der  heurigen 
Versammlung  bobmiscber  Aerzte  und  Naturforscher  allgemeine  Aufmerksamkeit  ein  pracht- 
volles Geläss  dieser  Art,  welches  beim  Grundgraben  zu  einem  Hause  in  der  Prager  Vorstadt 
Smichov  gefunden  wurde  und  von  Eorensky  ausgestellt  war. 


(122) 

hältnissinässig  wenige  gefunden,  die  Frauen  und  Rinder  waren  reich  geschmückt 
mit  Bronzeschmuck  und  Bernstein.  Jedes  Skelet  ist  von  einer  Steinsetzung  um- 
geben, der  Kopf  durch  grosse  Steine  geschützt  und  das  Grab  bis  hart  an  die  Ober- 
fläche mit  grossen,  oft  einige  Centner  schweren  Steinen  angefüllt.  Die  drei  Urnen- 
funde sind  folgende: 

Nr.  22.  eine  Schlisse],  stand  in  einem  Haufen  von  Asche  und  gebrannten 
Knochen,  in  ihr  stand  ein  Topf  von  7  cm  Hohe  mit  Asche  gefüllt  und  beides  war 
mit  einem  umgestürzten  grossen  Topfe  bedeckt. 

Nr.  23  enthielt  ein  grosses  Geßiss  (8  Liter),  in  welchem  ein  kleineres  und  in 
diesem  abermals  ein  kleineres  Gefass  steckte,  die  Gefasse  enthielten  Asche  ohne 
Knochen. 

Nr.  25.    Reste  eines  grossen,  von  der  Pflugschar  zerstörten  Gefasses. 

An  Beigaben  wurden  gehoben:  11  kleine,  schwarze  Gefasse  mit  Graphitanstrich, 
7  zerdrückte  grössere  schwarze  und  röthliche  und  3  grosse  ganze  GefiSsse,  nur 
wenige  haben  Henkel,  die  meisten  sind  mit  Buckeln  versehen;  fünf  an  einer  Seite 
abgeriebene  Steine  (Kornquetscher) ;  in  17  Gräbern  wurde  Schmuck  gefunden  und 
zwar  sechsmal  Perlen  (Bernstein),  19  Nadeln  (achtmal  1,  zweimal  2,  einmal  3  und 
einmal  4),  15  Ohrgehänge  (fast  immer  zu  2),  5  Armringe,  1  Bronzekette,  3  Amu- 
lette (2  durchbohrte  Zähne  und  1  von  Bernstein),  endlich  ein  goldener  Ring.  An 
Waffen  und  Geruth  fand  man  bloss  einen  Bronzedolch  und  3  Bronzepfriemen. 

Die  zweite  Gruppe  von  Gräbern  lag  näher  gegen  Unetice.  Hier  wurden 
26  Gräber  von  Dr.  Ryzner,  3  von  Hrn.  v.  Strassern  geöffnet,  alle  enthielten 
Skelette,  welche  genau  so  lagen  wie  die  früher  gefundenen.  Die  Beigaben  be- 
standen aus  2  zugespitzten  Knochen,  1  Bronzedolch,  8  Armringen,  3  Paar  Ohr- 
gehängen, 6  Partien  von  Bernsteinperlen,  einem  Halsschmuck  aus  Bronze  und 
Bernstein,  3  Kornquetscbern,  7  Nadeln,  10  erhaltenen  Gefässen,  1  Stück  Schlacke, 
2  Bronzeringen,   1    Bronzepfriem  mit  Heft  von  Bein  und  einem  Ringe  von  Bein*). 

Den  Gräbern  von  Unetice  sind  ähnlich  diejenigen  von  Cecovice  (1  Meile  west- 
lich von  Unetice),  deren  eine  grössere  Zahl  von  dem  Bauer  Kromhoiz  geöffnet 
wurde.  Auch  hier  liegen  die  Skelette  mit  dem  Kopfe  gegen  Süd,  den  Fassen 
gegen  Nord  gerichtet,  in  hockender  Lage. 

Während  die  Gräber  der  Bronzezeit  aus  der  Umgebung  Prags  meist  Skelette 
enthalten  (war  diese  Gegend  vielleicht  schon  damals  so  arm  an  Wald  wie  im  Mittel- 
alter und  heut  zu  Tage?),  fand  man  im  nordöstlichen  Böhmen,  ausser  den  schon 
früher  bekannten  Urnenfeldern  von  Rosice  und  Kuneticc  (von  hier  stammt  die  bei 
Undset,  Taf.  VII,  Fig.  10,  abgebildete  Urne  mit  Deckschüssel),  letzter  Zeit  solche 
bei  Hohenbruck  (Tfebechovice),  Korunka  und  HoHneves. 

Das  Urnenfeld  von  Korunka  (beschrieben  von  Smolik  in  Pamatky,  XI,  S.  613) 
gleicht  auffallend  den  lausitzer  Urnenfeldern  von  Grossenhain  und  Strehlen. 

Das  Horineveser  Urnenfeld  habe  ich  heuer  im  Frühjahre  selbst  besucht.  Es  er- 
^  füllt  den  südlichen  Abhang  eines  mit  diluvialem  Schotter  hoch  bedeckten  flachen 
Hügels  bei  Hortnöves  und  war  wohl  schon  so  lange  bekannt,  als  die  hier  befindliche 
zur  Domaine  SmiHc  gehörige  Schottergrube  existirt,  ohne  jedoch  beachtet  zu  werden. 
Erst  als  der  Bauer  Hosek  im  Herbste  vorigen  Jahres  der  Bauunternehmung  der 
böhmischen  Commercialbahnen  sein  an  die  alte  Schottergrube  anstossendes  Feld,  be- 
hufs Schottergewinnung,  zur  Verfügung  stellte,  wurde  die  F^xistenz  des  Urnenfeldes 

1)  Pamatky  XI,  p.  289  und  353.  Diese  GegeDstände  gleichen  auffallend  jenen,  welche 
im  Jahre  1878  bei  Mönitz  in  Mähren  neben  Skeletten  gefunden  wurden.  Mittheil.  d.  Wiener 
antbrop.  Gesellsch.  IX,  S.  202. 


(123) 


von  den  Ingenieuren  Marter  er  und  Hei  man    erkannt    und  da8>ell)e  hierauf  vom 
Gonservator  Hrase  naher  untersucht. 

Da  die  Urnen  und  die  Hci^ofässe  sehr  nahe  an  der  Oberfläche  des  Ankers  sich 
befinden,  haben  dieselben  durch  Einwirkung  von  Feuchtigkeit  und  Frost  stark  ge- 
litten, so  dass  nur  ausnahmsweise  ein  ganzes  Gefass  ausgegraben  wird.  Die  Knochen 
befinden  sich  in  gröberen  Gefässen,  die  Beigefasse  sind  fein  gearbeitet,  von  freier 
Hand  geformt  und  häufig  mit  Graphit  angestrichen.  Ein  Gofäss,  dessen  Bruchstucke 
ich  besitze,  gleicht  in  Form  und  Verzierung  dem  Gefässe  von  Maria-Rast  (Taf.  HI, 
Fig.  6,    bei  Ündset);    eine  Schussel    hat   die  Innenseite  des  Bo<lens  durch  seichte 


Striche  verziert;  die  mit  Graphit  anpestrichenen  Gofasse  tragen  als  Verzierung 
schraffirte  Dreiecke  oder  flach  concave  Gruben  mit  eingedruckten  Punkten  ringsum 
(Nadziejewo,  ündset,  S.  85).  Bei  kleinen  Gelassen  ist  der  Boden  ganz  klein  und 
eingedruckt,  als  wenn  der  Töpfer  beim  Formen  des  Gefiisses  in  den  convexen  Unter- 
thcil  die  Daumenkuppe  gedrückt  hätte.  Ausser  den  Gefässen  (auch  Klappern) 
wurden  Bronzege  gen  stände  gefunden,  darunter  ein  Schwert  von  40  cm  Länge. 

Wie  es  scheint,  war  Urnenbestattung  die  herrschende  Art  in  Böhmen  bis  in  die 
ersten  Jahrhunderte  n.  Chr.  Dies  bezeugt  das  Vorkommen  römischer  Bronzegefässe 
als  Ossuarien  bei  Zdice  und  Dusniky,  namentlich  aber  der  auch  von  Ündset  (S.  r)5) 
gewürdigte  ürnenfund  von  Kostom laty ').  Bei  diesem  Funde  will  ich  mich  etwas  auf- 
halten, da  ich  es  war,  der  diese  Gegenstände  aus  dem  Schranke  eines  Alterthiimer- 
liebhabers  (des  Maschinenmeisters  der  Kostoralater  Zuckerfabrik)  an  das  Tageslicht 
brachte.  Vor  Allem  muss  ich  aber  bemerken,  dass  der  grosse  Streithammer  von 
polirtem  Stein  gar  nicht  zu  den  Kostomlater  Funden  gehört;  Hr.  Veselv  fand  den- 
selben in  der  nahen  Zuckerfabrik  zu  Lysä  in  einem  Haufen  Knochen,  welche  behufs 
Verarbeitung  zu  Knochenkohle  zusammengekauft  worden  waren. 

Die  übrigen  von  Hrn.  Vesely  dem  Natioualmuseum  geschenkten  Gegenstände 
wurden  an  sehr  verschiedenen  Punkten  des  Weichbildes  von  Kostomlaty  gefunden, 
namentlich  die  punktirte  Urne,  mit  verbrannten  Knochen,  Eisenwaffen,  Eisengeräth 
und  dem  Silberdenar  Nerva's  geffdlt,  wurde  ganz  vereinzelt  auf  dem  höchsten  Punkte 
eines  neben  der  Fabrik  gelegenen  Feldes  gefunden,  als  man  daselbst  Miethen  zur 
Einlagerung  von  Rüben  grub.  Die  Form  dieser  gehenkelten  und  von  freier  Hand 
geformten  Urne  ist  eine  sehr  ungewöhnliche,  indessen  ist  ihr  doch  eine  auf  dem 
Marchfelde  mit  eisernen  Waffen  gefundene  Urne  (Mittheilungen  d.  W.  G.,  IX,  S.  284) 
einigermassen  abniich. 

Die  drei  Fibeln  vom  La  Tenetypus,  die  beiden  Armringe  und  die  Miinze  des 
Augustus  brachten  Hrn.  Vesely  Bahnarbeiter,  als  ein  Jahr  nach  Auffindung  der 
Urne  auf  einem  tiefer  gelegenen  Theile  desselben  Feldes  das  Stationsgebäude  der 
Nordwestbahn  gebaut  wurde  (1872).  Die  näheren  Umstände  dieser  späteren  Funde 
waren  im  Jahre  1876  nicht  mehr  zu  eruireu,    doch   scheint  es,    als  habe  mau  die- 


1)  Pamatky,  X,  S.  647,    wo   aber   die,    niobt    von  mir  herrührenden  Zeichnungen  wenig 
genau  siuJ. 


(124) 

selben  bei  Skeletten  gefunden,  wenigstens  meinte  der  Parteiführer  Baloan,  als  er 
Hrn.  Vesely  die  Münze  des  Augustus  brachte:  „Das  war  ein  armer  Teufel,  wir 
fanden  bei  ihm  nichts,  als  diese  Münze.''  Einer  von  den  Arbeitern,  den  ich  noch 
in  Ljsa  vorfand,  sprach  wohl  von  Scherben,  doch  erwiesen  sich  auch  seine  sonstigen 
Angaben  als  ganz  unzuverlässig. 

Etwas  später  finden  wir  im  nordlichen  und  mittleren  Böhmen  abermals 
die  Bestattung  ganzer  Leichen  als  die  herrschende,  doch  findet  dieselbe  in  um- 
gekehrter Richtung  statt,  so  dass  die  Skelette  mit  den  Füssen  gegen  Süd,  mit  den 
Köpfen  gegen  Nord  liegen. 

Verlässliche  Nachrichten  haben  wir  bloss  Ober  das  Gräberfeld  in  der  Prager 
Vorstadt  Zi^kov  (Ben es  in  Pamatky,  X,  S.  67)  und  über  die  von  mir  ausgebeuteten 
Gräber  bei  Bydiov  (Mittheilungen  der  K.  K.  Centralkomroission,  VIII,  S.  82). 

Die  in  den  Gräbern  von  Zi^kov  gefundenen  Gegenstände  sind:  Waffen,  Geräthe 
und  Schmuck  von  Eisen,  Bronze  und  Email,  sämmtlich  vom  Typus  LaTene,  Münzen 
von  Gold  und  Silber  und  einige  zerbrochene  Gefasse.  Bezüglich  der  Scherben, 
welche  neben  den  Skeletten  in  Zizkov  gefunden  wurden,  behauptet  Ben  es,  die  be- 
treffenden Gefässe  seien  ganz  gewiss  auf  der  Töpferscheibe  geformt  worden;  bei  denen 
von  Bydzov,  welche  sich  in  meinem  Besitze  befinden,  kann  darüber  gar  kein  Zweifel 
obwalten.  Es  sind  also  die  Gräber  von  Ziikov  und  von  Bydzov  jedenfalls  jünger 
als  der  Fund  von  Kostomlaty,  denn  die  dortige  Urne  ist  gehenkelt  und  von  freier 
Hand  geformt. 

Bemerkenswerth  ist  noch,  dass  die  Gefässe  und  Scherben  von  Byd2ov  ganz 
denen  vom  Hradiste  bei  Strädonice  gleichen,  während  die  Bronzegegenstände  genau 
mit  denen  aus  der  Riesenquelle  bei  Dux  übereistimmen '). 

Im  Vorstehenden  habe  ich  den  Charakter  prähistorischer  Funde  im  nördlichen 
und  mittleren  Böhmen  klar  zu  stellen  versucht.  Ein  ganz  abweichendes  Verhalten 
finden  wir  in  dem  südwestlichen  Theile  des  Landes. 

In  diese  Region  gehören  die  von  Undset  citirten  Bronzefunde  von  B^Pasy,  von 
Stockau  (Pivon  ist  der  böhmische  Name),  von  Strela,  von  Strakonice  und  vom 
Hradiste  bei  Pisek^). 

Der  eigenthümliche  Habitus  der  hiesigen  Funde  trat  erst  deutlich  hervor,  als 
man   in   neuester  Zeit  mehrere  Gruppen  von  Grabhügeln  durchforschte;    es  waren 


1)  Wichtige  Aufschlüsse  kann  man  erwarten,  falls  es  gelingen  wird,  die  zu  der  Stradonicer 
Stadt  gehörige  Necropole  zu  entdecken.  Die  Tumuli,  welche  im  Walde  Lisek,  gegenüber  dein 
Hradiste,  sich  befinden,  sind  es  keinesfalls;  dieselben  wurden  im  Jahre  1846  auf  Kosten  des 
Fürsten  v.  Förstenberg  geöffnet  und  die  gefundenen  Gegenstände  (meist  Waffen  von  Eisen) 
befinden    sich    im  Museum    auf  der  nahen  Nischburg.     Dieselben    weisen   so  eigenthümliche 


Formen  auf,    z.  B.  Speere  mit  zwei  Spitzen,   dass  sie  eines  eingehenden  Studiums  gewürdigt 
werden  sollten. 

2)  Letzterer  Fundort  ist  irrig  S.  45  als  Zelenice  bezeichnet,  mir  ist  von  einem  Bronze- 
gefässfunde  in  Zelenice  (bei  Schlan)  nichts  bekannt,  dagegen  fand  ein  Bauer  ans  dem  Dorfe 
Hradiste  bei  Pisek  1858  in  einem  Grabhügel  goldene  und  silberne  Schmucksachen,  einen 
Bronzekrug,  2  Schüsseln  von  Bronze,  den  Henkel  eines  Kruges,  viele  Armbänder,  Ringe  und 
Nadeln  (Pamatky  V).  Der  Krug  und  die  eine  Schüssel  kamen  in  die  Sammlungen  des  National- 
museums. Das  vasenförmige  Gefäss,  welches  Undset  S.  43  anführt,  ist  wohl  jenes,  welches 
in  dem  Burgwalle  von  Liovice  bei  Elbe-Teinitz  gefunden  wurde. 


(125) 

dies  nameuüich  die  Tumiili  Ton  Milavec  bei  Taus,  vod  Metelsko  bei  Hischüfteiuitz, 
▼on  Malesice  bei  Pilsen  und  aus  der  Umgebung  des  Hradiste  bei  Blovice^. 

Die  Gefässe,  welche  in  diesen  Grabhügeln  gefunden  i^'urden,  sind  in  gleich- 
formiger  Weise  mit  eingedruckten,  von  einer  weissen  Masse  ausgefijllten,  geometrischen 
OrDamenten  (scbraffirten  Sparren  und  Kreisen)  verziert. 

Diese  Verzierungen  sind  von  den  im  nördlichen  Hohmen  vorkommenden  gänzlich 
verschieden,  doch  stimmen  sie  auffallend  u berein  mit  den  Verzierungen  des  Pracht- 
gefasses  aus  dem  Tumulus  bei  Pillichsdorf  (Mittheil,  der  Wiener  Anthr.  Ges.,  IX, 
S.  229),  folglich  auch  mit  denen  der  pannonischen  Gefasse  von  Hatvau  und  einiger- 
inaassen  auch  der  von  Villanova.  Derlei  Gefasse  fand  man  bisher  verbreitet  von 
der  Wasserscheide  zwisclien  der  Radbuza  (Klbegebiet)  und  d«»s  Cham  (Donaugebict) 
bei  Taus,  über  das  Flussgebiet  der  Anglava  und  der  Uslavu  bis  an  die  Mies. 

Weiter  ostlich,  an  der  Otava,  fand  man  Erzeugnisse  einer  etwas  späteren  Zeit, 
nameDtlich  ausser  der  Cyste  von  Strakonice,  den  Hronzegefassen  von  Pisek  (siehe 
oben),  noch  die  merkwürdigen  grossen  Hohlringe  (ündset,  Taf.  V,  Fig.  1)  und  zwar 
aaf  einem  sehr  beschränkten  Räume  bei  Hostice,  Rovna,  Trebohostice  und  Vrcovice. 

Noch  weiter  gegen  Osten,  bereits  jenseits  der  Moldau  (Vltava)  fand  Conser- 
▼ator  Hrase  im  Jahre  1862  in  einem  von  der  Moldau  und  der  Luznice  gebildeten 
Dreiecke  (bei  Rataje)  eine  grössere  Anzahl  von  Necropolen  (Pamatky,  V.,  VI.,  VIL, 
VIII.  und  IX.).  Auch  diese  bestehen  aus  Grabhügeln,  welche  Oeräthe  und 
Waffen  von  Eisen  und  aus  Graphit  verfertigte  Gefasse  enthielten.  Dagegen  fand 
man  in  dem  ganzen  weiten  Gebiet  zwischen  der  Moldau  und  der  Luznice  einerseits 
und  der  Sazava  andererseits  bis  dato  noch  nichts,  als  an  einigen  Orten  slavische 
Hakenringe. 

Das  Alles  macht  es  sehr  wahrscheinlich,  dass  —  etwa  während  der  frühesten 
Bronxeteit^  —  noch  eine  zweite  Immigration  in  das  obere  Eibgebiet  stattgefunden 
hat,  und  zwar  durch  die  weite  Lücke  zwischen  dem  nördlichen  und  dem  südlichen 
Theile  des  Bobmerwaldes  bei  Taus^).  Die  neuen  Ansiedler  mögen  sich  zuerst  an 
der  Radbuza,  Anglava  und  Oslava  ausgebreitet  haben,  dann  dem  Laufe  der  Mies 
gefolgt  sein,  wobei  sie  nothwendig  ana  mittleren  Theile  derselben  nördlich  vom  Brda- 
gebirge^)  mit  der  nord böhmischen  Bevölkerung  zusammenstossen  mussten;    dieser 


1)  Die  Grabhügel  bei  Blovice  Hess  der  Gntsherr  Graf  Eduard  Palfy  öffnen  und  zwar 
acht,  welche  einen  Durchmesser  von  12—11)  m  und  eine  Höhe  von  1— 2'/2  m  hatten  und 
sämmtlich  einen  Steinkern  enthielte]).  Gefunden  wurden  in  ihnen  ausser  Gefassen  und 
Scherben  ein  Goldring,  circa  100  GoMfäden  von  12  g  Gewicht  (die  Lejrinmg  enthält  916  °/oo 
reines  Gold),  Bernstein,  von  Bronze^egenständen  ein  Schwert,  ein  Dolch,  ein  Paalstav, 
2  Pfeilspitzen,  eine  grössere  Anzahl  Arinbüiider  und  Nadeln,  dann  eine  Pincette.  In  einem 
Grabe  fand  man  19  Bronzenägel  und  neben  denselben  ein  Stückchen  Kiseii.  Don  ganzen 
Fund  erhielt  das  National museuni  (Pamatky  Xil,  Taf.  1  u.  VI  11). 

2)  Sichere  Funde  von  Steingeräth  im  südwestlichen  Böhmen  fehlen  noch.  In  einem 
Tumnlus  bei  Uilavec   will   man  eine  unvollendete  Speerspitze  (?)  von  Stein  gefunden  haben. 

3)  Bei  Taus  im  Walde  Okrohlik  fand  man  ein  Bronzedepot;  in  dem  nahen  Vollmau, 
welches  bereits  im  Flussgebiete  der  (^ham  liegt,  ausser  anderen  Alterthümern  auch  romische 
Münzen. 

4)  Der  „Brda*  genannte  Gebirgszug  enthält  eine  grosse  Menge  von  Befestigungen;  die 
f^rösftte  unter  ihnen  ist  der  Burgwall  auf  dem  einerseits  von  der  Litava,  anderseits  von  der 
Chnmava  eingeschlossenen  Berge  Plesivec,  dessen  290  m  hoch  über  der  Umgegend  gelegenes 
Plateau  eine  Fi&cbe  von  800000  G  Meter  einnimmt,  von  welcher  vier  Fünftheile  vom  Walle 
umgeben  sind.  Im  Walle  selbst  fand  man  ßronzecelte,  Speere  und  Barren,  am  Fnsse  im 
Jahre  1826  den  Depotfund  von  Jince. 


(126) 

UmstuDd  mag  dann  ihrer  Ausbreitung  die  Richtuug  gegen  die  Votava  und  weiter 
östlich  bis  über  den  mittleren  Lauf  der  Vltaya  gegeben  haben'). 

Die  Sazava  mit  der  Tmava  gehören  aber  nicht  in  das  Gebiet  dieser  Immigra- 
tion, denn  in  dem  ganzen  ausgedehnten  Complexe,  den  die  Sazava  durchfliesst,  fand 
man  bisher  bloss  ein  Depot  (Paalstäbe  und  Sicheln)  bei  Rataje,  wohin  dasselbe  leicht 
von  der  nahen  Elbe  gelangen  konnte,  und  La  Tenebronzen  bei  PoHci,  also  bereits 
nahe  an  der  Mundung  der  Sazava  in  die  Moldau. 

Die  Trnava  und  die  sudliche  Sazava  entspringen  demselben  Gebirgsstock  wie 
die  Iglava,  weiter  nordlich  entspringt  die  zweite  Sazava,  welche  sich  in  Böhmen 
mit  der  ersten  verbindet,  während  eine  dritte  Sazava,  welche  noch  weiter  nördlich 
entspringt,  zur  Morava  (March)  sich  wendet.  Es  ist  also  höchst  wahrscheinlich,  dass 
die  drei  Sazava  und  die  Trnava  ihre  Namen  von  der  prähistorischen  Bevölkerung 
Mährens  erhalten  haben. 

Ich  habe  bereits  früher  (Zeitschrift  f.  Ethnol.,  1880,  S.  102)  darauf  aufmerksam 
gemacht,  dass  die  südböhmischen  Flussnamen  fast  durchweg  Composita  sind,  welche 
wahrscheinlich  aus  einem  Adjectiv  und  dem  Substantiv  ava  (aqua?)  bestehen,  dass 
solche  Flussnamen  im  nördlichen  Böhmen  niemals  vorkommen,  dass  dieselben  aber 
sehr  häufig  sind  in  Mähren,  Pannonien,  weiter  östlich  in  den  Gebieten  der  Bastarncr, 
nördlich  in  Polen  und  Preussen  bis  an  die  Ostsee,  aber  auch  südlich  in  Noricum  — 
Sava,  Drava  und  Juvava,  an  welch  letzterer  Juvajria  (Salzburg)  lag  —  vorkommen. 

Sollte  sich  die  Ansicht  Fl i gier' s  bestätigen,  dass  Vorfahren  der  Italiker  einst, 
bevor  einzelne  Stämme  derselben  in  die  Poebene  drangen  und  die  dortigen  Terra- 
maren  errichteten,  die  Pfahlbauten  von  Ober-Oesterreich  bewohnt  haben,  so  würde 
dadurch  die  Verwandtschaft  der  Bewohner  Noricums,  Pannoniens,  Mährens  und  des 
Weichselgebietes  erwiesen  und  der  spätere  rege  Handelsverkehr  zwischen  Italien  und 
diesen  Ländern  und  als  Folge  dessen  das  frühzeitige  Vorkommen  von  Eisen  in  den- 
selben erklärt. 

Für  das  südliche  Böhmen  müssten  wir  dann  eine  Einwanderung  von  der  Donau 
her  annehmen  und  zwar  von  Südwest,  denn  w'enngleich  Undset  das  niedrige  Grenz- 
gebirge zwischen  Böhmen  und  Mähren  als  ein  geringes  Hinderniss  für  eine 
Einwandet  ung  von  Osten  her  ansieht,  so  lässt  sich  doch  —  selbst  mit  Urkunden  — 
beweisen,  dass  der  hochgelegene,  kalte  und  wenig  fruchtbare  Südosten  von  Böhmen 
am  spätesten  colonisirt  wurde,  also  Böhmen  und  Mähren  noch  in  historischer  Zeit 
durch  einen  weitläufigen  Urwald  getrennt  waren. 

Dagegen  lässt  sich  frühzeitig  schon  eine  Handelsstrasse  von  Lentium  in  das 
südliche  Böhmen  konstatiren.  An  dieser  Strasse  fand  man  bereits  im  Jahre  1832 
beim  Baue  der  Linz-Budweiser  Pferdebahn  in  der  Nähe  von  Freistadt  (Ober-Oester- 
reich) eine  Menge  von  Bronzesicheln,  von  denen  eine  Partie  dem  böhmischen  Na- 
tionalmuseum damals  vom  Pfarrer  Hofmeister  geschenkt  wurde.  Möglicherweise 
fand  längs  dieser  Strasse  noch  eine  dritte  Immigration  in  Böhmen  statt,  deren  Spuren 
Stulik  in  den  bisher  ganz  isolirten  Grabhügeln  von  Plavji  südlich  von  Budweis  ge- 
funden hat.  (Siehe  darüber  Vir chow  in  den  Verband!,  d.  Berl.  Ges.  f.  Anthr.  1875, 
sowie  Pamatky,  VIL) 

(28)  Hr.  W.  Schwartz  legt  folgenden  Brief  des  Grafen  Wen  sierski-Kwi- 
lecki  zu  Wroblewo  vor,  betreffend 


1)  Durch  diese  neue  Einwundernng  mag  auch  die  Kenntniss  des  Graphits  aus  Rayern 
nach  Böhmen  gelangt  sein,  und  nicht,  wie  ich  früher  annahm,  durch  eine  Colonisation  des 
Votavagebietes  vom  iiurdlicben  Buhmen  aus. 


(127) 


ein  Bronzegefäss  von  Unia,  Kreis  Wrescfien. 

Die  ßronze-Urue,  in  dereu  Besitz  ich  mich  beiinclo,  ist  vielleicht  iiu  Zusammen- 
haoge  mit  der  BroDzekroue,  die  Sie  uns  Scaw,  Kreis  Wreschen,  haben  *).  Sic  ist 
auch  im  Wre^chner  Kreise  gefunden  worden  und  zwar  auf  dem  Gute  ünia.  Das  Ge- 
fass  hat  getriebene  Ornamente;  die  runden  Zeichnungen  sind  Buckel.  Die  Urne  ist 
30  em  hoch,  40  cm  im  Durchmesser,  der  limfnng  hat  1  m  10  cm.  Die  ganze  Form  er- 
innert sehr  an  die  Urne,  welche  in  dem  Werke  des  Hrn.  Undset,  S.  358,  Fig.  41, 
angegeben  ist.  Die  Urne  ist  leider  defekt,  der  Boden  fehlt,  sowie  der  obere  Rand, 
die  fehlenden  Bruchstucke  soll  ich  noch  erhalten,  vielleicht  wird  man  noch  die  pri- 
niitiTB  Form  daraus  herausfinden  können.  £s  soll  sich  auch  ein  Deckel  auf  der 
Urne  befunden  haben:  ich  fahre  morgen  nach  Unia,  um  die  Sache  zu  konstatircn. 
Als  Beigaben  waren  nur  verbrannte  Knochen,  dagegen  keine  Bronzen  gefunden. 

Bei  dieser  Gelegenheit  zeige  ich  Ihnen  an,  dass  im  vorigen  Ilerbst  im  Gay, 
Kreis  Kosten,  bei  dem  Hrn.  Grafen  Zolkowski  eine  sehr  schone  Mäander-Urne 
gefunden  ist  und  zwar  in  einer  Kies-Grube  mit  vielen  Beigaben  an  £isen. 

(29)    Freiherr  v.  Ramberg  übersendet  einen  Bericht  über 

prähistorische  Funde  von  Kl.  Ladebow  bei  Greifswald. 

Ungetahr  5  km  nordöstlich  von  Greifswald  liegt  dicht  «m  der  Küste  die  Meierei 
Klein-Ladebow.  Vom  Wasser  aus  erstreckt  sich  hier  bis  an  das  Gehöft  ein  mehrere 
Morgen  grosses  Dünenland,  bedeckt  mit  spärlichem  Graswuchse,  der  an  ein  Paar 
Stellen  durch  Strecken  von  losem  Flugsande  unterbrochen  ist.  In  letzterem  nun 
hatte  ich  Gelegenheit,  mir  eine  kleine  Kollektion  prähistorischer  Alterthüuier  zu  ver- 
schaffen. Im  Voraus  erwähne  ich,  dass  die  Fundstelle  schon  von  Dr.  v.  Hagenow 
gekannt  war,  wie  denn  auch  das  Stralsunder  Museum  Verschiedentliches  von  dort 
aus  seiner  Sammlung  besitzt,  und  auch  hier  im  Märkischen  Museum  sich  einzelne 
Gegenstände  befinden.  Gründlich  scheint  mir  jedoch  die  Stelle  noch  nicht  unter- 
sucht zu  sein. 

Der  lose  Flugsand  ist  mit  zahlreichen  Feuersteinsplittern  bedeckt,  fast  an  jedem 
derselben  konnte  ich  Spuren  der  Bearbeitung  erkennen;  dazwischen  lagen  die  von 
mir  gesammelten  Gegenstände. 

Drnenreste  waren  sehr  spärlich  vertreten,  mehrere  darunter  von  mittelalter- 
lichen grauen  Gefftssen  herrührend,  hin  und  wieder  lagen  Splitter  von  verbrannten 
Knochen. 

Hr.  Dr.  Bai  er  in  Stralsund  hält  diese  Stelle  für  einen  an  Urnenfriedhöfe  er- 
innernden Bestattungsort  später  Zeit,  und  hebt  dabei  speciell  die  Abwesenheit  jeden 
Metalls  hervor. 

Gerade  nun  im  Betreff  des  letzteren  glaube  ich,  dass  mein  Fund  von  einigem 
Interesse  sein  konnte,  da  es  mir  gelang,  unter  den  zahlreichen  Feuersteingeräthen 
einige  Reste  von  Broncen  zu  entdecken. 

Meine  Versuche  mit  dem  Spaten  führten  nirgends  zu  einem  Resultat  —  ich 
fand  überall  nur  todten  Sand  ohne  jede  Spur  von  bearbeitetem  Stein. 

Im  üebrigen  macht  mir  der  Platz  mehr  den  Eindruck  einer  alten  Wohnstelle, 
wofür  wohl  auch  die  zahlreichen  Feuersteinsplitter  und  mehr  oder  weniger  vollende- 
ten Gerathe  und  Waffen  sprechen. 

1)  Die  erwfihiite  Krone  habe  ich  lei  ineincin  Wcf^gang  aus  Pnsen  dein  dortigen  Museiim 
der  Freunde  der  Wissenscbaft  überi^ebeu.  W.  S. 


Nachstehend    gebe    ich  eioe  üebersicht  der  wichtigsteD,    von  mir  geiamtnelieo 

Grgeo»Laude : 

1.  Fibel  von  Bronre,  Nadel  UDd  Spirale  fehlt  (Hobßchu,  1)* 

2.  und  4.    ßruchstücke  vod  verzierten  Fibeln  (Holzschn,  2). 


1- 


2. 


7, 


i:h. 


vx 


3.  Gürtel  sehn  alle,  Bronze  (Hohschn.  H). 
5.  Theil  einer  gningefarbten  Tbon perle. 
6—9.    PfeiUpiUen,  6  die  gewohüHche  Form»  9  meines  Wissens  die  einzige 

dort  gefundene  mit  Schaftzunge  (Holzschn,  6 — 9). 
10.    Schaber  (HolzBohn.   10). 
Kleines  axtformiges  Geräth. 


Feuer- 
stein 


(129) 

12 — 13.    Bohrer,  13  aus  dem  Bruchstück  eines  halbmondformigeD  Messers 

(Holzschu.). 
U.    Splitter. 

15.  Nadeus. 

16.  Messer,  Schneide  ringsum  gedengelt. 

17.  Geräth  aus  milch  weissem  Quarz:  entweder  zum  Glätten  oder  zur  Be- 
arbeitung der  Pfeilspitzen. 

18.  Feuersteine  für  Pfeilspitzen,  in  verschiedenen  Stadien  der  Bearbeitung. 

19.  Runder  Schaber. 

20.  Prismatisches  Messer. 

21.  Hohlschaber. 

22.  Vorwurf  zu  einer  Pfeilspitze:    das  Stück  misslang,  da  die  Spitze  ab- 
brach. 

23.  Lanzen  spitze. 

24.  Urnenscherben,  schwach  gebrannt,  das  Material  stark  mit  Quarzstücken 
untermengt 

25.  Kleiner  Schleifstein,  Thonschiefer. 

26.  Halbe  Hacke   aus  Sandstein,    das  angefangene  Bohrloch   ohne  Zapfen, 
halbkugelig. 

AoBser  dieser  Form  fand  ich  viele  grössere  und  kleinere  Bruchstücke  von  halb- 
moiidf5nDigen  Geräthen  und  Lanzenspitzen. 

(30)    Hr.  Bastian  spricht  über  den 

GoldfliiMl  von  Vettersfelde  bei  Guben. 

Der  durch  die  Zeitungen  bereits  bekannt  gewordene  Goldfund  von  Guben 
(Vetterafeld,  Kreis  Guben)  steht  an  sich  so  eigenartig  da,  dass  er  schon,  bei  Siche- 
mng  durch  das  königliche  Museum,  auf  einem,  für  mehrfache  Berührungspunkte 
streitig  zweifelhaften  Grenzgebiete  zwischen  prähistorischer  Abtheilung  und  Anti- 
quarium,  sich  nicht  sogleich  definitiv  zusprechen  Hess,  vorläufig  indoss  in  dem  letztern 
aufgenommen  ist,  als  dem  richtigeren  Platz  bei  dem  gegenwärtig  unvollkommenen 
Zustand  des  Ethnologischen  Museums,  vor  Herstellung  des  neuen  Gebäudes.  Bis 
dahin  wird  die  weitere  Entscheidung  vorbehalten  bleiben. 

Der  Fund  (einer  der  gelegentlich  gemachten)  besteht  aus: 

1.  Goldschmnck   in  Gestalt   eines  Fisches.     Gegossen,    dann    getrieben    (und 
nachträglich  gebunzelt). 

2.  Schmuck  aus  fünf  Reifen.     Gold. 

3.  EScherbeschlag.    Gold. 

4.  Kleinea  Steinbeil  in  Gold  gefasst. 

5.  Wetzstein  in  Gold  gefasst. 

6.  Annring  mit  Schlau  gen  köpf.     Gold. 

7.  Gehänge.    Gold. 

8.  Gehänge.    Gold. 

9.  Schwertgiiff  aus  Eisen  mit  Goldblech  belegt. 

10.  Dolch  aus  Eisen. 

11.  Scheide  dazu  aus  Gold. 
13.   Bronze- Beschlag. 

13.   MaasiTor  Hals-  oder  Eopfring.     Gold. 

U.   Halskette  (Panzergeflecht)  Gold.     68  cm  lang. 

15  u.  16.  Zwei  kleine  Goldbleche. 

▼«rhudL  d«  BotL  Amtkropol.  ü«MllMl)afi  18^3.  9 


(130) 

ÜDgeAhre  Analogien  für  eine  oder  die  andere  Art  der  technischen  Ausführung 
oder  der  Verzierungen  Hessen  sich  herstellen,  aus  dem  in  der  prähistorischen  Ab- 
theilung Vorhandenen  mit  den  Funden: 

IL    327.     Fundort  Granow,  Kreis  Arnswalde  in  der  Neumark. 
Goldenes  Gehänge  mit  Lötharbeit 

II.  307.  (II.  303  —  313.)  Tammendorf  in  der  Neumark.  Goldzierratb ,  mit 
anderen  Goldsachen  und  einer  Gemme  in  einer  Urne  gefunden.  Dicht 
dabei  wurde  eine  kleinere  Urne,  enthaltend  4  Gold  gegen  stände  und  (II. 
1348)  eine  eiserne  Scheere  gefunden. 

II.    315—325.    Fund  von  Hockericbt  bei  Oblau  in  Schlesien. 

Goldbleche  (getrieben);  eiserne  Schnalle,  mit  Goldblech  belegt,    desgl.  mit 
Silberblech)  Bronze- Gefässe. 

II.    3817.     F.  0.     Buskow,  Kreis  Ruppin. 

Goldene  Kette  (Panzergeflechl),  daran  Gehänge  mit  Lötharbeit. 

II.    4687.     Ungarn.     Gehänge  mit  Lötharbeit. 

II.    5858.     Ungarn.     Getriebene  runde  Goldplatte  mit  3  Buckeln. 

II.    5724.     Ungarn.     Knopf  mit  Lötharbeit. 

II.  326.  Stobjehnen,  Kreis  Fischhausen,  Ost-Preussen.  Grösseres  Fragment 
eines  (verbogenen)  Halsringes  aus  Gold  mit  figürlichen  Darstellungen. 

Dann  Hessen  sich  noch  einige  Stücke  aus  dem  Thorsbergerfund,  dem  Funde 
von  Vallobj  (bei  Kjoge),  dem  Fund  in  Thorshaide  (bei  Koskild),  Ungarisches  und 
Verschiedenes  aus  sog.  nordischer  Thier-Ornamentik,  sowie  aus  dem  unter  der  Kate- 
gorie der  Hackfunde  Begriffenen  herbeiziehen,  wobei  sich  bald  für  das  Eine,  bald 
für  das  Andere  eine  Verknüpfung  bieten  würde,  sobald  man  solch  hier  und  da  an- 
haftbare Fäden,  nun,  unter  Vertiefung  in's  Detailstudium,  für  den  jedesmaligen  Fall, 
mit  dem  aus  der  Literatur  und  den  Sammlungen  zu  entnehmenden  Material,  weiter 
auszuweben  beabsichtigen  sollte. 

Dem  Gesammt-Eindruck  nach  wird  man  sich  mehrfach  auf  denjenigen  geführt 
sehen,  der  unter  der  Bezeichnung  bosporanischer  Funde  begreifbar  wäre,  mit  her- 
Torragendsten  Vertretern  in  den  Ausgrabungen  bei  Eertsch,  und  obwohl  auch  hier- 
mit (bei  dem  bisherigen  Mangel  systematischer  Behandlung  dieser  grossartigen  Er- 
gebnisse) noch  keinerlei  Datirung  gegeben  sein  würde,  —  unter  unbestimmtem 
Schwanken  zwischen  5.  u.  6.  Jahrhunderte  bis  zum  Koul-Oba  (wo  sich  z.  B.  aus  Do- 
bois'  Atlas,  Ser.  IV,  heranziehen  Hessen:  XX,  2,  3,  7,  XXI,  1,  2,  XXllI,  4,  XXIV, 
4  u.  s.  w.)  oder,  für  das  spätere,  noch  einige  mehr  — ,  so  liegt  die  Bedeutung 
dieses  (nicht  als  Conjectural-Object,  sondern  als  local  gesichertes  Sammelstück  auf- 
zunehmenden) Fundes  zunächst  darin,  die  Aufmerksamkeit  in  verstärkterem  Maasse 
wieder  hinzulenken  auf  die  Einflüsse,  welche  aus  der  Handelsthätigkeit  der  grie- 
chischen Colonien  am  Pontus  Euxinus  auf  den  Norden  während  seiner  dunkelen 
Vorzeit  ausgeströmt  haben  mögen. 

Wie  sehr  das  Schicksal  der  Naturstämme  von  dem  entzündenden  Schlage  des 
Contactes  mit  höherer  Civilisation  abhängt,  das  liegt  in  alT  den  verschiedenen  Sta- 
dien der  Folgenmöglichkeit  für  die  Ethnologie  deutlich  nachweisbar  vor,  und  auch 
in  der  Prähistorie  beginnt  ja  gerade  jetzt  diejenige  Richtung  Geltung  zu  gewinnen, 
welche,  seit  Verbindung  ihrer  Studien  mit  den  etruskischen,  aus  den  Necropolen 
bereits  so  manche  Aufschlüsse  gewährt  hat.  Dass  bei  Berührung  hoch  Toran- 
geschrittener  Culturstufe  mit  tief  stehend  niederer,  die  letztere  davon  getroffen 
werden  muss,  folgt  im  Naturgesetz  der  Effectwirkung  aus  grösserer  Schwere  nnd 
es  hängt  dann  von  den  Neben  umständen  ab,  ob  solch  mächtiger  Schlag  (wie  oft 
in  den  Zuständen   primitivster  Kohheit)  direct  vernichtend  (oder  zersetzend)  wirkt 


(131) 

oder  (auf  mehr  weoiger  ebenbürtagem  Boden)  in  neuer  Entwickelung  zum  Selbst- 
sprossen  belebend  und  anregend.     Die  bedeutsamen  Anregungen  eines  sog.  etruski- 
schen  Handels  auf  den  Norden  beginnen,  wie  schon  gesagt,  mit  den  heutigen  For- 
schungen tagtäglich  mehr  ans  Licht  zu  treten,  und  fast  durchdringender  noch  v?ürde, 
a  priori,  der  griechische  zu  denken  sein,  von  den  Küsten  des  Pontns  aus.    £he  die 
römischen  Heerzüge  die  Länder  jenseits  der  Alpen  zur  Provinz  vereinigten,  konnte 
es  immer  nur  periodisch  geschehen,  dass  mit  südlichen  Erzeugnissen  gefüllte  Wagen, 
wie  die  des  gallischen  Gastes  Arrontes  (bei  Dionys.  Hai.),  ungehindert  die  gefähr- 
lichen Gebirgspässe  durchzogen  oder  eine  Correspondenz  mit  den  Handelsfreunden, 
unter  Hermanduren  etwa,  aufrecht  erhalten  wurde,  —  nur  dann,  wenn  die  Via  sacra 
noch  durch  den  Schrecken  ihres  schützenden  Herakles ')  gegen  die  Raubhorden  ge- 
sichert war  (wie    sich    auch    der    indische    Kaufmann    zögernd    in    die    Pässe    der 
Kaiber,    oder  Bolor,    hineinwagt,    so    oft    einer   euphemistischen    Bezeichnung   der 
Eusofzje  nicht  recht  zu  trauen),  wogegen  bei  borysthenischen  Colonien  durch  die  in 
Basileioi  verwandelten  Skoloten  unter  den  Skythen,  im  bosporanischen  Reich  durch 
die   halbhellenisirten  Fürstengeschlechter  der  Barbaren   (in  den,    nach  den  Archäa- 
nactiden,    die   Archonten    in  Könige   umwandelnden   Ethnarchen    bis   zu  Asander's 
Titulatur),    bereits  vermittelnde  Zwischenstufen  für   ununterbrochen  —  in  der  Beei- 
dung  selbst    mit   Melanchlaeui   (Dio    Chrysostomos),    unter    nördlichen   Chiri    oder 
Hiren  (der  Kuren)  auch,  —  sympathische  Wechselwirkungen  hergestellt  waren,  und  (be- 
sonders bei  den  durch  die  Flussläufe  des  Dniestr,  Dnepr,  Tanais  gewährten  Erleich- 
terungen) mit  den  beutelustigen  Nomadenstämmen  für  die  Karawanen  dort  ebenso- 
wohl ein  Abkommen  (mit  Geld  oder  Waffen)  zu  treffen  war,  wie  etwa  für  die  von 
Pangani    nach  den  Seen- Regionen  Kaviroudo^s  ziehenden   mit  Masai,    Wakuafi  und 
ähnlichem  Gelichter.     Dabei  könnte  auf  dem  anderen  Handelsweg  zum  Tanganyika 
das  am  134.  Tage  „from  the  date  of  our  leaving  the  coast^  (Burton)  erreichte  Kazeh, 
„headquarters  of  the  Omani  or  pure  Arabs^,  die  Pinselstriche   an  die  Hand    geben, 
um    die  von  Herodot    aus  Olbia    mitgebrachten    Erzählungen    über    eine    griechisch 
redende  Factorei  der  Gelonen^)  (^EXkvive^  to  oip-^iiov)  im  Lande  der  (mit  lupxoti  be- 
rührten) Budinen  (der  Blondhaarigen   und  Blauäugigen)    zu  skizziren,    und  bei  der 
Doppelgängigkeit  der  letzteren,  auch  das  Grab  von  Ananino  an  der  Kama  in  seinen 
Analogien  „avec  les  trouvailles  faites  dans  les  sepultures  scytes  du  IV  siecle  a.  d. 
(Aspelin)*'  im  Gedächtniss   fortgetragen  werden,  von  weiteren   Lockungen,    bis  Mi- 
nusinsk  (in  den  Tschuden-Gräbern),  nicht  zu  reden. 

Dass  die  Bedeutung  der  pontischen  Colonieen  auf  die  Barbarenstämme  in  ihrer 
vollen  Tragweite  keine  genügende  Würdigung  erhalten,  lag  schon  in  der  Abweisung 
dieser  seitens  der  nationalen  Geschichte  der  Griechen,  die  wenn  an  solchem  Posten 
entlegenster  Grenze,  damit  auch  an  dem  ihrer  Pflicht  angelangt  war.  Auch  die 
moderne  sog.  Weltgeschichte,  die  im  Hellenenthum  die  gewaltigst  federnde  Spirale 
im  Treiben  des  Geschichtsrades  zu  erkennen  hatte,  musste  ihr  lebendiges  Interesse 
besonders  auf  die  aus  dem  Centrum  hervorquellenden  Blütheschöpfungen  concentriren, 

1)  Auf  der  Strasse  des  Herakles  von  Italien  zu  Kelten,  Eeltoligureru  und  Iberern  wurden 
griechische  Reisende  von  den  Landbewohnern  geschützt  (Pseudo-Aristotel.),  als  heilige 
Strasse  (bei  Diod.). 

2)  Die  halb  scythisch,  halb  griechisch  redenden  Geloner  der  Holzstadt  (mit  griechischen 
Götterbildern)  wohnten  (nach  Herodot)  als  Ackerbauer  unter  nomadisirenden  Budinem  (mit 
blaaen  Augen  und  röthem  Haar).  Omnibus  tnices  et  caerulei  ocali,  rutilae  comae  (bei  0er- 
manen),  und  Tacitus  kennt  ,tumulos  quosdam  Graecis  litteris  inscriptos"  (an  den  Grenzen 
Rhaetien's).  Die  Neurer  flächten  zu  den  Budinem  vor  den  Schlangen,  wie  durch  Schlangen 
die  Longobarden  ausgetrieben  werden  (Anonym.). 


(132) 


i3Dd  die  ktzteo  Ausläufer  Yerloreu  BOthwendigj  je  aecundarer,  desto  mehr,  weitere 
ÄDiiehung,  je  schwiicber  tiüd  matter,  im  Verglfich  zum  Volllicht  der  Cultur,  ihre 
ao  Barbarismus  zunohmcod  missbebaglicheren  Degen eratiooen  abbJaasten  utjti  Ter- 
bljcheo,  Bi»  zum  Versch winden,  ganz  uod  gar,  —  und  damit  ausgelosclit  für  daA 
Geschichtsauge  im  Mittelpunkte  der  Kulturvülker,  Dort  aber  und  dann,  hat  sieb 
nUD  eingesenkt  manch  fruchtgeBchwängerrer  Keim^  der  fortgesprussf  auf  hei  math- 
lichem Boden  und  zu  dem  sich  entfaltet  hat,  w.ns  die  Geschichte  geworden  der 
neuen  (.'uilur.  Und  hier  den  Anfängen  nachzugehen,  dem  Prozess  des  Werdens  zu 
lauseben,  in  seinen  ersten  Regnngen,  das  mag  vielleicht  der  Induction  einstmals  an 
manchen  Punkten  vergönnt  sein,  wenn  ihr  geräumiger  Boden  gebreitet  des  thatsach- 
Hch  gesicherten  Materials» 

Im  Handelsinteresse  selbst  dieser  mÜesiscben  Colonieen  und  ihrer  in  Athen 
zur  Lebensfrage  gestalteten  Kornausfuhr  lag  der  Cult  der  Demeter  Tbesmopboros  in 
AuBsendung  des  Triptolemos  (wie  gerade  auf  dortigen  Vasen  mit  entzi'i*;kendßter 
Schoobeit  dargestellt),  der  M^V>ip  (jjpTj^tct  (einer  Priesterin  Kstiaia),  der  Jsis,  —  als 
Frau  Eisen  gleichsam  L>ei  König  Schwab  (Aventin),  la  deesse  Isis  (bei  Jean  le 
Maire),  —  und  ebenso  der  des  Dlonysius  (dem  unter  Spartacus  eine  Statue  errichtet 
wurde),  da  das  scjtbische  Trinken  des  (ungemi?cliteii)  Weins  die  Handelstransaktionen 
für  Pelzwerk  oder  den,  sacrium  (Piinius)  genannten,  Bernstein  erleichterte,  und 
also,  wie  von  ^Indian  agonts**,  den  Barbaren  aufgedrungen  werden  musste,  trotz 
ihrer  Proteste  in  Gallien  (bei  Caesar),  der  Sueben  (bei  Tacit,),  wenn  nicht  etwa  der 
Ausdruck  populärer  Indignation  gegen  den  berauschten  König,  wie  Scylen  (Nach- 
folger des  Aripithes)  m  den  Gassen  der  Hafenstadt  sich  Geltung  schaffte,  oder  in 
RQckweisung  der  Mysterien  gebrauche  (wie  sie  Ton  Anacharsis  in  Altika  gelernt  wurden), 
da  die  einheimische  Schamanenkunst  aunreicbte  und  selbst  gelehrige  Scbfder  finden 
mochte,  gleich  Arii*teas  (in  seelischen  Luftfahrten  bis  zu  den   Hyperbnräern). 

Dann  aber  geschah  es  ebenfalls,  dass  die  europiiiscbe  Civilisation  in  dem  Fluch 
des  Sklavenhimdels  ihre  Segnungen  herabsandte^  wie  Bpäter  in  Afrika,  so  hier  auf 
die  ^sanften  Milch esser**,  als  Äbier  (bei  Strabo).  und  die  gleich  ihnen  vegetarischen 
Geten^  mit  heiligen  Ktisten,  in  Ehelosigkeit  lebend  (Posidouius). 

Neben  dem  von  den  dazu  herangezogenen  Stammen  (in  Schichtung  ähnlich  der 
Suahili  in  Zanzibar)  gebauten  Getreide  fanden  sich  unter  der  Ausfulir^  die  (auch 
als  Tribut  eingeforderten)  Folie  der  Petztbiere,  und  wenn  der  Bernstein  ein  Ziel- 
punkt gewesen  wäre,  worden  die  Munzfunde  bei  Sehn  bin  (lH;i3)  mit  besonderem 
Hinweis  auf  Olbi»  zu  betrachten  sein,  wenn  nicht  hier  maassgebecde  Ansichts- 
äusserung  der  Numismatik  ein  vorläufiges  Interdikt  auf  seine  Verwendung  gelegt 
bötte.  Von  den  T^ofjidoeq  (nach  apyaU  5xiif^ix>|  zugewandert)  leiten  die  ßa^ikem 
SWÖÄi  zu  2xi/9Ai  apoTviptq  und  2xv^^en  yemp'yüij  sowie  von  den  festen  Wohnsitzen 
der  Alazonen  zu  den  scythisch-griochischeü  KallipiüeD,  al&  Mj£fXX>jv£c,  (gleich  ^ Misch- 
barbaren'^  Thraciens  bei  Herodian)  und  somit  letzte  Mittelstufe  des  üebergangs 
(^EXX^jveg  ^ic\ib<ti)f  während  ihrerseits  die  Olbiopoliten  sich  in  der  Tracht  bereit« 
dsn  Melanchlaeni  angenähert  hatten  (Dio  Chrysostomos),  ein  Vorspuk  der  ku- 
TiBchen  Gewänder  an  dem  „ab  Hispanis  et  Graecis"  (Ad.  Br,)  beschickten  Orakel, 
neben  Pollexiani  (Tetharum  seu  PruBsorum  genus  (KadL) 

Der  Äustrveg,  wie  von  Nestor  (als  noch  die  Poljänen  auf  Kiews  Höhen  wohnten) 
oder  von  Const  Porph.  höschrieben,  mochte  seitliche  Ablenkung  auch  im  Gewände 
der  Sage  erhalten,  wenn  Odhin  (bei  Snorro)  über  SaxenJand  (wo  Skiold  in  Gothe- 
Slette  oder  Withe-Slette,  als  Witland  oder  Wykland  seinen  Bruder  Balder  einsetzt 
und  Heimdallr  in  Schonen  oder  Haliand,  als  Markgraf  zum  Grenzschutz)  erst  zu 
Gylfe  (der,  ija  anderer  Version,    der  Jotunin  Gefion  für  ihre  Skaldenkunst  SeeUnd 


I 


(133) 

zum  Brautschatz  für  YermähluDg  mit  Skiold  gewährte)  gelangt,  um  in  Sigtuna  den 
Tempel  Upsalas  vorzubereiten,  aber  er  wird  an  sich  durch  geographische  Strassen 
vorgeschrieben,  mit  den  natürlichen  Ausläufern  von  der  Düna-Miindung  (Asgard^s 
Danubius),  woran  sich  in  (Esthnischen)  Rotalia  (und  Rootsima,  als  Scheerenland 
für  Schweden)  das  Fernere  des  Ruthenischen  (und  Helmold's  sinum  ruthenicum)  aus 
Saxo's  Reges  Ruthenorum  anschliesst,  mit  den  Waräger-Zügen,  und  hier,  schon  aus 
xijujuipia  reiy^vi  des  Bosporus,  wenn  man  will,  zum  kimbrischen  Chersonesos  des. 
Nordens  in  jener  Vorzeit,  als  Kimbern  und  Keltiberer  (Val.  Max.)  sowenig  im 
Bette  sterben  wollten,  wie  Odhin's  Geritzte,  nicht  der  Hei  (der  Uellusier)  zu  verfallen 
(einer  Pohjala  oder  Tuija  im  Kalewala). 

Zu  den,  als  aus  jonischer,  reinster  Eunstanlage  des  griechischen  Schönheits- 
sinnes geflossenen  Stylriclitungen  kamen  bei  dem  üebergang  des  bosporanischen 
Reichs  in  das  pontiscbe  die  aus  letzter  Vertretung  der  Achaemeniden  dort,  auch  in 
den  Schätzen  des  Vorfahren  Darius  Hystaspis  (Appian),  concentrirten  Essenzen 
des  Orients,  als  aus  dessen  fernem  Osten  mit  goldhütenden  Greifen  (jenseits  der 
Issedonen)  neben  dem  ummauerten  Lande  des  Drachenbanners  (in  Panticapaeum's 
Emblem  wiederholt)  dann  jene  Umwälzungen  herbeizurollen  begannen,  unter  welchen 
mit  Polemo^s  Falle  auch  die  Dynastie  der  Aspurgianer  sich  erhob,  woraus  sich  für 
weitere  Deutungen  mancherlei  Entschuldigung  hat  entnehmen  lassen. 

Auf  einem  jedoch  durch  tief  gründlichste  Gelehrsamkeit  der  Classiker  sowohl, 
wie  der  Germanisten  vielfachst  beackerten,  und  dennoch  als  schlüpfrig  täuschend 
erprobten  Gebiet  trägt  ein  durch  gelegentliche  Zufälligkeiten  nur  herbeigeführtes 
Anstreifen  selbstverständlich  sein  Missliches  an  sich  und  schwere  Bedenken.  Da 
indess  immerhin,  sobald  thatsächliche  Beweisstücke  vorliegen  oder  sich  mehren  soll- 
ten, die  Prähistorie  sich  der  Pflicht  nicht  würde  entziehen  können,  ihrerseits  auch 
ein  Wort  mitzureden,  vom  Standpunkt  der  Induction,  mag  es  rathsam  sein,  bei 
2^iten  auf  einige  der  Literatur -Quellen  zurückzugehen,  aus  denen  zu  schöpfen 
wäre,  und  auf  die  comparativen  Gesichtspunkte,  unter  welchen  die  in  der  Ethno- 
logie vor  unsern  Augen  ablaufenden  Processe  des  Werdens  Manches  von  dem  aus 
der  Vergangenheit  als  abgeschlossen,  und  seiner  Ursächlichkeit  nach  oft  unverständ- 
licher Thatbestand  üeberlieferten ,  bei  analysirender  Zersetzung  in  den  Vorstadien 
(woraus  es  entstanden)  zu  erklären  im  Stande  sein  dürfte. 

Wenn  bei  schwankend  in  einander  übergehenden  Namensformen,  wie  auf  Taci- 
tus^  Zwischengebiet,  oder  von  Sarmaten  (Medorum,  ut  ferunt  soboles)  bis  Germanen 
(bei  Plinius),  die  Geten  der  Römer,  seit  Borysthenes'  Eroberung,  die  Scythen  der 
Griechen  zu  verdrängen  beginnen,  während  diesen  wieder  (wie  Strabo  bemerkt)  die 
Geten,  weil  näher,  besser  bekannt,  als  Daker,  wenn  auch  den  Sprachwechseln  aus 
vor* italischen  Zeiten  weitere  folgen  bis  auf  technisch  schon  beschriebene,  wie 
in  den  Bulgaren,  die  (finnisch -uralischer  Sprache)  im  IX.  Jahrhundert  die  slavische 
Kirchensprache  verstanden,  und  in  die  Slaven  übergegangen,  ein  uralisches  Volk, 
wenn  dergl.  m.,  so  würde,  z.  B.  bei  dem  Auftreten  der  Mallinkie  aus  Melle  als 
(islamitisch  den  Sonninkie  contrastiren  de)  Mandiugo,  neben  dem  Einblick  in  die 
Buntgestaltungen  Kaarta's  und  Bambara's,  das  Auge  auf  den  weiten  Zügen  der 
Fulbe  oder  Fellatah,  über  die  Heerstrasse  von  Futa-Djallon  nach  Sokoto  ge- 
führt werden,  oder  nach  Futa-Toro  auch,  und  „Tucouleurs**  nicht  nur,  sondern  bei 
fernerem  Verlauf  (mit  Barth)  bis  zu  Leuko-Aethiopiern  hinaus,  und  dann  ohne  Ret- 
tung weiter,  zu  Herakles  Meder,  Perser  und  Armenier  mit  semitischen  Versionen 
in  Amalekiter  u.  s.  w.,  bis  schliesslich  zu  dem,  als  schliesslichen  meist  gegönoteD, 
Ruheposten  der  Phönizier  vielleicht,  weitherzig  umfassender  Pelasger  auch  für  die 
Bedürfnisse  sehnsüchtiger  Enthusiasten  (oder  Phantasten  mitunter). 


Oder  weno  wir  das  Trugbild  eioes  malayischeii  Yolkestammes  —  unbeschadet, 
selbstverstÄDden ,  der  uöter  ähnÜcber,  bald  drei-,  bald  zweigetheilter,  Bezeichnung 
von  der  Linguistik  für  Anordnung  ihrer  eigenen  (und  ihrem  eigenen  Urtheil  atlein 
zuständigen)  Lehrsätze  gewählten  Hypothesen  — ,  wenn  wir  dies  in  der  Kthuologie 
als  Maiftyeu  spukende  Phantnni  auffl  Korn  nehmen,  mögen  wir,  von  ürang  Akit 
am  Kampar,  Orang  Saki  in  Siak  (den  Ablenkungen  nach  Semang  u.  b,  w.  vorerst 
widerstehend)  zu  Billition,  zu  Orang  Darab,  Orang  Dagang,  Orang  Seka  gefuhrt, 
in  den  Orang  Laut  das  Wiederspiel  der  bei  Thucydides  in  den  Leleg»Tn  oder 
(bei  Jornandes)  in  Vidivarii  (ex  diversis  nationibua)  zusammenflieasenden  (wie  auf 
anderer  Inselwelt  iß  den  Caraibeu)  erkennen,  aber  dann  unter  ihnen  (den  Tau-ri- 
djene,  der  Macaasaren,  angeschlossene)  Orang  Badju  (als  Oraug  Raja  in  Hhiow  oder 
^ong  Kambang)  schon  bugiuesi»ch  Redende  in  Bontbain,  mit  den  To-Wat)jn  in  der 
Republik  am  Terope  oder  rleni  alten  Königsgeschlecht  in  Pamana  (Tjina)  den  Ueber- 
gang  zu  urÄprünglicher  Wurzel  in  Turaja's,  wahrend  7*,  B.  in  Peling  wieder  die 
den  Eingebornen  des  Innern  gegeniiberslehende  Bevölkerung  sich  in  ßadju,  Bugi, 
Macassaren,  Ternntäer  u.  s.  w.  auflösen  wurde,  der  Rajah  von  Ende  seinen  Staat 
(aua  Malayern,  Makasg^aren  und  Bugin^-sen)  den  feindlichen  Bergstämmen  der  Dona 
(auf  Flores)  entgegenstellt,  oder  unter  Sumbawa's  drei  Sultanen  der  von  Bima  die 
Do-Dongo  in  demjenigeo  Lichte  betrachtet,  das  anderswo  Alfuren  malt  (ohne  die 
Nachklänge  javanischer  Einflüsse,  und  also,  in  fernerer  Instanz,  aus  Kalinga,  oder 
aus  Guzerat  auch»  her),  und  unter  sogenannten  Malayen  sieh  Ausiedlungen  tr<*ffen 
unabhiingiger  Bugi,  io  deron  Heimath  Cfdebes,  von  anamitischen  Debcrlieferungen 
(oder,  bei  Macassaren,  —  in  Goa's  alter  Herrschaft  über  die  Couföderation  von  Boni, 
Soppeng  und  Wadjii  *— ,  mit  Zwischenfliessen  tamnliecher  bald,  bald  der  mit  Mon 
mitunter  parallelisirten  Vorstufen  des  Peguanischeo  und  Siamesischen)  soweit  ab- 
gespheo,  bei  der  unter  dem  Schirm  aus  Pao  vollzogenen  Weihe  des  Königa  von 
Luwa  in  Palopo  sich  die  auch  in  Erain  vertraute  ßodenbelehnung  wiederholt, 
ähnlich  der  dem  Radjputen-Rajah  unter  Bheel  aufgedrückten  Tika.  Dann  in  der  Mioa- 
hasa  gar  wachsen  die  Complicutionen  crescendo^  und  in  den  dnreh  Sudostwind  ab- 
getriebenen, dann  jedoch  mit  Westwind  nach  Kema  hingewehten  lonsea  kommt  jenes 
charakterisirende  Element  hinzu,  das  von  den  Tenimber  auch  die  Vermittelung  mit  Po- 
lynesien einleiten  sollte.  Die  Tactorei  von  Dopo  mag  malayisch  bezeichnet  werden 
(in  Arabern  und  Chinesen,  die  mit  Prauwen  aus  Macassar,  Goram,  Ceram  u.  s.  w. 
handeln),  aber  auch  flie  Arafiiren,  die  in  ihrem  Dienste  wieder  den  Verkehr  zwi- 
schen den  Inseln  vermitteln,  wurden  bei  Separat theilung  zwischen  Malayen  und 
Alfuren,  sich  lieber  zu  den  erstereu  drangen  wollen^  wie  auch  unter  den  Dayak,  ob- 
wohl sie  im  Allgemeinen  genommen^  den  Typus  ihrer  Insel  repräsentirend  entgegen- 
genommen  werden  können,  sich  im  Detail  in  buntgestaltigst  wandelnde  Nüanciruagen 
auflösen,  wie  bei  den  (auf  Sumatra)  io^s  Mandhelingieche  übergehenden  Loeboe 
(Godou),  und  wer  die  Malayen  etwa  im  hochgefeierten  Stammland  aufsuchen  wollte, 
hätte  in  der  Nachbarschaft  zu  hören,  dass  dort  die  Orang  Menangkabau  wohnten, 
die  Malayen  dagegen  in  Djarabi  (mit  weiteren  Combinationen  über  Javanen,  als 
Seitenstuck  zu  Jonen  oder  Jonaka  u.  A,  m,). 

Hier  wird  sich  die  Ethnologie  in  manchem  Strudel  wirrer  Widersprüche  rath* 
l<fs  bernmgetrieben  finden,  bis  aus  den  Literaturen  der  umliegenden  Cnlturlander, 
durch  Cbinologen  und  Öauscrilisten,  reichliches  und  zuverlässigeres  Material  wird 
gespendet  sein,  uni  Rettungsfäden  zu  weben,  welche  sich  dann,  wie  zu  hoffen  steht, 
um  die  festen  Pfeiler  werden  schlingen  lassen,  wie  sie  die  Anthropologie,  in  der 
Craniologie  zunächst,  mit  sorgsamster  Vertiefung    überalt  bereits  einzuschlagen  be* 


(135) 

ginnt,  und  weil  auf  tbatsäcb liebem  Material    gefestigt,  demnach  dann  unerschütter- 
lich, sobald  dieses  gesichert  und  zuverlässig. 

Bei  der  historisch  gebräuchlichen  Verwendungsweise  ethnischer  Namen  erheben 
sich  für  die  Ethnologie  der  Cautelen  gar  viele,  schon  wegen  der  überall  offenkundi- 
gen Lehre,  dass  in  derartigen  Generalisationen  für  das  Undeutlichsehen  des  Ferner- 
stehenden — ,  wie  eben  in  Malayen,  oder  in  Neger  u.  s.  w.,  in  Indianer  (innerhalb 
dieser  wieder  in  Tupi,  Patagouier  u.  s.  w.  oder  Algonkin  mit  Anschlüssen  u.  dgl.  m.) 
mit  anderen  Termen  jetziger  Zeit,  oder  derartigen  früherer  (in  Sueben  z.  B.  mit  oder 
ohne  ihre  Erweiterung  über  Suiones,  neben  zahllosen  Correspondenten,  auch  höherer 
oder  niederer  Gradationen)  —  maunichfaltigste  Unterschiede  sich  verstecken  mögen, 
die  beim  Eintreten  in  deutliche  Sehweite  erst  sich  auf  dem  Gesichtsfeld  minutiöser 
abzugrenzen  beginnen  (und  schliesslich  microscopisch  zu  studiren  wären),  und  dass 
ohnedem  bei  Eintritt  in  den  Geschichtslauf  stets  der  Klang  des  herrschenden  Namens, 
als  des  stärker  dominirenden,  den  der  in  Unterwürfigkeit  als  Sporoi  (sporadisch) 
Machtlosen  überdeckt,  obwohl  sich  die  Träger  desselben  der  auf  statistische  Ab- 
wägungen zurückgehenden  Induction  als  insignificant  verschwindender  Bruchtheil 
ergeben  mögen.  Wenn  in  Asiens  beiden  Geschichtshälften  die  Dynastien  der  Reiter- 
völker die  Throne  der  Weltreiche,  auch  in  ihren  Zerstückelungen,  besetzt  hielten, 
konnte  ein  Mandju  ein  Chinese  sein,  sein  Feind  oder  Herr,  ein  Parther  ein  Perser, 
ja  oder  nein,  und  so  der  Gothe  (bei  Spartianus)  ein  Gete,  —  Terixov  7ap  tf^vog 
^ao'l  rovq  FcVdou;  eTvai  (Procop),  —  und  diese  wieder  sich  verlängern  von  Massa- 
geten  zu  Thyssageten  nicht  nur,  sondern  wie  Gotaland  älter  ist,  als  Danaland  oder 
Svealand  (nach  der  Edda),  über  Geaten  auch,  Eaten,  Juten,  unter  Abtheilung  der 
We^segothi  für  Wessen  oder  Wisu  (bei  Jakut)  des  Nordens  (Ibn  Fozlan),  in  den 
den  Handelsreflex  der  Veneder  wiederholenden  Guttonen  emporblinken,  oder  sonst 
umberspuken,  wild  genug  und  toll,  ehe  mit  der  —  heilsamerweise  —  durch  den 
Bannspruch  der  Naturwissenschaft  eingejagten  Hypothesenfurcht  die  Gespenster  zu 
verbleichen  beginnen  werden. 

Wie  sehr  dann  wieder  die  politisch-historischen  Verhältnisse  den  socialen  Aus- 
druck zu  bedingen  hatten,  zeigen,  wie  die  wechselnden  Formen  endogener  oder  exo- 
gener Ehe,  ihre  specielleren  in  den  Analogien  zu  Djujur,  Seraando  oder  Ambil  anak 
für  Sumatra  aus  Anderswoher  (mit  Analogien  der  Iskandersöhue  zn  den  Phokäern 
Massilia's),  und  wenn  die  Götar  (wie  später  die  Svear)  die  Länder  wilder  Stämme 
erwarben,  fehlte  damit  die  Bedingung,  welche  neben  dem  Gefolgsadel  (im  üeber- 
gang  zum  Hofadel,  wie  auch  bei  Nahuatl)  feudale  Lehen  dem  Allodialbesitz  zuzu- 
fügen hatte,  wenn  germanische  Stämme,  wie  in  Gallien,  Spanien,  Italien,  unter  einer 
von  römischer  Cultur  mehr  weniger  durchdrungenen   Hevölkerung  siedelten. 

In  den  mit  der  Geschichte  China's  verknüpften  Revolutionen,  welche  (aus  den 
vorHiongnu  weichenden  Juetschi  mit  Usier)  die'Aa-ioi  und  ihre  gegen  das  griechisch- 
bactrische  Reich  (bei  Strabo)  Verbündeten,  von  den  Alanen,  als  „primus  qui  venit  in 
Europam,^  bis  zu  den  Jazygen  und  weiter  (nach  den  alaunischen  Bergen)  führten, 
virurdeo  nach  der  Wechsel  viele,  seit  mythisch  cimmerischen  Vorgängern,  aufs  Neue 
wieder  die  Flächen  von  jenen  Wanderstämmen  durchstrichen,  die  gehen  und  kommen, 
sich  wandeln  von  Scythen  in  Sarmaten,  oder  auch  gänzlich  zu  verschwinden  beginnen, 
während  ihres  Dominirens  aber  den  Namen  generalisiren,  als  Anten  oder  Ent  (mit 
Slavoniern  oder  Slaven)  über  sporadisch  in  Ansiedelungen  zerstreute  Sporen  herr- 
schend, bei  Tributerhaltung  von  den  Georgern  am  Pontus,  wie  (auf  der  Schaubühne 
spaterer  Waräger)  mit  den  Roxolani  berührt,  als  apxTixwrATOi  (oino  Tep/üLOLvlag  f*^i 
Tfig  KüLTnCiLg  neiloi^)^  im  Norden,  wo  Rotala  mit  Reges  Ruthenorum  (Saxo)  neben 
dem  rnthenischen  Meer  (bei  Helmold)  an  (Olimar's)  Holmgard  stosst,  —  sedes  üi- 


(136)      . 

merugorum  (Jörn.)  für  König  Berich  und  seine  Gothen  aus  Scandza  insula,  (sowie 
besucht  durch  Prusias' Astronomen  aus  Salura),  —  wo^Do-tot  mit  den  Kocpßwvc«;  gren- 
zend (am  wendischen  Busen),  Bous,  der  Bruder  Balder's  hineinspielt,  (Othini  ex 
Rinda  filius)  oder  Boewiuus  in  der  Heimath  Russia  (Laonikos  Chalkokondylos) 
der  Trybaler,  auch  Bocrinus  (BÖrr,  Sohn  ßuri's)  mit  neun  Ahnensöhnen  (a  radice 
Boerini  germinaverunt,  vom  Borysthenes  her  oder  der  Höhle  des  Titanen  Boreas  bei 
den  Hyperboräern)  und  Starkattr  (Storueki  filius  eines  Storjunkare)  als  Esthländer 
aus  den  Ostmanni  am  Austrvegr,  indem  die  baltischen  Küsten  (für  familiae  Bal- 
thorum,  westgothisch)  die  erste  Station  (vom  Pontus  aus)  zu  bilden  hatten,  für  die, 
im  Hinüber  und  Herüber,  bald  friedlichen  bald  feindlichen  Beziehungen  der,  betreffs 
der,  —  nach  Bezähmung  der  Thuss  (in  Thyssageten)  oder  Thurs  (des  Ymir  oder 
Förn  Jötunn)  als  Hrimthursen  —  herrschenden  Kaste,  oft  gleichartigen  Stamme. 
Bei  der,  —  unter  den  Abstammuiigen  von  Muljus  rex  (Vater  des  Erminus,  Inguo 
et  Istio,  oder  des  Armin,  Tingus,  Ostjus)  als  Alanus  (Nennius),  und  dieser  als 
Vater  des  Isicou,  Armenon  und  Negno  (Dlugosz),  nach  dem  Zerfall  des  von 
Dicaneus  unter  den  (auch  die  Ausrottung  des  Weiostocks  einschliessenden)  Gesetzes- 
vorschriften der  Belagiues  (belagjau)  geordneten  Reichs  des  Boerebistes)  über  die 
Geten,  mit  fernerem  Anschluss  dünn  nach  Massageten  im  Osten  und  Thyssageten  im 
Norden  (gothische  Mitwirkung  Catualda^s  bei  den  Markomaunenhändeln  ein  begreifend) 
bis  zu  Geaten  (Eaten)  oder  Juten  — ,  hervortretenden  Identificirung  mit  den  (als 
Guttones  früh  schon  an  Handelsplätzen,  gleich  den  in  Heneter  von  Antenor  —  wie  Dani 
bei  Dudo  und  Gothi  bei  Guil.  Gern  —  abgeleiteten  Veneder  auch,  reflectirten)  Gothen, 
erscheint  auf  diesem  Boden  dann,  wo  Oedotheus*)  oder  (Claud.)  Odothäus  aus 
„den  entferntesten  und  unbekanntesten  Völkern''  eine  grosse  Macht  versammelt 
(2iOsimus),  das  aristokratische  Nomaden volk,  das,  wie  überall  in  der  Geschichte  Asien's, 
die  Throne  mit  Sprossen  seines  Fürstengeschlechts  besetzend,  dann  oft  genug  durch 
seinen  Namen  den  der  ursprünglichen  Bevölkerung  im  Lande  verdeckt  oder  um- 
modellirt  (wie  aus  Perser  zu  Parther  u.  dgl.  m.),  in  den  Wesigothen  oder  (Sid. 
Ap.)  auf  Jakut's  Wisu  (jenseits  der  Bulgaren)  in  (tributpflichtigen)  Wessen  oder 
Wsi  deutend  (neben  Ostrogotha*s  Austreveg). 

Als  nach  dem  Sturz  des  bosporanischen  Reiches  (mit  Fürstenvergötterungen, 
wie  in  Parisades)  durch  den  Sieg  der  Barbaren  über  den  pontischen  König  Polemo 
(Priester  des  Zeus  in  Olba)  die  Dynastie  der  Aspurgiauer  die  Macht  erlangte, 
bot  sich  —  schon  seit  Verbindung  der  die  Asiatae  (Strabo)  berührenden  Aorsen 
('Aopo-Ät  xÄi  TioLyopiTAL  b.  Ptol.,  als  Nachbarn  der  Agathyrsen  oder,  nach  Mark.  Her. 
*A7ÄÖocroi)  oder  (Tacitus)  Adorsi  (Verfuhrer  indischer  und  babylonischer  Handels- 
Produkte  auf  Kameelen  aus  Medien  und  Armenien),  unter  ihrem  König  Aune  oder 
Eunone  mit  Cotys  gegen  Mithridates  und  verbündete  Siraci  —  eine  Unterlage  für 
jene  Sagengestaltung,  die  unter  dem  von  Gaut  (Odhin's  Vorfahren  2)  hergeleiteten 
Gothen  die  Apotheosirung  ihrer  Helden  als  Ansen  zuliess,  ausserdem  aber  (unter 
Erneuerung  der  durch  Gylfe  bei  Asgard's  Besuch  eingeleiteten  Gastfreundschaft 
(mit  Siggc  Fridulfson)  bei  Üeberführung  Wodan's  aus  den  BujSvivoi  (Budini)  oder 
(Dalin)  Wodiner    nach  „Saxenland^  (in  Versetzung  des  östlichen  Götterrathes  nach 


1)  Oüenatus  rex  ohtinuit  totiiis  Orientis  Imperium  quod  se  fortibus  factis  dignum  tantae 
majestatis  infulis  deciaravit  (cf.  Trebellius  Pollio). 

2)  None  of  the  tribes  at  present  recognized  as  distinct,  dates  their  origin  earlier  than 
Gconde  (durch  Togu,  Sikomo,  Newangu,  Tshawe)  von  Xosa  stammend  (bei  den  Amazosa 
(Dugmore)  unter  Khili  (mit  Abscbeidung  der  Abatembu),  wo  Tembu  (durch  Umguti,  Malan- 
dela,  Injanya,  Umbulali)  von  Zwidi  stammt  (Nicholson). 


(137J 

Byzans),  die  Asiaroannen  und  Tyrcae  (bei  den  Tbyssageten  wieder  auf  Jyrcae 
stossend  und  in  Pohjala  auf  Turja)  oder  Türken  (Turcilinger  Odoacer's  für  die 
Eroberer  Olbia's  in  den  Sciren,  zu  Jarmerik's  Zeit  von  Jonakur  beherrscht)  über 
Gylfe's  Reich  (b.  Snorro)  nach  Sigtuoa  brachte,  und  dann  zum  Tempul  UpsalaV,  wo 
in  der  auf  die  Winidaruno  natio  populosa  überstreifenden  Priesterkönigschaft  der 
(in  der  Seidr-Kunst  erfahrenen)  Wanen  (seit  Freyr)  zugleich  heimische  Wurzeln 
sproasten  aus  Ingaevonen  (erdgeborenen  Thuisko's),  in  den  der  Ynglingar  aus  Yngvi's 
Geschlecht,  innerhalb  der  in  Berührung  mit  finnischen  und  slavischen  sowohl,  wie  mit 
lithauischen  verwandten,  Elementen  verbreiteten  Völkergestaltungen  im  Durchwalten 
der  germanischen.  Daneben  dann  die  (bis  zur  Identificirung  oder  Entnationalisirung, 
Wersebe  führende)  Berührung  der  Sueven  und  Slaven,  im  Uebergang  von  slavi- 
sehen  Wenden,  den  Yandalen  (Schaffarik),  Vindili,  Winiloi  mit  weiteren  Abwand- 
lungen, und  den  Longobarden  gegenüber  stehen  als  Herzöge  Ass  und  Ambri  an  der 
Spitze  der  Vandalen,  die  (Frocop)  von  der  Moliujtk;  kommen  (wo  Heruler  von 
£rmanrich's  Gothen ')  unterworfen  wurden)  aus  den  Mäoten,  unter  welche  Strabo  die 
Aspurgianer  rechnet  (zwischen  Phanagoria  und  Gorgippia).  Die  (unter  der  Herr- 
schaft Rig^s,  der  den  Titel  Drot  mit  Konge  vertauscht,  aus  Hailand  oder  Herland 
von  Schonen  ausgewanderten)  AipouXoi  (an  der  Mäotis)  oder  wegen  der  „Hele** 
(Ablavius)  ^EXovpoi  (als  durch  die  Danen,  von  Suethidi  und  W*inowiloth  stammend, 
vertriebeneu  Heruler)  verwüsten  Griechenland  (Greg.  Sync.)  und  der  „viator  inde- 
fessus^  (Sazo)  qui  non  hacc  tempora,  sed  longe  anterius,  nee  in  Germania,  sed  in 
Graecia  fuisse  perhibetur  (Paul.  Diac),  wird  nach  Tyrkland  versetzt  (Snorro). 
Die  Heruler,  deren  Fürst  von  Theodoricus  rex  (Cass.)  mit  Waffenbrüderschaft 
geehrt  wurde,  dienten,  weil  ihres  Wafifenhandwerks  wegen  überall  gesucht  (Jor- 
nandes),  als  Föderati  (wie  unter  den  Soldtruppen  der  Nat.  imp.)  in  Constantinopolis, 
von  wo  ihnen  Justinian  den  Prätendenten  Suastua  gegen  den  aus  Skandia  berufenen 
Todasios  zuschickte  (Proc),  und  wie  sie  seeräuberten  (Idatius)  bis  an  Spaniens 
Küsten,  fanden  sie  aus  Illyrien  ihren  Weg  zwischen  r«  "^xhtßYfVaiv  Ibvvi  nach  0ouXi| 
zn  den  Fciifroi  durch  Dänen  hindurch,  die  sie  früher  propris  sedibus  expulerunt, 
als  (Gapitolinus)  ^a  superioribus  barbaris^  vertrieben,  und  vorher  schon  Warner. 
Ihr  Name  auch  deckt  als  Ovapvoi  (Procop.)  den  ganzen  Abstand  vom  Ister  ^q 
wxiAvov  Tov  dpKTwov,  uud  andererseits  wieder  '^nopovq  to  noikoLiov  ijULfpoTspoxjg  exoLKovVy 
die  Sklabener  und  Anten.  In  Antarum  fines  ziehend,  tödtet  Winithar  (aus  dem 
Geschlecht  der  Amala)  den  König  Boze  (Booz  nomine),  und  dass  Bakssan,  Sohn 
des  Königs  Dauo's,  mit  seinen  Narten  gegen  den  König  der  Gothen  gefallen,  wird 
in  den  Liedern  der  Kabarda  beklagt. 

Durch  Anthaib  (Antarum  pagus)  oder  Banthaib  (der  Wanen)  und  Wurgondaib 
(der  OvpOTßyoOvioi  oder  ^povyovvöimvsg)  ziehen,  als  von  Mauringa  (der  Assipitti)  nach 
Goland  (Paul.  Diac.)    gelangt,    die  Winili  oder  (nach  Zeuss)   Windili,  bei  der  Aus- 


1)  Die  Favtal  (bei  Prokop)  wohnen  in  Thule,  die  Foliai  im  südlichen  Skandinavien 
(bei  Ptol),  Gantar  in  Gautlaod  (hei  Soorris),  Gautigoth  (hei  Jemandes),  Geatas  (im  Beowulf) 
u.  8.  w.  Westergotbia  (der  Gotbi,  qui  Occidentales  dicuntur)  mit  Sconia  (Danorum)  grenzend, 
Orientales  bis  znm  Baltic  (bei  Ad.  Br.),  Ostmanni  als  Wikinger  (818  p.  d.)  u.  s.  w.  Schwe- 
den heisst  Oestergaard  (bei  den  Dänen).  Auf  Asgard  an  der  Dana  (Danubius)  herrscht  Odbin 
über  Reidgotaland  (von  der  Weichsel  bis  zum  finnischen  Busen).  Neben  den  Sveonum  fortis- 
simi,  wie  Ar  u.  s.  w.  (Pro  dei  necessarii),  Ingi  quoque  (u.  A.  m.)  ad  Frö  Deum  generis  sui 
prineipium  referebant  (Saxo  Gr.).  Von  den  gleichzeitig  mit  den  Longobarden  (in  Wend- 
Syssel)  ausgewanderten  Cimbern  (und  Teutonen)  Hess  sich  ein  Tbeil  in  (dem  Eristilte) 
Bremen  nieder,  als  Franken  (111.  Jahrb.  v.  Chr.)  ein  Bündniss  mit  den  Sachsen  abschliessend 
(Sahm)  und  dann  (neben  Brat  Jutus)  Bo,  Brami  Filius  (wie  Brahma  im  Spreewald). 


(138) 

WAoderaog  (»b  extremis  Germanifte  finibus)  ^Iborea  et  Ajone  dacibos*^  (Prosp. 
Aq.),  bei  der  HangersDOth  nnter  Sino,  nachdem  Gunborg  (Mutter  Aage's  und 
Ebbe's)  den  Wendelboer  oder  Winuler  die  Losung  empfohlen,  wie  Sf^Ltcr  den  Liongo- 
bardeu  (vor  der  Schlacht  mit  den  Vandalen)  die  Anrufung  Wodan's  durch  Frygga, 
als  Seherin  Gambara  (379  p.  d.).  Die  Guttones  (ßurgundiones,  Varini,  Carini) 
gehören  (Piinius)  zu  den  Vindili,  identificirt  (Zeuss)  mit  (keltischen)  Vindelici 
und  Gaoidhal  (von  gaoidh  oder  Yentus,  sonst  von  Venta  im  Verkauf  des  Handels) 
neben  Yandilii  als  Sueben  (Tacitus).  Bei  dem  Auftretern  der,  den  ßuriern  und 
Jaiygen  (Dio  Cassius)  angenäherten  Vandalen  des  ALffxißvJpyiov  opoc  (Ptol.)  in 
den  Sitzen  der,  die  Aouyioi  "BoOpoi  ersetzenden,  Aovyioi  ^oOvoiy  kommen  in  Danskir 
(Danske),  aus  Dacia  (Petr.  Ol.).  Yo^'jtoli  xäi  AclxjxIwvsc  (Ptol.)  hinzu,  aus  Scan- 
dia (Suhm),  auf  Mela's  Insel  Codanonia  (am  Sinus  Codanus).  Die  Vittungi 
(Tir.  Prosp.)  oder  Withinger  (aus  Witisleth)  begleiten  die  Alamanen  (Amm.), 
als  Juthnngi  (Aur.  Vict.)  und  Vitae  als  Jutae  (Gatterer).  Nachdem  unter 
Swegder's  Herrschaft  in  Schweden  (gleichzeitig  mit  Frifdleif  in  Lethm)  die  West- 
gothen  (unter  Berich)  zu  den  Reit-Gothen  gewandert,  folgte  Amala  (Sohn  Gaut's), 
und  dann  führte  Filimer  die  Gothen  zum  Dnepr  und  Tanais  (Suhm).  Das  (rus- 
sische) „Ermeland  das  Grosse^  (neben  dem  preussischen)  läuft  als  Armenien  (Orma- 
land)  mit  Armorica  (Finnar  Jonsen)  zusammen,  und  das  Land  (lappischer)  Quänen 
(von  Norr  unterworfen)  in  die  terra  feminarum  (Ad.  Br.),  eingeschlossen  im  Kranz 
der  Amazonensagen  (bis  zur  pontischen  Heimath  wieder). 

In  der  Erzählung  von  Gangler's  Empfang  Tor  dem  Rathe  der  Drottningar  malt 
sich,  in  den  aufgestuften  Thronen,  dreifach  (wie  im  Priesterthum  der  Gatonier  in 
Cumana),  steife  Nachahmung  eines,  solcher  Steifheit  wegen  schon,  als  byzantinisch 
bezeichen baren  Hofceremoniells.  Die  in  den  Sagen  poetisch  geschmückten  Besuche 
in  der  Heimath  Gross-Svithiod's  (in  Godheim  und  Asaheim)  gewinnen  fasslichere 
Greifbarkeit  in  den  kaiserlichen  Besoldungen  der  bereits  mit  Herulern  auftreten- 
den Waräger,  die  jetzt  gefürchtet  umherzogen,  wo  einst  die  römischen  Peldherm, 
denen  ihre  Vorfahren  zu  den  Wanen  entwichen,  oder  freier  handelten,  wenn  ein 
Sundzoll  aufgehoben,  wie  (an  den  Dardanellen)  Tom  bithynischen  König  Prusias, 
unter  dessen  Namen  Nachrichten  über  Kerbhölzer  und  Knotenschnüre  aus  dem  Nor- 
den kamen  (Jaroslav),  während  die  Preussen,  —  bei  denen  der  Kriwul  genannte 
^Message- Stick ^  umhergeschickt  wurde,  (wie  beschuitzte  Pfeile  bei  Wogulen  und 
Ostjäken,  1609)  —  sich  bei  den  Kreuzrittern  wunderten,  quod  quis  absenti  inten- 
tionem  suam  per  litteras  potuit  explicare  (Duisburg),  wie  Tahitier  über  Wil- 
liam's  Bleistift-Notiz  für  seine  Axt,  und  so  gelten  Odhin's  Runen  als  Hexenzeichen 
(Suhm),  während  sein  Schiff  Skidbladner  als  zuerst  „mit  Segel  versehenes^  (im 
Norden)  den  Eindruck  zurückliess,  wie  der  schwimmende  Wald  (von  Masten),  als  in 
Hawai  die  europäischen  Entdeckungsschiffe  zuerst  gesehen  wurden. 

Gylfe  (ürbar's  Sohn)  wurde  durch  Gefion  (mit  Weiterführung  auf  Gebans  oder 
Geofan's  Verehrung  bei  den  Sachsen)  und  ihre  Scaldenkünste  bezaubert,  Hier  da- 
gegen durch  Braga's  Redefertigkeit  (wie  von  Lucian  in  Ogmius  ausgezeichnet,  als 
ein  Herakles,  aber  auch  im  Reden  starker  Starkaddr),  da  ihm  die  Hochsitze  (Ond- 
wegen)  der  Äsen  den  aus  dem  Ruhm  ihrer  Thaten  gewonnenen  Eindruck  erhöh- 
ten, und  für  das  eigene  Festmahl  das,  in  der  Enkclschaft  vom  Riesen  Fiorgynur, 
riesenstarke  Brüderpaar  Thor  und  Thyr  den  Kessel  des  Riesen  Hymir  herbei- 
schleppten, während  Ilmarinen  und  Lern  min  käinen  mit  dem  von  ihnen  gestohlenen 
Kessel  das  Meer  zu  durchsteuern  suchen.  Neben  dem  Sitz  auf  Hless-ey  (Hler's 
Insel)  bietet  sich  die  Insel  Lessö  im  Kattegat  für  den  Meeresgott  Oegir  und  seine 
mit  dem  Netz  (eines  Jama)  auf  Ertrinkende  lauernde  Ehehälfte  Ran. 


(139; 

An  die  unter  Begründung  jotisch-gothischer  Herrschaft  und  der  (wie  in  Gylfe's 
Verfilgung  über  Gefion's  Brautschatz  kenntlich)  daraus  fliessenden. Suprematie  ein- 
geleitete Verschiebung  aus  Finnland  (oder  Jotlaud),  sowie  Hler's  (Forniotr^s  Sohnes) 
Ansiedelung  auf  HIess-ej  (und  seines  Bruders  Haloge  in  Helgeland)  schloss  sich 
die  Weiterd rängung  der  Oberherrschaft  über  anliegende  Grenzlnnder  (in  Withi- 
Slette)  weg,  wie  in  der  Vasallenschaft  der  Wendelboer  unter  Snio,  wahrend,  wenn 
Hänir  oder  Hönir  als  üntorkönig  Gylfe's  auf  Seeland  erwähnt  wird,  darin  der  (mit 
Mimir^s  Enthauptung)  verunglückte  Versuch  einer  Thronusurpation  der  Geissei  bei 
den  Wanen  angedeutet  läge,  ehe  in  Skiold's  (Sohns  Odhin's)  Vermählung  der  Wit- 
tib Gefion's  (die  ihrem  Riesengemahl  bereits  zwei  Söhn«  geboren)  die  Dynastie  ihre 
heimischen  Wurzeln  einschlug.  Als  Markgraf  der  Grenzen  wachte  der  am  Meeres- 
Btrande  mit  einem  Jotun-Madchen  erzeugte  (aber  spater  als  Rig  die  Ständeklussen 
ordnende)  Heimdall  auf  der  Himmelsburg  in  Hulland,  ein  hoiUistr  a&a,  doch  zu  den 
Vanir  gerechnet  (Saem.). 

Nachdem  Polemo  I.  gegen  die  Aspurgitaner  gefallen  war  (12  a.  d.),  begann  unter 
seinen  Nachfolgern,  mit  Rheskuporis  I.  (Vater  der  Sauromates  I.)  und  dessen  Bruder 
Kotysi  die  Dynastie  der  Aspurgor  im  bosporanischen  Reich,  uu«l  dann  erhielt  Sauroma- 
tes I.  (Aspurgus)  die  vollen  [nsignien  des  Königthums  von  Tiberius,  als  Tiberius  Julius 
(Rommel).  Als  Polemon  bei  den  sog.  Aspurgianern,  einem  „barbarischen  Stamm**, 
umgekommen  war,  übernahm  die  Wittwe  Pythodoris  die  Herrschaft,  ihre  Tochter 
(neben  zwei  Söhnen)  an  den  Sapäer  ('otys  verheirathend,  und  sich  selbst  an  Arche- 
lans in  Kleinarmenien  (Strabo).  Die  Aspurgianer  wohnten  zwischen  Phanagoria 
und  Gorgippia  (zu  den  Mäoten  gehörig)  als  ol  As  in  Kertsch  (Abulfcda)  und 
Asii  in  Resan  (oder  Asäi),  auch  (Suhm)  an  Abchasen  oder  Abassen  angeschlossen 
(in  den  Alani  Scythae)  bis  zu  Osseten  mit  weiteren  Alanen  (der  Bergländer),  oder 
lAXauvoi,  die  Bwi^voi  einbegreifend,  als  Grenznachbarn  der  ßastarner  (Ptol.).  Mit 
Konig  Palakos  verbündet,  wurden  die  Rhoxolanen  von  Mithridates  besiegt  (Strabo) 
und  Hadrian  schliesst  (nach  Spart.)  Frieden  mit  den  Rhoxolanen  (in  Mösien).  Ihre 
Doppelgänger  erscheinen  wieder  im  Norden,  wie  sich  der  rege  Verkehr,  auf  den 
noch  von  Karl  XII.  durchzogenen  Wegen,  auch  in  der  Nachricht  über  die  Wandalen 
beweist,  die  (Dexippus)  im  Laufe  eines  Jahres  von  dem  Ocean  an  die  romische 
Grenze  gezogen  (unter  ihrem  Fürsteogeschlecht  der  Astingi). 

Unter  den,  den  WI11765  (bei  Theraistius)  benachbarten,  Roxolaneo  (usque  ad 
Pannoniam  bei  Plinius)  geben  die  (bei  Ptol.)  nordlichen  Sitze,  juxta  oceanum 
(Guido  Ravenna)  die  Unterlage  am  „sinum  ruthenicum'^  (oder  wenn  in  Rotalicn  bis 
Oesel  und  dem  Sitz  des  Tharapilla  oder  Tharapitha  mit  Tora  der  Tschuwaschen 
und  Tara  der  Bsthen)  für  die  Reges  Ruthenorum  (Saxo)  in  Odhins  Liebschaft 
mit  Rinda,  aus  der  sich  (auf  Rostiophus  Phinnius^  Autorität)  derselbe  (Oller  in  seinem 
Mit-Odhin,  bei  der  Rückkehr  vertreibend)  in  dem  russischen  Fürsten  Bous  einen 
Rächer  (sonst  in  Vali  der  Welisungen)  erweckte  für  Baldr's  Tod  an  dem  in  ritter- 
lichen Künsten  durch  Gevarus  erzogenen,  und  —  mit  den  Waffen  des  Satyros 
Miming,  im  Schmidt  Mimir,  von  dem  Velint  (sowie  Siegfrit)  seine  Kunst  erlernt 
(in  der  Vilkina  saga)  — ,  im  Kampf  der  Menschen  gegen  die  Götter  gefeiten  Hother 
(wogegen  der  blinde  Hödr,  der  vor  Vali  fällt,  den  wunden  Fleck  des  gefeiten 
Körpers  mit  dem  Wunderkraut  zu  treffen  hat),  und  das  Herrscherthum  (bei  Saxo) 
in  Dänemark  vermittelt  (aus  Juten  und  Angeln)  das  Vorwalten,  in  Englands  säch- 
sischen Königsdynastien  (schon  aus  den  Beziehungen  zu  Gelderus,  Saxoniae  rex), 
für  Baldr's  Namen,  cujus  corpus  exercitus  regio  funere  elatum,  facto  coUe  conden- 
dum  curavit,  wie  Dan  Mykillati  (Sohn  des  Dag  oder  Daug)  von  Bruna-Old  in's 
Haug-Old    f&hrt,    und  Dan  (Bruder  AnguPs)   durch  Uumble  oder  (in  der  Wilkina- 


(140) 

saga)  Aamlungr  auf  Amala  (P.  £:  Muller),  als  Enkel  Halmars,  Sohn  des  (Gapt 
oder)  Gaut  (Jörn.)  oder  (Grimm)  Oeat,  mit  der  Auknupfung  an  (fianisch  be- 
wahrten) Juroala  (gleich  Ju-pater,  im  Obersten)  und  (keltischen)  Hu,  der  den 
Biber  (Avanc)  aus  dem  Wasser  zieht  (als  Buddugre  oder  Siegesgott).  Ukko  (im 
finnischen  Alter),  als  Iku-Thurso  oder  ewiger  Thurso  der  Pohjala- Wirthin n  kehrt 
wieder  (wie  im  borussischen  Okipirn  oder  Oka-Perun)  in  Ake-Thor  (Sohn  des  Snio, 
von  Fornjotr  stammend)  oder  Oeku-Thorr  (Wagen»-Thor),  und  während  Thor  (oder 
Tbunar  im  Donner)  als  Jötnadolgr  die  Götteraltäre  Fornjolr's  umstürzt  (die  Stärke 
Utgarthiloke's  erprobt,  wie  der  ein  ausgerauftes  Haar  heimbringende  Held  Thor- 
kill), erhält  sich  (in  Gottland,  Eonland  und  Finnland  herrschend)  Thorri,  Enkel 
des  Fornjotr  (in  Jötland)  oder  (nach  Finn  ^)  Magnussen)  Hymir  (Oergelmir)  des 
Thorrablot  (für  Schneien  und  Schlittschuhlaufen),  in  Verehrung  eines  (keltischen) 
Taranis  (Lncan)  oder  Törm  (der  Ostjaken)  mit  weiteren  Analogien.  Als  Stief- 
sohn Thor's  (durch  blonde  Sif)  wurde  Dller  oder  Oller  (seit  der  Rivalität  mit  zu- 
gewandertem Odhin)  auf  den  Norden  zurückgedrängt  (im  Schlittschuhlaufen  auf 
Knochen).  — 

Wie  in  Odhins  eigener  Vermählung  mit  Frygga  tritt  auch  bei  seinen  Söhnen 
in  den  Riesenfrauen  die  Kräftigung  durch  einheimische  Wurzeln  hervor,  ebenso 
zugleich  in  Gerdur  (Tochter  des  Jötun  Gymer)  bei  Freyr  (Sohn  Niord's),  der  die 
Tngendpflichten  des  chinesischen  Himmelssohoes  (wie  Aeacus  im  Gebet)  zu  üben 
hat,  für  die  Nasensteuer,  welche  Odhin  in  „ganz  Schweden**  empfing,  um  die  Opfer 
des  Volkes  darzubringen  und  das  Land  vor  Unfrieden  zu  schützen.  Als  in  Frode's 
Frieden  das  Gold  gleich  Mehl  gemahlen  wurde,  trugen  die  Ackerfelder  in  ununter- 
brochener Fruchtbarkeit  und  dauernder  Reichthum  herrschte  in  Pohjala,  ehe  der 
(für  Lonhi  geschmiedete)  Sampo  geraubt  war,  wie  in  Peru's  goldener  Zeit  (zu 
Huarochiri)  die  Wolle  gleich  gefärbt  wuchs,  zur  Bequemlichkeit  der  Weber. 

Aus  Fornjoter*s  Söhnen  folgt  Kare  in  Jötneland  (Jotunland  oder  Gotland)  oder 
(Riesenland)  Jättehem  (Jemteland),  und  aus  Kuenland  (Thor's)  zieht  dann  Gotr 
oder  Göte  (Vater  Gylfe's)  nach  Schweden  und  Nore  nach  Norwegen  (während 
Dänemark  Dan's,  der  in  Withesleth  siedelt,  als  Witala,  vom  gothischen  Fürsten 
Erich  erobert  wird).  Aus  der  Erde  steigt  Mannus'  Vater  aus  (finnischer  —  wie 
Hntola  Hnsi's  ethnischer  —  Unterwelt)  Manala  (des  lapis  manalis)  nach  Manheim 
Meunor  s  (b.  Frauenlob),  und  Bertha  (ßölthom's  Tochter)  wurzelt  in  heimischem 
Stamm,  für  Odhin  (Vili  und  Ve)  oder  Wodan,  quem  adjecta  litera  Guodan  dixerunt 
(Paul  Diac),  und  Woden  erklärt  als  „Regem  Saxonum^  der  heilige  KentigernuB 
(590  p.  G.).  Unter  den  Finnehöfdingen  (Finmarken's)  verehrten  die  Jotunar  oder 
Jättar  den  alten  Fornjoter,  aber  Frialfr  oder  Fridleif)  (Vater  Odhin's)  galt  als 
Sohn  Finnr's  (Sohn  des  Gudalfr).  In  Fornjotr's  Söhnen,  Hier,  Logi,  Kari,  wandeln 
(um  Ask  und  Embla  aus  Erle  und  Esche  zu  beleben)  die  alten  Schöpfungsgestalten 
in  Odhin  mit  Wile  und  We,  oder  mit  Hoenir  und  Lödur.  Bei  den  Finnen  herrscht 
Karilainen    über   die   Klippen,  (Ganander),    und  Kari    zeugt  Jökul  (glacies),    lökul 


1)  Feine  Farsa  (tbe  instmctor  of  husbandmen)  oder  Fenios  (tbe  first  person  mentioned 
in  the  Irish  story  as  tbe  great  leader  of  tbeir  tribe),  König  der  Scuit  (Wanderers)  oder  Scots 
(Betham),  herrscht  aber  Scy^bia  als  Vater  des  Niul  (Vater  des  Gaodbal  oder  Gael)  und 
Nenual  (nach  den  Annalen  von  Tigernacb  oder  Tierna). 

2)  Zu  Oberst  steht  Barri,  wie  der  König  von  Tyrkland,  und  auf  ihn  fol^n  Barr,  Odbin, 
Freyr,  Niördr,  Freyr,  Fiölnir  (Grimm),  und  Barri  and  Burr  (Burri  und  Bors)  entsprechen 
Buri  und  Börr  (Poro  and  Paru). 


(141) 

SoAer  (nix)  den  Eonig  (Grimm),  so  dass  Honir,  wie  An  seiner  Stelle,  auch  an 
der  Snio's  steht.  Als  Feuergott  wird  Logi  oder  (Grimm)  Lauha  identificirt  mit 
(des  in  Curland  bekämpften  Königs  Loker  Seitenstuck)  Loki,  gefurchtet  wie  Lauhi, 
die  böse  Pohjola-Wirthinn,  ^an  Loki^  eriDoernd  (Gastr^n),  wie  an  Baldr's  Tod 
der  des  Lemminkäinen  (durch  den  blinden  Hirten  aus  Pohjola). 

Getam  dudum  pagani  pro  deo  venerabaotur,  (Asser),  und  von  Geata,  als  fi- 
Itus  Dei  (Nenuius)  und  Urgrossvater  Finn's  (Vater  des  Fredulf)  stammt  Yuoden, 
während  Odbin  (im  Grimmismal)  den  Namen  Gautr  annimmt,  und  noch,  als  vor 
Ingiald  liirada  die  westgötischcn  Könige  vom  Schauplatz  abtraten,  Algöt  sich. von 
Gaut  herleitete  (dem  Stammherrn  der  Göta).  In  der  Hervarsaga  kommt  Laudur 
mit  einem  Heer  von  Hunnen  (in  welcherlei  Beziehung  immer  zu  den  nach  Merki 
oder  Fahnen  getheilten  Chazareu)  durch  den  Wald  Einerkunde  nach  Reitgothenland, 
um  seinen  Bruder  Agautyr  (Sohn  des  Heidrek)  zu  bekämpfen  (und  bis  nach  Gro- 
ningen spielen  die  Hunnen).  Wie  der  Hüne  (der  Hunebedden)  oder  Heune  aus 
Hiunenlant  (im  Niebelungenlied)  oder  Hunaland  (als  Hunus  der  Chunus),  vertritt 
sich  Gigas  (bei  Grosius)  mit  Ent,  aus  den  Antes  (qui  sunt  eorum  fortissimi)  neben 
den  Sclaveni  (von  der  Winidarum  uatio),  als  Veneti,  Antes,  Sclavi  (Joroandes) 
oder  2xXaß*;voi  xai  \vT(ti  unter  (oder  über)  den  Sporen  (Procop)  oder  Serben 
(Srb.).  Servi  Sarmatorum  adversum  omnes  dominos  rebellarunt,  gegen  die  Arcara- 
gantes  (Hier.)  oder  Sarmatae  liberi  (Amm.)  unter  den  Sarmatae  limigantes  (Ja- 
zjges  metanastae).  Das  Waffen  hüten  bei  den  Sueonen  (Tacit.),  erleichterte  den 
Aufstand  der  väterlichen  Sklaven  —  (im  Protest  gegen  das  Prinzip  der  Kaffir:  „the 
existing  generation  always  takes  precedency  of  those  of  earlier  date**)  —  unter 
König  Egil  in  Schweden,  während  die  Erhebung  des  sarmatischen  Sklavenvolks 
(334  p.  d.)  auf  jener  breiten  Massenlagerung  einheimischer  Bevölkerung  statt  hatte, 
die  xÄTflt  xujjuLCLg  lebte,  (zu  Priskus  Zeit),  unter  Herrschaft  der  Hunnen  (oi  jSotp- 
ßApoi)y  die  ihren  Kamos  (Kumys)  tranken.  Medum  locorum  incolae  vocant  (ihren 
Meth). 

Hieran  nun  noch  Vieles  und  wenn  diese  gelegentlichen  Bemerkungen  ihre  zu- 
fälligen Anknüpfungen  an  den  Goldfund  in  Guben  gefunden  haben,  soll  im  Uebri- 
gen  betreffs  der,  wie  erwähnt,  durch  einige  Züge  an  Kertsch  geweckten  Erinne- 
rungen, nichts  ausgesagt  werden,  darüber  hinaus,  weil  bei  anderen  Punkten  wieder 
ein  erster  Eindruck  nicht  nur,  sondern  späterhin  schärfer  betrachtete  Eigenthümlich- 
keiten  auch  nach  mancherlei  sonstigen  Richtungen  führen  könnten.  Ein  isolirtes 
Factum  gleich  diesem,  ist  vorläufig  einfach  zu  registriren,  vorbehaltlich  aller  ferneren 
Erörterungen,  die  sich  aus  weiter  hinzutretenden  Materialien  anknüpfen  mögen,  oder 
aus  eingeleiteten  Studien.  Wenn  jedoch  Absicht  zur  Vornahme  solcher  gefühlt  wer- 
den sollte,  dann  wird  allerdings  das  oben  cursorisch  Durchlaufene,  in  der  Ver- 
schiedenheit der  Einzelheiten,  für  jede  derselben  den  Mittelpunkt  eingehender 
Detailstudien  abzugeben  haben,  und  erst  nach  Absolvirung  sämmtlicher  in  ihrer 
Gesammtheit  wieder,  für  ein  zusammenfassendes  Gesammt-Ürtheil  ein  erstes  Wort, 
aber  auch  dann  nur  erst,  gesprochen  werden  können. 

(31)  Hr.  Rad  de  spricht  über  die  während  der  letzten  Zeit  ausgeführten 
anthropologischen  Arbeiten  in  Kaukasien,  namentlich  über  die  seit  dem 
letzten  Congress  gegründete  anthropologische  Gesellschaft  in  Tiflis.  Im 
Anschlüsse  an  die  frühere  Mittbeilung  des  Hrn.  von  Martens  schildert  er  das 
Vorkommen  von  Helix-  und  Bulimus-Arten  in  den  Steinkistengräbern  von  Sam- 
thawTo  bei  Mschet. 


(142) 

(32)  Eingegangene  Schriften. 

1.  Cosmos,  Vol.  VII,  No.  IV. 

2.  Revoe  d'ethnograpbie.     Vol.  I,  Fase.  V. 

3.  Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit.     1883.     Nr.  1. 

4.  Annalen  der  Hydrographie.     Jahrg.  X,  Heft  XIL 

5.  Nachrichten  für  Seefahrer.    Jahrg.  XIII,  Nr.  49—52. 

6.  Atti  della  R.  Accademia  dei  Lincei.     Vol.  VII,  Fase.  1. 

7.  W.  V.  Beck  und  J.  W.  von  Muschketow,  Ueber  Nephrit  und  seine  Lager- 

stätten.    St.  Petersburg  1882.     Gesch.  d.  Hrn.  Vi rchow. 

8.  Neuigkeiten    der   kaukasischen    Gesellschaft    für  Geschichte    und  Archäologie. 

Tiflis  1882. 

9.  Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Berlin.     Bd.  XVII,  Heft  IV,  V. 

10.  Verhandlungen  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Berlin.     Bd.  IX,  Nr.  8. 

11.  Gh.  E.  de  UjfaUy,  La  langue  des  Yagnobis.     Gesch.  d.  Verf. 

12.  Derselbe,  Ethnographische  Karte  von  Hoch-Asien.     Gesch.  d.  Verf. 

13.  Riviftta  di  Filosofia  scientifica.     Vol.  I,  Nr.  2. 

14.  Przeglad,    Biblijograficzno-Archeologiczny.      Vol.  I,    Nr.  3,  5,  7,  8,  20,  21,  22, 

23,  24.     Vol.  II,  Nr.  29,  30.     Gesch.  d.  Hrn.  General  von  Erckert. 

15.  Bolletino  della  societa  Africana  d'Italia.     Vol.  I,  Nr.  1,  2,  3,  5. 

16.  Amtliche  Berichte  aus  den  König].  Kunstsammlungen.     Jahrg.  IV,  Nr.  1. 

17.  A.  Treichel,  Volksthümliches  aus  der  Pflanzenwelt,  besonders  für  Westpreasaen. 

Gesch.  d.  Verf. 

18.  Derselbe,   WestpreussiscLe  Ausläufer   der  Vorstellung    vom    Lebensbaum.     Ge- 

schenk des  Verfassers. 

19.  Francisco  P.  Moreno,    El    origin    del  Hombre  Sud-Americano.     Buenos  Aires 

1882.     Gesch.  d.  Verf. 

20.  Behla^    Die  Urnenfriedhöfe    mit  Thongefässen    des  Lausitzer  Typus.     Luckau 

1882.     Gesch.  d.  Verf. 


Ausserordentliche  Sitzung  am  10.  Februar  1883. 
Vorsitzender  Hr.  Virohow. 

(1)  Als  neue  Mitglieder  werden  gemeldet 

Hr.  Marine-Assistenzarzt  Dr.  Fischer,  Berlin. 
Hr.  Sanitätsrath  Dr.  Jaquet,  Berlin. 
Hr.  Rentier  H.  Boeninger,  Berlin. 

Hr.  Rittergutsbesitzer  A.  Zenker,  Brunow  bei  Heckelberg  i.  d.  Mark. 
Hr.  Probst  W.  von  Krzyzanowski    in  Kamieoiec    bei  Wolkowo,  Pro- 
vinz Posen. 

(2)  Hr.  Dr.  C.  A.  Martins  schenkt  der  Gesellschaft  eine  Sammlung  von  Ori- 
ginalzeichnungen 

nordafrikanischer  Rassenköpfe, 

welche  sein  verstorbener  Vater,  der  berühmte  Reisende,  durch  Dr.  Guyon,  einen 
bekannten  französischen  Militärarzt,  erhalten  hatte.  Hr.  v.  Martins  beschäftigte 
sich  damals  mit  dem  Gedanken  einer  vergleichenden  Arbeit  über  südamerikanische 
und  afrikanische  Rassen,  welche  jedoch  in  der  Vorbereitung  geblieben  ist 

Der  Vorsitzende  spricht  Namens  der  Gesellschaft  für  das  werthvoUe  Geschenk 
den  freundlichsten  Dank  aus. 

(3)  Hr.  Messikommer  in  Wetzikon  übersendet  die  erste  Nummer  einer  perio- 
dischen Zeitschrift  ^Antiqua,  Unterhalt ungsblatt  für  Freunde  der  Alterthumskunde**. 
Dieselbe  soll  monatlich  zweimal  erscheinen. 

(4)  Cav.  Antonio  Zannoni  in  Bologna,  der  verdiente  Dntersucher  und  Be- 
schreiber  der  Certosa,  schickt  eine  Abonnementseinladung  auf  ein  neues,  den  grossen 
Fund  von  Schmelzereiwaaren  von  S.  Francisco  betreflFendes  Werk,  betitelt 
La  Fonderia  di  Bologna. 

(5)  Hr.  Marinearzt  Dr.  Drei  sing  überschickt  unter  dem  Datum  des  14.  No- 
vember, an  Bord  S.  M.  Kbt.  Albatross,  Südatlantischer  Ocean,  Notizen  über  einen 

Patagonier  von  Punta-Arenas. 

Ende  October  1882  wurde  von  mir  in  dem  Staatsgeßngniss  von  Punta-Arenas 
ein  Mann  anthropologisch  untersucht,  über  den  ich  folgende  Angaben  machen  kann. 

Derselbe  war  ein  Kazike  (Häuptling)  der  Tehuelche,  wie  sich  die  im  südlichen 
Theile  von  Patagonien  vagirenden  eingebornen  Indianer  nennen.  Der  Mann,  wel- 
cher wegen  eines  Mordversuches,  bei  dem  er  sich  lange  gegen  vier  Mann  behauptet 
hatte,  festgenommen    war,    sass    bereits    über   neun  Monate    in  Haft,  und  war  erst 


044.) 

kürzlich  von  seinen  Wunden  genesen.  Infolgedessen  entsprachen  weder  seine  Mus- 
kulatur noch  sein  Fettpolster  den  bei  seinen  Stammesgenossen  üblichen  Formen, 
wohingegen  die  einzelnen  Knochenmaasse  mit  um  so  grösserer  Genauigkeit  ge- 
nommen werden  konnten.  Der  Indianer,  welcher  eine  abergläubische  Furcht  vor 
Berührung  seines  Körpers  durch  Fremde,  und  obendrein  ein  grosses  Schamgefühl 
besass,  konnte  nur  durch  die  freundliche  Vermittelung  seines  Arztes,  des  Hm.  Dr. 
Fenton,  zum  Stillehalteo  bei  den  Messungen  bewogen  werden. 

Alsdann  betrachtete  er  meine  Anstalten  meist  mit  iiberlegenem  Lächeln.  Er 
sprach  etwas  spanisch,  redete  aber  wenig.  Als  ich  ihm  meine  Bewunderung  seines 
Kazikenthums  ausdrückte,  bekamen  seine  Augen  einen  erhöhten  Glanz  und  seine 
Gestalt  wuchs  mit  einem  mächtigen  Ruck  sehr  bedeutend,  so  dass  ich  schnell  den 
Augenblick  benutzte,  um  seine  wahre  Körperlänge  an  der  Wand  tu  bestimmen. 

Die  Farbe  der  Haut  war  im  allgemeinen  hell  bräunlich,  im  Gesicht  mehr  ins 
grau  gehend,  am  Körper  mit  einem  Stich  ins  braunröthliche,  die  Lippen  braun,  die 
Kopfhaare  schwarz  mit  einzelnen  grauen,  kurzgeschoren  (wahrscheinlich  erst  im 
Gef&ngniss),  an  Oberlippe  und  Kinn  wenige  schwarze  und  graue,  1 — 2  cm  lange 
Barthaare.  Iris  tiefdunkelbraun  mit  prächtigem  Glänze,  dunkle  Pigmentirung  nur 
schwach  durch  das  Weisse  im  Auge  (Sklera)  durchscheinend. 

1.  Aufrechte  Höhe  Tom  Scheitel  bis  zur  Sohle 183,0  em 

2.  Kopfhöhe  vom  Scheitel  bis  zum  Kinn 28,0    ,, 

3.  Stimhöhe  vom  behaarten  Theil  des  Gesichts  bis  zur  Nasenwurzel    .      5,6     „ 

4.  Nase  mittelgross,  von  edler  Form,  leicht  gekrümmt  (Adlernase).  Nasen- 

höhe von  der  Wurzel  bis  zum  Ansatz  der  Scheidewand    .     .     .  5,8  „ 

5.  Abstand  der  Nasenflügel  von  einander  an  der  Basis 4)3  „ 

6.  Von  der  Nasenscheidewand  bis  zur  Mundspalte  ........  1,9  ,, 

7.  Von  der  Mundspalte  bis  zum  Kinn ^fi  n 

8.  Grösste  Lfinge  des  Kopfes  von  der  hervorragendsten  Stelle  des  Hinter- 

hauptes bis  zur  Nasenwurzel 19,0     „ 

9.  Grösste  Breite  des  Kopfes  zwischen  den  Scheitel höckern      ....     16,0     „ 

10.  Horizontaler  Kopfumfang,    gemessen  über  die  hervorragendste  Stelle 

am  Hinterhaupte  und  den  Schläfen,  jedoch  oberhalb  der  Augen- 
brauenbogeu 58,5     „ 

11.  Kopfbogen    von   der    Mitt«   des   freien  Randes  des  Tragus   über  die 

Kopfwölbung  hinweg  zur  anderen  gemessen 17,3 

12.  Grösste  Länge  einer  Ohrmuschel 7,5 

13.  Joohbreite   zwischen    den   am    meisten    hervorragenden    Stellen    der 

Jochbögen 14,2  „ 

14.  Entfernung  der  Nasenwurzel  von  dem  äusseren  Gehörgange     .    .     .  14,0  „ 

15.  Entfernung  des  Ansatzes  der  Nasenscheidewand  von  da 14,5  „ 

16.  Entfernung  des  vordersten  Lippenrandes  von  dem  äusseren  Gehörgange  15,5  „ 

17.  Halsl&nge  vorn  vom  Zungenbein  bis  Mitte  des  Juguhim 6,2  „ 

18.  Von  der  Schulter  bis  zur  Sohle 152,0  „ 

19.  Brustumfang   dicht   oberhalb   der   Brustwarzen    (unvollständige   Ex- 

spirationsstellung) 111,0  „ 

20.  Taillenumfang  (über  der  Crista  ossis  ilium) 91,0  , 

21.  Beckenumfang  um  die  oberen  Darmbeinstachel  gemessen      ....  96,0  „ 

22.  Scbulterbreite  hinten 50,0  , 

23.  Abstand  der  Brustwarzen  von  einander 25,0  „ 

24.  Oberarmlänge,  bis  zur  £llent>eiige 35,0  „ 

25.  Dntexarmlange 28,0  , 


t> 


045) 

26.  Handläoge  bis  zur  SpiUe  il*"S  Mitlelfingers.     .....    \     ..     .     10,5  cm 

Die  Fingernägel  sehr  wohlgebildet,    sind    bis  Ende   des  Fingers 
nm  Nagelbett  jingewaiihsen, 

27»  Ober&chepkelläDge      1  „i       ,  -  tt  ^  .      ■     •     •     -1^.^     « 

28.  ÖDterscbeDkellänge    j  "i>er  lemene  Hosen  gemesscD,  rm«idier  ^^  ^     ^ 

29,  Länge  des  Fuäsrückens  bis  Spitze  der  grogsen  Zehe   *..,..     17,11     ^ 


30.  Lange  des  FußsruckeüS  bis  SpiUe  der  zweiten  Zehe 


IM 


3L  Länge  der  Fusssoble  bis  Spitze  der  zweiten  Zehe 26,0     „ 

(6)    Hn  E.Friede!  thcilt  Folgendes  mit 

Über  symboUscIie  Kröten  und  Verwandtes. 

Wenn  Ilandclmann  (Verhandb  1882,  8.24)  meintj  ihiSH  m  deo  betreffenden 
Gedankenkreis  der  Name  der  Geburt&belferkrote  (Alytes  obstetncans  Laur)  gehöre, 
so  bin  ich  gerade  der  Meinung,  dass  das  hochet  seltsame  Verhalten  dieser  nur 
durch  eine  Gattung  und  eine  Species  vertretenen  Kröte  wahrscheinlich  die  sym- 
bolische LTebertragung  auf  den  Gebarakt  und  was  enger  und  weiter  bei  di<^sein  in 
Frage  kommt,  veranlaBf^t  hat.  Die  ebendaselbst  abgebildete  Kröte  aus  dem  Wies- 
badener Museum  stellt,  wenn  auch  in  roher  Auffassung,  so  doch  ganz  leidlich 
kennbur  eine  Geburtshelferkröte»  kenntlich  an  den  2  Langsreihen  erhabener,  je  eine 
Leiste  bildender  Warzen  und  an  den  auf  der  Oberseite  eingestreuten  Fleckep. 
Gerade  im  Nassauschen,  t^pecielt  bei  Wiesbaden,  ist  diese  Krotenart  gewöbnltcb« 
Obwohl  nun  seit  Jahrhunderten  im  Volksmnndc  bekannt  ist,  dass  bei  derselben  das 
Mannchen  im  eigentlichsten  Sinne  Geburtshelferdienste  leistet,  indem  es  die  Schenkel 
des  Weibchens  ?on  hinten  umklamoiert  und  die  aus  der  Kloake  des  Weibchens 
austretenden  Eicrschnure  abwechselnd  mit  dem  rechten  und  linken  Hinterfuss  er- 
fasst^  fierauszieht  und  sich  selbst  in  kunstger echten  VerschJingungen  um  die  eigenen 
Hinterffisse  windt^t,  alsdann  sich  aber  zur  ^coovade**  mit  den  Eierschnüren  ver- 
grübt, und  obwohl  dieser  Akt  zweimal  im  Jahre  beobachtet  werden  kann,  ist  er 
doch  von  den  Gelehrten  so  lange  angezweifelt  worden,  bis  Demours  im  Jahre 
1778  der  fraozosischen  Akademie  hierüber  eine  Mittheilung  machte.  Dies  Verbalten 
tles  Kröteoraännchens  musste  dem  Volk  wunderbar  erscheinen  und  ist  sicherlich 
überall  hin,  auch  da  wo  Alytes  obstetricans  nicht  vorkommt,  verbreitet  worden  ^). 
Dass  die  Geburtshelferkröte  als  Männchen  und  gerade  in  den  St.  Leonhardskirchen 
vorkommt,  kann  nicht  wundern,  da  St,  Leonhard  Schutzpatron  der  Gefangenen, 
also  auch  der  im  Mutterleib  gefangenen  menschlichen  Frucht  ist,  Uebrigens  sollen 
nach  Stöber,  S.  244,  unfruchtbare  und  hysterische  Frauen  dem  heiligen  Vitus 
eiserne  Kröten  geopfert  haben. 

Wo  man,  und  da  man  des  Thieres  nicht  überall,  habhaft  wird,  so  haben  ße- 
staiidtheile  desselben,  vor  Allem  der  Saft  der  Kröte  ab  Volksmedicin  gedient,  dann 
besser  transportirbare  und  haltbare  trockne  Präparate;  damit  kommen  wir  auf  den 
Krotenstein.  Ein  kostbarer  Stein,  der  angeblieb  im  Kopfe  der  Kröte  oder  anf 
ihr  wuchs  (Grimin^  Myth.  1169,  Wörterbuch  V,  2423).  Nach  noch  jetzt  währen- 
dem Aberglauben  liegt  im  Kopfe  der  ^grossen"  Kröte  der  Krötenstein  (ein  kleines 
nindes  Knöchclchen},  den  man  aber  nur  erhält,  wenn  man  die  Kröte  in  einem 
Ameisenhaufen  zerfressen  lässt.     Streicht  man  eine  Wunde  damit,   so  heilt  sie  so- 


1)  Fig.  1,  2t  B  und  6  a.  a,  0.  s^lellen  ebenfalls  Anura-Ampbibien,  wahrscheinlich  Kröten 
vor.  ¥ig*  ö  halte  ich  für  Testu^lo  ^fa^ca,  die  Täfelung  des  Rnckeos  weist  deutlich  auf  eine 
Schildkröte,  doch  wäre  auch  an  die  Stinij>fschildhrrite,  Emy»  lutaria  zu  denken. 

Verli4udL  der  Bcrl  Anlbropot.  Oer^elUchafl  I&S3.  \Q 


(U6) 

fort,  uhd  kommt  Gift  iu  seine  Nahe,  so  schwitzt  er  (Wuitke,  Volksabergl.  §  155). 
Das    ist    ein  Nachklang   seiner   ur^rünglichen  Bedeutung  als  Sigestein. 
^ich  hure  von  den  steinen  sagen, 
die  nattern  unde  kröten  tragen  .  .  . 
swer  si  habe,  der  gesige. 
mohten  das  sigesteinc  wesen'^ 

(Stricker's  klein.  Ged.  11,  S.  llTft). 

Wie  die  Gohr.  Grimm  lutrefiend  bemerken,  knüpft  an  dergleichen  At>er- 
gUulnni  die  beginnende  Naturwissenschaft  an,  t>ei  Albertus  Magnus  (f  li80):  bo- 
rax  lapis  est,  qui  ita  dicitur  a  bufone,  quod  in  capite  ipsiun  portat  Jacob  Grimm, 
Myth.  10ei>  citirt  Ettm.  S.  IH: 

El  ist  liz  dem  garten  ein  abrahemsche  Krot  (eine  hebräische  Kröte), 
swenne  diu  gewehset,  si  brin|^  einen  stein, 
dai  diu  snnne  üf  erden  niht  bezsers  uberscbein. 

Doulliciier  wird  im  Dresd.  Gedicht  gesagt,  dass  der  Stein  aof  ihr  wachse  uad 
unt^r  allen  Steinen  der  hodiste  sei. 

I>ann  werden  schon  in  selir  alter  Zeit  wirkliche  Steine  oder  Yersteinerw^ea 
als  Kröten  oder  Kröten theile  ausgegeben  ond  sjmboliscfa  so  allerhand  Abcrglaaben 
Ti^rwandt«  Xemnich  ^Allg.  Pc4Tglottenlexion  der  Naturgesck  Hamb.  I7dS  —  5^' 
tt^nnt  eine  Art  versteinerter  Muscheln  Bafocephali,  Krotenköpfe.  Stieler 
yiiai  l^Si^"^  und  Kirsch  sprechen  Ton  Kr«'^ten stein.  Bufonites.  Der  Käme 
Krotenstein  kommt  hiemeben  bereits  recht  frfih  for  Tersteinemngen,  Echtnitcs  nod 
Belemniten«  vor«  So  Ilenisch  mit  Berufung  auf  Schwenkfeld  C.  Tbaieti»- 
pbeum  Sile$iae^:  EKmncrkeil^  grw^r  |4atter  Kn>ctMBistein.  cnaania.  lapis  fegfoim 
n»ajk>r.  —  Alle  diese  Steine  sind  Glücksfunde.  Glocksi^teiDe.  daher  sagt  Lessing 
irvuiisdi  v\Hi  dem  FistKNr  Primarius  G^ie:  «Hier  das  Sceindien.  das  die  Uisde 
Henne  auf^^^^^liam  hat.  Benennen  mag  es  eta  anderer,  ick  hahe  es  für  ein 
Krotensteinchea.  e>  fcir.r  ab«-  auck  ein  Luckss^teiiickeÄ  seia,  denn  hc-lü  ist  esw* 

Nach  Frisch  kilh  der  Kr^censtein  —  similta  simillbos  —  wider  die  Gcsckwulst 
t^fi»  Vieh*  die  <elber  Krole  heiss^. 

In  Brandenburg«  Poenrenu  Schlei vi£-H<4<teiiu  Meklenb^ire.  HaaBover«  t>Et-  und 
Wesipreus^en.  Posen«  vvY^tekt  man  unter  Kr''^<ei»teic  m^st  als  losie  Kreide i€isiii ine- 
run^n  im  GesckteSe  Tcrkeansende  S«ik^«  vvintgticit  Galerites  mlcaris  Lamk.. 
nicksidem  An^ufechyte«  otas»  1  amk.«  sowie  di«  ia  Altomeinen  «dienere  Cidvis 
ve«Mttk>sa  GoiH  AlSe  o:es«e  S«aciteiyiu;er  hil*  iis  Volk  wecen  da* 
wani^f^na  OberiEkW  tur  Ter^MBterte  Krot».  ia  Bärsum  (WesdiPolsCetn^ 
Herr  aus  FeliisuuRr  ia  K^iiLer  GeyfiLujit  im  Ja^ne  I>7^  einem  sii4ches  Eckinite« 
und  treciaxe  sic^  nur  «^^ni  vvft  ihsr«  ez>ilx-ii  sck^eskie  er  ika  mir  ajs  ,t>licks- 
stiHn^«  kHb  sv^M^le  iks  in  oie  KeauK\2e  i!ew?fSL  Ia  ahec  Xack&wu,  Traken,  Kca> 
aKvieo.  I-Mez  h»S?  ick  :^n  iva  FraaesL  a&>  rie-icfc-er  A^eicfct  depoaxit.  mtkitmk 
ge^^sden.  n^ck:  kitt%  ia  Tvxitenunes. 

Pie  KrC^teaktv^fte«  G^I-t^rltet^  val^ariav  iüt  iat  S««»?waii  i;^t.  Sckulembnrg. 
We«»iisc^  Vv>*kT«4^e<eB  ujc  vWcriÄ-t-*^  xls  dis  ^^f^ste  Ml:?ei  ee^<eu  Ha^s£ei^dbcs.  Vau 
kvvkl  :f^  xa  W*S5$ifr  »b  Ä«d  tükt  i--*  ^Sneizbrih??*'.  TS*  iw^h^  A«  i«  die  ^lick- 
ti<e  Krv5e2ik?V3»*^  ^A^anc^ytes  ct;«*  .  lla*?^:-*  Wfa»>»c  scksa^e«  ^«x  A^ukideM 
etwas^  x*a  xsftslea  es  i::  die  A^ijjfS".  w-^a  ulx-^cs  aieir  iijft.  D»  dritte  Art  ;G(ale 
r:»''  v>t  aÄ*k  x^tsi;ciu  xiaw^^cft  Wp«!  Nür:Cr>^  ^Ix  i«-  Eröe  imdK  man 
mjüKlisaai  ^"«cke  S^f^a^*  kacaeaie.  Kr'Mfsijr  ^«fs.  EVliuK  saa  JMmt:  Beukn  vad 
^^e^^wiSure.  su^  ^eoseu  ste  iMt.^     t.  Sckxlezrxrx-  Wemi.  Vjaksfiksai  S.  47. 

F^:mt  F^krstat  t\sr  AaksLT«  «be  etae  Kr^ce  tvhh  Sc4b^»rt«s  -s  I^assaa  aas  titberue« 


(147) 


während  ihrer,  der  Fürstin  Schwangerschaft,  kam  eine  Frauensperson  in  der  Nacht 
aos  ßelt,  dankte  ihr  fiir  die  Bewhihung  und  verlieh  ihr  eiuen  Hing  mit  eigen- 
thümlichen  Steinen,  den  sie  bewahren  möge,  dann  bliebe  ihr  Geschlecht  fruchtbar. 
Die  Fürstin  genas  demnächst  leicht  und  glücklich  eine«  Kiiähhuns,  Dieser  Ring 
mit  dem  Krötenstein  soll  lange  bewahrt  worden  sein,  Ganz  äbnÜeh  verleiht  eine 
Kriite  mit  einem  Ringe  eiDem  Mudchen  Schönheit  und  schöne  Nachkammensicbaft 
in  der  Wendel,  Veckenstedt,  Wend,  Sagen  8.25.*),  in  den  Volksmärchen  wer- 
den nicht  selten  Frauen  von  schwani;ern  Kröten  alä  Kindshelferin  gebelen  und  be- 
lohnt.    Die  Kröten  verwandeln  sich  hierbei  in  Menschen-  oder  Zwergengestalt. 

In  der  Gegend  von  Zossen  bei  Berlin  ist  oder  war  der  Bnuich,  dass  die  erste 
Kriite,  welche  Mädchen  im  Frühjahr  auf  dein  Felde  fanden,  nach  hinten  i'iber  deo 
Kopf  geworfen  wurde.  Fiel  dif*  Kröte  auf  den  Bauch,  so  bedeutete  es  die  Geburt 
eines  Kindes,  wenn  niclit  —  nichts. 

Die    selbe    Idee    wird    von  Heiligeosee    bei  Berlin    in    folgender  Formel    nach 
Schutenburg  berichtet.     Bei  Pauli  Bekehrung  (25.  Januar)  kehren  sich  die  „Pad- 
den**  um.     Dann  sollen  sich  die  Mädchen  das  Deckbett  verkehrt  legen    ujid  sageo: 
„Pauli  bescher'  mir, 
Daßs  ich  meinen  Bauch  nicht  sche^  (nicht  schwanger  werde). 

In  England  heisst  es,  man  müsse  einer  lebendigen  Kröte  deu  Stein  rauben: 
The  toäd  has  a  stone  in  its  head,  ver)'  efßeacious  in  the  eure  of  diverse  diseases, 
hut  tt  musi  hc  taken  out  of  the  anioial  whilst  alive. 

In  der  Lausitz  braucht  man  die  Krötensteine  (Echiniten)  gegen  Augeneutscün- 
düng,  giftige  Bisse,  bösartige  (rcschwiire,  Bei nBch merzen,  Vergiftung,  ja  sogar  „zur 
Stärkung  der  Maunheit*.     Haupt,  Laus,  Sagenbuch  l,  247. 

In  Tirol  ist  dieselbe  Vorstellung,  auch  heisst  es;  wer  einen  Krötenstein  im 
Ringe  trägt,  der  wird  walirnehmen*  dass  der  Stein  beim  Annähern  Ton  Gift  schwitzt, 
In  der  Pertisau^  auch  in  Bayern,  wird  die  grosse  Kröte  „Broz"  genannt.  Man  legt 
ete  gern  bei  der  Krauter  weihe  unter  die  zu  weihenden  Kräuter.  Man  gebrauchte 
sie,  gebissenes  oder  vom  Brande  au  gestecktes  Vieh  zu  heilen.  Fehlt  es  dem  "Vieh 
auf  der  rechten  Seite,  so  nimmt  man  ein  Viertheil  der  linken  Seite  der  gedörr- 
ten Kröte  und  räuchert  den  kranken  Theil  damit  ein.  Ist  das  Vieh  links  schadhaft, 
so  räuchert  man  mit  einem  rechtseitigen  Kröten  viertel.  Vgl.  v,  Alpen  bürg,  My- 
then und  Sagen  Tirols,  388  ff. 

Die  Verwechslung  der  Krötensteine  (Echiniten)  mit  den  Belemniten,  Blitz- 
steinen, Lapides  ceraunei,  führt  mit  sich,  dass  sie  auch  gegen  Feuerschaden,  Blits- 
sehlag,  in  den  Häusern  unter  den  Schwellen,  in  Viehställen  u.  s.  w.  vermauert 
werden.  Vgl.  Mannhardt,  Germ.  Mythen,  lOlK  Daher  schreiben  sich  die  Volks- 
ausdrücke: Blitzkröte,  Donnerkröte,  Wetterkröte,  Grimm,  Mytli,  Nr.  199.  An- 
scheinend geschieht  dies  Vergraben  oder  VermBueru  absichtlich,  mitunter  auch  mit 
lebendigen  Kröten. 

Leoprechting  in  seinem  Büchlein  ^Aus  dem  Lechrain"  (Gegend  von  Äugs- 
burg),  einer  wahren  Fundgrube  Tür  Anthropologen,  schildert  aus  dem  Volksmunde 
folgendermaassen  ^die  Krott*^:  Diess  acheussliche  Thier  ist  übel  berufen;  besonders 
um  das  Haus  herum  sieht  mau  es  sehr  ungern.  Bettelleute,  die  mit  ihrer  Gabe 
unzufrieden,  «auberu  einem  manchmal  in  einen  "Winkel  des  Hauses  einen  ganzen 
Haufen  solcher  Brozen  '),  was  ein  übles  Anzeichen  ist,  denn  damit  fangen  die  Ver- 
wünschungen an.     Im  Frauendreissigst  spiesst  man  sie  an  lange  Ruthen  und  hängt 

S)  In  Bayern  heisst  im  Uännehen  ßrnste,  Broz,  Bratz,  das  Weibchen  Hoppln,  Heppin, 
auch  Muml      Heppin  wird  auth  verächtlich  zu  Weib  bleuten  gesagt« 


I 


(148) 

sie  m  den  StÄlJungen  auf,  aus  cleneo  nvto  flllea  Gift  in  die  Krotte  zieht  Auch 
wirft  man  sie  gero  in  Bnionen,  mit  der  Meinung,  dass  sie  aus  dem  Trinkwasser 
äIIcs  önreine  entfernen  sollen.  Frauen,  die  an  der  Bärmtitter  leiden,  opfern 
in  Kirchen  gern  eine  wächserne  oder  eiserne  Krotte.  An  eisernen 
Ketten  kaan  man  diemalen  in  eiDächichtigen  Feldkapellen  solche 
Krotten  hängen  sehen.  Als  im  Spätherbst  1853  bei  einem  Bau  des  Grafen 
von  Erbach  in  Lichtenberg  der  Grundstein  des  ehemaligen  Schlosses  aufgedeckt 
wurde,  sassen  zwei  lebende  Enzion -Krotten  darin,  die  demnach  zum  mindesten 
153  Jahr  alt  waren.  Der  Gärtner  dort  hat  sie  der  Merkwürdigkeit  halber  nach 
München  gebracht,  wo  er  sie  noch  wohllebend  abgab.  Darum  glaubt  man  auch, 
dass  Krotten  lOOO  Jahr  alt  werden  können,  oder  noch  lieber,  dass  böse  Geister  in 
Krotten  verwandelt  erscheinen.  Dass  die  Beleidigung  eines  solchen  Hausgeistes 
die  Verarmung  einer  ganzen  Famiüe  nach  sicli  ziehen  kann,  davon  wird  eben- 
daselbst S,  84  ff.  ein  Beispiel  erzählt  Wolf,  Beitr.  zur  deutschen  Mytb,  U,  344, 
sagt:  „Der  Kobold  erscheint  mitunter  als  Kröte,  was  auf  Verwechselung  mit  anderen 
Eiben  beruhen  dürfte;**  ich  bemerke  hierzu,  dass  die  Kröte  keineswegs  überall  als 
gefurchtetes  Thier  gilt,  im  Gegentheil  an  vielen  Orten  gern  gesehen  und  gepflegt 
wird,  dass  sie  gerade  als  gimatiger  Hausgeist  angesehen  wird.  Dies  fuhrt  mich 
schliesslich  von  der  Geburtshelferkröte  auf  die  Häusunke,  ein  Tbier,  welches  der 
Hausflchlange  parallel  steht. 

Daher  wird  die  Kröte  auch  als  heilig  verehrt,  so  bei  den  alten  Freussen.  <^Dte 
heiligen  Kröten  scheinen  zum  Schlaugendienste  zu  gehören,  wie  es  sich  wenigstens 
in  der  teutschen  Volkssage  auswei^f,  wo  die  Kröten  ebenso  den  grossen  Schatz  be- 
wahren, wie  die  Drachen,  was  in  der  preussischen  Religion  wohl  auch  stattfindeö 
konnte,  da  sie  so  vieles  von  der  teutschen  angenommen.**  Mone,  Symbolik  V,  9^. 
Die  Ringelnatter  {Tropidonotus  natrix  L.)  wird  nach  Brehm's  Thierl.  Kriech- 
thiere  IL  Aufl.,  364,  nicht  selten  „der  ünk  oder  Hausunk**  genannt,  sie  ist  die 
eigentliche  Hausschlauge  der  Deutscheu.  Als  Kröte  aufgefasst,  ist  die  Hausunke 
in  2  Speoies  vertreten,  als  gemeine  Erdkröte  (Bufo  vulgaris  L.)  und  als  Kreuzkröte 
(ßufo  calamita  Schinz).  Wahrend  die  Erdkröte^  ein  plumpes  Thier,  mehr  aus  Un- 
geschick in  unsere  Keller  gerutb  und  dort  aus  gleichem  Grande  nicht  heraus  kann, 
gleichwohl  aber,  wenn  Schnecken  im  Keller  vorkommen,  laoge  darin  leben  kann, 
sucht  die  Kreuzkrote,    die    beweglicher    ist  und  selbst  an  steilen  Flächen  ganz  gut 

I  in   die  Höhe    zu   klettern    vermag,   Keller  geradezu  auf,    lebt  hier  gemächlich,  zu- 

weilen sogar  familienweise.     Diese  Kreuzkröte  ist  in  Berlin  und  der  Mark  Branden- 

I  bürg  die  eigentliche  Hausunke,  der  Spiritus  familiaris  des  Hauses,  der  den  Dienst- 

boten   geheimes  Grausen    beim  Begegnen    einflosst,    aber    geschont  und  namentlich 

•  von  der  Hausfrau  gern  gesehen  wird,  zumal  sie  sich  durch  Wegfangen  von  allerlei 

'  Gewürm  nützlich  macht.     Auf  ihr  ruht  das  Gedeihen  und  der  Segen  des  Hauses. 

( 

I  (7)    Hr.  Dr.  Kühne    in  Stettin    übersendet   unter  Hinweis  auf  die  letzten  Er- 

j  örterungen  über  Leichenbrand    bei    den  Slaven  (Verhandle  1882,    S.  401   und 

I  444)    einen  Auszug   aus  dem  44.  Jahresbericht  der  Stettiner  AJterthumsforBcbenden 

Gesellecbaft,  dem  er  Zeichnungen  der  betreflFenden  Urne  nebst  Dcckschale  beigefügt 

hat.     Der  Bericht  des  Freiherrn  v.  Bönigk  in  Demmin  lautet  folgendermaassen: 

Sohale  und  entsprechendea  TSpfchen  von  cfer  Feldmark  Loitz. 

Von  einem  Arbeitsmann  aus  Loitz  sind  die  genannten  Gefüäse  nach  seiner  An- 
gabe auf  dem  Ackeratück  Wydenbrink  der  Feldmark  Loitz  gefunden  worden.  Von 
schwarzgefarbter  Erde    und  Kohlen    umgeben,    in    gleicher  Art    gefüllt,   Jagen  die» 


I 


C149) 

selben  uoter  ciDer  rnüäsigen  Stciopackitug;  weder  Knochen  uoch  weitere  ßeigabeu 
siod  zu  Tage  gefördert  worden,  Die  Schale  deckte  das  Töpfchen,  Das  Material  bei 
beiden  Ge fassen  ist  Lehm,  gemischt  mit  Bestandtheilen  des  Granites,  und  zwar  sind 
Quarz  und  Feldspath  sehr  fein  gekorot  worden,  während  Glimmerblättchen  in  etwas 
grösserer  Dimension  erhalten  blieben. 

Auf  dem  Obcrraud  der  Schale  und  um  den  Hals  des  Bechers  sind  feine  Reife- 
luogen  ^}  sichtbar.  Berijcksichtigt  man  aber  die  volHg  unsymmetrische  Form  bei- 
der Gefasse,  so  erscheint  die  Anwendung  der  Drehscheibe  ausgeschlossen.  Im 
Gegeniheile  wird  es  wahrscheinlich,  dass  beide  Gefösse  über  einer  Form  aus  ge- 
branntem Lehm  gearbeitet  wurden,  in  welche  letztere  ein  Stock  eingelassen  war. 
Um  den  Oberrand  der  Schale  gleich  massig  abzusetzen,  beziehentlich  den  Hals  des 
Bechers  deutlich  auszuarbeiten,  ist  dann  der  Stock  in  drehende  Bewegung  gesetzt 
worden;  die  eigentliche  Arbeit  geschah  mittelst  eines  Hnlzciäens*  dessen  Kaseruiig 
in  dem  weichen   Lehme  sehr  wohl  jpue  leichten  lieifelungeu  erzeugen  konnte. 

Der  Brand  ist  gleich  massig  von  Wand  zu  Wand,  die  Härte  entspricht  aber 
nicht    der    durch    den  Tripferofr'n    i*rreichl»arfiji.     Hör  Bauch  des  Bechers  zeigt  um- 


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laufende  Wellen  Verzierung  und  darunter  einen  Gurt  von  Stempeleindröcken 
beide  anscheinend  mit  demselben  vierzinkigen  Instrumente  bergestelh. 

In  den  Boden  der  Schale  ist  mittelst  Stempels  das  Hakenkreuz'**)  eingedrückt 
worden j  unter  dem  Rand  läuft  auf  der  Innen-  wie  Äussenwand  eine  einfache  Wellen- 
linie um.  Auf  letzterer,  deren  Oberfläche  leider  zum  grossten  Theile  abgerieben, 
zf'igt  sich  nun  aber  noch  eine  Reihe  von  eigenthümlichen  Eindrücken,  Es  sind 
Striche  und  läaglich«^  Punkte,  mit  einem  spitzen  Instrumente  eingeritzt,  ohne  jede 
Symmetrie,  aber  doch  in  Gruppen  getrennt.  Letztere  bilden,  von  welcher  Seite 
auch  betrachtet,  keine  bestimmbare  Figur.     Eine  Zufälligkeit  ist  aYisgescblossen.  — 


Hr.  Kühne  bemerkt  dazu,  dass  es  ihm  nicht  zweifelhaft  scheine,  dass  die 
kleine  Urne  zum  Zweck  des  Todtencultus  beigesetzt  sei,  zumal  da  sie  keine  Spur 
eines  häuslichen  Gebrauches  zeige. 


1)  Diese    sind    auch    am  Bauch  unterhalb  der  Ornamente  sichtbar,    siud  aber  nicht  ganz 
geradlinig.  Dr.  K. 

2)  Hit  Spuren  eiuer  Kreiüliuie,  in  vfelclie  die  4  gebogenen  Haken  verlaufeiL       Dr.  K 


(8)   Hr.  M.  Hol )  111  an  Q    spricht,    unter   Variage    von  Zeicbuungen    uod  Fmid- 
gegenstfifideD,  über 

Gräberfunde  bei  Tangermunde. 

Die  Altmarlc  wird  durch  die  Elbe  in  einen  kleineren  östlichen  aud  eiBfiii 
prusseren  westlicheD  llieil  getrennt.  Die  Riclitung  der  Elbe  ist  vod  Magdeburg 
ah  fast  DordHchj  sie  biegt  dann,  naclidem  sie  roclits  die  Havel  aufgonomnipo  hat, 
nach  NordwesteD,  hier  die  Grenze  der  Aitmark  gegen  die  Priegnitz  bildeod.  Die 
nordwestHcbe  Ecke  der  Aitmark^  die  Gf'gend  bei  Salzwedel  und  Osterburg  ißt  vofl 
unserem  VorsirKcnden  in  der  Juni-SitÄUpg  1881  (Zeitscbr.  f.  Ethnol,  1882,  Heft  VI, 
Verb,  S.  220)  mit  besonderer  Beziehung  auf  die  Hi'inenbetteo  besprocheo,  welche, 
von  Holland  ausgehend,  sich  hid  an  die  Eibe  erstrecken.  £s  ist  id  jener  Mitthei« 
lung  erwfihut,  dass  ein  älterer  Forscher  Danneil  die  Gräber  dieses  nordwesüicben 
Tbeils  der  Altmark  eintbeilt  So:  1.  Hunetibetten  (neolitiiiach);  2.  Kegelgräb<?r 
(Bronze)  und  3,  Wenden- Kirchhofe,  dass  ab<*r  letztere  nicht  slavisch  zu  sein 
scheinen»  sondern  mehr  mit  den  lausitzer  Gräberfeldern  übereiDstimmen.  Ein* 
weitere  Besprechung  dieser  Excursion  findet  sich  in  dem  Pfacbtwerk  über  diPi 
Altmark  von  Dietricbs  und  Paris iusj  Lieferung  6,  S.  267. 

Die  Ansicht,  dass  die  ürnenfelder  dieser  (hegend  der  Aitmark  tod  dem  soxisi 
ab  slavtsch  anerkannten  Typus  abweichen,  durfte  sich  durch  die  Funde*  die  icb 
heut  mitzutbeilen  beabsichtige^  bestätige]]^  und  fjusserdem  den  oben  erwähoteo  dr^i 
Begräbnissarten  noch  eine  vierte,  bisher  wohl  in  dieser  Gegend  nicht  beobachtetjp, 
hinzutreten,  nehmlich  Bestattung  von  Lpicben  direkt  in  die  Erde  ohne  Sleinbane 
mit  Zufügung  leerer  Urnen  und  sonstiger  Beigaben.  —  Auf  Tangermünde  selb&t  ober- 
gehend,  in  dessen  nächster  Nahe  die  von  mir  zu  besprechenden  Funde  gemacht 
sind,  bemerke  ich.  dass  es  etwa  1  Meile  südlich  von  Stendal  hart  am  linkeD  Ufer 
der  Elbe  Hegt,  in  weiche,  südlich  der  Stadt,  das  Flüsschen  Tanger  eiomÜDdet.  Bas 
Ufer  stdgt  hier,  abweichend  von  der  Formation  der  näheren  Umgegend,  ziemh'cb 
steil  direkt  aus  dem  Strome  auf^  und  diesem,  das  Landen  auch  bei  üebersehwem- 
mungen  ermügl lebendem  Umstand  ist  es  wohl  mit  zuzuschreibeUj  dass  seit  dea 
jiltesten  Zeiten  der  Elbübergang  bei  Tangermunde  einer  der  wichtigsten  dieser 
Gegenden  gewesen,  dass  schon  früh  dieser  Platz  befestigt  war  (steht  vielleicht  die 
Burg  auf  einem  alten  Bnrgwall?)  und  dass  die  ältesten  Mittheilungen  viel  von 
Kämpfen  zu  erzrddeu  wissen,  welch«  die  nach  Osten  vordringenden  Deutsehen  hier 
mit  den  am  rechten  Eibufer  ansässigen  Skiven  zu  bestehen  hatten.  Aus  diesea 
Berichten  geht  auch  hervor,  daäs  die  Slaven  in  historisch  beglaubigter  Zeit  niemab 
festen  Fuss  auf  dem  linken  EUmfer  dieser  Gef^end  fassen  konnten,  und  eine  Be- 
stätigung dieser  Ansicht  liegt  in  den  Ortsnamen,  die  auf  dem  linken  Elbufcr  durch- 
weg deutsch,  auf  dem  rechten  sofort  (a.  B.  Jerichow,  welches  Tangermunde  gegeo- 
Ijber  liegt,  Rathenow,  Rhinow  etc.)  slavischen  Klanges  sind.  Dass  die  in  der 
Gegend  von  SalÄwedel  und  Stendal  gefundenen  Urnen  germanischen  Ursprungs 
sind,  kann  man  wohl  mit  Sicherheit  annehmen;  das  hiesige  Märkiscbe  Provinatial- 
Museum  enthält  eine  Sammlung  solcher. 

Dass  südlich  vou  Stendal  und  speciell  bei  Tangermünde  bisher  besondere  Auf- 
raerksamkeit  auf  Gräberfunde  gerichtet  ist,  glaube  ich  verneinen  zu  dürfen,  upd 
ich  danke  es  der  besonderen  (lüte  des  Hrn.  Apotheker  Hart  wich  in  Tanger- 
münde, dass  er,  seit  üerbst  1882,  seine  Aufmerksamkeit  auf  die  dortigen  Funde 
gelenkt  und  mir  das  Material  zu  dieser  Miltheilung  verscbaiTt  hat. 

Zuerst  von  den  Urnenfeldern  zu  sprechen,  so  finden  sich  diese  um  Tariger- 
mundc  zahlreich.     Die  Gefasse  steigen  aus  verhältnissmassig  kleinem«  flachem  Boden 


» 


(IT)!) 

meist  kugelförmig  auf  üüd  endeD  io  geradem,  Jüiigem,  Dach  obeu  ein  wenig  enger 
werdendem  Halac,  welcher  keine  ümbiegungen  oach  aussen  hat.  Das  Material  ist 
Thon  mit  wenig  Quarztheilen  gemischt,  die  Gefasse  sind  ziemlich  dickwandig. 
Itnkel  finden  sich  nicht,  wenigstens  nieht  an  den  Urnen;  ein  Topf  mit  fast  steil 
»ufoteigeuden  Seitenwänden  und  au»  ziemlich  roliem  Material  tnigt  dicht  am  Rand 
nur  etwa  1  Zoll  darunter  abgebrochene  Vorsptünge,  wcJchc  der  obere  und  untere 
Ansatz  des  Henkels  zu  sein  scbeinen.  Ornamente  trugen  nur  zwei  der  in  meinen 
Besitz  gelangten  sechs  Urnen,  sie  befanden  sieh  auf  der  gjosMen  Aushauchung:  das 
eine  sind  parallel,  schräg  von  linke  unten  nach  rechts  oben  laufende,  etwa  3  Zoll 
lange  Wülsle  rings  um  den  Bauch  der  üroe,  das  andere  vier  auf  der  grössten 
Ausbauchung  gleidimässig  vertheilte,  etwa  1  Zoll  Iiohe.  erhabene  Figuren  von  Huf- 
eisen- oder  Halbmond  form,  die  Rundung  nach  oben,  die  Aui-lfiufer  geben  unten 
spitz  zu;  sie  sind,  wie  eine,  welche  abgesto&sen,  zeigt,  auf  die  fertig  gemachte  Urne 
aufgesetzt.  Deber  den  Inhalt  der  Gefasse  habe  ich  Sicheres  nicht  in  Erfahrung 
bringen  können. 

Ganz  nalie  der  StJidt  Tangermündej  westlich  derselben,  ist  der  Tlieil  eines 
Gefasses  gefunden,  welches  ganz  auffallend  an  die  Buckelurnen  der  Provinz  Posen 
und  der  Ijausitz  erinnert;  die  Buckel,  anscheinend  waren  es  vier,  erhetiea  sich 
selbst  nur  wenig  über  das  Niveau  der  Wand,  in  ihnen  aber  wieder  Wülste,  welche 
auf  das  Auffallendste  an  Brustwarzen  erinnern,  und  um  diese  finden  sicli  3  halb- 
kreisförmige Killen,  die  Rundung  oben,  die  e^twas  langen  Ausläufer  sich  nach  dem 
Baden  zu  verflachend.  Dies  Gefäss  selbst  war  klein»  der  Boden  auffallend  klein, 
die  Arbeit  sorgfaltig,  augenscheinlich  auf  der  tScheihe  liergestellt,  Derartige  Form 
ist  wohl  selten  auf  dem  linken  El  hufer  beobachtet. 

Noch  eigcßthümlicher  jedoch  ist  das  Le  i  eben  fei  d,  welches  sich  aüd  westlich 
der  Stadti  etwa  10  Minuten  von  dieser  entferot  nahe  dem  Ufer  der  Tanger  in  noch 
nicht  festgestelltem  Umfang  tindet.  Nach  Mittheilungen  des  Besitzers  sind  dort 
seit  wohl  20  Jahren  vielfach  Skelette  gefunden,  aber  nicht  sonderlich  beachtet;  erst 
der  Bemühung  des  genannten  Hrn*  Hartwich  ist  es  gelungen,  folgende  bestimmte 
Thatsachen  Ober  dieses  Leichenfeld  festzustellen,  die  ich  mit  dem  Bemerken  hier 
einfüge^  dass  sie  nach  den  Eanke'scheu  Anleitungen  aufgenommen  sind  und  dass 
die  Angaben  über  die  Beigaben  sich  auf  drei  bestimmt  festgestellte  Skelelfunde 
beschränken, 

1.  Die  Leichen  liegen  im  Sand,  in  Reihen,  ob  schachbretthirmig  ist  nicht  be- 
obachtet, in  jedem  Grabe  nur  eine  Leiche,  mit  dem  Kopf  meist   nach  Ost-Süd-Ost. 

-Die  Entfernung  der  Gräber  von  einander  ist  bisher  nicht  sicher  festgestellt. 

2.  An  Thierknochen  sind  gefunden:  Pferd  (Zahn  und  Huf),  Rind,  Hirsch,  Eber 
(Hauer). 

3.  Wesentliche  Theilc  der  Skelette  sind  nicht  vermisst,  auch  Kinder-Sklette 
sind  gefunden-  Die  Kopfe  lagen  in  natürlicher  i^age,  jedoch  meist  auf  der  Seite, 
die  Arme  und  Füsse  waren  häufig  gekrümmL 

4.  Die  Gebeine  lagen  2 — 5  Fuss  tief,  doch  kann  sich  dies,  da  die  Gegend  oft 
uberschweDimt  jsl,  geändert  haben.  Besondere  Bedeckung  der  Leichen  mit  Sand 
oder  Asche  oder  ein  Bett  von  fremder  Erde  ist  nicht  gefunden,  schwarze  Färbung 
der  Erde  in  der  Nfihe  der  Leichen  ist  beobacblet,  Besfattunü;  in  Särgen  ist  bestimmt 
auszuschliessen. 

5.  Die  Leichen  lagen  nicbt  in  Steinbauen* 

6.  Funde  an  W^affen  sind  nicht  erinnerlich,  ausser  Steinhammer  und  Feuerstein» 
messer. 

1,    An  Beigaben  fanden  sich:  oinameulirte  Urnen  ohne  Inhalt,  fiache  Schusseln 


052) 


von  Thon  oboe  OrnatDent,  die  eine  mit  zwei  kleinen  Lüchero  neben  einander  nahe 
dem  Rande,  über  deo  Kopf  der  Leichen  gedeckt,  Zübne  von  Eber  und  klpiopren 
Raubthieren,  ein  Pferdebuf,  in  ejoem  Fall  ein  Bronzeblecb. 

8,  Kleideireste  sind  nicht  beobachtet,  Münzen  nicht  gefunden. 

9.  Die  Zahl  der  eröffneten  Grabstellen  ist  nicht  festzu stellen,  noch  iiügeoffnete 
sind  mit  Wahrsclieinlicbkeit  zu  vermuthen. 

Soweit  die  allgemeinen  Befunde.  Im  Einzelnen  erlaube  ich  mir  nun  über  ein 
Skelet  zu  berichten,  ober  welches  ich  meinem  Gewährsmann  genaueste  Nachricht 
und  einen  Theil  der  Beigaben  verdanke. 

Zu  Bäupten  der  Leiche  standen  2  Urnen,  zierliche  dönnwandigr^  Gefusse,  etwa 
17  ctH  hocby  mit  grosstem  umfang  von  etwa  52  cm  und  DurehmegBer  des  Bodens 
6Vj  ctn,  der  oberen  Oeffunng  9  cm,  aus  hellbraunem  Thon,  nur  zum  Theil  erhalten 
und  sehr  bnlchtg.  Gemeinsaro  ist  ihnen,  dass  die  den  gau^seu  Bauch  oud  Hain 
bedeckenden  Ornamente  aus  Linien  gebildet  sind,  die  ihrerseits  :ins  neben-  resp. 
ubereinanderstebenden  spitzwinkligen,  nach  oben  offenen  Figuren  V  bestehen,  die 
unter  sich  in  der  Grosse  nur  um  ein  Geringes  abweichen. 

Im  Einzelnen  unterscheiden  sich  die  beiden  Gefas^e  dahin: 

A.  Aus  schm^dem,  rundem  Boden  erhebt  &ich  in  zierlichem  Schwung  der  fast 
kuglige  Bautb  und  gebt  dann  mit  gleicher  Schwingung  in  den  senkrecht  narh 
oben  ohne  umgebogenen  Hand  verlaufenden  Hals  Ton  nicht  erheblicher  Hohe  (etwa 
*J^  der  Gefässhohe)  ober.  Unterhulb  des  Halses  sind  ringsum  2  Streifen  des  ge- 
dachten Ornaments,  dann  folgen  nach  unten  4  schachbrettartige  Reihen  von  Qua- 
draten je  aus  4  horizontalen  Linien  des  gleichen  Ornaments  bestehend.  Unter  ihnen, 
an  der  grössten  Breite  des  Bauchs,  lauft  eine  Horizontallinie  um  das  ganze  GefÜss 
und  von  dieser  herab  bangen  fraozenartig  senkrechte  Reihen  von  Linien,  jede  wie- 
der aus  dem  gedachten  Ornament  gebildet.  An  jeder  Seite  des  Bauchs  zwischen 
Hals  und  grösster  Bauchweite  betinden  sich  übereinander  je  2  honzontnL  2^^^,  cm 
breit  verlaufende,  etwa  1  cm  ans  dem  Gefass  beraus^pringende  griffartige  V'orsprringe, 
deren  jeder  wieder  in  2  einzelne  getbeilt  ist,  und  jeder  dieser  einzelnen  bat  ein 
von  oben  nach  unten  gebendes  Loch  von  so  geringer  Grosse,  dass  ein  gewöhnlicher 
Bindfaden  kaum  durchzuziehen  ist  So  sind  auf  jeder  Seite  4  Locher,  von  denen 
je  2  mit  Zwischenraum  von  etwa  1  Zoll  übereioanderstchen, 

ß.  Das  zweite  Gefass  steigt  kuglig  gleich  vom  Boden  aus  auf,  verengt  sich 
wenig,  und  endet  in  längerem,  auch  senkrecht  und  ohne  umgebogenen  Rand  auf- 
tteigendem  Halse.  Nur  ein  Vorsprung  ist  erhalten,  aber  nahe  dem  Gefass  ab- 
gebrochen, so  dass  nicht  zu  entscheiden,  ob  auch  er  durchlöchert  war*  Die  Orna- 
mentik ist:  neben  dem  Vorsprung  *2  senkrechte  Linien,  daen  folgen  seitwärts  unter 
dem  Bande  7  Horizontallinien  und  unten  über  dem  Boden  4  gleiche,  so  dass  zwi- 
schen ihnen  ein  nicht  ornamentirter  Zwiscbenraum  bleibt.  Alle  diese  Linieo  sind 
durch  das  erwähnte  Winkel^Ornament  gebildet. 

Soweit  die  Urnen.  Die  Arme  und  Fösse  des  Skelets  waren  gekrümmt.  Um 
die  Gegend  des  Halses  und  der  Taille  lagen  ziemlich  zahlreich  Zühne  eines  klei- 
neren Raubtbieres  nebeneinander,  sÜmmllich  am  breileren  Ende  durchbohrt;  augen- 
scheinlich hatten  »ie  Ketten  gebildet.  Am  linken  Handgelenk  lag  ein  *^^  Zoll  langes 
fingerbreites  MetalbthL^k,  Vfim  Finder  ab  ^Bronze'*  bezeichnet.  Diese,  sowie  einige 
der  sonstigen  Beigaben  sind  in  andere  Hände  gekommen,  ich  hoffe  jedoch,  sie  in 
einer  der  nächsten  Hitzungen  der  Versammlung  zur  Ansicht  vorlegen  zu  können* 
Neben  dem  linken  Arm.  i'twnj»  entfernler,  lag  ein  Pferdebuf,  rechts  neben  dem 
Kopf  ein  Steinbeil,  etwa»  mehr  Meiüieb  ein  Eberzahn;  neben  der  rechten  Seite  des 
Hikes    fand    sich    t^iu  ornuiiirntirter  Knorbrn,  auscbeinenil  Bippe  eines  Eiudea,  au 


(153) 

beiden  Seitflu  uff**ijbar  übgebroclien»  nocb  16  cm  lang;  die  Breite  ist  überall  272  ^^i 
er  ist  leicbt  naeh  innen  gebogen,  DieBer  Knochen,  wohl  das  interessanteste  der 
Fundstüeke,  bat  IB  Reiben  Ornamente,  die  in  gleichen  Abstauden  tmd  von  gleicher 


Fig.  U.     '/.>  naf,  Gr. 


<nraDifflHiB 


Fig.  la.     Verkleinertes  (lesaininflijld* 

Fig.  Ib.     Verzierung'  in  nntürlicher  tfrus^se. 

Zeichnung  querüber  geben,  jede  Reihe  und  jeder  Zwischenraum  sind  etwa  ^1.,  cm 
hoch.  Den  Ornamenten  Hegt  überall-^  wie  bei  denen  der  ürneUj  der  spitze  Winkel 
zu  Grunde,  es  durchkreuzen  sich  aber  hier  solche  Winkel,  dte  nacb  oben  ruften 
sind,  mit  soJcUeii  die  sich  nacb  unten  «IfiFoen,  und  dadurch  bilden  aicb  verschobene 
Rechtecke,  deren  Inneres  wieder  aus  kleineren  Figuren  gleicher  Form  bestellt. 

Schliesslich  bemerke  ich  nocb,  dass  der  Ko|»f  des  Skelets,  bei  dem  dieser 
ornamentirte  Knochen  lag,  beim  Herausheben  gänzlich  verfiel;  einen  Arm-  und  einen 
Beinknochen  übergebe  ich  hiermit  liem  Herrn  Vorsit7,endeD,  ebenso  einen  zwar 
etwas  zerbrochenen,  aber  in  seinen  wesentlichsten  Tbeilen  erhaltenen  Schädel  des- 
selben Leicbenfeldes;  dieser  war  mit  einer  Schussel  bedeckt,  die  ich  dem  K«'^nigl. 
Museum  übergeben  habe.  — 

Hr.  Vircbow  iiussert  über  die  von  IJrn.  Hollmann  vorgelegten  Knochen 
Folgendes: 

1.  Ueber  den  Schädel  berichtet  der  Einseuder:  „Diesen  Schädel  fand  ich 
vor  mehreren  Jahren  etwa  10  Minuten  vor  dem  Leicbenfeld,  toh  dem  die  an- 
deren Sachen  stammen.  Die  Leiche  Jag  zusammengekrümmt  (Hand-  und  Bein- 
knocheu  dicht  unter  dem  Kinn)  auf  der  Seite.  Der  liesiizer  des  Ackers  liess  im 
folgenden  Jahre  denselben  planiren  und  kamen  dabei  viele  ürneDScherben  zum 
Vor^^chein,  die,  soweit  ich  mich  entsinne,  alle  sehr  roh  und  ohne  Ornamente  waren, 
Die  Leiche  lag  etwa  3  —  4  Fuss  tief  din-kt  auf  Lehm.  Der  SchSdel  zerbrach  neu- 
lieb,  ist  aber  sonst  vollständig.^  Das  Schädeldach  ist  bis  auf  einen  grossen  Quer- 
sprung, der  das  ganze  Histerhaupt  hinter  den  Tubera  abgesprengt  bat,  gut  erhalten, 
dagegen  waren  Basis  und  Gesiebt  total  zerbrochen.  Beide  haben  sich  erträglich 
regtauriren  lassen.  Nur  der  Unterkiefer  und  die  Wangenbeine  sind  so  defekt,  dasa 
sich  an  ihm  keine  Quermaasse  nehmen  lassen.  Links  fehlt  der  Joch  bogen  ganz, 
rechts  tat  er  zerbrochen;  am  Unterkiefer  fehlen  die  ganzen  hinteren  ^s  f^<^bts  und 
der  Gelenk fortsatx  liuks.  Sonst  sehen  die  Knochen  noch  ziemlicb  gut  und  fest  aus; 
sie  haben  im  Ganzen  eine  braunticbgelbe   Farbe. 

Wahrscheinlich  ist  der  Schädel  ein  ma  na  lieber^  obwohl  die  etwas  niedrige 
Stirn,  die  schnelle  Biegung  der  Scheitelcurve  und  der  nicht  unbeträchtliche  Pro- 
gnathinmus  für  eine  weihliche  Form  sprechen  konnten.  Auch  die  geringe  Oapacität 
von  1260  €cm  würde  damit  stimmen.  Andererseits  deuten  die  Schwere  und  Dicke 
der  Knochen,  die  starke  Ausbildung  des  Nasenwulstes,  die  hoben  Plana  temporalia» 


r 


(154) 

die  mächtige  Protuberatitia  occipitalis,  die  Grösse  der  Gplenkliricker  uod  des  Gau«fl 
nieos  docb  mehr  auf  männlichen  Hau.  Nach  der  Beschaöetiheit  der  Zäbn^  war  da»  i 
iDdividuum  ooch  jugeDdlicb,  denn  obwohl  die  Schoeide-  und  Pramolarzähne  schon 
stark  abgeschliffen  sind,  so  prsch^^inen  die  Kronen  der  beiden  hintersten  Molaren 
doch  noch  wenig  angegriffen.  Im  Unterkiefer  fohlen  übrigens  links  ^ammtlicho 
Molaren  und  der  Pramolaris  H,  und  au  ihrer  Stelle  ist  eine  grosse  atrophische  Lfi^ke; 
auch  der  Framolaris  I  sin,  hat  keine  Krone  mehr. 

Spuren  pathologischer  Vorgänge  sind  nur  an  zwei  Stellen  bemerkbar  Während 
die  Nrdite  im  Allgemeiuen  stslrkor  gezackt,  nur  der  mediale  uud  die  seillielien 
unteren  Abschnitte  der  Kranznaht  einfach  sind,  zeigen  sich  Unregelmässigkeiten^ 
an  den  Fnntanellgegenden.  Die  Schuppe  des  Hinterhauptsbeins  ist  an  der  dem] 
gebuchtet;  der  hinterste,  stark  zackige  Abschnitt  der  Sagittalis  dicht  vor  Spitze 
Ende  durch  ein  querhegendeSj  halb  verwachsenes  Schaltbein,  das  in  das  rechte 
Parietale  eingreift  und  dessen  hinterer  Rxmd  der  Einbuchtung  der  Schuppen- 
spitze parallel  läuft.  unregelmSssig*  In  dem  linken  Schenkel  der  Lambdoides  unter 
der  Spitze  ein  grosseres  stark  zackiges  Schaltbein;  rechts  dagegen  an  der  Lambdu- 
naht  lange  Zacken  mit  secundärer  Verästelung.  —  Die  vordere  Footanellgegend  ist 
etwas  prominent;  im  vorderen  Winkel  des  linken  Parietale  dicht  hinter  der  Kranz- 
naht ein  flacher  rundlicher  Eindruck. 

Die  Form  des  Schädels  ist  aupgeniacht  hypsidolichoccphül  (Breitenindex 
G8,5,  Hobenindex  76,4).  Die  Länge  resultirt  hauptsächlich  aus  der  starken  Aus- 
wolbung  der  Oberschuppe,  die  geringe  Breite  ans  dem  zusammengedruckten  Zu- 
stande der  ganzen,  von  den  Tempora Imnskeln  bedeckten  Flächen,  die  Höhe  aus  der 
starken  WolbuDg  der  vorderen  Sagittalgegend.  Auch  die  untere  Stirnbreite  j>t  ge- 
ring (Sl  mm);  die  Temporaldistanz  betragt  nur  107  mm  und  die  Schläfen  erscheinen 
daher  stark  vertieft  Die  Stirn  ist  ziemlich  voll^  die  Tuhera  wenig  vortretend,  der 
Naaenwulst  kräftige  aber  glatt,  dagegen  die  Supraorbitalwulste  fast  ganz  fehlend. 
Die  Curve  des  Stirnbeins  biegt  schnell  nach  hinten  um  und  steigt  dann  latigsani 
bis  zur  Scheitelhöhe  an.  Der  hintere  Theil  des  Stirnbeins  ist  daher  sehr  lang. 
Jederaeits  nach  aussen  an  den  Tuhera,  begrenzt  durch  die  wulstige  Schläfen li nie, 
eioe  längliche  Depression.  Das  Mittelbaupt  ist  gut  genvolbt  und  nach  hinten  ziem- 
lich breit:  die  stark  vorspringenden  Tubera  parietalia  haben  eine  Distanz  von 
127  mm.  Auch  die  Hinterhauptsscbuppe  gross,  die  Linea  semicircul.  superior  un- 
gemein scharf  und  durch  einen  tiefen  Absatz  unterhalb  in  eine  Art  Ton  Crista 
transversa  verwandelt*  Die  Unterschuppe  etwas  vertieft,  nur  in  den  Cerebellar- 
gegenden  flach  gewölbt 

Trotz  seiner  Hohe  ist  daher  der  Schädel  in  W^irklichkeit  ein  sehr  gestreckter, 
dessen  sincipitale  Entwickeln ng  bei  Weitem  überwiegt  Der  frontale  Äuthell  der 
ScheitHcurve  betragt  34.8  pCt.  Eine  Berechnung  der  parietalen  und  occipitalen 
Antheile  erscheint  wegen  der  Anomalien  der  hinteren  F^kutanellgegend   unzulässig. 

Die  Gesichtsind ices  lassen  «ich  nicht  herecbDen,  da  alle  Quermaasse  fehlen. 
Dem  physiognomischen  Ausdruck  nach  w^ar  das  (lesicht,  namentlich  der  Oberkiefer 
ziemlich  hoch  und  schmal,  wie  namentlich  der  leptorrbine  Index  (47)  t>estätigt. 
Trotzdem  ist  der  Orbital  index  clmmaekonch:  die  Augenbühlen  erscheinen  niedrig 
uod  breii,  der  obere  Hand  fast  gerade  gestreckt  statt  der  Incisur  jederseits  mit 
ei  Dem  geschlossenen  Kanal  versehen.  Fossae  caniuac  tief  und  hoch,  Kieferränder 
und  Zähne  prognath.  Vorder  zahne  gross.  (Tauraeu  gros<^,  breit  und  tief,  Index  trotz 
der  Länge  fast  brachystaphjlin.  Kinn  gerundet  wenig  vortretend,  dick,  mit 
etwas  unregetmässiger  Bildung  der  Spina  ment.  post. 

Die  ethnologische  Interpretation  des  Schadeis  wurde  «ich  besser  anstellen  lassen, 


(155) 

wenn  wir  genau  wussten,  ob  er  zu  dem  Gräberfelde  irgend  welche  Beziehungen  hatte 
oder  in  welche  Zeit  sonst  er  zu  setzen  sei.  Vielleicht  wird  sich  darüber  später 
mehr  sagen  lassen;  hier  will  ich  nur  erwähnen,  dass  mir  als  der  Oertlichkeit  nach 
nächster  verwandter  ein  (leider  archäologisch  gleichfülls  schlecht  bestimmter)  Schädel 
Yon  Horneburg  aus  der  Landdrostei  Stade  bekannt  ist.  Ich  habe  ihn  in  der  Sitzung 
von  14.  März  1874  (Zeitschr.  f.  Ethn.  VI,  Verh.  S.  35)  genauer  beschrieben. 

A.    Schädelmaasse. 

Capacität 1250  ccm 

Grösste  Länge .191   mm 

^        Breite 131    ^ 

Gerade  Hohe 146    „ 

Auricularhohe ^^^    n 

Horizontaler  Umfang     .     .     .     .  519  mm 

Vertikaler  Umfang 310    „ 

Longit.  Umfang 384    ^ 

„       Stirnbein 134    „ 

n       Sagitt 140    „ 

„       Sq.  occipit HO    „ 

Gesichtshohe  A 118    „      ' 

B 72    , 

Orbita,  Hohe 29    « 

„       Breite 39    „ 

Nase,  Hohe 5 1    „ 

„      Breite 24    ^ 

Gaumen,  Länge 54    „ 

.,         Breite 41    „ 

B.   Berechnete  Indices. 

Längen  breiten  index G8,5 

Längenhöhenindex 7G,4 

Auricularindex Gl, 2 

Orbitalindex 74,3 

Nasenindex 47,0 

Gaumenindex 80,3 

2.  Von  Extremitätenknochen  sind  mir  ein  sehr  defekter  linker  Oberarm- 
knochen von  mittlerer  Stärke  und  auffallend  geringer  Torsion  und  ein  sehr  gut 
erhaltener  linker  Oberschenkelknochen,  an  dem  nur  der  Trochanter  major 
defekt  ist,  zugegangen.  Letzterer  hat  eine  Gesammtlänge  (Caput  bis  Condyl.  int.) 
von  43  cm.  Man  sieht  noch  Spuren  der  Epiphysenlinien  am  Kopf  und  den  Condy- 
len;  er  muss  also  wohl,  wie  der  Schädel,  von  einem  jungen  Manne  herstammen. 
Die  Diaphyse  ist  stark,  jedoch  vorn  etwas  abgeplattet  und  im  unteren  Theil  etwas 
nach  hinten  gebogen.  Der  Hals  kurz  und  wenig  steil.  Der  Condylus  externus 
klein,  dagegen  der  Condylus  internus  gross  und  tief  herabreichend,  mit  starkem 
Epicondylus. 

In  Bezug  auf  das  Leichenfeld  scheint  es  ja  nach  den  vorliegenden  Mitthei- 
lungen, dass  dasselbe  der  Steinzeit  angehört.  Von  dem  einzigen  gefundenen 
Metall  gegenstände,  dem  ^Bronzeblech^,  wäre  es  von  Wichtigkeit,  wenn  constatirt 
würde,  ob  dasselbe  nicht  vielleicht  aus  Kupfer  besteht.  Ich  erinnere  in  dieser  Be- 
ziehung an  den  Fund  von  Janiszewek  in  Cujavien  (Sitzung  vom  20.  November  1880, 


(ir,(i) 

Verb.  S.  330),  bei  dem  sich  aucL  cid  ornameotirtes  Falzbeiu  (Sitzniig  vom  20.  De- 
cember  1B79,  Verb.  S.  435)  vorfand.  Sollte  der  Typus  des  ^10  Minuten  vor  dein 
LeicheDfelde'^  ausgegrabenen  Schädels  demjenigeQ  der  Schädel  des  Leichenfeldes 
selbst  entsprechen,  so  wfirde  sich  diese  Parallele  noch  ausdebneM  lassen.  Die  Or- 
namentik der  Tbongefäsae,  namentlich  das  Sparreuornament,  sowie  die  senkrecht 
durchbohrten  Vorsprunge  an  denselben  sprechen  sehr  zu  Gunsten  der  Annahme, 
dass  hier  ganz  alte  Ueberreste  aufgefunden  worden  sind. 

(9)    Hr.  F.  G.  MüUer-Beeck  bespricht  die 

Geschiühte  der  Liukiu-Inseln  nach  japanischen  Berichten. 

Dia  nachstehend*^  Geschichte,  wie  sie  Idji-chi  Teka  zusamraenfasst,  erscheint 
auf  den  ersten  Blick  verworren'}.  Für  uns  Europüer  bleibt  die  Frage  offen:  Wann 
ist  ('hina  mit  den  Einwohnern  der  heutigeu  Liu*kiu*Iuseln  zuerst  in  Verbindung 
getreten?  Durch  Idji-chi  erfahren  wir  zwar,  dass  unter  der  Regierung  des 
Liu-kiu -Königs  Satsudo  die  Inseln  mit  (xhina  zuerst  in  ein  freundschaftliches 
Verhäitniss  traten  und  unter  Kr^nig  Bune  an  China  tributpflichtig  wurden*  Das 
wäre  um  1^95,  Unter  der  Sui- Dynastie  (581 — 1>19}  begannen  aber  schon  chinesi- 
sche Expeditionen  v  nach  Liu*kiu  und  unter  der  ersten  Ming-Dynastie  sollen  die 
Zeichen  für  die  östliche  Insel  zuerst  aufgekommen  sein,  Japan  war  seit  den 
ältesten  Zeiten  mit  Liu-kiu  in  Verbindung,  es  ist  aber  unmöglich,  aus  den  sagen- 
haften Aufzeichnungen  der  Vorzeit  den  Kern  der  Wahrheit  herauszuschälen,  bis 
nicht  ein  eingehender  Vergleich  japanischer  und  chinesiecher  Quellen  einigermaassen 
Aufklärung  schafft. 

Der  Name  Liu-kiu  kommt  nun  in  der  chinesischen  Geschichte  um  605  n.  Chr. 
auf,  bei  Gelegenheit  der  ersten  Expedition,  und  um  606  n.  Chr.,  als  die  zweite 
Expedition  stattfand,  die  der  chinesische  Gelehrte  Ma-tuan-Hn  beschrieben  hat.  Die 
LiU'kiu-Insulauer  selbst  nennen  ihre  Hauptinsel  Okinawa  und  haben  keinen  Ge- 
sammtnamen  für  das  Inselreich.  Da  Ma-tuan-lin  unter  Liu-kiu  die  Insel  Taiwan 
versteht,  so  ist  es  wahrscheinlich,  dass  die  Chinesen  die  nordöstlichen  Inseln,  wenn 
sie  von  ihnen  Kunde  hatten,  auch  zu  Formosa  gehörig  reebneten,  umsomehr^  da 
besonders  die  Einwohner  dieser  südlichen  Inselgruppen  den  Japanern  sowohl,  wie 
den  Chinesen  gegenüber  eine  gewisse  Unnbhängigkeit  bewahrten  und  die  Eifersucht 
der  beiden  Grossmiichte^  diese  Inseln  zu  besitzen,  bis  heute  fortdauert;  denn  der 
Besitz  der  Miyakosbiraa-Gruppe  ist  gegenwärtig  noch  nicht  endgültig  geregelt-'). 

Der  Franzose  d'Hervey  de  Saint  Denys  beweist  in  seiner  Arbeit  ^Sur 
Formosa  et  sur  les  iles  appelees  en  chinoia  Lieou-kiou  im  Journal  Asiatique  Aug.- 
Septbr.  1874.  VII.  Serie  4,**  dass  die  Chinesen  Formosa  unter  dem  Namen  Liu-kiu 
605  n.  Chr.  kannten,  dass  zu  Ma-tuan-Iin's  Zeiten  (ca.  1275)  keine  Expedition  nach 
den  heutigen  Liu*kiu-Inseln  stattgefunden  hat,  dies  chinesiscberseits  überhaupt  nicht 
vor  dem   13.  Jahrhundert  geschah I 

Dies  findet  seine  Begründung  in  der  Beschreibung  Ma-tuan-Un*s  von  den  Bewoh- 
nern Formosa'»,  der  Lage  dieser  ,^ Liu-kiu^,  im  Osten  der  Stadt  Tsiouen*tBcheou 
(Provinz  Fokien)    und    der  Reise  dorthin.     Auch  die  chinesische  Geographie:  Tai- 


1)  Derselbe  bat  nh  GesHudfer  JapEin's  die  Inaein  mehrmah  besucht  und  Berichte  in  den 
Heft  d.  ja|>,  f^eogr.  Oes.  1880  veröflentlicht,  die  ich  als  beste  Quelle  über  diese  Inseln  mit  Hülfe 
des  Lieutetiaut  Sindji  Endo  überarbeitet  habe. 

*2)  1860  offiziell  nn  China  alifetreten»  nber  seitdem  wieder  im  Japan  zuröfkefefallon. 


fl.'^T) 


thiDg-y *toug'tcbi    liefert  den  Beweis  in  dem  Artikel:    Liti-kiu,    dass  Lia-kiu  = 
Taiwan  (Formosa)  ist 

SüdUch  Ton  Taiwan  bat  sich  heute  noch  der  Name  ^Elein  Liu-kiu'^  für  die 
kleinen  Inseln  erhalten.  Mit  dem  Osten  Formosa's  (Taiwan's)  sind  die  Chinesen 
nie  bekannt  geworden,  folglich  lernten  sie  auch  nicht  die  Miyakoshima-Gruppe  auf 
dieaem  Wege  kennen.  Diese  und  die  Okinawa-Gruppe  kommen  hier  nur  in  Be- 
tracht. In  Folge  der  Strömungen  und  Stürme  ist  es  mehr  nie  wahrscheinlich,  dass 
chinesische  Djuokcn,  die  stets  der  Kiiste  entlang  fuhren,  sich  nie  aufs  offene  Meer 
hinauswagten,  zumal  japanische  Seeleute  und  die  Liu-kiu-Schiffer  selbst  wohl  hio- 
reichend  dafür  gesorgt  haben  werden^  die  gefährliche d  Klippen  ihrer  Gewisser  zur 
Kenntniss  der  seefahrenden  Chinesen  stu   bringen. 

Hoffmana  hat  eine  vorzügliche  kleine  Schrift  Ober  die  Geschichte  Liu-kiu's 
nach  japanischen  Quellen  bearbeitet'),  die  ich  mehrfach  controliren  konnte^  was  bei 
dem  Franxosen  schwieriger  war,  da  er  seine  Quellen  nicht  genau  angiebt  Hoff- 
mann  zählt  die  Liu-kin-Könige  nach  der  japanischen  Geschichte  San-kok-tsu- 
ran  auf  und  hat  versucht,  bei  einigen  die  Jahreszahl  mit  anzuführen.  Dies  hat  bei 
ao  unbekannten  Potentaten  grosse  Bedenken.  Bei  Beschreibung  des  ersten  Liu^kin- 
Königs  Tiensun  (Tenson)  giebt  Hoffmau  n  folgende  Beschreibung  nach  chinesischen 
oder  japanischen  Annalcn,  was  er  leider  nicht  sagt      Sie  lautet: 

^het  Tolk  kende  schrift  noch  de  tijdrekening  oaar  maanjaren,  mcu  tekle 
„den  tijd  slechts  naar  de  wassende  en  afoemende  maan,  en  de  jaren  naar 
^bet  bloeijen  en  verdorren  der  gewassen,  Het  keomerkte  zieh  door  diep 
^liggende  oogen,  eeoen  langen  neus  en  zag  er  eenigzin»  verwiffd  uit.  De 
^mannen  gingen  zonder  knevel  en  baard,  hadden  de  banden  getatoeeerd, 
„droegen  mutsen  van  vogelvederen  cd  tooiden  zieh  mit  paxelen  en  kostbare 
„steeoeD.  De  frauen  beacbrnderden  het  aaagezigt  met  figuren  van  draken 
„en  slangen,  bouden  bet  haar  op  den  top  met  und  zameu  en  droegen  mu fr- 
äsen van  eene  witte  stof  en  kleedcren  vaa  haar, 

„In  610  na.  Chr.  geb,  het  4***  jaar  Ta-nie  der  chinesche  tijdrekening, 
„werd  Lioe-kioe   door  Chinezen    veroverd  eu   de  koaing  gedood»    (Cbin* 
Annalen.) 
Es  fragt  sich  nun,  ob  Hoffmann  sich  auch  durch  die  chinesische  Bezeichnung 
Liu'kiu    hat    beirren    lassen.     Die  Schtussnotiz  aus  den  chinesischen  Äunalf'n  lässt: 
dies   annehmen,    denn    es    handelt  sich  hier  um  die  bei  Ma4uan-lin  erwalmte  Ex- 
pedition nach  Liü-kiu  (Taiwan), 

Dass  die  Männer  Mutzen  von  Vogelfedern  tragen,  passt  nur  für  die  Einwohner 
Taiwan's, 

Vorläufig  muBS  man  also  annehmen,  dass  die  Chinesen  erst  sehr  spät,  also  im 
13.  Jahrhundert,  mit  den  Inseln  und  den  Bewohnern  des  ganzen,  sich  von  Taiwan 
bis  Japan  hinziehenden  [nselreicbes  bekannt  geworden  sind;  dass  aber  Japan  seit 
den  ältesten  Zeiten  mit  den  Bewohnern  in  Verbindung  gewesen  ist,  wenn  sie  nicht 
gar  die  japanische  Rasse  reprasentirten,  ehe  sich  dieselbe  mit  der  chinesischen  und 
der  der  Äinos  kreuzte. 

Bei  den  nun  folgenden  Notizen  über  die  Bevölkerung  und  Geschichte  der  Liu- 
kiu'lnseln  habe  ich  mich  ausschliesslich  an  die  Berichte  des  Hrn.  Idji-chi  ge- 
balten und  auch  die  in  der  öebersetzung  stets  komisch^  aber  originell  klingende 
AusdruckBwei&e  und  Gedankenfolge  beibehalten* 


1)  Bijdnigen  tot  de  Taal-,  Land-  en  Volkeiikuntte  van  NedeHandsch  Indie,  derde  volgr^eks, 
le  dL3e  stuk. 


(158) 

Ja  die  Ineelu  frei  im  »ödlicbcn  Theil  des  Uc*muis  liegen  "  »o  sinJ  sie  tlen  sUr- 
ken  Winden  auRgcsetztj  welche  hier  weben.  Alle  4—5  Jahre  entwurzeln  grosse 
Teifnne  Baume  und  vernichten  Häuiier  und  Felder'),  um  diesen  Zerstörungen] 
vorjEubeugen,  baut  man  auf  den  Liu-kiu- Inseln  fthertdi  eine  Mauer  um  das  Hau«. 
Die  Pfeiler  und  das  Fundament  sind  sehr  Btark.  Die  Ifiluser  sind  alle  sehr  niedrig, 
und  mehrstnckige  Häueer  sind  selten.  Auch  die  Häufer  der  Adligen,  Läden,  ßur- 
delle  werden  umraauert.  Weil  Sturme  und  Wassermangel  häufig,  sind  die  Leute 
auf  üngiückßfalle  vorbereitet  und  sparsam.  In  jedem  Hause  bewahrt  man  ge- 
trocknete Kartoffeln  auf.  AI»  erste  Vorsieh tsmasfiregel,  um  den  Hunger  zu  ver- 
meiden, gilb  es,  den  Sago  (sotetsu)  aufzubewähreo,  der  in  Japan  nicht  gegesseu 
wird.  In  alten  Zeiten  wurde  ein  Beamter  für  die  Kultur  der  Sagopalme  eiagesetzt«] 
Man  nannte  dieses  Amt  sotetsu-gakari.  In  allen  unfruchtbaren  Theilen  der  Inseln,] 
auf  den  Bergen,  den  kleinen  Inseln,  überall  pflanzt  mau  Sagopalmen.  Man  bereitet 
den  Sago  folgendermaaasen:  Der  Stamm  wird  zerquetscht  und  in  Wasser  gelegt,  dann 
in  einen  Mörser  (usu)  gethan,  gestossen  und  nochmals  gewaschen.  Der  daraus 
entstandene  Brei  wird  getrocknet,  daraus  MeLl  gemacht  und  mit  Kartoffeln  zu- 
sammen gekocht  und  in  Kuclienform  gegessen. 

Die  Einwohner  sind  gutmiUliig,  sparsam,  conservativ  und  ausdauernd,  üu- 
glijcksfalle  kommen  selten  von  Die  Wohnungen  haben  Aehnlichkeit  mit  denen  der 
alten  Jajmner  im  Inlande.  Es  giebt  weder  Stuhle  noch  Tische.  Vornehme  Adlige 
haben  schöne  tJäuser  und  sind  sauber.  Die  Bauern  aber  sind  schmutzig,  geben 
baarfuss  und  wohnen  in  kleinen  StrohhiUten.  üieselben  sind  noch  ganz  im  Cr- 
j^ustande.  Die  Gesetze  sind  ziemlich  scharf.  Nach  diesen  dürfen  die  gemeinen 
Biiuern  keine  Holzschuhe  tragen.  Das  ßauernvolk  ist  fleissig  tjeim  Ackerhau  und 
scheut  die  Arbeit  nicht.  Adlige  und  Kaufleute  sind  faul,  ihre  Weiber  dagegea] 
sehr  Hcissig,  so  dass  dieselben  keine  Musik  treiben,  was  nur  die  Freiidcnmadcheo 
thun.  Atle  Männer  tanzen  viel,  vom  Könige  bis  zum  niedrigsten  Bauer.  Die 
Frauen  eines  Adligen  verkehren  nie  mit  Fremden,  ausser  mit  Verwandten*  Wenn 
sie  Fremde  auf  der  Strasse  sehen,  bedecken  sie  sieh  mit  dem  Schirm,  oder  Irelt^n 
in  ein  Thor,  oder  verstecken  sich  hinter  Bäumen» 

Unsere  Beamten  haben  3  Jahre  bei  Adligen  gelebt,  ohne  deren  Frauen  gesehen 
XU  haben-). 

In  jedem  Kreise  giebt  es  Pferdestfille.  Jeden  zweiten  oder  dritten  Monat  sam- 
meln sie  die  Pferde  und  veranstalten  ein  Rennen,  mayose  genannt  Die  Ställe 
sind  sehr  gross^  weil  man  sie  auch  als  Getreidelager  benutzt. 

Alle  Insulaner  lernen  die  Lehre  von  Teshü  (Jqr  jrc)  ^^^  durch  diese  die 
vun  Confucius  und  Moshi  (Moses  ?).  Man  lernt  die  Lehre  nur  als  Knabe,  später 
lernt  man  nicht  mehr*  Schulen  giebt  es  in  Shuri  LS,  in  Nawa  4,  in  Kumemura  8, 
in  Tomarimura  1,  in  Miyakoshima  2,  in  Yaeyama  2.  In  Shun  und  in  Kume- 
mura lehrt  man  auch  Chinesisch  lieben  den  einbeimiscben  Sprachen,  damit  die 
Leute  mit  den  Chinesen  verkehren  können.  Die  48  Zeichen,  iroha>  sowie  die 
Schrift  und  Bücher  sind  ganz  so  wie  in  Japan.  Die  officielle  Schrift  uud  Vorschrift 
ist  japanisch  (onyeriü).  Nach  chinesischer  Vorschrift  lernen  nur  die  Vornehmen. 
Die  Frauen    in  Kumemura    spinnen    nur   und    können  weder  lesen  noch  schreiben. 


1)  Leider  viel  hantiger  und  zwar  jedes  Jahr  gegen  Ende  September  sind  Teifuiie  im  er- 
warten. 

2)  Was  bei  der  selbstbewiisÄten  Art  des  Auftretens  der  japanischen  Beamten  noch  nicht 
auf  Landesaitie  zu  schieben  ist. 


(159) 


Aii8s<>rhu]b  Kutoemuru  wird  Chinesisch  weuig  gebraucht  JapaalBcbt!  Gedichte  giebi 
es  überall-  Monatlich  kororat  <^in  Verein  zusammen,  dann  entsteht  ein  Wett- 
dichten *), 

Grosse  Münzen  oder  Papiergeld  giebt  es  nicht,  sondern  nur  kleine  Knjifer- 
mfinzen.  Der  Handel  wird  dadurch  sehr  erschwert  Baumwollene  Stoffe  (nun 6) 
und  daraus  gemacbte  Kleider  verkitufeu  nur  Mädchen  und  Frauen.  Dieselben  kennen 
keine  Zeichen  und  können  nicht  rechnen,  sie  zählen  aber  mit  Stricken,  indem  sie 
Knoten  machen.  Auf  diese  Weise  können  sie  grosse  Summen^  und  zwar  sehr 
schnell,  ausrechnen. 

Die  gegenwärtige  Sprache  scheint  ein  eigenarHger  Dialect  des  Jajmniscben  zu 
sein.  Genau  betrachtet,  i^t  sie  japanisch,  nur  etwas  modificirt,  und  zwar  wie  das 
Japanische  aus  der  Knmnkura- Periode.  Ari  heisst  a«f  Liu-kiu:  aya  beru,  Oki 
hcisst  0  u.  s,  w. 

Die  Insulaner  kennen  genau  die  alten  japanischen  Worte:  */io  ^®^  alt-japanisch, 
'/,rt  chinesisch  und  *;,o  einheimisch.  Auf  den  sudlichen  Inseln  (Miyakoshima  und 
Yaejama)  wird  anscheinend  noch  der  alte  Dialekt  erhalten  sein. 

Gesellige  Vergnügungen  giebt  es  viele,  ücberall  wird  getrunken,  nnd  zwar 
AwunH*ri,  Shochiu  und  Banshochiu,  d.  i.  Kartoffelsprit.  Da,  wo  mau  sehr 
viel  trinkt,  mischt  man  das  Getränk  mit  Wasser.  Frauen  dijrfen  nach  alter  Siltc 
nicht  trinken,  daher  bietet  man  ihnen  nie  zu  trinken  an,  wie  in  Japan. 

Das  Volk  lebt  von  Korn  uüd  Kartoffeln.  Seit  di^n  ältesten  Zeiten  wird  Fleisch 
gegessen.  In  der  Hauptstadt  Shuri  und  in  Nawa  werden  jeden  Morgen  über 
KM)  Schweine  und  wenige  Stück  Rindvieh  geschhichtet  Mit  Schweinefett  kocht 
man  das  Gemüse.  Das  Schweinescblachten  geschieht  nur  ron  alten  Weibern.  Dicpe 
nehmen  den  Kopf  der  Tbiere  mit  nach  Hauüe  und  tragen  denselbcfi  auf  dem  KofdV, 
Man  trägt  überhaupt  viel  auf  dem  Kopfe,  auch  Lasten  und  Kupfermünzen  im 
Werthe  von  30  yen.  Ein  junger  Mann  bindet  die  Haare  als  Zopf  auf  dem  Kopf 
zusammen,  und  ^war  flach  und  glatt  ab  Knoten,  sobald  er  sein  25.  Jahr  erreicht 
hat.  Wenn  das  Mädchen  Di  oder  17  Jahre  alt  ist,  so  macht  es  sieb  Punkte  auf 
der  Rückseite  der  Hand,  Dieser  Gebranch  besteht  auf  Oehima,  sowie  auf  der 
Okinawa-Grnppe.  Die  Eheleute  leben  gut  mit  einander.  Wiederheirathen  finden 
bei  gewöhnlichen  Leuten  selten  statt. 

Bei  Begräbnissen  herrscheu  andere  Sitten,  wie  in  Japan.  Stirbt  Jemand^  so 
geht  die  Familie  zur  festgesetzten  Zeit  vor  die  Leiche  und  schreit,  auch  beim  Be- 
gräbniss  schreit  man«  Es  werden  Leute  hierfür  gemiethet^  und  hängt  je  nach  der 
Höhe  der  Preise  die  Iraner  und  die  Starke  dieses  Schreiens  ab. 

Die  f-eichname  werden  in  jrdene  Gefasse  gethan  und  diese  in  Steinkasten  bei- 
gesetzt. Kach  drei  Jahren  gebt  die  sogenannte  Knochenwaschung,  honne-arai^ 
vor  sich.  Die  Verwandten  und  Freunde  versammeln  sich  und  trinken  sake  (Reis- 
branntwein). Die  nächsten  Verwandten  des  Todten  nehmen  die  Knochen  heraus 
und  reinigen  dieselben;  dann  legt  man  die  gereinigten  Knochen  in  andere  Gefässe 
und  begräbt  sie  von  Neuem.  Der  Platz  wird  dann  eingezäunt.  Auf  dem  irdenen 
Gefifiss  zeichnet  man  Namen  und  Todesnamen.  (Auch  in  Japan  erhält  der  Ver- 
storbene einen  anderen  Namen.)  Ueber  die  Grösse  des  Begräbnissplatzes  giebt  ea 
eine  Bestimmung.  Ein  Beamter  kann  12  ken,  Bauern  und  Kaufleute  G  ken  im 
Quadrat  beanspruchen.  Um  den  Begräbnissplatz  werden  Steine  gemauert.  Von 
fern  gleicht  derselbe  daher  einem  japanischen  godown.  Wenn  Jemand  arm  wird, 
80  kann  er  den  Begr&bnissplatz  verkaufen  und  erhält  dafür  ca.  100  yen  -  400  Mark. 


I 


1)  Wie  im  alten  Japan. 


4 


(160) 


Die  Pflttüxeu,  die  auf  den  Lm-kiii-Iasoln  ^'orkoramen  iiod  nicht  iü  Jupao  wach- 
sen, 81  od: 


yasbi 

=  Kokosniisa. 

gammamaru 

? 

birö 

=  Livistona. 

akugi 

=  Rothholi. 

tsuko 

=:  Caryota. 

^ 

Blumen: 

^ 

yunagi 

? 

Kudjiku 

Mittagsblume. 

hanslioen 

? 

Hmki 

Antennaria,  Anthemis* 

kifudji 

eine  Art  Lune? 

Yaraiko 

Pertjularia  ocloratissima 

Fukumnki 

Glückshol«. 

Ätfeaü 

? 

D^lko 

? 

Hengo 

? 

Santan 

? 

Bo  ran 

dne  Orcbidee?            J 

Bi)S90ko 

Hibißciis  syrij*cii8. 

IriomotteraD 

i 

Kocho 

Papilio.                    ^ 

Nan^O-ran 

? 

Fufoso? 

Hoflinj^akriiuL 

Hosai-ran 

^ 

Nichinichiad 

Aühi^skrauL 

i 

Frucbthagende  Pflanzen  sind:  Mohn  und  Rui-gan-niku,  eine  chinesische  Frucht, 
PflaumeDartcn  und  Ptiräichc.  Der  Pfct!er  wird  im  Sommer  iiicliL  welk.  I>ie  Pflaü- 
zpo  werdcD  von  7  oder  8  snn  bi»  7  —  8  sbaku  hoch.  Die  Kirsche  trägt  Blüthen, 
die  aber  keine  so  gläozeadeo  Farben  haben,  wie  in  Japan.  Ks  giebt  wenig  Crypto- 
meria  japonica. 

Ban-  und  Schiffsbaubolz  wird  von  Japan  eingeführt.  Bei  Sburi  und  Nawa 
giebt  es  überhaupt  wenig  Baume,  Brennholz  und  Hobkohlen  werden  von  Sangen  (?) 
iraportirt,  daher  sind  die  Preise  hierfür  höher,  als  in  Kagoshima  (Kiy^hin). 

Die  Gesetze  zum  Schntze  des  Waldes  eind  sehr  scharf,  in  jedem  Kreise  ge- 
hören 140  000  tsubo  dem  Staate.  Mit  ErlaubniBs  der  Regierung  können  die  Ein- 
wohner Bäume  pBanzen,  sie  bekommen  dafür  eine  BelohDung.  Die  Fauna  gleicht 
der  von  Japan,  Im  Süden  giebt  es  Seepferde  {Kaiba  -  Hippocampus),  DachBe 
und  Füchse  giebt  es  nicht.  Gänse  und  wilde  Enten  bleiben  nicht  auf  den  Inseln. 
Reiher  sieht  man  nicht.  In  der  Umgcnd  von  Shun  giebt  es  keine  Raben  und 
Falken  (tombi)^  nur  in  Sangen  kommt  eine  kleine  Rabenart  vor« 

Mushi  (darunter  versteht  der  Japanern  Käfer.  Würmer  und  Insekten)  sind  sehr 
zahlreich^  viele  leben  das  ganze  Jahr  hindurch*  Zur  Frühlingszeit  kommt  die 
Schlange  habu,  eine  Gattung  Trimeresurus  hervor,  die  sich  zum  Herbst  ihrem 
Winterschlaf  hin  giebt.  Diese  Schlangen  leben  von  Wurzeln,  klettern  auf  die 
Bäume  nod  sind  giftig.  Namentlich  auf  0-shima  und  auf  Toknno-shima  giebt  es 
viele  habu.     Auf  Kerama^  Okino-Erabu^  Kikai  kommt  &ie  nicht  von 

Flusafische  sind  dieselben  Arten,  wie  in  Japan.  Seefische  giebt  es  viele,  welche 
man  weder  als  chinesische,  noch  als  japanische  bezeichnen  kann,  unter  diesen  sehr 
grosse  und  schmackhafte.  Die  Humnter  haben  die  Grösse  von  2  Fuss  5 — 6  Zoll  und 
sind  1  Fuss  dick.  Tacco,  Tinten  fisch- Arten,  sowie  Kamasu  giebt  es  viele;  ebenso 
grosse  Muscheln,  welche  man  als  Gefässe  benutzt. 

Der  Landwirth&chaft  widmet  man  auf  Okinawa  viel  Sorgfalt,  da  die  Insel  stark 
bevölkert  ist  Nach  altem  Gesetz  muss  jedes  Haus  2,  3  oder  4  Schweine  oder 
Ziegen  unterhalten.  Man  hält  dieselben  des  Dungeis  wegen.  Wer  solche  Tbiere 
nicht  bat,  muss  Strafe  zahlen.  Die  vorgenannten  Pferdeställe  sind  auch  Versamm* 
lungaorte  für  Dorf bea rate.  Doit  urt heilt  man  je  nach  dem  persönlichen  Fleiss  und 
entscheiden  die  Rangklassen.  Wer  in  die  erste  Klasse  kommt,  erhält  eine  Be- 
lohnung; wer  in  die  letzte  Klasse  kommt^  luuss  Strafe  zahlen.  Meistens  erzielt 
man    2  Ernten,   doch    nicht    überall,    wegen  des  Mangels  an  Wasser.     Die  Indigo- 


I 


h 


(161) 

pflanze  ist  dieselbe,  wie  iü  Japao.  Mau  pflanzt  sie  durch  Stecklinge  fort.  Bei 
jedem  Hause  lind  et  sie  sich,  da  ein  Jeder  fitch  die  Kleider  selbst  färbt.  Kara- 
rausbi')  wird  5  Fuss  boch.  Aus  der  Rinde  wird  der  Grasanzug  (jofu)  gemacht 
Die  Pflanzen  werden  auf  dem  Acker  ge2ogen,  namentlitb  in  Scbiattan  und  Mo- 
tobu.  Nacb  Ablauf  von  8  — U  Jahren  macht  man  eine  neue  Anpfianzung.  Nach 
00  Tagen  schneidet  man  immer  die  Aeste  ab  und  hat  somit  6  Ernten  im  Jahre. 
Der  Tagtbihn  ist  billig.  Die  Regierung  kümmert  sieb  um  jede  Neuerung  und 
deshalb  fürchten  sich  die  Bauera,  neue  Culturen  anzulegen.  Neuerdings  werden 
aber  bei  Shuri  und  Nawa  Älaulbeerbätinie  gepflanzt.  Soba  (Buchweizen)  baut  man 
nicht,  weil  die  Insulaner  behaupten,  diiss  Schweinefleisch  und  eoba  Gift  seien. 

Ich  lasse  nun  die  gefichichtlichen  Aufzeichnungen  des  Hrn,  Idji-chi  folgen. 

Derselbe  schreibt:  Die  gegenwärtigen  chinesischen  Zeichen  für  Liu-kiu  stammen 
von  der  chinesischen  Ming- Dynastie  her.  Das  beisst  soviel,  dass  ein  Herrscher 
dieser  Dynastie,  Shu-Gensho,  die  Zeichen  für  den  Naraen  gegeben  haben  soll. 
Aussei*  allem  Zweifel  bleibt  es,  dass  der  Name  Riu-kiu,  chinesisch  Liu-kiu,  iir- 
alt  ist»). 

Zur  Zeit  des  Kuwammu  Teano,  782  n.  Chr.,  reiste  im  23.  Jahre  der  Enriaku- 
Periode    ein    japanischer  Priester,  Kukai,    nach  China.     Derselbe  schrieb  dort  ein 

Buch,    in  dem  Liu-kiu  erwähnt  wird,    und  zwar  mit  folgendem  Zeichen:   ^  ^^^ 

Zur    Regieningszeit   des    Buntuku-Tenno.    im    3.  Jahre    Jinjiu    ward    ein    Priester 

Tachisho  nach  China  verschlagen,  der  von  da  nach  Liu-kiu  Ylfr    "yr*    kam.     Der 

berühmte  Geschichtsschreiber  Miyoshi  Kiotsura    schrieb    spater  eine  Biographie 

dieses  Priesfers.    Bei  ihm  sind  die  Zeichen  für  Liu-kiu:   j-nt'  Jilj.   Üji-Dainagon 

(ein  Hof  ad  liger)  schrieb  ein  Werk  über  alte  Geschichte,  in  dem  er  Liu-kiu  m  Tw  J"iß 
schrieb.  In  China  schrieb  man  zum  ersten  Male  in  dem  berühmten  Werke  Tsuisho 
Liu*kiu  mit  den  Zeichen  i'W  ip    Zur  Zeit  der  Dynastie  To  (  S  )  bat  ein  Chinese 

Riu-ahi-ko  Liu-kiy  so  geschrieben,  wie  es  heute  noch  geschieht.  Jirf"  fm*  Inder 
Geschichte  der  Dynaiätie  So  (chiaes.  Sung)  kommen  aber  wieder  die  Zeichen  vor,  wie 
im  Werke  von  Tsuisho.    In  der  Geschichte  der  Gen-  (chines.  Juan)  Dynastie  beisst 

es    aber     Liit-kiu  T^jl^und  ein  chinesisches  Werk  SchorokuHJ-  J^  §^  schreibt 

Liu-kiu:  Yw  ijjf  Obgleich  diese  Zeichen  von  einander  abweichen^  muss  man  sie  alle 
Liu-kiu  aut^sprechen.  p]s  gelit  daraus  hervor,  dass  man  die  passendsten  Zeichen  für 
die  aJten  Laute  probirte  und  Liu-kiu  kein  erfundener  Name  der  Ming-Dynastie  ist. 

Die  Eingebornen  sagen  allgemein  Okiaawa  ()H1  xna),  und  das  schon  seit 
alten  Zeiten.  Zur  Zeit  des  Koken -Ten  no,  im  5.  Jahre  der  Terapei-shoko  (749  n.  Chr.) 
kehrten  der  japanische  Gesaiulte  Fuchiwara  Kiok?iwa  und  die  Vicc-Gesandten  Otomo 
Komar<>j  Kibi  and  Shimbi  und  Andere  von  China  nacb  Japan  zurück.  Durch  einen 
Sturm  verschlagen y  kamen  sie  nach  der  Insel  Akonawa.  Anawa  ist  ein  alt-japani- 
sches Wort  für  Okinawa  und  bedeutet  ^offene  Strecke"'.  Im  Hekemonogatari  (alt- 
japanisches  Werk)  wird  Okinawa  erwähnt,  ferner  dass  Insulaner  von  Süden  mich 
Japan  einwanderten. 

Im    24.  Jahre    nach    der  Thronbesteigung  des  Stiiko-Tenno  sind  schon  Ekiku- 

1)  Boehmeria  nivea,  eine  ürticacee. 

2)  Bei  den  Japiinern  hat  das  anlautende  L  einen  ri-LAUt. 

rbMudL  der  BerL  ^uilyopoL  GMvLItcbjifL  IM^  Ü 


TJ* 


(162) 

Leute  Japaner  geworden.  \ü  den  folgenden  300 — 4110  Jahren  kamen  fortwiihrend 
Leute  TäD  Tami  u,  s.  w.  nach  Japdn,  die  sich  dort  einen  Rang  erwarben,  Oshima 
soll  man  früher  E^^mhi  genannt  haben,  und  Ishigaki  früher  Sliinkaku.  Nirgends  aber 
heiaat  es,  dass  Liu-kiu-Inaulaner  nach  Japan  eingewandert  seien.  In  seiner  Be- 
8chreibung  der  südüchen  Inseln  ^Nantnshi'*  sagt  Arai-Kumbi: 

^Im  24.  Jahre  der  Regierung  des  Sniko  Tenno  (593  n.  Chr.)  kamen  Leute  von 
„Ekikiti  nach  Japan.  Dies  ist  der  Anfang  der  Einwanderung  der  Leute  von  Süden 
her.'*  Nun  geht  aber  aus  älteren  Werken  hervor,  dass  die  Einwanderer  von  an- 
deren Theilen  der  Tnsel  Oahima  über  Ekikiu,  das  auf  dieser  Insel  liegt,  einwander- 
ten '),  Im  10.  Jahre  der  Hakusho-Periode,  unter  der  Regierung  des  Temmu  Tennu, 
wurde  ein  Gesandter  nach  Tami-shima  geschickt  (673  il  Chr»?).  Dieser  brachte 
einen  Plan  der  Insel  mit.  Derselbe  schreibt,  dass  die  Insel  5000  ri  TOn  Kiyoto 
entfernt  sei  und  sich  im  Meere  südlich  von  Chikushi  (ein  Ort  auf  der  Insel  Kiu- 
shiu)  befände.     Der  Gesandte  schreibt  von  den  Bewohnern: 

„Die  Leute    haben    kurze  Haare,  soshio-Graskleidung,     Die  Reisernte 
„ist  immer  gut     Getreide  kann  man  zweimal  ernten," 
In  der  alt-Japanischen  Geschichte  heisst  es: 

^Atiieno-ha-tsuchi-ikedsuki-no-mikoto  hielt  mit  Amatsu-hitsu-hitsuki- 
^no-mikoto  Rath  und  ertheilte  dem  Mikoto  Awanakino  und  der  Tsurana- 
,kieaki-Kanushi-iio-mikot<D  den  Befehl,  nach  den  Liu-kiu-Inseln  zu  reisen. 
Sie  nahmen  150  hohe  ond  niedrige  Gotter  mit  und  fuhren  von  Sata  in 
„Osumi  (Sfid-Kiushiu)  ab.  Auf  den  Liu-kiu-lnseln  angekommen,  zeigten 
^sie  den  Bewohnern  den  Seidenbau,  Awanakino  und  Kitashisanahime  aber 

„blieben  dort  und  wurden  die  Herrscher  tou  Futauaki-Land:  K^    Vjy^ 

Im  16,  Jahre  des  Suiko  Tenno  (593  n,  Chr.)  w^urde  ein  Gesandter  Onnu  Mai- 
koshin nach  Dakoku  (China)  abgeschickt.  Derselbe  sandte  einen  Vertrauten  nach 
Liu-kiu,  um  das  Volk  dort  zu  beruhigen,  und  brachte  Kofu  (Zeuge)  mit,  die  der 
Gesandte  als  Waare  von  Yukiu-Koko  erkannte. 

Man  sieht  hieraus,  dass  Japan  schon  vor  dieser  Zeit  mit  den  Liu-kiu-Iaseln  im 
Verkehr  gestanden  hat, 

Ira  6,  Jahre  der  Tempei-Feriod©  (729  n.  Chr.?)  schickte  man  2  Männer:  Onno 
Assön*ro  und  Takahashi  Renkiuyo  nach  den  sudlichen  In^ieln,  um  auf  jeder  Insel 
ein  Steinzeichen,  d.  b.  eine  Land  marke  zu  errichten,  Ira  folgenden  Jahre  ward 
dem  Dai-saifu  der  Befehl  gegeben,  von  Neuem  ein  Steinzeichen  (hi)  auf  jeder 
Insel  zu  errichten.  Auf  jedem  Stein  war  der  Inselname^  der  Hafenort  und  die 
Entfernung  ein  gehauen. 

Im  ersten  Jahre  der  Eman-Periode  (1165)  ist  Senjei-Hachiro  Tametomo  (der 
berfihmte  Bogenschütze  Japans)  von  der  Insel  Oahima  bei  Idzu  abgefahren  und, 
durch  verschiedene  Inseln  steuernd,  nach  den  Liu-kiu-lnseln  gereist.  Er  heirathete 
dort  die  Tochter  des  Oeato-ansu.  Diese  gebar  ihm  einen  Sohn.  Später  kehrte  er 
nach  Oshima  zurück.  Sein  Sohn  aber  ist  Shuntecj-o^  der  den  Aufstand  unterdruckte 
und  Yom  Volke  zum  Könige  der  Liu-kiu-lnseln  gewählt  wurde. 

Gegenwärtig  steht  im  Tempel  Sogendji  im  Dorfe  Tomari-mura  sein  ihai  (Todten- 
tnfel)  und  vor  dieser  sein  Bogen.  L>ie8er  Tempel  wurde  von  seinen  Naehfolgern 
sehr  Terehrt,  Der  König  ging  jedes  Jahr  in  Person  dorthin,  um  seine  Huldigung 
zu  bezeugen  (sampai^dsani). 


t)  Auch  die  von  anderen  kleineren  Inseln  über  £kikiu  kommenden  Insulaner  nannte  man 
»Leute  von  Ekikiu*.  — 


Ctes) 


I 
I 


I 


Iq  dem  Buche,  weJches  toq  den  Liu  kiu-IiisulaDcrD  geechrteben  ist,  heiset  es, 
Shutiten-o  sei  aus  der  Minamoto-Familie  ynd  deren  Ahnherr  sei  ChinBei-Hacbiro- 
Tametomo. 

Bei  deD  höheren  Standen  der  Insulaner  kelirt  das  Zeichen  für  Tomo  als  Name 
mehrfach  wieder.  Dieselben  halten  sich  nlh  für  Abkömmlinge  von  Tametomo  (dem 
berühmten  Bageoschützen  JapaaSj  der  auch  auf  deai  ueuen  Papiergeld  abgebildet  ist). 

Im  3.  Jahre  Bundji  (1372)  wurde  der  Yorfahr  von  ShimadÄU  (Satsnma)^  Namens 
Tada-hiza,  Gouveraeur  von  Satsuroa,  Osumi,  Hinga  ynd  auch  Ton  den  südlichen  InseJn. 

Im  Bekimooogatarl  fiudet  man  ein  Verzeicbniss  yon  12  InseJn,  darunter  auch 
Okinawa. 

Im  10.  Jahre  der  Shohei -Periode  (1340)  wurde  dem  Ashikaga  Yoshinori  ein 
friiherer  Besitz  von  Shimadzu,  Sadahiza,  als  Lehn  gegeben.  In  dieser  Urkunde 
werden  die  18  Inseln  von  Kawanabegori  erwähnt,  worunter  die  Liu-kiu-Ineeln  zu 
verstehen  sind.  In  einem  Gedichte  des  Priesters  Bunshi,  der  zur  Tensho*Kecho- 
Periode  lebte,  heisst  es:  Nawa  liegt  eigentlich  in  Kawanabegori,  woraus  man  ersieht, 
dass  der  Vorfahre  des  Shimadzu  und  Satsiima- Fürsten  die  Inseln  verwaltet  hat 
Ashikaga  Yoshinori  hat  dem  Shimadzu  Sudakuni  die  Liu-kiu-Inseln  zum  Geschenk 
(Kaho-Lehn)  gegeben,  weil  er  im  Stande  war,  den  Revolutionär  Yoahiteru  zu  be- 
wältigen. Sechzig  Jahre  vor  dieser  Zeit  mussten  die  Liu-kiu-lnseln  auf  Befehl  der 
Ming- Herrscher  an  Japan  Tribut  zahlen.  Vermuthlich  war  zur  Zeit  der  Engen 
(Yen gen)  Periode  (133ß)  ein  Aufstand,  Japan  im  Norden  und  Süden  unruhig.  Der 
Satsuma- Fürst  hatte  daher  keine  Zeit,  die  Lin-kiu-Iuseln  zu  verwalten.  Dies  ist 
der  Grund,  warum  seit  jener  Zeit  uns  die  Inseln  entfremdet  sind.  Wahrscheinlich 
ist  der  eben  erwähnte  Tribut  eine  Wiederholung.  Wie  im  Tsuku-ichi-zan  erzählt 
wird,  kommen  zur  Zeit  des  Morumachi-Tenno  oft  Liu-kiii-Gesandte  nach  Kiyöto. 
In  der  alten  Geschichte  von  Satsnma,  Satsuma-kiukk  erwähnt  man  Äebnlicbes,  Zur 
Taikio-  (ChokiyOj  1473)  Periode  hat  der  Satsuma-Fürst  Yoshihiro  einen  Gesandten 
von  Llu-kiu  in  dem  Gebäude  Shiu-gaku-Dai  dem  Taikio  vorgestellt.  Im  14,  Jahre 
der  Kecbio-Periode  gr'ifi  der  Satsuma-Fürst  Liu-kiu  an,  weil  die  Inseln  lange  Zeit 
bchon  ki'inen  Tribut  gezahlt  hatten.  Der  Fürst  hatte  mehrere  Male  Gesandte  hin- 
geschickt, die  Liu-kiu-Insulaner  weigerten  sich  aber,  den  Tribut  zu  entrichten.  Nach 
Erlangung  der  Erlaubniss  vom  Shogun  (Taiko)  musste  der  Satsiima-Fürst  die  Insu- 
laner angreifen.  Barauf  schickte  der  König  der  Liu-kiu- Inseln  eine  Schrift  an 
Yebisa,  den  Fürsten  von  Satsnma,  in  der  ex  Tribut  zu  zahlen  versprach.  Von 
jener  Zeit  an  ist  es  bekannt,  dass  die  Liu-kiu*Inseln  dem  Fiir?teß  von  Satsuma 
tributpflichtig  waren. 

Nach  den  chinesischen  Quellen  heisst  eSj  dass  im  2.  Jahre  der  Taishio- 
Periode,  der  Dynastie  Sui,  ein  Admirfil  Kaban  berichtet  habe,  dass  im  östlichen 
Meere  eine  Insel  läge,  Im  4,  Jahre  derselben  Periode  Hess  der  Kaiser  den  Admiral 
als  Führer  von  Yoko-uki-shukan  nach  Liu-kiu  reisen.  Da  man  sich  aber  nicht  mit 
den  Einwohnern  verständigen  konnte,  kehrte  man  wieder  um, 

Im  I>.  Jahre  der  Taishio-Periode  schickte  der  Kaiser  Shukau  abermals  mit  einem 
Dolmetscher  hinauf?,  der  die  Liu-kiu-Sprachc  verstand.  Derselbe  brachte  kofu,  d,  h. 
Zeuge  mit  Dies  fällt  in  die  Zeit,  wo  Onomai-Koshin  nach  China  gereist  war.  Im 
7,  Jahre  hat  der  Kaiser  Bu-hinro^  To küchln,  Riochoko,  Taifu-chochin  nach  den  Liu- 
kiii-lnseln  gesandt,  um  dort  Unterhandlungen  anzuknüpfen,  die  aber  mit  Krieg 
endigten.     Viele  Tausend  Männer  und  Weiber  kamen  als  Gefangene  nach  China. 

Im  29*  Jahre  Shigen  schickte  die  Gen -Dynastie  Tetsuboku,  Jito,  Djimbu, 
Tshoko,  Shingen,  Banko,  Cbosbin  wieder  hinaus,  die  aber  ohne  Erfolg  heimkehrteu. 
Der  darauf  folgende  Krieg  führte    130  Menschen  nach  CbiDa  als  Gefangene,     Dies 


(1(14) 

gei?chah    ini  I.Jahre  Ko-an,    als    die  Ciiiaesen   mit  Jnpao  kärapftert  imd  bd  Ts«- 
kushi  auf  dt^r  Insel  Ktushiu  zunlckgeachlageu  wurden. 

Im  5.  Jalire  Kobu  schickte  die  Ming-DyD&stie  Gensho  na  den  König  der  Liu- 
kiu-ItiBulaeer,  Sntsudo  mit  Nameo,  eine  Schrift  dwreh  Kojiü  und  Yosai.  Die  Liu- 
k in- Beamten  Mroen-le,  Kioki  T!?urdep  darnuf  tiai-h  MiDg-Land  (China)  als  Osandte 
geschickt,     Di*^s  ist  der  erste  Verkehr  mit  China  seitens  Liu-kiu. 

Her  Sohn  des  Liii-kiu-Koni^s  Satsiido,  Namens  Bunc,  bestieg  tlt-n  Thmn  und 
empfing  den  Kalender  (Hosaku)  von  China.  Von  dieser  Zeit  ab  musstc  der  Liu- 
kiu-K*intg  auch  von  China  anerkannt  werden  (d.  h.  und  war  diesem  Reiche  tribul- 
pflichtig). 

Die  6  verschiedenen  Königsfamilten  heiascn: 

1     Teuaon  (Tien-sun),  dieselbe  geht  darcli  2b  Generationen. 

Auf  ihn  folgt  der  Sohn  des  japftoiachen  Helden  Tametomoi 
%    8hun-Tenno,  mit  3  Generationen. 

3.  Eso  (Ying-tso),  die  nach  b  Generationen  ausstirbt. 

4.  Satsudo  (Tsba-tö),  mit  2  Generationen. 

5.  Shishoo  (Shang-Sse-shao),  mit  7  Generationen. 

6.  Shojen  (Shang-yuf^o),  der  vom  Volke  erwählt  wurde,  und  dessen  Nach- 
kommen bis  zum  letzten  König  Shotüi  reichen,  der  1876  von  Japan  mcdiatisirt 
wurde  und  gegenwärtig  den  Rang  eines  Kaditoku  hat  und  in  Tokio  wohneD  sollte, 
wo  an  seiner  Stelle  sein  Sohn  sich  aufliält.  Einige  behaupten,  dieser  Shoyeo  sei  ein 
Nachkomme  der  2.  Dynastie,  Andere  führen  ihn  auf  die  erste  xurück, 

l  ri  =  S6  cho  =  2160  Vea  ^  12,9<50  sbuku  =  3927,27  Meter. 
1  kokü  ^  180,3907  Liter. 
1  kia  ^  601  Gramm* 


(in)    Hr.  Dr.  Kohl  er  in  Kosten  berichtet  über  das,  schon  in  der  letzten  Sitzung 

(Verbandl.  S.  127J  erwähnte 

Bronzegefäss  vo^  Unia. 

Da  meines  Wissens  ein  bronzenes  Gefass,  in  welchem  verbrannte  Gebeine  bicli 
befanden  und  welches  die  Gestalt  einer  Urne  hat,  in  der  hiesigen  Gegend  bis  jetzt 
nicht  gefunden  wurde  und  das  Exemplar  iu  meiner  Sammlung  viel  Interessantes 
bietet,  so  berichte  icb  vorlaufig  das  mir  Bekannte,  um  später  nach  näheren  Recher- 
chen Weiteres  zu  beschreibeu. 

Im  letzten  Sommer  wurde  auf  dem  Felde  zu  ünia,  Kreis  Wreschen^  Reg. -Bez. 
Posen,  heim  Pfiijgen  ein  bronzenes  Gefas»  (E«g.  1)  auf  die  Erdoberfläche  befordert 
Es  Boll  bedeckt  gewesen  sein,  doch  fjoll  der  Deckel  in  mehrere  Stucke  zerfallen 
sein,  auch  fehlt  der  Boden.  In  der  Urne  befanden  sich  kleine  Stöcke  von  Knochen 
mit  Erde  vermengt.  Die  Urne  von  grüner  Farbe,  welche  sehr  der  bei  Undset 
Seite  3,^9  abgebildeten  ähnelt,  ist  von  getriebenem  Bronzeblech  und  besteht  aa?> 
zwei  Theilen,  welche  in  der  Gegend  des  gntssten  Urofanges  des  Gefasses  durch 
16  bronzene  Niete  zusammeogenietet  sind.  Der  ober©  Theil  überragt  den  unteren, 
so  dass  der  freie  Rand  nach  unten  kommt  Die  Oraamentik  besteht  in  gepunzten 
Buckeln,  denen  innen  Vertiefungen  entsprechen.  Die  Gegend,  wo  die  Henkel  an- 
gebracht sindj  ist  frei  von  Buckeln.  Vom  Hoden,  an  der  äusseren  Seite  gemessen, 
bis  an  den  freien  Rand  der  Nietstelle  betragt  die  Höhe  21  cm,  von  da  ah  bis  au 
den  oberen  Rand  des  Oefasses  11 '/j  ctn.  Der  Durchmesser  am  oberen  Rande  be- 
tragt  22  cni;   der  umfang  des  Oefasses    ober   den  Nieten    misst    109  ew,    der    un~ 


grosseren    deatruktiven  EiukerbiJDgen  versebea.     Der  Bodeo  ist  ausgebrocbeo  ^  der 
untere  Rand  aucb  mit  destruktiv en  Einkerbungen  versebeo. 

Die  beiden  Heikel  siod  mit  je  zwei  (oben  und  unten)  Nieteo  an  das  Gefass 
befestigt.  Zwiscben  den  Nieten  befinden  sich  drei  Btickel.  Die  Henkel  von  S^l^cm 
Breite  selbst  sind  sonst  nicbt  mit  Buckeln,  nur  mit  Dellen  verziert ,  die  durch  ein 
veftieftes  LinieBornament  getrennt  sind.  Die  Innere  Fläche  der  Henkel  ist  glatt 
Die  in  eine  Fläche  ausgebreiteten  Henkel  würden  folgende  Gestalt  und  Ornamen- 
tirung  zeigen  (Fig.  2): 


ce*i' ««««*• 


^      CCOC0C#G€^C0CC'CC^CiC&C>&CC'G6CQ^G€CGC       ^ 


Im  nächsten  Sommer  werde  ich  an  Ort  und  Stelle  selbst  die  Gegend  besich- 
tigen, auch  wohl  Ansgrabungen  veranstalten,  und  den  weiteren  Bericht  xu  erstatten 
nicht  versäumen. 


(166) 


(11)    Hr.  W.  Schwartz  ubergiebt  einige  Blätter  mit  Zeicboungen  des  Fmherra 
YOE   Hardenberg  in  Posen,  betreff CEd  in  dessen   Besitz  befiodtiche 

Gräberfunde  von  Oluzyn  und  Kamelin,  Kreis  Kosten  u.  s.  w. 

1.  lu  Dluzyii  wurde  1882  eine  grosse  Auzahl  meist  schwarzer  Tboogefasse 
der  verscbiedensteD  Art,  dem  fausitzer  Typus  iini^ehcirig,  gefuDdeu,  darynter  solche 
mit  Buckeln  und  aufgericbtetcü  zugespitzten  Vorsprungen,  Einzelne 
Schalen  (PletscbeD)  hatten  Verzierungen  auf  der  inneren  Seite,  Aiisaer- 
detn  eiue  16  an  lange  Hronzenadel  mit  Brilienspirale  (Fig>  1),  eine 
22  cm  lange  ßronÄeoadel  nut  gebogenem  Halse  und  endsländigem 
Knopf  (Fig.  2)j  eine  12  cttt  lange  de&gifichen.  eine  blaue  Gla&peiir, 
4  kleine  und  ein  grösserer  Bronzering. 

2.  Bei  Trzebidüa  in  der  Nähe  von  Dluzyn  3  Thoogefasse  und 
eine  sehr  zierliche  „Pletscbe**,  an  deren  Boden  sich  ein  kleiner 
kegelförmiger  Zapfen  erhebt, 

3*  In  Kamelin  gleichfalla  1882  zwei  schwere  offene  Brc^uze- 
Armringe,  6,6  an  im  Durdiroesaer,  17  tum  hoch,  mit  einfai^h  linearen 
Verzierungen. 

4,    In  ßuckwitz,  Kreis  Fraustadt,  ein  eiserner  Sporn,  ein  halbes 
Hufeisen  und  ein  eiserner  Ring  von  einem  Pferdegeschirr. 
5*    In  der  Umgegend    von  Bromberg    zwei    durchbohrtey    geschliffene    Stein- 
hammer,  der  eine  22  an  lang  nnd  4  cm  hoch,  der  andere  14  an  lang  und  7  hoch. 


Fig.  2.  flg.  1. 


I 


(12)  Der  im  Jahre  1^80  gegründete  historische  Verein  zu  Broml*erg  hat 
einen  Jahresbericht  über  seine  Thatigkeit  im  Jahre  1881/82  erstattet.  Ks  wprden 
darin  Gräberfelder 

1.  in  der  Forst  bei  Myslencinuek  und  Tbalhoim, 

2.  bei  Niecponie  an  der  Weichsel  bei  Fordon, 

3.  zu  Fünfeichen,  Kreis  Bromberg 

erwähnt,  deren  Zeitbestimmung  zu  erheblichen  Zweifeln  Veranlassung  bietet.  Als 
bester  Fund  wird  der  von  Wojciechowo  bei  Nabel,  südlich  der  Netze,  beEeichnet; 
daselb&t  entdeckte  man  in  einer  grossen  kronenformigen  Schüssel  21  grosa»^  dicke 
massive  Bronzeringe  von  ovaler  Form,  spiralförmige  l)nibtrioge,  4  Fingerringe,  eine 
zerbrochene  Oliedeiketti%  Bernsteinperleu,  2  läugüche  Bronzehammer  und  neben 
der  Schüssel  ein  kurzes  „Schwert  (oder  Opfer messer)"  von  Bronze.  Aus  dieser 
Angabe  lasst  sich  leider  weder  über  die  „Hämmer",  noch  über  das  „Schwert**, 
welches  möglicherweise  ein  Messer  war^  etwas  entnehmen.  Genauere  Angaben 
wären  wünschenswertli. 

(13)  Hr.  Julius  Sauer  in  HilJburghausen  übersendet  Naehriehten  über  das  in 
London  befindliche  (Verbaudb  S.  llH)  behaarte  Laoskind. 

Hr  Bartels  legt  eine  Zeichnung  des  Vaters  dieses  Kindes  und  zum  Vergleich 
zwei  Bilder  der  behaarten   Birmanen  vor, 

(14)  Hr.  Bartels  zeigt  Photographien  aus  dem  Museo  civieo   in  Bologna. 

(15)  Hr*  Bastian  spricht  über  die 

Weihe  der  JÜnglJnga  bei  Eintritt  der  Pubertät. 

Der  Vortrag  erscheint,  weiter  ausgeführt,  in  einem  zur  Ausgabe  vorbereileten 
Buche, 


(1(57) 

(16)    EiDgegaDgeoe  Schriften. 

1.  Neues  Lausitzisches  Magazin.     Bd.  r)8.     Görlitz  1882. 

2.  R.  Falb,  Das  Land  der  Inca.     Leipzig  1883.     Geschenk  des  Hrn.  KQnne. 

3.  Mittbeilungen  des  Vereins  für  Erdkunde  zu  Halle  a  S.     1882. 

4.  Bulletino  della  Societa  Africana  dltalia.     T.  I,  Fase.  4. 

5.  Fernao  Card  im,  Do  principio  e  origero  dos  Indios  do  Brazil  e  de  seus  costumes, 

adora^ao  e   cerenoonias.     Rio  de  Janeiro   1881.     (lesch.  des  Hrn.  Dr.  Karl 
Henning. 

6.  Keyue  d'etbnograpbie.     Tonne  I,  Nr.  6. 

7.  Revue  des  Religions.     Tome  IV,  Kr.  6.     Tome  V,  Nr.  1,  2,  3. 

8.  Annales  du  Musee  Guimet.     Tome  IV. 

9.  Nachrichten  für  Seefahrer.     1883.     Nr.  1—5. 

10.    Annalen  der  Hydrographie  und  maritimen  Meteorologie.     1«83.     Heft  1. 


Sitzung  am   17.  Februar  1882, 
Vorsitzender  Hr.  Virohow. 

(1)  Der  Au88chu88  hat  sich  constiluirt  und  Hrn.  Kon  er  wiederum  zum  Obmann 
erwählt. 

(2)  Als  neue  Mitglieder  sind  gemeldet: 

Hr.  Major  Frohn hofer,  ßerliu. 

„  Juwelier  Paul  Teige,  Berlin. 

„  Dr.  Grünwedel,  Berlin. 

„  Major  Uhl,  Ingenieur-Offizier  vom  Platz,  Spandau. 

„  Dr.  Schroeter,  Dalldorf  bei  Berlin. 

„  Buchhändler  Behrend,  Berlin. 

„  Buchhändler  Goldstucker,  Berlin. 

(3)  Hr.  Virchow  legt  die  zu  seinem  demnächst  im  Verlage  von  A.  A  sher  &  Co. 
erscheinenden  Werk  über  das  Gräberfeld  von  Koban  angefertigten  Lichtdnick- 
tafeln  vor. 

(4)  Hr.  Bastian  überreicht  ein  Werk  über  die  Ethnologie  der  amerikani- 
schen Nord  Westküste  (Haidah),  welches  von  der  Direktion  der  Königlichen 
Museen  herausgegeben  ist. 

(5)  Hr.  Teige  zeigt  eine  von  ihm  angefertigte  und  für  den  Handel  bestimmte 
Nachbildung  des  Hiddensöer  Goldschmucks  und  einer  silbernen  bei  Swine- 
mfinde  gefundenen  Fibula. 

(6)  Hr.  Finsch  stellt  eine  reiche  Auswahl  der  auf  seiner  letzten  Reise  an- 
gefertigten und  erworbenen  Photographien  oceanischer  Rassen  aus. 

(7)  Hr.  Voss  übersendet  aus  Canstatt,  d.  d.  15.  Februar,  mit  nachstehender 
Erläuterung 

Costiimphotographien  von  Bäuerinnen  aus  der  Gegend  von  Tübingen. 

Nr.  1,  eine  alte  Frau  darstellend,  scheint  mir  besonders  bemerkenswerth,  da 
dieselbe  noch  eine  Vorstellung  davon  giebt,  in  welcher  Weise  man  dort  mit  der 
Spindel  spann,  indem  nehmlich  mit  der  linken  Hand  der  zu  drellirende  Flachs  von 
dem  Rocken,  hier  „Kunkel^  genannt,  gezupft  und  mittelst  der  in  der  Rechten  ge- 
haltenen Spindel  zum  Faden  gedreht  wurde.     Die  ^Kunkel*'  steht  dabei  isolirt  auf 


(170) 

einem  dreibeiüigen  FussgestelL  Auf  der  Pliotographie  ist  auch  nocb  ein  kleioer 
Handhaspel  dargf^steltt.  In  der  Gegend  vod  Loreb  im  Remsthad  spannen  einzelne 
Frauen  noch  ?ar  etwa  15  Jahren  mit  der  Spindel.  Auch  erzätdt  mir  Hr*  Hang, 
Bademeister  der  hiesigen  Veielscben  Anstalt,  dass  seine  Frau,  jetzt  72  Jalire  alt, 
noch  als  junges  Mädchen  ebenfalls  mit  der  Spindel  gesponnen  habe.  Sehr  geübte 
Spinnerinnen  behielten  übrigens,  wie  letzterer  angiebt,  die  Spindel  nicht  in  der 
Hand,  an  dem  Faden  hängend,  sondern  gaben  derselben,  zwischen  beiden  Händen 
den  Stiel  rollend,  eine  kräftige  Drehbewegung  und  Hessen  sie  gleich  einem  Brumm- 
kreisel auf  dem  Fußsboden  laufen  und  den  mit  der  rechten  Hand  gezupften  Werg 
drelliren*  Die  Spindeln  bildeten  einen  Hausirartikel,  der  mit  Zündhölzchen  und 
Ähnlichen  Dingen  von  herumziehenden  Mannern  verkauft  wurde.  Sie  waren  gleich 
«um  Gebranch  fertig,  mit  ^steinernen**,  wie  ich  aber  vermuthe,  thönerneu  Wirteln 
versehen,  llr.  Haug  hat  mir  versprochen  eine  „Kunkel**  nebst  Spindel,  wenn  es 
noch  möglich  ist,  zu  verachaffen. 

Schon  fraher  hatte  ich  über  das  Spinnen  mit  der  Spindel  berichtet,  wenn  ich 
nicht  irre,  im  Jahre  1875.  Damals  traf  ich  in  Rotlieaburg  a,  d.  Tauber  eine  Fniu, 
welche  mit  der  Spindel  spann  und  sieb  einer  ahnlichen  Kunkel  bediente.  Sie  s&gs 
aber  nicht  beim  Spinnen,  wie  die  auf  der  Photographie  dargestellte  Frau,  aondern 
stand  dabei,  indem  sie  ebenfalls,  wie  hier  auf  dem  Hilde,  mit  einem  Fuss  den  Rocken 
auf  dem  Boden  festhielt,  damit  er  nicht  umüele,  und  mit  der  linken  Hand  den 
Werg  zupfte,  während  die  rechte  die  Spindel  drehte. 

Die  Photoi;rapbieD  Nr*  2  und  3  steilen  Brautjungfern  dar  mit  grossem  krönen- 
förmigem  Kopfputz,  welcher  mit  Goldflittero  und  anderen  bunten  Sachen  reich  ver- 
ziert int.  Eine  Shnliche  Krone  erwarb  ich  im  vorigen  Sommer  in  Nürnberg  für 
das  KünigL  Museum.  Sie  stammt  aus  der  Umgegend  von  Nürnberg.  Ausserdem 
verdankt  das  Königl,  Museum  ein  ähnliches  Stück,  welches  aus  Norwegen  stammt, 
Hrn.  W«  von  Schulen  bürg,  der  vielleicht  über  die  Provenienz  desselben  noch 
Näheres  angeben  kann. 

(8)   Im  Namen  des  Hrn.  Ludoif  Paris ius  zeigt  der  Vorsitzende 

Bronzereste  und  einen  Thonscherben  von  den  Keller  bergen  bei  Gardelegen. 

Der  Pastor  Adolf  Paris  ins  in  Gardelegen  hat  diese  Stucke  in  der  Nahe  der 
Ülanen-Heitbalm  von  einem  grossen  ^ Wendenkirch liofe^  erworben.  Das  Urnenstück, 
hart  am  Boden  des  Gefasaes  ausgebrochen,  ist  sehr  dickwandig  und  besteht  aus 
grobem,  mit  zahlreichen  Kiesbrockeln  durchsetztem  Thon.  £&  ist  aus  freier  Hand 
geformt,  innen  und  aussen  einigermuasfien  glatt  gestlichen,  schwach  gebrannt,  so 
dass  es  innen  und  auf  dem  Bruch  schwarzlich,  aussen  grauröthlich  aussieht.  Eis 
seheint  zu  einem  ziemlich  grossen  Gefässe  gebort  2U  haben*  Die  Bronzestucke 
haben  durch  Feuer  stark  gelitten.  Das  eine  ist  ein  Fragment  eines  Tortjues;  das 
andere  besteht  aus  xwei  zusammengeschmolzenen,  zum  Theil  um  einander  ge- 
wundeneu Stücken  eines  scheinbar  glatten  Halsringes.  Offenbar  handelt  es  sich 
also  um  ein  Grabfehl  mit  Leichenbrand,  wahrscheinlich  der  germanischen  Zeit  an^ 
gehörig.  Da  der  Angabe  nach  die  Urnen  ohne  alle  Ornamente  sind,  so  ist  eine 
genauere  Zeitbestimmung  nicht  möglich. 

(9j  General  v.  Erckert  in  Fetrowsk,  Kaukasus,  hat  dem  Vorsitzenden  eine 
Reihe  von  Schädeln,  Skelettheüeu  imd  Beigaben  aus  kaukasischen  Gräbern  über- 
sendet, über  welche  letzterer  sich  vorbehält,  später  Mittheilungen  zu  machen.  Heute 
legt  er  folgende  schriftliche  Nachrichten  vor 


I.    Ein  Kurgan  bei  Stawrapol. 
^Hierzu  TaL  111.)') 

In  einein  Kurgan  (Grabhügel),  südlich  von  der  beinahe  2000  Fuss  hoch  auf 
einer  Hochflacbe,  von  Miocan  gebildet,  liegenden  Stadt  Stawropol  (genau  auf  der 
Wasserscheide  zwiscben  dem  Schwarzen  und  Caspiacheu  Meer)  fand  mau  folgend© 
Gegenstände,  die  icb  in  AbbilduDg  und  Beschreibung  mittbf^ilo: 

1,  Perlenschnur  aus  kleinen  gelben,  dem  Anschein  nnch,  goldenen  Kugel  eben 
mit  kleinen  durcbgebeoden  Oeffnungen  zum  Aufreihen. 

2.  Silberner,  wohl  Arm*Reif. 

ä.    Silberner  Hing,  durchweg  gerippt. 

4.  irans£  roher ^  zusamnien gebogener  Ring,  dessen  zusammenlaufondc  Enden 
dönnec  als  die  gegenüberstehende  Mitte  sind. 

5*  Art  Conus,  aber  platt,  mit  Oeffnung  in  der  Mitte,  und  abgerundet  nach  der 
Basis  zu^  die  platt  ist  (Spinnwirtel?). 

0.  Figur  aus  Bronze;  hinten  eine  starke  Oebse,  die  in  der  Lage  der  Figury 
wie  sie  abgebildet  ist,  von  links  nach  rechts  geht,  so  dai*s  beim  Befestigen  etwas 
von  oben  nach  unten  durchgesteckt  werden  muaste.  In  der  Zeichnung  ist  der  Gegen- 
stand ein  klein  wenig  grösser  als  in  der  Wirklichkeit  wiedergegeben  worden,  der 
besseren  Ausführung  wegen. 

7.  Roh  gerippter  Knopf  oder  Perle  mit  Loch  zum  Aufreihen  auf  einer 
Schnur;  auf  einer  Seite  etwas  abgestosseu,  wo  eine  glatte  dunkelrothe  Fläche  sicht- 
(mt,  wie  dunkelrother  Bernstein  oder  Carneol  glänzend.  Die  iiusaere  Fläche  ist 
muh  und  wie  mit  einer  Art  graugelbem  Kost  bedeckt. 

ö.  Cylinderförmige,  wie  eine  blasse  Hambiitte  schimmerDde  Perle,  die  in  der 
Mitte  etwaa  stärker,  als  nach  den  beiden  Oeffnungen,  zum  Aufreihen  (in  der 
Längenaxe). 

9.  Gauz  cylinderförmige  Perle  aus  blasser,  gelblich  grau  schimmernder,  wie 
Porzellan  aussehender,  polirter  Substanz  (oder  Knochen?).  Die  Zeichnung  darauf 
ist  ziemlich  fein  und  zart;  die  Bogenlinien  im  Original  mit  mehr  scharfen  Ecken, 
als  auf  der  Zeichnung»  sind  parallel  und  die  mittelsten  dicker  und  duukelgrau, 
etwus  bräunlich  schimmernd;  vier  solche  Streifeu.  Zwei  parallele  feine  Linien  be- 
gleiten die  concaven  Bogen;  sie  treten  scharf  hervor,  da  zwischen  ihnen  der  Unter- 
grund ganz  weiss  ist^  wie  er  überhaupt  (gefärbt)  auf  der  ganzen  Oberflfiche  gewesen 
SU  sein  scheint. 

10.  Durchsichtige  Perle  von  schmutzig  weissem  Stoff  (Glas?). 

IL  4  Pfeilspitaeu  aus  Bronze;  die  drei  Seiten  sind  concav  eingebogen,  sodass 
dje  drei  Kanttu  dazwischen  sehr  scharf  hervortreten*  Die  erste  PfeilapitÄe  bat 
ausserdem  Jtwei  ziemlich  tiefe  und  abgerundete  P^insehnitte  auf  den  drei  scharfen 
Kanten,  die  Honui  eine  Wellenlinie  bilden.  Die  Dülle  bildet  einen  bohlen  Cylinder  zum 
Befestigen  auf  einen  Pfeilstab.  Ausserdem  bat  bi^i  jediT  Pfeilspitze  eine  der  drei  cou- 
oAven  Seiten  eine  längliche  Oeffnnng,  vielleicht  dazu  bestimmtj  um  die  Spitze  besser 
zu  befestigen  (oder  zur  Aufnahme  von  Gift?),  damit  sie  sich  nicht  abstreifen  kann? 

12.  Blassbrauner  Stein  (Bruchstück  eines  grosseren  Stuckes?),  von  aussen  rauh 
und  wie  mit  Staub  bedeckt;  an  den  Rundem  abgeschlagen,  namentlich  auf  einer 
Seite;  sichtlich  ein  nur  wenig  grosseres,  als  gegenwärtig,  Oval  bildend,  und  ent- 
schieden   als  Deckel    eines  tierässes  dienend:    wenn  man  sich  den  oberen  muldeo- 


1)  Die  Abbildunfereii  Fip.  1 — ö,   7  —  11  in  natürlicher  iirosse,   Fig.  t>  etwas  vergtüsscrt, 
Fig.  r^ — 14  in  Vi  der  natürlichen  Grösse. 


artigen  täDglichea  Knopf  eitler  Griff  forLdenkt,  so  betragt  die  Dicke  (Hohe)  von 
oben  bis  zum  flachen  Boden  2  englische  Zoll,  Zwei  der  Seitenflächeß,  auf  denen  der 
doppelachichtige  Untersatz  des  miilden formigen  Koopfes  sich  befindet,  zeigen  eine 
flach  concave  Ausbiegung;  auch  die  nur  wenig  abgeschlagene^  gegenüberliegende 
Seite;  daa  Stück,  das  der  abgeschlagenen  Stelle  gegenüberliegt,  ist  aber  convex 
geformt  und  eben  nach  aussen  gewölbt,  so  dass  der  obere  Knopf  im  Verhäitrdss  zQ 
dieser  Seitenfläelie  so  zu  sagen  schief  stellt.  Der  Stein  scheint  sich  schichtweise 
zu  spalten,  oder,  besser  gesagt,  zu  blättern. 

13»    Stahldolch,  sehr  stark  verrostet. 

H,  Instrument  aus  ganz  dünnem  Knpfer,  uie  aus  Blech;  verrostet  und  grün- 
lich schiramernd.  Der  abgebrocfieue  (irififknopf  wurde  mit  einem  faden  befestigt. 
Die  Locher  in  der  Flache  sind  sichibiir  liureh  den  Rost  oder  irgend  einen  Unistaad 
entstanden,  da  die  Ränder  wie  abgeblättert  sind,  Rings  herum  ist  der  Rand  des 
Kreises  etwas,  aber  kaum  merklich  in  die  Hohe  gebogen,  während  auf  der  entgegen- 
gesetzlen  Flache  kb-ine  Funkte  als  Mittelpunkte  ganz  kleiner  Kreise  angebracht 
sind,  die  jedesmal  auf  der  Mitte  einer  S^artig  verschlungenen  Linie  liegen,  die  deo 
ganzen  Rand  umgietvt.  Z^wischen  dem  Knopf  des  Stiels  und  da,  wo  der  Stiel  an 
den  Kreis  st5sst,'ist  ein  schmaler  Querstreifen,  aber  eben  nur  auf  derselben  Seite, 
auf  welcher  die  Zeichnnnjj;  des  Randes  befindlich,  eiugravirt,  dessen  ZeichnuDg 
(wenn  solche  vorhanden  war)  wegtui  des  Rostes  nicht  zu  erkennen  ist. 

Das  Ganze  macht  den  Eindruck  eines  Geschirrs,  um  etwas  darauf  zu  präseu- 
tiren^  oder  den  etues  Hand»^piegels;  nur  ist,  was  auch  zufällig  sein  kann,  eine 
kaum  merklich  concave  Wölbung  der  Fläche  auf  derjenigen  Seite  zu  bemerkeUt  auf  der 
sich  die  Zeichnung  nicht  befindet  (was  für  die  erste  Annahme  sprechen  dürfte)  und 
auf  welcher  man  deutlich  die  ausgescblagenen  Punkte  der  anderen  Seite  hervor- 
treten  sieht,  während  die  Linien  in  S-Form  auf  der  anderen  Seite  nur  fein  ein- 
geritzt sind. 

2.   Ein  zweiter  Kurgan  bei  Stawropol,  ausgegraben  im  October  Iß8t 

Die  wahrhaft  zahllose  Menge  grosserer  (oft  recht  grosser)  und,  hin  und  wieder 
in  unmittelbarer  Nahe  von  ihnen,  kleinerer  Kurgane  im  nördlichen  Kaukasus,  vor- 
zugsweise längs  des  mittleren  und  unteren  Laufes  des  Terek,  der  Kumd  imd  des 
Kuban,  sowie  ganze  Kurganen-Felder  an  den  Nebenflüssen  des  letzteren,  besouden 
der  Laba,  veranlassten  mich,  nach  den  leider  nicht  zu  Ende  geführten  Ausgrabuagen 
in  Cujavien,  mein  Glilck  mit  einem  Kurgan  zu  versuchen,  und  zwar  aus  Mangel 
an  Zeitj  mit  einem  kleineren  {da  grosse  mit  10  Arbeitern  einen  Termin  von  drei 
Wochen  erfordern,  besonders  des  Wegschaffiens  der  Erde  wegen  und  über  100  Rubel 
Kosten  verursachen  für  die  Arbeiter  allein).     Es  wurde  5  Tage  daran  gearbeitet 

Der  Kurgan,  2  km  in  OSO. -Richtung  von  Stawropol,  hatte  eine  Höhe  von  3  w, 
einen  umfang  von  120  m,  lag  auf  freier  Ebene,  nicht  sehr  w^eit  von  einem  Wasser- 
lauf entfernt,  fiel  nach  Norden  besonders  und  Osten  etwas  steiler  ab,  als  nach  Westen 
und  Silden,  und  hatte  oben  eine  tlach  gebogene  Kuppe.  Seiner  geringen  Grösse  wegen 
schlug  ich  in  seiner  Mitte,  etwas  üt}er  dieselbe  nach  N.  hin  übergreifend,  einen  An- 
fangs 5  Schritt  weiten,  danu  auf  8  Schritt  erweiterten,  senkrecht  abgestochenen  uud 
in  der  Mitte  bis  auf  den  natürlichen  Boden  geführten,  nach  Suilen  mehr  als  15  Sehritt 
verlaufenden  (iraben,  der  später  iu  der  obersten  Schicht  nach  0.  und  N.  hin,  und 
tbeilwetse  auch  nach  W.  erweitert  wurde.  Die  obere  Schicht  bestand  aus  bröck- 
ligem, sehr  kidkigem  ^fergeb  di*r  nach  tien  Seiten  nlluirdilich  verlief  und  somit  den 
Eindruck  späterer  Aufachütlung  machte,  da  in  weniger  als  1  tn  Tiefe  die  schwarze 
Erde  plötzlich,  wie  in  der  ganzen  Umgebung,  zu  Tage  trat.    Kaum  hatte  die  Arbeit 


I 


073) 


bcgooDcu,  so  z«jigteii  sich  am  astlicLen  uLicreti  Haade.  di^s  Grabeu;»  Holzreste,  Eiche, 
jcfanz  braiifi,  aber  gut  erhalten;  sie  standen  schräg»^,  dacbformig  von  einer  Seite  in 
dern  Boden  iiud  JicMjeu  auf  Adighi'%  wohl  Kabardiner,  scbltesseo,  die  Doch  im 
torigen  Jahrhundert  diese  Gegend  bewohnten,  und  die  noch  heute  so  ihre  Todlen 
im  Grube  bedecken,  wie  sie  selbst  erzählen,  DasSkelet,  vollständig  erhalten,  lag 
mit  dem  Kopf  auf  der  rechten  Seite  und  auch  die  Beine  halb  seitwärts  gegen  W.,  die 
Füsse  gingen  O,  gekehrt  (Skelet  1);  etwa  6  Schritt  südlich  ilnvonj  ebenfalls  in  der 
Mergelachicht,  fand  sich  el>enbo  bedeckt  ein  zweites  Skelet( II),  durch  die  Becken- 
form als  weiblich  erkaantj  vollstündig  gut  erhalten,  nur  mit  wenigen  Zähnen  und 
ibeib  vernichteten  Alveolen,  sowie  niedrigem  Torsteheudcm  Unterkiefer,  im  dem  die 
Alveolen  schon  ganz  fehlten  und  selbst  Zahnspuren  fast  nicht  vorhanden  waren. 
Dabei  fanden  sich  kleine  Reste  eines  ganz  platten  Thierknochens,  ein  Stuck 
flach  gerundeter,  schwarzgrauer,  ziemlich  dicker  Scherben  feines  Gefa^ses)  und 
das  hintere  Stuck  einer  Schuhsohle  nebst  Hackeurest,  der  in  zwei  Reihen  mit 
Holznägel u  befestigt  war.  Das  Stück  der  Sohle  hatte  hinten  8,9  ein  Breite,  in  der 
sehr  feinen  Biegung  nach  vorn  beim  ITebergang  zur  Fusssohle  nur  3  crn.  Die  Lage 
des  Skflets  war  dieselbe,  kleine  Knochenreste  fanden  sich  beim  Umwühlen  in  der 
näheren  Umgebung*  Die  mehrtägige  Arbeit  wurde  mit  immer  grosseren  Schwierig- 
keiten nach  der  Tiefe  zu  fortgesetzt;  der  zähe  feste  Boden  erforderte  die  Anwendung 
der  Spitzhacke.  Auf  der  westlichen  Seite  des  Grabens  fand  sich  in  1  m  Tiefe  ein 
drittes  Skeletj  noch  in  der  Mergel -Erde,  den  Kopf  nach  0,  gekehrt,  vollständig 
bis  auf  Zahnlücken  erhalten  (JU)  und  ebenfalls  mit  theils  vernichteten  Alveolen 
oben,  —  Bei  weiterem  Graben  der  breiten  ynd  tiefen  Trane hee  kam  man  bei  1  m 
Tiefe  auf  achwarze  Erde,  mit  einer  Menge  mittdgrosser  und  kleinerer  Steine,  oft 
in  flachen  Stücken,  aus  dem  hiesigen  Miocän  bestehend,  und  eckig,  aber  auch  aus 
granitartigen  gerundeten.  Bei  i  m  Tiefe  fand  sich  in  der  Mitte  des  Grabens  und 
Hügels  ein  mit  dem  Kopf  nach  W,  auf  dem  Rücken  liegendes  Gerippe,  das  aber 
in  Asche  meist  zertiel;  vi>n  ihm  ist  nur  die  querdurch  gespaltene  (durch  den  Spaten) 
Schädelkapsei  grossentheils.  namentlich  die  rechte  Hälfte  erbalten,  einige  Stucke 
voro  BeJnknochen,  von  sehr  glatten  weissHchen  Thierknochen  und  ein  Stück  eines 
Thierzahna.  Die  grosse  Feuchtigkeit  der  schwarzen  Erde  bat  entschieden,  im  Gegen- 
satz zu  der  sehr  kalkigen  Mergelerde  und  dem  Schutt,  die  grosse  Verwitterung  ver- 
anlasst. Die  Schädel kapsr-l  stellt  dem  Auge  eine  schmale,  dolichocep!mle  Form 
inuthinas&tich  dar;  wenn  man  die  fehlenden  Rander  etwa  ergänzen  würde,  so  fände 
sich  etwa  200  :  160,  —  Das  Occiput  ist  am  Ende  scharf  zu  rück  gebogen,  steigt  nach 
voru  regelmässig  und  steil  gebogen  zur  Mitte  des  Schädels  auf  und  fällt  von  dort 
flach  nach  vorn  ab;  von  vorn  oder  von  hinten  gesehen  hi  der  Schädel  aber  ganz 
platt  und  fallt  dann  ziemlich  markirt  nach  beiden  Seiten  (Ohren)  ab^);  gut  erhal- 
tene einzelne  Zähne.  In  noch  grösserer  Tiefe  fand  sich  der  vordere  obere  Theil 
einer  Schädelkapsel,  mehr  südlich  der  vorigen,  der  Nasenansatz  sehr  wenig  zurück- 
tretend, die  Stirn  sehr  niedrig,  etwas  eingebogen  und  sehr  flach  zurück,  Sliru- 
bogen  98. 

In  der  nächsten  Nabe,  aber  leider  wohl  auch  beim  Graben  zerschlagen,  da  der 
Boden  eine  fettige  feste  Masse  bildete,  fand  sich  eine  sehr  grosse  Urne,  nach  Art 
der  im  Kaukasus  und  Mittelasien  noch  hente  gebräuchlichen  Gefässe  für  Flüssig- 
keiten, aus  schwarzem,  gebranntem  Lehm  (Thon)^  roh  gearbeitet.  Das  Gefass  geht 
vom  Bodenstüek    flach  in  die  Hohej    die  Scherben  sind  8  mtn  dick,    roh  gearbeitet 


1)  Der  Scheitel  bogen  etwa  150,  da  die  Sntura  rorooaria  ^¥im  vorn  anf  der  flach  abfallen- 
den  Schädeifläthe  liegt. 


Fig.  2.        Fig,  a 


Stcio  in  uDreg6lmä&5ig  elliptischer  Form,  schwer;  im  LaDgenumraog  245,  im  Breiten- 
imjfang  180  mm  gross.  Etwa  zwischen  den  Skeietresteo  und  der  grossen  Urne  fand 
sich  eine  viel  kleinere,  fast  ganz  erhalten  (Fig.  2);  110  mm 
hoch,  132  breit  j  Haladurchraesser  75;  oberer  Rand  92,  ßoden- 
durcbmesseröd*  ZeiclLnung nicht regulmaesig.  lilateriaUchwarz  gc* 
braonterTbon.  unweit  derGeripp-Reste  fand  sich  ein  aus  Bronze 
verfertigter  Äerächlagener  Gegenstand  und  ein  Spinnwirtel  (?) 
(Fig.  3),  27  mm  Durchmesaer,  ferner  ein  Bronze-Spiegel, 
2(Xt  mm  Durchmesser,  zerschlagen,  in  runder  platter  Form  mit  Griff,  der  zu  beiden 
Seiten  balbkreisffirmig  übergreift,  und  aus  4,  im  Ganzen  43  mm,  einzeln  je  5  mm 
breiten,  auf  der  hohen  Kaute  stehenden  Släben^  74  mm  laug,  besteht,  die  mit  einem 
^_^  Querstück  verbunden  sind,  vou  dem  auB  bi»  zum  Ende  des  Griffs  nioht 
mehr  4,  sondern  nur  3  Stäbe  gehen,  die  in  von  oben  nach  unten  gehen- 
den baramerartigen  kurzen  Querriegeln  enden  (Fig.  4).  Alle  ötäbe  haben 
an  den  Seiten  eine  kleine,  der  Länge  nach  gehende  Erhöhung.  Alles 
ist  sehr  stark  mit  Grünspan  bedeckt.  Die  äusserate  Abtheilung  des 
Griffs  und  der  Spiegel  selbst  w^aren  ab-,  reap,  zerbrochen ,  aber  leicht 
zusammenzusetzen,  —  Auch  da»  Gerüst,  ganz  erbalten,  eines  hinten 
breiteren,  45  mm  laugen  Käfers  fand  sich,  njit  zwei  dünnen  Hörnern 
nach  unten.  Der  Hügel  war  bis  in  grosse  Tiefe  von  Feldmäuseu  durch- 
wühlt —  Bei  beiden  Skeietresten,  die  zuletzt  beschrieben,  fanden  sich 
Reste^vou  Holz,  sehr  stark  verfault.  —  Als  ich  bis  zum  gewachsenen  Boden  und 
zwar  in  so  grosser  Ausdehnung  gelangt,  auch  keine  Aussicht  vorhanden  war^  in 
dem  feuchten  festen  Boden  iSchädel  oder  erbaltene  Gegenstände  zu  linden,  wurde 
die  Arbeit  eingestellt  und  nur  an  der  Oberfläche  des  Kurgan  nach  0.,  N.  und  W». 
rings  um  die  ausgegrabene  Stelle,  forigesetzt  Nahe  dem  Rande  der  Grube  gegen  N. 
zeigten  sich  ganz  dicht  unter  der  Oberfläche  der  Mergelschuttschicht  verfaulte  Holz- 
brcttchen,  schräge  gestellt,  und  unter  ihnen  auf  den»  Kucken,  mit  dem  Kopf  nach 
W.  liegend,  ein  vollständig  erhaltenes,  sehr  gebräuntes  Gerippe  mit  Kopf  (IV)* 


I 


(175) 


Ich  enthalte  mich  näherer  Combinationen,  glaube  aber  aoDehmeD  zu  dürfen, 
dass  die  Gerippreste  (noch  eines,  ganz  zerfallen,  lag  fast  auf  der  gewachsenen  Krde, 
mehr  nach  S.  yqu  den  vorigen)  aus  der  schwarzen  Erde  mit  Hronzespiegel  und 
rohen  Urnen  oder  richtiger  Gefassen  wohl  keinen  Zusammenhang  mit  den  Skelet- 
ten (I,  II,  III,  IV)  in  der  sehr  kalkigen  oberen  Mergelscbicht  haben,  und  dass  letz- 
tere eben  später  beerdigt  wurden,  wobei  man  den  vorhandenen  Eurgan  benutzte 
und  ihn  mit  der  Mergelschicht  erhöhte. 

Die  Kurgane  gehören  wohl  überhaupt  nicht  einer  Periode  und  einem  Volke 
an,  man  benutzte  sie  später  oder  nahm  diese  Begräbnissart  an.  Im  Allgemeinen 
weisen  die  leider  wohl  jetzt  ganz  verschwundenen  Baba's  auf  denselben  auf  Mon- 
golisches (? Kalmykisches),  da  die  am  Gürtel  der  Rabats  so  oft  angebrachten  Gegen- 
stande in  Stein  genau  dieselben  Sachen  und  in  derselben  Art  darstellen,  wie  sie 
die  Kalmyken  oft  selbst  heute  noch  zu  tragen  pflegen. 

£8  ergaben  sich  folgende  Schädelmaasse  und  Indices  an  den  Schädeln  Nr.  I — IV: 

A.   Schädelmaasse. 


3 

4 

ö 

G 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

13 

14 

15 

16 

17 

18 

19 

20 

21 


24 
25 


Schädellänge 

Schädelbreito 

Ohrhöhe 

Schädelhöhe  (nach  Kollmann)      .    .     .     . 

Stimbreite 

Circumferenz 

Stimbogen 

Scheitelbogen 

Hinterhaaptsbogen 

Gesammtbogen      .    ., 

Qesichtslänge  (Höhe,  Nasenwurzel  bis  Kinn) 
Oberkieferhöbe  oder  Obergesichtslänge    .     . 

Jochbogendistanz  (Jugaldistanz) 

Distanz  der  Suturae  zygom.  maxill.    .    .     . 
Distanz  der  Unterkieferwinkei    ... 

Breite  der  Orbita 

Höhe  der  Orbita 

Länge  der  Nase 

Apertarböhe 

Aperturbreite 

Oaumenlänge 

Qaumenbreite  (hinten  gemessen)    .... 
Länge  der  Basis  (von  aussen  bis  Foramen 

occipitale  magnum) 

Länge  des  Occiput 

Entfernung  der  Spitzen  der  Process.  mastoid. 


I        '^• 
I.     '  (weiblicher 

,  Schädel) 


176 

146 

115 

137 

92 

513 

127 

122 

100 

349 

124 

70 

128 

97 

102 

40 

29 

49 

24 

22 

45 

38 

96 

97 

101 


178 

144 

103 

117 

102 

517 

123 

119 

107 

349 

112 

65 

136 

93 

104 

43 

33 

49 

28 

26 

51 

40 

105 

87 

102 


IIL 


189 

142 

113 

135 

100 

535 

140 

130 

113 

383 

118 

74 

131 

88 

108 

39 

31 

51 

29 

22 

46 

32 

94 

91 

107 


IV'). 


187 

144 

111 

136 

95 

530 

128 

130 

116 

374 

117 

64 

138 

94 

10(5 

40 

31 

55 

33 

25 

51 

41 

103 

98 

106 


1)  Entspricht,  abgesehen  von  Nicht-Katarrhinie,  dem  chamäprosopen  mesocephalen  Typus 
Europas. 


La  nßcn  breiten  i  n  d^^\ 

Län^enhuhertiiidex 

Bretietihöheniodex 

OrbiUtindex     .    , 

Nft-Henrndex 

ttesichtsimicx  (aus  12  :  10) 
(aus  IB :  10) 
(ans  14  t  10) 

Obergesicbtsinriex  (ana  12:  II) 

iiaiiiucniüdex 

I^iiißenhobeDindex  (1:  3a) 

Breitenhohemudex  (2  :  Sh) 


C.    Kfiocben-Haasse. 


Ftmtir 

Tibia 

Brarbium  \    grüssle  Lange 

ül«:i 

Radius 

ÜQifanß  der  Mitte  d.  Femur 

Berechnete  Kaqiennaas^o  a  4mai  Peiimr 


405') 

390 

420») 

»45 

320 

mi 

380 

MO 

:iiivi  ! 

300 

mi 

aoT)  1 

? 

340 

247 

230 

220 

228 

80 

7^» 

fM) 

1G20 

l.WO 

im)      1 

1 

4Ö0*) 
874 
365 
330 
273 
2ß2 
ICD 
1800 


1)  Mit  Trochanter  terlius  am  rechten:  32  mm  lan|f,  8  mm  breit»  3  mm  hoch.     Am  linken 
kwuiii  bemerkbares  Rudimeiit.     Schädel  leicht. 

2)  Schädel  leicht, 

3)  Femur,  Tibia  und  Fibula  mit  tiefen  Rinnen  (FibuU  mit  2  EiiDaen);  im  Vergleich  7a\  1 
Sühädel  «chwer. 

4]  Femur  und  Tibia  sehr  srbaTfkintij^  im  Vergleich  zu  I,  ako  wohl  auf  (^osse  Muskel- 
ent Wickelung  schliesseu  lassend,  und  schwer  au  Gewicht,  wie  auch  der  Kopf. 


I 


(177) 


I. 

brach |cep1) Sil  -  ebHmikonch. 
leptoirhm  —  leptoprosop» 


IL 

brach  ycephal  —  chaiuikoncb. 
pUtyrrhin  —  chamfiprosop. 

IV. 
mesocephal  —  chamäkoDcb. 
leptorrhin  —  chamäprosop. 


III. 
meflocephal  —   cbamakotic^b. 
kptorrhiji  —  leploprosop. 


3,    Beschreibung  des  Kostüms  einer  K&barilineHii 

aus    dem  A-ul  Chode,    am    gleicbciamigen   Bergßuascben  gelegen,    das   vod  links  in 

die  Laba,  einen  linken  Nebenfluss  des  Kuban,  mundet. 

(Das  Kostüm  ist  fast  überall  bei  deo  Kabardinerinnen  genau  dasselbe.  Den 
Kopfputst  und  t^inige  nicht  wesentliche  Besonderheiten  ausgenommen,  erinnert  es  an 
das  der  Adighe  (Tsclierkessen)  nicht  nur,  sondern  auch  sehr  an  das  der  Ossetinnen, 
ja  der  kaukasischen  Volker,  besonders  Muhamedyner,  überhaupt,} 

L  Der  am  meisten  eigenthiimliche  und  in  die  Augen  fallende  Kopfschmuck 
besteht  AUS  einem  Ib  crn  hohen  Cy  lind  er,  dessen  Weite  auf  den  Kopf  passt  und 
der  horixontal  mit  4  silbernen  und  3  goldenen  ßandstreifen  nmnäbt  ist,  Ton  den 
Weiher ü  aus  dem  feinsten  Draht  gewebt.  Dieser  Cyliuder  verengt  sich  nach  oben 
markirt  in  eine  Spitze,  die  aus  6  flachen  Seiten  (spitzen  Dreiecken)  aus  gediegenem 
Metall  besteht  und  fast  20  cm  hoch  ist;  die  Seiten  sind  sehr  geschmackynll  grayirt 
nufl  mit  Gfdd  und  Schwarss  eingelegt;  ihre  Hauptverzierung  besteht  in  kurzen,  nach 
unten  gekehrten  Dreiecken,  eines  auf  jeder  der  6  Seiten.  Alle  Dreieke  sind  mit 
platter  Goldschnnr  eingefasst  und  inwendig  ähnlich  den  6  SeitenflächeE  der  Spitze 
verziert,  denen  sie  als  Verzierung  dienen*  —  In  der  Mitte  ist  ein  silbernes  Rad 
mit  H  Speichen  als  Verzierung  eingravirt  —  Von  der  Spitze  der  Kopfbedeckung  ganz 
oben  hängen  feine  silberne  KettcheB  mit  silbernen  Knopfehen  am  Ende  herab, 
Äü  den  Ecken  der  6  spitzen  Dreiecke,  die  den  oberen  Theil  der  Kopfbedeckung 
bilden  und  rings  um  den  cylindri sehen  Theit  derselben  befinden  sich  eben  solche 
Knopfchen  angebracht.  —  An  dieser  Kopfbedeckung  sind  zwei  ganz  feine,  lange 
goldene  Schnüre  befestig!^  die  in  2  silbernen  und  2  goldenen  kleinen  Quasten 
•odigea  und  vorher  zusammenlaufen,  im  Ganzen  etwa  20  cm  lang;  der  mit  dickem, 
auBsen  zopfartig  gedrehtem  Z^uge  durchflochtene  Zopf  hängt  hinten  über  der  zu- 
sammengehenden Stelle  der  beiden  Schnüre  hinaus;  die  Enden  der  Schnüre  befinden 
sich  also  unter  dem  Zopf. 

2.  Der  Gürtel  besteht  aus  Sa^anleder  und  ist  mit  fein  gewirktem  Silberband 
eingefasst;  in  der  Milte  des  Gürtels  eine  silberne  Litze,  wie  auf  den  Aufschlägen 
des  ersten  Garderegiments j  vorn  eine  sehr  massive  Art  Schnalle,  eher  ein  Mciall- 
Btuck  zu  nennen,  das  die  Hälfte  des  Gürtels  umspannt  Als  Schloss  dient  eine  senk- 
rechte Rohre,  in  die  von  oben  ein  Stift  gesteckt  wird.  Die  Verzierungen  der 
Schnalle  sind  von  Gold,  mit  Ornamenten  in  Schwarz.  —  Beiderseits  von  der 
Mitte  befinden  sich  zwei  silberne  erhabene  Knöpfe  in  ovaler  Form  (von  oben  nach 
unten  gerichtet).  In  der  Mitte  selbst  ein  eben  solcher  Knopf,  über  und  unter  ihr 
runde  Knöpfe. 

d.  Ein  dünner,  weisser,  mit  Blumen  durch wirkter  Schleier,  der  die  Kopfbedeckung 
und  den  Anzug  der  Frau  bedeckt. 

4.  £iu  langes,  dünnes  Mannshemd  mit  unten  sehr  breit  werdenden  Aermetn, 
die  mit  Silherband  eingefasst  sind;  es  ist  aus  seidenem,  wenig  glänzendem^  meist 
rothem  Zeuge  (Kana-us  genannt). 

5.  Ueber  dem  Hemd  wird  ein  vorn  ofFenes,  auf  der  Brust  zugehaktes,  langes 
seidenes    (Kana-us)    Kleid    mit    oben    ganz    engen    Aermeln    getragen ^    die    unten 

V^rb&QdL  der  B«rl.  4nüiri>poL  CedellJcliart  t%^X  12 


f 


(178) 


weit  uad  faitig  und  mit  Verzierungen  eiogefasBt  sind  (Beßchmet  wird  dieses  Klei- 
dnngsetück,  wie  ein  ähnliches  der  Maniier  genannt).  Meist  aus  gestreiftem  Seiden- 
zeuge, 

6.  Ueber  diesen  ßeschraet  wird  eine  Art  hohes  Leibchen  ohne  Aermel  mit 
ganz  kurzen  Schössen  rings  herum  angezogen,  das  vorn  auf  der  Brust  wie  ein 
Hu&aren-Dolman  verziert  ist  und  eotschieden  denselben  ('harakter  und  QrspruDg 
zeigt.  Drei  parallele  Reiben  ganz  kleiuer  Knopfe  gehen  von  oben  nach  unteu 
und  sind  horizontal  durch  massive  längliche  silberne  Prisma's  verbunden,  statt  der 
Schnure  der  Husaren«  Die  Ecken  der  kurzen  Schosse  dieses  Kleidungsstücks  sind 
mit  einer  Art  Blumeu-  oder  verschlungenen  Verzierung  ausgenäht,  ahnlich  der  bei 
den  Husaren-Attila's;  sie  besteht  aus  Silber-  und  Goldstickerei  und  Schnur. 

7.  Sehr  eigenthumtich  ist  die  Zopfverzierung;  sie  besteht  aus  weissem  Zitz, 
der  sehr  fest  und  oft  schmal  zusammengelegt  ist,  und  dann  zu  einer  Art  Zopf,  aus 
zwei  Stricken  bestehend,  zusammengedreht  wird,  der  tiefer  als  die  5litte  des 
Korpers  hinten  herabhängt  und  von  dort  in  zwei  schmalen,  dicken,  platten  Bändern 
bis  zu  den  Füs^sen  reicht;  diese  Bänder  siud  aber  nicht  gedreht,  sondern  vielfach 
zusammengelegt.  In  den  zopfartigen  oberen  Theil  wird  der  wirkliche  Zopf  hinein- 
geflochteu. 

8.  Saffian-Schuhe  aas  einem  Stock  ohne  Sohle,  wie  sie  der  Orient  tragt  und 
Pantoffeln  dazu  mit  dicken  Sohleu,  mit  Silber  und  Gold  ausgenibt)  vom  ganz  spitz 
zulaufend  und  mit  sehr  hohen  HackeD, 

9.  Seidene,  meist  gelbe  Pantalons,  unter  dem  seidenen  Hemd  getragen, 

4.    Besohreibung  des  Koatiims  einer  Ossetin. 

Das  junge,  sehr  schüchterne  und  bescheidene  Mädchen  von  15  Jahren  wurde 
von  ihrem  Bruder  begleitet;  sie  hiess  Fati-matt  (Sorge)  mit  Yornamen  und  Madsa-ty 
mit  Familiennamen.  —  Verschiedene  gebräuchliche  Vornamen  sind;  Gursechki, 
Gossi,  Digorchau,  Goska,  S  sah  matt«  Dolatchan  u.  s.  w. 

Die  Haare  warea  in  einen  Zopf  geflochten,  der  von  einem  feinen  wetasen  Tuch, 
meist  aus  gesticktem  Musselin,  bedeckt  ist,  das  unter  dem  Kinn  zusammengeschlagen 
und  dann  mit  den  Endeo  über  die  Schultern  zurückgeworfen  wird. 

Der  Bischmet  als  Oberkleid  über  dem  Bernd,  ganz  wie  bei  der  Kabardine- 
rin^ vorn  offen,  bis  zur  Taille  vorn  zugehakt^  oben  schräge  steil  ausgeschnitteD 
(ganz  wit?  die  Tscherkasska,  das  Oberkleid  der  Männer).  Die  Aermel  gerade  ujid 
eng,  nicht  ganz  lang^  auf  der  Brust  mit  silberner  schmaler  Tresse  eingefasst.  — 
Von  der  Taille  bis  unten,  etwa  13  cm  von  ihr  beginnend,  ein  breiter  Besatz  längs 
des  vorderen  Randes  des  offeuen  Bischmet  aus  hellfarbigem  Zeuge,  geblümt,  etwa 
18  cm  von  dem  unteren  Ende  aufhörend  und  dann  rings  herum  unten  den  Bisch- 
met garnireud.  Die  Taille  wird  von  einem  Gürtel  umschlossen,  dessen  vordere 
Hälfte  ganz  mit  massivem  Silber  bedeckt  ist;  auf  ihm  befinden  sich  drei  Vier- 
ecke,  erhaben,  eines  in  der  Mitte  und  je  eines,  etwas  enlferut  zu  beiden  Seiten. 

Unter  dem  Bisch met  wird  ein  anderes  ganz  kurzes  Kleid  getragen,  also  um- 
gekehrt  wie  bei  der  Kabiirdioeriu,  das  kaum  bis  zur  Spalte  reicIiL  vorn  offen  und 
zugehakt;  mit  Silbertressen  vorn  und  ringshenim  eingefasst,  und  Verzierungen  von 
Silberstickereien  in  beiden  mitereu  Ecken  der  Schösse  vorn  enthaltend,  ähnlich 
den  hei  der  Kabardinerin.  Vorn  auf  der  Brust  befinden  sich  breite,  horizontal 
gehende  Silberstücke,  massiv,  ganz  in  Art  der  Husaren*Schnüre;  von  oben  nach 
unten  laufen  in  der  Mitte  ziemlich  grosse  silberne  Knöpfe,  die  an  beiden  S^usseren 
Seiten  der  Silberstücke  aus  gajiz  kleinen  bestehen.  Der  Hals  ist  ebenfalls  mit 
imer  Silbertresse  eingefasst. 


(179) 

Das  Schnupftuch  wird  im  Gürtel  getrageü. 

Das  obere  Hemd  ist  voü  ganz  leichtem  karmoiBinfarbeciem  Seidenzeuge,  wie 
ein  MaDDsbemd  geschnitten  und  sehr  lang;  oben  ist  es  über  dem  ßischmet  nur 
Tom  sichtbar;  die  Hemdärmel  sied  mit  einer  ganz  feinen  Tresse  eingefaBst;  es  tritt 
so  zu  sagen  als  Kleid  unter  beidep  Bischniefs  unten  hervor  und  ist  aus  betlerer 
Farbe  als  der  obere  Bisch mel,  der  dunkelkarmoisin  ist. 

Das  Unterhemd  ist  weiss,  aus  LeinwaDd  oder  Baumwolle.  Die  Pantalons  sind 
aus  weiss-gelber  Seide. 

Das  Haar  wird  in  zwei  Zopfe  geflochten;  der  Scheitel  auf  dem  Kopf  ist  nicht 
genau  abgetheilt  —  Die  Strümpfe  ganz  gewohnlich.  — 

Das  Gesiebt  hatte  einen  »emitischen  Ausdruck,  Augen  mandelförmig,  Mund 
gross,  Lippen  in  der  Mitte  dicker,  angenehmer  Gesichtsausdruck,  Nase  fein,  nach 
unten  spitz,  Nasenlöcher  breit  uod  schräge,  Haare  dunkel,  Augenbrauen  sehr  Rchmal 
und  gerade.  Oberlippe  etwas  aufgeworfen,  Hände  ziemlich  fein,  Nagel  blank,  lang, 
zurücktretend  und  an  der  Wurzel  mit  weissem  flachem  Bogen,  feine  kleine  Ohren, 
etwas  breit  (ind  abstehend. 

5.   One  türkische  und  eine  arabische  Handschrift. 

General  v-  Erckert  ühersendete  auch  zwei  baiulscLriftlicbe  Bücher,  von  denen 
das  eine  seiner  Angabe  nach  in  einer  untergegangenen  Moschee  bei  einer  Grabstätte 
der  Teke-Steppe  gefunden  wurde. 

Hr,  Wetzstein  bemerkt  darüber  Folgendes; 

Die  eine  Haadschrift  ist  ein  langes  tijrkischea  Gedicht,  der  Sprache  nach 
etwa  250  Jahre  alt;  sie  ist  jedoch  kaum  100  Jahre  alt;  ein  Datum  tragt  sie  nicht; 
desgleichen  fehlt  ihr  der  Titel  mit  dem  Namen  des  Dichters.  Dm  den  letzteren  zu 
erfahren,  musste  man  die  HSS-Kataioge  der  Petersburger  und  Wiener  Bibliothek 
(wo  sich  gewiss  Abschriften  dieses  Gedichts  finden)  nachschlagen.  Dem  grösseren 
Gedichte  sind  noch  einige  kleinere  angehängt,  vermuthlich  auch  vom  Dichter  des 
grosseren.  Poetischen  Werth  haben  alle  diese  Ausflüsse  einer  Bchwachköpfigen 
Mystik  nicht;  auch  wird  wohl  das  grosse  Gedicht  keinen  Anspruch  auf  Originalität 
haben:  ich  halte  es  für  die  türkische  Nachbildung  eines  persij^chen  Originals. 

Die  zweite  Handschrift  ist  arabisch;  sie  enthält  nehmlich  eine  Zusammen- 
stelhmg  aller  derjenigen  Suren  (Abschnitte)  des  Konin,  welche  der  gemeine  Musel- 
mann kennen  und  auswendig  lernen  muäs.  Der  Mehrzahl  nach  sind  sie  aus  der 
zweiten  Hälfte  des  Koran.  Die  HS.  datirt  ans  dem  Jahre  1248  der  Higra,  ist  also 
ca.  50  Jahre  alt.  Sie  ist  sehr  dentlich  geschrieben,  durchweg  mit  Vocaizetchen 
Tersehen  und  war  —  wie  ich  das  bestimmt  weiss  —  das  Lesebuch  eines  nicht 
arabischen  (wahrscheinlich  persischen  oder  türkischen)  Seh  ulk  nahen. 

(10)  Hr.  Brauns  aus  Halle  spricht  unter  Vorlegung  von  Photographien  und 
japanischen  Abbildungen  (Hütten,  Beschäftigungen  u.  s.  w.  der  Ainos),  von  prä- 
historischen Stein-  und  Tbongerathen,  neuen  Holzgerälhen  der  Ainos  und  prähistori- 
schen Vergleichsstückcü  aus  Japan  über 

die  Ainns  der  Insel  Yezo. 

Obgleich  die  Literatur  über  die  Insel  Yezo  und  die  Ainos  —  die  Bewohner 
dieser  Insel,  sowie  der  Südhülfte  von  Saglmlien  oder  Karafuto  und  der  Kurilen 
nebst  der  südlichsten  Spitze  Kamtschatkas  —  in  den  letzten  Jahren  stark  an- 
gewachsen ist,  bleibt  doch  eine  auf  eigene  Anschauung  begründete  Schildertmg  der- 

12* 


I 


I 


(180) 

Belbeo  immer  erwÜDscht,  nameDtlich  um  die  häufigen  Widereprüclie  der  Terachie- 
deoeo  Bericlite  und  der  AusichteD  der  Etlmologeu  zu  losen,  Id  dieser  Beziebuag 
fiiud  zuaächst  zwei  Puukte  hervorzuheben,  eiamiii,  dass  die  Aioos  nicht  im  Ent- 
ferutesten  zu  den  dunklen  Röbsen  gerechnet  werden  dürfen,  uad  zweitenB,  daßs  sie 
siucb  mit  ihren  südlichen  Nachbarn,  den  Japaoern,  keine  Verwandtecbaft  baben^ 
Hmaichtlich  der  Farbe  möchte  ieh  bemerken,  dasa  ich  die  Aiiios  beiderlei  Ge* 
echfecbtes  nicbt  dunkler  gefunden  habe,  als  manche  Europüer  sind,  ja  dasi  im 
Südeo  und  Osten  Europas  ger  nicht  selten  dunkler  gefärbte  Individuen  vorkommen, 
&is  unter  den  Ureinwohnern  Yczos.  Die  Behauptung,  dass  eine  dunkelbraune,  ja 
schwärzliche  Färbung  ihnen  zukomme,  erscheint  selbst  dann  unmotivirt,  wenn  mau 
keine  Rücksicht  darauf  nimmt,  dasa  die  Aiuos  —  aus  Aberglauben  —  sich  niclit 
eigentlich  waachen  und  daher  zu  Zeiten  erhebhcb  dunkler  scheinen  können,  als  sie  fl 
sind;  denn  auch  in  diesem  Falle  bleibt  die  Hautbrbe  immer  Äiemlicb  helL  Die  ™ 
eigentliche  Farbe,  welche  man  bei  Ainos,  welche  am  Meeresstrande  ihrem  Lebens- 
unterhalte nachgehen,  leicht  ungefalscht  beobachten  kann,  ist  ein  wenig  heiler  und 
minder  röthlich,  als  die  der  Japaner.  Besondere  Erwähnung  verdient  der  Haar- 
wuchs,  der  bei  den  Männern  am  ganzen  Leibe  entwickelt  ist^  etwa  in  dem  nehm-  ■ 
liehen  Grade,  wie  bei  stark  behaarten  Europäern.  Der  Bartwuchs  ist  sehr  schön; 
er  wird  bei  den  Weibern  durch  Tätto wirung  imitirt.  Auflallend  ist  die  lockige 
Beschaue nheit  des  Kopfhaars.  —  Der  Gliederbau  ist  viel  besser  als  bei  den  Ja* 
panern;  der  Unterschenkel  nicht  so  auflfalHg  verkürzt;  die  Muskulatur  ist,  bei  ge- 
ringerer Entwickeluüg  des  Unterbautfettes,  im  ÄJittel  entschiede d  kräftiger.  —  Die 
Pb)fsiognomie  und  der  Scbädelban  differiren  ebenfalls  sehr.  Die  Augen  quellen 
nicht  vor,  wie  beim  Japaner,  sondern  sind,  wie  bei  uns»  vom  oberen  Augenhohlen- 
rande  wohl  beschattet;  die  Augenhohlen  sind  (wie  dies  der  Skelettheil  des  Gesichts 
ausweist)  minder  hoch  und  daher  ist  auch  die  Lidspalle  horizontal,  wenigstens  bei 
allen  nicht  hybriden  Individuen.  Die  Stirn  ist  gerader,  der  PrognalhiBmus,  wenn 
iiberbaupt  TorhandeUj  wesentlich  geringer,  die  Nase  und  das  Kinn  sind  im  All-  H 
gemeinen  gut  entwickelt,  während  sie  bei  dem  japanischen  Stamme  sehr  mangel- 
haft  gebildet  erscheinen.  Auch  ist  der  Ausdruck  des  Gesichts  ein  anderer;  eine 
gewisse  Furchtlosigkeit  paart  sich  mit  Oi'enheit  und  zugleich  mit  dem  Ausdruck 
des  überaus  friedlichen,  fast  allzu  biegsamen  Sinnes  des  Aino&.  Es  mag  hi«^r  auch  _ 
anticipirt  werden^  dass  die  geistigeo  EigenschafLen  dem  äusseren  Eindrucke  ent-  ■ 
sprechen,  und  dass  die  Äinos  in  ihrer  diskreten,  gastfreien  und  dabei  ofifenen 
Weise  nicht  leicht  verfehlen  werden^  auf  irgend  einen  Reisenden  einen  gfjnstigereo 
Eindruck  zu  machen^  als  namentlich  die  Japaner,  wie  dies  übrigens  auch  schon  ■ 
mehrerseits  hervorgehoben  ist,  In  den  siidwestlicben  Theilen  der  Insel  ändert  sich 
der  Charakter  unter  dem  Einfluss  der  dort  herrschenden  Japaner  wohl  etwas;  auch 
kommen  dort  Bastarde  iti  ziemlicher  Menge  von  Letzter  Umstand  hat  ohne  Zweifel 
zu  manchen  irrthünilichen  Annahmen  von  einer  näheren  Verwand tt^chaft  der  beiden  ^ 
Stamme  Anlass  gegeben,  wie  denn  auch  eine  Sprachverwandtschaft  nur  von  solchen  H 
Reisenden  behauptet  sein  dörfte,  welche  die  Ainosprachc  nicht  kannten  und  das 
von  den  Ainos  —  durchgehends  —  geredete  Japanisch  als  deren  eigentliches  Idiom 
ansahen.  Alle  diejenigen^  welche  (wie  Dawidoff,  Klaproth,  Dobrotworsky, 
Pfizmaier,  V,  Siebold,  Scheube,  Batcbelor,  Miss  Bird)  grössere  oder  kleinere 
Aino-Vocabularien  anlegten,  sind  diesem  Irrthume  fern  geblieben. 

Diese  Beobachtungen  drängten  sich  mir  bereits  bei  der  ersten  Bekanntschaft 
mit  den  Ainos  in  und  um  Sapporo  ^-  wo  ich  auch  die  von  Saghalien  bei  der  Ab- 
tretung dieser  Insel  an  Russlaud  herübergewanderten  Ainos  kennen  lernte  —  in 
vollem  Maasse  aul    Ergänzt  wurden  sie  in  sehr  erfreulicher  Weise  bei  Gelegenheit 


I 


r 


einea  Festes,  welches  die  Behörden  Sappnro'a  am  O.Juli  T881  veranataltetcD ,  um 
mir,  wie  sie  sagten,  neben  den  Produkten  der  moderEen  Civil iRatinn  auch  die  firO- 
hereo,  alterthumlichen  Zustande  der  Insel  vorzoffibren.  Eine  Anzahl  Ainos  —  aus 
Sagbalien  Btanimend  —  war  ?ersanimelt  und  lagerte,  Sake  oder  Eeiswein  trinkend, 
von  onentalisclien  Lampen  beleacbtet,  an  einem  Ende  deß  grossen  Saales,  in  wel- 
cbem  wir  saasen. 

Auf  das  Signal  zum  Anfang  erhob  sich  ein  jüngerer  Mann,  wahrend  die  älteren 
Dorfobersten  sitzen  blieben,  und  leitete  sämmtliche  Frauen  zu  einem  Rundtanze  an, 
wahrend  dessen  sie,  die  Gesiebter  nach  der  inneren  Seite  des  Kreises  gekehrt,  sich 
abwechselnd  niederliessen  und  wieder  erhoben,  und  zugleich  feierlich  sich  in  der 
Runde  fortbewegten.  Trotz  der  malerischen,  aus  langen  Ulmen  bastrocken  und 
metallenen  Gürteln  —  an  denen  geschnitzte  Messer-  oder  Sichelscbeiden  hingen  — 
bestehenden  Tracht  war  dieser  Tanz  jedoch  nur  von  untergeordnetem  Interesse  im 
Vergleiche  zu  dem  sanften,  melancholischen  und  dabei  melodiösen  und  in  richtigem 
Takte  gehaltenen  Gesänge,  der  mich  z.  B.  in  Norwegen  nicht  im  Mindesten  über- 
j  rascht  haben  wurde^  hier  aber  im  allcrsch neidend sten  Contraste  gegen  die  Oesanges- 

leistungen  der  Japaner  stand  und  eine  ganz  andere  Geistesrichtung  bekundete. 

In    der  Umgegend  Sapporo'a  war  das  Dorf  Juisbikari  von  vorragendem  Inter- 
esse, indem  ich  hier  die  Bauart  der  Hütten  —  grosse  Vierecke  mit  klcinerej)  An- 
bauten,   alles    mit    Binsen,    Schilf  u,  s.  w.  behängt  —  und    manche   der   Lebens- 
gewohnheilcn    der  Ainos,    ihre  rührende  Anhänglichkeit  an  ihre  alte  Naturreligion, 
i  ihre  Verehrung    der  Sonne    durch    den    am  Ostfenster    der  Wohnung    aufgestellten 

^H  Inawo,  den  geheiligten  gekräuselten  Holzatab,  ihre  Furcht  vor  den  Todten  kennen 
^^  lernte.  Unter  ihren  Speisen  waren  gesalzeuer  Lachs  und  Hirse  wohl  die  wich- 
L  tigsten. 

^H  Die  Intelligenz    der  Ainos    ist    keineswegs  gering;    sie  erlernen  die  japanische 

^^^^^prache    sehr    leicht,    gewöhnen    sich  sehr  rasch  an  alle  nicht  mit  ihren  religiösen 

^^^^Vorstellungen    in  Conflikt  geratbende  Neuerungen,    wissen    sie  gelegentlich  in  ver- 

^^^^oesserter  Weise  anzubringen  und  stehen  auf  alle  Fragen  in  präcisester  Weise  Rede 

und  Antwort.    Ihr  Alter  verrathen  sie  nie  und  geben  vor,  es  nicht  zu  wissen;  sonst 

aber  erfuhr  ich  Alles,  was  ich  wrinschte,  so  z.  B.  erhielt  ich  eine  ausführliche  Dar* 

I  legung  ihrer  Farbenbezeichnnngen.     Es  überraschte  mich  nach  Allem  j  was  ich  bis 

dahin  gesehen,  nichi  mehr,    dass  diese  ganz  und  gar  der  unsrigen  conform  ist  und 

von    der   japanischen    darin  fundamental  abweicht,    dass  bei  den  Japanern  nur  ein 

^^        Wort  für  Blau  und  Grün  exietirt,  dass  aber  die  Ainos  streng  getrennte  Benennungen 

^M       für    beide  Farben    haben,    die  nur  in  Folge  der  japanischen  Interpretation  oft  ver- 

^^         wischt  und  verwechselt  erscheinen. 

NIo  Saru    oder  Sara    hatte    ich  Gelegenheit,    die  Reste  der  einzigen  staatlichen 
Einrichtung    der  Ainos    kennen    zu    lernen,    welche  über  die  Einsetzung  von  Dorf* 
behorden    hiuausgegangen    ist.     Hier    nehm  lieh    befand    sich    schliesslich    der  noch 
i  früher    in    geringer  Entfernung  landeinwärts,    bei  Biratori  oder  Piratoru  befindliche 

^H  Sitz  des  obersten  unter  den  Dorfältesten  oder  Otona'a,  der  deshalb  als  eine  Art 
^^  von  König  der  Ainos  angesehen  wurde.  Diese  immer  nur  nominelle  Macht  wnd 
I  Würde  ging  selbstverBtandlich  mit  der  Einfuhrung  der  japanischen  Herrschaft  vcr- 

I  loren. 

^^  Die  Reisen    sind    ganz  so,    wie  sie  unter  Anderem  von  Miss  Bird  beschrieben 

^H  werden;  ohne  die  zwar  von  den  Japanern  schauderhaft  misshandclten,  an  sich 
^^  aber  keineswegs  schlechten  Pferde  wjäre  absolut  nicht  fortzukommen.  Die  Ainos 
I  zeigen    sich    dabei   in  der  Hegel  brauchbar  und  gefällig,  manchmal  aber  als  gar  zti 

'  williges  Werkzeug    ihrer  Herren,     Solche  Züge    Ton  Rücksichtslosigkeit   gegen  die 


(182) 


Pferde  —  üire  eioxigeii  grösaeren  Haustbipre  — ,  wie  bei  den  Japanerü,  sah  ich  jedoch 
nicht  bei  ihnen,  zu  Zeiten  Bogar  das  GegentheiL 

Auch  überzeugte  ich  mich  namentlich  auf  dem  Ritte  längs  der  Küste,  dass  die 
japanischen  Angaben  der  Zahl  der  Äinos  auf  Yezo  sicher  um  ebensoviel  zu  niedrig 
gegriffen,  als  die  der  Japaner  übertrieben  sind.  Während  man  für  die  letE- 
teren,  welche  über  1(>0  000  Köpfe  stark  sein  sollen,  sicher  weniger  anzusetzen  hat, 
musa  man  die  officiell  auf  18Ü00  aDgegebene  Ziffer  für  die  Ainos  unbedingt  ver- 
dreifachen, um  der  Wahrheit  nahe  zu  kommen.  Der  Irrtbum  der  Japaner  ist  darin 
begründet,    dasB    die    grosse  Zahl  der  überall  an  grosseren  Flüssen  der  entlegenen 

iTheile  der  Insel  und  namentlich  entlang  der  ganzen  Küste  befindlichen  Ainod5rfer 

Lliicht  berücksichtigt  wurden,  sondern  einfach  das  Verliültnias  der  Quadrattiächen  der 
bekannten  und  unbekannten  Theile  zu  Grunde  gelegt  ist.  In  jenen  aber  sind  über- 
dies die  AinOB  zum  Theil,  nehralich  im  SW»  der  Insel,  gänzlich  verdrängt,  und  in 
den  gemischten  Distrikten  auch  immer  schon  etwas  reducirt 

Nach    allen    diesen  Beobachtungen,    zu   denen  noch  die  Traditionen  der  Ainos 

\xküd  die  in  denselben  immer  wiederkehrenden  Klagen  um  eine  bessere  Vergangen- 
heit, sowie  manche  epigonenhaften  Züge  in  den  Gewohnheiten  der  Ainos  ^-  z.  ß, 
ihre  Entwöhnung  vom  Führen  wirklich  guter  Waffen,  das  Vergiften  der  Pfeile  und 
Stellen  von  Fallen  gegen  ihre  Jagdthiere,  namentlich  gegen  die  Bären  —  hinzu- 
treteOf  ist  es  kaum  anders  mögUcb,  als  dass  mau  die  Ainos  zu  den  durch  Ycr- 
einaamung    geistig    verarmten,    früher    reicher    mit    Culturerzeugnissen    versehenen 

t^Nationen  rechnet.  Hierfür  eprechen  aber  giinz  vorzüglich  noch  die  prähistorischen 
J'unde,  welche  namentlich  in  der  Gegend  von  Otaru  an  der  Westküste  der  Jnsel 
gemacht  sind.  Die  dort  gefundenen  Gruben  für  die  Wohnungen  deuten  auf  einen 
Weg  von  Norden,  den  die  Ainos  nach  Yezo  zurückgelegt;  die  Muschelhaufen  ent- 
halten ausser  ganz  zierlichen  Topfscherben  viele  Steingerathe,  namentlich  Lanzen- 
und  Pfeilspitzen  aus  Obsidran,  Schmucksachen  verschiedener  Art,  z.  B.  Kugeln  a  dgL 
aus  Stein,  und  in  allen  diesen  Punkten  unterscheiden  sie  sich  wesentlich  von  den 
roheren,  an  Schmuck  leeren  und  an  Steingeräthen  sehr  armen,  des  Obsidians  gänz- 

liich  haaren  Muschelhaufen  von  ganz  Jupan  vom  39  Grad  Nordbreite  bis  zu  den 
südlichsten  Küsten  punkten  Kiuschiu's.  Gleichwie  sich  nun  schon  hierdurch  die 
Annahme  einer  früheren  Besiedelung  eines  grossen  Theils  der  Hauptinsel  Nip- 
pona  durch  die  Ainos  widerlegt  —  die  man  ganz  irriger  Weise  oft  gerade  durch 
die  prähistorischen  Funde  hat  hegrunden  wollen  — ,  so  beweist  es  auch  die  frühere 
höhere  Cultur  des  Ainostammes.  Da  aber  auch  eine  nähere  Verwandtschaft  mit 
den  —  haarärmeren,  prognatheren  und  dem  Tschuktschenstamme  ähnlicheren  — 
Giljaken  im  Norden  Siighalieus  nicht  anzunehmen  sein  dürfte,  so  müssen  die  Ainos 
durch  diese  abgedrängt  und  iaolirt  sein,  während  ihre  Verwandten,  nach  einzelnen, 
aber  bedeutsamen  Analogien  in  der  Sprache  und  besonders  nach  dem  Naturell  zu  _ 
schliessen,  doch  wohl  unter  den  Nordkoreanern,  den  eigentlichen  Kaoli  —  Oppert's  m 
kaukasischen  Typus  unter  den  Koreanern  angehorig  —  zu  suchen  sind.  Auch  diese 
haben  regelmässige  Gesichtsbildung  und  reichlichen  Bartwuchs,  weshalb  sie  von 
den  Japanern  als  „bärtige  Barbaren"  bezeichnet  werden;  sie  stehen  den  Südkore^- 
nern  —  Oppert's  mongolischem  Tjpus  —  in  ähnlicher  Weise,  nur  mit  mannich* 
faltigen  Vermischungen  und  üebergängen,  gegenüber,  wie  die  Ainos  den  Japanern. 
Freilich  hatten  die  Kaoli  ein  ganz  verschiedenes  Schicksal,  als  die  Ainos;  sie  wur- 
den zum  ÜultuTVolk,  wahrend  diese  im  Orwalde  von  Yezo  mehr  und  mehr  ver-  - 
wilderten*  Dis  spricht  aber  keineswegs  entscheidend  gegen  die  Annahme  einer  m 
Verwandtschaft,  während  ausser  den  oben  angeführten  Momenten  und  der  unleug- 
baren Befähigung  der  Äioos  ztt  grosseren  intellectu eilen  Leistungen,  als  ihnen  jetzt 


I 


I 


(183) 

zukommen,  auch  noch  der  Umstand  zu  Gunsten  jenf?r  Annahme  redet,  dass  trotz 
der  entwickelten  Cultur  der  Koreaner  sich  einzelne  Dinge  (z,  B.  die  lanzeoartigeu 
Thörmchen  an  Grabmonumenten)  wiederfinden,  die  augenfällig  an  Yezo  erinnern; 
endlich  auch  noch  der,  dass  dif  Traditionen  der  Kaoli  nebst  gewissen  Ortsnamen 
auf  die  südliclien  Theile  des  Amurlandes  —  am  Suogari  und  deBsen  südöstlichen 
Nebenflüssen  —  als  anf  friihere  Wohnplätze  des  Stammes  hinweisen.  Von  diesen 
lassen  sich  über  die  unteren  Amurgegenden  und  Saghalien  auch  die  Ainos  ganz 
ungezwungen  herleiten. 

Weitere  Versuche,  die  Ainos  sammt  den  Nordkoreanern  mit  anderen  Völker- 
schaften in  nähere  Beziehungen  zu  bringen,  wären  allerdings  zu  hypothetisch,  als 
dass  sie  mit  Bestimmtheit  ausgesprochen  werden  dürften;  was  aber  über  die  Her- 
kunft der  Ainos  gesagt  werden  konnte,  möchte  bestätigen,  dass  diese  zur  Zeit  Tollig 
unterdrückte  Nation  wohl  unser  Interesse  zu  erwecken  berechtigt  ist.  In  der  That 
liegt  es  nahe,  zu  wünschen  —  wenn  man  es  auch  leider  vorerst  kaum  hoffen  kann 
— ,  dass  die  stumme,  aber  beredte  Bitte  um  freundliche  Theilnahme,  welche  der 
emphatische  Gnisa  der  Ainos  und  ihr  melancboHscher  Blick  an  den  Fremden  zu 
richten  scheint,  auch  praktische  Folgen  hätte;  auf  alle  Fälle  aber  mochten  diesen 
Söhnen  des  Urwaldes  unserer  gemässigten  Zone,  unbedingt  den  friedlichsten,  gut- 
müthigsten  aller  sogenannten  „Wilden**,  unsere  vollen  Sympathien  nicht  zu  ver- 
sagen sein. 

(11)    Hn  Fritsch  spricht  über  die 

Partraitcharaktere  der  altägyptischen  Denkmäler. 

Die  Frage,  in  wie  weit  bei  den  figürlichen  Darstellungen   aUogyptischer  Kunst 
Portraitcharaktere    der    damaligen  Berölkerungen     von    den   Künstlern    festgehalten 
wurden,    hat    seit    langer  Zeit,    besonders    aber    Oftch    den    bahnbrechenden   Unter- 
suchungen unseres  hochverehrten  Nestors  der  Aegypfologeo,  Hrn.  Lepsiys  zu  ein* 
gebenden  Erorternngen    gefuhrt.      Das  Resultat    solcher  Erörterungen    ist    im   All- 
gemeinen   ein    wenig    befriedigendes    gewesen,    und    konnte    bisher    eine  Einigung 
darüber,  ob  wirk  lieh  in  den  Figuren  Portraits  vorliegen,   und  welche  Typen  der 
Bevölkerung    sich    darnach  abgrenzen  lassen»    nicht  erzielt  werden.     Ein  Theil  der 
Autoren    sieht   in    den  Darstellungen  mir  die  mechanischen  Leistungen  handwerks- 
roässig    geschulter  Künstler    und  findet  sie  alle  mehr  oder  weniger  gleichartig-,    ein 
anderer  Tbeil  erkennt  darin  wirkliche  Portraits  der  darzustellenden  Personen.     Beide 
Anschauungen  sind  wohl  als  zu  extrem  zu  bezeichnen,  und  die  Wahrheit  liegt,  'Wie 
so  häufig,  meiner  TJeberzeugung  nach  in  der  Mittej  die  Schwierigkeiteo   der  "Unter- 
suchung  dieses  Gegenstandes  waren    übrigens  früher  so  bedeutende ^  dass   ein  Aua- 
ei na nd ergeben  der  Meinungen  darüber  kaum   befremden  kann. 

Nur  durch   direkte  Vergleichungen    neben   einander  g6leg^"t&Y  na^"^''^" 
getreuer  AbbiJdongen    kann    man    sich   mit  den  Merkmalen  getiüg^^^  ^e^^"^^^^ 
machen,  um  ein  sicheres  ür  theil  zu  gewinnen.    Die  Herstellung  solo  Vi  et    A  v\\\\^^^^^^ 
ist  aber  kaum  anders  als  mittelst  der  Photographie  ausführbar.     Er«t    1  «^v   t    '^^      ^^ 
Anwendung  dieser  Methode  sich  mit  einer  früher  nie  geahnten  Lei (>i,t,iüV.    ■^\>e'*'^^ 
stelligen  lasst,  gewinnt  die  Boffnung  einer  befriedigenden  Losung   ^^t      \  ^    icU^^^^^ 
Frage  au  Starke.  ^ 

An  der  Hand  eines  reichen  photographischen  Material»  kau  i  i  -^d^^^ 
darauf  hinweisen,  wie  ich  bereits  bei  früherer  Gelegenheit  jxiiT  n'^h^:^  ^yfö*''^^^ 
erlaubte,    dasa  die  darstellenden  Künstler  ea  wegen  der  üüve,.jj^  'm'cti      *"^^    ipö^®' 


L. 


(184) 

sung  ihrer  Phaßtasift  durch  die  UmgebuDg  gar  nicht  vermeiden  konnteD,  mehr 
oder  weniger  Portraithaftea  in  ihre  Werke  übergehen  zu  lassen* 

Mao  hat  dabei  nicht  immer  scharf  auseinander  gebalten,  ob  die  Darstellung^  das 
'wirkliche  Portrait  der  Person  ist,  welche  nach  der  sonstigen  Bezeichnung  darin 
verkörpert  werden  sollte?  oder  ob  sie  das  Portrait  irgend  einer  Person  ist, 
welche  aus  unbekannten  Gründen  zur  Repräsentation  der  bestimmten  gewählt 
wurde?  Auch  im  letzteren  FalJe  ist  die  Darstellung  doch  immer  Portrait  und 
anthropologisch  annähernd  ebenso  wichtig,  gleichviel  ob  Hinz  oder  Kunz  einmal 
wirklich  so  ausgesehen  hat. 

Ganz  abgesehen  von  dem  zu  gebenden  Namen  kann  der  Anthropologe  jetzt  an 
die  Frage  herantreten:  Was  trügt  an  den  Darstellungen  ersichtlicb  Portraitcharak- 
ter  und  war  also  individuell?  Welche  Merkmale  treten  darunter  so  bestimmt  iind 
regelmässig  auf,  dass  sie  einer  grosseren  Bevolkerungsgruppe  zugehörig  gewesen 
sein  mi'issen  und  als  ein  Typus  zusamraeDgefasst  werden  können?  Welches  sind 
endlich  die  am  sichersten  abzugrenzenden  Typen  und  welche  Beziehung  haben  die- 
selben zur  all  gemeinen  Ethnographie  des  Landes? 

Nach  sorgfältiger  Sichtnng  liesse  sich  wohl  schon  jetzt  aus  dem  vorhandenen 
Material  ein  höchst  interessantes  Portrait* Album  vergangener  Jahrtausende  xu- 
sammenstellen,  wenn  auch  nur  selten  noch  die  Namen  zu  den  dargestellten  Zugeu 
mit  Sicherheit  zu  ermitteln  sein  werden.  Denn  selbst  da,  wo  man  von  vornherein 
hätte  glauben  sollen,  bestimmte  Personen  vor  sich  zu  habeo^  nehmlich  in  den 
Königsbildern,  hat  die  menschliche  Eitelkeit  die  Documente  der  Geschichte  ge- 
fälscht, indem  spätere  Herrscher  vielfach  auf  den  ehrwürdigen  Denkmälern  ver- 
gangener Dynastien  ihre  Namen  an  die  Stelle  der  richtigen  setzten.  In  einzelnen 
Fällen,  wie  z,  B.  an  dem  Kopf  Menephtah  I,  ist  aber  durch  die  mehrfache  Wieder- 
kehr derselben  Gesichtszuge  unter  gleicher  Bezeichnung,  der  Beweis  geliefert  wor- 
den, dass  die  sterbliche  HiJlle  der  betreffenden  Person  den  darstellenden  EünstlerD 
wirklich  zum  Vorbild  gedient  hat. 

Ein  anderes  merkwürdiges  Beispiel  derselben  Art  bietet  die  (ebenso  wie  die 
vorige)  im  Bülak-Muaeura  bei  Cairo  aufbewahrte  Statue  des  Pyramide nerbauers 
Chefren,  da  von  derselben  ein  Duplicat  im  gleichen  Räume  steht,  welches  un- 
verkennbar die  nehmlichen  Gesichtszuge  tragt,  nur  sind  sie  einer  jüngeren  Per&on 
eigen  gewesen;  also  auch  hier  fand  jedenfalls  eine  Nachbildung  wirklich  existiren- 
der  Merkmale  statt  Andererseits  trägt  z.  B,  die  CoJosBalstatue  im  grossen  Vestibül 
des  Bulak-Muscumß  die  Kartusche  Ramses  IT,  ohne  doch  die  Zijge  dea  betreffenden 
Königs  zu  zeigen,  da  sie  jedenfalls  älteren  Datums  ist, 

Dass  nun  in  der  That,  auch  abgesehen  von  den  Konigsfiguren  in  den  Bild- 
werken, Portrait  Charaktere  zur  Darstellung  gelangten,  läset  sich  mit  einem  Blick 
erkenneoi  wenn  man  die  sogenannte  geographische  Liste  des  grossen  Tempels  von 
Karnak  betrachtet.  Ffüchtig  überblickt  erscheinen  die  männlichen  Proßlköpfe, 
welche  die  Kartuschen  mit  den  geographischen  Namen  krönen,  alle  gleich;  genau 
betrachtet  ist  kaum  ein  Kopf  dem  anderen  gleich  und  die  Absichtlichkeit  dieser 
Verschiedenheiten  ergiebt  sich  unzweifelhaft  aus  der  wechselnden  Behandlung  der 
Barttracht. 

Wenn  also  auch  die  Annahme,  der  Künstler  habe  durch  die  verschiedenen 
Köpfe  etwa  den  Bevolkerungstypus  des  betreffenden  Landes  zum  Ausdruck  bringen 
wollen,  keinen  Halt  hat,  so  schwebten  seiner  Phantasie  doch  jedenfalls  bestimmte 
Individuen  vor,  als  er  die  Figuren  entwarf. 

Dasselbe  gilt  von  ganzen  Reihen  meisterhaft  im  vertieften  Bas-Relief  an sgeffihr- 
ten  Köpfen    weiblichen  Geschlechts    am  Hathorlerapel    zu  Dendera  und  am  Horus- 


I 


I 


(185) 

tempel  xia  Edfu;  weiteres  werthvoUea  Poriraitniaterial  lii-fert  der  Seti-Tempel  zu 
Abydoa,  die  Tempe!  zu  Abti-Simbel  und  Kalabcheh,  sowie  die  Gröberfelfler  zu 
Sakk&ra.  Selbst  die  grosspreii,  präcbtigen  Photograpliien  solcher  Denkmale,  wie 
z.  B,  die  von  Sebah  in  Cairo  ausgeführten,  werden  aber  für  die  einzelnen  Ktipfe 
meist  immer  noch  eiüe  zweite  Vergrosserung  notbwendig  macben,  um  die  Merk- 
male ^ur  Vergleichuog  geougend  deotlicb  vor  sieb  zu  sehen;  dadurch  wird  die 
Aufgabe  eiuigermaasBen  iimständlicb  und  kostspielig. 

Wie  schlagend  zuweilen  der  Portraitcharakter  an  den  Bildwerken  sich  dem 
Beschauer  unmittelbar  aufdrangt,  dafür  bietet  eine  sehr  alte,  bewunderungswürdig 
ausgeführte  Holzfigur  am  Sakkara  (V.  Dynastie,  etwa  4000  v.  Chr.)  einen  guten 
Beweis;  deno  als  die  Arbeiter  die  merkwürdig  gut  erhaltene  Statue  mit  dem 
sprechenden  Gesichtsausdruck  zu  Tage  forderten,  riefen  sie  sofort  aus:  0,  das  iet 
ja  unser  Dorfschulze!  (Schech-el-be|pd).  In  Folge  dessen  heisst  die  Figur  bis  auf 
den  heutigen  Tag  der  „Scbecb-el-beied".  Dadurch  ist  zugleich  der  Continuität  im 
Aussehen  der  Bevölkerung  durch  die  stattliche  Periode  von  fast  6  Jahrtausenden 
Ausdruck  gegeben,  und  dies  führt  mich  hinüber  zum  zweiten  TheiJ  der  Aufgabe, 
nehmlicb  aus  den  Darstellungen  das  regelmässig  Wiederkehrende,  das  Typische 
abzuleiten  und  nach  verschiedenen  Normen  zu  umgrenzen. 

Oifenbar  ist  dieser  Theil  der  bei  Weitem  leichtere,  da  floissiges  Studium  grösserer 
Reihen  von  Darstellungen  unvermeidlich  mit  sich  bringt,  dass  ßich  ein  gewisser 
Durchschnittscharakter  dem  Beschauer  einprägt;  es  handelt  sich  also  wesentlich 
darum,  diesem  Coniplex  von  Merkmalen  einen  klaren  Ausdruck  zu  verleihen.  Bei 
solchen  Bestrebungen  sind  wohl  häufig  zu  strenge  Grundsätze  verfolgt  worden,  in- 
dem man  sich  bemüht«,  in  den  Bildwerken  so  und  so  viel  verschiedene  Bevölke- 
rungen mit  positiver  Sicherheit  nachzuweisen.  Es  scheint  mir  sachgemässer,  sich 
an  die  gegebeoen  geographischen  Verhlltnisse  anzuschliessen  und  demgemass,  von 
wenigen  Haupttypen  nach  der  geographiscben  Verbreitung  ausgehend,  die  Bildung 
von  weiteren,  untergeordneten  Typen  in  der  durch  locale  Verhältnisse  bedingten 
Vermischung  mit  Nachbarvölkern  zu  suchen. 

Je  mehr  man  der  Bildwerke  durchmustert  und  je  eingehender  man  dieselben 
vergleicht,  um  so  mehr  wird  einem  klar,  dass  die  phy Biographische  Grundlage  etwas 
specifisch  Aegyptisches  ist,  was  trotz  der  mannichfachen  Abänderungen  doch  immer 
noch  kenntlich  bleibt.  Die  Aussonderung  dieses  altägyptischen  Typus  muss 
begreif  lieber  Weise  von  dem  höchsteti  Interesse  sein,  wird  aber  gleichzeitig  nach 
der  Natur  der  Sache  auch  den  erheblichsten  Schwierigkeiten  unterliegen,  da  auf 
seine  annähernd  reine  Conservirung  bis  in  unsere  Zeit  oicbt  zu  rechnen  ist.  Trotz- 
dem mochte  ich  glauben,  dass  die  als  Dorfschulze  bezeichnete  Figur,  obwohl  sie 
an  eine  Person  der  Jetztzeit  erinnert,  in  ihrer  Eigenthümlichkeit  viel  von  dem 
altägyptiBcben  Typus  bewahrt  bat.  Die  breiten,  kräftigen  Gesichtszüge,  die  massig 
entwickelte,  nicht  auffallend  vortretende  Nase,  die  regelmässig  gestellten  Augen, 
welche,  uns,  so  zu  sagen,  recht  europäisch  ansehen,  der  energische  Mund  und  die 
gerundete  Kopfform  sind  dem  gleich  zu  besprechenden  Typus  nicht  in  solchem 
Maasse  eigen.  Ist  auch  das  Material  gerade  aus  dieser  ältesten  Zeit  leider  recht 
selteo,  so  wird  sich  doch  manches  dieser  Merkmale,  besonders  der  kräftige  Schnitt 
des  Gesichtes  und  das  stärkere  Auftreten  der  Breiten,  als  typisch  dafür  feststellen 
lassen. 

Neben  diesen,  hieroglyphisch  „Retu"  genannten  Völkern  erscheinen  sehr  früh 
die  libyschen  Volker  oder  Berber,  auf  den  hieroglyphischen  Inschriften  mit  dem 
Namen  „Tembu**  bezeichnet  und  heutigen  Tages  in  Aegypten  norh  durch  die  ßera- 
bra    vertreten;    ausserdem  siod  aber  die  westlichen  Wüsten  stamme  bis  zu  deu  Ka- 


n 


(186; 

byleu  Algiers  wohl  nh  aus  gleicher  Abstammung  hervorgegnngen  zu  betrflchtpn 
Der  EinfluBS  dieser  Hbyscheu  Volker  auf  deo  Habitus  der  ügyptiscbeD  scheint  mir, 
oacli  den  BildwerkeD  zu  schlieasen^  ein  besondera  grosser  gewesen  zu  seio;  denn 
der  grusste  Theil  aus  den  älteren  und  mittleren  Dynastien  zeigt  einen  Typus,  den 
ich  den  ägyptisch -libyschen  nennen  mochte.  Er  hat  nicht  mehr  das  Rohe, 
Massige,  aber  zugleich  Kraflige  des  alt-ägyptischen  Typus.  Eine  gewisse  Fülle  und 
Rundung  des  Gesichtes  erscheint  auch  hier  neben  mehr  hageren  Formen  recht 
häufig;  der  typische  Ausdruck  ist  aber  weniger  energisch,  meist  indolent,  nicht 
selten  schlaff.  Die  Nasp  erhalt  durch  die  stark  nach  vorn  gerichteten  Nasenbeine 
einen  hohen  Rücken  und  prominirt  daher  in  der  Seitenansicht  ziemlich  stark;  in 
der  Vorderansicht  erkennt  man,  dasß  die  Nasenwurzel  sich  nach  oben  schnell 
verbreitert  und  flach  in  die  gewölbten  Augen  brauen  bogen  übergebt.  Die  Augen 
selbst  tragen  den  sogenannten  mandelförmigen  Schnitt,  d.  h.  ihr  äusserer  Winkel 
ist  viel  spitzer  ausgezogen  als  der  innere;  häutig  sind  sie  dabei  etwas  schräg  ge- 
stellt. 

Die  Lippen  sind  dicklichi  i^hne  eigentlich  aufgeworfen  zu  seio;  es  fehlt  ihnen 
der  graziöse  Schwung  eines  edel  gebildeteu,  europftischen  Mundes,  wenn  sie  auch 
andererseits  den  aufgeworfenen  Charakter  des  Negers  nicht  annehmen.  Die  Ohren 
sind  bei  beiden  Geschlechtern  ziemlich  gross  und  abstebend. 

Die  Gesichter,  welche  uns  der  Stein  zeigt,  begegnen  uns  noch  heute  in  den 
Städten  und  DMern  Mittel-AegyptenSj  als  ein  Beispiel  einer  bewunderungswürdigen 
Constanz  der  Charaktere,  trotz  der  kolossalen  Ümwälznngen,  welche  Land  und 
Leute  im  Lanfe  der  Jahrtausende  erlitten  haben;  so  fand  sich  das  sprechend  ahn- 
liehe  Portrait  einer  Gawazi  (Tänzerin)  aus  Assiut  auf  der  Wand  des  Tempels  zu 
Kalabcheh,  wie  ein  Arbeiter  aus  Theben^  den  ich  im  Delta  traf,  an  die  kräftigen 
Zuge  des  Pyramide nerbauers  ChelTen  erinnerte.  Im  Allgemeinen  waren  die  kopti- 
schen Christen  schon  ihrer  Religion  wegen  am  meisten  gegen  Vermischung  ge- 
schützt und  unter  ihnen  durfte  man  daher  am  ehesten  hoffen,  überlebende  Bei^^piele 
für  die  alten  Volkstypen  zu  finden;  doch  darf  man  nicht  vergessen,  dass  sie  wohl 
gegen  mubamedaniscbes,  aber  nicht  so  wohl  gegen  griechisches  lilut  geschützt  waren, 
und  in  der  That  zeigen  gerade  die  Kopien  einen  recht  mannichfaltigen  Habitus. 

Zwei  weitere  Varietäten  liessen  sich  aus  dem  ägypti seh- iihy sehen  Typus  aus- 
sondern, indem  entweder  das  Profil  sich  anfängt  mehr  zu  strecken  und  die  geradere 
Nase  an  eine  ziemlich  hohe^  massig  zurückliegende  Stirn  anschliesst,  oder  im  Gegen- 
theil  die  Tor  tretende  Nase  krümmt  sich  erheblich  gegen  die  etwas  verdickte  Spitze, 
während  die  Stirn  stark  zurückliegt.  Beide  Varietäten,  von  denen  die  erstere  be- 
sonders an  den  Figuren  des  Sefitempels  zu  Abydos  gut  ausgeprägt  erscheint  und 
als  der  vornehme  ägyptisch-libysche  Typus  gegenüber  dem  gewöhnlichen, 
Tolksthümlichen  bezeichnet  werden  kann,  die  andere  durch  die  Ramsesportraits 
(z»  B.  Triumph  Ramses  IL  im  Tempel  zu  Abu-SimbeJ)  illustrirt  wird,  lassen  sich 
mit  dem  Grundtypus  noch  wohl  vereinigen.  Die  zu  zweit  aufgeführte  mochte  ich 
den  pseudo*8emi tischen  Typus  nennen,  da  die  beschriebene  Nasent>ildung  den 
Semitensuchern,  welche  solche  Vermischung  hinter  jeder  gekrümmten  Nase  wittern, 
einen  wiükomroeDen  Anhalt  für  ihre  Annahme  semitischen  Blutes  geboten  hat;  und 
doch  ist  diese  Bildung  des  Profils  so  charakteristisch,  dass  sich  der  Ausdruck  Rams- 
Nase  (RamBeft-Nase)  bis  auf  den  heutigen  Tag  erhaben  hat!  Abgesehen  davon»  daas 
eine  solche  Naß«  sich  von  einer  jüdischen  durch  Mancherlei,  z.  B.  durch  das  Ver- 
bältnigs  der  Spitze  zu  den  Nasenflügeln,  wohl  unterscheiden  lässt,  macht  doch  die 
Nase  nicht  allein  den  Typus  aus.    Eine  Vergleicbung  der  Portraits  wirklicher  Semi* 


b 


tciiy  wie  solche  in  den  nocb  ijcute  ziemlich  reiD  erhaltetieD  Bedumen  der  agjptischeu 
Wüsten  Torhandeu  sind,  läast  den  abweichenden  Habitus  leicht  erkennen. 

Die  BeimischuDgeD  anderer  Elemente  von  mannichfachen  Eindringlingeü  häuf- 
ten sich  a-llmihlicli  in  Aegypten  immer  starker,  uod  damit  verändert  sich  auch  der 
Portraitcharakter  auf  den  Denkmälern;  der  aus  der  Summe  dersdben  abzuleitende 
Typus  schliefst  sich  schon  recht  nahe  an  die  europaischeu  Formen  an,  weuu  auch 
immer  noch  das  «peclfisch  Aegyptische  daneben  hervorlritt.  Ich  möchte  diesen 
Typus,  welcher  sieb  am  besten  auf  den  Ptoleraäer- Tempeln,  besonders  dem  Horus- 
Tempel  zu  Edfu  (z.  B,  Kroüung  des  Königs  Horus  durch  zwei  Isis- Figuren  mit  der 
Krone  von  Ober-  und  tJnterägypten)  ausgeprägt  findet,  um  einen  mfiglichst  wenig 
präjudicirenden  Ausdruck  zu  gebrauchen,  deo  ägyptisch»arischcn  Typus  nennen. 
Hier  lässt  häufig  die  Nase,  was  Zierlichkeit  der  Bildung  und  Stellung  derselben  zu  den 
anderen  Gesiehteabschnitten  betrifft,  kaum  etwas  zu  wiinschen  uhrig.  Das  edle  Profil 
mit  der  aufstrebendcü  Stirn  wurde  jeder  europäischen  Dame  zur  Zierde  gereichen; 
nur  die  mandelförmigen  Augen  und  der  zwar  feiner  geschnittene,  absr  von  ver- 
führerischer Sinnlichkeit  umlagerte  Mund,  sowie  die  OhrenbiJdung  erinnert  noch 
an  das  Land,  in  dem  wir  uns  befinden.  Hier  leistet  auch  schon  die  Historie  hulf- 
reiche  Dienste  und  erklärt  uns  das  Auftreten  von  griechischen  oder  rrmiischen 
Charakteren  in  genügender  Weise. 

Viel  schwieriger  liegt  die  Sache  hinsichtlich  des  letzt  zu  erwähnenden  Haupt- 
typus, den  ich  als  den  ägyptisch- nigritischen  bezeichnen  will,  und  der  sich 
durch  das  Erscheinen  von  Merkmalen,  wie  sie  den  dunkelpigmeutirten  Afrikanern, 
Tulgo  Neger  genannt,  eigen  sind,  auszeichnet  Dazu  gehört  die  etwas  flache  Nase 
mit  dem  breiten  Ansatz  der  Nasenflijgel,  vortretende  Backenknochen,  grosse,  etwas 
glotzende  (nicht  mandelförmige)  Augen  und  die  stark  gewulsteten  Lippen.  Ein 
Beispiel  solcher  Bildnng  liegt  schon  ans  sehr  früher  Zeit  vor,  nehmlich  die  bemalte 
Kalksteinstalue  des  Priozen  Ra-hotep  aus  den  Gräbern  von  Sakkara;  auch  die  grosse 
Sphinx  bei  Gizeh  zeigt  diese  Züge,  soweit  die  Zerstörung  durch  den  Zahn  der  Zeit 
sie  noch  erkennen  lässt.  Gerade  auf  dem  Gräberfelde  von  Sakkara  begegnet  man 
auch  nicht  selten  Schädeln,  welche  mehr  oder  weniger  deutlich  einen  negroiden 
oder  nigritischen  Habitus  zeigen. 

Rs  ist  hier  nicht  der  Ort-^  die  verschiedenen  Möglichkeiten  gegen  einander  ab- 
zuw^ägeuj  welche  sich  für  die  Erklärung  dieser  Erscheinung  verwerthen  lassen,  und 
welche  Stützpunkte  für  die  eine  oder  andere  Theorie  das  Studium  der  Hieroglyphen 
darbietet.  Jedenfalls  ist  es  höchst  bemerkenswerth,  dass  die  nigritischen  Gesichter 
bereits  in  den  ältesten  Zeiten  des  ägyptischen  Reiches  (die  Statue  des  Ra-hotep 
wird  in  die  Zeit  der  TV.  Dynastie  gerechnet  und  gilt  als  das  älteste  aller  bekann- 
ten derartigen  Denkmäler)  auftreten;  was  auch  immer  die  Inschriften  erzählen,  die 
Bevölkerung  des  alten  Reiches  mnss  jedenfalls  selbst  bis  in  die  vornehmen  Stände 
hinein  auf  friedliche  Weise  Beetandtbeile  in  sich  aufgenommen  haben,  weiche  in 
der  Kürperbildung  den  dunkelpigmeutirten  Afrikanern  nicht  ganz  fern  standen* 

Vielleicht  waren  dies  Reste  einer  ürbevülkerung,  die  den  Anstoss  zur  rapide 
ansteigenden  Civilisation  durch  die  Vermischung  mit  einem  von  Aussen  eindringen^ 
den,  fremden  Elemeut  a!a  Culturträger  erhielt.  Die  hieroglyphischen  Inschriften 
erwähnen,  soviel  ich  weiss,  Nichts  von  einem  derartigen  Verhältniss,  indessen  sind 
in  neuerer  Zeit  auch  in  Aegypten  zahlreiche  Funde  einer  prähistorischen  Periode 
entdeckt  und  lebhaft  discutirt  worden.  Bei  der  Beurtheüung  solcher,  hauptsächlich 
aus  Steingeräth Schäften  bestehenden  Funde  ist  gerade  in  diesem  Lande  die  grösste 
Vorsicht  geboten;  denn  schon  die  Massenhaftigkeit  der  gefundenen  Objecte  muss 
dieselben  in  hohem  Maasse  verdächtig  machen.     Es  wird  sich  Niemand  gleichsam 


( 


zur  Belehrung  unter  Aufwand  von  Zeit  und  Mühe  oin  Steininstniment  zurechtr 
machen,  wenn  die  ganze  Gegend  damit  bestreut  i&t  und  er  hlose  zuzugreifen 
braucht.  So  wie  dem  Fell&h  einmal  klar  geworden  ist,  dass  selche  Dinge  gesucht 
werden,  so  unterliegt  es  im  Hinblick  atif  die  im  Lande  allgemein  verbreitete  Alter- 
thyroerfabrikatici^keiüem  ZweifeJ,  er  wird  dafür  sorgen,  dass  sie  auch  gefunden 
werden.  Andererseits  ist  man  desshalb  noch  nicht  berechtigt,  alle  hierher  gehörigen 
Funde  als  Fälschungen  tu  erklaren;  fijr  die  ganz  rohen,  in  den  Wosten  herumliegen- 
den Absprengsei  von  Feiiersteii]  darf  man  aber  jetzt  wohl  die  natürliche  Eni- 
stehung  durch  WitterunggeinHusse  als  erwiesen  betrachten. 

Scharfe  Kritik  würde  die  Zalil  der  unzweifelhaft  echten  Steingeräthe  aus  prfi- 
historischer  Zeit  Aegyptens  stark  leduciren  und  es  erscheint  gewagt,  daraufhin 
Hein  den  Beweis  eines  ürvolkes  zu  gründen^  zumal  der  Gebrauch  solcher  Geräth- 
Icbaften  zu  gewissen  rituellen  Zwecken  auch  in  historischer  Zeit  geübt  wurde* 
Ebenso  wurde  es  zweifelhaft  bleiben,  woher  das  Cultur  bringende  Volkselement 
gekommen  sei?  Wenn  sich  dafür  das  westliche  Asien  als  wahrscheinlichster  Aus- 
gangspunkt darbietet,  so  ist  mit  der  Annahme  dieser  Hypothese  noch  nichts  über 
die  Natur  der  betreffenden  Bevölkerung  gesagt,  oder  gar  erwiesen,  dass  es  Semiten 
waren.  Eine  bedeutende  Wechselwirkung  zwischen  den  benachbarten  Theilen  der 
beiden  Continente  ist  unzweifelhaft  und  reichte  jedenfalls  sehr  weit;  sehr  möglich 
ist  es,  dass  gerade  dieser  Wechselwirkung  der  frühzeitige  Aufschwung  znr  Cultur 
an  der  Berührungsstelle  Afrikas  und  Asiens  zuzuschreiben  ist.  Hinsichtlich  der 
Beschaffenheit  der  eigentlichen  Urbevölkerung  könnte  man  mit  Rücksicht  auf  die 
historischen  Quellen  znr  Vermuthung  kommen ,  dass  sie  den  ßlemmyern  verwandt 
gewesen  seien. 

Diese  Bleromyer  der  alten  Geographen,  welche  gegen  das  rothe  Meer  hin  wohn- 
ten und  sich  noch  bis  heutigen  Tages  durch  die  Bi scharin,  Hadendoa  und  verwandte 
Stämme  in  Resten  erhalten  haben  sollen,  werden  als  den  Aegyptern  feindliche  Be- 
völkerungen geschildert,  mit  denen  erbitterte  Kriege  geführt  wurden;  indessen  darf 
man  dabei  nicht  vergessen,  dass  es  sich  hier  um  den  prablenschen  Lapidarstil  der 
Hieroglyphen  handelt,  und  wenn  sich  auch  das  aufstrebende  Cultnrvolk  bald  in 
immer  grosseren  Widerspruch  zu  den  uncivilisirten  Horden  des  Landes  setzte,  so 
ist  das  ganze  Kriegstheater  doch  zu  eng,  um  anzunehmen,  dass  die  kämpfenden 
Parteien,  so  lange  es  sich  nicht  wirklich  um  fremde  Einwanderungen  handelte,  von 
Grund  aus  verschiedene  Bevölkerungen  waren.  Die  in  sehr  früher  Zeit  sich  unter- 
ordnenden, roheren  Bestandtheile  der  Urbevölkerung  Aegyptens  werden  natürlich 
nicht  Veranlassung  zu  Kämpfen  geworden  sein  und  haben  sich  daher  auch  keinen 
Platz  in  den  hieroglyphischen  Inschriften  erobert,  wenn  sie  auch  hier  und  da  ihre 
Züge  den  dargestellten  Figuren  zu  leihen  hatten.  Hr  Lepsius  hat  aus  den  vom 
ägyptischen  Typus  ?ibweichenden  südostlichen  Bevölkerungen  eine  besondere  Gnippe, 
die  Kuschiten,  gebildet,  wodurch  der  Verschiedenheit  ein  bestimmter  Ausdruck  ver- 
liehen wird,  wenn  ich  auch  offen  bekenne,  dass  mir  die  Abgrenzung  derselben 
schwierig  erscheint.  Gerade  wegen  dieser  Schwierigkeit  der  Abgrenzung  möchte 
ich  in  dem  Habitus  der  heutigen  Bevölkerungen  ein  Produkt  der  Vermischung  ver- 
schiedener Elemente  seheti,  wie  sie  sich  schon  seit  prähistorischer  Zeit  anbahnte. 

Was  die  Einwanderungen  in  historischer  Zeit  betrifft,  so  wäre  besonders  das 
Eindringen  der  Hyksos  und  der  Einfluss,  den  sie  etwa  auf  den  Habitus  des  Volkes 
hatten,  zu  berücksichtigen.  Die  berühmtesten  Bildwerke  aus  der  Hyksoazeit  sind 
die  machtigen  Sphinxe  im  Bulak*MusGum  zu  Cairo,  und  erscheinen  dieselben  gerade 
für  die  vorliegenden  Untersuchungen  um  so  mehr  wichtig,  als  sie  in  hohem  Maasse 
Portraitcharakter   in    den  Gesichtern    zeigen.     So   gewiss  dieselben  von  den  bereite 


I 


I 


erwähnten  ^yptischen  Tjpen  stark  abweichen,  so  gewi&s  ist  auch,  dass  kein  Zug 
in  diesen  Gosichteni  einen  semitischen  Charakter  trägt.  Die  enorna  breiteo,  wie 
gepolstert  aussehenden  Backenknochen,  der  energische  Mund  mit  den  geschwun- 
genen Lippen»  die  krÄftige,  aber  massig  vorspringende  Nase  mit  breitem  Rücken, 
der  regelmässige  Schnitt  der  Augen  und  das  rundliche  Rinn  alW  ZOge,  die  sieb 
heutigen  Tages  am  mei&fen  an  turanischen  Nationen  ausgeprägt  fioden. 

Sollen  die  Hyksos  also  bei  irgend  einer  Volkerfamilie  untergebracht  werden, 
so  sehe  ich  sie  lieber  mit  den  turanischen  Tereinigt,  als  mit  den  Semiten,  wo  sie 
sicher  nicht  bingehoren;  bei  den  contineatalen  "Wanderungen  der  asiatischen  Völker 
können  die  ersteren  gewiSB  ebenso  wohl  nach  Aegjpten  gc«]angt  sein^  als  die  letz- 
teren» Hätten  die  Hyksos  dem  specifisch  Aegyptiscbeii  nicht  so  fern  gestanden, 
würde  ihre  Spur  auch  uiclit  vergangen  sein,  wie  eine  Mythe,  trotz  der  mächtigen 
Herrschaft,  welche  sie  einst  über  Aegypten  ausübten. 

Ganz  anders  verhalt  es  sich  mit  den  wirklich  semitischen  Einwanderungen. 
Solche  fanden  bekanntlich  Fchon  in  sehr  früher  Zeit  über  die  Strasse  Bab-el-Mandeb 
in  die  Hochländer  südlich  von  Aegypten,  aber  auch  umgekehrt  von  afrikanischer 
Kaste  gegen  den  Süden  Arabiens  statt.  Wie  weit  solche  Einwanderungen  umgestal- 
tend auf  den  Typus  der  äthiopischen  Völker  eingewirkt  haben ^  darüber  enthalte  ich 
mich  des  örtheils;  nach  dem,  was  mir  davon  persönlich  bekannt  geworden  ist,  habe 
ich  keine  Veranlassung,  diesen  Binfluss  besonders  gross  zu  taxiren,  wahrend  noch 
bis  heutigen  Tages  der  Somali  Arabiens  ein  echter  Afrikaner  geblieben  ist 
nnd  so  aufs  neue  die  bewunderungswürdige  Zähigkeit  der  nigiitischen  R^ss^en  do- 
cumentirt.  Die  ägyptischen  Volksstämme  verhielten  sich  auch  durin  abweichend 
von  dcD  nigritiscbeo,  dass  sie  den  tn  spät  historischer  Zeit  eindringenden  semiti- 
schen Elementen  Arabiens  wenig  Widerstand  entgegensetzten  und  unter  dem  Ein- 
flnss  derselbeD  sehr  bnid  deü  charakteristischen  Habitus,  wie  ihn  die  Denkmäler 
uns  enthülJen,  aufgaben. 

Dies  gilt  besonders  vom  Delta  bis  hinauf  nach  Cairo  und  in  die  Städte  Unter- 
Aegyptens,  wo  in  der  That  die  Fellachenbe Völker uug  heutigen  Tages  einen  durch- 
aus anderen  Schnitt  des  Gesichtes  aufweist,  ab  dem  ägyptischen  Typus  oder  einer 
seiner  Modificationcn  entspricht  Auffallend  war  mir  besonders  die  Schmulbeit  der 
Nasenwurzel  und  der  markirte,  schroffe  Ansatz  der  Augenbrauen,  was  mich  längere 
Zeit  an  der  Correctbeit  der  hieroglyphischen  DarÄtelluugen  in  diesem  Punkte  zweifel- 
haft machte^  bis  ich  die  antike  Form  in  Ober- Aegjpten  lebend  antrat  — 

Der  flüchtige,  so  eben  gegebene  üeberblick  über  das  bereits  zur  Vergleichung 
vorliegende  Material,  welches  sich  bei  genügender  Aufmerksamkeit  bedeutend  ver- 
mehren lassen  wird,  lehrt,  wie  mannichfaehe  wichtige  Fragen  dabei,  wenn  nicht 
gelöst,  doch  ihrer  Lösung  näher  gebracht  werden  können.  Wenn  es  mir  Zeit  und 
Müsse  vergönnen,  hoffe  ich  später  einmal  der  Gesellschaft  ein  ait*  ägyptisch  es  Por- 
trait-AI  bnoi  vorzu  legen, 

(Eine  grössere  Anzahl  der  Geselischaft  vorgelegter,  theils  eigener,  theils  von 
Sebah  in  Cairo  angefertigter  Photographien  diente  zur  Illustration  der  angeführten 
Thatsachen.)  — 


Hr,  Band  fragt,  ob  die  Arier  nach  der  Meinung  des  Vorsitzenden  von  Norden 
oder  Süden  her  eingewandert  seien. 


Hr,  F ritsch  glaubt^  dass  dies  von  Norden  her  geschehen  sei. 
Hn  V.  Kor  ff  fügt  einige  Bemerkungen  hlnzn. 


(190) 

(12)    Hr.  Caatao    stellt   der  Geselkcbafb   die    zur  Zeit  io  seinem  Panopticdai 
aowes  enden 

Australier 


Hr.  Virchow  bemerkt  darüber  Folgendes: 

Der  Föhrer  dieser  Leute,  Hr.  Louis  Müller  brachte,  bevor  er  seine  Vorstel- 
lungen yor  dem  Publikum  eröffnete,  seine  Pflegebefohlenen  tu  mit  in  das  Patholo- 
gische Institut,  wo  ich  dieselben  genauer  untersuchte.  Nach  seiner  Angabe  hatte  er 
dieselben  in  ihrer  Hwiroath,  Frfizers  Island,  gegenüber  von  Maryborough  in  Queens- 
land, für  die  Reiise  angeworben;  die  Leute  selbst  bestätigten  diess  in  ihrem  gebroche- 
nen Englisch.  Der  Elteste  von  ihnen,  Jurano,  jetzt  Alfred  genannt,  sollte  ein  Alter 
TOD  22  Jahren  haben;  seine  Nichte  Susanne  wurde  als  L^ijährig  bezeichnet.  Das 
Alter  des  dritten,  Boony,  wurde  zu  18  Jahren  bestimmt 

Alle  drei  haben  ein  verhältnissmässig  frisches  Aussehen  r  obwohl  eher  mager, 
zeigen  sie  doch  jugendlich  gerundete,  ziemlieh  volle  Formen.  Die  europäische 
Kleidung,  welche  ^ie  tragen,  mag  einen  nicht  geringen  Theil  des  BigenthümlicheD 
decken,  was  sonst  den  Australier  auszeichnet;  nichtsdestoweniger  bleibt  so  viel  da- 
von aiehtbar,  duss  mir  wenigstens  der  Eindruck  des  Fremdartigen  in  viel  höherem 
Maas&e  eingeprägt  wurde,  als  ich  mich  sonst  erinnere,  ihn  jemals  bei  dem  Anblick 
einer  fremden  Rasse  empfangen  zu  haben  Es  war  das  erste  Mal,  dass  ich  lebende 
AuBtralter  sah,  indess  habe  ich  mich  so  viel  mit  diesem  sonderbaren  Volke  he- 
Hchäftigt,  ich  hitbe  so  viele  Abbildungen  ¥on  den  verschiedensten  Hlämmen  gesehen, 
10  viele  ßeschreibungen  gelesen,  so  viele  Schädel  studirt,  dass  ich  überzeugt  bin,  es 
seien  ganz  vortrefiTIiche  Specimioa  dieser  Rasse,  Die  zahlreichen  Mitglieder  unserer 
Gesellschaft,  welche  in  Australien  waren,  bestätigen  das.  Insbesondere  ßonny  und  das 
jonge  Mfidcheu  sind  wahre  Prachtexemplare,  während  sonderbarerweise  Alfred,  ob- 
wohl ein  naher  Verwandter  des  Mädchens^  eine  weniger  ausgeprägte  Physiognomie 
besitzt.  Nach  meiner  Auffassung  culminirt  die  Besonderheit  der  australischen 
Physiognomie  in  der  Bildung  der  Nasengegend  und  gerade  flafür  kann  Bonny  als 
ein  wahrer  Prototyp  gelten.  Diese  Bildung  hat  unzweifelhaft  den  Charakter  einer 
gewissen  Inferiorität,  wenn  mau  will,  Alfenartigkeit  an  sich.  Trotzdem  kann  ich 
nicht  sagen,  dass  die  Leute  im  Ganzen  einen  nugünfttigen  Eindruck  macheo. 
Namentlich  das  junge  Mädchen  hat  entschieden  etwas  Freundliches  und  Angenehmes: 
sie  ist  zur  Fröhlichkeit  geneigt  und  zeigt  grosses  Interesse  au  den  Dingen,  ohne 
jedoch  eine  gewisse  Zurtickhaltung  abzulegen.  Die  beiden  Burschen  halten  sich 
sehr  ernst  und  still,  aber  sie  sehen  nicht  stupid  oder  gar  thierisch  aus. 

Indess  das  Wichtigste  war  für  mich  doch,  endlich  einmal  die  beiden  Verhall- 
niise  aus  eigener  Anschauung  und  Prüfung  kennen  zu  lernen,  welche  durch  die 
vielen  Widerspruche  der  Berichterstatter  in  ein  gewisses  Dunkel  gehüllt  worden 
sindj  nehmlich  das  Colorit  und  die  HeschafiFenheit  der  Huare.  Dass  in  diesen  bei- 
den Beziehungen,  wie  bei  allen  gefärbten  Rassen,  mancherlei  individuelle  und 
St&mmeseigenthümlichkeiten  bestehen  mögen,  ist  höchst  wahrscheinlich;  nichls* 
destoweniger  lasst  sich  ein  gewisser  Generaltypus  aufstellen,  und  da  kann  ich  sagen. 
dass  ich  die  hier  vor  uns  stehenden  Leute  dem  Bilde,  w^elches  ich  mir  aus  dem  sorg- 
faltigen Studium  der  Berichterstatter  gemacht  habe,  ungemein  ähnlich  gefunden  habe, 

Sie  sind  unzweifeihaft  Schwarze,  aber  mit  überwiegend  brauner  Nuance  und 
mit  grossen  regionären  Verschiedenheiten  der  einzelnen  Körperlheile.  Die  Farbe 
liegt  nach  der  Pariser  Fariientafel  zwischen  27  und  30,  also  in  derselben,  durch 
Beimischung  von  Braun  und  Braunroth  zu  Schwarz  charakterisirten  Reihe.  Am 
dunkelsten  ist  Bonny,  bei  dem  die  Stirn,  der  Hals  und  der  Vorderarm  ganz  dunkel 


(191) 

erscbeinea  (27 — 28),  inräfareDd  bei  Alfred  die  Nuance  28,  bei  SusADDe  29 — 30*vor- 
herrscheo.  Was  ich  schon  wiederholt  von  Leuten  gefärbter  Rassen  hervorgehoben 
habe^  zeigt  sich  auch  hier  wieder:  die  bedeckten  Theije  sind  vielfach  dunkler,  als 
die  der  Luft  und  dem  Licht  exp^nirteo,  Bo  erscheint  gerade  das  Gesicht  bei  allen 
etwas  heller,  mehr  dunkelbraun  oder  gar  gelbbraun,  fast  cm  einen  ganzen  Farbenton 
lichter,  süs  die  Stirn,  am  meisten  ähnlich  der  Färbung  der  UandÖäche.  So  hat 
Alfred  28  an  Stirn  und  Vorderarm,  28^29  an  Gesicht  und  Handfiäche;  Bonny 
leigt  27  —  28  an  Stirn  und  Vorderarm,  28  an  den  Fiugerrückeu,  28  —  29  am  Ge- 
sicht, 29*-30  au  der  inneren  Handtiäche.  Die  Nägel  sehen  verhältnissmüssig  bell 
aus,  sie  sind  von  weissrötblicher  Farbe.  Da  die  Leute  zu  Hause  fast  nackt  gehen,  so 
ist  der  unterschied  in  den  äusseren  Bedingungen  an  sich  gering,  und  es  muss  den 
örtlichen  Abweichungen  der  Farbentone  ein  grosseres  Gewicht  beigelegt  werden. 
Im  üebrigen  ist  die  Farbe  eiwe  sehr  gleichmässige  und  die  Baut  hat  das  weiche 
sanfte  Geffibl,  welches  die  schwarzen  Rassen  auezeichnet.  Ich  will  sofort  hinzufügen, 
daas  die  dickeu,  stark  vortretenden  und  aufgeworfenen  Lippen  ein  livides,  fast 
schwarzliches  Ausseben  haben  und  selbst  innen  mehr  bläulich  erscheinen. 

Das  Haar  ist  im  Ganzen  wenig  entwickelt  Beide  Männer  haben  wenig  Bart: 
an  der  Oberlippe  und  den  Wangen  vereinzelte  kurze  Haare,  am  Kinn  eine 
etwas  reichlichere,  jedoch  gleichfalls  dünne  Behaarung.  Nur  die  Augenbrauen  sind 
kräftig  ausgebildet.  Das  Kopfhaar  ist  rein  schwarz,  etwas  hart  anzufiihlen,  nicht 
sehr  dicht,  von  geringer  Liinge.  Selbst  bei  Susanne,  welche  sich  dasselbe  nach 
Aussage  des  Führers  noch  nicht  geschnitten  hat,  reicht  es  nur  bis  zum  Nacken; 
in  Folge  der  besseren  Cultur  erscheint  es  glänzend.  Aber  bei  Allen  behält  es  eine 
gewisse  Neigung  zur  Auflösung  und  Verwirrung.  In  Bezug  auf  die  Richtung  der 
einzelnen  Haare  unterscheidet  es  sich  sehr  bestimmt  sowohl  von  dem  straffen,  glat- 
ten Haar  der  Mongolen  und  Malayen,  als  von  dem  Wollhaar  der  Neger  und  Ne- 
gritos;  es  ist  mehr  schlicht,  jedoch  mit  entschiedener  Neigung  zu  welliger  Biegung, 
die  eich  aber  nicht  am  Anfange,  sondern  erst  im  weiteren  Verlaufe  bemerkbar 
macht.  Daher  ist  es  nichts  weniger  als  kraus,  kaum  h^ckig.  Bei  dem  jungen  Jiäd- 
chen  biegen  sich  eigentlich  nur  die  Enden  um,  ohne  sich  jedoch  in  eigentliche 
Locken  zusammenzufügen. 

Bei  der  mikroskopischen  üntersuchuDg  erscheinen  die  einzelnen  Haare  sehr 
dunkel,  bei  schwachen  Vergrösserungen  fast  rein  schwarz,  bei  stärkerer  blauschwarz. 
Nur  die  Enden,  welche  sehr  dünn  werden  und  fast  ganz  zugespitzt  auslaufen,  sind 
hellgelbbraun  oder  fast  farblos.  Bei  dem  jungen  Mädchen,  bei  dem  die  Enden 
schon  für  das  blosse  Auge  eine  mehr  bräunliche  Färbung  zeigen,  sind  die  Haare 
eine  iängere  Strecke  vor  dem  Ende  ungemein  dünn,  zuletzt  ganz  fein  zugespitzt 
und  mikroskopisch  von  hellgelblicher  Farbe,  schliesslich  ganz  farblos.  Auch  fand 
ich  bei  ihr  einzelne  Haare,  welche  schon  in  ihrem  breiteren  Theil  mehr  hellbräun- 
lich aussahen;  diese  hatten  einen  wenig  entwickelten,  mehrfach  unterbrochenen,  un- 
gefärbten Markcy linder,  so  dass  der  in  Form  feiner  gelbbräunlicher  Körnchen  vor* 
handene  Farbstoff  ausschliesslich  die  Rinde  durchsetzte.  An  den  dunklen  Haaren 
ist  Marksubstanz  nicht  wahrnehmbar.  Hier  zeigt  sich  das  Haar  bis  zur  Oberfläche 
ganz  dicht  von  schwarzlicheu  oder  dunkelbraunen  Körnchen  durchsetzt,  welche 
meist  haufenweise  angeordnet  sind,  jedoch  auch  vereinzelt  durch  die  ganze  Substanz 
verbreitet  liegen.  Im  Ganzen  erscheint  die  Fä-rbung  daher  mehr  fleckig,  jedoch 
sehr  gesättigt.     Die  Form  der  Haare  ist  durchweg  dreh  rund. 

Die  Iris  ist  braun,  das  Weisse  im  Auge  durch  bräunliche  Färbung  der  Sclero- 
tica  sehr  unrein.  Bei  den  Männern  liegt  der  Augapfel  tief  und  erscheint  daher 
klein    und    laiiernd;    bei  dem  Mädchen  tritt  er  in  recht  gefälliger  Form,  offen  und 


(192) 


fireuücllich  hervor.  Bei  allen  hat  das  Auge  Glauz  und  der  Blick  Festigkeit,  aber 
die  verschiedene  Haltung  der  Lider  giebt  dem  männlicben  Auge  ein  mehr  geknif- 
fenes AusBehen,  wäbreod  das  weibliche  grosü  und  rundlich  erscheint. 

Die  Stirn  ist  bei  allen  etwas  niedrig,  bei  dem  Mädchen  gewölbt  und  in  der 
Mitte  vortretend,  bei  den  Männern  etwas  zurückliegend  und  aamentlich  bei  Alfred 
mit  Btarkeo  SupraorbitalwijlsteD.  Die  Naae  ist  vor  Allem  kurz  und  niedrig,  und 
da  Zugleich  die  Flügel  sehr  breit  und  die  Nasenlocher  weit  sind,  so  folgt  dar- 
aus jene  hassliche  Grundform,  welche  uus  am  njeistcn  in  dem  australischen  Ge- 
sichte abschreckt.  Die  Wurzel  sitzt  Lief,  der  Rücken  ist  stark  eingebogen  und 
mehr  abgeplattet.  Bei  Susanne  berechnet  sich  ein  Nasenindex  ?an  lOÜ.  Nur  bei 
Alfred  ist  die  Nase  etwas  länger,  der  Rücken  weniger  eingebogen  und  schärfer, 
jedoch  tritt  auch  bei  ihm,  wie  freilich  viel  stärker  bei  den  anderen,  die  Eigen- 
thümlicbkeit  hervor,  dass  unter  der  dicken  Nasenijpitze  das  Septum  weit  zurück- 
bleibt. Dadurch  entsteht  unverkennbar  eine  leichte  AnnäheruDg  an  die  Äffennase, 
Namentlich  bei  Bonnj  ist  diess  Verhältniss  so  ausgebildet,  dass  die  Scheidewand 
von  der  dicken  Spitze  ganz  überlagert  wird* 

7'rotz  der  Dicke  der  Lippen  ist  der  Prognathismus  wenig  ausgebildet  Bei 
Bonnj  greifen  die  Zähne  des  Oberkiefers  über  die  des  Unterkiefers  über  und  geben 
80  dem  Profil  *^ine  individuelh'  Besonderheit,  indem  sowohl  die  Nase,  als  das 
Kinn  hinter  der  Oberlippe  stark  zurückbleiben.  Bei  den  beiden  anderen  er- 
reicht die  Nasenspitze  in  der  Seitenansicht  nahezu  dieselbe  Vertikale,  wie  der 
Lippenrand,  dagegen  bleibt  das  gerundete  Kinn  stark  zurück. 

Das  Ohr  ist  im  Ganzen  zierlich  gebildet. 

Was  die  Schädel  form  anbetrifft,  so  weicht  darin  Bonnj-  am  meisten  abr  ei  ist 
mesocepbal  (Index  77).  Die  beiden  anderen  dagegen  entsprechen  ganz  der  typi- 
sehen  Dolichocephalie;  70,6  und  IQJ,  Der  Kopf  ist  schmal  und  von  massiger 
Höhe,     Der  Auricularindei  beträgt  62 — 63. 

Der  Körper  ist  bei  allen  drei  kräftig,  aber  von  geringer  Höhe,  Die  besonderen 
Verhaltnisse  desselben  werden  aus  nachf^tehender  Tabelle  hervorgehen: 

\,    Kopfmaasse. 


Mjiaase  (in  Millimetern) 

Boony 

Alfred 

Susanne 

Grösste  Lioge 

188 

194 

184 

Gro«ste  Breite   .,,......,... 

141 

116 

137 
120 

L% 

Obrhöbe    , 

114 

Geaichtshöhe  a .... 

179 

189 

167 

b       

102 

119 

92 

GtfBichtäbreite  a 

140 

110 

lOÖ 

29 

91 

137 

88 
96 
32 
95 

m; 

b 

m 

„            c     ,     ,    . 

97 

Interorbitaldistanz 

32 

Distanz  der  äusseren  Augenwinkel 

86       ^ 

Niaenhöbe 

4& 

61 

40 

Nasenlange 

36 

i           ^ 

32 

Na«6nbr©ite .     .     ,    , 

44 

42 

40 

Mundlinge 

i;i 

58 

47 

Ohrbohe    ...               

60 

€>4 

63 

i 


(193) 
II.    KSrpermaasse. 


Maasse  (in  Millimetern) 


Körperhöhe  . 
Kinn  .  .  . 
Schulter  .  . 
Ellenbogen  . 
Handgelenk  . 
Mittelfinger  . 
Nabel  .  .  . 
Trochanter  . 
Knie  .  .  . 
Malleolut .  . 
Klafterlänge . 
Scbnlterbreite 
Hand,  Lange 

,  Breite . 
Pubs,  Länge. 

.      Breite . 


Bonny 


III.   Indioes. 


Längenbreitenindez 
Auricularindex  .  . 
Nasenindex  .    .     . 


1675 

1465 

1405 

1040 

790 

580 

1040 

890 

495 

70 

1850 

340 

197 

91 

277 

99 


77,0 
63,4 
97,7 


Alfred 

1580 
1360 
1310 

985 

755 

556 

997 

817 

415 

55 

1700 

340 

181 
79 

240 
91 


70,6 
61,9 
82,3 


Susanne 


1583 

1380 

1310 

992 

750 

577 

852 
464 

55 

1629 

297 

172 

74 
221 

84 


70,7 

62,0 

100,0 


(13)    Eingegangene  Schriften: 

1.  G.  Nicolucci,  1  cranii  dei  Marsi.     Napoli  1883.     Geschenk  des  Verfassers. 

2.  Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit.     1883.     Nr.  2. 


VerbudL  der  BerL  AnUiropoL  GeMllachaft  188S. 


13 


Sitzung  am  17.  Mära  1883, 


VorsiUeDder  Hr.  Virchow, 


(I)  Hr.  U  Rütimeyer  in  Basel  dankt  für  seioe  ErneoDung  zum  correspon- 
direoden  Mitglied  e. 

Freiherr  Eduard  v.  Sacken  id  Wien,  unser  correBpoQdiiendeB  Mitglied^  ist  am 
20.  Febmar  gestorben.  Der  Vorsitzende  erinnert  daran,  in  welcher  Rüstigkeit  der 
Verstorbene  noch  auf  der  Versaramlung  in  SaJxburg  präsidirte,  und  giebt  dem 
grossen  Bedauern  Ausdruck,  dasa  nuo  auch  der  Maun^  an  dessen  Namen  sich  vor- 
zugsweise die  Kunde  des  Graberfeldes  von  HalJstadt  ankofipft,  aus  dem  Kreise  der 
Lebenden  geschieden  ist. 

Als  neue  ürdentliche  Mitglieder  sind  angemeldet 

Hr,  Geh,  Regierungiirath  Dr*  Althoff,  Berlin, 
„    Kaufmann  Max  Titel,  Berlin. 
„    Kaufmann  Heinr.  Waaas,  Berlin. 
„    Kaufmaun  JuL  Maass,  Berlin. 
„    Ritlerguls  besitz  er  Woworaky,  Berlin. 

(S)   Hr.  Bastian  bespricht 

neue  Erwerbungen  des  Königl.  Museums, 

£s  ist  bereits  zu  allgemeiner  KenatnisB  gekommen,  wie  ein  für  die  Ethnologie 
bedeutungsvolles  Ereigniss  kürzlich  sich  vollzogen  hat,  eine  Sicherung  nehmlich  der 
letzten  üeberrestc  auf  der  Oster-Insel'),  deren  Niederlegung  in  den  König- 
lichen Sammlungen  zur  Lösung  des  auf  diesen  Räthselpuukt  der  Sudsee  gestellten 
Prohlem^s  die  lang  gewünschten  Materialien  zu  liefern  vermögen  wird.  Heute  finde 
ich  mich  in  der  Lage^  eine  andere  WittbeiluDg  hinzuzufügen,  die  um  so  erfreulieber 
ist,  weil  sie  den  Empfang  weiterer  Vermehrungen  in  nächste  Aussicht  stellt.  Schon 
auf  meiner  amerikanischen  Heise  im  Jahre  1876  machte  ich  in  Valparaiso  die  Be- 
kanntschaft unseres  deutschen  Gonsuls  dort,  des  Hrn,  Schlubach,  und  horte  von 
den  ihm  auf  der  Oster- In s*el  zur  Verfügung  stehenden  HülfsnuttelD,  die  durch 
seine  Beziehungen  zu  der  Kouiglichen  Familie  Tahiti 's  eingeleitet  sind,  Hr,  Consul 
Schlubach  hatte  damals  bereits  die  Freundlich  keif,  mir  Schritte  zu  versprechen 
im  Interesse  ethnologischer  Sammlungen,  ixud  letztere,  welche  ich  bei  seinem 
jetzigen  Aufenthalt  in  Hamburg  vor  einiger  Zeit  dort  in  Augenschein  nelimen 
konnte,  linden  sich,  nach  einem  gestern  erhaltenen  Briefe,  auf  dem  Wege  nach 
Berlin.  Für  den  hohen  Werth  derselben  will  ich  nur  erwähnen,  dass  sich  eines 
jener  eigentbumlichen  Schriftdocumente  darunter  befindet,  die  seit  ihrer  kürzlichen 
Entdeckung    so  sehr  die  aJlgemeine  Aufmerksamkeit  auf  sich    zogen;    im  Üebrigen 


1)   bezüglich  des  Seitens   der  KaiserL  Admiralität   veranlassten  Besuebfif^  diei^er  Insel, 
worauf  BpMer  zurückzukommen  sein  wird. 

13* 


kaan  FerDeres  bis  ziim  Eintreflfeti  Torbehalteö  werden,  also  bis  zur  nacbsten  SiUuDg 
wahrschpinlich.  — 

Eine  aDdere  ausnebmend  daDkeoswertbe  Schenkung  ist  dem  KonigL  Museum 
ÄUgefjangen  durch  Hro.  Dr.  Hana  Meyer,  der  sich  augeoblicklicb  auf  einer  grösseren 
KuDdreise  befindet,  und  der  seinen  Aufenthalt  in  Luzon  benutzt  hat,  von  den  noch 
wenig  bekannten  Stammen  des  Innern  dieser  Insel  eine  ausgiebige  Sammlung  herzu* 
Stelleu,  die  viel  »Selteoes  und  Neues  bringt,  wie  Sie  bereits  in  einer  kleinen  Aus- 
wahl sehen  in  den  hier  vorliegenden  Stucken,  den  als  Thürpfosteu  dienenden  Fi- 
guren, dann  den  Fenster verecblägeQj  den  beim  Kupfeachn eilen  gebraucbteu  Schilden 
mit  zugehöriger  Streitaxt  u.  s.  w«  — 

Ein  anderer  Einblick  in  das  Volksleben  wird  uns  durch  die  vorliegende 
Sammlung  gewährt:  eine  weitere  Sendung  von  Grab  bei  gaben  für  Wöchne- 
rinnen in  der  Lausitz,  von  denen  bereits  bei  einer  früheren  Gelegenheit  ge- 
sprochen wurde.  Unser  Correspondent  fügt  diesmal  nach  hinzu,  dass  der  Ge- 
brauch der  Grabbeigaben,  wie  er  jetzt  erfahren,  ein  allgemeiner  sei:  jeder  werde 
gewisaermaassen  nach  seinem  Stande  im  Leben  für  den  Tod  ausgestattet,  wofür 
ei-  das  zu  seiner  Kenntniss  gekommene  ßetepiel  eines  Hol zd rech elers  aDf1]ihrL  Sie 
sehen,  wir  ßuden  uns  also  auf  eigener  Culturstufe  für  die  primitiven  Stadien  der* 
selben  noch  mitten  in  der  Ethnologie,  in  Parallele  mit  diesen  dort  entsprechenden 
unter  den  Nutut Völkern,  —  eine  tbai sächliche  Bestätigung  für  das  organische  Wachs- 
thum  des  Völkergedankens,  wie  sie  schlagender  nicht  hätte  ausgedacht  werden 
können.  Für  die  im  Kindbett  Verstorbenen  sind  überall  in  den  Vol  kenn  schau  ungen 
besondere  Reservationen  gemacht  (auf  den  Uliassers,  auf  den  Marqnegas,  bei  Azte- 
ken u*  8.  w.)  nach  bestimmten  psychologischen  Gesetzen,  die  sich  aus  dem  Gedanken- 
gang (wenn  wir  uns  objectiy  hineindenken)  deutlich,  und  nothwendig  sogar,  ergeben 
(wie  mehrfach  ausgeführt).  Und  för  die  sonstigen  Beigaben  finden  sich  Analogien 
durchweg,  in  Abbeokouta  oder  anden^n  Theikn  Afrika's  sowohl,  wie  bei  Griechen, 
neuer  Zeit  nicht  allein,  oder  wo  man  sonst  will.  Einiges  war  in  der  Hinsicht 
für  uns  bereits  bekannt,  das  Beilegen  von  Kamm  und  Rasirmesser,  weil  für  die 
Leiche  benutzt  (bei  Wuttke);  aus  dem  Voigtland  spricht  Köhler  von  Regenschirm 
und  Gummischuhen,  die  hier  an  die  Stelle  indianischer  Mocassins  treten,  oder 
anderswo  llokpantinen  (als  Helsko)  für  den  Helvegr  u.  dgl,  m.  Für  das  Erhalten 
solcher  archaischer  Formen  hat  die  Abgeschlossenheit  der  Gegend,  aus  der  die  obigen 

Funde  stammen,  beigetragen,  wie  aus  der  Vor- 
geschichte der  Sechs^  und  Vierstadte  nachweis- 
bar im  Anschlass  an  die  Mütschanen,  und  was 
dazu  gehört-  — 

Zugleich  erlaube  ich  mir,  eine  aus  längerem 
Verlegtsein  zufallig  wieder  zu  Händen  gekom- 
meoc  Zeichnung  einer  Goldfigur  vorzulegen,  die 
ich  friiher  in  Medellin^)  sah,  als  Illustration  zu 
denjenigen  Bildungen,  welche  Anlass  zu  phan- 
tastischen Vorstellungen  über  Elephantenriissel 
an  am ericani sehen  Monumenten  gegeben  haben, 
».  B.  an  den  Bauwerken  Ux-mal*»,  von  denen  ich 
deshalb,  um  zu  zeigen,  um  was  es  sich  factisch 
hitndelt,  einen  Stein  mitgebracht  habe,  der  sich  im  Museum  befindet  N&her  kommt 
der  Tapir  in  Betrachtung  (auch  bei  den  Mjthen  der  Quiches). 


1)  Citlturl&nder  des  alten  America»  I,  S.  269. 


(197) 

(3)  Hr.  Virchow  bespricht  aufifübrlicher  folgende  neue  EinBeodungen: 

K  Die  neue  Schrift  von  Hro.  Sophus  Müller  über  die  erste  Entwickelung  der 
ßroDzezeit  in  Europa, 

2,  Major  PowelPa  ersten  Jahresbericht  des  ethnologiscbeu  Bureaus  (First 
annnid  repnrt  of  the  Bureau  of  Ethcology.     Washington   1881)» 

^.   Job,  Ranke's  Beiträge  zur  physischen  Anthropologie  der  Bayern, 

4.  Das  Programm  des  Gubener  Gyranaaiums  mit  dem  Bericht  des  Hrn.  Jentsch 
über  die  dortige  Älterthümersammlung, 

(4)  Hr.  Ingvald  Ündset  übersendet  aus  Rom,  d,  d.  26.  Februar  eine  Abhand- 
lung über 

altitalische  Bronzewagen. 

Unter  die  berühmtesten  Nekro polen  Etruriens  zählt  die  der  uralten  Stadt  Tar- 
quinii.  Die  Nekropole  Hegt  auf  einem  Höhenzug,  der  durch  ein  Thal  von  der  jetzt 
absolut  verödeten  Statte  Tarqu in ii's  getreiiiit  ist;  am  nordwestlichen  Ende  derselben 
Hohe  liegt  das  mittelalterliche  Corneto,  welche  Stadt  seit  1H72  den  officiellen  Namen 
Corneto-Tarquinia  fi^hrt,  als  Erbin  Her  berühmten  Etrusker-Stadt').  Corneto-Tar- 
quinia  besitzt  ein  sehr  reiches  Musetini  etruskischer  Alterthümer,  aus  dea  Aus- 
grabungen in  der  grossen  nahen  Nekropole  herrührend,  die  unmittelbar  vor  der 
Porta  Tarquinia  beginnend,  sich  mehrere  Kilometer  in  die  Länge  ausdehnt.  Nach 
der  Initiative  des  hochverdienten,  für  wissenscbaftlicbe  Forschung  im  höchsten 
Grade  interessirten  Sindaco,  Luigi  Dasti,  wird  von  der  kleinen  Commune  jedes 
Jahr  eine  beträchtliche  Summe  für  Ausgrabungen  verwendet;  s*uf  diese  Weise  ist 
das  stadtische  Museum  zu  einer  der  bedeutendsteu  und  wichtigsten  Sammlungen 
etruskischer  Grabalterthiimer  emporgewachsen. 

Im  Winter  1881  —  1882,  vom  15.  November  bis  Ende  April,  wurde  gegraben 
auf  der  Höhe  östlich  von  den  Arcatelle  (einer  Reihe  mittelalterlicher  Aquaecluct- 
bögen),  gegen  das  östliche  Ende  des  Montarozzi  genannten  Theiles  der  Nekro- 
polen-Höbe,  links  von  der  alten  Strasse,  die  von  Tarquinii  hier  herüber  nach  der 
Nekropole  und  wahrscheinlich  auch  weiter  nach  dem  Meere  führte-).  Es  \vurde 
hier  eine  Menge  uralter  Gräber  aufgedeckt,  älter  als  alle  früher  aufgefundenen: 
offenbar  hatte  man  hier  den  ältesten  Theil  der  ganzen  Nekropole  getroffen^). 
Die  Gräber  waren  alle  tombe  a  pozzo:  in  ein,  in  den  Felsen  eingearbeitetes  Loch 
war  die  Drne  mit  den  verbrannten  Knochen  niedergesetzt,  meistens  in  einem  aus 
nenfro  gearbeiteten  cylinderförmigen  Behälter  eingeschlossen.  Kine  nähere  Be- 
schreibung dieses  Grabfeldes  und  der  reichen  Funde  werde  ich  hier  nicht  gehen; 
ich  verweise  auf  Hei  big' s  vortrefilicben  Bericht  im  Bullettino  des  deutschen  ar- 
chäologischen Instituts  in  Rom,  1882,  und  auf  die  zwei  verdienstvollen  und  sorg* 
fältigen  Relationen,  die  Ghirardini  in  den  Notizie  degli  scavi  für  Üeeember 
1881  und  April  1882  veröffentlicht  hat  Ich  bemerke  nur  im  Allgemeiaen,  dass  es 
Äich  um  Gräber  handelt,  die  nach  der  einen  Seite  die  grössten  Aehnüchkeiten  mit 
den  ältesten  Bologna-Nekropolen   (Villanova,  iienacci)  darbieten,    nur  dass  die  von 

1)  Vergh  Luigi  Dasti,  Notizie  storiche-archeo!n(jiche  di  Tarquinia  e  Corneto.  Hoiiili 
1878. 

2)  Vergl.  die  Karte  in  Caniaa,  Etmria  maritima,  Tav,  LXXVl,  oder  den  Plan  hei  Dea- 
Dis:  The  cities  and  cimeteries  of  ancient  Etruria  (2»Jed.),  1,  p.  304.  Diese  Strasse  ist  ivahr- 
scheinlich  die  älteste  der  Verbinduagsstrassen  ä wischen  Stadt  und  Nekropole. 

B)  Es  bleibt  dabei  za  bemerken,  dass  dieser  Theil  unmittelbar  an  der  genannten  ältesten 
Strasse  liegf^  da  wo  diese  die  Nekropole  n-Höbe  zuer&t  erreicht. 


(Ut83 


Corneto  zum  Theil  noch  alter  Biod')j  —  nach  der  anderen  Seite  zeigen  sie  nahe 
Verwaadtscbaft  mit  der  Albaner  Nekropole  (jd  den  HausurDCD  u.  t.  a.)  und  knüp- 
fen also  sehr  eng  einen  weiten  Zusammenhang'). 

Als  ich  im  Januar  1881  zum  ersten  Mal  Cornetn  besuchte,  hat  unter  den  aus 
diesen  ältesten  Funden  herrührenden  Gegenständen  der  Bronzewagen,  den  ich  heute 
besprechen  werde,  mich  ganx  besonders  intereasirt,  und  ich  habe  sofort  beschlossen, 
ier  Berliner  anthropologxpchen  Gesellschaft,  die  den  kleinen  Bronzewagen  eine  be- 
E>ndere  Aufmerksamkeit  gewidmet  hat*  einen  Aufsatz  darüber  mitzulheilen*).  Im 
\origen  Jahr  konnte  ich  aber  niclit  mehr  nach  Coroeto  kommen,  Er&t  in  die- 
sem Monat  arbeitete  ich  wieder  einige  Tage  dort  und  habe  mir  nun  auch  die  mit* 
folgende  Zeichnung  dieses  interessanten  Gegenstandes  anfertigen  lassen  können. 
Der  Wagen  ist  inzwischen  in  der  ersten  Yon  Gbirardini's  oben  genannten  Abband- 
hmgen  abgebildet  worden,  aber  leider  in  so  kleinem  Maassstabe  und  in  so  un- 
genauer Zeichnung,  dass  eine  gute  deutliche  Abbildung  dadurch  nur  um  &o  mehr 
wuoschenswerth  werden  musste. 

Das  Grab,  in  dem  (am  ll.December  1881)  der  Wagen  gefunden  wurde,  war 
eines  der  gewohnlichen  Art*):  in  einem  Behfilter  aus  nenfro  war  das  Ossuarium, 
mit  einer  Schale  als  Deckel,  eingeschlossen;  in  dem  Ossuarium  fanden  sich  an  Alter- 
thümern:  3  kleine  halbkreisförmige  Flbeb^  1  Fibula  einer  Form,  die  für  diese 
ältesten  Graber  bei  Corneto  sehr  charakteristiscb  ist,  mit  scblan genartig  gewundenem 
Bugel  (serpeggianle),  mit  grosser  runder  Scheibe  am  Fuss  (Nachbildung  einer 
Spiralscbeibe)  und  mit  Querstab  zwischen  Rüge!  und  Fussscheibe^);  ausserdem  2 
kleine  Bronzespiralen  (für  Haarlocken)  und  ein  Spinnwirtel.  An  das  Ossuarium 
gestiilxt  stand  der  kleine  Wagen;  daneben  lagen  viele  kleine  ßronzeringe,  Reste 
von  Ketten,  wovon  mehr  unten. 

Der  Wagen  ist  zusammengesetzt  ans  8  Stucken,  jedes  für  sich  gegossen:  vier 
vierspeichige  Räder,  2  Axen,  das  thier  form  ige  Gefäss  und  der  Deckel.  Der  Haiipt- 
theil  hat  die  Form  eines  Thieres,  zwischen  Vogel  und  Vlerfijsslerr  der  Leib,  dt^r 
Hals  und  der  Schwanz  müssen  als  vogelformig  bezeichnet  w^erden,  aber  das  Thier 
hat  vier  Füsse  und  zwei  Horner;  die  Kopfform  ist  auch  nicht  die  eines  Vogels.  Die 
Filsse  haben  an  der  Mitte  Anschwellungeu,  wie  Koiee,  und  endigen  in  vertikalen 
Ringen^  durch  welche  die  Axen  gehen;  die  liäder  sind  fest  an  den  2  Axen: 
diese  bewegen  sich  in  den  ringförmigen  Enden  der  Beine.  Der  Korper  ist  bohl, 
mit  einer  Tiereckigen  Oeffnung  im  Kücken,  bildet  also  ein  kleines  Gefass;  der 
Deckel  ist  ab  Ruckenstuck  eines  ähnlichen  Thieres  geformt,  mit  demselben  Vogel- 


1)  E??  knnn  hier  bemerkt  wenleo,  dass  wahrscbeinlith  die  ältesten  Gräber  bei  rSologna 
nn.*i  noch  ftlileii,  ind*?ni  d»s  zu  nächst  der  Porta  S*  laaia  gelegene  8tu(*k  noch  nkbt  unter- 
sucht ist. 

2)  Ich  holTe  binnen  nicht  zu  langer  Zeil  «ine  umfassende  Abhandlung  »her  alle  italischen 
Ni-kropölen  und  Umeufelder  dieser  nnd  ähnlicher  Arf,  ihre  Verbreilung,  Perioden,  Gruppe«, 
Nalionalität  etc.  ?orlegen  zu  können. 

3)  Eine  kleioe  Noti£  darüber  konnte  ich  noch  in  die  deutsche  Ausgabe  meines  Bncbes: 
üeher  das  erste  Auftreten  de^  Eisens  in  Nord- Eurot*»,  S.  197,  einrtiassen  lassen. 

4)  Vgl  Heibig  im  Bnllettino  delT  iostitnto,  1882,  p.  18f.,  öhirardini,  l,  (Erster  He- 
riclil),  p,  22.  Die  mit  dem  Wnjreii  xiii-ammen  gefundenen  AlterthümeT  la*&en  sich  im  Mu- 
seum nkbt  mehr  identiticiien,  indem  man  erst  später  anfing,  die  in  jedem  Grab  gefundenen 
Gegenstände  aas  ein» oder  ?ii  hnlten  und  die  Funde  getrennt.  Grab  für  Grab,  im  Museum 
suBlelten. 

5)  Vergh  I.  B.  LIndenschmit:   AlloTthümor  b  IX,  Tut  1^,  1,  2:    Montf^lins 


I 
I 


I 


eum  auf'      ^M 
Spännen     ^M 


V»  der  natürlichen  Grosw. 

luelten  wohl  den  Deckel  fest.  Au  boideii  Hälsen  findeo  sich  kleine  Oebsen,  worin 
Reste  von  Brnnzeketten  in  sehen  sind,  die  wohl  GefTiss  i»nd  Deckel  yereinigten. 
Beide  Kopfe  sind  mit  OchseiibornerD  ansgeatattet:  beide  siod  durcbbolift.  der  Kopf 
de«  Gefässes  mit  4,  der  des  Deckels  mit  3  LöciierD,  worin  auch  Reste  von  Bronze- 
ketten  sich  befinden,  durch  die  vielleicht  der  kleine  Wagen  gezogen  wurde.  Wie 
schon  erwjibnt,  fanden  sieb  grössere  Reste  von  solchen  Ketten  neben  dem  Wagen 
ufid  der  Urne  im  steineriien  Bebsilter.  BeziJgHch  der  Grosse  unseres  Wagens  kann 
ich  folgende  Maasse  anführen:  grösßte  Länge  2ü  cm,  grösste  Höbe  21  cmi  äussere 
Diameter  der  ftäder  9^5  cm^  grosate  Axen länge  14  cm. 

Unter  den  bekannt*^n  Bronzewagen  steht  unser  Exemplar  dem  bei  Glasiüac  in 
Bosnien  in  einem  Grabhügel  gefundenen,  von  Hrn.  v.  Höchste tter  ver5ffeutHch- 
ten*),  jetzt  im  Museum  zu  "Wien  befindlichen,  am  nlichsten.  Der  bosnische  Wagen 
ist  jedoch  etwas  kleiner  (18,5  cm  lang,  15  cm  hoch)  und  etwas  verschieden:  das 
Gefäss  wie  der  Deckel  haben  hier  die  vollständige  Form  eines  Vogels,  auch  im 
Kopfe-);  ersteres  rnht  nicht  unmittelbßr  auf  den  Axen,  sondern  zunächst  auf  einem 
Untergestell  ,  nn  dem  es  mittelst  einer  kleinen  Säule  befestigt  ist,  die  unter  dem 
Korper  des  "Vogels  ansetzL  Diese  Säule  ist  vielleicht  als  die  verschmolzenen  Beine 
defj  Vogels  aufzufassen;  das  Gefäsa  ist  übrigens  auf  ihr  drehbar.  Die  Räder  an 
dem  Glasinacer  Wagen  haben  S  Speichen,  die  an  unserem,  wie  gesagt,  nur  4. 

1)  Vergl.  V.  Hochstetter  in  den  Mittheünngen  der  anthropologischen  Gesellscbart  in 
Wien.  X,  8  289  f. 

2)  Dagegen  stimmen,  wenn  ich  mich  nicht  in  meiner  Erinnerung  irre,  ra<»hrere  der 
an  den  in  Deutschland  gefundenen  Deichsel  wagen  an»ebmchlen  Thierfiguren  darin  mit  un* 
ierem  Cometnner  Exemplur  uberein,  dass  sie  vogelühnliche  Korper  mit  Oclt^s^ndinrnem  zeigen; 
no  auch  der  Kesselwagen  von  SiebenhÜTgen?  Die  einschlägif^e  Literatur  steht  mir  hier  anger»- 
blicklich  nicht  tut  Verfügung;  ehenso  wenig  führe  ich  hier,  auf  (3er  Heise,  meine  eigenen 
hnndsfhriftiichen  Aufzeichnungen  (iher  diese  Sachen  mit. 


(200) 


Im  Museum  in  Brüssel  befindet  sich  auch  eio  almlicher  kleiDer  Vogel  wagen, 
aus  Italien  stammend;  eine  Abbildung  dieaea  Exemplars  ist  mir  aber  hier  in  Rom 
nicht  zugangliiib,  uod  ich  muss  darum  die  nähere  Besprechung  dieses  Stuckes  bis 
auf  die  Fort«>etzung  dieses  Aufsatzes  verschieben* 

Nocb  ein  anderer  kleiner  Vogelwagen  musa  hier  erwähnt  werden,  allerdings 
nicht  aus  Bronze,  sondern  aus  Terracotta.  Bei  Este  (Prov.  Fadua)  wurden  in  den 
letzten  Jahren  sehr  ergiebige  Ausgrabungen  vorgenommen'),  die  ähnliche  Materia- 
lien för  die  Kunde  einer  Reihe  dortiger  vorrcimischer  Perioden  eines  „alteren  Eisen- 
altera**  geliefert  habenj  wie  die  berijbmten  Funde  in  der  Gegend  von  Bologna*).  In 
einem  Grabe  „der  ersten  Periode**',  anf  dem  Grundstück  desHrn.  Felii  Agostino, 
wurde  neben  einem  Ossuarium,  etwa  vom  Villaoova-Typus,  und  mit  halbkreisförmi- 
gen Fibeln  zusammeiij  ein  kleiner  Wagen  aus  gebräuntem  Thon  gefunden^).  Das 
Gefass  hat  die  Form  eines  Vogelkorpers;  Hals  und  Kopf  sind  nicbt  erhalten;  da- 
gegen ifit  der  Kopf  des  Deckels  da  und  zeigt  Vogelform:  in  dieser  Hinsicht,  wie 
auch  bezüglich  der  Grosse  stimmt  d*is  Stuck  mit  dem  Glasinacer  Brontewagen  über- 
ein.  Uebrigens  zeigt  aber  dieser  Thon  wagen  von  Este  die  grosste  Aebniichkeit  mit 
unserem  von  Cornrto:  wie  bei  dieseoj,  ruht  der  Vogelkorper  auf  4  Beinen,  welche 
nach  unten  als  kleine  vertikal  stehende  Ringe  endigen,  durch  welche  die  beweglichen 
Axen  gingen;  als  solche  waren  unzweik^Ibaft  kleine  Bronze- {oder  Holz-?)  Stäbchen 
da,  welche  nber  nicht  mehr  erhalten  sind.  Die  Räder  sind  als  volle  Scheiben  ge- 
bildet; an  dem  einen  Paare  sind  auf  der  Au&senseite  lü  Speichen  ornamental  an- 
gedeutet; an  dem  anderen  Paare  findet  sich  als  Ornament  ein  Stern  mit  8  Spitzen, 
Gefass,  Deckel  und  Räder  sind  mit  Linear- Ornamenten  decorirt,  welche  besonders 
als  mit  Strichen  ausgefüllte  Dreiecke  angeordnet  sind,  wie  an  vielen  Urnen  vom 
Villa nova-Typus,  und  wie  ganz  besonders  für  die  Ossuarien  der  ersten  Golasecca- 
Periode  charakteristisch  ist;  die  Omatneutlinie  ist  mit  einem  gezackten  Stempel 
oder  Rad  eingedri'jckt,  so  dass  sie  das  Aussehen  etwa  wie  „imitirte  Schnur**  hat  (bei 
den  genannten  Urnengrnppen  auch  sehr  häufig). 

Einige  Fragmente  eines  ähnlichen  kleinen  vogelformigen  Thierwagens  sind  auch 
in  der  reichsten  der  Nekropolen  bei  Ivste,  im  Garten  der  Villa  Benvenuti,  gefunden; 
diese  Fragmente  stammen  etwa  aus  der  Schichte  der  zweiten  Periode,  aber  andere 
Altertbümer  wurden  mit  ihnen  zusammen  nicht  gefunden^), 

1}  Vergl  Prosdocimi  im  Ballettino  delT  infttituto  1881,  p.  70— 79.  nnd  besonders 
seine  Abhandlung  in  dea  Notizie  Jegli  scavi,  Januar  1882;  ferner  Helbig  im  ßuHettino 
deir  inalituto  1882,  p.  74-87. 

2)  In  der  oben  aDgekün>ligti.«n  Abhandtung  über  die  Gräberfelder  Italiens  della  piima 
epoca  del  ferro  werde  ich  anch  dit^se  Estenftlschen  Nekrepolen  aasfubrlkher  liebaiKleln. 

3)  Abgobildot  und  bestbriL^bün  in  Prosdociini's  ebeDgenunnter  Abhandlung,  Tav.  Bl, 
Flg.  1,  und  p.  IG;  die  Abbildung  nicht  besnoders  glücklich  ^eratbea. 

4;  Es  kann  hier  auch  eine  bei  E*te  gefundene  merkwürdige  BronÄelibnla  erwähnt  werden: 
der  Büffel  besiebt  nu»  3  neben  einander  gestellten  Pferd efiguren»  vorn  und  biuten  durch  zwei 
durchgehende  QnerÄtibchea  verbunden;  diese  Quera^^Een  endigea  in  runden  Disken,  die  wohl 
ah  Rider  aufzufassiti  »\nd  ;  die  zwei  äussereu  Pferde  tragen  je  einen  Reiter,  das  Pferd  in 
der  Mitte  eine  kleine  Yogelfigur;  nur  dies  mittlere  Pferd  hat  Beine:  die  geschlossenen  kiu- 
teren  laufen  nis  Spirale  und  Nudel,  die  vorderen  als  Nadölfuss  ans.  Das  Ganxe  ist  somit  ein 
sonderbar  complicirles  Ding:  Wagen,  Pferd©  und  ReÜer  in  und  neben  einander  zusammen- 
gedriügt.  Dies  merkwürdige  Stück  wnrde  Im  Liarten  der  Villa  Benvennti,  mit  Gegenständen 
«US  dof  zweiten  Periode  gefuuden,  schon  im  Jahre  1M2;  vergl.  Prosdocimi  s  citirte  Ab- 
handlung in  den  Noiizie  degÜ  scavi,  p,  2<^»r,  Tav.  IV,  Fig,  lÖ,  Mehrere  Fibeln,  deren 
Bügel  dureb  eine  einfache  Pferdefigur  gebildet  ist,  fanden  i>icb  in  andereu  Nekropolen  bei 
Este. 


Auch  bei  Corneto  sind  Tielkicht  Reste  kleiner  Wagen  aus  mebr  vergänglichem 
Material  gefunden  worden.  Ghirardini  erwähnt  in  seinem  zweiten  Beriebt  p.  19 
ein  Grab,  worin  ein  Ossuariiim  mit  Deckel  in  der  Form  eines  Helmes  (apex, 
pileus)'),  eine  kleine  Drilling-Vase,  eine  Bronzefibub  mit  Fussscbeibe,  sieben 
kleine  Tbierchen  aus  Thon  (wovon  4  ganz  gleiche)  und  4  kleine  durchbohrte 
tb^nerne  Scheiben,  wie  Räder.  Ghirardini  meint,  dasB  diese  Räder  und  die  4 
gleichen  Thierchen  DelxTreate  einer  kleinen  quadriga  seien,  —  das»  der  kleine 
Wagen,  mit  Ausnahme  der  Räder,  aus  Holz  gefertigt  war  und  darum  gane  zer- 
stört worden;  er  stutzt  diese  Meinung  dadurch,  dass  in  einem  anderen  Grabe  2 
ähnliche  kleine  Thierfiguren  mit  2  solchen  Tbonrädern  und  mit  einem  Stiickchen, 
was  er  als  ein  Joch  auflfasst,  gefunden  wurden.  —  Etwas  zweifelhaft  müssen  jedoch 
diese  Holzwagen  ttlf:^iben^  bis  einmal  sicherere  Indicien  der  Existenz  solcher  kleinen 
Geräthe  gefunden  werden j  es  ist  zu  bemerken,  dasa  bei  den  Bronzewagen  kleine 
Pferde  oder  andere  Zugthiere  sich  nicht  finden^). 

Die  hier  erwähnten  kleinen  Wagen  in  Vogelform  rubren  alle,  wie  aus  dem 
Angeführten  ersichtlich  stein  wird,  aus  sehr  alten  Funden  her;  wir  haben  balhkreis- 
formige  Fibeln,  solche  mit  Fussscheibe  (imitirle  Spirale);  die  Ossuarien  der  betreffen- 
Giäber  zeigen  den  alten  Villanova-Typus  u.  ^.  w, 

Üeber  das  Verbultniss  dieser  vogelforungen  Exemplare  zu  den  anderen  Formen 
kleiner  Bronzewagen,  wie  auch  über  andere  altitalische  Bronzewagen  werde  ich  in 
einem  folgenden  Aufsatz  handeln,  — 

Hr.Virchow:  Ich  begrusse  die  Mittheilung  de»Hrn,UnrlßRt  mit  besonderem  Dank. 
Bis  dahin  fehlten  nähere  Anhaltspunkte  für  eine  Vergleich  ung  unserer  Bronze  wagen 
mit  altitaliachen  fast  ganz.  Nur  der  von  Hrn,  ündset  erwähnte  Wagen  im  Briisse- 
ler  Museum  bot  eine  gewisse  Verwandtschaft,  wie  ich  schon  wiederholt  in  der  Ge- 
sellschaft erwähnt  habe  (Sitzung  vom  Hl  März  IH^l,  Verhandl  S»  97  und  vom 
21«  Januar  1882,  Verband!*  S.  53).  Dieser  Wagen,  dessen  Aehnlichkeit  mit  dem 
von  Glasinac  in  der  Herzegowina  (Sitzung  vom  16*  Juli  1881,  Verhandl.  S.  242) 
gleichfalls  von  mir  hervorgehoben  wurde,  gebort  zu  der  früheren  Sammlung  des  Hrn. 
E.  de  Meeater  de  Ravestein  (Musee  de  Ravestein.  Catal.  descriptif.  Liege  1871. 
T,  I,  p.  190,  Nr.  732)  und  ist  \n:/d  in  einem  Grabe  bei  Salcrno  gefunden  worden. 

Nach  meinen  Notizen  handelt  es  sich  in  diesem  letzten  Falle  um  einen  Bronze- 
wagen ohne  Deichsel  (oder  Stiel),  dessen  Aufsatz,  wie  der  von  Coro<fto  und  der 
von  Glasinac,    einen  Vogel    darstell t,    der   am  Rücken    eine  Oeffuung  hat,    welche 


1)  In  den  Gräbern  von  Corneto  fanden  sich  öfters  Helme  in  Bronsje  und  Nachahmungen 
solcher  in  Tboti  als  Deckel  über  den  Os^suarien  (iider  neben  diesen);  einer  von  diesen  Helm- 
deekeln  bat  zugleich  ein©  GesichlsMIdung  obenan  j  ich  werde  In  einem  Aufsatze  über  italische 
Qesichtaurnen,  den  ich  n&chstens  der  Gesellschaft  vorlegen  werde,  diese  interessanten  Vor- 
kommnisse näher  besprechi^n. 

2)  Jelzt  liegen  im  Muaeiini  zu  Corneto  diese  G  kleinen  thÖnernen  , Räder*  zusammen  als 
in  einem  und  deuiüelhen  Grahe  irefnndeti:  der  Custode  des  Museums  Frangioni  bebau ptet, 
daisa  dies  corrcet  ist,  und  daas  Thierfiguren  mit  ihncu  zusammen  nicht  gefunden  worden  sind. 
Der  Fund hcricht  hei  Ghirardini  wird  jedoch  gewiss  der  richtige  sein,  indem  auch  Helhig's 
Bericht  (ßullettino  1882»  p.  173  f.)  damit  übereinzustimmen  ftcheitit  üelbjg's  Berichte 
haben  als  Quelle  den  Caporale  degli  scavi  (den  munici  palen  Vorsteher),  Ghirardini 's 
die  Tagebücber  dea  von  der  Regierung  ungestellten  Aufsehers.  Der  Dmstand,  dass  die  zwei 
Berichterstjitter  aus  verschiedenen  Quellen  geschöpft  haben,  macht  ihren  Fundbericht  in  die- 
iem  Punkt  unzweifelhaft;  dies  erklärt  aber  auch,  wie  dann  und  wann  ihre  Üittheilungen  in 
verschiedenen  Details  etwas  abweichend  sein  können 


(20-2) 

wiederum  durch  einen  abhebbaren  vogelÄrtigen  Deckel  geschlossen  ist.  Nur  tmter- 
Ächeidet  er  sich  dadurch,  dass  er  noch  weiter  durch  Vr>geJ  uud  zahlreiche  Kettea 
i»it  Hängescbnmck  (Knnpren)  verziert  ist»  Ein  grosserer  Vogel  steht  auf  dem 
Rücken  des  Deckel vogels:  auf  den  Köpfen  des  Hauptvogels  und  des  Deckeltogeis 
sind  wiederum  je  2  kleine  Vogel  angebracht.  Dem  Vogelwngcn  von  Corneto  nähert 
sich  der  salernitaner  dadurch,  dass  der  Kopf  des  nanptvogels  Stierhorner  hat;  an 
letztereo  ist  H  an  geschmuck  befestigt  Auch  duri»  stimmen  beide  u  berein,  dass  der 
Hauptvogel  4  Beine  laat,  von  denen  je  2  eine  der  beiden  Queraxen  umfasseD.  Die 
Räder  sind  in  beiden  Fällen  4iipeichig,  dagegen  hei  dem  Glasioacer  Sspeichig, 

Unverkennbar  steht  daher  der  salernitaner  Wagen  dem  ('ornetaner  naher,  als 
dem  von  Glasinac.  Aber  auch  unseren  nicderlausitzer  und  scblesischen  Wagen 
stehen  die  beiden  ersleren  naher^  insofern  die  gehoroten  Kopfe  die  grösste  Aehn* 
lichkeit  darbieten.  Nur  die  Einaxigkeit  unserer  BronsEewageo  bildet  ein  durch- 
greifendes Unterscheidungsmerkmal  lmmr*rhin  ist  der  Gedanke,  den  ich  bei  ver- 
schiedenen  Gelegenheiten,  z,  B,  in  meinem  Vortrage  vom  J6.  Noveaiber  1876  (Mo- 
Dötsberichte  der  Königl.  Akademie)  und  in  unserer  Sitzung  vom  18.  November  1876 
(Verb.  S,  241)  ausführlich  dargelegt  habe,  das»  alle  diese  Wagen  auf  »udlicheD,  spe- 
cioll  altitalischen  Import  hinweisen,  durch  die  neuen  Erfahrungen  sehr  befestigt  worden. 

ich  will  übrigens  noch  hinzufügen^  dass  sich  im  Brüsseler  Museum  noch  ein 
vierbeiniger  Vogel  aus  Bronze  befindet  (Mnsee  de  Ravestein  p,  191),  der  aus 
t-'inera  Grabe  bei  Vilerho  stammt.  Dersplhe  ist  leider  nur  fragmentarisch  erhalten, 
dürfte  aber  derselben  Kategorie,  wie  der  salernitaner,  angehört  haben. 

Je  grosser  die  Zahl  dieser  Funde  wird,  um  so  mehr  scheint  mir  der  gleich- 
falls wiederholt  von  mir  hervorgehobene  Gedanke  beachtenswerrh,  dass  die  nächst« 
anderweitige  Beziehung  in  den  WagenzeicbnuDgen  der  oetdeiitachen  Thongefasse 
ynd  der  skandinavischen  Feisei orif^ungen  xu  suchen  sei. 

(5)  Der  Hr*  Cnltusminister  übersendet  zur  Kenntnissnabnie  einen  Bericht  des 
Mnsriimsdirektors  Dr.  Piuder  zu  CasseJ  über 

Grätleruntersuchungen  in  Hessen  1081  —  82. 

L  7  Hügelgräber  bei  Allendorf  an  der  Werra  am  Hirschberg*  In 
einem  derselben  v^aren  früher  2  steinerne,  ohne  Mörtel  aufgebaute  Kingmauern  und  auf 
einem  Brandlager  mit  Knochenrestcn  in  der  Mitte  eine  Steinaxt  gefunden  v^-orden. 
Eine  neue  Ausgrabung,  bei  der  freilich  keine  Fundstücke  zu  Tage  kamen,  bestätigte 
die  Angaben  über  den  inneren  Bau:  2  coDcentrische  Steinkreise,  der  äussere  im  Durch- 
messer von  15  Wj  1  m  hoch  und  2  m  dick,  der  innere  und  zugleich  hoher  gelegene 
im  Durchmesser  von  9  m^  1  m  hoch  und  dick.  Ausserdem  war  die  Spitxe  des 
2/3  m  hohen  Hügels  in  der  Mitte  mit  Steinen  gefüllt,  unter  denen  sich  ein  ^ Knochen- 
lager ohne  Aschenreate*'  befand;  ein  zweites  Lager  mit  geringen  Aschenresten  folgte 
in  der  Hohe  des  kleineren  Steinringes,  endlich  in  der  Mitte  des  grossen  Steinringes 
auf  der  mit  Steinen  gepfiasterten  Sohle   Brandspuren  mit  Kohle  und  Asche. 

2.  Hugelfeld  auf  der  Hohe  des  Wasenherges  zwischen  dem  Dorfe  Wasen- 
l>erg  und  der  Stadt  Neustadt,  unweit  Willingshausen,  in  der  sog.  Schwelmgegend, 
Es  wurden  8,  zum  Theil  schon  durchwühlte  Graber  angerrofiTen  und  eines  geöffnet. 
Am  Ostrande  zeigten  sich  schwarze,  robe  Scherben  mit  eingebackenen  Kieseln,  ohne 
Verzierung.  Im  Innera  in  der  Richtung  von  O.  nach  W.  ein  Braudlager,  1  m  lang, 
40  cm  breit  bestehend  aus  einer  fingerdicken  Schicht  von  Kohlen  und  Knochen- 
resten.  Am  westlichsten  Ende  eine  grosse  bronzene  Haarnadel  (Badnadel)  und 
ein  geschlossener  Armring  von   Bronze, 


^«  Hügelgräber  bei  Fraokenau  la  der  Nabe  tod  Fratokenberg«  meist 
dorcbwublt 

4.  7  Hügelgräber  im  Gemeiodewald  toh  Oberaula.  Distrikt  Mues. 
Eines  wurde  geo^'nets,  da«  ausserlich  in  einer  Eotfenjung  ?on  etwa  75  cm  um  die 
Spitze  einen  losen  Steinkranz  trug.  Im  Innern  fand  sich  nahe  an  der  WO.*Axif 
eine  längliche  BtetDaufhäufuDg  Ton  2  m  Breit«  und  75  cm  H5fae:  der  Boden  mit 
platten  Steinen  belegt,  darunter  ein  Brandlager  mit  Knochenresten  in  der  Lange 
eioes  Menachen.  Am  Westeode  eine  lange  Bronzenadel  mit  durchbohrter  An- 
schwellung unterhalb  des  Eopfendee*  Am  Oatrande  des  Grabes  Scherben  yen 
rohec,  an  der  Luft  gebrannten,  rotlien  Gefassen.  In  einem  7.weiten  Grabe  traf  man 
eine  T5Jlig  runde  Steio|iyramide^  jedoch  ausser  geringeo  Kohlen-  und  Aschenresteo 
nichts  weiter. 

5.  Der  Hasen  köppel,  ein  höherer  Hö  gel  bei  Harl  es  hausen  eulhielt 
gar  keine  Fund  stücke,  so  dass  Hr,  Pin  der  die  Frage  aufwirft,  ob  er  ein  blosses 
Kenotaph  gewesen  sei. 

6.  Hügelfeld  von  Eichenberg,  grossen  Theils  abgepflügt.  Früher  sind 
Urnen  gefunden. 

7.  Hügelfeld  von  Iba  auf  dem  Plateau  des  Mühlherges.  In  einem 
Hügel  waren  grosse  Massen  you  Steinen,  Skeletknochen  und  eine  grosse  Spiral- 
armschiene  von  Bronze  gefunden.  Weitere  GrabuDgen  waren  erfolglos.  Da- 
gegen traf  man  andere  „Heiden k iippel  **  in  der  Nähe  auf  dem  Schmidtsberg  bei 
Friedrichshu  tte,  von  denen  einer  Top f:scb erben,  ein  Steinpflaster  und  einen 
kleinen  centralen  Steinkegel^  aber  keine  mensch ÜL-hen  Ceberreste  enthielt.  Aehn- 
lich  verhielt  es  sich  mit  einem  Hügelfeld  bei  Ronshausen. 

8*  Gräberfeld  bei  Bergshausen  an  der  Fulda.  Hier  sind  l^  Urnen,  von 
denen  eioe  in  der  anderen  stand,  ausgegraben  worden. 


((j)    Hr.  Friedrich  ßayern  berichtet  d.  d.  Tiflis  am  9./21.  Februar  übftr 

trati  ska ukasi  sehe  AI  te  rtli  um  e  r . 

^Sogleich,  als  ich  Ihren  Brief  vom  30.  Januar  erhielt,  suchte  ich  nach,  WM 
sieh  ftuf  die  Graber  von  Zalki  und  Manglis  beziehen  konnte.  ßronzefuDde  sali 
ich  bei  General  Ko  mar  off,  die  er  in  Zalki  selbst  gesammelt  hatte,  aber  ich  kann 
noch  nicht  erfahren,  in  welcher  Gräberfoim  und  ^'ie  die  Siichen  gefunden  wurden. 
Daher  schicke  ich  Ihnen  einen  kleinen  Auszug  aus  dem  Berichte,  den  der  Lehrer 
Jakimoff  von  Zalki  in  unserer  archäologischen  Gesellschaft  erstattete.  Er  erzählt 
wie  folgt: 

„Dorf  Ober-Zintzkaro;  vor  40  Jahren  noch  eine  leere  Ruine.  Seine  Er- 
neuerung geschah  durch  Griechen,  die  das,  in  der  grusinischen  Geschichte  bekannte 
Ziutzkaro,  im  Tiiiser  Kreise,  besiedelten.  Hier  findet  man  eine  grusinische  Kirche, 
und  Gräber:  I.  christliche  (grusinische);  2.  unbekannte;  5.  heidnische.  In  letzteren 
fand  man  zahlreiche  Krüge,  Perlen,  BraceletSj  eiserne  Spitzen  (?),  Pfeile,  Thräneii- 
kruge  (?).     Die  Gräber  sind  Steinkisten  und  bilden  kubische  Kasten. 

„In  der  Umgebung  findet  man  auf  der  Oberfläche  des  Erdbodens  sehr  viele 
übsidian -Waffen,  wie  Messer,  Pfeilspitzen;  ebenso  auch  solche  von  Feuerstein. 

„Im  Dorfe  selbst  sind  viele  unterirdische  Gänge.  Vor  einigen  Jahren  fand 
man  im  Dorfe  ein  Skelet  und  auf  dessen  Kopf  eine  Art  Krone  von  Silber,  die  an 
einen  Juden  verkauft  wurde.** 

^Dorf  Darakeew;  2  Werst  von  Über-Zintzkaro.  Hier  sind  sehr  viele  archai- 
sche (?)  Gräben     Ausgegraben  aus  den  K ist en grab ern  wurden  Kruge," 


I 


(204) 


„Dorf  Dshiois,  4  bis  5  Werst  tod  Ober-Zintzkaro :  archaische  Gräber  und 
eine  grusioische  Kirche;'* 

„Dorf  Kümbet,  2  Werst  von  Dsbinis,  archaische  Graber.  Am  Rande  des  Ab- 
hanges erhebt  si^h  eine  Art  Festung,  Die  Wände  sind  aus  kolossalen  Steinen  ohne 
Gemeut  zusaniraeiigesetzt.*' 

^Dorf  Äwranlo,  2  Werst  von  Kümbet,  ebenfalls  f'ine  Festung;  ftrcbaiscbe 
Gräljer  wod  eine  gruainiHche  Kirche.  Neben  den  Cyclopm- Bauten  fand  ich  Feuer- 
Bteio-Pfeil-  und  -Lanzenspitzen,  &owie  Sägen  von  Feuerstein,  Weiter  fand  man 
schone  gescbliffene  (?)  Obsidian- Messer,     Mier  sind  auch  viele  Grotten." 

„Dorf  Katschi:  Grusinische  Kirche.  Ein  Feld,  auf  welchem  ich  in  einigen 
Min  Uten  15  der  besten  Obsidian- Messer  (?)  fand,  weshalb  ich  es  das  Obsidianfeld 
nannte,'* 

„i>»irf  Sanamer:  trichterförmige  Gräber  (?),  welche  ganz  anssergewöhnlich 
zahlreiche  Perlen  enthalten  mit  Verzierungen  ans  weissem  Material,  von  viereckigen, 
runden  und  cyli ndrischen  Formen,  mit  zwei  kleinen  Kreisen,  In  diesen  Gräbern 
fand  man  Bronze-Bracelets,  Krüge  u.  a.  w." 

^Dorf  Tak-KiÜBsa;  In  der  Schlucht  unsere  gewöhnliche  Grotten  mit  groben 
Abbildungen,  in  den  Wänden  eingehauen,  und  neben  denselben  viele  Obsidian- 
Splitter  und  Waffen.^ 

„Dorf  Eddi-Kilissa  mit  7  grusinischen  Kircbenniinen.  —  Aussergewöhnlich 
zahlreiche  Obsidian -Waflten,  Zerstörte  Burg-Ruine  und  Kirche  an  der  Vereinigung 
zweier  Nebenflüsse  der  Kzia«  Hohes  und  langes  Bauw^erk  mit  schon  behauenen 
Steinen.  Gräber,  welche  ?ich  durch  ausserordentliche  Grösse  auszeichnen,  Die 
Lage  des  Dorfes  ist  sehr  schön,'* 

Dies  ist  alles,  was  Hr.  Jakimoff  der  Gedellscbaft  bertcbtete.  Ausserdem  weiss 
icb,  daas  der  Toporowun-See  ein  grosses  Obsidianbecken  hi  und  die  ganze  Hoch- 
ebene  bis  selbst  nach  Tiflie  iiiiuib  mit  Obsidian- Sfdittern  gespickt  iBt,  an  manchen 
Stellen  so  viel»  dass  man  sie  zusammeDkebren  konnte, 

Dass  nun  unter  diesen  Milliarden  von  Obsidiansplittem  viele  die  Formen  von 
Schaber nj  Pfeil t^pitzen  «.  b.  w.  haben  können,  ist  einleuchtend^  doch  glaube  ich,  da&s 
wirklich  von  Menschenhänden  gearbeitete  Stein perathe  nicht  in  Splitterhaufen  auf 
Feldern  zerstreut  sich  linden  können,  ausser  Pfeilspitzen,  die  in  Schlachten  oder 
auf  der  Jagd  verloren  gingen.  Doch  sah  ich  bei  General  Komaroff  schone,  aber 
nicht  polirte  Pfeilspitzen,  jedoch  aus  Feuerstein  und  nicht  aus  Obsidian, 

Unter  dem  Namen  archaische  Gräber  versteht  »j  ak  im  off  die  Steinkisten,  diese 
aber  werden  bis  beute  noch,  namentlich  im  Gebirge,  gebraucht;  daher  mit  dem 
Worte  archaisch  nichts  gesagt  ist.  Die  Gegenstände,  welche  ich  aus  grossen  Stein- 
kisten von  Manglis  erhielt,  gehören  in  die  Byzantiner- Zelt,  mit  Münzen  von 
Argun  Chan,  zwischen  1282  bis  1300  ungefähr,  daher  schon  tief  in  das  Christen- 
thnm  hineinreichend;  die  Gegenstande  aber,  welche  ich  bei  General  Komaroff  von 
Zalki  ebenfalls  aus  Steinkisten,  wie  es  heisst,  gesehen  habe,  gehören  in  die  Zeit 
meiner  Brunnengräber  von  Samthawro,  namentlich  ist  dies  der  Fall  mit  einem 
Meissel  von  Bronze  mit  kurzer  Haftzunge  {Wyrouhoffj  PJ.  111,  Fig.  5),  welchen 
ich  Selbst  früher  für  ein  Streitbeil  hielt,  dessen  wahre  Verwendung  ich  jedoch  nicht 
errieth.  Als  M eissei  hat  er  keinen  Sinn  in  einem  Grabe,  wo  nur  Waffen  auftreten. 
Freilich  fand  der  General  dieses  Instrument  ohne  Waffen,  und  das  zweite  Exemplar, 
welches  er  besitzt,  kaufte  er,  wobei  die  Angabe  gemacht  wurde,  dass  dasselbe  auf 
dem  Felde  gefunden  sei  (?). 

Wir  wissen  demnach  bis  jetzt  nicht  viel  Gewisses  über  die  Gräber  von 
ZalkL  — 


(205) 

Ich  »ende  ein  kleines  Schachtelcben,  eotlialtend  drei  Pfeilspitzen*):  zwei 
Formen  von  Bronze,  eine  von  Eisen.  Es  sind  diese  ztirten  Pfeilspitzen  sicher  nur 
für  die  kleine  Jagd  bestimmt  gewesen.  Sie  starofuen  ans  den  Brunnen-Gräbern 
von  Samtbawro,  samrat  der  beigelegten  Bernstein-Perle,  Die  Bronzepfeil- 
spitzen  wurden  mittelst  Pfcrdebaar,  wie  es  scheint,  am  Kf>br  befestigt  und  über  das 
Haar  eine  feine  Bronzeblecbnihre  als  Zwinge  gezogen,  die  ich  in  diesem  Grabe 
aber  nicht  wieder  fand.  Die  Eisenpfeilspitze  bat  ein  Schaftloch,  durch  Umbiegen 
der  liander  hinten,  in  w^elcbes  das  Rohr  oder  das  Holzstück  gesteckt  war,  dessen 
Rest  noch  im  8cbaftloche  zu  sehen  ist 

(7)  Hr.  Arthur  Krause  berichtet,  unter  Vorzeigung  ethnographischer  Gegen- 
stände, 

über  die  Dörfer  der  Tlfngit-Indianer. 

Die  Indianer-Stämme,  welche  die  vielfach  eingeschnittene  Nordwestkaste  Nord- 
Amerikas  vom  49.  bis  60,  Breitegrade  bewohnen,  nnterscbeiden  sich  von  ihren  Nach- 
baren im  Osten  durch  ihre  Sesabaftigkeit,  Da  sie  ihren  Haupfunterbnit  durch  den 
Fischfang  erbalten,  so  ist  bei  der  Wahl  des  Platzes  zar  Ansiedelung  in  erster  Linie 
Rucksiebt  auf  die  Nahe  ergiebiger  Fischgrunde  genommen.  An  dem  flachen,  san- 
digen Strande  einer  gegen  den  Seegang  geschutzteu  Bucht,  an  stillen  Meeresarmen 
zwischen  den  Inseln,  an  der  Mündung  oder  dem  unteren  Lauf  der  Flijsse  liegen 
ihre  Dorfer,  die  manchmal  nur  aus  wenigen,  manchmal  aber  aus  50 — GO  iläysern 
bestehen.  Im  Allgemeinen  ist  die  Lage  der  Dörfer,  die  Bauart  der  Häuser  eine 
sehr  abereinstimmende  bei  den  verschiedenen  Stummen  dieses  Gebietes,  Die  Hauser 
sind  von  rechteckigem  oder  quadralischem  Drofang  und  mit  einem  flachen  Giebel- 
dach versehen;  sie  liegen  in  ein  oder  zwei  unregeJmässigen  Reihen  so  nahe  wie 
möglich  am  Meeresatrande  oder  dem  Ufer  des  FlusseSj  mit  der  Giebelseite,  in  wel- 
cher sich  die  Thi'ir  befindet,  dem  Wasser  zugewandt;  mitunter  bilden  die  Häuser 
eines  Geschlechtes  eine  abgesonderte  Gruppe  im  ganzen  Dorfe. 

Vor  den  Häusern  oder  zur  Seite  derselben  stehen  die  eigenthiimlichen,  ge- 
schnitzten, bis  5  m  hoben  Pfosten,  die  durch  allerhand  Thiergestalten  gewisser- 
maassen  das  Gescblechtswappen,  das  Totem  des  Eigenthnmers,  darstellen.  Ausser- 
dem findet  man  hier  die  Stangengerüste  zum  Trocknen  der  Fische  und  die  durch 
Decken  und  Matten  sorgfältig  gegen  die  Wirkung  der  Sonnenstrahlen  geschützten 
Canoes,  von  denen  immnr  mehrere  zu  einem  Hause  geboren*  Weiter  zurück,  an 
einer  abgelegeneren  Stelle  sieht  man  die  TodteöbS^ü sehen,  kleinere  Hütten  von  ver- 
schiedener Form,  oft  anf  4  Pfählen  mhend,  in  denen  die  Asche  der  verbrannten 
Leichen  in  kleinen  Kästchen  beigesetzt  wird.  Einzelne  derselben,  die  sich  durch 
Figuren  und  Bemal uiig  besouderä  auszeichnen,  sind  Schamanen gräber;  die  Körper 
der  Schamanen  allein  werden  nicht  verbrannt,  sondern  in  solchen  besonderen  Häus- 
chen, in  Decken  gewickelt,  niedergelegt. 

Der  Bau  eines  nenen  Hauses  erfordert  viel  Zeit  und  ist  mit  bedeutenden  Kosten 
verknüpft,  da  die  nicht  zu  entbehrende  Hölfe  der  Freunde  nur  gegen  Bezahlung 
geliefert  wird.  Lange  bevor  der  Bau  fertig  ist,  hat  der  Bauherr  einen  „cultos 
potlasüb^  zu  veranstalten,  wie  es  in  dem  Cbinookjargon  heisst,  das  ist  eine  Ver- 
theilung  von  Decken  und  ZengstoflTen  an  seine  guten  Freunde,  unter  obligater  Be- 
wirtbung    derselben    mit    Tabak^    Zucker    und  Brod    oder    von    in  Fisch thran    ein* 


1)  Ich  habe  dieselben  in  meinem  Werk  über  das  Grlberfetd  von  Koban  (S.  12B^  Anm.  3) 
besprochen*  V  i  r  c  h  o  w. 


(206) 

gemachteii  Beeren  unä  anderen  derartigen  Leckerbissen»  —  Sind  mit  der  ersten 
Baurate  die  Mittel  des  Bauberrn  erscbcipft,  &o  wartet  er  geduldig,  bis  er  durch 
Fleißs  und  Sparsamkeit,  durcb  Dienstleistung  bei  den  Weissen  oder  durch  gewion- 
bringenden  Pehhaudel  mit  den  JägerTölkern  des  Inneren  wieder  zu  Reicbthümera 
gelftogt  ist,  die  ihm  die  Fortsetzung  des  Baues  ermÖgÜehen.  Arcbitectonische  Be- 
denken sind  es  jedenfalls  nicht,  die  den  angefangenen  Bau  zeitweise  oder  mitunter 
ganz;  liegen  lassen;  der  Bauplan  ist  fix  iiod  fertig  von  der  Vorväter  Zeit  her  über- 
liefert, und  einige  geriage  Abänderungen,  welche  von  der  Laune,  durch  das  zu  Ge- 
bot stehende  ^fateria!  oder  durch  Sparsamkeitsrücksichten  dictirt  werdeo,  werden 
während  der  Arbeit  besprochen  und  ausgeführt*  —  Zuerst  werden  in  den  4  Ecken 
mächtige  Pfeiler  fest  in  die  Erde  gegraberj,  welche  ein  Quadrat  von  ungefähr  10  m 
Seite  begrenzen*  Sie  stehen  etwa  3  w  über  dem  Erdhoden  heraus,  sind  7 — ^8  dm 
breit  und  2  dm  dick  und  mit  entsprechenden  Vorspröngen  und  Rinnen  zur  Auf- 
nahme der  Längsbohlen  versehen.  Zwei  wettere  Pfeiler  mehr  nach  der  Mitte  der 
Giebelfelder  und  je  einer  in  der  Seiten  wand  vervollständigen  gewissermaassen  das 
Fundament  des  Hauses.  Von  den  Pfosten  der  vorderen  Giebelwaud  zu  denen  der 
hinteren  gehen  runde  Balken,  der  Zwischenraum  zwischen  den  senkrechten  Pfeilern 
wird  durch  dicke,  wagerechte  Bohlen,  die  am  Ende  nach  Art  der  Balken  eioe» 
Blockhauses  ineinandergefiigt  sind,  ausgefüllt;  zwischeD  den  schrägen  Stutzbatken 
des  Giebelfeldes  stehen  senkrechte  Bohlen.  Dünnere  Planken  und  Bretter  dienen 
zur  Bekleidung  des  Dachgerustes;  Tiber  der  Firste  liegt  oft  ein  rinnenartig  aus- 
gehauenes Stammstuck;  die  Bretter  werden  zur  besseren  Befestigung  mit  Steinen 
beschwert  oder  durch  darüber  gelegte  dünnere  Langsbäume  in  ihrer  Lage  gehalten; 
verschiedene  Rindenstücke  zwischen  den  Brettern  tragen  zu  giGsserer  Dichtigkeit 
des  Daches  bei,  —  In  der  Mitte  des  Daches  ist  eine  grosse  viereckige  OeÖnung 
angebracht,  durch  welche  ük'm  das  Liebt  hineißfallen  und  der  Rauch  hinauszieheö 
kann;  eine  verstellbare  Bretterwand,  die  diese  Oeffnung  auf  der  Windseite  halb 
verdeckf,  gewahrt  bei  ungünstigem  Wetter  einigermaassen  Schutz  gegen  Hegen  und 
Schnee.  Dm  diesen  Windscbulz  zu  stelJen,  sowie  um  etwaige  Ansbesserungen  aoi 
Dache  vorzunehmen,  kann  man  auf  dasselbe  auf  der  an  der  Seite  angelehnten  Lei- 
ter hinanfsteigeu;  diese  Leiter  ist  nur  ein  runder  Baumstamm,  in  welchen  mit  der 
Axt  einige  Stufen  hineingehauen  sind. 

In  der  dem  Wasser  zugekehrten  Giebelseite  liegt  die  kleine  Thüroffnung,  ge- 
wöhnlich ziemlich  hoch  über  dem  Erdboden,  so  dass  man  auf  einigen  Stufen  zu  ihr 
emporsteigen  muss.  Früher  soll  diese  Tbüröffnuog  überall  rund  gewesen  sein,  jetzt 
ist  sie,  wenigstens  im  Ghiliatgebiet  meistens  viereckig  und  durch  eine  nach  iiinexi 
sich  öffnende  Tbiir  verschliesäbar. 

Im  Inneren  ist  der  Fussboden  mit  starken  Bohlen  gedielt  bis  auf  den  quadra- 
tischen Feuerraum  in  der  Mitte;  aber  nur  bei  den  kleineren  Häusern  ist  die  Diele 
in  gleicher  Höhe  mit  dem  Erdboden,  bei  allen  grösseren  findet  aicb  in  der  Mitte 
noch  ein  quadratischer  Raum  1  m  tief  atiBgetragen,  so  das»  an  den  vier  Wänden 
eine  2  tu  breite  Estrade  hinlauft.  Von  der  Tbur  aus  gelangt  man  zuerst  in  eine 
Art  Vorhalle  und  von  dort  auf  ein  paar  Stufen  in  den  vertieften  Raum,  wo  wir  die 
HauaiDsaasen  um  das  Feuer  hockend  antreffen,  über  welchem  an  langer  Kette  voui 
der  Dachßrste  herab  der  grosse  eiserne  Kessef,  das  gemeinsame  Kochgeräth  der 
HausiDsassen,  hängt,  Die  Seitenräume  sind  durch  Bretterverschläge  und  durch 
Decken  und  Matten,  welche  von  Längsbalken  herabhängen ^  abgetrennt  Bier  sind 
die  Schlafstätten  und  Vorrathsränme  der  Bewohner  zu  snchen;  in  einem  grosseren 
Hause  wohnen  im/ner  mehrere  und  zwar  untereinander  verwandte  nnd  befreundete 
Familien  zusammen.     Zu  erwähnen  wäre  noch,  dass  das  Innere  des  Hauses  öfters, 


■ 


(207) 

nMMfitlidi  an  den  Seiten  des  TbüreiDgatiges  und  io  den  Ecken  des  Woboraumes 
mit  aus  Hotz  geechDitzteD  Figurea  geschmiickt  ist. 

Keinem  Hause  fetilt  wobl  die  Vorrichtung  zu  einem  Dampf  bade,  welches  von 
den  Eiogeboroen,  oft  auch  iu  KraukheitälalleD,  augewaudt  wird;  es  ist  ein  ganz 
kleiner,  nur  für  eine  liegende  Person  F*Iatz  gewahrender  Raum,  In  welchen  durch 
Begiessen  hejsser  Steine  mit  Was8*?r  der  uöthige  Dampf  erzeugt  wird. 

Das  Material  für  den  Häuaerbau  liefert  in  den  nördlichen  Gegenden  die  Sitkn- 
fichte,  ein  Bauni,  der  in  seinem  Habitus  mit  unserer  Rothtanne  Aehnlicbkeit  hat 
und  Ton  dem  mächtige  Stämme  von  über  1  m  Durchmesser  und  50  m  Hohe  nicht 
selten  sind. 

Den  Gebrauch  der  Säge  kennt  der  Tlinget  nicht;  die  grossen  Bohlen  werdcu 
dadurch  hergestellt,  das«  der  Stamm  mit  der  Axt  auf  beiden  Seiten  eben  gehauen 
wird;  dünnere  Planken  werden  mittebt  Holzkeilen  aus  dem  Stamme  gespalten.  Die 
fernere  Bearbeitung  geschieht  mit  einer  Art  Beil  hacke;  diese  bestellt  aus  eiD€^m 
meissel förmigen  Stück  Eisen,  das  in  derselben  Weise,  wie  die  alten  Steinbeile,  mit 
quergestellter  Schneide  an  einem  Aststück  mit  Lederstreifen  angebunden  ist.  Trolr 
der  ün Vollkommenheit  der  Werkzeuge  erscheint  die  Oberfläche  der  breiten  Pfoi*ten 
und  Bohlen  ganz  eben  und  ziemlich  glatt.  Schon  die  ältesten  Bewohner  dieser 
Gegenden  erzählen  von  den  grossen  Holzhäusern  der  indianischen  Bewohner;  da 
der  Gebrauch  des  Eisens  diesen  letzteren  vor  dem  Verkehr  mit  den  Weissen  un- 
bekannt war,  so  muss  man  wohl  annehmen,  dasa  sie  auch  früher  mit  ihren  Stein- 
gernthen  im  Stande  waren^  so  bedeutende  Arbeiten  auszuführen.  Kupferne  Geräth- 
schaften  scheinen,  nach  der  Sparlichkeit  der  Reste  zu  urtheilen,  nur  in  geringerer 
Anzahl  gebraucht  worden  zu  sein. 

Das  Haus  ist  übrigens  für  den  Tlinget  nicht  blos  eine  Wohnstätte,  sondern 
auch  eine  Festung;  bei  den  vielen  Stammes-  und  Geschlechtsfehden  zwischen  den 
Angehörigen  ein  und  desselben  Dorfes  schützten  ihn  die  dicken  Bohlen  früher  gegen 
die  Pfeile  seiner  Angreifer,  wie  auch  jetzt  noch  gegen  die  schwachen  Kugeln  der 
i'dten  Steinschlossmusketen,  mit  denen  die  Tlingeta  von  den  Weissen  versehen  sind. 
Zum  besseren  Schutze  befindet  sich  bei  mehreren  Hänsern  ein  starker  Pallisaden- 
zäun  vor  der  Thür. 

Im  Sommer  verlassen  die  Bewohner  häufig  ihre  Winterhäuser,  um  sich  in  ihren 
Canoes  mit  Weih  und  Kind  nach  entfernteren  Jagdgründen  und  Fischplätzen  zu 
begeben.  Bei  der  Anfertigung  der  Canoes  zeigen  die  Tlinget  eine  nicht  geringere 
Kunstfeitigkeit,  als  beim  Häuserbau,  Dieselben  werden  immer  aus  einem  einzigen 
Stamme  gehauen,  Baumstämme  von  der  erforderlichen  Stärke  sind  zwar  nicht 
Belten,  aber  es  ist  vor  allem  darauf  zu  achten  ^  dass  sie  nicht,  wie  so  hantig,  eine 
spiralförmige  Drehung  der  Fasern  zeigen.  In  den  noch  stehenden  Stamm  wird 
znerst  mit  der  Axt  ein  Loch  geschlagen  und  dann  darin  ein  Feuer  angezündet, 
welches  langsam  weiter  friast,  so  da9s  nach  einigen  Tagen  der  Stamm  umstürzt.  Als- 
dann  wird  zuerst  die  äussere  Gestalt  des  Canoes  ausgearbeitet.  Damit  nun  bei  der 
folgenden  Aushöhlung  die  Wände  nicht  an  einer  Stelle  zu  dick  und  an  der  anderen 
zu  dünn  gerathen,  werden  von  aussen  Löcher  bis  zu  einer  bestimmten  Tiefe  hin- 
eingebohrt  und  in  dieselben  dünne  Holzstifte  gesteckt;  kommt  der  Arbeiter  von 
innen  an  dieselben,  so  weiss  er  sich  danach  zu  richten.  Dngeiahr  ^/^  des  Stammes 
im  Durchmesser  werden  zum  Bau  des  Canoes  verwandt;  die  Seiteoränder  sind  also 
nach  innen  gebogen,  dss  vordere  und  bintere  Ende  ist  bedeutend  erhöht.  Um  nun 
dem  Bauche  eine  passende  Rundung  zn  geben,  wendet  man  folgendes  Verfahren 
an.  Das  Caooe  wird  mit  Wasser  gefüllt  und  dieses  durch  Einbringen  erhitzter 
Steine    zum  Kochen  erhitzt.     Die  so  nachgiebiger  gewordenen  Seitenwände  werden 


1 


(208) 

mjh^nn  durch  allmabliches  Eiofiigen  von  immer  längeren  Querhokern  weiter  und  weiter 
ftueeiDiander  gepreaat,  bis  die  erwünschte  Rundung  hergestellt  ist*  —  Das  Material 
für  die  Herstellung  der  Canoes  liefert  in  deo  nördlichen  Gegenden  die  Sitkafichte 
oder  die  ßalsanipappel,  welche  in  den  weiten  Flusstbiilern  oft  riesige  Dimensionfn 
erreicht  Am  besten  eignet  sich  jedoch  zu  diesem  Zwecke  die  rotlie  Ceder,  Thuja 
gigantea,  welche  weiter  südlich  auf  den  Inseln,  nameotHch  in  TorKÜgHcher  Grosee 
und  Schönheit  auf  dem  zu  Britisch  Columhien  gehörigen  Queen  Charlotte  Archipel 
gefunden  wird.  Die  diese  Inseln  bewohnenden  Haida  &ind  berühmt  durch  ihre 
guten  und  grossen  Canoes,  von  denen  viele  30,  nach  einigen  Berichten  sogar 
60  Mann  fassen  können.  Die  Haida  treiben  einen  grossen  Handel  mit  denselben 
nach  den  nördlichen,  weniger  hegijosugten  Gegenden.  Auch  beim  Bau  der  Häuser 
zeichnen  sich  die  Hnida  vortheilhaft  aus;  es  finden  sich  einige,  die  25  Schritt  im 
Quadrat  mesfien*  Sie  steilen  ihre  Totem  pfähle,  die  flach  und  breit  gearbeitet  wer- 
den, dicht  vor  dem  Thfireingang,  so  dass  man  erst  durch  eine  Oeffnung  am  Grunde 
derselben^  die  mitunter  den  geofToeten  Rachen  eines  Thierea  darstellt,  iotlie  eigent- 
liche Thür  gelangt.  Auch  bei  der  Anfertigung  dee  Haufgeräths,  namentlich  der 
'Verschiedenen  hölzernen  Schüsseln,  der  Tanzroasken,  der  Jagd-  und  Fißchereigerithe 
stehen  die  Haida  bei  weitem  voran  {Dawson:  Report  on  the  Queen  Charlotte 
Islands  1878;  A.  Bastian:  Amerikas  Nord  Westküste),  und  man  wird  wohl  nicht 
fehl  gehen,  wenn  man  gerade  bei  diesen  den  Mittelpunkt  der  immerhin  nicht  un- 
bedeutenden Kultur  der  nordwestUchen  Indianerstämmc  suchte 

(8)   Der  Vorsitzende    legt    eine    Zeichnung  des  Hrn.  Lepkowaki    in  Krakau 
vor,  betreflFend  einen 

Bronzareif  aus  der  MIeczka,  O&tgaltzlen. 


7«  der  natürlichen  Groüe. 


(209) 

Dieser,  lo  ^'^  der  Naturgrnsse  dargestellte,  in  wendig  hoblcj  gegossene  Reifen  mit 
scbmutzig  grQüer  Batioa  wurde  in  dem  Flüsschen  Mleczka  bei  dem  Städtcben 
Kanczuga  in  Ostgalizieo  gefunden.  Sein  Gewicht  beträgt  1,905  kg.  Er  befindet 
sieb  im  Besitze  des  archäologischen  Gabinetd  der  Jagielloniächen  ÜDiversität  io 
Krakaii,  Z.  7701. 

Drei  ebensolche  Reifen,  die  aus  einem  bei  Sieniawa  in  Ostgalizien  befindlicben 
Teiche  herrühren,  besitzt  das  Fürstlich  Czartoryski'sche  Museum,  zwei  andere  die 
Akademie  der  Wisseoachafteii  in  Krakau:  den  einen  aus  Mic;dz}borze  bei  Opatowo 
(ein  Geschenk  des  Dr  T,  Zebrawski),  den  anderen  ans  Wojcza  (Kreis  Stobnica), 
ein  Geschenk  des  Hrn,  Faul  ropiel.  Letztere  zwei  Ortschaften  liegen  im  jetzigeo 
Königreich  Polen. 

(9)   Hr.  Wiecbel  sendet  aus  Dresden  Bemerkungen  über 

«  Kirchenmarken. 

Die  Thatsachen,  welche  neuerdings  in  dieser  Zeitschrift  zur  Erklärung  wenig- 
stens der  Rundmarken  vorgebracht  worden  sind,  verdienen  gewiss  Beachtung;  sie 
geben  eine  erschöpfende  Deutung  der  jüngst  entstandenen  Rundmarken.  Im 
sachöischea  Eibgebiet  liegen  die  Verhaltnisse  anders.     In  Dresden,  Massen,  Pirna 


4! 


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und  Dippoldiswalde    ist    nicht    eine    frische  Kirchenmarke  zu  finden;    dagegen 
zeigen    aJle    in    der  Vorreformationszeit    erbauten  Kirchen,  insbesondere  die  Stadt- 

VtrbftEidL  der  B«<rl.  AolhropoL  G«««Ulcih&ft  iSSa.  14 


(210) 


kirebeti  zu  Meiasen  und  Dippoldiswalde,  die  aus  dem  13.  Jabrb,  ftammende  Nicolm- 
kirche  daselbst,  weniger  die  ADfangs  des  IG.  Jabrh,  oeu  erbaute  Stadtkirche  zu  Pirna, 
Marken  und  zwar  ohne  alle  Ausnahme  die  langen  Wetz  marken  und  die  ruadeo 
Dreh  marken  stets  lusammeti  im  Gemenge,  ja  oft  io  gegenseitiger  Durchdringung. 
(Der  Holzschnitt  giebt  ein  deutliches  Bild  dieses  Vorkommens.) 
Die  Marken  befiodeo  sich  alle  für  Erwachsene  handrecht  und  komnaen,  wie 
Dippoldiswalde  und  Meiflsen  schlagend  nachweisen,  in  der  grossten  Zahl  au  der 
Seite  des  Eircbenportales  vor,  welche  dem,  in  das  Stadtmnere  zurückkehrenden, 
also  gröästen  Tbeile  der  Kircheiibesucher  aiir  Rechten  liegt.  Als  Beispiele  über  die 
Hautigkeit  des  Vorkommens  der  Marke«  möge  angeführt  werden: 


Erbauungszeit 


13,  bis  15.  Jahrhundert 
13.  Jahrhundert  .    ,    , 

\bll 
It  bis  15.  i ah rh ändert 
In  u.  nach  d.  17.  Jahrb. 


Stadtkirche  Dippoldiswalde 

Nicolaikirche  (Todten-Kirche  daselbst),  nur  bis 
1418  aii  Pfarrkirche  im  Gebraach     .     .     . 

Stadtkirche  Pirna . 

Stadtkirche  Meissen    .....  .     .     . 

Die  KirchßQ  Dresdens  , 


Dreh- 

VVelÄ- 

marken 

marken 

139 

72 

2G 

7 

78       lUscbwach 

ungefähr  100 

keine 

keine 

Zu  den  Wetzmarken  in  Rillenform  sind  noch  die  abgewetzten  Quadereckon  su 
rechnen,  eine  Erscheinung,  die  ao  den  genäünten  Kirchen  bis  zu  einer  15  mm  tiefen 
Ausmuldung  der  Eckflächcn  auftritt 

Hemerkenawerth  ist  noch  das  Vorkommen  von  in  der  Regel  einer  tiefen 
Wetzmarke  und  seltenen  Rtindmarken  (gleichfalls  alt)  in  den  Laibungen  der  ältesten 
Portale  von  Stadthäusern  stets  aus  der  5^it  vor  dem  IG.  Jabrh,,  wofür  schöne 
Beispiele  in  Pirna  und  Dippoldiswalde  vorliegen. 

Ļif  Grund  des  Vorstehenden,  sowie  besonders  eingehender  Betrachtung  der  so 
schön  ausgeprägten  Erscheinungen  in  Dippoldiswalde  seien  folgende  Hypothesen 
ijber  die  Entstehung  der  Kirobenmarken   gestattet: 

1.  Die  im  sächsischen  Elhgebiet  Yorkommenden  Kirchenmarken  sind  vor  der 
Reformation  entstanden,  sind  daher  das  Resultat  eines  mit  der  Aufklärung  ver- 
gessenen religiösen  Oebrauchs. 

2.  Die  BeschaffeDbeit  der  eingewetzten  und  abgewetzten  Marken  (Rillen) 
lüsst  ohne  allen  Zweifel  auf  die  Entstehung  durch  Anstreichen  einer  Klinge  seh  lies- 
sen.  Da  in  jener  Zeit  jeder  Mann  eine  Waffe  (Messer)  in  leicht  erreichbarer 
Scheide  oder  im  Gurt  bei  sich  führte,  so  werden  die  Wetzmarken  durch  Männer 
entstandea  sein,  welche  beim  Verlassen  der  Kirche,  vielleicht  unter  dem  Läuten  der 
Glocken,  der  Wehr  an  der  Seite  durch  Anstreichen  an  das  geheiligte  Gebäude  neue 
Kraft  verliehen. 

Zu  diesem  Anstreichen  wurden  ofi'eDbar  die  grossten^  ebensten  Quaderflächen  m 
handrechter  Höbe  herausgesucht,  um  die  Spitze  oder  Schneide  nicht  zu  verletzen  *). 

3*  Schwerer  ist  die  1  Deutung  der  Dreh  marken.  Zunächst  ist  mit  Sicherheit 
darauf  zu  acbliessen^  dass  dieselben  von  den  in  Gemeinschaft  mit  den  Männern  die 


1)  Dem  Vemehmen  nach  sollen  in  der  Laibung  des  Fortal«  der  aus  dem  IL  Jahrbunder 
stammenden  UldchskapeUe    in  Goslar    tiefe  Scharten,  jedoch    m  Höbe  d«r  Spitze  eioer  Laute' 
vorkommeBi  die  dem  Gefolge  neiuriGh&  des  Löwen  Augescb rieben  werden. 


(211) 

Kirche  verlassenden  Fratieo,  die  ja  in  ßezug  auf  die  Pflege  religiöser  Gebräuche 
den  Mäüuern  oie  riachstanden ,  heirubren;  dafQr  »pricht  das  stete  Zusammen- 
vorkommeu,  auch  das  uumerieche  üeberwiegen  (auch  früher  gingen  Frauen  wohl 
fleiasiger  zur  Kirche  als  Männer)  der  Rtind marken  und  noch  mehr  das  zähere  Fest- 
halten an  jenen  Gebräuchen,  wie  es  die  Stadtkirche  Pirna  (1517  erbaut,  78  Rund- 
mnrken,  nur  11  flache,  schwache  Wetzmarkenspiiren)  so  charakteristisch  zeigt.  Der 
Gegeostand ,  welcher  in  der  Haud  der  Frauen  jene  halbkugelformigeii  Tiocher  von 
grösserem  und  geringerem  Durchmesser,  aber  immer  völlig  kreisrund  erzeugte,  muss 
ohne  Zweifel  Kugel-  oder  Kreisform  gehabt  haben. 

Sollte  vielleicht  an  Heck pfenn ige,  Heckgroschen  zu  denken  sein?  Die  Grosse 
der  Löcher  wurde  genau  zu  der  Münzgrnsse  zwischen  dem  Pfennig  und  dem  Süber- 
gulden  passe D. 

Allerdings  spricht  die  durchgangig  zu  beobachtende  Form  der  Näpfchen  als 
glatter  Rotationsflächen  mehr  für  einen  kugeligen  Gegenstand;  denn  bei  nicht  ganz 
voller  Drehung  der  Münzen  raushten  Ungleichheiten,  Absätze  in  den  HohlflücheD 
entstehen.  In  dieser  Hinsicht  sind  noch  weitere  Studien  bezüglich  der  Gegenstände 
des  Gebrauchs  (Münzen,  Schlüsse]),  des  Schmuckes  (RiDge)  oder  des  Aberglaubens 
(Amulette),  welche  sich  ganz  allgemeiu  in  den  Händen  der  Frauen  jener  Zeit  be- 
funden haben,  erforderlich. 

Wie  so  oft  scheint  auch  hier  aus  altem,  ernstem  Brauche  unverstöDdene  Ge- 
wohnheit und  endlich  kindisches  Spiel  geworden  zu  sein,  so  dass  unsere  Hypothese 
sich  nicht  im  Gegensatze  zu  den  neuerlich  constatirfcen  Entstehungstirsachen  befindet, 
sondern  sich  neben  und  geschichtlich  vor  die  neueren  Erklärungen  stellt 

(10)  Hr,  M.  Kuhn  legt  zwei  eiserne  beilartige  Instrumente  vor,  welche 
in  der  Mitte  eines  grossen  Mahagoni  blocke«  gefuDden  worden  sind.  Das 
eine  dieser  Instrumente,  welches  vollständig  erhalten  ist,  hat  eine  Länge  von  13  cm 
und  eine  rhombische  Gestalt  und  ist  mit  einem  1,5  an  breiten  Stielloche  versehen. 
Das  breite  viereckige  Kopfende  zeigt  starke  Abplattungen,  die  nur  durch  wieder- 
holtes Schlagen  hervorgebracht  sein  können.  Das  zweite  Instrument,  dessen  vor* 
dere  Hälfte  nur  erhalten  ist,  hat  mehr  eine  lanzenförmige  Gestalt  und  eine  Länge 
von  14  cm.  Soviel  sich  ermitteln  Hess,  stammte  der  Block  aus  Honduras,  und 
haben  möglicher  Weise  diese  Instrumente  als  Keile  zum  Trennen  des  Splint-  und 
Kernholzes  gedient.  Sie  sind  abgebrochen  resp.  im  Holz  sitzen  geblieben  und  vom 
Stamm  später  überwallt  worden. 

(11)  Hr.  Arzruni   bespricht   die  Publikationen  des  Hrn.  A.  ß,  Meyer  über 

Nephrit 

Der  Vortrag  wird   in  weiterer  Ausführiing  im  Text  der  Zeitschrift  erscheinen. 

Hr.  Virchow  spricht  seine  üeber raschung  über  die  von  Hrn.  Arzruni  er- 
haltenen Resultate  der  mikroskopischen  Untersuchung  aus,  wonach  der  asiatische 
Nephrit  erkennbare  unterschiede  von  dem  Material  der  europäischen  Nephritgerathe 
zeige.  Dieselben  würden  eine  vollkommene  Umwälzung  derjenigen  Anschauung  zur 
Folge  haben,  welche  zuerst  von  den  schweizer  Forschern,  namentlich  von  Desor 
eingeführt  und  von  Hrn.  H.  Fischer  weiter  begründet  wurde,  wonach  der  Nephrit 
als  Begleiter  der  auswandernden  arischen  Stämme  galt.  Er  selbst  habe,  wie  noch 
in  der  Si^ung  vom  IL  März  1882  (Verhaodl.  S.  169),  seinen  Zweifel  au  der  Zu- 
verlässigkeit   dieser  Auffassung    ausgedrückt    und    namentlich  wiederholt  die  Noth- 

14* 


I 


(212) 

weoifigkeit  betont,  die  AJpea^  besooder«  daa  Gebiet  des  Monte  Tim,  geoftiier  xa 
dttrchibnclieii,  and  die  Ton  ihm  bericfateten  Funde  Ton  Mauxacb,  nnmeallick  das 
AoKioden  eines  gmieren  Nephritbloekes  and  zahlreicher  halb  bearbeiteter  Slidbe, 
mUmI  Ton  Splittem  (Sttzong  Tom  16,  December  1^82,  YerhandK  S.  5^). 
dieten  Zweifel  eehr  be^tirkt  Trotzdem  Bei  er,  wie  wahrscbeinüch  nach 
jedermnoo^  nicht  damof  ? orbereitet  gewesen,  dafis  es  gelingen  werde,  mineralogiscfae 
Differenzen  von  to  prignanter  Art,  wie  sie  Hr*  Arsrani  schildere,  zq  ermitieia« 
und  er  freue  sich  tcmi  Herzeo,  dass  die  Anregung  zu  derartigen  Üntersuchangeii, 
welche  er  darch  BerbeischalFuDg  von  Material  gegeben,  so  reiche  Fruchte  getragen 
habe. 

Er  könne  jedoch  Hm.  Me^er  darin  nicht  beistimmen,  wenn  derselbe  jetzt  »n* 
nehme^  die  archäologische  Frage  sei  durch  die  mineralogische  gänztich  in  dem 
Hifitergnind  gedrängt*  Er  berufe  sich  zum  Beweise  dafür  anf  die  Darlegiuftgett 
&ber  die  geographische  Verbreitnog  der  Nephrit-  und  Jadeitbeile  In  Eoropia,  wie  er 
sie  in  der  Sitznng  TOm  16.  Juli  1881  (VerhandL  S.  283)  gegeben  und 
▼erschiedenen  Gelegenheiten  ergänzt  habe.  Aus  ihnen,  wie  ans  den 
Nachweisungen  des  Hrn,  Fisch  er ,  gehe  mit  Evidenz  henror,  dass  sowohl  für  die 
eine,  wie  für  die  andere  Art  Ton  Beilen  ganz  bestimmte  Yerbreitungsbezirke  eii- 
stirteuy  in  welchen  nicht  bloss  das  Material,  sondern  auch  die  Form  der  Geräthe 
mit  grosster  Beständigkeit  wiederkehrte.  Diese  Bezirke  wiesen  auf  eine  radien- 
formige  Verbreitung  von  Süden  nach  Norden  und  Westen,  ab^  nicht  umgekehrt 
anf  eine  Verbreitung  iron  Norden  nach  Süden  bin.  Wie  er  schon  früher  dorch 
eine  Anfrage  bei  Hm.  Zirkel  (Sitzung  vom  20.  März  1S75,  Verhandl.  S.  50)  er- 
fahren babe^  seien  die  sogenannten  erratischen  Nephrite  ton  Schwemäal  und  dem 
Johannisthai  bei  Leipzig  ebenso  unsicher  In  Bezug  auf  natürliche  Lagerstätte,  als 
die  TOD  Poisdam}  und  selbst  wenn  sie  sicher  wären,  fehle  es  doch  fto  allen  Anhalts- 
punkten dafür,  dass  jemals  im  Norden  Europtis  eine  solche  »ystematische  Bearbeitung 
von  Nephrit  oder  Jadeit  stattgefunden  habe,  wie  sie  z.  B.  am  Bodensee  und  Tiel- 
leicht  noch  an  anderen  sudlichen  Fabrikationsstätten  geübt  sein  müsse.  Daher 
werde  nach  seiner  Meinung  die  archäologische  Frage  auch  in  Zukunft  ihre  beson- 
dere Bedeutung  für  die  Präbistorie  behalten.  — 

Hr*  Arzruni  bestätigt  im  Gegensatz  zu  den  Herren  Mejer  und  Credner, 
dass  der  Ursprung  der  norddeutschen  Nephrite  schwerlich  aus  Skandinavien  her- 
geleitet werden  könne,  da  diese  Geschiebe  zu  selten  sind  und  keine  Gletscher- 
Wirkungen  erkennen  lassen. 

Hr.  Virchow  fragt,  ob  nunmehr  als  sicher  anzunehmen  sei,  dass  Gegenstände 
aus  Nephrit  aus  Amerika  nicht  bekannt  seien. 

tlr.  Arzruni  erwidert,  dass  das  einzige,  bisher  für  Nephrit  gehaltene  ameri- 
kanische Stuck^  das  von  Antioquia,  aus  Jadeit  bestehe. 

(12)  Hr.  Con«tantin  Konen  übersendet  die  Nummern  40,  41,  M,  54  und  59 
der  Cobleuzer  Zeitung  mit  Berichten  über 

vorrömische,  römische  und  fränkische  Culturiiberreste  in  der  Rheinprovinz. 

I.    Der  Verfasser  unterscheidet  unter  den  priiUistoriscbeo  oder,  wie  er  sagt, 
vonrn mischen  Thongeffissen  der  RheinproTinz  3  chronologisch  verschiedene  Arten: 
L  Gefässe  neben  schlichten  Stein geräthen, 


I 


(213) 

2,  Gefässe  von  grösserer,  BpecieÜ  ägyptisch- assyrischer  Ausliildting  neben 
ausgebildeteren  Stein-  und  den  ersten  Metallgeräthen, 

3.  Gefässe  von  prähistorischer  Form,  neben  denen  die  Steingeritthe  ge- 
wöhnlich fehlen,  dagegen  Bronze-  und  Eisengerätbe  reichlicher  vor- 
kommen. 

Sonderbarerweise  setxt  er  die  erste  Gruppe  in  die  Zeit  um  2000  v.  Chr.  bis 
zur  Zelt  phonicischer  Handelsblüthe,  lasst  aber  „das  Mammuth  noch  unter  den 
im  Rheinthale  lebenden  Thieren  vorkommen."  Die  zweite  Gruppe  soll  bis  zur 
Gründung  von  Massilia  (um  60Q  v.  Chr.),  die  drilte  bis  stur  Organisation  Galliens 
(etwa  9  V.  Chr.}  reichen. 

In  die  mittlere  Abtheilung  versetzt  er  ein  neuerlich  von  Hrn.  Fusbahn  in 
Neuwied  bei  Weissenthurm,  etwa  2  m  unter  der  Oberfläche  in  einer  unberührten 
Schicht  von  Bimssand  gefundenes  Thongefass,  16,5  cm  hoch,  am  Buuch  «nd  an  der 
Mündung  11,5  C7tt  im  Durchmesser,  aus  freier  Hand  geformt,  raub,  aber  mit  drei 
Gruppen  von  Schnurlinien  verziert.  Er  nimmt  an,  dass  der  Bimssand  sich  hief  ■ 
nicht  in  ursprunglicher,  sondern  an  Bectindarerj  durch  Abschweramung  älterer  Ab- 
lagerungen entstandener  Lagerungsstalte  befinde,  und  er  legt  Werth  darauf^  dass 
gerade  in  dieser  Gegend  die  von  Hrn.  Schneider  construirte  grosse  Strasse,  welche 
von  Massilia  zur  Weser-Mundung  führte,  über  den  Rhein  setze. 

Nach  seiner  Angabe  sind  Gefässe  ähnlichen  Stjls  in  Eich  zwischen  Coblenz 
und  Andernach,  ferner  an  der  Kapelle  zum  guten  Mann  und  in  einem  Grabhügel 
des  Heben  kies  bei  Wiesbaden  gefunden,  am  letzteren  Orte  neben  halbverbrannteo 
Skelefcresten  vom  Menschen  und  vom  Pferde  und  mit  einer  Serpentinaxt.  Er  com- 
bioirt  diese  Funde  mit  den  ThongefAssen  des  Schnurornaments, 

%  Eine  grössere  Reihe  römischer  üeberreate  wurde  in  und  bei  Andernach 
(Antun nacnna)  gefuDden.  Aus  einigen  derselben  schliesst  er,  dass  auch  Andernach 
bei  dem  Zuge  des  Civilis  im  Jahre  70  zerstört  worden  sei.  Andere  üeberreste 
schreibt  er  dem  Zerstörung» werke  der  Franken  im  Jahre  344  zu. 

3,  Ein  fränkisches  Gräberfeld  schildert  er  vor  dem  Burgthore  von  Ander- 
nach auf  der  westlichen  Seite  des  mittleren  Arms  der  Rhein-Römerstrasse  nach 
Coblenz.  In  demselben  wechselten  Brand-  und  Skeletgraber  in  ziemlich  regel- 
mässiger Anordnung,  gewöhnlich  zu  je  3  oder  4.  In  den  ersteren  stand  ein  Aschen- 
geffies^  umgeben  von  mehreren  weiteren  Gefassen,  jiUein  die  Gefässe,  sowie  did 
anderen  Beigaben  waren  in  beiderlei  Gräbern  gleichartig,  zuweilen  identisch*  Nach 
den  Münzen  scheint  das  Gräberfeld  hauptsächlich  der  Regierungszeit  Constantin  des 
Oroasen  (306  —  33)  anzugehören.  Er  citirt  eine  Stelle  des  Sidonius  ÄpolliDaria  I 
(428^ — 84),  der  von  seinem  Grossvater  erzählt,  derselbe  sei  auf  einem  Platze  be- 
stattet worden,  wo  Aschennrnen  und  Leichname  zusammen  beigesetzt  wurden.  Der 
Verfasser  ist  geneigt,  in  den  Skeletgrähern  die  ersten  Zeichen  der  Verbreitung  des 
Christentbiima  zu  sehen,  das  seiner  Meinung  nach  erst  um  die  Zeit  Valentinians  L 
eine  allgemeine  Verbreitung  in  Antunnacum  gefunden  habe;  wenigstens  fehlten  auf 
dem  Begrabnissplatze  des  Kirchberges  von  Andernach,  dessen  älteste  Graber  dieser 
Zeit  angehören^  Spuren  des  Leichenhrandes  vollständig.  (Die  Stelle  ist  nicht  ganz 
verständlich,  da  es  unmittelbar  hinterher  heisst:  „die  dort  vorgefundenen  Leichen- 
brandgräber  sind  mindestens  3  Jahrhunderte  alter. ^) 


(IB)    Eingegangene  Schriften: 

1.  Bulletin  of  the  BulFalo  Society  of  Natural  Sciences.     Vol.  IV,  Nr.  3. 

2.  J,  W.  Powell.  First  Ännual  Report  of  the  Bureau  of  Ethnology  1879  —  1880. 

Washington  1881.     Gesch.  d.  Hrn.  Powell. 


(2u; 


3,  Charles  Rau,  Ärticlea  od  Anthropological  Subjects.     Washiogton  1882.     Ge- 

scbenk  des  Verfassers, 

4.  ForeDmgeD    tit  Norske  ForÜdsmindesmerkers  Berariog  Äarsberetniog  for  IBSl. 

KriBtiania  18S2. 
Ä.  N.  Nicolaysen,  Kunst  og  Haandverck  fra  Norges  Fortid.     Heft  11.    Kristiania 
1882, 

6.  Journal  of  tlie  ADthropologieal  la&titute  of  Great  Bntain  and  ireland.  Yol.  XII, 

Nr.  IIL 

7.  La  questioö  du  Zaire.     Droits  du  Portugal.     Gesch.  d,  Geogr.  Gea.  zu  Lissabon. 

8.  Atti  deüa  R.  Accademia  dei  Lincei.     VoL  VJI,  Fac.  3, 

9.  Verh.  der  Geselbch.  för  Erdkunde  zu  Berlin,     ßd,  IX,    Nr.  10;  Bd.  X,   Nr,  L 
10,  Mittbeilungen  der  Afrikanischen  Gesellsch.  in  Deutbchland.     Bd.  III,  Heft  4. 
M.  Zeitschrift  der  Gesellschaft  för  Erdkunde  zu  Berliu.     Bd.  XVU,  Heft  6, 

12.  Bulletins  de  la  socititö  d'Aatbropologie  de  Paris.     Vol.  V,  Cab.  4. 

13.  Die  Martinikirche  in  Breslau  und  das  Rechenbergsche  Ailarwerk  in  Klitscbdorf 

(Kr.  BuDzlau).    Breslau  1883.    Gescb.  d,  Museums  Schlesiscber  Altertliiimer. 

14.  Cb.  E.  de  Ujfalvy,  Lcs  cuivres  anciens  du  Cachemire.    Paris  1883.    Geschenk 

des  Verfassers. 

15.  Deutsche  Geographische  Blatter,     Bremen  1883.     Bd.  VI,  Heft  1. 

16.  A analen  des  Vereins  für  Nassauische  Alterthumskunde  itud  Geschichtsforschung, 

Wiesbadeo   1882,     Bd.  XVII. 

17.  Bollettino  della  Societa  Africana  dltalia,    VoL  I,  Fase.  6,  Napoli  1882;  Vol.  II, 

Fase  1,  Nhpoli  1883. 
J8.  Tijdschrift    voor  Indische  Taal-,  Land-  en  Volkenkunde.     VoL  XXV IL  Heft  6; 
Vol.  XX VIII,  Heft  L 

19.  Notuleu  van  de  Algemeene  eu  BestTiurs-yergaderiDgen  van  het  Batayiaasch  Ge- 

Dootdchap  van  Kunsteu  en  Wetenschappen.     YoL  XX,  Heft  1,  2. 

20.  F.  Soldan,  Das  romische  Graberfeld  von  Maria-Münster  bei  VVorms*    (S^pa 

abdruck,)     Gesch.  d,  Verf. 

21.  Ch<  Rau,  lodian  stone  graves.     (Separatabdruck.)     Gesch.  d.  Verf. 

22.  Treichelj  1.  Fundbericbt  über  Münzen;  2.  Verschreibuog  des  wüstuu  Laudes 

zu  Woditteu   1615.     (Separatabdrnck  )     Gesch.  d.  Verf. 
23*  H.  Jentäch,  Die  prähistorische □  Alterthünier  der  Gymnasialiiianimluug  zu  Guben. 
Ein  Beitrag  zur  Urgeschichte  der  Niederlausitz,     Guben   1883.     Geschenk 
des  Verfassers. 

24.  Licata  e  Borsari,  L'Esplorazione.     VoL  1,  Fase.  3,  Napoli  1883. 

25.  Job.  Ranke,  Beitrage  zur  physischen  Anthropologie  der  Bayern,   München  1883. 

Gesch.  d,  Verf. 
86w  Arehivio  per  rantropologta  e  la  Etnologie.     Vol.  XII,  Fase,  III. 
S7»  Leweaow,  Die  Unächtlieit  der  Obotritischeo  Alterthumer.    Geschenk  des  Hro. 

Künne. 

28.  Sopbus  Müller,  Den  Europaeiske  ßronzealders  oprindelse  og  forste  udvikliog. 

Kjobeubavn  1882,     Gesch.  d.  Verf. 

29.  L.  Pigorini,  Terramara  deir  eta  del  brouzo.     Roma  1883,     Gesch.  d   Verf. 


Sitzuug  am  2i.^pril  1S83. 

VorBitzender  Hr.  Bastian. 

(J)  Der  Vorsitzende:  lo  erfreulichster  Weise  kaoo  die  Sitzung  eröffnet  wer- 
dea  "mit  günstigen  NachricbteD  von  unaereju  ersteu  Vorsitzenden,  der  io  einem, 
vor  einigen  Tagen  aus  Neapel  ein  getroffenen  Briefe  seinen  Gesundheitszustand  als 
in  jeder  Weise  befriedigend  erklärt^  und  nach  einem  Besuch  Siciliens  sich  gegen- 
wärtig zu  einer  Reise  nach  Etrurien  apschickt.  Für  die  Belehrungen,  die  uns  in 
Aussicht  stehen,  als  Früchte  dieser  Reise,  genügt  der  Hinweis  auf  die  der  voran- 
gegangenen im  Kaukasus,  wie  vor  uns  liegend,  in  dem  Pracbtwerk:  Das  Gräber- 
feld von  Koban^  Atlas  und  Text  (Asber  &  Co,),  auf  welcbesi  unsere  Studien 
sich  fortab,  aus  verschiedenen  Richtungen  her,  vielfachst  zurückgeführt  finden 
werden. 

("2)    Als  neue  Mitglieder  werden  geiDeldet:  '  * 

Hr.  Alex.  Schadenberg  in   Gross-Glogau, 

Hr.  Joseph  Ko^enskyJ  Lehrer  der  Naturwissenschaften  an  der  Madchen- 
schule zu  Smichow  bei  Prag. 
Hr.  Dr.  Rieb.  Pause h,  BerJiu. 
Hr.  Dr.  Emil  Riebeck»  Halle  a.  d,  Saiile. 
Hr,  Fabrikbesitzer  Paul  Riebeck,  Halle  a.  d.  Saale. 
Hr.  Fabrikbesitzer  ß.  Krause,  Berlin. 

(3)  Hr.  Wm.  Carstelisen  übersendet  d.  d,  Kopenhagen ^  19.  April,  die  Ein* 
ladung  zu  der  5.  Session  des  internationalen  Congresses  der  Americani- 
sten,  der  um  Zusendung  von  Mittheilungen  und  um  persönliche  Theilnahme  bittet 

{4}  Der  Vorsitzende  zeigt  das  neu  erschienene  Werk:  Steinbildwerke  von 
Copan  und  Quirigua,  auf  Grund  der  von  Hrn.  Meye  (dem  das  Küoigüche 
Museum  werth volle  Bereicherungen  verdankt)  aufgenommenen  Zeichnungen,  heraus- 
gegeben durch  A.  Schmidt,  in  Folge  hochsinniger  Forderung,  weiche  Dr.  S  tu  bei 
diesem  Werke  anwandte,  ohne  dies  iodess  in  der  Vorrede  viel  merken  zu  lassen '), 

(5)    Hr  Bastian  bespricht 

neue  Erwerbungen  dea  Königlichen  Museums. 

Der  ethnologischen  Abtbeil ung  steht  eine  kostburbte  litvreicberung  in  Ansicht 
durch    die  Sammelstücke,    welche  Lieut.  Wissmann  auf  seinem  wissen  scbaftlicben 


1)  Die  Orif^'nalKeicbnungen  babeo  der  Gesellschaft  in  der  Sitzung  vom  21.  Decemb«r  1878 
(Verbandl,  8.  424)  vorgelegen  und  sind  später  Hrn.  Dr.  Ö  tu  bei  zur  Verüffentlichung  über- 
lassen worden. 


(216) 


Kroberuügszuge  durcb  Afrika,  aus  bis  dablD  UDbetreteiieD  Gegeodeii  dieses  Conti* 
nentes,  gesichert  hat,  voraussichtlich  also  mit  deoi  voUeo  Stempel  jener  Originali- 
tätj  worauf  bereits  bei  der  Begriiodung  der  Afrikaaiseben  (jesellscbaft  im  Jahre 
1873  gehofiFt  wurde,  indem  unter  den  för  den  Westen  sprechenden  Gründen  auch 
der  von  dieser  Seite  aus  ungestörter,  und  unstorender,  zu  verfolgende  "Weg  sich 
empfahl,  statt  des  von  Osten  her,  mit  den  Reisenden  als  Nachzügler  auf  einem 
durch  Handelsrazzia  der  Mobamedaner  bereits  verwüsteten  Gebiet  —  Ein  im  Laufe 
der  Woche  bei  der  Afrikanischen  Gesellschaft  von  Dr.  Pogge  aus  Mukenge  eio- 
gegaagener  Brief,  zeigt  ebenfalls  die  Sendung  einer  Schatzkiste  für  das  Königliche 
Museum  an. 

Noch  ein  anderer  Stern  glück verberssendeu  Yorzeichen's  verspricht  an  dem  jetzt 
nllmüblich  sich  aufhellenden  Horizont  der  Ethnologie  unserer  jungen  Wissenschaft 
aufzugehen,  in  dem  mit  freimuthigera  Edelsinn  gennacbten  Versprechen,  dass  aus  der 
grossartigen  Sammlung,  welche  durch  die  „Expedition  Riebeck**  nach  Europa  ge- 
schafft ist,  eine  Serie  Alles  dessen,  was  zum  Ausfüllen  Ton  Lücken  im  Königlichen 
Museum  dienen  könnte,  diesem  wird  überlassen  werden.  Im  vollen  Verständniss 
für  die  der  Induction  gestellte  Aufgabe,  welche  zum  vergleichenden  üeberblick 
derartiger  Centralisation  bedarf,  wie  sie,  der  Natur  der  Sache  nach,  nur  in  alteren 
und  grosseren  Museen  allein  gegeben  sein  kann  (betreffs  der  Ethnologie  in  Üeutsch- 
land  also  nur  io  der  ethnologischen  Sammlung  Berltn's  als  der  weitaus  ältesten  und 
soweit  aucli  grossten),  —  im  unbedingten  Einverständniss  mit  dieser  von  naturwissen- 
schaftlicher Methode  und  in  der  für  gesunde  Fortenlwickelung  der  Ethnologie  er- 
heischten Beantwortungsweise  einer  der  brennendsten  ihrer  Lebensfragen  hat  Hr, 
Dr.  Riebe ck  bei  einem  personlichen  Hesuche  Berlin's  die  Mittbeilungen  seiner 
Briefe,  deren  bereits  früher  Erwähnung  geschah ,  in  liebenswürdigster  Weise  be- 
stätigt. Neben  der  für  das  Königliche  Musetim  bestimmten  Vertretung,  die  sich 
dort  für  wissenschaftliche  Verwerthung  b  VerTollstandigung  des  Gesammt-Deber- 
blickes  einreihen  wird,  scheint  es  ausserdem  in  Absicht  zu  liegen,  aus  der  umfang* 
reichen  Sammlung  in  der  Vaterstadt  des  Reisenden  ein  selbststandiges  Museum  zu 
bilden,  das  dann  als  neues  Ceutrum  der  Anregung  auf  die  ethnologischen  Interessen 
anregend  zurückwirken  würde,  so  dass  sich  die  Ergebnisse  dieser  wichtigen  Reise 
als  in  doppelter  Beziehung  fruchtbringend  für  die  Ethnologie  erweisen  werden.  —  Dass 
in  Folge  der  hoch  seh  ätz  baren  Freundschaft,  welcher  wir  uns  seitens  des  Hrn*  Dr,  Hans 
Meyer  zu  erfreuen  hatten,  eine  wertbvolle  Sendung  in  das  Museum  bereits  auf* 
genommen  ist,  kam  in  der  letzten  Sitzung  zur  Erwähnung. 

Mit  eigenartig  neuem  Charakter,  weil  eben  aus  einer  neuen  (bis  dahin  in  den 
Museen  fast  gänzlich  um? ertreten en)  Localitat,  aus  Formosa  uehmlich  stararaendj 
haben  sich  unter  freundlicher  Beihülfe  des  deutschen  Consulates  einige  Stücke  der 
Sammlung  einfügen  lassen,  wie  andere  schon  früher  durch  Hrn.  Capitain-Lieut. 
Strauch,  dem  wir  zugleich  eine  Sammlung  ans  Korea  verdankten. 

In  zuvorkommender  Weise  hat  sich  Hr.  Consul  Gerlich  in  St  Louis  für  die 
ethnologischen  Intexessen  bemüht,  indem  es  ihm  möglich  war,  die  Tb&tigkeit 
Bandelier's  für  die  Smithsonian  Institution  in  Washington  auch  gleichzeitig  für 
das  Königliche  Museum  Berlin^s  zu  verwertbeu,  wo  seine  Sammlung  vor  einigen 
Tagen  eingetroffeia  ist, 

Gleichaeitig  scheint  eine  andere  Bemühung  jetzt  ihren  Lohn  zu  versprechen, 
ftiif  die  wir,  nadi  jahrelang  nutzloser  Correspondenz,  bereits  zu  verzichten  begonnen 
haben  würden,  wenn  nicht  die  deutsche  Botschaft  ihre  günstige  Geneigtheit  zur 
Unterstützung  unverändert  bewahrt  hätte.  Ber  Gesichtspunkt  war  auf  jenen  un- 
bekanntesten Tiieil    des    südamerikanischen  Gontinentes  gerichtet,    der  sich  auf  der 


(217) 

WiM6irecbeide  der  beiden  grosseD  Flusssjsteme,  bisher  Jiacb  immer  uoaerer  Kenntnis?, 
also  aycb  der  elbnolügiacben,  enUieht,  und  auf  Versucbe,  von  Paraguay  aus  dort 
einzudringen.  Voo  dem  auf  V^ran lassung  der  deutscben  Botschaft  in  Buenoe-Ayres 
scbliesslicb  ausgesandten  Reisenden  sind  jetzt  die  ersten  Probesendungen  angelangt^ 
und  sie  bringen  von  bisber  nur  literariscli,  aus  Azara^lwa,  bekannten  Stämnaen  jetzt 
dem  Museum  aucb  eine  erste  Kunde,  zugleieb  in  dem  verstandigen  Sinne  der  Zu» 
sammenstelluiig  zu  besten  Erwartungen  für  die  Zukunft  berechtigend.  In  Verwirk- 
lichnng  dieses  lang  gehegten  Wunsches,  unter  Mitwirkung  des  Ethnologischen  Comite, 
haben  sich  soinit  die  diesem  geschuldeten  Verpflichtungen  in  bedeutsamer  Weise 
vermehrt,  zum  Besten  der  Studien,  und  durch  die  Resultate  derselben,  wie  schon 
deutlich  voraussichtlicb,  sogleich  bereits  zu  zahlen, 

Kine  grossere  Sendung,  die  von  der  ostafrikanißchen  Station  der  Afri- 
kanischen Gesellschaft  durch  diese  eingelaufen  ist,  bringt  u.  A,  den  hier  vorliegen- 
den Blasebalg,  identisch  mit  demjenigen,  der  sich  seit  meiner  Reise  am  Loango 
(1873)  von  der  Westküste  Afrika's  im  Koni  gl.  Muäeum  hefindet. 


(6)    Hr.  Treichel  berichtet  über 

prähtstoriBche  Funde  um  Erünhausen,  Kreta  Neuatadt. 

Im  ^og.  herrenlosen  (früher  deckte  sich  der  Begriff  mit  der  That)  Bielawa- 
ßruch,  welches  sich  au  die  genannte  Ortschaft  anschliesst  und  auf  der  einen  Seite,! 
vom  Meere  nur  durch  vorgelagerte  DOuen  getrennt,  die  sog.  Rix  hilft  er  oder  Seh  war- 
zaucr  Kämpe  umgrenzt,  fand  mein  Vetter  Job.  Hanneniann  vor  Jahren  eine 
Elenschaufel  mit  5  Zacken,  woran  3  längere.  Die  grüsste  Länge  einer  Zacke 
war  von  der  Rose  ab  36  cm,  die  Ausdehining  zwischen  den  beiden  äussersten 
Zacken  betrug  38  au  und  der  eigentlichen  Schaufel  form  18  cm^  also  eio  stattlich  es  J 
E?^emplar,  das  noch  im  Besitze  des  Finders  ist. 

Als  im  vorigen  Jaiire  neben  dem  Schmiedeteiche  ein  neues  Waascrloch  ge- 
graben wurde,  stiess  man  in  dem  durch  die  Frühjahrs wasser  aufgeschwemm- 
ten Lande  auf  eine  Menge  von  Knocben  vom  Schwein  (Wild?)  und  Wolf  (?), 
wovon  Kopftheile  noch  erhalten,  die  Fortsetzungen  zum  Gerippe  aber  vermodert 
waren. 

Ebenda  sind  hin  und  wieder  eiserne  Kanonenkugeln  gefunden^  spater  meist  zu 
Kugeln  für  Schornsteinfeger  verwandt.  Selbige  stammen  von  einer  früheren  Be- 
schiessung  Putzig's  und  des  benachbarten  Kiistenstriches  durcb  schwedische  Schiffe 
auf  der  Ostsee  (nic^ht  in  der  Wiek),  Noch  kürzlich  (1882)  wurde  eine  solche 
Kugel,  vom  Roste  stark  zerfressen,  una  Schwarzati  aus  gepflügt  und  Seitens  des 
Gutsbesitzers  Lehmann-Gnesdau  an  das  Danziger  Frovinztalmuseum  geschenkt. 

Nach  Erzählung  des  Hrn.  Eldor  Thomasins  lag  ebenda,  auf  der  Koppel  hin- 
terem Seiiaafstalle,  ein  grosser,  grauer  Kalkstein  von  länglicher,  bemerkenswerther 
Form.  Er  sah  so  aus,  als  wenn  er  eitie  Figur  darstellte,  welcher  Hals  und  Kopf 
fehlten.  An  der  Mitte  der  Längsseite  ging  eine  glatte,  kugelrunde  Oeffnnng  hin- 
durch» Während  ein  Fuss  fehlte  oder  nur  als  Stummel  vorhanden  war,  hatte  der 
vorhandene  andere  Fuss  eine  sehr  plumpe  Form,  bei  seinem  auslaufenden  Ende 
jedoch  Aehnlichkeit  mit  Zehen.  Der  Stein  ist  nicht  mehr  Torhanden,  da  er  1869 
gesprengt  wurde.  Dass  er  7  Schnss  bekam  und  dass  er  gebrannt  über  etwa  200 
Scheffel  Kalk  ergab,  deutet  auf  seine  Grösse.  Referent  hielt  das  Ganze  für  ein 
Abbild    eines  Thieres.     Der    weichere  Kalkstein    lies«    eine  Ausformung  sehr  wohl 


(218) 


2U.     Es    tBi    ZU    bedauern,    dasd  er  uicht  mehr  vürhundeD  ist,  um  elaeu  geoauereD 
EtDblick  zu  gewionen.     Seine  Gestalt  war  ungefähr  die  DebenstebeDde. 

Iq  der  Nähe  des  dortigen,  der  Oätseeküste  zu  gelegeo€0 

/       '    -  y-  — \^^^       Kiefernwaldes  faod   etwa   im  Jahre    1858   derselbe  Herr  in 

f  S^  \      gutei^plcker  ein  Pflaster  vqd  Kopfsteinen,  deren  Mürbigtceit 

^-^T — Q — ^       auf  früheren  Angriff  durch  Feuer  schliesseo  liess.     Darüber 

4^  kamen  Lager  von  Kohlen  und  Aacbe.    Eine  kleine  Strecke  wei- 

ter gab  es  mehrere  kleinere  Steiokiäten,  ohne  Omen  darii), 
mit  schwerer  Deckplatte,  auf  welcher  kleinere  Steine  rnnd  umher  gepackt  waren. 

Der  am  meisten  ansprechende  Fund  wurde  aber  im  Februar  1882  gemacht^  als 
mein  Oheim  in  jenem  milden  Winter  zum  Legen  von  Drains  Gräben  werfen  liess. 
Es  war  das  auf  einer  kleinen  Anhöhe,  etwa  einen  Foss  unter  der  Erde,  am  Wege  von 
Brünhausen  (Miruschin)  nach  Lissnau.  Es  erscheint  fraglich,  ob  die  Arbeiter 
nicht  noch  mehr  gefunden  und  den  Rest  unterschlagen  baben,  des  Glaubens,  di<^ 
patinirte  Bronze  sei  Gold.  Man  stiess  zuerst  auf  eine  Steinkiste,  die  schon  früher 
von  der  Pfiugscbar  getroffen  sein  musste,  da  sie  zertrümmert  und  eingestürzt  ge- 
funden wurde.  Gewiss  hat  darin  eine  ürot  gestanden,  welche,  nur  mit  der 
Stehfläche  (etwa  15  cm  Diircfcmesser)  und  etwas  Anhang  gerettet,  sich  als  grob 
gebrannt,  aussen  rothiich,  innen  schwärzlich,  ohne  Glimmer^itücke,  erwies;  es 
ist  also  fraglich  ihre  Hohe  und  Durchmesser,  sowie  ob*s  Gesichtsurne  gewesen. 
Ausser  Leichenbrand  wird  sich  in  der  tJrne  ebenfalls  befunden  haben  eine  com- 
pacte Masse,  der  man  sogleich  den  Schmelzfluss  ansah,  welche  nach  der  Unter- 
suchung des  Cbemikers  Hrn.  Stadtrath  Helm  in  Danzig  kein  Kupfer,  wohl  aber  Eisen, 
Kalk  und  kieselhaltige,  sich  nicht  losende  Schlacke  enthielt.  Namentlich  die  Kalk- 
bestandtheile,  welche  sich  dem  Auge  darboten  und  zerstörtem  Muschelkalk  an- 
gehorten, erschieneo  mir  merkwürdig,  weil  ich  nicht  weiss,  dass  solch  ein  Kalk- 
mergel sich  in  der  Nähe  befindet.  Nach  der  Auslassung  des  Arbeiters  wurden  nun 
in  (es  ist  mir  dies  aber  fraglich,  da  sonst  wenig  ähnliche  Funde  vorkommen)  oder 
neben  der  Urne,  vielleicht  auch  neben  der  Steinkiste  folgende  Stücke  gefunden, 
die  nach  der  Bestimmung  meines  verstorbenen  Oheims  Th.  Hannemann  in  den 
Besitz  des  Westpreuss.  Frovinzial- Museums  in  Danzig  übergingen.  Eindringende 
Nässe  oder  die  Einbettung  in  den  starken  Lehmmergel  hatte  bei  allen  Bronze- 
Stücken  eine  schone  Patina  za  Wege  gebracht.  Bei  der  ersten  Ansicbtnahme  des 
Fundes  befand  sich  darunter  noch  ein  zierlicher^  kleiner  Celt,  welchen  späterhin 
wahrscheinlich  mein  Vetter  P.Hanne  mann  nach  Berlin  entführt  hat,  eine  Ver- 
zettelung;, die  im  Interesse  der  Einheitlichkeit  und  der  Wissenschaft  sehr  im  bedauern 
ist  Der  Form  nach^  so  viel  ich  mich  erinnere,  hatte  er  hinsichtlich  der  Median- 
leiste  Aehnlichkeit  mit  einem  Steinbeile  von  Czarnen.  Von  den  übrigen  Sachen 
liess  ich  Zeichnungen  anfertigen,    die  ich  zur  Illustration  hier  beifüge, 

Figur  A.  ist  die  eines  sog,  Halsringes,  mit  gleichem  Metall  in  Windungen 
umsponnen,  die  Enden  beiderseits  in  Oehaenform  zurückgeschlagen  und  bia  zu 
den  Seh luss punkten  der  Windungen  hingeführt,  welche  sie  umschliessen.  Das 
Metall  ist  sehr  br«>cicelig  und  spröde.  Daher  zerbrach  dieser  Ring  bei  einer  Sitzung ^ 
des  Gewerbe-  und  Bildungsvereins  in  Neustadt  W.-Pn,  wo  ich  diesen  Fund  zuerst 
demonstrirte,  da  ilemand  dessen  Anwendung  als  Hidsring  thatsachlich  erweisen 
wollte.  Aber  selbst  zur  truhereu  Zeit  wäre  eine  Verbiegung,  um  den  Ring  seinem 
bis  jetzt  angesprochenen  Zwecke  gemäss  um  den  Hals  zu  bekommen,  gar  nicht 
m5glich  gewesen.  Aus  diesem  Grund  bekämpfe  ich  die  Ansicht^  dass  ähnliche 
Funde  für  Halsringe  genommen  werden.  Die  Unmöglichkeit  der  Thatsache  ver- 
bietet  es  einfach.     Vielmehr  erachte  ich,   dass  solche  Ringe  als  Hauptscbmuek  ge- 


Fig.  A.  */»  der  natürljchen  Grosse. 
ter*s  Ohr  komme»,  vielleicbt  durch  ein  Band  fester  gehalten,  sowohl  an  sich,  als 
auch  auf  dem  Kopfe,  welcher  doch  nicht  immer  »eine  gerade  Haltuog  bewahrt 
haben  w^ird.  In  Bruch stüfkeo  waren  noch  etwa  drei  andere,  äholiche  Ringe  vorhanden. 
Ausserdem  befanden  sich  dabei  neben  Bruch  werk  drei  besser  erhaltene  Span- 
gen   von    Bronze,    eine    grössere  und    zwei    kleinere,    die    eine   kleinere    mit    voll- 


Pig^  B,    V«  der  natürlichen  Gros««. 

standigem  Anschlösse  (Figur  B.)  der  beiden  Schmalseiten,  wogegen  beide  andere 
einen  trennenden  Hawm  r-wisclien  steh  hatten,  also  möglicherweise  eine  ge- 
ringe   leTtllche    Verschiebung    gestatteten,    was    aber    bei    Figur   B.    ganz  lieh    aus- 


(220) 

gesdiloiseD  erscbeioen  muss«  Worsaae  io  Arbildoioger  (KjBbenbaTii.  1854)  stellt 
unter  Figur  290.  eine  aholiche  Spange  dar.  Auch  er  folgt  für  die  ßenennung  der 
all  gemeinen  AnDabnne  von  Armspaogen.  Ich  beatreite  das  ebcnfalU.  Se1bf»t  wenn 
di^  Ringform,  wie  bei  Figur  B,  sich  oicht  zusammenschliessf,  alao  eiue  seiilicbe 
Verschiebung  sich  eriDÖglicbeo  Hesse,  würde  es  doch  in  beiden  Fällen  durchaus 
nicht  möglich  gewesen  seio,  diese  Objecte  auf  die  gewiss  stärkereD  Arme  früherer 
Menschengeschlechter  heraufzu zwingen.  Ich  halte  dies«  Ringe  Tielmebr  auch  für 
einen  Schmuck,  möglichst  ebenfalls  für  das  Haar,  und  dann  wahrächeinlich  nach 
Art  unserer  heutigen  Toupe's  angewandt,  so  dass  das  herab-  und  berumfallende 
Haar  ihnen  Halt  und  Festigkeit  gab,  auf  dem  glänzendeu  Untergruude  jedoch 
sich  die  Haarsträhne  nur  desto  kleidsamer  abhob,  üebrigens  sind  diese  Spangen 
inwendig  hohl,  sowie  die  gebogenen  Seitenflächen  einen  Raum  zwischen  sich 
lassen.  Daraus,  dass  sich  auf  dieser  concaTeu  Fläche  niemals  ein  Eindruck  oder 
eine  Beschädigung  vorfindet,  wie  solche,  den  Gebrauch  als  Armring  vorausgesetzt, 
dabei,  durch  äussere  Einflüsse  veranlasst,  niemals  ausbleiben  würde,  lasse  sich 
ebenfalls  das  Negative  solchen  Gebrauches  folgern^  wo*  gegen  die  fügsameren 
Baare  keineswegs  Risse  oder  Schäden   zurücklassen  k«:»nnen. 

Ein  Aufsatz,  betitelt  ^das  Pfahldorf*,  von  D.  von  der  Alb  in  „das  neue  Buch 
der  Welt*^  (Stuttgart  1880)  giebt  dazu  nach  Einern  Aquarell  von  R,  Haug  ein 
farbiges  Kunstblatt,  auf  welchem  der  Scenerie  gemäss  der  auf  einem  Ein  bäume 
lieinikehrende  Mann  von  der  auf  dem  Pfahlbau  sitzenden  Frau  erwartet  wird.  Sie 
näht  ein  Purpurgewaod  und  ihre  zum  Stiche  ausholende  Hand  ist  mit  einer  offenen 
Spange  (auf  dem  Bilde  bereits  grün  patinirt)  geschmückt.  Mir  scheint  aber,  dasa 
die  Eiubildung  auch  hier  mehr  gethao  hat,  als  die  Ueberlegung.  < 

Die  aufgefundenen  sog*  Armspangen  können  thatsäcbJich  ebenso  wenig  über  den 
Arm  (das  Handgelenk),  wie  die  sog.  Halsriuge  über  den  Hals  gezwüogt  werden. 
Wozu  denn  also  mit  falschen  ßeieiclinungen  Irrthümliche  Auffassungen  herbeifuhren 
und  in  der  Vorstellung  fortleben  lassen?!  Es  geht  einfach  nicLtI  Mit  der  Tra- 
dition muss  aber,  je  eher,  je  besser,  gebrochen  werden  1   — 

Hr.  Voss  bemerkt  dazu,  daJ^s  der  groese  ßronzering  nach  seiner  Meinung  ein 
Halsring  sei,  Die  Oeffnung  desselben  genüge  vollkommen^  um  einen  Frauenhals 
durchzulassen;  schon  eine  Oeffnung  von  7  cm  sei  für  eioeo  schlanken  Frauenhals 
genügend.  Soviel  er  wisse,  sei  diese  Form  ausserhalb  der  Provinz  Preussen  noch 
nicht  gefunden*  Auf  der  prähistorischen  Ausstellung  1880  sei  ein  ähnlich  es  Exem- 
plar ausgestellt  gewesen. 

Der  kleine  geschlossene  sei  ein  Armring  und  iu  verschiedenen  Varietateu  weit 
verbreitet»  Es  seien  ähnliche  in  der  Schweiz  und  Westfalen  gefunden  und  das 
Köoigl.  Museum  besitze  von  der  halbhohlen  Form,  wo  der  grössere  Theil  der  Innen- 
fläche offen  sei,  eine  grossere  Anzahl  aus  Pommern  und  Brandenburg. 

(7)  Hr.  Krug  auf  Haus  Jensen  bei  Sommerfeld  sendet  folgenden  Bericht 
ein  über 


das  Urnenfeld  von  Jüritz. 

Nachdem  ich  jetzt  fünf  Jahre  auf  dem  von  mir  hier  aufgefundenen  grosaeu 
örnenfelde  Jessen -Jüritz  gegraben  habe,  gestatte  ich  mir  die  beifolgende  Zeich- 
uung  dieses  Feldes  zu  üherreichen.  Die  demselbeu  entnommenen  Stücke  sind 
wohl  im  Stande  ein  vollkommenes  Bild  des  Gräberfeldes  zu  geben ^  indem  sie  den 
Vollen  Inhalt  eines  solchen  darstellen,  denn  wenn  auch  einige  wenige  Funde  in  dia 


(221) 

GubeDer  Gymnasial-SammluDg  gelangten,  so  besitze  ich  doch  gerade  diese  noch  in 
mehreren  Exemplaren. 

Das  Grabfeld  wird  an  seiner  Süd-  und  Ostseite  jetzt  durch  einen  kleinen  Gra- 
ben begrenzt,  welcher  der  Abfluss  des  dahinter  im  Walde  belegenen  Swinateiches 
ist,  an  dessen  Ufer,  wie  ich  bereits  im  Jahr  1879  berichtete,  der  Sage  nach  ein 
^Heidentempel^  gestanden  haben  soll.  Die  Nordgrenze  bildet  der  von  ßrinsdorf 
nach  Jüritz  führende  breite,  sandige  Weg,  wie  ich  dies  aus  den  von  mir,  sowohl 
auf  dem  Wege  selbst,  als  auf  dem  jenseits  belegenen  Jessener  Terrain  angestellten, 
eingehenden  Untersuchungen  schliessen  muss.    Ich  fand  an  beiden  Stellen,  qbgleich 


Adcsr 


■pjjtÄ^yfY^  n  at%  iTm^S^T^ 


I 


Fcrä^ 


,  e^xiwa 


die  hügelige  Beschaffenheit  des  letzteren  mich  eine  weitere  Ausdehnung  des  Grab- 
feldes vermuthen  Hess,  nichts.  Wenn  nun  auch  die  beiden  Orte  Brinsdorf  und 
Jüritz  (richtiger  Güritz)  sehr  alte  Ansiedelungen  sind,  lässt  sich  doch  kaum  an- 
nehmen, dass  dieser,  beide  Dörfer  yerbindende  Weg  bereits  in  prähistorischer  Zeit 
Yorhanden  gewesen  sei,  und  doch  bildet  er  die  gerade  Grenze  des  Grabfeldes. 
Jüritz,  auf  einer  Höhe  belegen,  lässt  sicli  wohl  von  Gora  ableiten;  auf  einem  in 
der  Kirche  zu  Dolzig  befindlichen  Grabsteine  von  1681  werden  beide  Orte  Gürtz 
und  Brüns  genannt. 

Der  Abfluss  des  Swina-Teiches  ist  gegenwärtig  nur  ein  kleiner  Graben,  welcher 
wohl  früher  breiter  und  wasserreicher  war,  was  ich  daraus  schliesse,  dass  auf  dem 


(222) 


Urvtufelde  bis  auf  ungefähr  20  Scbritte  an  denselhen  das  TeiraiD  abfällt,  iiod  sich 
keine  Grabnr  befinden.  Auch  weiter^  jeoseits  des  GrabeDSj  im  ßrinsdorfer  Terrain, 
tund  ich  nicht«  derartiges,  so  dass  ich  die  Abgrenzung  des  Grabfeldes  nach  Nor- 
den, Goten  unil  Süden  hin  für  sicher  holte. 

In  der  Richtunja;  auf  den  Swina- Teich,  also  söd-  und  siidwestlich,  bin  ich  dessen 
nicht  sicher,  da  ich  dorthin  in  dem,  jetzt  allerdings  fast  ebeneu  Terrain  einige 
kleine,  zwar  ziemlich  unbedeutende  Spuren  von  runden  Hügeln  (Tuinuli)  entdeckte. 

Bei  der  bis  jetzt  nur  oberflächlichen  Untersuchung  dieses  Striches  fand  ich 
nichts,  was  mich  zur  Fortsetzung  anregte,  zumal  das  Graben  in  dem  dort  dicht 
Bteheuden   Hnlze  Schwierigkeiten  bat. 

Das  ¥on  mir  untersuchte  Drnenfeld  seltiat  ist  jetzt,  sowie  die  ganie  öui gebung, 
eine  Kiefernachnnung;  uTirdlicb  in  demselbeu,  nicht  weit  .vom  Wege,  zeigt  sich  eine 
liingliche  Erhöh ung,  von  welcher  aus  sich  das  Terrain  nach  allen  Seiten  senkt»  Die 
Art  der  Bestattung  ist  nicht  eine  und  dieselbe,  und  glaube  ich  mich  zu  der  An- 
nahme berechtigt,  dass  hier  früher  sowohl  Hu  gel  gruber,  als  solche  aus  Steinsatz, 
und  S(!blie8slich  solche  ohne  Beides  vorhanden  waren.  Der  Grund  und  Boden  ist 
loser  Sand,  der  vor  ungefähr  50  Jahren^  nachdem  das  damals  dort  stehende  Holz 
ge.sr. hingen  war,  wohl  Ober  30  Jahre  wßste  lag.  Da  mau  beim  Herausnehmen  der 
Wurzclstöcke  auf  viele  Steine  gestossen  war,  welche  in  der  Gegend  selten  sind, 
durchwühlte  man  das  Terrain  nach  ©olcben,  wobei  viele  Gefäf*?i'  z»»  Tilge  kamen, 
welche  leider  aus  Mangel  au  Interesse  daran  zerschlagen  wurden.  SprUer  lag,  wie 
gesagt,  die  Flache  lange  wfiste,  die  Sonne  trocknete  den  dürren  Sand,  Wind  und 
Regen  trieben  ihn  von  den  Hohen  in  die  Tiefen,  und  als  dann  die  Strecke  wieder 
mit  Kiefern  beptlanzt  werden  sollte,  war  ein  Planiren  derselben  geboten,  und  ist 
durch  dies  Alles  die  Erdoberfl&che  so  verändert,  dass  man  gegenwärtig  mit  Aus- 
nahnu^  des  langlicbttn  Hugeb  nur  noch  geringe,  runde  Erhöhungen  wahrnimmt  Es 
finden  sich  jedoch  n*)ch  beute  hin  und  wieder  deutlich  erkennbare,  allerdings  fast 
gHUZ  abgeflnchte  runde,  kleine  HügeL  Dass  die  Erdoberfiache  früher  eine  andere 
war,  beweist  schon  der  Umstand,  dass  an  irgend  erhöhten  Stellen  die  Gefassc 
meistens  sehr  flach,  oft  kaum  '/,  Fuss  tief  in  der  Erde  gefunden  wurden,  während 
sie  an  anderen  Stellen  heutig  an  4  Fuss  tief  standen. 

Nach  den  von  mir  angestellten  Ausgrabungen  möchte  ich  nuu  das  gwnze  ürneo- 
feld  in  drei  Abtheiiuugen  verlegen;  bei  a  im  Norden  beginnend,  habe  ich  besonders 
auf  dem  mehrfach  erwähnten  Hügel  die  schönsten  und  zierlichst  gearbeiteten  Ge- 
fuse,  Buckel -örnen  aus  feinem  Thon,  dünnwandig,  vielfach  verziert,  mit  Bronze- 
Beigaben  gefunden.  So  eine  Pfeilspitze,  Hier  fand  ich  auch  einen  Becher 
mit  Deckel;  mit  einem  Falzrande  versehen  {cL  Katalog  der  Ausstellung  in  Ber* 
lin  1880,  S.  103),  Die  Gräber  waren,  wie  sich  aus  den  jetzt  noch  dort  gefun- 
denen Tielen  und  grossen  Steinen  ersehen  llssi,  in  Stein  gesetzt.  Von  dieser  An- 
höhe herab  südlich  durch  die  Abtheilungen  b  und  c  bis  in  die  Nähe  des  Grabens 
fanden  sich  die  Gräber  so  vollständig  reihen  weis,  wie  dies  auf  der  Zeichnung  durch 
Striche  angedeutet  ist  Hatte  man  ein  Grab  gefanden,  so  konnte  man  mit  Sicher- 
heit dicht  daneben  in  dieser  Richtung  mit  grosserem  oder  geringerem  Abstand  auf 
das  zweite,  dritte  u.  s.  w.  rechnen. 

In  der  Abiheilung  b  fand  ich  die  Gräber  meistens,  jedoch  nicht  immer,  mit 
Steitisatz,  die  Urnen  standen  öfter  auf  platten  Steinen,  und  waren  auch  mit  aolchen 
bedeckt,  die  Asohenurnen  waren  häufig  mit  einem  schüsselform  igen  Deckel  ver- 
schlossen. Die  Urnen,  j^owie  andere  GefÄsse  waren  zuweilen  sehr  grob  gearbeitet, 
erster«  ungefähr  bis  tur  Höhe  too  *u  ^^^  Inhaltes  mit  Leichenbrand  gefüllt,  darauf 
S(6l8  eine  Si:hicht  Sand^  und  schUessUch  der  BeckeL    Letsterer  war  stets  eine  über 


(223) 

den  Rand  der  Urne  greifende  Schusselj  nie  ein  flucher  Deckel.  Diese  QcTifTff^eln 
waren  jedoch  in  rieJen  FälJeu,  durch  den  Druck  der  darauf  lastenden  Erde  oder 
Steine  zerdruckt,  in  die  Urne  eingedrüDgeii,  und  hatten  so  auch  diese  zersprengt 
Aucli  grosse  Urnen,  in  denen  keine  Knochen,  wohl  aber  klelßere  Gefa&se  eingesetzt 
waren,  fand  ich  oft  in  den  Gräbern,  sie  standen  zuweilen  verkehrt,  oder  lagen, 
während  die  Äschenurnen  stets  aufrecht  standen.  Die  Gräber  enthielten  grösstew 
Theih  ausser  zwei  oder  drei  Ascheniirnen  eine  Menge  kleiner  Gefässe  in  den  ver- 
schiedensten Formen,  als  Kannen,  Schüsseln,  Schalen,  Töpfe  u,  s.  w»,  was  in  der 
Abtheilung  a  bei  den  Buckelurnen  gänzlich  fehlte.  In  b  wurde  auch  das  Trink  hörn 
gefaßdeUj  und  in  demselben  Grabe  eine  durchbohrt«,  sauber  geglättete  Steinaxt 
Beide  Stucke  waren  auf  der  Ausstellung  in  Berlin  im  Jahre  1880,  cf.  Katalog  der- 
selben S.  103.  Als  Beilage  fanden  sich  in  dieser  Zone  Stein*,  Bronze-  und  Eiaen- 
Gerfitbe,  Bowie  Thonperlcn  in  verschiedenen  Formen,  welche  sich  ebenfalls  auf  der 
Ausstellung  in  Berlin  befanden.  Aych  eio  eiserner  Dolch  mit  Pärirstange  und 
einem  Nietloch  im  Hefte  wurde  hier  bei  einem  Grabe  kaum  1  Fuss  tief  in  der 
Erde  gefunden;  ich  nehme  an,  dass  derselbe  beim  Gruben  nach  Steinen  heraus- 
gefordert, damals  niclit  bemerkt,  oder  als  unbrauchbares  Stück  wieder  in  die  Erde 
gebracht  wurde,  da  ich  ihn  sehr  flach  fand,  wäphrend  gerade  daneben  die  Urnen 
sehr  tief  standen. 

Abtheilung  b  ist  die  grösste,  und  sie  ergab  desshalb,  zumal  oft  Grab  an  Grab 
stand,  eine  grosse  Ausbeute;  allerdings  war  auch  in  a  besonders  der  Hügel  so  Toll- 
ständig  mit  Gefassen  besetzt,  dass  ich  oft  nicht  erkennen  konnte,  wo  ein  Grab  auf- 
horte und  das  zweite  anfing.  Da  jedoch«  wie  schon  gesagt,  die  hier  hauptsächlich 
gefundenen  Buckelurnen  nie  andere  Gefösse  als  Beigabe  hatten,  war  die  Stückzahl 
der  aus  a  geforderten  Gefäase  nicht  so  gross. 

In  der  dritten  Abtheilung  c,  welche  sieb  wieder  zu  dem  Graben  berabsenkt, 
war,  sowie  in  a  und  b,  der  Rand  am  Graben  unbesetzt,  woraus  ich  auf  eine  früher 
grossere  Breite  desselben  scbliesse.  In  c  wurden  von  mir,  ich  mochte  fast  sagen, 
überwiegend  schwarze  Gefasse  gefunden,  sowohl  Urnen,  als  andere  Formen,  stets 
dünnwandig,  sauber  gearbeitet,  aussen  und  innen  geglättet,  und  vielfach  verziert. 
Ich  öffnete  Gräber,  welche  zwiir  nur  wenige,  aber  nur  schwarze  Gefässe  enthielten. 
Hier  fand  ich  auch  die  Räucherge lasse  und  Doppel uruen,  beide  Arten  aber  nie 
schwarz,  mit  den  zu  ihnen  gehörigen  Tellern.  Letztere  meistens  ganz  flach,  doch 
auch  wieder  mit  überstehendeni  Rande,  und  einen  ganz  in  der  Form  der  jetzigen 
Blumentopf-Untersätze.  Die  Käu  eher  gefasse  hatten  wohl  ursprünglich  auf  ihren 
Tellern  gestundeH,  waren  durch  die  Last  der  Erde  zerdrückt,  und  lagen  nun  in 
Stücken  auf  und  neben  den  Tellern;  doch  gelang  es  mir  bei  mehreren,  sie  durch 
Kitten  wieder  vollständig  herzustelleu.  In  dieser  Abtheilung  allein  fand  ich  die  am 
Boden  oder  der  Seiten  wand  durchlochten  Gefasse,  selbst  eine  grosse  Urne  mit 
Leichenbrand,  an  der  fast  der  ganze  Boden  fehlte,  uad  war  deutlich  zu  erkennen, 
dass  sie  in  diesem  Zustande  eingesetzt  war.  Sie  stand  aufrecht,  unberührt,  tief  in 
der  Erde,  ist  fest  und  wohl  erhalten,  und  war  unter  ihr  kein  Stück  des  etwa  her- 
ausgebrochenen Bodens  zu  finden,  vielmehr  der  an  dieser  Stelle  ziemlich  feste  und 
trockene  Sand. 

Stein-  oder  Metall-Beigaben  sind  in  dieser  Abtheüung  gar  nicht  gefunden  wor« 
den,  wohl  aber  Tbongefässe  in  den  wunderbarsten  und  verschiedensten  Formen* 

Zu  welchen  Schlüssen  berechtigt  nun  diese  so  deutlich  erkennbare  Scheidung  des 
Urnenfeldes?  Hat  dasselbe  so  lange  Ze^t  als  Begrabnissplatz  gedient,  dass  in  ihm  die 
Anfertigung  der  Gefasse  vom  Groben  bis  zum  Zierlichen  vorgeschritten  war,  so  muss 


(224) 

es  wunderbar  ersctieiaea,  daäs  gerade  in  der  mittlereo  Abthf^iluDg  b,  in  der  bieh 
die  gröberen  GefSsae  fandeo,  die  Bronze-  und  Eisenbeigabeo  waren,  während 
BroDze  in  der  Abtbeilung  a  mit  den  Buckelurnen  im  Gauxen  nur  selten,  Eisen  aber 
nie  vorkam,  und  in  c  beides  fehlte.  Wenn  nach  der  Ansicht  des  Hrn,  Dr,  Voss 
die  durehlücbteii  Getasge  mit  deni  religiösen  Cultuf»  zusammenhingen,  warum  ßnden 
sich  denn  diese  allein  in  der  Abtheilung  c?  Sollten  dieselben  vielleicht,  da  eben 
aie  allein  inil  den  Räuchergefassen  jcusammeu  gefunden  wurden,  deren  sich  doch 
wobl  die  Priester  allein  bedienteUj  auf  eine  BegräbniBsstätte  dieser  hindeuten? 

Dasö  in  Abtbeilung  a  vornehme  Leute  bestattet  seien  und  in  b  der  grosse 
Haufe,  scheint  mir  auch  nicht  stichhaltig,  da  gerade  in  b  das  grosse,  ganz  in  Stein 
gesetzte  Grab  gefunden  wurde,  welches  das  scbün  gearbeitete  Trinkhorn  von  Tboo 
und  die  Steinalt  enthielt.  Auch  fand  ich  gerade  in  dieser  Abtheüung  die  ver- 
schiedensten, oft  sehr  zierlichen  Steinperlen,  Bronzeringe,  Nadeln  und  Eisengeratbe, 
was  doch  nacli  letalerem  Punde  wieder  auf  eine  jüngere  Zeit  scb Hessen  liesse* 

Ein  Grab  über  oder  unter  dem  anderen,  m  daiss  also  dieselbe  Stelle  zwei  Mal 
zur  Beisetzung  benutzt  sei,  fand  ich  nie,  — 

Hr.  Voss  bemerkt  dazu,  dass  bis  jetzt  leider  sehr  wenige  vollständige  Unter- 
suchungen eines  ürnenfeldes  in  ganzer  Ausdehnuog  vorliegen  und  deshalb  Fragen, 
wie  die  von  Hrn.  Krug  aufgeworfenen,  aus  dem  bisher  zu  Tage  geforderten  Ma- 
terial kaum  zu  beantworten  sein  dürften.  Indessen  liege  es  wohl  näher,  anzu- 
nehmen, dass  bei  einem  Grabfelde,  welches  eine  so  lauge  Zeit  hindurch  benutzt 
wurde,  im  Laufe  der  Jiibre  Clilturzustaud ,  Sitten  und  Gewohnheiten  der  Be- 
völkerung sich  geändert  hätten  und  hiermit  auch  die  BegrabnisBgebräuche  andere 
geworden  seien. 

(8)  Hr.  H.  Ellenberger  in  Elberfeld  sehenkt  einen  Gypsabguss  desNeander- 
ihalschSdels. 

0»)    Hr.  Aurel  Krause  halt  einen  Vortrag  über 

die  Bevolkerungsverhältnisse  der  Tachuktschenhalbmsel. 

Deber  die  Natur  der  KüBtcu  bewohn  er  der  Tschuktsehenbalbiuset  und  ihr  Vcr- 
hältniss  zu  de»  nomadischen  RenthiertBchuktschen  sind  vielfach  abweichende  An- 
sichten vorgetragen  worden.  Die  ältesten  Besucher  dieser  Gegenden  hielten  beide 
für  dasselbe  Volkj  die  Renthiertschuktschen  fnr  die  reicheren,  vornehmeren,  die 
Küstentschukthchen  für  die  ärmeren^  welche  durch  den  Verlust  ihrer  Renthiere 
gezwungen  worden  wären^  vom  Fischfange  und  der  Jagd  der  Seesauget  Liiere  zu 
leben.  Erst  durch  Kotzebue's,  WrangelTs  und  Luetke's  Reisen  wird  die 
Zugehörigkeit  eines  Tbeilea  der  Küstenbewohner  zum  Eskimostamme  siclier  erkannt; 
über  die  Ausdehnung  jedoch  dieser  Eskimobevolkerung  blieb  man  bis  in  die  neueste 
Zeit  hinein  noch  vielfach  unsicher.  Dali,  der  beste  Kenner  dieser  Gegenden,  glaubte 
sie  früher  nordw^ärts  bis  zur  Koljutschiobai  setzen  zu  müssen;  die  Ueberwinterung 
Nordenskiold'ö  bei  Serdzekamen  lehrte  jedoch,  dass  die  Nordküste  bis  zum  Ost- 
cap  wenigstens  von  sesshaften  Tscluiktschen,  nicht  Eskimos,  bewohnt  ist*  Im  Som- 
mer 1881  hatten  wir,  mein  Bruder  und  ich,  Gelegenheit,  die  Bevölkerung&verbalt- 
nisse  der  Küste  vom  Oatt'ap  bis  zur  INoverbai  kennen  zu  lernen.  In  Folgendem 
soll  nun  das  Ergebniss  all  dieser  Beobachtungen  kurz  besprochen  werden;  eine  aus- 
fuhrlichere Behandlung  des  Gegenstandes  wird  demnächst  in  den  Verhandlungen 
der  Bremer  Geographischen  Geselischaft  erscheinen. 


(225) 


Das  Volk  der  Tschantschiiat  (im  Singular  nacB  Nord qu ist  „Tschautachu")  oder 
TschuktacLi,  wie  es  von  den  Ruesen  genannt  wird,  zeT0Ht  ebenso,  wie  das  ihm 
stauimTerwandte  Volk  der  Koräken,  in  einen  nomadischen  und  einen  sesshaften 
TheiL  Beide  sprechen  dieselbe  Sprache  und  unterscheiden  sich  nur  durch  die 
verschiedene  Lebensweise  von  einander,  die  wieder  durch  den  Besitz  oder  Nicht- 
besitz  von  Renthierheerden  bedingt  ist.  Die  RenthiertsehuktscheD  bewohnen  vor- 
herrschend das  Innere,  ziehen  aber  auch  im  Sommer  an  die  KQsteu  und  Ufer  der 
Baien,  um  dem  Fischfänge  obzuliegen,  Das  Gebiet  der  ReDthiertschuktschen  reicht 
von  der  Beringstrasse  westwärts  bis  zur  Tschaonbai  und  bis  zu  den  Quellflussen 
des  grossen  und  kleinen  Anjui,  BQdwiirts  bildet  der  Anadyrfluss  die  Grenze  gegen 
die  Koräken.  Docli  sind  weite  Strecken  innerhalb  dieses  Gebietes  völlig  unbewohnt, 
da  nicht  überall  genügende  Nahrung  für  die  mitunter  mehrere  tausend  Stuck  zäh- 
lenden Renthierheerden  vorhanden  ist. 

Die  sesshaften  Tschuktschen  leben  an  den  öfern  des  Eismeeres  von  der  Tschaun- 
bai  bis  zur  Beringstrasse  und  an  einzelnen  Punkten  der  Ostküste  in  Dörfern,  die 
bis  zu  40  Hütten  zrihJen,  Letztere  sind  deoen  der  Renthiertschuktschen  ähnlich,  nur 
grosser  und  dauerhafter.  Sie  besteben  aus  einem  Gerüst  Ton  'Walfischrippen  und 
hölzernen  Stangen,  das  mit  Hauten  von  Seesäugethieren  überzogen  wird,  A!s  Zug- 
thiere  gebrauchen  die  sesshaften  TsehuktFchen  Hunde.  Die  Jagd  der  Seeaäuge- 
thiere  und  den  Fischfang  betreiben  sie  nach  Weise  der  Eskimos;  auch  ihre  Leder- 
böte gleichen  jenen  dieses  Volkes. 

Nordquist  zählt  gegen  50  Dörfer  der  sesshaften  Tschuktschen  mit  etwa  2000 
Seelen.  Am  dichtesten  ist  die  Strecke  zwischen  der  Koljutschinbai  und  dem  Ost- 
cap  bevölkert,  ein  umstand,  der  in  dem  wenigstens  früher  dort  vorhandenen  Reich- 
thum  an  Seeaäugethieren  seine  Erklärung  findet, 

„Aukali^  oder  „Äigwan"  werden  die  sesshafteo  Tschuktscheo  von  den  Ren- 
thiertschuktschen  genannt.  Beide  Namen  drücken  jedoch  nur  den  Unterschied  in 
der  Lebensweise  aus;  auch  ist  diese  Trennung  nicht  so  scharf,  da  einerseits  die 
Henthiertschuktscben  zeitweise  auch  Fischfang  betreiben^  andererseits  auch  sesshafte 
Tschuktschen  einige  Renthiere  halten,  auch  ein  üebergang  von  der  einen  Lebens- 
weise zur  anderen  Öfters  statt  findet. 

Die  Södküste  der  Tschuktschenhalbinsel  endlich  von  Point  Tschaplia  bis  zum 
Anadyr^  sowie  Tbeile  der  Ostküßte  werden  von  Eskimos  bewohnt  In  der  Be- 
mühung, einen  Colleclivnamen  für  dieselben  zu  finden,  hat  man  eine  Fülle  von 
Bezeichnungen  geschaffen,  die  eine  klare  üebersicht  nicht  wenig  erschwert.  ^Na- 
mollo'^  werden  sie  von  Lnetke  genannt;  es  erinnert  diese  Bezeichnung  an  ^Nama- 
lau"',  welchen  Namen  nach  Steiler  die  sesshaften  Koräken  führen.  „Onkilon*',  die 
von  W  ränge  H  gebrauchte  Bezeichnung,  ist,  wie  schon  Neu  mann  bemerkt  hat, 
wahrscheinlich  nichts  andtTes^  als  das  Wort  „ankadli"  oder  „ankali**,  welches 
ebenso  wie  die  gleichfalls  gebrauchte  Bezeichnung  ^aigwan**  auch  für  die  sesshaften 
Tschautschuat  ii blich  ist  Nach  dem  Vorgange  von  Hooper  gebrauchte  Dali  in 
seinen  älteren  Fublicationen  den  provisorischen  Namen  Tuski  für  die  Eskimo- 
bevolkerung,  später  den  Namen  „Cbüklok^müt'*,  welchen  nach  Stimpsou  die  Be- 
wohner von  Ittygrane  (Chukluk)  führen  sollen;  nach  seiner  letzten  Expedition  hat 
er  das  Wort  „YO-if*,  eine  Variante  von  Ijinuit,  gewählt. 

Die  Zugehörigkeit  dieses  Volkes  zu  den  Eskimos  steht  ausser  Zweifel;  Lebens- 
welse, Sprache  und  Körperbeschaffenbeit  sind  dieselben,  wie  die  der  Bewohner  der 
gegenüberliegenden  amerikanischen  Küste.  Nur  pflegen  diese  Eskimo  nicht  mehr 
den  Gebrauch,  Knochenstucke  in  die  Unterlippe  einzusetzen,  auch  haben  sie  grössten- 
theils  die  Weise  des  Zeltbaues  der  Tschuktschen  adoptirt,  und  die  Erdhütten  dienen 

VftfliuidL  d«r  B«rL  AaÜiro|ioL  Geulkcbalt  1SS3.  15 


II 

I 


(226) 

ihneii  entweder  nur  nocli  zum  Wmteraufenibalte  oder  &Ib  Vorrathsraume.  Nacb 
Dali  wandern  sie  tangsam  längs  der  Küate  nach  Süden,  1879  wären  mehrere  Fa- 
niilien  bereits  am  Cap  Olmtorski  an  gelaugt. 

Die  Verbreitung  dieser  Eskimos  an  der  Ostküste  ist  in  neuerer  Zeit  Gegen- 
Btaiid  einiger  noch  unentschiedener  Controversen  gewesen.  In  den  ^Tribefi  of  the 
extreme  Northwest^  giebt  Dali  der  Eskimobevolkening  eine  Ausdehnung  nordwärts 
bis  zum  Cap  Serdzekamen*  Die  Deberwinterung  Norden skiold 's  nun  in  der 
Nähe  dieses  Punktes  gab  Gelegenheit,  den  überzeugenden  Nachweis  zu  fuhren^  dass 
an  der  ganzen  Küste  bis  zum  Ofltcap  Bskiraodörfer  nicht  vorbanden  sind.  Auch 
bei  den  späteren  Landungen  in  der  Lorenz bai  und  Eonyambai  traf  die  Yega  nur 
tschuktachiscb  aprechende  Leute.  Dem  gegenüber  halt  nijn  Dal!  auf  Grund  eigener 
Beobachtungen  und  zahlreieher  schriftlicher  und  mündlicher  Mittheilungen  von 
Capitünen  der  Walfischfanger  die  Behauptung  aufrecht,  dass  die  Ostküste  vorzugs- 
weise von  Eskimos  bevölkert  sei*  Durch  Stirn pson  erhielt  er  im  Jahre  1865  ein 
nahezu  reines  InnuitvocahulaJ  von  der  Insel  Chukluk  (Tttigrane),  und  durch 
Smith  ein  eben  solches  von  dem  Dorfe  Nuwukh  am  Ostcap. 

Unsere  Wahmehmungen  können  oun  dazy  dienen,  diese  Widersprüche  einiger- 
maasen  aufzuklären.  Zunächst  sind  am  Ostcap  zwei  grosse  Dorfer  vorhanden  ^  auf 
der  Nordseite  das  Dorf  Uedle,  dessen  Bewohner  Tschautschuat  sind,  auf  der  Ost- 
seite aber,  gegenüber  den  Diomedes-Inselo,  das  Dorf  Nuokao,  das  von  Eskimos  be- 
wolint  ist.  Weiter  südwärts  bis  zu  Lorenzbai  ist  die  Küste  wiederum  von  Tschau- 
tschuat bewohnt;  wiihrend  unseres  3  tigigen  Aufenthaltes  in  Pooten  und  unseres 
14  tagigen  Aufenthaltes  in  der  Lorenzbai  haben  wir  wenigstens  nur  tschuktschisch 
sprechen  gehört. 

Auf  der  Fahrt  von  der  Lorenzbai  bis  Point  Tschaplin  haben  wir  nur  fluchtige 
Berührung  mit  deo  Eingeborenen  gehabt;  trotz  der  gegenth eiligen  Angaben  unseres 
tschuktsclii sehen  Führers  Hidlako  lassen  die  von  Da  11  mitgetheilten  Angaben  kaum 
daran  zweifeln ,  dass  auch  im  Seniavin^Arcbipel,  und  wahrscheinlich  auch  an  der 
Mündung  der  Metschigmenbai  Eskimodörfer  vorhanden  sind, 

Nordenskiold  versucht  die  Widersprüche  in  den  verschiedenen  Angaben 
dadurch  zu  losen ^  dass  er  eine  Mischrasse  an  der  Ostküste  annimmt.  Die  Beob- 
achtungen sprecben  jedoch  gegen  eine  solche  Annahme.  Allerdings  leben  beide 
Völker  in  freundschaftlichem  Verkehr  mit  einander,  doch  pßegen  ihre  Ortschaften  H 
getrennt  zu  sein,  und  Mischheiraten  sollen  sehr  selten  stattfinden.  An  den  von 
den  Wal  ti  seh  f an  gern  regelmässig  besuchten  Orten  macht  sich  dagegen  bereits  viel 
weisses  Blut  geltend,  —  Die  tschuktschische  Sprache  ist  auch  vielen  Eskimos  ge-  fl 
läufig^  während  das  umgekehrte  höchst  selten  der  Fall  zu  sein  scheint. 

Für  eine  Schätzung  der  Kopfzahl  der  asiatischen  Eskimos  sind  nur  wenige 
Anhaltspunkte  gegeben^  zumal  da  es  keineswegs  sicher  ist,  dass  in  der  ganzen  Aus- 
dehnung von  Point  Tschaplin  bis  zum  Anadyr  nur  Eskimos  und  nicht  auch  an- 
sässige Tschnktschen  die  Küste  bewohnen.  Doch  dürfte  die  Zahl  der  Eekimos  in 
AsieUj  die  Bewohner  der  Lorenz -Insel  und  der  Diomedes-lDsel  mitgerechnet,  die 
Zahl  der  ansässigen  Tschuktschen,  also  etwa  2000  Seelen^  kaum  übertreffen. 

Ueberbliekt  man  nun  die  gegenwärtige  Verbreitung  der  Eskimos  in  Asien,  so 
wird  man  der  Ansicht  von  Dali  and  Nordenskiold  beistimmen,  dass  die 
asiatischen  Eskimo  aus  Amerika  eingewandert  sind  und  nicht,  wie  Steiler^ 
Wrangell  und  andere  vermutheten,  zurückgebliebene  Reste  einer  ehemals  zalil- 
reicheren,  nach  Amerika  hinübergezogenen  Bevölkerung.  Immerhin  würde  durch 
die  Annahme  eines  amerikanischen  Orsprunges  der  jetzigen  Eskimo bevölkerung  die 
Möglichkeit  früherer  Wanderungen  in  entgegengesetzter  Richtung  nicht  ausgeschtossen 


I 


I 


(227) 

seio,  nur  giebt  die  gegenwärtige  Verbreitung  keinen  Anhalt  für  eine  sokhe,  und 
historische  Beweise  felilen.  In  den  zweihundert  Jahren,  die  ßeit  der  ersten  Be- 
ri'ihruüg  der  Russen  mit  den  Tschuktschen  Yergangen  sind^  haben  merkliche  Ver- 
äDderungen  schwerlich  etattgefunden ;  in  einer  von  Pallas  nach  dem  Berichte  des 
Kosakenhauptmanns  Kobeleff,  der  im  Jahre  1778  bis  zum  Ostcap  vordrang,  con- 
struirten  Karte  Bnden  sich  viele  der  von  uns  erkundeten  Ortsnamen  mit  nur  wenig 
abweichender  Schreibung  angegeben, 

(10)  Hr.  Kulischer  ühereendet  eine  Abhandlung  über  die  Wehrbaftmachung. 
Dieselbe  wird  im  Text  der  Zeitschrift  verofifentHcbt  werden. 


{11}    Hr.  Kuhn  legt  zwei  Photographien  von  Labradoreskimo  ?or. 
noch  eine  Anzahl  Exemplare  a  60  Pfennig  vorrathig. 

(12)   Hr,  Grunwedel  spricht  über 


Er  hat 


hatthiädayo  vä  akkamantu 


den  Fusatapfen  des  Buddha. 
.  .    mahämeglio   vä  va^'^satu  na  köci  nam  makkhetuEi)  ^akkoti. 


Die  folgenden  skizzenhaften  Mittheilungen  üher  den  Fusstapfen  des  Buddha 
beziehen  sich  zunächst  auf  ein  im  Kgl.  Museum  befindliches  Monument,  nehmlich 
auf  einen  in  Stein  nachgebildeten  Fussabdruck  von  gigantischen  Dimensionen, 
welcher  von  der  Ruineustatte  des  heiligsten  Platzes  des  Buddhismus,  von  Gayä 
( Buddhagay ä)  im  sudlichen  Bihär  stammt,  also  von  der  Stelle ,  wo  Gautama  die 
Erleuchtung  sich  errang^)*  Es  sind  zwei  Steinblöcke,  etwa  in  Form  von  Kessel- 
pauken, am  Rande  wenig  verziert,  welche  auf  der  flachen  Oberseite  das  schematische 
Bild  des  doppelt  lebensgrossen  Fusses  zeigen.  In  der  Mitte  sieht  man  das  bekannte 
Emblem  des  Buddha,  das  Rad  (tschakra);  die  fast  völlig  gleichen  Zehen  baben 
schneckenhäuschenartige  Verzierungen j  zwischen  Rad  und  Zeben  ist  je  eine  indische 
Sirene  (kinnarl)  abgebildet,  während  man  unten  auf  dem  einen  einen  Opfertisch, 
auf  dem  anderen  einen  Baldachin  und  eisen  Reliquienstöpa  siebt.  Vor  der  Kinnari, 
unter  dem  grossen  Zehen,  ist  je  eine  Lotusblume  abgebildet-  ^^  üeber  die  Art, 
wie  ein  Fusstapfen  des  Buddha  sichtbar  wird,  ist  uns  im  heiligen  Kanon  der  sud- 
lichen  Schule  eine  Legende'-")  erhalten,  welche  ich,  da  sie  die  einzige  über  den 
Gegenstand  ist,  in  TJebersetzung  hersetzen  will, 

(Der  Brähmane  Mägandiya  hat  eine  schone  Tochterj  die  er  jedem  Freier  ver- 
weigert) ^Da  zu  einer  Morgenstunde  blickte  der  Erleuchtete  über  die  Welt  hin 
und  da  er  sah^  dass  der  Mägandiyabrahmane  und  sein  treues  Weib  die  Früchte 
des  „Nimmerwiederkehreus'*  erlangen  würden,  so  nahm  er  Topf  und  Bettelrock 
und  begab  sich  an  die  Feuerumwandlungsatelle  nach  dem  Dorfe  jener  Leute,  Als 
der  Brähmane  die  wunderschöne  Gestalt  des  Erleuchteten  sab,  dachte  er:  ^Auf  dieser 
Welt  ist  diesem  Manne  kein  anderer  Mann  gleich,  der  ist  passend  für  meine 
Tochter,  ihm  will  ich  meine  Tochter  zur  Pflege  geben'*.  Dann  sprach  er:  „Asket  1 
ich  habe  eine  Tochter,  —  ich  finde  für  sie  für  diese  Spanne  Lebenszeit  keinen 
ebenbürtigen  Mann,  aber  du  bist  ihrer  und  sie  deiner  werth,  sie  soll  deiner  Fuöß- 
5 pur  folgen  und  du  ihr  Gatte  sein:  so  wird  es  fördern,  darum  gebe  ich  sie  dir; 
bia.ich  zurückkomme^  bleib  hier  stehen!     Der  Meister  verhielt  sich  still,  ohne  ein 


1)  Mit   zwei   anderen    in  Gayä  gefundenen  Exemplaren  abgebildet  in  Räjendra-Läla* 
Mitra's  Buddbagayä  Tab.  XLllL  s.  na.  5,  7. 

2)  Dbiftaima|iaiJa  ed.  Fausböll  p.  162  ff. 

15* 


I 


(238) 

Wort  zu  sagen,  der  BralitoaDe  aber  ging  in  Eile  nach  Hanse  ....  Als  or  mit 
seiner  Toehter  herankam,  stand  jener  nicht  mehr  auf  der  oben  genanoteu  Stelle, 
sondern  er  hatte  dort  eine  FusBspiir  (padatschetiya)  zurückgelassen,  war  weg- 
gegangen und  ata^nd  nuii  an  einem  anderen  Orte,  —  Denn  die  Fussspureo  der 
Buddhas  werden  nur^  wenn  sie  an  einer  besoßderen  Stelle  aufgetreten  sind,  sichtbar, 
sonst  aber  nicht,  und  wem  zu  Liebe  sie  aufgetreten  sind,  der  sieht  den  Tritt  Um 
diesen  Tritt  zu  vertilgen,  können  sogar  Elephanten  darauf  trappen,  Wetters  türme 
kiinnen  darüber  regnen  und  .  .  ,  ,  Sturme  können  ihn  peitschen,  keiner  wird  im 
Stande  sein,  ihn  auszuwischen,  ^  .  ,  .  «  Die  BräbmaiiT  (die  mit  dem  Manne  und 
der  Tochter  gekommen  war,  und)  welche  die  drei  Vedas  und  die  Spruche  über  alle 
Abzeichen  kannte,  ....  sprach  den  Vers: 

Eines  Lüstlings  Fusstritt  wurde  gekrümmt  sein, 

Eines  Thoren  Fusstritt  ist  hingeschJeift, 

Das  ist  der  Fuss  eines  Mannes,  yon  dem  die  Lust  beseitigt  ist.'' 
So  weit  die  Legende,  welche  auch  Alabaster  (Tbe  wheel  of  tlie  law  p.  260), 
doch  nur  kurz  roittlieilt.  Die  Pointe  der  Erzählung  liegt  darin,  dass  der  Brahmane 
die  Tochter  ausersieht,  sie  möge  „der  Fossspui  des  Asketen  folgen"  (sc.  als  Gattin), 
worauf  dann  Buddha  durch  Befähigung  seiner  überirdischen  Kraft  seine  Abneigimg 
gegeu  die  sinnliche  Bedeutung  des  Wortes  zu  erkennen  giebt\).  In  Aiabaster's 
Fassung  fehlt  die  Yerallgemeinernde  Notiz  über  die  Entstehung  des  Fusstapfens 
und  diese  Notiz  ist  fiir  uns  zunächst  das  wichtige.  In  den  ersten  Zeiten  der 
buddhistischen  Gemeinde,  nachdem  der  Erleuchtete  ins  grosse  Nirväna  eingegaogen 
war,  —  es  war  dies  die  Zeit,  wo  die  Lehre  sich  reissend  verbreitete,  aber  auch 
die  der  Sektenstiftung,  die  Zeit  der  Unsicherheit  und  des  Schwankens  —  da  be- 
durfte mau  yox  Allem  eines  Kultus  für  das  Volk  und  an  der  Stelle  der  erniedrigten 
Götter  auch  der  Kultusobjekte.  Man  hielt  also  die  Stellen  heilig,  wo  der  Dahin* 
geschwundene  geweilt  hatte,  und  die  erste  und  wichtigste  derselben  war  das 
Fleckchen  Erde  unter  dem  Feigenbaume  zu  Gayä,  wo  er  „Erleuchteter"  geworden 
war.  Hier  stand  noch  der  Baum  als  Zeuge  des  geistigen  Ringens  des  Entschwundenen 
und  hier  waren  dann  auch  seine  Fusstapfen  zu  sehen,  welche  man,  wie  dies  bei 
ähnlichen  Erinnerungen  an  Beroeu  vergangener  Zeit  geschieht,  sich  in  riesenhafter 
Gestalt  dachte,  Als  sich  nun  immer  mehr  und  mehr  die  Lehre  vom  Buddha,  70m 
Buddhaideale  entwickelte,  als  mau  in  ihm  nicht  nur  das  Urbild  geistiger  Vollendung 
sab,  sondern  gewiss  in  Verwendung  alter  mantischer  Vorschriften  über  körperliche 
Vorzuge  auch  alle  jene  Korperschönheiten  (mahäpurisalakkhanäni)  auf  ihn  über* 
trug  und  schematisirte,  da  war  es  nicht  das  Geringste  darunter,  dass  er  gleich- 
massigen  Gang  besitzen  sollte,  „indem  er  mit  der  ganzen  Fusiflache  gleichzeitig 
den  Boden  trifft  und  ebenso  mit  einer  Bewegung  den  Fuss  vom  Boden  erhebt". 
Diese  flache  Form,  von  der  indischen  Schonheitsidee  verlangt,  wird  nun  in  den 
Darstellungen  in  sehr  buchstäblicher  Weise  zum  Ausdruck  gebracht^).  — 


1)  Es  ist  seltsam,  dass  auf  ehnstlicheii  Miniaturen  des  Mittelalters  bis  faluBm  in  die 
Blöthezeit  der  Malerei  in  Daratellnngen  der  Himmelfahrt  Chiisti  die  Fusstapfen  am  Boden 
sichtlmr  sind,  Mwn  könnte  an  den  Bezug  auf  eine  Tieüeicbl  dem  Baddhismus  entlehnte 
Legend«  denken  (v^L  Alabaster  pa^,  262),  wenn  es  nicht  etwa  vorzuKieheD  wäre,  anzunehmen, 
dass  rein  technische  Grund©  in  der  Miniatur  oder  dem  rohen  Ilolzschnitte  die  Anpl>e  der 
Fnssspuren  not  big  m  achten,  um  die  Figur  des  Erlösers  als  der  Erde  entrückt  darzustellen, 
welches  sich  dann,  vielleicht  durch  Legenden  gestützt,  bis  in  die  vollendete  Kunst  hinein  fort« 
erhalten  hab^u  mag. 

2}  Di©  breiten  Fusse  sind  ein  Fehler  jegliclier  —  nichthelleniacben  —  Kunstübung. 
Theilweise  mig  der  Tbatsache^  daxs  auf  ägyptischen,  wie  indiBcben  Scutptnren  die  Füsse  so 


(229) 


Während  auf  flem  bisher  allein  uns  vorliegenden  Stucke  himmlische  Sängerinnen, 
Blume  und  Opfertische  und  sonstige  Cultussymbolc  um  das  Rad  sich  gruppiren, 
gleichsam  als  Ausdrücke  der  allgemeinen  Verehrung  für  das  Zeichen  des  grossen 
Mannes,  zeigen  die  anderen  bei  Rajendra-Läla-Mitra  abgebildeten,  wie  die  zahl- 
reichen in  Amravati  etc.,  anknüpfend  an  die  mystische  Bedeutung  des  Rades,  auch 
andere  mystische  Zeichen,  Die  Zeichen  svasLika  und  sauvastika,  sowie  der  tri^^ul, 
das  Emblem  der  heiligen  Lehre  (dharma)  treten  speciell  in  denen  zu  Amravati  mit 
hinzu,  und  ähnliche  zeigen  auch  die  von  Rfijendra  ausser  dem  unsrigen  (Tab.  XLIII, 
s.  n.  1,  2  u,  3,  6)  abgebildeten.  Viele  dieser  Symbole  sind  so  wenig  für  den 
Buddbismus  charakteristisch,  dass  Rujendra  sie  für  brahmanisch  erklärt,  aber  es 
Bind  hauptsächlich  jene  Bilder,  welche  noch  heut«  in  der  ganzen  nördlichen  Schule 
als  „die  acht  Heiligthümer*'  bekannt  sind  und  die  in  Tibet,  der  Mongolei  etc.  als 
AUarbildchen,  in  den  Feldern  magischer  Kalender  ja  auch  bloss  als  Ornamente  eine 
grosse  Rolle  spielen').  Sie  gehören  wohl  vorzugsweise  der  Mantik  an,  welche  auf 
den  Händen  und  Füssen  der  Menschen  jene  alten  heiligen  ^Stempel^  zu  sehen 
versuchte,  —  Ging  man  ja  doch  in  Indien  so  weit,  dass  man  jene  oder  andere 
heilige  Zeichen  sich  auf  die  Glieder  malte'"').  —  Diese  so  zu  sagen  canonisch  fixirte 
Reihe  der  acht  Gluckszeicben  (Maiigala)  bietet  der  von  Hodgson  As,  Researches 
vol  XXI  publicirte  Buddhapud  in  Nepal. 

Einen  grossen  Werth  legte  man  in  deti  Landern  ausserhalb  des  continentaleu 
Indiens,  als  diese  Gegenden  buddinstisch  geworden  waren,  darauf,  einen  Fusstapfeii 
des  Gautama  oder  eines  anderen  Buddha  aufweisen  zu  kennen.  Als  Mahendra,  der 
Söhn  des  Ä^oka,  nach  Ceylon  gesandt  ward,  um  die  Lehre  Buddha's  dort  zu  ver- 
breiten, und  seine  Schwester  einen  Zweig  des  heiligen  Feigenbaumes  von  Gayä 
dorthin  verpflanzte,  entdeckte  man  mit  Freuden  den  Fusstritt  des  Erleuchteten  auf 
dem  Sumanakuta  genannten  Berge  (dem  heutigen  Adamspik)  und  der  Chronist  der 
Insel  Mahänäma  weiss  recht  wohl  von  einem  Besuche  des  Gautama  auf  der  Insel 
zu  erzählen,  Im  Gegensatz  zu  all  den  bisher  behandelten  ist  der  Fusstapfen  in 
Ceylon  ein  natürlich  es  Mal  im  Felsen  und  ich  bin  überzeugt,  dass  der  Fnsstapfen 
zu  Gayä,  welchem  Orte  die  Natur  einen  solchen  versagt  hatte,  nur  einer  Rück- 
wvirkung  des  Singbalesiscben  seine  Ex^iitenz  verdankt.  Von  Ceylon  aus  aber  kam 
die  Idee  mit  der  ganzen  buddhistischen  Cultur  und  Literatur  nach  dem  trans- 
gangetischen  Indien.  Hier,  wo  Gautama  sicher  nicht  gewiesen  sein  konnte,  musst^n 
die  mythischen  Bnddha's  auehelfen.  Um  diese  Trittspuren  entstehen  mehrmals  in 
der  Geschichte  Hinterindiens  grosse  Städte^),     und  wo  die  Natur  keinen   bot,  da 

schlecht  behandelt  werden,  bloss  Vernacblässi^ng  der  «Nebensache^  zu  Grunde  liegen  oder 
aber  (wie  hier)  absichtliche  Schema tisining.  Bekanut  ist  es  ja  ausserdem,  wie  es  eine  im 
Morgenlaude  häufig  wiederkehrende  Idee  ist,  dass  iveiehe  Fusse,  die  £um  Geben  unfähig  &ind, 
Noblesse  bekunden. 

1)  Vgl  z,  B.  Pallas,  Mongol.  Volker.  IL  Tab.  XV. 

2)  Im  alten  Indien  jjab  es  Asketen,  die  sich  die  Glieder  mit  hl  Symbolen  bemalten  und 
noch  bentp  ist  das  Bemalen  der  8tirne  mit  dem  so^.  ^tika^  (skt,  tibka)  allgemein  verbreitet. 
Bü&ser  bemalen  auch  heute  noch  Arme  und  Körper  mit  Strichen,  die  mit  dem  tilaka  auf  der 
Stirne  die  Sekte  fharakteri stiren,  der  sie  ani^ehören.  Abgesehen  von  verschiedenen  anderen 
durch  die  ^anze  Welt  gehenden  Erscheinungen,  möchte  ich  nur  bemerken,  d^ss  die  Sache 
auch  hl  Europa  nicht  unerhört  war,  man  vgl  nur  x.  B»  die  merkwürdigen  Notizen  bei  Hat- 
temer,  Denkmale  des  Mittelalters,  St.  Gallens  Sprachschätze.  8t  Gallen  1844—49.  Vol  L 
s.  T.  Stigmata  nnd  Stic  mala. 

8)  Vgl  Bastian,  Die  Völker  des  östl  Asiens-    Bd.  I,  S.  17,  376. 

4)  Noch  das  Lalita?istara  kennt  iinf  der  Fussfiäche  als  elnztges  Abzeichen  der 
ßuddhawürde  das  Rad,  vglFoucaux»  rGya-lschher-rol  pa,    Vol.  U,  p.  108,  während  eine  an* 


(230) 

Tünchte  man  sich  einen  und  handelte  dabei  ebenso  naiT,  wie  die  Verfertiger  Tom 
Himmel  gefallener  Heiligenbilder  in  christlicher  wie  heidnischer  Zeit.  Auch  im 
Schematlsiren  ging  man  weiter,  als  die  nordliche  Schule.  Man  Terstieg  sich,  was 
die  ßitder  auf  dem  Fusse  betrifft,  zu  der  lächerlichen  Ungeheuerlichkeit^  eine  Zahl 
TOD  GO  bis  100  Figuren  sehen  zu  wollen,  welche  die  Vertreter  aller  möglichen 
gutgeArteten  Wesen  daidteJlten  von  deu  Brahma-  uod  Gotterliimmeln  hinab  durch 
Menschenwelt  und  Tbier-  und  Pflauienwelt  einschliesslich  der  Konige  aller  möglichen 
mythischen  uod  njärcbenbaften  Wesen  guter  Art  mit  oder  ohne  die  mystische o 
Embleme,  welche  sich  nun  alle  um  das  Rad  gruppirteUj,  welches  stets  den  Mittel- 
punkt bildete').  Man  wollte  damit  bezeugen,  dasa  das  ganze  Universum  auf  der 
Lehre  des  Buddha  ruht,  dass  alle  der  Stutze  des  „erkennenden  Mannes"^  bedürfen. 

Obgleich  nun  also  eine  canonische  Form  des  Fusstapfens  des  Buddha  festgestellt , 
isty  so  wäre  es  doch  völlig  falscb  zu  glauben,  dass  die  Idee  selbst  eine  buddhistische 
sei.  Es  handelt  sich  hier  wiederum  um  einen  jener  Falle,  dass  die  Keligion  des 
erleuchteten  etwas  allgemein  Populäres  aufnabm  und  ihm  einen  bleibenden  Stempel 
auldrQckte.  und  diese  alte  populäre  Aü schau ung  w^usste  von  den  Schritten  des 
Sonnengottes  und  von  denen  riesiger  iSturmwesen  zu  erzähl eii.  Es  ist  der  Mythos, 
von  dem  schon  im  Veda  durch  seine  drei  Schritte  durch  die  Welträume  bekannten 
SonneDgenius  Vischnu-'),  und  ich  mnss  dazu  vor  Allem  bemerken,  dass  pada  in 
vedischen  Liedern  sowohl  Fuss  wie  Strahl  bedeutet,  Wie  gut  nun  das  Rad,  welches 
selbst  eines  der  ältesten  Son neu sym hole  ist,  zu  dejr  Abbildung  des  Fusses  passt^ 
das  hatSenart  schon  charakterisirt^).  Mithinzuziehen  ist  die  vedische  Anschauung 
vom  Adscha  Ekapäd,  „dem  einfussigen  Treiber",  einem  Wesen,  welches  die  vediscben 
Comraentaloren  auf  die  Sonne  beziehen. 

Wir  haben  Buddhapäds  von  verschiedenen  Formen,  theils  je  ein  Paar  mit  je 
einem  Fusse,  theils  beide  Füsse  auf  einer  Platte.  Es  liegt  auf  der  Handj  dass  der 
ältesten  mythischen  Anscliauung  ein  Tritt  auf  einer  Platte  gemäss  war,  und  erst 
bei  der  üebertragung  auf  den  Gautama,  der  nach  der  Legende  stehend  sich  durcli 
die  Luft  bewegt,  die  beiden  Füsse  nothig  schienen. 

Nach  der  Vertreibung  des  Buddhismus  aus  Indien  trat  Vischuu  im  Gangeg- 
lande an  die  Stelle  des  Gautama,  so  dass  also  in  dem  besprochenen  Falle  ein  altes, 
auf  den  grossen  Moralisten  übertragenea  Sonnensymbol  wieder  auf  einen  Sonnen- 
geniua  zurücktrat,  und  es  geschah  dies  besonders  in  den  grossen  Tempeln  der  Glanz- 
periode der  buddhistischen  Zeit;  so  ist  es  denn  von  dem  Im  Kgl.  Museum  be- 
findlichen Stücke  bekannt,  dass  es  im  Mittelalter  als  Vischiiupäd  verehrt  wurde. 
Im  Himälaya  aber  w^aren  es  die  Trittf'puren  des  Sturmgottes  ^iva,  welche,  dort  im 
lebenden  Stein  zu  schauen^  die  Verehrung  auf  sich  zogen  ^  Denkmäler  des  eigent- 
lichen Volks-  und  Dämonenkultus,  auf  welche  der  Buddhismus  vielleicht  nie  An- 


dere (ajameBische)  Lebensbeschreibung  des  Gautama  (deren  Verse  sieh  wie  Gäthäverae  aus- 
nebmen)  die  Patbamasambodhi  (vgl.  Alabaster,  Tbe  wheel  of  tbe  law)  die  valle  lange  Reihe 
aller  möglichen  Allegorien  und  Symbtilö  der  Götter,  Menschen  und  Thierwelten  otr.  aufltibrt. 

1)  Abgebildet  ist  ein  solches  Stilck  bei  dem  erwähnten  Alabaster  (vgl  die  Tafel),  wo 
diejenigen,  welche  sich  für  die  ganze  lanf^e  Reihe  interessiren»  die  Einzel heiieo  nachsehe ri 
mtigen.  Eine  ausführliche  BehandluDg  jedes  eiiizduen  Bildes  mit  AuiTübnm^  der  ganzen 
früheren  Literatur  giebt  Burnouf^  Lotus  de  la  büuae  loi.  p.  622  iL  Mir  liegt  diuch  die 
Gate  des  Hm.  Professor  Bastian  die  Copie  eines  Stückes  vor»  iwelcbes  ein  Eingeborner  nach 
dem  in  deo  Ruinen  von  Kambodachti  befindlichen  Originale  ferligte  und  welches  in  der  Reiben 
der  Bilder  Variationen  zeigt,  auf  die  ich  hier  oicht  lAeiter  eingehen  kann. 

2)  Besonders  interessant  ist  die  Stelle  Rigvedii  I,  1Ö4»  4— 1>. 
8)  Essai  sur  lu  legende  du  Buddha  p.  188  f. 


(231) 

Spruch  geitiacbt  hatte  und  dereu  Verehrung  jetzt  hervortrat,  da  die  buddhistische 
Zeit,  wie  so  oft,  auch  hierio  das  Volksmässige  zur  NotiKiaahme  der  Iiöheren 
Kasten  heraufgehobeu  hatte.  Im  Dakkhan  ferner  faod  gerne  die  UebertragUDg  auf 
de  Ol  Heroen  Rüma  statt. 

In  den  Legenden  und  Sageo  geradezu  aller  europäischen  Volker»  in  denen  der 
inohammedtiniscben  Welt,  ja  auch  im  alten  Amerika  kehrt  in  mann  ich  fachen  Spiel- 
arten der  Gedanke  wieder,  an  sonderbaren  Bildungen  im  Gestein  die  Beglaubigung 
der  Maclil  eines  überirdischen  Wesens  zu  sehen;  in  der  früheren  rohen  Anschauung 
des  Volkes  sind  es,  wie  erwähnt,  die  Spuren  von  Helden  und  Riesen,  später  in 
Fallen j  in  denen  die  Sage  auf  einen  Culturträger  angewendet  wird,  werden  sie  zum 
Zeidien  ihrer  höheren  Sendung.  Diese  Verwendung  auf  Männer  der  Religion  und 
des  Friedens  war  dadurch  möglich,  dass  der  Heros  des  Geistes,  der  Märtyrer  der 
Religion  eben  die  Kraft  und  die  Attribute  des  OeJden  erhält  In  den  Sagen  Europas 
aber  findet  nebenher,  jenem  seltsamen  Processe  gemäss,  welcher  aus  alten  Riesen 
und  Helden  oder  der  strafenden  Seite  eines  alten  Gottes  die  Teufelsidee  entwickelte, 
gern  die  üebertraguug  auf  den  Teufel  statt.  Und  hier  ist  die  Sache  zum  Insiegel 
im  schliöEnnen  Sinne  geworden.  Teufel  und  Dämonen  hinterlassen  die  bezüglichen 
Spuren  aus  Aerger  über  ihre  Ohnmacht,  aber  auch  als  Zeichen  des  Sieges  über  eine 
oder  die  andere  Seele.  Zu  der  dämonischen  Seite  gehören  auch  die  mannichfacheu 
Sagen  ?on  Geistern  und  Gespenstern,  welche,  um  Erlösung  Öehend,  durch  ein  ein- 
gebranntes Korperglied  ihre  Herkunft  documentirea.  Nur  wenige  iadess  Ton  all 
den  Sagen  tragen  ihren  rein  Tolksmässigen  naturwüchsigen  Charakter;  auch  ander- 
wärts als  in  Indien  hat  die  Religion  sieb  der  Idee  bemächtigt  und  aufs  weiteste 
davon  Gebranch  gemacht.  Das  Christenthum  hat  solche  Sagen  besonders  bei 
Christus,  bei  Petrus,  dem  heiligen  Magnus  und  Thomas')  —  der  Islam  bei  Adam, 
Abrahann  und  Ischmael  —  Mexiko  bei  Quezalcoatl,  in  Brasilien  findet  sie  sich  bei 
Sume.  Noch  reicher  würde  die  Reihe  ausfallen,  wenn  sich  die  Abdrücke  des  Ge- 
sichtes, der  Hände  oder  die  Sitzspuren  anschliessen  dürften  -^  oder  die  Zeugen  vor- 
weltlicher Arbeit,  wie  bei  Prometheus  etc.,  lauter  Sagen,  welche  nur  als  Ab- 
zweigungen einer  Idee  zu  fassen  sind.  Das  wichtigste  unter  allen  diesen  Merk- 
malen ist  die  Fussspur  ^  sie  ist  in  der  That  mit  Recht  die  älteste  und  erste 
Schrift  genannt  worden^  welche  der  Mensch  schreibt  und  liest,  —  sie  führt  ihn 
zuerst  auf  die  Idee,  sie  bildend  nachzuahmen  ^  und  die  Verwendung  des  Fusses 
als  Symbol,  als  Hieroglyphe,  ais  Landmaass,  als  Ornament,  zuletzt  noch  die  Er- 
innerung daran,  welche  Bedeutungsfülle  d.is  Wort  „Fuss"  in  jeder  Sprache  vereinigt^ 
mag  das  Naheliegende  des  Gedankens  zeigen,  dass  man  die  Fussspur  eines  grossen 
Mannes  vor  allem  hochhält,  dass  man  sie  sucht,  wenn  er  entschwunden  ist.  „Die 
Stelle,  die  ein  guter  Mensch  betrat,  ist  eingeweiht**;  so  ist  es  aüch  erklärlich,  dass 
die  Buddhisten  nach  dem  grossen  Nirvfma  des  Yullig  entschwundenen  Gautaroa  doch 
noch  den  Abdruck  seiner  Füsse  zu  besitzen  glauben,  einer  Idee  zufolge,  welche 
im  einfachsten  und  alterthümlichsten  Gewände  die  verschiedensten  Züge  religiöseo 
Vertrauens  und  Pietät  vereinigt  — 


Hr.  Bastian  erörtert  das  den  angeblichen  Fussspuren  von  Gottern,  Helden 
und  Riesen  anhaftende  ethnologische  Interesse. 

1)  Die  Spur  auf  dem  Ädamspik  in  Ceylon  ist  für  die  Christen  die  des  hl.  Thomas,  für 
die  HosHms  die  des  Adam,  für  die  Qivaiten  die  des  Qiva.  —  Zu  den  obi^n  schliessenden 
Bemerkungen  musa  ich  mich  leider,  da  das  Matenal  ein  2U  grosses  ist,  in  Rncksicbt  auf  he- 
schrankten  Raum  aller  Citate  enthalten  j  ich  muss  also  leider  den  Gedanken,  die  Literatur  so 
volJz&htig  wie  möglich  zu  geKen,  fallen  lissdn. 


(232) 

Hr.  Voss  üodet  aucb  unter  dea  skaGcliaaTisoheii  HällnslDmgar  Fusätapfen  ab- 
gebildet, deren  BedeutuDg  Docb  siebt  sicbergeätetlt  t3t. 

Hr,  Basti QD  fügt  biazu^  dass  sieb  aucb  unter  den  EinzeichDUDgeii  vod  der 
Osteriüsel  Fussspureo  erkeoiien  lassen.  Mit  diesen  merkwurdigeD  und  nocb  so 
dtiDklen  Scbriftzeichen  des  pacifiscben  Eilandes,  desseo  Truditioa  auf  Einwandemogen 
von  Tabiti  und  Earotonga  scbJiessen  lässt,  babeii  noch  acn  meisten  Aebnlicbkeit 
die  Kikowinen  oder  magiiicheB  Gesänge  der  Algonquin-Iodianer,  wiewobi  letztere 
einer  vorgeschritteneren  Periode  angeboren, 

(IS)  Der  Hr.  Cuitusminister  bat  die  Güte  gehkbt,  dem  Königlieben  Museum 
einen  von  Hrn,  Studienratb  Dr,  Müller  in  Hannover  eiogesandten 

Eronzenachguas  einer  sogenannten  Bronzekrone 

2U  überweigen.     Der  Beriubt  des  Hrn.  Müller  lautet  folgendermaaesen r 

Im  vorigen  Jabre  wurde  im  Veermoor  bei  Lebe  von  einem  Torfgräbpr  ein 
Kopfring,  sogenannte  Krone,  aus  wenig  mit  Zinn  legirtem  Kupfer  gefunden.  Das 
Stnck  gelangte  in  PrivatbesitZj  und  da  der  gegenwfirtige  Eigentbümer,  Herr  8cbeper 
in  Lebe,  dasselbe  nicht  veräussern  will,  so  habe  ich  von  dem  Ringe  ein  paar  Metall- 
copien  herstellen  lassen.  Ew.  Excefleoz  beehre  ich  mich,  eine  derselben  mit  Ge- 
nehmigung des  Verwaltungsansscbusses  des  bipsigen  Provinzialmuseums  in  der  An- 
lage gehorsamst  zu  überreichen.  Es  lässt  sich  der  Ring  zu  einem  Tbeile  oflTnen. 
Vielleicht  eignet  sieb  die  Copie  für  die  prü historische  Abtbeiluog  des  Königlichen 
Museums  in  Berlin,  wie  ich  denn  auch  der  Sammlung  des  historischen  Vereins  zu 
Stade,  in  dessen  Bereiche  das  Original  gefunden  wurde,  gleichfalls  eine  solche,  be- 
gleitet von  einer  kleinen  Abbandkng  zusenden  werde. 

Bis  jetzt  sind  in  der  Provinz  4  Stück  dieser  Kronen  zum  Vorschein  gekommen  — 
eine  verhältnissmässig  grosse  Zahl  — ^  nehmlicb: 

1.  Bei  Wieren,  Amt  Oldenstadt,  und  zwar  im  dortigen  Moor:  eine  wohl  massive 
Zackenkrone  mit  ähnlich  beweglichem  Ausschnitt,  wie  bei  der  anliegenden;  vergL 
Correspoadenzblatt  des  bistorischen  Gesammtvereins  1856,  S.  3L  Das  Exemplar 
befindet  sich  im  hiesigen  Provinzialmuseum. 

2.  Im  langen  Moor,  zwischen  dem  Amte  Lebe  und  Amt  Osten,  Dies  Exeai- 
plar  bat  ebenfalls  ein  Scharnier  und  ist  abgebildet  im  Archive  des  historischeD 
Vereins  zu  Stade  1864,  TaL  4,  Fig.  1,  dazu  die  Beschreibung  S,  "273.  Es  befindet 
sich  gegenwärtig  in  der  Stader  Sammlung,  die  auch 

3.  einen  bei  Issendorf,  Amt  Harsefeldj  in  einer  frei  in  der  Erde  stehenden 
Urne  gefundenen  Bronzering  besitzt.     Leider  ist  dieser  zerbrochen. 

Das  4.  Exemplar  ist  das  im  Veermoor  bei  Lebe  zu  Tage  gekommene,  nach 
welchem  die  beifolgende  Copie  verfertigt  ist.  — 

Hr.  Voss  bemerkt  dazu,  dass  nach  seiner  Ansicht  diese  sogenannten  Kronen 
nicht  als  Kopfschmuck,  sondern  als  Halsschmuck  gedient  haben.  Hütten  dieselben 
als  Kopfzierde  dienen  sollen,  so  wäre  die  an  denselben  angebracbte  Einrichtung, 
dass  ein  Tbeil  mittelst  Cham iers  geöffnet  werden  kann,  überflüssig.  Der  manchmal 
sehr  hoch  ober  den  Rand  des  Reifens  emporragende  und  mit  Zacken  verzierte 
Dorn  des  Cbarniergelenks  habe  noch  auf  der  Ruckseite  des  Halses  gelegen  und  sei 
dadurch  nicht  unbequem  geworden.  In  der  Jagor 'sehen  Sammlung  seien  Indische 
Armringe,    welche    an    ihrem  Verscblusstheil    ähnliche    stark    hervorragende  Dorne 


(233) 

babea.     Hißsichllich    der  ZeitsteJIung    glaube    er    sie    als  der  La  T^De-Periode  zu- 
gehörig betrachtea  zu  müsseo. 

(14)  Hr.  Heiuricli  Messikommer  Sohn  in  Wetzikon  übersendet  unter  dem 
29.  März  Mittbeilupgen  ober 

Sämereien  und  Fruchte  auf  der  Pfahlbaute  Robenhausen. 

Die  Pfahlbau te  Robe ti hausen  hat  in  mancher  Bezieliung  wohl  am  m eiste»  Auf- 
schluss  über  jene  frühe  Kuiturperiode  gegeben.  Sowohl  io  Beziehung  auf  Knochen- 
Überreste  als  auch  auf  Industrieproducte  und,  wie  wir  sehen  werden,  in  Bezug  ituf 
Sämereien  und  Fruchte  iiat  sie  wesentlichen  Antheil  an  den  jetzt  ziemlich  be- 
kannten damaligen  Kulturverhältnissen.  Der  Gruaol  dieser  Thatsoche  liegt  tbetls 
in  der  günstigen  Läge  der  Niederlassung,  theils  aber  auch  in  der  sorgfaltigen 
Durcbsuchung  derselben^  Sehr  oft  gehen  Gegenstände  von  vielleicht  grossem 
kulturhistorischem  Werthe  aus  UnkenntaisH  bei  Nachgrabungen  verloren,  wenn  solche 
z.  B.  nur  durch  ungeübte  Arbeiter  oder  gar  noch  ohne  kundige  Aufsicht  vorgenommen 
werden.  Die  Sämereien  erfordern  jedenfalls  die  grosste  Sorgfalt  und  Aufmerksamkeit 
und  z.  B.  ganze  Aehreastücke  zu  erhalten,  ist  in  frischem  Zustande  schwieriger,  als 
das  Aufbewahren  von  Geweben,  Geflechten  etc.  Die  Äehren  sind,  wenn  sie  au  die 
Luft  kommen,  so  zerbrechlich,  dass  man  sie  beinahe  nicht  berühren  darf;  durch 
das  Trocknen  gewinnen  sie  jedoch  Festigkeit,  so  daas  man  sie  ohne  Schwierigkeit 
aufbewahren  kann. 

Die  Getreidearten ^)  der  Ffahlbaute  Hobenhausen  beschränken  sich  bekanntlich 
auf  verschiedene  Arten  von  Gerste,  Weizen*  Hirse  und  Emmer.  Alle  bis  jetzt  be- 
kannten Species  wurden  zu  Robenhausen  gefunden,  theii weise  auch  auf  den  andern 
Niederlassungen.  Es  geht  hieraus  hervor,  welch*  ausgedehnte  Landwirthschaft  be- 
trieben wurde.  Die  Kürner  werden  gewöhn  lieh  nicht  einzeln,  sondern  in  grösserem 
Vorrathe,  der  keiner  Hütte  fehlte,  gefunden. 

Gleich  den  Industrieproducten  ftind  auch  diese  Funde  nur  in  verkohltem  Zu- 
stande coaservirt.  Die  Getreidearten  sind  nach  Herrn  Professor  Heer  folgende: 
Triticum  vulgare  antiquorum  {der  kleine  Pfahl  hau  weizeu);  Triticum  turgidum 
(Aegj^ptischer  Weizen);  Triticum  dicocrum  Sehr,  (Kmmer);  Hordeum  hexastichum 
densum  (dichte  sechszeilige  Gerste);  Hordeum  hexastichum  sanctuni  (kleine  sechs- 
zeilige  Gerste);  Panicum  miliaceum  (Rispenhirse);  Setaria  italica  (KolbeDhirse, 
Fenn  ich). 

Eine  jede  Hütte  hatte  ihre  eigene  Mühle,  gewöhnlich  aus  Sernihtconglomerat 
oder  seltener  auch  aus  Protogengranit,  Am  häufigsten  unter  den  Getreidei^rten  tritt 
der  kleine  Pfahl  bau  weizen  (Triticum  vulgare  antiquorum)  und  die  kleine  sechs- 
zeitige Gerste  (Hordeum  hexastichum  densum)  auf.  Herr  Prof.  Heer  glaubt,  dass 
der  ägyptische  Weizen  (Triticum  turgidum)  nur  versuchsweise  zu  Roben  hausen  ge- 
pflanzt wurde.  Das  Vorkommen  dieser  Weizenart,  die  sonst  nur  noch  in  einigen 
südlichen  Landern,  besonders  aber  in  Aegypten,  gebaut  wird  und  ihrer  grossen 
Frucht  wegen  sehr  beÜebt  ist»  ist  ein  erster  interessanter  Beweis  für  den  Tausch- 
handel, den  die  damaligen  Bewohner  gegenseitig  unterhielten.  Nachdem  die  Halme, 
wahrscheinlich  vermittelst  starker  Ruthen,  von  den  Kornern  befreit  waren,  wurden 
sie  zur  Bedachung  der  Hütten  und  als  Streu  verwendet 

Auch  für  ßrod  zeigten  die  Pfahlbauer  schon  grosse  Vorliebe,  Dasselbe  findet 
sich  in  flachen,  kuchenartigen  Brödcben  von  15 — 20  n«  Durchmesser  und  3  —  5  cm 


1}  Siebet  Prof.  Osw.  Heer:  ^Die  Päaiizen  der  Pfüblbautea*.    Zürich 


(234) 

Dicke  and  l&sst  bei  mikroskopischer  Ontersucbung  Qocb  deutlich  die  scbkcLt  ver* 
mahleoeo  Körner  untl  oft  auch  eiüzene  Kleietheile  erkennea;  ja,  selbst  kleiae  Reste 
der  Mühlen,  die  bei  dem  Reiben  der  Steine  sieb  loslösten^  sind  nicht  schwer  nach- 
Äuweiaen,  Nachdem  der  Teig  aogeniacht,  wurde  er  auf  glatten  Steinplatten  ge- 
backen. Salz  fehlte  wahrsobeiulich,  konnte  wenigstens  seiner  Eigenschaften  wegen 
bis  jetzt  nicht  nachgewiesen  werden.  Auffallend  erweise  beündet  »ich  auf  eiuem, 
letztes  Frühjahr  aufgefundenen  Brodcben  eine  Art  Zeichnung,  abnlieb  einem  stark- 
geaderten  Blatte  (Kastanie),  Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  das  BrÖdchen  io 
einem  Modelle  gebacken  wurde.  Das  ßrod  wurde  aus  verscbiedeneD  Getreidearten 
gemacht,  der  Mehrzahl  nach  aus  Gerste  und  Weizen,  seltener  aus  Hirse. 

Eigeutbumlicb  ist,  dass  die  grosseren  Yorräthe  an  Frachten  und  dergleichen, 
wie  die  Industrieprodukte^  auf  der  er&ten  oder  untersten  Fundschiebte  gefunden 
werden. 

Neben  den  Getreidearten  kommen  am  häufigsten  die  Aepfel  (Pyrus  malus  L.) 
vor  und  zwar  die  sogenannten  HohäpfeL  Nach  Prof.  Heer  hatten  die  Pfahlbauer 
von  Roben  hausen  jedoch  auch  schon  eine  kultivirte  Art.  Gewiss  eine  sehr  inter- 
essante Erscheinung I  Fast  alle  Aepfel  wurden  entzwei  gescliuitten,  um  sie  besser 
dorren  zu  können;  vollständige  Exemplare  kommen  wohl  mitunter  auch  vor,  doch 
sind  es  nur  ganz  kleiae  Stiicke.  Ebenso  selten  sind  die  Birnen  (Pyrus  communis  L.), 
die  gleich  den  Aepfeln  in  einer  Holzart  auftreten. 

Sehr  beliebt  waren  jedenfalls  auch  die  Hasebüsse,  die  in  zwei  verscbiedeoen 
Arten  gefunden  werden:  die  Kurznuss  (Corylus  avellana  ovata  Willd.)  und  die 
Langnuss  (Corylus  avellana).  Auf  der  Pfahl  baute  Robenhausen  haben  wir  schon 
oft  eine  Schichte  von  10 — -20  vm  Mächtigkeit  gefunden,  die  ausschliesslich  aus  auf- 
gebrochenen Schalen  beider  HaseJnussarten  bestand.  Daneben  lagen  gewöhnlich 
auch  die  sogenannten  Kornquetscher,  faustgrosse  rundliche  Steine,  an  denen  man 
die  Schlagflächen  deutliclv  sehen  kann. 

Zwei  fernere  Pflanzen j»  die  gerne  gesucht  wurden,  sind  die  Himbeeren  (Rubus 
idaeus)  und  die  Brombeeren  (Rubus  fruticosus).  Beide  Arten  mit  ihren  wohl- 
schmeckenden Friichteo  sind  jetzt  noch  von  der  Jugend  gern  gesehene  Sträueher 
uüBerer  Wälder. 

Die  Erdbeere  (Fragaria  vesca  L.)  und  die  Heidelbeere  (Vaccinium  myrtilluB  L*) 
werden  auf  den  Niederlassungen  nur  äusserst  selten  gefunden. 

Häufiger  fanden  wir  die  Wassern uss  (Trapa  natans  L.)  an  gewissen  Stellen 
des  Pfahlbau.  Jetzt  ist  sie  hier  gänzlich  ausgestorben,  und  ein  Versuch,  dieselbe 
wieder  zu  pflanzen^  scheiterte  ebenfalls. 

Die  Buchnüsse  (Fagus  silvatica  L.)  und  die  Eicheln  von  Quercus  Robur  L.  kommeu 
ebenfalls  vor,  Bigenthümlicberweise  letztere  aber  nur  sehr  selten.  Es  ist  daher 
kaum  anzunehmen^  dass  sie  hier  eine  Rolle  als  Nahrungsmittel  spielten,  wie  dies  in 
Wangen  der  Fall  gewesen  sein  muss,  indem  dort  die  ßuchnusse  bisweilen  in  be- 
deutender Menge  angetroffen  worden  sind. 

Auffallend  ist,  dass  in  Robenhausen  an  einer  Stelle  der  Gartennr>ohn  (Papaver 
somniferum  var.  antiquum)  in  ziem  lieb  er  Menge  angetroffen  wurde,  unzweifelhaft 
waren  also  die  Eigenschaften  des  Mohnes  dem  Pfahlbauer  bekannt,  sei  es,  das  er 
aus  den  Samen  Oel  pres^te,  sei  es,  dass  er  sie  ihrer  berauschenden  Kraft  wegen 
genoss.  Ein  in  Robenhausen  aufgefundener  Kuchen  aus  Mohnsamen  lasst  mit  siem- 
lieber  Sicherheit  auf  letztere  Verwendung  seh  Hessen» 

Von  grossem  Einflüsse  auf  die  Lebensweise  der  Pfahlbauer  war  der  Flachs 
(Linum  angustifolium  L.),  der  als  wildwachsende  perennirende  Pflanze  aus  Italien 
importirt  wurde.    Die  Fasern  des  Flacbies  vervrendete  man  bekanDtllcb  ausschliesslich 


für  die  loilustrieproducte.  Hau 6g  werden  Kapsel  q  uod  Steogel  gefuDden  und  later- 
essEDterweise  neben  denselbeo  das  in  Flachafeld^rn  wachsende  Unkraut  Silene 
cretiea  L.  Der  beutige  Flacba  ist  nach  Heirn  Prof.  Heer  nus  jenem  durch  die 
Kultur  entstanden.  Hierher  gehören  auch  die  Li  öden  (Tilia  grandifolia  Ehrh,  und 
Tilia  parvifoÜM  Ehrh.).  Der  zähe  Bast  dieser  mächtigen  Baume  wurde  ht-hr  häufig 
mit  Weideustäbeben  zu  festem  Eorbgeäecbte  gewickelt. 

Die  Unkräuter  schmarotzten  schon  zur  Pfahlbautenzeit  iu  grosser  Anzahl,  ich 
nenoe  hier:  Lolium  lemutentum  L.;  Cbenopodium  polysperniuin  L.;  Chenopodium 
rubrum  L.;  Cbenopodium  glaucum;  Lappa  major  L.;  Agrostemma  gltbago  L.;  Lychois 
vespertina  U;  ötellaria  media  L,j  Spergula  pentaodra  L.;  Arenaria  serpyllifolia  L,; 
Galium  Aparine  L.;  Ranunculus  repens  L.;  Medieago  minima  L.;  Geutaurea 
cjaous  U  Alle  diese  Pflanzen  sind  wahrscheinlich  durch  Zufall  in  die  Kultur- 
schichte gelangt,  oft  mögen  aie  durch  den  Wind  hingetragen  worden  sein.  Auf- 
fallend ist  dagegen,  dass  wir  zwei  Pflanzen:  Chenopodium  aibum  L<  und  GaJium 
palustre  L.  iu  Robeohauseo  in  grosaen  Massen  beisammen  gefunden  haben,  so  dass 
solche  unzweifelhaft  gesammelt  worden  waren.  Aus  was  für  einem  Gründe  ist  mir 
aber  durchaus  räthselhafL 

Die  Wiilder  bestanden  zur  Pfahl  bauten  zeit  mit  Ausnahme  der  Bergfohre  (Pinus 
mouLina  Mill)  aus  den  jetzigen  Waldbaumen.  Die  ßergfohre  kommt  jetzt  nur 
noch  in  bedeutend  böherea  Lagen  vor.  Die  Roth-  und  Weisstanoen  bitdeten  schon 
damals  die  Mehrzahl  und  lieferten  das  Holz  für  die  Pfahle,  wenigstens  zu  der  ersten 
und  zweiten  Niederlassung,  während  für  die  dritte  Niederlassung  nur  gespalteoes 
Eichenbolz  verwendet  wurde. 

Neben  diesen  spielte  der  Eiben  bäum  (Taxus  baccata  L,)  eine  Rolle,  Messer» 
Keulen,  Langbogen  etc.  wurden  aus  diesem  Holze  verfertigt  Das  Eibeuholz  hat 
die  merkwürdige  Eigenschaft,  von  seiner  Festigkeit  trotz  Jahrtausende  langem 
Aufenthalte  im  Wasser  nichts  einzubüssen.  Ferner  wurden  zu  Robenhausco  theits 
Früchte,  tbeils  Zweige  von  folgenden  Waldbäumen  gefunden:  Pinns  sylvestris  L. 
(Föhre);  Juniperus  communis  L.  (Wach bolder);  Carpious  Betulus  L.  (Hainbuche); 
Ainus  glutinosa  L.  (Schwarzerle);  Betula  alba  L.  (Weisshirke),  von  welcher  man  die 
Rinde  sehr  oft  auf  naturlichem  Wege  zusammengerollt  findet  Bisweilen  wurden  auch 
Steine  iu  dieselbe  gelegt  und  als  Netzsenker  (Bielersee)  verwendet  Femer  Salix 
repens  L.  (Weide);  Fraxinus  excelaior  L.  (Esche);  Visen m  album  L.  (Mistel);  [lex 
aquifolium  L.  (Stechpalme);  Evonjmus  europaeus  L,  (Spindelbaum);  Rhamnus  frau- 
gula  L.  (glatter  Wegdorn);  Ahorn;  Sorbus  aucuparia  L.  (Eberesche).  Mehr  oder 
weniger  zahlreich  finden  sich  auch  folgende:  Pyrus  aria  L.  (Mehlbeerbaum);  Prunus 
insititia  L,  (Pflaume);  Prunus  «pinosa  L.  (Schlehe);  Prunus  padus  L.  (Trauben- 
kirsche); Pruuus  Mahaleb  L.  (Felscnkirsche);  Rosa  canioa  L.  (Hagenbulte);  Sara- 
bucus  nigra  L.  (Hollunder);  Sambucus  ebulus  L.  (Attich);  Vaccinium  vitis  idaea  L. 
(Preisseibeere);  Yibnrnum  Lautana  L,  (Schneeball);  Cornus  sanguinea  L,  (Hart- 
riegel); Carvum  carvi  L.  (ECümmel),  der  möglicherweise  als  Gewürz  Verwen- 
dung fand. 

Noch  heute  beherbergt  das  Torfmoor  von  Robenhausen  eine  grosse  Anzahl  der 
seltensten,  thcilweise  alpinen  Pflarszen,  so  dass  für  den  Botaniker  ein  Besuch  an 
einem  schönen  Sommertage  viele  Freude  bereiten  muss.  Auch  zur  Pfahl bautenzeit 
blühte  eine  Menge  von  Sumpf-  und  Laichkräutern  um  und  auf  dem  Pfahlbaue 
selbst.  Ich  nenne  hier:  Chara  vulgaris  L.  foetida  A,  Br.;  Pbragmites  communis; 
Carices;  Scheuchzeria  palustris  L,;  Iris  paeudacorus  L,;  Potamogeton  perfoliatus  L  ; 
Potamogelon  compreasus  L.;  Pofamogeton  natans  L,;  Ceratophyllum  demersum  L. ; 
Alisraa  plantago  L.;  PolygoDum  Hydropiper  L. ;  Menyanthes  trifoliata  L.;  Prdicularis 


(236) 

palustris  L,;  Hydrocotyle  vulgaris  L.;  PeucedaDum  palustre  L.;  Nympbaea  alba  L,; 
Nuphar  luteum  L,;  RaDuuculus  aqiiatiJid  L.;  RaouBculus  bederaceus  L.;  RaouDculus 
flaimnula  L.;  Ranunculwa  liügua  L.  Drei  Suropfpflaozeü  aiod  aus  dem  Torfmoore 
verschwutideii :    Trapa  uataud  L.;  Fotamogeton  compressus  L.  und  Nupbar  luteum  L. 

Wir  ersehen  hieraus,  dass  Hobetihausen  io  der  Tbat  eine  scboue  Auzabt  zu 
Tage  gefordert  bat  uud  daas  die  damaJige  Flora  so  Eiemlicb  mit  der  heutigeD  über- 
einBtimmte. 

Die  üewinouDg  der  Sämereien  ist,  da  nur  ganz  wenige  in  grosser  Menge  bei* 
saiumeo  gefunden  werden,  oft  sehr  scbwierig.  Wir  benutzen  hierfür  folgende  ein- 
fache Methode.  Die  betreffende  Fundschichte  wird,  bis  sie  Tollaländig  trocken  ist, 
der  Sonne  ausgesetzt.  Hierauf  bringt  man  die  Masse  wieder  in  Wasser,  Erdige 
und  sonstige  schwere  Bestandtbeile  versinken  sofort,  wahrend  die  kleinen  uo^ 
leichten  Sämereien  auf  dem  Wasser  schwimmen  ond  so  leicht  gewonnen  werden 
können.  Das  Herauslesen  der  Sämereien  stejlt  dann  natürlich  die  Geduld  noch- 
mals auf  eine  harte  Probe. 

Eine  geübte  Hand  fühlt  schon  beim  Durchstechen  mit  der  Schaufel,  ob  sie  in 
Hotz,  Kohle,  Scherben  etc.  gekommen^  und  kann  daher  oftmals  Verbindern,  dasa 
Objecte  beschädigt  werden.  Wo  eine  grosse  Menge  zerbrochener  Schalen  von  Hasel- 
nüssen oder  Fbchsatengel  und  Kapseln  gefunden  werden,  sind  gewöhnlich  auch 
Gewebe  etc.  in  der  Nähe.  Die  Sämereien  kommen  stets  in  einer  leichten^  torf- 
ahnlichen  Schichte,  in  der  sich  meist  auch  die  Excremeote  von  Schaf  und  Ziege 
befinden,  vor,  und  da  diese  Schichte  auch  ausgezeichnet  düngt,  so  ist  es  nicht  un- 
wahrscheinlich, dass  sie  die  Abfalle  überhaupt  repr&sentirt.  Die  Haselnüsse  besitzen, 
wenn  sie  dem  Schlamine  enthoben  werden,  noch  die  natürliche,  helle  Farbe,  ent- 
färben sich  jedoch  tief  braun,  sobald  sie  der  Luft  ausgesetzt  werden* 

So  sehen  wir  in  den  Abfällen  der  Küche  etc.  die  Lebensweise  der  Pfahlbauer 
und  oft  macht  es  beim  Graben  den  Eindruck,  als  ob  der  Ort  erst  gestern  verlasseii 
worden  wäre,  so  deutlich  kann  man  alle  Details  ihrer  häuslichen  Verhältnise  undj 
Einrichtungen  verfolgen. 


(15)   Eingegangene  Schriften. 

1.  Tb.  Pjl,  Nachtrag  zur  Geschichte  des  Klosters  Eldena  und  der  Stadt  Greifs- 

wald.    Greifs  wald  188:3. 

2.  Atti  delJa  R.  Accademia  dei  Lincei.     Vol.  VH,  Fase.  4. 

3.  Nachrichten  für  Seefahrer.     1B.S3.     Nr.  6— 13. 

4.  Annalen  der  Hydrographie,     Vol.  XI,  Heft  2,  3. 

5.  Cosmos.     Vol  VII,  Fase.  V,  VI 

6.  F.  Blumen  tritt,    Die  Sprachgebiete   Europas    am  Ausgange   des  Mittelalters, 

Ycrglicben  mit  den  Zuständen  der  Gegenwart.     Geschenk  des  Verfassers. 

7.  Bulletins  de  la  societe  d'anthropologie  de  Paris.     Ser.  Hl,  Vol.  V»  Fase.  5. 

8.  Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeil.     1883.     Nr.  3,  4. 

9.  H,  Virchow,  Das  Gräberfeld  von  Koban.    Mit  Atlas.    Berlin  lö83.    Geschenk 

des  Verfassers. 
10.    H.  Wankel,    üeber    einen    prähistorischen    Schädel    mit    einer  Resectiou   des 

Uiutt>rhaupte6.     Wien   1H82.     Geschenk  des  Verfassers. 
IL    Derselbe,  Wo  bleibt  die  Analogie?     Gesch.  d.  Verf. 
]'2.  Verhandluiijren    der    anthropologischen    und    archäologischen    Section    anf    dem 

«weiten  Congress   der  böhmischen  Aerzte    und  Naturforscher  in  Prag.    26. 

bis  29.  Mai   18ö2.     Gesch.  d.  Hrn.  H.  Wankel 


(237) 

13.  W.  Osborne,  üeber  den  prähistorischeD  Wohnsitz  am  Hradischt  bei  Stradonic 

in  Böhmen.     Gesch.  d.  Verf. 

14.  Bulletin  de  la  societe  d' Anthropologie  de  Lyon.     Tome  premier.     Fase.  II. 

15.  Beiträge  zur  Anthropologie  und  Urgeschichte  Bayerns.     Bd.  V,  Heft  2,  3. 

16.  Bolletino  della  societä  africana  dltalia.     Vol.  11,  Fase.  2. 

17.  Antonio   Raimondi,    El   Peru.     Vol.  I,  IL     Lima  1874.     Geschenk  des  Hrn. 

Sattler. 

18.  Derselbe,  El  departamento  de  Ancachs  y  suscriquezas  minerales.     Lima  1873. 

Geschenk  desselben. 

19.  Mariano  Felipe  Paz  Soldan,  Atlas  geografico  del  Peru.     Paris  1865.    Ge- 

schenk desselben. 

20.  John  Payne,  Grebo  Grammar.     London  1882.     Gesch.  d.  Hrn.  Bastian. 


Sitzung  am  19.  Mai  1883. 
Vor«iUeDder  Hr.  Virchow. 

(1)  Als  neue  Mitglieder  werden  angemeldet 

Hr*  Apotheker  Hartwich,  Tangermimde. 
^    Arthur  Kurtzhals,  deutscher  Cousiil  io  Bangkok,  z.  Z.  Steglitz. 
„    Dr.  Rud»  HartmauE,  Marne  (Holsleio). 

„    Premierlieutenant  von  Lentz,  2.  Garde- Ulan en-Regimeat,  Berlin. 
^    Kanfmann  Martin  Broae^  Berlio. 

(2)  Dei  Hr.  CultusminiBter  hat  mittelst  Verfügung  vom  11.  d,  M.  der  Gesell- 
schaft für  das  laufende  Rechnungsjahr  zur  Forderung  ihrer  wissenschaftlichen  Be- 
strebungen abermals  eine  ausserordentiiche  ßeihülfe,  und  zwar  in  etwas  erhöhter 
Summe,  bewilligt  und  zugleich  eine  weitere  Erhöhung  fi'ir  das  EtaUjahr  1.  Aprü 
1884/85  in  Aussicht  gestellt. 

Der  Vorsitzende  spricht  den  Dank  der  Geßellschaft  für  diese  in  hohem  Maasee 
nothwendige  Beihülfe  aus. 

(3)  Es  wird  beschlossen;  am  24.  Juni  eine  Excursion  nach  Tangertuüudc 
zu  untemebmei). 

(4)  Es  stehen  mehrere  wissenschaftliche  Versammlungen  bevor,  zu  denen  Ein- 
ladungen ergangen  sind: 

1.  Die  Deutsche  anthropologische  Gesellschaft  wird  ihre  General- 
Versammlung  in  Trier  vom  9. — 11.  Augusl  abhalten, 

2.  Die  Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Äerzte,  verbunden 
mit  einer  anthropologischen  Sektion  zu  Freiburg  i,  Br.,  vom  18.^*22.  September. 

3.  Der  ÄmerikaEisten-Coiigress  zu  Kopenhagen  vom  21,^ — 24,  August 
Der  Präsident  des  Organisationscomltes,  Hr.  Kammerherr  Worsaae  hat  in  einem 
Beb  reiben  an  den  Vorsitzenden  vom  28.  April  die  Hoffnung  ausgesprochen,  dass  die 
deutschen  Gelehrten  bei  dieser  Gelegenheit  an  den  Arbeiten  des  Congresses,  des 
ersteuj  der  sich  in  ihrer  Nähe  versaraDielu  werde,  zahlreich  theilnehmen  wollen j  er 
bittet  namentlich  die  Mitglieder  unserer  Gesellschaft,  die  auf  dem  amerikanischen 
Gebiete  so  viele  werth volle  Beiträge  geleistet  haben,  dem  (jougress  ihre  Theil nähme 
zu  schenken. 

(5)  Die  Numismatic  and  Antiquarian  Society  zu  Philadelphia 
wünscht  mit  der  Gesellschaft  das  namentlich  auf  Münzkunde  Bezügüche  auszu- 
tauschen. 


(6)    Hr.  Hauchecorne  übersendet  den  Bericht  über  den  in  der  Sitzung  vom 
16.  December  1882  (Verhandl.  S.  560)  vorgelegten 


f240) 


Hauklotz  aus  dem  Braunkohlenflötz  von  Arntitz. 

,lm  Verfolg  des  Schreibens  des  Hra.  Höpfner  Tom  23.  KoTember  t.  J.  habe 
icb  micb  an  deoselben  am  19.  December  v,  J.  mit  der  Bitte  utn  nähere  Auskuoft 
über  die  Fuodötelle  des  TermeiDtlicben  präbidtorlschen  Hauklotzes  gewendet,  ios- 
beaondere  darüber,  ob  etwa  vorbandene  Gebirgss palten  die  YermotbuDg  rechtfertigen^ 
das  fragliche  Stuck  konoe  tod  der  Oberfläche  hioabgesunkeD  und  so  an  seioe 
Fundstelle  gelangt  sein.  Zugleich  bat  icb  um  Uebersendung  anderweitiger  Stüek<^ 
Ton  bolziger  Braunkohle  (Lignit),  wie  solche  sich  im  BraDukohlenBotze  Torfinden. 

,Unter  Einlieferung  einer  Aazabl  solcher  Stücke  erwiderte  Hr.  Höpfner  am 
8.  Januar,  dasd  an  eine  Einsenkung  des  Hauklotzes  Yon  Tage  oieder  durch  Saod- 
spalten  oder  dergleichen  nicht  zu  denken  sei,  und  theilte  mir  zugleich  in  seioeni 
Schreiben,  Ton  welchem,  wie  ?on  beiden  Vorstücken,  ich  Abschrift  beifüge,  eine 
Profilskizze  mit,  wonach  der  sogenannte  Hauklotz  mitten  in  dem  5  m  mächtigen. 
Ton  26  m  Deckgebirge  überlagerten  Braunkohlenfiotz  gefunden  ist. 

^Die  eingelieferten  Stucke  holziger  Braunkohle  waren  ?ollstäodig  wassergetraokt. 
Da  es  sich  um  eine  Tergleichende  chemische  Untersuchung  derselben  und  des  Hau- 
klotzes handelte,  so  mussten  sie  vorsichtig  lufttrocken  gemacht  werden,  so  daas  die 
Ontersuchung  erst  vor  Kurzem  in  Angriff  genommen  werden  konnte. 

^Der  lufttrockene  Lignit  des  Flötzes  gleicht  dem  sogenannten  Hauklotze  nach 
Farbe  und  Textur  sehr  und  unterscheidet  sich  von  den  meisten  Vorkommnisseil 
anderer  Fundstelle  d  durch  eine  ausnahmsweise  hellbraune  Farbe. 

„Die  chemische  Prüfung  hat  Folgendes  ergeben: 


Holzige  Braunkohle  des  Flotses. 

Ist    etwas    zähe,    lässt    sich    mit   einem 
Mesaer  in  Späbne  zertheüen. 
1,79  pCL     In  Schwefelkohlenstoff  loslich  0,92  pCt, 
bräunliches  Harz. 
Alkohol  tkibi  sich  etwas  weniger 
Aetber  färbt  sich  etwas  weniger. 
EaUlosung  etwas  heller  brauo. 


Sogenannter  Hauklotz 
Ist  mürbe,  lässt  sich  pulvern. 

In    Schwefelkohlenstoff  löslich 

bräunlichea  Harz« 
Alkohol  färbt  sich  bräunlich. 
Aetber  färbt  sich  braun  lieh. 
KalUosuDg  wird  braun. 

^Nach  diesem  Befunde  ist  ein  wesentlicher  Unterschied  beider  Substanzen  nicht 
festgestellt,  vielmehr  nur  eine  graduelle  Verschiedenheit  gleicher  Eigenschaften. 

,,Der  sog.  Hauklotz  wird  hiernach  und  auf  Grund  der  speciellen  Untersuchung 
der  Fundstelle  nur  als  ein  Stück  Lignit  angesehen  werden  dürfen,  dessen  äussere 
Form  durch  zufällige,  nicht  zu  beurtbeilende  Umstände  entstanden  ist*  — 

Als  Beilagen  zu  dem  Schreiben  siud  mitgeseodet: 

L  Der  ursprungliche  Brief  des  Hm.  J.  HÖpfner,  Vertreters  der  Arntitzer 
Kohlenwerk-  und  ßriquettfabrik  (H.  G.  Koppe  &  Co.)  d.  d,  Arntitz  bei  Lom- 
matzsch,  23.  Noyember  1B82,  an  Hm.  Virchow.  Derselbe  lautet  in  dem  bezüg- 
lichen Abscbnitte: 

„Da  hier  die  Möglichkeit  einer  Spur  prähistorischer  Menschen  vorzuliegen  scheint, 
so  erlauben  wir  uns.  Ihnen  das  merkwürdige  Fragment  eines  Holzklotzes,  welches 
kürzlich  unsere  Bergleute  beim  Abbau  von  Braunkohlen  zu  Tage  forderten,  anbei 
zu  übersencleo.  Das  fragliche  Stück  wurde  in  einem  erst  kürzlich  in  Aogriff  ge* 
nommenen  neuen  Gnibenfelde  inmitten  von  Kohlen  in  vorliegendem  Zustande  ge- 
fundeo,  wohin  also  zuvor  kein  Mensch  gekommen  seio  kann.  Es  drängt  sich  aber 
bei  Betrachtung  der  beiden  wie  gesägt  aussehenden  Flächen  des  Klotzes  der  Ge- 
danke  auf,   ob   nicht,   bevor   der  Klotz  durch  irgend  welche  Revolution  oder  An- 


(241) 

scbwetumung  an  »eineQ  FuDdort  gekommeo  ist,  derselbe  yod  MeoschenliäDden  seioe 
Gestalt  erlialten  haben  möchte.  Bedenkt  oian  aber,  dass  das  KohlenÖutz,  welches 
ührigeDS  auch  sonst  noch  in  Verkohbog  begrlffeaes  Höh  aufweist,  sich  unter  einem, 
aus  Sedimenten  gebildeten  Deckgebirge  von  ca.  26  m  Mächtigkeit  befindet,  so  miisö 
in  Ansehung  dieses  letzteren  eine  sehr  ferne  Entstehungszeit  aDgenonimen  werden, 
die  vielleicht  weit  vor  der  Existenz  des  Menschen  liegt,  mithin  es  ganz  zweifelhaft 
erscheinen  muss,  ob  obige  Annahme  irgend  welche  Berechtigung  hat. 

„Es  können  daher  nur  die  glücklichen  Combinationen  des  kundigen  und  er* 
fabrenen  Forschers  der  Wahrheit  naher  kommen,  ob  hier  die  menschliche  Hand 
schon  tbätig  war  oder  ob  bewegende  schleifende  Wassermassen  oder  andere  Natur- 
kräfte  die  Gestalt  des  Klotzes  hervorgebracht  habeD." 

2.  Aus  dem  Schreiben  des  Hrn.  Hauchecorne  vom  19.  December  1882  an 
Hrn.  H.  G.  Koppe  &  Co.: 

„Die  Substanz  des  Stückes  «eigt  einige  Eigenschaften,  welche^  auch  abgesehen 
von  der  besonderen  ßeschöffenheit  der  Endflächen,  auf  die  Vermutbung  fuhren,  dass 
es  sich  nicht  um  Lignit,  sondern  um  ein  nass  und  natijrlich  verkohltes  Holz  handelt. 

^Das  Holz  brennt  mit  lebhafter  Flamme  unter  Entwicklung  eines  harzigen,  fast 
aromalischen  Geruches,  welcher  von  demjenigen  verbrennender  ßraunkoble  merk- 
lich verschieden  ist.  Es  läset  sich  auch  aus  dem  Holz  eine  nicht  geringe  Menge 
einer  harzigen  oder  berg wachsartigen  Substanz  ausziehen.  Die  Farbe  ist  für  Lignit 
recht  hellbraun, 

„Um  die  Natur  des  Stückes  richtig  beurtheilen  zu  können,  bitte  ich  Sie  zu- 
nächst, mir  mehrere  Proben  sonstiger  holziger  Braunkohle  senden  zu  wollen^  um 
diese  vergleichen  zu  können. 

„Es  fragt  sich  ferner,  wie  das  Deckgebirge  heschaflfen  ist.  Sollten  sich  z.  B, 
Verwerfungen,  Sandspalten  oder  dergl  vorfinden,  so  würde  vielleicht  angenommen 
werden  können,  dass  das  fragliche  Stück  einge&pült  worden  sei.  Für  eine  genaue 
profilarissche  Skizze  und  für  Angaben  darüber,  ob  sich  in  der  Umgebung  des  Fuod- 
punktes  im  Flotze  selbst  Merkmale  der  spateren  Einfuhrung  finden,  würde  ich 
Ihnen  sehr  dankbar  sein,* 

3.  Aus.  dem  ÄntwortEchreiben  des  Hrn.  E.  Höpfner  d.  d.  Dresden^  8.  Ja- 
nuar 18JS3: 

„Dem  in  Ihrem  geehrten  Schreiben  ausgedrückten  Wunsche  zufoJge,  habe  ich 
PS  veranlasst,  dasa  Ihnen  eine  Quantitiät  Kohle,  wie  sie  aus  den  Arntitzer  Gruben 
durchschnittlich  zur  Förderung  gelangt,  zugesandt  werde. 

„Ich  erlaube  mir  dazu  zu  bemerken,  dass  die  Kohle  etwa  10  pCt.  Lignit  ent- 
halt, wovon  etwa  die  Hälfte  in  starker  Verkohlnng  begriffen  ist,  wahrend  die  an- 
dere Hälfte  noch  gut  erhaltene  Holztextur  aufweiset.  Oft  befinden  sich  darunter 
sehr  interessante  Stücke  und  es  ist  mir  angenehm,  grade  ein  solches  zu  besitzen, 
um  es  diesem  Schreiben  zu  Ihrer  gefalligen  Bciurtheilyng  beifugen  zu  können. 

„Ich  gebe  Ihnen  zugleich  eine  Skizze  von  dem  sehr  gleichmässig  liegenden 
Flotze  und  dem  darüber  hangeudcB  Deckgebirge,  woran  ersichtlich  ist,  dass  Ver- 
werfungen aus  Sand^palten  oder  dergl.  nicht  bestehen,  mit  hin  eine  Eiiispülung  des 
fraglichen  Stuekes  nicht  stattgefunden  haben  kann.  Das  Stück  ist  auch  nicht  in 
einer  getriebenen  Strecke  gefunden  worden,  so  dass  die  Vermutbung  vorliegen  konnte, 
es  habe  beim  Betriebe  des  Bergbaues  durch  die  Axt  des  Hiiuers  seine  Gestalt  er* 
haJten,  sondern  es  ist  nach  nochmaliger  genauer  Befragung  der  Bergarbeiter,  die 
es  zu  Tage  forderten,  mitten  in  der  Kohle,  etwa  wie  in  der  Skizze  angegeben  ist* 
aufgefunden  worden. 

\«rbanai.  der  Bftri.  Ajttbxuiiol.  ti8»U»Jiftlt  lUJ^  16 


Lehm 

Kies 

reap.  Si 

nd 

Tbon 

Kohle 

a 

Hr.  Vircbow  spricht  HfD.  Hauchecorne  deioen  Dank  fiir  die  mühevolle 
Untersuchung  aus,  glaubt  aber  oach  deai  Mitgethellteu  ein  endgültiges  ürtbeil  doch 
nocb  beau standen  zu  dürfen.  Nachdem  festgestellt  worden  ist,  dass  der  sogenannte 
HaukJotz  in  der  Tbat  dem  Braunkohle nflötz  angehört,  so  hängt  die  weitere  Be- 
urlheituDg  offenbar  von  der  Beantwortung  der  Frage  ab,  wie  derselbe  die  gewiss 
sehr  merkwürdige  Form  erhalten  bat  Gewias  ist  es  schwer  sich  vorzustellen,  wie 
ein  Tooi  Menschen  bearbeitetes  Stück  ao  tief  in  eine  Braunkohlenschicht  gelangt 
sein  sollte,  aber  nicht  minder  schwer  ist  es,  den  Zufall  auszudenken,  der  einen  so 
machtigen  Baumstamm  an  zwei,  nicht  weit  von  einander  entfernten  Stellen  quer- 
durchspalten  haben  soÜte.  Wenn  die  Flächen  auch  nicht  gerade,  wie  der  erste 
Bericht  sagt,  j^wie  gesSgt  aussehejj^,  so  sehen  sie  doch  noch  weniger  wie  gebrochen 
aus;  am  meisten  gleichen  aie  meiner  Meinung  nach  gehauenen  Flächen.  Es  wird 
daher  dringend  wünscbenswerth  seio^  da&s  Hr.  Höpfner  dafür  Sorge  trägt,  das« 
alle  in  der  Nähe  der  Fundstelle  vorkommenden  Verhältnisse  genau  im  Auge  behalten 
werden;  vielleicht  gelingt  es  dann  doch  noch,  die  Loaung  des  Eithsels  zu  findeo. 


(7)   Hr.  Schott  schreibt  Folgendes  über  eine 

attehinesische  Erzählung  von  Metallsühmelzem  am  Altai. 

tn  einer  Mittheüung  des  Hm,  v.  Radio  ff  au  Kasan,  betreffend  die  alten  Grä* 

ber  in  Sibirien  (Zeitschr.  f.  Ethuol.  1882.  Heft  6,  S,  430—432)  sagt  der  Verfasser; 

«Die  einzigen  historidcbeti  Quellen  bieten  uns  die  chinesischen  Ge- 

scfaichtschreiber.    In  diesen  iat  mir  zufällig  vor  einiger  Zeit  die  Notiz 

aus  dem  2.  oder  3.  Jahrhuoden  aufgestossen,  daas  einer  der  Herrseber  dea 

Altai  die  Tochter  eines  Türkenfursten  zur  Frau  gefordert  habe.    Der  Fürst 

lässt  darauf  antworten :  Wie  darfi  Du,  unser  Metallschmelser  und  Sklare, 

eine  solche  Forderung  an  uns  stellen?^ 

Dm    diese  Angabe    richtig   au   stellen^    stehe  hier  eine  bereits  1641  im  ersten 

Bande  des  Brmaii^soken  Archiv  (S.  319}  stehende  Notiz  des  Herausgebers,  die  er 

seiner  Erwähnuii|(  einer  hochasia tischen  alten  Sage  anreiht: 

i^Sie  (die  Sage}  wird«  wie  Schott  beaierkt,  sowohl  bestätigt,  als  auch  in  be- 
stimmtere Beziehung  zu  den  Anwohnern  des  Altai  gebracht  durch  das,  was  die 
Chinesen  daton  beriehlen»  In  ihrer  alten  Erdbeschreibung  Hu  an  jii  ki  (Buch  194, 
unter   der  Rubrik  Tu-kju}   wird    erzaJilt,    daas   die  Ta-kju  (Türken)   anfänglich 


(243) 

• 

einem  andereo  iiobeßtimmteD  Volke  der  Tatarei,  deo  Scben-sclien,  dieostbar  ge- 
wesen seieo.  Als  aber  itn  Becbstso  Jahrhundert  o*  Z,  eioer  ihrer  Häuptlingi^  sich 
erdreistete,  um  die  Tochter  des  Königs  der  Sehen- sehen  zu  werben  und  von  dieseoi 
mit  der  yerächtÜchen  Antwort  „Du  biit  nur  mein  raetallschiiielzeDder  Sklave**  ab- 
gewiesen  worden  war,  da  versammelte  er  ein  Heer  und  schlug  den  König  von 
Sehen -sehen  ao  vollständig,  daas  dieser  sich  entleibte.  So  legten  die  Tu-kju,  die 
big  dahin  für  das  Volk  Sehen -sehen  das  Elsen  am  Kin-schan  (Goldherg,  Altai)  auß- 
gehewtet  hatten,  den  Grund  zu  ihrer  Macht** 

Einen  Artikel  über  das  vorerwähnte  Huan  jii  ki  findet  man  in  meiDem,  scbon 
1840  erschienenen  „Verzeichniss  cbioeaisdier  Werke  der  Königlichen  Bibliothek**, 
S.  9 —  IL  An  dem  Namen  des  Verfassers  ist  aber  das  dreimal  wiederholte  teijg 
ausiustreieben. 

(8)  Hr.  Wiechel  in  Dippoldiswalde  übersendet  als  Nachtrag  zu  seinen  in  der 
vorigen  Sitzung  mitgetheiltea  Bemerkungen  eine  Notis 

über  das  Vorkommen  von  Kl  rohen  marken  In  Italien. 

Ich  habe  in  den  grösseren  Stiidteu  südlieh  bis  Neapel  auf  einer  Reise  im  März 
]B82  Beobachtungen  angestellt,  jedoch  nur  an  zwei  Kirchen  Verona' s  derartige 
Marken  constatiren  können: 

1,  Am  Hauptportal  von  SL  Zeno  befinden  sich  Maraaorreliefs  vom  Jahre  1139, 
welche  in  Handhöhe  von  einer  grösseren  Anzahl  Wetzmarken*)  riicksicbtslos  durch- 
schnitten  sind;  zusammen  mit  diesen  Marken  kommen  daselbst  die  &og.  Näpfchen 
vor,  zum  Theil  neuerdings  erweitert,  wie  die  Beschaffenheit  der  Marmoroberfläche 
erkennea  Hess,  In  unmittelbarer  Nachbarschaft  von  St,  Zeno  stand  ehemals  ein 
grosBes  ghibelliDisches  Benedictinerkloster,  w*is  den  dentscheü  Kaisern  bei  ihren 
Rninerzügen  oft  ale  Absteigequartier  gedient  hat.  Es  liegt  düher  sehr  nahe,  die 
Wetzmarken  dem  deutschen  Gefolge  der  Kaiser  ziizusol] reiben, 

2.  Am  Sud  portale  des  Domes,  Saa  12  bis  14,  waren  zu  beiden  Seiten  in 
HandhöLe  örische  Näpfchen  zu  bemerken,  die  wahrschein  lieh  von  Knabenhänden 
herrührten. 

Das?  bei  der  grossen  Anzahl  alter  und  ältester  Kirchen  in  Italien  nur  an  einer 
dem  deutschen  Einfluss  am  Meisten  ausgesetzten  Stelle  derartige  Marken  vorkommen, 
dürfte  auf  einen  specifisch  deutschen  Charakter  der*)  KJrchenmarkeo  schliessen 
lassen.  — 


Et,  Virchow  fügt  hinzu,  dass  es  ihm  auf  seiner  kürzlich  beendigten  Reise 
durch  Italien  und  Sicilien  nicht  gelungen  sei,  Kirchenoiarken  aufzuÜnden.  ^ 

Hr.  W.  V.  Schulen  bürg  giebt  einige  Nachträge  über  Kirchenmarken  in 
der  Lausitz  und  Pommern: 

Hr.  Dr.  Siehe  (Calau)  erwähnt  in  seinen  vorgeschichtlichen  Aufsätzen  {im 
Niederlausitzer  Boten,  Cottbus  1883,  31.  März)  das  Vorkommen  von  Rundmarken 
im  Eisenstein  an  Kirchen  zu  Luckau  und  Buckow.  Ebensolche  Näpfchen,  wie  an 
den  Ziegelsteinen  der  Wände,  zeigen  auch  die  Kirchen  in  Werben  und  Briesen 
(Kr.  Cottbus)  an  den  in  die  Grundmauero  verbauten  Blöcken  von  Raseneisenstein, 
Nach    einer  Mittheilung    des  Hrn.  Johannes  Rahn  in  Pjritz  sollen    in   die  Rund- 


1)  Längs  rillen. 

2)  in  Deutschland  an  zahlreichen  Eiirhen  aus  S&c.  12  bis  IG  tu  heobachtenden 

16* 


(244) 

marken  der  Mauritiuakircbe  ebendort  „zu  katholiscber  Zeit  Haare  von  Kranken  ge- 
legt worden  sein,  am  dadurch  eine  Gene&ung  herbeizufdlren.'* 

(9)  Hr,  Director  Wein  eck  (yom  Real-ProgymnaBium)  in  Löbben  berichtet  d.  d, 
Lübbeoj  7.  Mai   1883  über  einen 

ironzefund  von  Straupitz. 

Am  sog.  Neuzaucber  Weinberge,  dicht  bei  S trau pit2  (Kreis  Lübbeu)  wurde  auf 
einem  etwa  300  Schritt  laiigf^n  und  60  Schritt  breiten  sog.  Berge,  der  noch  vor 
50 — 60  Jahren  von  Sumpf  und  ßuäch  ganz  umgeben  und  mit  Eichen  bestanden 
war,  ein  grosser  Bronzefuud  vom  Häusler  Böttcher  im  Februar  d.  J.  aufgefun- 
den und  au  mich  verkauft»  Es  wareß  zerbrochene  und  beschädigle  Broniesachen,  mit 
einer  Anzahl  grösserer  und  kleinerer  Kluoipeu  oder  Kuchen  unvergossenen  Erze& 
zuBammen  io  einem  irdenen  Topf,  etw^a  3  Fusb  unter  der  überääclie  in  »andigem 
und  thonigem  Boden,  zusammen   16Va  Pfund  schwer. 

Gelte:  9  kleinere  und  10  gröseere  Stücke,  einige  ziemlich  vollständig;  an 
einem  fehlt  nur  etwa  '/^  hinten.  5  davon  mit  zum  Theil  ganz  erhaltenen  Scbaft- 
lappen,  die  Beilschneiden  4 — 5  cm  breit,  hinten  theils  stumpf  und  dick,  theila  halb- 
mondförmig  flach  ausgeschnitten,  hinten  2,  27,,  3,  ^Vt  und  4  cm  breit,  mit  den 
Schaftlappen  3,7—4  cm  dick  oder  hoch. 

Schwerter;  Theile  von  mehreren,  eine»  etwa  zur  Hälfte  in  passenden  Stücken 
mit  Zunge  und  einem  Tbeil  des  Grilfed,  schön  gearbeitet,  dazu  Begeh  läge  theile  der 
Scheide. 

Beschläge  von  Schild  und  vielleicht  auch  Helmzier,  verbogenes,  5  cm  breites, 
3—4  cm  hohes  Blech,  strahlenförmig  verziert  und  zackig  auslaufend. 

Messer:  2  ganze,  krumm  gebogen,  9  und  10,5  cm  lang,  i  cm  und  1,5  cm  breit, 
und  5  Stücke  von  solchen,  dann  ein  unteres  Ende,  7  cm  dick,  in  eine  eingebogene 
Gabel  auslaufend  und  durch  parallele  feine  Ringe  verziert. 

Sicheln:  grossentheüs  sehr  schon  gearbeitet,  mit  starker  Hauptrippe  am 
Rücken,  etwas  rückwärts  geschweifter  Spitze  und  einer  kurzen  vom  Heft  aus  innen 
nach  der  Hauptrippe  schräg  hei  übergebenden  zweiten  Rippe  zur  grosseren  ßefesti* 
gung,  die  bei  einigen  dicht  an  der  Hauptrippe  parallel  bis  in  die  Spitze  ausläuft, 
oder  so,  dass  hierzu  noch  eine  kürzere  in  der  vorher  beschriebenen  Weise  kommt; 
der  untere  Thell  meist  zangenartig  oder  mit  einem  Loch  endigend,  auf  den  Rippen 
eingekerbt,  alle  nach  Itnka  gebogen,  mit  kurzem  Gussüapfen,  14—17  cm  lang,  2,3 
bis  3,5  cm  breit  —  1  vollständig,  5  mehr  als  zur  Hälfte  erhalten,  einige  30  grössere 
und  kleinere  Stücke,  namentlich  Spitzen. 

12  Stücke  von  Lanzen-  oder  Pfeilspitzen. 

M eissei:  2  einfache,  der  eine  6  cm  lang,  8  und  10  wi«  breit,  4  mm  dick;  der 
andere  7  cm  lang,  S  mm  und  1,3  cm  breit  und  8  mm  dick.  1  gewundener  10,8  cm 
lang,  7  und  8  mm  breit,  ebenso  dick.  Stück  von  einem  Hohlmeissel,  hinten 
(abgebrochen)   1,8  cm,  vorn  (abgebrochen)  7  mm  dick,   1,9  cm  und  1,4  cm  breit. 

4  Stangen  (Barren?),  1  kleine  und  dünne,  6  cm  lang;  eine  9  im  lang,  dünn; 
eine  10  cm  lang,  t  cm  hoch  und  1,3  cm  breit,  etwas  gebogen,  an  beiden  Enden 
abgebrochen;  eine  17  cm  lang,  1,2  cm  breit,  ziemlich  platt  mit  fast  ovalem  Durch- 
schnitt,  an  beiden  Enden  abgerundet  (Münze?), 

8  ziemlich  rohe,  2 — Bern  breite,  rundliche  oder  kantige  Drähte  oder  stift- 
artige Stucke  von  4 — 25  cm  Länge,  einige  ganz  zusammengebogen;  4  ähnlich© 
mehr  bandartige,  mit  starkem  Rücken,  nach  der  Innenseite  Bach  verlaufend,  5 — 6  mm 
breit,  4—12  cm  lang. 


(24ro 


4  Slücke  von  Nadeln,  "2  ohne  Knopf,  4  mm  dick,  nind;  eine  mit  einem  2  cm 
breiteo  und  ebenso  hoben,  nach*  beiden  Seiten  kotiiscb  verlaufendeu,  oben  durch 
5  Spiral i|Efe  Kreise  verzierten  Knopfe,  aus  dem  oben  noch  ein  kurzes  Nadelende 
herausgeßtanden  batj  die  4,  mit  Ansätzen  zu  einer  längliehen  Oehse. 

1  unvollständige  Fibel  (?). 

1  Stift,  ein  wenig  gebogen,  spitz  auslaufend,  8  cm  lang  und  t>  mm  dick, 
epiralig  gewnnden,  und  ein  Sbnlicher  kleinerer 

l   Nadel  knöpf  mit  kreisförmigen  Verzierungen 

Ringe,  10  Stuck  von  spiralig  gewundenen,  etliche  ziemlich  gerade  gebogen, 
3  mit  platten  (unverzierten)  Enden,  von  2 — \Ü  mm  Durchmesser;  ein  fast  ganz  er- 
haltener, grnau  nach  dem  Handgelenk  gebogener,  zur  Hälfte  spiraüg  gewunden, 
zur  Hälfte  glatt  und  hier  faj^t  vierkantig,  Durchmesser  4,3  cm  und  5,5  cm,  Stiirke 
2 — i  mm.  Am  dünnen  Ende  eine  Oehse,  an  der  noch  ein  Gewinde  sass.  —  Das 
7  cm  lange  Stuck  eines  J  — 1,3  cm  dicken,  runden,  mit  kreisförmig  herumgebenden 
feinen  Riefen  verzierten  Ringes.  —  Ein  Stuck,  halb  so  gross  und  balb  so  dick,  mit 
triangulär  gestellter,  str**ifenfnrmig  lang  verlaufender  Strich  Verzierung.  ^-  Das  spitze, 
nur  4  tm  lange  Ende  eines  grossen  und  dicken  {3 — 8  mm)  Ringes,  durch  tief  ein- 
fichneidende  Kreise,  nicht  ächraubenfnrmig,  abgetheilt.  —  4  Stucke  von  kleinen, 
platten,  un verzierten  Ringen;  ein  äbnliches  grosseres  Ringende,  1,2 — 1,5  cm  breit. 

H  Stöcke  von  im  Durcbi^chnitt  convex-concaven  Ringen,  verziert: 

a)  mit  4  scharfkantigen  parallelen  Längsstreifeo ;  1,7  cw  breit,  sebr  platt; 

h)  etwas  breiter  und  dicker  mit  Querstreifen  in   Dnterbrecbungen; 

c)  2  mm  dick,  7  mm  breit,  durch  parallele  Querstreifen,  mit  dreikantiger  Feile 
angebracht,  verziert; 

d)  etwas  grösser  1  cm  breit,  1,5  cm  dick,  mit  feinen  parallelen,  auf  kürzere 
Strecken  tint erbrochenen  Querstreifen; 

e)  ebenso  verziert,  aber  1,2  cm  breit,  ^  mm  dick; 

f)  ziemlich  ebenso  geformt,  mit  schrägen  Parallelstricben  verziert,  Ringende; 

g)  Ringende,  1,6—1,9  crn  breit,  3 — -4  mm  dick,  also  aehr  platt,  abwechselnd  mit 
geraden  und  scbrägliegenden  Qnerstreifen,  die  sich  an  dem  einen  Ende  berühren; 

h)  schmaleres,  aber  dickeres  Ringende  mit  ähnlicher  Terzierung,  aber  grosseren 
Abständen  zwischen  den  Gruppen  dickerer  Streifen.  — 

Etwa  die  Hälfte  eines  sehr  genau  auf  das  Handgelenk  passenden,  besonders 
schon  gearbeiteten  Armringes,  6,3  cm  Durchmesser,  am  umgebogenen  Ende  1,7  cm, 
in  der  Mitte  3  cm  breit,  mit  aehr  hohem  Grat,  an  der  Innenseite  bohl,  darum  wenig 
Ober  2  vtm  stark,  durch  starke  weit  gestellte  Querstreifen,  je  4  in  grosseren  Ab- 
standen, geschmackvoll  verziert. 

2  ganze,  aber  beschädigte  Armringe, 

a)  5j5  cm  tind  6  cm  Durchmesser,  an  den  Enden  1,1  cm,  in  der  Mitte  ]ß  cm 
breit,  sehr  glatt,  mit  abwechselnd  gerade  und  schräg  laufenden  Querstrichen,  in 
Feldern  von  2  cm  wechselnd,  die  schrägen  Striche  feiner. 

b)  dicker  und  niedriger,  an  den  Enden  6  mm,  in  der  Mitte  0  mm  hoch,  3  mm 
und  6  jnm  breit,  5,2  cm  und  6,4  cm  Durchmesser,  ovaler  Durchschnitt,  mit  gerade 
gestellten  feinen  Querstrichen,  nach  den  Enden  zu  unterbrochen,  verziert. 

3  grossere  und  kleinere  Stücke  too  platten  spiraligen  Gewinden,  eines  aus 
sehr  glattem  und  breitem  Streifen,  zwei  von  dickerem  und  schmalerem,  mehr  drabt- 
artigem  Streifen  gewunden,  und  2  kleinere  Stücke  von  grosseren  solchen  Ge- 
winden, 

Zierratben.  Ein  feines  Stuck  mit  einem  5,7  cm  langen  Weidenblatt  mit  einer 
Art  Schleife  am  Stil,  an  einem  platten  Hioge,  an  dessen  anderem  Ende  muthmaass- 


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i  wmhi  od«r  weiufer  iaeiiey  kicttionBife  BicMkr«  oaKk  nMs 
i  fmtldi€fld«a  Slftfsea,  3  «  «n1  M  c»  DvidkacMer  in  ¥oUe». 

Noch  »ckwerer  zu  dratendcr  Zietnilli:  der  Outen tttH  heilefct  aoi  svet  diopea 
giobegeneii  und  sebrig  m  mamndtt  tSUhtanden  BlecWp,  doc^  «m  ciacfli  G«f«»  an 
dni  dai  Ganze  eine  boble,  UM  o^e,  iad^  Hftabe  btkieC,  an  beideii  SdAca  g kicb- 
miang  dofchtoebert,  2  em  breit,  3  ci»  lang;  dsmif  eia  Stift  vob  ebessolebem 
DorvhMhiiilt     Oder  miue  man  da»  Diag  magekekit  ttdles? 

Noch  einige  kieioere  ZierraÜieii  von  dieser  Fckm.  All^  iCb^  BUt  Paliiia,  oient 
heügrüaer  und  blaogrüner,  fiber»>ge&,  wenigea  mit  edJcr  dankkr. 

Einige  Scbritte  Yan  diesem  Fonde,  wenig  bölier,  Etaen  (Stock  eise»  bieiteB 
Scbmiede  Werkzeuge«?)»  — 

Sofort  Termutbete  ich,  ala  icb  den  Fand  bekan,  eine  Ginstlitte,  die  naiürlieh 
aof  keinen  Fall  weit  gewesen  sein  kann,  da  so  Tiel  zerbrochenes  Geräth  mit  od- 
fergossenem  Grz  znäammeo  dort  niedergelegt  worden.  Darnach  steht  ea  au 
Zweifel,  daaa  in  der  Lausitz  Bronzegeratb  und  zwar  sehr  kunstreiches  gi 
worden  ist 

Aber  an  der  Fundstelle  habe  ich,  als  ich  Tor  Knrzem  sehr  sorgfaltig  bäte 
graben  lassen,  weder  Eoble  noch  eine  Spar  eines  Heerdes,  nocb  weniger  eine  G 
torm  gefunden*  Da  nnn  der  Schatz  auch,  wie  oben  gesagt,  an  einem  sicheren  und 
Terborgenen  Orte  mitten  im  Sumpf^  docb  nahe  dem  Trockenen  und  der  Strasse,  in 
die  Erde  eingegraben  gefunden  ist,  so  ist  er  höchstwahrscheinlich  Tom  Händler  aof 
dem  Wege  nach  der  Giesserei  hier  einstweilen  aufbewahrt  und  nachher  nicht 
wiedergefunden  oder  aus  unbekannten  Gründen  nicht  abgeholt  worden,  also  Depot- 
Fund/  — 

(10)    Hr.  W.  TOD  Schulen  bürg  bemerkt  über  das 

Vorkommen  von  Todtenumen  auf  dem  Schlossberge  bei  Borg. 

Da  das  Vorkommen  von  Todtenumen  auf  dem  Schlossberge  zu  Burg  (Kreis 
Gottbus)  noch  als  zweifelhaft  gilt,  mochte  ich  darauf  hinweisen,  dass  mir  viele  Leute 
ab  Augenzeugen  davon  bericbtet  haben,  unter  ihnen  auch  Hr.  Krüger* Grunewald 
in  Burg-Kolonie,  der  zur  Zeit  der  Ausgrabungen  des  Lieutenant  v.  Renner  öfter 
auf  dem  Schlossberge  war.  Danach  wurden  viele  Urnen  (mit  zwei  kleinen  Henkeln) 
und  BeigefEsse,  1—2  Fuss  uoter  der  Oberflache  gefunden,  fast  alle  von  verschie- 
dener Form.  Entweder  fand  man  eine  grosse  Urne,  gefüllt  mit  Asche  und  Koochen, 
rings  umgeben  von  4 — 5  kleinen  „Näpfchen*  (3 — 4  Zoll  hoch),  welche,  etwa  l  Zoll 
%'on  der  Urne  entfernt  mit  dieser  (wie  zum  Tbeü  unter  sich)  durch  Lehm  und 
kleine  Steine  verbunden  waren^  oder  die  kleinen  Gefasse  standen  etwa  zu  3 — 4  für 
sich,  ohne  Urne  uod  unverbunden. 

(11)    Er,  W.  von  Schulenburg  bespricht  die 

territoriale  Verbreitung  lier  deutschen  Zwölftengotthelten. 

Diß  Zwolftengottheiten  Deutachlapds  habeo,  wie  bekanüt,  in  den  veischiedenen 


C247) 


Gebieten  ibres  Auftreteos  verschiedene  Namen.  Yerbindet  man  die  Ortschaften,  in 
deoeo  je  ein  gewisser  Name  vorkommt,  so  erhalt  man  in  sich  geschlossene  Gebiete 
für  denselben.  Daraus  fo\gU  dass  diese  Namen gruppen  im  Volke  aus  heidnisch- 
germanischer,  li Itcleu tscher  Zeit  durch  die  wendische  HerrBchaft  hindurch  sich  er- 
halten haben  und  dass,  in  üebereiustimmung  mit  sonstigen  Zeugnissen,  eine  germa- 
nische Bevölkerung  stamm  weise  sowohl  vor  den  Wenden,  als  auch  spater  unter  den 
Weuden,  in  Norddeutschlaod  zwischen  Elbe  und  Oder  gesessen  bat.  Denn  aus  der 
Zeit  der  Wiedertjewinnung  Dentschlanda  im  Mittelalter  können  diese  üeberliefe- 
rußgen  nicht  stammen,  weil  die  Wiederbesiedelnng  durch  die  christlichen  Deutschen 
in  ganz  zerstreuter  Weise,  aber  nicht  in  geschlosaenen  Stammen  und  nach  Gauen 
statt  gefunden  hat. 

Eine  Andeutung  einiger  dieser  Verhältnisse  giebt  das  nebenstehende  Kärtchen  ^), 
gezeichnet  nach  den  Angaben  von  Grimm,  Deiitsche  Mythologie  (1875);  Kuhn, 
MIrki sehe  Sagen  (184H),  Kuhn  und  Schwär tz^  Norddeut- 
sche Sagen;  Kuhn,  Westfälische  Sagen,  und  einigen  An- 
deren. Danach  ergiebt  sich  ein  Gebiet  des  Wo  de  für 
Schleswig -Holstein,  M  eklen  bürg  und  weiter  östlich;  der 
Fru  Gode  (auch  Fru  Wode)  für  die  Priegnitz  und  die 
nordliche  Hälfte  der  Altmark;  der  Fuik,  Fui  und  Fr  ick 
für  die  Uckermark;  der  Harke  Mr  einen  grossen  TheiJ 
der  übrigen  Mark,  Letzterer  Gebiet  wird  begrenzt  nordlich 
durch  die  Grenze  von  Meklenburg  und  der  Uckermark. 
Oestlich  geht  sie  (nach  den  bisherigen  unzureichenden 
Ermittelungen)  bis  zur  Oder,  Von  dort  bildet  die  Grenze  eine  Linie  von  Freien- 
walde  über  Eherswalde,  Berlin,  Jüterbogk  bis  Torgau,  Von  dort  südlich  über  Halle 
bis  etwa  Bailenstedt;  westlich  über  Magdeburg  bis  an  die  Priegnitz  und  deren  Ost- 
grenze entlang.  In  Thüringen  und  Hessen  dehnt  sich  das  Gebiet  der  Holle  aus, 
südlich  derselben  das  der  Bercbtha;  beider  Grenzen  gehen  in  einander  über.  Bei 
Zossen^  in  einer  Breitenlinie  von  Teupitz  bis  über  Storkow  hinaus,  tritt  die  wen- 
dische Murawa  als  Zwölfteogottheit  auf  nnd  dehnt  sich  Über  den  Spreewald  weg 
bis  hinter  Cottbus  aus.  In  der  Oberlausitz  und  im  nördlichen  Böhmen  herrscht 
Bern -Dietrich  (Han-Dietricb,  Bana-Dietrich,  Dyterbernat  u.  s.  w.),  doch  fehlt  es 
hier  leider  an  genügenden  Forschungen*     Anderes  übergehe  ich. 

Wissenschaftlich,  namentlich  ethnologisch,  ergiebig  kann  nur  eine  Darstellung 
auf  einer  Karte  vom  grossten  Maassstabe  sein.  Da  ausserdem  die  bisherigen  For- 
schungen noch  ungenügend  sind,  waren  neue  erschöpfende  Untersuchungen  mit 
staatlicher  ünterstiitzung  vorzunehmen,  die  indessen  (wegen  der  allgemeinen  Schul- 
bildung) nur  in  den  nächsten  Jahren  noch  von  Erfolg  sein  können. 


(12)    Hr.  W,  von  Schulen  bürg  liefert  Nachträge  zu 

der  Sage  von  der  Kornmutter  und  deni  Satorspruoh. 

1.  Folgenden  Beitrag  bezi^güch  der  Kornmutter  Iheilt  Hr.  HoUmann  mit: 
„Auf  den  Äeckem  des  Kitterguts  Nogat  (Kreis  Graudenz,  Westpreussen)  erbaut 
man^  „damit  das  Korn  besser  wachst^,  beim  Eggen  aus  aufgelesenen  Steinen  die 
Kornmutter.  Zuerst  wird  ein  langer  Stein  auf  die  schmale  Seite  gestelltj  darauf 
ein    kleinerer    runderer^    und    oben  ein  noch  kleinerer  runder.     Diese  Figur,    nicht 


1)  1  =  Wode,  2  ^  Fru  Gode,  3  =  Frick,  Fuik,  4  =  Harke,  5  =  HoUe,  0  =  Berchtha,  7  ~ 
Murawa,  8  -  Bernd ietnch. 


(248J 

ganz  r/y  trt  hoch,  liat  das  Ansebet)  einer  Frau  von  gewöhnlicher  rirüSBe  und  bleibt 
stehen,  bi«  auf»  Neue  geackert  wird.  Man  sagt  den  Kindern;  ^Gpht  nicht  in'a 
Korn,  da  ist  die  Kommutter*^.  Auf  dem  Gute  sind  zwei  ßnrgwälte  mit  slaviscbe» 
Scherben,"  —  Die  hohe  Bedeutung  des  ^Alten"  und  der  ^ Alten**  auch  dort  er- 
hellt u,  a.  yrkundlich  (1249)  aus  einem  Gelöbniss  der  vom  ULristenthuin  wieder  ab» 
gefallenen  Bewohner  der  preussischeu  Landschaften  PomesaDieu,  Ernieland  und 
Natangen,  oach  Maunhardt*»  Mittheilung  (Die  Korndämonerjj  Berliü  1^68,  S.  27) 
„Idoio,  quod  semcl  ia  anno  collectis  frugibus  coosueverunt  confiagere  ')  et  pro  deo 
colere,  cui  nomen  Curche  iroposueruut  etc."  hf^onhardt:  ^NacL  Bieleusteian 
Entdeckung  .  ,  ,  bedeutet  Curche  den  Alten,**  8.  VJ:  „in  slawischen  Landticbaften : 
die  Baba  (die  Alte),  die  Zjtnia  matka  (Kommutter).'^ 

2.    Deber  den  Satorspruch  berichtet  Hnllandtmann  (Seedorf)  in  seinen  Auf^-J 
zeichnuQgen;  „Gegen  Tollwutli  bei  HiJuden  und  Menschen  schreibt  in  der  Nernnark,^ 
Oathavellaod  und  der  Gegend  von  Kyritz  ein  kundiger  Schäfer^  auch  mittelst  Gras- 
halms, auf  ein  Butterbrot: 

3    t  ^w*—**-  [d.  h.  Gott  Vater  -  Auge, 
Sator  arepo  Jesus  Christus  =  f, 

Opera  rotas,  Heiliger  Geist  ~  Taube  -  PfeilJ 

Bann  schneidet  er  das  Butterbrot  in  zehn  gleiche  Theile  cjuadratisch  und  nach 
der  Zahl  der  Silben  und  verkauft  das  Stück  flU  1  Mark,"  Hn  Scliiilüirector  ßrod- 
fuhrer  theilte  d,  d.  Coburg,  11.  März  1882,  mit,  dass  hei  Gern  (Das  Hau&bucb, 
Sondershausen  1844,  I,  S.  115)  gegen  Tollenhundshiss,  indessen  nur  neben  dem 
Gebrauch  ärztlicher  Mittel,  der  Satorspruch  empfohlen  wird, 

(13)    Hr,  D,  L,  Wittmack  S(;hreibt  unter  dem  5.  Mai  über 

prähiatorEsche  Saubohnen  von  MUschen  (Spreewald). 

Mit  Bezug  auf  die  Ausfuhrungen  meines  verehrten  Freundes,  des  Hr.  Dr.  Carl 
Bolle  in  der  Zeitschr,  f.  Elhnol.  Bd.  XV,  VerhandL  S.  66,  gestatte  ich  mir  zu  be* 
merken,  dass  ich,  trotzdem  Hr,  Dr,  Bolle  die  von  Hrn.  v,  Schulenburg  bei  Mö- 
schen  gefundenen  Samen  für  Erbsen  erklärt,  entschieden  daran  festhalten  muss, 
dass  es  Pferdebohnen  (auch  Saubohnen  oder  Puffbohnen  genannt)  sind:  Vici«4 
Faba  L.j  Faba  esculenta  Mönch.  8ie  sind  für  Erhsen  der  Vorzeit  viel  zu  grosBi 
und  haben  auch  die  besser  erhaltenen  Exemplare  deutlich  eine  etwas  längliehe 
Form,  wie  die  Saubolinen.  Was  aber  das  Haupt- Erkennungszeichen  ist,  so  hesiticn 
diese  fraglicben  Samen  den  Nabel  am  vorderen  Ende,  nicht  in  der  Mitte  obenauf, 
wie  die  Erbse;  das  kommt  nur  bei  Vicia  Faba  vor,  die  deshalb  auch  zu  einer 
eigenen  Gattung,  Faba,  erhoben  ist.  —  Dass  die  Samen  nach  unseren  heutigen  Be* 
griffen  für  Faba  ziemlich  klein  sind,  audert  nichts  an  der  Sache.  Die  in  Troja  von 
Geh.  Rath  Vircliow  und  Dr,  Seh lie mann  gefundenen  Saubohnen  sind  fast  noch 
kleiner j  und  unter  den  Saubohnen  aus  dem  Pfahlbau  zu  ('orcelettes  hei  Grandson 
am  Neuchateller  See,  die  ich  Hrn.  Dr.  E.  Keiss  verdanke,  findet  sich  neben 
grosseren  Saubohnen  eine  ebenso  kleine,  wie  die  aus  MGscben.  Von  sä mmt lieben*! 
angegebenen  Samen  finden  sich  Proben  im  Museum  der  Königlichen  landwirth- 
scbaftlichen  Hochschule  in  Berlin  und  lade  ich  Interessenten  ein^  sie  mit  einander 
2u  vergleichen. 


i)  Hartknoch,  Alt-  und  neues  Preu^sen,  Franitfurl  16S4,  J,  S.  12(),  bat  confriogert. 


(249) 

(U)    Hr.  Dr.  Alfred  G.  Meyer  bescbreibt  das 

yrnenfeld  von  Dergischaw  bei  Zossea 

Durcli  Uro.  H*  Tiecke  aus  Berlio,  eioeo  eifrigen  Jagdliebhaberj  war  mir  ge- 
leg«?otliclj  eine  Uroe  aus  der  Dergisclmwer  Haide,  westlich  vod  ZoBsea,  augestellt 
wordeo.  Eine  DurcKsicht  der  Berichte  dt*r  Gefiel Iscliaft  xeigle,  dass  in  den  Ver- 
haüdlutägei)  des  Jahres  1881,  S.  137  ff.  idjer  diese  Gegend  durch  den  Biirgerme ister 
Götze  in  WoUin  berichtet  worden  ist.  Ei«  Ausflug  am  15,  Mai  d,  J.  ergab,  unter 
Hidfe  des  Dergtschower  Fischers  und  Waldhüters  Klaus,  aowie  des  Musikers  Karl 
Lehmaun  aus  Nächstoeuendorf^  Folgendes: 

Westiich  tou  Nächst 'Neuendorf,  in  der  nait  Kiefern  bestandenen  Haide,  zwi- 
sehe«  dem  Werbener  und  Schiinower  (Trebbiner)  Weg,  liegt  daö  einem  Eigenthümer 
von  Dergischow  gehörige  und  von  dem  Waldhüter  Klaus,  der  seit  Jungen  Jahren 
hier  Steine  ausgräbt,  genau  ermittelte  Gebiet  des  alten  Urnen friedhofes,  das  der- 
selbe auf  ca.  90  Morgeu  (?!)  sehätzt  (ü£  Karte  IV  in  Verli*  XÜIJ.  Der  W^uldhüter 
selbst  hat  bei  seiner  Thätigkeit  scLou  hunderte  von  Gefaesea  z\j  Tage  gefordert, 
anderen  Arbeitern  ist  dasselbe  begegnet,  die  meisten  Thongeräthe  w^aren  freilich 
durch  Wurjseln,  Steine  u,  a.  zerdrückt  oder  gesprengt,  viele  sind  auch  nachher  zer- 
schlagen, eine  kleine  Zahl  der  grosseren  Exemplare  ist  an  Hm»  Götze  und  an  Bauera- 
leute gekommen.  Auch  eine  Ustrine  scheint  gefunden  zn  sein.  —  Ein  Gang  durch 
das  Gebiet  zeigte  den  Boden  besät  mit  den  durch  die  Arbeiter  hingeworfenen 
kleineren  und  grösseren  Scherben,  sowie  mit  der  aus  Urnen  ansge schütteten  Brand- 
asche und  mit  Knocbenresten.  Die  Scherben  zeigten  den  Lausitzer  Typus,  liberaus 
kunstvolle  und  ansprechende  Handarbeit,  zahlreiche  Henkel*  und  Randstücke,  Reste 
von  Buckel urnen^  daneben  auch  Stücke  gröberer  Art  Au  Beiguben  sind  nach  den 
Angaben  des  Waldhüters  vereinzelt  Stein  Werkzeuge,  ßronzenadeln,  —  einmal  G  in 
einer  Urne,  —  ^owie  ein  Spiralrmg  gefunden.  —  Trotz  mehr  als  fünfstündigen 
Grabens  mit  2  Spaten  wurde  am  genannten  Tage  keine  ganze  Urne  während  meiner 
Anwesenheit  gewonnen.  Wokl  aber  an  einer  Stelle  ausser  zahlreichen  Scherben 
und  tvnocbenresten  das  Stück  einer  etwas  verbogenen  Bronzenadel  ohne  Kopf 
(10,7  cm  lang)  und  ein  Stuckchen  ßronzodraht  (5  cm  lang);  an  einer  i weiten 
Stelle  5U  em  tief  von  einer  Urne  nur  Stücke  und  Äsche  mit  Knochen,  tiefer  und 
zwar  80  cm  unter  der  Oberfläche  ein  —  nur  zur  Hälfte  erhaltenes  —  kleines,  schön 
gebauchtes  Geföss  ohne  andere  FüHung  ak  Sand,  endlich  Stucke  eines  dritten  Ge- 
rätlies.  —  An  einem  dritten  und  vierten  Punkte  wieder  Scherben.  —  Alle  diese 
Stellen  lagen  in  der  nördlichen  HElfte  des  Friedhofes,  da  wo  er  sich  zum  Werbener 
Weg  senkt;  grosse  Steine  lagen  hier  zu  Dutzenden  an  den  betreffenden  Orten, 
zwei-  und  dreifach  übereinander,  zwischen  ihnen  und  zwar  in  verschiedenen  Tiefeu 
Thongefasse,  die  deshalb  so  beschädigt  waren. 

Ganz  anders  liegen  nach  Aussage  des  Klaus  und  nach  meinen  damit  über- 
einstimmenden Versuchen  die  Gefasse  auf  der  Südhälfte  de&  Terrains;  hier  finden 
sich  Flachgräber;  gewöhnlich  ein  Deckstein,  darunter  die  Urne^  J*i^gs  umher  kleine 
Steine  und  Nebengefasse.  —  Die  haumfreien  Theile  des  Terrains  waren  leider 
längst  durchwühlt,  Grabungen  an  anderen  Funkten  lehrten  die  Hiclitigkeit  der  An- 
gaben, ergaben  aber  nichts  Ganzes,  Eine  grosse  grobe  Urne  mit  einer  Ut^bermenge 
an  Asche  und  Knochen  stand  15  cm  unter  dem  Rasen,  ohne  grosseren  Stein,  nur 
von  kleineren  umgeben;  sie  war  von  Wurzeln  zersprengt  und  zerdrückt. 

Am  interessantesten  erscheint  die  verschiedene  Bestattunga weise  auf  demselben 
Terrain,  aber  —  wie  e^  zunächst  den  Anschein  hat  —  mit  locakr  Scheidung. 
Wenn  die  Mittclmark  mit  Recht  als  das  Gebiet  bezeichnet  wird,  in  dem  die  Flach- 


(250) 

gräber,  wie  sie  weiter  osklicli  vorherrsch en,  und  die  Steinscbirbtungen  neben  eio- 
ander  »ich  vorfioden^  so  würde  iu  der  Dergischower  Haide  di»^sp  verschi**dene  Be- 
stattuügaweise  auf  demselben  FriedLof  gefunden  sein.  Ich  bemerke  aber^  dass  die 
Fucdstücke  im  N.  wie  ina  S.  durchaus  nicht  abzuweicheo  scheirien,  sodass  Behla's 
Ausfuhrungen  in  den  „Urnenfriedbofen  des  Laus,  Tjpua  etc.*'  S.  41  ff.  im  Auge  au 
behalten  sind. 

Der  „By rgwall**  bei  Nächst-Neuendorf  ist  Ton  Hrn.  Götze  a.  a.  0.  eingeheod 
beichrieben;  der  kleine  Hügel  —  eine  Umwallung  feblt  ihm  —  ist  iuzwisclien  weiter, 
etwa  bis  zur  Hälfte,  abgefahren.  Die  Rrandecliicht  und  die  mächtigen  Stücke  Holi- 
kohle  —  namentlich  eichene  hemerkten  wir  —  traten  in  l^j,^- — 2  m  Tiefe  besonders 
hervor;  darüber  ergaben  wenige  Spatenstiche  von  Brand  völlig  zermijrbte  Steine, 
Knochen,  grobe,  dicke  Topfscherben,  mehrere  mit  dem  Burgwalltypus. 

Die  beiden  Ortsan gehörigen  wollen  hier  wie  auf  dem  Urnenfelde  weitere  Fund- 
stücke in  Obacht  nehmen  und  event.  Nachricht  geben. 


(15)  Hr.  Siehe  übersendet  in  einem  Briefe  an  Um,  Virchow  d.  d.  Calau, 
12.  Mai,  einen  Bericht  über 

das  Gräberfeld  von  Ragow  und  efnige  benachbarte  Plätjee, 

Auf  dem  von  Ihnen  schon  geschilderten  Urnengräherfeld  bei  Ragow  ist  man* 
neulich  heim  Ausheben  eines  Grabes  wiederum  auf  eine  Urne  gestossen.  Ich  be- 
gab mich  alsbald  auf  den  Kirchhof  und  fand  daselbst  die  Urne  neben  dem  Grftbe 
stehend  vor.  Dieselbe  war  gefunden  worden  in  einer  Tiefe  von  2  Fuss,  ohne  jede 
Steiusetiung  und  ohne  Nebengefasse.  Zugedeckt  war  sie  mit  einem  Teller.  Die 
Urne  seihst  ist  20  crn  hoch,  der  Boden  hat  einen  Durchmesser  von  11  cm.  Sie 
ist  nach  oben  leicht  gebaucbtj  der  Rand  endet  stumpf,  nicht  umgelegt.  Die  Farbe 
ist  gelblich  grau,  innen  schwärzlich.  Das  Material  ist  mit  gtobem  Gruss  durch- 
setzt. Der  Bruch  schwarz,  Brand  nath  meiner  Auffassung  gering;  die  Crne  ist 
innen  geglättet,  aussen  künstlich  rauh  gemacht.  Verzierungen  nicht  vorhanden.  In 
der  Urne  befanden  sich  gebrannte  menschliche  Of^beine  mit  folgenden  Beigaben: 

1.  Ein  eisernes  Älesser,  \4  cm  lang,  Rücken  ^  mm  dick. 

2.  Ein  Spinn  wirteL  Derselbe  zeigt  an  der  unteren  Flache  zwei  herum  laufende 
Furchen,  durch  einen  Wulst  geschieden.  Das  auffallendste  aber  ist  eine  offenbar 
erst  nach  der  Fertigstellung  kunätüch  eingekratzte  Querfurche,  welche  mitten  über 
die  untere  Fläche  lauft.  Die  Farbe  ist  schwarz  graublau,  an  der  oberen  Seite  wie 
polirt  glänzend,  unten  von  eigenthnml icher,  wie  Bimsstein  kratzender  Beschaffen- 
heit, Er  scheint  aus  Thon,  mit  sehr  feiüern  und  scharfem  Saude  gemischt, 
hergestellt  und  schwach  gebrannt  zu  sein,  doch  sehr  fest. 

3.  Rudimente  eines  knocherneo  Kammes.  Derselbe  ist  defect  und  an  zwei 
Stellen  mit  eisernen  Nieten  versehen,  welche  auf  beiden  Seiten  2^^^  '^"^  über  das 
knöcherne  Niveau  hervorragen,  also  jedenfalls  noch  2  andere  Platten  mit  dem  knö- 
chernen Fundfiment  des  Kammes  in  Verbindung  hielten. 

4.  Ein  sonderbares  Stück,  auch  von  Knochen  gearbeitet,  wahrscheinlich  znm 
Kamm  gehörig  und  ornamentirt  durch  punktförmige,  sich  kreuzeude  Linien. 

ö.  Stücke  eines  halbdurchsichtigen  grünlichen  und  bläulichen  Korpers,  den  ich 
für  in  der  Hitze  zu  einem  Klumpen  geschmolzenes  Glas  halte. 

6.  Eine  sehr  eigenthümliche  Substanz,  die  theilweise  am  Kamm  haltete,  theilweise 
an  den  Knochen,  tbeiJ weise  auch  in  kleinen  Ballen  aufgefunden  wurde.  Die  Masse 
ist  blasig  aufgetrieben,  blättert,  ist  halb  durchsichtig  bräunlich,  brennt  nicht,  verbrei- 


C251) 

tet  aber,  an  die  Flamme  gehalten»  einen  aromatischen  Genick  Sie  sieht  so  aus,  wie 
geflchinolKeoer  Bernstein,  doch  ist  es  Yieileicht  ein  anderem  Harz. 

7.  An  dem  einen  Seiteawandl>ein  anj^eschmoizen  5  Körner  (von  ca.  Stecknadel- 
kopfgrösse)  aus  Silber.—* 

Bei  einem  späteren  Besuch  wurde  wiederum  eine  Urne  mit  Knochen  aus- 
gehoben von  fihulicber  Gestalt.  Auch  in  dieser  fand  sich  ein  Kamm  mit  denselben 
Nieten,  ebeofalls  geschmolzene  GJasstücke,  sowie  jene  sehr  eigeutliiimlicbe  harz- 
artige, blasig  aufgeschmolzene  Substanz,  diesmal  kein  Silber,  aber  ein  eisernes 
Messer  und  2  eiserne  Pfeilspitzen^}.  — 

Neben  diesem  Gräberfelde,  ca.  3  X*w  entfernt,  ist  merkwürdigerweise  noch  ein 
anderer  ürnenfriedhof  mit  ähnlichem  Charakter,  aber  doch  abweichender  Formation 
sowohl  in  der  Figuration  der  Thongefässe  als  auch  der  Grabfunde,  Die  letzteren 
sind  ebenfalls  Eisensacheu,  besonders  sehr  lange  Nadeln.  Ich  überlasse  die  Bi*- 
schreihung  dieses  Feldes  Hrn.  Director  Weineck  aus  Löbben.  Nur  so  viel  sei 
noch  erwähnt,  dass  dieses  Gräberfeld,  welches  zur  KonigL  Oberforsterei  Eilerborn 
gehört,  wundervoll  den  Charakter  der  Hügelgräber  bewahrt  hat  Auch  die  hier  ge- 
fundenen Gefässe  sind  theils  innen  geglättet  und  aussen  künstlich  rauh  gemacht  — 

Job  komme  nun  noch  zu  anderen  ThoDgefässscherben,  die  ebenfalls  in  Ragow 
in  einem  Garten  und  ebensolche  gleichen  Charakters,  die  in  Klein-Mehsow  auf 
einem  prähistorisch  ebenfalls  hocbwichtigen  Terrain  gefunden  sind.  Ich  habe  der- 
artige Gefa  SB  seh  erben  noch  nie  auf  einem  Ürnenfriedhof  angetroffen  und  sende  des- 
halb ein  Kistchen  mit  Darin  befinden  sich  4  grossere  Schalen  aus  Eagow,  von 
denen  zwei  Bodenstiicke  sind,  2  aber  Bruchtheile  des  Halses;  alle  4  Stucke  sind 
zweifellos  auf  der  Drehscheibe  gefertigt;  sie  zeigen  den  Typus,  wie  ich  ihn  auf 
mehreren  Byrgwälleu  hauÜg  gefunden  habe^),  und  den  ich  aJs  den  Uebergang  der 
altslayischea  Zeit  in  die  neusluTische  bezeichnen  möchte;  denn  es  sind  nocb  viele 
Reminiscenzen  an  die  alten  Burgwallscherben,  der  balbconcave  Boden,  die  Ver- 
zierungen des  Halses  u.  s.  w. 

Ein  sonderbarer  Gefassuberrest  ist  die  Schale,  die  auf  einem  dünnen  Fusse 
steht.  Ganz  ähnliche  Gebilde  habe  ich  auf  einem  ca.  1  Morgen  grossen  Felde  bei 
Kl.  Mehsow  in  Menge,  aber  sehr  zerkleinert  gefunden;  doch  sind  hierauch  Henkel 
und  sonstige  Sachen,  die  an  ein  germanisches  Gräberfeld  erinnern,  dabei,  so  dass 
man  auf  den  Gedanken  gerathen  konnte,  es  seien  hier  die  letzten  Ueberbleibsel 
eines  alten  Burgwalleä;  denn  die  gefundenen  Scheiben  sind  überaus  verschieden 
nach  Brand,  Masse  und  Form. 

Wir  sehen,  dass  sich  die  Lücken  zwischen  den  einzelnen,  fest  gegliederten, 
keramischen  Perioden  mit  bestimmt  ausgeprägtem  Cbarakter  doch  mehr  und  mehr 
füllen  und  dass  Oebergänge  vorhanden  sind.  Bestimmt  nachgewiesen  ist  dies  an 
den  Burgwallscherben  und  nun  zeigen  doch  auch  schon  einige  ürneufriedhöfe  an- 
dere Formen  und  Beigaben,  als  die  vom  sog.  Lausitzer  Typus.  — 

Hr.  Virchow  begrüsst  die  Erweiterung  unserer  Kenntnisse  über  das  Urnenfeld 
von  Hugow  mit  besonderer  Freude.     Als  er  zuerst    in    der  Sitzung    vom    17.  April 


1)  Da  nn^h  einer  mitbekommenen  Skizze  die  Länge  dieses  Stückes  etwa  10,  die  Breite 
des  Blattes  1,8  cm  beträgt,  wobei  von  der  Länge  etwa  4  cm  auf  den  hohlen  Stiel  (Dulle) 
kommeo»  so  dürfte  diess  wohl  mehr  ah  eine  Lanzen-  oder  Wurfäpi essspitze  zu  betrachten 
sein.  Virchow. 

2)  Dr.  Siebe»  Abhantllungen  über  Voigeschiehtliches  der  Niederlausitz  im  Feuilleton  des 
Niederlausitzer  Boten, 


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9»M  kUiii««  FrsgVKfll  aÜ  aaigttfifxAgag»  4 — 5^mgem  Weilt» iwiiumii  imd  e» 
B^fcwtftclr  eiMt  T«|ifo  nil  wtHftes»  ciühjhm  Bodea,  n  doMB  Mitte  <4b 
Uifawr  Ksöfil  iwfprlBgt  »  BbcMo  wmsmmMUt  mmdrm  bt  eio  Btucfcrtaci  eine« 
9f«igglitg<fci*t  tt»d  ^B  tSDen  gUshUs  St^k.  —  DiKviicliea  lie0  eise  ReSkm  mn 
SdMvteD,  die  llieilf  oiitteklterf kli,  tlieili  TielJekbl  noeb  jisger  «sd,  dtfmiUi  »ekr 
breit«  Beftkelitfiefce. 

Die  fiBcbeK  <}t«  ^of  einem  Fmm  üebl«,  kl  ein  I>ecbel  nst  Httdffnff;  letster^r 
tifldet  etD«ii  obeo  pbtteo,  ttarb  eriuibeaeit  Kaepl^  der  iiRWMi  «aegebSlitl  ÜL  Der 
Deebei  i«i  auf  der  Dr^liscbeibe  bergeiteltt  vnd  mit  tiefe»  eo»€e»tr»cl»eo  Eindrücken 
f«r««^{i«^f),  welcfj«  ftchoo  an  die  friih  mitteUHetlieiie»  Krüge  erimieni. 

fiifiig«!  Stljck<>    kooiiU^D    Ti<*I]eicht    der  Periode   des  Bsgower  Eirchliofes  aoge- 
bdreo^  doeh  möcbte  icb  das  oicbt  aU  aicber  aamprccben.     Aaderei  erinnert  ao  die 
eberbeo  roni  Oebreoer  Opferbeerd  (S.  Ä5). 

Wabrftch<^io]ich  bandelt  e%  sieb  groe»e»tbcilf  um  Abranm  ron  IJOU-  nnd  Scber- 
b^^obaufen  ä^iw  flofeft,  der  später  auf  den  Acker  gebracht  ist 

(10)   Hr*  Vircbow  seigt  eine  Reibe  foo 

Scherbenproben  aus  dem  Burgwall  Waldstein  im  Fichtelgebirge. 

Die  recht  interessanten  Scherben  sind  mir  ron  Hm.  L.  Zapf  in  Müncbeberg 
(Oberf ranken)  mit  dem  Ersuchen  logesendet  worden,  über  deren  Abstammong, 
nanif'ntlicli  yber  die  Frage  ihrer  slarischen  Abkunft  ein  Ürtbeil  abzügeben. 

Die  Localitl^t  selbst  ist  schon  frnher  in  unseicn  Verbandinngen  (18^*  Verb, 
8,  140)  erwähnt. 

Die  riherscndeten  Stücke  bieten  in  roehrfacber  Beriehung  Anklänge  an  slaTi- 
sche  Formen.    Insbesondere  kehrt  die  Wellenlinie  mebrfucb  wieder  und  ein  Boden- 

stDck  zeigt  innerhalb  eines  Kreises  ein  Kreuz  mit  secun« 
dären  Ansätzen  an  den  Armen,  Alles  erhaben»  also  wahr- 
scheinlich mittelst  eines  Stempels  ausgeführt.  Dieses 
Rand-  oder  Kreuzornanient  (Fig.  1)  kehrt  nach  Hrn.  Xapf 
auf  einer  grossen  Zahl  gefundener  Bodenstücke  wieder, 
einigemal  mit  doppelten  Speichen,  einmal  als  förmliches 
Rad.  Trotzdem  kann  icb  nicht  sageoj  dass  ich  innerhalb 
des  mir  geläufigen  Kreises  slavischer  üeberbleibsel  eigent- 
liche Parallelen  finde;  insbesondere  ist  mir  ein  solches 
Rad  nicht  vorgekommen.  Einiges  widerstreitet  unseren 
Fig.  L  slaTiscben  Funden,  namentlich  dem  Burgwalltjpus  direkt 


I 


(253] 

Dahin  zahle  ich  zuDachst  eio  Randstück  emes  Topfes,  der  sonst  wohl  slaviscb 
Bein  konüte,  der  aber  den  breiten  Ansatz  eines  abgebroclienen  HenkeJs  zeigt. 
Ein  anderes  Haudstück  ist  sehr  hoch,  dick  und  fast  gentde:  es  aiisst  beinahe 
5  cm  in  der  Höhe  und  mehr  als  1  im  in  der  Dicke,  und  seine  äussere  Fläche  ist 
mit  ganz  hohen  Parallelrippen  und  Fiirchea  bedeckt.  Ein  Paar  Stücke 
haben  aussen  die  Wellenlinie,  aber  am  ßauch  und  ganz  solitar.  Andere 
dagegen  haben  die  Wellenlinie  auf  der  inneren  Seite  und  zwar  sehr  breit  und 
mit  niedriger  Excuröion  (Fig.  2);  eines  zeigt  umgekehrt  auf  der  io Deren  Seite  eine 
erhaben  aufgetragene,  ganz  grosse  kantige  Welleoleiste  (Fig.  5). 


Die  Bildung  der  Geflisse  scheint  an  sich  sehr  mann  ichfaltig  gewesen  zu  sein. 
Das  geht  am  meisten  aus  den  mir  übersendeten  RandstiJcken  hervor.  Der  grössere 
Theil  derselben  hat  einen  kurzeiij  sehr  Mark  eingebogenen  Hals  mit  scharf  um» 
gelegtem,  kantigem  Rande  (Fig.  4);  hier  ist  der  anslosseode  Theil  des  Bauches  ent- 
weder mit  einfachen  Horizontallinien,  oder  mit  einfachen  Wellenlinien  besetzt.  Oder 
der  Rand  ist  fast  gar  nicht  abgesetzt  und  nhen  abgeplattet,  die  Wand  dick;  hier 
finden  sich  die  inneren  Ornamente,  was  auf  schalen  förmige^  GefUsse  deutet.  Oder 
endlich  es  sind  jene  schräg  aufgerichteten,  aber  geraden  und  hohen  Rander,  von 
denen  ich  schon  sprach. 

Das  Material  ist  sehr  dunkel,  meist  schwarzbraun,  wenig  scharf  gebrannt^  sehr 
glimmer-  und  vielleicht  etwj^s  graphithaltig. 

Im  Ganzen  mochte  ich  daher  glauben,  dat^s  die  Parallelen,  falls  überhaupt 
slawische  Reste  Yorliegen,  mehr  nach  Böbmeii   hin  zu  suchen  sein  müssen. 

(17)  Hr.  Victor  Gross  hat  nebst  nachfolgendem  Brief  d.  d.  Neuveville,  26.  April, 
an  Hrn.  Virchow  neue  Pfahl  baufun  de  übersendet,  n  eh  ml  ich 

einen  gespaltenen  Schädel  von  OefeU  und  eine  Nadelbüchse  von  La  Tene. 

Voici  le  crane^  trouve  dernierement  daiis  la  Station  de  Tage  de  la  pierre  de 
Gerofin  ou  Oefeli  (lac  de  Bienne)  quj,  a  mon  avis,  doit  avoir  ete  utilise  comme 
coupe  a  boire.  II  presente,  en  effet,  les  memes  caracteres  que  les  coupes  du 
meme  geore  trouTees  a  Sutz  et  Chavannes,  c'est  ä  dire  que  les  bords  inciees 
oÜreni   aussi    ces   eclats  semi-Iunaires,   qui    denotent  une  preparation  artiücielle  et 


C254) 


tum  uoe  fractare  aoeideo teile.   Seolement  ce  spedfueo 

fremarqoable,  parc«qu*«Q  lieu  davoir  ete  btisee  duis  le 
eao«  horizontat,  la  bofte  crAnieoDe  a  ete  paitagee  daB0 
le  plao  Tertical,  de  maoiere  ä  eonserver  iotacl  t<nit  Je 
cot«  droit  et  Qoe  portion  du  cote  gauebe.  Le  maxilJmije 
droit  parfaitemeot  cooserre,  serraii  apparemmeDt  ile 
poigDee.  — 
Je  joiDs  a  oel  eoToi  la  Photographie  d'on  ctirieux 
objet,  trooYe  deroieremeot  a  la  Tene.  C'est  an  tu be  de 
brooze  ferme  au  boat  inferieur,  mani  de  cbaqae  cole  de 
Itrois  beliere«,  qui  portent  cbacuoe  un  aooeau  mobile. 
I  Deux  de  ces  belteres  aoDt  pres  de  romrerture  et  Im  ttoi* 

«ieme  Ters   le  milieo  da  tube.  —    Lloterieur  reDfennait 
I  raigmlle  ä   coadre,    qoi   se  trouTe  photograpKiee  k  cöte, 

f  de  Sorte  qu^il  faut  admettre  qae  cet  objet  frerrait  d'etai  a 

I  aigttllles.     II  Douft  expüquerait  aiosi  femploi  de  oea  tubec 

de  broDze,  trooTea  dans  quelques  uties  de  oot  atatiooa, 
que  Ton  arait  coosid^res  jusqu'  ici  comme  des  gamitures  de  caunes  (Mor* 
tiliel,  Musee  pr^historiqae  PL  XCVlll  12*»  1229>  — 

Er,  Yirchow  bemerkt  tn  Bezug  auf  den  QberBeodeten  Schädel  voa  0#feli 
Folgendes: 

Die  Bemerkungen  des  Hm.  Gross  in  Bezug  auf  die  Art  der  Trennuog  sind 
durchaus  zutreffe  od.  Der  Schädel  ist  der  Länge  nach  io  der  Weise  gespalten,  data 
die  Spattungslioie  links  neben  der  Nasenwurzel  beginnt,  dann  durch  das  Tuber 
frontale  sinistrun]  hindurchgeht^  das  linke  Parietale  in  einer  Entfexnung  tod  etwa 
3  QuerliDgern  Ton  der  Sagittalis  durchsetzt  und  in  gleicher  Richtung  durch  die 
Hinterhauptsschuppe  hindurchgeht.  Ad  der  Basis  ändert  sich  das  Verhältnisse  in- 
dem  die  Spaltlinie  ganz  nach  rechts  hinübergeht.  Schon  der  Gaumen  ist  rechts 
von  der  Mittclnaht  durch  trennt,  die  Apophysis  basilaris  fehlt  in  ihren  hinteren  zwei 
Drittheilen  gänzlich,  vom  Hinterhauptsloch  ist  keine  Spur  Torbanden  und  selbst  in 
die  Squama  occipitalis  greift  noch  ein  weit  nach  rechts  hin  ausgedehnter  Substaoa- 
Verlust  halbmond förmig;  hineio.  £s  ist  demnach  am  Schädeldach  ein  grösserer  Theil 
der  linken  Seite  erhalten,  dagegen  fehlt  an  der  Basis  der  grösste  Theil  der  mitt- 
lereu  und  nach  hinten  und  unten  hin  auch  der  linken  Seite.  Keineswegs  liegen  je- 
doch die  Rander  der  ;;ro8sen  Bnichfläche  in  einer  Ebene^  soodern,  wie  schon  Hr. 
Gross  richtig  bemerkt  hat,  man  sieht  an  denselt>en  eine  Reihe  unabhängiger  Schlag* 
einwirkungen. 

Von  einer  neuerlichen,  etwa  erst  bei  der  Ausgrabung  eutstandenen  Verlelaang 
kann  nicht  die  Rede  sein.  Die  Ränder  sind  genau  von  demselben  Aussehen,  wie 
die  anderen  Tlieüe:  der  kalkige  Sand  des  Seegruodes  ist  in  die  Diploe  eingedrungen 
und  die  Ränder  selbst  sind  grossentheils  abgerundet,  wie  wenn  das  Scbädelstück 
im  Sande  gerollt  oder  doch  bewegt  sei.  Dass  es  also  alte  Veränderungen  sind,  lisst 
eich  nicht  bezweifeln.  Auch  scheint  es  ziemlich  wahrscheinlich,  dass  der  Schädel 
nach  dem  Tode  de»  ludividuums  durch  eine  ganze  Reihe,  in  einer  Linie  hinter 
einander  angesetzter  Schläge  gespalten  oder  dass  wenigstens  der  einmal  vorhandene 
Spalt  durch  weitere  Absprengungen  vergrössert  worden  ist  Diese  Absprengungen 
haben  im  AllgemeineD  eine  halbmondförmige  Gestalt,   sind  jedoch  zum  Theil  auch 


I 


(255) 

eehr  aeichi  iind  fast  geradlinig,  nirgends  scharf,  &o  da88  das  einwirkende  Inatrument 
ein  gani^  stumpfes,  yieJ leicht  ein  Stein  gewesen  aein  dürfte. 

So  nahe  nun  auch  der  Gedanke  liegen  mag,  dass  diese  eine  Trinkschale  sein 
sollte,  90  muss  doch  gesagt  werden,  dass  die  Form  von  allen  sonat  bekannten 
Trinkachadeln  abweichen  wurde.  In  der  Regel  lauft  die  Treunuogslinie,  wie  in  dem 
froher  (Zeitecbr  für  Ethnol.  1877,  Bd.  IX,  Verhandle  S.  131,  Tat  XI)  von  mir  be- 
Bchriebenen  Pfahlbau- Schädel  von  Sutz,  horizonlal  durch  den  Schädel,  und  das  Ge- 
sicht ist  vollständig  abgelost.  Hier  Hegt  die  Trennungslinie  rertikal  und  das  Ge- 
sicht ist  so  vollständig  durchspalten,  dass  sei  bat  der  Kieferrand  und  die  Gaumen- 
hälfte  der  rechten  Seite  noch  vorhanden  sind,  —  ein  gewiss  vollgiiltiger  Beweis, 
dass  die  Abtrennung  nicht  erst  lange  Zeit  nach  dem  Tode,  wo  die  Verbindungen 
der  Knochen  schon  gelockert  waren,  erfolgte.  Eine  solche  Triokschale  wurde  nicht 
»ehr  bequem  sein;  die  noch  erhaltene  Gesichtshtilfte,  nicht  stark  genug,  um  als 
Griff  zu  dienen,  erscheint  geradezu  als  ein  Hinderniae.  Trotzdem  weiss  ich  nicht, 
was  die  Sache  sonst  zu  bedeuten  haben  soÜtej  falls  es  sich  um  eine  absichtliche 
Bearbeitung  handelt.  Anders  würde  die  Sache  naturlich  liegen,  wenn  es  zufallige 
Verletzungen  wären,  vielleicht  hervorgebracht  durch  Einwirkungen  schwerer  Körper 
auf  den  schon  macerirten  Schüdel,  —  eine  Möglichkeit,  die  sich  nicht  ganz  zurück- 
weisen la.^st. 

Im  Uebrigen  hat  der  Schädel  keineswegs  die  Farbe  der  Torfschädel,  sondern 
ein  mehr  braunlich-  oder  gelblich-graues,  etwas  mattes  Aussehen,  wie  es  Knochen, 
die  im  Seesande  lagen,  darzubieten  pflegen.  Die  Knochen  sind  leicht,  kleben  an 
der  Zunge  und  sind  durch  zahlreiche  Gefäaslücher  etwas  mehr  als  gewöhnlich  porös. 
Nur  nach  vorn  sieht  das  Schädeldach  mehr  dunkelbraun  und  leicht  glänzend  aus. 
Die  tief  abgescbtiffeneu  Zähue  deuten  auf  ein  ulteres  Individuum;  die  Stärke  der 
Knochen  und  die  kräftige  Ausbildung  der  Sehnenansätz<*,  namentlich  des  Stirn- 
nasenwulstes und  des  Warzen fortsatzes  auf  einen  Mann-  Alle  Nahte  sind  ofl"en  und 
mehr  einfach,  nur  die  mittleren  Theile  der  Pfeil-  und  der  beiden  Hälften  der  Kranz- 
und  Lambdanabt  etwas  mehr  zackig.  Auf  der  rechten  Schläfenseite  grosse  Schnial- 
heit  des  Keilbeinfliigeb:  die  Sutura  sphenoparietalis  hat  eine  Länge  von  nur  5  mm^ 
der  Angulus  parietal is  ist  kurz  und  schmal  (leichte  Stenokrotaphie).  Inner- 
lich sind  die  Verbältnisse  anders:  die  Sut.  sphenopar.  hat  hier  eine  Länge  von  fast 
8  mm. 

Die  Profilansicht  zeigt  eine  massig  hohe,  lange,  gestreckte  Scheitelcurve,  die 
sich  ziemlich  schnell  aus  der  fast  geraden ,  sogar  oben  etwas  vorgebogenen 
Stirn  entwickelt  und  hinten  ihre  grosste  Ausbiegung  in  der  weit  hinausgeschobenen 
Squama  occipitalis  findet.  Die  Nuse  steht  stark  vor,  ihr  Rücken  ist  leicht  gerundet 
und  oben  eingebogen.  Der  Oberkiefer  scheint  schwach  prognath  gewesen  zu  sein, 
wenigstens  sind  die  sehr  langen  Wurzeln  des  Schneidezahns  und  des  Prämolaris  I 
etwas  gebogen. 

In  der  Oberansicht  macht  das  Hchadeldach  entschieden  einen  dolicbocepbalen 
Eindruck;  insbesondere  fehlt  das  Tuber  parietale  und  der  Schädel  ist  hier  sehr 
schmal  Dagegen  ist  das  Tuber  frontale  kräftig  entwickelt  und  die  Stirn  selbst 
breit.  Der  Joch  bogen  liegt  an,  Grosste  Länge  des  Schädels  184  mm^  halbe  Breite 
70,  danach  wäre  der  Index  76,  wahrscheinlich  etwas  zu  hoch»  da  die  Knochen 
wohl  etwas  aus  einander  gewichen  sind.  Ohrhohe  115  mm.  Die  Orbita  ist  sehr 
gross,  breit  und  hoch,  jedoch  mehr  in  der  Diagonale  entwickelt;  Höhe  34^  Breite 
40  mm,  Index  80,5, 


^18)   Hr.  Friedr.  BajerD    hjt   an    Hrn.  Virchow   einen    Brief  d.  d.  Tiflis, 
12.;?4.  Apri],  abenendet  nebst  Bemerkungen  ober  dessen  Yottrige,  bctreffeMi 


1.    Bemerkangen  zu  Hrn.  Virciiow's  Vortrag  am  15.  Jnli  1882. 

5.  471  ist  es  ein  MissTerstandniss,  dass  ich  gesagt  hatte,  die  schaofel-  oder 
roderformigen  Nadeln  seien  auch  an f  Samthavi ro  gefunden  V.  EHese  Nadeln 
sind  bis  jetzt  nur  auf  Koban  beschrankt  und  sogar  typisch  für  diese  Lokalität. 
Wenn  je  diese  Nadeln  anf  Samthawro  gefunden  werden  sollten,  was  doch  za  be- 
zweifeln, weil  hier  die  Tracht  der  Frauen  und  die  Sitten  des  Volkes  Terschiedea 
Ton  denen  Ton  Koban  waren,  so  können  sie  nur  in  den  Brunnengräbem,  nicht  aber 
in  den  Kisten  der  oberen  Etage  auftreten,  denn  die  Brunnengraber  gehören  ungefibr 
in  dieselbe  Periode,  wie  das  Kobaner  Leichenfeld,  während  die  Kistengraber  schoo 
der  Geschichte  angehören. 

Oberst  Olschewskj  und  der  Grabfeldbesitzer  sagten  mir,  dass  diese  Nadeln 
anf  der  Brust  sich  finden,  und  dieses  bestätigte  sich,  ab  wir  mit  Hm.  Chan  Ire 
selbst  die  Graber  untersuchten.  Auch  wird  Hr.  Chantre  in  seiner  Arbeit  über 
Koban  eine  Zeichnung  Ton  einem  dieser  Graber,  in  welchem  die  Rnderschaufelnadeln 
sich  £inden,  geben').  Die  Nadeln  waren  kreuzweise,  wahrscheinlich  um  das  Kleid 
zu  heften,  gesteckt;  der  breitere  Theil  bedeckte  sicher  die  Brüste  der  Frau.  Anf 
dem  Kopfe  dürften  diese  Nadeln  nie  gefunden  worden  sein;  auch  weiss  ich  nichts 
dass  sie  von  Jemandem  am  Kopfe  selbst  beobachtet  wurden.  Dies  scheint  eine 
Schlussfolgerung  Ton  Jemandem  zu  sein,  der  nicht  gegraben  und  der  an  den  Zopf 
und  den,  den  Zopf  befestigenden  Kamm  dachte;  nun  aber  ist  der  Zopfkamm  im 
Kaukasus  nie  bekannt  gewesen,  bis  die  Deutschen  1819  Ton  Würtemberg  hier  ein- 
wanderten; bisher  aber  hat  kein  kaukasisches  Volk  diese  Mode  angenommen. 

Die  Kaukasierinnen  tragen  die  Flechten  herabhängend  in  Grusien  und  dem 
südlichen  Kaukasus  überhaupt,  und  der  Zopf  findet  sich  hier  in  den  meisten  Fällen 
falsch,  derselbe  ist  Ton  fremden  Haaren  gemacht  Die  Nogaierinnen  (die  ihre  Kopfe, 
wie  es  scheint,  geschoren  haben)  tragen  lange  herabhingeDde  Flechten,  Yon  Baum- 
wolle geflochten.  Diese  Sitte,  die  Zöpfe  lang  herabhängend  zu  tragen,  scheint  sehr 
alt  im  Kaukasus;  dafür  sprechen  die  Fonde  in  Redkin-Lager  ebenso,  wie  ge- 
wisse parthische  Münzen,  namentlich  Münzen  des  albanischen  (Grusiner)  Königs 
Aderk,  der  Ton  4  oder  2  t.  Chr.  bis  56  oder  58  n.  Chr.  regierte  und  vom  arme- 
nischen Arsaciden  -  Hause  stammte,  bei  den  Persern  als  Orodes  II,  bei  den 
Numismaten  und  den  Römern  als  Hjrodes  II  bekannt,  dessen  Geschichte,  weil 
bald  in  Persien,  bald  in  Palästina,  bald  in  Iberien  gesucht,  bis  jetzt  im  Dunkeln 
liegt.  Die  Frau  dieses  Königs  trägt  eine  Krone  mit  Nadeln  besetzt  und  offenes, 
lang  herabhängeodes  Haar,  d.  h.  mehrere  Flechten,  deren  untere  Hälften  offen 
sind ;  die  Tochter  aber  tragt  eine  Flechte,  nach  unten  offen,  die  am  Scheitel  be- 
ginnt    Von  Nadeln  am  Hinterkopfe  finden  wir  keine  Spur.  — 

Die  korallenartigen  kleinen  Bronzeröhren,  welche  sich  in  einzelnen 
Exemplaren    auch    in  Redkin-Lager   und    in    den  BrunDengräbern   von    Samthawro 

1}  Das  MissYerstiDdoi&s  bezieht  »ich  auf  eine  Angabe  des  Hrn.  Bayern  (Mittheilungen 
der  Wiener  anthropologischen  Gesellschaft  1874,  S.  44),  wo  er  sagt,  dass  er  ^ neben  den  Haar- 
nadeln Vi  Foss  lange  Scheitel-Scheiden-Nadeln ^  gefunden  habe.  Was  diess  ledeutet,  ist  mir 
jetzt  noch  weniger  klar  als  früher.  Virchow. 

2)  in  der  inzwischen  publicirten  Abhandlung  zeichnet  Hr.  Chantre  die  Scheibennadeln 
hinter  dem  Kopfe,  dagegen  die  ruderförmigen  in  d<:r  Bauch-  oder  Hecke ngegend.  Beide  Arten 
müssen  also  aus  einander  gebalten  werden.  V. 


(257) 

finden,  halte  auch  ich  für  graiDS  de  coUiers,  also  für  Halsschmuck.  Sie  haben 
grosse  AehDÜchkeit,  selbst  in  der  Durchschnittsweite,  mit  den  Bronzeblechr5hren 
aus  den  BruDnengräbern  Yon  Samthawro,  welche  ich  als  Pfeilspitzen-ZwiDgen  be- 
zeichnete; diese  Samthawroer  Röhren  aber  sind  viermal  länger  als  die  von  Eoban 
und  bestehen  aus  ßronzeblech,  während  die  Halsschmuckröhren  gegossen  sind.  Ich 
nenne  diese  letzteren  Korallen  ebenso,  wie  die  ganz  ähnlichen,  nur  um  7s  ^^'' 
neren,  weissen,  schwarzen,  grauen,  blauen  oder  grünen  Glaskorallen,  die  von  15  bis 
zu  1  mm  Länge  auftreten  und  oft  bis  zu  hundert  und  mehr  Exemplaren  sich  sammeln 
lassen;  namentlich  war  Redkin-Lager  sehr  reich  an  diesen  verschieden  grossen 
Glasröhren. 

S.  472.  Das  Dental ium  aU  Halsschmuck  findet  sich  nicht  selten  in  der 
oberen  Etage  von  Samthawro;  einzelne  fossile  Dentalien  aber  fanden  sich  mit  an- 
deren durchbohrten  Fossilien,  wie  Trochus,  Mactra  u.  s.  w.,  in  Redkin-Lager. 

S.  473.  Sehr  erfreut  hat  es  mich  zu  erfahren,  dass  Hr.  Dolbeschew  auch 
Goldperlen  von  Eoban  Ihnen  zusendete;  hier  nun  liegt  die  Frage  vor,  stammten 
dieselben  aus  den  Gräbern  mit  Schaufelnadeln  (obere  Etage  von  Eoban)  oder  aus 
denen  mit  den  Ammonshömern  (untere  Etage);  die  zweite  Frage  ist,  sind  es  ge- 
gossene Perlen,  oder  sind  sie  aus  feinem  Goldblech  gefertigt?  In  letzterem  Falle 
gehören  sie  der  oberen  Etage  an,  die  gegossenen  Perlen  aber  sind  nur  in  der 
unteren  zu  treffen,  doch  glaube  ich,  dass  Gold  nur  in  der  oberen  Etage  in  Kobao 
auftritt.  Ossetien  selbst  besitzt  kein  Gold;  wohl  aber  finden  sich  reichlich  in  Di- 
gurien  geschwefelte  Silber-,  Eupfer-  und  Zinkerze. 

Es  ist  aber  nicht  nöthig,  das  Gold  allein  aus  dem  Eubandelta  in  Ossetien 
einführen  zu  lassen;  die  Pelzhändler  von  Sibirien  konnten  von  der  Wolga  aus 
zu  Schiffe  durch  das  Easpi-Meer  Herodots  bis  an  die  Grenze  der  Eabarda,  wo- 
selbst das  Meer  den  Namen  Hyrkanisches  Meer  führte,  und  landeten  an  der  alten 
Mündung  der  Kuma,  an  einem  jetzt  verschwundenen  Orte,  etwas  nordwestlich  von 
Mosdok.  Es  konnten  daher  sehr  möglich  diese  Pelzhändler  auch  Goldstaub  bringen, 
von  denen  die  kaukasischen  Völker  ihn  erhandelten.  Aber  auch  die  medo-scythische 
Landstrasse  führte  am  Fusse  der  ossetischen  und  digurischen  Berge  vorüber,  und  so 
war  es  ein  Leichtes,  auch  fertige  Eunstprodukte  und  namentlich  Goldschmuck,  ebenso 
aus  dem  Eubandelta,  als  von  Indien  und  Arabien  über  Tiflis  zu  erhandeln. 

S.  473.  Die  Amphoren  mit  Leichenbrand  in  Samthawro  enthalten  nicht 
nur  Asche  und  Gebeine  (nicht  zertrümmerte  Enochen),  sondern  auch  kleine,  rothe 
Töpfchen  aus  gebranntem  Thon.  Meinen  Beobachtungen  zufolge  wurde  die  Leiche 
verbrannt  und  das  noch  zusammenhängende  Skelet  sammt  dem  Schädel  in  die  Am- 
phore hineingelassen,  so  dass  sie  sitzend  erscheint,  mit  dem  Schädel  nach  oben. 
Auf  dem  Schoosse  findet  man  gewöhnlich  die  beiden  kleinen  Töpfchen,  selten  auch 
andere  Beigaben,  die  jedoch  vom  Brande  keine  Spur  zeigen,  während  die  Enochen 
des  Skelets  theils  weiss  gebrannt,  theils  auch  nur  schwarz  angebrannt,  aber,  wie 
gesagt,  nicht  zerstückelt  sind.  Der  Leichenbrand  findet  sich  nicht  allein  in  den 
Amphoren  auf  Samthawro,  sondern  auch  in  einer  Steinkiste  fand  ich  eine  Leiche, 
ausgestreckt  auf  einer  mächtigen  Schicht  Kohle,  wobei  das  Feuer  so  stark  war,  dass 
selbst  die  Wände  der  Steinkiste  roth  gebrannt  waren.  Ich  hob  hier  nur  den 
Schädel  (mesocephal),  der  ganz  schwarz  gebrannt  war;  die  Gebeine  aber  Hess  ich 
in  der  Kiste  und  deckte  sie  wieder  zu,  damit  spätere  Forscher  diesen  Fall  auch 
beobachten  können. 

S.  477.  Der  Anfang  des  Christenthums  in  meinen  Arbeiten  ist  der  der 
Einführung  desselben  in  Grusien.  Die  Grusiner  wurden  Christen  um  einige 
Jahrhunderte    später,   als   die  Absilier  (Pitzunda)   an    der  Küste   von  AbcbasieD, 

Verhandl.  dar  B«rl.  4ntluropoL  G«aelUcliaft  1883.  17 


(258) 

welche  schoD  ChristeD  waren  zu  CooetaDtiDS  des  Grossen  Zeiten.  Der  grusinischen 
Chronik  zufolge  hatten  freilich  schon  die  Apostel  Andreas  und  Simeon  tou  EaoaaD 
(der  in  Anakopi  begraben  liegt,  aber  sicher  in  Gudaut,  das  früher  Nitika  (Arrian) 
hiess  und  von  Juden  (worauf  auch  der  Name  Gudaut  hinweisst)  bewohnt  war,  er- 
mordet wurde)  das  Christenthum  gepredigt. 

Das  Christenthum  nahm  seinen  Weg  von  der  Küste  des  Schwarzen  Meeres 
allmählich  nach  Iberien  und  von  hier  bis  in  die  kaukasische  Centralkette;  leider 
aber  wurde  es  durch  das  Auftreten  der  Araber  im  südlichen  Kaukasus  und  der 
darauf  folgenden  Horden  von  Asien  in  seinem  Fortschreiten  abgebrochen. 

S.  477.  Die  Beigaben  in  den  Gräbern  vonlnianthkari  sind  sehr  selten 
und  bestehen  aus  einfachen  Bronze-  oder  Kupferdraht-Arm-,  Ohr-  und  Fingerringen, 
hin  und  wieder  Glasschmelzperlen  der  Byzantiner -Zeit  und  Spuren  von  gewohn- 
lichen Eisenfibeln. 

Der  Topf,  welchen  ich  Hrn.  Yirchow  in  Tiflis  übergab,  stammt  von  Redkin- 
Lager.     Die  Steinkisten  von  Inianthkari  führen  keine  Thoogeschirre. 

Der  Gerrus  Ptol.  ist  die  Jora,  die  bei  Herodot  Gyndes  heisst.  Der  Alazan 
heisst  bei  Ptol.  Alazonius,  bei  Strabo  Euleus;  der  Alazonius  Strabo's  aber  ist  der 
obere  Tereklauf,  von  den  Quellea  bis  nach  Kobi  hin ;  von  hier  aus  heisst  der  Terek 
bei  Strabo  Aragos  borealis.  Bei  den  Grusinern  heissen  alle  Flüsse  Aragwi,  und 
so  wird  heute  noch  im  oberen  Terekthale  der  Araxes  Herod.,  also  der  Terek,  ebenso 
wie  die  heutige  Aragwa  bei  Mzchet,  genannt.  Diese  Mzcheter  Aragwi  heisst  bei 
Mela  Albanus,  bei  Ptol.  Aragos,  bei  Strabo  Aragos  meridionalis.  Der  AlbanuB 
Ptol.  ist  der  Rhaetaeus  Strabo's,  heute  Rechula  genannt  Die  Liachwa  heisst  bei 
Strabo  und  Mela  Cyrus  und  auch  Cambyses,  nach  dem  Vater  von  Cyrus  I,  der 
in  Cyropolis,  heilte  Zchinwali,  am  Cyrus  lebte. 

Das  Suramer  Gebiet  bis  an  die  Liachwa,  bei  Herodot  Armenien,  heute  noch 
Ameri  genannt,  hiess  bei  Strabo  Iberien,  andere  nannten  es  Amardi  und  Mardi. 
Die  Ostgrenze  war  die  Liachwa  von  Iberien,  welche  die  Westgrenze  von  Albanien 
bildete.  Das  Liachwathal  hiess  Cambysene  und  wird  falschlich  einmal  nach  Me- 
dien, ein  andermal  nach  Armenien  gesetzt;  Armenien  aber  ist  ein  Irrthum  bei  He- 
rodot 5,  52. 

Mit  der  Liachwa  beginnt  nach  Osten  zu  Albanien,  dessen  östliche  Grenze  He- 
rodot's  Tigris  III  (Mela's  Albanus,  Strabo^s  Aragos)  war;  die  Nordgrenze  Al- 
baniens dagegen  war  der  Darialpass  (Kaspische  =  Kaukasische  =  Sarmatische  e== 
Hunnen  u.  s.  w.  Pforte  genannt).  Den  Fehler,  Iberien  bis  an  die  Aragwi  bei  Mzchet 
auszudehnen,  machte  Strabo,  der  sein  Seusamore  (die  Acropolis  Dio  Cass.),  also 
Mzchet  in  Iberien,  ebenso  falsch  erwähnt,  wie  das  Castell  Harmosica,  das  nach 
Herodot  in  das  syrische  Medien  gehorte.  Wenn  man  nun  noch  weiss,  dass  der  alba- 
nische Pass  der  Kreuzberg  an  den  Quellen  des  Albanus  Mela  (Aragwa)  und  des 
Rha  Mela  (Terek)  ist,  so  wird  man  Albanien  nicht  mehr  am  Gerrus  (Jora)  in  Ka- 
chetien,  Schirwan  oder  Daghestan  suchen,  wie  dies  durch  üokenDtniss  der  Topo- 
graphie schon  bei  Ptolemaeus  der  Fall  war.  Marienfeld  liegt  daher  auf  alt-assyri- 
schem Gebiet  und  die  hier  begrabenen  macrocephalen  Leute  sind  Meder  gewesen, 
ebenso  wie  die  von  Samthawro,  von  Muchadgwerd  und  von  Maredschi  auf  der 
Wasserscheide  zwischen  Jora  und  Alazan;  denn  Medien  hiess  das  ganze  Kurafluss- 
netz,  von  Borjom  beginnend  bis  an  den  Ssamur,  den  Araxes  Strabo's,  den  Crutius 
fälschlich  Medus  nennt,  während  der  Medus  Strabo^s,  bei  Curtius  fälschlich  Araxes 
genannt,  der  heutige  Achtitschai  ist.  Daher  halte  ich  dafür,  dass  alle  dolicho- 
cephalen  deformirten  Schädel  des  Samthawroer  Typus  als  reine  Meder  zu  nehmen 
sind,  die  sich,  wie  schon  hervorgehoben,  vom  Ssamur  aus  bis  auf  die  Adjurer  Hoch- 


(259) 

giebirge  im  Achalzicher  Gebiete  (früher  Yon  Makronen  und  Moschiern  bewohnt)  ver- 
folgen lassen  werden.  Wenn  man  in  Europa,  namentlich  an  der  Donau  und  in 
Südnissland,  diese  Schädelform  findet,  so  dürfte  mit  Sicherheit  angenommen  werden, 
dass  sie  von  Kriegern  aus  den  Expeditionen  des  Darius  und  des  Xerxes  stammen. 

(Hierzu  habe  ich  noch  die  Bemerkung  zu  machen,  dass  die  Gräber  von  Sar- 
tatschali von  5  bis  9  Fuss  Länge  und  von  2  bis  oft  5  Fuss  Breite  haben,  das  von 
Hrn.  Virchow  gegebiene  Maass  daher  nur  auf  die  kleineren  Eisten  sich  bezieht.) 

S.  480.  Wenn  auch  heute  die  Osseten  nur  in  beschränkten  Regionen  sich 
bis  an  die  Kura  herunter  ziehen,  so  war  dies  früher  nicht  so,  denn  die  Osseten, 
bei  Herodot  Perser  genannt,  lebten  gemengt  unter  den  Medern  nicht  allein  im 
grusinischen  Ossetien  (Albanien),  sondern  auch  das  rechte  Kuragebiet  von  Eartha- 
linien,  zwischen  Gori  und  Mzchet,  war  an  vielen  Orten  von  ihnen  besiedelt;  bis 
heute  noch  findet  man  ossetinische  Ansiedelungen  in  den  karthalinischen  Bergen 
zwischen  Manglis  und  Borjom.  Dieser  Umstand  nun  dürfte  es  erklären,  dass  die  Grie- 
chen keinen  Unterschied  zwischen  den  eigentlichen  Persern  (Osseten)  und  den 
Medern  (Albanern,  heute  Grusinern)  machten;  denn  durch  die  Einnahme  Mediens 
durch  Cyrus,  der  dem  Liachwathale  angehorte,  wurden  Osseten  ebenso  nach  Elj- 
mais  (Kachetien),  als  nach  dem  östlichen  Medien  (heute  Schirwan)  und  dem  östlichen 
Daghestan  angesiedelt.  Es  waren  diese  Osseten,  wie  ich  annehmen  muss,  welche 
der  Provinz  Schirwan  den  Namen  Hohles  Persien  (weil  es  die  kaukasische  Erd- 
bebenzone ist)  und  dem  östlichen  Daghestan  den  Namen  Gross-Persien  verliehen. 

Man  wird  sich  daher  Hiebt  wundern,  wenn  ich  ossetinische  Leichenfelder  in 
Natschpis,  14  Werst  oberhalb  Mzchet,  dann  bei  Kodoraani,  8  Werst  oberhalb 
Mzchet   am    linken  Kura-Ufer,  dann  bei  Inianthkari,    am  rechten  Aragwa-Ufer, 

5  Werst  östlich  von  Duschet,  fand.  Die  Schädel  aber  von  diesen  drei  Orten  zei- 
gen, bei  gleicher  Bestattung,  grosse  Verschiedenheit;  denn  die  von  Natschpis  sind 
grössten  Theils  dolichocephal,  aber  nicht  deformirt,  und  finden  sich  gemengt  mit 
roeso-  und  brach ycephalen  Schädeln ;  die  Schädel  von  Eodomani,  die  ich  sammelte, 
waren  alle  mesocephal,  während  die  Schädel  von  Inianthkari  grössten  Theils  dick- 
schalig und  mehr  oder  weniger  brachycephal  sich  erwiesen;  von  Dolichocephalie 
und  von  Deformation  der  Schädel  ist  mir  bei  ihnen  nichts  aufgestossen. 

Die  Steinkisten  der  ossetinischen  Gräberfelder  sind  alle  ziemlich  schmal  (3  Fuss 
in  selteneren  Fällen  breit)  und  doch  findet  man  gewöhnlich  vier  Leichen  neben 
einander  in  gestreckter  Lage.    Die  Länge  beträgt  7 — 8  Fuss,  und  die  Gräber  bergen 

6  bis  8  Leichen,  theils  mit  den  Schädeln  im  Osten,  theils  im  Westen;  alle,  wie 
gesagt,  in  gestreckter  Lage,  wodurch  sie  sich  von  den  medischen  Gräbern  von 
Samthawro,  von  Muchadgwerd  (gegenüber  der  Aragwamündung,  am  rechten 
Euraufer),  von  Digom  (7  Werst  oberhalb  Tiflis  am  rechten  Euraufer),  von  Sar- 
tatschali und  Marienfeld  an  der  Jora,  rechtes  Dfergebiet,  sowie  von  Mered- 
schi  auf  dem  Parachantras,  — .das  ist  das  Jora-Alazaner  Grenzgebirge,  —  unter- 
scheiden, die  erstens  bedeutend  grössere  Steinkisten,  zweitens  selten  mehr  als 
zwei  Leichen  in  gestreckter  Lage  aufweisen,  während  alle  anderen  Leichen  sitzend 
beigesetzt  wurden. 

Die  nach  Herodot  in  Honig  gesetzten  Meder  und  die,  gleichfalls  nach  ihm,  in 
Wachs  gesetzten  Perser  habe  ich  noch  nicht  gefunden,  daher  scheinen  die  Amphoren 
mit  Leichen brand  auf  Samthawro  mit  Honig  gefüllt  gewesen  zu  sein,  wenn  diese 
Angaben  bei  Herodot  richtig  sind,  woran  zu  zweifeln  ich  keinen  Grund  habe.  Bei 
aUe  dem  dürfte  die  Sitte  nur  in  sehr  seltenen  Fällen  vorgekommen  sein. 

Merkwürdiger  Weise  sind  mir  in  Tiflis  selbst  nur  Gräber  aus  der  Bjzantiner- 
Zeit   zu  Gesiebt   gekommen,    und    ich    erinnere   mich  nicht,  hier  je  einen  dolioho- 

11* 


(260) 

oephmleo   Schädel  beolwchtet  lo  limbeD.     Aber  moch  die  alten  Giiber  leUen  vas  ia 
Tiflis,  denn  sie  sind  von  den  Häusern  bedeckt 

Die  Beigaben  in  Inianthkari  sind  denen  ?on  Netscbpis  und  Moehadgwerd  ihn- 
lieh,  aber  noch  um  etwas  jünger.  In  den  Gräbern  Ton  Mnchadgwerd  £uid  ieh 
eine  Nadel  Ton  Bronze  mit  einer  Hand,  welche  als  Kopfchen  einen  niduschen  Segen, 
wie  in  den  orthodoxen  Kirchen  im  Kaukasus  oft  xu  sehen,  darstellt,  daher  dieaea 
Grab  ebenfalls  bestimmt  dem  Christeothum  angehört,  und  doch  £uiden  sich  in  dem» 
selben  vier  sitzende  Leichen,  also  Christen,  nach  alter  Weise  begraben.  Daa  Ba- 
lansticum  aus  rother  Koralle  als  Köpfchen  auf  Haarnadeln  fand  ich  ebenso  in  Sam- 
thawro,  Moehadgwerd,  Sarthatschala  und  Maredschi,  als  in  den  ossetiner  Gräbern 
Ton  Netscbpis. 

Alban  und  Alran  bedeutet  Gebirgsland  und  scheint  dem  deutschen  Alp  an 
entsprechen.  Ein  grusioer  Forst  sagte  mir,  dass  Al^anai  (also  Aea  AWan  oder 
Alnm-aia)  Königsgrfinde  bedeute,  sicher  aber  irrt  sich  dieser  Kachetiner  Fürst,  denn 
der  untere  Theil  des  Alazaner  Thaies  beisst  Miza-  (Erde)  batooi  (Herr),  folglich 
Königs -Erde,  aus  welchem  die  Griechen  Messa-batika  machten  (es  ist  dies  der 
Ssakataler  Kreis). 

In  der  Bömerzeit  und  selbst  noch  bis  auf  Procopius  wurde  der  Rhion  be£shren 
bis  hinauf  nach  Sarapanis,  dem  Surium  Plin.  et  Ftol.;  dies  aber  konnte  nur  ge- 
schehen, so  lange  der  grosse,  das  Rhionbecken  bedeckende  Imerethiner  See  (Aska- 
nius?)  noch  stand,  welchen  Herodot  entweder  Phasis,  wie  den  Rhion  selbst,  oder 
was  noch  wahrscheinlicher,  nördliches  Meer  nannte  (4,  37),  denn  dieser  See  bildete 
eine  bis  an  die  Grenze  der  Sarapanis  (Scharopan)  sich  ausdehoende  Bucht,  in 
welche  alle  imeretinischen  Flüsse  mündeten;  und  dieser  grosse  See  war  auch  die 
Ursache,  dass  die  Geographen  den  eigentlichen  Phasis  (RbioD)  nicht  finden  konnten, 
so  dass  selbst  noch  Dubois  de  Montpereux  nach  Plinius  den  Suriosfluss,  also 
die  Quirulla,  für  den  Phasis  hielt  Die  Römer  fuhren  im  Rhiooflussbette  durch 
diesen  See  bis  an  die  Mündung  des  Surius  bei  Surium  (Sarapanis  Proc.),  beute  die 
Festung  Scharopan  oberhalb  Quirilskaia. 

Wann  dieser  namenlose  imeretiner  See  abgeflossen,  ist  mir  nicht  bekannt; 
so  viel  weiss  ich,  dass  noch  1849,  als  ich  das  Rhionbecken  bereiste,  grosse 
Strecken  unter  Wasser  standen  und  Sümpfe  bildeten,  so  namentlich  bei  Quirilskaia 
selbst  Der  Abfloss  fand  daher  nur  allmählich  statt;  dies  bezeugt  auch  die  grusini- 
sche Chronik,  die  Scharopan  an  den  namenlosen  See  angrenzen  lässt  und  Iberien 
an  den  Sper-See.  Dass  nun  Iberien  im  Osten  an  den  Sper-See,  Sarapanis  aber  im 
Süden  oder  richtiger  Südwesten  an;  den  Scharopaner  (Imeretiner)  See  angrenzen 
musste,  übersah  Brosset  und  dehnt  in  Folge  dessen  Iberien  aus  bis  an  die  Mün- 
dung des  Tschorok  bei  Batum  ebenso,  wie  die  Scharopan,  glaubt  auch,  beide  Seen 
seien  identisch  und  bezeichneten  nichts  weiter,  als  das  Schwarze  Meer  an  der  La- 
sischen Küste.  In  Folge  dieses  Missgriffes  ist  auch  die  Geschichte  Imeretieos  und 
Grusiens  bei  Brosset  gänzlich  verfehlt  und  alle  seine  Nachfolger,  namentlich  der 
thätige  und  besonders  hervorragende  Reisende  Dubois  de  Montpereux,  wurden 
dadurch  irre  geleitet 

S.  442.  Eine  Spalte  nennen  die  Griechen  x^X.>f.  Die  grusinische  Sprache  aber 
besitzt  viele  griechische  Worte;  ob  sie  in  die  grusinische  Sprache  eingeführt,  oder 
ob  die  Griechen  aus  dieser  altmedischen  Sprache  Worte  entnommen,  weiss  ich 
nicht;  so  viel  aber  ist  gewiss,  dass  auch  Chili  oder  Chele  der  Griechen  in  der 
grusinischen  Sprache  auftritt,  denn  die  Spalte,  sei  es  eine  Erd-  oder  eine  Mauer- 
oder eine  Baumspalt«,  heisst  Gachet-chili;  Holzspalten  aber  heisst  Tschescha 
(=  Holz)  daap6  (spalten). 


(261) 

S.  457  wird  vom  PolireD  und  Brennen  der  ThongeBchirre  gesprochen.  Dabei 
erinnerte  ich  mich  einer  Beobachtung,  die  ich  machte,  wie  die  Perser  die  Fuss- 
boden  ihrer  Wohnungen  verfertigen. 

Im  Jahre  1875  reiste  ich  nach  Gurien,  um  die  von  Dubois  de  Montpereux 
entdeckte  Festung  Petra  auf  dem  Plateau  von  Waschnari,  7  Werst  unterhalb  (west- 
lich) von  Ozurgeti  zu  untersuchen,  fand  jedoch,  nachdem  ich  8  Tage  hier  Aus- 
grabungen machte,  dass  Dubois  sich  in  dem  Namen  Petra  geirrt,  weil  er  über- 
sehen, dass  diese  Festung  nothwendig  am  Meere  liegen  masstc,  wenn  Procopius 
richtig  verstanden  wird.  Dubois  beschreibt  diese  namenlose  Festung  ziemlich  ge- 
nau, und  ich  habe  gefunden,  dass,  wenn  auch  dieselbe  nicht  die  von  Procopius  be- 
schriebene Festung  Petra  sei,  die  wir,  wenn  am  Meere,  nur  bei  oder  in  Zichisdir 
an  der  Gurischen  Küste,  unweit  Batum,  zu  suchen  haben,  die  von  Dubois  be- 
schriebene Festung  auf  Waschnari  doch  bekannt  zu  werden  verdient,  um  so  mehr, 
als  sie  an  derselben  Stelle,  aber  verkleinert,  steht,  wo  einst  eine  altassyrische  oder 
vorhistorische  grössere  Festung  gestanden  hat.  Daher  skizzirte  ich  einen  Plan  von 
derselben,  soweit  meine  Ausgrabungen  gingen,  um  einmal  diese  Arbeiten  zu  publi- 
ciren,  wozu  ich  bisher  noch  nicht  kommen  konnte. 

Hier  will  ich  nur  die  Aufmerksamkeit  darauf  lenken,  wie  die  Perser,  denn 
dies  war  sicher  eine  persische  Festung,  die  Fussböden  in  den  Zimmern,  den  Gase- 
matten  und  dem  Bade  zubereiteten. 

Bei  dem  Wegräumen  eines  Schutthügels  stiess  ich  auf  die  Grundmauern  eines 
grossen  Gebäudes,  sicher  die  Commandantenwohnung,  vor  deren  Eingang  eine  12  Fuss 
lange,  6  Stufen  hohe,  aus  2  Fuss  hohen  Quadern  gebaute  Treppe  aufgedeckt  wurde. 
Die  Grundmauern  waren  aus  eben  so  grossen  Quadern,  aber  von  grünem  Thon- 
porphjr  an  der  Frontseite  gebaut;  das  Gebäude  jedoch  über  der  Grundmauer  war 
ein  reiner  Ziegelbau,  der  aber  demolirt  war.  Von  der  Treppe  führte  ein  langes, 
schmales  Vorzimmer  in  das  Innere  des  Hauses,  gerade  in  ein  langes  Querzimmer, 
aus  welchem  eine  Treppe,  von  Ziegeln  gebaut,  von  welcher  noch  einige  Stufen  zu 
finden  waren,  in  einen  oberen  Stock  führte. 

Ich  Hess  hier  den  Boden  vom  Schutte  räumen  und  fand  einen  geglätteten 
Ziegelboden,  konnte  aber  keine  Ziegelränder  finden.  Als  nun  der  Boden  ganz  vom 
Schutte  befreit  war,  fand  ich,  dass  dies  nicht  ein  Ziegelboden,  sondern  eine  roth- 
gebrannte, stark  geglättete  Thonlage  war,  die  ungefähr  Vs  ^uss  dick  den  Boden 
bedeckte,  aber  nur  bis  auf  Va  ^11  ungefähr  roth  gebrannt  sich  erwies.  £inen  ganz 
ähnlichen,  aber  bedeutend  dickeren  Boden  fand  ich  in  dem  Bade,  welches  Dubois  de 
Montpereux  für  einen  Atesch-gad  (Feuertempel)  hielt;  selbst  in  den  Casematten 
traf  ich  diesen  gebrannten  Lehmboden,  aber  weniger  geglättet,  als  im  Gomman- 
dantenhause  und  im  Bade. 

Diese  polirten  und  gebrannten  Thonboden,  scheint  mir,  sind,  nachdem  sie  ge- 
glättet waren,  mit  einer  Schicht  getrockneter  Farrenkräuter  (Pteris  aqailina)  bedeckt 
worden,  auf  welche  eine  Lage  Holzkohle  gelegt  wurde;  bevor  noch  Holz,  von  wel- 
chem ich  jedoch  nirgend  eine  Spur  fand,  in  die  Wände  des  Gebäudes  eingelegt 
wurde,  wurde  das  Farrenkraut  angezündet.  Dieser  Brand  war  es,  welcher  den 
Thon  roth  brannte.  Als  das  Gebäude  fertig  war,  scheint  es,  dass  der  Boden  wieder 
mit  einer  feinen  Schicht  rothen  Thons  bedeckt  und  geglättet  wurde,  um  Risse  und 
Unebenheiten  auszufüllen;  auch  dieser  erhielt  vielleicht  eine  zweite  Feuerung  auf 
kurze  Dauer,  denn  auch  diese  papierdünne  Lage  erwies  sich  roth  gebrannt,  mber 
schon  weniger,  wie  die  untere  gebrannte  Lage. 


(262) 

Hr.  Oberst  Weiss  Yon  Weissenhoff,  ein  eifriger  Archäologe,  brachte  mir 
eine  Partie  Obsidiansplitter,  •  welche  er  auf  der  Steppe,  an  der  Vereinigung  der 
Kura  und  des  Araxes  sammelte,  woselbst  er  Studien  für  einen  Irrigationakanml 
machte.  Diese  Obsidiansplitter  lassen  sich  hier  zahlreich  sammeln,  zeigen  aber 
keine  Spur  einer  künstlichen  Bearbeitung.  Unter  ihnen  finden  sich  merkwQrdiger 
Weise  schöne  und  oft  ziemlich  grosse  Splitter  und  Bruchstücke  von  Morion  (schwar- 
zem Bergkrystall,  sogenanntem  Rauchtopaz).  Alle  diese  Splitter  zeigen  ganz  frischen 
Bruch.  Hr.  t.  Weisse nh off  überliess  mir  ein  Stück  für  Sie,  das  ich  Ihnen  bei 
Gelegenheit  zusenden  will*). 

Morion,  also  den  ganz  schwarzen  Rauchtopaz  habe  ich  bis  dahin  im  Kaukasus 
als  anstehendes  Gestein  nicht  beobachtet.  In  Bialoiklutsch  hiess  es,  in  den 
fünfziger  Jahren  habe  man  Rauchtopaz  gefunden;  als  ich  denselben  aber  selbst 
suchte  und  untersuchte,  fand  es  sich,  dass  dies  nur  herumgestreute  Obsidiansplitter 
waren,  die  im  ganzen  Eura-  und  Araxbecken  gesammelt  werden  können.  Das  erste 
wirkliche  Morion-Exemplar  erhielt  ich  als  schön  polirte  grosse  Perle  aus  den  Gr&- 
bern  von  Komunta  in  Digurien;  es  stammt  aus  der  Byzantiner-Zeit.  Ich  lege 
Ihnen  hierbei  drei  Tafeln  von  Photographien  meiner  Sammlung  bei,  die  namentlieh 
rein  byzantinische  Productionen  aus  den  Gräbern  von  Digurien  geben,  wobei  ich 
Sie  aufmerksam  zu  machen  wünsche  auf  die  verschiedenen  Schildformen,  die  in 
grosser  Mode  waren  in  dieser  Zeit  und  die  beinahe  alle  bekannten  Formen  zeigen:  so 
das  ausgeschweifte  Amazonenschild,  das  boeotische  Schild,  das  Rundschild  und  yer- 
schiedene  andere  Schilde,  die  zu  einer  Monographie  der  Schilde  guten  Stoff  liefern 
könnten.    Die  Sammlung  befindet  sich  jetzt  im  kaukasischen  Museum. 

Den  ersten  Morionsplitter  fand  ich  in  einer  Grabkammer  in  Redkin-Lager  eben* 
falls  in  Gesellschaft  mit  Obsidiansplittern ;  dies  bewies  mir,  dass  dies  Mineral  der 
Karabach  angehört  und  nicht  Tora  Ural  stammen  konnte.  Der  Fund  des  Hm. 
Obersten  von  Weissen  hoff  bestätigt  meine  Annahme;  nur  bleiben  wir  noch 
immer  im  Dunkeln,  wo  eigentlich  er  anstehend  sich  findet,  denn  die  von  ihm  ge- 
sammelten Morionsplitter  finden  sich  an  einer  Stelle ,  die  noch  im  5.  Jahrhundert 
vom  heutigen  kaspiscben  Meere  bedeckt  war,  wo  folglich  weder  von  einem  Ein- 
führen dieser  Splitter,  um  zu  Eunstproducten  verwendet  werden  zu  können,  noch 
von  künstlicher  Bearbeitung  die  Rede  sein  kann.  Wie  kamen  sie  auf  diesen  alten 
Meeresboden  und  warum  in  Gesellschaft  von  Obsidiansplittem  von  ganz  gleicher 
Farbe?  Dies  sind  Fragen,  die  ich  noch  nicht  zu  lösen  weiss.  Den  Morion  für  ge- 
schmolzenen Quarz  zu  nehmen,  verbieten  die  quergestreiften  Erystallflächen,  die 
den  krystallinischen  Quarz  cbarakterisiren. 

Da  nun  das  Gräberfeld  von  Redkin-Lager  um  einige  tausend  Jahre  alter  ist, 
als  das  Sinken  des  kaspiscben  Meeres,  welches  im  6.  Jahrhundert  n.  Chr.  statt  fand, 
so  ist  es  begreiflich,  dass  der  Morionsplitter  von  Redkin-Lager  nicht  von  der  Steppe 
zwischen  Eura  und  Araxes  stammen  kann,  sondern  ebenfalls  durch  eine  Spalte  in  der 
Nähe  des  Akstaphathales  sammt  den  Obsidiansplittem  ausgeworfen  werden  konnte, 
wie  jene  Stücke  auf  der  Araxesebene;  ihr  Vorkommen  ist  daher  ganz  analog  mit  den 
Obsidiansplittem  von  Samthawro.  Solche  vulkanische  Spalten  müssen  in  einer 
früheren  Zeit  häufig  den  südöstlichen  Kaukasus  heimgesucht  haben,  und  eine  solche 
Spalte  auch  scheint  das  Versinken  oder  Sinken  des  Wassers  im  kaspiscben  Meere 
hervorgerufen  zu  haben.  Es  ist  daher  zu  hoffen,  dass  wir  in  der  Karabach  und  im 
£lisabethpoler  Gouvernement  auch  bearbeitete  Werkzeuge,  namentlich  Pfeilspitzen 
von  Morion,  finden  werden. 

1)  Nach  einer  neueren  Nachricht  ist  der  vermeintliche  Morion  Obsidiao.    Virchow. 


(263) 

Hr.  y.  Weissenhoff  sagte  mir,    dass  jene  Stelle  40  Faden  über  dem  Niveau 

des    Schwarzen    Meeres   liege.      Dies    durfte    auf    eine    einstige  Deltabildung    des 

Araxes  hinweisen;    mit  den  verschiedeuen  Meeresuiveaus  durfte,  scheint  mir,  noch 
manches  nicht  richtig  sein. 

Die  Graber  von  Zalki  sollen  sehr  sporadisch  auftreten;  bis  jetzt  sollen  nur 
drei  Gräber  beobachtet  sein,  wie  mir  General  Komaroff  erzählte,  von  denen  zwei 
durch  den  Chausseebau  zerstört  wurden,  während  es  dorn  General  gelang,  das  dritte 
selbst  zu  untersuchen.  Nach  seiner  Angabe  war  das  Grab  ein  Schacht  oder  Brun- 
nen, in  die  Erde  gegraben  und  mit  einem  mächtigen  Steine  bedeckt,  welchen  20 
Mann  kaum  wegwälzen  konnten.  Im  Grabe  war  nur  eine  Leiche,  zwei  kleine 
schwarze  Thontöpfe,  ein  M eissei  von  der  Form  der  Fig.  5  auf  Taf.  111  (Objets 
d'antiquite)  und  einige  Pfeilspitzen  von  Bronze  mit  Haftzunge;  der  zweite  Meissel, 
früher  von  mir  für  ein  Streitbeil  gehalten,  weil  er  nur  mit  "Waffen  sich  fand  und 
sicher  auch  als  Waffe  diente,  ist  nach  Komaroff  in  der  Erde  bei  dem  Chaussee- 
bau gefunden. 

Diesem  Meissel  zufolge  gehört  dies  Grab  ganz  in  dieselbe  Periode,  wie  die 
Brunnengräber  von  Samthawro. 

2.    Bemerkungen  zu  den  Verhandlungen  der  Sitzung  am  21.  October  1882. 

S.  489.  üeber  Bruchstucke  grosser,  schwarzer  Thongefässe  bemerke  ich,  dass 
auch  auf  dem  Leichenfelde  von  Redkin-Lager  dicke,  schwarze  Scherben  mit  oft 
sehr  schönen  Verzierungen  in  der  Erde  gefunden  werden,  die  in  den  Gräbern  selbst 
nicht  auftreten,  aber  doch  derselben  Zeit  angehören.  Namentlich  sind  skulpirte, 
erhabene  Spiralen  und  rosettenartige  Ringolungen  hervorzuheben.  Ob  die  schöne, 
glänzende,  schwarze  Farbe  auf  den  Thongeschirren  von  Redkin-Lager  dem  Graphit 
zuzuschreiben  ist,  muss  noch  untersucht  werden. 

S.  506.  üeber  das  Band  wirken  der  Mädchen  habe  ich  in  Koban  eine 
interessante  Beobachtung  gemacht.  Heute  noch  beschäftigen  sich  die  Weiber  und 
ganz  besonders  die  Mädchen  der  kaukasischen  Gebirgsvöikcr  mit  Posamentirarbcit, 
das  heisst  mit  Weben  oder  richtiger  Klöppeln  der  Silber-  und  Goldborten  für  ihren 
und  der  Männer  Bedarf.  Diese  Kunst  scheint  schon  sehr  alt,  denn  ich  fand  in 
einem  der  kistiner  Grabthürme,  die  gewöhnlich  drei  übereinander  stehende  Räume 
bilden,  wo  im  oberen  Räume  die  Reichen,  im  mittleren  die  Aermeren  und  ganz 
unten  die  ganz  armen  Leute  liegen,  wie  mir  ein  Ingusche  erzählt,  bei  denen  die- 
selbe Beerdigungsweise  einst  statt  fand,  und  wo  in  jedem  Räume  hunderte  von 
Leichen,  in  Tücher  eingewickelt,  mumienartig  aufeinander  liegen,  —  also  ich  fand 
in  der  mittleren  Etage,  aus  welcher  ich  für  Hrn.  Chantre  eine  dieser  Mumien  und 
einige  Schädel  holte,  ein  kleines  niedliches  Körbchen,  aus  Ruthen  geflochten,  in 
welchem  ein  in  einem  Beutelchen  liegendes  Spiegelglas,  eine,  wieder  in  einem 
ledernen  Beutelchen  steckende  Scheere  und,  nebst  einigen  anderen  Instrumenten  für 
Frauengebrauch,  auch  die  zum  Borton  weben  nöthigen  Bestecke  und  das  Falzmesser, 
aus  Bein  gefertigt,  lagen.  Khanukoff,  der  Grundbesitzer  des  Kobaner  Leichenfeldes, 
sagte  mir,  dass  dies  Körbcheu  einem  verstorbenen  Mädchen  beigelegt  sei;  ganz 
dasselbe  soll  sich  auch  in  den  Inguscher  Grabthürmen  finden,  erzählte  mir  der 
Ingusche.     Das  Körbchen  liegt  jetzt  in  der  Sammlung  des  Hrn.  Chantre  in  Lyon. 

S.  523.  In  Bezug  auf  die  Brandgruben  bei  Gross-Gerau  hätte  ich  folgende  Be- 
merkung vorzulegen: 

Im  Gebiete  von  Pifltigorsk,  auf  der  Stawropoler  Hochebene  und  an  einigen 
anderen  Orten  der  nordkaukasischen  Steppen,  findet  man  häufig  Ansammlongen  von 


(264) 

TopfiBcherbeD,  antermeDgi  mit  xertrümmerten  ThierkDodien,  ja  selbst  hin  und  wie- 
der HalsperlsD  uod  Trümmer  von  Eisengerathen  und  Nadeln.  Schon  bei  dem  ersten 
Scherbenhaufen,  den  ich  im  Jahre  1857  fand,  kam  ich  zu  dem  Schlüsse,  dass  diese 
sogenannten  Küchenabfälle  Ton  wandernden  Hirten  stammen,  wenn  die  Scherben- 
haufen grösser,  von  Winterplätzen,  in  deren  Nähe  sich  gewöhnlich  auch  Brennhols 
—  das  ist  Wald  —  findet,  wenn  aber  die  Haufen  kleiner,  von  kurzen  Sommer- 
plätzen. Vieler  Orts  scheinen  diese  Wanderhirten,  so  wie  heute  noch  die  Ejü- 
mücken  und  Nogaier  auf  den  Steppen  hier  thun,  den  Winter  stets  an  derselben 
Stelle  zuzubringen,  wo  sie  in  ihren  schwarzen  Filzzelten  vor  der  Kälte  ziemlich  ge- 
schützt sind. 

Ganz  so,  scheint  mir,  verhält  es  sich  auch  bei  Gross-Gerau,  woselbst  die  Thon- 
klumpen  darauf  hinweisen  dürften,  dass  hier  ein  Winterlager  war,  wobei  die  Zelt- 
bewohner einen,  aus  Ruthen  geflochtenen,  mit  Thon  innen  und  aussen  bestrichenen 
Unterbau  für  ihre  Zelte  machten,  um  vor  Wind  und  Nässe  oder  auch  vor  wilden 
Thieren  geschützt  zu  sein. 


(19)  Hr.  General  von  Erckert,  der  eben  im  Begriff  stand,  die  Mauer  von 
Derbent  in  einer  Länge  von  etwa  70  km  abzureiten,  sendet  aus  Petrowsk,  20.  März 
(1.  AprU) 

KSrpernessungen  mssiscber  V5lker. 

Die  erste  Reihe  der  Zahlen  enthält  die  Körpergrösse;  die  zweite  die  Länge  des 
Rumpfes  vom  obersten  Halswirbel  bis  zum  Steissbeinende;  die  dritte  das  Verhält- 
niss  des  Rückens  (Rumpfes)  zur  Höhe  des  Beins  bis  zum  Trochanter,  den  Rücken 
auf  1000  reducirt. 

L   Tscb'eremissen. 


1720 

645 

632 

1720 

600 

591 

1715 

635 

635 

1640 

575 

592 

1730 

615 

621 

1735 

620 

649 

1760 

640 

663 

1740 

640 

618 

1730 

660 

644 

Durchschnitt  62,7  pCt. 

2. 

Wotjaken. 

1715 

6% 

726 

1635 

590   _ 

631 

Dorchschmti 

;  67,Ö  pCt. 

3. 

Baschkiren. 

1720 

595 

575 

1700 

600 

609 

1730 

625 

622 

1795 

650 

607 

1750 

625 

625 

1700 

630 

630 

1720 

605 

599 

1670 

600 

609 

1770 

635 

672 

1750 

645 

632 

1750 

610 

607 

1705 

640 

663 

1685 

655 

712 

1795 

650 

607 

1760 

626 

625 

1700 

630 

630 

1720 

605 

599 

1670 

600 

609 

1700 

630 

636 

1665 

670 

736 

1700 

620 

620 

1660 

590 

601 

1635 

615 

676 

1745 

670 

694 

1725 

620 

636 

1750 

620 

617 

1755 

615 

603 

1740 

645 

665 

Durchschnitt  63,3  pGt 

Baschkiren  sichtbar  Mischrasse  aus  Finnen 

and    Tataren;   daher    ihr   Platz   auch    nach 

diesem  Resaltat  richtig. 

4.   Meschtscheräken. 


1680 

620 

649 

1745 

640 

653 

1705 

630 

636 

1725 

620 
Durchsc 

617 

hnitt  63,9  pC 

5.  W 

olga-Ta 

taren. 

1710 

605 

5% 

1680 

630 

643 

1760 

655 

675 

1695 

615 

631 

1730 

.  645 

668 

1655 

585 

619 

1625 

687 

716 

(265) 


1620     680  .    712             1670  625     698 

1670     585     594             1660  635     676 

1730     635     -645              1640  605     634 

1770     626     635              1655  640     707 

1665     620     646              1550  596     681 

1735      665     689              1560  585     688 

1615      590     652              1600  630     696 

1675      615     647  Mittel  66,3  pCt. 

1685      597     606                7  ui  •   d 

Mittel  65,0  pCt.          j^j^  g^^      ^^3 

6.  Gross-Rossen  an  der  Wolga,  sehr         1690  645     672 

gemischt,  finnisch  und  tatarisch.           1640  585     609 

1775      645     658             1715  615     635 

1720      655      677              1675  615     661 

1745      625     641              1595  580     641 

1710      620     632  Mittel  65,5  pCt. 

1760      620     611  ^  p  ,^^ 

1775      670     667  ^'   *^oien. 

1575      545     612             1570  570     630 

1660      600     038             1*^50  590     621 

1610      605     684             1780  650     628 

1650     595     650             1695  620     610 

1675      595     613             1575  600     667 

1660      600     638             1660  585     579 

1675      585     597             1600  585     609 

1690      630     649              1720  605     611 

1675      635     668             1580  605     658 

1730      635     629             1635  565     589 

1680      615     641              1710  640     660 

1655      620     674              1610  595     661 

1615      600     659              1610  610     674 

1650      620     685             1635  615     683 

1590      585     636  Mittel  63,4  pCt. 

1610      615     638  Q  T  ^ 

1595      605     699  ^'   J'^^ö'^^- 

1675      590     615             1680  575     590 

1585      600     698             1565  550     611 

1620      615     676  Mittel  60,0  pCt. 

Reihenfolge  nach  Mittelwerthen: 

Wotjaken 67,8 

Gross- Russen 66,3 

Klein-Russen 65,5 

Wolga-Tataren 65,0 

Meschtscheräken 63,9 

Polen 63,4 

Baschkiren 63,3 

Tscheremissen 62,7 

Juden 60,0 

Die   hervortreteDden    sehr   abweichenden  Zahlen    correspondiren  meist  mit  be- 
sonders abweichenden  Typen,  sind  aber  hier  mit  eingerechnet. 

(20)    Hr.  Alex.  Schadenberg  hat  an   Hrn.  Vircbow  d.  d.  Glogau,   10.  März, 
die  Photographie  eines 

deformirten  Schädel  aus  einer  Höhle  von  Süd-Mindanao 


übersendet.  Letzterer  zeigt  dieselbe  Art  künstlicher  Deformation,  .welche  Hr.  Vir- 
cbow früher  von  Höhlenschädeln  auf  Luzon  beschrieben  hat,  jedoch  in  so  hohem 
Grade,  dass  er  ganz  den  sogenannten  Makrocephalen  der  Krim  und  des  Kaukasus 
gleicht. 


(266) 

(21)  Hr.  F.  y.  Laschan  berichtet  in  einem  an  Hrn.  Virchow  gerichteten  Briefe 
aus  Aleppo,  Ostersonntag,  über  seine 

Reise  in  Kieinasien  und  Syrien. 

Seit  ich  Sie  zuletzt  (1881)  in  Salzburg  gesehen,  war  ich  fast  immer  auf  Reiseo. 
Erst  mit  der  Benndorrschen  Expedition  ein  zweites  Mal  in  Ljcien,  dann  mit  Prof. 
Petersen  auf  einer  hochinteressanten  Streiftour  Tom  lykischen  Hochland  durch 
die  Kibyratis  nach  Pisidien  und  Carien;  dann  war  ich  im  September  v.  J.  volle 
8  Tage  in  Europa  und  kehrte  sofort  wieder  nach  Kleinasien  zurück,  vorerst  nach 
Pamphylien;  dann  kam  Rhodus  an  die  Reibe,  wo  ich  eine  grosse  Zahl  altgriecbi- 
scher  Gräber  öffnen  sah  und  schöne  Schädel  erwarb.  Daran  schlössen  sich  aller- 
hand Ausgrabungen  in  der  Nähe  von  Smyrna,  daun  ein  mehrwöchentlicher,  ethno- 
graphisch nicht  undankbarer  Aufenthalt  in  Constantinopel;  dann  eine  sehr  lohnende 
Tour  durch  Nord-Syrien  und  das  türkisch-arabische  Grenzgebiet.  Schliesslich  ein 
Aufenthalt  in  Aleppo,  hauptsächlich  um  die  habb-es-rene  zu  studiren.  Da  habe 
ich  leider  einen  grossen  Misserfolg  zu  verzeichnen;  meine  Absicht,  eine  Reihe  von 
Aleppoknoten  zu  exstirpiren  und  zu  härten,  stiess  auf  unüberwindliche  Hindernisse. 
Ich  bt)t  Bettlern,  die  nie  im  Leben  ein  Goldstück  in  der  Hand  gehabt,  jede  be- 
liebige Summe,  wenn  sie  mir  ihren  Knoten  verkaufen  wollten;  aber  umsonst!  So 
beschränkte  ich  mich  einstweilen  darauf,  verschiedene  Impfungs-Versuche  an  mir 
selbst  und  an  meinen  Pferden  vorzunehmen,  sowie  grosse  Mengen  schlechten  Was- 
sers zu  trinken;  das  letztere  desshalb,  weil  die  Einheimischen  gerade  das  Wasser 
als  Ursache  des  Knotens  bezeichnen.  Auf  eine  oder  die  andere  Weise  hoffe  ich 
also  doch,  zu  einem  exstirpirbaren  Knoten  zu  gelangen.  Auch  mein  Diener  bekam 
grosse  Mengen  Wasser  zu  trinken  und  wurde  auch  täglich  in  das  Hamman  ge- 
nommen, um  seine  Haut  recht  empfindlich  zu  machen;  er  ist  mir  blind  ergeben, 
und  würde  natürlich  mit  Freuden  in  eine  Exstirpation  willigen.  Bei  den  hiesigen 
Aerzten,  die  sonst  sehr  anständig  sind,  ist  auf  Unterstützung  kaum  zu  rechnen,  da 
alle  den  Knoten  wie  ein  Noli  me  tangere  betrachten  und  er  ausserdem  als  etwas 
Alltägliches  und  Selbstverständliches  kein  Interesse  für  sie  hat. 

Meine  Idee,  dass  eine  Exstirpation  nebenbei  auch  eine  Radical-Heilung  sein 
dürfte,  fand  bei  den  Herren  auch  nicht  den  geringsten  Glauben;  ja  ich  glaube,  sie 
waren  *  alle  überzeugt,  dass  ich  ihnen  nur  desshalb  davon  sprach,  um  sie  leichter 
zu  einer  Exstirpation  zu  bestimmen. 

Ich  breche  noch  heute  von  hier  auf,  gehe  über  Alexandrette  per  mare 
nach  Adalia,  bringe  in  Pamphylien  allerhand  dort  begonnene  Arbeiten  zu  einem 
vorläufigen  Abscbluss  und  hoffe  dann,  die  von  der  preussiscben  Regierung  nach 
Kurdistan  und  an  den  Nimrud-Dagh  zu  entsendende  Expedition  dahin  begleiten  zu 
dürfen. 

(22)  Hr.  M.  Eisner  V.  Gronow  auf  Kali nowitz  schreibt,  mit  Beziehung  auf 
die  in  der  Sitzung  vom  16.  December  1882  (Verhandl.  S.  559)  mitgetheilten  Be- 
merkungen des  Hrn.  L.  Schneider  über 

Lhota  —  Elgut. 

Was  den  Namen  Lhota  anlangt,  so  habe  ich  selbst  schon  darauf  hingewiesen, 
dass  er  sich  im  Böhmischen  eingebürgert  hat,  wie  im  Deutschen  das  Wort  Colonie. 
Doch  hat  er  in  der  böhmischen  Sprache  noch  eine  besondere  ßedeutung:  Lhota  ist 
nehmlich  eine  Colonie,  welche  auf  längere  oder  kürzere  Zeit  abgabenfrei  errichtet 
wird.     Dass  nach  dem  Rechte  der  Lhota   vom   13.  Jahrhundert  an  in  Böhmen  eine 


(267) 

Menge  tod  NiederlassaDgen  errichtet  wurde,  ist  mir  bekannt.  Ich  behaupte  aber,  dass 
der  Stamm  Lhot  oder  Lgot  kein  slavischer,  sondern  ein  keltischer  ist,  sowie  noch 
heutigen  Tages  im  Dialekt  der  Insel  Man  Lhot  einen  Besitz  bedeutet.  Verwandt 
ist  er  mit  dem  deutschen  Gut  oder  Hut. 

Es  ist  auch  eigenthumlich,  dass  die,  Lhota  oder  Lgota  benannten  Besiedelungen 
strahlenförmig  von  der  Gegend  um  Krakau,  wo  Quaden  und  Sarmaten  zusammen- 
stiessen,  ausgehen  und  sich  in  Schlesien,  Polen  und  Mähren,  wo  sie  nicht  in  dem 
Umfange  vorkommen,  wie  in  Böhmen,  auf  die  Eisenerzfelder  beschränken.  Wären 
die  Lhota*s  von  Böhmen  ausgegangen,  so  musste  ihre  Verbreitungsweise  eine  andere 
sein.  In  Böhmen  sind  dann  eben  Colonien  vielleicht  von  nicht  keltischen  Eisen- 
arbeitern und  endlich  auch  von  anderen  Arbeitern  in  Menge  nach  dem  ursprung- 
lichen Recht  der  alten  keltischen  Niederlassungen  angelegt  worden. 

Merkwürdig  ist  es  auch,  dass  sich  im  südlichen  Böhmen  eine  Gruppe  Lhotas 
um  die  Stadt  Birken  sammelt  und  dass  diese  Stadt  Welsch-Birken  heisst. 

Die  Niederlassungen,  welche  von  den  ursprünglichen  Gotinen  herrühren,  waren 
gewiss  nicht  zahlreich,  sondern  beschränkten  sich  auf  das  polnische  Vorkommen,  die 
beiden  schlesischen  Gruppen,  die  mährische  Gruppe  auf  dem  Brauneisenstein  des 
Quadersandsteins  und  vielleicht  50 — 60  alte  Lhota's  in  Böhmen. 

Wenn  das  Wort  Lhota  als  ein  böhmisches  beansprucht  wird,  so  müsste  der 
slavische  Ursprung  nachgewiesen  werden. 

(23)    Hr.  Kofi  er  in  Darmstadt  übersendet  Berichte  über 

Hügelgräber  bei  Lorsch  und  prähistorische  Wohnstätten  bei  Hoizhausen  v.  d.  Höhe. 

1.  Das  Ried,  welches  in  diesem  Winter  von  den  Fluthen  des  Rheines  so  schwer 
heimgesucht  ward,  birgt  in  Wald  und  Feld  eine  grosse  Menge  Gräber  vor-  und 
nachrömischer  Zeit,  Hügelgräber  sowohl,  wie  Reihengräber.  Die  ersteren  liegen  in 
grösseren  und  kleineren  Gruppen,  die  letzteren  zum  Theil  in  grossen  Todtenfeldern 
beisammen.  Grössere  Gruppen  von  Hügelgräbern  findet  man  bei  Wallerstädten, 
Gernsheim,  Gross-Rohrheim,  Jägersburg,  Bobstadt  und  Lorsch.  Reihengräber  wor- 
den bei  Gross-Gerau,  Berkacb,  Biebesheim,  Klein-Rohrheim,  Gross-Rohrheim,  Viern- 
heim u.  s.  w.  gefunden. 

Die  Zahl  der  Hügelgräber  im  Lorscher  Walde,  welche  in  verschiedenen  Grup- 
pen beisammen  liegen,  mag  wohl  etwas  über  hundert  betragen.  Sie  sind  schon 
öfters  Gegenstand  der  wissenschaftlichen  Forschung  geworden  '),  leider  wurde  eine 
Anzahl  von  ihnen  auch  von  unkundiger  oder  muthwilliger  Hand  geöffnet  und  ge- 
plündert oder  gar  zerstört,  so  dass  man  zur  Zeit  nur  noch  ganz  vereinzelte,  kleine, 
niedere  Gräber  in  ungestörtem  Zustande  antrifft. 

Eines  dieser  noch  ungestörten  Gräber  wurde  von  mir  im  vergangenen  Herbste 
geöffnet.  Es  lag  im  Districte  ^Stubentränlte^,  hatte  eine  Höhe  von  90  cm  und 
einen  ömfang  von  60  m.  Als  ich  mich,  von  unten  her  abhebend,  der  Mitte  bis  auf 
3,2  m  genähert  hatte,  fand  ich  genau  im  Westpuokt  und  34  cm  unter  der  Ober- 
fläche des  Hügels  den  Boden  eines  starken  Thongefässes  von  gelbbrauner  Farbe. 
Andere  Theile  dieses  Gefässes  lagen  2,5  w  von  der  Mitte  entfernt  in  SSW.  auf 
dem  gewachsenen  Boden,  während  kleinere  Stücke  von  hier  ab  bis  zur  Mitte  bei- 
nahe allerwärts  vorkamen.  Randstücke  dieses  Gefässes  zeigen  Verzierungen,  welche 
mit  dem  Finger  eingedrückt  sind. 


1)  Vergl.  Beriebt  d.  Schle8w.-Hol8t.-Lau6nb.  Ges.  f.  d.  Sammlung  vaterl.  Alterthnmer.    8. 
Kiel  1888  S.  36  ff.  Darmst.  Zeitung  1869  S.  180. 


3) 


1,2  tn  Too  der  Mitte,  ebenfttlJs  im  SSW,,  stand  auf  dem  Boden  ein  zweite«  Ue- 
fäs8,  aus  öcbiecht  gebranntem  Tbon,  von  schwärdicber  Farbe  und  ohne  Oraameute, 
das  TOH  eingedruDgeneii  Wurzeln  In  unzählige  kleine  Stucke  zersprengt  war.  Die 
Stucke,  Boweit  sie  zusammengesetzt  T^^erden  konnten,  deuten  auf  eine  Hohe  too 
20  an  und  eine  Weite  von  17  mn;  der  Boden  ist  auffällig  Bcbraal.  In  dem  Räume 
zwischen  den  beiden  Gefassen  lagen  viele  kleine,  stark  vermoderte  HoIzstGckchen. 
In  der  Nähe  des  zweiten  Gef^sses  fand  ich  vier  Bronzezangelcben,  zwei  Milch* 
zäbnchen,  deren  Glasur  von  der  daneben  liegenden  Bronze  grün  gefärbt  war,  und 
zwei  Bronzeslifte.  Zwei  Zängelchen  und  ein  Stift  waren  unbeschädigt  Dje  Zün- 
gelcben  haben  eine  Lange  von  7^^  und  eine  Breite  von  '/s  aiin  Sie  waren  oh&en- 
artig  audgebogeo.  sonst  aber  fest  geschloBäen  und  bielren  in  den  Zangen  eine  dicke 
lederartige  Substanz  fest.  Die  Stifte,  welche  in  der  Weise  hergestellt  waren,  dass 
vier  Drähte  paarweise  um  einander  gewunden  wurden,  hatten  eine  Länge  von  7  ctn 
und  eine  Dicke  von  1  mm;  sie  waren  am  oberen  Ende  abgeplattet  und  zu  einer 
Oehse  umgebogen. 

Die  Lederstuckeben  beweisen,  dass  die  Zängelchen  einst  einen  Gegenstand, 
Gewand  oder  Fell,  festhielten,  der  dann  vielleicht  vermittelst  eines  durch  die  Oehsen 
geschlungenen  Bandes  oder  einer  Faser  am  Halse  über  den  Scliultern  getragen  ward. 

3.  Bei  meinem  letzten  kurzen  Aufenthalte  in  Holz  bansen  v.  d.  Höbe,  etwa 
1  St.  von  Homburg,  wurde  meine  Aufmerksamkeit  auf  die  an  der  alten  Wein- 
strasse (Mainzerstrasse)  gelegene  Lehmgrube  gelenkt,  wo  sich  mitten  in  dem 
gelblichen  Lehm  Brandgruben  vorluden  sollten.  Ich  suchte  den  Ort  in  Begleituiig 
der  Herren  Forbach  und  Ried,  sowie  des  Fiurschutzen  auf,  welch'  letzterer  die 
Arbeiten  an  der  Grube  zu  besorgen  hat  und  dabei  eine  grossere  Anzahl  dieser  Erd- 
locher vorfand,  0 bschon  der  Boden  fest  gefroren  und  hier  und  da  mit  einer  Eis- 
kruste überzogen  war,  liessen  sich  doch  zwei  dieser  Brand  gruben  sofort  erkennen. 
Sie  hoben  sich  mitten  in  dem  gelben  Lebm  durch  eine  tief  schwarze  Farbe  ab, 
ihre  Seiten  waren  senkrecht  und  1^ — 1,2  m  tief,  der  Boden  abgerundet  und  etwa 
1  m  breit.  Dem  Anscheine  nach  waren  sie  kesselförmig,  was  auch  mit  den  Aus- 
sagen der  Flurscbützen  übereinstimmen  wurde.  Da  wir  keine  Arbeitsgerätbschaften 
mitgenommen  hatten,  waren  wir  genothigt,  das  Innere  derselben  vermittelst  unserer 
Stocke  zu  untersuchen.  Es  bestand  dies  aus  einer  fetten,  tief  schwarzen  Erde, 
reichlich  durchsetzt  mit  Holzkohlen  und  Scherben  thonerner  Gefässe,  die  mit  der 
Hand  geformt  waren.  Ihr  Material  ist  ein  zarter  Tbon  ebne  Zusatz  von  Sand^  ihre 
Farbe  auf  beiden  Flachen  roth,  im  Innern  schwarz;  die  Masse  ist  so  weich,  dass  sie 
sich  mit  dem  Messer  beschneiden  lässt.  Ausser  dieae'h  Scherben  fanden  wir  noch  ein 
kleines  Stein  Werkzeug;  der  Flurschütz  will  viele  Knochenreste  darin  angetroffen  haben. 

(24)   Hr.  Jagor  bespricbt  neue  Zusendungen  des  Hrn.  von  Koepstorff  von  den 

Mlkobaren. 

1.  Ein  Kocbgel^ss  der  Schombengs,  aus  Baumrinde  gefertigt  Es  ist  von  den 
auf  Tafel  VII  unserer  Zeitschrift  für  1881  abgebildeten  in  so  fern  verschieden,  als 
es  die  Form  eines  Tragkorbes  hat,  während  jene  bootförmig  sind.  Hr.  v.  Roepstorff 
hat  das  Gefäss  im  Gebrauch  gesehen:  es  enthielt  etwas  Wasser,  das  während  seiner 
Anwesenheit  erneuert  wurde;  auf  der  geschlossenen  Mündung  lag  Pandanus*Teig, 
der  im  Dampf  kochte. 

2*  Ok-hau,  d.  h.  Rinde  von  hau,  von  den  Scbombengs  loe-boe  genannt, 
Io§  =  Zeug.  £b  ist  ßaumbast,  in  Äiessendem  Wasser  einge weicht  und  auf  Steinen 
geklopft  (wie  die  Tapa  der  Siidseeinaul&ner). 


4 


(269) 

3.  2  Schamschurze  der  Schaura- Weiber  (tatat);  der  grobe  Schurz  wird  über  dem 
feiDOD  während  der  Menstraation  getragen. 

4.  Ein  Votiybild,  einen  Mann  im  Grabe  darstellend,  seine  Freunde  stehen  zu 
beiden  Seiten,  links  das  Zeichen  der  Sonne,  rechts  das  des  Mondes. 

5.  Ein  Korb,  Ton  den  Schombengs  ausgeführt 

(26)    Hr.  W.  Schwartz  berichtet  über  neue 

Funde  auf  der  Insel  bei  Jankowo, 

die  Hr.  Inspektor  Pahlke  gemacht  und  ihm  eingesandt  hat 

1.  Ein  Steinhammer  in  kunstvoll  bearbeiteter  Form,  12  cm  lang. 

2.  Ein  kleines  thönernes  Geräth,  8  cm  lang,  bei  welchem  Hr.  Pahlke  an 
einen  Schmelzlöffel  denkt  und  hinzufügt,  „dass  es  beinahe  die  Form  einer  rohen, 
nicht  fertig  gewordenen  (türkischen)  Tabakspfeife  habe,  nur  dass  die  beiden  „seit- 
wärts^ auslaufenden  Verengungen  an  dem  lofifelartigen  Vordertheil  behufs  Aus- 
giessens  der  betr.  Flüssigkeit  gemacht  zu  sein  schienen,  und  die  Höhlung  des  Stiels 
nicht  nach  dem  Vordertheil  durchgehe,  sondern  eben  zum  Hineinstecken  eines 
Stockes  gedient  zu  haben  scheine^. 

3.  Zwei  thönerne  Deckel  von  flaschenähnlichen  Gefässen,  4  und  5  cm  Durch- 
messer. 

4.  Ein  16  cm  langer  und  unten  meisselartig  angeschärfter  und  benutzter 
Knochen  (nach  Erklärung  des  Hrn.  Professor  Nehring  vom  Pferde),  desgl.  ein 
ähnliches  Instrument  vom  Hirschgeweih. 

5.  Wieder  ein  beim  Verfertigen  verunglückter  Hirschgeweihhammer,  wie  schon 
mehrfach  neben  gut  geglückten  Exemplaren  sich  daselbst  gefunden. 

6.  Ein  Stück  von  einem  thönernen  Siebe  (von  der  Grösse  einer  Handfläche). 
Ausserdem  legt  Hr.  Schwartz  zwei,    von  Hrn.  Freiherrn  y.  Hardenberg  aus 

Posen  ihm  übersandte,  bearbeitete  Steine,    den  einen  aus  Zniii,    den  anderen  aus 
Luschwitz,  vor. 

(26)  Hr.  Voss  übergiebt  einen  Bericht  des  Hrn.  Prediger  Senf  zu  Laugwitz 
bei  Brieg,  Reg.-Bez.  Breslau,  enthaltend  eine  Beschreibung  des 

Laugwitzer  Fundes. 

Laugwitz  liegt  am  Schneidepunkte  der  alten  Strassen  Brieg — Strehlen,  Ohlau  — 
Grottkau.  In  der  Richtung  auf  Mollwitz  zieht  sich  nahe  am  Orte  der  jetzt  wasser- 
arme Seihgraben  hinab  zum  Hünern,  chartographisch  Olwetzbache.  Rechts  von 
jenem  Graben  erhebt  sich  eine  sandige  Bodenanscb wellung,  deren  Material  seit 
Jahren  zur  Wegebesserung  abgefahren  wird.  Im  Herbste  1882  deckte  die  fort- 
gesetzte Abräumung  des  geringen  Mutterbodens  eine  kohlengeschwärzte  Sandfläche 
auf,  in  deren  Mitte  sich  eine  fast  kreisförmige,  erderfüllto  Grube  einsenkte  von 
186  cm  Durchmesser  und  50  cm  Tiefe.  Sie  war  in  folgender  Weise  entstanden: 
Nach  Auswerfung  einer  etwas  grösser  dimensionirten  Grube  hatte  man  die  steilen 
Sandwände  entlang,  um  ihre  Abrieselung  zu  verhüten,  in  massigen  Abständen  dünne 
Pfahle  bis  zu  30  mm  Durchmesser  senkrecht  eingeschlagen  und  dann  mit  Ruthen 
bis  10  mm  Durchmesser  durcbflochten.  Ein  noch  flüchtigeres  Flechtwerk  bedeckte 
den  Boden.  Dieser  flache  Korb  wurde  mit  einem  fingerdurchfurchten,  dicken  Lehm- 
bezuge  versehen,  der  aber  über  den  Eorbrand  breit  herüberschlug,  nach  unten  sich 
progressiv  yerstärkte.  In  der  Mitte  des  schrägwandigen,  knietiefen  Raumes 
eriioben    sich    etliche    gewichtige,    feuerzermürbte  Granitsteine,   neben    denen   eine 


(270) 

stark  geschwärzte  Herdplatte  lag.  Wir  stehen  offenbar  in  einer  alten  Küche,  über 
der,  hier  konserrirend,  das  Wohnhans  brennend  zusammenbracl/.  Die  gewaltige 
Gluth  bewirkte  eine  kunstgerechte  Yerkohlong  des  beschriebenen  Flechtwerkes, 
durch  diese  aber  Schwärzung  und  Härtung,  selbst  sporadische  Verziegelung  der 
hintersten  Lehmlagen,  während  die  oberen  nur  leicht  gebräunt  erscheinen.  Als  Be- 
weismittel für  die  eben  gemachten  Angaben  werden  einige  30  Probestücke  von  8200, 
Flechtwerkkohlen  von  200,  die  Herdplatte  von  5450  g  Gewicht  aufbewahrt. 

Grössere  Wichtigkeit  ist  natürlich  beizumessen  dem  seltenen,  überaus  reich- 
lichen Scherbengerichte,  das  auf  dem  breit  überschlagenden  Lehmrande  des  be- 
schriebenen Eüchenraumes  aufgetischt  war.  Kaum  konnten  die  fahrlässigen  Köchin- 
nen der  Vorzeit  auch  nur  von  fem  ahnen,  dass  die  Scherben  ihres  Koch-  und  Tafel- 
geschirres in  den  Augen  der  wissenshungrigen  Nachwelt  einen  bedeutenderen  Werth 
besitzen  wiirden,  als  die  Produkte  ihrer  Kochkunst  für  den  Gaumen  ihrer  Zeit- 
genossen. Wir  sind  ihnen  zu  Danke  verpflichtet  dafür,  dass  sie  entstandene  Ge- 
fassbruchstücke  nicht  ordnungsliebend  zur  Hüttenthür  hinauswarfen,  sondern  be- 
quemer Weise  in  nächster  Nähe  für  ein  künftiges  Museum  zusammenschoben. 

Wir  sehen  lauter  Scherben  alten  Bruches  vor  uns.  Als  Ganzes  konnte  höch- 
stens bezeichnet  werden  ein  Napf,  dessen  Rest  78,  92  und  170  mm  Höhe,  Boden- 
und  Randdurchmesser  zeigt  und  den  2  flache  Parallelreifen  umlaufen.  Von  einem 
ähnlichen,  etwas  kleineren  existiren  nur  6  Randstücke.  Ein  dritter,  noch  klei- 
nerer, mit  auswärts  geneigtem  Rande,  hat  inwendig  2,  auswendig  3  Parallelen 
über  den  untersten,  wie  auch  ein  zugehöriges  Bodenstück  bestätigt,  2  Halter-Knöpf«» 
eben.  Eben  so  viele  sitzen  an  den  beiden  Resten  eines  vierten.  Gesammt- 
gewicht  aller  Napftheile  500^. 

Die  vorhandenen  Randstücke  von  1 1  grosseren  Gefässen  varüren  im  Mündunga- 
durchmesser  von  10  bis  28  cm.  Gewicht  Summa  1500  g,  15  Bodenstücke  Summa 
1250^. 

Den  125  nicht  ornamentirten  Scherben  von  4350  g  stehen  gegenüber  52  orna- 
mentirte  von  3250  ^,  von  denen  7  zugleich  Randstücke  sind,  die  1500  g  Gewicht 
in  Anspruch  nehmen,  auf  das  grösste  kommen  900  g.  Demnach  wiegen  sämmtliche 
Scherben  10  850^. 

Die  ca.  20  verschiedenen  Ornamente  zerfallen  in  3  Klassen:  Kreise,  erzeugt 
durch  einen  Stempel  mit  13  viereckigen  Erhabenheiten;  Parallelen  bis  zur  Vier- 
zahl, grabenformige  mit  rechtwinklig  aufsteigendem,  muldenartige  mit  etwas  über- 
stehendem Rande;  dazwischen  ein-,  zwei-,  selbst  8 fache  Wellenlinien  in  mannich- 
fachster  Bewegung,  die  einen  sanft  und  langgestreckt,  die  anderen  kürzer,  wilder, 
wild  bis  zum  schliesslich  doch  noch  leise  umbiegenden  Zickzack.  Die  parallelen 
Wellenlinien  denkt  man  sich  gewöhnlich  mit  mehrzinkiger  Holzgabel  gezogen. 
Wahrscheinlicher  dürfte  sein,  dass  man  eine  entsprechende  Anzahl  elastischer  Ruthen 
in  einen  gespaltenen  Holz-  oder  noch  weichen  Thongriff  einschob  und  dann  festband 
oder  festbacken  liess. 

Der  erste  Blick  auf  die  mitgesandten  Tafeln  macht  darüber  gewiss,  dass  nie 
noch  auf  so  kleinem  Räume  sich  eine  so  überraschende  Fülle  verschiedenartigster 
Schanzenornament-Muster  zusammenfand,  die  sonst  nur  getrennt  und  vereinzelt  vor- 
kommen. Als  die  beiden  merkwürdigsten  erscheinen  zwei  Stücke,  welche  alle  drei 
Ornamentstufen  vereinigen,  auch  Stempeleindrücke  zeigen,  das  eine  ringsum- 
laufend ihrer  21,  das  andere  wenigstens  einen  fragmentarischen.  Beide  sind  zu- 
gleich, was  besonders  betont  zu  werden  verdient,  nach  Material,  Härte,  Farbe  von 
späterzeitlicher,  steingutartiger  Beschaffenheit,  während  die  ganze  übrige  Scherben- 
raasse    durchaus  den  Charakter  des  früher  gewöhnlichen  Urnengutes  an  sich  trägt 


(271) 

Nun  begegnet  freilich  ans  selber  in  einem  der  vielen,  bisher  als  Graber  geltenden, 
aber  als  Terfallene  Wohnungen  nachweislichen  Steinhugel  am  Schmowitz-Walle  bei 
Üaatzen  ein  gestempelter  Scherben  von  altüblichem  Urnengute.  Die  viereckige, 
schachbrettfeldähnliche  Figur  bestand  aus  mehrfachen  Reihen  durch  Stempel  er- 
zeugter scharfkantiger  Punkte.  Indess  dürfte  doch  das  oben  hervorgehobene  Faktum 
in  der  Gewissheit  bestärken,  dass  der  Stempel  stets  auf  eine  spätere  Zeit  weist, 
und  zwar  um  so  mehr,  als  notorisch  seine  Anwendung  auf  Gefassen  jüngeren  Da- 
tums zunimmt. 

Im  Verlaufe  unserer  Erörterungen  behaupteten  wir,  dass  der  scherbenspendende 
Küchenraum,  in  dem  wir  uns  so  lange  bewegten,  unter  den  brennenden  Trümmern 
einer  Wohnung  begraben  wurde.  Zum  Schlüsse  geben  wir  den  nothwendigen,  aber 
leicht  zu  erbringenden  Beweis  dafür. 

Er  liegt  in  den  38  825  g  wiegenden  291  Stücken  des  Lehmbewurfes  jener 
Hütte,  welche  die  einstige  gütige  Feuersbrunst  rothverziegelt  auf  uns  brachte,  — 
eine  glänzende  Bestätigung  der  Beschreibung,  die  Tacitus  vom  Wohnbau  unserer 
Vorfahren  entwirft.  Sie  errichteten  ihre  Hütten  aus  rohem  Holzwerk,  das  natür- 
lich nicht  fest  zusammenfügte  und  darum  zur  Dichtung  von  aussen  und  innen 
einen  starken  Lehmbezug  erhielt.  Inwendig,  etwa  bis  zur  Mannshohe,  suchen 
wir  die  ^sorgfältigere  Erdausglättung  von  einer  Reinheit  und  einem  Glänze,  dass 
man  dadurch  an  die  bemalten  und  von  farbigen  Linien  umzogenen  römischen 
Zimmerwände  erinnert  wurde. ^  So  etwa  dürfte  die  bekannte  klassische  Stelle  er- 
läuternd zu  übersetzen  sein.  Die  y^sorgfältigere^  innere  Lehmdicbtung  setzt  voraus 
eine  weniger  sorgfaltige  äussere.  Um  diesen  Lehmmantel  vor  dem  Regen  zu  schützen, 
wurde  ihm  einer  von  Stroh  umgehängt,  wie  deutlich  zu  sehen  an  den  Hüttenbildern 
auf  der  Antoninssäule  und  auf  der  Platte  im  Louvre  Museum.  An  den  Hausurnen 
ist  nichts  davon  wahrzunehmen,  auch  das  Strohdach  der  Ascherslebener  ist  noch 
streitig. 

Die  Richtigkeit  des  eben  Gesagten  wird  zweifellos  festgestellt  durch  die  Laug- 
witzer  Fundstücke.  Aehnliche,  aber  mürbe,  bereits  abgebröckelt,  kleineren  Maass- 
stabes, fielen  uns  schon  bei  Lausitzer  Ausgrabungen  in  die  Hände.  Dank  der 
starken  Verziegelung  haben  wir  es  hier  mit  einer  ungemeinen  Menge  von  Bewurf- 
stücken  zu  thun,  die  zum  Theil  bedeutende  Dimensionen,  bis  950,  sogar  1325  g 
Gewicht  und  so  klare  Couturen  besitzen,  dass  sie  die  zuverlässigsten  Wahr- 
nehmungen verstatten. 

Die  Ziegelstücke  zeigen  meist  eine  prismatische,  zuweilen  auch  eine  vierkantige 
Gestalt,  je  nachdem  der  feuchte  Lehm  zwischen  nur  2  Rundhölzer  hineingedrückt 
wurde,  oder  zwischen  ihrer  3,  von  denen  das  eine  mehr  zurücktrat.  Hie  und  da 
lassen  stumpfe  Kanten  auf  zu  verklebende  Spalten  von  1  cm  Weite,  die  daneben 
befindlichen  Ein  Wölbungen  auf  Baumstämme  bis  zu  18  om  Durchmesser,  die  Stroh- 
und  Rohrabdrücke  der  Rückseite  auf  das  Material  des  Schutzmantels  schliessen. 
Gegen  5000  g  Abdrücke  grobfaseriger  Holzflächen  ergeben  zur  Gewissheit  die  nahe- 
liegende Vermuthung,  dass  stärkere  Rundhölzer  längsgespaltet  zur  Verwendung  kamen. 
Die  Spaltfläche  kehrte  sich  wohl  bauverständiger  Weise  nach  dem  Hütten  inneren. 
Gerade  das  gewichtigste  Probestück  kann  nur  so  erklärt  werden,  denn  seine  mit 
Holzfasermarken  bedeckte  Seite  ist  entschieden  convex,  entstammt  also  einer  rund- 
laufenden Holzwand.     Auch  steht  dies  Beweisstück  keineswegs  allein. 

Die  Dicke  des  Lehmbezuges,  der  die  luftige  Hüttenwand  dichtete,  wechselt 
von  3  bis  6  cm.  Die  ihn  fest  anstreichende  Hand  hat  stellenweis  Fingerspuren 
hinterlassen.  Zur  Erhöhung  seiner  Haftkraft  und  Haltbarkeit  pflegte  man  ihn  mit 
Stroh  zu  durchkneten,  wie  häufige  Halmlöcher  und  selbst  ein  glücklich  erhaltener, 


(272) 

also  fast  lOOOjähriger  Halm  bezeageo.  Es  scheint  ein  Roggenhalm.  Vor  der  Lehm- 
auftragung,  um  bessere  Bindung  vorzubereiten,  beklebte  man  die  Pfahlwand  in  der 
Längsrichtung  mit  dünnen  Strohzopfen,  von  denen  Abdrücke  vorliegen.  Kein  ein* 
ziges  Ziegelstück  trägt  Rutbenflechtwerkspuren,  wie  man  sie  anderwärts  in  Be- 
gleitung filterer  Urnen  gefunden  haben  will. 

So  hat  denn  unser  Fund  eine  ganze  Menge  Baugeheimnisse  der  Vorzeit  an's 
Licht  gezogen,  mit  denen  wir  uns  so  lange  begnügen  müssen,  bis  es  dem  Spaten 
glückt,  weitere  Museen  von  Ziegelstücken  zu  erschliesscn.  Die  beiden  bisher  ent- 
deckten lagen  in  ca.  4  Schritt  Entfernung  von  der  uns  heimisch  gewordenen  Küche 
und  zwar  dicht  auf  einander  gepackt  als  Cylinder  von  30  cm  Durchmesser  und 
70  cm  Höhe  in  den  Sand  eingesenkt.  Wie  sie  da  hinunter  kamen,  blieb  zunächst 
unerklärlich;  die  geringen  beigemischten  Kohlenspuren  gaben  darüber  keinen  Auf- 
schluss.  Das  eine  Nest  umschloss  mehr  als  156  Partikel  von  16  525,  das  andere 
135  von  22  300  g  Gewicht. 

Die  seit  vielen  Jahren  benutzte  Sandgrube  ergab  nach  Angabe  der  Arbeiter 
bislang  weder  Ziegelstücke  noch  Scherben.  Wir  aber  sahen  an  ihren  ausgedehnten 
Wänden  und  Rändern  den  Gegenbeweis  hängen  und  liegen.  Ebenso  will  man  bis- 
lang weder  verbrannte  noch  unverbrannte  Gebeine  entdeckt  haben.  Auch  darüber 
wird  erst  fortgesetzte,  genauere  Untersuchung  Entscheidung  bringen. 

Wir  schliessen  mit  der  schon  oben  augedeuteten  Vermuthung,  dass  Kundige 
unsere  Fundstücke  dem  ersten  Jahrhundert  des  laufenden  Jahrtausend  zuweisen 
werden.  Om  diese  Zeit  drang  das  Cbristenthum  hier  ein.  Die  Kirche  zu  Schmo- 
grau,  die  erste  Schlesiens,  wurde  ca.  966  erbaut.  — 

Hr.  Voss  bemerkt  dazu,  dass  die  vorliegenden  Gefässfragmente  in  Form  und 
Ornamentik  zwar  einige  Abweichung  zeigen  (den  punktirten  Kreis,  die  starke 
Wölbung  der  Seiten  wand,  welche  dem  Gefass  eine  fast  kugelförmige  Gestalt  gebe, 
sowie  die  verhältnissmässig  enge  Mündung),  im  Grossen  und  Ganzen  sich  Jedoch 
an  die  keramischen  Produkte  unserer  nördlicheren  slavischen  Burgwälle  nahe  an- 
schliessen.  Ebenso  finden  sich  in  letzteren  die  erwähnten  mit  Stroh  durchkneteten 
Ziegel  brocken,  welche  man  in  Pommern  „Klehmstücke^  nennen  würde,  nach  Ana- 
logie der  aus  solchem  Material  hergestellten  Fach  werkwände,  der  sogenannten 
„Klehmwände^. 

(27)    Hr.  Voss  berichtet,  unter  Vorlegung  von  Fundgegenstäuden,  über  die 

Pfahlbauten  bei  Schussenried  und  Im  Olzreuther  See,  Württemberg. 

Hr.  Oberförster  Frank  zu  Schussenried  hat  die  Güte  gehabt,  dem  könig- 
lichen Museum  eine  kleine  Collection  von  Fundgegenständen  aus  dem  Pfahlbau  in 
Schussenried  zu  verehren,  welche  ich  mir  erlaube,  hier  vorzulegen.  Hr.  Frank  hat 
bereits  mehrfach  über  die  Fundstätte  berichtet  (Die  Pfahl  bau  Station  Schussenried, 
Württemb.  naturwissenschaftl.  Jabreshefte,  Stuttgart  1876  und  Lindau  1877.  Com- 
missions Verlag  von  J.  Th.  Stettner.  Das  Königreich  Württemberg,  eine  Beschreibung 
von  Land,  Volk  und  Staat,  herausgeg.  v.  d.  Königl.  stat.  topogr.  Bureau.  Bd.  I, 
1882.  S.  112fif.),  auch  Gegenstände  zur  prähistorischen  Ausstellung  im  Jahre  1880 
hierher  gesandt  (Kat.  d.  Ausst.  S.  6ü2fiF.).  Seit  jener  Zeit  hat  er  die  Ausgrabungen 
fortgesetzt  und  seine  Sammlung  nicht  unbeträchtlich  vermehrt.  Das  wichtigste 
Resultat  seiner  letzten  Ausgrabungen  jedoch  ist  die  Aufdeckung  des  wohlerhaltenen 
Unterbaues  eines  Pfahlbauhauses,  von  dem  er  Aufnahmen  nach  der  Natur  hat  an- 
fertigen lassen  und  die    ich  Ihnen  in  Photographie    hier  vorlegen    kann.     Ich  war 


(273) 

künlieh  selbst  an  Ort  und  Stelle  und  mass  gesteheD,  dass  selteD  eine  präbistorische 
Stätte  einen  so  bedeutenden  Eindruck  auf  mich  gemacht  hat,  als  dieses  unscheinbare 
Haus  Ton  so  bescheidenen  Dimensionen.  Die  Länge  desselben  beträgt  nur  7,5  m, 
seine  Breite  4,5  m.  Es  bildet  ein  Rechteck  und  ist  auf  etwa  ein  Drittel  der  Lange 
durch  eine  Querwand  getheilt,  die  Seitenwände  des  Unterbaues  sind  hergestellt 
aus  Palisaden,  gespaltenen  Eichenstammen,  welche  mit  der  Spaltfläche  nach  innen 
gestellt  sind,  ebenso  die  Zwischenwand.  Die  Fugen  sind  mit  feinem  Thon  dicht 
verkittet  Die  Bodenfläche  dieses  wasserdichten,  kastenförmigen  Raumes  wurde  zur 
Herstellung  eines  festen  und  trockenen  Wohnbodens  mit  mehreren  abwechselnden 
Schichten  von  Thon  und  horizontal  gelegten  Spalthölzern  belegt.  In  der  grösseren, 
etwa  zwei  Drittel  der  Fläche  einnehmenden  Abtheilung  des  Hauses  besteht  der  Wohn- 
boden aus  5  solchen  Schichten,  in  der  kleioen  nur  aus  3.  In  der  letzteren  liegt  oben- 
auf ein  Pflaster  ans  diluvialem  Steingeröll.  Offenbar  war  hier  die  Feuerstätte  und  bil- 
dete dieser  Theil,  welcher  mit  dem  grösseren  Räume  durch  eine  Thür  verbunden  war, 
die  Küche.  Die  Palisaden  sind  nur  in  den  Torf  getrieben,  ebenso  liegen  die  unteren 
Schichten  der  Wohnböden  auf  einer  Torfschicht,  dagegen  sind  die  an  der  Innen- 
seite der  Palisaden  eingerammten  Pfosten  der  Wände  des  Oberbaues,  welche  auch 
das  Dach  zu  tragen  hatten,  bis  in  den  Seeboden  hineingetrieben.  Aus  dem  kleineren 
Räume  gelangte  man  ins  Freie  und  zwar  auf  eine  Laufbrücke,  welche  die  Strassen- 
verbindung  bildete.  Das  ganze  Holzwerk  des  Unterbaues  ist  sehr  gut  erhalten  und 
fast  gar  nicht  aus  der  ursprünglichen  Lage  verrückt,  so  dass  man  fast  glauben 
könnte,  es  sei  diese  Wohnstätte  erst  seit  Kurzem  verlassen  worden,  nachdem  irgend 
ein  Ereigniss  den  Oberbau  zerstörte. 

Unter  den  Artefacten  nehmen  an  Zahl  die  Hirschhorngeräthe  eine  sehr  her- 
vorragende Stelle  ein,  wie  überhaupt  der  Hirsch  70  Procente  der  in  der  Station 
vertretenen  Fauna  bildet.  An  sogenannten  Hirschhornhämmern  wurden  nicht 
weniger  als  circa  30  Exemplare  gefunden,  zum  Theil  mit  Stielfragmenten.  Letztere 
.  waren  ebenso  wie  der  Stiel  der  zu  dem  Spandauer  Bronzefunde  gehörigen  Zieraxt 
(s.  Verb.  d.  B.  A.  G.  1882  S.  125 ff.)  aus. Eschenholz  (fraxinus  excelsior)  verfertigt. 
Das  häufige  Vorkommen  dieser  sogenannten  „Hämmer^  oder  „Aexte^  gerade  in 
diesen  eigenthümlichen  Bauten,  zu  welchen  eine  so  bedeutende  Menge  gespaltener 
Stämme  verwendet  wurde,  dürfte  wohl  zu  der  Annahme  berechtigen,  dass  dieselben, 
ebenso  wie  jene  von  den  Haidah's  Nordwestamerika's  verwendeten  Hirschhorn  keile, 
von  denen  ich  einige  Exemplare  vorlege,  ebenfalls  als  Keile  zum  Spalten  der  Baum- 
stämme dienten.  Wie  Sie  sehen,  ist  die  Form  beider  Instrumente  sehr  ähnlich, 
nur  sind  die  der  Haidah  nicht  mit  Stielen  versehen.  Den  Stiel  brachte  man  aber 
deswegen  an,  um  den  Keil  als  Setzkeil  zu  gebrauchen  und  so  der  Gefahr  zu  ent- 
gehen, von  der  wuchtigen  und  plumpen  Keule  des  Holzspalters  an  der  Hand 
verletzt  zu  werden.  In  gleicher  Weise  deuten  auch  jedenfalls  jene  eigenthümlichen 
Steingeräthe  in  Schuhleistenform,  welche  theils  durchbohrt  theils  undurchbohrt 
vorkommen  und  zum  Theil  als  Hobel  oder  Glättwerkzeuge  angesehen  wurden,  sowie 
jene  schweren  grossen  Steinkeile  mit  unbearbeitetem  Bahnende  und  meist  sehr 
engem  Stielloch,  welche  man  zum  Theil  für  Erdhacken  oder  Pflugschare  hielt, 
zum  Spalten  von  Baumstämmen. 

An  Steinäxten,  meist  aus  feinkörnigem  Granit  und  Gneiss,  wurden  etwa  30 
EiXemplare  von  nur  kleinen  Dimensionen  gefunden,  unter  ihnen  ein  hübsch  geform- 
tes kleines  Jadeitbeil  (spec.  Gew.  3,370).  An  durchbohrten  Steinhämmern  wurden 
oar  1  ganzes  Exemplar  und  2  Bruchstücke  gefunden.  Von  den  Steinbeilen  waren 
2  Exemplare  unvollendet  und  ein  Exemplar  erst  ganz  roh  zugehauen  im  Anüangs- 
stadium  der  Bearbeitung.     Feuerstein  kam    hier  verbal tnissmässig    wenig   vor.     Es 

V«rhandl.  d«r  Bari.  AaUiropoL  Get«llscliaft  188S.  18 


(274) 

waren  Schaber,  Pfeilpitien,  Messer,  Bohrer,  Sägen  und  kleine  unverarbeite  EnoUeD. 
Ausserdem  wurden  Klopfsteine,  Reibsteine  und  Mahlsteine  gefunden. 

Knochenwerkzeuge  sind  ebenfalls  reichlich  vertreten,  namentlich  in  Form  von 
Meisseln  (die  langen  aus  Rohrenknochen  vom  Rind,  die  kurzen  aus  Hirschhorn)  udcI 
Pfriemen,  von  letzteren  zwei  aus  den  Armknochen  des  Reihers. 

Sehr  interessant  sind  auch  die  Gefasse.  Sie  sind  meist  schwarz,  nur  ein  kleines 
Gefäss  zeigt  schwarzen  und  rothen  Brand,  ist  also  ein  Beweis  dafür,  daas  die 
Schwärzung  der  Geffisse  durch  Blaken  geschah.  Die  Ornamente  bestehen  in  schraf- 
firten  triangulären  Flächen  mit  glatten  Zickzackbändern  um  den  Hals  oder  den 
Körper  und  senkrechten  Parallelbändern.  Die  Linien  sind  eingerissen  und  mit 
weisser  Masse  gefüllt.  Ein  Stück  mit  eingedrückten  Dreiecken  und  Ereisverzieruog 
erinnert  entfernt  an  die  Verzierungen  der  Gefasse  des  Attersees  und  Mondsees 
(6.  Graf  Wurm  br  and,  Ergebn.  der  Pfahl  bau- Unters,  in  den  Mitth.  der  anthropol. 
Ges.  zu  Wien,  II.  Bd.,  Nr.  8,  Taf.  5  u.  6  a.  Much  ebenda».  Nr.  10  Taf.  1).  Im 
üebrigen  stehen  die  Gefasse  in  ihrer  Yerzierungsweise  bis  jetzt  ziemlich  isolirt 
da,  nur  die  Station  Bodman  am  üeberlinger  See  lieferte  ähnliches  Topfgerätb,  nach 
den  im  Museum  zu  Friedrichshafen  vorhandenen  Proben. 

Hr.  Oberförster  Frank  hat  in  letzter  Zeit  noch  einige  andere  Stationen  ent- 
deckt, so  auf  einer  in  den  Olzreuther  See  vorspringenden  Landzunge  von  12  ar 
Grosse.  Dieselbe  bot  einige  Abweichungen  von  der  bei  Schussenried,  u.  A.  in  der 
Art  und  Weise  der  Schäftung  der  Steinbeile  und  in  den  Thonwaaren,  deren  Orna- 
mentik häufig  gerade  Linien  mit  Querstrichen  zeigt,  die  im  Üebrigen  dem  Schussen- 
rieder  Topfgeschirr  aber  ähnlich  sind.  Bemerkenswerth  ist,  dass  hier  4  Nephrit- 
Instrumente  gefunden  wurden,  ein  Beilchen  und  3  Meissel;  letztere  sind  Fragmente 
grösserer  Beile  und  nachträglich  zu  Meisseln  umgeformt.  Es  sind  also  vier  nur 
kleine  Stücke,  entsprechend  den  Befunden,  welche  die  neuerdings  in  grosser  Menge 
im  Bodensee  zu  Tage  geforderten  Nephritgegenstände  constatiren  lassen.  £^  muss 
nehmlich  nach  meiner  Meinung  noch  viel  schärfer  als  bisher  die  Nephritfrage  von 
der  Jadeitfrage  getrennt  werden  und  zwar  hat  man  bis  jetzt  noch  zu  wenig  Werth 
auf  die  äussere  Form  der  Gegenstände  gelegt,  welche  schon  zwischen  den  Arte* 
facten  aus  den  beiden  Mineralien  einen  ziemlich  durchgreifenden  Unterschied  er- 
kennen lässt.  Wie  man  sich  namentlich  auch  in  dem  reichhaltigen  Museum  zn 
Constanz  überzeugen  kann,  sind  die  Jadeitwerkzeuge  immer  sorgfältig  gearbeitet, 
auch  die  kleineren  Exemplare,  welche  nicht  den  Charakter  der  grossen  Flachbeile 
mit  spitzem  Bahnende  an  sich  tragen.  Die  Nephritstücke  dagegen  sind  meistens 
nachlässig  gearbeitet,  nur  einige  und  verhältnissmässig  wenige  etwas  sorgfaltiger. 
Oft  sind  sie  Trümmer  von  grosseren  Stücken,  meistens  aber  nur  von  kleineren 
Dimensionen.  Vielleicht  deuten  schon  diese  äusseren  Umstände  darauf  hin,  das«, 
wenn  in  der  Zukunft  die  Frage  zur  endgültigen  Lösung  gelangen  sollte,  die  Pro- 
venienzen dieser  aus  den  genannten  beiden  Mineralien  gefertigten  Artefacte  ganz 
verschiedtM)  sein  werden.  Nicht  im  Geringsten  zu  bezweifeln  ist  jedenfalls,  dass 
die  %ladeitl>oiU\  vor  Allem  die  schönen  grossen  Flachbeile,  einen  weitverbreiteten 
Handelsartikel  bildeten. 

Kino  auilere  sehr  interei^s^nte  Station  am  Olzreuther  See,  welche  Hr.  Frank 
noueniiujis  aufdeckte,  ist  Ihm  Kiein-Winn enden.  Die  dort  gefundenen  Gefasse  sind 
von  sehr  f^uter  Tochnik,  ähneln  denen  der  Hügelgräber  jener  Gegenden  und  sind 
«um  Theil  mit  n>then  Linean^rnamenten  auf  hellgrauem  Grunde  bemalt 

Hr.  OlH'rf5rster  Krank  wird  später  einen  ausführlichen  und  vollständigen  Be- 
richt ülH'r  seine  neuesten  Forschungsresultate  ereoheinen  lassen,  auf  den  ich  bei 
dieser  Gelegenheit  für  genauere  Information  verweisen  will.  — 


(275) 

Hr.  Nehring  bemerkt,  dass  die  aus  HirscbgeTveih  yerfertigten  Gerathe  wohl 
Bcbwerlich  als  Keile  beim  Holzspalteo,  sondern  als  axtartige  Instrumente  gedient 
hätten.  Das  Renthier  komme  nach  den  vorgelegten  Stücken  in  Schussenried  nicht 
vor.  — 

Hr.  Voss  erwidert,  dass  die  schussenrieder  Renstation  durchaus  getrennt  yon 
der  Pfahlbau-Station  liege.  £r  hält  an  der  Ansicht  fest,  dass  die  Geweihstücke  als 
sogenannte  „Setzkeile^  gedient  haben  müssten. 

(28)    Hr.  Nehring  spricht  über  einige 

prähistorisohe  Funde  aus  der  Gegend  von  Osohersleben  (Reg.-Bezirk  Magdeburg). 

1.  Der  erste  Fund  stammt  von  dem  Gypsberge  bei  Weste  reg  ein.  Hier  wur- 
den während  des  letzten  Winters  in  einer  Schicht  röthlichen  Thons,  welcher  auf 
der  Höhe  des  Berges  ansteht  und  durch  einen  Steinbruch  aufgeschlossen  ist,  zahl- 
reiche, grob  gearbeitete  Urnen  und  daneben  ziemlich  roh  durch  Hauen  und  Schlei- 
fen hergestellte  Steininstrumente  (aus  Diorit  und  Kieselschiefer),  sowie  Reste 
von  wilden  und  domesticirten  Thieren  gefunden  und  durch  den  Besitzer  des  Gjps- 
berges,  Hrn.  Bergung,  gesammelt  Es  handelt  sich  hier  um  dieselbe  Fundstelle, 
über  die  ich  bereits  vor  einigen  Jahren  an  die  Gesellschaft  berichtet  habe^). 

Während  damals  Steininstrumente  (ausser  einem  Schleifsteine)  nicht  gefunden 
wurden,  sind  dieses  Mal  8  Exemplare  zum  Vorschein  gekommen,  welche  theils  die 
Form  von  Aexten,  theils  von  kleinen  Meissein  haben  und  hinsichtlich  ihrer  Be- 
arbeitung erkennen  lassen,  dass  sie  sowohl  durch  Schlagen,  als  auch  durch  Schlei- 
fen in  die  beabsichtigte  Form  gebracht  sind.  —  Die  Urnen  sind  leider  zerbrochen; 
doch  zeigen  die  Bruchstücke,  dass  dieselben  sehr  dickwandig,  roh  geformt  und 
schlecht  gebrannt  waren,  ebenso  wie  bei  dem  früheren  Funde.  —  Was  endlich  die 
thierischen  Reste  anbetrifft,  so  bestanden  dieselben  in  Skelettheilen  von  Bos  sp., 
Sus  scrofa,  Cervus  elaphus  und  Cervus  capreolus*-^).  Menschliche  Ueberreste  sind 
nicht  beobachtet  worden. 

2.  Der  zweite  Fund  stammt  von  Alickendorf  bei  Hadmersleben,  westlich 
von  Westeregeln  gelegen.  Hier  wurde  vor  einigen  Jahren  in  einer  Lehmgrube  eine 
mit  4  kleinen  Henkeln  versehene  Urne  nebst  2  Beigefässen  neben  einem 
menschlichen  Skelet  ausgegraben.  Die  Gefässe  sind  schwach  gebrannt  und 
o£fenbar  aus  freier  Hand  geformt;  das  eine  der  kleinen  Beigefässe  hat  die  Gestalt 
eines  Bechers,  das  andere  die  einer  Tasse.  —  Nach  Angabe  des  Finders,  welcher 
die  obigen  Gefässe  mir  gegen  eine  kleine  Entschädigung  überliess,  sind  in  der  Um- 
gebung von  Alickendorf  schon  mehrfach  ähnliche  Grabfunde  gemacht  worden.  Das 
oben  erwähnte  menschliche  Skelet  war  leider  nicht  mehr  zu  beschaffen,  man  hatte 
es  verkommen  lassen. 

3.  Der  dritte  Fund  endlich  besteht  in  einer  vollendet  schön  gearbeiteten,  reich 
verzierten  Urne,  welche  vor  etwa  6  Jahren  in  der  Gemeindekieggrube  bei  Hohns- 
leben unweit  Schöningen  ausgegraben  und  mir  von  dem  inzwischen  verstorbenen 
Ortsvorsteber  Jäger  geschenkt  wurde.  Der  Inhalt  des  Gefässes  soll  aus  verbrann- 
ten menschlichen  Gebeinen  bestanden  haben.  — 


1)  Vergl.  Sitzungsber.  vom  12.  April  1878,  Verb.  S.  216. 

2)  Genaueres  über  dieselben,  sowie  über  die  sehr  reicbbaltigen  DiluTialfunde,  welche  im 
letzten  Winter  wieder  bei  Westeregeln  zum  Vorschein  gekommen  sind,  habe  ich  in  der  Qe- 
sellscbaft  natnrforsoh.  Freunde  zu  Berlin  am  17.  April  d.  J.  mitgetheilt.  Siebe  den  betreffen- 
den Sitzungsbericht. 

18* 


(276) 

Hr.  Voss  ist  der  Ansicht,  dass  der  tod  Hrn.  Nehring  vorgelegte  gerillte  Sand- 
stein zum  Glätten  und  Geradestrecken  von  Pfeilschäften  benntst  worden  sei.  — 

Hr.  Nehring  wünscht  eine  Aeusserang  über  das  mothmaassliche  Alter  der 
Thongeräthe.  — 

Hr.  Yirchow  erklärt,  dass  die  geschlagenen  Steingeräthe  Ton  Westeregeln  den 
herrschenden  Thüringer  Typus  erkennen  lassen  und  keineswegs  dem  eigentlichen 
Steinalter  angeboren  müssen.  Auch  das  Thongeräth  könne  dafür  nicht  herangesogen 
werden.  — 

Hr.  Nehring  glanbt  aus  der  schlechten  Beschaffenheit  der  Omen  auf  ein  höheres 
Alter  derselben  schliessen  zu  dürfen.  — 

Hr.  Virchow  erwidert,  dass  wir  sehr  häufig  die  Erfahrung  machen,  dass  ge- 
rade das  ältere  Thongeräth  sorgföltiger  und  geschickter  gearbeitet  ist,  als  das 
neuere.  So  sei  auch  in  diesem  Falle  die  Wahrscheinlichkeit  recht  gross,  das  gerade 
das  rohere  Geräth  von  Westeregeln  jünger,  das  reicher  verzierte  von  Hohnsleben 
älter  sei. 

(29)   Hr.  Virchow  berichtet 

Ober  den  Stand  der  prähistorischen  Forschungen  in  Italien. 

Bei  meiner  vor  Kurzem  gemachten  Reise  hatte  ich  das  dem  Zufall  des  an- 
haltend kalten  Wetters  zuzuschreibende  Glijck,  dass  ich  im  Verlauf  von  wenigen 
Wochen  Italien  seiner  ganzen  Länge  nach  zweimal  durchmessen  habe  und  dass  ich 
nicht  nur  die  mir  schon  von  früher  her  bekannten  Sammlungen  von  Neuem  mustern, 
sondern  auch  eine  grosse  Zahl  ganz  neuer  hinzufügen  konnte.  Auf  diese  Weise 
vermochte  ich  mit  einer  gewissen  Sicherheit,  darf  ich  wohl  sagen,  in  meiner  Er- 
innerung die  Wechsel  vollen  Formen  zu  fixiren,  welche  mir  dort  entgegentraten.  Wenn 
ich  hier  Einiges  daraus  bespreche,  so  kann  um  so  weniger  von  etwas  Vollständigem 
die  Rede  sein,  als  ich  noch  nicht  einmal  Zeit  gehabt  habe,  meine  Notizen  zu 
ordnen. 

Ich  ging  in  der  zweiten  Hälfte  des  März  durch  den  Gotthard  nach  Italien 
und  begab  mich  auf  der  neu  eröffneten  Linie  längs  des  Lago  maggiore  zunächst 
nach  Turin,  von  da  nach  Genua  und,  da  die  Kälte  meinem  noch  geschwächten  Zu- 
stande wenig  entsprach,  ziemlich  schnell  über  Rom  und  Neapel  nach  Messina.  Ich 
habe  dann  die  östliche  Küste  von  Sicilien  bis  Syracus  allmählich  durchwandert, 
bin  darauf  hinübergegangen  nach  Girgenti  und  von  da  nach  Palermo.  Am  12.  April 
war  ich  wieder  in  Neapel.  Von  da  an  habe  ich  meine  Rückreise  auf  dem  Conti- 
nent  etwas  ruhiger  fortgesetzt  und  habe  namentlich  in  Neapel,  Rom,  Corneto,  Peru- 
gia, Florenz,  Bologna,  Reggio  und  Este  die  Alterthumssammlungen  genauer  studirt. 

Was  mich  auf  dieser  Reise  am  meisten  überraschte,  war  die  sehr  erfreuliche 
Erscheinung,  dass  in  dem  Maasse,  wie  die  prähistorische  Wissenschaft  überhaupt 
erstarkt,  allmählich  auch  der  Widerstand  mehr  und  mehr  gebrochen  wird,  der  ge- 
rade in  diesem  Lande  der  klassischen  üeberlieferungen  von  Seiten  der  alten  Ar- 
chäologie unseren  Bestrebungen  entgegen  gestellt  wurde.  Es  lässt  sich  ja  begreifen, 
dass  in  einem  Lande,  wo  so  zahlreiche  Kunstsachen,  plastische  sowohl  wie  gemalte, 
namentlich  Vasen  in  den  allermannichfaltigsten  Erscheinungen  zu  Tage  treten, 
wo  mehr,  als  bis  dahin  in  Griechenland  selbst,  die  hellenischen  Sagenkreise  ge- 
wissermaasen    neu    erschlossen    worden   sind  aus  diesen  Funden,  wo  so  lange  Zeit 


(277) 

hindurch  die  Untersuchung  sich  in  der  Tbat  auf  einem  gesicherten,  historisch- 
philologischen  Boden  bewegte,  -—  dass  man  hier  mit  einer  gewissen  Zurückhaltung  ' 
den  neuen  Funden  gegen  übertrat,  für  die  in  der  Geschichte  kaum  Anknüpfungen 
vorhanden  waren  und  die  eine  Menge  von  Prämissen,  welche  man  bis  dahin  fest- 
gehalten hatte,  über  den  Haufen  warfen.  Man  muss  es  in  der  That  mit  besonderer 
Anerkennung  rühmen,  dass  einer  nach  dem  anderen  von  den  klassisch  gebildeten 
Männern  in  Italien  sich  der  prähistorischen  Richtung  zugewendet  hat.  Ich  will 
jedoch  nicht  verschweigen,  dass  fast  jeder  von  ihnen  mir  mitgetheilt  hat,  welche 
inneren  und  äusseren  Schwierigkeiten  er  zu  überwinden  gehabt  habe,  um  sich  zu 
entschliessen,  sich  mit  Prähistorie  zu  beschäftigen;  mancher  sprach  sogar  die  Be- 
sorgniss  aus,  dass  er  desswegen  in  der  Achtung  seiner  philologischen  Collegen  ge- 
sunken sei.  Einer  der  bedeutendsten  von  ihnen  erklärte  mir  sogar,  er  werde  nur 
noch  einmal  dieses  Gebiet  betreten;  dann  müsse  er  sich  wieder  zu  rein  philologi- 
schen Untersuchungen  zurückwenden,  wenn  er  nicht  seinen  Credit  ganz  einbüssen 
wolle.  Ich  will  nicht  behaupten,  dass  unsere  Philologen  so  ausschliesslich  sind^ 
indess  gerade  aktive  Tbeiluahme  von  dieser  Seite  können  wir  mit  wenigen  Aus- 
nahmen, die  ich  besonders  dankbar  anerkenne,  bis  jetzt  auch  nicht  anführen.  Viel- 
leicht wird  es  gelingen,  wenn  gerade  in  den  Ländern  des  klassischen  Alterthums 
die  Prähistorie  mehr  und  mehr  ihren  bedeutungsvollen  Platz  ausfüllt,  auch  bei  uns 
das  Verständniss  derselben  in  grösserer  Ausdehnung  zu  heben. 

Sie  werden  begreifen,  m.  H ,  wenn,  wie  das  jetzt  bei  den  neuen  Anlagen  in 
Rom  der  Fall  gewesen  ist,  der  Zufall  plötzlich  an  die  Grenze  zwischen  dem  Histo- 
rischen und  Präbistorischen  fuhrt,  dass  die  Ueberzcugung  von  der  Reihenfolge  der 
Culturen  sich  mit  einer  gewissen  unabweislichen  Härte  dem  Einzelnen  aufdrängt. 
Dieser  Fall  ist  namentlich  eingetreten  bei  der  Anlegung  der  neuen  Stadttheile, 
welche  den  alten  Esquilin  und  Viminalis  bedecken.  Die  Veränderungen,  welche 
in  Rom  in  dieser  Richtung,  namentlich  gegen  Nordosten,  im  Laufe  der  letzten  Zeit 
vor  sich  gegangen  sind,  sind  so  erstaunlich,  dass  ich,  der  ich  seit  10  Jahren  nicht 
dort  gewesen  war,  mich  Anfangs  gar  nicht  zurechtfinden  konnte.  Grosse  Stras- 
sen, von  denen  keine  Spur  existirte,  als  ich  das  letzte  Mal  da  war,  haben  die 
tiefen  Einschnitte  zwischen  den  alten  „Hügeln^  durch  grosse  Aufschüttungen,  die 
allerdings  die  ehemaligen  „Hügel^  noch  erkennen  lassen,  so  sehr  ermässigt,  dass  es 
sehr  schwer  ist  für  einen,  der  die  Verhältnisse  nicht  ganz  genau  kennt,  die  Sieben- 
hügelstadt noch  aufzufinden.  Die  Anlage  der  neuen  Strassen,  sowie  der  Bau  der 
Eisenbahnstation  ist  auf  ein  Terrain  gekommen,  welches  nachweislich  der  ältesten 
Ansiedelung  von  Rom  entsprach,  wo  zuerst  die  Stadt  sich  entwickelte.  Späterhin  hat 
sich  die  Stadt  mehr  und  mehr  verschoben,  sie  ist  allmählich  von  den  Hügeln  her- 
abgestiegen in  das  zwiscbenliegende  Gebiet,  und  namentlich  gegen  den  Tiberstrand 
hin  hat  sie  sich  in  grösserer  Ausdehnung  auf  Gebiete  erstreckt,  die  früher  wegen 
der  Malaria  gemieden  waren.  Es  ist  wohl  kein  Zweifel,  dass  schon  in  der  alten  Zeit 
die  Anlage  der  Stadt  auf  den  Hügeln  aus  sanitären  Rücksichten  stattgefunden  hat, 
wie  man  gewiss  auch  die  hohe  Lage  des  grössten  Theils  der  alten  etruskischen 
Städte  nur  erklären  kann,  wenn  man  erwägt,  welche  Gefährlichkeit  die  Malaria 
überall  in  den  Thälern  und  Ebenen  besitzt,  wo  nirgends  ein  genügender  Abfluss 
stattfindet,  sondern  überall  stagnirende  Gewässer  vorhanden  sind.  Ich  erinnere 
an  das  grosse  Gebiet  um  den  trasimenischen  See  mit  allen  den  daran  sich  an- 
schliessenden kleinen  Niederungen.  Dass  man  da  auf  die  höchsten  Bergspitzen 
gegangen  ist  und  dass  fast  alle  etruskischen  Städte  auf  Höhen,  zum  Theü  fast 
unzugänglichen,  angelegt  sind,  das  ist  begreiflich.  So  hat  sich  auch  Rom  ursprung- 
lich auf  den  Hügeln  entwickelt,  weil  man  in  der  Tiefe  nicht  existiren  konnte.  Was 


(278) 

man  jetzt  in  der  Campa|Q;Da  ßieht,  dasa  jedes  Haus  eine  erbabeoe  Sälelle  eionimmt, 
das  idt  mit  einer  gewissen  Flaomussigkeit  auch  in  der  ursprGngUcben  Anlage  Eotns 
beobachtet  worden.  Dieeer  älteste  Theil  ist  späterhin  2um  Theil  verlassen  und  erst 
in  der  Kaiserzeit  wieder  benutz  worden,  als  das  Castrura  praetorium  in  dieser 
Gegend  angelegt  wurde.  Der  Sclnitr  zahlreicher  Zerslörungen  hatte  dann  all  mäh- 
lich auch  das  wieder  bedeckt,  ao  daas  man  höchst  ubenrascht  war,  aJa  man  auf 
diesem  Gebiet,  und  zwar  gerade  an  dem  Bahnhof,  ähnlich  wie  das  auch  bei  uns 
an  vielen  Orten,  %.  6.  in  Kegensburg,  geschehen  ist,  auf  die  Rudimente  der  aiten 
Bauten  stiess,     Bier  traf  mau  di*3  Reste  der  servischen  Mauer. 

Wenn  man  nach  Rom  kommt,  erblickt  man  gleich  beim  Einfahren  neben  den 
Schienen  die  sorgfaltig  bewahrten  Üeberreate  dieser  Mauer.  Kin  kleinstes  Stück 
derselben  ist  auch  noch  in  der  Via  tiaziooale  erhalten.  Dadurch  wurde  eine  ge- 
sicherte Linie  gefunden,  von  welcher  aus  man  die  alte  Mauer,  mag  sie  auch  nicht  gerade 
Serviua  TulJius  gebaut  haben,  so  doch  jedenfalls  die  älteste  Stadtmauer  aus  der 
Königszeit,  verfolgen  kann.  Als  man  weiter  grub,  stiess  man  in  dem  Terrain,  auf 
dem  die  Mauer  steht,  auf  prähistorische  Dinge,  nicht  gerade  auf  Wolfszähoe,  aber 
doch  auf  zahlreiche  Dären Überreste,  die  gewiss  als  höchst  charakteriätische  Zeichen 
der  Zeit,  innerhalb  deren  die  ersten  Äusiedelungen  stattgefunden  haben,  bezeichnet 
werden  können. 

Ich  werde  vielleiclit  ein  anderes  Mal  etwas  genauer  auf  diese  esquilinischen 
Funde  zurückkommen;  ich  wollte  heule  nur  gerade  diesen,  überaus  drastisch  wir* 
kenden  Fall  in  den  Vordergrund  stellen,  wo  meiner  Meinung  nach  die  Chronologie 
in  der  allerscbärfsten  Weise  sich  fühlbar  macht,  zumal  da  die  Funde  in  einer  so 
grossen  Reichhaltigkeit  gemacht  worden  sind,  dass  sie  in  der  That  ein  ziemlich 
geoaues  Bild  yon  der  Art  des  Lehens  der  vorser  vi  sehen  Bevölkerung  gewähren. 
Nebeobei  will  ich  bemerken,  dass  die  Aufmerksamkeit  &o  wenig  auf  diese  Dinge 
gelenkt  war,  dass  wahrscheinlich  Alles  verloren  gegangen  sein  würde,  wenn  nicht 
zufälligerweise  ein  Privatmann^  Jün  Nardoni,  der  seine  Spaziergänge  in  diese 
Gegend  zu  machen  pflegte,  auf  die  Sachen  geachtet  hätte,  die  herauskamen,  und 
jede^  Mal  eine  kleine  Sammlung  davon  in  die  Tasche  gesteckt  hätte,  so  dass  er 
im  Laufe  der  ziemlich  ausgiebigen  und  weit  verbreiteten  Ausgrabungen  ein  kleines 
Museum  zu  Stande  gebracht  hat,  welches  fast  das  Einzige  enthalt,  was  aus  dieser 
Periode  erhalten  ist  Es  ist  noch  jetzt  sein  Privatbesitz.  Die  Munictpalitat  hat 
späterhin  versucht,  im  Wege  des  Prozesses  ihm  diese  Schätze  abzunehmen,  indess 
ist  der  rechtliche  Anspruch  der  Gemeinde  nicht  so  sicher  nachzuweisen  gewesen, 
dasfi  man  ihm  hat  beikommen  koDoen.  Hr*  N.ardoni,  der  übrigens  ein  sehr  ge- 
fälliger und  liebenswürdiger  Demonstrator  seiner  Schätze  ist,  muss  daher  in  seiner 
Privatwohuung  aufgesucht  werden,  wenn  man  die  Sachen  kennen  lernen  will. 
Üebrigens  hat  er  einen  ausführlichen  Bericht  über  seine  ersten  Funde  in  Gemein- 
schaft mit  Hrn.  Michele  Stefano  de  Eossi  erstattet,  auf  den  ich  besonders  ver- 
"weisen  will  ^), 

So  wichtig  diese  Funde  t^ijid,  so  will  ich  mich  heute  auf  die  generelle  Be- 
merkung beschränken,  dass  die  csquiUnischen  Funde  für  Rom  die  Bedeutung  ge* 
habt  haben,  eine  nächst  vor  die  historische  Periode  zu  8et«ende  Reihe  von  Attf- 
dcckungeu  vor  die  Augen  zu  stellen.  Aehnüches  it^t  allmählich  au  sehr  vielen 
Punkten    Italiens    nachgewiesen    worden    und   es  sind  die  erstaunlichsten  Dinge  zu 


1)  Di  alcani  Of^etti  di  epoca  arcaica  rinvemiti  nell*  intemo  di  Roma.  Memoria  di  Leone 
Nardoai  e  del  acad.  prol.  Micbele  Slefuiio  d«  Rossi.  Estr.  d^l  giornale  M  Buonarotti<  Ser.  II, 
VoMX,    Marzo  1874.    Roma. 


(279) 

Tage  gekommea,  die  Alles  auf  den  Kopf  Btellen,  wa&  man  bis  dabin  geglaubt  hatte. 
Das  Hauptgebiet  für  diese  Fuocle  liej^t  bis  jetzt  diesseita  des  ApeDDiGj  und  nament- 
lich  in  der  Umgegead  von  Bologna^  wo  man  zuerst  angefangen  hatte,  die  äUcsteD 
Gräberfelder  genauer  zu  untersuchen,  jedoch  auch  weiter  nordwärts  bis  ao  den 
Fus^  der  Alpen  und  nach  Westen  bis  an  den  Tessin.  In  diesem  „curcumpadani- 
acben"  Gebiet  ist  in  den  letzten  Jahren  namentlich  ein  gaua  wundervolles  Feld 
eroffoet  worden,  reicher  und  manuicbfaUiger,  als  irgend  eiaes,  das  ubcrbaupt  in 
Italien  bid  jetzt  Gegenstand  der  Beobacbtting  geworden  ist,  das  von  Eäte,  unmittel- 
bar an  dem  Fuss  der  Euganei sehen  Berge,  und  gerade  dieses  Gräberfeld  hat  von 
Anfang- an  die  gtosste  Aufmerksamkeit  gefunden,  indem  einer  der  Lehrer  des  dor- 
tigen Gymnasiums,  Hr.  Frosdocimi  in  der  sorgfältigsten  Weise  aJles  nicht  blos 
gesammelt,  sondern  auch  der  I^nge  nach  bestimmt  hat.  So  ist  denn  in  Este  ein 
Lokalmusenm  entstanden,  welches  eine  Vollständigkeit  der  Funde  darstellt,  wie  in 
gleicher  Weise  nur  noch  Bologna,  aber  ia  einer  fast  nocb  mehr  mannichfaltigen  und 
vielleicht  noch  weiter  zuröekreichenden  Voll&tündigkeit.  Ich  will  dabei  besonders  her- 
vorheben, dass  hier  in  der  unmittelbar  vorromischen  Periode  eine  GuJtur  zur  Erschei- 
nung kommt,  in  welcher  die  Schrift  schon  sehr  ausgeprägt  w^ar:  zahlreiche  In- 
schriften finden  sich  vor,  die  eine  gewisse  Aehnlichkeit  im  Ausseben  mit  etrus- 
kischen  haben,  aber  sich  nicht  haben  lesen  lassen,  auch  nicht  in  dem  beschränkten 
Sinne,  wie  Dinn  etruskische  Schrift  lesen  kann.  Voriäuhg  stellen  sie  ein  ganz  un- 
bekanntes Glied  in  der  Entwickeluiig  der  Schrift  dar.  Ausserdem  ist  nocb  eine 
Eeibe   von  Schichten  da,  die  in  viel  altere  Zeit  zurijckreichen. 

Nach  dieser  allgemeinen  Notiz  bleibt  mir  nur  noch  so  viel  Zeit  übrig,  das»  ich 
ein  paar  Worte  in  Bezug  auf  die  Verhältnisse  sage,  welche  ich  in  Sicilien  getroffett  j 
habe.  Vorweg  möchte  ich  bemerken,  dass  seit  der  Zeit,  wo  Freihr,  v»  Andriaa 
in  unserer  Gesellschaft  seine  Funde  vorlegte  und  seine  Beobachtungea  in  einem 
besonderen  Supplementheft  zu  unserer  Zeitechrifl  (1878,  Bd.  X)  publicirte,  keine 
zusammenfassende  Darstellung  der  siciiianischen  Präliistorie  überhaupt  erschienen  ist, 
80  dass  für  jeden,  der  den  Wunsch  hegt,  sich  nach  dieser  Richtung  zu  orientiren, 
seine  Schrift  immer  noch  als  die  eigentlich  grundlegende  betrachtet  werden  muss. 
Inzwischen  hat  sich  allerdings  auch  auf  Sicilien  die  Lokalforschung  erheblich  ent- 
wickeit,  aber  sie  leidet  wesentlich  darunter,  dass  mit  einer  geradezu  neidischen  Eifer- 
sucht jede  einzelne  Stadt  ihr  Museo  civico  anlegt  und  entwickelt.  Ks  ist  da* , 
her  ein  Gegenstand  von  grosser^  Schwierigkeit,  eine  vergleichende  BeobachtuDgl 
zu  veranstalten.  Der  verdienstvoile  und  gelehrte  Direktor  des  Palermitaner  Mu- 
seums, Professor  Salinas,  hat  allerdings  nach  und  nach  Specimina  aller  Perioden 
in  seinem  Museum  gesammelt,  allein  sie  repräsentireo  doch  die  einzelnen  Yerhalt- 
nisse  keineswegs  in  der  Vollständigkeit,  wie  es  wünschenswerth  wäre,  und  es  ist 
daher  nothwendig,  jedes  einzelne  Museum  aufzusuchen.  Ja,  es  giebt  dabei  noch 
eine  ganze  Menge  von  Privatsammlernj  die  ihre  Sammlungen  an  ganz  unztjgang- 
lichen  Plätzen,  z.  B.  auf  ihren  Schlossern,  haben;  diesen  ist,  wenn  man  nicht  sehr 
lange  Zeit  zu  verwenden  hat,  gar  nicht  bciznkommen. 

Auch  in  Sicilien  ist  die  Aufmerksamkeit  lange  Zeit  hindurch  vorzugsweise  in 
Anspruch  genommen  gewesen  durch  die  reichen  Funde,  welche  der  griechischen 
Colon isatioQ  angehören.  Namentlich  im  Osten  und  Süden  sind  so  grosse  Gräber- 
felder ans  dieser  Periode  übrig  geblieben,  namentlich  in  der  Nähe  von  Syracus,  bei 
dem  alten  Megara,  bei  Agragas,  Selinunt,  Segeste  u.  s.  w,,  dass  der  grösste  Theil 
der  Sammlungen  lange  Zeit  hindurch  fast  ausschliesslich  aus  bemalten  UroeE  be-J 
standen  hat,  wie  wir  hier  zu  Lande  sie  unter  dem  Namen  der  etrnrischen  zu- 
sammenzufassen pflegten.    Davon  finden  sich  überall  die  wundervollsteo  Sammlungen. 


(280) 


Die  Frage,  was  vor  dieser  Zeit  war,  welche  BevollceniDg  vor  der  griecbtscbeti 
ElnwaaderuDg  im  Lande  sass,  ht,  wie  Sie  wisseti,  schau  tod  den  alten  Schrilt- 
stellern  verschiedentlich  hehandeU  worden.  Sie  haben  eine  gewisse  Reihenfolge 
von  Völkern  aufgeführt,  die  einander  folgten;  Sicaner,  Siculff,  Phönizier,  Griecbcü, 
Karthager,  Römer.  Da£u  kamen  dann  Araber,  Normannen  und  zahlreiche  kleinere 
Scharen  von  Ansiedlern,  z.  B.  Albane&eo«  Aus  dieser  langen  Reihe  von  Namen 
ragt  in  der  Vorötellnng  der  Patrioten  um  meisten  der  Siculer  hervor;  so  oft  tDan 
bei  einem  prähistorischen  Gegenstände  fragt:  was  ist  das  eigentlich?  bekommt 
man  die  Antwort;  es  ist  sicuJisch. 

Ich  will  darüber  nicht  streiten,  indess  ist  es  etwas  schwer,  das  ausznmacheo, 
und  zwar  um  so  mehr,  als  gerade  diese  Gräber  Leichenbratsd  haben,  also  die  An- 
haltspunkte, die  man  aus  craniologischen  Erfahrungen  gewinnen  konnte,  wegfallen« 
In  diese  Zeit  rechnet  man  Gräberfelder,  in  denen  auegezeicboet  schöne  Urnen  vor- 
kommen, welche  nichts  von  einem  griediipchen  Styl,  am  wenigsten  etwas  von  den 
figürlichen  Darstellungen  der  hellenischen  Periode  zeigen.  Sie  sind  gewöhnlich 
braun  gefärbt  und  zeigen  zuweilen  Anfiinge  von  Malerei.  Manchmal  finden  sich 
rothe  Qod  schwarze  Bänder  daran,  manchmal  auch  eingeritzte  Linien,  die  mit 
Weiss  ausgelegt  sind;  ja,  es  kommt  gerade  an  diesen  Gefässen  jenes  eigentbüm- 
liche  Ornament  vor,  das  ich  schon  ein  paar  !^lal  besprochen  habe,  das  wir  in 
unseren  Hügelgräbern  finden,  das  auch  tu  Pfahlbauten  gesehen  wird,  das  ich  in 
Hissarlik  gefunden  habe:  Dreiecke,  deren  Feld  mit  Linien,  welche  der  einen  Seile 
parallel  sind,  schraffirt  ist  und  an  denen  diese  Schraffirungen  mit  einer  kreidigen 
Kalkmasse  ausgeschmiert  sind.  Die  Gefasse  selbst  sind  ?on  geschmackvoller  Form 
und  grosser  Mannichfaltlgkeit  Ausser  grösseren  Urnen  mit  ausgeprägtem  Hals  und 
Henkel  kommen  solche  mit  langen  Stielen  vor,  auch  solche  mit  breit  ausgelegtem 
Fuas,  bis  fusshoch  und  mit  Schlitzlochern,  wie  sie  sich  bei  unseren  „Laternen*' 
finden.  Aber  das  ganze  Mobiliar  dieser  Zeit,  was  bis  jetzt  gerettet  ist,  reducirt 
sich,  wenn  ich  es  recht  schätze^  auf  etwa  drei  Dutzend  solcher  Gefasse,  die  ich 
an  verschiedenen  Orten  zusammengesucht  habe.  Ich  wurde  zuerst  aufmerksam  auf 
die  Sache  in  Syracus,  wo  in  dem  dortigen,  sehr  massig  gebaltünen  städtischen 
Museum  neben  dem  Born  einige  solche  Gefasse  vorhanden  sind,  die  zum  Tht^il  aus 
Hohlen  bei  Sortlno  PantaJica  herstammen,  zum  Theil  von  Modica,  ganz  nahe 
gelegenen' Plätzen,  etwas  südwesthch  von  Syracua  auf  dem  Gebirgsstock,  der  die 
südöstliche  Spitze  von  Sicilien  bildet  und  voll  von  fiohlengrähern  und  Hohlen- 
Wohnungen  ist.  Die  Mehrzahl  dieser  Gefasse  ist  gross  und  hat  als  Ossuarien  ge- 
dieht j  sie  sind  aussen  geglättet,  von  glänzend  dunkelbraunem  Aussehen,  nicht 
stark  durchgebrannt  und  verschiedentlich  ornamentirt.  Die  Verzierungen  sind  eia<i> 
gedrückt  oder  eingeritzt,  im  Ganzen  einfach;  mir  war  besonders  bemerkenswerth|^ 
dass  sich  an  einem  rothen  Gefasse  der  schon  erwähnte  Ring  grosser  Breiecke 
fand.  Dann  traf  ich  sehr  schöne  Sachen  dieser  Art  in  Girgenti,  von  Jeuen  ein 
Theil,  den  übrigeuß  schon  Hr.  v.  Ändrian  abgebildet  hat  (Taf,  IV,  Fig.  I — 4,  8.82), 
in  dem  dortigen  Museo  civico  sich  befindet,  Sie  stammen  von  dem  Monte  Toro,  süd- 
östlich von  dem  Riünenfelde  von  Akragas,  aus  der  nächsten  Nähe  eines  hellenischen 
Gräberfeldes,  Einige  Stücke  besitzt  der  deutsche  Consul  Hr,  Dietz,  der  mir  die 
Zusage  gemacht  hat,  dass  er  sie  dem  KonigL  Museum  in  Berlin  schenken  wolle. 
Sie  stimmen  mit  denen  von  Modica  nicht  ganz  überein,  wie  denn  auch  nach  Hrn. 
V.  Andrian  die  Gräber  vom  Monte  Toro  Bestattungsgräber  gewesen  sein  sollen. 
Auch  diese  Gefäase  sind  gross  und  gut  modellirt  und  zugleich  etwas  bemalt,  jedoch 
Bcbwarz  auf  rothem  Untergründe.  Die  Mehrzahl  hat  grosse  Henkel  und  erscheint 
in  der  Form  von  Kannen,  Schalen,  Topfen  u.  a.  w.,  jedoch  will  ich  besonders  zwei 


(281) 

grosse  Nachbildungen  yon  Schweinen  und  eine  den  unserigen  sehr  ähnliche  „La- 
terne^ erwähnen.  Letztere  (Audrian  Taf.  IV,  Fig.  1)  stellt  einen  sanduhrformigen 
Doppelkegel  dar,  dessen  unterer  engerer  und  längerer  Theil  hohl  and  mit  langen 
Schlitzen  versehen,  der  obere  dagegen  schalenförmig,  weiter  und  kürzer  ist  Die 
Verzierungen  sind  eingeritzt,  theils  einfache,  parallele,  in  Gruppen  geordnete  Linien, 
theils  saubere  Durchkreuzungen.  —  Später  traf  ich  auch  im  Museo  nazionale  in 
Palermo  einige  Sachen  dieser  Art,  die  aber  eben  auch  zum  Theil  aus  der  Gegend 
Ton  Girgenti,  vom  Monserrato,  herstammen,  einige  von  Thapsos,  erstere  bemalt,  letz- 
tere braun,  glatt  und  einfach,  ^egen  der  Funde  aus  den  Grotten  Ton  Yillafrati 
verweise  ich  auf  Andrian  (S.  39,  Taf.  IV,  Fig.  5,  7—9,  11—14);  ihre  Ornamentik 
erinnert  an  nordliche  Formen.  Endlich  sah  ich  auch  noch  eine  braune  glatte  Vase 
von  Girgenti  in  dem  kleinen,  aber  schön  gehaltenen  Museo  civico  von  Reggio  in 
der  Emilia.  Immerhin  ist  das  eine  ziemlich  beschränkte  Zahl  bis  jetzt;  indessen, 
wenn  man  aufmerksam  ist  und  die  Eisenbahnen  im  Süden  fortgeführt  werden,  so 
steht  zu  erwarten,  dass  man  bald  grössere  Schätze  finden  wird.  Dann  wird  es 
auch  an  der  Zeit  sein,  die  offenbaren  Verschiedenheiten  dieser  Thongefässe  genauer 
zu  Studiren  und  die  Frage  ihrer  Zugehörigkeit  zu  gewissen  prähistorischen  Bevölke- 
rungen näher  zu  erörtern.  In  dieser  Beziehung  kann  ich  nicht  unerwähnt  lassen, 
dass  ein  sehr  glücklicher  Sammler  in  Neapel,  Hr.  Bourguignon,  aus  Stein gräbern 
Gampaniens,  welche  der  Conte  di  Spinella  in  Acerra  ausbeutet,  mir  braune  polirte 
Gefösse  mit  dem  Schnurornament,  mit  Mäandern  und  Dreiecken,  zeigte,  welche 
offenbar  einer  verwandten  Keramik  zugeschrieben  werden  müssen. 

Wenn  man  nach  der  gewöhnlichen  Tradition  geht,  so  würde  diese  Periode  auf 
Sicilien  einigermaassen  zusammentreffen  mit  den  ersten  phönizischen  Niederlassungen. 
Ich  habe  begreiflicherweise  mit  grossem  Eifer  nachgeforscht,  was  denn  auf  der 
grossen  Insel  im  strengeren  Sinne  Phönizisches  ermittelt  sei.  Indess  bis  jetzt 
konnte  mir  beinahe  nichts  gezeigt  werden;  ein  sehr  schöner  Sarkophag,  der  offen- 
bar importirt  ist,  im  Museo  nazionale  von  Palermo  ist  fast  das  Einzige.  Dagegen 
sind  in  der  letzten  Zeit  einige  Sachen  zu  Tage  gefördert  worden,  welche  höchst 
sonderbarer  Natur  sind  und  dem  Anscheine  nach  einer,  wenn  man  so  sagen  will, 
vorsiculischen  Zeit  angehören  dürften.  Das  sind  Gräberfunde  von  Capaci  in  der 
Contrada  Ciachia  auf  dem  Gebirgszuge  des  Nordrandes,  in  nicht  grosser  Entfernung 
von  Palermo  selbst.  Man  trifft  daselbst  Felsengräber,  welche  in  der  Art  angelegt 
sind,  dass  in  den  anstehenden  Fels  hinein  von  oben  her  grosse  kugelförmige  Löcher 
gemacht  wurden,  von  denen  aus  wiederum  grosse  seitliche  Ausbuchtungen  von 
runder  Gestalt  weitergeführt  sind.  Das  Eingangsloch  ist  also  eine  Art  von  Kessel 
mit  engem  Eingang,  so  dass  es  für  einen  Menschen  schwer  iet  hinein  zu  kommen, 
aber  im  Innern  doch  gross  genug,  um  einen  menschlichen  Körper  aufzunehmen. 

Von  da  aus  sind  dann  ähnliche  seitliche  Aushöhlungen  angelegt  worden.  Ich 
bin  nicht  an  Ort  und  Stelle  gewesen,  indessen  hatte  Prof.  Salinas  einen  solchen 
Block  ganz  heraushauen  und  im  Museum  in  Palermo  in  einem  der  Höfe  aufstellen 
lassen,  ein  Stück  von  wohl  8 — 9  Fuss  Höhe.  Nach  seinen  Angaben  findet  sich  in 
dem  Eingangsloch  sehr  wenig  vor,  aber  die  seitlichen  Ausbuchtungen  sind  Grab- 
kammern; in  ihnen  liegen  die  üeberreste  der  darin  beigesetzten  Menschen,  eine 
nicht  unbeträchtliche  Zahl  von  Thongeräth  (mit  winklig  gebogenen  Henkeln  und 
sehr  regelmässigen  eingeritzten  Ornamenten)  und  Gegenstände  aus  Feuerstein.  Me- 
tall ist  gar  nicht  gefunden  worden.  So  erstaunlich  es  klingt,  so  muss  wenig- 
stens vorläufig  angenommen  werden,  dass  diese  grossen  Aushöhlungen  in  den 
harten  Felsen  hinein  nur  mit  Stein  gearbeitet  worden  sind.  Mir  war  diese  Vor- 
stellung so  neu  und  fremdartig,  dass  ich  dus  grösste  Widerstreben  verspürte,  mich 


(282) 


zu  fügeo.  Die  Oberfläche  der  Äusbobliitigen  ist  so  glatt  und  sie  sind  so  vol!- 
ßJündig  kuglig  auBgefübrt,  dttss  es  io  der  Thal  schwer  zu  deokeo  ist^  wie  aiao 
mit  StelDbämmero  oder  vieltuebr  mit  blossen  Klopfsteioen,  wie  sie  angetroffeD 
werden,  im  Stande  gewesen  sein  boU,  derartige  Sachen  ausKufubren.  Nichts- 
destüweDiger  muss  ich  mich  beugen,  da  Professor  Salinas  diese  AuägrabuDgen 
geleitet  bat  uud  sich  personlich  dafür  verbürgt,  däs^s  absolut  gar  keine  Spur  top 
irgeod  eiuem  rnetölHscbeü  Gegenstand  zu  fiaden  gewesen  sei.  Auch  scheint  Aebn- 
Hchea  soast  in  Italien  vorzukommen;  ich  verweise  z.  B.  auf  die  UntersuchuDgeD 
des  Hrn.  Chierici  auf  der  Insel  Pianosa,  Welcher  Zeit  das  jedoch  angehört,  da- 
für fehlen  vorläutig  alle  weiteren  Anhaltspunkte;  man  hat  eben  nur  die  unzweifel- 
hafte  Tbatsache  vor  sich,  dass  es  vor  die,  wenn  ich  so  sagen  soll,  siculiscbe  Zeit 
reicht. 

Weiterhin  kommt  in  Siciiien  die  ansserordeotlicb  grosse  Masse  natürlicher 
Höhleu  in  Betracht,  Die  Insel  ist  von  jeher  durch  ihre  Hohlen  berühmt  geweaeti. 
Ich  brauche  nur  an  die  Cyclopen  und  Polyphem  zu  erinnern;  die  voa  ihm  dem 
Odjeaeus  nach  geschleuderten  Felsblücke  werden  noch  jetzt  im  Meere  bei  Äcireale 
gezeigt.  In  allen  Theilen  des  Landes,  nicht  blos  an  den  Küsten,  sondern  auch  im 
Innern  giebt  es  Höhlen  in  solcher  Häufigkeit,  daas  vielleicht  kein  zweiter  Erd- 
strich aufgefunden  werden  kann,  wo  sie  zahlreicher  sind.  Ein  grosser  Tbeil  dieser 
Höhlen  war  in  prähistorischer  Zeit  bewohnt,  man  findet  neben  reichen  üeber- 
resten  der  damaligen  Thierwelt  die  üeberreste  der  Älenscben  selbst  mit  ihrem 
Steingeräth,  Diese  Höhlenbevölkerung  reicht  bis  in  die  Zeit  des  polirten  Steins; 
es  giebt  jedoch  einzelne  Grotten,  in  denen  keine  Spur  von  polirtem  Stein  ge- 
funden ist.,  dafür  aber  die  wunderbarsten  gescblagenen  Steine,  darunter  namentlich 
sogenannte  Messer  von  ganz  ungewöhnlicher  Lange,  länger,  als  unsere  heutigen 
Tafelmeseer.  Sonderbarerweise  ist  bis  jetzt  ans  dieser  Zeit  ausserhalb  der  Höhlen 
ungemein  wenig  gefunden  worden.  Ich  habe  mich  sehr  bemüht,  dea  palaecdithi- 
achen  üeberresten  nachziiforschen,  bin  aber  in  dieser  Beziehung  ausserordentUch 
unglücklich  gewesen.  Im  Museum  von  Sjracus  sah  ich  ein  solches  langes  Messer, 
welches  auf  der  alten  Bpipolae  gefunden  war;  als  ich  davon  in  L*alermo  berichtete, 
wollte  man  es  mir  nicht  glauben,  dass  es  richtig  sei.  Dann  wurde  mir  ein  zweites 
kleineres  Messer  in  Girgenti  gezeigt;  es  ist  im  Privatbesitz  eines  archäologisch 
sehr  thätigen  Arztes,  des  Dr.  Gaetano  Nocito,  der  persönlich  bezeugt^  dass  es 
auf  einer  benachbarten  Fläche  bei  Favara  gefunden  sei.  Endlich  giebt  es  noch 
ein  Paar  Exemplare  in  Palermo  vom  Monte  Erice,  Das  ist  aber  Alles,  was  meines 
Wissens  an  geschlagenem  Stein  ausserhalb  der  HöhleD  bis  jetzt  bekannt  geworden 
ist,  indess  glaube  ich,  dass  nach  dieser  Richtung  hin  noch  zahlreiche  Entdeckungen 
werden  gemacht  werden. 

Nun  hat  aber  die  Höhienbevolkerung  insofern  specielles  Interesse,  als  es  die 
erste  ist,  bei  der  wir  craniologiscb  ^)  ansetzen  können,  bei  der  auch  die  Möglichkeit 
gegeben  sein  wird,  ausgiebige  Vergleiche  anzustellen.  Ich  will  in  dieser  Beziehung 
bemerken,  dass  comparative  Schädel -Sammlungen  in  verschiedeneu  Orten  Italiens 
gemacht  worden  sind.  Namentlich  hat  man,  —  ich  weiss  nicht  wie  ich  sagen  soll, 
ob  mehr  mit  Liberalität  oder  mehr  mit  Rücksichtslosigkeit,  —  die  Leichen  sici- 
iianiscber  Soldaten,  welche  in  den  Hospitälern  gestorben  waren,  zu  cranio logischen 
Zwecken  verwendet.  So  befinden  sich  gerade  in  Norditalien  ausgezeichnete  Samm- 
lungen, welche  hauptsächlich  aus  dieser  Quelle  stammen.    Zieht  man  dieses  Material 


1)  Franc,  ßerte,   latroduzioae  allo   studio   della  antropologia  preistonea  delle  Sicüia. 
Catan.  1883. 


k 


(283) 

zur  YergleichuDg,  so  stellt  sich  heraus,  dass  noch  gegenwärtig  in  Sicilien  mehr,  als 
in  irgend  einem  continentalen  Theile  Italiens,  eine  langkopfige  Beyölkerung  sich 
vorfindet,  die  nur  noch  übertroffen  wird  durch  die  Bevölkerung  Sardiniens,  welche 
ganz  exorbitant  dolichocepbal  ist.  Noch  viel  merkwürdiger  ist  es,  dass  diese  leben- 
den Dolichocephalen  auch  in  Einzelheiten  einigermaassen  entsprechen  den  alten 
Troglodyten.  Jedenfalls  kann  ich  sagen,  dass  ich  bei  der  allerdings  etwas  eiligen 
Untersuchung,  die  ich  nur  machen  konnte,  keinen  nennenswerthen  Charakter  ge- 
funden habe,  der  die  alte  Höhlenbevölkerung  aus  der  Zeit  des  geschliffenen  Steins 
von  einem  Theile  der  gegenwärtigen  Bevölkerung  unterschiede.  So  finde  ich 
namentlich  eine  Besonderheit  in  der  Bildung  des  Gesichts,  die,  wie  mir  scheint, 
den  dolichocephalen  Sicilianer  charakterisirt.  Die  Linie  von  der  Nasenwurzel  bis 
zum  Kinn  ist  etwas  schräg  nach  vorn  gerichtet,  das  Kinn  steht  nach  vorn  hinaus, 
die  unteren  Zähne  greifen  unter  die  oberen,  die  oberen  ragen  hervor,  dann  kommt 
ein  ziemlich  langer  Alveolarfortsatz,  auch  eine  lange,  mehr  schmale  Nase,  so 
dass  das  ganze  Gesicht  eine  eigentbümlich  lange  und  in  der  Kinngegend  höchst 
charakteristisch  vorgeschobene  Form  gewinnt.  Genau  dasselbe  konnte  ich  an 
alten  Schädeln  aus  der  Grotta  del  Porcospino  bei  Villafrate  nachweisen,  wo 
übrigens  schon  gezähmte  Thiere,  Thongeräth,  Cjpräen  u.  s.  w.  vorkommen,  und 
die  Troglodyten  sich  zugleich  durch  starke  Platyknemie  auszeichnen.  £s  kann 
daher  nicht  blos  der  Schädel,  sondern  auch  der  Gesichtstypus  in  Sicilien  nach 
meiner  Auffassung  als  ein  constanter  angesehen  werden,  soweit  es  sich  um  den 
dolichocephalen  Bruchtheil  der  Bevölkerung  handelt.  Allein  gegenwärtig  hat  sich 
die  Bevölkerung  in  ihrer  Hauptmasse  so  verändert,  dass  der  dolicbocephale  Ty- 
pus besonders  gesucht  werden  muss,  wenn  man  ihn  finden  will.  Ich  habe  in 
Catania  die  jungen  Mediciner  zusammen  genommen,  um  sie  in  Anthropologie  zu 
exerciren;  bei  der  Gelegenheit  habe  ich  einen  Theil  von  ihnen  selbst  gemessen 
und  ihnen  daran  gezeigt,  wie  man  es  machen  muss.  Da  stellte  sich  heraus, 
dass  kein  einziger  Dolichocephaler  darunter  war.  Man  kann  daher  immerhin 
sagen,  dass  der  dolicbocephale  Typus  sehr  verdeckt  worden  ist  durch  die  dar- 
über gehenden  Völkerwogen,  aber,  soweit  er  noch  vorhanden  ist,  darf  man  wohl 
annehmen,  dass  noch  von  jener  uralten  Zeit  her  Reste  desselben  in  der  jetzigen 
Bevölkerung  zu  erkennen  sind.  Nebenbei  bemerkt,  sind  auch  die  Schädel  von 
Capace  mesocepbal  mit  Neigung  zur  Dolichocephalie. 

Aus  der  Zeit  des  geschliffenen  Steins  giebt  es  ausgezeichnete  Exemplare, 
namentlich  von  Steinäxten.  Ein  paar  Specimina  davon  kann  ich  vorlegen:  mehr 
dicke,  kürzere,  gewölbte  Formen.  Daneben  kommen  gelegentlich  die  grossen  Flach- 
beile vor,  welche  nach  rückwärts  spitz  zulaufen,  wie  ich  sie  bei  Gelegenheit  der 
Jadeitformen  beschrieben  habe.  Wahre  Jadeitbeile  sind  in  Sicilien  sehr  selten, 
aber  sie  kommen  in  der  ganz  ausgemachten  Form  des  Flachbeils  vor.  Schon  Baron 
Andrian  (Taf.  III,  Fig.  14)  hat  die  schönen  Funde  von  Castrogiovanni  besprochen. 
Ich  sah  im  Palermitaner  Museum  die  Nachbildungen  von  6  polirten  Steinbeilen-  aus 
einem  Grabe  von  Vizzini,  unter  denen  sich  ein  sehr  grosses  Flachbeil  von  der 
ganz  charakteristischen  Jadeitform  befand. 

Die  gröberen  Formen  polirter  Beile  sind  in  Italien  überall  ziemlich  häufig. 
Ihre  Anfertigung  ist  sehr  begünstigt  worden  durch  den  umstand,  dass  schon  unter 
dem  gewohnlichen  Gerolle  man  nicht  selten  Formen  findet,  die,  wenn  man  sie  zu- 
erst erblickt,  den  Eindruck  geschliffener  Steine  machen.  Ich  habe  ein  solches 
Stück  mitgebracht,  das  ich  bei  Genua  in  einer  Wasserfurche,  die  vom  Gebirge 
heruntergeht,  selbst  aufgelangt  habe;  als  ich  es  bemerkte,  glaubte  ich  ein  Steinbeil 
gefunden    zu   haben.    Aber  es  ist  nur  eine  natürliche  Bildung,  die  jedoch  so  weit 


(284) 

Torgeformt   ist,    dass    nur   noch    ein    kleiner  Schliff  nothig  wäre,  um  ein  Beil  her- 
zustellen. 

Ich  will  damit  sohliessen,  dass  ich  Ihnen  eines  der  werthvollsten  Stücke  dieser 
Art  zeige,  das  ich  der  Liebenswürdigkeit  eines  unserer  correspondirenden  Mitglieder, 
des  Hrn.  Bellucci  in  Perugia  verdanke:  ein  kleines  Nephritbeil  aus  Mittelitalien. 
Hr.  Bellucci  hat  die  Hoffnung,  dass  er  die  eigentliche  Lagerstatte  dieses  Nephrits 
in  den  Monte  rozzi  an  den  Tiberquellen  entdecken  werde;  dort  sei  eine  grosse 
Masse  der  seltensten  Gresteine  anstehend,  und  er  ist  der  Meinung,  dass  sich 
Nephrit  darunter  werde  finden  lassen. 

(30)  Hr.  Lieutenant  Wissmann  stellt  einen  westlich  vom  Lualaba  erworbenen 
Knaben  vom  Negerstamme  der  Waküsu  vor. 

(31)  Eingegangene  SchriCten: 

1.  Revue  de  Thistoire  des  religions.     Vol.  VI,  Nr.  4,  5. 

2.  Atti  della  R.  Accademia  dei  Lincei.     Vol.  VII,  Fac.  5,  6,  7,  8. 

3.  Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit.     1883.     Nr.  5. 

4.  A  questao  do  meridiano  universal.     Lisboa  1883. 

5.  Boletim  da  sociedade  de  Geographia  de  Lisboa.     3*  serie,  Nr.  8. 

6.  Antiqvarisk  Tidskrift  för  Sverige.     Vol.  6,  Heft  2. 

7.  Archivos  do  Museu  nacional  do  Rio  de  Janeiro.   Vol.  IV,  V.  Rio  de  .Janeiro  1881. 

8.  Amtliche  Berichte  aus  den  Königl.  Kunstsammlungen.     Jahrg.  IV,  Nr.  2. 

9.  Nachrichten  für  Seefahrer.     1883.     Nr.  14—17. 

10.  Annalen  der  Hydrographie.    Jahrg.  XI,  Heft  IV. 

11.  Revue  d'ethnographie.     Tome  II,  Nr.  1. 

12.  Hamy,  La  croix  de  T^otihuacan.     Paris  1882.     Gesch.  des  Verf. 

13.  Derselbe,  Quelques  observations  sur  Tanthropologie  des  (^omalis.     Paris  1883. 

Geschenk  des  Verfassers. 

14.  Derselbe,  Les  mutilations  dentaires  au  Mexique  et  dans  le  Yucatan.    Paris  1883. 

Geschenk  des  Verfassers. 

15.  Bulletins  de  la  societ^  d^bistoire  naturelle  de  Colmar.    22«  et  23«annees.  Col- 

mar  1883. 

16.  Sechster   Jahresbericht   des    Vorstandes   der   Geographischen    Gesellschaft    zu 

Bremen.     1883. 

17.  Deutsche  Geographische  Blätter.    Bd.  VI,  Heft  2. 

18.  Sitzungsberichte   und  Abhandlungen   der  Gesellschaft  Isis   zu  Dresden.     Jahr- 

gang 1882.    Juli — December. 

19.  Bulletins  de  la  societe  d'antbropologie  de  Paris.     Vol.  VI,  Fase.  1. 

20.  Gat sehet,  Phonetics  of  tbe  Kajowe  Language.     Gesch.  d.  Verf. 

21.  Derselbe,  Linguistic  notes.     Gesch.  d.  Verf. 

22.  Derselbe,  Specimen  of  the  Cbumeto  Language.     Gesch.  d.  Verf. 

23.  R.  Hart  mann,   Ueber  die  alten  Dithmarscher  Wurthen  und  ihren  Packwerk- 

bau.    Geschenk  des  Verfassers. 

24.  Gh.  Rau,  Indian  stone  graves.     Gesch.  d.  Verf. 

25.  Derselbe,  Aboriginal  stone-drilling.     Gesch.  d.  Verf. 


Sitzung  am  16.  Juni  1883. 
Vorsitzender  Hr.  Yirohow. 

(1)  Zu  correspondirenden  Mitgliedern  sind  gewählt  worden  die  Herren: 

Professor  Heibig  vom  archäol.  Institut  in  Rom. 

„        Lortet,  Director  des  Museum  des  sciences  naturelles  in  Lyon. 

^         P.  Castelfranco  in  Mailand. 

^        Gaetano  Chierici,    Director   des  Museo    di   storia  patria  in 

Reggio-Emilia. 
„        Gemellaro,  Director  des  paläontol.  Museums  in  Palermo. 
„        Salin as,  Director  des  Museo  nazionale  in  Palermo. 
^         Stieda  in  Dorpat. 

Als  neue  Mitglieder  werden  angemeldet  die  Herren: 
Rector  Dr.  Wein  eck  in  Lübben. 
Apotheker  Singonowitz,  Charlotten  bürg  bei  Berlin. 
Fabrikant  J<  C.  Schulze,  Berlin. 

(2)  Für  den  24.  d.  M.  ist  eine  Gesellschaftsexcursion  nach  Tangermönde  vor- 
bereitet. 

(3)  Hr.  H.  Fischer  in  Freiburg  übersendet  im  Auftrage  des  Hrn.  Charles  Rau 
in  Washington  eine  Nachbildung  der  im  Archiv  für  Anthropologie,  Bd.  XIV,  S.  161, 
beschriebenen 

aztekisohen  Kindesmaske. 

(4)  Hr.  Wilhelm  Osborne  hat  d.  d.  Dresden,  2.  Mai,  an  Hrn.  Virchow  folgen- 
den Brief  gerichtet,  betreffend  den 

böhmischen  Burgwall  Zamka. 

„Sie  hatten  die  Freundlichkeit,  im  ersten  Hefte  der  Zeitschrift  für  Ethnologie, 
Jahrg.  1880,  S.  82,  eine  kleine  Arbeit  von  mir,  die  sich  „üeber  einen  Fund  aus 
der  jüngeren  Steinzeit"  betitelte,  eines  kurzen  Referates  werth  zu  halten.  Sie 
sprachen  damals  die  Ansicht  aus,  dass  der  beschriebene  Fund  auf  dem  Burgwall 
Zamka  nicht,  wie  ich  annahm,  aus  der  Steinzeit,  sondern  aus  späterer  Zeit,  als  das 
Metall  bereits  bekannt  war,  stamme. 

„Es  freut  mich  Ihnen  heute  mittheilen  zu  können,  dass  Ihre  damals  aus- 
gesprochene Ansicht  durch  Fundgegenstände,  die  der  besagte  Burgwall  bei  Ge- 
legenheit einer  erneuerten  Untersuchung  lieferte,  volle  Bestätigung  findet.  Diese 
Gegenstände  sind:  Ein  Bronzemesser,  eine  Pfeilspitze  aus  Kupfer  und  das  Bruch- 
stück eines  flachen  Bronzeringes.  Das  Messer  wurde  beim  Abgraben  des  Walles 
gefunden,  die  Pfeilspitze  und  den  Ring  fand  ich  auf  der  Oberfläche  des  Feldes. 


(286) 

(5)   Hr.  Jentsch  erstattet  folgenden  Bericht,  betreffend 

Prähistorisches  aus  den  Kreisen  Guben,  Sorau,  Crossen  und  den  Namen  Helnohen. 

I.  Bei  Deulowitz,  5  km  westlich  von  Guben,  ist:  1.  Bei  Abtragung  des 
Damooes  zwischen  zwei  kleinen  Teichen  in  der  Nähe  eines  Torfstichs  vor  einigen 
Jahren  ein  Silberdenar  etwa- 27]  ^  tief  gefunden  worden.  Hs. :  (IMP)  CA£S 
NBR  TRAIANO  OPTIMO  AVG  GER  Kopf  mit  Kranz.  Rs.:  PM  TR  PC  — VI 
PP  S  PQ  R.  Schreitende  unbekleidete  Figur  nait  Helno,  in  der  Rechten  den  Speer, 
auf  der  linken  Schulter  Trophäen.  —  2.  Auf  den  Deulowitzer  Bergen,  einem  Theil 
des  Höhenzuges,  der  nach  Westen  hin  und  weiter  stromabwärts  nach  Süden  das 
Neissethal  begrenzt,  ist  ein  polirter,  flacher,  nicht  durchbohrter  Steinkeil  ge- 
funden. Alle  seine  Begrenzungßflächen  sind  massig  nach  aussen  gewölbt;  die 
Schneide  ist  nicht  gleichmässig  gerundet,  sondern  tritt  zu  einer  der  Seitenflächen 
hin  stärker  zurGck,  so  dass  die  Länge  dieser  Seite  direkt  gemessen  nur  7,7  cm 
gegen  8,1  cm  der  anderen  beträgt;  Breite  der  Schneide  4,8  cm  (direkt  gemessen), 
der  oberen  Seite  3,3  cm;  grösste  Stärke  1,8  cm,  Gewicht  148  g.  Beide  Breitseiten 
sind  in  der  mittleren  Partie  auf  etwa  4  cm  Länge  stark  abgeschliffen,  die  eine 
zeigt  hier  sogar  eine  flache  Einwölbung;  dagegen  ist  die  Schneide  scharf  und  nicht 
abgenutzt.  Das  an  einzelnen  wenigen  Stelleu  poröse  Material  ist  eine  üebergangs- 
form  von  Feuerstein  zu  Halbopal;  die  Färbung  ist  braun  mit  einigen  eingespreng- 
ten unregelmässigen  weissgrauen  Flecken.  Im  Ganzen  stehen  derartige  Funde  in 
der  Niederlausitz  numerisch  erheblich  zurück  gegen  die  durchbohrten  Steinhämmer, 
deren  breite  Seitenflächen  unter  einem  grösseren  Winkel  auseinandergehen.  Aehn- 
liche  Stücke  sind  gefunden  im  Kreis  Guben  bei  Beitzsch,  hellgrau  (Besitzer  Hr. 
von  Wiedebaoh-Nostiz  auf  Beitzsch)  und  bei  Tzschernowitz  im  Schlossgarten, 
defekt,  Färbung  gelbgrau  (im  Besitz  der  Frau  Gräfin  von  Kleist  auf  Tzscherno- 
witz), im  Kreis  Sorau  bei  Jüritz  (Besitzer  Hr.  Rittmeister  Krug  auf  Jessen),  1  dm 
lang,  4  cm  breit,  2  an  dick,  braunschwarz  gesprenkelt,  Kreis  Lübben  2  bei  den 
Hartmannsdorfer  Bergen  (Besitzer  Hr.  Rector  Weineck  zu  Lübben),  in  Kr  Calau 
in  den  Freibergen,  in  Kr.  Luckau  bei  Freesdorf  im  Torfmoor  (Besitzer  Hr.  Dr.  Behla). 

Münze  und  Steinkeil  befinden  sich  im  Besitz  des  Hrn.  Rittergutsbesitzers 
von  Schlichtin g  auf  Deulowitz. 

3.  Auf  der  Deulowitzer  Feldmark  ist  ein  Bronzecelt  ohne  Schaftlappen  ge- 
funden worden,  mit  beiderseitiger  rechteckiger  Vertiefung  für  den  Stiel  (vgl.  Abb. 
im  Gubener  Gymnas.-Progr.  1883,  Nr,  22),  von  derjenigen  Form,  welche  in  der 
Niederlausitz  wohl  die  gangbarste  gewesen  ist,  wie  aus  dem  neulichen  Sammel- 
funde von  Neu  z  au  che,  Kreis  Lübben,  der  die  in  unserer  Landschaft  vorhandenen 
Bronzegeräthe  am  umfassendsten  vorführt,  hervorzugehen  scheint.  (S.  Verh.  1883, 
a  244.) 

II.  Von  dem  am  7.  October  v.  J.  entdeckten  Vettersfelder  Goldfunde 
(Sitzung  vom  20.  Jauuar  d.  J.,  Verhandlungen  S.  129)  scheint  kein  erhebliches  Stück 
verloren  zu  sein;  nur  folgende  Gegenstände  sind  nicht  in  den  Besitz  des  Königl. 
Museums  zu  Berlin  übergegangen:  1.  ein  zwingen  artiger  Ring  ohne  jegliche  Ver- 
zierung von  1,5  cm  Durchmesser  und  ca.  3,5  cm  Höhe,  der  nach  Annahme  eines 
Goldarbeiters  über  2  Ketten  geschoben  war  (eingeschmolzen);  2.  eine  ebene  Platte 
in  Gestalt  eines  Rhomboids;  an  den  beiden  £nden  der  längeren  Diagonale  von  ca. 
5  cm  befand  sich  je  eine  Oehse;  die  Platte  war  belegt  mit  Schleifen  aus  Perlendraht; 
Goldwerth  wenig  über  50  Mk.  (eingeschmolzen);  3.  eine  Kette  aus  Golddrahtgliedern 
von  ca.  18  cm  Länge  und  5  mm  Durchmesser;  Goldwerth  ca.  50  Mk. 

III.  Auf  dem  Drnenfelde  von  Zilmsdorf  bei  Gr.-Teuplitz  seit  Anfang  d.  M. 


(287) 

angestellte  Nachgrabungen  haben  nach  dem  Bericht  im  Niederlausitzer  Boten.  Gott- 
bus, 13.  Juni,  die  älteren  Angaben  bestätigt  (Tergl.  Saalborn  in  der  Zeitschrift  fQr 
Ethnologie  XI,  S.  418,  Nr.  203  ff.),  dass,  wie  bei  Müschen,  Kreis  Cottbus,  drei 
Schichten  yon  Urnen  über  einander  beigesetzt  sind,  deren  unterste  bis  2  m  tief 
liegt.  — 

IV.  Bezüglich  der  Urnen  aus  den  niederlausitzer  Todtenfeldern  ist  mehrfach 
die  Annahme  ausgesprochen,  dass  die  Zahl  der  Buckel  nur  zwischen  4  und  7 
yariiere:  Zu  dem  bereits  im  oben  angeführten  G7mna8.-Programm  S.  23  erwähnten 
Exemplar  mit  3  Buckeln  von  Coschen  W.  treten  gleichartige  in  der  Erug'schen 
Sammlung  zu  Jessen  (von  Jüritz)  und  in  der  gräflich  Brühl 'sehen  zu  Pforten  (aus 
Sakrow,  Kreis  Sorau).  —  In  der  letztgenannten  Sammlung  befindet  sich  übrigens 
auch  ein  fast  ganz  erhaltener  Wendentopf,  der  neunte  aus  der  Niederlausitz  be- 
kannt gewordene,  mit  der  Strasser^schen  Sammlung  erworben,  ^aus  der  Herrschaft 
Forst-Pforten^;  die  näheren  Fundumstande  sind  unbekannt.  Das  Oefass  verjüngt 
sich  nach  unten  ziemlich  schnell;  über  einem  massig  heraustretenden  Wulst  mit 
scharfen  Einstichen  ist  der  Hals  stark  eingeschnürt;  die  Wandung  ist  mit  wage- 
rechten Parallel  furchen  bedeckt;  aus  dem  Boden  tritt  ein  Kreuz  mit  breiten  Armen 
heraus. 

V.  Eine  der  hiesigen  Gymnasialsammlung  unlängst  von  Hrn.  Rittergutsbesitzer 
Fournier  auf  Bau  dach  bei  Crossen  geschenkte,  auf  der  Feldmark  dieses  Domi- 
niums  gefundene  Urne  ist  von  beachtenswerthen  Dimensionen:  die  Höhe  betxiigt 
50  cm,  der  grösste  Durchmesser  61  cm.  Das  Gefäss  ist  sorgfältig  gearbeitet, 
ternnenförmig,  ohne  Henkel  und  Oehsen,  weit  ausgebaucht;  in  scharfer  Furche  ab- 
gesetzt steigt  der  Hals  massig  konisch  sich  verengend  1  dm  hoch  auf.  Die  Fär- 
bung ist  rothbraun,  auf  der  Innenseite  im  unteren  Theile  scbiefergrau ;  die  Aussen- 
seite  ist  bis  zur  weitesten  Ausbauchung  durch  Belag  mit  erweichtem  Thon  künst- 
lich rauh  gemacht  Das  Material,  im  Bruch  schwarz,  ist  mit  vielen  Steinbröckchen 
durchsetzt.  Die  Urne  stand  mit  derOeffnung  nach  unten  über  12  verschie- 
den geformten  Ge fassen,  in  deren  keinem  Leichenbrand  festgestellt  werden 
konnte.  Steinsatz  ist  nicht  beobachtet,  auch  sind  Ausgrabungen  in  der  Umgebung 
noch  nicht  angestellt  worden. 

VI.  Als  Verfertiger  der  Urnen  werden  im  Gubener  und  auch  im  Sorauer 
Kreise  vielfach  die  Heinchen  bezeichnet.  Der  Name  ist  mir  nordwärts  über  Coschen 
hinaus  begegnet;  südwärts  tritt  er  noch  in  Wellersdorf,  Kreis  Sorau,  auf  (vergl. 
Zeitschr.  f.  Ethnol.  XI,  S.  401,  Nr.  187);  im  Westen  scheint  ihn  in  der  Gegend 
von  Forst  die  im  Gubener  Kreise  unbekannte  Bezeichnung  Ludki  abzulösen;  ost- 
wärts reicht  er  bis  an  die  Oder.  Im  Volksmund  wird  er  auf  Heiden chen  (pagani) 
gedeutet,  wie  der  ihm  nicht  selten  parallel  gehende  Jülichen  in  Jüdelchen  um- 
gesetzt wird.  Eine  andere  Beziehung  legt  die  Schreibung  Hunnen  (s.  Zeitschr.  f. 
Ethnol.  a.  a.  0.  Hunnenhäuser)  in  denselben  hinein.  Vielleicht  wirft  auf  seine  Ent- 
stehung eine  Notiz  Licht,  die  Prof.  Knothe  zu  Dresden  in  seinem  Aufsatz  über: 
^Die  verschiedenen  Klassen  slavischer  Höriger  in  den  wettinischen  Landen  während 
der  Zeit  vom  11.  bis  zum  14.  Jahrhundert^  (Neues  Archiv  f.  sächs.  Gesch.  IV. 
1883,  S.  33)  mittheilt:  „Als  eine  fünfte  Klasse  Höriger  werden  1181  die  proprii, 
1122  die  Heyen  genanot.  Haltaus  (Glossar.  905  unter  dem  Worte  Hien)  sagt: 
Hien,  Hin,  Hyen,  Hygen,  Heyen  vocabulum  veteris  Saxoniae.  Danach  war  es  also 
ursprünglich  eine  Bezeichnung  altsäcbsischer  Höriger,  welche  auf  die  slavischen 
Hörigen  nur  erst  übertragen  wurde.  Im  alten  Sachsenlande  scheinen  diese  Heyen 
eine  zahlreiche  und  in  den  Dörfern  sesshafte  Klasse  gebildet  zu  haben,  welche 
unter   eigenem  Gericht   standen^.     1259    wird  die  Hiensprake,    1348  das  Gericht, 


(288) 

quod  Tolgariter  dicitur  ein  hienspracke.  erwähnt**  E»  wäre  wohl  denkbar,  da»» 
Bfikshßische  Einwanderer  hier  den  Ausdruck  auf  die  unterjoch teo  Slaven  in  den 
Dörfern  übertragea  hatlen,  uod  das»  später  der  Name,  als  er  nicht  mehr  offizielle 
Geltung  hatte^  als  ein  abgestorbener  den  abgestorbenen  Generationen,  denen  man 
die  Herstellung  der  Todteotöpfe  und  anch  der  Sumpfburgen  zuschrieb,  verblieben 
wäre.  Das»  die  Bezeichnung  in  unseren  Urkunden  noch  nicht  nachgewiesen  ist, 
würde  sich  erklären  aus  der  yerhältnissmassig  geringen  Zahl  solcher  Schriftstucke, 
die  jene  Verhältnisse  berühren. 


(6)    flr,  Direktor  Wein  eck  in  Lubben  berichtet  über 

Funde  aus  dem  Kreis«  Lüblien. 

1.  Steinkirchen.  a)  SO.  nahe  bei  der  Forsterei  Kllerboro,  grosses,  von  der 
Eisenbahn  durchzogenes,  ca.  300  Schritt  langes  und  200  Schritt  breites  ürnenfeld. 
Auf  den^  älteren  Theil  viele  und  zierliche  Beigefössc,  Feuerstein,  Bronzen  (kleine 
Ringe,  Fibeltheile),  blaue  und  gelbbraune  Glasperlen;  besonders  erwähnenöwerth  ein 
grossentheils  mit  Steinen  re  gel  massig  bis  über  1  m  Höhe  umsetztes  grosses  und 
reiches  Grab,  Auf  dem  jungem  Theil  des  Feldes  anders  geformte  und  verzierte 
Urnen  mit  sehr  wenig  Beige^sen,  Bronzen  (geschmolzener  Schmuck  mit  Ring, 
grosser  Fingerreif,  kleiner  Armring  mit  dünner  kreiaförmiger  Platte,  kleiner  dünner 
Fingerreif  mit  Oehse,  in  die  das  andere  Ende  eingreift,  Schnalle)  Eisen  (2  unvoll- 
ständige Nadeln  und  Brocken)  und  Glasperlen,  b)  nahe  bei  dem  Dorfe:  Drnen, 
theilweise  unter  f5rmlicher  Steinpflasterung,  Bronze  (Fingenreif,  vierkantige  Nadel- 
spitze* c)  dicht  am  Dorfe:  Urnen,  Bronze  (Nadel  mit  Kopf,  dünnes  Blech,  wohl 
Beschläge),  graubraune  Thonperlen,  durchbohrt. 

2.  Lubben,  a)  0.  dicht  bei  der  Stadt  und  bei  dem  Kietz,  also  wohl  älteste 
Niederlassung:  2  Urnenfelder,  zahlreiche  Urnen ^  auch  etagenmassig  gesetzt,  mit 
vielen  und  mannichfaltigen  Beigaben,  Bronze  (mittel groeeer  Ring  für's  Handgelenk), 
2  mühlsteinähnliche,  auf  einander  passende  und  auf  einander  gedrehte  Steine,  aber 
nicht  Mühlsteine,  da  beide  durchbohrt  sind,  an  dem  unleren  Ende  der  höhere 
Rand  und  am  oberen  die  Griffe  fehlen,  b)  NW.  an  den  sog.  Hartman nsdcrfer 
Bergen:  ürnenschcrben,  Feuerstein  (zahlreiche  Messerchen,  Pfeilspitzenj  Abfall ati'icke), 

3.  Hartmannsdorf,  a)  NW.  vom  Dorfe  an  der  Roggaschenze  (Düne) 
^LütcheDbacköfen*',  Urnen  (grob,  gross,  roh  verziert);  b)  N.  Urnen,  Eisen  (WaflPeo 
aus  der  Ritterzeit?).     W,  davon   im  Moor  2  grosse  polirte  Feuerstein meissel. 

4.  Klein-Lubholz.  a)  WNW.  von  Lübben  um  Windmühlen  berge:  Drnen; 
(vermuthlicb  Bronze*)  Celt;  b)  an  der  Flurgrenze  von  Niewitz  dicht  bei  der  Berste 
2  grosse  Urnen felder,  Eisen  (Speere),  Golddraht,  —  Grosse  Üstrine  von  mir  blos- 
gelegt,  C>  m  lang,  Sm  breit,   Pflasterung  mit  Lehm,  Richtung  NNW,  zu  SSO. 

fi.  Hagow er  Heide,  Ellerborn  For.stbf*zirk,  ',4  Stunde  von  R.  nordöstlich: 
Urnen  (gröber,  anders  verziert  als  auf  dem  Todtenacker  unter  la),  Bronzen,  Eisen 
und  blaue  und  gelbbraune  Glasperlen  zusammen  (wohl  Halsschmuck),  vornehmlich 
Eisen  (zwei  je  10  cm  lange  unvollständige  Nadeln,  eine  38  m»  lange  Nadel  mit 
scheibenförmigem  Kopf,  zur  Nadel  parallel  stehend;  3  Theile  eines  Görtelbeschlags 
mit  lose  angeschmiedeten  Ringen  und  einem  grossen  Gürtel h«ken,  wohl  La  Teoe- 
Cultur;  3  kleine,  schwache,  auffallend  glatte  Armringe. 

H.    Krugau:    Urnen,  Bronze. 

7,  Sglietz,  „Scliwedenkirchhof*,  von  mir  noch  nicht  besichtigt,  soll  keio 
BurgwatI  sein,  wohl  auch  Urnenfeld, 

8*    Zwischen  Öglietz  und  Hessec  im  Monr  ein  durchbohrter,  metalleuer  Beil- 


(289) 

hammer,  wohl  Bronze,  Stiel   umwickelt  mit  Metalldraht,   in  Berlin  im  Provinzial 
Maseum  (Angabe  eines  Lehrers). 

9.  Wittmannsdorf:  Urnen. 

10.  Neuzauche:  4  Urnenfelder  nach  Angabe  des  Herrn  Cantor  Lakas, 
welcher  auch  Urnen  besitzt,  die  in  Form,  und  namentlich  in  der  Zeichnung  von 
den  Steinkirchenern  oder  Lübbenem  ziemlich  abweichen. 

11.  Altzauche:  Urnen. 

12.  Straupitz:  grosser  Bronzefund. 

13.  Zeust  bei  Friedland,  jenseits  des  Schwielochsee's:  unterirdischer  Steinbau, 
6  Fuss  unter  dem  Boden.  Die  Grundmauern  von  grossen  Feldsteinen  fest  mit 
Lehm  gemauert,  2  Fuss  stark,  47,  hoch;  der  Boden  des  Innenraums  mit  einer 
festen  Lehmschicht  bedeckt,  der  ganze  übrige  Innenraum  mit  kleineren  Feldsteinen 
in  Lehm  ausgemauert,  darinnen  nur  2  ganz  ummauerte  Hohlräume;  in  denselben 
je  ein  ca.  8  Zoll  hoher  Topf,  ein  ^wendischer  Topf",  wie  sie  dort  noch  vor  30  bis 
40  Jahren  gebraucht  wurden ,    auf  einer  handhohen  Schicht  Asche ,    darum    herum 


Pferdeknochen,  und  in  dem  sie  füllenden  Grus  je  ein  eiserner  Bohrer  von  9  bis 
11  Zoll  Länge  aufrecht  hineingesteckt.  Keinerlei  Zugang,  weder  von  oben  noch 
von  der  Seite.  Ich  habe  den  Bau  nicht  mehr  gesehen;  die  Zeichnung  nach 
genauester  Erkundigung.  Dicht  am  Dorfe  ein  ausgedehntes  Urnenfeld.  Die  von 
mir  in  der  Eile  herausgebrachten  Scherben  von  Todtenurnen  und  Beigefassen 
weichen  von  den  hier  beschriebenen  in  Form  und  Zeichnung  ab.  Die  Gefasse 
waren  in  der  steinreichen  Gegend  mit  Feldsteinen  dicht  umsetzt.  Früher  dabei 
ein  Bronzering  (kleiner  Armring?)  gefunden. 

14.  Friedland:  2  Urnenfelder.  Das  eine  vor  7 — 8  Jahren  zum  Theil  aus- 
genommen, mit  früher  deutlich  erkennbaren  Hügelgräbern.  Die  Urnen  auf  platten 
Kalksteinen  (aus  einiger  Entfernung  hergeholt)  stehend,  mit  Steinen  locker  umsetzt 
und  mit  grösseren  Steinen  bedeckt.  Bronze  (11  Metallnägel,  unter  dem  Knopf  ge- 
ringelt, also  wohl  Nadeln). 

15.  Skuhlen,  zwischen  Mittweida  und  Wittmannsdorf:  2  Urnenfelder  an  den 
gegenüberliegenden  Rändern  eines  alten  Luchs.  Auf  beiden  Hügelgräber  mit 
mächtigem  Steinsatz,  zum  Theil  schon  ausgenommen.  Ganz  dichte,  3— 4  m  lange, 
2  m  breite  und  ^/j —  1  m  hohe  Steinmauerung  mit  Lehm,  darin  ganz  knappe  Hohl- 
räume, in  denen  die  Gefässe  eben  Platz  hatten,  daher  alle  mehr  oder  weniger  zer- 
drückt. Dem  Alter  nach  scheinen  beide  Felder  verschieden:  in  dem  einen  viele 
Urnen  und  Beigefässe,  meist  von  sehr  feinem  Thon,  schöner  Form  und  mannich- 
faltiger  Verzierung,  und  eine  Bronzenadel;  im  andern  wenige  sehr  grobe  und  un- 
verzierte  Gefässe  und  ein  ganz  kleines  Klümpchen  zerfallender  Bronze. 

16.  Mittweida:  ähnliche  Hügelgräber. 

V«rhandL  der  B«rl.  AnthropoL  GMellaehaft  1883.  19 


(290) 


17.  Grosfi-Leinet  Urneiifeld,  auch  längst  ausgeeommen,  wenn  nicht  noch 
Reste  in  der  Heide. 

18.  Klein-Leine:  desgleichen. 

19.  Trebatach,  im  Gurten  des  Gastwirtliä:  eine  mehr  als  1  m  hohe,  kegej- 
formige  Mauerung,  oben  offen,  mit  weissem  Sand  gefüllt;  darin  ein  Krug  mit 
grossem  Henkel,  voll  Sand;  oben  auf  der  Mauerung  ein  Pferdegerippe,  alles  einige 
Fuss  in  der  Erde.     So  nach  Beschreibung  des  Wirthes, 

20»  Im  Kreise  Luckau  Neundorf:  4  üruenfelder,  Feuerstein messer,  Eiseo 
(Schwert  mit  Scheide,  zerbrochen^  doch  vollständig;  Schnalle,  Scheere),  Schance 
aswischon  Neundorf  und  Duben,  darin  gemauertes  Grab,  dabei  Urnen;  weiter  ab 
Bronze  (Celt,  Dolch),  Steinsachen  (Hammer,  Keil)  im  Torfstich.  Hier  auch  eine 
Buckelurne,  um  Lübben,  Ragow,  Crimoiti,  Lübbenau  nie.  Sammlung  des  Amt- 
mann Paschke.  — 

Ferner  ü  hersendet  Herr  Wein  eck  folgende  briefliche  Mittheilungen  des  Herrn 
Oberprediger  Krögpr  zu  Lieberose  über  dortige  Funde  des  Kreises  Lubben: 
Unsere  Gegend  ist  reich  gewesen  an  ürnenfriedhöfen,  aber  sie  sind  meist  bei  den 
Ghausseebauten  und  dem  Steinesuchen  dazu  zerstört. 

2L  Bei  Lieberose  wurden  mir  Fundstätten  genannt:  a)  in  NO.  am  Wege 
von  hier  nach  Trcbitz,  nahe  der  Stadt;  b)  weiter  an  der  Chaussee  von  hier  nach 
Friediand  I  Stunde  im  N,  von  der  Stadt  „Topfe",  c)  Ya  Stunde  im  NW.,  neben 
dem  Stockabof  genannten  Luubwalde,  liegt  ein  mit  Waldbaumen  bestandener  Berg, 
lenannt  das  ^alte  Schloss**,  ohne  Ueberlieferungen  von  einem  solchen;  von  3  Seiten 
von  fli essendem  Wasser  und  breiten,  morastigen  Wiesen  umschlossen,  hiingt  er  nur 
an  einer  Seite  mit  dem  festen  Lande  zusammen,  leicht  zu  vertheidigen  durch  einen 
kunstlich  gemachten,  steilen  Abhang.  Die  Vorderseite  und  vorderen  Seitenrander 
sind  hoher  als  der  &o  gcfichutzte  Innenratim.  Die  schroffen  Abhänge  zeigen 
kunstliche  Anschüttung,  bestätigt  durch  den  tiefen  Humus  (entsäuerte  Erde  aus 
den  anliegenden  Torfwiesen),  der  sich  beim  Graben  der  Baumlocher  findet.  Als 
ich  im  Frühjahre  mit  Herrn  Grafen  von  der  Schulen  bürg,  Besitzer  des  Burg- 
walls, hier  grub,  fanden  wir  oben  auf  dem  Berge  1^ — 4  Fuss  tief  viele,  raannicbfach 
verzierte  Scherben^  ziemlich  fest,  ohne  Henkel  Masse  wie  Verzierungen  verhfilt- 
nissmiissig  roh;  einige,  nur  kleine  Stucke  zeigten  Wellenlinien.  Ferner  zu  Schlacken 
gebrannte  Topfscherben,  unverbr^junte  Knochen  und  Hörner  von  Thieren;  ein  Stück 
Schlacke  mit  einer  Art  (vielleicht  zufälliger)  Glasur,  dann  Scherben  mit  ganz  aus- 
gesprochen  gelber  Glasur  als  Zeugniss  der  Benutzung  des  Bnrgwalls  bis  in  ge- 
schichtliche Zeit.  £n  der  Mitte  des  Burgwalls  flach  vergraben  neben  Burgwall- 
sclierbeo  die  Stücke  eines  geschliffenen  Steiahammerg  mit  Spuren  des  Stiellochs. 
In  dem  hinteren,  zurück  gelegensten  Theile  ist  die  natürliche  Grundlage  des 
Schlossberges  eine  sandige  Bodenerhehung  über  dem  Wiesengrund.  Dort  (wenig 
über  der  Wiesenoberfläche)  samrat  den  Trümmern  von  zierlicheu  ßeigefässen  ger- 
manische  Scherben  eines  Henkeigefasses  mit  triangulären  eingerieften  Strich  Ver- 
zierungen^ dabei  Feuersteinsplitter,  eine  Anzahl  nicht  grosser  Feldsteine  (dort 
im  Sande  nicht  verkommend)  und  endlich  in  einem  Haufen  beisammen  die 
Trümmer  einer  (?)  menschlichen  Figur  (?)  aus  schwach  gebraniitem(?) 
weichem  Lehm. 

Oben  auf  der  Hohe  des  „alten  Schlosses**,  da  wo  die  höheren  Ränder  am 
meisten  den  tieferen  Innengrnnd  ubi^rragen,  nicht  auf  der  Mitte,  sondern  mehr  seit- 
wärts im  Grunde  wurden  die  Grundmauern  eines  nicht  grossen  Gebäudes  gefunden. 
Sind  dies  die  Reste  des  alten  Schlosses,  aus  dem  Thiederich  der  Jüngere  (oder 
Ticemannus),  Landgraf  von  Thüringen,  Markgraf  der  Ostmark  und  Lausitz  (Aclam 


(291) 

et  dictum  Luberaz)  1300,  an  das  Kloster  Neuzelle  die  ScheDkuag  von  4  Hufen  in 
Welmenicz  macht  (vergl.  Wilkii  Ticemannus  sive  vita  Theodorici  junioris  etc. 
Lipsiae  1754,  II.  Diplom.  115)?  Denn  Stadt  und  Schloss  waren  damals  landes- 
herrlich (immediat),  vergl.  Stadturkunde  von  Lieberose  von  1302  bei  Wilke  Tice- 
mannus II.  p.  164,  Diplom.  130  und  I.  p.  240.  Wenn  also  in  alten  Urkunden, 
z.  B.  von  1301  bei  Worbs  Inventarium  diplomatic.  Lusatiae  inf.,  Lübben  1834  I. 
p.  115  y)Stadt  Lubraz^  und  ,,Burg  Lubraz^  aufgezählt  wird,  oder  1336  bei  Riedel 
Codex  diplom.  Brand.  2.  II,  p.  112  —  114  ^Wibilde  unde  hus  tzu  Lubraz^,  so 
suche  ich  dies  „hus**  oder  „Burg**  hier  auf  dem  „alten  Schloss".  ^ 

22.  Nahe  Speichrow  zwischen  dem  Schwielochsee  und  einer  grossen  tiefen 
Wiesenniederung,  liegen  die  allgemein  so  genannten  Ludgen  berge,  jetzt  mit  Kiefern- 
schonung bestanden,  an  derem  Rande  ich  grosse  Steine  aufgeschichtet  sah,  mög- 
licherweise von  Urnenfeldern. 

23.  Bei  Lamsfeld  nahe  dem  grossen  und  kleinen  Mochowsee  in  den  Bauern- 
forsten nach  der  Beschreibung  von  Steinsuchern:  Urnen  mit  Knochen,  Asche  und 
Saud,  ringsum  kleine  Näpfe  aller  Art,  das  Ganze  mit  Feldsteinen  umpackt. 

24.  Jamlitz:  beim  Bau  der  Chaussee  nach  dem  Bahnhof,  beim  Abgraben 
eines  Hügels,  dicht  am  Dorf  Urnen. 

25.  Dicht  beim  Vorwerk  Hollbrunn,  Va  Stunde  SW.  von  Lieberose,  an 
mehreren  Stellen  Urneoscherben.  Ein  Schlag  im  Lehmfeld  heisst  „die  Backofen- 
breite", weil  beim  Ackern  die  Pferde  durchgetreten  sein  sollen  in  einen  alten 
Backofen  (?),  der  sogleich  zugeschüttet  worden  sei  (ein  Steingrab?).  Auf  einem 
sandigen  Ackerplan  dort  sah  ich  eine  Menge  kleiner,  weisser  und  schwarzer,  un- 
verzierter  Urnenstückchen  liegen,  die  der  Pflug  zerarbeitet  hatte.  Einmal  grub  ich 
vergeblich. 

26.  Blasdorf.  Ich  besitze  von  hier  die  Stücke  einer  Bronzenadel,  gefunden 
in  einer  einzelnen  Urne  ohne  Steinsatz,  beim  Kiefernstubbenroden,  gefüllt  mit 
Knochen  und  Asche. 

27.  Mochow:  Henkelurne  von  25  cm  Durchmesser,  unverziert,  mit  Stücken 
einer  zerbrochenen  Bronzenadel  in  Leichenbrand;  dicht  daneben  fand  ich  in  Asche 
und  Knochen  eine  ganze  Bronzenadel,  13  cm  lang,  Stücke  einer  Urne  mit  Buckeln 
(etwa  3  cm  heraustretend),  Scherben  mit  triangulären  Strichverzierungen. 

Aus  dem  südlichen  Tbeile  des  Ejreises  Luckau,  wo  ich  früher  lebte,  besitze 
ich  von 

28.  Rücke rsdorf  eine  13  cm  lange,  scharf  behauene  Lanzenspitze  (oder 
zweischneidiges  Messer?)  von  Feuerstein,  auf  dem  Felde  1876  beim  Rigolen  ge- 
funden. 

29.  Friedersdorf,  südlich:  umfangreicher  Urnenfriedhof,  etwa  5  Morgen 
gross,  längst  durchwühlt,  jenseits  der  Wiesenniederung  auf  sandigem  Anberg  am 
Nordabhang  des  Lausitzer  Grenzwalls.  Bei  den  Scherben  einer  Urne  mit  con- 
centrischen  Kreisen  um  schwach  buckelartige  Verzierungen  Eisenschmuck:  a)  etwa 
0,6  cm  starker,  3,5  cm  langer,  2,2  cm  breiter  Ring  mit  daran  gearbeiteten,  zu  je 
2  sich  gegenüberstehenden  Blättchen  (bis  auf  2  jetzt  abgebrochen);  b  und  c) 
2  ganz  gleich  gewesene  Schmuckstücke,  oben  wie  ein  Entenkopf  auslaufend  (etwa 
Ohrgehänge?),  beim  Ausgraben  als  oxydirte  Sandklumpen  herausgeworfen,  und 
trotz  vorsichtigen  Abschabens  des  Sandes  zum  Theil  zerbrochen.  Die  von  mir 
ganz  herausgehobenen  kleinen  Gefässe  lagen  meist  umgekehrt  (dabei  Haufen  von 
Asche  und  gebrannten  Knochen).  Sonst  meist  Scherben,  zum  Theil  von  ungewöhn- 
licher Güte  der  Masse  (weisslich,  gelb,  auch  rothlich,  von  grosser  Feinheit  und 
Glätte).      2  Gefässe  (1  weiss,    1  schön  roth)    mit  Buckelfeldern,    1  io  Form    einer 

19* 


(292) 


modernen  Tbeekanne  mit  J ei atep artigen,  angesetzten  Streifen  Ton  oben  nftch  unten 
und  angpaetÄtem  Bodenraud,  &o  dasa  es  auf  diesem,  nicht  dem  ganzen  Boden  sUnd. 
Die  hohe  Kunstfertigkeit  in  Masse  und  Form  kann  ich  mir  nur  au?  der  Nähe  des 
grossen  und  vorzfiglichen  Thoiilagers  von  HohenleipiRch  (an  der  Berlin-DreBdener- 
Bahn)  und  Döilingen  erklären,  so  dasa  dies  berühmte  Tbonlager  schon  ira  Alter- 
thuDB  eine  hervorragende  Keramik  aich  hat  entwickeln  lassen.  Berüglich  des  Etsen- 
Bchmucks  sei  bemerkt,  dasa  in  dem  ganzen,  nördlich  am  Urnenfelde,  nach  Frie- 
dersdorf sich  erstreckenden  Felde  Raseneisen&tein  in  grossen  Mengen  sich  findet, 
früher  in  jener  Gegend  (in  Lauchhammer)  auch  außgebeutet.  Ist  doch  die  ganze, 
Btattlicbe  Kirche  in  Friedersdorf  samrot  dem  üriterbaii  des  Th armes  aus  hartem, 
scharfkantig  behaueaem  Raseneisenstein,  nach  der  Üeberliefcruag  von  jeneai  Felde, 
gebaut  Auch  fand  ich  dicht  beim  ürnenfelde,  1  tn  tief  in  der  Erde,  grosse  Eisen- 
schlacken. Glasur  war  auf  keinem  der  Gefiisse.  Ich  fand  aber  später  beim  Um- 
bau des  Altars  der  Kirche  in  Kückersdorf,  die  urkundlich  1319  gebaut  ist,  ein 
kleines,  etwa  8  cm  hohes,  krugartiges  Reliquiengefäss  mit  gelber  Glasnr, 

30.  Tröbitz;  grosseres  Urnen feld.  Ich  grub  nur  noch  unbedeutende  Scherben 
mit  unregel massig  eingeri taten  Strichen  bei  Feldsteinen  aus.  Der  frühere  Pastor 
Ritter  (vor  1872)  soll  indessen  viele  grosse  Gefässe  dort  ausgegraben  und  theila 
nach  Berlin  gesandt,  theila  mitgenommen  haben  (ging  von  dort  nach  Niederscbutt- 
lau  bei  Glogau  i.  S.).  — 

(7)  Hr.  Handel  mann  übersendet  einige  Nachtrige  zu  den  Mittheiluiigen  des 
Hrn.  Treichel  (S.  77—84)  Über 

Volksspfele 

1.  ThiermaßkeD,  Scbon  in  meinem  Büchlein  iiber  „Weihnachten  in  Schles- 
wig-Holstein** (Kiel  I86G),  S.  69 — 78  und  Äamerkung  57,  habe  ich  darauf  hin- 
gewiesen, dass  die  Thiermasken,  welche  in  den  festlichen  Aufzügen  der  Zwölften 
u.  8.  w.  vorkommen,  ohne  Zweifel  bis  in  die  heidnische  Vorzeit  zurückreichen  und 
von  der  üblichen  Verkleidung  in  die  Haut  der  Opferthiere  berstamniea.  Im  6.  Jahr- 
hundert und  später  erwähnen  mehrere  Kirchenlehrer  aus  Deutschland,  Engiand  und 
Frankreich,  dass  in  den  ersten  Tagen  des  Januars  die  Heiden  und  leider  auch 
manche  Getaufte  verkleidet  in  unanständiger  Missgestalt  sacrilayische  Tänze  auf* 
führen  und  durch  Ausgelassenheit  beim  Trunk  und  schändliche  Gesäuge  die  Dä- 
monen gleichsam  zum  Opfer  einladen.  ^Einige  kleiden  sich  in  die  Felle  ihres 
Viehes,  andere  setzen  sich  Thierhäupter  auf,  darüber  sich  freuend  und  ergötzend, 
dass  sie  sich  so  in  die  Gestalten  wilder  Tliiere  umgewandelt  haben.**  Auch  auf 
mittelalteriicheu  Miaiaturbildern  aus  Eoglaud  sehen  wir  Tänzer  mit  ThiernifiskeD 
dargestellt,  ebenso  wie  Puck  in  Shakespeare's  Sommernachtstraum  dem  Weber- 
meister Bottom  einen  Eselskopf  anzaubert.  Die  Namen  blieben  an  manchen  A^olks- 
spielen  haften,  auch  als  die  Masken  verschwanden  (z.  B.  Blinde  Kuh,  Hinkebock'^ 
u.  s.  w,),  und  die  lebhafte  Phantasie  der  Kinder  konnte  sich  leicht  über  den  Mangel 
hinwegsetzen. 

Indem  ich  die  Mittheilungen  und  zum  Theil  mythologischen  Deutungen  a.  a.  0. 
nachzulesen  bitte,  habe  ich  nur  wenige  Nachweise  beizufügen: 

Auch  bei  den  Insel-Esten  macht  man  zu  Weihnacht  den  Weihnachtßbock 
(joulopok)  und  die  Weihnachtsgans  (joulohauni);  s.  VerhandluDgen  der  gelehrten 
Eatnischen  (Gesellschaft  Bd.  VU,  Heft  2,  S.  56  und  114. 

Dem  Gansreiter,  welcher  ebenso  wie  der  Schimmelreiter  ein  Maskenbild 
Wodau*s  ist,  begegnete  ich  in  einem  Weih  nachts  brauch  zu  Seelze,  unweit  Hamiover, 


(293) 

und  in  der  Sage  vom  Klowenhoog  auf  Sylt;  s.  Zeitschrift  der  Gesellschaft  f.  Schl.- 
Holst-Lbg.  Geschichte  Bd.  XI,  S.  234. 

Das  Ochsenschiach ien  kommt  als  Fastnachtsscherz  auch  in  Friedrichstadt, 
Herzogthum  Schleswig,  vor;  s.  a.  a.  0.  S.  235. 

Auch  hier  wiederhole  ich  die  dringliche  Bitte,  dass  man  solchen  Thiermasken 
überall  möglichst  genau  nachspüren  möge^).  — 

2.  Stepke  und  der  Plumpsack.  Laut  Grimm's  Deutscher  Mythologie, 
2.  Ausg.,  S.  955,  „ist  in  einem  grossen  Theile  Deutschlands  jetzt  ein  Ausdruck  für 
Teufel  verbreitet,  der  überall  nur  in  der  Diminutivform  gebraucht  wird;  nieder- 
s&chsisch  Stöpke,  Stopke  in  der  Helle;  in  der  Maingegeod  Stebchen,  Stä- 
bgen; in  der  Gaunersprache  Steppche,  Stepches;  obersüchsisch  Stebgen, 
Stöpgen;  thüringisch  Stöpfel;  im  Badischen  Steuble.  Man  versteht  darunter 
zumal  den  fliegenden  feurigen  Drachen,  der  in  die  Häuser  seiner  Ergebenen  ein- 
kehrt und  ihnen  Geld  oder  Korn  zuträgt'-')*'.  Ob  dies  Diminutiv  von  dem  Personen- 
namen „Stephan*'  abzuleiten,  lässt  Grimm  (S.  956)  zweifelhaft.  Dagegen  erwähnt 
or,  dass  die  Soldaten  ihren  Profoss  „Stepchen*'  nennen,  ebenso  wie  hier  der  Büttel 
im  Volksspiel  heisst. 

Soviel  ich  weiss,  ist  das  Spiel  zuerst  kurz  angedeutet  in  Chr.  F.  Weisse's 
„Kinderfreund"  (95.  und  96.  Stück  vom  26.  April  bis  3.  Mai  1777),  wie  folgt:  „Es 
wurde  fast  nichts  als  Klumpsack  (sicl)  gespielt  .  .  .  Des  armen  Siegfrieds  Hände 
waren  ganz  aufgelaufen.  .  .  .  Z.  B.  da  spielten  wir  ein  Ding,  das  hiess  Amtmann, 
Büttel,  Dieb  u.  s.  w.,  da  schanzten  sie  ihm  immer  das  Blatt  aus  der  Karte  zu,  das 
der  Dieb  ist,  und  der  Kläger  wusste  auch  allezeit,  wer  der  Dieb  war.** 

Gutsmuths:  „Spiele"  (2.  Auflage,  Schnepfenthal  1796)  S.  290—93,  giebt  eine 
ausführliche  Beschreibung  des  Spiels,  das,  wie  er  sagt,  „in  manchen  Gegenden  be- 
kannt genug  ist**;  und  daraus  ist  dasselbe  in  die  ganze  moderne  Spielliteratur  über- 
gegangen. Nach  Gutsmuths  ist  As  (Daus)  der  Amtmann,  Dame  (Ober)  Kläger, 
Bube  (Unter)  Büttel,  Sieben  der  Dieb.  —  Bei  der  Strafvollstreckung  werden  mei- 
stens nur  drei  Grade  unterschieden:  „aus  dem  Schmalz I**  (oder  wie  es  in  Schwaben 
heisst:  „aus  dem  Butter!**),  „aus  dem  Salz!**  und  „aus  dem  Pfeffer!**  („aus  dem 
ff!**).  —  Zum  Schluss  fragt  der  Amtmann:  „Herr  König,  habe  ich  recht  gerichtet?„ 
Worauf  der  Konig  nach  seinem  Ermessen  antwortet :  „Ja,  Dein  Urtheil  spricht  Dir 
Gnade I*',  oder  „Nein,  Dein  Urtheil  spricht  Dir  so  und  so  viel  Streiche!*,  welche 
der  Büttel  dann  dem  Amtmann  aufzählt  (Ernst  Meier:  „Deutsche  Kinderreime 
und  Kinderspiele  aus  Schwaben*'  S.  131). 

Das  Stepke-Spiel  hat  sich  vereinfacht  zu  einem  gewöhnlichen  Kartenspiel  (Drei- 
blattspiel); doch  bleibt  auch  hier  der  Büttel  mit  dem  Plumpsack  in  Funktion.  S. 
die  Beschreibung  in  Krünitz'  ökonomisch -technologischer  Encyclopädie  Bd.  158, 
S.  21—22. 

Die  „Europa**,  Jahrgang  1863,  Nr.  18,  S.  572,  beschrieb  ein  verwandtes  Würfel- 
spiel aus  Persien  (das  Schahspiel).  Von  den  sechs  Seiten  eines  Würfels  sind 
vier  mit  Figurfen  bezeichnet,  nehmlich  mit  einem  Schah,  Wessir,  Räuber  und  Bauer. 
Der  Bauer  gilt  Nichts.  Wer  zuerst  „Schah**  wirft,  setzt  sich  als  solcher  auf  einen 
Teppich.     Wer    zuerst  „Wessir**  wirft,    tritt   als    solcher  neben  den  Schah.     Wirft 


1)  Vergl.  übrigens  W.  Mannhardt:  „Antike  Wald-  und  Feldkulte«  (Berlin  1877)  S.  183 
bis  200,  das  mir  leider  augenblicklich  nicht  wieder  zur  Hand  ist. 

2)  Martin  oder  Stöppchen  heisst  der  fliegende  Drache  auch  in  H.  L.  Fischer^s  .Buch 
vom  Aberglauben*  (Leipzig  1790)  S.  78  und  in  R.  Z.  Becker' s  ,Noth-  und  Hülfsbächlein, 
Theil  I,  S.  366. 


eiD  dritter  „R&uber*',  bo  führt  der  Wessir  ibo  vor  den  Schah  und  bescbulcligt  ibn 
irgend  eines  ansiDDigee  Vergeheos,  z.  B.  er  habe  des  Schahs  Schwester  am  Barte 
gezupft.  Darauf  spricht  der  Schah  eine  Strafe  auSj  welche  gewöbülicb  in  einigen 
Hieben  mit  einer  zusamraengedrebten  Schärpe  besteht. 

Die  Anwendung  des  Plumpsacks  im  Orient  bezeugt  übrigens  schon  Adam 
Olearius  (^Moskovitische  nnd  Persianische  ßeisebeschreibung**,  Buch  V,  Kap.  22). 
Im  Frühjahr  Hj38  sah  er  bei  einer  Hochzeit  zu  Scbaniachi  in  Schirwan,  jetzt  zur 
Kaspiscben  Provinz  Russlande  gehörig,  daBS  diejenigen  Gaste,  welche  zu  sp?ir  kamen 
u.  derg].,  yjmit  einem  zusammengedrehten  Nasetuch  auf  die  Fusssohlen  geschlagen 
wurden.'* 

Viel  früher  noch  sehen  wir  den  Plumpsack  auf  englischen  Miniaturen  des  Mittel- 
alters, namentlich  bei  der  Darstellung  des  Blindekub-Spiels,  wo  die  Sehenden  ihre 
Kapuzen  abgenommen  und  in  einen  Knoten  geschürzt  haben,  um  den  Blinden  damit 
zu  schlagen  (J.  Strutt  „Sports  and  passtimes  of  the  people  of  England."  Loo- 
don  1801;  2.  ed.  by  W.  Hone  18300. 

(8)   Hr.  Handelmann  berichtet  über 

einige  Thongefässe  von  Borgstedterfelde. 

Von  den  yielen  schonen  Thongefassen  aus  dem  Urnen begräbnisspf atz  bei  Bor 
stedterfelde,  unweit  Rendsburg,  ist  bisher  nur  die  sogenannte  Figuren-Ürne  publi- 
cirt^).  Ich  erlaube  mir  daher  eine  pbotographische  Aufnahme  von  sechs  besonders 
hemerkenswertben  Urnen  zu  überreichen,  welche  im  Katalog  des  Schleswig-Hol- 
steiniscben  Museums  folgendermaassen  iuyentarisirt  sind : 

4021  k.  Urne,  hoch  16\'.j  cm,  grösster  Durchmesser  21^3  cm  auf  7  cm  Hohe^ 
Durchmesser  oben  10  vm^  unten  7Vs  cfn.  Von  der  grössten  Weite  sich  konisch 
verengernd  bis  an  den  4  cm  hohen,  etwas  eingezogenen  Hals.  Unterhalb  des  Halses 
drei  flache  Parall  elf  ureben;  von  dort  an  bis  zur  grössten  Weite  von  rechts  nach 
links  abwärts  cannelirt.     Feine  graue  schollige  Glätte. 


ff/ii  «    ^ 


^^5».^. 


Nr.  4021  k. 


Nr.  um  k. 


Nr.  40251. 


4044  k.  Urne,  gegenwartig  13  cm  hoch,  grusster  Durchmesser  20  an  auf  5  cm 
Höhe,  Durchmesser  unten  7  cw*,  oben  77^  cm.  Von  der  gdissten  Weite  verengert 
sich  das  Ge^s  ringsum  um  4  cm,  wodurch  ein  4  cm  breiter >  nach  aussen  ab- 
geschriigter  Rand  entsteht;  derselbe  ist  bedeckt  mit  von  links  nach  rechts  abwärts 
laufenden  Cannelirungen,  welche  von  innen  so  scharf  herausgedrückt  sind,  dass  der 
Umkreis,    von    oben    gesehen,    scharf  gezackt  erscheint.     An  dem  6  ctn  hohen,  sich 


1)  Schriften  des  Natnrwisaenschafllicben  Vereins  für  Schleswig-Holatein  ßd,  If^  Heft  2, 
S.  78 — 81;  Compte-reudu  du  congres  international  d'aiitbropologie  et  d^arcbeologieprehistoriques 
k  Budapest  1\  I,  p.  674—76. 


(295) 

stark  vereni^erßden  Halse  ist,  2'/a  cm  imterhalb  des  Eaades,  ein  Kranz  perlenähn- 
licher  Grübchen,  und  der  Zwischenraum  zwischen  diesem  und  der  Cannelirung  wird 
diircU  fünf  flach  erhabene  Reifen  ausgefüllt.     Feine  schwarze  Glätte. 

4025  1,  Yaseu förmige  Urne  mit  Fu&s;  hoch  16  cm,  grosster  Durchmesser  IBcni 
auf  10  tVH  Höbe,  DurchiueSBer  unten  l\^cm^  oben  im  Lichten  14  n/j.  Von  dem 
Fusse  vasenförmig  aufsteigend,  ist  der  Gefasskörper  in  der  Höhe  Ton  5*/,  au  und 
nochmals  dicht  unter  der  groseten  Weite  mit  je  zwei  ringsumlaufenden,  5  mm  voo 
einander  abstehenden  Parallelfurchen  verziert,  Ayf  der  grossten  Weite  vier  schmale 
scharfe  Kippen  und  zwoJf  breite  yon  innen  herausgedrückte  Buckeln.  Von  den  je 
drei,  zwischen  den  vier  Rippen  liegenden  Erhnbungr^n  ist  die  mittlere  glatt,  die 
anderen  beiden  sind  dreimal  senkrecht  breit  gefurcht  Beim  Ausatz  des  Halses 
vier  übereinander  liegende  Furchen,     DSnn  aufgetragene  schwarze  feine  Glatte, 

402ci  i.  Urne,  hoch  18  cm,  grösster  Durchmesser  reichlich  20  tm  auf  7  cm  Hohe, 
Durchmesser  oben  8  (?)  er;«,  unten  9  cm;  der  Boden  ist  kaum  markirt  An  dem 
oben  theilweise  ausgebrochenen,  d\!y  a«  hohen,  sich  stark  verengernden  Halse  nuter- 
halb des  glatten,  2  cm  breiten  Randstückes  folgen  parallel  fünf  Furchen,  eine  ein- 
gedrückte Ferlenscbnur,  wieder  fünf  Furchen  und  eine  Perlenschnur,  dann  vier 
Furchen.  Darunter  um  die  grosste  Weite  26  von  innen  herausgedrückte  senkrechte 
Buckeln,  Das  Gefass  von  feinem,  mit  Gfimmerpünktchen  reichlich  gemischtem 
Thon  ist  roth  gebrannt  vor  Auftragung  der  scb warzgrauen  Glättet 


c    ( 


Nr.  4023  i. 


Nr.  40^221. 


Nr.  4021 1. 


4022  L  Urne,  hoch  18  cm,  grösster  Durchmesser  26 Va  ^''*  öuf  10  cm  Hohe, 
Durchmesser  oben  17  Vs  cr^h  unten  9V«  <^*  Unter  dem  gerade  aufsteigenden,  6  cm 
hoben  Halse  eine  ringsum  laufende  Furche;  von  da  4  cm  bis  zur  grössten  Weite; 
unterhalb  derselben  dreimal  ein  eingedrückter  Ring  zwischen  zwei  senkrechten 
Furchen,     Dunkle  Glätte, 

4021  t.  Topfförmige  Urne,  hoch  17Va  ^^^  grösster  Durchmesser  20  cm  auf  11  cm 
Hohe»  Durcliraesser  oben  14  etHj  unten  10^/,  cm.  Der  gerade  aufsteigende,  ein- 
gezogene Rand  ist  2  cm  hoch.  Unterhalb  desselben  drei  aufgesetzte  rohe  ring- 
förmige Ornamente.     Graue  Glatte. 

Ich  brauche  kaum  hinznzurügen,  dass  hier  dem  Topfer  ohne  Zweifel  römische 
Erz ge fasse  mit  Cannelirungen  und  anhängenden  Ringen  vorgeschwebt  haben,  welche 
er,  so  gut  es  anging,  in  Thon  nachzubilden  versuchte.  Zum  Vergleich  sehe  man 
die  in  den  AarbÖger  for  Nordisk  Oldkyndighed  og  Historie  1875,  S.  37,  und  Me^ 
raoires  de  la  soci^te  royale  des  autiquaires  du  Nord  1872  —  77,  S.  252,  abgebilde- 
ten drei  dänischen  Thongefäi^se,  welche  nach  dem  Muster  römischer  Geisse  von 
Glas  und   Edelmetall  geformt  sind. 

(i)}  Hr.  Dr.  Kohl  von  Pfeddersheim  bei  Worms  berichtet  in  einem  Schreiben 
?oin  10.  d*  M.  an  Hrn.  Virchow  über 


(296) 


Funde  tn  Rhelnhesseu. 

Da  ich  soeben  Ihre  PublikatioD    über  das  Grabfeld  toq  KobaD    gelesen ,  worin 
mich  die  Beschreibung  ver8clii«deDer  Fundobjektc    wegen    ihrer  üebereinstimHiung 
mit  hiesigen   Funden    äusserst  frappirt    bat,    so  gestatten  Sie  mir  vielleicht,  meioe'^ 
dtesbeEÜglichen  Beobachtungen  hier  kurz  mitzutheileo: 

Die  Bronzerohr  eben  habe  auch  ich  gefnuden  und  zwar  als  Tbeil  eines 
Hülsbandes  in  einem  Frauengrabe  der  Bronzezeit,  wo  sie  mit  rohgearbeiteten 
Berosteinperlen  zusammen gefasst  waren  (Westdeutsche  Zeitschr*  f.  Gesch.  u.  Kunst 
11,  Ji.  S.  216  unter  e.).  Von  Gräbern,  wie  die  hier  beachriebenen ,  habe  ich  jetzt 
vor  wenigen  Wochen  wieder  einen  grösseren  Complex  entdeckt,  den  ich  jedoch  erst 
nach  der  Ernte  ausgraben  kann. 

Schon  vor  mehreren  Jahren  fand  ich  solche  Bronzeröhrchen,  wie  die  kau- 
kasischen, jedoch  von  der  kleinsten  Form,  in  Gräbern  der  La  Tene-Zeit,  auch  als 
Halsschmuck  mit  Bernstetoperleu  zusammen,  — 

Was  die  Scheiben  nadeln  betrifft,  die,  wie  Sie  bemerkt  haben,  unsereu 
„Rad nadeln"  entsprechen,  ao  dürfte  der  Fund  von  Leiselheim,  was  ihren  Gebrauch 
betrifift,  recht  instruktiv  sein.  Dr,  Tischler  schrieb  mir  darüber,  dass  bisher  noch 
kein  ähnlicher  Fall  bekannt  sei,  ausser  einem  bei  Popp,  Ingolstadt  1821,  y» Aus- 
grabungen von  Grabhügeln  bei  Amberg**  angegebenen.  Popp  habe  auch  einmal  solche 
Nadeln  auf  der  Brust  eines  Skelets  gefunden,  jedoch  mit  den  radförmigen  Köpfen 
nach  unten,  wenn  man  die  Stelle,  die  etwas  dunkel  erscheine,  richtig  verstäude. 
Bisher  wurden  ja  die  KadDadeln  auch  von  Linden schmit  meist  für  Haarnadeln 
gehalten;  es  konnle  auch  die  Frage  eigentlich  nicht  klar  gestellt  werden,  weil  es 
an  Skeletfuoden  fehlte,  und  die  Nadeln  sich  nur  in  Brandgrabern  fanden.  Hier 
in  Leiselheira  kamen  bisher  nur  Skeletgräber  aus  der  Bronzezelt  vor.  Es 
diirfte  sonach  die  demnächst  versuchsweise  vorzunehmende  Ausgrabung  recht  inter- 
essant werden. 

Dicht  neben  diesen  Grabern,  und  offenbar  derselben  Zeit  angehörend,  fanden 
sich  nun  auch  zahlreiche  Gruben  mit  Scherben,  aufgeschlagenen  Knochen, 
Muscheln  u.  s.  w,  vor,  wie  Sie  solche  bei  Gr.  Gerau  getroffen  und  darüber  in  der 
Zeitschrift  für  Ethnologie  berichtet  haben.  Diese  Gruben  kommen  bei  uns  ganz 
ausserordentlich  häufig  vor.  Hier  bei  Pfeddersheim  sind  unzählige  davon.  Ich 
habe  mir  neulich  auf  einem  Felde,  auf  dem  ich  schon  vor  zwei  Jahren  solche  auf- 
gedeckt hatte,  eine  grosse  Anzahl,  vielleicht  80^  100,  markirt  und  gedenke  solche 
auch  nach  der  Ernte  zu  untersuchen.  Es  Hessen  sich  dieselben  leicht  an  der  Fär- 
bung des  Roggens  nachweisen.  Die  diesen  Roggenfeldern  benachbarten  Grund- 
fitiicke  müssen  deren  auch  noch  viele  enthalten.  Es  lasst  sich  vielleicht  die  Frage 
über  ihre  ehemalige  Bestimmung  hier  leichter  lösen  als  anderswo. 

Freiherr  von  Ow  hat  auch  in  den  „Württemb.  Annalen**  solche  beschrieben 
und  als  Wohnstätten  gedeutet;  Hr.  von  Cohaueen  spricht,  soviel  ich  mich  er- 
innere, sich  nicht  deutlich  über  ihre  muthmaassiiche  Bestimmung  aus.  Die  in  den 
Gruben  enthaltenen  Scherben  zeigen  oft  eine  merkwürdige  Aehnlichkeit  mit  den 
Gefässeo  der  norddeutschen  tJrnenfelder.  Sie  haben  das  för  Nauheim  ja  auch  con- 
statirt.  Als  ich  nach  der  Berliner  Versammlung  zum  ersten  Male  wieder  derartige 
Gruben  öffnete,  war  ich  ganz  frappirt  von  der  üebereinstimmung  der  dort  gefun- 
denen   Scherben  mit  den  Gefassen  des   örnenfeldes  von  Burg, 

Icli  habe  eine  Reihe  von  hier  gefundenen  Gefüssen  zusammengestellt,  die  diese 
Aehoiicbkeit  in  der  Art  der  Verzierung  (Warzen,  Buckel)  mit  dem  Lausitzer  Ty- 
puä    noch  deutlicher  veranschaulichen.     Diese  Gefösae  fijiden  sich  in  Grabero,    die 


(298) 

liehe  aus  Gräbero  der  Frühzeit  sich  6nden  kooDteD,  ist  mir  ganz  yndenkbar.  Ueber- 
haupt  kommt  der  Torcpes  doch  erst  sehr  spät  var,  eigi?ntlich  erat  zur  La  Tene-Zeit, 
Aus  der  Bronze-Zeit  ist  mir  kein  sicher  constatirter  Fund  eines  metaHeuen  Tor- 
ques  bekannt.  Der  von  W.  Gross  ausj^ebeutete  Pfriblbau  von  Corcelettes  weist 
keinen  einzigen  Torques  auf  uater  300  oft  sehr  kunstvoll  gearbeiteten  Arm- 
bändern, ferner  unfer  400  Nn dein  und  anderen  Gegenwänden.  Bei  Lindenschmil 
gehören  alle  Torques,  rnit  Ansnahnie  zweier  et^vas  früheren  Formen,  der  La  Tene- 
Zeit  ao  und  auch  die  in  Hallstadt  gefuudeueu  stammen  aus  den  etwas  jüogereu 
Gräbern  mit  La  Tene-Sacheu.  Da  man  nun  im  Kaukasus  schon  häufig  auf  den  Grab- 
feldern  römische  Fibeln,  Miinzen  und  Atidores  fand,  wie  Sie,  Chantre  und  Bayeru 
erklären,  so  ist  der  Fund  der  SchnalleB  und  des  Torques  weiter  auch  nichts  Auf- 
fttUeades,  wie  mir  echeiut    — 

Hr,  Virchow  bemerkt  in  Beziebung  auf  die  xuletzt  von  Hrn.  Kohl  auf- 
geworfenen Fragen  Folgendes: 

Die  auf  Taf.  fV  meines  Atlas  über  Eobao  abgebildeten  Schnallen  sind  mir  von 
Hm«  Cbaboach  Khanukoff,  dem  Besitzer  des  Gräberfelde»,  in  dessen  Glaub- 
würdigkeit ich  nicht  den  mindesten  Zweifel  zu  setzen  Veranlassung  habe,  als  ße- 
standtheile  eines  grösseren  Grabfundes  überliefert  worden,  Sie  für  römisch  zu  hal- 
teo^  ist  ganz  unzulässig,  da  in  keinem  der  alteren  Gräberfelder  des  Kaukasus  irgend 
ein  römischer  Gegenstand  gefunden  worden  ist.  Diejenigen  Nekropolen,  wo  ein 
Gontakt  mit  römischer  Cultur  angenommen  werden  darf,  gehören  einer  gauz  anderen 
Kategorie  an;  im  Thöfe  von  Kobao  ist  niemals  etwas  der  Art  zu  Tage  gekommen. 
Es  wird  daher  wohl  nichts  übrig  bleiben,  als  die  Gleichzeitigkeit  der  Schnallen  mit 
den  übrigen  Fundohjekten  zuzulassen«  gerade  so  wie  es  mit  dem  Email  der  Fall 
ist,  welches  im  Oecident  gleichfalb  einer  gelir  viel  spateren  Zeit  anzugehören 
scheint  In  Betieff  der  Frage  nach  der  Erfindung  der  Schnalle  bin  ich  in  der 
That  geneigt,  anzunehmen,  dass  sie  aus  der  Fibula  hervorgegangen  ist.  Ich  ver- 
weise deswegen  auf  Tat  1,  Fig.  ß  meines  Atlas. 

Der  Haisring  (Taf.  IV,  Fig.  1)  hatte,  «chon  seines  ganz  solitären  Auftretens 
wegen,  auch  meine  besondere  Aufmerksamkeit  auf  sich  gezogen  und  ich  hatte  be- 
merkt, dass  er  „vielleicht  das  älteste  Beispiel  einer  solchen  Technik  darstelle* 
(S.  49).  In  der  That  wiesen  alle  mir  damals  zugänglichen  Fülle  auf  römische,  ja 
zum  grösseren  Theile  spritröuiische  Zeit  hin.  Indess  habe  ich  auf  meiner  italieoi- 
scben  Reise  micb  überzeugt,  dass  die  besondere  Art  des  Verschinsses  durch  üm- 
Bchlingung  des  Endes  sehr  yiel  alter  ist,  als  man  bisher  angenommen  hat.  So  sah 
ich  im  Museum  von  Este  aus  einem  Grabe  der  dritteu  Periode  einen  kleinen  Arm- 
ring von  einem  Kinde,  der  ganz  nach  Art  der  Hinge  von  Kertsch  eingerichtet  ist: 
doppelte  Umschlingung  der  Enden  dea  Drahtes  mit  zwei  längeren,  ausziehbaren 
Parallelfäden  zwischen  den  ümschlingungsstellen;  auf  demselben  hing  ein  kleiner 
SiJberring»  In  der  Sammlung  des  Hrn.  Nardoni  in  Rom,  welche  grossentheils 
prähistorische  Funde  aus  der  Gegend  des  Esquiiin  enthalt,  zählte  ich  inmitten  zahl- 
reicher, rein  prähistorischer  Stücke  4  Ringe  mit  umschlungenen  Enden  und  eiiieo, 
an  der  Via  Varese  am  Castro  Pretorio  gefundenen,  mit  dem  Kertscher  Verschlusa; 
ferner  einen  Armring  von  ganz  ähnlicher  Einrichlung,  gleichfalls  zum  Aufziehen  ein- 
gerichtet, vom  Munte  delia  Giustizia  am  Viminal,  und  von  eben  daher  einen  klei- 
neren mit  anhängendem  symbolischem  Fingerring;  sodann  einen  Fingerring  aus 
ßronzedraht  mit  umgewickelten  Endeo  von  der  Piazza  S.  Antonio  am  Esquiiin. 
Daran  schlössen  sich  endlich  noch  zwei  Drabtketten,  deren  artikulirende  Glieder 
durch  Umschlingung   der  Enden   geschlossen  waren,    von  S.  Euaebio  e  S.  Antonio. 


(299) 

Obwohl  in  Rom  gefunden,  sind  diese  Sachen  doch  nicht  in  dem  gewohnlichen  Sinne 
römisch  zu  nennen. 

.  Aehnlich  verhält  es  sich  auch  mit  dem  Torques,  wenn  man  darunter  nicht  ge- 
rade einen  Halsring  versteht.  In  der  Sammlung  des  Hrn.  Michele  Stefano  de  Rossi 
za  Rom  sah  ich  aus  der  zweiten  Periode  von  Marino,  von  den  alten  Wohnplätzen 
am  Caput  Aquae  Ferentinae,  also  aus  latinischer  Zeit,  einen  schön  gedrehten  Spiral- 
armring. Indess  berülirt  uns  diese  Frage  um  so  weniger,  als  gedrehte  Nadeln 
(Taf.  X,  Fig.  10)  und  gedrehte  Bügel  an  Fibeln  (Taf.  I,  Fig.  3)  in  Koban  in  ganz 
ausgezeichneten  Formen  vorkommen,  also  die  Methode  der  Torsion  damals  schon  in 
vollendeter  Gestalt  zur  Erscheinung  gelangte.  Ccbrigens  verweise  ich  wegen  des 
Alters  des  Halstorques  auf  Evans,  Bronze  Implements  of  Great  Britain  and  Ire- 
land  p.  375  sq. 

(10)    Hr.  Eimer  in  Tübingen  schreibt  in  einem  Briefe  an  den  Vorsitzenden  über 

Tumuli  in  Bulgarien. 

In  diesem  Frühjahr  habe  ich  eine  Reise  nach  Griechenland  und  der  Türkei 
gemacht,  in  letzterer  bin  ich  von  Constantinopel  aus  zu  Land  an  die  Donau  gereist, 
über  den  Balkan.  Dabei  fielen  mir  schon  im  Anfang  der  Landreise  Tumuli  auf, 
welche,  häufig  in  grosserer  Anzahl  —  zu  9 — 12  —  vereinigt,  je  weiter  man  dem 
Balkan  sich  nähert,  um  so  mehr  der  Landschaft  einen  ganz  eigenen  Charakter  ver- 
leihen. Sie  liegen  meist  in  der  Ebene,  zuweilen  aber  auch  auf  den  hervorragend- 
sten Höhen  der  Berge.  Ich  habe  mir  von  einem  derselben  Maass  genommen,  habe  das 
Papier  aber  verlegt  —  ich  weiss  nur  auswendig,  dass  derselbe  —  ein  kleinerer  —  etwa 
150  Schritte  im  Umfang  hatte,  bei  einer  Höhe  von  15 — 20  Fuss.  Zuletzt,  vor  dem 
Balkan,  auch  in  der  Nähe  von  Sofia,  liegen  die  Tumuli  zu  Hunderten.  Auch  jen- 
seits, gegen  die  Donau  zu  trifft  man  sie. 

Diese  Tumuli  gleichen  nun  äusserlich  durchaus  jenen,  welche  man  im  Vorbei- 
fahren am  Ufer  in  der  Nähe  von  Troja  sieht.  Zwei  derselben  sind  von  einem  Herrn 
in  Sofia  untersucht  worden.  Den  einen  davon  habe  ich  mir  angesehen.  Es  war 
ein  etwa  5  Fuss  breiter  Ausschnitt  durch  denselben  gegraben.  Man  hat  nichts 
darin  gefunden.  Desgleichen  im  zweiten.  Ich  meinte,  es  könnte  unter  dem  Ni- 
veau des  Landes,  bis  zu  welchem  nur  gegraben  worden  ist,  sich  etwas  finden.  Wie 
ich  höre,  ist  aber  auch  in  anderen  nachgesucht  und  nichts  gefunden  worden.  Da 
und  dort  haben  Zigeuner  ihre  Wohnungen  in  den  Tumuli  aufgeschlagen,  indem 
sie  Löcher,  Höhlen  in  dieselben  gruben.  Sollten  sie  etwa  nur  Familienwahrzeichen 
hervorragender  Geschlechter  sein?  — 

Hr.  Virchow:  Auf  den  Hohen  um  Yarna,  namentlich  im  Süden  der  Bucht, 
sah  ich  80  gewaltige  Tumuli,  dass  ich  von  Weitem  (ich  hatte  nicht  Zeit,  sie  zu  be- 
suchen) im  Zweifel  blieb,  ob  es  nicht  Befestigungswerke  neueren  Datums  seien. 
In  Constantinopel  hörte  ich  aber  von  Blum-Fascba,  dass  es  Tepe's,  alte  Erd- 
BufwÜrfe  und  wahrscheinlich  prähistorische  seien.  Von  Ausgrabungen  daselbst  ist 
mir  nichts  bekannt.  Indess  wird  man  vorsichtig  sein  müssen  in  ihrer  Deutung. 
Dts  Vorbild  der  trojanischen  Tepe's,  welche  schon  im  Alterthum  als  Grabhügel 
angesehen  wurden,  von  welchen  die  Mehrzahl  aber  keine  Spur  von  Begräbniss- 
resten  aufgewiesen  hat,  dürfte  wohl  für  manchen  ähnlichen  Erdhügel  im  Osten 
maassgebend  sein.  Viele  sind  ebfen  /Av^f/uAroc,  Erionerungshügel.  Jedenfalls  wäre  es 
aber  dringend  erwünscht,  wenn  baldigst  eine  wissenschaftliche  Erforschung  der 
bulgarischen  Tumuli  in*8  Werk  gerichtet  würde.  — 


(300; 

(11)  Hr.  H.  Neitzke  zu  Eoppenow  bei  Labebn  in  Pommern  berichtet  6e- 
DaaereB  über  die  in  der  Sitzung  tom  15.  Juli  188*2  (Verbandl.  S.  441)  besprochene 

Holzlade  mit  Bronzeschnuck  von  Koppenow. 

Hinsicbts  des  hölzernen  Koffers,  in  dem  sich  die  Sachen  befanden,  wollte  ich 
betreffs  des  Verschlusses  desselben  noch  die  Mittheilung  machen,  dass  nach  Aus- 
sage der  Leute,  die  s.  Z.  den  Koffer  fanden,  derselbe  durch  fichtene,  genau  in  die 
Locher  passende  Pflocke  derartig  fest  zusammengehalten  wurde,  dass  sie  den 
Koffer  für  eine  Klobe  Holz  angesehen  und  dieselbe  auf  das  Land  geworfen  hätten, 
wobei  sie  aber  aus  einander  fiel  und  die  Bronzesacheu  zu  Tage  kamen.  Von  den 
Pflöcken  habe  ich  alles  Suchens  ungeachtet  nichts  mehr  finden  können;  auch 
wusste  ich  über  diese  Art  des  Kofferyerschlusses  damals,  als  ich  Sie  in  Stettin  zu 
treffen  die  Ehre  hatte,  noch  nichts,  sonst  hätte  ich  es  damals  selbstredend  gleich 
genau  erklärt. 

Seitdem  bin  ich  eifriger  Forscher  geworden  und  habe  mit  Hrn.  K  norm -Stettin 
und  allein  bei  mir  eine  ganze  Reihe  yon  Ornen  gefunden,  die  eiserne  Lanzenspitzen, 
zusammengerollte  Schwerter  und  Scheiden,  Schildbuckel,  die  Nägel  dazu  und  auch 
Fibeln  (alles  von  Eisen)  enthielten;  ieh  habe  sie  sämmtlich  nach  Stettin  ge- 
schickt 

•    (12)    Hr.  E.  Krause  zeigt  im  Auftrage  des  Hrn.  G.  Stimming  zu  Brandenburg 

zwei  Thongeflase  aus  der  Gegend  von  Brandenburg. 

Das  eine  ist  eine  zu  Buschow  gefundene,  fast  vollständige  Siebschale,  Fig.  1, 
mit  zwei  Henkeln,  13  cm  oberem  Durchmesser,  6,5  cm  hoch;  das  zweite  der  oben 
eng  zulaufende  Halstheil  eines  weitbauchigen  Gefasses,  Fig.  2.  Dieser  Gef&sstheil 
ist  von  dem  zugehörigen  unteren  Theil  an  der  weitesten  Stelle  losgelöst,  der  Bauch- 
rand glatt  geschliffen  und  dann,  den  Halstheil  mit  der  engen  Oeffnung  nach  unten 
gekehrt,  zur  Beisetzung  der  Knochenreste  einer  Brandleiche  benutzt  worden.  Der 
Fundort  ist  Radewege. 


Fig.  L    V*  natürl.  Gr.  Fig.  2.    V*  natürl.  Gr. 

Hr.  Stimming  schreibt  über  diese  Gefässe: 

,)Bald  nach  meinen  ersten  Ausgrabungen  im  Jahre  1872  machte  ich  die  Beob- 
achtung, dass  fast  alle  Gefasse  eine  ganz  bedeutende  Bodenabnutzung  zeigten. 
Versuche  an  ungebrauchten  Aschenkrugen  ergaben,  dass  zu  einer  derartigen  Ab- 
nutzung des  Bodens  ein  langer  Gebrauch  vorausgegangen  sein  musste. 

„Ich  sprach  s.  Z.  meine  Ansicht  hierüber  aus,  dass  fast  alle  Gefasse,  welche  zur 
Bestattung  benutzt  wären,  vorher  als  Hausgeschirr  gedient  hätten,  fiel  aber  mit 
dieser  Ansicht  durch.  Heute  kann  ich  nun  einen  unwiderleglichen  Beweis  für 
meine  Ansicht  bringen,  zu  welchem  Zwecke  ich  das  Objekt  vorlege. 


(301) 

„  Anschein end  ist  es  der  obere  Tbeil  eines  Butterfasses,  da  am  spitzen  Ende  die 
Abnutzung  innen,  am  weiten  Ende  aussen  ist  Es  scheint  fast,  als  wäre  es  ein- 
geschliffen gewesen^  damit  beim  Gebrauch  keine  Flüssigkeit  entweichen  konnte. 
Dieser  Thei^  eines  Gefässes  stand  mit  der  weiten  Oeffnung  nach  oben  und  war 
ganz  mit  Knochenresten  angefüllt. 

^Der  Fund  spricht  für  meine  frühere  Behauptung  mit  aller  Bestimmtheit. 

^Dass  man  Butter-  und  Käsefabrikation  kannte,  dafür  spricht  auch  der  bei- 
gefügte Napf.  Wäre  es  ein  Seiher,  so  müsste  er  im  Verhältniss  zu  den  Lochern 
Tiel  grosser  sein,  da  die  Flüssigkeit  so  schnell  entwiche,  dass  der  Rückstand  sofort 
das  Gefass  füllen  würde;  wäre  es  zum  Trocknen  oder  Aufbewahren  von  Früchten 
u.  8.  w.,  so  würde  ein  Quantum,  welches  ein  so  kleines  Gefass  fasst,  nicht  loh- 
nend sein.^ 

(13)   Hr.  Bastian  bespricht 

Sanmiungen  aus  Adamaua  und  Siidcentraiafrika,  vom  Amazonas,  der  Osterinsel 

und  den  Agomes. 

unter  den  Vermehrungen  der  letzten  Tage  im  Königl.  Museum  ragen  besonders 
kostbare  Bereicherungen  aus  Afrika  hervor,  und  unter  ihnen  in  erster  Linie  die 
bereits  früher  erwähnten  Sammlungen  Lieut.  Wissmann*s.  Diese  glorreiche  That, 
welche  die  Wissenschaft  nach  allen  Richtungen  hin  förderte,  hat  nicht  am  wenig- 
sten die  Ethnologie  unter  Verpflichtung  gestellt,  da  ihr  bei  diesem  erfolgreichen 
Vordringen  in  das  noch  völlig  Unbekannte  preislose  Kleinodien  zugegangen  sind, 
aus  bis  dahin  ganz  unberührten  Gebieten,  mit  dem  Typus  ächter  Originalität  ge- 
piügt  Es  ist  dies  dem  Festhalten  der  bei  Gründung  der  afrikanischen  Gesell- 
schaft leitenden  Gesichtspunkte,  dem  Vordringen  von  Westen  her  zu  danken  und 
der  glücklich  erlangte  Erfolg  um  so  höber  zu  schätzen,  weil  gewissermaassen  schon 
der  letzte  mögliche,  da  bereits  bei  Pogge's  Rückkehr  die  Störungen  einzusetzen 
begonnen  zu  haben  scheinen. 

Nicht  weniger  bedeutungsvoll  erweisen  sich  die  von  dem  Reisenden  Flegel 
eingelaufenen  Nachrichten,  der  sich  ebenfalls  an  der  Grenze  des  für  jetzt  noch 
völlig  unbekannten  bewegt,  an  der  nördlichen  Peripherie  jenes  im  dunkeln  Gon- 
tinent  weiss  gebliebenen  Flecks,  den  die  Afrikanische  Gesellschaft  bei  ihrem  ur- 
sprunglichen Plan  (1873),  von  der  Loango-Küste  her,  nach  dem  von  Schwein- 
fnrth  festgelegten  Ziel  in  Munsa^s  Residenz  zu  durchschneiden  dachte,  und  der 
von  Flegel  jetzt  vielleicht,  für  einen  Theil  wenigstens  dieses  Gebietes,  in  umgekehr- 
ter Richtung  mag  durchkreuzt  werden,  von  Adamana  aus  in  die  Wasserscheiden  des 
Ogowe  und  Congo.  Adamaua  bildet  schon  seit  Denham  und  Barth  den  äusser- 
st^ Vorposten,  die  Warte,  von  der  wir  erwartungsvoll  hinausblicken  in  das  noch 
neblig  Verschleierte  ringsum,  und  wer  zuerst  dort  eindringend,  eine  Fackel  ent- 
zündet, wird  damit  das  Herz  des  ältesten,  und  doch  am  längsten  fremd  gebliebenen 
Erdtheils  der  Eenntniss  enthüllt  haben.  Aus  den  reichen  Sammlungen,  die  seit 
kurzem  durch  Flegel  beim  Königl.  Museum  eingelaufen  sind,  lege  ich  hier  eine 
Serie  jener  für  Gentralafrika  charakteristischen  WafFe  vor,  die  unter  ihren  ver- 
schiedenen Variationen  als  Schangormangor  oder  Trumbasch  bekannt  ist,  als  Gul- 
beda,  dann  als  Golio  Baghirmi's,  Daniska  der  Marghi,  Hunga-Manga  (der  Manga), 
bei  den  Funj,  von  Hartmann  beschrieben,  bei  den  Nyam-Nyam  von  Seh  wein - 
fiirth  (in  seinem  ausgezeichneten  Werke  der  Artes  Africanae)  als  Pingah,  die  in 
80  überraschender  Weise  ihr  westliches  Seitenstück  bei  den  Pangwe  erhielt.  Von 
beiden  Arten  finden  sich  Vertretungen  in  der  ethnologischen  Sammlung,   und  jetzt 


(302) 


kommt  döTch  1^1  e gel  (in  ErgüDzimß  einer  Nachtjgal  zu  datikendeo  Vertretung) 
diese  lange  Reihe  aus  Adamatia  hinzu  (ihm  jetzt  von  den  Fulbe  beherrschten 
Fumbina),  aus  den  eingebornen  Stämmen  (der  Mbum,  Deck  oder  Duck,  Karra  u.  8.  w,). 
Während  die  üulbeda  zwei  Schenkel,  die  Pingah  drei  Schenkel  zeigt,  finden  sich 
hier  Formen  bis  vier.  Ausser  zum  Wurf,  dient  diese  Waffe  auch  zum  Schlag,  um 
mit  dem  vorspriogenden  Haken  deu  durch  wulstige  Haarfrisur  gebildeten  Helm  wu 
durchdringen»  Auch  ausserdem  enthalten  die  so  eben  ausgepackten  Sammlungeu 
viel  eigenartig  Neues,  80  dass  bald  eine  ausgiebige  VertreUing  hoffentlich  noch  zu 
erwarten,  ehe  es  auch  für  dort  zu  spat  sein  möchte. 

Wie  kein  Augenblick  verloren  gehen  darf,  zeigt  schlagend  ein  gleichfalls  hier 
vorliegendes  Schälchen,  welches  das  Museum  durch  einen  Reisenden  am  AJto  Ama- 
zonas aus  einem  bis  dahin  in  den  Sammlungen  unvertretenen  Stamm  erhielt,  und 
das,  obwohl  die  erate  Kunde  von  seiner  ethnischen  Eigenthümlichkeil,  auch  zugleich 
die  letzte  zu  sein  scheint,  denn  wührcnd  die  Anssenseite  noch  charakteristische 
Ornamentirung  zeigt,  beginnt  sich  aof  der  Innenwand  bereits  fremder  Ein  flu  ss  por- 
tugiesisch-spanischer Beziehungen  merkbnr  zu  machen. 

Was  aus  der  Osterinsel  durch  S,  M.  K.  Hyäne  den  ethnfilogischen  Studien  ge- 
reltet  wurde,  ist  Ihnen  bereits  bekannt,  durch  die  im  Kouigl.  Museum  eingefügten 
Sammlungen  sowohl,  wie  aus  dem  in  der  Beilage  des  Marineheftes  veröffentlichten 
Reisebericht,  Seitdem  hat  das  Kriegsschiff,  nach  einer  vom  Hrn.  Zahlmeister  Weis- 
ser zugegangenen  Mittheilung,  noch  andere  Inselgruppen  besucht,  darunter  die 
Hermit-Inseln,  und  über  die  dorl  für  die  ethnologischen  Forschungen  gesicüerten 
Resultate  ist  ausserdem  ein  schätzbares  Schreiben  zugegangen  von  Hrn.  Korvetten- 
Kapitain  Knrcher,  Ooramandant  S.  M.  K.  Carola,  der  die  Güte  hatte,  eine  Liste 
der  für  das  Koni  gl.  Museum  unterwegs  befindlichen  Sammlungen  zu  uberschicken. 
Im  Anschluss  an  eine  nach  den  Her  mit- Inseln  durch  die  Kaiserliche  Admiralität 
beschlossene  Expedition  war  eine  darauf  bezugliche  Eingabe  seitens  des  Ethnologi- 
schen Museums  unterbreitet  worden  und  t)ei  der  hochgeneigten  Aufnahme,  welche 
dieselbe  gefunden,  wird  deshalb  auch  diesmal  wieder  die  Thatigkeit  der  deutschen 
Marine  in  dankeuswerther  Weise  der  Wissenschaft  zu  Gute  kommen.  Die  Hermit- 
Inseln  (Agomes)  hatten  schon  langer  die  Aufmerksamkeit  erregt  in  Foige  der  eigen- 
thümiichcn  Schnitzereien,  wie  sie  sieb  z,  B.  in  Ciodeffroj's  oceanischem  Muster* 
Museum  ausgestellt  finden,  und  dann  in  anthropologischer  Hinsicht  (wie  Sie  aus 
den  MittheiJungen  unseres  Vorsitzenden  wissen)  kamen  Maclay^s  MittheÜungeu 
über  die  G rosszäh nigkett  hinzu,  dort  und  auf  den  Anachoreten,  sowie  die  weiteren 
Bemerkungen  über  Ninigo  (Kchiquier),  auf  einem  Grenzgebiete  Melanesiens  und 
Mikronesieus,  wo  sich  also,  wie  stets  auf  solchen  Kreuzungspunkten,  die  Forschungs- 
faden durcheinander^ehlingen,  um  sich  dann,  mit  Anhalt  in  zuverlässigem  Material, 
um  so  klarer  zu  lösen.  Die  von  Maclaj  zugefügte  Erwähnung  der  (aJs  kraus- 
haarig beschriebenen)  Orong  Gargassi  (zwisclien  Kedab  und  SiugoroJ  auf  malayiacher 
Halbinsel  würde  nebsk  anderen  Analogien  weiter  führen  auf  die  Hauerzähne  indo- 
chinesischer Belu  und  ähnlicher  Schöpfungen  verwandter  Mythologien  (auch  geogra- 
phisch weit  getrennter). 


I 
I 


(14)  Hr,  Bastian  legt  sein  eben  im  Druck  fertig  gestelltes  Buch  vor:  ^Zur 
Kenntniss  Hawaü's**,  zugleich  als  Naclitrag  und  Ergänzung  zu  den  kürzlich 
erschienenen  ^Inselgruppen  in  Oceanien".  Abgesehen  von  dem  auf  das  im  Titel 
bezeichnele  Inselreich  Bezügliche,  ist  aus  den  bereits  erwähnten  Forschungen 
White's»  des  besten  Kenners  der  Maori  aus  lebenslanger  Mitarbeit  (schon  seit  der 
Sir  George  Grey's,  mit  Recht  berühmtem,  Buch  gewidmeten),  eine  bei  dem  Aufenthalt 


in  Wellington  yon  ihm  erhaltenen  Uebereichtstafel  der  mythologischen  Weltauffas- 
anng  beigefugt,  mit  schematischer  Darstellung  des  Schopfungsprocesses,  der  An- 
ordnung oberer  und  unterer  Welten,  der  Götter-Genealogien  u.  s.  w.,  so  dass  sich 
jetit  das  Ganze  zu  einem  mehr  abgerundeterem  Bilde  gestaltet,  als  aus  den  bisher 
nur  aphoristisch  erhaltenen  Notizen  herzustellen  möglich  gewesen. 

(15)  Der  Vorsitzende  legt  Photographien  von  Alaska-Indianern  vor 
als  Geschenk  des  Hrn.  Aurel  Krause. 

(16)  Hr.  Friedrich  Bayern  berichtet  in  einem  Briefe  an  den  Vorsitzenden 
d.  d.  Tiflis,  12./24.  Mai  über 

neue  Aasgrabungen  in  Samthawro. 

„Ich  habe  die  untere  Etage  von  Samthawro,  d.  h.  das  Feld  mit  den  Kuppel- 
oder Brunnengräbern  untersucht,  der  ganzen  Länge  nach,  ungefähr  in  25  Faden 
Lange,  auf  3,  stellenweise  6  m  Breite  und  3,  stellenweise  bis  4  m  Tiefe,  und  fand 
bei  dieser  Arbeit  9,  theils  durch  Kistengräber  zerstörte  Kuppelgräber  und  ausser 
den  von  mir  schon  früher  geofiPncten  Steinkisten  noch  12  andere,  von  denen 
ich  7  etwas  genauer  untersuchte,  aber  nur  in  2  einige  interessante  Gegenstände 
fand.  Endlich  entdeckte  ich  auch  einen  mächtigen  Steiuhügel,  aus  mehr  denn 
500  Rollsteinen  zusamraengehäuft.  Die  grösseren  (4  —  5  Fuss  dicken)  Steine  lagen 
ganz  unten;  nach  oben  wurden  sie  immer  kleiner,  wo  sich  sch'on  Gerolle  von  Vs  Fuss 
Durchmesser  fanden,  ungefähr  einen  Fuss  unter  diesem  Steinhügel  fand  ich  ein  zer- 
drücktes Skelet,  ohne  alle  Beigaben,  neben  welchem  jedoch  ein  eiförmiger  kleiner 
Rollstein  lag,  sehr  ähnlich  den  künstlich  gerundeten  Schleudersteinen,  wie  ich  sie 
in  Gräbern  der  Ghewsuren  traf.  Dieses  Grab  erinnert  sehr  an  diejenigen,  wie  sie 
bei  Josua  7,  25,  beschrieben  und  noch  von  Vamberi  in  Khiwa,  wenn  ich  nicht 
irre,  gefunden  wurden.  Leider  verjagte  mich  der  Hagel,  so  dass  ich  nur  einige 
Bruchstücke  vom  Schädel  dieser  Leiche  heben  konnte. 

Künftig  wird  sicher  von  diesem  Leichenfclde  kein  einziger  Topf  mehr  gehoben 
werden  können,  denn  ich  habe  jetzt  Alles  aufgeräumt,  und  selbst  grabe  ich  hier 
nicht  wieder.  Von  ungefähr  80  Thongeschirren  sind  :?5  Stück  so  ziemlich  voll- 
ständig. Ein  Krug  (Wyrouboff,  Objets  d'antiquite  PL  VIII,  Fig.  6),  jedoch  mit 
viel  schönerer  Zeichnung,  ist  unversehrt  gehoben;  ein  Topf  (PI.  IX,  Fig.  2)  mit  sehr 
schöner  Zeichnung  erhielt  ein  Loch  durch  die  Keilhaue,  und  ein  Henkel  brach 
durch  Unvorsichtigkeit,  der  aber  bald  wieder  angeheftet  werden  kann.  Diesmal 
habe  ich  viele  ganz  neue  Formen  von  Thongeschirren  sammeln  können,  auch  mehrere 
Schüsseln;  bei  dem  Heben  derselben  aber  sind  diese,  im  trockenen  Zustande  so 
festen  Thongeschirre  so  mürl)e,  dass  sie  in  den  Händen  zerfallen,  so  lange  sie  noch 
feucht  sind.  Ein  grosser  Topf,  leider  in  Trümmern  gehoben,  ist  mit  einer  Schlange 
auf  jeder  Seite  verziert,  was  mir  noch  nicht  vorgekommen.  Im  Ganzen  genommen 
ist  der  Formreichthum  dieser  kleinen  Sammlung  von  Thongeschirren  hervorzuheben. 
Es  finden  sich  Töpfchen  von  kaum  2  Zoll  Höhe  und  ebenso  viel  Bauchdurchmesser, 
bis  SU  Krügen  und  Töpfen  von  2  Fuss  Höhe  und  Schüsseln  von  2  Fuss  und  mehr  (?) 
Kreisdurchmesser.  Bei  vielen  Geschirren,  namentlich  bei  den  Krügen,  findet  man 
die  OefFnung  mit  einem  flachen  Rollsteine  bedeckt,  wodurch  gewöhnlich  der  Rand 
bei  dem  Arbeiten  in  der  Erde  beschädigt  wird. 

Von  Waffen  fand  ich  diesmal  meistens  Eisen,  dieses  aber,  bis  auf  ein  Stück, 
gänzlich  zerblättert.  So  fanden  sich  zwei  Schwerter,  das  eine  mit  merkwürdigem 
Bronzegriff,  der  mit  Bronzenägeln,  wahrscheinlich  um  eingelegtes  Holz  zu  befestigen, 


(304) 


geziert  war;  auch  die,  wabracheiolicb  kderne,  Scheide  war  mit  zablreicbeo  Brouie- 
koopfen  auf  der  eioen  Seite  Terziert^  die  in  zweij  weoD  Dicht  sogar  in  drei  Heihen» 
deoo  ich  sammelte  aa  einigen  Steilen  auch  drei  neben  einander  stehende  Knöpfe 
der  Länge  nach  am  Schwerte  bis  lur  Spitze,  sich  sammeln  liesseo.  —  Das  zweite 
Schwert  bat  eine  Schaftzunge  und  zwei  Niete.  Auch  zwei  Dolchklingen  von 
Eisen  und  eine  schön«,  noch  gut  erhaltene  Lanzenspitze  von  Eisen  (ähnlich 
PL  I,  Fig.  6)  sind  zu  erwähnen. 

Yöti  ßronzewaffen  sind  Wurfspeer  und  Lanzenapitzen,  »owie  zwei 
Pfeilspitxeu  zu  npunen:  der  Wurfspeer  (PL  I,  Fig,  4),  Lanzenspitzen  (PL  I, 
Fig.  5,  6  und  andere  Formen),  Pfeilspitzen  (PL  I,  Fig.  ^).  Selbst  eine  Pincette 
ist  gefunden,  leider  aber  zerschlagen  und  nicht  vöHstandig,  sie  kann  nur  zur  Bronze- 
analyse  dienen.  Pfeilspitzen  von  Bein  (Fig.  10  w.  11  auf  PL  I  bei  Wyrou- 
boff)  sind  in  zerbrochenem  Zustande  gesammelt 

Von  Bronze  sammelte  ich  ferner  einen  Armring  Ton  einer  älteren  Person  und 
einen  anderen  von  einem  Kinde;  dann  Kleidernadeln.  Dazu  verschiedene  Car- 
neolperJen  (alle  von  einer  Seite  gebohrt)  und  Glasperlen  von  iuteressanten  Formen. 

Aus  zwei  Steinkisten  wurden  gesammelt  ein  paar  Goldohrgebänge,  ähnlich 
denen  von  Komunta  in  Digurien,  daher  der  Byzantiner-Zeit  angehdrend,  dann  ein 
Geliängsel  von  Silber^  einen  Halbmond  bildend;  eine  Baurnadel  von  Bronze 
niit  grosser  ceylonischer  Perle.  Ein  Fingerring  von  Silber,  besetzt  nait 
einer  Rubingemme,  darauf  ein  Hase*  Ein  Armring  von  Silber,  2  Armringe 
von  Bronzedraht;  ein  Spinnwirtel  von  Bein  und  einer  Ton  Glaspaate 
mit  farbigen  Blumen  verziert.  Zwei  kleine  Glas  ringe  (Talismane?).  Die  Fibeln 
von  Eisen  sind  alle  zerstört. 

Von  Schädeln  habe  ich  10  Stück  nach  Tiflis  gebracht;  bis  auf  zwei  Stück 
aber  sind  dieselben  so  jämmerlich  zerstört,  dass  ich  es  nicht  wage,  diese  Trümmer 
zu  schicken;  es  werden  daher  nur  hoebstens  drei  Schädel  Cur  Berlin  eingepackt  — 

Ich  habe  für  Sie  eine  grosse  Partie  Obsidiansplitter  von  Samlhawro  ge- 
sammelt, wobei  sehr  interessante  Stücke  sich  finden,  die  an  Messer,  Pfeilspitzen, 
Schaber  u.  «»  w,  erinnern,  und  es  ist  merkwürdig,  wie  bei  der  Unzahl  von  Obsidian- 
splitter n,  bei  denen  kaum  einige  Hiebe  nothig  gewesen  wären,  um  Stein  werk  zeuge 
daraus  zu  bereiten,  man  doch  kein  einziges  bearbeitetes  Stück  auf  Samlhawro  findet. 
Diese  Sammlung  von  Splittern  ist  auch  darin  sehr  lehrreich,  dass  viele  Nichtken ner 
der  wirklichen  Stein  Werkzeuge  ganz  sicher  dabei  künstliche  Produkte  erkennen 
wurden;  sie  beweist,  wie  vorsichtig  manche  Berichte  von  Steinwerkzeugfynden  auf- 
zunehmen  sind.  — 

Aus  dem  Löss,  unter  einem  Kuppelgrabe,  sammelte  ich  eine  Partie  gebrannter 
Knochen,  worunter  Menschenschädel  und  Wirbeltrümmer  mir  aufstiessen.  Sollte  hier 
Leicbenbrand  oder  Anthropophagie  vorliegen?  —  Au  zwei  Stellen  fand  ich  jetzt 
unter  den  Knppelgräbern  grosse,  mit  Knochen  gemengte  Brandstellen  mit  Holz- 
kohlen; an  anderen  Stellen  aber  nur  Koochentrummer  im  Löss,  Ich  sammelte  für 
Sie  eine  kleine  Partie  der  gebrannten  Knochen  und  vier  Zähne,  wahrscheinlich  vom 
Hirsch^  die  nicht  im  Brande  lagen«  Grossere  Knochen,  namentlich  Röhreukoochen, 
konnte  ich  diesmal  nicht  finden;  die  kleineren  Eübrenknochen  sind  aber  alle  ge- 
spalten. 

Ein  unbeschreibliches  Gewitter  mit  zweimaligem  Hagelschlag  machte  meinen 
Arbeiten  auf  Samthawro  ein  Ende.  Mehie  Gruben  waren  alle  noch  zwei  Tage  dar- 
auf mit  Wasser  gefüllt;  ich  liess  daher  dieselben  zuwerfen  und  das  Feld  ebnen, 
damit  der  Landbesitzer  auch  dies  Stiick  Land  bebauen  kann,  wie  dies  jetzt  mit  dem 
ganzen  Leichen  felde  der  Fall  iat. 


(305) 

Hr.  TOD  Weisenhoff  hat  mir  eine  Partie  sehr  schöner  glasirter,  bemalter 
und  sogar  mit  arabischen  Inschriften  versehener  Thongeschirrscherben  aus  der 
Itulagwiden-Zeit  für  Sie  iibergeben,  die  auf  dem  Felde  zwischen  Eura  und  Araxes, 
oberhalb  ihrer  Vereinigung,  gefunden  wurden,  wahrscheinlich  an  der  Stelle,  wo 
Djelal-Ed-din  von  den  Kurden  ermordet  wurde.  Auch  griinglasirte  Ziegelbruch- 
stQcke  sind  dabei. 

Ich  selbst  enthalte  mich  für  jetzt  gänzlich  weiterer  Schlüsse  über  meine  Aus- 
grabungeu.  Für  mich  ist  an  den  jetzt  gesammelten  Gegenständen  aus  den  Kuppel- 
gräbern von  Samthawro  das  so  häufige  Vorkommen  Ton  Eisen wafiPen  unerklärlich, 
während  auch  jetzt,  bis  auf  eine  einzige  Kleidernadel,  von  Eisengeräth  nichts  an- 
deres sich  fand;  dann  die  so  zu  sagen  fast  kunstlosen  Bronzesachen  neben  der 
schon  hohen  Kunst  der  Glasperlen-Industrie.  Lokalerzeugnisse  in  den  Samthawroer 
Kuppelgräbern  scheinen  mir  nur  die  Thongeschirre  und  vielleicht  die  Jagdpfeil- 
spitzen von  Bronzeblech  und  Bein  zu  sein. 

Die  Scheitelhaartheil-Nadel,  früher  fälschlich  Scheitelscheide-Nadel  von  mir  ge- 
nannt, habe  ich  im  alten,  ausgeworfenen  Schutte  der  Steinkiste  Nr.  565  des  Jahres 
1876,  welche  ich  jetzt  wieder  mit  Erde  füllte,  während  ich  das  Land  ebnen  liess, 
wiedergefunden,  leider  fehlt  an  diesem  Exemplar  das,  wahrscheinlich  aus  einem 
Onjxcjlinder  bestehende  Köpfchen.  Ich  werde  dieselbe  Ihnen  zuschicken;  Sie 
werden  sehen,  dass  diese  Nadeln  mit  den  Scheiben-  und  Schaufelnadeln  von  Koban, 
wenn  auch  eben  so  lang,  nicht  zu  identifizieren  sind;  sie  gehören  einer  bedeutend 
jüngeren  Periode  und  jüngeren  Kunst  an. 

In  zwei  Gräbern  fand  ich  unter  den  Kuppelgräbern,  einen  Fuss  unter  der 
oberen  Leiche,  wieder  eine  Leiche,  wobei  merkwürdiger  Weise  nichts  anderes  als 
Bronze-Lanzenspitzen  auftraten,  während  in  der  oberen  Lage  nur  Eisenwaffen  nebst 
Bronzenadeln  und  Thongesch irren  sich  sammeln  Hessen. 

Von  grossem  Interesse  ist  für  mich  in  Ihrem  Buche  über  Koban  das  Citat  von 
Plinius  über  den  Carneol  bei  Babylon.  Sollte  Plinius  diesen  Bericht  aus  dem 
Herodotischen  Babylon,  was  sehr  wahrscheinlich  ist,  haben,  so  Hesse  sich  vielleicht 
dieser  Carneol  zwischen  der  Algeth  und  der  Vera,  im  Süden  von  Tiflis,  einmal 
finden,  denn  als  Gerolle  fand  ich  ihn  im  Kodi-See  und  im  Walde  bei  der  deut- 
schen Kolonie  Elisabeththal,  16  Werst  südlich  von  Tiflis. 


r^ 


(17)    Hr.  W.  Dolbeschew  berichtet  in  einem  Briefe  an  den  Vorsitzenden  d.  d. 
Wladikawkas,  2./ 14.  Mai,  über 

eine  Bronzegussform  von  Koban,  Kaukasus. 

Wir  wollen,  Ihrem  Wunsche  gemäss,  recht  sorg- 
fältig nach  den  Wohnsitzen  der  alten  Ober-Kobaner 
suchen.  Dazu  werde  ich  Ausgrabungen  irgendwo  im 
alten  Gemäuer  des  Auls  selbst  anstellen,  auch  ander- 
wärts herumsuchen.  In  den  Sachen,  die  ich  von 
Kanukoff  für  das  Petersburger  Museum  absandte, 
fand  sich  eine  Thonform  aus  gebranntem,  rothem 
Lehm  mit  einem  dazu  genau  passenden  Deckel  aus 
demselben  Material.  Das  Ding  enthielt  den  Abdruck 
eines  schmalen  Dolches  mit  Handhabe,  ohngefähr  wie 
ich  hier  aufgezeichnet  habe  (Fig.  1  u.  2).  Die  Ver- 
tiefung des  Abdruckes  hatte  sehr  genaue  scharfe  Kan- 
ten.   Das  Stück  war  etwa  in  der  Mitte  durchgebrochen. 

V«rhaiidL  dar  B«rl.  Anthropol.  GeMllschaft  1883.  20 


(306) 

Die  Ränder  a  a  a  des  Lehmstückes  Fig.  1  und  die  Fläche  de8  St&ckes  Fig.  3,  b  b  h, 
waren  sehr  glatt  und  passten  genau  auf  einander;  auf  der  Fläche  b  b  b  des  xweiteo 
StQckes,  das  nicht  so  dick  war,  wie  das  erste,  war  keine  Spur  Ton  Abdruck  oder 
Vertiefung  bemerkbar.  Aufeinandergelegt,  passten  die  Stücke  in  Betreff  der  Länge, 
der  Breite  und  der  Ecken  ganz  genau  auf  einander.  Ich  denke,  dass  man  mit  Gewiaa- 
heit  voraussetzen  darf,  dass  es  eine  Gussform  gewesen  ist,  und  dass  man  daher  aof 
eine  ortliche  Fabrikation  oder  Nachahmung  oder  Reparatur  der  Gussgegen stände 
Ton  Koban  schliessen  düifte.  Am  oberen  Ende  des  Stückes  Fig.  1  war  eine  kleine, 
etwas  trichterförmige  Rinne,  durch  die  wahrscheinlich  das  aufgelöste  Metall  gegossen 
wurde.  Diese  beiden  Stucke  sind  in  einem  Grabe  nebst  anderen  Sachen  gefunden 
worden.  Sonderbar  kommt  mir  hier  nur  der  umstand  Tor,  dass  ich,  so  viel  ich 
Kobaner  Bronzen  gesehen  habe,  mich  durchaus  nicht  eines  Stückes  erinnern  kann, 
das  genau  der  Form  dieses  Abdruckes  entspräche.  — 

Hr.  Virchow  bemerkt  dazu,  dass  er  Hrn.  Dolbeschew  ersucht  habe,  doch 
alle  Aufmerksamkeit  darauf  zu  verwenden,  ob  sich  nicht  in  oder  bei  Koban  Spuren 
der  alten  Niederlassung  auffinden  Hessen,  welche  doch  unzweifelhaft  früher  dort 
bestanden  haben  müsse.  Möglicherweise  würden  sich  dann  ungleich  deutlichere 
Nachweise  für  das  Alter  und  die  ganze  Beschaffenheit  der  dortigen  Cultur  gewinnen 
lassen.  Der  Nachweis  einer  Gussform  sei  von  grosser  Wichtigkeit,  zumal  da  unter 
den  von  Hrn.  Chan  tre  mitgebrachten  Bronzen  sich  eine  annähernd  ähnliche  Form 
eines  zweischneidigen  Dolchmessers  befinde. 

(18)  Hr.  Virchow  lenkt  die  Aufmerksamkeit  der  Gesellschaft  auf  den,  eben 
in  Berlin  gezeigten 

anerlkanischen  Zwerg. 

Francis  G.  Flym  von  New -York,  19  Jahre  alt,  ist  einer  der  niedlichsten 
und  durch  die  gleicbmässige  Kleinheit  aller  Theile  vorzugsweise  ausgezeichneten 
Zwerge.  Seine  Körperhöhe  beträgt  nur  80,7  cm  Rumpf  und  Glieder  sind  ganz 
proportionirt  und  höchstens  der  Kopf  ist  für  diesen  Körper  vielleicht  etwas  zu  gro«8 
ausgefallen.     Es  beträgt 

der  Horizontalumfang  ....     415  mm 

der  Vertikal  umfang  (quer)     .     .     268    ^ 

die  grösste  Länge  des  Kopfes    .     146    „ 
Breite     „         „         •     116    ^ 
Seine  Geisteskräfte  sind,  wie  es  scheint,  über  die  eines  12jährigen  Kindes  hinaas 
nicht    erheblich  entwickelt,   indess  weiss  er  durch  eine  gewisse  Sicherheit  des  Be- 
nehmens und  der  Haltung  diesen  JMangel  zu  verdecken. 

(19)  Hr.  Virchow  bespricht,  unter  Vorlage  zweier  Schädel, 

die  Rasse  von  La  Täne. 

Durch  ungewöhnlich  glückliche  Beziehungen  sind  wir  im  Stande  gewesen, 
für  die  Geseilschaft  ein  fast  vollständiges  Skelet  und  einen  trefflich  erhaltenen 
Schädel  aus  der  berühmten  Pfahl baustation  von  La  Tene  am  Neuenburger  See  zu 
erwerben.  Hr.  Professor  Aeby  in  Bern  zeigte  mir  unter  dem  24.  April  an,  dass 
in  der  Culturschicht,  3,5  m  tief,  in  Gesellschaft  von  Pferdeschädeln  und  eisernen 
Kriegswaffen  mehrere  Menschenskelette  gefunden  seien,  von  denen  eines  nebst  einem 
Schädel  zum  Kauf  gestellt  sei.    Der  Ausscbuss  bewilligte  sofort  die  Ankaufssumme 


(307) 

und  wir  sind  jetzt  in  der  beneidenswerthen  Lage,  an  eigenem  Material  die  Unter- 
suchung über  die  Rasse,  welche  jener  berühmten  Cultur  Ton  La  Tene  als  Trägerin 
diente,  anstellen  zu  können. 

Der  Direktor  der  archäologischen  und  anthropologischen  Sammlung  in  Bern, 
fir.  Edm.  von  Fellenberg,  hat  noch  die  besondere  Güte  gehabt,  über  die  Fund- 
▼erhältnisse  selbst  folgenden  Bericht  an  mich  gelangen  zu  lassen: 

„Seit  der  Tieferlegung  der  Juraseen  durch  die  grossartigen  Arbeiten  der 
Juragewässer-Correction,  die  uns  ermöglicht  hat,  zahlreiche  Pfahlbauten  trockenen 
Fusses  auszubeuten  und  umzugraben,  ist  auch  der  Pfahlbau  von  La  Tene  bei  Marin 
trocken  gelegt  und  in  den  letzten  Jahren  mit  wechselndem  Erfolg  von  verschie- 
denen Alterthumsforschern,  vor  Allen  von  Hrn.  Oberlehrer  Vouga  in  Marin  und 
dem  Abwart  des  Neuenburger  Museums,  Hr.  F.  Borel,  ausgebeutet  worden.  Die 
zahlreichen  prachtvollen  WaflFen  (Schwerter,  Lanzen,  Schildbeschlage  u.  s.  w.),  welche 
die  Sammlungen  des  Oberst  Schwab  sei.  im  Schwab-Museum  zieren,  und  diejenigen 
von  Prof.  Desor  in  Neuenburg  wurden  in  früheren  Jahren  bei  ruhigem  Wetter  und 
klarem  See  meist  oberflächlich  mit  der  Zange  vom  Seegrund  aufgehoben  oder  mit 
leichtem  Uandbagger  aus  der  oberen  Bodenschicht  des  Seegrundes  herausgebaggert. 
Die  damaligen  Fundstücke  La  Tene^s  fanden  sich  auf  einem  beschränkten  Areal  zahl- 
reich auf  oder  in  schlammigem  und  Torfboden  vor,  zwischen  zahlreichen,  sehr  dicken 
eicheneu  Pfählen  und  liegenden  Balken.  Seit  der  Tieferlegung  des  Sees  jedoch 
hat  sich  das  Fundareal  von  La  Tene  bedeutend  erweitert.  Weiter  gegen  das  Land 
hin,  innerhalb  des  Terrains,  welches  man  früher  für  die  eigentliche  Pfahlbaustation 
hielt,  fanden  sich  in  einer  groben  Kiesschicht  ebenfalls  La  Tene-Artefacte.  Hier 
sind  nun  seit  einigen  Jahren  grossartige  und  sehr  kostspielige  Ausgrabungen  vor- 
genommen worden,  welche  ergeben  haben,  dass,  was  man  früher  als  La  Tene-Station 
ansah,  kein  eigentlicher  Pfahlbau  im  gewöhnlichen  Sinne  des  Wortes,  sondern  eine 
Niederlassung  auf  einer  Insel  oder  an  einem  seichten  Ufer  der  alten  Zihl  (Tbielle) 
war,  welche  zur  gallischen  Zeit  einen  anderen  Ausfluss  aus  dem  Neuenburger  See 
•  hatte  als  jetzt.  Es  hat  sich  herausgestellt,  dnss  die  mächtigen  Kieslager  innerhalb 
der  früheren  oberflächlichen  Fundschichten  von  La  Tene-Sachen  den  alten  Lauf  der 
Zihl  bezeichnen,  und  nun  findet  sich  neuerdings  in  diesem  alten  Zihlbett,  welches 
allmählich  durch  den  Wellenschlag  des  Sees  von  Westen  her  ausgefüllt  wurde,  in 
verschiedenen  Niveaux,  bald  im  groben  Kies,  bald  im  feineren  Sand  und  in  Schlamm- 
schichten, eine  Fülle  der  werthvollsten  Artefacte  der  La  Tene-Periode.  In  diesem 
alti^n  Flussbett  zeigen  sich  nicht  regelmässige  Pfähle,  wie  in  der  äusseren  (alten) 
Station,  sondern  nur  einzelne  Pföhle  und  liegende  Balken,  die  auf  eine  Brücke  hin- 
deuten. Um  diese  Brücke  oder  um  die  alte  Fuhrt,  die  aufs  jenseitige  Ufer  zur 
eigentlichen  Station  (Lager,  castrum,  Fabrik?)  führte,  hat  man  sich  geschlagen,  das 
zeigen  alle  die  Waffen,  welche  Einschnitte,  Scharten  besitzen,  oder  solche,  die  gebogen, 
zerknittert  oder  zerbrochen  sind.  Hier  auch  im  alten  Flussbett  liegen  die  zahl- 
reichen Ueberreste  menschlicher  Individuen,  und  zwar  Skelette  und  zahlreiche 
Schädel  mit  Spuren  von  Schwerthieben  und  sonstigen  Verletzungen;  ebenso  zahl- 
reich sind  Pferdeschädel.  Oberlehrer  Vouga,  der  beste  Kenner  der  Station  La 
T^ne,  hat  schon  über  30  Skelette,  meist  nur  in  einzelnen  Theilen,  constatirt.  Es 
hat  nun  letzten  Winter  Hr.  F.  Borel,  der  Abwart  des  Neuenburger  Museums,  auf 
Rechnung  des  letzteren,  wobei  er  als  Bezahlung  die  Doubletten  verwerthen  darf, 
wieder  grossere  Ausgrabungen  vorgenommen  und  ist  in  einer  Tiefe  von  S'/j — 4  m 
noch  auf  einige  wohlerhaltene  Skelette  und  Schädel  gestossen,  von  denen  diejenigen, 
die  Ihnen  zugesandt  worden,  mit  die  besterhaltenen  sind.  In  der  gleichen  Tiefe 
Dnter  und  neben  diesen  Menschenresten  fanden  sich  mehrere  sehr  schone  Schwerter, 

20* 


(308) 


wovoD  eines  mit  halbBeidg-broDiener  Scheide,  Pferdegebisse,  Tr e n aen stücke,  Laute n- 
spitzeii,  Fibeln  und  PferdeschadeL  Dr.  V.  Gross  besitzt  vou  La  Tene  eioeD  Schädel 
mit  mehreren  tiefen  und  scharfkantige»  Schmisaen  eines  Schwertbiebes,  Der  Prei» 
des  Skeletes  und  der  2  Schädel  ist  allerdings  etwas  hoch;  wenn  man  aber  bedenkt, 
dass  über  3  m  Kies  abgetragen  werden  mÖBScn,  bis  man  auf  die  Schicht  kommt,  und 
dass  man  immer  mit  Wasserandrang  zu  kämpfen  hat  und  fortwährend  pumpen  muss, 
so  begreift  man  die  etwas  hohen  Ansätze*  Da  wir  in  unserem  Antiquarinm  kein 
anthropologisches  Material  besitzen,  habe  ich  Freund  Aeby  ersucht,  für  eine  Ver- 
werthung  der  Skelette  zu  sorgen,  und  ich  bin  sehr  froh,  dass  sie  eine  so  würdige 
Ruhestätte  finden,  wie  die  Anthropo logische  Sanjmlung  in  Berlin  ist  Die  übrigen 
Fundstücke  habe  ich  alle  behalten,  da  in  eicht  zu  ferner  Zeit  La  Tene  auch  aus* 
gebeutet  und  der  Geschichte  verfallen  sein  wird.** 

Ich  darf  hier  zunächst  den  Herren  Aeby  und  y*  Fellenberg  dea  besonderen 
Dank  der  Gesellscbaft  aussprechen,  nicht  bloss  für  die  Zuwendung  so  seltener 
Funde,  sondern  auch  für  die  gute  Meinung^  in  welcher  sie  gerade  uns  bevorzugt 
haben.  Wir  waren,  wesentlich  durch  die  nicht  genug  anzuerkennende  Zuvorkommen- 
heit des  Hrn.  Victor  Grose  zu  wiederholten  Malen  in  der  Lage,  uns  mit  der  Cra- 
niologie  der  Pfahlbau ern  zu  beschäftigen,  indess  waren  diess  ohne  Ausnahme  Schädel 
aus  Stationen  der  Stein-  oder  der  Bronzezeit.  Zum  ersten  Male  liegen  uns  hier 
gut  erhaltene  Reste  der  Menschen  aus  jener  so  denkwürdigen  Anfangsperiode  der 
Eisenzeit  vor.  Ob  darüber  schon  anderweitig  neuere  Untersuchungen  veranstaltet 
worden  sind,  ist  mir  nicht  bekannt  geworden* 

Das  Skelet  ist  offenbar  ein  weibliches,  der  andere  Schädel  ein  männlicher. 
Somit  ist  eine  gute  Gelegeoheit  zu  vergleichenden  Betrachtungen  gegeben;  nur  ein 
Umstand  ist  hinderlich,  nehmlicb  eine  starke  Verletzung  der  Gegend  um  daa 
Hinterhauptsloch  bei  dem  männlichen  Schädel,  welche  insbesondere  die  Bestim- 
mung  der  Capacität,  der  Hohe  und  des  Sugittalnmfanges  unmöglich  macht.  Die 
Verletzung  selbst  ist  eine  alte  und  es  liegt  nahe,  sie  mit  dem  Kampfe,  den  Hr. 
V.  Fellenberg  erwähnt,  in  Verbindung  zu  bringen. 

Sämmtliche  Knochen  haben  jene  tief  graubraune  Färbung,  welche  den  Moor- 
knocheu  eigeothümlich  ist.  Sie  sind,  soweit  sie  vorhanden  sind,  wohl  erhalten, 
von  glänzendem,  dichtem  Aussehen  und  erheblicher  Schwere.  Die  Rinde  ist  durch* 
weg  vorhanden. 

1.  Der  männliche  Schädel  ist  sehr  voluminös.  Bei  einem  Horizontal- 
umfange von  51B  mm  misst  er  im  queren  Vertikal  um  fange  B12  mmi  der  Sagittal- 
umfang  betragt,  obwohl  von  der  Hinterhauptsschuppe  fast  der  ganze  untere  Ab- 
schnitt bis  nahe  an  die  Lineae  semicirculares  inferiores  fehlt,  immer  noch  344  mm. 
Der  sagittale  Umfang  des  Vorder*  und  Mittelkopfes  misst  je  124  inm.  Da  sich 
der  Längen  breiten  index  auf  80,2,  der  Auricularindex  auf  62,1  berechnet,  so  wird 
man  ihn  als  orthobrachycephal  bezeichnen  dürfen. 

Sämmtliche  Nähte  sind  offen.  An  der  Hinterhauptsschuppe  findet  sich  sogar 
noch  jederseits  ein  Rest  der  Sutura  transversa  occipitis.  Nur  das  linke 
Emissarium  parietale  fehlt  und  die  Sagittalia  hat  hier  einen  auffallend  einfachen, 
geradlinigen  Verlauf.  Dafür  sind  in  der  Lambdanabt  mehrfache  Schaltknochen 
enthalten  und  sie  bildet,  abgesehen  von  einer  Abflachung  der  Spitze,  einen  starken 
Absatz  gegen  die  Hinterhauptsschuppe. 

Der  Knochenbau  ist  am  eigentlichen  Schädel  kräftig.  Die  stark  geschwungenen 
Supraorbital  Wülste  treten  auffallig  vor  und  sind  durch  einen  prominenten  Naseo- 
Wulst  verbunden.  Die  Schläfenlinien  sind  deutlich,  aber  sie  treten  nicht  hoch  hin- 
auf; der  geringste  Abstand  der  ionereD  Linien  beträgt  152  mm^    Eine  Frotuberantift 


I 


4 


(309) 

occipitalis  externa  fehlt  gänzlich  und  auch  die  Lineae  semicirc.  occip.  sind  wenig 
entwickelt  Die  Tubera  parietalia  treten  kaum  hervor,  dagegen  sind  die  frontalia, 
namentlich  lateralwärts,  deutlich  abgesetzt 

In  der  Norma  verticalis  erscheint  das  Schädeldach  ziemlich  gleichmässig  ge- 
wölbt und  von  grosser  Breite,  die  Schläfengegend  nicht  eingewölbt,  nur  das  Hinter- 
haupt Yorspringend.  —  In  der  Seitenansicht  bildet  die  Scheitelcurve  keine  gleich- 
massige  Linie:  die  etwas  niedrige  Stirn  hat  einen  starken  Glabellareindruck,  da- 
gegen einen  deutlichen  intertuberalen  Vorsprung,  hinter  welchem  der  obere  Theil 
des  Stirnbeins  eine  lange,  sanft  ansteigende,  breite  Fläche  bildet;  der  höchste  Punkt 
der  Scheitelcurve  liegt  an  der  Fontanellstelle;  hinter  derselben  folgt  die  kurze, 
wenig  gewölbte  Curve  des  Mittel h au ptes,  von  der  Intertuberallinie  an  ein  schneller 
Abfall,  dann  der  Absatz  an  der  Lambdanaht  und  endlich  eine  massige  Yorwölbung 
der  Hioterhauptsschuppe,  die  schnell  nach  unten  und  vorn  umbiegt.  Auch  die 
Seitentheile  des  Schädels  sind  ausgevrölbt,  die  Alae  temporales  breit  und  nur  nach 
der  Basis  zu  stärker  eingebogen.  —  In  der  Norma  occipitalis  tritt  die  Breite  des 
Schädels  besonders  deutlich  hervor.  Der  Quercontour  erscheint  breit,  fast  flach 
gewölbt,  oben  etwas  gerundet,  an  den  Seiten  ein  fast  gerader  Abfall.  —  Die  Basilar- 
ansicht  zeigt  sich  breit  und  kurz,  die  Vorderansicht  so  breit  und  hoch,  dass 
der  Eindruck  einer  stärkeren  Entwickelung  des  Vorderkopfes  sich  sofort  ergiebt 
Der  untere  Frontaldurchmesser  misst  113  mm. 

Gegenüber  der  Schädelcapsel  erscheint  das  Gesicht  eher  dQrftig  und  etwas  ge- 
drückt, so  dass  es  fast  an  lappische  Formen  erinnert.  Der  Gesichtsindex  beträgt 
87,9,  ist  also  chamaeprosop.  Damit  harmonirt  die  Form  der  Orbitae,  welche 
niedrig,  breit  und  eckig  erscheinen;  der  untere  Rand  bildet  in  der  Gegend  der 
Sut  zygom.  max.  eine  kantige  Yorwölbung;  der  Index  74,3,  in  hohem  Maasse  cha- 
maekonch.  Die  Jochbogen  und  die  V^angenbeine  mehr  angelegt,  nur  die  Tubero- 
aitas  malaris  stärker  vortretend.  Sehr  tiefe  Fossae  caninae.  Die  Nase  kurz,  im 
knöchernen  Theile  schmal,  an  der  Wurzel  tief  angesetzt,  am  Riicken  eingebogen, 
die  Apertur  oben  eng,  nach  unten  weit  und  mit  starken  Pränasal  furchen  ver- 
sehen, neben  der  rechten  Furche  eine  rundliche  Knochenanschwellung;  Index  53,1, 
also  platyrrhin.  Der  Alveolarfortsatz  des  Oberkiefers  deutlich  prognath,  die 
Zähne  vorn  stärker  abgenutzt,  hinten  mit  gut  erhaltenen  Cuspides,  die  Schneide- 
zähne ziemlich  gross,  die  Molaren  von  regelmässig  nach  hinten  abnehmender  Grösse. 
Der  harte  Gaumen  gross,  im  mittleren  Theile  breit,  hinten  hufeisenförmig  zusammen- 
gehend, mit  leichtem  Medianwulst  am  hinteren  Abschnitte  und  kurzer  Spina  nasal. 
post;  Index  71,1,  leptostaphylin.  Unterkiefer  zart,  eher  schmal,  Distanz  der 
Winkel  nur  93  mm,  mit  hohen,  steilen  und  schmalen  Aesten,  das  Kinn  vortretend, 
gerundet^  die  Medianfläche  darüber  stark  eingebogen,  der  Zahnrand  vortretend, 
starke  Spina  ment  int     Molaren  fehlend,  Alveolen  obliterirt. 

Was  endlich  die  erwähnte  Verletzung  um  das  Hinterhauptsloch  betriflt,  so  um- 
bsst  der  Defekt  die  ganze  Apophysis  basilaris  bis  zum  Tuberculum  ephippii,  die 
Bogenstücke  und  den  unteren  Theil  der  Schuppe  des  Os  occipitis.  Die  Ossa  pe- 
trosa  bilden  unmittelbar  den  Rand  des  Loches.  Rings  umher  sieht  man  alte  Wund- 
flächen. Der  rechte  Warzenfortsatz  ist  fast  horizontal  und  zwar  in  zwei  Absätzen 
durchgeschlagen,  der  linke  vollständig  an  seiner  Basis  abgetrennt,  wie  denn  über- 
haupt links  die  Verletzungen  etwas  ausgiebiger  sind,  als  rechts.  Der  verletzte  Rand 
der  Hinterhauptsschuppe,  wie  die  Trennungsfläche  am  Keilbein,  sehen  stellenweise 
wie  gebrochen  aus;  man  erkennt  jedoch  an  ersterem  mehrfach  glatte,  scharfe,  nicht 
nuammenhängende,  sondern  absatzweise  sich  wiederholende  Schnitt-  oder  Hieb- 
flächen,  deren  Farbe  eben  so  braun  ist,  wie  die  der  übrigen  Knochenoberflfiche.    Am 


(310) 

deiitlichsteo  stod  sie  aaf  der  rechten  Seite  hmter  dem  WarzeiifotrtBaiz,  wo  il 
ander  zwei  gaoz  glatte  Hiebflicheo  faerrortreteo,  töq  deaen  at»  sieh  noch  bQfiio»«^ 
Ule  Eioftchziitte  auf  des  hinteren  umfang  des  Warze of ort satzes  erstrecken. 


X'^ 


Ai( 


.^ 


ZweifelJos  sind  diese  Verletzungea  mit  scharfen  InstrumenteD  beigebracht, 
welche  von  hinten  her  einwirkten,  und  zwar  entweder  kurz  vor  oder  bald  nachj 
dem  Tode*  Denn  einerseits  febten  jene  reactiven  V^eränderiingen  der  Nachbarschaft^! 
welche  während  des  Lebens  nach  derartigen  Verletzungen  eintreten;  andererseits 
siebt  man  ntcbt«  Ton  jenen  Brüchen  nnd  SpJitterungen,  wt'lcbe  bei  der  Verletztm« 
todter,  brüchig  gewordener  Knochen  8o  leicht  zu  Stande  kommen.  Nicht  nnwah 
scheinlich  ist  es,  dass  die  Verletzungen  den  Tod  herbeigeführt  haben.  Immerhin 
bleibt  dabei  Manche»  rathselhaft.  Ein  Hieb  mit  einem  Schwert  oder  einer  Streitaxt 
oder  ein  Lanzenstoss  kann  die  Ursache  der  Verwundungen  nicht  wohl  gewesen  sein; 
dazu  sind  sie  zu  zahlreich  und  zugleich  zu  klein,  AJlein  am  rechten  Warzenfort- 
sats  zahlt  man  über  einander  4  ungefähr  parallele  Schnitte;  der  eine  hat  die  Spitze 
glatt  abgetrennt,  ein  zweiter  ein  Stuck  darunter  Tom  hinteren  Umfange  sch&rf  ab- 
gesprengt, zwei  weitere,  näher  an  der  Basis,  aber  gleichfalls  am  hinteren  Umf&nge^j 
stellen  mehr  oberflächliche  Einschnitte  dar.  Letztere,  wie  gesagt,  sind  nur  Aus-i 
Ifiufer  jener  glatten  Schnittflächen,  welcbe  an  der  rechten  Cerebellarwölbung  der 
Hinterliauptsschuppe  sitzen.  Der  Bieb,  welcher  die  Basis  des  linken  Processus 
mastoidea  getroffen  und  fast  den  ganzen  Fortsatz  abgebrochen  hat,  liegt  wiederum 
verschieden  von  denen  der  rechten  Seite.  Keiner  von  diesen  Hieben  oder  Schnit- 
ten war  an  sich  t5dtlicb.  Auch  kann  keiner  yon  ihnen  den  grossen  Bruch  der 
Apophysis  basüaris  und  aller  Raodtheile  des  Foramen  magnum  bewirkt  haben, 
welchen  ich  beschrieben  habe.  Dieser  Bruch  nmss  vielmehr  vor  der  Beibringung 
einzelner  der  Torhanclenen  Schnittwunden  entstanden  sein,  denn  auf  der  linken 
Seite  hinten  sieht  man  eiDige  kleine  Schnittflächen  unmittelbar  am  Rande  der  zer- 
brochenen St|uama  occipitaüs. 

Am  wahrscheiniichsten  erficbeint  es  mir  daher,  anzunehmen,  dass  der  Tod  durch 
einen  Bruch  der  Basi»  cranii,  vielleicht  durch  einen  Sturz  mit  dem  Kopf  auf  einen 
harten  Gegenstand,  erfolgt  ist  und  dass  man  nachher  den  Kopf  vom  Rumpfe  ab- 
getrennt oder  abzutrennen  Tersucht  hat  ßesassen  wir  die  U  als  wir  bei,  so  würde 
sich  die  Frage  bebUmmter  beantworten  lassen. 


(311) 

In  yieleo  Beziehungen  ähneln  die  hier  beschriebenen  Verletzungen  denjenigen, 
welche  ich  in  der  Sitzung  Tora  18.  März  1882  (Yerh.  S.  226)  von  Ainos  und  an- 
deren Schädeln  beschrieben  und  abgebildet  habe.  Indess  möchte  ich  doch' nicht 
glauben,  dass  sie  derselben  Kategorie  angehören.  Abgesehen  davon,  dass  in  allen 
diesen  anderen  Fällen  eine  Verletzung  der  Warzenfortsätze,  der  Apophysis  basilaris 
und  der  ßogenstücke  des  Os  occipitis  nicht  vorliegt,  zeigt  bei  ihnen  auch  die  beson- 
dere Art  der  Verletzung  der  Hioterhauptsschuppe  bemerkenswerthe  Unterschiede,  vor- 
nehmlich die  vorwiegend  quere  Richtung  der  Substanzverluste.  Die  Verletzung  an 
dem  La  Tene-Schädel  ist  mit  viel  grösserer  Gewalt,  offenbar  mit  wuchtigen,  scharfen 
Hieben  ausgeführt  worden,  und  während  bei  jenen  anderen  Schädeln,  wie  bei  den 
von  Hrn.  Kopernicki  beschriebenen,  die  Richtung  des  schneidenden  Werkzeuges 
mehr  gegen  die  Schädelhöhle  gerichtet  war,  geht  sie  bei  dem  La  Tene-Schädel 
fast  genau  horizontal  gegen  den  Anfang  des  Wirbelkaoals. 

2.  Das  Skelet  mit  dem  zweiten  Schädel  gehört  einer  jüngeren  Weibs 
person,  wahrscheinlich  gegen  20  Jahre  alt,  an.  Die  sämmtlichen  Knorpelfugen, 
auch  die  Synchondrosis  spheno-occipitalis,  sind  geschlossen,  und  obwohl  ein  Weis- 
heitszahn eben  erst  am  Durchbrechen  ist,  zeigen  die  meisten  übrigen  Zähne  doch 
schon  die  Zeichen  erheblicher  Abnutzung.  Sämmtliche  Knochen  sind  von  mehr 
gracilem  Bau:  die  Höhe  des  montirten  Skelets  beträgt  nur  1,47  m  und  die  Capa- 
cität  des  Schädels  bemisst  sich  auf  1200  ccm.  Auf  alle  Fälle  muss  die  Person 
klein,  aber  ausgewachsen  gewesen  sein. 

Der  Schädel  ist  hypsibrachycephal  (Längenbreitenindex  82,9,  Längenhöhen- 
index  76,4,  Auricularindex  64,1).  Die  Umfangsmaasse  stimmen  mit  den  Durch- 
messern sehr  gut  überein:  die  vertikalen  und  sagittalen  sind  verhultnissmässig  gross, 
das  horizontale  klein.  Aus  den  noch  später  zu  besprechenden  sagittalen  Umfangs- 
maassen  geht  eine  überwiegend  sincipitale  Entwickelung  des  Kopfes  hervor. 

Sämmtliche  Nähte  sind  offen  und  die  meisten  nicht  bloss  stark  gezackt,  son- 
dern auch  in  ungewöhnlichem  Grade  mit  kleinen  Schaltknochen  durchsetzt.  An  der 
Sagittalis  ist  der  Abschnitt  zwischen  den  parietalen  Emissarien,  von  denen  übrigens 
das  linke  fehlt,  einfach,  wenngleich  etwas  geschlängelt,  während  der  vorderste  und 
der  hinterste  Abschnitt,  jener  in  der  Länge  von  3,  dieser  in  der  Länge  einer 
Fingerbreite  sehr  verästelte  Zacken  und  eine  grössere  Zahl  minimaler  Schaltknochen 
zeigt  und  zugleich  etwas  erhaben  ist  Auch  die  Coronaria  ist  jederseits  in  dem 
Abschnitte  zwischen  dem  Kreuzungspunkt  der  Schläfenlinie  (Stephanion  Broca) 
und  einer  etwa  3  Finger  breiten,  an  der  Mitte  gelegenen  Stelle  mit  einer  breiten 
Zone  feinster,  fast  wie  Filigran  aussehender  Schaltknöchelchen  erfüllt.  Dagegen 
enthält  die  Lambdanaht  nur  in  ihrem  rechten  Schenkel  ein  Paar  grössere  Worm- 
sehe  Knochen. 

Im  Uebrigen  ist  der  Schädel  sehr  regelmässig  gebildet  und  von  gleichmässig 
glatter  Oberfläche.  Die  niedrige  Stirn  hat  fast  gar  keine  Wülste  und  eine  sehr 
schwache  Glabella.  Der  Mittelkopf  zeigt  eine  grosse  flache  Wölbung,  indem  die 
Schlfifenlinien  sich  mit  ihren  medialen  Schenkeln  nur  bis  auf  13,  mit  den  lateralen 
bis  auf  13,8  cm  Oberflächendistanz  einander  nähern.  Auch  die  Protuberantia  occi- 
pitalis  ist  schwach,  dagegen  findet  sich  ein  kräftiger  Toms  occipitalis  an  der  Linea 
semidrc.  superior.  Auch  die  Warzenfortsätze  sind  kräftig  und  durch  tiefe  und 
breite  Incisuren  begrenzt. 

In  der  Norma  verticalis  sieht  man  das  stark  gewölbte  und  durchweg  breite 
Schädeldach  länglich  gerundet.  Hinterhaupt  und  Stirn  treten  etwas  eckig  vor,  die 
Gegenden  der  Parietalhöcker  sind  stärker  ausgelegt,  die  Höcker  selbst  aber  nicht 
abgesetzt,  die  Schläfen  voll. 


(312) 

In  der  Seitenansicht  erscheint  der  Schädel  hoch  und  wegen  der  mehr  flach 
gewölbten  Scheitelcurve  trotz  seiner  Kürze  (167,5  mm)  mehr  länglich.  Die  ziem- 
lich gerade  und,  wie  gesagt,  niedrige  Stirn  hat  einen  Yolleo  Nasenfortsatz  und  eine 
vorgewölbte  Intertuberalgegend ;  hinter  derselben  biegt  die  Curve  schnell  nach  hin- 
ten und  bildet  noch  am  Stirnbein  eine  lange,  sehr  volle  Wölbung;  darauf  folgt  eine 
kurze,  fast  gerade  Strecke  bis  zur  parietalen  Intertuberallinie  und  von  hier  an  ein 
schneller  Abfall,  der  nur  am  Lambdawinkel  einen  leichten  Absatz  zeigt.  Am  Hinter- 
haupt tritt  die  Oberschuppe  leicht  vor,  um  sich  schnell  nach  unten  und  vorn  um- 
zubiegen. Die  Alae  temporales  sind  gross  und  erst  nach  unten  hin  stärker  ein- 
gebogen. 

In  der  Hinteransicht  erscheint  der  Schädel  trotz  der  geringen  Krhebung  an 
der  Sagittalis  breit  gewölbt  bis  zur  Tuberalgegend,  die  Seiteiitheile  wenig  ausgelegt 
und  nach  unten  etwas  convergirend,  die  Basis  breit  und  durch  Vortreten  der  Cere- 
bellargegenden  etwas  gewölbt.  Der  erwähnte  Torus  occipitalis  ist  nach  oben  und 
unten  durch  starke  Vertiefungen  begrenzt.  Die  Oberfläche  der  Unterschuppe  durch 
zahlreiche  Muskel-  und  Sehnenansätze  vielfach  modulirt. 

In  der  Onteransicht  tritt  die  kurze  und  breite  Form  besonders  deutlich  hervor. 
Das  Foramen  maguum  eng,  31  mm  lang,  25  breit,  mit  sehr  dicken  Randern  und 
vorspringenden,  stark  gewölbten  Gelenkhöckern  versehen. 

Endlich  in  der  Vorderansicht  zeigt  sich  die  Stirn  breit,  voll  und  der  ganze 
Vorderkopf  hoch  gewölbt. 

Das  Gesicht  trägt  in  noch  höherem  Grade  den  Charakter  einer  zarteren  £nt- 
wickelung.  Obwohl  der  Index  von  90,7  eben  noch  die  Leptoprosopie  erreicht, 
so  wurde  doch  bei  einer  weiteren  Gliederung  der  £intheilung  ihm  vielmehr  eine 
mittlere  Stellung  gebühren.  Jochbogen  und  Wangenbeine  sind  anliegend  und  nur 
die  Tuberositas  malaris  tritt  massig  vor.  Dagegen  sind  die  Orbitae  gross,  hoch  und 
mehr  gerundet,  ihr  Index  von  91,4  ist  hypsikonch.  Auch  die  Nase  ist  schmal,  die 
Wurzel  etwas  tief  liegend,  obwohl  die  Sutura  naso-frontalis  hoch  und  breit  in  den 
Nasenfortsatz  des  Stirnbeins  heraufgreift;  der  Rücken  ist  an  der  Wurzel  etwas  ein- 
gebogen, sonst  ziemlich  gerade  gefirstet,  die  Apertur  eng  und  ohne  Pränasalfurchen; 
Index  45,6,  leptorrhin.  Die  Fossae  cauinae  tief,  der  Alveolarfortsatz  des  Ober- 
kiefers etwas  schräg  gestellt,  die  Schneidezähne  gross,  die  Molaren  von  regelmässig 
abnehmender  Grösse:  schwacher  Prognathismus.  Gaumen  kurz  und  breit,  die 
Spina  nas.  post.  nicht  entwickelt,  an  der  Medianlinie  hinten  ein  leichter  Torus 
palat.;  Index  79,0,  leptostaphylin.  Der  Unterkiefer  zart,  die  Aeste  niedrig, 
breit  und  etwas  schräg  angesetzt,  die  Seitentheile  dick  und  niedrig,  das  Kinn  leicht 
dreieckig,  fast  progenäisch  vortretend,  die  Medianfläche  wenig  eingebogen,  die 
Vorderzähne  etwas  zurückstehend. 

Das  Skelet  ist  nicht  ganz  vollständig.  Die  Hände  fehlen  ganz,  von  den  Füssen 
sind  nur  die  Astragali  und  rechts  der  Calcaneus  vorhanden;  ebenso  fehlt  das 
Brustbein  nebst  den  vorderen  Rippenenden  und  einige  untere  Rippen;  auch  ist  das 
Becken  in  der  Gegend  der  Schambeinfuge  etwas  verletzt.  Dafür  sind  die  Wirbel 
und  die  langen  Knochen  der  Extremitäten  vollständig  und  gut  erhalten.  Die  ganze 
Höhe  des  Skelets  beträgt,  wie  erwähnt,  nur  1,47  m;  da  die  senkrechte  Entfernung 
der  Cristae  ilium  vom  Boden  854,  die  der  Trochanteren  747  mm  misst,  so  ergiebt 
sich,  dass  Hals  und  Rumpf  verbältnissmässig  laug  ausfallen.  Die  einzelnen  Ab- 
schnitte der  Extremitäten  sind  durchaus  günstig  proportiouirt,  Oberarme  und  Ober- 
schenkel länger  als  Vorderarme  und  Unterschenkel.  Die  Oberarme  wenig  torquiit, 
ohne  Durchbohrung  der  Fossa  olecrani;  die  Tibiae  nicht  platyknemisch,  mit  stark 
gebogenen  Cristae.     Das  Becken  ist   nicht  sicher  messbar,    aber  es  hat  eine  weite 


(318) 

Apertur;  die  Schaufeln  der  Darmbeine  niedrig  und  ausgelegt,  das  Kreuzbein  breit, 
die  Incisurae  ischiadicae  wenig  ausgetieft,  der  Winkel  an  der  Schamfuge  weit.  Es 
ist  also  ein  gut  gebautes,  wenn  auch  kleines,  weibliches  Hecken.  — 

Bei  einer  Yergleichung  der  beiden  Schädel  unter  einander  ergiebt  sich  trotz 
erheblicher  Differenzen  in  der  Grosse,  wie  sie  das  Torschiedene  Geschlecht  erklär- 
.  lieh  macht,  eine  üebereinstimmung  des  Hauptschädelindex:  derselbe  ist  bei  beiden 
brachjcephal,  bei  dem  Manne  80,2,  bei  dem  Weibe  82,9.  Die  gerade  Hohe  lässt 
sich  leider  wegen  des  Defekts  an  der  Basis  bei  dem  Manne  nicht  bestimmen;  ich 
schätzte  den  Höhenindex  als  orthocephal,  indem  ich  von  dem  Auricularindex  (62,1) 
ausging.  Immerhin  muss  derselbe  nahe  an  75  betragen  haben,  und  ich  meine  da- 
her, dass  die  Differenz  von  dem  weiblichen  Schädel,  dessen  Hohenindex  76,4,  also 
bjpsicephai  ist,  keine  sehr  grosse  ist.  Was  der  männliche  in  der  Länge  mehr  hat, 
kommt  dem  weiblichen  in  der  Höhe  zu  Gute.  Auch  darf  ich  sagen,  dass  der  cra- 
Diognomische  Ausdruck  der  beiden  Schädel  ein  ziemlich  einheitlicher  ist 

Es  kommt  dabei  namentlich  in  Betracht,  dass  an  beiden  Schädeln  der  Vorder- 
kopf eine  vorzugliche  Ausbildung  erfahren  hat.  Leider  lässt  sich  wegen  der  Ver- 
letzung am  basilaren  Theil  der  Hinterhauptsschuppe  eine  volle  Yergleichung  der 
sagittalen  Ümfangsmaasse  nicht  ausfuhren.  Immerhin  ist  es  sehr  bezeichnend,  dass 
der  sagittale  Umfang  des  Stirnbeins  in  beiden  Fällen  fast  gleich  gross  ist,  bei  dem 
Manne  124,  bei  dem  Weibe  123  7nm.  Grst  am  Mittelhaupt  erscheinen  Differenzen, 
welche  durch  die  verschiedene  Ossifikation  der  hinteren  Fontanelle  bedingt  sind. 

Sehr  viel  grosser  sind  die  Differenzen  im  Gesichtsskelet,  wie  eine  Zusammen- 
stellung der  Indices  sofort  ersichtlich  macht: 

Mann  Weib 

Gesichts-Index  .  .  .  chamae-  leptoprosop, 
Orbital-  ^  .  .  .  chamae-  hypsikonch, 
Nasen-         „      .     .     .     platy-  leptorrhin, 

Gaumen-     „      .     .     .     lepto-  leptostaphylin. 

Die  Aehnlichkeit  der  Gaumenbildung  basirt  auf  der  in  beiden  Fällen  vorhandenen, 
wenn  auch  nur  leichten  Prognathie.  In  allen  anderen  Beziehungen  ergeben  sich 
erbebliche  Unterschiede,  welche  in  der  Nasenbildung  culminiren:  der  platyrrhine 
Mann  hat  zugleich  sehr  ausgeprägte  Praenasalfurchen. 

Man  kann  nicht  sagen,  dass  diese  Verschiedenheiten  sich  durch  Geschlechts- 
unterschiede  genügend  erklaren  Hessen,  wenngleich  Aehniiches  sich  auch  bei  an- 
deren Rassen  findet.  Ich  erinnere  an  meine  Auseinandersetzungen  über  die  slavi- 
achen  Schädel  von  Slaboszewo  (Sitzung  vom  12.  November  1881,  Verhandl.  S.  363), 
wo  die  Ghamaekonchie  bei  den  Männern  auch  besonders  stark  hervortrat.  Sonder- 
barerweise bemerkte  ich  damals  auch  Praenasalfurchen  und,  wie  in  beiden  La  T^ne- 
Schädeln,  den  Torus  palatinus.  Ich  verzichte  jedoch  darauf,  diese  Frage  weiter  zu 
erörtern,  da  es  unmöglich  ist,  aus  zwei  Schädeln,  von  denen  der  eine  männlich, 
der  andere  weiblich  ist,  zu  ermitteln,  ob  der  betreffende  Stamm  ein  gemischter  war 
oder  nicht. 

Leider  ist  mir  aus  der  älteren  Literatur  nur  noch  ein  weiterer  Schädel  von  La 
Tene  bekannt  und  dieser  ist  sehr  unvollkommen  beschrieben:  es  ist  der  von  Desor 
(Les  palafittes,  Paris  1865,  p.  102,  Fig.  91 — 92)  kurz  besprochene.  Nach  der  Angabe 
anseres  verstorbenen  Freundes  ist  derselbe  ziemlich  gross,  sehr  lang,  oben  stark 
abgeplattet,  mit  enormer  Occipital-Entwickelung  und  sehr  niedriger,  fast  fehlender 
Stirn  (le  front  tr^  bas,  presquc  nul).  Von  den  Zähnen  wird  hervorgehoben,  dass 
sie  ungemein  stark  abgenutzt  seien.  Diese  Beschreibung  erscheint  gegenüber  den 
Abbildungen,    namentlich    in  Bezug   auf   die  Stirn,    etwas   übertrieben;    wenn    der 


Scbädel  sehr  lang  ist,  so  ersctieiot  er  doeb  auob  recbt  breit,  uod  nur  die  sehr  laoge 
und  flache  Scbeitelcurve  macht  den  Eintlruck  der  Cljaoiaecepbalie.  Sehr  auffällig 
iöt  die  Chamaekoüchic,  währeod  die  Nase  vielmehr  leptorrbia  und  die  AlTeolar- 
^o^l^ät2e  orthognath  aussehen.  Nach  der  Meiourig  Desor's  näherte  sich  dieser 
Schädel  am  meißten  dem  Sion-Typus  der  Herren  His  und  Rütimeyer, 

DiettB  ist  nun  aber  gerade  nicht  der  Fall  bei  unseren  Schädeln.  Der  Sion- 
Schädel  ist  weseDtlieb  ein  mest^cophaler  (mittlerer  Index  77,2),  und  obwohl  die 
Herren  His  und  Kütiujeyer  (Crania  belvetica  S.  12)  ein  Maximum  von  81,9  zu- 
lassen, so  pasät  doch  nicht  im  Mindesten  ihre  ßeecbreibutig:  ,,mäcbtige  Eßtwicke- 
lung  des  Hinierkopfes  nach  f>änge,  Breite  und  Höhe,**  Bei  ynseren  beiden  ScbE- 
delß  ist  der  Hinterkopf  kurz  ynd  breit  und  von  mäs^siger  Hoho.  Genau  geuomnaen 
paaat  von  den  4  Typen,  welche  die  genannten  Beobachter  an  Schweizer  Schädeln 
unterscheiden,  kein  einziger  gaox;  am  nächsten  kommt  ihm  aber  der  Disentiskopf, 
von  dem  es  heisst  (ebecdas.  S,  26):  ^sein  auffälligster  Charakter  bestehe  neben  Breite 
und  Kürze  in  der  Abflachung  des  Hinterhaupts  uud  in  dessen  beinahe  rechtwink- 
liger Absetzung  gegen  Scheitel  und  Basis.'*  Freilich  wird  der  Scbädelindex  im 
Mittel  auf  86,5,  im  Minimum  auf  81,8  angegeben,  so  dass  nur  der  weibltcbe  Schädel 
noch  hineiupasst;  auch  ist  das  Hinterhaupt  unserer  Schädel  nicht  abgeflacht,  son- 
dern kuT£  gewölbt,  ohne  nach  oben  oder  nach  unten  rechtwinklig  abgegetzt  zu  sein. 
Aber  der  Belair-  und  Hobberg-Typus,  welche  beide  als  dolichocepbal  bestimmt 
sind,  passen  gar  nicht.  Man  muss  sich  also  entweder  für  den  Disentis-Typus  enl* 
scheiden,  oder  man  muss  erklaren,  dass  die  beiden  La  Ttne- Schädel  gänzüch  aus 
dem  Rahmen  der  Eintheilung  von  His  und  Rütimeyer  heraustraten. 

Nun  ist  aber  Deeor  in  einer  anderen  Schrift  (Le  bei  dge  du  bronze  Jacustre 
ei)  Suiaae^  1874,  p,  27)  auf  den  in  seioem  Besitze  befindlichen  Schädel  von  La  T^ne 
zurückgekommen^  wenigstens  scheint  nach  genauer  Prüfung  der  Stelle  meine  frühere 
Annahme,  dass  diess  ein  zweiter  Schädel  gewesen  sei,  nicht  zuzutreffen.  Der 
Schädel  w^ar  inzwischen  durch  Hrn.  Ecker  gemessen  worden  und  als  brach jcephat 
(Index  81  j2)  bestimmt  worden.  Von  einer  „enormen"  Entwickelung  des  Hinter- 
haupts ist  aus  den  Zahlen  nichts  zu  ersehen,  denn  es  beträgt  der  Sagittalumfang  des 


Stirnbeins ,  . 
Mittelhaupts  . 
Hiaterhaupta  . 


130  mm  =  36,1 
120  „  =  33,3 
110  ^  ^  30,5 
360  mm      99,f) 


Hierbei  ist  nichts  Yon  einer  „enormen  Occipitaleutwickelung**  zu  bemerken,  sondern 
viel  mehr  von  einer  ungewöhnlich  starken  Fronlalentwickelung,  die  freilich  wenig 
stimmt  zu  der  früheren  Angabe  von  dem  front  presque  nul,  aber  um  so  mehr  mit 
den  Verhältnissen  unseres  Weiberschädels,  Denn  dieser  ergiebt  folgende  Verhalt 
nisse  des  Sagittalumfangs: 

Stirnbein  ,     .     .  123  mm  =  35,6 

Mittelhaupt     ...     115    ^    =  33.3 

Hinterhaupt  .  .  .  107  ^  =  31,0 
345  mm  99,9 
Grosser  kann  die  Uebereiostirnnvung  kaum  sein.  Wenn  Desor  trot^  dieser  Cor rel? 
turen  dabei  bleibt,  seine  La  Tene- Schädel  dem  Sic n -Typus  zuzuschreiben^  so  weiss 
ich  diess  nur  aus  dem  umstände  zu  erklären,  dass  unser  Freund  eben  kein  Adä- 
tom  und  dass  sein   Blick  für  Schadelverbältnisse  nicht  geschärft  war 

Unglücklicherweise  hat  er  auch  diessmal  keine  Beschreibung  des  Schädels  gegeben 
und    ich    vermag    daher   eine    ins  Einzelne  gehende  Vergleichung  nicht  zu  liefero. 


4 


i 


(315) 

Für  die  „yertikale^  Höbe  tbeilt  er  ein  £cker*8che8  Maass  mit  1 145  mm.  Das 
wQrde  eioen  Hohenindex  voo  80,1  ergeben,  also  einen  bypsibrachycepbalen  Scbädel. 
Jedenfalis  wächst  damit  die  Wahrscbeinlichkeit,  dass  die  Verwandtschaft  unserer 
beiden  Schädel  mit  diesem  früheren  eine  Tiel  grossere  ist,  als  man  nach  der  ersten 
Beschreibung  desselben  erwarten  durfte.  Eine  volle  Aufklärung  kann  natürlich 
nur  durch  eine  erneute  Untersuchung  gewonnen  werden,  indess  die  Thatsache,  dass 
alle  3  bisher  bekannten  La  T^ne-Schädel  brachycephal  sind,  dürfen  wir 
schon  jetzt  als  ein  bemerkenswertbes  Ergebniss  bezeichnen.  Von  einer  mächtigen 
Entwickelung  des  Hinterkopfes  und  somit  Ton  einer  Sion-Form  ist  nicht  die  Rede. 

Die  Herren  His  uod  Rütimeyer  haben  sich  für  solche  Fälle,  wie  der  vor- 
liegende, mit  der  Annahme  von  Mischtypen  geholfen,  und  in  der  That  würde  hier 
die  von  ihnen  als  ziemlich  häufig  angenommene  Mischung  Sion-Disentis  zulässig 
sein.  In  eine  derartige  Reihe  stellen  sie  zwei  Pfahlbau schädel  von  Pfeidwald  und 
VCD  Mörigen-Steinberg  (a.  a.  0.  S.  48),  also  von  Stationen,  von  denen  die  erstere 
als  romisch,  die  zweite  als  bis  in  die  romische  Zeit  reichend  bezeichnet  wird  (S.  50); 
femer  einen  vorrömischen  Gräberschädel  von  Bülach,  Cant.  Zürich,  aus  dem  I.  bis 
II.  Jahrhundert  stammend.  Die  Schädelindices  dieser  3  Köpfe  betrugen  83,8  — 
83,0  (?)  —  88,0.  Jedenfalls  treffen  wir  hier  Verwandte  der  La  Tene-Leute.  Ob 
diess  ein  Miscbtypus  ist,  das  muss  wohl  noch  im  Zweifel  bleiben,  bis  etwas  grössere 
Reihen  vorliegen;  möglicherweise  stossen  wir  hier  vielmehr  auf  einen  guten  Volks- 
typus. 

Desor  glaubte  speciell  durch  die  Vergleichung  seines  La  Teue-Schädels  mit 
einem  von  Mörigen  den  Nachweis  liefern  zu  können,  dass  dasselbe  Volk  den  Ueber- 
gang  von  der  Bronze-  zur  Eisenzeit  durchgemacht  habe  und  in  beiden  Perioden 
hervortrete.  Wie  gross  die  Aehnlichkeit  der  beiden  genannten  Schädel  unter  ein- 
ander war,  will  ich  dahingestellt  sein  lassen,  bis  genauere  Nachweise  darüber  vor- 
liegen. Ich  will  auch  nicht  bestimmt  behaupten,  dass  die  Eisenleute  Einwanderer 
und  Eroberer  waren,  obwohl  ich  eine  solche  Annahme  für  nicht  unwahrscheinlich 
halte.  Aber  ich  muss  darauf  aufmerksam  macheu,  dass  gerade  die  zunehmende 
Zahl  von  Schädeln  aus  Bronzestationen  des  Bieler  und  Neuen  burger  Sees  die 
üeberzeugung  herbeigeführt  bat,  dass  die  Bronzeleute  dolichocephal  waren. 
Ich  habe  ausführlich  über  eine  Anzahl  solcher  Schädel  in  der  Sitzung  vom  17.  März 
1877  (Verhandl.  S.  126,  Taf.  XI)  berichtet  und  noch  neuerlich,  in  der  Sitzung  vom 
17.  Juni  1882  (Verhandl.  S.  389),  einen  mustergültigen  Schädel  von  Auvernier 
beschrieben.  Bei  diesen  Gelegenheiten  habe  ich  schon  auf  andere  Parallelen  aus 
der  Literatur  hingewiesen.  Daraus  geht  meines  Erachtens  evident  hervor,  dass  die 
Hauptbevölkerung  der  Pfahlbaudörfer  der  Bronzezeit,  namentlich  in  der  West- 
schweis,  von  den  Leuten,  deren  Reste  wir  gegenwärtig  aus  La  T^ne  kennen  lernen, 
gänzlich  verschieden  war. 

Sehen  wir  uns  nach  Parallelen  dazu  um,  so  finden  sie  sich  in  der  alten  süd- 
keltischen Bevölkerung,  wie  wir  sie  am  besten  aus  der  Auvergne  kennen.  Auch 
Hr.  Aeby,  als  er  mir  die  Schädel  ankündigte,  erklärte  sie  für  gute  Specimina 
des  keltischen  Typus.  Damit  kämen  wir  also  auf  die  Helvetier,  und  da  die  Herren 
His  und  Rütimeyer  ihren  Sion-Typus  gleichfalls  als  den  althelvetischen  definir- 
tCD,  80  nähern  wir  uns  auf  einem  Umwege.  Die  volle  Vereinigung  wird  sich  viel- 
leicht so  herstellen  lassen,  dass  der  Sion-Typus  aufgegeben  oder  wenigstens  neben 
ihm  ein  neuer  Typus  aufgestellt  wird. 

Das  gefundene  Resultat  harmonirt  auf  das  Beste  mit  den  archäologischen  Fun- 
deo.  Desor  selbst  (Le  bei  äge  p.  28)  sagt,  die  Waffen  von  La  Tene  hätten  mit 
denen    der   guten  Bronzezeit  nichts  gemein,  dagegen  seien  sie  identisch  mit  denen 


(816) 

TOD  Alise-Sftiote'Reioe;  mit  ihoeo  finde  man  einlieimisehe  ood  lömische  M&nseo 
aas  der  ersten  Hälfte  des  L  Jabrbonderts  Ton  Aognstos  bis  Claudius.  Niemand 
kann  daran  zweifeln,  dass  nm  diese  Zeit  in  diesem  Theile  der  Schweb  keltische 
HeWetier  sassen,  nnd  es  liegt  gewiss  kein  Gmnd  Tor,  noch  eine  Mischnng  mit  dem 
Disentis-Tjpos  der  Rhätier  anzunehmen,  um  ihre  Schädelform  zu  erklären.  Kein 
Punkt  erscheint  mehr  gesichert  für  eine  derartige  Bestimmung,  als  La  Tene,  und 
ich  kann  daher  dem  Gefühle  des  Dankes  gegen  die  Herren  Aebj  und  t.  Fellen- 
berg  nur  noch  einmal  und  in  recht  warmer  Weise  Ausdruck  geben,  dass  sie  uns 
in  die  Lage  gesetzt  haben,  an  dieser  so  wichtigen  Untersuchung  Theil  nehmen  zu 
können.  — 

Die   gefundenen   Maasse   und  Indices   der  Schädel    ergiebt   die   nachstehende 
Tabelle: 


Schädel  Ton  La  Teoe 


Capadat 

Grösste  Läo|i;e 

,       Breite 

Gerade  Hohe 

AuricDlarhöhe 

Stirobreite 

Scbläfeodnrcbmesser .  .  .  . 
Occipitaldurchmesser  .  .  . 
Auriculardurchmesser  .  .  . 
MaBtoidealdurchmesser,  Spitze 
Basis. 

Gesicbtsböbe  A 

B 

Gesicbtsbreite  A 

B 

C 

Orbita,  Höbe 

,       Breite 

Nase,  Höhe 

M      Breite 

Gaumen,  Länge 

,        Breite 

Horizontalumfang 

Querer  Verticalumfang  .    .     . 

Sagittalumfang 

Stirn 

Mittelbaupt 

Hinterbanpt 


182 
146 

113 

100,5 

127 

115 

120 

124 
111 

66 
126 

95 

93 

27.5 

37 

47 

25 

59 

42 
518 
312 

124 
124 


1200 
167,5 
139 
128 
107,5 

91^ 
119 
104 
110 

94 
114 
108 

64 
119 

86,5 

87 

82 

35 

46 

21 

43 

34 
481 
300 
345 
123 
115 
107 


II.   Berachiet» 


Schädel  von  La  Ten e 


Liogenbreiteniodex 
L&n^i^nhdbenindex 
Auricnlarindex .  . 
Gesichtsindex  .  . 
Orbitalindex .  .  . 
Nasalindex  .  .  . 
Palatinaliodex  .    . 


82,9 
76,4 
644 
90,7 
91.4 
45,6 
79,0 


(20)  Hr.  Virchow  zeigt  das,  der  Gesellschaft  Tom  Verfasser  als  Geschenk 
zugesendete  neue  Werk  des  Hm.  Victor  Gross  über  die 

Protohelvetier. 

Das  schon  in  der  Zeitschrift  für  Ethnologie  S.  152  angezeigte  Werk,  welches 
zum  ersten  Male  eine  zusammenfassende  Debersicht  der  Hauptfunde  aus  den  Pfiihl- 
baustationen ,  namentlich  der  Westschweiz,  für  die  Stein-  und  Bronzezeit  giebt, 
sdiliesst  die  Eisenzeit  und  damit  die  Funde  tou  La  Tene  grundsatzlich  aus,  indem 
es  dieselben  einer  späteren  Publikation  vorbehält.  Für  jeden,  der  eine  genauere 
Eenntniss  der  älteren  Funde  und  damit  eines  der  wichtigsten  Culturabschnitte 
Europa's  gewinnen  will,  bietet  dieses  Werk  einen  wahren  Schatz,  und  es  kann  da- 
her den  Mitgliedern  nicht  dringend  genug  an  das  Herz  gelegt  werden,  durch  An- 
schaffung desselben  dem  Autor  die  grossen  Aufwendungen,  welche  er  im  Interesse 
der  prähistorischen  Wissenschaft  gemacht  hat,  einigermaassen  zu  ersetzen.  Die 
gebildeten  Kreise  in  Deutschland,  auch  wo  ihnen  Mittel  genug  zur  Verfugung 
stehen,  sind  leider  so  sehr  ent wohnt  davon,  Prachtwerke  rein  wissenschaftlichen 
Inhalts  zu  kaufen,  dass  unsere  Publicistik  dadurch  ein  auffällig  armseliges  Aus- 
sehen gegenüber  dem  Reicbthum  Italiens,  Frankreichs  und  Englands  an  parallelen 
Werken  darbietet.  Auch  solche  Autoren,  deren  Kräfte  so  grossen  Aufgaben  eigent- 
lich nicht  gewachsen  sind,  werden  dadurch  genothigt,  ausser  den  Kosten  der  Dnter- 
suchoDg  auch  noch  die  Kosten  der  Veröffentlichung  zu  tragen.  Nicht  einmal  unftere 
Gesellschaften  vermögen  es,  diese  Last  wirksam  zu  erleichtem. 

(21)  Hr.  Virchow  giebt,  unter  Vorlegung  zahlreicher  Abbildungen,  die  Fort- 
setznng  seines  in  der  letzten  Sitzung  abgebrochenen  Vortrages  über 

Italische  Prahlstorie. 

Bei  einer  Reise  in  Italien  stosst  uns,  die  wir  vom  Norden  herkommen,  die 
wir  also  zunächst  mit  den  Funden  von  Nord-  und  Mittel- Italien  bekannt  werden 
und  die  wir  natürlich  Beziehungen  suchen,  welche  etwa  unser  Land  mit  diesen 
Oegenden  in  der  Vorzeit  verknüpft  haben,  fortwährend  die  Frage  auf,  ob  die  alt- 
italisdie  Bevölkerung  vom  Norden  her  gekommen  ist,  also  in  irgend  einem  näheren 
Verwandtschaftsverhältnisse  mit  unseren  Volksstammen  gestanden  hat,  oder  ob  der 
Hauptstrom  der  Einwanderer  in  einer  anderen,  sei  es  östlichen,  sei  es  südlichen 
Bichtang  sich  bewegt  hat.     Eine  ganze  Reihe  italienischer  Forscher,  zu  denen  sich 


(318) 


auch  unser  LaDdainanD,  Hr.  HcUj ig  gesellt  hat,  ist  geneigt,  cioe  starke  Einwaode- 
ruög  vom  Nordeo  her  zuzugestehen.  Einige,  z.  B.  Hr.  Pigorini,  der  Direktor  des 
prabistori gehen  Museum»  in  Rom,  wollen  schon  die  Bewohner  der  TerramareD, 
jener  burgwalJartigen  Ansiedelungen,  welche  sich  in  der  Po-Ebene  finden  und  auch 
Dach  Süden  hin  nirgends  üter  die  Ebene  hinaus  getroffen  werden^  in  engere  Be- 
ziehungen setzen  mit  mehr  nordlichen  Stämmen,  insbesondere  mit  solchen,  die 
einst  in  Ungarn  gewohnt  haben.  Hr.  Hei  big  dagegen  hat  hauptsächlich  die  alten 
Etniflker  im  Auge,  von  denen  er  an  nimmt,  dass  sie  mit  grosser  Macht  aus  den 
Alpen  hervorgedrungen  seien  und  die  Terramaren  -  Bevölkerung  niedergeworfen 
hätten,  um  auf  den  Ruinen  eine  neue  Cultiirpenode  zu  inauguriren. 

Ich  rauss  nun  leider  sagen,  dass,  so  sehr  ich  an  sich  gewisse  Sympathien  da- 
für empfinde,  derartige  VerwandtschaftsverhältDisse  zwischen  den  alten  Stämmen 
Italiens  und  denen  unserer  eigenen  Prähislorie  aufzusuchen,  ich  doch  zu  keiner 
vollkommen  günstigen  Meinung  über  diese  Hypothesen  gekommen  bin.  Ich  kann 
nicht  umhin,  auszusprechen,  dass  auch  nach  meiner  italienischen  Reise  ich  vielmehr 
den  Eiodnick  bewahrt  habe,  den  ich  allerdiftgs  schon  mitnahm,  dass  eine  viel 
grossere  Zahl  von  Cultureinflüssen  schon  in  ganz  alter,  vorhistoriBcher  Zeit  von 
Süden  nach  Norden  über  die  Alpen  herüber  gewirkt  hat,  als  daes  umgekehrt  der 
Norden  mit  seinen  Künsten  den  Süden  befruchtet  habe.  Die  Schwierigkeit,  die 
ursprünglichen  Beziehungen  der  Terramareleuten  festzustellen,  wird  allerdings  in 
hohem  Maasse  vermehrt  durch  die  grosse  Verschiedenartigkeit  der  Fundgegenstande, 
welche  das  Auftreten  der  Terramare-Cultur  im  Norden  Italiens  bezeichnet,  gegen- 
über dem,  was  wir  in  Mittelitalien  jenseits  des  Apennin  und  noch  mehr  im  Süden, 
namentlich  mit  dem,  was  wir  in  Sicilien  antreffen.  Bis  jetit  ist  mir  wenigstens 
das  Verstandniss  dafür  nicht  aufgegangen,  d&ss  das  eine  und  dieselbe  zusammen* 
hangende  Cultur  sein  könne.  Im  Gegentheil  scheint  es  mir,  dasa  von  verschiedenen 
Ausgangen  her  ganz  verschiedene  Wege  der  Cultur  eingeschlagen  worden  sind. 

Ich  muss  dabei  bemerken,  dass  ein  nicht  geringes  HinderniBä  für  dieses  Stu- 
dium dadurch  herbeigeftihrt  wird,  dass  bis  in  die  neueste  Zeit  hinein  in  Italien  fast 
noch  mehr,  als  dns  bei  uns  leider  der  Fall  gewesen  ist,  in  den  Museen  eine  An- 
häufung von  Gegenstfinden  stattgefunden  hat,  ohne  dass  man  mit  Sicherheit  er- 
mitteln kann,  wo  sie  hergekommen  sind.  Wenn  nun  ein  solches  Museum  durch 
seinen  Namen  auf  eine  gewisse  Localilät  und  Bevölkerung  hinwel&t,  so  wird  jeder- 
mann dadurch  inducirt,  vorauszusetzen,  dass  auch  alles  in  dem  Museum  Enthaltene 
in  diese  Localcultur  hinein  gebore.  Ich  habe  durch  eigene  Anschauung  eine  Reihe 
von  Thatsachen  kennen  gelernt,  welche  darthun^  das»  nicht  wenige  Gegenstände,  die 
man  bei  uns  gewöhnt  ist,  in  eine  bekannte  Territorial  cultur  zu  versetzen,  z.  B.  in 
die  etruskische  oder  römische,  eine  ganz  andere  Stellung  einnahmen.  Um  das- 
jenige Beispiel  vorweg  zu  nehmen,  welches  mir  persönlich  den  tiefsten  Eindruck 
hervorgebracht  hat  und  an  das  ich  gerade  erinnert  werde  durch  das  vorliegende 
Werk  unseres  Freundes,  des  Hrn.  Weiss,  stiess  ich  in  dem  Museo  KircheriaDo 
in  Rom  auf  jene  Bronzefigur,  auf  welche  Hr,  Weiss  zu  wiederholten  Malen  bei 
Diskussionen  über  die  sogenannten  Bronzewagen  hier  in  der  Gesellschaft  hin- 
gewiesen hat  Es  ist  das  eine  ziemlich  hohe,  aber  sehr  roh  ausgeführte  Bronze- 
Statuette  eines  Kriegers,  der  auf  dem  Rucken  eine  aufgerichtete  Deichsel  tragt,  au 
deren  oberem  Ende  eine  Queraxe  mit  zwei  Rädern  befestigt  ist*).  Diese  Figur 
hatte  schon  die  Aufmerksamkeit  von  Winkel  mann  auf  sich  gezogen  und  wir 
hatten  die  Deutung  so  aufgefasst,  dass  es  ein  römischer  Soldat  sei,  der  ein  solches 


I 


I 
I 

I 


1}  Hertu.  Weiss,  Eostümkunde.     Stuttg.  1860.     Abth.  II,  S.  1066»  Fig.  458b. 


(319) 

kleines  Wagelchen  mit  sich  führte,  auf  das  er  gelegentlich,  wenn  es  die  Verhält- 
nisse  gestatteten,  sein  Gepäck  legte,  um  bequemer  marschiren  zu  können.  Mancher 
Ton  uns  ist  so  zu  der  Meinung  gekommen,  es  sei  ein  aligemeiner  Gebrauch  im 
römischen  Heere  gewesen,  derartige  Wägelchen  auf  Kriegszügen  mitzunehmen.  Ich 
war  daher  nicht  wenig  erstaunt,  bei  der  sorgfaltigeren  Aufstellung,  welche  unter 
der  Leitung  des  Hrn.  Pigorini  gegenwärtig  im  Museo  Kircheriano  stattgefunden 
hat,  diese  Figur  unter  eine  Zahl  verwandter  Stucke  aus  Sardinien  versetzt  zu 
sehen,  und  auf  meine  besondere  Ruckfrage  mit  der  grossten  Bestimmtheit  bestätigt 
zu  hören,  dass  das  eine  alteardische  Figur  sei,  die  weder  mit  Rom,  noch  mit  Etru- 
rien  in  irgend  einer  Beziehung  stehe.  Sie  zeigt  irgend  einen  Gebrauch  an,  der 
möglicherweise  den  alten  Phöniziern  eigenthümlich  gewesen  ist,  aber  der  in  keiner 
Weise  mit  römischen  Soldaten  in  Beziehung  gebracht  werden  kann. 

In  dem  Museo  nazionale  zu  Neapel,  dem  alten  Borbonico,  beschäftigte  ich 
mich  längere  Zeit  damit,  die  Bronzen  von  Pompeji  zu  studiren,  um  zu  sehen,  wie 
weit  man  in  der  Interpretation  der  einzelnen  Bronzestucke  die  römische  Cultur  zu 
Grunde  legen  und  was  man  namentlich  bei  uns  als  römisch  ansehen  dürfe.  Ich 
hatte  mir  eine  Reihe  von  Notizen  gemacht  von  Dingen,  die  mich  in  hohem  Maasse 
Qberraschten ,  dass  sie  in  Pompeji  im  Gebrauch  gewesen  sein  sollten,  bis  mir  das 
am  Ende  zu  viel  wurde  und  ich  mir  die  Mühe  nahm,  auf  die  Kataloge  zurück- 
■ugehen.  Dieselben  sind  et^vas  schwer  zu  erlangen,  indess  die  Herren  waren  sehr 
liebenswürdig,  es  wurden  die  Kataloge  herangebracht  und  so  ergab  sich,  dass  nicht 
ein  einziges  der  Stücke,  die  ich  mir  notirt  hatte,  ein  pompejanisches  sei,  sondern 
dass  sie  aus  einer  Anzahl  Ton  sehr  verschiedenartigen  alten  Sammlungen  herstamm- 
ten, die  man  nachher  nicht  bloss  unter  sich,  sondern  auch  mit  den  pompejanischen 
■usammen geworfen  hatte,  obwohl  sie  in  nichts  weiter  Beziehungen  zu  einander 
haben,  als  dass  sie  alle  Bronzen  sind.  So  ist  es  leicht  begreiflich,  dass  wenn 
jemand  mit  einer  gewissen  Tertrauensvollon  Nachsicht  durch  diese  Sammlungen  geht 
und  sich  notirt,  was  er  in  den  Schränken  sieht,  das  Gebiet  des  Römischen  sich  in 
einer  Weise  ausdehnt,  die  in  der  That  höchst  gefährlich  werden  kann  für  die 
Interpretation  der  Prähistorie. 

Tch  will  mich  auf  diese  Anführungen  beschränken;  ich  könnte  sonst  noch  eine 
Reihe  yon  Analoga  vorführen.  Das  letztere  Beispiel  wird  genügen,  um  zu  zeigen, 
wie  vorsichtig  man  sein  muss,  wenn  nicht  ganz  authentische  Notizen  über  die  Sache 
vorhanden  sind.  So  ist  es  denn  bei  uns  namentlich  geschehen,  dass  der  Begriff 
des  Etruskischen  eine  Ausdehnung  erhalten  hat,  die  nach  meiner  Meinung  un- 
zulässig ist  und  die  in  Bezug  auf  zeitliche  Bestimmung  der  Stücke  zu  durchaus 
&Ischen  Consequenzen  führen  muss.  Das  Etruskische  hat  ja  unverkennbar  eine 
ausserordentlich  grosse  Bedeutung,  insofern  es  für  uns  den  Anfang  der  eigentlichen 
Historie  bedeutet.  Wenn  auch  die  Anfange  des  alten  etruskischen  Volkes  an  sich 
liemlich  dunkel  und  in  gewissem  Sinne  prähistorisch  sind,  so  besitzen  wir  doch  für 
die  spätere  Zeit  bestimmte  Ueberlieferungen.  Wir  wissen,  dass  es  ein  reiches  Volk 
gewesen  ist,  dessen  politische  Organisation  und  dessen  artistische  und  wissenschaft- 
liche Entwickelung  zu  einer  grossen  Vollendung  geführt  war.  Wenn  man  uns  nun 
sagt:  das  oder  jenes  ist  etruskisch,  —  so  sind  wir  immer  geneigt,  das  Etruskische  als 
einen  bezeichnenden  Collektivbegriff  zu  nehmen  und  auf  eine  gemeinsame  Zeit  oder 
Bevölkerung  zn  beziehen.  Jetzt  erst,  seitdem  die  Prähistorie  in  ihr  Recht  getreten 
ist^  hat  man  begriffen,  dass  es  auch  bei  den  etruskischen  Dingen  nothwendig  ist, 
Zeitunterschiede  zu  machen  und  innerhalb  des  Etruskischen  solche  Perioden  zu 
unterscheiden,  welche  einer  älteren,  und  solche,  welche  einer  jüngeren  Cultur  an- 
gehören. 


Torher  Latte  man  wohl  einzelne  Indicien,  welche  dorfliif  hinzudeuten  schienen, 
wo  etwa  die  Grenze  des  Etruakiscben  zu  suchen  sei.  Ich  will  in  dieser  Beziehung 
einen  Punkt  hervorhebet!,  der  uns  näher  berÜlirt:  das  waren  die  berühmten  und 
viel  diskutirten  Funde,  weiche  am  Albaner  Gebirge  gemacht  wurden,  ziemlich 
genau  auf  dem  Platze,  wo  man  die  alte  Stxidt  Albalonga  eticbt  und  wo  das  alte 
Latiuni  den  Centralheerd  seiner  politischen  und  gesellechaftlichen  Entwickelyng  fand. 
An  dieser  Stelle,  die  bier  zu  wiederholten  Malen  besprochen  worden  ist^),  wurde 
eine  ganze  Reihe  von  Funden  gemacht,  die  ersten  im  Jahre  1817  und  kurz  vorher, 
welche  unter  einem  Peperinstrom  lagen,  Sie  wissen,  das  Albaner-Gebirge  ist  eine 
Tiilkanißche  Krhebun*^  mit  grossen  Kraterbildungen.  Dieser  Vulkan  ist  in  einem 
gewissen  Maasse  noch  thätig  gewesen  bis  in  die  ersten  Zeiten  Roms.  Denn  nnch 
Li  vi  US  berichtet,  wie  der  Berg  lebendig  geworden  sei,  Steine  ausgeworfen  habe 
u.  s.  f-  Einzelne  Thatsachen  weisen  darauf  hin^  dass  Aschen-  nnd  Schlamm- 
jiusbruche  noch  damals  stattgefundeo  haben.  Eigentliche  Laven  sind  wohl  nicht 
mehr  in  historischer  Zeit  geflossen,  aber  Erdbeben,  Aschenregen  und  Schlamm- 
ausäüsse  haben  offenbar  noch  in  der  ersten  Zeit  Roms  stattgefunden.  In  den 
Peperinraassen,  w*elche  über  dio  Abhänge  des  Gebirges  gegen  die  Campagna  her- 
nntergehen,  d.  h.  in  erstarrten  Schlanim- Massen,  welche  allmählich  zu  festem  Ge- 
stein znsammengebacken  sind,  wurde^  namentlich  längs  des  nördlichen  Ufer«  des 
Albaner  Sees,  hauptsächlich  zwischen  Castel  Gandolfo  und  Marino,  nahe  der  Statte, 
wo  man  den  Platz  von  Albalonga  selbst  sucht,  in  den  Jahren  1815,  1816  und  1817 
eifrig  neues  Terrain  fiVr  Weinberge  hergerichtet.  Sind  doch  dort  die  besten  Wein* 
berge  in  der  Nähe  von  Rom.  Man  durchbrach  zu  diesem  Zwecke  die  Peperin- 
schichten  mit  grosser  Mühe,  um  für  die  Weinstöcke  besseren  Boden  zu  finden,  und 
stieas  dabei  an  verschiedenen  Stellen  auf  Thongefässe,  auch  auf  allerlei  andere 
Dinge  und  namentlich  auf  gebrannte  menschtiche  Gebeine.  Bei  dieser  Gelegenheit 
kamen  auch  zum  ersten  Male  die  nachher  so  viel  diskutirten  Bausurnen  zum 
Vorschein  und  das  Interesse  hat  aich  dann  namentlich  bei  uns  im  Norden  ganz 
überwiegend  an  sie  geknöpft,  obwohl  neben  ihnen  eine  ganze  Masse  anderweitigen 
Gerfiths  gefunden  wurde,  das  vom  archäologischen  Standpunkte  aus  betrachtet  nicht 
minder  wichtig  und  bedeutend  ist,  wie  die  Eausuruen  als  soKhe.  Indess  ist  es 
begreiflich,  dass  sich  bei  uns  ein  hervorragendes  Interesse  an  die  letzteren  knüpfte, 
nachdem  seit  1826  in  Deutschlaud  gleichfalls  eine  ganze  Reihe  von  Hausurnen  zu 
Tage  gekommen  ist,  die  in  vielen  Stücken  eine  ungemein  grosse  Aehaüchkeit  mit 
den  italischen  darbieten ,  so  dass,  wenn  man  einzelne  unter  einander  vergleicht, 
mnn  in  der  That  glauben  könnte,  sie  seien  aus  derselben  Fabrik  oder  wenigstens 
aus  demselben  Volk  hervorgegangen. 

Wir  besitzen  jetzt  in  unserer  Stadt  diejenige  Hausurne^  welche  mir  vor  einiger 
Zeit  Gelegenheit  gegeben  hat,  eine  Zusammenstellung  der  deutschen  Funde  in 
unseren  Verhandlungen  zu  geben  {Sitzung  vom  *20.  November  1880,  Verb.  S  297), 
die  von  Wildeben,  aus  der  Gegend  von  Aschersleben;  sie  ist  jetzt  in  den  Besitz 
des  Königlichen  Museums  übergegangen.  Gerade  diese  Urne  hat  in  der  ganzen 
Anlage,  namentlich  in  der  Dnchhildung,  eine  so  grosse  Aehnlichkeit  mit  Albaner 
Urnen,  dass  man  wirklich  glauben  konnte,  es  wäre  derselbe  Stamm,  der  sie  ge- 
fertigt hat.  In  der  That  ist  auf  diesen  Gedanken  ein  italienischer  Schriftsteller, 
Tambroni,  gekommen,  der  schon  im  Jahre  1817  die  Frage  diskutirte,  ob  die 
Verfertiger  der  Albaner  Urnen  nicht  Barbaren  gewesen  seien,  die  vom  Horden  her 


I 

I 

I 


I 
I 
I 


1)  Sitzung  vom  2  April  1870  (Zejtschr.  f.  EtbnoL,  Bd.  11,  S.  239),  vom  16.  Decetuber  1871 
(Zeitschr.  ßd  IV,  Verhandl.  S.  31,  und  vom  6.  Juli  1872  (VerhandJ.  S,  221), 


(321) 

gekommen  seien  und  ihre  Tf^dten  dort  nach  heimischer  Weise  begraben  hätteo. 
Neuerlieh  hat  Hr.  Meitzen  diesen  Gedanken  hei  Gelegenheit  seiner  üuter- 
suchimgen  über  das  deiitsi'be  Hans  wieder  aufgenommen  und  der  Ansicht  Raum 
gegeben,  dasa  gerade  unsere  Vorfalireo,  die  alten  Semnonen,  auf  ihren  süd- 
lichen Wandernngea  diesen  Gebrnuch  mitf^enommen  und  am  Albaner  Gebirge  die 
Reste  ihrer  Todten  begrabeo  hätten,  in  derselben  Form,  wie  sie  das  zu  Hause  ge- 
wohnt gewesen. 

Wenn  man  jedoch  die  Sachen  in  loco  studirt,  so  ergiebt  sich»  dasa  durch- 
greifende unterschiede  vorhanden  aindj  und  zwar  nicht  so  sehr  in  den  Hausnrneo 
selbst,  als  vielmehr  in  dem  gesammten  Anfhau  uud  der  Ausstattung  der  Gräber.  Wah- 
rend nehmlich  bei  uns,  so  weit  ich  wenigstens  die  Fundberichte  habe  erreichen  können, 
diese  Urnen    meistentheils    direkt  in  Steinkisten  gefunden  sind,    welche  zum  Theil 

%  1- 


<?i--^ 


I 


I  einei  Ätbaner  äeptikralkrui^es  mit  seinem  Inhalt,  darunter  einer  Hausurne, 

^on  Marino. 

in  Kegelgrabern  eingeschlossen  waren,  hat  schon  Visconti,  der  den  ersten  genauen 
Bericht  über  die  Albaner  Funde  geliefert  hat»  nachgewiesen,  das«  das  italische 
Grab  in  der  Weise  geordnet  war,  dass  man  ein  gan^  grosses  ThongefäsB  von  un- 
gewöhnlichen Dimensionen  in  den  Boden  einsenkte  und  erst  in  dieses  die  ver- 
schiedenen Gegenstände  setzte,  nicht  bloss  die  Hausurne,  sondern  daneben  noch 
eine  grosse  Anzahl  von  anderen  Urnen,  zum  Theil  brichst  charakteristische.  Da» 
Alles  zu!*ammen  bildet  also  einen  einzigen  Aufbau.  Ich  habe  eine  Nachzeichnung 
(Fig,  1)  der  Skizze  von  Visconti  anfertigen  lassen,  welche  das  Verhältniss  7or- 
krefflich  darstellt.  In  einem  grossen  Dolium  (oder  yridaf),  das  zwei  tiefsitzende  vor- 
springende Henkel  besitzt,  steht  die  Hansurne  und  neben  ihr  der  andere  Haus- 
rath  in  sehr  entwickelten  Fornnen,  von  denen  Jedermann  zugestehen  wird,  dass 
sie    gänzlich    fremdartig   sind    för    unser  Land.     In    der  Hausurne    lagen    die    gei- 

Verhftodl.  il«r  &«r].  Ajitbropol.  G«ieU«cli»rt  11^3.  21 


braniiteo  Gebeioe  eiDes  MeDSchcD.  Sie  war  in  Wirklichkeit  das  Haus  deg  ToilteD. 
Darin  liegen  auch  die  Brooien  uod  aoderf»  Gegensüiade,  welche  mitgegeben  wur- 
den. Man  bemerkt  darunter  eine  grosse  Fibula  und  ein  kleineB  Bronzerad.  Was 
die  Fibula  beirifft,  so  ist  es  von  grosser  Wichtigkeit,  dass  es  die  uralte  Fibula  ist, 
welche  der  ersten  Perif»de  der  Fibulaentwickelung  in  Italien  entspricht,  dieselbe, 
die  ich  im  Kaukasus  gefunden  habe,  die  Fibula  von  Koban  mit  einracber  Spiral- 
d rebung  des  Drahtes,  ganz  aus  einem  einzigen  Stück  bergestellt,  in  Bogenform. 

Ich  will  zugleich  aufmerksam  nuichen  auf  einen  der  Unterschiede  in  der 
aussereu  Gestalt,  der  die  höchst  entwickelten  italischen  Bausuinen  trotz  der  vielen 
Aehnlichkeiten,  die  sie  sonst  mit  den  unsrigen  haben,  auszeichnet:  das  ist  die 
eigenthümliche  Art  der  GiebelbüduDg,  von  der,  so  viel  ich  unsere  deutschen  Uaus* 
umen  kenne,  kein  einziges  paralleles  Stück  bei  uns  bekannt  ist.  Die  Grundform 
der  italischen  Hausurne  ist  durchweg  ein  längliches  OTal;  die  Thür  liegt  (mit  einer 
einzigen  Ausnahme)  immer  auf  dem  eiuen  langen  Ende,  Darüber  erhebt  sich  ein 
Dach,  welches  in  der  Regel  an  jedem  Langende  einen  schräg  abgestumpften  Giebel 
bat;  an  dem  Giebel  befindet  sich  ein  grosseres  Loch,  offenbar  das  Rauch  loch,  und  unter 
demselben  eine,  meist  mit  3  seDkrechten,  parallelen  erhabenen  Rippen  und  einem 
darüber  liegenden  Querbalken  versehene  Figur  (Fig.  1  u.  3),  die  man  verschiedent- 
lich gedeutet  hat.  Hr.  Schliemann  hat  sie  auf  das  mythisclie  M  zurückgeführt. 
Ich  will  aber  bemerken,  dass  ich  bei  einer  italischen  Hausume  5,  bei  einigen  an- 
deren 4  Rippen  gezählt  habe.  Etwas  Aebuliches  ist  an  keiner  deutseben  Hausurne 
gesehen  worden. 

Neben  den  Hausurnen  kommen  Topfe  mit  weiter  Mündung  vor,  die  in  höchst 
charakteristischer  Weise  gebildet  sind:  sie  sind  mit  einer  Anzahl  von  erhabenen 
Längsrippen  besetzt,  welche  von  Querrippen  gekreuzt  werden,  so  dass  es  auEsieht, 
wie  ein  Strick  werk,  das  um  den  Korper  des  Gefasfies  gelegt  ist,  um  dasselbe  zu 
sichern  (Fig.  1). 

Auf  andere,  nicht  minder  eigen thüm liebe  Thongefösse  werde  ich  später 
Doch  zurückkommei].  Was  ich  als  Ergebniss  meiner  Untersuchungen  zusammen- 
fasse, ist  das,  dasB  sowohl  die  Thongefasse  nach  Form  und  Verzierung,  z.  B.  dem 
recht  häufigen  Mäander,  als  auch  die  Bronzen  und  die  anderen  Gegenstande  wesent- 
lich dem  widerstreiten,  was  wir  in  Deutschland  kennen,  dass  aber  noch  mehr  fremd- 
artig die  Einrichtung  des  Grabes  ist,  indem  in  ein  grosses  Thongefass  hinein  die 
Beisetzung  der  Todtenurne  mit  Beigabe  eines  ganzen  Haiisgerathes  geschah.  Das 
ist  meiner  Meinung  nach  ein  wesentlich  südlicher,  vielleicht  ein  orieDtaliscber  Ge- 
schmack. Verwandtes  kennen  wir  aus  Kleinasien,  namentlich  aus  der  Troas,  wo 
an  verschiedenen  Orten  eine  Bestattung  von  Todten  in  mächtigen  Thongefässen 
nachgewiesen  isL  In  meiner  Abhandlung  über  alt  trojanische  Gräber  und  Schädel 
habe  ich  eine  Zusammenstellung  von  Beobachtungen  gegeben,  wo  grosse  nt^ei  be- 
nutzt wurden,  um  darin  die  Beisetzung  der  Todten  vorzunehmen»  Freilich  wurden 
dabei  die  Leichname  nicht  verbrannt,  aber,  was  gana  charakteristisch  ist,  die- 
selbe Art  der  Bestattung  un verbrannter  Leichen  findet  sich  auch  in  den  älteren 
etruskischen  Gräbern:  auch  da  giebt  es  sowohl  colossnle  Thongefässe,  ab  nuch  stei- 
nerne Bebälter  mit  bober,  topfahnlicher  Aushöhlung,  iu  welche  man  die  Todten 
T ersenkt  hatte. 

Bei  den  weiteren  Untersuchungen  w  der  Umgebung  von  Marino,  welche  nament- 
lich Hr.  Michele  Stefano  de  Rossi  ausführte  und  bei  welchen  ausser  den  Gräbern 
längs  des  Ufers  des  Albaner  ^^ee8  auch  alte  Wobustätten  nachgewiesen  wurden, 
stellte  es  sich  heraus,  dass  an  den  Wohnplälzen  Ueberreste,  insbesondere  von  Thon- 
geräthj    verschüttet   8iDd>    die  eine  weniger  archaische  Beschaffenheit  besitzen  und 


1 


(323) 

sich  den  damals  schon  bekanntfD  nierleren  etruakischeit  Formen  anschüeBsen.  Hr, 
de  Kosai  hat  mit  grosser  ömsicht  deu  Nachweis  gefohrt,  dass  die  Albaner  An- 
siedelung bis  in  die  Zeit  der  Etraaker  hiueingpreicht  haben  mÖBse;  er  hat  daraus 
gefolgert^  dass  damals  ein  Verkehr  zwischen  Latinem  und  Etruskern  stattgefunden 
habe.  Ich  wiü  in  Bezug  auf  die  Einzelheiten  hier  nicht  auf  ein  grosses  Detail  ein- 
gehen; ich  behalte  mir  das  för  eine  in  der  Akademie  der  Wissenschaften  zu  lesende 
Abhandlung  vor.  Ich  will  nur  noch  bemerken,  dass  ahnlich,  wie  das  auch  bei  uns 
der  Fall  ist,  die  verschiedenen  Arten  der  Hausurnpu  eine  recht  grosse  Mnnnich- 
faltigkeit  der  Ausführung  zeigen,  von  den  allerniedrigsten  Formen  an,  die  ungefähr 
da»  Aussehen    ländlicher    Backüfen    haben  (Fig.  2),    bis    zu    der    ganz    vollendeten 

Fig,  % 


Albaner  ßackofetiarne  van  Marino. 


Hütte,  an  der  eine  Menge  von  archaischen  Ornamenten  sich  findet.  Ich  habe 
die  Zeichnung  einer  solchen  verzierten  HiJttenarne  aus  den  alten  Funden  von 
Visconti,  die  sich  gegenwärtig  im  Gregorianischen  Museum  im  Vatikan  befindet 
(Fig.  3),  mitgebracht,  an  der  diese  Ornamentik  in  buntester  Weise  hervortritt.  Sie 
bietet^die^^grösate  Äehnlichkeit  dar  mit  den  Ornamenten,  welche  Hr.  Schliemanu 
an  Thongeräth  jn  Ilios  gefunden  hat  Bekanntlich  behaupten  alte  Traditionen,  dass 
eine  unmittelbare  Gründung  von  Albalooga  durch  eine  trojanische  EinwandcruDg 
nach  dem  Falle  von  Troja  stattgefunden  habe,  und  die  vornehmen  romischen  Ge- 
schlechter haben  nicht  verfehlt,  in  einer  Zeit,  wo  man  von  dem  Inhalt  des  grossen 
Trijmmerbergei  Hissurlik  nichts  ahnte,  aus  den  Legenden  des  askanischen  Hauses 
Argumente  herzuleiten  für  den  Adel  ihrer  Ahnen. 

Eine  analoge  Mannichfaltigkeit  der  Formen  zeigt  sich  nun  auch^  freilich  nicht 
in  gleicher  Vollständigkeit  der  Ornameptik,  bei  uns.  Auch  unsere  Hausurnen 
stellen  eine  Reihenfolge  von  niederen  zu  höheren  Formen  dar,  und  es  ist  insbe- 
sondere sehr  merkwürdig,  dsss  wir  auch  bei  ihnen  eine  Reihe  von  der  Form  eines 
Backofens  mit  rundlichem  Gewölbe  bis  zu  der  Form  einer  Hütte  mit  vollkommen 
eutwickeltfm  Giebeldach,  bei  vollständiger  Ausbildung  hoher  kantiger  FirsJe,  an- 
treffen. Ich  gehe  nicht  so  weit,  dass  ich  diesen  Formen,  welche  in  beiden 
Landern  in  einer  scheinbar  gleicharligen  Entwickelungsreihe  auftreten,  Gleich- 
zeitigkeit   zuschreibe.     Wenn    man    sich    vorstellt,  —  und   dazu  liegt  aller  Gnind 


f 


(32^ 

vor,  —  dass  in  den  Haueiirnen  das  wirkliche  Haue  nachgeahmt  ist,  so  wird  roao 
aoöehmen  müsseo,  dass.  wie  das  Volk  sich  weiter  und  weiter  entwickelte  utid 
seine  Hiitlen  eioe  voHkommpoere  Aii&geetaltung  erfuhren,  auch  die  Hausurnen  dem 
entsprecheod  oachfolgteB.  Bei  einer  solchen  Entwickelung  war  es  übrigens  nicht 
auBgeschiossen,  dass  die  roheste  Backofenform  nehen  der  Form  einer  vollkommen 
aUBgebildeten  Hütte  noch  benutzt  wurde.  Aber  ea  scheint  mir,  dass,  so  aufiFalÜg 
dieser  Paralleiisnius  der  italischen  und  deutschen  Hausurnen  ist,  man  nicht  wohl  ao- 
nehmen  kano,  es  habe  zu  irgend  einer  Zeit  eine  Einwanderung  in  Italien  stattge- 
fundenj  welche  alle  diese  Formen  auf  eißmal  mitgebracht  und  ntin  neben  einander 
fortgeführt    hätte.     Viel    natürlicher   erscheint  die  Annahme^    dass  unabhängig  von 

Fig,  3. 


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HiHHlBBBimtumüBtmttlMHliilitorm^'' 


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Albaner  Hüttenurne  von  Marino, 


einander  der  Styl  der  Topfwaare  sich  dem  fortschreitenden  Architekturstyl  nach- 
gebildet habe,  wie  er  sich  vermöge  einer  Natur noth wendigkeit  überall  entwickelt  hat. 
Die  neuesten  Untersuchungen  haben  nun  merkwürdigerweise  gezeigt,  dass,  wah- 
rend man  früher  glaubte^  die  italische d  Hausnrnen  seien  ganz  und  gar  auf  das  AI* 
baner  Gebiet  beschrankt,  sie  auch  im  eigentlichen  Etrurien  vorkommen.  Bis 
jetzt  freilich  ist  nur  ein  einziger  Platz  bekannt,  aber  gerade  der  Hauptplatz, 
das  alte  Tarquinii,  das  gegenwärtige  Cometo,  oder,  wie  die  neuere  Bezeichnung 
lautet,  Corneto- Tarquinia.  Coroeto  ist  ja  schon  seit  langer  Zeit  berühmt 
durch  die  Reichhaltigkeit  und  die  Aasdehnung  seiner  Grabfelder;  die  Museen 
fast  aller  Lander  besitzen  von  da  die  ausgeprägtesten  Kunstprodukte,  Die  vor- 
zugsweise   gesochten   Artikel    müssen    wesentlich    der  Einfiibrung   der  griecbiscben 


(325) 

RuDSt  zugeschriebeD  werden;  sie  tragen  nicht  nur  griechische  Inschriften,  sondern 
zeigen  von  den  korinthischen  Typen  an  die  ganze  Reihenfolge  der  fortschreitenden 
Ausbildung  des  griechischen  Kunststyles  in  der  Keramik,  der  sich  vortreffliche 
Leistungen  in  der  Malerei  und  Skulptur  anschliessen.  Neben  diesen  hochgeschätz- 
ten Arbeiten  hat  man  früher,  wie  leicht  verständlich ,  die  gewöhnlichen  Stucke  ziem- 
lich gleichgültig  bebandelt,  vielleicht  einfach  verworfen,  und  es  beginnt  erst  jetzt 
eine  genauere  Sammlung,  so  dass  allmählich  die  älteren  Verhältnisse,  welche  vor 
der  nachweisbaren  Einwirkung  des  griechischen  Einflusses  bestanden  haben,  sich  un- 
seren Augen  darstellen. 

Die  kleine  Stadt  Corneto,  welche  nahe  der  Stelle  liegt,  auf  der  das  alte  Tar- 
quinii  stand  (nördlich  von  Civita  vecchia,  nicht  weit  von  der  Küste),  besitzt  einen  äus- 
serst thätigen  und  intelligenten  Sindaco,  Hrn.  Dasti,  der  es  sich  nicht  hat  nehmen 
lassen,  die  Ausgrabungen  in  regelmässiger  Weise  fortzusetzen  und  für  die  Auf- 
nahme der  Funde  ein  eigenes  Mueeo  civico  zu  gründen.  Dasselbe  ist  in  wenigen 
Jahren  ausserordentlich  reich  geworden  und  enthält  u.  a.  auch  die  Mehrzahl  der 
Hausurnen,  welche  in  neuester  Zeit  ausgegraben  worden  sind.  Eine  einzige  davon 
befindet  sich  in  Rom,  im  Museo  preistorico.  Somit  giebt  es  ausser  Corneto  keinen 
Platz  in  Italien,  welcher  für  ein  eingehendes  Studium  das  Material  darböte. 

Durch  die  Funde  von  Corneto  ist  das  zum  Theil  unsicher  geworden,  was  Hr. 
de  Rossi  für  Albalonga  annahm,  dass  nämlich  erst  in  einer  späteren  Periode 
seines  Bestehens  —  er  unterschied  4  Perioden  —  und  zwar  erst  in  der  dritten 
und  vierten  der  Verkehr  der  Latiner  mit  den  Etruskern  eröffnet  worden  seL  Nachdem 
sich  bei  Corneto  dieselben  ältesten  Dinge  ünden,  wie  sie  bei  Marino  unter  dem 
Peperinstrom  liegen,  stellt  sich  die  Sache  anders.  Wir  finden  an  beiden  Orten 
parallele  Reihen.  So  kann  man  auch  für  Corneto  die  Frage  aufwerfen,  ob  das 
Etrusker  waren,  welche  die  Hausurueu  gemacht  haben?  Es  ist  ja  denkbar,  dass 
es  voretruskische,  wie  man  wohl  gesagt  hat,  pelasgische  Stämme  waren,  —  aber  es 
zeigen  sich  so  zahlreiche  und  naheliegende  Beziehungen  dieser  älteren  Funde  mit 
den  unzweifelhaft  etruskischen ,  dass  es  kaum  ausführbar  erscheinen  dürfte,  eine 
vollständige  Allophylie  der  älteren  Bevölkerung  zu  statuiren.  Es  giebt  gewisse 
höchst  typische  Fundstücke,  namentlich  Bronzegeräthe,  welche  die  Etrusker  von 
Anfang  an  geführt  haben.  Dahin  gehören  die  sonderbaren  Rasirmesser,  wie  man 
sie  genannt  hat,  gestielte  halbmondförmige  Messerchen  aus  Bronze,  die  sich  mit 
Hartnäckigkeit  durch  die  etruskische  Zeit  unverändert  fortsetzen.  Sie  sind  schon 
in  Hausurnen  vorhanden.  Es  kommen  aber  auch  mit  den  Hausurnen  mehr  aus- 
geführte, sehr  eigen thümliche  Bronzegeräthe  vor,  Erzeugnisse  einer  höher  entwickel- 
ten, wenn  auch  immer  noch  archaischen  Technik,  die  sich  späterhin  mehr  und 
mehr  verliert,  aber  doch  nicht  so  verliert,  dass  ihre  Erinnerung  gänzlich  schwindet; 
das  ursprüngliche  Muster  wird  nur  mehr  künstlerisch  ausgeführt.  Dahin  gehören 
kleine  länglich-viereckige  Bronzetische  mit  3  gegen  die  Mitte  zusammenlaufenden, 
schrägen  Füssen,  die  zuweilen  in  der  Mitte  der  Platte  eine  Vertiefung  haben  und 
auf  der  Fläche  mit  gepunzten  sonn enförm igen  Vorsprüngen  besetzt  sind,  wodurch  sie 
ein  zierliches  und  reiches  Aussehen  erlangen. 

Wenn  ich  die  Summe  dieser  Verhältnisse  zusammenfasse,  so  ist  mir  wenigstens 
kein  Zweifel  darüber  geblieben,  dass  in  der  That  diese  Funde  der  Anfangszeit 
der  etruskischen  Cultur  entsprechen,  wobei  ich  es  dahingestellt  sein  lassen  will,  wie 
viel  von  einer  voretruskischen  Cultur  da  hineinschlagen  mag.  Aber  wir  haben 
wenigstens  einen  gewissen  Anfang  gewonnen,  der  es  gestattet,  eine  archäologische 
Schichtung   der  Fnnde    vorzunehmen.     Und    da    kann  kein  Zweifel  sein,   dass  die 


(326) 


Periode    der  Hausurneo,    obwohl    alt    der  atteateu  Albatter  uod  Coroe* 
laner  Zeit  entspricht,  jünger  ist,  ale  die  Terramare-Zeit. 

Es  öchliesst  sich  au  die  besprochenen  Gogenslände  iifimittelbar  an  eine  gerade  i 
auch  in  Corneto  zahlreich  vertretene  Gruppe  von  groi<seren  Thongel^esen,  den  so- 
geDftnnten  Vasi  di  bucchero,  die  mit  parallelen  Besonderheiten  in  dem  BronzestyJ 
verbunden  sind.  Es  sind  darunter  höchst  jäonderbare  Stucke,  die  sich  namentlich 
dadurch  auszeichnen,  da&s  über  etoeni,  ao  sich  etwa  theekannenartigen  Getdss  sich 
noch  einmal  ein  grosserer  Aufbau  erhebt^  so  dass  das  Gefäss  sicli  sehr  verlängert 
durch  eine,  zum  xweileii  Mal  ausgebauchte  Höhle.  Dieee  Gefasse,  die  ich  der  Kürze 
wegen  ^pagoden  artige**  genannt  habe^  sind  gewöhnlich  reich  ornamentirt  Aehn- 
liche  Oruameote  sieht  man  auch  in  Norditalien,  ja,  sie  lassen  sich  in  Andeutungen 
verfolgen  bis  über  die  Alpen  herüber;  namentlich  in  süddeutschen  Kegelgi'äbern 
treten  sie  gelegentlicli  auf,  wenngleich  nicht  in  der  V  oll  stund  igkeit,  dass  man  un- 
mittelbaren lüipnrt  erechllessen  müsste.  Jedenfalls  pind  die  italischen  Pagoden« 
Urnen  so  auffällig,  d»ss  man  sie  von  weitem  mit  einem  Blick  erfasst  und  ihre  Stet- 
luog  in  keiner  Weise  zweifelhaft  bleibt.  Die  Ornamente  sind  sehr  verschiedenartig, 
doch  herrschen  darunter  fensterartige  Ornamente,  in  deren  Mitte  das  Hakenkreuz 
angebracht  ist,  Mäüoder,  Dreiecke,  treppenfürmi|;e  Zeichnungen  vur.  Dagegen  feh- 
len Darstellungen   lebender  Wesen  vollstaudig. 

Diese  erscheiuen  dagegen,  zum  Theil  in  grosser  Vollendung,  in  einer  späteren 
Periode  der  unzweifelhaft  etruskischen  Cultur,  und  ich  darf  wohl  dasjenige  Gebiet ' 
keramischer  Erzeugnisse  hier  kurz  erwähnen,  welches  uns  nahe  lierlihrt,  nämlich 
das  der  Gesichtsurnen.  Diese  sind  im  Augenblick  nirgends  reichlicher  vertreten 
als  in  dem  etrusikischeu  Museum  in  Florenz.  Es  sind  meist  hohe  Gefässe,  nicht  I 
ebenso  gestaltet,  wie  die  Pagoden  von  Corneto  und  Villanova,  aber  doch  einiger- 
maassen  verwandt,  Ihr  ^ufbau  zeigt  alle  möglichen  Combinationen,  Bei  den  am 
tneiHeo  ausgeführten  sind  bewegliche  Arme  vorhandeUj  während  der  DeckeJ  als 
Kopf  behandek  ist;  bei  anderen  sind  die  Arme  nur  als  Relief  au  der  Seitenw&nd 
des  Topfes  angebracht,  bei  anderen  endlich  fehlen  sie  gänzlich.  Wiederum  andere 
zeigen  dieselben  Formen,  wie  bei  uns:  mützenartige  Deckel  und  das  Gesicht  am 
Balse.  In  dieser  Reihe  kommen  die  mannichfaltigsten  Ausschmückungen  vor^  z.  B. 
Deckel,  auf  denen  Vogel  sitzen,  ein  in  allem  Detail  durchgeführtes  Gesicht  am  Halse, 
um  den  Bauch  Zonen  mit  erhabenen  Figuren,  namentlich  mit  Thieren.  Auf  eine 
genauere  Erörterung  muas  ich  für  jetzt  verzichten;  nur  das  will  ich  bemerken,  dass 
trotz  des  nicht  wegzuleugnenden  Faraltetismus  zwischen  den  deutschen  und  den 
italischen  Gesichtaurnen  ein  unmittelbarer  Zusammenhang  bis  jetzt  wohl  schwerlich 
nachgewiesen  werden  kann. 

Es  ist  sonderbar  genug,  das^  die  Verbreitung  sowohl  der  Haus-,  als  der  Gesichtft- 
urnen  in  beiden  Ländern  eine  lokal  beschrankte  ist.  Während  bei  uns  die  Haus- 
urnen zwischen  Eibe  und  Harz  vorkommen,  finden  sich  die  Gesichtsurnen  hauptsäch- 
lich zwischen  Oder  und  Weichsel,  so  dass  sich  die  beiden  Gebiete  kaum  berühren. 
Analog  ist  es  in  Etrurien;  während  in  Corneto  und  Älbalonga  längs  des  tyrrbeni- 
achen  Meeres  die  Hausurnen  angetroffen  werden,  ist  das  Hauptfeld  für  die  Gesicbta- 
urnen  vielmehr  in  dem  gebirgigen  Theil  von  Etrurien, 

Zum  Schlüsse  will  ich  noch  kurz  erwähnen,  dass  in  der  ausgemacht  etrueki- 
sehen"  Zeit  die  ganze  ßestattungsweiae  sich  ändert.  An  Stelle  der  Brandgraber 
treten  später  Bestattungsgräber,  vielfach  in  Bruuncnform.  Wo  die  Einäscherung 
daneben  fortgeführt  wird,  t>enutzt  man  zur  Aufbewahrung  der  verbrannten  Knochen 
Urnen*  von  weniger  abweichender  Form,  aber  auch  kleine  Sarkophage,  welche  die 
Form  des  Hauses,  namentUcb  den  dachförmigen  Deckel  beibehalten,  aber  aus  Stein 


(827) 

gefertigt  werden.  Aber  auch  uoverbraDote  Leichname  werden  in  grossen  Stein- 
sarkophagen beigesetzt.  Auf  denselben  finden  sich  bald  mehr,  bald  weniger  gut 
ausgeführte,  jedoch  stets  halb  liegende  Portraitstatueu^  in  der  Regel  mit  aufgestütz- 
tem linkem  Arm  und  erhobenem  Kopf.  Die  Gesichter  sind  sehr  verschieden,  jedoch 
mehr  realistisch  gehalten;  selten  haben  sie  einen  blos  schematischen  Charakter. 
Der  Körper  ist  meist  etwas  fehlerhaft  behandelt,  mit  Verkürzungen  und  Ver- 
längerungen, die  schwer  erträglich  sind.  In  Cometo  Hessen  sich  zwei  Haupttypen 
unterscheiden:  einer  mit  längerem  Kopf  und  schmalem  Gesicht,  namentlich  mit 
längerer  gerader  Nase,  und  ein  etwas  breiterer  mit  kurzer  Nase  und  au£fallig  star- 
kem Unterkiefer.  Dazu  kam  ein  dritter,  individuell  mehr  variirender  mit  aus- 
gesprochener Adlernase. 

Diese  Sarkophage  sind,  meist  familienweise,  in  grossen  Grabkammern  bei- 
gesetzt, welche  unmittelbar  aus  dem  Felsen  herausgearbeitet  wurden.  Auch  diese 
Kammern  tragen  den  Charakter  eines  Hauses  mit  gefirstetem  Dach  und  bestehen  nicht 
selten  aus  mehreren,  vollständig  zimmerartig  angelegten  Abtheilungen.  Eines  der 
prächtigsten  und  noch  jetzt  mit  allen  Fundstücken  ausgestattet  ist  das  Grabmal 
der  Familie  der  Volumnier  unterhalb  Perugia.  Es  ist  dies  einer  der  Plätze, 
welcher  auf  einer  Reise  nach  Italien  von  niemand  übergangen  werden  sollte.  Frei- 
lich ist  Perugia  durch  die  jetzige  Eisenbahoroute  sehr  benachtheiligt,  da  die 
regelmässige  Strasse  nach  Rom,  die  noch  vor  10  Jahren  über  Perugia  führte,  jetzt 
westlich  vom  trasimenischen  See  läuft  Man  muss  also  schon  einen  besonderen 
Abstecher  nach  Perugia  machen,  aber  er  ist  in  hohem  Maasse  lohnend.  Ich  kann 
einem  jeden  Reisenden  dazu  rathen;  sicher  wird  keiner  diesen  Umweg  bereuen. 

(21)    Eingegangene  Schriften: 

1.  Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Erdkunde.     Bd.  18,  Heft  1. 

2.  Verhandlungen  der  Gesellschaft  für  Erdkunde.     Bd.  X,  Heft  2,  3,  4. 

3.  Bleicher   etFaudel,    Materiaux    pour   une   etude  prehistorique  de  TAlsace. 

Gesch.  d.  Hrn.  Virchow. 

4.  Köpern icki,   Czaszki  i  Kosci.    (Ueber  Stakenringe.)     Krakau  1883.     Gesch. 

d.  Verf. 

5.  Jonmal  of  the  Anthropological  Institute  of  Great  Britain  and  Ireland.    VoL  XH, 

Nr.  IV. 

6.  Verhandlungen  der  Berliner  medicinischen  Gesellschaft.    Bd.  XIII. 

7.  Weiss,  Kostümkunde.     Bd.  II.     Gesch.  d.  Verf. 

8.  Colin iy  CoUezione  etnografica  degli  indigeni  deir  Alto  Amazzoni.   Roma  1883. 

Gesch.  d.  Verf. 

9.  Victor  Gross,  Les  Protohelvetes.     Berlin  1883.     Gesch.  d.  Verf. 

10.  Schriften  der  physikalisch-ökonomischen  Gesellschaft  zu  Königsberg.    Jahrg.  23. 

11.  Al,  Fornandcr,  An  account  of  the  Polynesian  race,    its  origin  and  migrations. 

Vol.  II.     Gesch.  d.  Hrn.  Bastian. 


Sitzuog  am  21.  Juli  1883. 
Vorsitzender  Hr.  Virohow. 

(1)  Als  neue  Mitglieder  werden  angemeldet: 

Hr.  Professor  Dr.  Lucae,  Berlin. 

„  Landschaftsmaler  E.  Bracht,  Berlin. 

^  Geb.  Regier ungsrath  Kelch,  Berlin. 

^  Dr.  Kuntzemüller,  Spandau. 

^  Dr.  Neuhaus,  Berlin. 

„  Rittergutsbesitzer  von  An  cum,  Sorbehnen  b.  Saalfeld  (Ostpreussen). 

„  Kaufmann  Klaar,  Berlin. 

^  Rentier  Fried.  Kofier,  Darmstadt.  « 

„  Stud.  phil.  M.  Weigel,  Berlin. 

Dankschreiben  sind  eingegangen  von  den  neu  ernannten  correspondirenden 
Mitgliedern  Prof.  Hei  big  in  Rom,  Prof.  Chierici  in  Reggio  dell'  Emilia,  Professor 
Lortet  in  Lyon  und  dem  Direktor  des  Museo  civico  in  Mailand,  Hrn.  Castel- 
f  ran  CO. 

(2)  Hr.  Dr.  W.  Joest  hat  an  den  Vorsitzenden  folgendes  Schreiben  gerichtet: 
^Darf  ich   mir  erlauben,   Ihnen  vor  der  letzten  Sitzung  der  Anthropologischen 

Gesellschaft  in  diesem  Semester  die  Mittheilung  zu  machen,  dass  ich  die  Absicht 
habe,  Europa  im  Herbst  d.  J.  wieder  zu  einer  längeren  Reise  zu  verlassen.  Be- 
stimmte Reisepläne  mache  ich  nie  im  Voraus.  Ich  gedenke  aber  im  September 
nach  dem  Cap  zu  reisen,  von  Pt.  Elisabeth  aus  nach  den  Diamanten-  und  Gold- 
feldern nordlich  einen  Ausflug  zu  machen  und  en  route  sowohl  ethnographisch  zu 
sammeln,  wie  die  politischen  Verhältnisse  zu  studiren  und  irgendwo  an  der  Ost- 
kÜste  wieder  herauszukommen.  Dann  hoffe  ich  via  Mauritius  Madagascar  zu  be- 
suchen und  dort  zu  sammeln,  was  ich  auftreiben  kann. 

^Von  Südafrika  und  Umgegend  werde  ich  dann  nach  Australien  dampfen  und 
hoffe  später  diis  propitiis  ein  oder  einige  Jahre  die  Siidsee  zu  durchstreifen  und 
in5glichst  die  out  of  the  way  places  zu  besuchen,  um  vom  anthropologischen  und 
ethnographischen  Standpunkte  auf  dem  Wege  des  Sammeins  zu  retten,  was  zu 
retten  ist. 

^Wo  ich  später  herauskommen  werde  und  ob  ich  via  America  i.  e.  Columbien- 
Venezuela- Westindien  oder  via  Philippinen -Tonkin  •  Centralasien  nach  Europa  zu- 
rQckkehre,  wird  von  Umständen  und  meinem  Gesundheitszustand  abhängen. 

„Wollen  Sie  gutigst  veranlassen,  dass  eine  diesbezügliche  Notiz  in  die  Ver- 
handlungen der  Anthropologischen  Gesellschaft  aufgenommen  werde,  damit  unsere 
aoBwäitigeo  Mitglieder    bei    meinem  eventuellen  Besuch  wissen,    wen  sie  vor  sich 


f330) 

haben;  zdnia]  mag  es  sie,  nach  schlechten  Erfahrungf^n,  die  sie  aDderweitig  gemactit 
babeu^  inttressirtMi  zu  hören,  tluss  icb  auf  meine  eigenen  Knsten  reise,  und  du  mit 
ferner  hiesige  Mitglieder  d^-r  Gesellschaft,  sofern  sie  veriifiuftige  Wunsche  an 
mich  richten  wollen^  mir  dieselben  mittheilen  konDen* 

„Sie,  Hr.  Gebeimratb,  könueu  natürlich  vollkommen  über  meine  Dienste  ver- 
fugen und  wiire  ich  Ihnen  sehr  verbunden,  wenn  Sie  mir  möglichst  präcisirt  Ihre 
Wünsche  ofittheilen  wollten.'*   — 

Der^  Vorsitzende  spricht  Hrn.  Joe  st  die  herzlichbten  Wünsche  für  seine  neue, 
grosse  Reise  aus  und  erklart  ihm  Namens  der  Gesellschaft,  dass  wir  ihn  mit  un- 
serer wärmsten  Theilnahme  begleiten  werden  und  dass  wir  Alle  die  grössten  Hoflf- 
DUO  gen  auf  die  zu  erwartenden  Resultate  setzen.  Selten  hat  ein  so  junger  Mann 
mit  so  sicherem  Blick  und  so  viel  V erstand iiiss  seine  ersten  Ansflüge  in  ferne 
Zonen  ausgenutzt  Können  wir  daher  irgeud  etwas  zu  dem  Gelingen  der  neuen, 
selbst  gewählten  Aufgabe  thun,  so  wird  es  stets  mit  grösster  Bereitwilligkeit  g€- 
Bchehen, 

(3)  Der  Vorsitzende  verliest  die  definitive  Einladung  zur  Theilnahme  am 
Amerik&nisten-Congreas  in  Kopenhagen  und  legt  den  Mitgliedern  eine 
möglichst  i&ahlreiclie  Betheiligung  an  dieser  so  viel  versprechenden  Versammlung 
an's  Herz.  Die  Sitzungen  werden  vom  äl.— 24.  August  stattfinden.  Als  Dekgirten 
der  Gesellschaft  hat  der  Verstand  das  Mitglied  des  Ausschusses,  Hrn.  Dr.  W.  Reisa 
erwählt. 

(4)  Hr.  Stieda   tn  Dorpat   hat  für  die  Sammlung  der  Gesellschaft  2  kaukasi 
sehe  Skelette  (von  Baku  und  dem  Daghestan)^  ein  ännisches  und  den  Schädel  eines 
mftsischen  Weihes    eingesendet,    wofür   ihm  der  Vorsitzende  den  besonderen  Dank 
der  Gesellschaft  ausspricht. 


(5)    Generallieutenant  v.  Erckert  bespricht  in   einem  Schreiben  an  den  Vor* 
sitzenden  d.  d.  Pelrowsk^  6»  Juni,  seine 


Reisen  {m  Kaukasus. 


I 


mit     ■ 


^Ich  vrar  bereits  in  diesem  Frühjahr  40  Tage  zu  Pferde,  und  werde,  um 
dem  Dagbestan  fnr  Landes-  und  Volkerkunde,  Schadelniessnogen  und  Sprach- 
vergleiche abzuschliesseoj  in  diesen  Tagen  noch  eine  dreiwöchentliche  Reise  zu 
Pferd  in  seinen  letzten,  nicht  von  mir  durchforschten  Theil  (Westen)  unternehmen,  ■ 
die  hoffentlich  nicht  minder  von  Gluck  begünstigt  wird,  als  die  früheren.  Dann 
habe  icb  sämmllicbe  (über  20)  Stumme  des  Kaukasus  besucht  und  erforsclit.  In 
Petersbiirg  will  ich  dann  retrospectiv  lesen  und  studiren,  was  nicht  hypothetisch 
über  den  Kaukasus  gesagt  wurde,  und  ein,  wenn  auch  nicht  abgerundetes,  so  doch 
positives  Ganzes  bearbeiten.  Spracbe  nnd  Abstammung  werden  wohl  oft  nicht  xu- 
sammenstimmen;  auch  muss  die  Einwanderung  nicht  nach  den  logischen  Annahmen 
allein  beurtheilt  werden,  da  noch  viele  speciellen  Gründe  dabei  mitwirkten.  Ganz 
auffallend  und  unwillkürlich  an  die  Meinung  des  Hrn.  Bayern  erinnernd,  tat  die 
massenhafte  Mischung  mit  Juden,  ja  reines  Judenthum,  im  ganzen  ostlichen 
Daghestan;  im  SO,  massenhaft;  in  der  ösilichen  Mitte  bis  in  die  aussersten  Winkel! 
Ganz  unglaublich,  und  vielleiclit  durch  Verbannung  oder  durch  niedergeworfene  Cha- 
Süren  (Juden?)  oder  ürsprünglichkeit  allein  (?)  zu  erklären.    Sie  sind  ganz  getrennt 


(881) 

TOD  den  sogenanoten  Berg-Juden!  —  Die  grossartige  Natur  allein  belohnt  eine 
EDStreogende  Reise,  die  ich  auch  bis  ans  Hochgebirge  im  Kreise  Kuba  zu  Buducheu, 
Dahekten  und  Chinalugen  (nur  ein  Dorf)  ausgedehnt  habe.  Die  Mauer  habe 
ich  twei  Tage  abgeritten  und  aufgenommen.  —  In  der  Tschetschna  hat  der  ostliche 
Theil  (Auswanderer  vom  westlichen  Theil)  fast  reine  Juden!  Kopfmessungen  habe 
ich  SU  hunderten  ausgeführt  bei  allen  Stämmen.  Rücken-  und  Beinmaasse  sind 
▼iel&ch  genommen,  wenn  auch  nicht  gerade  für  den  Daghestan,  nach  Ihrer  An- 
gabe. —  Die  Vergleiche  der  Maasse,  nach  einem  von  mir  erfundenen  Plan,  giebt 
sehr  anschaulich  die  Haupt-  und  Abweichungs-Typen,  nicht  nur  jedes  einzelnen 
Stammes,  sondern  auch  im  Vergleich  mit  den  übrigen.  Ein  Wortschatz  yon  700 
einfachen  Worten  aus  einfachen  Lebenssphären,  sowie  kurze  Dekiinations-  und  Con- 
jogations-Proben  aus  allen  Sprachen  des  Dagbestau,  der  Tschetschna  und  der  Tscher- 
keasen  sind  gesammelt.  —  Nicht  genaue  Schall -Nachahmung  scheint  hierfür  un- 
weaentlich,  sonst  müssten  ja  alle  tiefer  gehende  Sprachforschungen  aufgegeben  werden. 
—  Für  alle  Fiscbarten  giebt  es  gar  keine  Unterscheidung,  unglaublich  fein  sind  die 
Nuancen,  in  der  die  dritte  Person  sich  lokaliter  zu  denen  befindet,  die  yon  ihr 
in  der  dritten  Person  sprechen;  ganz  unglaublich.  Interessant  sind  üebertragungen 
▼on  Bezeichnungen:  Roggen  =  rother  Weizen!  Strauss  =  Kameel  und  Sperling!  Schild- 
kröte =  Leder  und  Frosch!  —  Auch  viele  Tataren,  Baschkiren  und  ostfinnische 
Stimme  habe  ich  gemessen. 

(6)    Hr.  Virchow  zeigt 

eine  Fibula  aus  der  Tschetschna  und  zwei  Schädel  von  Koban. 

Durch  die  Gute  des  Hrn.  Dolbeschew  in  Wladiskawkas  habe  ich  einige  sehr 
wichtige  Nachträge  aus  dem  nordlichen  Kaukasus  erhalten  ^). 

Schon  yor  einiger  Zeit  berichtete  er  mir  von  einem  Funde  im  Flachlande 
der  kleinen  Tschetschna,  wo  an  einer  Stelle  im  Walde  Menschenknochen  und 
ein  Paar  Bronzefibeln,  ohne  zu  graben,  gesammelt  seien.  Von  einer  der  Fibeln 
übersendete  er  mir  folgende  Skizzen: 

a.  b. 


Vorderseite.  Ruckseite. 

Va  naturlicher  Grösse. 

1)  Hr.  Dolbeschew  macht  mich  zugleich  auf  einige  Druckfehler,  beziehentlich  Irrtbümer 
meiner  Schrift  über  Koban  aufmerksam: 
8.  2,  Z.  18,  sollte  es  statt  Gisaldon  beissen  Kobandon.     Ersterer  kommt  aus  dem  Sani- 
baithale  und  vereinigt  sich  erst  später  mit  dem  Kobandon. 
'   S.  8,  Z.  11,   muss   es   statt  Kaffekanuo  beissen   Wasserkanne.    Der  Gebrauch  des  Kaffes 


(882) 

Gegenwärtig  liegt  die  Fibula  selbst  vor.  Es  ist  ein  Stück  yod  der  jetzt  wohl 
hinreichend  bekannten  Koban-Form,  aber  sehr  viel  schwerer,  gröber  und  roher,  als 
irgend  eines  der  mir  yon  Eoban  selbst  yorgekommeuen.  Obwohl  die  Nadel  ab- 
gebrochen ist  und  fehlte  wiegt  es  doch  noch  119,8^.  Die  Basis  ist  10  cm  lang, 
der  Radius  des  Bogens  misst  etwas  über  7  cm.  Der  Bügel  hat  in  der  Mitte  eine 
Dicke  yon  12  mm.  Die  Endplatte,  welche  zur  Aufnahme  der  Nadel  diente,  ist  30  mm 
hoch  und  an  der  Basis  32  mm  breit.  Da  die  Nadel  in  der  ersten  Biegung  ab- 
gebrochen ist,  so  lässt  sich  nicht  mit  Bestimmtheit  erweisen,  dass  hier  eine  Spiral- 
tour gelegen  hat,  indess  darf  man  es  wohl  als  wahrscheinlich  annehmen,  da  alle 
Haupteigenschaften  mit  denen  der  Eoban-Fibeln  übereinstimmen. 

Was  die  Einzelheiten  betrifft,  so  besteht  der  Bügel  nicht,  wie  bei  den  Koban- 
Fibeln,  aus  einem  solid  walzenförmigen  Balken,  sondern  es  zieht  über  die  Mitte  der 
Rückseite  (Holzschn.  b)  in  deren  ganzer  Länge  eine  unregelmässige  Rinne,  welche  an 
beiden  Enden  breit  und  flach  ausläuft.  Sie  macht  den  Eindruck,  als  sei  der  Bügel 
aus  einem  hinten  platten  Balken  unter  ümbiegung  der  Ränder,  etwa  durch  Häm- 
mern in  der  Hitze,  hergestellt  worden.  Gegen  die  Seiten  hin  ist  die  Hinterseite 
ziemlich  gleichmässig  gerundet.  Dagegen  erscheint  die  vordere  Hälfte  leicht  drei- 
eckig gekantet,  so  dass  eine  Kante  oben,  eine  zweite  unten,  die  dritte  auf  der 
Mitte  der  Yorderfläche  (in  der  Zeichnung  nicht  dargestellt)  angebracht  ist  Ausser- 
dem zeigt  die  Vorderfläche  4  Gruppen  tiefer  Quereinschnitte,  von  denen  die  beiden 
lateralen  aus  ungefähr  einem  Dutzend,  die  beiden  medialen  aus  je  10  und  11  Pa- 
rallelkerben bestehen.  Am  einen  Ende  geht  der  Bügel  in  den  drehrunden,  3  bis 
4  mm  dicken  Nadelanfang  über;  am  andern  verbreitert  er  sich  schnell  in  eine, 
mit  einer  senkrechten  erhabenen  Mittelrippe  versehene  Platte,  welche  am  unteren 
Ende  nach  hinten  umgebogen  ist  und  so  einen  breiten  Falz  zur  Aufnahme  der 
Nadel  bildet. 

Obwohl  das  Stück  recht  hübsch  dunkelgrün  patinirt  ist,  so  fiel  es  mir  doch 
auf,  dass  es  an  einzelnen,  etwas  abgescheuerten  Stellen  uogowohnlich  roth  durch- 
schimmerte. Ein  Feilenstrich  gab  fast  reine  Kupferfarbe.  Ich  ersuchte  deshalb 
Hm.  Salkowski  um  eine  Analyse.  Dieselbe  ergab,  dass  ausser  Kupfer  eine,  auf 
etwa  4  pCt.  zu  veranschlagende  Beimischung  von  Zinn  darin  enthalten  ist;  Zink, 
Blei,  Wismuth  und  Silber  konnten  nicht  nachgewiesen  werden. 

Es  ist  also  gewiss  ein  recht  merkwürdiges  Stück.  Vieles  scheint  dafür  zu 
sprechen,  es  für  sehr  alt  und  zugleich  für  ein  Produkt  einheimischer  Arbeit 
zu  halten,  das  noch  einer  vorkobanischen  Zeit  angehöre.  Denn,  wie  ich  in  meiner 
Monographie  über  Koban  nachgewiesen  habe,  alle  analysirten  Bronzen  dieses  Gräber- 
feldes zeigten  die  gewöhnliche  Bronzemischung.  Wenn  wir  also  hier  eine  Bronze 
antrefl'en,  die  Zinn  in  noch  nicht  einmal  der  halben  Menge  gewohnlicher  Bronze- 
mischung enthält,  so  dass  ihr  Aussehen  fast  das  von  reinem  Kupfer  ist,  so  scheint 
diess  in  der  That  für  ein  ganz  archaisches  Verhältniss  zu  sprechen.  Damit  würde 
die  Rohheit  der  Ausfuhrung  harmonireo.  Nichts  desto  weniger  möchte  ich  mein 
ürtheil  suspendiren,  bis  genauere  Nachrichten  über  die  Fundstelle  vorliegen.    Denn 

ist  in  den  Bergen  ganz  unbekannt  Ein  Wasserkrug,  wie  der  an  der  Stele  von 
Koban  abgebildete,  aus  Kopfer,  Eisenblech  oder  Gusseisen,  bei  Reichen  auch  aas 
Silber,  ist  noch  heutzutage  überall  anzatreffeu.  Er  dient  beim  Waschen  vor  dem 
Namas  (Gebet  der  Muselmänner)  und  aaeb  zum  Trinken. 

S.  8,  Z.  27,  will  Hr.  Dolbeschew  statt  des  von  Güldenstedt  gebrauchten  Namens 
Enmbelei  lesen  Kambelej. 

Ich  fuge  hinzu  S.  18,  Z.  22,  «Nasenwurzel''  statt  .Stirn'. 


(333) 

es  wäre  doch  aucli  möglich,  dass  es  sich  um  eine  rohe,  so  za  sagen,  barbarische 
Nachbildung  eines  in  Koban  schon  viel  höher  entwickelten  oder  importirten  Ge- 
r&thes  handelt;  ja,  man  muss  zugestehen,  dass  eine  solche  Erklärung  viel  mehr 
Terständlich  machen  würde,  warum  hier  eine  schon  typisch  ausgebildete  Form  in  so 
plumper  Nachbildung  erscheint.  Ich  erinnere  an  die  analogen  Erfahrungen  auf  dem 
Gebiete  der  Numismatik.  Indess  auch  das  wäre  eine  höchst  interessante  Thatsache. 
Ich  werde  daher  Hrn.  Doibeschew  sehr  dankbar  sein,  wenn  es  ihm  gelingen 
sollte,  weiteres  Material  zu  einer  gesicherten  Erklärung  zu  liefern.  — 

Vorläufig  sind  fiir  mich  von  ungleich  grösserer  Wichtigkeit  die  beiden  neuen 
Schädel  von  Koban.  Zur  Zeit,  als  ich  meine  Abhandlung  über  das  Gräberfeld 
Ton  Koban  schrieb,  hatte  ich  nicht  einen  einzigen  unversehrten  Schädel  zu  meiner 
VerftguDg.  Nur  bei  einem  war  die  Schädelkapsei  so  weit  erhalten,  dass  die 
Hauptmaasse  genommen  werden  konnten,  aber  auch  bei  ihm  war  die  Basis  verletzt 
and  das  Gesicht  fehlte  gänzlich.  Es  ist  daher  ein  ungemein  grosser  Fortschritt, 
dass  nun  2  Schädel  angelangt  sind,  welche  bis  auf  die  Unterkiefer,  von  denen  nur 
Bmehstücke  vorhanden  sind,  ziemlich  alle  Theile  vollständig  besitzen.  Nur  bei 
dem  einen,  einem  weiblichen,  waren  manche  Abschnitte  zerbrochen;  sie  haben  sich 
s&mmtlich  restauriren  lassen. 

Hr.  Doibeschew  berichtet,  dass  diese  Schädel  aus  einer  neu  entdeckten  Ver- 
iweigung  des  Gräberfeldes  herstammen,  auf  welcher  Hr.  Chabosch  25  neue  Grä- 
ber aufgedeckt  hat.  Dem  grösseren  der  Schädel  waren  Waffen  beigegeben,  dem 
kleiaeren  weibliche  Zierrathen  von  der  schon  bekannten  Art,  dagegen  keine  Waf- 
fen. Beide  wurden  in  der  unteren  Schicht  der  Gräber  gefunden  und  Hr.  Dolbe- 
■chew  glaubt  sie  als  typisch  für  diese  Schicht  bezeichnen  zu  können,  in  der 
ihm  sämmtliche  Schädel  dolichocephai  und  nur  einzelne  mehr  abgeplattet  er- 
schienen. Letzteres  sei  bei  den  Schädeln  der  oberen  Schicht  in  höherem  Maasse 
der  Fall  gewesen.  Thurmköpfe  (Makrocepbalen)  seien  auch  diessmal  nicht  zu  Tage 
gekommen. 

Unzweifelhaft  ist  der  eine  Schädel  ein  männlicher,  der  andere  ein  weiblicher, 
and  auch  das  ist  ein  besonderer  Vorzug.  Nur  war  leider  der  Mann  sehr  alt  und 
nicht  blos  gänzlich  zahnlos,  sondern  auch  mit  so  vollständigem  Schwund  der  Alveo- 
larfortsätze  behaftet,  dass  sich  die  ganze  Gesichtshöbe  nicht  messen  und  demnach 
der  Gesichtsindex  nicht  berechnen  lässt.  Ich  bezeichne  in  Fortsetzung  der  in  mei- 
ner Monographie  angenommenen  Numerirung  die  neuen  Schädel  als  Nr.  6  und  7. 

Der  männliche  Schädel  (Nr.  6)  ist,  wie  erwähnt,  bis  auf  den  Unterkiefer, 
Ton  dem  nur  die  rechte  Hälfte  vorhanden  ist,  sehr  gut  erhalten.  Er  ist  von  sehr 
festem  GefQge,  schwer,  im  Ganzen  weisslich  grau,  aber  in  grosser  Ausdehnung 
darch  Kupfersalze  intensiv  grün  gefärbt.  Diese  Färbung  vertheilt  sich  auf  zwei 
grossere  Regionen:  einerseits  auf  die  ganze  Stirn,  die  linke  Schläfen-  und  Joch- 
beingegend bis  über  die  Ohröffnung  hinaus,  andererseits  und  zwar  rechts  auf  das 
Ohr,  den  Warzenfortsatz,  ein  Stück  der  Hinterbauptsscbuppe,  den  Jochbogen  und 
das  Wangenbein,  endlich  den  Gelenkfortsatz  des  Unterkiefers  bis  zum  Winkel  herab. 
Leider  ist  nicht  angegeben,  was  für  Gegenstände  hier  gelegen  haben. 

Der  Schädel  imponirt  durch  seine  mächtigen  und  groben  Formen,  sowie  durch 
die  höchst  ausgeprägten,  aber  etwas  plumpen  Züge  des  Gesichtsskelets.  Alle 
Haskelansätze  und  Wülste,  mit  Ausnahme  der  temporalen,  sind  sehr  stark  ent- 
wickelt. Insbesondere  springen  die  Supraorbitalwüiste  weit  vor,  sind  jedoch  über 
der  Nase    nicht    vereinigt.     Die  Protuberantiu  occipitalis    ist  kräftig  und  die  Linea 


ftemicirc.  super  oecip.  begrenzt  eiceD  j&heo  tinrl  tiefeo  Absatz,  von  dem  au6  sieh 
die  Facies  tDUSCutanB  der  HiDterhauptsschappe  in  sehr  audgebüdeter  Zeicbiiung  der 
Muskel-  und  Sehneitabsätze  abwärts  erstreckt.  Auch  die  Warze ofortsätze  ;»lDd  un- 
gewShnlich  dick,  lang  und  höckerig. 

Die  Capacitat  beträgt  1425  rem,  der  Horizontal (imfaog  535  mm,  —  recht  beträcht- 
liche Maasse,  Die  starke  EotfaltUDg  des  Schindeldaches  war  begüostigt  durch 
Persistenz  der  Stirn  naht»  welche  jetzt  freilich  atelleuweise  iu  der  Obliteration 
begriffet]  ist;  iudess  giebt  eine  leichte  Crista  froiiüilis  Zcugoiss  von  dem  Btärkerea 
Knochenwacbsihunj  dieser  Gegend,  Von  deo  ourmalen  Nähten  siod  nur  jederseits 
der  seitliche  untere  Abschnitt  der  Coronaria  innerhalb  des  Flänum  temporale  und 
dj4^  Sphenofrontalis  o^^ificirt.  Alle  übrigen  Nähte  sind  erhatten,  jedoch  mit  man  eher  lei 
Abweichungen.  Die  betracblichstc  der  letzteren  ist  ein  Os  sagittale  s.  inter- 
par letale  in  dem  Ton  mir  früher  (Merkmale  niederer  Menschenrassen  am  SchädeK 
B<?rlia  1875.  S.  75)  entwickelten  Sinne,  jedoch  von  etwas  ungewöbnlichen  Eigeo- 
»chaften.  Dasselbe  nimmt  den  leUtefi  Abschnitt  der  Sagittalis  ein,  hat  jedoch 
zugleich  die  Enlwickelung  de»  LanübdawinkelB  gehindert  und  gewissermaassen 
eine  Nied^rdrtickung  und  Abmachung  desselben  bewirkt.  Es  bitdet  ein  unregelmässig 
gpHtaltetee,  auf  die  Spitze  gpstelltes  und  nach  links  geneigtes  Dreieck  von  ^5  mm 
Höhe  und  19  fum  Baikal  breite,  welches  ringsum  durch  verzweigt -zackige^  von 
minimalen  Schal tbeinchen  durchsetzte  Näbte  umgeben,  nur  unten  mit  dem  rechten 
Parietale  tbeil weine  verschmolzen  ist  Es  greift  beiderseits,  jedoch,  da  es  schief 
gestellt  ist,  mehr  in  das  linke  Parietale  ein.  Der  mittlere  Thejl  der  Sagittalis  ist 
stark  gezackt,  aber  im  Beginn  der  Verschmelzungj  der  vordere,  sowie  die  Coro- 
naria in  ihren  medialen  Th eilen  mehr  einfacb.  Dagegen  ist  die  Lambdanaht  uoi 
80  mehr  zackig,  besf^nders  an  ihr<*m  rechten  Scbeokel,  der  durch  gleichzeitige  Ein- 
Sprengung  kleingter  Schaltbeincben  fast  wie  ein  breites  Filigranbnnd  aussiebt. 
Jederseits  giebt  es  einige  hintere  laterale  Fontanellknoeheu.  Auch  die 
8ut  squarooaa  ist  mit  kleinen  Scbaltknochen  versehen  und  in  Folge  davon  etwas 
vorstehetid» 

Die  Schädelform  iet  orthomesocephal  (Breitenindex  76,0,  Hohenindex  71|9) 
obwohl  der  Eindruck  im  Grossen  eigentlich  dolichocephal  i&L  Es  erklärt  sich  dies 
aus  dem  Umstände«  dttss  die  grosste  Breite  an  den  8chläfenschuppen,  also  sehr 
tief  liegt,  wie  denn  alb*  Breiten maasis*»  der  tieferen  Schädel gegenden,  z.  B,  das  au- 
riculare,  ungewöhnlich  gross  sind. 

lo  der  Norma  verticalis  erscheint  der  Contour  lang  oval,  zugleich  breit  und 
etwas  schiefp  indem  die  rechte  Seite  hinten  in  der  Gegend  der  Seitenfoiitanelle 
Iflicht  abgeflacht  ist.  Der  Vurderkopf  breit  gewölbt,  die  Tubera  parietal ia  wenig 
abgesetzt,  dor  Hifiterkopf  vortretend  und  seitlich  etwas  abgeschrägt.  Die  Seiten 
pbueuozyg. 

In  der  Norraa  tempöralis  sieht  der  Schädel  sehr  lang  aus,  hauptsächlich  wegen 
der  im  vorderen  Abschnitte  mehr  gestreckten  Scbeitelcurve.  Die  Stirn  itt  leicht 
rückwärts  geneigt  und  da  zugleich  die  Nase  ungewobulich  weit  vorspringt,  so  hat 
das  Gesichtsprofil  ein  recht  auffälliges  Aussehen.  Hinter  der  Coronaria  eine  seichte 
Quervertiefung»  Von  der  purietalen  Intertuberallinie  an  langsamer  Abfall  der  Curve, 
welche  nur  an  der  Stelle  des  Sagittalbeius  leicht  abgeflucht  und  eingedruckt  ist; 
hinter  dem  Lambdiiwinkel  beginnt  die  Wölbung  der  Oberschuppe,  wogegen  die 
Ünterschuppe  fast  ganz  glatt  ist  und  nahezu  horizontal  nach  vorn  verläuft  Die 
Plana  temporal la  leicht  gewölbt,  bis  zu  den  Schettelböckern  heraufreichend,  jedoch 
?orn    nur    bis  auf  1'25  mm  genähert.     Die  Sohläfenlinien  ausserhalb  der  Stirn beiue 


I 


I 
I 


I 


(385) 

wenig  ausgebildet.  Die  Alae  temporales  gross  uDd  erst  gegen  die  Basis  hin  Ter- 
tiefb.     Die  Schläfenschuppen  etwas  vorspringend. 

Die  Hinteransicht  zeigt  das  Schädeldach  flach  gewölbt,  die  Seitentheile  mehr 
platt,  jedoch  divergirend,  die  Basis  breit  und  um  das  Foramen  magnum  stark  Yor- 
tretend. 

In  der  Basilaransicht  erscheinen  namentlich  die  vorderen  und  mittleren  Ab- 
schnitte breit,  dagegen  das  weit  vorspringende  Hinterhanpt  seitlich  abgeflacht 
Das  Foramen  magnum  gross,  lang  oval,  vorn  am  engsten,  40  mm  lang,  33  breit, 
mit  ungewöhnlich  dicken  und  höckerigen  Rändern.  Die  Geleukhöcker  gross,  stark 
nach  aussen  gewölbt  und  vorspringend.  Die  Apophysis  basilaris  tief,  im  Ganzen 
flach,  jedoch  etwas  eingebogen,  mit  grossem  Tuberculum  pharyngeum  und 
jederseits  dicht  vor  den  Gelenkhöckern  mit  einem  tiefen,  gegen  das  Tuberculum 
auslaufenden  lateralen  Quereinschnitt.  Sehr  kräftige  Griffelfortsätze.  Gelenk- 
gruben des  Unterkiefers  gross,  besonders  tief,  und  über  das  Tuberculum  zygomati- 
cam  fortgesetzt.    Weit  ausgelegte  Lamina  externa  des  Proc.  pterygoides. 

Die  Norma  frontalis  zeigt  eine  schräge,  grosse,  jedoch  mehr  breite  als  hohe 
Stirn  mit  mächtigen  Orbital wulsten,  tiefer  Glabella,  wenig  abgesetzten  Tubera,  aber 
at&rker  gewölbter  und  durch  die  mediane  Crista  noch  verstärkter  Intertuberalgegend. 
An  dem  sehr  breiten  und  tief  herunter  reichenden  Nasenfortsatz  ein  stark  vertieft 
liegender,  breiter  Abschnitt  der  Stirn  naht  mit  einem  Filigran  kleinster  Schalt- 
knochelchen. 

Das  Gesicht  selbst  ist  grobknochig  und  durch  eine  kolossale  Verschiebung  der 
Nase  nach  rechts  hin  ganz  difform.  Der  Nasenriicken  bildet  mit  der  Stimnaht 
einen  Winkel  von  12 ^  Der  Mittelgesichtsindex  von  72,7  deutet  Leptoprosopie 
an.  Die  tlochbogen  abstehend,  aber  nur  massig  gewölbt.  Die  Wangenbeine  gross 
und  grob,  mit  höckerig  vortretendem  Centrum,  die  Tuberositas  malaris  gross,  indem 
zugleich  der  benachbarte  Theil  der  Oberkiefer  stark  vortritt.  Sehr  tiefe  Fossae 
caninae.  Zugleich  grosse  Foramina  infraorbitalia.  Die  Orbitae  sind  gross  und  breit 
und  in  diagonaler  Richtung  sowohl  nach  oben  und  innen,  als  nach  unten  und  aussen 
erweitert,  daher  machen  sie  eher  den  Eindruck  der  Niedrigkeit,  obwohl  der  Index 
von  85,3  hypsikonch  ist.     Sehr  weite  Fissura  infraorbital is. 

Für  die  Abweichung  der  Nase  nach  rechts  ist  ein  Grund  nicht  erkennbar, 
namentlich  fehlen  alle  Anzeichen  von  Fraktur.  Der  vordere  Theil  der  Nasennaht 
und  der  Sut.  naso-maxill.  sind  synostotisch.  Der  Ansatz  der  Nase  liegt  sehr 
tief  und  ist  ungewöhnlich  schmal,  dagegen  ist  der  RQcken,  obwohl  ganz  schräg  vor- 
springend, flach  gedrückt  und  ziemlich  grade,  nur  gegen  die  Spitze  hin  abgeplattet 
und  leicht  aquilin  gebogen.  Der  gerade  Querdurchmesser  der  knöchernen  Nase 
misst  oben  6,  in  der  Mitte  10,  unten  18  mm.  Apertur  sehr  hoch  und  breit,  nach 
antan  eng;  Spina  gross.     Der  Index  von  50  ergiebt  Mesorrhinie. 

Der  Zahntheil  des  Oberkiefers,  dessen  Alvcolarfortsatz  verkümmert  ist  in  Folge 
des  Verlustes  der  Zähne  und  der  Obliteration  der  Alveolen,  erscheint  schmal,  niedrig 
und  leicht  opisthognath.  Der  etwas  schiefe  Gaumen  ist  vorn  schmal,  hinten  huf- 
'eisenformig  gebogen  und  mit  kleiuer  Spina  versehen;  Index  G9,9,  leptostaphylin. 

Das  Unterkieferstück  ist  gleichfalls  zahnlos  und  obliterirt,  trotzdem  sehr  kräftig. 
Der  Ast  ist  37  mm  breit,  der  Gelenkfortsatz  vom  Winkel  an  77  mm  lang.  Der 
Winkel  selbst  höckerig. 

Ausserdem  ist  noch  das  Ende  der  rechten  Spina  scapulae  mitgekommen.  Das- 
selbe ist  interessant,  insofern  es  gleichfalls  eine,  wenn  auch  schwache,  so  doch  un- 
verkennbar grüne  Metallfarbe  trägt,  besonders  aber  wegen  der  excessiven  Grösse 
nnd  des  gans  höckerigen'  Zustandes  der  Acromion.  — 


(386) 

Der  weibliche  Schädel  (Nr.  7)  war  an  beiden  Schläfeo  Terletzt  und  die 
KranzDaht  klaffte  ein  wenig.  Er  ist  klein  und  leicht,  graagelblich,  brüchig,  an 
Tielen  Stellen  durch  Abblätterung  der  Rinde  weisslich.  Auch  er  hat  grosse  grüne 
Flecke  yon  Metall färbuog,  nehmlich  rechts  um  das  Ohr,  besonders  an  der  Schläfen- 
schuppe und  dem  Parietale,  am  Warzenfortsatz  und  der  ünterschuppe,  am  Joch- 
und  Wangenbein,  am  Oberkiefer  bis  zu  den  Rändern  der  Nasenapertur  und  bis  weit 
über  die  Mittellinie  hinaus  am  AWeolarfortsatz.  links  dagegen  nur  am  Warzenfort- 
satz und  seiner  Umgebung,  einerseits  bis  auf  das  Parietale,  andererseits  bis  zum 
Proc  condyloides  am  Foramen  magnum. 

Seine  Capacitat  beträgt  nur  1250  ccm;  auch  seine  ümfangsmaasse  sind  gering 
(horizontal  495,  vertikal  302,  sagittal  367  mm).  Sämmtlicbe  Nähte  sind  offen  und 
etwas  zackig.  Der  Lambdawiokel  niedrig  und  flach;  an  dem  Fonticnlus  Casserii 
jederseits  einige  Schaltknochen.  Ueber  die  Mitte  der  Stirn  ein  seichter  Längs- 
wnlst,  aber  keine  Spuren  der  Stirnnaht.  —  Alle  Theile  der  Oberfläche  sanft  ge- 
rundet. An  der  Stirn  kaum  Andeutungen  der  Supraorbitalwülste,  der  Nasenwulst 
ganz  schwach.  Keine  Protuberantia  occip.  ext.  und  eine  fast  glatte  Facies  mus- 
cularis  der  Squama  occip. 

In  der  Norma  verticalis  zeigt  der  Schädel  einen  langen,  in  der  Gegend  der 
Scheitel hocker  am  breitesten  ausgelegten,  an  der  Stirn  und  dem  Hinterhaupt  eogeren, 
jedoch  nach  hinten  etwas  breit  und  flach  endigenden  Contour.  £r  ist  kaum  phae- 
nozyg,  dagegen  ausgemacht  hypsidolichocephal  (Lnngeoindex  74,5,  Höhenindex 
76,5). 

In  der  Norma  temporalis  erscheint  er  weniger  lang,  da  die  vordere  Fontanell- 
gegend hoch  liegt  und  der  Abfall  nach  hinten  schon  vor  der  parietalen  Inteituberal- 
linie  beginnt.  Die  Stirn  liegt  etwas  schräg,  jedoch  ist  sie  ziemlich  hoch  und  mit 
einer  langen  ansteigenden  Hiotcrstirnwölbung  versehen.  Das  Mittelhaupt  sieht  hoch 
und  verhältnissmässig  kurz  aus.  Der  hintere  Abfall  bis  zu  der  stark  vorgewölbten 
Oberschuppe  ist  lang.     Plana  temporalia  schwach  begrenzt.     Alae  gross. 

Die  Norma  occipitalis  zeigt  ein  regelmässig  gewölbtes  Schädeldach  mit  leichtem 
sagittalem  Vorsprung,  die  Seitentheile  mehr  platt,  leicht  convergirend,  nach  unten 
etwas  gewölbt.     Die  Warzen fortsätze  kräftig. 

In  der  Norma  basilaris  dominirt  der  Eiodruck  der  Länge,  besonders  verstärkt 
durch  das  grosse  und  zugleich  breite  Hinterhaupt;  vorn  erscheint  der  Schädel  mehr 
schmal.  Das  Foramen  magnum  ist  31  mm  lang,  27  breit,  länglich  gerundet,  vorn 
eng.  Die  stark  gewölbten  Geleukhöcker  stehen  weit  nach  vorn.  An  der  etwas 
flachen  Apophjsis  basilaris  dicht  vor  dem  Rande  des  Uinterhauptsloches  ein  kleines 
Knochenknöpfchen.  Griffelfortsätze  zart,  aber  lang.  Gelenkgruben  des  Unterkiefers 
weit,  aber  flach. 

Endlich  in  der  Vorderansicht  sieht  man  die  etwas  schmale,  aber  in  der  Mitte 
recht  hohe  Stirn  mit  sehr  genäherten  Tubera  und  voller  Intertuberalwölbung;  die 
Glabella  wenig  tief. 

Das  Gesicht  schmal,  leptoprosop  (Mittelgesicbtsindex  78,8).  Jochbeine  an- 
liegend, verletzt.  Wangenbeine  zart,  aber  in  der  Mitte  vorgewölbt  bis  an  die 
Sut.  zjgom.  maxillaris,  wo  auch  der  Oberkiefer  eine  diffuse  starke  Vorwölbung  be- 
sitzt In  Folge  davon  fehlen  die  Fossae  caninae  fast  gänzlich.  Die  Foramina  in- 
fraorbitalia  gross.  Orbitae  gross,  flach  und  tief,  in  der  Diagonale  besonders  nach 
oben  und  innen  weit,  hypsikonch  (Index  89,7).  Nase  etwas  nach  rechts  abwei- 
chend, hyperleptorrhin  (Index  43,6).  Die  Naso  frontal  naht  lang  und  nach  oben 
gerückt,  in  den  Nasenfortsatz  des  Stirnbeins  eingreifend.  Die  Nasenwurzel  dem 
entsprechend  breit  und  flach;  weiter  abwärts  ist  der  Rücken  leicht  eingebogen  und 


(337) 

schmaler,  aber  gerundet.  Apertur  hoch,  oben  eng,  unten  weit;  lange  Spina.  Die 
gerade  Breite  betragt  am  Ansatz  15,  in  der  Mitte  10,  unten  14  mm.  Per  Alveolar- 
fortsatz  des  Oberkiefers  springt  schwach  prognath  vor  und  ist  16  mm  lang;  die 
Zähne  Bammtlich  entwickelt,  mit  starker  Abnutzung  der  Beissflächen:  die  Incisivi 
etwas  gross,  die  Praemolaren  klein,  die  Molaren  massig,  von  abnehmender  Grosse. 
Gaumen  sehr  tief,  mit  schmalem  Toras  palatinus;  Index  66,0,  leptostaphylin. 

Vom  Unterkiefer  ist  nur  ein  Stück  der  rechten  Hälfte  erhalten,  darin  6,  wenig 
abgenutzte  Zahne.     Am  II.  Molaris  von  aussen  her  eine  grosse  runde  Höhle. 

Wenn  man  beide  Schädel  unter  einander  vergleicht,  so  lässt  sich  nicht  ver- 
kennen, dass  sie  trotz  grosser  sexueller  und  individueller  Abweichungen 
doch  im  Typus  sich  ganz  nahe  stehen.  Dasselbe  lässt  sich  von  dem  männ- 
lichen Schädel  Nr.  1  sagen,  den  ich  in  meiner  Monographie  über  Koban  S.  13  ff. 
ausführlich  besprochen  und  in  mehreren  Ansichten  abgebildet  habe,  und  dessen 
Haasse  ich  in  die  vorzulegende  Tabelle  noch  einmal  mit  aufnehme. 

Der  weibliche  Schädel  Nr.  7  zeichnet  sich  durch  Kleinheit  und  zarte  Formen, 
aber  auch  durch  grosse  Regel mässigkeit  aus,  so  dass  es  nicht  unwahrscheinlich  ist, 
dass  er  in  vielen  Stücken  dem  alten  Stammestypus  am  nächsten  kommt.  Die  beiden 
männlichen  Schädel  Nr.  1  u.  Nr.  6,  namentlich  der  letztere,  sind  ungemein  kräftig 
entwickelt  und  geräumig.  Leider  ist  Nr.  6  durch  die  £inschiebung  eines  grossen 
Sagittalbeincs  und  durch  die  gewaltige  Deviation  der  Nase  in  Haupttheilen  so  ab- 
weichend, dass  die  individuellen  Merkmale  die  ethnischen  in  mehreren  Beziehungen 
unkenntlich  machen.  Dazu  kommt  die  grosse  Altersdifferenz,  welche  in  der  Zahn- 
losigkeit  und  der  alveolaren  Atrophie  der  Kieferknochen  bei  Nr.  6  culminirt  und 
insbesondere  die  Bestimmung  der  Gesichtsform  fast  unmöglich  macht.  Der  me- 
sorrhine  Index  dieses  Schädels  darf  schwerlich  als  typisch  angesehen  werden. 

Was  den  eigentlichen  Schädel-  oder  Längenbreitenindex  anlangt,  so  ist  derselbe 
bei  dem  weiblichen  Schädel  Nr.  7  und  dem  männlichen  Nr.  1  dolichocephal.  Zu 
der  Mesocephalie  des  männlichen  Schädels  Nr.  6  trägt  unzweifelhaft  das  grosse 
Sagittalbein  etwas  bei,  jedoch  liegt  der  Hauptgrund  in  der  ungewöhnlich  starken 
Entfaltung  der  Breitendurchmesser  an  den  unteren  Schädelabschnitten.  Die  grösste 
Breite  liegt  an  den  Schläfenschuppen,  aber  auch  die  temporalen,  auricujaren,  ma- 
stoidealen  und  occipitalen  Durchmesser  erreichen  sehr  beträchtliche  Maasse.  Trotz- 
dem betragt  der  Schädelindex  nur  76,0;  er  steht  also  der  Grenze  gegen  die  Doli- 
chocephalie  sehr  nahe.  Im  Mittel  aus  den  3  Schädeln  berechnet  sich  ein  Index 
von  74,3,  also  ein  dolichocephaler. 

Dies  Ergebniss  stimmt  überein  mit  dem,  was  ich  in  meiner  Monographie  über 
Koban  von  den  prähistorischen  Rassen  des  mittleren  und  südlichen  Kaukasus  aus- 
gef&hrt  hatte.  Allerdings  hatte  ich  damals  schon  constatirt,  dass  die  Kasse  von 
Koban  keine  ganz  reine  gewesen  sei,  indem  sich  brachycephale  Einmischungen 
nachweisen  Hessen,  indess  bildeten  diese  doch  die  Minorität.  Mit  den  beiden  neuen 
Schädeln  stellt  sich  das  Resultat  noch  günstiger  für  die  damals  geäusserte  An- 
sicht. Es  mag  sein,  was  schon  Hr.  Bayern  annahm  und  was  jetzt  Hr.  Do  1  be- 
sehe w  zu  bestätigen  scheint,  dass  eine  gewisse  Verschiedenheit  der  Leichen  in  den 
verschiedenen  Schichten  oder  Höhenlagen  der  einzelnen,  mehrere  Skelette  umfassenden 
Gräber  besteht;  da  aber  die  neuen  Schädel  nach  der  ausdrücklichen  Angabe  der 
tiefen  Schicht  entnommen  sind.,  so  darf  die  Dolichocephalie  der  ältesten  Bevölke- 
mng  wohl  als  gesichert  betrachtet  werden. 

In  Beziehung  auf  die  Höhe  bestätigen  die  neuen  Funde  gleichfalls  das,  was 
ich  früher,    allerdings  auf  Grund  sehr  unvollkommenen  Materials,    vermuthet  hatte, 

Varhaadl.  der  Berl   Anthropol.  OeseUtcbaft  lb83.  22 


(338) 


dasB  Formen  von  mittlerer  und  grosserer  Höhe  als  die  typischen  anzuaehea  seien. 
Der  Hoheumdex  des  raäDoKcheo  SchädeU  Nr.  6  ist  ortliocephal,  der  des  weiblicbeo 
Nr.  7  hypsicephaL  Welches  von  diesen  Maassen  eine  grössere  Berecfitigung  bat, 
muss  auch  jetzt  ooch  dahingestellt  bleiben,  da  der  Schädel  Nr.  1  in  der  geraden 
Höhe  nicht  gemessen  werden  kann,  Intlesa  ist  sein  Auricularindex  (63,1)  so  gross, 
dass  man  Ghamaecephalie  bei  ihm  bestimmt  aussehli essen  darf. 

Schon  mein  altes  Material  gestattete  es,  auf  die  beträchtliche  Entwick- 
lung des  Vorderkopfes  hinzuweiseö.  Nicht  ohne  Interesse  ist  es,  dass  bei  dem 
männlichen  Schädel  Nr.  6  trotz  des  hohen  Alters  eine  Persistenz  der  Stirn  naht 
und  bei  dem  weiblichen  Nr  7  wenigstens  eine  mediane  Erhöhung^  eine  Andeutung 
einer  Grista  frontalis  vorhanden  ist,  wie  denn  auch  bei  dem  früheren  Schädel  Nr.  2 
eine  persistente  Frontalnaht  erw^ahnt  wurde.  Die  von  mir  in  der  Monographie 
S.  18  beschriebene  Eigenthömlichkeit  der  Frontalbildung,  dass  die  eigentliche  Flache 
der  Stirn  eher  niedrig,  die  intertuberale  Gegend  vorgewölbt  und  der  hintere  Ab- 
schnitt des  Stirnbeins,  der  im  Leben  von  Haaren  gedeckt  wird,  ungemein  gross  und 
namentlich  lang  ist^  lässt  sich  auch  an  den  neuen  Schädeln  nachweisen,  obwohl  die 
gewaltige  Entwicklung  der  Supraorbitalwulste  bei  dem  Manne  Nr  6  und  die  hohe 
Stellung  der  hinteren  Stirnbeintheile  bei  der  t^rau  Nr.  7  den  Eindruck  stÖrea. 

Leider  lässt  sich  eine  volle  zahlcnmässige  Vergleichung  der  einzelnen  Ab- 
schnitte des  Schädeldaches  bei  den  neuen  Schädeln  nicht  anstellen,  da  das  25  mtn 
lange  Sagittalbein  des  Mannes  Nr.  6  die  Rechnung  stört.  Man  kann  dieses  Bein  weder 
ganz  den  Parietalia  zurechnen,  noch  die  Proportion  seines  occipitalen  Abschnittes 
feststellen.  Ich  gebe  daher  die  sagiUalen  Verhältniaszahlen  unter  Weglassung 
der  parietalen  iind  occipitalen  fnr  Nr.  6: 

Frontale  .     . 
Parietalia 
Squama  occip. 


Nr.  6 

Nr.  7 

Nr.  1 

.     34,4 

33,7 

34,7 

— 

34,8 

32,6 

.      — 

31,3 

32,6 

99,8 


mß 


Die  individuelle  Variation  betrifft  also  wesentlich  das  Mittel-  und  Hinterhaupt, 
während  die  frontalen  Maasse  aufifälüg  übereinstimmen  und  sämmtlich  gross  sind. 

Die  Betheiligung  des  Hinterkopfes  an  der  Herstellung  des  Gesammtprofils 
erscheint  sexuell  verschieden.  Die  gerade  Länge  des  Hinterhauptes  (gemessen  Ton 
der  Mitte  des  hinteren  Randes  des  grossen  Hinterhauptsloches  bis  zur  stärksten 
Aus  Wölbung  der  Oberschtippe)  betragt  bei 

Nr,  a  ^     29,1  pCt  der  Gesammtlänge 
«    1  5    29,3     „       „  « 

^    7  9    35,7    „       , 

Am  welligsten  läset  sich  über  die  Verhältaisezahlen  des  Gesichts  sagen,  da 
bis  jetzt  überhaupt  kein  einziger  Schädel  mit  ganz  erhaltenem  Gesicht  vorliegt. 
Von  meinen  früheren  Schädeln  besitzt  keiner  ein  Gesicht;  von  den  beiden  neuen 
hat  keiner  einen  intakten  Unterkiefer  und  der  männliche  ist  überdies  wegen  seiner 
Zahnlosigkeit  und  wegen  der  senileo  Atrophie  der  Kieferränder  nur  beschränkt 
brauchbar.  Trotzdem  ergiebt  sich  eine  grosse  Uebereinstimmung  der  Hauptverhält* 
nisse  an  den  beiden  neuen  Schädeln;  nur  die  Nase  Ton  Nr.  6  lässt  eich  wegen  ihrer 
grossen  Deviation  nicht  vergleichen.  Mao  wird  darnach  vorläufig  die  Koban-Rasse 
als  wahrscheinlich  ieptoprosop^  hypsikonch  und  leptostaphylin,  rjelleichl 
auch  als  leptorrhin  bezeichnen  dürfen,  wenn  man  für  die  Nase  den  weiblicbeo 
Schädel  als  Anhalt  gebraucht. 


4 
4 


4 


\ 


(339) 

Nachdem  ich  schon  früher  den  Nachweis  lieferte,  dass  die  alten  Schädel 
von  Kobao  von  denen  der  heutigen  ossetischen  Bevolkerang  wesent- 
lich verschieden  seien,  so  muss  ich  diesen  Satz  gegenwärtig  mit  noch  grosserer 
Bestimmtheit  aufrecht  erhalten,  namentlich  im  Gegensatze  zu  dem,  was  Hr.  Chantre 
angegeben  hat.  Meines  Wissens  kann  auch  keiner  der  anderen  Stamme,  welche 
jetzt  den  Kaukasus  selbst  und  seine  Nachbarschaft  bewohnen,  zu  der  prähistorischen 
Rasse  in  eine  nahe  Beziehung  gebracht  werden.  Sollte  sich  diese  Auffassung 
durch  weitere  Funde  bestätigen,  so  wurde  daraus  mit  hoher  Wahrscheinlichkeit 
hervorgehen,  dass  alle  heutigen  Stämme  des  Kaukasus  erst  nach  der  Zeit 
des  alten  Koban  eingewandert  sind. 


I.   Maasse. 


Scbädel  von  Koban 


Cap&cität ,    . 

Grösste  LiQp 

,       ßreile 

Gerade  Höbe,    ,..,.. 

Ührhühe 

Stiro  breite.     ....... 

Coronarbreile »    ...... 

Seh  lifen  breite     ...... 

Tuber&ie  Parlet»] breite     .    .    . 

Occipitai breite    ...... 

Amicul arbreite  ...... 

üastoide albreite:  Basis    .    ,    . 
Spitze  .    .    . 

OccipitH  Hinge     ...... 

Harizontal  umfang  ,    ,    .     .     . 

Querer  Vertical umfing    .     .     . 

Sagittalumfang , 

„  der  Stirn     .    * 

,  der  Ffeilnaht    , 

,  dee  Os  sagittale 

,  ,    Hinterhaupts 

Gesichtshuhe  B..    .    .    *    -    » 

Gesichts  breite,  a<  jugal     .    .    . 
b.  nulir  .    .    . 

Orbit«,  Höhe. 
^       Breite 

Naee,  Höhe    . 
,     Breit« . 

GatimeQf  Lliif«' 
Brdti 


66 

7  2 

1  5 

senil 

-- - 

1425 

12Ö0 

^_ 

m 

179 

190 

1461 

lB3,5p 

188 

138 

137 

— 

117 

115 

m 

101 

91 

91 

114,5 

113 

US 

12a 

105 

192 

125^ 

123 

IM 

115,5 

104 

108 

128 

109 

HS 

186 

115 

128 

111 

95 

loa 

56 

64 

56 

535 

495 

518 

ai2 

ao2 

sm 

375 

mi 

m 

129 

124 

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25 

— 

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115 

124 

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90 

— 

&6 

3ö 

— 

4! 

89 

— 

m 

m 

— 

^ 

— 

(340) 
II.   Berechnete  indloee. 


Schädel  yon  Eoban 


Längeobreitenindex    .    .     .    . 

Längenhohenindex 

Aoricalarindex 

Mittelgesichtsindex  (aus  B  :  b) . 

Orbitalindex 

Nasenindex 

Gaumenindex 


6$ 
senil 

76,0 
71,9 
60,9 
72,7 
85,3 
50,0 
69,9 


79 


74,5 
76,5 
64,2 

78,8 
89,7 
43,6 
66,0 


1  5 

72,6 
63,1 


(7)  Frl.  E.  Lemke  zu  Rombitten  bei  Saalfeld  übersendet,  ankniipfend  an 
die  von  Herrn  W.  Dolbeschew  in  der  Sitzung  vom  22.  April  1882  (Verh.  S.  267) 
mitgetheilten  Sagen  der  Tschetschenen  (die  drei  Brüder) '),  folgendes  ostpreussiscbe 
Märchen: 

Der  dwatsche  Hans. 

(Diesen  Titel  führen  übrigens  mehrere,  von  einander  abweichende,  ostpreussiscbe  Märchen.) 

Es  war  einmal  ein  Vater,  der  hatte  drei  Sohne;  zwei  davon  waren  klug,  aber 
der  dritte,  der  Hans  hiess,  war  so  dumm,  dass  die  Leute  ihn  immer  nur  den  dwat- 
schen  Hans  nannten.  Nun  kam  die  Zeit,  dass  der  Vater  sterben  sollte.  Er  rief 
seine  drei  Sohne  an  sein  Bett  und  sagte  ihnen:  übers  Jahr  sollten  sie  der  Reihe 
nach  auf  den  Kirchhof  kommen  und  an  seinem  Grabe  wachen;  die  erste  Nacht  der 
älteste  Sohn,  die  zweite  Nacht  der  zweite  Sohn  und  die  dritte  Nacht  der  dwatsche 
Hans.     Die  Söhne  versprachen  das  und  der  Vater  starb. 

Jetzt  übernahmen  die  beiden  Aeltesteu  die  Wirthschaft  und  bestimmten  Alles. 
Aber  den  Jüngsten,  den  dwatschen  Hans,  behandelten  sie  ganz  niederträchtig;  sie 
gaben  ihm  kaum  zu  essen  und  Hessen  ihn  meist  im  Stall  leben;  und  Jener  war  so 
dumm,  dass  er  sich  Alles  gefallen  Hess.  Allmählich  war  das  Jahr  um,  und  der 
älteste  Bruder  sollte  zur  Nacht  auf  den  Kirchhof  gehen;  aber  es  graute  ihn  so  sehr; 
er  könnt'  und  könnt'  nicht.  Da  sagte  er  zum  dwatschen  Hans:  „Bruder,  geh  heut 
Nacht  für  mich  wachen!  Wir  geben  Dir  auch  Essen  die  Hüll'  und  die  Füll'.**  und 
sie  gaben  ihm  so  viel  zu  essen,  als  er  nur  zwingen  könnt'  und  vom  Besten.  Und 
der  dwatsche  Hans  ging  denn  auch  willig  wachen.  Als  er  nun  auf  dem  Grabe  des 
Vaters  sass,  klappert  es  drin  und  eine  Stimme  fragte:  wie  denn  die  Wirthschaft 
zu  Hause  ginge.  Da  klagte  der  dwatsche  Hans  aU  sein  Leid  und  wie  schlecht  er 
es  hätte.  „Sei  nur  ruhig,"  sagte  die  Stimme,  „Du  sollst  schon  getröstet  werden!" 
Und  mit  Eins  wurd'  es  so  licht,  und  es  erschien  ein  schwarzes  Pferd  mit  gold'nem 
Sattel  und  Zaumzeug  und  ganz  beladen  mit  Gold  und  Silber.  „Das  ist  dem  älte- 
sten Bruder  sein  Glück  !'^  sagte  die  Stimme  im  Grabe.  „Das  sollst  Du  nun  haben. 
Es  wird  immer  auf  Deinen  Befehl  erscheinen.  Auch  brauchst  Du  dann  nur  zu 
wünschen  —  und  Du  bist  auf  der  Stelle  das,  was  Du  sein  willst,  und  gleich  dort, 
wo  Du  hin  willst,  aber  Du  darfst  zu  Niemand  dn'iber  sprechen!"  —  Das  war  nun 
ganz  schön,  und  der  dwatsche  Hans  vertraute  sein  Geheimniss  auch  keiner  Seele  an. 

1)  Vgl.  auch  V.  Schulenburg,  Sitzung  vom  20.  Januar  1883.    Verh.  S.  67. 


(341) 

Wie  die  zweite  Nacht  anruckte,  bat  der  zweite  Bruder:  „Ach  HAiischen,  geh 
doch  für  mich  wachen!  Du  sollst  auch  Alles  zu  essen  bekommen,  was  Du  willst, 
und  so  viel,  als  Du  verzehren  kannst.^  Und  der  d watsche  Hans  ass  sich  wieder 
satt  und  ging  wachen.  Diesmal  kam  ein  braunes  Pferd  zum  Vorschein,  noch  viel 
schöner  und  kostbarer,  als  das  schwarze;  und  das  war  das  Gliick  vom  zweiten 
Bruder.  Alles  war  sonst,  wie  in  der  vorigen  Nacht,  und  der  dwatsche  Hans  sprach 
kein  Wort  über  das,  was  er  erlebt  hatte. 

Nun  kam  die  dritte  Nacht.  Ja,  mein  Gott!  Heute  bekam  der  arme  Hans  wieder 
schlechtes  und  knappes  Essen  und  so  viel  Prügel,  als  er  nur  haben  wollt'.  Und 
ganz  elend  ging  er  auf  den  Kirchhof  und  setzt'  sich  da  hin.  Diesmal  kam  ein 
Schimmel  zum  Vorschein ;  der  überstrahlte  Alles,  was  vor  ihm  gewesen,  denn  der 
war  gleich  so  verziert,  dass  einem  die  Augen  übergingen.  Und  das  war  das  Glück 
vom  dwatschen  Hans.     Der  aber  verschwieg  Alles. 

Nun  verging  einige  Zeit,  und  dann  geschah  es,  dass  ein  vornehmer  König  aus- 
rufen Hess:  derjenige  bekäme  seine  Tochter  zur  Frau,  der  einen  Tag  ein  Stock- 
werk hoch,  den  zweiten  Tag  zwei  Stockwerk  hoch,  den  dritten  Tag  drei  Stockwerk 
hoch  —  gleichviel  ob  zu  Fuss  oder  zu  Pferd'  —  springen  könnte  bis  an  das  Fenster, 
an  dem  die  Prinzessin  stehen  würde,  —  und  der  dann  am  dritten  Tage  der  Prinzessin 
den  Ring  vom  Finger  ziehen  und  das  Taschentuch  aus  der  Hand  nehmen  könnte. 
Das  war  nun  ein  grosses  Gewallfahrte  dorthin,  und  viele  feine  Herreu  sprangen  in 
die  Höhe,  reichten  aber  nicht.  Als  der  dwatsche  Hans  sah,  dass  seine  Brüder  auch 
hingegangen  waren,  rief  er:  „Dem  ältesten  Bruder  sein  Glück  komm  hervor!^  Und 
sofort  stand  das  schwarze  Pferd  da,  und  er  selber  war  gleich  so  strahlend,  wie  kein 
Prinz  auf  der  Welt.  Als  er  zum  Schlosse  kam,  war  er  schon  von  Weitem  zu 
hören,  es  klingelte  und  klöterte  Alles  an  ihm,  wie  Gold  und  Silber,  und  ein  Leuchten 
war,  dass  es  nur  so  blitzt'  und  blänkert',  und  dass  alle  Menschen  nach  ihm  hin- 
sahen. £r  ritt  rasch  vor  das  Fenster,  an  dem  die  Prinzessin  stand,  und  sprang  mit 
einem  Satz  ein  Stockwerk  hoch;  und  dann  jagt'  er  im  Galopp  davon.  Alle  Leute 
zerbrachen  sich  den  Kopf,  was  für  ein  feiner  Prinz  das  gewesen  sein  mochte;  aber 
keiner  wusste  es. 

Als  die  beiden  ältesten  Brüder  nach  Hause  kamen,  sprachen  sie  Langes  und 
Breites  über  den  fremden  Prinzen,  und  der  dwatsche  Hans,  der  sich  wieder  rasch 
verwandelt  hatte,  hörte  zu.  Zuletzt  konnte  er's  aber  nicht  mehr  aushalten  und 
platzte  heraus:  „Ihr  gesehen,  ich  gewesen!^  Da  schlugen  sie  ihn  so,  dass  er  ganz 
grün  und  blau  war  und  kaum  gehen  konnte. 

Am  andern  Tage  gingen  und  ritten  die  Leute  wieder  nach  dem  Königsschlosse, 
und  es  sprangen  wieder  Viele  in  die  Höhe,  ohn'  dass  sie  reichen  konnten.  Als  der 
dwatsche  Hans  sah,  dass  seine  Brüder  auch  hingegangen  waren,  rief  er:  „Dem 
zweiten  Bruder  sein  Glück  komm  hervor!"  Und  sofort  stand  das  braune  Pferd  da, 
und  er  selber  war  gleich  so  strahlend,  wie  kein  Prinz  auf  der  Welt.  Diesmal  leuch- 
tete es  noch  viel  mehr  von  Weitem,  und  alle  Leute  waren  ausser  sich  vor  Verwun- 
derung. Der  dwatsche  Hans  sprang  nun  schnell  zwei  Stockwerke  hoch  und  jagt' 
dann  im  Galopp  davon.  Alle  Leute  zerbrachen  sich  den  Kopf,  was  für  ein  feiner 
Prinz  das  gewesen  sein  mochte;   aber  keiner  wusste  es. 

Ais  die  beiden  ältesten  Brüder  nach  Hanse  kamen,  konnten  sie  nicht  genug 
reden  über  den  fremden  Prinzen,  und  der  dwatsche  Hans,  der  sich  wieder  rasch 
verwandelt  hatte,  hörte  zu.  Zuletzt  konnte  er  sich  nicht  mehr  bezähmen  und  sagte: 
„Ihr  gesehen,  ich  gewesen  I"  Da  schlugen  sie  ihn  beinahe  kurz  und  klein,  dass  er 
liegen  blieb. 

Am  dritten  Tage  war  wieder  dasselbe  Gerenn'  nach  dem  Königsschlosse.   Heute 


(342) 

musste  es  sich  eütscheideo,  ab  einer  die  Prinzessin  kriegte  oder  nicht  Als  der 
d watsche  Hans  sub^  dass  seioe  Brüder  auch  hiogegangea  wareo,  rief  er:  ^Meio 
Gluck  komm  hervor!'*  önd  sofort  stand  der  Schimmel  da,  und  er  selber  war  gleich 
8o  strahlend,  wie  die  Soon'  am  Himmel,  Diesmal  waren  die  Leute  noch  erstaunter. 
und  noch  neugieriger.  Der  dwatsche  Hans  aber  ritt  rasch  vor  das  Fenster,  ao 
dem  die  Prinzessin  stand,  sprang  mit  eiueoi  Satze  drei  Stockwerk  hoch,  nahm  der 
Prin7«ea3in  den  Ring  uod  das  Taschentuch  weg  und  gab  ihr  ein  Eijascben;  daoo 
jagt'  er  im  Galopp  davon.  Nun  kann  niao  sich  denkeD,  wie  gern  der  König  und' 
alle  anderen  gewusst  hätteo,  wer  es  eigentlich  gewesen  sei;  aber  keiner  konote  es 
errathen. 

Als  die  beiden  ältesten  Bruder  nach  Hause  kamen,  riethen  sie  ebenfalls  hin 
und  her  und  meioten  dieses  und  jenes,  und  der  dwatsehe  Hans,  der  sieb  wieder 
rasch  verwandelt  halte,  hörte  zu*  Zuletzt  jedoch  könnt'  er's  nicht  mehr  auf  der 
ZuDg^  behalten  nod  sagte:  ^Ihr  gesehen,  ich  gewesen!**  Da  schlugen  sie  so  auf  ihn 
los,  dass  die  Stücke  flogen,  und  behandelten    ihn  von  nun    an  noch  viel  schlechter. 

Wie  nun  keiner  herausbekommen  konnte,  wer  der  feine  Prinz  gewesen  sei, 
schickte  der  Konig  Boten  io^s  Land  und  liess  Alles  durchsuchen,  denn  Einer  musste 
doch  den  Ring  und  das  Taschentuch  haben.  Selbst  das  kleinste  Kind  in  der  Wiege 
sollte  durchsucht  werden.  So  kamen  die  Boten  denn  auch  zu  den  drei  Brüdern. 
Die  beiden  Aeltesten  mussten  bekeunen.  dass  sie^s  nicht  wären,  und  die  Boten 
wollten  schon  fortgehen.  Da  sagte  Jemand:  „Im  Stall  ist  noch  einer!*'  —  «Ih!* 
riefen  die  Brüder,  „ob  Ihr  den  verrückten  Kerl  fragt  und  untersucht  oder  keinen I 
Der  ist  es  gewiss  nicht  gewesen.**  Es  half  nun  abpr  nichts:  die  Boten  ruhten  nicht 
eher,  bis  der  dwatsche  Hans  sich  durchsuchen  Hess;  und  da  kamen  der  Fting  und 
das  Taschentuch  zum  Vorschein,  denn  er  halte  Beides  unter  der  Weste  auf  der 
Brust  verwahrt  Sie  nahmen  ihn  ntiD  mit  mm  Konig  und  führten  ihn  der  Prin- 
zessin vor.  „Was?l"  rief  die  entsetzt,  ^der  grise  Bettler  soll  mein  Gemahl  werden  !** 
Auch  alle  anderen  waren  ausser  sich,  und  es  war  dem  dwatscben  Hans  bald  schlecht 
ergangen*  Aber  er  besann  sich  noch  rechtzeitig  und  rief:  ^Alle  drei  Glücke 
kommen  hervor!**  Und  alle  drei  Pferde  kamen,  und  er  selber  stand  sogleich  als 
der  schönste  Prinz  da,  mit  solcher  Pracht,  wie  sie  noch  kein  Men^ich  auf  dieser  Welt 
gesehen  hatte.  Nun  kann  man  sich  denken,  wie  gross  die  Freude  im  Schlosse  und 
im  ganzen  Lande  warl  —  Und  bald  darauf  war  Hochzeit,  und  der  dwatsche  Hans 
lebte  in  lauter  Seligkeit. 

(S)     Der  Vorsitzende  zeigt  eine  Anzahl 

ethnographlacher  Gegenstände  von  den  Nicobaren, 

welche  Ur.  v«  Roepstorf f  eingesendet  hat.    Da  noch  kein  Brief  desselben  angeli 
ist,  80  wird  der  Bericht  vorbehalten. 

(9)  Baron  Ferd.  v.  Müller  in  Melbourne  übersendet  mit  Sehreiben  vom 
17.  Mai 


drei    Schädel  von  westanstral lachen  Eingeborenen 

aus  der  Nahe  von  King  George's  Sound,  sowie  einige  Schriften.  Der  Vorsitzende 
dankt  dem  so  verdienten  cnrrespondirenden  Mitgliede  für  seine  unermüdete  Theil- 
nähme  und  behalt  eich  eine  weitere  Besprechung  der  sehr  interessanten  Zuwen* 
düngen  vor. 


(3P 


#ttjk>Mr 


0. 


(10)     Hr.  Jentsch  in  Guben  schielet  folgende  Mittbeilüng  über 

alte  Ansiedlungen  bei  Sehlag&dorf  (Kr.  Guben),  Funde  aua  der  La  Tene-Perlode  und  Flurnamen. 

In  dem  Hobenztige,  welcher  westlich  den  Lauf  der  Neisse  begleitet,  tritt  nord- 
nordwestlich  vom  heiligeo  Lande  bei  Niemitzsch,  lOOO — 1200  Schritt  vod  demselben 
entfernt,  eine  starke  Änsbiegiing  zurück,  ein  nach  SO.  geöffneter  Thalkessel,  dessen 
vorspringende  Ecken  im  0.  und  8W.  ziemlich  Bteile  Hohen  bildeo,  während  sich 
im  Norden  eioe  breite  muldenförmige  Einseokwng  m11  mahl  ich  in  das  Thal  binab- 
ziebt  Gegen  die  Neisse  hin  ist  eine  langgezogen e,  an  einer  Steile  unterbrochene, 
dunenartige  Erhebung  vorgelagert.  In  der  ehedem  von  breiten  Lachen  durchzogenen 
Flur  jenes  Thalkessels  nnd  des  Vorlandes  bis  zu  dieser  BodenerhebuDg  treten  zwei 
kleine  Sandhügel  inselartig  heraus,  deren  nördlicher  der  Liezkhebbel  heisst:  nach 
ihm  heisst  der  ganze  Landstrich  westwärts  bis  zu  dem  ein  wenig  aus  der  west- 
lichen  Abdachung  heraustretenden  Kirch hofsbügel  „unter  dem  Liezk**. 

Dies  Terrain,  dessen  nordnordciatlichen  Abhang 
gegenwärtig  das  Dorf  Schi agsdorf  einnimmt,  war, 
geschützt  gegen  Sturme,  nach  der  Sonnenseite  bin 
offen,  der  Neisse  noch  jetzt  auf  7— 8f)0  Schritt 
nahe,  vormals  von  ihr  jedenfalls  zum  Tbeil  durch- 
zogen, wie  geschaffen  für  die  Besiedlung,  tind  in 
der  That  lasst  sich  die  Bebauung  rückwärts  in 
einer  geschlossenen  Reihe  verfolgen,  da  zu  den 
bisherigen  Funden  nunmehr  auch  der  Rest  einer 
slaviscben  Anlage  mit  Burgwallscherben  getreten  ist 

Bemerkens werth  ist  einerseits,  dass  auch  hier 
die  Funde  ohne  die  Spuren  einer  reinen  Steinzeit 
abschliessen,  insofern  kein  Thongefass  mit  achtem 
Schnurornament  in  diese  hinweist,  ja  bis  jetzt 
überhaupt  kein  Stein geräth  dort  zu  Tage  gefor- 
dert ist.  Dieser  Thatbestand  ist  in  De  berein  Stim- 
mung mit  dem  Gesammtergebnif^s  der  Beobach- 
tungen im  Gubener  Kreise,  ja  in  der  ganzen  Nieder- 
lausitz, innerhalb  deren  die  Hteingeräthe,  welche 
der  Steinzeit  selbst  ihre  Entstehung  verdanken  durften,  als  Kinzeifnnde  mit  sehr 
geringer  Dichtigkeit  von  Norden  her  ausgestreut  sind;  jene  meisselartigen  Hammer, 
die  sich  vereinzelt  bis  in  eine  spätere  Kulturperiode  hinein  im  Gebrauch  erhalten 
haben  mögen.  (VgL  S.  286  I.  wo  Schmogro  Kr.  Caiau  und  Burg  nachzutragen  sind.) 

Andererseits  verdient  Beachtung,  dass  auch  hier,  wie  bei  Guben,  SW.  dem 
Felde  mit  alteren  Funden  (Dietrichs  Berg),  das  mit  Einschlüssen  aus  der  Eisenzeit 
(am  Kirchhof,  unter  dem  Liezk)  sehr  naLe  liegt,  ohne  sich  ihm  indessen  unmittelbar 
an  zu  seh  Hessen.  Die  Entfernung  zwischen  beiden  betrügt  200  Schritte;  eine  äussere 
Ursache,  mit  der  Einsetzting  von  Urnen  in  Dietrichs  Berg  nach  Süden  oder  Norden 
hin  aufzuhören  (etwa  ein  starker  Abfall  des  Bodens  oder  ein  alter  Wasserlauf),  ist  nicht 
ersichtlich,  vielmehr  drängt  sich  der  Gedanke  an  eine  Unterbrechung  der  Leichen- 
beisetzung  selbst  und  damit  zugleich  an  eine  Discootinuität  der  ßewohnung  jener 
Flur  auf.  Fehlt  es  auch  noch  an  zwingenden  Beweisen  für  diese  Annahme,  da  das 
zweite  Gräberfeld  noch  kaum  untersucht  ist,  so  wird  doch  die  grosse  Nahe  der 
beiden  Todtenfelder  jedenfalls  nicht  als  positiver  Beweis  für  die  Stammes-  oder 
Culturgleichartigkeit  in  den  aufeinander  folgenden  Generationen  der  Bewohner  zu 
verwerthen  sein. 


*    '   Schi  agsdorf, 

3.  D.  alt«  Dorfstelle, 

L,  Liezk-Hüg^el, 

1.  Dietrichs  Berg, 

2.  unter  dem  Liezk,  N.  vom 
Kirchhof, 

3.  sla>\  An  Siedlung«   S«  vom 
Kirchhof, 

4.  Scherbenstelle, 

1.  Lü.  heiliges    Land     bei    Nie- 
mitzsch. 


(344) 

Die  Emscblösse  der  beide«  Felder  sind  folgender  Art:  la  Dietricbg  Berg 
siud  iti  Steinsatz  gefunden  terrinenartige^  zun)  Theii  dickwandige  GeTääse  mit  Oebsen^ 
verÄiert  mit  bisweilen  bis  2  cm  breiten  Keblstreifeu,  ferner  mit  wagerechteu  Parallel - 
furchen,  \^orüber  concentrische  Halbkreise,  untermischt  mit  grobeo,  triangulär  geord- 
neten Einiätricheo;  einzelne  zetgten  nur  eine  dtircii  Ueberzug  künstüch  rauh  ge- 
roachte Oberfläche;  ein  Henkel  war  dick  uad  lang  herabgezogen,  bo  dass  er  zwei 
Finger  übereinander  fasdte;  bei  3  Gefassen  war  die  InneoBeite  des  Randes  faccttirt; 
bei  ei  Dem  mittel  grosden  ragte  der  Rand  2^0  cm  hoch  fast  senkrecht  auf  und  unter 
demselben  fanden  sich  seichte  senkrechte  Einstriche  auf  der  AusbauchtiDg;  bei  einem 
Urnenbrucbstilck  sind  unter  dem  mächtigen  Henkel  zwei  grobe  Tupfen  sichtbar. 
Von  den  Decktellern  haben  einzelne  verdickten  Raud,  tbeils  mit  spiraligeu  Ein- 
drucken, theils  mit  wagerechten  Furchen,  die  von  schrägen  Einstrichen  unterbrochen 
sind;  ein  anderer  schliesst  mit  dünnem,  unverÄtertem,  ein  wenig  nach  ionen  über- 
gebogenem Rande  ab;  ein  Teller  ist  auf  der  Aussenseite  mit  radialen  Stricheo  ver- 
ziert, an  welche  flüchtig  gezogene,  gleich  den  Rippen  eines  Blattes  auseinander 
geriehtete  Striche  ansetzen»  Das  Fragment  einer  Schale  tragt  einen  aufragenden 
Henkel  mit  kantigem  üraht.  Völlig  erhalten  sind  nur  4  Beigefässe:  ein  nmdlichcs 
Töpfchen  von  h  crn  Hohe,  ohne  Henkel,  mit  rauher  Oberfläche;  ein  kleines  bltiraen- 
topffÖrraiges  Gefiiss  von  4,5  cm  Höhe  und  4  cm  grÖsster  Weite  an  der  Oeffuung  mit 
einem  Henkel,  am  untersten  Tbeile  durch  3  wagerechte  Parallel  furchen  verziert; 
ferner  ein  rundliches,  nach  oben  kooiacb  sich  öffnendes  Töpfeben,  5^5  cm  hoch,  von 
5,5  cm  grosster  Weite  an  der  oberen  Oeffuung,  mit  einem  Henkel,  über  dessen  Än- 
satzstelle  2  Knnpfchen  (ansa  luoata) ');  oüdlich  eine  kleine  Pokalurne,  8,5  cw  hoch, 
obere  Oeffnung  h^b  an]  Höhe  des  sonst  cyiindrischen  Obertheils  ^  cm.  Die  Fär- 
bung säm  rat  lieber  Gefässe,  unter  welchen  den  stärkeren  Quarzgrus  beigemischt  ist, 
war  roth braun;  eiu  Scherben  war  blasig  aufgetrieben.  Metall  fehlt  bis  jetzt  zwar; 
jene  Einschlüsse,  unter  denen  nur  die  letzten  zwei  nicht  zu  den  allgemein  ver- 
breiteten gehören,  stellen  jedoch  das  Bild,  das  übrigens  als  Widmstatte  der  scheueo, 
den  Menschen  aber  dankbaren  Heineben  bezeichnet  wird,  zu  der  grossen  Zahl  der- 
jenigen, in  welchen  Bronzefuode  überwiegen.  Von  Buckelurnen,  Käuchergefässen  ^), 
sogenannten  Doppelurnen  und  anderen  aufl'allenderen  Formen  ist  bis  jetzt  nichts 
gefunden. 

Spärlich  sind  diesem  Ertrage  gegeouber  bis  jetzt  die  Funde  aus  dem  Felde 
unter  dem  Liezk:  am  meisten  charakteristisch  Ist  die  in  der  Zeitschr.  f,  EthnoL 
Bd.  IX.  1877.  Taf.  XVH  Nr.  9  abgebildete,  VerhdL  S,  297  beschriebene  eiserne 
Fibel*),    welche  in   einer    schwarzen  Urne  gefunden  ist.     üeber  etwaigen  Steinsatz 


1)  Zu  den  bisher  bekannten  tlerartigfo  Funden  tritt  aus  dem  Kreise  Soran  ein  weit 
oflenes  Qefiss  mit  brdtem  Henkel  in  der  gräflich  Brühr»chen  Sammlung  lu  I'forten  (aus  der 
Herrscliaft  Forst-Pförten):  die  Verxierung  besteht  in  schrägen  Stricbsystemen  verschiedener 
Richtung;  unter  dem  Henkel  befinden  sich  ^  Tu{>fcn. 

2)  Ein  Räucberpelä^s  mit  ceiitrnler  Durchhohriiii^,  4  mal  je  2  Warxeo  auf  dem  Rande 
des  Tellers,  einem  mässifj  hejaustretenden  Wulst  in  der  EinscIinüruDg  und  4  noch  oben  ge- 
öffneten hufeisenförmige  n  Fern? tereiuöchnitten  im  glockenfürmigen  Fusee  brsllit  die- 
selbe Sammlung  ebendaher.  Ueber  eine  Biiokf^hiTne  mit  3  Buckeln  aus  Sa<!krow  Kn  Sorau 
vgl  S,  287.  Auch  bietet  «ie  ein  Seitenstnck  zu  dem  Thoolöffel  von  Droskau  Kr  Sorau 
(s,  Zeitschr  f.  Ethnol  Bd.  XI.  1879.  S.  408  Kr.  88).  Das  flache  Schälrhen  des  ebeofalU 
mit  der  8 tra*ser 'sehen  Sammlunfr  aus  der  Herrsirhaft  Först-Pfürten  angekauften  Lfjflels 
iüt   5,5  ctn  laug:  der  Stiel  ist  ein  vrenig  nach  unten  gebogen  und  nicht  durchbohrt. 

3)  Auvh  zu  den  La  Tene-Funden    bieiel  die  Prörteoer  Sammlung,   deren  KenotniBS  ich 


gefässe  'J    liegt  «och  keiue  sichere  Nacliricht  vnr;    die  erhaltenen  Scherben 


Die  Durchforscht 


Fek 


steht    abe 


bieten    oichtt^    Bpinerkpnswcrtb 
Aufsicht. 

Nur  durch  den  Kirchhof^weg  getretmt,  stufst  in  der  VerläugeruDg  der  l.iüie, 
welche  Dietrichs  Berg  mit  dem  letztbesprochenen  Gräberfeide  verbindet,  au  dieses 
eine  alavische  Fundstätte,  mit  dem  Rücken  gelehnt  an  die  Abdachung  d«» 
Höheozugee  und  vou  ihm  jius  zum  Tbeil  übersandet,  nach  SO.  lilo  der  leuchten 
Niederung  zugewendet. 

EIdc  Aufgrabuug  ergab  feine  Kohlenstöckcheo  im  leichtem  gelblichweißseu 
Sande.  Bis  jetzt  liegen  8  gezeiehTiete  Scherben  vor^  worunter  7  Randstucke,  unter 
diesen  1  mit  gerade  aufgeriebtetem,  6  mit  massig  nach  aiisseu  gebogenem  Rande, 
Die  Färbung  von  2  Fragmenten  ist  ziegelrotb,  die  der  übrigen  graubraun.  Das 
Ornament  besteht  bei  2  m  Wellenlinien  (1  mit  seichter  zweizackiger  Linie,  1  mit 
kamplicirterer  Zeichnung^  zwischen  zwei  wagerechten,  vierzackigen  Liniensyatemen, 
deren  oberes  dicht  unter  dem  Rande  hinlauft,  sind  die  beiden  gleichfalls  vierfachen 
Wellenlinien  so  grupprrt,  das»  von  der  unteren  die  nach  oben  gerichtete  Curve 
sich  der  entgegengesetzt  gerichteten  Biegung  der  oberen  nähert);  3  Scherben  tragen 
einander  durchkreuzende  geradlinige  Stnchsysteme;  1  ist  mit  zwei  wagerechten 
Reiben  von  grossen  und  tiefen  Punkteiodrucken  in  der  massigen  Ausbiegung  des 
Gefasaes  verziert;  2  endlich  haben  eine  geriefelte  Aussen  wand.  Andere  Scherben 
sind  ornameotlos. 

In  die  skvische  Periode  weisen  auch  einzelne  Flurnamen:  die  Glieuken  in  der 
Richtung  nach  Guben,  an  sie  weiterhin  in  derselben  Richtung  anstossend  der 
Tscherlsk  oder  die  Schadis'cheu;  in  den  Kuupken  (Richtung  auf  Klei  n-Go  st  rose  und 
Niemitzsch),  der  Dollen  (in  der  Richtung  auf  Kalten born),  endlich  der  bereits  er- 
wähnte Lieak-).  Den  Namen  des  alten  Dorfes  führt  die  weiter  nordwärts  auf  der 
Berghöhe  gelegene  Laudung;  es  ist  glanblich,  dass  mau  nach  Austrocknung  der 
Niederung  mit  den   Wohnstatten  tiefer  hioabgerückt  ist 

Tritt  man  aus  jenem  Thalkessel  heraus  und  verfolgt  mau  die  der  Neisse  zu* 
gewendete  Kante  des  Höhenzuges,  welcher  hier  die  Eich  berge  heisst,  weiter 
stromauf,  so  finden  sich  400  Schritt  südlich  vom  Liezk  auf  dem  Terrain  „hinter 
der  Maasske*^,  einem  von  Taubendorf  zur  Neisse  ftiessenden  Bache^  auf  dem  noch 
ziemlich  schräg  liegenden,  nach  SO.  offenen  Vorlande  des  Berges  bis  zum  Fahr- 
wege an  einer  Stelle  dicke,  rauhe,  roth braune  Scherben:  4  Randstucke  sind  gesam- 
melt, sämmtlich  glatt;  1  dünnes,  anscheinend  von  einem  Schill  che  n;  die  übrigen 
3  steigen  gerade  auf  mit  ein  wenig  nach  aussen  geneigter  Kante;  bei  einem  sind, 
anscheinend    durch  Herunterstreichen   des  Thons  vom  Rande  her,    flache,    unregeJ- 


der  Freundiichkcil  de^;  Herrn  Grafen  Franz  y,  ßrübl  verdanke,  einen  Beitrag  dnrch  eine 
8  cm  lunge  ei^^^erne  Fibel  mit  nrngeschlagenem  Fuss,  den  eine  kleine,  iät'nkrecbt  auf  dem  Bögel 
sitzende  Scbeifie  anfnimmt.  Vgl,  etwa  die  Abbildung  bei  rndaet,  d  Eisen  in  Nordeuropa, 
üebersetz.  S.  397  Nr.  86.    Das  8!ilck  stamtot  gleicbfalls  aus  der  8trasser'sehen  Samtnlnng. 

1)  Bei  Urnen  mit  La  Töne- Funden  fehlten  Bei^fässe,  wie  im  Gnbener  Krei&e  hei 
Cosehen  0.,  Guben  8W.  Windmühlenberpf,  Wirchenl>latt,  so  im  Lnhbener  bei  Elagow,  Scbuiz- 
bezirk  Ellerbrunn  (tiie  Funde  in  der  Weineck  srhen  Sammlung  zu  Lübben). 

2)  Di«  Flurnamen  erlöschen  zwar  gegenwärtig  im  mündlichen  Verkehr,  sie  bleiben 
aber,  wenn  auch  nii'ht  ohne  Weiteres  znginglicb,  erbalten  in  den  alten  Hypotheken' 
büchern.  Einige  Einzelheiten  reihe  ich  den  obigen  bipr  an:  die  buhden  bei  Saude,  Kreia 
Guben;  da.s  Lncb.sgen,  die  Chöne  bei  Gub&n,  die  Kain«  bei  Bnischen,  der  Kapsehunkenberg, 
die  Ktif>innewiese  bei  Baudacb  Kr.  Crossen,  die  Filschken  bei  Mesaow  ebendaselbst,  der  Ka- 
denj,  der  Polenz  bei  Niemitzscb;  die  Graupe,  der  Zebrwinkel  bei  Grossbreeseo. 


(346) 

masßige,  knöpfcbeD artige  Erliohuogen  entstaudeo.  Ein  Fragment  zeigt  eine  seicbte, 
glatte  Eiofurchuog,  eines  etwas  scharfer  gezogene  Linien.  Den  übrigen  20  Scherben 
fehlt  jede  Zeichüung,  Diese  Funde  machen  den  Eindruck  germanischer  Herkunft. 
Von  Steinsalz  findet  .«ich  keine  Spur,  dagegen  ist  ein  einzelner  flacher  Stein  von 
etwa  5  cm  Langend urchmedser,  auf  einer  Seite  vom  Brand  geschwärzt,  dort  auf- 
gefunden. Die  ganze  Sachlage  spricht  mehr  für  den  Rest  einer  Wohn  statt  aus 
germaniRcher  Zeit,  als  für  ein  Gräberfeld:  möglich,  dass  nur  ein  einzelner  Bau  an 
dieser  Steile,  von  der  aus  man  übrig»?n8  in  einer  Enfernung  von  8 — 000  Schritt 
das  heilige  Land  bei  Niemitzsch  vor  sich  sieht,  gelegen  hat. 

Der  weiter  stromauf  verfolgte  Abhang  der  Berge  bietet  zahlreiche  kable,  san- 
dige Stellen,  an  denen  man  Feuerstein  werkst  titten,  für  welche  die  Hoben  aus- 
reichendes Materiell  bieten,  zu  vermutljnn  versucht  ist  Die  Absuchung  hat  aber 
bis  jetzt  kein  Resultat  ergeben.  Allerdings  könnte  Schmelz-  und  Hegeowasser, 
das  sich  zum  Theil  ersichtliche  Rinnen  dort  gezogen  bat,  die  Spuren  verspult 
haben. 

(11)  Hr.  Sepp  sendet  mit  einem  Briefe  d*  d,  München,  4.  Juli^  einen  Abdruck 

zweier  Sculpturen  von  Chettim  aus  Plazarei 

Nach  seiner  Mittheüuog  sind  es  Kanauäer- Köpfe  vom  Stamme  der  Chettim 
(Kittaer)  oder  Rodanim,  Jordan be wohner.  ^Ich  habe  sie/  schreibt  er,  „io  Nazaret 
im  Vorhöf  des  griechischen  Aletropolitanpalastes  entdeckt,  aber  um  keinen  Preis 
von  dem  hochgebildeten  Erzbisehof  sie  zu  erwerben  die  Möglichkeit  gehabt,  bin 
übrigens  mit  ihm  in  Correspondenz  geblieben.  Sie  sind  wohl  pliouizische  Arbeit 
und  mögen  ein  paar  einheimische  Konige  vorstellen,  aus  Abrahams  Tagen,  wenn 
auch  nicht  nach  strengstem  Tjpus,*^ 

(12)  Hr.  Handelmann  schreibt  über 

Symbolische  Kröten  und  Echlnlteft. 

Die  höchst  dankeuswerthen  Au^sführungen  der  Heneu  Nehring  (1882  S.  451) 
und  Fr i edel  (1883  S,  145)  veranlassen  mich  nachzutragen,  dass  im  Jahresbericht 
des  Museums  Oarolino-Augusteum  zu  Sahburg  1882  S*  44  gleichfalls  ^eine  Kröte 
von  Eisen,  bei  Äbgrabung  eines  Mirabell- Walles  gefunden/  erwähnt  wird.  Ohne 
Zweifei  würde  eine  Nachforschung  in  den  deutschen  Vereinssammlungen  noch 
weiteres  ähnliches  Material  zu  Tage  fördern  I 

Ich  mochte  bei  dieser  Gelegenheit  zugleich  ausdrucklich  wiederholen,  dass  iah 
au  meiner  Aufiassung  der  Figuren  5  und  6  (1882  S.  26)  als  Doppelthiere  fest- 
halte. Ich  glaube  nicht,  dass  man  die  gitterformige  (auch  ohne  Ztithat  von  Thier- 
köpfchen  häufig  vorkommende)  Fibula  auf  eine  Täfelung  des  Rückens  deuten  und 
als  einen  Beweis  für  die  Schildkrotenqualität  anführen  darf. 

Dass  man  Echiniten  unter  dem  Namen  „Gewittersteiue"  zum  Schutz  gegen 
Blitzschlag  sorgfältig  aufbewahrte,  hat  noch  in  diesem  Frühjahr  Herr  Lehrer  Fuhlcn- 
dorf  in  Sülldorf  bei  Altena  bestätigt  und  verschiedene  deigh  eingesandt,  welche 
seine  Schüler  aus  den  Schränken  ihrer  Eltern  hervorgeaucht  hatten. 


(13)     Frl.   E.  Lemke  uberseudet  einige  Notizen  über 

Frosch-  und  Krötenaberglauben  in  Ostpreussen. 

Auch    in    unserer  Gegend    erfreuen    sich    diese  Thiere  einiger  Aufmerksamkeit 
Ton  Seiten   abergläubischer  Leute.     Das   Volk   unterscheidet:    Beestkroteu  (Kröten), 


(347) 

Poggen,  Rocbelcben  (quarrende  Frosche)  und  Frosche  (Laubfrösche).  Die  Kröte  ist 
setir  gf*furclitet;  man  bfitpt  sich,  ihr  mit  Fus«t  oder  Hand  nahe  zn  kommen,  denn 
das  GJiedj  das  die  Kröte  bernhrt,  wird  so  „schorbig'*,  als  sie  selber  i»t. 

Trotzdem  spielt  die  Kröte  eine  Rolle  unter  den  Heilmitteln.  Sie  vvird  in  ge- 
trockoetera  Zustande  gegen  Krämpfe,  besonders  bei  Kindern,  angewandt,  ^  Weno 
der  Fieberkranke  sie  zerbeisst»  so  muss  er  sich  dabei  das  Fieber  „abschlakkern", 
was  durch  das  von  Grauen  veranlasste  Schütteln  geschiebt.  —  Ktne  andere  Art,  das 
Fieber  mit  Hülfe  dieses  Tbieres  zu  heilen,  ist  folgende;  die  Kröte  wird  todtgescbla» 
gen  und  im  Ofen  langsam  getrocknet;  wenn  sie  ^scbon  rosch^  ist,  zerreibt  man  sie 
zu  Pulver,  welches  der  Kranke  mit  Wasser  einnehmen  niuss,  —  Ebenso  kann  nian 
bei  Hautkrank beiteii  verfuhren.  Derjenige,  dem  eine  Kröte  in  der  rechten  Hand 
stirbt,  wird  Gluck  halten. 

Früher  haben  die  Menschen  anderen  wünschen  kojinen,  dasa  dieselben  in 
Kröten  verwandelt  würden.  Kröten  sind  „verwtmscbene*'  Prinzen  und  Prinzea&innen, 
und  au  diesen  Glauben  knüpfen  sich  viele  Märchen  (z.  B.  „Vooi  PritizeUj  der  eine 
Beestkrote  küsste**).  Man  sagt  auch:  PVosche  sind  kleine  Menschen;  ja  einige 
wollen  wissen,    das*4  sich  unter  dieser  Gestalt  zuweilen  die  ^Untererdchen"  zeigen. 

Der  Glaube  au  y^^m  Wassermutter'*  erfährt  in  dieser  Gegend  verschiedene  Deu- 
tung. Während  ein  Theil  des  Volkes  unter  der  Wassermutter  einen  grossei», 
»chwarzen,  im  Wasser  umberspringeudea  Käfer  versteht,  behaupten  andere,  die 
Wassermutter  sei  eitte  alte  Pogge,  und  noch  andere  sind  der  Meinung,  es  gäbe 
zw^ei  Sorten  Wassermütter:  Käfer  und  Pog^eu,  Doch  darin  stimmen  alle  u ber- 
ein, dass  die  Wassermutrer  in  jedem  Gewässer  zu  Hause  ist  und  gern  Kinder  an 
den  Haaren  zu  sich  hinunterzieht  (Scherz). 

Man  sagt:  Frosche  können  im  Frühling  den  Mund  nicht  eher  aufthun,  als 
bis  ein  Gewitter  gewesen.  Wenn  man  im  Frühling  den  ersten  Frosch  sieht,  so 
ist  es  nicht  gleichgültig,  tjWo**;  sitzt  er  auf  der  Erde,  so  bat  man  Freude  zu  er- 
warten; befindet  er  sich  aber  im  Wasser,  so  muss  man  weinen.  Wenn  die  Frosche 
aufs  Land  kommen  und  auf  den  Wegen  herum  hüpfen,  so  sagt  man:  es  wird  regnen. 
Wer  Sommersprossen  hat^  soll  sich  mit  ^Poggenscbleim'*  waschen. 

Schliesslich  sei  hier  noch  eine  Heilmethode  erwähnt,  die  sich  auf  den  Scblangeti- 
biss  bezieht,  und  bei  der  zuweilen  —  wenigstens  nach  der  Aussage  einzelner  Leute 
—  auch  die  Kröte  ein  Wort  mitzureden  hat.  Wenn  Jemand  von  einer  Schlange 
in  den  Fuss  oder  in  die  Hand  gebissen  w^urde.  so  gräbt  man  ein  Loch  in  die  Erde, 
in  welches  Buttermilch  gegossen  w*ird  und  in  welches  der  J /eidende  das  also  be- 
troffene Glied  hineinstecken  muss,  um  neun  Tage  lang  —  Tag  und  Nacht  (in  Betten 
verpackt)  -*  vor  der  Thiir  zu  bleiben.  Es  wird  nun  empfohlen,  in  die  Buttermilch 
Kröteo  (wenn  keine  vorhanden  sindj  andere  Frosche)  zu  setzen,  damit  dieselben 
das  Gift  aussaugen.     Die  Buttermilch  muss  öfters  erneuert  werden. 

(14)  Hr.  Treichel  überschickt  mit  Schreiben  d.  d.  Hoch  Palescbkeu,  10.  Juli, 
folgenden  Nachtrag  zu  seiner  Mittheilung  (Sitzung  vom  21.  Jan,  1882.  Verb.  S.  11) 
über 


den  Schatzenstflb  und  den  nordische rt  Budstock. 

Im  Texte  und  bei  der  Erklärung  der  Abbildungen  meiner  Arbeit  über  den  obigen 
Gegenstand  sind  Buchstaben  für  die  Reihenfolge  angewendet,  wogegen  auf  der  ar- 
tistiachen  Beigabe  (Tafel  VUI)  dafür  Zahlen  gesetzt  wurden ;  durch  Nachzählen  und 
Gleichsetzen  wird  man  leicht  auf  die  entsprechende  Unterlage  kommen. 

Wenn  ich  mich  wunderte  hinsichtlich  der  Wahl  gerade  des  Masculinums  G^aior 


(348) 


(Ganter)  als  Bezeichnung  für  die  krumme,  ebenfalls  Klucka  geoaBotc  Bruriiien- 
stange,  so  bin  icb  darauf  aufmerksam  gemacht  worden,  dassjene  Wabl  wahrschein- 
lich deshalb  stattfand,  weil  im  Frühjahre  zur  Wonnezeit  der  Gänse  sieh  der  Ganter 
von  Frau  Gaus  wesentlich  in  seiner  Haltung  untersclieidet  und  die  Biegung  seioes 
HaUes  uameutlich  la  ach wim tuendem  Zustande  eine  markant  krummere  Biegung 
zeigt,  —  ein  Umstand,  welcher  dann  der  gebogeueu  ßrunuenstauge  im  Poluischeu 
mit  mehr  Recht  den  Namen  für  Gimter,  als  den  für  Gans  eintragen  musste. 

Als  Rolz,  wovon  man  die  Klucke  entnahm,  muss  icb  noch  die  Hasel  und  die 
Kirsche  aufijhren, 

ilinsichtJich  des  Namens  für  die  SchuUcnst/ibe  habe  ich  noch  den  Nameo 
Kringel  (weil  in  Form  des  Zahlzeichens  8)  in  l^>fnhrung  gebracht,  wne  er  um 
Heilsberg  in  Ostpreussen  üblich  ist;    ferner    die  Kuli   um  Saalfeld  in  Ostpreussen. 

Sie  tat  dort  von  ächmiedceisen  in  der  beigezeich aeteu 
Form  (Ä^ügabe  des  Frl.  Klis.  Lemke)  und  wird  ihr  der 
Zettel  angeheftet.  In  Bezug  auf  die  Kriwule  möchte  ich 
noch  dasjenige  Neue  anführen,  was  H,  Frisch bi er  im 
Preuss.  Wörterbuch  S.  432  durunter  giebt»  Er  sagt,  dftM 
ein  daran  gebundeni^r  Zettel  den  Gegenstand  der  Bera- 
thutig  vermerkt  und  dnss,  wenn  in  der  Versatumlnng 
Zahlungen  zu  leisten  siud,  dies  aogedeutet  wird  an  einigen 
Orten  durch  einen  ajjgebundenen  Knopf  (so  auch  für  die 
Kuli  oder  Kiille=  Klucke  nach  Mühliug's  Sammluog 
preuss,  Prov.  im  Manuscr.),  im  Oberlande  jedoch  (west- 
preussische  Landschaft  westlich  vom  Krmhinde,  das  alte 
Pomesanien  mit  dem  Hockerlande  und  Pogesanien)  durch 
einen  umwundenen  Leiowandlappen.  Frisch bier  halt 
für  den  Stamm  des  Wortes  Kriwule  das  Lithauiscbe  krivas,  kreiwas,  krumm,  pol- 
nisch krzywj  (Krzywulec  =  Krummholz),  gegen  welche  Ableitung  sich  Joh.  Voigt 
(Gescb.  Preuss.  L  603)  mit  Unrecht  auflehnt,  der  eine  Abstammung  von  Griwe, 
dem  Oberpriester  der  alten  Freussen,  will  iind  daher  auch  Griwulle  schreibt. 
Louis  Pas  sarge  (Aus  baltis^cben  Landen.  Studien  und  Bilder.  Glogau,  1878. 
S*  138)  giebt  beide  Ableitungen,  stellt  den  Gegenstand  richtig  dar,  kennt  die  Klucke 
in  Pomerellen  (uro  Danzig)  und  hat  Kunna  als  polnische  Bezeichnung  dafür. 
Den  Gebrauch  von  solchen  hölzernen  Zeichen  zur  Berufung  der  Leute  in  Nadrauen, 
einer  Landschaft  Ostpreussen^,  und  ihren  Namen  Kriwule  kennt  auch  A.  W.  Pierson 
in  Matthaeus  Praetor! us  Deliciae  Prussicae  (9.  38).  Stab,  wie  Versammlung, 
heissen  nach  Frisch  bier  auch  noch  Krawöl,  Krawöl,  Krawii  (auch  gesellige 
Zusammenkunft  der  Dorfjugend,  namentlich  an  den  Abenden  der  Zwölften;  auch 
Spinngesellschaftef))  und  Krewulle.  Masurisch  heisst  Kuias^  m.,  Kruckeostock, 
krummer  Hakeustock,  polnisch  Kula  die  Kriicke,  wie  Klucka  der  Haken.  Mühling 
kennt  noch  Schul  zen  bock. 

Aehnliche  Beiträge  aus  der  Wendei  giebt  W.  von  Schulen  bürg  (Wendi- 
sches Volksthum  in  Sage,  Braut^^h  und  Sitte.  Berlin,  1882).  Nach  8.  7  haben 
zwar  die  von  der  Gemeinde  gewählten  beiden  Jüngsten  (mlodse)  im  Dorfe  Allerlei 
kundzugeben  und  schnelle  Bestellungen  in  allgemeinen  Angelegenheiten  auszurichten, 
sind  also  lebendige  Boten;  andererseits  aber  (S.  Vdb)  werden  die  Gemeinde-Hekannt- 
machungen  in  einen  hölzernen  Hammer  (klapac)  geklemmt  und  so  im  Dorfe  (nehm- 
lieh  Schmogrow)  herurageschickt  In  Schleife  wird  der  Zettel  in  ein  Brettchen 
gesteckt^  in  Steinkircben  in  einen  Hammer  (?).  Die  hauptsächliche  Gemeinde- 
Versammlung  (gromada,  auch  mit  dem  Zusätze  hoklapnica;  vergl.  klapac  =  Hammer!), 


4 


(349) 

weil  dann  Berechnungen  vor-,  auch  junge  Wirtho  aufgenommen  werden,  findet  dort 
immer  an  H.  Drei-Könige  statt. 

In  der  Provinz  Sachsen  ist  der  Knüppel  seit  Menschengedenken  abgeschafft 
worden  (Angabe  von  G.  Maass)  und  nur  die  Redensart  existirt  noch. 

Für  meine  Angabe,  dass  Schulzenstocke  als  Ehrenzeichen  verliehen  worden 
seien,  verdanke  ich  weiterhin  eine  bestimmte  Unterlage  der  gütigen  Mittheilung  des 
Herrn  Prediger  H.  Freitag  in  Mirchau  aus  dessen  Heimath,  dem  Dorfe  Flacksee 
bei  Tempelburg,  also  hart  an  der  Grenze  von  Pommern  gegen  Westpreussen  gelegen. 

Als  König  Friedrich  Wilhelm  IV.  im  Jahre  1852  in  Neustettin  war,  erhielten 
die  Schulzen  des  Kreises  zum  Andenken  daran,  bei  amtlichen  Gelegenheiten  zu 
tragen,  ausser  einer  blauweissen  (die  pommerschen  Provianzialfarben)  Binde  um  den 
linken  Oberarm,  einen  Schulzenstab,  gelb  gestrichen,  mit  vergoldetem  Knopfe  von 
gegen  drei  Zoll  Durchmesser,  —  ein  gewichtiges  Ding  von  nahezu  vier  Fuss  Höhe. 
Auch  in  jener  Gegend  existirte  früher  die  Schulzenkeule,  eine  grosse,  wenn  die 
Bauern  allein,  und  eine  kleine,  welche  an  die  andere  angebunden  wurde,  wenn  die 
Bauern  und  die  sogen,  kleinen  Leute  (Käthner  und  Einwohner)  zusammenkommen 
sollten;  handelte  es  sich  um  Zahlung  von  Geld  (Steuern),  so  wurde  dies  mündlich 
gleich  bei  Deberbringung  der  Keule  roitgesagt.  Beide  Arten  von  Scbulzcnstäbeu 
hat  dort  längere  Zeit  der  jetzt  verstorbene  Schulze  Habelmann  geführt. 

Andererseits  scheinen  die  heutigen  Schulzenstäbe  im  Regierungs-Bezirke  Brom- 
berg reine  Amtszeichen  zu  sein  (Angabe  von  B.  Moritz).  Wo  das  Amt  des 
Schulzen  zu  vertreten  ist,  da  muss  er  den  Stab  mitbringen.  Das  Kreisblatt  be- 
fiehlt es  immer  bei  militärischen  Angelegenheiten.  Ist  im  Kruge  von  erhitzten  Ge- 
müthern Spektakel  entstanden,  so  hält  der  Schulze,  zur  Ruhestiftung  gerufen,  nur 
seinen  Stock  in  die  Stube  hinein,  ganz  in  der  Weise  des  englischen  Policeman. 
Der  Stab  hat  bei  etwa  zwei  Zoll  Stärke  eine  Höhe  von  ungeföhr  sechs  Fuss  und 
ist  versehen  mit  einem  Messingknopfe    und  einem  etwa  einen  Fuss  herabgehenden 

Messingringe  mit  der  Inschrift:  „Schulzenamt  ....    Kreis ,^  ganz  wie  auf 

dem  Ortssiegel. 

Der  nordische  Budstook  und  die  altnordischen  Ladungszeichen. 

Es  verlohnt  sich  wohl  der  Mühe,  noch  darauf  hinzuweisen,  dass  solch  ein 
Botenstock  eine  altnordische  Einrichtung  zu  sein  scheint.  Bei  den  verstreuten 
Hoflagen,  sowohl  der  germanischen  Völkerschaften,  wie  auch  der  nördlicheren  ver- 
wandten Stämme  war  es  wohl  kaum  anders  möglich,  die  einzelnen  Mannen  zur 
ßeratbung  im  Dinge  zusammen  zu  holen.  Es  machte  sich  die  Umsendung  eines 
Botenstockes  als  etwas  Naturgemässes  ganz  von  selbst,  da  er  ein  bestimmtes,  Allen 
bekanntes  und  Allen  gültiges  Zeichen  war.  Er  wurde  förmlich  ein  Eigen  eines 
kleineren  oder  grösseren  Complexes  von  Menschen,  wie  es  die  Haus-  und  Hofmarke 
seit  wenigstens  sechs  Jahrhunderten  für  den  Einzelnen  und  seine  Heimstätte  nebst 
Fahrniss  gewesen  war  und  theilweise  auch  noch  jetzt  ist.  Er  wurde  förmlich  eine 
Almende,  zumal  es  auf  dem  Dinge  ausser  Rechtsspruch  auch  die  Beratbung  zu  Kriegs- 
zügen galt,  und  leicht  hätte  sich  aus  ihm  selbst  die  Idee  des  Scepters  herausgebildet 
haben  können,  falls  dieses  nicht  schon  vorher  vorhanden  gewesen! 

In  Esaias  Tegner's  Fritbiofssage,  als  es  nach  König  Ring's  Tode  zur  Königs- 
wahl gehen  soll  (Gesang  22),  heisst  es  deshalb  in  ähnlicher  Weise: 

Zum  Ting!  Zum  Ting!  Der  ßudstock  geht 

Zu  Berg  und  Thal. 

Fürst  Ring  ist  todt;  bevor  nun  steht 

Die  Königswahl, 


(350) 

Nach  dor  Erkläinog  ron  Alb.  HartmaBD,  eines  der  TielfKlien  üebenetzery 
iiit  diir  Uudiitock  (badkafle;  ein  etwa  einea  Fasä  langer  Stab«  der,  too  Haas  zu 
UttUH  getragen,  eilig  weiter  befordert  wurde  aad  zur  Bekaantmachoag  irgend 
oines  durch  Ruoen  darauf  gezeichneten  Gegen:&candes  diente. 

In  der  Uebersetzaog  tod  Jal  Miodiog  giebt  derselbe  zn  Botschaft,  bodkafley 
folgende  dürftige  Erklärung:  ein  Ton  Hand  zi  Hand  gehender  Stab  mit  Ronen  und 
Zeichen,  um  Nachrichten  und  Aufgebote  rasdi  za  rerbreiten. 

Während  Niendorf  fast  gar  nichts  bringt,  erklärt  dagegen  Gottl.  Mohnicke 
nach  der  Uebersetzong  den  badkaäe,  isländisch  bookafli  (bapkafli),  als  bacalus 
nuntiatorius,  quo  ad  conrentos  pablicos  cooToeabAntur  dTes  reteris  Siiioniae  (Ihre), 
bestätigt,  dass  er  mit  Ronen  Tersehen  war  und  Ton  Hof  zu  Hof  gebracht  wurde, 
und  fügt  als  ein  Neues  hinzu,  dass  die  Scandinarier  reich  seien  (weitere  Quellen 
fehlen  ihm!)  an  Benennungen  dieses  Botenstockes^  je  nach  dem  Terschiedenen 
Zwecke  der  Zusammenkünfte,  zu  denen  er  berief.  Es  erhellt  daraus,  dass  für 
diese  einzelnen  Zwecke  und  Namen  es  auch  nothwendig  besondere  Formen  des  budkafle 
oder  verschiedene,  den  Zweck  bezeichnende  Zeichen  auf  denselben  gegeben  haben  muss. 

Aeltere  deutsche  Schriftsteller  haben  das  Wort  Budkafle  schlecht  durch  Steck- 
brief und  dann  schon  besser  durch  Kerbholz  übersetzt,  wogten  Arndt  (Neben- 
stunden S.  111)  einfach  und  am  besten  Budstocke  beibehält  £s  ist  aber  weniger  der 
Boten-,  als  der  Bot-  oder  Gebotstock  und  hängt  das  Bud,  wie  im  Deutschen  die 
Worte  botmässig,  Gebot«  Angebot^  Bot  (man  rergL  Weigand,  Grimm  und  Schade), 
zusammen  mit  mhd.  das  bot«  bot.  ahd.  das  pot  (?),  angelsächsisch  das  bod  (Gebot, 
Befehl),  entsprossen  durch  Ablautung  dem  Plorale  des  Präteritums  Ton  biotan,  bieten. 

Das  altdeutsche  Wörterbuch  ron  Oscar  Schade  (2.  Aufl.  1872  82)  giebt  nun 
(S.  467  b),  um  auch  dem  zweiten  Theile  des  Wortes  budkafle  einige  Aufmerksamkeit 
zu  widmen,  für  das  deutsche«  anklingende  Wort  kafl,  as  (st  masc  mit  kaflon  im 
Dat.  plur.)  die  Bedeutung:  Kiefer  der  Thiere,  wie  auch  das  angelsächsische  ceafl 
(st.  masc.  1.)  dasselbe  bedeutet.  Budkafl  wäre  also  der  Thierkiefer.  der  umher- 
geboteu  wird  und  selbst  gebietet.  Es  scheint  daraus  sich  zu  ergeben,  dass  die  Bud- 
stocke zu  Anfang,  wenigstens  in  Skandinavien,  nicht  von  Holz  gewesen  seien,  sob- 
dem  aus  Thierkiefem  bestanden  haben.  Diesen  lässl  sich  dann  aber,  ebeatogut 
wie  beim  hölzernen  Stocke,  wenn  auch  nur  durch  grossere  Länge  oder  Stärke,  eine 
eigenthümliche  Form  geben  oder  man  kann  auf  ihnen  Kinritzungen  (wie  beim 
Holze  Einkerbungen)  in  einer  Art  Bildersprache  veranstalten,  wie  es  der  verschie- 
dene Zweck  der  berufenen  Versammlung  erforderte. 

Wenn  man  eine  üebertragung  solcher  nordischen  Sitte  auch  auf  deutsche  Volks- 
stämme zugeben  kann,  so  erscheint  es  mir  nicht  ausgeschlossen,  dass  die  falzbein- 
artigen Kunstprodukte,  in  deutschen  Steingräbern  vorgefunden,  etwa  ebenfdk  dem 
Wesen  nach  budkafle  gewesen  sein  können,  vorausgesetzt,  dass  sie  Thieikiefer  dar- 
stellen und  am  Ende  mit  Einritzungen  versehen  sind. 

Da  aber  sich  die  Umsendung  eines  Boten,  wenn  nicht  von  Fleisch  und  Blut, 
so  doch  von  irgend  einer  Masse  (Hörn  oder  Holz),  als  eines  bestimmteu  und  Allen 
bekannten  Zeichens,  unter  weitläufig  von  einander  getrennt  lebenden  Gemeinwesen, 
Gauverbänden,  Völkerschaften  ganz  von  selbst  machen  musste.  sobald  es  sich  um 
die  Berufung  zu  einer  gemeinschaftlichen  Zusammenkunft  aller  Berechtigten,  wenn 
auch  nur  der  Stärkeren  oder  der  Krieger  bei  weniger  cultivirten  Völkerschaften, 
handelte«  so  kann  die  Entstehung  und  .\nwendung  eines  solchen  gemeinen  Zeichens 
auch  bei  vion  wilden  Völkerschaften  .\ustraliens.  worauf  in  der  Sitzung  vom  21.  Jan. 
188d  Seitens  des  Hrn.  Virchow  abermals  aufmerksam  gemacht  wurde,  kaum 
etwas  .\ul9ßilliges  haben.     Es  helfen  zu  unserem  Hinweise   die    vielfachen   anderen 


(351) 


verabredeten,  der  Wirklichkeit  entDommeoeD  und  häufig  auch  in  die  Koman- 
literalur  öhertrageaen  Zeichen,  wi*'  sie  etwa  bei  den  Indianern  Nordaiiierika's  im 
Gebrauche  wareo  oder  noch  siod.  Die  Abrede  •j;lridit  hierio  der  Fitrm  der  Ein- 
kerbung. Verabredete  Zeichen  mit  ihrer  stummen  Sprache  fliessen  die  Flüsse 
heruBten  Ein  vom  Häuptlinge  nmgesaadtes  Bündel  Pfeile  ruft  die  Indianer 
zum  Kriegszuge.  Bergfeuer  flamraea  auf  in  irnmer  weiterer  V'^erb reitung;  so 
galt  für  die  Schweiz  nach  Schiller^s  Wilhelm  Teil  {1,  4,  II.  2,  IV.  2),  dasa  ,  ,  ,  tod 
Alp  zu  Alp  die  Feuerzeichen  flammend  sich  erheben,  —  dass  gi>geben  wird  von 
einem  Berg  zum  andern  das  Zeichen  mit  dem  Rauch,  —  dass  Ihr  warten  Bollt  der 
Berge  Feuerzeichen,  ....  leuchtend  als  willkommene  Flammen.  In  Island  figu- 
rirt  der  Kriegspfeil  (Berör,  Harpii),  der  seinen  Zweck  durch  die  Form  andeutete. 
Äehnlich  wird  es  in  Böhmen  gewesen  sein;  denn  Oscar  Schwebel  (Deutsche 
Kaisergeschichte)  erzählt,  dass,  als  10^9  Konig  ßretislav  losbrach,  um  Polen  za 
erobern,  ia  Böhmen  eine  Schlinge  von  Eichen  hast  von  Haus  zu  Haus  wan- 
derte, zum  Zeichen,  da&s  jeder  säumige  Krieger,  der  nicht  folge,  dem  Tode  durch 
den  Strang  verfallen  sei.  In  Polen  wurden  in  früheren  Zeiten  königliche  Befehle 
durch  Weidenruthen  C^icl),  an  Stangen  befestigt,  von  Ort  zu  Ort  gesandt  und  da 
dies  hauptsächlich  beim  Aufgebot  des  Adels  geschah,  so  bedeutet  wie  das  Aufgebot 
selber.  Der  Aufruf  geschah  jedoch  dreimal^  die  ersten  beiden  enthielten  bloss  den 
Befehl  sich  bereit  zu  halten,  der  dritte  bestimmte  den  Sammelplatz.  Wie  es  nur  der 
Uebereinkunft  bedarf,  um  selbst  jedem  belieLigen  Gegenstande  eine  bestimmte  Sprache 
zu  verleihen,  das  beweist  endlich  auch  in  der  Geschichte  Deutschlands  der  durchs  Land 
geschickte  Bundschuh.   Nur  diese  Beispiele  wollte  ich  in  aller  Kurze  herausgreifen* 

Nach  C.  F.  AHen's  Geschichte  des  Königreiches  Dänemark  (übers,  u.  herausgeg. 
von  Dr.  N.  Falck,  Kiel,  1846)  wurde,  wenn  der  Feind  das  Land  angriff  oder  wenn 
im  Frühjahre  die  geplanten  Wikingzijge  ins  Ausland  zur  Ausführung  gelangeo 
sollten,  vom  Konige,  dessen  vorzüglichste  Pflicht  die  Anflibrung  des  Volkes  im 
Kriege  war,  das  Volk  aufgeboten,  wo  dann  ein  Jeder,  zur  Vertheidigung,  wie  sonst 
auch  zum  Angriffe  gerüstet,  bei  Strafe,  für  vogelfrei  und  für  einen  feigen  Buben 
erklärt  zu  werden,  erscheinen  musste;  das  Aufgebot  geschah  durch  einen  Bud- 
stikke  oder  Heerpfeil,  der  überall  um  hergeschickt  ward  und  in  einem  Zweige  be- 
stand, der  wie  ein  Bogen  geformt  und  mit  einer  Schnur  an  dem  einen  Ende 
versehen,  an  dem  andern  aber  aui^ebraont  war  und  so  auf  eiüe  bildliche  Weise 
den  feindlichen  Einfall  und  zugleich  das  Schicksal  andeutete,  welches  Jeden  er- 
wartete, der  sich  der  Pflicht  der  Vaterlands  vertheidigung  entzog,  dass  neb  ml  ich  sein 
ganzes  Eigenthum  durch  Feuer  verwüstet  werden  würde. 

C.  J,  Schlyter  (Glossarium  ad  coq>us  juris  Sueo-Gothorum  antiqui  p.  101 
T,  XJII)  erklärt  Bupkafli  m.  budkaJle  als  en  kafie  I.  ett  mindre  traestycke,  som 
Bandes  omkring  du  folket  skulle  sammankallas  tili  tilg  1.  af  annan  anledning  (Heer- 
fahrt), och  var  da  inrätted,  att  af  dess  form  (siisom  IsL  herÖr,  härpil)  1,  af  däri 
inskurna  marken  künde  sjnas,  hvad  som  var  att  gora,  und  h.  das  iss  eyn  stok  des 
gebotes  als  by  dem  galgen  unde  by  dem  v&re  (Feuer,  d.  h.  Feuertod). 

Herr  Dr.  Oscar  M  ontelius  in  Stockholm,  den  ich  um  den  altskandinavischen 
Bud stock  befragte,  bestätigt  mir  mit  grosser  Gefälligkeit,  dass  derselbe  ein  Stück 
Holz  gewesen  sei,  welches  von  Dorf  zu  Dorf  gesandt,  wurde,  wann  das  Volk  zum 
Ting  oder  zu  anderen  Zwecken  zusammengerufen  werden  sollte,  und  dass  er  ^o  ein- 
gerichtet war,  dass  man  an  der  Form  (vergl.  den  isländischen  Heror,  Kriegspfeil) 
oder  an  eingeschnittenen  Zeichen  ersehen  konnte,  was  zu  thun  war. 

Üeber  die  altnordischen  Ladungszeichen,  soweit  sie  aus  den  Quellen 
und  mit   Heiziehung   der  Dächatliegenden   Hulfsmittel,  namentlich  des   alteren  nor- 


(352) 


weg! 6ch -[Bland iscbea  RechU,  erweUlich  sind,  jedoch  abgesehen  tob  mancherlei 
Angaben,  die  mehr  Detail»  der  Verwendung  betreffen,  theilte  mir  Herr  Professor 
Dr.  K,  rcn  Maurer  aus  München  mit  äusserst  daokenswertber  Freondlichkeit  noch 
die  folgenden  Angaben  mit: 

„Feuerreicben  waren  bereits  dem  ilteren  norwegischen  Rechte  bekannt^  in- 
dessen mehr  als  Allarm,  denn  zur  Ladung.  Schon  die  alteren  norwegischen  Pro- 
Tinzialrechte  (Gulatbingslog  §  311,  Frostothingslog  V.  §  I)  kennen  die  Verpflich- 
tung der  HauerUf  bei  drohender  Kriegsgefahr  auf  Aufforderung  des  königl.  Beamten 
Holzstosse  die  ganze  Seekuste  entlang  aufzuschichten,  in  solcher  Entfernung  von 
einander,  das«  einer  vom  andern  zu  sehen  war,  und  Tag  und  Nacht  bei  denselben 
Wacht  zu  halten;  zeigten  sich  dann  feindliche  Kriegsschiffe,  so  hatte  sofort  der 
Wächter,  der  ihrer  zuerst  gewahr  wurde,  seinen  Holzstoss  anzuzünden  und  von 
Poöten  zu  Posten  war  das  Signal  sofort  nach  beiden  Seiten  hin  weiterzugeben. 
Auch  das  gemeine  Landrerht  (llt.  §  4)  kennt  die  Verpüchtung  noch;  als  viti  d.  h. 
Zeichen,  Signal,  werden  hier  wie  dort  die  Holzstosse  bezeichnet  und  wird  der  Dienst 
bei  denselben  des  Näheren  gesetzlich  geregelt  Die  Geschichtsqaellen ,  «,  B 
Heimäkringta,  HakonatsagngoT^'a  (cap.  21)  führen  die  Einrichtung  auf  Konig  H4kon 
den  Guten  (935 — 961)  zurück  und  fügen  bei,  dass  dieser  Dienst  so  geordnet  ge- 
wesen sei,  dass  das  Heeresaufgebot  von  dem  südlichsten  Signale  an  der  schwedi- 
schen Grenze  bis  zum  nordüchfiteo  an  der  Grenze  von  Fiiimarken  in  7  Tagen  habe 
ergehen  können.  Es  fehlt  in  den  GeschichtsquelleD  nicht  an  Belägen  für  den  Ge* 
brauch  dieser  SigoalordnuDg,  aus  früherer,  wie  späterer  Zeit. 

^Fiir  eigeotliche  Ladungen  gilt  die  Bezeichnung  bod,  d.  h  Gebot-  Die  Grund- 
bedeutung von  bod  tritt  recht  klar  hervor  in  der  alliterirenden  Verbindung  „bod 
ok  bann^  d.  h.  Gebot  und  Baun^  Gebot  und  Verbot.  Die  Ladung  konnte,  nach 
Hltnorwegi«Lchem  Recht«,  zu  ganz  verschiedenen  Zwecken  erfolgen  und  danach  war 
auch  ihre  Form  eine  verschiedene.  Handelte  es  sieb,  eines  feindlichen  Einfalles 
wegen,  um  ein  plötzliches  Heeresaufgebot^  so  soll  der  Heerpfeil  ^herSr**  ausfahren, 
uod  zwar  in  doppelter  Gestalt:  ein  eiserner  Pfeil  wurde  die  ganze  Küste  tintlang 
mit  einem  vollbemannten  Schiffe  von  einem  Landherrn,  d.h.  höheren  konigl. 
Beamten,  zum  andern  befördert,  Tag  und  Nacht  unausgesetzt  fahrend  und  die  ge- 
meine Seestrasse  einhaltend,  —  ein  hölzerner  Pfeil  aber  lief  von  Station  zu 
Station  ins  Land  bin  ein,  von  Hof  zu  Hof  von  den  Bauern  befördert,  alle  eiozelueü 
Meerbusen  und  Kustenstrecken  hineingehend  (so  schon  Gulathingp^log  §  312).  Durch 
einen  Pfeil  aber  erging  auch  die  Lndung  zum  Gericht  in  Todschlagssache  n 
und  wegen  schwerer  Körperverletzung,  Heimsuchung  u.  dergl  m.,  wesshalb  die  so 
berufene  Dingversaminlung  isländisch  örvarthiug^  d.  h.  Pfeilding,  htess  (z.  B. 
GulathU  151  und  156;  für  die  Lücke  im  Texte  der  Frostuthl.  V.  §§  2—6  tritt 
die  Jarnsida  ein,  Marrhelgi  §  14,  dann  §  18  u.  ff.);  da  der  Verletzte  selbst,  resp. 
der  Erbe  des  Erechlagenen  angewiesen  wird,  den  Pfeil  zu  schneiden,  so  ist  klar, 
dass  dieser  im  gegebenen  l'alle  ein  hölzerner  ist.  Handelte  es  sich  aber  um  an- 
dere RechtsBacheu,  die  nicht  durch  schwere  Gewaltthaten  veranlasst  waren,  so 
galt  zwar  auch  die  Re|2(el,  dass  Jeder  eine  Ding  Versammlung  berufen  durfte,  der 
einer  solchen  zu  bedürfen  glaubte  (Gulath,  L  §  35,  131);  aber  die  Versammlung 
wurde  durch  eiu  Ihingsbod  d,  h.  Dingaufgebot  berufen,  nicht  durch  einen  Pfeil. 
Auch  das  ThingsboLl  wird  geschnitten  (Gulath.  §  161);  seine  Form  wird  jetloch 
nicht  angegeben  itod  lässt  sich  nur  daraus  erkennen,  dass  sie  nicht  die  eines 
Pfeiles  war,  dasis  eine  Geschichtsquelle  einmal  erzählt,  wie  die  Bauern  ein  things- 
bod,  das  ihr  Beamter  hatte  ausgehen  lassen,  in  den  Ueerpfeil  verwundidten  und 
demgema&B    bewaffnet    sich   einfanden    (Hakouarsaga  ganilu    cap*  32).     Auch    diese 


(353) 

LöduDg  aber  wurde  von  Häür  zu  Hans  getragen;  doch  hatte  sie  die  Nacht  Ruhe 
(Gulath.  §  131,  FrOBtuth.  IL  23);  Dothigenfalls  steckte  raao  sie  über  die  Dau&thrire 
uud  sagte  an,  was  dazu  gehört**.  Handr^It  es  sich  endüch  «m  eine  LaduDg  zur 
Kirche,  so  ergeht  ein  Krossbod,  d.  h.  ein  Kreuzaufgebot;  der  Name  schon 
zeigt,  dass  die  Ladung  hier  Kreuzesform  hat^  und  der  Pfarrer  ist  es,  der  das  Kreuz 
schneidet  (Gulüth.  §  19,  Frostuth.  IL  §  22,  BoegarthingsJog  L  §  13,  Eidsifalhiagslög 
L  §  10  und  11),  während  im  Uebrigen  auch  diese  Ladung  den  gewöhnlichen  Weg, 
bodsleid,  d.  h-  den  Ladiingsweg,  lauft  und  von  Jedem  getragen  werden  rauss. 

„Auf  Island  gab  es  kein  Heerwesen  und  auch  keine  gebotenen  Dingversamm- 
lungen;  doch  kommt  auch  hi#*r  eine  liadung  zu  G era ei  nde versammln  n gen 
vor,  und  zwar  tragt  nie  die  Kretizesform,  obwohl  die  Kreuze  nicht  von  GeistlicheD, 
sondern  von  Privatleuten  geschnitten  werden  (Konungabok  §  23i.  S.  173,  Stadar- 
holsbök  §  218  S.  251).  Das  spätere  islandische  Recht  (Jarnsida,  Jonsbok)  folgt  in 
Allem  dem  norwegischen  Landrechte,  welches  seinerseits  den  alteren  ProvinziaU 
rechten  sich  anschliesst  Die  Form  des  thingbod  auf  Island  war  später  die  einer 
Streitaxt,  nach  deorj  Zeugnisse  des  Juristen  Pall  Vidalin  (f  I7ii7,  in  Skyringar 
yfir  fornjrd"i  lögbokar  S.  654)  und  Jon  Ärnason'ü  resp,  Jon  Eiriksson's  (Historiak 
Inledoing  til  den  gamle  og  nje  Islandske  Raeftergang  S.  442,  3).  Das  letztere^  im 
Jahre  1762  erschienene  Werk  bemerkt  auch,  dass  uian  der  Ladung  einen  Zettel 
beizugeben  pflege,  welcher  den  Zweck  der  Ladung  u,  dergl.  anzugeben  bestimmt 
sei  (also  ganz  in  der  Art  und  Weise  unserer  Klucke  und  Kriwule.  T.). 

^Der  schwedische  buthkafli  dient  aber  genau  demselben  Zwecke,  wie 
das  norwegische  bod.  Kafli  oder  KeHi  hat  ganz  und  gar  nichts  mit  dem  Kiefer 
von  Menschen  oder  Thieren  zu  thun.  Das  Wort  bezeichnet  einen  runden  Stab 
von  nicht  allzugrosser  Länge,  weiterhin  alles  Cylinderförmige.  Auf  Island  braucht 
man  z.  B,  jetzt  den  Ausdruck  „at  Kafla  thvatt'*  für  das  Hangen  oder  Mangeln  der 
Wäsche*  In  abgeleitetem  Sinne  bezeichnet  Kafli  auch  wohl  soviel  wie  Stück, 
Abschnitt,  z,  B.  eines  Buches;  buthkafl»  aber  ist  seiner  Grundbedeutung  nach 
nichts  Anderes,  als  der  Ladungsatock. 

^Dänemark  betreffend  sind  nur  einige  Nachweise  bekannt.  Des  Heerpfeile» 
zwar  gedenkt  Saxo  Grammaticus  bei  Besprechung  der  angeblichen  Gesetze  des 
Königs  Frotho  IIL,  indem  er  sagt  (V.  S*  228  u,  229);  Solebat  iiamque  sagitta  lingnea 
ferreae  speciem  habens  nuntii  loco  viritim  per  omnes  mitti,  quoties  repeotina  belli 
necessitas  incidisset,^  dann  wieder  in  der  zweiten  Hälfte  des  12.  Jahrhunderts,  wo 
er  das  aufständische  Volk  in  Schonen  und  Mailand  „more  gentis,  misso  per  omnes 
stipite"  unter  die  Waffen  rufen  lässt  (XV.  S.  945).  Auch  die  HeämskriDgla  Olafs,  helga 
cap.  158  lässt  einmal  in  Dänemark  den  Heerpfeil  schneiden  und  auefahren,  ja  noch 
ein  Ürtheil  des  seelandiechen  Landsdings  vom  7.  Juli  142Ö  bespricht  die  Bestrafung 
derjenigen,  welche  daheim  sitzen,  wenn  der  Feind  vor  das  Land  komnat  „og  Baga 
braender  og  Widie  Brand  ginge,"  d.  h.  und  din  Feuerzeichen  brennen  und  das  ange- 
brannte Holz  umgebt  (Regesta  Danica  Nr.  3482),  Letzteres  ist  eine  Ausdrucksweise, 
welche  auf  einen  ähnlichen  Gebrauch  hindeutet,  wie  er  in  Schottland  üblich  war,  wo 
das  Ladungszeichen  Cranntaic  oderCranntaraidh  hiess.  Armstrong  (A  Gaelic  Dictio- 
nary  p.  149)  defioirt  dasselbe:  a  fire-cross  or  beam  of  gathering;  a  piece  of  half- 
burnt  wood  dipped  (getaucht)  in  blood  and  used  as  a  signal  of  distress  (Elend)  or 
to  spread  (verbreiten)  an  alarm;**  er  bemerkt,  dass  der  Bote,  der  das  Zeichen  weiter 
trug,  nur  den  Sammelplatz  zu  nennen  hatte,  und  dass  noch  1745  das  Zeichen  über 
den  ganzen  Bezirk  von  Breadalbane,  über  30  Meilen  weit,  in  3  Stunden  lieL  Ob 
aber  in  Danennark  ein  Ladungsstock  auch  zu  gerichtlichen  Zwecken  gebraucht 
wurde,  ist  mir  nicht  bekannt  und  wenig  wahrscheinlich. 


(354) 

„Id  Norwegen  war  daa  Lad uogs zeichen  nocli  bis  in  die  neuere  Zeit  ubiicb; 
in  Eonig  Christian  Y^  Norske  Lot  i.  cap.  S  §  9  werden  genaue  BeBtimmuDgen 
über  dessen  Beschaffenheit  und  Behandlung  gegeben  nnd  gilt  hier  für  dasselbe  die 
BezeichnuDg  budstikke  (L  b,  Botschaftsstock.  Jvar  Aasen,  Norsk  Ordbog  S.  6B, 
scbiidert  es  als  einen  hohlen  Cylinder  von  Holz,  in  welchen  die  schriftltche  Bekannt- 
machung  gelegt  wird,  mit  einer  eisernen  Spitze  am  einen  Ende,  womit  man  den 
8tock  an  dleHausthure  steckt,  wenn  dessen  Ueberbringer  Niemanden  daheim  fiüdet,^ 

(15)    Hr.  Treichel  übersendet  ferner  einen 

Nachtrag  zur  Satorf ormel. 

Durch  Güte    von  Hr.  Dr.  H,  Flosa  in  Leipzig,   welcher  meine   in    den  Siti*- 

Ber.  der  berJ.  Anthrop.  Ges.  niedergelegten  Arbeiten  über  die  Toütafeln  und  Qber 

die  Satorformel  verfolgt  hatte,  war  ich  auf  ein  Aroulet  im  Besitze  des  Germanischeo 
National-Museums  zu  Nürnberg  aufmerkäam  gemacht  worden,  eine  runde  IVlessiog- 
acheibe,  dort  unier  Nr  46.  der  wisseoschaftlichen  [nstrumente  aufgeführt,  auf  wel- 
cher ausser  mancher  anderen  Inschrift,  wie  zu  ersehen,  sich  ebenfalls  die  Sator- 
formel   beendet.     Durch  Güte    des  Vorstandes  des  Uerm,  National-Museums  erhielt 


V 


^^ 


53: 


Sätor 

ARBPO 

Tenet 

OPERA 

Rot  ÄS 


I 


^ 


i-i^asüij 


ich  die  beigefügte  genaue  Copie  der  InschrifteD  der  fraglichen  Messingschoibe  von 
ganz  derselben  Grösse,  mit  der  gefalligen  sooBtigen  Auskunft,  dass  dieselbe  atif 
beiden  Seiten  die  gleiche  Inschrift  in  derselben  Anordnung  zeigt,  dass  sie  dem 
17*  Jahrhunderte  entstammt  und  iilter  Bestand  der  dortigen  Sammlungen,  also  über 
ihre  Herkunft  leider  nichts  bekannt  ist  Für  alle  Fälle  ist  das  in  einem  Glas- 
kasten beiindliche  Original,  zumal  es  so  hohen  Alters  ist,  für  die  Geschichte  der 
Amulette,  besonders  aber  der  Satorformel  nicht  unwichtig. 

Nach  gefälliger  Mittbeilung  desselben  Herrn  hatte  sodann  die  Satorformel  ?or 
etwa  drei  Jabren  im  Globus  einem  Serbier,  der  über  serbischen  Aberglauben  schrieb 
sie  kommt  also  auch  dort  vor!},  Anlass  zu  eioer  sehr  falschen  Hypothese  gegeben; 


4 


(355) 


er  hatte  dort  den  Spruch  „Schator^  u.  s.  w.  geschrieben  gefunden  und  sprach  nun  die 
Meinung  aus,  dass  unter  diesen  Worten  yielleicht  alte  Gottheiten  gemeint  seien.  Später- 
hin wurde  jedoch  ebenda  eine  Berichtigung  durch  Hr.  Dr.  H.  Ploss  veröffentlicht. 
Endlich  hat  der  Arzt,  Dr.  J.  Polak  aus  Warschau  bezüglich  der  Hunds- 
wuth  Folgendes  in  Hieronymi  Cord  an  i,  Mediolanensis  Medici,  De  rerum  varie- 
tate  Libri  XVII.  Baslae.  Anno  MDLVII  (also  auch  in  Ober-Italien:  Mailand  be- 
kannt!) gefunden:    Quidam  cum  a  rabido  cane  morsus  esset,  transfixo  pollice  panis 


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crustae,  ut  a  latere  vides  inscripta,  tribus  sumpsit  quinquiesque  dicta  singulis  Ticibus 
jejunus,  precem  domini  eam  dixit  pro  quinque  vulneribus  Christi,  quae  moriendo 
accepit,  nee  non  pro  clavibus  ut  dicunt:  seruatusque  est  immunis  a  maximo 
periculo.    Res  ita  se  habet. 

(16)  Hr.  Eofler  übersendet  einen  im  Rheinischen  Kurier  am  15.  Juli  enthal- 
tenen Bericht  über  eine  am  8.  Juli  unter  Leitung  des  Hrn.  v.  Cohausen  durch 
Mitglieder  des  Frankfurter  Museumsvereins  und  des  Nassauischen  Alterthumsvereins 
unternommenen  Besichtigung 

der  Ringwälle  de8  Altk8nlg8  im  Taunu8. 

Der  wesentliche  Theil  dieses  Berichtes  ergiebt  Folgendes: 

Am  alten  Eingange  des  inneren  Ringes  waren  schon  im  vorigen  Jahre  Nach- 
grabungen gemacht  und  durch  sie  war  konstatirt  worden,  dass  er  einst  durch  einen 
Thurm  oder  Tborbau  von  Holz  vertheidigt  worden  ist.  Man  fand  damals  vie- 
len Brandschutt,  verschlackte  oder  mit  Glasur  überzogene  Quarzite,  dem  Gestein, 
aus  dem  die  Ringwälle  überhaupt  bestehen,  einige  kleine  Gegenstande,  Topfscher- 
ben im  Wall  bürg- Charakter,  einen  Spinnwürtel  und  ein  eisernes,  etwa  §  for- 
miges Messer.  Sehr  glücklich  war  man  aber  diesmal,  indem  einer  der  Frank- 
furter Herren  in  dem  aufgeworfenen  Schutte  eine  damals  übersehene,  jetzt  durch 
den  Regen  rein  gespülte  Bronze-Fibula  erspähte  und  dem  Conservator  des 
Nassauischen  Landesmuseums  übergab. 

Nachdem  der  aussichtslose  Gipfel,  eine  mit  üppigen  Fichten  umstandene  Rasen- 
fläche, erstiegen  und  von  hier  wieder  abwärts  die  drei  oder  vier  Trichtergruben,  in 
welchen  sich  Regen-  und  Schneewasser  lange  halten  mochte,  aufgesucht  waren,  kam 
man  an  die  merkwürdigste  Stelle  auf  der  Südwestseite  des  inneren  Walles,  die 
durch  die  Nachgrabung  im  IMai  aufgeschlossen  worden  war.  Die  Innenseite  des 
Walles  war  von  dem  Steingerdll  entblösst  und  zeigte  eine  16  m  lange,  1 — 1,25  m 
hohe,  senkrecht  aufgemauerte  Wandfläcbe,  welche  in  Abständen  von  etwa  IVa  m 
durch  25  cm  breite  und  ebenso  tiefe  senkrechte  Falzen  getheilt  war.  Auch  in  der 
äusseren  Wallboschung  war  eine  solche  Aufmauerung  und  Falzentheilung  freigelegt, 

28* 


(356) 

um  zwischen  beiden  die  6,60  m  dicke  Trockenmauer  zu  messen.  Wir  erkannten 
daher,  das»  der  Kern  des  Steinwalles  durch  eine  Trockenmauer  gebildet  iit,  welche, 
wenn  wir  die  Falzen  richtig  deuten,  durch  eine  HolzkonstruktioD  zuaammeDgehalten 
war,  die  allerdings  verwest  ist,  die  aber  ohne  Zweifel  in  Holzstäodern  bestand, 
welche  die  Falzen  ausfüllten  und  durch  Holzanker  oder  Zangen,  die  quer  durch 
die  Mauer  gingen,  verbunden  waren.  Solcher  Zangen  mochten  mehrere  in  ver- 
schiedenen Hohen  die  mauerhoben  Ständer  auf  der  Innen-  und  Äussensejte  mit  ein- 
ander verankert  haben* 

Wenn  wir  nun  die  gemessene  Mauerstärke  festhalten  und  die  Masse  der  vor 
ihr  liegenden  Steintrömmer  berechnen,  welche,  vom  oberen  Theile  der  Mauer  herab- 
gefallen, den  unteren  Theil  verdecken,  so  finden  wir,  dass  sie  genügte,  um  die 
Mauer  wieder  um  etwa  l  m  zu  er  hohen  und  ihr  so  die  ohne  Zweifel  ursprüngliche 
senkrechte  äussere  Hohe  von  etwa  4^,3  m  zu  geben;  wir  haben  so  eine  recht 
respektable  Festungsmauer  vor  uns,  welche  rlem  anstürmenden  Feinde  ein  ganz 
anderes  Hinderniss  entgegenstellte,  als  das  SteingerÖlle,  das  wir  heute  leicht  er- 
steigen. Dass  die  un gefügten  Stein bl^icke  nicht  durch  Mörtel,  sondern  durch  Holz- 
einlagen  zusammen  gehalten  waren,  lag  vor  Augen,  ja  wir  hatten  die  Spuren  des 
Holzes  in  seiner  Brandwirkung  auf  das  sonst  unschmelzbare  Quarzgestein  beobach« 
tet;  aber  wie  ausser  den  Ständern  die  Holzer  im  Innern  der  Mauer  verwandt 
waren  zur  Verankerung  und  Ausgleichung  der  Schichten»  das  wissen  wir  nicht, 
können  es  uns  aber  hypothetisch  ergünzen  aus  der  Beschreibung,  die  Cäsar  von  den 
aus  Holz  und  Steinen  erbauten  gallischen  Mauern  entwirft»  oder  aus  den  Abbildun- 
gen der  dacischen  Festen,  welche  uns  die  Trajanssäule  erhalten  hat,  sowie  aus  den 
Resultaten,  welche  diese  Bauweise  in  den  Glashurgen  und  Schlackenwällen  Schott- 
Janda,  Böhmens  und  anderwärts^  so  auch  in  KirnfiBcbbach  an  der  Nahe  hinter- 
lassen  bat. 

Es  wurde  endlich  noch  die  gleichfalls  durch  übergreifende  Walläste  mit  dem 
Zwinger  verbundene  UmwaJlung  auf  der  Sudwestseite  überschaut,  die  sich  als  Pferge 
für  das  geflüchtete  Vieh  zum  quellenreichen  Thal  hinabstreckt*  Es  wurde  daran 
erinnert,  wie  noch  bei  der  Belagerung  von  Königslein  1796  die  Bewohner  ihre 
Schweine  hier  untergebracht  haben. 

(17)  Hn  Dr.  Everett  in  Washington  übersendet  Studien  über  Indianer- 
Sprachen  von  West- Oregon  in  i'orm  eines  autographirten  Heftes.  Der  Vor- 
sitzende spricht  den  Dank  der  Gesellschaft  aus. 

(18)  Hr.  R.  W,  Cochran-Fatrick  übersendet  eine  Einladung  zur  Subscrip- 
tion  auf  ein  Werk:  A  descriptive  catalogue  of  the  Med  als  of  Scotland  from  the 
earliest  period  to  the  present  time,  nebst  einer  Frobe  der  Medaillen  auf  die  Konigin 
Maria  Stuart. 


(19)     Professor  A.  H,  Keane    in  London  schickt  Subscriptionseinladungen  für 
ein  neues  Werk;  A  Classification  of  the  races  of  mankind. 


(20)  Hr.  Schneider  in  Jicin  hat  Hrn.  Virchow  eine  Reihe  von  Kymnotypien 
der  in  seiner  Mitthoilung  vom  20.  Januar  (Verh.  S.  11 '3)  besprochenen  böhmischen 
Funde  zugehen  lassen,  welche  die  Brauchbarkeit  dieses  sehr  billigen  Verfahrens 
vortrefflich  erläutern. 


(357) 

(21)  Br.  Nebring  spricht  über  einige  nacbtraglicb  an  der  Stätte  des  Span- 
dauer Bronzefundes  zum  Yorscbein  gekommene 

menaohliche  und  thieriaohe  Re8te. 

Bekanntlich  ^urde  im  Sommer  1881  bei  Spandau,  als  man  das  Fundament  zu 
einem  Pulvermagazin  ausschachtete,  ein  sehr  merkwürdiger  und  umfassender  Fund 
von  BroDzesachen,  sowie  von  menschlichen  und  tbierischen  Resten  an  das  Tages- 
licht befördert.  Die  betreffenden  Objecte  sind  in  unserer  Gesellschaft  mehrfach  ein- 
gehend besprochen  worden;  sie  werden  in  der  ethnographischen  Abtheilung  des 
Konigl.  Museums  hierselbst  aufbewahrt'). 

Als  man  kürzlich  die  im  Sommer  1881  ausgeschachteten  Bodenmassen  wieder 
umtransportirte,  wurden  dieselben  in  der  Hoffnung,  noch  einige  übersehene  Bronze- 
sachen  zu  finden,  sehr  genau  durchgesehen,  und  es  fanden  sich  bei  dieser  Gelegen- 
heit einige  menschliche  und  thierische  Reste,  welche  offenbar  zu  dem  früheren 
Funde  gehören.  Auf  Veranlassung  des  Herrn  Oberstabsarzt  Dr.  Vater  reiste  ich 
nach  Spandau,  um  jene  Reste  zu  untersuchen.  Durch  die  Freundlichkeit  des  Herrn 
Ingenieur  vom  Platz,  Major  Uhl,  welcher  dieselben  sorgfaltig  gesammelt  und  in 
seinem  Bureau  vorläufig  (bis  zur  Ueberweisung  an  das  Königl.  Museum)  unter- 
gebracht hatte,  wurde  ich  in  die  angenehme  Lage  versetzt,  eine  sorgfaltige  Messung 
der  einzelnen  Fundstücke,  zumal  der  thierischen  Reste,  gleich  an  Ort  und  Stelle 
ausführen  zu  können. 

1.  Homo  sapiens.  Ein  schön  erhaltener,  kräftig  gebildeter  Unterkiefer,  ein 
vollständiger  Humerus  (345  mm  lang,  grösste  Breite  des  unteren  Gelenktheils  64  mm\ 
1  Clavicula  (160  mm  lang)  2  vollständige,  zusammengehörige  ülnae  (297  mm  lang), 
1  Beckenhälfte  von  männlicher  Form,  1  ziemlich  platjknemisch  gebildete,  oben 
lädirte  Tibia  (382  mm  lang,  ursprünglch  etwa  395—400  mm  lang)  und  1  Lenden- 
wirbel. —  Alle  diese  Skelettheile  haben  eine  sehr  dunkle  Färbung,  zeigen  einen 
gleichartigen  Erhaltungszustand  und  gehören  wahrscheinlich  demselben  Individuum, 
dessen  Oberschädel  1881  zusammen  mit  den  Brouzesachen  gefunden  wurde.  — 
Ein  Stück  von  der  Hirnschale  eines  zweiten  Schädels,  welches  mir  vorlag,  sieht 
viel  jünger  aus,  als  die  oben  erwähnten  Reste;  es  muss  deshalb  von  denselben  ge- 
trennt werden. 

2.  Canisfa miliaris.  Sehr  interessant  sind  einige  Hundereste,  welche  ver- 
mutblich  zu  dem  früher  gefundenen  Oberschädel  gehören.  Es  sind  2  zusammen- 
gehörige Femora,  2  zusammengehörige  Tibiae,  1  Humerus  und  1  Radius.  Den 
Grössenverhältnissen  nach  steht  dieser  prähistorische  Haushund  von  Spandau  in 
der  Mitte  zwischen  Canis  palustris  Rüt.  und  Canis  matris  optimae  Jeitt.  Indem 
ich  mir  eine  genauere  Beschreibung  und  Vergleichung  vorbehalte,  gebe  ich  hier 
nur  einige  vergleichende  Messungen,  wobei  ich  den  früher  gefundenen  Oberschädel 
mitberücksichtige. 

Aus  umstehender  Tabelle  ergiebt  sich,  dass  der  Haushund  des  Bronzefundes 
von  Spandau  der  Grösse  nach  in  der  Mitte  zwischen  dem  Canis  palustris  Rut  und 
dem  Canis  matris  optimae  Jeitt.  steht;  er  dürfte  sich  dem  Canis  intermedius 
ViToldr.  am  meisten  nähern*). 


1)  Vergl.  diese  Verhandlungen  1882,  p.  371  ff.  und  381  ff. 

2)  Man  ver((leiche  übrigens  die  kürzlich  erschienene,  ausgezeichnete  Aifoeit  von  Prof. 
St  ad  er  über  ,die  Tbierwelt  in  den  Pfahlbauten  des  Bieler-See's*  (S.-A.  aas  den  Mittb.  der 
Bemer  naturf.  Ges.  1883),  sowie  die  interessante  Publication  des  Director  Wiepken  ober 
„Säugetbiere  der  Vorzeit'',  Oldenburg  1888. 


(358) 


a  a  s  8  e 


Caois  matris    Cania  famil. 
optima«  JeittCintermediua?) 


Cania  pala- 

atris  Rot. 

Roben- 
AlTe«e')  Spandau  i,,,,^^ 


1.  Scheitell&Dge  des  Schädels  (f^öute  Länge)    . 

2.  Baailarlinge  des  Schädels 

3.  Gröiste  Breite  an  den  Jochbogen 

4  Länge  dea  harten  Gaumens 

5.  Oroaste  Breite  des  Oberkiefers  Tom  AWeolar- 
rand 

6.  Breite  der  Schnauze  an  den  Eckzähnen .    .    . 

7.  Länge  dea  Unterkiefers 

8.  ,       der  unteren  Backzahnreihe     .    .    .    . 

9.  ,       des  Humerus 

10.  ,  der  ülna 

11.  «  des  Radius 

12.  ,  dea  Femur 

13.  ,  der  Tibia 


205 

173 

180 

152 

106^ 

97^ 

101 

1     ^ 

62 

'    56 

35 

32 

152 

p 

77 

V 

— 

1    164 

210 

1    — 

— 

i  170-171 

193 

180-181 

202 

;  190-191 

150 

131 

83 

76 

52 

29 

110 

61 


148 


NB.l   Die  Maasse  sind  in  Millimetern  ansgedrnckt 

(Uebrigens  hat  sich  nach  meiner  Anwesenheit  in  Spandau  noch  ein  einzelner 
Unterkiefer  eines  Hundes  gefunden,  welcher  für  den  oben  beschriebenen  Ober- 
scbädel  zu  gross  ist  und  offenbar  einer  grösseren  Rasse  oder  doch  einem  grosseren 
Individuum  angehört.  Ich  konnte  ihn  noch  nicht  genau  messen;  doch  schien  er 
mir  dem  Augenmaasse  nach  etwa  so  gross,  wie  der  Unterkiefer  von  Canis  matris 
optimae  zu  sein.) 

Wenn  man  den  Caois  matris  optimae  Jeitt.  als  charakteristischen  Hund  der 
Bronzezeit,  den  Caois  palustris  Rüt.  als  charakteristischen  Huod  der  Steinzeit  an- 
sieht, so  ist  das  wohl  im  Allgemeinen  richtig;  doch  darf  man  dieses  nicht  zu 
strict  nehmen.  So  z.  B.  ist  das  oben  erwähnte  Exemplar  von  Caois  matris  optimae 
in  dem  Moore  von  Alvesse  nicht  zusammen  mit  Bronzesachen,  sondern  mit  neolithi- 
schen  Steioinstrumenten  gefunden  worden. 

3.  Equuscaballus.  Vertreten  durch  eine  wohlerhaltene  Tibia  von  bedeu- 
tender Grösse;  dieselbe  hat  eine  grösste  Länge  von  400  mm,  am  oberen  Gelenk 
eine  transversale  Breite  von  103,  am  unteren  Gelenktheil  von  84  mm.  Diese  Dimen- 
sionen beweisen,  dass  es  sich  hier  um  ein  grosses  schweres  Pferd  handelt, 
welches  von  der  früher  gefundenen  kleinen  und  zierlichen  Rasse  wesentlich  ver- 
schieden war;  die  Tibia  dieses  kleinen  Pferdes  weist  nämlich  für  die  obigen  Dimen- 
sionen nur  folgende  Zahlen  auf:  311,  resp.  80  und  60.  —  Da  die  grosse  Tibia 
denselben  Erhaltungszustand  zeigt,  wie  die  Reste  des  kleinen  Pferdes,  so  scheinen 
beide  Rassen  nebeneinander  existirt  zu  haben.    Wie  ich  in  einer  ausführlichen  Ar- 


1)  Dieser  Schädel  stammt  aus  dem  südwestlich  von  Braunschweig,  bei  dem  Dorfe  Al- 
vesse gelegenen  Torfmoore;  der  verstorbene  Jeitteles,  dem  ich  ihn  früher  einmal  zusandte, 
erklärte  ihn  für  ein  typisches  Exemplar  des  Canis  matris  optimae.  Er  gehört  jetzt  der  zool. 
Samml.  d.  landw.  Hochscbnie. 

2)  Zool.  Samml.  d.  landw.  Hochschule,  aus  der  v.  Nathosius^schen  CollecUon. 


(869) 

beit  zu  beweisen  ho£Pe,  ist  das  schwere  Pferd  vom  Diluvialpferde  abzuleiteo,  wäh- 
rend das  in  der  Bronzezeit  weitverbreitete  kleine  Pferd  meist  orientalischen  Ur- 
sprungs zu  sein  scheint 

4.  Bos  tauius.  Vertreten  durch  einen  juvenilen  Unterkiefer  mit  Milch- 
gebiss,  dessen  Milch-Backenzähne  etwa  58  mm  lang  sind. 

5.  Capra  hircus?  Eine  Ziege  oder  ein  ziegenähnliches  Schaf  ist  angedeutet 
durch  einen  ausgewachsenen,  sehr  zierlichen  Metatarsus;  die  grösste  Länge  desselben 
beträgt  126  mm,  das  obere  Gelenk  hat  eine  transversale  Breite  von  16,  das  untere 
von  18  mm,  der  Umfang  des  Knochens  in  der  Mitte  der  Diaphjse  beträgt  30  mm, 

6.  Ovis  aries.  Ein  zweiter  Metatarsus,  welcher  viel  plumper  gestaltet  ist 
und  von  einem  nicht  völlig  ausgewachsenen  Thiere  herriihrt,  gehört  einem  Schafe 
an,  welches  mit  der  kürzlich  von  S  tu  der  beschriebenen,  plumperen  Schafrasse 
des  Bieler-See's  übereinzustimmen  scheint.  Die  obengenannten  Maasse  betragen 
hier  resp.  113,  19,  22,  38  mm,  also  fast  genau  so  viel,  wie  die  von  Studer  a.  a.  0. 
S.  73  angeführten. 

7.  Cervus  capreolus.  Das  Reh  wird  durch  mehrere,  sicher  bestimmbare 
Reste  repräsentirt. 

8.  Sus  (palustris?  Rüt).  Eine  kleine  Art,  resp.  Rasse  von  Schweinen  wird 
durch  ein  Schädelfragment,  1  Scapula,  1  Humerus,  1  Femur,  1  Tibia  angedeutet. 
Das  wohlerbaltene,  einem  ausgewachsenen  Individuum  angehörende  Femur  hat  eine 
grösste  Länge  von  166  mm;  vom  Condylus  ab  gerechnet  misst  es  nur  162  mm, 

9.  Cjgnus  sp.  Ein  Schwan  wird  durch  zwei  zusammengehörige,  280  mm 
lange  Humen  angedeutet;  ferner 

10.  Anas  sp.  durch  einen  87  mm  langen  Bumerus^). 

Unter  Berücksichtigung  der  früher  bereits  von  mir  constatirten  Thierarten  be- 
steht die  Fauna  des  Spandauer  Pfahlbaus  aus  folgenden  Species: 

1.  Ursus  arctos. 

2.  Canis  familiaris,  in  zwei  Formen,  von  denen  die  eine  in  der  Mitte  zwischen 
C.  palustris  Rüt.  und  C.  matr.  opt.  Jeitt.  steht,  die  zweite  dem  letzteren 
sehr  nahe  steht. 

3.  Sus  scrofa  ferus. 

4.  Sus  sp.  domest.  (palustris?). 

5.  Equus  caballus.     Schwere  Rasse. 

6.  ^  jf  Kleine,  zierliche  Rasse. 

7.  Bos  sp.     Eine  grosse,  wahrscheinlich  wilde  Art 

8.  „     „       Eine  kleinere,  wahrscheinlich  zahme  Art 

9.  Capra  hircus?  oder  ein  ziegenähnliches  Schaf. 

10.  Ovis  aries. 

11.  Cervus  claphus. 

12.  „       capreolus. 

13.  Lepus  timidus. 

14.  Cygnus  sp. 

15.  Anas  sp. 

Hiernach  ist  die  früher  von  mir  mitgetheilte  Speciesliste  (1882,  S.  381  £F.) 
zu  vervollständigen. 


1)  Ausserdem  ist  der  Hamems  einer  grossen  plumpen  Höhnerart  gefunden.  Derselbe 
siebt  aber  viel  recenter  aus  als  die  übrigen  Reste  und  ist  deshalb  hier  nicht  mit  berück- 
sichtigt, zumal  er  seiner  Form  nach  mit  dem  Humerus  eines  Puters  flbereinstimmt 


(seo) 

(22)   Hr.  Ed.  Krause  bespricht 

die  ErhaltvDg  von  Gold-  and  HolzsaoheiL 

Derselbe  tbeilt  mit,  dass  seiae  Annahme,  auch  Gold  werde  im  Erdboden  von 
den  Chloriden  angegriffen  (Verb.  1882.  S.  537),  sich  als  richtig  bewahrt  hat, 
da  die  angestellten  Versuche  in  den  braunen  Flecken  und  sonstigen  anhaftenden 
Theilen  auf  Goldalterthümern  aus  dem  südlichen  Baden,  sowie  auf  denen  des 
Vettersfelder  Goldfundes  (Verb.  1883.  S.  129)  xur  Evidenz  das  Vorhandensein 
von  Chlor  erwiesen.  Ebenso  zeigten  sich  die  Krusten  von  fünf  alten  Blei  münzen, 
(an  verschiedenen  Orten  ausgegraben),  welche  das  Königl.  Münzcabinet  gütigst  xur 
Verfügung  stellte,  als  sehr  stark  chlorhaltig. 

Derselbe  berichtet  über  ein  von  ihm  seit  mehr  als  drei  Jahren  im  Königl. 
Museum  mit  bestem  Erfolge  angewendetes  Verfahren  zur  Conservirung  von  Holz- 
alterthümem.  Die  Beobachtung,  dass  Holzarbeiter  (Tischler,  Fournierschn eider  etc.) 
die  Hirnenden  (Querschnitte  senkrecht  gegen  die  Äxe)  der  Hölzer  mit  Papier  ver- 
leimen, um  so  die  Bildung  radialer  Spalten  (sog.  Windrisse)  zu  verhindern,  führte 
ihn  auf  seine  Conservirungsmethode.  Das  Verhindern  der  Entstehung  von  Wind- 
rissen durch  Verleimen  der  Hirnflächen  ist  durch  den  Umstand  zu  erklären,  dass 
die  Ausdünstung,  in  Folge  der  Hauptstromes  der  Exosmose  und  Endosmose, 
sowie  in  Folge  der  Lage  der  Intercellularkanäle,  in  der  axialen  Richtung  am 
stärksten  stattfindet,  in  weit  geringerem  Grade  in  der  Radialrichtung.  Daraus 
folgt,  dass,  wenn  die  Ausdünstung  an  den  Hirnenden  gehemmt  wird,  ein  viel 
langsameres  und  gleichmassigeres  Trocknen  der  Hölzer  erzielt  wird,  und  dass 
namentlich  die  äusseren  Schichten  nicht,  wie  bei  freiem  Ausdünsten,  nach  jeder 
Richtung  hin  zuerst  schwinden  und  dadurch  nach  Innen  sich  nach  und  nach  weiter 
fortsetzende  Spalten  (Windrisse)  l>ekommen,  sondern  durch  die  in  radialer  Rich- 
tung erfolgende  Verdunstung  einen  gewissen  Grad  von  Feuchtigkeit  behalten,  bis 
auch  der  Kern  trocken  ist  und  dadurch  vor  dem  Reissen  geschütz'  irird,  da  der 
Kern  zugleich  mit  den  äusseren  Schichten  austrocknet  und  schwindet. 

Das  zur  Conservirung  ausgegrabener  Holzgegenstände  angewendete  Verfahren 
ist  nun  folgendes:  Die  Objecte  werden  sobald  als  thunlich,  womöglich  sofort  nach 
der  Ausgrabung,  mit  einer  mindestens  zolldicken  Lage  Langstroh  (oder  ahnlichem 
Material),  das  der  Längsrichtung  parallel  an  das  Holz  gelegt  wird,  mittelst  Bind- 
faden dicht  umhüllt,  um  das  schnelle  Austrocknen  zu  verhüten;  dann  werden  die 
Hirnenden  mit  einem  Gemisch  aus  gleichen  Theilen  von  käuflichem  Fimiss  und 
Petroleum  getränkt.  Dieses  Gemenge  muss  vor  dem  Gebrauch  stets  frisch  zubereitet 
werden,  da  der  Firniss  sich  nicht  Tollständig  im  Petroleum  auflöst,  sondern  nur 
aufschwemmt  und  bei  längerem  Stehen  einen  starken,  in  Petroleum  unlöslichen, 
gallertartigen  Bodensatz  absondert.  Die  Objecte  sind  in  der  ersten  Zeit  der  Be- 
handlung vor  Zugluft  möglichst  zu  schützen  und  an  einem  trockenen,  aber  kühlen 
Ort  aufzubewahren.  In  Zwischenräumen  von  je  acht  bis  vierzehn  Tagen  wird  die 
Tränkung  mehrmals  wiederholt  und  je  nach  Erfordemiss  das  Stroh  nach  einigen 
Wochen  entfernt,  statt  seiner  aber  zuerst  ein  leichter,  später  stärkerer  Anstrich  nut 
obigem  Gemisch  gegeben,  unter  gleichzeitiger  starker  Tränkung  der  Hirnenden, 
die  schliesslich  durch  Aufgiessen  geschehen  kann,  oder  durch  Einsetzen  der  Enden 
der  Objecte  in  ein  mit  dem  Gemisch  gefülltes  Gefass.  Hauptsache  ist  die  mög- 
lichst oft  wiederholte  Tränkung  der  Himenden,  sowie  recht  langsames  Austrocknen. 
Wenn  das  Verfahren  auch  etwas  langwierig  ist,  so  ist  es  doch,  im  Verhältnis»,  zu 
dem  zu  erzielenden  Erfolge,  wenig  umständlich.  Vor  mehr  als  drei  Jahren  der- 
artig behandelte  grosse,  sehr  poröse  und  jetzt  sehr  leichte  Gegenstände  (von  denen 


eiDige  Torgelegt  wurden)  haben  in  dieser  Zeit  ibr  AussebeD  absolut  Dicht  verändert, 
Doch  Windrisse  bekommen. 

Auch  für  ethnologische  Hohobjecte,  welche  von  Insekten  (Bohrkäferu  etc.) 
aufs  Aergste  niitgenommen  waren,  hat  sich  das  Gemisch  zur  Tränkung  bestens 
bewährt.  Es  tödtet  die  jerstörenden  Insekten  und  giebt  dem  sebr  mürben,  wurm- 
frassigeo  Hok  beim  Trocknen  neue  Festigkeit, 

(23)     Hr.  E.  Krause  macht  Mittheilungeo  über 

trape zfö rml g e  Feu e rst e I na ch erben . 

DeTselbe  legt  einige  trapezförmige  prismatische  Feuersteinmessercben  vor,  deren 
nicht  parallele  Endseiteo  durch  Absplitterung  vermittelst  Quetschens  absichtlich 
stumpf  gemacht  sind, 

Herr  v.  Meresclkowski  machte  vor  zwei  Jahren  bei  Vorlage  seiner  in  der 
Krim  ausgegrabenen  Stt^iugerätbe  {Verb,  1881  S*  36),  auch  iu  seiner,  leider  russisch 
geschriebenen  Broschüre  über  die  Krim  (Petersburg  1880)  auf  Taf.  IV  ganz  besou* 
ders  auf  diese  Messerchen  aufmerksam  uml  sprach  die  Vermutbung  aus,  dass  diese 
Geräthe  der  Krim  eigeüthüralich  seien.  Dies  gab  mir  Veranlassung,  bei  meinen 
Excursionen  ganz  besonders  auf  die  kleinen  Splitter  und  Messerchen  zu  achten, 
und  ich  bin  beute  in  der  Lage,  vier  Exemplare  trapezförmiger  Messerchen  vor- 
legen zu  können  von  drei  verschiedenen  Fundorten 
aus  nächster  Nähe  Berlins,  nämlich  zwei  von  dem 
bekannten  Reinickendorf-Rosenthaler  ürnenfelde, 
eines  von  Schmockwitz  und  eines  von  Picheisdorf* 
Letztere  beiden  Fundstellen  sind  anscheinend  Werk-  ' 
stitten  von  Feuersteingeräthen.  Die  Annahme  v.  Mereschkowski's  dürfle  also 
hinfällig  sein,  umsomehr,  als  mir  heute  vor  der  Sitzung  durch  Freiherrn  von  Ram- 
berg  mitgetheilt  wnrde,  dasö  diese  trapezforndgen  Messerchen  auch  auf  dem 
Ürnenfelde  von  KL  Ladebow  bei  Greifswald  (cf.  Verb.  1883  ö.  127)  vorkommen, 
80  dass  sie  also  weit  verbreitet  zu  sein  scheinen.  — 

Hr.  Virchow:  Hr.  v.  Me  reschkowski,  der  vor  einigen  Monaten  nach  langer 
Abwesenheit  auf  der  Rückkehr  nach  St  Petersburg  Berlin  wiederum  passirte,  hat 
sieb  inzwischen  schon  selbst  von  seinem  Irrthnui  überzeugt.  In  der  That  bat 
Hr.  Chierici  (Bulletino  di  paletnoh>gia  italiana.  ]^15.  Anno  L  p  ä,  Tav.  L  Fig.  10 
— 16}  diese,  von  ihm  selci  romboidali  genannten  Feuerstein-Manufakte  ausführlich 
beschrieben.  Er  erwähnt  sie  von  Albinea  und  Rivaltella  aus  der  Etnilia,  wo  sie 
in  Wohngruben  (fondi  d  icapanne)  getroffen  waren,  und  von  der  Valie  della  Vibrata, 
wo  ConcezioHosa  sie  gesammelt  hatte.  Bald  nachher  haben  Hr.  Casini  (Ebcndas. 
p,  141)  und  Hr,  Aogelo  Äogelucci  (Ebendas.  1870  Anno  IL  p.  3),  ersterer  von 
BeUiiria  bei  Bazzano,  letzterer  von  Lesina  in  der  Capitanata  weitere  Beispiele  bei- 
gebracht. Ich  habe  deren  auf  meiner  letzten  Reise,  sowohl  bei  Hrn,  Chierici  in 
Reggio,  als  bei  Hrn.  Angel ucci  im  Artillerie-Museum  zu  Turin  gesehen.  —  Hr. 
Chierici  hat  schon  in  seiner  ersten  Mittbeilung  die  Vermutbung  aufgestellt,  dass 
derartige  rhomboidale  und  trapezoidale  Feuersteinscherben  in  derselben  Art  ge- 
braucht seien,  wie  noch  jetzt  die  WÜdeo  in  Australien  ihre  Lanzen  mit  scharfen 
Steinsplittern  besetzen.  Da  bei  uns  einige  solche  Geräthe  aus  prähistorischen  Fund- 
stätten existiren,  so  würde  es  von  Interesse  sein  zu  erfahren,  ob  in  der  That  die 
daran  befindlichen  Stücke  dieselbe  Form  besitzen.  Meiner  Erinnerung  nach  wage 
ich  dies  nicht  bestimmt  zu  behaupten.  — 

Hr.  £.  Friede  1:    Unter  den  dünnen  flachen  mess  erklingen  formigen  Feuerstein- 


idmeiden,  weldie  nameoüicli  maf  Mgeuftooteo  FabrikatiDDMtitleii  ▼orkocniDeD,  Ukot 
mao  woLJ,  ein«  dreifache  Sooderung  xörzunehmen: 

L    Die  eioe  Gruppe    enüitillt    sich  bei    scbärferer  VergletcbuDg  als  FrtgmeDte 
liogerer  Feoersteioftpäbiie,    die    durch    das  Treteo   der  Füsse  noch  jeUt  leicht  zer- 
hrecheo  und  mitafiter  dann  ein  Ätissehea    gewinoer»  kciDoeo,    das  ao  Gruppe  3  er- 
iöoert.     In    diese  Gmpp**    recbae   ich    wenigstens    einen    der  FlintEplitter,    weJcherJ 
mit    einem    ßronzedoppelknopf   und    kleinen    ßranzefragmenten    auf    ein    TafeJcfaeiil 
gezogen,  durch  Hro,  £du;ird  Krause    aU    von  dem    bekaDoteo  (lo    meiner  Schrift 
^VorgeftcbichtJicbe  Funde  aus  Berlin  und  Dmgegend%  Berlin  1880,  S.  41— 43^  erwalm- i 
teo)  Graberfeld  bei  Reinickendorf  und  Schönfaolz,  Krei«»  Nieder-Bamim  heut  Torgcwie 
seil  wurde.     Die  §eitHchen   Bruchflachen  dieser  verstümmelten  Manofacte,  auch  di^ 
Befestigungsfläcben,  sind  anders  als  bei  den  querschneidigen  PfeiUpitzen  (Gruppe  3) 

2*    Die  zweite  Gruppe  habe  ich    in    einem  Aufsatz:    Deber  Knocbenpfeile  auf 
Deutschland,  Archiv  für  Anthropologie  ?,  Bniunschweig  1872,   S,  433,  bereits  aufl 
föhrlicb  erörtert     Es    gehören    hierher   schmale  d.  h.  in  der  Regel  höchstens  1  eiü^ 
breite  dünne  Splitterchen,  die  mindestens  eine  scharfe  Schneide  haben.     Dieselben 
sind    als    Schneiden    oder   als   Widerhaken,    mitunter    schrotsägenformig,    in    eine 
knöchernen    oder    hölzernen    Schaff,    der    dazu    eine    geeignete  Rinne   besitzt,  ein-^ 
gekittet  und  haben  theils  die  Schneidigkeit,    theils    —  durch  das  leichte  Aus-  und 
Abbrechen  der  Splittereben  — ^  die  Gefährlichkeit  der  mit  dem  Bogen  geschosseneib  j 
Pfeile  oder  mit  der  Hand  geschleuderten,  unten  befiedert  zu  denkenden,  Wurfpfeü« 
beträchtlich  erhöht.    Ich  habe  an  der  bezeichneten  Stelle  mehrere  Beispiele  von  weh 
erhaltenen  vorgeschichtlichen  Exemplaren  angeführt  und  fuge    hinzu,    dass  bei  den" 
Eskimos  und  bei  verschiedenen  Südsecinsulanern,  auch  bei  den  Neuhollandern,  der- 
gleichen mit  scharfen  Steiosplittern    ausgelegte  Geschosse  noch   jetzt    benutzt  wer- 
den, sowie,  dass  sie,  unter  Benutzung  von  Obstdian,  bei  den  alten  Mexikanern  ge* 
wöbnlich  waren*     Letztere  haben    sogar    förmliche,    von  Obsidiansp littern  starrende 
zweischneidige  Schwerter  in  ähnlicher  Weise  hergestellt. 

3.    Die  dritte  Gruppe  umfasst  die  noch  wenig  beachteten  qnerschneidigen  Pfeil- 
spitzen,  von    denen  ein  Exemplar,    aus    der    erwähnten   Reinickendorfer  Fundslell« 
stammend,    durch  Hrn,  Krause   heut  vorgelegt    worden  ist.     Mehrere  dergK  quer-J 
schneidige  Feuerstei tipfeil !!*pitzen  habe  ich  auf    der   vom  Freiherrn  von  Ramberg^l 
S.  127  flg    der  diesjährigen  Mittheilungen  erwähnten  Fundstelle  von  Klein-Ladebow 
bei  Greifswald  gefunden,    auch  bereits  im  Jahre  1881   ein  Exemplar  zur  baltischen 
Fiecberei* Ausstellung  vorgelegt    VergL  E.  Friedel:  Erläuterungen  zu  einer  Samm- 
lung urgeschichtHclier    und    vorgescbichtl icher  Gegenstande  aus   der  Omgegend  voii. 
Greifswalii.    Greifswald   1881   und  Catalog,  B-  II,  Nr.  G623  des  Märkischen  Museuros. 

In  letzterem  linden  sich  mehrere  querschneidige  Feuersteinpfeile,  z.  B.  von  mir  auf 
dem  Cladower  Saudwerder  iii  der  Havel  westlich  von  Spaüdaii  gefunden,  Nr.  2920 
des  Gatalogs,  beschrieben  in  den  erwähnten  „Vorgeschichtlichen  Funden **  S.  59. 

Abgebildet  und  erwähnt  werden  diese  merkwürdigen  Geschosse  als  »quer- 
gescharfte  Pfeilspitzen  in  Nilsson's  Steinalter  des  Scandinavischen  Nordens,  Ham- 
burg 1868,  Fig.  36  u.  37,  dgl.  266—268. 

Bei  oberflächlicher  Betrachtung  können  dergl,  querschneidige  Pfeile  mit  den 
Flintsteinen  von  Feuersteinschloss-,  ßatterieschloss-  und  Radschloss-Gewehren,  na- 
mentlich von  dergl,  Pistolen,  verwechselt  werden/)     Allein    abgesehen  davon,    dasei 


1)  Auch  mit  den  Bogen.  SchuBsfeueneugen^  welche,  ähnlich  wie  Pistolen  conalrttirt,  von 
etwa  der  Mitte  des  vorigen  bis  in  den  Anfiing  dieses  Jahrhunderts  hinein  im  Gebrauch  waren« 
Vgt  die  vielen  im  Mark,  Museum  vurhaiuieuen  Exemplare. 


(368) 

zur  Armlrung  dieser  Feuerschlosser  meist  der  honiggelbe  Feuerstein  der  ChampagDe, 
weDigstena  auf  dem  europaisclieii  Conti neot,  verwandt  worden  ist,  verjüngen  sich 
die  qtierdchnekligen  Pfeilspitzen  mit  dem  hinteren,  lu  den  Pfeil-Schaft  gehörigen 
Ende  mehr,  alä  die  Feuerschlosssteiöe,  Endlich  kann  von  einem  Zweifel  an  der 
Benutzung  der  Querschneiden  zu  Pfeilspitzen  gar  keine  Rede  mehr  sein,  wenn 
man  die  gar  nicht  selten  aus  altaegyptischen  Gräbern  mit  Schäftung  und  ße- 
featiguDg  vorhanilenen  vollständigen  Pfi'üe  vergleicht  Evans^  The  ancient  stone 
implements  of  Great  Britaiii,  Lond<^n  1872,  bildet  einen  solchen  vollständig  moo- 
ttrten  Pfeil  in  Fig.  272  ab.  Die  lipfestigung  ist  mit  EnJpech  hergestellt  (p.  320). 
Zwei  querschneidige  Pfeile  bildet  Madsen  in  seinem  vortrefflichen  Bilderwerk  über 
die  däüische  Steinzeit  ab,  Afbihlniger,  pl,  XXII,  18  ii,  19.  Nr.  V}  beschreibt  Mad- 
sen als  ein  Flintinstrumeot,  mit  Bast  ao  einem  hohernen  Schaft  befestigt,  im  Torf 
bei  Visseuberg  nahe  Odense  auf  Fönen  gefunden.  Sonderbarer  und  falschlicher 
Weisse  hält  Madsen  sie  für  meisselartige  Werkzeuge. 

FLg.  342  bildet  Evans  a.  a.  0.  p,  352  einen  grossen  querschneidigen  Pfeil  von 
ürquhart  in  Schottland  ab,  die  Schneide  18  mm  breit,  die  beiden  schrägen  Seiten 
37  und  35  mm  und  die  schmälste  Seite  7  vtm  breit.  Aehnliche  sind  von  Suflfolk 
und  Yorkshire  bekannt.  Evans  fand  in  einem  der  Dolmen  auf  dem  Plateau 
von  Thorus  nahe  Potiera  einen  der  kleineren  Art,  andere  sind  von  Pontlevoq  aus 
der  Bretagne  und  anderen  Theilen  Frankreichs,  ebenso  aus  Mittelitalien  (aus  der 
Emilia)  und  aus  SQditalien  bekannt.  Einen  kleinen  querschneidigen  Pfeil  besitzt 
das  Britische  Museum  von  St   Clement^  losei  Jersey. 

Mitunter  sind  die  Schneiden  dieser  Pfeilspitzen  concav,  ja  geradezu  dem  tür- 
kiseben Mt»nd  ähnlich.  Dergl,  sind  aus  Nord-,  Mittel-  und  Südamerika,  wo  über- 
haupt querschneidige  Steinpfeile  nicht  rar  sind,  bekanDt 

Kaiser  Comtnodus  (nach  Herodia n  lib.  L  c.  15)  pflegte  mit  ähnlichen  halbmond- 
förmigen Pfeilen  von  Eisen  Strausse  im  vollen  Latif  ^  um  seine  Geschicklichkeit 
zu  zeigen  —  auf  der  Arena  zu  schiessen. 

Während  des  ganzen  Mittelalters  scboss  man  aus  Bogen,  später  aus  Armbrüsten 
dergleichen  Pfeile,  bezit*hvntlicb  Bolzen.  Aus  Persien  sind  ebensolche  Eisenpfeil- 
spitzen nicht  minder  bekannt  Dem  min,  Waffen  künde,  Leipzig  I8i>9,  bildet  der- 
gleichen Pfedspiizen  8.4*34,  Kig.  22-25,  entsprechende  BoUi-n  S.  506,  Fig.  27  und 
28  ab.  Originale  siüd  in  allen  grosseren  Sammlungen,  2,  B.  im  Berüaer  Zeughaus 
und  im   Märkischen  Museum  vorhanden. 

Noch  jetzt  werden  die  querschneidigen  Geschosse  von  den  Wal  fischfängern  an 
den  Harpunen  benutzt,  Hr.  Heins,  der  seine,  nach  Schleswig  gekommene  reich- 
haltige Sammlung  von  Fischereigerat hen  im  Jahre  1873  in  Berlin  auf  der  all- 
gemeinen Fischerei-Ausstellung  aufgestellt  hatte,  versicherte  mir,  dass  er  derartige 
Harpunen  beim  Walfiacbfang  selbst  verwendet  habe  und  dass  der  Zweck  der  Quer- 
schneide  sei,  starkblutende  Wunden,  thunlichst  unter  Verletzung  von  Arterien,  her- 
vorzurufen; mit  gewöhnlichen  dreikantigeu  Pfeil-  und  Lanzenspitzen  sei  dies  nicht 
Bo  leicht  zu  erreichen. 

Hiermit  haben  wir  wohl  auch  die  Absicht  erklärt,  welche  dem  Gebrauch  der 
querschneidigen  Feuerstein- Pfeilspitzen  zu  Grunde  gelegen  hat 

Zu  einem  Vergleich  laden  endlich  die  Paalstav-Lanzenspitzen  ein,  jene  breit- 
schneidigen  Instrumente,  welche  mit  kleinen  Aexten  Aeholichkeit  haben,  aber  nicht 
immer  als  Aexte  an  knieförmigen  Hölzern,  sondern  mitunter  unleugbar  auch  an 
geraden  Lanzeuschäften  befestigt  gewesen  sind. 


($64) 


(24)  Hr  Vircliow  feigt 

Alterthumer  aus  Coloraifo,  ATI-  ititd  Neu-Mexioa. 

(Hierzu   Tufel   VI  . 

Hr  Dr.  Gtistav  Briiiil  in  CiaciDnati,  dessea  zuvorkommender  Freuodlichkeh 
leb  schon  eine  Reibe  der  interessantesten  ZusendiiDgen  verdanke,  bat  kOrxlich  eine 
Heise  durch  Colorado,  Neu-  und  Ah- Mexico  gemacht  und  auf  derselben  zahlreiche 
Alterthumer  gesammelt,  von  de  neu  er  mir  eine  Anzahl  von  Probea  bat  zugehen 
UaaeQ.  Du  er  im  näcbsteo  Winter  Yucatan  und  Söd-Mexico  zu  besuchen  gedeokt, 
80  glaube  ich  am  besten  seinen  Intentionen  zu  entsprecben,  wenn  ich  schon  jetzl 
durch  die  Vorlage  seiner  Proben  auf  die  Ergebnisse  der  neuen  Reise  vorbereite. 

Die  übersandten  Gegenstände  verlheileo  sich  auf  folgende  Orte: 

K  San  Juan  de  Teotibuaean,  50  km  NO  von  Mexico«  £&  ist  diea  jene  be- 
rühmte „Stadt  der  Gotter",  deren  Ruinen  noch  jetzt  einen  sehr  grossen  Raum  er- 
fallen  nnd  von  der  die  Pyramiden  des  Mondes  und  der  Sonne,  die  Citadelle  und 
die  Gräberstrasse  in  mäcbtigeD  Anlagen  erhalten  sind*).  Hr.  Brühl  berichtet 
speciell  über  eine  hübsche  Vase,  die  er  von  da  mitbrachte  (Taf,  VI,  Fig.  1).  Er 
schreibt  darüber: 

^öie  wurde  auf  der  Westsrite  des  Ruinenfeldes  in  einer  kleinen  Grotte  gefun- 
den, die  zu  einer  niedrigen  Pyramide  fuhrt  and  in  welcher  noch  ein  etwa  4*  hoher 
Altarstein  aus  ßasüllporpbyr  mit  einem  Sonoeubilde  (aber  ohne  herausbängeDde 
Zunge)  auf  der  Vorderseite  prangt,  ^-  das  einzige  wohlerhaltene  Bildwerk,  was  ich 
auf  der  weiten  Trümmerstätte  entdecken  koantc.  Die  Vase  besteht  aus  zwei  Thei- 
len,  dem  eigentlichen  Gefass,  bei  e  beginnend,  und  dem  Deckel  Ton  a  bis  ü 
Die  Höhe  derselben  incl.  Decke)  ist  18  engl.  Zoll,  die  Hohe  von  a  bis  b  (den 
Füssen  der  Figur)  5Vi*j  *Jer  Umfang  bei  c  -  13*\  bei  g  =  21'.  Das  Gefass  hat 
3  nicht  verzierte  Füsse;  bei  ff  ist  es  mit  II  und  bei  hh  mit  6  Köpfen  im  Umfang 
verziert  Es  hat  einen  metallischen  Klang  tind  bei  c  und  e  einen  eigen thümlichen 
Glanz,  so  dass  ich  glaubte,  es  sei  aus  Serpentin  gescbnitteo,  eine  geringe  Läsion 
bei  m  aber  hat  mich  ü tierzeugt,  dass  es  aus  hellrothem  Tbon  gebacken  ist;  doch 
ist  ihm  eine  blimUch  aschgraue  Färbung  gegeben» ** 

Ausserdem  finden  sich  in  der  Sendung  zahlreiche  Topfscberben^  ObBidian- 
stücke  und  Idole^  wie  Hr  Brühl  sagt,  ^von  den  Pyramiden*',  Was  die  ersteren 
betrifft,  so  sind  es  durchweg  aus  freier  Hand  geformte,  stark  gebrannte^  zum  Theil 
recht  dickwandige  Gefassscb erben,  welche  sich  durch  Schwere,  geglättete  Oberflficheii 
und  grobes,  nicht  besonders  mit  Gesteinsbrocken  gemengtes  Material  auszelchneo. 
Eines  ist  ein  Henkelstück.  An  zweien,  welche  durch  Dichtigkeit  des  Thones^  Dicke 
und  Schwere  besonders  bemerk enswerth  sind,  siebt  mau  Zonen  von  glänzend  bniunem 
Atisseben^  welche  offenbar  durch  Auftragurig  einer  Farbe  hervorgebracht  sind;  an 
einem  derselben  sind  die  braunen  Bänder  mit  eingeritzten  Linien  eingefasst^  [m 
Debrigen  scheint  die  Glättung  der  Oberfläche  durch  Reibung  hervorgebracht  zu 
sein,  denn  man  erkennt  deutlich  breitere  Züge,  welche  etwas  vertieft  liegen,  der 
Richtung  der  Polirstriche  en  (Sprech  end. 

Ausserdem  sind  ein  Paar  kleine  Thonschälchen  vorhanden,  von  denen  die  eine 
wie  eine  geoflbete  Blume  mit  4  Blättern  und  erhöhtem  Fruchtboden  gestaltet  ist, 
sowie  ein  abgebrochenes  Zierstück,  platt,  mit  einer  Federkrone  besetzt,  mit  schwar- 
zen Strichen  auf  rotb  und  weissem  Gründe, 


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1)  Hubert  Howe  Baucroft:  The  native  racea  uf  the  Pacific  State*  of  North  Atuenc«.' 
Leipiig,  1875.  Vol.  IV.  p,  529.  G.  MendojEu:  Las  Piratuidei  de  Teotihuacan,  Analem  del 
Museo  nacional  de  Mezico.  1878,  T.  L  Hotrega  4.  p.  186. 


(365;) 


Der  Obsidian  gehört  grossen theiJs  der  ganz  dtircfadchtigi^n.  glasartig  homo- 
genen,  an  dünoen  Stellen  gruDÜch braun  erscheioeDdeu  Varietät  ao;  nur  ein  Stuck 
hat  eiü  mtttes,  uodurchsiclitiges  Aysseheu,  Da  die  Minen  des  Cerrr»  de  las 
Navajas,  aus  (lenen  die  altou  Mexikaoer  den  Obsidian  genommen  haben  sollen*), 
nicht  weit  entfernt  sind,  so  erklärt  sich  der  von  allen  Besuchern  hervorgehobene 
Reichthura  des  Ruiueofeldes  an  stdchen  Stücken.  Die  liberaendeteu  sind  sämratlich 
geschlagen,  jedoch  der  Mehrzahl  nach  ohne  charakteristische  Form.  Das  beste 
Stück  ist  eine  nahezu  vollendete  Laüssenspitze  (Fig.  2)  von  47  mm  Länge  und 
32  mm  Basal  breite,  am  vorderen  Ende  zugespitzt,  an  den  Rändern  und  zum  Theil 
auf  der  Flache  durch  kleine  Absprengnngßflächen  zugerichtet  und  am  hinteren  Ende 
mit  einer  Andeutung  eines  Stiele*  versehen.  Ein  kleines  Stück  hat  mehr  die  Ge- 
stalt eines  Schabers.  Ein  grösseres  hat  eine  grosse  ebene  Grundfläche,  während  an 
der  anderen  Seite  zwei  grossere  und  eine  kleinere  Fläche  ihm  ein  eckiges  Aus- 
sehen geben. 

An  kleinen  Idolen  aus  Thon  hat  Teotihuacan  bekanntlich  einen  grossen 
Heichthum  und  schon  lange  wird  darüber  geklagt,  dass  die  Bewohner  der  Gegend 
eine  besondere  Indnatrie  in  Nachbildung  derselben  entfalten.  Von  den  vorliegen- 
den zeigen  viele  so  deutliche  Spuren  alter  Verletzung,  dass  an  ihrer  Originalität 
wohl  nicht  zu  zweifeln  ist*  Der  Thon  ist  durchweg  fein,  äusserlich  glatt  und  grau- 
roth  gebrannt.  Die  Mehrzahl  stellt  menschliche  Relief-Köpfe  mit  platter 
Hinterfläche  dar,  jedoch  lassen  sie  sich  leicht  in  mehrere  Gruppen  t heilen.  Einige 
stellen  offenbar  Gotter  vor;  sie  tragen  reich  verzierten  Kopfputz.  Eines  gleicht  in 
hohem  Maasse  dem  Kopfe  der  in  Fig.  1  al>gebildeten  Vase.  Ein  anderes  erinnert 
an  die  altagjptische  Götlerfigur  Seth.  —  Die  einfacheren,  durchweg  mit  ganz  glatter 
Kopfschwarte  dargestellten  Kopfe  unterscheiden  sich  dadurch,  dass  in  der  einen 
Ähtheilung  der  Kopf  gerundet,  zuweilen  auch  hinten  ganz  ausgeführt  ist,  (Taf.  VI, 
Fig.  3),  während  in  der  anderen  die  Stirn  ganz  breit  abgeplattet,  erhöht  und  zu- 
gleich von  der  Mitte  des  oberen  Randes  aus  eingebogen  ist  (Tuf,  V^I,  Fig.  4).  Ge- 
wiss liegt  es  nahe,  hier  an  jene  deformirten  Schädel  zu  denken,  wie  sie  schon 
Gosse  (Bssai  sur  les  deformations  artificielles  du  craue,  Fl.  1,  Fig.  4a)  von  der  Insel 
Sacrificios  nahe  bei  Veracruz  unter  deno  Nameo  der  „dreilappigen*'  beschrieben 
hat.  Nicht  zu  verwechseln  damit  sind  übrigens  gewisse  Köpfe,  \%  eiche  jederseit« 
tiber  der  Schläfe  neben  der  Stirn  eine  Art  von  Haarrolle  oder  Wulst  tragen;  diese 
hat  Hr,  Mendoza  (Anales  del  Mus.  nacion.  de  Mexico.  T.  I.  Entr.  2.  p.  91)  auf 
japanische  Verwandtschaften  zurückführen  wollen.  Die  eigentliche  Gesichtsbil- 
dung  ist  gleichfalls  sehr  wechselnd.  Im  Ganzen  dominirt  ein  langes  Gesicht  mit 
starker,  langer^  wenig  vortretender  Nase  und  breitem,  jedoch  gleichfalls  wenig  vor- 
tretendem Munde.  Seltener  ist  die  Nase  kurz  und  mehr  gekrümmt,  dagegen  die 
Lippen  stark  vortretend.  Ein  paar  Mal  wird  die  Prognathie  äusserst  stark,  fast 
negerarfclg,  und  in  einem  Ftdle  gewinnt  das  Gesicht  durch  die  Vorschiebung  der 
Kiefer  ein  geradezu  affenartiges  Anaehen;  dieses  Köpfchen  hat  eine  gewisse 
Aehnlichkeit  mit  einem  Steinkopfe  aus  einer  Höhle  von  Haiti,  den  ich  durch  Dr* 
Bansen  erhielt  (Sitzung  vom  14.  März  1874.  Verh.  S.  7t)),  einigermaassen  auch  mit 
den  Thonidoleu  von  Puerto  Rico  (Sitzung  vom  13,  Januar  1872.  Verh.  S,  44. 
Taf.  IV),  —  Einer  der  Köpfe  macht  den  Eindruck,  als  habe  ein  Todtenkopf  dar- 
gestellt werden  sollen:  man  sieht  an  dem  erträglich  modellirten  Gesicht  nur  drei 
ganz  grosse  rundliche  Löcher  an  Stelle  dar  Augenhöhlen  und  des  Mundes. 


1)  Bancroft  1.  c.  p,  544.   Charles  Rau:  Articles  on  anthro|)olngku]  subjects.   Waühiogton. 
1882,  p.  97 . 


'S»: 

s  'ii!w&Ki.     Er    jtififttLC   axK    aMÜscen    «üffr  Hiiscuucxä-     Alf  ä/inai 

i,   Ckoiila.    !*>  *a^  M.  W,  v»  FiAOta  ie  ä»  Au^ueft.    wo    «sc   -ier   Z«r- 

B^mcT^fl'j  ipeU  aa,  'law  iks  aar  $  «jHwniRijbi«  bekaasc  «eün.  v«kk«  m^  Ibt- 
eeUaAMQt  retici  bex^aetm^  v«rd«  k^Ksteo.  Um  «o  »ekr  äs  €»  v«l  I&un  Mf. 
4bfft  c»  Hrn.  Brakl  i^eh&ic^i  üt.  ivxii  eis  ffeS  «ax^R^^ite»  T!k»«»£i»  aofi»- 
iBdm.  Er  imass  «»  «is«  OpCerfate  ssui  giecc  as.  liaE»  4r  se  im  öx^iea  G^bcxk 
der  ScfcMfetes«  £u<s,  we-di«  di«  zsst«zse  T^ama^  der  Pjnmid-»  i£  Äer  Ncrögextie 
■it  der  bober  geleipeaea  der  ygrAoimdke  rerbcadet.  GeflA»*r  besekks«!  ist  es  ein 
tiegelmrtii^er  Dreifai»  olme  Hemkei,  aas  rockea,  sark  e^önnstes  Umm.  ziem- 
fidb  n»li  aas  freier  Hand  gefems.  IHe  3  Fasse  SEod  ia  Gaozea  koossck.  45  ■■ 
kog  aad  kniftig:  die  daraber  iteheiid^  Sckale  ka<  timt  MoBdosg  toa  £ut  14  em 
Weite  aod  eine  tiefe  AnthdUoa^  ¥o&  5  ob  Hohe.  IHe  Obexfid^  bat  kicr  vod 
da  etwa*  Glaax.  enekeins  jedoch  ia  GrosAen  matt  and  anebec  l}ti  Rand  ist  ein- 
IkIi,  geroadet,  hie  oad  da  etwas  käg«!^.  aof  der  inneren  Seite  roa  einer  nicht 
pML  eoatinoirliehen,  eingehtxten  Linie  begleitet.  Der  cröwte  TheiJ  der  inneren 
Oberfi^e  ist  stark  geschwärzt  dnrch  Kohle  ond  am  Bnden  za  nngefahr  ^ , 
seines  üin£sttges  bedeckt  ssit  einer  anklebenden  Schicht  Ton  naher  Obcriachey 
brocfaiger  Beschaffenheit  and  schwärzlicheiB  Aassehen.  Stöcke  daTon,  anf  brennende 
^l^^^Me  gelegt,  entzünden  sich  sehr  leicht  ond  brennen  ganz  langsam  anter  Aoa- 
sendang  eines  reichlichen,  aromatisch  riechenden  Rauches.  Es  ist  also  offenbar  eine 
halb  Terkohlte  harzige  Substanz,  eine  Art  Weihraoch.  ond  man  wird  an  der 
Deotong,  dass  wir  eine  alte  Opferschale  vor  ans  haben,  nicht  zweifeln  können. 

Die  Sendong  enthält  aosserdem  noch  ein  halbes  Dotzend  Scherben  too  Thoo- 
gewissen,  welche  allem  Anschein  nach  fast  simmtlicb  schalenförmig  waren.  Das 
grosste  Stock  stellt  angefahr  den  dritten  Theil  einer  glänzend  schwarzen,  ganz  ein- 
gehen Schale  dar;  da  sowohl  der  Rand,  als  ein  Theil  des  flachen  Bodens  Torhan- 
den  ist,  so  kann  ober  die  Form  kein  Zweifel  sein.  Die  Höbe  beträgt  angefahr 
4,5  cmi  der  obere  Umfang  hat  einen  Darchmes^r  Ton  16  em  gehabt.  Die  Seiten 
sind  stark  aasgewölbt  —  Ein  zweites  Brnchstück  tod  sehr  ähnlicher  Form  ist  glän- 
zend brann.  Ein  dritres,  mehr  bräanlich graues  gehört  zu  einer  kleinen  Schale  mit 
flachem  Boden  und  eingebogener  Seitenwand. 

Einige  der  Stücke  machen  auf  den  ersten  Anblick  den  Eindruck,  als  trügen 
sie  Linien  Tom  Drehen  auf  der  Scheibe,  indess  scheint  es  mir  bei  genauerer  Prü- 
fung, dass  sie  sänjoitlicL  aus  freier  Hand  geformt  sind.  Das  Material,  aas 
dem  sie  hergestellt  wurden,  dürfte  feiner,  vielleicht  geschlämmter  Tbon  gewesen 
sein.  Derselbe  ist  nur  ao  eioigeo  rotb  gebrannt;  bei  anderen  ist  offenbar  das  in- 
dische Verfahren  angewendet,  dass  sie  im  Russ  schwach  gebrannt  und  dann 
nacbfräglich  polirt  worden  sind.  Die  Glättstreifen  sind  ganz  deutlich  und  die  Farbe 
nüancirt,  wie  erwähnt,  zwischen  Bräunlichgrau,  Röthlichbraun  und  Schwarz,  wie  bei 
dem  türkischen  und  ägyptischen  Thongerätb.     Ein  Paar  ganz  kleine  Scherben  sind 


X)  Bancroft  I.e.  p.  476. 


(367) 


mit  einer  Art  Firniss  beBtrlcben  uad  gaoz  glänzend  gebraont:  eines  auf  beiden 
Seiten  hocfaroth,  dass  andere  aussen  schwarz,  innen  mnUgrau.  Ornamente,  weder 
gemalte,  noch  geritzte  oder  erhabene,  sind  an  keinem  der  Stucke  sichtbar. 

Endlich  sind  noch  einige  dicke  Stucke  von  grobem  Mörtel  oder  Cement,  zum 
Tbeil  jedenfalls  Wan d  beklei du ng,  da.  Zwei  davon  haben  eine  glatte  und  eine 
rauhe  SSeite*  Die  erstere  ist  an  dem  einen  mit  einer  weissen  Kalkfarbe,  an  der 
anderen  mit  einer  hräunlichrotheo  Farbe  öbersEogen;  an  letJterer  sieht  man  noch 
die  Pinselstriche.  Der  Mörtel  selbst  ist  leicht,  weisslichgrau,  porös  und  sehr 
fest,  Mögiicherweise  ist  bei  der  Herstellung  vulkanisches  Material  verwendet,  wie 
es  Evans  für  die  Anfertigung  der  Luftziegel  (adobes),  aus  denen  die  Pyramide  er- 
richtet ist,  behauptet  Hr.  Brühl  giebt  an,  dass  sowohl  die  Cementstucke,  als  die 
ThoHBcherben  von  den  Terrassen  der  Pyramide  herstammen,  deren  Boden  damit 
bedeckt  sei.  Ich  mochte  dabei  erwähnen,  dass  nach  dem  Zeugnisse  von  Torque- 
mada  und  nach  neueren  Untersuchungen,  die  Hr.  Mendoza  (An.  del  Mus.  Mex.  T. 
1.  Entr.  4.  p.  188)  uiittheilt,  di«  Wände  in  Teotihuacan  aussen  und  innen  mit  ganz 
vorzüglichem,  an  der  Oberfläche  polirtem  Stuck  ausgelegt  und  mit  weisser  oder 
brauner  Farbe  getüncht  waren.  Von  Cbolula  ist  mir  keine  ähnliche  Nachricht  be- 
kanot;  nach  den  vorliegenden  Proben  durfte  aber  wohl  angenommen  werden,  dass 
derselbe  ß rauch  dort  gleichfalls  stattfand. 

3.  Aus  den  Cerillos  nahe  Santa  Fe  in  Neu-Mexico  hat  Hr.  Brühl  der 
Sendung  einige  Steinsacben  beigefügt,  die  er  im  Pueblo  von  San  Domingo  erhielt 
Barunter  ist  gleichfalls  ein  Stück  geschlagener  Obsidian  von  glasiger  Beschaffenheit 
und  mehrere  jener  hellgrünen  Steine,  welche  als  Chalchihuitl  bezeichnet  werden. 
Sie  sind  säramtlich  bearbeitet,  jedoch  nur  zwei  derselben  haben  eine  bestimm le 
Form.  Das  eine  ist  ein  ungemein  zierüches  Miniatur-Flach  beil  (Taf.  Vl^  Fig.  5) 
von  genau  derselben  Form^  wie  sie  die  kleinsten  Nepbrit-Beilchen  darbieten:  vom 
zu  einer  fast  geraden,  scharfen  Schneide,  hinten  zu  einer  stumpfen  Spitze  zuge- 
schUflfeu.  Es  misst  20  mm  in  der  Länge,  vorn  15  mm  in  der  Breite,  3  mm  in 
der  grossten  Dicke.  Die  Zuscbarfung  hat  nur  von  der  einen  Ftäche  her  statt- 
gefunden. Alle  übrigen  Flächen  sind  glatt  polirt,  die  Seitenränder  gerundet.  Die 
Farbe  ist  prächtig  hellgrün,  stelienweis  weisslichj  mit  kleLnet),  eckigen,  braunen 
Einsprengungen;  auch  die  dünnen  Stellen  sind  undurchsichtig.  —  Das  zweite  Stück 
ist  eine  runde,  etwas  dicke  Scheibe  von  der  Grosse  eines  60  Pfennigstückes,  Hr. 
"Websky  bestimmte  dus  Material  als  Callait,  dessen  Vorkommen  in  jener  Gegend 
bekannt  sei  und  der  in  zugeschnittenen,  eckigen  Stücken  in  den  Handel  komme. 
Darnach  ist  anzunehmen,  dass  die  übrigen,  durchweg  unregelmässigen  Stücke, 
wenn  sie  überhaupt  alt  sind,  als  Rohmaterial  zu   betrachten   sind. 

4.  Aus  einer  Pueblo*Ruine  amRioZuÖi,  6  leguas  von  dem  heutigen  Pueblo» 
sowie  aus  einem  Stein  hause  an  den  Quellen  des  Rio  Puerco  del  Este,  einem 
Nebenflusse  des  Rio  Grande  in  Colorado,  eine  Reihe  höchst  interessanter  Scherben, 
von  welchen  ein  Theil  ganz  übereinstimmt  mit  den  Scherben  von  Arizona,  welche 
Hr.  Senaper  (Sitzung  vom  21.  December  1878,  Verb.  S.  418)  der  Gesellschaft  schenkte 
und  welche  seitdem  in  den  Besitz  des  Königlichen  Musen  ms  übergegangen  sind. 
Abbildungen  solcher  Scherbec  finden  sich  bei  Bancroft  (!.  c.  p.  661  und  680), 
eine  Besprechung  bei  Rau  (1.  c.  p.  56).  Ueber  die  meinigen  bemerke  ich,  dass  sie 
gleichfalls  in  zwei  luitegorien  zerfallen  und  zwar  nach  der  äusseren  Behandlung, 
denn  in  der  Form  scheinen  sie  sämmtlich  auf  schalen-  oder  kugelförmige  Ge- 
fasse  hinzuweisen.     Henkel  sind  nicht  darunter.     Ich  unterscheide 

a)  schwarze  Bcherbea  von  matter  oder  höchstens  schwach  glänzender 
Oberfläche    und    korbgeflechtähnlichem    Aussehen    (Taf.   VI,    Fig.  6 — 1), 


(368) 


Sie  sind  sehr  hart,  kliogeod,  seh  wach  gebranat  und  aus  sehr  dichtem  Material. 
Manche  haben  eioe  mehr  graue  Farbe,  jedoch  dürften  sie  länger  an  der  Luft  ge- 
legen hüben.  Die  meiateo  habeo  eine  gleichkam  geschuppte  Austenfläche,  indem 
dicht  aneinander  horizontale  Reihen  kleiner,  unregelmäasig  dreieckiger  Hocker,  ge- 
trennt durch  gleichfalls  dreieckige  Gruben,  das  Geisse  umziehen.  Bancroft  nennt 
das  raised  or  indented  iSgures.  Bei  den  besten  Stiicken  liegen  die  Höcker  und 
Grübchen  so  regeJtuässig,  dass  sie  bei  jeder  Stellung  der  Scherben  geradlinige 
Reihen  bilde»,  bald  horizontale,  bald  schräge  und  zwar  sowohl  von  rechts  oben 
nach  links  unten,  als  auch  von  links  oben  nach  rechts  unten  verlaufende.  Es 
läsat  sieh  nicht  wohl  denken,  dags  eine  solche  Hegelmäflsigkeit  durch  freie  Hand- 
arbeit erzielt  werden  konnte;  auch  ist  nicht  zn  erkennen,  mit  was  für  einem  In- 
strumente das  erzeugt  sein  sollte.  Es  scheint  mir  daher  buchst  wahrscheinlich, 
dass  die  Topfe  in  Korben,  welche  ans  Holz  geflochten  waren,  hergestellt  wurden, 
wie  es  Hartt  vor  längerer  Zeit  von  atuerikaniöchen  Eingebornen  beschrieben  hat. 
Die  geringeren  Stücke  zeigen  eine  grossere  Unregelmässigkeit;  die  einzelnen  Hori- 
zontalstreifen sind  ungleich  breit  und  dicht.  An  mehreren  werden  auch  die  Grübchen 
flacher  und  undeutlicher  und  an  einzelnen  sieht  man  fast  nur  quere,  sehr  uuregel- 
massig  breite  Bänder,  welche  durch  schwach  wellige  Rinnen  von  einander  getrennt 
sind.  Diese  Stücke  t^ehen  auf  den  ersten  Anblick  uus.  als  wären  sie  nur  horizontal 
geritzt»  aber  bei  genauester  Betrachtung  erkennt  man  doch  auch  an  ihnen  seichte 
Vertiefungen,  den  Grübchen  (Indentationcn)  entsprechend, 

b)  gemalte  Scherben  (Tat  VI,  Fig,  8),  Es  sind  diess  ausserordentlich 
schöne  und  feine  Leistungen  der  Topferei,  wie  wir  sie  eigentlich  nur  aus  den  klaa- 
sischen  Landern  der  alten  Welt  kenneo.  Im  Allgemeinen  dominirt  eine  schon 
rothe,  glänzende  Grundfarbe,  so  saftig  und  vollkommen,  als  hätte  man  samische 
Waare  oder  Terra  sigillata  vor  sich.  Auf  diesem  rothen  Untergründe  sind  glän- 
zend schwarze  Zeichnungen  angebracht,  meist  in  Form  von  Linien  und  breiteren 
Streifen,  doch  auch  in  mehr  zusammengesetzten,  geometrischen  Figuren,  Besonders 
schon  ist  ein  treppenformiges  Ornament,  das  uns  schon  von  mexikanischen  und 
peruanischen  Thongefissen  langer  bekannt  ist.  An  einem,  leider  sehr  kleineo 
Scherben  tritt  eine  feusterartige  Zeichnung  hervor.  Stets  ist  auch  die  innere  Seite 
glänzend  und  gefärbt,  ja  die  Ornamente  finden  sich  sogar  vorwiegend  auf  der 
Innenseite,  woraus  hervorzugehen  scheint,  dass  es  flache  Schalen  waren,  die  man 
so  verzierte.  Bancroft  spricht  nur  von  Roth  und  Schwarz,  iodess  meine  Samm- 
lung enthält  auch  noch  eine  andere  Variation,  nehmlich  grnu braune  Zeich- 
nungen auf  weissitch-  oder  gelblichgrauem  Grunde,  —  eine  Zusammen- 
stellung, wodurch  sieh  diese  Thonornamentik  der  archaisch-klassischen  der  alten 
Welt  noch  mehr  nähert.  Ein  Scherhenstuck  hat  sogar  aussen  breite,  braune  Bao- 
der  und  Flecke  auf  hellem,  gelblichgrauem  Grunde  und  innen  breite  schwarze  Ho* 
rizontaL  und  Vertikalstreifen  auf  rothero  Grunde.  Am  meisten  ausgezeichnet  ist 
aber  ein  stärker  gerundetes,  grosseres  Scherbenstück  vom  Kio^Zufii,  welches  aussen 
und  innen  weisslichgraue  Grundfarbe  zeigt  und  darauf  auf^sen  eine  sehr  zusammen- 
gesetzte, dunkelgmubraune  Zeichnung  hat  (Tat  Vl^  Fig.  9).  Die  sehr  gross  an-' 
gelegte  Zeichnung  ist  leider  nicht  genau  zu  erkennen.  Wie  es  scheint,  bildeten 
breite  Müanderxüge  die  Grondfiguren,  die  abwechselnd  gefüllt  und  bloss  schräg  ge- 
8trithelt^sind,_j  während  in  weiterer  Umgebung  sich  neue  Strichzonen  und  als  Ab-, 
schlues  nacl*  unten  oder  oben  wieder  ein  breiter  voller  Strich  anschliessend  —  Eod*! 
lieh  ist  noch  ein  eioKelnes  Stück  zu  erwähnen,  welches  ganz  einfarbig,  innen  und 
aussen  röthlichbraun  und  glänzend  ist. 

Ausdrücklich  bemerke  ich,  dass  der  Glanz  dieser  Pueblo-Scherben  toq  dem  der 


(369) 


aJt-mexikaoiBchcn  ganz  verscliiedeii  ist.  Bei  den  PueblcnScherbeii  überzieht  ein 
gleichrnässig  glänzender  Lack,  um  so  zu  sagen,  die  ganze  Oberfläche,  währeod  von 
einer  besonderen  Politur  üiclit  eine  Spur  zu  bemerken  ißt,  wie  sie  regelmässig  an 
den  altmexikjiniechen  Stiicken  erkennbar  ist  Dagegen  ist  auch  an  den  Pueblo-Scher- 
heu  von  df^r  Herstellung  der  Gefässe  auf  der  DrehBcbeihe  kein  Anzeichen  vorhaoden, 
Alles  maf'ht  den  Eindruck  reiner  Handarbeit, 

5.  Mit  diPSfiu  atten  Sachen  ist  zugleich  eine  Anzahl  von  kleineo  Flachbrödchen 
aus  dem  Pueblo  Zuui  mitgekommeuj  die  von  der  Frau  des  zweiten  Kaziken  ge- 
backen sind.     Es  sind  ganz  feine,  runde  Scbeibchen,  wahrscheinlich  aus  Maismehl. 

0.  Endlieh  hat  Hr  Brühl  noch  einige  „Korbchen'*  (baskets)  der  Moqui-In- 
dianer  beigefilgt,  genau  genommen,  schwach  vertiefte,  geflochtene  Teuer  von  sehr 
verschiede nartif^ftr  Grosse.  Es  sind  derbe,  haltbare  Gerathe^  die  zugleich  durch 
die  EinSchiebung  gefärbter  Abschnitte  ein  recht  gefülliges  Aussehen  darbieten. 
Manche  sind  zum  VerweclreelD  den  geflochtenen  Tellern  aus  dem  Sudan  ähnlich. 

Die  Sendung  ist  demnach  in  verschiedener  Beziehung  »ehr  lehrreich  und  ich 
bin  Hrn.  Brühl  in  hohem  Maasse  dankbar  für  die  ganz  uq erwartete  Gabe.  Hoffent- 
lich wird  ihm  diese  Darstellung  zeigen,  wie  gross  uns^r  Vergnügen  sein  wird,  wenn 
er  auch  auf  seiner  neuen  Heise  unserer  gedenken  will. 

(25)  Hr,  Virchow  berichtet  über 

die  Excurslon  nach  Tang  ermünde. 

Am  Sonntag,  '24.  Juni,  begab  sich  verabredetermaassen  eine  Anzahl  von  Mit- 
gliedern der  Gesellschaft  zur  Untersuchung  der  in  der  Sitzung  vom  10.  Februar 
(Verh.  S.  150)  erorterteD  Gräber  nach  Tangermünde.  Freundliches  Wetter  be- 
günstigte die  ExcursioD,  die  sich  wegen  des  herzlichen  Empfanges,  der  8chriDheit 
der  Landschaft  und  der  herrlichen  Architektur  der  alten  Stadt  zu  einer  eebr  ge* 
Qiiissreichen  gestaltete. 

Tangermünde  liegt  gegenwartig  etwas  ausserhalb  der  Verkehrswege,  Keine 
Eisenbahn  berührt  es  un  mittel  bar;  nur,  wenn  man  sich  auf  der  Lehrter  Bahn  der 
Elbe  nähert,  erblickt  man  in  der  Ferne  seine  Thürme  und  Mauern  auf  der  vor- 
ragenden Uferecke  des  linken  Eibufers.  So  ist  es  neuerlich  ein  in  grosseren 
Kreisen  fast  unbekannter  Ort  geworden.  Vor  einem  halben  Jahrtausend  war  es 
anders.  Damals  hatte  Kaiser  Carl  IV  hier  seine  Residenz  aufgeschlagen  und  grosse 
Bauten  aufführen  lassen.  Nachher  hielt  der  erste  Hohen  zoller  in  Tanger  münde 
Hof;  zwei  seiner  Söhne,  die  beiden  nachfolgenden  Kurfürsten,  wurden  hier  ge- 
boren. Aber  auch*  schon  unter  den  Askaniern  war  es  ein  wichtiger  Waffenplatz, 
denn  vermöge  seiner  ungewöhnlich  geschützten  Lage  beherrscht  es  die  erste  be- 
queme Elbfuhrt  unterhalb  Magdeburg,  Hierher  führten  die  Strassen  von  Sten- 
dal, Salzwedel  und  Gardelegen  und  von  hier  ging  der  alte  Weg  einerseits  nach 
Rathenow,  andererseits  über  Kloster  .lerichow  auf  Brandenburg.  Wahrscheinlich 
war  der  Platz  auch  in  noch  früherer  Zeit  bewohnt  und  befestigt,  indess  sind  sla- 
vische  Reste  bis  jetzt  nicht  gefunden  worden. 

Die  ganze  Anlage  der  Stadt,  wie  sie  jetzt  erscheint,  ist  deutsch.  Aber  sie  hat 
für  uns  Nordländer  manches  Ueberraschende.  Das  liegt  namentlich  in  der  grossen 
Zahl  noch  erhaltener  alter  Bauten,  ja,  mao  kann  fast  sagen,  in  der  Bewahrung  aller 
charakteristi^schen  Eigenthümlichkeiten  der  mittelalterlichen  Stadt  innerhalb  ihrer 
noch  grossentheils  stehenden  Mauern«  Wenn  man  unten  auf  der  Buschwiese 
zwischen  Elbe  und  Tanger  steht  und  zu  der  mauerumgürteten  Stadt  mit  ihren  Kir- 
chen und  Thoren  emporblickt,  so  meint  man  ein  Bild  aus  fernen  Zeiten  und  fernen 
Landen  vor  sich  zu  sehen.     Die  vortrefflichen  Illustrationen  des  Malers  Hrn>  Die- 

VerhAüdl.  d«r  ß«rL  AatbropoL  Quelltcli&ft  1809.  24 


(370) 

trichs  iü  den  vod  ihm  und  Hrn.  Ludolf  Parisius  herausgegebenen  „Bikiern 
aus  der  Ältiiiurk^  (Hamburg  1883)  werden  auch  denen,  welche  nicht  nn  der  Excur- 
sion  theiloahmen,  ein  anschauliebes  Bild  davon  gewähren.  Wir,  die  wir  uns,  ausser 
der  freundlicheü  Leitung  der  stadliechen  Autoritäten,  auch  der  Änwesenbeit  der 
beiden  genunüten  Herren  zu  erfreuen  hatten,  konnten  alle  diese  P^rinnerungen  mit 
vollem  Verständnisse  in  uns  aurnebmen.  Ich  muss  hier  um  äo  mehr  auf  das  er- 
wähnte Prachtwerk  verweisen,  als  der  grosste  Theil  der  Bauten  das  Gebiet  unserer 
Gesellschaft  nicht  berührt.  Aber  eines  muss  ich  doch  hervorheben.  Die  alte 
Kaiserpfalz  auf  ihrer  weithin  beherrschenden  Hohe  ober  der  Elbe  ist  im  dreissig- 
jährigeo  Kriege  grossenthejls  zerstört  worden;  nur  ein  mächtiger  Bergfried  und 
einzelne  Reste  von  Gebäoden  stehen  noch  aufrecht,  aber  am  Fusse  der  Oferecke 
nagen  die  Wasser  der  Elbe  und  wenn  nicht  schnell  Einhalt  geschieht,  werden  bald 
grosse  Abstürze  erfolgen  und  von  den  Fluthen  davon  getragen  werden. 

Von  dem  Architektonischen,  das  uns  fremdartig  erschien«  will  ich  nur  zweierlei 
erwähnen.  Zunächst  an  der  Stephanskirche,  welche  im  Üebrigen  dem  Backstein  bau 
des  14,  und  15.  Jahrhunderts  angehört,  sieht  man,  namentlich  über  den  Portalen, 
höchst  aierliche  durchbrochene  Gitterj  gleichfalls  &u^  Backsteinen  {Dietrichs  u, 
Parisius  a.  a.  0.  ßd.  I  8.  16),  welche  iu  hohem  Maasse  an  orientalische  (persische^ 
arabische,  byzantinische)  Bauornamente  erinnern.  In  dieser  Kirche  befindet  sich 
auch  das  alte  Schnitz  werk  der  ^Jungfer  Lorenzen"-  (ebt-ndas,  S.  19),  welches  viel* 
leicht  an  uralte  Sagenkreise  anknüpft.  —  Sodann  fiel  mir  ganz  besonders  auf  das 
Mauerwerk  an  dem  Unken  Thurm  des  Neustädter  Thores  (ebendas,  S.  49).  Ob- 
wohl derselbe  erst  im  Ifj,  Jahrhundert  erbaut  sein  soll,  bo  rief  mir  doch  die  eigeo* 
thümliche  Abwechselung  von  Backsteinen,  welche  in  verschiedenartiger  Richtung  ' 
und  Färbung,  oben  in  Zickzacklinien,  unten  in  schrägen  Parallellinien  angeordnet, 
das  gewöhnliche  Mauerwerk  unterbrecheD  und  in  buntester  Weise  verzieren,  den 
Aufbau  der  alten  grusinischen  Thürme^  welche  man  im  Thal  der  Aragwa  im  süd- 
lichen Kaukasus  sieht,   lebhaft  in  das  Gedächtuiss, 

Dnser  eigentliches  Tagewerk  zertheille  sich  in  zwei  Aufgaben:  einmal  die  Erfor- 
schung der  vorgeschichtlichen  Gräber,  zum  anderen  die  Musterung  einer  Sammlung 
localer  Alterthümer,  weh  he  in  dem  alten,  prächtig  restaurirten  Ruth  hause  zu  unserer 
Belehrung  aufgestellt  war.  Ich  werde  Beide»,  soweit  es  die  Prahistorie  betrifft,  kur« 
zusammenfassen,  indem  ich  schon  hier  alten  denen,  welche  sich  an  diesen  Vorberei- 
tungen betheiligt  hatten,  vornehm  lieh  dem  Herrn  Burgermeister  und  Herrn  Apo- 
theker Hart  wich,  unaera  besten   Dank  ausspreche. 

Der  Weg  zu  den  Gräbern  führte  uns  südlich  von  der  Stadt  zu  eiuMm  Plateau, 
welches  sich  von  der  Stadt  iku»  längs  des  Taugerflusses,  in  geringer  Entfernung  von 
der  Elbe»  ganz  allmählich  senkt.  Die  erste  Stelle,  welche  uns  interessirte,  war 
der  Platz,  wo  der  in  der  Siizung  vom  Jü.  Februar  von  mir  genauer  beschriebene 
Schädel  gelegen  hatte.  Soweit  sieh  bis  jetzt  übersehen  lasst,  hat  dieser  Platz  mit 
dem  demnächst  zu  erwähnenden  Gräberfelde  nichts  zu  thun.  Die  Entfernung  zwischen 
beiden  betragt  fast  '^  Stunde;  ausserdem  sind  beide  durch  einen  tiefen  Terrain- 
eiuschnitt  von  einander  getrennt  Hr.  Hart  wich  hat  mir  kürzlich  mitgetheilt,  dasa 
er  dort  viele  Scherben,  eine  halbe  Urne,  durchgeschlagene  Feuerstein knollen  ge- 
funden habe,  aber  die  Scherben  zeigten  einen  wesentlich  anderen  Charakter,  al« 
die  von  dem  folgenden  Leichenfelde;  sie  seien  ziemlich  grob,  mit  grossen,  kräftiget] 
Henkeln,  äusserst  selten  verziert.  Immerhin  ist  bis  jetzt  über  diese  Stelle,  nament- 
lich über  die  Beigaben,  so  wenig  bekannt,  dasa  es  eingehender  Untersuchungen 
bedürfen  wird,  um  das  Alter  der  Leiche  festzustellen.     7^ur  genaueren  Bestimmung 


(371) 

6ps  Ortes    will    ich    uur    biBzufügen^    dass  die  Stelle  hart  am  Abhänge  gegeo  den 
Tanger,  links  von  dexu  auB  der  Stadt  fiih runden  Wegt^,  gelegen  ist. 

unsere  Aufmerksamkeit  war  am  meisten  auf  die  zweite,  etwas  weiterhin  rechts 
vom  Wege  bei  der  dort  errrichteten  Ziegelei  gelegene  GmbereteHe  gerichtet,  Ober 
wek'lie  Hr.  Hol  1  mann  in  der  Februar-Sitzung  berichtet  hat.  Soviel  man  damals  ur- 
kheilen  konnte,  glaubten  wir  dieses  Feld  der  j üngcren  Steinzeit  zuschreiben  zu 
müssen.  Leider  waren  die  Ausgrabungen^  welche  wir  vornahmen,  ganz  ergebniss- 
los. Da  irgend  welche  äusseren  Anzeichen  von  Gräbern  nicht  vorhanden  sind,  ine- 
besondere  Erd-  oder  Steinaufschüttungen  g.inzlich  fehlen,  so  konnte  nur  auf  Gerathe- 
wohl  gegraben  werden,  und  das  C41uck  wollte  uns  eben  nicht  wobL  Wir  fanden 
gajT  nicht*«.  Was  zur  Bestimmung  des  Gräberfeldes  dienen  konnle,  waren  nur  die 
früheren  Fundstücke,  welche  wir  im  RathhHUsie  sahen.  Dieselben  sind  in  den  Be- 
sitz des  Hrn.  v.  Alvensleben  zu  Calbe  a.  d«  Milde  übergegangen,  welcher  die  Freund- 
lichkeit gehabt  hatte,  sie  zur  Ansicht  herzuschaffen.  Wir  sahen  ein  schon  ge- 
flcbliflfenea  Feuerst  ein  bei  l  von  etwa  14,5  cm  Länge,  an  der  flach  gewölbten 
Sühneide  fast  5  cm,  um  stumpfen  Ende  3  cm  breit,  sowie  3  sehr  interessante,  kleine, 
dünkelgrane  Thongefasse  von  sehr  charakteristischer  Form  und  Verziernng:  eine 
flache  Schal  ej  einen  Henkel  topf  mit  weiter  Mündung  und  einen  etwas  höherenj  fast 
umgekehrt  kegelförmigen  Topf.  Sowohl  die  erstere,  als  der  letztere,  besitzen  breite, 
vorstehende  Knöpfe  oder  Oebre,  welche  senkrecht  durchbohrt,  also  zum  Auf* 
hängen  bestimmt  sind.  Die  sehr  mannichfaltig  und  reich  in  geraden  und  gebogenen 
Linien  augeordneten  Verzieiungen  sind  tief  eingedrückt  und  bestehen  aus  kurzen 
Giiedern  des  sogenannten  Sparrennrnameo tes.  Ich  behalte  mir  eine  genauere 
Besprechung  dieser  sehr  alten  Gerathe  für  eine  andere  Gelegenheit  vor,  will  aber 
schon  hier  bemerken,  dass  sie  dem  neolithischen  Typus  völlig  entsprechen. 

Seit  unserem  Besuche  sind  mir  aowobl  durch  Hrn.  Maler  Dietrichs^  aEs  durch 
Hrn.  Apotheker  Hartwicb  weitere  Funde  zugegangen,  welche  von  diesem  Gräber- 
felde stammen.  Da  jedoch  die  Untersuchung  noch  nicht  abgeschlossen  ist,  so  er- 
scheint es  mir  richtiger^  ihrer  für  diesmal   nur  ganz  kurz  Erwähnung  zu  thuii. 

Sehr  viel  glücklicher  waren  wir  an  einer  noch  etwa  '/^  Stunde  weiter  entfernten 
Stelle,  wo  vor  Kurzem  auf  dem  seit  laoger  Zeit  beackerten  und  ganz  geebneten 
Blachfelde  und  zwar  auf  dem  Schröder 'sehen  Acker  gleichfalls  Graber  entdeckt 
worden  waren.  Die  Stelle  liegt  links  von  einem,  mehr  südwestlich  verlaufenden 
Feldwege.  Hier  genügte  eine  kurze  und  flache  Grabung,  um  uns  auf  mehrere,  in 
geringen  Enfernungen  von  einander  stehende  Urnen  mit  Leichenbraud  zu 
führen.  Sie  standen,  kaum  */,  m  tief,  in  dem  ziemlich  lockeren  Erdreich,  von 
platten  Steinen  bedeckt  und  von  einzelnen  unregelmässigen  GerriiJateinen  umgeben, 
welche  man  jedoch  kaum  Steinkisten  nennen  konnte.  Einzelne  waren  fast  ganz 
zerdrückt,  andere  dagegen  nahezu  ganz  erhalten.  Zweifellos  hatten  wir  hier  eines 
jener  Drnenfelder  vor  uns,  die  noch  Oaniiei]  Wendenkirchhöfe  nannte,  von  denen 
ich  jedoch  an  zahlreichen  Orten  der  Mark  und  Lausitz,  Pommerns  und  Foseas  ge- 
zeigt habe,  daes  sie  einer  weit  älteren  Zeit  angehören* 

In  der  Tliat  lehrte  die  weitere  Untersuchung  alsbald,  dass  unzweifelhafte  Ana- 
logien mit  Urnen  fehlem  diessc^its  der  Elbe  vorhanden  sind  und  dass  derselbe  Cultur- 
strom,  dessen  Wirkungen  wir  in  unserer  Nähe  so  oft  begegnen,  in  dieser  Gegend 
den  Eibstrom  überschritten  hat.  In  welcher  Richtung,  das  wird  sich  erst  genau 
übersehen  lassen,  wenn  weitere  Untersuchungen  in  der  Altmurk  stattgefunden  haben; 
ich  scheue  mich  jedoch  schon  jetzt  nicht,  die  Vermuthung  auszusprechen,  dass  die 
Richtung  eine  ostwestliche  war. 

Die    von    uns    auf>gegrabenen  Todtentöpfe    hatten    das  Gemeinsame,    dass  eine 

24' 


l 


(372) 


umgekebrte  grössere  ThoDSchale  als  Deckel  über  dieselben  gestülpt  war.  Ob- 
wohl wir  keinen  Deckel  unversehrt  zu  Tage  gefordert  haben,  so  liessen  sich  doch 
ein  Paar  so  weit  restauriren,  dass  man  ein  deutliches  Bild  ihrer  Form  gewinoeo 
konnte.  Es  sind  ganz  einfache,  in  keiner  Weise  ornameotirte  Schalen  oder  Nupfe^J 
wie  eie  wohl  sonst  als  SpeiseDäpfe  beuutzt  sein  inögeo,  mit  engem,  etwas  einge-  , 
drücktet»  Boden,  weiter  Auslage  des  Bauches  und  einfachem,  etwas  eingebogeDeni 
Rande,  Die  eine  ist  7  cm  hoch,  an  der  Mündiiog  17,5,  am  Boden  5  cm  im  Durch* 
messer;  eine  andere  8,5  t-m  hoch,  an  der  Mönduag  24,5,  am  Boden  9  an  weit.  Die 
Oberfläche  ist  glatt,  fast  gläozeiid,  jedoch  nicht  ganz  gl  eich  massig,  die  Farbe  grau- 
braun oder  ßchwärzlichgrau.  Eine  hat  einen  Henkel  oder  vielmehr  einen  knöpf* 
formigen  Vorspruug  am  Rande,  der  mit  einer  ganz  feinen,  horizontalen  Oeffnung 
versehen  ist. 

Die  Todtentöpfe  selbst  sind  sowohl  in  der  Grosse,  als  in  der  Ausstattung 
etwas  verschieden.  Im  Ganzen  sind  sie  ziemlich  atarkwandig,  aus  dichtem,  mit 
aeharf kantigen  Gesteinsbrocken  durcbknetetem  Thon,  an  der  Ob^^rflache,  wie  es 
scheint,  durch  Abstreichen  mit  einer  Flüssigkeit  geglättet,  stellenweise  sogar  leicht 
glänzend,  jedoch  nirgends  polirt.  Sie  sind  sämmth-ch  aus  freier  Hand  geformt 
und  so  gehwach  gebrannt,  dass  die  Wände  auf  dem  Bruch  innen  schwarzgrau  aus- 
sehen, Sie  besitzen  Henkel  oder  doch  henkelartige  Ansätze.  Ihre  Farbe  ist  über- 
wiegend eine  gelblichgraue.  Die  grösseren  haben  eine  mehr  hohe,  längliche  Ge- 
stalt mit  massiger  Auslage  des  Bauches  und  kurzem  aufgerichtetem  Halse,  dessen 
Bildung  jedoch  nicht  genau  angegeben  werden  kann,  da  er  nur  an  einem  einzigen 
(Nr.  2)  nicht  abgebröckelt  ist  Die  Art  der  Verzierung  wird  sich  am  besten  aoa 
einer  Beschreibung  der  einzelneOj  von  uns  gefundenen  Stücke  ergeben. 

Der  lohaU  bestand  fast  ausschliesslich  aus  calcicirten,  durch  starkes  Breoneo 
gebleichten  und  nachträglich  durch  Zerklopfen  zerkleiaerten  Menschen knocben. 
Sonstige  Beigaben  waren  sehr  spärlich.  lodess  gelaug  es  mir,  aus  einer,  freilich 
sehr  zerdrückten  Örue  (Nr.  1)  alsbald  sowohl  Bronze,  als  Eisen  zu  gewinnen. 
Ueber  die  allgemeine  Zeitstellung,  frühere  Eisenzeit,  wird  kaum  ein  Zweifel 
sein  können. 

Wir  fanden  folgende  4  Urnen: 

1.  Das  von  mir  untersuchte  Grab  enthielt  unter  einem  platten  Deckstein  einen 
zerdrückten  Deckel  und  eine  gleichfalls  zerdrückte  Urne  (Bolzschnilt  1).  Bei  aller 
Sorgfalt  ist  es  nicht  gelungen,  alle  Stücke  zusammenzubringen,  so  dass  nur  eine 
sehr  fragmentarische  Restauration  müglich  v/ar.  Die  Stucke  sind  fast  alle  8—10  mm 
dick,  äusserlich  glatt,  leicht  glänzend  und  sehr  weich  anzufühlen;  die  Grundfarbe 
dunkel  gelbüchgrau,  stellenweise  schwärzlich  und  röthlich  durch  Brand,  auf  dem 
Bruch  matt  und  schwärzlich  grau.  Bestimmte  Maasse  lassen  sich  nicht  gewinnen, 
doch  kann  der  Durchmesser  des  Bodens  und  der  iMfiadung  auf  etwa  12 — 13,  der  des 
Bauches  auf  26  cm  verauschlagt  werden.  Vom  (fehlenden)  Boden  an  erweitert  sich  das 
Gefäss  langsam  ansteigend  zu  dem  weit  ausgelegten  Bauche  ganz  gleicbmässig,  um 
nach  oben  hin  ebenso  wieder  sich  zu  verengen.  Au  der  Grenze  des  Halse«  liegt 
ein  seichter,  sehr  glatter  Absatz  (Eindruck);  voa  da  steigt  der  engere  Hals  mit  ge- 
ringer Einbiegung  in  die  Höbe;  ungefähr  darf  man  seine  Höhe  auf  5  cm  veran- 
schlagen. Am  Debcrgang  vom  Hauche  zum  Halse  sieht  man  an  zwei  entgegen- 
gesetzten Stellen  die  Ansatzstucke  abgpbrochener  Henkel  mit  enger,  horizontaler 
Oeflfuungp  möglicherweise  mehr  der  Form  durchbohrter  Knöpfe  entsprechend.  Die 
Flache  des  Bauches  ist  ganz  überzogen  mit  einer  stümperhaft  ausgeführten,  aber  in 
einem  gewissen  Sinne  gross  angelegten  Zeichnung  aus  geritzten  Linien,  Dieselben 
liegen  gruppenweise  zu  5— 8  — 14  parallel  nebeneinander,  meist  sehr  dicht,  jedoch  iü 


(378) 

unregel massigen  AbstäDdeo  und  vod  sehr  verschiedener  Tiefe;  die  meisten  sind  gerade, 
viele  jedoch  auch  etwas  gebogen.  Nur  unter  den  Henkelansätzen  ist  die  Richtung 
dieser  Bündel  oder  Gruppen  senkrecht,  und  um  die  Mitte  des  Bauches  und  gegen 

Holzschnitt  1. 


das  untere  Ende  läuft  je  ein  horizontales,  jedoch  sehr  wenig  exaktes  Bündel  herum; 
die  anderen  sind  schräg  gestellt,  so  dass  sie  sich  an  gewissen  Punkten  schneiden 
und  Kreuzungsstellen  von  zum  Theil  sehr  buntem  Durcheinander  bilden.  Auf 
diese  Weise  entstehen  grössere  dreieckige,  zuweilen  unregelmässig  viereckige,  freie 
Felder  zwischen  den  Strichzonen.  Nach  oben  ist  die  Zeichnung  durch  eine  sehr 
ungenau  eingeritzte  Horizontallinie  begrenzt,  nach  unten  fehlt  jeder  Abschluss. 

Die  Urne  war  gefüllt  mit  gebrannten  und  zerschlagenen  Knochen  eines  Men- 
schen, zwischen  welche  Sand  aus  der  Nachbarschaft  eingedrungen  v^ar.  Zwischen 
den  Knocheustückchen  und  zwar  mehr  im  oberen  Theil  erschienen  hie  und  da 
Bronzeplättchen  und  durch  partielle  Einschmelzung  veränderte  und  deformirte 
Knopfe  von  blauem  Glasfluss.  Bei  genauerer  Betrachtung  und  Aneinander- 
fügung ergab  sich  sehr  bald,  dass  es  sich  um  segeiförmige  Ohrringe  mit 
blauen  Glasperlen  auf  dem  Schliessungsdrahte  handelte.  Ein  reconstruirtes 
Exemplar  (Holzschn.  2)  besteht  aus  einem  länglich  viereckigen,  1,5  cm  breiten,  aber 
ganz  dünnen,  gebogenen  Bronzeblech,  das  aussen  schwach  ge-  Ilolzschnitt  2. 
wölbt,  innen  vertieft  ist.  üeber  die  Mitte  desselben  ziehen  der 
Länge  nach  6  gepresste,  erhabene  Linien:  an  jedem  Ende  schliesst 
eine  ähnliche  Horizontallinie  das  Feld  ab.  Ausserdem  befindet 
sich  an  jeder  der  4  Ecken  ein  kleines  rundes,  durchgedrücktes 
Loch,  mit  nach  innen  oder  nach  aussen  aufgeworfenen  Rändern. 
Aus  dem  Ende  der  Platte  geht  unter  schneller  Verjüngung  ein 
nach  innen  gebogener  Fortsatz  hervor,  der  in  einen  runden,  bügei- 
förmig gebogenen  Draht  ausläuft.  Dieser  trägt  an  der  Oeber- 
gangsstelle   eine   flachrundliche,    durchbohrte  Glasperle    von  beiläufig   1  cm  Durch- 


(374) 

raesser.  Da  keines  [äev  uberhsupt  voü  uns  gefanilenen  4  Exemplare  voUstäDdig 
war,  do  Ifisst  »ich  nicht  genau  featatelleo,  wie  der  ADSchiii»s  am  anderen  Ende 
war.  Sowohl  die  Bronzeplaltchen^  als  Damentlich  die  Perlen,  sind  mit  im  Brande 
gewesen:  letztere  erscheinen  äusserlich  rauh,  uorepelmäsaig,  an  den  Bügel  ange- 
schmolzen, von  duokelblaugrauer  Farbe,  dagegen  zeigt  der  Bruch  innen  ein  s^^hön 
hellblaues  Aussehen.  Ausserdem  fanden  sich  noch  zwei  zusammengehöriger  stark 
gerostete  Eisenstücke,  die  zusammen  ein  57  mm  lange?,  rundliches,  ziemlich 
starkem  NadeLstück  mit  abgebrochener  Spitze  und  eincui  hinteren  platten,  rollen- 
artig  eingebogenen  Ende,  wahn^cheinlich  also  den  arliculirenden  Dorn  einer  Schnalle, 
darstellen. 

2*  Ein  fast  ganz  erhaltenes,  grosses  und  reich  verziertes  Ossuarium  von  32  i 
Höhe  und  einem  Durchmesser  von  11  rm  am  Boden,  25  am  Bauch  und  13rtH  an 
der  Mündung.  Es  ist  aus  freier  Hand  geformt,  zeigt  noch  vieifach  die  Ab^trichc 
der  Hand,  ist  auch  starker  gebrannt,  so  dass  es  theils  gelblichgrau^  theils  rothlich 
aussieht,  ist  äusserlich  gltitt  und  ohne  jedes  Ornament  Der  Boden  ist  flach  und 
klein,  die  grosste  Ausbauchung  des  Bauches  unter  der  Mitte  des  Gefasses,  der  Hals 
wie  bei  Nr,  1,  abgesetzt,  kurz,  leicht  eingebogen,  der  Rand  dick,  glatt  und  leicht 
vorspringend.  An  zwei  entgegengesetzten  Stellen  sitzt  über  dem  Halse  je  ein 
breiter  Henkel,  weil  genug,  um  den  Daumen  durchzulassen. 

:i.    Ein  sehr  ähnlich  gefortnter  Todtentopf  (Holzschn,  3),  30  an  hoch,  am  Boden 
12,  am  Bauch  "24  cm  im  üurchroessen     Am   Dehergange  zum  Hahe  sitzen  an  dem 

Holzschnitt  3. 


*^1 


^4, 


tV 


i\^?' 


m 


Bauche  in  regelmässiger  Vertheilung  4  etwas  platte,  horizontal  vorspringende,  iiolid^ 
Knopfe  mit  hjill)mondf«5rmiger  Ausbuchtung.  Zwischen  ihnen  ziehen  dicht  ao 
einander  2  Reihen  kleiner,  aber  tiefer  Grübchen  wie  Porlschnure  um  das  Gefass,  Die 
ganze  Flüche  darunter,  bis  nahe  an  den  Boden,  ist  in  8  Felder  getheilt^  von  denen 
abwechselnd  das  eine  schmal  und  glatt,  das  andere  breit  und  mit  tief  eingedruckten 
dreieckigen  Stichornaraenten  verziert  ist.  Letztere  stehen  in  je  13 — 14  Reihen 
neben  einander,  so  jedocl],  dass  die  Einstriche  an  gewissen  Stellen  mehr  senkrecht, 
an  anderen  horizontal  oder  schräg  gerichtet  sind.  Die  Dreiecke  sind  in  der  Regel 
ziemlich  regelmässig,  zuweilen  jedoch  mehr  rundlich,  aber  meist  mit  verlängerter 
Spitze.  Viele  sind  so  ^^ausgefuhrt,  dasa  die  Basis  des  Dreiecks  tief  und  zwar 
achrag,    also  mit  überragendem  Rande  eingedrückt  ist,    wahrend  die  Spitze  seicht 


(375) 


ausläuft;    bei    andereB    ist    cJagegeo    gerade    umgekehrt  die  Spitze  tief  eingedrückt 
und  die  Basis  sei-ht.     Jede  Abtbeilung  ist  etwas  verschiedeo  behaodelt 

4.  Eine  kleinen^  mehr  schwärÄliche  Henkelurne  mit  ganz  äbnliclier  Anord- 
nung der  Verzierungen,  wie  Nr.  3,  19  an  hoch,  aro  Boden  8,  am  Bauche  19,  an 
der  Müoduag  14  cm  weit.  Es  ist  nur  ein  Henkel  vorhaDdeUj  mit  breiter  Fiäche 
und  weiter  OefiFaung,  die  bequem  einen  Finger  duTchläsBt.  Der  Hals  ist  wie  bei 
den  tuideren  bescbaffeu.  Die  Ornamente  sind  in  6  Feldern  angeordnet,  aber  einfach 
mit  dem  Nagel  oder  einem  ihm  gleichenden  Werkzeuge  eingedriJckt. 

5-  Eine  flache  Henkelscbale,  4  cni  hoch,  16  cm  an  der  Mündung  weit,  ohne 
Ornameut,  von  schwärzlich  hraiingraupr  Farbe,  sehr  glatt,  mit  grossem,  flachgewölb- 
tem  Boden,  weitem  Bauch  und  ganz  kurze m^  etwas  eingedrücktem   Halse. 

Hei  läufig  will  ich  noch  erwähnen,  dass  sich  in  der  Erde  um  die  Urnen  ein 
Paar  Bruchstücke  grober,  eiserner  Nägel  fanden,  die  ihrer  guten  Erhaltung  nach 
wohl  ab  moderne  jVccidenzien  angesehen  werden  mtjssen.  — 

Das  waren  die  Ergehnisse  unserer  Ausgrabung,  unter  ihnen  stehen  zweifellos 
die  Ohrrringe  in  Torderstnr  Linie  des  Interesses.  Genau  dieselben  Formen  sind 
nehonüch  auch  von  einigen  Punkten  diesseits  der  Elbe  bekfmnt.  Eine  dieser  Fund- 
stellen Hegt  ganz  nahe  bei  Berlin,  westlich  von  der  Cadettenaostalt  in  Lichterfelde; 
ich  habe  darüber  in  der  Sitzung  vom  18.  October  1879  (Verh.  8.  348  Fig.  2—6) 
berichtet.  Eine  zweite  wurde  nach  dem  Berichte  des  Hrn.  R.  Baier  (bei  E.  Fried eJ, 
Vorgeschichtliche  Funde  aus  Berlin  und  Umgegend.  Berlin  1880,  S,  76)  in  der 
Nähe  Ton  Tempelhof,  südwestlich,  gefunden.  Eine  dritte  ist  das  Urnenfeld  von 
Bineuwalde  hei  Ruppin,  welchem  Hr.  Schwartz  (Programm  des  Friedrich-Wilhelms- 
Gymnasiums.  Neu-Ruppin  1871,  S.  20  Fig.  10,  11)  beschrieben  hat.  Die  Ohrringe 
Bind  so  übereinstimmend,  auch  der  Besutz  mit  Glasperlen  so  coustant,  dass  wir 
dieses  Fundstück  als  ein  ganz  sicheres  Leitobjekt  behandeln  können,  Hr.  Schwartz 
war  geneigt,  seinen  Fund  der  letzten  heidnischen  Zeit  zuzuschreiben,  trug  aber 
Beden  keuj  ihn  ohne  Weiteres  als  wendisch  zu  betrachten,  da  in  dieser  Gegend 
sich  wahrscheinlich  auch  in  wendischer  Zeit  deutsche  üeberreste  erhalten  hätten. 
Wenn  man  indess  die  Gesammtheit  der  Funde  von  Binenwalde,  Tempelhof  und  Lichter- 
felde zusammennimmt,  so  wird  man  kaum  Anstand  nehmen  dürfen,  sie,  wie  auch 
Hr.  Ondset*)  thut,  der  La  Tene-Gullur  anzuschliessen,  sie  also  weit  vor  die  Völ- 
kerwanderung zu  setzen. 

Hr.  Ho  11  manu  hat  mir  inzwischen  mitgetheilt,  dass  seit  unserem  Besuche  auf 
dem  Tangerrnfjüder  ürueufelde  ausser  weiteren  Ohrringen  mit  Glasperlen  und  zwei 
Armbändern  von  Bronzeblech  noch  folgende  eiserne  Gegenstände  ausgegraben  sind: 

„Zwei  Ringe  von  der  Grosse  weiter  Fingerringe. 

„Eine  Scheibe  (HolzBchn.  4,  I),  oben  zum  Haken  umgebogen;  an  einzelnen 
Stellen  acheinen  eiserne  Niete  zu  sitzen. 

„Eine  eiserne  Nadel  (Holzschu,  4,  Fig.  II)  mit  zwei  Bronzescheiben,  der  Rand 
nach  unten  gebogen."* 

Der  Charakter  des  Gräberfeldes  wird  damit  noch  bestimmter  bezeichnet.  Die 
verhäknissmässjg  grosse  Zahl  von  eisernen,  sowie  die  Dürftigkeit  der  Bronze- 
beigaben, namentlich  die  meht  blechartige  Beschaffenheit  der  letzteren,  beweist  genü- 
gend, dass  w*ir  uns  in  der  ausgemachten  Eisenzeit  befinden.  Auch  der  Charakter 
der  Funde  spricht  dafür.  Das  als  „ycheibe**  bezeichnete  Stück  dürfte  kaum  etwas 
anderes,  als  ein  Stück  eines  Gürtelschbsses  sein,  gleichwie  der  von  mir  gefundene 
^Dorn'^  SU  einer  Schnalle  gehört  haben  mag.   Auch  die  eiserne  Nadel  mit  S  knopf- 


I)  J.  Undset,  Das  erate  Aufireten  des  Eisens  ia  Nordeuropa.   S.  20O. 


(876) 


üolzschoitt  4.  artigen  ADschwelluDgen  am  fiode  und  den  dar- 

auf sitzenden  Bronzesch  ei  beben  passt  in  diese 
Umgebung.  Hoffentlich  wird  die  weitere  Bx- 
plorirung  des  Feldes  noch  mehr  Aufschlüsse 
ergeben,  indess  genügt  das  Mitgetheilte,  um  uns 
erkennen  zu  lassen,  dass  der  Culturkreis,  zu 
welchem  das  Urnenfeld  gehört,  mehr  östliche 
als  westliche  Anknüpfungen  darbietet. 

Von  besonderer  Bedeutung  erscheint  es  mir, 
dass,  so  nahe  dieser  Culturkreis  den  lausitzer 
Funden  steht,  er  doch  in  mehrfacher  Beziehung 
davon  abweicht.  So  fehlt  jene  Mannichfaltig- 
keit  der  kleinen  Gefasse,  welche  fast  alle  lau- 
sitzer Felder  auszeichnet.  Die  Technik  der 
Ossuarien  unterscheidet  sich  nur  in  der  beson- 
deren Ausgestaltung  der  Form  und  der  Orna- 
mente, während  die  Behandlung  des  Thons,  die 
Formung  aus  freier  Hand,  die  Glättung  durch 
Abschwemmen,  die  Anwendung  von  umgekehrten 
thÖnernen  Schalen  als  Ürnendeckel  auch  auf 
unseren  Urnenfeldern  wiederkehren.  Zweifel- 
haft erschien  mir  Anfangs  die  eigenthümliche 
Verzierung,  wie  sie  namentlich  bei  der  Urne 
Nr.  3  (Holzschn.  3)  in  so  ausgiebiger  Fülle  an- 
gewendet ist,  insbesondere  die  Anwendung  des  Tiefstiches,  in  dem  man  eine 
Art  von  Reminiscenz  der  alteren  Tiefornamentik  erblicken  könnte.  Aber  die  ganz 
verwandte  Ornamentik  der  Urne  Nr.  4,  wo  an  Stelle  des  Tiefstiches  der  blosse 
Nageleindruck  getreten  ist,  führt  uns  sofort  in  eine  Praxis,  die  in  der  Lausitz  und 
in  Posen  weit  verbreitet  ist.  Ich  möchte  daher,  so  sehr  ich  einen  gewissen  Local- 
charakter,  namentlich  in  der  hohen  und  mehr  schlanken  Form  der  Gefasse,  in  der 
Art  der  Verzierung  und  in  der  Solitär-Aufstellung  der  Ossuarien  anerkenne,  doch 
das  verwandtschaftliche  Verhältniss  dieses  Culturkreises  mit  dem  lausitzer  aufrecht 
erhalten,  nur  dass  es  mir  scheint,  dass  der  letztere  im  Ganzen  mehr  alterthümliche 
Züge  darbietet,  als  wir  sie  in  Tangermünde,  Lichterfelde,  Tempelhof,  Binen- 
walde  u.  s.  w.  antreffen.  Dagegen  dürften  die  eben  erwähnten  Urnenfelder  einer 
älteren  Periode  angehören,  als  die  mit  römischen  Importartikeln  ausgestatteten 
von  Stendal  (Borstel),  Darzau  u.  s.  w. 

Schliesslich  habe  ich  noch  dankbar  zu  erwähnen,  dass  uns  Hr.  Hartwich 
einen  mächtigen,  wahrscheinlich  mittelalterlichen  Topf  überlassen  bat,  der  in 
der  Stadt  selbst  gefunden  worden  ist.  Derselbe  ist  allerdings  stark  zertrümmert 
und  noch  jetzt  nicht  ganz  restaurirt,  aber  Form  und  Grösse  lassen  sich  doch  ziem- 
lich genau  angeben.  Er  war  18  an  hoch  und  an  der  Mündung  22  cm  weit,  unge- 
fähr eben  so  weit  auch  am  Bauche.  Der  Boden  ist  kesselartig,  also  Bach  gerundet, 
der  Hals  ganz  kurz  und  eingebogen,  der  Rand  glatt  und  etwas  nach  aussen  um- 
gelegt. Das  Gefäss  besteht  aus  sehr  dichtem  und  hartem,  gut  gebranntem,  klingen- 
dem Thon  und  hat  durchschnittlich  6 — 7  mrn  dicke  Wandungen,  aber  keine  Orna- 
mente.    Er  gehört  wohl  zu  den  grössten  Thongefassen  dieser  Periode. 


(877) 
(26)    Hr.  Dr.  Haas  Meyer  hält  einen  Vortrag  über 

die  Igorrotes  von  Luzon  (Philippinen). 

Es  ist  mir  die  ehrenvolle  Aufforderung  zugegangen,  an  dieser  Stelle  einige 
Nachricbteu  über  die  Reise  zu  geben,  die  ich  im  Herbst  des  vorigen  Jahres  in 
Luzon,   der  Hauptinsel  der  Philippinen,  gemacht  habe. 

Da  mir  der  sehr  verehrte  Vorstand  der  Gesellschaft  die  Wahl  des  Gegenstandes 
freiliess,  erlaube  ich  mir,  m.  H.,  Ihnen  einige  Mittheilungen  über  denjenigen  Volks- 
Stamm  zu  machen,  bei  dem  ich  während  meiner  Streifzüge  durch  die  Insel  Luzon  am 
längsten  verweilte  und  den  ich  demgemäss  besser  kennen  gelernt  habe,  als  die  übrige 
Bevölkerung  der  inneren  Gebirgsdistricte.     Es  ist  das  der  Stamm    der  Igorrotes. 

Seit  lange  schon  haben  die  im  Innern  von  Nordluzon  lebenden  Bergstamme, 
namentlich  ob  des  Geheimnisses,  das  ihre  Abstammung  verschleierte,  die  Aufmerk- 
samkeit der  Ethnographie  erweckt,  und  erst  aus  neuerer  Zeit,  erst  nach  den  Reisen 
und  Untersuchungen  der  HHrn.  Semper,  A.  B.  Meyer,  Scheidnagel  u.  A.  datiren 
die  Versuche,  das  Räthsel  zu  lösen.  F.  Blumen  tritt's  höchst  verdienstvolle  Arbeit: 
„Versuch  einer  Ethnographie  der  Philippinen^  fasst  alle  diese  Ergebnisse  zusammen 
und  kommt  schliesslich  zu  einem  Resultat,  das  in  aller  Kürze  etwa  folgendes  ist: 

Die  vermuthlich  papuanische  Urbevölkerung  der  Insel  Luzon,  die  Negritos, 
wurde  durch  zwei  malayische  Invasionen  derart  verdrängt,  dass  sie  heute  nur  noch 
in  vereinzelten  Stammesinseln  zerstreut  im  Land  existiren.  Die  erste  Invasion  der 
Malayen  jagte  die  Negritos  von  der  Küste  zurück  in  die  Berge  der  Binnenland- 
schaften, wo  sie  ungestört  blieben  bis  zur  zweiten  malayischcn  Invasion.  Diese 
trieb  die  malaiischen  Küstenbewohner  ihrerseits  ins  Innere  des  Landes  zurück  und 
nahm  Besitz  von  den  Gestaden,  wo  ihre  Stämme  noch  heute  angesiedelt  sind.  Die 
Negritos  wurden  aber  von  den  zurückgedrängten  Malayen  der  ersten  Invasion  durch 
Bekrieguug  und  Vernichtung  so  absorbirt,  dass  sie  jetzt  keine  zusammenhängenden 
Stämme,  sondern  nur  mehr  blosse  Stammesinselu  bilden. 

Die  Malayen  der  ersten  Invasion,  die  wahrscheinlich  von  Borneo  ausging,  sind 
die  Stämme  der  Igorrotes,  Ginaues,  Apayaos,  Abacas,  Catalaoganes,  Gaddanes  u.  s.  w., 
die  also  heute  die  ßerglaudschaften  des  inneren  Luzon  innehaben,  während  die 
Malayen  der  zweiten  Invasion,  die  Tagales,  Pampangos,  Visayas,  Ilocanos  u.  s.  w. 
die  Küstengebiete  bewohnen,  wo  sie  von  den  im  dritten  Viertel  des  IG.  Jahrhun- 
derts anlangenden  Spaniern  vorgefunden  und  gelassen  wurden. 

t)s  ist  natürlich,  dass  die  einzelnen  Stämme  weder  unter  sich  noch  gegen 
äussere  Einflüsse  sich  absolut  abschliessen  konnten.  Desshalb  bestehen  Aehnlich- 
keiten,  die  in  vielen  Beziehungen  ein  gemeinsames  Band  um  alle  Malayen  Luzons 
schlingen,  und  deshalb  finden  sich  bei  den  Stämmen  der  ersten  Invasion  aus  jener 
Zeit,  da  sie  noch  am  Meer  sassen  und  dem  Einfluss  der  nach  den  Philippinen 
Handel  treibenden  Chinesen,  vielleicht  auch  der  Japaner  ausgesetzt  waren,  viele 
Anklänge  an  mongolische  Einwirkungen.  Umsomchr  ist  aber  an  der  malayischen 
Abstammung  dieser  Stämme  festzuhalten. 

Dies  ist  das  kurze  Resume  der  Blumen  tritt' sehen  Darstellung. 

So  gut  man  auch  die  Malayen  der  zweiten  Invasion,  die  heutige  Küstenbevöl- 
kerung, die  den  Spaniern  unterworfen  und  längstrchristianisirt  ist,  kennt,  so  wenig 
sind  doch  die  grossentheils  noch  unabhängigen  oder  blos  nominell  unterworfenen 
heidnischen  Malayen  des  Inlandes  erforscht. 

Ich  hatte  mir  bei  Gelegenheit  meiner  Reise  um  die  Erde  auf  Anrathen  der 
HHrn.  Bastian  und  Jagor  die  Aufgabe  gestellt,  die  nur  theilweise  bekannten  Igor- 
rotes,  sowie  die  noch  ganz  unbekannten  Ginanes  zu  besuchen,  und  reiste  zu  diesem 


r378) 


^weck  Dach  einem  kurzen  AufeathaJt  in  Manila  an  der  Westkaste  Luzoos  za 
Schiff  entlaag  bis  nach  San  Fernando  im  Didtrict  Itocos  Sur,  um  von  dort  aus  in  die 
Proviozeo  ßenget  und  Lepanto  (die  Gebiete  der  Igorroten)  und  in  den  östlicbea  Tbeil 
der  ProvioÄ  Abra  (da-s  Gebiet  der  Ginanen)  voraudringen.  Fn  meiner  B«»glei- 
tuag  war  ein  junger  Apotheker  Namens  Au  und  ein  malaiischer  Diener^  die  icli 
beide  in  Manila  engagirt  hatte.  Aber  bereiU  an  der  Grenze  des  Igorrotengebietes 
war  meine  Earavane  auf  26  Pprsooen,  Führer,  Dolmetscher  und  Trager  des  Ge- 
päckes, angewachsen.  Ich  zog  uun  im  wilden  Stromthal  des  Rio  Agno  in  die  Berge 
des  Districtes  ßenget  hinauf,  in  dessen  Hauptorr  La  Trinidad  mir  der  Gobernadcvr 
dea  Districtes  Anweisungen  zur  Weiteireise  gab.  So  verfolgte  ich  das  Stromgebiet 
des  Rio  Agno  durch  die  ganze  Provinz  Benget  bis  au  seinen  Ursprung  am  Monte 
Dat4  in  Lepanto,  bestieg  und  umkreiste  diesen  BtTgslock,  wo  die  Igorrotes  noch 
am  ursprünglichsten  zu  finden  sind,  und  stieg  in  das  weite  Thal  des  Rio  Abra 
hinab«  dessen  Lauf  )(^h  bis  zur  Sijdgreoze  der  ProTinz  Abra,  bis  zum  Verschwinden 
der  Igorroten  stamme,  folgte.  Nach  einem  Abstecher  zu  dem  ilocanischen  Küsten* 
Städtchen  Caudon,  in  dessen  Nähe  ich  Net;ritos  zu  beobachten  Gelegenheit  batLe^ 
drang  ich  unter  militärischer  Hegleiniiig  vom  NVe^tee  her  in  die  Cordillereo  der 
Frrivinz  Abra  ein  und  erreichtt*  nach  vieleu  Muhsaleo  GiD4an  und  Balafok^  die 
Hanptorte  der  Ginanns.  Krankheit  und  andere  Widerwärtigkeiten  trieben  mich 
jedoch  eher  nach  der  Küste  hinahj  als  ich  beabsichtigt  hatte,  und  so  kehrte  ich  im 
November  über  Vigan  nach  Manila  zurück. 

Es  ist  mir  nicht  möglich^  heute  eine  nach  allen  Seiten  vollständige  Schilde- 
rung des  Igorrntenstanimes  zu  geben;  ich  beschränke  mich  deshalb  auf  eine  fluch» 
tige  Skizze,  in  welcher  ich  nur  einige  Partien,  die  von  anderen  Beobachtern  un- 
richtig oder  gar  nicht  gezeichnet  worden  sind,  etwas  ausführlicher  behandeln  möchte. 

L 

Blumentritt  theilt  die  Igorrotes  ein  in  Igorrotes  im  engeren  Sinn  und  in  die 
Busaos  und  Buriks,  denn,  sagt  er,  diese  haben  eine  gemeinsame  Sprache,  welche 
nur  geringe  dialectische  Verschiedenheiten  aufzuweisen  hat,  auch  unterscheiden  sich 
diese  Stämme  nur  durch  Tracht  und  Tättowiruiig^  während  Sitten  und  Bräuche  nur 
unerheblich  von  einander  abweichen.  Es  stützt  sich  diese  Eintheilung  auf  münd- 
liche Mittheilungen  des  Don  Gumersindo  M orales,  auf  die  Angaben  ran  Mas  und 
anf  Berichte  in  der  Dustracion  filipina,  sowie  der  Ilustr.  del  Oriente»  Doch  sind 
diese  Quellen    nicht    unanfechtbar. 

Es  ist  ganz  ULglaublich  und  unverständlich,  wie  wenig  Kenntnisse  die  spanischen 
Beamten  im  allgemeinen  vom  Volkaleben  in  dem  Gebiet  haben,  das  ihnen  ab  Wir» 
kungskreis  angewiesen  ist,  und  wie  sie  oft  ohne  das  geringste  Interesse  für  die  Stämme 
und  Landeeverhältnisse  sind,  die  ausserhalb  ihres  Gebietes  bestehen.  Das  Aufbringen 
der  Kopfsteuer  und  das  stricte  Aufrechterhalten  des  Tabak monopols,  bei  dem  so  viel 
für  den  Beamten  selbst  ubflllt,  ist  diesen  Leuten  die  Hauptsache,  oder  wenn  sie  Pfaffen 
sind,  kennen  sie  gewöhnlich  nichts  als  ein  blindes  Eifern  gegen  die  „Salvajes**,  Aber 
eine  Kenntniss  der  verschiedenen  Stamaieseigenth  um  liebkeiten  findet  man  nur  in  sehr 
seltnen  Ausnahmen.  So  ist  es  erklärlich,  dass  die  Bezeichnung  „Igorrotes^  so  Tiele 
falsche  Anwendungen  erfahren  hat.  Da  die  Igorrotes  der  erste  der  heidnischen  Stämme 
der  ersten  Invasion  waren,  die  den  Spaniern  bei  ihrem  Vordringen  ins  Landes- 
innere  sehr  viel  zu  schaffen  machteo,  wurde  ihr  Name  als  Gattungsbegriff  auch 
auf  andere,  gleich  widerspenstige,  nicht-christliche  und  nicht-mohamedanische  Stamme 
des  Inlandes  angewendet,  und  heute  verstehen  die  spanischen  Beamlen  unter  dem 
Wort  „Igorrotes**  alle  heidnischen  Bewohner  des  inneren  Luzon, 


(379) 


IgorroL  (Ton  auf  der  ersten  8i1be)  habe  ich  aber  uur  ille  Bewohoer  voq  Beuget 
and  Lepaoto  sich  selbst  n<»nnen  hnren.  Die  Bewohner  von  ßnubok  dagegen,  die 
gewohalich  awch  als  Igorrntt^ü  beyelcboet  werden,  ni*Duen  sich  je  nacb  den  Kau- 
cberiet),  die  sie  bewohneo,  Leute  von  Beaao,  Leute  von  Sagada,  Leute  von  Saka- 
saka  w.  s.  w.;  wie  dies  ebenso  die  angrenzeüdea  Ginaneo  thuD,  mit  welchen  die 
Bontokbewohner  auch  in  Typiis,  Tracht  und  Sitten  sehr  viel  meiir  gemein  haben, 
als  mit  den  Igorroten. 

Die  Leute  von  Besao  wohnen  den  Li* p an to-I gorrote a  am  nächateu,  weshalb  sie 
wohl  zuweilen  von  diesen  selbst  Besao-IgoiTotes  genannt  werden,  da  sie  auch  eben 
wegen  dieser  Nachbarschaft  nicht  ganz  frei  von  igorrotiscbem  KJenient  sind.  Ihr 
Grundtypus,  ihre  Tracht  und  Sitte  ist  aber  die  der  ßontokleute  und  nähert  sieb 
derjenigen  der  Ginanes  sehr  viel  mehr,  als  der  der  Igorrotea.  Die  ßesaos  oder 
Bnsnaos  sind  also  nur  Igorrotes  im  weilen  Sinn  der  spanischen  BcÄeichDung. 

Was  endlich  den  dritten  angegebenen  Zweig,  die  Bnriks,  betriflt,  so  habe  ich 
wohl  in  den  Rancherien  um  den  Monta  Data  herum  diese  Bezeichnung  oft,  gehört, 
mir  aber  von  diesen  Buriks  selbst  erklären  lassen,  dass  ihr  Name  sich  »Hein  auf  das 
besondere  Muster  ihrer  Tättowirung  bezieht  und  etwa  ^buntscheckig**  heisht.  So 
giebt  es  in  Cagubatan  etwa  ein  Duliend  Buriks,  ii)  B^inao  desgleichen;  wer  sich 
ids  Burtk  tättowiren  lassen  will,  kann  es  tbun,  aber  einen  besonderen  Stamm  der 
Buriks  giebt  es  nicht  Es  ist  leicht  ujöglich,  dass  diese  Bnriktiittowiiung  auf  eine 
gemeinsame  Abstammung  der  also  Tältowirten  hinweist^  ich  konnte  aber  keinen  Auf- 
sohlu^s  dariiber  erlangen,  und  sollte  einmal  eine  Rancherie  Burik  bestanden  haben, 
so  sind  heute  ihre  Bewohner  unter  deo  Lepanto-Igorroteu  aufgegangen,  von  denen 
sie  sich  einzig  und  allein  durch  ihre  TiittowirnngsmuBter  untcrscbeiden. 

Somit  bleiben  als  ^Igorrotes^  die  Bewohner  von  Benget  und  Lepanto  im 
Grossen  und  Ganzen;  die  Bnsaos  oder  Besaos  sind  eia  Tbeil  der  BontokJeute  und 
die  Buriks  ein  Tbeil  der  Lepanto-I gorroten. 

IL 

Land  und  Klima. 

Die  Heimatb  der  IgorroJes  ist  Gebirgsland^  Das  Terrain  ist  zerrissen,  die 
Bodenerl^ebungen  sind  schroß'  und  die  WasserJäufH  tief  eifigeschnitten.  Beuget  ist 
wilderen  und  düstereren  Charakters  als  Lepanto,  wo  breitere  Gebirgsformationen  und 
offenere  Thalbildungen   vorherrschen. 

In  Beuget  sind  die  Höhen  und  Abhänge  von  Fichtenwäldern  bedeckt,  nur  in 
den  FluBB-  und  Bachthälern  tritt  Laubbolz  auf,  während  in  Lepaiito  letzteres  in 
Dschungelform  alte  die  feuchten  Plateaus  der  Bergzijge  überzieht  und  nur  in  den 
tiefen  Thalebenen  den  Casuarinen  Platz  macht. 

Das  Klima  ist  in  Beuget  kälter  als  in  Lepanto.  Der  Wechsel  der  „secas*  und 
„lluvias",  der  trocknen  und  nassen  Jahreszeit  ist  dagegen  in  Lepanto  fühlbarer, 
wo  wiederum  die  täglichen  Temperaturscliwankuugen  unbedeutender  sind,  als  in 
Beuget.  Das  Tiefland  von  Lepanto  bleibt  wahrend  der  „secas**  mitunter  wochenlang 
ohne  Regen,  wahrend  der  „Uuvias^  tritt  dort  wie  in  Benget  regelmässig  Nachmittags 
Gewitterregen  ein.  In  Benget  fallen  auch  iu  der  trocknen  Jahreszeit  an  jedem  4. 
oder  5,  Tag  Niederschläge. 

UL 

Körperbeschaffenheit 

Der  Jgorrot  ist  von  untersetzter  Statur.  \fi5—lfiOm  fand  ich  als  Durch- 
scbnittsmaass  von  lÜG  Individuen,    Doch  sind  die  ßenget-Igonoten  im  Allgemeinen 


(380) 

grösser  als  die  Lepaotoleate.  Die  Miisinilatur  ist  gat  entwickelt  ond  die  Ausdauer 
durchweg  erstanolicb.  Die  Hautfarbe  ist  je  nach  der  iodiTiduellen  Lebensweise 
Terscbieden.  Am  bäofigsteo  findet  sieb  ein  dankles  Kastanienbraun,  seltner  eine 
gelbbraune  Nuance  und  nur  bei  den  Weibern  der  Principes,  die  sich  meist  in  den 
Hütten  aufhalten,  die  lichtere  Färbung  etwa  eines  gebräunten  Earopaers. 

Die  Gesichtsform  ist  mehr  breit  wie  lang.  Die  Backenknochen  stehen  herror 
and  die  Stirn  liegt  ein  wenig  zoruck.  Die  Augen  sind  dunkelbraun.  Die  Nase 
der  Lepanto-Igorroten  ist  kürzer  und  mehr  aufgetrieben,  ihr  Mund  breiter  und  wul- 
stiger als  der  der  Bengetleute. 

Das  Haar  ist  schwarz,  glatt  und  glanzlos.  Der  Bart  (wo  die  Sitte  des  Haar- 
ausreissens  nicht  besteht  wie  im  westlichen  Lepanto)  beschränkt  sich  auf  einen 
Flaum  um  Kinn  und  Oberlippe.  Die  Benget-Igorroten  scheeren  das  Kopfhaar  über 
der  Stirn  gerade  ab  oder  überhaupt  ganz  kurz;  ihre  Weiber  lassen  es  im  Nacken 
hingen  oder  binden  es   zu  einem  Schopf  auf.    Ebenso  tragen  es  die  Lepantolente. 

Die  Hände  und  Arme,  oft  auch  die  Brust  und  theilweise  die  Beine  sind  tätto- 
wirt.  Ein  spiralförmiges  Sonnenbild  auf  dem  Handrücken  trägt  fast  jeder.  Die 
2^ichnung  auf  den  Armen  besteht  in  aneinander  gereihten  Feldern  Ton  geraden 
und  krummen  Linien,  die  gewohnlich  bis  zum  Ellenbogen  reichen.  Federartige  Muster 
auf  der  Brust  sind  schon  seltener,  am  seltensten  die  sogenannten  Burikzeich- 
nungen,  die  sich  ib  parallelen  Bandstreifen  über  Brust,  Rücken  und  Waden  er- 
strecken und  dem  Bnrik  das  Aussehen  eines  mit  einer  gestreiften  Matrosenjacke 
und  ebensolchen  Kniestrümpfen  Bekleideten  geben.  Thierbilder,  wie  Schlangen  und 
Spinnen,  kommen  selten  vor,  Menschenbilder  nie. 

Die  Muster  werden  mit  einem  spitzen  EisengrifFel.  die  in  eine  blaugrane 
Indigomischung  getaucht  wird,  in  die  Haut  gestochen  und  brauchen  theilweise  (bei 
den  Bnriks)  3—4  Monate  zur  Ausheilung  und  Vernarbung. 

IV. 
Tracht. 

Schmuck,  Tracht  und  Bewaffnung  der  Igorroten  glaube  ich  nur  flüchtig  be- 
schreiben zu  dürfen,  da  Specimina  yod  alledem  io  meiner,  dem  Königlichen  Museum 
einverleibten  Sammlung  enthalten  sind,  die  ich  Ihnen  vorzustellen  später  einmal 
die  Ehre  haben  werde. 

Kopftuch  und  Lendenschurz  aus  Baumwollenzeug  oder  praparirter  Baumrinde 
sind  nebst  einer  baumwollenen  Decke,  die  nach  Art  einer  Toga  getragen  wird, 
aber  nur  den  Oberkörper  bedeckt,  die  Kleidungsstücke  des  Mannes;  Kopftuch  und 
ein  kurzer  Sarong,  in  den  Philippinen  Saya  genannt,  in  manchen  Gegenden  auch 
ein  baumwollnes  kurzes  Jäckchen,  sind  das  Gewand  des  Weibes.  Die  Kinder  gehen 
nackt  bis  zum  Pubertatseintritt  d.  h.  die  Knaben  etwa  bis  zum  12.,  die  Mädchen 
bis  zum  10.  Jahre. 

Fussbekleidung  giebt  es  nicht. 

Als  Schmuck  dienen  Männern  und  Weibern  in  gleicher  Weise  Ketten,  Arm- 
ringe, Wadenspangen  und  Ohrgehänge  aus  Pflanzensamen,  Glasperlen,  Acbatstück- 
chen,  Messing,  Muscheln  und  Krokodilzähnen,  welche  letztere  von  den  tropischen 
Küstenlandschaften  herauf  kommen  und  einen  besonders  hohen  Selten heitswerth 
besitzen.  Als  Waffen  haben  sie  das  1 — IV/j  Fuss  lange,  ein-  oder  zweischneidige 
Schlagmesser,  wie  es  sich  ähnlich  bei  den  Küstenmalayen  findet,  schmale  lange 
Holzschilde,  die  roh  geschnitzt,  selten  verziert  sind,  und  Wurflauzen  mit  Bambus- 
spitzen, sowie  Stosslanzen  mit  eisernen,  pfeilformigen  Spitzen.  Pfeil  und  Bogen 
kennen  sie  nicht;  Feuerwaffen  besitzen  sie  ebensowenig. 


(381) 


V. 
AnsiedluDgeD. 

Die  Hütten  der  Igorroteo,  auf  4  Pfählen  stehend,  aus  Fichteodielen  gezimmert 
und  mit  Cogongras  gedeckt,  enthalten  nur  einen  Kaum,  in  dessen  Benutzung  sich 
die  Familie  theilt.  Das  Vieh,  namentlich  Schweine,  haust  unter  der  Hütte  zwischen 
den  4  Pföhlen  und  wird  durch  einen  rings  um  die  Hütte  geführten  Steinwall  oder 
einen  Zaun  am  Ausbrechen  verhindert. 

Ein  grosser  Feldstein  inmitten  des  Hüttenraumes  bildet  den  Heerd;  Haus-  und 
Feldgeräth  hängt  und  steht  an  den  Dachsparren  und  Halkenvorsprüngen  umher,  der 
Rauch  zieht  aus  der  einzigen  Oeffnung,  der  Thüre,  ab.  Zehn  bis  zwanzig  sol- 
cher Behausungen,  selten  die  doppelte  Anzahl,  bilden  zusammen  eine  Gemeinde, 
Rancheria;  regellos  stehen  die  Hütten  nebeneinander.  Der  Pfad  zur  Nachbar- 
rancherie  führt  mitten  durch  die  Ansiedlung.  Ich  traf  keine  Rancherie  an,  die 
mehr  als  250  Bewohner  hatte,  denn  die  dann  nothwendige  Ausdehnung  der  mühsam 
an  den  Thalhängen  anzulegenden  und  abzuerntenden  Reis-,  Mais-  und  Camotefelder 
führt  von  selbst  zur  Abtrennung  eines  Theils  der  Rancheriebewohner  und  zur  Er- 
richtung von  Einzelhöfen  (Barrios)  oder  Nachbarrancherien. 

Wo  es  nur  möglich  ist,  da  sind  die  Hütten  auf  oder  an  den  Rand  eines  hohen 
Fluss-  oder  Bachlaufes  gestellt.  Im  Thalgrund  selbst  finden  sie  sich  nur  dort,  wo 
wegen  der  Breite  oder  Tiefe  des  Bettes  keine  Gefahr  durch  die  in  der  Regenzeit 
oft  erstaunlich  rasch  und  stark  anschwellenden  Wasserläufe  droht. 

Landschaftlich  sind  die  Igorrotenniederlassuugen  von  weiter  Ferne  an  den 
Rodungen  erkenntlich,  die  im  Umkreis  zur  Gewinnung  von  Feldboden  vorgenommen 
sind.  Nur  die  grösseren  Orte  wirthschaften  geordneter  mit  einer  an  die  Stelle  ge- 
bundeneu Wechselbestellung.  Die  kleineren  hausen  mit  der  bequemeren  Breun- 
wirthschaft  arg  in  den  Wäldern  und  wechseln  darum,  wenn  der  Boden  nicht  mehr 
recht  ertragsfähig  ist,  von  Zeit  zu  Zeit  den  Standort.  Die  Genauigkeit  der  Croquis- 
karten  kann  deshalb  in  dieser  Hinsicht  nie  von  langer  Dauer  sein. 

VI. 
Feld  und  Vieh. 

Der  Ackerbau  gewährt  dem  Igorroten  den  Hauptunterhalt,  Viehzucht  erst  in 
zweiter  Linie;  die  Jagd  kommt  kaum,  der  Fischfang  gar  nicht  in  Betracht.  Reis 
ist  die  hauptsächlichste  Frucht,  darnach  ist  Mais,  dann  Camote,  die  süsse  Kartoffel, 
und  endlich  Patatas,  unsere  geschmacklosen  Kartoffeln,  zu  nennen.  Wo  es  das 
Klima  zulässt,  wie  in  den  Thälern  von  Lepanto,  wird  ferner  Zuckerrohr,  und  diess 
ausschliesslich  zur  Bereitung  von  Basig,  Zuckerrohrbranntwein,  gebaut;  auch  Bananen 
finden  sich  zuweilen  und  sehr  oft  Apfelsinen. 

Die  Anlage  der  Reisfelder,  welche  stets  an  den  Hängen  der  Fluss-  und  Bacb- 
thäler  liegen,  ist  ein  sehr  geschickter  Terrassenbau.  Kanälchen  und  ausgehöhlte 
Baumstämme  führen  das  Wasser  aus  dem  oberen  Gefälle  des  Baches  oder  Flusses 
herbei  und  ebenso  ist  für  den  gehörigen  Abfluss  gesorgt.  In  den  hochgelegenen 
Gebieten  von  Beuget  giebt  es  nur  eine  einmalige  Ernte  im  Jahr  und  zwar  im  Mai, 
in  den  tieferliegenden  Districten  von  Lepanto  aber  eine  zweimalige,  eine  im  Januar, 
die  zweite  im  Juni.  Gegen  Ende  der  Regenzeit  wird  das  Vieh,  vorwiegend  die 
Carabaos,  in  die  Felder  getrieben,  um  die  Stoppeln  einzustampfen,  worauf  die  Aus- 
saat in  der  Art  vor  sich  geht,  dass  in  kleinen  Zwischenräumen  mit  einem  eisen- 
spitzigen Pfahl  Löcher  in  den  Schlamm  gestossen  werden,  deren  jedes  eine  Hand 
voll  Kömer  aufnimmt.     Auspflanzen  des  Reises  kennt  der  Igorrot  nicht.     Die  Aus- 


(382) 


saat  wird  von  den  M&niiem  besorgt,  die  Ernte  von  den  Weibern  und  Kiodero. 
Der  Schnitt  des  Reises  geschieht  nicht  mit  der  Sichel  in  Garben,  soudern  jed«r 
Haltn  wird  einzeln  vermittelst  eines  kleinen  Rtiodmessere  geschnitten,  und  als 
Speicher  dient  in  den  H Titten  der  Raum  über  den  Tragbalken  des  Daches  bis  zuni 
Dachfirst. 

Einfacher  i»t  die  Bestellung  der  Mais-  und  Camotefelder.  Diese  brauchen  keiire 
künstliche  Bewossening;  nach  Ausreissen  und  Verbrennen  der  Maisstoppeln  wird 
die  Regenzeit  abgewartet  ond  nach  dieser  je  ein  Maiskorn  in  ein  mit  dem  schon 
erwähnten  Pfahl  gebohrtes  Lot-h  gesteckt,  das  Loch  dnrch  Daraufschlagen  mit  dem 
Pfahl  geschlossen  und  die  Aussaat  ist  fertig.  Der  Schnitt  geschieht  mit  dem  Bolo, 
dem  Waldmesser.  Und  die  Cumotefelder  bedürfen  gar  keiner  weiteren  Bestellung, 
als  der  Aberntung  der  Knnllt^n  und  Reinhaltung  des  Ackers;  für  ununterbrochene» 
Wachsthdm  sorgt  dieses  Rauken gewiichs,  das  wie  die  Erdbeere  seine  LuftwunEeln 
auslegt,  ganz  von  selbst. 

Die  Anpflan«nug  des  Zuckerrohrs  geschieht  wie  bei  den  übrigen  Malayen  iq 
Stecklingen,  die  der  Bananen  gleichfalls.  Kaffee  bauen  die  Igorroten  gar  nicht, 
Tabak,  dessen  Cultnr  sehr  ?iel  mehr  Aufmerksamkeit  als  Fleiss  erfordert,  in  recht 
schlechter  Qualität  und  sehr  geringer  Quantität 

Eine  rationelle  Viehzucht  ist  den  Igorroten  unbekannt  Ihre  Hausthiere  sind 
Rinder,  Carabaos,  Pferde,  Schweine,  Hunde  und  Hühner,  aber  sie  verstehen  weder 
deren  Pflege  noch  deren  richtige  Verwendung  im  Dienst  des  Menschen.  Das  Pferd 
wird  wie  das  Schwein  in  erster  Linie  des  Fleisches  wegen  gezogen,  und  geht  ^m 
bei  grossen  Festen  hoch  her,  dann  muss  der  Hund  so  gut  wie  das  Pferd  sein 
Fleisch  hergeben.  Ziegen,  Schafe,  Katzen,  Tauben  u,  s.  w.  giebt  es  nicht.  Mit 
Auenah me  des  Hundes,  der  in  die  Hütte  mitgenommen  wird,  und  des  Schweins,  das 
unter  der  Hütte  haust,  nächtigen  die  Thiere  im  Freien,  wo  sie  sich  den  Tag  über 
da«  Futter  gesucht  haben.  Der  grosate  Theii  des  vorhandenen  Grossviehs  ist  darum, 
wie  diese  Missstande  ergeben,  nicht  von  den  Igorroten  selbst  gezogen,  sondere  den 
Küsten inalaypB  abgekauft.  Daher  auch  der  hohe  Werth,  den  d&a  Fleisch  für  den 
Igorrot i^n  hat. 

VH. 

Speisen,  Getränke  und  sonstige  Genusemittel. 

Fleisch  wird  nur  zu  besonderen  Uelegetiheiten  genossen,  und  dann  in  welchem 
Zustand  es  auch  immer  sei;  ob  gebrate o,  gekocht  oder  roh,  ob  frisch  oder  bereits 
in  FäulnibS  übergegangen,  ob  Muskelfleisch,  Darm  oder  Haut,  Alles  was  die  Zähne 
und  der  Magen  nur  verarbeiten  können,  das  wird  vertilgt.  Bei  einem  Todtenfest  in 
der  Rancherie  Tublay,  in  Beiigety  sah  ich,  wie  Igorroten  die  Eingeweide  eiaes 
soeben  aufgebrochenen  Büffels  verschliiiigen,  ohne  den  darin  sitzenden  Koth  heraus- 
zupressen. Ein  wenig  rother  Pfeffer  schien  ihnen  den  Genuss  bedeutend  zu  er* 
höhen. 

Das  Brüten  des  Fleisches  geschieht  an  einem  Hobspiess  über  einem  ofiFnao 
Feuer,  dsxn  Kochen  in  kupfernen  grossen  Kesseln  oder  Thontopfen  und  das  Röu* 
ehern  an  Stangen   i)ber  dem  Heerdstein  in  den  Hütten. 

Die  Hanptt^peise,  der  Reis,  wird  nur  in  Wasser  abgekocht,  die  Camote  eot* 
weder  gekocht  oder  in  der  Asche  gt^rostet«  die  Bananen  ebenfulla  gerostet  oder 
frisch,  die  Apfeisinen  nur  frisch  genossen. 

Als  Zukost  dient  Salz,  das  aus  den  vielon  salzhaltigen  warmen  Quellen  ge- 
wonnen oder  auch  von  der  Küste  bc raufgebracht  wird,  und  rotber  Pfeffer,  dessen 
Biische  durchs  ganze  Land  wild  wachsen. 


I 


4 


Ein  leicbt  alkoboHscbeB  säuerlicbes  Geti^Dk  bereiten  sie  durcb  einfacbeB  Wäs- 
sern und  Abgab ren  aus  Reis  (Siniput),  ein  anderes,  weit  schmackhafteres,  rimi- 
artiges  aus  gegiihrt^nem  Zuckerrohrsaft  (Ha»i),  Wo  ktMn  Ziickerrabr  wächst  *ind 
allein  der  Reisbranntwein  vorkonmit,  trägt  auch  dieser  den  Namen   Hasig. 

Ab  letztes  Genussiuittel  ist  schliesslich  der  Tabak  zo  nennen,  dessen  Genuas 
die  Igorroten,  Männer,  Weiber  und  Kinder,  leidenschaftlich  ergeben  sind.  Da  sie 
selbst  sehr  wenig  Tubak  bauen,  t^etgen  sie  eineu  grossen  Tbeil  ihrer  Feld-  und 
Bergbauerträgnisse  daran,  sieb  in  Besitz  desselben  zu  setzen.  Die  Beuget- Igor  roten 
erhandeln  viel  Tabak  aus  der  angreuaenden  Provinz  Nueva  Vizcaya,  die  Lepanto- 
Igorroten  aus  Isabela,  beide  aus  Ilocos. 

Der  Tabak  wird  nur  geraucht  und  zwar  aus  winzigen,  den  japaniscbeo  ähn- 
lichen Bronze-  oder  Thonpfeifchen,  in  die  ein  Pfröpfchen  gestopft  wird  von  der 
Grösse  einer  Bohne»  In  2 — 3  Minuten  ist  der  Genuas  vorüber.  In  maacben  ab- 
gelegeneu  Raneberien  des  aiittleren  Benzet  fand  ich  ein  eschenartigea  Blatt  im 
Gebrauch  als  Surrogat  des  schwer  zu  beschaffenden  Tabaks. 

VIIL 
Handwerk,  Kunst,  Bergbau, 

Die  kleinen  Tabakspfeifcben  sind  dasjenige  Erzeugt! iss  des  Igorroteo,  in  dem 
sich  sein  KiiDstsinn  am  deutlichsten  atii^prägt  Aus  Bolz  getfrchnitzt,  aus  MessiDg 
gegossen  oder  aus  Tbon  geformt,  entbehrt  keine«  der  Verzierung  durch  eingetriebene 
Messißgstiftchen,  durch  scbneckenartige  oder  rosettenforuiige  Ornamentej  und  ge- 
wöhülich  hängt  an  jedem  noch  ein  Messingkettcheo  mit  eim^r  gleicberweifte  ver- 
zierten Messingnadel.  Aebnlicbe  Musler  keliren  auf  den  Mesivingohrringeo,  den 
Arm-  und  Halsspangen  wieder.  Ebenso  geschickt  ist  der  Igorrote  in  der  Anferti- 
gung von  Körben  und  Körbchen  und  in  der  Schnitzerei  bölzeroer  GeTäthschafteu. 
Und  wo  er  sich  da  an  die  Nachbildung  menscbHchcr  [♦'iguren  wagt,  tritt  sofort  eine 
überraschende  Aehn liebkeit  mit  den  gleichartigen  Produkten  der  Dayaks  von  Bornen 
zu  Tage.  Solche  Figuren  finden  sich  regelaiässig  an  Löffeln,  oft  an  den  Wehr- 
gehangen  (portaüak)  und  bisweilen  im  grossen  Maassstab  an  den  Thürpfoslen. 
In  den  meisten  spricht  sich  eine  obscöne   Vorstellung  aus  ^), 

Alle  Geräthe,  Waffen  und  Schmucksachen  gehen  aus  Hausarbeit  hervor.  Von  ir» 
gend  welchem  bandwcrksmassigen  Betrieb  ist  mir  nur  ein  Beispit:!  vorgekommen  und 
von  einem  andern  habe  ich  wenigstens  einen  glaubwürdigen  Bericht.  Das  erstere 
ist  eine  Schmiede,  das  andere  eine  Töpferei,  und  beide  Betriebe  werden  von  den 
Igorroteu  sehr  geheim  gehatten. 

Die  Töpferei  besteht  in  der  Rancheria  Vila  in  Lepanto  und  versorgt  einen 
grossen  Theil  der  Rancheriea  um  den  Monte  Data  mit  Kochtöpfen;  die  Schmiede, 
welche  ich  zu  besuchen  Gelegenheit  hatte,  befindet  »ich  vor  der  Rancheria  ßugias 
in  Benget  und  versieht  das  obere  Thal  des  Rio  Aguo  mit  Messern  und  Danzen- 
spitzen.  Einige  andere  Schmieden  existiren,  wie  mir  dort  in  Bugias  mitgetheilt 
wurde,  in  den   nordwestlichen   Raneberien   von  Beuget. 

Der  Mechanismus  dieser  Schmiede  war  denkbarst  primitiv.  Zwei  senkrecht  in 
den  Boden  gerammte    bohle  Baumstämme  tod   l^j^m  Höhe,    in  welchen  an  Stäben 

1)  Daas  die  meisten  dieser  Figuren  Bilder  der  Anitos,  der  Ter^torbenen  Abnen»  vorstellen 
sollen,  wie  einige  Reisende  vermutben,  Ist  mir  um  üO  unwahrscheinlicher,  als  ich  nirgendg  aarh 
nur  eine  Spur  von  Cultus  wahrgenommen  habe,  der  die-nen  Bildern  dargebracht  worden  sei. 
Nur  in  Cay^n  bekam  ich  einraal  einige  Anilobildcben  zu  Gesiebt,  den^^n  man  VerehruiiK 
icnllte:  die^e  aher  wiiren  »us  Gold  g^gosisti  und  denjenigen  durchitns  ähnlich,  die  Hr  Dr  liär 
dem  KonigUcbeu  Museum  meines  Wissens  von  Bontok  mitgebracht  bat. 


(384) 

zwei  Holzscheiben  auf-  und  abgestossen  wurden,  bildeten  das  Geblase,  Der  durch 
die  Bewegiiüg  der  Sclicibeu  erzeugte  Luftsitrom  dringt  durch  2  Holzriihrcn,  die  auf 
dem  Erdlioden  von  den  beid«*rj  bohlen  Baum  stammen  auslaufen,  nach  der  Ff-uer- 
stelle  hinaUÄ,  und  dort  wird  das  Eihen  durch  Seluniedeu  imf  (^»uiirzblocken  uüt  Häm- 
mern  aua  liasait  oder  Quarz  zu   Wafifen  und  Geiathcn   verarbeitet. 

Das  Schmledeeieen  wird  ubrigeus  durch  blosses  Gluhf^n,  Schmieden  und  Kühlen 
auB  dem  Gusseisen  gewonnen,  das  auf  fdinlich»:'  Weise  unweit  der  Raochene  aus 
dem  dort  gegrabenen  Roheisen  hergestellt  wird. 

Nur  ein  geringer  Theil  des  benöthigteo  Eisens  geluugt  schön  als  Seh  miede  eisen 
von  der  Kiiste  herauf  in  den  Besitz  der  Tgorrotew,  der  gröseero  Theil  wird  von 
diesen  selbst  gewonwen. 

Öüd  ebenso  wie  Eitlen  schürfen  sie  Kupfer,  Zink  (diese«  in  geringen  Mengeo) 
und  Gold.  Pie  reichhaltigsten  Kupfergruben  liegen  am  Monte  Data,  die  ertrag- 
fähigsten Goldminen  bei  Suyuc  in  Lepanto  und  am  Monte  de  Oro  in  Benget* 

Die  Forderung  des  Eisen-  und  Kupfererzes  geschieht  gewöhnlich  durch  Feuer- 
setzeti.  Die  Wärme  und  namentlich  die  in  den  Erzspalten  eatsteheoden  Wasser- 
därapfe  sprengen  das  Gestein  auseii^ander,  das  dann  gerostet  und  in  Schmelzen  vou 
ebenso  einfacher  Art,  wie  die  erwähnten  Schmied egehlase,  ausgeschmolzen   wird. 

Das  Gold  wird  in  den  offnen  Gruben  mit  eisernen  Harken  gebrochen  und  die 
Quarze  nach  den  Werkplätzen  gebracht,  wo  sie  zwischen  »Steinen  zerklopft  und 
zerrieben  werden.  Der  ^o  eiatstehende  graue  Schlamm  wird  dann  auf  äacbeii 
Schwingen  vielfachen  Waechungen  unterworfen,  bis  sich  die  Goldkornchen  alle  id 
einer  Ecke  abgesetzt  haben.  Zum  Schluss  wird  der  Goldsand  zu  Scheiben  einge- 
schmolzen und  in  dieser  Gestalt  kommt  da^  Metall  meistens  in  den  Handel')» 

Die  Grubenarbeit  ist  Sache  der  Manner,  das  Waschen  und  Einschmelzen  be- 
gorgen  die  Weiber,  Besitzer  der  Minen  sind  in  Suyuc  die  Principea,  die  je  nach 
den  gewonneneu  Quantitäten  den  Arbeitenden  einen  entsprechenden  Tagelohn  zahlen. 


Geburtsbräuche  und  Ehe. 

An  diese  Notizen  erlauben  Sie  mir  einige  Mittheilungen  über  das  Familien* 
leben  an  z u seh li essen. 

Sofort  nach  der  Geburt  wird  das  Kind  in  kaltem  Wasser  gebadet.  10  Tage 
lang  badet  die  Mutter  sich  und  das  Rtitd  täglich  mehrmals  Die  Wöchnerin  tragt 
3  Wochen  laug  eine  Leibbinde  und  verlässt  wahrend  dieser  Zeit  (wenigstens  in  Le- 
panto) die  tlütte  nicht.  Die  liaus-  und  Feldarbeit  liegt  inzwischen  dem  Mann  und 
den  Kindern  ob.  Von  Zwülingen  wird  das  zuletzt  geborene  Kind  erwürgt,  falls 
sich  in  der  Hancheria  Niemand  findet»  der  es  adoptiren  will.  Ebenso  wird  ein 
mit  der  Nabelschnur  umschlufi genes  neugeborenes  Kind  sofort  vergraben,  da  der 
Glaube  herrscht,  ein  Kolches  Wesen  würde  in  späteren  Jahren  den  Eltern  nach  dem 
Leben  stehen.  Die  Taufe  besteht  in  der  Benennung  nach  demjeuigen  Verwandten, 
der  dem  Kind  das  erste  Geschenk  bringt. 

Bis  zur  Verheirathuug  bleiben  die  Kinder  in  der  Hiitte  der  Eltern. 

Die  Behütung  der  Keuschheit  dt^r  Mädchen  ist  eine  geradezu  ängstliche  und 
Fehltritte  werden  mit  schweren  körperlichen  Züchtiguugen  bestraft.  Bei  den 
Lepaoto-Igorroten  mu&s   der    Verfuhr«T  das   Mädchen    heinifhen    oder    ihr    ein    voll- 


I 


1)  Die  Beuget-Jgerroten  bringen  jahrlieh  im  Durchschnitt   6000  Vntea  xum  Verkauf 
die  ilocanischen  und  chinesischen  H&adlor. 


(385) 

stäadiges  Weibergewaod  und  ein  belegtes  Miitterschwein  schenken,  und  falls  das 
Mädchen  niederkomdjen  sollte,  das  Kind  erhalten.  Eine  Scheidung  aher  der  ge- 
schlechUreifen  Junglinge  und  Mädchen  einer  Rancherie  in  zwei  grosse  Hütten,  wie 
sie  Lillo  de  Gracia  angiebt,  besteht  nirgends  mehr. 

Haben  zwei  Verliebte  die  Zustimmung  der  Eltern  zur  Heirath,  so  findet  ein 
Festschmaua  statfe,  bei  welchem  gebratene  Schweine  und  Reisbasig  die  Hauptrolle 
spielen,  und  währeod  des  Schmauses  werden  die  beiden  tu  Verheirath enden  allein 
in  eine  Hütte  eingesperrt,  wo  sie,  mit  Essen  und  Trinken  versorgt,  4 — 5  Tage  bis  zur 
Beendigung  des  Festes  bleiben.  Nach  dieser  Probezeit  steht  es  jedem  der  beiden  Par- 
teien frei,  von  der  Heirath  abzustehen.  Wenn  der  Mann  zurücktritt,  so  hat  er  das 
Mädchen  mit  einem  Gewaod,  einem  Feldspaten,  einem  Kochkessel,  einem  Armband 
und  Ohrringen  zn  beschenken  und  die  Kosten  des  Festschmauses  zu  tragen;  tritt 
das  Mädchen  zurijck,  so  fallen  ihr  die  Kosten  des  Schmauses  zu.  Wird  aber  das 
Mädchen  schwanger,  dann  nauss  ihr  der  iMann  eine  Hütte  bauen  und  ihr  ein 
Schwein  nebst  eiaem  Paar  Hühner  scheoken.  Sind  jedoch  die  beiden  Parteien  mit 
der  Ehe  einverstanden,  so  wird  eine  Frieaterin  gerufen,  die  bei  Anwesenheit  aller 
Verwandten  unter  Anrufung  der  Geister  der  Verstorbenen  (der  Anitos)  den  Bund 
fürs  Leben  weiht. 

Die  Heilighaltung  dieser  monogaraischen  Ehen  ht  eine  äusserst  strenge.  Kommt 
dennoch  ein  Ehebruch  vor,  so  hjit  der  schuldige  Theil  auf  \^ erlangen  des  andern 
die  Hütte  und  Familie  zu  verlassen  und  gehört  djinn  wieder  der  Familie  des  Va- 
ters an;  übt  aber  der  beleidigte  Gatte  Nachsicht,  so  kommt  der  schuldige  Theil 
Diit  einer  harten  körperlichen  Züchtigung  davon. 

Für  Wittwer  besteht  bei  den  Ben get-I gorroten  eine  Trauerzeit  Ton  mindestens 
3  Monaten,  Der  Arme,  der  für  seinen  Unterhalt  zu  sorgen  hat,  muas  einen  vollen 
Monat  in  der  JHutte  zubringen,  der  Reiche  die  ganze  Trauerzeit.  In  Lepaolo  dauert 
die  Trauer  sogar  ein  Jahr.  Erst  nach  der  Trauerxeit  darf  der  Wittwer  wieder  hei- 
rathen. 

Die  Wittwe  gehört  der  Familie  des  verstorbenen  Galten  an,  ebenso  ihr  Haus- 
wesen und  ihre  Kinder;  verheirathet  sie  sich  wieder,  so  verbleiben  letztere  in 
der  Fitmilie  des  verstorbt^nen  Gatten.  Der  ehemals  betriebene  Handel  mit  Kin- 
dern an  die  christlichen  Malayei]  der  Kustenlande  hat  unter  den  Igorroten  ganz  auf- 
gehört; hei  aüderen  Stammen  existirt  er  noch, 

X. 
Todtenbräuche  und  Erbschaft 

Ist  ein  Igorrot  dem  Tod  nahe,  so  wird  er  Ton  seiner  Familie  vor  die  Hütte 
getragen,  damit  er  draussen  sterbe  und  der  Geist  des  Abgeschiedenen,  der  Anito, 
dem  olle  möglichen  bösen  Absichten  gegen  die  Deberlebenden  beigelegt  werden, 
nicht  in  der  Hütte  sein  Wesen  treibe.  Die  Leiche  aber  wird  in  die  Hütte 
aufgenommen  und  dort  aufgebahrt.  Zu  diesem  Zweck  setzen  die  Ben get- Igorroten 
die  Leiche  aufrecht  auf  ein  hohes  Stuhlger&st  inmitten  der  Hütte.  Bekleidet  ist 
der  Todte  mit  seinem  besten  Gewand^  aiir  in  einer  Raiicberie  auf  dem  Monte 
Data  fand  ich  die  Sitte,  dem  Cadaver  ein  langes  Todtenhemd  anzuziehen.  (Ein 
Exemplar  davon  befindet  sich  im  Museum.)  Kopf  und  Brust  der  Leiche  werden 
mit  Tüehern  an  die  hohe  Lehne  des  Stuhigerüstes  festgebunden  und  die  Arme  und 
Füsse  auf  Querleisten  gestützt  Am  ersteo  Tag  wird  die  gesammte  Habe  des  Ver- 
storbenen neben  der  Leiche  ausgebreitet,  ein  Theil  seines  Schmuckes  wird  ihm  an- 
gelegt, mit  den  Geldstücken  ihm  Tor  den  Ohren  herumgeklimpert,  die  Waffen  ab- 
geputzt  und  ihm  vor  das  Gesicht  gehalten,  kurzum  alles  gcthan,  um  ihm  zu  zeigen, 


(386) 

dmss  sein  Hab  aod  Gut  in  bester  Ordnung  mit  ihm  ins  Grab  wandern  werde. 
Bald  aber  Terscbwindet  ganz  beimlicb  ein  Stuck  oach  dem  andern,  bis  ibm  zuletzt 
nur  das  Gewand  und  die  wenigen  Scbmuckgegenstande  bleiben,  die  er  auf  dem 
Körper  trägt 

Während  nun  die  Leiche  aufgeb.ihrt  in  der  Hütte  sitzt  und  von  einem  Rauch- 
feuer, das  Tor  ihm  entzündet  und  beständig  unterhalten  wird,  langsam  mumificirt 
wird,  ist  es  die  Pflicht  aller  Verwandten,  Ton  nah  und  fern  auf  die  Benachrichti- 
gung durch  den  nunmehrigen  Familienältesten  herbeizukommen  und  dem  Verstor- 
benen Lebewohl  zu  sagen.  Dass  diese  Verabschiedung  unter  Umständen  sehr  luoge 
dauern  kann,  davon  sah  ich  ein  Beispiel  in  der  Rancherie  Tublaj  in  Beuget,  wo 
ein  Cadaver  bereits  23  Tage  aufgebahrt  sass  und  immer  noch  auf  den  Abschied 
▼on  entfernt  wohnenden  Verwandten  wartete. 

So  lange  nun  die  Leiche  sich  noch  in  der  Hütte  befindet,  wird  vor  der  Hütte 
ein  Todtenschmaus  abgehalten,  bei  dem  es  hoch  hergehen  muss.  Auf  einem  er- 
höhten, weithin  sichtbaren  Punkt  in  der  Nähe  der  Rancherie  wird  zu  Beginn  dea 
Schmauses  ein  Baumfarrnstamm  aufgerichtet,  an  dessen  Spitze  die  mit  den  Hör- 
nern versehene  Hirnschale  eines  Carabaobüfiels  festgebunden  ist,  als  Merkzeichen 
für  die  Menschen,  dass  in  der  Rancherie  ein  Todtenfest  abgehalten  werde,  und  als 
Merkzeichen  für  den  Geist  des  Verstorbenen,  dass  man  sein  Andenken  würdig 
feiere.  Die  Quantitäten  des  bei  solcher  Gelegenheit  vertilgten  Fleisches  und  Reis- 
branntweins sind  mitunter,  wenn  der  Schmaus  Wochen  lang  dauert,  so  enoraie, 
dass  die  Familie  des  Todten  durch  die  entstehenden  Kosten  von  Grund  aus  rui- 
nirt  wird. 

Wenn  endlich  die  Verwandten  sich  vom  Todten  verabschiedet  haben,  wird  die 
Leiche  in  sitzender  Stellung  mit  sammt  dem  Stuhlgerüst  in  circa  G  Fuss  lange 
Fichten holzsärge  gelegt  und  diese  in  natürlichen  Höhlen,  an  denen  die  Korallen- 
kalkfelsen  des  Landes  reich  sind,  beigesetzt,  oder  wo  Höhlen  fehlen,  in  hohle 
Baumstämme  gesteckt  oder  auch,  wie  im  nördlichen  Benget  und  auf  dem  Monte 
Data,  in  künstlichen  Gruben  unter  der  Schwelle  der  Hütte  begraben. 

Den  Häuptlingen  und  Reichen  der  Rancherie  errichtet  man  wohl  auch  auf 
einem  Hügel  eine  künstliche  Gruft,  die  das  Aussehen  einer  niedrigen  Pyramide 
hat  uod  aus  Steinen  aufgeschichtet  ist;  solche  „Luddut^  genannten  Gräber  sind 
aber  selten,  ich  sah  nur  ein  einziges  bei  Suyuc  in  Lepanto*). 

Die  Hinterlassenschaft  des  oder  der  Verstorbenen  fällt  an  den  überlebenden 
Gatten,  oder  wenn  dieser  schon  gestorben,  an  die  Kinder,  oder  in  dritter  Linie  an 
die  Geschwister.  Gewöhnlich  weihen  die  Erben  dem  Todten  einen  neuen  Mantel 
und  eine  gute  Waffe,  damit  der  Anito  nicht  wiederkehre  und  seine  Habe  von  den 
Erben  zurückverlange. 

XL 
Anitos,  Religion,  Priester,  Krankheiten. 

Die  entwichene  Seele  des  Todten  wird  nach  dem  Glauben  des  Igorroten  ein 
Anito,  d.  h.  ein  in  menschlicher  oder  thierischer  Gestalt  erscheinendes  Wesen,  das 
alle  die  Fähigkeiten  besitzt,  die  unser  Volksaberglaube  einem  sogenannten  umgehenden 
Geist    zuschreibt.     Wenn    die    grosse    Mehrzahl    dieser  Anitos    als    ganz    harmlose 


1}  Beim  Wohnungswechsel  lassen  die  Benget-I gorroten  und  der  grüsste  Tbeil  der  Lepanto- 
Igorroten  die  Gebeine  ihrer  Ahnen  zurück,  um  deren  Kube  nicht  zu  stören;  diejenigen 
Lepanto-Igorroten  aber,  welche  die  Todten  unter  ihren  Hütten  begraben,  nehmen  die  Gebeine 
mit  sich  and  begraben  sie  an  der  neuen  Wohnstätte  wiederum  unter  den  Hätten. 


(387) 


Geister  gedacht  werden,  so  ist  docb  der  Anito  des  verstorbenen  Familienältester 
um  80  melir  gefürchtet.  Ihn  denkt  sich  der  Igorrot  als  ein  bochst  reizbares 
und  rachöücbstiges  Wesen,  welches  jede  Vernachlässigung  der  schuldigen  Rück- 
sicht gegen  sich  und  seine  Mitanitos  an  den  lebenden  Gliedern  der  Faiuili«^  heimsucJat. 
Namentlich  schreibt  man  ihm  die  Erzeugung  von  Krankheiten  unter  Menschen  und 
Thiereu  xu.  Erkrankt  ein  Jgorrot,  so  ist  die  erste  Frage:  wodurch  wurde  der 
Anito  erzürnt?  und  was  ißt  zu  thun^  um  ihn  zu  besänftigen?  Krst  in  zweiter  Linie 
werden  Maassregeln  gegen  die  Krankheit  als  solche  getroflfen.  Zunächst  sucht  nnan 
den  erzürnten  Anito  durch  ein  Opfer  zu  beschwichtigen.  Es  wird  hierzu,  um  den 
Wunsch  des  Anito  zu  erfahren,  eiü  Stein  an  einem  F&deu  aufgehängt,  auf  den  Stein 
geblasen  uad  dabei  gefragt:  Willst  Du  ein  Huhn  oder  willst  Du  ein  Schwein  oder 
willst  Du  einen  Canibao?  Bewegt  sich  der  Stein  bei  der  ersten  Frage,  so  wird  ein 
Huhn  gf^sctilachtetj  bewegt  er  sich  bei  der  zweiten,  so  wird  ein  Schwein  und  wenn  bei 
der  dritten^  ein  Carabao  geopfert.  Von  dem  geschlachteren  Thier  werden  Stückchen 
voui  Herzen  und  den  Lungen  an  Holzsplitter  gesteckt  und  vor  der  Hütte  an  eiDeu 
Pfahl  aufgehängt,  den  betnichtlicheren  Rest  verzehrt  die  Familie  zu  Ehren  des 
Anito.  Wenn  aber  die  Krankheit  dennoch  eine  ernstliche  Wendung  nimmt,  so 
schmiert  ein  Priester,  ein  Mambunung,  den  Familiengliederu  Blut  vom  Opferthier 
auf  Stirn  und  Wangen,  welclies  nicht  abgewasclien  werden  darf,  bis  der  Kranke 
entweder  genesen  ist  oder  stirbt '), 

um  den  Anito^  den  Urheber  aller  dieser  Uebel,  beständig  bei  guter  Laime  zu 
erhalten,  haben  die  Igorroten  des  nordlichen  Benget  und  am  Monte  Data  vor  ihren 
Hütten  Pfahle  aufgestellt^  an  denen  in  aufgehängten  Holznäpfchen  oder  Bambus- 
splittern  dem  Anito  täglich  von  der  Reis-  oder  Maismohlzeit  eine  kleine  Gabe  dar- 
gebracht wird.  Neben  dem  Pfahl  steht  gewöhnlich  noch  ein  Bänkchi^n,  damit  sich 
der  Anito  dort  bei  seinem   Malile  gehörig  ausruhen  könne. 

Die  eigentliche  Spukzeit  für  die  Anitos  ist  die  Nachtzeit  nach  Sonnenunter- 
gang bis  Sonnenaufgang,  und  nie  verlässt  deshalb  der  Igorrot  während  dieser  Zeit 
das  Gebiet  der  Kancherie,  ohne  eine  absolut  zwingende  Veranlassung.  Muss  er 
aber  liie  Nacht  ausäerhaib  der  Hütte  zubringen,  m  umgiebt  er  seinen  Ruheplatz 
mit  verschiedenen  Talismanen  zur  Abwehr  des  Anilo,  worunter  naturlich  Splitter 
mit  Speise  nicht  fehlen  dürfen.  Derartig  |^  e  kenn  zeich  netn  Lagerplatze  bemerkte  ich 
namentlich  im  nördlichen  Benget  vielfach  auf  meinen   Wanderungen. 

Ausser  dem  Glauben  an  die  Anitos  ist  die  Vorstellung  des  Igorroten  von  höhe- 
ren Wesen  eine  sehr  beschrankte  und  unklare.  Fast  in  jeder  .Rancheiie  lauten  die 
Berichte  darüber  verschieden.  Nur  den  einen  Gott  Cabuniang  kennen  sie  fast  alle. 
Er  wohnt  sowohl  in  der  Sonne  und  im  Mond,  als  auch  auf  den  Steroen,  er  hat  die 
Krde  geschaffen  und  verkehrt    mit  den  Menschen  durch  die  Anitos.     Das  Gewitter 


1)  Es  dürfte  hier  vielleicht  eine  kiirie  Bemerkung  über  die  unter  den  Igorroten  vor- 
kommend eii  Kriinkbeiten  am  Platze  syin. 

In  den  hoch  gelegenen  Ben getlandsc haften  aiud  namentlich  Bbttem  sebr  bSufig.  Uh 
bin  mir  hehr  Tienigen  alten  Lenfeu  begegnet,  diö  nicht  einen  mit  tiefen  Blwttt^rnurbeti  bedeckten 
K'lrper  hatten,  Ebeoso  häufig  sind  Sfbwere  Lunpfenentzündungen  und  Astbma,  Die  meisten 
Männer  sind  mit  Krampfadern  behaftet,  und  HantausBchläge  Bowi*j  Krätze,  sind  so  gewöhnlich, 
wie  Scbnupfen  und  Hasten*  Von  Geacblechtskrankheifen  f:md  ich  in  Beuget  keine  Spur*  desto 
mehr  aber  in  Lt*panto.  Ueberall,  wo  dort  spanische  Militarpüftten  beäieben  oder  bestanden 
haben»  ist  Syphilis  und  Äwwr  m  abscb<?ubf*ben  Erscbeinan^sformen  vürha»nden;  Gonorrhoe  und 
Fluor  albus  finden  sieb  ^lelchfatls,  und  in  den  tief  liögt-nden  Dist rieten  kommen  nücb  Dysen- 
terie und  Leberkrankheiten  hinzu,  Au^enentzöodnngen,  die  sehr  oft  Erblindung  bewirken, 
giebt  es  in  Beuget  wio  in  Lepanto  gleich  baufig. 

25» 


(388) 

ist  eioe.  AeusseruDg  seines  Zornes.  Atieh  hat  er  zwei  Sßhne,  die  den  Meii»cbeD 
wohlwollen  und  die  deshalb,  wie  mir  acbien,  von  den  Ignrroten  wenig  berücksich- 
tigt werden.     Einen  eigentlichen  Cultns  des  Cabnniang  traf  ich  nirgends  an. 

Trotzdem  besitzen  die  Igorroten  einen  Prieslerstand.  Es  sind  das  Männer, 
Müinbununga,  oder  alte  Weiber,  Asiteras,  welche  die  Kenntniss  ihrer  Beschwömogs- 
fortnetn  anf  das  Erstgeborene  ihrer  Kinder  vererben  und  damit  den  Priesterstaod 
seihst  zu  einem  erblichen  machen.  Die  Hauptthati^keit  der  Mambuuutig  ist  die 
Einweihung  der  Schweine.  Hunde  nnd  Hühner,  die  ohne  ihren  Beistand  nicht  ge- 
schlachtet werden  dürfen;  der  Hoku&pokiis  der  Asiteras  winl  dagegen  nothwendig 
erachtet  bei  Erkrankungen,  Leichenbedtattungen,  Hochzeiten,  Höttenbau,  Aufbruch 
zu   Kriegszugen  und  dergleichen  mehr. 

Der  Igorrot  tragt  sich  mit  einer  iMeuge  abergläubischer  Vorstellungen,  die  sein 
Thun  und  Lassen  reguliren.  Hauptsächlich  das  Erscheinen  von  Thieren,  venuuth- 
lieh  als  verkörpprter  Anitos,  spielt  darin  eine  grosse  RoMe.  Kreuzt  bein»  Lochgraben 
für  die  Grundpfahle  einer  Hütte  eine  St:h lange,  ein  Frosch  oder  eine  Ratte  den  Platz, 
so  wird  die  Stelle  sofort  verlassen  und  die  Hütte  anderswo  errichtet.  Niest  heiia 
Hütteuban  einer  der  Betheiligten,  so  schieben  sie  die  Arbeit  eine  bis  zwei  Stunden 
auf,  bis  eine  Priesterin  den  Ort  geweiht  bat;  wenn  aber  Jemand  während  des 
Bütten  baue»  stirbt,  so  schlugen  sie  mit  neuem  Material  die  Hütte  an  minderer  Stelle 
auf,  Fliegt  vor  einem  Wao derer  der  kleine  rothbrüstige  Vogel  „uridas**  oder 
^tiktik*^  über  den  Pfad,  so  kehrt  er  augenblicklich  um;  wird  d« gegen  der  Ge- 
sang dieses  Vogels  neben  dem  Weg  hörbar,  so  gilt  dies  als  gutes  Omen.  Ebenso 
veranlasst  eine  über  den  Weg  schlüpfende  Schlange  den  Igorrotea  zur  sofortigen 
Umkehr.  Wenn  bei  der  Ernte  des  Reises  eine  Ratte  im  Felde  sichtbar  wird,  so 
hält  man  mit  der  Arbeit  ein;  bis  eine  Priesterin  die  Ernte  geweiht  bat,  und  fällt  ein 
Meteor  vom  Himmel,  was  nicht  selten  vorzukommen  scheint,  oder  schlagt  der  Blitz 
in  der  Nähe  der  Rancherie  ein,  d.  h.  droht  der  Gott  Cabuniang  mit  Strafe  für  ir* 
gend  ein  Vergehen,  so  wird  mit  Hülfe  eines  Priesters  ein  Schwein  geopfert  und 
der  Kopf  des  Thieres  aufgepfälilt  an  den  Ort  des  Blitzschlages  gestellt,  um  deo 
zürnenden  Gott  zu  besänftigen. 

XII, 

Rech  tsverhältDisse,  Gern  ei ndeverfassung. 

Auch  in  die  Rechtsverhältnisse  greift  dieser  Glaube  an  Omina  ein.  Gewohn- 
lich wird  eine  Streitsache  von  den  Aeltesten  der  Rancherie  in  gemeinsamer  Be- 
sprechung entschieden;  können  diese  sich  aber  nicht  einigen,  so  muss  eine  Art 
Gottesurtheil  entscheiden.  Mit  einem  spitzen  Bambus  oder  Holzsplitter  wird  dca 
beiden  Parteien  der  Hinterkopf  geritzt,  und  wer  dabei  am  meisten  Blut  verliert, 
der  bat  seineu   Anspruch  verloren. 

Eine  merkwürdige  Art  von  Schuldentilgung  ist  unter  den  ßenget-lgorroten 
Brauch,  Wenn  dort  der  Schuldner  nicht  zahlen  kauu,  erhält  er  vom  Gläubiger 
ein  junges  Schwein,  das  er  aufziehen  muss,  bis  es  Junge  wirft.  Von  diesen  Jungen 
fallt  die  Hälfte  an  den  Gläubiger  zurück,  und  ist  mit  dieser  Zahlung  die  Schuld 
noch  nicht  abgetragen,  so  muss  der  Schuldner  auch  von  den  folgenden  Ferkeiwürfen 
so  viel  abgeben,  bis  die  Angelegenheit  beglichen  ist 

Die  Entscheidung  in  Rechtsstreiten  steht,  wie  erwähnt,  bei  den  Rancherie- 
ältesten,  unter  welchen  naturgemäss  die  Priester  und  die  Vornehmen  die  erste 
Stimme  führen.  Dieses  Collegium  der  Vornehmen  und  Priester  bildet  zugleich  deo 
HauplheBtandtheil  in  der  Rancheriegemeinde.  Nicht  sowohl  die  Tapfersten,  als 
Yielmehr  die  Reichsten  sind  die  Adligen;  es  ist  eine  Art  von  PJutokratie,  die  jede 


(389) 

Smcherie  beherrscht  Ihoen^  deo  ß^ktiangefl  (Beoget)  oder  GadatigiaD  (Lep&uto),  ge« 
liÖrt  ia  der  Gesaramtbeit  der  Grund  und  Boden;  von  ihneu  müssen  die  Abiteg 
(Beuget)  oder  Cailiak  (Lepaoto),  die  Plebejer,  das  Ackerland  kiiut'en,  und  ibneo  ge- 
boren die  EiscD-,  Kupfer-  und  GoJdgruben,  in  welchen  die  Abiteg  auf  Kosten  und 
auf  Rechnung  der  Bakoanges  arbeiten  müssen.  Wo  die  Spanier  feelen  Fuss  ge- 
fasst  haben,  da  sind  fn-ibch  diese  unterschiede  schon  xiemlich  verwischt;  tnan  hat 
ihnen  die  Genieindeverfasaung  der  chrisüaniairten  Malayen  der  zweiten  luvasion  | 
aufgezwungeu,  mit  scharfer  Abgreazufig  des  Raucheriegebietes,  mit  Wahl  eines  ein» 
^igeo  Orts  Vorstehers^  mit  Biniichtung  von  Abgaben  und  Gemeindediensten;  aber  in 
den  abgelegenen  Rancherien  besteht,  abgesehen  von  der  Wahl  eines  OrtKVorstehers,  ] 
eioes  Capitan,  die  alte  Haocherie Verfassung  iu  ihrer  alten  Ürspninglicbkeit  um  so 
fester^  ata  dorthin  nur  höchst  selten  einmal  ein  spanischer  oder  misch  blutiger  Be- 
amter vordringt  und  die  Igorroten  mit  Ausnahme  einer  geringen  Taxzahlung  von 
allen  jenen   Äbgabea  frei  sind,  die  dea  christianisirten   Kustenmalayen  aLifliegen. 

XIII, 

Kopfjagd,  KriegBbräuchej  Feste. 

Dort  in  den  abgelegenen  Rancherien  ist  auch  noch  die  alte  Sitte  der  Kopfjagd, 
die  wohl  allen  Malajen  der  ersten  Irivaeitm  eigen  war,  und  die  heyte  noch  in  den 
meisten  unabhängigen  Stämmen  herrscht,  in  Uebußg.  Bei  den  iibrigen  Igorroten 
ist  diet^er  Brauch  aber  bis  auf  symbolische  Andeutungen  verschwunden,  welche  im 
nördlichen  Beuget  und  am  Moote  Data  darin  bestehen,  daas  bei  grossen  Festi?n  die 
jungen  Männer  in  einer  grossen  Kette  um  einen  rob  bebauenen  Baumstamm  tanzen 
und  jenen  Spottgesang  anheben,  welcher  ehemals  beim  Unitaazen  der  aufgesteckten 
Schädel  erschallte,  die  ein  glücklicher  Kopfjäger  erbeutet  hatte. 

Diese  grossen  Feste  der  ganzen  Raucherie,  Caoaos  genannt,  die  auch  beim  Tod 
eines  reichen  Adligen  oder  eines  Priesters  oder  aus  Anlass  einer  besonders  guten 
Ernte  veranstaltet  werden,  sind  übrigens  die  einzigen,  in  welchen  solche  kriegerische  ' 
Kundgebungen  vorkommen  Alle  anderen  Feste  «ind  durchaus  friedlicher  Natur. 
Sie  werden  je  nach  ihrer  Bedeutung  vor  oder  in  der  Hütte  gefeiert  und  bestehen 
in  £ss^  und  Trinkgelagen,  in  Springtänzen  junger  Männer,  in  Gesängen  einer 
Prietiterin  und  Trommelmusik  irgend  eines  dieser  Kunt^t  beflissenen  Igorroten*  Jede 
respectable  Familie  besitzt  eine  solche  Tanztrommel,  die  einem  Kanonenrohr  nicht 
unähnlich  ist,  zu  eigen.  Soll  das  Fest  im  engsten  Kreis  der  Familie  stattfinden 
und  Niemand  eintreten  dürfen,  ohne  dass  er  an  den  Schmauskosten  theilnehme,  dann 
hängen  sie  als  Warnungszeicben  in  Knoten  geflochtene  Grasbundel  über  die  Thür- 
offnung  und  bleiben  darum  unbehelligt. 

XIV. 
Sprache, 

Zum  Schluss  möchte  ich  noch  einige  kurze  Notizen  über  die  Sprache  der 
Igorroten  geben,  ohne  mich  auf  linguii^tische  Yermuthungen  einzulassen,  da  ich 
davon  nichts  verstehe.  Die  Igorroten  sprechen  in  Beuget  und  in  Lepanto  vier  ver- 
schiedene Dialecte.  Der  eine,  die  Inibaloi-8prache  genannt,  wird  im  Thal  des  Rio 
Agno  gesprochen  bis  hinauf  nach  der  Rancherie  Loo,  wo  das  Gebiet  desjenigen 
Lepanto- Dialectes  beginnt,  der  um  den  Monte  Data  gesprochen  wird.  Der  zweite 
Bialect  der  Beuget- Igorroten,  Cancanai  genannt,  ist  im  ganzen  Nordwesten  ron 
Beuget  im  Brauch  und  die  zweite  Mundart  der  Lepanto-I gorroten  im  ganzen  Tief- 
land des  Rio  Äbra,  Es  sind  also  scharfe  geographische  Grenzen^  welche  die 
einzelnen  Idiome  von  einander  trennen. 


(3D0) 

Die  beiden  Dtalecte  der  Lepanto-Igorroten  haben  scbr*n  so  Tiele  ilocanische 
Worte  aufgeaomtiieii,  das«  eine  Verstftotli gutig  mit  den  Ilocanerü  sehr  wobl  möglich 
ist  DiejenigeD  der  Beoget-Igorroten  sind  reiner  geblieben.  la  diesen  verur- 
sachte mir  bei  der  AufsteHung  eines  kleinen  Vocabulars  nameotlich  die  Unreinheit 
der  Vokale  grosse  Schwierigkeiteo.  Für  e,  o  und  u  besitzen  sie  nur  einen  einzigen 
Laut,  ein  Mittelding  zwischen  o  und  ö,  das  sie  erst  nach  wieikrboltem  Befragen 
mehr  nach  e,  o  oder  u  hin  accentuiren.  Eigentbümlich  sind  die  vielen  halben  und 
ganzen  Nasallaute,  deren  erstere  dem  französischen  Nasallaut  nahekommen,  wahrend 
die  letzteren  an  das  harte  Chinesisch  anklingen^  wie  es  in  Cauton  gesprochen  wird. 
An  unserem  deutschen  ßcharfen  ch-Laiit  sind  alle  vier  Dialecte  reich  und  nicht 
minder  häufig  kommt  das  tßcb  von  Auf  welche  Yerwandlschaft  diese  characteristi- 
ächen  Eigenschaften    in  der  Aussprache    aber  hinweisen,    ist  mir  unbekannt. 

Eine  Schrift,  in  welcher  Gestalt  auch  immer,  haben  die  Igorroten  nicht. 

Hier,  m,  Hrn.,  erlauben  Sie  mir  hente  die  Mittheiinngen  abzuschliessen;  icIh 
hoffe  aber,  Ihnen  später  einmal  eine  aosführlicbere  Darstellung  geben  und  Ihnen 
noch  einiges  Neue  über  die  den  Igorroleu  stammverwandten  Ginanes  mittheilen 
2U  dürfen;  denn  die  Ginanes  sind  vom  si^ianischen  Kinfluss  noch  total  unberührt 
und  desbtdb  als  Typus  der  heidnischen  Malajen  der  ersten  Invasion  io  den  Philip* 
pinen  gewiss  noch  intereasanter  als  die  Igorrotee.  — 

Hr,  Virchow  legt  bei  dieser  Gelegenheit  Mittheilungen  vor  über  die 

Schädel  der  Igorroten. 

Bei  verschiedenen  Sendungen  von  Philippifien-Schädeln,  welche  ich  in  der 
Gesellschaft  besprochen  habr,  fand  sich  jedesmal  ein  in  seiner  Bildung  auffällig 
abweichender,  der  auch  nach  seiner  Provenienz  die  Aufmerksamkeit  besonders  in 
Anspruch   nahm. 

Der  erste  iiitammte  au:!  der  Sammlung  des  Hrn.  Ja  gor.  Er  ist  bezeichnet  als 
der  eines  Cimarronen^  der  1B5G  durch  einen  Hieb  mit  einem  Jagdmesser  am  lierge 
Tsarog  auf  der  Insel  Luzon  das  Leben  verloren  hatte.  Ich  besjirach  ihn  in  de 
Sitzung  vom  15.  Januar  1870  (wiederabgedruckt  in  dem  Reisewerk  des  Hro*  Jage 
S.  360,  vgl.  S.  371  u,  S.  374),  Er  ist,  nach  der  erneut  vorgenommenen  Messung, 
orthomesocephal:  Breiten  index  7(5,8,  Hohenindex  74,6. 

Einen  aweiten  Cimarronen*Schädel  erhielten  wir  durch  Hrn.  Schetelig:  ich 
legte  ihn  in  der  Sitzung  vom  10,  December  1870  (bei  Jagor  S.  366,  371}  vor.  Der- 
selbe wurde  in  der  Pro  vi  uz  Albay,  gleichfalls  auf  Luzon,  ausgegraben  und  ist 
mit  dem  Namen  Baringeag  bezeichnet.  Er  ist  hjpBimesocephal;  Breitenindejc 
75,7,  Hijhenindex  78,9. 

Ein  dritter  verwandter  Schädel  wurde  durch  Hrn.  A.  B.Meyer  mitgebnichts 
er  wurde  in  der  Sitaung  vom  15.  Juni  1872  (bei  Jagor  S.  374)  gezeigt  Ein  be- 
Btimmter  Fundort  ist  nicht  angegeben,  doch  trägt  er  die  Bezeichnung:  Igorrote. 
Er  ist  ausgemacht  orthodolichocephal:  Breitenindex  67,6,  Hohenindex  73,4. 

Endlich  erhielt  ich  einen  vierten  diircli  lim.  G.  A.  Baer:  derselbe  wurde  in 
den  Sitzungen  vom  18,  Octobcr  1879  (Verb.  S.  332)  und  vom  '20.  December  1879 
(Verh,  S.  427)  besprochen.  Er  gehörte  einem  Igorroten  von  Gay  an  auf  der  Insel 
Luzon  und  war  durch  den  Gouverneur  des  Distriktes  von  Lepanto,  Hrn  Lillo  be- 
sorgt; Hr.  Baer  nennt  ihn  ^sehr  authentiach**.  Er  ist  gleichfall»  orthodolicho- 
cephal: Läogenindex  74,3,  Breitenindex  72,6. 

Bei  allen  diesen  Gelegenheiten*  insbeaondere  bei  der  letzten,  habe  ich  ausfuhr* 


(391) 


Jicb  darauf  aufm erksam  gemacht,  dass  diese  Schädel  in  einem  sehr  bestlmiLiteü  Gegeo- 
eatze  gegen  alle  anderen  Schädel  philippinischer  Stamme  stehen  und  daas  sie  sich 
sowohl  von  den  alten  HohlenschädelD,  als  aych  von  denen  der  Negritos,  der  Ta- 
galen,  der  Bicols  u.  8,  w,  scharf  unterscheiden.  Ich  hob  insbesondere  ihre  dolicboce- 
phale  oder  höchstens  mesocephale  Form,  ihre  geringe  Prognathie,  die  verbaltniss- 
mässig  hohen  Augenböhlen^  die  hohe  NaJ?e  mit  schmaler  Wurzel  und  gelegentlich 
starken  Stirn-NasenwOlsteu  hervor,  und  bemerkte,  dass  diese  wilde  Rasse,  soweit 
wir  wüssten,  nicht  schwura  und  nicht  kraushaarig  eei.  Ich  schlogg  mit  den  Worten : 
„Oa^  Interesse,  sie  genauer  kennen  zu  lernen,  ist  ungemein  gross,  und  ich  darf  die 
Aufiaerksaujkeit  sowohl  der  inländischen  Forscher,  als  der  Reisenden  ganz  beson- 
ders darauf  hinlenken^  weitere  Nachrichten  über  diese  Stämme  zu  sammeln  und 
anthropologisches  Material  zu  ihrer  ßeurtheiluug  zusammeßÄubriogen.** 

Meine  wiederholten  Mahnungen  haben  jetzt  endlich  ihre  Fnicht  getragen  und 
ich  habe  in  erster  Linie  den  ilerreu  Bastiaa  und  Jagor  zu  danken,  dass  sie  ihren 
Einfluss  dazu  verwendet  haben,  die  letzten  Reisenden  zu  veranlassen,  den  nicht  zu 
den  Negritos  gehörenden  wilden  Stämmen  des  Innern  Besuche  abzustatten.  So  sind 
denn  zuerst  voa  Hrn.  Landau  nicht  bloss  Nachrichten,  sondern  auch  Knochen  ein- 
gegangen, und  wir  haben  jetzt  Brn.  LI  ans  Meyer  unseren  Dank  abzuslatten  für 
die  horgfüllige  Erforschung  des  eigentÜclien  Igorroten-Landes. 

B»/kanntlich  hat  der  Name  der  Igorroten  manches  Unsichere  an  sich,  da  er 
zuweilen  auf  alle  centrab*n  wiblon  Stämme,  mit  Ausnahme  der  Negritos,  ausgedehnt 
ist.  Hr.  Biumentritt  (Versuch  einer  Ethnographie  der  Philippinen.  Erganzungs- 
heft  Nr.  67  zu  Petermaon's  Mitth.  S.  24)  nennt  das  „önfug**,  aber  auch  er  ist 
geneigt»  Igorrotea  im  engeren  und  solche  im  weiteren  Sinne  zuzulassen,  und  ich 
mochte  die  Frage  auf  werfen,  wie  es  gekomuien  sein  sollte,  dass  dieser  Name  so 
allgemein  angewendet  worden  ist,  w^enn  das  Volk  vou  jeher  nur  auf  den  kleinen 
Bezirk  im  Norden  von  Luzon  beschränkt  war,  wo  jetzt  die  Igorroten  ^im  engeren 
Sinne"^  wohnen.  Gerade  die  Schädel,  von  denen  ich  gesprochen  habe,  schienen 
mir  den  Gedanken  nnhe  zu  legen,  dass  in  der  That  ein  näheres  Verhältniss  zwischen 
dipÄen  Igorroteu  und  den  Cimarronen  von  Ganiarines  und  Albay,  also  aus  süd- 
licbereu  Provinzen  von  Liizon,  bestehe.  Immerhin  mag  es  mehr  gerechtfertigt  sein, 
letztere  zunächät  auszuscheiden. 

Unter  den  vorband eneo  Schädeln  un4  sonstigen  Gebeinen  nehmen  die  von 
Hrn.  Hans  Meyer  mitgebrachten  den  ersten  Rang  ein,  insofern  sie  gerade  aus  dem 
Gebiet  der  Igorroten  „im  engeren  Smue**  herstammen  und  von  dem  Reisenden  selbst 
gesammelt  sind.     Er  berichtet  darüber  Folgendes: 

„Die  beiden  Stiiadel  nebst  Knochen,  Ringen  und  Gewaadresten  sind  von  mir 
aus  einer  Höhle  bei  Cabajan,  Provinz  Beuget,  Luzou,  geholt  worden.  Die  Höhle 
liegt  ca*  Va  Stunde  von  der  Igorroten-Iiancherie  Cabayan  entfernt^  am  Hang  eines 
Hügels  und  dicht  am  Pfad,  der  von  Cabayan  nach  Adasay  fuhrt.  Sie  ist  voa 
Korallenkalkfel^en  gebildet  und  hat  eine  Hohe  von  etwa  4  Fuss,  eine  Breite  von 
8—10  Fuss  und  eine  Länge  von  15 — 20  Fuss.  Ehe  ich  hineingelangen  konnte, 
hatte  ich  eine  Schicht  grosser  Steine  wegzuräumen,  die  offenbar  von  den  Igorroten 
zum  Schutz  geg*^n  Hunde^  Füchse  u.  s.  w,  oder  gegen  eine  räuberische  Hand  vor  dem 
Eingang  aufgeführt  war.  In  der  Hohle  standen  drei,  aus  je  eiuem  Fichtenstamm 
gehauene  und  mit  fichtenen  Deckeln  gescblosaene  Sarge.  Die  Deckel  waren  eben- 
falls aus  einem  Stamm  geschnitten  und  durch  Hoizpflöcke  befestigt.  Die  Lange  der 
Särge  betrug  6  Fuss,  ihre  Form  näherte  sich  sehr  derjenigen  unserer  Särge.  Nur 
der  vorderste  der  drei  Särge  war  ganz  intact^  die  beiden  anderen  dagegen  ziem- 
lich stark  zerfallen^   so  dass   ohne  viel  Mühe  die  Deckel   eingestosson  iiud  der  In- 


(392) 


halt,  soweit  er  bei  Kerzenlicht  in  dem  duokeln  Loche  zu  erfassen  war,  heraus- 
geüomoien  werden  konnte.  Der  vorderste,  wohl  neueste  Sarg,  widerstand  allen 
ADstrengtingen. 

„Die  Armringe  sammt  den  GewandreBten  stammen  aus  dem  augenscheinlich 
Zweitältesten,  dem  mittleren  Sarg;  ebeudaher  die  Holzstückchen,  welche  den  Deckel 
zierten.  Der  lohalt  des  bintersten  und  wahrscheinlich  ältesten  Sarges  war,  abge- 
sehen vom  Schädel  und  den  Knochen,  vollständig  vermodert. 

„Unter  der  Hand  eingezogenen  Erkundigungen  nach,  war  der  vorderste  Sarg 
var  4  Jahren  beigesetzt  worden,  die  anderen  mögen  schon  30 — 40  Jahre  oder 
noch  langer  gestanden  haben.  Aüe  drei  enthielten  Leichen  von  Igorrotes  aus 
Cabayan.*' 

Leider  fehlt  in  der  Mittheilung  des  Hrn.  Meyer  eine  Angabe  über  das  Ge- 
schlecht  der  beigesetzten  Leichen,  was  um  so  mehr  zu  bedauern  ist,  als,  wie 
ich  aus  Erfahrung  weiss,  an  den  Schadein  vieler  Wilden,  inabesondere  von  Insula- 
nern, unsere  gewöhnlichen  Merkmale  in  Bezug  auf  die  Bestimmung  des  Ge- 
schlechts versagen.  Wie  ich  die  beiden  Schädel  ansehe,  wäre  ich  geneigt,  beide 
für  weibliche  zu  halten,  den  einen  (Nr»  IV)  für  den  eiuer  ganz  alten,  zahnlosen 
Frau,  den  anderen  (Nr  V)  für  den  eines  jnn-gen  Mädchens.  Indess  erkenne  ich 
vorweg  an,  dass  die  Grösse  des  Schädel raumes  und  die  Bescbaffeoheit  der  üaare 
von  Nr,  V  einigen  Zweifel  erwecken  konnten. 

In  beiden  Fällen  sind  die  Schadelknochen  einschliesslich  der  Unterkiefer  voll- 
ständig vorhanden^  dagegen  finden  sich  von  den  iibrigen  Skeletknochen  nur  die 
langen  Knochen  der  Extremitäten  etwas  vollständiger  vor,  während  selbst  die 
Becken  wegen  Mangels  grossprer  Abschnitte  nicht  zu  restauriren  sind  und  die  Mehr- 
zahl der  kleinen  Knochen  ganz  fehlt.  Ein  linkes  Os  humeri  und  2  entsprechende 
Seapulae  weiss  ich  gar  nicht  unterzubringen*  Sie  sind  zu  klein  für  lY  und  zu  ent- 
wickelt für  V. 

Bei  der  Wichtigkeit  der  Funde  gebe  ich  zunächst  eine  gedrängte  BescbreibUDg 
der  Einzelheiten: 

1.  Von  dem  Skelet  der  alten  Frau  (Nr.  IV)  ist  der  Schädel  vollständig 
vorbanden.  Da  jedoch  alle  Zähne  aufgefallen  waren  und  ein  totaler  Schwund 
der  Alveokrfortsätze  eingetreten  ist,  so  lassen  sich  die  Gesichtsverhältnisse  nur  für 
den  oberen  Abschnitt  genauer  feststellen. 

Der  Schädel  bat  die  geringe  Capacität  von  1210  ccm.  Auch  die  Umfangsmaasse 
Bind  durchweg  klein*  Die  Form  ist  ausgemacht  hy psimesocephal  (Breiteoindex 
78,3,  Hühenindex  81,3).  Die  gerade  Länge  des  Hinterhaupts  beträgt  2^  pCt,,  alao 
hei  nahe  \'^  der  Gesammtlänge. 

Die  gelbbräunliche  OberMche  ist  sehr  glatt  und  besitzt  namentlich  an  der 
Stirn  fabt  gar  keine  Wülste  oder  Vorspiunge;  hinten  zeigt  sich  ein  zii^mlich  kräfti- 
ger Toms  occipitalis  mit  tiefem,  und  scharfem  Absatz,  ohne  ausgeprägte  Protubcratix. 
Sämmtliche  Nähte  sind  offen  und  wenig  gezackt«  Hinter  der  Coronaria,  insbesondere 
jederseita  an  dem  vorderen  Abschnitte  der  Parietalia  oberhalb  der  Schläfe nliuien 
eine  stärkere,  fast  dachförmige  Depression,  Am  Stirnbein,  links,  dicht  vor  und 
parallel  mit  der  Coronaria^  eLn  2  cm  langer,  5  ww  breiter,  unebener,  offenbar  trau- 
matischer Eindruck. 

In  der  Oberansicht  erscheint  das  Schädeldach  sowohl  schmal  als  kurz,  der 
Vordertheil  eher  breit,  die  Tubera  parietalia  wenig  abgesetzt  und  weit  nach  vorn 
gestellt.  Das  Seitenprofil  zeigt  eine  mehr  gerade,  niedere  Stirn,  an  welche  ziemlieb 
schnell  eine  etwas  flache  Scheitelcurve  ansetzt,  aber  schon  von  der  intertuberaleo 
Farietallinie    an    beginnt    ein  schneller  Abfall,    der  am  Hinterhaupt  selbst  ziemlicb 


4 


4 


(393) 

jäh  ausläuft  Sehr  auffallig  ist  der  ogivale  Contour  der  Norma  occipitalis:  die 
oberen  Flächen  sind  dachförmig,  die  Seitenflächen  ziemlich  gerade.  In  der  Dnter- 
ansicht  tritt  der  Eindruck  der  Breite  mehr  hervor;  selbst  das  Hinterhaupt,  welches 
übrigens  von  rechts  her  etwas  eingedrückt  und  somit  schief  ist,  sieht  verhältniss- 
mässig  gross  aus. 

Die  Vorderansicht  zeigt  au  der  fast  geraden  und  ziemlich  vollen  und  breiten 
(92  mm)  Stirn  einen  breiten,  flach  gewölbten  und  tief  heruuterreichenden  Nasen- 
fortsatz von  25  mm  Querdurchmesser.  In  denselben  greift  die  ganz  gerade  Stirn- 
nasennaht hinauf.  Die  Nasenbeine  sind  lang,  breit  und  fast  ganz  platt;  erst  von 
der  Mitte  an  ist  der  Rücken  ganz  schwach  eingebogen  und  erst  am  unteren  Ende 
ein  klein  wenig  erhaben.  Da  die  Apertur  wohl  oben,  aber  nicht  unten  (24  mm) 
weit  ist,  so  ergiebt  sich  ein  noch  mesorrhiner  Index  (51).  Dagegen  sind  die 
Orbitae  sehr  gross,  hoch  und  fast  viereckig;  ihr  Index  (87,1)  ist  ausgemacht 
hypsikonch.  Die  Infraorbitalspalte  ungemein  weit  Die  Wangenbeine  liegen 
mehr  an,  die  Fossae  caninae  sind  sehr  tief,  der  Alveolarfortsatz,  soweit  sich  über 
sein  früheres  Yerhäitniss  urtheilen  lässt,  schwach  prognath,  die  Gaumencurve 
desselben  hufeisenförmig.  Wie  weit  der  mesostapbyline  Index  (82,6)  maass- 
gebend  ist,  lasst  sich  nicht  beurtbeilen.  Der  Unterkiefer  ist  bis  auf  einen,  vorn 
fast  abgeplatteten  Knochenbogen  geschwunden;  seine  Aeste  schräg  angesetzt  und 
ziemlich  lang. 

Von  sonstigen  Skcletknochen  sind  folgende  vorhanden: 

a)  Ein  Os  humeri  von  273  mjii  Länge,  stark  gedreht,  mit  voller  Fossa  olecrani 

b)  Ein  linkes  Os  femoris,  385  mm  lang,   mehr  zart,  mit  leicht  gebogener  Dia- 

pbyse,  starker  Crista  posterior,  niedrigem  Trochanter,  kurzem,  etwas 
flachem,  unter  einem  Winkel  von  115^  angesetztem  Halse,  kleinem  Kopfe. 
Der  Condylus  internus  steht  sehr  tief. 

c)  Die  linke  Tibia,  302  tarn  lang,  von  aussen  her  etwas  stärker  eingedrückt, 
aber  nicht  abgeplattet,  mit  dem  oberen  Ende  etwas  nach  hinten  gebogen, 
die  Malleolen  klein. 

d)  Die  entsprechende  Fibula,  291  mm  lang,  zart,  mit  starker  Längs  Vertiefung. 

e)  Die  beiderseitigen  Beckenknochen,  verhäitnissmässig  gross,  die  Darmbein- 
schaufeln stark  ausgelegt. 

2.  Von  dem  jugendlichen  Skelet  Nr.  V  ist  ein  sehr  schöner  Schädel  vor- 
handen, dagegen  ist  das  Uerippe  an  sich  sehr  defekt  und  von  den  vorhandenen 
Röhrenknochen  fehlen  fast  durchweg  die  noch  nicht  verschmolzenen  Epiphysen. 
Am  Schädel  ist  die  Sphenooccipitalfuge  offen,  die  Weisheitszähne  sind  noch  nicht 
ausgebrochen,  die  Kronen  der  Backzähne  noch  nicht  abgenutzt  Die  Stirn  ganz 
glatt,  ohne  alle  Vorsprüuge;  auch  am  Hinterhaupt  weder  Protuberanz  noch  Toms. 

Der  Schädel  ist  für  die  Jugend  des  Individuums  recht  geräumig,  1400  ccm  mes- 
send; auch  sämmtliche  Umfangsmaasse  ergeben  grössere  Zahlen.  Die  Form  ist 
orthomesocephal  (Breitenindex  76,4,  Höbenindex  72,5)  und  zwar  nähert  sich 
der  Breitenindex  stark  der  unteren  Grenze  der  Mesocephalie.  Die  Länge  von 
182  mm  ist  für  diese  Bevölkerung  gross;  die  Occipitallänge  macht  davon  29,6  pCt 
aus,  nahezu  dasselbe  Muass  wie  bei  Nr.  IV.  Säuimtiiche  Nähte  sind  offen  und 
ohne  gröbere  Anomalie;  trotzdem  besteht  beiderseits  starke  Stenokrotaphie,  in- 
dem sowohl  die  Gegend  der  temporalen  Fontanelle  tief,  fast  trichterförmig  einge- 
drückt, als  auch  die  Ala  temporalis  selbst  vertieft  ist.  Dafür  ist  nicht  bloss  der 
Schläfe ufortsatz  des  Stirnbeins  bombenförmig  vorgetrieben,  sondern  auch  die  Schlä- 
fenschuppe mehr  vorgewölbt 

Die  Oberansicht  bietet  ein  überwiegend  jugendliches  Aussehen  dar:  die  Tubera 


$«ri»uA  «Jti  T"^  "Ebi  "r-.rrr^CÄfl*- .  '•.cori.il  .i>  irT«fft&^  üc^ssa  täsos  Trreyn,  as  <ftcB 
h^xi^l^umxL-vi^^^^  .i«t.  t**r  Ti»nL  i«*  *iaifi^ii.ä-^  tt  >ki  Tit.  ^«t-  «.■**?  finc 
kj^^ii^m^  4-t»-   v^Ä  ^-K  c^  5c  ja  f*T»-j»  xa.;  *äi»r  -.c»:'::  lOiiä    ia*  äJi'-traatscc  sdt 

</iftT*TtT*s--     Iä  -d*r  Ü!iT*rai.«<£.t  o:*a.ia.r:  ^^a»  Atz*  i-i  -^--.wic-  riX'?*Äri^«^.   so 

Thii^iU:  n^xL  ^on  Nr.  IV  ganz  it=.-i«ä  e'-i^.ac^  i*«.  f^-t-'-r  i*r  aart^rc.  ah-*r  c-reitea 
(^ji  mm,  StiTfi  hiizt  •fit,  23  am  G^*;;«r.  *:»a*  ii*j  ii#n*!:'>rT»;.:i^S'i*r  Nas^nfi-itsatz« 
an  w^{4(h<»  ftftdb  ci«  e*&2  abg^-fiacM«'.  höchst  tithc-k vi*ie  Nas•^  m:;  einer 
br«iU;A,  XMiDiicb  g*rrwi*:ß.  etvx«  i&  6ra  ForCäaiz  c**  S*irs.r^iL5  herauftreteoäen 
XaLt  anfüge  Di^  Xa^^&Veice  ii*z*n  io  «^Lr  :q  eic^r  E'^ce.  öa»  t.>ii  einem 
EuckcD  eigentii^b  Licht  ge^|>r>:heo  v^ri^^c  kax^c:  eine  vlcKte  Eicbie^ucg  in  öer 
Mitl«  Dkacbt  Cie  Abplattung  ehrr  c>:c^  a-3£«l:£rr.  Da£e£^n  tritt  <ier  ^tiraft^itsata 
des  Ot<?rkiefer§,  besonder*  nebec  Cen  otteren  Tbei>c  cer  Xas-e-nh-eic*».  leicht  ge- 
wölbt Tor.  Obwohl  öie  Apertar  eher  scho^  gecann:  wer^iec  kann  '24  i»a},  ist 
doch  wegen  der  Kurze  cer  ganzen  Nase  ;i4  ua  der  Icöex  platjrrhio  (64.5). 
Damit  barmooiit  die  Form  des  oberen  fUndes  der  Apertur:  hier  scbceideo  die 
Naaenbeiue  fia^t  gerade  ab  and  es  bildet  sich  eine  breite,  eckige  Bucht,  welche 
beiderseita  g^g^n  die  Oberkiefer  herantritt. 

Aocb  das  Gericht  im  Gauizen.  de$£en  H«>be  leider  weg*»n  des  Verlustes  der 
meisten  ii^boe  nicht  genau  zu  bestimiüen  ist.  ergiebt  aooäheruog^weise  ein  chamae- 
prosopes  Maass  (Index  ^1,^^^.  An  den  soc^t  geraden  Waogeni:>eioen  tritt  die 
untere  Tu berosität  stärker  vor.  Trotzdem  i?t  oer  Orbitaliu'iex  hvpsikoncb  ^80.4): 
die  Augenhöhlen  erscheinen  gross,  tief  und  hoch,  nach  oben  stärker  gewölbt,  mit 
sehr  weiten  Infraorbitalspalten.  Die  Fossae  caninae  tief,  der  Alveolarfortsatx 
prognath,  Kfust  kurz  (15  rnrnj.  Die  Zähne  sehr  unregelmäßig,  namentlich  sind 
links  der  Eckzahn  und  die  beiden  Prämolaren  gegenseitig  yerschobcu.  so  dass  der 
I.  Främolaris  ganz  nach  innen  gedrängt,  die  beiden  anderen  Zähne  aber  um  ihre 
Axe  gedreht  sind.  Die  Zahneunre  ist  hufeisenförmig;  der  Gaumenindex  (65,3) 
leptostaphylin.  Endlich  der  Cnterkiefer  ist  schwach  und  niedrig,  in  der  Median- 
linie 25  mm  hoch,  das  Kinn  gerundet,  mit  leicht  vortretendem  Höcker,  der  Alveolar- 
rand  leicht  prognath,  die  Curve  vorn  weit,  aber  die  Kieferwiukeldistanz  gering 
(86  mm).  Die  Aeste  sind  niedrig,  aber  breit:  47  mm  hoch,  3ö  breit.  Die  11.  Mo- 
laren stehen  mit  ihren  Kronen  schräg  nach  innen. 

Von  dem  sonstigen  Gerippe  sind  ausser  dem  Kreuzbein  und  dem  rechten  Darm- 
bein nur  Röhrenknochen  der  Extremitäten  gerettet,  an  denen,  wie  erwähnt,  zahl- 
reiche Epiphjsen  fehlen.  Am  Arm  sind  bis  auf  den  Epicondylus  sämuitliche 
Epiphysen  um  das  Ellenbogengelenk  verwachsen,  dagegen  fehlen  der  Kopf  des 
Oberarm-  und  die  Carpalephiphysen  der  VorderarmknocLen.  Am  Oberschenkel 
und  den  beiden  Tibiae  fehlen  sämmtliche  Epipbysen,  selbst  die  Trochanteren.  Dar- 
nach durfte  anzunehmen  sein,  dass  die  Person  ein  Lebensalter  von  16 — 17  Jah- 
ren gehabt  hat.  Am  Vorderarm  sassen  noch  mumificirte  Weicbtheile,  wahrschein- 
lich erbalten  durch  Metallsalze,  denn  das  obere  Drittel  des  Radius  ist  durch  Kupfer- 
färbung grün. 


(395) 

Der  (lioke)  Oberarm  iet  fast  gar  nicht  gedreht,  die  Fossa  olecrani  voll.  Am 
Femur  (links)  betragt  der  Insertionswinkel  des  Halses  125^  An  den  Tibiae  keine 
Spur  von  Abplattung.  Das  Kreuzbein  misst  in  der  Quere  fast  9  cm;  die  (rechte) 
Darmbein  schaufei  ist  dick,  flach  und  kurz. 

Offenbar  zu  diesem  Gerippe  gehörig  fand  sich  in  der  Kiste  noch  ein  zusammen- 
gebackenes Packet  von  grauen  Gewebsresten,  Fetzen  von  rothem  Netz  und 
schwarze,  ganz  glatte,  sehr  straffe  Haare  von  8 — 9  cm  Länge.  Unter 
dem  Mikroskop  erscheinen  die  letzteren  von  der  Fläche  ganz  dunkel  und  undurch- 
sichtig; auf  Querschnitten  sieht  man  sie  schwach  abgeplattet,  im  Ganzen  rundlich, 
mit  einem  kleinen  runden,  ganz  schwarzen  Markstreifen,  einer  dicken,  nach  aussen 
schwarzbraunen,  nach  innen  lichteren  und  mehr  gelbbräuulichen  Rinde,  und  einer 
ziemlich  dicken,  gelblichen  Oberhaut.  Die  Färbung  der  Rinde  ist  durch  dichtere 
oder  losere  Anhäufungen  von  körnigem,  dunkelbraunem  Pigment  bedingt  — 

Es  lässt  sich  nicht  leugnen,  dass  die  beiden  Gerippe  für  eine  sichere  Kennt- 
niss  der  Rassencharaktere  nicht  besonders  geeignet  sind.  Das  eine  gehörte  einer 
gänzlich  zahnlosen  Greisin,  das  andere  einem  jungen  Individuum,  wahrscheinlich 
einem  Mädchen  von  16 — 17  Jahren  an.  Das  eine  ist  also  zu  alt^  das  andere  zu 
jung  zu  maassgebenden  Folgerungen.  Deberdiess  fehlt  ein  männliches  Gerippe, 
welches  erst  das  Bild  vervollständigen  wurde.  Nehmen  wir  indess  das  vorliegende 
Material,  wie  es  nun  einmal  ist,  so  ergeben  sich  als  Hauptmerkmale:  Mesocepbalie 
mit  ogivalem  Contour  des  Schädeldurchschnittes,  Chamaeprosopie, 
Hjpsikonchie,  leichte  Prognathie  und  vor  Allem  eine  höchst  eigen- 
thijmliche,  zwischen  Meso-  und  Platyrrhinie  schwankende  Nase,  end- 
lich sehr  stark  pigmentirtes,  schwarzes,   straffes  Haupthaar. — 

Die  von  Dr.  Landau  eingesandten  Gerippe  sind  leider  weniger  gut  bestimmt. 
Nach  einem,  au  die  Verwaltung  des  Königlichen  Museums  eingeschickten  Bericht 
hat  er  in  der  Gegend  von  Barn  bang,  in  der  Provinz  Nueva  Viscaya,  zwei  ^wohl- 
erhaltene**  Skelette  ausgegraben.  Seiner  Angabe  nach  ist  auch  diese  Gegend  noch 
von  Igorroten  bewohnt.  In  der  That  ist  sie  nur  durch  den  Rio  Magat  und  die  Cor- 
dillere  von  dem  eigentlichen  Igorroten-Lande  getrennt,  und  auch  andere  Reisende, 
z.  B.  V.  Dräsche,  geben  hier  Igorroten  an.  Aber  es  ist  noch  eine  andere  Schwierigkeit 
vorhanden.  Es  sind  nicht  2,  sondern  3,  freilich  unvollständige  und  zum  Theil  sehr 
mangelhaft  erhaltene  Skelette  angekommen,  und  es  hat  sich  aus  den  Berichten  des 
Dr.  Landau  über  die  Herkunft  des  dritten  Skelets  nichts  ermitteln  lassen.  Hoffent- 
lich wird  sich  das  später  ausgleichen.  In  der  That  hat  der  eine  Schädel  so  viele 
Eigenschaften  eines  Negrito  an  sich,  dass  er  wahrscheinlich  aus  der  jetzigen  Betrach- 
tung ausgeschieden  werden  muss.  Die  beiden  anderen  sind  ganz  verschieden  von 
ihm.  Leider  ist  der  eine  derselben  ohne  Gesicht;  der  andere  dagegen  zeigt  eine 
Gesichts-  nnd  namentlich  eine  Naseubildung,  welche  mit  der  eben  besprochenen 
der  Schädel  von  Cabajan  völlig  übereinstimmen.  Ich  glaube  daher  nicht  fehlzu- 
gehen, wenn  ich  diese  beiden  Schädel  (Nr.  I  u.  II)  gleichfalls  als  Igorroten  ansehe. 

a)  Der  Schädel  Nr.  I  gehörte  einem  älteren,  kräftig  entwickelten,  wenngleich 
etwas  zart  gebauten  Manne  an.  Er  besitzt  eine  Capacität  von  1300  ccm,  also  weni- 
ger als  das  junge  Mädchen,  und  demgemäss  üuifangsmaasse  von  mittlerer  Länge. 
Er  ist  orthodolichocephal  (Breitenindex  72,8,  Höhenindex  75,0);  die  gerade  Oc- 
cipitallänge  beträgt  32,6  pCt.  der  Gesammtlänge. 

Die  Knochen  sind  mürbe  und  oberflächlich  abgeblättert,  an  letzteren  Stellen 
weiss,  sonst  schmutzig  braungrau.     Die  Nähte  offen,  die  Schläfen  gut  gebildet,  die 


(396) 


"tDeiaten    Knochen vorsprüiige    schwach,    nur    die    Protub.   occip,    gross    und    kräftig 
Hinter  dem  linken  Tuber  parietale  ein  iai  her  traumadsclier  Rindruck. 

In  der  Ober-  und  Seitenansicht  erscheint  das  Dach  eßtschiedeß  lang  und  voll, 
au  den  Seh  eitel  liockern  ausgelegt.  Die  Plana  temporal  ia  gross,  ihre  GreDKÜnieo  bi» 
auf  die  Tubera  par.  reichend.  Die  Norma  ^vccipitalis  zeigt  einen  leicht  ogivaleo 
Querschnitt,  indem  diis  Dach  zwischen  Pfeil  naht  und  Tubera  parict.  etwas  eiüge- 
drückt  ist  Die  Seiteoflächen  convergiren  nach  tioten.  Der  Lambdawinkel  öpitz, 
seine  Schenkel  etwus  gediückt.  Starke  Wa raten fortöätze.  In  der  Norma  bftsilari* 
tritt  bessouders  die  Lauge  des  Hinterhaupts  hervor.  Das  Hinterhauptsloch  oviil. 
uiit  dicken  Rändern. 

In  der  Vorderansicht  erfcheint  die  Stirn,  obwohl  massig  breit  (J*l  vmt)^  doch 
klein,  besonders  niedrig,  etwas  vorgerundet,  fast  von  kindlichem  Aussehen,  Suprn- 
orbitulwIjUte  kaum  angedeutet,  dagegeo  der  Supraorbitalrand  nach  aussen  etwas 
vortretend.  Das  Oesicbl  macht  mehr  einen  mittleren  Eiiulruck,  obwohl  der  Index 
(71j->)  entschieden  chainaeprosop  ist.  Die  Orbitae  gross,  fast  viereckig,  beson- 
ders hoch:  Index  hjpsikonch  (94,7),  Der  Nasen  fort?;  at«  des  Stiriibem»  breit 
(24  wwi),  mit  einem  kurzen,  stark  gezackten  Reste  der  Stirn oaht;  die  Stirn nasen* 
naht  greift  in  den  Fortsatx  ein.  Die  Nase  selbst  ist  fast  giinz  fluch  nod  breit,  bei- 
nahe ohne  Rücken^  unten  quer  abgeschnitten.  Der  Index  ist  platjrrhio  (69,1); 
dem  entspricht  die  breite  Apertur,  vod  der  aus  jederseits  eine  breite  Praenasal- 
furche  schräg  auf  den  progoathen  Alveolarfortsatz  herablauft.  Tiefe  Fossae  cä- 
ninae.  Die  Oberkieferjtäbne  fehle«  durchweg.  Der  Gaiiraeu  leptostaphy liti 
(71,4?),  mit  hufeisenlurmiger  Zahncurve. 

Der  Unterkiefer  ist  kräftig,  vorn  stark  ausgebogen,  das  Kinn  fast  progeuäischy 
der  einzige  vorhandene  Zahn  (Molaris  dexter  I)  tief  abgenutzt.  Aeste  breit  (33  mm) 
und  hoch  (60  mm).     Sehr  weite  Spannung  der  Kieferwjokel  (lt}4  mm). 

Sämmtliche  übrige  Skeletknochen  sind  brijchig,  etwas  verletzt  und  von  mehr 
gracüer  Gestalt.     Es  sind  vorhanden: 

2  Hunieri,    255  mtfiy    lang,    massig  gedreht,    mit    feinem  Loch    in   der  Fos&a 

olecraoi. 
2  Radii  und  eine  Ülna,  sämmtlicb  unten  defect, 
1  rechtes  Femur,  380  mm  lang,    mit  kurzem  Hals,    kleinem  Kopf,   die  Knie- 

Condylen  etwas  nach  hinteu  gebogen. 
1  Tibia  und  Fibula  der  rechten  Seite,  erstere  nicht  platt. 

b)  Der  Schädel  Nr,  II,  gleichfalls  mäuniicb,  von  sehr  ähnlicher  Gestalt,  ohne 
Gesicht  und  mit  zerstörter  Basis.  Ob  der  vorhandene  Unterkiefer  dazu  gehört,  ist 
nicht  ganz  sicher,  derselbe  hat  ein  auffällig  gelbbraunes  Aussehen,  während  die 
übrigen  Knochen  schwarzbraun  sind  und  die  Schädelkapsel  überdies  mit  schwärzlichen, 
wie  verkohlt  aussehenden  Stellen  besetzt  ist.  Der  Schädel  ist  eminent  doUcho- 
cephal,  wahrscheinlich  orthodolichocephal  (Breitenindex  70,7,  Auriculanndex  62,5)* 
Die  KnochenvorspruDge  sind  mehr  entwickelt.  Alle  Nähte  offen;  in  der  Lambdoides 
einige  grössere,  gegen  die  Parietalia  vorspringende  Schaltknochen. 

Die  Stirn  ist  voll,  gerundet^  weuig  breit  (88  mm),  niedrig,  von  fast  weiblicher 
Bildung,  Die  lange  Scheitelcnrve  beginnt  mit  einer  schnellen  ümbiegung  der 
Stirn;  Tnbera  parietaüa  wenig  entwickelt;  Hinterhaupt  voll  und  stark  geruodeL 
deutliche,  aber  schwache  Frotub.  occip.  Jederseits  ein  Ansatz  zu  einem  Proc 
frontalis  alae  tempor.  Au  der  Stirn  kurze,  etwas  scliräg  vom  inneren  Ende 
der  Orbital ränder  aufsteigende  Wülste.  Die  Nasennaht  greift  eckig  in  den  Fort- 
satz des  Stirnbeins  ein;  der  Rücken  der  Nase  ist  ganz  schwach  gewölbt,  niedrig, 
leider  aber  sehr  bald  durch  Bruch  zerstört. 


(397) 

Der  Yorhandene  Unterkiefer  sehr  fibnlich  dem  von  Nr.  V,  aber  mit  ganz  alten, 
tief  abgenutzten  Zähnen  und  zahlreichen  obliterirten  Al?eolen;  niedrige,  aber  breite 
Aeste. 

Von  dem  übrigen  Gerippe  finden  sich: 
einige  Wirbel  und  Rippen; 
2  recht  kniftige  Scapulae  mit  sehr  starker  Muskelzeichnung;  die  hintere  obere 

Ecke  ist  auffallig  rechtwinklig.     Höhe  145,    Hreite  85,  Index  58,6  mm; 
2  Seitenhälften  des  Beckens,  durch  Muskelleisten  sehr  kantig,  compakt,  mit 

steilen  Schaufeln; 
der  rechte  Ober-    und  Vorderarm  vollständig;    links  fehlt  die  Ulna,  der  Ra- 
dius   ist    defekt.     Sehr  kräftige  Knochen.     Massige  Torsion   des  Humerus, 
nicht  durchbohrte  Fossa  olecrani.    Humerus  281,  ülna  234,  mit  Froc.  sty- 
loides  240,   in    der  Mitte  der  Diaphjse  sehr  platt;   Radius  207  (212),  am 
unteren  Ende  sehr  breit, 
die  Knochen  des  Ober-  und  Unterschenkels  vollständig,  nur  die  eine  Fibula 
etwas  defekt.     Femur  400  mm  (Trochanter  bis  Condyl.  ext.  375),  mit  sehr 
sonderbarer   Bildung   des    Halses    und    Kopfes:    der    kurze,    unter    einem 
Winkel  von    130^  angesetzte  Hals  ist  so  stark  nach  vorn  gewendet,    dass 
der  etwas  abgeplattete  Kopf  wie  um  die  Axe  gedreht  erscheint;   zugleich 
ragt  er  weit  über  den  Trochanter  vor.     Trochant.  minor    sehr    gross.     An 
der    Diaphjse    starke    Crista   post.     Die    Knie-Condylen    gross    und    weit 
nach  hinten  gedreht.  —  Tibia  320  (ohne  Malleolus  310),  voll  und  kräftig. 
Fibula  312,  stark  kantig, 
2  kräftige  Calcanei  und   1  Astragalus. 
c)  Der  Schädel  Nr.  III    ist    mürbe    und  etwas  defect,    sehr  klein  (Capacität 
nur  1050  ccm)^  aber  durch  eine  persistente  Stirnnaht  ausgezeichnet.     Sein  In- 
dex   ist    brachycephal  (80,4).     Sein  Gesichtsindex    steht    auf   der  Grenze   zur 
Leptoprosopie  (90,0);  die  Orbitae  sind  hoch,  extrem  hypsikonch  (102,8);  die 
Nase    ist  am  Ansatz  schmaler,    im  Ganzen    weniger  platt,    auch  leicht  eingebogen, 
aber  stark  platyrrhin  (60,8).     Nur  der  Oberkiefer  ist  sehr  wenig  prognath. 

Von  den  Skeletknochen  sind  die  meisten  defect.  Ich  erwähne  das  lange  Ob 
femoris  sinistrum,  das,  trotz  einiger  Defekte  oben  und  unten,  370  mm  misst.  Die 
330  mm  lange  Tibia  ist  platyknemisch  und  zeigt  auf  der  äusseren  Fläche  die 
schräge  Muskelkante. 

In  dem  Schädel  und  in  einigen  Wirbeln  steckten  zahlreiche  krause  Päckchen  von 
losen,  dicken,  gedrehten  Fäden  eines  Gewebes,  meist  bräunlich  geförbt,  dazwischen 
auch  kleinere  Fetzen  von  grauem  und  blauem  Gewebe. 

Dass  dieser  Schädel  von  den  anderen  beiden  verschieden  ist,  liegt  auf  der 
Hand.  Ich  wurde  an  sich  kein  Bedenken  tragen,  ihn  für  den  eines  Negrito  zu 
halten,  obwohl  namentlich  die  geringe  Prognathie  dagegen  zu  sprechen  scheint. 
Der  ungewöhnlich  geringe  Raumgehalt  des  Schädels  (1050  ccm),  die  starke  Platyr- 
rhinie  (Index  60,8),  die  Brachycephalie  (Index  80,4),  selbst  die  Platyknemie  sind 
gute  Negrito-Merkmale.  Wenn  ich  trotzdem  mein  ürtheil  noch  zurückhalte,  so 
geschieht  es,  weil  Hr.  Schetelig  seiner  Zeit  einen  Schädel  mitgebracht  hat,  der 
manche  Aehnlichkeit  darbietet,  aber  der  Angabe  nach  keinem  Negrito-Distrikt 
entstammt  Es  ist  der  Schädel  einer  Semarrona  llamada  Omang,  den  ich  seiner 
Zeit  beschrieben  habe  und  der  aus  der  Provinz  Albay  stammen  soll. 

Sehen  wir  vorläufig  von  dieser  Semarrona  und  dem  Schädel  Nr.  III  ganz  ab, 
so  würden  von  dem  vorgeführten  Material  als  Igorroten  im  engeren  Sinne  zu  be- 
trachten sein: 


(398) 

1.  and  2.  die  beiden  Schädel  von  Cabayan  (H.  Meyer), 

3.  der  Schädel  von  Gayan  (G.  A.  ßucr), 

4.  und  5.  die  beiden  Scbädel  von  Bambaog  (Landau), 

6.  vielleicht    der  Schädel,    den    Hr.  A.B.Meyer    im  December  1871    erwor- 
ben hat. 

Diese  6  stimmen  negativ  darin  übereiu,  dass  kcioer  von  ihnen  brachjcepbal 
ist  Die  beiden  ei-ston  sind  mesocephal,  die  4  letzten  dolichocephal.  Mit  Ausuabme 
des  ersten  sind  sie  sämmtlich  von  mittlerer  Höbe;  bei  jenem  freilich  beträgt  der 
Hobenindex  81,3.  Es  scheint  das  zusammenzuhängen  mit  der  stärkeren  Ogivalform 
des  Schädeldaches  bei  Nr.  1.  Sehr  viel  mehr  gleicht  sich  eine  Reihe  dieser  Schädel 
in  Bezug  auf  die  Gesichtsbildung,  namentlich  in  Bezug  auf  die  Gestaltung  der 
Nase.  Diese  ist  mit  Ausnahme  des  einzigen  Schädels  von  Hrn.  A.  B.  Meyer  bei 
allen  platyrrhin  und  zugleich  in  3  Fällen  (den  beiden  von  Hrn.  H.  Meyer  und 
dem  ersten  von  Dr.  Landau)  in  hohem  Maasse  pithekoid.  Der  Schädel  von  Hrn. 
Baer  (Nr.  3),  der  von  Hrn.  A.  B.  Meyer  (Nr.  6)  und,  soweit  er  erhalten  ist,  der 
zweite  Schädel  von  Hrn.  Landau  haben  anders  gebildete  Nasen,  selbst  wo  sie 
platyrrhin  sind.  Die  Wurzel  ist  schmal,  vortretend  und  etwas  eingebogen;  erst 
gegen  die  Apertur  hin  weitet  sich  die  Nase  aus.  Immerhin  tritt  die  knöcherne 
Nase  auch  hier  wenig  vor  und  im  Leben  war  die  jBeischige  Nase  unten  breit  und 
oben  eingebogen,  also  recht  bässlich.  Die  mir  zugekommenen  Photographien  von 
Igorroten,  namentlich  von  Weibern,  harmoniren  damit  sehr  gut 

Ich  habe  bisher  nur  von  den  [gorroten -Schädeln  gesprochen,  welche  mir  direkt 
vorliegen.  Es  giebt  aber  noch  einige  andere,  in  der  Literatur  erwähnte,  welche 
hierher  gehören.  Das  sind  in  erster  Reihe  einige  von  Hrn.  C.  Semper  mitgebrachte, 
welche  neuerlich  in  den  Besitz  des  Dresdener  naturhistorischen  Museums  über- 
gegangen und  von  den  Herren  A.  B.  Meyer  und  Tijngel  in  den  Mittheiluogen 
des  Königl.  2k>ol.  Museums  zu  Dresden  1878.  Bd.  III  S.  338  kurz  beschrieben  bind. 
Einer  derselben  (Nr.  1380)  stammt  gleichfalls  von  Cabayan  in  der  Provinz  Benget, 
vom  Rio  Agno:  er  hat  eine  Capacität  von  1185  ccm,  ist  orthomesocephal  (Breiteu- 
index 77,9,  Höhenindex  73,1).  Ein  zweiter  (Nr.  1381),  von  derselben  Gegend,  hat 
eine  Capacität  von  1195,  ist  dagegen  hypsi mesocephal  (Breitenindex  78,2, 
Höhenindex  79,6).  Hier  treffen  wir  also  denselben  Gegensatz  in  den  Höhenindices, 
wie  bei  den  beiden  Cabayan-Scbädeln  des  Hrn.  Hans  Meyer.  Ein  dritter  Igorroten- 
Schädel  des  Hrn.  Semper  stammt  von  Bontok,  N.  von  Lepanto  (Nr.  1379);  er  wird 
als  weiblich  bezeichnet,  hat  1285  ccin  Capacität  und  ist,  wenngleich  etwas  weniger 
hoch,  hypsidolichocephal  (Breitenindex  74,3,  Höhenindex  76).  Im  Ganzen 
schliessen  sich  diese  Schädel,  wie  man  sieht,  den  unserigen  an.  Leider  ist  in  der 
Beschreibung  von  der  Bildung  der  Nasen  nichts  gesagt. 

Hr.  Semper  hatte  aber  ausserdem  noch  zwei  Schädel  von  Tinguianes  „in  der 
Provinz  Nueva  Viscaya"  niitgebracht.  Die  Localität  ist  nicht  näher  bezeichnet,  was 
um  so  mehr  zu  bedauern  ist,  da  nach  der  Zusammenstellung  dos  Hrn.  Blumen- 
tritt  die  Tinguianen  gar  nicht  in  der  Provinz  Nueva  Viscaya,  sondern  noch  weiter 
nördlich  über  Bontok,  in  der  Provinz  Abra  und  llocos,  wohnen.  Nach  ihm  ist  es 
ein  durch  hellere  Hautfarbe  und  oft  adlerartig  gekrümmte  Nase  ausgezeichneter  Volks- 
stamm. Der  eine  Schädel  (Nr.  1382)  hat  1245  can  Capucitnt  urui  ist  orthodolicbo- 
cephal  (Breitenindex  68,7,  Höbeoiudex  72,8);  der  andere  (Nr.  1383)  hat  1285  ccm 
und  ist  hypsimesocephal  (Breitenindex  78,1,  Höhenindex  77,2).  Auch  hier  tritt 
die  mehrfach  erwähnte  Verschiedenheit  der  beiden  Schädel  hervor. 

Endlich  sind  noch  ein  Paar  Schädel  wenigstens  kurz  zu  erwähnen,  welche  sich 
diesen  Gruppen    annähern:    ein   hypsimesocephaler    ohne    nähere  Bezeichnung, 


(399) 

als  n Inländer,  Manilla^,  im  Dresdener  Museum  (Nr.  812),  und  einer  von  Lilio  in 
der  Provinz  S.  Pablo,  jetzt  in  Paris  und  beschrieben  von  den  HHrn.  flamy  und 
de  Quutrefages  (Crania  ethnica  p.  450):  derselbe  ist  hypsidolichocephal 
(Breitenindex  71,97,  Höhenindex  75,82). 

Nach  dieser,  wahrscheinlich  ziemlich  vollständigen  Uebersicht  aller,  gegen- 
wärtig in  Europa  befindlicher  Schädel  von  [gorroten  und  ihren  Nachbarstämmen 
muss  man  freilich  zu;Te8tehen,  dass  es  noch  weiterer  Nachrichten  und  weiteren 
Materials  bedürfen  wird,  um  die  Frage  zu  erledigen,  ob  die  Igorroten  in  zwei 
Reihen  auseinandergehen,  wovon  die  eine  die  mehr  mesocephalen  und  mehr  platyr- 
rhinen  Glieder  umfasst,  wahrend  die  andere  mehr  dolichocephal  ist  und  gelegentlich 
bis  zur  Mesorrhinie  zuiiickgeht.  Möglich  wäre  es  ja,  dass  diese  zweite  Reihe  auf 
andere  Ursprünge  hinwiese. 

Vielleicht  sind  gerade  in  dieser  Beziehung  die  sogenannten  Cimarronen-  oder 
Semarronen-Schädel  von  Bedeutung,  insofern  sie  gleichfalls  der  Bergbevölkerung 
Luzou's,  wenngleich  aus  mehr  südlichen  Gegenden,  entnommen  sind.  Dahin  ge- 
hören die  Schädel  von  Ja  gor  (1)  und  Schetelig  (2),  welche  aus  den  Provinzen 
Camarines  und  Albay  stammen.  Beide  sind  mesocephal.  der  erstere  ortho-,  der 
andere  bjpsicephal,  stehen  darin  also  den  Igorroten  der  HHrn.  Semper  und 
H.  Meyer  gleich.  Aber  ihr  Nnsenindex  steht  auf  der  Grenze  zur  Mesorrhinie  (50) 
und  in  der  That  gleicht  ihre  Nase  mehr  derjenigen  der  Schädel  Nr.  3  (Baer),  5 
(Landau)  und  G  (A.  B.  Ideyer),  von  denen  bestimmt  angegeben  wird,  dass  sie  von 
Igorroten  kämen. 

Die  Thatsache,  dass  in  Luzon  in  grosser  Ausdehnung  die  mehr  central  gelegenen 
Gebirgsbezirke  von  einer  ganz  abweichenden,  dunkelfarbigen,  glatthaarigen 
und  mehr  langköpfigen,  zugleich  mehr  oder  weniger  plattnasigen  Bevölkerung 
bewohnt  werden,  ist  jedenfalls  jetzt  gesichert.  Hr.  Semper  (Die  Philippinen  und 
ihre  Bewohner.  Würzburg  1869  S.  136)  hatte  darüber  schon  einige  generelle  Be- 
merkungen gemacht,  ohne  sich  jedoch  auf  Einzelheiten,  am  wenigsten  des  Schädel- 
baues, einzulassen.  Ich  selbst  habe  in  einer  der  früheren  Mittheilungen  darauf 
hingewiesen,  dass  die  nächste  Vergleichung  auf  die  Dayak's  von  Borneo  hinführe. 
Die  HHrn.  Hamy  und  de  Quatrefages  (I.e.  p.  451)  sind  zu  demselben  Schlüsse 
gekommen,  Indess  bezieht  sich  diese  Vergleichung  liauptsächlich  auf  die  Schädel- 
kapsel. Was  die  Bildung  des  Gesichts  und  namentlich  der  Nase  anbetrifft,  so 
möchte  ich  darüber  nicht  zu  viel  aussagen.  Sonderbarerweise  ist  die  Nasenbildung, 
wie  ich  sie  vorher  beschrieben  habe,  eine  so  abweichende,  dass  unter  sammtlicben 
Nachbarn  mir  nichts  Analoges  bekannt  ist;  ich  finde  ähnliche,  wenngleich  keines- 
wegs identische  Nasen  erst  wieder  bei  Japanern  und  namentlich  bei  Goldi-Scbä- 
deln  vom  Amur.  Was  ich  über  das  Kopfhaar  beigebracht  habe,  spricht  gleichfalls 
für  eine  mongolische  Verwandtschaft,  jedoch  nenne  ich  auch  hier  einen  merkbaren 
Unterschied  zwischen  dem  (mikroskopisch)  braunen  und  nur  durch  seine  Dichtig- 
keit (makroskopisch)  schwarz  erscheinenden  Haarpigment  der  Igorroten  und  dem 
reinen  Schwarz  der  Japaner. 

Auf  das  Yerhältniss  dieser  Bergstämme  zu  der  alten  Bevölkerung,  deren  Schä- 
del wir  aus  den  östlichen  Höhlen  der  Philippinen  kennen,  will  ich  nicht  näher  ein- 
gehen, da  ich  bei  früheren  Gelegenheiten  darüber  ausführlich  gesprochen  habe. 
Gegenüber  den  von  Hrn.  H.  Meyer  erwähnten  zwei  malayischen  Einwanderungen, 
die  Hr.  Blumentritt  annimmt,  glaube  ich  hier  eine  dritte,  walirscheialich  prä- 
malayische,  nachgewiesen  zu  haben. 


(400) 


I.   Sohidelmaasse. 


Maasse 


CapaciUt 

Orösste  Länge 

Breite 

Gerade  Höhe 

Obrhöhe  

Stirobreite 

Coronarbreite 

Scbläfenbreite 

Parietalbreite  (tuber&I)  .... 

Occipilal  breite 

Ä  urica]  arbreite 

11  astoide albreite:  Basis  .... 
,  Spitze     .    .    . 

Occipitall&Dge 

Horizontalamfang 

Querer  VerticalomfaDg .... 

Sagittaluinfang 

„  des  Stirnbeins    . 

9  des  Mittelbaupts 

s  des  Hinterhaupts 

Oesichtshöhe  A 

B 

Gesichtsbreite,  a.  jugal.    .    .     . 
,  b.  malar     .    .    . 

,  c.  mandibular     . 

Orbita,  Höhe 

V       Breite 

Nase,  Höbe 

.      Breite 

Gaumen,  Länge 

.         Breite 


Längenbreitenindex 
Längenhöhenindex 
Ohrhöhenindex  . 
Gesichtsindex  .  . 
Mit  tekresich  tslndex 
Orbitalindex  .  . 
Nasenindex .  .  . 
Gaumen  index    .     . 


Cimarrones 


Jagor  i 


1315 
181 
139  p 
135 
119 

90,5 
115 
111 
134 
113 
116 
119 

95 

53 
497 
312 
369 
125,5 
134 
110 


Scbe- 
telig 

1470 
185 
140  p 
146 
116 


111 
112 
133 
110 
116 
124 
104 
53 
511 
318 
391 
130 
133 
128 


64        68 
133,5    135 


95 


40 
48   I 
24 
51 


97 

31 

39 

52 

26 

50? 

42? 


Igorrotes 


A.  B.  I  Baer 
Meyer!  senil  I   L  $ 


Landau 


1400 
188 
127  t 
138 
115 
90 
110 
108 
117 
104 
113 
118 
% 
57 
513 
302 
374 
127 
130 
117 

71 

130 

93 

36 
39 
54 
26 
58 
32 


;i270 
i  179 

133  t 

130 

115 

82  ; 

106 

105,5 

120 

109 

HO 

122 

97 

51 
488 
298 
361 
126 
118+10 
107 

-  i 

!55,5 
125  ' 

91  I 

! 

33  I 
36 
48,5 
26  i 


1300 
184 
134  p 
138 
119,5 

91 
108 
116 
128 
102 
108 
120 
100 

60 
508 
312 
376 
135 
120 
121  : 
100  ' 

68 
130 

95 
104 

36 

38 

49  j 

29  ' 

53? 

38 


IL  $ 


184 
130p 

115 
98 
115 
HO 
124 
102 
107 
112 


508 
315 
373 
132 
135 
106 


IL    Berechnete  Indicee. 


76,8 

75,7 

67,6 

74,3 

72,8 

74,6 

78,9 

73,4 

72,6 

75,0 

65,7 

62,7 

61,2 

64,2 

64.9 

— 

— 

— 

— 

71,9 

67,3 

70,1 

76.3 

G0.9! 

71,5 

82,5 

76,9 

923 

91,6 

94.7 

50,0 

50,0 

48,1 

53,6 

59,1 

64,7 

84,0? 

Protocc 
nimia 

1 

55,1 

Steno- 
kroL 

Steno- 
.     kroL 

71,4? 

1 

87 


Negriu? 
Landau 

IIL 
Sut. 
front. 

1050 
163 
131t 

105 
88 

108 
114 
103 
106 
114 

95 

50 
472 
2% 
341 
116 
125 
100 
109? 

66? 
121 

99 

% 

36 

35 

46 

28 

42? 

37 


Igorrotet 
Hans  Meyer 


^enüjsyn^. 


1210  1400 
168,5  Ifö 


132t 
137 
113 
92 
111 
120 
119 
107? 
HO 
116 
98 
49 
481 
299 
352 
120 
122 
106 


139t 
132 
112 
92 
106 
109 
131 
101 
112 
112 
95 
54 
500 
900 
866 
126 
124 
116 


—  1  100? 


64! 
124 
92 
90 
S4  I 
89 
47 
24 
461 
38! 


60 
122 
93 
86 
82 
87 
44 
24 
49 


70,7 

80,4 

62,5 

64,4 

- 

90,0? 

— 

66,6? 

— 

102,8 

— 

60,8 

Proc. 
front. 

88,0? 

78,3 

76,4 

81,3 

72,5 

67.0 

61,6 

— 

81,9? 

69,6? 

64,5 

87,1 

86,4 

51,0 

54,5 

82,61 

65,8 

Stano- 
krou 

(401) 

(27)  Hr.  Bastian  bespricht  die 

Expeditionen  der  Herren  Chamay  und  Paesavant. 

Die  aufgehängten  Photographien  zeigen  die  Resultate  von  Charnay's  erfolgreichen 
ünternebmungeD  in  Idexico,  die  eine  der  Grösse  der  Aufgabe  entsprechende  Unter- 
stützung in  Frankreich  nicht  nur,  sondern  auch  in  New-York  (durch  die  Liberali- 
tat eines  Förderers  wissenschaftlicher  Bestrebungen)  gefunden  hatten,  und  die  jetzt 
mit  den  hergestellten  Abformungen  der  Monumente  die  Räume  des  im  Trocadero 
neu  eröffneten  Museums  schmücken,  zum  Theil  wahrscheinlich  auch  für  das  unsrige 
werden  erworben  werden. 

Der  Expedition  des  Dr.  Passavant,  der  sich  längere  Zeit  hindurch  gründlich 
auf  eine  Erforschung  des  Camerungebietes  und  der  Wege  in  das  Innere  Africa's  vor- 
bereitete, ist  nach  einem  zugegangenen  Briefe  ein  bedauerlicher  Unfall  zugestossen, 
der  die  Rückkehr  nach  Europa  behufs  Erneuerung  der  Ausrüstung  erfordern  wird. 

(28)  Hr.  Virchow  zeigt  eine  Reihe,  von  Hrn.  J.  C.  Schultze  gesammelter 
neuer 

Höhlenfunde  von  Mentone. 

Schon  in  der  Sitzung  vom  21.  October  1882  (Verh.  S.  510)  habe  ich  eine  An- 
zahl höchst  interessanter  Fundstücke  vorgelegt,  welche  Hr.  J.  C.  Schultze  aus 
einer  neu  erschlossenen  und  damals  von  ihm  allein  besuchten  Höhle  in  der  Nähe  von 
.  Mentone  gesammelt  hatte.  Bei  einem  erneuten  Aufenthalt  im  Süden  hat  derselbe 
während  des  letzten  Winters  unter  thätigster  Mithülfe  seiner  Frau,  nachdem  er  den 
Werth  der  Fundstelle  durch  unsere  Besprechung  genauer  kennen  gelernt  hatte, 
persönlich  Grabungen  vorgenommen  und  eine  grössere  Zahl  noch  mannichfaltigerer 
und  merkwürdigerer  Objekte  zu  Tage  gefördert.  Wahrscheinlich  werden  dies  die 
letzten  sein,  welche  zu  uns  gelangen,  denn  bald  nachdem  er  seine  Erwerbungen  in 
dem  Museum  zu  Mentone  vorgelegt  hatte,  wurde  der  Zugang  zur  Höhle,  auf  Befehl 
von  Paris  her,  verboten. 

Nach  der  Angabe  des  Hrn.  Schultze  wären  gegenwärtig  5  Höhlen  bei  Men- 
tone bekannt.     Er  sagt  darüber: 

„Die  Gegenstände,  die  ich  aufgenommen,  habe  ich  hauptsächlich  in  der  dritten 
Höhle  gefunden.  Sie  hat  ungeßihr  ßm  Breite,  10m  Höhe  und  15  m  Tiefe.  Ein 
Heerd  zum  Kalkbrennen  war  an  der  Oeffnung  angebracht.  Das  Innere  der  Höhle 
ist  aber  unversehrt  geblieben.  Die  Knochen  und  Feuersteine  befanden  sich  1  y,  m 
tief  in  der  Erde,  die  hie  und  da  mit  Felsstücken  vermengt  war. 

„Die  vierte  Höhle  hat  2 — 3  m  Breite  an  der  Oeffnung,  15  m  Höhe  und  25»» 
Tiefe;  sie  verbreitert  sich  bedeutend,  je  mehr  mau  vordringt.  In  dieser  Höhle  hat 
man  fossile  Knochen  gefunden.  Eine  Masse  von  Knochen  und  Feuersteinen  ist 
bei  Va  ^  Tiefe  gefunden  worden. 

„Die  erste  Höhle  enthielt  auch  Feuersteine  und  Knochen;  die  meisten  davon 
sind  beim  Bau  des  Kalkofens  verloren  gegangen. 

„Die  zweite  ist  vollkommen  durch  Felsstücke  verstopft  worden. 

„Alle  diese  Höhlen  sind  natürliche  und  befinden  sich  in  einem  festen  Kalk,  wel- 
cher von  Elie  de  Beaumont  und  Dufreuoy  in  der  geologischen  Karte  von 
Frankreich  der  unteren  Kreide  zugeschrieben  ist. 

„In  der  vierten  Höhle  hat  man  das  ziemlich  gut  erhaltene  Skelet  eines  Men- 
schen gefunden,  welches  jetzt  im  Museum  zu  Paris  ist. 

„1873  wurde  in  einer  anderen  Grotte  ein  menschliches  Skelet  gefunden,    wel- 

VerhaadL  der  BerL  Anttaropol.  Gatelltobaft  1888.  26 


(402) 

ehes  beinahe  2  m  lang  war.  Dieses  Skelet,  wie  das  enlere,  ruhte  auf  einem 
Ascbeobett,  Ton  Waffen  ans  Feuerstein  amgeben.* 

Die  letzteren  Angaben  beziehen  sich  offenbar  auf  die  schon  in  der  früheren 
Besprechung  ron  mir  angezogenen  Funde  des  Hm.  Ririere.  der  übrigens  tod 
9  Höhlen  berichtet. 

Hr.  Schultze  hat  aoch  ein  Paar  photographische  Ansichten  der  Felswand  mit 
den  Eingingen  der  fraglichen  Höhlen  mitgebracht,  welche  ich  rorlege.  Die  eine 
derselben  entspricht  der  Originalaafnahmey  nach  welcher  PI.  I  io  dem  Werke  des 
Hrn.  Ri?iere  (De  Tantiquite  de  Thomme  dans  les  Alpes  maritimes.  Paris  1878 — 79. 
LiTr.  1 — 2)  angefertigt  ist;  die  andere  zeigt  im  grösseren  Maassatabe  den  Eingang  einer 
der  Höhlen.  Es  ergiebt  sich  daraus,  dass  es  sich  nm  die  Höhlen  der  Banssi-Raussi 
oder  der  Rothen  Felsen  bei  dem  Dorfe  Grimaldi,  Comm.  VentimigUa,  handelt 
(Ebendas.  p.  26,  82).  Die  PI.  I  zeigt  den  Zustand  der  Felswand  ror  der  Anlage 
der  Eisenbahn  ?on  Nizza  nach  Ventimiglia.  Die  neue  Höhle  scheint  nach  der  Mit- 
theilnng  des  Hrn.  Schnitze  näher  an  Mentone  zu  liegen. 

Gegenüber  der  ersten  Sammlung  zeigt  die  gegenwärtige  eine  viel  grössere 
Mannichfaltigkeit,  da  auf  meinen  Rath  auch  solche  Gegenstände  gesammelt  wurden, 
welche  dem  ungeübten  Beobachter  unwesentlich  erscheinen.  Dabei  ist  der  ¥oll- 
ständige  Hangel  an  Topfseberben  nm  so  mehr  bemerkenswerth,  als  ich  die 
Aufmerksamkeit  unseres  eifrigen  Landsmannes  besonders  darauf  gelenkt  hatte. 
Dieselbe  Thataache  hat  schon  Hr.  Ri  viere  (1.  c  p.  94)  gegen  Hm.  A.  Issel  be- 
hauptet. Die  Naturobjekte  stimmen  Tielfach  mit  denjenigen  überein,  welche  Hr. 
Riviere  beschrieben  und  aus  welchen  er  die  Zugehörigkeit  der  Funde  zu  der 
Quaternärzeit,  paläolithische  Periode,  abgeleitet  hat.  Dagegen  bieten  die 
Artefakte  vieles  durchaus  Eigenthümliche,  wie  ich  schon  bei  der  rorigen  Samm- 
lung herrorgeboben  habe.  Ich  stelle  die  Fundstücke  in  Nachstehendem  kurz  zu- 
sammen: 

1.  Geschlagene  Feuersteine.  Ausser  einem  unregelmässig  bebauenen 
Knollen  von  eckiger  Gestalt  und  etwa  der  Grösse  eioer  Kinderfaust  sind  7  deutlich 
geschlagene  Stücke  vorhanden.  Drei  davon  sind  dreiseitige,  längliche  Späbne  mit 
leicht  gekrümmter  Grundfläche  und  rundlich  gewölbtem  Ende;  eines,  gleichfaila 
dreiseitig,  ganz  schmal,  am  Ende  spitz  und  an  den  Rändern  etwas  ausgebrochen. 
Ein  viertes  grösseres  hat  auch  die  länglichovale,  leicht  eingebogene  Grundfläche,  aber 
die  convexe  Seite  ist  nicht  weiter  bearbeitet,  als  längs  des  vorderen  gewölbten  Randes, 
der  durch  kleine  Absplisse  zugeformt  worden  ist;  das  Stück  stellt  demnach  einen 
Schaber  vor.  Weiter  ist  noch  ein  breites,  aber  sehr  dünnes,  wiederum  dreiseitiges 
Stück  vorhanden,  dessen  eine  Langswand  noch  durch  eine  secundäre  schmale 
Spaltfläche  zuge«chärit  ist  Endlich  ist  ein  kleines,  fast  scheibenförmiges  Stück 
mit  stark  vorspringender  Schlagzwiebel  und  sonst  scharfem  Rande  zu  erwähnen. 
Der  Feuerstein  ist  überwiegend  dunkel,  bräunlich-  und  bläulichgrau,  seltener  hell- 
graubraun. Schlagzwiebeln  und  glänzende  muschelformige  Spaltflächen  mit  concentri- 
schen  Linien  finden  sich  sehr  ausgeprägt.  Ein  etwas  grösseres  und  dickeres  Stück 
von  mehr  dreickiger  Grundfläche  mit  schräger  Grundlinie  hat  ein  fleckig  braunes, 
aber  ganz  mattes  Ausseben  und  sieht  auf  dem  Bruch  mattweiss  aus;  es  scheint  im 
Feuer  gewesen  zu  sein.  Seine  obere  Fläche  zeigt  2  schräge  marginale  und  eine  platte 
mediane  Secundärflächen,  welche  gegen  die  hintere,  stumpfe  Spitze  zusammenlaufen. 
Schliesslich  wäre  noch  ein  länglich  dreiseitiges,  etwas  unregelmässig  geschlagenes 
Stück  aus  blaugrauem  Kalk  zu  erwähnen,  welches  durch  secundäre  Absprengungen 
am  vorderen  Ende  gleichfalls  eine  schaberform  ige  Gestalt  erhalten  hat. 

2.  Geschlagene,  theilweise  auch  unveränderte  Thierknochen.     Da- 


(408) 

Yon  ist  eine  beträchtliche  Zahl  vorhaDden,  von  denen  die  Mehrzahl  jedoch  sich  nicht 
genau  hat  bestimmen  lassen.  Einzelne  sind  Theile  von  Rippen,  Beckenknochen  u.  s.  w., 
die  meisten  stammen  von  Röhrenknochen  der  Extremitäten  her.  Yon  letzteren 
haben  einige  eine  sehr  grosse  Starke:  so  misst  an  einem  Stücke  die  Rinde  15  mm 
in  der  Dicke.  Fast  alle  sind  äusserst  scharfrandig  und  häufig  spitz.  Hr.  Nehring 
hatte  die  Güte,  diese  Knochen  durchzusehen;  er  hat  folgende  Thierarten  daraus 
bestimmt: 

Lepus  cuniculus,  Kaninchen. 
Cervus  elaphus,  Edelhirsch. 

Cervus  (sp?).  Backenzähne,  Geweihzacke  und  Stücke  von  Extremitätenknochen 
einer  grossen  Hirschart,  welche  dem  Riesenhirsch  sehr  ähnlich  oder  geradezu 
mit  ihm  identisch  sei. 
Capra  (ibex?).     5  obere  und    2  untere  Backenzähne  nebst  einigen  Knochen- 
fragmenten, insbesondere  vom  Atlas  und  der  I.  Phalanx,  von  einem  Wieder- 
käuer, welcher  wahrscheinlich  mit  dem  grossen  diluvialen  Steinbock  iden- 
tisch sei.   ^Die  Zähne  stimmen  fast  gänzlich  mit  den  von  Forsyth  Major 
aus  der  Grotta  di  Levrange  beschriebenen  grossen  Steinbock- 2^hnen.^ 
Columba  (livia),  wahrscheinlich  von  der  Felsentaube. 
Nach  den  Angaben  des  Hrn.  Rivi^re    scheint  es,    dass    der  grosse  Hirsch  in 
Paris  als  Cervus  canadensis  bestimmt  ist  (1.  c.  p.  17,  note  1). 

Die  von  Hrn.  Nehring  dem  Steinbock  zugeschriebenen  Reste  dagegen  würden 
wahrscheinlich  mit  denen  der  Capra  primigenia  von  P.  Gervais  identisch  sein  (1.  c. 
p.  19,  PL  XIX  Fig.  39.  p.  86). 

3.  Einige  Landschnecken.  Hr.  v.  Martens  schreibt  mir  darüber: 
^üeber  die  Landschnecken  in  den  Höhlen  von  Mentone  und  einigen  benach- 
barten existirt  eine  eigene  Arbeit  von  A.  Issel  in  den  Atti  dell'  Accademia  di 
Torino,  classe  delle  scienze  fisische  e  matematiche,  Ser.  IL  T.  XXIV,  1867,  wo- 
nach die  Mehrzahl  noch  jetzt  in  der  Umgegend  lebende  Arten,  einige  aber  auch  nicht 
mehr  als  lebend  bekannt,  doch  solchen  ziemlich  nahestehend  sind.  Die  über- 
schickten Stücke  gehören  Arten  an,  welche  in  der  Umgegend  noch  lebend  vor- 
kommen, nämlich  Zouites  Algirus  L.  (sp.)  und  Helix  neglecta  Draparnaud. 

4.  Eine  grössere  Anzahl  von  Olivenkernen,  von  denen  die  Mehrzahl  an  einem 
Ende  geöffnet  ist.  Da  nach  Hrn.  Hebu  (Culturpflanzen  und  Hausthiere.  2.  Ausg. 
Berlin  1874,  S.  87)  der  veredelte  Oelbaum  von  Kleinasien  eingeführt  sein  soll,  ob- 
wohl der  wilde  Oleast^  auch  in  Griechenland  und  vielleicht  in  anderen  Mittelmeer- 
ländern heimisch  war,  so  schien  es  mir  von  besonderem  Interesse,  den  Versuch  zu 
machen,  ob  an  den  vorliegenden  Kernen  die  Bestimmung  möglich  sei.  Ich  bat  also 
Hrn.  Wittmack  um  eine  genauere  Untersuchung.  Seine  Erklärung  lautet  folgender- 
maassen : 

„Unter  den  mir  übersandten  Samen  der  Olive  aus  der  Höhle  befindet  sich 
auch  ein  Kirschenstein!  Dies  macht  mich  stutzig.  Auch  scheint  es  Hrn.  Nehring 
und  mir,  dass  wahrscheinlich  Thiere  (Eichhörnchen  oder  dergl.)  die  Steine  durch- 
geschnitten haben.  Alle  Olivenkerne  sind  genau  gleich  massig  schräg  durch- 
geschnitten; auch  die  sägeartigen  feinen  Stufen  auf  den  Schnittflächen  lassen  sich 
als  Spuren  der  Zähne  eines  Thieres  deuten. 

„Der  Kirschenstein  ist  so  gross,  dass  er  einer  neueren  Zeit,  wo  schon  grosse 
Varietäten  der  Kirsche  in  Cultur  waren,  angehören  muss.  Ich  denke  mir  nun,  dass 
irgend  ein  Tbier  die  Höhle  als  Schlupfwinkel  benutzte  und  die  Samen  dahin  ver- 
schleppt hat. 

„So  skeptisch  das  klingt,  so  scheint  mir  doch  die  grösste  Vorsicht  hier  geboten. 


(404) 


Gegen  meioe  Ansicht  spricht  die  Kleinheit  der  Olivensamen,  Vielleicht 
sie  aber  van  verwilderten  Bäumen,  d.  b.  von  Olea  earopaea  var.  Olea^t^r,  bei  denen 
die  FrQchte  sehr  klein  sind.  Namentlich  die  Variflat  mit  länglichen  Btättero 
hat  sehr  kleine  Fruchte,  üehrigens  giebt  es  auch  unter  den  Varietäten  der  kulti* 
virteu  Oelbäume  nach  Risso's  Monographie,  die  vou  Alefeld  in  seiner  laniJw* 
Flora  S.  261  benutzt  ist,  mehrere,  die  sehr  kleine  Früchte  haben,  folglich  auch 
kleine  Samen. 

^Der  einzige  vollständige  unter  den  übersandten  Oliveosteineo  aus  der  Hohle 
h;*t  eine  Länge  von  14  jmn  bei  einer  Breite  von  7,2  mw»,  während  die  von  Ihnen 
übersandten  moderneu  I8V|— 19  mm  lang  «ind,  aber  Risso  fuhrt  unter  den  Cultur- 
Varieiäten  mehrere  auf,  bei  denen  die  ganzen  Fruchte  nicht  länger  als  die  ge* 
fundenen  Kerne  sind.     So  z,  B. 

Olea  europaea  rotundata     .     .     .     Fracht  13  mm  x     9  mm 

9  t,  minima     ....         ,         14     „     X     9 

„  »  ctirviföUa      .     ,     .         ^         12     „     X     8 

^  „  hermaphrodita .     .  ^  II      „     x   10 

„  „  alrorubens    ...         „         u     ^     x  J 1     „  .**  — 

Hr.  Schnitze  hält  es  für  möglich,    da»s    der  Kirschenstein    lufällig  unter  die 

Fundgegenstände    gekommen    sei,    giebt   jedoch    bestimmt  an,    dass  er  die  Oliven- 

kerne  aus  derselbpn  Culturfechicht   mit  den  übrigen   Gegeo- 

standen    entnomuien    habe.     Eine    weitere   Bestätigung    wäre 

iranierhin    sehr    erwünscht,    da   en   sich    hier  um  ein  cultur- 

historisch  sehr  wichtiges  Problem  handelt* 

5,  Die  Artefakte  aus  Knochen  und  Hirscbboro. 
Wir  können  sie,  wie  das  vorige  Mal,  gruppenweise  be- 
trachten ^); 

a)  3  stumpfspitzige,  konisch  gestaltete  Pfrieme  mit 
Durchbohrung    am    hinteren  Ende  (Holzschn*  1).     Einer  i»t 

1  B  ptattrundlich,  die    beiden  anderen  fa^t  drehrund,  sehr  glatt, 

dunkelbraun,  am  hinteren  Ende  gerundet,  die  Oberfiäche 
ist  geschabt,  die  Löcher  zeigen  etwas  weitere  Eingangs- 
offflungen,  sind  aber  sonst  ziemlich  gleichmässig  gebohrt, 

b)  2  aus  Ruhren  knochen,  welche  der  Länge  nach  ge- 
spaJteti  sind,  hergestellte  Dolche  oder  Lanze n^pitxen. 
Das  grössere  Stück  (Holzschn.  2),  aus  einem  Metatarsus  von 
Cervus  elaphus  gearbeitet,  ist  19,5  cm  lang  und  stallt  ein 
sehr    kräftiges  Instrument    dar.     Auch    ist   es   an  den  R^n- 

Ri  II  ^^^^h  ^'®  ®s  scheint,  durch  langen  Gebrauch  ganz  abge- 
glättet. Die  ganze  convexe  Oberflache  zeigt  feine  schräg- 
liegende  Schabekritze;  nur  an  der  Spitae  ist  eine  so  tiefe 
und  durch  zahlreiche  kleine  Furchen  rauhe  Abnutzung  ent- 
stunden, dass  sie  wie  genagt  aussieht.  —  Das  zweite  Stück 
ist  kurzer,  aber  viel  breiter  und  gröber;  es  misst  13,5  cm 
in  der  Länge  und  3,5  cm  in  der  Breite.  Beide  Stücke  sind 
vorn  schräg  zugespitzt 

c)  2  gleichfalls  aus  Stücken  gespaltener  Rohrenknochen 
gearbeitete  Werkzeuge,  die  man  allenfalls  als  M eissei  be- 


1)  Alle  Abbildungen  sind  in  */>  der  natürlichen  Grösse  ansgeführt. 


(405) 


^! 


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zeich  Den  koante.  Dies  gitt  uatneDtlicb  von  dem 
grösseren  (Holzschü.  3),  weiches  an  einem  Ende 
in  eine  4,5  cm  breite,  ziemlich  scharfe  Schneide 
ausgeht.  Das  StDck  ist  sehr  cimipakt  und 
an  der  ganzen  Oberfiäche  kÜDsitHch  geglaubt. 
Es  hat  eine  Länge  vou  8  cm,  eine  Dicke  von 
12  mm^  ist  im  Ganzen  platt,  und  läuft  am  hin- 
tereo  Ende  in  eine  schiefe,  an  der  einen  Seite 
etwjis  vorgebogene  Spitze  aue.  Da  diese  Bie- 
gung durch  Ausarbeitung  des  Randes  bewirkt 
worden  ist  und  durch  dieselbe  eine  sehr  bequeme 
Lage  de«  Werkzeuges  in  der  Hand  bedingt  wird, 
80  musa  man  wohl  den  Gedanken,  dass  dies  ein 
Meissel  seij  aufgeben  uud  es  als  für  den  Gebrauch 
des  Abhäuten 8  hestimrat  ansehen.  Auf  der  einen  Seite  sieht  man  noch  einen 
kleinen  Abtfchnitt  der  Markhohle;  es  ist  also  auch  aus  einem  Röhrenknochen  eines 
sehr  grosspn  Thipres  gefertigt,  —  Das  zweite  Stück  (Holzschn.  4),  obwohl  sehr 
viel  dünner  und  unvollkommeEer,  dürfte  demselben  Zweck  gedient  haben.  Es  ist 
9,5  cm  lang,  ganz  platt»  höchstens  3—4  mm  dick,  vorn  schräg  zugeschärftj  hinten 
gerundet  und  stumpf,  dort  3,  hier  2,4  cm  breit.  Vor  dem  Ende  ist  jedoch  der  eine 
Rand  gleichfalls  um  ein  Erhebliches,  bis  auf  eine  Breite  von  2  ein^  ausgearbeitet, 
BO  dasß  auch  hier  das  Instrument  sehr  bequem  in  der  geschlossenen  Faust  liegt* 

d)  3  durchbohrte  Hängeschmucksachen  (HoUschn.  5—6),  den  früher 
besprochenen  sehr  ähnlich,  jedoeh  noch  wieder  anders  gestaltet.  Das  eine  Stück 
ist  au*  sehr  grober,  abi^r  harter  Spongiosa  herausgearbeitet  (Holzschn.  5),  die  anderen 
zeigen  grossentheila  dichte  und  ganz  glatte  Spongiosa.  Man  hat  dazu  wahrschein* 
lieb  besonders  gut  vorgebildete  Kuochentheile  ausgewählt,  denn  die  äussere  Ober- 
fläche, die  höchst  eigenthümlich  gebogen  uud  an  einem  Stucke  (Holzi^chu.  6)  wie 
gedreht  erscheint,  ist  nur  zum  Theil  bearbeitet. 

e)  2  S-formig  gebogene  platte 
Knochen  (Hnlzsehn  7)  ohne  Durchboh- 
rung* Ob  dieselben  gleichfalls  als  Schmuck- 
gegenständc  zu  betrachten  sind,  weiss  ich 
nicht.  Sie  sind  platt  und  ziemlich  dick 
(6—7  mm)  uod  bestehen  auf  einer  Seite 
aus  Compacta,  auf  der  anderen  aus  Spon- 
giosa. Au  jedem  Ende  laufen  sie  in  eine 
seitwärts  gerichtete,  ziemlich  scharfe  Spitze 
aus. 

f)  2  aus  Wirbeln  gearbeitete  Ringe 
(Hoizschn,  8),  gerade  weit  genug,  um  auf 
Daumen  und  Zeigefinger  zu  gehen.  Die 
Fortsätze  sind  bis  auf  einen  ahgebroclien. 
Vielleicht  dienten  sie  als  Bogenspan  ner. 

g)  3  Löffel,  wie  schon  das  vorige  Mal  einer  dabei  war  (Holzscbn.  9—10). 
Es  zeigt  sich  aber  jetzt,  wo  grossere  Stucke  irorliegen,  dass  zu  der  Herstellung 
dieser  souderbaren  Geräthe  die  Pfanne  und  der  noch  nicht  ganz  verschmolzene 
Kopf  des  Oberschenkels  benutzt  wurde-  Es  bedarf  nur  geringer  Nachbülfe,  um 
daraus  löffelartige  Schalen  zu  machen.  Das  grossere  Stück  (Holzschn*  9)  ist  das 
Acetabulum    mit  seiner  natürlichen  lucisur;    die  beiden  anderen,    kleineren  Stücke 


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(406) 


11 


sind  Oberscbenkelkopfe,  die  tod  der  SpoDgiosa-Seite  her  ausgehöhlt  (Holzschn.  10 b), 
ao  der  Ausseuseite  dagegen  ganz  unye rändert  (Holzschn.  10a)  geblieben  sind. 

h)  Ein  Becher  (Uolzschn.  1 1)  von  sehr  um- 
fänglichen Dimensionen.  Er  ist  5,8  cm  hoch, 
5  auf  3  cm  weit,  hat  einen  sehr  ungleich  hoheD, 
aber  überall  sorgfaltig  gerundeten  Rand,  und  be- 
steht aus  dem  Ende  eines  sehr  grossen  Knochens, 
dessen  Spongiosa  fast  ganz  ausgeräumt  ist  unten 
endigt  er  in  einen  länglichen,  plattrundlichen 
Fuss,  auf  dem  er  sehr  bequem  steht,  und  der 
nach  einer  Seite  in  einen  platten  Fortsatz  aus- 
geht, durch  dessen  Anwesenheit  die  Pussähnlich- 
keit noch  gesteigert  wird.  An  diesem  Fortsatz 
lässt  er  sich  auch  leicht  fassen. 
Für  die  unter  c— g  beschriebenen  Knochengeräthe  finde  ich  weder  bei 
Hrn.  Ri viere,  noch  sonst  zutreffende  Parallelen.  Nur  für  das  sonderbarste 
dieser  Geräthe,  den  stiefelartigen  Becher,  kenne  ich  ein  Analogen  aus  unserer 
Nähe.  Beim  Anlegen  eines  Weges  wurde  im  Jahre  1867  in  dem  Dorfe  Minsleben 
in  der  Grafschaft  Wernigerode  ein  Becher  ausgegraben,  der  ,,au8  der  Rose  eines 
Hirschgeweihes  von  3  2k>ll  Durchmesser  durch  Ausbohren  des  schwammigen  Ge- 
webes bis  auf  die  festere  Rindensubstanz  gebildet  war  und  um  so  grosseres  Inter- 
esse dadurch  erhielt,  dass  sich  auf  der  von  den  Perlen  der  Rose  umgebenen  Platte 
ein  Hirsch  eingravirt  findet**  (A.  Friede  rieh,  Beiträge  zur  Alterthumskunde  der 
Grafschaft  Wernigerode.  II.  1868,  S.  13,  Taf.  VII,  Fig.  10).  Daran  schliessen  sich 
ein  Paar,  durch  ihre  grosse  Aehnlicbkeit  unter  einander  ausgezeichneter,  jedoch 
von  dem  vorliegenden  in  der  Form  verschiedener  Trinkbecher  aus  dem  Rosenstock 
von  Hirschen,  die  gleichzeitig  auf  der  Pariser  Ausstellung  von  1867  erschienen 
(G.  de  Mortillet,  Promenades  prehistoriques  ä  Texposition  universelle.  Paris  1867. 
p.  53  Fig.  19  et  p.  80  Fig.  31).  Der  eine,  aus  der  Sammlung  Desor,  stammte  aus 
einem  Schweizer  Pfahlbau;  der  andere,  dem  Grafen  Costa  de  Beauregard  ge- 
hörig, aus  einem  Grabe  in  den  Chaumes  d'Auvenaj. 

Auf  alle  Falle  wünsche  ich  uns  Glück  zu  diesen  interessanten  Erwerbungen 
und  sage  Hrn.  J.  0.  Schnitze  wiederholt  den  besten  Dank  für  seine  schönen 
Geschenke. 


(29)    Eingegangene  Schriften: 

1.  Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit.     1883.     Nr.  6  und  7. 

2.  Nachrichten  für  Seefahrer.     1883.     Nr.  18—26. 

3.  Annalen  der  Hydrographie.     Vol.  XI,  Heft  5,  6. 

4.  Mittheilungen  der  anthropologischen  Gesellschaft  in  Wien.     Bd.  XIII,  Heft  1. 

5.  J.  Q.  H  e  n  r  i q  u  e  8,  Expedi9ao  scientifica  ä  Serra  da  £strella  em  1 881 .  Lisboa  1883. 


(407) 

6.  Mittheiluogen   der   deutschen  Gesellschaft   für  Natur-    und  Völkerkunde  Ost- 

asiens.     Heft  28. 

7.  ßolletiDO  della  Societa  Africana  d'Italia.     Vol.  II,  Fase.  3. 

8.  Archiv  für  Anthropologie.     Band  XIV,  Heft  3,  4. 

9.  Castelfranco,  Notizie  intorno  alla  stagione  lacustre  della  Lagozza  nel  Gonaune 

di  Besnate.     Gesch.  d.  Verf. 

10.  Castelfranco,  Ripostiglio  di  Vertemate.     Gesch.  d.  Verf. 

11.  Gastelf  ran  CO,  Tombe  Gallo-Italiche.     Gesch.  d.  Verf. 

12.  Castelfranco,  Bronzi  eccezionaii  d'una  tomba  della  necropoli  die  Golasecca. 

Gesch.  d.  Verf. 

13.  Archivio  per  TAntropologia  e  la  Etnologia.     Vol.  XIII,  Fase.  1. 

14.  Gozzadini,  Di  due  Statuette  etrusche  e  di  una  iscrizione  etrusca.  Roma  1883. 

Gesch.  d.  Verf. 

15.  Cosmos.     Vol.  VII,  Heft  7—8. 

16.  E.  Bracht,  Bericht  über  eine  Reise  in  den  Grient,  speciell  über  einen  Besuch 

am  Todten  Meer.     Karlsruhe  1883.     Gesch.  d.  Verf. 

17.  Bulletins  de  la  societa  d'Anthropologie  de  Paris.     Tome  6,  Fase.  2. 

18.  Boletim  da  sociedade  de  GeograpLia  de  Libboa^     3.  Serie,  Nr.  10. 

19.  Droits  de  putronage  du  Portugal  en  Afrique.     Lisbonne  1883. 

20.  Gatalogus    der  numismatische  Afdeeling  van   het  Museum  van  het  Bataviaasch 

Genootschap  van  Künsten   en   Wetenschappen.     Tweede  Druck.     Batavia 
1877. 

21.  Notulen    van    de  Algemeene    en   Bestuurs-vergaderingen    van    het  Bataviaasch 

Genootschap  van  Künsten  en  Wetenschappen.     Deel  XX,  Nr.  3,  4. 

22.  Tijdschrift  voor  Indische  Taal-,  Land-  en  Volkeukunde.   Deel  XXVIII.  2,  3,  4. 

23.  Verhandelingen    van    het    Bataviaasch    Genootschap   van    Künsten    en    Weten- 

schappen.    Deel  XV.  II,  Stuck  2. 

24.  Nehring,    Faunistische    Beweise    für    die    ehemalige    Vergletscherung    Nord- 

deutschlands.    Gesch.  d.  Verf. 

25.  Wilh.  E.  Eve rette,  Study  of  Indian  languages  of  Indians  of  North  America. 

Vocabulary  of  Alseeah  and  Klamath  Indians.     Gesch.  d.  Verf. 

26.  Dr.  Wernich*8  Essay  on  Beri-Beri  in  Japan.    A  Review  translated  by  Baron 

Ferdinand  von  MuH  er.     From  the  Australian  medical  Journal.    Dec.  1882. 
Gesch.  d.  Baron  Müller. 

27.  Rev.  Peter  Macpherson,    The    religion    of  the    Aborigines    of   Australia,   as 

preserved    in    their   legends   and    ceremonies.     Sydney   1883.     Gesch.  des 
Baron  Müller. 


SitzuDg  am  20.  Oktober  1883. 
Vorsitzender  Hr.  Virobow. 

(1)  Am  22.  September  ist  zu  Schwerin  unser  ältestes  Ehrenmitglied,  der  Ge- 
heime Archivrath  Dr.  Georg  Christian  Friedr.  Lisch  im  83.  Jahre  seines  Lebens 
gestorben.  Er  war  es,  der  mit  Danneil  zuerst  jene  Eintheilung  der  prähistorischen 
Archäologie  in  die  3  Perioden  der  Stein-,  Bronze-  und  Eisenzeit  aufgestellt  hat, 
welche  alsbald  von  den  skandinavischen  Forschern  aufgenommen  uod  die  Grund- 
lage der  wissenschaftlichen  Untersuchungen  über  die  vorgeschichtlichen  Alterthümer 
geworden  ist.  Er  war  es  auch,  der  in  dem  wohlgeordneten  Museum  zu  Schwerin 
die  erste  praktische  Demonstration  von  dem  Werthe  dieser  Eintheiluog  lieferte. 
Viele  Jahre  hindurch  brachten  die  M  eklen  burgischen  Jahrbücher,  deren  Redaktion 
er  selbst  besorgte,  in  immer  wachsender  Reichhaltigkeit  die  Funde  neuer  Aus- 
grabungen, und  es  darf  wohl  besonders  daran  erinnert  werden,  dass  er  wiederum 
der  erste  war,  der  wirkliche  Römergräber  in  unserem  Norden  nachwies  und  dami^ 
den  Anschauungen  auch  der  skandinavischen  Altert humsforscher  eine  neue  Rich- 
tung gab.  Die  Gründung  der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft,  welche  ihre 
erste  Generalversammlung  in  Schwerin  hielt,  war  gewissermaassen  der  Lohn,  den 
Lisch  für  lange  treue  Arbeit  empfing.  Auch  unserer  Berliner  Gesellschaft  war  er, 
wenngleich  einmal  von  anderer  Seite  der  Versuch  gemacht  ward,  eine  Art  von 
Gegensatz  hervorzurufen,  ein  treuer  Freund;  so  lange  seine  Kräfte  es  erlaubten, 
erfreute  er  uns  direkt  mit  Zuspruch  und  belehrenden  Mittheilungen.  Sein  Andenken 
wird  bei  uns  stets  in  Ehren  bleiben. 

Wenige  Tage  nach  ihm,  am  27.  September,  sank  zu  Lausanne  ein  anderer 
hochverdienter  Forscher  ins  Grab,  dessen  Hülfe  in  prähistorischen  Studien  oft  und 
stets  erfolgreich  angerufen  ist,  Professor  Oswald  Heer  von  Zürich,  der  erfahrenste 
Kenner  der  tertiären  und  quartären  Flora,  der  Special  gelehrte  für  die  Pflanzen  der 
Pfahlbauten.  Obwohl  er  unserer  Gesellschaft  nicht  angehörte,  möge  seiner  an  dieser 
Stelle  doch  mit  herzlichem  Danke  gedacht  sein. 

Auch  aus  der  Zahl  unserer  ordentlichen  Mitglieder  haben  wir  zwei  liebe  und 
treue  Männer  verloren  in  dem  Oberst  H.  von  Brandt,  dessen  Tod  zu  Wutzig  bei 
Woldenberg  erfolgt  ist,  und  dem  früheren  Consul  Conrad  Gärtner,  der,  erst 
45  Jahre  alt,  am  30.  August  zu  Pootresina  gestorben  ist. 

Zum  Ersatz  für  Lisch  ist  Hr.  Dr.  L.  Lindenschmit,  der  hochverdiente 
Direktor  des  Mainzer  römisch- germanischen  Centralmuseums,  zum  Ehrenmitgliede 
erwählt  worden. 

Hr.  Stieda  dankt  für  seine  Ernennung  zum  correspondirenden  Mitgliede. 

Als  neue  Mitglieder  werden  gemeldet: 

Hr.  Major  Rausch,  Direktor  der  Königl.  Geschützgiesserei  in  Spandau* 
„    Kaufmann  Julius  Lange  in  Spandan. 
„    Kaufmann  Theodor  Finkh  in  Stuttgart 
^    Sanitätsrath  Dr.  Haacke  in  Stendal. 


(410) 

Königliches  Luisengymoasiam  zu  Berlin. 
Hr.  Prof  Dr  Waldejer  in  Berlin. 

,    Oberlehrer  Dr.  Bnjak  in  Königsberg  i.  Pr. 

^    Dr.  Grabe  in  Berlin. 

(2)  Za  dem  50jährigen  Jubiläum  des  berühmten  Sprachforschers,  Prof.  Dr. 
Aug.  Friedr.  Pott  in  Halle  hat  der  Vorstand  folgendes  Glückwunschschreiben  er- 
lassen: 

Hochverehrter  Herr! 

Onter  denen,  welche  Ihnen  zn  der  schönen  Feier  Ihrer  fonfziirjährigeii  Wirk- 
samkeit als  Professor  der  allgemeinen  Sprachwissenschaft  an  der  Universität  Halle 
ihre  Glückwünsche  aussprechen,  möchte  die  Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethno- 
logie und  Urgeschichte  in  Berlin  nicht  vermisst  werden. 

Wenn  der  Philolog  unter  den  Begründern  der  vergleichenden  Sprachforschung 
neben  Wilhelm  von  Humboldt,  Grimm  und  Bopp  mit  hoher  Achtung  Ihren 
Namen  nennt,  wenn  ihn  Ihre  „Etymologischen  Forschungen^  ein  durch  über- 
wältigende Fülle  des  Sto£Bi,  durch  Schärfe  des  ürtheils  und  überzeugende  Cooibi- 
nation  unvergleichliches  Werk,  gelehrt  haben,  Sie  als  den  Schöpfer  der  wissen- 
schaftlichen Etymologie  auf  dem  Gebiete  der  indoisermanischen  Sprachen  anzusehen, 
wenn  ihn  die  Genialitat,  mit  der  Sie  Sich  in  den  verschiedenartigsten  Sprach- 
gebieten heimisch  zu  machen  wussten,  mit  Bewunderung  erfüllt,  so  betrachtet  Sie 
der  Antbropolog  und  Ethnolog  als  seinen  zuverlässigen  und  unentbehrlichen  Be- 
gleiter und  Berather  auf  den  Pfaden  seiner  Forschungen. 

Die  Ergebnisse  Ihrer  gelehiten  Arbeiten  über  die  Sprachen  der  mittel-  and 
südafrikanischen  Völker  und  deren  verwandtschaftliche  Beziehungen  zu  einander 
waren  überraschende  Entdeckungen,  die  wesentlich  dazu  beitrugen,  dem  Bewohner 
des  dunkeln  Erdtbeils,  welcher  bis  dabin  vernachlässigt  worden  war,  eine  er- 
höhte Theilnahme  zuzuwenden.  Für  die  heutigen  Afrikaezpeditionen  haben  Ihre 
Forschungen  die  wertb vollsten  Pionierdienste  verrichtet. 

Und  welch'  überaus  kostbare  Ausbeute  gewähren  Ihre  zahlreichen  Schriften 
dem  Ethnologen  für  die  Behandlung  der  Frage  über  die  Ungleichheit  der  mensch- 
lichen Rassen,  über  Theilung,  Wanderung  und  Mischung  der  Völker,  über  Ge- 
schichte und  geistiges  Leben  derselben  I 

Hochverehrter  Jubilar I  Empfangen  Sie  zu  Ihrem  Ehrentage  diesen  Ausdruck 
unserer  Verehrung  für  Ihre  Person,  unserer  Anerkennung  Ihrer  hohen  Verdienste 
und  unseres  innigen  Wunsches,  dass  es  Ihnen  vergönnt  sein  möge,  an  der  Statte 
Ihrer  fünfzigjährigen,  so  erfolgreichen  Thätigkeit  noch  lange  Jahre  in  voller  Frische 
des  Geistes  und  Körpers  zum  Besten  der  Wissenschaft  und  zur  Ehre  der  deutschen 
Gelehrsamkeit  durch  Wort  und  Schrift  zu  wirken. 

Berlin,  den  7.  August  1883. 

Die  Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Orgeschichte  in  Berlin. 

Darauf  ist  seitens  des  Jubilars  folgendes  Antwortschreiben  ergangen: 

Halle,  am  H.September  1883. 
Hochzuverehrende  Herren! 
Unterzeichneter  hat  mit  einer,  für  ihn  beschämenden  Bitte  gegenwärtigea 
Schreiben  zu  beginnen.  Nämlich,  ob  dessen  Verspätung  Ihrerseits  Gnade  vor  Recht 
walten  su  lassen.  In  der  Unruhe  während  meiner  mehrwöchentlichen  Abwesenheit 
in  böhmischen  Bädern,  zumal  bei  so  mancherlei  mir  zu  meinem  50jährigen  Amts- 
Jubiläum  am  31.  August  erwiesenen  Aufmerksamkeit^    ward    es   dem  Octogenarius 


(411) 

schwer,   genug  UDgeetorte  StuDdeD  zu  fiuden,    um  all  deo  Auforderungen    an  seine 
Daokespflicht  ^sofort^  brieflich  zu  genügen. 

Es  war  eine  übergrosse  Freundlichkeit  abseiten  Ihrer  hochachtbaren  gelehrten 
Gesellschaft,  eines  Draussenstehenden  bei  dessen  allerdings  seltenem  Erlebuiss  sich 
zu  erinnern  und  ihn  mit  einem,  nicht  hoch  genug  von  ihm  zu  schätzenden  Be- 
glück wüoschungs-Schreiben  zu  beehren.  Es  hat  eine  solche  mir  geschenkte  Theil- 
nahme  an  meinen,  wie  sehr  auch  dem  Erfolge  nach  hinter  dem  Verdienste,  wel- 
ches Sie  mir  gütigst  zuschreiben,  zurückbleibend,  doch  ernsten  wissenschaftlichen 
Bestrebungen  meinem  Herzen,  ja,  wenn  Sie  das  Wort  nicht  übel  deuten  wollen, 
meiner  Eitelkeit  in  angenehmster  Weise  wohlgethan. 

Sie  heben  mit  Recht  hervor,  die  Allgemeine  Sprachwissenschaft,  der 
über  ein  halbes  Jahrhundert  meine  geringen  Kräfte  gewidmet  waren,  biete  ausser 
ihrer,  mehr  der  Philologie  zugewendeten  Seite,  von  welcher  Disciplin  selber  in- 
dess  sie  nicht  gerade  immer  liebsam  anerkannt  worden,  noch  eine  zweite  hoch- 
wichtige dar,  worin  dieselbe  mit  den  Ihrer  Gesellschaft  gestellten  Aufgaben  einem 
gemeinschaftlichen  Zwecke  dient.  Sind  es  doch  ta  ibvvi  und  der,  wie  auch  volk- 
lich  und  nach  Rassen-Typus  geordnete  ivbpwno^,  stets  und  immer,  auf  und  ab,  das 
Eine  vernunftbegabte  Wesen,  Mensch  geheissen,  wir  selbst,  unser  Aller  Ich,  um 
dessen  Erforschung  es  sich  bei  Ihnen,  wie  bei  uns  Sprachforschern  handelt,  und  wird 
das,  ob  auch  auf  verschiedenen  Wegen  Gefundene  doch  mit  der  Zeit  durch  gegen- 
seitige Förderung  dem  beiderseits  uns  gesteckten  Ziele  näher  und  näher  bringen. 

Sie  begreifen  nun,  meine  hochverehrten  Herren,  dass  der  Dank,  welchen  ich 
Ihnen  für  Ihre  ungemein  grosse  Güte  zu  zollen  habe,  sei  es  in  meinem  eigenen, 
um  Vieles  mehr  aber  noch  in  derjenigen  Wissenschaft  Namen,  welche  betreibend 
ich  den  drei,  von  Ihnen  genannten  Herren,  W.  v.  Humboldt,  Grimm  und  Bopp 
nachzueifern  suchte,  ein  tief  empfundener  ist,  und  nehmen  sie  daher  denselben  in 
wohlwollendster  Weise  entgegen.  Ich  wünschte  daher  auch  noch,  behufs  einer  ge- 
wissen Bestätigung  Ihrer  gegen  mich  ausgesprochenen  Ansichten,  Ihnen  einmal  die 
prachtvolle  und  mit  sinnigen  Symbolis  ausgestattete  Addresse  vor  Augen  bringen 
zu  können,  welche  mir  die  hiesige  Studentenschaft  zu  meiner  Jubelfeier  verehrt 
hat.  Da  sitzt  nämlich  auf  einem  Schemel  in  behaglicher  Aufmerksamkeit  Ihr 
unterthänigster  alter  Pott,  dem  bunten  Sprachgewirr  lauschend,  welches  dem,  ihn 
umstehenden  Volk  von  Hottentotten  und  Zulu,  Zigeunern,  Indianern  u.  dergl.  m. 
aus  dem  Munde  geht. 

Augenblicklich  ist  der  Hr.  Dr.  Techmer  mit  Herausgabe  des  1.  Heftes  einer 
internationalen  Zeitschrift,  welche  der  allgemeinen  Sprachwissenschaft  im 
weitesten  Sinne  sich  widmet,  beschäftigt.  Er  hat  mich  veranlasst,  dazu  eine  Ein- 
leitung zu  liefern,  welche  Wege  und  Ziele  jener  Wissenschaft  in  Kürze  darstellen 
soll.  Der  I.  Artikel,  4  Bogen  in  Quart,  ist  fertig.  Der  IL,  von  mir  noch  nicht 
vollendete,  wird  eine  üebersicht  über  die  Sprachen  der  5  Welttheile,  hauptsächlich 
in  Angaben  über  die  zu  deren  Studium  nöthigen  Hülfsmittel,  zu  geben  suchen. 

Mit  Wiederholung  meines  Dankes  und  in  hochachtungsvollster  Verehrung,  meine 
hochgeschätzten  Herren, 

Ihr  ganz  ergebenster 

Professor  Aug.  Friedr.  Pott 

(3)  Am  heutigen  Vormittage  hat  der  Vorstand  der  Gesellschaft  einem  der 
Gründer  derselben,  Hrn.  du  Bois-Rejmond,  zu  seinem  25jährigen  Amtsjubiläum 
die  Glückwünsche  und  die  Anerkennung  der  Gesellschaft  dargebracht 


(412) 

%t^%%«t%  Iht  ^t%.^ihlOT'\%^h^  Aaiir-^poioz:*  -ii  Ar-^iio.izi»  «::ar:z'^&i«-ii 
kaUto«  Ton  Titr*<h:*ii*rft^£  jj^itet  »sw  cer  W^r.4.:£.  ü4£'*»iri<ir:  w-nrii*c,  da^ft  <y^T 
uktM^  Cooer«!»  in  b^riiz.  aiizehaat^c  ««rc<»=.  !&-:•:£.:'!;.  Ic  €^1::'»'  £««&«üsaiDen 
Sitzung  df^  Tontand««  aa«i  C«rs  Aoi«<fic«5«3b  d'rr  O^^^^^^rcii:  w:ftr  mxn  j^i>jch  eio- 
•timubiie    d^r  Ax»^icht,    liaad   e»  a^^inanl:^  i«ü    einec.  C*jczr<rs4    s^c^  Beriin  einm- 

Bissig  die  (nm/r^iHh^  Ist.  Es  ward«  dann  erinnert,  da»  «i^fcioc  aof  d»ni  G»- 
gr^M  za  SUjckh^/im  der  A&trag  gestellt  sei.  anch  die  Sprac&ea  der  aai<?zen  grossen 
Coltorrolker  xazolaueo.  da«  jedoch  dieser  Actrag  a^f  dem  Cocgrei«  zu  Boda- 
peft  abgeiebbt  seL  Voc  denUcker  Seite  kocne  deräeloe  eicht  wocl  wieder  aof- 
g#'DOflDfDeD  werden.  Ueberdi^ss  w^de  zor  £ia bringe;  ng  d^^fieib^c  xmiuer  noch  ein 
▼oraofgebeoder  Congresa  an  einem  anderen  Orte  erforderlich  sein,  da  Sutotecande- 
rangen  immer  er»t  durch  einen  anf  die  EinbringüLg  des  Antrages  folge&ien  Con- 
grets  Totirt  werden  dürfen.  Cnter  diesec  Um^tanden  glänzte  man.  so  gern  man 
aocb  sonst  bereit  Mrin  würde,  die  £iLia>iaLg  za  einem  internationalen  Congresae 
ergehen  zu  lassen,  anf  die  Ehre  verzichten  zu  müssen. 

(5)  Dr.  Will.  Ererette  abersendet  nebst  Schreiben  d.  d.  Takama.  Indiana, 
10.  August,  ein  neues  antograpbisches  Heft  von  Indian  Stuöiesv.  enthaltend  Unter- 
suchungen unter  den  Tatüteni-Indianern.  W.  Oregon 

Der  Vorsitzende  spricht  den  besonderen  Dank  der  Geseilschaft  aus. 

(6)  Hr.  K.  Andree  bemerkt  in  einer  Zoschrift.  dass  die  durch  Hm.  Fritsch 
(Verh.  S.  l>^6y  vorgeschlagene  Herleitung  des  Ausdrucks  Ramsuase  von  Ramses 
für  den  deutschen  Volksmond  an  sich  sehr  auffällig  wäre;  das  Wort  käme  jedoch 
▼on  Ramm  =  Bock  und  werde  bekanntlich  am  häuSgsten  von  Pferden  gebraucht. 

(7)  Hr.  Ludwig  Schneider  in  Jicin  schreibt  über 

Slaviaelw 


^In  Virchow's  Artikel  ^Die  ßurgwälle  an  der  Mogilnitza*^  (Verh.  1877  S.  243) 
findet  sich  die  Stelle:  ^nitza  oder  nica  heisst  im  Sla Tischen  fliessendes  Wasser." 
Da  dieses  nicht  ganz  richtig  ist  und  richtige  Etymologie  auch  für  die  Prähistorie 
YOD  grossem  Werthe  sein  kann,  so  theile  ich  hier  etwas  über  Bildung  der  slavi- 
sehen  Flussnamen  auf  nica  mit. 

^Als  Beispiel  greife  ich  die  in  Böhmen  vorkommenden  Namen  Dubnice,  Breznice, 
Jilemnice,  Rokjlnice,  Olesnice  und  Svidnice  auf.  Die  Stammwörter,  von  denen 
diese  Flussnamen  abgeleitet  sind,  beissen 

dub  Eiche,  rokyta  Weide,  saiix  caprea  L.. 

brjeza  Birke,  olsa  £rle  oder  Else, 

jilma  Ulme  svida  Hornstrauch,  cornus  sanguiiiea  L. 

„Von  diesen  Pflanzennamen  sind  zunächst  abgeleitet  die  topischen  Namen 
Dub-no  Eichenwald,  Rokjt-no  Weidengebusch, 

Brez-no  Birkenwald,  Oles-no  Elsengebüsch, 

Jilem-no  Ulmen  wald,  Svid-no  Hörn  Strauch  gebu  seh, 

Formen,  welche  in  Böhmen  vorkommen  oder  vorkamen. 

.Die  Endform  ist  dann 


(413) 

Dub-n-ica   Eicheowasser,   oder  Wasser,         Jilem-D-ica  Ulmen wasser, 
welches    in    einem   £ichenwalde    ent-         Rokyt-n-ica  Weidenwasser, 
springt,  Oles-n-ica  Elsen  wasser, 

Brez-n-ica  Birkenwasser,  Svid-n-ica  Hornstrauchwasser, 

welche  entweder  als  Flussnamen  bis  heute  bestehen  oder  in  den  Namen  solcher 
Orte,  welche  an  den  betreffenden  Gewässern  gegründet  wurden,  sich  erhalten  haben. 
„Es  werden  also  nicht  aus  dub,  breza,  olsa  die  Flussnamen  gebildet  durch  An- 
hängen von  nica,  sondern  aus  dubno,  brezno,  olesno  u.  s.  w.  (die  älteren  Formen 
sind  duben,  brezen,  olesen  u.  s.  w.)  durch  Anschluss  des  Wortes  ica,  welches  in 
seiner  Bedeutung  als  Wasser  an  und  für  sich  bei  den  Slaven  bereits  längst  ausser 
Gebrauch  kam,  dagegen  bei  den  Germanen  als  is  (Eis)  sich  erhalten  zu  haben 
scheint. 

„Ob  die  Sylben  issa  und  essa'),  welche  sich  bei  den  mitteleuropäischen  Ariern 
in  alten  Ortsbezeichnungen  finden,  ebenso  als  zweite  Bezeichnung  des  Wassers 
(neben  ava,  acva)  dienten,  wie  bei  den  osteuropäischen  Ariern  ica  und  is  neben 
woda  und  water,  mögen  competentere  Kreise  entscheiden.**  — 

Hr.  Virchow  hat  diese  Mittheilung  zunächst  Hrn.  Prof.  A.  Brückner  vor- 
gelegt, der  sich  darüber  in  einem  Schreiben  vom  7.  August  folgendermaassen 
äussert: 

„Es  ist  allerdings  richtig,  dass  die  Endung  nica  auf  zwei  Elementen  beruht  und 
auf  eine  n  Endung  (no  na  oder  ähnlich)  +  Endung  -ica  zurückgeht;  die  Zusammen- 
stellung von  ica  mit  Eis  jedoch  ist  ein  Irrthum. 

„Die  Endung  ica,  zurückgehend  auf  ikja  (litauisch  ike),  bedeutet  nämlich  —  Nichts. 
Ihre  Funktion  ist  nur,  Substantiva  Feminini  Generis  zu  bilden,  sei  es  nun  beim 
Genuswechsel,  bei  der  sogenannten  Motion,  z.  B.  polnisch  lew  der  Lowe,  Iwica  die 
Löwin  u.  s.  w.,  oder  zu  einem  Adjektivum,  z.  B.  auf  -n,  ein  Subst.  Fem.  zu  bilden. 
So  sind  die  meisten  polnischen  Subst.  auf  -nica  entstanden,  wie  maslnica,  mafnica, 
kamienica,  szklauica  u.  s.  w.,  so  sind  fast  alle  Orts-  und  Flussnamen  auf  -nica 
entstanden,  Koprzywnica  von  einem  Koprzywno,  sei  es  nun  bereits  Nomen  propr. 
oder  noch  Nom.  appellat.  gewesen  u.  s.  w. ;  oder  endlich  zu  einem  fertigen  Subst. 
Fem.  ein  neues  Subst.  Fem.  als  Deminutivum  etc.,  dziewica  nozyce  u.  s.  w. 

„Jeder  Versuch,  in  -ica  oder  -nica  und  anderen  Endungen  „bedeutende  —  Stoff-** 
statt  „Form-** Elemente  aufzuspüren,  verträgt  keine  ernst  gemeinte  Erörterung, 
bleibt  Illusion  oder  freies  Spiel  der  Phantasie,  womit  der  wissenschaftlich  Gebildete 
nichts  gemein  hat.**  — 

Hr.  Virchow  freut  sich  der  genaueren  Aufklärung,  möchte  aber  die  Frage 
aufwerfen,  ob  denn  doch  nicht  ein  näherer  Zusammenhang  zwischen  den  zusammen- 
gesetzten Flussnamen  z.  B.  Mutnitza  (im  Spreewald),  Mogilnitza  (in  Posen),  Müg- 
nitz  (in  Pommern)  und  den  einfachen  z.  B.  Neisse  (mittelalt.  Nyssa)  besteht. 
Seiner  Erinnerung  nach  ist  eine  solche  Beziehung  von  verschiedenen  Autoren  an- 
genommen worden.  Es  wäre  gewiss  sehr  dankenswerth,  wenn  sich  die  Slavisten 
über  die  Bedeutung  dieser  Flussnamen  äussern  wollten.  — 

(8)  Hr.  Bartels  überreicht  im  Namen  des  Dr.  G.  Beyfuss,  Offizier  van 
gezondheid  I  Klasse  zu  Batu  Djadjar,  Preauger  Residenz  (Hochland  von  Java) 
folgende  Bearbeitung  einer 


1)  Siehe  üenning's  Yortraf^  in  der  Frankfnrtor  Versammlung  (Corresp.  El.  1882). 


(414) 


Fabel  der  Ball. 

Meines  Erachten»  Terdient  die  folgeode  Fabel,  welche  von  den  EiDwohDem 
der  Insel  Bali  stammt,  eiuiges  lutöTesse.  Die  Insel  selbst  hat  ursprutjglich  mit 
Ja?a  ein  Ganzes  gebildet,  so  da&s  es  wohl  mit  Recht  Sicilieo  des  Ostens  genannt 
wurde.  Sitten  und  Gebräuctie,  Sprache  und  gesetzliche  Bestimmungen  sind  alt- 
javanischen Ursprungs  und  haben  sich  hier  in  reiner  Form  zu  erbalten  gewusst, 
wahrend  sie  im  Mutterlande  nur  noch  in  schwachen  Umrissen  zu  erkennen  sind- 

Man  schätzt  die  Zahl  der  Bewnhner  auf  900  000  und  soll  dieselbe  der  Wahr- 
heit nahe  kommen»  eine  Thatsachej  die  wohl  anzuerkennen  ist,  wenn  man  weiss, 
wie  schwer  es  in  Indien  selbst  den  tijchtigsten  Beamten  wird,  eine  annähernd 
richtige  Statistik  zu  liefern. 

Doch  kehren  wir  zu  unserem  Theina  zurück. 

Die  Fabel  selbj^t  hat  eine  hochpoliti^sche  Tendenz;  sie  geht  von  der  Opposi- 
tionspartei des  Volkes  aus,  die  es  müde  ist,  von  dem  hoch  mii  tili  gen  Adel  gequält 
und  ausgesogen  zu  werden. 

Ein  hungriger  Tiger')  lief  beinahe  den  ganzen  Tag  durch  den  Wald,  ohne 
etwas  nach  seinem  Geschmack  zu  finden.  So  rastlos  und  hungernd  verfolgt  er  darcb 
Bäume  und  Gestrüpp  seineu  Weg,  bis  er  in  die  Nähe  eines  Dorfes  gelangt,  wo  er 
einen  Stall  erblickt,  in  welchem  ein  fetter  Ochse  sich  am  frisch  geschnilteneo 
Grase  labte. 

Da  sich  kein  menschliches  Wesen  in  der  Umgegend  sehen  Hess,  war  die  Ge- 
legenheit für  unseren  Tiger  günstig,  sich  mit  wenig  Mühe  einen  trefflichen  Braten 
zu  verachafifen. 

Anstatt  sich  aber  seiner  Beute  still  zu  nahem,  läset  er  seinen  Adelsstolz  ober 
seinen  grossen  Magen  triumphireti,  stellt  sich  in  hochmüthiger  Haltung  vor  den 
Ochsen  und  redet  ihn  im  hrüUeudeu  Tone  auf  folgende  Weise  an:  „Was  bist  Du 
für  ein  unbedeutendes  Wesen')!  Trotzdem  Du  einen  gewaltigen  Körper  und  solche 
spitzen  Höroer  hast,  lässt  Du  Dich  binden  wie  ein  kleines  Kind.  Mit  Recht  tiagen 
die  alten  Bücher,  dass  Dein  Geschlecht  zu  nichts  anderem  taugt,  als  von  mir,  dem 
Könige  der  Wälder  verzehrt  zu  werden,  —  Nur  dazu  haben  die  Gotter  Dich  so  fett 
gemacht  Vor  uns  muss  sich  alles  beugen,  selbst  die  Menschheit  hat  Achtung  vor 
uns.  Aber  es  würde  unter  meiner  Würde  sein,  viele  Worte  an  Dich  zu  ver- 
schwenden. Komm  nur  schnell  heraus  aus  Deinem  Stall  und  lass  Dich  ohne  Murren 
von   mir  verzehren,** 

Der  Ochse  war  nicht  wenig  erschrocken  und  antwortete  im  unterthänigeo 
Ton:  y^Mlt  Erlaubniss,  Herr  Tiger,  wenn  die  heiligen  Biicher  wirklich  derartiges 
hebauplen,  dann  habe  ich  nicht  den  Muth,  mich  dem  zu  widersetzen;  jedoch,  wenn 
Sie  es  nicht  Übeln elimen  wolleo,  mochte  ich  auch  meine  Ansicht  äussern.  Ich  habe 
einmal  eine  alte  Erzählung  gelesen,  in  der  gesagt  wurde,  dass  alle  Thiere  zu  einer 
und  derselben  Kaste  gp hören  und  dass  sie  ohne  Unterschied  den  Menschen  oder  rich- 
tiger den  Göttern,  —  denn  die  Manschen  sind  nichts  weiter,  als  die  Repräsentanten 


1)  Mit  dem  Tiger  wirtl  hier  der  Adel,  speciell  der  Brahmane  gemeint,  während  der  Ochs« 
den  Sadra  vorstellt. 

2)  Der  Tiefer  in  Nieder* Balinesisch,  während  dieser  Ihm  in  der  hoch-tnilinesiehen  Sprache 
antwortet.  Gerad«  im  Gebrauche  der  S|jracbart«n  spricht  sich  d«r  Unterschied  des  Adela 
und  des  Volkes  im  täglichen  Leben  aus. 


(415) 

der  Götter  auf  Erdeo,  —  unterworfen  seien  ^).  Wenn  das  nun  auf  Wahrheit  beruht, 
dann  haben  Sie  eigentlich  nicht  das  Recht,  mir  gegenüber  solchen  hohen  Ton  an- 
zunehmen. —  Vielleicht  schenken  Sie  mir  keinen  Glauben?  Gehen  Sie  dann  nur 
einmal  zu  meinem  Herrn,  der  da  drüben  beschäftigt  ist,  Wein  aus  seinem  Palm- 
baum abzuzapfen.  Der  wird  Ihnen  dasselbe  sagen  und  Ihnen  ausserdem  den  Beweis 
liefern,  dass  ein  Mensch  die  Thiere  in  Gelehrsamkeit  bei  weitem  übertrifft.^  — 

unser  Tiger  war  nicht  wenig  in  seiner  Ehre  verletzt,  vergass  seinen  Hunger 
und  eilte  zu  dem  Abzapfer  des  Palmweins,  dem  er  in  strengem  Ton  befahl,  von  der 
Palme,  in  der  er  sass,  herabzusteigen.  „Ich  verlange,^  so  fugte  er  hinzu,  „mit 
Deiner  Gelehrsamkeit  Bekanntschaft  zu  machen.^ 

Der  Mann  erschrak  arg,  als  er  den  Tiger  so  sprechen  horte,  und  Angstschweiss 
brach  ihm  aus.  Glücklicherweise  kamen  die  Götter  ihm  zu  Hülfe  und  flüsterten 
ihm  eine  List  zu,  wodurch  er  sein  Leben  retten  könne.  —  und  als  der  Tiger 
seinen  Befehl  wiederholte,  antwortete  er  im  höflichen  Ton:  „Mit  grossem  Vergnügen 
will  ich  Dir  meine  Gelehrsamkeit  zeigen,  doch  muss  ich  zu  meinem  grossen  Be- 
dauern bekennen,  dass  ich  sie  nicht  bei  mir  habe;  sie  liegt  zu  Hause.  Willst  Du 
mir  also  erlauben,  sie  Dir  zu  holen,  dann  stehe  ich  zu  Deinen  Diensten.  Ich  fürchte 
nur,  dass  Du  so  lange  nicht  warten  wirst  und  ich  Dich  nach  meiner  Rückkehr  nicht 
mehr  finden  werde." 

„0,  darum  brauchst  Du  nicht  besorgt  zu  sein,*'  fuhr  der  Tiger  fort.  „Oder 
denkst  Du  gar,  dass  ich  deine  Gelehrsamkeit  furchte?  Binde  mich  nur  au  diesen 
Baum  fest,  dann  kannst  du  sicher  sein,  dass  ich  nicht  davon  laufen  werde."  — 

Der  Mann  Hess  sich  das  nicht  zweimal  sagen;  eiligst  kletterte  er  herab,  schnitt 
ein  Stück  Epheu  ab  und  band  damit  den  Tiger  fest.  Dieser  war  jedoch  nicht 
wenig  entrüstet,  sich  so,  wie  ein  Kind  behandelt  zu  sehen.  „Denkst  Du,"  rief  er 
zornig  aus,  „dass  ein  solches  Stück  Epheu  mich,  den  König  des  Waldes,  halten 
kann?  Da,  sieh  nur!"  Und  mit  einem  Ruck  war  das  spröde  Band  in  tausend 
Stücke  zersprungen.  —  Auf  den  Rath  des  Tigers  holte  der  Mann  nun  ein  Stück 
Rohr,  mit  dem  er  seinen  Gegner  so  kräftig  knebelte,  dass  dieser  bald  laut  auf- 
schrie vor  Schmerzen.     „Halt  ein!"  brüllte  er,  „Du  ermordest  mich!" 

Aber  nun  war  die  Reihe  an  dem  Abzapfer  des  Palmweines,  zu  lachen  und  ihn 
hochmüthig  anzulassen.  „Das  ist  meine  Gelehrsamkeit,"  so  fuhr  er  den  gebundenen 
Feind  an,  „wie  gefallt  sie  Dir?  Willst  Du  etwa  noch  mehr  von  ihr  kennen  lernen?" 
Der  Tiger,  der  halb  todt  war,  bekannte  sein  Unrecht  und  flehte  um  Gnade.  Der 
Mann  war  aber  taub  und  erkletterte  wieder  unbekümmert  den  Palnibaum,  um  seine 
Arbeit  fortzusetzen.  Erst  als  sein  Tagewerk  beendigt  war  und  er  im  Begriff  stand, 
nach  Hause  zurückzukehren,  Hess  er  sich  bereden,  sein  Schlachtopfer  aus  den 
Fesseln  zu  erlösen. 

Es  dauerte  aber  noch  geraume  Zeit,  bis  der  erbärmlich  zugerichtete  Tiger  sich 
zu  bewegen  im  Stande  war,  und  er  schleppte  sich  endlich  mit  grösster  Anstren- 
gung von  der  Stelle. 

Sobald  der  Ochse  seinen  Feind  in  diesem  erbärmlichen  Zustand  ankommen 
sah,  begann  er  zu  lachen  und  rief  ihm  bereits  von  weitem  zu:  ^Nun,  hat  Eure 
Hoheit  ihn  gefunden?  Und  wie  steht  es  mit  seiner  Gelehrsamkeit?  Haben  Sie  ihn 
tüchtig  in  die  Klemme  gebracht?" 


1)  Hier  scheint  auf  eine  Schrift  der  Eingebornea  hingedeutet  zn  werden,  in  der  die 
Lehre  staud  (wahrscheinlich  nicht  rein  inländischen  Ursprungs),  dass  arsprünglich  nur 
zwei  Gottesdieoste  bestanden,  die  balinesische  und  die  mohamedaniBche  Religion,  und  daas  da- 
mals alle  Menschen  gleich  waren. 


(416) 

^Ach,  sprich  nur  nicht  davon/  stöhnte  der  Tiger,  „ich  furch te,  dass  ich  ee 
nicht  mehr  überleben  werde.  *—  80  unbedeutend  er  auch  aussah,  so  scbaDdlich 
hat  er  mir  doch  mitgespielt.'* 

^Ja  sehen  Sie,"^  versetzte  der  Ochse,  ^das  hi  es  ehen;  die,  welche  so  ßchon 
aussehen  und  ein  hohes  Wort  füJireDj  sind  durum  noch  nicht  immer  die  gelehrtesten. 
Ich  hoffe,  dass  Sie  iiüch  Gelegenheit  finden  werden,  aus  der  empfangenen  Lebre 
die  Nutzanwendung  zu  ziehen,  und  hiermit  Imbe  ich  die  Klire,  Sie  zu  grusseD,  das 
Ef*8en  wartet  auf  mich,^ 


(9) 
neuen 


Hr.    Bartels    übergiebt    folgende    Notiz    und    Abbildungen    über    eia| 


Bronzewagen  von  Cortona, 

Hr.  Dr.  Ingvald  Undget  hat  uns  in  einer  Zuschrift  aus  Rom')  mit  eiDefD 
kleinen  et ruaki sehen  Bron^ewagen  bekannt  gemacht,  welchen  das  ^Juseum  in 
Corneto  besitzt  Derselbe  gehört  dem  interessanten  Typus  von  Bronzewagen  an, 
wie  sie  sich  von  Etrurien  über  die  ostlicben  Alpen  bis  in  unsere  norddeut- 
schen Gebiete  gefunden  haben.  Diese  ZuBchrift  veranlasst  mich,  die  Beschreibung 
eines  kleinen  prähistorischen^  wahrscheinlich  ebenfalls  etruskischen  Bronzewagena 
lu  geben,  welchen  ich  in  diesem  Jahre  in  dem  kleinen  Museum  von  Gortooa  sab. 
Er  befindet  sich  In  einem  freistellenden  Scliranke,  so  das»  man  ihn  von  vom  und 
von  hinten  betrachten  kann.  In  der  Hand  habe  ich  ihn  nicht  gehabt;  in  Folge 
dessen  sind  die  angegebenen  Maasae  nur  approximative. 

Der  Wagen  besitzt  vier  Rader  von  dem  umfange  eines  Markstückes.  Sie  sind 
voll    gegossen,    ohne    Andeutung    der   Speichen.     Die    innerej    der  Axe    zugekehrte 


Vorderansicht.     Va  ^^^  natürlichen  Grosse. 


Seite  ist  ganz  glatt.  Auf  der  äusserea  Seite  erhebt  sich  aus  der  Fläche  des  Haili 
einige  Millimeter  von  dessen  Peripherie  entfernt,  eine  coDcentriscbe  Scheibe,  welche 
annähernd  dieselbe  Dicke,  wie  das  Rad  erreicht.  Die  Nabe  des  Rades  tritt  stark 
glockenförmig  hervor  und  schliesst  mit  einer  Halbkugel  ab.  Die  Vorderräder  sind 
von  der  gleichen  Form  und  Grösse  wie  die  Hinterrüder.    Die  Axen  sind  dünn  und 


1)  AUitüHsche  Bronzowagen.     Zeitacbrift  fijr  Ethnologe.    Band  XV,  1883.     V«?rb, 
S.  197-201. 


(417) 


Eint  eran  sieht. 

zierlich,  aber  nicht  rund,  soDdern  vierkantig.  Der  Langbaum,  welcher  die  Axen 
mit  eißander  verbindet,  ist  von  etwas  complicirter  Gestalt.  Er  ht  drehrund,  von 
der  ungefähren  Dicke  des  kleinen  Fingers.  Von  der  Axe  der  Hinterräder  geht  er 
nicht  in  hori^Kontaler  Ricbtung  zu  der  Vorderaxe  hin,  soodern  er  biegt  sich  zuerst 
leicht  der  Erde  zu  und  steigt  dann  wieder  auf,  so  dass  er  einen  flachen,  nach  oben 
offenen  Bogen  bildet.  Er  läuft  dann  von  der  Axe  der  Yorderräder  eine  kleine 
Strecke  in  horizontaler  Richtung  nach  vorn^  biegt  darauf  mit  abgerundetem  Winkel 
in  die  vertikale  Richtung  nach  oben  um  und  verläuft  in  derselben  ungefa.hr  3—4  nn 
weit.  Auch  bei  dieser  ümbiegnng  ist  d^r  Winkel  abgerundet.  Dieser  obere 
horizontale  Verlauf  erstreckt  sich  nur  auf  2,5  cm.  Hier  endet  der  Langbaura  nun 
nicht  frei,  sondern  es  fugt  sich  an  ihn  ein  balbmondfrSrmiges  (ie bilde  an,  wel- 
ches quer  zur  Längsaxe  des  Wagens  steht.  Die  Schenkel  des  Halbmoodea  sind 
ebenfalls  dreh  rund  und  von  gleicher  Dicke,  wie  der  Langbaum,  Die  Eaden  des  Halb- 
mondes verdicken  sich  kolbig  und  schliessen  mit  einer  abgerundeten  Spitze  ab. 
Diese  kolbigen  Enden  machen  den  Eindruck,  als  ob  sie  roh  gearbeitete  Thierkopfe 
daratelten  sollten.  Sie  erinnern  au  Widderköpfe  mit  gestreckter  Schnauze,  oder  an 
Schlangenkopfe,  wie  sie  sich  in  der  nordischen  Ornamentirung  so  häuEg  Buden. 

Der  Langbaum  des  Wagens  erreicht  auch  an  der  Hinteraxe  nicht  sein  Ende, 
sondern  setzt  sich  über  dieselbe  hinaus  nach  hinten  fort*  Nach  kurzem  Ver- 
laufe in  horizontaler  Richtung  wendet  er  sich  in  leichtem  Bogen  der  Erde  zu  und 
geht  hier  in  ein  dreispitziges  Gebilde  aus,  das  nur  als  eine  Art  Pflugschar  gedeutet 
werden  kann.  Mit  ihrer  unteren,  ein  breites  gleicliscbenkligea  Dreieck  darstellenden 
Fläche  liegt  diese  Pflugschar  dem  Boden  glatt  auf.  Ihre  obere  Fläche  wird  durch 
vier  schmale,  im  Winkel  au  einander  stossende  Dreiecke  gebildet  Auf  diese  Weise 
charakterisirt  sich  unser  kleiner  Wagen  also  als  das  Modell  eines  vierrädrigen, 
pflugartigen  Äckergerathes.  Dass  diesem  Modelle  aber  die  Bedeutung  eines  Votiv- 
gegenstandes  oder  eines  zvt  heiligen,  rituelien  Zwecken  bestimmten  Stückes  zu- 
kommt, das  scheint  mir  aus  einigen  figürlichen  Darstellungen  hervorzugehen,  welche 
sich  auf  demselben  beenden« 

Die  eine  dieser  Figuren  ist  eine  menschliche  und  steht  auf  der  Binteraxe 
des  Wägelchens;  die  andere  ist  die  Darstellung  eines  Thieres,  welches  sich  auf 
dem  oberen,  vorderen  Ende  des  Lang  bäum  es,  zwischen  den  Hörnern  des  vorher 
geschilderten  Halbmondes  befindet. 


VerkiADdL  d«r  BerL  ActbropoL  G««ellftclii.n  ISSS. 


srr 


(418) 

Die  menschliche  Figur  auf  der  HiDteraxe  ist  ungefähr  5,5  cm  hoch  und  gans 
platt,  und  hat  eine  Dicke  von  nur  1,5  mm.  Die  Beine  sind  nicht  angedeutet  nod 
auch  die  Gürtelgegend  ist  nicht  markirt;  es  macht  den  Eindruck,  als  ob  ein  langes, 
einem  Talare  ähnliches  Gewand  den  Rumpf  vom  Halse  bis  über  die  Füsse  hin  eio- 
hüllt.  Der  rechte  Arm  ist  erhoben  und  die  Hand,  welche  durch  Oxydation  wie 
eine  dicke,  unförmliche  Faust  erscheint,  ist,  wie  bei  lebhafter  Rede,  fast  bis  xur 
Höhe  des  Kopfes  elevirt;  der  Arm  ist  dabei  fast  völlig  ausgestreckt,  nur  im  Ell- 
bogen leicht  gebeugt.  Statt  des  linken  Armes  tritt  aus  der  Seite  des  Rumpfes,  un- 
gefähr iu  Gürtelhohe,  ein  kleines,  nahezu  quadratisches  Metallstück  hervor.  Ob 
das  eine  schlecht  ausgebildete  Hand  sein  soll,  oder  ob,  was  wahrscheinlicher  ist, 
hier  etwas  angelothet  gewesen  und  jetzt  verloren  gegangen  ist,  das  konnte  ich  mit 
Sicherheit  nicht  entscheiden. 

Der  Kopf  wird  von  einem  deutlich  abgesetzten  Halse  getragen.  Er  ist  in 
seinem  Hinterhaupt  ebenfalls  wie  der  übrige  Körper  ganz  platt.  Auf  der  Gesichts- 
seite springen  aber  die  in  starkem,  schräg  stehendem  Bogen  au  der  Nasenwurzel 
convergirendcn  Augenbrauen,  die  unförmlich  dreieckige  Nase  und  die  Stirnpartie 
aus  der  Fläche  hervor,  während  die  Gegend  der  Augen  und  des  Mundes  grubig  ver- 
tieft erscheint 

Die  Peripherie  des  Kopfes  ist  nicht  rund,  sondern  die  Scheitelhöhe  wird  durch 
zwei  niedere  Dreiecke  mit  breiter  Basis  gebildet,  während  je  ein  anderes  Dreieck 
in  der  Gegend  der  Ohren  von  dem  Kopfe  absteht.  Hierdurch  werden  also  vier  den 
Kopfumfang  überragende  Spitzen  gebildet,  welche  wohl  ohne  allen  Zweifel  eine 
Stnihlenkrone  repräsentiren  sollen. 

Warum  der  Künstler  diese  Figur  nicht  rund,  sondern  platt  gearbeitet  hat,  ist 
nicht  recht  zu  verstehen.  Denn  dass  er  die  Beßlhigung  besass,  auch  runde  Ge- 
stalten zu  modelliren,  wenn  auch  nur  in  roher,  primitiver  Weise,  das  beweist  die 
Ausführung  des  kleinen  Thierchons,  das  er  oben  auf  dem  Langbaume  zwischen 
den  Hörnern  des  Halbmondes  stehend  angebracht  hat.  Das  Thier  steht  in  der 
Richtung  der  Längsaze  des  Wagens,  es  blickt  nach  vorn  und  kehrt  daher  dem 
Männchen  auf  der  Hinteraxe  die  Hinterpartie  zu.  Der  Leib  ist  schlank;  dem  hin- 
teren Körperende  scheint  ein  kurzes  Schwänzchen  aufzuliegen.  Die  Hinterbeine 
sind  aus  einem  Stück  gebildet,  an  dem  je  eine  vorn  und  hinten  angebrachte  Längs- 
furche  die  Grenze  zwischen  dem  rechten  und  dem  linken  Beine  angiebt.  Die 
Vorderbeine  sind  aber  jedes  für  sich  gearbeitet.  Der  Kopf  steht  in  gutem  Ver- 
hältniss  zu  dem  übrigen  Körper.  Die  Schnauze  ist  lang  und  schmal.  Nach  jeder 
Seite  steht  von  dem  Kopfe  ein  spitzes,  zierliches  Gebilde  ab,  von  dem  es  un- 
möglich ist,  mit  Sicherheit  zu  entscheiden,  ob  das  Hörner  oder  Ohren  sein 
sollen.  Die  Species  zu  bestimmen,  welcher  dieses  ungefähr  3  ein  hohe  Wesen  an- 
gehört, hat  seine  grosse  Schwierigkeit.  Seiner  ganzen  Erscheinung  nach  möchte 
man  es  am  ersten  wohl  für  eine  Hirschkuh  ansprechen.  Wenn  man  dasselbe  aber 
mit  den  aus  anderen  Sammlungen  bekannten  rohen  Tbieriiguren  der  Etrusker 
oder  deren  Vorläufer  vergleicht,  so  ist  die  Annahme  auch  nicht  absolut  von  der 
Hand  zu  weisen,  dass  der  Künstler  einen  Stier  oder  eine  Kuh  darzustellen  beab- 
sichtigt habe. 

Die  Länge  des  Wagens  von  der  hinteren  Spitze  des  Pflugeisens  an  schätze  ich 
auf  15  em,  seine  Höhe  bis  zur  Hulbmondspitze  auf  Q  cm.  Der  strahlen  gekrönte 
Mensch  ist  ungefähr  5,5  cm  hoch,  während  das  Thiercben,  wie  gesagt,  nur  eine 
Höhe  von  3  cm  erreicht. 

Nur  schwer  widersteht  man  der  Versuchung,  sich  hier  auf  weitgehende  Hypo- 
thesen einzulassen.     Es  ist  aber  wohl   vorsichtiger,    dieselben  zu  unterdrücken,    bis 


(419) 

sich  geeignetes  Material  zur  Yergleichung  darbietet.  Erwähnen  mochte  ich  nur 
Doch,  dass  wir  in  dem  Wagen  und  seiner  Ausschmückung  wohl  ohne  jeden  Zweifel 
das  Symbol  des  Ackerbaues  verbunden  mit  den  Attributen  der  beiden  Haupt- 
gestirne zu  erkennen  haben.  Dass  dieses  kleine  Ackergeräth  rituellen  Zwecken 
gedient  haben  muss  (als  Tempelschmuck  oder  Votivgegenstand),  ist  auch  in  hohem 
Grade  wahrscheinlich. 

Das  halbmondförmige  Ansatzstück  des  Langbauroes  wird,  wie  man  wohl  ver- 
muthen  darf,  wirklich  die  Mondgottbeit  darstellen  sollen.  Das  in  der  Mondsichel 
stehende  Tbier,  sei  es  nun  ein  Rind  oder  eine  Hirschkuh,  hat  ja  als  Begleiterin 
des  Mondes  nichts  Ueberraschendes.  Die  menschliche  Figur  auf  der  Hinteraze  wird, 
wie  ich  glaube,  durch  die  Zacken  am  Umfange  des  Kopfes  als  Personifikation  der 
Sonnengottheit  gekennzeichnet.  Nicht  unerwähnt  lassen  will  ich,  dass  nicht  allein 
das  lange  talarartige  Gewand,  sondern  auch  ganz  besonders  die  Art,  wie  die  Ge- 
stalt den  rechten  Arm  erhebt,  an  gewisse  Darstellungen  des  Baal  erinnert,  welche 
sich  in  den  Gebieten  von  Massilia  und  Garthago  gefunden  haben. 

(10)  Hr.  Th.  Liebe  berichtet  über 

zwei  Gefassfragmente  aua  den  Pfahlbauten  im  Barmsee  (Ober-Bayern). 

Der  Barmsee  liegt  nördlich  von  dem  Weiler  gleichen  Namens,  zwischen  Mitten- 
wald und  Partenkirchen,  von  ersterem  Ort  in  1^2»  von  letzterem  in  2  Stunden  er- 
reichbar. Während  eines  kurzen  Aufenthaltes  daselbst  hatte  ich  Gelegenheit,  Eennt- 
niss  zu  nehmen  von  den  sehr  interessanten  Pfahlbauten  im  See. 

Dieselben  ziehen  sich  in  nicht  sehr  bedeutender  Entfernung  vom  südlichen 
Dfer  dasselbe  entlang.  Wegen  der  weithin  tief  moorigen  Beschaffenheit  des  letzteren 
ist  ein  Blick  anf  die  Bauten  und  eine  Untersuchung  derselben  nur  von  der  Wasser- 
seite aus  zu  ermöglichen.  Was  bei  ungünstigen  Verhältnissen,  d.  h.  bei  hohem 
Wasserstande  und  starkem  Regen  zu  beobachten  war  und  zu  weiteren  Untersuchun- 
gen anregen  dürfte,  ist  in  Kürze  Folgendes:  Starke  (bis  1  Fuss),  zum  Theil  kantig 
behauene  Pfahle  stehen  auf  eine  Strecke  von  etwa  300  m  meist  aufrecht,  z.  Th. 
in  Doppelreihen.  Der  Oberfläche  des  Wassers  nähern  sie  sich  mit  ihren  ziemlich 
harten  Köpfen  bis  auf  etwa  2  m  Entfernung.  Niederliegende  Pfahle  sind  zwischen 
den  aufrechten  bemerkbar.  Kohle,  Thierknochen  (Pferd),  Gefassfragmente  von  eisen- 
grauer Färbung,  durch  reichen  Glimmergehalt  und  die  Spuren  der  Drehscheibe 
ausgezeichnet,  wie  die  beiden  hier  vorgelegten,  sind  dem  See  an  dieser  Stelle  ent- 
nommen worden.  Auch  in  der  Nähe  des  nordostlichen  Ufers  sollen  sich  Reste  von 
Pfahlbauten  befinden. 

(11)  Hr.  Oesten  bespricht  einen  vermuthlichen 

Kiehnapahnleuohter  von  einer  Insel  des  Carwitz-Sees  (Meklenburg). 

Beim  Suchen  nach  Oeberresten  aus  der  Wendenzeit  auf  einer  der  Inseln  des 
Garwitzer  Sees  stiess  ich,  nach  Abräumung  der  obersten  Bodenschicht  mit  den  üb- 
lichen wendischen  Scherben,  in  ca.  0,5  m  Tiefe  auf  ein  horizontales  Steinpflaster, 
welches  in  einer  Fläche  von  ca.  4 — 5  qm  freigelegt  wurde.  Auf  diesem  fanden  sich 
sehr  zahlreiche  Scherben  der  vor  wendischen  Zeit,  zum  Theil  von  grosser  Wand- 
starke, zum  Theil  von  kleineren  Geissen  mit  geglätteter  Oberfläche,  sämmtliche 
Randstücke  ohne  Profilirung,  in  Masse  und  Herstell ungs weise  mit  den  in  den  Stein- 

27* 


(4201 

gfibern  der  Feklberger  Gegend  bisher  gefuadeneD  übereinstimmend,  sehr  abwei- 
chend dagegen  von  den  ßtets  profiUrteii  slawischen  GefäsBresten.  Die  Zwischen- 
räume  zwischen  den  Pflastersteioen  waren  zum  Theil  noch  mit  schwach  gebraDnter 
Lehmerde  ausgefüllt,  welche  ausserdem  in  Stücken  reichlich  auf  dem  Pflaster  vor- 
handen war. 

An  einer  Stelle,  vielleicht  in  der  Mitte  des  nicht  ?ol!fitÄndig  frei  gelegten  Fuss- 
bodens,  fand  sich  eine  Vertiefung,  mit  Asche  und  Kohlen reaten  gefüllt;  neben  der- 
selben lagen  2  Feueratein-Pfeilspitxon  und  ein  kegelförmiger  massiver  Korper,  ähn- 
lich der  Spitze  eines  Zuckerhuts  von  massig  ^tark  gebranntem  Thon  mit  einer 
gegen  die  Basis  geneigten  Qaerdiirchbohrung. 

Der  Kegel  hat  145  wm  Höhe,  seine  Gnmdfiäche  115  mw*  Durchmesser.  Um 
Qber  den  Zweck  und  die  Bedeutung  dieses  Thonkegels  ins  Klare  zu  kommen,  stellte 
ich   folgende  Betrachtung  an, 

[)er  Thonkegel  ist  vermöge  seiner  grossen  und  ebenen  Grundfläche  sehr  stabil 
und  duher  geeignet,  frei  auf  eine  Unterlage  hingestellt  zu  werden  und  darauf  fest 
zu  stehen.  Die  Durchbohrung,  am  tieferen  Ende  12  mm,  am  höheren  G  tum  weit, 
ist  konisch  und  daher  ds2u  eingerichtet,  einen  hineingesteckten  festen  Körper  fest- 
zuhalten.    Dieser  Gegenstand   darf  jedoch    nicht  von  sehr  harter  Masse  sein,    weil 


'/^  der  natürlichen  Orösse. 

er  sonst  die  glatte  Innenfläche  des  wenig  harten  Thonkorpers  zerstören  würde. 
Steckt  man  nun  einen  Holzspahn  in  dieses  Loch,  so  fällt  auf,  dass  derselbe  in 
einer  Neigung  nach  unten  gerichtot  festgehalten  wird,  welche  derjenigen  gleich- 
kommt, die  man  dem  brennenden  Zündholz  in  der  Hand  oder  einpm  Kiehnspahn 
giebt,  damit  er  gut  brennt,  also  nicht  wagerecht,  wobei  ein  Spahn  erlischt,  und 
nicht  zu  steil  nach  unten  gerichtet,  wobei  derselbe  in  seiner  ganzen  Länge  ent- 
flammt. Ich  habe  nun  wiederholt  Kiehnsprihne  in  die  Durchbohrung  des  Thon- 
korpers gesteckt  und  dieselben  am  Ende  angezündet  Es  zeigte  sich,  dass  wenn 
der  Kegel  auf  horizontaler  Unterlage  stand,  der  Kiehnspuhn  sich  gerade  in  der 
richtigen  Neigung  befand,  um  gleich  massig  abzubrennen,  und  dies  auch  regelmässig 
thaL  Ebenso  kann  mau  den  Thonkegel  bequem  in  die  Hand  nehmen,  die  er  gemde 
ausfüllt,  und  kann  mit  dem  Licht  unjhorleuchten. 

Die  Zweckmässigkeit  dieses  Thon  kegeis  als  Kiehnspabuleuchter  springt  bei  dem 
Versuche,  ihn  als  solchen  anzuwenden,  in  die  Augen.  Inwieweit  hieraus  der 
Schluss,  den  ich  zu  machen  geneigt  bin,  berechtigt  ist,  dass  das  Object  wirklich 
ein  Kiehnspahnleuchter  der  vorwendischen  Zeit  ist,  überlasse  ich  gern  weiterer 
Prüfung. 


(421) 


(12)    Hr.  Jeotaob  berichtet  über  eine 

silberplattlrte  Streitaxt  aus  Guben,  die  Steinumgrenzung  eines  Urnenfeldea  Im  Kreise  Schwle- 

bus  und  Kirch enmarken. 

1.  GubeD.  Bei  Aushebung  des^  Fundaiiieiits  für  eine  Rnmise  auf  dem  Grund- 
stücke des  Herrn  WeiDhäudler  Fötko  ist  nördlich  Ton  dem  Wohohause  Oater- 
berg  14  in  der  letzten  Woche  des  Juli  d.  J.  eine  eiserne  Streitaxt  mit  Silber- 
plattirung  gefunden  worden.  Osterberg  heisst  die  Strasse,  welche  au  der  25  bis 
35  m  hohen  ersten  Terrasse  des  halbmond förmigen  Höhenzuges  im  NO.  der  Stadt 
emporsteigt.  Das  Haus  Nr.  14  liegt  in  mittlerer  Höhe  der  Strasse,  die  den  unteren 
Theil  des  Berges  wie  eine  Schlucht  durchschneidet;  über  diese  erhebt  sich  das 
Niveau  des  Hauses  selbst  6^ — ^7  m.  Die  Tiefe,  aus  welcher  die  Axt  stammt,  ist 
nicht  genau  bekannt,  da  sie  sich  in  einer  von  der  Ostwand  der  Unterkellerung  der 
bezeichneten  Remise  abgestürzten  Erdschicht  befunden  hat;  sie  iibersteigt  aber 
eicht  2  m. 

Diese  Axt  ist  an  der  massig  einge wölbten  oberen  Kante  der  Platte  13  cm  lang; 
die  entgegengesetzte  innere  Seite  bildet  annähernd  einen  Viertelkreis.  Die  untere 
Spitze,  zu  welcher  hin  sieh  die  in  der  Mitte  nur  8  mm  starke  Platte  verdünnt,  ist 
abgebrochen.  Die  Länge  der  Schneide  beträgt  jetzt  noch  9  cm,  l^as  Stielioch  ist 
ungefähr  kreisrund  und  hat  einen  Durchmesser  von  2,3  an;  es  fasst  der  Stiel  nur 
anf  3  cm  Länge,  doch  ist  das  Metall  hinter  demselben  nach  oben  und  unten  spitz 
stulaufend  zu  einer  Gesammtlänge  von  6/2  cm  ausgezogen. 

Auf  beiden  Seiten  der  Plattej  auch  auf  der 
Fassung  des  Stiels  und  an  den  schmalen  Seiten 
sind  durch  feine  Risse  in  Vs  ^^*^  breite  Sil- 
berstreifen zerlegte  OrnamentplättcheD  aufge- 
sch miedet;  an  drei,  von  der  Stielfassung  in 
die  Platte  hinein  sieh  ziehende  Streifen,  deren 
einer  etwa  mit  einer  rohen  Nachbildung  eines 
Vogelkopfes  abschliesst,  setzt  ein  quer  vorge- 
legter, nicht  über  die  ganze  Breite  der  Platte 
ausgedehnter^  Belag  an,  vor  welchen  concen- 
triseh  ein  längerer,  aus  breiten  arabeskenartigen 
Windungen  gelegt  ist.  Die  gesammte  Verzie- 
rung ist  mit  einem  silbernen  Saum  umrändert,  ^^^^E^^_^  *  '^  ^^j 
in  welchem  ein  feines  tannennadel-  oder  fisch- 
grätenartig geordnetes  Ornament  ausgespart  ist.    ^R^^^ttA*!^    ^^ 

Die    Stelleu,    weichte  der   Silbf*rbeJag  deckt,     *^^^^^=:;^-  > 

sind  massig  aufgewölbt;  in  ihnen  werden  durch 
seichte  Vertiefungen  schlichte  Muster  sichtbar 
in  den  tieferen  Zwischenräumen  zwischen  dem 
Sil  herbelag  tritt  noch  an  einzelnen  Stellen  Gold- 
glanz hervor-  Die  Zeichnung  der  Axt  ward  erst  nach  Entfernung  der  1  —  P/j  mm 
starken  Rostach icht  erkennbar»    Das  Gewicht  des  Gerathes  betragt  gegenwärtig  357  g. 

Wenn  die  Axt  etwa  dem  1 1.  Jahrhundert  zuzuweisen  ist,  so  würde  sie  der 
Zeit  der  Reger maoisation  unserer  Gegend  angehören. 

In  dem  unmiltelbar  ostwärts  an  ihren  Fundort  anstossenden  Terrain  ist  un- 
gefähr 1,5  m  tief  Thongeräth  von  der  Art  der  Lühbi  neben  er  Pfahl  baufunde  aus- 
gegraben worden:  dünne,  klingende  Scherben  mit  stark  geriefelter  Aussen  wand,  ein 
Fragment    mit    gekräuseltem    Fuss    (nicht    erhalten),    unglasirte    Topf  kacheln    von 


J\ 


"^ 


(422) 

15  em  Tiefe,  ferner  Topfijturzen,  äholich  den  in  den  Verb.  1883  S«  252  beschriebenen 
Deckeln^  ausserdem  mancherlei  Eiseiigeräth:  3  dreieckige  Hacken,  eine  Sichel  mit 
12  cm  langem  Stiel,  auf  welchem  noch  die  den  Uolzgriff  oben  zusammen  zu  halten 
bestimmt  gewesene  Oelise  sitzt,  e»u  duBüer  Stab  von  22  cm  Länge,  Nägel  mit 
grossem,  butCörmigem  Kopfe,  der  3,5  cm  Durchmesser  hat.  Einer  etwas  höheren 
Schicht  gehörten  braungliisirte»  quadratische^  ca*  13  cm  tiefe,  auf  der  kreisförmige n 
Inneßseite  offene  Kacheln  mit  heraustretenden  Figuren  (Sphinx,  Löwe,  gothiscbeo 
Bogen)  flUj  welche  etwa  dem   16.  Jahrhundert  xuzuweisea  sein  dürften. 

Den  ganzen  Fund  hat  Herr  Potko  dem  hiesigen  stadtiächeu  Gymnaatum, 
welcbeo)  er  als  Schüler  angehört  bat,  geschenkt. 

2.  Bei  Starzeddel  Kr.  Guben  sind  in  dem  nördlichen  Unienfelde  (vergL 
Zeitscbr.  f.  EthnoL  XIV.  S.  129,  Verh.  1882  S.  35S)  durch  Um.  Chausseebauaufseher 
Zimmermann  hier  einige  Gräber  geöffnet,  welche  ia  Steiixsatz  terrioenf^^rmige 
Urnen  mit  Keh [streifen  und  kleine  Beigefässe  (Tassen  u.  dgl.,  keine  Fläschchen)^ 
auch  eioe  Bronzenadel  von  Sem  Lange  mit  abgeplattetem  utid  eingerolltem 
oberem  Ende  enthielten.  Ferner  fand  steh  eine  erhöhte,  aus  Steinen  hergeBtellte 
Brandatelle  und  auf  derselben  ein  130^  schweres,  schwach  eisenhaltiges,  offen- 
bar zufallig  ^ntstaadeoeä  Scbmelzproduct,  das  man  zunächst  als  Eisenschlacke 
anzusehen  versucht  sein  möchte,  aus  tropfenförmigen  Massen  in  TraubcDgestalt  zu- 
sammengelaufen, blaugruu.  Es  besteht  aus  kieselsaurer  Thonerde,  4—5  procentigem 
kieselsaurem  Eiseaaxydul  und  etwas  kohlensaurem  Kalk  (Analyse  des  Herrn  Pro- 
rektor Hamdorff).  Sammtlicbe  Gegenstände  beenden  sich  in  der  Gymnanial* 
Sammlung. 

3.  Da  sich  nicht  zu  häu£g  Gelegenheit  findet,  ungestört  ein  ganzes  und  in* 
taktes  Urnenfeld  aufzudecken,  und  da  namentlich  für  die  Frage  nach  der  Umgren- 
zung desselben  seilen  zuverlässiges  Material  vorliegt,  reihe  ich  eine  von  Herro 
Rittergutsbesitzer  0.  Schonig  auf  Birkbolz  freundlichst  mitgelheitte  Notiz  über 
ein  Todtenfeld  bei  diesem  Orte  (Kr.  Schwiebus)  an.  Dasselbe  hatte  einen  Durch- 
messer von  ca.  50  Schritt;  die  Urnen  waren  in  massiger  Tiefe  mit  kleinen  Bei- 
gefiissen,  aber  ohne  Stein  pack  ung^  doch  zum  Theit  mit  einem  Deckstein  versehen, 
beigesetzt,  um  das  ganze  Drnenfeld  lief  ein  geschlossener  Stein  kränz,  her- 
gestellt durch  achlichte  Aneinanderreihung  von  ca.  '/j  m  im  Durcbmesser  haltenden 
Feldsteinen.  —  Mit  seltener  Bchonung  sind  die  ziemlich  festen  Ge^se  aus  dem 
Boden  gehoben  und  sammt  ihrem  Inhalt  an  anderer  Stelle  wieder  in  eiue  Erdgrube 
gepackt  worden. 

4.  Der  Deutung  der  Rundmarken  an  Kirchen  als  Reste  einer  Kirchen- 
busse,  die  ich  aus  einem  Haveldorfe  (Wust)  Verb.  187H,  S.  437  mitgetheilt  und  auch  in 
Spandau  gefunden  habe,  bin  ich  unlängst  in  Muncheherg  begegnet.  Unter  den  bis 
jetzt  bekannt  gewordenen  12  Deutungen  (zusammengestellt  Brandenb.  Provinzialblatt 
lö81  S.  249,  vgl,  Lausitz.  Magazin  1882  Bd.  57  S.  437)  ist  diese,  —  abgesehen  von 
der  Erklärung  nachweislich  in  jüngerer  Zeit  ausgeiiebener  Näpfchen^  —  die  einsige 
welche  auf  allerdings  vereinzelt  nnd  dunkel  fortlebender  Volkatradition  beruht.  — 


Hr.  Virchow  erinnert  mit  Bezug  auf  die  erste  Mittheilung  des  Hrn.  Jentsch 
daran,  dass  tauschirte  Eisenwaffen  schon  einigemal  anf  slaviscben  Burgwällen  un- 
serer Gegend  zu  Tage  gekonnnen  sind.  Er  selbst  besprach  in  den  Sitzungen  vom 
16*  Mai  1874  (Verb.  S.  Il5)  und  vom  22.  April  I357Ü  (Verh.  S,  118)  ein  mit  Kupfer- 
und  Silbereinlagen  tauachirtes  Lanzenblatt  von  Polzlow  in  der  Uckermark,  daa 
letztere  Mal  unter  besonderer  Erörterung  des  Zusammenhanges  dieser  Arbeiten  mit 
arabischen  Handelsbeziehungen   des  10.  und  IL  Jahrhunderts.  —  Das  schone,    mit 


(428) 

Silber  tauschirte  Schwert  von  Lippehne,  welches  Hr.  Hauptmann  v.  Eamienski  auf. 
der  Berliner  Ausstellung  von  1880  vorführte  (Katalog  der  Ausstellung  S.  84),  ist 
im  Moor  eines  tiefer  gelegten  Sees,  am  Eingang  zu  einer  im  See  gelegenen  Wenden- 
burg, gefunden  worden.  —  Es  wird  daher  auch  der  neue  Fund,  der  übrigens  wohl  die 
Darstellung  eines  Hirsches  cothält,  der  gleichen  Zeit  zugerechnet  werden  müssen ;  jeden- 
falls dürften  aus  NordostdeutschJand  keine  älteren  Funde  dieser  Art  bekannt  sein.  — 

Hr.  Voss:  Eine  Eiseuaxt  in  ähnlicher  Form  bildet  Montelius  ab  (Antiquites 
suedoises.  Fig.  483).  Das  Blatt  derselben  ist  mit  einem  rundeu  Loche  versehen.  Sie 
stammt  aus  dem  Gräberfelde  von  Hemse  Annexhemnian,  Gotland,  wo  auch  eine 
andere  Axt  von  der  Form  der  sehr  reich  tauschirten  Axt  aus  dem  Grabe  von  Mammen 
auf  Seeland  und  ausserdem  1  arabische  und  2  deutsche  Münzen  des  10.  und 
1 1 .  Jahrhunderts  gefunden  wurden.  Aehnlich  reiche  Tauschirungeu,  wie  an  der  vor- 
gelegten Axt,  finden  sich  auch  vielfach  an  fränkischen  Alterthümern. 

(13)    Hr.  Siehe  in  Calau  sendet  unter  dem  10.  d.  M.  Nachrichten  über  das 

Gräberfeld  von  Zllmsdorf  bei  Teuplitz. 

Durch  unser  Mitglied,  Hrn.  Director  Schwarzer  in  Zilmsdorf  bei  Teuplitz  im 
Sorauer  Kreise,  hatte  ich  die  Nachricht  erhalten,  dass  ein  sehr  bedeutendes  Urnen- 
feld aufgedeckt  sei. 

Ich  entschloss  mich  schon  im  Juli  dort  hinzureisen  und  an  Ort  und  Stelle  In- 
spection  zu  halten.  Zunächst  fand  ich  ein  sehr  reiches  ürnenfeld  und  dann  noch 
andere,  recht  interessante  Dinge,  auf  welche  ich  später  zurückkomme.  Das  Urnen- 
feld umfasst  ungefähr  30  Morgen,  welche  fünf  flachgewolbte  Hügel  bilden.  Yier 
von  diesen  Hügeln  sind  bisher  noch  nicht  untersucht,    doch  wurde    mir  von  einem 


Herrn,  der  länger  als  dreissig  Jahre  dort  lebt,  versichert,  dass  auch  auf  ihnen  beim 
Pflügen  sehr  häufig  ürnenscherben  gefunden  worden  seien.  Der  eine  Berg  aber 
war  schon  vielfach  durch  Nachgrabungen  zerklüftet,  die  plan-  und  regellos,  nur 
zum  Erwerb  einiger  Gefasse  angestellt  waren.  Diesem  Treiben  ist  auf  meine  Bitte 
durch  die  Besitzerin,  Frau  von  Reibnitz  Einhalt  gethan  worden  und  ist  das  Nach- 
graben nur  legitimirten  Personen  gestattet 

Am  Freitag  den  5.  October  wurde  nun  systematisch  und  plangemäss  unter 
meinen  Augen  eine  Aufgrabung  vorgenommen.  Auf  einem  Raum  von  ca.  8  qm 
wurden  ungefähr  60  Gefasse  gefunden,  von  denen  25  ganz  heraus  befördert  werden 
konnten.  Weder  über  noch  unter  den  Gefassen  war  eine  Steinsetznng  bemerkbar, 
nur  zwei  Urnen  standen  auf  flachen  Steinen.  Doch  führte  merkwürdiger  Weise 
ein  Steinwall,  aus  nebeneinander  gelegten  Granitfindlingen  bestehend,  mitten  durch 


(424) 


die  aufgedeckte  Stelle.  Die  Breite  der  SteinfxacIniDg  betrigt  ca.  ^j^  m,  äd  der  DÖrd- 
licbeD  Sffit«  ward«;  die  Steiosetzung  rechtwinklig  foa  eioer  Eweiten  gekreuzt.  In 
dea  Ecken  fand  ich  die  UnieD  sehr  zahlreich,  ebenso  an  den  Längsseiten. 

Die  GeHaae  bestanden  aus  der  bekannten  Masse  des  Lausitier  TjpQS  ood 
wafieii  im  grD«cen  GanEen  auch  diesem  entsprechemJ  geformt  Sie  waren  iDoeii 
and  aussen  glatt,  mei&tentbeUs  je  mit  einem  Henkel  and  zwar  häufig  sehr  grossen 
▼ersehen.  Die  Gefa^se^  welche  zwei  Oehsen  trugen,  zeicbueten  sich  durch  die 
Kleinheit  der  Oehsen  aus.  Der  Brach  der  Gefasse  war  schwärzlich  und  rotli- 
lieh  und  zeigte  reichUch  Beimischungen  tod  zerkleinerten  Gmnitstäcken.  Die 
Form  war  äusserst  mannichfahig:  grosae  gebauchte  Ge^se,  Tasseokopfahnliche^ 
Milchnäpfe,  Teller,  flache  Scbaaleo  worden  gefunden,  besonders  zahlreich  kleine 
Kruge  mit  bochgewölbtem  Henkel.  Interessant  war  das  Auffinden  eines  Fokales 
und  zweier  Gefasse,  die  ebenfalls  pokalartig  gestaltet  waren,  nur  zeigte  sich  an 
beiden  der  eine  Tbeil  von  Tier  kreisrunden  Lochern  darchbrochen ;  der  eine  Ton 
diesen  Kelchen  zeigte  auch  den  Stiel,  der  beide  Tbeile  verbindet,  mit  einem  durcb- 
gehenden  Loche  versehen  (Räu  eher  gefasse?).  Eine  Eigeothömlicbkeit  der  Gef&ase 
war  die  Farbe:  die  meisten  waren  gelblich,  röthlich  u«  s.  w«,  eine  ganze  Anzahl 
jedoch,  alle  kleineren  Krüge  insbesondere,  sind  tiefschwarz  und  glänzend,  ein 
Bruchstück,  auf  Papier  gestrichen,  schreibt  genau  wie  Bleistift;  es  sind  jedenfalls 
mit  Graphit  überzogene  Gefasse. 

Buckel  gefasse  wurden  nicht  gefunden,  auch  t>ei  früheren  Nachgrabungen  sollen 
keine  derartigen  Urnen  ergraben  worden  sein«  Es  giebt  jetzt  übrigens  mehrere 
Friedhofe,  auf  denen  noch  kein  einziges  Buckelgefäss  gefunden  wurde. 

Die  Stellung  der  Gefasse,  soweit  noch  nicht  erwähnt,  ist  folgende  typische:  In 
der  Mitte  steht  die  grosse,  mit  Knochen  gefüllte  Urne,  rings  umher  au&echt  5  bis 
11  kleine  Gelasse  aller  möglichen  Formation;  es  wurden  auch  ganz  kleine,  hasel- 
nussgrosse  Schaalen  gefunden.  Dies  Bild  ist  nicht  ganz  eonstant  Zuweilen  ist  die 
Knocheourne  liegend,  zuweilen  auch  mit  der  Qeffnung  nach  unten,  in  beiden  Fällen 
ist  die  Urne  durch  seitlich  und  oben  resp.  unten  angebrachte  Gefasse  und  GefSaa- 
stücke  umhüllt  Auch  die  Beigefasse  sind  zuweilen  halb  und  ganz  liegend  ge- 
funden; dies  gilt  ganz  besonders  von  den  Ränchergefassen. 

Die  Ornamente  zeigen  im  Ganzen  den  Lausitzer  Charakter,  nur  sind  die  üraen 
mit  Strichverzierungen  selten;  wenn  aber  eine  mit  Strichen  verziert  ist,  so  ist  die 
Ausführung  über  die  ganze  Urne  und  von  ausserordentlicher  Sauberkeit  und  Ele- 
ganz. Am  meisten  flnden  sich  um  den  Bauch  herumlaufende,  3 — 12  fache  Ringe. 
Zuweilen  ifet  auch  der  Henkel  und  der  Rand  durch  Striche  verziert  Die  Gefasae 
sind  nach  meiner  Ansicht  mit  der  Hand  geformt  Deber  den  Inhalt  ist  zu  sagen, 
dass  die  grossen,  meist  in  der  Mitte  tefiudlichen  Urnen  gebrannte  Menscheoknocheo 
enthielten,  ab  und  zu  auch  eine  einfache  Bronzenadel.  Die  kleinen  Gefasse  waren 
mit  Sand  gefüllt  Von  früheren  Ausgrabungen  sind  als  durch  den  Besitzer  sieber 
agnoscirte  Funde  viele  bronzene  Nadeln,  auch  kleine  Ringe  u.  s.  w.  zu  erwähnen. 
Interessant  sind  3  Funde: 

Zunächst  eine  durchbohrte  Streitaxt,  von  einem  mir  unbekannten  Material, 
wahrscheinlich  selir  feinkörnigem  Sandstein  von  grauer  Farbe,  Dieselbe  ist  sehr  zier» 
lieh  gearbeitet  und  besonders  das  Bohrloch  von  einer  seltenen  Sauberkeit  Da  das 
Steinbeil  in  der  Hohe  des  Bohtlochs  durch  einen  Sprung  in  zwei  Stücke  getheilt 
ia^  so  sieht  man  deutlich  die  Herstellung  des  Bohrlochs:  dicht  nebeneinander 
laufende,  deutlich  sichtbare,  unzählige  cooeentrische  Kreise,  welche  durch  abwech- 
selnde,   ganz    kleine  Erhabenheiten    und  Vertiefungen  gebildet  werden  und  welche 


4 
4 


(425) 

ungefähr  deo  Eiodnick  hervorrufeD,  als  sei  es  eine  ans  unzähligen  Windungen  be- 
bestehende Schraubenmutter.  Die  eine  Oefifnung  des  Bohrloches  misst  17,  die  an- 
dere 20  mm  und  bildet  einen  correcten  Kegelabschnitt.  Das  Material  ist  sehr  weich, 
so  dass  es  sich  gut  schaben  lässt.  Es  ist  höchst  unwahrscheinlich,  dass  dieses  Beil 
als  Waffe  oder  als  Geräth  zu  profauen  Zwecken  gebraucht  worden  ist  Die  Steinaxt 
wurde  in  einer  Urne  gefunden  und  ist  Eigenthum  des  Hrn.  Amtmann  Meyer; 
hoffentlich  gestattet  derselbe,  dieses  interessante  Stuck  der  Gesellschaft  vorzulegen. 
Eine  gleiche  Hoffnung  knüpft  sich  an  die  beiden  Eisenfunde,  welche  der  Besitzerin 
Frau  von  Reibnitz  gehören.  Ich  kann  nicht  unterlassen,  dieser  Dame  für  das 
Gestatten  der  Nachgrabungen  und  dabei  bewiesene  Liebenswürdigkeit  und  Ver- 
ständniss  für  die  Sache,  meinen  wärmsten  Dank  auszusprechen. 

Der  eine  Gegenstand  aus  Eisen  ist  ein  Hohlmeissel  resp.  celtartiges  Gebilde 
(Holzschn.  1).  Der  zweite  ein  messerähntiches  Instrument  (Holzschn.  2).  Als  drittes 
Object  fand  sich  ein  sichelförmiges  mit  mehreren  Knöpfen  versehenes,  an  einem 
Ende  umgebogenes  Instrument  von  der  Gestalt  wie  Holzschn.  3.  Dazu  kommt 
noch  ein  unbekanntes  Gebilde  von  der  Gestalt  des  Holzschn.  4  und  ein  nagel- 
artiges Gebilde  (Holzschn.  5). 

Femer  wurde  in  einer  Urne,  durch  Rost  innig  an  einander  gekettet,  eine 
eiserne  und  eine  Bronzenadel  gefunden. 

Sämmtliche  Eiseugegenstände  sind  stark  verrostet  Ausserdem  kam  zu  Tage 
eine  durchbohrte  Glasperle  von  lasurblauer  Farbe. 


V4  natürlicher  Grösse. 


Ich  muss  noch  erwähnen,  dass  die  Urnen  in  3  Etagen  übereinander  stehen, 
dass  die  Knochenurnen  meist  zugedeckt  sind  und  dass  sich  an  der  einen  Ecke  des 
ausgegrabenen  Platzes  eine  solche  Menge  mit  Kohlen  vermischter  Scherben  fanden 
dass  nur  mittelst  einer  Hacke  durchzukommen  war.  Unter  diesen  Scherben,  deren 
Ausdehnung  wegen  Mangels  an  Zeit  nicht  erforscht  werden  konnte,  fand  sich  keine 
Steinpackung,  sondern  gewachsener  Boden.  Ausserdem  sind,  wie  schon  erwähnt, 
sehr  lange  und  schön  gearbeitete,  mit  Knöpfen  und  Ringen  vielfach  versierte  fironse- 


C426) 


nadelo,  ferner  Fingerringe,  kleine  BronÄeapiralea  und  einige  kleine  solide  Bronze- 
stucke  gefunden  worden. 

Ausser  diesem  Gräberfelde  zog  aber  noch  etwas  anderes  meine  Aufm  er ksani  keil 
an.  Einii^e  tüusend  Scliritte  von  diesem  alten  Kirchhof  begiunt  »ich  die  Gegend 
2U  erheben  und  man  triflt  in  dieser  Erfiebuog,  prachtvoll  erhalten,  ca*  30— 4i> 
Steinkreise  mit  einem  Durchraeii8er  von  10 — 30  Schritten.  Die  grossen  erratischeo 
Blocke  sind  mit  bewundernswerther  PräcisJon  in  Kreisform  gesetzt.  Zwei  von 
diesen  Kreisen  wurden  aufgegrabeo,  wobei  es  sich  herausstellte,  dass  dieselben  im 
Jahre   lb2b  von  Mitgliedern  der  Gmiitzer  Geselldchnft  durchwühlt  worden  sind. 

Es  fanden  sich  nur  gebrannte  Kuochen  und  vereinaelte  Scherben.  Die  Scher- 
ben tragen,  soweit  dies  aus  den  wenig  charakteristischen  Stucken  siih  beurtheileo 
läftst,  den  uns  bekannten,  in  der  Lausitz  hantig  gefundenen  Typu«.  Nach  Erklii- 
rung  eines  alten  Herrn  ist  iiber  die  Hälfte  der  Stein  ringe  noch  nicht  untersucht. 
Leider  befinden  sieb  gerade  diese  in  Kieferschonnngen  resp.  Dickichten.  Wenn 
man  zwischen  diesen  Steinringen  einen  Fusspfad  weiter  verfolgt,  kommt  man  nach 
wenigen  Minuten  an  7  einzeln  stehende,  ca.  30 — 40  Fuse  hohe  Hügel,  die  Sieben- 
htigel  genannt;  wegen  mangelnder  Zeit  konnten  auch  diese  nicht  untersucht  werden. 
Weiter  aufwärts  gelangt  man  anf  den  Gipfel  de»  Höhenzugs,  der  iu  gros&ej  Aus- 
dehnung mit  kleinen  Granitsteinen  gepflastert  ist.  Ausserdem  tinden  sich  in  dem 
Walde  sonderbare  Läugswfdle  aus  Granitsteinen. 

(14)  Hr,  H.  Ahrendts  zu  Muncheberg  berichtet  unter  dem  5.  September 
ober  eine 

thüneme  Dose  von  Platkow. 

Eine  ahnliche  Dose,  in  Gestalt  eines  Köberchens,  wie  solche  Hr,  Virchow  io 
der  Sitzung  vom  21.  Juli  1H77,  S.  298  erwähnt,  gefunden  am  Bukatscb 'sehen  Wein- 
berg und  wie  dieselbe  Hr.  Jentsch  näher  beschreibt  und  abbüdet  (Sitzung  toob 
17.  Juni  1882,  S.  207,  Abbildung  S.  209  Nr.  1),  ist  dem  hiesigen  Verein  für  Hei- 
raathskunde  übergeben  worden.  Sie  entstammt  dem  Acker  des  Bauern  Lückefett 
in  flatkow  (nicht  Lückefeit,  wie  bei  Beschreibung  des  in  vielfacher  Beziehung  hoch- 
interessanten Fundplatzes  in  dem  Sitzungsbe- 
richte vom  18.  October  187^,  S.  157  Abs.  3  Ton 
oben  irrthümlich  gedruckt  ist)  und  unterscheidet 
sich  insofern  von  der  vou  deutsch  beschriebe- 
nen, als  der  Boden  ebenfalls  seitlich  ausgezogen 
und  mit  Lochern  versehen  ist,  so  dass  eine  Schnur, 
wie  bei  einem  Kober,  nicht  nur  durch  die  oberen 
Oehsen,  sondern  auch  durch  die  unteren  Locher 
über  den  Boden  hinweg  an  der  anderen  Seite  hinauf  wieder  nach  oben  gezogen  und 
dort  vereinigt  werden  konnte.  Ein  Deckel  ist  leider  nicht  vorbanden.  Jedenfalls 
ist  derselbe  auch  mit  2  Lrichero  versehen  gewesen,  um  durch  Hindurchziehen  der 
Schnur  Dose  und  Deckel  zu  veri^inig^n.  Sie  ist  aus  Tlion  gefertigt  und  im  offenen 
Feuer  gebrannt,  gelbgrau  von  Farbe  und,  wie  die  beigefügte  Zeichnung  ergiebt,  oben 
und  etwas  von  unten  entfernt  mit  vori^pringend^n  Leisten  versehen,  die  durch  Ein- 
kerbungen verziert  sind.  Die  ganze  Hohe  betragt  hO  mm,  die  Länge  oben  66  mm, 
die  Breite  40  mm^  so  dass  sie  in  der  allgemeinen  Gestalt  einer  Schnupftabaksdose 
aus  Birkenrinde  ähnlich  sieht.  —  Dem  von  Jentsch  angeführten  und  dort  noch  ge- 
bräuchlichen Zweck  dürfte  unser  Gerälh  ebeuralls  gedient  haben. 


4 

i 


4 

n 
n 


(427) 

(15)    Hr,  W.  V.  Schulenburg  berichtet  über 

Radornamente, 

1d  den  Örnenfriedhofeü  der  I.awsitx  voq  lieliia  (Luckau  1882)  und  io  der 
Zeitschrift  für  Kthaologie  (XIV.  Verh.  S.  496-^498,  XV.  Verb.  8,  06)  ist  das  Rad 
mit  Kreuz  besprochen  worden.  Seihiges  ficdet  sich  zweimal  ahgehildet  auch  in 
den  Rüde  stone  moouments  iu  all  couDtries  von  James  Fcrgusscm  (London  1872), 
auf  welches  Werk  Hr.  KQüne  mich  freundÜch  aufmerksam  machte. 

P,  303  auf  einem  Dolmen  zu  Herrestrup  auf  tSeelaud  (Danomaik);  vergl 
Ännaler  for  Nord.  Oldk.  YL  pl,  X.  Hr.  Fergusson  schreibt:  „on  it  are  engraved 
some  halfdozen  rcpresentations  of  ships,  such  as  tbe  VIkings  were  in  the  habit  of 
drawmg  etc.""  und  setzt  den  Dolmen  in  das  S.  Jahrhundert. 


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üoimen  at  nerrestrap. 


P.  157:  the  crosB  in  the  circie  auf  einefii  Steine  eines  Grabdenkmals  von 
90  Fuss  Durchmesser  at  a  place  called  Aspatria,  near  St.  Beea  in  der  Gegend  von 
Carüsle  ia  Cumberlaad.  Im  Grahe  lag  das  Gerippe  eines  Maunes  of  gigantic  sta- 
Iure  (7  Fuss  lang),  ein  4  Fuss  langes  eisernes  Schwert  (der  Griff  geziert  mit  eio- 
gelegten  Silberblumen):  eine  Goldöbula  or  buckle,  Theile  vom  SchÜd  und  der  Streit- 
axt, und  ein  Pferdegebiss,  gewissen  jetzt  gehriiuchlichen  gleichend,  Hr.  Fergusson 
möchte  (1872)  das  Grab  in  die  Wikingerzeit  setzen. 

Die  conceiitrischen  Halhkreise  (zu  je  3,  4)  auf  Steinen  bei  Fergusson,  wie 
sie  ahnlich  auf  dem  von  Bebla  beschriebenen  Gefässe  von  Garrenchen,  ebenso  in 
Muschen  und  sonst  in  der  Lausitz  sich  findeiij  gleichwie  die  bei  Fergusson  ab- 
gebildeten (bei  uns  nicht  seltenen)  ein-  oder  mehrfachen  Kreislinien  mit  Mittel- 
punkt ')  kommen  hier  nicht  weiter  in  Betracht,  abpr  p.  3ti7  gedenkt  der  Verf.  einer 
160Ü  Fuss  langen  Steinreihe  auf  der  Halbinsel  von  Crozon  {Frankreich)^  deren 
eines  Knde  im  Grundriss  dem  Svastika- Zeichen,  unserem  Hakenkreuz  (vergL  die 
Erörterungen  von  Hrn.  Virchow  in  der  Zeitschr.  L  EthnoL  XIV,  Verh.  S.  402 
und  III,  Verh,  S.  26^  Taf.  VI),  gleicht  Letzteres  findet  sich  auch  auf  der  einen 
Inschrift  des  Newtou-Steines  (Aberdeeushire),  welche  Hr.  George  Moore  (Ancient 
Piilar  Stones,  Edinburgh,  1865)  als  hebräisch  erklärt  (nach  seiner  Ansicht  stammen 
die  Sachsen  [Isaak]  von  den  Hebräern^  die  Danen  vom  Stamme  Dan),  das  Svastika- 


1)  Solcbd    saigte  ans  auch  Herr  Krause  auf  den  für  (Lis  Königliche  Museum  in  Berlin 
vc»n  Herrn  Flegel  aus  Afrika  übersandten  Gegen» täa den. 


(428) 

zeichen  einseitig  als  buddhistisches^)  Symbol  deutend;  Tergl.  auch  die  p.  20,  21 
bei  Moore  gegebenen  Inschriften.  Hr.  Fergusson  sagt  p.  271  nach  Erwäh- 
nung der  anderen  Ogham-Inschrift  auf  dem  Newton-Steine  Ton  jener  ersteren :  ^The 
letters  are  not  Roman.  Thej  may  be  bad  Greek,  but  certainly  they  appear  to  be 
pre-Roman,  and  therefore  probably  the  earliest  Scotch  inscription  known.^ 

Gelegentlich  der  Steine  von  Stennis  (p.  255)  gedenkt  Hr.  Fergussson  des  holed 
stone,  connected  with  the  circle  at  Stennis,  whicb  seems  to  be  a  most  distioct  aod 
positive  testimony  to  the  nationality  of  this  group  of  monuments.  It  is  quite  cer- 
tain  that  the  oath  to  Woden  or  Odin  was  sworn  by  persons  joining  their  haods 
through  the  hole  in  this  ring  stone,  and  that  an  oath  so  taken,  altthough  by  Chris- 

Alignments  at  Crozon. 


.V 


Side  Stone,  Aspatria  Cist. 

tians,  was  deemed  solemn  and  binding.  Dieser  Steinschwur  bei  Odin  fand  nach- 
weisbar noch  um  1781  statt.  Ich  erwähne  dies  wegen  der  Abgelegenheit  der  Nach- 
richt, nicht  um  auf  gewisse  norddeutsche  Steindenkmale  hinzudeuten,  deren  Gebiet 
scheinbar  zusammenfällt  mit  dem  Vorkommen  des  Wode  und  Gode  (vergl.  p.  247). 
Da  Sagen  Deutschlands,  anknüpfend  an  bestimmte  alte  Steine,  allerdings  auch  an 
gewisse  andere  Stellen  und  Oertlichkeiten  ohne  erstere,  von  Schwirren  (üAeineiden) 
in  Folge  von  Grenzstreitigkeiten  berichten,  möchten  manche  jener  Steine  in  heid- 
nischer Zeit  thatsächlich  Schwursteine  gewesen  sein.  Im  Forstrevier  Lucknitz,  an 
der  alten  Poststrassc  von  Cibelle  nach  Muskau,  soll  eine  Säule  mit  der  Jahreszahl 
1748  stehen,  woselbst  nach  der  Sage  wegen  Grenzstreites  ein  Bauer  falsch  schwur 
und  später  zur  Strafe  jene  setzen  musste.  Seitdem  treibt  dort  der  Nachtjäger  sein 
Wesen,  gerade  wie  am  Schwurstein  bei  Müschen  (vergl.  Zeitschr.  f.  Ethnol.  XII. 
S.  260).  Derselbe,  so  geheissen  in  Schlesien  und  der  Lausitz,  gleicht  im  Wesen 
durchaus    dem  wilden  Jäger,    bis  in    dieses  Jahrhundert  in  Meklenburg  Wode,    in 


2)    Vergl.  die   Bemerkungen   des   Herrn    Grüowedel:   Zeitschr.  f.  Ethuol.  XV,    Verh. 
S.  229. 


(429) 

der  PriegDitx  (Langobardeogau)  Gode*)  genanDt,  so  dass  wohl  für  derartige  Steinft 
eioe  höhere  BedeatuDg  zu  beanspruchen  ist 

(16)  Hr.  W,  V,  Schulen  bürg  übergiebt  folgende  Notiz  über 

Leichenverttrennung  bei  den  Föten, 

Thietmar  voq  Merseburg  berichtet  in  seiner  Cbrüuik  (deutsch  tob  Laurent, 
Berlia  1848,  S,  322),  nach  Erwähnung  der  Vorgänge  um  1018  und  der  Vermahlung 
des  Herzogs  Bolizlav  von  Polen:  ^Xu  Zeiten  seines  Vaters,  da  derselbe  noch  ein 
Heide  war,  ward  eiuer  jeden  Ehefrau,  die  ihren  Mann  verlnr,  nachdem  derselbe 
verbrannt  war,  das  Haupt  abgeschlagen  uod  so  folgte  sie  ihna  nach," 

(17)  Hr,  Virchow  zeigt  einen,  ihm  von  Hrn.  W,  Krause  in  Göttingeo  Über- 
sendeten 

Thorikrug  mit  zwei  Böden  von  Grone. 

Derselbe  ist  auf  der  Generalversammlung  zu  Frankfurt  im  vorigen  Jahre  von 
dem  Herrn  Geber  besprochen  worden  (Correspondetjzblatt  1882,  Nr.  10  S.  181) 
unter  der  Bezeichnung  einer  ,ürne  mit  Maniellofioroament*'  Nach  dem  Bericht 
wurde  er  vor  etwa  einem  Menachenalter  ini  Dorfe  Grone  bei  Göttin  gen  neben  oder 
iu  einer  Steiosetzung,  welche  die  Arbeiter  für  einen  Heerd  hielten,  in  der  Erde 
gefunden  uud  dann  längere  Zeit  hindurch  im  Haushalt  eine»  Bauern  als  Oel-  oder 
Petroleumkrug  gebraucht.  Von  ihm  ging  er  in  den  Besitz  des  Pastor  ?,  Helmolt 
und  von  da  in  den  des  Profestor  W,  Krause  über.  Letzterer  verglich  das  Orna- 
ment mit  dem,  welches  Cesnola  an  einer  Vase  von  Cypero  abbildet,  Hess  aber 
die  Frage  nach  ihrem  Älter  unentschieden. 

Das  ziemlich  geräumige,  25  cm  hohe,  22  cm  breite  Gefäss  ist  noch  mit  einer, 
aus  erstarrtem  Oei  hervorgegangenen  dicken  Kruste  überzogen  und  mit  einem  Strick 
versehen^  welchen  der  Bauer  zum  Gebrauche  umgelegt  hatte.  Offenbar  war  es  ur- 
sprünglich ein  Behälter  für  Flüssigkeit,  vielleicht  für  Bier,  denn  es  ist  sehr  praktisch 
mit  zwei  grossen  fluchen  Böden,  einem  uoteren  uud  einem  seiUiehen^  ausgestattet, 
so  dass  man  es  ebenso  bequem  aufrecht  stellen,  als  seitlich  umlegen  kann,  um  den 
Inhalt  ausfliessen  zu  lassen.  Es  hat  im  Oebrigen  eine  fast  kuglige  Gestalt,  einen 
engen  kurzen  Hals  mit  leicht  ausgeweiteter  Oeffnung  und  jederseits  2  starke,  enge, 
übereinanderstehende  Henkel  mit  senkrechter  Durchbohrunge  zum  Durchziehen  eines 
Strickes,  so  dass  es  leicht  getragen  werden  konnte.  Das  von  Hrn,  Krause  er- 
wähnte Mamellen-OrBament  ist  ein  flacher  Buckel  mit  conceritrischen  Ringen  auf 
der  dem  lateralen  Boden  gegenüberstehenden  Seite  des  Bauches.  Das  Gefass  ist 
gut  gebraant,  von  fast  stein gutaitiger  Dichtigkeit  und  mit  einer  Art  von  Glasur 
überzogen. 

Seinem  ganzen  Habitus  nach  erweist  es  sich  als  ein  mittelalterliches  Stück* 
Man  konnte  sagen,  dass  es  in  vergrossertem  Maassstahe  die  mehrfach  bei  uns  ge- 
fundenen Pilgerflaschen  wiedergiebt.  Vielleicht  darf  auch  an  das  sonderbare  tonnen- 
förmige  Gefiss  mit  2  Boden  und  einem  trieb terförai igen  Einsatz  erinnert  werden, 
das  bei  Halberstadt  gefunden  und  in  unserer  Sitzung  vom  15,  Januar  1872  (Verb, 
S.  211)  in  Abbildung  vorgelegt  wurde.  — 

Hr.  E»  Krause    bemerkt,    dass    im    hiesigen    „Märkischen    Provinzialmuseura" 


1)  Piiilua  Üiaconus  (1,9):  Wodan  sane,  quem  adjecta  litera  Gwodan  dizerunt  * . .  ab 
universis  Germaniüe  gentibus  ul  deus  adoratur,  Karl  Meyer  (Sprachdenkmller  der  Lango- 
barden, Paderborn  1877,  8.  119)  hat  noch  als  Lesarten:  Godann,  Godan,  (iuodan.  Nach 
Herrn  Bandtmann  ist  in  der  Priegnitz  ein  Familienname:  Gotbam,  Jotfaam» 


(430) 


zwei  TOD  den  gewohnlich  als  Pilgprflaschen    gedeoteten  GefSdScn    vorhaDden     seico. 

Auch  iD  der  nordischen  Abtheüuiig  des  EonigJ.  Museums  sei  eine  Ähnliche  Flascbe 
von  hartgebranntem  „Steinzeug"  vou  Retzin  zwischen  Ferleberg  uud  Pritzwalk.    Dao- 


neil,    der  üie  eingeliefert 
Lan  diente/ 


lat,    bemerkte   dazu,    &ie  gleiche  ^df^n  Lechelu  unserer 


(18)  Hn  Virchow  bat  Berichte  der  HHrn.  Bayern  und  Dolbeschew 
über  neue  Ausgrabungen  bei  Redkin-Lager  und  in  Nordkaukaaieo  er- 
halten, deren  Besprechung  er  für  eine  andere  Gelegeiiheitj  sobald  die  Sachen  ein- 
gegangen sein  werden,  vorbebält. 

(19)  Hn  Virchow  dpricht  unter  VoriegaDg  der  Gegenstande  über 

Grätierfynde  der  jüngsten  neolithtschen  Zeit  aus  Cujavlen,  den  Proviazen  Posen  und  Sacliaeiir 

(Bimn  Tafel  VII  und  Vü(.) 

In  der  Sitzung  vom  20.  December  1879  (Verb.  S.  428)  hatte  ich  die  Ehre,  der 
Gesellschaft  die  ersten  M i tt heil uo gen  des  Hrn,  Generals  y,  Erckert  über  seine  Aus- 
grabungen grosser,  mit  mächtigen  Steinsetziiogen  ausgestatteter  Gräber  in  Cujavien 
zu  machen.  Insbesondere  war  es  das  megalithische  Grab  von  Jauischewek,  welches 
imsere  Aufmerkt^amkeit  wegen  des  fast  ganz  erhaltenen  Skelels  in  Anspruch  nahm; 
ich  habe  das  letztere  später  montirt^n  lassen  und  auf  unserer  Ausstellung  im  Jabre 
1880  konnte  es  als  das  erste,  vollständig  erhaltene  Skelet  aus  der  Steinzeit  nnseres 
Nordens  den  Fachgennssen  gezeigt  werden.  Der  prächtige  Schädel  erwies  sich  als 
hypsimesocephal   (Breitenindex  78,4,  Höheuindex  75,8), 

Hr,  V.  Erckert  gab  damals  zugleich  eine  kurze  Notiz  über  4  Thongefäaae, 
von  denen  2  am  Kopf-,  2  am  Fussende  des  Gerippes  gestanden  liatten.  Die  Ge- 
fasse  selbst  waren  mir  nicht  zugegangen;  nur  ein  kleines  ornameutirtes  Bruchstuck, 
dessen  Verhattniss  zu  den  Gefassen  nicht  aufgeklärt  war,  fand  sich  in  der  Sendung 
und  wurde  von  mir  besprocHen  nnd  abgebildet  (ebend,  S.  435)*  Es  zeichnete  sieb 
durch  auffallig  lief  eingeritzte  Ornamente  aus,  von  denen  ich  hervorhob,  dass  sie  ^den 
Mustern  der  ötcnuzeir  jmgereiht  werden  konnten".  Ich  darf  jetzt  erkläjen,  dass  es  un- 
zweifelhaft ein  BruL'hstück  von  dem  Henkel  eines  der  sofort  tn  erwähnenden  Gefässe  tsL 

l)ie  4  anderen  Gelasse  erhielt  ich  erst  im  Mai  18>il,  iudess  zwei  liavon  in  so 
zertrümmertem  Zustande,  dass  es  erst  grosser  Restaurationen  bedurft  hat,  um  sie 
wieder  in  einen  präseotablen  Zustand  zu  versetzen.  Die  grosse  Sorgfalt  und  Ge* 
schick lichkeit,  mit  welcher  die  Zusammensetzung  der  Scherben  durch  Hrn.  Rei- 
chert und  dann  die  erforderliche  Ergänzung  durch  Frl.  Hilhrecht  bewirkt  worden 
ist,  verdient  eine  um  so  grössere  Anerkennung,  als  die  Erhaltung  so  grosser  und 
charakteristiscber  Gefässe  der  Steinzeit  ein  seltenes  und  glückliches  Ereigniss  genannt 
werden  darf.     Ich  lege  diese  Gefässe  (Tafel  Vll  Fig.  1,  2,  3  und  4)  beute  vor: 

1.  Die  ganz  grosse  Urne  (Fig,  1),  dicht  vor  welcher  nach  der  Angabe  des 
Hrn,  v»  Erckert  das  Gesicht  der  Leiche  lag,  ist  am  Rande  nicht  ganz  zu  restau- 
riren  gewesen,  da  kein  eigentliches  Kandstuck  erhalten  ist,  welches  von  der  früheren 
Gestalt  dieses  Theils  eine  Andeutung  gegeben  hätte.  Nichtsdestoweniger  bat  sie 
noch  eine  Höhe  von  25  ein  bei  einer  Baucbweite  von  34,5  an.  Der  platte  ßoden 
bat  nur  13,5  cm  Durchmesser j  das  Gefass  erweitert  sich  über  ihm  zu  einer  mäch- 
tigen Wölbung  des  Oberbaucbes.  Yon  da  verengert  es  sich  sehr  schnell  bis  zu 
den  ß ruchsteilen  des  Randes,  welche  auf  der  einen  (hinteren)  Seite  bis  tief  in  den 
Bauch  eingreifen.  An  der  einen  (vorderen)  Seite  sitzen  2  vollständig  erhaltene, 
sehr  eigenthömlicbe  Henkel  oder  Oehsenj  ihnen  gegenüber  findet  sich  neben  der 
grosseren  Bruchstelle    noch  der  Ansatz  eioer  dritten  Henkelstelle,    so  dass  man  et 


I 

I 

I 


(431) 

wohl  als  sicher  aonehmen  darf,  dass  auf  jeder  Seite  ursprünglich  2  solcher  Heokel 
angebracht  waren.  Auch  findet  sich,  ausser  dem  schon  vorher  erwähnten  Bruch- 
stück, noch  ein  zweites  vor,  nur  dass  leider  bis  jetzt  keines  derselben  wieder  an- 
gefügt werden  konnte. 

Die  beiden  erhaltenen  Henkel,  welche  durch  einen  Zwischenraum  von  11,5  cm 
getrennt  worden  sind,  sehr  breit  und  ganz  platt,  wie  angedrückt  Sie  beginnen  in 
einer  Breite  von  fast  4  cni  an  dem  oberen  Bruchrande,  heben  sich  dann  ein  wenig 
ab,  um  eine  horizontale,  plattnindliche,  längliche,  kanalformige  Oefifnung  von  so 
grosser  Enge  zu  bilden,  dass  höchstens  eine  dicke  Schnur  durchgezogen  werden 
kann,  und  setzen  sich,  nachdem  sie  sich  bis  zu  6  cm  verbreitert  haben,  ganz  flach 
an  den  Bauch  des  Gefässes  an,  über  welchem  sich  noch  eine  längere  Strecke  eine 
bis  zu  8,5  cm  sich  verbreiternde,  schwach  erhabene  Fläche  als  ihre  Fortsetzung 
hinzieht,  so  dass  die  gerade  Höhe  etwa  7,5  cm  beträgt. 

Das  Gefäss  hat  eine  schwärzliche,  vielfach  durch  Verwitterung  und  Inkrusta- 
tion graue  Farbe  und  eine,  ursprünglich  offenbar  überall,  glatte  und  schwachglän- 
zendc  Oberfläche.  Es  ist  aus  freier  Hand  geformt  und  schwach  gebrannt  Sein 
oberer  Theil  ist  mit  tief  eingedrückten  Zeichnungen  reich  ornamentirt. 
Zunächst,  in  der  Hohe  der  Henkelansätze,  also  an  dem  engsten  Theile,  sieht  man 
übereinander  3  Reihen  grosser,  tiefer  Gruben,  wie  von  eingedrückten  Perl- 
schnüren. Darunter,  auf  der  eingebogenen  Partie  des  Oberbauches,  sitzt  eine 
Reihe  neben  einander  gestellter,  auf  den  ersten  Blick  blatt-  oder  schildförmi- 
ger Figuren:  dieselben  haben  die  Gestalt,  von  sphärischen  Dreiecken  mit  nach 
unten  gerichteter  Spitze  und  leicht  nach  aussen  gewölbten  Seiten;  ihre  Fläche  ist 
von  je  4  in  einander  geschobenen,  ähnlich  gestalteten  Dreiecken  erfüllt;  dabei  ist 
von  oben  nach  unten,  von  der  Basis  zur  Spitze,  ein  schmaler  senkrechter  Strich 
ausgespart,  so  dass  jedes  Dreieck  in  2  nahezu  gleiche  Hälften  zerlegt  wird.  Die 
Linien,  durch  welche  die  Dreiecke  begrenzt  werden,  sind  tief  und  scharf  eingeritzt, 
jedoch  nicht  etwa  durch  einen  Stempel  eingedrückt;  in  der  Tiefe  scheinen  ein- 
zelne durch  quere  seichte  Scheidewände  abgetheilt  gewesen  zu  sein,  doch  ist  dies 
wenig  deutlich.  —  Die  Henkel  tragen  auf  ihrer  breiten  Fläche  ein  ähnliches  Orna- 
ment, nur  dass  es  nicht  ein  Dreieck,  sondern  eine  längliche  Zone  bildet;  dadurch 
wird  es  dem  bekannten  Sparrenornament  ähnlich.  (Man  vergleiche  die  Abbil- 
dung des  Hc'ukelbruchstücks  von  1879.)  Links  neben  den  Henkeln  endlich  ist  ein 
solches  länglich(>s,  hier  fast  einem  Palmzweige  ähnliches,  schmales  Ornament,  nur 
mit  umgekehrter  Richtung  der  Winkel  eingeschoben. 

2.  Ein  weiter,  fast  uapfartiger  Topf  (Fig.  2),  bis  auf  einen  Sprung  fast  voll- 
ständig erhalten.  Es  ist  der  von  General  v.  Erckert  am  Küssende  des  Gerippes 
gefundene  und  in  seiner  Beschreibung  mit  Nr.  6  bezeichnete.  Derselbe  ist  14,5  cm 
hoch;  seine  Durchmesser  betragen  am  Boden  9,5,  am  Bauche  20,  an  der  Mündung 
18  cm.  Der  Boden  ist  ganz  platt.  Von  da  steigt  die  Wand  beinahe  ohne  Wölbung  bis 
zu  der,  an  der  Grenze  des  oberen  Viertheiles  gelegenen  grössten  Ausbauchung  an. 
Letztere  springt  fast  kantig  vor.  Ueber  derselben  biegt  die  Wand  etwas  schräg 
nach  innen  und  erreicht,  ohne  einen  eigentlichen  Hals  zu  bilden,  in  einer  Höhe 
von  3,2  cm  über  der  Ausbauchung  den  fast  ganz  gerade  abgeschnittenen,  nur  4  mm 
dicken  Rund. 

Dieses  Gefäss,  obwohl  recht  hart,  ist  doch,  seiner  geringen  Dicke  wegen,  auf- 
fallend leicht.  Es  ist  aus  freier  Hand  geformt,  wenig  gebrannt,  von  schwärzlich 
grauer  Farbe  und  ziemlich  glatt  an  der  Oberfläche.  Auch  das  Material  erscheint 
sehr  gleichmässig  und  dicht,  nur  hier  und  da  durch  glitsernde  Flächen  eckifi;er  6e* 
Steinsbrocken  unterbrochen. 


(432) 


Auf  eiüer  Seite  sitzen  in  eioer  Eotferoung  vod  6  cm  von  einander  zwei  tod 
unten  nach  oben  durch  enge  senkrechte  Locher  durchbohrte  platte 
Knopfe;  ihre  Basis  hat  eine  Länge  tod  25  mm,  ihr  &eier  Rand  geht  in  einen  5  mm 
abstehenden  Vorspning  aus.  Die  Durchbohrungsstelle  ist  nicht  genau  centrirt,  der 
ganze  Knopf  nicht  besonders  sorgfältig  gearbeitet.  Sonderbarerweise  findet 
sich  weder  auf  der  entgegengesetzten  Seite,  noch  sonst  an  dem  Ge- 
fässe  ein  ähnlich  er  Knopf,  so  dass  man  annehmen  muss,  dasselbe  sei  an  der 
Schour^  welche  durch  die  OefiFonngeii  der  Knöpfe  gezogen  war,  nur  währe  od  der 
Zeit  des  Niehtgebraticbes  aufgehängt  worden. 

Die  Ornamente  diesem  Gefasses  stiEnmeQ  mit  denjenigen  des  unter  Nr.  1  be* 
schrieben  en  im  Wesentlichen  überein.  Zwischen  den  Henkel  knöpfen  und  in  ihrer 
Höhe  ist  das  Gefass  mit  d  übereinander  gelegenen,  tief  eingedrückten  Punktreihen 
oder  Perlscbuüren  umgeben;  eine  vierte  ähnliche  Reihe  liegt  diubt  unter  dem 
Rande.  Die  einzelnen  Funkte  oder  Grübchen  sind  nur  sehr  viel  kleiner,  als  im 
dem  anderen  Gefäss;  ausserdem  sieht  man  im  Mittelpunkt  jedes  Grübchens  einen 
kleinen  centralen  Zapfen  stehen,  woraus  hervorgeht,  dass  die  Grübchen  mit  einem 
hohlen,  aber  engen  Cylinder,  etwa  mit  einem  Strohhalm  oder  einer 
durchschnittenen  Federpose  eingedrückt  sind.  Dass  dies  aus  freier  Hand 
geschehen  ist,  dafür  spricht  nicht  nur  die  Unregelmässigkeit  vieler  Grübchen,  aoa- 
dern  noch  mehr  die  geringe  Geoauigkeit  der  Parallelreihen.  Auch  auf  der  Fläche 
des  Randes  sieht  man  eine  Reihe,  jedoch  ganst  seichter  und  etwas  grösserer  Tupfea. 
Der  Raum  zwischen  der  oberen  Perlreihe  und  den  3  unteren  ist  mit  gans  ähn- 
lichen, schiklformigen  Dreiecken  in  einer  zusammenhängenden  Reibe  bedeckt, 
wie  wir  sie  bei  dem  vorigen  Gefässe  kennen  gelernt  haben,  nur  dass  jedes 
Schild  nur  4  eiDgeschachtelte  Dreiecke  enthält.  Dabei  leigt  sich  jedoch  noch  eine 
andere  Eigenthiimlichkeit:  in  den  sehr  tiefen  Furchen  der  Seitenlinien  erkennt  man 
feine,  quere,  etwas  schräg  gestellte  Scheidewände,  so  dass  die  Linien 
fast  dem  BindfadenornaraeDt:  gleichen,  während  sie  sicher  nicht  durch  Eindrücken 
eines  gedrehten  Fadens  hergestellt  sind.  Dazu  sind  die  durch  die  Scheidewände 
gebildeten  kleinen  Fächer  zu  scharfrandig  und  eckig.  Ich  möchte  vielmehr  an- 
nohöieo,  dass  diese  Fächer  zur  Aufnahme  weisser  Farbe  bestimmt  waren* 
Obwohl  sich  davon  an  diesem  Gefässe  mit  Sicherheit  nichts  wahrnehmen  lüsst,  so 
werde  ich  doch  nachweisen,  dass  den  damaligen  Menschen  diese  Technik  be- 
kannt war. 

3.  Ein  höheres  Kugelgefäas  (Taf.  VII  Fig.  3),  gleichfalls  am  Kopfende  des  Ge* 
rippes  gefunden,  Nr.  5  bei  Hrn»  v.  Sirckert.  Dieses  sehr  rot-rk würdige  Stück  hat  ino 
Ganzen  eine  eiförmige  Gestalt,  einen  völlig  kugelförmig  abgerundeten  Boden  und 
einen  engen  niedrigf^o  Hak.  Es  ist  26  cm  hoch  und  an  der  Mündung  8,  am  Bauche 
17,5  cm  weit.  Material  und  Aussehen,  wie  bei  dem  vorigen.  Der  Mündnoggrand 
ist  ganz  glatt,  der  Hals  fast  gerade,  etwa  4  an  hoch.  An  demselben  sitzen,  ein- 
nndt^r  gegenübergestelU,  zwei  breite^  ganz  flach  angedrückte  „Henkel*',  weiche  dichl 
unter  dem  Rande  beginnen  und  sich  fast  ohne  alle  Erhebung  bis  zum  Anfang  des 
Bauches  fortsetzen,  indem  sie  eine  ganz  enge,  plattrund liehe  Oeffnuug  zur  Atifnahnne 
einer  Schouv  lassen« 

Auch  hier  wiederholen  sich  die  Ornamente  der  beiden  vorigen  Gefässe,  Perl- 
schnure und  Schilder,  jedoch  in  etwas  mehr  künstlerischer  Combination,  und  es 
treten  ausserdem  noch  das  Zickzack-  und  das  Sparren  Ornament  hiosu.  Die 
Schilder  sind  in  zwei  Reihen  aDgebracht;  eine,  aus  41inigen  Schildern  zusammeo* 
gesetzte  am  Halse,  dicht  unter  dem  Rande,  und  eine  zweite,  aus  51inigeD  Scbildem, 
denen  aussen  noch  eine  Ferllinie  hinzugefugt  ist,  am  oberen  Theile  des  Bauches,  unter 


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(433) 

den  Henkelansätien.  In  der  oberen  Reihe  ist  einmal  das  Sparrenomament  mit 
nach  oben  gerichteten  Winkelspitzen  eingeschoben ;  dasselbe  ist  auch  auf  der  Fläche 
der  Henkel  angebracht.  Unter  der  oberen  Reihe  der  Schilder,  noch  am  Halse, 
folgen  zunächst  übereinander  zwei  Perlreihen;  darunter,  schon  am  Anfange  des 
Bauches,  2  weit  ausgelegte  Zickzacklinien.  Dann  erst  (olgt  die  zweite  Schildreihe. 
Auf  diese  Weise  entsteht  um  den  ganzen  oberen  Theil  des  Gefässes  eine  breite, 
höchst  geföllige  Bordüre. 

4.  Ein  zweites,  jedoch  gar  nicht  verziertes  Kugel gefäss  (Fig.  4),  gefunden 
am  Fussende  des  Gerippes,  Nr.  7  bei  Hrn.  v.  Erckert.  Es  ist  19  cm  hoch,  an 
der  Mündung  9,  am  Bauche  15  cm  weit,  am  Boden  ganz  kuglig,  mit  einem  geraden, 
3,8  cm  hohen,  ganz  einfachen  Halse  und  4,  in  regelmässigen  Abständen  von  ein- 
ander um  den  Anfang  des  Bauches  gestellten,  horizontal  durchbohrten,  henkelartigen 
Knöpfen.  Das  Gefäss  ist  äusserlich  sehr  rauh  und  inkrustirt,  so  dass  man  die  Be- 
schaffenheit seiner  ursprünglichen  Oberfläche  schwer  beurtheilen  kann.  — 

Diese  4  Gefässe  würden,  auch  wenn  sie  sonst  keine  besonderen  Beziehungen 
hätten,  ein  besonderes  Interesse  erregen,  nicht  nur  wegen  des  Styles  und  der  Or- 
namentik, sondern  schon  um  des  ümstandes  willen,  dass  sie  bei  aller  Yerschieden- 
artigkeit  im  Einzelnen  doch  eine  ersichtlich  zusammenhängende  Reihe  darstellen. 
Ich  werde  darauf  zurückkommen.  Viel  wichtiger  aber  ist  das  chronologische  Interesse. 
In  dem  Grabe  von  Janische wek  fand  sich  ausser  den  Thongefässen  und  dem  Ge- 
rippe nichts  als  eine  archaische  Bernsteinscheibe  und  ein  nicht  minder  archaisches 
„Falzbein**  von  Knochen  (vergl.  Verh.  1879,  S.  434 — 35).  Nur  in  einem  benach- 
barten Grabe  mit  ähnlicher  Steinsetzung  traf  man  ein  Metallplättchen,  vielleicht  ein 
Messer  oder  eine  Säge,  deren  Material  bei  der  chemischen  Analyse  als  Kupfer 
erkannt  wurde  (1880,  Verb.  S.  330).  Ich  hatte  schon  damals  aus  der  Gesamintheit 
der  Funde  geschlossen,  dass  es  sich  um  Gräber  der  Steinzeit  handle,  welche  dem 
Beginn  der  Metallzeit  nahe  liegen. 

Die  Sendungen  des  Generals  v.  Erckert  im  Jahre  1881  erwiesen  nicht  nur 
die  Richtigkeit  dieser  Diagnose,  sondern  auch  die  weitere  Verbreitung  derartiger 
Gräber  in  Cujavien.  Ich  darf  in  letzterer  Beziehung  auf  den  ausführlichen  Bericht 
verweisen,  welchen  ich  über  die  Fundstücke  dieser  Periode  in  der  Sitzung  vom 
20.  November  1880  (Verh.  S.  319  ff.)  erstattet  habe.  Ich  will  daraus  nur  hervor- 
heben, dass  polirte  Aexte  aus  Feuerstein  in  Gräbern  bei  Faliszewo,  Chotel  und 
Swerczynek  zu  Tage  kamen  nnd  dass  ornamentirte  Thonscherben  und  zwar  mit 
den  sehr  charakteristischen  tiefen  und  scharfen  Eindrücken  oder  Einschnitten  von 
Faliszewo  *),  Tymin,  Swerczynek  und  Czarnocice  eingeliefert  wurden.  Darunter  kommt 


1)  Auf  einer  anderen  Stelle  in  Faliszewo,  in  einem  Garten  des  Besitzers,  wie  es  scheint 
nicht  in  einem  Grabe,  wurde  ein  anderes,  sehr  schönes  Tbongefass  ausgegraben  (Verh.  1880, 
S.  319),  welches  mir  gleichfalls  erst  im  Jahre  1881  zugegangen  ist  und  welches  ich  daher 
hier  mitbehandeln  will  (Taf.  VII  Fig.  5),  obwohl  es  sichtlich  mit  der  neolitbischen  Zeit  und 
den  übrigen  Thongefässen  nichts  zu  tbun  bat.  Es  ist  eine  schöne  glatte  schwarze  Vase  von 
ganz  klassischer  Form,  einem  grossen  Pokal  ähnlich  und  mit  einem  (nicht,  wie  Hr.  v.  Er- 
ckert sagt,  mit  zwei)  Henkel  versehen.  Sie  ist  fast  18  cm  hoch,  am  Boden  11,  am  Bauch 
über  24  cm  weit.  Von  dem  platten  nnd  engen  Boden  an  erhebt  sich  ein  engerer  Theil, 
gleichsam  ein  Fuss,  der  sich  nach  oben  kelchartig  erweitert  bis  zu  der  stärksten  Ausbanchung, 
welche  kantig  vortritt  und  nach  oben  durch  einen  scharfen  Absatz  begrenzt  wird.  Von  hier 
an  beginnt  ein  kurzer,  nur  25  mm  hoher,  etwas  eingedruckter  Hals,  der  in  einen  dicken  vor- 
springenden Rand  übergeht.  Der  einzige  Henkel  ist  stark  vorgewölbt  und  mit  einer  Oeffnnng 
versehen,  welche  die  Koppe  des  kleinen  Fingers  zul&sst.  Er  beginnt  breit  am  Rande  und  setzt 

Verhaadl.  der  Berl.  AathropoL  GMellsebtft  188S.  28 


(434) 


hier  ganz  besoüders  in  ßetracbt  ein  Scherben  von  Tymin  (Verh.  1880  S.  325  Fig. 
welcher  ausser  eiDfacheD  lioearen  EinritzuDgen  sowohl  das  Sparrenornameot, 
aJs  die  geritzte d  Schilder  zeigt,  welche  uns  bei  dea  Töpfeu  tod  JaDischewek 
beschäftigte D,  sowie  ein  zweiter  ?od  eben  daher  mit  dem  Scbnuroruanient,  ao 
dem  die  Eioritzungen  mit  einer  weissen  kreideartigen  Masse  gefüllt 
gewesen  zu  sein  scheinen.  Ganz  voruehmlieh  aber  ein  Randstuck  von  Faüszewo 
(Ebendas.  S,  323  Fig.  5),  glänzend  und  schwarz,  mit  mehrfachen  tief  eiogedrnckten 
Verzieiungeo,  nameotlich  Ziokzackllnieii;  und  einem  Ornament^  das  zwischen 
einem  Blattkranze  und  einer  Reihe  von  Fisch grähteii  oder  von  Sparren  in  der  Mitte 
steht,  und  zugJeicb^  was  ganz  besonders  hervorzuheben  ist,  mit  einer  breit  an  ge- 
setzten, platten  und  von  oben  nach  unten  eenkrecbt  durchbohrteu  Anaa 
lunata  versehen  ist 

Ich  habe  damals  eingehend  diese  Thonüberreste  besprouben,  insonderheit  auch 
das  Vorkommen  analoger  in  sächsiacheii  Bezirken  hervorgehoben,  unil  die 
Debereinstimmung  der  spnkrechten  Durchbohrung,  tier  eigenthümlichen  Gestalt  und 
Anselzung  der  Henkel,  sowie  der  Zeichnung  der  Ornamente  mit  trojanischem 
Topfgeräth  nachgewiesen*  Obwohl  meine  Ausführungen  ziemlich  unbeachtet  ge- 
blieben zu  sein  scheinen,  so  mag  es  hier  doch  genügen,  auf  ihre  Existenz  hioge- 
wiesen  zu  haben.  Auch  will  ich  über  eine  Reihe  gleichaltriger  Funde  aus  Pom- 
mern hier  weggehen,  deren  Vorhandeosein  im  Stettiner  Museum  ich  bei  Gelegen- 
heit unserer  Excursion  dahin  erwähnt  habe  {Sitzung  vom  15.  Juli  1882,  Verh. 
S.  441).  Nur  beiläufig  sei  bemerkt,  dass  sich  auch  im  Königlichen  Museum  a&u 
Berlin  (1,  2026)  ein  hierher  gehöriges,  grosses,  schwarzes  Gefäss  von  Stargard  io 
Fümmern  befindet,  das  sowohl  das  Schnur-,  als  das  Stichornament  und  zwar  in 
Zickssacklinien  zeigt. 

Dagegen  mochte  ich  noch  ein  Paar  Fund* 
Btellen  aus  polnischen  Gebietstheilen  auf- 
führen. Zunächst  eine  don  kujavischen  nahe 
benachbarte-  In  meinen  Notizen  aus  dem 
Jahre  1875  finde  ich,  dass  ich  im  archäolo- 
gischen Cabinet  der  Krakauer  Universität 
eine  Urne  von  Wies  Koscielna  am  Goplo- 
See  sah,  welche  mit  derauf  Taf.  VII  Fig.  3 
in  vielen  Stücken  verglichen  werden  kann, 
Sie  ist  nach  unten  kuglig  abgerundet,  hat 
einen  ganz  ähnlich  gebildeten  kurzen  Hals« 
einen  gleicbfatls  ganz  ähnlichen,  mehr  an- 
gedruckten Henkel  und  endlich  ganz  ana- 
loge eingeritzte  Verzierungen.  Ich  gebe  einen 
Holzschnitt  (Nr.  1)  davon  nach  einer  Hand- 
zeichnurig,  welche  mir  damals  Hr.  von  Sa- 
düWäki  machte. 

Eine  zweite,  freilich  noch  etwas  ach  wie- 
rige  Stelle  liegt  weiter  nordlich  zwischen 
Schneidemubl  und  Nakel  am  rechten  Netze- Ufer.  Ich  erhielt  von  dem  Ritterguts- 
besitzer   Tesemar    zu   Eichenhagen    (bei    Bialoslive    oder  Weisseuhöhe,     Ostbahn) 


Hokacbnitt  1. 


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obenao  t»reit  an  der  K^nte  de«  Bnucbes  an;  in  der  Mitte  dagegen  verschmälert  er  sich  zu 
•iiitlii  ganz  runden,  nur  5  tmi  dicken  Theil.  —  Das  Qefis«  scheint  unzweifelhaft  der  Eisen- 
zeit anzugehören. 


(435) 


emen  Brief  vom  12,  September  nebst  einem  recht  gut  erhaltenen,  hypsidoJicho- 
cephaleu  Schädel  ynii  folgendem  Fundbericht: 

„Die  Ausgrabung  fand  auf  der  südwestlich  vom  Gutsgeböft  ao  der  Strasse  nach 
Weissenhöbe,  nahe  dem  Rande  des  Nclzethals  belegenen  Hochfläche  statt  Die , 
Ausgrabungsstelle  war  durch  viele  Steine  und  eine  kleice,  jedoch  bereits  stark  ab- 
gepflügte  Bälden erhebung  aufgefallen.  Auf  derselben  waren  bereits  früher  Splitter 
Ton  Feuersteinen  und  ürnenBcherbenj  unter  anderen  die  unter  Nr.  1  beigefügten,  ge- 
funden worden.  Am  8.  d.  Mon.  wurde  ebendaselbst  in  einem  Steingrabe  ein  voll- 
ständiges, jedocb  bereits  sehr  vermorschtes  Gerippe  aufgefunden.  Dies  bewog  micb 
am  10.  in  Gegenwart  des  Herrn  Lantlrichters  Scblötke  aus  Berlin  und  meines  In- 
spektors eine  neue  Ausgrabung  vornehmen  zu  lassen.  Bei  dieser  wurde  dicht  unter 
der  ca.  2  Fuss  starken  Ackerkrume  eine  Steinkiste  aus  grossen  flacbea,  unbehauenen 
Steinen  gefunden  j  dieselbe  war  bereits  eröffnet  oder  zerstört,  und  es  wurden  in  ihr 
nur  viele  grosse  und  kleine  ürnefischerben  und  Feuersteinsplitter  gefunden.  Der 
Boden  der  Kiste  bestand  aus  grossen  flachen  Steinen  Nach  Abhebung  derselben 
wurde  etwa  einen  Fuss  unterbalb  derselben  in  der  Erde  ein  vollir-tändiges,  gut  erhal- 
tenes Gerippe  gefunden^  welcbes  noch  anscheinend  unberührt  in  seiner  ursprüng- 
lichen Lage  sieb  befand.  Dasselbe  lag  von  Osten  nach  Westenj  die  Füsse  nach 
Osten,  auf  dem  Kücken,  die  Arme  ausgestreckt  dicht  am  Leibe,  und  war  vom  Fuss- 
knöcbel  bis  zur  Höbe  des  Scbulterknochens  1,45  m  lang.  Der  Kopf  lag  auf  der 
linken  Geaichtsseite,  der  Brustkasten  war  von  oben  eingedrückt  An  der  linken 
Seite,  nahe  der  linkeß  Hand  wurde  das  unter  Nr.  2  beigefugte  Metallstück  ge- 
funden, daneben  die  Metallstücke  Nr  3.  Am  Fuasende  wurde  das  Stück  Nr.  4  und 
ein  ganz  runder  Kieselstein  gefunden.  Ausserdem  befanden  sich  mehrere  Urnen- 
scherben, Nr,  i)j  und  Feuersteinsplitter  in  der  Erde  neben  und  iiber  dem  Gerippe; 
unter  demselben  lag  die  Kohle  Nr.  6.  Ausserdem  wurde  über  den  Decksteinen  des 
Grabes  der  Zahn  eines  grossen  Thieres  gefunden,  welcher  jedocb  abbanden  gekom- 
men ist  Der  Schädel  des  Gerippes  ist  der  beigefügte^  die  übrigen  Knochen  zerhelen 
beim  Herausbeben. 

^Es  befinden  sich  anscheinend  noch  mehrere  uneröffnete  Bteingräber  an  der 
Ausgrabungsstelle.  In  der  Nabe  derselben,  etwa  3—400  Schritt  entfernt,  habe  ich 
vor  einigen  Jahren  einen  sauber  gearbeiteten,  scharfen  Streitkeil  von  Feuerstein 
gefunden.**  — 

Der  eine  der  von  Hrn.  Tessmar  als  Nr.  1  erwihnten 
Scherben {Holzschn.  2)  ist  von  ungewöhnlicher  Dicke {1, 5 üt«) 
und  Festigkeit,  von  ziemlich  gleich  massigem ,  aussen  und 
innen  fast  glattem,  rot  blieb  grauem  Aussehen  und  etwas 
stärker  gebrannt.  Seine  Oberfläche  zeigt  eigeiithümliche, 
tiefe  und  breite,  unregelmässige  Ornamente,  welche  an- 
scheinend grössere  freie  Felder  umgrenzt  haben.  Zwei 
tiefe  Faraliellinien  laufen  in  der  Nähe  des  einen  Bruch- 
randes gerade  herab  und  geben  unter  etwas  stumpfem 
Winkel  jaderseits  in  zw^ei  analoge  Horizontal  furchen  über. 
Längs  derselben  und  senkrecbt  darauf  stehen  dicht  anein- 
ander kürzere,  durchschnittlich  1  cm  lange,  ziemlich  gerade 
Einkerbungen,  welche  bis  nahe  an  die  ßegrenzungslinien 
reichen;  die  unteren  sind  in  der  Weise  ausgeführt,  dass 
sie  am  inneren  Ende  in  ein  rundes  Grübchen  auslaufen,  dagegen  in  der  Mitte  sehr 
seicht  sind;  die  übrigen  sind  ganz  gleichnaässig  ausgeführt  und  laufen  mehr  spitz 
aus.  —  Der   andere  Scherben  (Holzschn.  3)   stammt   off'enbar   von    einem    anderen 


Holzschnitt  2. 


(436) 

Holzschoitt  3.  Gefiase,  das  nur  5  mm  didc  war;  er  ndst  ioflBeriidi  grmo  am^ 
zeigt  aber  fiberall,  wo  er  abgerieben  wird,  ziegelrodie  FlSchen, 
fflOM  also  stark  gebrannt  gewesen  sein.  Am  einen  Ende  steht 
ein  abgebrochener  knop&rtiger  Tonprung  schräg  herror,  hinter 
dem  eine  qnere  Vertiefung  liegt,  offenbar  der  Ueberrest  eioes 
kleinen  offenen  Oehrs.  Von  beiden  Seiten  desselben  zieheD, 
etwas  diTer^rend,  tief  eingeritzte  Linien  und  zwar  aof  der 
besser  eriialtenen  'Krediten)  Seite  2  herab.  Aach  hier  ist  die 
Mitte  des  so  umgrenzten  Feldes  frei  (unter  dem  Oehr),  wäh- 
rend die  Seiten  gleichfalls  Ton  kleinen  Einzeichnungen,  die  senkrecht  gegen  die 
Linien  gerichtet  sind,  eingenommen  werden.  Sie  stellen  jedoch  keine  Striche  dar, 
sondern  Reihen  Ton  kleinen  rundlich-riereckigen  Grübchen,  welche  durch  sdiiäges 
Eindrücken  einer  breiten  Spitze  erzeugt  sind. 

Von  den  sonstigen  Fondstücken  ist  ein  Theil  ohne  Bedeutung.  Nr.  4  ist  ein 
Stück  Sphärosiderit,  also,  wie  der  runde  Kiesel  (Feuerstein),  ein  Naturprodukt. 
Auch  die  Feuersteinsplitter  sind  Ton  keiner  charakteristischen  Form.  Dagegen 
findet  sich  unter  den  Scherben  Nr.  5  ausser  ein  Paar  dicken,  stärker  gebrannten, 
rothlichen  Stücken  ein  nicht  Terziertes,  schwarzes,  glänzendes  Randstuck  too  feine- 
rem Aussehen  und  ein  zweites,  gleichfalls  schwarzes  und  glattes,  dünnes  Rand- 
stück, welches  dicht  unter  dem  Rande  ein  ganz  ähnliches  Ornament,  wie  Holz- 
schnitt 2,  trägt:  eine  Reihe  kurzer,  senkrechter,  dicht  an  einander  stehender,  tief 
eingeritzter  Striche  und  darunter,  dicht  anschliessend,  eine  Art  Ton  grobem  Winkel- 
omament  mit  sehr  dicken  Schenkeln  und  nicht  ganz  geschlossenen  Winkeln.  Am 
auffalligsten  ist  aber  das  Metallstack  Nr.  3.  Dasselbe  besteht  aus  einem  unregel- 
mässigen, stark  verrosteten  Eisen  klumpen,  über  welchem  ein  dünnes,  gebogenes, 
grün  patinirtes  Bronzeblech  liegt.  Ein  davon  abgelöstes  Blechstück  trägt  einen 
kurzen  Bronzeniet  mit  plattem  Ende.  Das  Ganze  sieht  von  aussen  einem  Bmch- 
stück  vom  Griffe  eines  Eisenschwertes  ähnlich.  Es  muss  ferneren  Untersuchungen 
vorbehalten  bleiben,  ob  diese  Gräber  der  Eisenzeit  angehören. 

Schon  früher  war  jedoch  bei  demselben  Orte  ein  Thongefass  gefunden  worden, 
welches  durch  Vermittelung  des  Hrn.  W.  Seh  war  tz  an  das  Königliche  Museum 
gelangt  ist  (Tai.  VUI,  Fig.  1.  Katalog  des  Museums  l.  5464).  Dasselbe  hat  unge- 
fähr die  Form  eines  modernen  Champagnerkühlers  oder  auch  eines  Blumentopfes. 
Es  ist  sehr  roh,  äusserlich  rauh,  von  rothgelber  Farbe  und  stärker  gebrannt.  Seine 
Höhe  beträgt  15,5,  der  Durchmesser  des  Bodens  9,5,  der  der  Mündung  12  cm.  Der 
Boden  ist  platt,  die  Wand  gerade,  aber  etwas  schräg  nach  aussen  ansteigend,  der 
Rand  etwas  vorgebogen,  die  Mündung  weit  Unter  dem  Rande  sind  4  Reihen  des 
Schnurornamentes  dicht  übereinander  angebracht;  daran  schliessen  sich  nach 
unten  5  grosse,  mit  den  Spitzen  nach  unten  gerichtete  Dreiecke,  deren  eine  Seite 
durch  eine  doppelte  Linie  bezeichnet  ist,  während  im  Üebrigen  ihre  Fläche  durch 
8 — 9,  der  anderen  Seite  parallele  Linien  schraffirt  ist.  Alle  diese  Linien  zeigen 
gleichfalls  den  Schnureindruck.  Ziemlich  tief,  fast  in  der  Höhe  der  Dreiecksspitzen, 
tritt  ein  starker  henkelartiger  Knopf  hervor.  (Ein  einigermaassen  ähnliches  Ge- 
fäss  bei  Madsen,  Antiquites  preh.  du  Danemark,  age  de  la  pierre  Fl.  44,  Fig.  15.) 
Vielleicht  dürfte  sich  hier  ein  von  Kasiski  (Beschreibung  der  vaterl.  Alter- 
thümer  im  Neustettiner  und  Schlochauer  Kreise.  Danzig  1881,  S.  46  Taf.  IV  Fig.  64, 
jetzt  im  Königlichen  Museum  zu  Berlin  Nr.  I  b,  33)  beschriebenes  Gefässstück  an- 
schliessen,  dass  bei  Zechlau  im  Kreise  Schlochau  in  einem  kleinen  Erdhügel  ge- 
funden wurde.   Jedenfalls  gehören  hierher  die  von  mir  in  der  Sitzung  vom  28.  Juni 


(437) 

1875  (Verb.  S.  159)  erwabnteu  Scherbeo  von  einer  Insel  im  Primenter  See,  welche 
deutlich  das  Bindfaden-  oder  Kettenoroament  zeigten,  — 

Die  neuen  Mittheilungen,  die  ich  heute  machen  möchte^  sind  hervorgerufen 
durch  die  ÄDknöpfungen,  welche  wir  durch  Hrn,  Ho Jl mann  in  Tangermünde  ge- 
wonnen haben  und  über  welche  in  der  Sitaung  vom  lü.  Februar  (Verh.  S.  150)  be- 
richtet worden  ist.  Es  stellte  sich  bei  Gelegenbeit  des  Besuches,  den  wir  selbst 
im  Juoi  in  Tangermünde  abstatteten  (Sitzung  vom  21.  Juli,  Verk  S.  371),  heraus, 
dasB  da  zweierlei  Gräberfelder  nebeneioaüder  Hegen:  eines  mit  Leichenbrand,  welches 
Geräthe  enthält,  die  in  vieler  Beziehung  »n  unsern  Lausitzer  Typus  erinnern,  und 
eines  mit  Bestattung  der  Leichen,  mit  Skeletgrabern,  welches  einer  viel  älteren 
Zeit  angeh5rt  und  in  der  Hauptsache  sich  anschliesst  an  Funde,  welche  mao  der 
jüngsten  Steinzeit  zurechnet.  Ich  habe  seit  dieser  Zeit  Gelegenheit  gehabt,  auf 
einer  Reise,  die  ich  im  October  durch  Anhalt  und  die  nordlichen  Grenzgebiete  des 
Harzes  machte,  mehrere  Lokalsaramlungen  zu  durchmustern^  welche  in  dorn  Gebiet 
von  der  Saale  an  nordwestlich  bis  nach  Halberstadt  sich  vorfinden,  Bei  der  Yer- 
gleicbung  stellte  es  sieb  heraus^  dass  dort  eine  grosse  Reihe  paralleler  Fund  gegen- 
stände vorbanden  ist  und  dass  wir  in  TaDgermünde  gewissermaassen  an  den  nord* 
liebsten  Zipfel')  eines  grossen  Gebietes  gelangt  sind,  welches  sich  sowohl  nördlich 
als  südlich  vom  Harz  nach  Westen  erstreckt,  sich  durch  Westfalen  und  Thüringen 
fortsetzt  und  noch  jenseits  des  Rheins  in   gewissen  Erscheinungen  bemerkbar  wird. 

An  allen  diesen  Orten  hat  man  aus  Skeletg rabern  Thongefasse  gewonnen, 
deren  Technik  und  Ornamentik  in  einer  ganz  besonderen,  wenn  auch  etwas  mannich- 
faltigen  Weise  sich  darstellt.  Einerseits  zeigen  sie  das  bekannte  Bindfaden-  oder 
Scbnurornament,  so  genannt,  weil  es  so  aussieht,  als  sei  ein  gedrehter  Faden, 
eine  mehr  oder  weniger  dicke  Schnur  so  tief  in  den  weichen  Thon  hineingepresst 
worden,  dass  die  Form  sich  abgedrückt  hat  Indess,  das  Bindfadenornanient  bildet 
nur  einen  Theil  einer  grosseren  Reihe,  wie  es  schon  vor  liingerer  Zeit  von  Herrn 
Klopfleiscb  (Die  7.  allgemeine  Versammlung  der  deutschen  Gesellschaft  für  An- 
thropologicj  Ethnologie  und  Urgeschichte  zu  Jena  1876,  S*  74)  an  thüringischen 
Sachen  entwickelt  ist  und  wie  es  In  neuester  Zeit  Hn  Tischler  (Schriften  der 
phjsik.-ökonomiscben  Gesellschaft  zu  Königsberg,  Jahrg.  XX[1I,  1882  S.  17; 
Jahrg*  XXIV,  1883  S.  112}  für  ein  grösserem  Gebiet  von  nordischen  Funden,  welche 
sich  durch  PretiBsen  bis  nach  Russland  hinein  verfolgen  lassen,  nachgewiesen  hat 
Man  kann  über  die  Art  der  Technik,  wie  im  Einzelnen  diese  Zeichnungen  hervor- 
gebracht sind,  eine  verschiedene  Meinung  haben.  Hr.  Tischler  hat  gewisse  In* 
Btrumente,  namentlich  Knochenpfrieme  und  Feuersteinsplitter,  in  nächste  Beziehung 
damit  gebracht.  Ich  gebe  das  ganz  anheim.  Die  Mannichfaltigkeit  der  Eindrücke^ 
Einstiche  und  Einschnitte  scheint  mir  mit  Noth wendigkeit  eine  Mehrzahl  von 
Hulfsmitteln  vorauszusetzen.  Die  Hauptsache  für  uns  bleibt  das  diagnostische  Ele- 
ment, da  wir  darauf  halten  müssen,  möglichst  dahin  zu  kommen,  die  uns  erschlossenen 
archäologiscbeD  Pfade  weiter  zu  verfolgen  und  das  Gebiet,  das  sich  hier  aufthut,  in 
genauester  Weise  festzustellen»  Mix  scheint,  dass  dasjenige  Moment,  welches  am 
meisten    aulfallend    hervortritt   in    diesen   verschiedenen  Bindfaden-  und  Stichorna- 


1)  Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  sich  auch  noch  weiterhin  in  der  AUmark  ähDliche 
Fundstellen  ergeben  werden.  Eine,  scheinbar  hierher  gehörig©  Urne  mit  horizontal  achraffirten 
Dreiecken  und  einem  senkrecht  und  doppelt  durcbbehrten  breiten  0 ehr  erwähnt 
T,  Led  ebur  (Das  Küiiigliche  MuBeum  valerläudischer  AUerthümer,  S.  114,  Taf.  11  Nr.  1,  82) 
wn  Güssefeld  im  Kreise  Sahwedel,  freilich^  wie  er  selbst  angiebt,  uoter  sonst  sehr  abweichen- 
den Oefissen.  Auch  findet  sich  eine  spätere  analoge  Eiwerbaug  aus  der  Aitmark  unter 
I«  2078  im  Köuiglkheo  Museum. 


(438) 

roeoleo,  den  Tupfen  und  wie  Qian  sie  sonst  genannt  bat,  das  am  meisten  charakte- 
ristische, worauf  sich  die  Abgrenzung  der  Local gebiete  gründen  llsst,  die  unge wohn- 
liche Tiefe  d^er  Ornamente  ht  Die  Mehrzahl  der  Lioien  und  sonstigen  Zeich- 
nungen ist  tief  hineingezogen  und  zum  Theil  hineingedrückt  in  den  Thon,  xu- 
weilen  sogar  durch  atempeSartige  Instrumente.  Dagegen  tritt  das,  was  die  näcliste 
Periode,  die  eigentliche  ßroDxezeit  darbietet,  ganz  in  den  Hintergrund.  Ich 
mochte  das  zunächst  an  Tangerni  Finder  Funds  tu  cken  darlegen. 

Das  Gräberfeld  an  der  Ziegelei  vor  Tangerruünde  hat  eine  gewisse  Zahl  sehr 
ausgezeichneter  Thongefasse  mit  Tiefornamentik  geliefert.  Die  schönsten  und  best- 
erhaltenen, über  welche  ich  schon  neulich  kurz  berichtet  hahe  {Sitzung  vom  21,  Juli, 
Verb»  S»  371),  sind  im  Besitze  des  Hrn.  v*  Aiven sieben  zu  Calbe  an  der  Müde; 
wir  sahen  sie  in  der  Ausstellung  im  Rathhause  zu  Tangernumde.  Leider  ist  ea 
mir  nicht  möglich  gewesen,  diese  Stücke  hier  vorzulegen-^  wie  ich  gehofft  hatte. 
Ich  muss  mich  daher  darauf  beschränken,  auf  das  früher  Gesagte  zu  verweisen*). 
Von  den  neuerlichen  Ausgrabungen  ist  mir,  ausser  einem  Paiir  nachher  zu  erwäh- 
nender Gefässe,  ein  kleines  Bruchstuck  zugegangen,  welches  aHein  schon  ganx 
charakteristisch  ist  (Holzschn,  4).    Es  ist  stark  gewölbt,  äusserlich  schwärzlich  und 

Holzschnitt  4, 


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Wvv^v?! 


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k**=Tf-*j*»":^  -^  *'  "^ 


Natfirlichö  Grösse, 

etwas  uneben,  und  zeigt  zweierlei  Ornamente,  welche  beide  sehr  tief  eingedrückt 
sind:  einerseits  kleine  abgerundete  viereckige  Grübchen  mit  etwas  vorstehendem  Cen- 
trum^    welche  in  nicht  ganz    regelmässigen  Reihen   schachbrettartig  angeordnet 


1)  Nachtraglieh  habe  ich  durch  die  Gute  des  Hra,  v,  Älvensleben  Abbildungen  von 
Ö  »eiuer  Gef&sse  erhalten,  wofür  ich  ihm  meinen  besten  Dank  abiitiitte.  Das  eine  derselben 
stimmt  in  der  Form  uberein  mit  dem  auf  Tu f,  VII  Fig.  B  darpestellttn;  nur  ist  der  Henkel 
Tüllständi^  erbalten  und  das  Ornament,  obwohl  aus  denselben  A  förmigen  Einstichen  tu- 
sammengesetrt,  besteht  aus  S  obere»  und  mehreren  nnteren  boriicontalen  Ziekzacklinien  und 
ans  einer  grossen  Zahl  senkrechter,  zwischen  diese  beiden  Gruppen  eingeschobener  Büuder 
au»  Doppelwinkeln  VV*  —  Ein  zweites  Gefass,  djiss  am  Rande  stark  verletzt  ist^  bildet  einen 
weiten  Henkeltopf  mit  engem  Boden^  um  dessen  ßuucli  ein  Hin^  seiir  üeferi  spindellfMrmi^Q 
Eindrücke  gelegt  ist,  —  Endlich  das  dritte  Gefass  (Tal  VI II  Fig.  %  hat  eine  sehr  zierlich« 
Vasenform,  iihrilieh  dem  auf  Taf.  VIII  Fig.  4  wiedergej^eheneti.  An  jeder  Seite  sitxt  eii 
breites,  au  seinem  Rande  ausgeschnittenes  und  daher  zw  ei  spitziges  Oebr  mit  2  senkrechll 
durchbohrten  Locherni  eine  Art  Ansa  In n ata.  Die  Ornamente  bestehen  durchweg 
aus  gestochenen  Winkeln  und  zwar  liefen  anter  dem  Habe  znnlchst  ^  horizontale  Ringe; 
dann  folgen  schachbrettartige  Gruppen  mit  freien  Feidom  dazwischen;  dann  in  der  Hohe 
der  Oehre  eine  freie  Stelle;  dimn  am  Anfange  dea  Bauches  wieder  ein  horizontaler  Ring  unitJ 
darunter  graziüse  Guirlauden,  aus  je  S  ineinander  hangenden  concentriscben  Gliedern 
stehend. 


(439) 


aiad;  andererseits  kleioe  v  ^der  u  förmige  Eindrücke»  die  in  9  Horizootalreiheo 
iJbereiDander  und  so  dicht  zu&ammenstosseod  angelegt  sißd,  dass  dadurch  eine  Zick- 
zacklinie entsteht.  Beiderlei  Verzierungen  wechseln  im  Umfange  des  Gefaases 
mit  einander  ab. 

An  diesen  Scherben  «chliessen  sich  ihren  Ornamenten  nach  ganz  nahe  an  die 
beiden  Gefässe,  welche  Hr.  Hotlmann  in  der  Februar-Sitzung  (Verh,  S,  152}  be- 
sprochen hat  und  welche  seitdem  an  das  Königliche  Museum  gelangt  sind.  Das 
eine  derselben  (Taf.  VIII,  Fig.  3;  Museums-Nr.  Ig  100)  ist  ziemlich  gut  erhalten. 
Es  ist  aus  freier  Hand  geformt  und  zwar,  wie  man  namentlich  am  unteren  Theile 
deutlich  erkennen  kann,  durch  Aufeinanderlegen  wurstförmiger  Thon- 
streifen  oder  Thonringe,  deren  Verklebung  sich  nachträglich  wieder  gelockert 
hat.  Es  ist  ferner  wenig  gebrannt,  von  dunkelgrauer  Farbe,  äusserlich  glatt  Seine 
Form  gleicht  am  meisten  der  eines  modernen  Milchtopfea;  ein  flacher  enger  Boden, 
eine  sehr  schnelle  Auslage  des  Bauches^  dessen  grösste  Ausweitung  nicht  weit  über 
dem  Boden  liegt;  darüber  ein  hober,  sich  sehr  wenig  und  sehr  langsam  verjüngender, 
bis  zu  dem  ganz  einfachen  und  glatten  Rande  gleich  massig,  nur  etwas  schräg  an- 
steigender Obertheil  ohne  eigentlichen  Hals,  An  einer  Seite  ein  leider  zerbrochener, 
grosser  und  auf  der  Fläche  4  cm  breiter  Henkel  mit  weiter  Oeffnung,  deren  Spann- 
weite in  der  äquatorialen  Auslage  des  Bauches  5  cm  betrügt;  der  untere  Ansatz  sitzt 
ganz  tief,  in  der  Nähe  der  äquatorialen  Ausbauchung,  der  obere  eine  ganze  Strecke 
unter  dem  Rande.  Die  weite,  zugleich  sehr  abstehende  Biegung,  die 
grosse  Breite  und  der  tiefe  Ansatz  der  Henkel  sind  höchst  charakte- 
ristisch.  Das  ganze  Gefass  ist  17,5  cm  hoch;  der  Boden  hat  einen  Durcbmesser 
von  7,2  cm,  der  Bauch  von  18,5  cni.  Die  Ornamente  gehören  in  dieselbe  Kategorie, 
wie  die  des  eben  beschriebenen  Scherbeuü:  es  sind  bauptsäcblich  horizontale  Zick- 
zacklinien, welche  aus  einer  Aneinanderreihung  V  förmiger  Einstiche  bestehen. 
Diese  Zickzacklinien  liegen  in  2,  durch  eine  breite  glatte  Zone  geschiedenen 
Gruppen:  einer  oberen,  aus  7  parallelen  Reihen  gebildeten,  welche  in  kurzer  Ent- 
fernung vom  Rande  beginnt,  und  einer  unteren,  aus  4  Reihen  bestehenden,  dicht  über 
der  weitesten  Auslage  des  Bauches,  Die  HeDkelgegend  ist  ganz  frei  geblieben j 
jederseits  neben  derselben  ist  ein  senkrechter  Streifen  von  15  kurzen  Querreihen, 
die  aus  je  2  zusammengestellten  y  förmigen  Eindrücken  bestehen,  angebracht 

Das  zweite  Gefass  (Taf.  VIII  Fig.  4,  Museums-Nr.  lg  101)  zeigt  eine  ganz  ver- 
schiedene Form  und  EinrichtuDg.  Es  bat  mehr  das  Aussehen  einer  regulären  Vase: 
enger  platter  Boden,  etwas  höhere  und  weniger  starke  Auslage  des  Bauches,  dar- 
über eine  stärkere,  zu  einem  wlrklicheii,  engeren  Halse  sich  zusammenziehende 
Einbiegung  und  endlich  ein  leicht  ausgebogener,  übrigens  einfacher  Rand,  Die 
Höhe  beträgt  12  cm,  der  Durchmesser  des  Bodens  6,6,  des  Bauches  16,  der  Mün- 
dung 8  cf}i.  Es  ist  gleichfalls  aus  freier  Hand  hergestellt,  von  graurötblicher  Farbe, 
äusserlich  glatt  Auf  zwei  Seiten  sitzen,  einander  gegenüber,  an  dem  eingebogenen 
Theile  die  Henkel  oder  Oebsen,  und  zwar  jederseits  2  übereinander;  dieselben 
stellen  platte,  am  freien  Rande  halbmondförmig  ausgeschnittene,  breite 
Vorsprünge  dar,  welche  von  oben  nach  unten  durch  je  2  kleine  Locher 
senkrecht  durchbohrt  sind.  Jeder  Durch  hob  rungsstelle  entspricht  demnach 
ein  kleiner  Vorsprung  des  freieu  Randes.  Dieses  höchst  gefällige  Gefass  ist  auf 
das  Reichste  mit  tief  eingedrückten,  aber  sehr  kleinen  v  förmigen  Zeichnungen  ge- 
schmückt, welche  theils  in  viereckigen,  schachbrettartig  angeordneten  Fel- 
dern, theils  in  Ringen  und  Linien  (Reihen)  angeordnet  sind.  Zu  oberst,  dicht 
unter  dem  Rande,  liegen  2  horizontale  Hinge^  dann  folgt  das  Schachbrett,  welches 
abwechselnd  aus  freien  und  aus  mit  v  förmigen  Eindrücken  besetzten^  in  4  Reihen 


(440) 


übereinaader  gestellten  Feldern  besteht.  Nnr  oebcn  der  Oehse  ist  Doch  ein  fünftes 
Feld  unten  angesetzt.  Darauf  folgt  wieder  eine  HonzontalliDie,  wie  die  oberen^ 
und  endlich  am  Bauch  senkrecbte  Reihen  oder  Liuieiij  welche  bis  über  deo  Aequator 
herabreichen.  Alle  diese  Linien  und  Felder  sind  aus  ganz  kleinen^  nebeoeinander 
gestellteu,  U  furmigen  Eindrücken  oder  genauer  Einstichen  zusaaimengesetzt,  weiche 
aas  dem  v  förmigen  Ornament  durch  stärkere  Auswolbuog  des  Winkels  h error- 
gegangen  sind.  Offenbar  sind  sie  sämmtlich  durch  Einstecheo  eines  bohleo^  schräg 
abgeschnittenen  Cy linders,  vielleicht  eines  Rohrhai mes  oder  noch  wahr^CDeiD lieber 
eines  Vogelknochens  her  vorgebracht,  denn  die  UmbiegungsstelJe  ist  stets  tief  und 
zugleich  schräg  eingedrückt^  wiihrend  die  Schenkel  seicht  auslaufen. 

Bei  den  letzten  Atisgrabungen  ist  ferner  ein,  leider  stark  zerbrochenes  grosseres 
Gefüas,    das    nur  theil weise    restaurirt  werden  konnte  (Taf.  VIII  Fig*  5),  gewooneD 
worden,    welches  in  Form    und  Verzierung  manches  Abweichende  von  den    vorigeo 
darbietet.     Obwohl    sowohl    der  Boden    und  der  Rand,    als  auch  grosse  Theile  des 
Bauches  fehlen,  so  erkennt  man  doch,  dass  der  Boden  sehr  klein  gewesen   ist;   der 
Unterbau ch  weitet  sich   schnell  gegen   den  bis  zu  lö  nii  ausgelegten  Aequator  aus, 
gleichwie  der  Oberbauch  sich  mindestens  ebenso  schnell  und  wahrscheiolich  ebenso 
stark  gegen  den  nur    13  cm  weiten  Ansatz    des  Halses   verengert.     Der  Hals  steigt 
S  cm  fast  cylindrisch  zu  der  weiten  Mundung  auf.     An  der   erhaltenen  Seite  sitzen 
am  Uebergange  vom  Halse  zum  Bauche  die  AnsatzKtücke  einer  zerbrocheneo,  engen, 
aber  verhaltnissmässig    breiten  Oehse   mit  horizontaler  Durchbohrung;    wahrschein- 
lich war  auf  der  entgegengesetzten j    günzlicb    defekten  Seite    eine  zweite  ahuJiche, 
Die  sehr  reiche  Ornamentik  zeigt  Folgendes:    Au  der  sonst  glatten  Aussenflficbe  des 
Halses  sieht  man  an  einer  einzigen  Stelle,  welche  dem  Rande  nahe  war,  eine  Reihe 
senkrechter  Eindrucke;  tiefer,  etwa  im  unteren  Drittel  der  Hohe,  sind  in  grosseren 
Abstanden  von  einander  je  2,  nahe  zuBammenstehende,  grössere,    umgekehit  v  f^' 
mige    tiefe  Einritzungen,   jede    aus    2  ineinander    geschobenen    A  bestehend.      Der 
Winkel    des   a    ist    abgerundet,      Nächstdem    folgt   au    der    Uebergaugsstelie    vom 
Halse    zum  Bauche    eine    rings    herum    laufende,    aus    nach    rechts  offenen  <  oder 
Sparrenzeichnungen  zusammengesetzte  Linien.   An  diese  schlieest  sich  eine  bis  lum 
ünterbauch    herabreicheude,    abwechselnd    aus    senkrechten    geraden   Strichen    und 
schmalen  Bändern    des    Winkel-  oder    Sparren  Ornaments    zusammengesetzte^    recht 
saubere  Verzierung.     Jedes   der  letztgenannten  Bänder  besteht  aus  einer  grosseren 
Anzahl,    gewöhnlich  8  oder  9,    übereinander    stehender,    aus  je  zwei  A  zusammen* 
gesetzter,    horizontaler  Zickzacklinien,    welche   jedoch    nur    bis    an    die  äquatoriale 
Kante  des  Bauches  reichen;  am  ünterbauch  ist  in  der  Fortsetzung  des  Bandes  jedefr- 
mal  eine  Gruppe  aus  3  oder  4  senkrechten  Pnrallellinien  angebracht.  Jedes  dieser 
Bünder    ist  zu  beiden  Seiten  seiner    ganzen  Lauge  nach  von    2  Senkrechten   einge* 
fasst;  daran  stosst  eine  leere  Stelle  und  an  diese  wieder  je  eine  Gruppe  von  3  oder 
4  senkrechten  Strichen,  welche  jedoch  nicht  ganz  durchlaufen,  sondern  oben   in  der 
Nähe  des  Halses  durch  eine  freie  Stelle  unterbrochen  sind.   In  dieser  Weise  ist  der 
ganze  Umfang  des  Bauches  von  abwechselnden  Strich-  und  Sparrenfeldern 
eingenommen;  nur  in  der  Nahe  der  Oehse  ist  eine  etwas  grössere  Strecke  freigelassen 
und    erst    unter   der  Oehse    sind    2  Gruppen  von  je   3  senkrechten  Strichen  einge- 
schoben.    Alle  diese  Striche  und  Linien  sind  tief  und  scharf  eingedruckt,  aber  bei 
genauerer  Betrachtung  zeigt  sich,  dass  der  Eindruck  nicht  überall  ein  gleichmäsftig 
fortlaufender  ist:  bisweilen  bemerkt  man  in  der  Tiefe  in  kurzen  Abständen  schmrfe, 
schräg   nach    oben    gerichtete,    kleine  Grubchen    und  von  diesen  ausgehend  an  der 
Seitenwand    des  Eindruckes    kurze    schräge  Furchen,    so    das  stellenweise  fast  der 
Eindruck    eines    SchnuroToamentes    entsteht,     Aber   es    bandelt   sich   TieUnehr  am 


I 


(441) 

schräge  Einstiche  eioes  scharf  zugespitzten,  pfriemetiartigen  lustru- 
mentes,  welches  yDter  starkem  Druck  über  den  noch  weichen  Thon  berabgezogeo, 
aber  iiitercurreat  immer  toh  neuem  eingestossen  worden  ist. 

Endlich  ist  mir  noch  ein  ganz  erhalteoeSj  bei  den  neueren  Ausgrabungen  zu 
Tage  gekommenes  klpiiu-s  Töpfehen  ztigesendet  worden,  das  ungewötinlich  roh  und 
gänzlich  ohne  Verzierung  ist  Es  hat  eine  Höhe  von  7,6  cfn^  einen  Durchmesser 
am  Boden  von  5,2,  am  Bauche  von  9,4,  an  der  Muodung  von  7,2  an.  Seine  Ober- 
fläche ist  gelblichgrau  j  sehr  uneben  und  mit  einzelnen  Horizontal  furchen,  welche 
darauf  hindeuten,  dass  das  Gefass  aus  kleinen  Thonwursten  aufgebaut  isL  Der 
Boden  ist  ganz  platt,  der  Bauch  nur  wenig  ausgelegt,  die  Müudung  weit,  der  Rand 
ganz  dünn  und  ungleicli.  Jederseits  unter  dem  Räude  sitzen  in  einer  Linie  2,  in 
einer  Entfernung  von  5  mm  von  einander  angesetzte,  also  ganz  getrennte,  stark  vor- 
tretende und  fast  zugespitzte  Knöpfe,  welche  in  der  Richtung  von  oben  nach 
unten  durchbohrt  sind. 

Das  sind  die  Thongefasse  von  der  Tangermfinder  Ziegelei,  über  welche  ich  aus 
eigener  Anschauung  berichten  kann.  Die  Mehrzahl  der  bisher  zu  Tage  gekomme- 
nen ist  nach  allen  Richtungen  durch  Liebhaber  verschleppt  wordea  Noch  nie- 
mals ist  mir  ein  Platz  vorgekommen,  wo  der  FaDatismus  der  Sammler  in  gleicher 
Weise  hinderlich  geworden  ist  für  eine  wissenschaftliche  Untersuchung;  nicht  nur, 
dass  der  Verbleih  der  Sachen  kaum  zu  ermitteln  ist,  sondern  es  ist  mir  auch  da, 
wo  ich  den  Verbleib  ermitteln  konnte,  abgeschlagen  worden,  mir  die  Gegenstände 
zugäogiich  zu  machen.  Nur  von  einer  Stelle  habe  ich  genauere  Nachricht  er- 
halten, Hr,  Hart  wich  theilte  mit,  dass  nach  der  Aussage  des  Ziege  leibe  sitzers 
HotzschnitI  5.  Hokschnitt  6. 


^^' 


Fieper  zwei  Gefässe,  darunter  das  am  reichsten  verzierte  von  allen,  an  den  Abt 
Thiele  in  Braunschweig  gegeben  seien,  Hr.  Dr.  Noack  in  Braunschweig  hat 
auf  meine  Anfrage  die  grosse  Güte  gehabt,  nachdem  Hr.  Dr.  Thiele  in  bereit- 
willigster Weise  seine  Zustimmung  ertheilt  hatte,  Beschreibungen^)  und  Zeichnungen 
dieser  Gefasse  anzufertigen  (Holzschn.  5  u.  6).  Sie  sind  nach  seiner  Angabe  etwa 
10  cm  hoch,  aus  feiuem,  nicht  geschlemmtem,  mit  eiuzelnen  Quarzkörnern  durch- 
setztem Thon,  mit  je  einem  Henkel.  Das  eine  (Holzachn.  5)  hat  zwei  eingeritzte 
Zickzackreihen  mit  unsicheren  und  unregel massigen  Linien,  welche  jedoch  nicht  bis 
au  den  Henkel  herangehen.  Bei  dem  anderen  (Holzschn.  6}  sei  das  Ornament  be- 
fionders  sorgfaltig  und  es  bestehe  aus  zwei  Zickzackreihen  und  unter  jeder  derselben 
aus  einer  punktirten  Zone,  deren  Punkte  sehr  regelmässig  in  schrägen,  rechteckigen 
Gruppen  angeordnet  seien,  —  Anscheinend  haben  diese  Gefasse  am  meisten  Aehn* 
licLkeit   mit    den  auf  Taf.  VHI  Fig.  3  abgehildeten,    nur    dass    die  Mündung  enger 


1)  Dabei  ivird  bemerkt,  dass  sie  „in  eioem  Acker  am  Wego  nach  Demkort  westlich  von 
TangermüniJe,  ohne  weitere  Beigaben  gefunden'*  atien.  Da  die  angegebene  Eicbtung  der  Ltge 
der  Ziegelei  eotsprlcbt,  so  wird  wohl  kein  Zweifial  über  die  Zogehürigkett  bestebeu. 


(442) 

und  die  äquatoriale  Wölbung  des  Bauches  schärfer  ist  Auf  den  ersten  Blick  er- 
innern sie  fast  an  slavische  Töpfe  mit  dem  Wellenomament,  aber  die  Henkel  zeigen 
sofort,  dass  sie  damit  nichts  zu  thun  haben;  gerade  diese  weiten,  abstehenden  and 
tief  angesetxten  Henkel  beweisen,  dass  sie  dem  hier  erörterten  Culturkreise  ange- 
hören. 

Auf  die  sonstigen  Verhältnisse  des  Tangermünder  Feldes  werde  ich  ein  an- 
deres Mal  genauer  eingehen.  Hier  will  ich  nur  bemerken,  dass  die  sammtlichen 
Gefässe  leer  waren  und  neben  Skeletten  standen,  deren  Schädel  mehr  oder  weniger 
dolicho-  oder  mesocephal  waren.  Als  sonstige  Beigaben  fanden  sich  ge- 
schliffene Steinbeile,  sehr  sauber  geschlagene,  geschweifl-rhomboideale  Feuerstein- 
scherben,  durchbohrte  Zähne  von  Carnivoren,  bearbeitete  Knochen  und  Yereinselt,  wie 
ich  noch  ausführen  werde,  geringe  Artefakte  von  Bronze.  In  der  Hauptsache  charak- 
terisiren  sich  diese  Funde  als  Reste  aus  der  Zeit  des  geschliffenen  Steines.  — 

Vergleichen  wir  das  Tangermunder  Thongeräth  mit  dem  cujavischen,  so  zeigen 
sich  manche  nicht  unerhebliche  Verschiedenheiten.  Als  solche  will  ich  nur  die 
Kugelform  und  die  hoch  angesetzten,  flach  anliegenden  und  mit  röhrenförmigen  Oeff- 
nungen  Tersehenen  Henkel  der  cujavischen  Geisse,  sowie  die  stärkere  Entfaltung  des 
Halstheils  und  die  tief  angesetzten,  weit  Tortretetenden  und  mit  grosser  Oeffnnng 
Tersehenen  Henkel  der  altmärkischen  Gefässe  anführen.  Dagegen  treffen  wir  in  beiden 
Gruppen  Hängegefässe  mit  senkrecht  durchbohrten  Oehren,  in  beiden 
die  tiefe  Einritzung  der  Ornamente  und  namentlich  ein  vorzugsweise  Ter- 
wendetes  Ornament,  das  in  mancherlei  Variationen  auftritt.  Es  ist  etwas  schwer, 
jede  dieser  Variationen  mit  einem  besonderen  Namen  zu  belegen.  Die  Herren 
Hartwich  und  Ho  11  mann  nennen  es  mit  einer  für  die  Mehrzahl  der  Fälle  ganz 
zutreffenden  Bezeichnung  Winkel  Ornament,  indess  haben  wir  schon  gesehen, 
wie  der  Winkel  sich  in  Fig.  5  in  eine  Curve  und  in  Fig.  4  geradezu  in  ein  u  Ter- 
wandelt.  Die  aus  solchen  Elementen  zusammengesetzten  Bänder,  bei  denen  die 
Oeffnung  des  Winkels  nach  unten  gerichtet  ist,  können,  wenn  man  sie  umdreht, 
mit  einem  Tannenzweig  Terglichen  werden  und  man  hat  sie  in  der  That  als 
Tannenzweig  -  Ornament  bezeichnet  Gelegentlich  passen  die  Namen  des 
Palmzweig-  oder  Fischgrähten-Ornamentes  noch  besser.  Wenn  die  Schenkel 
eine  gewisse  Länge  erreichen  und  man  den  W^inkel  nach  oben  wendet,  so  steilen 
sie  dasjenige  dar,  was  ich  in  meiner  ersten  Beschreibung  nach  einem  recipirten 
Gebrauch  Sparrenornament  genannt  habe  und  was  in  der  Geschichte  der 
ältesten  Bronzeornamentik  eine  sehr  grosse  Rolle  spielt,  indem  wir  es  Tom  Kan- 
kasus  bis  nach  Irland  überall  Terfolgeo  können.  Offenbar  hat  bei  der  Einritzong 
dieser  Zeichen  weniger  die  Absicht  Torgewaltet,  einen  bestimmten  Gegenstand  nach- 
zubilden oder  darzustellen,  als  vielmehr  eine  Gewohnheit,  welche  zuerst 
durch  die  Natur  des  benutzten  Instrumentes  und  die  weiche  Be- 
schaffenheit des  Thons  herbeigeführt  war  und  später  vom  Thou  auf  die 
Bronze  übertragen  wurde.  Ich  meine  daher,  dass  man  in  erster  Linie  weni- 
ger die  Form,  als  die  Tiefe  dieser  Ornamentik  betonen  muss.  Man  mag 
nebenbei  anerkennen,  dass  unter  den  ausgeführten  Verzierungen,  namentlich  an 
manchen  Orten,  das  Schnur-  oder  Bindfadenornament  sehr  häufig  hexTcr- 
tritt,  aber  wenn  man  eine  grossere  Zahl  solcher  Verzierungen  genau  mustert,  so 
erkennt  man  bald,  wie  schwer  es  ist,  sieb  in  jedem  Falle  klar  zu  werden,  ob  es 
sieh  um  eingedrückten  Bindfaden  oder  um  etwas  anderes  handelt. 

Ich  lege  zur  Ver^leichung  ein  Paar  Gefässe  vor.  welche  ich  auf  meiner  letzten 
Reise  durch  die  Güte  des  Hrn.  Sanitätsrathes  Dr.  Grundier  in  Aschersleben  er- 
halten   habe.     Sie    stammen    von    einem    Gräberfelde    bei  Fr  ose   im  Anhaltischen 


(HS) 

Kreise  Ballenstedt,  zwiacheo  AscherslebeD  und  Hütbarstadt.  leb  war  selbst  Muter 
freundlicher  Führung  des  Hrn.  Pastor  Bei:ker  von  Wil sieben  auf  dem  betreffenden 
Pltttze,  der  von  der  Eisenbahn  von  Asubersloben  nach  Hiilberätadl  angeschnitten 
worden  ist.  Er  liegt  auf  der  Hohe,  welche  den  jetrt  trockengelegten  grossen  See*) 
von  Frose  gegen  Südwesten  begleitet,  ist  beackert  und  ohne  alle  Spuren  früherer 
Erhöhungen.  Die  etwas  flüchtige  Grabung,  welche  wir  veranstalteten,  brachte  eine 
grosse  Menge  von  Thonecherben  und  Thierknochen  zu  Tage  und  schien,  da  auch 
grossere  Klumpen  von  gebranntem  Lehm  mit  eingedrückten  Rinnen  an  der  Ober- 
fläche, sowie  Kohlen  hervortraten,  mehr  für  eiuen  alten  Wohnplatz,  als  für  ein  Gräber- 
feld lu  sprechen.  Unter  den  Thouscherben  waren  grobe  und  dickwandige  vor- 
herrschend, theils  ohne  alte  Verzierung^  theils  mit  tief  und  grob  eingeritzten  Linien, 
welche  Hauten  oder  dreieckige  Gurte  darstellten  (Holzscbn,  7),  iheüs  mit  groben 
Nageleindrücken.  Einzelne  hatten  oberflächlich  eingeritzte  Linien,  welche  sich 
gruppenweise    oder    gekreuzt    über    die    ganze    Flüche    erstreckten.      Die    Henkel 

Holzschnitt  7. 


-J 


Holzschnitt  8. 


sehr  gross,  grob  und  weit.  Die  Böden  platt  oder  tiegelartig  gcrtindet*  Indess 
fanden  sich  auch  einzelne  feinere  und  glattere,  von  schwärzlicher  oder  bräunlicher 
Farbe,  mit  sorgfältigerer  und  breiterer  Furchen  Zeichnung  und  schöner  Biegung  der 
Flächen,  die  an  unsere  lausitzer  Gefässe  erinnerten.  Jedenfalls  bezeugte  Hr. 
Becker,  dass  früher  aucli  Skelette  ausgegraben  seien,  und  zu  diesen  dürften  die 
Stücke  gehören,  welche  mir  Hr.  Gründler  überliess. 

Das  eine  derselben  (Holzschn.  8)  ist 
ein  kleines  Topfeben  mit  fast  kuglig  aus- 
gelegtem Bauche  und  einem  weiten,  leider 
am  Rande  abgebröckelten,  jedoch  wohl 
nicht  erheblich  hoher  gewesenen  Halse, 
Es  ist  7,5  cm  hoch  nnd  hat  am  Boden 
einen  Durchmesser  von  4,  am  Bauche  von 
8,5,  an  der  Mündung  von  5  cm.  Auf  je- 
der Seite  der  äquatorialen  Ausweitung  des 
Bauches  steht  ein  kleiner,  quer  durch- 
bohrter  Henkel  oder  besser  ein  Oehr  her- 
vor. Um  die  Basis  des  ziemlich  cylindri- 
schen  Halses  laufen  zwei  Bindfaden-Linien;  an  diese  schliesst  sich  eine  Reihe  über 
den  Oberbauch  herablaufcnder,  mit  der  Spitze  nach  unten  gerichteter,  spitzwinkliger 


^ 


1)  Aus  diesem  (oder  wie  man  dort  sagt,  dieser)  See  stammt  ein  Knochen  heil  in  der  Bem- 
bürger  Sanirolung  (Katalojf  der  Berliner  Samralnnjf  1880,  S.  4,  5).  Eine  grosse  IFme  von 
Frose  habe  ich  nna  dem  germanischen  Uuseuin  in  Nürnberg  notirt. 


(444) 


Mi 


Dreiecke,  je  4  aaf  jeder  Seite  zwiscbeo  den  Henkeln  tind  eio  neuotea  über  den 
eiwen  Henkel  (reclits).  Das  Feld  jedes  Dreiecks  ist  durch  2  oder  3  LioieD,  welcli 
der  Itfiken  Seite  paraltel  liegen,  8cbraf£rL  Sammt liehe  Lioien  zeigen  8cbrag  g€ 
stellte,  der  Windung  einer  gedrehten   Schnur  entsprechende  Glieder. 

Das  zweite  grossere  Gefiiss  (Taf.  VIll  Fig,  6}  ist  leider  sehr  defekt,    Ihtu   fehlt_ 
der  Boden    und  ein  Stück    des  Unterhauchea,    sowie  Theile    des  Randea»    doch 
seioe  Form  erträglich  z\i  erkennen.     Es  ist  noch  immer    17  cm  hoch    und  hat  ei« 
Mundungsweite  von  10,  eine  Baiich weite  von   17  cm.     Nach  unten  bin  zeigt  es  elti 
yolle  Wolhung;  die  stärkste  Ausweitung  des  Bauches  liegt  hoch,    dicht  uoter  deoi, 
nur    3  cm  hohen   Bal»e,    der    sich    unter  starker  Einbiegung   aus    dem  Körper  d«^« 
Gefiisses  erhebt  und  in  einen  schwach   nach  aussen  vortretenden  glatten  Rand  aufti^| 
geht.     Am  Oberbauch,    dicht  über  dem  Aequator,    sitzen  kleine,    quer  durchbohrte 
Henkel  oder  Gehre;  ihre  Zahl  hat  offen har  4  betragen,  gegenwärtig  sind  Dur  noch  3, 
in  ganz  regelmässiger  Vertheilung,  vorhanden.     Die  Ornamente  sind  in  3,   um  den 
oberen  Theil  des  Gefasses  herumlaufenden   und  durch    tiefe  Strichlinien   begrenzteti 
Zonen  angeordnet     Zu  oberst,  am  Halse,  eine  breitere  Zone,  welche  mit  eiaer  zu- 
sammenhangenden Reihe  unregelmässig  aneinander  geschobener  Dreiecke  erfüHt  isL^| 
Auch  hier  ist  das  P^eld  jedes  Dreiecks  mit  Linien,  welche  der  einen  (rechten)  Seitc^^ 
parallel  sind,  besetzt.     Jede  Seiteulinie  dient  den  zwei  aneinander  stossenden  Drei- 
ecken   als  Begrenzung.  —  Eine    zweite,    ganz    ähnliche,    nur    etwas    breitere   Zonal 
läuft  tiefer  zwischen  den  Henkelansätzen    um    das  Gefäss.  —  Die  dritte  Zone  liegt! 
zwischen  diesen  beiden  um  den  Anfang  des  Oberbaucbes;    sie  ist  im  Ganzen  glatll 
und  nach  oben  und  nach  unten  mit  einer  Reihe  von  kurzen,    senkrechten  Strichen  [ 
oder    genauer  Einstichen    ausgestattet.  —  Sammtiiche  Linien,    welche  die  Dreiecke] 
begrenzen  und  erfüllen,  stehen  gewisse rmaassen  in  der  Mitte  zwischen  dem  Schnor- 
ornament  und  dem  Stichornament.   Sie  zeigen  in  der  Tiefe  eingestochene  Grübcbeo 
oder  Fünktcheu    und  an  den  Seitenwiinden   schräge  Furchen,    und   ich  halte  es  fuf 
zweifellos^  dass  sie  nicht  durch  Eindrucken  einer  Schnur  erzeugt  sind.  1 

Ich  mochte  glauben,  dasa  diese  eigenthümliche  Art  der  Herstellung  der  Striche 
oder    Linien    dazu    bestimmt    war,    einen    Stoff,    wahrscheinlich    eine    weisse   In^ 
krustation,    aufzunehmen.     Schon    bei    dem    cujavischen   Gefasse  Nr.  2  (Taf.  VH 
Fig»  2)    habe    ich  eine    ähnliche  Vcrmuthung  geäussert.     Allerdings  ist  keine  Spur 
von  weisser  Farbe  an    den  Oerässeu    von  Frose  zu  erkennen,    aber  ich  sah  die  In* 
krustation  sehr  schon  an  einem  Gefasse  derselben  Periode  ans  Wulfen  in  der  berxog* 
liehen  Sammlung    zu  Gross  Kuhnau    bei  Dessau,    welche    ich    unter  der  gefälligen 
Leitung   des  Hrn.  Hofrath  Dr.  Hosäus    besuchte  (Nr.  681  d).     Ich    will   dabei   be- 
merken, dass  unter  den  Gefässen  von   Wulfen  (im  Kreise  Kothen)  auch  solche  mit 
senkrecht  durchbohrten  Knöpfen  vorkommen.   Ich  bezweiße  daher  o ich t,  dass 
bei  weiterem  Suchen  und  insbesondere    bei  nicht  zu  weit  getriebener  Reini- 
gung   der   Gefasse,    wodurch    gerade    solche    Äufifüllungsmassen    leicht    entfemt  i 
werden,  auch  in  der  Altmark  weisse  Inkrustationen  noch  werden  gefunden  werden« 
Damit   will  ich   in  keiner  Weise  behaupteUj    dass  in  jedem  Falle,    wo  lineare   Ein- 
drücke absatzweise  erzeugt  wurden,  die  Absicht  einer  späteren  Inkrustation  bestebeal 
mu88^  aber  ich  glaube  diese  Absiebt  annehmen  zu  dürfen,  wo  die  Eindriicke  beson- 
ders scharf  und  schief  sind.    Dm  in  dieser  Beziehung  eine^  wenngleich  etwas  weit* 
liegende  Vergleichung  zu  bieten,  lege  ich  einen,    der  Gesellschaft  schon  bekann teoj 
(Sitzung  vom  2 L  Juli  1877,  Verh.  S.  347)  Thonscherben  vor,  den  Hr.  Dr.   FiascUl 
seinerzeit  fCir  mich  vom  Ufer  eines  Tundra-Sees  in  West-Sibirien  mitgebracht  hat;" 
er  zeigt  dieselbe  absatzweise  BeschaÜenheit  der  Eiuritzungen,  jedoch  nicht  in  glei- 
cher Tiefe  uud  Schärfe. 


(445) 

Aus  YerschiedeneD  Gegenden  von  Niedersachsen  ist  das  Yorkommen  solcher 
Urnen,  wie  ich  sie  hier  besprochen  habe,  schon  seit  langer  Zeit  bekannt.  Es  ist 
dabei  ganz  besonders  heryorzuheben,  dass  die  Hauptfunde  in  Kegelgräbern  ge- 
macht sind,  welche  zu  den  grössten  gehören,  die  wir  überhaupt  in  Norddeutsch- 
land haben.  Es  waren  mächtige,  spitz  zulaufende  Kegel  von  weitem  Umfange,  die 
sich  fast  immer  als  Massengräber  erwiesen  haben,  in  der  Weise,  dass  in  den  tief- 
sten Schichten  die  ältesten  Gräber  mit  Gefassen  der  eben  besprochenen  Art  sich 
fanden,  während  in  den  höheren  und  seitlichen  Schichten  jüngere  Gräber  vor- 
kamen, namentlich  Steinkistengräber.  In  diesen  Steinkisten  stiess  man  schon 
auf  Leichenbrand,  während  die  tieferen  Lagen  Skelette  führten.  Ich  betone  das 
ganz  besonders,  da  wir  hier  nicht  blos  im  Geräth,  sondern  in  der  ganzen  Art  der 
Bestattung  einen  aufiPälligen  Gegensatz  vor  uns  sehen:  in  der  Tiefe  die  Alten,  welche 
bestattet  wurden,  und  plötzlich  darauf  folgend  eine  allgemein  yerbreitete  Incinera- 
tion,  die  mit  einer  vollständigen  Aenderung  des  Geschmacks  in  der  Technik  und 
Ornamentik  verbunden  ist. 

Aus  der  Zahl  der  früheren  Publikationen,  welche  solche  Funde  behandeln,  will 
ich  namentlich  eine  hervorheben,  welche  die  Sammlung  des  verstorbenen  Augustin, 
die  sich  jetzt  in  Wernigerode  befindet,  zum  Gegenstande  hat*).  .  Der  alte  Dom- 
prediger hatte  schon  1822  auf  einem  Hügel  zwischen  Derenburg  und  Halberstadt 
eine  Ausgrabung  veranstaltet.  Dieser  Hagel  führt  einen  Namen,  der  sich  in  Nieder- 
sachsen überall  wiederholt,  wo  alte  Hügelgräber  vorkommen;  er  heisst  der  Lause- 
hügel, —  ein  Name,  der  vielleicht  unseren  philologischen  Mitgliedern  zu  weiteren 
Erörterungen  Gelegenheit  geben  kann.  Die  Meinung  in  der  Provinz  geht  dahin, 
dass  der  Name  als  verächtlicher  Ausdruck  für  einen,  den  heidnischen  Vorfahren 
heiligen  Ort  gewählt  sei  und  eine  Art  Verfluchung  oder  Beschimpfung  ausdrücke. 
Jeder  „Lausehügel^,  der  in  jener  Gegend  zu  treffen  ist,  darf  mit  Wahrscheinlich- 
keit angesehen  werden  als  ein  Grabhügel.  Augustin  hat  den  Lausehügel  bei 
Halberstadt  sehr  genau  untersucht  und  daraus  eine  grössere  Anzahl  von  Gefassen 
gewonnen,  von  denen  eines  mit  Tannenzweigen,  ein  anderes  mit  Schachbrettfiguren 
verziert  ist  (S.  11  Taf.  V,  Fig.  12—13).  Indess  im  Ganzen  treten  die  Ornamente 
nicht  auffällig  hervor,  dagegen  ein  Paar  andere  Eigenthümlichkeiten,  die  wir  schon 
kennen  gelernt  haben.  Dahin  gehören  namentlich  die  auf  Tafel  VI  in  grosser 
Zahl  abgebildeten  „ Milchtöpfe ^  mit  tief  angesetzten,  sehr  weiten  und  breiten  Hen- 
keln,   an  welchen  gelegentlich  auch  das  Winkel-  oder  Sparrenornament  nicht  fehlt. 

Mir  persönlich  war  die  Eigenthümlichkeit  dieses  Thongeschirres  am  meisten 
aufgefallen,  als  ich  im  Jahre  1880  nach  dem  Schlüsse  unserer  Ausstellung  Hrn. 
Klopfleisch  bei  der  Ausgrabung  eines  Hügelgrabes  im  Anhaltinischen,  in  der 
Nähe  von  Bernburg,  besuchte.  Hr.  Klopfleisch  hatte  die  Güte  gehabt,  mich  ein- 
zuladen zu  der  Ezplorining  des  Spitzen  Hoch,  eines  beträchtlichen  Kegels  auf 
dem  rechten  Ufer  der  Saale  unterhalb  Latdorf,  dessen  Ausgrabung  er  für  die  Bern- 
burger Historische  Gesellschaft  veranstaltete.  Ich  fuhr  mit  den  HHrn.  Fränkel 
und  Fischer  von  Bernburg  hinaus.  Da  habe  ich  zuerst  die  Totalität  eines  solchen 
Fundes  gesehen  und  mancherlei  Sachen  wahrgenommen,  die  insofern  von  besonde- 
rem Interesse  für  mich  waren,  als  sie,  wie  ich  in  meiner  Vorrede  zu  Schlie- 
mann's  „Ilios^  hervorgehoben  habe,  eine  Reihe  von  Eigenthümlichkeiten  darboten, 
welche  gerade  Hr.  Schliemann  als  physiognomonisch  für  Hissarlik  ansah.  Bei  meiner 


1)  A.  Friede  rieb,  Abbildungen  von  mittelalterlichen  und  vorchristlichen  Alterthümern 
in  den  Gauen  des  vormaligen  Bisthams  Halberstadt,  gesammelt  von  Christ.  Ferd.  Bemh. 
A  u  g  u  s  t i  n.   Wernigerode.    1872. 


(446) 


I 

i 


letzten  Reise  traf  ich  diese  Sachen  wieder  in  der  Sammlung  des  histonscbeo  Ver- 
eins zu  Bern  bürg,  wo  sie  sammtlich  aufgestellt  sin4.  Es  wurden  bei  der  Oeffouiig^_ 
des  Hügds  jijngere  und  altere  liegräbnissstellen  in  dem  Hügel  aufgedeckt:  erster^H 
mit  Tliongeräth,  mehr  dem  lausitzer  Typus  verwandt,  natnentlich  mit  gaoz  gro&seo^^ 
Deckeln,  letztere  mit  dem  Bindfüdenorjiameiit  und  seiir  tiefen  Hin  furch  ungeD.  Aü_ 
Gefassen  dieser  letzteren  Abtlieilung  fanden  sich  auch  ziemlich  tiefsitzende,  bori^ 
zoDtale,  gao2  enge  Röhren,  welche  an  dem  GeHlsä  entlang  laufen,  sowie  Doch  tiefet 
angesetzte  plattenartige  Vorsprünge,  welche  von  dem  Bauch  des  Gefasses  weit  oacb' 
aussen  vortreten  und  den  Eindruck  machen,  als  habe  man  das  Gefass  über  etoem 
Heerdloche  auf  eioen  Ring  oder  auf  den  Rand  des  Loches  aufhängen  wollen.  Aber 
diese  Vorsprunge  sind  von  obeo  nach  unten  durchbohrt,  sie  waren  also  zum  Durch- 
ziehen von  Schnüren  und  zum  freien  Aufhangen  bestimmt.  Solche  Hangegefa^ee, 
denen  wahrecheiulich  die  spateren  Hfingf^gefasse  aus  Bronze  nachgebildet 
sind,  machen  unter  den  aufgehängten  Thongefassen  ein  verhältnlss massig  grosse« 
Contingent  aus.  Entsprechend  haben  sie,  wie  das  bei  Hängegefiissen  allgemeiD  ge-J 
bräuchlich  gewesen  zu  sein  seheint,  in  der  Regel  keinen  eigentlichen  Fusb,  sondern  J 
sind  nach  unten  kesselformig  gerundet,  so  dass  sie,  wie  einige  der  cujavischea  Ge 
fasse,  beim  Gebrauche  entweder  in  den  Saud  gedrückt  oder  io  einem  Thonringe  auf- 
gestellt w*erden  mussten, 

Aelinliche  Besonderheiten  des  T  hon  gesteh  irrs  treten  an  verschiedenen  Stellen 
Deutschlands  und  besonders  Norddeutschlands  hervor.  Wir  haben  daher  allen 
Grund,  sie  zu  beachten.  Neben  der  Ornamentik  iat  es  die  äussere  Form,  welche 
uns  auflFallt,  der  Styl,  vielleicht  darf  man  sogar  sagen,  die  Mode,  welche  diesen 
Gefäsaen  die  durchgreifenden  Verschiedenheiten  von  dem,  was  wir  sonst  bei  uns 
ivahrnehmen,  gegeben  haben.  Ich  habe  durch  die  besondere  Güte  des  Hru.  Dr,  | 
Noack  in  Braunschweig  eine  grössere  Zahl  von  Zeichnungen  von  alten  TboD- 
gefässen  des  dnrtigen  stadtischen  Museums  erhalten,  welche  eine  besondere  Seite^ 
der  Keramik  dieser  Periode  gut  illuBtriren.  Es  kommen  nämlich  darunter  Dicht 
selten  eigenlhümliche,  hohe,  becherförmige  Gefasse  vor,  nicht  blos  seitlich  ein- 
gebogene oder  „geschweifte**,  wie  Hr*  Tischler  sagt^  sondern  vereinzelt  aucb  f^anz 
gerade.  Alle  diese  Becher  sind  henkellos  und  mehr  oder  weniger  reich  mit  hori- 
zontalen Bandern  und  anderen  Einritzungen 
verziert.  Ich  möchte  nur  ein  Paar  als  Typen 
herTorheben,  Ein  Becher,  der  mir  schon  1875 
beim  Besuche  des  herzoglichen  Kunstmuseums 
in  Braunschweig  auffiel  (Hnlzschn,  9,  Nach- 
bildung in  Gyps  im  städtischen  Museum  A,  ' 
I  a.  450)^  ist  im  Jahre  1843  beim  Bau  der 
Eisenbahn  19  Fuss  tief  „unter  einem  Flötz** 
bei  Jerxheini  ausgegraben  worden;  daneben 
fanden  sich  noch  drei  andere  Gefässe,  welche  ' 
zertrümmert  wurden,  und  „MetalP,  das  an 
Reisende  verkauft  wurde.  Nach  dem  Be* 
rieht  des  Hrn,  Noack  ist  dieser  ßeober  | 
13,5  cm  hoch,  am  Boden  6,  an  der  Mündung 
13,5  cm  weit,  grauschwarz  und  fast  TÖlUg  er- 
halten* Vom  Boden  ab  erweitert  er  sich  all- 
mählich bis  zu  der  Uohe  von  b  cmi  von  da 
bis  zum  oberen  Rande  ist  er  ooncav  einge- 
bogen.    Um  die  Aussenseite   laufen    4  Bän- 


I 


Bolzschnitt  9. 


C447) 


Holzschnitt  10, 


der,  welche  durch  eiDgeritzte  Striche  gebildet  werdeo;  zwißchen  ihnen  Uegßo  ab- 
wechselßd  freie  Felder  und  solche,  welche  mit  seokreehteti  Linien  bedeckt  sind. 
Spuren  von  weisser  Einlage  sind  erkennbar.  —  Sehr  ähalich  ist  ein  Becher, 
der  1867  bei  dem  Vorwerk  Tempelhof  auf  der  Domäne  Achim,  unweit  von  Hom- 
burg, ausgegraben  wurde  (A»  la  114), 

Gegenüber  dieser  etwas  weiten  und  zugleich  niedrigeren  Form,  welche  haupt- 
sächlich dem  Nordbane  eigenthümlicb  au  seiß  scheint^  gieht  es  noch  eine  eogere 
und  schlankere  Form,  die  sieh  mehr  nach  Thüringen  verfolgen  lää&t.  Dahin 
gehört  ein  Becher  aus  dem  Walkeuhügel  bei  Osmarslebeu  in  der  Nähe  von  Gusten 
{im  Äidiaitiniticheti  Landkreise  Beroburg)  in  der  Samm- 
lung des  Hrn.  Abt  Thiele  zu  Brauiischweig  (Holzschu,  U^), 
der  mit  einer  steinernen  Streitaxt,  zwei  FeuersteinmeBsern 
und  2  kleineren,  gleichfalls  in  der  Sammlung  befindlichen 
Gefässen  mit  Scb  nurorn  ament  zusammen  gefunden 
wurde.  Nach  der  Mittbeilung  des  Hrn.  Noack  ist  er 
19  cm  hoch  und  hat  an  der  Mündung  12  cm  Durchmesser; 
seine  Farbe  ist  gelbroth  und  stellenweiso  etwas  geschwärzt, 
der  Boden  flackkuglig.  Um  das  Gefäss  zieben  in 
gleichen  Abständen  10  Doppelreihen  von  eingedrückten 
FunktßDy  so  regelmässig  und  sorgfältig  ausgeführt,  als 
wären  sie  ^mit  einer  metallenen  Punze  eingedrückt**;  sie 
sind  mit  einer  weissen  Müsse  (nicht  Kreide)  ausgelegt. 
Auf  der  Mündung  liegt  ein  genau  passender,  schalen- 
formiger  Deckel,  der  sehr  reich  verziert  ist:  in  der 
Mitte  zwei  concentrische  Doppelkreise  aus  eingedrückten 
Punkten;  von  dem  äusseren  gehen  7  Gurte,  ans  je  2  Dop- 
pelreihen von  Funkten  besteheDd,  bis  an  den  innersten  der  3  marginalen  Doppel- 
kreise, welche  wie  die  centraten  aus  Punkten  gebildet  sind.  Alles  ist  mit  Weiss 
ausgelegt  — 

Hr.  Noack  erinnert  in  seinem  Bericht  an  die  von  mir  in  der  Sitzung  vom 
19.  Mai  (Verb.  S.  280)  beschriebenen  „siculischen**  Gefässe  mit  weisser  lukmstation. 
In  der  That  findet  sich,  was  ich  damals  nicht  erwähnte,  unter  den  Funden  von 
Yiliafrali  (Ferd.  Freiherr  v.  Audrian.  Prähist.  Studien  in  Sicilien,  Supplement 
zu  Bd.  X  der  Zeitschr.  f.  EthnoL  Taf»  VI  Fig.  7)  ein  Becher,  der  mit  der  weiteren 
Form  von  Jerxheim  und  Achim  zum  Verwechseln  ähnlich  ist.  Von  ungewöhnlicher 
Häufigkeit  sind  Trinkbecher  von  ähnlicher  Form  und  zuweilen  fast  identischer  Ver* 
zierung  in  England,  zum  Theil  auch  in  Wales  nnd  Schottland,  jedoch  nicht  in  Ir- 
land (John  Thuruarn,  On  ancient  British  barrows.  P.  II,  London  1873  p.  104, 
PL  XXXL  Will.  Green  well,  British  barrows.  Oxford  1877  p.  94);  sie  sind  fast 
ausnahmslos  in  Skeletgrabern  gefunden.  AehnÜch  verhält  es  sich  mit  einem  schtinen 
Becher  von  Folepy  in  Böhmen,  der  in  der  Sitzung  unserer  Gesellschaft  vom 
16.  Februar  1878  (Verh.  S.  39  Taf.  VI  Fig  9)  vorgelegt  wurde.  Hr.  Tischler 
(Schriften  der  phys.  ökon.  Ges.  zu  Königsbergs  XXIV  1883  S.  112)  bildet  einen 
solchen  „geschweiften  Becher**  von  einer  ScherhenstelJe  der  kurischen  Nehrung  in 
Ostpreubsen  ab  und  erwähut  3  Exemplare  aus  Hinterpommern.  Eine  grössere 
Zahi  derselben  sah  ich  in  der  Anhaltinischen  Sammlung  zu  Gross  Küboau  und  in 
thüringischen  Museen.  Von  besonderem  Interesse  au  diesen  becherförmigen  Ge* 
^ssen  ist  das  häufige  Vorkommen  von  miitzenartigen  Deckeln  und  von  kiig* 
ligen  Boden.    Dadurch  nahern  sie  sich  unmittelbar  den  dänischen  Hängeurneu 


(448) 


mit  MützeDdeckelo  (Madsen^  Antiquites  prebistonques  du  Daoemark,    L^age  de 
la  pierre,     Copenhague  1869,  PI.  43  et  45). 

Ueber  die  „Kruge  der  Steioperiode'*  m  Mekleuburg  bat  Lisch  (Mekleobj 
Jabrb.  Bd.  X  S.  253,  Bd.  XXX  8.  47,  Pfwblbiiuten  in  Mekleuburg  S.  47)  wieder- 
bolt  gehaDdelt.  Eine  recht  gute  üebersicbt  der  üeolitbischen  GefassformeD  aus  den 
niedersacbsiscbeQ  Gebieten  uortllicb  vom  Harz,  iDsbesondere  nach  Exemplaren  der 
Museen  zu  Mfioster,  Haunover  und  Hildesbeira  hat  Hr.  LiDdeosch  ra  i  t  (Alter- 
thümer  uoserer  heiduiacheD  Vorzeit  Bd.  1  Heft  3  Taf,  IV)  gegebeu.  Ein  Paar  Hild€&- 
heinier  GefaBse,  sowie  bochst  ausgezeichnete  aus  der  SammluDg  des  thuriagiscb- 
säcbsiscben  Geschicbts-  und  AltertburaB-Vereins  zu  Halle  ficdeo  sich  auch  in  dem 
Pholographischeu  Album  der  Berliner  Ausstellung  Heft  Y  Taf.  8  und  Heft  VI  Taf.  7, 
letztere  meiet  aus  der  Gegeod  von  Halle.  Scherben  mit  Schniir  und  WinkeJorott- 
ment  bildet  Schuitbaiss  (Kurze  üebersicht  und  Nachricht  der  in  der  Woluaif- 
»tedter  Gegend  gefundenen  Altertbümer,  Woltnirstedt  1875,  Taf.  XI  Fig.  9,  12,  13, 
19j  25,  29,  84)  von  Grosß  Ammensleben  bei  Bleiche  ab.  Das  Königliche  Maseum 
zu  Berlin  besitzt  eine  grosse  Anzahl  hierher  zu  zahlender  Gefasse,  auf  welche  ich 
kurz  verweisen  will,  aus  Aohaltj  der  Provinz  Sachsen  und  Thüringen;  so  von  Eden- 
dorf  bei  Magdeburg  (I.  1745—51),  Crutnpa  bei  Querfurt  (I.  5543),  Bernburg  (L  3049), 
Rathmannsdorf  und  Peissen  im  Kr,  Bern  bürg  (I.  5566  u.  2203),  Walter-Nienburg 
bei  Zerbst  (l  4571b),  Calbe  a,  d.  Saale  (1.  504,  2192,  2195,  2197,  2218),  Köoflern 
und  Trebnitz  im  Saalekreis  (1.  2205,  2207,  2222),  Schwansee  bei  Weimar  (II,  b., 
n2).  Mehrere  Gefasse  ans  dem  Hiranielreichshau  bei  Altenburg  bildet  Hr,  LindeD- 
Bclimit  (a.  a.  O.  Bd.  II  Heft  1  Taf.  1  Fig.  10 — 12)  ab.  Auf  verwandte  Form«»D  aus 
Böhmen  habe  ich  in  der  Sitzung  vom  16.  November  1878  (Verb.  S.  378)  hinge- 
wiesen, nachdem  schon  Hr.  Voss  in  der  Sitzung  vom  21,  Juli  1877  (Verb.  S.  308) 
das  Vorkommen  des  Schi  uro  ruaments  sowohl  in  Böhmen,  als  in  üßgam  erwähnt 
hatte. 

Wenn  wir  nun  noch  einmal  auf  die  Frage  zurückkommen:  welches  ist  die 
Zeit  gewesen,  in  welche  diese  Bestattungen  fielen?  in  welcher  diese  Art  vod  Topfen 
gemacht  wurde?  so  sind  wir  seit  längerer  Zeit  daran  gewohnt,  sie  im  weseatHchen 
als  die  Zeit  des  polirten  Steins  zu  bezeichnen.  In  der  That  ünden  sieb  unter  den 
Beigaben  ungemein  selten  metallische  Gegenstande,  während  Knocbengeräthe  und 
polirte  Steine  in  sehr  charakteristischer  Weise  fast  regelmässig  hervortreten.  Die« 
ist  auch  in  Tangermünde  der  Fall,  wie  schon  früher  berichtet  worden  ist.  Ins- 
besondere sind  Waffen  und  Geräthe  aus  geschliffenem  Stein,  namentlich  Heile  oder 
zugescharftQ  Keile  aus  Diorit  und  Kieselschiefer^  in  Niedersachsen  sehr  häufig;  und 
noch  weit  nach  Norden  hinauf  tragen  sie  den  bekannten  thüringischen  Charakter 
an  sich.  Trotzdem  kann  man  nicht  behaupten,  dass  Bronze  ganz  ausgeschlossen 
sei.  In  England  hatte  Bäte  man  angegeben,  die  einzigen  meUlIischen  Objekte, 
welche  er  mit  Bechern  gefunden  habe,  seien  ein  oder  zwei  Bronzepfrieme  gewesen, 
und  er  hatte  daraus  geschlossen,  sie  müssten  in  eine  Zeit  gehören,  wo  Metall  nahesQ 
unbekannt  war.  Tbnrnam  (1.  c.  p.  105)  bestritt  diesen  Scblussj  vielmehr  müsse  man 
annehmen,  dnss  der  Gebranch,  Waffen  mit  in  das  Grab  zu  legen,  für  eine  spätere 
Periode  aufgegeben  sei.  üebrigens  habe  er  in  6  Gräbern  von  Wiltshire  neben  den 
Bechern  Dolche  oder  Messer  von  Bronze  gefunden.  Immerhin  ist  dies  selten  beob* 
achtet,  und  was  noch  weit  mehr  auffällt,  Angaben  über  das  Vorkommen  von  Bronze- 
Bchmuck  fehlen  fast  ganzlich;  letzterer  ist  aber  später  und  selbst  in  der  Zeit,  wo 
schon  Verbrennung  eingeführt  war,  gewöhnlich  mit  in  das  Grab  gekommen.  Hr. 
Victor  Gross  (Les  Protohelvetes  p.  25  Fl.  II  Fig.  5),  der  aus  dem  Pfahlbau  von  VlneJs 
ein   becherförmiges  Gefäss    abbildet,   rechnet   das  Tbongcrath  mit  dem  Bindfaden* 


4 
t 


I 


I 


I 


C449J 


OrnameDt  der  üebergangöieit  vom  Stein  jsur  ßronsie  zu,  unrl  Hr.  Tischler  (a.a.O. 
S.  120)  schliesst  sich  dem  für  daa  ostba  (tische  Gebiet  a.D. 

Für  das  von  tüir  specieller  behandelte  Gebiet  gilt  das  Nämliche,  aber  doch 
mit  einem  gewissen  VorbehalL  Dasa  in  einem  der  cujavischeo  Gräber  eine  Kapf er- 
platte gefunden  istj  habe  icli  schön  erwähnt.  Aber  gerade  in  dem  Gräberfelde  von 
Tangermönde  rausa  Bronze  oder  Kupfer  häußger  vorkommen.  bVeilich  ist  ea  mir  bis 
jetzt  nicht  gelungen,  auch  nnr  ein  einziges  MetaUstiick  von  da  zur  Anschauung  zu 
erhalten;  sie  sind  unbegreiflicherweise  immer  unter  den  Händen  verschwunden,  und 
ich  wurde  darüber  kaum  zu  gprechen  wagen,  wenn  ich  nicht  in  letzter  Zeit  von 
zwei  verschiedenen  Skeletten  Knochen  und  ausserdem  Thierzähne  erhalten  hatte, 
welche  unzweifelhafte  Spuren  von  Kupfer-  oder  Bronzefärbung  an  sich  tragen.  Das 
eine  ist  ein  Schädel;  den  ich  Hrn,  Maler  DietrichB  verdanke;  das  andere  Bind 
die  Knochen  des  linken  Vorderarms  einer  erst  neulieb  gefundeneu  Leiche,  um  welche, 
nach  Angabe  des  Hrn.  Hart  wich,  ein  Armband,  aus  zwei  Stucken  bestehend,  ge- 
legen hat.  Hr.  HoUmana  ')  hat  die  Güte  gehabt,  mir  Zeichnungen  der  Flächen-  und 
Randansicht  beider  Stücke  zu  ij bergeben  (Holzschn.  11).     So  unscheinbar  und  pri- 

Holzsehnltt  ]1. 


mitiv  diese  Stucke  auch  gewesen  sein  miJSBen,  so  ist  ihr  Verlust  doch  sehr  zu  be- 
dauern, da  eine  chemische  Analyse  höchst  erwünscht  gewesen  wäre.  Die  Färbung 
der  Zähne  scheint  sich  dadurch  zu  erklären,  dase  sie  gleichfalls  an  der  linken  Hand 
des  SkeletB  gelegen  haben  sollen,  was  freilich  sehr  sonderbar  ist,  da  es  durchbohrte 
Tbierzahne  sind,  wie  sie  sonst  gewöhnlich  um  den  Hals  getragen  wtirden.  Immerhin 
können  wir  jetzt  auch  für  die  Altmark  den  Nachweis  führen,  dass  diese  Gräber 
auf  der  Grenze  oder  auf  dem  üebergange  von  der  neolithischen  Zeit 
zur  Metall-  (Kupfer-  oder  Bronze-)  Periode  stehen.  Damit  ist  auch  für 
unsere  Nähe  ein  ganz  grosser  und  wichtiger  Abschnitt  der  prähistorischen  Zeit 
sicher  festgestellt.  Dabei  ist  aber  nicht  zu  übersehen,  dass  in  vielen  dieser  Gräber 
Metall  gänzlich  fehlt  und  dass  es,  wo  es  vorkommt,  meist  sehr  spärlich  und  zu- 
gleich sehr  primitiv  gearbeitet  ist.  Man  wird  daher  allerdings  daran  festhalten 
müssen,  dass  diese  Gräber,  wie  schon  die  Leichen bestattung  zeigt  mehr  der  neo- 
lithischen, als  der  Bronzezeit  angeboren. 

Für  die  weitere  Untersuchung  möchte  ich  jedoch  hinzufügen,  das»  gewisse 
Arten  der  Tiefornamentik  sich  über  die  bezeichnete  Zeit  hinaus  fortsetzen.  Es 
finden  sich  Analogien  dazu,    bis  weit  nach  Süddeutschland  über  den  Rhein,  in  der 

1)  In  eineoi  nachträglichen  Bericht  bezeichnet  er  sie  als  .zwei  dünne  ßronieblerbe  nn 
dvr  linken  Handwurzel,  b  bez,  5  ctn  lang^  an  den  breiteslea  Stellen  wenig  aber  1  tm  breit, 
an  jeder  Schmalseite  einmal  durchlocht,  etwas  gebogen,  prrnn  patinirt,  aui  Schnitt  gol^elb,* 


fiifftei  7  x;iii«L  Ulli  i«L  xsflrlean-  :3ii>m:  ü  -Bssrie^sL  iJzee  ssuL   Idt 

kxLlii   VM'JUtX   t-OM   -JB.  ^ItjOS.   IBii  W«««.   T^^ugl    I3ii   «»   IOC    Ü 

^ömm  tut  uaa  "MUk  Hcwcä^ln " >'ä  V««.  12.  ^.  xi>i 

Htt»X    CHX    SlOlSUT  SJ:   ^TsKTBL  VyifiFtf    X3>£  Kfl?  3ABL 


^1^  Ai§fi..xx£ 


i*r  Ti*f^ri*ai*xt* 


•tix^n  v«:i»«x  M&ierial.    «it 


wird    E-ä    »«.w*r   *si«ä*i>Ea    "aw«w,    f*   T>üyftie    Ui 
IwMt  fc&iKSi  =ir  'fiTTT  •eil.  Zv-^J^.  ^ATiA  zz  Mcx.  ife»  w-sflieseK»  aläe  • 

gTjmvn  Fitt*«'-  wi*  b«ei  dtü  Ec&l  Äk=ip-L»Tt.  -ei^i^i^r.  A^Ö€rers«£t»  b^be  iek 
bä  d*fi  G^^iiaes  t:«  T*ix*r=iii*  izti  Fr:*t  ti^^r  t^ssiici-r»  Art  i-;ä  EisHicheB 
crwäkst.  »ekt-e  Li  ksn<*  Atts^Lci-^c  iJji:*r*ii4i.i-»r  1^  i-a.  mkz.  Scri'-^kfcicfam  la 
okecsea  üi.  •>Ssc.rar  si»«^  k-»  gi*::' V  »  iz.  i-sr  A':t£:<£.t  &£X^^«ke&i  fcia.  die 
iakiTBCire&i«  >{aESd<  ':«sfr=r  n  fxir»r.  A**:'.":i*  ELüeii-?  sitk^ü-K  ziemläcb  Tcr- 
bratet  za  i«i:!^.   So  leL«  xL  ui  dtr  Z^:<^r::sff£g-  wt^^  Hr.  Li  £  des  sc  b  Bit  tob 

BUiic  p^r.Vrn.  vu  döicL  r,'/^.?  rrS.":g  asbi  olzz.  -:-:'V-<:>1  12  d^er  B«»dreib«ag 
BicLu  daToc  «rvinnt  i<t. 

Die  i^krascirende  Mi.s5«  selis:  La:  si^^  ^i<rL^  w-:*  id.  ^  ^cicrsocbte  oder 
ixiiteiKKL<£  Ü«**-  ü  K&lk  *rmi*s«r,  w*::rc:*:rh  nirLi  £*r*ie  u  Kreide.  Sc  täad 
icfc  b«  i^r  Hz.itfv^itTizz  d^r  Tcp:or:LJia;*i^&  t:-  Hiiäarlik  kryi^&IIiiiiscben  W»^^ 
(AJttrojaiiiKh*  Grib«r  asd  ScLü*!.  Br-rlii  l>*f.  S.  cÖ.  Hr.  Sehliemami.  der, 
eiüer  weit  Ter^Teitrt^s  Ail=:cLi  ioiz*zL  li*  Ma^vs«  f^  T'*:-*rde  hieh.  bat  mir  nocb 
besoBden  eisen  derutiz^::  S^Lert^a  1-*  i*r  il:»*:«-  .Stiii*  geschickt,  aber  aocb 
hier  erwies  «ich  die  Masse  al«  Kalk.  Eine  aLz!:-±e  Erfihmrz  bah«  ich  aacb  nctier- 
lieh  ao  westrkelcischeni  Material  ee sucht. 

In  den  Sammlangen  tos  W-irm«  und  D^rkheim  liefen  sehr  sofaöoe  Gefia»- 
Scherben  mit  blenieci  weisser  Inkrustation  der  tief  eingeschcirtenen  OnxameBte. 
Hr.  Dr.  Mehiis    halte    die  Gate    mir   einen    «..Ichen   Sohert-?n  (Holzscbn.   12^    za 

äb-erlassen,  der  aus  einem  Crossen  Graberfelde  (Flach- 
erah-er]  rin  Altsheim  in  der  Pfalz  herstammt.  In 
einrr  neucri::b.e!:  P-ilikatfon  'Studien  zar  ältesten 
Gr*.:hich:e  der  Er.-riiiide.  Lripiig  18*3.  Abtb.  VU 
S.  17  Fig.  5;  iit  er  rine  Besohrr.tang  und  Abbildung 
segeh-en.  I:L  hatte  rin  «pecieües  Interesse  daran, 
gerade  iiese  Inknstation  zu  antersuchen,  weil  bei 
.\lbshe:x  reiche  and  TielfzoL  a-jsget-eutete  Lager  tob 
Kaolin  (verwinertem  Fel'i>pÄ:L;  acstehec.  Derselbe 
wird  in  schneeweis*en  Massen  gewonnen  und  zeig;!, 
wenn  er  ganz  trocken  ist  und  man  ihn  neben  die 
Scherben  hält,  dasselbe  Ausseben,  wie  die  InkmstB- 
In  Folge  dessen  bat  sich  die  Meinung  am  Bhein  Terbreitet,  die  lakruBtation 


Holis-rhnit:  12. 


tion. 


(451) 

sei  eiogestricheoer  KaoÜD.  Ich  habe  die  Masse  durch  meineo  Sohn,  Dr.  Carl 
Virchow,  analysircn  lassen  und  es  hat  sich  herausgestellt,  dass  es  kohlensaurer 
Kalk  ist.  Keine  Spur  davon  ist  zu  erkennen,  dass  Kaolin  dabei  verwendet  wurde. 
Kine  aus  der  Sammlung  der  Pollichia  in  Dürkheim  entnommene  Probe  des  betrefiPen- 
dcn  Kaolins  ist  gänzlich  verschieden.  Gewiss  ein  recht  charakteristisches  Beispiel! 
Nichts  lag  näher  als  die  Vermuthung,  dass  die  prähistorischen  Leute  von  Albsheim 
durch  den  Anblick  des  Kaolins  zu  der  besonderen  Technik,  welche  sie  anwandten, 
verleitet  worden  seien,  und  doch  wird  man  sich,  nachdem  die  Masse  als  Kalk  er- 
kannt ist,  nicht  bedenken  dürfen,  die  Technik  als  eine  importirte  zu  betrachten. 

Hr.  Kohl  (Westdeutsche  Zeitschr.  f.  Geschichte  und  Kunst  II  2  S.  217)  rechnet 
das  Gräberfeld  von  Albsheim  der  La  Tene-Zeit  zu.  Ich  möchte  dies  schon  der 
Bronzen  wegen  bezweifeln.  Ohne  hier  in  Einzelheiten  einzugehen,  will  ich  nur 
erwähnen,  dass  ganz  kurze,  hinten  breite  Dolchmesser  mit  2  Nietlochern,  grosse 
spiralförmige  Armschienen  und  andere  Bronzen  von  älterem  Typus  gefunden  sind, 
dass  grosse  Deckelschalen  auf  den  Gefässen  vorkommen,  sowie  dass  es  sich  um 
Skeletgräber  handelt.  Freilich  darf  nach  den  zahlreichen  Bronzen  geschlossen 
werden,  dass  dieses  Gräberfeld  erheblich  junger  ist,  als  das  am  Hiukelstein  bei 
Monsheim,  welches  Hr.  Linden  seh  mit  (a.  a.  0.  Bd.  II,  Beilage  zu  Heft  VII  Taf.  I 
und  Heft  VIII  Taf.  I.  Zeitschr.  des  Vereins  zur  F)rf.  der  rhein.  Geschichte  und 
Alterthümer  in  Mainz  1868.  Bd.  III  Heft  1  S.  1)  so  sorgfältig  untersucht  hat  Hier 
wurde  keine  Spur  von  Metall  angetroffen,  dagegen  menschliche  Skelette  und  zahl- 
reiche Thongefasse  mit  höchst  charakteristischen  Tiefornamenten,  unter  denen  sich 
z.  B.  auch  das  cujavische  Schild-  oder  Blattornament  (Heft  VII  Taf.  I  Fig.  18) 
wiederfindet,  von  den  kugligen  Boden,  den  tief  sitzenden  Knöpfen  u.  A.  gar  nicht 
zu  sprechen.  Sicherlich  darf  man  so  verschiedene  Funde,  wie  die  von  Albsheim 
und  Monsheim,  trotz  mancherlei  Uebereinstimmung  chronologisch  nicht  identificiren. 
Aber  was  ich  aus  ihrer  Aehnlichkeit  schliessen  möchte,  das  ist,  dass  die  neolitbi- 
sche  Technik  in  die  eigentliche  Bronzezeit  hineingetragen  worden  ist 
und  dass  sie  sich  in  der  letzteren  in  einer  gewissen  Ausdehnung  längere  Zeit  hin- 
durch erhalten  hat. 

Dass  etwas  derartiges  auch  bei  uns  im  Norden  vorgekommen  sein  dürfte,  dafür 
spricht  manche  Reminiscenz,  die  uns  in  der  Ornamentik  späterer  Perioden  ent* 
gegen  tritt.  Ich  erinnere  in  dieser  Beziehung  speciell  an  die  Gefässe,  welche  wir 
bei  Gelegenheit  unserer  Exkursion  nach  Tangermuude  selbst  aus  der  Erde  heraus- 
befördert haben  und  welche  einem  Gräberfclde  mit  Leichenbrand  und  zwar  meiner 
Meinung  nach  einem  der  La  Tene-Zeit  entnommen  wurden.  Ich  habe  in  meinem 
Bericht  (Sitzung  vom  21.  Juli,  Verh.  S.  371  insbesondere  S.  374  Holzschn.  3)  schon 
darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  die  dort  vorkommenden  dreieckigen  Stichverzie- 
rungen an  die  alten  Formen  erinnern,  und  ich  will  noch  hinzufugen,  dass  auch 
die  (freilich  nicht  mehr  durchbohrten)  breiten,  vorspringenden  und  einer  Ansa 
lunata  ähnlichen  Knöpfe  (Gehre),  sowie  die  Deckelschalen  die  alte  Tradition  wieder- 
zuspiegeln  scheinen.  So  lässt  Hr.  V.  Gross,  wie  schon  erwähnt,  in  den  Pfahlbauten 
der  Schweiz  das  Schnurornament  erst  in  der  Debergangszeit  zur  Bronze  erscheinen, 
und  die  Tiefornamente  mit  weisser  Inkrustation  stehen  bei  ihm  in  der  vollen  Bronze- 
zeit. Aber  sicherlich  blieben  sie  nicht  bis  zur  La  T^ne-Periode.  In  Dänemark 
erscheinen  genau  dieselben  Muster  der  Tiefornamentik,  wie  in  der  Altmark,  in  An- 
halt und  in  Cujavien,  in  der  reinen  Steinzeit;  man  vergleiche  nur  die  berühmten 
Funde  von  Stege  auf  Möen  und  von  Borreby  bei  Madsen  (I.  c.  PI.  16  u.  17).  Da- 
gegen zeigt  die  dortige  Bronzezeit  nur  noch  spärliche  Reminiscenzen  (Madsen, 
Bronsealderen  I  Taf.  41 — 43)  und  zwar  mehr  in  der  Form,  als  in  der  Ornamentik. 

2Q* 


(49?) 


inJM 


Solche  Remiuiscenzen  treffen  wir  aof  der  anderen  Küste   der  Ostsee  io   Ponicrellen 
uad  Posen^    wo    die  Gesichts-    und  MfitJtenurDen  nocb  in  der  ßisenzett  nach   Por 
uüd  Verzierung  in  P,irallele  gestellt  werden  können. 

Wenn  man  also  auch,  wie  ich  thuu  mochte,  die  Frage  bejaht,  ob  nicht  in  der 
That  eio  aus  der  Steinzeit  heröbergekomraener  Modus  der  Topferei  sich  bis  tief  in 
die  Bronzezeitn,  ja  selbst  bis  io  die  Eisenzeit  erhalten  habe,  so  wird  man  doch  nicbt 
umhin  könucD,  zuzugestehen,  dass  derselbe  sich  in  den  verschiedenen  Gegenden 
landschaftlich  verschieden  und  eigenlhumlich  entwickelt  und  io  einzelnen  Gogendeo 
lange,  in  anderen  dagegen  nur  sehr  kurze  Zeit  erhalten  hat  Je  länger  er  bestand, 
nm  so  mehr  neue  Formen  darf  man  neben  ihm  erwarten,  und  die  Aufgabe  de 
prähistorischen  Archäologie  wird  es  sein,  die  Wege  der  Abweichungen  und  Ve 
misch ungen  im  Einzelnen  aufzusuchen.  So,  um  auf  ein  schon  einmal  augesogeoc 
ßeispiel  noch  einmal  zurückzukommen,  die  alten  Stucke  tod  Bissarük  bieten  offen* 
bar  Anklänge  an  die  tjörd liehen  Gräberfelder,  welche  uns  beachäfligt  haben.  Die 
Urnendeckel,  die  senkrecht  durchbohrten  Oehre,  die  rinnenformig  durchlochtai|fl 
Grife,  nameDtlieb  die  weiss  incrustirten  Tiefornameote  gewahren  die  bestinomteate^B 
Tergleichungspunkte,  Man  vergleiche  z.B.  die  Abbildungen  des  Hrn.  SchliecnanD 
(Ilias  S.  2ltj  Fig,  28—35,  namentlich  da»  Sparrenornitmeot  in  Fig.  33)  und  die 
colorirte  Tafel  VIU  io  meinen  „Ali trojanischen  Gräbern  und  SchädeJn**^  mit  den 
liier  vorgelegten  Zeichnungen,  Trotzdem  ist  der  Styl  schon  in  der  älleateo  Stadt 
ein  auffällig  verschiedener  und  er  wird  mji  jeder  folgenden  Stufe  mehr  verschieden. 
Wir  können  immer  noch  einzelne  Parallelen  auffinden,  aber  sie  sind  vereinzelt  in 
der  Masse  und  das  Ganze  erscheint  uns  durchaus  frenniartig.  Wolheo  wir  aUo 
wirkliche  Beziehungen  zwischen  HtBsarljk  und  Norddeutschland  aufsuchen,  so  wäre 
dies  ein  wenig  berechtigter  Schritt,  Es  mag  sein,  dass  einmal  die  Cultur,  welche 
die  alttrojanische  Technik  beeinflusst  hat,  mit  derjenigeo.  welche  die  ßeigabeo  un- 
serer prähistorischen  Skeletgräber  beeinüusste,  materiell  zusammenhing,  aber  dlee 
musste  vor  der  Gründung  der  ältesten  trojanischen  Stadt  stattgefunden  haben.  Denn 
schon  die  ältesten  Ansiedler  brachten  StylfornQen  mit  auf  den  Burgberg,  welche  io 
dieser  Besonderheit  unseren  neolithischen  Vorfahren  gänzlich  fremd  waren. 

Man  kann  freilich  in  Frage  stellen,  ob  überhaupt  eine  gemeinsame  Quelle  für 
diese  so  weit  auseinanderüegenden  Culturkreise  angenommen  werden  darf.  Io  der 
That  lässt  sich  auf  diesem  Gebiete  jede  Skep^sis  begreifen.  Hr.  Harrisoo  Wright 
hat  in  einem  kürzlich  erschienenem  Heftchen  (A  Memorandum-description  of  the 
dner  specimens  of  Indian  earthenware  pots  in  the  collection  of  the  Wyoming  histor. 
and  geolog.  socicty.  Public-Nr.  4.  1883)  eine  Anzahl  gut  erhaltener  prähistorischer 
Töpfe  aus  Nordost-PenDsjlvanien  beschriehen  und  abgebildet,  darunter  ausgezeich- 
nete ^Becher**,  Gefässe  mit  kugligem  Boden  und  mit  einer  Tiefornamentik,  io 
welcher  unter  Anderem  das  Schnufornameut  dorcb  Eindrucke  einer  Fisch  Wirbel- 
säule ersetzt  ist.  Einige  dieser  Gefasse  sind  altenglischen  erstaunlich  ähnlich. 
Man  vergleiche  z.  B.  das  zwischen  Felsen  an  den  Wallenpaupack-Fällen  gefundene 
Gefäss  mit  breiter  Randbordüre  mit  den  Aschenurnen  von  Dorset  und  Derbyshire 
bei  Thurnam  (l.  c.  p.  62).  und  doch  wird  schwerlieh  jemand  daraus  folgern,  dasA 
dasselbe  Muster  io  prähistorischer  Zeit  von  einem  Orte  aus  nach  Pennsjlvanien  und 
nach  England  gebracht  ist.  Wir  in  der  alten  Welt  setzen  uns  über  solche  Sorgen 
leicht  hinweg,  und  ich  erkenne  an,  dass  der  Gedanke  eines  inneren  Zusammen- 
hangs unserer  prähistorischen  Culrurbewegung  sich  nicht  so  leicht  zurückdrängen 
lässt  Aber  wir  sollten  es  lernen,  uns  davor  zu  hüten,  jeden  zufällig  etwas  ge- 
nauer bekannten  Culturheerd  sofort  als  einen  Mittelpunkt  weithin  ausstrmhleiider 
KiDfiüsse  zu  betrachten,  und  auf  ihn  alles  Mögliche   zu  (beziehen.     Auch  die  L<M«ü- 


(453) 

eotwicklong  hat  ihre  Bedeutunpi^  und  ao  jedem  Orte  können  sich  mehrere  Cultur- 
strömuDgen  gekreuzt  habeo.  So  hat,  wie  es  mir  scheint,  der  U ebergang  von 
der  Stein-  in  die  Metallzeit  sich  je  nach  den  Gegenden  sehr  yerschieden 
gestaltet,  und  dieselben  Formen,  die  ao  gewissen  Orten  ganz  neolU 
thiacli  sind,  werden  an  anderen  Orten  schon  der  Bronzezeit,  an  man- 
chen sogar  schon  der  Eisen-,  ja  selbst  der  La  Tene-Zeit  zugerechnet 
werden  müssen. 

Auf  ein  hesonders  interessantes  Fund  gebiet  weide  ich  später  noch  einmal  zu- 
riick kommen,  nehmlich  auf  das  italienische^  namentlich  das  von  Bologna^  wo  das 
Schnurornament  neben  höchst  eigenthümüchen  Mustern  der  Tiefornamentik  unge- 
wöhnlich lange  persistirt  hat. 


(20)    Hr.  Wissmann  bespricht  die 

In  Innerafrika  stattgehabten  VÖlker^erscKjebungen  und  den  Tanganyka-See. 

Gestern  erst  von  der  Reise  zurückgekehrt  und  beschäftigt  mit  der  Ausrüstung 
einer  neuen  Expedition,  habe  ich  nicht  Zeit  gehabt,  einen  längeren  Vortrag  vor- 
zubereiten. Ich  werde  daher  zunächst  einiges  über  die  Verschiebung  der  centralnfrika- 
nischen  Volker,  von  der  Westküste  ausgehend  bis  an  die  Ostkuste,  mittheilen,  so- 
weit es  mir  müglicb  war,  die  Verhältnisse  genauer  kennen  zu  lernen. 

Was  zunächst  die  portugiesische  Colonie  Angola  betrifft,  die  ich  von  Loanda 
bis  Sanza  durchkreuzt  habe,  so  ist  hier  wenig  zu  bemerken,  da  wegen  der  ausser- 
ordentlichen Masse  von  Sklaven^  die  in  früheren  Zeiten  aus  den  verschiedensten 
Theilen  des  Innern  nach  Angola  gekommen  «ind,  ein  besonderer  Typus  nicht  mehr 
zu  erkennen  ist  Zwischen  den  Sklaven  und  Sklavinnen,  die  hier  eingeführt  sind, 
hat  eine  vollständige  Mischung  aus  allen  Völkern  und  Stammen  des  centralen 
Afrikas  stattgefunden. 

Die  Farbe  der  sämmtHchen  Volkerschaften  von  Loanda  bis  Zanzibar  hinüber 
ist  eine  ausserordentlich  gleich  massige  und  zwar  diejenige,  welche  die  Herren  hei 
meinem  kleinen  Knaben  gesehen  haben,  den  ich  vor  einiger  Zeit  zeigte:  eine  dunkle 
chokoladenbraune  Färbungj  die  nur  wenig  nach  dem  Helleren  zu  varürL  Die  drei 
Leute,  die  ich  aus  der  portugiesischen  Colonie  bis  Zanzibar  gebracht  habe,  sind  in 
keiner  Gegend  als  fremdartig  aufgefallen.  Das  ist  ein  Zeichen,  dass  der  Typus  im 
Grossen  und  Ganzen  ein  gleich  massiger  ist.  Allein  gewisse,  ganz  auffallende  Unter- 
schiede treten  zwischen  diesen,  sonst  ziemlich  gleich  massig  aussehenden  Leuten  um 
so  mehr  hervor;  das  sind  ganz  besonders  die  Batua  und  der  von  Süden  ein- 
gewanderte  Stamm  der  Watuta,  nördlich  von  Uhha. 

Verläßst  man  die  portugiesische  Colonie,  ao  trifft  man  zunächst  auf  die 
Massongo,  die  meiner  üeberzeugung  nach  seit  langer  Zeit  an  derselben  Stelle 
sitzen,  dann  auf  die  Minungo,  die  eine  Mischung  zu  sein  scheinen  von  den 
Maasongo  ähnlichen  Volkern  und  Kalunda,  welche  letzteren,  wie  ich  später 
erwähnen  werde,  aus  Anlass  von  Zwistigkeiten  zum  grossen  Theil  nach  Westen 
ausgew^andert  sind.  Ganz  auffallend  ist  aber  ein  eigenartiger  Typus  bei  den  ßan- 
gftla,  am  Rande  des  Gebirges  Tala  Mnngongo.  Diese  ßaugala  sind  das  Erzeugniss 
einer  Mischung  der  Tupende,  der  früheren  Besitzer  dieser  Länder,  besonders  des 
ausserordentlich  reichen  Thaies  Cassange,  und  eines  Theiles  der  Kalunda.  Vor 
etwa  lOU  Jahren  wanderten  die  drei  Sohne  des  damaligen  Muata  Yanwo,  des  Herr- 
schers des  KalundareicheS)  mit  einem  grossen  Theil  ihrer  Anhanger  nach  Westen 
aas.  Einige  blieben,  wie  schon  erwähnt,  bei  den  Minungo  hängen;  ein  anderer 
Theil    blieb    bei    den  Makosa.     Diese  Makosa    sind  jetzt  noch  tributpflichtig  dem 


(454) 

Moata  Yaowo.  Der  grosste  Theii  giog  aber  in  das  reiche  Thal  und  überwältigte 
die  dort  sitzeadeD  Tupeode.  Der  grösste  Theii  der  ietztereo  wanderte  aas  und 
wir  haben  diesen  Theii  bei  Kikassa  am  Easai  wiedergetroffen  und  zwar  rein  er- 
halten^ noch  mit  denselben  Namen  und  in  genauer  Kenntaiss  der  Vorgange  ihrer 
Geschichte.  Der  sitzen  gebliebene  Theii  vermischte  sich  mit  den  Kalunda  und  es 
entstand  der  Name  Bangala.  £s  ist  dies  ein  viel  lebhafterer  und  höher  stehender 
Stamm,  als  die  sonstige  Eüstenbevölkerung;  sie  sind  sehr  intelligente  Händler  und 
reisen  ausserordentlich  weit.  £s  sind  dies  dieselben  Bangala,  die  vor  12  Jahren 
die  portugiesische  Armee  schlugen.  Sie  gehörten  bis  dahin  zur  portugiesischen 
Colonie  Angola  und  sind  jetzt  frei. 

Es  kommen  dann  östlich  von  den  Makosa  die  Kioque,  die  von  den  meisten 
Reisenden  Eioko  genannt  werden.  Ich  glaube  aber  den  Namen  Eioque  für  diese 
Völker  aufrecht  halten  zu  müssen.  Sie  haben  ihren  Sitz  südlich  von  den  Massongo 
gehabt  und  sind  seit  langer  Zeit  in  einer  fortwährenden  Wanderung  nach  Norden 
begriffen.  Diese  Wanderung  hängt  zusammen  mit  ihrem  Handel,  der  sich  hauptsächlich 
auf  Elfenbein  und  Gummi  erstreckt.  Elfenbein  ist  in  Westafrika  schon  ein  recht 
seltener  Artikel  geworden;  der  Gummi  muss  seine  Stelle  vertreten,  er  steht  sehr  hoch 
im  Preise.  Die  Gummiwälder  nehmen  nach  dem  Aequator  zu  an  Reichthum  zu.  Die 
Gewinnung  des  Gummis  ist  ein  vollständiger  Raubbau;  ein  rationelles  Vorgehen 
ist  dabei  nicht  zu  bemerken.  In  Folge  davon  verlassen  die  Eioque  die  Gegenden, 
wenn  sie  ausgebeutet  sind,  und  verziehen  sich  weiter  nach  Norden.  Es  mag  dies 
auch  mit  der  Jagd  zusammenhängen,  denn  wo  die  Eioque  sich  niederlassen,  ist  es, 
als  wenn  der  wilde  Hund  gejagt  hat.  Wo  der  Hyänenhund  jagt,  ist  nämlich  für  lange 
Zeit  jede  Art  von  Wild  verschwunden  und  für  den  Jäger  nichts  zu  machen.  Den 
Eioque  dichten  die  Neger  dieselben  Eigenschaften  an,  weil  sie  ausserordentlich  zähe 
Jäger  sind.  Ein  Eioque,  der  ein  Wild  angeschossen  hat,  marschirt  Tage  und  Wochen 
lang  demselben  nach.  Auf  diese  Weise  wird  auch  der  grösste  Theii  der  Elephanten 
erlegt,  die  sie,  wenn  sie  sie  krank  geschossen  haben.  Tage  und  Wochen  lang  nicht 
verlassen,  bis  das  betreffende  Thier  fällt. 

Die  Eioque  stossen  zunächst  im  Norden  an  das  Ealundareich,  das  mächtige 
Reich  des  Muata  Yanwo,  das  sich  vom  Eoango  bis  über  den  Lualaba  hinaus  er- 
streckt. Muene  Pute  Eassongo  ist  der  westlichste  seiner  Uuterfursten,  der  übrigens 
schon  in  Folge  der  grossen  Entfernung  eine  etwas  eigenmächtige  Stellung  einnimmt 
und,  wie  Major  v.  Mechow  erzählt,  sich  für  ziemlich  unabhängig  hält.  £s 
kommen  dann  der  Reihe  nach  viele  andere  Unterfürsten.  Die  Macht  der  Waffen 
des  Muata  Yanwo  ist  gleich  Null,  seine  Macht  als  Fetischero  ersetzt  dieselbe 
vollständig.  Ein  Eaguata,  ein  Häuptling  und  Richter  zugleich,  wird  vom  Muata 
Yanwo  ausgeschickt  mit  dem  Befehl:  nimm  dem  und  dem  Fürsten  den  Kopf. 
Er  begiebt  sich  mit  3 — 4  Leuten,  die  seine  Sachen  tragen,  auf  die  Reise,  er- 
scheint in  der  Hauptstadt  des  Fürsten  und  nimmt  in  vollständiger  Ruhe  und 
unangefochten  dem  Fürsten  den  Eopf,  ohne  dass  es  Jemand  einfällt,  gegen 
den  Eaguata  aufzutreten,  aus  Furcht  vor  den  Folgen  des  mächtigen  Zaubers  des 
Muata  Yanwo.  In  Folge  der  massenhaften  Sklavenjagden  im  Reiche  der  Ka- 
lunda und  der  willkürlichen  Art  des  Herrschens  baut  der  Ealunda  ausserordentlich 
wenig;  sowie  man  Ealuudaländer  berührt,  hat  man  mit  Hunger  zu  kämpfen. 

Die  Ealunda  sind  grosse,  schone,  schlanke  Leute,  auffallend  schlanker  und 
schöner  gebaut,  als  die  westlicheren  Volker.  Die  Rauhheit  ihrer  Sprache,  die 
scharfen  R-Laute  und  die  Gutturaltone  fallen  auf;  daraus  erklärt  es  sich,  dass  die 
zunächst  nach  Norden    wohnenden  Stämme  Tuluba  (Plural    von  Ealuba)    heissen. 


(455) 


Dr.  Bucboer,  der  sie  von  den  Kaluuda  neuneu  hörte,  schreibt  Turruba.  Die  Tuloba 
neDDea  sich  selbst  auch,  besoDders  weiter  ostlich,  Haluba. 

Man  findet  auf  den  Karten  ein  Volk  l'ubinsch;  dasselbe  existirt  nicht,  son- 
dern dies  Wort  ist  die  Hezeichnung  für  ein  niedriger  stehendes  Volk,  Wenn  die 
Tuluba  von  Tubinsch  aprtcheo,  so  meinen  sie  Völker,  die  Kannibaleö  sind,  die  in 
ie;ar  keinem  Coanex  mit  dem  weissen  Mann  und  seinen  SchätKca  stehen  u.  s*  w. 
Es  ist  also  eine  verächtliche  und  sogar  beleidigende  Bezeichnung. 

Am  Kasat  trafen  wir  die  Tüpende,  den  grossten  Theil  der  aos  dem  Cassange- 
thale  Ausgewanderten»  Wir  fanden  hier  auch  mehrfach  für  Dörfer  die  Bezeich- 
nnng  Cassange. 

Oestlich  von  Kasai  beginnt  ein  anderes  Völkergebiet,  das  der  Baluba.  Zu- 
nächst wohnen  nordlich  die  Tukete  unter  ihrem  Fiirsten  Kabao,  in  neuester  Zeit 
die  letzte  Elfenbeinstation.  Während  wir  in  Lubuku  waren,  war  dieselbe  besucht 
von  einem  Portugiesen,  dem  bekannten  Reisenden  und  Elfenbeinbündler  Silva 
Porto,  der  jetzt  72  Jahre  alt  ist.  Wahrend  wir  nach  Osten  zogen,  war  er  nach 
Kaban  gegangen.  Nordöstlich  und  östlich  von  den  Tukete  wohnen  die  Bakuba. 
Die  l^aluba  erzählen,  daas  nördlich  Menschen  vorkommen  mit  grossen  Köpfen  und 
solche,  die  sich  mit  der  in  die  Laug«*  gezogenen  Haut  ihres  Bauches  ihre  Scham 
bedecken.  Es  ist  eigentbümlich  und  interessant,  dass  das,  was  ich  dort  erfuhr, 
dieselben  Nachrichten  sind,  die  Professor  Bastian  an  der  Westküste  eingesogen 
hat  auf  seinen  Reisen  bis  San  Salvador,  Auch  dort  horte  er  von  den  Bakuba;  nur 
wurden  sie  Bakubi  genannt  Man  sieht,  dass  selbst  auf  so  grosse  Entfernungen  die 
Erkundigungen    ausserordentlich    werthvolt   sind. 

Dann  nördlich  von  diesen  Dickköpfen  wolinen  nach  der  Erzählung  Zwerge,  von 
denen  die  verschiedenaten  Geschichten  erzählt  werden:  sie  seien  behaart,  bellteD 
\%'ie  Hunde,  wohnten  in  den  Bäumen,  führten  kleine  Bogen  mit  vergifteten  Pfeilen, 
ihr  Hausthier  sei  der  Elephant,  den  sie  wie  Ziegen  aufzögen^  und  eine  Masse  ähn- 
licher Geschichten. 

Da  hier  zum  ersten  Mal  von  Zwergen  die  Rede  ist  und  wirklich  ein  Volks- 
stamra  zu  diesen  Geschichten  Veranlassung  gegeben  hat,  da  ferner  wahrscheinlich 
auch  der  Chimpanse  oder  Gorilla,  von  dem  man  nicht  weiss,  wie  weit  er  sich  nach 
dem  Innern  und  nach  Siiden  verbreitet,  mit  Veranlassung  zu  diesen  Geschichten 
gegeben  hat,  will  ich  die  Völker  erwähnen,  die  hier  in  Betracht  kommen. 

Stanley  hörte  am  Lualabo  von  einem  Zwergenvolk,  dass  er  Watwa  nennt, 
und  französische  Missionare,  die  am  Tanganyka  gereist  sind,  erzählen  ebenfalls  von 
Batwa*  Ich  traf  die  Batua  zuerst  am  Lubi,  nnd  verfolgte  sie  bia  zum  Tanganyka. 
Es  war  ein  ganz  eigenlhumlicher  Eindruck,  den  «ie  raachten:  kleitie,  schlecht  ge- 
baute, magere  Leute  niit  wildem  Aussehen,  scheinbar  dicken  Köpfen  und  ab- 
schreckendem Aeufisern*  Sie  nehmen  eine  ganz  absonderliche  Stellung  unter  den 
andern  Negern  ein,  nehmlich  eine  allgemein  venichtete.  Ein  Neger,  mag  er  beissen 
wie  er  will,  geht  nie  in  die  Wohnung  eines  Mutua,  Der  Mutua  darf  sich  ihm 
nicht  nähern,  er  wird  zurückgewieBen. 

Die  Batua  stehen  ausserordentlich  tief  in  ihrer  Industrie,  sie  haben  nur  höl- 
zerne Waffen.  Besitzen  sie  einmal  eine  eiserne  Pfeilspitze,  so  haben  sie  sie  er- 
worben für  ein  Tliierfell.  Sie  kleiden  sich  nicht  in  die  wirklich  reichen  schönen 
Stoie  aus  dem  Bast  der  Palma  vinifera,  sondern  nur  in  Felle;  sie  haben  keine 
Hausthiere,  nicht  einmal  Ziegen  und  Schweine,  wie  die  anderen  Neger,  sondeni 
nur  ab  und  zu  Huhner  nnd  allerdings  auffallender  Weise  einen  Hund,  der  unend- 
lich viel  höher  steht,  als  der  afrikanische  Hund,  wo  ich  ihn  auch  gesehen  habe. 
Nur  die  Batua  fuhren  diesen  Hund  und  jagen  mit  ihm  in  Koppeln.    Während  sontit 


(456) 


der  sfrikaaidche  Hund  weder,  wie  maa  sonst  sagt  zum  Locken  noch  zaen  Hetzen 
geeigoet  ist,  so  zeigt  der  Jagdbuod  der  Batua  etwas  Rasse  und  Blut;  er  steht  hoher,  ist 
kräftiger  gebaut,  sehniger  und  macht  im  Grossen  einen  sehr  viel  besseren  Eiodruek. 
Er  wird  cur  zur  Jagd  gebraucht.  F>te  Batua  sind  grosse  Jäger;  ein  Theil  von  ihnen 
wohnt  io  kleincD  Dorfero  vertheüt,  ein  anderer  zieht  herum,  jagend,  und  folgt,  wie 
ich  glaube,  dem  Elephaoteo,  der  auch  seiueo  bedeutenden  Wechsel  hat  und  in  be- 
stimmten Zeiten  lu  die  Savanne  tritt^  wahrend  er  in  anderen  Zeiten  gar  nicht  aus 
dem  Urwalde  kommt.  £s  kultivtren  diese  Batua  nichts,  weder  Kartoffeln,  oooli 
Mais,  Hirse  oder  Tomaten;  sie  leben  nur  von  Wurzeln  und  Früchten  de^  Feldes 
und  der  Savanne  und  hauptsächlich  von  der  Jagd.  Da  diese  selbstverständlich  oft 
nicht  sehr  ergiebig  ist  besonders  in  dem  jogdarmen  Centralafrika,  so  versebreo  sie 
auch  Heuschrecken,  Ratten  u.  A.  Die  Batua  haben  ihre  eigene  Sprache  und  ich 
glaube,  dass  sie  die  älteste  Bevölkerung  sind,  die  überhaupt  noch  übrig  ist  in  der 
Gegend  zwischen  dem  Lubi  und  dem  Tanganyka,  und  dass  die  anderen  Volker  sie 
erst  unterdrückt  und  zum  Theil  verjagt  haben.  Zu  dieser  Ad  nähme  berechtigt 
vielfach  die  üeberlieferung,  die  andere  Neger  haben. 

So  wissen  die  Völker,  die  wir  von  Easai  fast  bts  zum  Tauganyka  wiedertreffen,  die 
Baiuba  oder  Mischungen  der  Batuba  mit  anderen  Völkern,  dass  sie  von  Süden  in  dieae 
Länder  eingedrungen  sind  und  einen  schwächeren  Stamm  unterworfen  haben.  Rein 
erhalten  haben  sieh  die  Balubavülker  vom  Sankua  bis  zum  Lomami,  während  die 
T uschilange  Mischungen  üi:'r  Bajuba  mit  einem  i^chwächeren,  kleinen,  vermicker* 
ten  Volksstamm  sind,  der  sich  tättowirt  und  io  vieler  Beziehung  tiefer  gestandeo  hat. 
Die  Tuschilauge  lassen  sich  gern  Baiuba  nennen.  Sie  sind  schwächer  gebaut  und 
schlanker  als  die  Haluba.  Geistig  ist  diese  Mischung  sehr  günstig  ausgefallen ;  sie 
stehen  am  höchsten  von  alJen  Negern,  die  ich  kennen  gelernt  habe.  Es  kenozeichuet 
sich  das  in  den  Fragen,  die  sie  einem  vorlegen,  und  auch  sonst  in  jeder  Beziehung. 
Die  rein  er  halte  neu  Baiuba  sind  überall,  wo  man  sie  siehe,  vierschrötig,  starker, 
kräftiger  mit  stärkerem  Ünterkinn,  und  haben,  wie  Hr.  Dr.  Pogge  in  seinem  Brief 
bemerkt,  ein  etwas  buldoggenartiges  Aussehen^  wahrend  die  Gesiebter  der  Tuschilunge 
durchgehend  einen   weichen  Zug  besitzen. 

Die  Tuschilange  erzählen:  Der  grosse  Muata  Yanwo  Kassongo  hatte  folgende 
Söhne:  Kassongo,  Kanjika,  Kaseuge  und  Kapuku  Muluba.  Diese  Söhne  schickte 
der  alte  Kasson^^o  in  die  Welt  hinaus  und  sie  eroberten  sich  ihre  Länder.  V^on 
den  Kapuku  Muluba  stammen  die  Baiuba  ab;  dieselben  seien,  so  erzählen  sie,  ein- 
gebrochen in  diese  Gegenden  und  hätten  die  kleineren  Volker  unterworfen.  Letztere 
seien  schwache  Leute  gewesen,  die  am  ganzen  Leibe  tättowirt  waren,  Sie  hätten 
sich  mit  ihnen  vermischt  und  auch  die  Tat to wirung  übernommen,  denn  die  Tuachi- 
lange  tättowiren  sich  am  ganzen  Korper.  Aufiallig  ist  es,  dass  der  östlichste  Theil 
der  Tuschilange  immer  mehr  sich  dem  Typus  der  reinen  Baiuba  nähert,  während 
weiter  westlich  die  Leute  kleiner  und  schwächer  werden  und  der  Geäichtsausdruck 
immer    weicher    wird.     Es  fiel    das    sowohl  Pogge  als  mir  auf. 

Dann  folgen  die  rein  erhaltenen  Baiuba*  Zwischen  Bie  ist  hier  und  da  ein 
anderer  ^"olksreat  eingemischt,  so  z*  B*  die  Ngongo,  der  Volksstamm,  dex  den 
Dr.  Pogge  auf  seinem  Rückmarsch  überfallen  und  mit  dem  er  ein  ziemlicli 
ernstes  Gefecht  gehabt  hat.  Dies  ist  ein  Stamm,  der  sich  uns  gegenüber  beim 
Hinmarsch  anders  benahm  als  die  reinen  Baiuba. 

Im  Norden  der  Baiuba  sitzen  die  Bakuba,  welches  ein  ausserordenüich  mach* 
tiger  Volks  stamm  sein  muss,  denn  an  den  Grenzen  war  man  fortwährend  in  Auf- 
regung und  Furcht  vor  ihrem  Einfallen.  Man  sagt,  sie  gehorchen  aUe  dem  mäch* 
tigen  König  LuqueDgO|    der  etwas    oMiich  vom  Moansangoma    seine  Hauptstadt   bat. 


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(457) 


Von  der  Hauptstadt  erzählt  iriaii,  sie  sei  in  7  Tagen  nicht  zu  uragehen.  Ich  hoffe, 
den  Bakuba  auf  meiner  nächsten  Heise  etwas  näher  zu  treten,  da  ich  nach  Norden 
gehen  werde  und  me  jedenfalls  treffen  muss.  Auf  der  Karte  sind  hier  grosse  Dörfer 
iferzeichnet,    von  d«nen  ich  früher  gesprochen  hahe. 

In  der  irnmen^  bev5lkerteQ  Gegendj  in  diesen  Dörfern,  deren  jedes  eine 
Republik  für  sich  ist,  lebt  eiugebtreut  der  Stamm  der  Bas  sauge,  der  hervor- 
ragend  kriegerisch  ist.  Er  wohnt  in  drei  Feudalstaaten,  die  unter  Zappu^  Zappu 
Zapp  und  Mooa  der  Schrecken  der  ganzen  bevölkerten  Gegenden  sind.  Ich  halte 
die  Bassange  auch  für  Baluba,  vieMeicliI  für  die  am  a!lerreinaten  erhaltetienj  wäh- 
rend die  anderen  sich  doch  schon  mit  anderen  Stämmen  mehr  oder  weniger  ver- 
mischt haben.  Sie  haben  ganz  den  Typus,  von  dem  ich  sagte,  dass  er  den  Baluba 
eigen  sei,  das  Vierschrötige  und  Eckige. 

In  ejgenthümlicber  Weise  traf  ich  hier  auf  2  Gemeinden,  die  sich  ßena 
Lualaba  und  Beua  Tanganyka  nennen.  Es  war  mir  nicht  möglich  zu  erfahren, 
wie  diese  Namen,  weit  vom  Strom  und  vom  See  ah,  entstanden  seien,  denn  die 
Gemeinden  wussten  vom  Tanganyka-See  nichts;  vom  Lualaba  wussten  sie  wohl^ 
konnten  »ich  aber  nicht  erklären,  wie  sie  zu  dem  Namen  gekommen  seien. 

Am  Lomami  setzen  sich  hier  im  SQden  die  Balubavölker  weiter  fort,  während 
man  nach  Norden  zu  schon  in  andere  Bereiche  kommt,  zuwächst  in  Mischungen 
mit  anderen  Völkerschaften  uud  zwar  mit  denen,  die  im  Norden  von  Nyangwe 
wobnen,  mit  den  Wasongora,  von  de» neu  Stanley  uns  den  entsetss liehen  DrwaJd 
beschreibt.  Die  Waregga  sah  ich  mehrfach  in  Nyangwe,  wohin  sie  kommen,  um 
zu  handeln.  Sie  haben  einen  eigenthunilichen  Typu^.  Ihr  Gang  isjt  ganz  anders, 
er  ist  ein  federnder,  leichter  und  ausserordentlich  muskulöser.  Auch  haben  sie 
eine  ganz  andere  Art  von  Putz  und  andere  Sitten.  Hier  beginnen  aber  schon 
Mischungen;  ausserdem,  wo  die  Araber  öuftreten,  kommen  wieder  die  von  alJeu 
Seiten  herbeigeschleppten  Sklaven  dazu,  die  ein  Herauserkeunen  erschweren.  Die 
Bewohner  de»  Lualaba,  welche  direkt  seine  Ufer  bewohnen  und  niemals  weiter  als 
500  Ml  in  das  Laud  hineingehen,  sind  die  Wagenia  oder  Waenya.  Sie  geben 
weit  nach  Norden  hinauf  und  in  andere  Volkerschaften  hinein,  weil  sie  sich  als 
Fischer  Völker  an  dem  Strande  halten  und  in  Folge  dessen  eine  gewisse  gesicherte 
Stellung  haben;  denn  ihre  Rettung  ist  der  tluss  und  sie  sind  die  gewandteBten 
Bootsleute,  die  ich  in  Afrika  gesebeu  habe. 

Oestlich    vom  Lualaba    herrschen    die  Mischungen    vor    mit    den  Waldvolkern. 

Auf  der  Grenze  zwischen  Ubujwe  und  Manyema  traf  ich  ein  kleines  Völk- 
chen an,  das  sich  Wasi  Malungo  nannte.  Sie  haben  auch  ibre  ganz  besondere 
Eigenart,  sie  sind  auffallend  grösser,  stärker  und  schöner^  als  die  Leute  von  Man- 
yema. Ihre  Dörfer  sind  in  ganz  vorzüglicher  Weise  befestigt  mit  3  und  4  fachen 
Pallisadengängen,  auch  innerhalb  des  Dorfes  sind  einzelne  Abtbeilungen  durch 
Pallisaden  abgeschieden.  Sie  waren  sehr  gut  bewaffnet  und  machten  einen  sehr 
ernsten  und  kriegerischen  Eindruck,  so  daea  meine  ziemlich  frechen  Träger  sieb  s«hr 
zusammennahmen. 

Die  Wabujwe,  die  gegen  die  Wasi  Malungo  sehr  abfallen  an  Körpergrösse, 
Auftreten  und  Aussehen,  bewobnen  dann  die  Länder  bis  zum  Tanganyka.  An  der 
WestkQste  des  Tanganyka  finden  sich  die  letzten  Reste  der  Batua,  der  sogenannten 
Zwergvölker.  Ganz  ei  gen  th  um  lieh  war  es,  dass  ich  bei  meinem  Besuch  des  Lu- 
kug%  des  Abflusses  des  Tanganyka^  auf  ein  Volk  stiess,  das  sich  Baluba  nannte 
und  zwar  auf  derselben  Breite^  wo  ich  die  Baluba  früher  verlassen  hatte.  Es  sind 
die  Bewohner  von  Drua  oder  Uruwa.  Sie  aiud  Baluba  dem  Typus  nach  und  er* 
innern  sehr  an  die  Westvölker  in  ihrem  Putz  und  ihren  Sitten.    Hier  traf  ich  auch 


(458) 

einmal  wieder  dms  lange  nicht  gehörte  Wort  Mnkelenge.  eine  Anrede,  die  so  Tiei 
bedeutet  wie  ^rerehrter  Herr'.  Auch  bemerkte  ich  viele  Eigenheiten,  welche  den 
Ralaba  eigen  sind,  so  z.  B.  das  massenhafte  Anhäufen  Ton  Brennholx  bei  ihren 
Hänsern. 

Oestlich  vom  Tanganjka  beginnt  eine  ganz  andere  Art  der  BeTolkeroDg.  Ich 
traf  zuerst  die  Wabha.  schlanke  Gestalten,  die  Ton  Süden  in  diese  Länder  ge- 
kommen sind.  Dann  die  Watuta,  welche  Tor  7  Jahren  zuerst  in  diene  Gegenden 
eingebrochen  sind.  Das  grosse  Volk  der  Watuta  wohnt  weit  im  Süden.  Von 
ihnen  hat  sich  ein  kleiner  Theil  abgezweigt,  ist  in  diese  Gegenden  eingebrochen 
und  hat  sich  in  Uniamwesi  niedergelassen.  Der  Mututa  wird  von  den  um  wohnen- 
den Völkern  sehr  gefürchtet,  weil  er  ausserordentlich  kriegerisch  ist 

Oestlich  von  ihnen  wohnen  die  Waniamwesi.  Was  ich  ans  denen  machen 
soll,  weiss  ich  nicht,  denn  es  ist  aus  ihnen  nicht  herauszubekommen,  Ton  wo  sie 
gekommen  sind.  Dann  kommen  die  Wagogo,  die  auch  von  Süden  in  diese  Länder 
vorgedrungen  sind  und  ebenfalls  an  die  Watuta  erinnern. 

Es  folgen  dann  die  Küstenvölker,  von  denen  wenig  zu  sagen  ist,  weil  hier 
schon  Mischungen  stattgefunden  haben.  Es  ist  aber  meine  Route  ziemlich  genau 
die  Grenze  der  Somali  Völker.  In  zweitägigen  Einbrüchen  fallen  oft  die  Somali 
in  die  Länder  der  Wagogo  ein.     Die  Masai  gehören  zu  den  Somalivölkem. 

Zanzibar  selbst  ist  natürlich  in  Folge  der  bis  dabin  in  Flor  gewesenen  Sklaverei 
eine  Karte  von  Sliscbungen  sämmtlicher  Völker  der  Ostküste  und  der  Völker  des 
weiteren  Innern,  die  vou  den  Arabern  herausgeschleppt  worden  sind. 

Ich  will  noch  erwähnen,  dass  es  mir  aufgefallen  ist,  dass  ich  in  Weatafirika 
viel  Albinos,  in  Centralafrika  wenig  und  in  Ostafrika  nicht  einen  einzigen  gefanden 
habe.  In  Westafrika  habe  ich  ausserordentlich  viel  Albinos,  namentlich  in  der 
Kolonie  Angola,  getroffen. 

Oeber  den  Kannibalismus  der  Stämme  ist  es  nicht  leicht  etwas  zu  sagen,  weil 
die  Leute  ausserordentlich  schwer  Einblicke  gestatten.  Man  weiss  niemals  sicher, 
ob  das,  was  erzählt  wird,  auf  Wahrheit  beruht;  jedenfalls  erzahlt  man  aber  Ton 
Kannibalismus.  Man  hört  immer  die  Redewendung:  damals,  als  wir  noch  Menschen 
assen.  Meines  Eracbtens  sind  die  BalubaTÖlker  alle  Kannibalen,  mehr  oder  weniger; 
speciell  unsere  Freunde,  bei  denen  wir  so  lange  lagen,  waren  Kannibalen.  Die 
östlichen  Baluba  sind  es  noch,  unsere  Tuschilange  sagten  uns,  sie  hätten  selbst 
noch  Menschenfleisch  gefressen,  erst  seit  10  Jahren,  mit  der  Einführung  des  Riamha, 
habe  das  Menschenes^en  aufgehört.  Ganz  besonders  soll  der  Kannibalismus  be- 
trieben werden  bei  den  Bassange,  bei  jenen  sehr  rein  erhalteneu  Baluba,  die 
zwischen  den  grösseren  Dörfern  sitzen  und  die  wirklich  die  Plage  jener  Länder 
siod.  Während  wir  bei  dem  Fürsten  waren,  hatte  gerade  ein  Krieg  stattgefunden, 
uod  die  Leute  waren  zurückgekehrt  mit  den  Häuptern  der  Gefallenen  und  Er- 
schlagenen  auf  den  Speeren.  Am  anderen  Tage  sollte  der  König  kommen  und  ans 
begleiten,  er  erschien  aber  nicht  und  wir  hörten  des  Nachts  Geräusch  und  Trom- 
meln in  weiter  Ferne,  und  erfuhren,  dass  in  jener  Gegend,  nicht  im  Dorfe  selbst, 
das  Fest  abgehalten  sei.  Sie  hatten  dort  die  in  den  letzten  Tagen  Gefallenen  ver- 
zehrt. Man  erzählte  uns,  dass  das  immer  nur  bei  Nacht  geschähe,  niemals  in  den 
Dörfern  selbst  Vom  Menscbenessen  sind  ausgeschlossen  die  Kinder  bis  zu  einem 
gewissen  Jahre  und  ausserdem  die  Weiber,  die  schon  geboren  habeo,  sowie  jedes 
Weib  bis  zu  einem  bestimmten  Alter.  Wenn  es  feststeht,  dass  sie  unfruchtbar  ist, 
hat  sie  Theil  am  Menschenessen.  Bei  den  Wareggn,  behauptet  Stanley,  auch 
Beweise  von  Anthropophagie  getrofifen  zu  haben.  In  Manyema  sagte  mir  ein  Mann: 
„Bis  vor  kurzem  haben  wir  auch  Meuscheufleisch  gegessen  und  zwar  auch  das  von 


(459) 

deu  an  einer  Krankheit  Gestorbenen,  nur  haben  wir,  wenn  Jemand  an  einer  Krank- 
heit gestorben  ist,  die  aussersten  Glieder  der  Finger  und  Zehen  abgenommen,  ein- 
gesalzen, in  Blätter  gewickelt  und  ins  Wasser  geworfen,  während  wir  den  ganzen 
anderen  Körper  gegesson  haben.^  Durch  das  Einsalzen  und  Wegwerfen  sollte  erreicht 
werden,  dass  die  Krankheit  nicht  auf  deu  Essenden  überging.  Er  erzählte  weiter,  dass 
sie  nicht  die  in  ihren  eigenen  Dorfern  Gestorbenen  gegessen,  sondern  die  Leichen 
gewissermaassen  ausgetauscht  hätten.  Die  von  einem  fremden  Dorfe  herüber- 
gekommene Leiche  wird  später  wieder  erstattet  durch  einen  im  Dorfe  selbst  Ge- 
storbenen.    Die  Batua  essen  kein  Meuschenfleisch.  — 

Ich  wollte  mir  dann  noch  ein  Paar  Worte  erlauben  über  den  Tanganyka.  Es 
ist  speciell  der  Abfluss  des  Tanganyka,  über  den  die  verschiedensten  Gerüchte  exi- 
stiren  seit  Stanley,  ich  glaube,  deu  Schlüssel  zur  Aufklärung  aller  dieser  sich 
strikte  entgegenstehenden  Nachrichten  gefunden  zu  haben.  Zunächst  will  ich  be- 
merken, dass  der  Tanganyka-See  ein  Eiubruchsee  ist;  seine  Ufer  zeigen  oft  schräg 
anstehende  machtige  Schichten  in  scharfen  Brüchen,  so  dass,  wenn  man  an  seinen 
Ufern  entlang  fährt,  man  die  Ueberzeugung  gewinnt  von  einem  plötzlich  und  auf 
vulkanischem  Wege  herbeibeführten  Bruch  der  Schichten.  Seine  colossale  Tiefe 
spricht,  so  viel  ich  darüber  gehört  habe,  für  diese  Annahme  und  ebenso  spricht 
dafür  das  Weitere,  was  ich  noch  erwähnen  will. 

Was  seinen  Abfluss  betrifft,  so  wurde  zunächst  von  Lieutenant  Cameron 
über  denselben  berichtet.  Er  fand,  ähnlich  wie  Stanley,  ein  stagnirendes  Wasser 
am  Lukuga-Creek,  welches  sehr  sumpfig  und  jedenfalls  kein  Abfluss  des  Tanganyka 
war.  Es  kam  darauf  später  der  Capitaiu  Code  Höre  dorthin  und  fand  einen 
mächtigen  Abfluss;  ebenso  der  englische  Reisende  Thomson,  und  als  ich  hinein- 
fuhr in  die  Oeffuung  des  Lukuga,  mussten  wir  mit  allen  Rudern  arbeiten,  um  an 
iiand  zu  kommen  und  nicht  weggefegt  zu  werden.  Mit  einer  Stromgeschwindig- 
keit von  1  m  in  der  Sekunde  jagt  das  Wasser  des  Tanganyka  dem  Lualaba  zu. 
Wie  ist  das  nun  zu  erklären?  Nur  dadurch,  dass  der  Tanganyka  von  der  Zeit 
Stanley 's  bis  zu  mir  so  gestiegen  ist,  dass  er  sich  jetzt  einen  Abfluss  geöffnet 
hat.  Dieser  Abfluss  hat  aber  schon  früher  sehr  lange  existirt  und  der  See  in  seinem 
jetzigen  Spiegel  hat  schon  Jahrhunderte  lang  existirt.  Man  braucht  nur  an  irgend 
welche  Stelle  des  Ufers  zu  gehen,  um  zu  sehen,  dass  das  jetzige  Ufer  nicht  neu 
ist.  Die  mächtigen  Sanddünen  gehen  an  einigen  Stf^llen  etwa  2 — 300  m  in  das 
Land  hinein.  Die  Schrift  an  den  Felsen  ufern  des  Tanganyka  ist  die  langer  Jahr- 
hunderte. Es  genügt  das  Auge  eines  Laien  dazu,  um  das  feststellen  zu  können. 
Ebenso  ist  das  Bett  des  Abflusses  ein  so  markirtes  und  mit  so  starkem  Geroll  aus- 
gestattetes, dass  es  kein  neues  sein  kann.  Sogleich,  wenn  man  am  Ausfluss 
steht,  sieht  man  eine  mächtige  Felswand,  die  von  den  Wassern  des  Lukuga  abge- 
spült ist,  jedenfalls  das  Werk  vieler  Jahrhunderte.  Also  existirt  hat  der  Lukuga 
schon  lange  vorher.  Wie  ist  das  zu  erklären?  Die  Erklärung  giebt  der  dort  statt- 
findende Vulkanismus.  Noch  vor  25  Jahren  hat  aus  dem  Tanganyka  ein  Ausbruch 
stattgefunden  von  Wasser,  Schmutz  und  Steinen;  Proben  von  einem  solchen  Aus- 
bruch liegen  heutzutage  noch  in  London  bei  einer  der  Missionsdirektionen.  Die- 
selben sind  von  Griff  ith,  der  die  Station  hierinne  hatte,  dorthin  gesandt,  nachdem 
er  sie  von  Arabern  erworben  hatte,  welche  das  Ereigniss  mitgemacht  und  von  den 
ausgeworfenen  Massen  mitgenommen  hatten.  Viele  Araber  beschreiben  diesen  Aus- 
bruch und  sowohl  Capitain  Höre  als  Thomsen  und  Griff  ith  haben  noch  Erd- 
stösse  erlebt,  die  sich  fortsetzten  bis  nach  Tabora,  wo  ich  selbst  verschiedene  Erd- 
stösse  gefühlt  habe.  Auch  schreibt  Thomsen  von  einpm  ausgebrochenen  Krater 
zwischen  dem  Tanganyka  und  Nyassa.   Der  Vulkanismus  giebt  die  Erklärung  meioec 


(460) 

MeiouDg  nach  in  folgeoder  Weise:  Es  hat  an  den  öfern  dieses  Einbruchsee»  abep- 
uiaJs  eiQ  NacliStüri  stattgeftinden,  io  irgend  welcher  Verlängeruog,  sei  es  Dach 
Nordeo,  sei  es  nuch  Südeo.  Stanley  sagt,  es  macbe  den  Ei&druck,  als  weoD  es 
fr&her  zwei  Seen  gewesen  seien.  Es  zieht  sich  eine  untiefe  qner  durch  den  Tan* 
gaojku.  Mag  es  aun  ein  Naebsturz  an  den  Ufern  gewesen  sein  oder  ein  Nach- 
stürz  seines  Bettes  selbst,  kurz  und  gut^  dieser  Einsturz  hat  die  Folge  gehabt,  dass 
der  Spiegel  des  Sees  mächtig  gesunken  ist  Mit  dem  Nachstur«  des  Wassers  in 
die  neue  Vertiefung  ist  der  Abfluss  seiner  Funktion  enthoben  worden  und  die  Masse 
der  kleinen  Bäche,  die  in  den  Ltikuga  munden,  haben  dort  Pflanzen  und  Erdreich 
zugefijhrt  und  das  Bett  ausgefüllc  in  der  Länge  der  Zeit,  so  dass  das  Bett  des  alten 
Lukuga  endlich  volbtäadig  verschwunden  war.  Allmählich  ist  der  See  wieder 
gestiegen  und  damals»  als  Stanley  und  Cameron  dorthin  gekommen  sind,  bis  xu 
der  Höhe  gelangt,  dass  er  scheinbar  an  dem  Ausfluss  bin  und  her  ebbte.  Zwischen 
Stanley  und  mir  aber  hat  sich  dann  das  überlaufende  Wasser  zuerst  wieder 
den  Weg  gebahnt.  An  dieser  Stelle,  der  einzigen,  wo  ein  Abfluss  möglich  ist, 
bat  sich  zunächst  eine  kleine  Riniif'  gebildet;  demnächst  ist  Alles  wieder  nach* 
gerissen  und  das  alte  Bett  des  Lukuga  wieder  geößFnet  worden.  Es  ist  io  Folge 
dessen  seit  Stanley  der  Spiegel  wieder  etwas  gefallen,  bis  jetzt  nachweist^rerweiae 
um  12  Fuss,  selbstverständlich  weil  der  Strom  das  Wasser  abführte.  Ob  zu  der 
Zeit,  ab  ich  da  war,  ein  vullständiger  Ausgleich  der  Wassermasse  stattgefunden 
hatte  oder  oh  der  Spiegel  des  Sees  noch  weiter  fallen  wird»  weiss  ich  nicht;  er  kann 
aber  jedenfalls  nicht  mehr  viel  rallen^  da  das  Bett  des  Lukuga  nicht  tiefer  werdea 
kann  und  höchstens  ein  unterschied  eintreten  konnte  hinsichtlich  der  Strom« 
geschwind igkeit.  Einige  Kleinigkeiten  sprechen  für  diese  Annahme,  z.  ß.  die  Sylbe 
Lu  ist  der  Gegensatz  eines  Deminntivum  und  heisst  etwas  Grosses  und  Mächtiges. 
Stanley  und  Cameron  brachten  schon  zu  der  Zeit,  wo  der  See  hin  und  her 
ebbte,  den  Namen  Lukuga.  Dann  sprechen  für  solche  eigeuthümHchen  und  plötz- 
lichen, mit  Vulkanen  verbundeneu  Vorgänge  die  Seefabeln,  die  Stanley  erzählt, 
und  endlich  wird  man  bei  dieser  Erklärung  jedem  einzelnen  Beobachter  gerecht. 
So  lauge  also  eine  andere  Erklärung  nicht  da  ist,  scheint  mir  dies  die  Aufklärung 
der  eigenthümlicheu,  sich  widersprechenden  Berichte  über  den  Abfluss  des  Sees 
zu  sein. 

Inwiefern  die  Fauna  im  Tanganyka  und  Lualaba  einen  Beweis  fljr  meine  Be- 
hauptung liefert,  kann  ich  nicht  sagen,  da  ich  Kenntnisse  in  dieser  Beziehung  Dicht 
besitze.  Jedenfalls  gaben  mir  Griffith  und  Oapitain  Höre,  die  ich  an  der  Eusie 
traf,  vollständig  Hecht,  als  ich  ihnen  die  Sache  so  auseinandersetzte.  — 


Br.  Bastian  richtet  warme  Abschied sworte  an  den  zu  einer  neuen,  auf  3  Jahf« 
berechneten  Expedition  nach  Innerafrika  sich  rüstenden  Herrn   Vortragendeo. 


(21)  Eingegangene  Schriften: 

1.  Journal  of  the  Anihropological  Institute  of  Great  Brit&in  and  Ireland.  Vol. 

Nr.   L 

2.  AI  Frosdocimi,    Le  necropoli  euganee  ed  uns  tomba  della  Villa  BeoTeoiiti 

in  Este,     Gesch.  d.  Verf. 

3.  AI,  Frosdocimi,  Notizie  delle  necropoli  euganee  di  Este.  Roma  1882,  Geaeli. 

d.  Verf, 

4.  F*  V.  Hochstetter,    Die    neuesten  Gräberfunde    von    Watsch    und   St.   Marg». 

rethen  in  Krain  und  der  Culturkreis  der  Hall^tädter  Periode.    Wien  1883^ 
Gesch,  d.  Verf. 


Xl^V 


(461) 

5.  Antiqvarisk  Tidskrift  for  Sverige.     Bd.  7,  Heft  1—3. 

6.  Revue  de  Thistoire  des  religions.     Tome  VI,  Nr.  6. 

7.  Amtliche  Berichte  aus  den  Königlichen  Kunstsammlungen.     Jahrg.  IV,  Nr.  3. 

8.  K.  Wehse,  Herrschaft,  Burg  und  Ruine  Karpenstein.     Landeck  1883.    Gesch. 

d.  Hrn.  Virchow. 

9.  W.  Arnold,  Deutsche  Urzeit.     Gotha  1879,     Gesch.  d.  Hrn.  Virchow. 

10.  Neues  Lausitzisches  Magazin.     Bd.  59,  Heft  L 

11.  W.  Joest,  Das  Holontalo,  Glossar  und  grammatische  Skizze.    Ein  Beitrag  zur 

Kenntniss  der  Sprachen  von  Celebes.     Berlin  1883.     Gesch.  d.  Verf. 

12.  Annuaire   de  TAcademie  rojale  des  sciences,    des  lettres  et  des  beaux-arts  de 

Belgique.     1882.  1883. 

13.  Bulletins  de   TAcademie  royale  de  Belgique.     3.  serie,  Tome  I — V.    Bruxelles 

1881—1883. 

14.  Verhandlungen  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Berlin.     Bd.  X,  Nr.  5,  6  und 

Extranummer. 

15.  Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Berlin.  Bd.  XVllI,  Heft  2,  3. 

16.  Revue  d'Ethnographie.     Tome  IL  Nr.  3,  4. 

17.  Bulletins  de  la  societ^  d* Anthropologie  de  Paris.     Tome  VI,  Fase.  3. 

18.  Baltische  Studien.     Jahrgang  33.     Stettin  1883. 

19.  Atti  della  R.  Accademia  dei  Lincei.     Vol.  VII,  Fase.  11,  12,  13,  14. 

20.  Deutsche  geographische  Blätter.     Herausgegeben   von   der  Geographischen  Ge- 

sellschaft zu  Bremen.     Bd.  VI,  Heft  3. 

21.  Anzeiger  fQr  Kunde  der  deutschen  Vorzeit.     1883.     Nr.  8,  9,10. 

22.  Mittheilungen  der  deutschen  Gesellschaft  für  Natur  und  Völkerkunde  Ostasiens. 

Heft  29. 

23.  Antiqua,    Unterhaltungsblatt  für  Freunde  der  Alterthumskunde.     Zürich  1883. 

Nr.  2—6. 

24.  Boletin  de  la  Academia  nacional  de  Ciencias  en  Cordoba,  Republica  Argentina. 

Tomo  V,  Entrega  3. 

25.  Boletim  da  sociedade  de  Geographia  de  Lisboa.   3.  serie  Nr.  9,  11,  12;  4.  Nr.  1. 

26.  W.  Schwartz,  Prähistorisch-anthropologische  Studien.    Berlin  1884.  Gesch.  d. 

Verf. 

27.  'W.  Freih.  von  Tettau,    D ebersichtliche  Zusammenstellung   der  in  Erfurt  und 

dessen   Umgegend  gefundenen  vorgeschichtlichen   Gegenstände.     Gesch.  d. 
Verf. 

28.  Albrecht,  Note  sur  la  presence  d'un  rudiment  de  proatlas  sur  un  exemplaire 

de  Hatteria  punctata  Gray.     Gesch.  d.  Verf. 

29.  Albrecht,    Note  sur  le  basioccipital    des  batraciens  anoures.     Gesch.  d.  Verf. 

30.  Albrecht,  Note  sur  un  sixieme  costoide  cervical  chez  un  jeuue  Hippopotamus 

amphibius  L.     Gesch.  d.  Verf. 

31.  AI  brecht,    Note  sur  une  hemivert^bre  gauche  surnumeraire  de  Python  Sebae 

Dumeril.     Gesch.  d.  Verf. 

32.  Albrecht,    Memoire    sur    le  basiotique,    un  nouvel    os  de    la  base    du   crane. 

Bruxelles   1883.     Gesch.  d.  Verf. 

33.  Albrecht,    Sur  le  cranc  remarquable  d'une    idiote  de  Maus.     Bruxelles  1883. 

Gesch.  d.  Verf. 

34.  Albrecht,  Das  os  intermcdium  tarsi  der  Säugethiere.     Gesch.  d.  Verf. 

35.  Albrecht,    Sur  les  4  os  intermaxillaires,    le    bec-de-li^vre  et  la  valeor    mor- 

phologique    des   dents  incisives  superieures   de  Thomme.     Broxelles  1883. 
Gesch.  d.  Verf. 


(462) 

36.  M.  TOD  Brandt,    Sprache  und  Schrift  der  Chineseo.     Breslma    1883.     Gesch. 

d.  Verf. 

37.  VerhandloDgeD  der  permaDeDten  Commission  der  Europaischen  Gimdmesaung. 

Berlin  1883.     Gesch.  d.  Hrn.  Virchow. 

38.  Verhandlungen  des  wissenschaftlichen  Beiraths  dos  Kgl.  Geodätischeo   lostituU 

zu  Berlin  im  Jahre  1883.     Gesch.  d.  Hrn.  Virchow. 

39.  R.  Schomburgk,  Report  on  the  progress  and  condition  of  the  botanic  garden 

of  Adelaide  and   govemment  plantations  during  the  year  18>S2.     Adelaide 
1833.     Gesch.  d.  Verf. 

40.  Fr.  Tappeiner.    Studien    zur    Anthropologie    Tin)Is   und    der  Seite   comiini. 

Innsbruck  1883. 

41.  Ges.  Lombroso,  Gasparone.     Torino  1882. 

42.  I    J.ihresbericbt  der  geographischen  Gesellschaft  zu  Greifswald.     1882 — 1683. 

43.  Will.  E.  Eyerette,    Ethoological  researches    among    the  Tutütene   Indiana  of 

Western  Oregon.     Msc.  vom  Verf.  eingesandt 

44.  Mittheilungen  der  anthropologischen  Gesellschaft  in  Wien.    Hand  XIII^  Heft  2. 

45.  R.  Virchow,    Oeber  die  Zeitbestimmung  der  italischen  und  deutschen   Hau»- 

urnen.   Aus  den  Mittheil,  der  Kgl.  Akademie  der  Wissenschaften,  Mai  1883. 
Gesch.  d.  Verf. 


Sitzung  vom  17.  November  1S83. 
Vorsitzender  Hr.  Virchow. 

(1)  Hr.  Lindenschmit  hat  folgendes  Schreiben,  d.  d.  Mainz,  23.  October,  an 
den  Vorsitzenden  gerichtet: 

„Das  gestern  erhaltene  Schreiben  des  Vorstandes  der  Berliner  Gesellschaft  för 
Anthropologie,  Ethnographie  und  Urgeschichte,  in  welchem  derselbe  mir  die  Ernen- 
nung zum  Ehrenmitgliedc  kund  giebt,  hat  mich  überrascht  und  hoch  erfreut.  Ge- 
nehmigen Sie  meinen  ergebensten  Dank  fijr  diese  mir  gewährte  Auszeichnung  von 
Seiten  eines  Vereins,  der  in  dem  umfassenden  ßereichc  seiner  Aufgaben  bereits  so 
Bedeutendes  geleistet  und  so  glücklich  ist,  sich  der  unvergleichlich  vielseitigen 
Thätigkeit  seines  verehrten  Vorsitzenden  in  gleichem  Maasse  zu  erfreuen  wie  seiner 
Erfolge  auf  so  manchem,  bis  jetzt  nahezu  unbetretenero  Gebiete  der  Forschung. 

„Wenn  es  mir  nur  vergönnt  war,  im  Vergleiche  mit  einer  so  weitgreifenden 
Wirksamkeit,  auf  mehr  beschranktem  Gebiete  die  Erfolge  unbefangener  Auffassung 
anzubahnen,  so  linde  ich  die  werthvollste  Anerkennung  meiner  Bestrebungen  in  der 
mir  erwiesenen  Ehre.*  — 

Die  HHrn.  Aeby  und  von  Fellenberg  in  Bern  sind  zu  correspoudirenden 
Mitgliedern  erwählt  worden. 

(2)  Hr.  A.  B.  Meyer  sendet  folgenden  Nachruf  für  den  verstorbenen  S.  C. 
J.  W.  van  Musschenbroek  in  Leiden: 

Am  7.  November  verschied  im  Alter  von  56  Jahren  nach  kurzem  Krankenlager  in 
Leiden  Mr.  S.  C.  J.  W.  van  Musschenbroek,  gewesener  niederländisch-indischer 
Resident  von  Ternate  und  Manado,  wissenschaftlichen  Kreisen  weithin  über  die 
Grenzen  seines  Vaterlandes  hinaus  bekannt  durch  sein  vielseitiges  Wirken  auf  den 
Gebieten  der  Geographie,  der  Sprachwissenschaft,  der  Ethnologie,  Zoologie,  Botanik 
und  allen  mit  diesen  Disciplinen  verwandten  Bestrebungen.  Viele  Jahre  als  As- 
sistent-Resident in  Buitenzorg  auf  Java  tbätig,  wurde  er  1873  nach  Ternate,  1875 
nach  Manado  auf  Celebes  als  Resident  versetzt  und  kehrte  1876  zu  bleibendem 
Aufenthalte  nach  Europa  zurück.  Nach  Absolvirung  seiner  juridischen  Studien 
hatte  er  sich  im  Leidener  Museum  emsig  mit  Zoologie  beschäftigt,  in  Buitenzorg 
bot  ihm  der  dortige  berühmte  botanische  Garten  Gelegenheit,  seine  Kenntnisse  in 
der  Botanik  zu  vertiefen,  und  während  seines  langjährigen  indischen  Aufenthaltes 
legte  er  grosse  naturwissenschaftliche  Sammlungen  an,  mit  denen  er  die  Museen 
Europa' s,  in  erster  Linie  diejenigen  Leiden's  bereicherte,  wie  auch  sein  Verweilen 
unter  den  Völkern  des  ostindischen  Archipels  dazu  diente,  seine  Kenntnisse  im 
Sanscrit,  Arabischen,  Javanischen,  Malaischen,  Kawi  und  anderen  Sprachen  mehr  zu 
sehr  umfassenden  zu  gestalten.  Er  Hess  es  sich  ferner  in  ganz  hervorragendem 
Maasse  angelegen  sein,  alle  wissenschaftlichen  Reisenden,  welche  den  ostindiechen 
Archipel  besuchten  und  mit  ihm  in  Berührung  kamen,  in  jeder  Weise  durch  seinen 
werthvollen  Rath  und  seine  werkthätige  Hülfe  zu  unterstützen,  wodurch  er  sich  die 
weitesten  Kreise  zu  hohem   Danke    verpflichtet   hat.     Seine    Versetzung   von    Jaya 


(464) 

Dach  Ternate  geschah  tod  Seiten  der  niederländisch -indischen  RegieroDg  in  der 
Absicht,  ihn  an  die  Spitze  einer  grossen  wissenschaftlichen  Expedition  oach  Neo- 
Guinea  zu  stellen,  welche  von  dort  ihren  Ausgangspunct  nehmen  sollte,  welche 
jedoch  in  Folge  des  inzwischen  ausgebrochenen  Krieges  mit  Atjeh  nicht  zur  Aus- 
führung kam.  Während  seines  dann  folgenden  Aufenthaltes  auf  Celebes  sammelte 
er  die  Daten  zu  seinen  2  schonen  Karten  vom  Golf  von  Tomini  und  der  Minahasfa, 
welche  1878  und  1879  erschienen.  Er  hatte  sich  während  seines  Tieljährigen  Auf- 
enthaltes im  Archipel  die  umfassendsten  Kenntnisse  erworben  und  schritt  sofoit 
nach  seiner  Ruckkehr  nach  Curnpa  dazu,  dieselben  nutzbar  zu  machen.  I>ie  nieder- 
ländische Regierung  entsendete  ihn  1878  zur  internationalen  Ausstellung  nach 
Paris,  1880  zur  internationalen  Fischerei- Ausstellung  nach  Berlin,  1881  zum  inter- 
nationalen geographischen  Congress  nach  Venedig,  und  bei  der  in  diesem  Jahre 
in  Amsterdam  Teranstalteten  internationalen  kolonialen  Ausstellung  gehörte  er  zu 
den  leitenden  Persönlichkeiten.  Noch  wenige  Tage  vor  seinem  so  plötzlich  er- 
folgten Tode  wurde  ihm  die  Direction  des  neu  gegründeten  kolonialen  Museums 
in  Amsterdam  übertragen,  nachdem  er  seit  seiner  Rückkehr  aus  Indien  einer 
grossen  Reihe  von  wissenschaftlichen  Gesellschaften  und  gelehrten  Instituten  Hollands 
und  des  Auslandes  thätig  nahe  getreten  war. 

Die  Wissenschaften  verlieren  in  Tan  Musschenbroek  einen  unermüdliGheB 
Förderer  und  begeisterten  Anhänger,  mit  dem  eine  Fülle  noch  unbehobenen  Wissens 
zu  Grunde  ging,  sein  Vaterland  verlor  einen  seiner  edelsten  Patrioten,  seine  unter 
den  civilisirten  Nationen  der  Erde  verbreiteten  Freunde  betrauern  einen  treaen  Ge- 
nossen und  Gönner,  welcher  stets  bereit  war,  alle  ernsten  Bestrebungen  zu  lordem, 
zu  allem  Guten  und  Schönen  aufzumuntern  und  alle  Leistungen  ruckhaltlos  und 
gerecht  anzuerkennen.  An  allen  menschlichen  Tugenden  war  er  reich.  Seinem  An- 
denken Ehre! 

Verzeichniss  der  hauptsächlichsten  Arbeiten  von  S.  C.  J.  W.  Tan  Mus- 
schenbroek: 

1.  Diss.  jur.  ing.  de  quaestione,  num  in  venditione  rerum  immobilinm,  majo- 
ribos  et  minoribus  aetatis  competentium,  auctoritate  judicis  opus  sit.  1852. 
8^  31  pag. 
'2.  Verslag  omtrent  de  afdeeling  Ambarawa  na  de  aardbevingen  waargenomeo 
in  den  Nacht  v.  16.  tot  17.  Julij  1865.  Nat.  Tijdschr.  v.  Ned.  Indie  Vol. 
XXIX  1867  pag.  1  —  27. 

3.  Cachelot- Vi^scherij  in  den  Nederlandsch  indischen  Archipel.    Getah-Pertja 
van  Celebes- Oostkust.     1877.    55  pag.     ;T.  ter  bev.  v.  Nijverheid.) 

4.  lets  over  de  inlandsche  wijze  van  Eatoen  verwen.     ISl^. 

5.  Een  bezoek  aan  de  Friesche  Wadden.     1S7S.    8^    3c»  pag.  (Eigen  haard.) 

6.  Kaart  van  de  Minahassa.     1878.     ,^J^^^ 

7.  Aanteekening  omtrent  de  Avifauna  van  Ters«:helling.    Is79.  (T.  Ned.  Dierk. 
Ver.  IV.: 

^.    Kaart  met  toelichting  van  de  Bocht  van  Tomini  of  Gorontalo  en  aangrensende 

Landen   1879  fol.  und  4^    18  pag. 
9.    Mededeelingen  omtrent  grondstoffen    uit    het  oostlijk    gedeelte    van    onzeo 

indischen  Archipel   ISSO.    S'.    67  pag. 

10.  Memoire  offen  au  congref  de  geographie  s'assemblant  a  Venise.    IShl.     S\ 
91   pag. 

11.  La    Papouasie  ou  Nouvelie-Guin^e    occidentale    par    M.    le  Cte    )leyners 
li'Estrey.    18sl.    8.    ^  pag.  (Ind.  Gids.; 


(465) 

12.  Hei  Vaar water  vao  de  schipbreukelingen  vaü  het  stoomschip  Koniog  der 
Nederianden.    1881.    8°.    2S  pag,  mit  Karte. 

13.  Toepassiog  van  fotozinkografie  op  verreelvutdiging  vao  hydrografische 
Kaarten.     Tijdschr,  Aardr.  Gen,     1882,  132. 

14.  Over  de  afschafting  TftD  de  octrooieo.   Maatsch.  v.  Nijverheid.    1882. 

15.  Over  de  spoorwegverbiüdiog  van  dea  Senegal  met  den  Niger  en  de  han- 
delageroeenscliap  met  Timboektoe,  ibid.     1882. 

16.  Over  de  verbetering,  welke  bjj  de  cartograpliie  in  den  laatsten  tijd  waren 
in  toepassing  gebracht  ibid.    1882. 

17.  Dagboek  van  Dr.  H.  A.  Bernsteines  laatate  Reis  van  Ternate  naar  Nienw- 
Gninea.    1883.    8»   258  pag.  mit  Karte. 

18.  Catalogus  der  afdeeüng  Nederlandscbe  Kdonien  van  de  Internationale 
Koloniale  en  uitvoer-bande!  tentoonstelÜEg  te  Amsterdam.  1883.  Groep  IL, 
lOe  Klasse:  Middelen  van  bestaan.  A.  Jacht  en  VtsBcherij  pag,  87 — 13 L 
E.  Boachproducten  pag.  178—214.     G,  Nijverbeid  pag.  227—272. 

Der  Vorsitzende  erklärt,  dass  viele  der  Anveesenden,  welche  Hrn.  van  Mus- 
achenbroek  zur  Zeit,  ala  er  hier  die  Funktion  des  Kommissars  der  niederländi- 
flchen  Ptegierung  auf  der  deutschen  Fischerei-Ausstellung  versah,  kennen  gelernt 
haben,  seine  liebenswürdige  Persönlichkeit  und  seine  ausgedehnten  Kenntnisse  in 
lebhafter  Erinnerung  halten.  Mit  tiefer  Theilnahme  werde  man  auch  in  Deutschliind 
den  Tod  des  trefflichen  Mannes  beklagen»  der  berufen  schien,  ein  neue«  Verbindungs- 
glied zwischen  Europa  und  dem  fernen  Osten  zn  bilden. 

(3)   Hr.  Virchow  berichtet  über 

ein  mit  Glyptodon-ftesten  gefundenes  menscliliclies  Skelet  aus  der  Pampa  de  la  Flata. 

Nach  einer  freundlichen  Mittheilung  des  Hin,  v.  Martens  ist  augenblicklich 
in  Genua  eine  seltene  Sammlung  von  Thier-  und  Menschenresten  aus  der  argen- 
tinischen Pampa  ausgestellt,  welche  zum  Verkauf  angeboten  wird.  Dieselbe  gehört 
dem  Hrn.  Santiago  Roth,  einem  seit  läogerer  Zeit  dort  angesiedelten  Schweizer, 
und  umfasst  nach  dem  uns  vorliegenden  Katalog  {Fossiles  de  la  Pampa.  San  Nicolas 
1882)  eine  grosse  Zahl  der  interessantesten  paläontologiecheu  Stücke.  Nach  seiner 
Angabc  fand  Hr.  Roth  ein  menschliches  ökelet  in  der  oberen  Pampa- Formation  bei 
Pontimelo  im  Norden  der  Provina  Buenos  Äyres  au  einem  sanft  geneigten  Abhänge, 
etwa  ^/j  M,  von  dem  Rio  de  Arrecifes,  an  einer  durch  den  Regen  zum  Theil  abge- 
schwemmten und  der  Humusdecke  beraubten  Stelle.  Der  Schädel  lag  in  gleicher 
Hohe  mit  der  Schale  eines  Glyptodon  nach  der  Flnssseite  zu,  die  übrigen  Knochen 
nach  verschiedenen  Richtungen  zerstreut,  ein  Oberschenkel  und  das  Becken  aber 
unter  dem  Schilde  des  Thieres.  Der  Schädel  nebst  Unterkiefer  hatte  eine  verti- 
kale Stellung,  war  aber  von  dem  Atlas  und  Epistropheus  um  1,50  m  entfernt;  unter 
dem  Unterkiefer  ateckfee  ein  ^Instrument"  aus  Hirschhorn.  Die  Knochen  der  einen 
Hand  waren  zusammen,  die  der  anderen,  sowie  die  der  Füsse  zerstreut.  Eine 
Muschelschale  fand  Hr.  Roth  persönlich  im  Becken;  dicht  dabei  lagen  kleine  zer* 
brocheae  Knochen  eines  Edentaten^  von  denen  er  annimmt,  dass  das  Thier  dem 
Menschen  als  Nahrung  gedient  habe.  Die  Schale  des  GJyptodon  war  umgedreht,  der 
Rucken  nach  unten,  die  Rander  aus  der  Erde  herausstehend.  Hr.  Roth  nimmt 
an,  dass  der  Todte  nicht  bestattet^  sondern  nach  und  oacb  mit  Erde  überweht  sei, 
wesshalb  auch  die  zuerst  bedeckten  Theile  sich  besser  erhalten  hätten,  als  die  längere 

VffrhundL  il«r  Berl.  Antbropol.  QtäMtchzh  taSS.  30 


(466) 

Zeit  der  Luft  und  dem  Regen  ausgesetzt  gewesenen.    Von  der  öbersendeteD  Photo- 
graphie des  Schädels  giebt  der  nachstehende  Holzschnitt  die  Hauptumrisse. 


Hr.  Carl  Vogt,  der  den  Finder  personlich  kennt,  hat  schon  früher  in  den  Bullet 
de  la  soc  d'anthrop.  de  Paris  Tom  20.  October  1881  p.  693  einige  weitere  Mit- 
theilnngen  gemacht.  Damach  umfasst  die  von  Hrn.  Roth  im  Laufe  yon  15  Jahren 
explorirte  Fläche  einen  Raum  von  etwa  öOOOdMeil.  längs  des  Parana,  eine  weite 
wellige  Ebene  ohne  jeden  Fels,  ohne  Geroll  und  Sand,  deren  Humusdecke  etwa 
1  m  stark,  aber  an  den  tieferen  Stellen  durch  Wasser  fortgeschwemmt  ist.  Die  dar- 
unter liegende,  eigentliche  Pampa-Formation,  welche  durchweg  aus  einer  sehr  feinen 
thonig-sandigen  Erde  besteht,  bat  2  Etagen:  eine  obere,  lichtere  yon  5 — 24  m 
Mächtigkeit,  in  welcher  die  Reste  von  Glyptodon,  Hoplophorus,  Mylodon,  Sceli- 
dotherium,  Dasjpus,  Machaerodus,  Equus  curvidens  und  zahlreicher  Wiederkäuer 
eingeschlossen  sind,  und  eine  tiefere,  1 — 3  m  dicke,  von  dunklerer  Farbe,  mit 
Resten  des  Mastodon,  Megatherium,  Panochthus,  Doedicurus  und  Taxodon.  Beide 
Etagen  seien  quaternär,  aber  niemals  finden  sich  die  Knochenreste  derselben  gemischt 
Tor.  Darunter  folgt  eine  Thonschicht  von  unbekannter  Tiefe,  die  Hr.  Bur  meist  er 
als  marin  ansieht,  was  Hr.  Roth  bestreitet.  Das  menschliche  Gerippe  lag  in  der 
obersten  Quaternäretage.  Diese  Schichten  sind  jedoch  nach  Hrn.  Roth  nicht  ans 
Wasser  abgesetzt,  sondern  in  ähnlicher  Weise,  wie  es  Hr.  v.  Richthofen  für  den 
Loss  in  Centralasien  annimmt,  durch  die  combinirte  Thätigkeit  von  Wind  and 
Wasser  entstanden.  Er  fuhrt  Beispiele  dafür  an,  wie  schnell  noch  jetzt  die  Gerippe 
yon  Thieren  auf  der  Pampa  bedeckt  werden. 

Hr.  Vogt,  der  nur  Photographien  der  Gegenstände  gesehen  hatte,  erklärt,  dass 
er  an  der  Hirsch  hörn  zacke  kein  Zeichen  einer  absichtlichen  Bearbeitung  bemerke, 
dass  jedoch  Hr.  Roth  schon  bei  einer  früheren  Gelegenheit  neben  den  Resten  eines 
Scelidotherium  eine  Feuersteiowaffe  ausgegraben  habe,  die  sich  jetzt  im  Besitz  des 
Hrn.  Pedro  Pico  in  Buenos  Ayres  befinde.  Eine  spätere  Bestattung  unter  dem 
Schädel  des  Glyptodon  sei  übrigens  nach  Hrn.  Roth  ganz  ausgeschlossen,  da  in 
diesem  Falle  die  ganze  Schale  erst  weggenommen  und  nachher  sorgfaltig  hätte  re- 
ponirt  werden  müssen.  Jedenfalls  ist  der  Fall  ein  sehr  bemerkenswerther  und  eine 
genauere  Beschreibung  des  Schädels  wäre  von  besonderer  Wichtigkeit.  Nach  der 
Photographie  zu  urtheilen,  ist  derselbe  kurz  und  hoch;  seine  ganze  Erscheinung 
bringt  mir  unwillkürlich  die  Schädel  aus  brasilianischen  Sambaqui's  in  die  Ejrinne- 
rung,  welche  ich  bei  früheren  Gelegenheiten  in  der  Gesellschaft  besprochen  habe. 
Der  erste,  den  ich  in  der  Sitzung  vom  11.  Mai  1872  (Verh.  S.  189)  vorlegte,  stammte 
von  Dona  Francisca:    er    erwies    sich  als  hypsibrachjcephal.     Der  andere,    von  der 


(467) 

Insel  San  Amaro  bei  Santos,  den  ich  iü  der  Sitzung  Tom  10.  Jpouar  1874  (Yerh. 
S.  b)  erörterte,  war  orthobracbycephal.  Ich  liabe  auch  schoo  darauf  hinge wieseo, 
dass  die  von  Hrn.  Strobel  in  den  Paraderos  von  Patagooien  gefundenen  Schädel 
gleicbfalJs  brachycephal  waren.  Eine  speciellere  Analyse  der  Einzelheiten  nach  der 
PhotogTapbie  mochte  leb  nicht  versuchen;  es  mag  umsomebr  genügen,  auf  diese 
Analogien  bingewiesen  zu  haben,  de  ich  früher  sehr  eingebende  Bescbreibnngen  der 
8 am baqui- Schädel  geliefert  habe. 

Es  ist  aber  dabei  nicht  zu  übersehen,  dass  auch  die  Schädel  der  niodemen  Paro- 
peos  sich  in  ihren  YerhäJtnissen  den  hier  besprochenen  nähern.  Ich  habe  darüber 
in  der  Sitzung  vom  11  März  und  12,  December  1874  (Verb.  S.  60  und  261)  aus- 
fübrlicher  berichtet,  indem  ich  einige  Schädel,  welche  ich  der  Vermittelung  des 
Hrn.  Oldendorff  verdankte,  und  einige  in  der  Sammlnng  Retzius  in  Stockbolm 
befindliche  bescbrieb.  Dieselben  sind  ausnahmslos  hypsibrachycephalj  aber  sie  sind 
auch  stark  verdächtig,  ihre  Gestalt  zum  Tb  eil  arteficieller  Deformation  zu  verdanken. 
Davon  ist  nun  freilich  in  der  Photographie  des  Hrn.  Roth  wenig  zu  bemerken,  aber 
eine  Photographie  ist  ein  wenig  sicheres  Beweis-Objekt.  Immerhin  ist  der  Abfall 
am  Hinterhaupt  ein  sehr  steiler  und  die  in  der  Photographie  gegebene  Norma 
temporalis  weicht  von  der  meines  einen  Pampeo-Schädels  nur  um  ein  Geringes  ab» 
Ich  möchte  sagen,  dass  sie  ungefähr  die  Mitte  zwischen  dem  öambaqui-Scbädel  von 
Dona  Francisca  und  dem  eben  erwähnten  Pampeo-Schadel  einnimmt.  Indess  eine 
blosse  Seitenansicht  genügt  nicht,  um  ein  ausreichendes  Ürtheil  zu  fällen;  dazu 
wäre  mindestens  noch  eine  Oberansicht  nöthig. 

Noch  weit  ungünstiger  steht  es  mit  der  BeurtheiJung  des  Gesichts,  welches 
nach  der  Photographie  nicht  sehr  hoch,  aber  stark  prognath  gewesen  zu  sein 
scheint.  Leider  ist  der  Unterkiefer  unzweifelhaft  falsch  angesetzt  Aber  auch 
unsere  Vergleichungsschädel  sind  in  dieser  Beziehung  übel  daran.  Der  Schädel 
von  S.  Amaro  bat  überhaupt  keine  Gesichtsknochen  und  bei  dem  von  Bona  Fran- 
cisca sind  sie  aus  der  Verbindung  gelost.  Scheinbar  ist  jedoch  der  Prognathismus 
des  letzteren  Schädels  ebenso  gross,  wenn  nicht  noch  grosser,  als  der  des  photo- 
graphirten,  und  nicht  minder  ist  dies  der  Fall  bei  den  moderneu  Pampeos.  Unter 
diesen  umständen  muss  ich  darauf  verzichten,  die  Frage  des  Alters  des  von  Hrn, 
Roth  ausgegrabenen  Schädels  zu  beantworten.  Sind  seine  Fundangnben  aber  richtig, 
was  zu  bezweifeln  kein  Grund  vorliegt,  so  dürfte  mit  Sicherheit  folgen,  dass  schon 
diese  älteste  Bevölkerung  brachycephal  war.  - — 

Hr.  N  eh  ring  bemerkt  im  Änschiusse  an  das  über  den  Pampa-Schädel  gesagte, 
dass  er  einen  Menschen-Schädel  aus  den  Sambaquis  von  Santos  besitze,  welcher 
in  der  Th&t  ebenfalls  eine  wesentliche  Aehnlichkeit  mit  dem  in  Abbildung  vor- 
liegenden Schädel  aufweise. 

(4)  Hr.  Olshausen  überreicbt  einen  von  ihm  und  Fräulein  Mestorf  er- 
statteten Bericht 


über  den  Goldschmuck  aus  dem  zweiten  TIdeHnghoof  auf  Sylt 

Im  Kieler  Museum  befindet  sich  unter  Nr*  F.  S.  7565  ein  Goldschmuck  aus 
dem  zweiten  Tideringhoog  von  der  Norderhaiile  auf  Sylt,  durch  Brn,  Handelmann 
ausgegraben  und  in  seinen  „Ausgrabungen  auf  Sjlt^  IL,  Kiel  1882,  S.  6  und  7 
abgebildet  und  beschriebeo. 

Hr.  Handel  mann  sagt  über  diesen  Gegenstand  wörtlich  Folgendes: 
„Ein  aus  dünnem  Goldblech  zusammen  gebogener  Seh  muck  gegenständ^  welcher 

30* 


(468) 

75  mm  lang,  in  der  Mitte  21  mm  breit  ist  und  an  beiden  Enden  spitx  xoläolt 
Derselbe  ist  Teniert  mit  3  erhabenen  und  mit  erbabeoeo  Punkten  besetaten  Streifen, 
der  mittlere  breiter,  die  an  den  Seiten  schmäler,  welche  in  der  Mitte  der  Länge 
nach  neben  einander  herlaufen;  zwei  ähnliche  Streifen  begleiten  den  oberen  aod 
den  unteren  Aussenrand.  Diese  Verzierung  ist  mit  einer  einfachen  Punze  von  hinten 
dorchgeschlagen.  Ehe  die  Punze  zur  Anwendung  kam  und  die  Ränder  des  Gold- 
blechs YoUig  umgeb<^en  wurden,  war  die  Rückseite  mit  der  obgedachten  weissen 
Kittmasse  bestrichen.  Die  ganze  Arbeit  ist  roh  und  ungeschickt;  es  steht  aber 
ausser  Zweifel,  dass  eine  Nachbildung  von  der  verzierten  Platte  solcher  bronzenen 
Qewandnadela,  wie  sie  im  mittleren  Erockhoog,  im  Nessenhoog  vorkommen,  beab- 
sichtigt war**. 

Das  Titelblatt  zu  den  „Ausgrabungen^  11.  giebt  als  , Gewandnadel  ans  Hügel 
No.  15*^  eine  Abbildung  der  bronzenen  Nadel  aus  dem  Krockhoog;  die  Abbildungen 
der  Vorder-  und  Rückseite  des  Goldblechs  aus  dem  Tideringhoog  gestatten  den 
Vergleich  mit  derselben.  Der  „weisse  Kitt^  ist  die  durch  einen  von  uns  analysirte 
Masse,  welche  aus  reiner  Zinnsäure  besteht  (VerhandL  Berlin.  Anthrop.  Gea. 
1883,  S.  109  Nachtrag). 

AnfEsllend  bei  obiger  Darstellung  Handelmann *s  ist,  dass  die  von  der  RQck* 
seite  angesetzte  Punze  indirect,  nehmlich  durch  Vennittelung  der  weissen  Mnaee, 
gewirkt  haben  soll;  ist  diese  Thatsache  richtig,  so  muss  der  eine  Belag  an  seiner 
Anssenseite  dasselbe  Muster  Tertieft  zeigen,  welches  das  Goldblech  auf  der  Vorder- 
seite erhaben  enthält.  Wie  weit  dies  der  Fall,  werden  wir  sf^ter  sehen,  xonachat 
wollen  wir  das  bei  der  Punzirung  gegenwärtig  angewendete  Verfahren  nach  den 
gefiUligen  Angaben  des  Hm.  Hofgoldschmiedes  Hugo  Schaper  zu  Berlin  achiidem. 
Der  betreffende  Gegenstand  wird  mit  der  Rückseite  auf  eine  Unterlage  too 
fiatt  befestigt,  das  Muster  dann  auf  die  zu  Terzierende  Fläche  des  Metalls  gezeichnet 
und  mit  Punzen  leicht  eingeschlagen  (gezogen).  Entfernt  man  nun  den  Kitt  Ton 
der  Rückseite,  so  zeigt  diese  das  Muster  schwach  erhaben.  Es  wird  darauf  das 
Metall  auf  der  Vorderseite  gekittet  und  die  Stellen,  welche  Reliefhöhe  haben  sollen, 
Ton  der  Rückseite  her  in  den  Kitt  eingetrieben;  dann  wird  wieder  umgekittet  und 
die  Vorderseite  mit  den  Punzen  bearbeitet,  um  das  Muster  in  seiner  Feinheit  nnd 
Vollendung  herzustellen. 

Die  Kittunterlage  dient  im  wesentlichen  dazu,  das  betreffende  Metallstück  fest- 
zuhalten :  der  Kitt  muss  eine  gewisse  Elasticität  besitzen,  darf  weder  zu  weich  noch 
zu  hart  sein.  Hr.  Schaper  giebt  als  übliche  Mischung  für  denselben  an:  30  Theile 
gebrannten  Gyps,  10  Theile  Pech,  1  Theil  Theer. 

Es  ist  nun  sofort  klar,  dass  die  Aussenseite  der  Kittmasse,  welche  bei  der 
letzten  Bearbeitung  mit  dem  Punzen  die  Rückseite  des  Blechs  bedeckt,  das  Moster 
dieses  letzteren  selbst  durchaus  nicht  zeigen  kann;  nur  die  dem  Goldblech  an- 
mittelbar aufliegende  Innenseite  des  Pecbkuchens  würde,  wenn  als  Ganzes  abgeho- 
ben, das  Muster  darstellen  und  zwar  en  relief,  wie  die  Vorderseite  des  Metalls; 
hieraus  ergiebt  sich  aber,  dass  wenn  thatsächlicb  der  weisse  Belag  genau  dasselbe 
Muster  Tertieft  wieder  giebt,  das  der  Goldscbmuck  erhaben  zeigt,  die  Punze  auch 
wirklich  nur  Ton  der  Rückseite  und  dazu  noch  iodirect  angesetzt  sein  kann,  ein 
ferneres  Ausarbeiten  oer  Vorderseite  aber  unterblieben  ist;  dem  würde  dann  der 
Handel  man  n*sche  Ausdruck:  «die  ganze  Arbeit  ist  roh  und  ungeschickt'  in  ge- 
wissem Sinne  entsprechen. 

Eine  erneute  UctersuchuDg  des  Goldschmuckes  (ucter  Zuziehung  des  Hm. 
Goldschmiedes  Hansen  in  Kiel]  hat  nun  als  zweifellos  Folgendes  ergeben: 

Den  Reliefknöpfchen  auf  den  erhabenen  Mittelrippen  der  Vorderseite  der  Gold- 


(469) 


platte  eDtsprecheo  genau  die  Tertlefteu  PuDkte  auf  der  Mitte  der  Rückseite  des 
weisBfln  Belags,  nur  sind  letztere  schärfer  und  reiner  ausgebildet,  weil 
direct  durch  die  Punze  eingedrückt.  Die  Laogsrippen  selbst  fehlen  auf  der  Rück- 
seite des  Belags,  sie  waren  al&o  auf  dem  Golde  vor  her  eingezogen;  die  Punzen- 
arbeit zerfallt  hiernach  in  einen  directen  und  einen  indirecten  TbeiM), 

Der  Raud  des  Goldblechs  ist  saumartig  über  die  weisse  Einlage  gebogen  und 
durch  Aufsetzen  der  Punze  festgedrückt,  so  dass  hier  das  Goldblech  selbst  auf 
der  Äussenseite  ebenfalls  vertiefte  Punktreihen  zeigt;  aber  diese  letzteren  ent- 
sprechen im  allgemeinen  nicht  d^^n  erhabenen  Punkten  auf  den  Langsrippen  am 
obern  und  untern  Rande  der  Torderseite,  die  vielmehr,  wie  die  Reliefknopfchen 
der  Mittelrippen,  durch  Eindrücke  der  Punse  auf  die  weisse  Masse  her  vor  gebracht 
sind;  der  Saum  wurde  also  erst  spater  umgelegt^  und  natur gemäss  sind  die  ver- 
tieften Punkte  der  weissen  Einlage  hier  am  Rande  in  der  Regel  nicht  sichtbar,  da 
sie  von  dem  Golclsaume  bedeckt  werden.  An  einer  Stelle  jedoch,  wo  auf  der  Vor- 
derseite die  Puuktreihe  des  Randes  eine  etwas  abweichende  Richtung  nimmt,  in- 
dem sie  sich  mehr  nach  innen  wendet,  erscheinen  die  Vertiefungen  neben  dem 
Goldsaume  auf  der  weisseo  Einlage. 

Die  Frage^  wie  es  möglich  war,  auf  die  schon  vorhandenen  erhabenen  Rippen 
die  Punkte  mit  der  erforderlichen  Genauigkeit  zu  setzen,  ohne  dass  man  doch  diese 
Rippen  sehen  konnte,  da  sie  ja  mit  der  weissen  Masse  bedeckt  waren,  bereitet  auf 
den  ersten  Blick  einige  Schwierigkeit.  Bedenkt  man  aber,  dass  die  jetzt  aus  Zinn- 
saure bestehende  Einlage  ursprünglich  unzweifelhaft  eine  Zinnplatte  gewesen  ist 
und  zwar,  wie  der  Augenschein  lehrt,  eine  sehr  dünne,  so  ist  es  höchst  wahrschein- 
lich, dass  sich  beim  festen  Andrücken  des  Goldes  an  das  Zinn  in  letzteres  die  Rip- 
pen abgedrückt  haben,  wenn  auch  nur  leicht  sichtbar,  immerhin  aber  genügend, 
um  der  Punze  als  Fuhrung  zu  dienen* 

Hiergegen  spricht  nicht  der  Umstand,  dass  man  jetzt  auf  dem  Zinnbelag  keine 
Spur  der  Rippen  wahrnehmen  kann,  denn  die  völlige  Oxydation  des  MetaJIea  zu 
ZinnSÄure  konnte  die  leichten  Eindrücke  verwischen. 

Die  Möglichkeit,  mittelst  der  Punze  auf  dem  Goldbleche  durch  Ueb ertra- 
gung Eindrücke  hervorzubringen,  muss  einerseits  der  Natur  des  Zinnes^  anderer- 
seits der  grossen  Reinheit  und  entsprechenden  Weichheit  des  Goldes  antiker  Schmuck- 
sachen zugeschrieben  werden;  das  Verfahren  selbst  darf  man  aber  immerhin  als 
mangelhaft  bezeichnen,  da  die  Schärfe  der  Eindrücke  auf  der  Goldplatte  naturlich 
verloren  ging,  Vermuthlich  ist  dem  Künstler  die  Idee,  die  Goldplatte  mit  Relief- 
knofpchen  zu  verzieren,  erst  gekommen,  nachdem  er  Gold-  und  Zinnblech  vorläufig 
mit  einander  verbunden  hatte;  unerklärt  bleibt  es  allerdings,  warum  er  nicht  lieber 
diese  Verbindung  wieder  gelost  und  dann  die  Verzierung  vorgenommen  hat 

Da  wir  es  bei  dem  Object  aus  dem  Tiden nghoog  mit  einem  goidplattirten 
Zinnblech  zu  thun  haben,  so  mag  hier  daran  erinnert  werden,  dass  von  Sacken: 
Grabfeld  von  HaHstatt,  S.  119  einen  Goldschmuck  erwähnt,  dessen  Rückseite  mit 
einer  Blei pl  atte  unterlegt  ist-)^  und  dass  bronzene  Armringe,  Nadelknopfe  u,  d.  g. 
mit  aufgestanztem  Goldblech  häufig  vorkommen. 


1)  Hierbei  ist  zu  bemerken,  dass  die  AbbÜdunpr  der  Ruckseito  auf  S,  7  bei  Handelmnnn 
allerdjn^  die  Längsrippen  zeigt;  sie  ffiebt  aber  eben  auch  die  Ruckseite  der  Gold  platte  selbst 
und  nicht  die  des  Belag:^  wieder.  Von  letzterem  sind  nur  geringe  Reste  «rbalten^  das  meiste 
noch  an  elüetu  spitzen  Ende  uoter  dem  umgebogenen  Rand. 

2)  Bei  dieser  Gelegenheit  wollen  wir  bemerken^  daSs  nach  Mittbeilung  des  Orn.  Scbaper 
kleine  nod  dänne  Gegenstaude  bisweilen  nicbt  auf  Kitt  befestigt,  sondern  einfach  mit  einer 
Bleiplatte  unterlegt  werden  beim  Panziren*  Leider  finden  wir  bei  v,  Sacken  keine  Angabe 
über  etwaige  Verzierungen  des  Hallatatter  Schmuckes  und  die  Art  ihrer  Ausführung. 


(470) 

Was  nun  die  Bedeutung  des  Schmuckes  aus  dem  Tideringhoog  anlangt,  so  kttt 
schon  Handelmaon  die  Goldplatte  als  eine  NachahmuDg  der  Platten  brooxeii«r 
Gewandoadeln  erkannt.  Unzweifelhaft  ist  der  Schmuck  auch  wirklieb  ein  TbeU 
einer  Spange  nordischer  Form,  von  welcher  die  Nadel,  der  Nndelhalter  and  die  Axe, 
um  die  sich  die  Nadel  dreht,  fehlen.  Waren  diese  vermissteu  Theile  aus  Gold^  so 
würden  sie  wohl  gefunden  sein,  sofern  mau  nicht  varaussetzeu  will,  daae  alte  drei 
Stücke  schon  vor  dem  Niederlegen  ins  Grab  verloren  gegangen.  Es  ist  jedoch  ao 
beiden  Enden  des  Objectes  das  Goldblech  zu  einer  kleinen  runden  Rohre  zusammen* 
gelegt,  und  innerhalb  dieser  Röhren  sieht  man  die  weisse  Einlage  mit  ebenfalls 
rundlichem,  wenn  auch  vielleicht  etwas  abgedachtem  Querschnitt  Dieser  Umstand 
lässt  vermuthen,  dass  die  Zinnplatte  an  jenen  Stellen  sich  als  Draht  fortsetzte,  der, 
beiderseits  tu  einer  Spiralscheibe  aufgerollt,  am  eioen  Ende  die  Drehaogsaxe,  am 
andern  den  Halter  für  die  Nadel  abgab;  solche  Spiralen  konnten,  weil  sie  im  oxj- 
dirten  Zustaade  überaus  zerbrechlich  und  an  Farbe  wenig  hervorstechend  sein 
mussten,  allerdings  wäbrend  der  Ausgrabung  sehr  leicht  trots  grosster  Aufmerksam- 
keit übersehen  werden. 

Die  Spange  hätte  demnach  ungefähr  die  Form  gehabt,  wie  die  bronzene  bei 
ündset;  Etudes  sur  Tage  de  bronze  de  la  Hongrie,  1,  Taf,  IV.,  2  (ChristiaDia  1880) 
abgebildete,  gefunden  zu  Werder,  Kreis  Zauche-Belzig,  Reg.-Bez,  Potsdam,  ond 
aufbewahrt  im  Mark.  Museum  zu  Berlin  ^  oder  besser  vielleicht  noch,  wie  die  bei 
Undset,  p*  81,  Fig.  10  wiedergegebene  aus  dem  Schweriner  Museum,  gefundeo  ju 
Jürgenshagen  bei  8chwaaD  in  Meklenburg  (siehe  auch  Liudenschmit,  Die  Alter- 
thümer  unserer  heidnischen  Vorzeit,  Bd.  I.  9,  Taf.  3,  3),  Nur  bestand  bei  unaerm 
Exemplar  der  Körper  aus  Zinn,  welches  mit  Gold  plattirt  war.  Die  eigentliche 
Nadel  der  Fibel  würde  allerdings,  wenn  sie  ebenfalls  aus  Zinn  gefertigt  war,  nicht 
sehr  brauchbar  gewesen  sein,  doch  nicht  so  wenig,  als  man  wohl  glaube q  mochte; 
ein  directer  Versuch  hat  gezeigt,  dass  man  mit  einer  Zionnadet  sehr  wohl  Zeuge 
durchbohren  kauo,  ohne  dass  sie  sich  biegt;  auch  erinnern  wir  an  die  Zinnoadel 
aus  dem  Bagberg  auf  Amrum,  welche  der  eine  von  uds  beschrieben  hat  (YerhaodL 
Berl  antbrop.  Ges.  1883,  S.  87). 

Dass  nicht  etwa  die  Goldblech  röhr  eben  an  den  Eoden  zufallig  abgebrocben 
sind  und  so  vielleicht  bestandene  Vertäu gerno gen  derselben,  welche  Nadelhattex 
und  Axe  hätten  abgeben  können j  verloreti  gingen,  ergiebt  die  Betrachtung  mit  der 
Lupe,  indem  das  Goldblech  glatt  abgeschnitten,  nicht  unregelmassig  abgebrochen 
erscheint.     Hierdurch  wird  die  Annahme  einer  zinnernen  Spange  noch  gestützt- 

im  Kopenbageuer  Museum  befindet  sich  ein  Goldblech  ähnlicher  Form,  wie 
das  in  Rede  stehende ;  Zinnunterlage  enthält  dasselbe  jedoch  nicht,  so  wenig  wie 
andere  Goldbleche  dieser  reichen  Sammlung,  die  vielmehr  häufig  Spuren  von  Bronze- 
einlagen  zeigen, 

(5)  Hr.  Robert  Ei  sei  zu  Gera  übereeadet  mit  einem  Schreiben  vom  5.  No- 
vember folgende  Mittheilung  iiber  eine 

Ausgrabung  neolithlscher  Hiigel  bei  NickelBdorf  ynferu  Crossen,  Kreis  Zeitz. 

Nork  schon  will  bemerkt  haben,  dass  häufig  je  7  Grabhügel  eine  Gruppe  für 
sich  bildeten;  wäre  dies  za  bestätigen^  so  konnte  man  vielleicht  untersuchen,  ob 
solch  ein  Gebrauch  Zusammenhang  habe  mit  der  uralten^  nicht  erst  christlichen 
Legende  von  den  Siebenschläfern  oder  mit  den  sieben  Monaten  des  Jahres,  welche 
die  Natur  im  Winterschlaf  zubringt.  Im  Ee?ier  ZS  des  Zeitzer  Stiftsforstes  (Sachaeti* 
berg,  Vogelheerd kuppe)    liegen    z.  B.  auf  dijnnbewaldeter,    wenige    100  Schritt    im 


(471) 


UtnfaDge  messender,  idotirter  Kuppe  wirklich  sieben  Hügel  uu regelmässig  vertbeilt 
beisammen,  und  da  es  mir  ebeoBO wenig  Zufafl  schien,  dass  die  Stiftsgreoze  ju&t 
diese  Euppe  umsäumte,  als  dass  fast  tille  biesigcn  Fuiide  aus  prähistomcber 
Zeit  just  ao  Landes-  oder  Flurgreuxen  gemacht  worden  sind  (einige  hundert),  so 
ward  mir,  Dank  insbesondere  dem  freundlichen  EutgegeDkommeu  der  königlichen 
Forstbehörden,  Tergünnt,  bisher  4  dieser  Högel  abzuheben. 

Hügel  1  (40  Schritt  Umfang,  l^j^m  hoch,  oyal)  zeigte  zu  otiterst  duukeJgrau- 
rothen  Thon  (ein  Verwitterungsprötluct  des  unterliegenden  Buntsandsteins),  dann 
messerrückenstark  und  nur  iu  der  Hugelmitte  Bobkuble,  meist  anhaftend  an  der 
Unterseite  der  nächsten  Schicht,  Dämlich  eines  1^2  Zoll  mäcbtigen^  nuten  noch  bart- 
gebrannteu,  Äiegelrotbeu,  oben  dagegen  griiugelblicben,  ganz  weichen  Thons.  Hierauf 
Reste  eines  menschlichen  Gerippes,  sammtlich  fest  eiugeknetet  in  graurotben  Tbon, 
im  Westen  das  aerbrochene  Schädeldach,  weiterhin  einige  Armknochen,  mehr  im 
Osten  aber,  völlig  regelrecht,  die  säramtlichen  Bein-  und  Fussknochen;  im  Ganzen 
ein  Zahn  nur,  keine  Rippe,  kein  Rückgrat,  kein  ßei'ken,  keine  Hände. 

Am  Kopfende  uüd  an  der  liuken  Seite  dieses  wohl  auf  dem  Rucken  gelegenen 
Leichnams  waren  längliche  Sandstein  platten  so  auf  die  schmale  Kante  gestellt,  dass 
sie  sich  als  Reste  zu  erkennen  gt*beu  einer  ehemaligen,  etwa  W  jjt  hohen  Grab- 
kammer; im  Süden  freilich,  also  rechts  vom  Gerippe,  standen  dergleichen  Steine 
nicht  mehr  aufrecht  und  im  Osten  fehlten  sie,  denn  hier  schien  die  Kammer  über- 
haupt offen  gewesen  zu  sein.  Während  nehmlich  der  gelbe  Thon  ringsum  genau 
mit  den  erwähnten  Ümfassungs  st  einen  abscbloss,  verbreiterte  sich  derselbe  im  Osten 
unregelmassig  noch  um  \'g  m  über  die  Grabkammer  hinaus.  Ohne  Zweifel  waren 
es  die  faulenden  Organismen,  die  innerhalb  dieses  ihres  Bereichs  den  Orboden  des- 
oxydirteo,  d.  h.  entfärbten. 

Auch  die  Ret*te  zweier  junger  Hunde,  welche  sich,  zum  Theil  vermischt 
mit  den  einzelneu  menschlichen  Fussknochen,  liier  am  Ende  der  offenen  Grab- 
kammer vorfanden,  mögen  hier  desojsydirend  mitgewirkt  haben.  Ich  hielt  sie  an- 
fangs für  Fuchsreste  neueretj  Datums,  da  deren  ja  auch  Hr,  Dr.  Voss  in  den  nahen 
Braun shainer  Gräbern  als  nicht  selten  erwähnt,  —  ein  beiliegende»  Vogelknücbelcben 
bestärkte  mich  hierin;  Hr.  Prof.  Dr.  Liebe  jedoch  erkannte  in  ihnen  eine  Hunde- 
rasse zwischen  Spitz-  und  Windhund,  letzterem  naher  stehend  und  ausgewachsen, 
einen  starken  Fuchs  noch  um  50  pCt.  an  Grösse  übertreffend,  wonach  (nach  eben- 
genanntem)  unsere  Thiere  etwa  zu  vergleichen  waren  mit  dem  zweiten  kleineren 
Kjokkenmoddinger  (der  grössere  gleicht  dem  Eskimohunde)  und  mit  dem  Canis 
familiaris  intermedius  Woldrich*8,  welcher  letzteren  abgespalten  hat  vom  C.  f.  matris 
optimae,  als  eine  kleinere,  dem  Windhunde  näher  stehende  Rasse  zwischen  dem 
Bronze-  und  dem  Torfhunde  (C.  t  palustris).  So  interessant  es  nun  ist,  den  offenen 
Eingang  zu  einer  Grabkammer  bewacht  zu  Enden  durch  Hunde,  die  zu  den  Füssen 
ihres  Herrn  liegen,  so  sehr  ist  zu  beklagen,  dass  sich  von  dieser  neolithischen 
Rasse  weder  Schädel  noch  Zahn  erhalten  hat,  nur  ein  Splitter  des  einen  Schä- 
dels kam  zum  Yorschein.  Tödtete  die  Tbiere  vielleicht  ein  Keulenschlag  auf  den 
Kopf?  Auch  hier  übrigens  zeigt  sich  eine  Berührung  mit  der  Siebenschläferlegendej 
denn  auch  jenen  Sieben  soll  das  alte  Windsymbol  (Windtiund,  Windspiel),  auch 
diesen,  sage  ich,  soll  ein  Hund  als  Wächter  ihrer  Grabhohle  sich  beigesellt  haben, 
der  auch  in  mancher  vogtländischen  Sage  (siehe  mein  Sagenbuch  des  Vogtlandes) 
als  mitbegraben  gilt  und  zu  Zeiten  als  wieder  hervorbrechend  auftritt.  Ja,  am 
Eingange  zum  Schlosse  Burgk  fand  man  ein  solches  Windspiel  eingeniauerL 

Weiter  im  Hügel  1  fanden  sich  links  und  rechts  vom  Kopfe  des  Todten  3  zer- 
brochene,  jedocli  wieder  reataurirte  Trinkbecher  mit  reichlichen  Seh  nur  Verzierungen 


(472) 


Terschiedenen  Musters  (Fig.  1),  in  Form  ond  Grosse  ganz  den  von  ElapfleiBcli 
beschriebeDeD  äbnlicb,  ebenso  (oabe  der  linken  Hand  etwa)  eine  tod  Klopfleisch 
sogenannte  Ampbara,  gleicbfaih  mit  vielen  Scbnureindruckeo  QDd  eodiicb  eine 
Äweite  solche,  deutlich  zwischen  den  Oberschenkeln  stehend  (nicht  reparabel).  Ottne 
die  Anwesenheit  der  Schenkelknochen  hätte  man  leicht  in  Versucbong  koniiDCB 
können,  dieses  so  ziemlich  die  Mitte  der  Kammer  einnehmende  Gefass  fte  bestimait 
zu  erachten,  etwa  die  Asche  eines  der  Verbrannten  in  sich  aufzunehmen,  w*hraid 
davon  in  Wirklichkeit  keine  Spur  zu  entdecken  war,  sondern  eher  ein  Iiobi^s  dann 
enthalten  gewesen  sein  mag,  wie  auch  das  links  stehende  grössere  Gefass  ehewohl 
einen  Trunk  geborgen  hat  Auf  den  Imbiss  komme  ich  dadurch,  weil  anhaftend 
an  den  Scherben  des  Mittelgefasses  einzelne  unzweifelhafte  Mäusereste  sieb  Daaden 
und  neben  ihnen  (nach  Hrn,  Prof,  Liebe)  ebensolche  von  Myoxus  glis,  dem  nasch- 
h&fteo  Siebenschläfer 

Der   geachilderten    Grabkammer    wurden    noch    mehrere    Stücke    gescbliffenen 
Steingeräths  entnommen,  rechts  zur  Hand  gelegen  ein  echön  durchlochter  Serpentio* 


%  der  natüilicben  Grösse. 


Va  der  natürlichen  Grosse 


ha  mm  er  (Fig.  2).  zwei  dergleichen  grössere  und  eine  kleinere  Axt  (Fig.  3),  endlich 
ein  nnr  geschlagenes,  langes  zweischneidiges  Feuersteinmesser  (Fig.  4),  -*  samint- 
lieh  scheinbar  noch  völlig  unbenutzt. 

Vereinzelt  am  Kopfe  lag  der  Metacarpus  eines  Rindes,  vielJeicht  von  einer 
Leiciienmahlzeit  her,  obschon  deren  sonstige  Spuren  hier  fehlen  würden;  möglich 
also  auch,  dass  es  mit  diesem  wohl  erhaltenen  Knochen  eine  andere  Bewandtniss 
hatte.  Schon  zweimal  nehmlich  sind  mir  im  Vogtlande  die  Insassen  alter  Heiden- 
hügel  bezeichnet  worden  als  „ein  Herr  von  Kuhbein**  (oder  von  Rindsfoot)  und  ein 
übel  (d.  h.  blitz)  riechendes  Kuhbein  wurde  dort  angeblich  solchen  als  Lohn  ge-- 
spendet,  die  dem  alten  Herrn  eine  musikalische  Ovation  dargebracht  hätten.  Nun 
der  Knochen  ist  ja  ein  Blitzsymbol,  desshalb  wandelte  sich  auch,  zu  Haus  ange« 
kommen,    der  Uebelriechende  in   pures  Gold;    ein  Blitzsymbol  aber  in  einer  Grab- 


I 


(473) 

kammer  konate  wohl  Dur  die  BestimmuDg  huben,   die  Dämaneu  zu  scheucheD,    die 
etwa  deo  Scblummer  dea  TodteD  stören  möchten. 

Diejenigen  Thonlagen,  die  das  Innere  der  Grabkammer  füllten,  Hessen  sich  in 
allen  4  Hügeln  ungleich  leichter  bearbeiten  und  waren  ungleich  lockerer  geschichtet, 
als  das  über  der  Kammer  liegende  gleiche  Material,  obwohl  man  eher  das  Gegen- 
theil  hätte  erwarten  können,  weil  die  tieferen  Schichten  offenbar  erhöhtem  Drucke 
ausgesetzt  waren.  Ich  muss  daher  annehtnen^  dasa  die  Kammern  ursprünglich  hohl 
waren  und  erst  durch  Nacbeturz  sich  füllten;  so  erklärt  sich  auch,  mir  scheint  un- 
gezwungen, daes  die  Torgefundene  Desoxydation  der  rotben  Thone  iraraer  nur  auf 
die  unterste  dünne  Schicht  der  Grabkammer  beschränkt  blieh,  d.  h,  auf  die  ur- 
sprüngliche Unterlage  des  einstigen  Leichnams,  nicht  aber  auf  solchen  Thon  eich 
erstreckt  hat,  von  welchem  die  Knochen  selbst  unmittelbar  umhüllt  lagen;  denn, 
war  diese  Umhüllung  eine  erst  nach  dem  Nachrutacheo  der  Decke  eingetretene,  so 

4 


7a  natürlicher  Gros«e.  Natürliche  Grosse, 

traf  sie  »war  die  Knochen  noch  an,  nicht  aber  mehr  die  desoxydirenden  Fleisch- 
theil e.  Auch  die  scheinbar  ganz  widersinnige  Erhaltung  ziemlich  zarter  Knochen 
—  gegenüber  dem  Verschwinden  fast  aller  Zahne  —  kann  am  ehesten  solch  ein  un- 
regelmässiger,  allmählicher  Nachsturz  verschuldet  haben;  flelbstverstfindlich  blieben 
just  nur  diejenigen  Theile  erhalten,  welche  vom  fallenden  Thou  gegen  Feuchtigkeits* 
durchzug  genügend  geschützt  wurden.  Das  aber^  was  den  Nachaturz  der  Decke  in 
den  Nickelsdotfer  Gräbern  eine  Zeit  lang  hintan  hielt,  können  keine  über  die  Gräber 
gelegten  meterlangen  Steine  gewesen  sein,  —  solche  fanden  sich  weder  in  den  Grä- 
bern, noch  finden  sie  sich  in  deren  Umgebung;  auch  Steinsetzungen  nicht,  denn  in 
zweien  der  Graber  fehlen  Steine  fast  ganz;  eher  möchte  man  an  Aesle  denken,  die 
in  der  Breite  der  Graber  Yon  reichlich  1  m  noch  am  leichtesten  zu  schaffen  und  ein- 
fach Dur  quer  über  zu  legen  waren.  Dann  mufiste  ein  Grab,  welches  eine  schwerere 
Decke  hatte^  als  die  anderen^  wie  2.  ß.  Grab  1  (mit  einigen  50  Gentnern  von  über 


(474) 

V«  Stande  weit  henugeschafiter  Platten)  auch  zuerst  znsammeDbrecheo ,  hier 
miisste  weiter  auch  die  ThoonmhüIIaDg  am  frd besten  eintreten,  nnd  konnten  0oaiit 
Knochen  hier  erhalten  werden,  während  die  Knochen  der  übrigen  Gr&ber  der  Ab- 
sorbining  bereits  erlegen  sein  konnten,  ehe  auch  dort  die  Holzdecke  nachgab.  Der 
Befund  der  Gräber  1 — 4  scheint  diesen  Vorgängen  zu  entsprechen.  Dass  das 
Herzuschaffen  so  vieler  Steine  über  die  Grabkammer  eine  längere  Zeit  beansprachte, 
ist  einleuchtend;  ehe  dem  Grabe  der  vorgefundene  schützende  Thonmantel  angelegt 
war,  blieb  dann  für  kleine  Thiere,  für  Mäuse,  Siebenschläfer  u.  a.  die  Circulatioii 
noch  eine  gewisse  Zeit  eine  offene,  jedenfalls  der  nächtige  Zutritt  zu  dem  oben  er- 
wfihnten  Speisegefass,  bei  dem  diese  Thiere  schliesslich  überrascht  and  so  anch 
mit  begraben  worden  sind.  Den  Myoxus  seines  deutschen  Namens  willen  als  hier 
absichtlich  mit  begraben  hinzustellen,  wage  ich  nicht 

Die  dem  Stein hügel  gegebene  Thondecke  belegte  man  schliesslich,  dem  Dache 
einer  Sennhütte  ähnlich,  mit  grösseren  Sandsteinplatten,  deren  einzelne  nur  durch 
je  2  Mann  zu  heben  waren,  und  hier  erst  scheinen  auf  diesem  Hügel  Opfer-  o.  dgl. 
Gebriluche  begonnen  zu  haben.  Zwischen  jenen  Steinen  nehm  lieh  lagen  bis  herab 
zu  der  Umgebung  des  Hügels  yereinzelt  winzige  Knochensplitter  mit  Brandsporen, 
ganz  kleine  Knochenpartikelchen  und  vereinzelte  Scherben  verschiedenartiger  Ge- 
fSsse.  Die  Masse  der  letzteren  gleicht  der  aller  anderen  hier  gefundenen,  nicht 
aber  die  Form;  diese  ist  zwar  meist  nicht  mehr  nachweisbar  (nur  ein  reich  mit 
Schnnreindrücken  Tersehener  Krug  war  darunter),  doch  keinesfalls  identisch  mit 
der  für  die  Grabkammem,  wie  es  scheint,  allein  üblichen  Becher-  und  Amphoren- 
form. Ein  Boden,  am  Rand  durch  Zickzack  verziert,  hat  z.  B.  nur  2 — 3  cm  Dorch- 
messer  u.  s.  w. 

Nicht  ohne  Interesse  sind  die  erwähnten  Dachsteine  selbst;  sicher  hat  man 
ihnen  z.  B.  solche  Exemplare  mit  Absicht  beigesellt,  die  Dank  der  Verwitterong 
etwas  absonderliche  Gestaltung  annahmen,  so  insbesondere  zwei  fast  runde  keulen- 
förmige Stücke  Yon  V« — Vs  ^  Länge.  Ja  die  stellenweise  schon  ziemlich  mürben 
Platten  zeigen  in  erwünschtester  Deutlichkeit  Dinge  eingegraben,  welche  die  Auf- 
merksamkeit der  anthropologischen  Gesellschaft  schon  länger  beschäftigten,  nehm- 
lieh  YoUkommen  regelrechte  sogenannte 

Näpfchen  und  Rillen, 
letztere  an  6  —  8,    erstere  in  2' ,  Exemplaren  (nahe  beisammen,    3  cm  Durchmesser, 
1 7« — 2  cm  tief,  ehedem  glatt,  weil  staubig,  jetzt  rauher  anzufühlen),  allerdings  nur 
an  einer  Platte  (Fig.  5).     Kaum  Zufall  kann  es  sein,    dass  just  eben  diese  Platte 
inmitten  des  Hügels  auf  der  höchsten  Stelle  desselben  zu  liegen  kam  und  wiederum 

Zufall    auch    nicht,    dass    das   einzige  grössere  Stein- 
5  geräth,    welches  sich  ausserhalb  einer  Grabkammer 

dort  vorfand,  —  nehmlich  ein  Serpentinkeil  mit  zahl- 
reichen rothen  Pyropen  darin  —  just  quer  über  jene 
Platte  gelegt  war,  mit  den  erwähnten  Näpfchen.  Weit 
eher  scheint  da  eine  Analogie  Yorzuliegen  sa  dem- 
jenigen holsteinischen  Brauche,  dessen  Frl.  Mestorf 
gedacht  hat:  wie  bei  Nickelsdorf  gräbt  man  nehm- 
lich dort  zuweilen  noch  Näpfchen  in  Grabsteine,  um 
allerlei  Kleinigkeiten  hinzu-  (dort  mehr  hinein-)  an- 
legen, welche  bestimmt  sind,  solchen  Dämonen  als  Spielzeug  zu  dienen,  die  etwa 
kommen  möchten,  die  Ruhe  dieses  Grabes  zu  beeinträchtigen.  Derselbe  Gedanke 
mithin,  wie  oben  bei  dem  Metacarpus  des  Rindes.  Adler  berichtete  schon  1837, 
wie  in  den  Ranisser  La  Tene-Gräbem  ebenfalls  irdene  Näpfchen  (sogenannte  Zwerg- 


(475) 


6 


(77) 


Däpfe^  voD  der  ungefähreii  Grosse  der  unsrigen)  mit  rotlieo  TboDkugelo  bei  den 
Todten  vorgefuDdei  wurden;  auch  diese  afiFenbaren  Blitzsymbole  sollten  dem  Todten 
wobl  zur  Wehr  dieneu.  (Bälle  oder  Kugeln  in  eine  Dülle  [ein  Näpfcheuj  lÜEein  zji 
practiciren^  ist  Aufgabe  eines  hiesigen  Kinderspiels.) 

Das  auch  in  einem  neolitbiscben  Grabe  scbon  beobachtete  Zusammen  vor- 
komoaen  von  Näpfchen  und  Rillen  ist  schwerlich  ein  Zufall  nur.  Die  vorliegenden 
Rillen  (Pig.  6}  siod  8—20  cm  lang,  1 — 5  breil  und  in  der  Tiefe  rasch  zunehmend 
bis  zu  5  und  mehr  Centiraeter,  Die  grosste  Breite 
und  Tiefe  endet  immer  am  mürberen  Rande  der 
Platten;  wo  die  Rillen  dagegen  den  Rand  nicht  er- 
reichen, keilen  sie  sich  beiderseits  aus.  Wer  die 
Verwitterungaerscheinungen  unseres  Buntaaodsteins 
kennt,  kann  hier  an  Verwitterung  nicht  denken, 
auch  an  Eiseindrucke  nicht,  denn  nicht  selten 
schneiden  sich  die  Rillen  (ohne  gegenseitige  Be- 
rübrung)  io  ihrer  Richtung  rechtwinklig.  Stein- 
geräth  zwar  scheint  sie  erzeugt  zu  haben;  dasselbe 
aber  auf  solche  Weise  etwa  ku  echleifen»  kann 
schwerlich  die  Absicht  gewesen  sein,  denn  die 
daau  besonders  erwählten  mürberen  Partien  waren 
die  am  wenigsten  dazu  geeigneten.  Spreng  versuche 
aber  und  die  oft  citirten  sagen baften  Blutrinnen 
baben  keinerlei  Sinn  an  dünnen  Platten  e,  Tb.  von 
kaum   7»  ?^'*  Fläche. 

Hätte  man  dagegen  etwa  zur  Steinzeit  schon 
um  deswillen  Rillen  ausgehoblt,  wie  Näpfchen,  um,  wie  es  von  der  Neuzeit  be- 
kannt ist,  durch  den  so  gewonnenen  Grabstein  staub  zu  gesunden,  und  wäre  da- 
mit die  christlich-mittelulterlicbe  Legende  in  Verbindung  zu  bringpu,  dass  es  immer- 
dar das  Grab  des  Gerechten  sei,  welcbes  heilkräftig  und  Wunder  zn  wirken  im 
Stande  ist,  so  wäre  der  Anforderung,  den  Nickelsdorf  er  Tb  atbe  stand  io  Connex  zu 
bringen  mit  z.  Th,  noch  geübtem  Gebrauche,  so  ziemlich  enfsprochen.  Grabsteiu- 
pulver  j,vor  den  Kropf  empfiehlt  eine  mir  vorliegende  Handschrift  noch  im  Jahre 
1802;  ebenso  erzählt  mir  Hr.  Architect  Adler  iti  Gera,  dass  seine  Maurer  gern, 
^weil  es  gesund  sei,"  die  fettigen  Tbonlameilen  essen,  die  sich  im  hiesigen  und 
Nickelsdorfer  Buntsandsstein  finden  und  Ificht  ablosen.  Im  Mittelalter  aber  ßpiehen 
solche  Bolusbissen,  besonders  von  der  Insel  Lemnos,  bebannthch  eine  so  grosse 
Rolle  in  der  Mediciu,  dass  sie  kaum  zu  bezahlen  waren  und  dessbalb  viele  Magi- 
strate solcbe  ^Lemnische  Bissen"  selbst  formiren,  mit  dem  Stadtwappen  versehen 
und  als  Medicin  verkaufen  liessen,  indem  sie  auch  diesem  heimischen  Producte  Heil- 
krafle  beimassen*  Ja  noch  jetzt  nennen  die  Kinder  in  Gera  den  Bolus,  den  sie  in 
Zecbstein-  und  Buntsandklüften  antreffen^  ,^  Esserde''  und  verzebren  ihn  auch  nicht 
selten  noch.  Mit  einem  Worte,  sicher  ist,  dass  sich  durch  Jahrtausende  die  ein- 
facheren Gebräuche  selbst  fast  unverändert  zu  erhalten  vermochten,  äusserst  selten 
aber  das  Vollbewusstsein  ibres  Zweckes,  Drum  zu  verschiedenen  Zeiten  und  oft  am 
nämlichen  Orte  die  heterogensten  Deutungsversuchel  Bei  Langenberg  z.  B»,  unfern 
Gera,  wusste  man  schon  seit  Jabrhunderten  nicht  oiehr,  warum  man  einen  sogenannten 
Froh n tanz  tanzte  (gegen  50  Brochuren  des  vorigen  Säculums  mühen  sich  vergebens, 
seinen  Ursprung  zu  erforschen),    man  tanzte  ihn  aber  gleichwohl  „bei  Strafe**  fort, 


auch  zwecklos,  —  und    zwar    bis  in    unser  Jahrhundert 
versteckt  erotischer,    wahrscheinlich    aus   der  Heidenzeit 


herein  1    Ebenso  dient  ein 
stammender  Zauberspruch 


(476) 


^ 


\ 


bieroris  aU  „KiDdenreim'*.  Ein  Brauch  also,  dem  Rindesatter  der  MenBchbeit  ent- 
sprungen, bat  sich  schliesslich  auch  hi#*r  völlig  abgelöst  von  aeinem  ursprünglicbeu 
Zwecke  und  sich  gchliesslich,  gleichwie  bei  deo  Näpfen  uad  der  Esserde,  zu  der 
immer  noch  treu  nacbahmenden  Kinderwelt  zu  rück  geflüchtet. 

Zum  Hügel  ztiruckkehreod,  sei  bemerkt,  dass  unter  den  aufgewalzten  oder  ge- 
worfenen Steineu  auch  Elstergeachiebe  sich  befanden  und  üben  im  Hügel  4  ebcDÄO 
auch  ein  Stiick  Grauwacke  aus  zweistündiger  Entft^rnung,  Wäre  nicht  rings  am 
unsere  HiJgel  fast  nur  Bunt^andstein  anstehend,  vielleicht  hatte  ich  auch  hier  ein 
Cabioet  weit  zugetragener  Opfersteine  nachzuweisen  vermocht,  wie  mir  dies  be- 
züglicb  einiger  Hügel  der  sich  anschliessenden  Bronzezeit  nahe  Muhladorf  bei 
Gera  geglückt  ist  (Verhandlungen  des  Vogtland,  alterth.  Vereins  Nr,  52/53  S.  71). 
Was  einige  obenauf  gefundene  formlose  Feuersteine  betriflftj  so  konnte  man  diese 
als  Feuer*  d,  i.  als  Blitzträger  auffassen  und  sie  somit  ebenfalls  den  den  Högel 
schützenden  Dingen  beizahlen.  Den  geringen  Humus,  der  schliesalicb  alle  Hügel  r 
deckte,  lieferte  ihnen  der  Wald,  welcher  zu  jener  Zeit,  als  Gräber  hier  errichtet  ■ 
wurden,  die  weite  herrliche  Aussicht  in  die  Elsteraue  wahrscheinlich  noch  oichl 
hemmte.   — 

Hügel  2  {oval,  l'/i"*  hoch»  50  Schritt  umfang).   Noch  ^/itn  tiefer  als  der  gc-  M 
wachsene  Boden,    in    diesen  selbst  also  gelegt,    befand    sich    die  Grabkammer    und  ™ 
zwar  im  Tiefsten  ungefähr  auf  1  ^/^  qm  belegt  mit  eng  zusammengescbobeoen  flachen 
Sandsteinplatten,  über  denen  derselbe  grauHchgeJbe  Thon  sich  fand,  wie  unter  dem 
Leichnam    im  Hügel   1,    doch    ohne   sonstige  Spur  mehr  des  Gerippes,    desgleichen    _ 
ohne  Steinumfassung.    Die  (restaurirte)  gewöhnliche  schnurverzierte  Amphora  (Fig.  7)  I 

stand    im  Norden,    eine    andere    nahe   der 
7,  Mitte  und  an  diese  gelehnt  ein   ganz  klei* 

nes  Kännchen,  beide  letztere  ohne  Ver- 
zierungen. Die  sonstige  Ausstattung:  ein 
flchön  geschliffener  Serpentiokeil  (im  Sü- 
den) und  zwischen  den  Scherben  der  gröss- 
ten  Amphora  ein  fast  runder  kleiner  Be- 
lemniteo-  (Teufelsfioger-)  ähnlicher  „Don- 
nerkeil", jedoch  nicht;  spitz,  wie  jene,  son- 
dern mit  einer  noch  zollbreiten  scharfen 
Schneide.  Den  hier  fehlenden  Becher  mochte  H 
eventuell  ein  Frauengrab  missen,  wofür 
sich  jenes  zum  Trinken  untaugliche  Känn- 
chen eingestellt  zu  haben  scheint,  -~~  I 
vielleicht  ein  ToüettengefaBS^  Zweifelsohne 
deckten  auch  hier  Aeste  die  Kammer; 
gleich  über  ihnen,  bez.  über  der  aus  der 
Kammer  gewonnenen  und  wieder  aufge-  ^ 
schütteten  Thonmasse  stellen  sich  dann  hier  ■ 
und  in  den  folgenden •)  beiden  Gräbern  die  C^pferspuren  ein:  kleine  Aacbenlageo, 
einzelne  Kohlen,  seltene  Knochelchen,  wenig  Feuersteine  und  Scherben,  die  wiederum 
mit  der  nachgebenden  Decke  locker  binabtielen  in  den  hohlen  Grabraum.  Doch 
Hessen  sich  die  Trümmer  der  hierdurch  geschadigten  Grabgefasse  jederzeit  sehr 
wohl  unterscheiden  von  den  nun  daneben  liegenden  Scherben  der  Opfergefasse^ 
denn  während  jene  noch  so  beisammen  lagen,  wie  sie  die  stürzende  Decke  ein* 
hüllte,  vereinzelte  sich  das  mit  der  Decke  z,  Tb.  herabgekommeue  Opfergeräth  nur 
noch  mehr  und  das  wenige  etwa  zusammenpassende  lag  oft  weit  von  einander  ent- 


¥'V 


nalürlicher  Grösse. 


I 


(477) 


fernt.  Regelrechte  kleinere  Aschenkgen  verblieben,  theils  aDStehend,  io  der  Decke, 
wabreod  abgerissene  Stücke  bis  ing  Grab  selbst  mit  hinabgelangten.  Nach  üben 
wölbte  nur  Thon  den  Hügel,  selten  eine  Scherbe  mehr,  kaum  ein  Stein»  — 

Hügel  3  (fast  rund,  l'/*  jn  hoch,  30  Seh rirt  Umfang),  Die  gelbe  Desoxydations- 
schicht des  Drbotlens,  in  eiDem  deutlich  mannslangeü  Streifen  das  Tiefste  anzeigend, 
erstreckte  sich  wiederum  von  Osten  nach  Westen.  Freilich  der  wahrscheinlich 
wiederum  nach  Osten  blickende  Todte  fehlte  bereits,  doch  war  von  ihm  ein  brei- 
artig gewordener  längerer  Sehen kelknochen^  von  Osten  nach  Westen  liegend,  noch 
sichtbar,  aicht  mehr  faashar.  Eine  un versierte  Amphora  stand  bei  oder  zwischen 
den  Oberschenkeln  etwa  (reataurirt),  nahe  der  Mitte,  der  gewohnte  schön  verzierte 
Becher  (ebepfalls  restanrirt)  im  Norden;  im  Westen,  beim  Kopfe  vielleicht,  wurde 
eine  ganze  und  eine  zerbrochene  Serpentinaxl  gehoben,  dazu  einzelne  Feuerstein- 
messerchen,  Schaber  und  Pfeilspitzen,  nebst  dergleichen  Stücken  von  uubestiramterer 
Form»  Endlich  hatte  der  unausbleibliche  Deckensturz  auch  hier  Opferreate  mit 
hinabgelangeo  lassen  in  die  Grabkammer  selbst,  nehmlich  geringe  Aschen-  und 
Kohlenlagen,  natürlich  ganz  zerrissen  und  untermischt  mit  Scherben,  die  mindestens 
einer  Mandel  verschiedenarriger  tleEssen  angehörten,  Wannen,  Näpfchen  u.  6*  w. 
Fiogerlupfe  und  allerlei  Einschnitte  am  Hals,  am  Bodenrande  u.  s.  w*  hatten  diese 
Gefasse  ebenso  geziert,  als  die  sonst  hier  gefundenen  Schnürcheneindrücke,  Ziem- 
lich üben  lag  im  TLone,  der  den  Hügel  wölbte,  unter  den  letzten  Opferapuren  noch 
die  Rippe  eines  Hirsches  oder  einer  kleinen  Rioderart. 

Hügel  4  (fast  rund,  P/g  w  hoch,  30  Schritt  Umfang),  Ein  Flies  flacher  Sand- 
steine bedeckte  2  m  lang,  P/a  breit  dessen  Basis  in  der  Art,  dass  in  der  Mitte  des 
oblongen  Raumes  ein  kleineres  ObJongum  (etwa  1  jn  lang)  unbedeckten  ürbodens 
verblieb,  der  wiederum  aus  Roth  in  Gelb  gewandelt  war.  Die  Längsrichtung  beider 
Räume  war  genau  die  von  Osten  nach  Westen^  und  wenn  der  Leichnam  auch  fehlte, 
so  ist  doch  seine  ehemalige  Lage  wahrscheinlich  auch  die  des  Hügels  1  gewiesen, 
nehmlich  mit  dem  Gesicht  nach  Osten.  Denn  hier  im  Westen,  wohl  wiederum 
beim  Kopfe,  stand  der  übliche  Becher  (Fig,  8),  die  Amphora  in  der  NO- Ecke  bei 
den  Füssen*  Was  dieses  Grab  auszeichnete,  war  eine 
mit  grosser  Sorgfalt  ausgeführte  Umstellung  des  flies- 
belegten Grabraumes  durch  etwas  scbriig  nach  Innen 
stehende  Sandsteinplatten,  während  sich  sonst  nur 
ein  roh  geschliffener  Steinkeil  vorfand  und  wenige 
Feuersteine  von  unbestimmter  Form.  Auch  hier  sind 
schliesslich  die  über  dem  Grabe  gehäuften  Opferspuren 
in  die  Grabkammer  hinabgelangt:  Kohlen,  Äsche  und 
wenig  Scherben,  besonders  zu  Haupt  und  Füssen  des 
Todten.  Dass  dieser  Brand  aber  ursprijuglich  auch 
hier  nicht  etwa  im  Grabe  selbst  sich  abspielte,  war 
deutlich  daraus  zu  erkennen,  dass  in  die  spitzen  Win- 
kelräume zwischen  Flies  und  Umfassungsmauer  beim 
Hinabfallen  der  Decke  keinerlei  Äsche  noch  Kohle 
gelangte,  sondern  vielmehr  der  hier  geschützt  gestan- 
dene Becher  das  einzige  Gefass  ist,  welches  fast  un* 
versehrt  geblieben  ist.  Die  Decke  dieses  Hügels,  mit 
theilweise    grossen  Steinen,    zeigte    da    und    dort   auf 

letzteren  wiederum  Rillen;  eine  derselben  befand  sich  sogar  in  einem  der  Steine, 
welche  die  Umfassungsmauern  bildeten. 

Hügel  5—7  (flacher  und  wenigpr  hervortretend  als  Nr.  1 — i)  aehen  einer  Uater«- 


8. 


*ii  ijj  Iß 


%  natüf lieber  ü rosse. 


I 


(478) 

BQchoog  Qoch  eDlgegen,    eb^tieo  wie  eioe  etwas  eDtfemtere  Gruppe  tod  nor  2  B&- 
gebj  deren  eioer  jedoch  2Vi,  m  hoch  ist  aod  gegen  70  Schritt  Uoifaog  bat. 

Die  VermuthuDg  liegt  Dicht  fem,  dass  au  Orten,  wo  die  Gerippe  eich  nicht 
cooserTirteD,  die  etwa  zwischeo  den  Oberscheokelo,  d.  h*  so  ziemHch  Ln  der  Mitte 
des  HijgelB  gestandeDeD  Gefasae  für  A sehen aroen  gehalten  wtirdeo  and  das«  naa 
Dur  nm  desawiUen  der  Unregelmässigkeit  in  der  Aufstellaog  der  übrigen  GeCkSK 
so  oft  Erwähaung  ihut,  weil  die&e  durch  die  ehemalige  Existenz  eioeg  Leicbnami 
bedingte  ünregelmäaeigkeit  auffällig  ond  scheinbar  durch  nicht«  gerechtfertigt  wir; 
so  bei  Croeseo,  Dobra,  Hartroda^  Prehoa,  Köpaen  u.  s.  w.,  alle  nahe  nn&erem  Nickel»- 
dorf!  Endlich  konnte  dort  ein  Deckensturz  (mit  seinem  Auftreten  tdd  Brandresiies 
im  Grabe  selbst)  der  Idee  eines  Leichen brmo des  allerdings  Vorschub  thaa,  niebl 
aber  bei  Nickelsdorf,  nicht  praesente  cadaTere.  Obschon  endlich  Niemand  Gleich* 
altrigkeit  und  Stammesgteichheit  unserer  Grabstellen  anzweifeln  wird,  sebeo  wir 
dieselben  doch  in  Bezug  auf  die  Bestattung^methode  nicht  unwesentUcb  ▼aiiircB. 
Grab  1  hatte  allein  eine  im  Odten  offene  Grabkammer  and  eine  deutliche  Brand- 
schicht  nur  unter,  nicht  über  sich,  die  3  anderen,  gerade  umgekehrt,  hatten  die 
Opferbrände  nur  dicht  über  ihren  Kammern;  1  nnd  4  würdigte  man  vieler  weit 
trän  Sport  irter  Grabsteine,  2  und  3  nur  einer  aimpleo  Thondecke  aus  näcbster  Nabe; 
auf  schönen  Steinfliesen  lagen  2  und  4  geb«;ttet,  nur  auf  Gottes  nacktem  Erd- 
boden aber  die  Leichen  1  nnd  3;  endlich  scheint  der  Minnetrank,  der  dem  Ge- 
nossen galt  im  Högel  3,  nachgerade  za  einem  Bachanal  ausgeartet  zu  sein,  denn 
dort  ging  an  Geschirr  allein  mehr  zu  Grunde,  als  auf  Bämmtlichen  übrigen  Hügeb 
zusammengenommen.  Nicht  Alters-,  nicht  Stammesunterschiede  also  möcbten  diese 
Varianten  erzeugt  haben,  sondern  der  Todten  Rang,  Stand,  Ansehen,  Charakter,  _ 
ihr  Reicbthum^  nicht  minder  wie  das  Geschlecht,  endlich  der  Geschmack  oder  diel 
Laune  der  Hinterlasseoen,  ja  wohl  nicht  zum  letzten  die  der  jeweiligen  Ausstattting 
bald  forder-  bald  hinderlicben  momentanen  Zustände  und  Ereignisse* 

(6)  Hr.  A.  B.  Meyer  hat  unter  Uebersendung  zweier  Abgüsse  von  atejzi- 
schen  Nephrit- Geröüen  an  den  Vorsitzenden  folgendes  Schreiben  d.  d«  Dresden, 
12.  November,  gerichtet,  betreffend  die 

i 

Nephritfrage.  ^ 

Da  es  Sie  und  andere  Herren  in  Berlin  interessiren  dürfte,  die  beiden  bis  jetzt 
zu  Tage  geforderten  alpinen  Robnephritfunde  wenigstens  im  Abgüsse  besichUgeo 
zu  könneUj  so  sende  ich  Ihnen  anbei  einen  Abguss  des  Sann*  und  einen  ebensolchen 
des  Grazer  Gescbiebes,  welche  Sie  bebaUen  können,  und  bitte  Sie,  dieselben  nebst 
den  folgenden  gelegentlichen  Bemerkungen  der  Anthropologischen  Gesellecbah 
gütigst  Yorlegen  zu  wollen.  Die  Originale  dieser  2  Abgüsse  befinden  sieb  zu  Graz 
im  Museum  Joanneum;  ich  habe  im  September  d.  J.  sowohl  im  Sannthale  als  auch 
in  Graz  nähere  Nachforschungen  über  deren  Provenienz  gepflogen.  Die  Daratellung 
der  Resultate  meiner  hierauf  gerichteten  Bemühungen  befindet  sich  bereits  unter  ^ 
der  Press Cj  und  zwar  veröffentliche  ich  das  über  den  Sanu-Nephrit  in  den  Sitzungs-  I 
berichten  der  Dresdner  Gesellschaft  „Isis*  mit  Lichtdruckabbildungen  des  Stückes 
und  Plan  des  Fundortes,  und  über  das  Grazer  Nepbritgeschiebe  in  den  Mittheilun* 
gen  der  Wiener  Anthropologischen  Gesellschaft  mit  AbbilduDgen  im  Text.  Ich 
werde  Ihnen  baldigst  Sep.-Abdr.  dieser  Aufsätze  zustellen  können. 

Änlässlich  der  Abhandlung  des  Hin»  Ärzruni  in  der  Zeitschr.  f.  Etbnol. 
1883,  S.  163  ff.  and  der   sich    an    seinen  Vortrag   rom  17.  März  d.  J,  über  meine 


(479) 


^Nephrit-PüblicatioD*  schliesseDden  Debatte  (Verh.  211  ff.)  bitte  ich  mir  folgende 
BemerkuDgeD  zn  gestatten, 

Sie  brecheD  eioe  Lauze  für  die  auch  „io  Zukunft*^  Bestand  habende  „besoodere 
Bedeutung  des  archäologbcben  Theiles  der  Nepbrilfrage  für  die  Prähistorie**  gegen 
mich,  welcher  ich  „jetzt  annebme,  die  archäolt)gi8clie  Frage  sei  durch  die  minera- 
logische gänzlich  in  den  Hintergrund  gedrängt^.  Allein  ich  habe  nnr  die  ^ eminent*^ 
ethnologische  Bedeutung  der  Nephritfrage  bekämpft,  ich  habe  nnr  gesagt,  die 
Nephritfrage  sei  kein  ethnologisches  ^Problem **,  indem  ich  unter  „Problem**  ein 
Kathsel  verstaod,  welches  nicht  allein  schwer  zu  losen  ist^  sondern  auch  eines, 
welches,  wenn  gelost,  von  grosser  Consequenz  für  die  Prähistorie  wäre.  Denn  so 
ist  die  Nephritfrage  ¥ielfach  und  im  Besoiideren  Yon  Hrn.  Fischer  aufgefasst 
worden,  wie  z,  B.  das  folgende  Citat  (Corr.  Blatt  1881  S.  76  Citat  nach  Ranke)  be- 
weist; „Die  die  ganze  MenscheDgeschichte  bis  in  ihre  tiefsten  Falten  verfolgenden 
Gesichtspunkte,  welche  ich  bei  der  Anlage  meines  Nepbritwerkes  Ton  Tornherein 
im  Auge  gehabt  habe,  sind  denn  doch  schon  jetzt  bei  den  etwas  weiter  blickenden 
Forschern  glücklich  zum  Durch bruch  gekommen**. 

Nur  diese  eminente  Bedeutung  der  Nephritfrage  habe  ich  in  Abrede  gestellt 
und  habe  gemeint,  wie  schon  Andere  vor  mir»  dass  vielmehr  eine  Aufgabe  für 
die  Mineralogen,  Geologen  und  Petrographen  vorläge,  welche  die  betreffenden  Mine^ 
ralien  in  Europa  und  Amerika  zu  entdecken  hätten,  da  deren  Yorhandensein  aua 
guten  Gründen  zu  erschliessen  wäre.  Hierdurch  —  das  Vorhandensein  des  Roh- 
materials in  Europa  und  Amerika  vorausgesetzt  —  wijrtie  die  Nephritfrage  zu  einer 
Frage  secuadarer  Bedeutung  reducirt  werden,  denn  es  handelte  sich  dann  nur  noch 
um  die  locale  Verbreitung  der  Objecte,  keinenfalls  um  die  urgirte  von  Continent 
zu  Continent.  D&ss  eine  solche  Frage  ebenfalls  von  wissen  seh  aftlichem  Interesse 
sei,  habe  ich  keineswegs  in  Abrede  gestellt,  mich  jedoch  absichtlich  nicht  weiter 
darüber  ausgelassen,  weil  das  specielle  locale  Vorkommen  von  Nephrit  und  Jadeit 
noch  so  unbekannt  ist^  wir  stehen  hier  kaum  am  Anfange  einer  Kenntniss.  Neuer- 
dings hat,  was  ich  hier  gelegentlich  anfiihren  will,  Ur.  Zintgraff  mitgetheilt^ 
„dass  die  Chloromelanitbeile  aus  dem  Neuenburger  See  in  soweit  von  denjenigen 
aus  dem  Bieler  See  verschieden  sind,  als  die  letzteren  im  Allgemeinen  eine  grössere 
Durchsichtigkeit  zeigen'*,  was  denselben  zu  der  Schlussfoigerung  veranlasst,  dass 
„die  Beile  dieser  verschiedenen  See'n  auch  von  verschiedenen  Blocken  oder  Felsen 
stammend  Dasselbe  hatte  Hr.  de  Mortillet  schon  im  Jahre  1872  für  die  fran- 
zösiflcben  Jadeitbeile  ausgesprochen;  er  hatte  gefunden,  dass  der  Charakter  dersel- 
ben in  den  verschiedenen  Gegenden  Frankreichs  constant  differirt  und  gemeint, 
dass  jeder  dieser  Varietäten  ein  gesonderter  Fundort  im  Lande  entspreche. 

Warum  sollte  ich  bei  dieser  Sachlage  mich  z,  ß.  über  die  möglichen  Ver- 
breitungswege der  europäischen  Jadeitflach  heile  ergehen,  wo  jede  Unterlage  fehlt 
hinsichtlich  des  naturlichen  Vorkommens  des  Jadeit? 

Es  ist  mir  aber  keinenfalls  in  den  Sinn  gekommen,  die  archäologische  Bedeu- 
tung der  Nephritfrage  in  Abrede  zu  stellen;  ich  wui^ste  wenigstens  nicht,  dass  Stellen 
meines  Werkes,  welches  bis  zum  17,  März  meine  einzige  Pubücation  in  der  ^Nephrit- 
frage" gewesen  ist,  dies  besagten.  Anf  der  andern  Seite  kann  ich  jedoch  nicht  so 
weit  gehen,  wie  Hr.  Arzruni,  welcher  S.  169  seiner  Abhandlung  von  einer  »Un- 
summe von  ethnologischen  Fragen"  spricht,  ^die  sich  an  den  Gegenstand  knöpfen**^ 
und  von  der  »nicht  unwesentlichen  Rolle,  welche  der  Nephrit  im  psychischen  Lebeu 
der  Völker  besessen  hat  und  auch  noch  besitzt'^.  Wenn  hiermit  gesagt  sein 
soll,    dais  er   eine   ähnliche    EoUe   spielt,    wie    Metalle,    Edelsteine    u*    dergL^    so 


(480) 

stimme  ich  zu,  soll  es  noch  mehr  besagen,  so  würde  ich  eine  solche  Anflicht  nicht 
theilen. 

Auf  S.  212  der  Yerh.  erklärte  Hr.  Arzruni  auf  eine  Frage  ihrerseits,  .daii 
das  einzige  bisher  für  Nephrit  gehaltene  amerikanische  Stuck,  das  von  Antioqoii, 
aus  Jadeit  bestehe;  dieses  Stuck  besteht  nach  Hrn.  Fischer  aus  Bronzit,  wie  idi 
bereits  in  meinem  Werke  S.  65  b  (Nachtrag)  mitgetheilt  habe. 

In  Bezug  auf  Hrn.  Arzruni's  Abhandlung  kann  ich  nicht  unterlassen,  meiner 
Befriedigung  darüber  Ausdruck  zu  Terleihen,  dass  derselbe  auf  ganz  anderem  Wege. 
wie  ich,  zu  demselben  Resultate  gelangt.  Diesem  gegenüber,  welches  entscheidend 
gegen  die  Importtheorien  spricht,  ist  es  von  keiner  Bedeutung,  wenn  ich  hier  und 
da  Hrn.  Arzruni  nicht  ganz  beistimme.  Ich  bitte  Sie  mir  nur  zu  gestatten,  da« 
ich  mich  in  einem  Punkte  rechtfertige.  S.  172  heisst  es:  ^^Unter  den  Beweises. 
welche  Hr.  Meyer  gegen  den  Import  asiatischen  Materials  oder  Terarbeitetir 
Gegenstande  nach  Amerika  vorbringt,  vermisse  ich  einen  sehr  nahe  liegenden. 
Alle  dortigen  Gegenstände,  wie  er  selbst  betont,  sind  lediglich  aus  Jadeit  gea^ 
beitete,  denn  es  ist  bisher  kein  verbürgter  Nephrit  von  daher  nachgewiesen  wonlei. 
Kämen  die  Gregenstände  aus  Asien,  so  würden  sich  sicher  darunter  auch  solche 
aus  Nephrit  finden  .  .  .^ 

Dass  dieser  Beweis  in  meinem  Werke  zu  vermissen  ist,  hat  seine  guten  Gründe. 
Ich  musste  an  dem  Vorkommen  von  Nephrit  in  Amerika  festhalten,  wenigstens  weni 
ich  mich,  wie  ich  es  wohl  mit  Recht  that,  auf  Hrn.  Fischer's  Autorität  stütilie: 
Dieser  hatte  z.  B.  im  Jahre  1881  in  seiner  Abhandlung  ,)über  die  mineralogiaek- 
archäologischen  Beziehungen  zwischen  Asien,  Europa  und  Amerika  (Neues  Jahr- 
buch für  Mineralogie  IL,  208)  gesagt:  „Gelegentlich  bemerkt,  bestärkte  mich  diese 
Beobachtung  nur  noch  intensiver  in  der  mir  mehr  und  mehr  plausit>el  gewordesei 
Anschauung,  dass  das  Rohmaterial  aller  vorhistorischen,  in  Mexico,  Mittel- 
Amerika,  Süd-Amerika  gefundenen,  aus  wirklichem  Nephrit  hergestelltea 
Amulete,  Idole  u.  s.  w.  (ich  kenne  deren  aus  Autopsie  etwa  im  Ganzen  erst  6 
bis  10)  ursprünglich  aus  Asien  stamme,  so  gut  wie  jenes  der  in  den  letztgensno- 
ten  Ländern  sogar  bis  nach  Chile  ausgestreuten  spärlichen  Chloromelanit-  und 
reichlichen  Jadeit-Zierrathe  und  Beile  !^ 

Ich  habe  allerdings  einen  leisen  Zweifel  8.  16a  meines  Werkes  Anm.  9  über 
die  NephritDatur  dieser  Objecte  nicht  unterdrücken  können,  musste  dieselbe  anf 
Hrn.  Fisch  er 's  Autorität  hin  jedoch  gelten  lasseu  *).  Hierzu  trat  als  fernerer  Be- 
weis für  das  Vorkommen  von  Nephrit  in  Amerika  das  schon  oben  berührte  Beil 
von  Antioquia,  dessen  Analyse  die  HHrn.  Damour  und  Fischer  im  Jahre  1878 
(Rev.  arch.  Vol.  36,  19)  veröffentlicht  und  welches  sie  für  ein  Nephritbeil  erklärt 
hatten.  Für  mich  lag  kein  Grund  vor,  diese  Diagnose  in  Zweifel  zu  rieben,  bis 
Hr.  Fischer  so  freundlich  war,  mir  nach  Erscheinen  des  1.  Theiles  meines  Werkes 
mitzutheileu,  dass  hier  ein  Irrthum  vorliege,  welcher  leider  unberichtigt  geblieben 
sei,  es  handle  sich  nicht  um  Nephrit,  sondern  um  Bronzit.  Ich  konnte  diesen  Irr- 
thum nur  nachtragsweise  im  2.  Theile  meines  Werkes  S.  65b  kurz  berichtigeD 
und  bemerkte:  „Es  fallt  damit  die  einzige  Stütze  eines  Nachweises  von  Nephrit 
in  Amerika**,  und:  „Jedenfalls  vereinfacht  sich  unser  Problem,  wenn  es  sich  her- 
ausstellen sollte,  dass  Amerika  lediglich  Jadeit  und  keinen  Nephrit  beherbergt* 
(S.  66a).  In  meinem  Vortrage  „die  Nephritfrage*,  welcher  zwar  am  17.  Min 
noch  nicht  vorlag,  von  Hrn.  Arzruni  jedoch  bei  Abfassung  seiner  Abhandlung  he- 

1)  Uebriffens  hat  Hr.  Fischer  diese  Objecte  später  (A.  f.  Anthr.  1882,  8.  165)  als  .mög- 
licherweise ebenfalls  in  das  Bereich  des  Jadeites  fallend**  erklärt. 


(481) 

Dutzt  werden  koDute  (siebe  S.  168  derselben),  batte  icb  aucb  scbon  8.  21  die 
vermisste  Consequenz  gezogen,  indem  icb  sagte:  „.  .  .  denn  wenn  man  das  Rob- 
materiul  einführte  .  .  ;  so  würde  man  .  .  .  aucb  den  Nephrit  keinenfalls  in  Asien 
zurückgelassen  baben^.  Alles  dieses  unter  der  Voraussetzung  gemeint,  dass  in 
Mexico,  Mittel-  und  Sud-Amerika  der  Nephrit  fehlt. 

Noch  auf  eine  Bemerkung  in  jener  wichtigen  und  für  die  Keuntniss  des  Nephrit 
und  Jadeit  bedeutungsvollen  Abhandlung  mochte  icb  zurückkommen  dürfen.  Seite 
173  beisst  es:  „Vollkommen  plausibel  erscheint  es  mir,  wenn  Hr.  Meyer  die  An- 
nahme einer  eventuellen  nachträglichen  Ummodelung  bereits  verarbeitet  importirter 
Gegenstände  als  entschieden  unwahrscheinlich  verwirft.  Wenn  er  sich  aber  dabei 
hauptsächlich  auf  den  Geröllcharakter  mancher  Stücke  stutzt,  so  wäre  vielleicht 
daran  zu  erinnern,  dass  dieser  einem  Stücke  aucb  nach  dessen  Verfertigung  ver- 
liehen werden  kann.  Offenbar  wurden  aucb  in  den  ältesten  Zeiten  die  Ansiede- 
lungen naturgemäss  vorwiegend  in  der  NSbe  von  Wasserlaufen  oder  an  Seeufern 
angelegt.  Infolge  dessen  konnten  also  bereits  fertige  oder  gar  in  Gebranch  gewe- 
sene Gegenstände  unschwer  (etwa  bei  üeberschwemmuDgen  oder  aucb  sonst  durch 
irgend  einen  leicht  denkbaren  Zufall)  ins  Wasser  gorathen,  von  demselben  foitge- 
rissen,  dabei  abgerundet,  abgeschliffen  werden  und  somit  einen  theilweisen  Geröll- 
charakter  erlangen. '^ 

Dieser  Ansicht  vermag  ich  nicht  zuzustimmen.  Es  bandelt  sich  um  ame- 
rikanische Objecte,  denn  für  diese  batte  ich  S.  14a  meines  Werkes  den  Be- 
weis eingebender  zu  führen  versucht.  Nun  setzt  aber  Hrn.  Arzruni's  Deutung 
des  Gerölicharakters  an  den  betreffenden  Stücken  voraus,  dass  sie  (von  uns)  an 
Flüssen  oder  an  Seeufern  gefunden  worden  sind,  während  nachweislich  die  meisten, 
fast  alle,  aus  Gräbern  stammen;  der  Geröllcbarakter  war  daher  keiner,  welcher 
nach  der  künstlichen  Formung  und  dem  Gebrauche  entstanden  ist.  Aucb  giebt 
es  viele  Stücke,  welche  im  Ganzen  eine  unregei massige  Geröllform  haben  und  deren 
Skulptur  dieser  Form  Rechnung  trug,  was  ebenfalls  ausschliesst,  dass  der  Geröll- 
cbarakter ein  später  erworbener  ist;  auf  Tafel  11.  Fig.  2  meines  Werkes  habe  ich 
z.  B.  ein  solches  Stück  abgebildet.  Ebenso  schwer  wiegend  ist  aber  der  Umstand, 
dass  es  sich  gar  nicht  um  Erklärung  des  Gerölicharakters  „mancher^  Stücke  ban- 
delt, sondern  dass  fast  alle  denselben  aufweisen.  Wenn  icb  nun  auch  im  Prin- 
cipe gern  zugeben  will,  dass  ein  verarbeitetes  Stück  nachträglich,  indem  es  in 
einen  Fluss  oder  in  einen  See  gerieth,  abgerollt  werden  konnte,  so  wird  dieses 
doch  immer  nur  eine  Ausnahme  gewesen  sein,  den  Geröll  Charakter  fast  aller 
amerikanischen  Stücke  lässt  es  unerklärt.  Ob  eine  nachträgliche  Abrollung  in 
Europa,  wo  wir  so  viele  derartige  Objecto  in  den  Pfahlbauten  finden,  vorgekommen 
sein  mag,  bezweifle  ich,  will  aber  die  Frage  momentan  unerörtert  lassen,  da  vor- 
aussichtlich dieses  Argument  für  die  inzwischen  in  der  Steiermark  entdeckten 
Nephritgeschiebe  angezogen  werden  dürfte,  was  mir  vielleicht  Gelegenheit  giebt, 
eventuell  darauf  zurückzukommen. 

Seit  Publicirung  meines  Werkes  im  Anfange  dieses  Jahres  bat  die  „Nephrit- 
frage**  so  zu  sagen  ein  neues  Gepräge  erhalten.  Hrn.  Arzruni's  Entdeckung  von 
der  typischen  Mikrostructur  der  verschiedenen  Nephrit-  und  Jadeitvarietäten,  welche 
allerdings  in  directem  Gegensatze  zu  der  von  Hrn.  Fischer  so  oft  behaupteten 
Identität  aller  Funde  tritt  (A.  nennt  die  Angaben  F's  über  die  Structur  „ungenü- 
gend** S.  176  Anm.),  reicht  für  sich  allein  bin  zur  Entscheidung  der  Alternative: 
Import  oder  Lokalherkunft;  alpine  Rohnephritfunde  in  der  Steiermark,  Rohmaterial- 
fu^de  in  Nordwest-Amerika  widerlegen  ferner  und  in  anderer  Weise    die  exotische 

Verbandl.  der  Berl.  Anthropul.  Gesellschaft  1883.  31 


Er    V.r:ii-v      ltm    via     Tl.!!    iciamii»xiirt    icxf:x    üic   liiisiLojc^    «iae    Sru. 
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i.-iri'iri  r«ii     ■».-      tz.-i;-  1    i'-r    -•-•"-:    •::?•    ■■*-?  >-::-■  '— viej-iir    j^rsascu-t  Aa«rfaB>. 

J-?:ii-    1-  JL-::.  '.    *."j.-    '.*".-  >   :?  ^       :     ^~r*  s- .1    ^^l:  ui*  ■•  i-frn.  iran»    «ar  aMu«» 

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J  .  s  !  1  r  -    Kl-ri  •  -    H..-     T'    :i-r    ir  Ir  "  .  l^C?    l-i-'  i    '  •-       ">►*  .:x;.s-:l»?a    yr-JOrrC«:    fte^aCL.    IJA 


f483) 

Herkunft  dieses  Beiles  ist  eine  besonders  sicher  beglaubigte;  es  ist  seiner  Zeit  von 
Dr.  Karsten  mitgebracht  worden.  — 

Hr.  Virchow:  £»  wird  jetzt  eine  besondere  Aufgabe  sein,  die  an  so  ver- 
schiedenen Orten  gemachten  Funde  von  angeblichen  Nephriten  einer  genauen  Re- 
vison  zu  unterziehen.  Denn  dass  an  allen  diesen  Orten  Nephrit  anstehen  oder 
als  Geröll  vorkommen  sollte,  ist  nicht  gerade  wahrscheinlich.  Ich  habe  mich  in 
diesem  Sinne  auch  an  Hrn.  Sc  hl  ie  mann  gewendet  und  ihn  um  ein  Stück  aus 
der  ältesten  Stadt  von  tiissarlik  gebeten.  Er  hat  mir  kiirzlich  ein  höchst  zierliches 
kleines  Beilchen  gesendet,  indess  hat  eine  erste  üotersuchung  in  der  Bergakademie 
ergeben,  dass  es  ein  specifisches  Gewicht  von  3,275  besitzt,  also  vielleicht  Jadeit 
ist  Indess  möchte  ich  darauf  hinweisen,  dass  das  Interesse  an  der  Herkunft  des 
Jadeit  ein  fast  noch  grösseres  ist,  als  das  am  Nephrit.  Der  Jadeit  ist  nur  in  letzter 
Zeit  ungebührlich  in  den  Hintergrund  geschoben  worden. 

(7)  Der  Vorsitzende  legt  eine  Reihe  von 

Kyanotypien  von  Kurden  u.  A. 

vor,  welche  ihm  Hr.  Felix  v.  Luschan  nach  seiner  Rückkehr  nach  Europa  über- 
sendet hat.  Dieselben  stammen  von  der  letzten  Reise  nach  dem  Nimrud  Dagb, 
welche  der  junge  und  strebsame  Forscher  in  Begleitung  des  Hrn.  Humann  unter- 
nommen hat. 

(8)  Hr.  Generalkonsul  Zembsch  überreicht  als  Geschenk  eine  Reihe  von  Photo- 
graphien von  Samoanerinnen  und  Kingsmill-lnsulanern.    — 

Hr.  Virchow  schildert,  im  Anschlüsse  daran, 

einen  Jungen  Kingsmill-Indianer. 

Hr.  Generalkonsul  Zembsch  hat  einen  etwa  14 — 16  Jahre  alten,  frischen  und 
kräftigen  Eingebornen  von  Makin,  der  nördlichsten  Insel  des  Gilbert-  oder  Eingsmill- 
Archipels,  Namens  Anto  Atu,  mitgebracht.  Es  war  mir  eine  besondere  Freude,  den- 
selben untersuchen  zu  dürfen,  nicht  bloss  weil  der  ungemein  intelligente  Bursche 
sich  schnell  in  die  Formen  unseres  civilisirten  Lebens  gefunden  hat,  sondern  nament- 
lich desshalb,  weil  es  der  erste  Mikronesier  ist,  der  zu  uns  gekommen  ist. 

Sein  Körperbau  ist  schlank  und  elastisch;  ganze  Höhe  1,645,  Klafterlänge 
1,670  m.  Seine  Haut  ist  dunkelbraun  und  glänzend,  an  der  Dorsalseite  der  Hände 
mehr  dunkel  graubraun,  an  der  Volarfläche  sehr  viel  heller  und  mehr  gelblich,  die 
Nägel  weiss.  Iris  schwarz.  Kopfhaar  schwarz,  ganz  glatt,  in  keiner  Weise  lockig, 
stark. 

Der  Kopf  ausgemacht  dolichocephal  (Index  73),  das  Gesicht  chamaepro- 
sop  (Index  88,8),  wenig  prognath.  Die  Lippen  voll.  Die  Nase  kurz,  mit  etwas 
dicker  Spitze,  wenig  vortretend,  aber  nicht  besonders  breit  Das  Ohr  klein  und 
schmal,  mit  sehr  niedrigen  Falten  und  angewachsenen  Läppchen. 

Folgendes  sind  die  Kopfmaasse: 

Grösste  Länge 189  mm 

„        Breite 138    „ 

Ohrhöhe 116    „ 


Gesichtshöhe  A.  (Haar ran d) .     185    „ 

„  B.  (Nasenwurzel) ^^^    » 


sr 


(484) 

Mittelgesichtshöhe  (Nasenwurzel  bis  Mundspalte)     76  mm 

Gesichtsbreite  a.  (jugal) 134  ^ 

„  b.  (malar) 94  „ 

„  c.  (mandibular) 112  ^ 

Augendistanz  (innere  Winkel)      .     ,  .     .     .     35  „1  Di«fcr«os  €«»«. 


} 


„  (äussere  Winkel) 101      „   j  spait«  S3 

Nase,  Höhe 53,5  „   | 

„      Länge 48      „>  ind«x  72,8. 

„      Breite 39      „   ) 

Mund,  Länge 52      „ 

Ohr,  Höhe 56      , 

Das  Kopfhaar  zeigt  mikroskopisch  fast  drehrunde,  zuweilen  ganz  schwach  ge- 
drückte Formen;  die  Farbe  erscheint  von  der  Fläche  gesehen  rein  schwarx  und  un- 
durchsichtig, auf  dem  Querschnitt  sieht  man  eine  dicke  ganz  farblose  Rinde,  zu- 
weilen einen  engen,  schwarzen  Markstrang,  sonst  nur  feinkörniges,  in  kleinen  Häuf- 
chen auftretendes,  blauschwarzes  Pigment. 

In  meiner  kleinen  Abhandlung  über  mikronesische  Schädel  (Monatsberichte  der 
Königl.  Akad.  der  Wiss.  vom  8.  Dec.  1881  S.  1133)  habe  ich  auch  die  Schädel  der 
Gilbcrts-Iusulaner  besprochen.  Ich  fand  im  Mittel  von  7  Schädeln  ein  hypsidolicho- 
cephales  Maass  (Breitenindex  73,5,  Höhenindex  76,4),  während  sich  aus  den  Messun- 
gen des  Hrn.  Krause  an  22  Schädeln  des  Museum  Godeffroy  ein  schwach  meso- 
cephales  Mittel  herausrechnete.  Immerhin  konnte  man,  wie  ich  damals  hervorhob, 
und  wie  auch  der  jetzige  Fall  beweist,  ^eine  gewisse  Annäherung  an  melanesische 
Formen^  anerkennen.  Indess  beweist  das  Aussehen  und  namentlich  das  Haar  tod 
Anto  Atu,  dass  diese  Analogie  der  Schädelform  ein  isolirtes  Phänomen  ist  und  dass 
sie  den  im  Uebrigen  polynesischen  Gesammtcharakter  der  Erscheinung  nicht  be- 
seitigt. Wenn  man  westliche  Vergleiche  sucht,  so  bieten  sich  für  den  Schädelbau 
in  erster  Linie  die  Igorroten  der  Philippinen  dar,  über  welche  wir  in  der  Sitzung 
vom  21.  Juli  ausführlich  verhandelt  haben,  aber  die  Nasenbildung  derselben 
scheint  ganz  abweichend  zu  sein. 

(9)  Der  Vorsitzende  theilt  mit,  dass  der  Ausschuss  für  die  Herausgabe  eines 
von  Hrn.  Dr.  Fi n seh  bearbeiteten  illustrirteu  Katalogs  der  von  ihm  auf  seiner 
oceanischen  Reise  gesammelten  Gjpsmasken  die  geforderte  Unterstützung  votirt  hat 
Das  Heft  wiid  zugleich  eine  Uebersicht  der  ethnologischen  und  anthropologischen 
Beobachtungen  des  Reisenden  bringen  und  sich  insofern  wesentlich  über  das  Niveau 
eines  gewöhnlichen  Kataloges  erheben.  Die  Verlagshandlung  Asher  &  Co.  hat  sich 
bereit  erklärt,  deuselben  als  Supplementheft  zu  der  Zeitschrift  für  Ethnologie  er- 
scheinen zu  lassen. 

(10)  Hr.  Lilienfeld  übergiebt  als  Geschenk  einen  ßuschmannschadel  vom 
Cap  mit  vorzeitiger  Synostose  der  Nähte.  Derselbe  stammt  von  einer  bekannten 
Person,  einem   Diener. 

(11)  Hr.  Hartraann  berichtet  über  einen 

afrikanischen  Soko-Schädel. 

Der  von  Livingstone  in  Manyema  entdeckte  und  von  ihm  nicht  genauer 
charakterisirte  Anthropoide  Soko  (Last  Journals  H,  p.  52)  ist  von  Lieutenant 
Wissmann  in  demselben  Gebiete  lebend   beobachtet  worden.     Ein  von  demselben 


(485) 

mitgebrachter  weiblicher  Soko-Schädel,  io  dessen  Gehirnhöhle  sich  eine  Hyroeno- 
pterenkolonie  angesiedelt  hatte,  verräth,  dass  der  fragliche  Anthropoide  ein  Chim- 
panse  ist  und  zur  Forna  des  Mandjaruma  der  Niam-Niam  (Troglodytes  Diger  var. 
Schweinfurthi)  gehört. 

(12)  Hr.  Schwartz  legt  einen  Steinhammer  aus  Kieselschiefer  von 
Thüringen  vor,  welcher  ihm  zugegangen  ist.  Eigenthümlich  ist  besonders  die 
Schleifung  nicht  in  grösseren  Flachen,  sondern  in  schmalen  Streifen  (etwa  11). 
Der  Hammer  ist  Wj^  cm  lang  und  hat  fast  1273  cm  Umfang  beim  Bohrloch.  — 

Hr.  Voss  bemerkt,  dass  es  eine  in  Thüringen  häufig  vorkommende  Form  der 
Hämmer  sei. 


(13)    Hr.  Buchholz    bespricht  Namens    des  Vorstandes    des  Märkischen  Pro- 
vinzialmuseums 

neue  Funde  aus  der  Mark. 

I.  Zunächst  lege  ich  das  in  Guben  gefundene  silberne  Beil  vor,  über 
welches  Hr.  Jentsch  bereits  in  voiiger  Sitzung  berichtet  hatte.  Hr.  Jentscb  hat 
es  dem  Märkischen  Museum  eingesandt,  damit  nach  dem  dort  gebräuchlichen,  dem 
Krause'schen  ähnlichen  Verfahren  der  Rost  beseitigt,  das  Silberornament  voll- 
ständig blossgelegt  und  das  Weiterrosten  verhütet  werde.  Hier- 
nach zeigt  nun  der  Silberbeschlag  ein  sehr  vervollständigtes  Bild. 
Die  Zwischenlinieu  scheinen,  nach  den  wenigen,  nicht  mit  dem 
Rost  abgefallenen  Spuren  zu  schliessen,  mit  Gold  plattirt  gewesen 
zu  sein.  Das  Beil  ist  jedenfalls  als  Wafife,  als  Streitaxt,  anzu- 
sehen, weil  diese  reiche  Ornamentirung  den  Gebrauch  als  Haus- 
oder Handwerksgeräth  ausschliesst.  In  den  mir  zur  Verfügung 
stehenden  Abbildungen  aus  anderen  Sammlungen  habe  ich  das 
gleiche  Ornament  nicht  wiedergefunden;  es  scheint  orientalischen 
(arabischen)  Ursprungs  zu  sein  und  dem  älteren  Mittelalter  anzu- 
gehören, in  welchem  die  Streitbeile  noch  nicht  zu  einer  zwei- 
seitigen Waffe  entwickelt  waren. 

II.  Wie  sehon  die  Zeitungen  berichtet  haben,  sind  in  dem 
Baugrunde  des  neuen  Schulhauses  an  der  Ecke  der  Ar- 
tillerie- und  Johannis-Strasse  bei  5  m  Tiefe  2  Pfeile  (Holz- 
schnitt) gefunden,  welche  für  unsere  Gegend  vollständig  fremdartig 
erscheinen,  so  dass  die  Vermuthung  etwas  für  sich  hat,  sie  möchten 
aus  den  Sammlungen  Alexander  von  Humboldt^s  herrühren, 
welcher  auf  einem  benachbarten  Grundstück  der  Oranienburger 
Strasse  gewohnt  hat.  Diese  Pfeile,  welche  aus  einer  flachen 
eisernen  Spitze  mit  2  Widerhaken  und  einem  50  cm  langen  Rohr- 
schaft bestehen,  lege  ich  hiermit  vor. 

III.  Herr  Handtmann  aus  Seedorf  bei  Lenzen,  welcher, 
wie  ich  beiläufig  erwähne,  Grund  zu  haben  glaubt,  das  alte  Rbetra, 
entgegen  den  Feststellungen  von  meklen burgischer  Seite,  in  der 
Gegend  von  Lenzen  suchen  zu  können,  beabsichtigt,  in  Lenzen 
einen  Verein  für  Alterthumskunde  zu  gründen,  um  das  Interesse 

an    dieser  Wissenschaft   zu    verbreiten    und    vorkommende  Funde   zum  Besten  der 
Forschung   zu    concentriren.     Der  Verein  würde   zur  Veranschaulicbung  auch  eine 


(486) 

Srnrnmlang  anlegen,  deren  Stamm  einige  dem  Märkischen  Museum  zur  BegatacfatQng 

eingesandte  Fände  bilden  sollen.     Es  sind  dies  Folgende: 

1.  Fandstücke  Ton  einer  nahe  am  Bahnhof  Lenzen  gelegenen  Stelle, 
Ton  welcher  schon  eice  grössere  Anzahl  tod  Urnen,  z.  Th.  mit  kleinen  Bronze- 
Beilagec.  sich  im  Märkischen  Museum  befindet.  Diese  Gegenstände  scheinen  die 
Wohnstätte  anzudeuten  zu  dem  Urnen  Friedhof.  Es  sind  namentlich  eine  grössere 
Anzahl  Ton  Flintspli:terc.  Ton  denen  einzelne  ziemlich  gut  gelungene  prisnuuiache 
Messer,  Pfeilspitzes.  Schaber  n.  dgl.  darstellen;  immerhin  charakterisiren  sie  sich 
alle  als  Abfiel  von  einer  Fliotgeräth- Werkstätte.  Daneben  kommen  auch  i  Bronxe- 
fragmente  —  von  einer  kleinen  Fibula  Dorn  und  Spirale  und  Ton  eineon  Bronze- 
zeit das  äusserste  Schneidestück  —  Tor.  sowie  Urnen  Scherben  Ton  dem  Tjpas  der 
germanischen  Grabgefässe. 

2.  Fundstücke  von  Wustrow.  Kreis  West-Prlegnitz. 

T hon gefasssch erben  aller  Typen  Ton  der  zermanischen  bis  zur  frühmittelalter- 
lichen Zeit«  darunter  dicht  'gestrichelte  vcc  einer  grossen  flachen  germanischen 
Schale,  mit  dreieckigen  Eindrücken  Tersehece.  auch  von  einem  flaschenformigeo, 
siebartig  durchlochten  Gefass:  ferner  wiederum  bearbeitete  Flintsplitter.  Messer, 
Pfeilspitzen.  Schaber  und  Strichler.  sowie  ein  Spicnwirtel.  Der  ganze  Fund  deutet 
auf  eine  schon  zu  germanischer  Zeit  Lesiaii<Jene  und  bis  zum  12. — 13.  »lahrhnndert 
fortgesetzte  Wohnsiätte. 

3.  Funde  von  Sandow.  Kreis  West-Prlegaitz. 

Einige  germanische  Umenscherbec.  Leichen brand.  die  Fragmente  einer  eisernen 
Fibula  und  Proben  Ton  Kohlen  und  Bnic  ierie.  welche  innerhalb  einer  Steinsetsung 
in  der  Nähe  von  Urnenscherben  gefunden  sini.  Ein  mitgesandter  Kinderxahn  er- 
scheint nicht  alt.  Ebenso  k«'^ncen  giasirte.  etwa  dem  15. — 16.  Jahrhundert  an- 
sehörige  Scherben  hier  eicht  zur  Besprechung  gelangen. 

4.  Funde  tou  Zeil  in  a.  O..  Kreis  Königsberg  i.  N. 
Germanische  und  mittelalterliche  Thonge fassscher ben. 

5.  Funde  Ton  Gross  Wooiz,  Kreis  Wesrpriegnitz. 

Scherben  einer  grösseren  germaciächec  Urce  mit  StrichTerzierung.  in  den  Drei- 
ecken zwischen  den  Strichen  je  eice  Xmirii^z  tos  I  cru  Durchmesser,  welche  von 
9  tief  eingedrückten  dreieckigen  Punkten  umget-en  wird;  ein  grösseres  Feaerstein- 
messer  und  ein  Nadeldom  Ton  Terrosr-eieoi  Eisen.  Von  Gross  Wt-u  befindet  sich 
übrigens  eine  grössere  Anzahl  germaniscner  Urzien.  ein  mit  R^Lgeln  Terziertes 
Knochengeräth  und  ein  eisernes  Messer  im  Märkischen  Museum  (IL  IIÖ06-— 69). 

(14'    Hr.  Voss  L-espricht  zwei  tou  Hm.  Berg  er  in  Prag  ihm  übenchiekte 
Silbernage  vm  SchhKkeaai  bi  BBlici. 

Herr  W.  Belgier  in  Pra^  Li:tr  .i:e  G-:e.  mir  iwei  Sillerringe  zur  Ansicht 
zuzusecdes.  welche  ich  mir  er-i-ii-rL  w:...  iinei.  iier  Ti-rzuiegen  Dieselben  sind 
Tor  ein  igen  Jahren  reim  Bau  eiLes  Eiuses  .z.  Schiuckecau.  im  nördlichen  Böhmen. 
gelunieL  w.-rdec.  Es  s-:-.^::  .iMch  Mürze-  iiiei  g-weses  seic.  indes»  ist  keine 
derselbe'-  err.altrr.  !'>  Ki-ge  sied  tos  h-Vhs:  ei ;;ec:LÜ Blücher  Technik.  Während 
sie  auf  -ec  ersiei  An'iiiok  an  iie  häüäg  L-ri  uns  in:  Lande  mit  orientalischen 
Münzen  gefunienen  sücemen  S^Lmuckricce  er  nntrn.  zeigen  sie  bei  näherer  Be- 
iracblun^  dvoL  -ir.e  wesenili::  e  Aiweiobunc.  iis.rVrn  als  unsere  nordischen,  ans 
mebr^r-n  dre!.  r*r  Silter.irär.r-rn  zusamn:eEs:e^--n-.ien  sinJ.  während  die  Torliegen- 
den.  s.5wei:  s::L  -ies  oiine  BesoLi.i.^u-z  der  K^^f  learmeiien  lässt.  aus  einigen 
um  e;Lrn  c^r/ra.-:    Jckerr:.  L>rah:    icewundmen    !•: unten    bestehen.     Hr.  Juwelier 


(487) 

Teige  hat  die  Güte  gehabt,  in  Bezug  auf  die  Herstelhingsweise  verschiedene  Proben 
zu  machen  und  erscheint  auch  nach  diesen  obige  Annahme  die  wahrscheinlichste. 
Der  eine  der  Drähte  ist  in  regelmässigen  Abstanden  mit  rundlichen  Erhabenheiten 
besetzt,  welche  nach  meiner  Ansicht  herausgravirt,  nach  Ansicht  des  Hrn.  Teige 
aufgelöthet  sind.  Der  Durchmesser  der  Ringe  betrügt  11,5  cm^  ihre  Stärke  1  rm; 
die  Schlusstheile  greifen  etwas  übereinander.  Letztere  sind  vierkantig  und  mit  ein- 
geschlagenen Linear-Ornamenten  verziert.  Die  Mittelfügen  dieser  Ornamente  sowohl, 
wie  die  Vertiefungen  auf  den  gravirten  Drähten  sind  mit  rother  Masse  ausgefüllt 
gewesen,  wie  es  nach  einigen  noch  anhaftenden  Spuren  zu  urtheilen  den  An- 
schein hat. 

Was  nun  Alter  und  Herkunft 
dieser  Ringe  anbetrifft,  so  ist  es 
klar,  dass  sie  mit  unseren  nordischen 
Silberringen  des  10.  und  11.  Jahr- 
hunderts in  engstem  Zusammenhange 
stehen.  Jedoch  machen  sie  einen 
etwas  späteren  Eindruck  und  es  ist 
wohl  möglich,  dass  sie  etwas  jünger 
als  die  bei  uns  gefundenen  sind. 
Sollen  doch  auch  die  slavischen 
Schläfenringe,  welche  bei  uns  gleich- 
zeitig mit  den  Hacksilberfunden  sind, 
in  Böhmen  noch  auf  christlichen 
Kirchhöfen  gefunden  sein.  Was  die 
Herkunft  anbetrifft,  so  ist  wohl  an- 
zunehmen, dass  die  Ringe  aus  süd- 
lichen Gebieten  stammen;  wenigstens 
zeigen  die  ähnlichen  Funde  aus  Ga- 
lizien  und  Ungarn  eine  mehr  eigen- 
artige Entwicklung  in  der  Form 
und  Ornamentik  dieser  Art  von 
Schmucksachen. 

Für  Böhmen  ist  dieser  Fund  insofern  von  besonderer  Bedeutung,  als  bisher 
erst  ein  Fund,  welcher  in  nähere  Beziehung  zu  dem  vorliegenden  zu  bringen  wäre, 
vorgekommen  ist.  Es  ist  der  in  der  Gegend  von  GoUin  entdeckte  Grabfund,  von 
dem  wir  durch  Hrn.  Schneider  in  Jicin  Nachricht  erhielten  und  der  dem  Procop 
zugeschrieben  wurde  (s.  Verh.  1882  S.  94).  Ausserdem  ist  auch  in  der  Nähe  von 
Schluckenau,  dem  Fundorte  des  eingesandten  Fundes,  nämlich  in  der  Gegend  von 
Bautzen,  ein  sehr  reichhaltiger  Fund  dieser  Art  vorgekommen,  welcher  sich  jetzt 
im  Besitz  des  Hrn.  Rechtsanwalt  Stephau  in  Bautzen  befindet.  Da  Schluckenau 
auf  der  nördlichen  Abdachung  des  Böhmisch-Lausitzischen  Grenzgebietes  liegt,  so 
dürfte  der  letztere  Fund  vielleicht,  als  derselben  Fundregion  angehörig,  hier  beson- 
ders in  Betracht  kommen. 


.^Sl 


^M 


Vs  der  natürlichen  Grosse. 


(15)    Hr.  Voss  spricht  über  die  von  Hrn.  Teige  verfertigten   und  der  Gesell- 
schaft vorliegenden 

Naohbildunoen  dea  Goldfundes  von  Vettersfelde. 

Die  einzelnen  Gegenstände  sind  Ihnen  schon  aus  Zeichnungen  bekannt,  welche 
Hr.  Professor  Bastian    Ihnen    in  der  Sitzung  vom  20.  Januar  d.  J.  vorlegte.    Ich 


(488) 

H  erde  noch  Gelegenheit  haben,  den  Fund  ausführlicher  zu  besprechen  und  mochte  tot 
läufig  nur  bemerken,  dass  derselbe  nach  meiner  Ansicht  dem  3.  oder  4.  Jabrfaoo- 
dert  nach  Christ.  Geb.  angehört,  aus  dem  nordpontischen  Ländergebiete  stammt  and 
einer  grösseren  Reihe  dorthin  weisender  Funde  angehört.  Es  dürfte  Oberhaupt 
wohl  jetzt,  nachdem  die  Funde  römibcher  Zeit  aus  unseren  östlichen  Gebieten  nun- 
mehr  in  stattlicher  Zahl  und  Menge  vorliegen,  an  der  Zeit  sein,  die  Verschieden- 
heiten zwischen  diesen  Funden  und  den  römischen  Fundgegenständen  der  westlichen 
Landestheile  besonders  ins  Auge  zu  fassen  und  schärfer  zwischen  ihnen  zu  scheiden. 
Es  ist  höchst  eigenthümlich  und  gewiss  von  grösster  Bedeutung,  dass  einzelne 
Gegenstände  und  Formen,  welche  bei  uns  häufig  sind,  in  den  westlichen  Provinzee 
selten  oder  gar  nicht  vorkommen,  ^^o  finden  wir  bei  uns  z.  B.  unter  den  GegeDStändeD 
römischer  Zeit  sehr  häufig  Sporen  verschiedener  Form,  aus  Bronze,  Eisen  und  Silber. 
Das  Königliche  Museum  besitzt  davon  gegen  zwanzig  aus  Preussen.  Posen,  Schlesien, 
Brandenburg  und  Sachsen,  und  in  den  Sammlungen  zu  Königsberg  sind  ihrer  noch 
mehr  vorhanden,  während  in  den  Sammlungen  der  Rheinlande  Sporen  la  den  Sel- 
tenheiten gehören  und,  wie  mir  Herr  Dr.  ündset  mündlich  mitgetheilt  hat,  ancfa 
in  ganz  Italien  nur  einige  wenige  Exemplare  gefunden  sind.  — 

Hr.  E.  Krause  berichtet  über  seinen  Besuch  der 

FwMlsteiie  der  Vettersfelder  Goldsaciien. 

Am  1.  August  d.  J.  besuchte  ich  mit  Herrn  Teige  Vetlersfelde,  welches  etwa 
r,  Meile  NW.  von  der  Station  Jessnitz  der  Niederschi.  Mark.  Eisenbahn  liegt.    Der 
Fundacker  liegt  ungefähr  1  km  NW.  von  Vettersfelde,  nahe  dem  Kasower  Kirchhofe. 
ist  flach  und  hat  meist  Sandboden.    Er  er>treckt  sich  in  seiner  Längsausdehnung  von 
NO.  nach  SW\  und  ist  von  drei  Seiten  von  Wald  umgeben,  die  vierte  grenzt  an  nach- 
barliches Feld;  in  der  Nähe  befindet  sich  eine  Thalsenkung,  die  früher  einmal  Ton 
einem  See  gefüllt  gewesen  sein  dürfte.     Der    Besitzer,    Büdner    Aug.    Lauschke. 
gestattete  die  Untersuchung  und  legte  selbst  mit  Hand  an.    Auf  dem  südwestlichen 
Theii  de»  Ackers  >taud  früher  Lehm  an,  der  zur  Herstellung    von    Ziegeln    ausge- 
beutet worden  ist.  Die  Ziegelei  ist  vor  etwa   15  Jahren  aufgegeben,  der  Feldofen  ab- 
gebrochen.    Ein  Lehmfleck  ist  unberührt  geblieben;    dieser    bürg    die    Hauptstücke 
des  Fundes;  die  in  einiger  Entfernung  von  ihm  gefundenen  Stücke  sind  höchstwahr- 
scheinlich  mit  dem  Pfluge  dorthin  verschleppt  worden.     Ueber    die    Fundumstände 
erfuhr  ich   Folgendes:  Als  Lauschke  am  5.  October    18S2   nach    der  .Aussaat    tob 
Roggen  die  für  den  Abfluss  des  überflüssigen  Regen wassers  erforderlichen  „Fahren* 
anlegte,  pflügte  er  diese  nach  beiden  Seiten  auf.  wodurch  sie  tiefer  als  gewöhnlich 
wurden.     Die  Mittelfahre  durchschneidet  die  erwähnte  Lehmstelle,  auch  sie    wurde 
tieft?r  gelegt,  und  dadurch  griflf  der  Pflug  die  etwa  nur  ?0  cm  unter  Terrain  liegen- 
den FuDvlstücke,    welche    indessen    nicht    sofort    bemerkt   wurden.     Erst   als   I,.  am 
7.   Oktober,  nachdem  Regen   gefallen   war,  sieh  überzeugen    wollte,    ob    die    Fahren 
zweckentsprechend  seien,  fand  er  als  erstes  Stück  den   ma-siven  Kopfriug,  daneben 
einige  au»iere  Stücke,  welche  er  wohl  für  des  Aufhebens  werth.  nicht  aber  für  aus 
Gold  bestehend  hielt.    Kr  bot  dio^e  Stücke,   darunter  uen    Fisch,   Köcherbeschlag  (?) 
s.u.  w.  dem  Landrath,  Prinzen  Carolath-Schonaieh.  der  sich  für  .\lterlhömer  inter- 
essirt.  als  Geschenk  an.     Oieser,  den  Werth  der  Stücke  erkennend,  verweigerte  die 
Annahme  des  Geschenkes,  erbot  sich  aber,  behufs    besserer  Sicherung,    zur    Aufbe- 
wahrung bis  zum  endgültigen  Eutscheid  über  ihren   Verbleib.       Die    weiteren    Vor- 
gänge, wie  Anbieten  an    das    Mark.    Prov.    Museum.    Besichtigung   durch   Professor 
Leasing  und  endliche  Ueberführung  in  das  Königliche  Museum  sind  bekannt.     Es 


(489) 

kam  mir  <1arauf  an,  festxusteller,  unter  welclieo  Verbal toisseo  die  Gegenetaade 
gefunden  sind,  ob  ah  (irabfuiui,  üb  in  einer  Aosiedelung  oder  uls  UepotfutKl,  ob 
'\n  eiuem  Gefass  beiges«tzt  oder  frei  in  der  Erde.  Die  LaDdleule  sind  gewohnlich 
misstmuißch  und  verscblosseiL  Erat  nach  längerer  Unterhaltung  erfuhr  ich  von  der 
Frau  und  dem  Vat*;r  brockenweis,  dass  Scherbon,  wie  zu  einem  sehr  grossen  Topf 
geborig,  aber  sehr  schwach  gebranntj  bei  den  Fuotbtücken  gelegen  hatten,  auch 
mit  nach  Hause  genomineri,  dort  aber  verÄettelt  seien.  Ob  Kimchen  oder  ßr«üd- 
re&te  gefunden  seien,  konnte  nicht  angegeben  werden.  Ich  schritt  deshalb  zur 
eigenen  Untersuchung  der  Fundstelle.  Das  obeu  naher  beschriebene  Ackerstllck 
wurde  zuerst  n«ch  Torschiedenen  Ricbtungeti  durchschritten,  um  etwa  auf  der  Ober- 
fläche liegende  Scherben  oder  Knocheureste  aufzulesen.  Ich  fand  einen  alten 
Scherben  und  einen  roittelalterlichen.  CaleiDirte  Knoehenresle,  welche  etwa  auf 
einet]  Begrfibii issplatz  hatten  scblieasen  lassen,  fanden  sich  durchaus  nicht.  Dann 
wurde  die  engere  Fundstelle  mit  dem  Spaten  angegriffen.  Die  grosse  Nässe  des 
Bodens,  sowie  der  heftige  Regeu  hinderten  uns  sehr  bei  der  Arbeit,  doch  fanden 
wir  ausser  Branderde  und  Koblenresten  einige  schwach  gebrannte,  ihrer  ganzen 
Bescbaffenheit  nach  als  alt  anzusprechende  Lehmstucke  mit  Abdrücken  von  Rolir- 
balmen  (oder  Ruthen),  auf  der  Gegenseite  oberfläcbUcb  geglättet,  —  also  anschei- 
nend Theile  des  Lebmbewuife»  einer  aus  Rohrgeflecht  bestehenden  Hüttenwand, 
welche  beim  Brande  der  Hütte  selbst  schwach  gebrannt  wurden  j  ausserdem  einige 
wenige,  ebenfalls  alte,  Scherben  ^  darunter  ein  Stückchen  Boden  kante  eines  dick- 
wandigen, veraiutblicb  sehr  grossen  Gefässes.  Diese  Scherben  sind  von  ziemlich 
roher  Arbeit,  die  Aussen  flachen  schlecht  geglättet;  sie  sind  schwach  gebrannt,  auseen 
Tothlicb,  der  Kern  sihwar/lich;  die  Masse  ist  mit  kleinen  Granilbrocken  durch- 
setzt. Der  Bodentheil  stimmt  nach  Aussage  der  Frau  L.  mit  den  von  ihr  gefun- 
denen Scherben  überein.  Knocbenreste,  sowie  reguläre  Brnndschichten  wurden 
nicht  beobachtet.  Eine  ausgiebigere  Untersuchung  war  leider  nicht  möglich,  da 
wir  buchstabiich  in  einem  Lehmsumpf  arbeiteten. 

Da  hier  unter  den  obwaltenden  Verhältid^sen  nichts  Erspriesslicbes  weiter  zu 
thun  war,  li essen  wir  von  weiterer  Arbeit  vorläufig  ab  und  machten  uns  an  die 
Untersuchung  einer  etwa  100  Schritt  östlich  gelegenen  Stelle,  an  der  L.  beim  Pflügen 
auf  einen  grossen  Stein  geratbeo  war,  den  er  Diangels  Haudwerkzeuges  damals  nicht 
heben  konnte,  der  also  unberührt  lag.  Wir  umgruben  diesen  Stein  und  legt*Mi  durch 
vorsichtiges  Graben  ungefähr  30  rr/i  unter  Terrain  ein  ungefähr  kreisrundes  Pflaster 
von  1  m  Durchmesser  frei,  auf  und  neben  dem  schwarze  Bodenschichten  (Brand- 
reste)    zu    Tage    traten.      Scherben    oder    zerschlagene    Knochen    wurden    auf   dem 


AcK. 


Pflaster  nicht  gefunden.  Nachdem  das  Pflaster  (Heerd)  behutsam  abgehoben,  wurde 
in  der  folgenden  Schiebt  und  zwar  vorläufig  nur  auf  einer  Hälfte  mit  Pflanzen- 
Stecher  und  Kratze  sehr  vorsichtig  weiter  gegraben,  doch  fand  ich  nur  zwei  kleine 
Scherben,  von  derselben  Beschaffenheit,  wie  die  auf  der  ersteu  Stelle  und  einen 
Bchwärzlichen,    besser    geglätteten.     Ein    senkrechter  Abstich  durch    einen   grossteu 


(490) 

Durchmesser  der  Brandstelle  ergab  den  in  der  Skizze  dargestellten  Quenchoitt 
Die  Durchsuchung  der  anderen  Hälfte  ergab  keine  Fondstücke,  besonders  war  mir 
das  Fehlen  Ton  Knochen  auffällig. 

Die  Fundstelle  des  Goldes  dürfte  hiernach  also  nicht  als  ein  Begrabniat- 
platz  anzusprechen  sein,  sondern  wahrscheinlich  als  der  Ort  einer  alten  Nieder- 
lassung, der  durch  Feuer,  vielleicht  in  Folge  feindlichen  Angriffs,  der  Untergang 
bereitet  wurde  und  deren  Bewohner  getodtet  oder  als  Gefangene  fortgeführt  wurden 
und  so  nicht  mehr  an  Hebung  des  zurückgelassenen  Goldschatzes  denken  konnten. 
Ueber  das  Alter  des  Fundes  aus  den  keramischen  Beifunden  zu  urtheilen,  durfte 
bei  dem  geringen  vorliegenden  Material  zu  gewagt  sein,  doch  mochte  ich  meiner 
Meinung  dahin  Ausdruck  geben,  dass  sie  nicht  allzuweit  in  prähistorische  Zeiten 
hinaufreichen,  sondern  als  prähistorisch  ziemlich  jnng  zu  betrachten  sind,  da  sie 
nicht  die  saubere,  feine  Glättung  der  Aussen-  und  Innenflächen  zeigen,  die  wir  an 
älteren  Scherben  zu  finden  gewohnt  sind,  auch  stärker  gebrannt  sind,  als  die  ganz 
alten.     Dies  über  die  Fundstätte  selbst. 

Die  Frage  nach  etwa  zur  Vervollständigung  des  Fundes  noch  vorhandenen  Theilen 
stiess  auf  harte  Ohren.  Die  Lausch ke's  sind  so  oft  angegangen  und  von  des 
verschiedensten  Seiten  beeinflusst.  auch  wohl  hintergangen  worden,  dass  sie  jetzt 
sehr  zurückhaltend  und  verschlossen  sind.  Doch  erfuhr  ich,  dass  2  goldene  Kett- 
chen von  je  etwa  8  cm  Länge,  deren  eine  in  einem  Knopf  endigte,  sowie  ein  kugel- 
förmiger Knopf,  ein  Schieber  und  2  Ringe  auf  L.'s  Veranlassung  zu  einer  Uhrkette 
vereinigt  wurden,  die  er  selbst  getragen,  später  aber  an  Hrn.  Rentier  Wilke  in 
Guben  für  ca.  100  Mark  verkauft  hat,  wo  ich  sie  selbst  sah. 

Der  Vater  des  L.,  ein  schon  schwacher  Greis,  erzählte  von  einer  aus  15  bis 
16  Kugeln  bestehenden  Kette,  wovon  5 — 6  Kugeln  durch  den  Pflug  abgerissen  seien, 
auch  von  goldenen  Plättchen,  wovon  der  Sohn  nichts  wissen  wollte.  Ein  im  Orte 
wohnender  Invalide  soll  einige  Sachen,  wie  man  vermuthet,  gefunden  und  nach 
Sommerfeld  gegeben  haben;  ferner  sind  in  Guben  selbst  einige  Stücke  eingeschmolzen 
worden. 

(16)    Hr.  Virchow  erstattet  Bericht  über  die 

anthropologische  Generälversammluno  In  Trier. 

Der  stenographische  Bericht  über  die  letzte  Generalversammlung  der  deutschen 
anthropologischen  Versammlung  liegt  iu  dem  Correspondenzblatt  zum  Theil  schon 
gedruckt  vor  und  die  noch  ausstehenden  Theile  werden  alsbald  in  aller  Händen 
sein.  Ich  kann  mich  daher  auf  einige  Bemerkungen  beschränken,  insbesondere 
über  solche  Punkte,  welche  in  den  Verbandlungen  nicht  oder  nur  beiläufig  be- 
sprochen sind.  Oeberdies  hatte  sich  eine  etwas  grössere  Zahl  unserer  Berliner 
Mitglieder  an  der  Versammlung  betheiligt,  wenngleich  bei  Weitem  nicht  so  viele, 
als  bei  dem  hervorragenden  Interesse  gerade  dieser  Gegend  unseres  Vaterlandes 
wünschenswerth  gewesen  wäre. 

Trier  ist  genau  genommen  die  einzige  grössere  deutsche  Stadt,  welche  die 
Erinnerung  an  die  Römerzeit  noch  in  einer  Vollständigkeit  bewahrt  hat,  wie  wir 
es  sonst  nur  in  Südfraukreich  und  Italien  zu  sehen  gewohnt  sind.  Noch  bis  in 
die  neueste  Zeit  hat  sich  die  wenig  fabrikthätige  Stadt,  namentlich  in  ihren  öst- 
lichen Theilen,  in  den  Grenzen  der  alten  Kaiserresidenz  gehalten;  gegen  Westen 
ist  sie  sogar  erheblich  dahinter  zurückgeblieben.  Erst  in  den  letzten  Jahren  hat 
die  Bebauung  die  Mauern  der  mittelalterlichen  Zeit  zu  überschreiten  angefangen. 
Noch  steht  die  Porta  nigra  iu  einer  Vollständigkeit  da,  wie  selbst  in  Rom  nur  wenige 


(491) 

MoDumeote  erhalten  siDd;  noch  ist  das  Amphitheater  zum  grossen  Theil  Yorhanden, 
die  Ruinen  des  alten  Eaiserpalastes  erheben  ihre  Mauern  noch  weit  über  die  Hohe 
der  modernen  Bauten  und  die  Thermen  im  Westen  (in  St.  Barbara)  werden,  Dank 
der  Liberalität  der  Regierung,  eben  einer  ausgedehnten  Ausgrabung  unterworfen. 
Das  mächtige  Grabmonument  von  Igel  (Aquila),  einem  Dorfe  oberhalb  von  Trier 
an  der  Mosel,  sucht  seines  Gleichen  in  deutschen  Landen.  Dazu  kommt  die  grosse 
Zahl  alterthümlicher  Kirchen,  welche  in  ihren  Grundlagen  zum  Theil  bis  in  die 
erste  Zeit  der  Einfuhrung  des  Christenthums  in  diesen  Gegenden  zurückreichen. 
Aus  einem  altchristlichen  Golumbarium  bei  Pallien,  dem  alten  Vicus  Voclannionum, 
der  westlichen  Vorstadt  Triers,  stammen  zwei  herrliche  Glasgefasse,  ein  Becher 
mit  aufgesetzten  Fischen,  und  eine  Schale  mit  der  Darstellung  des  Opfers  von 
Abraham  ^). 

Dieser  Herrlichkeit  der  Monumente  entspricht  die  Ausdehnung  und  die  Mannich- 
faltigkeit  der  in  dem  Provinzial-Museum  aufgehäuften  römischen  Fundstücke.  Ob- 
wohl erst  seit  wenigen  Jahren  officiell  anerkannt  und  begünstigt,  hat  das  Museum 
unter  der  sammelnden  und  ordnenden  Hand  seines  Direktors,  des  Hrn.  Pr.  Hettner 
eine  Vollständigkeit  erreicht,  welche  es  den  besten  Museen  der  romisch-ger mani- 
schen Zeit  an  die  Seite  stellt  und  als  eine  wahre  Zierde  unseres  vaterländischen 
Besitzes  erscheinen  lässt.  Nirgends  tritt  gerade  die  Ue bergan gsperiode  zu  der  ger- 
manischen Zeit  in  so  häufigen  und  gut  erhaltenen  Erinnerungen  hervor;  wir  sehen 
die  Grabsteine  germanischer  Beamten  des  niedergehenden  Kaiserreiches,  darunter 
den  eines  alten  Landsmannes  aus  dem  Königsgeschlechte  der  Burgundionen'),  vor 
uns;  wir  verfolgen  von  Periode  zu  Periode,  wie  die  Waffen  und  der  Schmuck  der 
Barbaren  an  die  Stelle  der  römischen  traten.  In  das  Einzelne  dieser  Funde  ein- 
zugehen, würde  hier  zu  weit  führen.  Ich  will  nur  ein  besonders  überraschendes 
Vorkommen  erwähnen,  nehmlich  unzweifelhaft  römisches  und  ebenso  un- 
zweifelhaft glasirtes  Thongeschirr  in  grünen  und  gelben  Farben^),  wie 
wir  es  bisher  fast  ausschliesslich  dem  Mittelalter  zugeschrieben  hatten,  unter  den 
seltenen  Kunstschätzen  nenne  ich  nur  den  in  den  Thermen  gefundenen  Torso  einer 
Amazone  aus  parischem  Marmor. 

Gegenüber  dem  Reich th um  der  römischen  und  der  Trefflichkeit  der  freilich 
viel  seltneren  nachrömischeu  Funde  war  es  für  uns  Alle  gänzlich  unerwartet  und, 
ich  darf  sagen,  unverständlich,  das  fast  vollständige  Fehlen  gallischer  Funde 
constatiren  zu  müssen.  Wir  waren  in  der  sicheren  Hoffnung  nach  Trier  gekommen, 
hier  gerade  eine  volle  Anschauung  der  gallischen  Gultur  zu  finden.  Zu  unserem 
höchsten  Erstaunen  mussten  wir  uns  sagen  lassen,  dass  nicht  einmal  eine  Spur 
der  vorrömischen  Stadt  der  Trevirer  aufgefunden  ist.  Keine  noch  so  tiefe 
Grabung  in  der  Stadt  selbst  oder  in  ihrer  nächsten  Nähe  hat,  soviel  man  weiss, 
jemals  Wohnstätten  oder  Gräber  der  alten  Bevölkeruug  aufgedeckt.  Hr.  Hettner 
ist  daher  zu  der  Meinung  gekommen,  dass  die  alte  Stadt  irgendwo  in  grösserer 
Entfernung,    vielleicht   auf   den    Bergen,    gelegen    habe.      Aber    selbstverständlich 


1)  V.  Wilmowsky,  Archäologische  Funde  in  Trier  und  Umgegend.  Trier  1878.  S.  29 
mit  2  Tafeln. 

2)  Ffibrer  durch  das  Provincial-Museom  za  Trier.  Zweite  Auflage.  Trier  1888.  (Den 
Theilnehmern  der  Generalversammlung  äberreicht  vom  Masenm.)  S.  28.  Hariulfus  protector 
domesticus  filius  Hanbavaldi  regalis  gentis  Bui^undionum. 

3)  EiDe  ThoDvase  mit  graner  Glasur,  bei  welcher  eine  Mänze  Hadrians  gefunden  wurde, 
stammt  aas  einem  mit  Sandsteinen  umstellten  and  mit  WelDkragsscherben  bedeckten  Grabe 
(Nr.  8746  Fährer  S.  87).  Im  Musenm  zu  Worms  sab  ich  ein  gelbrotbes,  fast  wie  glasirt  er- 
scheineodes  Gefäss,  das  oben  und  unteo  dunkelrotha  Zonen  hat;  ein  ähnlichea  in  Dnikheim. 


inusstpn  wir  uns  darein   ergpli^n»    von  Trier  zu  aclipiden,    ohne  auch   nur  die 
lichkeit   errficbt    zu    lial  en,    nlkg^feelien  von  den  Münzeiiy    über  die   Besoßderb 
gaÜisclier  Cultur  oder  galliscber  Korper  eine  Anscimiiung  zu  geiiviDDeD. 

Bis  Tor  kurzer  Zeit  fehlte  es  id  der  Gegend  auch  fast  ganz  an  Nachweisen 
der  ältesten  prühi&torisi'hen  Bewohnung.  Wenn  man  erwägt,  in  welcher  Reichhaltig- 
keit die  doch  nicht  so  weit  entfernten  Flohlen  der  Maas  und  ihrer  Nebenflüsse  iti 
Belgien  eine  weit  zurück^  bis  in  die  Z^eit  des  Mammnth  und  des  Retithlers  m- 
chende  Ausbeute  geliefert  bähen,  so  musste  es  in  der  lliat  üherraachend  erscheinen, 
dass  im  Trierischen  Gebiet  derartige  Funde  ganz  fehlten.  Unser  ebenso  th 
als  glnckliches  Mitglied,  Hr.  Bracht  hat  die  erste,  wenigstens  einigermaassen  «■ 
folgreiche  und  durch  die  Sorgfalt,  nait  der  sie  ausgeführt  wurde,  ausgezeicboetc 
Ausräumung  einer  Höhle  in  der  Eifel,  des  Buchenlocba  bei  Gerolsteiti  bewirkt 
und  daraus  eine  Fülle  von  Gegenständen  der  Quiiteroärzeit  zu  Tage  gefordert.  Die- 
selben sind  jetzt  irn  Trierer  Museum  niedergelegt  und  in  einer,  unserer  Versamm- 
lung von  der  Gesellschaft  für  nützliche  Forschungen  in  Trier  überreichten  Febl- 
Schrift  ausführlich  dargestellt  worden.  Hr  Ne bring  hat  die  Fauna,  dereo  Rest« 
Zulage  gefordert  wurden,  bestimmt;  ich  will  daraus  nur  das  Mammtitb,  das  Rhino- 
ceros  tichorhiuns,  das  Renthier,  den  Höhlenbären  und  eine  Anzahl  jener  kleioeo 
diluvialen  Nager  erwäbüeo,  auf  welche  Hr.  Ne  bring  erst  die  Aufmerksamkeit 
tixirt  hat.  Vom  Menschen  splbst  wurde  nur  ein  Brustwirbel  gefunden,  dessen  Er- 
haliungszusland  nach  Hrn.  Neb  ring  gegen  ein  diluvitdes  Alter  spricht.  Auch 
sonst  ist  die  Zahl  der  auf  menschliche  Tbatigkeit  hinweisenden  Stücke,  DameDtlidi 
im  Vergleich  zu  den  belgischen  Höhlen,  auffallend  klein.  Ein  grosser  1  heil  der 
Thierknochen  ißt  zerbroclien  und  zersplittert,  iiber  es  fehlt  an  beweisenden  Merk- 
malen für  absiebt  liehe  Zerschlagung.  Von  eigentlich  bearbeiteten  Stücken  erwähnt 
Hn  Bracht  (Taf.  Vll  Fig.  5  u.  6)  uur  zweier  zngespitzter  Rippenstücke.  Von 
„geschlageuen'*  Feuersteinen  wurden  überhaujit  nur  7  gefunden  und  darunter  OQf 
einer  (Taf.  VH  Fig.  1)  von  einer  mehr  charakteristiBcben,  wenngleich  aehr  robett 
Forna;  die  gewohnlichen  Spähne  und  Messercheo  fehlten  gänzlich.  Dafür  zeigte 
sich  in  allen  Schichten  ein  Menge  vou  zerschlagenen  Quarzgerolien,  wie  sie  im 
Bette  der  benachbarten  Kyll  zahlreich  vorkommen,  indess  keines  dieser  Stucke 
lässt  die  Absicht  erkennen,  ein  bestimmteb  Werkzeug  herznsitellen.  Unzweifelhaft 
ist  dies  recht  wenig,  ja  so  wenig,  dass  man  die  Frage  aufwerfen  darf^  ob  überhaopl 
eine  Bewohnnng  der  Hohle  in  alter  Zeit  stattgefunden  bat.  Für  eine  Bejahung 
dieser  Frage  t^jirecben  hiuiptsäcblich  zwei  Umstände.  Zuerst  das  Vorkommen  aus^ 
gedehnter  Brandschichten,  einer  tieferen,  in  dem  Niveau  der  fossilen  Thierknochen, 
mit  grossen  Stücken  von  Holzkohle,  und  einer  oberen,  mehr  ascben artigen;  &d 
einer  Stelle  im  Hiotergrunde  der  Hohle  stiess  man  auf  eine,  der  oberen  Schickt 
entsprechende,  ganz  mit  Asche  gefüllte  kesselartige  Vertiefung,  Sodann  der  Nach* 
weis  von  Thonscherben.  Freilich  wurden  auch  moderne,  mittelülterliche  und  lö- 
mifiche  gehoben,  indess  bezeichnet  Hr.  Bracht  14  prähistorische  Stücke,  welche  in 
dem  rothen  nohlenbdiru  lagen,  zum  Theil  seihst  biiiabreichten  bis  zu  den  maugan- 
gefärbten  schwarzen  Knochensplittern  der  tiefen  Schicht.  Mit  Rhinoceros-Resten 
zusammen  wurden  keine  Scherben  angetroffen.  Die  Thonscherben  selbst  (Taf.  Vlü) 
sind  ziemlich  rohe,  aber  doch  zu  grosseren  Gefässeu  gehnrige,  zum  Theil  geglättet« 
und  in  mannichfaltlger  Weisse  verzierte  Bruchstücke.  Ausser  Nageleiudrücken  und 
linearen  Eiiiritzuugen  giebt  es  auch  solctie  mit  regelmassigen,  abgesetxteo  Zonen 
und  andere  mit  knotigen  Gürteln. 

Mau    wird    daher    in    der  Beurtbeilung    dieser  Funde    vorsichtig    sein   müssen. 
Von    der  Anwesenheit    des  Menschen    während    der  Zeit    der  Bildung    der 


\ 


I 


(493) 


Scbichten  wird  k»uni  gesprochen  werden  können.  Brat  nychdem  der  Hohlenboden 
biB  zu  einer  gewissen  Höhe  mit  dem  Detritus  der  Wandungen  und  mit  cingespultem 
Material  gefilllt  war,  sind  Bniudslellen  ao^'csetzt  worden,  immerhin  noch  nach  den 
Anfjaben  des  Hrn.  Bracht  in  einem  Niveau,  welches  den  Üeberresten  einer  Dilu- 
viaJfatina,  aber  wahrscheinlich  schon  einer  jCingeren,  entspricht.  Die  ungemein  ge- 
ringe Zahl  der  Artefakte  weist  den  (iedauken  einer  anhaltenden  Bewohnung  an 
sich  zurück:  7  Stöcke  von  geachlageneui  Feuerstein,  14  von  Thongeschirr  gestatten 
höchsten»,  eine  gelegentliche  Bentity^ung  der  Hohle  nuximelimeD,  Es  mai?  sein,  dass 
die  «erspHlterten  Quarzgerölle  auf  menschliche  Eitjwirkyug  zu  hexiehen  siud,  aber 
sicherlich  gehören  die  Thonsclierben  uicht  diesen  Menschen  an.  Zu  einer  Zeitj  wo 
man  noch  nicht  einmal  verstandj  Feuerst  eine  regeimässig  zu  behaadclu,  gab  es 
schwerlich  Thon gerät h  und  am  wenigsten  Thougefasse  von  dieser  Grosse  und  mit 
solchen  Verzierungen. 

Ich  fuhr  nach  dem  Schlüsse  der  Versammlung  selbst  hinaus,  um  mir  das  Buchen- 
loch  anzusehen.  Mein  Besuch  in  demselben  konnte  irgend  ein  positives  ResultTit  nicht 
ergeben,  da  die  Höhle  bis  auf  den  Boden  ausgeräua>t  ist.  Trotzdem  mochte  icli  die 
Stelle  allen  Reisenden  empfehlen.  Gegenüber  von  (lerolstein,  am  rechten  Ufer  dpr  Kyll, 
stellt  eine  machtige  Felsinsel  aus  Dolomit,  die  sich  auf  allen  Seiten  steil  über  die  Um- 
gebung erhebt,  die  sogenannte  Monterlei.  In  ihrer  Mitte  sind  die  zwei,  seit  lange 
erloschenen  vulkanischen  Krater,  welche  durch  die  langjährigen  Untersuchungen  von 
Eilhard  Mitscher  lieh  und  durcfi  die  Bearbeitung  seiner  hinterlasaenen  Aufzeicli- 
nungt^n  von  Justus  Roth  so  berühmt  geworden  sind.  Zufallig  traf  ich  an  der 
Westseite  des  einen  dieser  Kriiter^  der  Papeokaule^  gerade  auf  eine  Stelle^  wo  man 
hei^chaftigt  war,  Material  zum  Wegebau  in  grosser  Menge  abzufahren;  dadurch  war 
der  Wall  von  vulkanischer  Schlacke,  die  sieb  hier  vor  Zeiten  aufgelhürmt  hat,  in 
beträchtlicher  Ausdehn nng  durchschnitten  und  aufgeschlossen,  —  für  mich  ein  be- 
sonders interessanter  Anblick,  da  ich  eben  erst  vor  wenigen  Monaten  am  Aetna 
die  ganz  frischen  Schlacke ukegel  des  jüngsten  Ausbruches  begangen  batle*  Hier  an 
der  Papenkaule  lag  dieselbe  pechschwarze  glänzende  poröse  harte  Schlacke,  wie 
ich  sie  am  Monte  Principe  di  Napoli  ganz  frisch  gesammelt  hatte,  nur  stellenweise 
unterbrochen  durch  Lvräunliche  oder  graue  Aschenschichten.  Au  einer  Stelle  lotete 
ich  mitteu  aus  der  Wand  des  Durchschjiittes  Bi nistein,  von  dem  meine  Familie  ein 
Stückchen  nach  Hause  brachte;  hier  erst  erfuhr  ich  von  Hrn.  Rotb,  dass  niemals 
früher  ßimetein  in  dieser  Gegend  gefunden  ist.  Der  Westwall  der  Papenkaule 
reicht  bis  hart  an  den  Westrand  der  Monterlei  selbst,  die  hier  in  phantastisch 
zerklüfteten,  ganz  steilen  Abhängea  abfällt.  Mitten  in  denselben,  ziemlich  hoch 
oben,  liegt  der  Eingang  des  Buchenlochs,  zu  dem  mau  mühselig  auf  der  steilen, 
durch  Abstürze  der  Wand  gft bildeten  Scharre  hinaufklettern  rauss.  Durch  eine 
ziemlich  enge  Üeffnuog  gelangt  man  in  eine  Höhle  mit  mehreren  Aushuchtungea 
und  sehr  ungleichem  Boden,  der  früher  offenbar  durch  einen  kleinen  Spalt  mit  drm 
Plateau  der  Monterlei  in  Verhinduüg  gestanden  hat.  Hoffentlich  wird  eine  weitere 
Umschau  au  diesen  Abhängen  noch  andere  Höhleu  und  damit  die  Möglichkeit  einer 
weiteren  Erforschung  des  gewiss  sehr  merkwürdigen  (lebietes  ergeben,  freilich 
vielleicht  erst  dauOj  wenn  auf  irgend  eine  Weise  das  Gerolle,  welches  jetzt  bis 
über  die  halbe  Höhe  die  Abhänge  bedeckt,  weggeräumt  werden  sollte,  — 

Sonst  giebt  es  bis  jetzt  im  Trier  sehen  keine  eigentliche  Fundstelle  für  die 
palaeolithische  Periode.  Geschlagene  Feuersteine  sind  nur  ganz  vereinzelt  gefunden 
worden  und  ihr  Vorkommen  hat  an  sich  wenig  Bedeutung,  da  sie  noch  in  fränki- 
schen Gräbern  Belgiens,  wie  ich  früher  im  Museum  von  Namur  eah,  ungetroffen 
werden,    im  Trier^schen  sind  Pfeilspilzen  aus  Feuerstein  in  Grabern  der  römischeu 


Z««  K^Kroffec  wGrd«n.     Icc  win  dabei  b^merkeB.  »ia*«  ich  im  Mi 

zu  L?ix*cih,t2rz.    wohin    ich    t.:::  Trl*r  a^-*  eisen  A Stecher  machte,    gieieiildls  m 

wenige  G'iTüxh^,  Ton  jjeichiageneni  FeueRteia  sah- 

R'^io  hl  icher  sied  die  e**chiiffeLen  zzd  zjim  Thei;  ^ecohnea  Steingerithe.  nuDMt- 
iich  ao«  Kie*el*ch:efer.  flr  weiche  C»-rd*l  ••:*  jrt2t  Haaptfandort  ist-  Auch  ii 
Luxemburg  *ir.d  *i*.  cameLtlicK  11  ier  Form  tol  Fiaoht^üeo,  nicht  selteo.  Die 
zwei  «^h-'n^tAQ  Fiachbeiie  öer  Ther<^r  SaizüLlace  tod  Pfalzkjll  and  Saarbarg  find 
uns  TOD  acserer  Au^ätellücg  her  t^kancr.  Icde»5  über  die  meisten  Fondstficke 
dieser  Art  wei»^  zr.ar.  Lichiä  GeLauer^«:  cioht  wenige  sind  ganz  zafaliig  geaammek 
worden,  and  eic  Urtri^'H.  ^c  welche  Zeit  ?ie  eer.'reo.  därfte  daher  im  Aagenblick 
*chwer  abgegel*-n  w^rlec  köccen.  — 

In  reichen  uci  ^:L'''r.en  Ex^'mpiareL  ist  daeegec  die  Bronze  vertreten.  Hier 
wurde  unsere  AufmerksÄmlirit  giLi  t.- rziigiwei*«^  g*»fe»äeli  durch  Artikel  de« 
italischeo  Imports,  wie  si-  soh'>n  seit  längerer  Zeit  durch  die  CnterBochiui; 
des  Hm.  Alex,  ßertrand  über  «He  Bn-nzen  von  Wailerfangeo  (VandreTanges)  ib 
der  Nähe  fon  Saarlouis  und  durch  die  de?  Hrn.  Schuermans  über  die  Fände  to& 
EyggenbiUen  in  Limburg  bekannt  geworden  sind.  Soweit  ich  die  Fundorte  n 
übersehen  vermag,  handelt  es  sich  dabei  wenigt^r  um  das  eigentliche  ^osel- Gebiet 
als  vielmehr  um  die  Flu-^sthäler  d^r  Nabe  und  der  Saar  nebst  den  anstossendeB 
Bezirken  des  Hochwald«"«.  Beson-i^rs  beT«:>rzugt  ist  das  Furstentham  Birkenfeld, 
dessen  Sammlung  zum  grossen  Th*-il  nach  Trier  gesendet  und  dort  für  noaer 
Studium  mit  aufgestellt  war.  [Jie  frühere  Sammlung  von  St.  Wendel,  welche  ihn- 
liche  Fundstücke  f>ntbäit,  ist  \oriäufig  dem  Trierer  Museum  übergeben  wordea. 
Wir  hatten  daher  reichliche  Gelegenheit,  diese  schnnen  Sachen,  welche  sich  an  die 
berühmten  Funde  in  der  bayrischen  Pfalz  und  im  Elsass  anschliessen,  im  Zu- 
sammenhange zu  Studiren.  Für  die  heutige  Uebersicbt  will  ich  nur  einige  der 
Hauptgegenstände  kurz  erwähnen : 

1.  Die  Schnabelkanne II.  welche  in  jeder  Beziehuue  der  etruskischen  Form 
entsfireohf-n.  Wir  sahen  ihrer  h  >tück,  von  Rfmm»'Sweiler  Kr.  St.  Wendel,  Hermet- 
kcil  (Ausläufer  des  Hochwaldes  ,  Besseringf'u  und  Weisskirchen  a.  d.  Saar  (Gjpenacb- 
bildun^en),  Schwarzeribach  im  Birkenfeldischpu  und  eine  unbekannter  Herkunft.  Die 
von  Weisskirchen  und  Schwarzenbach  sind  abgebildet  bei  Lindenschm  it,  .Alter- 
thümer  un>erer  heidui»oheü  Vorzeit,  Bd.  I  Heft  II  Taf.  III,  Fig.  1  u.  3.  Ausserdem 
noch  '2  von  BirkenfeM.  eine  aus  dem  Hasselt.  ^ine  von  Ameisrech. 

i.  Hin  Bronze  he  Im  (•einfacher  BIf'chhut,,  nach  einer  wenig  glaublichen  An- 
gabe bei  Winningeii  in  der  Nähr*  von  Schr.necken  gefunden,  ähnlich  denen  Ton 
Watsch. 

3.  Zwei  aus  einem  blattförmig  gestalteten  Blech  mit  SpiraiendplatteD 
gebildete  Armreife  von  Lauterbach  bei  Ottweiler. 

4.  Wendelringe.  Ich  mochte  so,  zum  Unlerechiede  von  den  eigeotlicheD 
Torques,  jene  uns  so  bekannte  Art  mehrfach  gedrehter  und  mit  blattartigeo  Kanten 
versehener  Halsringe  bezeichnen  (vergl.  Lindenschmit  a.  a.  0.  Bd.  I  Heft  XI 
Taf.  III;.  Sie  wurden  auf  der  Versammlung  Gegenstand  der  Besprechung,  da  Hr. 
V.  Troltsch  auf  einer  »einer  antiquarischen  Karten  ihre  Verbreitung  dargestellt 
hatte,  leider  auf  Grund  eines  ganz  fragmentarischen  .Materials.  Er  hat  die  Güte 
gehabt,  mir  eine  Abschrift  seiner  Liste')  zu  geben,  die  einige  für  mich  neue  Fund- 

1;  \c\i  theile  die  Lif«te  nachstehend  mit: 

Fundorte  von  Brunzeringen  mit   wechselnder  Torsion. 
1.    Wickenroth  (Hirkenfeld)  2  Kzcmplare  in  der  Birkenfelder  Sammlung. 


(495) 

orte  enthält;  unsere  Gegend  fehlt  darin  ganz.  Vielleicht  erklärt  sich  das  aus  dem 
Umstände,  dass  neben  den  wirklich  gedrehten  Ringen  auch  solche  vorkommen, 
welche,  obwohl  nach  demselben  Muster,  nur  gravirt  sind;  beide  gehören  indess  nahe 
zusammen,  und  ich  werde  daher  die  wahren  und  die  falschen  hintereinander  auf- 
fuhren, umsomehr  als  ausser  denen  von  Wickenroth  die  sämmtlichen  übrigen  gravirt 
sind,  in  dem  Museum  und  in  der  Ausstellung  von  Trier  habe  ich  13  (vielleicht  15) 
FDxemplare  notirt:  Zunächst  aus  dem  Birkenfeldischen  2  von  Wickenroth,  3  von 
Boschweiler,  1  vom  RiesenkÖpfel  bei  Wolfersweiler,  Bruchst&cke  von  mehreren  vom 
Brand  zwischen  Birkenfeld  und  Hoppstädt,  sodann  2  von  Marpingen,  4  von  Bran- 
denbusch  bei  der  Hohen  Sonne  auf  dem  Wege  von  Trier  nach  Bitburg.  Gleich- 
zeitig damit  wurden  wiederholt  Knotenringe,  sowohl  Arm-  als  Halsringe,  gefunden. 
Wo  man  Genaueres  über  die  Fundorte  weiss,  da  waren  es  Hiigelgräber  und  zwar, 
wie  es  scheint,  solche  mit  Leichenbrand.  — 

Wenn  iiber  die  chronologische  Stellung  dieser  Bronzefunde  nicht  füglich  ein 
Zweifel  bestehen  kann,  so  ist  dies  in  hohem  Maasse  der  Fall  mit  den  alten  Stein- 
wällen der  Gegend.  Allerdings  sind  die  Untersuchungen  über  die  Bedeutung 
dieser  Wälle  eigentlich  erst  eröffnet,  und  es  wird  viel  genauerer  Erforschung  dar- 
über bedürfen,  wie  weit  man  die  einzelnen  als  „Festungen^  anerkennen  darf.  So 
entstand  schon  in  der  Versammlung  selbst  ein  Streit  über  den  Brandwall  von 
Kirn,  von  dem  ausgezeichnete  verglaste  Stücke  im  Trierer  Museum  liegen,  welche 
mit  denen  von  unseren  Oberlausitzer  Brandwällen  vollständig  übereinstimmen.  Da- 
gegen habe  ich  mich  bei  einem  persönlichen  Besuche  nicht  überzeugen  können, 
dass  der  Steinring  um  die  Dietzelei  bei  Gerolstein,  den  Hr.  Bracht  als  einen 
Wall  ansieht,  eine  künstliche  Bildung  sei;  mir  schien  derselbe  das  natürliche  Pro- 
dukt einer  vulkanischen  Durchbrechung  des  Sandsteins  zu  sein. 

Ungemein  lohnend  war  die  von  den  Trierer  Herren  veranstaltete  Excursion 
nach  dem  Steinwall  von  Otzenhausen  auf  den  westlichen  Abhängen  des  Hoch- 
waldes. Es  ist  dies  klassisches  Gebiet,  denn  Schwarzenbach,  Hermeskeil  und 
Birkenfeld  selbst  liegen  sämmtlich  verhältnissmässig  nahe,  und  man  fragt  sich  un- 
willkürlich, ob  die  Hügelgräber  der  Bronzeleute  früher  oder  später,  als  dieser  ge- 
gewaltige Steinwali,  zu  setzen  seien.  Der  letztere  führt  den  Namen  Hunring  oder  auch 
blos  Ring;  er  liegt  auf  einem  hohen  bewaldeten  Bergvorsprung,  welchen  die  Leute 
Dollberg  heissen.  Derselbe  fällt  nach  Süden,  Osten  und  Westen  steil  ab  und  ist 
hier,  ausser  von  dem  eigentlichen  Steinringe,  noch  von  einem  gleichfalls  aus  Steinen 
aufgehäuften  Vorwall  umgeben;  gegen  Norden  schliesst  sich  das  Plateau  des  Berges 
unmittelbar  an,  und  hier  ist  der  Wall  einfach,  aber  von  gewaltiger  Grösse,  denn  er  er- 
reicht hier  eine  Höhe  von  10  m  bei  einem  Durchmesser  der  Basis  von  40  m.  Die 
umschlossene  Fläche  beträgt  mehr  als  19  ^a,  der  Umkreis  des  Ringes  1360  m.  — 
Verhältnisse,  welche  noch  die  des  Innenringes  des  Altkönigs  (Umkreis  1150  m)  über- 
treffen.     Eine    genauere,    durch    Karten    und    Durchschnittszeichnungen    erläuterte 


ar        l 
eiden    J 


2.  Grifte 

3.  Badamar         ^  Kurhessen,  \Lg\,  Mu»eum  in  Kassel. 

4.  Wehlheiden 

5.  im  Flusse  Gersprenz,  Oberhessen,  Gross.  Hess.  Samml.  in  Darmstadt. 

6.  in  der  Lindner  Mark,  Oberbessen,  Samml.  in  Giessen. 

7.  Eichelsachsen  (nach  Liiidenschmit,  Altertb.  uns.  heid.  Vorz.),  Oberhessen. 

8.  A8chaffenburf(?    Berliner  Photographien? 

9.  lledel  (Rde.  Provinz  Gelderland),  Reichsmoseum  in  Leiden. 
Nr.  1,  2,  3,  4,  5,  G,  9  nach  den  Angaben  der  Sammlungtvorstinde. 


(497) 

Sehr  riet  grossartiger  siad  äie  fiüd  liehen  Stein  wälle  in  der  Pfalz  und  Im  EIshss, 
welche  ich  im  Einzelnen  niclit  besprechen  werde.  Ich  will  nur  auf  die  grosse 
Analogie  hinweisen,  welche  der  mächtige  Ringwall  um  dit^  Kuppe  des  Donners- 
herges  und  die  berühmte  Teufel  sm  au  er  bei  Dijrk  heim  darbieten;  diese  mochte 
ich  m  der  That  für  die  am  meisten  verwandten  halten.  Im  Elsase  treten  scboa 
wieder  ganz  andere  Elemente  hervor,  so  namentlich  am  Od iHen berge,  desaeo  sich 
die  Theilnehmer  an  unserer  Strassburger  Versamnilsing  noch  lebhaft  erintiern  werden. 
Bine  vergleichende  Darstellung  aller  dieser  Befestigungen  balte  ich  für  ein  drin- 
gendes Bedürfaiss  der  prähistorischen  Chronologie  des  linksrheinischen  Landes*  — 

Zum  Schlüsse  will  ich  noch  ein  Paar  c  ran  io logische  Bemerkungen  kurz  an- 
hangen. Zunächst  war  ich  nicht  wenig  überraschtj  in  den  Sammlungen  auffallend 
viel  brachjcephale  Schädel  anzutreffen.  In  Trier  mnss  ich  von  den  zahlreichen 
Schädeln  des  römi^hen  Todtenfeldes  die  5  am  besten  erhaltenen;  davon  waren 
3  brachycephal  (Index  82,0—84,5—85,0),  2  mesocephal  (Index  76,2—78,7),  Hier 
könnte  man  einwenden,  dass  dies  vielleicht  Fremdlingej  Kriegsvolk  aus  fernen 
Landen,  waren.  Aber  in  Luxemburg  trat  dieselbe  Erscheinung  an  fränkischen 
Schädeln,  so  namentlich  aus  dem  durch  zahlreiche  Beigaben  gut  charakteriwrten 
Gräberfelde  von  Greisch  hervor.  Von  5  gut  bestimmbaren  Schädeln  waren  fast  alle 
sehr  gross,  brachycephal,  zum  Theil  niedrig.  Sie  erinnerten  mich  an  die  Schädel  von 
Sclaigneaux  und  Heristal,  welche  ich  seiner  Zeit  genauer  beschrieben  habe  (Archiv 
f.  AnthropoL  1873  Bd»  VI  S.  96,  100).  Die  Legende  von  dem  ^Reihengräber-TypuB** 
ist  hier  schwer  festzuhalten. 

Sodann  die  Physiognomie  der  jetzigen  Landbevölkerung,  namentlich  ira  oberen 
Nabe-Thal,  aber  auch  im  Luxemburgischen  ist  eminent  leptoprosop:  starkknochige 
Gesichter  mit  grossen  Kieferknocben  und  langen,  etwas  dicken  Nasen,  Der  häufig 
offeü stehende  Mund  Hess  ungewöhnlich  grosse  und  vorstehende  Schneidezähne  sehen* 
Mebrmals  konnte  ich  coustatiren,  dass  im  Oberkiefer  nur  zwei,  aber  sehr  breite 
Schneidezähne  vorhanden  waren.  Die  Kinder  im  Nahethal  waren  gana  lichtblond, 
dagegen  zeigte  sich  in  Luxemburg  viel  spaniached  Blut  in  der  tief  schwarzen  Farbe 
der  Haare  und  Augen  der  Kinder.  — 

Hr.  Nehring  knüpft  an  diesen  Bericht  einige  Bemerkungen  über  die  Fauna 
des  „Buchenlochs"  bei  Gerolstein  an: 

Diese  fossile  Fauna  ist  im  Wesentlichen  von  mir  untersucht  w^orden,  und  zwar 
auf  Veranlassung  des  Hrn.  Prof,  Eugen  Bracht.  Letzlerer  hat  vor  einigen  Jahren 
die  Bodenschichten  des  Buchen  Jochs  durch  Nachgrabungen  er  forscht,  wobei  neben 
manchen  Artefacten  auch  zabireiche  Reste  von  Thieren  zum  Vorschein  kamen.  So- 
weit letztere  zu  den  grösseren  und  bekannteren  Species  geboren,  sind  sie  meistens 
schon  von  den  HHrn.  von  Decken  und  Schaaff hausen  bestimmt  worden«  Die 
Bestimmung  der  Mikrofauna.  sowie  mancher  nur  mit  Hülfe  eines  reichhaltigen  Ver- 
gleichsmaterials  feststellbarer  Fundstucke  war  mir  vorbehalten. 

Die  thierischen  Reste  stammen  aus  verschied enea  Perioden;  sie  sind  theils 
diluvial,  theils  postdiluvial  und  zeigen  alle  möglichen  Stufen  der  Fossilitat. 

Die  diluviale  Fituna  wird  durch  folgeude  Species  repräsentirt: 

1.  Ursus  spelaeuSf  Bohlen  bar. 

2.  Canis  lupus,  Wolf. 

3<       ^       lagopus,  Eisfuchs, 

4.  Foetorius  erniinea,  Hermelb. 

5.  Myodea  torquatusj  Halsband  lemming, 

6.  Arvicola  gregalis^  Sibir.  Zwiebelmaus. 

VerlifcüdL  der  BerL  AutliropoL  GcMllAoliia  lSä3,  ^ 


.495; 

12-  E^pü*  cai*II:is,  Pf*rd- 

13.  Bcif  §p.  (priaiz-tti^iir  ,  «ii*  ElMtr-An. 

14-  C-OTc*  UknaiB5.  Eäcüj** '^ 

15.  C«TBS  5f-.-  -rit  rkt-e-utfizr*!  V:«r-_ 

IT.         •         jL-ta*.  G-e^irri-Scii'^LiLr- 

It  öitt-s-r  F&:3:^  i«  'ü*  <:r*ri^ .^i-t  S>j:f"tLÜ-iA-   «>t  xti  sie  t^s   IK'egggjeyA» 

kDoditigec  IUs6e  tcl  £.  cfc'Al!:^^  :':>=<$.  ^z..  veü-ct.»  >tL  :*ei  WessezvcdB  umd  bei  ThäKk 
so  zaiilreich  gefaxien  L&'^e.  U-ei-rr  d.r  BezieL^rc^s  d>eü<T  Form  <ies  OiioräJ- 
pCerd«»  xa  deo  L^eutig^n  E^»-r^  ir^  HAüipferd«^  L^«e  :<i.  xsikii  ia  einer  aasfikr* 
licfa^D  Art<r;l  aaf£««f-n>cLeiu,  «üie  &-£«-ni.:ckIi«h  im  Erscb^ise«  bepriffiem  ist*}: 
alle    ci^j^aLef-r.    v^i^tL«    §:cL    :"=r    -i:e  Fn^<f    i^^cL  d-r?  AiätamaaBg  oad  Hfeisazk 

gleictao^ex:    anicies    oickk^x-rii^ri.  I*^:;Ti^pf-^rcer    zz.it  drs  Leati^eti   Pff  irii  iimi 

mngestellt  ncdec 

(17)    Hr.  W.  Rfrisr  t-ericL^e:  t:-fr  d^z^  Verrat  d<* 


welchem  rr  »!s  heieginer  ier  «^ej^.lsrrjkf:  lieimiini*. 

Im  Jkhrr  lr^2  ixgte  c*r  A^Lfrlkiri^t-ecMtzr«^  ru  llairid.  Reiche  SdiiUe 
au*  d*r:  :::  ::eu*rer  Zeil  erä-rLIi'^i^iL^a  ArcLivri  w::ri*E  t:-2  «pamischea  GeleLitec 
zar  Vorlic-r  z^bracht  äci  d*r  Zr^i:  -irr  CvL-q-iiiftÄ  waren  :=.  'W«*ttlklien  die  Ver- 
hacdJacze::  sewidn:*:.  Bei  der  Wii.  ö«  niriftei:  Ver?4=:=:l3:igsorie*  war  d« 
Wunsch  maas.>re:-e::i.  i^r  T::r.:l::Liiar:s^::en  Z«iL  den  Esi-jseckern  de«  NordeiB 
gerecLt  za  wercec.  D^au  wir  Kof-enra^rL  ier  ge*:£Ee:e  P.aix.  Die  Tiel  gerülimle 
diniscbe  GÄiifreaiafcLaf:  i-emälirte  ^:ch  üoi  diesmal  iz  der  ^ticxendstea  WeiM 
und  da*  l'::l:ihafte  Ii.:ere-*^  für  iie  älteste  Ges:L:ch:e  ihre^  Vai^rlacdes  fahrte  den 
CoE£Tr?*  zahlreiche  M::^->ier  Jii  MiiÄTt-rit-r  i-.  r»rr  KT-'-i.  der  Krön prina  waren 
die  Pr.'tect'"krec.  iie  Mii^irr.  .:>  Kacinirrc.  irrvirrkirerie  «jieleLne  nnd  reiche 
Private  die  eifrige:  F'rierer  .-*  ULt-rirLzi-zj.  S  k  ii:e  e*  denn  eicht  feblen. 
dass  die  T.;a;  tl  ^'24.  Au^--?:.  unter  z^z  l-fwlmen  L^.tjzi  de*  Hrn.  Wor>aae 
ta^ecde  VersamailucÄ  ^'-iizeii  Terlief. 


1  Diru  kv'^EfL  L::i  :i  i  Hm.  t.l  I«::!;!.  OerTiss  eiiry«r»,  eine  kletce  Cerm»- 
Art  cni  Sc«  pr.f-rus. 

2  t»:c>r  Ar*^ri;  ;>:  .l:«:>:'i--l  'ri  F.  P.-tJ  -:f->rl->:  4r>:iieiec:  s.e  führt  Jen  Titel: 
.Fofsiie  Prerie  au<  z-'^:^cItz.  V:\z^  :i,  -A  ij.-r-zjTi  und  ihre  Beiiehuncen 
ZG  den  Irbenie-  PrerirL.-  -::  ier-A-  irz:£  i;*  i-n  :Ani*:r:b$chaftlkliec  Jahrbocbera, 
1SS4,  ni:i  5  dth  urij'bis-rhtn  Tju'e  i 


(499) 

Der  ersten  Sitzung  wohnten  der  König,  der  Kronprinz,  sowie  die  ganze  könig- 
liche Farailie  bei.  In  der  Bröfftiungsrede  wies  Hr.  Worsaae  darauf  hin,  dass 
der  Enthusiasmus,  die  allgemeine  Aufregung  und  Theilnahme,  welche  in  unseren 
Tagen  die  glückliche  Umschiffung  Europas  und  Asiens  in  der  gebildeten  Welt  er- 
zeugte, nur  einen  schwachen  Begriff  von  der  mächtigen  Erregung  der  Geistor  geben 
könne,  welche  die  Entdeckung  Amerikas  am  Ende  des  15.  und  Anfang  des  16.  Jahr- 
hunderts in  Europa  hervorrufen  musste.  Die  HHru.  Fabie,  Bamps  und  Adam, 
als  Vertreter  der  Länder,  in  welchen  die  vorhergehenden  Congresse  stattgefunden, 
begrussten  die  Versammlung  und  sprachen  den  Dank  der  Gäste  für  die  ihnen  ge- 
wordene Anfnabme  aus.  —  Im  Saale  war  das  Modell  eines  alten  skandinavischen 
Schiffes  aufgestellt,  dessen  Original,  25  m  lang,  in  einem  norwegischen  Grabhügel 
gefunden  wurde. 

Am  22.  August  begannen  die  eigentlichen  Arbeitssitzüngen.  Ohne  die  Reihen- 
folge der  Vorträge  zu  berücksichtigen,  soll  im  Folgenden  eine  kurze  üebersicht 
der  reichhaltigen  Verhandlungen  gegeben  werden. 

Der  Geologie  waren  3  Vorlagen  gewidmet:  Prof.  Lütke  sprach  über  die  Ar- 
beiten Lund's,  dessen  reichet  Material  fossiler  Thiere  aus  den  Höhlen  Brasiliens 
in  dem  Zoologischen  Museum  der  Universität  aufbewahrt  und  allmählich  bearbeitet 
wird;  V^.  Reiss  legte  die  kürzlich  vollendete  Arbeit  Prof.  Branco's  über  die 
fossile  Säugethierfauna  von  Punin  in  Ecuador  vor;  Hr.  Vera  erörterte  die  in  histori- 
scher Zeit  in  Amerika  eingetretenen  Niveauschwankungen. 

Den  weitaus  grössten  Theil  der  Verhandlungen  nahmen  die  Vorträge  in  An- 
spruch, welche  die  Geschichte  der  alten  skandinavischen  Entdeckungen  behan- 
delten. Hr.  Valdemar  Schmidt  gab  eine  historische  üebersicht  der  Neu-Ent- 
deckung  Grönlands.  Die  Anwesenheit  der  alten  Skandinaven  in  Nord-Amerika 
wird  durch  eine  Reihe  von  Ruinen  festgestellt  und  so  die  Richtigkeit  der  Sagas  er- 
wiesen. Wie  kam  es  nun,  dass  diese  Kenntniss  verloren  ging?  Nach  dem  Vor- 
tragenden lag  der  Handel  und  Verkehr  mit  den  transatlantischen  Ländern  in  den 
Händen  der  Kaufleute  von  Bergen.  Mit  dem  Niedergänge  der  Macht  dieser  Stadt 
ging  auch  die  Verbindung  mit  Amerika  verloren.  Nur  unsichere  Nachrichten  hatten 
sich  erhalten,  und  erst  im  Jahre  1579  wurde  eine  Expedition  ausgesandt,  um  Grön- 
land wieder  zu  entdecken.  Nach  mehreren  vergeblichen  Unternehmungen  gelang  es 
in  den  Jahren  1605 — 1G07  Grönland  wieder  aufzufinden.  Etwa  12  Jahre  später 
erfolgte  die  Expedition  unter  Jens  Munk,  der^n  Aufgabe  es  war,  die  NW.-Durch- 
fahrt  zu  erforschen.  Bisher  war  nur  wenig  über  den  Verlauf  dieser  Reise  bekannt. 
Neuerdings  hat  Hr.  Lauridsen  neue  Documente  aufgefunden  und  in  einer  kleinen 
ßrochure  veröffentlicht,  welche  im  Namen  des  Marinemi  nisters  den  Congressmitglie- 
dern  gespendet  wurde.  Zum  Schlüsse  geht  Hr.  V.  Schmidt  auf  die  Arbeiten  von 
Rink  und  auf  die  neuesten,  im  Auftrage  der  Regierung  ausgeführten  Forschungen 
der  HHrn.  Steenstrup,  Jensen,  Holm,  Hammer,  Sylow,  Petersen,  Groth 
und  Kornerup  über,  deren  archäologische  Funde  z.  Th.  im  Sitzungssäle  ausgestellt 
waren. 

Hr.  K.  J.  V.  Steenstrup,  ein  Mitglied  der  zuletzt  erwähnten  Expedition,  be- 
richtet über  die  in  Grönland  aufgefundenen  Ruinen,  unter  welchen  neben  Kirchen 
und  Häusern  auch  Stallungen  aufgefunden  wurden,  ein  Beweis,  dass  die  alten  Kolo- 
nisten Viehzucht  trieben.  Eine  Anzahl  von  Zeichnungen  und  Plänen,  sowie  ein  reich- 
liche Auswahl  der  Fundstücke  waren  im  Saale  ausgestellt 

Die  alten  Skandinavier  kolonisirten  aber  nicht  nur,  sie  unternahmen  Reisen  bis 
hoch  nach  dem  Norden,  ja  sie  gelangten  wohl  bis  zu  denselben  Breiten,  welche  zu 
erreichen  unseren  neuesten  Reisenden  gelungen  ist.  Hr.  Brynjulfson  zeigt  nach  alten 

82* 


(500) 

Manuscripten,  dass  sie  im  13.  Jahrhundert  den  Smith-Sand  erreichteo,  uod  chirt 
ein,  angeblich  aas  dem  Jahr  1100  datirendes,  islandisches  Gedicht,  in  welchem  der 
Aafenthalt  in  der  Melyille-Bacht  beschrieben  winL 

Den  Werth  der  alten  Sagas  als  historischer  Berichte  der  firüheren  Entdeckangen 
Tertheidigt  aach  Hr.  Löffler:  nach  seiner  AolEassang  wäre  das  alte  Yinljuid  in  dem 
heutigen  Virginien  zu  suchen.  Ebenso  betont  Hr.  Beauvois  den  Werth  der  ia- 
landischen  Sagas,  weist  auf  die  Tielen  Aehnlichkeiten  hin,  welche  nach  den  Sltesten 
spanischen  Berichten  die  religiösen  Gebräuche  der  Indianer  mit  unseren  christlicheo 
Gebräuchen  darboten,  und  sucht  diese  als  Ueberreste  des  darch  die  skandinaTiachen 
Missionare  nach  Amerika  gebrachten  Christenthums  darzustellen.  Gegen  eine  solche 
Auffassung  protestircn  die  nHm.  Adam,  Fabie  und  Vinson,  wie  denn  auch  bei 
einem  Ton  Hrn.  Bamps  Terlesenen  Aufsatze  des  Abbe  Schmidt  lebhaft  der  Zo- 
sammenhang  zwischen  den  aufgefundenen  kreuz-ähnlichen  Zeichen  und  dem  Christen- 
thum  bestritten  wurde. 

Im  Auftrage  Nordenskjöld's  übergab  Hr.  Bahnson  dem  Congresse  eine 
Brochure,  die  Facsimiles  dreier  vorcolombianischer  Karten  enthaltend,  auf  welchen 
der  Norden  von  Amerika  bereits  eingetragen  ist.  Es  sind  die  Karte  Ton  Zeno,  nach 
der  yenetianischen  Ausgabe  von  1558,  eine  Karte  aus  einem  Manuscript  der  Koamo- 
graphie  des  Ptolomaeus  aus  dem  Jahre  1427,  welches  in  Nancy  aufbewahrt  wird, 
und  eine  Karte  desselben  Werkes  in  der  Ausgabe  von  Nicolas  Denis  aus  dem 
Jahre  1482.  Der  berühmte  Reisende  ist  der  Meinung,  dass  die  Karte  Ton  Zeno 
und  die  Ton  1482  nur  Gopien  einer  älteren,  im  Norden  Pluropas  ausgeführten  Karte 
seien,  welche  von  einem  Italiener  nach  dem  Süden  gebracht  wurde. 

Aasfuhrlich  und  Ton  ganz  neuen  Gesichtspunkten  betrachtet  Hr.  Japetua 
Steenstrup  die  Zeno'sche  Karte.  Seiner  Annahme  nach  besteht  die  1558  in  Venedig 
veröffentlichte  Karte  aus  zwei  ganz  yeischiedenaltrigen  Theilen:  der  linke,  Fries- 
land und  EngroTeland  enthaltende  Theil  stammt  ungefähr  aus  dem  Jahre  1400: 
der  rechte  Theil  aber  aus  dem  Jahre  1558.  Das  Frisland  der  Karte  wird,  in  üeber- 
einstimmung  mit  Admiral  Irminger,  als  Island  gedeutet,  und  zwar  liefern  hierfür 
die  auf  der  Karte  eingetragenen  Namen  einen  kaum  anfechtbaren  Beweis.  Mehrere 
der  Namen  sind  augenscheinlich  üebersetzungen  der  isländischen  Namen  in  das 
Italienische,  andere  sind  italienisirte  islüodische  Worte.  Es  lassen  sich  in  diesen 
Namen  Spuren  eines  norditalienischen  Dialektes  entdecken,  so  dass  wohl  Zeno  mit 
Recht  als  Verfasser  angenommen  werden  darf,  der  ungefähr  im  Jahre  1400  in  Is- 
land sich  aufgehalten  haben  muss.  Die  Verwechselung  der  Namen  Frisland  und  Island 
wurde,  wie  bekannt,  schon  zwei  Jahrhunderte  früher  durch  die  falsch  aofgefaaste 
Schreibweise  der  arabischen  Geographen  TeranlassL  In  dem  Texte,  welcher  die  1658 
erschienene  Ausgabe  der  Zeno'scheo  Karte  begleitet,  kommt  auch  ein  Frie&laod 
Tor;  aber  dies  Friesland  des  Textes  ist  keineswegs  Island,  sondern  «Strandfriesland*^ 
in  Schleswig.  Das  EngroTeland  ist  auch  keineswegs  Grönland;  es  ist  ohne  Zweifel 
die  Halbinsel  Kiderstedt:  die  Ortsnamen  auf  der  Karte  yon  Engroveland  sind  weder 
grönländischen  noch  lappischen  Ursprungs:  sie  sind  friesländisoh :  die  eingezeichneten 
Vulkane  sind  KaJk-  und  Ziegelöfen  und  die  Berge  sind  Dünen.  Zeno  ist  also 
nicht  nach  Grönland  gekommen,    wohl  hat  er  Island  gekannt,  nicht  aber  Amerika. 

Auch  Admiral  Irminger  erörtert  Einzelheiten  der  Zeno* sehen  Karte:  Frisland 
kann  unmöglich  die  Faröer  darstellen;  wer  die  Inseln  aus  eigener  Anschauung  kennt, 
sieht  auf  den  ersten  Blick,  dass  die  gegebene  Beschreibung  durchaus  nicht  auf  die 
dort  Torhan denen  Verhältnisse  passt. 

Spanien  war  auf  dem  Congress  durch  einige  seiner  herrorragendsten  Ameri- 
kanisten yertreten ;  so  konnte  es  nicht  fehlen,  dass  auch  der  spanischen  Entdecknnge- 


(501) 

gescWchte  gedacht  wurde.  Hr.  F&bie  besprach  zuerst  eioige  der  aeu  erachieoeDeD 
apanischeD  Werke  uod  erilrterte  dann  die  von  ihm  in  Angriff  genommene  neue  Aus- 
gabe der  „Ciisas  de  Nueva  E&paia*"  des  Padre  Sabagun^  welches  Werk  mit  allen 
das  ManuBcript  so  lehrreich  machendem  Abbildungen  ersclieiiien  solL  Er  legt  ausser- 
dem  die  von  Fernanden  Dyro  ver6ffpiiilit:hte  Arbeit  ober  D.  Diego  de  Penalosa 
vor  und  knüpft  daran  einige  Bemerk uugen  über  die  Königreiche  von  Cibola^ 
Quivira  und  Teguayo. 

Der  Linguistik  war  eine  Reihe  von  Vorträgen  gewidmet:  Hr,  Luden  Adam 
wendet  sich  mit  grosser  Energie  gegen  die  linguistischen  Studien  Hale^s»  der  die 
Amerikaner  aus  Europa  einwandern  lässt,  als  ein  freies  Volk,  verdrangt  durch  die  von 
Osten  kommenden  Fürstenknechte.  —  Eine  eingehende  Arbeit  über  die  E»kimo-DiaJecte 
legt  Hr*  Rink  vor.  Nach  den  Untersuchungen  und  Zusammenstellungen  dieses 
Kenners  des  hohen  Nordens  haben  alle  Eskimos  die  gleiche  Abstammung.  Die 
westlichen  Stämme,  die  Aleuten,  die  Tschuktscben,  haben  sich  zuerst  vom  gemein- 
samen Stamme  getrennt,  dann  die  mittleren  Stämme  und  zuletzt  die  Vorfabren  der 
Bewohner  Labradors  und  Grönlands. 

Üeber  die  Mayainschriften  spricht  Hr.  Rada  y  Delgado;  die  Schwierigkeiten 
sind  gross,  da  die  Schrift  verschiedene  Elemente  enthalt.  Die  Arbeit  Brassen r 
de  Bourbourg's  kann  nur  mit  grosser  Vorsicht  gebraucht  werden.  Hr.  V^inson 
theilt  einiges  über  die  im  17.  Jahrhundert  in  Florida  erloschene  Timucua-Spracbe 
mit  und  Hr.  Blomme  zeigt  eine  Grammatik  der  Kichesprache,  welche  vor  etwa 
2  Jahren  in  Guatemala  aufgefunden  wurde. 

Hr.  Vahl  legt  eine  Karte  Nordamerikas  vor,  auf  welcher  die  froheren  und  die 
jetzigen  Wohnsitze  der  verschiedenen  Indianerstamme  bezeichnet  sind.  Die  Karte 
gebort  zu  einem  aus  20  Tafeln  bestehenden  Atlas,  der  gegenwärtig  von  der  dani- 
schen Missionsgesellschaft  herausgegeben  wird. 

üeber  die  peruanischen  Vasen,  deren  Herstellung  und  deren  Ornamente^  macht 
Hr.  Rada  y  Delgado,  Direktor  der  Konigl.  archäologischen  und  ethnologischen 
Sammlung  zu  Madrid,  eingehende  Mittheilungen,  unter  Vorlegung  der  Tafeln,  welche 
für  eine  grossartige  Publikation  bestimmt  sind.  Hr.  ßamps  bringt  zur  Kenntniss 
des  CoDgreases  seine  eingebende  mikroskopische  Untersuchung  sudamerikanischer 
Thongefässe,  durch  welche  eine  KlassißciruQg  angestrebt  und  die  ßestimmung  ein- 
zelner Exemplare  gesichert  werden  kann.  Durch  Anwendung  dieser  in  der  Petro- 
grapbie  gebriiucblicben  Methode  sind  wohl  wichtige  Resultate  zm  erlangen. 

Hr.  Vera  gab  eine  vorläufige  Notiz  über  ausgedehnte  Untersuchungen  über 
die  von  den  Indianern  angewandten  Färbemittel,  wozu  ihm  die  reichen  Madrider 
Sammlungen  audreichendes  Material  lieferten. 

Durch  eine  reiche  Auswahl  von  Abbildungen  erläuterte  Hr*  Stolp  seinen  hoch- 
interessanten Vortrag  über  die  Entwiekelung  der  Ornamente  bei  den  wilden  Völker- 
ftchaften« 

Baron  de  Baye  erörterte  die  wichtige  Frage  der  Trepanation. 
'  Hr.  Rdias  bespricht  3  neue  deutsche  Werke:  Die  Steinsculpturen  in  Guatemala 
von  A.  Bastian^  Amerikas  Nordwestküste  von  demselben  Verfasser,  und  die  Stein- 
bild werke  von  Copan  und  Quirigua  von  Meye  und  Schmidt.  Derselbe  legt 
ausserdem  Photographien  columbianischer  Alterthümer  vor,  sowie  die  Copie  des 
merkwürdigen,  im  See  von  Siecha  bei  Bogota  gefundenen  Flosses,  welche  er  der 
Güte  des  Generalconsuls  Koppel  verdankt 

Am  '24.  fand  die  letzte  Sitzung  des  Congresses  statt.  In  reichem  Maasse 
waren  die  wissenscbaftliclien  Arbeiten  unterbrochen  durch  glänzende  Fegte,  welche 
in    liberalster  Weise  den   fremden  Gästen  geboten    wurden.     Der  Kon  ig  berief  die 


(502) 

Vorsitzenden  und*  Delegirten  nach  Schloss  Fredensborg.  Die  däDischeii  Mit- 
glieder des  Congresses  arrangirten  Abendanterhaltung  und  festliches  Diner,  und  den 
glänzende  Schlnss  der  in  jeder  Beziehung  wohl  gelungenen  Versammlang  bildete 
eine  am  25.  ausgeführte  Festfahrt.  Allen  Besuchern  des  Congresses  wird  der  Aufent- 
halt in  Kopenhagen  stets  in  dankbarer  Erinnerung  bleiben. 

Man  kann  Kopenhagen  nicht  verlassen,  ohne  der  grossartigen  ethnographischen 
und  prähistorischeu  Sammlungen  zu  gedenken,  deren  Aufstellung  und  ADordnang 
als  Muster  für  derartige  Anstalten  gelten  kann.  Umsicht  und  Eifer  der  leitenden 
Gelehrten  wetteiferten  mit  der  Opferwilligkeit  der  Privaten,  welche  2^it  and  Geld 
zur  Verfügung  stellen,  um  diesen  Sammlungen  ihren  hohen  wissenschaftlichen  Werth 
zu  sichern.  Möge  es  den  Herren  vergönnt  sein,  recht  bald  diese  Schätze  in  ein 
ihrer  würdiges  Gebäude  übersiedeln  zu  können,  in  welchem,  mehr  noch  als  dies 
jetzt  möglich,  die  einzelnen  Stücke  eine  ihrem  Werthe  entsprechende  Aufstellung 
erhalten  und  vor  allem  Sicherung  gegen  Feuersgefahr  geboten  wird,  um  das  Land 
und  die  Wissenschaft  vor  unersetzlichen  Verlusten  zu  bewahren.  — 

Hr.  Reiss  übcrgiebt  einige  Publikationen  vom  Amerikanistencongress  und 

Abbildungen  colombianlscher  Altertbäaer. 

Hr.  Benedix  Koppel,  Generalkonsul  der  vereinigten  Staaten  Colombias,  hatte 
die  Güte,  vorliegende  Photographien  seiner  Sammlnng  mir  gütigst  zu  überlassen,  um 
sie  der  Gesellschaft,  wie  auch  seiner  Zeit  dem  Amerikanistencongresse  vorzulegen. 
Es  sind  Abbildungen  verschiedenen  Goldschmucks  aus  dem  Hochlande  von  Bogota 
und  einer  Anzahl  von  Thongefässen  aus  derselben  Gegend.  Bei  letzteren  sind 
namentlich  die  aus  gebranntem  Thon  gefertigten  Stempel  interessant,  mit  welchen 
die  Verzierungen  auf  die  Thongefasse  aufgedrückt  wurden. 

Hrn.  Koppel  verdanke  ich  ausserdem  die  Möglichkeit,  eine  genaue  Abbildung 
eines  der  interessantesten  Alterthümer,  welche  im  Norden  Süd -Amerikas  gefunden 
worden  sind,  vorlegen  zu  können.  Die  Sage  vom  Eldorado  reizte  gleich  in  den 
ersten  Jahren  der  Conquista  die  Spanier  zu  weitgebenden  Eroberungszugen.  So 
auch  Belalcazar  in  Pasto  und  Popayan  von  einem  Fürsten,  der  mit  Gold- 
staub bedeckt  im  heiligen  See  sich  bade,  während  die  Uuterthanen  vom  Ufer  aus 
Goldspenden  den  Göttern  zu  Ehren  im  Wasser  versenkten.  Diese  Nachricht 
war  es,  welche  den  Zug  von  Popayan  nach  Bogota  veranlasste  und  zu  der  berühmten 
Zusammenkunft  der  drei  Conquistadoren  führte.  Seitdem  wurde  der  See  von  Guata- 
vita  und  Siecha  oft  nach  Gold  durchforscht  und  mehrfach  die  Ableitung  des  Wassers 
versucht.  Bei  einer  dieser  Arbeiten  wurde  vorliegendes  Stück  gefunden.  Es  stellt 
ein  aus  spiralförmig  aufgew^undenen  Streifen  gefertigtes  rundes  Floss  dar,  welchem 
durch  weit  hervorragende  Stangen  grösserer  Halt  gegeben  ist  Auf  der  Fläche  steht 
in  der  Mitte  der  Fürst,  grösser  als  die  ihn  umgebenden  Vasallen  oder  Diener.  Die 
einzelnen  Figuren  sind  in  der  bekaauten  Art  der  Chibcha-Goldarbeiten  ausgeführt 
Ob  das  Ganze  ein  Floss  oder  eine  grosse  Tragbahre  darstellen  soll,  darüber  sind 
neuerdings  verschiedene  Meinungen  laut  geworden  (vergl.  diese  Zeitschrift  Bd.  VI 
S.  160—166). 

(18)    Hr.  Müller-Beeck  spricht  über 

Japan,  das  Wokwok  (Wakwak;  der  Araber. 

Bei  meinen  Studien  über  den  Verkehr  der  Völker  in  Ostasien  vor  der  Zeit  der 
rossen  Entdeckungen   bin   ich  auch  der  Frage  näher  getreten,   welche   Inseln    wir 


(503) 


unter    den   ^Wdkwlik' Eilanden**    zu    verstehen    haben,    die   verschiedene    arabiacbe 
Berichte  iießüen. 

Es  ist  Ton  nicht  geringer  Bedeutung,  festzustellen,  dass  das  Zipangu  des 
Marco  Polo  den  MohamedauPTD  sclion  vnr  1000  n.  Chr.,  virenigsteDa  dem  Namen 
nach,  bekannt  warl  Dass  sie  diese  Kenntniss  erlangpn  konnten,  ist  leicht  begreiflich, 
da  es  heute  keinem  Zweifel  mehr  nuterliegt,  dass  arabische  oder  persische  Factoreien 
in  der  Gegend  dea  heutigen  Kanton  beslacden  haben. 

Unter  den  arabischen  Gelehrten  der  Neuzeit  hat  die  Erklärung  dieser  angedeu- 
leten  Berichte  über  die  Wiikwäk-Inseln  sehr  verschiedene  Auslegnnge«  gefundeit. 
Neuerdings  hsit  sich  Hr.  De  Goeje*),  fuasend  auf  zahlreichen  arabischen  Noüaseii 
über  WtVkwAk,  definitiv  für  Japan  entschieden.  Die  Art  seiinjr  Beweisführung 
aber  erscheint  mir  gar  zu  hypothetisch,  wenn  er  auch  (Bl.  9)  richtig  annimmt, 
dass  „Wokwok**  die  chinesische  Bezeichnung  in  Kanton  für  die  japanische  Lesart 
^Wakoku**  ist.  Wie  kommen  aber  die  Japaner  dazu,  ihr  Land  ao  ausKusprechen ? 
und  was  hat  dieser  Name  mit  dem  Wuuderbaurae  Wokwok  der  arabischen  Be- 
richte zu  thuB? 

Ich  werde  mir  nun  erlatibeo  zu  zeigen,  d&ss  die  ErkEamng  diefier  Wakw^k> 
Frage  ohne  Kenutnisa  der  chinesichen  Schriftzeichen,  namentlich  ohne  Kenntnias 
der  japanischen  und  chines^icbeii  Lesart  ein  und  derselben  Zeichen^  nicht  möglich 
ist.  Damit  entzieht  sich  für  den  arabischen  Sprach kenner  das  Wort  W^dkwiik  oder 
Wokwok  einer  wissenschaftlichen  Beurtheilung  und  derselbe  wird  bei  seiner  Unter- 
suchung über  die  Bedeutung  dieses  Wortes  unwillkürlich  auf  das  arabische  Märchen 
von  dem  Witkwük- Baume  gefuhrt.  Weil  nun  die  Sage  von  dem  heiligen  Soma- 
Baume  Indien's  auch  mit  dem  Buddhismus  nach  China  und  Japan  gewandert  ist, 
und  in  Japan  eine  vielleicht  noch  viel  ältere  Sage  yon  einem,  das  ganze  Inselretch 
beschattenden  Baume  existirt,  so  kam  Hr.  De  Goeje  darauf,  in  dem  Wokwok  der 
Araber  Japan  zu  sacben. 

Ehe  ich  auf  die  Erklärung  der  Zeichen  eingehe,  mochte  ich  daran  erinnern, 
dass  Japan  im  8.  und  9.  Jahrhundert  sein  goldenes  Zeitalter  der  Literatur  hatte, 
und  dass  Kunst  und  Gewerbe,  wenn  auch  noch  uuter  dem  üirecteo  Einfluss  Chinas 
stehend,  sich  doch  auf  so  hoher  CuUurstufe  befanden,  dass  sie  von  den  Nachbar- 
völkern Dicht  unbeachtet  bleiben  konnten.  Japan  war  ferner  durch  den  Verkehr 
mit  Korea,  Liu-Kiu  und  China  diesen  Völkern  ebenso  bekannt,  wie  den  Persern 
die  Volker  JemcnV 

Daher  ist  wohl  der  Schluss  berechtigt,  dass  ein  solches  Land  auch  von  den 
Chinesen  mit  einem  ganz  bestimmten  Namen  genannt  wurde.  Die  einheimische 
Bevölkerung  Japan*s  hatte  aber  bereits  einen  in  Dokumenten  und  Büchern  gebräuch- 
lichen Landesnamea  fixirt.  Wir  wissen  aus  den  chinesischen  Annalen  der  Tang- 
(jap.  To)  Dynastie  (618 — 905),  unter  w^elcher  Nord-  und  Sud-China  vereinigt  wurde, 
dass  die  Chinesen  den  Namen  Dschi-pen  für  Japan  anwandten.  Dieser  Name 
kam  mit  der  cbinesischen  Schrift  und  den  chinesischen  Werken  nach  Japan,  wurde 
von  den  Japanern  umgeformt  und  hat  sich  als  Nippon  (Sonnen Ursprung)  bis  heute 
erholten,  ja  ist  gegenwärtig  bei  allen  Urkunden  der  characteri »tisch sie  Name  für 
das  InseJreich  geworden. 

Da  der  erste  diplomatische  Verkehr  zwischen  China  und  Japan  um  203  u.  Chr. 
beginnt,  so  ist  es  wahrscheinlich,  dass  die  Namen  Nippon  und  Dschi-pen  mehrere 


1)  Arabische  Berichten  over  Japan.   Mededeelingen  der  Eoninklijke  Akadeune  van  Weten* 
sehappen,  Afdeellng  Letlerkunde^  2.  Eeeks,  Deel  X.     Amsterdam  IBSO. 


(505) 

Ich  muss  an  dieser  Stelle  darau  eriDnern,  dass  die  Chioesen  mit  Fu-sang 
ein  Land  im  Alterthum  bezeichneten,  das  in  weiter  Ferne  gen  Osten  lag  und  bei 
ihnen  ein  Land  der  Fabelmenschen  und  der  Wunderthiere  war.  Dieses  hat  — 
unglaublich,  aber  doch  wahr  —  Deguignes  und  Lei  and')  veranlasst,  den  Chi- 
nesen die  Entdeckung  Amerika's,  resp.  Mexico's,  zuzuschreiben  I  Ihnen  folgten 
Anhänger  und  Gegner,  bis  ßretschu eider  im  Jahre  1876^)  überzeugend  nachwies, 
dass  Fu-sang  in  den  Mythen  der  Chinesen  ungefähr  dieselbe  Rolle  spielte,  wie  die 
Hesperischen  Gärten  und  die  Inseln  der  Seeligen  bei  den  alten  Griechen. 

Wenn  wir  nun  die  Zeichen   für  den  Namen  Fu-sang  betrachten,  so  ergiebt 

sich,    dass  Fu  =   J^,  Sang  =  ^ä    eine    Art  Maulbeerbaum    ist,    was   aus   dem 

Zeichen  sang  (jap.  so  gelesen)  hervorgeht.  Sang  in's  Japanische  übersetzt,  heisst 
kuwa  (Maulbeerbaum),  in  der  Verbindung  mit  Fu  aber  kann  der  Japaner  nie 
anders  als  Fu-so  lesen.  Daraus  folgt  also,  dass  wir  es  auch  hier  mit  einer 
ursprünglich  chinesischen  Bezeichnung  zu  thun  haben,  und  das  ist  für  unsern 
Wunderbaum  Wokwok  wichtig,  den  uns  die  arabischen  Berichte  beschreiben. 

Japan  war  den  Chinesen  im  Alterthum  und  Mittelalter  ein  Land  der  Fabel- 
menschen (Zwerge)  und  Wunderthiere.  Die  Sage  von  dem  das  ganze  Inselreich 
beschattenden  Riesenbaume,  der  uns  heute  noch  in  japanischen  Märchen  vielfach 
begegnet,  deutet  wohl  auf  continentalen  Ursprung,  ist  aber  betreffs  ihrer  Herkunft 
selbst  bei  japanischen  Gelehrten  eine  Streitfrage,  obgleich  es  mir  mehr  als  wahr- 
scheinlich erscheint,  dass  dieselbe  ächt-japanisch  ist,  da  in  alten  Zeiten  die  Japaner 
keine  Tempel  hatten,  sondern  zu  ihren  Gottern  unter  freiem  Himmel  in  der  Nähe 
geweihter  Bfiume  beteten. 

Ich  kann  mich  hier  nicht  auf  Hypothesen  einlassen,  will  auch  auf  die  Frage 
nicht  näher  eingehen,  ob  die  japanisch-chinesische  Sage  von  dem  Wunderbaume  in 
Beziehung  zu  bringen  ist  mit  der  vom  indischen  Baume,  oder  ob  die  erstere  älter 
ist,  als  der  Buddhismus  in  China  und  Japan ^).  Für  unser  Thema  genügt  es,  zu 
constatiren,  dass  dieser  japanische  Wunderbaum  bei  Ankunft  der  Araber  in  Ost- 
asien schon  in  Bild  und  Wort  verherrlicht  und  die  Sage  von  ihm  im  Umlauf  war, 
so  dass  die  Araber,  welche  Wundererzählungen  und  Fabeln  ebenso  wie  die  Ost- 
asiaten  begierig  sammelten,  an  den  Küsten  Süd-China's  neues  Material  erhielten 
für  die  Märchen,  die  sich  in  Indien  bereits  um  den  Soma-Baum  gebildet  hatten. 

Die  Japaner  verlegen  die  Existenz  eines  solchen  Baumes,  der  bei  ihnen  nicht 
vorkommt,  natürlich  in  die  Zeit,  wo  die  Götter  sich  noch  auf  der  Erde  umher- 
trieben. Muler,  Dichter  und  Kunsthandwerker  schmückten  die  Sage  immer  mehr 
aus,  je  nachdem  dieselbe  von  China  aus  durch  die  Literatur  neue  Nahrung  empfing. 
Kinder,  Kindsköpfe  sollten  an  diesem  Baume  gewachsen  sein!  Nie  vergass  man 
aber,  darzustellen  oder  anzuführen,  was  für  eine  Art  von  Baum  es  war,  entweder 
Conifere  oder  Maulbeerbaum  oder  Ahorn,  kurz,  ein  Baum,  der  in  Japan  oder  China 
wirklicher  Verehrung  werth  war. 

Da  nun  aus  keinem  arabischen  Bericht  hervorgeht,  was  für  ein  Baum  es  gewesen, 
den  die  Araber  beschreiben,  ferner  Land,  Baum  und  Volk  verwechselt  werden,  —  mit 


1)  Fusauf;  or  tbe  discovery  of  America  by  Charles  G.  Lei  and,  London  1875. 

2)  Mittbeilungen  der  D.  0.  für  Natur-  u.  Volkerkunde  Ostasiens. 

3)  Erst  in  späteren  Werken  heisst  eine  Pflanze  in  Japan  Fo-sang  d.  h.  Bnddha*s  Maul- 
beerbaum. In  China  bezeichnet  man  mit  Fu-sang  einen  Zierstrauch,  Hihiscus  Rosa  sinensis, 
der  nach  ßretschn eider  in  pfar  keiner  Beziehung  steht  zu  unseiem  Sagenbaum;  also  Be- 
weise mehr  für  die  willkürliche  Anwendung  des  Namens  Fu-sangl 


(506) 

alleioiger  AosDahme  AI  Birüni^s  yielleicht  — ,  so  möchte  ich  darmos  folgern,  das« 
diese  Berichte  durch  VermittloDg  chioesischer  Haodelsleate  eDtataodeo  sind,  also 
eine  Mittheilaog  angebildeter,  abergläubischer  Menschen. 

Wir  missen,  dass  die  Japaner  Tor  1000  n.  Chr.  nach  Ningpo  ond  Kaotoo  fuhren, 
wir  können  also  weiter  folgern,  dass  das  arabische  setüemeot^  welches  um  878  n.  Cfar^ 
selbst  nach  Abzug  tou  50  Procent  der  in  arabischen  Berichten  angefahrten  Ein- 
wohnerzahl,  recht  bedeutend  gewesen  sein  muss.  doch  nie  direct  mit  japanischen 
Kauffihrem  verkehrt  hat.  Hier  in  Süd -China  fand  ja  der  mohamedaniache  Fana- 
tismus und  die  arabische  Handelslust  an  dem  Nationalstolx  und  an  der  Handels- 
eifersucht der  Chinesen  den  überlegenen  Gegner,  der  mit  grosser  Energie  gegen 
Ende  des  ersten  Jahrtausends  die  Anhänger  des  Islam  Ton  den  Küsten  China^s 
forttrieb. 

Es  erscheint  mir  wichtig,  die  Momente  herrorzu Leben,  welche  die  Veranlasanng 
waren,  dass  das  Inseireich  Japan,  sowie  seine  Bewohner  von  allen  Handelsleuten 
der  damaligen  Zeit  mit  Misstrauen  und  heiliger  Scheu  betrachtet  wurden. 

Wo  sonst  auf  dem  derzeit  bekannten  Erdkreis,  als  in  Japan,  schlenderten  so 
zahlreiche  Vulkane  ihre  verderben  bringenden  Geschosse  auf  Dörfer  und  Fluren  nnd 
bewegten  weithin  die  Wasser  des  Meeres! 

Hier  auf  diesen  Inseln  schien  femer  der  Boden  fast  beständig  zu  wanken  und 
der  Glaube  an  unterirdische  Drachen  seine  Bestätigung  zu  finden. 

Nirgendswo  auf  der  langen  Fahrt  vom  indischen  Meere  bis  nach  Ostmsien  — 
um  speciell  von  den  mohamedanischen  Seefahrern  zu  reden  —  wehte  ein  solcher 
Wirbelwind,  wie  im  Süden  Japan^s,  und  machten  Strömungen  die  Fahrt  nach  diesem 
östlichen  Inselreich  unmöglich. 

Die  östliche  Grenze  des  südchinesischen  Meeres  war  gleichsam  durch  die 
häufige  Bahn  der  Tai-fung '}  vorgezeichnet,  deren  verheerende  Wirkongen  sich  auch 
zeitweilig  an  den  Küsten  Süd-China's  zeigten. 

Diese  Gründe  haben  die  Mohamedaner  veranlasst,  im  7.,  8.  und  9.  Jahrhundert 
nie  die  Häfen  Süd-Japan*s  aufzusuchen! 

Sie  waren  deshalb  darauf  angewiesen,  nur  durch  chinesische  Dolmetscher  mit 
Japanern  zu  handeln  —  wenn  dies  überhaupt  geschehen  ist  —  und  diesem  Um- 
stände ist  es  zuzuschreiben,  dass  uns  aus  den  frühen  Nachrichten  der  Araber  nur 
unzureichende  Berichte  über  ein  loselreich  erhalten  sind,  von  dem  die  europäischen 
Völker  zuerst  durch  Marco  Polo  Kenntniss  erhielten. 

(19)    Hr.   Bastian   macht  folgeoJe  Mittheiluog: 

Von  unserem  ruhmvollen  Reisenden  erhielt  ich  gestern  noch  ein  Tel«^ramm: 

Lebewohl  .\llen 

Wissmann 

aufgegeben  in  Hamburg,  11  Chr  :?0  Miouten  Vormittags,  also  wahrscheinlich  im 
Augenblick  der  Abreise.  Unsere  Hoffiiungeu  und  Wünsche  begleiten  ihn.  ins- 
besondere auch  für  die  Ethnologie.  Noch  vor  seicem  Fortgange  von  Berlin  ist 
durch  Hm.  Lieut.  Wissmann,  im  Interesse  wissenschaftlicher  Forschung,  die  hoch- 
sinnige Verfugung  getroffen,  dass  seine  sämmtlichen  Sammlungen  in  der  Haupt- 
sache in  den  Bestand  des  Etbcologischen  Museums  übergehen  werden,  so  dass  gmss- 
artigster  Bereicherung  unserer  Kenntnisse  aus  den  bevorstehenden  Entdeckungen 
entgegenzusehen  ist. 


1}  Hier  beisst  Tai  nicht  ^ross,    sondern   ist  das  erste  Zeichen  tod  Tai-wan  C^ormosa}. 


(507) 

(20)    Eiugegangene  Schriften: 

1.  Reis  8  und  St  übel,  Das  Todtenfeld  von  Ancon.     Lief.  9.     Gesch.  d.  Verf. 

2.  Archivio  per  l'antropologia  e  la  etnologia.     Vol.  XIII  Fase.  IL 

3.  Boletin  de  la  Academia  nacional  de  ciencias  en  Cordoba  (Repnblica  Argentina). 

Vol.  IV  Entrega  II,  III,  IV.     Vol.  V  Entrega  I,  IL 

4.  Actas  de  la  Academia  nacional  de  ciencias  en  Cordoba.     Toni.  IV  Entrega  I. 

5.  Expedicion  al  Rio  Negro,  Patagonia.    Entrega  II  Botanica.    Kntrega  111  Geologia. 

6.  Verwaltungsbericht  des  Märkischen  Provinzialmuseums.     1882  SH. 

7.  Atti  della  R.  Accadeuiia  dei  Lincei.     Vol.  VII  Fase.  15. 

8.  Annalen  der  Hydrographie.     Jahrg.  XI  Heft  X. 

9.  Nachrichten  für  Seefahrer.     Jahrg.  XIV  Nr.  41 — 44. 

10.  W.  Blasius,    Üeber  Speraiophilus    rufescens  Keys.  n.  Blas.,    den  Orenburger 

Ziesel.     Gesch.  d.  Verf. 

11.  F.  Albrecht,  Sur  la  valeur  morphologique  de  Tarticulation  mandibulaire,    du 

cartilage  de  Meckel  et  des  osselets  de  Touie.     Gesch.  d.  Verf. 

12.  Annales  du  Musee  Guimet.     Tome  III,  V. 

13.  Revue  de  Thistoire  des  religions.     Tome  VII  Nr.  l. 

14.  Oatalogue  du  Musee  Guimet  par  L.  de  Mi  Hone.     Premiere  partie. 

15.  Association   Lyonnaise    des    amis    des    scicnces    naturelles.     Comptc    rendu   de 

Tannee  1882.     Gesch.  d.  Hrn.  L ortet. 

16.  Museum    des    sciences    naturelles   de  Lyon.     Rapport  a  M.  le  Maire  par  M.  le 

Dr.  Lortet     Gesch.  d.  Verf. 

17.  Archives  du  Museum  d'histoire  naturelle  de  Lyon.     Tome  III.     Gesch.  d.  Hrn. 

Lortet. 

18.  Antiqua,    ünterhaltungsblatt  für  Freunde  der  Alterthuraskunde.     1883.     Nr.  7. 
10.    Bulletins  de  la  societe  d'anthropologie  de  Lyon.     Tome  II  Nr.  1. 

20.  Congres  international  des  Americauistes.     Proces- verbal.     fJopenh,  1883. 

21.  A.  E.  Nordenskjöld,    Trois  cartos   precolombiennes    repri-sentant  une  partie 

de  TAmerique  (Groenland)  1883. 

22.  Jens  Munk's    Navigatio  septentrionalis,    udgiven  af  P.  Lauridsen.     Kyöbnh. 

1883. 

23.  Daniel  C.  Brinton.    The  books  of  Chilau  Balam,    the  prophetic  and   historic 

records  of  the  Mayas  of  Tucatan.     Philadelphia. 

24.  Notice  sur  les  Musees  ethnographiques  et  archeologiques  de  Copenhague.   1883. 

25.  Henry  Philipps,    A    bricf   account    of  the   more  important  public  collections 

of  American  Archaeology  in  the  United  States.     1883. 
2G.    Itldwin    A.   Barbe r,    Oatalogue    of  the    CoUection    of    tobacco    pipes    in    the 
Pennsylvania  Museum  and  School  of  Industrial  Art.     Philadelphia  1882. 
Nr.  20—27  dorch  Hrn.  Reiss  von  dem  Kopenhagener  Congress  mitgebracht 


Ausserordentliche  Sitzung  vom  24.  November  1883. 
Vorsitzender  Hr.  Virchow. 

(1)  Der  Vorsitzende  eröflfnet  die  Versammlung  mit  der  erschütternden  Nach- 
richt von  der  Ermordung  des  Hrn.  Fr.  A.d.  de  Röpstorff,  correspondirenden 
Mitgliedes  der  Gesellschaft. 

Vor  wenigen  Augenblicken  erhalte  ich  von  Hm  F.  Ja  gor  die  nachstehende 
Mittheilung: 

„So  eben  lese  ich  in  der  Times  22.  November  folgendes  Telegramm  aus  Cal- 
cutta  21.  November:  In  Port  Blair  ist  ein  Schiff  aus  Camorta  angekommen,  welches 
Kunde  von  der  Ermordung  des  Hrn.  de  Röpstorff,  Superintendent  of  the  Nico- 
bars, bringt.  Hr.  de  R.  und  seine  Frau  waren  die  einzigen  Europäer  auf  Camorta; 
der  Rest  der  Bevölkerung  bestand,  abgesehen  von  den  Eingebornen,  aus  einigen 
hundert  Sträflingen  und  einer  Sepoy -Wachtmanuschaft  aus  Madras  unter  einem 
Havildar.  Der  Havildar,  der  vom  Superintendent  amtlich  bestraft  worden  war, 
lauerte  ihm  auf  und  erschoss  ihn,  als  er  mit  seiner  Frau  ausritt.  Darauf  tödtete 
sich  der  Mörder.  Frau  v.  Röpstorff  zeigte  grossen  Muth.  Sie  schleppte  die  Leiche 
ihres  Mannes  in  das  Haus,  gab  die  nöthigen  Befehle  an  die  Sepoys  und  sandte 
einen  Bericht  über  das  Vorgefallene  nach  Port  Blair.  Major  Protheroe,  Super- 
intendent der  Andamanen,  begab  sich  sofort  nach  Camorta.^ 

Unsere  Gesellschaft  zählte  unter  ihren  correspondirenden  Mitgliedern  wenige, 
welche  mit  gleicher  Hingebung  und  üneigennutzigkeit  den  ganzen  Ertrag  ihrer  For- 
schungen ihr  zur  Verfügung  stellten.  Noch  im  Laufe  dieses  Jahres  haben  wir  eine 
Fülle  der  mannichfaltigsteu  ethnologischen  Gegenstände,  darunter  Stücke  seltenster 
Art,  empfangen,  deren  genauere  Besprechung  nur  aus  dem  Grunde  verzögert  wurde, 
weil  wir  noch  nähere  briefliche  Aufklärungen  erwarteten.  Die  letzte  Sendung,  welche 
erst  vor  Kurzem  eingegangen  ist,  bestand  in  einer  werthvollen  Abhandlung  über  die 
Behandlung  der  Todten  auf  den  Nicobaren,  begleitet  von  linguistischen  Beigaben,  zu 
umfangreich,  um  in  der  gewöhnlichen  Art  unseren  Publikationen  eingefugt  werden 
zu  können.  Wir  waren  eben  damit  beschäftigt,  die  Vorbereitungen  zu  treffen,  um 
dieselbe  als  besonderes  Supplementheft  erscheinen  zu  lassen,  und  es  war  eine 
(Korrespondenz  eingeleitet,  um  die  nöthige  Verständigung  herbeizuführen.  Nun  ist 
das  Alles  plötzlich  und  auf  so  schreckliche  Weise  unterbrochen  worden. 

Hr.  V.  Röpstorff  war  Däne  von  Geburt  und,  soweit  bekannt,  zur  2^it  der 
Abtretung  der  Nicobaren  an  England  aus  dem  dänischen  Dienst  in  den  englischen 
übergetreten.  Längere  Zeit  hindurch  hatte  er  die  Sammlungen  seines  Vaterlandes 
vorzugsweise  mit  seinen  Geschenken  bereichert.  Aber  er  beklagte  stets  die  Zer- 
würfnisse, welche  die  Politik  zwischen  Dänemark  und  Deutschland  herbeigeführt 
hatte,  und  er  war  bemüht,  dieselben  auszugleichen.  Eine  anonym  erschienene 
Schrift')  behandelt  die  Wege  zu  einer  solchen  Ausgleichung;  ja,  er  trug  kein  Be- 
denken, seine  Gesichtspunkte  in  einem  besonderen  Memoir  an  entscheidender  Stelle 
vorzutragen.     Von  der  Zeit  an,  wo  er  unser  correspondirendes  Mitglied  wurde,  und 

1)  Danmark  af  en  Fader.  Et  alvorligt  ord  til  Landsmand  fra  en  i  Udlandet  bosat 
Dansk.    Ejöbenb.  1882. 


(510) 

WO  er  sah,  dasä  wir  ä^^ineii  ßemöhoogen  durch  ausgiebige,  geoogeDd  Ulostrirte 
Veröffentlich uDg^D  daokteo,  wo  er  sich  oberzeugte.  dass  io  Berlin  ein  Ceotrmlponkt 
der  ethDologischeo  Forschoog  begründet  war.  schloss  er  mehr  ood  mehr  seine  er-- 
folgreiche  Thätigkeit  den  Bestreboogen  unserer  Gesellschaft  an,  in  solcfaem  Maaase, 
dass  io  letzter  Zeit,  nameotlich  bei  Gelegenheit  der  eben  in  Calcotta  stJittfiDdeDdeii 
ethnologischen  Aosstellong,  ein  Conflikt  mit  den  englischen  Behördeo  drohte. 

So  klein  das  Gebiet  seiner  Forschacgeo  räumlich  war,  da  es  eben  oor  die 
Gruppen  der  Aodamanen  und  der  Nicobaren  umfasdte,  so  grosse  Scliwierii^keiten 
bot  es  dar,  wegen  der  Unzugänglichkeit  der  wilden  BeTolkerungen  und  der  beson- 
deren Verhältnisse  der  Verbrechercolonie.  welche  die  englische  Regierong  dort  ge- 
gründet hat.  Nachdem  er  längere  Zeit  hindurch  die  linguistischen  und  socialra 
Verhältnisse  der  Andamanesen  und  Nicobaresen  zum  Gegenstande  seiner  FcnrscboDg 
gemacht  hatte,  war  es  ihm  in  letzter  Zeit  gelungen,  bis  zu  der  ürbeTÖlkeroDg  der 
Nicobaren,  den  bis  dahin  ganz  unbekannten  Shombengs,  Torzudringen.  Eine  aas- 
fuhrliche  Abhandlung  in  unserer  Zeitschrift  berichtet  darüber.  Eben  mit  neuen 
Untersuchungen  beschäftigt,  hat  er  den  Tod  durch  Verbrecherhand  erlitten. 

So  ist  nun  auch  der  Name  Röpstorff  unter  die  Zahl  der  Blutzeugen  der 
Wissenschaft  eingetragen.  Die  Kugel  des  Mörders  hat  in  einem  Augenblick  ein 
Leben  geschlossen,  welches  ausschliesslich  der  Erfüllung  der  Pflicht  und  der  Hin- 
gebung an  die  Wissenschaft  gewidmet  war.  In  unserer  Erinnerung  ist  das  Ge- 
dächtoiss  des  edlen  Mannes  uoausloschlich  eingetragen.  Aber  wir  würden  un- 
seren Empfindungen  nur  einen  unvollkommenen  Ausdruck  gewähren,  wenn  wir 
nicht  in  diesem  Augeublicke  der  treuen  Gefährtin  gedenken  wollten,  welche  seit 
Jahren  fast  alle  Gefahren  mit  ihm  getheilt  hat  und  welche  auch  in  dem  schreck- 
lichen Augenblick,  der  ihr  den  Gatten  raubte,  den  hohen  Muth  und  die  seltene 
Gegenwart  des  Geistes  bewährte,  die  der  Verstorbene  mit  Stolz  und  inniger  Liebe 
wiederholt  ofifentlich  anerkannt  hat.  Möge  ihr  die  Zuversicht  einigen  Trost  ge- 
währen, dass  die  hohen  Ziele,  welche  Hr.  de  Ropstorff  im  Dienste  der  Wissen- 
schaft unter  schwersten  persönlichen  Opfern  verfolgte  und  welchen  sie  selbst  mit 
Begeisterung  und  üiugebung  sich  angeschlossen  hatte,  in  dem  Gedächtnis^  der 
Zeitgenossen  und  der  Nach  well  vollste  Anerkennung  finden  werden.  — 

(2)  Die  herrliche  ethnologische  Sammlung  des  Hrn.  Dr.  Riebeck, 
welche  demnächst  ganz  in  den  Besitz  des  ethnologischen  Museums  und  des  Kunst- 
gewerbe-Museums übergehen  soll,  hat  ihre  würdige  Aufstellung  in  der  Halle  des 
Kunstgewerbe-Museums  gefungen;  der  Vorstand  des  letzteren  übersendet  Einladungen 
zu  der  am  26.  d.  M.  stattfindenden  Flröffoung.  Indem  der  Vorsitzende  den  Dank 
der  Gesellschaft  dafür  ausspricht,  weist  er  zugleich  auf  das  für  unser  Vaterland 
ganz  neue  und  hoflfentlich  folgenreiche  Beispiel  hin,  welches  Hr.  Riebeck  giebt, 
indem  er  eine  bo  grosse  und  kostbare  Sammlung,  wie  sie  vor  ihm  kein  Privat- 
mann zusammengebracht  hat,  ohne  irgend  eine  Entschädigung  dem  Staate  schenkt. 
Auch  die  Eutsagiiug  verdient  besondere  Erwähnung,  dass  Hr.  Riebeck  darauf  ver- 
zichtet, ein  neues  Specialmuseum  zu  gründen.  In  hochherzigster  Weise  erkennt 
er  an,  dass  auch  eine  grosse  Nation  alle  Anstrengungen  darauf  concentriren  muss, 
zunächst  an  einem  Centralpuiikte  das  Vollständigste  zu  erreichen,  was  durch  Ver- 
einigung aller  Kräfte  erreicht  werden  kann.  Wenn  auch  getheilt,  wird  seine  Samm- 
lung in  den  i»rossen  Museen  unserer  Stadt  in  ihrer  besonderen  Bedeutung  stets  er- 
kannt werden. 

(3)  Hr.  Schliemann    übersendet  sein  neues  Werk  über  Troja,    welches  die 


(511) 

Ergebnisse  seiner  letzten,  ausgedehnten  und  wahrscheinlich  für  immer  abschliessen- 
den Ausgrabungen  auf  Hissarlik  und  in  der  Troas  darlegt.  Der  Vorsitzende  dankt 
dem  Ebrenmitgliede  der  Gesellschaft  für  diesen  erneuten  Beweis  seiner  Theilnahme. 

(4)  Die  Direktion  des  Berliner  Aquariums  theilt  mit,  dass  sie  in  Unterhand- 
lungen steht,  um  das  behaarte  Kind  Krao,  genannt  the  missing  link,  hierddbst 
öflfentlich  zu  zeigen.  Der  Vorsitzende  verweist  auf  die  in  den  Sitzungen  vom 
•20.  Januar  (Verh.  S.  118)  und  vom  10.  Februar  (Verh.  S.  166)  gemachten  Mitthei- 
lungen und  spricht  die  Anerkennung  der  Gesellschaft  für  die  Bemühungen  der 
unermüdlich  thatigen  Direktion  des  Aquariums  aus,  welche  durch  die  Versammlung 
von  Repräsentanten  aller  4  anthropoiden  Affen  so  viel  zu  einer  objektiven  Ver- 
gleichung  dieser  merkwürdigen  Geschöpfe  gethan  hat.  Vielleicht  werde  gerade  in 
dieser  Umgebung  der  menschliche  Typus  des  behaarten  Kindes  um  so  deutlicher 
hervortreten. 

(ö)  Ilr.  Virchow  zeigt  Photographien  des  von  Lieutenant  Wissmann  von 
seiner  centralafrikanischen  Reise  mitgebrachten  und  in  der  Sitzung  vom  19.  Mai 
(Verh.  S.  284,  vgl.  S.  453)  vorgestellten 

Negerknaben  von  Ukusso. 

Ilr.  Lieutenant  Wissmann  hatte  die  Güte,  mir  zu  gestatten,  den  kleinen 
Negerburschen,  den  er  vor  einem  halben  Jahre  der  Gesellschalt  vorstellte,  zu  unter- 
suchen und  photographiren  zu  lassen.  Letzteres  ist  durch  Hrn.  Photographou  Carl 
Günther  in  der  vortrefflichsten  Weise  geschehen,  und  ich  kann  die  ersten  Proben 
davon  hier  vorlegen. 

Bei  dieser  Gelegenheit  möchte  ich  Hrn.  Günther  noch  besonders  unseren  Dank 
ausdrücken  für  seine  stets  bereite  Gefölligkeit,  unseren  Wünschen  nachzukommen. 
Im  Laufe  der  Zeit  hat  er  schon  eine  recht  bemerkenswerthe  Sammlung  von  Rassen- 
typen  zusammengebracht,  welche  zu  den  besten  gehören,  die  überhaupt  existiren. 
Es  wäre  nur  zu  wünschen,  dass  eine  grössere  Zahl  von  Mitgliedern,  als  dies  bis- 
her der  Fall  gewesen  ist,  ihn  durch  Abnahme  von  Blättern  auch  einigermaassen 
entschädigte  für  die  nicht  unerheblichen  Aufwendungen,  welche  er  gemacht  hat  — 

Der  kleine  Bursche  wurde  von  Hrn.  Wissmann  in  Nyangwa  von  Arabern, 
die  ihn  geraubt  hatten,  gekauft.  Sein  Name  lautet  Sänkuru  uud  sein  Alter  mag 
auf  etwa  11  bis  12  Jahre  geschätzt  werden.  Er  ist  ein  Djomba  aus  Dumbi,  einem 
Dorfe  in  Ukusso  (nicht,  wie  es  im  früheren  Sitzungsberichte  heisst,  Wakusu)  im 
Lande  der  Papaugayen,  westlich  vom  Lualuba,  in  2 — 4^  S.  Br. 

Seine  ganze  Erscheinung  ist  die  eines  ausgemachten  Negers.  Der  Aufenthalt 
in  Europa,  namentlich  im  mütterlichen  Hause  des  Hrn.  Wissmann,  hat  seine 
Entwickelung  ungemein  begünstigt.  Nicht  blos  hat  sich  sein  Körper  gekräftigt, 
er  ist  voller  geworden,  ein  Bild  bester  Gesundheit,  sondern  auch  seine  geistige 
Entwicklung  hat  grosse  Fortschritte  gemacht.  Er  trägt  europäische  Kleidung  und 
bewegt  sich  mit  grosser  Freiheit,  auf  Alles  aufmerksam  achtend.  Er  hat  etwas 
Deutsch  gelernt,  ja  er  schreibt  sogar  in  deutschen  Lettern  seinen  Namen  uud 
kleinere  Sätze.  Dabei  hat  sich  seine  Gemüthsrichtung  als  eine  ungemein  gutmüthige 
und  freundliche  erwiesen. 

Hr.  Stabsarzt  Dr.  Wolff,  einer  der  Begleiter  des  Lieut.  Wissmann  auf  seiner 
neuen  Reise,  der  es  auch  übernommen  hat,  die  anthropologischen  Aufgaben  in  mög- 
licher Vollständigkeit  zu  verfolgen,  brachte  mir  noch  den  Tag  vor  der  Abreise  den 
Knaben,  der  nun  auch  wieder  seiner  Heimath  zugeführt  werden  wird,  in  das  Patho* 


(512) 

logische  Institut,  und  wir  nahmen  noch  einmal  an  ihm  die  gewöhnlich  auszuführenden 
Messuugen  vor.  Bei  dieser  Gelegenheit  wurde  auch  ein  von  mir  für  die  Zwecke 
der  Körpermessung  neu  construirter  Maassstab  geprobt,  den  ich  ein  anderes 
Mal  genauer  besprechen  werde.  Hier  sei  nur  bemerkt,  dass  es  sich  gegenüber  der 
Schwierigkeit  des  Transportes  auf  einer  ccntralafrikanischeii  Reise  darum  handelte, 
ein  leicht  zusammenlegbares  und  doch  festes  Instrument  herzustellen,  das  alier 
Orten  ohne  besondere  Vorbereitung  benutzt  werden  kann.  Ich  will  noch  erwähnen, 
dass  Hr.  Wissmann  trotz  aller  Bedenken  sich  entschlossen  hat,  meinem  dringenden 
Ansuchen  zu  entsprechen,  eine  genügende  Zahl  von  Gypsbüchsen  mitzunehmen,  um 
von  den  Haupttypen,  welche  die  Expedition  antreffen  wird,  Gesichtsmasken  zu 
nehmen.  Hoffentlich  wird  es  so  gelingen,  wenn  auch  in  beschränktem  Maassstabe, 
diese  Expedition  auch  anthropologisch  zu  einer  so  nachhaltigen  zu  machen,  wie  es 
die  Reise  des  Hrn.  Ein  seh  nach  Oceauien  gewesen  ist 

Die  Hautfarbe  unseres  kleinen  Sdnkuru  ist  im  Allgemeinen  eine  gesättigt  choko- 
ladenbraune  mit  einem  mehr  gelblichen  Grundton.  Die  Stirn  ist  am  dunkelsten;  ihre 
Earbe  entsprach  ungefähr  der  Nr.  4  fg.  der  Rad  de' sehen  Farbentafeln.  An  der  Ge- 
sichtshaut zeigten  sich  ausserdem  zahlreiche,  schwarze  Flecke.  Die  Hände  boten 
äusserlich  die  Farbe  Nr.  33,  de,  innen  Nr.  33,  pq,  mit  einer  Hinneigung  zu  Nr.  34,  d, 
dar.  Es  sind  dies  wesentlich  Farben,  welche  aus  Orange  und  Carmoisin  gemischt 
sind.  —  Das  schwarze  Haar  bedeckte  in  Form  einer  ganz  dichten  und  kurzen,  aas 
engen  Röllchen  zusammengesetzten,  wolligen  Perrücke  den  Kopf.  Die  einzelnen,  ganz 
dicht  zusammengelegten  Spiralröllchen  haben  einen  Durchmesser  von  2— 3  mm.  Unter 
dem  Mikroskope  erscheinen  die  Haare  dünn,  seitlich  etwas  abgeplattet,  von  platt- 
ovalem Querschnitt;  von  der  Fläche  aus  betrachtet,  ist  die  Farbe  tief  schwarz- 
braun (nicht  bläulich)  und  das  Haar  undurchsichtig;  auf  dem  Querschnitt  fehlt  der 
Markstrang,  vielmehr  ist  die  Mitte  ziemlich  farblos,  dagegen  der  übrige  Theil  des 
Haares  bis  zur  Oberfläche  hin  durchsetzt  mit  getrennten  Häufchen  eines  feinkornigen, 
braunschwarzen  Pigments,  zwischen  denen  die  Substanz  ungefärbt  erscheint.  —  Die 
Augen  vortretend,  glänzend,  mit  ganz  schwarzer  Iris. 

Der  Kopf  erschien  in  der  Haarbedeckung  fast  rundlich,  indess  ergab  die  Mes- 
sung ein  ausgemacht  dolichocephales  Maass  (Index  72,3)  bei  recht  beträchtlicher 
Höhe  (Auricularindex  67,7),  so  dass  man  den  Kopf  ohne  Weiteres  als  hypsi- 
dolichocephal  bezeichnen  kann.  Ungewöhnlich  breit. (108  mm)  und  vortretend 
ist  die  Stirn.  Das  Gesicht  ist  chamaeprosop  (Index  87,3)  mit  stark  vortretenden 
Jochbogen.  Die  Nase  kurz  und  breit  (Index  86,3),  im  Ganzen  flach,  mit  beson- 
ders kurz  endigender  Kuppe.  Die  Lippen  ungemein  dick,  vortretend,  von  blau- 
graurother  Färbung,  der  Mund  lang  (49  mm). 

Die  Körperhöhe  maass  1,449  m,  um  115  mm  weniger  als  die  Klafterlänge.  Der 
Nabel  bedeutend  über  die  Mitte  der  Körperhöhe,  in  905  mm  Entfernung  vom  Boden. 
Die  Armlänge  ergiebt  94  pCt.  der  Beinlänge.  Die  Spitze  des  Mittelfingers  erreichte 
fast  das  Knie.  Der  Fuss  gross  und  nach  vorn  sehr  plump;  seine  Länge  von  254  mm 
ist  nur  5,9  mal  in  der  Körperhöhe  enthalten.  Die  II.  Zehe  überragt  um  ein  Geringes 
die  I.  Obwohl  der  Knabe  jetzt  Stiefel  trug,  war  doch  die  innere  Seite  des  Fusses 
fast  gerade,  zwischen  I.  und  II.  Zehe  ein  deutlicher  Zwischenraum,  die  kleine  2^he 
nicht  gekrümmt,  sondern  am  meisten  nach  aussen  vortretend. 

Das  Weitere  wird  aus  folgenden  Maassen  hervorgehen: 

I.    Kopfmaasse. 

Grössto  Länge 192  »wm         Ohrhöhe 130  mm 

„        Breite 139    „  Stirn  breite ^08    „ 


GeaichtshShe  A.  (HaarraDd)     . 

„  B   (Naaen Wurzel) 

M  itte  I  gesich  tabobe  (Nasen wur- 

zel  bis  Mund)    .     ,     .     .     * 

Gesicbtsbreite  A.  (jugai)    .     . 

^  B.  (malar)    .     » 

„  C.  (maDdibuIar) 


(513) 

187  mm  Distanss  der  Augenwinkel  innen 

110    „  „         ^               „         aussen 

Nase,  Hohe  . 

66    „  ^       Länge 

126    „  „       Breite 

81    „  Mundlange    . 

95    ^  Ohr,  Höbe    . 

IL    Korpertnaase, 


Ganze  Höbe 

Klafterlange. 1564 

Brustumfang 730 

Schulterbreite 324 

Sebuherbnhe 1192 

Ellbogenb<jhe 8H4 

Handgel  enkbobe 649 

Mittelfingerbübe     .....  470 


1449  mm 


Handlange .183  mm 

Handbreite    ,     , 80  „ 

Nabeibobe 905  „ 

Trocbanterhohe 788  „ 

Knieböbe . 469  „ 

Mall,  exL  Höhe 75  „ 

Fu88,  Länge 246  „ 

„      Breite 90  . 


(6)  Hr.  L.  Zapf  zu  Münchberg  in  Bayern  übersendet  mit  folgendem  Brief 
vom  2Ü.  d.  Mt  Hra,  Vircbow^  im  Anscblusse  an  dessen  Mittbeilungen  in  der  Sitzung 
vom   19.  Mai  (Verb.  S-  252),  Zeichnungen  yöu 

erhabenen  Bodenornamenten  aus  dem  ßurgwall  Waldstein  Im  FlcMelgebirfe. 

y, Meine  Waldsteiubammlung  wird  dem n liebst  an  deu  historisühea  Verein  in 
Bayreuth  iibergebeii,  und  konnte  ich  mir  uicht  versagen,  vorher  noch  einige  der 
cbarakteristiscben  erhabenen  Bodenornamente  für   die  geehrte   anthrop.  GesellBchaft 


^/y 


/ 


Qiilbe  Grösse. 

zu  Berlin  zu  zeichnen,  da  sieb  möglicherweise  doch  früher  oder  spater  anderwärts 
Seitenstücke  finden.  Dasselbe  Ornament  findet  sich  in  entsprechender  Ver- 
grossem  ng  auch  auf  grossen  Topfböden,  wie  ich  denn  z,  B.  einen  dergb  von  14  cm 
Breite  oder   Üurchmeaser  besitze, 

„8ebr  zutreffeLid  haben  Sie  in  der  Maisitzimg  die  Mannichfalligkeit  der  Gefaes- 

VerbkJiin.  der  Berl.  Aiitbropol,  Gel  el  lieb  All  1B83.  33 


(514) 

formen  angedeutet;  ich  habe  gegen  30  variirende  Randstöcke,  und  wechselnd  orna- 
mentirte  Deckel-  und  Wandstucke  in  grosser  Anzahl.  Klumpen  Lehms  ond  Thons, 
sowie  eine  (flaschenhalsähnliche)  Thonform  mit  einem  auf  solcher  gefertigteo  Stücke 
weisen  auf  die  ehemalige  Töpferwerkstatte  hin.  Bemerken swerth  sind  verschiedene 
(vielleicht  jüngere)  glasirte  Stücke,  darunter  zwei  mit  innen  aufgelegten  graufarhigen 
Verzierungen. 

„Weiteres  wird  mein  1884  in  Ranke's  „Beiträgen'^  mit  Abbildungen  er- 
scheinender Fundbericht  enthalten.^ 

(7)    Hr.  Hand t mann  in  Seedorf  bei  Lenzen  a.  d.  Elbe  berichtet  ut>er 

Käsenäpfe,  Kunkeln  und  Kiebitzberge. 

Durch  das  Correspondenzblatt  Nr.  9  Septbr.  1883  S.  95  neu  erinnert  erlaube 
ich  mir,  folgende  drei  kleine  Notizen  zu  senden  über  heimatliche  Anthropologie. 

1.  Käsenapf.  Nicht  bloss  fern  im  Schwarzwald  und  Elsass,  sondern  auch 
ganz  nahe  bei  Berlin,  z.  B.  zu  Zellin  a./Odcr  Kr.  Königsberg  giebt  es  dergleichen. 
unzählige  Käse  half  ich  vor  ca.  30  Jahren  in  solche  irdenen  ^Käsenäpfe^  ein-  bez. 
ausklicken  (wie  der  terminus  technicus  lautet).  Ich  werde,  da  ich  selbst  nicht 
recht  Gelegenheit  habe,  dorthin  zu  kommen,  Auftrag  geben,  dass  Von  dort  aus 
möglichst  bald  entweder  aus  einer  der  dortigen  Töpfereien  (Heller,  Both,  Sprott) 
oder  aus  dem  Haushalt  meiner  Stiefmutter  ein  Exemplar  solches  heimischen  Haus- 
industriewerkzeuges an  das  Märkische  Museum  gelangt. 

2.  Die  ^Spindel  und  Kunkel^,  welche  Herr  v.  Schulenburg,  Zeitschrift  1882 
Verh.  S.  36  abbildet  und  bespricht,  Herr  Dr.  Voss  aufs  Neue  im  laufenden  Jahr- 
gang aus  Tübinger  Gegend  (wo  ich  dieselbe  sah)  erwähnt,  war  in  den  50er  Jahren 
in  der  Neumark  noch  sehr  in  Gebrauch,  jetzt  nicht  mehr.  Im  Jahre  1868  sab  ich 
ganz  nahe  bei  Berlin  in  Dorf  Groben  bei  Ludwigsfelde  (Anhalter  Bahn)  mit  solcher 
Spindel  wiederholt  den   alten  Küster  Hoffmann,  auf  der  Ofenbank  sitzend,  spinnen. 

3.  Ein  kleines  Thongefäss,  sehr  erinnernd  an  das,  Verh.  1882  S.  505  abgebildete 
Milch-(?)Töpfchen,  ist  vor  einigen  Tagen  ganz  unversehrt  im  losen  Sande  des  Kiebitz- 
berges bei  Gandow  nahe  Lersen  gefunden  worden.  Dasselbe  wird  z.  Z.  in  der 
Oberpfarre  Lersen  aufbewahrt.  Es  stand  ganz  allein  für  sich.  Doch  enthält  be- 
sagter Kiebitzberg  merkwürdige  Scherben,  welche  bis  jetzt  noch  nicht  untersucht 
sind,  im  nächsten  Sommer  aber  unter  Herrn  v.  Schulenburg*s  Oberleitung  ener- 
gisch untersucht  werden  sollen. 

Betreffend  Kiebitzberge  habe  ich  bereits  vor  einigen  Tagen  Hrn.  v.  Schulen- 
burg meine  persönliche  Ansicht  mitgetheilt,  duss  ich  dieselben  grösstentfaeils 
für  künstliche  Gebilde  halte,  also  für  Tumuli.  Ich  bitte,  die  allgemeine  Auf- 
merksamkeit auf  „Kiebitzberge "^  zu  lenken,  insbesondere  darauf,  ob  und  wieweit 
sich  mit  solchen  Namen  die  Sage  von  der  „goldenen  Wiege^'  verknüpfe.  — 

Herr  Virchow  bemerkt  zu  dem  zweiten  Gegenstande,  dass  er  die  aherthümliche 
Weise  des  Spinnens  mit  frei  herabhängender  Spindel  auf  seiner  letzten  Reise  in 
Sicilien  überall  angetroffen  habe.  Seine  Aufmerksamkeit  wurde  zuerst  in  Taormiua 
darauf  gelenkt,  wo  er  die  Frauen  auf  den  offenen  Tennen  der  Häuser  durchweg 
damit  beschäftigt  sah.  Er  macht  übrigens  darauf  aufmerksam,  dass  Herr  Schlie- 
mann  in  seinem  neuen  Buche  über  Troja  S.  335  eine  ausführliche  Abhandlung 
über  „die  Spindelwirtel  und  das  Spinnen  bei  den  Alten"  geliefert  hat. 


(515; 

(H)    rir.  Forrcr  Jon.  in  Hottiogen  bei  Zürich  schreibt  über 

ein  Thonrad  von  WoIHshofen. 

Einer  bisher  iioberührt  geblitibeaeo  Pfahlbaute  htn  Wullishofen  (Zörichseft)  wurde 
jüngst  eine  oioht  unbetrachtlicbe  Aazabl  von  Artefacteo  enthoben.  Dieselben  lassen 
diese  einstige  SeeaosiecHuDg  als  der  reiDeti   BrOQsezeit  angehörend  erkennen.  — 


*/^  der  natüiriichen  Grösae, 
VeranlassüDg    zu    diesem  Schreiben  giebt    mir    ein    höchst  interessantes   Fundetück 
von  dieser  Stelle:  ein  Rädchen  aus  feinem  Thon  gebrannt,  wie  es  tue  beifolgende 
Abbildung  zeigt.    Besonders  charakteristisch  sind  die  4  Speichen  und  die  antfalland 
gnisse  Nabe,  welche  auf  beiden  Seiten  gleich  weit  vorsteht 

Im  Üebrigen  verweise  ich  auf  eine  a.  Z.  im  ünterhaltung^blatt  für  Freunde  der 
Alterthumskunde  „Antiqua"  eracheitiende  Mittheilung  über  diesen  Fund. 

Sollten  Ihm^n  Funde  ahnlicher  Art  (Räder  <tder  Wagen  aus  vnrgescbicht- 
1  icher  Zeit,  Bronze  oder  Ihon)  bekannt  sein,  so  würden  Sie  mich  durch  gefällige 
diesbezügliche  Mittheilung  sehr  zu  Dank  verpflichten [  — 

Hn  Voss:  Ein  ähnfiches  Thonrad  befand  sieb  in  der  präbisioriscbeD  Aus- 
stellung hierselbBt  1880,  dem  Museum  schlesischer  Alterthümer  zu  Breslau  gehörig. 
Es  ist  abgebildet  in  dem  photographischen  Album  der  Ausstellung  SecL  IV,  Tat  G 
und  bei  Büaching,  Heidnische  Alterthümer  Schlesiens  Taf.  IX  Fig.  4,  Breslau  1820. 
Eh  stammt  aus  einem  Grabe  bei  Mondschütz  Kr.  Wob  lau  (KutaL  der  Ausst.  S.  559 
Nr.  26),  Büsching  berichtet  darüber  a.a.O.  Folgendes:  „Bei  Mondschütz  fand 
Hr,  von  Köckeritz  in  einem  Grabe  dieses  Rad,  vollständig  einem  Wagenrade 
gleichend,  mit  vier  Speichen,  In  einem  anderen,  mehrere  Sehrilte  von  jenem  ersten 
entfernten  Grabe  fand  sich  ein  zweites  solches  Rad,  diesem  volktändig  gleich. 
Beide,  grosse  Seltenheiten,  da  dergleichen  In  Schlesien  noch  nie  gefunden  worden, 
kamen  als  gütiges  Geschenk  in  die  Sammlung  (Verzeichnet  B.  LXXV  545,  553). 
Zwei  kupferne  Räder  mit  langen  Naben  wnrden  im  Jahre  1740  in  einer  Urne  bei 
dem  Judenkirchhofe  zu  Frankfurt  ti*  d.  Oder  von  zwei  Mädchen  beim  Saodholen 
gefunden.  Sie  haben  etwa  l'/j  Zoll  im  Durchmesser  und  finden  sich  auf  der  KÖnigL 
Kunstkammer  zu  Berlin^).  Ein  ähnliches  Rad  lag  bei  Albano  in  einer  tempel- 
artigen  Urne,  wie  die  darüber  erschienene  Abbildung  ausweist^).'* 

Ein  anderes  Exemplar,  aus  der  Auguslin* sehen  Sammlung  stammend  und 
vielleicht  in  der  Gegend  von  Halberstadt  gefunden,  leider  etwas  beschädigt,  ist  ?on 


1)  Vergh  v.  Ledebnr^   Da^  Eünii^l.  Mnseutn  vaterländischer  Alterthümer  1836  8.70  C 
und  Virehow,  Verh.  d,  Berl.  anthrop.  Ges    1876  S.  240. 

2)  Virchow:  Ueber  die  Zeitbestimmung^ der  itahsrhen  und  deutschen  Hansumem  Sitzungs- 
ber.  d.  Kg}.  Akad,  d.  W.  zn  Borlm.  26.  Juli  1883  S.  36  ff,    Verb,  d.  Gas»  1863  8,  321  Fig.  1 

33* 


(517) 


äuasersten  Eode  der  Höhle  etwa  40  m  mit  verfolgeü  liesa  biß  io  die  Nähe  des  Ein- 
gang<is,  Ihre  Stärke  war  ao  den  verschiedeneD  PunktcD  sehr  verschieden.  So  war 
sie  dortj  wo  ich  zu  arbeiten  begaoo,  nur  etwa  4 — 5  cm  stArk,  wahrend  sie  nahe  am 
Eingänge,  wo  sie  plötzlich  aufhörte,  in  einer  Mächtigkeit  von  über  30  cm  auftrat 
Besonders  stark  waren  4  Stellen  rait  dieser  Culturschichfc  bedeckt,  ond  zwar  drei 
Plätze  am  Ende  der  Hohle  und  einer  nahe  am  Eingange.  An  diesen  Stellen  fanden 
sich  zugleich  die  grössten  Äühäufungeü  vou  Topfscherbeo  und  zerachlageuen  Knochen, 
so  dass  ich  anttehmen  zu  dürfen  glaube,  da&s  hier  einst  die  Heerde  der  ehemaligen 
Bewohner  staDden, 

Wie  es  scheint,  haben  hauptsächlich  die  geräumigsten  Oerter,  also  der  äusserste 
Theil  der  Höhle  und  dann  eine  Strecke  nahe  am  Ein  gange,  als  driuernder  Wohn  platz 
gedient,  denn  hier  standen  die  Heerde,  wahrend  an  den  engen  Stellen  nur  selten  ein- 
mal ein  Feuer  angezündet  wurde,  wie  durch  das  sporadische  Auftreten  von  Holz- 
kohlen und  die  geringe  Mächtigkeit  der  Cnlturschicht  an  diesen  Punkten  genügend 
bewiesen  wiid-  Ausserdem  wurden  von  mir  keine  Gerathschaften  an  den  engen, 
sondern  ausschliesslich  an  den  weiten  Siellen  der  Hohle  aufgefunden.  Dieselben 
waren  bier  wahrscheinlich  beim  Gebrauche  in  die  Asche  gefallen,  auf  diese  Weise 
für  die  Besitzer  verloren  gegangen  und  haben  sich  so  glücklich  bis  auf  unsere  Zeit 
erhalten. 

In  der  Nähe  des  Einganges  horte  die  Culturschicht  plötzlich  auf;  von  dort  ab 
war  der  Boden  der  Höhle  überhaupt  nicht  mit  Kalksinter,  sondern  nur  mit  Dolomit- 
geroU  bedeckt,  zwischen  dem  sich  auflFallender  Weise  sehr  viele  Topfscherben  fanden» 
Besonders  zahlreich  waren  dieselben  an  einer  Stelle,  wo  es  etwa  ]  m  in  die  Tiefe 
ging  (Holzschü.  ]^  T).  Dieses  erkläre  ich  mir  so,  dass  an  dem  noch  jetzt  sehr  schlüpf- 
rigen Punkte  die  ehemaligen  Bewohner  der  Höhle  oft  ausglitten,  wenn  sie  denselben 
von  draussen  mit  gefüllten  Gefa^^sen  kommend  passirten,  wobei  ihnen  diese  zuweilen 
entäelen  und  zerbrachen. 

Sehr  au&llend  war  die  Anhäufung  von  Menschen knochen  an  den  Heerdstellen, 
und  zwar  waren,  was  mir  besonderer  Beachtung  werth  zu  sein  scheint,  die  Röhren- 
knocheu  särnrntlich  zerschlagen  und  angebrannt,  so  dass  an  den  ppuern  ohne  Zweifel 
einst  Menschen  verbrannt  würden.  Entweder  sind  diese  Knochen  meiner  Ansicht 
nach  Reste  von  Leichenverbrennungen,  von  Menschenopfern,  oder  Mahlzeiten  der 
Höhlenbewohaer.  Wenn  auch  der  Kannibalismus  unserer  Vorfahren  bis  jetzt  nicht 
nachgewiesen  ist  und  von  vielen  Forscherii  bestritten  wird*),  so  weist  doch  die 
ganze  Art  und  Weise,  wie  sich  in  der  Höhle  bei  Holzen  die  Menschenknochen  vor- 
fanden, entschieden  daraufhin,  dass  dieselben  Reste  von  einst  hier  gehaltenen  Mahl- 
zeiten sind.  Denn  Leichenverbrennungen  oder  Opfer  würden  von  den  Bewohnern 
kaum  an  dem  eignen  Wohnplatze  angestellt  sein,  und  für  einen  solchen  muss  ich 
die  Höhle  in  Rücksicht  auf  die  zahlreichen  Topfscherben,  die  Geräthschaften  und 
die  Stärke  der  Culturschicbt  entschieden  halten.  Besonders  aber  stützt  sich  meine 
Ansicht  darauf,  dass  ich  fast  sammtliche  Röhrenknochen  an  den  Heerd- 
stellen  zerschlagen  und  angebrannt  vorfand,  während  alle,  kein  Mark  ent- 
haltenden Knochen  unverletzt  waren.  Nach  meiner  Meinung  sind  diese  Knochen 
bei  den  Mahlzeiten  zertrümmert,  um  Mark  und  Saft  aus  ihnen  zu  geniessen ;  zu 
welchem  Zwecke  sollten  dieselben  aber  bei  Gelegenheit  von  Leichenverbrennungen 
oder  Opfern  zerschlagen  sein? 

Die  einzigen  unverletzten  Rohren  krochen  fanden  sich  in  einem  (io  Holzschn»  1 
mit  b  bezeichneten)   Kjiochenhaufen   unter    einer    Sinterdecke    von    15 — 20  cm;    sie 


1)  VergL  Dr.  Ratzei,  Vorges^^Mchte  des  europäischen  Menschen,  S.  115. 


(518) 

rübreo  tod  einem  ziemlich  starken  und  zwei  scbwiclieren  Individaen  ber.  Sift 
waren  wahrscheinlich  Ton  dem  schräg  gegenüberliegenden  Heerde,  nachdem  sie  ab- 
genagt waren,  in  diesen  Winkel,  welcher  durch  eine  Tor^ringende  Feisenkante 
theil weise  Terdeckt  wurde,  geworfen,  am  später  zerschlagen  ond  ausgesogen  so 
werden,  waren  dann  aber  Tergessen  und  bald  eingesintert 

Die  Topfscherben,  welche,  wie  oben  erwähnt,  sidi  hauptriichlich  an  den  Heerd- 
stellen  und  ausserdem  zwischen  dem  Dolomitgerölle  in  der  Nahe  des  Bingaoges 
landen,  rühren  Ton  Gefassen  ber,  welche  theilweise  aus  ungeschlemmtem,  schlecht 
gebranntem,  theilweise'  aus  geschlemmtem  Tbone  hergestellt  sind,  doch  waren 
alle  diese  Gefasse  ohne  Drehscheibe  Terfertigt 

Die  übrigen  Ton  mir  aufgefundenen  Gerathschaften  sind  üunmtlich  aus  Bronze 
oder  Knochen  gearbeitet,  während  ich  kein  einziges  Steingeräth  fand,  falls  man  als 
ein  solches  nicht  etwa  einen  Feuersteinsplitter  ansehen  will,  welcher  an  der  am 
Ende  der  Höhle  befindlichen  HeerdsteUe  lag.  Ausser  den  schon  erwähnten  Gegen- 
ständen barg  die  Culturschicbt  sechs  Gerathschaften  %  Ton  denen  zwei  aus  Knochen 
gearbeitet  sind,  nämlich  eine  14  cm  lange  Pfriemnadel  (Holzschn.  i)j  welche   unter 


3 


f^^ 


Vs  der  naturlichen  Grösse. 

einer  Sioterdecke  von  14  cm  auf  dem  erwähnten  Knochenhaufen  lag,  eine  gut  ge- 
schliffene Spitze  hat  und  überhaupt  sehr  regelmässig  gearbeitet  ist.  Ferner  ein 
bohrerartiges  Instrumeot  (Holzschn.  3),  welches  ebenfalls  glatt  geschliffen  ist  und 
an  der  HeerdsteUe  nahe  am  Eingänge  lag.  Von  bronzenen  Gerathschaften  fanden 
sich  eine  Streitaxt  (Holzschn.  4),  eine  Drahtspirale  (Holzschn.  5),  eine  Pfeilspitze 
(Holzschn.  6)  und  eine  Lanzenspitze  (Holzschn.  7).  Die  Länge  der  Streitaxt  be- 
trägt 10,5  cm;  leider  fehlt  an  ihr  die  wahrscheinlich  scharfe  Kante.  Die  Pfeilspitze 
und  Lanzenspitze  besitzen  Löcher,  um  sie  im  Schafte  befestigen  zu  können.  Letztere 
trägt  in  den  Lochern  noch  die  Stifte,  welche  zur  Befestigung  dienten. 

Auffallender  Weise    fanden    sich    im   Vergleiche    zu    der    grossen   Anzahl    von 


1)  Dieselben  sind  in  den  beigefügten  Holzschnitten  in  V,  der  naturlichen  Grösse  wieder- 
gegeben. 


(519) 


Meiischepknocheo  in  der  Culturacliicht  üur  sehr  weoigc  Thierkuochen,  ausser  deo 
nedermausknochen,  welche  sich  über  die  ganze  H<>hle  verbreiteten  und  theil weise 
noch  vollständig  recetit  waren.  Ausser  diesen  eothielt  die  Cuiturschicht  nur  Beste 
von  Hirsch  ( vertreten  durch  eine  Augensprosse),  von  Reti  und  Wildkatze. 

unter  dieser  Cuiturschicht  stiessen  wir,  nachdeni  abermals  eine  etwa  2  C7n 
starke  Sinterschicht  ahne  Einschlüsse  durchbrochen  war,  auf  eine  dunkelbraune, 
thonig-sandige  Schicht,  welche  zahlreiche  kleine  Knochen  enthielt  Sie  war  im 
Maximum  nur  5  cm  stark  und  iog  sich  besonders  an  den  Seitenwänden  der  H5hle 
hin,  wahrend  sie  in  der  ftlitte  fehlte.  Sie  eathielt  Reste  von  Arvicola  glareolus,  Arv. 
arvalis,  Talpa  europaea,  Foetorius  Erminea,  Mus  sylvaticus  uud  Rana  temporaria^ 
ausserdem  war  iti  ihr  sehr  zahlreich  eine  Höhlen  bewohnende  Conchylie  (Hyaliuu 
cellaria);  in  ihr  waren  also  nur  Thiere  vertreten,  welche  noch  jetzt  unsere  Walder 
und  Felder  bevölkern.  Allem  Anscheine  Dach  sind  die  Knochen  dieser  Schicht 
sämmtlich  Reste  von  EulengewölieD;  an  manchen  Stellen  konnte  man  sogar  noch 
deutlich    gewollartige   Conglomerate   erkennen. 

Diese  Schicht  ging  an  einigen  Stellen  allmählich  in  eine  ebenfalls  Knochen 
führende  Kalksinterablagerung  über,  in  welcher  leider  die  Knochen  so  fest  eingesintert 
waren,  dass  es  fast  uomügüch  war,  dieselben  heran sznpräpanrei).  Daas  diese  Schicht 
nur  so  sporadisch  auftrat  und  die  Knochen  darin  alle  einzeln  von  Kalksinter  um* 
schlössen  waren,  ist  wohl  daraus  zu  erkläreo,  dass  die  Höhle  während  der  DiJuvial- 
zeit  nur  seJten  von  Eulen  bewohnt  wyrde.  Infolge  dessen  bildeten  sich  nicht  starke 
Schichten  von  Eulengewöllen,  sondern  die  Gewolle  lagen  einzeln  am  Boden  der 
Höhle,  zerfielen  bald,  und  so  wurde  jeder  einzelne  Knochen  von  Kalksinter  um- 
schlossen. 

Unter  dieser  diluvialen  Ablagerung,  oder  wo  sie  fehlte,  unmittelbar  unter  der 
vorhergehenden,  folgte  eine  Schicht  von  fast  homogenem,  hell  klingendem  Sinter 
mit  scliiefriger  Structur.  Sie  enthielt  keine  Einschlüsse,  liess  sich  bis  in  die  Nähe 
des  Einganges  verfolgen  und  trat  fast  an  allen  Punkten  der  Höhle  in  einer  Mächtig- 
keit von  30  an  auf*  Diese  Schicht  war  bei  ihrer  Bildung  offenbar  nicht,  wie  die 
oberen  Ablagerungen,  durch  lebende  Organismen  und  deren  Reste  gestört.  Unter 
ihr  ötiessen  wir  auf  eine  etwa  5  cm  starke  Schicht  von  rothem  Thone,  untermengt 
mit  kleinen  glänzenden  Si nt ersehe rben,  unter  welcher  dann  überall  der  alte  Dolomit- 
felsen stand. 

Das  Resultat  meiner  Ausgrabung  ist  nun  kurz  folgendes:  Die  Hühle  im  Ith 
war  in  den  ersten  Zeiträumen  nach  ihrer  Bildung  von  keinem  lebenden  Wesen  be- 
wohnt. Erst  zur  Diiuvialzeit  siedelten  sich  Fledermäuse  und  vorübergehend  Eulen 
in  ihr  an,  welche  den  damals  noch  überall  häufigen  Lemming  und  die  noch  jetzt 
bei  uns  lebende  Arvicola  amphibius  jagten.  Allmählich  wurde  die  Diluvialfauna 
von  unsern  Waldthieren  verdrängt,  und  die  jetzt  die  Hohle  dauernd  bewohnenden 
Eulen  jagten  und  verzehrten  schon  die  damals  bereits  eingewanderten  Waldmäuse, 
Wald  Wühlmäuse,  Maul  würfe  u.  s.  w.  und  bewahrten  durch  ihre  Gewölle  deren 
Knochen  bis  auf  unsere  Zeit  auf. 

Darauf  ergriff  der  Mensch  Besitz  von  der  Höhle,  wodurch  die  Eulen  offenbar 
vertrieben  wurden,  während  die  Fledermäuse  ruhig  mit  den  Menschen  zusammen 
in  der  Hohle  weiter  lebten,  denn  in  der  Ciilturschicht  fanden  sich  nur  Fledermaus- 
knochen, während  die  anderen  kleinen  Thiere  dort  nicht  vertreten  waren.  Der 
Mensehj  welcher  die  Höhle  bewohnte,  besass  schon  Geräthe  aus  Bronze  und  Knochen, 
sowie  Töpfe,  welche  theilweise  noch  aus  schlecht  gebranntem,  ungeschlänimtem,  theil- 
weise  schon  aus  gut  geschlämmtem  Thone  hergestellt  waren;  der  Gebrauch  der 
Drehscheibe  war  ilim  noch  vollständig  unbekannt.    Kr  jagte  schon  Hirsch,  Reh  und 


(520) 

Wildkatie,  also  Thiere,  welche  noch  heute  zu  onserer  Waldfanoa  gehören,  und  Ter- 
sehrte  auch  Henscbeo.  Der  dilayiale  Mensch  dagegen,  welcher  nur  Gemtiie  aos 
geschlagenen  Feuersteinen  kannte  und  die  diluTialen  Thiere,  besonders  das  Renn- 
thier,  jagte,  bewohnte  die  Hohle  noch  nicht  — 

Hr.  Virchow:  Die  Mittheilang  des  Hm.  Wollemann  ist  Ton  besonderem 
Interesse,  da  wir  bisher  aus  Norddentschland  noch  fast  gar  keine  Nachrichten  über 
Wohnplätze  der  Bronzezeit  haben.  Die  Torgelegten  Zeichnungen  der  Fand- 
gegenstände zeigen  jene  alten  Typen,  welche  wenigstens  in  unseren  Gegenden  ge- 
wöbnlich  ohne  Begleitung  Ton  Eisen  gefunden  werden,  obwohl  sie  im  Saden  schon 
der  beginnenden  Eisenzeit  angehören.  Ich  mache  namentlich  auf  die  zweischnei- 
digen Bronzeblätter  mit  Nietlöchem  am  hinteren  Ende  aufmerksam,  welche  för  Pfeil- 
spitzen etwas  gross  sind  und  wahrscheinlich  zu  Wurfspiesseo  gehörig  waren.  Ueber 
diese  Formen,  welche  sich  unmittelbar  in  die  zweischneidigen  Dolchmesser  fortsetzen, 
habe  ich  in  meinem  Buche  über  Koban  S.  76  ausfuhrlich  gehandelt.  Dazu  stimmen 
sehr  gut  der  Bronzekeil  und  die  Bronzespirale,  die  offenbar  Ton  irgend  einem 
grösseren  Stücke,  einem  Armringe  oder  einer  Fibula,  abgebrochen  ist.  Auch  die 
Knocheninstrumente  reihen  sich  ungezwungen  an.  Da  nun  jede  Spur  eines  Stein- 
geräthes  Termisst  wurde,  so  darf  man  wohl  keinen  Zweifel  darüber  hegen,  dass  hier 
Menschen  der  ausgemachten  Bronzezeit,  wenn  auch  nur  vorübergehend,  gehaust 
haben.  Denn  der  Mangel  aller  Hausthierknochen,  sowie  die  äusserst  spärliche  Aus- 
beute an  Knochen  Ton  Jagdthieren  schliesst  jeden  Gedanken  an  eine  dauernde  Be- 
wohnung  der  Höhle  aus. 

Die  Annahme,   dass   diese  Menschen  Kannibalen    waren,    mag  angesichts    der 
Tielen    aufgefundenen    Menschenknochen,    die    leider   nicht    Torliegen,    sehr    wahr- 
scheinlich sein.     Aber  sie  wäre  eine  Neuigkeit  ersten  Ranges,  denn   bis  jetzt   hat 
sich  eine  derartige  Vermuthung  immer  nnr  auf  Menschen  des  Steinalters  gerichtet, 
und  selbst  für  diese  ist  sie,  wie  Hr.  Wollemann  selbst  erwähnt,  noch  keineswegs 
sicher  gestellt;  für  die  Bronzezeit,  also  doch  immerhin  für  eine  Periode  schon  vor- 
gerückter Cultur,  lässt  sich  ohne  absolut  zwingende  Gründe  eine  derartige  Hypothese 
nicht    füglich  acceptiren.     Es  wird  sich    also  darum    handeln,    durch    eine    genaue 
wissenschaftliche    Prüfung    der    einzelnen    Knochen    die    Zulässigkeit    stattgehabter 
Menschenfresserei    festzustellen.      In    erster    Linie    wäre    dabei    zu    ermitteln,    wie 
vielen  Individuen  die  gefundenen  Knochen  angehört  haben,  was  ja  keine 
grosse  Schwierigkeit  machen   kann.     Ein  einziger  Mensch  liefert  schon  eine    grosse 
Anzahl  einzelner  Knochen.     Wären  aber  z.  B.  nur  einige  Individuen  in  der   Höhle 
getödtet  und  über  das  noch  brennende  Heerdfeuer  hingestreckt  worden,  so  Hesse  sich 
der  beschriebene  Befund    recht    wohl    durch  einen  Ueberfall    durch  eine  feindliche 
Schaar  erklären.    Nächstdem  wäre  freilich  eine  eingehende  Untersuchung  der  beson- 
deren Art  von  Zertrümmerung,  welche  an  den  Knochen  stattgefunden  hat,  noth- 
wendig,  um  zu  entscheiden,  ob  die  Zertrümmerung  zufallig,  z.  B.  durch  die  Fusstritte 
späterer  Besucher,   durch   Raubthiere,   oder  absichtlich   herbeigeführt  ist     Vorläufig 
dürfte  es  daher  angezeigt  sein,  das  entscheidende  Crtheil  noch  zu  suspendiren. 

(10)    Hr.   Ingvald    Undset    übermittelt    durch    ein    Schreiben    d.  d.    Venedig, 
21.  Oktober  folgenden  Bericht  über 

eine  Raneospeerspitze  ans  Italien. 
Hierzu  Tafel  IX. 
Auf  einem  Ausflug  nach  Torcello,   um  in  dem  dortigen    kleinen  Museum  die 
Reste  aus  dem  alten  Altinum  und  die  gefundenen  Alterthümer  aus  den  ältesten  An- 


sicdelungen  an  den  LagUDen-Insetn  zu  sttidireD,  habe  ich  am  1$.  Oktober  eioe 
interessante  Eütdeckuog  gemacht,  wovon  ich  sofort  der  Gesellschaft  einen  Bericht 
uoterbreite'). 

Iq  dem  eiueo  Schrank  wurde  ich  auf  eine  bronzene  Lanzenspitze  von  oii- 
gewiihnlicher  Form  und  Grosse  aufmerksam j  da  der  Cnstode  zugleich  sagte,  dass 
sie  eine  „etruskische  Inschrift**  trage,  habe  ich  das  Stück  einer  genaueren  Unter- 
suchung unterworfen.  Beim  ersten  Anblick  der  HiickäPite.  rait  der  Triskele  und  dem 
HakenkreuZj  wurde  ich  an  die  Rutienspeere  von  Müneheberg  und  Kowel  erinnert; 
als  ich  die  andere  Seite  za  sehen  bekam,  erkannte  ich  sofort,  dass  die  Inschrift 
keine  etruskische  sei,  sondern  akgertwaniscbe  Runen  darstelle. 

Die  Form  dieser  bronzenen  LaoÄeaspit/e  ist  von  den  Typen  der  Bronzezeit, 
wie  auch  von  den  Formen  der  griech^scheD  und  etru&kischen  Bronzelanzen  absolut 
verschieden;  aus  der  VrdkerwaDderungszeil  jeiioch  kennen  wir  diese  Form  mit  dem 
flachenj  breiten,  scliwach  dachförmigen  Blatt  als  eioe  charakteristische.  Aber  stets 
sonst  in  Eisen;  bei  diesem  Exemplar  in  Bronze  raiJssen  wir  an  die  glänzende  Aus- 
rüstung eines  Häuptlings  oder  an  ein  sacrales  Stück  denken* 

Glücklicherweisn  war  mit  mir  mein  Freund,  der  dänische  Architekturmaler 
J.  T.  Hansen,  dvT  sofort  die  nöthigen  Skizzen  und  Meeisungen  vornehmen  konnte, 
wonach  er  mir  die  beigelegte  schöne  Zeichnung  (Taf.  IX,  halbe  Grosse)  ausgeführt  hat. 

Die  Speerspitze  ist  41,5  cm.  lang,  wovon  die  Dülle  l'I^b  cm  einnimmt;  die 
grosste  Breite  des  Blattes  beträgt  lOjH  cw,  die  Dülle  misst  A  cm  im  Durchmesser. 
Die  Rundung  der  Dülle  verliert  sich  fast  sofort  im  Blatt,  Weiter  wird  die  Mittel ünie 
des  Blattes  als  ein  flacher  Dachrücken  erkennbar;  sonst  ist  das  Blatt  ganz  flach, 
aber  ziemlich  dick  und  kräftig.  Die  Dülle  hat  unten  zwei  Löcher  und  ist  mit  ein- 
gravirten  Linien  verziert;  wo  das  Blatt  anfangt^  ist  ein  V-formiges  Zeichen  gravirt, 
die  Bnden  der  Linien  sind  mit  Punkten  raarkirt.  Diese  Decoration  ist  an  heiden 
Seiten  identisch. 

Wo  das  Blatt  am  breitesten  ist,  finden  sich  an  beiden  Seiten  Zeichen  und  zwar 
zu  beiden  Seiten  der  Mittellinie,  Auf  Aer  Vorderseite  sind  es  links  5  Runenzeichen 
zwischen  einem  kleinen  Kreis  und  einem  langgestreckten  Bogen,  rechts  eio  Symbol^ 
das  wohl  als  der  klassischen  Darstellung  von  Jupiters  Donnerkeil  entnommen  be- 
trachtet werden  darf.  Auf  der  Rückseite  sieht  man  links  einen  grossen  Bogen,  mit 
je  drei  Halbkreiaen  an  den  Enden,  rechts  die  Triskele  und  die  Crux  aus  ata,  beide 
mit  3  Sternchen  an  den  Enden  der  Liaieo.  Die  Runen,  wie  die  übrigen  Zeichen 
und  Symbole,  werden  gebildet  von  kleinen  Sternen  und  Kreisen,  die  zwischen  gra- 
virten  Linien  tief  und  scharf  eingesiempelt  sind.  Die  Erhaltung  des  Stückes  ist 
eine  vorzügliche,  nur  die  äusserste  Spitze  ist  ein  klein  wenig  verbogen;  die  Figuren 
aber  stehen    alle  scharf   und  deutlich;    nirgends  ist  etwas  zweifelhaft 

Die  Besprechung  der  Inschrift  überlasse  ich  ganz  dem  Runologen  und  Ger- 
manisten vom  Fach;  auch  über  die  Zu^amnienstellung  und  Bedeutung  der  sym- 
bolischen Zeichen   werde  ich  keine  weitere  Auseinandersetzung  versuchen. 

Als  ich  nach  Venedig  zurückgekommen  war,  fuhr  ich  sofort  zum  Hrn,  Batta- 
glini,  dem  Director  und  Maecen  des  kleinen  Museums  in  Torcello,  und  von  ihm 
habe  ich  über  das  interessante  Stück  Folgendes  erfahren; 

Er  wurde  auf   diese  Lunzenspitze  etwa    im  Februar  1883  in  dem  Hanse  eines 


1)  Dam  Direktor  des  Museums  in  Torcello,  Hrn*  Cavaliere  Nicole  Battaglini,  Conaol  ffir 
Chile  in  Venedig,  bin  ich  lu  besonderem  Dank  verpflicbtet  Für  die  Auskünfte  über  Herkunft 
des  betreffenden  Objectes  und  für  die  Bereitwilligkeit,  womit  er  mir  die  Verüffeutlictong  ge- 
stattete. 


(522) 

Bauern  in  Torcello  aufmerksam^  als  er  einen  Knaben  damit  spielen  sah.  Mit  einer 
kurzen  Handhabe  versehen,  diente  die  Lanzenspitze  dort  als  Feuerscfaaufel  am 
Heerde;  mindestens  ein  Menschenalter  hindurch  sei  das  Stück  in  diesem  Bauern- 
hause so  benutzt  worden.  Hr.  Battaglini  hat  die  Brouzelanze  sofort  um  25  Francs 
für  das  Museum  in  Torcello  erworben;  über  die  Inschrift  habe  er  nach  Rom  ge- 
schrieben, Ton  wo  ihm  mitgotheilt  wurde,  dass  dieselbe  etruskiscb  sei.  Ueber 
die  Herkunft  des  Stückes  konnte  der  Bauer  nichts  sagen;  ^es  war  immer  im  Hause 
als  Feuerschaufel  gewesen,  mindestens  seit  seiner  Kindheit.*^ 

Wahrscheinlich  ist  diese  Lanzenspitze  in  früherer  Zeit  dort  ausgegraben;  ich 
kann  hinzufügen,  dass  die  Spuren  der  ursprünglichen  Patina,  soweit  sie  nock, 
namentlich  an  der  Handhabe,  erkennbar  sind,  entschieden  auf  Fund  im  Moorboden 
deuten.  Es  bleibt  zu  erwähnen,  dass  die  Einwohner  von  Torcello  auch  Tielfach 
nach  dem  nahen  Festlande  zu  Erdarbeiten  hinüberfahren;  es  ist  daher  auch  wohl 
möglich,  dass  unser  Runenspeer  auf  dem  gegenüberliegenden  Festlande  ausgegraben 
worden  ist  und  nicht  auf  der  Lagunen-Insel. 

Besonderes  Interesse  bietet  dieser  Runenspeer  (gothisch?  longobardisch?)  dar 
als  das  erste  bekannt  gewordene  Runendenkmal  der  Germanen* in  Italien.  — 


Hr.  Prof.  Henning  in  Strassburg,  an  den  Hr.  Undset  zunächst  seinen  Be- 
richt nebst  Zeichnung  gesendet  hatte,  äussert  sich  darüber  unter  dem  4.  NoTember 
folgendermaassen : 

Die  Aehnlichkeit  der  Lanzenspitze  von  Torcello  mit  der  1866  bei  Munche- 
berg  gefundenen  ist  eine  sehr  frappirende.  Verschieden  an  beiden  ist  nur  das 
Material,  die  Grosse  und  Form,  sowie  im  Einzelnen  die  Technik;  völlig  eotsprechend 
dagegen  und  meist  identisch  sind  das  ganze  Arrangement  der  Verzierung,  fast  alle 
einzelnen  Ornamente,  sowie  endlich  die  Runeninschrift  selber. 

Ueber  die  letztere  fuge  ich  auf  Undset*s  Wunsch  noch  einige  Erläuterungen  hinzu. 
Sie  ist  ebenso  von  rechts  nach  links  zu  lesen,  wie  die  Müncheberger.  Beide  werden 
eingeschlossen  rechts  durch  einen  Kreis,  links  durch   einen  langgestreckten  Bogen. 

Der  erste  Buchstabe  soll  klärlich  dasselbe  alterthümliche  R  sein,  wie  auf  der 
Müncheberger  Spitze.  Sehr  auffallend  bleibt  jedoch,  dass  von  dem  Hauptstab  nur 
das  obere  Drittel  vorhanden  ist,  während  derselbe  nothwendiger  Weise  bis  unten 
hin  hätte  gefuhrt  werden  müssen.  Da  nun  Ondset  ausdrücklich  hervorhebt,  dass 
alle  Figuren  scharf  und  deutlich  dastehen  und  nirgend  etwas  zweifelhaft  sei,  so 
müssen  wir  uns  schon  nach  einer  besonderen  Erklärung  umsehen.  Denn  an  eine 
innerhalb  der  Runenschrift  mögliche  Variante  kann  nicht  gut  gedacht  werden,  weil 
in  ihr  niemals  der  Hauptstab,  höchstens  die  Seitenastc  eines  Zeichens  reducirt 
werden.  Adi  nächsten  liegt  deshalb  wohl  die  Annahme,  dass  der  untere  Lauf  des 
Striches  bereits  auf  dem  Original,  welches  der  südländische  Künstler  hier  repro- 
ducirte,  durch  eine  Beschädigung  undeutlich  geworden  oder  verschwunden  war. 

Eine  wirkliche  Variaute  bietet  dagegen  die  zweite  Rune.  So  wie  sie  dasteht, 
ist  sie  ein  völlig  sicheres  N,  während  wir  auf  der  Müncheberger  Spitze  ein  A  vor- 
finden. Alle  übrigen  Zeichen  sind  identisch:  das  dritte  ist  hier  wie  dort  dasselbe 
N,  bei  dem  auch  der  Querbalken  jedes  Mal  in  gleicher  Richtung  steht;  das  vierte 
ist  dieselbe  Ing-Rune,  deren  beide  Bogen  sich  nur  auf  unserem  Denkmal  berühren; 
das  fünfte  endlich  ist  dasselbe  A,  nur  dass  hier  die  Seitenäste  nicht  schräge,  sondern 
gerade  laufen. 

Wenn  wir  nun  für  die  dritte  Rune,  welche  meistens  den  Lautwerth  von  NG 
besitzt,  deren  ganzen  Namen  ING  einsetzen,  was  auch  auf  der  Müncheberger  Spitze 


(523) 

tioth wendig  ist,  so  erhallen  wir  die  LesuDg  BNNINGA.  RNN  ist  aber  eine  gnuz 
unmcigliche  Lautgruppe,  welche  Dimraermehr  richtig  sein  kuun,  und  wir  werden 
deshalb  fast  mit  Notbwendigkeit  zu  df*r  Annahme  geführt,  dass  auf  unserem  Speere 
das  N  ani  zweiter  Stelle  nur  fehlerhaft  für  das  richtige  A  der  Milncheberger  Spitze 
steht,  vermuthlich,  weil  wiederum  auf  dem  Original  der  obere  Theil  dieser  Rune 
et>enso  beschädigt  und  unken ntlit-h  geworden  war,  wie  der  Hanptstab  der  ersten. 
I)ie  Inschrift  sollte  zweifellos  auch  hier  EANINGA  lauten. 

Dies  i»t  aber  sicher  ein  Kigenname,  der  io  den  Urkunden  der  späteren  Jahrhunderte 
noch  mehrfach  als  Ran  io  gas,  Raningus  elc,  nacliiu  weisen  ist,  was  an  anderer  Stelle 
auszuführen  sein  wird.  Schwanken  kann  man  aber,  ob  es  der  Nominativ  Pluralis 
(als  liezeichnung  des  ganzen  Geschlechtes)  ist,  oder,  was  weniger  wahrscheinlich» 
die  schwache  Form  des  Nom.  Siag.  neben  der  regulären  starken  Form  Raning. 

Der  etymologische  Sinn  des  Namens  ist  ein  sehr  auszeichnender  und  kriege- 
rischer. An  die  nordische  Göttin  Ran  (aus  Rahaoa  contraliirt)  kann  schon  daiuai 
nicht  gedacht  werdeUj  weil  das  a  Ja  den  deutschen  Namen  immer  kurz  ist.  Viel- 
mehr ist  Raning  eine  patronymi&che  Ableitung  von  Rano^  dessen  ursprüngliche 
Bedeutung  uns  die  altnordische  Sprache  erhalten  hat^  in  ihr  bezeichnet  rani 
den  Schnabel  der  alten  keilförmigen  Schlachtordnung,  welche  nach  dem  spitzeu 
Eberkopf  svinfylking  zu  benannt  wurde.  Hier  an  der  Spitze  der  Schlachtordnung 
war  aber  nach  feststehenden  Nachrichten  der  Platz  der  EdeJinge  und  Anführer, 
denen  dann,  geschlechterweise  geordnet,  die  übrigen  Krieger  folgten,  und  so 
konnten  die  vorn  stehenden  wrdd  „Raninge"  genannt  werden,  ebenso  gut  wie  etwa 
von  her  „das  Heer^  die  Scbaar"',  der  Her i Dg  als  derjenige,  der  in  einer  grossen 
Schaar  sich  auf^u halten  pflegt. 

In  den  Zijgen  der  Völkerwanderung  louss  ein  Mitglied  dieses  alten  semnoni- 
sehen  Geschlechtes  von  Müncheberg  an  den  Golf  von  Venedig  gekommen  sein,  wir 
wissen  nicht^  bei  welcher  Gelegenheit  und  mit  welchen  Geehrten,  Aber  er  be^ 
wahrte  noch  treu  die  alten  Traditionen  seines  Geschlechtes,  wenn  er  sich  hier  ein 
ganz  ähnliches  Schmuckstück  anfertigen  Hess,  wie  es  einst  seine  Vorfahren  im 
Norden  besessen.  Es  macht  in  der  That  ganz  den  Eindruck  eines  Familien wappens; 
von  all  den  merkwürdigen  Ornamenten  kehrt  nur  ein  einziges  nicht  wieder,  —  die 
Peitsche^  vermuthjich,  weil  daa  in  der  alten  suebischen  Heimath  noch  lebenskräftige 
Symbol  hier  itu  Süden  nicht  mehr  seine  volle  Bedeutung  bewahren  konnte.  — 

Hr.  Virchow:  Es  ist  mir  in  der  Zwischenzeit  noch  ein  Brief  des  Herrn 
ündset  aus  Venedigs  S.  November  zugegangen,  der  mich  beatiinmt  halte,  die 
Mittheilung  zurückzuhalten.  Hr  ündset  schreibt,  dass  ihm,  nachdem  er  die  bei- 
nahe völlige  üebereinstimmung  der  Inschrift  mit  der  Möncheberger  erfahren,  Zweifel 
aufgestiegf  a  seien,  ob  es  sich  nicht  doch  mii  gl  ich  erweise  um  eine  moderne  Nach- 
bildung bandeln  könne.  Inzwischen  scheint  mir  aus  der  Geaainmtheit  der  vor- 
liegenden Thatsachen  hervorzugehen,  dass  nur  eine  ganz  absiclitliche  Fälschung 
möglich  sein  konnte;  gegen  die  Annahme  einer  solchen  sprechen  Jedoch  so  viele 
innere  und  äussere  Gründe^  die  ich  aus  Achtung  vor  den  betheiligten  Personen 
nicht  erat  auseinandersetzen  will,  dass  ich  mich  entschlossen  habe,  die  öffentliche 
Mittheilung  auf  meine  Verantwortung  zu  wagen.  — 

Hr.  Voss:  Zu  dem  Triquetrum  auf  der  Muncheberger  Lanienspitze,  abgebildet 
bei  Linden  seh  mit,  Handbuch  der  deutschen  Alteithumskunde  188(1  u.  Katalog 
der  präh.  Ausstellung  1880,  Supplem.  S,  11,  möchte  ich  mir  die  Bemerkung  er- 
lauben^   dass    an    deoa    sehr    reich    mit  Bronze    beschlagenen  Wagen,    welcher    vor 


(524) 

w«sieeii  Jahren  in  Dinemark  io  etDem  TorfiBOor  gelonden  wurde  aad  mth  jetzt  üb 
liiii«etim  zo  Kof>eDbaeeii  beladet,  ein  noch  etwa«  fchwiiBgroÜer  aaBcdahitcs  Tri- 
qvetnuD.  ebenfalU  mit  j<(  3  Panktea  an  dem  Ende  der  eimelneB  Sdieikkel  Tefxiot, 
aof  einem  BroaxebescUag^töck  des  Wagecs  eiograTirt  ist.  Es  ist  vokl  anzaBckmeB, 
dau  b^ide  Zeichen  dieselbe  sjmboüsehe  BedeoCnng  haben. 

(11^  Hr.  W.  Schwarcx  leiicfatet  aber  einige  kulturhistorische  Beobüdhtnikges, 
welche  er  t^I  seinem  letzten  Sommeraatenthalt  in  Friedriclksroda  gemacht.  Während 
er  in  früheren  Jahren  in  Flinsbcrg  den  sogen,  krklopischen  Stein  bau  in  seinen 
primitiTsten  Formen  habe  stadieren  können  *).  sei  ihm  diesmal  in  dem  tannenreicben 
Tböringen  eine  Tolksthumlicbe.  aber  höchst  ectwickeite  Uoizbaakanst  entgegen- 
getreten, deren  Formenreichtum  in  den  Verzierungen  ihn  besonder»  interea&irt  habe. 
Sei  diese  Verschiedenheit  durch  die  lokalen  Verhaltniscse  bedingt,  so  xeige  sich  in 
beiden  Fällen  andrerseits,  wie  eben  durch  die  betr.  Be»Jicgungea  und  des  Lebens 
NothTerhältnisse  innerhalb  derselben  sich  menschliche  Kunstfertigkeit  ganz  nator- 
gemäss  mit  der  Zeit  in  einer  gewissen  Vollendung  mit  dem  Torhandesen  Mmterinl 
entwickle,  —  ein  Moment,  welches  auch  bei  der  Frage  über  die  Bearbeitung  d^  He- 
talle  mehr,  als  gewöhnlich  geschähe,  berücksichtigt  werden  sollte. 

Speciell  habe  ihn  dann  noch  die 'Art  äes  Steinklopfens  für  die  Chausseen 
intereasirt,  welche  dort  stehend  verrichtet  werde,  während  in  der  Marie  die  Stein- 
klopfer dabei  gewöhnlich  knieten.  Hätten  diese  dann  einen  kurzen  gewöhnlichen 
Hammer,  so  gebrauche  man  dort  einen  über  ein  Meter  langen  mit  einem  eisernen 
Schlägel  in  Form  der  alten  prähistorischen  Steinhammer  ron  9  cn  Länge,  mit 
dem  Bohrloch  in  der  Mitte  und  einem  Stiel  Ton  einer  jungen  frischen  Tnnne. 
Der  Hammer  werde,  wie  man  beim  Mähen  die  Sense  fasse,  mit  beiden  Händen  ge- 
fasst  und  dabei  eine  auffallende  Gewandtheit  und  Sicherheit  beim  Schlagen  ent- 
wickelt. Hr.  Schwartz  legte  ein  solches  Exemplar  Tor.  und  wies  auf  die  eigen- 
thümliche,  einfache  Befestigung  des  Schlägels  durch  ein  paar  kleine  Holzkeile,  die 
oben  in  den  Stiel  hineingetrieben  sied,  hin,  sowie  auch  auch  auf  die  Schwungkraü, 
welche  die  frische,  zähe  Tanne  gebe,  die  allerdines  nach  Angabe  eines  Arbeiters 
nur  etwa  8  Wochen  Torbalte.  Dächte  man  sich  übrigens  einen  derartigen  Stiel 
bei  einem  prähistorischen  Steinhamuier  und  diesen  dann  al<§  Waffe  benutzt,  so  wäre 
es  eine  höchst  gefahrliche,  zwischen  Hammer  und  Schleuder  zwiscbeninne  stehende. 

(12)    Hr.  Max  Bartels  zeigt 

mstsdK  Ostereier. 

Das  Osterfest  ist  bekanntlich  das  h''.chste  Fest  der  Russen  und  hierbei  spielen 
die  Ostereier  eine  viel  grüisere  Kölle  als  tei  uns.  Ich  Uii-  Ihnen  hier  einige  Oster- 
eier vor.  welche  mir  mein  Bruier  Fritz  Barteis.  iaaiwirthschattlicher  Administrator 
der  Herrschaft  Kowalowka  bei  Nemirow  ia  Podolien  zusrsobickt  hat.  Sie  sind 
von  den  dortigen  Tagelöhnern  gearbeitet  worden.  Die  Herstellung  dieser  Ostereier 
wird  mir  von  meiner  Schwägerin  als  sehr  schwierig  l»ezeicbnet.  Mit  Hülfe  einer 
feinen  Blechröhre  werden  mit  geschmolzenem  Wachs  aus  freier  Hand  diejenigen 
Ornamente  aufgezeichnet,  weiche  weiss  bleiben  seilen.  Darauf  wird  das  Ei  (es 
handeil  sieb  um  natürliche  Hühnereier^  röth  gefart.  Nun  werden  wieder  die  Partien 
in  derselben  Weise  mit  flüssigem  Wachs  üt»erzogen,  welche  man  roth  zu  behalten 
wünscht,    und  darauf  wird  das  Ei  schwarz  gefärbt.     Nachdem   das  Wachs    entfernt 


1^    Vergl.  bchwartz,  Prähbt.  Studien  1SS3  S.  360  ff. 


(525) 

ist,  bat  man  auf  achwarzem  Grunde  rothe  und  weisse  Verzierungen;  auch  gelbe 
kommen  noch  bis  weilen  vor.  Ich  lege  Ihnen  diesB  Dir>ge  vor  als  eioen  erneuten 
ßeweii,  dass  eine  im  Ganzen  doch  auf  ziemlich  oiederer  CuUurstafe  stehende 
Bevölkerung  dennoch  eine  grosse  Fertigkeit  und  ein  hervorragendes  Geschick  in 
der  Erfindung  sowohl,  als  auch  in  der  Ausführung  geschinackvolh^r  OrnameDte  be- 
sitzen kann.     Eines  der  Eier  zeigt  ganz  deutlich  das  Hakenkreuz.^) 

(13)  Hr  Capt.  Jacobseo  berichtet,  unter  Vorlegung  ethnologischer  Gegen- 
stände, über  seine 

Reise  nach  der  Nord  Westküste  von  Amerika. 

Mit  dem  Berliner  Hilfd-Cnniite  für  Vermehrnnp  der  ethnologischen  Sammlungen 
der  Königlichen  Museen  in  Berlin  schloss  ich  am  27.  »Tuli  1881  einen  Vertrag, 
worin  ich  mich  verpflichtete,  die  mir  Ton  der  Verwaltung  der  Ethnologischeu  Ab- 
theilung der  Königlichen  Museen  angewiesenen  Reisen  behufs  Sammlung  von  f;thno- 
logischen  Gegenständen  mit  den  mir  vom  Hilfs-Comite  zur  Verfügung  gestellten 
Mitteln  zu  unternehmen. 

Als  mein  eestes  Reiseziel  wurde  mir  von  der  Verwaltung  der  ethnologischen 
AbtheiluDg  die  Nordwestknste  Amerika^s  bezeichnet  Ich  begab  mich  Ausgangs 
Juli  1881  nach  Hi»mburg,  um  mich  daselbst  mit  dem  Dampfer  Austria  am  3 L  Juli 
nach  New-York  eioKuschiffen,  welches  ich  nach  einer  ITtiigigen  Fuhrt  am  17.  August 
erreichte,  fuhr  mit  der  Facüic-Bahn  nach  San  Francisco  und  traf  hier  am  26.  August 
ein.  Am  30.  August  schiffte  ich  mich  mit  dem  Dampfer  Dacota  iiai  h  Victoria 
(Vancouver  Island)  ein  und  erreichte  diesen  Ort  am  2,  September.  Meine  Absicht, 
mit  einem  Judianer-Canoe  nach  Queen  Charlotte  Island  zu  gehen,  wurde  dadurch 
vereitelt,  dass  augenblicklich  keine  derartige  Gelegenheit  vorhanden  war,  K*b  nahm 
daher  Veranlassungj  die  Indianer- Reservaiion  bei  Sonieh  zu  besuchen.  Ks  existiren 
hier  nicht  viele  elhn<dogische  Gegenstände  von  Werth,  uud  konnte  ich  sonach  nur 
einige  Kleinigkeiten  erwerben.  Nach  meiner  Rückkehr  nach  Victoria  bot  sich  mir 
Gelegenheit,  von  einem  lodianerstauime  der  Westküste  Vancouvers  einige  Sachen, 
meißtentheils  Flechtwerk,  wie  Körbe  und  kleinere  Hau&genlthf?  aü  kaufen.  Am 
Soonabendj  den  10.  September,  glückte  es  mir,  mit  einem  alten  Dampfer^  der  Hud- 
son Bay  Cie.  gehörig,  die  Oslköste  von  Vaocouver  hinaufzugehen.  Wir  legten  am 
l  L  in  Departure  Bay  au,  wo  Kohlen  eingenommen  wurden,  und  fuhren  dann  weiter 
bis  Alert-Bay.  Unter  den  daselbst  wohnenden  Nimpis-indianern  acfjuirirte  ich 
verschiedene  Gegenstände,  als  Masken,  ein  hölzernes  Götzenbilds  Tanz-  (Ceremouien-) 
Ratteln,  sowie  auch  allerlei  Hausgeratbe  aus.  Holz  und  Flechtwerk.  Am  13.  Septbr. 
langten  wir  in  Bella-Bella  an,  wo  besonders  hübsche  hölzerne  Schnitzereien  an- 
gefertigt werden.  Es  gelang  mir,  u.  a.  Tanzmaakeu  und  einen  sehr  seltenen 
Hänptlings-Ceremonienstab  zu  erwerben»  ich  machte  ausserdem  noch  Bestellungen 
auf  ein  Canoe  und  auf  einen  Hänptlingsthroa,  bekam  auch  einige  Musik-Inatrumente 
zu  kaufen.    Am  selben  Tage  (13.)  legten  wir  noch  bei  einem  Indianerdorfe  an,  von 


1)  Njich  der  Sitzung  machte  mith  Hr.  Dr.  Ja  gor  tiaranf  aufmerttsam,  diisa  er  ähnliche 
Eier  aus  Euiuänien  mitgebracht  habe.  Ur.  ^iutenis  bal  sokhe  Bier  in  Griechenland, 
Hr.  Prüf.  Ascherson  und  Hr.  v,  8chul«?üburR  haben  ähnlicliw  in  der  Wendei  angetroffen. 
Hr.  Jagor  giebt  noch  an,  dasa  die  vornehmen  mu  1  ü  y  is-ciier»  Djimen  skh  eines  giiui  ähn- 
lichen Verfiihreua  der  Färbung  und  Ornameutirung  l'ei  d*Jr  Herstellung  ihrer  Kattungewaiider 
bedienen.  Er  hat  Pnjben  yoej  den  Yerssfhiedenen  Stadien  der  Hearbeitung  und  auch  ein 
kleines,  einer  Miniatur-Theekanne  ähnliches  üeräth  aus  Kupferblech  inilgebracbt,  mit  dessen 
Hälfe  die  Wachsornamonte  gezeichnet  vverden. 


(526) 

den  Weissen  Cbioamanshat  darum  genannt,  weil  der  in  der  Nähe  des  Dorfes  be- 
findliche Felsen  eine  grosse  Aehnlichkeit  mit  einem  chinesischen  Hot  hat.  Hier 
sah  ich  bei  einer  Hauptlingsfrau  den  grSssten  Lippenpflock,  den  ich  je  wahrgenommeo 
habe,  er  war  3  Zoll  lang  nnd  2  Zoll  breit.  Ich  erwarb  einige  dieser  Lippeopflöcke, 
sowie  einige  andere  Hausgerathe  ans  Holz. 

Am  14.  fuhren  wir  ohne  irgendwo  ansniegen  zwischen  einer  grossen  Afunhl 
dicht  bewaldeter  Inselgruppen  und  langten  um  10  Uhr  Abends  in  Fort  EssiiigtoD, 
am  Skinar  RiTer  gelegen,  an.  In  der  Umgegend  wohnen  die  Chimsian-Indiaoer, 
welche  den  Haida-Indianem  in  der  Verfertigung  von  Holzschnitzereien  gleich  stehen. 
Die  Chimsian-Indianer  bewohnen  folgende  Dörfer:  Fort  Essington,  MatlmcaÜa,  Fcftt 
Simpson  und  Kitkatla.  Wie  mir  mitgetfaeilt  wurde,  bewohnen  diese  Indianer  im 
Innern  noch  Terschiedene  andere  Dörfer,  die  ich  jedoch  nicht  besucht  habe,  lo 
Fort  Essington  machte  ich  durch  die  Hilfe  des  daselbst  wohnenden  Traders  Cunning» 
ham  verschiedene  gute  Einkäufe  an  Tanzmasken,  Tanztrachten,  einigen  Medizinmann- 
Verzierungen,  verschiedenen  Alterthümem  in  Stein,  alten  Aexten,  Measem  etc. 
Ich  hielt  mich  hier  bis  zum  19.  September  auf,  miethete  an  diesem  Tage  4  Chim- 
sian-Indianer  mit  einem  grossen  Canoe  und  landete  Abends  spät  in  Kitkatla.  Dort 
verbrachte  ich  den  ganzen  20.,  kaufte  verschiedelie  Tanzmasken  und  eine  alte  Streit- 
axt von  Knochen  mit  wunderbar  schönen  Schnitzereien.  Dieselbe  wurde  Tiele 
Generationen  hindurch  von  den  Besitzern  aufbewahrt 

Am  21.  fuhr  ich  von  Kitkatla  ab  und  besuchte  die  kleine  unbewohnte  Inael 
Bonilla,  wo  ich  durch  einen  starken  Sturm  4  Tage  lang  aufgehalten  wurde.  Am 
25.  Morgens  3  Uhr  gelang  es  mir  abzukommen  und  ich  erreichte  das  geradeober 
in  einer  Entfernung  von  50  engl.  Meilen  liegende  Queen  Charlotte  Island  bei  Cap 
Chroustscheff,  woselbst  ich  übernachtete.  Am  26.  machte  ich  in  Skidegate  Station 
und  besuchte  daselbst  das  erste  Haidadorf  Goldharbour,  wo  ich  verschiedene  Eink&ife 
machte.  In  Begleitung  eines  Indianers  als  Dolmetscher  ging  ich  mit  einem  kleinen, 
einer  Dil  Co.  gehörenden  Dampfer,  der  in  Skidegate  stationirt  und  auf  welchem 
ich  mein  Canoe  unterbrachte,  herunter  nach  Camchewas  Dorf,  von  da  am  28.  weiter 
nach  Skidans  und  langte  Abends  spat  in  Clou  an,  einem  der  grössten  Dörfer  auf  Queen 
Charlotte  Island.  Ich  machte  hier  verschiedene  Einkäufe  von  ethnologischen  Gegen- 
ständen, ging  am  29.  wieder  nach  Skidans  zurück,  erwarb  auch  hier  einige  Sachen 
und  ging  dann  nach  Camchewas  weiter,  woselbst  ich  am  30.  eintraf.  Am  1.  Oktober 
fuhr  ich  zurück  und  langte  Abends  wieder  in  Skidegate  au.  Ich  verblieb  hier  bis  zum 
4.  Oktober,  indem  ich  verschiedene  Gegenstände  einkaufte,  steinerne  und  silberne 
Schnitzereien,  hölzerne  Masken  und  Tanzschmucksacben.  Am  5.  traf  hier  der 
Hudson  Bay  Dampfer  Outter  an,  auf  dem  ich  mich  einschiffte  und  am  6.  Masset 
am  Dixon  Entrance  erreichte.  Hier  glückte  es  mir,  einen  grossen  Pfahl  und  einige 
andere  Sachen  einzukaufen. 

Wegen  der  vorgerückten  Jahreszeit  war  ich  genöthigt  umzukehren.  Wir  gingen 
von  Masset  am  7.  Oktober  nach  Fort  Simpson  und  Matlakatla,  am  8.  nach  Bella- 
Bella,  und  trafen  am  9.  in  Fort  Rupert  am  Nordenge  von  Yaucouver  Island  ein. 
Am  10.  charterte  ich  eine  kleine  Sloup,  erhielt  einen  sehr  guten  Dolmetscher 
und  langte  am  11.  in  Noute  auf  üope  Island  an.  Hier  gelaug  es  mir,  von  den 
Hametza  (einer  Kaste  unter  den  Indianern,  die  noch  Kannibalen  sind)  sehr  seltene 
Masken,  Blanquets,  Hüte  aus  Cedernriode  und  Mäntel  zu  erwerben,  auch  Fisch-  und 
Jagdgeräthe.  Ich  segelte  noch  am  selben  Tage  (11.)  wieder  ab,  und  erreichte  am 
12.  Alert  Bay,  wo  ich  noch  einige  Einkäufe  machte.  Am  13.  kam  ich  in  Mameklika, 
auf  Knight  Island  gelegen,  an.  Hier  waren  bis  jetzt  noch  nie  Weisse  gewesen^ 
weshalb  es  mir  möglich  war.    viele  Einkäufe  zu  machen.     Am   14.   fuhr  ich  wieder 


(527) 

ab  und  langte  am  15.  im  Iiidiaiierdcrfe  Kweka  an,  wo  Ich  ebenfalls  etbnologiscbe 
Gt^gfnslaiidc  erwerben  konnte,  Eb  wurden  bier  gerade  grosse  Feste  gefeiert.  Am 
Uk  fuhr  ich  wieder  nach  Fort  Rupert  zurück  und  bliel*  hier  biß  zum  19.  Ich 
eügagirte  einen  andern  Dolmetscher,  ging  über  Land  nach  Quatsino  Sound  an 
der  Westküste  von  VancouTer,  besuchte  die  zwei  dort  gelegenen  Dorfer,  kaufte 
manche  seltene  Sachen  ein  und  langte  am  24*  wieder  in  Fort  Rupert  an.  Am 
31.  Octbr,  schiffte  ich  mich  auf  dem  Dampfer  Frincess  Louise  ein  und  erreichte 
Victoria  am  1.  November.  Ich  benutzte  meinen  Aufenthalt  hier,  um  die  bis  jetzt 
erworbeaen  Gegenstände  zu  verpacken  und  nach  Europa  zu  verschiffen. 

Meineo  früher  gefasgten  EotschlusSj  die  Westküste  von  Vancouver  Island  zu 
besuchen,  führte  ich  nunmehr  aus,  indem  ich  mich  am  11.  November  auf  einem 
kleinen  Schooner  einschiffte;  ich  langte  am  15.  in  Barclay  Sound  an.  Hier  besuchte 
ich  die  sämmtlicheu  Indiaaerdörfer,  ging  den  Älberni-Canal  hinauf  und  besichtigte 
diu  daselbst  befiüdliclien  zwei  Indianerdörfer.  In  Alberni  kauft*;  ich  eine  knöcherne 
Keule,  welche  ganz  den  Keulen  gleicht,  die  die  Maori  in  Neu- Seeland  benutzen. 
Am  2l,  fuhr  ich  von  Alberni- Ganal  ab,  besuchte  während  der  Fahrt  die  an  dem 
nördlichen  Dfer  gelegenen  Dorfer  und  langte  ara  24.  in  Clayoquot  Sound  an.  Hier 
war  es  sehr  schwicrtg,  wegen  der  herrsch  ende  u  Winteratürme  Mannschaften  zu 
engagiren.  Nachdem  mir  dies  endlich  im  Dorfe  Abauset  gelungen  war,  fuhr  ich 
nach  Hesquiat,  wo  ich  am  *2S,  eintraf,  machte  hier  verschiedene  Einkäufe,  engagirte 
neue  Mannschaft  und  langte  am  :i,  December  Abends  10  Dhr  in  Kynquot  Sound 
an.  Ich  tjesuchte  die  hier  gelegenen  6  Dörfer  und  begab  midi  am  7.  December 
auf  den  Rückweg  nach  Victoria.  Am  selben  Tage  erreichte  ich  Esperanza  Island, 
wo  mir  während  der  Nacht  die  ganze  Mannschaft  weglief.  Ich  war  hierdurch  ge- 
zwungen^ nach  dem  nächsten  Dorf  zu  gehen,  bekam  dort  am  IL  neue  Mannschaft, 
landete  Abeuds  spät  iu  Nootka  Sound  und  reiste  am  12.  wieder  ab.  Am  Nacli- 
mittage  überfiel  uns  ein  fürchterlicher  Sturm,  welcher  uns  beinahe  zur  See  abtrieb;  es 
gelang  ntiir  jedoch  nach  den  grossten  Anatrengungeo,  in  der  Nachl  am  E^^tevan  Pt. 
zu  landen  und  blieben  wir  hier  bis  zum  16,  liegen.  Im  Dorfe  Hesquiat,  wo  wir 
anlegten,  war  es  mir  unmöglich^  wegen  der  bereits  sehr  vorgerückten  Jahreszeit 
und  der  vielen  starken  Stürme  neue  Mannschaft  zu  engagiren.  Zu  meinem  Glijck 
langte  am  2S.  ein  Schooner  aus  Victoria  &n,  welcher  die  BeatimLuuug  hatte^  nach 
Kynquot  Sound  zu  segeln.  Der  Schooner  blieb  bis  zum  28.  in  Hesqiiiat  liegen. 
An  diesem  Tage  schiffte  ich  mich  ein  und  erreichte  Freudly  Cowe  am  Nootka  Sound. 
Hier  hat  Capitain  Mares  um  1776  einen  Handelsposten  errichtet,  1788  landete  hier 
Capitain  Cook.  Der  Capitain  des  Schooners,  mit  dem  ich  reiste,  legte  hier  einen 
Handelspostcn  an^  und  benutzte  ich  die  Gelegenheit,  nach  dem  Guaquina-Arm  zu 
reisen.  Ich  erreichte  diesen  Ort  noch  am  '28.  und  kam  am  31,  wieder  nach  Frendly 
Cowe  zurück.  Hier  blieb  ich  bis  zum  6.  Januar  1882,  segelte  dann  nach  Nuchatlitz 
Island,  wo  ich  am  7.  eiutraf,  nahm  ein  Indianer-Cano«,  fuhr  nach  Ehatteseth,  wo 
während  der  Nacht  von  den  Eingeborenen  ein  grosses  Fest,  verbunden  mit  Masken- 
tanz, gefeiert  wurde,  kaufte  viele  Sachen,  namentlich  Masken,  und  langte  am  8.  Januar 
wieder  an  Bord  des  Schooners  an.  Wir  lichteten  am  Mnutag  die  Anker  und  er- 
reichten noch  an  diesem  Tage  zum  zweiten  Male  Kynquot  Sound.  Am  12.  traten 
wir  die  Rückreise  nach  Victoria  an,  erreichten  am  14.  den  Barclay  S^mnd  und 
trafen  am  IS.  Jünuar  wieder  in  Victoria  ein.  Ich  blieb  hier  bis  zum  Februar» 
ordnete  und  verpackte  die  bis  jetzt  gewonnenen  Gegenstande  und  expedirte  die- 
selben mit  einem  Schiff  der  Hudson  ßay  Co.  nach  Europa. 

Da  ich  während  der  kalten  Jahreszeit  In  Vancouver  Island  nichts  unternehmen 
konnte,  so  hatte  ich    mir  vorgenommen,    während  der  Wintermonate    nach  Arizona 


(528) 

xa  gebco,  am  dort  za  nmmelo.  Ich  machte  mich  mm  1.  Februar  1882 
aof^  langte  hier  am  selben  Tage  an,  reiste  am  2.  Morgens  8  Chr  water  nadi 
Calama  and  traf  Abends  in  Portland,  Oregon  ein.  Ich  Terlieas  Portland  mm  4.  und 
erreichte  San  Francisco  am  7.  Hier  erhielt  ich  Ton  Europa  aas  DepeeheB  des 
Inhalts,  mich  wiederaro  nach  VancooTer  Ulaod  so  begeben.  Ich  schiffte  micfa  deakalb 
am  20.  auf  einem  Dampfer  ein  und  langte  am  23.  wieder  in  Yictoria  an.  Hier 
war  ich  bis  zam  1.  März  mit  den  Reiserorbereitangen  beschäftigt  An  dieaem  Tage 
ging  ich  nach  Fort  Rupert  ab,  wo  ich  am  3.  Morgens  eintrat  Ich  miethet«  hier  eine 
Sloap  mit  Mannschaft,  um  nach  Quatsino  Sound,  Westküste,  au  segeln.  Am  8.  fbhr  ich 
Ton  Fort  Rupert  fort,  langte  am  ^.  in  Hope  Island  an  und  erreichte  Quatsino  Sound 
am  11.  März.  Ich  machte  hier  bis  zum  1.  April  Sammlungen,  und  erreichte  am 
4.  wieder  Fort  Rupert,  Terpackte  hier  die  eingekauften  Sachen  und  kehrte  mit  den- 
selben am  15.  nach  Victoria  zurück,  wo  ich  am  17.  wieder  eintraf.  Mein  Aufenthalt 
hier  währte  bis  zum  2.  Mai,  während  welcher  Zeit  ich  die  sämmtlichen  Sachen  nadi 
Europa  expedirte. 

Am  2.  Mai  begab  ich  mich  mit  einem  Dampfer  nach  Cu wichen,  engagirte  hier 
Indianer,  ging  den  Golf  of  Georgia  hinauf,  besuchte  die  grösseren  IndianerdMer 
und  legte  am  6.  in  Nanaimo  an,  Terliess  diesen  Ort  am  9.  und  erreichte  mm  10. 
Abends  Cap  Comux.  Ich  besuchte  sowohl  hier  wie  in  Bute  Island,  wohin  ich  am 
12.  abreiste,  mehrere  Indiaoerdörfer,  eines  derselben  auf  Malaspina  Island.  Aof  dem 
Rückweg  fuhr  ich  die  Küste  heruoter  bis  zum  Howe  Sound,  setzte  hinül>er  nach 
Nanaimo  und  fuhr  von  dort  zurück  nach  Victoria,  wo  ich  am  17.  wieder  eintraf. 
Die  Indianer  in  Terschiedenen  Gegenden  am  Georgia  Golf  sind  bereits  soweit  Ton 
der  Kultur  beleckt,  dass  ich  nur  wenige  Altcrtbümer  sammeln  konnte. 

Während  meiner  Abwesenheit  von  Victoria  waren  aus  Europa  Depechen  für  mich 
eingetroffen,  die  mich  beorderten,  sofort  nach  Nord-Alaska  zu  gehen.  Ich  l>eootste 
die  Zeit  meines  Aufenthalts  hier,  um  die  gesammelten  Gegenstände  zu  ordnen,  zu 
▼erpacken  und  nach  Europa  zu  verschiffen,  fuhr  dann,  da  es  von  Victoria  aus  keine 
Gelegenheit  nach  Nord-Alaska  giebt,  am  20.  Mai  nach  San  Francisco,  woselbst  ich  am 
23.  eintraf.  Leider  musste  ich  hier  bis  zum  13.  Juni  warten,  ehe  ein  Schiff  die  Reise 
nach  St  Michael  antrat,  begab  mich  dann  an  diesem  Tage  an  Bord  eines  Schooners, 
langte  am  Sonntag  den  16.  Juli  in  Cnalaska  ao,  ging  am  18.  weiter  und  traf  in 
St  Michael  am  25.  Juli  ein.  Hier  kaufte  ich  ein  grosses  Eskimoboot,  ein  sogenanntes 
Umiak,  verliess  St.  Michael  am  3.  August  und  erreichte  am  5.  die  Mündung  des  Yukon 
River.  Ich  fuhr  nunmehr  diesen  Fluss  ununterbrochen  etwa  900  engl.  Meilen  weit 
bis  zur  Mündung  des  Tannana  River  hinauf  und  langte  daselbst  am  27.  ao,  machte 
die  nöthigen  Vorbereitungen,  den  Fluss  entlang  wieder  zurückzukehren  und  begann 
die  Rückreise  bereits  am  29.  Nun  besuchte  ich  sämmtliche  Dorfer  bis  zur  Mündung 
des  Yukoo  River,  sammelte  viele  prähistorische  Gegenstände  sowohl  in  Stein  wie 
in  Mammuthknochen  und  erwarb  auch  ein  Paar  Mumien  und  Köpfe.  Ich  muss 
hierbei  erwähnen,  dass  die  Bewohner  de«  unteren  Yukon,  welche  zum  Eskimostamme 
gehören,  sehr  schöne  Tanzmasken  besitzen,  von  denen  ich  viele  acquirirte.  Leider 
hatte  ich  das  Unglück,  dass  mir  zweimal  mein  Boot  infolge  von  heftigen  Stürmen 
mit  Wasser  angefüllt  wurde,  wodurch  ich  viele  Sachen  verlor,  u.  a.  meinen  Revolver 
und  mein  Rifle.  Am  19.  September  traf  ich  wieder  in  St.  Michael  ein,  trocknete, 
ordnete  und  verpackte  die  erworbenen  Sachen,  womit  ich  bis  zum  10.  Oktober 
fertig  wurde,    und  übergab  dieselben  dann    der  Alaska  Co.    zur  Weiterbeforderung. 

Meine  Absicht  war  jetzt,  von  St.  Michael  aus  nach  dem  Norden  vorzudringen. 
Ich  versah  mich  mit  allem  Nöthigen,  kaufte  Hunde  uud  Schlitten  und  trat  meine 
Reise  am  15.  Oktober  an.     Ich  ging  fortwährend  die  Küste  entlang  bis  zur  Norton 


(529) 


Bay,  wo  ich  eine  Station  an  fegte.  Das  Wetter  wurde  jetzt  dermaassen  ungünstig, 
es  fiel  in  grossen  Maaseo  Schnee,  der  nicht  trocken  war,  dass  es  mir  rein  uuniogiiich 
wurde,  weiter  nordwärts  vorzudringen.  Ich  y ersuchte  deshalb  nach  Weaten  vorwärts- 
zukommen und  rüstete  zu  dem  Zweck  eine  Expediti«*n  aus  nber  die  Golownin  Bay 
nach  Cap  Prince  of  Wales.  Ich  verliess  Norton  Bay  am  16.  November  und  folgte 
der  Küste  bis  Newiarauartok.  Da  die  ßay  sich  hier  leider  vollständig  eisfrei  zeigte, 
so  war  ich  gezwungen,  njeinen  Weg  über  das  Gebirge  zu  nehmen.  Hier  entdeckte 
ich  in  ungefähr  64*^  15'  nord,  Br.  und  102^  30'  wesU,  U  eine  heisse  Quelle,  von 
der  mir  schon  vorher  die  Eskimo' a  erzählt  hatten,  welche  ich  Lake  Bastian  nannte. 
Nach  einer  höchst  rouhseJigen  4tiig»gen  Reise  über  das  Gebirge,  auf  welcher  uns 
u.  a.  auch  das  Futter  für  die  Hunde  ausging,  und  wfibrend  der  wir  uns  mit  wenigen 
getrockneten  Fischen  begnügen  raussten^  erreichten  wir  am  2L  Abends  völlig  er- 
schöpft Singrak.  Hier  haben  sich  fünf  Amerikaner  niedergelassen,  die  einige  von 
ihnen  entdeckte  Blei-  und  Silberminen  mit  Erfolg  ausbeuten.  Wir  wurdeo  von  den 
Besitzern  freundlich  aufgenommen  und  sehr  gut  verpflegt  Ich  machte  von  hier  aus 
einen  Abstecher  über  die  Golownin  Bay  nach  [guitok,  wo  gerade  ein  grosses  Fest  zur 
Erinnerung  an  die  im  abgelaufenen  Jahre  Verstorbenen  gefeiert  wurde,  welches 
5  Tage  andauerte  und  wobei  von  Seiten  der  Anverwandten  der  Verstorbenen  viele 
Geschenke  an  alle  Anwesenden  verabfolgt  wurden.  Hier  engagirte  ich  mir  einen 
guten  Führer  für  meine  Reise  nach  ('ap  Prince  of  Wales,  der  zufallig  dort  zu  Hause 
war,  uod  kehrte  am  24.  nach  Singrak  zurück.  Am  25.  früh  trat  ich  nun  die  Weiter- 
reise an,  traf  am  i6.  in  Kratlewik  ein  und  ging  bis  zum  L  December  über  das 
Gebirge,  Hierbei  b alten  wir  durch  die  grosse  Kalte  sehr  viel  zu  leiden.  Am 
1,  December  traf  ich  in  Kawiarsak  ein,  kaufte  von  den  dortigen  Einwohnern  ver- 
schiedene Curiosi tüten  und  setzte  die  Reise  am  4,  fort.  Wir  besuchten  mehrere 
Dörfer,  bis  wir  in  die  Nahe  von  Cap  Prince  of  Wales  anlaogten.  Leider  leigte  sich 
hier  kein  Eis,  so  dass  ich  ptirsönlicb  nicht  weiter  vordringen  konnte,  da  auch  das 
Gebirge  mit  den  Schlitten  unmöglich  zu  über  seh  reiten  war.  Ich  schickte  deshalb 
einen  Mann  ab^  um  für  mich  Gegenstände  zu  erwerben,  und^  nachdem  derselbe  am 
6.,  versehen  mit  verschiedenen  Sachen,  bei  mir  wieder  eingetroffen  war,  trat  ich 
meine  Rückreise  am  8.  Decbr,  an.  Ich  schlug  zurück  denselben  Weg  ein,  den  ich 
auf  meiner  Hinreise  genommen  hatte,  und  traf  am  18.  wieder  in  Singrak  ein,  wo- 
selbst ich  von  den  Amerikanern  wieder  sehr  gut  aufgenommen  und  aufs  Beste  ver- 
pflegt wurde,  was  mir  sehr  nöthig  war,  da  mich  die  höchst  beschwerliche  Reise, 
namentlich  der  grosse  Frost,  sehr  mitgenommen  hatten.  Nach  einem  4tägigen 
Aufenthalt  brach  ich  am  22.  Decbr.  mit  frischen  Kräften  wieder  auf,  um  nach 
Norton  ßay  zurückzukehren.  Auf  dieser  Tour  hatte  ich  das  Unglück,  dass  ich  mit 
dem  Schlitten  auf  dem  Eise  einbrach,  wobei  mir  leider  viele  Sachen  verloren  gingen. 
Am  26.  langte  ich  in  meiner  Station  in  Norton  Bay  an,  verblieb  hier  einige  Zeit, 
um  mir  und  den  Bunden  die  uns  nothige  Erholung  zu  gönnen,  und  machte  den 
Plan,  von  hier  aus  nach  dem  Kotzebue  Sound  vorzudringeo,  wo  noch  viele  Nephrit- 
steine vorhanden  sein  sollen. 

Ich  verliess  Norton  Bay  am  13.  Januar  1883,  fuhr  den  Koyuk -River  ungefähr 
30  Meilen  weit  hinauf,  ging  über  eine  Bergkette  und  entdeckte  einen  von  den 
Weissen  noch  nie  gesehenen  Fluss,  welcher  von  den  Eingeborenen  Unalitschok  ge- 
nannt wird,  und  der  in  den  Kangek-  (nicht  Kunguk-)  River  mündet.  Bis  zu  dieser 
Stelle  haben  wir  noch  Nadelhölzer  angetroffen.  Der  ganae  Landstrich  von  Norton- 
Bay  bis  xur  Mündung  des  Kangek  in  den  Kotzebue  Sound  ist  unbewohnbar  und  bis- 
her noch  von  keinem  Weissen  betreten  worden.  Wir  langten  an  der  Mündung  des 
Kangek  Hiver    am  29.  Januar  an,    setzten  am  1.  und  2    Februar  über  die  Hottam- 


(530) 


Halbinsel  und  erreicbti^D  deü  Sellawik  River  am  3.  Februar  Hif^r  bekatiieo  wir 
zum  ersten  Mal  eine  Menge  von  Fischen,  roeistenlheils  Häringe,  zum  Futter  für  die 
Hunde,  Wir  verweilten  3  Tage,  wäliread  deren  wir  s^ämmtlicbe  Dörfer  der  am 
Sellawik  River  wobnenden  E«ikimcj's  besuchten,  wobei  ich  liübi^cbe  Siicben  in  Nephrit, 
sowie  atjcb  undere  steinerne  Schmuckgegenatände  sammeke-  Am  H,  Februar  traten 
wir  UDsere  Rückreise  an  und  erreichten  undere  Station  an  dcT  Norton- Bay  ata  20,, 
gingen  um  22.  weiter  und  trafen  den  2ij.  in  St.  Mu^bael,  HandeUposten  der  Alaska 
Cooiraercird  Co.,  wieder  ein,  wo  ich  mich  wieder  unter  Weissen  befand.  Ich  hieJt 
mich  hier  bi»  zum  18.  März  auf  uud  beschäftigte  mich  während  dieser  Zeit  cnil 
dem  Ordnen  und  Verpacken  der  siimmtlichen  gesammelten  Gegenstände,  damit  die- 
selben mit  den  übrigeu,  schon  iai  Depot  befindlichen  mit  erster  Gelegenheit  nach 
Europa  geschickt    werden   kf>naten. 

Mein  nächster  Reiseplau  war  jetzt,  über  den  Yukoa,  Kuskoquim  und  Nushagek 
River  und  über  die  Halbinsel  von  Alaska  nach  Cook  Inlet  zu  gehen.  Ich  brach 
am  18.  Miirz  roit  3  Schlitten  auf,  erreichte  am  29.  Andriewsikoy  am  Yukon  River, 
wo  ich  mir  neue  Hunde  und  einen  anderen  Führer  nabm^  ging  am  Montag  deo 
2.  April  weiter  quer  über  die  Tundra  gegen  die  Weslküate  bei  C&p  Vancouver  »u 
und  traf  daselbst  am  5.  April  Abends  ein.  Die  Gegend  zwischen  dem  Yukon  und 
Kuskoquim  River  ist  von  Eskimo's  dicht  bevölkert^  uod  machte  ich  daselbst  Ein- 
käufe von  seltenen  Arbeiten  in  Stein  und  Knochen,  [ch  fand  hier  die  Angabe  des 
Reisenden  Nielsen  bestätigt,  wonach  der  Yukon  River  einen  Ausfluas  nach  der  ^ 
Vancouver  Bay  hat.  Vom  G.  ab  verfolgte  ich  die  Küste  von  Cap  Awinofif  bis  xur  H 
Mün<lüng  des  Kuskoquim  River,  ging  diesen  Fluss  an  seinem  linken  Ofer  150  Meilen 
weit  hinauf,  und  langte  am  15.  April  in  M^imtratlaremiiten  an,  wo  ich  meine  Leute 
vom  Yukon  River  ablohate,  und  neuo  engagirte^  auch  frische  Huode  nahm.  Ich 
hielt  mich  hier  'd  Tage  auf,  verpackte  die  gesammelten  Sachen,  trat  am  18  die 
Rückreise  auf  dem  rechten  Ufer  an  und  erreichte  das  Dorf  Kwinaekoarremuten 
am  20.  April.  Da  das  Eis  an  der  Küste  bereits  aufgebrochen  war,  so  musate  ich 
meinen  Weg  über  Land  fortsetzen.  Ich  trat  meinen  Marsch  am  20.  an,  ging  den 
Agalik  River  eine  Tagesreise  w^eit  hinauf,  schlug  dann  den  Weg  über  das  Gebirge 
ein  und  erreichte  den  Toreak  River  am  24.  Abends.  Diese  Reise  war  dadurch  eine 
äusserst  beschwerliche,  dass  wir  uns  und  die  SchJitten  mühsam  und  unter  Auf- 
bietung aller  Kräfte  die  steilen  Feiswände  hinauf-  und  wieder  bernnterarbeiteo 
mussten.  Da  säramtlicbe  Flüsse  bereits  wieder  eisfrei  waren,  so  war  ich  genöthigt, 
Schlitten  und  Hunde  zurückzulassen  und  meine  Weiterreise  per  Kajaks  (kleine  Fell- 
böte) fortzusetzen.  Ich  erreichte  Cap  Constantia  am  Abend  des  29.  und  traf  in 
Fort  Alexander  am  Nushagak  River  am  1.  Mai  wohlbehalten  ein.  Die  Alaska  Com- 
mercial  Co.  hat  hier  einen  Handelsposten,  dem  ich  die  siimmt liehen  auf  dieser  Reise 
gesammelten  Gegenstände,  wohl  geordnet  und  verpackt,  zur  Weiterbeforderung  über- 
gab. Es  hielt  für  mich  äusserst  schwer,  Mannschaften  zu  engagiren,  noch  schwerer 
aber,  die  nathigen  Böte  zu  erhalten,  und  musste  ich  daher  bis  zum  18.  Mai  hier 
bleiben,  ehe  es  mir  gelang,  mich  mit  Allem  zu  versehen.  An  diesem  Tage  verliess 
ich  Fort  Alexander,  ?erfoIgte  die  Küste  von  der  Bristol  Bay  bis  zum  Kwichak  River, 
ging  diesen  Fluss  hinauf,  durchfuhr  den  lliamna  Lake  von  Westen  nach  Osten,  fuhr 
in  den  Nusdkfoligno  River  ein  und  Jandete  am  4.  Juni  an  dem  Handelsposten 
gleiches  Namens.  Ich  entlohnte  meine  Leute  und  ging  am  5,  über  die  Bergkette 
bia  nach  Cook  fnlet  an  der  lliamna  Bay  herunter,  das  ich  Abends  erreichte.  £t 
gelang  mir  hier,  neue  Mannschaften,  sowie  2  Fell  böte  zu  engagireu.  Wir  fuhren 
die  Küste   von  Cook  Inlet   entlang  bis   zum  Dorf  Thajonak,    wo  ich  am   11.  eintraf. 


I 
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(531) 


Am  13-  setzten  wir  über  Cook  lolet  und  erreichtee  aro  Morgen  cl  14.  Fort  Kejiai. 
Hier  verpackte  ich  die  gewooneneu  Gegenstände  und  fuhr  dann  um  16,  mit  neuer 
Mannschaft  versehen,  die  NordkQste  von  Kenai  Halbinsel  entlang  bie  Fort  Alexander, 
das  ich  am  21.  erreichte.  Mein  Vorhaben,  nach  der  Insel  Kadiak  überEuaetEeD, 
wurde  dadurch  vereitelt,  dasa  es  mir  unrnöglich  war,  Mannschaften  zu  gewinnen. 
Ich  ging  deshalb  erst  den  Kachekmak  Golf  hinauf  und  nahm  bei  dem  alten  ludianer- 
dorf  Kardon ak  Ausgrabungen  vor,  die  von  Erfolg  waren,  kehrte  darauf  wieder  nach 
Fort  Alexander  zurück  und  traf  hier  am  1,  Juli  ein.  Endlich  am  7«  Juli  bot  sich 
mir  eine  giinstige  Gelegenheit,  nach  Kadiak  üherzufahreD.  Ich  erreichte  die  Insel 
am  9.  uad  charterte  hier  einen  Schonner,  um  nach  Prince  William  Sound  zu  segeln. 
Ich  fuhr  am  13*  Juli  von  Kardiak  ab  und  erreichte  Kinega,  am  Sound  gelegen,  mw 
19*  Ich  iammelte  auf  den  Inseln  Kinega  und  Knight  verschiedene  Mumien  und 
Kopfe,  machte  auch  unter  den  Eskimo'»  gute  Einkäufe,  fuhr  dann  weiter  bis  Nutzik, 
einem  Eskimodorfe,  wo  ich  am  2*1  nintrafj  verliesa  dasselbe  am  27.  und  traf  am 
28.  in  dem  Indianerdorfe  Iggiak  ein.  Von  hier  aus  fuhr  ich  am  29.  nach  dem 
Dorfe  Alaganak,  wo  ich  sehr  hübach«?  Einkäufe  machen  konnte.  Die  hiesigen 
Indiatierstimme  haben  viele  Sachen,  welche  denen  der  Haida-  und  Chimsian-Indlaner 
ähneln;  sie  sind  wahrscheinlich  mit  den  letztgenannten  verwandt.  Am  30*  schlafe 
ich  mich  wieder  ein  und  langte  am  2.  August  an  (Jap  Martin  an.  Hier  hielt  ich 
mich  eine  ganze  Woche  lang  auf,  nnd  sammelte  unter  den  Yukatas-Indianern  ver- 
schiedene Sachen,  Wegen  widriger  Winde  und  starker  Stlirme  war  ich  leider  ge- 
zwungeD,  von  meinem  Vorhaben,  nai^h  Sitka  zti  gehen,  abzustehen,  wozu  auch  noch 
der  traurige  D instand  hinzukam,  das»  unser  Proviant  ausging.  Ich  musste  daher 
am  IL  August  meine  Rückreise  nach  Kadiak  antreten,  welche  lusel  ich  nach  einigen 
kleinen  Abweichungen  am  18,  wieder  ^rreichtp.  Hier  erhielt  ich  die  Nachricht,  daas  in 
den  nächsten  Tagen  ein  SchilT  von  Cook  Eulet  nach  San  Francisc30  gehen  wiirde, 
und  da  ich  nunmehr  meine  Sammlungen  in  Alaska  beendet  hatte,  so  entschloss  Ich 
mich,  diese  Schiffsgelegenheit  zu  benutzen.  Ich  fuhr  in  einem  Schooner  von  Kadiak 
nach  Kenai  und  traf  daselbst  am  22.  ein*  Das  betreflfende  Schiff  war  bereits  an- 
gelangt, ich  erhielt  einen  Platz,  und  wir  verliessen  die  Halbinsel  am  Abend  des 
28.  August.  Es  erhoben  sich  nach  unserer  Abfahrt  leider  äusserst  heftige  Gegen* 
winde,  so  dass  wir  die  Strecke  bis  Barren- Island  in  7  Tagen  zurücklegten,  während 
die  Fahrt  bei  günstigem  Wetter  nur  einen  Tag  dauert  Anj  23.  September  langte 
ich  endlich  in  Sau  Francisco  wohlbehalten  an. 

Ich  fand  bei  meiner  Ankunft  bereits  Ordre  vor,  auf  meiner  Rückreise  Arizona 
zu  besuchen,  um  auch  dort  noch  Sammlungen  zu  machen.  Ich  verliess  demgemaas 
San  Francisco,  nachdem  Ich  zuvor  säiiimtliche  eingetroffenen  Sac!ien  wohl  verpackt, 
gehörig  geordnet  und  dann  zur  Weiterbeförderung  nach  Europa  übergeben  hatte, 
am  IL  Oktober  und  reiste  auf  der  Söd-Pacific-Bahn  nach  Fort  Yuma  in  Arizona, 
wo  ich  am  Freitag  den  12.  Oktolier  eintraf.  Ich  besuchte  hier  die  Indianer- 
Reservationen  am  13.  und  14.,  machte  verschiedene  Einkaufe,  eetzte  am  14  meine 
Ruck  reise  fort,  traf  am  andern  Morgen  in  Maricupa  ein,  besuchte  3  Tage  hindurch 
verschiedene  Dörfer  der  Fimus*  und  Maricupas-iodianer,  sammelte  zu  meiner  Zu- 
friedenheit manche  Gegenstände,  besichtigte  auch  die  Stadt  Phönix,  in  der  ich  von 
einem  Amerikaner  einzelne  Sachen  erwarb,  kehrte  dann  nach  Maricupa  zurück  und 
fuhr  von  dort  mit  der  Bahn  am  19,  nach  Tucon.  Ich  besuchte  noch  die  dort  an* 
s&ssigen  Papajus-Indianer  auf  einen  Tag  und  fuhr  dann  direkt  nach  Washington. 
Von  hier  gelangte  ich  über  New- York  nach  Hamburg  und  traf  am  23*  Novbr.  1883 
wohlbehalten   in   Berlin  ein. 

34* 


(532) 


(14)    Hr,  Hart  wich  raacht  Mittheilung  über 

vermuthlich  wandische  Funde  bei  Tangermiinde, 

Im  Laufe  dieses  Sommerö  wurde  auf  dem  Gruadstrick  der  Tmiperiuönd<?f 
Zucker-Rafütierie  em<?  gröi?8ere  Strecke  planirt,  bei  wflcber  GdegeDbeit  eine  gaozo  An- 
zahl TOö  Urnen  und  einige  aüdere  Objekte  xo  Tap;e  gefordert  wurden.  Leider  fttand^n 
die  Gefä«8e  auBserordeiitlicb  flach,  bo  dass  »Jp  ohne  Ausnahme  bereits  früher  dnrcfa 
den  Pflug  mehr  oder  weniger  zerstört  waren.  Süfiimtliche  UrneB,  bei  deoeu  dar- 
auf geachtet  wurde,  standen  in  Sleitieu;  von  einer  etwaigen  Bedeckung,  sei  es  durch 
Steine  «der  durch  flache  Gefasse  fand  sich  keine  Spur.  An  mehrereo  Stellen 
Zeigten  sich  Anhäufungen  von  Steinen,  die  vielfach  im  Feuer  gelegen  hatteo,  und 
grossere  Partien  kohliger  Erde,  endlieh  wurde  nocli  ein  etwa  fuustgrosser  Granit- 
ßtein  gefunden,  der  deutliche  Spnreo  Ton  Abnutzung  zeigte.  Ausserdem  wurden 
Tbier-  and  auch  Menschenknochen  in  grosser  Menge  gefunden;  da  auf  diesem  Platz 
früher  der  Galgen  geatanden,  muss  man  sie  wohl  gerichteten  Verbrechern  und  ver- 
scharrtem Vieh  zusehreiben. 

Hie    gesammelten  Scherben,    die  ich  hiermit  vorlege,    zeigen,  dass  mit  eioigeo 
Ausnahmen  die  Getaase  siimmtlich  sehr  roh  gearbeitet  waren;  aus  den  OrnamenteD 
glanhe    ich    schliessen    zu  dürfeuj    dasB  sie  wendischen  Ursprungs  sind.     Binea   der 
gefundenen   Bodenstücke  ist    durchbohrt;    cb  iat  das  erste  derartige  Stuck,    welebea 
ich  gesehen,  ich  vermag  daher  nicht  zu  beurtheilen*  ob  die  Durchbohrung  eine  tir- 
sprüngliche   iui,    doch    glaube  ich    nach  dem  massenhaften   Vorkommen  von   Steinen 
versichern    zu    dürfen j    dass    frijher    auf    diesem   Felde    nicht    nach  Steinen   gesucht 
wurde,  bei  welcher  Gelegenheit  das  Loch  vielleicht  mit  einem  Visitireisen   gemacht 
sein  konnte.      Der    Inhalt    wenigstens    der   einen    Urne    scheint    aus    zerkleinerten 
Knochen  zu  bestehen^  eine  Probe  dieser  Masse  lege  ich  bei.   Ferner  wurde  zwischen 
den  Scherben  eines  zerbrochenen  Gefasses  ein  zugespitzter  Knochen  gefunden,  ausser- 
dem eine  eiserne  Lanzenspitze,  von  welcher  letzteren  der  Finder  nicht  mehr  aozu* 
geben  vermochte,  ob  sie  ebenfalls  unter  Scherben  lag.    Endlich  fand  sich  ein  Stück 
egbogenen  Bronze-  oder  Kupferblechs,  dessen  Ursprung  aber  einigermassen  zweifel- 
haft ist,  denn  als  ich  es  fand,  klebten  Th  ei  leben  Dünger  daran;  möglicherweise  isl 
es  also  mit  diesem  auf  den  Acker  gebracht;  andererseits  kann  es  aber,  da,  wie  er- 
wähnt, alles  sehr  flach  lag,  auch  beim  Pflügen  damit  in  Berührung  gekommen  sein. 

Höchstens  zwei  Minuten  südlich  von  dieser  Fundstelle  liegt  hart  am  Eibufer  das 
Dorf  Olli  bau  (auch  Calbu,  Calbuw,  Calbuwe,  Calebu,  Calebow,  Calebaw),  welches 
wendischen  Ursprungs  ist.  Die  Einwohner  haben  ihre  Nationalität  lange,  minde- 
stens bis  zum  Ende  des  15.  Jahrhunderts  bewahrt,  was  vielleicht  darin  seinen  Gniiid 
hatte,  dass  sie  in  einem  gewissen  Schutzverbaltnissc  zur  Btirg  Taugerraüode  standen. 
Nach  Carls  IV.  Land  buch  hatte  Jeder  der  Einwohner,  die  sich  vom  Fischfang 
nährten,  am  Weibnachtsabend  15  Neunaugen  und  am  Sonnabend  vor  Ostern  für 
2  Pfennige  Fische  an  die  Burg  abzuliefern,  ausserdem  hatten  sie  die  Einwohner 
derselben  unentgeltlich  über  die  Elbe  zu  fahren,  mussten  das  Holz  für  die  Burg- 
küche herbeischaflen  und  die  Gemächer  ausfegen,  wofür  ihnen  Speise  und  Trank 
gereicht  wurde.  ^Besonders  müssen  (sie)  dem  Amte  mit  dem  Halse,  so  oft  ihnen 
geboten  wird  und  wozu  man  sie  bedarf,  gleich  als  eigene  Leute  dienen  und  Ge- 
horsam leisten**  (Beckmann,  Beschreibung  der  Mark   Brandenburg). 

Dagegen  waren  sie  nicht  nur  von  Abgaben  frei,  sondern  erhielten  sogar  seit 
Ki73  eine  kleine  Rente  aus  dem  Tangermünder  Zoll  und  1377  Zollfreiheit  bei  Ein- 
führung ihrer  Fisch ereigerälhe  aus  Brandenburg,  1465  wurde  ihnen  ausscMiess- 
lieber  Gerichtsstand    vor  dem  Dorfgerichte    und  vor  dem  Gerichte  auf  der  Tanger- 


I 


C533) 

mÜDder  Scblossbrücke  (bis  Ende  des  14.  Jahrhunderts  das  höchste  Gericht  in  der 
Mark)  gewährt. 

Bis  1792  besass  Calbau  keine  Feldmark,  sondern  es  waren  den  Einwohnern 
zwei  Eibwerder  zum  Fischereibetriebe  gegeben.  Trotzdem  heisst  der  bei  Calbau 
gelegene  Theil  der  Tangermiinder  Feldmark  das  ^Calbau^sche  Feld^  und  etwa  bis 
Ende  des  H.Jahrhunderts  existirte  neben  dem  Dorfe  ^wendisch  Calbau^  ein 
^deutsch  Calbau^  Götze  (Geschichte  der  Burg  TangermGnde)  nimmt  an,  dass 
man  den  Wenden  ihre  Feldmark  weggenommen  und  sie  mit  Deutschen  besetzt  hatte. 

Wie  ich  glaube,  haben  wir  in  den  vorgelegten  Resten  Spuren  der  alten  Calbau- 
schen  Wenden  vor  uns.  — 

(15)   Hr.  Hart  wich  berichtet  ferner  über 

HOnenbetten  der  Altmark. 

Im  Jahre  1881  (S.  220  d.  Yerh.)  berichtete  Hr.  Virchow  über  eine  grosse 
Anzahl  von  Hünenbetten  im  Kreise  Salzwedel,  welche  nebst  einigen  im  Magde- 
burgischen und  Anhaltischen  vorkommenden  das  östliche  Ende  einer  zusammen- 
hängenden Reihe    ähnlicher  Monumente   darstellen,    welche  sich  von  der  holländi- 

f  Orassau 


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Beesewege  ß-,j^  Grönwulscb 

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O  Klaeden  t 

O  Steinfeld 


Burgwall 

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Badiniren 

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'^'0*'&°:''o"'"^" 


sehen  Provinz  Drenthe  durch  Hannover  bis  zur  Elbe  erstreckt.  Da  ich  in  diesem 
Sommer  gelegentlich  einer  Excursion  eine  wenn  auch  weit  geringere  Anzahl  solcher 
Monumente,  welche  die  östliche  Grenze  dieser  Reihe  nicht  unerheblich  hinausrücken, 
kennen  lernte,  möchte  ich  mit  einigen  Worten  die  Aufmerksamkeit  auf  dieselben 
lenken.   Diese  Gräber,  7  an  der  Zahl,  liegen  im  Kreise  Stendal,  östlich  von  Bismark. 

Ich  führe  sie  hier  kurz  auf  und  erwähne  dabei  zugleich  ein  paar  andere  inter- 
essante Punkte,  die  ich  gesehen: 

1.  Zwischen  Klaeden  und  Badingen  einen  Burgwall,  östlich  vom  Wege.  Die 
westliche  Seite    des  Walles    ist   am  höchsten,   der  Durchmesser  beträgt  90  Schritt, 


(534) 

eine  Eriiöbaog  io  der  Mitte  habe  ich  nicht  bemerkt.  Dm  ich  nur  eiBCB  Tag  auf 
die  Tour  Terweoden  konnte  and  noch  ein  zweiter  Marsch  Tor  mir  lag,  wurde  nicbt 
gegraben. 

2.  Zwischen  Qaerstedt  and  Kl.  Möhringen  befindet  sich  eine  w&ate,  etwas 
moorige  Gegend,  die  Rassan,  die  im  Volke,  als  Ton  Gespenstern  bewohnl,  arg  ver- 
schrieen ist;  Termnthlich  ist  es  ein  wostes  Dort  Die  Genenlstabekarte  won  ISbS 
fahrt  an  dieser  Stelle  eine  ^Kirche  RasMia^  aaf,  deren  letste  Beste  sieh  noch  jetzt 
in  einem  Gestrüpp  am  Wege  befinden  sollen. 

3.  Oestüch  davoo  steigt  der  Heidberg  nicbt  anbedeatend  an,  aaf  dem  3  Hügel 
gefondeo  wurden  (a,  b.  c)^  die  wohl  künstlichen  Ursprongs  sind;  sie  xetduieteB 
sich  dnrch  sehr  regelmässige  Form  and  eine  Vertiefung  auf  der  Spitze  ans. 

4.  Nordlich  davon,  bei  der  Kirche  des  Dorfes  Steinfeld  liegt  ein  pimchtiges, 
fut  ToHständig  erhaltenes  Hü  nenbette  (d).  Die  Träger  sind  etwas  auseinander  ge- 
wicheo,  so  dass  die  Deckplatten  zwischen  ihnen  aaf  der  Erde  liegen.  Diese  eigent- 
liche Grabkammer  nmschliesst  ein  zweiter  Steinkreis;  am  Südende  der  Kammer 
liegt  anf  3  Blocken  ein  mächtiger  flacher  Stein,  der  beim  Anschlagen  einen  bellen 
Ton  Ton  sich  giebt:  „der  klingende  Stein  voo  Steinfeld.*  Daran  schlieaat  sich 
eine  30 — 10  Schritte  lange  Allee  Ton  Stein  blocken,  die  anf  das  Grab  zof&hit.  — 
Dieses  Grab  ist  jetzt  das  einzige  bei  Steiofeld,  früher  sind  sie  zahlreicher  geiresen. 
Beckmann  (Beschreibung  der  Mark  Brandenburg)  führt  ausser  dem  erwähnten 
(die  Eigenthümlichkeit  des  klingenden  Steines  ist  ihm  bekannt)  noch  2  grosse  nnd 
eine  Anzahl  kleinerer  Hünenbetten  auf. 

5.  Das  folgende  (e)  liegt  vor  dem  Dorfe  Grünwulsch  in  einem  Gebüsch,  es  ist 
wie  die  folgenden  von  dem  früheren  Besitzer  Ton  Klaeden,  Domherrn  Ton  Lere t so w, 
geöffnet.     Dieses  and  das  nächste  (f)  bei  Grassau  habe  ich  nicht  selbst  gesehen. 

6.  Ein  Hünenbett  bei  dem  Dorfe  liülitz  (g),  Ton  dem  nur  die  Grabkammer 
und  7  Steine  des  äusseren  Kreises  erhalten  sind.  Am  Grabe  steht  eine  Steintafel 
mit  folgender  Inschrift:  ^Hünengrab  |  Ton  21  Steinen  |  möge  auch  zu  ferneren  Zeiten 
erhalten  |  bleiben  |  gehört  dem  Besitzer  tou  Klaeden  |  und  Damewitz  |  weiland  | 
Herrn  C.  L.  W.  A.  Theodosius  |  ron  LeTetzow  |  sie  ben.  den  29.  Januar  1861  | 
Römer  15  t.  12  |  Es  wird  sein  die  Wurzel  Jesse  und  der  auferstehen  wird  zn 
herrschen  über  die  Heiden,  auf  den  werden  die  Heiden  hoffen.*'  Aehnliche  Tafeln 
sollen  an  den  Gräbern  von  Grassau  und  Grünwulsch  stehen.  Beckmann  bildet 
Taf.  I  Fig.  1  ein  Grab  ab,    von  dem  ich  nicht  entscheiden  kann,  ob  es  dieses  oder 

7.  ein  anderes  beim  Dorf  Besewege  ist  (h),  Ton  dem  nur  noch  2  Steine  er- 
halten sind. 

8.  Ebenfalls  bis  auf  wenige  Reste  zerstört  sind  2  Gräber  (i,  k)  in  nächster 
Nähe  des  Dorfes  Klaeden.     Beckmann  führt  dort  3  an. 

9.  Da  es  wohl  zur  selben  Gruppe  gehörte,  sei  erwähnt,  dass  fniher  ein  Grab 
zwischen  ßellingen  und  Dabrenstedt  lag,  Ton  dem  jede  Spur  Terschwunden  ist.  Es 
würde  das  am  weitesten  östlich  gelegene  gewesen  sein. 

Im  Schlosse  Klaedeu  befindet  sich  eine  Anzahl  von  Alterthümern,  die  beim  Oeff- 
neu  einzelner  dieser  Gräber  gefunden  sein  sollen:  Urnen,  die  eine  mit  Gruppen  senk- 
recht verlaufender  kurzer  Linien,  eine  andere  mit  schräg  über  den  Bauch  gehenden 
flachen  Wülsten,  sodann  mehrere  ganz  ohne  Ornamente,  femer  einige  darchbohrte 
Steinhämmer,  von  denen  mir  einer  dadurch  auffiel,  dass  er  an  der  Schneide  sich 
verbreitert.  Einige  andere  Sachen  konnten  mir  wegen  Abwesenheit  des  Besitzers 
nicht  gezeigt  werden. 


(535) 


(16)    Hr,  F ritsch  spricht  ober 

die  Bedeutung  des  SatorSpruchea. 

Wer  die  SitzuDgsbericlite  unserer  Gesellschaft  durcliBtebt»  findet  an  'vielen 
Stellen  des  Sator- Spruch  es  Erwäfmung  gethan  und  mancherlei  Versuche  aufgezeichnet, 
dem  Zaubersprucli  eine  axigeraeaaene  Deutung  zu  geben.  Obwohl  dabei  inanches 
Interessante  und  Zutreffende  angeführt  wurde,  ßo  ist  es  doch  nicht  gelungen,  der 
richtigen  Deutung  auf  die  Spur  zu  komiiieti,  was  sich  bereits  aus  der  bemerkens- 
werthen  Divergenz  d^r  verschiedenen  Meinungen  ergiebt.  Es  durfte  daher,  schon 
um  Qberflusisige  Discussionen  zu  vermeiden,  angezeigt  aeio,  endlich  die  richtige 
iröaung  der  Formel,  die  ein  glücklicher  FuDd  mir  an  die  Hand  gab,  mitzutlieilen, 
zumal  sich  daran  einige  allgemeine,  recht  lehrreiche  Betrachtungen  knüpfen. 

Besonderen  Scharfsinnes  bedurfte  es  nicht,  die  Deutung  zu  erlangen,  sondern 
dieselbe  steht  gar  schön  gedruckt  zu  lesen  in  eiüem  zu  Nürnberg  1764  erschienenen 
Buche:  Onomatologia  curiosa,  artifieiosa  et  tnagica,  und  selbst  noch  in  neuerer  Zeit 
brachte  ein  wenig  gelesenes  Schweizer  Journal,  die  neue  Alpen-Post  (Bd.  IX,  4) 
aus  obigem  Werke  eDtuommene  Notizen  darüber. 

Es  ergiebt  sich,  dass  eine  der  zuletzt  versuchten  Erklürungen  (vergh  Bericht 
über  die  Maiaitzung  d.  anlhrop.  Gesellsch.  vom  vorigen  dahre),  welche  den  Spruch 
mit  der  heiligen  Dreieinigkeit  in  Verbindung  bringen  wollte,  die  von  der  Wahrheit 
am  weitesten  entfernte  ist.  Ich  weise  auf  dieselbe  nur  deshalb  hin,  weil  sie  zeigt, 
dass  derartige  Dinge  im  Lauf  der  Zeit  durch  den  Gebrauch  unlösbar  werden  können, 
etwa  wie  eine  durch  Abnutzung  unleabar  gewordene  Inschrift.  Ausser  einem 
mystischen  Zeichen,  welches  Gott  Vater  unter  der  symbolischen  Figur  des  Auges 
darstellte,  sollte  „Sator  arepo**  —  Jesus  Christus,  ^Opera  rotas*  =  Heiliger  Geist 
gesetzt  werden. 

Hierbei  fehlt  nun  vor  allen  Dingen  das  Wort  ^tenet**,  weil  der  vollständige 
Spruch  bekanntlich  lautet :  Sator  arepo  tenet  opera  rotas,  und  nur  In  dieser  vrtlb 
stand  igen  Form  ist  er  lösbar  Es  ergiebt  sich  durch  die  genauere  Betrachtung 
desselben,  wie  bereits  von  Hrn.  W.  Scbwartz  in  seinem  interessanten  Aufsatz 
über  das  Vor-  und  Rückwärtsiesen  solcher  Zauberformeln  eingehend  erörtert  wurde 
(vergl,  Zeitschr.  f.  Ethnol.  1883),  dass  die  eigeu- 
thümliche  Btichstabeastellung  es  erlaubt,  ohne 
Veränderung  des  Lautes  den  vollständigen 
Spruch  vor-  und  rückwärts  zu  lesen.  Demnach 
ist  es  auch  möglich,  denselbeUj  wie  der  ursprüng- 
liche Gehrauch  es  vorgeschrieben  haben  soll,  in 
Form  eines  Quadrates  zu  schreiben,  so  dass 
alsdann  jederseits  dem  Leser,  gleichviel  an  wel- 
cher Ecke  er  zu  lesen  beginnt,  stets  der  be- 
nannte Spruch  in  die  Augen  springt*  (Vgl.  die 
nebenstehende  Aufstellung.) 

Die  fünfundzwanzig  Buchstaben  des  Spruches 
sind  demnach  symmetrisch  geordnet,  und  zwar 
kommt  einer  darunter,  das  „n'^,  nur  einnml  vor 
und  musB  als  der  dreizehnte  Buchstabe  placirt 
werden;  zwei  Buchstaben,  „e**  und  „p",  erschei- 
nen je  zweimal  und   erhalten  die  Platze  1  und 

t  t 

25,  beziehungsweise  1^  und    17;  die  übrigen  fünf       ^  ^ 

Buchstaben  a,  e,  o,  r,  t  finden   sich  zu  je  viere«        «ator  arepo   tenet  opera  rota» 


sator  are^to  tenet  upera  rotas 

a  a 

t  t 

0  o 
r  r 

1  r 


(53ß) 

ODd    TertheileD    sich    id    gleichen    Abstanclen    links   ood    rechts   tob    dem    mittle- 
ren „n**. 

Die  für  das  mystische  Rückwärts-  und  Vorwärtslesen  noth wendige  sjnmietiisebe 
BuchstabenstelluDg  erxwingt  folglich  ihre  Verbindung  mit  einander;  es  ist 
somit  ungerechtfertigt,  in  den  zufallig  entstehenden  Worten  einen  tieferen  Sinn  so 
suchen  und  zu  fragen,  wer  etwa  der  „Arepo*'  gewesen  sei?  oder  was  ^Smtor  tenet 
opera^  eigentlich  bedeute?  Der  doppelte  Zweck  dieser  kabbalistischen  Buchstaben- 
Spielerei  wurde  auch  ohne  tieferen  Sinn  der  entstandenen  Worte  schon  erreicht, 
wie  der  Erfolg  es  beweist;  d.  h.  die  symmetrische  Anordnung  wirkte  auf  den  un- 
eingeweihten Beschauer  fremdartig,  zauberhaft,  und  hielt  ihn,  indem  sie  zu  uofimcht- 
baren  Deutungsversuchen  verleitete,  von  der  Erkenntoiss  ihres  wesentlichen  In- 
haltes ab. 

In  der  That  haben  nehmlich  die  25  Buchstaben  eine  tiefere  Bedeutung  und 
sind  nicht  etwa  willkürlich  zusammengelesen,  sondern  Termuthlich  in  manch  ein- 
samer Stunde  von  einem  müssigen  Mystiker  künstlich  ausgeklügelt  worden.  Um 
diesen  wahren  Inhalt  der  Formel  aber  zu  erkennen,  ist  es  noth  wendig,  die  sym- 
metrische Stellung  der  Buchstaben  aufzugeben,  welche  die  Bedeutung  ge- 
schickt verhüllte.  Es  ergiebt  sich  dann  bei  pas.sender  Ordnung  derselben,  daas  der 
Spruch  eine  ganze  Reihe  von  direkten  Anrufungen  des  Satans  enthält,  dessen  Hülfe 
bei  solchen  Beschworungen  ja  stets  ein  grösseres  Vertrauen  geschenkt  wurde,  als 
der  heiligen  Dreieinigkeit,  und  dass  er  so  eine  Art  En-tout-cas-Beschwörung  im 
Monchslatein  des  Mittelalters  ausdrückt.  Ich  lasse  hier  die  interessantesten  dieser 
Anrufungen  mit  den  zugehörigen  Nummern  der  Buchstaben  des  Satorspniches,  aus 
dem  sie  hergeleitet  sind,  folgen: 

1  2  3  6  13  4  5  10  11  8  9  7  16  20  19  15  14  24  23  12  25  17  18  21  22 
Satan,  oro     tcpro    art    e,  a     t    e    spe    ro! 
4  123  613  10  5  16  14  11  12  19  20  915  24  7  1817  22  2123  8  25 
OSatan,oro     e     t    e,    r    apt    a    re    p   o    r    tes! 
12  3613  118  7  45  13  15  12  169  14  2124  17  19  2018  25  23  22 
Satan,   teroro     te,   opera     praesto! 
12  36  13  4522  23  18  7816  9  10  191120  25  17  241512  2114 
Satan, oro     t    e,reo    po    r    t    a    s     pa    t    e    r    e! 
1  2  3  6  13  11  8  7  4  5  10  15  12  19  14  9  20  21  24  23  16  22  17  18  25 
Satan,    teroro     te,    reparato     opes! 
12  36  13  9  24  1187  4  5  10  25  15  20  21  12  23  14  17  1916  18  22 
Satan,  pater,  oro,  s    tare     te     pro     eol 
123  613  98  7  12  10  24  17516  1914  25  112015  16  2122  2318 
Sata  n,  per  eoapro,    restat,   oro     te! 
1  2  3  6  13  4  5  10  118  12  15  24  9  17  20  7  14  18  19  16  25  23  21  22 
Satan,  oro     teet      appare     e     ros     t     ro! 
Mit  der  heiligen  Dreieinigkeit    hat  also    der  Spruch  in  der  That  blutwenig  zu 
schaffen,    yielmehr    muss  „Vater  Satan^    die  Sache  allein  auf  sich  nehmen;    es  sei 
denn,  dass  Jemand  geneigt  ist  festzuhalten,    die  Satansanrufungen  seien  zufällig  in 
den    der    heiligen   Dreieinigkeit    geweihten   Spruch    hineingekommen.     Gegen    eine 
solche  Behauptung  zu  polemisiren  dürfte  als  überflüssig  erscheinen. 

In  der  That  spielt  aber  auch  die  Dreieinigkeit  gelegentlich  in  den  Zauber- 
formeln eine  Rolle,  wie  an  der  oben  citirten  Stelle  ebenfalls  ausgeführt  worden  ist. 
Eine  noch  heutigen  Tages,  am  häufigsten  allerdings  scherzweise  von  Taschenspielern 
und  solchen,  die  es  werden  wollen,  gebrauchte  Formel,  das  kabbalistische  «Abrm 
catahra^    wird    in    sehr    plausibler  Weise    auf  die  Dreieinigkeit  zurückgeführt.     Es 


CM7) 

handelt    sich  dabei  um  die   drei  Buchstaben   „A**  „B**  ^R",  sowie  deren  Verdoppe- 
luDgen    zur  phoDf tischen  Äbruodung  des  Gaozen;    dem    gleichen   Zweck    dient   das 


dem  zweiten  Wort  ein  gefugte  „c** 


und  „t*" 


Die   drei   Bnchataben  werden  gedeutet 


als  die  AnfangabuciistabeD  der  nrabiacheu  Worte  Ab  (Vater),  Ben  (8obn),  Ruh 
(Geist)  und  können  so  in  der  That  ab  t'ine  symbolische  Darstellung  der  Dreieinig- 
keit betrachtet  werden. 

Für  Jemanden,  der  mit  stetig  erhöhtem  (.icnuss  im  Buche  der  Natur  blättert 
und  stets  mit  einem  gewissen  Widerstreben  den  Staub  auf  den  gewalkten  Lnmpeu 
unserer  Bibliotheken  in  seiner  friedlichen  Ruhe  stört,  ist  es  übrigens  ein  eigen- 
thömliches  Gefühl,  welches,  offen  gesJandeo,  von  einer  gewissen  Schadenfreude  nicht 
ganz  frei  ist,  dass  die  Bedeutung  des  Sator- Spruch  es  ifoll  ständig  vergessen  werden 
konnte,  obwohl  sie  in  keineswegs  erstaunlich  alter  Druckerschwärze  niedergelegt  war* 
Es  kommt  hinzu,  dass  die  wiederholten  Debatten  über  den  Gegenstand  die  öffent- 
liche Aufmerksamkeit  ausdrücklich  auf  die  Lücke  unseres  Wissens  hingewiesen 
hatten  und  sogar  in  verschiedenen  Zeitungen  zur  Losung  des  Rathsi^ls  aufgefordert 
worden  war.  Trotzdem  ist  keiner  der  Herren  Scliriftgtdi'lirteu  hilfreich  eingetreten 
und  hat  das  wlssensdursttge  Publikum  durch  eine  entsprechende  Notiz  klug  ge- 
macht; offenbar  hat  der  Teufel  als  Protektor  doch  erheblich  an  Ansehen  verloren, 
und  andererseits  ist  die  Literatur  de8  Jahres  lim  noch  nicht  alt  genug,  um  wieder 
ausgegraben  zu  werden. 

Wie  dem  auch  sei,  jedenfalls  darf  man  im  üin blick  auf  dies  kleine,  tragi- 
komische Unglück  hoffen j  dass  eine  gelegentlich  etwa  passirende  U uteri assungs- 
Bünde  der  Nichtberücksichtigung  eines  bestaubten  Autors  des  jüngeren  Alterthums 
oder  der  älteren  Jetztzeit  auch  von  Seiten  der  gewiegten  Literaturkenner  keine 
allzu  harte  Verurtheilung  finden  sollte.  -— 

Hr.  V.  Schulenburg:  Als  Hr.  HaudtmanD  den  Gebrauch  mittheilte  (Z.  f. 
Ethn.  1883,  Verh.  S.  248),  auf  den  Hr.  Fritsch  sich  bezieht,  liai  er  nicht  die 
Worte  des  Satorspruches  erklärt,  sondern  nur  die  Zeichen  der  Dreieinigkeit  (Auge, 
Kreuz,  Pfeil),  welche  den  Zauberspruch  in  christlichem  Sinne  vreihen.  Es  beruht 
also  auf  einer  irrthümlichen  Annaiime^  wenn  Hr.  Fritsch  darin  den  Versuch  einer 
Erklärung  der  Satorworte  sieht.  — 

Hr.  Fritsch  bemerkt  dazu,  dass  er  nur  citirt  hat,  was  au  der  ajigeführteo 
Stelle  steht.  Ist  dies  ^irrthümlich^,  so  dürfte  die  Mehrzahl  der  Leser  demBelbeo 
Irrthum  verfallen. 


(17)  Hr.  Prof.  Gustav  Oppert  aus  Madras  halt  einen  Vortrag  iiber 

die  Versctiie  den  halten  des  Spraohcharakters  und  deren  natürliche  Ursache. 

Der  Vortrag    wird    im   Text    der  Zeitschrift    für  Ethologie  (Heft  I    des    neueo 
Bau  des)  erscheinen, 

(18)  Eingegangene  Schriften: 

1.  Verhandlungen  der  Gesellschaftaft  für  Erdkunde  zu   Berlin»    Bd,  X  Nr.  7. 

2.  Zeitschrift  der  Gesellschaft  fiir  Erdkunde  zu  Berlin.     Bd.  XVill   Heft  3, 

3.  ßoüelino  della  Socielä  Africana  d'Italia,     Napoli   188c4.     Anno  II  Fase.  IV. 

4.  The  Journal    of   tbe   Anthropological    Institute    of  Great   Britain    and    IreJand. 

VoL  Xm  Nr  IL 
^.    Antiqua,  Unterhaltung^blatt  für  Freunde  der  Alterthumskuude.     1883.    Nr.  8. 


(538) 

6.  Sepp,  Der  Bayerostamm,  Herkunft  und  Ausbreitung  über  Oestreich,  EirntheD, 

Steyermark  und  Tyro).    München  1882.    Gesch.  d.  Hm.  Yirchow. 

7.  J.  Namur,    Ein  Blick  in  die  geologischen    und    mineralogischen  VerbältDiaae 

des  Mosel-  und  Sauerbeckens.   Luxemburg  1883.  Gesch.  d.  Hrn.  Yirchow. 

8.  Ausgrabung   römischer  Reste   in  Heidelberg.     Bericht  über  die  in  den  Jahren 

1875 — 78  Torgenoramenen  Ausgrabungen  auf  den  Bauplätzen  des  Academ. 
Krankenhauses  und  der  Irrenklinik  mit  4  Blatt  Zeichnungen  von  Bezirks- 
bauinspektor  Schäfer.     Gesch.  d.  Hrn.  Virchow. 

9.  H.  Seh lie mann,     Troja.     Ergebnisse  meiner  neuesten  Ausgrabungen  auf  der 

Baustelle  von  Troja,  in  den  Heldengräbern,  Bunarbaschi  und  anderen  Orten 
der  Troas  im  Jahre  1882.     Leipzig  1884     Gesch.  d.  Verf. 

10.  A.  Fried erich,    Abbildungen  Ton  mittelalterlichen  und  Torchristlichen   Alter- 

thumern  in  den  Gauen  des  vormaligen  ßisthums  Halberstadt,  gesammelt 
von  Chr.  Friedr.  Bernh.  Augustin.     Wernigerode  1872.     Gesch.  d.  Verf. 

11.  Mat^riaux    pour    Thistoire    primitive    et    naturelle   de    Fhomme.      Tome    Xlll 

Livr.  7.-11. 


Sitiung  vom   ][>.  December  1883. 
VoraiUender  Hr.  Virohow. 


(I)    Der  VfvraiUende  erstattet  atatutenmSssipj  den 

Verwaltungsberieht  für  das  Jalir  1883. 

In  meinem,  Nanipns  des  Vorstandes  zu  erstalteodeTi  Verwultungs-Berichte  für 
das  Jalir  lHH:i  werde  jch  mich,  Angesichts  der  vielen  neuen  Vorlagen,  mogliebst 
kurz  fassen,  ol>wohl  eine  Reihe  von  erheblichen  Ereignisseo  die  Gesellschaft  be- 
trofFeii  bat.  Indess  ist  Ihnen  im  Laufe  des  Jahres  regelmässig  von  allen  Vorgängen 
Mittheilung  gemacht  worden,  uod  ich  darf  annehmen,  dafes  die  Mitglieder  von  allem 
Wiehtigeren  unterrichtet  sind. 

Der  Mitglieder-Bestatad  unserer  Gesellschaft  hat  sieb  in  diesem  Jahre  erfreulich 
gbeoben.  Wir  haben,  nachdem  in  deo  letzten  Jahren  ein  gewisses  Schwanken  auf 
und  ab  stattgefunden  hatte,  uns  jetzt  über  das  erste  halbe  Tausend  der  Mitglieder 
erhoben:  in  der  officiellen  Liste  unseres  Schatzmeisters,  welche  als  Grundlage  für 
diesen  Bericht  dient,  stehen  am  Schluss  des  Jahres  512  Mitglieder  verzeichne».  Der 
Bestand  am  Schluss  des  vorigen  Jahres  war  476;  wir  Bind  also  uin  ein  Erhebliches 
vorwärts  gekommen,  unter  den  ordentlichen  Mitgliedern,  die  wir  verloren  babeu, 
im  Ganzen  2'2,  befindet  sich  eine  Anzahl  geschätzter  Männer,  welche  dureli  den 
Tod  abgerufen  wurden.  Es  sind  die  HHrn*:  Kaufmann  Karl«,  Cotisul  Gärtner, 
Oberst  v,  Brandt,  Prot  Albrecht,  Fabrikbesitzer  Saeger  und  Geb.  Sanitatsratb 
Veit  Die  fibrigen  Itj  sind  ausgeschieden.  Inzwischen  ist  durch  den  Zutritt  von 
56  neuen  Mitgliedern  der  Bestand  von  512  erreicht,  den  ich  angegeben  hatte.  Wir 
nSbera  uns  damit  langsam  dem  Funkte,  wo,  wenn  die  alten  Mitglieder  uns  treu 
bleihen  und  aich  in  gleicher  Weise  bemijben,  uns  neue  Freunde  zu  verschaflFen, 
wir  einigermaassen  hoffen  dürfen,  endlich  die  Zahl  zu  erreichen,  welebe  für  uneere 
VeröfFentlicbuDgen  von  nicht  unerheblichem  Interesse  ist.  Ich  darf  wohl  daran  er- 
innern, daas  nach  dem  Vertrage  mit  unserem  Verleger  bei  einem  Bestände  von 
570  Mitgliedern  Honorar  gezahlt  werden  soll  für  die  Abhandlungen,  welche  in  der 
Zeitschrift  für  Ethnologie  erscheinen,  —  ein  ünmtand,  der  von  erheblicher  Wichtig» 
keit  für  uns  ist  und  dessen  Mangel  uns  tn  dem  alten  Jahre  In  einige  Un- 
bequemlichkeiten verwickelt  hat  Da  die  Gesellschaft  so  viele  Atisgaben  hat,  waren 
wir  nicht  in  der  Lage,  auch  nach  dieser  Richtung  einzutreten. 

Auch  in  den  Kreisen  unserer  correspondirenden  und  Ehren-Mitglieder  haben 
wir  sehr  schwere  Verluste  erlitten.  Schon  in  früheren  Sitzungen  habe  ich  des 
Todes  zweier  Männer  gedacht,  die  zn  den  Begründern  der  modernen  deutschen 
Alterthomswissenschaft  geboren,  des  Hm,  Lisch  in  Schwerin  und  de?  Hrn.  Baron 
von  Osten-Sacke n  in  Wien,  von  denen  der  eine  die  erste  wissenschaftliche  Ord- 
nung unseres  Materials  durchgeführt,  der  andere  durch  seine  weltberlhmten  unter- 
guchnogen  des  Gräberfeldes  von  HaJlstatt  einen  grossen  Abschnitt  der  mittel* 
europäischen   Cultur  zum   ersten   Male    festgestellt    hat.     Eben  ist  noch  eine  neue 


CS40) 


I 


Todesnacb rieht  ei D gegangen,  die  des  Nestors  d**r  AothrOfMlogie  überhaupt,   des  alten 
Sven  Nil  SSO  n  lu  Luad,  der  am   30.  November  seiu  arbeitsTolles  Leben  abgeschlo6a«ii 
hat.  im  Alter  von  9ii  Jahren  B  Monaten  22  Tagen,  —  seit  den  Zeiten  des  ehemaligen 
Präeidenten  des  Brüsseler  Congresses,  d*0 mal ius^d' Hallo y  der  älteste    Forscher^ 
den  wir  unter  uns  hatten      NilBSon    hat    das   jetzt    erat    ius    volle    Liebt   tretend« 
grosse  Verdienst,  üass  er,  nat^hdem  er  in  seiner  ursprunglichen  Stellung  als  Professor 
der  Zoologie  die  Fische  des  Nurdeus  in  Tollem  wissenschaftlichem  Sinne  bearbeitet 
hatte,  seine  Tliätigkeit  auf  die   archüologische    Krforschung   seines  Vaterlandes,   na* 
mentlich    der    ProvinÄ   Schonen,   rit'htete.     Sie    alle  kennen    seine    hafaobrecb enden 
Arbeiten  iiber  das  Stein-  und  Bronzealter  und  die  daraus  erwachsene  Theorie  über 
die  phonicischen   Einflüsse  im  Norden,  —  Arbeiten,  welche  den  ersten  grossen  An- 
dtoss  zu  weitgehenden  Untersuchungen   in  der  coroparativen  Prahistorie  gegebeo  aod 
gewissermaasseu  den  EuthuBiasmu^i  entzündet  haben,  welcher  sich  seitdem  auf  dieaeiD 
Gebiete  entfacht  hat.    Wir  haben  gerade  beute  das  Vergnügen,  Hrn.  Cudaet,   unser 
sehr  fleisE^iges  currespoudirendes  Mitglied,  unter  uns  zu  sehen,  der  eben  aus  Italien  h 
zurückgekehrt  ist  mit  Nachrichten  über  phonicische  oder  ihnen  sehr  nahe   stebende^ 
Funde  längs  der  Ostseite   des   adriatischen    Meeres.     So    erwachen  ge w isser maassen 
von  Neuem,  wenngleich   in  etwas  veränderter  Gestalt,  Gedanken,  welche  eine  Zeil 
lang  durch  die  Opposition  gegen  Nilssoo's  Theorie    gänzlich    begraben    schienen. 
Der  Name  des  grossen  Archäologen  wird   auch   ohne   diese  Anknüpfungen   aus  un- 
serer Erinnerung  nicht  schwinden.     Er  war,  genau  genommen,   der  erste  wirkliche 
Naturforscher,  der  sich  der  Präbistorie  zuwendete;  er  ist  es  gewesen,  der  die  stren- 
geren Methoden  der  imturwissenschafÜichen    Forschung   in   dieses   neue  Gebiet  ein- 
führte.    Seinem   Vorbilde  folgend,  sind  die  jüngeren   Naturforscher  mehr  uud   mehr 
an  Fragen  herangetreten,  welche  bis   dahin   fast  ganz   der  klassischen  Archäologie 
Torbehalten,  aber  von   ihr    vemacbläseigt  waren,   so  dass  gegenwärtig  eio  grosser 
und  wichtiger  Theil  dieses  ausgedehnten  Arbeitsfeldes   fast  mehr    der  Naturwissen* 
Bchaft,  als  der  eigentlichen  Archäologie    zugefallen  ist.    Wer,  wie  ich,   sich   des  un- 
schätzbaren Vorzuges  der  Freundschaft  des  seltenen  Mannes  rühmen  durfte  und  das 
Glück  gehabt  hat,  unter  seiaer  eigenen  Leitung  seine  prähistorischen  Sammlungen 
in  Lund  studiren  zu  können,   darf   niemals   vergessen,    wie    machtig   der  Eindruck 
war,  welchen  diese  bescheidene  und  ruhige  und  doch   so  kraftvolle  und  arbeitsame 
Persönlichkeit  ausgeübt  hat  ■ 

Ich  habe  ausserdem  manches  bedeutenden  Forschers  auf  dem  Gebiete  der  Dr- 
geschichte  und  Frähistorie  schon  im  Laufe  des  Jahres  gedacht,  der  dahingeschieden 
ist.  Ich  erinnere  an  Oswald  Heer  und  van  Musschenbroek,  sowie  an  unseren 
hochgeschätzten  Freund  Eöpstorff,  dessen  schreckliches  Ende  ich  in  der  letzten 
Sitzung  anzeigen  muaste.  Heute  habe  ich  wieder  den  Tod  von  Fran^^^ois  Lenor- 
mant  zu  melden,  der  in  Paris  gestorben  ist  mitten  in  einer  grossen  Arbeit,  welche 
bestimmt  war,  die  Alterthümer  des  Orients  in  zusammenhängender  Form  der  ge- 
badeten Welt  vorzuführen.  Wir  bähen  keine  direkten  Beziehungen  zu  ihm  gehabt; 
die  allgemeinen  Verhätttiisse  der  Oeutschen  zu  ihm  waren  sogar  etwas  ins  Schwanken 
gerathen  durch  die  Zweifel,  welche  sich  an  der  Zuverlässigkeit  einzelner  seiner 
Funde  ergehen  und  zu  Streitigkeiten  geführt  hatten,  die  zum  Thpil  ziemlich 
herbe  Formen  annahmen  und  die  dazu  angethan  waren,  den  grossen  Namen»  den 
sein  Vater  ihm  hinterlassen  hatte,  einigermaasseu  zu  verdunkeln.  Nichts  desto* 
weniger  werden  wir  anerkennen  müssen,  dass  ein  Mann  von  weitumfassendem 
Wissen  und  seltener  Befähigung  der  Darstellung  dahingeschieden  ist,  dessen  Schriften 
noch  lange  Zeit  mit  Nutzen  consultirt  werden  dürfton. 

Was  unsere  eigene  Tbätigkeit  angeht,   so  will  ich   kurz  hervorheben,    dass  wir 


(541) 


in  4iedem  Jahre  die  Zahl  unserer  Sitzungen  durch  zwei  ausserordentliche  v*^rnnehrt 
haben^  eine  im  Feliruar,  die  andere  ira  November,  und  dass  wir,  wie  gewöhnlich, 
eine  Excursion  gemacht  haben  im  Lnufe  des  Sommers,  diesmal  nach  Tttiigerinütide^ 
wo  wir  ganz  neue  und  fruchtbringende  Beziehungen  eröffnet  haben,  die  udb,  wie 
ich  hoffe,  noch  für  lungere  Zeit  beschäftigen  und  ao  einer  Stelle,  wo  wir  bisher  fast 
im  Leeren  tappten^  hoffentlich  eine  Fülle  der  besten   Funde  bringen  werden. 

In  unseren  Sitzungen  hatten  wir,  wie  ich  von  Neuem  mit  grossem  Danke  an- 
erkennen muäs,  hi'mtig  Gelegenheit^  durch  unsere  corrnspondirenden  Mitglieder  mit 
den  werth vollsten  Einsendungen  erfreut  zu  werden.  Ich  erinnere  an  das,  was  Hr. 
Undset  uns  aus  Italien  gebracht  hat,  an  die  Zusendungen,  welche  Hr.  Victor  Gross 
in  immer  erneuten  und  immer  iuteresfianteu  Funden  uns  aus  den  Schweizer  Pfahl- 
bauten zugeführt  hat,  an  die  zahlreichen  uud  seltenen  Geschenke,  die  wir  der  Güte 
des  Hrn.  V.  Rnp&torff  verdanken,  an  die  vielen  und  noch  mehr  in  Aussicht  stel- 
lenden Miltheilungen,  welche  wir  von  unseren  kaukasischen  correspooclirenden  Mit- 
gliedern, dem  General  v,  Erckert  und  Hrn.  Bayern  erhielten»  Ich  kann  diese 
Erwähnung  der  correspondirenden  Mitglieder  nicht  schliessen,  ohne  zugleich  mit 
Dank  hervorzuheben,  wie  auch  eine  groase  Zahl  anderer  bedeutender  Forscher, 
welch«  nur  als  Gäste  unter  uns  erschienen  oder  als  Freunde  uns  ihre  Hutfe  schenk- 
ten, uns  durch  ihre  Mittheilungen  erfreut  und  belehrt  haben.  Ich  erwähne  zuer«t 
Hrn.  Wissmann,  der  jet^t  aeifie  neue  grosse,  dreijährige  Heise  nach  Central- Afrika 
angetreten  hat,  Hrn.  Hans  Meyer,  der  uns  seine  Studien  über  die  Igorroten  vor- 
gelegt hat,  Hrn-  Oppert,  den  wir  erst  neulich  gehört  haben,  Hrn.  Riebeck,  dessen 
bewunderungswürdige  Sammlung  heute  noch  der  Betrachtung  ausgestellt  iet,  ferner 
die  HHriK  Finsch,  Zembäch  untl  Herne  heim,  welche  die  prächtigsten  Samm- 
lungen aus  Oceanien  heimbrachten,  und  mit  besonderer  Genugthuuug  der  Reisendeu 
aus  dem  Nordwesten  Amerikas  uud  dem  Nordosten  Asiens,  der  Gebrüder  Krause 
und  des  Hrn.  Jacobsen,  endlich  des  Hrn.  Dr.  Brühl  in  Cincinaati  und  des  Baron 
Ferd,  v,  Müller  in  Melbourne. 

Es  wird  selten  ein  Jahr  zu  verzeichnen  sein,  wo  so  grosse  Schätze,  nicht  bloss 
an  neuem  Wissen,  sondern  auch  au  thatsächlichem  Material  für  die  Ethnologie  nach 
Berlin  kamen,  als  es  gerade  in  diesem  Jahre  der  Fall  war.  In  einer,  in  der  That 
überwältigenden  Reichhaltigkeit  ist  von  allen  Seiten  der  Zufiuss  zu  uns  gelangt, 
Bo  dass  das  Bedürfniss,  endlich  die  Räume  des  neuen  ethnologischen  Mu- 
seums zu  eroffnen,  ein  ausserordentlich  dringendes  geworden  ist  In  der  That 
sehen  wir  mit  einem  wahren  Schrecken,  wie  eine  dieser  werthvollsten  RisteD 
nach  der  anderen  in  den  Keilern  des  Museums  verschwindet.  Der  Bau  des  neuen 
Gebäudes  ist  inzwischen  soweit  vorgerückt,  ilass  wir  hoffen  dürfen,  im  Laufe  des 
Jahres  den  Beginn  des  Einzugs  zu  erleben.  Dann  erst  wird  die  Zeit  kommen,  wo 
wir  uns  dieser  Schatze  in  vollerem  Masse  werden  erfreuen  können,  als  es  in  diesem 
Jahre  leider  der  Fall  war,  wo  nur  einige  Eingeweihte  in  der  Lage  waren,  eine  An- 
schauung von  den  neuen  Erwerbungen  zu  gewinnen. 

Ich  darf  dann  wohl  daran  erinnern,  dass  auch  in  anderer  Beziehung  unsere 
Verhandlungen  fruchtbarer  gewesen  sind,  als  wir  im  Anfange  des  Jahres  erwarten 
konnten.  Der  Flei&s  der  Mitglieder  und  das  gute  Glück  hat  uns  vielfach  uutcr- 
slütit.  Ich  halie  schon  erwähnt,  welche  werthvollen  Anhaltspunkte  uns  gerade  die 
Excursion  nach  Tangermunde  gewährt  hat.  Wir  werden  wahrscheinlich  darauf  noch 
wiederholt  zurückkommen  müosen.  Ich  darf  dann  erinnern  an  den  grossen  Gold- 
fund von  Vettersfelde,  der  jetzt  durch  die  Bearbeitung  des  Herrn  Furtwängler 
in  einer  so  anschau  liehen  Weise  der  Welt  vorgeführt  ist  und  der  als  ünicum  in 
der  norddeutschen  Allerthumskunde  dasteht.     Ich    kann    ferner   hervorheben ^    wie 


(542; 


ibcn, 
For-V 


iosbesondere  oosere  ßeatrebufigeii,  dem  Nephrit  auf  die  Spur  la  komme i^»  abne  i 
wir  dea  Verdieosten  des  Hra.  A.  B.  Meyer  Abbruch  thun^  den  Vortag  gehabt 
dass  wir  auf  dem  geraden  Wege  einer  immer  tiefer  greifenden,  wi«»eiiscbaltil 
Uoterfluchung  der  Lrisang  der  Frage  oach  der  Natur  dedjeoigeD  Nephrits,  der 
Ruropa  gefunden  wird,  namentlich  durch  die  Arbeiten  des  Hrn.  Arzruoi,  Daher 
kommen  sind,  als  es  jematä  frtjher  der  Fall  war  Hr.  OUbausen  hat  durch  ^eiae 
Bchungen  über  die  Verwendung  von  Z^iun  an  alten  Metallarbeiten  ein  ganz  DeoeB  Ottd 
unerwartetes  Gebiet  der  Beobachtung  prscbloafien.  Die  Aufmerksamkeit,  mit  welcher 
namentlich  die  Lausitz  jetxt  in  archäologischer  Beziehung  durch  die  UHrn.  Jeiitaeh, 
f3ehta,  Siehe,  Wein  eck,  v.  Schulen  hu  rg  unter  Beobachtung  gestellt  i»r,  liefeilH 
die  erfreulichsten  Ergebnisse.  Fräulein  Mestorf,  die  BHrn.  Handelmaca ,  Trei-^l 
cbel,  Brückner,  Ludwig  Schneider  und  yiele  Andere  sind  unermödet  in  der 
Th  eil  nähme,  mit  der  sie  uns  neue  Thatsacben  aus  dem  weiten  Gebiete  unseres  Nofd-* 
Ostens  zufuhren.  Unser  junger  Freund  Joest,  anf  dessen  erprobte  Fähigkeit  ÜB 
Beobachten  und  Sammelo  wir  die  grössten  Hoffnungen  setzen,  bat  inzwiscbeo  seine 
neue  Weltreise  angetreten,  auf  der  unsere  herzlichsten  Wünsche  ihn   begleiteo. 

Eines  will  ich  hier  noch  erwähnen,  obwohl  es  streng  genommcu  oicbt  hierher 
gehört,  Ton  dem  ich  hoffe,  dass  es  Ihre  Zustimmung  haben  wird.     Ich  w^ar  id  die- 
sem Jahr  zum  ersten  Mal   in  der   Luge,    über    die  Einkünfte  der  Stiftung  sq  Ter- 
fügen,  welche  auf  Anregung  von  Mitgliedern  dieser  Gesellschaft  zu  Stande  gekom- 
men und  mit  meinem  Namen  bezeichnet  worden  ist.     Ich   habe  im  BioTerstandoiss 
mit  den  Mitgliedern  unseres  Vorstandes  und  Ausschusses  geglaubt,  die   erste  Ver- 
wendung aus  diesem  Fonds  in  derselbea  Richtung  machen  zu  aolleo,  welcher  meifti^| 
letzten    grösseren    Arbeiten    gewidmet    waren.     Ich    habe   zwei   Reihen    tod    üoter- 
suchuugen  im  Kaukasus  aufteilen   lassen:  eine,  welche  Hr  Bayern  geleitet  hAt,  im 
kieinen  Kaukasus,  die  andere,  welche  Hr.  Bolbeschew  übernommeD  bat,  in  Nord- 
Kaukasien.     Beide   haben   reiche   Ergebnisse   geliefert.     Hr.  Bayern  bat  das  acboD 
voti  früher  her  bekannte,  aber  unvollst^mdig  exploiirte  Gräberfeld  von  Redkin-La^r 
untersucht,   welches  am   Abhänge  der    armenischeii   Gebirge    in    der    Schlucht    der 
Akstafä  liegt,  ungefähr  in  der  Richtung,   in  welcher   einst  die  medischen   Heerzüge 
sich  gegen  das  Thal  der  Kurä  bewegt  habeu   müssen,     Hr.  Dolbescbew  hatte  die 
Aufgabe  übernommen ,    Thrile    \on  Ossetien    und    der   Kaberda    zu    durch  forsch  eo, 
welche    bisher    ausserhalb   der   archäologischen   Forschungsgebiete  lagen.      Von  ihtn 
iBt    noch    nichts    angekommen.     Die    Ergehnisse    der    Ausgrabungen ^    welche    Hr. 
Bayern  geleitet  hat,  schwimmen  auf  der  See,  um  über  Hamburg  hierher  gebracht  zu 
werden.    Welche  Gesammtresultati.»  ilaraus  hervorgehen  werden,  sollen  Sie  später  er- 
fahren,    kb   glaubte  jedoch,    schon    bei    dieser  Gelegen heit  Mittheitung  niacheo  xu 
müssen,  in  welcher  Weise  ich  über  die  Mittel  verfugt  habe,  welche  so  viele  Freunde 
mir  bereitwillig  in  die  Hiind  gelegt  haben. 

Die  Verhältnisse  der  G »'Seilschaft  zu  den  Behörden  haben  sich,  wie  bi!*her^  auf 
der  Basis  des  grössten  Vertrauens  bewegt  Der  Herr  Cultusmitiisler  hat  uos,  wie  ^_ 
Sie  wissen^  einen  erhöhten  Beitrag  bewilligt  und  noch  etwas  mehr  für  das  oaicbste  ^M 
Jahr  iu  Aussicht  gestellt.  Wir  iioffen  auch,  dass  in  nlchster  Zeit  unter  Mitwirkung 
der  verschiedeueo  Ministerien  endlich  das  erreicht  werden  wird,  was  wir  als  die 
Grundlage  künftiger  gesichfTter  Thätigkeit  betrachten,  nehmlicb,  dass  wir  Corpora- 
tionsrechte  erbiwgen.  Unser  Gesuch  hat  dai*  Justizministerium  passirt  und  ist  eben 
zurückgekehrt  nach  dem  ('uUusministenufn,  so  das*  wir  hoÖen  dürfen,  im  I^ofe 
der  nächsten  Monate  endlich  die  Sücbe  erledigt  zu  sehen.  Damit  hängt  der  Antrag 
auf  provisorische  Statuteuiinilerutig  zuiäaiiuiien,  der  Ihnen  für  heute  unterbreitet  ist 


(Mn) 


und  den  ich  bei  dieser  Gelegenheit  inotiTiren  darf.  Es  handelt  sich  darum,  im  die 
von  dea  Ministerien  etwa  geforderten  Aenderu^igen  onserer  Statuten  die  MT^glichkeit 
eiuer  8chnell«*n  Erlediguni^  zu  haben.  Nach  unseren  Statuten  kann  nur  in  dt*r  De- 
ceinber-Sitzung  über  Statutenänderungen  ahgeBtimmt  werden.  Wir  würden  alsn^ 
sobald  der  heutige  Taji;  vorübergegangen  sein  wird,  ohne  das»  wir  wissen,  was  wos 
etwa  auferlegt  werden  dürfte,  bis  zum  Decemher  1884  warten  müssen,  um  diese 
Aenderungen  herbeizuführen,  und  erst  dann  wurden  wir  darauf  rechnen  können, 
Corporationirechte  zu  erlangeiu  Nun  hängt  an  unseren  Corporationsrechten  aber 
wiederum  die  Gewinnung  der  Rechte  einer  juristJachen  Person  für  die  nach  mir 
benannte  Stiftung,  von  di*r  wir  ebenfalls  wünschen,  daas  sie  einen  völlig  legitimirten 
Charakter  erhalten  möehte.  Wir  haben  also  alles  Interesse,  die  Sache  2U  ht^schleu- 
nigen,  und  um  das  herbeizuführen,  wird  Ihnen  der  Antrag  unlerhreitet,  der  Ihnen 
in  der  Einladting  gedruckt  raitgotheilt  ist.  Das  würe  abo  eine  ganz  provisorische 
Bestimmung,  die  von  selbst  wegfällt,  sobald  die  Corporationsrechte  ertheilt  stin 
werden.     Ich  hoffe,  dass  der  Vor>chlag  auf  kein   Bedenken  stossen  wird» 

Ich  muss  ebenso  mit  Dank  anerkennen,  dass  die  General- Verwaltung  der  Kgl, 
Museen  und  apeciell  unsere  Freunde,  welche  die  Verwaltung  der  ethnologischen  Ab- 
theilung  führen,  immerfort  in  der  angenehmsten  Weise  uns  entgegen  gekommen 
sind  in  allen  guten  Dingen^  die  wir  irgendwie  erwarten  konnten.  Im  Laufe  des 
nächsten  Jahres  wird  die  definitive  Gestaltung  des  Verhältnisses  berathen  werden 
müssen,  welches  die  Gesellschaft  künftig  zu  dem  Museum  einnehmen  soll,  wenn  die 
neyen  Gebäude  bezogen  werden  und  wenn,  wie  wir  erwarten,  dort  auch  für  uns 
ein  Heim  geschaffen  sein  wird.  Die  Hoffnung,  dort  einen  Sitzungssaal  und  Arbeits- 
räume zu  erhalten ;  haben  wir  immer  festgehalten,  und  es  wird  Gegenstand  dieser 
weiteren  Verhandlungen  sein,  dafür  eine  beslimmte  Rechtaform  zu  suchen.  Natür- 
lich wird  dieselbe  Ihrer  Genehmigung  unterbreitet  werden.  —  Ich  darf  ebenso  her- 
vorheben, dass  Vorstand  und  Beamte  des  Märkischen  Provinzial- Museums  uns  in 
liebenswürdiger  Weise  und  regelmassig  mit  ihren  neuen  Erwerbungen  vertraut  ge- 
macht haben*  Ich  danke  den  Herren  recht  sehr  für  die  anhaltenden  und  dauernden 
Beziehungen,  welche  Sie  mit  der  Geseilachaft  unterhalten. 

Gegenüber  der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft,  zu  der  wir  nach  der 
neuen  Ordnung  unserer  Statuten  im  vorigen  Jahre  in  eine  etwas  losere  Beziehung, 
wenigstens  formell,  getreten  sind,  hl  materiell  keinerlei  Aenderung  eingetreten;  wir 
bezahlen  unsere  Beiträge  nach  wie  vor,  wir  empfangen  von  da  die  Correspondenz- 
blätter,  wir  alle  sind  Mitglieder  der  deutschen  Gesellschaft,  und  ich  kann  nur 
hoffen,  daas  Sie  im  michsteo  Jahre  auch  zeigen  werden^  wie  sehr  Sie  geneigt 
sind,  sich  praktisch  an  den  Arbeiten  der  Gesammtgesellechaft  zu  betheiligen,  wenn 
es  die  äusseren  Verhältnisse  gestatten.  Sie  wissen,  dass  die  nächste  General- Ver- 
sammlung IQ  Breslau  stattfinden  wird,  wahrscheinlich  im  Anfange  des  AugtfSl^M^^^ 
sehr  nahe  bei  uns,  und  Sie  werden  daher  wohl  in  grosserer  Zahl  auf  dem  FJatze 
sein,  als  wir  sonst  gewohnt  waren,  unsere  Mitglieder  bei  diesen  häufig  etwas  fernen 
Versammlungen  zu  sehen. 

Das  Letzte,  was  uns  am  meisten  beschäftigt  und  beschäftigen  rauss,  sind  unsere 
puhliciatischen  Leistungen.  Dieselben  liegen  Ihnen  siemlich  vollständig  vor.  Die 
5  Hefte,  welche  im  Laufe  dieses  Jahres  erschienen  sind,  müssen  an  alle  Mitglieder 
gelangt  sein.  Es  bleibt  nur  dasjenige  Heft  übrig,  welches  die  Sil  Zungen  bis  heute 
einschliesslich  umfassen  wird,  und  von  dem  wir  hoffen,  dass  es  in  diesem  Jahre 
etwas  früher  herauskommen  wird  als  sonst.  Leider  muss  ich  auch  diesmal  an- 
melden, dass  wir  nicht  im  Stande  gewesen  sind,  mit  dem  uns  zugebilligten  Raum 
auszukommen;  wir  werden  wieder  eine  Deberschreitung  an  Drucksachen  haben,    in- 


(54A) 


Baofi 


dess  ist  das  an  sich  ein  gutfs  Zeupfni^s,  tmd  ich  denke,  daes  der  gegen  wart 

der  Verhandlmigen  in  der  Reih«^  unserer  Publikationen  einen  durcbauß  ebenbiirtigeo 

Platz  einnehmen  wird. 

Ein  besonderes  Supplementheft  soll  den  illufttrirten  Katalog  der  Gypsmasken 
des  Hrn.  Finsch  enthalten,  welcher  la  ausgiebigster  Weise  die  iDikronesiscben,  poly- 
nesisehen,  melaneaicheo,  nmlayjscbrn  u.  8,  w.  Typen,  die  er  in  ao  fleia&iger  Weise 
gesammelt  hat»  zur  Anschauung  bringen  wird.  Bei  der  grossen  Bedeutung,  welche 
wir  dieser  Sammlung  beilegeo,  hat  der  Ausschuss  bereitwillig  die  Mittel  bewilligt, 
um  diese  Publikalian  zu  ermöglichen.  Möge  der  fleissige  Forscher  darin  ztigletch 
eine  Anerkennung  aeioer  aufopfernden   Arbeiten  sehen! 

Was  schliesslich  die  Sammltmgen  der  Uesellachaft  betrifft,  so  habe  ich  xii nächst 
betf;onderen  Dank  abzustatten  an  Hrn.  Reichert,  der  auch  in  diesem  Jahre  mit 
unermüdlicher  Thätigkeit  sowohl  der  Bibliothek,  als  der  ethnologischen  Sammlung 
einen  grossen  Theil  seiner  Tage  gewidmet  hat,  mit  dem  erfreulichen  Resultat^  dass 
allmählich  eine  vollständige  Üehergicht  und  Ordnung  durchgeführt  ist  Ich  habe 
immer  noch  die  Hoffnung,  daas  wir  in  oächster  Zeit  einen  Katalog  werden  drucken 
lasaen,  damit  Sie  alle  nberseheo  können,  was  wir  haben,  und  damit  Sie  es  in 
grösserer  Ausdehnung  benutzen  können.  Ich  muss  übrigens  bemerken,  dass  die 
Benutzung  der  Bibliothek  schon  jetzt  eine  recht  rege  gewesen  ist  und  daas  sie 
vielen  Mitgliedern  grosse  Vortheile  geboten  hat.  unsere  Bibliothek  hat  sich  im 
Laufe  des  Jahres  um  102  Nummern,  tm  Tausch  um  45  Zeitschriften  erweitert.  Die 
Zahl  unserer  Photographien  dagegen  ist  sehr  wenig  gewachsen»  Wir  haben  nicht 
in  der  Reich haltigk ei t,  wie  das  früher  der  Fall  war,  durch  die  Güte  unserer  Mit- 
glieder Zuwächse  gehabt  Ein  grosser  Theil  von  den  20  Nummern,  die  überhaupt 
hinzugekommeu  sind,  ist  gekauft  worden,  so  dass  ich  nicht  umhin  kann,  den  Mit- 
gliedern für  den  Fall,  dass  Sie  Reisen  unternehmen,  die  Vermehrung  unserer 
Sammlungen  bestens  zu  empfehlen. 

Die  ethnologische  Sammlung  ist  im  Laufe  diesrs  Jtihres  um  45  Nummern  ver- 
mehrt worden  und  schliesst  im  Ganzen  mit  2H5  Nummern  ab.  Wir  haben  von 
Zeit  zu  Zeit  Austäusche  mit  dem  Königlichen  Museum  veraostaltet,  indem  wir  einen 
Theil  unserer  ethnologischen  Erwertmngen  an  das  Musenm  abgegeben  und  dafür 
unsere  nothropologtscben  Sammlungen  verstärkt  haben.  Wahrscheinlich  wird  das 
auch  in  nächster  Zeit  wieder  eintreten  Daran a  erklärt  sich,  dasß  die  Sammlung 
keinen  grösseren  Umfang  h^t. 

Die  oäieologische  Sammlung  ist  durch  zahlreiche  Schädel  und  Skelette  verstärkt 
worden.  Von  letzteren  erwähne  ich  besonders  die  reichen  Gaben  des  Hrn*  Htieda, 
oslkitukaaische  Männer  betreffend^  sowie  das  Sketet  und  den  Schädel  von  La  Töne, 
deren  Ankauf  durch  das  freuudliche  Entgegenkommen  der  HHrn.  Aeby  und  v.  Fel- 
le nberg  vermittelt  wurde;  von  ersteren  die  Philippinen-Schädel,  welche  Hr.  Hans 
Meyer  und  Dn  Landau  gesammelt  haben,  die  Westauetralier^  die  Baron  Muller 
ge^hickt  batj  endlich  die  Tangermünder  Schädel  aus  der  neolithischen  Zeit,  die  wir 
der  Aufmerksamkeit  des  Hrn.  Hartwich  verdanken. 

In  Bezug  auf  die  Kassenverhältnisse  wird  unser  Schatzmeister  die  Üebersicht 
vorlegen;  ich  bemerke,  dasa  es  uns  gelungen  ist^  nicht  nur  das  iileichgewicbt 
zwischen  Ausgaben  und  Einnahmen  herzustellen,  sondern  auch  einen  kleinen  Be- 
stÄnd  in  das  neue  Jahr  hinüberzunphmen.  Die  Prüfung  der  Rechnungen  durch  den 
Ansschusä  hat  inzwischen  schon  stattgefunden  und  es  ist  von  ihm  die  Decharge  sta* 
tutenmääsig  ertheilt  worden. 

Ich  selbst  habe  nun  wiederutn  während  einer  dreijährigen  Periode  den  Vor- 
sitz der  Geäellächaft  geführt.     Nach    der    weisen  Bestimmang  unserer  Statuteu   bin 


! 


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(545) 

ich  für  das  nSchste  Jahr  nicht  wieder  wählbar.  Ich  freue  mich,  dass  es  mir  ge- 
stattet ist,  nach  einem  so  langen,  an  Ergebnissen  fruchtbaren  Zeitraum  die  Geschäfte 
der  Gesellschaft  in  eine  andere,  hoffentlich  noch  glücklichere  Hand  legen  zn  können. 
Für  die  Nachsicht,  die  Sie  mir  schenkten,  und  für  die  stets  wachsende  Theilnahme 
nicht  blos  voo  hörenden,  sondern  auch  von  mitarbeitenden  Mitgliedern  sage  ich 
meinen  aufrichtigen  und  herzlichen  Dank.  Als  wir  das  Jahr  begannen,  befand  ich 
selbst  mich  eben  in  dem  Beginn  einer  sehr  langsamen  Reconvalescenz  von  einem 
schweren  Krankheitsanfall,  der  mir  den  Gedanken  an  die  künftige  Leitung  und  die 
weitere  selbständige  Entwickelung  der  Gesellschaft  recht  nahe  gelegt  hatte.  Jetzt, 
wo  es  mir  gegönnt  gewesen  ist,  noch  einmal  ein  Jahr  hindurch  die  Geschäfte  der 
Gesellschaft  zu  führen  und  durch  eigene  Arbeiten  etwas  zu  ihrer  Fortbildung  und 
ihrem  Oedeiben  beizutragen,  empfinde  ich  um  so  mehr  die  Verpflichtung,  Ihnen 
allen  und  auch  den  vielen  sonstigen  Freunden,  welche  mir  die  werthyoUsten  Zeichen 
Ihrer  Theilnahme  gewährt  haben,  zu  sagen,  wie  sehr  mich  der  Zuspruch  gestärkt 
und  bei  der  Wiederaufnahme  meiner  Thätigkeit  gehoben  hat. 

(2)  Der  Schatzmeister,  Hr.  Ritter,  erstattet  den  Kassenbericht.  Die  De- 
charge  wird  seitens  der  Gesellschaft  ohne  Widerspruch  genehmigt. 

(3)  Der  Vorsitzende  bringt  die  vom  Vorstande  und  Ausschusse  vorgeschlagene 
Statutenänderung  zur  Abstimmung.  Dieselbe  wird  einstimmig  angenommen. 
Sie  lautet: 

Zusatz  zu  §  36  Abs.  3  der  Statuten: 
Behufs  Herbeiführung  derjenigen  Aenderungen  der  Statuten,  welche  von 
der  Königlichen  Staatsregierung  zur  Ertheilung  der  Rechte  einer  juristi- 
schen Person  für  nothwendig  erachtet  werden  sollten,  kann  eine  Aende- 
rung  der  Statuten  auch  in  einer  anderen  ordentlichen  Sitzung,  als  in  der 
December-Sitzung,  beschlossen  werden. 

(4)  Hierauf  findet  die  Wahl  des  Vorstandes  für  das  Jahr  1884  statt.  Durch 
Acclamation  wird  gewählt  Hr.  Beyrich  zum  Vorsitzenden,  die  HHrn.  Virchow 
und  Bastian  zu  Stellvertretern  desselben.  Die  übrigen  Mitglieder  des  Vorstandes 
werden  in  ihren  Aemtern  bestätigt. 

(5)  Als  neue  Mitglieder  sind  angemeldet: 

Hr.  Dr.  jur.  Carl  Dettenborn  —  Halle  a.  d.  Saale. 

„  Dr.  jur.  Eugen  Zintgraff — Berlin. 

„  Forstmeister  von  Binzer  —  Berlin. 

„  Dr.  Ossowidzki — Oranienburg. 

„  Kaufmann  Robert  Rosenberg — Berlin. 

„  Kaiserl.  Deutscher  Gonsul  G.  Travers  —  Hongkong. 

„  Dr.  Cahnheim  — Dresden. 

Die  Herren  Aeby  und  von  Fellenberg  danken  für  ihre  Ernennung  zu 
correspondirenden  Mitgliedern. 

(6)  Der  G.Russische  archäologische  Gongress  findet  vom  15.  (27.)  Aug. 
an  in  Odessa  statt. 

Verhandl.  der  B«rl.  AathropoL  GMellschaft  18Ö3.  35 


(546) 

(7)  Hr.  Ingvald  öndset  übersendet  d.d.  Budapest,  27.  November  1883,  fol- 
genden zweiten  Bericht  über 

die  Runenlanze  von  Torcello. 

Nachdem  ich  jetzt  die  unten  angeführte  Mittheilung  von  Hrn.  Dr.  Tischler 
erhalten  habe,  lasse  ich  die  schon  angekündigte  weitere  Besprechung  der  RuneDlaoze 
von  Torcello  folgen. 

Gleichzeitig  mit  dem  früheren  Aufsatz  über  die  Auffindung  dieses  interessanten 
Stückes  schrieb  ich  einige  Worte  darüber  an  die  nordischen  Runologeo,  meinen 
Lehrer  und  Freund  Professor  Dr.  Sophus  Bugge  in  Christiania,  und  die  HHrn. 
Prof.  Dr.  Georg  Stephens  und  Dr.  L.  Wimmer  in  Kopenhagen. 

Von  Hrn.  Prof.  Dr.  Bugge  erhielt  ich  umgehend  einen  Brief,  aus  dessen  In- 
halt ich  hier  Folgendes  anführe: 

^Ihre  Mittheilungen  über  die  Speerspitze  mit  Runeninschrift  aus  dem  Museum 
in  Torcello  haben  mich  selbstverständlich  im  höchsten  Grade  interessirt.  Ich 
schreibe  Ihnen  sofort  meine  dadurch  veranlassten  Betrachtungen. 

„Sie  bemerken  mit  vollem  Recht:  In  Hauptform,  Ornamenten,  heiligen  Zeichen, 
Steile,  wo  die  Inschrift  angebracht  ist,  stimmt  ja  die  neue  Speerspitze  mit  denen 
von  Kowel  und  Müncheberg  völlig  überein.  Ich  vermutbe,  dass  sie  eine  Abbildung 
der  Müncheberger  zur  Vergleichung  bei  der  Hand  nicht  gehabt  haben;  ich  schicke 
Ihnen  darum  anbei  eine  Zeichnung  der  Inschriftseitc  des  Müncheberger  Speeres. 
Wenn  Sie  diese  Zeichnung  mit  der  Torcello-Lanze  vergleichen,  werden  Sie,  glaube 
ich,  mit  mir  einverstanden  sein,  dass  ein  ganz  besonderes  Verhältniss  zwischen 
der  Müncheberger  und  der  Torcello-Speerspitze  stattfindet  (bezüglich  der  uicht 
beschriebenen  Seite  ist  das  Verhältniss  ganz  derselben  Art).  Dies  besondere  Ver- 
hältniss lässt  sich  wahrnehmen,  nicht  bloss  bezüglich  der  Stelle,  wo  die  Inschrift 
angebracht  ist,  sondern  auch  bezüglich  der  Inschrift  selbst;  es  lässt  sich,  soweit 
ich  sehe,  nur  durch  eine  der  folgenden  drei  Alternativen  erklären: 

1.  der  Müncheberger  Speer  und  der  Torcello-Speer  sind  im  Alterthum  von 
einem  und  demselben  Fabrikanten  verfertigt  worden,  —  oder 

2.  der  Torcello-Speer  ist  eine  im  Alterthum  verfertigte  Nachahmung  des 
Müncheberger  Speeres,  —  oder  eines  anderen  damit  übereinstimmenden  Speeres 
aus  derselben  Fabrik.  —  Oder 

3.  die  Torcello-Speerspitze  ist  eine  moderne,  gefälschte  Nachahmung  der 
Müncheberger. 

„Als  ich  auf  die  durchgehende  Aehnlichkeit  auch  in  der  Inschrift  zwischen 
beiden  Speerspitzen  aufmerksam  wurde,  kam  bei  mir  der  Gedanke  an  die  ünächt- 
heit  des  Torcello-Speeres  auf,  aber  ich  wagte  nicht,  dem  Gedanken  Raum  zu  geben, 
weil  Sie  nichts  in  dieser  Richtung  äussern.  Ich  zeigte  dann  Hrn.  Professor  Rygh 
Ihre  Zeichnung,  verglichen  mit  der  Abbildung  der  Müncheberger  Lanzeuspitze,  und 
machte  ihn  auf  das  besondere  Verhältniss  zwischen  beiden  Inschriften  aufmerksam; 
auch  ihm  kam  dann  die  Torcello-Lanze  etwas  verdächtig  vor;  er  wagte  aber  auch 
nicht,  seinem  Verdacht  Raum  zu  geben,  weil  Sie  nichts  darüber  geäussert  hätten. 
Hrn.  Prof.  Rygh  schien  der  Umstand  verdächtig,  dass  die  Speerspitze  aus  Bronze 
ist,  und  auch,  dass  ihre  Figuren  von  denen  der  Müncheberger  im  Material  abwei- 
chen, während  sie  bezüglich  der  Form  übereinstimmend  sind. 

„Ich  hebe  folgende  Einzelheiten  in  Bezug  auf  die  Inschrift  hervor.  Die  erste  Rune 
an  der  Müncheberger  ist  f],  eine  ächte  Runenform,  auf  der  von  Torcello  dagegen  /^, 
eine  Form,   die  als  eine  „ünform**  zu  bezeichnen    ist.     Die    zweite   Rune    an    der 


(547) 

Müncheberger  ist  ^  (Ä),  wodurch  man  einen  voll  geschriebenen  Namen  erhält 
(nur  mit  der  Eigenthümlichkeit,  dass  C)  ng,  wie  bisweilen  sonst  die  ganze  Sylbe 
ing  bezeichnet);  ich  habe  ran(i)nga  gelesen.  Auf  der  Torcello-Lanze  dagegen  ist 
die  zweite  Rune  «f*.  Dann  fehlt  in  der  Schrift  der  Yocal,  der  hier  in  der  Aus- 
sprache vorhanden  sein  muss,  und  was  noch  mehr  auffallend  ist,  N  ist  zweimal 
geschrieben,  einmal  mit  dem  Querstrich  nach  links  ^,  das  andere  Mal  mit  dem 
Querstrich  nach  rechts  +. 

,,Sovvohl  Prof.  Rygh,  wie  ich,  mochten  darum  sehr  wünschen,  dass  die  Aechtheit 
der  Torcello-Speerspitze  bestimmt  constatirt  würde;  aber  Ihr  Schweigen  über  die- 
sen Punkt  fällt  so  schwer  ins  Gewicht,  dass  wir  keine  bestimmte  Meinung  haben 
dürfen.  Wenn  die  neue  Runenlanze  von  Torcello  acht  ist,  muss  ich  eine  der 
oben  angeführten  Alternativen  1  oder  2  für  die  richtige  halten^. 

Wie  schon  in  meiner  früheren  Mittheilung  angeführt,  wurde  ich  beim  ersten 
Anblick  der  Torcello-Lanze  von  der  Aehnlichkeit  in  der  Ausstattung  mit  den  Runen- 
lanzen von  Müncheberg  und  Kowel  betroffen.  Ich  hatte  aber  keine  Abbildung  von 
diesen  bei  der  Hand  und  in  Venedig  keine  Gelegenheit,  eine  solche  einzusehen;  die 
Müncheberger  Inschrift  stand  mir  nicht  so  deutlich  im  Gedächtniss,  dass  es  mir  klar 
wurde,  dass  die  U  eberein  Stimmung  eine  so  auffallende  war.  Der  Umstand,  dass  diese 
Lanzenspitze  in  der  Form  der  Völkerwanderungszeit  aus  Bronze  war,  brachte  mich 
im  ersten  Moment  dazu,  au  eine  Fälschung  zu  denken;  aber  das  Stück  sah  gar 
nicht  neu  aus;  die  ganze  Arbeit  war  eine  so  sorgfaltige,  die  Manier,  in  welcher 
die  Runen  und  Zeichen  eingeschlagen  waren,  eine  so  eigenthümliche,  und,  was  mein 
Zeichner  mir  sofort  bemerkte,  mit  der  Decorations  weise  einiger  Fibeln  und  anderer 
Schmuckstücke  aus  der  Völkerwanderungszeit,  die  wir  in  Rom  zusammen  unter- 
sucht und  gezeichnet  hatten,  so  übereinstimmend,  dass  ich  für  jenen  Umstand  eine 
andere  Erklärung  suchen  zu  müssen  glaubte.  Bronzene  Lanzenspitzen  aus  der 
Völkerwanderungszeit  waren  mir  sonst  nicht  bekannt;  es  schien  mir  aber  nicht  un- 
wahrscheinlich, dass  es  sich  hier  um  ein  sacrales  Stück  oder  um  die  weitstrahlende 
Waffe  eines  Häuptlings  handeln  könne.  Der  Fundbericht  war  so  bestimmt  und 
wurde  mir  mitgetheilt  von  Hrn.  Battaglini  selbst,  der  das  Stuck  bei  dem  Bauer 
zufällig  entdeckt  hatte;  au  dem  Stück  selbst  konnte  man  deutlich  sehen,  dass  es 
durch  lange  Zeit  in  Asche  und  Feuer  gedient  hatte,  was  auch  'genügend  erklärte, 
dass  die  Patina  so  zerstört  war;  dass  es  sonst  so  wohl  erhalten  war,  wurde  durch 
die  wahrscheinliche  Herkunft  aus  einem  Moor  auch  ganz  erklärlich.  Ich  glaubte 
somit,  nicht  an  der  Aechtheit  des  Stückes  zweifeln  zu  können. 

Durch  Prof.  ßugge's  Brief,  der  mich  auf  die  so  höchst  auffallende  Aehnlich- 
keit der  neuen  Runenlanze  mit  der  Müncheberger  aufmerksam  machte,  wurde  ich 
nun  stark  alarmirt.  Glücklicher  Weise  traf  sein  Brief  mich  noch  in  Venedig.  Ich 
begab  mich  sofort  zu  Hrn.  Battaglini,  sprach  den  Wunsch  aus,  das  Stück  noch 
einmal  genau  untersuchen  zu  dürfen  und  zu  dem  Zweck  die  Schlüssel  der  Glas- 
schränke des  Torcello-Museums  zu  erhalten.  Mit  der  grössten  Bereitwilligkeit  kam 
er  meinem  Wunsche  entgegen,  stellte  mir  seine  grosse  barca  mit  4  Mann  (der  Tag 
war  ziemlich  windig)  zur  Disposition  und  fuhr  selbst  mit  hinaus  nach  Torcello. 

Als  Resultat  dieser  neuen  Nachforschungen  und  Untersuchtun  gen  kann  ich  nun 
Folgendes  anführen: 

Das  Stück  ist  nicht,  wie  im  ersten  Aufsatz  angeführt,  in  diesem  Jahre  dem 
Museum  in  Torcello  zugegangen,  sondern  im  Februar  oder  März  1882.  Der  Bauer, 
in  dessen  Hause  es  angetroffen  wurde,  ist  jetzt  ein  Mann  von  50 — 60  Jahren;  da 
die  Lanzenspitze  schon  in  seiner  Kindheit  als  Fcuerschaufel  im  Hause  diente,  kom- 
men wir  mit  der  wahrscheinlichen  Ausgrabung  des  Stückes  aus  der  Erde  mindestens 

3ö* 


(548) 

50  Jahre  in  der  Zeit  zurück.  Dieser  Fundbericht  kann  nicht  bezweifelt  werden; 
ich  hatte  zwar  keine  Gelegenheit,  den  betreffenden  Bauer  zu  sprechen  und  aas 
seinem  Munde  den  Bericht  zu  hören,  aber  die  Mittheilungen  des  Hrn.  ßattaglini, 
des  yerdienten  Verfassers  der  €reschichte  Yon  Torcello  und  des  Begründers  des 
dortigen  werthvollen  Museums,  sind  für  mich  über  jeden  Zweifel  erhaben. 

Dass  die  Inschrift  der  Lanzenspitze  bei  dem  Museum  für  eine  etruskiache  galt 
und  auch  seitens  der  archäologischen  Direction  im  Cultusministerium  in  Rom  für 
eine  solche  erklärt  worden  war,  hält  den  Verdacht  einer  Fälschung  vom  Museom 
und  überhaupt  yod  Italien  fern,  denn  wenn  das  Stück  moderne  Arbeit  wäre,  müsste 
es  von  einem,  mit  den  älteren  Runen  und  mit  den  in  Norddeutschland  gefuDdenen 
Runenspeeren  vertrauten  Manne  gemacht  sein.  Der  Umstand,  dass  diese  schön 
und  mit  grösster  Sorgfalt  gearbeitete  Lanzenspitze  als  Feuerschaufel  im  Hause  eines 
Bauern  auf  der  kleinen,  abseits  gelegenen  Lagunen-Insel  angetroffen  wird,  und 
weiter,  dass  dieser  Bauer  das  Stück  sofort  dem  Museum  überlässt,  nur  so  viel  Ent- 
schädigung fordernd,  dass  er  sich  eine  andere  Feuer8ch%ufel  kaufen  könne ^),  — 
spricht  entschieden  dafür,  dass  das  Stück  dort  aussen  in  der  Erde  seiner  Zeit  ge- 
funden worden  ist  —  Wenn  die  Lanzenspitze  nicht  antik  sein  sollte,  müsste 
man  sich  etwa  folgende  Combination  vorstellen:  dass  im  vorigen  Jahrhundert  etwa 
ein  antiquarischer  Amateur  in  Deutschland  nach  dem  Müncheberger  Speer  (damals 
wusste  ich  noch  nichts  über  den  Zeitpunkt  der  Auffindung  dieses  ^Originals^)  eine 
Nachahmung  in  Bronze  hätte  machen  lassen,  und  zwar  mit  Absicht  weit  grosser, 
wie  das  Original,  und  mit  einigen  Aenderungen  in  der  Dekoration  und  in  der  In- 
schrift, —  dass  diese  Nachahmung  so  vielleicht  durch  Tausch  in  die  Hfinde  eines 
italienischen  Amateurs  im  Venetianischen  gelangt  wäre,  —  dann  auf  seinem  Gate 
in  die  Erde  verloren  gegangen,  und  schliesslich  von  einem  Arbeiter  aus  Torcello 
zufälligerweise  wiedergefunden,  nach  Hause  mitgenommen  und  dort  als  Feuerschaufel 
in  Gebrauch  genommen  wäre,  —  eine  Combinationsreihe,  die  mir  doch  so  un- 
wahrscheinlich schien,  dass  ich  sie  sofort  abweisen  zu  müssen  glaubte. 

Vom  Stücke  selbst  ist  Folgendes  zu  sagen:  Das  wichtigste  Kriterium  wäre  die 
Patina,  aber  damit  ist  in  diesem  Falle  nicht  viel  anzufangen;  durch  den  (halb- 
hundertjährigen) Gebrauch  der  Lanzenspitze  im  Feuer  ist  die  Patina  ganz  zerstört; 
die  Oberfläche  ist  jetzt  schwarzbraun  und  wie  angebrannt;  eine  durch  Oxydation 
erzeugte  Oberflächen-Schicht  ist  nicht  mehr  zu  erkennen.  Nur  an  der  Dülle  sind 
Spuren  einer  Patina,  die  am  meisten  an  Moorfund- Patina  erinnern.  Debrigens  ist 
das  Stück,  wie  schon  angeführt,  merkwürdig  wohl  erhalten:  die  Linien,  welche  die 
Conturen  der  Runen  und  Zeichen  bilden,  stehen  so  scharf  und  fein,  als  hätte 
sie  der  Grabstichel  gestern  gezogen.  Eine  frühere  Oxyd-Patina  mag,  wie  ge- 
sagt, weggebrannt  sein,  aber  eine  ähnliche  vortreffliche  Conservirung  lässt  sich  ja 
sehr  oft  an  Gegenständen  beobachten,  die  im  Moor  oder  unter  besonderen  Um- 
ständen gefunden  worden  sind.  Nur  die  Ornamentlinien  an  der  Dülle  sind  unten 
und  in  der  Mitte  so  stark  abgenutzt,  dass  sie  theilweise  kaum  mehr  erkennbar 
sind;  möglicherweise  kann  diese  Abnutzung  zum  Tbeil  neu  sein,  indem  das 
Stück  hier  oft  angefasst  wurde  während  der  langen  Zeit,  wo  es  als  Feuerschaufel 
diente.  —  üeber  die  technische  Herstellung  der  Zeichen  und  der  Runen  habe 
ich  Mher  gesprochen:  die  Contourlinien  sind  mit  dem  Grabstichel  gezogen; 
mit  punzirten  Kreisen  und  Sternchen  sind  die  Zwischenräume  ausgefüllt.  Diese 
Arbeit  ist    mit   der  grossten  Sorgfalt  und  Sauberkeit  gemacht.    Eine  ganz  analoge 


1)  Der  Bauer   forderte   nur   eine  neue  Feuerschaufel  fär  die  Ueberlasrani^  des  Stückes; 
da  die  Lanze  dem  Hrn.  Battaglini  so  interessant  schien,  bezahlte  er  dem  Manne  25  Francs, 


(549) 

DecoratioQSweise  ist  mir  bekannt  an  Fibeln  und  anderen  italischen  Slshmuckstücken 
aus  der  Yölkerwanderungszeit,  die  ich  aus  einer  Privatsammlung  in  Rom  habe 
zeichnen  lassen  für  eine  Abhandlung,  die  ich  für  die  Gesellschaft  vorbereite;  an 
modernen  Bronzearbeiten  erinnere  ich  mich  nicht  eine  solche  Arbeit  gesehen  zu 
haben. 

Die  Vergleichung  der  zwei  Inschriften  stellt  sofort  ausser  Frage,  dass  hier  ein 
innerer  Zusammenhang  besteht,  und  dass  die  Müncheberger  Inschrift  die  correctere 
ist.  Die  erste  Rune  in  unserer  Torcello-Inschrift  zeigt  ja  eine  Unform;  die  Krüm- 
mung des  linken  Stabes  nähert  sich  sehr  der  Form  auf  dem  Müncheberger  Speere 
und  lässt  bestimmt  schliessen,  dass  hier  ein  )1  wiedergegeben  ist  Die  Variationen 
in  der  zweiten  Rune,  -)^  anstatt  ^ ,  und  in  der  Form  der  vierten,  ^  für  C),  schei- 
nen zu  beweisen,  dass  der  Verfertiger  des  Torcello-Speeres  einige  Kenntnisse,  wenn- 
gleich mangelhafte,  des  Runenalphabetes  gehabt  haben  muss.  Auch  in  den  heiligen 
Zeichen  lassen  sich  einige  Variationen  beobachten;  eine  nur  vergrösserte  Bronze- 
Copie  des  Müncheberger  Speeres  ist  der  von  Torcello  somit  keinesfalls. 

Mein  Resultat  nach  diesem  zweiten  Ausfluge  nach  Torcello  war,  dass  ich  mich 
nicht  hatte  überzeugen  können,  dass  hier  eine  moderne  Fälschung  vorläge;  auf 
der  anderen  Seite  fühlte  ich  mich  aber  auch  nicht  von  jedem  Zweifel  befreit  gegen- 
über der  so  auffallenden  Aehnlichkeit  mit  der  Müncheberger  Lanzenspitze,  üeber 
einen  Punkt  fühlte  ich  mich  jedoch  beruhigt:  um  eine  moderne,  seitens  des  Torcello- 
Museums  oder  in  Italien  überhaupt  verfertigte  Nachbildung  nach  einer  Zeichnung 
des  Müncheberger  Speeres  konnte  es  sich  hier  nicht  handeln. 

Da  es  für  die  Beurtheilung  dieses  Verhältnisses  von  entscheidender  Bedeutung 
war,  die  Fundgeschichte  der  Müncheberger  Lanze  zu  kennen,  und  ich  darüber  nichts 
Bestimmtes  wusste,  auch  in  Venedig  keine  Gelegenheit  haben  konnte,  einschlägige 
Literatur  einzusehen,  so  schrieb  ich  gleich  beim  Empfang  des  Bugge 'sehen  Briefes 
an  Hrn.  Dr.  Voss  in  Berlin  mit  der  Bitte,  mich  darüber  zu  informiren.  Dr.  Voss 
theilte  mir  gütigst  umgebend  mit:  „Die  Runenlanzenspitze  wurde  beim  Bau  des 
Bahnhofes  Müncheberg  im  Jahre  1865  gefunden  und  ist  wahrscheinlich  sogleich 
in  den  Besitz  der  Sammlung  des  Vereins  für  Heimathskunde  in  Müncheberg  ge- 
langt. —  In  der  BlelTschen  Sammlung  in  Tüngen  sah  ich  einen  Bronzenachguss 
eines  Gypsabgusses  der  Speerspitze;  Blei)  hielt  denselben  für  ein  achtes  Stück, 
während  Tischler  schon  seine  Bedenken  geäussert  hatte,  die  ich  auch  nur  bestätigen 
konnte.^ 

So  bestimmt  die  Mittheilung  über  das  neue  Datum  der  Auffindung  der 
Müncheberger  Lanze  das  Alter  der  von  Torcello  zu  beweisen  schien,  so  machte 
die  Nachricht  von  der  Bronzecopie  bei  Hrn.  Blell  mich  doch  etwas  bedenklich. 
Wohl  konnte  unser  Stück  von  Torcello  kein  Abguss  sein,  da  es  mehr  wie  doppelt 
so  gross,  in  einer  andern  Technik  hergestellt  und  mit  der  grossten  Sorgfalt  gearbeitet 
ist,  aber  konnte  nicht  derselbe  Künstler,  der  den  BlelTschen  Bronzeabguss  gemacht 
hat,  auch  freiere  Nachahmungen  in  Bronze  in  die  Welt  gesetzt  haben?  Ich  schrieb 
darüber  sofort  dem  Hrn.  Dr.  Tischler  und  habe  jetzt  von  ihm  folgende  Ant- 
wort bekommen: 

„Die  BlelTsche  Lanzenspitze  ist  einfach  eine  Fälschung,  ein  einfacher,  unge- 
schickter Abguss  der  Müncheberger  (Voss  glaubt,  nach  einem  Gypsabguss,  ich  glaube 
nach  dem  Originul).  Es  ist  ein  Sandabguss,  daher  die  Zeichen  zum  Theil  undeutlicher 
und  überhaupt  nur  da  vorhanden  sind,  wo  die  Silberausfüllung  verschwunden  ist;  wo 
das  Silber  erhalten  war,  ist  die  Fläche  ganz  glatt.  Auch  zeigen  sich  am  Abguss 
alle  Defekte  des  Originals,  abgeblätterte  Stückchen,  Rostgruben  u.  s.  w.  Ich  fand  dies 
durch  genaueste  Vergleichung  mit  der  Berliner  Photographie,    später  sah    sie  auch 


(550) 

Voss.  Es  ist  also  keioe  Nachbildung,  soodern  ein  eiDfacher  Abgoss,  ohne  jede 
Bedeutung,  mithin  für  diese  Frage  werthlos.^ 

Ueber  den  wichtigsten  Punkt,  woher  Hr.  ßlell  seinen  Abguss  erhalten  hat, 
und  inwiefern  der  Verfertiger  des  Abgusses  auch  freie  Nachbildungen  gemacht  hat, 
kann  also  nichts  angegeben  werden. 

Nach  alle  dem,  was  ich  hier  Yorgefuhrt  habe,  muss  der  Runenspeer  von  Tor- 
cello Yon  dem  gegen  ihn  erhobenen  Verdacht  freigesprochen  werden.  Ich  stutxe 
mich  dabei  namentlich  auf  den  Fundbericht,  der  nach  meiner  Meinung  Dicht  ao- 
gezweifelt  werden  darf.  Da  aber  der  innere  Zusammenhang  zwischen  den  Ruuen- 
lanzen  von  Muncheberg  und  Torcello  unverkennbar  ist,  so  muss  man  annehmeo, 
dass  die  von  Torcello  eine  im  Alterthum  gemachte  Nachbildung  der  MQncheberger 
ist,  oder  dass  beide  eine  andere  dritte  wiederholen*). 

Ich  habe  über  diese  Angelegenheit  so  ausführlich  berichtet,  so  zu  sagen  die  ganze 
Procedur  vorgelegt,  weil  die  Sache  so  wichtig  ist,  und  weil  ich  jedem  die  Gelegen- 
heit bieten  wollte,  aus  dem  ganzen  Material  sein  eigenes  Drtheil  zusammenzafiasaen. 

Nachtrag.  Berlin,  15.  December.  So  eben  erhalte  ich  einen  Brief  Ton 
Hrn.  Professor  Henning  in  Strassburg,  aus  dem  ich  Folgendes  hier  anfuhren  will: 

„Da  Ihnen  die  Literatur  vielleicht  nicht  so  zur  Hand  ist,  mochte  ich  Ihnen 
nachträglich  noch  Folgendes  mittheilen: 

„1.  Ebenso  wenig,  wie  nach  dem  Original,  kann  die  Spitze  von  Torcello  nach 
der  ersten  Publikation  (Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1867)  angefertigt 
sein,  wegen  der  hier  vorhandenen  grossen  üngenauigkeiten,  welche  auf  der  neuen 
Spitze  sich  nicht  finden. 

„2.  Auch  die  zweite  Publikation,  in  der  Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  XIV 
(1869),  kann  nicht  zu  Grunde  liegen,  weil  die  Vorderseite  in  ähnlichem  Maasse  fehler- 
haft ist  und  die  Rijckseite  ganz  fehlt. 

„3.  Kann  auch  die  Publikation  bei  Stephens  II  (1867/68)  nicht  zu  Rathe  ge- 
zogen sein;  die  Abweichungen  sind  zu  grosse,  als  dass  ein  Zusammenhang  wahr- 
scheinlich wäre. 

^4.  Dagegen  hat  es  mich  frappirt,  dass  auch  in  der  Abbildung  bei  Linden - 
seh  mit,  Handbuch  der  deutschen  Alterthumskuude  I,  167  (1880)  und  danach  im 
Kataloge  der  Ausstellung  (Berlin  1880),  Supplement  S.  11,  der  Hauptsti  ich  der 
ersten  Rune  zu  kurz  ausgefallen  ist. 

„Nur  mit  der  letzten  Publikation  scheint  mir  ein  Zusammenhang  wenigstens 
denkbar.  Damit  Ihnen  dies  nicht  Jemand  nachträglich  entgegenhalte,  mochte  ich 
Sie  im  vorweg  darauf  hinweisen,  obwohl  ich  diese  Verkürzung  des    ersten  Striches 


1)  Hr.  Battaglini  theilte  niir  mit,  dass  ein  Arzt  aus  dem  Rstensischen  oder  Padovnni- 
scben,  der  die  Torcello-Lanze  gesehen  hätte,  ihm  erklärte,  dass  auch  er  eine  Bronzelanze  mit 
etruskischer  Inschrift  bcsäfse,  gefunden  bei  Este.  Dieser  Bericht  hat  mir  keinen  Eindruck 
gemacht ;  ich  vermuthe  nehmlich,  dass  es  sich  hier  um  einen  Votiv-Nagel  aus  Bronze  han- 
delt mit  „euganeischer"  Inschrift  (im  „nordetruskischen"  Alphabete).  Das  Museum  in  E-ste 
besitzt  eine  grosse  Menge  solcher  bronzener,  grösserer  und  kleinerer  Votiv-Nägel,  mit  vielen 
anderen  Votiven  dicht  bei  Este  auf  einer  alten  Tempelstätte  ausgegraben;  der  Ort  beisst 
chiusura  Baratela.  Dieser  Fund  wird  von  Ghirardini  in  den  Notizie  degli  scavi 
nächstens  publicirt  werden.  —  Ich  habe  aber  doch  den  Collegei»  und  Freunden  in  Este  ge- 
schrieben, um  über  jene  „Lanze  mit  Inschrift"  vielleicht  Näheres  und  Sichereres  erfahren  zu 
können. 


(551) 

nur  fQr  eine  der  soDstigen  (JogenauigkeiteD  der  betreffenden  Abbildung  halte.  Aber 
bemerken 8 werth  ist  dies  Zusammentreffen  immerbin. 

^Also  vor  dem  Herbst  1880  könnte  die  eventuelle  Nachbildung  nicht  angefertigt 
sein,  und  dann  müsste,  meines  Eracbtens,  nothwendig  auch  der  Museumsdirektor  darum 
wissen.  Hier  ist  also  die  hohe  Meinung,  die  Sie  von  dem  Manne  haben,  sehr  wichtig. 
Für  besonders  schwerwiegend  halte  ich  frrner  die  abweichende,  aber  wie  mir  scheint, 
alterthümliche  Art  der  Ornamentiruüg.  Fügen  Sie  doch  gleich  etwas  über  die 
Analogien  hinzu,  auf  die  Sie  in  Ihrem  Berichte  verweisen**.  .  .  . 

Dem  Wunsche  Professor  Henning's  entsprechend  füge  ich  hinzu,  dass  die  Ana- 
logien, auf  die  ich  bezüglich  der  Dekorationsweise  zunächst  hingewiesen  habe,  in 
Rom,  in  der  Sammlung  des  Hrn.  Augusto  Castellani,  des  berühmten  Goldschmiedes, 
sich  befinden.  Es  sind  eine  grosse  Fibel  und  mehrere  flache  runde  Knopfe  aus 
Bronze,  die  mit  anderen  Alterthümern  aus  der  Völkerwanderungszeit  aus  einem 
Skeletgrabe  bei  Rieti  herrühren.  Diese  Gegenstände  sind  mit  ein  gestempelten 
Ornamenten  von  Kreisen,  Doppelkreisen  und  mit  einem  Kreise  gefüllter  Vierecke 
dekorirt  (Sternchen  kommen  nicht  vor).  Diese  Ornamente  bilden  Reihen  und  sind 
in  ganz  ähnlicher  Tiefe  und  Schärfe  eingestempelt,  wie  an  unserer  Spitze  von  Tor- 
cello, 80  dass  sowohl  mein  Zeichner  wie  ich  beim  ersten  Anblick  der  Speerspitze  an 
jene  Stücke  von  Rieti  erinnert  wurden.  Diese  Gegenstände  aus  Rieti  werden  in 
einer  Arbeit  über  die  Alterthümer  aus  der  Völkerwanderungszeit  in  Italien  ab- 
gebildet werden,    die    ich    später  in  dieser  Zeitschrift    zu    publiciren    beabsichtige. 

Schliesslich  ressümire  ich  meine  Ansichten  über  die  Runenlanze  von  Torcello 
dahin: 

Aus  dem  Stuck  selbst  lässt  sich  ein  entscheidendes  Kriterium  nicht  entnehmen, 
weil  die  Patina  fast  ganz  zerstört  ist.  Die  Abnutzung  der  Ornamentlinien  an  der 
Dülle,  die  hier  vorhandenen  Patinaspuren,  die  sorgfältige  Ausführung  und  die  mit 
auderen  sicheren  italischen  Alterthümern  aus  der  Völkerwanderungszeit  überein- 
stimmende Dekorationsweise,  —  dies  alles  spricht  für  die  Alterthümlichkeit  der 
Lanzenspitze.  Dass  hier  eine  nach  einer  Abbildung  aus  dem  Jahre  1880  an- 
gefertigte Nachbildung  vorliegen  sollte,  scheint  mir  undenkbar.  Wäre  die  Tor- 
cello-Spitze eine  moderne  Nachbildung  der  Müncheberger,  so  müsste  sie  in 
Münchcberg  selbst  kurz  nach  der  Auffindung  des  dortigen  Runenspeeres  an- 
gefertigt sein,  —  vielleicht  von  demselben  Manne,  der  den  BlelTschen  Bronze- 
abguss  gemacht  hat.  Für  mich  aber  schwindet  jede  Möglichkeit,  dass  die  Tor- 
cello-Spitze modern  sei,  vor  dem  mir  von  Hrn.  Battaglini,  einem  Ehrenmanne, 
mitgetheilten  Fundbericht  und  den  Fundumständen;  seine  Mittheilungen  dürfen, 
nach  meiner  Ansicht,  nicht  angezweifelt  werden. 

(8)  Hr.  Virchow  zeigt  einen  ihm  von  Hrn.  Schliemann  mit  dem  Ersuchen, 
ihn  der  Gesellschaft  vorzulegen,  übersendeten 

Ohrring  aua  der  älteaten  Stadt  von  Hissarlik. 

In  seinem  Werke  Ilios,  Leipzig  1881  S.  284  Fig.  122  führt  Hr.  Schliemann 
einen  kleinen  Schmuckgegenstand  auf,  von  dem  er  S.  286  sagt:  „Von  Silber  ist 
das  merkwürdige  Gehänge  eines  Ohrringes,  das  in  seiner  Form  einem  primitiven 
Schiffchen  gleicht  und  vermittelst  eines  dünnen  Drahts  am  Ohre  aufgehängt  war. 
Ich  würde  es  überhaupt  nicht  für  einen  Ohrring  gehalten  haben,  hätte  ich  nicht 
eine  grosse  Anzahl  ähnlicher  Gehänge  aus  Gold  in  der  dritten  Stadt  gefunden.  Die 
Abbildung  lässt  an  eine  Fibula  denken,  an  der  nur  die  Nadel  fehlt.  Dafür  ist  aber 
das  Goldblech  viel  zu  dünn  und  dies  ist  noch  viel  mehr  bei  den  in  der  dritten,  der 


(552) 

VArhrunntifn  Stadt   gefundenen  Ohrringen    gleicher  Form  der  Fall,   welche  alle  mos 
Hehr  dUiinein  (loldhli^ch    verfertigt    sind.^     Einer   dieser    letzteren    ist  Ilios  S.  559 
Fig.  017  al)gohildet.     Hr.  Schliemann  sagt  darüber  S.  561:    ^Sie  haben  die  6e- 
Mtalt  einoH  primitiven  Hootes  und    bestehen  aus    einfachem  Goldblech.     Die  beiden 
Knd(*n  nind  Hpiralformig  rundgebogen  und  mit  den  Löchern  dieser  Spiralen   wurden 
nie  durch  einen  dAnnen  Golddraht  in  das  Ohr  gehängt.     Jeder  dieser  bootforaaigeD 
Ohrringo  ist  mit  21,  mit  der  Punze  gemachten,  hervorstehenden  Punkten  verziert.^ 
Loidor  ist  von  keinem  dieser  Gegenstände  der  Schlussdralit  gezeichnet,  und  so 
wahrHchoinlicli  es  ist,    dass  ein  solcher  vorhanden  gewesen  ist,  so  war  der  Zweifel 
doch  nicht    ganz  beseitigt,    ob  es  sich  hier    wirklich  um  Ohrringe  gehandelt   habe. 
UnKWoifolhaft  gleiclit  die  Form  des  Gegenstandes  in  hohem  Maasse  der  alten  Bogen- 
ÜbuJA,    wie  ich  sie  so  zahlreich    im  Kaukasus    gefunden    habe.     In    meinem  Buche 
(\ber  Kobnn  (8.  «il  Anm.  1)  habe  ich  diese  Aehnlichkeit  besonders  hervorgehoben, 
mich  jedoch  dnmit  beruhigt,  dass  Hr.  Schliemann  das  Stuck  mit  einem  primitiven 
SchiflfohtMi  verglich.  Dieser  Vergleich,  sagte  ich,  zeige,  „dass  der  Bügel  ausgehöhlt,  also 
jedenfMlU  von  der  kaukasischen  Fibelform  verschieden  war.^    Alle  Nachforschungen 
nach  «licsem  SliWk  in  unserem  Schliemann-Museum  waren  leider  vergeblich;  auch  die 
persönliche  Musterung  des  Hrn.  Schliemann  im  Sommer  führte  zu  keinem  Ergebniss. 
luiwisohen  war    dus  Stück    sowohl  von    den  HHrn.  Dumont  und  Chaplain, 
als  von  Prof.  «lebb    als  Fibula    angesprochen    worden.     Hr.  Schlieman  hat  diese 
Auffassung    in  seinem    neuen  Buche  Troja,    Leipzig  1884    S.  54  Anm.    und  S.  269 
««nergisi'h  zurückgewiesen  und  wiederholt  versichert,  dass  weder  in  den  vorhidtorishen 
AusiedeUingen    auf  Hissarlik,    noch    in    der   lydischen  Ansiedelung   eine  Spur    Ton 
Fibula  vorkomme. 

In  einem  Briefe  vom  ^«>.  November  berichtet  er  jetzt,  dass  er  unter  der  grossen 
NUsse  der  in  Athen  gebliebenen  Nadeln  der  4  untersten  Städte  von  Hissarlik  nun 
diK'h  den  vernüssten  i^hrring  gefunden  habe  und  dass  er  ihn  mir  zur  Prüfung  und 
sur  demnächstigen  l-elH'rgabe  an  die  hiesige  Trojanische  Sammlung  übersende.  So 
bin  ich  denn  in  der  glücklichen  Lage,  das  viel  discutine  Stück   hier  vorzulegen. 

Ks  ergiebt  sich  nun  s^^ort^  dass  ich  die  Beschreibung   des  Hm.  Schliemann 
missYorstandeu  halle.     Wie  schon  erwähnt»   hatte  ich  aus  seiner  Vergleichung    mit 
<»ittem  IWi  gefolgt»«^  dai^s  da*  Stück  ,ausgehohU*  sei,  dass  es  als*^  eine  gewisse  Aehn- 
lichkeit mit  der  uns  geläufigen  Form  unserer  prä- 
^^        historischen  Ohrringe  oder  auch  mit  der  altitalischen 
Fibula«     welche    man    .Kahnäbula*    (a    navioella) 
nennte   Ue^iue.    Dies  ist  aber  keineswegs  der  Fall; 
im  OegenlheiL  «iex  Bü^el  ist  ganz  platt  und  eben, 
s^^  da>s  er,    ^or.    der  Kante   gesehen  ^Holzschn.  5). 
c;;:e  ga::i  ger*vie  /.eichsu::*:  ergiebt.     Son.it  nähert 
s'v-r  das  Siüvk  Aller/.iCa:^  :a  uaTerkenD^<arei  Weise 
sicr  k'.c.r^r.  Boifr.d:~lA  n:i:  vIä::*^:  Bjcei.  welche 
uh  lus    e..f:v.   K  -.ieriTa:<e   t.-   K.ras    ^ Alias   zu 
:ue;:;fr  A:  rjL,  i.ucc    Ia:.  I  Fii-  4^  at^etildet  Labe, 
Nx.**   ,>vr  v-vN»*-  ...^*  ^Cj^^   ^^.   ,^  j.^-  :.;s?  ir:  e:iT?r  Se  le  eine  spirai- 

r:rr.*..if  Prfruvi  des  Pririer*  T.rijjiiec  isi. 


y*  i  5  »r  A u  :  JL*  -  T?  .i :  r  Niiel  ii i*:  rächt  i#t 


(558) 

Bügel  selbst  oder  vielleicht  besser  die  Platte  hat  in  ihrem  mittleren  Theil,  wo  sie 
am  breitesten  ist,  8  mm  im  Querdurchmesser,  dagegen  nur  1  mm  Dicke.  Die  Platte, 
die  man  allerdings  mit  dem  Längsdurchschnitt  eines  Bootes  vergleichen  kann, 
bildet  einen  sehr  regelmässigen  Halbmond,  dessen  beide  Hörner  sich  jederseits  in  einen 
feinen,  drehrunden,  kaum  1  mm  dicken  Draht  fortsetzen.  An  dem  einen  (in  der 
Zeichnung  Fig.  1  rechten)  Hörn  ist  der  Draht  sofort  in  eine  doppelte,  mit  ihren 
beiden  Windungen  etwas  divergirende  Spirale  gebogen,  deren  Ende  so  stark  mit 
Rost  bedeckt  ist,  dass  man  nicht  genau  erkennen  kann,  ob  dasselbe  abgebrochen 
ist  oder  von  Anfang  an  angedrückt  war.  Jedenfalls  bemerke  ich  keine  Andeutung 
davon,  dass  der  Draht  an  dieser  Stelle  weiter  gegangen  ist.  Die  Spirale  liegt,  wie 
aus  der  Seitenansicht  (Holzschn.  2  unten)  ersichtlich  ist,  nicht  in  derselben  Ebene 
mit  der  Platte,  sondern  auf  der  einen  Seite.  Dasselbe  gilt  von  der  anderen  (in  Fig.  1 
linken,  in  Fig.  2  oberen)  Spirale.  Hier  läuft  zunächst  der  Draht  4  mm  weit 
frei,  in  einer  schwachen,  etwas  seitlich  gewendeten  Curve  und  bildet  dann,  nahezu 
2  vollständige  Spiralwindungen,  au  deren  Ende  er  in  einer  rauhen,  gleichfalls  ver- 
rosteten Bruchstelle  ausgeht.  Beide  Spiralen  sind  demnach  in  derselben  Richtung  von 
der  Platte  abgebogen.  Auch  ist  es  sehr  wahrscheinlich,  dass  der  Draht  hier  weiter 
ging.  Dies  konnte  nun  freilich  eben  so  gut  in  Form  einer  geraden  Nadel,  wie  bei 
einer  Fibel,  oder  in  Form  eines  ringförmig  gebogenen  Bügels,  wie  bei  einem  Ohr- 
ringe, der  Fall  sein.  Für  letztere  Annahme  spricht  einerseits  die  dünne  Beschaffenheit 
des  Drahtes,  welche  zur  Befestigung  eines  Kleidungsstückes  wenig  Sicherheit  bot, 
andererseits  der  Mangel  einer  zur  Aufnahme  einer  Nadel  geeigneten  Einrichtung, 
wie  etwa  eines  Falzes  am  anderen  (rechten)  Ende.  Auch  darf  erwähnt  werden, 
dass  für  eine  Fibel  die  Platte  verhältnissmässig  gross  erscheint. 

Wäre  von  den  goldenen  Stücken  der  verbrannten  Stadt  ein  einziges  vollständig 
erhalten,  so  würde  die  Deutung  ungleich  zuverlässiger  sein.  Aber  leider  scheint 
von  allen  9  „Ohrringen^  kein  einziger  unversehrt  gefunden  zu  sein.  Immerhin 
weiss  ich  keine  näherliegeude  Deutung,  als  die  von  Hrn.  Schliemann  angegebene. 
Handelt  es  sich  aber  auch  um  einen  Ohrring  und  nicht  um  eine  Fibula,  so  wird 
man  doch  nicht  anstehen  dürfen,  anzuerkennen,  dass  die  uns  nun  so  bekannt  ge- 
wordene Form  der  Bogenfibula  in  diesem  Ohrringe  gleichsam  präformirt  vorhanden 
ist,  und  es  erscheint  um  so  seltsamer,  dass  man,  nachdem  diese  Form  einmal  ge- 
wonnen war,  nicht  alsbald  auch  zu  der  Erfindung  der  Bogenfibula  gekommen  ist. 
Das  Problem  dieser  Erfindung  complicirt  sich  dadurch.  Während  ich  früher  nach- 
zuweisen gesucht  habe,  dass  die  Bogenfibula  durch  einfache  Biegung  einer  ur- 
sprünglich geraden  Nadel  entwickelt  worden  ist,  muss  ich  jetzt  wenigstens  die 
Möglichkeit  zugeben,  dass  dieser  Vorgang  schon  früher  an  dem  Ohrringe  aus- 
probirt  sein  mag. 

Die  genauere  Prüfung  des  Stückes  hat  aber  noch  eine  andere  üeberraschung  er- 
geben. Als  dasselbe  in  meine  Hände  kam,  hatte  es  eine  mattschwärzliche  Grund- 
farbe, auf  welcher  zahlreiche  hell-  und  graugrüne,  etwas  erhabene,  unregelmässige 
Flecke  verbreitet  lagen.  Hr.  Schliemann  hatte  angenommen,  es  sei  Silber.  Aber  die 
vielfach  hervortretende  grüne  Patinirung  machte  mich  bedenklich,  und  als  ich  an  einer 
kleinen  Stelle  die  tiefere  Schicht  biossiegte,  zeigte  sich  eine  rein  kupferrothe 
glänzende  Färbung.  Hr.  Juwelier  Teige  erbot  sich  in  freundlich  entgegenkommender 
Weise,  seinerseits  die  Prüfung  vorzunehmen.  Er  legte  mit  grosser  Vorsicht  einen 
kleinen  Theil  der  Platte  frei  und  überzeugte  sich,  dass  sie  aus  reinem,  unlegirtem 
Kupfer  bestehe.  Er  glaubte  dabei  aber  eine  Art  von  Zeichnung  wahrzunehmen, 
und  ich  bat  ihn  daher,  eine  etwas  grössere  Stelle  freizulegen.  Dabei  ergab  sich, 
dass  zunächst  unter  der  Patina  eine  härtere,  ziemlich  glatte,  dunkelioth braune  Schicht 


(554) 

sitzt,  aaf  welcher  eine  Anzahl,  etwa  4,  breiter,  seichter,  omameotariiger  Streifen 
oder  EiodrQcke,  der  LängsrichtaDg  der  Platte  entsprechend  and  parallel  mit  ein- 
ander, erscheinen.  Hr.  Teige  war  geneigt,  diese  Schicht  für  eine  Art  Ton  Email 
zu  halten.  Allein  die  mikroskopische  Untersnchnng  lehrte,  dass  auch  nicht  eine 
Spur  von  Glasfluss  darin  enthalten  ist;  es  ist  durchweg  eine  rothbraone,  ToUatfindig 
in  Säure  losliche,  bröckelige  Masse.  Hr.  Salkowski  constatirte  auf  chemiachem 
Wege,  dass  es  reines  Kupferoxjd  ohne  die  mindeste  Beimengung  von  Silber  ist. 

Unter  dieser  Oxjdschicht  sitzt  die  eigentliche,  ganz  unangegriffene  fiapfernamsse, 
welche  glanzendroth  und  durchweg  feinfaserig,  mit  dem  Verlauf  der  Fasern  in  der 
Längsrichtung  der  Platte,  erscheint.  Es  dürfte  daraus  folgen,  dass  das  Stück  ge- 
hämmert und  ausgezogen,  nicht  gegossen  ist. 

Somit  gehört  dasselbe,  wie  die  anderen  von  Hrn.  Schliemann  llios  S.  285 
erwähnten,  welche  Hr.  Chandler  Roberts  analjsirte,  zu  den  reinen  Kupfer- 
geräthen,  welche  für  die  älteste  piäbistorische  Ansiedelung  von  Hissarlik  so 
charakteristisch  sind,  —  eine  Thatsache,  welche  von  nicht  geringerer  Bedentnog  ist, 
als  die  Form  des  Stückes,  so  wichtig  dieselbe  für  die  Entwickelungsgeschiehte  der 
Metallformen  auch  angesehen  werden  muss. 

(9)    Hr.  Fried el  übergiebt  einen  Bericht  des  Prof.  Dr.  F.  C.  Noil  über 
Stdagerithtade  an  ier  Gefead  vm  Fraakfirt  a.  ■. 


Ich  erhielt  kürzlich  ein  Jadeit-Beil  in  Vilbel,  einem  Ort,  den  die 
bewohnten,  —  der  zweite  derartige  Fund  aus  hiesiger  Gegend.  Gröaste  Lmnge 
72  mm,  die  rundliche  Schneide  31  mm  breit;  nach  hinten  verjüngt  das  Beil  sich 
«tark.  Das  erste  Stück  ist  inHeddernheim,  der  Römer-Niederlassung  in  unserer 
Nähe  gefunden.  Was  machten  die  Römer  mit  dem  Jadeit?  Weiter  wird  es  inter- 
essiren,  zu  hören,  dass  ein  Herr  Ritter  im  Taunus,  woselt>st  man  bislang  der- 
gleichen Fundstücke  nicht  kannte,  65  Stein- Beile  u.  s.  w.,  dabei  7  Hohlmeissel,  ge- 
sammelt hat.  Das  Material  ist  zum  Theil  Westerwald-Basalt,  zum  Iheil  noch  fest- 
zustellen. Meiner  Ansicht  nach  können  2  Stücke  davon  aus  dunkelgrünem  Jadeit 
sein,  doch  sind  sie  noch  mineralogisch  zu  bestimmen.  Die  Form  der  Gerathe  ist 
eine  feine,  elegante:  manche  sind  freilich  stark  verwittert.  Sie  stammen  aus  Orten, 
die  auf  Abhängen  liegen,  mit  südlicher  Neigung.  Aus  den  Thälem  hat  der  ge- 
nannte Sammler  Steinweik zeuge  noch  nicht  anftreiben  können.  In  Bezug  anf  die 
gedachten  Fund^tücke  füi;e  ich  hinzu,  dass  die  Sohneide  abgebrochener  Aexte  als 
Keil  zum  Holzspalten  gedient  zu  haben  scheint.  Stücke  ron  iO — 50  mm  Länge 
zeigen  an  ihrem  abgebrochenen  Ende  beiderseits  Aussprünge,  die  durch  Hiebe, 
welche  auf  das  Bahnende  geführt  wurden,  entstanden  sind.  Diese  Benutzung  scheint 
mir  unzweifelhaft,    es  sind    einige  Stücke    der  An  dabei. 

(10'  Hr.  Pr.  .Anger,  jetzt  Gvranasiaidirector  in  Graudenz.  berichtet  in  einem 
Schreiben  an  den  Vorsitzen  Jen,  da>s  er  am  t4.  November  an  letzterem  Orte  eine 
.Mlerthums-Gesellschafl  gegründet  habe,  welche  bereits  40  Mitglieder  zählt, 
und  welche  beabsichtigt,  ein  eigenes  Museum  at  zulegen.  Für  letzteres  sind  die 
3  Privat^ammlucgen  d«*r  HHri;.  Scharlock.  Fiorkowski  und  Böhm  zugesagt. 
Hr.  Anger  berichtet  ia  demselt^c  Schreil»en  über  die  Aufüsduo^:  Ton  Brand- 
pletterbeiRondsen,  1  M.  tod  GrauJenr,  wo  xusammengeb.>gene  eiserne  Schwerter, 
SchildbuckeK  Laozenspitzen«  darunter  eine  mit  gewellter  Verzierung.  Fibeln,  Messer, 
Spinnwiitel  und  Ceremonialumen  gefunden  wurden. 


(555) 

(1 1)  Hr.  W.  Seh  wart  z  macht  Mittheilung  über  neue,  höchst  ioteressaDte  Funde 
auf  dem  bekannten 

Gräberfeld  bei  Kazmierz  in  Posen 

nach  zwei  Briefen  des  Freiherrn  v.  Hardenberg    in  Posen.     Derselbe    hatte  dort 
einer  Ausgrabung  beigewohnt  und  schreibt  über  dieselbe  unter  dem    5.  December: 

„Vor  einigen  Tagen  besuchte 
mich  Hr.  Fe  hl  an  und  theilte  mir 
mit,  dass  er  nach  meioem  Weggange 
von  Kazmierz  noch  viele  Sachen 
gefunden,  so  eine  Menge  Bernstein- 
und  Thonperlen,  grosse  eiserne 
Ringe  und  nebenstehend  skizzirte 
Fibula,  die  er  mir  im  Original 
zeigte  und  die  wohl  ein  Unicum 
sein     dürfte.      Die    in    der    Skizze 

dunkel  gehaltenen  Striche  bedeuten  Vertiefungen.    Das  Ganze  ist  sehr  plump,  aber 
ganz  eigenthümlich.**  — 

Weiter  heisst  es  in  einem  Briefe  vom  7.  desselben:  „Nachstehend  beehre  ich 
mich,  das  vollständige  Verzeichniss  der  Kazmierzer  Funde  mitzutheilen  als  Nach- 
trag zu  meiner  Skizze  der  Glas-Fibula  in  dem  Briefe  vom  5.  Den  Bernstein- 
Schmuck  habe  ich  noch  nicht  gesehen,  derselbe  muss  aber  nach  Hrn.  Fehlan*s 
Beschreibung  prachtvoll  sein. 

Fundbericht:  1.  Eisen.  2  Ringe  von  25  cm  Durchmesser,  1  Ring  von  20  cw 
Durchmesser,  2  Ringe  von  \l  cm  Durchmesser,  3  Ringe  von  9  cm  Durchmesser, 
1  Ring  von  5  cm  Durchmesser,  1  Meissel,  1  sichelartigos  Messer,  1  Lanzenspitze, 
1   Gelt,  2  Pferdetrensen  mit  Resten  von  Bronze. 

II.  Bronze.  1  Fibula,  1  Nadel  mit  gewundenem  Kopf,  1  Reif  von  7  cwi  Durch- 
messer, 1  Gelt,    1   kleines  Ohrgehänge. 

ni.  Bernstein.  Schmuck  von  Perlen  und  Ringen  und  einem  grosseren 
medaillonartig  geformten  Stück,  —  eine  Kette  von  2  m  Länge  bildend. 

IV.  Glas.  Diverse  blaue  Perlen,  diverse  blaue  Perlen  mit  gelber  Zeichnung, 
die  erwähnte  Fibula  mit  Heftnadel  von  Bronze  (Holzschn.). 

V.  Thon.     Verschiedene  üruen. 

Hr.  Schwartz  hofift  von  Hrn.  Fehlan,  der  leider  längere  Zeit  leidend  ge- 
wesen, noch  einen  weiteren  Bericht  über  das  zu  erhalten,  was  überhaupt,  seitdem 
er  Posen  verlassen,  noch  in  Kazmierz  gefunden.  In  Betreff  des  Bernsteinschmuckes 
erinnert  er  an  den  gleichfalls  kostbaren  Schmuck,  bestehend  aus  einem  grossen 
Bernsteinring  mit  2  Bronze-Berloques,  welchen  er  selbst  früher  dort  gefunden  und 
8.  Z.  auf  der  Berliner  anthropologischen  Aussellung  gezeigt  hatte.  — 

Hr.  Virchow  erklärt,  dass  diese  Fibel  bis  ins  Kleine  mit  der  in  den  Gräbern 
Arnoaldi  in  Bologna  vorkommenden  Form  übereinstimmt;  er  verspricht  in  der 
nächsten  Sitzung  ein  entsprechendes  Exemplar  aus  Bologna  vorzulegen.  — 

Hr.  ündset  bestätigt  die  Uebereinstimmung,  macht  weitere  Mittheilungen 
über  Vorkommen  und  Verbreitung  dieser  Fibelform  in  norditalischen,  bez.  etruski- 
schen  Gräbern  des  (5.  oder  7.  Jahrhunderts  y.  Ghr.  und  verweist  auf  die  Aehnlich- 
keit  der  Glasmasse  mit  jener  der  kleinen  Balsamfläschchen  und  den  möglichen 
Ursprung  der  Fabrikation  in  Phonicieo. 


(556) 

(12)    Hr.  Zieske  übersendet  Fuod gegenstände  und  Berieht  über 

Steinkistengräber  mit  Gesichts-  und  Mutzenurnen  bei  Scliloss  Kischau  in  Westpreüssen. 

Hierzu  Tafel  X. 

In  meinem  Heimathsorte,  Schloss  Kischau  im  Berenter  Kreise,  wurden  mir  ge- 
legentlich eines  Besuches  im  Sommer  1880  von  glaubhafter  Seite  mehrere  Stellen 
in  der  Nähe  des  genannten  Ortes  als  Fundstellen  von  Urnen  bezeichnet.  Es  sind 
dies  folgende: 

1.  unmittelbar  südlich  des  Weges  von  Kischau  nach  Neuhof,  auf  einem  ausser- 
halb der  eigentlichen  Grundstücks -Grenzen  liegenden ,  zum  Kruggrundstück  in 
Kischau  gehörigen  Feldstücke,  dicht  an  der  Chwarsnauer  Grenze; 

2.  der  vor  bezeichneten  Stelle  gegenüber  auf  der  andern  Seite  des  Weges  auf 
dem  zu  dem  SteckeFschen  Grundstücke  gehörigen  Feldstücke; 

3.  auf  der  Chwarsnauer  Gemarkung,  nördlich  des  Weges  von  Kischau  nach 
ersterem  Orte,  unmittelbar  an  der  Kiscbauer  Grenze; 

4.  unmittelbar  bei  Schloss  Kischau  auf  dem  von  der  Chaussee  und  den  beiden 
aus  dem  Dorfe  fuhrenden  Wegen  eingeschlossenen  Hügel; 

5.  im  Orte  selbst,    in  der  Nähe    des  Brunnens   im  Steckerschen  Garten. 

Die  entferntesten  dieser  Stellen  liegen  noch  nicht  3  klm  auseinander.  Die 
Gegend,  von  dem  Flüsschen  Ferse  durchzogen,  ist  wasserreich;  mehrfach  finden 
sich  in  der  Nähe  der  prähistorischen  Begräbnissstätten  jetzt  trockene  Seebecken. 

Die  (Imstande  gestatteten  mir  im  selben  Jahre  auf  der  erst  bezeichneten  Stelle 
nähere  Untersuchungen  vorzunehmen,  welche  ich  im  Sommer  1881  fortsetzte. 

Die  betreffende  Stelle  befindet  sich  an  der  Lehne  eines  nicht  steil  abfallenden 
Hügelplateaus.  Der  sandige  Boden  ist  wahrscheinlich  erst  in  den  fünfziger  Jahren 
dieses  Jahrhunderts  der  Beackerung  werth  erachtet  worden.  Aus  meiner  Knaben- 
zeit, Ende  der  fünfziger  Jahre,  erinnere  ich  mich,  dass  dieses  Feld  meist  brach 
gelegen  hat;  von  Urnenfunden  war  damals  noch  nichts  bekannt.  Nicht  unwahr- 
scheinlich ist  es,  dass  auf  der  betreffenden  Stolle  grössere  Steine  gelagert  waren, 
wenigstens  deuteten  darauf  einzelne  Exemplare  derselben,  die  ich  als  Knabe  noch 
am  Wege  liegen  sah.  In  den  letzten  Jahrzehnten  ist  die  Erde  durch  die  Ein- 
wirkung des  Pfluges  yon  den  höher  gelegenen  mehr  nach  den  tiefen  Stellen  der 
Lehne  geschält  worden.  Hierdurch  wurden  an  ersteren  flach  liegende  Steine  vom 
Pfluge  freigelegt,  die  sich  als  Decksteine  von  Steinkistengräbern  erwiesen.  Zur 
Zeit  meiner  Untersuchung  waren  die  Gräber  an  den  höchstgelegenen  Stellen  fast 
sämmtlich  zerstört. 

Die  Abmessungen  der  Gräberstelle,  die  von  oben  erkennbar  nicht  begrenzt  war, 
betrugen  etwa  60  Schritte  in  der  Länge  und  50  Schritte  in  der  Breite. 

An  den  tiefer  gelegenen  Stellen  der  Hügellehne  gelang  es  mir,  mittelst  eines 
Visitireisens  sehr  bald  die  Lage  einer  grösseren  Zahl  von  Steinkistengräbern  fest- 
zustellen. Dieselben  wurden  nun  mit  der  erforderlichen  Vorsicht  freigelegt  und 
erwiesen  sich  meist  als  vollständig  intakt.  In  Beziehung  auf  die  Lage  zu  einander 
liess  sich  bei  einem  Theil  derselben  eine  gewisse  Regelmässigkeit  erkennen.  So 
wurden  mehrere  Gräber  aufgedeckt,  die  in  einer  Reihe  parallel  und  mit  nahehin 
gleichem  Abstand  (etwa  6  Schritte)  nebeneinander  lagen. 

Die  Längsrichtung  der  Gräber  war  von  Nord  nach  Süd,  mit  geringer  Ab- 
weichung von  der  Nordrichtung  nach  Osten.  Die  Erdschicht  über  der  Steindecke 
der  Grüber  hatte  eine  Mächtigkeit  von  30— 80c7ä.  Grössere  Steine  fanden  sich  in 
derselben  nicht.  Bei  dem  Aufgraben  wurde  derart  verfahren,  dass  zunächst  die 
Deckplatten    freigelegt    und    dann    ringsum    ein  Graben    gezogen    wurde.    Alsdann 


(557) 

zeigte  sich  das  Grab  als  Dahehln  regelmässig  rechteckige  Steinkiate.  Die  äussere 
Lange  der  Steinkisten  betrug  100 — 175,  die  äussere  Breite  4ö — 85,  die  Höhe 
40—60  an. 

ürofassungawäiide  und  Decke  der  Kiste  bestanden  aus  grossen  Steinplatten 
Ton  einem  rothlichen  Stein,  der  sich  nach  Art  des  Schiefers  schon  durch  Auf* 
schlagen  nait  einem  andern  Stein  in  duone  Platten  sprengen  und  anderweit  roh 
bearbeiten  Jäs^t,  Eine  solche  Bearbeitung  hatten  auch  augenscheinlich  die  Grab- 
platten erfahren.  Sie  waren  meist  von  viereckiger  Gestult,  bis  150  rm  lang  und 
80  rm  breit,  bei  einer  Dicke  von  10^-20  cm.  Bei  einzelnen  derselben  gehörte  die 
volle  Kraft  zweier  Männer  dazu,  um  sie 'abzuheben.  Zum  Deckel  der  Kiste  waren 
vorzugsweise  grosse  Platten  verwendet^  doch  reichte  eine  einzelne  nur  in  seltenen 
Fiilleo  zum  Deckel  oder  zur  Längs  wand.  Es  waren  dann  zwei  oder  auch  noch 
mehr  veiwendet.  Die  Platten  stiessen  nicht  mit  genau  gearbeiteten  Kanten  an- 
eiuander,    sondern    griffen  in    der  Regel    etwas  übereinander,    um  eine  dichte  Ein- 


m%m 


Schliessung  herbeizufuhren»  Zu  den  Seitenwiiaden  waren  in  einzelnen  Fallen  auch 
gewöhnliche  Rundsteine,  wie  sie  an  Ort  und  Stelle  gefunden  werden,  augenscheinlich 
aushulfa weise,  etwa  in  der  Weise  verwendet,  dass  drei  Ümfassungs wände  aus  Platten, 
die  vierte  aus  Ruadateiöen  bestand.  Letztere  hatten  auch  zum  Ausfüllen  kleiner 
Lücken  zwischen  den  Platten  gedient,  Bemerkens werth  ersclieint,  dass  ich  von 
einem  Vorfinden  jenes  rnthlicben  Gesteins^  ausser  in  roh  bearbeitetem  Zustande 
aus  UrneBgräbeni,  in  dortiger  Gegend  nichts  habe  erfahren  können.  Ein  Binde- 
raittel  für  die  Platten  und  Rundsteiae  (Lehm,  M5rtei  oder  dergh)  war  nicht  vor- 
handen. Nichtsdestoweniger  waren  die  Steinkisten  doch  so  sorgfältig  gefügt,  dass 
das  Ganze  nach  vollständiger  Freilegung  seine  Form  mit  nahezu  senkrechten  Seiten- 
wänden selbst  dann  behielt,  wenn  sich  Jeiuand  auf  die  Eindeck ung  stellte.  Die 
an  Ort  und  Stelle  aufgenommene  Ansicht  eines  solchen  freigelegten  Stein kisten- 
grabes  ist  in  vorstehendem  Holzschuitt  gegeben. 


(558) 

Nach  AbheboDg  der  Deckplatten  zeigte  sieh  das  Innere  bis  zum  Rande  aoiig- 
faltig  mit  Erde  gelallt,  so  dass  sich  ein  hohler  Raum  unter  den  Platten  nicht  vor- 
fand. Die  Annahme  eines  nachtraglichen  Eindringens  der  Erde  in  das  Innere  der 
Steinkiste  ist  nach  der  Sachlage  ausgeschlossen.  Der  im  Innern  der  Kiste  befind- 
üche  Erdwürfel  behielt  in  der  Regel  auch  nach  Beseitigung  der  Seitenplatten  die 
bisherige  Form  beL  Es  wurde  alsdann  unter  Anwendung  grösster  Sorgfalt,  meist 
mit  blossen  Händen,  zur  Beseitigung  der  Erde  geschritten.  Leider  zeigten  sich 
jedoch  dann  die  im  Innern  des  Erdwurfeis  befindlichen  Tbongefasse  so  durch- 
weicht, und  daher  so  wenig  haltbar,  dass  es  nur  in  yerhältnissmässig  wenigen 
Fällen  gelang,  sie  in  unversehrtem  Zustande  von  der  Stelle  zu  rucken. 

Im  ersten  der  (am  11.  Juni  1880)  geöffneten  Gräber  befanden  sich  fünf 
üroen  und  als  Beigabe  eine  Schale  mit  einem  auf  dem  Boden  derselben  stehenden 
Henkeltöpfchen.  Die  Urnen  standen  dicht  an  einander.  Sie  waren  sämmtlich  mit 
Deckeln  in  Halbkugelform  versehen,  die  mit  einem  Falz  in  die  Oefifnnng  der  Urnen 
passten.  Eine  dieser  Urnen  unterschied  sich  schon  durch  ihre  Grösse  von  den 
andern  vier.  Sie  war  ohne  Deckel  29  cm  hoch  und  hatte  einen  Umfang  in /der 
Ausbauchung  von  1  m.  Die  obere  Oefifnnng  der  Urne  hatte  16  cm  Durchmesser. 
Besonders  bemerkenswerth  an  derselben  aber  waren  zwei  Ohrenansätze,  die  un- 
weit des  oberen  Randes,  nicht  diametral  einander  gegenüber,  sondern  auf  etwa  ein 
Drittheil  des  Umfanges  angebracht  waren.  Die  Ansätze  standen  nicht  senkrecht, 
sondern  unter  einem  Winkel  von  etwa  60®  zur  Uroenwandung.  Jedes  dieser  Ohren 
(denn  das  haben  sie  sicher  darstellen  sollen)  hat  am  Rande  3  Durchbohrungen,  die 
einen  Draht  von  mittlerer  Stärke  durchzulassen  im  Stande  sind.  Von  den  sämmt- 
lichen  fünf  Urnen  gelang  es  nur  zwei  Bruchstücke  der  grössten  Urne  mit  den  beiden 
Ohrenansätzen  von  der  Stelle  zu  scbafifen,  das  andere  zerfiel.  Ich  hebe  hervor, 
dass  ich  von  Darstellung  der  Nase  oder  anderer  Theile  des  Gesichts  an  der 
Urne  nichts  wahrgenommen  habe,  wenn  nicht  eine  Einritzung  in  der  Nähe  des 
einen  Ohres  für  die  rohe  Darstellung  eines  Auges  gehalten  werden  kann.  Ob 
einer  weitern  Einritzung  über  dem  einen  Ohre  in  der  deutlichen  Gestalt  eines  S 
eine  Bedeutung  beigelegt  werden  kann,  lasse  ich  dahingestellt  (Taf.  X  Fig.  9). 
Der  Thon  der  Urne  ist  von  dunkelgrauer  Farbe  und  mit  Glimmerstückchen  durch- 
setzt. An  der  Ionen-  und  Aussenfläche  scheint  die  Urne  mit  einem  schwarzen, 
mattglänzenden  Ueberzug  versehen  zu  sein.  Der  lohalt  der  Urne  bestand  im 
obern  Theil  aus  Sand,  welcher  feinkörniger  und  weisser  war,  als  der  in  der  Nachbar- 
schaft freiliegende,  im  uotern  aus  Asche  und  Knochenresten.  Die  Knochen  waren 
als  von  Menschen  herrührend  auch  für  den  Laien  erkennbar.  An  besonderen  Bei- 
gaben enthielten  vier  der  Urnen  nichts,  die  Ohreaurne  zwei  durch  Edelrost  zu- 
sammengehaltene Bruchstücke  eines  bronzeoeo  (Finger-?)  Ringes  und  eine  an- 
scheinend durch  Einwirkung  des  Feuers  deforrairte  blaue  Glasperle  mit  durch- 
gehendem Bronzebaken.     Von  Eisen  befand  sich  in  diesem  Grabe  keine  Spur. 

Vollständig  erhalten  blieb  das  in  Fig.  8  dargestellte  Henkeltöpfchen;  von  der 
darunter  stehenden  Schale  (Fig.  4)  ein  Bruchstück,  welches  die  gaoze  Form  er- 
kennen lässt.  Die  Schale  hat  ein  Oehr,  welches  wahrscheiolich  zum  Durchziehen 
einer  Schnur  oder  eines  dunoen  Lederriemens  für  den  Transport  gedient  hat.  Schale 
und  Topfchen  enthielten  nichts  als  Erde;  die  Prüfung  der  letzteren  ohne  weitere 
Hulfsmittel  Hess  keinen  Schluss  auf  eineo  etwaigen  früheren  Inhalt  dieser  Ge- 
fässe  zu. 

Der  Boden  des  Steinkistengrabes  bestand  aus  grossen  Steinplatten. 

In  dem  zweiten,  am  selben  Tage  geöffneten  Grabe  befanden  sich  drei 
grosse    und    eine    kleinere    Urne    ohne    Beigaben;    bemerkenswerth    erschien    die 


(559) 

letztere  Urne.  Sie  konnte  bis  auf  den  Deckel,  welcher  zerfiel,  mit  ihrem  In- 
halt fortgeführt  werden.  Erst  auf  dem  weiteren  Transport  erlitt  sie  Beschädi- 
gungen. Die  Form  dieser  Urne  ist  Taf.  X  Fig.  3  wiedergegeben.  Sie  hatte 
augenscheinlich  Henkel  gehabt;  nach  dem  Befunde  an  Ort  und  Stelle  bin  ich  zu 
der  üeberzeugung  gekommen,  dass  der  Henkel  bereits  abgebrochen  war,  als  die 
Urne,  oder  besser  der  Krug,  in  die  Steinkiste  gesetzt  wurde.  Dieses  Gefäss  zeigte 
in  seiner  Form,  in  der  Absetzung  des  Halstheils  und  der  Glätte  der  Oberfläche 
eine  bemerkenswerthe  Vollkommenheit:  es  ist  so  dünnwandig,  wie  unsere  heutigen 
Thongefässe.  Seine  Oberfläche  ist  mit  einem  schwarzen  mattglänzeudem  Ceber- 
zuge  versehen.  Bemerkens werth,  wie  der  Krug,  ist  auch  sein  Inhalt;  er  besteht  aus 
kleinen  Erdklumpen,  welche  ganz  kleine  Knochenreste  ohne  Brandstellen  und  ohne 
Asche  enthalten;  die  Knochenstückchen  zusammen  genommen  füllen  kaum  einen 
Esslöffel.  Es  bleibt  fast  keine  andere  Annahme  übrig,  als  dass  man  es  mit  den 
Resten  einer  dem  hier  bestatteten  Todten   mitgegebenen  Fleischspeise  zu  thun  hat. 

Im  Juni  des  Jahres  1881  wurden  von  mir  an  derselben  Stelle  sieben  Steio- 
kistengräber  aufgedeckt.  Zwei  dieser  Gräber  enthielten  nur  je  eine  Urne.  Eine 
der  letzteren  enthielt  als  Beigabe  zwei  Bronzeplättchen,  die  nur  als  unbestimmbare 
Bruchstücke  bezeichnet  werden  können.  Im  dritten  der  geöffneten  Gräber  be- 
fanden sich  drei  Urnen,  Beigaben  waren  in  denselben  nicht.  Das  vierte  Grab  ent- 
hielt gleichfalls  drei  Urnen.  In  zwei  der  letzteren  befanden  sich  Beigaben  von 
Eisen  und  zwar  ein  Ring  und  ein  Bruchstück  (Kopf)  einer  Nadel,  dessen  Purm 
trotz  der  starken  Rostschicht  deutlich  erkennbar  ist. 

Das  fünfte  Grab  (Holzschn.  S.  557)  war  von  aussen  175  cw  lang,  im  Mittel 
60  cm  breit  und  50  cm  hoch.  Es  glich  im  Allgemeinen  den  anderen,  hatte  darin 
jedoch  etwas  Besonderes,  dass  eine  Platte  von  der  Seite  her  in  das  Innere  der  Stein- 
kiste griff  und  so  einen  besonderen  Raum  abtrennte,  in  welchem  eine  Urne  Platz 
gefunden  hatte.  Im  Ganzen  standen  vier  Urnen  in  dem  Grabe  und  zwar  in  einer 
Reibe  in  der  Längsrichtung  des  Grabes,  die  am  südlichen  Ende  stehende  durch 
die  eingreifende  Steinplatte  abgesondert.  Alle  Urnen  enthielten  Aschenreste  und 
Knochenstücke,  anscheinend  von  Menscheu  herrührend.  Am  Nordende  waren  Rund- 
steino  gleichsam  für  späteren  Gebrauch  bereit  gestellt.  Nach  der  Art  der  Anlage 
schien  wenigstens  der  Zweck  der  Stütze  für  die  angrenzende  Steinplatte  ausge- 
schlossen. Die  Art  der  Herstellung  dieses  Grabes  möchte  dafür  sprechen,  dass 
nicht  eine  gleichzeitige  Beisetzung  sämmtlicher  vier  Urnen  stattgefunden  hat. 
Man  könnte  vielmehr  annehmen,  dass  man  es  hier  mit  einem  Familienbegräbniss 
in  dem  Sinne  zu  thun  hat,  dass  die  Asche  der  Familienglieder  nach  ihrem  ver- 
schiedenzeitigen Ableben  Aufnahme  in  dem  nach  Bedarf  vergrösserten  Steingrabe 
gefunden  habe.  Bei  allen  anderen  Gräbern  kam  ich  eher  zu  der  entgegengesetzten 
Annahme:  das  Steingrab  ist  von  vornherein  für  die  darin  befindliche  Zahl  von 
Urnen  hergestellt  worden  und  diese  haben  gleichzeitig  darin  Aufnahme  gefunden.  Im 
letzteren  Falle  erscheint  die  Annahme  am  meisten  begründet,  dass  beim  Ableben  des 
Familien-Oberhauptes  Weiber  oder  Sklaven  getödtct  wurden,  um  ihm  entsprechende 
Begleitung  in  das  Jenseits  zu  schaffen. 

Eine  der  diesem  Grabe  entnommenen  Urnen  blieb  wohlerhalten;  sie  hat  zwei 
Oehre,  anscheinend  zum  Durchziehen  einer  Schnur,  diametral  einander  gegenüber, 
ist  von  rötblichem,  scharf  gebranntem  Thon  und  zeigt  deutlich  die  Spuren  der  Be- 
arbeitung auf  der  Drehscheibe.  Verzierungen  befinden  sich  auf  derselben  nicht 
(Taf.  X  Fig.  6).  Der  zu  dieser  Urne  gehörige,  aber  später  verloren  gegangene 
Deckel  hatte  gleichfalls  ein  derartiges  Oehr.  Sonstige  Beigaben  an  Gefässen  oder 
Schmuckgegeostanden  befanden  sich  in  diesem  Grabe  nicht 


(560) 

Im  sechsten  der  geofifneten  Gräber  befanden  sich  drei  grosse  Urnen  und  drei 
kleinere  Gefasse.  Eretere  standen  in  Dreieckform  dicht  neben  einander.  Es  gelang 
hier  die  drei  grossen  Urnen  und  ein  grosseres  Bruchstück  eines  der  kleineren  Ge* 
fasse  dem  Grabe  zu  entnehmen.  Erstere  drei  standen  in  Dreieckform  dicht  neben 
einander.     Sie  sind  Taf.  X  Fig.  1,  2  und  7  dargestellt. 

Die  in  Fig.  1  dargestellte  Urne  und  deren  Deckel  haben  Strichverzierangen, 
in  welchen  sich  das  Bild  eines  befiederten  Pfeiles  wiederholt.  Die  Urne  war  zor 
Hälfte  mit  Asche  und  Knochenstuckchen  gefüllt,  darüber  befand  sich  Sand  bis 
unter  den  Deckel.  Auf  dem  Boden  der  Orne  lag  ein  Bronzehaken  und  das  in 
Fig.  11  dargestellte  zangenartige  Instrument.  Es  besteht  aus  Eisen,  nur  der 
darauf  befindliche  Ringschieber  ist  von  Bronze. 

Die  zweite,  in  Fig.  2  dargestellte  Urne  hat  am  Halstheil  zwei  Rillen  und  darunter 
eine  Blattverzierung,  in  welcher  sich  die  Vierzahl  wiederholt.  Diese  Urne  konnte 
mit  ihrem  gesammten  Inhalt  fortgeführt  werden.  Er  besteht  aus  Enochenstücken, 
mit  nur  geringen  Aschenresten.  Die  Urne  war  zur  Hälfte  leer,  es  fehlte  die  sonst 
übliche  Sanddecke.  Oben  auf  den  Knochenstücken  lag  ein  Eisen  ring.  Unter 
den  Knochenstücken  ist  das  grosste  ein  Stück  des  Schädels  von  10  cm  Länge  und 
Breite  (wahrscheinlich  vom  Stirnbein). 

Die  dritte  Urne  (Fig.  7)  hat  auf  ihrer  unteren  Hälfte  rohe  Strich  Verzierungen, 
welche  anscheinend  mit  einem  sechszackigen  Instrument  ziemlich  regellos  eingekratzt 
sind.  Diese  Urne  war  nur  mit  Erde,  ohne  eine  Spur  von  Asche  oder  Knocben- 
resten,  gefüllt.  Ebenso  enthielten  die  drei  kleineren  Gefasse,  von  denen  eines  in 
Fig.   10  dargestellt  ist,  nur  Erde. 

Im  siebenten  und  letzten  der  im  Jahre  1881  geöffneten  GriLber  waren  die 
Urnen  sämmtlich  zerdrückt.  Nur  ein  Urnendeckel  blieb  uozerbrochen  (Fig.  5). 
Er  zeigt  Punktverzierungen  und  ist  ausnehmend  dickwandig.  Der  Falz  am  untern 
Theil  zeigt  eine  sehr  rohe  Arbeit.  Aus  dem  Inhalt  der  Urne  wurden  heraus- 
gelesen: Ein  gut  erhaltener  Ring  von  Eiscudraht,  ein  Stückchen  Bronze- 
draht, eine  anscheinend  durch  Feuer  deformirte  blaue  Glasperle  mit  durch- 
gehendem Bronzedraht;  mit  der  Perle  ist  ein  Stück  Eisen  durch  Rost  und 
Schlacke  verbunden,  ferner  mehrere  Bruchstücke  von  Eisenringen  mit  daran  be- 
findlichen Resten  von  Glasperlen.  Letztere  sind  anscheinend  durch  die  Ein- 
wirkung des  Feuers  zerstört. 

Hinsichtlich  der  aufgefundenen  Eisenringe  ist  Folgendes  bemerkenswerth: 
Das  Drahtstück,  aus  welchem  die  Ringe  hergestellt  sind,  scheint  ohne  geeignete 
Werkzeuge  roh  abgebrochen  zu  sein.  Es  ist  dann  ebenso  roh  in  Ringform  derart 
zusammen  gebogen,  dass  die  beiden  Enden  etwas  übereinander  greifen.  Es  liegt 
hiernach  die  Annahme  nahe,  dass  die  Ringe  im  Handelswege  nicht  als  solche, 
sondern  als  nicht  verarbeiteter  Eisendraht  in  jene  Gegend  gekommen  und  erst  an 
Ort  und  Stelle  mit  ungeeigneten  Werkzeugen  weiter  verarbeitet  worden  sind. 
Die  Hersteller  des  Drahtes  selbst  waren  sicher  auch  im  Besitz  von  Werkzeugen, 
um  einen  besseren  Schluss  der  Ringe  zu  fertigen.  Wahrscheinlich  waren  diese 
Ringe  nicht  in  erster  Linie  Schmuckgegenstände,  sondern  Tauschmittel,  vertraten 
also  die  Stelle  von  Geldmüozeo.  — 

Erklärung  der  Tafel  X. 

Fip.  4,  8  und  9  aus  dem  ersten,  Fig.  3  aus  dem  zweiten  Grabe.  Fipj.  5  aus  dem  fünften, 

Fig.  1,  2,  7,  10  u.  11  aus  dem  sechsten,  Fig.  5  aus  dem  siebenten  Grabe  der  zweiten  Reihe. 

Fig.  1   Mutzenurue   mit  Zickzack-  und  Perllinien,  sowie   mit  Tannenzweig-Ornamenten, 


(561) 

23cm^bocb,  82  cn»  im  grössten  Qaerdarchmesser.  Fig.  2  Knochenume  mit  Tapfan,  27  cm 
hoch,  Bodendurchmesser  12,  Bauchdurchmesser  28  cm.  Fig.  3  Schwarzer  Henkelkrag,  20  cm 
hoch,  an  der  Mundang  10,  am  Bauche  15  cm  weit.  Fig.  4  Schale  mit  Oehr,  5,6  cm  hoch, 
an  der  Mündung  16  cm,  am  Boden  4,5  cm  im  Querdurchmesser.  Fig.  5  Mätzendeckel  mit 
Punktreiben  in  Seiten-  und  Unteransicht,  5,5  cm  hoch,  13  cm  im  Qnerdurchmesser,  die  Oeff- 
•nung  im  Boden  7,2  cm  weit.  Fig.  6  Ossuarium  mit  2  Oehren,  ohne  Verzierung,  27  cm  hoch, 
an  der  Mündung  16,  am  Bauche  27  cm  weit,  Durchmesser  des  Bodens  12  cm.  Fig.  7  Zer- 
brochene Urne  mit  gekreuzten  Einritzungen  am  Untorbauche,  jetzt  noch  13  cm  hoch,  28  cm 
weit,  Bodendurchmesser  12  cm.  Fig.  8  Henkeltöpfchen,  6,5  cm  hoch,  an  der  Mündung  6,  am 
Bauche  7  cm  weit,  Boden dnrchmesser  4  cm^  Auslage  des  Henkels  3,8  cm,  Fig.  9  Bruchstücke 
einer  Ohren-  (Gesichts?)  Urne,  Weite  der  Mündung  16,5,  des  Bauches  32  cm,  Fig.  10  Henkel- 
topf, 8,2  ctn  hoch,  am  Bauche  (in  einer  Höhe  Yon  2,9  cm)  8  cm  weit,  Durchmesser  des  Bodens 
4,2  cm,  Fig.  11  Eiserne  Pincette  mit  Bronzeschieber,  9,5  cm  lang,  am  vorderen  Ende 
1,4  cm  breit. 

Hr.  Virchow:  Ich  habe  zunächst  die  sehr  angenehme  Pflicht,  Hro.  Zieske^ 
der  mit  so  grosser  Sorgfalt  diese  Ausgrabungen  geleitet  und  beschrieben  hat,  den 
Dank  der  Gesellschaft  auszusprechen.  Seitdem  ich  in  der  Sitzung  vom  12.  März 
1870  (Zeitscbr.  f.  Ethnologie  Bd.  11  S.  73)  zuerst  wieder  die  Aufmerksamkeit  auf 
die  pomerellischen  Gesichtsurnen  lenkte,  hat  sich  eine  stattliche  Literatur  über 
diesen  Gegenstand  entwickelt  Trotzdem  fehlt  es  noch  immer  recht  sehr  an  ein- 
gehenden Fund  berichten,  welche  auch  die  sonstigen  Thongeffisse  und  Beigaben  voll- 
ständiger behandeln,  und  es  ist  daher  höchst  erfreulich,  dass  diesmal  ein  so  aus- 
giebiges und  mannichfaltiges  Gräberfeld  genügend  beschrieben  ist. 

Dass  es  sich  hier  um  eine  Nekropole  aus  der  Zeit  der  Gesichtsurnen  handelt, 
kann  nicht  zweifelhaft  sein.  Der  Fundort  Kischau  liegt  in  Pomerellen  und  zwar  im 
südlichen  Theile  des  Kreises  Bereut,  nicht  allzuweit  von  Eamerau,  wo  schon  im  Jahre 
1853  eine  Gesichtsurne  zu  Tage  gefordert  wurde.  Die  beiden  Bruchstücke  mit 
dreimal  durchbohrten  Ohren  (Taf.  X  Fig.  9),  welche  leider  allein  von  einer 
grösseren  Urne  erhalten  wurden,  gleichen  vollständig  den  Ohren  gut  erhaltener 
Gesichtsurnen,  bei  denen  manchmal  noch  Bronzeringe  oder  Kettchen,  zum  Theil 
mit  blauen  Glasperlen,  in  den  Löchern  der  Ohrringe  hängend  angetroffen  wurden. 
In  diesem  Falle  waren  freilich  alle  6  Löcher  leer,  aber  unter  den  Trümmern  der 
gebrannten  Knochen  im  Innern  der  Urne  wurden  die  Reste  eines  kleinen  platten 
Armreifes  aus  Bronze  und  eine  durch  den  Brand  veränderte  blaue  Perle  mit 
durchgehendem  Bronzedraht  aufgelesen.  Hier  kann  in  Bezug  auf  die  Ceberein- 
stimmung  kein  Zweifel  bestehen,  wenn  auch  sonst  von  Gesichtstheilen  nichts  er- 
halten ist.  Denn  die  Striche  und  Flecke,  welche  sich  an  den  beiden  Scherben 
zeigen,  haben  damit  nichts  zu  thun;  es  sind  eben  nur  ausgesprungene  oder  sonst 
angefressene  Stellen. 

Noch  in  einer  anderen  Urne  (aus  dem  siebenten  und  letzten  Grabe)  sind 
blaue  Glasperlen,  darunter  eine  mit  durchgehendem  Bronzedraht,  vorhanden, 
welche  neben  Bronze-  und  Eisendraht  aufgefunden  wurde.  Die  Urne  selbst  ist 
leider  nicht  erhalten  worden,  wohl  aber  ein  recht  charakteristischer  Deckel  (Taf.  X 
Fig.  5).  Letzterer  ist  roh,  dick  und  schwer,  von  der  bekannten  Mützenform, 
innen  hohl,  mit  sehr  breit  ausgelegter,  flacher  Basis  und  von  gedrückt  konischer 
Grestalt  Seine  Oberfläche  ist  mit  radiär  herablaufenden  Punktreihen  bedeckt.  Der 
sonst  häufig  vorkommende  Yorsprung  (Falz)  an  der  Basis,  welcher  zum  Einsetzen 
des  Deckels  in  die  Gefässmündung  diente,  ist  wenig  aasgebildet  und  ganz  niedrig. 

Glücklicherweise  ist  ein  anderes  Gefass  mit  Mützendeckel  (Taf.  X  Fig.  1) 
vollständig  erhalten.  Es  ist  dasjenige,  in  welchem  sich  ausser  calcinirten  Knochen 
ein  Bronzehaken   und  die  sehr  gut   conservirte   eiserne  Pincette   mit  Bronze- 

Verhandl.  der  B«rl.  Anthropol.  OtMUaehaft  18S3.  86 


C562) 

sohittber  (Taf.  X  Fig.  11)  vorfand.  Der  Deckel  hat  dieselbe  Form,  wie  der  Torige, 
Dur  da88  die  Basis  ganz  platt,  ohne  jeden  Vorsprang  ist.  Dagegen  ist  nicht  blos 
der  Deokel,  sondern  auch  die  Urne  selbst  sehr  reich  verziert  mit  Zickzacklioien, 
Punktreihen  und  hängenden  „Tannenzweigen^  (wohl  nicht  Pfeilen,  wie  Hr.  Zieske 
interpretirt).  Aehuliche  Tannenzweige  zeigt  der  Mutzendeckel  einer  Gc^ichtsume 
von  Stangenwalde  und  der  Bauch  einer  anderen  von  Hoch-Redlau  (6.  Berendt, 
Die  pommerellischen  Gesichtsurnen.  Königsberg  1872.  Taf.  II  Fig.  9  und  Taf.  III 
Fig.  18),  ferner  der  Hals  einer  solchen  von  Neukau  (Berendt,  Nachtrag.  Königs- 
berg 1878.  Taf.  II  Nr.  49).  Henkel  oder  Oehsen  sind  an  der  betrefifeoden  Urne 
von  Kischau  nicht  vorhanden. 

Von  besonderem  Interesse  ist  es,  dass  ausser  den  Mützendeckeln  noch  eine 
grossere  Schale  (Taf.  X  Fig.  4)  vorhanden  ist,  wie  sie  sich  bei  Grabern  unserer 
Gegend  so  oft  als  Deckschale  ausweist  Nach  der  Angabe  des  Hrn.  Zieske  stand 
jedoch  diese  Schale  als  Beigabe  neben  den  Urnen,  und  in  ihr  stand  wiederum  jenes 
merkwürdige  TÖpfchen  mit  ganz  grossem,  fast  horizontal  abstehendem 
Henkel  (Taf.  X  Fig.  8),  dessen  Technik  eine  fast  archaische  Beschaffenheit  dar- 
bietet. Die  Schale  selbst,  oder  vielleicht  besser  die  Schüssel,  ist  weit  nnd  tief, 
aussen  gans  glatt  und  mit  einer  ganz  engen  Oehse  am  Rande  versehen. 

Unter  den  übrigen  Gefassen  erscheint  mir  am  meisten  erw&hnenswerth  die 
kleine  Henkelvase  (Taf.  X  Fig.  3)  aus  dem  zweiten  Grabe,  auf  welche  schon  Hr. 
Zieske  bes<Niders  aufmerksam  gemacht  hat  Sie  zeichnet  sich  nicht  blos  durch 
ihre  schlanke  Form  und  den  hohen,  aber  weiten  Hals  aus,  die  sich  ganz  almlicfa 
bei  vielen  Gesichtsumen  wiederfinden,  sondern  namentlich  durch  ihre  tiefschwarse 
und  gÜniende  Farbe.  Denkt  man  sich  den  grossen,  leider  abgebrochenen  Henkel 
kiniu^  so  ergiebl  sich  die  Form  eines  recht  gefalligen  Kruges. 

Zwei  grosse  Ge£use  (Taf.  X  Fig.  3  n.  6)  nahen  sich  schon  mehr  den  Formen 
der  Ossuarien  aus  den  posenschen  GriberMdenu  wahrend  Fig.  10  durch  Gestalt 
und  GrJ!«»e  des  Henkels  abweicht  Die  Strichvenierung  am  Untertheil  der  Urne 
Fig«  7  erinnert  an  die^  in  der  Sitzung  vom  21.  Juli,  Terfa.  S.  373  Fig.  1,  beschrie- 
bene Urne  vv>n  Tangermünde. 

Die  Metallbeigaben  sind  im  Ganzen  spärlich  und  noch  mehr  innlich.  Ton 
Bronze  sind  ausser  alleriei  Drahtstucken  und  Drahtringen  nur  ^n  Paar  verbogene 
und  durch  den  Hraad  vefinderte  Bledistucke^  sowie  Reste  eines  stark  gebrannten 
platten  Armreif»  aus  dem  ersten  Grabe  vorhanden,  —  lauter  wenig  charakteristi- 
sche Stücke.  .\m  meisten  typisch  erscheinen  die  auf  Bronzedraht  gezogenen,  ziem- 
lich ||:fv«»en  blauen  Glasperlen«  welche  gleichfalls  den  Tangermondem  ähnlich 
»ehen.  Auch  iva  Eisen  sind  aitsser  der  erwähnten  Pincette  nur  giusaeie  offene 
Kxtt^  mit  üc^mnaader^seschobenen  Enden  und  Resce  einer  Knoploadei  voihaBdea. 
Waffen  fehle.x  ^i 3« lieb.  AUe  ^cetaadeaen  Meiaügegenstande  sind  entweder 
Schw^Sk-  v\ier  v^ebrauca^^JS^^hcSk 

Scho;x  i9t  aeise^i  «fcs^ü  Vortrag  üSer  die  Gesichtsumen  hatte  ich  der  in 
letitcrv^  ^m«cht«fX!  Krv^ie-  lutd  Ei^senftisce  gedacht  und  daniach  die  Stellung  der 
Gif<^cftt^;aTKen  ch^.v^.  woi$\$cc:  tu:  Swci-naiea  cencd:.  Nach  alle  dem»  was  seitdem 
N^^öiat  ^ewvrden  -.sc  wxrd  ri^ut  =ä"£l:  az.s;eee£  ciirtVs,  sie  der  alteren  Eisen- 
•  i^it  iU4*^vie^$ea.  Mast  »x:j$  cai;£  :i<iLsfrNt«  iass^  es  sich  um  Brandgrab  er  han- 
vie»^t  uavi  iA$*  ^wvöLxl.cÄ  eiae  Meinail  vo:i  Urses  in  einer  Steinkiste 
N^<^^^««^<:  «'^r^.  I\fe»  3a:;^kvni3:e3e  ki^^c^srjck  eiser  der  Sceinpiatten  seiet. 
vVJK^    >U^^t>f   a^js;»   vxeot    XI    U2$    5lr  jc^che  Iw^-cke  so  vieläch  verwacdten  pxhea 

U    x•ev^^iK  S^J^r4ec    «vi^c    $«v*ft    «MOLa*:^   eiae  ^«.sse  Vernaaotichaft  mit  de« 


(563) 

Gräbern  des  lausitzer  Tjpus.  Nur  enthalten  diese  gewöhnlich  eine  grössere  Zahl 
von  Beigefössen,  namentlich  kleineren,  und  ihre  Ausstattung  mit  Steinplatten  ist 
häufig  eine  sehr  unvollkommene.  Im  Ganzen  machen  daher  die  Gesichtsurnenfelder 
den  £indruck  eines  etwas  höheren  Alters.  Aber  zu  einer  sicheren  Entscheidung 
scheinen  mir  auch  jetzt  die  Thatsachen  noch  nicht  ganz  auszureichen.  Nur  bei- 
läufig will  ich  darauf  hinweisen,  dass  die  Zeichnungen,  welche  nicht  selten  auf  den 
Gesichtsurnen  eingeritzt  sind,  am  nächsten  den  Felseinritz ungen  in  Skandinavien 
stehen,  wie  ich  denn  erst  in  der  Sitzung  vom  20.  Oktober,  Verh.  S.  447,  452  darauf 
hingewiesen  habe,  wie  ähnlich  die  „Mützendeckel^  der  skandinavischen  Thongefässe 
aus  der  Steinzeit,  zum  Theil  auch  die  der  niedersächsischen  ^Becher^  aus  dem 
Anfange  der  Bronzezeit,  den  pomerellischen  und  posenschen  Deckeln  sind.  Offen- 
bar sind  diese  Dinge  nicht  sämmtlich  gleichaltrig,  aber  es  scheint  mir  der  Gedanke 
nicht  wohl  abzuweisen  zu  sein,  dass  ein  innerer  Zusammenhang  der  Culturbewe- 
gung  in  solchen  Anzeichen  erkennbar  wird. 

Möge  daher  der  Vorgang  des  Hrn.  Zieske  noch  viele  Nachfolger  finden! 
Vorläufig  dürfen  wir  es  als  eine  günstige  Fügung  betrachten,  dass  die  Gesammt- 
heit  dieser  Funde  uns  erhalten  bleibt  Hr.  Zieske  hat  dieselben  zu  meiner  Ver- 
fügung gestellt;  ich  denke  sie  an  das  Königliche  Museum  abzugeben. 

(13)  Hr.  Bastian  berichtet  über  die  im  Kunstgewerbe-Museum  z.  Z.  aus- 
gestellte 

Sammlung  des  Herrn  Dr.  Riebeok  und  neue  Erwerbungen  des  Königlichen  Museums. 

I.  Die  grossartige  Sammlung,  welche  in  nächster  Nähe  unseres  Sitzungslokals 
ihre  Pracht  entfaltet  hat,  ist  Ihnen  bekannt,  und  ebenso  das  Verdienst  dessen,  der 
dem  ethnologischen  Studium  diese  werth vollsten  Bereicherungen  verschaffte,  Hr. 
Dr.  E.  Riebeck  aus  Halle. 

Da  der  Hochsinn  des  Eigenthümers  die  Sammlung  wissenschaftlicher  Bear- 
beitung zur  Verfügung  gestellt  und  sie  ihrem  grösseren  Theile  nach  für  Berlin  be- 
stimmt hat,  wird  sich  im  Laiife  der  Zeit  Gelegenheit  bieten  für  das  reiche  Detail, 
das  sie  einschliesst,  und  der  bei  einer  früheren  Sitzung  (wegen  damals  verzögerter 
Aufstellung  der  Sammlung)  zurückgestellte  Bericht  hat  in  der  Zwischenzeit,  als 
vorläufig  allgemeiner,  seine  Erledigung  insofern  gefunden,  als  in  nächster  Woche 
bereits  ein  als  Führer  bei  der  Besichtigung  geeigneter  Catalog  der  Benutzung 
zugänglich  sein  wird,  verfasst  von  Dr.  Grünwedel  für  das  Ethnologische  und 
Dr.  Papst  für  das  Kunstgewerbliche. 

Da  die  Sammlung  sich  vielfach  auf  dem  zwischen  beiden  Instituten  oft 
zweifelhaften  Grenzgebiete  bewegt,  wird  sie,  ausser  in  das  ethnologische  Museum, 
auch  in  das  kunstgewerbliche  übergehen,  abgesehen  von  den  für  eigenen  Besitz  re- 
servirten  Stücken.  Die  Sammlung,  als  Ergebniss  einer  Rundreise,  begreift  zunächst 
diejenigen  Gegenstände,  welche  aus  einer  solchen  durchschnittlich  zurückgebracht 
werden,  aber  auch  diese  bereits  über  das  gewöhnliche  Maass  hinaus,  in  Bezug  auf 
verständige  Auswahl  sowohl,  als  in  Bezug  auf  Umfang  des  Erworbenen. 

Ihren  ethnologisch  bedeutungsvollen  Charakter  erhält  die  Sammlung  dann  aber 
durch  eine  Reihe  von  Special-Erforschungen,  theilweis  mit  Einsetzung  persönlich 
eigener  Mitarbeit,  theilweis  durch  systematisch  angelegte  Aufträge  von  Sach- 
verständigen an  Ort  und  Stelle.  Hierfür  ist  zunächst  die,  unter  Besprechung  mit 
Dr.  Schwein furth  in  Cairo,  nach  Socotra  unternommene  Expedition  zu  nennen, 
deren  Durchführung   bereits   eine    nicht  jedem  Reisenden   gegebene  Ausdauer  und 

36* 


(565) 

Marine  abermals  ein  beachtenswerther  Inselfleck  Oceaniens  der  ethnologischen  An- 
schauung gewonnen  ist. 

Als  durch  besondere  Eigenthümlichkeit  markirt,  hatten  bereits  seit  länger  die 
Herrn  it- In  sein  die  Aufmerksamkeit  auf  sich  gezogen,  und  Hessen  deshalb  den 
durchschnittlichen  Mangel  ausgiebigen  Materiales  aus  dieser  Localitat  bedauern,  da 
ausser  dem  für  die  oceanische  Inselwelt  eigenartig  dastehenden  Museum  in  Ham- 
burg, fast  kein  anderes  von  dorther  versorgt  war.  Bei  dem  wegen  Excesse  gegen 
deutsche  Handelsleute  auf  den  Hermiten  veranlassten  Beschluss,  für  die  Regelung 
derselben  deutsche  Kriegsschiffe  dorthin  zu  senden,  fand  eine  seitens  des  König- 
lichen Museums  an  die  Kaiserliche  Admiralität  gerichtete  Eingabe  wohlgeneigte 
Aufnahme,  und  da  für  Sicherung  der  Beutestucke  die  entsprechenden  Anordnungen 
getroffen  wurden  (besonders  durch  Hrn.  Capt.  z.  S.  Kare  her,  der  den  Stabsarzt 
Dr.  Kunze  mit  der  Leitung  beauftragt  hatte),  sind  der  ethnologischen  Abtheilung 
kostbare  Schätze  zugeführt  worden  an  Schnitzereien,  Geflechten  u.  s.  w. 

III.  Ausnehmender  Dank  wird  dann  Hrn.  Capt.  z.  S.  Zembsch  geschuldet,  der 
während  seines  Greneralconsulats  in  Samoa  sich  in  freundlichster  Weise,  wie  be- 
reits früher,  des  ethnologischen  Interesses  des  Königlichen  Museums  angenommen 
und  dasselbe  bei  seiner  jetzigen  Rückkehr  reich  versehen  hat. 

lY.  Eine  ausnehmend  interessante  Erwerbung  bot  sich  ausserdem  als  zufällige 
in  diesen  Tagen,  indem  ein  auf  der  zeitweise  unbewohnten  Insel  Kermandec 
ausgegrabenes  Thongefäss  zum  Kauf  angeboten  wurde,  das  bei  seiner  Zugehörigkeit 
sn  den  aus  Fiji  bekannten  Formen,  bei  der  Benutzung  der  substanzielleren  Canoes 
dieser  Insel-Gruppe  durch  Samoaner  und  Tonganer,  einen  Anhaltspunkt  für  Stationen 
in  den  nach  verschiedenen  Richtungen  kreuzenden  Wandersagen  der  Maori  gewähren 
könnte. 

V.  Gleichzeitig  kann  ich  Ihnen  die  Photographien  einer  in  ihrer  Art  einzig 
dastehenden  Sammlung  vorlegen,  durch  welche  die  bedeutungsvolle  Cultur  der 
Ghibcha,  auf  die  ich  bereits  mehrfach  zurückzukommen  Gelegenheit  hatte,  in  um- 
fangreichstem Maasse  zur  Vorstellung  gebracht  wird.  In  voriger  Sitzung  erst  wurde 
uns  durch  Dr.  Reiss^  freundliche  Vermittlung  eine  Nachbildung  des  in  Bogota  be- 
findlichen Goldflosses  vorgelegt,  das  in  seiner  Herkunft  aus  der  Siecha-Lagune, 
oder,  wie  man  früher  glaubte,  von  Guatavita,  für  eine  aus  den  spanischen  Chro- 
nisten bekannte  Sage  alter  Cbibcha  zur  Bestätigung  dienen  kann,  und  das  durch 
den  Hochsinn  des  gegenwärtigen  Besitzers  zur  schliesslichen  Niederlegung  im  König- 
lichen Museum  zu  Berlin  bestimmt  ist.  Ein  anderer  Charakterzug  jener  Mytho- 
logie findet  sich  unter  den  Objecten  der  jetzigen  Sammlungen  illustrirt,  nämlich 
die  Erzählung  von  dem  Opfer  des  Guesa,  alle  15  Jahre  zur  Regelung  der  Ein- 
schaltung (zum  Zwecke  einer  Einwirkung  auf  den  geordneten  Gang  der  für  frucht- 
bare Ernten  erforderlichen  Jahreswechsel)  dargebracht.  Nach  altem  Herkommen 
war  eine  Familie  des  Thals  San  Juan  bestimmt,  den  Knaben  zu  liefern,  der  in 
einem  Tempel  unter  den  der  Gottheit  selbst  gezollten  Ehrenbezeugungen  und  unter 
Ausstattung  mit  allen  Genüssen  des  irdischen  Lebens  erzogen  wurde,  um  dann 
nach  dem  Ablauf  der  15  Jahre  auf  dem  vom  Culturheros  Bochica  gewanderten 
Wege  seinem  Todesziel  entgegenzugehen,  mit  Pfeilen  am  Pfahl  erschossen,  um  der 
Gottheit  des  Mondes  die  Aufträge  der  Menschheit  zu  überbringen,  wie  in  ähn- 
lichen Gesichtspunkten  die  Cbibcha  bei  ihrem  Leichenfest  Papageien,  die  sprechen 
gelernt,  opferten,  ebenfalls  mit  solcher  Absicht  eines  überirdischen  Verkehrs  (analog 
den  von  Galliern,  Scjthen  u.  s.  w.  in  den  classischen  Berichten  mitgetheilten  Vor- 
stellungen). 


(566) 
(14}    Hr.  Victor  Gross  sdireibt  in  eioem  Briefe  d.  d.  NenveTiDe,  1.  Decbr.,  aber 
*»  Aller  icr 


Hr.  Dr.  Kohl  spricht  in  seinen  Bemerkungen  in  der  Sitning  vom  16.  Jmi 
(Verh.  S.  2%^  die  Meinung  mos,  dass  aas  der  Broniezeit  kein  sieher  coortatiiter 
Fond  eines  metallenen  Torques  bekannt  sei,  und  bezieht  sich  dabei  spcciell  mai 
meine  Funde  im  Piahlbaa  Ton  Corcelettes.  Allein  bis  jetzt  sind  seboo  3  Stock 
ans  schweizer  Stationen  der  Bronzezeit  bekannt:  eines  Ton  AuTemier*)  (Desor,  Le 
bei  ige  da  bronze  PL  UI  Fig.  12),  eines  Ton  Cortailiod  (ProtohelTetc«  PL  2¥I 
Fig.  14)  and  endlich  ein  wahrer  Torqaes  Ton  Möringen  (Protoh.  PL  XVI  Fig.  1 
et  2;.  Somit  ist  es  nicht  überraschend,  dass  die  Halsringe  anch  in  kaokasiacheii 
Gräbern  vorkommen,  and  man  mnss  annehmen,  dass  sie  nicht  aus  romiacher  Zelt 
stammen,  sondern  mit  den  übrigen  Fandgegenstanden  derselben  Localität  gleidi- 
altrig  sind. 

(15)   Hr.  Finsch  übersendet  mit  einem  Briefe  d.d.  Bremen,  10.  NoTember 
wmä  Malereiea  seines 


Mein  Papaabursche  Tapinowane  Torondohian  ans  Matnpi  ist  vor  etwa  4  Wochen 
mit  einem  directen  Schiffe  von  Hamburg  aas  in  seine  Heimath  befördert  worden. 
Ans  seinem  Nachlasse  sende  ich  Ihnen  einige  Coloritproben,  die  Sie  vielleicht 
interessiren  dürften,  da  sie  ani  Besten  für  den  Farbensinn  der  sogenannten  ,Wildeo* 
sprechen.  Wenn  die  Nea-Britannier  aach  überhaupt  kein  Wort  f&r  ,,Farbe''  be- 
sitzen and  die  wenigen  Farben  (rotb,  weiss,  schwarz)  nnr  nach  den  Naturstoffen 
benennen,  so  unterscheiden  sie  doch  Farben  sehr  gut;  diese  Proben  werden  mehr 
zeigen  als  grosse  Farbentafeln.  Der  Junge  colorirte  diese  Bilder  ganz  ohne  aUe 
Anleitung  und  Anweisung. 

(16)  Mittbeilnngen  der  HHm.  Handelmann,  Jentsch,  Behla,  v.  Schulen- 
burg, y.  Kanitz,  Friede!,  Schierenberg,  Virchow  und  F.Krause,  sowie 
des  Fräulein  Mestorf  werden  in  dem  Bericht  der  Januar-Sitzung  zur  Veröffent- 
lichung gelangen. 

(17)  Eingegangene  Schriften: 

1.  Burmeister,    Atlas  de  la  description   phjsique   de  la  Republiqae  Argentine. 

Deuxieme  Section.     Deuxieme   ÜTraisoD.    SJammiferes.    Buenos- Ayres  1883. 
Gesch.  d.  Veef. 

2.  Burmeister,    Supplement    zur  Beschreibung    der  Bartenwale.     Die  Seehunde 

der  Argeutinischen  Küsten.     Gesch.  d.  Verf. 

3.  Nachrichten  für  Seefahrer.     Jahrg.  XIV  Nr.  45—48. 

4.  Annalen  der  Hydrographie.     Jahrg.  XI  Heft  XI. 

5.  W.  Grub  er,  BeobacbtuDgen  aus  der  menschlicheD  und  vergleichenden  Anatomie. 

Heft  4.     Berlin  1883.     Gesch.  d.  Verf. 

6.  Cosmos.     Vol.  XIl  Nr.  IX. 

7.  Revue  d'etbnographie.     Vol.  II  Nr.  5. 

8.  P.  Albrecht,  Note  sur  le  Pelvistemum  des  Edentes.    Bruxelles  1883.    Gesch. 

d.  Verf. 

9.  Boletim  da  sociedade  de  geographia  de  Lisboa.     4.  serie  Nr.  2,  3. 

1)  Desor  selbst  (p.  23)  giebt  an,  dass  das  Stack  von  Colombier  sei.    Red. 


(567) 

10.  Luciano  Cordeiro,  La  question  du  Zaire.   Lettre  k  M.  Behaghel.    Lisbonne 

1883.     Gesch.  d.  Verf. 

11.  Stanley 's  first  opinioDS.     Portugal  and  the  Slave  trade.     Lisbon  1883. 

12.  Antiqua,  Unterbaltungsblatt  für  Freunde  der  AJterthumskunde.  1883  Nr.  9,  10. 

13.  Annual  Report  of  tbe  Board  of  Regents  of  the  Smithsonian  Institution  for  the 

year  1881.     Washington  1883. 

14.  Transactions  of  the  Anthropological  Society  of  Washington.  Vol.  I.  Washington 

1882. 
lö.    Edwin  A.  Barber,    Mound-Pipes.     Gesch.  d.  Verf. 

16.  Derselbe,    Indian  Music.     Gesch.  d.  Verf. 

17.  Report  of  the  proceedings  of  the  numismatic  and  antiquarian  society  of  Phila- 

delphia for  the  year  1881.     Philadelphia  1882. 

18.  A.  Treichel,    Volksthümliches    aus    der   Pflanzenwelt,    besonders   für   West- 

preussen.    IV.     Gesch.  d.  Verf. 

19.  Derselbe,   Die  Kräuterweihe  in  Westpreussen.     Gesch.  d.  Verf. 

20.  Derselbe,    Botanische  Notizen.   V.     Gesch.  d.  Verf. 

21.  Derselbe,    Zoologische  Notizen.    III.     Gesch.  d.  Verf. 

22.  Fr.  Hernsheim,    Södsee- Erinnerungen  (1875—1880).     Mit  Vorwort  von  Dr. 

0.  Finsch.     Berlin  1883.     Gesch.  d.  Verf. 


Chronologisches  Inhaltsverzeichniss 

der 

Verhandlungen  der  Berliner  Gesellschaft  für  Anthro- 
pologie, Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Mitglieder- Verzeichniss  S.  3. 

Sitzung  am  20.  Januar  1883.  Wahl  des  Ausschusses  für  1883,  S.  11.  —  Neue  Mit- 
glieder S.  11.  —  Altertbümliches  Haus  im  Pflertsohthal  (Tirol).  (Hierzu 
Tafel  H).  A.  B.  Meyer,  S.  11.  —  Beriebt  zur  Altertbunpskunde  Schleswig- 
Holsteins,  S.  13.  —  Photographie  der  Immenstadter  Fundsachen,  S.  13.  — 
ThongefSsse  und  Haselnüsse  im  Moor.  Handelmann,  S.  13.  —  Vorgeschicht- 
liches Burg-  und  Brück  werk  in  Dithmarschen.  (Mit  3  Holzschnitten.) 
Handelmann,  S.  18.  —  Gebrauch  des  Schulzenstabes  in  Werbelin.  von  Qul- 
Storp,  S.  33.  —  Die  Ufer  der  Tollense  und  Lieps  mit  Rücksicht  auf  die 
Lage  von  Rethra.  (Mit  3  Kartenskizzen  und  l  Uolzschn.)  Brfiokner,  S.  34. 
Voss,  S.  48.  —  Vorgeschichtliches  aus  dem  Kreise  Guben.  (Mit  13  Zeich- 
nungen in  Holzschn.)  Jentsoh,  S.  48.  —  Pferdeschädel  als  Schlitten.  Friedel, 
S.  54.  —  Der  Brahmoer  Schlossberg  und  der  wendische  König,  von  Schulen- 
borg, S.  55.  —  Topfscherben  mit  Rad  Verzierung  und  prähistorische  Erbsen 
von  Müscben,  Spreewald,  von  Schulenburg,  S.  66.  —  Uebereinstimmung 
deutscher  und  kaukasischer  Sagen,  von  Schulenburg,  S.  67.  —  Neue  Funde 
in  der  Unterspree  innerhalb  Berlins.  Frledel,  S.  68.  —  Andamanesen. 
Portman,  Jagor,  S.  69.  —  Photographien  der  Funde  von  Madisonviile,  Ohio. 
Brühl,  S.  7*2.  —  Mikrocephalen- Familie  in  Cschbach,  Wiesbaden.  (Mit 
6  Holzscho.)  Fiesch,  S.  72.  —  Westpreussische  Spiele.  (Mit  4  Holzschn.) 
Trelchel,  S.  77.  —  Opferheerd  auf  den  Gehrener  Bergen  bei  Luckau.  Behia, 
S.  84.  VIrchow,  S.  86.  —  Zinngeräthe  aus  Gräbern  und  Belag  der  üriff- 
zunge  eines  ßronzesch wertes  mit  Bleiweiss.  (Mit  Holzschn.)  Olshausen, 
S.  86.  —  Photographie  eines  Akka-Mädchens.  VIrchow,  S.  111.  —  Silber- 
berg bei  Wollin  als  Statte  der  Jomsburg.    (Mit  2  Holzschn.)    Frledel,  S.  111. 

—  Michendorfer  Fund.  Frledel,  S.  115.  —  Vorgeschichtliche  Gefässstrichler. 
(Mit  4  Holzschnitten.)  Frledel,  S.  115.  —  Depot-Fund  mit  Bronze  und 
Eisen  von  Carlsstein,  Kr.  Königsberg,  Neumark.  Frledel,  S.  117.  —  Kleine 
Schnecken  aus  einem  alten  Menschenschädel,  v.  Martens,  S.  117.  — Nephrit 
und  Jadeit  Arzninl,  S.  118.  —  Krao,  haariges  Mädchen  von  Laos.  Bartels, 
S.  118.  —  Die  Lage  von  Askiburgion.  L.  Schneider,  S.  118.  —  Die  böhmi- 
schen Funde  in  Undset's  Buch.    (Mit  5  Holzschnitten.)    L.  Schneider,  S.  119. 

—  Bronzegefäss  von  Unia,  Kreis  Wreschen.  Graf  WenslerskI - Kwlleoki, 
S.  126.  —  Prähistorische  Funde  von  Kl.  Ladebow  bei  Greifswald.  (Mit 
11  Holzschnitten.)  Freiherr  v.  Ramberg,  S.  127.  —  Goldfund  von  Vetters- 
felde bei  Guben.  Bastian,  S.  129.  —  Anthropologische  Arbeiten  in  Kau- 
kasien.     Radde,  S.  141.  —  Eingegangene  Schriften.     S.  142. 

Ausserord.  Sitzung  am  10.  Februar  1883.  Neue  Mitglieder.  S.  143.  —  Nordafrikanische 
Rassenköpfe.  Martins,  S.  143. — Antiqua.  Messlkommer,  S.  143.  —  Schmelzerei- 
waaren  von  San  Francisco  dl  Bologna.  ZannonI,  S.  143.  —  Patagonier  von 
Punta-Arenas.  Drelsing,  S.  143.  —  Symbolische  Kröten  und  Verwandtes. 
Frledel,  S.  145.  —  Leichenbrand  bei  Slaven  und  Thongeföss  von  Loitz. 
(Mit  2  Holzschnitten.)    Freiherr  v.  Bönigk,   Kflhne,  S.  148.  —  Gräberfunde 

VerhandL  der  Berl.  Anthropol.  Gesellschaft  1883.  87 


(570) 

bei  Tangermunde.    (Mit  2  HoIzschnitteD.)   Hollm■i^  S.  150,  VirelMW,  S.  153. 

—  Geschichte  der  Liukio-InselQ  oach  japaDischen  BericbteD.  Hiller-Baeok, 
S.  156.  —  Broozegefäss  yod  Unia.  (Mit  2  Holzschnittes.)  KIHiler,  S.  164.  — 
Gräberfunde  von  Dluzyn,  Trzebidza,  Kamelin  (Kr.  Kosten).  (Hit  2  Holz- 
schnitten.) Freiherr  v.  Hardenberg,  8.  166.  —  Graberfelder  bei  Broaiberg, 
Nakel  u.  s.  w.  S.  166.  —  Behaartes  Laoskind.  Sauer,  Bartels,  S.  166.  — 
Photographien  aus  dem  Museo  civio  in  Bologna.  Bartels,  S.  166.  —  Weihe 
der  JungÜDge  bei  Eintritt  der  Pobertat.  Bastian,  S.  166.  —  EiDgegangene 
Schriften  S.  167. 

Sitzung  am  17.  Februar  1883.  Neue  Mitglieder.  S.  169.  —  Graberfeld  von  Kobao. 
Virchow,  S.  169.  —  Ethnologie  der  Haidah.  Bastian,  S.  169.  —  Nachbildung 
des  Goldschmucks  von  Hiddenso  und  einer  Silberfibula  von  Swinemünde. 
Teige,  S.  169.  —  Photographien  oceanischer  Rassen.  Flaseli,  S.  169.  — 
Photographien  von  Bäuerinnen  aus  der  Gegend  von  Tübingen  und  Gebrauch 
der  Kunkel.  Voss,  S.  169.  —  Bronzereste  und  Thonscherben  von  den 
Keller  bergen  bei  Gardelegen.  Parislus,  Virchow,  S.  170.  —  Kurgan  bei 
Stawropol.  (Mit  Tafel  III  und  6  Holzschnitten.)  v.  Ereksrt,  S.  170.  — 
Kostüm  einer  Kabardinerin  und  einer  Ossetin,  v.  Erekert,  S.  177.  — 
Türkische  und  arabisohe  Handschrift,  v.  Erckert,  Wetzstein,  S.  179.  — 
Ainos  von.  der  Insel  Yezo.  Brauns,  S.  179.  —  Portriltcharaktere  der  alt- 
ägyptischen Denkmäler.  Frltsch,  S.  183,  Band,  v.  KorlT,  S.  189.  —  Australier. 
Gasten,  Vlrcliow,  S.  190.  —  Eingegangene  Schriften.     S.  193. 

Sitzung  am  17.  März  1883.  Correspondirende  und  neue  Mit^ieder.  8.  195.  — ^ 
Neue  Erwerbungen  des  Königlichen  Museums.  (Mit  2  Holzschnitten.) 
Bastian,  S.  195.  —  Altitalische  ßronzewagen.  (Mit  Holzschnitt.)  Undset, 
S.  197,  Vlreliow,  S.  201.  —  Gräberuntersuchungen  in  Hessen.   Pinder,  S.  202. 

—  Transkaukasische  Altertbümer.  Bayern,  S.  203.  —  Dorfer  der  Tlingit- 
Indianer.  Arthur  ICraose,  S.  205.  —  Bronzereif  ans  dem  Mleczka-Fluss, 
Ostgalizien.  (Mit  Holzschnitt.)  LepkowskI,  S.  208.  —  Kirchenmarken  in 
Sachsen.  (Mit  Holzschnitt.)  WIechei,  S.  209.  —  Eiserne  Beile  in  einem 
Mahagonistamm.  M.  Kuhn,  8.  211.  —  Nephrit.  Arznini,  Vlreliow,  S.  211.  — 
Vorrömische,  römische  und  fränkische  Culturüberreste  in  der  Rheinprovinz. 
Konen,  S.  212.  —  Eingegangene  Schriften.     S.  231. 

Sitzung  am  21.  April  1883.  Neue  Mitglieder.  S.  215.  —  Internationaler  Congress 
der  Amerikanisten  in  Kopenhagen.  S.  215.  —  Steinbildwerke  von  Copan 
und  Quirigua.  Meye,  A.  Schmidt,  S.  215.  —  Neue  Erwerbungen  des  König- 
lichen Museums.  Bastian,  S.  215.  —  Prähistorische  Funde  von  Brünhausen, 
Kr.  Neustadt,  Westpr.  (Mit  3  Holzschnitten.)  Treichel,  S.  217;  Voss, 
S.  220.  —  Ornenfeld  von  Jüritz,  Lausitz.  (Mit  Kartenskizze.)  Kmg,  S.  220; 
Voss,  S.  224.  —  Gypsabguss  des  Neanderthalschädels.    Ellonbergor,  S.  224. 

—  Bevölkerungsverhältnisse  der  Tschuktschen-Halbinsel.  Aurel  Kranse, 
S.  224.  —  WehrhaftmachuDg.  Koliscber,  S.  227.  —  Photographien  von 
Labrador-Eskimos.  Kuhn,  S.  227.  —  Fussstapfen  des  Buddha.  Grinwedol, 
S.  227;  Bastian,  S.  231;  Voss,  S.  232.  —  Bronzeabguss  einer  Krone  von 
Lebe,  Hannover.  Moller  Voss,  S.  232.  —  Sämereien  und  Früchte  aus  der 
Pfahlbaustation  Robenhausen.  Heior.  Messikommer,  S.  233.  —  Eingegangene 
Schriften.     S.  236. 

Sitzung  am  19.  Mai  1883.  Mitglieder.  S.  239.  —  Finanzielles.  S.  239.  —  Ge- 
lehrte Versammlungen.  S.  239.  —  Numismatic  and  antiquarian  Society, 
Philadelphia.  S.  239.  —  Hauklotz  aus  dem  Braunkohlenflötz  von  Arntitz. 
Haoohecorne,  S.  239;  Höpfner,  S.  240;  Virchow,  S.  242.  —  Altchinesische 
Erzählung  von  Metallschmelzern  am  Altai.  Schott  S.  242.  —  Kirchen- 
marken in  Italien,  der  Lausitz  und  Pommern.  Wiechel,  Virohow,  v.  Schalen- 
bürg,  S.  243.  —  Bronzefucd  von  Straupitz.  Weineck,  S.  244  —  Todten- 
urnen  auf  dem  Schlossberg  von  Burg  a.  d.  Spree,     v.  Sohulenburg,  S.  246. 

—  Territoriale  Verbreitung  der  deutschen  Zwölftengottheiten.  (Mit  Karten- 
skizze.)  V.  Sohulenburg,  S.  246.  —  Kornmutter  and  Sator-Spruch.   v.  Schulen- 


(571) 


bürg,  S.  347,  —  Prabistoriäche  SaubohDea  tod  Mttecheo,  Spreewald*  Wltt- 
mack,  S.  248.  —  ürDeDf<?ld  von  Dergischow  bei  Zossen.  A  8.  Meyer, 
8.  249.  —  Griiberfekl  bei  Ragow  uod  benachbarte  PlaUe  in  der  Nieder- 
laasitx.  Siehe,  S.  250;  Vlrehow,  S.  25L  —  Scherbeu  vod  dtuii  Burgwall 
Woldsteia  im  Fichtplgtdiirgi\    (Jlit  4  Holzficbnitti'n.)    Zapf»  VirchOW,  S.  252. 

—  Gespaltener  Sciiädej  von  Oeleli  üod  Nadel buchse  vöü  La  1  eue,  4Schwciz. 
(Mit  2  Holzschnitteiu)  V.  Gross,  8,  2r>3;  Vlrchaw,  S.  254.  —  Kaukasische 
Gräberfelder  und  soustigc  etbüographi.sche  Notixcn.  F.  Bayern,  S.  256.  — 
Korpermessuogep  russischer  VriJkfT.  v,  Erckert,  S.  264.  —  Photogrnplne 
eines  deformirten  iSchädels  aus  einer  Hnhle  vod  Süd-Mindaoao.  Sohaden 
berg,  S.  265.  —  B*;richt  über  eine  Reipe  itj  Kleinasieß  und  Syrieo.  F,  v.  Lusotian, 
S.  266.  —  Lhola*Elgut.  Elsner  v.  Gronow,  S.  26(i.  —  Hiigelgräber  bei  Lorscb 
und  prähistorische  Wohnstälten  bei  Holzhauses,  Homburg  v,  d.  Hohe.  Koller, 
S.  267.  —  Zuseßdungen  von  den  Nikobaren.  v.  RoepstorfF,  S.  26H.  —  Funde 
auf  der  Insel  bei  Jankowo.  Pahlke,  Schwarz,  S.  261*,  —  Laugwitzer  Fund. 
Senf,  S.  269;  Vom»  8.  272.  —  PlAhlbniiteu  bei  Schussenried  und  im  Olz- 
reuther  See  in  Württemberg.  Frank,  Vos»,  S,  273.  Nehrlng,  S*  275  — 
Pro histori sehe  Fuude  aus  dt^r  Gegend  von  0 seh ers leben  (Prov.  Sachsen) 
Nehring;  S.  275;  Vo&8,  Virohow,  Ö.  276,  —  Stand  der  prähistorischen 
Forschungeo  in  Italien.  Virchow,  S,  276,  —  Wakusu-Knabe.  Wiaemann» 
S,  2S4.  —  Eingegangene  Schrifteii.     S,  284. 

Sitzung  am    IG,  Juni    1H83.     Corret^ponHireiide   und    ordentliche   Mitgtieder  8,  285. 

—  Aztekische  Kindermaske,  Ch.  Bau,  H.  Fischer,  S.  285.  —  Buhmischer 
Burgwaii  Zamka.  Oaborne,  8.  2?h5.  —  Prähislorisches  aus  den  Kreisen 
Gubeu,  Sorau,  Grossen  und  der  Name  Heinchen,  Jentsoh,  S,  2S6.  —  Ftinde 
aus  dem  Kreise  Lübben.  (Mit  Holzachnitt.)  Weineok,  S.  288,  —  Volks- 
spiele.  Haadelmann,  S.  292.  —  Thongefäsise  von  iiorgstetterfebJe,  Holstein. 
(Mit  6  Holzschnitten»)  Handelmann,  S.  294.  —  Funde  in  Rheinhessen. 
Kbhl^  8.  296;  VIrchcw,  8.  29H,  -  Tumnii  in  Bulgarien.    Eimer,  VIrchow,  S,  299. 

—  Hnbhide  mit  ßronzegeräth  von  Koppenow,  Pommern.  Neitzkej  8,  300.  — 
Thongefässe  von  Radewege  bei  Brandenbyrg  a.  H.  (Mit  2  Holzi^chnitten.) 
Stimmlng,  S.  300.  —  Sammlungen  von  Adamaua  und  SüdcentniUfrika,  vom 
AmazonaSj  der  Osterinsel  und  den  Agomes.  Bastian,  S.  301.  ^  Zur  Kennt- 
niss  Hawaii's.  Bastian^  S.  302.  —  Photographien  von  .Alafika-Indianern. 
Aurd  Krauae,  S.  303.  —  Ausgrabungen  bei  Samthawro.  Kaukasus.  Bayern, 
S,  303.  —  ßrouzegussforin  von  Kobaii,  Kaukasus.  (Mit  2  Holzschnitten.) 
Dolbeschew,  8.  305;  Vlrchow.  S.  306.  —  Amerikanischer  Zvirerg.  VIrchow, 
S.  306.  ^  Kasse  von  La  Tene.  (Mit  Hokscbnitt.)  Vlrchow,  8.  3li6.  — 
Protohelveticr  von  V.  Gross.  Vlrchow^  S.  317.  —  Italische  i^rähistorie.  (Mit 
3  Holzschnitten.)    Vlrchow,  S.  317.  —  Eingegangene  Schriften.     S.  327. 

Sitzung  ain  21.  Juli  1883.  Nene  Mitglieder.  S.  329,  —  Abreise  des  Hrn,  Joesl. 
S.  320.  —  Amerikanisten-GongreBs  in  Kopenhagen.  S.  330.  —  Kaukasisch© 
und  finnische  Skelette.  Stieda,  S.  330.  —  Reisen  im  Kaukasus,  v.  Erckert^ 
S  330*  —  Fibula  aus  der  Tschetsobna  und  Schädel  von  Koban,  Kaukasus. 
(Mit  2  Hokschuiiten.)  Vlrchow«  8.  331.  —  Der  d watsche  Hanä.  E.  Lemcke, 
S.  340.  —  Ethnographieches  von  den  Nicobaren,  v,  Rijpstorff,  S.  342.  — 
Wes tau strali sehe  Schädel.  Baron  Müller,  S.  342.  —  Alte  Ansiedelungen 
bei  Scblagsdorf  (Guben),  La  Tene- Funde,  Flurnamen.  (Mit  Kartenaktzze.) 
Jentsch,  S.  343.  --  Sculpturen  .von  Chettira  ans  Nazaret.  Sepp,  S.  346.  — 
Syiuboliscbe  Kröten  und  Ecbiniten  Hände  Im  ann,  8.  346.  —  Frosch  und 
Kröteuaherglaube  in  Ostpreussen.  E.  Lentcke,  8.  34G.  —  Schulzenstab  und 
nordischer  Budstock.  (Mit  Holzschnitt.)  Trefchel,  S.  347.  —  Satorformel 
(Mit  Holzschnitt.)  Trelohel,  S.  354.  —  Ring  wäll©  dea  Altkönigs  im  Taunus. 
Xofler,  S.  355.  —  ladianersprachen  von  West-Oregon.  Everette,  S.  356.  — 
Schottische  Medaillen.  Cochr an- Patrick,  S,  356,  —  Klassifikation  der  Rassen, 
Keane,  S.  356.  —  Böhmische  Funde.  Schneider,  S.  356.  —  Menschliche  und 
thierische  Reste  vom  Spand«uer  Hroozefund.  Nehring,  S.  357.  —  Methoden 
zur  Erhaltung  von  Gold-  und  Holzsachen.  E,  Krause,  S.  360.  —  Trapezförmige 
(rhomboideale)  Feuersteinscheiben.     (2  Hulzschuitte*)     E,  Krause,    Vlrchow, 


(572) 

Friedet,  S.  361.  —  Altertbümer  aus  Colorado,  Ost-  ood  West-Mexioo.  (Taf.  VI.) 
BrOhl,  Virchow,  S.  364.  —  Excorsioneo  nach  TaDgerm&Dde.  (4  Holzsohnitte.) 
Virchow,  S.  369.  —  Igorrotes  yod  Luzod.  Hans  Meyer,  S.  377.  —  Schfidel 
der  Igorroten.  Vlrohow,  S.  391.  —  Expeditionen  von  Cliamay  and  Passavaat. 
Bastian,  S.  401.  —  Höhlenfunde  von  Mentone.  (1 1  Holzschnitte.)  J.  C.  Schaltza, 
Virebow,  S.  401.  —  Eingegangene  Schriften.     S.  406. 

Sitzung  am  20.  Oktober  1883.    Lischf,  G.  Gärtnerf.    Neue  Mitglieder.    S.  409. 

—  Jubiläum  von  Pott,  S.  410.  —  Jubiläum  von  du  Bote-ReyMmMl,   S.  411. 

—  Internationaler  Congress  für  prähistorische  Anthropologie  und  Ar- 
chäologie. S.  412.  —  Weitere  Indiauersprachen  von  West -Oregon. 
Everette,  S.  412.  —  Ramsnase.  AaiMe,  S.  412.  —  Slavische  Kluse- 
namen.  L.  Schneider,  S.  412,  Briiekner,  Virehow,  S.  413.  —  Fabel  der 
JBali.  BeyflMS,  S.  413.  —  Bronzewagen  Ton  Gortona  (2  fiolzschnitto). 
M.  Bartels,  S.  416.  —  Thongeräth  aus  dem  Pfahlbau  im  Barmsee  (Ober- 
Bayern).  Th.  Uehe,  S.  419.  ~  Vermuthlicher  Kiehnspahnieuchter  von  einer 
Insel  im  GarwiU-See  (Mecklenburg).  (Holzschnitt)  Oestea,  S.  419.  — 
Tauschirte  Streitaxt  von  Guben  (Holzschn.),  umwalltes  Dmenfeld  im  Kreise 
Seh  Wiebus,  Kirchenmarken.   Jentseli,  S.  421,  Virchow,  S.  422,  Vees,  S.  423. 

—  Gräberfeld  von  Zilmsdorf  bei  Tenplitz.    (6  Holzschnitte.)   Siehe,  S.  423. 

—  Thönerne  Dose  von  Platkow.  (Holzschn.)  Ahreadts,  8.  426.  —  Rad- 
ornamente. (2  Holzschn.)  v.  Schttleahorg,  S.  427.  —  LeichenTerbreonung 
bei  den  Polen,  v.  Schalenbare,  S.  429.  —  Thonkrug  mit  2  Boden  von  Grone. 
W.  Kraase,  Virchow,  £.  Krause,  S.  429.  —  Ausgrabungen  im  Kaukasus. 
Bayern,  Dolheschew,  S.  430.  —  Gräberfunde  der  jüngsten  neolithischeo 
Zeit  aus  Cuja^ien,  den  Provinzen  Posen  und  Sachsen  (Ta£.  VIl  —  VIII, 
12.  Holsschn.)  Vht)how,  S.  430.  —  VölkeryerschiebungeD  in  lanerafirika 
und  Tanganyka-See.  WissaHUM,  S.  453;  Bastiaa,  S.  460.  -^  Eingegangene 
Schriften.     S.  460. 

Sitzung  am  17.  Noybr.  1883.  Ehren-  und  correspondirende  Mitglieder.  S.  463. — 
Tan  Musschenbroekf,  A.  B.  Meyer,  S.  463;  Vkchow,  465.  —  Mensch- 
liches Skelet  mit  Glyptodon-Resten  aus  der  Pampa  de  la  Plata.  (Holzschn.) 
Virchow,  S.  465;  Nehriag,  S.  467.  —  Goldschmuck  aus  dem  ^Tideringhoog 
auf  Sylt  Mestorf,  Otshaasen,  S.  467.  —  Neolitbische  Grabhügel  too  Nickels- 
dorf, Kr.  Zeitz.  (8  Holzschn.)  Bsel,  S.  470.  —  Nephritfrage.  A.  B.  Heyer, 
8.  478;  Virchow,  Bastiaa  (Anraei),  S.  482.  ~  Kyanotjpien  ron  Kurden. 
V.  Laschaa,  S.  483.  —  Kingsmill-lndianer.  Zertich,  Vfa^haw,  S.  483.  ~ 
Gatalog  der  Gypsmasken  von  Ftesck.  S.  484.  —  Busdimannschädel.  UHaa 
IM,  S.  484.  —  Soko- Schädel.  Rob.  HartBMaa,  S.  484.  —  Thüringischer 
Steinhammer.  W.  Schwartz,  Voss.  S.  485.  —  Neue  Funde  ans  der  Mark. 
(Holzschnitt)  Bachhdz,  S.  485.  —  Silberringe  von  Schlockenau,  Böhmen. 
(2  Holzschnitte.)  Voss,  S.  486.  —  Goldfund  von  Vettersfelde.  Voss,  Telfe. 
S.  487:  E.  Kraase,  (Holzschn.)  S.  488.  —  Anthropologische  Versammlong 
in  Trier.  Vhrchow,  S.  490.  —  Funde  im  Buchenloch  bei  Gerolstein.  lliihilB|, 
S.  497.  —  Amerikanisten-Congress  in  Kopenhagen.  W.  Heisa,  S.  498.  — 
Colombianische  .Alterthümer.  W.  Relss.  S^.  502.  —  J^pan,  das  Wokwok 
der  Araber.  Miller-Beecii,  S.  502  —  Abreise  von  Wissmann.  Basttaa, 
S.  506.  —  Eingegangene  Schriften.    S.  507. 


Ausserordentliche  Sitzung  am  2t.  No^br.   1S83.     Ermordung  des  Hm.  de 

S.  509.  —  Ethnologische  Sammlung  von  Riehedu  S.  510.  —  Krao.    S.  511. 

—  Negerkoabe  ron  Ukusso.  Virchow.  S.  511.  —  Erhabene  Ornamente 
auf  Topfboden  Ton  Waldstein,  Fichtelgebirge.    (3  Holzschn.)    Zi^,  S-  513. 

—  Käsenäpfe.    Kunkeln    und    KieMtzberge.      Haadtaaaa.    Vhrchow/  S.  514. 

—  Thonrad  ron  Wollishoft>n,  Züricher  See.  (Holzschn.)  Forrer.  Voaa, 
S.  515.  —  Hohle  im  Ith  bei  Holzen.  Harz  (7  Holzschn.^  ¥infiBi  S.  516. 
Virchow,  S.  5^\  —  Bronzespeerspitze  ron  Torcello  Taf.  IX).  Uiiiit,  S.  52i^; 
Heaahil,  S.  bti:  Vhrchow.  Voss,  S.  5:^3.  —  Holzbau  und  Steinklopfen  in 
Thüringen.     W  Sehwartz.  S.  524.  —  Russische  Ostereier.    BarMs«  S.  524. 

—  Reise  nach  der  Nordwedcüste  Ton  Amerika.    Jacohooa,  S.  525.  —  Ver* 


(573) 

mutblich  wendische  Funde  bei  Tangermfinde.   Hartwioh,  S.  532.  —  Hnneo 
betten  der  Altmark.     Hartwioh,  S.  533.  —  Bedeutung  des  Sator-Spruches. 
Fritaoh,   S.  535;   v.  Sohulenburg,    S.  537.  —  Verschiedenheit   des  Sprach- 
cbaracters  und  deren  natürliche  Ursache.    H.  Oppert  S.  537.  —  Eingegangene 
Schriften.     S.  537. 

Sitzung  am  15.  Decbr.  1883.  Verwaltungsbericht  für  das  Jahr  1883.  S.  539.  — 
Kassenbericht  S.  545.  —  Statutenänderung  S.  545.  —  Wahl  des  Vorstandes 
für  1884.  S.  545.  —  Mitglieder  S.  545.  —  Russischer  archäologischer  Ck)n- 
gress  in  Odessa,  S.  545.  —  Runenlanze  yon  Torcello.  Undset,  S.  546.  — 
Kupferner  Ohrring  aus  der  ältesten  Stadt  yon  Hissarlik.  (2  Holzschnitte.) 
Virohow,  S.  551.  —  Steingeräthe  aus  der  Gegend  von  Frankfurt  a./M., 
namentlich  Jadeit  von  Vilbel.  Noil,  S.  554.  —  Alterthumsgesellschaft  in 
Graudenz  und  Brandpletter  bei  Rondsen.  Anger,  S.  554.  —  Gräberfeld  bei 
Kazmicrz,  Posen,  namentlich  Fibula  mit  Glasfluss.  (Holzschn.)  v.  Harden- 
berg, Virohow,  Undset,  S.  556.  —  Steinkistengrfiber  mit  Gesichts-  und  Mützen- 
urnen bei  Scbloss  Kischau,  Kr.  Berent.  (Taf.  X  und  Holzschnitt.)  Zieake, 
S.  556;  Virohow,  S.  561.  —  Sammlung  des  Dr.  Riebeck  und  neue  Er- 
werbungen des  Konigl.  Museums.  Bastian,  S.  563.  —  Alter  der  Torques- 
Ringe.  V.  Gross,  S.  566.  —  Zeichnungen  und  Malereien  eines  jungen  Neu- 
britanniers.    Finach,  S.  566.  —  Eingegangene  Schriften  S.  566. 


Autoren-Register. 


Abrendts  426. 

Andref  412. 

Anger  &54. 

Amunl  118,  211,  482. 

Baod  189. 

Barifls,  M.  118,  166,  416,  524. 

Bastian  129,  166,  169,  195,  215,  231,  301,  302, 

401,  460,  482,  506,  563. 
Rasern  203,  256,  303,  430. 
Bfbla  84. 
Berger  486. 
Bejfuss  413. 
?.  Bönigk  148. 
Brauns  179. 
Brückner  (Strelitz)  34. 
Brflekner,  R.  (Berlin)  413. 
Brühl  72,  364. 
Uucbholi  485 
€astau  190 
Ibarnaj  401. 
Cochran-Patrlck  356. 
Dalkescbew  305,  331,  430. 
Ilreislng  143. 
Eimer  299. 
Elsel,  R.  470. 
Cllenkerger  224. 
Eisner  ?.  Gronow  266. 
▼.  Erckert  170,  177,  179,  264,  330,  430. 
Eferette  356,  412. 
Feblan  555. 
f.  Fellenberg  307. 
Flnscli  169,  484,  566. 
Fischer,  U.  285. 
Flesck  72. 
Forrer  jun.  515. 
Frank  272. 

Frledel,  E.  54,  68,  111,  115,  117,  145,  361. 
FrlUch,  G.  183,  535,  537. 
Gross,  Vict.  253,  317,  566. 
Grünwedel  227. 
Günther,  G.  511. 

Handeluiann  13,  17,  18,  292,  294,  346. 
Bandtmann,  485,  514. 
Hardenberg,  Freih.  y.  166,  555. 
itrtnuuin,  Rob.  484. 
Hartwich  582,  533. 


Hauchecorne  239. 
.  Henning,  lt.  522,  550. 
>  Höpfner  240. 
Hollmann  150,  247. 
Jacobsen  525. 
Jag«r,  F.  69,  268,  525. 
Jentsch  48,  286,  343,  421,  485 
Joest  3-29. 
Rarcher  bi\b. 
Keane  356. 
Koebi  296. 
fioebler  164. 
Ronen  212. 
fiofler  267,  355 
fioppel  502. 
Y.  Korff  189. 
Krause,  Artb.  205. 
Krause,  Aurel  224,  303. 
Krause,  Ed.  300,  360,  361,  429,  4 
Krause,  W.  429. 
Krug  (Jessen)  220. 
kühne  148. 
Kuhn,  M.  211,  227. 
Kultscber  227. 
Kunie  565. 
Umke,  E.  340,  346. 
UpkowskI  208. 
Liebe  419. 
Ullenfeid  484. 
Lindenscbmit  463 
Y.  Luschan  266,  483. 
Y.  MaHens  117,  403. 
Martins  143. 

i  nesslkouimer,  Sobn  143,  223. 
I  flestorf  467. 
nejfe  215. 

Mejer,  A.  B.  11,  463,  478. 
Meyer,  A.  G.  249. 
Meyer,  Hans  216,  377. 
Müller  (IlanDover)  232. 
Mülier-Beeck  156,  502. 
Y.  Müller,  Baron  342. 
Nebring  275,  357,  403,  467,  197. 
Neltike  306. 
Biali  554. 
Oesten  419. 


(576) 


OkhaMM  86,  467. 

Oppcrt  637. 

Oskme285. 

PiUke269. 

ParUM,  L.  170. 

PasMfut  401. 

PlBtIer  202. 

PtHmao  69. 

Pf«  410. 

f.  Qiltttrp  33 

nUit  141. 

f.  Baabcrg  127. 

lUo,  G.  285. 

Bei»,  W.  498,  602. 

Riebeck  216,  510,  663. 

f.  Eteptttrff  268,  342. 

Saoer  166. 

Schadeakerg  266. 

SeUleaiaBB  610,  651. 

ScIiniM«,  A.  216. 

Scbaei^,  L.  118,  119,  366,  412. 

Sckatt  242. 

f.  ScboleBborg  66,  66,  67.  243,  246,  247,  427, 

429,  637. 
Sckaltie,  J.  G.  401. 
Mwarti,  W.  269,  486,  624. 
Seaf  269. 
Sepp  346. 


Siehe  260,  423. 

Stle^  330,  544. 

StiMlag  300. 

StlM  215. 

Teige  169,  487. 

Toamr  434. 

Trckhd  77,  217,  347,  354. 

IJniset  197,  520,  546,  565. 

TIrchew  86,  111,  153,  169,  170,  190,  197,  201, 
211,  242,  243,  261,  262,  254,  276,  296, 
299,  ,306,  317,  331,  342,  361,  364,  369, 
390,  401,  409,  410,  411,  412,  418,  422, 
429,  430,  466,  482,  483,  490,  609,  511, 
614,  520,   523,  539,  551,  665,  561. 

?fss48,  169,  220,  224,  232,269,272,276,428, 
485,  486,  487,  515,  528. 

Wdaeck  244,  288. 

WeMienkl-Ewileckl,  Graf  126. 

WeüateiB  179. 

WiecM  209,  243. 

WiMMiB  215,  248,  453,  484,  506,  511. 

Wittnack  248,  403. 

Wellenaan  516. 

XanneBl  143. 
Upt  252,  613. 
Senback  483,  566. 
ZIeake  556. 


Sach-Register. 


A. 

Aberglauben,  Frosch-  und  Kröten-,  146,  346. 
Ackerbaa  der  Pfahlbauzeit  in  der  Schweiz  239. 
Achim,  Aubalt,  Thonbecher  Ton  dort  417. 
Adainaua,  Sammlung  ans  A.  301. 
Adighf,  Kaokaaieo,  Skeletgrab  das.  173. 
Aegjptfo,   Denkmäler,   Porträt -Charaktere   der- 
selben 183. 
Afrika,  AdamauaSOl;  Akkamädchcu  111;  Aogyp- 
tische  Denkmäler  179;   Buschmannscbädel 
484;    Passavants  Reise   401;    Rassenköpfe 
des  Nordens  143;  Sokoschädel  484;  Ukusso- 
knabe  284,  511;    Yölkerverschiebungen  im 
Innern  453;  Wakusu  s.  Ukusso. 
.Agouifs  (Hermit-Inseln)  301,  565. 
AhreDshöfl,  Schleswig,  Moorfunde  15. 
Aloe's  von  der  Insel  Yezo  171). 
Akka-Mädchen,  Photographie  111. 
Alaska  303,  528.  i 

Albana,  kupfernes  Rad,  dort  gefunden  515,  Haus- 
Urnen  820. 


Albsbflm,  Pfalz,  Scherben  mit  weisser  Incrasta- 
tion  450. 

Alickenderf,  Provinz  Sachsen,  Urnen  neben  Ske- 
letten gefunden  275. 

Allendorf  a.  d.  Werra,  Hügelgräber  das.  202. 

Alsen,  Bronzeschwert  von  dort  105. 

Allai,  Metallschmeizereien  daselbst  243. 

Altmark,  Prov.  Sachsen,  Gräberfunde  von  Tanger- 
münde 150,  370,  437;  von  Gardelegen  170; 
Hünenbetten  533;  s.  auch  Prov.  Sachsen. 

AHiauekr,  Kr.  Lübben,  Brandenburg,  Urnen  289. 

Amazonas,  Sammlung  301. 

Amerika,  Alaska  303;  Amazonas  301;  Argen- 
tinien 465;  Azteken  285;  Golombien  502, 
565;  Colorado  364;  Copan  215;  Eskimos, 
Labrador-E.  227;  Ethnologisches  Bureau 
197;  Honduras  211;  Jacobsen*s  Reise  525; 
Madisonville,  Ohio  72;  Medellin  196;  Mexico 
364,  401;  Nephrit  482;  Oregon  356,  412; 
Pampa  de  la  Plata465;  Patagonler  148;  QuI 
rigna  215;  Tlingit-Indianer  806;  Zwerg  806. 


(577) 


Amefikaoiftei-CoiigreM,  foDfter  216,  880,  498. 

Amnin,  Schleswig,  Hägelgrräber  das.  86. 

Anu  sp.,   Reste   aus   dem  Spandaner  Pfahlbao 

859. 
AniiaiiMiien  69. 
Aidernack,    fränkische    und    römische    Funde 

213. 
Anhalt  444 
Anthrepslden  s.  Soko. 
Antbrapaphagle   in  Raukasien  (?)  304;   in  einer 

Höhle  des  Harzes  517. 
Araber,  das  Wokwok  der  502. 
Arthlscke  Handschrift  aus  der  Teke-Steppe  179. 
Arseutinleo  216,  465. 
AriMM  867,  531. 
Arotits,  Königreich  Sachsen,  Hauklotz  aus  dem 

Braunkoblenflötz  daselbst  240. 
Asien,  Aino*s  179;  Araber  179,  502;  Bali  414; 

Klein-Asien  266;   Laos  118,  166;   Liukia- 

Inseln  156;  Nicobaren  268;  Palästina  346 ; 

Philippinen  265,  377;  Syrien  266;  Tschukt- 

schen  224;  Türken  179. 
Askiharglon,  seine  Lage  118. 
Australier,  in  der  Anthrop.  Ges.  vorgestellt  190. 
Aastralier-Schädel  342 
Astekiscbe  Eindermaske  285. 

B. 

Baba's,  auf  den  Kurganen  Ton  Stawropol  175. 

Ball,  Fabel  der  414. 

Baidwlrken,  das,  der  Mädchen  in  Kaukasien  263. 

Barmsee,  Oberbayem,  Gefässfragmente  aus  einem 
Pfahlbau  419. 

Baudach  Kr.  Crossen,  Brandenburg,  grosse  Urne 
von  dort  287. 

Bauernhurg,  in  Dithmarscben  31. 

Bayern,  physische  Anthropologie  der  197. 

Bayern,  Burgwall  bei  Waldstein  252,  513;  Pfahl- 
bau am  Barmsee  419. 

Becherförmige  Tbongefasse  446,  472. 

Belalr-Typus  314. 

Bergsbausen,  Hessen,  Gräberfeld  203. 

Berlin,  Funde  ans  der  Unterspree  68;  afrikani- 
sche Pfeile  in  der  Artillerie-Strasse  485. 

Bernhnrg,  Gräber  445;  Schnecken  in  einem 
Mescbenschädel    gef.  117. 

Bernstein  in  Gräbern  von  Amrnm  86;  in  Grä- 
bern von  Kazmierz  555. 

Bemsteinperle  aus  Brunnengräbern  in  Kankasien 
205. 

Bestaltnngs weise  der  Etrusker  326,  s.  auch  Grab, 
Gräber,  Leichenbrand,  Skeletgräber,  ßrand- 
graber. 

Birkbeli  Kr.  Schwiebus,  Brandenburg,  Urnen- 
feld 422. 


Blasderf  Kr.  Lübben,  Brandenburg,  Urne  mit 
Bronzeoadel  291. 

Blasebalg  von  der  ostafrikanischen  Station  217. 

Blei,  Celt  von  Blei  oder  Zinn  104;  unter  Gold- 
platten bei  alten  Schmocksaehen  469;  Blei- 
gegenstände 107;  Scheibe  (Medaille)  110. 

Blelwelss  an  der  Griffzunge  eines  Bronzeschwerts 
86,  105. 

BIkeInburg,  Ringwall  in  Dithmarscben,  Holstein 
21. 

Böhmen,  Zinnfunde  99;  Askiburgion  118;  Allge- 
meines zu  Undset's  Werk  119;  Burgwall 
Zamka  285;  Scbluckenan,  Silberringe  486. 

Bodenemamente  an  Thongefässen   148,  252,  513. 

Bologna,  Schmelzereiwaaren  von  S.  Francisco 
das.  143;  Museo  civico  das.  166. 

Borgstedterfelde,  Holstein,  Thungefasse  294. 

Bosporaniscbe  Funde  s.  Goldfund  von  Vetters- 
felde. 

Bos  taurus,  Reste  aus  dem  Pfahlbau  Spandau 
359. 

Botenstab,  altnordischer  349. 

Brabmo  Kr.  Cottbus,  Brandenburg,  Schlossberg, 
Wendenkönig  55. 

Brandenburg,  Provinz.  Altzanche  289,  Baudach 
287,  Berlin  68,  485,  Binenwalde  375,  Birk- 
holz  422,  Blasdorf  291,  Brahmo  55,  Burg 
246,  Buschow  300,  Garlstein  117,  Ooppen 
52,  Crossen  286,  Dergischow  249,  Deulo- 
witz  286,  Ellerborn  251,  288,  Finkenheerd 
50,  Frankfurt  a.  d.  Oder  515,  Friedersdorf 
291,  Friedland  289,  Gandow  514,  Gehren 
84,  Grossleine  290,  Gross-Wootz486,  Guben, 
Kreis  48,  286,  Gaben,  SUdt  421,  485, 
Hartmannsdorf  288,  Hollbrunn  291,  Jam- 
litz  291,  Jessnitz  52,  Jüritz  220,  Kleioleine 
290,  Kleinlubholz  288,  Kleinmehsow  251, 
Krupau  288,  Lamsfeld  291,  Lenzen  485, 
Lichterfelde  375,  Lieberose  290,  Lippehne 
423,  Luckau  84,  Lübben  288,  Michendorf 
112,  115,  Mittweida289,.Mochow291,  Hu- 
schen 66,  248,  Nächstneuendorf  250,  Neun- 
dorf 290,  Neuzauche  289,  Niemitsch  48, 
Platkow  426,  Plesse  52,  Radewege  300, 
Ragow  250,  288,  Reichersdorf  52,  Rnckers- 
dorf  291,  Sandow  486,  Schenkendorf  54, 
Scbiedlo  54,  Schlagsdorf  343,  Schöneich 
52,  Sglietz  288,  Skohlen  289,  Sorau  286, 
Spandau  357,  Speichro  291,  Starzeddel  53, 
422,  Steinkirchen  288,  Straupitz  244,  289, 
Strega  53,  Tempelhof  375,  Trebatsch  290, 
Tröbitz  292,  Vettersfelde  129,  286, 487,488, 
Werbellin  33,  Wirchenblatt  52,  Wittmanns- 
dorf 289,  Wustrow  486,  Zeilin  486,  Zeost 
289,  Zilmsdorf  286,  428,  Flurnamen  848. 


(578) 


Brtni-  WMi  Skdelgriber  der  friokischen  Zeit  bei 
Andernach  218,  s.  auch  Gräber  and  Bestat- 
tungsweiae. 

Braadwall  too  Kirn,  Rhein provinz  495. 

Braankfklenfliti  von  AmtiU  239. 

Broitkerg,  Provinx  Posen,  historischer  Verein 
das  166;  Steinhammer  166;  Gräberfelder 
bei  6r.  166. 

Breite.  Armbänder  mit  Schlangenkopf  297. 
Armring  von  Telnigstedt  29,  yonKanielin 
166,  im  Museum  zn  Trier  494.  Arm- 
schiene, spiralig,  Iba  in  Hessen  203. 
Barren  von  Straupitz  244.  Gelte  von 
Straupitz  244.  Depot-Fund  von  Garls- 
stein  mit  Eisen  117.  Fibeln  aus  der 
Tschetschna  331,  von  Ladebow  128,  aas 
Rheinbessen  297.  Figur,  mit  Deichsel- 
wagen  auf  dem  Rücken,  Italien  318.  Funde 
zu  Straupitz  244,  289,  Koppenow  300.  Ge- 
fftss  von  Unia,  Provinz  Posen  127,  164. 
Gärtelreste  von  Eilerborn  288.  Guss- 
form von  Koban  305.  Halsring  232, 
297.  Hämmer  166.  Helm  494.  Helm- 
zierreste von  Straupitz  244  Krone 
vonStaw,  Posen  127,  Kronen  in  Hannover 
282.  Lanzenspitze  von  Straupitz 244,  mit 
Runen,  aus  Italien  520,  546.  Messer 244. 
Meissel  244.  Nadel  von  Oberaula  203. 
Nadeln  244,  von  Dluzyn  166.  Ohrringe, 
segelformige,  mit  Perle  373.  Pfeilspitzen 
von  Straupitz  244,  von  Stawropol  171,  von 
Samthawro  205.  Keif  mit  reicher  Strich- 
verzierung, aus  der  Mleczka,  Galizien  208. 
Reste  von  Gardelegen  170.  Ringe  etc. 
von  Bränbausen  218,  220,  von  Straupitz 
244.  RiBgverschluss  298.  Röhrchen 
2%.  Runenspeerspitze  520,  546. 
Scheibennadeln  2%.  Schildreste  von 
Straupitz  244.  Schmelzereiwaaren  von 
Bologna  143.  Schmuck  von  Koppenow 
300.  Schnabelkannen  494.  Schnallen 
128,  297.  Schwert  86,  von  Amrum  87, 
in  Rumohrshof  auf  Alsen  105,  von  Strau- 
pitz 244,  Wojciecbo wo  166.  Sichel  messer 
244.  Spiegel  von  Stawropol  174.  Spi- 
ralplatten-Fibeln 297.  Spiral -Schie- 
nen 297.  Tischchen  von  Corneto  325. 
Torques  298,  566.  Vorrath  von  Ham- 
mersdorf, Siebenbürgen  100.  Waffen  in 
Brunnengräbern  Kaukasiens  303.  Wagen 
von  Cortona  416,  allitalische  197,  201. 
Wendelringe  494.  Zierrathen  von 
Straupiu  244. 

BrMieo  im  Museum  zu  Trier  494,  in  einer 
Höhle  im  Hart  518. 


Braue  nni  Mi,  Amrum  87. 

Brsnie,  %9\iy  Silber  nni  Elsen,  zusammea  gefun- 
den 171,  in  Brunnengrabem  Kaukasiena 
304. 

Breoie  nni  Eisen.  Carlstein  117,  Tangermünde 
375,  Zilnisdorf  423,  Graudenz  554,  Kaz- 
mierz  555,  in  Steinkistengräbem  mit  Ge- 
sichtsumen  560. 

Brenieieit  in  Europa  197,  Menschen  waren  do- 
lichocephal  315. 

Brnckwerk,  vorgeschichtliches,  in  Dithmarschen 
Holstein  18. 

BrfinkaoseB ,  Westpreussen ,  vorgeschichtliche 
Funde  217. 

BruDDengrlber  in  Trant'kaukasien  205,  268,  d08. 

Buckenleek  bei  Gerolstein,  Rheinprovinz  492,  497. 

Bucckero  326. 

Backeiarnen  von  Jüritz  222,  von  Neundorf  290, 
in  der  Lausitz  287,  291.  S.  auch  Urnen 
und  Thongef&sse. 

Bttckelverslerang  in  der  Altmark  151. 

Buckwiti  Kr.  Fraustadt,  Posen,  Eiaengerithe  166. 

Buddka,  Fusstapfen  des  227. 

Budsteck,  altnordischer  346. 

Bulgarien,  Tumuli  299. 

Barg  im  Spreewald,  Brandenburg,  Todtenurneo 
auf  dem  Schlossberg  246. 

Burgwillf  (s.  auch  Brandwall,  Ringwall,  Stein- 
wall),  in  Dithmarschen  20,  im  Taunus  855, 
Lieberose,  Brandenburg  290,  Nachstneneo- 
dorf  bei  Zossen,  Brandenburg  250,  Schiedlo 
Kr.  Guben,  Brandenburg  54,  Waldatein, 
Bayern  252,  513,  Zamka,  Böhmen  285, 
Klaeden,  Altmark  538. 

Burgwerk,  prähistorisches,  in  Dithmarschen  18. 

Busckmannsch&del  484. 

Busckew,  Prov.  Brandenburg,  Siehgeniaa  y.  dort 
300. 

Bolter-  und  käse-Bereltang  in  prähistorischer  Zeit 
300. 

C. 

Callait,  Neu-MexicO  367. 

Caiup  d'Bastedto  bei  Namur  464. 

Canis  familiaris,  Reste  aus  dem  Spandauer  Pfahl- 
bau 357. 

Cantfs,  Anlertigung  bei  den  Tlingit- Indianern 
207. 

Gafra  hircas,  Reste  aus  dem  Spandauer  Pfahl- 
hau 359. 

Caristrln  in  der  Neomark,  Depotfund  117. 

Caraeel  in  Kaukasischen  Gribern  gefunden  305.- 

Carwiti,  Meklenburg,  Kiebnspahnleuchter  von 
dort  419. 

CerUleS  Neu-Mexico  367. 


(579) 


Cenos  etpre •Ini,  Reste  ans  dem  Ptahlbaa  Span- 
dau 359. 

Gkalchikaltl  d67. 

Ckamay's  Expedition  nach  Mexico  401. 

Cbettlm,  Nazaretb,  Sculpturen  von  dort  346. 

CUkha  602,  565. 

CUmpaDM  8.  Soko. 

Gkinesiscbe  Eizählnng  von  Metallschmelzern  am 
Altai  242. 

Gbelola,  Mexico  366. 

Ckristentkuin,  EinführuDf^  desselben  in  Eaukasien 
256. 

Cflemblaiüscke  Alterthnmer  502,  565. 

Celerade,  Alterthümer  ans  364. 

Cfiekylieii  in  den  Höhlen  von  Mentone  403,  ans 
der  Unterspree  in  Berlin  68,  in  einem  alten 
Menschenschädel  117. 

Ctigress,  internationaler,  für  präbist  Anthrop. 
und  Archäoloprie  412,  der  Amerikanisten 
215,  330,  der  Rassischen  Archäologen  545. 

CeoserTining  von  Holzsachen  360. 

Ctpan,  Steinbild  werke  von  dort  215. 

Cernete-Tarquinia  197,  324. 

Certena,  Bronze  wagen  416. 

Catchen,  £r.  Guben,  Brandenburg,  Urnenfeld  52. 

Cressei,  Er.,  Brandenburg,  Prähistorisches  aus 
demselben  286. 

Cifjafien,  Gräberfunde  der  jüngsten  neolithischen 
Zeit  430. 

Gnltarfiherreste  in  der  Rheinprovinz,  aus  vor- 
römischer, römischer  und  fränkischer  Zeit 
212. 

Gjdepiscli  s.  Kyklopisch. 

GjgooB  spec.,  Reste,  Pfahlbau  Spandau  359. 

D. 

Däaenark,  Zinn  in  Gräberfunden  92. 
Deptt-Faod,   Bronze  von  Straupitz  246;    Bronze 

mit  Eisen  in  Carlsstein  117. 
Dergiscksw,  Er.  Teltow,  Brandenburg,  Urnenfeld 

249. 
Deulewiii,   Er.  Guben,    Brandenburg,    Römische 

Münze,  Steinbeil  und  Bronzecelt  286. 
DlthmarscIieD,  Holstein  16,  18. 
DlaijD,  Er.  Eosten,  Posen,  Gräberfunde  166. 
Deiiuin  als  Grabgeföss  321. 
Deppelurneo  in  Gräbern  von  Jüritz  223. 
DreleekeruameDt  an  sicilianischen  Urnen  280. 
DriJlliigsgeriss  im  Ossuarium  von  Gorneto  201. 

£. 

Ecklnitei  346.    S.  auch  Erdten  u.  Erötensteine. 
Ekk   bei   Coblenz,   Rheinprovinz,   vorrömische 

Funde  213. 
Elckenkerg,  Hessen,  Hügelgräber  203. 


Eicbenkagen,  Posen,  Schädel  und  Terzierte  Urnen 
434. 

Eisen  in  dem  Depotfunde  In  Carlsstein  mit 
Bronze  zusammen  117,  Beile  in  Mahagoni- 
holz eingewachsen,  Honduras  211,  Axt  mit 
Silberplattirung,  Guben  421,  485,  Dolch  im 
Umengrab  von  Jüritz  223,  Dolch  mit  Gold, 
Silber  und  Bronze  172,  Funde  in  Gräbern 
bei  Graudenz  554,  in  Gräbern  von  Eaz- 
mierz  555,  Geräthe,  Dauer  des  Uebergangs 
in  Thoneisensteinbildungen  in  der  Erde 
117,  Schmuck  vom  Urnenfeld  bei  Friedera- 
dorf, Er.  Lnckau  291,  Schwerter  in  Brnn- 
nengräbern  Eaukasiens  306,  Schwertreste 
mit  ßronzebeschlag,  von  Eichenhagen  436. 

ElfD-Schaufel  aus  Westpreussen  217. 

Ellerkera  bei  Lübbeo,  Brandenburg,  Urnenfeld 
251,  288. 

Ellgut-Lbota  266. 

England,  Zinn  in  Gräberfunden  92,  Schnecken 
an  menschlichen  Gebeinen  117,  Medals  of 
Scotland  356,  Thonbecher  447. 

Equos  cakallus,  Reste  aus  dem  Pfahlbau  Span- 
dau 358. 

Erbsen,  prähistorische,  von  Maschen  66,  248. 

Erkaltung  von  Gold-  und  Holzsachen  361. 

Esckiweh,  Nassau,  Mikrocepbalenfamilie  dus.  72. 

EslLimostämuie,  Labrador  227,auf  der  Tschuktschen- 
Halbinsel  244,  in  Nordwest- Amerika  528. 

Este,  Gräber  279. 

Etrurien  197,  319,  324,  494.    S.  auch  lUlien. 

Excursion  nach  Taogermünde  369. 

Expedltlenen  Charnay*s  und  Passavant*s 
401,  Meyers  196,  Riebeck^s  216,  510, 
563,  Wissmann's  216,  453,  506,  511. 


F. 


Felsengriker  in  Italien  281. 

Feuerseieben  352. 

Feuersteine,  geschlagene.  Höhle  von  Mentone  402. 

Feaerstein-Schaber  128. 

Feuersteinbeile,  polirte,  in  Gräbern  Cujaviens  438, 
Sachsens  448,  Thüringens  472. 

Feuerstelnsiililter,  trapezförmige  361. 

Fenerstein-Pfeilspitzen  von  Ladebow  128,  quer- 
schneidige 363. 

Fibula,  älteste  Form  derselben  553,  in  Italien 
322,  kahnförmige  552,  aus  der  Tschetschna 
331,  mit  Schmelzkoraile,  Eazmierz  555. 

Ficbtelgebirge  s.  Waldstein 

Fignren-Vrne  von  Borgstedterfelde  294. 

Finkenbeerd,  Er.  Guben,  Brandenburg,  Urnen- 
feld 50. 

Finnen,  Finnisches  SkeUt  880. 


(580) 


fkApUmh^nmaä  an  Unien  442. 

»■■tiifi,  sUTiMbe  412. 

ffHM,  ProT.  Poteo,  in  der  N&be  bei  Niecponie 
ein  Oriberfeld  166. 

Feraeft,  Erwerbangen  des  KöniglicbeD  Mafeams 
Ton  dort  216. 

FraiVei,  Friokiscbe  a.  a.  Caltorreste  in  der 
Rheinprorinz  212,  491,  Luxemburg  494. 

Praakem,  Hessen,  Uöfrelgr&ber  202. 

FraakfnrI  a.  I.,  Steingeratbfande  too  dort  554. 

Franlfart  a.  0.,  kopferoe  R&der  616. 

Fraakreicb  s.  Mentone. 

Frea^eabelifl,  Holstein,  Moorfunde  14. 

FrMcrs4erf,  Kr.  Lnckau,  Brandenburfr,  Urnen- 
feld  mit  Eisen  291. 

Frfedlaaä,  Kr.  Lübbeo,  Urneofeld  mit  Bronzen 
289. 

Frascb-Aberglaoben  in  Ostpreussen  346. 

Freee,  Anhalt,  Urnen  443. 

FiB^e,  in  Rheinbessen  2%;  La  Tene-F.  343; 
8.  a.  Depotfunde  a.  Bronze-  n.  Eisenfunde. 

Frficbte  ans  Pfablbanten  233.    8.  a.  Sämereien. 

FuiMei  bei  den  Persem  261. 

Fosf-Sckale  fon  Ragow,  Hrandenbarg,  251;  252. 

FoisUpfeii  des  Buddha,  227;  Ton  Göttern,  Hel- 
den, Riesen  232;  unter  den  Skandinavi- 
sehen  HUlristringar  232;  auf  der  Oster- 
Insel  und  io  Amerika  282. 


G. 


ftal,  ProT.  Posen,  Maänder-Ume  127. 

ttalliien,     Bronzereif    aus    der    Mieczka,    206; 

3  Bronzereifen  von  Sieniawa,  209: 
fiandew    Prov.    West-Priegnitz,    Brandenbürg, 

Kiebitzberge  514. 
fiansreitfr  (Maskenbild  Wodan's)  292. 
QardeIfgeD,  Altmark,  Funde  von  dort  170. 
fiaya  (Buddha  — )   in   Bihär,    Fusstapfen    des 

Buddha,  227. 
Cteflssfragmeote  aus  den  Pfahlbauten  im  Barm- 

see,  419.    8.  a.  Scherben  u.  Topfscherben, 
fieflssstricblfr  115. 
Gebr«Dfr    Berge    bei     Luckau,     Brandenburg, 

Opferheerd  84. 
General-Tmaminlang  der  deutsch.  Anthropol.  in 

Trier,  490.  \ 

GereistelD,  Höhle  Buchenloch,  492,  497. 
GesIchUarnen   in  Italien   826;    von    Kischau   in 

Westpreussen  556. 
Glasperlen  in  Gesichtsurnen  561;  in  Gräbern  in 

Zilmsdorf  425;  in  Tangermünde  und  der ; 

Mark  373.  | 

Glasar   an  Gefassen   des  11.  Jahrhunderts  111  ;| 

an  römischen  Gef&sseU  491.  i 


«yptetoi  Bette  mit  meoseU.  Skelet,  Pui|mi  de 
la  Plata,  465. 

Md-Cbloridbildung  an  Funden  360. 

Mitmd  Ton  VetterafeMe  129,  286,  487,  488; 
Hiddensoe  169. 

Mi  in  Gräbern  von  Amrum  86;  KobMi  356. 

GtM-Obrgekäege  in  ßrunnengiibem  Raakasieiis 
304. 

Geld-Prriei  ans  dem  Grabbögel  bd  8tawn>pol, 
171. 

GeM-Schmaek  tou  Sylt  467. 

Geldfigur  von  Medellin,  Amerika,  196. 

Grabhigd  s.  a.  Kegelgräber  in  der  Provinz  Hes- 
sen 202;  bei  Stawropol  171;  (Brinnerani^s- 
bngel)  in  Bulgarien,  299;  neolitbische,  bei 
Zeitz,  470. 

Grab-BeigakfB  aus  moderner  Zeit,  Lausitz,    196. 

GfäWr  der  Altmark  150,  170,  370,  437;  der 
Etmsker  326:  tranakankasiscbe  206. 

Gräketfeld  von  Kobao,  Kankas.  169;  Ragow 
250;  Lausitzer  250;  Zilmsdorf  ^3;  Kax- 
mierz  555;  in  der  Gegend  von  Bromberg 
und  Nakel  166;  im  Kreise  Koston  a.  Dluxin, 
Trzebidza,  Kamelin. 

Gräkerfbade  von  Tangermnnde  150;  der  jungiten 
neolithischen  Zeit  in  Poesn  und  Saehaen 
430,  in  Thüringen  470. 

Graadeai,  Prov.  Posen,   Museum,  Gräberfande. 

Grieckiscke  Gräberfelder  auf  Sicilien  279. 

Grene  bei  Göttingen,  Hannover,  Topf  mit  2  Bo- 
den 429. 

Gresslelae,  Kr.  Lnbben,  Brandenburg,  Umenfeld 
290. 

Gross-Woeti,  Kr.  Westpriegnitz,  Funde,  486. 

Grabea  mit  Küchenabfällen  in  Rheinbessen  296. 

Guben,  Funde  aus  dem  Kreise,  48,  286;  von 
Eisenbeil  mit  Silbertauscbirnng  421,  485; 
Alterthumersammlung  desgl.  197. 

Gttssform,  Koban,  Kaukasus  dOb. 

Gussstitte  für  Bronzen,  Straupitz,  Kr.  Lübben 
246. 

H. 

Haannfnsckfn.    Haariges  Mädchen  von  Laos  118, 

166,  511. 
Ilingfgeflssi^  von  Tbon  44G. 
Haidah  526. 
Ilakenkreui,    an   der   Urne    von   Loitz    149;    an 

ähnlichen  Hansurnen  324. 
Hallstadt,   Oesterreich,    Blei    unter   Goldplatten 

von  dort  469;  Bronzen  von  dort  297. 
Halsringf,   220;    bronzene,   sogenannte   Kronen 

232;    Torques    in    Rheinhessen    297;    im 

Kaukasus  298.    S.  Bronze. 
Handsebriflen,  türkische  179;  arabische  179. 


(581) 


HainoYer  s.  Grone,  Issendorf,  Vermoor,  Wieren. 

Htrleskaaseii,  Hessen -Nassau,  Hügelgrab  das. 
203. 

Harlmaonsdorf,  Kr.  Lübben,  Brandenbarg,  Flint- 
geräthe,  Urnen  mit  Eisen  288. 

«an,  Höhle  im  Ith  516. 

Han  in  Urnen  260. 

HaielnOsse  im  Moor  gef.  13. 

Hasseobuttfl,  Holstein,  Tbongefasse,  18. 

laaklets  aus  dem  Braunkoblenflöz  von  Arntitz 
240. 

laus,  altert  humliches  in  Tirol  11. 

Haasurnen,  etruskische,  320  s.  auch  Hütten urne. 

Hawaii,  302. 

leer,  Prof.  Osw.  f  410. 

leluehen,  Verfertiger  der  Urnen,  Lausitz  287. 

lein,  Bronze  494. 

■eheüer,  Proto-H.  317. 

Hemit-Iasela  301,  565. 

Hessen,  Qrossb.,  Funde  296. 

Hessen-Nassau,  Provinz,  Gräberuntersucbungen 
von  Pinder  202;  s.  a.  Allendorf,  Bergs- 
bausön,  Eicbenberg,  Iba,  Lorsch,  Oberaula, 
Wasenberg. 

Hiddeoseer  Goldfund  169. 

HissarlilL  s.  Troja. 

Hellberg-Typus  314 

Höliien  in  Sicilien  282;  in  der  Eifel  492. 

Hdliienschädel  von  Süd  Mindanao  265. 

Helilenfunde  von  Mentone  401;  im  Ith  bei  Hol- 
zen im  Harz  516. 

Holinsleben,  Prov.  Sachsen,    verzierte  Urne  275. 

Hollbrunn  Er.  Lübben,  Brandenburg,  Urnen  291. 

Helslflu)  Haselnüsse  und  Tbongefasse  im  Moor 
13;  Funde  von  Borgstedterfelde  294;  von 
Freudenholm  14;  Ahrenshöft  15;  Hassen- 
büttel  18;  Hornsdorf  13;  Immenstadt  13, 
24;  Ladegard  13;  Lebe  16;  Rasdorf  14; 
Stüding  13;  Tellingstedt  27;  Vaalermoor 
14;  s.  a.  Dithmarscben. 

HelibaolLunst  in  Thüringen  524. 

Hollbau  b.  Lehe  in  Holstein  16. 

Hellen  im  Harz,  Höhle  im  Ith  516. 

Hollfigur  (Priapus)  Jütland  16. 

Holigegenstinde,  deren  Erhaltung,  360. 

Hollhausen,  Hombuig  v.  d.  Höbe,  Hessen,  alte 
Wohnstätten  267. 

Holllade  mit  Bronzen,  von  Koppenow  300. 

Hondaras,  Eisenbeile  in  Mabagonistämmen  ein- 
gewachsen 211. 

Homo  sapiens,  Reste  aus  dem  Bronzezeit- Pfahlbau 
Spandau  357. 

Hügelgräber  in  der  Provinz  Hessen  202;  bei 
Lorsch,  Hessen,  267;  bei  Lübben  251.  S. 
a.  Kurgan  und  Tumuli.  | 


Hfinenbetten   der  Altmark  533;  bei  Nickelsdorf, 

Kr.  Zeitz  470. 
Hfittennrne  323    S.  a.  Hausurnen. 
Hjpsibricbjeephalie  311. 
Hjpsidellekocfpkalle  336. 

I.  J. 

Jadeit,  Vorkommen  dess.  118. 

Jadeltgerathe  in  Sicilien  283. 

Jadeitbell,  Schweizer  Pfahlbaute,  273;  von  Vil- 
bel j^ei  Frankfurt  a.  M.  554. 

Jamllti  Kr.  Lübben,  Brandenburg,   Urnen  291. 

Jankowo  Posen,  Funde  von  der  Insel  269. 

Japan,  Berichte  über  die  Liukiu-Inseln  156; 
das  Wokwok  der  Araber  502.    S.  Ainos. 

Iba,  Hessen,  Hügelgrab  mit  ßronze-Armscbiene, 
203. 

Idole.     Aus  Mexiko  364. 

Jerxbeiui,  Braunschweig,  verzierter  Thonbecher 
446. 

Jfssnlti,  Kr.  Guben,  Brandenburg,  Urnenfeld  52. 

Igorrotes,  Philippinen  377;  Schädel  390. 

ImmensUidt,  Holstein,  Funde,  13,  24. 

Indianer,  Tlingit-,  205. 

inlanthkari,  Kaukasus,  Gräber,  258 

Inkrustation  weisse  an  Thongeßissen  434,  444, 
450. 

Joest,  Dr.  W.,  Antreten  einer  Forschungs-Reise 
329. 

Jomshurg,  bei  Wollin  vermuthet,  111. 

Issendorf,  Hannover,  Bronzekrone  232. 

Italien,  Museen  und  andere  Sammlungen  278; 
prähist.  Forschungen  276,  317;  Bronze- 
Speeispitze  mit  Runen,  Torcellu  520,  546; 
Bronzewagen  197,  416:  Kirchenmarken 
243,  Zinnfunde  104;  Terramaren  318;  Ai- 
bano  515.    S.  a.  Bologna. 

Juden  im  Daghestan  330. 

Jürlti  bei  Sommerfeld,  Brandenburg,  Urnenfeld 
220. 

Jutland,  Mooriunde  15. 

K. 

Kabardiner,  Kaukasus,  Skeletgrab  173;  Kostüm 
einer  Kabardinerin  177. 

Räsenäpfe  514. 

Kalksteinfigur  von  Schwarzau,  Westpreussen  217. 

Kaiuelin,  Kr.  Kosten,  Prov.  Posen,  Gräberfunde 
106. 

Kannibalismus.    8.  Anthropophagie. 

Rankasus  Sagen  67;  Altertbümer  203,298;  Anthro- 
pologische Studien  141 ;  Ausgrabungen  430, 
542;  Fibula  ausderTschetschna331 ;  Bronze- 
Gnssform  von  Koban  305;  EthnologiBohe 
Notizen  256;    Gräber,    Kurgane  171,  308; 


(582) 


Gr&barfeld  von  Koban  169;  nachträgl. 
Bemerkungen  256;  Kostüm  einer  Kabardi- 
nerin 177,  einer  Ossetin  178;  Reisen  des 
General  von  Erckert  SdO;  Schädel  von 
Koban  331;  Skelette  330,  544;  Zinn  in 
Gräberfunden  94. 

Eumlen,  Prov.  Posen,  Gräberfeld,  555. 

Eegelgräker  445.    S.  a.  Hügelgräber,  Tumuli. 

EermaD^ec,  Tbonge^s  565. 

Klebitiberge  514. 

Elebltikeidel  bei  Guben,  Brandenburg,  Scherben 
58. 

Klenspaliilewkter  von  Carwitz  419. 

ElBgsuill-lndiaDer  483. 

Ktrcheimarkeo  209,  243,  421;  s.  h.  Näpfchen, 
Rillen. 

Kim  bei  Trier,  Brandwall  495. 

Eisehai  in  Westprenssen,  Gesichtsumen  556. 

Klttfflssse  im  Goldscbmuck  von  Sylt  468. 

Rlawentragen,  das,  in  Dithmarschen,  22. 

Kleinaslen,  v.  Luschan's  Reisen  266. 

RleiiHLelie  Kr.  Lnbben,  Brandenburg,  Umenfeld 
290. 

fileia-Lobbels  Kr.  Lübben,  Brandenburg,  Urnen, 
Bronzen,  Gold,  Eisen,  288. 

RIein-Mehsow  Kr.  Calau,  Brandenburg,  Ring- 
wall 251. 

Knfeheih>€erätbe,  aus  den  Höhleu  von  Mentone 
404;  aus  der  Hoble  bei  Holzen  im  Harz 
518. 

RDocIien,  ornamentirte,  aus  einem  Skeletgrab  v. 
Tangermünde  153. 

Kaipfe,  als  Ornament  an  Urnen  441. 

Rtban,  Kaukasus,  Gräberfeld  169;  Bronzen  2%, 
298;  Gussform  305;  Schädel  331. 

EirpermessuDgeD,  Russischer  Völker,  264. 

Kepenliagen.  Amerikanisten-Gongress  das  330, 
498. 

Eeppenow,  Pommern,  Bronzen  in  Holzlade, 
300. 

Rernmutter,  Sage  von  der,  247. 

Kostfiin  von  Bäuerinnen  der  Gegend  von  Tü- 
bingen 169;  einer  Kabardinerin  177; 
einer  Ossetin  178. 

Krao,  haariges  Mädchen  von  Laos  118,  166, 
511. 

Kringel,  Schulzenstab  in  Ostpreassen  348. 

Kriten- Aberglauben  346;  Krone  146;  Stein  145; 
Symbolik  145. 

Krone  s.  Bronze. 

Rrugau  Kr.  Lübben,  Brandenburg,  Urnen, 
Bronze,  288. 

RagelKefiss  432. 

Kakswall  in  Dithmarschen,  Holstein,  20. 


EoU,  Schnlzenstab  in  Ostpreussen  348. 
Eankel,  ihr  Gebrauch  in  Württemberg  149;  in 

der  Mark  und  Sicilien  514. 
Eopfergerithe  von  Hissarlik  554. 
Karden  483. 
Korgan,  Grabhügel  bei  Stawropol  171.   s.  Grab- 

hügel,  Hügelgräber,  Tumuli. 
Kjanotyple  356;  von  Kurden  488. 
KyUepIscher  Steinbao  524. 


L. 


Labrador.    Eskimo,  Photographie  227. 

Ladebow,  Pommern,  prähist  Funde  127,  961. 

Ladegard,  Holstein,  Moorfunde  13. 

Lantifeld  Kr.  Lübben,  Brandenburg,  Urnen  291. 

LanienspUie,  Bronze  mit  Runen  von  Torcello 
520,  546. 

Laos,  haariges  Mädchen  von,  118,  166,  511. 

La  Tene,  Nadelbüchse  von,  258;  die  Menschen, 
rasse  von,  306;  Periode  von,  297,  376. 

Laagwlti,  Schlesien,  slaviscke  Wohnstätte,  269. 

Laasekfigel  bei  Derenberg,  Ausgrabungen,  445. 

Lausiti,  Grabbeigaben  196;  Urnenfeld  von  Jürits 
220;  Lausitz  243;  s.  a.  Brandenburg  und 
Königreich  Sachsen. 

Leke,  Holstein,  Holzbau,  16. 

LcIcbenkestattoDg  auf  den  Liukiu-Inseln  159. 

Lelckenbrind  bei  den  Slaven  148,  427;  im  Kau- 
kasus, Samtbawro  257. 

Lelselhelm,  Rheinhessen,  Scheibennadeln,  2%. 

LeBormant,  Fr.  f  540. 

LenieB,  Funde,  485. 

Lenckter  419. 

Lkota-Eilgvt  266. 

Lleberose,  Urnen,  Burgwall,  290. 

LIepssee,   Lage  von  Rhetra  an  demselben  34. 

Lignit  aus  dem  Flötz  von  Amtits  240. 

LIppebae,  tanschirtes  Eisenschwert  von  dort  423. 

ysck  t  410. 

Llukla-Insfln,  Geschichte  der,  156. 

Löflel  von  Thon,  Jankowo  269;  s.  a.  Tbon- 
geräthe. 

LoKs,  Pommern,  Urne  mit  Wellenornament  und 
Hakenkreuz  149. 

Lorsch,  Rheinhessen,  Hügelgräber  267. 

Luckau,  Brandenburg,  Opferheerd  auf  den  Geh- 
rener  Bergen  84. 

Ludgen  Berge  bei  Speichrow  Kr.  Lübben,  Bran- 
denburg, 291. 

Lubken,  Brandenburg,  Funde  aus  dem  Kreise, 
288;  Umenfelder  mit  Bronzen  nnd  Stein- 
geräthen  bei  der  Stadt,  288. 

Lnion,  Philippinen  377. 


(583) 


M. 

MadistnYllle,  Ohio,  Funde,  72. 

Hlanderarne  yon  Gai,  Posen,  127. 

HlaDder-OrnaiufDt  an  altitaliscben  Gefässen  281 

llrehen,  340,  414. 

Mariot  s.  Albano. 

ledelllB,  Goldfigur  toq  dort  196. 

Meklenburg,  Rhetra  34;  Carwitz  419. 

Hensclieii  der  Bronzezeit  315. 

neDscbliche  Figur,  Borgwall  Lieberose  290. 

nenUne,  Höhlenfande  401. 

fleM-lnstrainfiit  für  Körpermasse  512. 

Metallachmelifr  am  Altai  242. 

lieber,  Dr.  H.,  Reise  auf  Lazon,  1%. 

Mexiko,  Alterthumer  364;  Cbarnaya  Expedition 

401. 
Mlcbendorf  bei  Potsdam,  Mänzfand,  112,  115. 
HUkrecepbalen-Familie  in  Eschbach  72. 
likrenesier,  in  Berlin  483. 
MilcbtepfroriD  der  Urnen  445. 
HIndaoao,   deformirter  Uöblenscbädel  von  dort, 

265. 
Mittwelda  Er.  Lubben,  Brandenburg,  Urnen  mit 

Bronzen,  289. 
nifCika-Fluss,    Galizien,    Bronzereif  aus    dem- 
selben 208. 
Hsckow  Kr.  Lübben,    Urnen  mit  Bronzen,  291. 
Mondschfiti  Kr.  Woblau,  Schlesien,  Thonrad  515. 
Hoorfunde  in  Holstein  und  Jütland  12—14. 
nfinien,   Funde  des  10.— 11.  Jahrhunderts  112; 

Mfinzfund   von  Michendorf  114  und    115; 

römische,   in    Brand-   und   Skelet- Gräbern 

am  Rhein  213. 
Hfiseken  K.  Cottbus,  Brandenburg,  Topfscherben 

mit  Rad,  66;  prähistorische  Saubohnen  248. 
?an  Hasschenbroek  f  463. 
Museain,   Königsberg  129,  195,  215,  301,  563; 

Kiel  17. 
Myslenclnoek,  Posen,  Gräberfeld  das.  166. 

N. 

Nadelo  s.  Bronze  und  Scbeibennadeln. 

Nadflbücbse  von  la  Tene,  253. 

Nfickstneaendorf  bei  Zossen,  Burgwall  250. 

üakel,    Prov.  Posen,    Gräberfelder  166. 

Nlpfcben  aod  Rillen  209,  243,  422,  474. 

Naiareth,  Sculpturen  von  dort  346. 

Negerknabe  von  Ukusso  511. 

Neolitblscbe  Zeit,  jüngste  Gräberfunde,  430,  470. 

Nephrit,  Vorkommen  de.ss.  118,  211,  478;  Beil 
aus  Mittelitalien  284;  aus  Hissarlik  483; 
aus  den  Schweizer  Pfahlbauten  274;  aus 
Venezuela  482,  Anm.;  aus  Nordwest- 
Amerika  530. 


Neubritinnier,  Zeichnungen  und  Malereien  eines 

solchen  566. 
Neumark  s.  Brandenburg. 
Neunderf  Kr.  Luckan,  Brandenburg,  Umenfclder 

mit  Stein,  Bronze  und  Bisen  290. 
Neuwied,  vorrömische  Funde  von  dort  213. 
Neuiauebe  Kr.  Lübben,  Brandenburg,  UrnenfeU 

der  289. 
Nlckelsderf  Kr.  Zeitz,  Prov.  Sachsen,  Ausgrabung 

neolithischer  Hngelgr&ber  470. 
NIecpenle  bei  Bromberg,  Posen,  Gräberfeld  166. 
Nlewltsebb.  Guben,  Brandenburg,  heiliges  Land  48. 
NIkobaren,    ethnographische    Gegenstände   342; 

Bericht  von  Röpstorff,  268. 
Nilsson,  Sven  f  540 

0. 

Öberaula,  Hessen,  Hügelgrab  mit  Bronzen  ^Qß, 

Obsidlan,  in  transkaukas.  Gräl)ern  203;  aus  Mexiko 
364;  natürliche  Splitter  im  Kaukasus  262. 

Oceanien,  Rassen-Photographien  169;  Dr.  Finscb 
Reisewerk  484,  544;  s.  Hermit,  Kingamill, 
Neubritannien,  Osterinsel,  Hawaii. 

Ocbsenschlacbten,  das,  Fastnachtsscherz,  298. 

Oefell,  Schweiz,  gespaltener  Schädel  258. 

Oesterrelcb,  Zinn  in  Gräberfunden  92. 

Ohio,  Funde  von  dort  72. 

Ohrring  von  Hissarlik,  älteste  Stadt  551,  von 
Kischau  560,  562,   von  Tangermünde  378. 

Ollfen  aus  einer  Höhle  bei  Mentone  403. 

Olireutb,  Pfahlbau  das.  272. 

Opferbeerd,  auf  den  Gehrener  Bergen,  bei  Luckau 
84. 

Opfergebräuche  auf  Skelethügelgräbern .  bei  Zeitz 
474. 

Oregon,  Indianersprachen  356,  412. 

Ornamentik,  prähist  Geisse  in  Italien  280. 

Ornaiuente,  verschiedene,  an  Urnen  442;  drei- 
eckige Stich-,  Tanger  munde,  374;  Rad- 
ornamente 66,  427;  weiss  ausgefüllte,  434; 
erhabene,  am  Boden  von  Töpfen  513. 

Ortbobracbjcepballe  308. 

Ortbomesocepbalif,  334. 

Oscbfrsleben)  Prov.  Sachsen,  prähist.  Funde,  275. 

Osmarslfben,  Anhalt,  verzierter  Becher,  447. 

Osseten,  ihre  Wohnsitze  in  Kankasien  259; 
Kostüm  einer  0.,  178. 

Ossuarlen,  etruskische,  200. 

Ostereier,  russische  524. 

Osterinsel,  ethnographische  Erwerbungen  195, 
301,  565. 

Ostpreiissen,  Märchen,  340. 

Otienbausen,  Rheinprovinz,  Steinwall  495. 

Ovis  arirs,  Reste  ans  dem  Pfahlbau  Spandau 
359. 


(584) 


P. 

PalaesUoB,  Sculpturen  yon  Chetbim  946. 

Ptlmiwelg-OrDament  an  Urnen  442. 

Pampt  de  la  Plata,  Skelet  mit  Glyptodonresteo  466. 

Passafanr»  Expedition  nach  Afrika  401. 

PatagoDter  yon  Panta  Arena»  143. 

Perlen  s.  Bernstein,  Glas,  Gold. 

Perugia,  Grabmal  der  Volomnier,  827. 

Pfahlbaaten,  s.  La  Tene ;  im  Barmsee,  Oberbayem 
419;  bei  Scbosaenried  und  im  Olzreother 
See  in  Wartemberg  272;  Robenbaasen, 
Schweiz.  283;  Torques  aus  F.  566;  Tbon- 
rad  Ton  Wollishofen  515. 

Pfeddersheliii,  Rheinhessen,  Küchenabfalle  2%. 

PfeÜP,  afrikanische,  in  Berlin  gef.  485. 

Pfellspltien,  Feuerstein,  qaerspitzige  368;  von 
Klein  Ladebow  128. 

Pfiprdesekfidel,  als  Schlitten  benutzt  54. 

Pflerteck-TbaJ,  Tyrol,  alterth.  Haus,  11. 

Philippinen,  Igorrotes  877. 

Phetographlen  d.  Immenst&dter  Fundsachen  18; 
d.  Funde  von  Masonville,  Ohio  72;  Akka- 
mädchens  111;  aus  dem  Museo  civico  Bo- 
logna 166;  oceanischer  Rassen  169;  Baue- 
rinnen Ton  Tübingen  169;  ▼.  Labrador 
£skimo*s  227;  Sch&dels  yon  Mindanao  265, 
Alaska  Indianer  808:  Samoanerinnen  und 
Kingsmill  Insnlanern  488. 

Philadelphia,  numismatic  and  antiquarian  society 
289. 

Plata  Li,  fossiles  Skelet  465. 

Platkew  Kr.  Lebus,  Brandenburg,  426. 

PInmpsack  und  Stepke  298. 

Pegge's  Sammlung  216. 

Pelen,  Leichenverbrennung  bei  den,  429. 

Ptlynesien  s.  Oceanien. 

Pouinem,  Jomsburg  111;  Silberberg  b.  Wollin 
111;  Zinnbarren  98;  Kirchenmarken  248; 
l.a.  Ladebow,  Loitz,  Koppenow,  Swiue- 
münde,  Hiddensoe. 

Pesen,  Prov.,  Gräberfunde  dei  jüngsten  neoli- 
thischen  Zeit  480;  s.a.  Bromberg,  Buck- 
witz, Nakel,  Myslencinnek,  Thalheim,  Niec- 
ponie,  Füufeichon,  Dluzin,  Kicbeohagen, 
Gai,  Jankowo,  Kameliu,  Kazmierz,  Trze- 
bidza,  ünia,  Wojciechowo. 

Pertralt-Charaktere  der   ägyptischen  Denkmäler 

Prfussfii,  Frosch-  und  Krotenaberglauben  in  Ost- 

preussen  846,    s.  auch    Westpreussen. 
Priapasligur,  von  Uolz,  Jütland  16. 
PrilUlti,  Meklenbur^,  Rethra?  38 
Prttthdfftler  (Gross)  317. 
Pahertät.  Weihe  der  Jünglinge  bei  Eintritt  der  166. 
Pnfhlo-Rulnen,  Mexico  367. 


((airl|;aa,  Steinbildwerke  von  dort  215. 

R. 

Rad  aus  Thon,  von  Wollishofen  515,  kapfernes 

von  Frankfurt  a.  0.  515. 
Radvenleningcn  an  Töpfen  66,  an  Töpfen  und 

Steinen  427. 
Radewege,  Kr.  Westhavelland,  Thongefasae  800. 
lUuchergefisae  in  Lauaitzer  Gräbern  228. 
Ragew   bei   Lübben,   Brandenburg,  Gräberfeld 

250,  288.    S.  auch  EUerbom. 
Ramsnase  412. 

Rasdorf,  Holstein,  Moorfnnde  14. 
Rasse,  Photographien  von  oeeanischen  169,  vo|i 

La  Tene  806,  Races  of  mankind  856. 
Rassenkepfe,  nordafrikanische  148. 
Redkln- Lager,   Kaukasus,    Ausgrabungen   480, 

542. 
Relchersderf,  Kr.  Guben,  Urnenfeld  52. 
Rfibengräker  von  Tangermünde  151. 
Retbra  84. 

Rheluhessen  s.  Hessen,  Grossherzogthum. 
Rhelnprovins,    Culturreste  aller  Perioden  212. 

S.  auch    Andernach,    Kim,   Otzenbauseo, 

Trier. 
RIekeek's  Expeditionen   und  Sammlungen  216, 

510,  668. 
Rillen  8.  Näpfchen.  Rundmarken. 
Ringwille  in  Dithmarschen  20,   des   Altkönics 

im   Taunus   855.    Siehe   auch   Burgwille, 

Steinwälle. 
RobfDbaasen,  Sämereien  und  Früchte  aus  dnr- 

ger  Pfahlbaustation  283. 
Rem,  Funde  vom  Esquiiin  278. 
Röinischf  Culturreste  in  der  Rheinprovinz  212. 

s.  auch  Trier. 
V.  RipsterlT  f  509. 

Rüekersdorf,  Kr.  Luckau,  Brandenburg,   Feuer- 
stein Speerspitze  291. 
Rumobrshof  auf  Alsen,  Bronzeschwert   von  dort 

105. 
RundmarkfB  209,  243,  422,  474. 
Runenspeerspitie  aus  Italien  520,  546. 
Russland,    Körpermessungen    russischer    Völker  • 

264,  430.   Ostereier  524.  Archäologen-Con- 
I         gress  in  Odessa  545.   S.  Kaukasus. 


Sarbsrn,  Königreich.  Grabbeigaben  aus  der 
Lausitz  196,  Kirchenmarken  209.  Siehe 
auch  Arntitz. 

Sachsen,  Provioz.  Gardelegen  170,  Oscbeisleben, 
Westeregeln,  Alickendorf,  Hohotl«ben  275, 


(585) 


Gräberfunde  der  oeolithiscben  Zeit  430, 
Nickelsdorf  470,  Hänenbetten  der  Altmark 
533,  Tangermönde  150,  369,  437,  532. 

▼.  Sacken,  Ed.  t  1%.! 

SlmerelfD,  prähistoriscbe  (Erbsen)  Saubohnen 
Ton  Müscben  66,  248,  01i?en  403,  S.  ans 
Robenbauser  Pfahlbauten  233. 

Sagfo  vom  wendischen  König  55,  Ueberein- 
Stimmung  deutscher  und  kaukasischer  67, 
340,  Yon  der  Kornmutter  247,  der  dwatsche 
Hans  340,  der  Bali  414. 

Samea,  Photographien  483,  565. 

Sunthawro,  Kaukasien  257,  303. 

Sandow,  Kr.  Westpriegnitz,  Brandenburg,  Funde 
486. 

Satorforinfl  247,  354,  535. 

Saakohnen,  prähistorische,  von  Müschen  (66) 
248. 

Sckaker  s.  Feuerstein. 

Sckfidel,  von  Bernburg  117,  aus  Tangermünde 
153,  von  Stawropol  175,  Neanderthal  224, 
von  Oefeli,  gespalten  253,  von  Samthawro 
258,  304,  Sud-Mindanao  (deformirter  aus 
einer  Hoble)  265,  La  Teno  306,  308,  Koban 
331,  334,  Westaustralien  342,  jgorroten 
390,  Eichenhagen  (hypsidolichocephal)  435, 
Buschmann  484,  Soko  484,  Pferdeschädel 
als  Schlitten  benutzt  54. 

Schädelforio  der  Australier  192. 

Schelbeiinadehi  von  Leiselheim  296. 

Schenkendorf,  Kr.  Guben,  Brandenburg,  Thon- 
gefäss  mit  4  Füssen  54. 

Seherbenproben  vom  Burgwall  Waldstein  252, 
mit  erhabenen  Bodenornamenten  ebenda- 
her 513.    S.  auch  Thonscherben. 

Schiedio  a.  0.,  Burgwall  54. 

Schlldforuieii  in  Kaukasien  262. 

Schlacke  in  dem  Urnenfeld  in  Starzeddel  gef. 
422. 

Schlagsdorf  bei  Guben,  alte  Ansiedelungen  das. 
343. 

SchlesieD  s.  Laugwitz,  Mondscbütz. 

Schleswig  8.  Amrum,  Hügelgräber  86,  Alsen  105, 
Sylt  467. 

Schleuderstein,  Kaukasien  174. 

Scblltlen,  Pferdeschädel  als  54. 

Schllltkuochen  54. 

Schlossberg  von  Brahmo,  Wendenkönig  55,  bei 
Burg,   Vorkommen   von  Todtenumen  246, 

Schluckenau,  Böhmen,  Silberringe  486. 

Schnabelkannen,  Rhein provinz  494. 

Schmelierelwaaren  (Bronze)  von  Bologna  143. 

Schnalle,  Alter  der  297,  von  Bronze  in  Ladebow 
128. 

Schnecken  in  einem  alten  Menschenschädel  117. 

Verhmodl.  der  B«rl.  Anthropol.  Getellschafl  1883. 


Schnarornament  an  alütalischen  Gefässen  281, 
an  kujavischen  Gefässen  434,  436,  an  Ge- 
lassen aus  neolithischen  Hügelgräbern  bei 
Zeitz  471,  476. 

Schenelch,  Kr.  Guben,  Umenfeld  52. 

Schettland  s.  England. 

Schulienstab,  Gebrauch  desselben  33,  346. 

Schussenried,  Württemberg,  Pfahlbauten  272. 

Schwanaa,  W^estpreussen,  Kalkstein%ur  207. 

Schnell.  Sämereien  und  Früchte  aus  Pfahl- 
bauten 233,  Zinn  in  Gräberfunden  92,  Zinn 
in  Pfahlbautenfunden  100,  Schädel  253, 
Nadelbüchse  253,  Rasse  von  La  Töne  306, 
Protohelvetier  317,  Thonrad  von  Wollis- 
hofen  515,  Torques- Ringe  566. 

Schwarstein  428. 

Sculpturen  der  Ghettim  aus  Nazareth  346.  S. 
auch  Steinbildwerke. 

Schwifbus,  Urnenfeld  daselbst  421. 

Semnonen  321,  523. 

Sglletx,  Kr.  Lübben,  Brandenburg,  Burgwall, 
Bronzebeil  288. 

SIcillen,  Präbistorie  279,  Spinnen  417. 

Siebenbürgen,  Bronze- Vorratb-Fund  100. 

Siebgefäss  von  Buscbow  300. 

SIenlawa,  Galizien,  3  Bronzereifen  209. 

Sllberberg  bei  Wollin  111. 

Silber.  Armringe  mit  Bronze,  Gold  und  Eisen 
172,  Tauschirung  auf  dem  Eisenbeil  von 
Guben  421,  Fibula  von  Swinemünde  169, 
Körner  250,  Münzen  des  11.  Jahrhunderts 
112,  Schmucksachen  in  Brunnengräbern 
Kaukasiens  304,  Ringe  von  Schluckenau 
486. 

Slon-Typus  (Schädel)  315. 

Skelft  von  Hohensleben,  neben  Urnen  275,  von 
La  Tene  306,  von  Igorroten  392,  aus  Kau- 
kasien 330,  Reste  von  Spandau  357,  aus 
Cujavien  (erstes  vollständiges  der  Stein- 
zeit) 430,  aus  der  Pampa  de  la  Plata,  mit 
Glyptodon-Resten  465. 

Skeletgräbcr.  Amrum  86,  Tangermünde  151, 
Kaukasien  172,  Rheiiihessen  (Bronzezeit) 
2%,  mit  römischen  Münzen  213,  mit  Urnen 
437,  Nickelsdorf  470. 

Skuhlen,  Kr.  Lübben,  Brandenburg,,  Urnen  mit 
Bronzen  289. 

SlaTen,  Leichen  brand  bei  den  148.  Flussnamen  412. 

Sokoschädel  484. 

Sorao,  Prähistorisches  von  dort  286. 

Spandau,  menschliche  und  tbieriscbe  Reste  aus 
dem  Bronze-Pfahlbau  357. 

Sparren-Ornament  an  Thongefassen  431. 

Spelchrow,  Kr.  Lübben,  Brandenburg  (Ludgen- 
berge)  291. 


(586) 


Spiele,  westpreussiscbe  77. 

SplnM,  Spinnen  170,  514. 

SpItM  lltek  (Kegelgrab  bei  Latdorf  a.  8.)  445. 

Sprackckarakter  537. 

Spree,  Funde  in  der  Uoterspree  68. 

Spreewald  66.    S.  auch  Brandenburg. 

Staneddel,   Kr.  Guben,  Brandenburg,  Slavische 

Scherben  58,  Urneafeld  422. 
Statuten-AenderuDg  545. 

Stawrtpol,  Kaukasien,  Grabhügel  und  Funde  171. 
Steinbau,  kyklopischer  524. 
Steinbeil  s.  Jadeit,   Neolithische   Zeit,   Nephrit; 

in  Lausitzer  Gr&bern  223,  Serpentin,   aus 

Skeletgr&bem  bei  Zeitz  472. 
Stetnblldwerke  von  Copan  und  Quirigua  (Werk 

von  Schmidt  und  Meye)  215. 
Steinierithe  von  Niemitscb  49,  von  Sicilieu  283, 

von  Frankfurt  a.M.  554. 
Stelnkammer  aus  Thüringen  485. 
Steinkiste,  Schwartau  217. 
Steinkistengriber  der  Osseten  259,   in  Transkau- 

kasien   noch    modern  204,    mit   Gesichts- 

umen  in  Westpreussen  556. 
Stelnklepfen  für  Chausseen  in  Thäringen  524. 
Steinkircben,  Kr.  Lübben,  Brandenburg,  2  Umen- 

felder  daselbst  mit  Bronzen  28. 
Steinkrani  um  das  Urnenfeld  von  Birkholz  422. 
Steinwille  der  Gegend  von  Trier  495,    in  Bel- 
gien, der  Pfalz  und  dem  Elsasa  4%. 
Stellerburg,  Ringwall  in  Dithmarschen  31. 
Stepke  und  der  Piumpsack  292. 
Stlfbernament  434. 
Straupiti,  Kr.  Lübben,  Brandenburg,  Bronzefund 

244,  289. 
StrIcUer,  zum  Verzieren  der  Urnen  115. 
Stiding,  Holstein,  Moorfunde  13. 
Sos  palustris  359. 
SwInenAnde,  Silberfibula  169. 
SjK,  Goldschmuck  467. 
Serien,  Reisebericht  Dr.  v.  Luschan's  266. 


Tangan^ka-Sff,  Afrika  453. 

Tangermündf,    Altmark,    Gr&berfunde  150,   369, 

437,  5:V2. 
Tannrnii»elg-Ornamfnt  an  Urnen  442. 
Taunus,  Ringwälle  im  355. 
Tauscblrtfs  Kiseu  421,  485. 
Tellingstfdt,  Holstein,  27. 
Tfke-Steppe,  Handschriften  von  dort  179. 
Tene  s.  La  Tene. 

Teetlbuacan,  San  Juan  de,  in  Mexico  364. 
Tepes  in  Balgarien  299. 
Terramarf  in  der  Po-Ebene  318. 
TbalhflM,  Prov.  Posen,  Gräberfeld  daselbst  166. 


Tblerfignren  von  Thon  in  etruskischen  Ossuarien 
201. 

Tbierknecben  in  Skeletgräbern  151,  von  Spandau 

357,   in  den  Höhlen  von  Mentone  402,   in 

.  Skeletgräbern  bei  Zeitz  471,  aus  der  Pampa 

de  la  Plata  465,  aus  dem  Buchenloch  bei 

Gerolstein  497. 

Tbleruiasken  bei  Volksspielen  292. 

Tbonelsensteln,  Bildungsdauer  117. 

Tbengeflss  mit  2  Boden  von  Grone  429,  do- 
senförmiges  von  Platkow  426,  mit  Haael- 
nüssen  im  Moor  13,  der  verschiedenen 
Perioden  am  Rhein  212,  aus  Schweizer 
Pfahlbauten  451,  von  Borgstedterfelde  294, 
von  Radewege  bei  Brandenburg  300,  pa- 
godenartige von  Cometo  326,  schwarze  in 
Gräbern  von  Juritz  223,  schwarze  in  Kau- 
kasien 263,  bemalte,  Puebio  368,  glasirte 
mit  arabischer  Inschrift  305,  glasirte  in 
Trier  491,  mit  erhabenen  Bodenornamenten 
513. 

Tbengerätbe  von  Niemitsch  49. 

Tbenloffel  von  Jankowo  269. 

Thonrad  von  Wollishofen  515. 

Tkenscberben  s.  Topfscherbeo. 

Tbtnwagen  von  Este  200. 

TIderingbeeg  auf  Sylt,  Goldschmock,  467. 

Tlefornamentlk  438. 

TIIIIS)  anthropologische  Gesellschaft  141. 

Tirel,  Pflertschthal,  altes  Haus  11. 

Tlinglt-Indlaner,  Bericht  205. 

Todtennrnen  von  dem  Schlossberg  bei  Burg  im 
Spreewald  244. 

Tellense,  Lage  von  Rethra  34. 

Tepfscberben  mit  Rad  Verzierung  66,  mit  Kreuz- 
Ornament  252,  mit  Wellenomament  253, 
mit  erhabenen  Parallelrippen  253,  von  den 
Kellerbergen  bei  Gardelegen  170. 

Tercello,  Runenspeerspitze  von  dort  520,  546. 

Tor^ues   (gewundener  Halsring)  117,  494,   von 

Gardelegeu  170,  aus  der  Schweiz  566. 
.  Transkaukasische  Alterthümer  203,  542. 

Trebatsf  b,  Kr.  Lübben,  Urnen  mit  Steinsetzung 290. 

Trier,  anthropologische  General -Versamml.  490. 
I  Triblts,  Kr.  Luckau,  Urnenfeld  292. 
I  Trija,  Ohrring  551,  Gefässe  434,  452. 
.  Tnebidsa,  Kr.  Kosten,  Gräberfunde  166. 

Tscbetschna,  Fibula  ans  der  331. 

Tscbnktscben-Halbinsel,    Bevölkerungsverhältnisse 
1         224. 

'Tübingen,  Bauemkostüm  169. 
i  Türkiscbe  Handschrift  aus  dem  Kaukasus  179. 
I  Tunnll  in  Bulgarien  299. 

Tundra  See  in  NVestsibirien,  Tbonscherben  444. 
[  Ttttüt«nl-lndlaner,  Oregon  412. 


(587) 


ü. 

Ukusso,  Ne^rknabe  von  dort  284,  511. 

UdIb,  Prov.  Posen,  Bronzegefass  127,  164. 

Urne  mit  dreiecki^m  Stichornament  374,  in 
Trinkhornform,  Jüritz  223,  aus  der  Bran- 
denburger Gegend  300,  von  Burg  an  der 
Spree  246.    S.  auch  Thongefass. 

llrnenfeld  von  Dei^ischow  249,  von  Jüritz  220, 
Starzeddel  422,  Tangermönde  369,  von 
Zilmsdorf  423. 

Vraenhan  von  Ragow,  Kr.  Lübben  250. 

VmeoMherben,  verzierte,  von  Eicheuhagen  435. 
S.  auch  Topfacherben. 

Urneotyi^o  von  Borgstedterfelde  294,  in  Italien 
317. 

Vrsus  arctos,  Pfahlbau  Spandau  359. 

T. 

falerioaor,  Holstein,  Moorfunde  14. 
Tasl  dl  bacckero  326. 
fermoor,  Hannover,  Bronzekrone  232. 
ferwaltangsberkht  für  1883,  539. 
TenieruDg  s-  Ornament. 

Tettersfeldf,  Kr.  Guben,  Goldfund  129,  286,  487. 
TogelfigoreD  202.    S.  auch  Bronzewagen, 
folkssplele  292. 

Torrluiische  CuHurrestf  der  Rheinprovinz  212, 
491. 

W. 

Wagen,  Bronze-  198,  Thon-  200. 

Wakusu  8.  Ukusso. 

WaldstelD,  Burgwall  im  Fichtelgebirge  252,  513. 

Wallanlagen  in  Ditbmarschen  20.  S.  auch  Brand- 
wall, Burgwal],  Stein  wall. 

Wasenberg,  Hessen,  Hügelgräber  202. 

Wandkekleldung  mexicanischer  Pyramiden  367. 

Webrhafimacbung  227. 

Weibe  der  Junglinge  beim  Eintritt  der  Puber- 
tät 166. 

Weiboacbts-Bock  und  Gans  292. 

Welhraocbartlge  Masse  in  Thonschalen  Mexico*s 
366. 

W  elssme tall,  römische  Sachen  99. 

Wendelringf  (Torques)  494. 

Wendenkonlg  55. 

WendenpfenDige  112. 


Weodiscbe  Fuude  von  Tangermunde  532. 

Wendischer  Topf  von  Pforten  287. 

Werbellin,  Brandenburg,  Schulzenstab  33. 

WesteregelD,  Prov.  Sachsen,  Urnen,  Steinger&the 
275. 

Westpreussen,  Prov.,  Spiele  das.  77,  Alterthümer 
von  Brnnhausen  und  Schwarzau  217, 
Kischau,  Oesichtsomen  556. 

Wleren,  Hannover,  Bronzekrone  232. 

Wiesbaden,  vorromische  Funde  218. 

WinkelofDaiueDt  an  Urnen  442. 

Wircbenblatt,  Kr.  Guben,  Brandenburg,  Urnen- 
feld 52. 

Wissmann's  Sammlung  216,  Vortrag  453,  Ab- 
reise 506,  Negerknabe  284,  511. 

WIttinannsdorf,  Kr.  LQbhen,  Brandenburg,  Urnen 
289. 

WocbneriDDen.  Grabbeigaben  für,  in  der  Lausitz 
1%. 

Wohnstätteu,  prähistorische,  Holzhausen  v.  d.  H. 
267,  der  Bronzezeit  520. 

Wojclechowo  bei  Nakel,  Bronzefund  166. 

Wokwuk  der  Araber  (Japan)  502. 

WoIIId,  Silberberg,  Jomsborg  111. 

WolllsbofeD,  Schweiz,  Thonrad  515. 

Württembergs.  Tübingen,  Schüssen ried,  Olzreuth. 

Wustrew,  Kr.  Westpriegnitz,  Funde  486. 

Y. 

Teio,  Aino's  von  dort  179. 
Z. 

Zamka,  Burgwall  in  Böhmen  285. 

ZeichnungeD  eines  Neubritanniers  566. 

Zeitperloden  der  Thongelässe  nach  Form  und 
Ornament  448. 

Zeitz,  neolithische  Grabhügel  bei  Nickelsdorf  470. 

ZelllD,  Kr.  Königsberg  i.  N.-M.,  Funde  486. 

Zeust,  Kr.  Lübben,  Brandenburg,  Steinbau  und 
Urnen  289. 

Ziegenberg  bei  Golberg,  Zinnfund  98. 

Zilmsdorf  bei  Teuplitz,  Kr.  Sorau,  Brandenburg 
Gräberfeld  423. 

Zlnnfunde  aus  Gräbern  86,  99. 

Zlnnsäure  an  dem  Goldschmuck  von  Sylt  467. 

Zwerg  aus  Amerika  306. 

Zwergvölker  in  Afrika  455. 

Zwoimen-Qottheiten,  territoriale  Verbreitung  der- 
selben 246. 


Druck  vAO  Qedr.  Unger  (Th.  Grimm),  Berlin,  Schönebergerstr.  17  a. 


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