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ZEITSCHRIFT
FÜR
ETHNOLOGIE
Organ der Berliner Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie nnd Urgeschichte.
Bedac tioDS - Commission :
A. Bastian, R. Hartmann, R. Virchow, A. Voss.
Fünfzelmter Band. .
1883.
Mit lO lithoKraphirten Tafeln.'
BERLIN.
Verlag von^A. Asher & Co.
1883.
1J3V30
Inhalt.
Seite
Kollmann, J., Die Autochthonen Amerika's. (Hierzu Tafel I) 1
Bartels, Max, Die Gemme von Alsen und ihre Verwandten. (Mit Holzschnitten) . 48
Sommer, W., lieber fünf lettische Grabschädel von der Kurischen Nehrung. (Mit
OuTvenzeichnungen) 65
Krause, £., Abergläubische Kuren und sonstiger Aberglaube in Berlin und nächster
Umgebung 78
V. Schulenburg, W, Schlange und Aal im deutschen Volksglauben 94
Schwartz, W., Der Zauber des ,.,riickwärts** Singens und Spielens 113
Gat sehet. Albert S., Der Yuma- Sprachstamm, nach den neuen handschriftlichen
Quellen dargestellt 123
Schliemann, Heinrich, Untersuchung der Thermopylen 148
Bötticher, Ernst, Analogien der Funde von Hissarlik. (Hierzu Tafel IV) . , . 157
Arzruni, A, Neue Beobachtungen am Nephrit und Jade!t. Nach einem, am
17. März 1883 in der Berliner anthropologischen Gesellschaft gehaltenen Vortrage 1G3
Kulischer. M., Die Behandlung der Kinder und der Jugend auf den primitiven
Kulturstufen. Vorgelegt in der Sitzung der Berliner anthropologischen Gesell-
schaft am 21. April 1883 191
Finsch, Otto, üeber weisse Papuas 205
Undset, Ingvald, Zwei Grab'stelen von Pesaro. (Hierzu Tafel V und 3 Holzschn.) 209
Miscellen und Besprechungen.
First Annual Report of the Bureau of Ethnology to the Secretary of the Smith-
sonian Institution 1779—80, by J. W. Powell, Director, S. 62 — Wahl, L'Alg^rie,
S. 63. — Berge, de la, En Tunisie, S. 63. — Largeau, Le Sahara alg^rien, S. 63.
— Choisy, Le Sahara, S. ^3. — Bonnafort, Douze ans en Algerie, 1830 k 1842,
S. 63. — Faring, Kabiles et Kroumirs, S. 63. — Vigoni, Abissinia, S. 63. — Doyle,
The English in America, S. 63. — Lesson, Les Polynesiens, S. 63. — Abbot, Primi-
tive Industry or illustrations of the handiwork in stone, hone and clay of the Native
Kaces of the Northern Atlantic Seabord of America, S. 63. — Burgess, Notes on the
Amaravati Stupa, S. 63, 156. — Herm. Dietrichs und LudolfParisius, Bilder aus der
Altmark, S. 64. — John T. Short, The North Americans of antiquity, their origin,
migrations, and type of civilization considered, S. 64. — J. F. Bransford, Archaeo-
logical researches in Nicaragua. Smithsonian Contributions to knowledge, S. 64. —
JoLKanke, Beiträge zur physischen Anthropologie der Bayern, S.64. — B.B.Redding,
Wie unsere Voreltern in der Steinzeit ihre W^erkzeuge machten, S. 110. — Beal, Ab-
stract of four Loctures on Buddhist Li terature in China, S. 112. — Hörn, Geschichte
der Literatur des Skandinavischen Nordens von den ältesten Zeiten bis auf die Gegen-
wart, S. 112. — Cowan, The Bora Land, a description of the Country and People,
S. 112. — J. W. Powell, First annual report of the Bureau of Ethnology of the
Secretary of the Smithsonian Institution 1879 — 80, S, 151. — Lewis H. Morgan,
Hooses and house life of the American Aborigines, S. 152. — Victor Gross, Les
Protohelvetes ou les premiers colons sur les bords des lacs de Bienne et Neuchatel,
8. 152. — Alfred Kirchhoff, Rassenbilder zum Gebrauch beim geographischen
Unterricht, S. 153. — Hermenigildo Capello and Roberto Ivens, From
Benguella to the Territory of Yacca, Description of a Joumey into Central- and
West-Africa. Expedition organized in the jears 1877 — 80. Translated by A. Elwes,
S. 154. — Alfredo de Sarmento, Os Sertoes d'Airica, S. 165. — Falb, Das Land
der Inca, S. 155. — Medina, JosÄ Tosibio: Los Aborijenes de Chile, S. 156. —
Sewell, Lists of the antiquarian remains in the Presideney of Madras, S. 156. —
Elutschak, Als Eskimo unter den Eskimos, S. 156. — Kaltner, Konrad von Mar-
burg, S. 156. — Voigt, Die Wiederlebung des classischen Alterthums, S. 156 —
Bonnemere, L'ame et ses manifestations k travers Thistoire, S. 156. — Maine, Sir
Henry Summer, Dissertations ou early law and custom, S. 156. — Transactions and
Procedings of the New-Zealand Institute 1881, S. 156. — Proceedings of the Royal
Geographical Society, S. 204. — Ploss, Das Kind in Brauch und Sitte der Völker,
S. 204. — Revue de Phistoire des religions, S. 204. — M. Bailand, Ein altes Straussen-
ei, S. 204. — A.Bastian, Amerikas Nordwestküste, S. 220. — Arthur Milchhöfer,
Die Anfänge der Kunst in Griechenland, S. 221. — Oscar Schneider, Naturwissen-
schaftliche Beiträge zur Geographie und Culturgeschichte, S. 223. — John Anderson:
Catalogue and hand-book of the archaeological collections in the Jndian Museum, S. 224.
Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte
unter besonderer Paginirung.
Ein specielles Inhalts- Verzeichniss der Sitzungen, sowie ein alphabetisches Namen- und
Sach- Register befinden sich am Schlüsse der Verhandlungen.
Verzeichniss der Tafeln.
Tafel I. Graphische Darstellungen der amerikanischen Srhädelfornicn ( Zeitschr.
f. Ethnol. S. 1.)
„ II. Alterthümlichos Haus aus dem J*flertschthal in Tyrol. (Verh. S. 11.)
- III. Fmidstücke aus einem Kurgan bei Stawrojiol. (Verh. S. 171.)
IV. Orientalische Gesiclitsumen und Libirgefasse. f Zeitschr. f. Ethnol. S. 157.)
- V. Grabst^len von Pesaro. (Zeitschr. f. Ethnol. S. 209.^
- VI. Alterthumer von Colorado, Alt- und Neu -Mexico. (Verh. S. 3()4.)
VII — VIII. Xeolithische Thongefässe aus Cujavien, der Altmark und Anhalt.
(Verh S. 430.)
., IX. Bronzespeei-spitze mit Runen von Torcello. (Verh. S. 520.)
jt X. ThongerUthe und eisenie Pincette aus dem Gräberfelde von Kischan,
Kr. Berent, Pomerellen. (Verh. S. 55(5.)
Verzeichniss der Holzschnitte.
Zeitsohrift für Ethnologie.
Seite 53. Gemme von Roden.
, 72. Curven von Maassen der Lettenschädel.
214.
218.
219,
218. Stelen von Bolo^a.
Verhandlungen der anthropologischen Q-esellschaft.
21. I)ie Bökelnbiirg in Holstein.
27 Kartenskizze der Gegend von Tellingstedt in Holstein.
31 Baueraburg von Wettingstedt in Holstein.
37. Kartenskizze der Umgegend um den ToUense-See, Meklenburg.
42. Karte von Prillwitz und der Lieps, ebenda.
45. Karte des Hanfwerders in der Lieps, ebenda.
46. Durchbohrter Knochen (Pfeife?) vom Haufwerder.
49 — 53 13 Stück Alterthuraer aus der Umgegend von Guben.
73—75. G Holzschnitte, betr. Mikrocephalen von Eschbach, Nassau.
78 — 79. 4 Holzsclmitte von westpreussischen Spielen.
86. Zinngeräthe aus Gräbern von Amrum.
112. Thongeräthe aus dem Silberberg bei VVollin und von Michendorf bei Potsdam.
116. Gefässstrichler aus Stein.
121. Skizze einer Wohngrube von Premyslenl in Böhmen.
123. Verzierungen von Gefässen aus dem Umenfeld von HoHneves in Böhmen.
124. Zweispitziger Speer aus dem Walde Lisek bei Stradonice in Böhmen.
128. Fundstücke von Kl. Ladebow bei Greifswald,
149. üeckelgefäss und Scliale mit Hakenkreuz von Loitz, Vorpommern.
153. Omamentirtes Falzbein von Tangermünde.
1()5. Bronzegefäss von Unia, Kr. Wreschen, Posen.
166. Bronzenadeln von Dlnzjn, Kr. Kosten, Posen.
174. Thongeräthe und Bronzespiegel aus einem Kurgan von Stawropol.
196. Goldfigur mit Tapinfissel von Medellin.
199. Bronzewagen von Cometo.
208. Bronzereif aus der Mlezka, Ostgalizien.
209. Kirchenmarken von Dippoldiswalde.
218. Kalkstein von Schwarzau, Kr. Neustadt, W.-Preussen
219. Bronzeringe von Brünhausen, Kr. Neustadt, W.-Preussen.
221. Kartenskizze des Umenfeldes von Jüritz und Jessen, Lausitz.
247. Karte über die territoriale Verbreitung der Zwölftengottheiten in Nord- und
^litteldeutschland.
252—253. Topfscherben aus dem Burgwall Waldstein im Fichtelgebirge, darunter
ein Bodenstempel.
254. Nadel und Nadelbüchse von Bronze von La Tene, Schweiz.
289. Unterirdischer Steinbau von Zeust bei Friedland, Lausitz.
Seite 294—95. Thongefässe von Borgstedt^rfelde, Holstein.
„ 300. Thongefässe von Radewege bei Brandenburg, darunter ein durchlöchertes
Seihgefäss.
, 305. Gussform aus Thon von Koban, Kaukasus.
, 310. Schädel mit occipitaler Verletzung von La Tene.
^ 321. Sepulcraikrug von Albano nebst Inhalt,
j, 323. Backofenume von Marino am Albaner Gebirge.
„ 324. Hüttenunie mit Verzierungen von Marino.
„ 331. Bogenfibula von Bronze aus der kleinen Tschetschna.
., 343. Kartenskizze alter Ansiedelungen hei Schlagsdorf, Kr. Guben.
., 348. Schulzenstab (Kringel, Kuli) von Saalfeld, Ostpreussen.
„ 354. Amulet mit der Satorfonnel.
„ 3G1. Trapezförmige Feuersteinscherben aus der Gegend von Berlin,
j, 373-374. Thongefässe und Ohrring von Bronze mit Glasperlen von Tangermünde.
„ 375. Eiserner Gürt^lhaken und Nadel mit Bronzescheiben von Tangermünde.
„ 404— 40G. Knochengeräthe aus einer Höhle bei Mentone.
, 416 — 417. Bronzewagen von Cortona.
„ 420. Thonkegel (Kiehnspahnleuchter) von Carwitz, Meklenburg.
y, 421. Tauschirte Eisenaxt von Guben.
„ 423. Kartenskizze des Gräberfeldes von Zilmsdorf bei Teuplitz, Lausitz.
„ 425. Eiserne Geräthe von da.
„ 426. Thöneme Dose von Platkow bei Müncheberg.
„ 427 — 428. Steine mit Radomamenten von Herrestrup und Aspatria (Cumberland).
„ 434. Kugelume vom Goplo-See.
„ 435—436. Thonscherben von Eichenhagen, Posen.
, 438 — 441. Neolithische Gefässe von Tangermünde.
„ 443. Thongefässe von tVose, Anhalt
, 446. Thongefäss von Jerxheim, Braunschweig.
„ 447. Thongefäss von Güsten, Anhalt.
„ 449. Bronze -Armplatten von Tangermünde.
„ 450. Thonscherben von Albsheim, Pfalz.
„ 4(>6. Schädel aus der Pampa de la Plat^.
„ 472—473 Neolithische Thongefässe und Steingeräthe von Nickelsdorf, Kr. Zeitz.
„ 474—475. Näpfchen und Rillen an neolithischen Grabplatten, ebendaher.
, 476—477. Thongefässe, ebendaher.
„ 485. Eiserne Pfeilspitze mit Widerhaken aus Berlin.
^ 487. Silberring von Schluckenau, Böhmen.
„ 489. Brandgrube von Vettersfelde bei Guben.
,., 513. Topfböden mit erhabenen Ornamenten von Waldstein, Fichtelgebirge.
„ 515. Thonrad aus dem Pfahlbau von WoUishofen, Züricher See.
j, 516. Grundplan und Profildurchschnitt der Höhle im Ith bei Holzen, Harz.
„ 518. Fundstücke aus Knochen und Bronze, ebendaher.
„ 552. Kupferner Ohrring aus der ältesten Stadt von Hissarlik.
„ 555. Fibula mit Glasflussbelag des Bügels von Kazmierz, Posen.
„ 557. Steinkistcngrab von Schloss Kischau in Pomerellen.
I.
Die Autochthonen Amerika's.
Von
Prof. J. EoUznann in Basel.
Hierzu Tafel I.
Die vorliegende Untersuchung über die autochthone Bevölkerung Ame-
rikas bezieht sich ausschliesslich auf somatologischo Merkmale. Es handelt
sich in allererster Linie um die Feststellung der Rassen Vielheit und um
eine vergleichende Prüfung über die Vertheilung der Rassen in diesem
für Völkerwanderung ungünstig geformten Kontinent. Seine langgestreckte
Gestalt und die Richtung seiner Gebirge sind o£Penbar weniger hierfür ge-
eignet als Europa, das streng genommen nur ein Vorgebirge des compakten
asiatischen Welttheiles darstellt. Es kommt aber noch eine andere Erwä-
gung hinzu, welche gerade die Prüfung Amerikas nach dieser Seite hin als
wünschenswerth erscheinen Hess. Für Europa ist uralte Einwanderung
nachgewiesen und zwar zum erstenmal während der diluvialen Periode. Seit
jener fernliegenden Zeit ist der Strom der Einwanderung nie mehr zur Ruhe
gekommen. Die Folgen davon zeigen sich überall. Die Spuren anthropolo-
gisch verschiedener Elemente sind unter jedem Volk nachweisbar. Schon
seit vielen Jahrhunderten bestehen die Völker Europas nicht mehr aus einei
einheitlichen Rasse, und in der Gegenwart existirt kein auch noch so ent-
legenes Thal, das Reinheit der Rasse aufzuweisen vermöchte. In Europa
sind dadurch alle die ethnischen Fragen sehr complicirt und es lag nahe
von einer anderen Seite her, diesem Problem von der Herkunft der Völker
nahezutreten. Amerika schien hierfür manche Yortheile zu bieten, wie
gänzlicher Mangel an ausgedehnter Vermischung durch moderne Einwan-
derung, zweifellos für die präcolumbische Geschichtsperiode, und ein bereits
sorgfaltig beobachtetes Material von gesicherter Provenienz. Man durfte
also erwarten, Aufschlnss über manche Fragen von Völkerwanderung und
Völkerehe, die auf gegenseitiger Durchdringung beruht, von dort drüben
her gerade auch für Europa zu gewinnen. In welch' unerwarteter Weise
dies der Fall ist, werden die nachfolgenden Blätter zeigen.
Bei einer anthropologischen Umschau über den weiten Raum zweier
Z«iuehrirt fnr StbnoloKie. Jahrg. 1869. l
2 J^ Rollmaon:
Kontioente treten aber noch aodere Probleme in den Vordergrund, deren
Berücksichtigang kaum umgaDgen werden kann. Darunter ist dasjenige
von der Lebensdauer der mensclilichen Rassen und dasjenige von der Ein-
heit oder Vielheit menschlicher Spezies in dem folgenden besprochen
worden, beide freilich nur auf Grund der somatologischen Erfahrungen. Ich
habe jüngst die Thesis von der Unveranderlichkeit der menschlicheu Rassen
aufgestellt und manche Belege beigebracht (16. 28), daas die Menschheit
heute nicht mehr unter dem allgewaltigen Eiafluss der natürlichen Zucht-
wahl stehe, dessen fördernde Kraft för die Stammesgeschichte aller Lebe-
wesen unverkennbar ist. Gerade dieser Satz von der Un Veränderlichkeit
der Varietäten des Menschen soll noch weiter ausgeführt werden, als dies
bisher geschehen konnte.
Eine ausgedehnte Vergleichung diluvialer und moderner Schädel
hat herausgestellt, dass sich die am Schädel und aui Skelet vorhan-
denen Rassenmerkmale seit der diluvialen Periode nicht geändert haben.
Seit jener Zeit hat also in dem Sinn des Darwin'schen Wortes „Variation"
der Mensch nicht variirt anter dem Einfluae der natürlichen Zucht-
wahh Seine Rassenzeichen haben mit grosser Zähigkeit den äusseren Ein-
flüssen Aviderstanden and haben trotz derselben ausgedauert. Dieses, wie
mir scheint, wichtige Ergebniss craniologiacher Prüfung steht freilich im
Widerspruch mit der geläufigen Ansicht, welche dae Gegentheil: eine be-
ständige Umänderung dea Menschen annimmt. Allein bei genauerer Ueber-
legung wird man zugeben müssen, dass sich die von mir beigebrachten Be-
lege wenigstens (16) in meinem Sinne deuten lassen. Die folgende Dar-
stellung meiner Auffassung von der Beständigkeit der Menschenrassen wird
aber, wie ich hoffen darf, zeigen, dass sie weder mit der Deacendenztheorie
noch einer unserer täglichen Erscheinungen im Widersprucb steht- Ich
nannte den Menschen einen „Dauer typus"" (28). Diesen Ausdruck hat
Huxley in die Literatur eingeführt. Ich citire ihn aus einem Vortrag über
die Entwicklungaletre (29), von dem ich wünschen möchte, dass ibn alle
lesen j welche sich für die Urgeschichte des Menschen interessiren, weil
darin eine vortreffliche Darstellung von der langen Dauer epecifi scher
Lebensformen zu finden ist. Cnvier versuchte bekanntlich die La-
mark'sche Hypothese, dass die Thiere allmählige, fortschreitende Umbil-
dungen erfahren, durch Vergleichung der Skelete und der Mumien, mit den
entsprechenden Theilen der jetzt in Aegyten lebenden Vertreter dieser Arten
zu prüfen. Das Resultat ist bekannt, er kam dabei zu der Ueberzeugung,
dass bei diesen Thieren im Laufe dieses beträchtlichen Zeitraumes keine
merkliche Veränderung stattgefunden habe. Und die Berechtigung seiner
Schlnssfolgerung ist unbestreitbar. Ganz dasselbe gilt für die Menschen
des Nilthalö. Diese^ wie die mumificirten Ibisse und Krokodille Aegyptens,
sie liefern alle Beweise von der langen Dauer spezifischer Lebensformen,
Der Fortschritt der Forschung bat aber noch viel auffallendere Beispiele
Autor btbonen Amerika*».
3
aufgedeckt. Ein bemerkcnswertlier Fall findet öich in Amerika in der Nähe
der Niagarafälle. In den oberflachlicheo Abkgerungeo, welche deo felsigen
Untergrund in jenen Gegenden bedecken, kommen üeberreate von Thieren
10 vollkommener Erhaltung vor, und darunter Molluskenschalen, welche zu
genau denselben Arten gehören, die gegenwartig die ruhigen Wasser des
Erie-Seea bewohnen. Aus der BesclmflPenheit des Landes geht hervor, dass
diese Thierreöte dort zu einer Zeit abgelagert worden aind, wo der See sich
noch über die ganxe Gegend erstreckte. Daraus ergiebt eich aber, dass sie
gelebt haben und gestorben sind, ehe die Fälle sich ihren Weg durch die
Niegaraschlucht gebrochen hatten, und man hat berechnet, dass damals, als
diese Thiere lebten, die NiagarafaÜe loindestcns 10 Kilometer weiter strom-
abwärts gelegen haben müssen als jetzt Ueber die Geschwindigkeit, mit
der sich die Fälle rückwärts verschieben, glaubt Hnxley innerhalb der
Grenzen der Vorsicht zu sprechen, wenn er annimmt, dass sie dazu
einige 30 (X)0 Jahre gebraucht haben. So lange Zeit wird etwa vergangen sein,
seitdem diese Species, deren Reste wir in den erwähnten Ablagerungen
Enden, nicht variirt haben. Allein wir liaben noch stärkere Belege für die
lange Datier gewisser Typen. In der langen Reihe der tertiären Forma-
tionen giebt es viele mit den jetzt lebenden identische Thierarten. Die Ge-
steine der Kreidezeit zeigen Ueberreste von einigen Thieren, welche sich
selbst bei der genauesten Untersuchung in allen ivesentlichen Beziehungen
als nicht verschieden von den jetzt lebenden erweisen. Das ist z, B. bei
einer Terebratula aus der Kreide der Fall, welche bis auf den heutigen Tag
unverändert oder wenigstens ohne bedeutende Veränderungen geblieben ist.
Das ist ferner der Fall bei den Globigerincn, deren angehäufte Skeletc
einen grossen Theil der englischen Kreide ausmachen Jene Globigerinen
lassen sich biß auf die Globigerinen hinab verfolgen, welche an der Ober-
fläche der jetzigen grossen Oceane leben, und deren zu Boden -fallende
Ueberreste einen kreideartigen Schlamm bilden. Danach muss man zu-
geben, dass es gewisse Thierarten giebt^ welche keine deutliche Spur einer
Veränderung oder Umgestaltung im Laui^ der ganzen Zeit, die seit der
Kreideperiode verflossen ist, zeigen, d. h, in einer Zeit, die, mag ihr ab-
solutes Maass sein, welches es wolle, sicher weit über 30 000 Jahre ge-
dauert hat In der mesozoischen Periode giebt es Gruppen von Reptilien
wie die Ichthyosaurier und die Plesiosaurier, welche kurz nach dem Beginn
dieser Periode auftreten und in ungeheuren Mengen vorhanden sind. _ Sie
verschwinden mit der Kreide, und während der ganzen Reihe der mesozoi-
schen Gesteine sind keine Veränderungen an ihnen nachzuweisen, 'welche
sich mit Sicherheit als Belege für eine fortschreitende Umbildung betrachten
Hessen. Thatsachen dieser Art sind ohne Zweifel verhängnissvoll lur die
Annahme, dass alte entstandenen Thierformen sich beständig umbilden; und
ebenso entschieden widersprechen sie der Ansicht, dass solche Umbildungen
mit derselben Geschwindigkeit bei allen verschiedenen Typen der Thier-
1*
J, KoUmann:
uad Pflatizenwelt statttindeD müsaten» Ein anderer Forscher^ der sich auf
da» eingeliendöte und Jahre hindurch mit grosseo Gruppen der STuige-
thiere bcfasst hat, kommt gänzlich uaabh äugig von Hwxlcy zu ähnlichen
Anschaunngen, Ich will seio echwerwieüjendes Zeugoiss besonderes deshalb
hier anfuhren, weil diese Säuget hiere hoch hinauf reichen auf der Stufe der
Organiäulion^ mitten tinter uns leben und noch heute jedem die Prüfung
und Beobachtung gestatten, Kütimeyer (30) legt neuestens die Ergeb-
nisse seiner anatomischen, speciell craniologi sehen Studien ober die Familie
der Hirsche vor, die sich jedocb gleichzeitig auf geographische und histo-
rische Beziehungen erstrecken. Bei Vergleichung der gewonnenen ResuUiUe
mit denjenigen, zu welchen ähnliche Arbeiten an anderen Wiederkäuer-
gruppen führten, drängt sich ihm der Eindruck auf, daes der Typus Hirsch
trotz fast cosmopolitiöcher Verbreitung in Bezug auf Schädelbau sich inner-
halb viel knapperer Grenzen bewegt, als die Mehrzahl der anderen Formen
von Wiederkäuern. Man könnte geneigt sein, solche Eintörmigkeit als ein
„Symptom geringer Elasticität von Structur oder als Folge einförmiger
Schicksale der Familie zu deuten. Allein weder die Zeichen von Lebens-
energie noch die geologische Fri.st, in der wir bereits die Thiere kennen,
gestatten eine solche Deutung, Viel eher wurden solche Erscheinungen
für eine ungewöhnliche UnabhiVogigkeit von Einflüssen irgend welcher Art
sprechen, wofür sich unter Thieren, welche iür Nahrung und Bewegung so
vollständig auf die Festlaudoberfläche angewiesen sind, kaum ein zweites
Beispiel namhaft machen Hesse". Hier ist allerdings von einer grossen
Familie die Rede,, aber was fax sie gilt von Zähigkeit gegen äussere Ein-
flüsse, ist eben das Resultat der Eigenschaften einzelner Gattungen und ein-
zelner Species. Es giebt übrigens gerade unter der Hirschfamilie zwei Arten,
welche die äusöerste Zähigkeit zeigen. Aa den Rand der nördlichen He-
misphäre verdrängt stehen zwei verschiedene Formen neben einander
unter demselben Klima, unter ähnlichen Lebensbedingungen, and dennoi'h
haben sie sich unverändert erhalten wähi-end der ganzen letzten geologischen
Epoche, Es hat sich weder die systematische Kluft zwischen ihnen ab-
geschwächt, noch haben sie, soviel mir bekannt ist, irgend welche Modi-
ßkationcn der Speciescharuktere erfahren. Obwohl Hausgenossen, stehen
Elenthier und Renthier nach Structur einander seit alter, alter Zeit gegen-
über und Keines der differirenden Merkmale hat sich ausgeglichen seit dem
Diluvium. Das ist ein deutlicher Beweis, dasa es Dauertypen im
strengsten Sinn des Wortes selbst unter hoch organisirten Thieren giebt,
ja ganze Gattungen und Species in den Zustand der Beharrung ihrer typi-
schen Merkmale eintreten können.
Ganz dasselbe ist nun bei dem Menschen der Fall, er befindet sich seit
dem Diluvium, was Species und Va rietätenmerkm ale betrifft, in dem
Zustand der Beharrung, er iat eine Dauerlorm der Schöpfung geworden.
Die Thatsuchen, auf die ich (16) hingewiesen habe, verlieren nichts an ihrer
Die AutochfhcDeii Amerika 's.
5
Beweiskraft durch den Einwurf, dass dadurch ja die Periode der Yariabilität
in der Menscheunatur hinter das Diluvium zuruckverlegt würde. Zii der-
selben Annahme ist die vergleicbende Anutomie und die Palaeontologie
längst gezwungco für die grösste Zahl der Wesen des Thier- und Pflanzen-
reiches. Wir haben uns allzu sehr daran gewöhnt, gerade unter der Herr-
schaft der Darvvin'öchen Theorie, alle Wesen um ans her in beständiger
Umwandlung zu wähnen* Wir müssen jetzt daran gehen, die Unterschiede
nnd die Grenzen des Variirens im Kaum und in der Zeit genauer zu
Studiren, Die lange Dauer gewisser Tbier- ond Pflansentypen oder die des
Menschen ist deswegen noch kein Einwurf gegen die Eutwickluugshypo-
these. Man kann sich um so mehr in dieser Beziehung beruhigen, als
gerade die Geschichte der Säugethiere auch entgegengesetzte Falle klar-
gelegt hat Rütimeyer hat auf das Schlagendste z. B. für Rinder und
Pferde den Nachweis erbracht, das 9 ihre Formen noch heute nicht fest
gefugt, sondern im Gegentheil bis in liefliegende Einzelheilen noch formbar
im höchsten Grade sind, sowohl durch die natürliche als durch die künst-
liche Zuchtwahl. Das letztere wissen die Thierzuchter nur zu gut. Auf
der heute noch fortwirkenden Variabilität beruhen allein die erfolgreichen
Resultate der künstlichen Züchtung bei diesen Familien, Aber sie hat
zweifellos auch ihre Grenzen, Die einen erreichen diese Grenzen später,
die andern früher. Der Mensch gehört aber nach allen Zeugnissen, die er
ans in seinen Grastatten hinterlassen hat, zu den letzteren Wesen. Er hat
sich, so lange er in Europa wandert, weder in seinen osteologi sehen
Rassencharakteren noch in seinen osteologiachen Merkmalen der
Varietäten verändert. Ja man kann dasselbe auch bezüglich der Muskeln
annehmen, insofern ja die Knochen durch ihre Muskellinien einen Rück*
achluss auf diesen beträchtlichen Bruchtheil seines Organismus gestatten.
Diese Ueberzeugung habe ich an osteologischem Material europäischer Kassen
gewonnen, sie steht jedoch für mich auch fest für diejenigen Amerikas und
der übrigen Kontinente. Ein auffaüendes Exempel von der weitgehenden
Gültigkeit dieser Regel ist abgeseheD von vielen andern die Differenz
zwischen Papuas und Malayen* Seit undenklichen Zeiten wohnen sie neben
einander in denselben tropischen Gegenden, welche physikalisch so gleich-
geartet sind, und dennoch sind sie verschieden.
Obwohl die Varietäten nnd Rassen merkmale des Menschengeschlechtes
nach meiner Ueberzeugung von zäher Dauer sind, und noch keine Äende-
rung erworbener typischer Merkmale nachgewiesen werden konnte, halte ich
doch selbstverständlich an der gleichzeitig bestehenden Thatsache der iudu-
viduellen und sexuellen Variabilität der Menschen fest. Es ist ferner
wohl überflüssig hier zu erklären, dass die Widerstandsfähigkeit der thieri-
sehen oder menschlichen Natur gegen die Specieszeichen nicht auch Immu-
cität gegen Krankheiten in sich schliesse. Das Individuum, die Person
kann in ihren physiolugischeu Lebensäiisserungen gestört werden, und wird
6 J. KollmaDD:
es ja oft genug, Mensch wie Thier, aber die Species hat ein anderes Leben,
sie überdauert geologische Epochen.
Nichts liegt mir also mehr fern, als die auffallenden Erscheinungen der
sexuellen Variabilität zu bestreiten, um deren Feststellung die menschliche
Anatomie schon so manchen Streit gefuhrt hat. Denn was ist es denn
anders, wenn der weibliche Schädel kleiner ist als der mannliche, die
Muskulatur schwächer, wenn dsLß Skelet der Brust und des Beckens ver-
schieden ist gegen dasjenige des Mannes und sofort bis in die Organe
hinein und selbst bis in die geheimnissvoUen Tiefen der physiologischen
Function? Also Variabilität existirt, aber die eben hier fluchtig skizzirte
gehört in das Bereich der sexuellen Variabilität, deren Grenzen noch immer
der endlichsen Feststellung harren. Daneben giebt es noch eine indivi-
duelle, welche aber ebensowenig, wie die vorhergehende meine Annahme
von der Unveränderlichkeit der Menschenrassen irgendwie berührt Die
Höhe der menschlichen Gestalt, die Stärke der Knochen, der Umfang der
Muskelatur, die Dicke der Haut, kurz alle Organ können variiren inner-
halb einer bestimmten Grenze. Ich will nur an ein Organ, an das hervor-
ragendste von allen, an das Gehirn erinnern. Welche individuellen Unter-
schiede! Kann doch seine Schwere innerhalb der enormen Grenze von
mehr als 500^ bei dem Durchschnittsmenschen hin und her schwaQken,
der physiologischen Leistung gar nicht zu gedenken! Um die Schwankungen
der individuellen und sexuellen Variabilität festzustellen, ist es aber
unerlässlich, dass erst die Merkmale der Rassen bestimmt seien. So lange
dies nicht der Fall, wird der Boden der Kassenlehre überhaupt, und auch
derjenige der Craniologie, die ja ein Theil derselben ist, jene Festigkeit
vermissen lassen, welche die physiologische oder die pathologische Be-
trachtung erheischt Nun sind die Schwierigkeiten nicht gering. Die
meisten Männer von Fach ziehen sich überdies von dieser Aufgabe zurück,
und folgen nicht selten mit Geringschätzung den Bemühungen der Morpho-
logie der Menschenrassen. Auch dass ändert sich wohl noch, unterdessen
wächst, wenn auch langsam, der Schatz der Thatsachen, freilich wie überall
nur in dem Widerstreit der Meinungen. So wird mir neuestens entgegen-
gerufen wegen meiner Thesis von der Unveränderlichkeit der Menschen-
rassen seit dem Diluvium, die Craniologie sei also jetzt glücklich an der
Arche Noah angekommen; das erste Aoftr^en rücke eben in unfassbare
Feme. Ich bedaure, dass wir selbst noch hinter die Arche auf die Suche
gehen müssen, wie wir das schon längst gethan haben mit sammt der ganzen
Paläontologie, und bedaure, dass wir noch nicht soweit sind, den Pro-
anthropos vorzeigen zu können. Wer übrigens nach dieser Seite schnelle
Befriedigung wünscht, dem können wir nur dringend rathen, eine
modeine Anthropogenie oderi eine sogenannte Schöpfungsgeschichte zur
Hand zu nehmen, er wird darin selbst weitergehende Wünsche erfüllt sehen.
Ein wichtiges Ergebniss, das ich mit ausgedehnten Belegen versehen
Die Äutocbthonen Amenk«'«.
habe, und daa an mittelbar aus der ÜDV^eränderlichkeit folgt, ist ferner, dass
wir Europäer, die wir alle von uraltem Gescblechte sind, seit dem Diluvium
bestäüdig auf der Wanderschaft begriflen sind. Durch ein unablässiges
Hin- und Herziehen durchdrangen sich im Laufe der Zeiten die verschiedenen
Rassen, ein Vorij^ang, den ich mit Penetration bezeichnen will. Sie
brachte es dahin, daäs heute, wie schon vor vielen Jahrtausenden überall
in Europa Vertreter mehrerer Rassen neben einander leben, jedea Volk und
jeder Staat also einen Theil der verschiedenen Rassen in verschiedener
Proportion enthält. Diesen Schluss zog ich aus einer Vergleichung von
mehr als 3000 Schädeln europäischer Völker. Die Zahlen selbst ergaben
dieses Resultat, und ich habe mich jeder Interpretation enthalten. Dass
dieses Ergebniss überraschen, und liebgewonnene Vorstellungen zerstören,
folglich auf Widerspruch stossen würde, habe ich wohl erwartet, dass es
oebenbei als ,, Nekrolog auf die ganze von Retzius inaugurirte Graniologie
angesehen würde und als erfreuliches Ende der Selbstzerselzung" ist eine
jener seltsamen Hoffnungen, welche mehr erheiternd als nachhaltig wirken.
Es ist allerdings unbequem, dass die Möglichkeit, an denJGräberschadeln
die Nationalitat abzulesen, dabei verloren geht, wenn es sich herausstellt,
dass das gegenseitige Durcheinanderwandern der Rassen, schon überall seit
langer Zeit in ergiebigstem Maasse stattgefunden. Allein man darf doch
nicht übersehen, dass nur im Anfang der anthropologischen und speciell der
craniologi sehen Studien ein blindes Vertrauen auf solch' diagnostische Lei-
stnngen bestanden hat. Sehr bald wurde es erschüttert und wird heute
nur mehr von wenigen mit ganzer Ausdauer festgehalten. An dem Schädel
lassen sich eben nur anatomische Merkmale ablesen. AJs diese sich
entwickelten und befestigten, gab es weder Germanen noch Sarmaten noch
Gallier u. s. w. Unseren westlichen Nachbarn und vor diesen, den Jung-
Amerikanern blieb es vorbehalten, politische Graniologie zu treiben. Die
einen fühlten das Bedürfniss hierzu um die Sclaverei mit Hülfe der .Granio-
logie zu rechtfertigen, die andern nm „natürliche'' Grenzen zu ziehen oder
nationalen Ingrimm auf anthropologische Gründe zurückzuführen. Eine
Variante aus einem allerdings edleren Beweggrund vertritt Holder (31),
der mit unerschütterlicht*r Ausdauer für die anthropologische Einheit der
Germanen eintritt, offenbar darauf hingeführt, weil sie einst als grosse
kulturhistorische und staatliche Einheit in der Geschichte auftraten.
Er beharrt bei seinem Glauben trotz aller Beweise, dass an die 50 pGt. aus
andern Rassenelementen und aus Mischbngen bestanden. Das ficht ihn
wenig an. Er hilft sich auf seine eigene Art über die Schwierigkeiten
hinweg. Da sind nur einige „Servi", Knechte, die in die gute Gesellschaft
eingeschleppt wurden, im übrigen „bestehen die Germanen aus lauter
Menschen gleichen Schlages. In dem glänzenden Bilde eigenartiger Kultur-
entwicklung, welches einen grossen Zeitraum und das weite Gebiet von
Ipinz Westeuropa umfasst, stehen in der That die Germanen als eine ge-
8 J. Kollmaiin:
schlossene Yölkergruppe da. Nichts erscheiDt einftcher, mh der gleicii-
gearteten EntwickluDg in Sitte and Sprache mehr iibereinstinuBend. als die
Annahme, dass alle diese Völker einer und derselben Absummiuig gsevesen
seien, dass dieser grosse einheitliche Zag in den Gehirnen cnd StiJdelii
einer und derselben Menschenabart allmählich gewachsen, und ämk sie
über die Hälfte eines Welttheiles getragen worden seL Allein wihreod ich
die Einheit germanischer Kultar, and germanischen Geistes anerk^eose. rnnss
ich gestehen, dass der Beweis von einer specifischen ^germani&cben Rasse*
nicht erbracht ist, und dass er sich auch niemals erbringen la&$t. Xiemals
in keiner Epoche, die hier in Betracht falle bestanden die Germanen aas
einer einzigen Rasse, sondern sie waren eine mechanische Mischung
von Abkömmlingen verschiedener Rassen, die sica zu einem ein-
heitlichen Volk ineinandergelebt hatten.
Es ist keine schwierige Aufgabe, den Nachweis eines zusammen-
gesetzten craniologischen GefQges innerhalb der germanischen Völker zu
führen (16, 28). Wer irgend nur eine gewissenhafte Zahlentabelle über die
Form Verhältnisse der vorliegenden Schädel gemacht, kann uumöglich die
Ueberzeugung von der anthropologischen Gleichartigkeit der Germanen fest-
halten. Ueber die geradezu unvereinbaren Gegenaaae ^sr Sdiadel aus
germanischen Gräbern hilft sich Holder dadurüh itixwfic. dass er fünf
v'ersc.hiedene Typen innerhalb der Germanen a&xarci£ä»&äciL. Also doch
typische unterschiede trotz der Einheit? Dabei denki er sich offenbar die
Völker herangezüchtet wie Tanbenrassen. Europa i«:t r»ewohiit, woher die
McnHchen kamen, ist für ihn eine milssige Frage, genug sie vermehrten sich
wacker, bildeten staatliche Gruppen, reiche sich immer scharfer trennten,
nicht blos geographisch oder politisch, nein., auch phjsisch. Mit einem
Schlag sind die Germanen auf dem Plan mit fünf für ihn „langen Schädel-
typen^. Das klingt scheinbar sehr einfach, aber doch nur für die Cranio-
logen von Württemberg zufriedenstellend. Dass in der paläolithischen und
iu der neolothischen Periode mit Mammuth und Renthier und später mit
unscrn Hausthieren genau dieselben „Typen^ vorkommen, wird einfach
ignorirt, erst mit den Germanen kommen nach seiner Anschauung die
echten Langschädel in die Welt, aber gleich mit fünf verschiedenen Typen.
Was er sich unter „Typen** denkt, ist unklar. Sicher ist für den Leser
nur, dass Holder folgendermassen rechnet: Fünf mal Eins, macht Eins,
ergo beweisen fünf Typen die Einheit der Germanen. Ick denke diese
„zoologische** und von ihm besonders als „natürliches System* bezeichnete
Aufstellung können wir zu weiterem Ausbau ihm selbst überlassen.
Wichtiger ist die Stellung zu der Frage von der Einheit des Menschen-
geschlechtes. Die Craniologie muss sie mit entscheiden helfen, soll sie
festen Boden gewinnen. So lange man nicht klar ist^ ob nur eine Species
und mehrere Rassen, oder viele Species und wenig Rassen, kommt auch
der Streit, wo Rassenmorkmale beginnen und die Speciesmerkmalc auf-
Dfe AtitocKthaoen Amenka's.
I
hören, zu keiner Eotscheidang, ja man wird nicht einmal im Stande sein,
die sexuellen Charaktere feststellen zu können. Nuu mochte ich hier
wiederbolen, dass ich an der Einheit des Menschengeschlechtes festhalte,
and dasB ich von diesera Gesichtspunkt aus mir verschiedene Unter-
urten, und in sehr secnndärer Reihe dann Yarie täten, Subvarietäten u. 6. w,
sehe. Die Unterschiede zwischen dem Neger, dem Indianer, Kaukasier u. a. w.
sind einmal nicht so gross, dass man jeder Form den Werth einer beson-
deren Species beilegen könnte.
Wozu also die Voraussetzung eines grossen Saaten wnrfes von ver-
schiedenen Specles, der sich nicht beweisen lässt? Daraus folgt, dass ich
von einer einzigen Stammform aus die Subspecies oder Unterarten ableite
und von diesen aus die Varietäten. Nach meiner Auffassung von der Einheit
des Menschengeschlecbtes, und von der Unverrtnderlichkeit der Species- und
und Varii^tntenmerkmale seit dem Diluviara, folgt selbstverständlich, dass ich
die Periode ihrer Variabilität in die praglaciale Periode verlege.
Ofleubar hatte auch die Species homo sapiens eine praglaciale Urgeschichte,
iu welcher der gemeinsame Stamm in die verschiedenen Zweige auseinander-
ging. Diese erste Periode musste sich präglacial abspielen, nachdem seit
dem Diluvium keine Variabilität zu beobachten ist Der Mensch verhält
sich eben hier genau so wie die grösste Zahl der noch heute ihn um-
gebenden Wesen, In der That, „hinter der Arche Noah*', wie sich Rieger
(24) ausdruckt, ist noch meiner Meinung die Diffcrenzirung der Species
erfolgt, nachdem xunn sich heute vergeblich nach Beweisen für die fort-
dauernde Kraft umgestaltender Einflüsse auf den Menschen umsieht.
Von diesen Gesichtspunkten ausgehend, findet der Leser am Scblass
einen Stammbaum des Menschengeschlechtes aus der praglacialen Periode,
von einer Stammform, einer Species ausgehend. Er enthält sechs Unter-
arten, von denen sich je drei, also 18 Varietäten abgliedern. Ein Stamm-
baum für die Menschenrassen der glacialen Periode ist nberflüssig, weil sie
sich seit jener Zeit ja nicht mehr geändeit haben. Die Aufgabe der Anthro-
pologie und der Craniologie für diese jüngere Periode liegt darin, die Zu-
sammen ae-t zun g der Völker zu geben, soweit sie dazu berufen ist,
d. h* soweit ost'eologische Merkmale Aufschloss geben. Die Ethnologie
Linguistik und Archäologie mögen von andern Punkten ausgehen, die Her-
kunft und die Eigenschaften der Völker zu bestimmen; die Wege werden
sich schliesslich begegnen, dessen darf man überzeugt sein.
L
Die Frage nach der Herkunft der autochthonen Bevölkerung Amerika's
knüpft an die übrigen Kontinente an. Ist das Räthsel gelöst für Europa*
Asien, oder für Afrika, dann liegt auch die Lösung für Amerika nicht mehr
fern, vorausgesetzt, dass man sieb auf den Boden von der Einheit der Ab-
stammung stellt. Dann ist uämlich der innige Zusammeubang selbst-
t (fi» Cieijrtea sieht so tief
ÜMffall diccelbeB wären und
arkesnbv Uieben. Der Schädel
inor wis Jon. «fieaeObcm GesicLtdbriMn kommen
ji Mies, 'xeaiesn tw. me iienexL (iem Besbcektcr kdigtich Varietäten dar,
1er EUrnkapael, allerdings
3«^ajLi£rea MuLaalea tod einander ab. Der
amie lieec alao cbrin^ das Basaenzeichen inner-
iah ^liie:» ifiiHmiiTniga ^ilmaBtifig erkaanc za haben. £a wäre aber falsch,
3L srnmoL flflK» Ziel mi dadnrdi err«ckbar, dass man sich nun zunächst
jDC -Kulaai Sny aoc 'ia» anthcopdociache and craniologiscbe Stadiam eines
maiiaiaii ii. BTimÄnmn» anaacUkftilxdi werfe. Im Gegentheil, je weiter die
finiirnaii iesa =aadher werden die Xebel sich zeratrenen.
In. Edvnm lanea äek Ter^ckiedene Unterarten nachweisen. Die-
iebesa kmuBisn. «wcs mciiie £i£ümuigen reichen, fiberall vor, aber in
aad«r«a VazietäsesL So kaoa ea nicht aberraschen, dass wir auch in
and K]insck*del in alter and neuer Zeit und weit in die
P«w«ie znrack finden. Ea handelt sich also um die Zahl
jor sa^rikaAi sehen MenschenTarietäten und um ihre hauptsächlichsten
f. In £es«r FrageateHong zeigt sich schon ein wesentlicher Fort-
; ia «itf Kesncnisa der anthropologischen Verhältnisse dieses Kontinentes.
Fr^&er xMboe ann. eine einzige Rasse sei über ihn verbreitet, vom Kap
H«« knaof b» zn dtn grossen Seeen des Nordens. Ich bin weit entfernt,
älr iüä« Anskkt ansschliesalich Blumenbach verantwortlich machen zu
w^iikm. mackdem noch riel später Morton und Andere auch für dieselbe
sind. Denn ea scheint mir der naheliegende um nicht zu sagen
Gang nnserer Vorstellungen zu sein, dass wir einen Kontinent
vva Mtldker Focm and solch isolirter Lage — die starren Eisfelder des
N^xd^tts sind Ton ebenso isolirender Kraft, wie das wogende Meer —
lunSbckss Ton einer dnzigen Kasse bevölkert denken. Die genauere Unter-
^ttcknng hat zwar bald gelehrt, dass diese eine Rasse doch sehr bedeutende
Varianlen basiize, und der Gedanke von mehreren autochthonen Rassen ist
anck bi»w^en ausgesprochen worden, aber festen Fuss hat er trotz mancher
aaaK>HÜacker Gründe nicht gefasst. Wer den Standpunkt bis zum Jahr 1865
k^ttnen lernen will, den darf ich auf die vortreffliche Studie von Th. Waitz:
Di« Indianer Nordamerika's verweisen, welche von Dr. Ploss nach dem Tod
diesem bewunderungswürdigen Gelehrten herausgegeben wurde. Entscheidende
Thal^taclien gegen die unitarische Ansicht hat später erst Andreas Retzius
b^'ig^bracht« Wenn sie nicht jene Beachtung fanden, die sie verdienten, so
li«gt der Grand unzweifelhaft darin, dass er sofort die Lösung der grossen
Pn>bleme> welche die physische Anthropologie Amerika's birgt, mit kecker
Zuveraicht versucht Er beweist aber, dass in Amerika zwei verschiedene
Menschenrassen zu finden sind, im Westen des ganzen Continentes eine
Die Anfocht honen Amerilta's,
11
kurzköpfige und im Osten eine langköpfige. Das ihm vorliegendle Material
war entscheidend für die Doppeloatur der Äutochthonen. Das Dogma von
der Kassen ein heit war für Amerika dadurch zerstört, nnd scheinbar war er
im Recht, nach der Provenienz des ihm vorliegendeD Materiales eine ganz
bestimmte Vertheilung dieser beiden Rassen anzonehmen. Aber es hat sich
später herausgestellt, dass sie in dieser Art nicht existirt. Der Gebirgstock,
welcher den langgestreckten Erdtheil vom Norden bis zum Süden durch-
zieht, bildet keine Volker^cheide, wie A. Retzins nach der Provenienz der
ihm zur Verfügung gestellten Schädel annehmen durfte. Der Wunsch, auch
die Herkunft dieser beiden Rassen sofort aufzuklären, legte ihm dann noch
die Vermuthung nahe, die langköpfige Bevölkerung sei vom Osten von
Afrika her, eingewandert vielleicht als Berbern und Guanchen, während die
dea Westens von Asien stammen sollte, und auf mongolische und vielleicht
auch malayische Stämme zurückgeführt werden müsse. Die angenommene
geographische Trennung der Rassen war aber bald durch die Beobachtung
als falsch erwiesen, und so hat auch weder sein Erkläruogs versuch vou der
Herkunft derselben noch der Nachweis zweier Kassen tiefere Spuren in der
Anthropologie Amerikas zurückgelassen.
Mit einem Vortrage R. Virchow's (3J tritt die Rassenfrage Amerika s
in eine neue Phase. „Von dem Standpunkt der klassificirenden Anthropologie
aus drängen die Beweise zu dem Schliisse, dass es unter der autochthonen
Bevölkerung Amerika's keine Einheit der Rasse giebt." Wir haben, führt
er aus, nach zwei Richtungen hin, in den am wenigsten cultivirten Theilcn
des grossen Conti nents z\^ei ganz auseinanderiiegende Typen kennen geler dL
Bei den Eskimo' s, den Tapuio^s, Botokuden und Patagoniem, selbst bei
Peruanern und Chibchas sind dolichocephale Formen gefunden, und auf der
anderen Seite stossen wir bei den Moundbuilders und Muschelmenschen,
den Garaiben, Araucanem und Pampeos auf kurzköpfige Rassen. Beide
müssen seit undenklicher Zeit existirt und sich durcheinander geschoben
haben. Mit ruhiger Ohjectivität enthält er sich jeder Folgerung, welche
von beiden die frühere ist und sv eiche die spätere. Denn es steht, wie er
ausdrücklich hervorhebt, noch keineswegs fest, dass nur eine dolichocephale,
und eine brachycephäle Rasse sich gegenseitig verdrängt haben. In diesen
letzten Worten liegt deutlich der Hinweis, dass das Problem der physischen
Anthropologie Amerika's mit der Entdeckung der Zweiheit der Rassen
keineswegs abgeschlossen sei. In der That taucht in Amerika sofort die
Frage nach der V'^ielheit und in naturgemässem Zusammenhang damit
auch diejenige nach dem Alter dieser Rassen auf, gerade wie in Europa,
Bei uns währt der Streit hierüber schon geraume Zeit, und die Ueberzeugung
gewinnt mehr und mehr die Oberhand, dass wie in der Geologie eine Reihe
von Schichten in strenger Zeitfolge sich über einander gelagert, so auch in
der Bevölkerung des kleinsten aller Continente eine Stratihkation von auf-
einanderfolgenden Rassen nachzuweisen sei. Die Entscheidung dieser Frage
jl ^ J. Kollmanoi
für Amerika wurde für die in Europa von nicht geringerem Einfluss seiiij
als ea der Nachweis mehrerer Rasaen ist Auch hierfür gicht Amerika einen
unerw^arteten rSeitrag, um tlie Sachlage in Europa zu entscbeiden.
Ich will zunächst lediglich an der Hand cranio logischen Materiales
Zablenbelege beibringen:
1, Für die Piuralität der Varietäten*) in Amerika,
2, Für die Verbreitung aller dieser Varietäten über den ganzen
Kontinent
Das Verfahren, das ich hierfür einschlage, besteht in der Benützung
der Lüngt;nbreitenindices von 1500 Schüdelo aus allen Gebieten vom Feuer-
land bis zur Behringstraase. Diese Zahl scbeint mir ausreichend, um damit
wenigstens eine allgemeine Uebersicht zu gewinnen» Denn aus einem zahlen-
mässigen Vergleich der Haaptdiraensionen an der Hirnkapsel muss nicht
allein die Frage über Einheit oder Vielheit sieh endgiltig entscheiden lassen,
auch die Verbreitung dürfte wenigstens in den allgemeinsten Umrissen bei
einer solch ausgedehnten Vergleich uug gewonnen w^ erden.
Die in der Literatur vorhandenen Zahlen verzeichnen die Lange und
Breite und zwar
aus den Gebieten Nordamerikas für ... , 917 Schädel
„ Central- und Südamerika für 248 „
„ den Gebieten der Eskimo's für .... 127 „
„ „ Mounds, Muschelhaufen u, s. w. für . 208 „
Die meisten Angaben über die autochthone Bevölkerung enthält Otis
G. A. (1).
In diesem Catalog des Army medical Museum von Washington, ist die
Provenienz all der aufgeführten Speer mina gegeben, und zwar in so voll-
ständiger Weise, dass keinerlei Zweifel bleiben kann über das Gebiet, aus
welchem das mit der Catalognummer aufgeführte Object erhalten wurde.
Die Sorgfalt ist noch weiter getrieben, denn die Indianerstämme sind mit
Namen aufgeführt, deren Vertreter sich in dem Army medical Museum finden,
so dass jedes Oranium bis zu seinem Stamm, also bis zu seiner ethnischen
Ursprungastätte zurück verfolgt werden kann. Neben der Länge und Breite,
Höhe und Circumferenz des Schädeldaches ist dann noch ein Gesichtswinkel
und die Distanz der Jochbogen angegeben und überdies das Geschlecht be-
zeichnet worden. Ich fuhi^e diese Umstände an, um einen Beleg für die
Genauigkeit und Sorgfalt dieser Arbeit zu geben. Denn daduich recht-
fertigt sich auch das Vertrauen in die genaue Abnahme der einzelnen Masse,
welche für die vorliegende Arbeit in Verwendung kommen^).
Für die vorliegende Untersuchung enthält femer der Thesaurus Craniorium
1) Meba Bezeichnuijg »Vanetäf ist ideDtisch mit dem, was gew5bo1icb als Rasse be-
zeichnet wird.
2) Ich möchte die Aothropologen auf die&e Publicatioa aufmerksam machen^ weil in ihr
noch eine Fiitle wer th Völler Zahlen zur Bearbeitung uledergelegt ist.
Die Autochtht^Tien Amerika*«.
13
von B. David ansehnliche Zühlenreihen, und ebenso fruchtbar erweist sich
jetzt schon das von der deutschen anthropologischen Gesellschaft in der
Durchführung begriflfene Yerzeichnisö des in Dcutnchland vorhandenen an-
thropologischen Materiales. Die, unter Leitung des Vorsitzenden Schaaff-
hausenj zu diesem Zweck ernannte Cümmission hat bereite unter dem Titel
jjdie anthropologischen Sara ailun gen Deutschlands** mehrere Verzeichnisse
veröffentlicht Diejenigen, welche für meine Untersuchung Material boten,
sind in dem Literaturverzcichniss am Schluss besondere aufgeführt.
Dieses ansehnliche Material bedurfte einer bestimmten Gruppirnng. Sie
erfolgte nach folgenden Gesichtspunkten. Zunächst wurden die Schädel aus
den Mounds ausgeschieden. Wie Europa so hatte auch Amerika eine Hügel-
gräberepoche höchst überraschender Art, über die bereits eine reiche
Literatur vorliegt. Aus diesen Uügeln (Mounds) sind Artefakte ans Metall
Qod Stein und Thon etc. erhoben worden, und ebenso menschliche Reste.
Wie weit diese Mounds und andere Arten von präcolumbischen Bauten,
welche von einer hohen ond weitverbreiteten Cnltur Zetigniss geben, in die
vergangenen Jahrliunderte zurückreicheD, ist nicht festgestellt. Jedenfalls
hat der Craniologc die Verpflichtung, die Schadet aus dieser Periode einer
gesonderten Prüfung zu «üterw^erfen. Diese Mounds kamen vorzugsweise
in Nordamerika vor< Es sind aber auch in CenU'al- und Südamerika Schädel
in alten Grabstätten und Muschelhugeln gefunden. Alle solche Schädel,
selbstverständlich auch jene der Cliff-D wellers, der Bewohner der Felsen-
bürgen sind unter dem CoUectivbegriä der präcolumbischen Bewohner
oder kürzer, obwohl nicht ganz richtig, der Mound-Builders, zusammen-
gefasst worden. So bleiben denn noch 12^2 Schädel, welche zu einer
L Aufstellung einer Gesamra tubersicht benützt wurden. Sie
umfaast Cranien^ welche nur von Autochthonen Amerika s stammen.
Dieser Ausdruck schliesst jedes Miaaverständniss, wie ich hoffe, voll-
ständig aus. Es sind damit die Eingeborenen des Continentes gemeint von
der Entdeckung Araerika's bis in unsere Tage herein. Es ist dabei gleich-
giltig, ob die betreffenden Schädel aus Indianergräbern stammen, oder in
irgend einem der letzten Kämpfe gewonnen wurden, ob also ihre einstigen
Besitzer im 16. Jahrhundert nach europäischer Rechnung gelebt, oder die
Schwelle der letzen Jahrzehnte überschritten hatten. Diese Gesammtübersicht
findet ihren zahlen massigen Ausdruck in der Tabelle I, in welcher, wie in
allen folgenden der Längenbreiteuindex (L. B.) in der ersten Columne, die
Zahl der auf jeden Längenbreiteuindex gefundenen Schädel in der zweiten
Columne aufgeführt ist, während die dritte Columne diese Zahlen anf
Procente reducirt enthält Diese letzte Reduction der 1292 Cranien auf
100, in procentischer Zusammensetzung und nach dem Längenbrei tenindex
geordnet, gewährt einerseits eine klare Oebersicht der sonst schwerfälligen
Zahlen, and entspricht andererseits selbst weitergehender strenger Methode.
Wenn Rassen Verschiedenheiten exi stiren, so müssen sie durch ein solches
u
J. Kollmann:
Verfahren, das auf einem grossen Beobachtungsmaierial beruht, zum Ausdruck
gebracht werden können. —
Tabelle I
für eine Ourve der Autochthonen Amerika*s, nach dem Längenbreitenindex
des Schädels (L : B) bestimmt.
Zahl der auf
Schadelzahl
L:B
jeden L : B
kommenden
anf 100
Bemerkungen
Schftdel
redacirt
1
68
2
0,15
Benutzt wurden fSr
diese
64
65
0
3
0,00
0,23
Tabelle:
66
67
2
11
0,15
0,85
1,00
Eskimoschädel . . . .
127
68
13
(22,77 pOt.)
Indianersch&del aus Nord-
69
70
9
32
0,69
2.74
Dolichocephalie
amerika
917
71
29
2,24
Indianersch&del ans Cen-
72
25
1,93
tral- and Südamerika .
248
73
35
2,70
74
58
4,64
zusammen . .
1292
75
74
5,72
76
78
6,03
"
77
74
5,72
(36,92 pCt.)
78
79
107
104
8,28
8,00
80
102
7:89
81
89
638
82
(^8
5,26
(22,60 pCt.)
83
84
50
49
3,81
3.79
Brach ycephalie
86
57
2,86
86
32
2,47
'
87
27
2,08
88
31
2,47
89
90
23
17
1,77
1,31
(14,3 pCt)
91
92
11
14
0,85
1.08
Hyperbrachycephal.
93
10
0,77
94
8
0,61
96
8
0,61
96
3
0.23
97
4
0,30
98
10
0.77
99
3
0.23
100
12
0.92
101
7
0.54
102
103
2
4
0,16
0.30
(4,66 pCt.)
104
106
t
0,00
0.23
KünttHcbe
106
2
0,15
Braohyeephalie
107
2
0,15
108
1
0,07
109
3
0,28
111
1
0.07
114
1
0,07
116
1
0,07
110
1
0,07
Dte Atitoebtboneti Amertka^s.
15
Auf die Berechnung von Mittelzahlen wurde gänzlich verzichtet Der
Grund hiervon soll später hervorgehoben werden. Dagegen habe ich von
der sogenannten graphischen Methode Gebrauch gemacht, wie solche «eit
lange in den physikalischen^ physiologi sehen und statistischen Disciplinen
verwendet wird, und die neuerdings auch in der Anthropologie Eingang
gerunden hat. Sie überträgt die Ergebnisse der Messung der Cranien und
die der prozentischen Berechnung von den Unterschieden der Form in eine
Fjgur, die ans auf- und absteigenden Linien zusammengesetzt ist Giebt
es z. B, von einem bestimmten Längenbreitenindex viele Schädel, so steig
die Linie in die Höhe, umgekehrt fallt sie auf die sogenannte Abscisse zurück.
So entstehen jene Curven, welche dem Kenner mit einem Blick alles sageUj
was in den Zahlen verborgen ist.
Als Abscissen sind an der Curventafel, ähnlich wie in den Tabellen
die Längenbreitenindices fortschreitend von 62 — 116 aufgezeichnet, als
Ordinate D ^itehen die Zahlen der Schädel, an welchen dieser Index be-
obachtet wurde. Durch die Curven sind Trennungsstriche gezogen, um die
einzelnen Abtheilungen tür Dolicho-^ Meso-, Brachycephalie und namentlich
auch für die künstliche Brachycephalie leichter unterscheiden zu können^).
Die enorme Länge der Abscisse ist nothwendig geworden für Amerika,
weil dort die künstliche Schädel verbildnng geübt wird und zwar vorzugs-
weise in der Absicht, möglichst breite und hohe Schädel hervorzubringen.
Dadurch erhält die Curve ein für diesen Continent eigenaitiges Gepräge,
Ich habe aus guten Gründen auch diese künstlich erzeugten Formen mit
aufgenommen, weil es zur Zeit unmöglich ist, die äussersten Grade der
Hy per brachycephalie von derjenigen durch absichtliche Umformung ent-
standenen zu unterscheiden. Im Allgemeinen dürfen wir sagen, dass alle
Schädel, deren Längenbreitenindex jenseits von 95 Hegt, nur durch gewalt-
same mechanische Mittel soweit getrieben wurden. Unter diesen allgemeinen
Ausdruck fallen auch jene alten Gräber schädel, welche post mortem durch
das Gewicht der Erde allmählich „verdrückt wurden/
Es ist in vielen Fällen unmöglich zu entscheiden, ob vor dem Tod oder
nach dem Tod die Deformation eingetreten ist. In weitaus den meisten
Fällen ist sie nach den vorliegenden Berichten intra vitam geschehen.
Nach dieser allgemeinen Uebersicht über die 1292 Schädel (siehe Ta-
belle 1 und Curve 1), wurden dann noch einzelne grosse Gebiete speciell
untersucht, und zwar
2. Nordamerika, umfassend das Gebiet der Vereinigten Staaten und
Britisch- Amerika mit Ausschluss der sog* Polarvölker: Tabelle 2 und
Cnrve 2.
3. Central' und Sudamerika. Tabelle 3 und Curve 3, Wegen der
1) Bei d6r Berechoung der Indices und der Hersteiluog der Tftbellea und CurTön hat
mich Herr Studiosus med. Nordmaon aua Basel uaterfttuLzt*
16 J. KoUrnann:
eigenartigen Kultur wurde Mexiko ia diese Abtlieilung eingeatellt,
B. Davis zählt wie üblich in dem Thesaurus craniorum Mexiko zu
dem Norden. Nach meiner Ueberzeugung hat der Anthropologe das
Kechl, anthropologische Grenzen zu ziehen ^ind sich von den poli-
tischen Grenzen zu befreien, wie dies offenbar stets auch die Hassen
gethan haben. Eine besondere Zusammenslellung omfasst ferner:
4. Die Eskimo'ö. Es ist dies der CoUectivbegriff für die verschie-
denen Stämme, welche unter einem anderen allgemeineti Ausdruck
auch als Polar Völker betrachtet werden. Es wurden alle Cranien
von dem arktischen Gebiete Nordamerikas berücksichtigt, also das
ganze durch die Literatur erreichbare Material zusammengetragen.
Die gewonnenen Resultate enthält die Tabelle 4 und die Curve 4.
Endlich sind wie schon erwähnt
5, die präcolumbischen Volker getrennt von den Üebrigen auf-
geführt in der Tabelle 5 und der Cnrve 5. Diese Trennung hat
etwas willkürliches, allein es giebt bei dem Fehlen jeglicher geschicht-
lichen Grenze kein anderes Mittel, als der Archäologie das letzte
Wort einzuräumen- Die Art der Bestattung wurde hier der Weg-
weiser.
Um überdies möglichst sicher zu gehen, wurden alle Cranien, welche
als Alt-Peruaner und als Peruaner überhaupt in der Literatur aufgeführt sind,
der actuellen Bevölkerung Centralamerikas zugezählt. Ich glaube, man hat
kein Recht, die Altperuaner als präcoLumbisch zu bezeichnen und sie mit
den Mound-Builders zusammenzuwerfen, Sie gehören mit zu der Gruppe
der spatem Autochthonen, ihre Nachkommen leben noch heute, Reste des
Volkes haben sich erhalten wie seine Gräber und seine Mumien, Der eth-
nische Znsammen hang ist; gewahrt von der Eroberung des Gontinentes bis
herein in unsere Tage. Das alles lässt sich von den Mound-Builders nicht
sagen, sie gehören einer früheren für uns völlig dunkeln Periode an und
was von ihnen an anatomischem Material vorliegt, können und müssen wir
getrennt benrtheilen.
Ich darf diese Bemerkungen über die Methode, das vorliegende cranio-
logiscbe Material zu benützen, nicht seh Hessen, ohne einige andere Bemer-
kungen über den Werth des Längenbreitenindex für die Bestimmung der
Rassen merkmale beizufügen. Für die vorliegende Studie wurde nur ein
einziger Schädelindex verwendet, der allerdings stets eine besonder© Beach-
tung für die Bestimmung der Rassen gefunden hat. Der Längenbreitenindex
giebt nämlich einen zahlen massigen und kurzen Ausdruck für die Länge der
Schädelkapsel in dem Verhaltniss zu ihrer Breite. Die Species Homo zeigt
in dieser einen Dimension so bedeutende Unterschiede, dass man schon seit
A. Retzius Unterarten mit langem und solche mit kurzem Hirnschädel
von einander treant. Sie werden einander gegenüber gestellt, und die Be-
rechtigung zu dieser Auffassung ist von allen Seiten anerkannt. Später hat
Die Antocbthonen Amerika^s.
17
Tabelle II
für eine Curve der Autochthoneu Nordamerika's, nach dem LäDgen-
breitenindex der Schädel (L : B) bestimmt.
Zahl der auf
Schädelzahl
L:B
ieden L : B
kommenden
auf 100 1
Bemerkuof^en
Schädel
reducirt |
65
1
0,10
Benutzt wurden für diese
66
67
"""
^"~
Tabelle 917 Schädel von An-
68
2
0,21
tocbthonen Nordamerika's i. e.
69
70
71
1
0,10
(15,75 pCt)
von Indianern. Davon befinden
8
10
0,87
1,09
Dolichorephalie
sich 845 im U. S. Army med.
72
73
7
15
0,73
1,63
Museum zu Washington. Die
74
43
4.68
übrigen in verschiedenen Mu-
75
58
6,32
seen Europa's.
76
61
6,65
'
77
58
6,32
(40,26 pCt.)
78
90
?'H^
Mefiocephalio
Namen der Autoren, denen
79
80
88
83
9,05
8,99
das Zahlen materinl entnommen
ist:
81
72
7.85
( (25,81 pCt.)
Bracbycephalie
82
58
?'??
Otis (Nr. 1)
83
84
39
39
4,14
4,14
Spengel (Nr. 2a)
85
31
3,86
,
Broesike (Nr. 2b)
86
18
1,90
Ecker (Nr. 2c)
87
13
1,41
Schaaffbausen (Nr. 2d)
88
89
20
12
2.18
1,30
Virchow (Nr. 8)
90
14
1,52
(11,96 pCt.)
Davis B. (Nr. 5)
91
92
7
11
0,73
1,19
Hyperbracbjcepbal.
93
5
0,54
94
5
0,54
NB. Die Schädel aus Mexiko
95
0
0,65
wurden zu der Tabelle der
96
1
0,10
autochthoneu Rassen Cen-
97
98
4
8
0,43
0,87
tral- und Südamerika's
99
3
0,32
gestellt.
100
8
0,87
101
5
0.54
102
103
1
2
0,10
0,21
(4,48 pCt.)
104
__
105
2
0,21
Künstliche
106
107
1
2
0,10
0,21
Brach ycephalie
108
109
3
0,82
110
—
111
1
0,10
112
—
113
—
114
1
0,10
ZcMRchrift für Ethnologie. Jabry. 1833,
18 ^^HB^I ^' Kullmann:
man dann zwischen den DoHchocephalen und den Brachycephalen auf Grund
eingebender Studien eine mesocephale Unterart festgestelk, NcnesteDs i»t
ciidlicii noch eine hyperbrachycephale unterschieden worden, in der ako alle
jene Cranietj Kusammengefasst werden, welche durch eine besondere Kurze
sich auszeichnen. Die zahlenmässigen Grenzen für diese verschiedenen
Schädelformen werden wie folgt angenommen:
Die Dolichocephalie (Langschädel) liegt unter . 75,0
,, Mesocephalie reicht von 75,1—80
yy Brachyccphalie (Kurzschädel) reicht von . . 80,1 — 85
„ Hyperhrachycephaüe liegt über ..... 85,1 ^)
Dieser allgemein gehaltene Maassetab untersuch cid et abo nach dem
liängenbreitenindex vier verschiedene Rassen. Die Skala dient, das sei aus-
drücklichst bemerkt, fär die methodische Craniologie überhaupt, nicht blos
für jene Amerika'» und wenn ich sie anwende, ao halte ich jede Diskuaeion
über die Berechtigung einer solchen Aufstelhing selbstverständlich offen.
Die Einwurfe sind ja bekannt. Man kann darüber streiten, ob es hyper-
brachycepliale Russen und ob es mesocephale Rassen gebe. Ich will be-
züglich dieser noch bestrittenen Kategorien hier keinerlei Norm aufstellen,
obwohl ich zu der Frage über die Existenz einer typischen Mesocephalie
wenigstens für Europa viele Thatsachen beigebracht habe. Man kann ge-
trost die Entscheidung hierüber noch der Zukunft überlassen. Das Zahlen-
material in den Tabellen und die Gestalt der Curveo an jener Stelle, wo
die Grenzen für die Mesocephalie eingetragen sind, sprechen so vernehmlich,
dass sie jedem Craniologen ein quos ego zurufen, und die Erörterung dieser
Frage für Amerika ebenso wenig umgangen werden kann wie für Europa.
Ich ziehe es aber vor, über die Mesocephalie und die Hyperbrachycephalie
zunächst nur die Tabellen und die erklärenden Ciii'ven reden zu lassen.
Bezüglich der am meisten nach rechts in den Curven befindlichen Ab-
theilung, derjenigen für die künstliche Brachycephalie bemerke ich da-
gegen folgendes. Die künstliche Schädel bildung ist in Bexug auf die extremen
Grade der künstlichen Verdrückung und in der Häufigkeit des Vorkommens
eine charakteristische Eigenthnmlichkeit des amerikanischen Continentes.
Aus keinem Gebiet mit dem barbarischen Gebrauch gewaltsamer Umformung
des Hirnschädels sind so zahlreiche Specimina bekannt geworden, und dabei
Cranien von solch extremer Kürze. Ganz besonders lehrreich sind in dieser
Hinsicht die Curven 1, 2, 3 und 5^ auf welchen künstliche Brachycephalie
bis zu einem Längen br ei tenindex von 114—116 wiederholt vorkommt. Dar-
I
1) In den Curven kommeu stark ausgezojireiie Linien vor. Sie bezeichnen die Grenzen
der obigen Schädel längen. Solche Linien erleichtem den Ueherblick, denn die äusaerste licke
Abtheil ong jeder Curve enthüll die graphiache Darstelluigg von der Hiu%keit der Lang-
achadel; an der iassersten rechten Abtheilung sind die künstlich verbildeten und extrem
kurzen Cranien erkennbar, und die mittleren Abtheitungen enIhulteD die Meso- und Brachy-
cephalie.
l>ie AijtofTithöneu Amenk^'s,
19
über hiuttua öclieiut ^icli der kiiidlicbe Schädel oiclit widorniUCirlicli ver-
schieben zu hi8äf!Q, Wahrend damit die eine Grenze der küDstlicheu Brachy-
cephalie feätgeatellt ist, fehlt an den Cranien leider oft das Criteiium, um
die leichteren Grade zu erkennen. Das ist zwar für uns hier in diesem
Fall im Ganzen glcichgiltig. Um jedoch vollkommen sicher zu gehen, habe
ich in den Tabellen und Curven den Anfang auf den Längenbreitenindex
yon 95,0 gesetzt* Manche der ah^ lijperbrai*iiyce[>hal durch den Maassstab
bestimmten Schädel mögen wold schon künstlich deformirt sein, allein das
ändert wenig an dem Ergebniss, daa.s die Ilyperbrachycephalie auch durch
natürliche Bedingungen hergestellt sehr bedeutend vertreten ist* Die Angaben
der Autoren, welche die Schädel gemessen iiaben, sind in dieser Hinsicht
so präcid als immer möglicb. Rechnet man alle Fälle ab, in denen auch
nur der Verdacht auf künstliche Umformung besteht, so bleibt dennoch eine
betrachtliche Zahl reiner Hyperbrachycephaten in Amerika, die übrigens ja
auch in Europa in grosser Ausdehnung zu fiudrn ist. Ich verweise in dieser
Hinsicht nur auf die Arbeiten J. Rauke 's (15) über die Schädel der alt-
bayerischen Landbevolkeruug und meine Beiträge zu einer Craniologie der
europäischen Völker (16). So anfgefasst dürfte vs^eder die in den Tabellen
und Uurven erscheinende Kategorie der Hyperbruehyoephalen, noch diejenige
der kün etlichen Brachycephalen auf schwerwiegende Bedenken stossen.
Die weite Grenze, welche ich der Hyperbruchycephalic gesteckt, schliesst
jedenfalls den Vorwurf aüs, dass ich die Zahl der künstlich erzeugten Kurz-
schfidel zu hoch gegiifien. Ich verzichte darauf, in weitere Details über die
Arten der kunatHchen Schädelumformuag hier einzutreten. Sie sind schon
oft, und erst wieder in der jüngsten Zelt erschöpfend behandelt worden, z. B.
durch V. Lenhossek (18) und A. B Meyer (17). Es handelt sich hier
nur um eine übersichtliche Darstellung der allgemeinen Rassen vcrhältuisse
Amerika's. Das überraschende Ergebnias, dass unter den Monnd-Builders
die DeformiruDg am stärksten betrieben wurde, zeugt für das hohe Alter
dieser seltsamen Sitte,
Ich muss wohl noch des Umstandes gedenken, daas die Methode die
Länge des Schädels zu messen nicht überall dieselbe ist, und dass manche
der von mir benutzten Autoren ein anderes Verfahren angewendet haben
Allein ich darf diu an erinnern, dass die Unterschiede oichl sehr beträchtlich
sind. Für brachycephale Schädel ist es nahezu gleichgiltig, ob man die
Länge nach dem Projections System bestimmt, oder mit dem Tasterzirkel.
Für die Doüchocephalie ist der Unterschied in manchen Fällen, nicht in
allen, etwas beträchtlicher, allein er kommt nur in Frage an den Grenzen
zwischen der Dolichocephalie und Mesocephalie, Zur Beruhigung kann ich
mittheilen, dass Schädel, welche nach dem Projectionssystem einen Längen-
breitenindex von 74,6 aulweisen, durch kein Messverfabren der Welt in die
Mesocephalie hinaufgerückt werden, sondern stets der Seite der Dolicho-
cephalie zufallen. Dadurch, dass also Projectionssyätem und gewöhnhche
2*
'^^O J* Kollmann:
Art der Langem essung für dieso StuJie Zahlen geliefert, wird nur .die Menge.
der Mesocephalen etwns geringer, eJn Umstand, der vielleicbt Manchem
vertrauenerweckend rr8clieint, nacbdcm die Mesocephnlie in den Tabellen
und Curven, und folglicli atjch unter der autochthonen Bevölkerung Amerika 8
eine kaum minder hervorragende Rolle spielt, als in Europa.
Die letzte AUtheilung der Curven 1, 2, 3 und 5, die der künstlichen
Brachycephalie ist nicht vollständig dargestellt, sondern aus rein äussern
Gründen abgekürzt. Es hätte die Ciirventafel zu sehr in die Breite gedehnt,
wären alle einzelnen Abscissen von 96 bis 114 oder bis IIG eingetragen
worden. Ich habe also einen Theil eliauoirt und die hörliste Ziffer der
beobachteten künstlichen Schädeh^erkürzuog an das Ende der Ordinate ge-
setzt. In den Tabellen ist dagegen die auf die betreffenden Indices beob-
achtete Zahl eingetragen. —
Wie schon erwähnt sind die Cnrven nach der anf 100 redueirlen Zahl
entworfen, ^iehe die dritte Columne der Tabellen Bei der starken Hcduction
entstehen nothweodig Bruche, die sich in der Curventafel nicht ausdrucken
lassen, wie z. B. von 2,3 pCt. Dolichocephalen. Es wurden nun alle Bruche
nach oben abgerundet, und die betreffende Zahl auf der Ordinate ringetragen.
Es erscheint also in den Curven die reducirte Zahl von OAO—Oßi) pCt.
ebenso, wie 1,0 pCt. auf der Ordinate 1, 1,10 — 1,90 und 2,00 auf der Ordi-
nate 2 u. s, f.
Diese Erortcrungen hahen den Leser, wie ich hoffen darf, in den Stand
gesetzt, die Zahlentabellen und ihre Uebersetzung in Curven richtig zu beur-
theilen. Ich kann nunmehr daran gehen, die Sprache der Tabellen und
Curven in unser geliebtes Deutsch zu übertragen, wie folgt: die verschie-
den eu Schadellängen, welche wir als Lang- Kurzschädel u* s. w. unter-
scheiden, sind durch alle Grade über den ganzen amerikanischen
Kontinent zerstreut, und zwar von der extremen Dolichoccphalie (Langen-
breiten index 63,0) bis zu der extremen Brachycephalie (Länge nbrcitenindex
95,0). Siehe die Tabelle 1 und Curve L
Um zu beweisen, dass weder der Norden noch der Stiden eine andere
Zusammensetzung aufweise, wurden die Indianer Noidamerikas und die
Autochthonen Central- und Südamenka's gesondert untersucht AU ein die
beiden grossen Gebiete zeigen dieselben Schädelformen. In der nord-
lichen, wie in der südlichen Hälfte deis Kontinentes ist die au-
tochthoue Bevölkerung aus denselben Rassen zusammengesetzt.
Nur die Procentverhältnisse derselben verschieben sich. Tabellen und Cur*
veo II und III. Man kann angesichts der Zahlenbelege also nicht von
einer amerikanischen Menschenrasse sprechen, sondern nur von amerika-
nischen Menschenrassen. Die drei oberen Curven und die entsprechenden
Tabellen sind unumstössliche Beweise für die Pluralität der Rassen in
Amerika* Der GeJanke an Einheit muss, -wie schon Virchow auf Grund
seiner vergleichenden craniologischeü Studien angenominen hat, volktändig
aufgegeben werden. Ich will sogleich hinzufugen, dass auch die Hoflfoung
ausgeschlossen ist, vielleicht noch iuuerhalb kleinerer Gebiete die Einheit
der Kasse zu finden, in der Weise zum Beispiel, dass einzelne Stamme, sei es
des Norden» oder des Südens, nur aus Dolichoccplialen oder nur aus Brachy-
cephalen beständen. Es wäre ja denkbar, dass in einigen Thrilern die
Penetration der verschiedenen Rass^en noch nicht so weit gediehen wäre,
dass man nicht doch irgendwo einen Stamm fände, der undurchaetzt ge-
blieben ist Aber wir können aus mehrfacheo Gründen mit einer solchen
Möglichkeit nicht rechnen. Ich bemerke iti dieser Hinsicht folgendes.
Diese Annahme setzte voraus, dass iu pracolumbisächer Zeit der Grad der
Vertheilung aller Rassen Über den ganzen Kontinent geringer gewesen sei.
Prüft man nun diese Voraussetzung an der Hand der Tabelle 5 uud der
Curvc 5, so ergiebt sich, dass die Völker der Mound-Builderi und Clifl-
Dwellera schon aus denselben Rassen bestanden, welche später
vorkommen. Ja, so wie die Zahlen erweisen, war die Penetration schon
so voUstuodig, dass ein gewisses Gleichgewicht herrscht Auf Procente
redtacirt befanden sich unter denselben:
Dolichocephale 12,56 pCt.
Mesocephale 23,09 „
Brachycephale 22,09 „
Hyperbrachycephale .... 20,65 „
Die präcolumbiöche Kultur, welche bekanntlich viel höher war, als
die der heutigen Indianervölker, war nicht von einer einzigen Rasse ge-
tragen, sondern von mehreren. Man wird also zugeben, dass schon die
ältesten Schädelfunde des Continentes die Pluralität der Rassen
verkünden^}* Quatrefages und Hamy (20) stellen die Ansicht auf,
dass die Mound-Builders brachycephal seien und dass Brachycephale über-
haupt die erste ethnische Schichte Ämerika's darstellten. Offenbar war das
den beiden Forschern vorliegende Material ungenügend, um diese Frage
endgiltig zu enti?cheiden. Mit der Erweiterung desselben hat sich das Er-
gebniss völlig geändert. Schon die Mound-Builders und Cliff-Dweüers sind
Völker aus mehreren Rassen zusammengesetzt gerade wie die Menschen der
ersten diluvialen Periode in Europa, oder unsere Rennthierjäger, Pfahlbanern,
Germanen und Kelten. Das ist ein höchst überraschendes Krgebniss, denn
es lehrt, dass Amerika wohl ebenso lange bewohnt ist, wie Europa und
Asien, wo ebenfalls jedes Volk aus mehreren Varietäten besteht. Man muss
sich diese Thatsache immer vor Augen halten, und es wird noch vieler Be-
1) Für die Pluraütit der pr&columbiacheri Rftssea finden flieh b«i Virchow (21) «inige
bemerkeDswerthe Btispietep auf die ich besonder» hinweise, weil sie alt}}iit&fnuiscbe und alt-
cMJtiüaehe Schädel btt reifen«
29
J. Kollmann:
weise bedürfen, um ihr allgemeine Geltung zu verschafFea, Icii werde des-
halb noch eine besonders schlagende Beobachtung hierfür mittheilen. Es
liegen aus Amerika vollkommen zovürlässigo Beweise vor, aud zwar aus
der Zeit der Mound-Builders, dass innerhalb der allerengsten geogra-
phischen Grenzen die verschiedenen Rassen Amerika's untereinander
und miteinander lebten. Im Staat Tenessee wurden Ausgrabungen ge-
macht, und zwar auf einer Farm fünf Bcgräbnissmounde untersucht, welche
zusammen 600—800 Stcitigraber enthielten, einer derselben enthielt alleiu
200- Dieselben waren in fünf un rege! massigen Reiben oder Stockwerken
aufgebaut, und jedes Stockwerk war von dem folgenden dui*ch eine Schicht
Erde getrennt 60 englische Meilen entfernt (bei Nash rille) wurden ähn-
liche Begräbniasätätten geöffnet, die Ausbeute bestand ebenfalls in einer
Anzahl leidlieh wohl erhaltener Schädel und in einer bedeutenden Menge
8ehr iutercssanter Artefakten. Die letzteren führen zu folgenden Schlüssen:
Das Volk Tenessee's, welches seine Todten in Steiugräbero beiset/.te, stand
in naher Beziehung zu den Erbauern der Mouuds in Missouri^ Arkansas
und Illinois Die Gleichheit der Thonwaaren in Bezug auf Form und
Ausführung, die Uebereinstimraung des Ornaments auf SchmucksachcD,
Muscheln etc. gt'ben Grund zu dieser Annahme. Dieses Volk begrub we-
nigstens in diesem Theil Tenessec's seine Todten stets in aus Steinplatten
zusammengesetzten Steingräbern, es hat ohne Zweifel bis zu einer gewisaen
Ausdehnung Landwirthschoft getrieben, es stand in ausgedehnten Handels-
beziehungen (Kupfer vom liake superior, SeemuschelschaleD), Die ausge-
dehnten Untersuchungen Pntnam*s (19) haben „keinen einzigen Gegenstand
europäischer Herkunft zu Tage gefördert". Es lässt sich daher mit sehr
grosser Wahrscheinlichkeit sagen, „dass die Stone-grave Leute vor dem
Eindringen der Europäer in Amerika lebten,** Soweit der Archäologe von
Fach» Seine Wissenschaft zeigt ihm ein Volk, eine Sitte^ einen und
denselben Giad der Kultur. Nun sollte man doch wohl erwarten, analog
den herrschenden Vorstellungen, dass die Schädel aus diesen Mooods einer
einzigen Rasse angehörten^ dass sie alle dieselben charakteristischen anato-
mischen Merkmale an sich trögen. Aber das entgegengesetzte ist in Wirk-
lichkeit der Fall. Hören wir den Anatomen, der diese Schädel untersucht
hat, Hrn. Luc. Carr (12): „Die ans den erwähnten Gräbern stammenden
Schädel kommen von Localitaten, deren ganze Verhältnisse dafür sprechen,
dass es ein einziges Volk gewesen ist, dem sie angehörten. Nichtsdesto-
weniger zeigen sie sehr bedeutende Verschiedenheiten untereinander, es finden
sich Dolichocephale, Meso- und Brachycephale darunter und starke künstlich
deformirte« Ich setze die folgenden Zahlen aus der dem Bericht beigefugten
Tai» eile hierher.
I
I
I
I
Die Antocbthooeo Amerika'«.
S3
Scbädelzahl Capacität
Breite n-
iDdex
L DoHcbocepbale Scli&de] . .
2. Mesocephale , . .
3. Brach jcepbale « . ^
4. stark sloliopädische Schiidel
Diese Zahlen bedürfen keines Comraentars. Sie reden laut nicht allein
für die Pluralität der VarietäteD, sondern aoch für ihre Verbreitung über
den ganzen Kontinent. Jetzt, wie in der Periode der Mouud-Bailders und
der Maöchelbaiifen sind sie alle, überall vorbanden, im Süden*) wie im
Norden.
Das kann nur geschehen unter dem Einfluss eioes anaufhörlichen
Wanderns der Kassen in der allerfrübesten Zeit.
Seit der Mensch auf der Erde lebt, wandert er, sowohl die Individuen
wie die Völker. Da mögen manche lange, beharrlicb an ihrem Platze
bleiben, aber endlich treibt irgend ein äusserer oder innerer Grund selbst
die sesöhaftesten fort. Seit der glaciaien Epoche dauern diese Wanderungen,
das ergeben die Schädelfunde in Europa, das zeigt die Ubiqaiiät der ameri-
kanischen Rassen anf dem weiten und für eine rasche Verbreitung sehr un-
günstig geformten Continent. Für dieses unablässige Durcbeinanderlaufen
brauchen wir in der Ethnologie und Anthropologie einen besonderen Begriff,
sollen nicht beständig Miss Verständnisse auftauchen. Ich habe dies bisher
als die mechanische Mischung der Rassen bezeichnet und davon die Kreuzung
unterschieden. Allein bei dem Ausdruck „Mischung" taucht doch der
Gedanke an Kreuzung immer wieder auf, und alle lateinischen und griechi-
schen Ausdrücke, welche den Begriff Mischung enthalten, rufen dieselbe
Vorstellung hervor. Ich werde deshalb den Process, der schliesslich das
Resultat der Allgegenwart, aller Rassen eines Continentes herbeiführt durch
das lateinische Wort Penetratio^) bezeichnen.
Dieee Penetration ist jedoch, das sei bemerkt, keine nur in Amerika
vorhandene Erscheinung. Genau in derselben Weise hat sie auch in Europa
und in Central- und Südafrika stattgefnuden, von Nordufrika zu schweigen,
das ja seit Jahrtausenden der geschichtlich erwiesene Boden für Raesen-
penetration ist.
Ueber Central- und Süd- Afrika wird in der nächsten Zeit eine Arbeit
erscheinen, welche diese Thatsache auch für diesen Welttbeü mit Zahlen
nachweist. Für Europa Belege beizubringen, halte ich an dieser Stelle für
1) Die TOn Ecker (18) beacb riebe oeti Scheel von eiuer und derselben Begrabnisast&tte
der Halbinäel Florida zeigen dieselbe Erscbeinnni^.
2) Da« DurcbdriDgeQ oder Durcbsetzeu eines V'alkes, Landes, Coiitineiites mit verscbie*
denen Raä&enelementeo.
24 .). Kollmatin!
aberflQssig. Sio finden sich in der Literatur der Anthropologisclien Gesell-
Hchaftcn Deutschlands zu Dutzenden. Virchow allein hat eine ganze
Reihe davon beigebracht. Die Rassen verhielten sich jedoch dabei nicht
etwa so, dass jede an einem besondern Fleck sich festgesetzt und dort ein
Volk gebildet hat, uoin die Rassen drängten sich durch unaufhörliche
Wanderungen durcheinander (Penetration), und aus bestimmten, durch
natürliche Grenzen oder anderen Ursachen zusammengefugten
Haufen dieses Rassenaggregates entwickelten sich die Völker.
Die Begri£Pe von Rasse und von Volk sind also streng auseinander zu
halten. Rasse bezoichnet stets eine anatomisch charakterisirte Varietas
generis humani, Volk bedeutet dagegen eine ethnische Einheit, welche nach
den Ergebnissen der Craniologie aus einer anatomischen Vielheit (von
Rassen) besteht. Ethnos schliesst nur den Begriff politischer und socialer
Verwandtschaft in sich, nicht auch den der Rasseneinheit. Erst in der
letzten Zeit hat man diese Vorstellung irriger Weise häufig damit zusammen-
geworfen, und von einer germanischen, sla vischen und romanischen Rasse
gesprochen. Es giebt nach dem eben Gesagten einen germanischen, roma-
nischen etc. Sprachstamm, germanische, slavische und romanische Völker,
aber keine germanische etc. Rasse, ebensowenig eine Rasse derMoand-Builders.
Die Mound-Builders und die Gormanen u. s.w. bestehen aus mehreren Rassen,
welche sich zu einer ethnischen, einer nationalen Einheit vereinigt haben.
Sociale, religiöse, sprachliche Kräfte haben z. B. die Entwicklung der
Germanen, Slaven, Romauen etc. seiner Zeit vollzogen. Diese gewaltigen,
geistigen Mächte haben sie zu dem gemacht, was sie waren, eben dieselben
Mächte haben das Reich der Abbassiden auf drei Welttheile aasgedehnt
und das der Pharaonen mit begründet. Durch Einheit der Varietäten bat
sich keines derselben ausgezeichnet. Weder in Afrika noch in Europa
waren jemals die oben genannten Völker das Produkt einer einzigen Rasse,
Mondoni umgekehrt aller Orten bestanden sie aus mehreren^). Ich habe
dieses Resultat craniologi^cher Prüfung schon früher ausgesprocheo, und
fQr Europa durch eine Curventafel bewiesen (16). Ein Blick auf jene
C'urvou lehrt, wie ausserordentlich verschieden der Grad der Penetration
in Wirklichkeit ist Sobald man von dieser Erscheinung an und für sich
spricht« so taucht zunächst die Vorstellung auf« als ob sich die Penetration
ikborall gleichmässig im Lauf der Zeit vollzogen habe. Allein es hat jeden-
fwlls oino grosse Mannigfaltigkeit der Bedingungen geherrscht nnd sehr ver-
sohiedoue Cirade nicht blos in Europa^ sondern in allen oben erwähnten
Woltt heilen hervorgebracht. Für Amerika ist der Vei^leich der Canren
untoreiuaudor und immonilioh mit deijenigen der Eskimo*s in dieser Richtung
l> IVher di<» Inselwelt fch'en mir binr^!cb«nii« Bekf«« na die obi««a SitM aoch auf
»II« auMUtlohiien. Was 1«;$ jeiit Tor!i«|^l« i»t nork im fhinentuiicli. Jedenfclis darfeii wir
auf hoch»! ätM^rra^ch^ntl^ Krsobeinuu^n \oo dort k«r g«Xassl mib« etauo wie aaf diif Ke-
»ultat* onuiioKyi<ohor l ; («r>u«;buimE«u o«s »ch^arMu tVutiMBlM^
Die Autochtboneu Amerika*8.
25
Tabelle III
für eine Ourve der Autochtbonen Central- und Südamerika^ti
dem Längen breitenindex (L : B) der Schädel bestimmt.
nach
Zahl der üiif
äcbädalzahl
L:B
küen L : B
lom tuende IL
auf 100
Bemerkungen
Sefaidel
reducirt
66
1
0,40
ßeuötit wurden für diese
G8
69
1
2
0,40
o^eo
Tabelle 248SGbadel, darunter
TO
4
i:6i
^ (16^ pCt.)
tnuch die Meici kauen
71
72
5
6
2,01
il2
Dol{i.-h(KephaUa
78
7
%m
74
7
%m
Namen der Anlüren, denen
7ö
8
3,26
dai betreffende Zableomaterial
76
13
bM
^
entnommen istt
77
11
4.43
, (29,02 pOi )
Olia (Nr. 1)
78
79
15
16
6,05
6,45
* Meflücephalie
Spengel (Nr. 2a)
80
17
6,85
^
Btoeflike (Nr 2b)
81
15
6,05
Ecker (Nr 2c)
82
8
B.26
(19,79 pCl.)
Schaaffbauaen (Nr.Sd)
aa
34
10
10
4,03
4,03
Rrachyci'philie
Vircbow (Nr. 3)
86
Ü
2,4'^
Virchofv {Nr. 4)
Bohr (Nr. 6)
86
87
14
13
6,61
6,24
Broca (Nt, 7)
88
11
4,40
Flower (Nr. 8)
89
SO
11
3
4,43
1^
(27,78 pCL) !
Huxley (Nr. 9)
91
4
1J61
H]rpt»rbracijyce|>baK
ßessets fNr. 14)
9i
93
3
5
1.20
2,01
Da?is (Nr. 6)
94
3
1,20
95
S
0,80
96
2
0^ , :
97
—
98
2
0,80
m
2
0,80
100
8
1,20
101
S
1
0,80
0,40
(7,00 pCt,)
m
im
!
0,80
0.40
K5iiBt1iebs
u»
1
0,40
HracbyoephaHft
m
__
^
m
1
0,40
%m
. — ■
HO
'^~
■
115
1 1
0.40
m
1
0,40
26
J. RoUmanii:
Tabelle IV
fär eine Corve Qber die Eskimo 's, nach dem Längenbreitenindex des
Schädels (L : B) bestimmt.
Zahl der auf
Schädelzahl
L:B
jeden L:B
kommenden
auf 100
Bemerkungen
Schädel
redacirt
63
2
1,57
Benätzt wurden für diese
(U
—
—
Tabelle 127 Eskimoscbädel, yon
denen 76 in der Check-List von
65
2
1,57
Otis aus dem Army med. Mus.
66
1
0,80
yerzeichnet sind.
67
11
8,66
68
10
7,87
(85,14 pCt.)
Namen der Autoren, denen
69
6
4,72 1
das betreffende Zahlenmaterial
Dolichocepbalie
entnommen ist:
70
20
16,55
Otis (Nr. 1)
71
14
11.02
Spengel (Nr. 2a)
72
12
9,43 !
Brösike (Nr. 2b)
73
13
10,23
Ecker (Nr. 2c)
Schaaffhausen (Nr. 2d)
74
8
6,73
Virchow (Nr. 3)
75
8
6,37
Dali (Nr. 10)
Toldt (Nr. 11)
76
4
1,14
Dayis (Nr. 5)
77
5
3,93
(8,21 pCt.)
78
2
1,57
Mesocepbalie
79
-
—
80
2
1,57
81
2
1,57
82
2
1,57
83
1
0,80
(3,94 pCt.)
Brachycephalie
84
—
—
85
—
-
86
—
—
(0,80 pCt.)
87
i 1
0,80
Hyperbrachycephal .
Die Aatochthonen Amerika's.
27
Tabelle V
fiar eine Curve der präcolumbiachen Bewohner Amerika's (Mound-
Boilders etc.),- nach dem LäugeabraiteniDdex des Schädels (L : B) bestimmt.
Zfthl der auf
S€bädelza1]l
LiB
jeden L^B
kotumcQcten
Schilde]
atif 100
redücirt
Beiuerkunf^en
72
4
1,92
[ (12,56 pCt.)
1 Dollcbacepbalie
J
Benfitit wurden fSr diese
73
74
7ö
7
10
1
4^S0
0,48
Tabelle 208 Seh&deL
Die All- Peruaner blieben
76
9
4.36
\
(^,09 pCt)
ausgeschlossen.
77
7
?'^
78
7^
13
6
6,25
3,84
Meaocepbftlie
80
It
5.28
Namen der Autoren, denen
das betrefl'pnd^ Zablenniatfirial
81
10
4,80
entnommen ist:
m
d
1,44
(29,09 pCt,)
sa
84
13
10
b,25
4^
Brachjcephftiie
Otia (Kp. 1)
85
10
4!80
Gurr {Nr. 12)
Ecker (Nn IS)
m
87
10
12
4,80
5,77
'
Virchow (Nr. 3)
88
5
2,40
Bessels (Nr. 14)
89
7
3,36
90
il
1,44
(20,60 pCtJ '
91
m
6
4
2,88
1,92
Hyperhrachyrepbah
m
a
1,44
B4
(1
1,44
B&
3
1,44
iHr
4
i,m
\
97
4
1,92
il8
&
2,40
99
:i
1,44
lOU
5
2,40
101
3
1,44
102
2
0,9(1
loa
—
'
104
105
■ —
—
(n,7G pCt.)
106
^
—
Eüitstlicbe
107
.
— .
106
4
1,92
Brachyi'epbftUe
109
—
— .
110
. — .
— .
111
2
0,96
112
-^
_*
118
—
^^
lU
115
-^
^
iia
2
0,96
jl
28
höchst leljrreieb. Die letzteren Völker eDtbalten 85 pCt. DolicLocophalc.
Die Zalil anderer Rasseiiindividiicu, welche unter die Langköpfe eich biiiein-
geschoben, ist also Behr gering: ein lehrreiches Beihpirl sowohl für die
geringe penetrirende Ltjst der Hassen nach den polaren Gegenden, die ja
sehr erklärlich ißt, als für den Sutx, duss die am zahlreichsten vorhandene
Rasse einem Volk das anthrrpologische Gepräge verleiht. Die dolicho-
cephaleu Araerikacer erscheinen als der an Zahl hervorragendste Tb eil der
Eakimovölker und die reisenden Forscher werden nur von solchen erzählen
und die anderen kaum beachten, wie das in der That der Fall iat. Einer
ähnlichen Ersclieinung begegnen wir bei den germanischen Völkern, welche
zur Zeit der Iränkisch-allemanniachen Periode aus ungefähr 50 pCt* europäi-
scher Dolichocephalen bestehen. Sowohl von diesen n\s den übrigen
Repräsentanten der verschiedenen Rassen war wohl ein Tb eil, wie noch
heute, blond. Vielleicht war die Zahl der blonden Männer noch grösser
als heute- Sic mussten den vorzugsweise brünetten Römern auffdlllg er-
scheinen, weil sie so oft davon sprachen, dass es selbst Tacitus zu Ohren
kam. Wie wir uns heute den Italiener oder den Franzosen nur mit
dunkelm Aug', rabenschwarzem Haar und gelblicher Hautfarbe vorstellen,
also in dem extremsten Brünett, ebenso stellten sich ilaraals die Römer
alle Germanen, aber als blond vor. Das war zweifellot^ für viele richtig,
doch keinesfalls für alle. x-Vllein wie so oft, so ward auch von Tacitus
die pars pro toto genommen> In ganz denselben Fehler verfallt jeder
bezüglich der Indianer. Die Bezeichnung „Kothhaut" genügt, um die
falsche Vorstellung immer aufs Neue auf die Oberfläche zu treiben, doss
alle Indianer eine kupferrot he Farbe beaasseu. Colorirte Abbildungen
vollenden dann noch den Irrthum. Die Hautfarbe variirt aber auch
dort in grossem Maasstabe Der Coniinent bietet alle möglichen
Farben von dem tiefsten fast schwärzlichem Braan bis zu einem sehr
hellen, fast curopäi selten Weiss. Nur das eigentliche Negerschwarz
fehlt Das ist ein für Alle offen daliegender Beweis von der Verschieden-
heit der Varietäten und gleichzeitig von dem gänzlichen Erlöscheu der
Variabilität seit undenklicher Zeit, Hätte der Uontinent an sich, sein Clitna
etc irgend einen Einfluss auf die Rnssencharaktere gehabt, dann könnte
man nur lauter „Rothhäute" finden. Dag wirkliche Verhalten, die Ver-
schiedenheit der Farbe ist ein vortrefflicher Beleg für den Menschen als
Dauerlypus. In derselben Form, in der die Varietäten in Amerika ein-
wanderten, haben sie sich erhalten. Nur bezüglich eines einzigen Rassen-
zeichens scheint völlige Uebereiustimmung in Amerika zu herrechen, nämlich
bezüglich der Haare. Die straffen Haare scheinen allen amerikanischen
Rassen gemeinsam zu sein, soviel wir bis jetzt wissen. Ich füge jedoch
bei, dass diese Haarsorte nicht lediglich auf den amerikanischen Coutinent
beschränkt ist, sondern bekanntlich auch In Asien vorkommt (bei nord-
asiatischen Volkern und auf Inseln des stillen Oceans),
Die Ati bebt honen Amerika^
29
Also auch die Form der Haare ist nicht aueschliesölich auf den amerika-
Diöchen CoatiDeat beschränkt, wieder einer jener starken Beweise, dass
liasseumerkmale unter dem Einflu^s des Climas seit der glacialen Epoche
sich nicht änderten.
Die Zahlcntabelle und die Curven zeigen, das durfte ak sicher-
gestellt erscheinen, dass in Amerika, wie in Europa, die Zusanimen-
setzang der Volker auf denselben anatomischen Grundlagen
beruht, Sie bauen sich auf aus verschiedenen Rasseuelementen,
heute gerade so, wie in den vorgeschichtlichen Epochen (Mound-
Builders und Germanen). Man ist nun, naraenttich im Anschluss an
die Ergebnisse der Ethnologie, sehr f];ene!gt, au jedem Volk auch nach
einer gewissen Summe anatomischer Eigenschaften zu sucheu, welche
ihm ausschliesslich angehören ^ die aus ihm eine besondere Varietas
generis humani machen sollen. Die Theorie von der naturlichen Zuchtwahl
hat diese Meiautig besonders plausibel gemacht. Denn wenn, so hört mao
sagen, im Laufe der Zeit unter dem Einlluss der VariabilitTtt Thierrassen
entstehen, warum nicht auch Menschenrassen und Völker? So ist es nahe-
liegend, jeder der grossen Nationen auch sppxilit^che Rassencharaktere zu-
zuschreiben und die Berechnung der Mittelzahlen aus den Maassen einer
bestimmten Schädelmenge hat dafür scheinbar craniologische Belege ge-
liefert Allein die Mittelzahlen geben, in der bis jetzt gebräuchlichen Form an-
gewendet, nur einen ganz allgemeinen Ausdruck für die craniologiscbe Be-
schaffenheit eines Volkes, weil sie eine mittlere Schudelform herausstellen,
die nicht existirt. Und dennoch steckt ein Theil von Wahrheit in diesen
Zahlen. Sie verkünden eben doch den Satz Von einer spezifischen Eigenart
der ethnischea Einheit* Berechnet man nämlich die Mittelzahlen der Seh adel-
in dices für verschiedene Volker, so stellt sich schliesslich doch ein be-
stimmter Unterschied heraus, der zahlenmässig gefunden ist und der sich
nicht we^disputiren läast Ueberdies ist eine gewisse physische Verschieden-
heit der Nationen angenföllig, und es wäre falsch, sie zu leuguen, von der
man so viel spricht, die jeder zu kennen glaubt, ohne doch im Stande zu
sein, die unterscheidenden Merkmale klar und bestimmt anzugeben. Wenn
ich selbst immer und immer eine solche Differenz anerkannt habe, so habe
ich mich dabei mehr auf den Standpunkt des allgemeinen Urtheils gestellt,
und habe mich von der weitverbreiteten Stimme, der eigentlichen vox popuU
leiten lassen, mehr als von den Ergebnissen einer direkten Beobachtung, Denn
sobald man die zweifelhafte Bahn des sog. ersten Eindruckes vcrlässt, und
an die Erscheinung näher herantritt, dann gleiten alle die überraschenden
Angaben von deutlichen Unterschieden zwischen benachbarten Gebieten
durch die Löcher, welche die kritische Umschau in diese Rassenhülle der
Nationalitäten schlagt. Und mit jedem Schritt, den man %veitergeht, wird
das Problem complicirter. Ich will gar nicht davon reden, dass der Eng*
länder von dem Pranzosen durch physische Merkmale unterschieden ist; die
Existenz von ganz prägnanten Unterschieden wird bis in die Amtsbezirke
90 ^- KollmanTt-
hinein behauptet. Ich habe überall, wq ich immer reiäte, Erkundigungeo
eingezogen, und jeder, seihst der urLheiLsfähigste> ist der festen Ueberzeugung
gewesen, die Bevölkerung eines Dorfes sei von der des nächsten ver-
schieden. Hier in der Schweiz, wie in Bayern, und wohl wie überall, hl
diese Ueberzeugung allgemein verbreitet, und sie tritt mit einer Sicherheit
auf, welche jeden zum Nachdenken darüber zwingt und die Annahme eines
einfach negirenden Standpunktes ausschlietist. Ein solch' allgemeines Ur-
theil kann doch nur auf einer thataächlichen Unterlage beruhen und der
Reöpect vor den Zahlen, obwohl nur Mittelzahlen, hat mich immer aufs
Neue veranlasst, dem Problem nahe zu treten, obwohl ich in dieser meiner
respectvollon Rücksicht sehr oft und sehr auffallend erschüttert worden bin.
Bei dem interoationiilen anthropologischen Congress zu Pest umgab uns
auf den Ausflögen nach Valko und Hatvan Landvolk in Menge uad einige
Gutsbesitzer aus der Umhegend begleiteten mich, um mir echte Ungaren zu
zeigen. Sie behaupteten des bestimmtesten, sie von eingewanderten Slaven
und Dentacli-Oesterreichern unterscheiden zu können. Sie waren nicht
wenig erfreut darüber, dass ich mich für die Magyaren interessire und
Name und Alter und Wohnort, die Farbe der Augen, dt-r Ilaare und Haut
aufschreibe, Sie gaben sich also alle Mühe, nur Magyaren von reinstem
Blat ausliridig zu machen. Das Resultat war für die Lehre von der phjsi-
acheu Charakteristik der Nationalitäten höchst bedenklich. Denn da fanden
aicli Blonde mit blauen Augen darunter nnd alle Uebergange bis zu den
Brünetten mit geraden und krummen Nasen. Sehr bald war zu bemerken,
dasa der Schnitt der Kleidung, der Haare^ bei Männern die Art den Bart
zu tragen und ähnliche Dinge die Entscheidung herbeiführten* Kehrte ich
nunmehr das Experimetit um, dann waren die Irrthümer meiner Führer
nahezu permauent. OriflF ich aus der Schaar junger Männer solche heraus,
die den kleinen gekrenapten Hut und die kurze geschnürte Jacke tiugeu^J
so ging die Diagnose stets auf Magyar, während mehr als 50 pCt. bei der
Erkundigung nach der Herkunft sich als Slaven oder Deutsch- Oesterreic her
entpuppten* Noch niederschlagender w^aren meine Erfahrungen in der
grossen Kabylie. Von den zwei Völkern, welche das alte Numidien und
Maurilanien bewohnen^ sind nach der Ansicht der Ethnologen die Kabylen
der autochthoue Stamm, und in allem, in 8itte und Sprache und körper-
lichen Merkmalen verschieden von den Arabern, Aber auch hier wieder-
holte sich dasselbe Schauspiel Da wurde bald der Araber für einen
Kabylen oder umgekehrt, der Kabyle für einen Araber erklärt. Immer war
der Schluss lediglich auf die Merkmale der Tracht gegründet. Das Exterieur
der eigentlichen Menschen, nämlich seine Gesichtaform^ die des Schädels,
die Farbe der Haut spielten nur eine secundare Rolle dabei. Es liegt dies
offenbar daran, dass die Beurtheilung rein körperlicher Merkmale bestimmte
und sehr genaue Vergleichung erfordert. Zeigt es sich doch selbst bei
Reisenden von Profession im Innern des dunklen Coutinentes, dass die
L
Ok* Anti>chthon«n Amerikas.
31
Trennung io Völker und Stämme bei dem Mangel der Bekleidung sich auf
Sprache, Sitten, anf Ackerban oder Viehzucht, oder anf i^estimmte Form der
WaOen (Lanzen-, Messerformen, Bog^n arten) u, a. w. gründet, anatomische
Zeichen dagegen sehr spärlich herbeigezogen werden.
Sobald man also au die einztVlnen Individuen herantritt, hört die ünter-
scheidungsfahigkeit auf, welche doch den grossen ethnischen Gruppen
gegenüber mit einer groaaeu Beharrlichkeit und mit Recht festgehalten wird.
Urn diese Unterschiede zu erklären, kommt man immer wieder auf die Ver-
muthuüg von dem allmählichen, umändernden Einflusa der Natur. Dennoch
ist sie falsch, denn die Rasaenmerkmale ändern sich nicht. E8 giebt
nirgends in der Literatur zuverlässige Belege einen umgestaltenden Ein-
flussea. Man hört so viel von dem, enropäische Einwanderer so tief modili-
cirenden Eiaflues des amerikanischen ContineuteB, die Basse würde mager
und hoch, die Muskeln würden dünn, das Fettpolster verschwindej aber alt-
gesehen davou, dass dieft gar keine Rassen meikmale sind, sondern lediglich
individuelle Varianten, welche unter jeder HimraelHgegend wechseln, haben
sie absolut nichts charakteriätisches für Amefjka. Denn competeute Leute
versichern^ dass eingewanderte Europäer auch in Amerika muskulös und
fettleibig würden, und ich kann das von vielen Amerikanern bestätigen.
Aber der stärkste Beweis für die Unveränderlichkeit der Rassen bleibt, ich
wiederhole es, die Thatsache, dass seit dem Diluvium die Rassen mcrkmale
am Skelet sich trotz des Wechsels der natürlichen Bedingungen nicht im
geringsten geändert haben. Wenn nun dennoch die Nationen körperliche
Unterschiede aufweisen, so müssen sie auf einem anderen Wege entstanden
sein, als demjenigen der Umwandlung der einzelnen Individuen durch die
sogenannten natürlichen Einflüsse. Ich habe weiter oben diese Bedingung
schon erwähnt, es ist die Penetration der Rassen untereinander.
Aber sie erfolgte nicht überall in derselben Weise. In Europa, auf dessen
Boden fünf verschieden e Rassen noch heute aufzuweisen sind, ist die
Penetration in verschiedenen geographischen Gebieten sehr ver-
schieden gewesen. Diese zahlreichen und feinen Abstufungen lassen
sich mit Hilfe der Laogenbreitenindices oder irgend eine:« anderen Rassen-
merkmales, zum Beispiel der Farbe der Augen, der Haare und der Haut,
leicht nachweisen. Das habe ich für mehrere Gebiete Europa'ö gethau.
Es hat sich dabei ausnahmslos herausgestellt,
L dass jede ethnische Einheil Europa's aus den Nachkommen mehrerer
Rassen aufgebaut ist;
2. dass die Penetration in alleu Culturstaaten schon so weit gediehen
ist^ dass in jedem noch so entlegenen Dorf Vertreter der verschiedenen
Baasen vorkommen;
3. dass das Verhältniss, in welchem die verschiedeneu Rassen und ihre
Abkömmlinge zu einander stehen , in den verschiedenen ethnischen
Gebieten eine verschiedene ist.
J. Koll mannt
lu dieser Verschiedenartig kbeit der Penetration liegt der
ScLlüsscl zu einer n aturgem aasen Erklrirting jener typiechen Züge der
einzelnen ethnischen Gruppeo, welche mit so grosser Zähigkeit in der Tradition
wie in der Gegenwart festgehalten werden. Diejenige Rasse, welche
innerhalb eines politischen Vorbandes, sei er gross oder klein,
am zahlreichsten vertreten ist, giebt der ethnischen Einheit das
bestimmte somato logische Gepräge. Sie tritt, weil in der Uebcr-
zahl, ans am häujigsten entgegen, prägt sieb in einem Collectivbild unserer
Vor8te!lung ein, und wird für das, was wir nationalen Typus nennen, erklärt ,
Die übrigen noch vorhandenen Rassenelemente werden, auch dann, wenn
ihre Zahl beträchtlich i^^t, von unserm Urtheil nicht weiter berücksichtigt,
sie Hlecken in denselben Kleidern, und die Aufmerksamkeit wird gerade
dadurch von den körperlichen Merkmalen des Gesichtes völlig abgelenkt
Dennoch sind sie vorhanden, und die complicirte Zusammensetzung, ebenso
das numerische Uebergewicht einer bestimmten Rasse innerhalb einer ctb-
niöcben Gruppe lässt sich zahlenmassig nachweisen. Die noch so
wenig beachtete Statistik über die Farbe der Augen, der Haare and der
Haut ergiebt in Verbindung mit den Schädelmessungen die unumstössliche
Thatsache, dass nicht allein die centraleuropriischen Völker, nein, auch
Stamme, denen sonst Rasseneioheit nachgerühmt wird, wie Esten, Letten
und Finnen, in Wirklichkeit ein Produkt mehrerer Rassen darstellen.
Und diej^es Ergebnis« hat craDiologisches Material geliefert, das nicht
aus den Städten stammt, sondern aus ländlichen Bezirken, welche eine
sogenannte ungemischte Bevölkerung enthalten, ein Material, das überdies
aus den älteren Grabstätten dieser Gebiete entnommen ist, und die Garantie
bietet, dass die politischen Umgestaltungen der letzten zwei Jahrhunderte
von keinem Einfluss auf unser Ergebniss gewesen sind. Die Thatsache
von der ßassenmehrheit innerhalb der Nationen muss also dem
früheren irrigen Dogma von der Rasseneinheit gegenüber gestellt werden*
Der Gedanke an solch' beträchtliche Mischung innerhalb der Völker mag
dabei vielleicht unwillkommen sein. Die Vorstellung von „reinem Blut"
in den Adern schmeichelt Individuen und Völkern und das Gegentheil
klingt nicht wie ein Lob. Als man im Jahr 1870 den Preussen vorwarf —
es war Herr de Quatrefages — sie seien eine Mischung von Slaven,
Finnen und Borussen, da sollte damit entschieden etwas sehr Schlimmes
der Welt m^itgetheilt werden. Vielleicht wird man aber bei genauerer
Untersuchung einsehen lernen, dass gerade in dieser starken Penetration
der Rassen untereinander ein Vorzug liegt Bringt doch jede Rasse ein
bestimmtes Erbtheil nicht allein körperlicher, nein auch geistiger Eigen-
schaften als Vermögen mit in die Ehe. Und nachdem, wie nach einem
Naturgesetz, die edleren Eigenschaften des Geistes allmähüch die Oberhand
gewinnen, so muss diese Penetration günstig wirken. Femer ist es be-
kannt, dass nicht die Ehe unter Blutsverwandten, sondern diejenige unter
Dift AutochtboaeB Äiuerika'a,
Fremden die besser organiöirien NachtommeD liefert. So ist es im Leben
der Familie uod im Leben der Völker. Ja man könnte den Satz mit guten
Beispielen belegen, dass eine hohe Ciilturstufe von dem Grad der Raasen-
mischung abhängig sei. Die Häufung verschiedener Rassenelemente inoer-
halb einer Nation ist nach der Zusammensetzung der central- uod west-
europäischen Völker eher als eine Bürgschaft iür vielseitige geistige
Begabung und physiscbe Vollkommenheit ^u betracbten, als mit vorwurfs-
vollem Tadel aufzufassen. Alle Völker, die Englands ^ Scandinaviens,
Frankreichs, Deutschlands, Italiens etc, sind aus verschiedenen europäischen
Rassen zusammengesetzt. Jener Winkel unseres Kontinents, auf dem eine
auclj nocb so kleine Gemeinde reiner Rassenmenschen lebt, harrt noch der
Entdeckung und wird wohl niemals aufgefunden werden. Diese Erfah-
rungen der Anthropologie über die Zusammensetzung der
europäischen Völker haben ihre volle Geltung auch für die
Autocht honen Amerikas. Dort kommen andere Varietäten in Betracht,
allein ihre Penetration ist auf diesem Continent ebenso intensiv gewesen,
wie in Asien oder irgend einem andern der grossen Continente. Dabei
sehen w^ir aller Orten, dass die Völker sterblich sind, „unzählige versanken
im gähnenden Schoos der Zeil**, aber die Rassen bleiben erhalten und dauern
aus mit ihren physischen Merkmalen. Dieselben Elemente werden unter
neuen Namen Theile anderer Nationen. Die Sitte wechselt, die Sprache
ftndert sich, die Tradition erblasst oder nimmt neue importirte Bilder auf,
während die verschiedenen Rassenelemente sieb ewig verjüngen, und sich
im breiten Strom des Lebens untereinander Terbinden.
Wenn man den Ergebnissen der vergleichenden Craniologie Rech-
nung trägt, dann lehrt die Untersuchung der Autochthuneo Amerikas unti
die zweifellosen Parallelen innerhalb europäischer Völker, dass sich die
Eigenart der ethnischen Gruppen auch ohne die Annahme von
äusseren umgestaltenden EinflQssen, und naturgemäss als eine noth-
wendige Folge der Zusammensetzung aus verschiedenen Rassen
erklärt Die Zahlen tabellen und die Curven sind hierfür die nächsten un-
umstössliehen Belege, — Wird die Beweiskraft der Zahlen anerkannt, so
kommen wir zu dem ferneren Ergebniss, dass die amerikanischen Menschen-
rassen, soweit sie craniologischer Untersuchung erreichbar sind, keine Zeichen
von auffallender Abweichung ihrer Merkmale durch die Natur aufweisen. Ich
erinnere an die Mound-Builders und die heutigen Indianer. Die Schädel*
formen sind dieselben und zeigen keine Spuren von Umänderung durch die
äusseren Einflösse des Klimas oder um ganz allgemein zu sprechen, keine
Spuren der natürlichen Zuchtwahl seit undenkhcber Zeit.
IL
Ich habe bisher zumeist den Ausdruck Rasse gebraucht, um die
charakteristischen Unterschiede in der Menschheit anzudeuten. An nnd für
ZiilfrclirlA für Elhuologl«. Jihrg, 1833. 3
J. Kolltn^nn;
sich ist dies vieißrebrauchte Wort hierffir verwerflich. In Wirklichkeit be-
zeicbnet es ja die im Culturziistande durch die ktnistliche Zuchtwahl eiit-
standeneo Subspecies und Varietäten. Nachdem aber jede kuosliiche
Zuchtwahl bei dem Menschen ausser Betracht lullt, mosa man versuchen,
dem Begriff „Rasse** sein Burgerrecht in der Anthropologie für die Zukunft
gänzlich zu entziehen, — Der Formen kreis der Species Mensch ist ausser-
ordentlich gross. Aber selbst die extremsten Formen werden nach den
gystematisirenden Grundsätzen von den Naturforschern zu einer einzigen
Art gehörig angesehen, wenn sie durch eine zusammenhängende Reihe
fein abgestufter Zwischenfonnen continuirlrch verbunden sind, oder sobiild
sich die Abstammung von der gemeinsamen Slammart empirisch erweisen
lagst. Bei dem Menschengeschlecht treffen diese beiden Bedingungen
xusamroeD, und deshiilh entsteht die Verpflichtung, alle Formen unter eine
Species zu ordnen. Die aus einer Art hervorgegangenen unterscheid-
baren Formen, welche bestimmte, erworbene und dauernde Eigenscliaften
regelmässig auf die Nachkommen übertragen, müssen dann je nach der
Sumnae dieser cbarakterislischen Eigenschaften entweder in die Kategorie
der Subspecies, Unterarten, oder in jene der Spiehirten, Varietates ein-
gereiht werden. Es sind Raogstufeo, welche innerhalb der Species Gruppen
vereinigen, welche sich durch eine bestimmte Summe von Eigenschaften
auszeichnen. Ihre Unterscheidung ist von der höchsten Bedeutung für das
Verstandniss der natürlichen Verwandtschaft W^äbrend ich nun den Regeln
der klassifizirenden Zoologie folge, und den Nachdruck auf die Unter-
schiede lege, so bin ich doch weit entfernt, das Gemeinsame in der
Erscheinung des Menschengeschlechtes aus dem Auge zu lassen. Die
Qualität der unterscheidenden Merkmale ist ja niemals das für eine Art
Charakteristische, sondern die Conatanz. Constanten Merkmalen kommt
auch eine viel höhere Bedeutung zu, als z. B. der räumlichen Trennung,
der wir unbewusst ein grosses Gewicht beilegen, WasH&ckel (25) in
dieser Beziehung für die Thter- und Ffanzenvarietaten als wichtig hinstellt,
hat auch ffir die des Menschen Geltung. Zwei Varietäten, wenn sie aus
zwei entfernten und nicht zusammenhängenden Gegenden stammen, \Yerden
oft als zwei gute Species betrachtet, während Jedermann dieselben nur als
untergeordnete Varietäten einer und derselben Species betrachten würde,
wenn sie in derselben Gegend gemischt vorkämen^).
Um die Unterschiede innerhalb des Menschengeschlechtes zu klassifiziren,
I
I
I
1) Von örtheilsfShi^en Beobacbtem habe ich wiederholt bei deo Schaustellungen der
Lüf^pl&Dder oder der Indianer d&s Urtbeil gebort, das seien eiufueh uiaskirte Schwhbc'n oder
Bayern, obwohl die Aecbtheit, von den berufensten Ethnologen fest^estdli , ausser Zweifel
war. Da» tst ein deullicher fioff^rzQig, wie «nffallend gering der Unterschied seltist sehr
diiTerenter sog-, R&sseo ißt, uud dasa es nothwendijr i^ird, im Hinblick auf die vorliejjenden
Thatsachen von der Gemeinsamkeit der wichtigsteu Merkmale, io der Aufetellung der ver-
schiedenen KAtegorien den Maasfistab oicbt tu hoch anzulepfen.
Die ÄubchÜionön Ameriki.*s.
35
lügen vollauf zunächst die Begriffe voo Sabspeciea und VarietasJ) Damit
können voltaul' die verschiedenen Grade in der Con stanz der wesent-
lichen Differential Charaktere bezeichnet werden, wobei die Snbspecies
eine grössere Summe von solchen E)ifferentiakbarakteren enthält, die Varietät
eine geringere.
Von diesen Gruudslitzen ausgehend, werde ich einen Stammbsam der
lebenden Formen des Menschengeschlechtea weiter unten aufstellen, worin
von einer Species eine begrenzte Anzahl Subspecies (Soustypes der
Franzosen) abstammt nnd zwar nur sechs, welche wiederum die Ausgangs-
punkte der Varietfiten geworden sind. Darüber hinauszugehen ist hier nicht
meine Aufgabe, doch wird es später wohl DOth wendig werden, auch Unter-
varietaten anzunehmen.
Ethnologische Bezeichnungen sind, weil die Missverständnisse und
IrrihQmer durch sie in Permanenz erklärt werden, gänzhch bei Seite ge-
bliehen. So habe ich mich denn bei der Herstellung des Stammbtiumes
lediglich voo anatomischen Merkmalen leiten lassen. Nach dem Prinzip
der Vermehrung und der stufenweisen Divergenz der Eigenschaften der von
einem gemeinsamen Ahnen abstammenden Unterarten, Varietäten, und in
Verbindung mit der erblichen Erhaltung eines Theiles des gemeinsamen
Charakters lassen »ich die ausserordentlich verwickelten und strahlenförmig
auseinandergehenden Verwandtschaften begreifen, wodurch alle Glieder dieser
Gruppe miteinander verkettet werden. Denn der gemeinsame Stammvater
einer Reihe von solchen Unterarten und Varietäten bat einige seiner Charaktere
allen gemeinsam mitgetheilt, und die verschiedenen Formen werden nur
durch Verwandtschaftslinien vun verschiedener Lfmge mit einander verbunden
sein, welche eben in der Stammform ihren Verein igungspunkt finden. Die
Schwieriji^keitenj sich von dem verwickelten Vorgacge einer solchen Descendenz
ein deatliche» Bild in der Vorstellung zu entwerfen, sind sehr beträchtlich.
Darwin hat hierfür einen treffenden Vergleich gewählt. Wie e>^ schwer
ist, die Blutsverwandtschaft zwischen den zahlreichen Angehörigen einer
alten Familie sogar mit Hilfe eines Stammbaumes zu zeigen, und es fast
unmöglich ohne dieses Hilfsmittel zu thun, so begreift man die mannigfaltigen
Schwierigkeiten, auf welche Naturforscher ohne die Hilfe einer bildlichen
Skizze stoasen, w^enn sie die verschiedenen Verwandtschafts bezieh unp^en
zwischen den vielen lebenden und erloscheneD Gliedern einer grossen natür-
lichen Gruppe nachweisen wollen. Dabei ist die Annahme, dass viele
Zwischenforroen erloschen sind, welche einen grossen Antheil an der Bildung
und Erweiterung der Lucken zwischen den verschiedenen Abarten und
Varietäten des* Menschengeschlechts hatten, nicht voo der Hand zu weisen-
Sowohl aus den früheren Erörterungen, als aus den zunächst folgenden geht
1) Ich Teriichte atif phj8iolD|pflche Variet&tea und Subspecies. Die Morphologie bat
alkin bei der prakttsclien Unterscheidung einer Benenuung iQBäcbst deo Aasschlag za geben
3*
;)g J. Kollmann:
doutlioh hervor, daas auch ich an ein Yariiren des MeDSchengeacblechtes
glaubo, aher die Zeit der Variabilität auf Grund der vorliegenden Constanz
dor heutigen Abarten und Varietäten in die präglaciale Periode
zurückversetze. Man kann dies die erste Epoche in der Urgeschichte des
Mennchcn nennen, und muss die zweite mit der glacialen Epoche be-
ginnen lassen, in welcher diese Varietäten bereits in Dauertypen am-
gewandolt waren. Nach den vorliegenden Thatsachen ist nun folgende Auf-
fassung über die Entwicklung der Unterarten und Varietäten des Menschen-
geschlechtes von einer gemeinsamen Stammform aus, gestattet
Aus der ursprünglichen, einen Menschenspecies, die wir der Deutlich-
keit halber als Stammform, als Homo sapiens primigenius bezeichnen wollen,
und die ich mir als eine mesocephale Form mit niedrigem und breitem Ge-
sicht, niedrigen, viereckigen Augenhöhlen, platyrrhiner Nase, überhaupt was
die Form des Gesichtes betrifft^ mit niedrigem Gesicht, also chamaeprosop
vorstelle, gingen unter dem Einfluss der natürlichen Zuchtwahl die Subspecies
von folgender Beschaffenheit hervor:
a) chamaeprosopo Langschädel, Breitgedichter mit langem Schädel.
b) chamaeprosope Kurzschädel, in der Weise nämlich, dass die chamae-
prosopen Mesocephalen zunächst die Form des Gesichtes im Wesentlichen
beibehalten, dagegen am Hirnschädel beträchtliche Variationen zur Ent-
wicklung brachten. Die Annahme einer chamaeprosopen mesocephalen ^)
Stammform liegt in dem Umstand, dass die chamaeprosope Mesocephalie wie
die übrigen chamaeprosopen Unterarten entschieden mehr pithekoide Zeichen
HU sich tragen, als die leptoprosopen Formen.
Der eine Zweig erhielt also dolichocephale Himkapsel, der andere brachy-
oopbale. So lieferte die Stammform zunächst zwei Varietäten, während
die ursprüngliche gleichfalls erhalten blieb.
l>ie Stammform der chamaeprosopen Mesocephalen veränderte sich aber
auch noch in folgender Weise. Unter anderen Einflüssen der Zuchtwahl
kam nicht allein die Urform des Hirnschädels in Flnss, sondern auch die-
jenige dos Gesichtes.
Es wurde schmal und hoch« die Augenhöhlen wurden rund, der Nasen-
rücken erhob sich, wurde gerade and gebogen^ und es entstand so eine Form
\) l^tT Wid<»r»prucb $^^d die Existent einer ckimaeprosopen Mesocephalie wird sich
wohl DAoh uu(i nach \erHer^D. wenn man statt dti RaisonaemeDts die ^nane Verurleiciiaiig
\\^T Sch*\iel «ciuuul \<^T»uoheu virvi. Das^elb« isi der Fall mit den Randbemerkongea ober
\\\^ y^K^A^wXwx^ Kitx ohautaeprv>$op^n [V>Uchocepha]ie ^Holder). Die bekannte Unterscheid ong
i'iuor u^^oUtischiMi uiM paU^oüthisch^n D.«Iicboo«pha)ie, wie sie Ton sorgf<if^n Beobachtern
lS««ittiioht wiTxi, unvi d^e Kii^teni ^in«r iraoiea Literatar bieräber dürfte weni^tens Veran-
Uiisuni; g^b^n. di^^ Anca^<^n obj^^tiT m pnf^n. -- Dass die Chaniaeprosopie an sich der
prinur^u v»i?>ioh!!iform enis;*r:oht. mini danfh das Antiitx des neugeborenen Kindes, durch
Jii» .»hjj^eudfv^rW tpbt*: •*:!* Kjb^^le^t, welche stete niedrig ist. Auch bei den jngendlirhen
Auihu^l^Mxi^n isj ^w ObAnwepiwsopie x.^rhAndea« wie akh ans den Zahlen bei Virchow (22)
b^iiKhueu U»t.
/
Dia Autochthonen Amerika*s.
37
des Gesichtes, die ich schmal, leptoprosop genannt habe. Diesen schmalen
Gesichtern gesellten sich bei den einen kurze Galvarien, bei den andern auf
dem Wege allmäbliger Entwicklung lange Galvarien hinzu, und so ent-
standen die längst bekannten und oft beschriebenen Rassen:
a) leptoprosope Dolichocephalen (dolichocephale Langgesichter),
b) „ Mesocephalen (mesocephale ,^ ),
c) „ Brachycephalen (brachycephale „ ).
So ergeben sich sechs Unterarten, deren nähere oder entferntere Ver-
wandschaft die folgende Tabelle errathen lässt
18 17 16 15 14 13 12 11 10
j ! IST? T
i
'#
\\
/
f'
Leptoprosope:
//
Dolicho- Meso- Brachy-
cephalen cepbalen cephalen
VI V IV
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9 8
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i
i
•^,1/
6 6 4 8
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~¥ l
Chamaeprosope:
Dolicho-
cephalen
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/ :
Meso- Brachy-
cephalen cephalen
U I
%4
u
P
Chamaeprosope Mesocephalen
(Stamm-
form)
Species homo sapiens
38 J- Kollmaan:
Wir erhalten drei chamaeprosope und drei leptoprosope Unterarten
aus der einen Stammform. Offenbar musste die Isolirnng^) der neuen Unter-
arten anfangs geschehen, damit sich dieselben befestigen konnten.
Der Stammbaum auf der vorhergehenden Seite macht verstandlich, dass
die Divergenz der einen Species in sechs verschiedene Unterarten sehr we-
sentlich differirende Formen erzeugt hat, welche durch so markirte Zeichen
getrennt sind, dass der Gedanke an besondere Species wohl auftauchen
konnte. Ein chamaeprosoper Dolichocephale III des Schema ist von dem
chamaeprosopen Brachycephalen durch eine beträchtliche Kluft getrennt
Diese vergrössert sich, je weiter wir in der Reihe nach IV, V, oder VI fort-
schreiten. Das Schema bringt in diesem Fall eine Erscheinung zum klaren
Ausdruck, welche die Craniologie und die klassifizirende Anthropologie
schon längst festgestellt haben. Denn es treten sowohl die Unterschiede
als der gemeinsame Ursprung ins rechte Licht, oder wie dies weiter oben
angedeutet wurde, die Qualität der Unterarten in die Constanz der Species.
Auf die Periode der isolirten natürlichen Entwicklung der Unterarten
musste eine Periode der Wanderung folgen, in welcher sie gegenseitig
penetrirten, und allmählig die ganze Oberfläche der bewohnbaren Erde er-
füllten. Es entwickelten sich nun erst weitere Formen, so wie dies etwa
die punktirten Linien andeuten mögen. Diese Formen gehören in die Kate-
gorie der Varietäten. Für ihre Bezeichnung habe ich die Eigenschaft der
Haare gewählt, und zwar die drei Hauptunterschiede derselben, die schlichten
Haare Crines lissotriches, die straffen Haare Crines euthycomi und die
Wollhaare Crines ulotriches. Jede der sechs Unterarten ging in drei
Varietäten auseinander, die wir, um jedes Missverstlindniss zu beseitigen,
zunächst mit ihrem vollständigen systematischen Namen bezeichnen müssen,
der die Charaktere der Unterart und der Varietät in sich vereinigt.
Wir unterscheiden also folgende Varietäten:
1. schlichthaarige Langköpfe mit niederem Gesicht,
2. straffhaarige „
3. wollhaarige „
4. schlichthaarige Mesocephalen mit niederem Gesicht
5. straffhaarige „ r> it j)
6. wollhaarige „ » ^ «
7. schlichthaarige Brachycephalen
8. straffhaarige „
9. wollhaarige „
1) Jene, welche sich über die Redentong der Isoliran^ für die Entstehung der Arten ein
Bild verschaffen wollen, verweise ich auf die beachtenswerthen Abhandlungen von Moritz
Wagner (32) über die Migrationstheorie. Vielleicht finden wir auf einzelnen Inseln des in-
dischen Oceans noch Unterarten, die, nicht penetrirt von anderen, ihre Wohngebiete erreichten,
auf denen sie seit der präglacialen Epoche geblieben sind.
Die Autochthonen Amerika's. 39
(Langköpfe mit hohem Gesicht
Mesocephalen „ ^ „
Eurzschädel » » ^
Jede der sechs Unterarten liess eine schlichthaarige, eine straffhaarige
und eine wollhaarige Varietät aas sich entstehen. Um diese differente Eigen-
schaft je nach der Beschaffenheit der Haare wenigstens anzudeuten, endigen
die punktirten Linien, welche die Varietäten andeuten, abwechselnd gabel-
förmig, punkt- oder ringförmig (Stammbaum Nr. 1—18). Die schlichthaarigen
Varietäten der Lang-Kurzschädel und der Mesocephalen Europas werden also
von mir in die Stufe der Varietäten, nicht der Subspecies verwiesen. Das-
selbe ist der Fall mit den straff haarigen Menschenformen, oder mit den
Wollhaarigen.
Alle miteinander bilden eine Reihe, deren extremste Formen sehr
weit von einander abstehen (Vergleiche den Entwurf des Stammbaumes und
den Abstand zwischen 1 und 10 — 18). Man wird dadurch mindestens den
grossen Unterschied der in der Reihe entferntesten Varietäten verstehen,
der schon wiederholt soweit gefuhrt hat, dass man eine grosse Zahl von
Species aufgestellt hat (Hack el u. A.). Ebenso erklären sich die allmähligen
Uebergänge. Bekanntlich bedarf es genauer und sorgfaltiger Prüfung um
die einzelnen Merkmale der Unterarten am Schädel aufzufinden, selbst inner-
halb grosser somato logischer Provinzen. Einmal deshalb, weil wir die grosse
Thatsache von der Constaoz der gemeinsamen Varietäten -Merkmale nicht
hinreichend berücksichtigen, und uns die Differenzen grösser vorstellen, als
sie in Wirklichkeit sind, und überdies Mischformen und wohl noch ein
Theil der „Uebergangsformen" das Auffinden erschwert. Es wird noch be-
sonderer Studien bedürfen, die Charakteristik der verschiedenen Varietäten
festzustellen. Denn die Beschaffenheit der Haare ist nur eines der somato-
logischen Merkmale. Als in der präglacialen Entwicklungsperiode des
Menseben dieses Merkmal sich entwickelte, nahmen auch die anderen
Organe an der Umänderung theil. Bis zu welchem Grad, ist nur für die
schlichthaarigen Varietäten Europas und Westasiens in den Hauptumrissen
bekannt. Ich will bezüglich des Schädels daran erinnern, dass bei den
schlichtbaarigen leptoprosopen Formen der Knochen in allen Beziehungen
ein gewisses Gleichgewicht und ein Ebenmaass in der Gliederung zur Schau
trägt, das bei den straff haarigen Formen nicht in jenem Grade zum Ausdruck
kommt. Ein ähnlicher Gegensatz besteht zwischen den schlichthaarigen
Ghamaeprosopen Europas und den straffhaarigen Amerikas. Ich möchte
hier auf diesen Unterschied nur hinweisen, ohne weiter in diese Aufgabe der
Anthropologie einzutreten. —
Die Existenz grosser somatologischer Provinzen soll hier eben-
falls nur berührt werden. Es ist schon längst bekannt, dass die schlicht-
haarigen Varietäten, oder die straffhaarigen u. s. w. nicht auf einen Gontinent
beschränkt sind, sondern viel umfangreichere Verbreitungsgebiete besitzen.
40
J. KoUmanD:
Entstehang der Unterarten (Subspecies) und der Varietäten (Varietates) des
Menschengeschlechtes während der praeglacialen Entwickelangsperiode (Schema).
Sechs Unterarten
(Subspecies)
1« Chamaeprosope
Doliehocephalen
(Lan^schädel mit
breitem Qesicht)
2, Chamaeprosope
Mesocephalen
(Hittelköpfe mit
breitem Qesicht)
8. Chamaeprosope
Braehjcephalen
(Karsköpfe mit
breitem Gesicht)
4« Leptoprosope
Doliehocephalen
(Dolichocephale
Langgesichter)
5« Leptoprosope
Mesocephaleu
(Mittelköpfe mit
langem Gesicht)
6« Leptoprosope
Braehjcephalen
Penetration der Varietäten unter sich
und in die Continente
[/
Europa
Nordafrika
Westasien
\\\
V \
\/v ^^
\ \j
\l
Amerika
Ostasien
Inseln des
stillen Oceans
\A\
^\ \
A
VI
\ \
^ (3entralafrika,
Südafrika u.
benachbarte
^ Inseln.
Yariet&ten, bestimmt nach der
Beschaffenheit der Haare
Varietas cham. dolich. lissotrlehis
, , mesoc.
, • brach. ,
j, leptopr. dolich. ,
, mesoc.
Varietas cham. dolich. enthyeoma
9 , mesoc. 9
„ , brach. ,
, leptopr. dolich. enthyeoma
, , mesoc. eythycoma
- y, brach. ,
Varietas cham. dolich. nlotriehüi
, mesoc ,
, brach. ,
leptopr. dolich. «
, mesoc ,
brachy. „
Die Äntocbthooen Aio«rika^s.
41
Die geographische Yerbreitung der ersteren Formen erstreckt sich z, B. ober
ganz Europa, über Nordafrika und Woötasien. Die atraffhaarigen VarietateD
zerstreuen eich über ganz Amerika, Oatasien und die ösflichen Inseln des
stillen Oceans. Den Rest der übrigen Erde nehmen die Wollhaarigen ein.
Diese Gebiete, die nur in ganz allgemeinen Umrissen angedeutet wurden,
stellen also trotz trennender Meere grosse somatologische Provinzen dar, in
welche die verschiedenen Unterarten eingewandert sind ^)* In ihnen erhielten
sie dann wohl das specitisclie Gepräge der Varietäten. Zur Zeit kenne ich
keine andere Deutung für die überraschende Erscheinung, dass in Europa
mit dem Beginn der glacialen Epoche schon Abkömmlinge von fünf der
obenerwähnten Varietäten auftauchen, chamaeprosope Dolicho-, Meso- und
Brachycephalen und die leptoprosopen Vertreter derselben Schädelformen.
Alle treten sofort auf den Schauplatz, wo wir sie noch heute finden. Es ist
aus diesem Grunde ud statthaft, von alten und jungen Menschenrassen zu
sprechen, denn alle sind gleich alt und gleich jung. Man mag von jungen
und alten Völkern sprechen, aber darf nicht vergessen, dass wir als Re-
präsentanten der Varietäten von uraltem Adel sind, der seinen Stamm-
baum in der präglacialen Epoche hat.
Die Wanderung der Unterarten in die grossen somatologischen Gebiete,
und die Entwicklung der Varietäten mag in deu allgemeinsten Zögen das
Schema verani^chaulichen. Die erste Colmnne enthält die Namen der sechs
Unterarten. Von ihren verschiedenen Standorten begann die Wanderung in
die grossen somatologischen Provinzen (zweite Columne). Diese Standorte
mögen sehr weit auseinander gelegen haben, so dass z. B. Amerika von
mehreren, verschiedenen Punkten aus Sendlinge empfangen konnte und zwar
zu sehr verschiedenen Zeiten. Nach den vorliegeoden Erfahrungen drangen
also in diese grossen Provinzen stets mehrere Unterarten ein, um dort unter
dem Einöuss der Variabilität sich weiter umzuändern, sich in Varietäten
zu spalten. Diese Ereignisse der menschliehen Urgeschichte werden durch
die Columne III und IV ersichtlich. Das Schema stimmt mit der Thatsache
überein, dass wir überall die Plurahtät der Unterarten in ihren Varietäten
finden *)*
Es bleibt weiteren Untersuchungen vorbehalten, wie viel Rassen in die
grossen somatologischen Heiraathländer (Columne IL) eingewandert sind.
Für die Länder der schlicblhaarigen Varietäten (Europa, Westasien und
Nordafrika) ist die Zahl derselben von mir genauer bestimmt worden. Ich
habe (16 des Literaturverzeichnisses) deren Zahl auf folgende fünf berechnet,
nämlich:
1) Auf dem lüsel&rcfaipel mögeu sicti die Verbreitang»gebjete sehr mannichfacb durcb-
ecboeideo, ich lasse alio jeder scbärferen Umgrenzung völlig frei© Bahn.
2) Mau darf die Wandening der Vunetiten nicht aj§ eine so gleicl) massige auffaBaen^
wie sie iu dem Schema erscheint. Duich EiDiuss« des Klimas, des Bodens u, s. w. sind
offenhar niaunichfache Modifieationen des in dem Schema gleicbmässig erscheinendeu Vor*
gaoges veranlaast werdeii«
42 J. Kollmann:
1. LeptoproBope Dolichocephalen
2. „ Brachycephalen
3. Chamaeprosope Dolichocephalen
4. „ Mesocephalen
5. y, Brachycephalen.
Sie treten sämmtlich als schlichthaarige Varietäten auf. Dabei er-
giebt sich aus den vorliegenden Arbeiten (Ecker, Bis und Rütimeyer,
Virchow, Bogdanow und Anderer), dass oft einzelne Varietäten lange an
Zahl überwiegen, so z. B. in der ncolithi sehen und in den Anfangen der
Metallperiode die schlichthaarigen leptoprosopen und chamaeprosopen Lang-
schädel, während später die schlichthaarigen Brachycephalen in der Ueber-
zahl erscheinen, soweit die Gräberfunde ein Urtheil gestatten.
Diese Schwankungen in der Zeit wiederholen sich in anderer Form auch
im Raum, insofern als wir in einem bestimmten Gebiet mehr die breit-
gesichtigen Unterarten antreffen (Amerika), oder diejenigen mit den schmalen
Gesichtern (Europa). Diejenigen Unterarten, welche am zahlreichsten ver-
treten sind, bestimmen dann den anthropologischen Charakter des ganzen
Welttheiles.
In Central- und Sudafrika und den angrenzenden Inseln sind dies die
wollhaarigen Varietäten, in den beiden auderen Gebieten andere.
Dieselben Erfahrungen, die in Europa über die Einwanderung von
mehreren Varietäten und über ihre Verbreitung gemacht worden sind, gelten
auch für Amerika. Soviel bis jetzt bekannt ist, sind nur straffhaarige
Varietäten eingewandert. Nämlich:
1. Breitgesichter mit langem Hirnschädel,
2. „ „ mittellangem Hirnschädel,
8. „ „ kurzem Hirnschädel,
4. Langgesichter mit kurzem Hirnschädel.
Ob die übrigen Unterarten in der Form von straflhaarigen Varietäten
überhaupt fehlen, müssen erst weitere Untersuchungen unterscheiden. Ich
kann auf Grund craniologischer Vergleiche nur für die Existenz dieser
ebenerwähnten Varietäten einstehen, welche sich, wie schon wiederholt
gezeigt, auf den ganzen Kontinent verbreitet haben, aber nicht überall in
gleicher Zahl. Die langschädeligen Breitgesichter mit ihrem straffen Haar
kann der Craniologe überall finden, im Süden und im Norden, am
häufigsten wird er ihnen aber unter den Eskimos begegnen (Curve und
Tabelle IV). Die mesocephalen Breitgesichter sind in den arktischen
Regionen gering an Zahl, ebenso die brachycephalen Breitgesichter (siehe
dieselbe Curve), dagegen beherrscht ihre Zahl den ganzen übrigen Continent.
(Vergleiche die Tabellen I — V und die Curventafel). Was die straffharigen
Schmalgesichter mit kurzem Hirnschädel betrifft, so besitze ich Objecte aus
Peru, welche diesen Typus an sich tragen, sich durch einen hohen
Nasenrücken auszeichnen, und gegen die Breitgesichter mit eingedrückter
Die AulochlLoneD Amedka*g.
43
platter Nase einen auffallenden Gepjensatz bilden, welche ebenfalls in
peruanischem Gräbern und unter den Peruanern von hente vorkommen.
So lasst sieb trotz lückenhafter crauiologiacher Untersuchunpf schon
jetzt des Bestimmtesten aussagen, dass die grossen und kleinen ethni-
aclien Gruppen Amerikas eine complicirte Zusammensetzung be-
sitzen, gerade so wie dies in Europa der Fall ist. Die einzelnen
Völker sind seit undenklichen Zeiten auf den beiden so weit entfernten
Continenten aufgebaut aus den Vertretern verschiedener Varietäten,
die »ich unverändert erhalten haben, dort als straff haar Ige, hier als schlicht-
haarige. Hier wie dort bestimmt die ladividuenxahl der einzelnen Varietäten
das anthropologische Gepräge. Wenn die Etbno lotsen berichten, dass die
Indianer Nordamerikas, dann die Autochthonen Central- und Südamerikas
verschieden seien unter einander, sa ist diese Angabe gewiss zutreffend, aber
ihre Erklärung ist nicht aui Eiufluss des Klimas zurückzuführen, s^mdern
auf die innige Penetration. Die statistische Vergleicijung eines einzigen
Merkmales wie des liängenbreitenindex reicht aus, um den durchschlagenden
Beweis hierfür zu erbriogen. In den vorüegcnden Curven konnte nur dieser
Index benutzt werden, und dennoch zeigt sich eine höchst bcmerkenswerthe
Differenz auf den Curven von JI— V. Keine gleicht der nndern vollständig.
Jede Zeit und jede der ethnischen Regionen erhält ihr eigenartiges Ge-
präge durch die Verschiebung der Prozentverhältnisse der ein-
zelnen Varietäten and zwar io Amerika so gut, wie in Europa-Asien^).
Die Hauptsätze der vorausgegangenen Erörterungen lauten dahin, dass
in Amerika
L die Pluralität der Varietäten erweisbar ist, welche in Form straff-
haariger Varietäten auftreten;
2, die Ubiquität dieser Varietäten auf dem ganzen Gebiet ist zweifellos;
3. die Penetration der Varietäten untereinander ist so vollständig,
dass nirgends Völker nachzuweisen sind, welche aus einer einzigen
1) Wft» weiter olien voti grossen somatoJogjachen Gebieteo gesagt wurde, die sich durch-
&Q8 nicht io die engea Grenztü der sogenanoten Welltbeile eioschränken lassen, schliesat
glekhaeilig die Änfürdening in sich, die Eititheiluug der Varietäten nach Welttheilen fallen
in IflAsen, ao schwer es auch werden mag, diese fie wohnte VorsteiluDg zü verlasseo. Es ist
also wönschenswerth, nicht von amerikanischen, eurnpäischen eic Varietäten des Meüscheu-
geschlecht&» zu sprechen^ w^il d:i mit denselben eogere Verbreitungsbezirke angewiesen werden,
als sie in Wirklichkeit besitzen. Nachdem ßine beHondere ErachafTung der Aut och I honen
t, B. Amerika'« aiisgeschhjssen bleibt, also die Abstammnng auf die getueinschaftlichen
Stsimmeltera hinleitet, ho dürfen die physisrhen Merkmale der Coustanz der Tnterarten nie-
mab aus den Augen geliiss^en werden, Buhald die klassificirende Anthropübgie in ihr Recht
tritt. Das obige Schema ist jeder Erweilerang f*hig, wekhe sich u&th einer Richtung hin
scboQ Jetzt voraussagen läsat. Die Zahl der Unterarten wird wcihl dirrch ein© vermehrt
werden, für jene der Pjfgmäeo, welche, wie e» icheint, eine eigenartige Stellung einnehmen.
44 <^* Kollmann:
Varietät beatehen; stets sind sie aus mehrereD zusammengefügt.
Ferner ist erweisbar^ dass
4. diese vollständige Penetration schon in der pracolumbiscben Zeit in
sehr intensivem Grade vollzogen war. (Tabelle V und Curve V).
Parallele Verhältnisse sind von mir bereits für die achlichthaarigen
Rassen Europas nachgewiesen worden (Nr. 16 und 28 des Literatur-
verzeichnisses),
Der Nachweis der Ubiquität und der Penetration der Varietäten prä-
eolnmbischer Periode wurde in der vorliegenden Mittheilung mit Hilfe des
Läügenbreitenindex des Schadeis erbracht. Auf Grund weiterer Uater-
suchuDg an lebendem und todtem Material lassen sich jedoch noch folgende
Angaben machen:
Es findet sich in Amerika
a) die leptoprosope Brachycephalie, Kurxschädel mit schmalem Gesiebt,
b) die chamaeprosope Brachycephaliej „ „ niedrigem ^
c) „ „ Mesocephalie, Mittelköpfe „ „ „
d) ^ ^ Dolichocephalie, Langköpfe „ „ „
sämmtUch als straffhaarige Varietäten. (Varietät es euthycomae).
5. Die Unterschiede der Autocbthonen Amerikas von denjenigen anderer
Continente lassen sich nicht auf klimatische Einflüsse zoröckzuführenj
soweit auch craniologische Prüfung zurückreicht.
6. Die Unterschiede der Indianervölker untereinander, d. h. die ethni-
schen Gruppen sind abhängig von dem Grad der Penetration der
VarietätcD, welcher weder im Raum noch in der Zeit gleich-
massig war.
Was das grosse Problem von dem Einfluss der umgebenden Natur auf
den Menschen betrifil^ so fehlen positive Anhaltspunkte für eine solche
Annahme. Wie in Europa alle Zeichen dafür sprechen, dass seit der dilu-
vialen Epoche die Organisation keinerlei Umwandlung in Bezug auf die
typischen Merkmale erfahren habe, so zeigen sich nirgends an den ver-
schiedenen Varietäten Amerikas Eigenschaften, welche durch Klima oder
ahnliche Wirkungen erzeugt worden wären. Auch die amerikanischen
Varietäten des Species homo sapiens sind wie diejenigen Europas in den
Zustand der Daoertypen seit lange übergetreten. Die Zeit der Elasticität,
die Entstehung neuer physisch verschiedener Formen ist längst vorüber.
Dagegen ist der Geist entschieden in einer wachsenden Periode, die Kraft*
entfaltüDg des Gehirns ist in der Zunahme. Ich spreche ausdrucklich nur
von der Kraftentfaltung des Gehirns und verstehe darunter die EDtwicklung
der schon in das Diluvium mit hinüber gebrachten Fähigkeit zu geistiger
VervoUkommnun g.
Wo wir Menschen finden in den glacialen Schichten Europas, da sind
sie sofort hoch organisirt, ebenso wie heute, Sie standen allerdings auf
einer niederen Caltüratufe. Die gleichzeitige Annahme von der körper-
I
I
\
! l_
_k.
Die Autocbthonen Amerika's. 45
liehen Inferiorität der ältesten Einwanderer beruht auf der falschen Voraus-
setzung, dass die roh behauenen Steinbeile von Menschen hergestellt
worden seien, welche soeben die pithekoide Natur abgestreift hätten. Die
Schädelreste liefern den schlagendsten Gegenbeweis; sie sind ebenso hoch
organisirt, als die der Culturmenschen unserer Tage. In der ersten Ueber-
raschung ob der unerwarteten Funde von Menschenschädelu in so alter
geologischer Zeit gab man etwas übereilte Entscheidungen über ihre physi-
schen Eigenschaften und sprach von unergründlicher Inferiorität z. B. der
Mammuthjäger. Bei ruhigerer Ueberlegung stellt sich nun aber mit aller nur
wün Sehens werthen Bestimmtheit heraus, dass man sieh darin gründlich
geirrt hat. Man darf also heute nicht mehr von primitiven Rassen
Europas sprechen in dem Sinn, sie dadurch als „inferior^ zu erklären. Die
europäischen Rassen haben einen primitiven Culturzustand aufzuweisen,
das liegt in dem Entwicklungsgang der Menschheit, und diesen Nach-
weis erbracht zu haben, ist das Verdienst der prähistorischen Forschung,
aber es ist falsch, von einer niedern Culturstufe auf „inferiore Rassen^ zu
schliessen.
Damit fällt auch das alte und oft verkündete Dogma: die höher
organisirten Rassen wären später gefolgt, und hätten die nieder stehenden
vernichtet. Auch nicht der geringste anatomische Beleg ist hierfür zu finden.
Wahr und unzweifelhaft ist nur ein stetiges Aufsteigen von niederer
Culturstufe zu höherer. Vom rohen Steinbeil bis zum Bronzehammer und
bis zum Eisen und Dampf und Telegraphen folgt ohne Unterbrechung
eine culturgescbichtlich ansteigende Bahn. Es ist also eine gänzlich irrige
Voraussetzung, jeden Fortschritt von dem Auftreten einer neuen, höher
organisirten Rasse abzuleiten. Die Craniologie kann beweisen, dass die-
selben Varietäten es sind, die zu immer höheren Stufen sich
emporarbeiten. Es ist nicht die Verbesserung der physischen Merkmale,
welche den Fortschritt gebracht hat, sondern der Gebrauch des Gehirns,
die Weiterentwicklung der schon vorhandenen Fähigkeiten in dem belebenden
Kampf um die Existenz.
Basel, Ende Oktober 1882.
literaturverzeiolmiss.
1. Otis, 6. A., Check List of praeparations and objects ia tbe section of buman anatomy
of tbe U. S. Army medical Museum. Wasbin^ton D. G. 1876. 8^
2. Schaaffhauaen, die anthropologischen Sammlangeo Deutschlands. Archiv f. Anthropo-
logie von A. Ecker u. Lindenschmit Bmunschweig. 4^ Zur Benutzung standen:
J. KoHmaDii:
ä) Spengel, J. W., diö anthrop. SÄmiiilanjj von OSttinjjren.
h) Broesike,
c) Ecker, A.,
Berlin.
Frei bürg.
d) 8ebaaffhaiiHen, , , , , Boun,
3- Vircbow, R., Anthrüpologie Amerika's. Zeitscbrifl für Elhnologie Verhüntilungen der
Berliner anthrop. Gesellschaft, Ausserordenllüh© Sitzung vom 7, April 1877.
4. Virchow, die Feuerländer. Ebenda. Sitzung vom H.November 1881. 8".
5. DaTis, B» J., Thesaurus Cranionim. London 1867. 8".
6. Bohr, Besuch vod Feoerlfindern m Bord S. M. S. Haosa. Ein© Notiz. Zeitschrift für
Elhfiojogie. VerbLiTidlun^eo der Berlitier anlbropolog. Gesellschaft. Sitiung vom
15. Jannar 1881
7. ßroca, Sur deux series de cranes provenant dancieDTies »^piilturca indiennes des eti-
virons de Bogota. Bulletin de Ja sociele d'Aiitbropolo^ie. VatU 1876, 8'' \k 359.
8. Fiöwer, B*, Cat:i!ogue of tbe specimeDs illustnitinf; Ihe osteology elf. rootained io the
museuro of fbe Hoysil Cdleg of Surgeons of England London 1879* 8''. Part L^ Man.
9. Huxley, Juiirnal uf Anatomy and pbyeiotogy. 1868. Vol. ü. pag. 268.
10. Dali, H. W., Tdbe» nf the extiem Norlhwest U.S. lleographical and geobtgical Survey
of the Rocky-mounlaiii Rei^iMU. Sniiihsonian Inslitnlion. Washington 1877.
11. Toldt, UeWr die Schädelform der Eskimo. Prager medici)ai*che Wochenschrilt. 1881.
Nr, 3 Mit 2 Holzs* hnitfen.
12. Carr, L., Observatiuns on tbe cmnia from tbe Stone graves in Teije«s-*c io If Ann,
Ei'port Peabody Museum. VuL Iti pn. S81— 384. Siehe auch die Literaturangab«
Nr. 19,
13. Ecker, Ä,, üeber die körperlichen Eigenscliafteo der früheren Einwohner von Flonda.
Archiv für Anthropologie, Bd. X, S. 101 und in: Die an tbropo logische Siimmlung
von Frei borg i. B. ebenda.
14. Bessels, J., The huoQan rematns fonnd among the ancient ruins of South western Colo-
rado and Ni-rtbern Mexico, Bulletin of tbe ü. S geolog, and geograph. &urve]r.
Washington 1876, Vol. II. pag, 48. Hieriu Taf. 23-29,
15. Ranke, J.^ Die Schädel der alt bayerischen Landbevolkening, Beitrage lur Anihropologie
und Urgeschicbte Bayerns. München 1880 gr. 8**. Bd, 111. S. 108. Mit 1 Cuiven-
tafeL
16. K oll mann, J., Betträge zu einer Craniologie der etiropäisrhen Volker, Archiv fiir An*
thropolngie, Bd. XllI 1881 u. Bd, XIV 1882. Mit 5 Tafeln n, 1 Cnrventafel
n. Lenbossi^k, Jos. v. Die künstlichen S^'hidelverbildnrtgen im Allgemeinen u. swei
künstlich verbildete Stbädel aus üngurn. Budapest 1878. 4^» Blit 11 pbototypi-
scben Figoren auf 3 Tafeln und mehreren Fignren im Text
18. Meyer, A. B., Ueber künstlich deformirte Schädel von Borneo und Mindanäoj nebst
Bemerkungen über die Verbreitung der Sitte der kÜDstlicben Schädel-Deformirong,
Mit 1 Tafel. Leipzig und Dresden 1881.
19. Putnam, F. W., Annual repurts of the trusteea uf Ihe Peabody uioseum of american
archaeology and ©thnology 1868—1878. 11. Rep. pwg, 3(fö erschienen 1879. Nach
eiTjem Referat von E. Schmidt in dem Archiv für Anthropologie.
20. Qualrefages et Hamy, Crania ethnica. Paris 1882. 4^. pag. 462. Ebenda eine sehr
gute üebersiiht der üeschi^bte der amerikanischen Ru^senfrage,
Die beiden Autoren enthalten sieb jedoch ausdrücklich einer bestimmten
Glassißcation und bringen nur thatsächliches Materini bei, das durch mehrere Tafeln
auch bildlich vertreten ist.
21. Virchow, R., üeber altpatagumiBcbe, altchileniscbe und niodero© Pampas-Schadel, Zeit-
scbrift für Ethnologie 1874, Bd, 6. Verhandlungen der Berliner antbrop. Gesell-
schaft S. (60)*
22. Vircbow, R,, Ueber den Scb&del des jungen Gorilla. Monatsberichte der k. Akademie
der Wiss. zu Berlin. Sitzung der pbysik.-tiiatL Klasse vom 7. Juni 1880. S, 516.
Mit 2 Tafeln.
23. Vircbow, R., Darwin und die Anthropologie, Rede gebalten bei der Vereammlung der
Die Autochthonen Amerika's. 47
deatschen anthropologischen Gesellschaft zu Frankfurt a. M. Gorrespondenzblatt
dieser Gesellschaft f. d. Jahr 1882. September. S. 80.
24. Rieger, Dr., Ueber die Beziehungen der Scbädellehre zur Physiologie, Psychiatrie und
Ethnologie. Würzbiirg 1882. 8^
25. Haeckel, E., Generelle Morphologie der Organismen. Berlin 1866. II. Bd. S. 336.
26. Darwin, Ch , Die Entstehung der Arten im Tbier- und Pflanzenreich durch Datürliche
Züchtung. 2. Aufl. Stuttgart 1863. S. 125 ff.
27. Kollmann, J., Ueber Slaven und Germanen. Ein Vortrag bei der Xill. Versammlung
der deutschen anthropologischen Gesellschaft zu Frankfurt a. M. CorrespondenzbUtt
dieser Gesellschaft 1882. S: 203.
28. Hnxley, Tb. H., Wissenschaftliche Vortrage, in Amerika gehalten. Antorisirte deutsche
Ausgabe von J. W. Spengel. 2. Aufl. Braunschweig 1882. 8.26.
29. Rntimeyer, L., Studien zu der Geschichte der Hirscbfamilie. Verhandlungen der
Naturforschenden Gesellschaft in Basel VII. 1. S. 3.
30. ▼. Holder, Zusammenstellung der in Württemberg vorkommenden Schädelformen. Stutt-
gart 1876. 4^ und: Die Skelete des römischen Begräbnissplatzes in Regensburg.
Archiv f. Anthropologie Bd. XIII, Supplement.
81. Wagner, M., Die Darwin'scbe Theorie und das Migrationsgesetz der Organismen. Leip-
zig. Verlag von Dunker und Dumblot. 1868. Derselbe: Ueber den Einfluss der
geographischen Isolirung und Colonienbildung auf die morphologischen Verände-
rungen der Organismen. Vortrag in der Sitzung der k. bayer. Akademie d. Wiss.
vom 2. Juli 1870.
Erklärung der Curventafel.
Jede Curve giebt ein Bild der Vertheilung der verschiedenen Varietäten und der Häufig-
keit ihrer Vertreter (vergl. S. 12 u. ff.). Für die Herstellung (vergl. 8. 15) sind die Längen-
breitenindices (L : B) von 1500 Schädeln verwendet worden. Die stark ausgezogenen senk-
rechten Linien zeigen übersichtlich für alle Curven die Grenzen für die einzelnen Varietäten
und die Form des dazwischen befindlichen Curvenabschnittes die Häufigkeit der Vertreter.
Links befindet sich die Äbtheilung für die Langschädel, rechts jene für die künstlich defor-
mirten Schädel (siebe S. 18 u. f.), die mittleren Abtheilungen zeigen die Häufigkeit der Meso-,
Brachy- und Hyperbrachycephalen.
L Curve für die Schädelformen des ganzen amerikanischen Continents mit Ausschluss der
präcolumbischen Völker. Nach der reducirten Zahl von 1292 Schädeln herge-
stellt. Vergleiche hierzu Tabelle l, S. 14.
IL Curve für die Schädelformen der Indianer Nordamerika s mit Ausschluss der Pol ar Völker.
Nach der reducirten Zahl von 917 Schädeln hergestellt. Vergl. Tabelle II, S. 17.
III. Curve für die Schädelformen der Central- und Südamerikanischen Völker mit Einschluss
der Mexikaner. Nach der reducirten Zahl von 248 Schädeln hergestellt. Ver-
gleiche Tabelle 111, S. 25.
IV. Curve für die Schädel der Eskimo's. Nach der reducirten Zahl von 127 Schädeln her-
gestellt. Vergleiche Tabelle IV, S. 26.
y. Curve für die Schädelformen der präcolumbischen Bewohner Amerika*8 (Moundbuilders,
Cliffdwellers etc.). Nach der reducirten Zahl von 208 Schädeln hergestellt Ver-
gleiche Tabelle V, S. 27.
II.
Die Gemme von Alsen und ihre Verwandten.
(Nachtrag und Berichtigung.)
Von
Dr. Max Bartels in Berlin.
Als ich im Joli des Jahres 1882 meine unter dem obigen Titel auf Seite 179
bis 207 des vorigen Bandes veröffentlichten Aufsatz der Redaktion über-
gab, da sprach ich bereits die Hoffnung aus, dass die in der Abhandlung
beschriebenen und in Holzschnitt reproducirten zwölf Gemmen noch nicht
die gesammte Anzahl der Exemplare dieses absonderlichen Typus v^ären,
Vielehe auf uns gekommen sind. Diese Hoffnung hat sich bedeutend schneller
bestätigt, als ich selbst es gedacht und erwartet hatte und ich habe mit dem
vorliegenden Nachtrage gleichzeitig eine Unterlassungssünde wieder gut zu
machen. Zwei unserer Gruppe angehörende Gemmen waren nämlich, wie
Herr Dr. Ingvald Undset (Christiania) mir auf der anthropologischen
Generalversammlung in Frankfurt am Main roittbeilte, bereits im Jahre
1877 von dem Conservator des Rijksmuseum für Alterthümer zu Leiden,
Herrn Dr. W.Pleyte, publicirt worden. Sie sind in seinem Werke: Neder-
landsche Oudheden van de vroegste tijden tot op Earel den
Groote. Leiden 1877) aut Tafel XVII Figur 12 a und e abgebildet und
auf meine Bitte hatte Herr Dr. Pleyte die Gefälligkeit, mir Siegelabdrücke
derselben zu übersenden und einige erläuternde Bemerkungen hinzuzufügen.
Das erste dieser beiden Specimina ist:
XIII. Die Gemme von Franeker.
Fundort: Franeker. (Westergo, Friesland, Niederlande).
Jetziger Besitzer: Die friesische Sammlung in Leiden. (Man
vergleiche W. Pleyte a. a. O. Fig. 12 a).
Ovale Glaspaste, einen nachgemachten Niccolöstein darstellend.. Bild-
fläche: 27 mm zu 21mm.
Drei stehende Figuren von ungefähr gleicher Grösse, die linke nach rechts
blickend und die mittlere und^die rechte nach links blickend. Es sind
kurze, breite, gedrungene Gestalten, an diejenigen des zweifigurigen Typus
erinnernd. Sie gehören ganz unverkennbar zu unserer Gruppe von Kunst-
werken und bilden ein interessantes Mittelglied zwischen den Gemmen mit
zwei und denjenigen mit drei Figuren.
Dr. Max Harteis; Die Gemuie von ,4Iseii und ilire VerwaDflten.
Die linke Figur hat einen niedrigen Kopf mit flach abgeschnittener
Scheitelhöhe und einer langen, ganz gegen die Stirn hin aufgekippten Nase.
Das Kinn ist kurz und spitx nnti auch der HaU ist nicht lang. Der Rumpf
ist kurz und breit. Der rechte Arm iet vom Ellenbogen abwärts öebr ver-
dickt und die klumpige Hand hült nicht, wie es sonst dm Gewöhnliche ist,
einen Korperfortsatz, sondern sie beröhrt scheinbar das hintere Körperende.
Von dem letzteren entspringt ein dicker KörperfortsatÄ, welcher einem
Schwänze abnlicb fast senkrecht heriibhängt und unten glatt abgeschnitten
erscheint. Dieses Gebilde ist ungefähr noch einmal so dick, als sonst die
Körperfortsätze und die Arme zu sein pflegen und reicht bis zur Höhe der
Kniekehle abwärts. Es ist wohl das Wahrscbeinlichste, dass wir darin ein
Schwert, welches umgegürtet ist und in der Scheide steckt, zu erkennen
haben.
Der linke Arm ist kurz und trifft sich nicht genau, wie das sonst immer
der Fall ist, mit (\vr rechten Hand der mittleren Figur. BeidelHände liegen
vielmehr in gleicher Hohe neben einander und scheinen einen kurzen, hori-
zoDtalliegenden Stab zu halten, welcher sich bis zu der Unterbauchregion
der mittleren Figur verfolgen lässt und als ein kurzer Stummel am hinteren
Korperende derselben wieder zum Vorschein kommt. Auch dieses ist ver-
muthlich wieder ein Schw^^rt. Die Beine der linken Figur verlaufen im
leichten Bogen; die Fösse sind dick und klumpig und scheinen dadurcht
da.S8 sie etwas oberhalb des untersten Endes den Unterschenkel treffen, mit
hohen Absätzen versehen zu sein.
Die mittlere Figur hat an der Scheltelhöhe des Kopfes drei kleine, spitze
Fortsätze, weiche wohl als die Andeutung der Zacken einer Krone betrachte,
werden müssen. Die Nase ist kurz, das Kinn ist lang, breit und unten ab-
gerandet, wie ein grosser Kinn hart Der Hals ist ebenfalls lang und breiter
als wir es sonst bei diesen hageren Gestalten zu sehen pflegen. Die rechte
Schulter steht etwas höher, wie die linke, und die linke Hand berührt das
vordere Endstück des bereits bei der vorigen Figur besprochenen Körper-
fortsatzes, den wir als ein umgegürtetes Schwert gedeutet haben, in einer
WeiBe, als ob sie sich auf den SchwcrtgrifT stütze and es scheint hierdurch
die Schulter in die Höhe gedrängt zu sein. Die ganze Gestalt bekommt
durch diese Asymmetrie in der Haltung einen ungemein trot/Jgen Ausdruck,
von dem ich wohl glauben möchte, dass er von unserem Künstler wirklich
beabsichtigt worden ist, und nicht nur zufallig zu Stande kam.
Der linke Arm ist in gewöhnlicher Weise nach unten ausgestreckt und
kreuzt sich mit dem untersten Ende des Schwertes. Seine Berührung mit
dem rechten Arme der Nachbarfigur ist auch eine ganz absonderliche und
wird bei dieser besprochen werden. Die Beine sind gerade und steif, die
Fasse ziemlich gross und dick ; der Absatz des linken Fusses steht auf der
rechten Fussspitze der rechten Figur,
Die rechte Figur hat einen hohen, absonderlich abgerundeten Kopf,
ZelUebrlf^ fEr EUiooloftie. Jubrg. 1S83. 4
50 I>i'. Max Bartels:
welcher aussiebt, als ob ihm eine niedrige Kaiserkrone aufgesetzt wäre.
Eine ganx feine, aber lange Nase geht wagerecht von der Mitte des Antlitzes
ab. Das etwas aufgekippte Kinn springt stark nach vom hervor, einem
spitzen, von unten hinten her hochgestrichenen Kinnbarte ähnlich. Der Hals
ist lang und sitzt dem Rumpfe schief auf, so dass der Kopf etwas vor-
geschoben erscheint. Der Rumpf ist plump und in seiner untersten Partbie
gespalten. Der rechte Arm ist dem .linken der mittleren Figur entgegen-
gestreckt und verbindet sich mit ihm auf ganz absonderliche Weise. Man
kann nämlich ganz deutlich erkennen, dass die rechte Figur den Vorderarm
der mittleren von hinten her umfasst und die Hand um deren Handgelenk
legt, fast so, als ob sie die mittlere Figur, deren Arm gestreckt ist, unter-
fassen wollte. Hierin haben wir wieder einen neuen, interessanten Beleg für
die Zusammengehörigkeit sämmtlicher von mir publicirter Gemmen zu er-
kennen. Denn ganz dasselbe Motiv finden wir, allerdings nicht in dieser
unverkennbaren Deutlichkeit, auf der (zweifigurigen) Gemme von Olden-
burg (Nr. XII) wieder.
Aber auch noch etwas anderes erinnert uns bei dieser rechten Figur
an den zweifigurigen Typus. Das ist der linke Arm, welcher, weit vom
Körper abstehend, durch eine abgerundete, aber lang ausgestreckte Schulter
mit ihm. verbunden ist. Hier haben wir diejenige Form der oberen Extremität,
wie sie sich bei der kleinen Gemme des Berliner Reliquariums (IXNr.5)
und bei der grösseren Luneburger Gemme (XI Nr. 7) findet. Wir waren
im Stande gewesen, nachzuweisen, dass diese Form des Armes als das
Rudiment eines grossen Adlerflugeis betrachtet werden muss. Das Handende
dieser Extremität berührt den untersten Theil eines Körperfortsatzes, welcher,
das hintere Körperende kreuzend, vorn wie ein Phallus um ein kleines Stück
hervorragt. Das ist mit grösster Wahrscheinlichkeit wieder ein umgegürtetes
Schwert.
Auch bei dieser Figur sind die Beine gestreckt und die Füsse ziemlich
lang. Der rechte Absatz erscheint sehr dick, was durch Ausspringen der
Gemmenoberfläche verursacht ist. Demselben Umstände scheinen eine Reihe
regellos über das Gemmenfeld zerstreuter, kleiner punktförmiger Vertiefungen
ihren Ursprung zu verdanken. Es sind aber noch zwei Attribute zu er-
wähnen, welche an gewohnter Stelle über den Köpfen der drei Figuren
schweben. Sie sind jedoch im Gegensätze zu dem sonstigen Vorkommen
nicht symmetrisch gebaut. Ich glaube wohl, dass diese Asymmetrie eher
eine Folge der Ungeschicklichkeit unseres Künstlers ist, als eine wirklich
beabsichtigte.
Das rechte Attribut erscheint als ein System von vier Linien, welche,
von oben her kommend, sich in einem Punkte treflfen. Das ist wahrschein-
lich wieder der Baumzweig, welchem wir ja schon öfters begegnet sind.
Das linke Attribut steht etwas niedriger. Eine horizontale Linie kippt sich
mit ihrem medialen Ende etwas nach oben; eine Senkrechte, von oben her
Die Gemme von Alsen und ihre Verwandten. 51
kommend schneidet sie eben noch, und eine von aussen herabziehende
schräge Linie schneidet sie und die Senkrechte. Das hieraus resultirende
Gebilde erinnert wieder mehr an die rohe Darstellung eines Vogels. Zwi-
schen und über diesen Attributen genau in der Mitte befindet sich einer der
vorhin erwähnten regellos vertheilten Punkte. Auch diesen Platz nimmt er
wohl ohne Absicht ein. Ein zweiter schwebt zwischen den Köpfen der
linken und der mittleren Figur, ein dritter über der Flügelschulter der
rechten Figur, ein vierter zwischen den umschlungenen Armen dieser und
der mittleren uud ein fünfter zwischen den Unterschenkeln der mittleren
Figur. Endlich steht noch ein sechster neben dem Schwanzfortsatze der
linken und ein siebenter unter den Füssen dtT rechten Figur. Der rechte
Kand des Gemmenfeldes zeigt einen Defekt fast von der Grösse eines
Hanikoms.
Angeblich wurde diese Gemme bei Franeker, einem alten Euotenr
punkte früh -mittelalterlichen Verkehrs, in der Erde gefunden, in Gemein-
schaft mit bearbeiteten Thierkuocheu und Kupferschmucksacheu. Herr
Dr. Pleyte erwähnt bereits die Möglichkeit, dass diese Gemme als Amulett
gedient habe. Im Uebrigen acceptirt er die Stephens 'sehe Ansicht.
Die zweite Gemme, deren Abdruck ich Herrn Dr. Pleyte verdanke, ist
XIV. Die Gemme von Klaarkamp.
Fundort: unbekannt.
Jetziger Besitzer: Die friesische Sammlung in Leiden. (Man
vergleiche W. Pleyte a. a. 0. 12 e — soll wohl heissen 12 d!)
Ovale Gemme, wahrscheinlich ebenfalls eine Glaspaste. Bildfläche: 21mm
zu 16 mm. Sie stammt aus Klaarkamp, dem altberühmten Kloster Clarae-
campus bei Dantumadeel zwischen Dockum und Leeuwardeu. (Fries-
land, Niederlande).
Drei stehende Figuren von ganz besonderer Dünne und Magerkeit, ver-
bunden mit ausserordentlicher Flachheit des Intaglio. Das alles findet sich
in ganz ähnlicher Weise nur noch an der grossen Gemme des Berliner
Reliquaiiums (IV Nr. 4).
Die linke Figur blickt nach rechts, die mittlere uud die rechte Figur
bUcken nach links.
Die linke Figur ist etwas kleiner als die beiden anderen und trägt an
der Stirn einen gekrümmten hornartigen Fortsatz, mit der Gonvexität nach
unten, eine krumme Nase, wie ein Policinello, und ein spitzes, nach auf-
wärts gekrümmtes Kinn, üeber dem Hörn, welches wohl einen vorspringen-
den Kranz bedeuten soll, entwickelt sich die etwas nach hinten übergekippte
Scheitelhöbe, welche zusammen mit dem Hörne fast wie eine Jockeymütze
aussieht. Der Hals ist ganz besonders kurz und breit, die Schultern springen
stark eckig hervor. Der rechte Arm hält einen Körperfortsatz (Schwert?).
52 Dt- W«E Bartels!
welcher etwas oberhalb de» Körperendes abgeht. Der linke Arm trifft sich
mit dem rechten der Nach barfi gar so, dass beide vereint noch eine ziem-
liche Strecke abwärts laufen. Dieses gemeinsame Stuck macht den Eindruck,
als wenn die beiden vereinten Hände einen herabhängenden Gegenstand
hielten.
Der schmale Körper trägt in seiner Mittellinie eine feine, erhabene
Lungsleiflte. Sie ist zweifellos ohne jede Bedeutung und verdankt ihren
Ursprung nur dem Umstände, dass der Steinschneider den Leib durch zwei
sich berührende Längsfnrchen darstellte; natürlicher Weise ist der Berüh-
rungsrand dieser beiden Längsfurchen erhabener, vorspringender, oberfläch-
licher, als ihre Mitte und erscheint somit als eine den Rumpf der Länge
nach halbirende Leiste. Die Beine sind leicht im Knie gebeugt und die
groseen Füsse sitzen an ihnen etwas oberhalb ihres unteren Endes, so da«s
dieses letztere weiter herabreicht. Hierdurch wird der Eindruck hervor-
gerufen, als hätte das Männchen habe Absätze.
Die mittlere Figur hat * einen kleinen, runden Hinterkopf, eine stark
und lang hervorspringende Nase und ein kurzes, spitzes Kinn. Auch hier
ist der Hals kurz, aber doch viel langer, als bei der vorigen Figur, Der
schmale Rumpt ist kurz und die fast geraden Beine sehr lang. Der rechte
Arm wurde bereits erwähnt; die linke Hand hält einen kurzen Korperfortsatz
(Dolch?) an seinem unteren Ende, berührt sich aber gleichzeitig mit dem
rechten Arm der rechten Figur,
Die rechte Figur hat einen hohen ^ schmalen, oben abgerundeten Kopf,
eine grosse, rüsselförmig nach oben strebende Nase und ein langes, unten
abgerundetes Kinn. Der Hals besitzt eine ziemliche Länge. Der Rumpf ist
aber ausserordentlich kurz und die langen Beine sind durch zwei ganz
gerade Striche gebildet. Das linke Bein wird etwas zurückgesetzt; die Füsse
haben kurze Absätze. Der Arm hält einen sehr langen Körperfortsatz in
seiner Mitte, vielleicht eine Lanze«
Attribute entdecke ich in dem Gemmen felde nicht, wohl aber einige
punktförmige regellos vertheilte Defekte der Oberfläche. Es sei gestattet,
daran zu erinnern, dass auch die dreifigurige Gem me von Selchausdah 1
(die kleine Kopenhagener Gemme) (III Nr. 3) anscheinend keine
Attribute besass.
Herr Dr, Pleyte hatte die grosse Freundlichkeit, mich noch auf fol-
gende in den Niederlanden befindliche Stücke aufmerksam zu machen;
XV. Die grosse Gemme van Utrecht.
Sie zeigt drei stehende Figuren.
XVI Die kleine Gemme von Utrecht.
Auf ihr sind nur zwei Figuren dargestellt.
Diese beiden Exemplare von unbekannter Herkunft zieren den Einband
I
XM^ Gemmp von kh^n und ihre WrwandleD*
5a
elaes Mb^sale in dem erzbiscböäicben Museum tu UtrecbL Es bedarf wobl
Dicht erst der ErwuhntiDg, dass ich mich direkt an die DirektioD dieses
Museums gewandt habe. Eine Antwort habe ich nicht erhallen und bin
daher zu meinem grossen Leidwesen auch ausser Stande, Näheres über diese
Gemmen anzugeben. Interessant ist es aber^ dass auch hier wie bei dem
Reliquarium des Berliner Museums an demselben Gegenstände des christ-
lichen Cultus eine dreifigurige und eine zweißgnrlge Gemme neben einander
vorkommen. Natürlicher Weise kann das aber auch ein blosser Zufall sein.
Da« dritte derjenigen Stücke, auf welche Herr ür. Pleyte mich hin-
wies und das er mir durch eine Skizze und kurze Beschreibung bekannt
machte, %'erdient unser Interesse in einem ganz besonderen Grade, Es zeigt
uns nämlich mm ersteo Male vier eingeschnittene Figurf^n und eine höchst
merkwürdige Abweichung in den schwebenden Attributen. Im Uebrigen
»ieht man aber wieder auf den ersten Blick, daas auch dieses Specimen
nnzweifelhaft zu unserer Gruppe zu rechnen ist. Denn die Technik, die
Zeichnung und das benutzte Material ist dasselbe, wie bei den übrigen uns
scholl bekannten Exemplaren, Ich bezeichne dieses Stück als:
XVII. Die Gemme von Roden.
Fundort: Lieveren. Gemeinde Roden, Provinz Drenthe, Nieder-
lande.
Jetziger Besitzer: Das Provinciaal Museum van Oudheden in
Drenthe zu Assen.
Der Sekretär der Commissie van Bestuur dieses Museums, Herr C. R.
W. Kijmmetl hatte die grosse Gefälligkeit, meine Bitte um genaue An-
gaben über diese ioteressante Gemme zu erfüllen und mir auch eine vor-
zügliche farbige Zeichnung derselben mitzuschicken. Hierdurch iiin ich in
den Stand gesetzt, diese erste Gemme vom vieriigurigen Typus dem Leser
im Bilde vorzuführen und folgendes über dieselbe auszusagen:
Es ist eine ovale* dunkelblaue Glaspaste, an den
Handflächen f^chwarzblau, fast schwarz, weiche auf der
Kehrseite glatt geschliffen ist, ohne jedoch hier irgend
welche Gravirung zu zeigen. Bildflache: 2^7nm zu ISmm.
Gefunden wurde das Stück vor 25 bis 30 Jahren
in einem Torfmoore bei der zur Gemeinde Roden ge-
hörigen Ortschaft Lieveren. l^/.j Fuse unter der
Oberflache. Durch den Bürgermeister von Roden,
Herrn C. W. E. Kijm'mell wurde der merkwürdige Fund dem Museum in
Assen geschenkt.
Von den vier stehenden Figuren, welche, wie gewöhnlich, sich die
Hände reicheo, bückt die linke (w4e immer im Intagiio und vom Beschauer
aus gerechnet) nach rechts, während die drei anderen den Blick nach links
gerichtet haben. Wir müssen hierin eine interessante Analogie mit den
fi-
Gemmen vom dreifigurij^eu Typud erkcnneD, denn auch nuf dieseu allen
i*teht ausnahmslos die linke Figor, nach reclits blickend, den beiden
anderen gegenüber.
Die linke Figur ist um em iranzcs Stack kleiner als ilie Uebrigen; es
fällt dieses aber nicht sofort auf, denn sie steht etwas hüher, wie die anderen,
ihre Füsse reichen nicht so weit herab, so dass ihr Kopf in derselben Ebene
sich befindet, wie die Kopfe der übrigen drei Personen. Die Scheitelhöhe
des Kopfes erscheint in horizontaler Richtung glatt abgeschnilten, was viel-
leicht eine Krone zur Darstellung bringen soll. Die Nase springt lang und
spitz hervor; das lang nach abwärts ausgezogene, abgerundete Kinn soll
wohl mit einem Barte geschmückt sein. Der rechte Arm hält einen vom
Korperende iibgehendcn Fortsatz, welcher wahrscheinlich ein Schwert be-
deuten soll. Die beiden Beine, namentlich das Rechte, sind von einer ganz
ungewöhnlichen Kürze, deren Ursache wir in dem Mangel an Platz auf dem:^
Gemmenfelde zu suchen haben. Ich halte es für berechtigt, hieraus den!
tSchluss zu ziehen, dans der Künstler bei seiner Arbeit die linke Figur zti-^
letzt ausgeführt hat. Er musstc sie nun in den Raum componiren, so gut
es eben gehen wollte. Und wir können auch hier wiederum erkennen, dass
er bei aller ünbeboUenheit doch eine ganz genial angelegte Nattir gewesen
sein muss; denn er bat sich auch hier wieder ganz geschickt zu helfen ge-
Avusfit, indem er die Beine im Knie gebeugt darstellte und sie dadurch ein
Wenig verlängerte. Die Gestalt macht durch diesen Kunstgriff den Ein-
druck, als ob sie einen Sprung ausführte. Jedoch glaube ich, wie gesagt,
nicht, dass dieser Eindruck ein beabsichtigter ist, sondern ich lialte ihn
einzig und allein durch die Raumverhäl^nisse bedingt. Die Füsse erscheinen
im Vergleich zu den Schenkeln etwas gross, jrdocii sind sie von der ge-
wöim liehen Länge und sind durch den üblichen Querstrich angedeulet.
Die linke mittlere Figur hat einen ziemlich hohen, anscheinend bekränzten
Kopf mit kurzer Nase und grossem, vermuthlich bärtigem Kinn, Der Hals ist
hing. Das linke Bein ist viel kürzer ols das rechte und wird etwas vom
Körper abgespreizt gehaltent Das rechte Bein ist wieder nur durch einen
senkrechten Strich markirt, welchem als Fuss ein ziemiich grosser Quer-
strich angesetzt ist. Zwei grosse runde Vertiefungen markiren sich auf dem
Bilde zwischen den Beinen dieser Person und zwar die eine ganz hoch oben
zwischen den Oberschenkeln und die andere zwischen dem Hacken des
linken Fusses und der Mitte des rechten Unterschenkels, Ob es zufällige
Defekte im Glase aind^ oder ob der Künstler sie absichtlich eingrub, kann
ich natürlich nicht sicher entscheiden. Ich vermuthe aber das Letztere, da
wir auch bei der Gemme von Schonen (VI Nr, lOj solche runden Grüb-
chen zwischen den Beinen der beiden Gestalten vorfinden, welche der links
stehenden Figur zugekehrt sind.
Die rechte, mittlere Figur erscheint in der Kopf höhe flach und breit,
wahrscheinlich bekränzt. Die Nase ist sehr klein j der Kiunbart ist kurz.
DiV Genim*^ von Alsen Mml ihr© Ver wandten,
55
Der Körper ist schriml uimI lang g&streckt; die langen Beino verlaufen im
leichten Bogen. Einen K«>rperfortsat/ besitzt sie ebenso wenig, als die vorige.
Die recliie Fififur liat einen kleinen, runde« Kopf mit kurzer Nase und
kleinem Kinnbart Dif li^cb alter ist achmal; die linke Hund ist durch eioen
kleinen, schrägen Strich markirt, Violieicht »oll dieser Strich aber aiieli ein
kurzes Schwert bedeuten. Ihm parailel geht vom hinteren Korpereude ein
kürzer Korperfortsatz ab. Die Beine ver hinten in leiclitem Bogen.
Üeber den Köpfen der Gestalten betinfJen öicli in der Lnft schwebend
drei Attribute, wuhrend wir sonst nnr zwei zu treffen priemten. Rechts und
linka tiumlicli ««cliwebe« zwei Gebilde, welche wir wohl wieder als Sterne
ansprechen müssen. Sie gleichen vollkommen denjenigen anf der Gemme
von Jordloese (V. Nr. 9). Jeder Stero ist dadurch gebildet worden, dass
vier gleich lan^e Linien sich unter ungefiilir gleichen Winkeln in demselben
Punkte kreuzen. Somit ist jeder Stern aubtstrnhlig. E)er Linke schwebt
über und zwisclien den Köpfen der beiden linken und der rechte über und
zwigichen den Köpfen der beiih^n rechten Figuren.
Das dritte der in der Luft schwebenden Attribute ist das Merkwürdijrgte
vfin allen und ündct sich noch nicht einmal andeutungsweise auf irgend einer
der ubri^ren 16 Gemmen. Es ist ein grosses Krenz. dessen Querbalken
dem l^nngsbalken an Länge gleich ist und diesen fast genau lialbirt; nur um
ein ganz Geringes ist der obere Abschnitt ktirzer als der untere. Sn entsteht
also beinahe die Form eines griechischen Krenzes. Es ist aber jedem der
vier Balkenendcn ein kleiner, den Abschluss luldcnder, Quer^strieh recht-
winklig aufgesetzt. Dieses Kreuz .steht mit seinem senkrechten Balken ganz
genau in der Längs^Mittelaxe de« Gemmenfcldes und füllt den Kaum zwischen
den Köpfen der beiden mittleren Figuren und den beiden Sternen aus.
Was haJ>cn wir uns unter diesem [vreuzc vorzustellen? Ist es das
Symbol des Christenthums und sollen wir daher rinuehmen, dass auch unsere
Gemmen von einem bereits christianisirteu Volke stammen? So sehr be-
stechend diese Annahme auch auf den ersten Augenblick erscheinen
mag,
so dürfen wir doch nicht vergessen, dass uns das Kreuz iu sehr verscliie-
denen Formen als einfaches Ornament an x\rtefakten unzweifelhaft heid-
nischer Abkunft erhalten worden ist. Allerdings bin ich nicht im Stande,
mit Sicherheit anzugeben, ob unter diesen letzterwähnten Kreuzen auch das
ganz absonderlich geformte unserer Gemme sieh befindet.
Sollten jedoch zwingende Gründe für uns vorliegen, dieses Kreuz als
ein christliches anzusehen, so bleibt uns immer noch die Frage zu beant-
worten, ob wir es auch als ein Werk unseres Gemm en Schneiders
betrachten müssen, oder ob irgend ein Epigone den leeren Platz zwischen
den tfchwebendeo Ornamenten benutzte und aus irgend welchen mystischen
Gründen dieses Symbol des Gekreuzigten in sein Juwel hineingravirte.
Dieses zu entscheiden bedürfte es naturgemäss der allerscrupulösesten Unter-
suchung des Originales. Ich bin nur iui Stande nach der mir vorliegenden
56
Dr. Max Barteid;
Zeichnung zu urtheileii. Jedoi-h kaon ich nicht verhehlen, dass es mir
scheinen will, als oh das Kreuz in allen seinen G Theilen mit viel zu grosser
Genauigkeit gravirt, fast wie mit riem Lineal gezogen sei, als dass wir es
unserem Künstler zuzuschreiben Uerechtigt waren, dessen unsicheiL» und
immerhio doch recht ungeschickte Hand wir an vielen Proben kennen ge-
lernt haben.
Was kann nun aber der Grund gewesen sein, dieses heidnische Kleinod
durch das Zeichen des Kreuzes zu einem christlichen zu weihen ? Ich
glaube, die Antwort auf diese Frage ist nicht sehr schwer. Waren, wie ich
bewiesen zu haben glaube, die un« hier beschäftigenden Gemmen wirklich
Amulette, so kann es uns nicht Wunder nehmen, dass sie unter Umstanden
vom Vater auf den Sohn vererbt wurden und dass auch der Christ, welcher
in ihren Besitz gelangte, den Glauben an ihre schutzende Kraft trotz seines
Christenthumes beibehielt Um aber nicht eines Bündnisses mit den finsteren
Mächten sich schuldig zu machen, so weihte und lieiligte er seinen Besitz
diarch das Zeichen des Kreuzes. Mit Recht macht Dr. Pleyte darauf aul-
raerksam (Privatraittheilung)» dass eine ganze Anzahl unserer Werke — es
ist mehr als der dritte Thei! — an Geräthen des christlichen Cnltus sich
vorfinden: zwei an dem Reliquarium in Berlin, zwei an der Altartafel in
Lüneburg, eine im Klosterschatze in Klaarkamp und zwei an dem Mis-
sal e-Ein bau de in Utrecht, Er ist der Meinung, dass dergleichen Steine
nicht nur im gewabnlichen Sinne zum Schmuck der heilif^en Geräthe gedient
hätten, sondern dass man ihnen auch noch irgend eine besondere mystische
und magische Kraft und Bedeutung beigelegt habe. Natürlich Ist aber hier-
mit noch immer nicht unwiderleglich bewiesen^ dass das Kreuz ein christ-
liches ist
Ueber die Bedeutung unserer Gemmen spricht Herr Dr. Pleyte die
folgende Meinung aus, welche ich hier anführe, allerdings ohne sie zu theilen:
,,Was reprasentiren die Figuren? Zwei Männer mit den zwei Sternen
sind das Bild von Castor und PoUux, das Zwillingszeichen des
Thierkreises, ein Bild des Horoacopes. Die dritte oder vierte Figur ist
dann die Person, welche sich unter ihren Schutz stellt. Oder sie sind die
Begleiter von den Seelen der Verstorbenen. Die einzelne Person ist vielleicht
ein Mercuris, Thot oder Anubis."
Oh wirklich unser Künstler sich so viel bei seinem Werke gedacht hat,
möchte ich doch bezweifeln. Auch können wir bei der Rohheit aller Figuren
durchaus nicht wissen, wie ich das ja früher schon ausgeführt habe< ob er
sich immer dasselbe dachte; ganz abgesehen davon, dass er, wenn über-
haupt, doch wohl viel eher an Gottheiten der nordischen Mythologie gedacht
haben würde. Ich musa daher bei meiner auf Seite 203 ausgesprochenen
Meinung verharren. Darin aber stimme ich Herrn Dr. Pleyte ganz voll-
kommen bei, dass man eine genaue Durchmusterung der noch existirenden
Kirchenschätze aus byzantinischer und romanischer vornehmen muss — und
I
Df*» nomine von Ahen nnd ihr/» Verwandtpn.
57
ich selbst habe seit Jabrea keine, Hieb mir birrzii darbietend«; Gelegen bei t
voröbergeben lassen — dann wird mit aller Wnbrselieinlicbkeit noch manches
interessante Specimen an das Tageslicht gefördert werden, duss der vor-
liegenden Gruppe von Kunstwerken angereiht werden muss. aber heute noob
ia Jahrhunderte Innger Vergessenheit des glücklichen und aiifmerksamen
Entdeckers harrt.
In meinen Aufsatz haheu sich ein Paar Irrthiiraer und Druckfehler ein-
geschlichen und ich freue mich, an dieser Stelle die günstige Gelegenheit
zu iinden-^ dieselben zu verbessern. Auf Seite 186 8te Reihe von unten ist
eine Zeile ausgelassen. Der Satz muss heissen : „Der oberste Kürperfort*
»atz, wie der Körze wegen diese Dinge genannt werden mögen, beginnt fast
fiteis am Hinterende des Rumpfes und bisweil,en beginnt der
nächstiintere fast an derselben SteLIe. Dann siebt es aus, als ob die
Figur mit ein Paar nach hinten flatternden Frackschussen versehen sei.''
In den Figuren 2. 3 und 4 haben sich mehrere der im Text beschrie-
benen und auf den Holzstöcken befindlichen feinen Details im Druck leider
nicht niarkirt.
Nr. 4. Die grosse Gemme des Berliner Reiiquariume ist in
umgekehrtem Sinne gezeichnet Die im Bilde links befindliche Figur ist
aUo die Rechte, die rechu befindliche Figur ist die Linke. Es blickt
daher auch hier, wie auf den übrigen dreifigurigeii Geramen die
linke Figur nach rechts, die rechte und die mittlere nach links.
Auf S» 186 ist durch ein Versehen bei der iTemme von Schonen
(VI. Nr* 10) angegeben, das« die Figuren umgekehrt, als auf den übrigen
Gemmen vom dreifigurigen Typus gruppirt waren. Das ist nicht richtig.
Sie stehen ebenso wie auf den anderen auch, die linke Figur
nach rechts blickend und die rechte und die mittlere nach links
blickend, wie auch die Figur 6 dieses Verhalten richtig wiedergiebt. Da-
hin ist also die Angabe auf Seite 186 Zeile 3 — 7 und auf Seite 192 Zeile 9
und 10 zu corrigiren.
Nr. 6. Die Leipziger Gemme ist nach einem negativen Abdruck
gezeichnet. Wir haben daher die linke Figur nach rechts und die rechte
geflügelte nach links zu versetzen. Die Beschreibung ist demgemäss ge-
macht worden.
Endlich muas es auf Seite 197 Zeile 11 am Ende: Der linke Arm heissen.
Ich halte es für meine Pflicht hier noch eine andere Sache zur Sprache
zu bringen. .Unter dem 26. Oktober 1882 erhielt ich aus Athen folgendes
Schreiben unseres Herrn Dr. Heinrich Schliemann;
„Ihren Artikel „Die Gemme von Alsen und ihre Verwandten**
habe ich mit höchstem Interesse gelesen, aber dabei ungemein bedauert, dass
Ihnen die von mir im Juli 1881 der trojaniBchen Sammlung in Berlin
beigefügleu und dort woIjI im GoldsdjiTtnk ftufgestellteii m y kenischen
Gemmen unbekannt geblieben sind, denn die eine davon, — obwohl au«
feinem Stein und spätestens aas dem 12. Jahrhundert vor Christo stammend,
ist das voUkommenate Gregenstdck, welches siV ntir wünschen können und
haben die darauf intaglirten Riesen die allergrosste Aehnbchkeit mit denen
der scandinarisc h en Gemmen. Ich habe diese Gemme immer als eine
phönizische Importation angesehen, da ich mich zu erinnern glaube,
höchst ähnliche Gestalten in Bronze im Museum in Cagliari gesehen zu
haben. Das Werk von V* Crispi über dies Museum bildet zwar nur wenige»
so Rohes ab, aber Seite 54 sehen Sie bei einer eben so rohen Figur eehr
?ihnliche Zeichen,"
Das Werk von Crispi habe ich mir leider nicht verschaffen können.
Was nun aber die Schliemann'sche Gemme betrifft, so hat die Sache
etwas Bestehendes : eine Aehntichkeit ist üözweifelhatt vorhanden, aber den-
noch ist sie ebenso unzweifelhaft nor eine oberflächliche, ausser! iche. Die
betreffende Gemme ist von Herrn Dr, Schlieraann in seinem Werke über
Mvkenae ^) auf Seite 412 als Figur 540 publicirt. Selbstverständlich ist
meine folgende Beschreibung aber onch dem Originale gemacht worden.
Wir können g^nz davon absehen, dass sie als die einzige in wirklichen
Edelstein, dunkejrotben Achat eingegraben ist, wahrend alle unsere 17 Exem-
plare in übereinstimmender Weiae aus Glaspasten bestehen. För uns müssen
die Unterschiede in der Ausführung und Zeichnung selbst massgebend sein.
Bei dem ersten Anblick der Seh lie mann "sehen Gemme ist man aller-
dings frappirt durch den glatten, scharf abgeschnittenen oberen Abschluss
des Kumpfes mit den spitzen Schultern und dem darauf balancirenden langen
Halse* Diese scharfe Grenze ist aber nicht wie bei uiisern Figuren die
einfache Basis eines Keiles, dessen basale Ecken die Schultern repräsen-
tiren. Hier stehen bei der rechten Figur auf derselben Grundlinie nach
unten gerichtet drei gleichschenklige Dreiecke, ein mittleres grosses: der
Brustkorb, und zwei seitliche kleine: die Schultern. Der Leib wird ange-
deutet durch eine unten an der Spitze des Thoruxdreiecks stehende , nach
links convexe Halbkreisliuie, wie ein abnehmender Mond. An der unteren
Zacke derselben hangt als gerader Strich das rechte Bein, dessen hufahn-
licher Fuss wieder durch ein kleines Dreieck repräsentirt wird. Das linke
Bein entspringt als senkrechter, nach unten fein auslaufender, nur an der
aussersten Spitze sich wieder etwas verdickender Strich von einer kurzen,
schrilgen Linie, welche der Halhkreislinie benachbart ist, aber weder mit
ihr noch mit dem Thorax in irgend welchem Zusammenhange steht. Wahr-
scheiulicl» müssen i^ir hierin die linke Hütte erkennen. Der rechte Arm
hängt als ein langer, leicht gebogener Strich an der Spitze des Schulter-
1) Hemrich SchlietuaiiD, Mjkenae. Bencht über meine Forschungen und Ent-
(lecküngeti in Mykermc und Tiryns. Leipzig, 1S78.
Die G«mtn<^ ron khmi tm<1 ihre Verwand ton.
S9
»
P
dreiecks und reicht fast bif* in dem Fus>se beraU Der rechte Arm ebeoao
an i»einer Schulter hängend, verlSuft nur bis zur Gurtelhöhe senkrecht und
geht dann in eine sich stark verjüngende Zickzacklinie (mit vier abge-
rundeten Ecken) über, so dass das ganze a*) den überlangen Aermel einer
Zwangsjacke erinnert. Der strichförmige Hals, fast dem ganz.en Beine an
Länge gleich, trägt den kleinen Kopf, von dem nachher noch gesprochen
werden soll.
Der Rumpf der linken Figur wird durch ein kurzes, verschobene«
Dreieck gebildet, welches wieder, wie bei der vorigen Figur, nur den Brust-
korb repräsentiren kann. Die Beine stehen in keinerlei Verbindung mit dem
Rumpfe, entspringen aber alle beide oben aus demselben Punkte. Von
diesem aus verlauft das rechte Bein ganz gerade nach unten, während da**
Unke Bein einen kurzen Oberschenkel hat, dessen im spitzen Knie gebeugter
Unterschenkel fast die dreifache Länge desselben besitzt. Beide Beine haben
ebenfalls hufiirtige Füsse.
Der linke Oberarm bildet die direkte Fortsetzung von der Grundfläche
des Körperdreiecks; hierdurch erscheint er bis zur Horizontalen elevirU
Senkrecht nach oben gerichtet schüesst sich ihm der Vorderarm an, dessen
Hand an Form, oder vielmehr Formlosigkeit, und Grösse den beiden rohen
Köpfen der Figuren in nichts nachsteht. Der rechte Arm hat wieder sein
besonderes und zwar recht grosses Schulterdreieck und von diesem aus ver-
läuft er in scharfem Zickzack bis zur unteren Grenze des Gcmraentydes,
indem er zwei lateral wtirts gerichtete feine und zwei medianwärts gestellte
grosse,, stark vertiefte Spitzen bildet. Das unterste Ende schliesst mit einem
senkrechten Strich ab.
Der Hais erscheint noch langer, als bei der vorigen Figur und ist dabei
von linearer Feinheit „Ihre Köpfe sind nur durch eine kleine horizontale
Aushöhlung dargestellt und es ist kein Gesicht vorhanden*" Es ist
das also eine Darstellungsweiae, welche grundverschieden ist von den wohl-
charakterisirlen und individuell ausgebildeten Gesichtern auf unseren Gemmen.
Und so werden wir uns doch wohl der Annahme nicht verschliessen können,
dass diese Dinge überhaupt ausser allem Zusammenhange stehen. Wurde
dieses eigentlich schon bewiesen durch die vielfachen Abweichungen in der
Zeichnung der Körper und Extremitäten, so stellen diese Cardioalunter-
schiede in der Ausprägung der Köpfe die Heterogen ie der Stücke in das
klarste Licht.
Sollte man aber trotz alledem an die Möglichkeit glauben, dass doch
eine innere Verwandtschaft dieser Gemme von Mykenae mit den unsrigen
bestehen könnte, so wird man das Eine wenigstens zugeben müssen, dass
nämlich die Erstere in jeder Hinsicht weit hinter den nordischen Gemmen
zurücksteht und dass der Uebergang von jener zu diesen einen ganz unver-
mittelten Sprung darstellen wurde. Es bliebe uns dann also nichts anderes
übrig, als anzunehmen j dass eine Reihe verbindender und vermittelnder
fiO •» - "Dr. ü&x Rartelt: ^^^^
^^^^^
Zwisnbenglieiler eKistirt linbe, aber nicht, bis auf uusere Ta^ö erhalteu worden
»ei; und eine «niche Anr>alime bat doch ganz sicherlich ihr Missliches. Ich
glaube daher wohl, dasR wir dabei verbleiben raüasen, die entfernte Aehn-
lichkeit zwischen den beiden Gemmenarten aU eine rein äuaserlicbe und
zufallige zu constatiren. Natürlicher Wei«e verliert deshalb die Gemme
von Mj^kenae für uns durchaus nicht an Interesse, und wir miissen dem
Herrn Dr. Schliemann sehr dankbar sein, dass er uns auf dieses Specimeii
noch besonders hingewiesen hat. Es muss uns das ein erneuter Beweis
dafür sein, dass wir unsere Forschungen und Studien auf diesem Gebiete
uo^h lange nicht für abgeschlosseo betrachten dürfen, sondern dass wohl
noch eine geraume Zeit hindurch von allen Seiten mit Ernst und Aufmerksam-
keit auf diese Dinge geachtet werden mu.ss, bis wir z\i einem unanfechtbaren
Abschluss gelangen werden.
Ganz nahe verwandt dieser Gemme von Mykenae, aber ebenfalls mit di^n
unsrigen nicht zn verwechseln, ist das Intagtio auf einer dreiseitig prismati*
sehen Stein perle aus Athen, welche ku den neusten Erwerbungen des
königlichen Museums von Berlin gehört. Dieses kleine steinerne Prisma
ist im Sternsaale de.s Antiquariums ausgestellt. Es ist V/icm hoch, in der
Richtung der Längsachse durchbohrt und auf allen drei Seitentlächen gravirt.
Nur das lutaglio der einen Seitenfläche ist für uns hier von Interesse. Es
zeigt eine einzelne, stehende menschliche Figur, deren Kopf durch ein kleine«
auf der Spitze stehendes Quadrat zur Dar^^tellung gebracht worden ist. Der-
selbe wird von einem Überlangen, strichförmigon Halse getragen, dessen
IjUnge die des ganzen Kumpfes um fast das Doppelte übertrifft. Letzterer
ist ein ganz kleines gleichschenkliges Dreieck, von dessen unterer Spitze die
langen, in leichtem Bogen verlaufenden, strichformigen Beine ausgehen. Ihr
Bogen ist nach vorn concav, so dass der kleine Mann die Kniee stark durch*
zudrücken scheint. Die die Füsse raarkirenden Querstriche beweisen, dass
die Figur nach links gerichtet ist. Der rechte Oberarm ist mehr als recht-
winklig erhoben und «ein Vorderarm ist wie zum Schwüre senkrecht in die
Höhe gestreckt. Zwei dicke, krebsscheerenartige Finger markiren die Hand.
In gleicher Weise ist die linke Hand angedeutet, jedoch ist sie nach unten
und etwas vom Körper ubge.streckt. Der linke Arm verläuft in einem Bogen.
Die ausserordentliche Kohheit der ganzen Darstellung geht wohl schon aus
dieser Beschreibung hervor; ebenso deutlich aber erhellt daraus, dass wir
hier kein Analogon unserer Gemmen vor uns haben. Erwähnt mag noch
werden, dass links oben und rechts und links unten im Gemmenfelde sich
je ein schwer zu deutendes Attribut befindet.
Erwähnen muss ich ferner noch, dass ein befreuDdeter Anthropologe
mir den Einwurf machte, er hielte meine Annahme, dass ein einziger Künstler
alle diese Stücke gefertigt habe, für eine irrige. Es handle sich eben ein-
fach um Repräsentanten des damaligen Styl es. Allerdings vermag ich ja
Die Gemme von Alsen und ihre Verwandten. 61
nicht za leugnen, dass die Zahl der ,, Wanderer^ im Vergleiche zu den-
jenigen StuckeD, welche in der von mir sapponirten Heimath des Künstlers,
in der Insel Seeland gefunden worden sind, eine recht erhebliche ist. Das
allein widerlegt meine Hypothese aber noch nicht. Denn wenn wir in prä-
historischen Zeiten einzelne Stücke von Etrurien nach Scandinavien, andere
von den Bernsteinküsten der Ostsee nach Mittel-Italien, uod endlich
asiatische Nephritgerätbe bis nach der Schweiz und dem westlichen
Deutschland wandern sehen, dann können doch auch unsere Gemmen,
die im Vergleich zu jenen Entfernungen kleine Reise von Dänemark nach
den Niederlanden zurückgelegt haben. Eine Wanderung dieser Stacke
ist ja doch auch um so weniger zu verwundern, als ihnen, wie es wohl mit
grosster Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, der Ruf von dem Besitze über-
natürlicher Zauberkräfte anhaftete. Wären unsere Gemmen einfach weiter
nichts als Repräsentanten des damaligen Stiles, so würden wir ohne allen
Zweifel denselben Stil auch an anderen Artefakten aus derselben Zeitperiode
nachzuweisen im Stande sein. Und da^ eben ist nicht der Fall. Es ist bis
jetzt kein einziger Gegenstand bekannt geworden, welcher eine gleiche Zeich-
nung aufzuweisen vermöchte, wie unsere Gemmen. Wir müssen deshalb
auch ferner noch an der Annahme festhalten, dass es ein einziger Künstler
gewesen ist, welcher alle unsere Gemmen gefertigt hat.
Miscellen.
Der Director der Etboolopgcben SaiumluD(|ren in Paris, dessen thätigen BemubuDgen Tor
Allem die gläniende Eröffnung des Mosenms im Trocadero zu verdanken ist, bleibt aucb, wie
früher, auf dem literarischen Felde tbätig, wo unter den letzten Veröffentlichungen i. B. zu
erwähnen sind:
Rapport 8ur le develeppoment et l'^tot actuel des Collections Ethnographiques, apparte-
nant au Mioist^r^ de rinstruction Publique. (Extrait du Bulletin de la Society
de Geographie.) Paris 1880.
Cook et Dalrymple. (Centenaire de la Mort de Cook.)
Les Toltiques, Conference du 26 Mars 1882, faite ä la Sorbonne. (Association Scienti-
fique de France.) •
Note sur les figures et les inscriptions, gravees dans Im ri)che a El Hadj Miraoun, pres
Figuig. Paris 1882; aus der .Revue dEthnographie", die unter Leitung des gleichen
Gelehrten, in jeder ihrer Nummern eine Reibe werthvoller Artikel bringt. Unter
den „Memoires originaox^ (im ersten Bande) sind, neben den Namen des Heraus-
gebers, zu verzeichnen: L. de Cessac, J. E. de la Croix, E. Duhousset, E. F^ueoz,
A. Laudrin, Fr. Lenormant, Ern. Martin, J. Montano, J. Moura, A. Peney, A. de Quatre-
fages, A. Retzius, G. Revoil, A. T. de Rochebrune, Dr. Scheu be, P. Schumacher und
R. Vemeau. Vier Tafeln mit Abbildungen sind heigegeben. A. B.
Bücherschau.
First Anoual Report of tbe Bureau of Ethnology to the Secretany of the
Smithsonian Institution 1879—80, by J.W.Powell, Director. Washing-
ton 1881.
Dieser erste Bericht, dem in einer hoffentlich, und voraussichtlich, unabgebrochen langen
Reihe weitere folgen werden, ist freudigst zu begrussen, als eine neue Era in der Geschichte
der Ethnologie inaugurirend. Hiermit ist das lange Gewünschte und für die gesunde Fort-
entwicklung unserer Wissenschaft unbedingt Erforderliche schliesslich begonnen, ein auf brei-
ter Basis genommener Mittelpunkt, von dem aus die unabsehbaren Massen des Materials, deren
Sichtung und Ordnung es für die inductive Behandlung bedarf, unter einer systematischen
Methode wird an die Hand genommen werden können. Und nirgends war diese Initiative
naturgemässer zu erwarten, als eben in demjenigen der CuUurländer, welches als das jüngste
ans den eingeborenen Unterschichtungen emporgewachsen ist, im Anschlnss an die von der
Regierung organisirten Forschungsreisen und die umfassenden Sammlungen im Museum des
Smithsonian Institution.
Dass dieses Werk in keines dazu Berufeneren Hand hätte gelegt werden können, als eben
in die des Herausgebers, Major Powell, bedarf keiner Erwähnung, und unter Vorbehalt eines
Eingehens auf die einzelnen Artikel von Yarrow (Mortuary Custoujs*), von Holden (Picture
writing), Mallery (Sign language) u. s. w., sowie von Powell selbst, seien zunächst nur, für
allgemeine Beherzigung, seine Worte verzeichnet (S. 86):
Mi^cellen und ßöcberscbau. 63
«Antbropology needs trained devotees with philosopbic metbods and keen Observation to
stndy every tribe and nation of tbe globe almost de novo, and from materials tbus coUected
a science may be establibhed". Nur so allein! aber dann mit bester Zuversiebt für den Erfolg.
Für die Linguistik können unter den Mitarbeitern die Namen Oatscbet, Riggs/ Dorsey,
Pilling u. A. m. aufgeführt werden. A. B.
Wahl, L'Alg^rie, Paris 1882.
Statistique de la population, S. 169.
Berge, de la, £n Tnnisie, Paris 1881.
Histoire (3. partie).
Largeau, Le Sahara alg^ricn, Paris 1881, 2. ed.
Les Touaregs (Cap. 11, troisieme partie).
Choisy, Le Sahara, Paris 1881.
A defaut des Arabes, les races les plus etranges sont ici representeej», c*est un musee
antbropologique vivant (in Ooleab).
Bonnafort, Doaze ans en Alg^rie, 1830 ä 1842, Paris 1880.
Als Beitrag zur Betrachtung .comment dans un pays nouvellement conquis, aux moeurs,
et k la religion si differents des notres, la societe civile s'y est etabli.
Faring, Kabyles et Kroumirs. Paris 1882.
La Kabylie (Gap. XIII— XIV). Le pays des Kroumirs (Gap. XXXVI).
Yigooi, Abissinia, Milano 1881.
Besuch bei den Bogos (S. d3 u. ff.), dann nach Gondar.
Doyle, The English in America. London 1882.
Für die Golonisation in Virginien, Maryland, den Garolinas. Später ist die Behandlung
Neu-England's (down to tbe end of the XVII Century) in Aussicht gestellt, sowie ein dritter
Band.
Lesson, Les Polynesiens. Paris 1880—1881, VoL I— IIL
Nach den Reisen im Jahre 1827, dann 1840 und 1843—1849, durch Martin et heraus-
gegeben. A. B.
Abbot, Primitive Industry or lUustraiions of the handiwork in stone, bone
and clay of the Native Races of the Northern Atlantic Seaboard of America.
Salem 1881.
Mit zahlreichen Abbildungen, denen fernere Vermehrung nicht fehlen wird, wenn der
ausgesprochene Wunsch Erfüllung findet, die Beweisstücke stets gleich zu sichern «by placing
them in a public museum*'.
Burgers, Notes on the Amoravati Stupa, Madras 1882. Archaeological
Survey of Southern India (No. 3).
After some violent destruction, the stupa seems to have heen recon^tructed in a rough way.
A. B,
64
Misrellen und Bücherschaii.
Herrn. Dietrichs und Lydolf Parisius, Bilder aus der Altmark. Ham-
burg 1882. 4. Mit 140 OriginaI-Holz.subniUeo.
VoD diesem Werk \hjf^i j^egenwärti^*' der orstt' Band iü be^te^ typographischer Atij»stattiing
volleadet vor. Die von Hrn. Die trirhs durchweg an Ort und Stelle au^enommeuen Ab-
biidunjjen sind miislerbnir. Fnr die bier ^erlretjeiien Illtele^sen niD^sseti ti«ment!ich iiie hut-
stelhmßfcn der mefsralitbischen ilonnineTJte der Alttuark, in der 6. lieferunfj, der Äufinerküam-
keit der Facbgeiiosseu fmpfühleij werdMi, Der Text^ bei dessen Abfai^suri^ Hrn. Pari sin*,
dem SpecialkeoDifr der Altmark, Ur, Dr. Schi^ebel zur Seite (resUiidcD bat, briiijft eine
Fälle der wichtigsten Erinnerungen aus der ersten Zeit der Besiedelun^ de« Lan^i^s. (t. V,
JoliB T, Short, The North Americans of antiquity, their origin, migrations,
and type of civilization coDsidered. New- York 188(1 Zweite Ausgabe.
Ein vortretnichei', mil zahlreichen liJastrationen ansgestattetes Werk, i^ekhes in geiiränp-
ter iJar.'stellunp' die Fillle der ErJnneninfren aus (hr Vorzeit der amenk^nii^chen Stimme zii-
sammeiifiisst. Das j^rhnelle Kracheinen einer zweiten Auflag-e legt ZenKni^s davon ab, welclken
Eindruck dan-'^elbe in Amerika hervorgebracht bat. Mit ß[!ei eher Vollständigkeit sind das erste
Auftreten des ileiischen, soweit es bis jetzt b«t featRestelU werden kunuen, und die R*'ihe der
wicbti^s^ten prähistorischen Entwickelunpen, von den Mouüdbnilders und den Cliffdwellers an
biti zu den Maya- nnd Nahua-Stämmen hin, ge^rchildert worden. Sowohl die Anatomie, ah die
LiR^nietik sind iii der Anfklärufifj der dunklen nnd äusserst schwierii^en Probleme der ameri-
kanischen AntbrO|>olO)srie beran^jezopen worden. Man kann sagen, da^s wir im Augenblick in
Europa kein wiasenf^chattüebeä Werk besitzen, welche«» dnmit in Parallele gestellt werde u
könnte. (t V.
J. F. Bransford, Archaeological researches in Nicaragua. Smithsonian Con-
tributions to knowiedge, Washington 188i. 4,
Der Verfasser, frijberer üürinearzt, schildert eigene Erfahrungen, die er als Begleiter der
Expedition des Comniandeirs Lull zur Aufsuchung einer Route für deo Schififahrtskanal durch
Centralamerika ge«;ammelt hat. Ein Haupttbeil der Arbeit betrifft rfie sonderbaren Begrab nias-
uruen von der Insel Omeiepoc, deren Bedeutung hier zum ersten Mate klar gelegt ist. Ver-
schiedene Arten von Steingräbern, Mounds, Steinbildern und Fels Zeichnungen werden beschrie-
ben Die Töpferei findet b«souf?ere Berticksichtigung. Auch brachte der Verfasser von Costa
Rica 16 grüne Steine, sogenannte Chalchihuits mit. Er betont mit Recht dm grosse Inter-
©Bse, welches dieses auf der Grenze mehrerör alter Cultnrvfilker gelegene Land in archiologi-
Bcber Beziehung darbietet und gedenkt mit Anerkennung der Verdienste, welche der leider
viel zu früh verstorbene Dr. Berendt und Hr. Bastian sich um die Erforachung seiner
Älterthuuier erworben haben. R. V.
Johannes Ranke^ Beiträge zur phy&ischen Anthropologie der Bayern.
München 1883. gr. 8.
Der Verfasser h^U eine Reihe von Specialarbeite Uj welche seit mehreren Jahrt'u in den
»Beiträgen mr Anthropologie und Urgeschichte ßsiyerns* erßchienen sind, in einem growen
Bande zusammengefasst, der mit Tabellen, Holzschnitten, Curventafeln nnd Lithographien reich
ansgesistttet ist. Httuptgegenstand di-r UDter&uchung waren die Schädel der bayrischen Be-
völkerung, wozu sich das Slaterial in reichlicher Anzahl in den Beinhäusern des Landes tind
den wissenschaftlichen Anstalten gewinnen liess Allein darauf beschränkt sich die Dar-
stellung nicht, auch die übrigen Verhältnisse der körperlichen Enlwickelung sind möglich
ToJlfil5ndig geschildert. Auf Einzelheiten einzugehen, ist hier nicht der Platz, Wir können
nur sagen^ dass ein gleich vollständiges und dabei gleich vorzügliches Werk über anthro-
polc^giBcbe Landeskunde nirgend existirt. Hrn. Ranke *b Buch wird für alle derartigen Ar-
beiten ein Vorbild sein können. Hoffentlich wird es an Nachfolge nicht fehlen Denn nur
anf diesen] Grunde wird »ich der endliche Auf bau einer wahrhaft etbnogenelischen Erkennt-
nis« der modernen Völker herzte Men lasüen, nach dem alle nnser© Bestrebungen fielen.
III.
Ueber fünf lettische Grabschädel von der Kurischen
Nehrung.
Von
Dr. W. Sommer,
Assistenzarzt an der ProTinzial-Irrenanstalt in Alienberg bei Weblau.
Im Laufe des Sommers 1881 hatte ich die seltene Gelegenheit, auf
ein Paar Tage die Kurische Nehrung zu besuchen. Wurde ich allerdings
vorzugsweise von dem Wunsch geleitet, jene so merkwürdige und in sich
abgeschlossene Halbinsel vom landschaftlichen Standpunkte kennen zu
lernen, so war ich doch hoch erfreut, auch eine kleine ethnologische Aus-
beute davontragen zu dürfen. Ich konnte nämlich fünf Schädel einigen
alten Gräbern entnehmen, die von der unaufhaltsam weiter wandernden
Dfine vor etwa zwei Jahrhunderten verschüttet und jetzt wieder freigelegt
waren. Ich bitte nun um Erlaubniss, diesen Fund hier etwas genauer be-
sprechen zu dürfen und hoffe nicht nur bei dem Anatomen Gehör zu fin-
den, sondern auch bei dem Alterthumsfreund, der in poetischem Sinne es
vermag, die trockenen Schädel mit frischem Leben zu beseelen und der in
ihnen die Zeugen eines Volksstammes erblickt, der als solcher seiner Ver-
nichtung schnell entgegengeht. So sind schon viele Völker im Laufe der
Zeit fast spurlos verschwunden; unsere Pflicht ist es daher, wenigstens jetzt
jeden sicheren Rest eines dem Untergang geweihten Stammes der Nachwelt
zu überliefern, um uns ähnliche Vorwürfe zu ersparen, wie wir sie mit ge-
wissem Recht der früheren Zeit machen dürfen.
Bekanntlicli wurde die sogenannte Kurische Nehrung in den letzten
Jahrhunderten von Letten bewohnt, einem indogermanischem Volksstamm,
der nur noch in einzelnen Distrikten der russischen Ostseeprovinzen ver-
treten ist, ohne dass dort indessen eine Garantie der absoluten Reinheit der
Raee, wenn man sich so ausdrücken darf^ übernommen werden kann. Auf
Nehrung aber gab es in Folge ihrer isolirien Lage bia zum Anfange
[dieses Jahrhunderts kaum einen Menschen, der nicht rein lettischer Her-
kunft war- heute freilich ist die Vermischung mit Lithauern und Deutschen
schon so innig geworden, dass es schwer hält, cbarakterietische Typen
r.
$Q ^^^^^^^^^^^ W. Sommer:
uoter den Lebendea aufzafitidea. ürabachiidel aus früherer Zeit besitzeo
daher einen besonderen Werth für die Bestimmung der ethöologiflcheo Merk-
male einer Race. —
Die erste Grabstelle,^ die ich besuchen konnte, lag bei Pillkoppen.
Es ist dies ein kleines aber freundlich und fast behaglich aussehendes
Fischerdorf, das etwa in der Mitte der annähernd 13 Meilen langen Nehrung
liegt und natürlich auf der Haflseite, wie alle Ansiedelungen daselbst; doch
ist gerade an dieser Stelle die Kette der mächtigen Dünen von einem tiefen
Pass durchschnitten, durch welchen sich früher ein Arm der Memel in die
Ostsee ergossen haben soll. Wandert man nun von der Mitte jenes Passes
auf dem niedrigen Plateau zwischen der See- und der Ilafidüne, die hier
über 1()0 Fuss Höhe hat, mehrere Kilometer nach Kos Sitten zu, so trifft
man auf dem nordwestlichen, tlach ansteigenden Abhänge der Haftdüne eine
eigenthümliche schwarze Verfärbung, die als ein dunkler horizontaler Strich
mit dem* so weit das Auge reicht, monotonen Gelb des unendlich öden
Sandmeeres lebhaft kontrastirt In dieser Schicht liegen nun zahlreiche
Gräber; die meisten sind freilich noch haushoch von der Düne begraben,
einige aber waren zur Zeit meines Besuches schon freigelegt von ihrer bis-
her sie verhüllenden Decke, die durch den über die See hin wellenden
Westwind den Abhang der Düne hinautgewirbelt wird, um am Kamm der-
selben nach dem Uafie herabzustürzen. Auf diese Weise wandert vom
Meere her jener Sandwall nach dem Binnen lande zu, Alles verschüttend,
was sich seinem unaulhalisamen Zuge bis zum Haff entgegenzustellen wagt:
nach einiger Zeit aber hat er dann seinen Schrilt fortset/.en müssen; das
früher bedeckte Terrain wird frei, und so kamen auch jene Gräber wieder
zum Vorschein, freilich nur so lange die nächste Wanderdüne sie nicht von
Neuem begräbt. Ein grossartiges Gefühl erfasst wohl Jeden, der in dieser
grenzenlosen Eiusamkeit — kaum der grelle Schrei einer Möve dringt an
das Ohr des vereinzelten Wanderers; auch nicht ein grüner Hahn erquickt
sein Auge — zwischen Himmel, See und Saud nichts als die Spuren
vergangener Generationen trifft, über die die Zeit erbarmungslos dahin-
geschritten« Aehulich schwinden die kleinen Nationalitäten vor der Alles
nivellirenden Kultur^
Das Jahrhundert, welchem jene Gräber angehören, ist schwer zu be-
stimmen: an der Art der Bestattung, die, wie es scheint, in der Beisetzung
in flachen, niedrigen Holzsärgen ohne weitere Beigaben bestand und aus der
BeschaÖ'enheit der Skelettlieile kann man nur schlicssen, dass der Kirchhof
nicht sehr alt sein kanu; soviel ich bei dem leider nur flüchtigen Aufent-
halt festzustellen vermochte, ist derselbe 150 Jahre, vielleicht noch etwas
älter, da keiner der Bewohner Pillkoppens etwas von seiner Existenz
gewusst hat, ehe die heftigen Stürme des Winters 1880 auf 1881 ihn frei-
legten. Mit den jetzigen Kirchhöfen von Alt- und Neu-Pillkoppen,
welcher letztere Ort übrigens seit circa 70 Jahren auch schon wieder unter
I
üthtT fniif Intliscli« Hrabsthädel etc.
Rl
■
dem Saude ruht, wahrend das früher verschüttete Alt-Pillkoppen aageu-
blicklich zum zweiten Male bewohnt -wird, hat er wahrscheinlich keJoen
ZusammenhaDg: vielleicht ist es der Begräbnissplatz, von welchem Jach-
mann in seiner 1825 erschienenen Schrift als von einem längst aufge-
gebenen berichtet»
Dieser Grabstelle konnte ich nun drei Schädel entnehmeD. Einer von
diesen war schon vor einigen Wochen wenig^stens theilweise freigelegt und
daher durch die ununterbrochen anprallenden Sandkörnchen an dem der
Windseite ausgesetzt gewesenen Hinlerhaupt lädirt, ja an einigen Stellen
völlig durchbohrt in ähnlicher Weise, wie man in neuester Zeit durch das
sogenannte Sandgebläse selbst Glasplatten schleift uud durchlöcherL Sonst
ist er wie die beiden anderen Schädel ausgezeichnet erhalten.
In einem wesentlich schlechteren Zustande befinden sich aber die bei-
den Schädel vom Konten er Todtenfeid. Hier stund in früherer Zeit ein
Fischerdorf, von dem sich nnr die Sage noch zu erzählen wusste, da es
schon vor langer Zeit von der erbarmungslosen Sand woge verschüttet war;
erst seit etwa 20 Jahren Hegen die spärlichen Trümmer Jenes Dorfes wieder
frei, — Von den Ilütteo ist freilich wenig zu erkennen; doch haben wohl
auch die Bewohner, als sie flüchten mussteo, Alles, was irgendwie noch zu
benutzen war, mit fortgeführt. Ja, wie Passarge in ^6iner lebenswahren
Schilderung der Kiirischen Nehrung erzählt, hat sich noch bis jetzt die Tra-
dition erhalten, das einzige massive Bauwerk, die Kirche, sei damals bis
auf unscheinbare Reste abgebrochen und die Ziegel seien nach Nid den
gebracht worden; dort sei aus dem Material der Konzener Kirche das
Gebäude errichtet, in dem noch jetzt für die Niddener Gottesdienst ge-
halten wird.
Mit den Trümmern des Dorfes sind nun auch seine Gräber eröffnet
Der Wind hat den Boden tief aufgewühlt, und nun bleiben die alten Gebeine
unbedeckt, ohne Schutz gegen Sand und Sturm; um sie nicht ganz zer-
streuen zu lassen, hat eine pietätvolle Hand eine kleine Pyramide von
Knochen und Schädeln errichtet, die jetzt selbst schon wieder halb verweht
dem Wanderer ankündigt, was ihn erwartet: ein Todtenfeid, wie man es
vielleicht nur noch in der Wüste erblicken kann, als Keat einer jammervoll
verschmachteten Karawane. —
Allen Einflüssen der Witterung ausgesetzt, sind nun freilich die Schädel
im Laufe der Zeit sehr beschädigt: alte sind zerfressen, verwittert und zer-
fallen bei leichter Berührung in Trümmer. Ich konnte daher bei dem aller-
dings nur flüchtigen Besuch nur zwei und auch nicht einmal gut erhaltene
Schädel aufbewahren.
Dass nun die gesammelten 5 Schädel der früheren Bevölkerung auf der
Kurischen Nehrung vor mindestens 100 Jahren angehören und daher unver-
fälscht lettischer Herkunft sein müssen, ist nach meiner Meinung wohl
nicht zu bezweifeln. Sie können daher mit grosser Sicherheit als Typen
68
W. Sommer:
des lettischen Kacenschädels betrachtet werden. Die Fizirung desselben ist,
wie schon angedeutet, um so wunschenswerther, ja nothwendiger, als in
nicht allzu langer Zeit durch die fortschreitende Vermischung mit anderen
Volksstämmen die ethnologische Selbstständigkeit der dem deutschen Reich
angehörenden Letten verschwinden wird.
Ich lasse nun zunächst die genauere Beschreibung der 5 Schädel folgen
und bemerke dazu, dass die Maasse (resp. ihre Abbreviaturen) genau den
Definitionen entsprechen, die einer in Virchow's Archiv Bd. 89 und 90
veröffentlichten grösseren Arbeit über 85 pathologische Schädel von mir be-
nutzt sind.
Maasse der 5 lettischen Schädel.
P. 1
Kapazität
Maximallänge L
Iniailänge Lin
Mazimalbreite B
Basislänge bn
Basisbreite Bas
JheriDg*8 Höbe HI
Haximalböhe H max
Auricularhohe H aur
Cristae tempor. Cr
Asterialbreite Ast
Squamalbreite Sq
Pterialbreite Pt
Bimastoid. Bim
Bistyloid. Bist
Bispinos. Bisp
Distanz der Frontalhöcker . .
„ « Parietalhoclier . .
, , For. spin. n. styl. 1.
• 1» n » » «j r.
Basion bregma b^
„ lambda bA
Länge des For. magn
Breite „ ,
HorizoD talumfang
Längsamfang L-U
Stirnlänge F
Parietallänge P
Occipitallänge 0
1320
183
179
138
103
123
130
132
111
96
116
122
110
101
80
57
51
127
128
112
38
27
515
353
121
114
118
1470 '
186
175
138
97 I
119
133 I
139
115
98 '
105
122
115?
% ;
82 ;
63
55
124
25
24 i
130
126 ,
38 i
30
523
377
134
121
K. 1
1400?
180
169
135?
%
121?
125
128
112
97
112
121
105?
87
61
54
?
?
?
124
107
40
29
505
359
128
138
103
P. 3
K. 2
1240
173
167
134
91
114
122
123
110
96
108
120
?
89
75
56
51
112?
?
?
120
HO
36
29
496
349
129
116
104
?
%
116
?
?
?
91
7
114
108
?
?
56
74
?
110
?
?
Ueber fünf lettische Orabschädel etc.
69
Sehne zu 'F = ^ . . . .
;, P = // . . . .
„ 0 = 12 . . . .
*+/7 + Ä = Lü chord. .
Breitenumfang = BU
ÜDker Ast dess. S . . .
rechter „ , D . . .
Sehne «u S = -S" . . . .
. D=J . . . .
2-+^ = Büchord. . . .
Längenumfang bis Inion. .
Etbmoidealbreite Etbm. .
Zygomaticofrontalbreite zz.
Jochbogenbreite ZZ. . .
Orbita links
, rechts
Gesichtslänge SL. . . .
Gesichtsbreite SB. . . .
Oberkieferlänge nx. . . .
Länge der Nasenöffnung .
Breite , ,
Nasenlänge ns
Basion-Nasenstachel bs.
0 -Alveolarrand bx.
Choanenbreite ....
Gboanenhöhe ....
Längenbreitenlndex . .
Längenböbenindex . .
Breiten höhenindex . .
Auricularindex . . .
Gesichtsindex ....
Obergesichtsindex . .
Nasenindex
Orbitalindex ....
Choaneuindex ....
P. 1
106
104
100
310
302
149
153
12G
125
251
295
25
101
130
39:32
39:32
114
%
70
35
27
56
94
%
26
24
75,4
72,1
95,6
60,6
118,7
72,9
48,2
82,0
92,8
P. 2
K. 1
P. 3
118
HO
101
329
310
156
154
129
125
254
327
25
103
131
39:35
39:36
112?
94
70
37
27
57
89
92
29
26
74,2
74,3
100,7 i
61,8 I
110,1 I
74.4 1
47,3 :
89,7 '
89,6 I
109
117
86
322
303
150
153
127
125
252
319
24
?
?
39:32
?
?
92?
66
38
23
54
90
90
?
?
75,0
71,1
94,8
62,2
?
71,7
42,5
82,0
?
i
112
105
87
304
298
146
152
121
123
244
301
23
101
125
40:34
39:34
105
85
64
35
24
51
82
88
28
26
77,4
71,1
91,8
63,5
123,5
75,2
47,1
85,0
93,0
K. 2
97
28
98
126
36:33
36:33
?
94
66
37
27
55
93
97
26
22
?
?
?
p
?
69,1
49,1
91,1
84,6
Pillkopper Schädel P. 1.
Gut erhaltener, gelbbraun gefärbter Schädel eines 40jährigen Mannes
mit massiger Asymmetrie durch stärkere Wölbung der rechten Seite. In
der ProBlansicht rund, mit einem minimalen Sattel im vordersten Theil der
ri'eilnaht, Scheitel flach abfallend und ohne Absatz in das Hinterhaupt über-
tl(^h^fn4. 4»U $«tif^ «iifi ^xmfA tan tn^A «ir ler A!m€Bseite bereits in
*U^ ^Aiit^^um v^^rrAn. nir -li^t Z«udiiuiiur ier Eraiuaak Ist koBplicirt,
h^m TrHfpnnkt »t t#^ Vniafrtiiiinwr^inT*» üekc x^ekakb. Liage der
H\k*uau\piiär,^MtiiUit ,. 1.^. r. J3 «jm. äeuie Sui]iop<iEinkEe UaSen, wmhrcnd
'iut r^fUr» B^:^r»nz3iur t^r rjuusodinnir uwsfläiicen KeilbciBflfigel on-
k^nnttirji j$l Liniu ^ai £aaar «nngüeBEoiaicBr Sekikkaocbett in der
AJe K^tieJLan^'r^raarimpL, Sera- xiiii Schfnpfihiicfcpr, AngenbrmoenwQlste
imi MoaSflüauiCBe tiiiii ur v^sqi^ usicüiliieL
D»r «^nduasdukiei :^ ume -v3S9«sxiüi!iie Au^irmiiil; die Zihne sind
zam Tiesi aacn iea Ti«ie ma^säüLgssL £e v^rUBde»ea sind aber gnt er-
baitFO. mf ier ITini&i'hft ledeoiEsiii ibcadiäiSeL IVr linke Jochbogen
iemc: ie* imii,u . 12iiii:<caciiei -vec ▼rrczesdiiiML
Sdüi jemtiraff" aeaamsr •saiiabsi'viisc. wc4I aber die Spar einer
jtirzmaii'rnta imi Siscb ier Zvascäeakfecsssaas bekkrseits. Leicht al^eo-
!ara PrmcgaE&ie ieis C>h«fsie»» ^att loäer Arr^ciarfortsatz. —
P. 2.
MääEQC fiT ■— "aityn»^ Söbknei öcass^ etma 50jihrigen Mannes; die
r^-'änf Sitta idr*g<5i:i sGicsar TiswöaB^ ak £e Unke. In der Profilansicht
aof i«au SIC üeäes&ur 5«zn. Jafc'tiiifta' Sdieitel nnd gat gewölbtem Hinter-
uoDC JLla Xüiutt :]i ier ^«rvsc^sattc begriffeD; ihre Zeichnung, soweit
?ie aüca «unaMr. «n2a:a. T^i* Zaiaie der Laaibdanafat greifen mit breiten
Tpa'iryBX .Lk&sx jut ite Sra^.i^eihiäne nber.
£iLvä«fr>^ir<erIn^ imi Mcf^dansatae weni^^ entwickelt; Slimhöcker
JK^HucOi. -«äpsoa Ali r:Kr«;f:a[hu<^«r aheeiaclil sind.
?<i\Mrsiafi^ JL iisr Xjöc rröcbeik Sobeitelbein nnd Wangentheil ein
v^-:^s»rifis«sc2;äSK .^öotf v^eMiLÜMiiif AKacRaitix: linker Jochbogen defekt
V^^uiioitf Sbcx'iiakcrzsca. dbrärta- trtmsciiaaigL Processus pterygoidei an-
Sv'^ii^ ^«^«fscftoic SAiM euM« etwa 40jihrigen Weibes, mit massiger
\^x-a.a>^r*^ iu^xä :§Mäci)e Veraddebang der linken Schädelhälfte nach
i.4^f>t. IW JOJ^tr ^c^^tISHa aad besonders das Hinterhaupt scheinen
iwru^^"^ ^<f^ Ml asSfli^vfkinsickeB Einlüssen ausgesetzt gewesen zu sein
4^iv£ $»fei «öirvaL ii# aapraIW«ilea Saadkoraer bis auf die Vitrea zerstört, ja
«X s-«^. a^fi^js<^MJkA;iniL i^Hnkieea gaaz durckbrochen. In der Profilansicht
N^r^^C^ ii!^ ^^ära :A«tt ia die Höhe« am dann in kräftiger Wölbung in die
^.v vXndhiHitic^ KrüwaaBtir des Uinterkauptes dberzugehen.
Ueber fonf lettische Orabscb&del etc. 71
Die Nähte siDd mit AusDahme der durch postmortale Einflüsse klaffen-
den Schuppennähte obliterirt, zum Theil schon verstrichen und unkenntlich.
Muskelansätze und Enochenvorsprunge wenig entwickelt; Stirnhöcker sehr
deutlich.
Gesichtsschädel ohne wesentliche Abnormität. Alveolarrand des Ober-
kiefers prognath; auf der Gaumenfläche Margin alcrista und Gaumen wulst.
Innere Platte beider Processus pterygoid. wenig entwickelt. Die Zähne sind
gut erhalten, sehr bedeutend abgeschh'ffen. Der Unterkiefer zart, vorderer
Kinnstachel weit vorgeschoben.
Konzener Schädel K. 1.
Stark verwitterter Schädel eines etwa 50jährigen Mannes; die beiden
Schuppennähte sowie die Basisnähte klaffen weit; die Tempor^lschuppen
sind postmortal weit nach aussen gebogen. Die rechte Hälfte des Gesichts-
schädels fehlt ganz, ebenso das Gaumenbein.
In der Profilansicht gleichmässig gewölbter langer Schädel ohne Sattel
und ohne Absetzung des gut entwickelten Hinterhauptes. Sagittalnaht schon
verstrichen.
Alveolarrand des Oberkiefers atrophisch. Alveolen zum Theil schon
geschlossen. Medianer Gaumenwulst nur angedeutet. —
Konzener Schädel K. 2.
Hochgradig verwitterter Schädel eines etwa 30jährigen Weibes, mit
Stimnaht. Alle Nähte weit klaffend, die Knochen so verbogen, dass nur
wenige Maasse sicher zu nehmen sind. Das ganze Hinterhaupt fehlt.
Gaumenwulst und Marginalcrista angedeutet.
Auf eine specielle Besprechung der ermittelten Maasse muss ich leider
verzichten, da mein Material zu unbedeutend ist, um allein aus demselben
sichere Schlüsse zu ziehen; da indessen gerade in den letzten Jahren die
ethnologische Stellung des Lettenvolkes häufig und mit verschiedenem Re-
sultat untersucht worden ist, so möchte ich mir doch noch einige Worte
erlauben.
Was zunächst den Längenbreitenindex der Lettenschädel anbetrifft, so
stehen sich hier augenblicklich zwei Ansichten gegenüber. Nach den Mes-
sungen dorpater Forscher, welche Letten der Jetztzeit untersucht haben, wie
Stiede und Waeber, beträgt nämlich der Längenbreitenindex durch-
schnittlich 77,5. Virchow fand dagegen bei der Messung lettischer Grab-
schädel 73 — 75, also eine wesentliche Differenz; Kupffer und Bessel-
Hagen haben dann in dem Katalog der Königsberger Schädel Sammlungen
für 50 Schädel von der Kurischen Nehrung als Durchschnittswerth 78 ermittelt,
7/
1 —
g%.^ ^r% v-*^jr5
7J L^.rt^ii.w^f-'äd/'J
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^^--'T^'. ^^ ' . -r ^ ^-WiW
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V T
'^^v-.^„-,--;z-z:
-^■
Ueber fünf lettische Qrabschädel etc.
73
während meine allerdings ' nar wenigen Schädel wieder einen ^Index von
etwa 75 ergeben. Nach den Einen sind also die Letten lang- oder richtiger
schmalköpfig, nach den Anderen nehmen sie eine Mittelstellung ein mit Hin-
neigung zur Breitköpfigkeit.
Für diese immerhin auffallende Differenz Messungsfehler verantwortlich
zu machen, ist wohl nicht gestattet, wenn auch die Methode Waeber's, der
lebende Letten maass und dann mit Rücksicht auf die Hautdicke u. s. w.
eine empirische Reduktion eintreten Hess, nicht ganz einwandsfrei ist. Ich
selbst habe nehmlich an einigen 20 Leichen sowohl den Kopf- als auch den
Schädelindex im Sinne Broca's bestimmt und dabei in fast einem Viertel
der Fälle für den frischen Schädel ohne Weichtheile einen höheren Index
erhalten als für den Kopf, während Waeber einen konstanten Abzug von
etwa 2 Einheiten empfiehlt; häufig ganz unberechenbar scheinen mir aber
die Differenzen zwischen frischem Kopf und macerirtem trockenem Schädel
zu sein ; in der folgenden kleinen Tabelle habe ich fQnf Fälle mit bedeuten-
der Irregularität zusammengestellt; sie stammen sämmtlich[]aus der Allen-
b erger Irrenanstalt.
Geschlecht
und
Kopf
Schädel
Herkunft
frisch
frisch
macerirt
r -------- -— — ---
— --- —
.. _._=-„.
Mann, deutsch ....
81,2
84,2
80,8
.. Stirnnaht . . .
79,5
76,9
77,8
^ Litthauer . . .
83,2
85,1
84,5
Frau, deutsch ....
76,3
78,7
77,2
. Stirnnaht ....
83,7
82,4
81,5
Dass aber trotzdem die Methode Waeber's bei einem reichen Material
praktisch verwendbar ist, dafür spricht die Uebereinstimmung seiner Resul-
tate mit denen Stieda's, Kupffer's und Bessel-Hagen's; auch dürfte
vielleicht bei meinen Messungen zu berücksichtigen sein, dass es sich um
Schädel geisteskranker Individuen handelte, die ja häufig an mehr oder
weniger ausgebreiteten Hyperostosen leiden, so besonders am Stirnbein; die
abnorm dicken Knochen werden aber bei der Eintrocknung einer anderen
Verbiegung unterworfen sein, als unter normalen Verhältnissen.
Um nun auf die verschiedenen Werthe für den lettischen Längenbreiten-
index zurückzukommen, so könnte man eine andere Erklärung der diffcrenten
Resultate in dem Materiale selbst suchen. Waeber und Stieda haben
Letten der Jetztzeit gemessen. Virchow nnd ich Letten aus ältereren
Gräbern; ceteris paribus ist es aber klar, dass moderne Menschen wahr-
(uniner:
scheiulicli einer weniger reinen und nn vermischten Race ao gehören, als
Leute auö fruliereü Jahrhunderten, und gerade in den russischen Ost^ee-
provinzen, wo die lettische Sprache (nach Virchow's Mittheilungen) in der
Jetztzeit an Ausbreitung gewinnt, und Liven und Esthen aozuaa^eu lettisirt,
wird der echt lettische Typns zur Zeit schwieriger rein zu finden sein, als
vor 200 Jahren. Doch ist auch dieser Erklärungsversuch nicht stichhaltig:
denn die Königsberger Lettenschädel mit ihrem Index von 78,05 gehören,
was ihr Alter anbetrifft, mindestens dem vorigen Jahrhundert an und stammen
ebenso wie meine Schädel mit dem durchschnittlichen Index 75,5 von der
sogen. Kurischen Nehrung, die noch vor etwa 80 Jahren mit Ausnahme der
2-3 Prediger und der auch nicht viel zahlreicheren Schullehrer nur von
Letten bewohnt war. Die Königsberger Lettenschädel stehen also in Uezug
auf Alter und Racenreinheit den meinigeu völlig gleich, an Zahl aber über-
trefien sie die mein igen bedeutend; die Ergebnisse ihrer Untersuchung wer-
den daher a priori dem wirklichen Verhalten näher kommen, als die der
meinigen; voraussichtlich wird es allein auf einem Zufall beruhen, dass ich
nur schmale Schädel gefunden habe, während in der Königsberger Samm-
lung auch sehr viel mittelbreite vorhanden sind. In jeder statistischen Ar-
beit können aber die Fehler des Zufalls nur durch vergrössertes Material,
soweit es überhaupt möglich ist, eliminirt werden; je höher die Zahl der
verglichenen Objekte, desto wahrscheinlicher wird die Richtigkeit des Re-
sultates.
In der nebenstehenden Tabelle I habe ich mir- daher erlaubt, alle
zweifellosen Letten schade), deren Maasse ich in der mir zugänglichen Ijiteralur
zu finden vermochte, in Bezug auf den Langenbreiten- und auf den Längen-
höhenindex nebeneinander zu stellen. Von dem Material Vircbow's, über
das in den Verhandlungen der Berliner ethnologischen Gesellschaft aus dem
Jahre 1877, 78 und 79 referirt ist^ habe ich nur diejenigen Schädel benutzt,
die er selbst L c. 1879^ pag, 122 seq. zusammengefasst hat; aus den Königs-
berger Sammlungen habe ich nach dem gedruckten Katalog derselben die
einzelnen Indices und ihr arithmetische? Mittel selbst berechnet, wodurch
sich der geringe Unterschied gegen die Endzahlen Kupffer^s und Bessel-
Hagen^s erklären dürfte, und Wacber's Messungen habe ich ganz aus-
geschlossen, obschon sie mit den Königsberger Resultaten gut überein-
stimmen, da sie, wie schon gesagt, nicht am Schädel, sondern am lebenden
Kopf genommen sind.
Aus 81 Lettenschädeln ergiebt sich nun ein mittlerer Längenbreilenindex
von 76,7-, sie sind also niesocephal mit bedeutender Hinneigung zur E>olicho-
cephalie, und dabei werden die männlichen Schädel in genügender Ueber-
einstimmung der Autoren durchgehends schmaler gefunden, als die weiblichen,
ein Verhältniss, auf das bereits Virchow aufmerksam gemacht hat.
Während ferner der Längenbreitenindex innerhalb ziemlich bedeutender
Grenzen schwanki, jsclieint sich der Längenliölieniudex einer gewissen Kon-
Deber fünf lettische GnbsebMel etc.
75
C8
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i -1
^.
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76
W. Sommer:
Tabelle II.
Männliche
Weibliche
Alle
Differenz
d. letzten
1 ndices
Schädel
Schädel
Schädel
I ndices
zwischen
1
Virchow
Virchow
73,1
Sommer
74,8
Virchow
76,0
Sommer
Virchow :
1
Sommer
und
Sommer
LäDgenbreite
77,4
74,4
75,4
1,0
Längenhube
H max. : L
73,7
72,5
72,7
71,1
73,1
72,1
1,0
Breitenhöhe
H max. : B
99,7
97,1
%,2
91,8
97,8
95,7
2,1
Auricularhöhe
H aur. : L
60,2
61.5
61,2
63,5
60,7
62,0
1,8
Durchschnittliche Differenz der Schädelindices
1,3
2,6
Gesichtsiodex
SL :SB
116,8
118,9
119,6
123,5
117,8
120,4
Obergesichts-
indez nx : SB
71,3
73,0
68,5
72,1
70,2
72,6
2,4
Nasenindex
47,9
46,0
51,1
48,1
49,7
46,9
2.8
OrbiUlindex
77,8
84,5
85,3
87,0
81,1
85,5
4,4
Durchschnittliche Differenz der Gesichtsindices
3,0
stanz zu erfreuen, wenigstens differirt das Virchow' sehe Mittel nur ganz
unbedeutend von dem Mittel aller angegebenen Werthe dieses Index 73,1
gegen 72,9, ein Umstand, der vielleicht geeignet ist, Einwände gegen die
Güte des verglichenen Materials zurückzuweisen, und um so mehr, als
jener Werth schon an und für sich als ein relativ hoher und daher seltener
anzusehen ist.
In der 2. Tabelle sind dann die von Virchow angegebenen Zahlen der
gebräuchlicheren Schädel und Gesichtsindices mit meinen Ergebnissen zu-
sammengestellt, und ich möchte darauf hinweisen, dass die Uebereinstim-
raung zwischen beiden Reihen genügend hervortritt; besonders die Ver-
hältnisse der Hirnkapsel sind in jeder Weise befriedigend, sobald mau
berücksichtigt, dass Durchschnitts werthe von einigen 20 Objekten solchen von
nur 4 gegenüberstehen. Bedeutender sind allerdings die Differenzen in der
Gesichtsform; doch ist diese ja natürlich grösseren individuellen Schwan-
kungen unterworfen, die an nur 4 Köpfen nicht gegenseitig ausgeglichen zu
sein brauchen. Ferner ist noch hervorzuheben, dass die meisten Indices
für die beiden Geschlechter verschiedene Werthe ergaben; bald ist der
weibliche Index höher, bald ist er niedriger, als der entsprechende männ-
liche nach Virchow. Ganz analoge Schwankungen finden sich aber auch
bei meinen Indices; kein einziges Mal ist eine Inkongruenz zwischen Vir-
Ueber fünf Jettische Grabschädel etc. 77
chow's und meinen Reihen auflallend: ist der weibliche Index bei Vir-
chow niedriger, als der männliche, so ist er es auch stets bei mir, und
umgekehrt. Trotz der verschiedenen Herkunft der untersuchten Schädel
durfte dies wohl auch für ihre Racenreinheit sprechen.
Um nun die bisherigen Resultate kurz zusammenzufassen, so sind die
Letten8chädel also im Allgemeinen lang, dabei schmal und hoch; ihre Kapa-
zität ist mittelgross, scheint aber beispielsweise von der der jetzt lebenden
Bevölkerung Ostpreussens nicht wesentlich abzuweichen; sie beträgt nach
meiner Messung 1396 cm für Männer und 1240 cm för Frauen. Das Ge-
sicht sowohl wie der Oberkiefer allein ist ziemlich lang, die Nase schmal
bis mittelbreit, die Augenhöhlen sind mesokonch. Eine alveolare Prognathie
scheint nicht selten zu sein, doch sind sonst die Schädel wohlgeformt,
Knochenvorsprunge und Muskelansätze sind nur massig ausgebildet, Naht-
anomalinen und dergl. fehlen; kurz, deutliche Zeichen einer sogenannten
Inferiorität sind bei den Letten nicht nachzuweisen. Dagegen scheinen
einige Racenmerkmale vorhanden zu sein. Der von Kupffer undBessel-
Hagen beschriebene mediane Gaumenwulst ist häufig ausgebildet, ebenso
die Marginalcrista; dass die Gaumenfortsätze des Keilbeins auffallend wenig
entwickelt seien, konnte ich mich an meinem Material nicht überzeugen,
wohl aber von der ebenfalls von jenen Autoren entdeckten Annäherung der
horizontalen Gaumenplatte an die parallele Schädelbasis. Wenn man die
Distanz des hinteren Endes der medianen Gaumennaht von der hinteren
Spitze des Vomer als Höhe und die innerhalb der Alveolarfortsätze gelegene
hintere Kante des knöchernen Gaumens als Breite der Choanen betrachtet,
so ergiebt sich für meine Lettenschädel ein durchschnittlicher Index von
90,0, während ich an 15 zufällig herausgegriffenen Schädeln deutscher Her-
kunft einen Index von 100,7 berechnet habe; bei den ersteren ist also die
relative Choanenhöhe wesentlich geringer, als bei den letzteren. Ob dem
entsprechend der Alveolarfortsatz des Oberkiefers besonders im hinteren
Abschnitt höher ist, wage ich nicht zu entscheiden, da mir nur 5 Schädel
vorliegen ; eine weitere Vermehrung des Untersuchungsmaterials ist jeden-
falls sehr wünschenswerth, und gerade auf der Kurischen Nehrung werden
sich vielleicht noch Hunderte von Schädeln bewahren lassen, die in kürzester
Zeit wieder verloren sein werden, wenn jetzt nichts für ihre Rettung ge-
schieht.
IV.
Abergläobische Kuren oud sonstiger Aberglaube in
Berlin und nächster Umgebung.
Gesammeb in den Jahren 1862—1882.
Von
E. Krause.
A. Atarglirtiseke Karen, unter Reihfllfe
1. der Mensciwn oder menschlicher Prodokte; ' 4. von Steinen ond Erden;
2. Ton Thieren, ihrer Theile oder Produkte; 5. ohne obige Halfemittel.
3. Ton Pflanzen;
B« Sonstiger Aberglanbe.
1. Dis Familienleben betreffend: | 2. Geschäftsleben betreffend!
«. Gebart; | a. im Allgemeinen;
ß, Kinderaeit; | ß, Aberglaube einzelner Berufsklassen.
y, Hochzeit; \ 3. Aberglaube im Allgemeinen.
i. Tod.
A 1.
Muttermale zu vertreiben. Man stiehlt beim Schlächter rohes Rind-
fleisch Yon der Grösse des Males, oder lässt es sich schenken, ohne sich zu
bedanken. Dieses Fleisch wird einer Leiche in die Axelhöhle gelegt, wo
es drei, nach Anderen zwölf, nach Anderen 24 Stunden liegen bleibt und
dann auf dreimal 24 Stunden auf das Mal gelegt wird und darauf unter
einer Dachtraufe vergraben. Wenn es verwest ist, ist auch das Mal ver-
schwunden.
Andere lassen das Fleischstuck, nachdem es frisch 24 Stunden auf dem
Male gelegen, mit der Leiche begraben.
Ebenso werden lieberflecke vertrieben.
Die Krankheit einem Anderen anzuhexen und sie dadurch
dem Leidenden zu vertreiben. Irgend ein Abschnitt vom Körper des
Kranken, z. B. etwas Haar, oder ein Abschnitt vom Fingernagel, oder auch
ein Geldstück, das er in der Tasche oder eine Zeit lang auf der kranken
E. Krause: Abergläubische Kuren und sonstiger Aberglaube in Berlin etc. 79
Stelle getrageo, wird an einem Kreuzweg niedergelegt. Hebt es Jemand
auf und steckt es zu sich, so überträgt sich die Krankheit auf ihn.
An einem Junimorgen des Jahres 1879 früh 5 Uhr sah ich eine Frau
an der Kreuzung zweier Strassen in der Gegend des Schönhauser Thores
ein Gewirr von dünnem Bindfaden niederlegen. Ich nahm es auf und fand
in seiner Mitte einen Fingernagelabschnitt, wodurch (wie durch die sonder-
bare Art, in der sie es niederlegte, und dann hastig verschwand) es sich
als ein sympathetisches Mittel kennzeichnete, weshalb ich es dem Märki-
schen Provinzial Museum für seine Abtheilung für „Aberglauben etc.^
übergab.
Warzen zu vertreiben. Aus dem Hemd, in dem Jemand gestorben
ist, zieht man einen Faden, kräuselt ihn zwischen Daumen und Zeigefinger
der rechten Hand zu einem Klümpchen zusammen, bestreicht damit dreimal
kreuz weis die Warze, unter dem üblichen: „Im Namen Gottes, u. s. w., und
thut ihn heimlich in den Sarg einer Leiche, am besten in die Axelhöhle
des Todten. Geht dies nicht, so vergräbt man ihn unter der Dachtraufe.
Wenn er verwest ist, ist auch die Warze verschwunden.
Blutbesprechen — wird noch viel geübt und selbst von gebildeten
Leuten daran geglaubt
Das „Gerstenkorn" vom Auge zu vertreiben. Der damit Be-
haftete muss in Gegenwart eines Anderen entweder durch ein Astloch oder
soDst eine natürliche Oeffnung sehen, oder durch einen Küchen-Durchschlag
(Blechsieb) in den Schornstein, wobei der Andere einen Spruch murmelt,
angeblich: „Im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des heiligen
Geistes.** Dies wirkt aber nur, wenn beide Personen verschiedenen Ge-
schlechts und möglichst verschiedenen Alters sind.
Wenn durch den Durchschlag in den Schornstein gesehen wird, muss
der Patient dreimal sagen:
„Durch den Schornstein geht der Kauch,
Und meine Gerstenkörner vergehen auch."
Im Namen Gottes u. s. w.
A2.
Beim Schichten der Kinderzähne wird dasWachsthum der neuen Zähne
dadurch befördert, dass das Kind den ausgefallenen Schichtzahn über die
Schulter wirft und dabei sagt: „Maus, da hast du den alten Zahn (oder
„Beisser"), gieb mir einen neuen."
Dasselbe muss derjenige, der sich einen Zahn hat ausziehen lassen,
thun, um einen neuen zu bekommen.
Kein besseres Präservativ gegen die Cholera giebt es, als eine sogen.
Elephantenlaus (in den Apotheken käuflich) nebst etwas Camphor in einem
leinenen Beutelchen an einer Schnur um den Hals getragen.
80 E^. Krause:
Als Mittel gegen Hühneraugeu wird „schwarzes Schneckenwasser^ ge-
braucht.
Fieberkranke müssen einen Frosch in der Hand sterben lassen, so
werden sie ihr Fieber binnen dreimal 24 Stunden verlieren.
A3.
Orchis latifolia und Orchis maculata, Knabenkraut, auch ,,6otte8hand —
Teufelshand^ genannt, auf unseren Wiesen wild wachsend, bilden um
Johanni neben ihrer alten, bandförmig gethcilten, dunklen Wurzel, die
ausserdem in lange krallenartige Wurzelfaden ausläuft, eine neue gelblich
weisse Wurzel, welche die langen Wurzelfaden erst später bekommt. Im
Volksglauben ist die alte Wurzel die Teufelskralle, die andere die
Gotteshand, daher obiger Name für diese Pflarizen. Sie werden zu
mancherlei abergläubischen Gebräuchen, unter anderen auch zu Wunder-
kuren benutzt
Bestreicht man um die Mittagsstunde des Johannistages (24. Juni) ein
krankes Glied Jemandes mit der heilen Wurzel der frisch ausgegrabenen
Pflanze dreimal kreuzweis, doch so, dass der erste Strich quer über das
Glied, der zweite vom Körper nach dem Ende des Gliedes gezogen wird
und ruft dabei die Sonne als Auge Gottes zum Zeugen an, ao wird das
Glied gesunden, sobald die dem Kranken heimlich in seinem Kleide ver-
steckte Pflanze vertrocknet und zu Staub zerfallen (resp. von ihm fortge-
worfen) sein wird. Bestreicht man jedoch irgend Jemand einen Körpertheil
dreimal in umgekehrter Reihenfolge und Richtung mit der „Teufelskralle**,
so wird er sehr bald an diesem Theile erkranken.
Letzteres ist namentlich sehr wirksam, wenn es um die Mitte der
Johannisnacht an einem Schlafenden geschieht, doch darf der Mond es
nicht sehen. So erzählte mir eine alte Landfrau in der Gegend von Königs-
Wusterhausen und zeigte mir auch später einen fröhlich spielenden Knaben,
kerngesund, der früher den „Schwund" am linken Beine hatte, und den sie
mit obiger Kur geheilt hatte, was mir von den Eltern bestätigt wurde. (Na-
türlich hatten sie so nebenbei einen Arzt.)
Denselben Wunderglauben fand ich in der Gegend zwischen Spandau
und Potsdam; er ist überhaupt weit verbreitet.
Die „Rose" zu vertreiben. An das Besprechen der Rose wird
noch viel geglaubt, es soll sogar noch hie und da von Aerzten verordnet
werden. Deshalb w^ird es auch noch sehr viel geübt.
Ein Dienstmädchen in Berlin hatte die Rose am Knöchelgelenk des
Fusses. Der Arzt, der die geeigneten Mittel anwandte, konnte ihr nach
ihrer Meinung nicht helfen; sie nahm deshalb zu einer alten Streich- und
Kräuterfrau ihre Zuflucht. Diese kam und brachte von 7 HoUunderblättern
die drei zusammenhängenden obersten Blättchen mit. Diese wurden unter
„Pusten" und „Streichen" auf die kranke Stelle gelegt, wobei die alte Frau,
Abeigl&abiscbe Euren und sonstiger Aberglaube in Berlin. 81
welche ich unbemerkt belauschte, murmelte: „Helpt et nischt, denn schadt
et nischt. Im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen
Geistes," wobei sie drei Kreuze über den Fuss schlug. Acht Tage lang
wurde dies mit immer frischen Blättern wiederholt. Am neunten Tage
war die Rose verschwurfden, worauf dem Spruch noch ein Amen hin-
zugefugt wurde. Auf meine Frage, weshalb sie heute Amen sage, meinte
die Alte: „Det is mien Dank, weilt nu jeholpen bat."
In dem ^Helpt et nischt, denn schadt et nischt" liegt, nach anderem
Aehnlichen zu schliessen, auch ein Aberglaube versteckt. Man darf näm-
lich bei allen sympathetischen Kuren nie seine Absichten deutlich aus-
sprechen oder zu Tage treten lassen, sondern muss sie möglichst, wenn
auch nur durch Redensarten, verdecken und verstecken. Daher jene
Redewendung, als ob der Besprechenden gar nichts am Erfolge der Kur
läge, damit sie seiner um so sicherer ist.
Ein anderer Spruch beim Besprechen der Rose lautet:
Die Rose und die Weide,
Die lagen beide im Streide (Streite);
Die Weide die gewann.
Die Rose die verschwann (verschwand).
Im Namen Gottes etc.
dessen Wirksamkeit noch dadurch erhöht wird, dass der Besprechende
eine auf dem Wege zum Kranken gepflückte Weidenruthc versteckt (zu-
sammengeknickt) in der Hand hält, auch wohl die kranke Stelle damit be-
streicht.
Die Kopfrose zu vertreiben. Man lässt sich, ohne dafür zu danken,
neun Eicheln schenken. Von diesen isst man an einem Freitag, Morgens,
Mittags und Abends je drei, zu Pulver gestampft, und die Rose wird ver-
gehen und nie wiederkehren. Doch muss sich ein junger Mann die Eicheln
von einer alten Frau, ein alter von einem jungen Mädchen, und umgekehrt
schenken lassen. Beim Gebrauch wird natürlich wieder jedesmal gesagt:
„Im Namen Gottes etc."
Knochen- und „Krebs- "Schäden zu heilen. Hypericum perfora-
tum, Johannis-, Jesuwunden- oder Siebziglöcherkraut. Es wird hauptsächlich
gegen Knochenschäden (auch „Krebsschäden") gebraucht und soll bei
längerem Gebrauch den Urin, ja sogar die Knochen von Menschen, oder
Thieren, denn auch bei diesen wird es angewendet, roth färben, — ein
sicheres Zeichen, dass die Kur einschlug.
Spruche und Anwendung:
Bei Deinen sieben Wunden i), bei Deinem Blute roth*)
Befreie mich, Herr Jesu, von meiner Schmerzensnoth;
Im Namen Gottes etc.
oder (wie man in Berlin sagt):
Zeiucbrifl für Ethnologie. Jahrg. 1883. 6
g2 ^' Krause:
Bei Deine ßleben Wunden i) nnd bei Dein rothes Blnt')
Mach' lieber Herre Jesu mir meine Wunden gut;
Im Nameu Gottes etc.
oder:
Grün wie Gras^), roth wie Blut')
Miich' bald mir meiue Wunden gut
Im Namen Gottes etc.
Bei 1) siebt man durch die Blätter gegen das Licht, wobei die in den-
selben b<,'liijdlicheij FetttröpfclieD für Löcher uud für Symbole der Wunden
Jesu gehalten werde«; bei 2) reibt mau mit der rothfarbenden gelben Blüthe,
resp. Knospe die krauke Stelle.
Schwache Augen werden gestärkt, indem man an vier auf-
einanderfolgeuden Morgen eine Stunde lang auf ein grünes Saatfeld oder
einen Grasplatz sieht, mit dem Rücken gegen die Sonne stehend.
Der Thau, der Morgens vor Sonnenaufgang stillschweigend von der
Saat mit einem reinen Gefäss abgestreift wird, ist gut gegen AugenQbel.
Die Wansersucht zu vertreiben. Der Kranke muss seinen Urin
durch einen aungehöhlten Uettig lassen, worauf dieser im VoUmondschoin
Kum Trocknen aufgehängt wird. Ist der Rettig vertrocknet, so ist auch die
Wassersucht verschwunden.
Fieberkranke niUHsen um die Mittagszeit durch ein blühendes Roggen-
feld gehen und die einzelnen Aehren (3, nach Anderen 7) durch die Hand
zieh«*n. Die in dt^r IJaiid bh'ibendcn Thoilo der Bluthe (Staubkolben) wer-
den eingenommen und schützen (bis ganze Jahr hindurch, bis zur neuen
Roggenblüthe, vor Fieb^'r. Der Gang durchs Feld muss an 7 aufeinander-
folgenden Tagen wiiMlrrholt wt^rden. Für Gesunde ist dies Mittel ein Prä-
servativ gegen das Fii'bor.
Fieber winl vt*rtrieben dadurch, dass der Kranke dreimal um einen Baum
geht und dem Hauin sein FiebiT anklagt.
Drei reife KaHtanien (Aesculus llippocastanuui) in der Tasche oder in
einem leiiuuien Heutelcheu am Halse getragen, vertreiben das Reissen.
Die Kastanien muss num selbst finden, sie stehlen oder geschenkt er-
halten, ohne sich zu InMlanken.
Das Einschneiden (oder Al)nies8en) der gelben Sucht (Gelb-
sucht). Kin junger Seliuss vom llollunder (JSanibucus niger) wird abge-
schnitten und seine Länge durch Verkürzen des oberen Endes der Höhe
des aufrecht stehenden Kranken gleich t^emacht. Darauf werden die ein-
zelnen Cilieder (Interiuulien'i des Triebes abgeschnitten, doch muss der
Schneidende von sieh weg sehneiden, nicht zu sich, weil sonst die gelbe
Sucht auf ihn ül)ergeht. l>ies Alles muss Angesichts des freien Himmels
geschehen. Früher, als man noch weite Schornsteine hatte, durch die man
den Himmel sehen konnte, gesehah es (wie auf dem Lande noch heute)
unter diesen, was die Kur noch wirksamer machte. Die abgeschnittenen
Abergläubische Kuren und sonstiger Aberglaube in Berlin. 83
Glieder des Hollandertriebes werden dann in ein Bündel gebunden in den
Schornstein gehängt. Wenn sie verdorrt sind, wird auch die gelbe Sucht
vergangen sein. Naturlich wird wieder: „Im Namen Gottes etc." dabei ge-
murmelt.
„Bewährtes Mittel" gegen Hühneraugen. Man nehme Knoblauch
Freitags Nachts frisch aus der Erde, zerstosse ihn und lege ihn kurz vor
Mitternacht auf^ so fault das Hühnerauge heraus.
Kunzein im Angesicht, sowie Sommersprossen vergehen, wenn man sich
mit Wasser von weissen Lilien wäscht; auch giebt dies ein zartes, frisches
Aussehen.
Gegen das Ergrauen des Haares und zur Wiedererlangung der
Farbe für schon ergrautes Haar muss man täglich zweimal zwei Loth
Melissenwasser trinken.
Das Gerstenkorn zu vertreiben. Man geht mit einem entwendeten
Gerstenkorn in der entsprechenden Hand stillschweigend an ein fliessendes
Wasser und wirft im Anblick des Wassers das Gerstenkorn nach hinten
über den Kopf, ohne sich jedoch umzusehen. Darauf geht man stromauf-
wärts nach Hause.
A4.
Warzen werden durch Besprechen vertrieben, indem der Besprechende
zu gleicher Zeit einen kleinen, runden Stein auf die Warze drückt, am
besten einen versteinerten Seeigel (Echiniten), sogen. „Krötenkrone" oder
Kröten stein.
Gelber (auch rother) Ocker heilt die Gelbsucht und schützt Gesunde
davor. —
A5.
Vertreibung des Fiebers. Auf dem Lande, namentlich in sumpfi-
gen, oder waldigen Gegenden kommt das Wechselfieber, sogenannte Drei-
tägige, oft vor, bei dem der Kranke einen Tag um den andern vom Fieber
frei bleibt. An einem solchen fieberfreien Tage macht der Kranke mit
Kreide innen an der Stubenthur drei Kreuze und schreibt dahinter: „Fieber
bleib' aus, ich hin nicht zu Haus'," wobei er: „Im Namen Gottes etc."
murmelt. In Zehlendorf bei Berlin beobachtet.
In Berlin schrieb eine Dame auf Anrathen eines Bekannten, als ihr
Mann am Fieber krank war, einige Worte unter eine an den Thürpfosten
gehängte Schurze, doch so, dass der Kranke nichts davon sah. Er durfte
auch die^ Schürze nicht aufheben. Sein Fieber verschwand.
Welche Worte unter die Schürze geschrieben wurden, konnte mir nicht
verrathen werden, wahrscheinlich dieselben, wie oben.
Bla.
Kftcb der Gebort eines Kindes pflegt die Hebeamme dem Vater die
al^^ieirocknete Kabelficfanur zu überreichen, mit der eindringlicLen Empfeh-
lung, me »orgeam zn bewahren: denn solange sie aufgehoben wird, lebt nnd
gedeiht das Kind und ist tot Krankheit geschätzt
Eine Wöchnerin daxf in der ersten Zeit nach der Niederkonft keinen
maciilidt^en Beeocher empfuigen. anch nicht die nächsten Verwandten, wenn
sieht zuTor drei Besncherinnen« die nicht gleichzeitig za ihr kamen, bei ihr
gewec»es sind und ihr Kiodlein gesehen habeo. Handelt sie dem zuwider,
ao wird ihr Kind kein Jahr ak werden, und sie wird nie wieder eines Kin-
des geoei^en.
Neng^^Kvene Kinder dürfen nicbt gewogen werden, weil sie sonst nicht
«cliwerer werden, nicht gedeihen.
Säuglingen dürfen die Fingernägel nicht beschnitten werden, sondern
müssen ron der nährenden Mutter oder der Amme abgebissen werden,
weil sie sonst nicht länger wachsen.
Täter tragen die ausgefallenen oder ausgezogenen Zähne ihrer Kinder
als Berloqnes, om ihnen neue Zähne zu verschaffen und die alten stand-
hafter zo Sachen.
Foehszaline. ab Amulet um den Hals getragen, erleichtern den Kindern
das Zahnen und rerschaffen ihnen gute und dauerhafte Zähne.
Belemniteo "^sogenannte Donnerkeile). Schrecksteine, im märkischen
Kie^i^sande Läufig vorkommend, werden von säugenden Müttern als Amulet
getragen, damit dem Kinde die Milch nicht schade, wenn die Mutter einen
Selireck bekommt. Auch wird etwas, von dem Schreckstein abgeschabtes
Pulver dem Säugling zu demselben Zweck eingegeben. Belemniten-Stücke
sind unter dem Namen Schrecksteine in vielen Apotheken, selbst in Berlin,
zum Preise von 5 Pfennigen das Stück käuflich.
Ans Serpentin geschliffene Schrecksteine werden zu demselben Zweck
als Amulet getragen.
Kindern, die nach ihren Eltern schlagen, wächst die Hand aus dem
Grabe, -
Schneiden Kinder Grimassen, so wird ihnen dies ängstlich verwehrt, in
dem Glauben, dass wenn inzwischen die Uhr schlägt, oder die Kinder einen
Schreck bekommen, ,.das Gesicht stehen bleibt^.
Am (1. und) 30. April und am 1. Mai machen sich die Kinder mit
Kreide weisse Kreuze auf die Schuh und die Kleider, um sich gegen böse
Hexerei zu feien.
Ein Kind, das eine blaue Ader quer über der Nase hat, wird nicht ein
Ja^ir alt.
Aber((läabi8che Kuren und sonstiger Aberglaube in Berlin. 35
Kinder, die Branntwein zu trinken bekommen, wachsen nicht.
Wird ein Kind „Kröte'' geschimpft, so gedeiht es nicht, sondern muss
„elendiglich verquienen^ (dahinsiechen).
Steigt man über ein am Boden liegendes Kind hinweg, so wächst es
nicht mehr; soll der Zauber gelöst werden, so muss man sofort wieder über
dasselbe zurücksteigen.
In Caputh bei Potsdam dürfen Kinder . Abends nicht an's Wasser
gehen, sonst holt sie der Kockernoll.
Bly.
Bei Hochzeiten muss der Wagen so vor das Haus der Braut fahren,
dass er nach dem Einsteigen derselben nicht Kehrt zu machen braucht, um
zur Kirche zu fahren, weil sonst die Ehe eine unglückliche wird. Auch
auf dem Wege von der Kirche darf der Wagen nicht Kehrt machen.
Regnet es der Braut auf dem Wege zu oder von der Kirche in den
Kranz, so wird die Ehe eine thränenreiche, unglückliche werden.
Tritt die Braut beim Jawort vor dem Altare dem Bräutigam auf den
Fuss, so wird sie das Regiment im Hause haben.
Will ein Mädchen ihren Zukunftigen kennen lernen, so muss es von
dem ersten Grünkohl, der im Jahre gekocht wird, einen Mund voll direkt
aus dem Kohltopf nehmen, damit an den nächsten Kreuzweg gehen und
dort den Grünkohl ausspeien. Der nächste, ihr entgegenkommende Mann
ist ihr Zukünftiger.
Nach Anderen muss dies am Weihnachtsheiligabenä, am Sylvester, na-
mentlich aber am Gründonnerstag geschehen.
Wie man einen ungetreuen Liebhaber zur alten Treue zu-
rückführt: Einem jungen Mädchen war ihr Schatz untreu geworden,
weshalb sie sich an eine ^kluge Frau" wandte. Diese verlaugte von ihr
ein Bild des Schatzes, eine Nadel und ein Hemd des Mädchens, das dieses
eine Nacht getragen hatte. Mit der Nadel durchstach sie die Photographie
in der Gegend des Herzens und wickelte dann beides in das Hemd, welches
das Mädchen Nachts unter das Kopfkissen legen musste. Andern Morgens
musste das Mädchen der Alten ihren Traum der letzten Nacht erzählen,
und da sie erklärlicher Weise von ihrem Geliebten geträumt hatte, wurde
ihr das Erscheinen desselben am nächsten Sonntag in sichere Aussicht ge-
stellt, was diesmal auch eintraf.
Lichtmess-Orakel sind noch vielfach im Schwnnge:
Die liebesdurstige Maid muss sich Abends in ihrem Kämmerlein vor
einen kleinen Tisch der Thür vis-ä-vis setzen; auf dem Tisch stehen zwei
Lichte und dazwischen etwas selbstgebackener Kuchen und ein Glas Wein.
Bis Mitternacht muss das Mädchen am Tische bleiben, ohne sich zu rühren
und ohne den Blick von der Thür zu wenden, dann erscheint der Zukünftige
und kommt auf den Tisch zu. Greift er dann nach dem Kachen, so wird
86 E. Krause:
er ein häuslicher Ehemann und die Ehe eine glückliche; greift er nach dem
Glase Wein, so trifft von beiden das Gegentheil ein; rührt er nichts von
beiden an, so erreicht die Ehe schon vor Ablauf eines Jahres durch den
Tod eines Gatten ihr Ende, oder es stirbt einer von beiden schon vor der
Hochzeit Statt des Kuchens wird auch wohl gebratener Fisch angewendet.
Fällt eine Spinnewebe von der Decke des Zimmers senkrecht herab, so
kommt bald ein Freier in's Haus. An der Zimmerdecke häugende Spinne-
weben werden überhaupt ,,Freier" genannt.
Geschwister dürfen nicht an demselben Tage Hochzeit haben, weil sie
damit ihr Glück verscherzen.
Bld.
Auf vielen Dörfern in der Umgegend von Berlin herrscht die Sitte, dem
Vieh, den Gebäuden etc. den Tod des Herrn anzusagen, sobald dieser ge-
storben ist; dem Yieh wird es ins Ohr gesagt, in die Scheune, die Ställe
die Keller wird es hineingerufen, nachdem vorher an die Thür, oder den
Thfirpfosten geklopft worden ist. Auch den Obstbäumen und Weinstocken
wird es gemeldet. Es geschieht dies, um zu verhüten, dass der erste Todes-
all weitere nach sich zieht, und damit keine Krankheit eintrete, sondern
Alles gut gedeihe.
Der Holzwurm in den Möbeln, die sogen. Todtenuhr zeigt den Tod
irgend eines Familien gliedes vorher an.
Spielen Kinder auf dem Hofe oder im Garten Beerdigung (mit Puppen,
Stückchen Holz etc.), so wird bald Jemand im Hause sterben, auch wenn
sie beim Spiel choralartige Lieder singen, wird es bald eine Leiche im
Hause geben. Dasselbe geschieht, wenn der Hofhund ohne ersichtlichen
Grund anhaltend heult, oder wenn Nachts die Eule schreit.
Sitzen Dreizehn zu Tische, so muss noch in demselben Jahre einer von
ihnen sterben.
Trifft es sich zufallig, dass eines Tages sämmtliche Mitglieder einer
Familie in schwarz gekleidet gehen, ohne dass sie einen Trauerfall (in kür-
zerer Zeit) gehabt haben, so werden sie bald einen solchen zu beklagen
haben.
Fällt Jemandes Bildniss von der Wand, so muss er noch in demselben
Jahre sterben.
B2a.
Ist man von Hause fortgegangen, so darf man, selbst wenn man zu
Hause etwas vergessen hat, nicht wieder umkehren, weil man sonst Unglück
hat und einem alle Unternehmungen fehlschlagen.
Beim Ausfahren von Hause darf man nicht von der linken Seite auf
den Wagen steigen, weil man sonst, namentlish bei Geschäften resp. auf
der Jagd, Unglück hat.
Am Freitag ein Geschäft zu beginnen oder abschliessen, ist nicht rath-
Abergläubische Euren und sonstiger Aberglaube in Berlin. 87
sam, da es zum Unglück ausschlägt; dagegen ist f&r solche Handlungen
der Dienstag sehr zu empfehlen, da er ein Gluckstag ist.
Der 7. und der 13. Tag jedes Monats sind ünglückstage; ebenso der
28. Februar.
Handgeld. Die Marktleute und andere Händler sah ich öfters das
erste am Tage eingenommene Geldstuck, das „Handgeld^, bespeien (schein-
bar), dann an die Erde werfen und mit dem Fuss drehend darauf treten,
worauf sie es dann erst, indem sie zugleich dabei sagten „Handgeld^, in die
Geldtasche thaten. Essoll dies Verfahren Glück bringen, ihnen eine reiche
Einnahme verschaffen.
Das erste in einem neuen Geschäft eingenommene Geldstück, „Hand-
geld,^ ist ein Heckestück und wird in Papier eingesiegelt in die Kasse ge-
legt und sorgfältig aufbewahrt, weil dies dem neuen Geschäft reichen
Segen bringt.
Fällt Geld zu Boden, so kommt denselben Tag noch mehr ein.
B2/?.
Kein weibliches Wesen darf das Gewehr eines Jägers berühren, weil
es sonst nicht mehr trifft.
Die Eckzähne von erlegten Hirschen (Hirschhaken) werden von Jägern,
namentlich von den Berliner Jagdliebhabern an der Uhrkette getragen, um
ihnen Glück bei ferneren Jagden zu bringen.
Wünscht man einem Jäger Glück auf den Pürschgang, so wird er sicher
Unglück haben, d. h. nichts vor's Rohr bekommen. Als Gegenmittel gegen
solchen Glückwunsch muss der Jäger dem Glückwünschenden einen Besen
an den Kopf werfen. Soll der Jäger Glück haben, so muss man ihm wün-
schen, dass er sich das Genick breche, nach Anderen — Hals und Beine.
Der Wunsch wird ausgedrückt, indem man einfach sagt: „Na, Hals und
Bein."
Wenn Jemand ein guter Jäger werden will, so muss er von dem ersten
in seiner Gegenwart erlegten männlichen Stück der hohen Jagd (Hirsch
oder Reh) beim Ausweiden einen Hoden durchbeissen und verzehren. Noch
vor einigen Jahren in der Gegend von Bernau zur Ausübung gelangt.
Trifft der Jäger nicht, so glaubt er, dass ihm Jemand „einen Waid-
mann gesetzt" habe. Wie dies geschiebt, darüber konnte ich nichts er-
fahren. Er muss dann sein Gewehr auf eine besondere Art reinigen, um
es wieder treffEahig zu machen.
Andere sagen, das Gewehr sei verhext und wenden dasselbe Gegen-
mittel an.
Läuft dem Jäger morgens oder gleich nach Beginn der Jagd ein Hase
quer über den Weg, so wird er den ganzen Tag nichts vor^s Rohr bekommen
oder immer fehl scbiessen.
Kugeln, die ein Stück Wild erlegt haben, sogen. „Treffer", auch wohl
88 £• Krause:
„Freikogeln^ hebt der Jäger auf, denn sie treffen immer. Auch die yon
entwendetem oder gefundenem Blei gegossenen treffen besser, als andere,
ebenso die um Mitternacht gegossenen.
Will der Jäger, dass seine Hunde klein bleiben, so gicbt er ihnen in
der Jugend Branntwein.
Soll Jemand ein tüchtiger Angler werden, so muss er den ersten ge-
fcmgenen Fisch durchbeissen; am besten wirkt ein Kaulbarsch.
Angler speien auf den an den Angelhaken befestigten Wurm, damit die
Fische besser beissen.
Fischer retten keinen Ertrinkenden, weil sie sonst selbst bald ertrinken
müssen.
Diebe haben Mittel, die Hunde zu bannen, so dass sie nicht bellen und
sie auch nicht beissen. Welche Mittel sie anwenden, ist mir nicht bekannt
geworden.
Haben Diebe einen Einbruch ausgeführt, so verunreinigen sie den Ort
der That durch eigenen Auswurf, um nicht gefasst zu werden. Noch vor
einigen Jahren geschah dies in der Philipps-Kirche zu Berlin.
Holzdiebe können die Förster bannen, wenn sie ihnen in der Forst be-
gegnen. «Und wenn hinter jedem Baum ein Förster steht, gehe ich doch
in den Wald nni hole Holz" sagte ein alter Holzdieb in der Gegend von
Bemax .Ich weiss etwas, womit ich sie banne, dass sie mir nichts an-
haben können.* Womit er sie bannt, hat er nicht verrathen.
Im Volksglauben ist der Wald herrenloses Gut. .,er wächst fiär Alle;''
deshalb ist e^ acch kein Unrecht. Holz aus dem Walde zu holen. Holz-
üebssahl kennt das Volk nicht, doch passirt dann doch einmal etwas, was
sie Tca Holzsiehlen abschreckt,
Eiz. al^er Bauer im Dorf Stolpe bei Potsdam hatte auch den obigen
GIa^'i^s ::i:d machte daraus kein Hehl, war aber doch schliesslich daron
a-.Zrk.sziei; ii.i -:rng niiht mehr in den Wald", weil ihm in einer Nacht
i'.^rzyt cerkw^i;^^ Erscbricane wurde. Als er gerade dabei war. eine
jLr»ii*c* T£;*:er) Stange mit seiner Axt zu fällen, wurde es plötzlich om
-jLi. ".t^-tli 7^i es ^riüZiX^ ein Brausen. Als er mit der Arbeit inne hielt.
r^ryjT *d'-i Tj^litA. sxk\m sich aber beim ersten Aithiebe wieder ein. «Seit
2i!£L Thzi zehe icL ucLt mehr in den Wald,^ erklärte er, «denn es ist dock
B3.
Zyr,r..,i.: 'a: citer Fefcilichkeit ^Geburtstag. Hochzeit etc.) Glas oder
y.^rx^.AiX. iü*rL*M.Jii. er-T'eres. e-o bedeutet das Glück.
T'ia.vuujin i:.jr.«i \A ^\l*:t Ta§§e Kaffee oder Thee ein Häufchen kleiner
i.:fc^»*a- ♦^.i G^-v^-^ÄiL* ^^ n.QSS man dieses vorsichtig mit dem Ldffel ab-
i**r.**;i uiiC •..:jr»r:K-'r: :i. deii Müiid nehmen, und man erhält noch «elhigeii
Abergläubische Euren und sonstiger Aberglaube io Berlin. gg
Klingt Einem das Ohr and trifft Jemand auf die Frage: „Welches Ohr
klingt?" das richtige, so wird Gutes von Einem gesprochen; Schlechtes hin-
gegen, wenn er das richtige Ohr nicht nennt. Am Besten wird von Einem
gesprochen, wenn das linke Ohr klingt und richtig getroffen wird.
Auch erzählt man, dass, wenn Einem ein Ohr klingt, Jemand an Einen
denkt, und dass das Ohr so lange klingt, bis Einem der richtige einfällt.
Steht Jemandem ein Examen, oder sonst etwas Wichtiges bevor, so
müssen seine Freunde während der Entscheidungszeit den „Daumen drücken",
d. h. den Daumen in die Handfläche legen und mit den umschliessenden
Fingern drücken, so gelingt Alles gut.
Am Tage der Ziehung einer Lotterie, in der Jemand mitspielt, muss er
und seine Freude den Daumen drücken, dann gewinnt er.
Begegnet man einem Leichenwagen, oder dem Schinder, oder hört man
den Kukuk rufen, so muss man seinen Geldbeutel umschütteln, damit er nie
leer werde, sondern das Geld darin sich vermehre.
„Spinne am Morgen,
Unglück und Sorgen.
Spinne am Abend,
Wohlthuend und labend."
Geht man aus und begegnet zuerst einem jungen Mädchen oder dem
Schinder, so bedeutet das Gluck. Man soll aber umkehren und wieder nach
Hause gehen, wenn man zuerst einer alten Frau oder einem Leichenwagen,
der dieselbe Kichtung verfolgt, begegnet, denn man vrird Unglück haben; hin-
gegen bringt ein einem entgegenkommender Leichenwagen Glück.
Ein gefundenes, schon gebrauchtes Hufeisen bringt Glück; mit der ge-
schlossenen Seite nach aussen auf die Schwelle genagelt, verwehrt es dem
Teufel, überhaupt dem Bösen den Eintritt.
Sagen zwei. Personen zufällig zu gleicher Zeit dasselbe Wort, oder
sprechen denselben Gedanken aus, so leben sie noch ein Jahr zusammen.
Nach Anderen geht ihnen ein sofort geäusserter Wunsch sicher in Erfüllung.
An einer Schafheerde so vorüberkommen, dass sie Einem links bleiben,
bedeutet Glück; rechts Unglück. Schweine müssen im ersteren Falle rechts,
im zweiten links kommen.
Für Juden bedeutet die Begegnung mit Schweinen immer Unglück; sie
müssen dann an Eisen — Schlüssel, die sie in der Tasche tragen, oder
Messer — fassen, um den Bann wieder zu heben.
Yierblätterige Kleeblätter finden bedeutet Glück.
An jedem Haselstrauch wächst in jedem siebenten Jahre eine Ruthe
von „sehr wunderbarem Ansehen"; das ist eine Wünschelruthe. Doch nur
ein Sonntagskind, das den rechten Glauben hat und ganz unschuldig ist^
kann sie in der Johannisnacht finden, dem liegen dann alle Schätze der Erde
offen. — ^
Ehe man ein Brot anschneidet, soll man mit dem Wasser dreimal dais
90 £• Krause:
Kreaz auf der Unterseite schlagen, oder leicht einritzen, so wird es Einem
gut bekommen.
Geht Jemand aus, so muss man hinter ihn her spucken, damit er
Glack habe.
Zieht man in eine neue Wohnung, so muss zuerst ein Stück Brot und
etwas Salz auf den Ofen oder an einen anderen nicht sehr zugänglichen Ort
gelegt werden, und Wohlstand (Brot) und Zufriedenheit (Sulz) werden in der
neuen Wohnung herrschen.
Andere tragen ausserdem einen Eimer Wasser in die Wohnung oder
schieben ein Geldstuck (Groschen) unter den Ofen oder die Thürschwelle.
Wer des Morgens nüchtern „aus heiler Häuf*, d. h. ohne das Niesen
künstlich erzeugt zu haben, niest, erhält am Tage ein Geschenk.
Sonntagskinder haben Glück.
Sonntagskinder, d. h. solche Leute, die an einem Sonntag geboren sind,
können Gespenster sehen, doch müssen sie daran glauben.
Spricht Jemand von seiner, oder eines Anderen Gesundheit oder Glück,
so sagt er dabei dreimal „unberufen^, damit nicht Gesundheit in Krankheit,
Glück in Unglück sich wende.
Wer Morgens mit dem linken Fuss zuerst aus dem Bette steigt, wird
den ganzen Tag unwirsch sein und es wird ihm Alles fehl schlagen.
Juckt Einem die Nase früh Morgens, so wird man etwas Neues erfahren,
oder auch mit der Nase in den Schmutz fallen.
Zum Binden von Blumen sträussen und Kränzen, darf kein schwarzer
Faden verwendet werden, weil das „Unglück bedeutet."
Wer eine Katze tödtet, wird eines schweren Todes sterben.
Wenn Einem eine Katze über den Weg läuft, muss man dreimal aus-
speien („spucken") und umkehren, weil man sonst Unglück hat.
Um den Einfluss des „Bösen" abzuhalten, muss immer ein Stück von
jeder Gattung Ilausthiere ganz schwarz sein, also: eine schwarze Kuh, ein
schwarzes Huhn, eine schwarze Katze etc.
Töpfe mit Milch, überhaupt Gefässe mit Flüssigkeiten dürfen über
Nacht nicht offen stehen bleiben, — es fallt Unglük und Krankheit hinein
„wie Mehlthau".
Wenn ein Mitglied der Familie stirbt, so muss der Kanarienvogel, resp.
jedes andere Hausthier auf einen anderen Platz gesetzt werden, sonst stirbt
es bald.
Wer sich einen Knopf an einen Rock nähen lässt, den er an hat, über-
haupt Zeug auf dem Leibe flicken oder die Stiefel auf den Füssen putzen
lässt, wird eines schweren Todes sterben (oder sich im Todeskampfe ver-
unreinigen).
Eierschalen von in der Wirthschaft gebrauchten Eiern darf man nicht
verbrennen, weil sonst die Hühner auch am Hintern verbrennen und nicht
mehr legen.
Abergläubische Euren und sonstiger Aberglaube in Berlin. 91
Das Brot darf nicht mit dem Rücken auf den Tisch gelegt werden,
noch mit der angeschnittenen Seite von der Mitte des Tisches abgewendet,
oder es giebt Krankheit und Noth, oder überhaupt Unglück.
Wenn bei Tische ein Unverheiratheter die Butter anschneidet, so muss
er noch 7 Jahr ledig bleiben.
Wer bei Tische an der Ecke sitzt, bleibt noch 7 Jahr ledig.
Von jeder anderen Speise darf man ungestraft verschütten, nur vom
Brod, „dem lieben Gut", nicht. Ein Krümchen Brot, an die Erde geworfen,
zieht schwere Strafe des Himmels nach sich.
Bei Tische das Salz umschütten, bedeutet Zank.
„So viel Körnchen Du verstreuest.
So viel Sünden Du begeuhst,"
heisst es, wenn Kinder Salz verschütten.
Wer den Mund mit der Serviette wischt, ehe er einen Bissen im Munde
hat, dem gedeiht das Essen nicht.
Fällt einem ein Bissen von der Gabel weg an die Erde, so ist er
einem von irgend Jemand nicht gegönnt.
Hat man aus einem Gefass — Glas, Tassen köpf etc. — getrunken, so
darf nicht eher wieder frisch eingeschenkt werden, als nachdem das Geschirr
ganz geleert, weil man sonst die Gicht bekommt. Junge Mädchen, die, ohne
auszutrinken, sich neu hinzugiessen, werden alte Jungfern.
Trinkt ein junges Mädchen mit einem bärtigen Mann aus einem Glase,
so bekommt es einen Bart.
Zu Weihnachten muss etwas Grünes gegessen werden (Grünkohl), weil
das Gluck bringt; zu Neujahr werden Fische gegessen, weil man dann reich
vrird. Einige Fischschuppen werden in das Portemonnaie gethan, dann
„wird einem das ganze Jahr hindurch das Portemonnaie nicht leer^.
Beim Essen darf man dem Nachbar, oder dem Gegenüber nicht auf den
Mund sehen, weil ihm dann das Essen nicht bekommt.
Thut man Jemandem Haar, oder Fingernägelabschnitte in das Essen,
und isst er das mit, so wird er siech.
Fällt Einem ein Messer, Gabel, Scheere auf den Boden und spiesst
sich dabei in die Diele, so giebt es Besuch — „spitzfindigen" sagen Einige.
Niest Jemand, der den Schnupfen hat, so darf man nicht „Prosit" sagen,
weil er dann seinen Schnupfen nicht los wird.
Wenn man einen Schlucken hat, so denkt Jemand an Einen.
Schuhe und Stiefel dürfen nicht auf den Tisch gestellt werden, sonst
giebt es Zank.
Fingernägel müssen Freitags geschnitten werden, sonst wachsen sie
nicht nach.
Das Haar wird bei zunehmendem Mond geschnitten, damit es zunimmt,
wächst und stark wird; bei abnehmendem Mond geschnitten, würde es ab-
nehmen, ausgehen.
92 E. Krause:
Bandwarmkaren beginnen, selbst auf Yerordnang von Aerzten, bei ab-
nehmendem Mond.
Kartenlegen, Schäfer- and Soharfrichterkuren sind noch sehr beliebt,
sogar bei gebildeten Leuten, ebenso das Wahrsagen aus den Linien der
Hand, den Adern der äusseren Handfläche, der Kopf- und Stirnbildung,
aus dem Kaffeesatz, Eiweiss, aus dem in der Neujahrsnacht gegossenen
Blei etc.
Oft; treiben Nachts Kobolde ihr Wesen in Küche und Schrank, indem
sie Geschirr umwerfen, Flüssigkeiten, namentlich Milch, umschütten and
dann auflecken, oder Fleisch und andere Speisen benaschen. Man kann sie
fangen, wenn man eine tiefe Schüssel mit Wasser aufstellt und das Wasser
mit Mehl bestreut; doch nur ein Sonntagskind kann sie in ihrer wahren
Gestalt sehen; für Andere nelimen sie die Gestalt von Mäusen an.
Nachts bedrückt oft ein „Alp" die Menschen. Er hat die Gestalt eines
mit scheusslicher Fratze, langer Nase und Buckel behafteten Affen. Er
setzt sich auf die Brust, erschwert das Athmen und verursacht grässliche
Träume. Oft erstickt er auch die Schlafenden durch seinen Druck. Von
ihm Befallene fühlen sich am anderen Morgen sehr matt, wie betäubt, ganz
„duselig" im Kopfe und haben oft wochenlang Kreuzschmerzen und Schwere
in den Gliedern. Offene Fenster erleichtern ihm den Zutritt.
Wer Jemandes Blut leckt oder trinkt, kann nicht mehr von ihm lassen;
Andere behaupten, dass er dann die „Sucht" bekäme, öfters fremdes Blut
zu trinken, und sich so zum Vampir ausbilde. Noch nach dem Tode wird
er Nachts bei offenem Fenster in Gestalt einer Fledermaus in die Schlaf-
zimmer dringen und den Schläfern das Blut aussaugen. Dies hört erst dann
auf, wenn man seinen Leichnam in der Herzgegend mit einem spitzen
Eisen — Dolch etc. — oder mit einem spitzen, an der Spitze verkohlten
Pfahl durchsticht und das stechende Instrument in dem Leichnam stecken
lässt. Man hüte sich deshalb, wenn sich Jemand Anderes in den Finger
gestochen oder geschnitten hat, die Wunde auszusaugen, weil dies der An-
fang zum Yapirthum ist.
Wer einen Meineid schwört, dem schwören die bei dem falschen
Schwur erhobenen drei Finger ab. Andere behaupten, dass sie, wenn er
auf dem Todtenbette liegt, zuerst sterben und vor seinem Tode verwesen;
ausserdem zwingt ihn dann sein Gewissen, den Meineid einzugestehen,
sonst kann er nicht sterben.
Das Verzehren des Herzens, Leber und Lunge oder das Verzehren des
Herzens und der Besitz von Leber und Lunge eines unschuldigen Kindes,
namentlich von einem Mädchen, macht unsichtbar und schützt vor Ver-
folgung. Schon oft sind in Folge dieses Wahnes scheussliche Verbrechen
— Morde, Leichenschändungen — begangen worden.
Li Caputh bei Potsdam wurde einer Bäueriu ein Schwein krank. Wahr-
scheinlich hatte es in Folge des Genusses von Fischen Gräten in den Hals
Abergläubische Kuren und sonstiger Aberglaube in Berlin. 93
bekommen und zeigte deshalb Unlast zam Fressen. Nach Ansicht der Be-
sitzerin war es von in ihrem Hause wohnenden Sommergästen behext. Sie
malte deshalb mit Kreide drei Kreuze über der Stallthür unter fortwähren-
dem Gemurmel und Drohen mit der Faust nach dem Fenster der Wohnung
der Sommergäste hin.
Schiebt man unter die Schwelle eines Viehstalles ein Büschel Haar vom
Besitzer des Viehes oder von einem seiner Familienmitglieder, so fangt
das Vieh an zu siechen. Auch Theile von getragenen wollenen Kleidern
ihnen dieselben Dienste, nach Einigen auch die Haare und Kleider der die
Hexerei ausübenden Person (meist Frau). Ich habe öfters auf dem Lande
in der Nähe Berlins beim Erkranken von Vieh nach dergleichen Dingen
fahnden sehen.
Um Raubvögel vom Gehöft und dem Hausgeflügel abzuhalten, wird in
Zehlendorf, Kr. Teltow, eine Stange aufgerichtet, auf der ein Rad wagerecht
befestigt ist.
Raupen aus dem Garten zu vertreiben, wird Folgendes angewandt.
Die Besitzerin oder ein weibliches Glied ihrer Familie begiebt sich nach
Sonnenuntergang, einen Reissbesen hinter sich herschleifend, in den Garten
und umgeht diesen, von der Thür aus rechts anfangend, in seiner ganzen
Ausdehnung, indem sie immer den Besen hinter sich herzieht und fort-
während murmelt: „Guten Abend, Mutter Rupsch (Raupe), Sie sollen mit
Ihrem Mann in die Kirche kommen.^ (Doch darf sie sich dabei nicht um-
sehen.) Die Gartenthür bleibt dann bis vor dem nächsten Sonnenaufgang
geöffnet. Nach Anderen muss der Umgang um Mitternacht ausgeführt
werden. (Eberswalde, auch in Meklenburg gebräuchlich.)
Der Glaube, dass verscharrtes Geld sich Nachts durch aus dem Erd-
boden schlagende Flammen bemerkbar mache, ist weit verbreitet.
An der Chaussee von Königs- Wusterhausen nach Storkow steht rechts
hinter Körbis-Krug dicht am Graben ein etwas stärkerer Kieferbaum, als
die umstehenden. Seine Wurzeln sind beim Ausbeben des Grabens zum
Theil blosgelegt oder abgehauen worden. „Hier hat vorigten Mittwoch Geld
gebrannt," sagte mir der Kutscher, als ich (vor einigen Jahren) daran vor-
überfuhr. Es sei eine blaue Flamme gewesen, die aus dem Erdboden kam,
ohne dass Holz da gewesen wäre. Der Maier des Gntes kam Nachts mit
ihm aus der Stadt gefahren. „Wenn de Meier nich redt hädde, dann hadd'
ick'n Kobold gefasst un dünn hädden wir't Geld utgraben können. De olle
däselige Meier !^ sagte er betrübt. Ich stieg ab und schalmte den Baum
an, um ihn wieder zu erkennen. Einige Tage darauf fuhren wir wieder
nach K.-W. Ich nahm einen Spaten mit und grub an der bezeichneten
Stelle dicht unter der Grabensohle aus ziemlich festem Lehmboden grosse
Mengen verwitterter und unverwitterter Schwefelkiesknollen, was der Kutscher
natürlich fiir unreines Gold hielt, das ich ihm jedoch grossmüthigst über-
liess. Aufklären Hess er sich nicht einmal vom Goldarbeiter, zu dem er
94 £• Krause: Abergläubische Kuren und sonstiger Aberglaube in Berlin.
mit seinem Schatz ging. „Der wolle blos billig kaufen ^^^ meinte er, „dnim
mache er es schlecht
Auch bei Zehlendorf haben schon öfter Leute Geld brennen sehen, doch
regelmässig beim Graben gesprochen und deshalb den Schatz nicht heben können.
Wie man einen Dieb ermittelt. Die „Streich- und Tretfrau" des
Dorfes, d. h. diejenige, gewöhnlich sehr alte Frau, welche mit „Streichen",
„Pusten **, ^Treten ** und „Besprechen" alle möglichen Leiden heilt, oder
wenigstens in dem Rufe steht, sie heilen zu können, besitzt auch das Ge-
heimniss, nach geschehenem Diebstahle den Thäter zu ermitteln.
In einem Dorfe bei Königs- Wusterhausen waren während meines Aufent-
haltes daselbst mehrfach Gänsediebstähle vorgekommen. Man hatte mehrere
Personen im Verdacht der Thäterschaft. hauptsächlich aber einen etwas blöd-
sinnig aussehenden jungen Menschen, der erst einige Monate als Knecht im
Dorfe im Dienst stand. Bei einem Tanzvergnügen im Kruge war die Rede
von dem letzten Diebstahl, über den man allgemein entrüstet war, weil
einer armen Tagelöhnerfamilie ihre fetteste Gans gestohlen war. Da die
Verdächtigen mit auf dem Tanzboden waren, wurde beschlossen, die Streich-
frau zu rufen und durch sie den Dieb ermitteln zu lassen. Sie kam, liess
sich die Sache vortragen, sah jeden Einzelnen scharf an und verliess dann
auf kurze Zeit den Tanzsaal. Bald kehrte sie wieder zurück, ging in die
Mitte des Saales, machte unter wunderbaren Gesten und stetem Gemurmel
einen kreisrunden Kreidestrich um sich herum auf dem Fussboden und setzte
sich mitten hinein auf einen Stuhl, doch so, dass sie die Stuhllehne unter
einem Arme hatte, der Rücken also frei wur. Dann liess sie alle An-
wesenden in eine Reihe hinter einander treten, so dass der erste dicht
hinter ihrem Rücken stand. Nun wurde alles Licht im Saale ausgelöscht
und der Zug setzte sich in Bewegung; unter stetem Gemurmel der Alten
musste ihr jeder einen leisen Schlag auf den Rücken geben. Der Dieb, so
sagte sie, würde eine schwarze Hand bekommen. Vor dem Saale war es
hell, jeder musste nach dem Schlage sofort hinausgeben und zweien Un-
parteiischen, die an der Thür standen, seine Hand zeigen. Alle hatten
schwarze Hände, nur jener Knecht nicht. Er hatte im Bewusstsein seiner
Schuld und im festen Glauben an die Zaubermacht der Alten sich wohl gehütet,
sie auf den Kücken zu schlagen, um nur ja nicht die Hand schwarz zu färben.
Er gestand, so überführt, den Diebstahl ein und wurde mit Schimpf und Schande
fortgejagt, seine Lohnforderung den Bestohlenen als Ersatz zuerkannt.
In einem andern Dorfe war von einem Gehöfte Holz gestohlen worden.
Die Streichfrau kam, zählte die Anwesenden und liess sich nach den oben
beschriebenen Vorkehrungen von jedem die Hand geben, natürlich wieder
im Finstem. Der Schuldbeladene machte sich w^ahrscheinlich durch Zittern
beim Handreichen verdächtig, denn bei der Besichtigung der Hände hatten
Alle nur leichte Spuren von Schwärze, er eine ganz schwarze Hand. Auch
er gestand sein Verbrechen ein.
VI.
Schlange und Aal im deutschen Volksglauben.
Von
W. V. Soliulenbupg.
Seit Alters wird im Volke behauptet, dass Aale in warmen dunklen
Sommernäcbten das Wasser verlassen und über Wiesen in nahegelegene
Brbsenfelder geben. Streue man im Grase, wo sie ihren Pass haben
Asche aus, so könnten sie nicht wieder zurück und man könne sie so
fangen.
üeber diese Meinung ist viel geschrieben worden und Naturforscher
haben ihre Erfahrungen gegen sie ins Feld geführt. Es konnte bisher,
unseres Wissens, kein zuverlässiges Zeugniss erbracht werden, dass jemals,
ein Mensch Aale in die Erbsen gehen sah, um Erbsen zu fressen^).
Nichtsdestoweniger hört man in ganz Deutschland diese Meinung von un-
zähligen Menschen wiederholen. Es fehlt auch nicht an ähnlichen unerwie-
senen Behauptungen, z. B., dass Männer mit weisser Leber keine Frau
behalten, und umgekehrt: solche Frauen keine Männer, Bienen aus Aas
entstehen, Molche und Schlangen Schlafenden in den Mund kriechen und
im Leibe jungen, Kröten und Schlangen den Kühen die Milch aussaugen,
wie man dies und anderes von klein auf im Volke erfahren hat.
Ich selbst habe seit einer Reihe von Jahren sehr viele Landleute,
darunter auch alte erfahrene Fischer, welche alle von der Erbsenliebe der
Aale zu berichten wussten, gefragt, ob sie oder ein ihnen bekannter leben-
der Mensch Aale in Erbsenfelder hätten gehen und Erbsen verzehren
sehen. Allein unter so vielen war nicht ein einziger, der, eindringlich zur
Rede gestellt, hätte sagen können: „Ich selbst habe es gesehen, oder kenne
einen lebenden Augenzeugen.'^ Immer war schliesslich der Grossvater oder
sonst ein Verstorbener der Beobachter gewesen, ungeachtet dessen sprachen
alle von der wunderlichen Aalfrage wie von einer feststehenden Thatsache.
1) Dass zufällig Aale auch in Erbsen gefanden worden sind, ist leicht möglich. —
Mehrere glaubwürdige Leote erzählten mir, sie hätten Aale ausserhalb des Wassers, aber
nahe demselben, im Grase gesehen.
96 W. T. Schalenbarg:
Diese Sicherheit und die AUgemeiDheit der Meinung liesscn mich schon
vor Jahren vermuthen, dass die letztere auf das mythische Gebiet zu ver-
weisen sei.
Nichts von Allem, was die Herzen der Völker bewegt hat, selbst nicht
die grossen Thaten und Ereignisse in der Geschichte, die das Wohl und
Wehe von Millionen umfassten, ist haften geblieben in der Erinnerung der
Menschheit; alles ging unter im Strom der Vergessenheit. Nur die alten
mythischen Vorstellungen, welche, voll unverwüstlicher Lebenskraft, oft auf-
gefrischt durch erneute Eindrucke, in Sagen und Gebräuchen sich ablagerten,
haben die Zeit überdauert und sich zum Theil aus Zeitaltern, Jahrtausende
von dem unsrigen entfernt, zu uns hinübergerettet.
In vorgeschichtlichen Zeiten — und das muss bei dem Widerstände
gegnerischer Meinungen immer wieder hervorgehoben werden, glaubte der in
seiner Anschauung noch nicht durch viele Erfahrungen bereicherte Mensch
in gewissen Erscheinungen am Himmel, wie in der Natur, Erscheinungen
und Vorgänge zu sehen, welche er an sich selbst oder in seiner Umgebung
auf der Erde wahrnahm, denn er hatte keine weiterliegenden Erfahrungen.
Je älter, desto roher, sinnlicher, einfacher (nach unserer jetzigen Auffassung)
war die Vorstellung. Je mehr der Geist des Menschen und sein äusseres
Leben sich entwickelten, desto reicher und geistiger entwickelten sich auch
die mythischen Anschauungen. In Wolken, welche noch heute selbst bei
Gebildeten die Erinnerung an Thiergestalten wachrufen, sah man Rinder,
Wölfe, Hunde, Katzen u. dgl. Trieb ein leiser Abendwind die Wölkchen,
welche wir noch Schäfchen nennen, über den Himmel, so glaubten unsere
„Alten*^ (oi 7ia?Mioll)^ am Himmel treibe ein Schäfer seine Heerde, und
was der Schäfer auf der Erde thun könnte, müsste auch der Schafer am
Himmel thun können. Seitdem sagt man noch: n^er Schäfer ist am
Himmel, es giobt gutes Wetter." Wer jemals in der Natur Wolken be-
schaute, weiss, wie er oftmals, wieder aufblickend, erstaunte, wenn eine noch
eben vorhandene Wolkonform verschwunden war, oder allmählich unsichtbar
wurde, oder wie durch Zauber sich in andere Form verwandelte ^).
Solche Verwandelungen und Zaubereien im mannichfachstcr Fülle sahen
Jäger, Fischer und Hirten der Vorzeit, und was sie am Himmel mit Thieren
und Zauberwesen vor sich gehen sahen, das übertrugen sie wieder auf ähn-
liche Thiere und Vorgänge in ihrer Umgebung. Nur auf Vergleichen schritt
der menschliche Geist weiter. Der Blitz erschien den Alten u. A. wie eine
feurige Kuthe. Oft folgt auf Blitze Regen. Darum folgerte man: die
Kuthe oder Zauberweseu, die mit der Kuthe hantieren, machen den Regen.
Wenn man das nachmacht, kann man sich auch Regen machen. Daher die
Volksmeinnng, jetzt und ehedem: bei Dürre soll man Teiche mit Ruthen
schlagen, dann giebt es' Regen. Aber die Einbildungskraft, diese Quelle
1) Vergl. W. V. Schulenburg, Wendisches Volksthum, Berlin, 1882, S. 166, Anm. 2.
SchlaD(|re und Aal im deutschen Volksglauben. 97
aller Dichtung und Kunst, im Laufe der Zeit mehr und mehr vom Verstände
verdrängt, indem Wissen an Stelle des Glaubens trat, war damals, weil sie
das ganze Weltall in sich aufnahm und in ihren Anschauungen wieder-
spiegelte, eine so reiche und grossartige, dass wir Menschen mit vor-
wiegender VerstandesaufiPassung nur mit Muhe in jenen gewaltigen An-
schauungen uns zurechtfinden, welche im Regenbogen nach Seh war tz das
Hom einer Euh oder eine riesige Sichel sahen.
Bei den Deutungen solcher uralten Vorstellungen, zum Theil so alt wie
das Menschengeschlecht, muss mancher Irrthum unterlaufen, wenn sie zu
sehr auf Einzelheiten sich erstrecken. Sie werden da am zuverlässigsten
sein, wo sie auf den Ursprung der Vorstellungen zurückgehen. Dann kommt
man an die Grenze, wo die einfachsten Vorstellungen liegen, die in den
mannichfachsten Zusammensetzungen, in Sagen und Mährchen und Götterge-
schichten, entsprechend einer höheren £ntwickelung des geistigen wie
äusserlichen Lebens, immer wieder so zu sagen als GrundstofiPe vorkommen.
Unbestreitbar ist, dass den Indogermanen, wie den meisten Völkern
der Erde, die Blitze, welche vom Himmel sich nieder schlängelten,
auch als Schlangen galten, gleichwie bisweilen noch Landleute bei
Gewittern Blitze^) den Schlangen vergleichen. HerrSchwartz erfuhr dies
einmal und auch ich hörte ebenso bei einem . schweren Gewitter eine
Wendin die Blitze voll Schrecken als Schlangen bezeichnen. Hierbei ist
nicht zu vergessen, dass solche gewaltigen Naturerscheinungen in der
freies Natur ganz anders ergreifend auf das Gemüth der Menschen ein-
wirken, als in dem Treiben und Wogen einer Grosstadt. Erwiesen ist
femer, dass das alte Heidenthum in gewissen Himmelserscheinungen ein
Milchmeer, gemolkene Milch, kurz Milch^) wahrzunehmen glaubte, wie
denn auch die Milchstrasse der verspritzten Milch der Here von einer
ähnlichen Anschauung bezüglich der Sternenwelt Zcugniss ablegt.
Es ist nun, wie schon erwähnt, noch heute ein alter Glaube in unserem
Volke, dass Schlangen den Kühen die Milch aussaugen. Mir erzählte^) ein
alter sehr verständiger Bauer: „Als mein (verstorbener) Onkel einmal in
den Kuhstall kam, fand er eine Schlange. Die hatte sich einer Kuh um
das Bein gewickelt und saugte ihr die Milch aus. Als er sie todt ge-
schlagen hatte, brüllte die Kuh nach ihr wie nach dem Kalbe'^. Auch bei
sängenden Frauen finden sich die Schlangen ein, springen nach der Brust
und halten so fest, dass sie nur mit Mühe und Noth entfernt werden
können. Allbekannt sind die Sagen vom Scblangenkönig, der zu kleinen
Kindern geht und die für sie hingestellte Milch verzehrt. Dieser Vorfall,
1) Sehwartz, Ursprung der Mythologie, 26; W. y. Scbulenburg, Wendische Sagen,
(8. 271, Anm. 1.)
2) Schwarte, Ursprung, S. 44, 229 und a. 0. Oberwendisch heisst die Milchstrasse
nach Pfuhl) belosta (von bely weiss, belomli^ny milchweiss).
8) Wendische Sagen, 8 97.
ZeSticbrift for Ethnologie. Jahrg. 1883. 7
98 W. V. Schulenburg:
der sich in verschiedenen Bauernfamilien, wie lebende ältere Mitglieder
derselben aus voller Ueberzeugung versichern, zugetragen hat, liefert ein
sprechendes Beispiel für die Uebertragung mythischer Anschauungen auf
die Verhätnisse des Lebens. Inwiefern die Neigung der Schlangen zu
kleinen Kindern in Beziehung steht zu den Blitzgeburten, der Wiederkunft
der Seelen u. d. m., muss hier übergangen werden. An jene Ueberlieferungen
reihen sich in erweiterter Beziehung die Berichte vom Milchmelken ans
Stricken und Peitschen, vom Buttermachen der Hexen und dem unfläthigen
Buttern des Teufels u. d. m. An die Milchgeluste der Schlangen schliesst
sich ferner die ganz allgemeine Meinung an, dass mau Blitzfeuer nur mit
Milch löschen^) kann, dass ebenfalls die berüchtigten Diebsfinger, wenn sie
brennen, nur mit Milch auslöschbar sind. Indessen verbietet sich hier ein
weiteres Eingehen auf diese Ueberlieferungen, welche alle im inneren Zu-
sammenhange stehen mit dem Wesen der mythischen Schlange. Gleich der
Schlange zitzt auch die Kröte die Kühe (ebenso soll der Iltis die Kuheuter
aussaugen). Wie eine freundliche Mittheilung des Dr. Voss besagt-, wird
in dem südlichen Theile des Kreises Camrain in Pommern süsse (rohe)
Milch als Mittel gegen den Biss der „Schnaken" (Schlangen) getrunken,
ebenso aber auch, wie überall, gegen jedwede Vergiftung. Es muss daher
sehr fraglich erscheinen, ob man bei diesem Mittel an mythische Beziehungen
denken darf.
Fast allgemein wird bestritten, dass Schlangen überhaupt Milch saufen.
Wenn aber auch vereinzelt der Fall einträte, so entzöge sich diese That-
sache wohl zu sehr der allgemeinen Kenntniss, um Veranlassung für die
Entstehung so vieler uralter germanischer, litthauischer, slavischer u. a.
Sagen zu werden, in denen Schlange und Milch wesentliche Bestandtheile
bilden. Vereinzelte Erfahrungen geben niemals die Grundlage für einen so
weit verbreiteten Glauben ab. Alles weist deutlich auf den mythischen
Hintergrund. Dergleichen Ueberlieferungen leben noch immer in unseren
Tagen fort, sie sind der dichterische Schimmer, der über dem Dasein des
Volkes ausgebreitet liegt.
Auch ein entsprechender Gebrauch konnte nicht die Veranlassung für
diesen Glauben sein, denn der Gebrauch folgt erst der Erfahrung.
Nach Prätorius ^) setzte zu Nürnberg Paul Creuz in einem gewissen
Plan ein neues Tischlein hin, deckte darauf ein weisses Tuch, stellte darauf
zwei Milchschüsslein, ferner zwei Honigschüsslein, zwei Tellerchen und
neun Messerchen, zerriss eine schwarze Henne über einer Kohlpfanne u. d. m.
Dann kamen zwei Bergmaunlein (Zwerge) aus der Erde und setzten sich
1) Wendisches Volksthnin, S. 12ö, lai, Wendische Sapen, S. 241 und a. 0. Im vori-
f^n Jahre erwiderte mir auf meine Fnipre: war wioilcr Feuer in der Nachbarschaft? ein
kleiner Junge in der Lausitz: „Bei Lapans hut der Blitz ein^^eschlagen, aber Me hatten Milch
im Hause.* Zu ergänzen war: sie konnten deshalb gleich löschen.
2) Grimm, deutsche Sagen, I, 4i2.
100 W. V. Schalenburg:
Pferden silberne Hufe unterschlagen Hessen und dergleichen mehr. EDdlich
gingen sie gar so weit, dass sie ein Schwein ins Bett legten, ihm ein
Hemd anlegten und den Pastor kommen liessen, dem sie sagten, es sei da
ein Kranker, welchem er das Nachtmahl reichen solle. Da ist der Pastor
auch gekommen, und hat es thun wollen, aber im selben Augenblicke hat
er auch gesehen, dass ein Aal aus dem Feuer des Herdes hervorkroch,
und daran erkannt, dass sich Ungeheures begebe. Da hat er sich schnell
zu Pferde gesetzt und ist eiligst davongesprengt, und unmittelbar hinter
den Hufen seines Rosses ist das Land weggebrochen nnd von der See
verschlungen worden und so sind die sieben Kirchspiele untergegangen."
Gleichwie der Blitz im feurigen Wolkenherde erscheint und hinter ihm
die Regenfluth sich ergiesst, so erscheint hier der Aal gleich der Blits-
schlange, und ihm nach die Wasserfluth.
Schärfer und bestimmter noch hebt der mythische Grundriss dieser
Sage bei Müllenhoff^) sich ab. „Rechts vom Wege von Schalkholz nach
dem jetzigen Telliugstede, nicht weit vom Schalkholzer Tegel, lag das alte
Tellingstede. Die Leute waren so gottlos und übermüthig, dass sie einen
Prediger zwangen, einer Sau das Abendmahl zu geben. Doch schon als
er ins Haus kam, drang ihm ein Schwefelgeruch entgegen und als er nach-
her wieder auf die Diele trat; wimmelte sie von Aalen mit grossen Augen
und zischend wie Schlaugen, und grässlicbe Kröten und andres Ungeziefer
lief umher und ein furchtbarer Sturm erhob sich und die Hunde heulten.
Da rief der Prediger schnell die frommen Leute des Orts zu sich nnd sie
flohen und erbauten nachher das jetzige Tellingstede. Gleich hinter ihnen
war mit Krachen das alte Dorf in die Erde gesunken und ein trfiber
bodenloser See, der Ecksee oder Neckssee, steht jetzt da, in dem kein Fisch
lebt." Hier finden wir eine ganze mythische Gesellschaft vereinigt. Es
wimmelt von Aalen, wie die Schlangen um den Schlangenkönig wimmeln,
oder bei der ünthat, die der Schlange vom Menschen widerfahrt, wimmelnd
sich erheben. Sie haben grosse Augen, wie die sagenhaften Fische, wie
die Gewittervögel, Eulen und Hexen 2). Sie zischen wie Schlangen, Kröten
und sonstiges Ungeziefer, laufen umher und treten uns als mythische
Bekannte entgegen. Dazu kommt furchtbarer Sturm, die Windhunde heulen,
es fehlt nur der wilde Jfiger oder der zürnende Wolkengott, der seine
eiserne Keule aus der Höhe niederschleudert auf die Sterblichen.
Hier ist kein Zweifel: die Aale sind an die Stelle von Schlangen
getreten. Schon der Schwefelgeruch 3) ist bezeichnend. Er ist so oft der
Gestank, den der Gewitterteufel mit höhnischem Lachen hinterlässt.
Zwei kleine Stunden von Göttingeu liegt der seeburger See. In alten
Zeiten stand da eine stolze Burg, auf welcher ein Graf^ Namens Isang,
1) Müllenhoff, Sagen aas Schleswißr-Uolstein, S. 131.
2) Vergl. Schwartr, Poetische Naturanschauungen, S. 108.
3) Schwartz, UrspruDg, S. 6, 74, 19G-198.
102 W. V. Schulenburg:
worden. Diess alles lässt man verrichten in der Stunde von Mars. Dieser
also zubereitete Degen Hess alle Degen der Gegner in Stucke springen.
Wenn man von keinem Menschen verwundet werden will, so kann
man auf den rechten Arm eine Schlangenhaut binden, welche mit einer
gegerbten Aalhaut überzogen ist. Dann lässt man ein eiser. es Zeichen
von einem Stücke eines Henkerschwertes schmieden ** u. s. \v. Die Ver-
wandtschaft des Aales und der Schlange in volksthümlicher Aufiassong
spricht sich hier sehr deutlich aus, wie denn auch manche Leute keinen
Aal (oder Pezker) essen mögen, weil er sie zu lebhaft an die Schlange
erinnert. Selbst allgemeiner war früher die Abneigung vor dem Genoms
der Aale.
Auch die Erbse hat ihre mythologische Bedeutung. Dem deutschen
Donnergotte, Donar, scheinen Erbsen geweiht gewesen zu sein und ihm
zu Ehren isst man noch Donnerstags in Berlin Erbsen^). A. v. Perger
führt in seinen Pflanzensagen bezüglich der Erbse siebzehn Gebräuche und
Sagen an. Bei ihm heisst es u. a.: „wer eine einzelne Erbse findet, soll
sie nicht unbeachtet liegen lassen, denn mancher gewann durch Erbsen
eine Königstochter und ein Schloss." Darin tritt klar genug das Wesen
der zauberkräfligen Erbse hervor. Bei Haupt 2) wirft Martin Pumphut,
der ein verstecktes Verhältniss mit der Schlange^) hat, Erbsenkörner*) in
den Kacheltopf (Ofenblase), dem sofort eine ganze Schwadron ausgerüsteter
Reiter entsteigt. Auch Pumphut fängt unerlaubt Fische und stiebitzt
Aepfel im Lustgarten des alten Dessauer ^), geht auch ungefährdet über
Wasser. Bei Kuhn und Schwartz^) sind die Erbsen besonders berück-
sichtigt. Der Drache lässt seine Last in einen Brunnen fallen, und als
nun einer hinging, um zu sehen, was es sei, war der Brunnen bis zum
Rande mit Erbsen gefüllt. — Der Drache, der sonst auch halbverbranntes
Korn, Weizen und Goldstücke fallen lässt, ist ursprünglich einer der
wichtigsten Vertreter der Gewitterwesen. Auf den mythischen Ursprung
aber muss man zurfickgeheu, will man aus dem mannichfachen Wirrwarr
der Sagenwelt einzelne Gestalten bestimmen, weil ihnen trotz aller Wand-
lungen und Zuthaten in den verschiedenartigen Sagengcbilden die mythisch
wesentlichen Eigenschaften von ihrem Ursprünge her noch immer anhaften.
— Einer Frau schenken Zwerge eine Erbsranke. Sie musste nämlich, zam
Tode verurtheilt, in den unterirdischen Gang hinuntersteigen, der ehedem
auf Usedom von Pudagla nach Mellenthin führte. Unten sprang vor ihr
eine grosse eiserne Thüre auf und sie sah viele Zwerge um einen Tisch
sitzen, die ihr dann die Erbsranke gaben. Als sie wieder oben war,
verwandelte sich die Erbsranke vor aller Augen in eine schwere eiserne
1) Schwartz, Ürspranfr, S. 248. Norddeutsche Sagen, S. 446.
2) Haupt, Sagenbuch der Lausitz, I, S. 185. 3) Wand. Sagen, S. 45.
4) Sonst Häcksel, Hirse oder Hafer. 5) Wend. Sagen, S. 45.
6) Kuhn und Schwartz, Norddeutsche Sagen, S. 5, 12, 138, 411, 445, 446^ 6M»
Schlange und Aal im deutschen Yolksglaubon. 103
Kette, die zam Andenken am Soot befestigt wurde, wo sie noch bis auf
den heutigen Tag hängt. — Erbsen darf man nur am Mittwoch oder Sonn-
abend säen , sonst holen die Vögel sie hinweg. — Am Johannisfeuer
kocht man Erbsen, dienlich zur Heilung von Wunden. — Sie sind ein
Sonntagsgericht. In Berlin sagt man: _ Erbsen mit Speck müsse man
Donnerstags essen, an anderen Tagen bringen sie Schwären. — Sie bilden
die Lieblingsspeise der Zwerge und das Gericht beim Mahl der Hexen.
Mit Erbsen soll man an den Zwölften die Hübner füttern, dann legen
sie viele Eier. — Aber durchaus nicht soll man während der Zwölften
Hülsenfrüchte, Erbsen essen, das ist ganz allgemein Vorschrift aus Rück-
sicht für die heilige Zeit der Gottheiten. Isst man in dieser Zeit Erbsen,
so bekommt man Geschwüre^). In einer Räubergeschichte wird erzählt,
wie ein Räuberhauptmann sich als Freier auf einem Schlosse einführt und
die junge Gräfin in den Wald verlockt. Hingestreuten Erbsen folgend
gelangt sie durch eine Eiche und dann durch einen (wohl unterirdischen)
Gang in die Wohnung oder das Schloss der Räuber^). Aehnlich hatten
Räuber ein Mädchen gefangen und in ihre Höhle, die Mordkuhle am Mord-
kuhlenberge bei Damme, geschleppt. Nach langer Zeit erlaubten sie ihr
(zu Ostern) in die Eirche zu gehen, wenn sie keinem Menschen ihren
Aufenthalt verrathen wollte. Wie sie dann wieder aus der Kirche war,
kaufte sie sich Erbsen, stellte sich vor den Kirchthurm hin und klagte ihm
ihr ganzes Leid, sagte auch, dass sie wieder in die Mordkuhle zurückkehren
und Erbsen hinter sich streuen werde^). Kuhn gedenkt dabei einer andern
Sage, nach der die Räuber verdeckte Leinen über den Weg gespannt
hatten, welche zu Glocken führten, und das Mädchen nach sieben Jahren
Gefangenschaft die Erlaubniss erhielt, Ostern zu feiern. — Die Erbsen,
welche zur Eiche und nach dem (wohl unterirdischen) Schlosse hinführen,
sowie die Eiche erinnern daran, wie auch die Zwerge bei Eichen ihre
unterirdischen Gänge und Löcher haben. So wird überliefert*), dass die
Lntchen bei einer der berühmten Rieseneichen unweit von dem Dorfe Straupitz,
am nördlichen Rande des Spreewaldes, ihren Gottesdienst abgehalten haben;
vermuthlich wohnten sie auch in der Nähe. In oder bei dem Dorfe
Lucknitz (Muskauer Gegend) sollen sie unter einer Eiche gewohnt haben,
unter die ein Fusssteig führte, wo sie ein und ausgingen^). Noch sei aus
dem Wendischen ein Volksreim erwähnt, der also lautet: „Juro, puro,
pjer§<5en groch, dunder (oder dundix) baba, zberaj groch." Deutsch: Juro
(Jürge, Georg), puro, Ring, Erbsen, Donnerfrau (Gewitteralte), lies die
1) Wendisches Yolksthum, 8. 134.
2) Wendische Sagen, 8. 6 Anm. 1.
8) Kahn, Westftlische Sahiren, 21.
4) Wendische Sagen» S. 22, 276.
6) Wendisches Yolksthum, 8. 170.
104 W. V. Schalonburg:
Erbsen auf^). Diese Worte beziehen sich sicherlich auf ein mythisches
Yerhältniss; aach hier tritt wieder die Erbse in Beziehung zur Donnerfran.
Es ist also ein Verhältniss der Erbsen zu den Gewitterwesen erweis-
bar. Wie die Erbsen mythisch zu erklären sind, ist hier nebensächlich,
genug, dass sie mythisch sind.
Es wäre sehr erklärlich und kann gefolgert werden, dass auch die
Schlangen mit den Erbsen zu thun haben, weil der Drache ebenfalls in
Gestalt einer feurigen Schlange*) durch die Luft zieht.
Auch Auen oder Gärten, in denen wunderbare Blumen blühten, kennt
die Mythologie. Noch spricht der Landmann vom Gewitter, das aufblüht,
von blühenden Wolken u. d. m.^). Die Alten kannten desgleichen Wiesen
mit Blumen und Kräutern. Es genügt, auf die Wiesenauen im Wasser*
reiche hinzuweisen, wo die Verstorbenen weilen und die Gottheit über sie
waltet, jene unterseeischen Gefilde in zauberischer Pracht, die nur selten
der Fuss Lebender betrat, wenn ein eigenes Schicksal sie dorthin führte,
um Verwünschte zu erlösen oder Todte zu befreien. Wem wäre nicht ans
den homerischen Gesängen die Aphodeloswiese vertraut? Mit jenen Eräatem
haben auch die Schlangen zu schaifen, sie kommen und holen die heilenden.
Asklepios, dem Gott der Aerzte, umwindet die Schlange den Stab. Es
folgt nothwendig aus den vorhandenen Ueberlieferungen, dass man auch
Erbsen dort vermuthete.
Wie der Aal zeigt die Schlange, welche vornehmlich nach Milch und
gebratenen Eiern*) geht, und ihre Verw^andtin, die Kröte Naschsncht
Wolf berichtet*): „In einem Hause zu Gent wohnten ein paar bejahrte
Leutchen, die konnten kein Essen in ihrem Brodschranke über Nacht ver-
wahren. Das klagten sie einst ihrem Schwiegersohne und der sprach,
er wolle es schon machen. Li der folgenden Nacht versteckte er sich unter
den Tisch und da sah er denn, wie um Mitternacht ein Schlänglein unter
dem Boden herauskroch und nach dem Scliranke schlich. Gleich darauf
kam eine Kröte aus einem andern Loche und die machte sich gleichfalls
nach dem Schranke zu. Als das Schlänglein an das Schloss rührte,
sprang dies auf und die beiden Thiere theilten sich in den Vorrath von
Essen, den sie fanden."
1) Wendisches Volkstham, 8.216 Anm. 1; Voiksthum, S. 175 Anm. 1. Ein anderer
Volksreim lautet:
»Geh, hole Weizen,
Geh, hole groch (Erbsen)
Und schiess das alte Weib ivg loy,*
Bemerkens werth die Verbindung zwischen dem alten Weib und £rbsen, welche letzteren auch
in einigen Rinderreimen noch vorkommen, indcä&en \suhl ohne tieferen Sinn.
2) In China soll, wie ich einer Mittheilung des chine^siscben Hauptmannes Herrn Za Lenn
Biau entnehme, die Auffassung vom Drachen als einer goldgeschuppten Schlange, die Regen
bringt, im Volke allgemein sein.
3) Wendisches Voiksthum, S. 164, 165. 4) Wendische Sagen, S. 97, 100.
5} Wolf, Deutsche Märchen und Sagen, S. 492.
Schlange und Aal im deutschen Volksglauben. 105
Ansser den Aalen mit ihrer merkwürdigen Vorliebe für Erbsen zeigen
auch noch andere Geister oder mythische Wesen entsprechende Essgelüste.
Vor allen sind es die Zwerge, die als Näscher in die Erbsen gehen.
Statt vieler eine Sage^) aus dem Spreewald, die auch sonst in Deutschland
sich vielfach wiederholt.
In der Dorfgemeinde Burg liegt der Schlossberg, bekannt durch seine
vorgeschichtlichen Alterthümer. Auf dem hatte ein Mann Erbsen gepflanzt,
aber der Schoten waren alle Tage weniger. Er hörte immer etwas in den
Schoten knistern, aber sah keinen Menschen. Da wurde er ärgerlich,
nahm einen Dreschflegel und schlug in die Erbsen. Da schlug er dem
Zwerge die Nebelkappe ab und sähe, es war ein Lutchen da. Der sprang
ein paar Schritte, zog sich die Nebelkappe wieder auf den Kopf und war
dann verschwunden. Entsprechender noch zieht sonst ein Mann mit seinem
Knechte ein Seil^) über das Feld und streift den Zwergen in den Erbsen die
Nebelkappen ab^).
Aehnlich von himmlischer Herkunft wie die Zwerge sind die deutschen
Nixe , in deren Bereiche wir auch Wasserfräulein finden. Denn von
weiblichen „Nixcn^ ist mir im Volke nichts bekannt geworden, trotzdem
alle Welt davon redet Darum tragen die Nixe auch rothe Käppchen, oder
grüne mit rother Puschel, haben rothe Kleider und trennen mit einer
Zauberruthe das Wasser wie Mauern, gleichwie der Blitz durch die Wolken
fahrend auch diese wie Wände theilt und öffnet.
Bei dem Dorfe Neustadt (in Schlesien), gelegen an der Spree, die dort,
umsäumt von hohen Bäumen, in breitem Bette ihr Wasser führt, war früher
ein tiefes Loch in dem Flusse*). Nicht weit von dieser Wassertiefe hatte
der Förster seinen Acker und da kam der Nix immer aus dem Wasser
und ist in die weissen Rüben auf dem Felde gegangen. Also auch
beim Wassergeiste Neigung in die nahegelegenen Felder zu gehen, nur dass
er statt der Erbsen Rüben nascht oder stiehlt.
„Einem Manne zu Wetleren wurde in jeder Nacht, die Gott er-
schaffen hat, sein Tabakfeld zerstört, die Blätter niedergeschlagen,
abgebrochen oder was Anderes, kurz er fand jeden Morgen eine neue
Ursache zu Aerger und Verdruss. Schliesslich verbarg er sich Abends
1) Wendische Sagen, S. 285.
2) Seil heisst in vorgeschichtlicher Sprache auch Blitz.
3} Yergl. Kuhn) Westfälische Sagen. Einem Bauer naschten die Zwerge fortwährend
die Erbsen aus, ohne dass er sie jemals sehen oder fangen konnte. Da erhielt er den Rath,
er sollte mit seinoi» Knechte hinausgehen und ein s\H snöre mitnehmen, aber noch vor
Sonnenaufgang. Deshalb ging er bereits am Abend hin, um die Nacht bindurch-
tQwachen. Wie er so sitzt, hört er die Zweige miteinander sprechen; da sagt der eine zum
anderen :
aDaf s gaut, dat dat de dumme biure nich weit,
Dat de sünn um twölben npgeit* u. s. w*^
4) Wendisches Volksthum, 8. 53.
106 W. T. Schulenburg:
mit einer Flinte in der Nähe des Feldes. Bis Mitternacht blieb alles still,
dann aber regte es sich in den Blättern und eins wurde nach dem andern
geknickt Dreimal versuchte er zu schiessen und erlitt selbst Ungemach.
Sein Hut wurde ihm eine Viertelstunde weit geschleudert, dabei hörte er
ein schallendes Gelächter: ,,Hahaha! Da hab' ich euch einmal festgehabt^
Da erkannte er, dass ihm der Wassertcufel den Streich gespielt habe und
ging still nach Hause zurück^)."
Gerade so gehen und schleichen auch die Hexen in die Kuhställe,
um Milch oder den „Nutzen^ ^) sich zu holen. Was jenem Manne mit dem
Wasserteufel, widerfuhr ähnlich einem Bauer in der Lausitz, als er na
opargi (auf Wolborgen) mit geladener Flinte den Hexen auflauerte. Mond-
schein war und völlige Stille. Ein trockenes Blättchen kullerte an ihn
heran und auf einmal war ein grosser Sturm, ü. s. w.*)
Eine Hexe sagte:
„Ich thue einen Schritt,
Butter und Käse du musst mit."
Der Bauer mit dem Knüppel:
„Ich thue einen Schlag
Auf den Dunder- Wetter-Sack."
Hier wird ausdrücklich noch das ursprüngliche Verhältniss gekennzeichnet.
Einer wachte mit Degen und Stahl im Stall und machte einen Kreis um
sich. — Um Mitternacht kam ein grosses Thier, wie ein Drache, mit silberner
Krone und vielem Feuer; selbigem hieb er einen Flügel ab. Am anderen
Morgen fehlte einer Nachbarin, einer Hexe, der Arm. So zeigt sich überall
ein wechselreichcs Eintreten, weil die meisten Geister Verwandte sind.
Hinter der Stadt Vetscliau lebt noch jetzt ein alter, vom Volke in
seiner Würde bestallter „Tliierarzt", der weithin Ruf hat. Auf Bitten einer
Frau ^citirte" dieser eine Hexe zu sich. Die hatte zwei grosse Flügel,
wie ein Drache, war ganz dünn wie ein Gerippe und fuhr durch die Decke
hinaus. Davon entstand in der Stubendecke ein grosses Loch, das man
noch heute sehen kann. Ein solches Loch in der Decke macht ebenso der
Drache. Ein wendischer Bauer, mit dessen Sohne ich gut bekannt bin,
hatte einen Drachen, der alle Nächte vom Boden zu ihm herunter kam und
unter's Bett kroch; dazu war in der Stubendecke ein Loch. Sehr oft
knasterte es auf der Decke, u. s. w.
Es war vorher von den Erbsen in mythischem Sinne die Rede ge-
wesen; hier muss ihrer noch in anderer Hinsicht gedacht werden. Da sie
als Schoten ein Lieblingsgericht der-Kinder sind, scheucht man letztere wie
aus dem Korn, den Weinbergen, von den Erbsen zurück und droht ihnen
1) Wolf, Deutsche Sagen, S. 193.
2) Das Wort „Nutzen* in diesem Sinne ist ein ganz bestimmter Fachausdruck in der
Volkssprache, auch nicht zu verwechseln mit dem .Nutzen* in der Nachgebart einer Kuh,
3; Wendische Sagen, S. 164, 170, 165, 164. 4) Ebenda, S. 104.
Schlange and Aal im deutschen Yolks^^lanben. 107
mit allerhand Gespenstern, so in der Gegend von Zossen mit dem Hanne-
mann. Aber die Kinder singen spottend in den Schoten^):
^Hannemann! Hannemann! husch! hasch! husch!
Ich sitz' in Deine Schoten,
Wenn der Hannemann käme,
Mit de rot he Bräme (Augenbraue),
Mit de rothe Mütze,
Juch, wie wollt' ich flitzen"^).
Bei Trebatsch:
„. • . Wenn der Amtmann käme.
Mit de lange Zähne,
Mit de rothe Pudelmütze . . .^
In Deutschland werden verschiedene solcher Erbsengeister*) genannt, auf
die näher einzugehen hier nicht der Ort ist.
In der Niederlausitz, da wo man wendisch spricht, heisst das Erbsen-
gespenst pos^erdanc, preäerpajnc, priserpajnc, serpotnica, serpowa baba,
serpel, serp. Wie es scheint, wiederholt sich in allen diesen Namen, die
der Mehrzahl nach mit Muhe nur im Volke noch aufzufinden sind, das Wort
serp, Sichel. Diese ist also das Wahrzeichen des Feldgeistes, wenn wir
wollen, einer Gottheit, wie auch die wendische Mittagsfrau, prezpol^nica,
namentlich nach der Oberlausitz zu, mit der Sichel erscheint, die sie an
einer Stange über der Schulter trägt. Beide fallen zusammen^).
1) Wendische Sa^jfen, S. 300. — Eine Volksmeinung ist, dass der Blitz Löcher wie eine
Erbse schlägt. — Die Zwerge, das kleine Volk, auf der Edenburg in Sachsen, wollten Hoch-
zeit halten und sprangen hinab auf den glatten Fussboden, wie Erbsen auf die Tenne ge-
schüttet werden. Grimm, Deutsche Sagen, J, S. 84. — Der mythische Jäger, ein nord-
deutscher Theseus, welcher das alte Schloss zu Lübbenau wieder auffand und von Ungethümen
reinigte, nahm dem Schlangeukonig die Krone fort. Als ihn deshalb die Schlangen ver-
folgten, warf er zu eigener Rettung seinen Mantel vom Pferde. Den fand man nachher ganz
durchlöchert und zerschunden. Dieser Jäger gilt als Stammherr und Ahne der Grafen
Lynar u. s. w. (Sagen, S. 97). Bei Haupt (1, S. 76) heisst es in derselben Sage: , Augen-
blicklich hört er ein helles Pfeifen und da schiessen die Schlangen vom Berge herab und
links aus dem Wasser in unzähliger Menge, und alle hinter ihm her wie feurige Blitze u. s.w.
Zu gedenken ist hier noch der Schlange (nach den weiteren Ausführungen des Talmud auch
in die Klasse der Haus- und milchschleckenden Schlangen gehörig), welche im Wonnegarten
Paradies mit den zauberhaften Äpfeln zu schaffen hat, von denen Eva, die Frau des Adam
(wie Embla des Ask im Germanisch-Nordischen), in zwergenhafter Weise heimlich und un-
erlaubt geniesst. Das Verständniss einer solchen Auffassung und Gedankenverbindung,
die schon vor Jahrtausenden selbst in jenen Euphratländem im ursprünglichen Sinne
nicht mehr verstanden wurden, liegt uns natürlich sehr fern (um so mehr, da wir ganz
ausserhalb jener kleinasiatischen Mythen- und Sagenkreise stehen), etwa ebenso, wie jenen
Alfuren, die nach dem Bericht des Herrn Joest (Zeitschr. f. Ethn., 1882, Verh., S. 75) die
Missionare über die Unterhaltung zwischen Eva und der Schlange auslachten und sagten:
»Eine Schlange kann ja gar nicht sprechen, das wissen wir besser.*
2) Vergl. Mannbar dt, Die Komdämonen, u. A.
d) Wendisches Volksthnm, S. 148, 45. Sagen, S. 89. -- Schon der treffliche Zwahr
(Wend. Wörterbach, S. d81) sagt: sserpyschyja eine Mittagsgottheit oder Gespenst, sonst
psehfepolniza genannt.
108 W. V. Schulenburg:
Unter Deutschen schwingt der wilde Jäger, unser mächtiger Wode, eine
Sichel, Sicheln tragen die Weiber der Hulda^), mit Sicheln schneiden die
Mäher, welche den von Odin in die Höhe geworfenen Wetzstein aufGEmgen
wollen, auf der Wiese einander die Hälse ab. Mit der Sichel verscheucht
der griechische Zeus die Gewitterwesen, die Pschespoliza die, welche es
wagen, in mittäglicher Ruhe den Acker zu betreten, und der Sserpel (bei
Trebatsch die Sichelfrau) die Erbsennäscher.
Leute in Sakrow (nördlich vom Spreewalde) nannten das Schoten-
gespenst Mürawa (= wend. M6rawa). Wenngleich ich diese Bezeichnung
nur vereinzelt gehört habe, so verdient sie immerhin Beachtung. Morawa
ist dieselbe Göttin, welche, wie die deutsche Fricka, Berchta, Holda, Harke,
Fuik, nicht duldet, dass zwischen Weihnachten und Heiligen drei Königen ge-
sponnen wird. Auch wo sie auftritt, dürfen in den Zwölften keine Erbsen
(keine Hülsenfrüchte) gegessen werden.
Im Wasser- und wiesenreichen Burg im Spreewalde ist der Glaube oder
die Erinnerung an den Sserpel oder die Sscrpelbaba. die Sichelfrau, sehr
geschwunden und statt ihrer ein anderer serpel oder serp, nämlich der so
genannte Wachtelkönig (Crex pratensis) eingeruckt. Dieser Vogel, von
vielen gehört, von wenigen gesehen, dessen Ruf man treffend mit serp, serp
wiedergiebt und dem W^etzen einer Sichel vergleicht, hat daher seinen Na-
men. Von ihm sagt man, dass er, der hörbar, aber unsichtbar im Grase
nasser Wiesen lebt'). Nachts in die Erbsen gehe. Ich für meine Person
habe ihn unmassgeblicher Weise niemals in den Erbsen gehört. Doch mag
es vorkommen, wie denn der Wachtelkönig auch in Getreidefelder gehen
soll. Indessen kommt er sicherlich nicht in Erbsenfelderu vor, welche weit
von nassen Wiesen entfernt liegen, und doch sagten die Leute auch da,
dass er in den Erbsen sich hören Hesse. Also auch der beziehungsreiche
Wachtelkönig „geht in die Erbsen".
Ob es nun mit den Besuchen des Sserpels eine ähnliche Bewandtniss
habe, wie mit denen der Aale in den Erbsen^), sei gänzlich dahingestellt
1) Schwartz, Ursprung, S. 113 und a. 0.
2) Beim Heumähen mrd ihm öfter Kopf und Ilals wegf^eschnitten, darum der Ruf der
Mäher: serp, serp, syju pfec, syja prec, Sserp, Sserp, den Hals wegl
8) Nichtig ^äre der Einwand, dass keine Vorstellungen von Erbsen überliefert werden
konnten, falls man s. Z. keine hatte. Dann yerglich man mit ähnlichen Kurnern, etwa
Wicken, Saubohnen und dgl., an deren Stelle in der Auffassung die Eibse trat, sobald sie
Bedeutung gewann.
Unter dem mehrschichtigen Ürnenlager in Müschen (Kreis Cottbus) fand ich in zwei zer-
fallenen Thongefassen erbsenäbn liehe, schwarzverkohlte Körner, welche indessen nach dem
Urtheile des Herrn Prof. Wittmack, der sie gütigst einer Besichtigung unterzog, sehr wahr-
scheinlich Sau- (Pferde-, Futter-) Bohnen, Faba vulgaris Munch oder Vicia Faba Linn. sind,
von geringerer Grösse als die jetzt hier heimischen Arten (auch als Erbsen bestimmt, ver-
gleiche die Verhandlungen). — Saubohnen waren früher bei der Bevölkerung der Lausitzer
Niederung ebenso wie anderwärts eine Hauptnahrung (Vergl. Zeitschr. f. Ethn., XII, 1880,
S, 247, auch in Wend. Sagen, S. 18, llö). Auf alte Hoperga (stara hoperga), das war acht
Schlanfife uod Aal im deutschen Volksglauben. 109
So viel aber steht fest, dass der Aal mythisch an Stelle der Schlange
vorkommt, daher es auch berechtigt erscheint, die durch keine naturwissen-
schaftlichen Beobachtungen festgestellte Vorliebe der Aale fQr Erbsen auf
einen mythischen Ursprung zurückfuhren. Denn wenn wirklich mehrmals
Aale in Erbsenfeldern, Erbsen verzehrend — und das könnte doch nur ihr
Zweck sein — getrofifen worden wären, was trotz der unzählbaren Menge
der Beobachter noch niemand hat erweisen können, so wurde eine so ver-
einzelte Naturbeobachtung schwerlich zu solchem Ansehen im Volksglauben
gekommen sein; dazu gehört mehr.
Tage nach Walpurgi, der hohen Zeit der HexeD, ^o sie sich versammelten und ihr Festmahl
hielten, wurden nach Hantscho-Hano in Schleife früher bei den (Grenz-) Wenden in der Mus-
kauer Gegend Saubohnen gekocht. Hierl>ei sei an das Erbsenessen der Hexen bei Kuhn und
8chwartz erinnert.
Miscelle.
B. B. Redding: Wie unsere Voreltern in der Steinzeit ihre Werk-
zeuge machten. The American Naturalist, November 1879, p. 668.
Gonsolulu, ein kräftiger Greis vom Stamme der "Wintoon oder Cloud-RlTer-
Indianer, die um den Fuss des Sbasta-Bergcs, im Norden von Californien wohnen, brachte,
in Hirschfell eingewickelt, ein Stück Obsidian, etwa ein Pfund schwer, ein Stück Hirschhoni
von einem der Länge nach gespaltenen Zacken, etwa 4 Zoll lang, einen halben Zoll im
Durchmesser und an den Enden glatt abgescbliiTen, so dass jede Endfläche einen Halbkreis
bildete, ferner zwei Zacken eines Hirschgeweihes (Cariacus columbianus), deren Spitzen zu
einer viereckigen scharfspitzigen Feile (a square sharp pointed file) zugeschliflPen waren, die
eine viel kleiner als die andere. Er hatte auch einige Stücke Eisendraht, die an hölzernen
Stielen befestigt und in derselben Weise zugescblifTen waren. Diese, sagte er, benutzte er
mit Vorliebe seit die Weissen in's Land gekommen, weil sie härter sind und nicht so oft
geschärft zu werden brauchen. Den Obsidian erhielt er angeblich von einer Stelle, etwa
GO Miles N. vom Berge Shästa, aus einem Gebiete, das früher die Yreka-Indianer be-
anspruchten, und da die Triuity-Yreka und Modoc-Indianer, sowohl als die Wintoons des
Steines bedurften, so erlangte man ihn selten ohne Kampf. Das Stück, welches er hatte,
war hellblau, er schätzte es auf zwanzig Dollars; wäre es weiss, so würde es, wie er meinte,
40 bis 60 Dollars werth sein. Ich konnte nicht erfahren, dass weisser Obsidian härter oder
leichter zu bearbeiten sei; der höhere Werth liegt wohl nur in seiner grösseren Seltenheit
Er legte das Stück Obsidian in die linke hohle Hand, steckte zwischen den ersten und
zweiten Finger derselben Hand das vorher beschriebene Stück gespaltenen Hirschhorns, so
dass dessen gerade Kante etwa '/^ Zoll von dem Rande des Obsidians entfernt war, ent-
sprechend der Dicke des abzusprengenden Scherben; dann wählte er einen kleinen, ab-
gerundeten, etwa ein Pfund schweren Rollstein und gab damit auf das andere Ende des
Hirschhorns einen scharfen Schlag. Der erste Versuch misslang, es wurde ein l^cherben ab-
getrennt, er zerbarst aber in kleine Splitter. Der Mann wiederholte den Versuch, indem er
das Hirschhorn anscheinend fester und sorgfältiger aufsetzte, der zweite Schlag gelang; ein
vollkommener Scherben mit schönem muschligen Bruch sprang ab; ich kaufte ihn und liess
einen anderen absprengen, um eine Pfeilspitze daraus anzufertigen. Es gelang abermals. Die
Form, welche der Obsidian naturgeniäss annimmt, wenn er in dieser Weise abgesprengt
wird, ist die einer Lanzenspitze, und er könnte mit geringer Modification als solche verwerthet
werden.
Die Dicke des abzusprengenden Scherben wird bedingt durch die Entfernung vom Rande
des Obsidians, in welcher die gerade Kante des Hirschborns aufgesetzt wird, bevor der Schlag
erfolgt.
Der Mann hockte auf dem Boden, auf seinem linken Fuss sitzend, sein rechtes Bein war
aasgestreckt, eine Stellung wie man sie oft bei Schneidern während der Arbeit wahrnimmt.
In seine hoble linke Hand legte er ein Stück wohlgcgerbtes Hirschleder, anscheinend vom
Halse des Thieres herrührend, es war dick aber weich und geschmeidig, darauf legte er den
Obsidianscherben, den er mit den ersten drei Fingern derselben Hand fest in seiner Lage
erhielt. Den Ellenbogen stützte er auf das linke Knie, wodurch der linke Arm und die den
Scherben haltende Hand festen Halt bekamen. Dann nahm er mit der Rechten den grösseren
der Hirschgeweihzacken, dessen Spitze, wie erwähnt, in Gestalt einer viereckigen Feile zu-
geschärft war, hielt ihn wie ein Holzschneider seinen Stichel und begann damit den einen
Rand des rundlichen Scherben in eine gerade Linie zu verwandeln. Indem er den Daumen
der rechten Hand auf den Rand der linken Handfläche stützte, kam die Spitze des Geweih-
zackens etwa V^ 2oll, oder weniger, vom Rande des Scherben zu liefen; durch einen starken
Druck derselben nach unten brach dann jedesmal ein Stück von der gewünschten Grösse mit
muscbligem Bruch ab. Die Spitze des Zackens wurde dann etwas weiter gerückt und das-
selbe Verfahren wiederholt bis nach wenigen Minuten der eine Rand des Scherben eine gerade
Miscelle und Bncbersehan. 111
Linie bildete. Da dnrch diese Bearbeitung alle Splitter von der untern Seite des Scherben
abgesprengt wurden, so würde die Pfeilspitze, hätte man sie in diesem Zustande gelassen,
nicht gleichmässig gestaltet gewesen sein, d. h. die beiden schneidenden Kanten würden sich
nicht in der Mitte befunden haben. Deshalb rieb er auf der scharfen Kante, die er gemacht
hatte, mit der Seite des Hirschhomes kräftig hin und her, bis die Schärfe abgestumpft war.
Dann wurde der Scherben umgedreht und das Absprengen von Neuem begonnen. Nach
Vollendung dieser Arbeit war von jeder Seite des Scherbenrandes gleich viel abgesprengt und
die schneidende Kante lag in der Mitte. Jetzt war es klar, dass der auf diese Weise her-
gestellte gerade Rand eine Seite des langen gleichschenkligen Dreiecks bilden sollte, welches
die Form der von diesem Stamme verwendeten Pfeilspitze ist.
Wenn der Obsidianscherben fest in dem Kissen der linken Hand lag, und die Spitze des
Hirscbhoms kräftig gegen den Rand des Scherbens gepresst wurde, so war die Wirkung die-
selbe, wie die des Schlages, welche den Scherben von dem grossen Stück absprengte. Während
der Alte aber der Wirkung des Schlages nicht immer ganz sicher war, schien er mit der
Spitze des Birschhoms im Stande zu sein genau das gewünschte Stück absprengen zu
können. Das dicke weiche Hirschleder scheint keinen andern Zweck gehabt zu haben, als
die Hand gegen Schnittwunden von den unzähligen abgesprengten scharfen Splittern zu
schützen. Nachdem nun die eine Längsseite der Pfeilspitze vollendet, wurde der Scherben
umgedreht und die andere Seite auf dieselbe Weise hergestellt. Da aber hier vielmehr Ob-
sidian fortgebrocben werden musste, so wurde stärkerer Druck angewendet, und grossere
Stücke abgebrochen, bis der Scherben die gewünschte Form annahm, worauf dieselbe Sorgfalt
der Behandlung, wie bei Bearbeitung der ersten geraden Seite angewandt wurde. Bei dem
Absprengen der grossen oder kleinen Scherben blieb die Handhabung dieselbe. Der Druck
der Hirschhomspitze ge^en die obere Kante des Scherben schien nie ein Stück abzusprengen,
welches an dem oberen Rande über den Ansatz des Hirschhorns hin aussagte, während auf
der unteren Seite das ausgebrochene Stück doppelt so gross war.
Jedesmal nachdem eine Reihe Splitter abgesprengt, wurde die scharfe Kante abgerieben,
der Scherben umgedreht und das Absprengen auf der andern Seite fortgesetzt. Durch dieses
Verfahren erlangt man, dass diese schneidenden Kanten in derselben Ebene liegen. Die
Basis des Pfeils wurde in derselben Weise gebildet. Linien wurden nicht gezogen, aber ge-
legentlich betrachtete der Alte sein Werk, während es fortschritt, und bearbeitete die eine
oder die andere Seite, um sie gleichmässig zu erhalten. Die Basis der vollendeten Pfeil-
spitze wird in eine Kerbe im Ende eines hölzernen Schaftes eingepasst und mit Hirsch-
sehnen daran festgebunden. Damit die Pfeilspitze am Schafte festsitze und die Sehne das
Eindringen des Pfeiles nicht hemme, wird ein etwa 7^ Zoll grosser Ausschnitt in beiden
scharfen Kanten der Pfeilspitze angebracht, etwa Vi Zoll über der Basis. Daher sieht die
Pfeilspitze aus, als hätte sie Widerhaken; es scheint aber nur auf ein Mittel abgesehen zu
sein, um die Pfeilspitze fest an dem Schafte zu befestigen, ohne ein Hindemiss für das Ein-
dringen derselben zu schaffen. Das Ausbrechen dieser Oeffnungen war die letzte Manipula-
tion, und schien mir schwieriger als alle übrigen, ich fürchtete, dass alle bisher aufgewendete
Geduld und Mühe dabei aufs Spiel gesetzt wurde. In Wirklichkeit aber war das Verfahren
das einfachste, sicherste und schnellste von allen. Der Mann hielt die wohlgeformte Pfeilspitze
zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand, die Spitze nach oben, die Basis auf dem
Lederkissen in der Handfläche ruhend, dann nahm er den kleinen Geweihzacken, der in der-
selben Weise, wie der grosse zugeschärft, aber in allen seinen Verhältnissen viel kleiner war;
seine Enden konnten nicht über ^ji^ Zoll-Quadrat gross sein. Er stemmte dieses Ende gegen
den Rand der Pfeilspitze, wo er die Vertiefung anbringen wollte, und begann in wiegender
Weise damit hin und her zu sägen, die feinen Splitter sprangen von jeder Seite ab, die
Spitze des Hirschhorns drang tiefer und in weniger als einer Minute war der Ausschnitt
fertig; dann drehte er die Spitze um und wiederholte dieses Verfahren an der anderen Seite.
Es schien, als hätte er auf diese Weise in wenigen Minuten die Pfeilspitze mitten durch-
schneiden können. Nun besah er seine Arbeit im hellen Sonnenlicht, und übergab mir, da
er damit zufrieden war, die Pfeilspitze. Er hatte vierzig Minuten gebraucht um die beiden
grossen Scherben von dem Obsidianstück abzusprengen und einen derselben zu einer Pfeil-
spitze zu formen. Als es an das Feilschen ging, fand ich, dass sie 75 Cents (3,20 JC) kosten
sollten, zahlbar in Muscheln (Deutalium eutalis), welche er höher schätzte, als ihren Geld«
112 Miscelle und Bücherscban.
wertb. Der Wertb des Scherben und der Pfeilspitze gründete sich nicbt aaf die verwendete
Zeit nnd Mnbe, sondern auf den Wertb des Obsidians, da sieb der Mann erbot, mir för einen
DoUarwertb in Muscbeln, zebn aus Bierliascbenboden gemacbte Pfeilspitzen von g;leicber
Form und Grosse zu überlassen. Die Celte, Messer, Schaber, Meissel der Steinzeit sind alle
viel leichter herzustellen, als dergleichen Pfeilspitzen. Ich bezweifle, dass bei ihrer Anferti-
gung Steinhämmer benutzt wurden, ausser um Scherben von einem grossen Stück Feuerstein
oder Obsidian abzuspreugeo, und in solchem Falle wurde der Schlag wohl durch ein Stück
Hirschhorn oder hartes Holz, in der Art, wie ich es beschrieben habe, übertragen. Ein un-
mittelbar mit dem Steinhammer auf den Feuerstein geführter Schlag würde selbst in geübter
Hand sehr nnsicher in seiner Wirkung sein. . . . Wahrscheinlich könnten grosse Splitter ans
der Kante eines Scherben ausgebrochen werden vermittelst einer Einkerbung am 'Ende eines
Geweihzackeus, so wie jetzt die Eingebornen von Alaska den Walrosszabn verwenden, und
wie ich Fensterglas mit einem Schlüssel habe ausbrechen sehen; eine Pfeilspitze aber ist zn
klein iind zu fein für derartige Manipulationen.
Ich kann nicht umhin zu glauben, dass unsere Voreltern iu der Steinzeit in derselben
Weise wie Consolulu verfuhren. F. Jagor.
Bücherschau*
Beal, Abstract of four Lectares on Buddhist Literature in China. London 1882.
Die werthvollen Beiträge, welche der Verfasser seinen," zu den fundamentalen im Buddhis-
mus gehörigen, Arbeiten femer zufügt, vermehren sich durch 5 Tafeln, ,copied from those
found in Jin-chau's History of Buddhism (Fa-kiai-lih-tu),* Mount Sumeru, the four kings,
the Sakwala, the four Dvipas, the thirty-tbree gods. A. B.
Horn's Geschichte der Literatur des Skandinavischen Nordends von den Ute-
sten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1880.
Für berechtigte Anspräche auf Interesse des deutschen Lesers, führt der Verfasser unter
den ersten Gründen an, ,weil die nordische Literatur im Ganzen genommen ein Ausdruck
des Geisteslehens einer mit der deutschen nahe verwandten Volksindividualität ist,* und fühlt
sich in der That diese Verwandtschaft mehr und mehr, je mehr in der Anthropologie und
Pr&historie gerade gemeinsame Studien zusammenführen. A. B.
Cowan, The Bora Land, a description of the Country and People. Antfr*
nanarivo 1881.
Dem Besuche dieses Districts (lying to the south and west of southern Betscheo) ist eine
Karte beigegeben: South Central Madagascar, Sketch map of the Bora (nach den Aufnahmen
der Reise). A. B.
VII.
Der Zauber des „rückwärts" Bingens und Spielens*).
Von
Direktor W. Sohwartz in Berlin.
In der anthropologischen Gesellschaft ist öfter von der Zauberformel:
sator, arepo, tenet, opera, rotas die Rede gewesen und die Wörter
haben allerhand eigentumliche Deutungen dann hervorgerufen, wie auch sonst
schon, indem eine individuelle Lösung gesucht und die Sache nicht auf eine
breitere Basis dazu gestellt wurde. Die Formel steht nämlich nicht isolirt
da, wie einfach ein Einblick in Wuttke^ Der deutsche Yolksabcrglaube,
Berlin 1869, zeigen kann, der unter vielen ähnlichen, aus dem Mittelalter
stammenden Formeln auch diese anführt, indem er bei den vielen Spielereien
in dieser Hinsicht mit Worten und Buchstaben auch das sator, arepo, tonet,
opera, rotas als oft vorkommend erwähnt und hinzusetzt: „diese fünf W^örter
zu je fünf Buchstaben, finden sich sehr oft vor zu vielerlei Zauberzweck,
oft genau unter einander geschrieben, so dass man die 25 Buchstaben nach
jeder Richtung lesen kann. Sie werden auch dem Vieh gegen Behexung
eingegeben und auch Pferde müssen Zauberzettel fressen. Es wäre vergeb-
liche Muhe, wenn man aus allen diesen Buchstaben und Wörtern einen Sinn
heraus deuten wollte u. s. w." — „Die grosse Verschiedenheit der Buch-
staben- und Zeichenformeln för dieselbe Sache," fahrt er fort, „zeigt übrigens,
dass (im Einzelnen) keine bestimmte Ueberlieferung vorliegt, sondern die
erfinderische Willkür waltet.** So Wuttke im Anschlus an J.Grimm,
indem er zum Schluss noch darauf hinweist, „dass die speciell in auf-
geschriebenen Worten bestehenden Zaubermittel sich im Allgemeinen mehr
an das orientalische, durch die Araber weiter gebildete und nach Europa
gebrachte Zauberwesen anlehnen, womit nicht ausgeschlossen, dass nicht
auch hebräische und lateinische Wörter und Buchstaben in Anwendung
kämen, ja zuletzt auch der Name Christi und der Apostel und dergleichen
hineinspiele.^
Das Charakteristische dieser Art von Zauberei war nämlich, dass sie
1) Mit einem Nacbtraff Tom TodtenfäbrmaDn and der Schatten weit.
ZcitM-hrirt für Ethnologie. Jahrg. 188S.
114 ^^^^^^^^ W. Schwartz:
zunächst aus mehr oder minder gelehrten, wenigstens schriftkuDdigen
Kreiden dem allgeraeiDeti^ in Europa, herrschendeo Volksglauben eutgegetikara,
und hieriu liegt auch der Grund, dass sich zum Theil doch auch in dieseE
Abstrositäten eine ge wiese Methode zeigt. So beraht z, B. die o^|
erwähnte, aus der Kenntniss des Lateinischen gebildete FormeP) auf dem
alt h e idn i scheu, weit verbreiteten Glauben, dass ein Zauber durch
Umkehr uüg gewandelt, ja äogar aufgehoben und man dies letztere be-
sondere erreichen könne, wenn man Zauberiieder „rückwärts" spräche
oder spiele, was dunn auf dem Gebiet der Worte and Buchstaben
zu solcbeo Konstruktionen und Erfindungen wie die obige führte. Denn
der Kernpunkt des Spruches ist ja, dass in diesem Sinne die Worte zu-
sammengestellt sind-, dumn sator, arepo, tenet rückwärts geleaeo beisst
tenet, opera, rotas; tenet ist gleichsam die Axe, um die sich das Ganze
dreht; einen Sinn hat es weiter nicht!
Diese Eigenthümlichkeit beim Zatiber, namentlich beim Gegenzauber,
hebt auch Wuttke S. 171 hervor, indem er sagt: Eine verwandte Bedeutung
hat es, wenn beim Zauber vieles umgekehrt gemacht werden muss; maD
geht rückwärts, spricht bestimmte Formeln und Gebete rückw^ärts und
dergh mehr." Das ist uralt und tritt in Sage und Gebrauch in der mannich-
fachöten Weise hervor, namentlich im Sinne des Aufhebens, des Ruck-
gängigmachen s, wie schon angedeutet, von jeglicher Art Zauber, Bu-
schwöruugen u. dergl., was auch schon Voss zu Georg, IV. 485 ff, für das
klassische Alterthum ausspricht. Wie z. B. in deutschen Sagen der Jäog-
ling, welcher die Prinzessin erlosen will, sich nicht nach all' dem bei dem
Erlösungswerk um ihn auftauchenden Spuk umsehen, sich nicht um-
kehren darf, sonst verschwindet der Zauber, und die Prinzessin ver-
sinkt in die Tiefe unter dem dröhnenden Nachruf ^Ewig verloren", wird
auch Jason aufgefordert, als er die Hölle mit der Hekate am Himmel herauf-
beschworen, ruhig fortzugehen und sich nicht nach all dem Spuk um-
zukehren, sonst störe er das Zauberwerk, und als Orpheus bei dem-
selben Verbot eich doch nach der durch sein Spiel aus der Unterwelt
heraufgezauherten Eurydike, welche die Sage zu seiu er Gattin macht,
umkehrt, so versinkt die aus der Tiefe heraufsteigende Gestall
wieder, wie die Prinzessin uud ist ihm ewig verloren (Voss a.a.O.
dann Heut. Volksgl. 1862 p. 109 £ Berl. Zeitschr. f. Gymnasial wesen 1866.
p, 786 fl. Poet. Nsturan, II 154 f,, wo die Scenerie der betr. Sagen am
Gewitterhimmel^ das Versinken des betr. weiblichen Wesens, ursprüng-
lich der Sonne, im niederfahr enden Blitz u. s. w. nachgewiesen).
Was in diesen Sagen, trotz der eigenth um lieben Gestaltung, die sie in
ihrer individuellen Entwickeinng zeigen, immer noch hindurchreflektirt, triti
uns bei lateinischen Dichtern in Bezug auf die Anwendung von Zauber*
1) Wie w«it sie auch später gewaadert und welche Umwandlungen sie auch im Kinwlaw
erfabr^ri hat. darüber u. Zeitschr. f. Eibnol. 1881 8.85 und 1880 ».556.
Der Zauber des ,rdckwärt8*' Sinfirena uo<i Spielens.
form ein als gelorderter Gebraucli behufs Aufhebung des Zaubers
(inf^lvoifjg f{iVüftoL\ Hom bymn. m Cererem v. 230j uocb direkt entgegen.
So läsest 2. B. Ovid den Maüareus, des Odyseeus Gefäbrteu, seine und
seiner Genossen Entzauberung Metam. XIV, 297 ff, folgendermussen er-
zählen. Als Odyeseus von der Circe die Aufbebung des über seine Ge-
^» fährten verhängleu Zaubers fordert, heisst es:
^B »pargiuiur inuocuae succia raelioribus herbac^
^B percutimurque capul conversae verbere virgae:
^^^K verbaque dicuntur dictis contraria yerbis.
^^^B quo magis illa canit^ magis hoc tellure levati
^^^B erigimur: setaeque cadunt clc.
^H Neben dem heilenden Salt treten charakteristisch die umgewandte
' Zanberruthe') und die verba dictis contraria^ um den früheren Zauber
aufzuheben, und dass mit letzterem nicht etwa bloss ein Gcgenzauberlied,
sondern faktisch das alte rückwärts gesungen (wie oben beim sator
arepo n. s, w ) gemeint ist, zeigt ausser anderen Analogien, auf die wir gleich
noch kommen werden, schon einfach eine Stelle beim Valerius Flaccue
1. 779 ff,, wo es von Aeson in Betrefl' einer wieder am Himmel herauf-
beschworenen Hölle heisst:
Ihunc (seil, taurum) sibi praecipnum gentis de uiore nefandae
Thessalis in serös Ditis servaverat usus.
TergemiiTam tum placat heram Slygiasque supremo
obsecrat igne domos jam jam exorabile retro
Carmen agens; neque enim ante leves niger avehit umbras
portitor et vinctae pigris stant fancibus Orci,
Nicht eher verschwindet die am Himmel heraufgekommene Unterwelt
it ihrem Todtenkahu, den man namentlich in der dunklen dahiD
gleitenden Gewitterwolke zu erblicken wähnte^}, nicht eher sinken
die dunklen Schatten wieder in die Tiefe hinab, ale bis das Zauberlied,
^^ welches sie heran beschworen, rückwärts gesungen.
^B Dieselbe Vorstellung zeigt die deuti^iche Sage beim zauberhaften Citiren
und Vertreiben der Gespenster überhaupt. In Ladebiirg in der Mark hörte
ich eine dahin schlagende Sage* Die alten Zaubergescbicbten , heisst es,
stehen alle im VI, und VU. Buch Mose; das hat eiunuil Einer gehabt und
hat es liegen lassen. Ein Knecht kommt darüber und, wie er anfangt au
f 1) Eine Doppelwirkuiig der Zaubermthe tritt amh sonst beim caduceuB hervor. Wen
Hermes mit dem dicken Ende desselben berührte, tier starbt wen mit dem dÜDnen, der
lebte. Urspr, d. Myth. S. 12ö; ebenso heisst es allgemeia bei Vergil voü ^eiüer Knihe immer
in doppelter BeziehuDg , IV, 242 ff,:
tum Tir^am <!apit^ iiac animas itle evocat Ot(^o
pallentis, alias snh Tartara Iristia mittit,
dat aomnos adimitque et Inmina morte resij^nat.
2) Eine maanjchfach entwickelte Vi)r.stellüai( der Indogermaiieii. Ürspr, d. Myth, 273.
Fast, Nalnran. IL s. aiiib den Anhang zu diej^om Aufsatz,
8*
116
W, Schwurtz:
lesen, füllt sich das gaoze Gehöft mit Ratten und, wie er immer weiter
liest, mitRaben^ die kamen von allen Seiten geflogen, dann kamen lauter
schwarze Männer, Zum Gluck sieht es der Gutsherr, der kannte die
Geschichte und dränge sich durch und risa dem Knecht das Buch fort.
Dann fing er an, rückwärts zu lesen, uad wie Alles gekommen war, ver-
schwand Allee allmählich wieder V). Eine ähnliche Sage, nur mit etwa»
modificirter Sceneric, berichtet Roch holz aus d*fm Aargau*) und bemerkl
dazu; „die Geschichte von dem rückwärts gelesenen Zauberbuche wird
auch dem Heinr. CorneL Agrippa uacherzäblt in Philonis Magiologie
(1675)8.246.'* Dazu stellt sich ferner, wenn Liebreich, Gervasius von
Tilbury. Hannover 1856. S, 117, wo er von dem sössen, zauberhaften
Gesang und Spiel der Elfen und dem dänischen Strömskarlslag, der
selbst leblose Dinge tanzen machte, redet, folgendermassen fortfahrt:
„dem Zurückspielen dos Musikstückes wird nach dänischem Glauben die
Kraft beigemessen, die zauberische Wirkung zu brechen, ebenso dem
Rück wärt 8811 gen des Paternosters nach schottischem Glauben, s. W. Scott
zur Batlade Young Benjie in der Minstrelsy."
Sind es gleich nur wenige Bruchstücke eines alten Glaubens, welche
nns der Zufall bat übrig gelassen, so genügen sie doch, die Entwicklung
desselben erkennen zu lasseo. Ergiebt sich das liückwärtsschreibeD
in den Formeln wie sator arepo u. s. w., das angebliche Rückwärtslesen
schon von vornherein mit der Verwendung der Schrift als eine spätere
mehr mechanische Anwendung eines alten Glaubens, so gilt auch dasselbe
zum Theil, einfach vom Standpunkt praktischer Ausführung aus, schon von
dem sogenannten Rück wärtssprechen, während zu dem ursprunglichen
Charakter aller Zauberformeln, wo es weniger auf einen bestimmten Inhalt
als auf ein gewisses gefaeimnissvolles Wispern und Murmeln (Summen I
and Singen) ankommt, ebenso wie bei dem Strömekiirislag, dem zauberhaften
Gesang und Spiel, sich die Vorstellung eines gleichsam ansteigenden
und dann vice versa sich senkenden Affekts als etwas natürlicheres sich
ergiebt, und in dieser Form auch der Ursprung der doppelten Wirkung des
Heraufbeschwören s des Zaubers und die Kunst, ihn wieder ver-
schwinden zu lassen, zu suchen sein dürfte.
Das Summen und Wispern des Zauberliedes hat ausser Grimm
auch schoD Wuttke a. a, 0. hervorgehoben und bei griechischen wie
romischen Dichtern tritt es gleichfalls auf das cbarakteriatischste hervor.
So heisst es z. B. Orpheus Argon, V* 1001, als der Schlaf beschworen
wird, den Drachen einzuschläfern:
xlayia ö'a^ ik x^Xvnq ßa(ivav%iva (p(i}v^v
aiyaliog aff^iyzcyv BfioJg vno xBikBat niftnmv*^ desgl.
1) Ifärkbche Forschutigeii. Berlin 1863. VII T. 184. t wo ich mich auch über das Hinein-
xjeh«a dei angebt. Vi; und VIJ. ßuch» Muses f^äuAftert habe.
2) Schweizeraagen. 185G. iL 147.
Der Zauber des pr5ckw5rU' Sinjfens utirl Spielen».
in
Metam. VIL 251 von der Medea:
quos ubi placavit (Medea) precibiisque etraurmure longo. Ebenso:
WL Valeriua Flaccua Argon, VII. 463 ff.
^^^H carmina nunc totos volvil Bgitque per artus
^^^H AesoDidae ot totum nepteuo murmure fertur
^^^H per clipeiim atqiie viro f^raTiorem reddidit ImBtam, '
^^^^ Ea ist immer mehr ein gesummtes oder gemurmeltes oder still gesungeues
"Ijied, wie ea auch meist immer als Carmen bezeicbnet wird und von einem
Singen die Rede ist, z, B, bei Silius Italicus VIIL 473 f. kurzweg von
Jen Miiröern hei st:
hae belbre acies norant, at Marsica pnbea
et bellare manu, et cbelydria cantare soporem,
vipereumque herbis hebetare et c arm ine dentem,
5JDe hierher gehörende Stelle erinnert aoch noch apeciell an die oben
erwähnten Sagen vom Heraufzaubern der Gespenster und dem sie wieder
TTertrei ben, wenn es beim Papinius Statins IV. 550^ wo Teireaias mit der
Manto die Geister der Unterwelt heraufbeschwort, heisst;
^L jusaa facit carmenque serit, quo dissipat umbras,
^m quo regat et sparsas,
^M Die exstatische Steigerung des Gemurmele aber bis zum Geheul
^Blritt in anderen Stellen hervor und bringt uns damit die Vorstellung dea
Auf- und Absteigeos reap. Rückwartssin gena oder Spielena noch
speciell naher. So heisst ea bei Ovid Metam. VII, 1874 von der Medea,
als sie zu ihrem Zauberwerk die Geister der Nacht beschwört:
eilet humidus a6r«
sidera sola micant: ad qune aua brachia tendens
ter se convertit: ter sumtis flumine crinem
irroravit aquia; ternis ululatibua ora
solvit; ... Di omnee noctis adeste:
quarum ope, cum volui, ripis niirantibna, amnea
in fontcs redierc suos: concussaque sifito,
stautia conoutio cantu freta; nubila pello;
nubüaque inducoi ventoa abigoque, vocoque etc
Wetter ausführt ea faican. Phars., wenn es von der Erichtho VI. 655
bei einer Beachwörung der Geister der Nacht heisst:
tunc vox Lethaeos conctts pollentior herbis
excantare deos, confundit murmura primnm
d i 8 s 0 n a , et li u m a n a e m u 1 1 u m d i s c o r d i a 1 1 n g u a e.
la trat US habet illa canum gemituaque luporum.
quod trepidus bubo^ quod atrix nocturna queruntur,
quod strident ululantque ferae, quod sibilat anguia
exprimit et planctus illisae cautibua undae
silvarumque sonum fractaeque tonitrua nubis;
118 W. Schwarte;
tot rerum vox uua fuit» mox ct^tera canta
explicat HaetQonio, peüetratque in Tar
Diesena dämonischen Zauherlied treten nachher wieder carraTB?r
magica gegenüber ^ durüh die, entsprechend der Scenerie, das dissipat
um b ras das Statius ausgeführt werden soll, denn in diesem Falle lässt
Lucan nur einen Todten wieder von der Schwelle der Unterwelt zurück-
gerufen und belebt werden^ sonst kommt, wie schon angedeutet, in finstrer
Wolken nacht die ganxc Hölle mit ihren Scbreckbitdern herauf.
Ueberschauen wir das beigebrachte Material und erwägen folgende
Momente, dass nach den im Urspr. der Myth. und tu den Poet Naturao,
gegebenen Ausführungen
1) bei Griechen, Römern und Dentachen — den Hauptreprasentanteo
der Indogermaneu für uns — die Vorstellung zauberhafter Wandlonge^f
in plastischen Bildern und daran sich schliessenden Gebrauchen (\velche
dann die Tradition, unbekümmert om ihre Ausfuhr burkeit, festhielt) besonders
an die plötzlichen wunderbaren Veränderungen des Gewitter-
himmels sich anlehnte und an ihnen entwickelte, und demgem&sa vor allem
2) Regenzauber, Ge^vitter machen, sowie, — indem man die aa
Himmel heraulkömmende Gewi ttcroacht als eine heraufsteigende Untcr^
weh, eine Art Hölle fasste, welche losgelassen sei, — allerhand Vorölellungen
von Todtenbeachwörungen und dergL in den verschiedensten Formen
an jene himmlischen Erscheinungen sich anschlössen, in denen der Donner
dann angeblich als die himmlische (weissagende) Stimme eine Roll
spielte und dem Ganzen elwae Prophetisches gab^); erwägen
ferner, dasa
3) der Wind und der Blitz die hauptsächlichsten „Media" für die'
Herbeiführung jener im Gewitter sich abspielenden Zauberscenen
abzugeben schienen*), letzterer als die Zauberrnthe, ersterer als das
geheimnissvolle Zauberlied, das Zauberspiel, welches summend,
wispernd, murmelnd anhebend, sich in immer volleren Äccorden
steigerte, und wie das oben erwähnte Lied, zuletzt alle Tonarten des
Sturmes annahm^), bis es die Zauberwelt, d. h. die Geisterweit der
Schatten beschwor; so werden wir auch hierin allein den Urs prang des
Accidens finden, dass wie der Zauberstab die Geister heranffübrte
1) z, B. der Glaobe auch solche Figuren schuf wie di© des Tiresias, den Prophctao der
Unterwelt, die Sibylle oder auch historische Personen an ihre Stelle treten und aus der
Unterwelt excitirt werden Hess, wie Samnel bei der Hexe von £iidor, Danos in den PerseiSH
bei AeBcbylos, Lajus in der Thebaia bei Statins und dergl mehr. ^|
2) Urspr. d. MythoL die unter ^Zauber&tab'' und * Verwandlungen' im Indax angeführten
Stellen; über den .Wind". Poet Naturao. II 61.
3) Daa oben cliirte Zaubcrlied des Lucan ht in seiiiem ganzen Tenor noch deutlich ein
Sturmlied, iodem rias anlänfrlkhe Marmeln sich zum Klagen, Henleo^ Zischen n. s, w. bis
Kum donnerähnlichon Braosen steigert j Momente, welch© überall in der mythischen AuffassuD^
des Sturmes reüektirea. s, Poet. Naturan. [I unter Wind, TergL die Stimmen des Tjpboeufi*
ürspr. d. Mytliol. 32.
Der Zauber <ie» „räclcwarts" Sini^ens nnd Spfelens. 719
und scheuchte und so im Einzeloeu dann überbiiupt doppelte Bedeutang
erhifjlt, so auch das Zauherlic»d und Spiel einmal die Geister herauf-
beschwor, dann aber umgekehrt, d.h. faktiach in entgegen ge setzte r
Wetae, d, h. rückwärts gesungen oder gespielt^ die Zauberwelt wieder
verschwinden liesöO. Der Wind, zu immer Tolleren Tönen anschwellend,
fuhrt das Unw^etter herauf; sein allmähliches Sinken von dem Höhepunkt
mit dem gleichzeitigen allmählichen Verschwinden der beraufbe-
scbworenen Gewitternacht ist das auch augeblich jenes bewirkende
rückwärts Spielen. Was sonst realiter keinen Sinn hat und kaum eine
Ausführung zuiässt, ergicbt sich so ganz natürlich innerhalb der analogen
Au sc bau ungs kreise als eine der [irimitivsteu, aul gläubiger Naturanschauuug
beruhenden mythischen Vorstellungen und hat dann im Laufe der Zeiten
lin den verschiedensten, den Culturverhältnissen sich anscbliessenden Formen
weitere mehr formale Ausbildung erhalten.
Ein Nachtrag vom Todtenfährmann und der Schattenweli (^ S. 115/^)
Die ruinischen Epiker sind, wie wir schon z. T. gesehen, !>e9onder9
reich an Bildern, welche sich auf eine im Gewitter heraufkommende Unter-
welt und ihre ev. Beschwörung bezichen. Ich habe in einer Abhandlung „über
die angebh Schmarotzerpllanzen am himmlischen Liciitbaum'*, welche sich
dem Artikel über den bimmlischen Lichthaum in dieser Zeitschrift (v. J. 1881)
anschÜesst und demnächst mit jenem vereint, als „Beitrage zur indogerma-
Dischen Mythologie 1, Heff* veröffentlicht werden wird, eingehender darüber
zu handeln Veranlassung geliabt. Denn abgesehen von dem Blitz als
Zaubcrruthe und dem Winde als Zaubergesang spielen auch gewisse
Blumen und Rankengewächse in den betr. mythischen Bildern als
Repräsentanten entsprechender, dem Gewitter vorangehender Wolken-
bildungen, mit den ,, Blitzen** eben als „Ranken" zu jenen angeblichen
„Wolken hl umen" gefasst, dabei eine bedeutsame Rolle, indem sie entweder
auch die Unterwelt heraufbeschwören oder den Eingang zu ihr, wie
z, B. die Mistel beim Vergil in der Aeneas-Sage, zu öffnen schienen.
Hier will ich nor noch auf ein in den oben erwähnten Stellen hervor-
tretendes Moment hinweisen, welches für die Alterthümlichkeit und Volk.s-
thumlichkeit der aus den erwähnten Dichtern beigebrachten Stellen ein
charakteristisches Zeugniss ablegt und den ganzen mythischen Hintergrund
weitet, nebenbei aber auch noch apeciell fiir die Elemente einer gräco-
italischen Mythologie und ihre Beziehungen bedeutsam wird. Es hieas
oben beim Valerius Flaccus:
neque enim ante — ehe nicht das Zauberlied rückwärts gesungen —
leves niger avehit umbras
portitor et vinctae pigria stant faucibus Orci*
b
1) Es ist derselbe Gegensaht, den man im Jahre 1848 in Betreff der revolutionären Volb-
timmimg mit ,Äuf-'' und .Abwiegeln" bezeichnete,
tiwaftt:
Dass die liier licrvortreteude Erwähnting des niger portilor als
Fährmfinn der Schatten am Himmel nicht bW ein herangezogener,
bildlicher Ausdruck, sondern die Sache auf vr>lksthumlicher VorstclItiDg
beruht^ testÄtigt neben anderem eine Stelle in Statlus Thehais XL 587 tt,
wo e« von ebendemselben heisst, dass er zu Zeiten sein gewöhnliches Amt
in der Ünterwt^lt verlässt und am Himmel erscheint:
qualia si (|>uppe relicta)
exosus pigri manee sulcator Averni
exeat ad superos solemque et pallida tnrbet
astra, nee ipae diu forti^ patiensque superni
aeris^ (interea longum cessante magistro
creacat opus Lotisque expectent saecula ripis)').
Wie die betr. Dichter ganz gewöhnlich von einem tnrbo piceus, pro-
cella nigrans, einem aterNotus, einem Boreas mit schwarzen FlögelD
oder in mehr mythischer Gestaltung von einem Jupiter niger oder dem
Pluto als moestus rcx ooctiö reden, der dann als Beherrscher und
Föhrer der Todieti annlog dem Hermes im Unwetter gleichfalls mit
einem Goldstab, dem Blitz, auftritt^), so eröffnet jener niger portitor,
der den Himmel verdunkelt, nur ein modificirtea Bild der letzteren Scenerie,
indem die um Himmel wie ein Eahn dahingleitende schwere Gewitter-
wolke unter dem Reflex der dahinziehenden Geistorwelt die Vorstellung
einer Ueberfahrt der Seelen^ eines Geisterkahnes, eines Fährmanns,
dem dann in den fallenden leuchtenden Blitzen sein Zoll gezahlt
werde, weckte^). Hat sich in jenen oben erwähnten sagenhaften Zügen
römischer Dichter noch das Protolyp des mehr ubgeblassten homerischen
Charon erhalten nnd ergiebt sich nach Allem so die betr. Vorstellung als
ein alter gemeinsamer gräco-italischer Glaube, so hat derselbe auch noch eine
weitere Basis im celtischen Westen, wie Grimm nach Procop, Tzetzes und
späteren Sagen auf das manuichfachste auch den Glauben von der Ueberfahrt
der Seelen nach einer fernen Insel, von dem Todtenkahu oder dem
I
1) Die eingeklammerlen Stellen beziefaeii &kh auf die frewöbnlicbe h«»kalisirun^
der Hölle in der Tiefe, oebm d«r tu Zeiten d&im der niger portitor am /Himmel'' erscheint
ursprünglich fiind mao ihn uberbaupt nur um Himmel zugleich mit dem piger Averntis,
Aeheron, Styx, Pyriphlegethon u* s. w. in den betr. Gewitterericheinungen und davon ist
iein seitwei&es Auftreten noch eine ReminiäceriK od^r Reproduktion der betr. ÄDächauuag,
cf. ApolJ. Bhod. 4. 1694 sqq,
Lucrez. VI. 251. QuckI bunc per totum concrescunt aere nubes
Ündique, utt teoebras omnes Acberunta reamur
Liqui»fie ei magoas ce«li complesse caTernas.
2) Urspr. d, Myth. p. 126
3} Urspr d, Mylb, p. 27B \\. 248 vergl. Wein hold'!* Bemerkungen daiu in deo Grab-
Älterthümem aus Klein Glein in UoterslftieTinark. örati 1861 p. 10. desgl Kuhn and
Öchw&rtx, Nordd.Sag^n 1849. S.291 und S. 126 ö und Beutiger VolksgK 1862. p.SBf. 43 f.
Der Zauber des ^röckwärfs* Slngctt» nnd Spielens.
121
der Luft, dessen Räder knarren und dergl. mehr
Todtenwagen m
nacbgewieseo liat*).
Wie ahnr der im Gewitter daliin fiilirende T od ten wagen, dessen
Kader mnn au& der Höhe hurt, an di^n myihm^hen Donn erwägen er-
innert, den man ganz gewöhnlich im rollenden Donner vernahm, so
erscheint Pluto wie Charon daneben dann auch im Unwetter, jener zu
Wagen, dieser in der niederen Mytliulogie der tokaUuge auf dem Donner-
rose, dessen hallenden Hnfschlag man im Donner zu vernehmen
glaubte, während in der nationalen Mythologie letzterer nur eben als Fähr-
mann nnd jener als Todtenkönig galL Ursprünglich sind die Bilder in
ihrem natürlichen Hintergrund, abgegeben von der Färbung, die ihnen
die betr. Sage im Uebrigen verleiht, parallel, wenn es vom Erscheinen des
Pluto beim Raube der Proserpina, der Sonnen Jungfrau z, B. beim Claudian
heisst:
ecce pol um nox foeda rapit, tremefactaque nutat
insula cornipedum strcpitu pulsuque rotarum.
»osse nee nurigan^ licuit: geu mortifer aestus,
seu mors ipsa fuit lotor permanat in herbas.
deficinnt rivi, squnhint rubigine prata,
et nihil afflatum vivit, pal lere ligustra,
expirare roaas, decrescere lilia vidi,
ut rauco „reducea'* tractti detorsit habeuaa^),
nox suH prosequitur eurrum; lux redditur orbi,
Persephone nusquam. —
unil daneben noch heut zu Tsige neugriechischer Volksglaube den Charon
im Unw^etter mit den Todten hinziehen lässt, indem ein neugriechisches
Volkslied von ihm sagt (cf. Urspr. der Myth. p. 126):
Warum sind schwarz die Berge dort und stehen da so duster?
Ob wohl der Sturm mit ihnen kämpft? ob sie der Regen peitscltet?
Nicht kämpft der Sturm mit ihnen jetzt, nicht peitschet sieder Regen,
Nein, Charos ist's, der über sie mit den Verstorbnen ziehet
Alle diese verschiedenen Bilder kehren auch in deutscher Mythologie
wieder und knüpfen sieb hier meist an Wodan; er zieht mit dem Geiaterheer
im Gewitter^); weder der Donnerwagen, noch das Donnerross fehlen;
diinn steuert er auch auf goldenem Kahn — golden, weil er im Gewitter
leuchtet — die Erschlagenen von Brävalla nach Valhall. Ursprung der
Mythologie 273.
Dass aber nicht blos die europäischen Indogermanen unter den manoich-
fachst nüancirlen Bildern die Vorstellung eines im Gewitter auftretenden
Todtenreichs gehabt, ergiebt der indische Jama, der auf der einen Seite
himmHscheo Ursprungs als Sonnensohn, andererseits als Todtengott
1) Grirom, Myih. 790 f. und das Ende dieses Anfsatfes« 2) Die ,rednces" babenae
eatsprecheo dem , rückwärts'" Spielea, sowie ^UmkuhreQ* des Zauberstabes. B) Ileatig^r
\oiksgl 186S.
122 ^* Schwarte: Der Z:iuW des , rückwärts* 8?R??iifl and Spielern,
mit dem Seepter auf einem Büffel (dem brüllenden Donner stier) ein-
herreitend mit seiner ganzen dämonischen Umgebung in ecbt indischer Weise
dann die ganze Gewitt erhölle repräsentirt, s. namentlich die Schilderung
eines Kampfes der Diener Jamas mit denen Wischnu's in der Altindischen
Myth, V. Wollheim da Fonseca, Berlin 1857* p. 106 f. Die Blitze er-
scheinen als Seile seiner Diener oder als Schlangen, cf, Angelo deGu-
bernatis, Die Thiere u. s» w. Leipzig 1874. 8. G47.
Ja noch weitere Kreise zieht die Vorstellung, und eigenthümlicher Weise
finden wir auf den Sudseeinseln nicht blos den Glauben an in der Nacht
dahin ziehende Seelen, wie bei Homer, sondeni auch die oben geschilderte
Vorstellung der Todtenkahne in der primitivsten Form im Anschluss speciell
an den GewitterhimmeK ^Auf Neuseeland hört man zur Nacht, be-
sonders nach grossen Schlachten, den Flug der Geister durch die Luft.
Unaufhaltsam ziehen sie ihren Weg wie Schatten, welche man vergebens
zu greifen trachtet*" Besonders aber heisst es, „wenn es stürmt, blitsst
und regnet, bereiten die Götter ihre Kähne zur Todten fahrt. Schirren,
Die Wandersagen der Neuseeländer. Riga 1856. S. 93 und 110^).
Die Anfange derartiger Vorstellungen treten überall mehr oder weniger
hervor^). Sie sind eben menschlich uatürlich und reflektiren im Glauben
wie in der Sprache, aber bei begabteren Völkern und unter einem fort-
schreitend sich entwickelnden Kulturleben haben sie selbst reicher sich
entfaltet und, indem sie Poesie, Religion und die Kunst in ihren Ent-
wicklungsphasen begleitet, in diesen Kreisen allmählich immer ideellere
Elemente menschlichen Denkens und Empfindens in sich aufgenommen und
damit Scenerie und Form oft in solcher Weise gewandelt, dass der elementare
U^^!prung fast ganz verdeckt worden ist und nur stellenweise noch in einzelnen
Momenten hindurchschimmert, lo den unteren Volksschichten leben freilich
noch öfter Ueberreste der alten Vorzeit, von Geschlecht zu Geschlecht
überliefert, in alter roher Form fort, um den Weg zu weisen zu der Urzeit,
wo die ganze Menschheit sich noch in ähnlichen Kreisen bewegte.
1) Wie oben beira Tod ten wagen das Rasselo und Rollea des Donners mit binein-
spielte, tuaj? aoch bior neben der Ver^leicbung einer lan^satn dahin ziehenden Wolke
mit ein^m Scbiff ein Änalogon mit dem Kamtschadaliscfien Glauben initgrewirkt haben,
nach wekbem, wenn es donnert, ^der Kutka seine Kribno'* aus dem Flus-a über die Kiesel-
steine nach dem Ufer ziehe und davon der Donner entstehe. St elter, Kamtacbatka
1714. p U.
2) Wie weit historischer Zo^ammenhnng fnr die Urzeit gehl, mit Sicherheit 2U beMimmen,
dam fehlen um noch viele Mittelglieder, auch roÜBste eine derartige Untersnchnnu allseitiger
und blos lu diesem Zweck unternommen werden. Ziel der mythologischen Wissen-
scbaft bleibt auch dies; zunäeh&t ^It es aber ersi, die Fundamente tu legen.
I
vriL
De r Y u m a-Sprac lista iii iii,
nach den iieuesteü liaiidscliriftlicheii Uiiellen,
dargestellt von
Albert S. Gatacliet in Washington.
Zweiter Artikel.
Seit dem Jahre 1877, id deni ich einen längeren Artikel über obigen
Gegenstand in dieserZeitöclmft veruffentlichthabe(Seiten341— 350; 365 — 418),
ist wieder neues Material zu Händen gekommen, welches unsere Kenntoiss
des Sprachstammes auf dessen Nord- und Südgränze beträühtlich erweitert
und gleichzeitig werthvolle grammatische Andeutungen über alle Dialekte
liefert. Ich halte es daher für angezeigt, dag Neue in seinen wichtigsten
Zügen in der Form von Vocabnlarien und KUgebörigen ethnographischen und
gramniati sehen, namentlich phonologischen Bemerkuögcn den Lesern des
früheren Aufsatzes zum Stndiom vorzuführen, und bedauere nur, dass sich
der Horizont diesmal nicht auch über diejenigen Stämme aufgeklärt hat, die
höchst wahrscheinlich noch dem Yumastamme angehören: die Koninos und
die Indianer des Südens der Halbinsel Californien.
Ich führe nun die diesmal abzuhandelnden Stamme und Dialekte in fol*
gender Ordnung anf: Yävapai, Könino, Tooto, M'Mat, Seri, und gebe die
einschlägigen Vocabnlarien zum Schluas des Artikels*
Nationale Stammesnamen.
Als Ergänzung zu der in der Ztscbr. f Ethnoh, 1877, Seite 368 — 371,
enthaltenen Liste erwähne ich folgende, von den Znni, Yavapai, Seri und
Nachbarn gebrauchte Stamm esbezeichnungen (der Stamm, der sie gebraucht,
ist in KlaTOmern beigefügt):
Ahwa-pÄya-kwaüwa: ,, Feinde, alle, sprechen"; die Apache* Tontoa
(YÄvapai).
Atchi-hwa: die Maricopa (Ydvapai).
Apats: die Tinne-Äpaches (Seri),
Avesü-pai: „Drunten- Volk"; die Könino (Yävapai, Hudlapai etc), d. h.
das Volk, das drunten im tiefen Canon wohnt.
124 ÄIHert S. (latBcb«t:
Hnyuko-häni: Mexikaner (Yavapai),
Hayako-jiyatclii: Neger (Yiivapai).
Ha-hwddslia: die Pinaleno- oder Pinal-Apachca (Yavapai).
Kmike: so nenueo sich die Seri selbst.
Kolieain: die Apache-Moliaves oder Yavnpai (Pinaleno, Nävajo).
Koksol: die EinwohiK^r der mexikrjiigchen Staaten (Seri).
Könino, Casnino elc. Siehe Avrsii-pai, Der Name Kööino soll der
MtSkisprache entlehnt sein.
Ku^nij plur. KüTcni-k«e: Könioos (Zuni).
Kuweveka-paya: „Volk im Süden'', die mit den Tonloa zusaramen le-
benden Apache-Mohavee oder Yavapai; von den ülirigen Yavapai so
geheissen«
Mukdba: die Mohaves (Yavapai),
Nasuid-kue: die Uta-Indianer (Zuiii).
Nätch<Sn: „Eidechsen", die Apache-Yuuia oder Tulkepaya (Pinaleno).
Pa-ingotisätch: die Amerikaner oder Weissen (Moliave); Wliipple.
Payiidshe, die Ptii-Uta; so corrurapirt, bedeutet der Name im Yavapai:
„alle Augen**, oder ^ganz voll Augen**.
Papani: die Papagos (Seri).
Shiwi, plur, Ashiwi: so nennen sieb die Zufii-Indianer selbst,
Täbkc-paya: „Nordvolk'*, die Hualapais (Yivapai); abgeknrzi aus Muta-
veke-paya.
TcbikiiQ; 80 nennen sieh die Pinaleno-Tinn^ selbst.
Tulkepaya venuna tchehwdie: ^Tulkepaya mit gefleckten Bäuchen*^;
Spottname der Apache-Yuma, gegeben von den Yavapai.
Tchishe-kue: Tonto-Indianer von der Tinn^-Rasse (Zuui).
Ydkkom: die Y^aqui am YaqaifiuRse in Sonora (Seri); vgl. korokak: Volk*
Yava-paya, Yavapä: so nennen sich die Apache-Mohaves selbst.
Ydvapai.
In einem etbnographiscben Anhange zu seinem Yavapai- Vocabular be-
richtet der Arzt W. H. Corbusier Folgendes über diesen Yuma-Stamm:
„Die Yava-päya oder Apache-Mohaves behaupten, dass sie als Erbe von
ihren Vorfahren das ganze Thal des Rio Verde, sowie die Black Mesa zwischen
dem Rio Salado nnd dem Bill Williams -Berge empfangen haben. Können
wir iodess einer Sage der Moki-Indianer Glauben schenken, so liaben diese
bis vor fünf Menschenalteru („five old nien ogo"*, wie der charakteristische
Ausdruck lautet) das Rio Verde-Thal bewohnt, die jetzt in Ruinen liegenden
Steinhäuser darin erbaut und die Höhlungen unter den überhängenden Felsen
(cliffs) mit Mauern verseben ; verlassen hätten sie das Thal bloss, weil eine
anhaltende Dürre mit gleichzeitiger Epidemie viele dahinraffte. Dass die
Yavapai den Mobaves und anderen Stämmen des Colorado-Thalcs entsprossen
sind, unterliegt wegen der Aehnlichkeit der Sprache keinem Zweifel, doch
Der Yuaia-Sptichstamiii.
125
sageD iUrtj Traditionen hierüber nichts Befitimmtos aus, und die Trennung
gehört daher einer bereit a langst vergungeoen Zeit an."
Die Manner der Yavapai sind von ebenmässigem und liohcoj Wüchse,
messen im Mittel 5 (engl.) Fnss 8j Zoll, und zeigen ein mittleres Gewicht
von 157|^ Pfund. Diese Messungen wurden an 24 Individuen vorgenommen,
von denen einige wenige, wie der Arzt bemerkt, noch nicht völlig aus-
gewachsen waren. Die Weiber sind meist kurz und corpulent, und zeigen
eine Mittelhöhe von 5' 3'% bei einem mittleren Gewichte von 140 Piundm.
Im Winter ist die Hautfarbe dieser Indianer ein helles^ im Sommer ein dunkles
Mah^gony- Braun. Ihr grobes, straflfes Haar wird in der Höhe der Augen-
brauen quer über die Stirne abgeschnitten; im Sommer etwas tiefer, um die
Augen gegen die Sonnenstrahlen zu schützen.
Der Stamm der Apache-Yuma oder Tufkepa) a spricht dieselbe Sprache
wie die Yavapai, ist jedoch an Zahl geringen Die Tulkepaya sind ein Miscli-
volk, das sich erst in neuerer Zeit aus Bestandtheilen der Kutchän, der
Yavapai und Mohaves gebildet hat und als ererbtes Land die Gebirgsgegend
zwischen den Yavapai und dem Coloradoöusse beansprucht. Die^^elben sind
etwas knochiger und schlanker als die YAvapai; als Mittelwerth für die
Statar der Männer fand Corbusier 5 (engl) Fuss 8| Zoll, für ihr Gewicht
152|| Pfund (Mittel aus 22 Individuen).
„Langjährige Kampfe mit den Truppen der Vereinigten Staalen-Regierung
übten einen so vernichtenden Einfluss auf diese Stamme aus, dass sie im
Mai 1873 allen Widerstand aufgaben. Ungefähr 1000 Apache-Mohaves und
500 Apache* Yoma wurden Ruf die im Rio Verde-Thale ftir sie eingerichtete
Reservation gebracht. Ausserdem betanden sich dabei Tontoa oder Tunto-
Apaches, sowie Tinne-Apaches von den Pinal-Gebirgen (oder Pinaleiios),
beide zusammen etwa 500 zäblend. Sie erholten eich bald von dem aus-
gestandenen Elend und begannen mit Erfolg den Boden zu bebauen. Doch
als im Frühjahr 1875 die Regierung deren VerpflauKung nach der San Carlos-
Reservation^ isudlich vom Rio Verde, oo befahl, protestirten viele gegen diese
Maassregel und aU dies nichts half, flüchtete sich eine Anzahl in ihre früheren
Gebirgssitze zurück, während andere sich als Kundschafter in di(* Armee
aafnehmen liessen. Die Mehrzahl ist indees seit jener Zeit auf der San
Carlos-Reservation verblieben, in unmittelbarer Nachbarschaft einiger Tino^-
Apaches-Horden, die ebenfalls auf dieser Reservation untergebracht sind und
in neuester Zeit (Spätjahr 1881) die Fahne des Aufstaodes erhoben haben "*
In diesen zwei Volksbenennungen: Apaehe-Mohaves und Apache-Yuma,
ist, wie Corbusier erklärt, das Wort Apache aus apa-ahua-tche in contra-
hirler Form enthalten, Äpa ist, wie pä, pa-a, dpa: Mann, im Plural Volk,
ahua Krieg, Kampf, und -tche ein Substantive bildendes Suffix, und a^iatche,
ap&tcb bezeichnet demnach kriegerische, oder feindlich gesinnte^ weiterbin
auch wilde, uoge7.ähmte, in den Gebirgen lebende Indianer, ohne Unter-
schied der Rasse, der sie angehören. (V^gl. Ztachr. f. EthnoL, 1877, S, 369.)
Albert S. Gitachet:
^ Diese zwei Stämme, wie auch andere Yuma-Yölker, besitzen ein eigenes
Mittel, um sich vor allzu stiirker SoDnenhitze zu schützen. Beide Ge-
sciilechter bedecken sich namlicb mit pulveriüirtem Thon, meist von rother
Farbe, den sie vorher mit Speichel angefeuchtet haben, in ziemlich dicken
Lugen den ganzen Leib, ist dies geächehen, so ziehen sie mit den Fingern
gerade sowohl als wellige Linien durch diese Masse, so dass die Haut da-
selbst wieder zum Vorschein kommt. Das Gesicht wird dagegen mit einer
Mischung von Bleiweiss und verkohltem Mescal eingerieben und die frei-
gelassene Nase, sowie das Kinn, roth angemalt. An Abwechselung in den
im Gesichte angebrachten Farbenlinien und -Punkten fehlt es nicht; diese
Bemalung verleibt indess den Indianern nicht gerade ein anziehendes
Aeuasere* Sie achatzt das Individuum gegen Kalte im Winter, gegen allzu
grosse Hitze im Sommer, und Vorrnthe von geknetetem Thon werden daher
zu künttigem Gebrauche, in Ringen geformt, am Leibgurtel befestigt, be-
standig herumgetragen.'*
Einige der in Dr* Corbusier's Wortsammlung*) enthaltenen Ausdrucke
werden durch folgende Analyse verdeutlicht:
pa-hemi: Mann; wörth: „grosser Mann^; hemi: gross, erscheint auch
in hamanyc-hemi: „Kind, grosses*', d. h. Knabe; wohl auch in
yavinyrmi: Bart
hi: mein. Dies Pron. praeüxum tritt in diesem Vocabular blos als hi-,
nicht als i- auf.
hwaiyda: Feind, feindlicher Krieger; enthält ahwä: Krieg.
akua hamat: Kochkessel; wortl.: Eisen, Metall (akua) f&r das Fleisch
matr, mat).
hapii: Bogen; heisst so, weil aus Weiden -(hapii)- Holz verfertigt
mätr-haiya: Wind, d. h. „was aber das Land (raate) bläst** (yalya, blasen,
athmen).
ikwi-w6: Regen, von ikwi; Wolke.
ahake tchikemi: Thal; wörtl.; „Wasser-Schlucht**
kwäka: Reh und kwakata: Hornvieh; von kwa: Hörn, Geweih; letzteres
also: grosses Reh (täya, ta gross).
kanümdi bezeichnet ursprüngh die Enten -Species, genannt teal-duck
(QuerqueduUi).
hami: sehen, anblicken, betrachten.
Eönino.
Eine enge, bei 7000 Fuss tiefe und äusserst steil abfallende Schlucht im
Nordwesten Arizonas fuhrt die Gewässer des Cataract Creek in Westsüdwest-
1) Am Scbluas« dieses Artikeln folgen Auszöge aaB Hro* Dr. Corbaaier^s, des Arttes
auf Her St. Carl us- Reservation, handschriftlichem Yavapai-VocabuUr^ das derseltw dem Bureau
of Ethnolo|rj in Washington, D. C, eingesandt hat. Ich habe besonders solche Ausdrücke b«-
räckskbtigl, die vun ethnographischem fnteres&e htnd.
M
Der YoniÄ-Sprachstamni. |27
lieber Richtuiig dem Colüradoflusse eu. Diese Schlucht enthält die Wohn-
sitze des, wie man i^hmbt, etwa 100 Fumilien umfasscoden Stammes der
KÖQiDO- Indianer, und die Unwirthliclikeit der Gegend ringsum erklärt es,
warum diese Schlucht erdt vor Kurzem von Forschern e^esehen worden ist*
Herr G. K* Gilbert, MitgHt'd der alljährlich nach dem Westen ent-
sendeten geologischen Regierungsexpeditionen, gelangte zuerst 1871) an den
Rand dieset* schreckenerregenden Abgrundes und erblickte unten die Hütten
der Bewohner, bekam jedoch keinen derselben zu Gesiebte. Die Hualapai
ia der Nähe theilten ihm indessen mit, „dass sie eine ähnliche Sprache
sprächen wie sie selbst und nannten sie Avesii-pai, Akuesii-pai, Nävrau-pai,
Sdpai. Der Name Konino ^ei iboen von den M6ki in Oniivi gegeben wurden
und auch die Nävajos nennten sie so.'' Die Zuni nennen sie Kuxui-kue
(kue: Volk, Stamm) und auch die Namensformen; Kokoninos, Coconinos,
Cochnichoos werden dort gebort. Avi^sü-pai heiest: ^das Volk da drunten"
üod in den jährlichen Bericfiten des Indianer-Bureaus in Washington werden
sie jetzt als Suppai aufgeführt
AIphoDse L. Pinart besuchte fast gleichzeitig den Stamm unten im
Canon und nahm ein Vocabular ihrer Sprache auf, dm^ über seine Zugehörig-
keit zum Yuma*Sprach?^tamoie, wie er behauptet, keinen Zweifel aufkommen
Iftsst.
Der Cataract Creek ist ein Flüsschen von etwa 25 Meilen Länge, das
einen west^ud westlichen Laut durch das Colorado-Plateau innehält und da in
den Coloradotluss einmündet, wo sich der Grand Canon desselben befindet
(112" 50' westl. L., Se"" 10' nördl Br,). Die Wohnsitze der Avcsü-pai liegen
zwischen zwei Wasserfallen, nicht allzu weit vom Ooloradoflusse.
Eine Abbildung von drei diest_T Indianer findet sich in Capt. Sitgreaves
Bericht an die Vereinigte Staaten-Kegierung, abgestattet den 12. Februar 1853;
ebenso von Yävapai, Zuni und anderen Stämmen. Neuerlich bat auch Frank
H, Cushing, ein Ethnolog des Smithson'^chen Instituts in Washington,
eine sehr ausführliche und lesenswerthe Schilderung seines dortigen Be-
suchen im Bostoner „Atlantic Monthlj**, vom Oktober 1882 veröfientlicht^ be-
titelt: j,Tbe Nation of the Willows** (pag, 541—559). Herr Cushing hat sich
von 1879 an stets bei den Zuni -Indianern aufgehalten und hat auch über
diesen Stamm neue und wichtige Atifschlüsse in amerikanischen Zeitschriften
niedergelegt. Ihm zutblge nennen sich die Coconinos die „Kinder des Coyote-
wolfes^ leben in polygamischer Ehe, beerben sich in mäonlicher Linie und
sprechen einen Yuma-Diaiekt. Letzleres ist auch durch ein von ihm er-
wähntes Wort ahäniga: „Dank"* Jingedeutet, dm dem Mohave a)[6tk, dem
Hualapai aj(änega, dem Tooto ahönni: gut, recht entspricht.
Tonto.
Durch das Bei samoien wohnen von Tonto-Yuma mit Apache -Indianern
von echter Tinnö-Rasse hat sieb, wie neuerlich vielfach bezeugt wird, der
128
Albert 8, Ottschet:
Name ToDto auch auf echte Tinn^-Apaches ausgedehnt, wae üaturlich ethno-
graphische Confusion zur Folge haben muss.
Diese Tonto-Tiöoe gehören am nächsten zu den Coyotero-Apaches und
das Vocabular von Charles Smart (erwähnt 1877, S, 374), das sich ßeither
vorgefunden hat, enthält einen Apache-Tinue- Dialekt Die Sprache der
Touto-Yuma zeigt grosse Aehnlichkeit iini der der Yavapai und hat sich
wohl einst von ihr abgezweigt.
Charles Smart erwähnt, dass vor dem Eintreffen der amerikanischen
Bundestruppen in Arizona, aUo bis 186f>, die Tinne-Tontos, die sich selbst
Coyoteros nannten, in der Gegend des späteren Fort Mac Dowell gewohnt
hätten, am Rio Verde, wenige Meilen oberhalb seiner Vereinigung mit dem
Salinas. Dort führten sie ein Käuberleben, befehdeten sich mit den Pirna
und nährten sich von Hasen und Coyote Wolfen, Die Amerikaner und Mexi-
kaner geben den Namen Coyoteros einem südlich vom Gila in den Gebirgen
wohnenden Tinne-Starame,
Am Schlüsse dieses Artikels gebe ich eine Fortsetzung der Auszöge aus
Dr. John ß, White'ö Tonto-Vocahiilarj die sich für das Studium des ganzen
Sprachstammes als sehr fruchtbar erweisen wird.
M Mat.
Der Kutch^n- Stamm derM'Mat wurde im Januar 1876 von J. T, Helmsing
am unteren Cüloradoflusse, und zwar zu beiden Seiten desselben, auf Cali-
fomiachcm und auf Arizona-Gebiet angetroffen. Sein Name enthält das Wort
amat: Erde, Land, Landstrich, das allen Yuma Dialekten gemeinsam ist.
Helm sing, der seiner Handschrift zufolge f*in Deutscher ist, hat sich
sein Alphabet aus spanischen und englischen Lautwerthen zusammengetragen;
er bemerkt dazu, „dass sich das spanische Alphabet am besten zur Dar-
stellung der Yumasprachen eigne." Sein c, qu habe ich durch k, j durch x^
cti durch tch, n durch ny wiedergegeben ; h, sli, w sind wie im Englischen,
th ist der eugb Äspiratlaut tb in: month, dh der in: other, the; zh ist das
franz. j, gh das gälische gh. Geminirte Consonanten setzte ich als einfach, wo
nicht die Phonetik es anders erforderte. Die Wörter des Vocabulars sind
durchweg accentuirt.
Da dasselbe von den zwei früher von mir publizirten Kutchan -Wort-
verzeichnissen oft bedeutend abweicht, so habe ich es hier nach dem Yavapai
abdrucken hissen und Leser werden viele Formen desselben als sehr in-
structiv für Beurtheilung der übrigen Dialekte erkennen.
Besondere Bemerkungen,
Kind, Säugling; wenn weiblich: X^™^^ xetchin.
mein Vater: na-aya, wenn von der Tochter angeredet,
mein Sohn: s^äwa, wenn von der Mutter angeredet
meine Tochter: nyepesa-üts, wenn von der Mutter angeredet.
i
«
Die Sabata&irri izi Ar-*er^Ti »rf -ri^ *:ti \frK::!hl;i:h .Vnxr^rtcr,
oder waren es frcker: *•:- •rii-ri*: ** :2:3T> \»r5.;;rvMe: «^ ^5i kah: ^*|vr^^:
er ist surk. mirhtig.
Xuuttä-ik: Fren-yrg. ^ai 3l*er :>: ein ::si ii^.s^'lSe Wv^rt: ^viel
»W ■■IM I ^.^-
knlojoiiio 'n-ik: 3l?r2«u i i. isr sjuräirol^^nle T**:.
nikopilke: Soauser: i L zya-ik azilke: üe S-ri:ce i>: heisju
Die Wörter in IL wie x^^- F^^-'*- X'^'*"^= KaamcbeB, lokAmil): ><n1w.
enthalten wohl alle das spanische Korifllirte II.
Die Fürwörter man. abaa. s'tat*an. bex^in. vei:ia eQthai:en im Aus^lauie
das spanische monilHrte n
Wir ist entweder a^sbiktik: wir zwei, oder a\ftmoktik: wir drei« oder
etche-nrabaptik: wir rier a. s. w.
In den etchi-, tchi. etsa-etc. welche aU Prädxa einige Verha bilden«
erkennen wir das itchi-. tchi- des Tonte, das itcha-« toha- des Mohave mit
Leichtigkeit wieder.
Seri.
Die Seri, auch Ceri« SScn geschrieben, sind ein unabhängiger Volks-
stamm des Köstenstaates Sonera, der. in neuerer Zeit wenigstens« auch die
Insel Tiboron (d. h. Haifischinsel) bewohnt und wegen seiner Rohheit und
Grransamkeit stets bei den Mexikanern ein Gegenstand des Abscheues ge-
wesen ist
Der Chronist Villa Senor (Theatro Americano, Mex. 1748. p. 99*2"^ er-
wähnt die heidnischen Seri and Tepoca als die Wüste bewohnend vom
Presidio Pitiqai bis zur Küste des Golfes Ton Califomien. Die von ihm
(p. 400-— 401) geschilderten Seri waren sämmtlich Christen geworden und be-
wohnten die Missionen el Populo und los Angeles; die Salineros, eine Tuter-
abtheilimg derselben, lebte an der Mündung des Pitiqui-Flusses. Bartlett
(1851 — 52) lasst die Seri dagegen hauptsächlich die Insel Tiburon bewohnen«
mit Ausnahme der zu Christen gewordenen« welche ein Dorf bei Hermosillo
inne haben. Die älteren Nachrichten über dieses Volk sind gesammelt bei
B aschmann, Sparen der aztek. Sprache, S. 218 — 221. Die Guuymas und
Upangnaimas werden von Pimentel und Orozco y Berra (p. 354) ebenfalls
den Seri beigezählt; dagegen sagt Pinart, der die Gegend bereist hat, das
GoATmas sei ein Dialekt des Pirna bajo, indem er von demselben sogar
noch einige Aasdrücke hat sammeln und zu Papier bringen können. Oio
Cocomaqaes sprachen nach Orozco y Berra dieselbe Sprache wie die
Gaaymas.
Die Kähne der Seri, welche nachfolgend beschrieben sind, scheinen in
ihrer Constraction beträchtlich von den central- und südamerikanischen MalsiiM
alnniweichen; ihr Vordertheil und Stern endigt nämlich in einer bogenförmig
geschwongenen Linie.
ZcHMltflft fb Sttaotofto. Jahrg. ISdS. *.)
130 Albert S. Qatüchct:
Herr H* v. Ba^er, ein deutscher Ingenieur an Bord des Ver, Staaten-
Vermessungsdauipfcrs ^Narragansett"^ besuchte diese Küste im Jahre 1874
und giebt folgende Einzelheiten in seinem Berichte') (p, 145): „Die Seri-
Indianer, die auf dem Festlande leben, briogen einen grossen Theil des
Jahres auf der Tihuron-Insel zu, und ihre Lager sind dem Strande entlang,
namentlich auf der Ostseite der Insel, von der See aus sichtbar. Sie gelten
für höchst gefährlich und sollen sich namentlich den Landungen Fremder
mit vergifteten Pfeilen widersetzen. Beim Besuche des Dampfers ^Narra-
ganaett^ zeigten sie sich erst scheu und machten drohende Geberden; da
sie jedoch bald unsere friedliche Gesionung bemerkten, so wurden sie freund-
licher und besuchten uns selbst an Bord, wo sie oft lange verweilte«. Auf
der Jagd und beim Fisch- und Scbildkrötenfang sind sie äusserst behende,
Ihre sonderbaren Kähne tiind aus langen, mit Stricken faschineo artig äu- ,
sammen gebundenen Stuben von Schilfrohr construirt. Drei dieser BCmdel
werden alsdann zusammen verbunden und besitzen Schwebekraft genug, um
eine bis zwei Personen zu tragen (hierzu Abbildung im Bericht). Das Wasser
dringt in die Kähue ein und steht darin ebenso hoch als ausserhalb j wenn
sie ihre an beiden Enden mit einer Schaufelflache versehenen Ruder hand-
haben^ so knieen sie am Boden des Kahnes. Sie verkauften uns eines
dieser Fahrzeuge gegen zwei Paar alte Hosen und eine Flasche AikohoL,
stark mit Wasser versetzt."
L Alph. L, Pioart's Wort er Sammlung. Im Frühjahr 1879 trat Herr
Alphonse L, Pinart eine Forschungsreise durch die nördlichen Staaten
Mexikos an. Er gedachte auch das Gebiet der Seri-Tndiauer zu berühren,
vernahm jedoch, als er im Gebiete der Opata und Pirna Felsen Inschriften
indianiechen Ursprungs copirte, dass im Lande der Seri Krieg ausgebrochen
sei (laut Correspondenz aus Caborca, Sonora, vom 6. März 1879), Dieser
Stamm verwüstete damals die Ansiedlungen auf dem Festlande gcgeuüberi
der Insel Tiburon und raassakrirte z, B. auf einer Hacienda über ein Dutzend |
weisse Ansiedler. Nichtsdestoweniger gelang es Pinart, am 18. April mit'
einem Anführer oder Haupt des Stammes (an jeneral) in Verbindung zu
treten; er erlangte von ihm und einem Begleiter ein reichhaltiges Vocabular,
wovon inliegende Wortreibe ein Auszug ist. Derselbe war der einzige Mann
von seiner Abtheilung oder Baude, der einigermassen des Spanischen mächtig
war. Alle Fragen des Reisenden über die religiösen Gebräuche und An-
schauungen seines Volkes liess er unbeantwortet. Pinart schildert die Aus-
aprache als sehr guttural und findet hierin Analogie mit den Dialekten der
Sauta-Barbara-Spracbgruppe im südlieben Küsteutheil des Staaten Californien.
l) The West foaat of Mexico; from the boundary lin© betweeti tho IL S. and Mexico to
Cape Cürrientea etc. Washington, 1880. 8**. 209 Seiten, uiit vielea Kusleaprofileti. — Bildet
Baod Nr, 56 der Publicationen des U. S. Hydrograpliic Office, I3ureau of JJavigatioD. Loider
wurde eine grosse Zahl uaturwisseDschaftlicJiQr und ethoographiBctier Beobachtungen, die
H. V. Bayer niedergettcbriebeü^ aus dem gedruckten Berichte weggela&seQ.
riima-SpracbsUmm,
Weitere Dialekle des Scri i^iebt es, seiner bestimmtcD Ausaage ziifoJge,
keioc. Das Tepoca, das südlich vom Rio del Altar gesproclien wurde oder
wird, ist identisch mit i?eri.
Nach Pioart's Wortsamralung stellt sich das Lautsystem dieser Sprache
dar, wie folgt:
Vocale: u, o, a, c, i mit ihn^n Längen; der Urlant e (bei Lepsiusre)
ond ein dem russischen Halbvocule yersi eDtsprecheoder Laut, auch
lang gesprochen j voq mir durch u wiedergegeben,
Diphthonge: oi, ai, ei.
Gutturale: k, k, x^ laryogeale G.: -, h.
Palatale; y, %.
Lioguale: tl, s, I, 1*
Dentale: t, s, d.
Labiale: p, b, f, v, m.
In vootth: Coyotewolf, patth: Röhricht, erscheint ausserdem noch
ein Laut, der vielleicht dem englischeo th (oline Stimmton) CDtsprioht. Das
il wird beschrieben als „un son detonn ant assez semblablc au ll des Mexi-
cains et de la cote nordouest^, also wohl das deotal-linguale t des Lep*
81 US 'sehen Standard-Alphabet, 1 ist „beinahe das 11 im Welsh**; ^ ist das
plötzliche Einhalten des Atbems, das allen hidianern eigen ist und das will-
kürlich angebracht werden kann. B erscheint blos einmal in ba-a^t: Mistel,
r nur in meron: Melone, also einem Fremdworte; letzterer fehlt daher ver-
muthlich in der Sprache. Die meisten explosiven Laute finden sich auch
geminirt vor, sowie alle Vokale; unter den Cooeonanten namentlich k, t, m,
1, p, 8, V, sogar h
Consonantenhäufuugen sind nicht selten (mtk, slkl, 11)[, ](sh u. A.) und
ea lauten ebenso viele Vocabeln consonantisch wie vocalisch aus; in dieser
Hiß sieht ist der Unterschied gegenüber dem Maricopa und Tooto, namentlich
dem letztereo, sehr auffallend.'
In Folge der genaueren Notirung lässt sich aus Piaart's Wörter-
aammluDg ein bedeutend schärferes Büd der Seri-Phonetik gewinnen, als es
bei den zwei anderen Vocabularien der Fall ist.
Nach dem Vorstehenden ist die gutturale, linguale und labiale Artiku-
latioo über die anderen stark vorwiegend; die paiatale ist sehr schwach
vertreten, was den übrigen amerikaoischeo Sprachen gegenüber fast wie
eine Ausnahme erscheint. Nicht vertreten in diesem südlichen Lautsystem
sind mehrere Diphthonge, die Umlaute: ä, ö {ü?)^ die Consonanten: w^ g,
d (b?), dsh^ n, z (das mit Stimmton gesprochene s) und k\ h ist im Voca-
bular durch sh wiedergegeben. Die Zahlwortreihen von 1 bis 10 im Voca-
bular rühren beide, die absolut wie die conatruirt gebrauchte, von A. L.
Pinart her.
IL Herr John Russell Bartlett nahm das hier an zweiter Stelle ab-
gedruckte reichhaltig© Vocabular am 1. Januar 1852 von eineos Seri-Indianer
4
n
182 ^^^^^^^ Albert S. Gatscbet;
in HermoBillo auf. Dasselbe liegt in der Gestalt vor, wie es von G, Gibb
(in einigen Ausdrucken wenigstens) transliterirt wurde und befolgt die voa
dem Letzteren empfohlene Ortliogra|ihie. Eine Anzahl Wörter sind accen-
tairt; der Lautanstoss (arrested soaad) zeigt sich häufig, wie in kipk'ha:
klein; so auch die gedehnten Vocale: li, l, iL
Eigene Buchstaben für Laute, die der Sprache eigeothüinlich sind,
wurden von B. nicht verwendet; der Laut ch steht hier meist für x, oft auch ^
furjt, scheint jedoch nirgends den Palatal: tch (deutsch; tsch) zu bezeichnen; H
Bartlett hat auch hie und da h für -( gesetzt. Mit seinen hr, sr, seh, ~
jrch, tl will er offenbar eigen thüni liehe Laute bezeichnen, die bei Pinart
oft genauer angedeutet sind. Das Pron. praefixura mein steht bei allen Ver-
waadtöchaftagraden und Theilen des menschlichen Körpers in der Form i-,
während es bei Pinart meist hi- lautet Ueberhaupt erscheinen die Wörter
bei Bartlett fa-st durcliweg in einer abgeschliffeneren Gestalt, als bei
Ersterem und namentlich gilt dies von den Endungen.
Zum besseren Verstandniss diene Folgendes:
Die Begriffe: Bruder, Schwester sind bei Bartlett nicht in alter,
jünger differenzirt
si-ip: Knabe, bedeutet ursprünglich jung, und alternirt mit aep,
l-apU: Winter und kalt ist ein und dasselbe W^ort. Die dortige Gegend
besitzt nur zwei Jahreszeiten: Regenzeit und trockene Periode de»
Jahres.
Das für Name gegebene Wort ist vermuthlich ein ganzer Satz
iko-oht: tanzen; vielleicht ikocht zu lesen,
Bartlett und Pimentel haben nur je eine Serie von Zahlwörtern;
Bartlett hat die kürzeren, beim continuirlichen Zählen benutzten Formen
wie folgt:
1 = tohom, 2 = kahom. 3 — phra-om* 4 ^ scoch-hom. 5 = huavat'hom.
6 = napk'öchoch. 7 = kachq'hue oder kachkwe, kacbkue. 8 — phraque
oder phrakwe. 9 = sobantl. lO^honachth Die übrigen sind ia
der Zahlenreihe aufgeführt.
IlL Herr Francisco Pimentel hat in der zweiten Auflage seines „Cuadro
de las lenguas indigenas de Mexico**, 11, 2'29— 242 (Mexico, 1874—75), eine,
wie es scheint, anonym der Geografihitsch- Statistischen Gesellschaft von
Mexico zugegangene Liste von etwa 70 Seri-Vocabelu abgedruckt, welche
ich hier unter Chiffre P, zur Vergleich ung beifüge. Der Autor derselben
hat das spanische Alphabet zu seinem Zwecke benutzt, und da er zur
Bezeichnung eigenthumlicher Laute keine eigenen Zeichen verwendet, so
sind gewisse Laute höchst unvollkommen wiedergegeben. Sein j ist unser
X^ wie jedoch das daneben vorkommende x ausgesprochen w^erden soll (okaxla
Wolke), wird nicht gesagt; sein b, bb entspricht ziemlich unserem v» und das
h steht oft für X*
Zur Bildung des Plurals bei Nomina bietet er folgende Anhaltspunkte:
1
Der Yurna-Sprarhstamm.
133
(für ktam): Manu; pL iamuk, ktamuk.
kmum: Weib; pl kamujik.
öip: jang, Knabe; pl. psipilkj.
atepim: Hand korb; pL atepiska.
Das seinea Zeitwörtern präfigirte p- bezeichnet die erste Person. Die
Zahlwörter lauten bei Pimentel wie folgt;
l=taso (tüjon: der erste). 2 = kokjl (knjom: der zweite). 3 = kupjtku.
4 = kosojkl, kosojbL 5 =^ ko-uton. 6 - snapkaBhroj. 7 = tonakujkcni.
8 = 09rojoBkmn(?). ^ == ksobbejo- aul. 10 = taul. 20 ^ taul jaukl.
100 - tatd taul
Weitere Vocabelnj die sich in
Boden^ sind:
ajojkora: zündender Blitzstrahl
(rayü); haxo^kura bei Pinart:
im Cabita: yukums.
yutj: BInme.
asot, Maguey: hassoot bei Pinart.
moan: eine Art Bohnen (judias)*
mazojl : amerikanischer Löwe; jtatio
maasol bei Pioart
der Liste bei Pimentel noch vor-
kokeb, Chile (eine Gewörzechote);
vergl Wald.
obeke: Balg,
atankai: Brot.
juakir: hören,
amtiki; hinab; unten,
amlarsu: Jabr.
ijae; Oheim»
Die mir vor einiger Zeit vom Pfr, Wilh. Herzog in Oppau (Rhdnpfalz)
mitgetheilte Vermuthung, dass das Seri ein Yama- Dialekt sei, habe ich voll-
kommen bestätigt gefunden und habe daher diese Sprache dem Yumastamme
beigezählt. Die Ergeüthümlicbkeit der spanischen Orthographie verdeckt zwar
nicht selten die Zeichen der Affinität; das Seri ist ein von den Gila- und
Colorado-Dialekten sehr weit abstehender Dialekt und (n dianern jener Ge-
genden nur in wenigen Ausdrücken verstandlich. Bezüglich der Theile des
menschlichen Körpers stimmen indess die Ausdrucke für Blut, Fiogernägel,
Kopf, Stirn, Zunge, und ich vermuthe, dass in den Wörtern für Arm, Hand,
Finger auch das sal, säl der nördlichen Dialekte enthalten sei. Wenigstens
findet es sich im Seri: isselka — Fliigel. In den Zahlwörtern findet wenig
Üebereinatimmung statt, am ersten noch mit dem Cochimi auf der anderen
Seite des californischen Golfes. Andere Ausdrücke^ die übereinstimmen, sind;
Seri: x^üo massol amerikanischer Löwe; Yavapai : hana wild, in: kutli4r't
hana: Coyotewolf, wörtL: „wilder Hund".
„ ehe, e-a Baum; Yüvapai: i-i'h; M'Mat: e-i etc.
„ hukkua Fichte (auch unter Holz); M'Mat: X*'^"» Moh. : o älya.
„ apis Tabak; Diegoeiio: öpe'; Cocopa: opi etc.
„ amime Himmel; Yävapai: umiyä etc.
„ kotam spalten, in e-ipa-kohotom : Beil, Axt; YÄvapai: tekäte, in i-i-
tckäte; Beil; vergl. die übrigen Dialekte, wie Tonto etc.
In den Ausdrucken für Erde, Wasser zeigt sich ebenfalls Affinität mit
allen Dialekten Arizonas und wäre die Phonetik des Seri einfacher, so
wurden noch weit mehr derselben sich zeigen.
184
Albert S. Gatscbet:
Augenfällige Aebnlichkeiten mit anderen Yuma-Dialekten weist Seri ferner
auf in: sehen (YÄv., Hudl.); sechs (Tonto, HuÄl,, Yäv.); Du, Pronomen (alle
Dialekte); Taube (Cochimi, M'Mat); Fliege, Hund (M'Mat); Abend, Nacht
(Marie, Hual.) u. s. w.
Aus welchem der vielen Yumastamme sich die Seri-Indianer zunächst
ablösten, als sie nach Süden zogen, ist aus dem jetzt vorhandenen Sprach-
material wohl kaum mit Sicherheit zu entnehmen, doch war es jedenfalls
einer der westlichen Stämme.
Vergleichende Worttafel dreier Yuma-Dialekte.
Deutsch.
^aon (vir)
Weib (mulier)
Knabe
Mädchen
Kind, Säuglin{(
mein Vater
meine Mutter
mein Gatte
meine Gattin
mein Sohn
meine Tochter
Tävapai.
W. H. Corbusier.
M'Mat.
J. T. Helmsing.
Seri.
A L. Pinart; J. R. Bartlett; P. = F. Pimeotel.
pa, pa-h^mi
puki
hamanye-h^mi
musi
i hamäny^
tcbiti; tali
tchiti
j lowah
: homlh; tbaüwi
' hSTetchi; bn-
tcbän
mein alter. Bruderl —
mein jung. Bruder —
meine ältere • tchi-mu8i
Schwester
meine jüngere ; k§li
Schwester
Indianer —
Volk ! —
Kopf
Kopfhaar
Antlitz
Stirn
Ohr
Auge
Nase
Mund
Zunge
Zähne
Bart
Hals
Arm
küwawa
yo
himSpüla
smäll^ka
yu'h
hu
ya
hi-päl
yo'h
I yavinygmi
hi-pük
thudi
knra-aka (s. alt)
sinya-aka
;fumär sj
muzha;^a-i
/umar
iniko; na-aya
ntaya
i-ngraake
nya-abe
;^uniay:i; s'awa
nyepevetsits
nyepentsen ku
kütsintsah
sho-otskuannogh
intsab
nyepentsen ku
kütsintsah
nyi'ik
kutchan; yuka-i;
pi-ipa
pi • ipa tsepalle-
nam
e-dsuksba
e-e
e-dokuämkoba
dokullem^
shmälke
e-dhö
\-yö
i-yä
i-pal
e-tbayo
e-yavome
miak'ke
e-shal
ktam;
kmam ;
sep;
shakam;
ove (Säugling);
hio;
hittan;
bikam ;
bikkom ;
isaak;
bivek ;
imiak;
ishksb ;
hipäk ;
hikömroi;
komkak;
illit;
iilit kopt'no;
hipen ;
hitto-o/fi;
hif;
hiten;
hip/1 ;
bitast;
hitamokken ;
i-ap;
innol/'- ;
eketam; P. 'tarn
ekemam; P. kmam
si-ip; P. sip
srakam; P. —
h'racht kisil; P. —
ive; P. ib, ip
ita; P. itta
ikam; P. ikum
ikom; P. —
iket; P. isak
iket brakam; P. —
imiak; P. —
— P. o-iach-j
ikomi; P. —
komkak; P. —
i-hlit; P. -
i-na; P. —
i-yen; P. —
i-pen; P. —
i-stia; P. —
i-to; P. iktoj
i-fe; P. —
i-ten; P. iten
i-pl; P. —
i-tast; P. —
i-tamoken; P. -
y'-ape; P. —
i-noyl; P. inte
Der Yuma-SpracbstaiDiD.
135
Dentscli.
TAfapai.
M'Mat.
Seri.
W. H. Corbusier.
J. T. Helmsing.
A. L. Pinart;
J. R. Bartlett; P. = F. Pimentel.
Haod
s&l
e-sbaltchagpeyen
intlasb;
i-nosiskersk; P. —
Finger
—
e-sb&lke sharap
inol'-tis;
i-Dos-shak; P.
Daumen
s&l kub^te
i-shal tcheveta
inor-veko/;
— —
N&gel
smhö
sbäl glo;^6
inoskl;^;
i-nosk'l; P. —
Leib, Körper
mät)^; mat
i-mat
isso/;
i-soch'l; P. —
Brost
—
i-wa v^
ippes;
— —
Bauch
▼enüna
i-tö ^
anoyahet;
i-a/-; P. -
weibl. Brüste
nyinidya
i-nyama ^
himt;
Fnaiachenke]
thimuwäla
e-mä
hippeiJ;
i-tahom; P. —
FU88
mrh
e-megn zlapazlap
ittOTa/;
i-toTa; P. itoba
Fusszebeo
s^Uho
e-megue zaraps/
—
i-nosshak; P. i-tÖTa
Knochen
tchiyaka
ndshashähk' ^^
—
hrehitak; P. —
Knie
mäpuk
—
hifl;
— —
Herz
hi-waiya
i-guako*obo-6t
himmos;
i-morch; P. —
Blut
hwat
nye/uit
ayat;
avt; P. —
AoriedeluD^i^
—
abä (s. Haus)
—
a-irritom; P. —
Häoptlin((
pa-mülwa
kapitan
—
ki-eheh; P. —
Krieger
hwaiyöa (Feind)
mntapde;enekoy-
—
h'tammukoka; P. —
Freund
metashu-upaügh
—
e-ahamikoka-eme; P. —
Haus
—
uba
asbamtako;
aki; P. -
Kochkessel
dkua hamat
itsilülgue
—
hrehrepäsonich ; P. — ^
Bogen
hapü
o-otish v/
hakken;
akon; P. -
Pfeil
apa
e-epa u^
ha/ash-sha;
ahasa; P. —
Beil
i.it^käte
takiat
sha'hk v/
e-ipa-kohotom ;
e-epakötam; P. —
Messer
äkua tchSmälS
vennom;
b^no; P. -
Boot, Gaooe
k^lho
gul/0;!fa
—
is'sbaskom; P. —
Moccasins
nyähänyo
n/aminyii
asapato (span.)
; ataint; P. —
Tabakspfeife
mulhu
mil;f6
—
amahi-inpäkka; P. —
Tabak
üba ^
U-ÜT
apiskuptua;
apis; P. —
Himmel
ümiya
m'ma-i ^
aminone;
amime; P. ammime
Sonne
ny&
nya V
shaa;
schra; P. rahj, lahj
Mond
hala
XeWi
ish-sha;^;
isab; P. —
Stern
hamSsi
/amerse '^
vaBtlk;
▼asoh; P. bassojh
Tag
—
nya-ik "^
shaabepkak;
amtifey'r; P. —
Nacht
—
tiny&m ^
ihammok;
i-amok; P. yamok
Finsteroiss
—
—
—
kekup6-il; P. jikopo'hl
Morgen
—
kuloyomo 'yä-ik
itapl;fk;
italpch; P. —
Abend
—
nya/dbnk
aneiyaot;
anayäuet; P. —
Frnhling
mn^mi
;^azata-ik
—
eshaketamoch; P. —
Sommer
ny&rayi
oikopilke
—
ekasyom; P. —
Herbst
—
matimk
—
i'pkeki; P. -
Winter
«tchüdr^
/atsürgae
—
i-ap1; P. —
Wind
m&tS-haiya
mut;^a \/
avü;
äve; P. abb (aire)
Donner
knVho
amopotka v
^in/1;
ivam;fo;
inekl; P. —
Blitz
mSr'abi
uravgue; ukäsk^
iyamqua; P. —
Regen
ikwi-wö
oba-uk ^
bipka;
ipka käoknk; P. ipka
Schnee
pW
sa-ik ^'
—
ach'hihaps; P. —
Feuer
o-6h
a-ä-u -
—
amakinocb; P. amak
136
Albert S. Gatschet:
Deutsch.
TäTapai.
H'Mat.
SerL
W. H. Corbusier.
J. T. Helmsing.
A. L. Pinart; J. R. Bartleit; P. = F. PimeoteL
Wasser
aha; U
,, y
Ä/;
ache; P. ahj
Eis
thSpdtch
;^a-nap4tsk
a^e^apsh;
— —
Erde, Land
mat; dmdt; mäte
h^mat
harnt;
am*t; P. ampte
Meer
—
;^azata-ik
ieppe;
hipe; P. -
Fluss
aha ketchjkemi
X& abil
hassol/;
asoch; P. —
Landsee
—
/enyo /
—
ash kakiton; P. —
Thal
—
mata-kdksi
hamtkash (cafiada);
kaTilch-k milcht; F. —
Wiese, Prairie
—
;^atamats pa;^aLke
—
— —
Berg
wi; wi-kutaya
mata-olke; abi
hast;
astkakoch; P. ahstaka-
koj (peäa)
Hagel
—
—
—
— P.a8tasro(cerro)
Insel
—
atishke y/
—
hepe-ipach; P. —
Stein, Fels
wi; wi'h
abi
hast;
ast; P. —
Salz
hathi
s*i >/
—
amtipt; P. —
Eisen
akua; kwa
;)fata/manyio
—
bennom; P. —
Wald
—
tomarresi-imä
—
— P.kokabate(bot-
que)
Baum
i-i'h
e-i
ehehapek, ebehamtisp
; e-a-omt-kite; P. ehe
Holz
i-i'h
e-i y
aka/-;^ukua (s. Fichte)
; ukahoke; P. —
Blatt
therk; habSsüwi
aDaWerhera
ebe-istkl;
istl; P. -
Baumrinde
therk
/ana-odil
—
ina>olch; P. —
Gras
iwilla
;ifatamdts (siehe
Wiese)
—
kooö; P. amptijubl
(yerb»)
Fichte
—
/uäll
bukkua (pino);
— ^
Mals
tiy&tch
teditche
▼ap/o1fl;r;
— P. bapute
Kürbis
—
/mat
/am;
— P. jam, kam
Fleisch
mate; mat (siehe
Leib)
kaekoä-iv
—
^ven; P. —
Hand
kutbart
/atsoksök
a/sh;
achks; P. -
Büffel
—
kuekuav-ipa
—
— —
Bär
—
ba;fuet
tonnom;
— —
Wolf
—
;^fatelu^
/ekkos;
bashokeYlch; P. —
Coyotewolf
kutbart häna
—
▼aottb;
— P. bo-ot
Fuchs
kokötra
matkoava
—
—
Hirsch, Reh
kwäka
koäk/
heppem ;
epem; P. —
Biber
pioä
/am-abir
—
— —
Hase
—
—
hevve;
- P. ehe
Kaninchen
kül«; h^Iö
/ellä-u .
vap/a;
— —
Schildkröte
hälSkäbä
kapet ^
/tamosün;
'h'tamösn; P, —
Pferd
ahat; hat
/at emsin
kavai (span.);
— — ■
Fliege
tbimpüdrka
;ifäl-esm6
/1/ommo/t;
hlomolch; P. —
Moskito 1
—
shampüilkev
koshipka (zancudo);
koshipka;.
Schlange
hänupüga
abe ^
—
kovemach; P. kabimaj
Klapperschlange
mm
a-abe
—
— —
Vogel
—
etsiyerre
shek;
schaik; P. -
Ei
sakaüwa
kuliya-stere-ür
ip;^;
schek-äipch; P.
Federn
müsema
etsiyerre e-emist
inna;
brek-ina; P. —
Flügel 1
w4lle
etsiyerre mila/ö "
isselka;
is^ka; P. —
Ente
kanümü |
/anamö <
vak;
ahanohrft-ik; P. —
Der Tnma-SprMhstamm.
187
Dentach.
TAtaiiai.
M'Mat.
8ert.
ATOHIOVII»
W.H.Corbusier.
J. T. Helmsing.
A. L. Pinart; J. B. Bartlett; P. = F. Pimentel.
TrntbabD
yäs
t
oröta
— P. to-obo
Taube
ikawi
ko&
kniukku;
koyöchko; P. —
Fisch
etcbi
etsi \y
she;^kam ;
schechkam; P. —
Name
—
mumdlk v
—
itasi-iyatcuyip; —
weiss
nyum^s&bi
;|rama1gae \/
koho/p;
köpcht; P. -
schwarz
nyitchi; nyä
ny^lgue v/
kopo/I:
kopolcht; P. —
roth
tch§*bwäta (siehe
Blnt)
kuikdv-o;|ruit
kfeyeil;
kiyilch; P. -
hellblau
hab^sdwi
m'mai; m*maiko-
/oshanyÄ
koyür;f;
yalch kopolch; P. —
gelb
aka&tha
aku^ske
kmassol/;
k*m&so1; P. kmozol
hellgrän
habSsüwi
;|rtbashdk
koynl/, ;fpanam8;
köyilch; P. —
gross
t4ya, ta; hSmi
beta-ik
kakkoi;
kakolch; P.
Ueiu
kötchi
n*nok V
kissil;^;
kipVha; P. -
stark, mächtig
—
esp^r^e
—
kayohach; P. —
alt
—
kara-aka
—
ikomikolch; P. kmakoj
jung
—
i-ipdk v/-
—
si-ip (8. Knabe); P. —
gut
hani
a/6tk v^
;Keppe;
kipi; P. -
böse, schlecht
kal^pi
ria-ik X
opd-ik ^
/omipli, kmiplä;
homi-ip; P. —
todt
pih
ko/Jce;
koch'he; P. -
lebendiijr
—
ellopü-imuk
—
ekäm; P. -
kalt
mani
/otsüigue
kapll;
hyapl; P. -
warm
mue
—
—
— —
heiss
i'u^'h
apilk v^
kmatkl;
kemachtl; P. —
ich
ny&tche
n*nyip ^
eye, iyye;
iye; P. ibe
du
match
man /
me;
me; P. —
er
nu-idshi; nyuwi
aban ^..
imki;
imk; P. —
wir
—
oye;
oye; P. —
ihr
—
man dshekedik
moyye ;
moye; P.
sie
—
sHub&n
imkoye;
moye; P. —
dieser
nyiy&-a; TÜ-a
bezan; vedan
—
ipk^, P. -
jener
niuya-i; nyü^pi
sftab4n
—
imk^; P. itäm (s. Mann)
jeder, alle, ganz
paya
tchdmill
moyekos;
koch; -
fiel
laüwi
e't4.ik v/
kat^o, /otio;
kafho; P. -
welcher
—
mukitch
ki-ia?
kiya? wer? sherame? was?
P. —
weit, entfernt
tuwdya; kürama
ekork v/'
to/kaka;
nahe
hip^
/eipdnik ^
imtail;
ickh; P. -
hier
▼iäki; y&m
yed^hi
ishkak;
— —
dort
yidl; ydl
zeyill
imkahaka;
— —
heute
nyäyam
nyata-öryuk
sha-ipkapete ;
aposhk; P. —
gestern
l^nyahum
ten4-i
mn;^emma ;
moch*h^mma; P. —
morgen
yW; y^g«™
kuliyi-um
ampo/en;
ampt poher; P. —
jal
m iki\
hVdl tÄ-Qtl
—
yoa! P. yoha!
nein!
öpi! ömil
kubargM
—
6-om! P. o-oml
eins
siti
sh^ntik
tash-sho;
tokj^om; P. —
zwei
hi^wäki
;ifubik
ko-ok/;
ka;^kum; P. —
drei
hl^maki
;ifamök
kap;fa;
piao; P. -
▼ier
hop4
tcha-umpap
kshu/kuä ;
sho^kum; P. —
188
Albert S. Oatiohet:
Dentgch.
TATApai.
M'Mat.
8eri.
W. H. Corbnsier.
J. T. Helmsing.
A.L. Pinart;
J. R. Bartlett; P. = F. Pimentel.
fünf
b^räpi
sa-arap, sar&p
ko-0;Ktom;
kuaotom; P. —
sechs
despe
;^o-um;if6k
imapkasho;
napsho;^; P. —
sieben
hgwak-espe
pa.a;rkek
tomka/kue ;
ka;Kk;fUe; P. —
acht
hSmuk-espe
si-ip;fök
ksho;^olka;
piak;fue; P. -
neun
hälSthuyi
/um;|ramük
ksOTikanl;r;
so;fanthe; P. —
zehn
buwäwi
shaha;^6k
kanl/;
/ona^-; P. -
eilf
sitikwa-ä'hli
shaha;^6k umaiga
shend
—
tantasokue; P. —
zwölf
hewakS kwa-ä'hli
shaha;^ök umai
—
tanchltokue; P.
zwanzig
hSwakS buwawi
shaha;^6k a-a /a-
vik
kanljK ko-okjK;
e-anslkoch; P. taul jaukl.
dreissig
hSmakS buwawi
sh. a-a /amük
—
eanslkapka; P. —
▼ierzig
hopachS buwÄwi
sh. a-a tse-umpap
—
— —
fünfzig
h^r&pg bawdwi
sh. a-a sa-arap
—
— —
secbBzig
despaya buwawi
sh. a-a/o-um;f6k
—
— —
siebenzig
h^wakespaya ba.
sh. a-a pa-a;|fkek
—
— —
achtzig
hSmukespaya bu.
sh. a-a se-ip;fök
—
— —
neunzig
hül^thüyi buwawi
sh.a-a^um/omuk
—
— —
hundert
sShana-siti baw.
sh. a-a shaha/6k
—
hiantl kantl; P. taul Uul
tausend
sShuna buwawi
sh. a-a sh. ababa
ashentik
—
— —
essen
ma
m'mam
ikohet;
iko-a; P. —
trinken
—
e'sim ^ '
kassi;
ikosi; P. —
rennen
—
hab^sbk
—
ikoch 'horch; P. —
tanzen
himä
i-imak ^
a^üt;
iko-oht; P. —
singen
—
ahashbargue
—
ikos; P. —
schlafen
sma-kiydkum;
sma
ashmam ^
iki;
iki-im; P. —
sprechen, reden
kwaüwi
tchokaerk
—
ikavato; P. —
sehen
bami
iyük^
—
ikehom; P. —
lieben
—
aramnyinamgue
—
ikomsho; P. —
tüdten
n^hi
topüik
ikoyink;
ikovikae; P. —
sitzen
mua
n'näk ^
amtil/;
amtikiche; P. —
stehen
güskui
ab'a-nk
—
ikafit; P. —
geben
yami
eb'ak V
—
ikatarch; P. psitahj
kommen
—
abedik^
—
m'keven; P. psif
zu Fass reisen
bo
arao-ik
—
— — •
arbeiten
härahära
etsumevgue; et-
suvim
—
— """
stehlen
—
kutßitsuigue
—
— —
lügen
—
etchinya-ik ^
—
— —
geben
—
abik -■
—
— —
lachen
tchik^vdre
tchikabargue
—
— P. psiyzon
weinen
—
hamim ..
—
— —
schreien
—
—
ikkentl;
"~~ "~"
^^B
Der Yuma-Sprachatamm.
•
^^^^^^u^^^l
^ Yävapai-Wortverzeichniss
. ^^ 1
Dr. W. H. Corbusier.
H
^^ «ibib; Riesencactus (Cereus
riabttika: 1. Exkrement; 2 Ver-
hnnlkerapa: Scbnietterlißg. ^^^B
(sn^fanteup, bis 70' hoch).
ricbtunj^ der Notbdurft.
banikusäha- Tausend fus««. ^^^^|
abiVbalchl: 1. bitter; 2. Cbina-
d sb tdka - b wdte : Ruhr; von
hnpi: steinerne Keibeplatte: ^^^^|
rinde.
dshelka, und bwät: Blut.
die mexikanische metlatl. ^^^^|
Aha ka teber&kua; Name von
dshelko: After, Ende dea Maat-
Vergl. bäbetchü. ^^^H
Peck*sL:ike, IBengl. Meilen
darm?,
bapü-mesnmr Bogensehne. ^^^^|
riürdlich Ton Camp Verde;
hatawih 1. ein Oewäch?, zu ^^^|
wörtl. ^gehoffenps Wasser*;
emii: die drei Sterne im Guttel
Pfei Iscbaften verwendet. Vg. ^^^|
See in Gestalt eines EM-
des Orion; wurlL ,Ber^-
atä. 2. Pfeilscbafl. ^^H
moudea.
schaf-.
batälniu mesaba: Eae). ^^^H
Aba kidsbekedsha uom. pr. :
er iir'e : Nävajo - ücberwurf ;
hatyä: die Pleiaden. ^^^H
Gilaflasst.
ein aui^serst dauerhaftes
hat venuna.Spielkii riet). Diese ^^^H
afaa pük: Quelle. V|»K pok,
wollenps Gewebe, auch als
Karten werden aus dem ^^^|
Wi-puk.
Bettdecke dienend.
Banchfet) (venüna: Bauch) ^^^|
abai muf-i*. Stute.
©sabithti tcbe-üdre, oder esa-
der Pferde (bäta) verfertigt ^^^|
ahän&le, banale: L Kärbis;
batbü: Federschmuck; an
und 40 machen ein Spiel ^^^|
2. kleiner, hohler Kürbis^
den Haaren befestigt und
^^^H
der von dem Schiimanen
meist aus Adlerfedern be-
batbi: trinken; wo rtl*, Wasser ^^H
mit SteiDcbeD gefüllt und
stehend.
schlürfen''. ^^^H
dann beim Onriren tils Lirm-
elchi-yöye: Fischangel, Fisch-
hrLbetchä: Stein, womit auf ^^^H
Instrument verwendet wird.
buken.
dem bapi Korner zu Mehl ^^^H
akna niu^rka; Taschenmesser,
etchüdre: Jabr.
£@Trieben werden, ^^^|
aktia-sebiiiwa: Pfeilspitze aus
bäuübi, ho>ümi: rechtaeitig; ^^^H
Stein.
Hak' athielu,nom. pr.: Rio
säl h.: rechte Hand, ^^^^|
uktia tikewekoa: Taschen-
Sabdo, oder Salt River,
he-ella: Laus. ^^^B
masser.
nördlicher Zuflnsa des Gila.
hen^ku: Halsachinuck; be* ^^^H
a-kwal: gegerbte lürschbaut.
(halbi: Salz.)
stehend ans einem Strang ^^^H
Ver^L Icbi-thkuila.
IIa ba riiya: Name eines
aus Hirschleder, an dem ^^^H
amät: LErde, Kotb- Land.
Baches auf der Rio Verde-
Korallen, Glasperlen etc. ^^^H
2, j rdene r Topf, Krug, a ro at
Reaervation, der warm ans
aufgereiht sind. ^^^H
hatbiwa: grosser irdener
dem Felsen «trömt. VergL
bene- Constelhition de.« ^^^^|
Wasserkrng,
aha, royi'b.
Grossen Büren. ^^^^|
apa makuana: Scbiesspulver.
Ha ke so-onwa, nom, pr. von
hepä " tumi : Morgendamme- ^H
ata; 1. Snmpfrohf; 2. Pfeil -
Camp Date-Creek; wortl.:
^^^H
scbaft aus Robr. Ver|fL
„der einsame Cottonwood-
bithtil- tchiyi: Unterkiefer; ^^H
hatamiL
banm,"
wörtl. : gKtnn Knochen*. ^^^^|
aläta: L Dotd; 2. Granne.
hata ke räpa: Schale einer Bi-
hiuye-üyebi: eine ganz der ^^^^|
Ver^K tchelatata.
vftlve, als Halsschmuck ge-
Bkäliskfiü gleichende Kinn- ^^^H
tragen.
Tätowirung der Frauen; ^^^H
bete: 1. adj. ifross; ifross und
hamänie kuadro, oder b. 3 äki:
drei Verticalstriche statt ^^^H
breit ; dick, carpulent ; 2.ad v.
Tragekorb , an welchem
^^^^H
1 riet, hetr&cbtlicb.
Säuglinge befestigt und am-
hornfh: Gürtel, Gurt. ^^^|
hergelragen werden.
howal: Weisatanne. ^^^H
desp^bika: der andere (von
hameBi: Stern; hamesi sike*
bowal tchibiyi : Bretterboden. ^^^H
zweien). Verf^L midespeha.
wekwa: Polarstern.
buale: Vertiefung im Boden, ^^^^|
drabi, drabi, rubi: 1. dünn.
häna: 1. wild, iingezähmt;
Loch; aba bualewa: Ci- ^^^H
majter; 2. trocken, dürre.
2. wildes Thier.
steme, Ziehbrunnen. ^^^^|
auBgedorrt; s. ravi im Mo-
haoa tömekum! ea ist in der
hualebnale: röhrenförmig. ^^^H
b*Te. y^Tgl ya: Mond,
1
Ordnung! so recht!
humiräpa: aQs Haaren ge- ^^^H
140
Ja tieftet s
fertigte Schnar; ?oii den
Nävajo-lDdiauern verfertigt.
Jiuöiekü: Frosch.
hwaiyoa: 1. feindlicher Krie-
ger j 2. Kriegs|fefangener,
hwoyömi: zleleo (mit dem
Bogen, Gewehr etc.).
i-i muamä: Wurzel, Baura-
wurzeL
i-i tekttto: Kriegakeule.
mäya, yise: Schatten eines
Baumes, Felsens etc.; tuko-
s4ya: Schatten eines Men-
Bchen.
it&se: Sykomore (Fiatanus).
itemärika : Beg ribnias*
itcbinälii fallen lasaent mit*
chinälil la8s es fallen I
itcbipäya; Tbier.
ya^Mnnd; y4-arubi: durstig;
wörtl: «Mund trockfln*.
y&ko: Betl, Nachtlager.
yäläka: wilde Gans.
yätch: Pflanzen saroen; durch-
weg als Nabrungsmittet ge-
braucht.
yipübi: Kocher.
yiti : genug; yebel is ilha yiti?
ist dies hinreichend?
yu, yuh: l.Aoge; yuh-baomi:
blind; yuh-keleme: Augen-
braue o; 2. Gesicht, Antlitz;
ya - theluthelu : Blattern-
Darben.
yuhupiiki: vorne dran, auf
der Vorderseite.
kapitmpka: Heoscbrecke.
kava, kwa? pron. rebt.; in
kwiUha? was? kavayümi?
was? warum? weshalb?
kava nyyku? wann?
kätharo: links dl ig; säl kl-
Ihäro: Unke Band,
kedshi: wenig; pa k^dshi:
wenig Männer; püki kt!dsbi:
wenige Weiber,
kele-uiki: Kugel; pa keie-ulkü
kurzer, dicker Mensch; säl
tchikeie-üiki :geballte Hand,
Faust.
keDÜmi, in : aäl kenämi : Zeige-
finger,
kiyäroi : loftschi essen , ab
schiesaen (Pfeil, Kugel etc.).
kithi4: Är^t; wörtKi „zu
trinken gebend"; von thi:
trinken, schlarfeu.
kiyli^ kluii: lang, hoch, hoch*
gewachsen.
kiikwa^ adv.: sehr; yä-a riibi
kükwa: sehr durstig.
kuadra, kuaj : Schmioke,
Farbe aur ßemalung des
Körpers.
kuadrakio: rother Tbon, in
Kuchen- oder Riiigform ge-
backen; ab Schminke und
Ueberzug über den Körper
dienend.
kuadra-tchiätui: rotber Thon^
als Farbe in's Gesicht ge-
schmiert.
kuaka takwä: Pul verhorn.
kuäka tapäbi: Fleisch in eioer
Erdhöhlung ruslen, braten.
kuathevriya: Tasse, Schale.
kuluma; After^ Ende des Mast-
darms. VgK dshelkü.
kuniehuidewi : Fell lur Be-
deckung der Lenden und
Scham tbeile.
kuthak : grosser Korb von ko-
ui scher Form; von den
Weibern lum Gewinnen von
Pflanzensamen benutzt und
auf dem Rücken getragen.
kn-trh* runder, niedriger und
wasserdichter Korb.
kuwe-i\ kuwevi: 1. herab, ab*
wärts; SS. Süden»
kwa tesotcbätcha : Regenbo-
gen.
Kwathaaiki*ita: nom.. pr. von
Prescott, politische Haupt-
stadt von Arizona.
kwauwa: ürossvater.
1 a b e - ä n y i : scbei hen f ör m ig.
m i k a ; hinter^ hintendran,
auf der Rückseite, auf der
anderen Seite (im Tonto:
Eücken}.
luaka-tetcheku: der hintere
Tbeil des totch^kwa, s. d.
matavi: Norden.
Mai bathi: nom. pr« von Camp
Verde, Lagerplatz auf der
Rio Verde - Reservation ;
wörtl.: ,SaIz-ErdeV
mateyiisi: Jahr.
matektinu miella; Adobe;
Lebmiiegel.
Mate kütebÄha, nom. pr. : Rio
Verde, ein nördlicher Zu-
fluss des Gila, Arizona.
mute kutchiika; Lehm und
Stroh mischen (zur Adohe-
fabrikation).
mat-sehepe-i: Schaufel.
märamirai bald, baldigst
metäma: hinauf^ aufwärts.
mevil: hölzerne Pfeilspitze.
miävi : hinauf, anfwärts. Vgl.
metama.
miella: Gebackenes; Brot.
midespeba: ein halber Real;
sechs amenk. Cents- Münze.
mf'bt Fuss; in mi-muwala:
Wade; mi-tikitha: Absatz
des Fasses.
miyuli: süss.
minyi - häta : zahmes Thier,
Hausthier.
muiit: wildwachsende Gerste
mue: warm; hakamue: war-
mes Wasser; muemi: Früh-
ling.
mubü: Gesichtsmaske oder
maskenartiger Anzug, um
auf der Jagd das Gewild zu
tauschen: Rebfelle, Hirsch-
Geweihe u, s. w*
mulbn : Tabakspfeife aus Stein
oder gebranntem Thon und
ohne Biegung.
muniemiya, s. tchipebi.
musema: Pfeilfeder.
müsi: weibl. Thier; küthart
m.: Hündin.
JDnsma: 1. Wurzel; venat
musmu: Wurzel der Yucca
baccata; 2. Strange Schnur,
Sehne. Vgl bapü-mesmi.
muwiye, adv,, 1. mehr, in
grösserer Menge; 2. wie-
dernm, nucbmals; müwi
kuwarubi: immer, stell.
uäli: hinabsteigen, herunter-
kommen; hat näll: vom
Pferde absteigen; ve nälil
me Däiki! komm herabl
Der Yuina-Sprftchstiiinin.
141
i
uegi: die Bogensehne ^n
ddben^ spanneü.
iii3li«ipu: Seh ie^sw äfft?; so-
irohl Feuerwaffe als Bogen
und Pfeile; hapü. Bogen.
Uli, nya, nyä: Pfad, Fahrte,
Weg. Vergl Sonne.
nii r'opi: SonDeountergaiig;
nii ropohi: Westen.
nia tchexalöbi; Osten.
nii ve/nd kakwäm? zu welcher
Zeit (od. Slnufte}? wörtL:
,dio Sonne woV*
ni-ibdya: Soppe«
nistukuwälkat Skorpion.
ajawib; Kleidungsstörk; Be-
kleidung.
nfiiui Begattung.
o'hwayä: Rauch
o-o kidshi: 1. der Busi^h, der
d&t por5»e Höh 2um Feuer-
Beibeapparat liefert; 2.
Fencr-Reibeapparat ; o-ö vi-
huJubi: Feuersignal, Rauch-
Bignal.
o-otbna: Stein zum Glätten
der Pfeilschäfre; ist drt-i
Zoll lang und wird vor dem
Gebraucbe heiss gemacht.
padur: Spitze (des Hessers,
Pfeiles etc.).
pädormi: weniger als die
Hälfte; ein Vieriheil u, s. w.
pabu: Kerbe am unteren Ende
des Pfeiles,
pa-semitchet Zauberer, Scba*
mane; s. semdtche.
pemi: nicht mehr, nicht langer.
pidur: nur, blos, allein ; match
pidurr dti allein, nur du;
viitchi p. : nur dieaer allein,
pokuldta: Tarantel,
pudr: Hut; Kopfbedeeknog.
pudrpadr'kutn : «rahenförmigr
cylindrisch-TüDd.
pdk: unteres Ende, Basis;
ßaumstrunk.
pumii: Ruthen mm Verfer-
tigen von Körben.
rujTb: beias, siedend ; haka
rnyi'h: siedendes Wasser.
I fettig; beleibt; 2. sahst.
j Fett; kwabatft &njA: Fett
I von Rindern.
säläm: Vorrichtung z, Schutz
der Hand heim Abschiessen
Ton Pfeüen.
sebehuwebi: Kronx.
siedshdtut: L eine au« sieben
Verticalf trieben bestehende
Täte wirung am Kinn der
Weiber; 2. eine dito am
Kinn der Männer, aus drei
Strichen bestehend.
semd, s'ma: Schlaf.
Seinätchet t. Name des im
Osten wohnenden Gen ins;
sein symbolisch gebniurbtefl
Zeichen ist ein Stierkopf»
der auch die Sonne dar-
stellt. Von 56m ä: Schlaf
u. dem Nominal&uffix -tcbe,
2. Schutzgeist eines Zau-
berers oder Schamauen.
sili: auf den Kohlen röslen
(Fleisch).
simküirki: Cigarrctle; wörtL:
^gerollt'.
sitemi: irgend einer; ein an-
derer (von mebr als zweien).
Veigl despebika.
sidyi; tlasselbo wie biuye-
dyebi, q. v.
skäliskäli: dieselbe Kinn Ver-
zierung wie sedsbdtui ^ die
zwei änasorsten verticalen
Seitenlinien lauleo jedoch
jEickzackartig aus.
smäleka küli: Mault hier; wört-
lich: , lange Ohren".
suku-dla: Glasperlen: Ko-
rallen zu Halssclinüren etc.
sowah: Wasserflasche aus
Flechtwerk, oder ans ge-
branntem Thon.
snkäbi: Schnur mm Binden,
nyahänyo sukabt : schmaler
Riemen lur Befestigung der
Moccäsius.
sukwmya: Fruchtkapsel der
amerikaniächen Aloe.
suminui: Franse an Fellen.
snpehi : V ordert heil des tetcbe-
kwa, q. V.
§ijm (Mgz. se): 1, adj. fett, I labiler Eidechse.
Inma, und wi'htämi: Steine
mit der Schleuder (udshelite)
werfen.
taliäl: Flöte; aus dem Stengel
der Yucca- oder Soap-
weedpflanze verferUgt.
Täse kubete: nem. pr. der
Rio Verde- Indianer-Reser-
vation ; wörtlich : ., gros so
Sykomore". Vgl. itise.
teniödewa: Buch.
tenidri, tenydri: 1. Schrift,
Geschriebenes; 2. Zeich-
nung, Malerei; magischer
Zirkel oder Zeichnung dea
Zauberers.
terafi: eine aus vielen Pnnk-
ten und drei Vertical-
stricben bestehende Kinn-
Verzierung. VgLsedsbutuL
tetchekwa: Unterrock oder
Schurze von Hirschfell; ein
Kleidungastuck d. Frauen*
thempd: gelbe Wespe.
Ihi: schlurfen; s. hathi.
thipidöf; Haarschmuck.
thirikuthirikn : Heimchen.
thitu: färben.
tibi: tatuirtea Bild axif den
Armen der Weiber; eine
rohe Menscbenfigur dar-
stellend.
tiyddäha: Vorfahren.
tirhui: um etwas hemm ge-
wunden; säl tirbuir Arm-
band von Glasperlen. Vgl.
nyahänyo tiri: Schnur zur
Befestigung der Moccasins.
tobobi: Karten spielftn.
to-ole: kochen; to-nle nl-ibÄya;
Suppe kochen.
tdburai: halb, die Hälfte
(raumliche Dimension); tu-
mu-hubd: balbwegs.
(uelkepdba: Ereu^i das im
Haar befestigt wird und als
Amulet dient.
tnh: Tod ten Verbrennung.
tukö; Magen im Yävapai;
tälkö im Tulkepdya^
tulkwumt gehörnte Eidecbse,
t n m esa y a : N us s ke rn .
tdfebi: 1, Stab, Stange; 2. ein
Gesellschaftsspiel, worin ge-
worfene Ringe mittelst 8tä-
U2
Albert S. GaUchet:
bell aufgefangen werdeü.
Die KutcMnit oben dasselbe
Spiel.
tcbäk: hinauf, auffrlrU; 8.
metnma, miävi.
ichebuanimehuelu: Jobaonis-
beere.
tcbesa nyewa: Vogelnest.
tcheta: Wt'izefi
Icbetatätat cuitivlrte Gerste.
YergL atata.
Icbibek&bo: reunen: nyi bat
tch. ; mein Pferd tauft
icbimi^ül: grosso Ameisen-
Art.
tcbinapnka: kleine Anieiseu-
Art.
tchinieki: Bogen mit ge-
spannter Sehne.
tibipebt: Bettdecke; Ueber-
wurf; die Apache -Ytima
sauren d^fur munyemiya.
tchitmisi: iihnecbBelnd rothe
u, Kchwarzeverticale Striche
(Cor
von Schminke^ ins üesicbt
gescbmiert.
tcbi-tbkoih: Hirschrell, Reh-
feil,
tchiviyämi: renneUi laufen,
tchiwäki: t«*mporäre5 Lager,
aus uwä'b (s. d.) bestehend,
tcbn-obi: kämpfen, fechten
(voß iweieo); tchau-obi (von
vielen Individuen).
libatcha: Taba,k rauchen,
tidsbelite: Schleuder Vergl.
täma.
umuhöl : Ast' he.
utchi; f^luheude Kohle,
uwä'h: Hütte oder Zell vc^n
Strauchwerk und Zweigen.
vamr jetzt ; vam drabi: gerade
jetzt; vaui bepil: letzte
Nacbt.
venit: eine Yuccaapecies:
I Yucca baccata*
l viel: amerikanische Aloe; ihre |
busier's f Ist ein haibvocaüaches
Blatter; viel therk; ihre
Fruchtkapsel: äukwtnya.
vi^l maikamä: Hexcal (Frucht
der amerik. Aloe) in einer
Erdbühlung rösteu.
vikei? wo?
wäye; Sessel, Stuhl.
wal wälle, wa^lwadre: Fieber-
fros^t, Schuttelfi eher.
wikiyatch: Bergkrystall; »Is
Amulet getragen.
Wi-kuse-iiyebä, n. pr*; North
Peak, in den Matzatzjil- Ge-
birgen.
Wj-kutchäsa, nom.pr.: „Fnur
Peaks*, mit Gebüsch be-
deckte Anhöben in den
U atz a tzal - G ebi r|r e u ,
WI-Hji'me-kwä, nom. pr.: die
Sau Francisco - Gebirge;
wortl,: ,8ehr kalter Berg*".
Wi-ptik, öom, pr,: der Mo-
gollori-Mesa; wortLj ^breite
Basi&'*
n)
Tonto-Wortverzeichniss.
Von.
Dr. John B. White.
(Die Seitenzahlen in vürliegendem Vocababr beziehen sich auf die früheren Verzeichnkse
in dieser Zeitschrift, 1877, Seile lOäR — 418, — Hier sind die Vocabeln, die mit u und nach-
folgendem Vocal begiunen, uuter w eingetragen und die Wörter auf tcb-, ts- von denjenigen
auf t- im Alphabet getrennt Da s mit at durchweg alteniirt, so wurden beide, wenn in
Anfang eines Wortes befindlicbi in eine Keihe combinirt. — muvjami^ S. 410, corrijfire man
in nuveyami; sasawi, S. 411, in savawi; bamiM, S. 408, bedeutet Haut.)
a-a-ivi-i: zubören, aufmer-
ken.
ah nie: Wasserkrug.
aha si)u: Ziehbrunnen; vgl,
bat» siyu, S. 408.
abat itcbitaima: Hafer; vergL
hata; Pferd.
ahata tatikui-isa-u; S^ittel.
ahonami^ hanami, hemi-omi:
schlecht; vgl. aboiini: gut.
akälavi: erzürnt, aufgeregt.
:*kawi; brechen; vergL itikati.
akua, oft apbäret. koa; b.
S. 408 (auch Glaa, und
Glatfabrikate).
akua am'lo, amblo: kleines
Trinkglas, oder zinnerner
Trinkbecher; akua hamilu:
Lederbecher.
akua ajihajkuavi jfuli: Zügel^
Zaum.
akua gawuge: Pfeilspitze.
akua guli: langes SJes^er,
Dolch; «ürtL: , langes Me-
tall, Eisen."
akua hatchuti: Zinn.
akua imjübikuavi: Schnalle.
akua iwa! knöpfe Dich zu!
akna yovi: Messer, scbirfes
Instnrraent
»kua kaitchi: kleine Gleeke,
akua kaniabewü : Gbj^flasche;
s, kanesha.
akua kuavi: 8c bloss (an Tbö-
ren).
akua nala: Traggefis« für
Flüssigkeiten^ Kantine,
akua £^huadi, shwati; Bügel
(Blasinstrument),
akua tigiti, a. tikati: Spitz*
hammer, Spiizhaue; siehe
S. 408.
akua timapi; SchleifsCein.
akua liwagf: LeticbUtoek,
Kerzenstock.
I
I
I
r^er Yiima-Spracbstirmm.
^^^^ H
^^^ aSSAvakan hiUr Gescbuti;
goisüli: Kork, Stöpsel.
bipawo: Jahr; YergLbalawägi, ^H
*örtl.: ,MetaJj - Geräusch
giili: lang; gow»«a g.: langes
halnyagi: Monat. ^H
vier.
Haar; ipagnti: erwachsener
bo giadt, ho-kiati: Nasenbein. ^H
igijfuilfi: Tuch.
Mann; vergl yula: Strick.
bo-giali: Schlund zapf eben, ^M
itikuadi: Kobre.
gufpali, itieipali: Knoten (an
Uvula; w,: .Kopf-knochen". ^M
aliMyatie, aktia toyidie: Sieb,
Stricken etc.).
hn-kina: den Kopf schütteln; ^^^B
Steioflieb oder Kiessieb.
gutwiraa-hatni: Unterhosen.
^^^^
aloye, itoye; warm, heiss;
ho yovi: die Nase abschneiden. ^^H
?er^. iraat aUi-i, u, ituye.
hewnle: Fichte und Fabrikate ^H
S.409.
ha (ans aha): 1. Wasser;
aus Fichten hok; wal (aus ^M
aiüikwa*. Galtin
2. alles wüsgrige» flüssige.
howale): hölzerner Tisch. ^^^|
aweya: Flamme, Lohe; ver^l
trinkbare.
^^^M
oveya: raachen u o-naiti.
ha dsbüki: tiefes Wasser
ibuUavi ko: Eopfschmer- ^^^|
8. 41L
ba-kidito: Spekhel.
zen; vergl. iravi. ^U
ha metesbue : Wassermelone.
i'iQi Zündbolzcben; wortl.: ^M
ba-imile: Verwandter; s.
Im iiudsha: Kaßee; wortl:
^Sub dea Feuers"; bo-o: ^|
pa-imila, 8. 41 L
,F€hwar?,© FlÜ8si!jkeit'.
Feuer. S. 894. ■
bika, im Plursil owicHmi, wo-
ba tchawi yukie: Ruder.
i-ituga; es ist so, dem ist ^^^^
koßiwi: Frau; vgl. anlikwa,
ha-vidsbo: Thau, Thau-
^^^M
bikU bite (make b. L o e w ,
tropfen.
Wi twayir Baum. ^^^B
8. 390).
ba-wali: Damm, Flusseindäm-
iyogi: gurgeln, z. ß. mit ^H
biki: ait; ipa b, : alter Mann.
mung.
Wasser: vergl. yt^ki, S- 409. ^M
bik-lapi oder ipa bik-lapi:
badilwayi: lieben.
iyule: herumdrehun, tpiirlen. ^|
alte Frau; vergL habpj,
bale veta: Vollmond.
ikil iiop:«: Fass. H
8, 406. %
halhaie: Streifen.
ikilcbldi: verstecken, ver> ^M
bokiyadß: Schale, Schössel-
halpiti: rauh, uneben.
beblen. ^|
chen (patella).
hamdokiti: unzünden.
iködsbe: schwerer Wagen ^M
bomuBbma: Drücker an d^r
bamili : ungegerbte Haut ; akua
(engl, wagon). ^|
Flint« 6tc. Vergl gititi
harailn : Lederbccher.
ikuigdmi? dasselbe wie: k&- ^M
banarai, hani-omi: scblecbt,
weituye? ^B
etra-ii Tragebrelt, worauf
unbrauchbar; dass. Wort
ikutsi: die Arme binden, ar- ^M
l der Säugling befesi igt wird ;
wie ahonami.
retireu. ^U
Wiege.
hashma: in Blasen aufsteigen,
ikule: lang, tanggestreckt; ^M
Blasen bilden.
dass. Wort wie guli; vergl. ^H
Itili: Pferdefliege (horee-fly);
haia: öeberachwemmungCbu:
yula, S. 409. ■
eine grosge, farbenscbil-
Wasser, ta: gross).
ildsbegowali : Scblundkopf, ^M
Icrnde Fliege.
hata, abata, ahat: I.Pferd;
Laryni. ^^^H
gilchimi-i: Bajoanet.
2, die Königin im Karten-
imat atüi, atoyi: Hitze der ^^^|
fre*dii§: kyrz; gowäva geidi«;
spiel
flaut. Vergl. atoye. ^^^|
kurzes Haar.
hata batcbelgir Pferdedünger,
imat wikuidl: Papierdrache. ^^^|
g^-iabali: Regenschirm.
batavi: Peitsche.
imi, mi: beweinen, seufzen; ^^^H
giagi, ßiadi, tiyagi: Knocbeii,
hata vi-i'i oder hitavi i-i:
a. mi, S. 410. ^M
gid^bidawJ^gQo : kauern, —
Peitscbenstockj engl, whip-
imiBhikuav), s ahua. ^^^|
bocken.
BtMk.
imitjg«»; giessen. ^^^|
gilage: Narbe.
bäte kuä-e: Pferileinähne.
imoni bati: zahmes »Schaf; ^H
gimaimi: grosser Ldlfel,
bäte sbakamwite: Pferdebul.
amo-nio bat, im Mobave. ^M
Schöpflöffel; g. shlvi : LutfeL
bat savi: Fohlen; vgl. lava.
impadt tigiomt! kreuze die ^M
gilili: Drücker am Flinten-
bätsi: sich erniessen.
Beine t V
schlossii vergl bomnsbma.
hawagitawi: sich niederlegen.
inavi : peitschen. Vgl halavi. ^ H
golaTe; idontiach mit kalyave,
hempi: durstig.
inina: wiegen, bin- und her- ^M
q.Y.
hi-ivi? verstehst du? verstan-
bewegen. ^H
golkc»; 9. ahal golko.
den? 8. ivi, S. 409.
inyeti tiuuti: Diute; vergl. ^H
gonoi Herd^ Feuerstitte, a.
hilo: Salz; auch iii.
tinuvi, tinutivi, S. 411 und ^^H
gvno gl wo, S. 408.
bimami atadiwe: letzte Nacbt,
ittyudit schreiben. ^^^|
gudiyndeke: du m|ifig, dunstig.
gestern Nachts.
inkatye? wa» willst Du? ^^H
ifhwAv^i: Krtu-
iUmJATi: Frost, KiUe.
ftavi: «frfeo.
fUfiUkj: Bett, Lager.
itbttlcooit Hitf der Wieder-
Jtiaer.
iCiawäli: PHaiix«!! tien Uzw-
kom«.
itidibedsbi kedthe : kleine Axt.
itidibed^hi iwa i: Axtstiel
it%0lTiki: Wa^e,
Hijnil^ h Bleistift, Schreib-
»lift; Scbreibfeder; i, wami:
FtedpaAS^ vom Agenten der
RüerTation den iDdianerQ
aosgeateltt; 2. Acbreiben.
itlk8j>i: Stecknadel.
itikoeji, ikuavi, ilima; ipte-
eben, sieb onterbalten; s.
ma kuariwa, 8. 410.
itikwitba: grCm; ». idikuifb»,
8.408,
itipasi: fühlen, empfinden;
ver^L uiikiiitbL
itopalawi: mit Karten spielen;
¥gL t<»bi,S.411; f. Pftlawi,
8. 87t
ito-i: loiknüpfen, tosbinden,
ilcha - epulwa; Haus, Woh-
nung; vergl. owapultL
itcheni^o: sich aufhalten, ste*
h«iu bleiben.
ikbi fibwili: FischbAken.
Kfr; wrtL; ,«bi Schwmrxer*
iTiri: Läim, Gerittsek
ifoti jvlt:
ivaUlMT»: Dofanetaeher.
iwalkaoie: SintmpC
ivameihtcbx: wischen; eti|ft
U swaep
iwo: gehen, tu fum gehen;
Tg;!, magawo.
iwutoje: kntschiren{?); engl.
to drive*
ja, je; L Mond: 2. Lippe;
fergh jaapidimi; 3, Loch,
Bohlung, Vertiefung.
ja (ye) apidimi and ja kelepe :
Dnterltppe; «, yipi, S 409.
jatiahi ; «chlageu (von Uhren)
ja jngnaU: Stiefel; Tgl. yayn,
ikoali.
jali: nuten, unterhalb.
James hosi: Ra«irmes«er, -
yandiira nafi! lege es wieder
bin! bringe es dahin wo
zuvor! TgL mamavi^ S. 412.
yapa: lebendig, lebend; vgl,
ipa, Mann.
yebodshe : Hals (nicht jebuka^
8. 390).
jowitaTi-i; Hotpilse,
yndc, judi: Leibesumfanp,
Taille,
ynde-okini; Weste.
yu golavi: von hasHlichem
Aussehen,
jugiiegi, yu mihi mir von et-
was abtreten^ weggehen (to
get off),
ynla: Faden; Strick; Sehne;
siehe nknavi, kas&ta yuli,
S. 4ia
juli kuomi: stoben,
y n mi d ika m i : au fr ä hren .
ka-ileki, ka-Hslii:
9Uwß
Vgl ketf ja;
kaiteU: kleiM
kalatm, kaljBTbt,
golavi: L
kali:i
sharp-sidD ha«k (Acdflla'
fdscns),
ktneiba, kanisbeva: Glaa.
kasake: Korb; kaaake b^tiya:
kleiner Korb. ^^
kasata-sava; BändiD. ^M
kastohidiiiibi: Speer mit faa-
gern Griffe.
ka«eitaye? was ist los?
was bandelt es sielt?
iknigaiiii
ketiya: klein; kasak«rola1
tija: kleiner Korb,
kishav ^bave: Ifan^.
kobita: Elenntbier; ans kaa
bita: ,Oross-Horn*.
kotcbe: pnlairen« schlagen:
k. iya: das Ben puUirt
kowata ikwasbse: Rexsesaek,
Felleisen,
kowavi shinknibj: Haarlocke,
kua: Hörn d. Viebes, Hirsche»
U.S. w. (Davon;)
knaki^ kvoaki: Hirsch, Refa.
kuakitij ktiariti, kua-iti: Rind;
Kuh.
küsklti bita: SÜer; vgl. kobita.
kna4ü iboga: ein Joch Ochsen,
kna-emake r Oceipi talknocheo;
vergL mago: Rücken, ^i
kuaktbävi: Biber. ^1
knall amyuga: Stiefel röhr;
ikuali.
kna-mati: Rindfleiseh; kuama-
tüfi: getrocknetes Ochse n-
Heiseh.
kuamkuandi: Pulver. ^M
kuapo-uli: Nastuch. ^1
kuasbwade, goswandi: Pans-
üöte, Mundharmonika,
kuate veyill imi : ledigerMann ;
vergl manbi.
^lier Yurna-SprachRlimm.
^^vn
■ kSäfimeyi: Knbeuter; vergl
miigegi: sich lanken.
nimiweyoA^a., s. wasipili. H
V imeyeJ Milcli.
miyugi; L sich niedeHegen;
nishe: Skorpion; mani-ia im H
koe gia^a mesba.Ta; Bernd -
vgl. bawagitawi ; 2. nieder-
Mohave. H
knöpf (kne alalt alraa).
legen j fihal miyugi: 8ich
nindsba, nndsba: schwarz; ^^H
kuini: Band; pudi kuinir Hut-
die Hand reichen*
vergL ba nudsbe. ^^^^
band.
mikuithi: fühlen, eropßnden;
niuvaJ vorwärts! ^^B
knioo, kuno: Eotli.
vergl. itipasu
'nkowa, ingowa, warne wa: H
koittt Zuber. Eimer.
mluyntir Scbweater.
flitzen, Vergl- mowa. H
roi-o-i; Bcbulden,
nkimvi: Bogen; n. yula: Bo- ^^H
ma-anmK iwiscben.
mi-pate, mi-tchishuve: Fus«-
gensehne. ^^^|
maj;awo: zn Fuas sariick*
zehe.
nowaba: frenndlich; vergl ^^H
kebröD; verjfl, iwo, maki-
mi'BhalehoQ ; Zehen-Nagel
enovaha: Frennd (Mohave). ^^H
bomi.
misbe-i. wiahe-i: Athem,
'nshavi i-imi : Fahne, Bnnner. ^^B
makibomi: zurückgeben.
Älbemholen,
nudliamwitbit büisten. H
inakjyumiwila: Hoseo; im
misheve: brav, tapfer; vergl.
nulmiwavi: hassen, verab- H
MobaTe; memtokobava
misbäwi: feige.
scheoen, H
loakiwajrui isichberomdrehen.
miaiti: ans'Ainden, z.B. nasse
H
mjikaoß«; riecben^ v, trans.
Tücher. Vergl. milyiali,
o-o-i: 1. buÄten; 2. schnar- H
minba, matiM: Jünf^^liß^, an-
8, 410.
chen. ■
verheiratbeter Mann; m.
misbiteyi: Mädchen; etwas
oakidi: schrauben. ^^^|
maiileyi und m, teyihi:
älter als bimani».
otiwati: Docht der Kerze. ^^^|
Knabe, dem Jünglingsalter
mitavigege; drucken (Band
oy' mbhavi: Cigarette; s, ^^H
nabe.
f. B.).
numisbawi, S. 408; ova, ^^H
niftnleyi; Mädcben; etwa«
mitaralatami: Sfinod, Pfropf;
S. 411.
älter als himania.
engl, a top per.
owapiilti: Hans, W-iboung;
masbkooi: AnBtreicherpinsel.
mityiyiga: eine Art ßühueu.
vglbuwa: Haus(Diegnefio).
masbma: Adern.
miloyi! binde es ziisammeu!
owidimi, a. bika.
raatati, matyali, mtiTati: lau-
mnwa: aich niedersetzen; vgL
owilaila: Eichel
fen, renneti.
*okowa.
owilegeyu, ouvehas Wöiden-
roategatie: Koth, Scbbmm;
mu shi m ik uidi : eine Fl asche
bauro.
ft. knino.
verkorke D.
matuaboU: Harke; nucb ha
pa-geteya: junger Mann.
m&tepiye«
naga,nage: Glocke; n. bita:
pavigo-it4 : Hefe-Pulver.
matingülibi: Staub.
grosse Glocke; n. kailchi:
pokego-otega: Hagel. h
matyali : laufen , rennen;
kleine Glocke.
polwndsbi: Tauäendfnss. ^^^|
tispida m.: scbnell rennen;
napodikamh mit der flachen
pnte, pntyi ahavä: Mutze» ^^H
s. tnatatL
Hand acbbgeo, züchtigen;
^H
matchikiati: Nabelschnur,
engl, to spank.
^^^^^M
matskaawavi: Grand, Boden, |
uatchipa: Tag, Tageslicht.
shakawi: Vogelnest. Vgl ^^H
Erdoberfläcbe; vgL mata:
Vergl. nia: 9nnne.
wakei-tchi. ^^H
Erde; oiJ-am'ti, S. 410. 1
ndehesba: Erdban, Erdwoh-
shale, sbal, sali 1. Hand; ^^|
mboler Stirn, Stirnbein; pola
nung (der Nagethiere etc.).
2. Hand mit Vorderarm; ^^B
(Loew).
Dia: Säugling.
3. Flägel ■
menokuo: b&sslicb, utiscbon;
nia shite: beute; vergl niai
shal giagi ; Radius am Vorder- H
Ä. kalete.
Sonne, und natebipa»
arm. 1
-mi, -omi, -ami ist ein oft vor-
nia ahipogo? veretebat Du?
^htil golko: Handschelle. ■
kommendeÄ Privativ-Suffii
iabipo, 8 412.
shal bele, abale ade: Hand- H
in Ädjei'tiven, wie abonami,
nianibeyi: seh willen.
fläche. ^^
ni-eT©ami, waabiami.
niatuyi: Sommer; au» nia,
i»hal goigidsbe: Handgelenk. ^^H
iniabi ; zerfilosaen , durch
ütüyii.beisse Sonne*. Auch
shal igitämi: Zeigefinger. ^^H
Stossen ^jder Schlagen ter-
yalaki atüyi.
shal tokvodi^hiavi ; Rlnglinger. ■
kleißern.
ni-evearaii gran; vergl. iti-
shal tome: Fingf»rring. H
mt-edshil nimm es!
kuithe.
fibal tcb^yüdi: Handscbub, ^^fl
mißisbrna: Flechse, Sehne,
nimeyagedie ; Brustwarze; vgl.
sbale-wö: Fingernagel ^^H
Ligament.
imeye: Milch.
sbateyj: Zaunkönig. ^^H
Zoiuehrm fBr Glbnctlogie, J«brg
UBZ,
^H
146
&d?a, shavät sbüve: jimg;
klein; kualis.: jongeroder
kleiner Hirsch* pute shavä,
s^Tawi; GeburtsireheD (aicht
aasawi !)
Beiseyi; es regnet,
sheya: Fett, Oel; tgL shaTie:
htL
s^ß, so»: pfeifen,
aimpu wjt Wespenoest.
shitiTi; MaarbürMe. Vorgl,
-tbl in nudliiim^ilbi,
sivilidikua: öeJäugnissraum.
shivUho: Ripi>e.
sodi: Knoten im Holz,
sudya: HambiasD.
shumbjlübi^ ertränken,
suvi g:iage: Ulna-KnocUen am
Vorderarm.
Umai Zwiebac^k; äof^liscb
Crackers,
tawakwodiwi: hochroth, lina-
uberroth; engl« vermiliDtt;
auch itcbi-wakuota, s. d.
iiyagif tiagi; Euocben, bei
Loew kuevata. S. giadi,
811 vi giage.
tiyu deke; Pillen,
timieki: behalten, bewahren
(to keep).
tiahmatie: Traum (aus iti-
bhiDa-tie); vgl, ishma.
tispida, adv«: schnell, ge-
scbvüod«
tistili (statt itUuli): Wasch-
brett; 8. S, 409.
tishwülvi: Fingerknöchel,
liikami: klatschen, k!n|jpen;
vergl. itcbikauii.
togobogobi: klopfen, an*
klopfen,
tome, s. shal toiDe.
Albert S. Gatscbet;
travi, ravi: krank; vgl. ma-
nuna travi» S. 410j im Mo-
haTe.' rävi.
tcbagi- iato • i: mit dem
Fasse stampfen,
tchakuadshi: gafen.
tcbavfyedi: sich niederlegen.
VergL hawagitawi.
tchaweyi: auf etwas treten,
hinanftreten (to gel on).
tchawiti: Ellhflgen.
tcheyiigi, aba tclieyngi:
schwimmen; aha tcbayngi,
S,406.
tcbewata: Flanell,
tchidfpavi: Leiter,
tchikapa: hinaufklettern, he-
steigen,
tsidigo: in Furcht gesetzt.
Ichiviliokuandiobu : Oeffnung
des Flinten [auf es,
tchokgo havashuva: ,blae-
bird"* (h,: blau),
tchü vinkinmi : springen ; einen
Sprung machen,
tchukato * i oder tchitato - i;
einen Fusstritt vorsetxen.
tcbulkuibi: krumm, gebogen,
tchutchuli: grübeln; yo t.: in
den Zähnen stij ehern.
n V i a m i : stumpf (Messer etc.).
w a i I a y i : erzu rn t ^ missge-
giöüUmmt.
wakei-khi: V^ogeloesl; vergl.
ti$ba: Amsel, und &hakairi.
wake yagi: vargcalern.
w^knabnbui wakuiimbo : lang-
sam gehen, schlendern ; vgl.
iwo.
Vi ak i t j bi V i : Hof u m das Haus,
Vorplatz,
wakue, wakua: 1. Schale;
shikvdU viakue: Eieröchale;
2, Clitoris.
wakniamikaro : Adstern, zu-
tlüfllern.
wamitavi: 1. miauen; 2. blo- \
ken; auch vom Geschrei^
anderer Thiere gebraucht.
waUilse: Ahle.
wamyamtche: Junger Mann;
vergL pa-getega.
wa'nabave: Zelt; wtl. ; ^weisse
Wohnung' (uwa),
washami: 1. zuschliessen ; 2.
Thor.
«ashiami, pashiami: 1. ein-
fältig, idiotisch; 2. betrun-
ken.
wasipili: Lederaelt, Wohnung
mit Häuten bedeckt; auch
nimiweyowp.
' wathiwi! lebe wohl!
watapave: ßrc«t.
wawati: bluten; bn w.: aua
der Nase bluten.
wedshi; oberster Theii; putu
wedshi: Kopf des Hutes.
wevi: VVade.
wit L Vagina^ s. weya, 8. 411,
2, Schamlippen; 3. Oeff-
nung, Behälter; aimpn-wi:
Wespennest.
wi bita: Felsen, Felablock.
wi-iboga^ Schulterbein (hu-
mer us).
wi-lipi: OS iDnoruinatum, ein
Enocben in der Leudeu-
gegeud.
wilmiya- Gerste.
wisiuya: Mark.
wis'hosi: schnitzen.
wUiti-i; erschrocken; auf der
Hut seiend.
wokiniivi, s. bika.
wudi watige; kitzeln.
Der Yuma-äpracbstamm.
147
ZahIwSrter.
Die von Dr. J. B. White notirten Tonto-Zahlwörter lauten wie folgt:
1 sisi.
2 wagi.
8 mofri,
4 hopa.
5 sarapi.
6 dishpi.
7 wagispi.
8 mogispi.
9 alesayi.
10 wavi.
11 washidi.
12 wawagi.
13 wamogi.
14 wahopa.
15 wasarapi.
16 wadishpi.
17 wawagispi.
18 wamogispi.
19 wa-alisuyi.
20 wakwayi.
21 wakwavi sisi.
30 mogoayi.
40 hopayiwayi.
50 sanipiwayi.
60 dishpiwavi.
70 wagispiwavi.
80 moßispiwavi.
90 alesuyiwavi.
100 shunesbidi.
200 wagishaneshidi.
300 mogishuneshidi.
400 bopashunesbidi.
500 sarapisbunesbidi.
etc. etc.
1000 owavisbuDesbidi.
5000 sarapiwavishunesbidi.
10000 owavi-wavisbanesbidi.
10»
Untersuchung der Therm opylen.
Von
Dr. Heinrieli ScMiemann,
(Bnefliche Mittheilung au Herrn Virchow,)
Athen, 4 Februar 1883.
Dat Dampf boot mit welchem ich am Dienstag, den 30. Januar, von Stjlis
abzureisen dachte, k»m gar nicht an, denn es war bei Euboia gescheitert;
ich ging daher nach Volo, dem alten Jolkos, wo das Schifi „Ärgo" für die
Argonautenfahrt gezimmert wurde, um von dort mit dem französischen Dampfer
zurückzukehren; dieser war aber durch das schlechte Wetter um 2 Tage ver-
spätet; aus gleicher Ursache blieb auch der österreichische Lloyd-Dampfer
aus, und so konnte ich erst gestern den Piraeus erreichen. Der Engpass
der Thermopylen hat seinen Namen von den hcissen Salzquellen, die aus
der steilen östlichen Felswand des Berges KalUdroraos, eines Ausläufers der
Oetischeo Bergkette, hervorströmen und jetzt, wie auch bestimmt im Alter-
tham, als Heilquellen benutzt werden. Die starken Ablagerungen dieser
Quellen, sowie die AUuvia des das Thal durchströmen den Flusses Spercheios
haben die Physiognomie der Thermopylae so total umgestaltet, dass der
Reisende Zeit braucht, um sich zu orieotirtn und auszufindeuj wo denn
eigentlich der berühmte Engpass gewesen ist, der nach Herodot nur eine
Wagenbreite hatte. Bekanntlich wurde derselbe auf der Südseite von der
steilen Felswand des Kallidromos, auf der Nordseite vom unmittelbar daran
grenzenden Meere und tiefen Sümpfen gebildet. Durch die Alluvia aber ist
im Laufe von 2363 Jahren das Meer um mehr als 10 km zurückgedrängt-
Man findet zwar genau den Ort des Engpasses^ denn dieser kann ja nur
auf der kurzen Strecke gewesen sein, wo die Felswand am steilsten ist und
keinen Ausläufer hat, aber unmöglich ist es jetzt, genau den Schauplatz der
von Herodot beschriebenen verschiedenen Phasen des Kampfes der Spar-
taner und Perser auszufindeu: den engsten Theil nämlich, wo die Spartaner
in den ersten Tagen fochten, und den breiteren Theil, in den sie hervor-
traten, als sie wussten, dass Ephialtes (vgl. Herodot VII, 213) ihnen die
Perser in den Rücken führte* Denu gerade da, wo die Felswand zu steil ist,
Dr. Heinrich Srhliemaun: l^ntersurhnno^ der Thfrmnpylen.
149
lim eretiegeß zu werden, eiod die beiöseo Salzquellea, deren Ablagerungen
eine sich auf mehrere Kilometer nach Norden und Osten ausdehnende bori-
zoutale Felsfläche von Kalkstein gebildet ond den Boden bedeutend erhöht
haben. Ein am üstlichen Ende der heisseu Quellen befindlicher, etwa um
200 m vorspringender, circa 80 m breiter, unter einem Winkel von etwa 18°
ansteigender Ausläufer des Kaüidromos, der wobi so alt ist als der Berg
selbst, bringt den Besucher noch mehr in Verlegenheit, denn die Versuchung
ist stark, anzunehmen, dass im Engpasa, westlich vor diesem Ausläufer, die
von Herodot (Vif, 225} erwähnte Schntzraauer war. wnd dass daher dieser
Ausläufer die Anhöhe ist, auf die sich die Spartaner, nachdem Leonidas ge-
fallen war, zuröckzogen, um den letzten Todeskampf zu fechten; ja, man ist
um so mehr zu dieser Annahme versucht, als hinter oder östlich von diesem
Ausläufer der Fels weniger steil abfallt, und daher von hier ab von einem
Engpass eigentlich nicht mehr die Rede sein kann Man ist ebenfalls stark
versucht, anzunehmen, dass dieser Ausläufer die Anböbe ist, die Herodot
(Vll, 216) K£Qx(jj/i(t}p i'ÖQat^) nennt und als an der engsten Stelle des
Passes gelegen bezeichnet. Weiterhin (Vll, 228) sagt Herodot, dass die
Spartaner dort, wo sie gefallen waren, begraben wurden; jedoch besteht diese
Anhabe aas, mit nur wenig Humus und vielen grossen Steinen bedecktem,
mit Gebüsch überwachsenem Fels, und ist daher an ein Polyandreion hier
gar nicht zu denken; ebenso wenig konnte ich, trotz eifrigster Nachgrabungen,
hier auch nur eine Spur von einzelnen Gräbern entdecken. Uebrigens nennt
Herodot {\IU 225) die Anhöhe, auf die sieb die Spartaner zurückzogen und
auf der sie von den Persern nledergetnetzelt wurden, „xn^.w»'f;£;", welches
Wort nur auf einen einzeln dastehenden, kegelförmigen Hügel angewandt
werden knnn, unmöglich aber auf diesen ansteigenden und mit dem Höhen-
rucken des Kallidromos zösammenhaugenden Ausläufer. Ausserdem sagt
Herodot (VII, 225), dass auf dem xolmvog dem Lconidas zu Ehren ein
steinerner Löwe errichtet wurde, der auf diesem Abhänge ebenfalls nicht
wohl gestanden haben kann, da es hier an einer horizontalen Fläche dazu
durchaus fehlt. Da nun die Natur dieser Anhöhe den Angaben Herodot's
widerspricht und sich weiter westlich kein Hügel findet, so müssen wir den
xohamg weiter östlich suchen. Nach dieser Seite hin begegnen wir, etwa
300 m von jenem Ausläufer entfernt, einem 9 m hohen, unter einem Winkel
von etwa 45° ansteigenden, sich lang ausstreckenden Hügel, der eine durch-
schnittlich 8 m breite, ziemlich ebene, 53 m lange Oberfläche hat nnd von
allen Reiseführern als das Polyandreioo gezeigt wird. Zwar passt die Ge-
stalt dieses Hügels durchaus nicht für die Bezeichnung „nohovog^^ auch eignet
sich seine Lage nicht recht dafür, besonders da er durch eine etwa 3 m
hohe, 50 m lange, 8 m breite Anhöhe mit dem steilen südlichen Höhenrücken
zusammenhängt und daher leicht umgangen werden konnte. Dieser Hügel
1} Dia GercopeJt m^nren possierliche^ koboldartige Wesen, welt;be deu Bercules bald neckte u,
bitd belnstigtea.
150
Dr HßiDricb Schliemann: üntersacfainig der Tberniopy}«fi.
hat aber den Umstand für sich, daB8 auf ihm jedenfalls der steinerne Lowe
gestanden zu babeo scheint, denn alle älteren Reiseführer in Athen erinnern
sich sehr wohl der hier auf der Fläche des Hügels gelegenen, grossen, wohl-
bearbeiteten Blocke, die 1856 weggenommeii and zum Baa der vom Strom der
heissen Salzquellen gedrehten Mühle verwandt wurden, und die höchst
wahrscheinlich als Fundamente des steinernen Löwen gedient haben, der
hier wenigstens bis zür Zeit des Kaisers Tiberius gestanden hat*) und auf
dem die Inschrift war: ^^ ^6iv\ ayyikkeiv ^Jaxidai^oyioigy Sti tfjÖs y.€lfi6iPa
loig xsiHt/y (if]fiaot 7ifi*'>oi/ei'0/." Nocb jetzt sieht man hier die Spuren der
Ausgrabungen zur Hebung jener Blöcke. Dieser Hügel besteht aus uralten
Kalkablagerungen der Salzquellen und ist mit einer nur 40 bis 50 cm tiefen
Humus-Schicht bedeckt Er eignet sich daher aasgezeichnet zum Polyan-
dreion, und dennoch ist hier, wie meine Ausgrabungen bewiesen haben,
weder ein solches, noch eine Spur von einzelnen Gräbern, Auch an der
steileren Nordseite dieses Hügels^ wo vom Winterregen ein bedeutender
Theil desselben abgelöst ist, sieht man nur reinen Kalkboden, Etwa 300 m
weiter östlich ist ein zum grössten Theil aus naturwüchsigem Fels bestehender
Hügel, welcher der Kegelform etwas näher kommt und der identisch sein
mag mit dem von Herodot „Melampygos" genannten Felsen, bei dem der
geheime Fusssteig endete, auf dem Ephialtes die Perser leitete; dieser Fuss-
steig hiess, gleich dem Berge, über den er führte, ,^Anopaea". Dieser letztere
Hügel, auf dem man die Ruine eine^ kleinen türkischen Gebäudes, wahr-
scheinlich eines Wachthauses, sieht, kann aber, nach meiner Meinung, in
gar keine Beziehung mit dem letzten Kampfe der Spartaner gebracht werden,
da er reichlich 600 m östlich vom eigentlichen Engpass, ausserdem auf viel
höherem Boden liegt und von allen Seiten angegriffen werden konnte. Noch
viel weniger kann ein noch um ca, 50 m weiter östlich gelegener kegel-
förmiger Fels in Betracht kommen.
Das Resultat meiner Forschungen nach dem Polyandreion fasste ich
daher in dem einen Wort „unfindbar** zusammen, welches ich Ihnen am
30. Januar von Lamia telegraphirte.
1) Vergl. das Epigramm ron ßiis8Q$.
Besprechungen,
J. W. Powrll, First aooual rcport of the Bureau of Ethnology fco the Secre-
tary of the SmithsoBitm iDsHtiition 1879 — 80. Washington 1881. kl. 4,
603 p.
Durch eine Congressakte vom 3. März 1879 wurden die Terschiedenen Abthöiliingen des
Geographica! and Oeological Survey of ihe Temtories in eioeo eändgen Cnited States Geo-
' logicti! Survey vereinigt, ÄiijrU^ich aber angeordnet» dass die bisher von jenen Behörden aos-
' geführten anthtopologisicheri rntersncbungfen über die iiordanierikanischen Indianer durch ein
Bureau nf Ethnolojey Uüter der Direktion der Smiihsonian Instilution fortResetjtt wordon soll-
tet]. Professor Baird, der Secretär der Instimtiou, stellte an die Spitze des neuen Bureaus
als Direktor den verdienten Leiter de» bis dahin bestehenden Geogr and Geol. Survey of tbe
Rocky Monntain Region, der so viel dazn beigetragen hatte, dasB die untbrüpologist^be Kennt-
niss des Westens in wenigen Jahren .so gewjdti^e Fortstbriite gemaebt hat. Major Powell.
So ist es möglich geworden, die Continuität d«?r Arbeiten ohne jede Sturung tu erbalten, wie
der jetzt vorliegende erste Jahresbericht des Bureaus in seiner stattlichen Ausdehnung und
mit seinem reichen Inhalt bezeugt. Die Ansstattung des Biicbes ist mit jener Liberalität
aoageführt, die wir von den Publikationen der Smithsooian Institution kennen: Karten, Licht-
druck- und chromolitbographlsche Tafeln, sowie Eulisehnitte sind in reichster Weise den Artikeln
beigegeben, welche eine Reibe der bewährtesten Forscher bearbeitet hat. Wir müssen uns
hier darauf beschranken, eine karze luhsiltsangabe zu geben: 1) 0r* Powell selbst bringt
4 Artikel (über Fntwickelung der Sprache, Skizze der Mytbologie der oordamerikanischen
Indianer, sociale Einrichtungen bei den Wyandots und BeaehräDkungen in der Be-
nutzung anthTOpologischcr Daten) voll geistvoller Bemerkongen und umEassender Kenntniss;
2} Dr* H. C. Yarrow, jetxt am Ärmy Medicni Museum angestellt, liefert eine grosse, sebr
reich illustrirte Äbbandfung über die Begräbnissgebräuche der nordamerikaDiscben Eingebomen,
wekbe eine staunenswert he Mannichfiiltigkeit der allerTerscbiedenaten Bebandlungsw eisen der
Todten ergiehtj 3) Hr. Holden. Professor der Mattiematik an dem ü. S. Naval Observatory,
hat Studien ül>er die ceolratamerikaniscbe Bilderschrift angestellt* Es ist ihm gelungen,
einige grundlegende Punkte festzustellen, z. B. die völlige üebereinstimmung gewiiser Zei-
chen, die Richtung, in ii^flcber die Zeichen gelesen werden müssen, aber da ihm dit> Kennt-
niss der Sprachen, namentlich der Maya -Sprache abgebt, so konnten positive Ergebnisse nicht
gewonnen werden» 4) Landabtretungen Seitens der Indianer von Hrn. Royce. 5) Zeichen-
sprache der Indianer von Oberst Garrirk Maller y, eine weit umfassendo und höchst lehr-
reiche Abhandlung über einen fast prähistorischen Gegenstand. 6) Katalog der linguistischen
Mannskripte in der Bihliulbek des Bureaus durch Hrn. Pilling. 7) Darlegung der Methode,
die Indianersprache in Beispielen und Erzählungen zu fixiren, durch die Herren Dorsay,
Gatschet und Riggs«
Wir begrÜÄsen das schone Werk mit unserer herzlichen Theilnabuie und sprechen im
Voraus unsere üeber/eugung aus, dass auf diesem Wege^ bei einer so glücklichen Cooperaiion
der besten Kräfte, das Dunkel der amerikanischen VoTgeschicbte bald In grosserer Ausdehnung
gelichtet werden wink Major Powell drütkt ati verM:hieden»n Stellefi weine Üeberzeugung
aus, dass die Reste der Eingebornen, nachdem sie Mch der Culturbewegung des Landes au-
gescbloBsen halben, nicht nur in guten Verhältnissen leben, sondern sich auch wieder zu vor*
152 ß^'sprechnDzen
mehreo aofingeD: es ist daher auch Aussicht Torfaandeo. dass eine encfaöpiead«
derselben, namentlich in lingois- tischer ucd mythologischer Richtung, «iid bcrfwulh
ki'nneD. Virch«v.
Lewis H. Morgan, Houses and house-lite of the American Aborigtnes.
Washington ISSl. (Cöntributions to Xorth American Ethnology. VoL IV.)
r-Ie :e-ztr pL^-.ikati.n des früheren Geozr. an: Geol. ScrTey Gf the Rocky
Ee^:— \<z dtr rrirhtijre Kani. dessen Titel cb-ec angefahrt ist. Eine gr»>«eTC AnaU d«
iirl: =:::^:he:;:en Einie^ Leiten ist schon frdher in Zeitschriften und EncTklopidim m-
§.:'!:*= Tl. i'tter r^rai* iis enropäisihe Pü^'ikiim. Jem viele dieser VerT-flentlicbiiiigvB iw-
5.:h.;***- £*:■..*■"*=. *i:.1, wiri Major Powe'/. :n b hrc Grade dirktir dafür s<in, da««
es :i= ^erf»ss^r ern:3f':cLt h:W das ,L:riarLehkan:«che Hans* einmal ia Games duifr-
«'^.>~ -.' : iiTiz nz:*ich die interessintesten s:ci:.:tbis len M:::h?Lnn^n in knipfes. Dii
1*- ;*w.ire-e ReLLt-iss 'ier Puebls T.:n N>--Mei:::. Li: wesentlich daiu bggtüJf,
i:*se:i Ui:ers-^hnr^ec eine »reite Thätsä:hl::he rrterlaje vi schafen. A^s Haspteifebni
s:ei ; s>:i die merkvcrii^e Erscheir.ung heri'.:«. dass nbera'.: in Noriimerika, nacMaoi fii
i:ecer> ei S:i;ei der Existenz ut<e:ircniei waren, iäs eiifaohe Familienhans anihm***«-* u'
iiflr ^'ss^re öemeiihäuser errichtet «urier. in «e'.cben eine Mehrzahl von FamÜMB CbIb^
k:=zen fmi. Mes« Einrichtung «ird knsführlich i^r£es:ellt und dorch gute ZekksamHi
e-ÜTiter:. X-^-h ien A'^s: 6 br Winsen 'es Verfasser« siii i.t Ei^seboreen too NoidaacAa
L.r^tnif ':• s zi ier .etzien Per. >2e ier B:>r «rei. «ei'.he u'3ii:tel6jr in die Cin isaticn abcfffoht,
1 rre*:!::::*!: ei., Tbe.l T.:n ihnen lerharrte in cer ä'teren Perlode, deren Bcginm Hr. Mor-
gan =i: ier E ntdhmnr ier T-Tpferei ditirt: ein mierer fcliLzte bis in die uiittif FariiJlb
«eile ^:::r:h iie Anwen^iur;: der Bicks:?:ne a::':e br.cks uni 'iuich die EiiJihmy te
R:e*r":n.:cr :ir Miis uii a:. 'ere f rSnien t'ezei:hne; :*!. I'ie lärmte. Innc ge«iBBl ciac b^
siriere Verr:! >"inäi^::ng Jaiurch. ■■"ass .:er Veri??er nich: fc::s» die c^^iamerikaBia
•l:nxe>.rir=. e zsjhliessÜ.h der M.^cn :-':-u;l:crs uid Clif-dweller«. r«hacdelt. fondciB i
-is El--* der Azteken -nj ias der sessi^rte- Ir.d.aner ^cn Yüc-un und Ceni
^ir^ich erTrerT-
Ein :*>.n:rr* in:eres54n:er TLeil i*: ierer.ire, »einher i;e Puetlrs tob X
»3:5:. M:i Verjr.j^en ersehen wir, iiss sich Mr. Cusbicz ia Acfirage des Boimeb rf
E:i:i.:;fy '-n:er :ei Z-ni-Iniiiner- ani:e?i*ie:: rat, ux ei'iehecie StndieB m iBirkM
An:h l»r. mstav Brih: ha: iies-m .fir we*:* e »e- Be£.::b ir^estauet, über «elchcB »«r-
'i-^e Ber.:L:e i:. ;*■.:- ,Ti*:.:^hen Cincim'i V..käba::* Teröfen:;icht sind. Vircko«.
Victor vires?, L-?? Pn:::helv'.:es • u les premiers cclons sur les bords des
lacs de Bionse er N^üoha:e:. B« Hin 1^^3. A. Asheri Co. gr. 4. 114 p.
Mi: 33 L:ch:'iru^k:at-ln und HolzS-h-'-en.
En reich a'-*^t*:j::e:cs un: iLha:*'^:'. es Wfrk. »el.ie* ien .\c«chittss jcDer laofia,
W.T t De^t-r ULI Sch«a: e::*:e.^::e:er. ".Lr.i >: -:-rr»-;s ':-:h:bAien Reihe tob ÜBtü-
*jv-h-rce:. ier PrtriYi-*:^::::.-- rr ^Vv-T-iine:; ::— j:. l:e Seik^r; i«r Seen ihuck BB-
'asser.ie hydrctech:. s^rhe Ar:-r.'.en .l Ve: .-.iLi: m: :ezi ^er::.:rn Wa4s*r»tasde des letillB
Jahres hat e? enn'^'.ioh:, len B:>:cn :er ?:>. i-:e>. jer ^-le: siihsaffi iurch Baiagtra Bld
Fischer au*;:e-eu:e; wu-ie. -nr.-.i^tir :. A: zr.z :?. r.ei^rL -»; ier An ic duKkarbciUB,
'.a*s dain.i mvh. :5r ic:n:c: er. .\rs:h -?> ^e^rr-en s^i- ^jrz. Se.tsi die ^«rikaite SlatiOD
Tca La lene, «e.che .Vrij^.s n :h: ire«: T-.:TLs:in: -.e: i esziali^ec BespreckBBf dM
Verfjksser? is\ .^ar: ^«irenmär::^; ni-T"- /.> er^;i'r^ ariressie. werden. Hr. GrcM. der Mit
vielen Jahrein mit ^r.s*:-.: A.;:=:eriSi=:kT.: :e .\.:j:--:r ier :jTa-$«*c dieils abervackt,
theii* se;i#i a^sjmmelt zä:, :espr.:h: ::. :e= x : :ej:ei:e- W^rie die StitMaec der Staia-
ui:d der Br.n:e:t/ uv.i ..e'-.r: e ::.f j^i:.: ^:'. *-.ir.::.:r l f:-r-&.:i: :es ^esan:al«B «MofaiSaia*
derse.ten. l»ie ^^r. :nas se :s: ^rx..;:::'! rL.:;>T4;h *:iri A-fnahmei =nd aie iazaack tob
Hrr. Hä:kma:Ln :n 0?r >•:;:.- i .Me. --.rL :.::hi-- ku"* ' »erier w:h'. *bt Ifng« Zeit die
Besprecfautigen.
153
I
Grundlage deß verf^Wicheoden Studiums aller derer bilden, welche diese frühe Periode m der
Eotwirkelunfr des europlif^ctien Mannes gepaner studiren wollen. Die Danitellunj;^ des Hrn.
Qrots ist eine so sorgfäUi^^e und seine Treue in der Wiedergab© der wespiitlicbeii Merkmal«
der Gegenstände eine bo vielfach erprobte, da-ss sein Werk als ein wahres l^rkundenbiicb der
Prutoheketier, wie er das alte Volk nennt, angesehen werden kann. Es mag hier bemerkt
werden, dnss er die Pfahlbauten als die wirklichen Wobnst&tten dieses Volkes und iiubt ata
btoase Zufluchtsstätten oder 3fagazine ansieht. Die vnn ihm coti&truirte und als TitelTignette^
fpef^ebene Abbildung des pprotofaeivetiscben naused**, beil&ußj3[ gesaf^t« eines Rundbause^ mit
herum! au Tender Plattform, entspricht «Ueser, durch seine Nachweise unzweifelhaft featgestellten
^ Dachau un(|r.
Die Ver]af(»buchhandlun^, welche mit so grosser EntschlosBeubeit und Rüstigkeit die
archäologische und anthropidogische Literatur in die Hand genommen und in wenigen
Monaten eine Anzahl der koatbaraten Knplerwerke verüfFentlicht hat, erwirbt sich ein be-
sonderes Verdienst, indem aie eine Publikation in Vertrieb genommen hat, welche für die
Cnlturgescbichte des Menachen überhaupt bleibenden Werth haben wird. Möge ein reicher
Absatz ihr und noch mehr dem Hrn. Verf., der so i^iel Mühci Zeit nnd KoSkeu an die Arbeit
geaelzt bat, lohnen, was^ üe der präbistorischen Wissenschaft durch dieses Werk geleistet
haben. Virchow.
Alfred Kirchhoff, Rasseubilder zum Gebrauch beim geograpkischen Ünter-
ricbt. Erste Lieferung. Kassel 1883. Verlag von Tb* Fischer,
Die sehr thatige und durch die Trefflicbkeit ihrer llluslrationen weit bekannte VerUgs-
b&ndlung hat es unternommen^ eine Art von S^bulatlas aDthropulngi^cber Typen in grosstem
Format herauszugeben. Das ganxe, auf 4 Lieferungen zu je 3 Blatt berechnete Werk soll
noch im Laufe dieses Jahres beendigt werden. Der Preis (3|60 M, für die Lieferang, 1,20 M.
für das einzelne Blatt) kann als ungewöhnlich billig bezeichnet werden, so dass die An-
schaffung für Schnlanstalten dadurch sehr erleichtert wird. Der Text, soviel tu ersehen, nur
als Tafelerklärung gedacht, soll in deutscher, franiösiseher und englischer Sprache erscheinen*
Wie jede neue, auf weitere Entwick«?Iung des Änscbaunngs-Unterricbts berechnete Unter-
nehmung, begegnet auch diese unserer Sympathie, Die Berliner anrbropologisebe Gesellschaft
hat bei verschiedenen Oelegenbeiten, insbesondere bei der unter tbrer Mitwirkung erfolgten
Hemnsgabe des Atlas Dammann, gezeigt, wie sehr ihr die Verbieitnng gnter Abbildungen
der Menschenrassen am Herzen liegt. Noch jetzt ist die Anthropologie nur bei lau Hg ein
Gegenstand des Schulunterrichte, und auch in der vorliegenden Ankündigung erscheint sie
in fremdem Gewiinde, als ein Glied des .geographiachen Unterrichts", fndeas jeder Weg, anf
welchem sie einen Zugang zu der Schule findet, kann ihr an sich recht sein ; man wird sich
bei der praktischen HandhabLing am schnellsten davon dberzeugen, dass weder in dem Inhalt,
noch in der Methode der Anthropologie ein Grund liegt, sie in die Geographie einzuverleiben,
und die Eman€i|<ation der Anthropologie, die in der wissenschaftlichen Behandlung vollständig
Tullzogen ist, wird auch in der pädagogischeu Behandlung nicht mehr kuge zurückgehalCtsn
werden können.
Die erste Lieferung bringt die Brustbilder eines Seh wargfoss -In dianers vom obersten
Missouri nach dem RHsewerke des Prinzen Maximilian zu Wied, eines ostafnkaniscben
Negers nach Dammann's Atlas, und eines Papua von Nea-Guinea nach Job. Mülle r's Hum*
boldtsbai. Es treten dabei einige Miastaude recht lebhaft hervor. Vor Allem der ganx ver-
schiedene Maass!»tab der einzelnen ßlulter. Um die Rothhaut und den Papua in weit ab-
steheDdem Federschmuck darstellen zu können, mui^ste durch Verkleinerung des Körpers
Raum auf dem Blatt geschaffen werden. Das erschwert natürlich das Verstand niss .ausser-
ordentlich und lenkt den Blick des Schülers auf das Aeusserliche. Man mag ja zugestehen,
dass es vou Interesse ist, auch das bloss Ornamentale in der Erscheinung der Menschen mit
iDr Anschauung zu bringen, aber man wird nicht leugnen können, dasa durch das Hertordrängen
Iyou Hchmuck und Tmcbt die Aufmerksamkeit in eine ganx falsche Richtung gelenkt wird.
Nichts ist schwieriger, als düS Yerstandniss für die physischen Besonderheiten der einzelnen
Stimme zu erscbliessen. Man kann diess am besten daraus ersehen, dass unsere Künstler,
sowohl die Zeichner, als die Bildhauer sich von den ihnen gelänfigeu europäischen Tjpen
10*'
i
154 BefT»reetranireti.
■titoii fmQ£ l<töQ]«cben können; un^illkörlich europüsireii sie die Fremden« und uüc\
YOffkfendeD BtAtt«m i$t dieser Vorwurf nicbt abiuspreffaen. Wir verireU«ii in di«eer
mlmtij? aaf die Bebandloof^ de« Ha&res des Nefen tmd det P&pu», welches recht gut i
Ulf dem Kopfe eines Europäers Plati findeo könnte. Jede Herrorfaebon^ des Kostämt
«ioe Krscbwening für das Sludiam des Körpers, and wenn sie, wie hier, augkich in ei
TeräoHetun^ des Maassjtabes iwingt, i^eradeia verwerflieb. Nicht tnindere Bedeoken bat
10 demselbeD Werke Photofp^aphien und bloa«e Zeichnungen ata Vorlagen zu t^outJteaT i^*
weon oan reine Profile mit ganzen nnd halben Vorderansichten Knsammenstellt. Die
sonderen Fehler jeder einzelnen dieser Methoden ver^sjeni sieb bei der Ver^letcbung n
rerer EUtter unter einander, and wie der Zeichner nur in leicht in die Gefahr kommt, dn
Hineintiehen ihm geläufiger Zügt in das fremde Bild eine C&rrikstar zu sehafea, so em
ein Itanzer Atlas der Art den Eindruck öbertriebener Gegensätze, ohne doch das Diagnostil
zu ToUer nnd reiner Erscheinung zu bringem Wir möchten durch diese Ben»erkung6n dai 1
dienst der VerlugSHOStalt nicht herabsetzen« aber es wird tieUeicbt möglich sein, hm i
folgenden Liefenmgen noch eine gewisse Einwirkung auf die Ansführong und die Wahl
Objekte SD^oulien. So neblig es ist, doss man nicht componirte, irteficielle Tjpentil<
sendem wirklii he ludiTidualbilder giebt, so wird es doch nothwendig ^io, in der Anai
groe^ Vormcht zu beobachten, und wir würden es mit Freoden begTÖsaea, wenn dabei *
dem besonderen Aufputz der Indiriduen möglichst abgesehen und als Vorlagen auf^cblisasl
gut ausgeführte Photographien beoutzt würden. Dia Ethnologie kann alletdings a^ Eestj
bilder nicbt Tenichten; für die Anthropologie dafegta atellen sie nur «ersehwereode l
aüade* dar. Virehev.
From Besguella lo tbe Territory of Yacca. Descriplion of a Jotuney fl
Central* and West-Africa by Hennemgildo Capello and Roberto Ivel
Expedition organized in the vears 1877^1880. Translated by A. ^Bj
London 1882. 2 toL S"** fl
So lautet beträchtlich ibgekant der Titel eines Reiseberichtesi, wetcbeo tot Karren
beiden portugiesiscbeQ Matineofduere Capello und iTens, nraprönglicb ala Breiter i
I>urch(|uerer Afrikas« Major Serpa Pinto tuertheilt^ über ibi« unabbaogtf von letilel
ao&geführte Heise in West Afrika in englischer Baarbeituttg Tmfientlichten. Serpa Pil
hatte in seinem eigenen Reisewerk die beiden Offisiere angeklagt, ihn in Aengateu und Not!
SQ Bilembo am Caläe-Flua»e Terlaaaen xu haben. Capello und Ivens vertbeidigeD sich
ihrer Vorrede sehr energisch g^gta jeden derartigen ihnen femachten Vorwurf. Wir veriae
abei dieae rein persönliche Angelegenbeit um so «choeller und um so lieber, als »ebliecä
dvrcb sie keiner der Betheiligten enkstlich geschädigt er^beint. Das Buch der beiden Pa
gieseu ist gut und spannend geschrieben, enthalt auch viel Belehrendes in etbuo^ogiatlMr 1
in rein naturge^rhichtlicher Beziehung, so daas wir es immerhin unter die baaseren Reä
werke über Westafrika rechnen müssen. UeberaU sind die Herren Capello und Ivens
strebt gewesen, selbst zu beobachten, mit Fleiss und Cmstcht au sammeln. Ein Ibnlk
Verdienst gebohrt übrii^na auch Serpa Pinto. Wenn diese drei wackeiea Offisiara i
nicht gans selten die naturwissenschaftliche Komendamr u. s. v. etwas aalep behandelt hal
so sollte ihnen daraus kein besonderer Vorwurf gemacbt werfkn. Diaaer kusinle koeM
den englischen und den deutschen Cebersetzer tref^n, wekbtsieiiilteDbedeBjtaiB aoOea, bfl
wie Fetus arboreus (Filii arboreus? d. h. Bjiufflfam? — bei Pinto' und Aebolicbeg» 4m
geheu lu lassen. Die oben erwibnten Reisenden sprechen ohne Ausnahme mit fTOaam L
Ton dem Naturforscher Joz^ de Anchieta, wekber bocbgebildetf arm, abet eelliatlos» elai
derer Poeppig und Tschodi, Tieie Jahre seines beschverdenreicben Lebens der Flora, Wm
und den ethnografbischen VerhiltBisBBQ daa inneren Westafrika gewidmet, welcher das W
booer üus^um und andere europäisebe Sammlungen mit den koalharsteii Plipailtn iNnisl
bat. Am Schtuss des Weikee too Capello und Wens fisdan mtk leÄt daftliMW
naturwiaseßscbaftliche Anhänge, ferner Vokabultfien, namentlich des ITiwIwmda it.a.w* !
HehlUfSsessay über die Weetafrika bewohnenden nigritiscbeo Stämme «olfcitt atfich« •
harsigenawertbe. Aueb dieser Theü Territh d>s Bemühen der BiiMideA, Lkkt in die a
Besprechungen.
155
Thei! noch so wenig bekannt© Lander- und Völkerkunde Afrikas binemzuKringen, Der illo-
«trative Theil des Werke» ist bis auf einige Daratelltingen von Waffen und Gerätben, lowie
von einzelnen Thieren des Landes onr eelir massig geratfaen. Die beigegebenen Karten sind
dagegen saaber ausgeführt. R, Hart mann.
I
AKredo de Sarmento, Os Sertoes d'Africa. (Apont amentos de Tiagem.)
Lisboa 1880, 8, 731 p.
Obne die Frätension, eine wisf-enschaftliebe Darstellung liefern zu wollen, bestrebt sich
Verfasser, welcher am 27, Juli 1856 von Loauda nacb den Kupfenuinen von Bembe anfbracb,
Interessantes über den Cbarakter^ den FetiacbismiiSj die Sitlen und Gebräuche der west- '
»frikaniscben Schwarzen, über die natürlicben Hnifsquellen von Congo utvd Angola beizubringeiL
"Verfasser beklagt, wie schon Manche vor ihm, das» so grosse vegetabilische Reichtbümer,
nutzbare Hölzer n. s. w , dass die vieles versprechende ßienenzncht^ dass werth volle minerali-
sche StoiTe unter der gegenwärtigen Coliinialwirlhachaft vergeblich ihrer methodischen Ana-
bentuniT harren. Eine augeblich schrecklicbe Geissei dieser Gegenden, a doent« do somnOf
die in Tod endigende Schlafsucht, wird vom Verfasser m Kurze berührt. Die von ihm
und Dr. De bange veranlasste Obduktion dreier Opfer dieses üebels ergab keinen Anhalt fär
dessen Entstehnng. Habituelle Raucher einer angeblich narkotischen Pianse, der Liamba
(vielleicht Hanf?), sollen jener Kranibeit besonders leicht anbeimfallen. Cnter den, Sarnaento'»
Werkchen begleitenden, nur dürftigen Abbildungen fiel dem Referenten die recht charakteri-
stische Kopf Silhouette eines der «Ra^a Unxiconga* angehörenden, jugendlichen Individuums
auf. Die bcige|,rebene Karten$kiz?e enthält fast nur eine zwischen Ämbriz, Bembe und Encoge
aich erstreckende Marschroute. R. IL
Falb, Das Land der Idch. Leipzig 1883.
I Wer na^h dem Aufschlagen des obigen Buches noch weiter hineinzublicken den
Mnth haben sollte, wird unter dem Yerffunderlichen aus dem Wnndem kaum heraus-
kommen, — bis tum Erstannen über die hier verschwendete AuBstattung nicht minder, wie
über die desperaten Versnebe, welche sich hie und da in den Spalten einiger Blätter her-
vorgewagl haben, eine scheinbar ernstlich gemeinte Besprechung tu simuliren.
Ans geologischen Antecedenticn könnte dieses Buch erinnern an das »Buch Cbevilla*,
das über die «bevorstehenden Katastrophen am Kode der Welt Johel* unterrichtet, und in
,»Enthnllung der gottlichen Hieroglyphen* entdeckt vrar (178E p. d.). Doch treibt bei den
peruanischen der Wirrwarr noch wuster, vom Kopf bis zur Zehe (susqne deque), weil meist
auf philologischem Gebiet, einem an sich schlüpfrigen, das selbst die mit schulastiscber Vor-
bildung Ausgerüsteten oft genug zu Falle bringt. Wer nun ohne solche Mcb hinaufwagt,
dessen Irrfahrten ptlegen allzu sehr in s pathologische Gebiet zu streifen, als dass sie auf
einem anderen in ernsthafte Betrachtung gezogen werden konnten.
Aus derartigen Hexenküchen und dem, was der Wahnwitz dort zusammenbraut» i^llt ge-
rade auf die Augen derjenigen, auf deren Urtheil ea ankommt, zeitweise Miscreditirung der
Ethnologie und ihrer Ziele. Unverbrüchlich, wie an einer Lebensfrage, hat sie festzuhalten
ao dem Grundsatz, dass beim Betreten der ungeheuren Weiten ihres noch unerforschten Ge-
bietes jeder und jeglicher einzelne Schritt vorsichtig nüchternste Prüfung erfordert, dass es
bedarf voller Kraft der Entsagung (einer ^?io/jj und no(ttmift^ wie Ton altersher schon ver-
Ifljjgt;: nicht heute, am Tage erster Anpflanzung, die Früchte schon geniessen zu wollen, die
nach hundertjähriger Arbeit erst vielleicht zur Keife berangedeihen mögen (und dann zum
Besten onaerer Kenotnisg vom Menschen). Von dem zehrend, was unsere Vorfahren für uns
angelegt, haben wir unsererseits für die später Kommenden naturgemäss gesunde Nahrung
vorzubereiten, — sofern bewahrt Tor solchen Katastrophen, wodurch Erdbeben- und andere
Ünglücks-Propheten die fest unter den Fusseo gebreitete Basis der Thatsacben erschüttern zn
können meinen (im Sinne jenes Neger-Potentaten, dem das Weltall aus den Fugen geht,
vrenn sich auf seinem krausen Scheitel die Mütze schief rücken sollte, wofür dann meist gute
Grunde). A. B.
Analogien der Funde von HissarliL
Von
Ernst BötÜcher,
liauptmann a. D. zu Berlin.
(Hierzu Tafel IV.)
I. Gesichts-Umen.
In Hissarlik sind, gleichwie in vielen Grabstätten, Gesichts-Urnen ge-
fanden worden. „Eulenvasen** nennt sie Hr. Dr. Schliemann. Ihr Aus-
sehen hat zwar Nichts ausschliesslich mit der Eule gemein, man könnte sie
z. B. ebenso gut „Sperbervasen (-kanopen)** nennen. Hr. Prof. Virchow
stimmt Hrn. Dr. Schliemann in der Eulenfrage nicht völlig bei (Ilios, Vor-
rede, S. XV) und exemplificirt auf die nordischen Gesichts-Urnen. Auch
Hr. Dr. Schliemann erwähnt zwar eine Gesicht«-Urne mit Falkenschnabel
des Danziger Prov.-Museums (cfr. Ilios, 331), aber die Gesichts-Urnen mit
,, Sperbertypus ** in der ägyptischen Abtheilung der Kgl. Museen in Berlin
scheint er nicht zu kennen (sie stehen sehr versteckt), sonst durfte er diese
vollkommenste Analogie zu seinen Eulenurnen nicht übergehen. Der Schmuck
der Graburnen mit einem Vogeltypus, mag man Falken, Eulen oder Sperber
darin erkennen, die Ausbreituug derselben Sitte von der Ostsee bis an den
Nil, ist sehr bemerkenswerth. In der Darstellung des Vogelgesichts treten,
trotz der verschiedensten Grade künstlerischer Leistung, durchgehende Ana-
logien hervor:
1. Im Allgemeinen: Die Bogenlinien über den Augen sind überall
gleichgezeichnet und stark accentuirt, wo sie oder entsprechende Leisten und
Vorsprünge überhaupt vorhanden sind, was bei nordischen Urnen nicht
immer der Fall ist. Dieser Zeichnung entspricht die bekannte ägyptische
Sperberhieroglyphe und die analoge auf den Hissarlik-Idolen, z. B. Nr. 202,
209 u. a. in Ilios (cfr. Tafel).
2. Im Besonderen: Die ägyptische Kanope, Nr. 7184, im Saal V der
ägyptischen Abtheilung der Egl. Museen, zeigt uns ein wunderliches Ge-
misch von Menschen- und Vogeltypus in einer Ausführung, die jeden Zweifel
ZeiUehiül Ol Bthnologle. Jahrg. 1883. 11
158 Krnst Rotticher:
ausschliesst, dass hier ein Gesicht von menschlichen Umrissen mit menschlich
gebildeten Ohren einen Schnabel, deshalb keinen Mund, und kreisrunde Vogel-
augen besitzt. Andere Eanopen, z. B. Nr. 7201, 345 u. a., haben dagegen
ein reines Vogelgesicht vom Sperbertypus, bestehend lediglich aus dem
Schnabel zwischen kreisrunden Augen. Wieder andere Eanopen , z. B. Nr.
7165 und 7168, zeigen in ebenso künstlerisch vollendeter Ausführung ein
menschliches Gesicht.
Alle drei Kategorien nehmen wir auch unter den Gesichts-Urnen von
Hissarlik und vom Ostsee -Gebiet wahr, so schwierig auch bei den nor-
dischen, in Folge geringer Kunstfertigkeit ihrer Verfertiger, die Unterscheidung
zwischen Nase und Schnabel sein mag. Aegyptische Kanopen, wie Nr. 345
(gelbes Etiq.), haben auch keinen so scharf ausgeprägten Schnabel wie
andere, z. B. Nr. 7184.
Kategorie 1: Die in Ilios Nr. 235 abgebildete Gesichts-Urne hat, gleich
ägyptischen Kanopen mit Sperbertypus, nur Schnabel und kreisrunde Augen.
Gleiches finden wir an dem kanopischen Gesichtsdeckel, Ilios Nr. 236 u. v. a.,
und an nordischen Gesichts-Urnen. Das ist der reine Vogeltypus.
Kategorie 2: An dem kanopischen Gesichtsdeckel, Ilios Nr. 991, be-
merken wir den gemischten Typus, wie an der ägyptischen Kanope 7184
(s. oben) mit menschlich geformten Ohren. Gleiches lässt die nordische
Gesichts-Urne I, 5123 a der Sammlung nordischer Alterthiimer der Kgl.
Museen erkennen; an ihr ähnelt die Bildung des Schnabels — mangels
Mundes werden wir nicht Nase sagen dürfen — durchaus derjenigen in Ilios
Nr. 234, 235, 986 u. a. m.
Kategorie 3: „Rein menschlicher Typus." Wir finden in der Schlie-
mann-Sammlung der Kgl. Museen 3 Gesichts -Urnen mit ausgesprochen
menschlichem Typus, Nr. 604, 606, 609. Sie sind sicher nicht die einzigen,
welche in Hissarlik an's Licht gefordert wurden, scheinen aber Herrn
Dr. Schliemann's Aufi:nerksamkeit entgangen zu sein. Der menschliche
Typus ist unverkennbar, nicht nur wegen Vorhandenseins eines Mundes,
sondern auch durch die längliche menschliche Bildung der Augen mit halb-
geschlossenen Lidern, eine für Todtenumen sinnreiche Besonderheit. Trotzdem
erwähnt Hr. Dr. Schliemann Nichts von solchen Gesichts-Urnen in seiner
Abhandlung (Ilios 318 — 332). Er sagt, die Verfertiger der nordischen Urnen
hätten zweifellos immer ein menschliches Gesicht darstellen wollen und un-
terscheidet von ihnen seine Eulenurnen (cfr. Ilios 330) als einzig in ihrer
Art Einzig! Und die ägyptischen Sperberkanopen? — Ilios 372 sagt Hr.
Dr. Schliemann bei Besprechung des Kopfes, Nr. 190, der wie ein rohes
Urbild des von uns abgebildeten, etruskischen, kanopischen Gefassdeckels
(vgl. Tafel) aussieht, jene Völker hätten trotz dieses Beweises für ihr Können
nicht auch menschlichen, sondern beständig Eulentypus auf ihren Vasen
(Urnen) und Idolen angebracht. Diese Behauptung wird durch die Existenz
von Gesichtsurnen mit rein menschlichem Typus widerlegt!
Analogien der Funde von Hissarlik. 159
Auf Dordiscbeu Uruon habe ich kaum einen so ausgeöprochen mensch-
lichen Typus feststellen können, wie der auf den Hissarlikurnen ist; auf
keiner so menschlich gebildete Augen im Gegensatz zu den kreisrunden
Yogelaugen. Auf Anfrage war Hr. Director Dr. Conwentz so freundlich,
die Danziger Sammlung eigens darauf zu prüfen. Es scheint, dass die Augen
der nordischen Gesichtsurnen durchweg kreisrund sind, sei es als Tüpfel •
oder gehöfte Tüpfel 0 oder als Doppelkreise.
Nach ägyptischer Analogie könnte man bei ihnen das Vorhandensein
oder Fehlen des Mundes entscheiden lassen, und z. ß. auf unserer Tafel die
Urne I, c. 208 der Sammlung nordischer Alterthümer der Kgl. Museen als
von menschlichem Typus ansprechen, die mundlose aber, I, 5123 a, in die
Kategorie des gemischton Typus rechnen. An diesen beiden Urnen unter-
scheidet sich auch deutlich Nase von Schnabel, dessen stumpfwinklige Form
auch die ägyptische Eanope 345 und verschiedene Uissarlikvasen aufweisen.
Nordische Urnen, ähnlich wie I, 5123 a, aber ohne Ohren, würden alsdann
dem reinen Vogeltypus (Kategorie 1) angehören.
Ein gemeinsamer Zug an allen diesen Gesichts- Urnen vom menschlichen
und vom gemischten Typus scheint zu merkwürdig zu sein, um ihn mit
Stillschweigen übergehen zu dürfen: die eigenthümliche Stellung der Ohren
nach ägyptischem Typus. Es scheint dies nicht aus roher Kunstfertigkeit
erklärbar zu sein, denn die etruskische Kanope des Antiquariums der Kgl.
Museen, welche ich nach Levezow^s „Verzeichniss der Denkmäler^ etc.,
Taf. XV, 308, in dreifach vergrössertem Maassstabe zum Vergleich stelle, ist
gewiss nicht von roher Arbeit, trägt aber ganz denselben Typus.
II. Libirgefässe.
„Gefässe mit Ausguss^, in Hissarlik wie überall gefunden, hat Herr
Dr. Schliemann für etwas ganz Besonderes gehalten. Siehe Sachregister
zu Ilios 864: „Saugflaschen für kleine Kinder. "" 3. Stadt 453, 454. 5. Stadt
649. 6. Stadt 666. — S. 453 heisst es, diese kleinen Gefässe mit Ausguss
könnten nur als Nährflaschen für kleine Kinder gedient haben. Diese ori-
pnelle Idee hält er fest, obgleich ihm bekannt ist (siehe ebendort), „dass
kleine Terrakottagefässe mit Ausguss am Bauch sowohl in den Gräbern auf
Cypern als in altägyptischen Grabmälern häufig sind.^
Ausser den kleinen giebt es auch grössere derartige Gefasse, aber immer
nur 80 grosse, dass sie noch bequem mit den Händen erfasst und regiert
werden können. Von diesen sagt Hr. Dr. Schliemann, er könne ihren
Gebrauch nicht anders erklären, als durch die Annahme, dass sie unter eine
Quelle gestellt wurden, deren Wasser oben in die Vase rann, und dass die
„durstigen Seelen^ den Mund an die kleine Rinne legten und tranken.
(Wörtlich, S. 453.)
11 ♦
160 Eni^t Bötticher:
Hr. Dr. Schliemann hat die in Rede steheoden Geta66e aus ägyp-
tischen Gräbern zwar im Louvre und British Museum gesucht, aber nicht
in den Kgl. Museen zu Berlin, sonst würde er hier auch ihren Gebrauchs-
zweck erkannt haben. Die von Hm. Prof. Lepsius eingerichtete Aegyptische
Abtheilung dieser Museen ist eben einzig in ihrer Art.
Bekanntlich sind die ihre Wände bedeckenden Abbildungen, meist Scenen
des ägyptischen Kultus, der Mythologie nnd der Geschichte, mathematisch
genaue Copien von ägyptischen Originalen aus Grabern, Tempeln and an-
deren Denkmälern. Sie geben Aufschluss auch über den Gebranch dieser
kleinen Gefasse mit Ausgur^s, wenigstens der ägyptischen, und dies schliesst
die Wahrscheinlichkeit gleichen Zweckes der anderen in sich, angesichts
des mächtigen Einflusses ägyptischer Kultur weithin über die Erde.
Unsere Tafel bringt ägyptische Kultscenen, worin solche kleinen Ge-
fasse mit Ausguss als .Libirgefasse*" in der Hand der Könige und Priester
erscheinen. Vgl. im Saal I der genannten Abtheilung das 5. Bild der Ost-
seite (Lepsius, Wandgemälde, Taf. 28, 2): ^Ramses X. libirt der löwen-
köpfigen Göttin Tefennt und dem Sonnengotte Sii.'' Der libirende König
hält ein Gefäss mit Ausguss mit beiden Händen empor und lässt seinen In-
halt (Honigmilch, Wein oder Wasser) auf Lotoslilüthen träufeln. Die beiden
sänlenartigen Ständer dienen, wie aus anderen Bildern ersichtlich, zum Auf-
stellen des Libirgefasses, wozu sie eine entsprechende Vertiefung (wegen
dessen Kugelgestalt) besitzen ^). Sehr häutig ist ein Opferstein über sie
gelegt (Lepsius, Taf. 27, 2. 23, 2). Solche Ständer hat man auch in
Hissarlik gefunden (Ilios, Nr. 1473. 2 w tief).
Während auf den in Rede stehenden Gemälden eine gewisse elegante
Form der Libirgefasse hervortritt, trägt ein solches Gefiiss aus dem alten
Reich (siehe Gräber-Saal (II) Nr. 1430), von rothem Thon, ein primitiveres
Gepräge. Ihm gleich in der Form, aber von schönerer Arbeit ist das kleine
Bronzegefass, Nr. 4383, im Saal V (Schaukästen). Vgl. Tafel. Eine sehr
primitive Form, entsprechend den Hissarlikgetassen (Ilios, Nr. 1126, 444,
447 u. a.), besitzen Libirgefasse, weiche ich auf der Grabstele, Nr. 7273, im
Säulenhof abgebildet fand. Vgl. Tafel. Sie sind oben schmal, unten weit-
bauchig, ein Typus, der eher nordischen Gefässen eigen ist.
Zwei kleine Getasse mit Ausguss in der Schliemann-Sammlung der
Kgl. Museen, Nr. 281 und 819, sind in Ilios nicht abgebildet Da gerade
sie eine hervorstehende Formverwandtschaft zu antiken Gefässen dieser Art
bekunden, bringt unsere Tafel sie. Man wolle mit ihnen die im Antiquarinm
der Kgl. Museen befindlichen, sogenannten Tropfgefässe vergleichen, deren
einige aus Levezow's Verzeichniss der antiken Denkmäler im Antiqua-
rium u. s. w. hier reproducirt sind. Ragen sie auch durch ihre Formen-
1) Im Saal II (der bekanntlich nur Dinge aus dem alten Reich enthalt) stehen solche
Ständer, sind aber im Verzeichniss der Aecrvptisohen Altorthümer als Kandelaber bezeichnet.
Vgl. Nr. G2, 74, auch 100.
1()2 Ernst BoUicher: ÄDalogien der Funde Ton Ilissarlik.
hatten die auf dem Handelswege zu ihnen gebrachten Originale schlecht
kopirt. Wenn dem so wäre, waram hat sich denn nie ein klassisches Ori-
ginal dort gefunden, und warum giebt es im klassischen Boden die gleichen
rohen Formen wie dort?
Könnte nicht, hier wie dort, die Kulturentwickelung von gleichen An-
fangen aus gleiche Wege gegangen sein? Dann wurden unsere nordischen
Funde eine eigene Kultur bedeuten, deren höhere Stufe entweder unbekannt
oder nicht vorhanden ist. Die Ursachen, warum am Mittelmeer eine gleich
primitive Kultur zur höchsten Blüthe sich entfaltete, bedürfen keiner Er-
örterung.
XL
Neue Beobachtungen am Nephrit und Jadeit.
Nach einem, am 17. März 1883 in der Berliner anthropologischen Gesellschaft
gehaltenen Vortrage.
Von
A. Arzruni, Professor in Breslau.
Die Hauptveranlassung, die mich dazu bewogen hat, hier noch einmal
auf die sogenannte „Nephritfrage^ zurück zu kommen, ist das Erscheinen
eines diesen Gegenstand behandelnden äusserst verdienstvollen Werkes des
Herrn Dr. A. B. Meyer, Director des zoologischen und anthropologisch-
ethnographischen Museums zu Dresden, betitelt: „Jadelt- und Nephrit-Ob-
jecte** ^), welches bereits vielorts in ethnographischen Vereinen und auch in
mehreren Blättern besprochen worden ist. Ausserdem ist aber gerade in
letzterer Zeit auch von anderen Seiten mancher werthvolle Beitrag geliefert
worden, um der Lösung der Frage näher zu kommen^). Ich habe es daher
für zweckmässig erachtet, diese Gelegenheit zu ergreifen, um an den Gegen-
stand der Frage selbst zu erinnern und über ihren gegenwärtigen Stand zu
berichten, um so mehr, als, meiner Ansicht nach, dieselbe in eine Phase ge-
1) Der genaue Titel ist: .Königliches Ethnographisches Museum zu Dresden. II. und
III. Jadeit- und Nephrit-Objecte. A. Amerika und Europa. ' 1882. Gross-Folio. 86 Seiten
Text und 2 Tafeln in Lichtdruck (eine colorirt). B. Asien, Oceanien, Afrika. 1883. Gross-
Folio. 33 Seiten Text und 4 Tafeln in Lichtdruck. Herausgegeben mit Unterstützung der
Oeoeraldirection der Königlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft zu Dresden von
Dr. A. B. Meyer, Director des König), zoologischen und anthropologisch -ethnographischen
Museums za Dresden. — Leipzig. A. Naumann und Schröder.
2) Darunter sind zu erwähnen die bereits auch im Werke des Hrn. Meyer berücksich-
tigten Abbandlungen mineralogischen Charakters:
A. Damen r. Ncnvelles analyses sur la Jadeite et sur quelques roches sodiferes. Bull.
soc. min^ralog. de France IV, 157; Cumptes rend. de TAcad. Paris 92, 1312 und Ann. de Gbim.
et de phys. [5], 24, 136. 1881.
£. Jannettaz et L. Michel. Note sur la nephrite ou jade de Siberie. Bull. soc.
mio^ralog. de France IV, 178. 1881.
H. Fischer. Ueber die mineralogisch-archäologischen Beziehungen zwischen Asien, Europa
und Amerika. Neues Jahrbuch für Mineralogie. 1881. II. 199—227.
W. T. Beck und W. J. v. Muschketow. Ueber Nephrit und seine Lagerstätten. Mit
6 Tafeln. Verh. der Kaiserl. russ. Mineralog. Gesellsch. St. Petersburg [2]. XYIII. 1— 7G. 1882.
164 ^' Arzruui:
treten ist, in welcher sie für's Erste verbleiben wird, wenn nicht anerwartete
und kaum in nächster Zeit vorauszusehende Entdeckungen dazu beitragen
werden, sie umzugestalten, in andere Bahnen zu lenken, oder, was wahr-
scheinlicher ist, die gewonnenen Ansichten noch mehr zu kräftigen. Denn
ich bin, für meinen Theil, der Ueberzeugung, dass wir augenblicklich aaf
den richtigen Standpunkt angelangt, genauer — zu ihm zurückgekehrt sind,
obwohl uns noch mancher erwünschter Beweis dazu fehlt.
Die Nephritfrage ist bereits vor längerer Zeit angeregt worden, eine
Reihe von Gelehrten hat schon längst diesem Mineral ihre Aufmerksam-
keit zugewendet und über die Bedeutung, welche ihm von Seiten vieler
Volker beigelegt wird, berichtet, es ist und bleibt aber ein Verdienst des
Herrn H. Fischer, in seinem bekannten, umfangreichen Werke die ganze
Wichtigkeit der dem Nephrit sowie dem JadeYl in der prähistorischen Cultar
und in dem Völkerverkehr zufallenden wichtigen Rolle eingehend hervor^
gehoben zu haben.
Die meisten Funde von verarbeiteten Steinen erweisen aufs Deutlichste,
dass die prähistorischen Menschen zu ihrem Bedarf sich desjenigen Materials
bedienten, welches ihnen zugänglicher war, also meist denjenigen Gesteins-
arten entnommen wurde, die in nächster Nähe der Funde anstehend oder
auch als Gerolle in Flüssen und Alluvionen angetrofien werden. — Neben
der überwiegend grössten Zahl aus nachweislich einheimischem Material gear-
beiteter Steingegenstände finden sich aber auch solche, deren Material in
natürlichem Zustande au Ort und Stelle unbekannt ist und daher als exotisch
gelten könnte. — Unter solchen mineralischen Substanzen unbekannten Ur-
sprungs verdient gewiss der Nephrit eine specielle Beachtung, schon aus
dem Grunde, weil ihm auch jetzt an vielen Punkten der Erde, bei vielen
Völkern eine ganz besondere Bedeutung, Heilkraft, Schutz vor Unglück
und sonstige nützliche Eigenschaften und Wirkungen zugeschrieben werden,
wozu zweifelsohne die ihn kennzeichnenden physikalischen Eigenthümlich-
keiten, wie hohe Härte, Zähigkeit, vielleicht auch seine meist gefälligen
Farben nicht am Wenigsten beitragen. Mö^^l Icherweise ist auch seine Selten-
heit ein Moment für den hohen Werth, der ihm beigemessen wird. —
Jedenfalls ist es allgemein bekannt, dass der Nephrit auch jetzt in Süd- und
Ostasien, auf den Inseln der Südsec zu Schmuck- und Prunk-Gegenständen,
zu Amuletten und dergl. verarbeitet wird, und mag er vielleicht auch in
früheren, vorgeschichtliclien Zeiten eher zu solchen Zwecken gedient haben,
als zur Herstellung wirklicher Waöen, trotz der W^affenform, welche bei
weitem die grösste Zahl der prähistorischen Nc|)hrit- Objecto besitzt.
Mit dem Nephrit wurden und werden auch jetzt noch andere derbe, fein-
körnige, krystallinische Mineralien (zum Theil auch Gesteine, d. h. Mineral-
gemenge) verwechselt. Sie wurden wie der Nephrit verarbeitet und werden
häufig unter demselben Namen ausgegeben, — was entweder auf einer Ana-
logie der meisten Eigenschaften oder der Farbe allein beruht. Untei* diesen
Neue Beobachtun^^en am Nephrit und Jadeit lg5
dem Nephrit ähnlichen Substanzen und mit ihm gleich hoch oder oft noch
höher im Werthe stehend ist der Jadeit zu nennen, dessen chemische Ver-
schiedenheit vom Nephrit von Hrn. Dam cur (G. R. Acad. Paris, vol. 56,
pag. 861. 1863) festgestellt wurde, während es anderen Beobachtern vor-
behalten war, dieser Substanz eine richtige Stellung im Mineralsystem zu-
zuweisen. Der von Hrn. Damour gewählte Name — „Jadeit" sollte an die
ursprüngliche, auch von Seiten der Mineralogen geübte Verwechselung mit
„Jade**, d. h. Nephrit, erinnern.
Auch dem Jadelt ist eine ebenso wichtige Rolle in der Prähistorie
zngefollen , wie dem Nephrit, auch an ihn knüpfen sich bei vielen
Völkern Vorstellungen, die einen Besitz aus diesem Mineral angefertigter
Gegenstände erwünscht und nützlich erscheinen lassen. Solcher Aberglaube
hat sich auch bis in die Gegenwart bei der Landbevölkerung derjenigen
Theile Europas erhalten, in denen das Vorkommen resp. Auffinden von Ja-
deltbeilen nicht zu den Seltenheiten gehört. So berichtet Hr. Damour
(C. R. Acad. Paris, vol. 61. p. 362. 1865) über die Aufbewahrung von
Jadettobjecten in Frankreich, als Mittel gegen verschiedene Uebel, über das
Einmauern solcher Beile in das Fundament mancher Häuser, um ein Ein-
schlagen des Blitzes zu verhüten u. s. w.
In Europa ist bisher weder der Nephrit noch der Jadeit anstehend an-
getroffen worden, auch nicht mit Sicherheit als Gerolle, sondern in ver-
arbeitetem Zustande in der Nähe ehemaliger menschlicher Ansiedelupgen, in
Höhlen, Pfahlbauten, Dolmen u. dergl. — Die verbürgten Fundstätten des
Nephrites sind: in Asien — die Gegend von Yarkand und Khotan, im öst-
lichen Turkestan, wo er anstehend von Hermann v. Schlagintweit und von
Stoliczka angetroffen wurde; ferner an und in den Flüssen des südlichen
Transbaikaliens, wo er in den Alluvionen in Gestalt von Gerollen abgelagert
vorkommt, während man dort über die primäre Lagerstätte nichts Positives
weiss. Eine dritte Fundstätte ist die Westküste der Süd-Insel von Neu-
seeland, wo zahlreiche lose Blöcke von vielen Reisenden gesehen und ge-
sammelt wurden, während es Forster allein gelungen ist, bis an das An-
stehende zu kommen. Endlich ist vor wenigen Jahren dasselbe Mineral
anstehend in Neu-Caledonien gefunden worden.
Eine Fandstätte des Jadeit war bis vor Kurzem überhaupt nicht be-
kannt; erst in ganz neuerer Zeit erfuhren wir, dass er in rohem Zustande
aus Ober-Birma nach China und Indien importirt wird, von welchem Punkte
aber speciell — ist immer noch un gewiss.
In verarbeitetem Zustande besitzen beide Mineralien, wie aus den Nach-
grabungen hervorgeht, eine nicht unbedeutende Verbreitung über den ganzen
näher erforschten Theil der Erde, was zu der Frage drängt: Wo haben die
Menschen das ungewöhnliche Material gewonnen oder wober haben sie es
erhalten? —
Der Aufgabe, diese schwierige Frage zu lösen, unterzog sich nun Ilr.
166 A. Arzruiii:
H. Fischer, und ein noch so fluchtiger Blick in sein Werk reicht schon
aus, um zu überzeugen, wie viele zu berücksichtigende Nebenfragen dazu
beitrugen, die Beantwortung immer verwickelter zu gestalten and die Haupt-
frage ihrer Lösung zu entrücken. — Durch Aufwand der vielseitigsten £i^
fahrungen, Studium der ältesten, unzugänglichsten und üast von neaem
zu entdeckenden Quellen, kritische Sichtung des in Folge dessen an-
gesammelten gewaltigen Materials gelang es Hrn. Fischer, nicht nor auf
bequemere und einfachere Mittel zur Unterscheidung der beiden in Frage
kommenden Substanzen von anderen ihnen auf deu ersten Blick äusserst
ähnlich sich verhaltenden Mineralien, sowie von einander hinzuweisen, sondern
auch Klarheit über die Verbreitung von Nephrit- und Jadeit- Objecten zu
verschaffen. Er gelangte zum Aufbau der bereits von Anderen mehr£Mh
geäusserten Hypothese, dass die Fundstätten der beiden Mineralien in Europa
und Ajnerika blos deswegen unbekannt geblieben seien, weil sie hier ebenso
wenig wie dort vorhanden sind, dass alles Material vielmehr, sei es in
rohem oder verarbeitetem Zustande, aus Asien, entweder durch Handels-
verkehr oder während frühzeitiger Völkerwanderungen, herübergebracht worden
sei. Er suchte seine Ansicht unter Anderem auch dadurch zu begründen,
dass er in der Kunst der Verarbeitung, in der Ausführung der Arbeit selbst
sowohl, wie in den dargestellten Motiven, Annäherungen bei Gegenständen,
die einander sehr entlegenen Gegenden entstammen, wie z. B. China and
Mexico, hervorhob. Auf Grund genauer statistischer Aufzeichnungen über
die europäischen Funde von Gegoustäuden aus den beiden Substanzen, ver-
suchte dann Hr. Fischer in Gemeinschaft mit Hrn. Damour (Revue ar-
ch^ologique. vol. 36. p. 12. 1878. Paris) die Verbreitungsgebiete derselben
in allgemeinen Zügen abzugrenzen. Er zeigte, dass wahrend der Jadelt vor-
zugsweise im nordwestlichen Theil Europas sich findet, die Nephritwerkzeage
fast ausschliesslich auf die Schweiz beschränkt sind, dass sie nur vereinzelt
im östlichen Theilc Europas angetroffen worden sind, während im Westen,
in Frankreich, blos zwei Nephritwerkzeuge sieh fanden, von denen es sogir
zweifelhaft geblieben ist, ob man sie nicht vielleicht einem modernen Im-
porte zuzuschreiben hat. — Schliesslich wurde auch darauf hingewiesen, dass
die Form der in Europa aufgefundeneu Nephrit- und Jadelt-Beile eine von
einander abweichende ist — für Nephrit sind verliältnissmässig dicke Beile
ebenso charakteristisch, wie es, nach Hru. Virchow's Bezeichnung, die
„Flachbeile^ für Jadeit sind. — Diese Uniformität ist, meiner Ansicht nach,
offenbar auf die näheren Beziehungen der Bewohner innerhalb jedes der
beiden gesonderten und durch das Auftreten des specifischen Materials
charakterisirten Rayons unter sich und eher auf die specielle VerwendoDg
der Objecte, als auf die Natur des Materials zurück zu führen.
Gegen die von Hrn. Fischer vertretene Ansicht des Transportes
exotischen Materials erhob sich von verschiedenen Seiten und von ve^
schiecleuen Gesichtspunkten aus Widerspruch. Man griff sie unter Anderem
Neue Beobachtung[6u aui Nephrit und Jadeit 167
aas dem Grunde an, weil in Norddeutscbland mehrere Nephritblöcke ge-
fanden worden waren, deren bedeutende Dimensionen einen Transport durch
Menschen während ihrer Wanderung unwahrscheinlich machten; weil man
ferner annahm, dass, welchen Weg von Asien nach Europa der Verkehr auch
eingeschlagen haben mochte, er sich, einer berechtigten Erwartung gemäss,
darch eine Continuität in der Verbreitung von verarbeiteten Objecten oder
von rohen Stücken desselben Materials ausweisen lassen müsste.
Auf den ersten Einwand und die sich daran knüpfenden anderweitigen
Hypothesen komme ich gleich zurück. Dem zweiten aber braucht man keine
besondere Bedeutung beizumessen. Auf blossem Raisonnement basireud,
lässt er sich, ebenfalls durch Raisonnement, wenn nicht widerlegen, so doch
bedeutend abschwächen: die Annahme einer Wanderung schliesst nämlich
nicht zugleich eine solche von dauernden Ansiedelungen auf dem durch-
schrittenen Wege in sich ein, ebenso wenig wie es unbedingt nothwendig
ist, dass, &ll8 solche Niederlassungen auch bestanden haben, sie nachweisbare
oder bereits entdeckte Spuren ihrer Existenz zurückgelassen haben müssen.
Noch viel weniger braucht der Weg des Durchzuges durch verstreute Gegen-
stände gekennzeichnet zu sein.
Im Gegensatz zu Hrn. Fischer's Ansicht, vertritt Hr. Meyer den
Standpankt, dass uns in den verarbeiteten Gegenständen weder in Europa,
noch in Amerika oder sonst wo exotisches Material vorliege; er ist vielmehr
der Meinung, dass hinsichtlich des Nephrits und des Jadeits dieselbe Regel
wie auch für alles andere Material volle Gültigkeit besitzt, dass nämlich
immer das bei der Hand gewesene auch zur Verarbeitung verwerthet worden
sei, naturlich unter sorgfaltiger Auswahl des Geeignetsten. Hr. Meyer kann,
aelbstverständlich ebenso wenig wie seine Vorläufer in der von ihm ver-
fochtenen Ansicht (z. B. Damour, Berwerth u. A.), auf bestimmte Locali-
tftten als auf sichere Fundpunkte der beiden in Rede stehenden Mineralien
hinweisen, meint aber auf Grund des differenten Verbreitungsrayons der aus
jeder der beiden Substanzen gearbeiteten Gegenstände in Europa, dass
Nephrit in den östlichen Alpen sich finden durfte, während er im Westen
desselben Gebirges Fundstätten für den Jadeit prognosticirt, hauptsächlich
sich auf die Ergebnisse einer Analyse des Hrn. Damour stutzend, die ein
dem Jadelt sehr nahe kommendes, angeblich vom Monte Viso in Piemont
herstammendes Gestein betrifil. Für die in Norddeutschland gefundenen
Nephritblöcke beansprucht Hr. Meyer, wie es vor ihm schon Des or gethan
hatte, einen skandinavischen Ursprung. Für die amerikanischen (in Mexico,
Central- und Süd-Amerika gefundenen) Jadelt-Objecte — denn blos solche
sind ans Amerika mit Sicherheit bekannt, während Nephrit dort gänzlich zu
fehlen scheint, bis auf am Mackenzie-Fluss in Canada gefundene Nephritstäbe,
die aber möglicher Weise sibirischen Ursprungs und dann wahrscheinlich
neueren Importes sein dürften — will er auch eine einheimische Provenienz
annehmen. — Vom ethnologischen Standpunkte aus erklärt er sich gegen
168 A. Arzruoi:
die Annahme von Handelsbeziehungen oder Wanderungen von Continent za
Continent in prähistorischen Zeiten und will die Auffindung anstehenden
Nephrits und Jadeits in Europa wie in Amerika der Zeit und genaaeren
geologischen Nachforschungen in den Erfolg versprechenden Gebieten über-
lassen, zumal er der Meinung ist, dass die Nephritfrage aufgehört habe, eine
ethnologische zu sein und lediglich als eine geologische zu betrachten aei^).
Im Wesentlichen Hrn. Mcyer's Ansicht theilend, will ich hier zu-
nächst diejenigen Punkte hervorheben, in denen ich seinen Erklärungen nicht
beistimmen kann.
Dem Ausspruch, die Ethnologie habe sich mit der Nephritfrage nicht
mehr zu beschäftigen, kann ich insofern nicht beitreten, als immerhin be-
stimmte Beziehungen, bestinimte Wanderungen auch prähistorisch angenommen
werden müssen, du solche allein die Verbreitung der Objecte aus einem and
demselben Material auf einem und demselben Continent zu erklaren ver-
mögen. Es ist klar, dass man nicht überall, in jeder beliebigen geologischen
Formation nach Nephrit oder Jadeit zu suchen habe, sondern blos in Ge-
bieten, in welchen krystallinische Schiefer zur Entwickelung gelangt sind,
indem alle Aussagen über die Nephritvorkommen, sowohl in Turkistan, wie
in Sibirien und in Neuseeland darin mit einander im Einklänge stehen, dass
der Nephrit, der ein dieht(T Strahlstein ist, in Nestern an die ältesten kry-
stallinischen Schiefer gebunden ist. Dasselbe dürfte auch vom Jadelt gelten,
dessen Lagerstätten zwar geologisch noch nicht erforscht sind, der aber, ak
dichte Pyroxenvarietät, wohl unter ähnlichen Bedingungen sich findet, wie
der ihm verwandte Khodonit, der einzige dichte Pyroxen, der in grösseren
Anhäufungen in der Natur bekannt ist, also ebenfalls in krystallinischen
Schiefern. — Mag man für beide Mineralien in Europa die Alpen, Skandi-
navien, Schlesien, Sachsen oder ein sonstiges Schiefergebiet als Heimath an-
sehen, — von Amerika und dessen Jadeütlagerstätten abstrahiren wir, da das
Land in geologischer Hinsicht zu ungenügend bekannt ist, als dass wir irgend
welche bestimmte Theile desselben als wahrscheinlich Jadelt -fuhrende Ge-
biete betrachten könnten^), — so musste von diesen Punkten aus das
Material, ob roh oder verarbeitet, exportirt worden sein, um bis nach den
nordwestlichsten Grenzen Europas oder nach dem Süden und Südosten dieses
Continents zu gelangen, kurz, überall dahin, wo es jetzt in Gestalt verar-
beiteter Objecte angetroffen wird. Die Wanderungen oder Handelsbeziehungen
müssen dann doch angenommen werden, wenn auch in beschränkterem
Maasse, als es Hr. Fischer will, weshalb es mir keineswegs correct er-
scheint, die Nephritfrage in ihrem ganzen Umfange der Geologie allein za
1) Herr Meyer hat diesen seiuen Standpunkt uusfübrlich in einem in Dresden gehaltenen
und als besondere Schrift erschienenen Vortrage — ,Die Nephritfrage kein ethnologisches
Problem", Berlin, K. Fried Und er & Sohn, 1883 — darj^clegt.
2) Ich mochte daher Herrn Meyer in der Bevorzugung der Qehiele am Amazonenstrom
und von Mexico nicht foI((on.
Neue BeobacbtuDd^n am Nephrit und Jadeit. Ig9
überweisen. Die Geologie weist nach den Gebieten hin, die Nephrit oder
Jad^t beherbergen könnten, die Geologen werden vielleicht auch über kurz
oder lang auf die Spur des längst gesuchten Materials kommen, den Ethno-
logen allein fallt aber nachher die Aufgabe zu, darüber Klarheit zu ver-
breiten, wie die Objecte aus dem Ursprungsorte der Substanz nach einem
entlegenen Punkte, wenn auch desselben Continents, gelangt sind; welche
Vorstellungen, welcher Glaube an diese Mineralien sich knüpfte; welche Be-
deutung von Seiten der prähistorischen Menschen bestimmten Gegenständen
beigelegt wurde; welche Nutzanwendung sie fanden u. s. f. Die Unsumme
von ethnologischen Fragen, die sich an den Gegenstand knüpfen, hier auf-
zuzahlen, kann nicht meine Aufgabe sein: den Ethnologen sind sie ihrer
ganzen Bedeutung, ihrem Umfange, ihrer Tragweite nach besser bekannt
and ihnen kommt es zu, sich derselben als Mittel zu bemächtigen zur Be-
reicherung unserer Kenntniss der Urgeschichte, zur Erschaffung eines mög-
lichst vollkommenen Bildes vom prähistorischen Menschen.
Wenn Hr. Meyer die eminent-ethnologische Bedeutung der Nephrit-
Frage leugnet, so hat er wohl die vorhistorischen Beziehungen von Continent
zu Continent im Auge, welche allerdings Hrn. Fischer's leitender Gedanke
sind. Dieses „Eminente^ mag der Nephritfrage nunmehr abgehen, eine
grosse ethnologische Bedeutung, ein grosses berechtigtes Interesse bleibt dem
Nephrit darum nicht minder gesichert, denn nicht unwesentlich ist die Rolle,
welche er im psychischen Leben der Völker besessen hat und auch noch besitzt.
Wenn ich so eben gesagt habe, dass eventuelle neue Funde von an-
stehendem Nephrit und Jadeit in den Kegionen der Entwicklung der kry-
stallinischen Schiefer zu erwarten seien und einige solcher Gebiete in Europa
namhaft machte, so will ich, um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen,
gleich bemerken, dass, meiner Ansicht nach, in den Alpen, Skandinavien etc.
die in Rede stehenden Mineralien gefunden werden können, nicht dass sie
gefanden werden müssen. Freilich, hinsichtlich der Alpen lässt sich das
Müssen kaum umgehen, denn die europäischen verarbeiteten Nephrite sind
sämmtlich und zum Theil in grosser Anzahl in der Nähe der Alpen gruppirt
(Schweiz, SQd-Baden, Bayern). Eine exotische Herkunft derselben ist
ziemlich ausgeschlossen, nicht blos weil der Transport aus weitentlegenen
Gegenden aus manchen Gründen unwahrscheinlich ist, sondern, wie ich es
weiter ausführen werde, weil die schweizer Nephrite einen bestimmten,
eigenartigen, keinem andren Nephrit zukommenden Charakter an sich tragen.
— Anders gestaltet sich die Frage bezüglich Skandinaviens, wo nicht nur
kein anstehender, sondern überhaupt kein Nephrit, weder als Gerolle, noch
in verarbeiteter Form bisher gefunden worden ist. Trotzdem ist speciell
aof Skandinavien das Augenmerk mehrfach schon gelenkt worden und zwar
jedesmal, um die problematische Provenienz der zwei norddeutschen Nephrit-
blöcke, welche bei Potsdam und bei Schwemsal gefunden wurden, zu er-
klären. Ueber einen dritten Block, der auch in der Literatur erwähnt
170 A. ArzruDi:
worden ist, den leipziger, herrscht nicht nar ein zweifelhaftes Dunkel, son-
dern sicher auch eine nicht zu lösende Verwirrung, weshalb es angebracht
sein dürfte, denselben, vorläufig wenigstens, von jeglicher Betrachtang aas-
zuschliessen. —
Wie bereits erwähnt, hatte sich früher Desor, wie jetzt Hr. Meyer,
in Anbetracht der Grösse des Schwemsaler Stucks (die sich aber leider
nicht controliren lässt, sondern auf einem „on dit^ beruht) dasselbe f&r ein
nordisches Geschiebe zu erklären bewogen gefühlt, wonach auch für das
Potsdamer Stück denselben Ursprung anzunehmen nahe lag. Dieser Ansicht
ist neuerdings auch Hr. H. Credner (Corr. Bl. Nr. 4, 1883) beigetreten.
In einem, in dem Leipziger Anthropologischen Verein gehaltenen Vortrage
hat er die geologischen Gründe darzulegen gesucht, weshalb, seiner Meinung
nach, die norddeutschen Nephrite aus Skandinavien nicht etwa stammen
könnten, sondern daher stammen müssen. Das Vorkommen des krystalli-
nischen Schiefergebirges in Schweden; das anderweitig erwiesene Auftreten des
Nephrites in Nestern, Knollen oder Bänken in solchen Schiefem; die un-
vollständige Eenntniss der Geologie Schwedens, die das bisherige Nicht-
auffinden des Nephrits daselbst erklärt; das Vorkommen unzweifelhaft schwe-
discher Gesteine als Geschiebe im norddeutschen Diluvium, — das sind die
ganz richtigen Voraussetzungen, von denen Hr. Credner ausgeht, um die
von ihm adoptirte These zu vertheidigen. — Er giebt freilich zu, dass in
Skandinavien kein Nephrit gefunden worden sei, meint aber, dass man sich
dadurch nicht beirren lassen dürfte: es sei dies kein Hinderungsgrund f&r
die Annahme einer nordischen Herkunft der norddeutschen Nephrite. Be-
kanntlich lassen sich die meisten Geschiebe Norddeutschlands mit unzweifel-
hafter Sicherheit mit dem Anstehenden in Schweden identificiren, weshalb
auch ihr Transport von dort als erwiesen angesehen wird. Umkehren lässt
sich aber, meiner Meinung nach, der Satz nicht, indem wir Alles, was sich
hier findet und hier nicht als einheimisch gelten kann, auf einen nordischen
Ursprung zurückführen. Es mag in dieser Beweisführung viel Prophetisches
oder Divinatorisches liegen, für mich ist sie trotzdem eine Umschreibung
des schlichten Ausdrucks: „darüber wissen wir Nichts!" — Wenn Herr
Credner die norddeutschen Nephritblöcke als auf einer Transportlinie durch
Schonen — Bornholm — Odermündung — Berlin — Leipzig sich befindend
ansieht, so erblicke ich darin nichts weiter als eine Construction. Diese
Linie ist allerdings dadurch charakterisirt, dass sie, von Nord nach Sftd
verlaufend, Schweden mit Deutschland verbindend, zugleich die beiden
Fundpunkte der norddeutschen Nephrite, Potsdam und Schwemsal berührt;
sie könnte aber bequemer durch Verbindung dieser Punkte und Verlängerung
nach Norden hergestellt werden und würde auch dann, ebensogut wie jede
andre nach Schweden mündende Gerade, als Geschiebetransport -Richtung
gelten, indem bekanntlich die auf skandinavischen Ursprung zurückführbaren
Geschiebe der norddeutschen Ebene nach fächerförmig divergirenden Linien
Nene Beobachtungen am Nephrit und Jadeit. 171
über dieselbe ausgebreitet sind. Bemerken will ich übrigens noch, dass gegen
die Geschiebenatar des Nephrits von Potsdam die Abwesenheit jeglicher
Eisspuren, Eritzen, Schrammen auf dessen Rinde spricht. Die ursprüngliche
Oberfläche des Schwemsaler Stückes durfte wohl nicht erhalten geblieben sein.
Obwohl ich nach all dem Gesagten mich zu der keinesfalls erwiesenen
Auffiissung über den nordischen Ursprung des norddeutschen Nephrits nicht
bekennen kann, will ich dennoch nicht in Abrede stellen, dass dies im Be-
reich der Möglichkeit liegt, und beeile mich, eine für Hm. Credner will-
kommene Mittheilung hinzuzufügen, dass nämlich im Berliner ethnographi-
schen Museum (Nordische Abtheilung, Katalog II. 76) ein flaches, dreieckiges,
dunkelgrünes NepbritgeröUe, welches angeblich bei Suckow (bei Prenzlau)
in der Uckermark gefunden worden ist, aufbewahrt wird^). — Suckow liegt
allerdings auch auf der Linie Potsdam-Schwemsal-Leipzig. — Wunderbar
bleibt es aber immerhin, dass auf der ganzen übrigen norddeutschen Ebene auch
nicht die Spur von Nephrit vorgefunden worden ist. Sollte es eine einzige
Linse gewesen sein, die alle die erwähnten Stücke geliefert hat, die auf
einer Linie sich ablagerten, oder sollten vielleicht andere Linsen in Folge
ihres grösseren absoluten Gewichtes nicht so weit transportirt, sondern in
demjenigen Theil ihres Weges geblieben sein, der später zur Einsenkung
der Ostsee sich gestaltete?!
Die beiden Stücke von Potsdam und Schwemsal sind übrigens ihren
sämmtlichen Charakteren nach so verschieden, dass sie kaum demselben
Punkte entstammen dürften, da die Nephrite einer und derselben Localität,
wie weiter gezeigt werden soll, durch auffallende Constanz ihrer Merkmale
sich auszeichnen.
Für die Annahme einer nordischen Provenienz würde, wie mir scheint,
viel mehr sprechen, wenn die Roh-Ncphrite der norddeutschen Ebene nicht
auf einer Geraden sich befönden.
Wollte man sich in Hypothesen weiter bewegen, so könnte man ja
sagen: wenn wir auch niemals zur Entdeckung von anstehendem Nephrit in
Europa kommen sollten, so brauchen wir immer noch nicht der Annahme
za huldigen, er sei exotischen Ursprungs; — es können ja in Europa die
Nester dieses Minerals viel weniger zahlreich und viel weniger mächtig ge-
wesen sein, als z. B. die turkistanischen oder neuseeländischen, uud können
im Laufe der Zeiten sämmtlich aus den krystallinischen Schieiern, die sie
beherbergten, erodirt worden sein; sie sind darauf als GeröUe liegen ge-
blieben, da sie vermöge ihrer Härte der Zerreibung viel weniger ausgesetzt
waren, als die sie umschliessenden Schiefer, und leisteten auch in Folge
1) Herrn W. v. Schalen barg bin ich zu aufrichtigem Danke verpflichtet, mich anf
diflses Stück aufmerksam gemacht zu haben. Dieses Gerolle ist noch nicht näher untersucht
worden, jedoch hat Hr. Bastian die Freundlichkeit gehabt, das spec. Gewicht desselben be-
stimmen zo lassen. Dasselbe betragt 3,01, also auf Nephrit gut passend. Das absolute Ge-
wicht des Stückes ist 113,36 g.
172 A. Arzruni:
ihrer Compiictheit der Zersetzung einen grösseren Widerstand. Dieser Ge-
rolle haben sich nachher die Menschen bemächtigt und sie sämmilich za
Steinbeilen verarbeitet, so dass sämmtlicher europäischer Nephrit jetzt blos
in Beilform existirt, soweit er nicht in der Tiefe der Ostsee liegt! ....
Ich sehe nicht ein, weshalb eine solche „Hypothese^ (!) für absurder gelten
sollte, als manche andre, der man doch mit allem Ernste nachhängt and
durch deren Aufstellung man unsere Kenntnisse wesentlich gefördert zu haben
glaubt. Es werden sich immer Menschen finden, die sich auch zu so einem
Nonsens bekennen werden, wenn er nur mit genügender wissenschaftlicher
Umhüllung vorgebracht wird, vielleicht auch mit aufrichtiger Ueberzeugang
von Seiten des Begründers einer so bahnbrechenden und neues Licht ver-
breitenden Hypothese! — Ist doch noch neuerdings allen Ernstes z. B. be-
hauptet worden, dass die Reste der nächsten Ucbergangsformen von den
anthropomorphen Affen zum Menschen in den vom Meere bedeckten Ge-
bieten begraben liegen dürften!
Uebrigens haben vorläufig, wie Hr. Meyer richtig bemerkt, die nord-
deutschen Nephrite keine ethnologische Bedeutung, da die hier in Betracht
kommenden verarbeiteten Gegenstände Deutschlands, bis auf das eine ba-
dische ßeilchen und die zwei am Starnbergcr See gefundenen, ausschliesiich
aus Jadeit gefertigte sind. Ich berührte hier aber diesen Theil der Frage,
weil die sich an denselben knüpfenden, wenn auch lediglich geologischen
Charakter besitzenden Hy))othesen dennoch das uns beschäftigende Mineral
und dessen Provenienz betreffen.
Unter den Beweisen, welche Hr. Meyer gegen den Import asiatischen
Materials oder verarbeiteter Gegenstände nach Amerika vorbringt, vermisse
ich einen sehr nahe liegenden. Alle dortigen Gegenstände, wie er selbst
betont, sind lediglich aus Jadeit gearbeitete, denn es ist bisher kein ver-
bürgter Nephrit von daher nachgewiesen worden. Kämen die Gegenstände
aus Asien, so würden sich sicher darunter auch solche aus Nephrit finden,
zumal, wie es scheint, man in China selbst nicht immer genau zwischen
beiden Mineralien unterscheidet. Es müsste dann angenommen werden,
dass zur Zeit, als die Wanderung und der Transport stattfanden, kein
Nephrit in Asien gewonnen wurde, sondern lediglich JadeYt. Eine solche
Annahme, dass die Gewinnung und Verarbeitung des JadeYts älteren Datams
sei, als die des Nephrits, dürfte aber wohl jeglicher Begründung entbehren
und dafür schwerlich ein logischer Beweis zu erbringen sein. Man müsste,
um das gänzliche Fehlen von Nephrit in Mexico undCentralamerika zu erklären,
zu einer der so vielen, auf den bestimmten Fall zugeschnittenen Hypothesen
greifen, wodurch die Sache nicht einfacher, nicht annehmbarer sich gestalten
würde. — Wie neuerdings Hr. Meyer, auf eine briefliche Mittheilung des
Hrn. Baird in Washington sich stützend, berichtete („Ausland" Nr. 23,
S. 456, 1883), wäre es übrigens nunmehr gelungen, in Amerika, und zwar
in Alaska (nicht Louisiana, wie Hr. Baird in Folge eines Versehens schrieb.
Nene Beol>achtangen am Nephrit and Jadeit. 173
Vgl. ebenda Nr. 27, S. 540 und Nr. 29, S. 580), eine Fundstätte von Jadelt-
objecten und rohem Material, welches zu ihrer Anfertigung gedient hat, zu
entdecken. Wenn hierin vielleicht auch nicht der Fundort desjenigen an-
stehenden Jadeits zu erblicken ist, welcher den Mexicaneru und Central-
amerikanern das Material zu ihren Jadeltobjecten geliefert hat, so ist derselbe
dennoch von grosser Wichtigkeit: er widerlegt die Behauptung, dass Ame-
rika keinen eignen Fundort dieses Minerals besitze und es daher aus einem
anderen Continent erhalten haben müsse. — Leider liegt uns über die geo-
logischen Verhältnisse dieser Fundstatte, über Aussehen und Beschaffenheit
des Materials zur Stunde noch nichts Näheres vor. —
Vollkommen plausibel erscheint es mir, wenn Hr. Meyer die Annahme
einer eventuellen nachträglichen Ummodelung bereits verarbeitet importirter
Gegenstände als entschieden unwahrscheinlich verwirft. Wenn er sich aber
dabei hauptsächlich auf den Geröllcharakter mancher Stücke stützt, so wäre
vielleicht daran zu erinnern, dass dieser einem Stücke auch nach dessen
Verfertigung verliehen werden kann. Oflfenbar wurden auch in den ältesten
Zeiten die Ansiedelungen naturgemäss vorwiegend in der Nähe von Wasser-
läufen oder an Seeufem angelegt. In Folge dessen konnten also bereits
fertige oder gar in Gebrauch gewesene Gegenstände unschwer (etwa bei
Ueberschwemmungen oder auch sonst durch irgend einen leicht denkbaren
Zufall) ins Wasser gerathen, von demselben fortgerissen, dabei abgerundet,
abgeschliffen werden und somit einen theilweisen Geröllcbarakter erlangen.
Doch alle diese Beweisführungen beruhen auf ebensovielen Vermuthungen,
Voraussetzungen, Deutungen, die für sich zwar eine grössere oder geringere
Wahrscheinlichkeit beanspruchen dürfen, dennoch zu einer positiven Ent-
scheidung nicht zu führen vermögen, wofür die so divergirenden, ja oft dia-
metral entgegengesetzten Auffassungen bestimmter Facta einen ausreichenden
Belag liefern. — Ich für meinen Theil bin der Ansicht, dass wenn auch
der Import, als Ausnahmefall, nicht ausgeschlossen ist, die Regel doch
lautet: das Material zu den in Europa und Amerika sich findenden
Gegenständen ist, ohne Rücksicht auf die mineralische Natur
desselben, ein einheimisches.
Mit Recht hat Hr. Meyer zum Motto seines Aufsatzes, des bereits
citirten Vortrages, die Worte: „Was der Ethnologie vor Allem Noth thut,
ist — Methode" gewählt. Hier, in der vorliegenden Frage, kann nur mit
naturwissenschaftlicher Methode vorgegangen werden und von dieser allein ist
eine Entscheidung — wenn eine solche überhaupt möglich ist — zu erwarten.
Bios chemische und mineralogische Untersuchungen sind hier am Platze und
am besten ist es, wenn beide Hand in Hand geführt werden, sich gegen-
seitig controliren. — Die chemische Analyse vermag Differenzen in der Zu-
sammensetzung nachzuweisen, die, wenn auch noch so gering, von hohem
Werth sein können, faUs sie constant wiederkehren, gesetzmässige sind.
Hrn. Meyer' s Werk beweist uns, dass auch dessen Verfasser dieser An-
Zeittchrift ffir Ethnologie. Jahrg. 1S88. 12
174 ^' Arzrani:
siebt huldigt, indem er sich die werthvoUe Mitarbeiterschaft des Herrn
A. Frenzel sicherte, durch welche die Kenntniss der chemischen Natur
der beiden Mineralien in hohem Grade gefördert worden ist. Hrn. FrenzeTs
zahlreiche und sorgfaltige Analysen werden sicher noch zu manchem nicht
gezogenen Schlüsse berechtigen.
Die mikroskopische Untersuchung (denn es handelt sich ja hier um
dichte Mineral Varietäten, bei denen andere Untersuchungsmethoden nur in
ganz exceptionellen Fallen mit Erfolg anzuwenden sind) ihrerseits ist im
Stande, auf Structurunterschiede, auf charakteristische Einschlüsse hinzu-
weisen, die für eine bestimmte Localität, für eine bestimmte Art des Vor-
kommens unter bestimmten geologischen Verhältnissen sprechen, wenn diese
selbst, falls nicht genauer bekannt, sich vielleicht auch nicht in ihrer Voll-
ständigkeit dadurch reconstruiren lassen. — Ein Beispiel mag das Gesagte
verdeutlichen: die sibirischen, Nephritgerölle führenden Flüsse durchiiiessen
ein Gebiet von krystalliuischen Schiefern, unter welchen die Graphitschiefer
eine nicht unbedeutende Mächtigkeit besitzen und welche durch den Alibert*-
schen Graphit eine Weltberühmthoit erlangt haben. Hrn. Fischer gelang
es nun, zu beobachten, dass die Sibirischen Nephrite häufig mikroskopische
Flitter von Graphit eingeschlossen enthalten, was uicht nur als Merkmal für
den Nephrit dieser Provenienz dienen könnte, wenn sich diese Erscheinung
als constanter Charakter erwiesen hätte, sondern auch zum Schlüsse be-
rechtigt, dass die ausgewaschenen Nephrit-GeröUc und Blöcke ehemals auf
primärer Lagerstätte in der Nähe des Graphits Nester in den krystallini sehen
Schiefern bildeten. — Dadurch ist einigermassen auch das geologische Bild
der Gegend mit grosser Wahrscheinlichkek in seinen allgemeinen Zügen
recoustruirt, obwohl jegliche genaue Kenntniss der dortigen geologischen
Verhältnisse darum nicht minder fehlt.
Andere physikalische Merkmale sind, wie es scheint, nicht entscheidend,
so z. B. das spec. Gewicht, das zwar erfahrungsgemäss bei einer und der-
selben Substanz mit deren Zusammensetzung etwas variabel ist, jedoch nicht
in dem Maasse, dass etwaige geringe chemische Dififerenzen sich auch
durch regelmässige Abweichungen in demselben kundgäben. — Das spec
Gewicht, welches von Hrn. Fischer anfänglich zur Unterscheidung von
Nephrit und Jadeit von einander mit Erfolg angewendet wurde, läset uns
selbst darin in manchen Fällen im Stich, wie neuerdings Versuche der
Herren Damour und Frenzel gezeigt haben, geschweige denn, dass es
sich eignen sollte, als Kennzeichen für verschiedene Varietäten des Nephrits
oder Jadeits oder irgend eines anderen Minerals benutzt zu werden. — Dass
übrigens . auch die chemische Analyse allein oder neben der Bestimmung
des spec. Gewichts nicht immer ausreicht, oft nicht einmal zur sicheren
Bestimmung des Minerals, ist dadurch erwiesen, dass ein IVüneral-Ge menge,
also ein Gestein zufallig eine Elementar-Zusamracnsetzung aufweisen kann,
Neue BeobachtuDgen am Nephrit und Jadeit. 175
die za einer einfachen chemiechen Formel eines Minerals führt und auch
ein mit diesem ähnliches spec. Gewicht besitzt. Auch nach dieser Richtung
hin hat sich Hr. Fischer hohe Verdienste erworben, indem er für zahl-
reiche sogenannte Mineralien den Nachweis führte, dass sie Gemenge ver-
schiedener Substanzen seien; er gelangte zu diesen wichtigen Resultaten
durch die mikroskopische Untersuchung (Kritische mikroskopisch -minera-
logische Studien Freiburg i. B. 1869. 1. Forts. 1871, 2. Forts. 1873). Herr
Dam cur zeigte seinerseits, dass die von ihm analysirten verarbeiteten Ja-
deite Frankreichs oft aus nicht einheitlicher Substanz bestehen, sondern ein
Gemenge, also nicht ein Mineral, sondern ein Gestein sind.
In unserem Falle würde die Frage etwa so zu stellen sein: ist
es möglich, durch die chemische Analyse, combinirt mit der
mikroskopischen Untersuchung, zu entscheiden, ob zwei Ne-
phrite oder Jadeite derselben oder verschiedenen Localitäten
entstammen?
Auf diese Fragestellung macht uns die Geologie gleich verschiedene
berechtigte Einwände, die, wenn sie durchweg gültig wären, uns auch diese
Methode aufzugeben veranlassen könnten. Es werden uns näiqlich zwei
Erfahrungssätze in Erinnerung gebracht: erstens^ dass unter gleichen Be-
dingungen Gleiches resultirt, aber auch unter verschiedenen Bedingungen
das Nämliche entstehen kann, und zweitens, dass diese Bedingungen inner-
halb einer und derselben Localität geringe Schwankungen erfahren können,
in Folge deren das Endproduct nichts Einheitliches, vielmehr unzählige
Uebergänge darbietet.
Betrachten wir beide Einwände näher. Der erste würde also, auf un-
seren Fall übertragen, Folgendes besagen: Der Nephrit und der Jadeit
bilden beide Einlagerungen in krystallinischen Schiefem, diese aber verhalten
sich überall, wo sie auftreten, auffallend ähnlich, folglich dürften auch für
die uns hier beschäftigenden Einlagerungen derselben keine typischen, von
der Oertlichkeit abhängenden Differenzen zu erwarten sein. Darauf lässt
sich aber bemerken, dass die krystallinischen Schiefer selbst aus einer Reihe
von Gliedern bestehen, von denen die entsprechenden an verschiedenen
Punkten der Erde allerdings grosse Analogien, fast Identität zeigen, dass
dagegen die einzelnen Glieder von einander wohl unterschieden sind und es
also wohl auch deren Einlagerungen (d. h. Nephrit und Jadelt) sein dürften,
falls sie in verschiedenen Niveaux, oder auch sonst, wenn auch unter un-
merklich verschiedenen Bedingungen, auftreten. Ausserdem ist zu erwähnen,
dass allerdings gewisse Mineralien eine auffallende Constanz in ihrem Habitus
aufweisen trotz der verschiedensten Verhältnisse, unter denen sie entstanden
sein mögen, dass andere im Gegentheil unter speciellen Verhältnissen auch
ein ganz bestimmtes Gesicht annehmen. — Auf den zweiten Einwand lässt
sich mit denselben Tbatsachen antworten, und somit reducirt sich unsere
12»
174 A- Arm.1^
5rv* hii z* i'.jig^aiO*:-. ^iitz den N«-:lini und d^m J&^^:; i>>nsunte Cba-
jvcv^rt i^'-fr ii*^ Ter*'_\Lj*d*TiM'aL Er.i*:iet;;r4ff*l-<'i:ii2Tm2*a '•i?«^ cdcr rind
c.'* '«i'kr-iiij:»!. lu-er CiAkTLinar*- tiifc^iiiiig:^ roa ihrer 2e>c-l':-ziMrb«i Uncebang
laiC Sfe-«**- *•: :»*-D*'ir-»'i; i. oiiff s* r»:cr.t e;i.xL2Ü iriLrrriftl'r» eiuf-r oad (l«r«elbeB
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-•-if*i.>»a --»mitar :■•. ▼'.»i- i:«^r r:n Ma^Ätbifilic*!. wairend ieoer eu
J^Br-ta-Tii:*iirr:i*-r^!jL-i»- -Vu — W^^^ hl? a'.*o li-ih etwaige andere Merk-
aai*r T-f*. z^ 1 :L' *»*^-r. v tt--=- V.:rk■::LII.:ii^^r cLa:ak:rr**'"r:^che fremde Ein-
-»-.-iijij-^ tu Is'-i.tijjin^^jit^rd^iL l:efem waf *:ch :«e: vermehrMa Beob-
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■mjtr.ir u.rr /'bü-*!;* uri itr. *eli*?' bei 5r3 a-> ärr*^lbeii Localiti:
'^Tirz^-i'^-'i iili: ••-ü,»* i.i»'.i^Tw:r*-7i.en grrffrii S:":.waz.k.ingen in ikrei
.-ü>fs--*:.f-n 1-ii^unini*n;4»*f;.r:xz ::i.rere Bemih-Lg*-. -n: '..r PrcTmienz fest
zi^0^'.f<: -':i»*;r»*-n ***'• 't VTri-er zz.*rrz, gezeigt wrrder s:'-l- $>ci)einen abe
:.-> '.-.V- ::;.L-?*^ ::i : '» *r;.iT*-i:gi^rL ::. dri: Jairlie^ geeigne; za sein, all
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...r: . -- r -...'!.- -•: *-:ic 1^3 . r>:iLi.;* Str^:Ti^TiLerfcmaLie darbieteo
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■^'.' ■.■-■ ..-!^- -'-::" i.'Xr.ir: ■. i vr-r- .i;-.-.^»
Neae Beobachtungen am Nephrit und Jadeit. 177
seeländischen , sibirischen und turkestanischen , sowie die beiden letzteren
von den neuseeländischen unter dem Mikroskop zu unterscheiden. Viel
schwieriger gestaltet sich oft die Aufgabe, wenn es darauf ankommt, andere
Vorkommnisse in sicherer Weise zu charakterisiren und typische Unter-
scheidungsmerkmale für sie zu finden, wobei übrigens ein mehrmaliges Be-
trachten eines und desselben Schliffes häufig hilft und viel dazu beiträgt,
Eigenthümlichkeiten herauszuerkennen, die anfänglich verborgen oder un-
berficksichtigt blieben.
Es standen mir zur mikroskopischen Untersuchung folgende 18 ver-
schiedene Varietäten des Nephrits (22 Objecte) zu Gebote:
Aus dem Berliner mineralogischen Museum :
Potsdam^), Fluss Bjelaja, „Türkei" (Originale zu Hrn. Rammels-
berg's Analyse. Pogg. Ann. 62. 148. 1844), Gulbashen in Turkistan
(durch H. von Schlagintweit), Neuseeland (durch Hrn. G. von
Bnnsen).
Aus dem Breslauer mineralogischen Museum:
Eslohe, sw. von Meschede, Sauerland. Länge : Breite : Dicke = Scm:
7^ cm : 2 cm (durch Hrn. von Lasaulx)*).
1) Herrn A. B. Meyer ist es gelungen, die älteste, auf dieses Vorkommen sich beziehende
und Tom Pagenhofmeister Johann Christoph Fuchs herrührende Angabe ausfindig zu
machen. Herr Meyer hatte die Freandiichkeit, sie mir mitzutheilen. Dieselbe ist betitelt:
«Fortgesetzte Beyträge zur Geschichte merkwürdiger Versteinerungen. Potsdam 1781' und
ist in den Schriften d. Berl. Ges. d. Naturforsch. Freunde III, S. 151, 1782 abgedruckt worden.
Die betreffende Stelle lautet: „Unter den übrigen in diesem Jahre gefundenen Versteinerungen
scheinen mir folgende nicht unwürdig, bekannt gemacht zu werden: 1. Ein durch seine weiss-
liche, yerwitterte Oberfläche mit einer schönen grünen Farbe durchschimmernder, ziemlich
grosser Stein, dergleichen mir in unserer Gegend noch niemals vorgekommen war, gab bey
der Probe, die ich davon abschneiden liess, alle Merkmale des lapidis nephritici cornei zu er-
kennen. Der Herr Leibmedicus Brückmann in Braunschweig hat eine andere, ihm davon
gesandte Probe bewährt gefunden. Und einer von meinen berlinischen Freunden hat aus der
▼erwitterten Rinde sehr gute lapides mutabiles erhalten." Herr Meyer theilt mir ferner mit,
dass auch der erwähnte Leibmedicus Brück mann (Urban Friedrich Benedict) in der 2. Fort-
setzung seiner „Abbandl. von den Edelsteinen*", Braunschweig 1783, S. 217 von diesem Nieren-
stein spricht und dessen Entdecker, den Pagenhofmeister Fuchs in Potsdam nennt. Die An-
gaben Brückmann's hat auch Hr. Fischer (in Mitth. d. Anthrop. Ges., Wien 1879, VIII,
S. 12) citirt, es ist mir aber leider weder die Original notiz Brückmann 's noch.Hrn.Fischer*s
Aufsatz zugänglich gewesen.
2) Bezüglich dieses Nephrits, welcher schon von Hrn. Fischer erwähnt wird (vergl.
„Nephr. u. Jad.', S. 836 u. 387, wo von einem „fast schieferigen Bruch*, den ich nicht habe
beobachten können, die Rede ist), hatte Hr. v. Lasaul x die Freundlichkeit, mir noch mitzu-
theilen, dass er das Stück im Jahre 1861 in Siegen erwarb, dass aber auch ihm selbst un-
bekannt ist, wie es zur Bezeichnung Eslohe gekommen. Hr. v. La sau Ix hegt ferner die Ver-
muthung, dass es mit dem im Bonner mineralogischen Museum befindlichen als „aus China^
stammend bezeichneten Block, dessen dunkle, bläulich - grüne Farbe mit der des Esloher
Stückes übereinstimmt, von gleicher Provenienz sei. Da ich nun Hrn. v. Las au Ix Material
zur Herstellung eines Dünnschliffs verdanke, so werde ich in der Lage sein, den Vergleich
auch hinsichtlich der Mikrostructur beider Stücke anzustellen. — Ueber den Bonner Block
vgl. Fischer, 1. c. 336 und Zeitschr. f. Krystallogr. III, 593, 1879, wo auch eine Analyse
des Hrn. v. Ratb abgedruckt ist und wo es auch heisst, dass ein anderer Theil dieses selben
Blocks sich in der Privatsammlung des Hm. Sack in Halle, mit der Fundoitsangabe «Topayos-
fluss in Südamerika' befindet.
178 ^' ArzruDi:
Von Hm. H. Fischer in Freiburg, Baden:
Fhiss Eiioj.
Von Hm. A. B. Meyer in Dresden:
Stücke Ton .Lapis nephriticus*^ aus eiDCin von einer Urkunde aus
dem Jahre 1658 begleiteten Vorrathe einer Dresdener Apotheke^);
Cilli a. d. Sann (rgl. „Ausland^ Nr. 27, 1883), Fluss Onot = Berg
Botogol (durch Hm. Alibert. Dresd. ethn. Mus. Nr. 5049 und Hrai.
A. B. Meyers Werk, S. 40a): China, grünes Blatt (a. a. O. S. 45ä,
Nr. 5102): China^ mit hohem Thonerdegehalt (ebend. S. 44 b); Yunan,
Beil CIndian Museum Calcutta Nr. 985. ebend. S. 48a Nr. 8 und S.68b);
Platte Ton unbekanntem Fundort, Dresd. Mus. Nr. 5037 (ebend. 8.38 b);
Neacaledonien, Steinbeil, hell mit grünen Adern, Dresd. Mus. Nr. 5104
(ebend. S 54a): Neucaledonien, dunkelgrün.
Von Hrn. A. St übel in Dresden:
SchwemsaL , Türkei*'^.
Von Hm. Virchow in Berlin:
Macracb. drei Steinbeile (vgl. diese Zeitscli. 1882, Verh. S. 563).
Allen den genannten Herren, sowie den Herreu Websky und Roemer,
Direct^jren der Mineralogischen Museen zu Berlin und Breslau, möchte
1<L nioLt unterlassen, auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank
flr das Interesse auszusprechen, welches sie durch Ueberlassung des Ma-
t*nAl« meiner U::tersuchung gegenüber bewiesen haben ^).
Ke folgen le Z'isammenstellung kurzer Diagnosen der einzelnen soeben
*:Twi^ttn Vcrkommnisse mag als Versuch, dieselben von einander zu unter-
<<eü>ieB. angesehen werden. Es muss dabei freilich bemerkt werden, dass
«r« allerdings n::r schwer gelingt, scharfe und präcise Diagnosen aufzustellen,
zcaul 3a.* Acge oft deutliche und constant wiederkehrende Unterscheidungs-
■lerkzAle wahrnimmt, die in Worten sich trotzdem äusserst unvollkommen
wi*?d*rg**^i. lassen. Diese Diagnosen beziehen sich auf Unterschiede, die
1 r*r'*r V:r^:i* tc.r, Lapis cephrlticus in Apotheken vgl. Fischer. .Nephr. o. Jad.*,
^ Viihth Hfjtfr^'. Trirj iri'tT. weisser Farbe ,',mölkenfarbis* nach Hm. Fischer*s Bc-
zeiiccLLLj^ . vf-1'.Left Hr. Üxi'j':'. btrim MineralieDhäudler Dr. ßondi in Dresden erworben
ifcne, Ut el:: deiL im Hn» Kaxnmelsberg analysirten unzweifelhaft identiicfa, vie die
JffiKr-rtrbrtur durti »ty.Lt z',i l^riiec Stacke >ioh von anderen Nephriten unterstfheideit be-
w*rir., Il der '.:i:r:*rL krj^A d*:? Hrc. Rammelsberc findet sich keine Angabe ober dis
fcjMrr. GtwitLr. tlit £v.Lt:u i'«*-r. »tl.be er «ien im Berl. Min. Mus. befindlichen Splittern
ißtiiutr^t, jrie''* ^S:»*-«.. Oe». ■- t*/;1^i Br.' a:., wo -Hr.- wahrscheinlich Breithaapt bedeutet,
\0L oen. du Ktter^fe. ifrrrCir.e. Hr. Fischer, der die Analyse des Hm. Ramme labe r^
8»u5 «TL ;«ro^l*:n.fc::b':iiei; Ltit'iirtr N*-;.irit bezieht, beansprucht für denselben spe<. Gew. =
i,^J5. wtiirfrLd c^t '.'.'.•^i Zti üci :tm einem anJeren. grün-graoen bis berggrinen, an-
pe^ikL T*j Fi: lö w.L»er rt»*;-tL*rL h >:k zuk-mmt, der von einem poiciscben Offixier mos
fler Türk*-. iLit-tbrfc'.l: wir jti fr*.:, h'.-.]. — Ve;. 'iaröJer Fischer, a. i. 0. 204 und 217. Wie
biZiL liUL Sifrbt £•-£•* -»«i u*-' i.iJi->.T 11 Kir.klang zu brin^ien?
V Aii^b^r ytL bitr «.'.l^cz^L.itL N^pbritvarietäten liegen mir noch andere nir Unter-
»u'-iiLLr ^'jt. Lver die j'.L '«t! «rcr xzititii Gelegenheit /u berichten beabsicbtife.
Neue BeobachtungeD am Nephrit and Jadeit. 179
lediglich durch den Vergleich der Structur der einzelnen Vorkommnisse
miteinander hervortreten; sie beanspruchen daher keinesfalls als absoluter
Ausdruck der Kennzeichen zu gelten. So ist z. B., die durchgängige Fein-
fiftserigkeit aller Nephrite vorausgesetzt, der Ausdruck „grobfaserig^ selbst-
verständlich blos relativ zu nehmen. —
Nochmals betone ich besonders die scharfen Differenzen, welche die
schweizer, neuseeländischen und sibirischen Nephrite, mit einander ver-
glichen, darbieten im Gegensatz zu Hrn. Fischer 's Ansicht, dass die
ersteren auf einen gemeinschaftlichen Ursprung sowohl aus der zweiten wie
aus der dritten der genannten Localitaten zurückgeführt werden können.
Die mikroskopische Structur, welche auffallende und hinsichtlich der Vor-
kommnisse aus räumlich getrennten Gebieten constante Unterschiede auf-
weist, spricht ganz entschieden gegen die Hypothese gleicher Provenienz,
also auch gegen diejenige des Transports.
Alle nunmehr folgenden Angaben beziehen sich auf Beobachtungen in
polarisirtem Lichte zwischen gekreuzten Nikols, da sonst die Struktur in
Folge der vollkommenen Wasserhelligkeit der Dünnschliffe (bis auf einzelne
opake oder gefärbte Einschlüsse) in den seltensten Fällen deutlich genug
hervortritt Unter gekreuzten Nicols kommen bei allen Varietäten mehr oder
minder lebhafte Interferenzfarben ^) zum Vorschein, was hier bemerkt wird,
um später Wiederholungen zu vermeiden.
Europa.
Mau räch; bräunlichgrün, an den dünnsten Stellen durchscheinend^).
Lange, sanftwellige, sehr dünne, seidenartige Fasern, die ziemlich parallel
grnppirt sind (mikroschiefrige Structur) und in einer dichten flaumartig-
Bchimmemden, aus noch feineren, selbst bei sehr starken Vergrösserungen
kaum in ihre Elemente aufzulösenden filzigen Masse liegen. Einschlüsse
von Magneteisen, z. Th. in Brauneisen umgewandelt, welches dann in die
umliegende Masse diffundirt ist und derselben eine bräunliche Färbung ver-
liehen hat.
Cilli a. d. Sann; tief grün, Gerolle. Im Wesentlichen dem vorigen
ähnlich; die sehr langen Fasern dicker, weniger elastisch, daher nicht ge-
bogen, sondern vollkommen gerade gestreckt, zu parallelen, optisch wie ein
1) Es ist eine Yolikommen falsche Ausdrucksweise, wenn die Herren Jannettaz und
Michel (Bull. soc. min. de France. 1881. p. 182) in ihrer Beschreibung des Nephrits vom
Flusse Onot von «dichroisme des plus eclatants*" reden. Die Erscheinung, die sie so be-
zeichnen, ist das durch Interferenz der polarisirten Strahlen erzeugte Auftreten bunter Farben;
sie hat mit dem Dichroismus, d. h. mit der den doppelbrechenden Ery stallen eigenthum-
lichen verschiedenartigen Absorption einzelner Componenten des weissen Lichtes, je nach
der Richtung, in welcher dasselbe durch den Krystall geht, also der daraus sich ergebenden
Yerschiedenfarbigkeit des in verschiedenen Richtungen durchgelassenen, resp. austretenden
Lichtes nichts zu schaffen.
2) Die Angabe über Farbe und Durchschienenheit bezieht sich hier, wie auch weiter,
auf das Stuck seihst. Der Dünnschliff ist 8t<^t8 ungefärbt und vollkommen durchsichtig.
180 ^' Arznini:
Krystall einheitlich sich verhaltenden Bundein gruppirt. An einem von
beiden Enden abgebrochenen Bündel wurde gemessen: Dicke = 0,011, Länge
= 2 mm. Mikroschiefrige Structur. Einschlüsse — nicht vorhanden.
Potsdam; dunkelgrün, wolkig, an den Randern durchscheinend, mit
einer theils weissen, theils orangerothen Rinde. Hr. Frenzel in Freiberg
wird demnächst eine Analyse dieses Vorkommens veröffentlichen. — Die Fk-
sern kurz, nicht stark gekrümmt, zu federballartigen Büscheln gruppirt, sonst
die Masse feinkörnig, wie punktirt; die beiden Arten des Aussehens ent-
sprechen longitudinalen und transversalen Schnitten durch die Büschel, wo-
durch auch ihre nicht durchgängig parallele Lage erwiesen ist: Abwesenheit
deutlicher Schieferung. Einschlüsse: grössere grau erscheinende Krystalle
des Nephrits mit allen Merkmalen des Amphibols: rhombische Querschnitte
mit Winkeln von 52° — 56^°, je nach der Schiefe des Schnittes zur Längs-
richtung variirend, mit deutlichen Spaltungsdurchgilugen parallel der äusseren
rhombischen Begrenzung, — theoretischer Werth des normal zur Längs-
richtung geführten Schnittes: um 55.]° herum — mit diagonaler Auslöschung.
Längsschnitte unter 15° — 17° gegen die Längsrichtung (welche durch parallel
verlaufende Sprünge kenntlich) auslöschend. Optische Axenebene durch den
stumpfen Winkel des rhombischen Querschnitts gehend, also parallel der
Symmetrieebene des Krystalls; in denselben Querschnitten eine optische Axe
excentrisch sichtbar. An fremden Einschlüssen: ein Pyroxenmineral, vereinzelt
Quarz (?) in Körnern. Nahe der Rinde Umwandlung in eine Serpentin-
ähnliche Substanz.
Schwemsal; hell graugrün, durchscheinend. Die Fasern kurz und sehr
verworren, daher einheitlich faserige Partien nicht vorhanden; punktirte,
wie bei Potsdam, sind äusserst sparsam. Abwesenheit von Mikroschieferung.
Fasern sehr, dicht aneinander gedrängt, zu plattigen Ausbreitungen vereinigt
Einschlüsse: schmutzig grüngelbe Körner bis zur Grösse von 0,283 mm, mit
deutlichem Pleochroismus; die Auslöschungsschiefe spricht nicht gegen ein
Amphibolmineral, d. h. Nephrit selbst oder ein verwandtes; auch die Spalt-
risse lassen sich auf ein solches zurückführen. Also keine fremde Ein-
schlüsse.
Eslohe; dunkelbläulich grün, wolkig, durchscheinend. Auch von diesem
Vorkommen hat Hr. Frenzel eine Analyse in Aussicht gestellt. Masse
feinkörnig oder faserig, je nach der Richtung des Schnittes; fast identisch
mit Potsdam. Einschlüsse: zahlreiche grössere und kleinere Kryställchen
derselben Substanz, deren zwei, unter beiläufig 60° (theor. Werth «= 55^**)
sich durchkreuzenden Spaltrichtungen und deren optisches Verhalten, wie
die je nach der Lage des Schnittes zwischen 0° und 14^50' variirende,
diesen letzten Werth aber niemals übersteigende Auslöschungsschiefe mit
Amphibol vollkommen harmouiren. Fremde Einschlüsse: grössere, bis
0,226 7n7n Breite und die doppelte und mehrfache Länge erreichende Kry-
stalle eines Pyroxens (Auslöschungswinkel = 33° 55'), der durch Para-
morphose (moleculaie Umwandlung) in den faserigen Nephrit übergeht (vgl.
Neue Beobachtungen am Nephrit und Jadeit. 181
weiter unten). An den Rändern des Präparates, nahe der Rinde (?), eine
anscheinende Umwandlung in serpentinähnliche Substanz.
Dresdener Apotheke; zwei Stack. 1. „molkenfarbig^, 2. grQnlich
gelblichgrau. Rundliche, äusserst feine, z. Th. punktartige Körner, wie die
der folgenden Varietät, neben breiteren, parallelen Bändern, die aus sehr
feinen Fasern bestehen. Die Bänder auseinandergerissene, parallel ausein-
andergerückte und umgewandelte Spaltungsstücke eines ursprünglichen wahr-
scheinlich pyroxenischen Minerals, dessen z. Th. frische Reste noch vor-
handen (mit Auslöschungsschiefe um 18° herum; auch 0° — 13° 15' ist
beobachtet worden); sie sind an den Rändern in die faserige Nephritsubstanz
▼erwandelt und laufen in dieselbe aus. In 1. sind keine weiteren Einschlüsse
vorhanden; in 2. ein einziges ziemlich grosses Korn von Quarz (?).
„Türkei" = Leipzig?; milchigweiss. Aeusserst feinkörnig, punktirt;
bei 275 maliger Vergrösserung theils körnig, theils blätterig, steugelig und
faserig. Die Blätter unregelmässig begrenzt, zerfetzt, abgerundet, von fei-
neren Fasern z. Th. quer durchwachsen, weshalb im Schnitt wie durchlöchert;
sehr frisch. (Anslöschungsschiefe 10^° im Querschnitt: Rhomben mit nahezu
44° resp. 136**, statt 55|° bezw. 1244**, wegen nicht genau normaler Lage
zur Längsrichtung; optische Axenebene parallel zur Symmetrieebene; eine
Axe fast in der Mitte — ebenfalls ein Hinweis auf die Schiefe des Schnitts.
Alles spricht für Amphibol). Die Fasern kurz, verworren, scharf gekrümmt.
Parallel- (Schiefer-) Structur nicht zu beobachten. Fremde Einschlüsse nicht
vorhanden. — Mit dieser Varietät ist die des Apothekenvorraths zu vereinigen.
Ist „Türkei" thatsäcblich = Leipzig (deswegen hier zu Europa gestellt), so
würde die Identität des Apothekenmaterials damit erklärlich erscheineu.
Asien.
Fluss Bj^laja; dunkelgrün, kaum durchscheinend. Theils verworren-
und kurz-faserig, theils mikroschieferig; einzelne gelbliche, unregelmässig ver-
laufende Bänder — offenbar Spalten und Sprünge, in denen sich grössere
Krystalle mit allen Merkmalen des Amphibols (Winkel von 55** 25', 51** 15' —
theoretischer Werth um 55** 30' herum) finden. An fremden Einschlüssen:
rundliche, z. Th. in Brauneisen umgewandelte und dann braun durchscheinende
Kömer von Magneteisen (oder Chromeisen?), die fast stets von einem braun-
gelb gefärbten Hofe umgeben sind. Damit stimmt auch der Befund des Hrn.
Muschk^tow überein (a. a. 0. S. 11).
Fluss Kitoj; dunkelgrün; Hr. Muschkctow giebt helle Flecke au,
die ich indess nicht beobachtet habe, da mir blos ein kleiner Splitter vorlag.
Sehr dicht aneinander gedrängte, sehr kurze Fasern, an gewissen Stellen
einzelne Bündel nur schwer zu unterscheiden, weil in verworrener Lage; an
wenigen Stellen gleichgerichtete, sauft wellige, zu Bündeln gruppirte Fasern;
versteckte Schieferstructur. Fremde Einschlüsse: Magnetit (oder Chromit?).
Nach Hrn. Muschköto w (a. a. 0. S. 18) noch Pyrit, Brauneisen, und hellere
182 A. Arzruni:
Adern mit Quer- oder Längsfaserang, die er für Asbedt hält. (Vgl. unten
bei Fluss Onot.)
Flu 88 Onot; bell, ^runlichweisa mit dunkelgrünen Bändern. Mikro-
structur ähnlich der des vorigen; doch ganz deutlich parallel gefaserte
(schiefrige) Grundmasse, in welcher Gänge einer äusserst feinfaserigen, seiden-
glänzenden Substanz, deren Fasern quer zur Richtung des Ganges stehen
und die beiden gegenüberliegenden* Wandungen desselben verbinden oder
auch frei in einen Spaltenraum hineinragen. (Vielleicht ist es die Substanz,
welche Hr. Muschketow bei Kitoj mit Asbest identificirte.) Wahrscheinlich
nicht verschieden von der Hauptmasse. An fremden Einschlüssen nichts
beobachtet.
Gulbashdn; milchigweiss, mit einem Stich in's Gelbe. Unter dem
Mikroskope sanft gebogene, fast gerade Fasern, aber verschieden gerichtet;
an den Mauracher Typus etwas erinnernd; doch sind die Fasern hier viel
dicker und viel kürzer, zeigen auch den seidenartigen zarten Glanz nicht;
die flaumartige Grundmasse fehlt. Auch in radial gruppirten, kurzen, feder-
ballartigen Büscheln. Andeutungen auf schiefrige Structur, welche Hr. Musch-
ketow (a. a. 0. 36) leugnet, indem er sie körnig, dünnfaserig, lamellarkörnig,
radialstrahlig nennt. An Einschlüssen fand Hr. Muschketow Magneteisen,
als welches ich die äusserst feinen, schwarzen Körner, die ich beobachtete,
anzusehen geneigt bin; dagegen sah ich keine Diopsid-(Pyroxen-) Einschlüsse,
für welche Hr. Muschketow den Krystallwinkel von 87° augiebt, die Aas-
löschungsschiefe longitudinaler Schnitte aber nicht erwähnt. Ich beobachtete
hingegen vollkommen umgewandelte, parallel gelagerte, band- oder leisten-
förmige Reste eines ursprünglichen Minerals, über dessen Natur sich aber,
selbstredend. Nichts aussagen lässt. Sollten es aber ebenfalls Pyroxene ge-
wesen sein, so ist aus einzelnen p]inschlüssen immerhin noch nicht zu folgern,
dass die turkistanischen Nephrite keine dichten Amphibole, sondern Pyroxene
(Diopside) sind (a. a. 0. 38 und 57). Auch ist der Ausdruck „Strahlstein
der Diopsid reihe" kein glücklich gewählter. Strahlstein ist eine Amphibol-
Varietät und eben kein Diopsid, der zu den Pyroxenen gehört. Als be-
sonderes Merkmal für die Yarkander Nephrite führen die Hrn. Beck und
Muschketow die Abwesenheit von Chrom in denselben an. Allein sie
selbst haben gezeigt, dass dieses Element auch in manchen sibirischen
gänzlich fehlt (Fluss Bystraja). Es ist ferner der höhere Eisengehalt der
sibirischen Nephrite ebenfalls nicht geeignet, sie von den turkistanischen zu
unterscheiden, denn, wie Hr. Muschketow selbst (a. a. O. 65) bemerkt,
ist es in hohem Grade walirscheinlich, dass es auch unter den turkistanischen
Nephriten grüne Abänderungen giebt, welche sich dann aber sicher als eben-
falls eisenreich erweisen würden. Andererseits sollen unter den Vorräthen,
welche Hr. Alibert aus Transbaikalien nach Europa mitbrachte, zahlreiche
Stücke sich finden, die hellfarbig sind (vgl. oben das Stück vom Fluss Onot,
welches ebenfalls den Vorräthen des Hrn. Alibert entstammt). Diese hellen
Neue Beobachtongen am Nephrit und Jadeit. 183
Tariet&ten Sibiriens müssen naturgemäss eisenarm sein, wie übrigens auch
die Analyse der Hrn. Jannettaz und Michel beweist (Bull. sog. min. de
France 1881, pag. 179, wo dieselbe als „vari^te blonde^ bezeichnet wird). Der
yerschieden hohe Eisengehalt ist mithin nicht als untrügliclies Merkmal für
eine Bestimmung der Provenienz zu verwerthen. — Noch will ich bemerken,
dass es mir, ebenso wenig wie Hrn. Muschki^tow, gelungen ist, in den
sibirischen Nephriten Graphit nachzuweisen, obwohl ich absichtlich, zum
sichereren Yergleich, Schliffe eines Graphit führenden Gesteins anfertigen Hess.
China; grünes Blatt; feinkörnig mit zerfaserten Kr}'stallresten , die
grosse Aehnlichkeit mit Serpentin (Chrysotil) aufweisen.
China; mit hohem Thonerdegehalt Ausgezeichnet durch sehr zahl-
reiche-Pyroxen-Ein Schlüsse, denen wohl auch die viele Thonerde zuzuschreiben
ist. Grössere, unregelmässig contourirte krystallinische Partien einer matt-
grauen, stark zersetzten Substanz (Amphibol?), die an den Rändern rundum
in feine, durchweg parallel gerichtete Fasern (Serpentinbildung P) ausläuft.
Yanan; grünlichgrau. Typisch durch eine sehr ausgeprägte Bildung
von plattigen Ausbreitungen der Faserbündel. Einschlüsse nicht bestimm-
barer Natur, weil stark zerfasert. Gänge eines feinfaserigen, serpent.inähn-
lichen Minerals, wie bei Onot. Braune Eisenoxydfarbuug.
Platte von unbekanntem Fundort, fast identisch mit dem vorigen,
daher hierher gestellt; etwas reicher an parallel gruppirten Faserbiindeln —
mikroschiefrig.
Neucaledonien; hellfarbig mit grünen Adern. Grundmasse an die
gröberen, büscheligen Partien von Potsdam oder auch au Bjelaja erinnernd.
Parallel gelagerte Reste eines zerfaserten (Pyroxcu?) Minerals.
Neucaledonien; dunkelgrün. Grobe Fasern, z. Th. parallel gelagert,
daneben noch nicht vollständig zerfaserte Bänder mit oft einheitlich aus-
löschendem (Schiefe um 17.]° herum) Amphibolkern; endlich schön silber-
glänzende Faserbündel.
Neuseeland; die bekannte grüne Varietät. Die ganze Masse aus
ausserordentlich dicken, scharfgekrummten und zu hahnenschweifförmig ge-
wundenen Bündeln sich vereinigenden Fasern bestehend. Einzelne Stellen,
durch diffundirtes Brauneisen, gelb geiurbt. Intacte fremde Einschlüsse fehlen.
Aus den gegebenen Diagnosen ist es ersichtlich, dass man bequem fein-
körnige („Türkei", Dresdn. Apotheke), feinfaserige mit weichem, flauniartigen
Seidenglanze versehene (Maurach, Cilli), körnig-kurzfaserige (Potsdam, Es-
lohe, Schwemsal), langfaserige, des zarten Seidenglanzes aber entbehrende
(alle asiatischen und neucaledonischen), grob- und krumm-faserige (Neusee-
land) Varietäten des Nephrites unterscheiden kann. — Nur sind die einzelnen
Glieder der asiatischen Gruppe schwer von einander auf Grund ihrer Structur
zu unterscheiden, indem sie darin ziemliche Uebereinstimmungen zeigen und
man sich dabei an secundäre, nicht sofort auffallende Merkmale, wie die
Serpentinbild uug bei den chinesischen (vgl. China, Yuuan), oder den auf-
Ig4 A. Arzruni:
fiallenden Silberglanz bei den neucaledonischen n. s. w., halten mass. Wenn
je ein solches Merkmal je zwei Vorkommnissen gemeinsam ist, so lassen
sich doch drei Varietäten vielleicht durch Combinirung zweier Merkmale
unterscheiden. Z. B. Turkistan und Neucaledonien wären vielleicht dorch
Abwesenheit von Magneteisen im letzteren zu unterscheiden, Sibirien von
Turkistan durch das Aultreten von Amphibolausscheidungen im ersteren,
während die mehr oder minder mikroschiefrige Structur allen drei Varietäten
gemeinsam ist. Jedenfalls bedürfen die Glieder der Gruppe Neucaledonien-
Turkistan-Sibirien noch einer präciseren Gharakterisirung.
Beim Jadeit, zu dem wir nunmehr übergehen, wäre zunächst daran zu
erinnern, dass der Entdecker desselben, Hr. Damour, dem das Mineral an-
fänglich (1863) in einer reinen, ungemengten Varietät vorlag, bald (1865)
die Ueberzeugung gewann, dass in manchen verarbeiteten Gegenständen
(for^t de S^nart) Gemenge oder Gesteine zu erblicken seien, in denen ver-
schiedene Pyroxene^) und andere Mineralien (Hr. Damour nennt auch
Epidot, wie wir sehen werden, nicht mit Unrecht) in Betracht kommen dürften.
1) Es ist dies die erste Andeutung, dass der Jadeit zu dieser Mineralgrappe gehören
konnte, denn derselbe Autor hatte ihn zunächst (1863) zu den Wemeriten, darauf Hr. Sterry
Hunt (1863) zu den Zoisiten gestellt. Ueber das Krystallsystem des Minerals war bis 1880
Nichts bekannt, als Hr. Fischer (Zeitschr. f. Erystallogr. IV, 371) für dasselbe als wahr-
scheinlich eine monokline Symmetrie in Anspruch nahm. Hr. DesCloizeanx zeigte darauf
(in einer Anmerkung zu Hrn. Damour 's Arbeit über Jadeit und jadeitähnliche Substanzen
— Bull. soc. miner. de France 1881, 158), dass der Jadelt optische und sonstige Charakter«
eines Pyroxens aufweise, dem Diopsid besonders nahe komme und entweder dem monoklinen
oder dem triklinen Krystallsysteme angehöre. Für letztere Annahme und dass der Jadelt
ein Pyroxen sei, wofür die Priorität Hrn. Des Cloizeaux gebührt, sprach auch ich mich dann
(diese Zeitschr. 1881, Verb. S. 281) auf Grund der Beobachtungen, die ich am Rabber Beil an-
stellte, aus. Das grobkrystallinische, aus Banna gekommene Material gestattete mir Winkel-
messungen an losgelüsten Fasern anzustellen, dabei zwei un gleich werthige Spaltbar keiten and
eine Unsymmetrie in den optischen Charakteren zu beobachten, was meine Yorherige, Auf*
fassung über die Zugehörigkeit des Jadeits zu den Pyroxenen und zwar zur asymmetrischen
Abtheilung derselben befestigte. Neuerdings hat auch Hr. Krenner in Budapesth sich mit
den Eigenschaften dieses Minerals beschäftigt und eine vorläufige, vom 9. April 1888 datirte
Notiz veröffentlicht, von der ich durch die Freundlichkeit des Hrn. A. B. Meyer in Dresden,
der mir eine Abschrift des Flugblattes sandte, die erste Kunde erhielt. Das gedruckte
Blättchen hatte nachher auch Hr. Fischer die Güte, mir mitzutheilen. Hr. Krenner
erkannte im barmanischen Mineral eine Diopsidvarietät (also, wie Qr. Des Cloizeaax and
ich selbst, ein Pyroxenmineral), welcher er ein monoklines System zuschreibt. Daraus folgert
er aber, dass das Mineral kein Jadelt, sondern Nephrit sei! Wenn ich auch trotzdem am
asymmetrischen System des Jadeits, d. h. auch des barmanischen Minerals, festhalte, bin ich
doch gern bereit, die Beweise, welche Hr. Kren n er für seine Ansicht in Aussicht stellt, abzn-
warten. Bezüglich der zweiten Behauptung aber, dass nämlich das barmanische Mineral bisher
fälschlich zu den Jadeiten gestellt wurde, möchte ich schon hier bemerken, dass Hr. Krenner
im offenbaren Widerspruch nicht blos mit den Tbatsachen, sondern mit sich selbst sich be-
findet. Er erkennt in dem barmanischen Mineral richtig einen Pyroxen und stellt ihn doch
zu dem Nephrit, der, wie Hr. Fritz Berwerth (Sitzb. d. Wien. Akad. 1879. I. Abth. Bd. Sa
Juli-Heft) nachwies, ein Amphibol, also kein Pyroxen ist. Die Zurechnung des barmanischeo
Minerals zum Nephrit geht auch aus dem Grunde nicht an, weil wir unter «Nephrit* bisher
noch niemals ein Alkali-Bisilicat verstanden haben, und darüber, dass das barmanische Uinenl
Nene Beobachtnnfren am Nephrit and Jadeit. ]g5
Meine Untersachang erstreckte sich auf folgende Jadeite und ähnliche
Substanzen, die ich den Herren Fischer, A. B. Meyer und Virchow ver-
danke.
Vom ersteren genannter Herren erhielt ich:
1. „Orient**, 3 Stück; 2. Moogkoung, Barma, 8 Stuck; 3. Mexico (6 Perlen-
fragmente eines Kranzes); 4. Lüscherz (2 Stück); 5. einen Schliff eines im
Bemer Museum aufbewahrten Discus, Fandort (?); 6. Schliffeines Fragmentes
der Substanz des Humboldt'schen Aztekenbeils (Berl. ethnogr. Mus.); 7. ein
Stück des Yon Hrn. Damour analysirten jadeltähn liehen Gesteins vom
Monte Viso.
Herr A. B. Meyer sandte mir: 1. zwei Bruchstucke von Perlen aus
Mexico (vgl. A. B. Meyer, a. a. O. S. 9a und 9b, No. 1606, 4 und 1606, 8);
2. ein Stück eines Steinbeiles von Yunan (abend. S. 48a, No. 5, Mus.
Calcutta, No. 979; S. 68b).
Durch Hm. Virchow's Güte standen mir zu Gebote: 1. das Beil von
Rabber; 2. ein Beil von Unteruhldingen.
Die gewonnenen Resultate sind, kurz, folgende:
Europa.
Rabber. Grobkrystallinische Masse. Pyroxen, asymmetrisch, ungleiche
Vollkommenheit der zwei unter 86° 5' — 89° 25' sich schneidenden Spalt-
richtungen: die eine bedeutend schärfer, die andere kaum angedeutet oder
treppenformig abgesetzt; in Querschnitten ungleiche Auslöschungsschiefe gegen
die beiden Spaltrichtungen 54° resp. 35°. In der reinen Pyroxensubstanz, die
lebhafte Polarisationsfarben bei gekreuzten Nicols aufweist, kleine schmutzig-
grüne KryslÄllchen — Epidot(?). Vgl. diese Zeitschr. 1881 , Verh. S. 281,
wo ich übrigens den Kryställchen eine andere Deutung gegeben hatte.
Unteruhldingen. Aus rundlichen Körnern bestehendes Gemenge
eines Pyroxens mit viel Quarz. Der Pyroxen gab in sehr sparsam beob-
achteten deutlichen Längsschnitten als Auslöschungsschiefe 36°. Einschlüsse
kleiner, stark lichtbrechender Krystallnadeln (EpidotP), die unter einem
stumpfen Winkel mit einander verwachsen — vorwiegend in Quarz ein-
gelagert. Das Material ist also wohl kaum als echter Jade!t anzusehen,
um so mehr als die schwere Schmelzbarkeit auch dagegen zu sprechen scheint,
ein solches ist, lassen Hrn. Damoar*s Analysen keinen Zweifel aufkommen. Hr. Krenner
mag vielleicht ein anderes Mineral in den Händen gehabt haben, als dasjenige, welches die
HHrn. Damour und Fischer und ich selbst untersucht haben; Eines steht aber fest, dass
kein Mineral zugleich Diopsid und Nephrit sein kann, falls es nicht Jedem Ton uns eine
Sprache und eine Terminologie für sich zu gebrauchen beliebte. Eine Verwechselung in der
Nomenclatur kann blos zu einer solchen in den Begriffen führen. — Auch die Hm. Beck
und Muschk^to w unterscheiden nicht zwischen Nephrit und Jadelt, halten vielmehr letzteren für
eine Varietät des ersteren (a. a. 0. S. 49). Verführe man in dieser Richtung consequent weiter,
so brauchte man überhaupt auch zwischen Pyroxenen und Amphibolen keine Unterscheidung
zu machen, wofür doch genügende Grande, vor allem ihre abweichende geologische Rolle und
die Verschiedenheit aller ihrer physikalischen Eigenschaften sprechen.
186 A. Arzruni:
woraaf mich aach Hr. FiRcher brieflich aufmerksam machte. Danach nind
meine früheren Angaben (diese Zeitschr. 1882, Verh. S. 566), zu berichtigen.
Lüscherz. Sehr feine, z. Th. abgerundete Körner; Pyroxenstructur:
Spaltbarkeit unter 86^ 55' — 89 ^ Aaslöschung gegen die Längsausdehnung s^
38** 5'. Punktförmige, feine opake, in Haufen gruppirte Einschlüsse —
£pidot(?). Ob die Hauptsubstanz ganz homogen?
Monte Viso. Fein- und gleichkörnige Masse, vielleicht nicht homogen;
von Pyroxennatur nicht die Spur! Zahlreiche Einschlüsse schmutzig-grüner,
etwas pleochrol'tischer Körner — Epidot(?). Ist wohl kaum zum Jadelt zu
stellen; wohl zufallig Jadelt-ühnlichc Zusammensetzung und spec. Gewicht.
Asien.
„Orient"^. Keiner Jadeit. Die goniometrische Untersuchung abgelöster
Fasern ergab für den Spaltungswinkel (zwei ungleichwerthige Spaltbarkeiten) :
85** 56'. Unter dem Mikroskope — parallel stengelige Structur. Auslöschung
an manchen Präparaten ganz einheitlich, was für einen vollkommenen Pa-
rallelismus einzelner Krystallelemente spricht; Auslöschungswinkel = 33** bis
40°. Lebhafte Polarisationsfarben.
Mongkoung, Barma (z. Th. Originale zu Hrn. Damour's Analysen,
Bull. soc. miner. de France 1881, pag. 157 ff.). Vollkommen homogene, grob-
kry stallin ische Massen, die manchmal aus radial gruppirten längeren Erystallen
bestehen. Ungleichwerthige Spaltbarkeit nach zwei Flächen. Spaltwinkel
goniometrisch bestimmt zu 86°56' — 87*^20' (Hr. Des Cloizeaux fand
85^*20', Hr. Kreuner 86° 55'). Unter dem Mikroskope wurde derselbe
Winkel zu 86° 40' (Mittel aus 12 Messungen an verschiedenen Erystallen
und verschiedenen Präparaten) gefunden. Auslöschungsschiefe in den Längs-
schnitten gegen die Verticalaxe, rcsp. die Spaltrisse, meist um 35** heram
(Hr. Des Cloizeaux giebt 31°— 32° an, Hr. Krenner: 33° 34'; beim
Diopsid beträgt dieser Winkel nach Hm. Des Cloizeaux 38° 54'); das
Maximum, welches ich beobachtete, betrug 41°. Die Auslöschungsrichtung
in den Querschnitten ist unsymmetrisch gegen die beiden Spaltrichtungen
(vgl. oben bei Rabber) und beträgt im spitzen Winkel des Rhombus 34° — 35**
gegen die eine, 48*^ — 54° gegen die andere (Summa = 82° — 89°, im Mittel
85.J, was mit obigen direkten Messungen des Spaltungswinkels gut har-
monirt. Wenn die einzelnen Werthe stark schwanken, so liegt es daran,
dass die Schnitte nicht vollkommen normal auf die Spaltflächen geführt
wurden). Diese Jadeite sind die reinsten von siimmtlichen von mir unter-
suchten: sie führen nicht einmal kleine fremde Einschlüsse, wie Rabber,
der sonst auch wesentlich homogen ist. Durchweg grelle Polarisationsfarben.
Yunan. Ist ein merkwürdiges Gemenge eines Jadeltahnlichen Pyroxens
mit anderen, Bronzit- ähnlichen Varietäten dieser Mineralgrnppe. Deatliche
Umwandlung in ein serpentinähnliches Gestein, wie solche aus Thonerde-
Neue Beobachtungen am Nephrit und Jadeit. 187
freien and Thonerde-armen Amphibolen und Pyroxenen (Diallag, Bronzit eto.)
entstanden, nachgewiesen worden sind. Darin Koste des frischen Minerals.
Amerika.
Mexico. Alle Präparate fuhren, neben dem Jadeüt mit allen seinen,
auch in den reinen Varietäten nachgewiesenen Merkmalen, Quarz, z. Th. in
▼orherrschender Menge. Beim Jadelt: Auslöschungsschiefe in den Längs-
schnitten 32—35, in Querschnitten: 35° resp. um 50® herum. Spaltwinkel =
85^^ Derselbe ist nicht direct goniometrisch bestimmt worden, da die Sub-
stanz feinkörniger als die barmanische und zu sehr mit Quarz gemengt ist,
um ein Abspalten geeigneter Fasern zu gestatten. — Es scheinen einige
Jadeite von Mexiko auch einen Arophibol zu fuhren. In den Quarzpartien
sind Jadelt-Leisten häufig* radial vertheilt. — Mit diesen Varietäten, sowie
mit der von Yunan hat ein mir von Hrn. A. Frenz el in Freiberg freund-
lichst gesandtes Gestein von Waldheim grosse Analogien. Darin sind freilich
ausser den hier erwähnten Gcmengtheilen noch andere (Glimmer, Feldspath?)
enthalten, einzelne aus Quarz und Pyroxen bestehende Partien sind aber
fast ebenso beschaffen, wie die mexicanischen JadeUe.
Aztekenbeil. Ist kaum Jadelt. Die Masse aus äusserst feinen, rund-
lichen, dicht aneinandergedrückten Körnern bestehend; ein Pyroxenmineral
scheint vorhanden zu sein, aber ob Jadeit? Lange schmutziggrüne, quer-
gegliederte Krystalle mit schwachem PleochroXsmus — Epidot (?) — sind in
der körnigen Substanz eingebettet.
Discus, ßerner Museum, Fundort? Weissgrau, mit grünen, ab-
solut nicht pleochroitischen Bändern und Adern. Unzweifelhafte Jadeit-
Structur; sonst sehr zerfasert.
Resultat: Die reinsten und typischsten Jadeite sind die barmanischen.
Einige europäische sind einschlussarm (Rabber, Lüscherz); ihre Einschlüsse
(Epidot?) kehren aber bei allen europäischen, auch jadeit- ähnlichen Sub-
stanzen wieder. Die mexicanischen sind sämmtlich mit Quarz gemengt, so
dass nur einzelne Partien aus homogener Jadeitsubstanz bestehen und ein-
schlussfrei sind; charakteristisch ist für sie auch das Auftreten von Amphibol.
Yunan zeigt eine Serpentinisirung. Das Material vom Aztekenbeil, vom
Monte Viso und vom Beil von Unteruhldingen ist entweder vollkommen frei
von Pyroxen, also kein JadeU, oder als Pyroxengestein aufzulassen. Be-
merkens werth ist es, dass die beiden letztgenannten Gesteine dieselben Ein-
schlüsse führen wie die europäischen Jadeite, während die Einschlüsse des
Aztekenbeils zwar auch ähnlich sind, was Farbe und Pleochrolsmus betrifft,
jedoch durch ihre Quergliederung von den übrigen, meist körnig oder kurz-
prismatisch gestalteten sich unterscheiden. Die Bestimmung, oder richtiger
Vermuthung, dass hier Epidot vorliege, bedarf noch weiterer Prüfung.
188 A. Arzruni:
Es möge mir hier noch gestattet sein, an die eben dargelegten Thai-
Sachen einige Bemerkungen über beide in Frage stehenden Mineralien vom
geologischen Standpunkte aus anzuknüpfen.
Bei dem Nephrit, der eine Amphiholvarietät ist, sind von Hrn. Masch-
ketow zuerst (und nun auch von mir) Einschlüsse einer Pyroxensubstanz
beobachtet worden, woraufhin der genannte russische Gelehrte die Ansicht
äusserte, dass manche Nephrite überhaupt keine Amphibole, sondern Py-
roxene sein dürften. Diesem Ausspruch kann ich mich nicht anschliessen.
Meinerseits beobachtete ich aber in allen Pyroxene führenden Nephriten
einen deutlichen Uebergang ersteren Minerals in die Nephritsubstanz, eine
Erscheinuug, die ich mit der sogenannten ^Uralitisirung" (wie die moleculare
Umwandlung von Pyroxcn in Amphibol ohne Veränderung der Zusammen-
setzung genannt wird) in Zusammenhang bringen möchte. Für mich giebt
es keine Nephrite oder Strahlsteine der „Pyroxenreihe** oder „Diopsidreihe'',
wie Herr Muschketow sich ausdrückt, weil ich mir, wie gesagt, unter
einem Mineral, welches zugleich ein Pyroxen und ein Amphibol ist, nichts
vorzustellen vermag. Wohl aber kann ich mir den Fall denken, dass manche
Nephrite aus ursprünglichen Pyroxen -Mineralien von gleicher oder nahezu
gleicher Zusammensetzung mit dem Nephrit, durch „üralitisirung" hervor-
gegangen sein mögen und ihre ursprüngliche Natur durch die eingeschlosse-
nen z. Th. frischen Pyroxenreste, die aber auch in Nephrit-Fasern auslaufen,
verrathen. Man könnte mir zwar einwenden, dass das gerade dasselbe sei
wie „Nephrite der Pyroxenreihe" anzunehmen. Allein dem ist nicht so: ein
„Nephrit" letzterer Art müsste mit der Feinfaserigkeit, die wir mit diesem
Begriff verbinden, die Charaktere eines Pyroxens aufweisen; diese besitzt er
aber nicht und sind solche meines Wissens auch niemals beobachtet worden.
Aus den Pyroxenresten können wir schliessen, dass die ursprüngliche Sub-
stanz, falls sie gleich massig beschaffen war, grob krystallinisch sein musste,
und dtiss sie später erst, durch Umwandlung, faserig wurde und Amphibol-
eigenschaften annahm. Ein Faserig-werden unter Beibehaltung der Pyroxen-
natur, also eine Umwandlung eines Minerals in sich selbst, ist ein Unding
und also, auf alle Fälle, ausgeschlossen.
Unter Nephrit verstehen wir einen faserigen Amphibol, die ur-
sprüngliche Substanz aber, sofern wir über dieselbe nach den Resten ur-
theilcn dürfen, war weder das Eine noch das Andere. Dem Ausdruck
^ Pyroxen nephrit" könnte blos dann eine Berechtigung zugesprochen werden,
wenn damit angedeutet werden sollte, dass es sich um einen aus Pyroxen
entstandenen Nephrit handelt, wie wir in der petrographischen Nomen-
clatur. ^Diallagserpentin" u. dgl. anwenden. Der Pyroxen nephrit, in diesem
letzteren Sinne, wäre demnach ein secundäres Mineral, während andere
Nephrite als primär angesehen werden können, wie frische Amphibolkrystalle,
die in manchen derselben auftreten, zu beweisen scheinen. Uebrigcns ist
auch die Annahme eines ursprünglichen Gemenges von Pyroxen und Am-
Neue BeobachtaDgfen am Nephrit und JadeYt. Ig9
phibol nicht ausgeschlossen, wobei blos der erste „uralitisirt^ wurde, wahrend
der zweite, der überhaupt viel beständiger ist und dessen Rückumwandlung
nirgends in der Natur nachgewiesen worden ist, unverändert bleiben oder
Umwandlungen anderer Art, auf die wir gleich zurückkommen werden, er-
leiden musste.
Eine zweite Erscheinung, die ich beobachtete, ist die Umwandlung der
Nephrite in ein serpentinähnliches Gebilde (far andere Amphibole liefern
z.B. die Serpentine der Vogesen, deren ursprüngliches Mineral unzweifel-
haft ein Amphibol war, Analoga) mit allen Merkmalen eines solchen. Für
eine solche (beginnende) Umwandlang spricht zunächst die Beobachtung,
dass fast überaU die grösseren Amphibole der Nephrite mattgrau, trübe,
nicht mehr frisch und durchsichtig sind, zwischen gekreuzten Nicols nicht
einheitlich dunkel werden, sondern wandernde Schatten zeigen (Potsdam,
Eslohe), besonders aber die direkt zu sehende, bereits begoDuene Umwand-
lung in eine kurzfaserige Chrysotil -ähnliche Substanz (Potsdam, Eslohe,
besonders aber China, Yuuan, Onot); endlich aber bestätigt sich diese
Ansicht durch die Beobachtungen in den neuseeländischen Nephritlager-
st&tten, wo der Nephrit von Tangiwai, d. h. Serpentin (Yar. Bowenit), be-
gleitet wird.
Der Jadelt, wie im Verlaufe dieser Zeilen mehrfach betont wurde, ist
ein Pyroxenmineral. Es gelang mir aber, an Faserspaltstücken des barma-
nischen Materials in zwei oder drei Fällen ganz scharf auch den typischen
Am phibol winkel von 55^^ goniometrisch zu bestimmen, dabei aber auch
die "Wahrnehmung zu machen, dass die Spaltflächen gleich vollkommen
waren, was bei frischen Jadeltfasem niemals beobachtet wurde. Es liegt
hier also wohl eine Umwandlung des Jadeits in einen gleich zusammen-
gesetzten Amphibol, eine moleculare Umlagerung, eine Paramorphose vor.
Das Auftreten von Amphibol in einigen mexicanischen Jadeit -Quarz -Ge-
steinen (vgl. oben) würde eine solche Umwandlung des Jadeits, eine partrelle
„Uralitisirung^ desselben bestätigen. Endlich ist auch seiner Umwandlung
in ein serpentinähnliches Gestein (Yunan) Erwähnung gethan worden, wofür
Analoga in den aus z. TL auch Thonerde -reichen Pyroxenen hervorgegan-
genen Serpentinen (Windisch Matrey, St. Gotthard, Ural — sog. Diallag-
serpentine u. dgl. mehr)^) vorliegen.
1) Mit diesen Gesteinen identisch oder vielleicht aus Amphibol auf ähnliche Weise her-
vorgegangen ist anch die von Hm. Pich 1er neuerdings fär Nephrit angesprochene Substanz
(Tgl. Corr.-Bl. d. D. Anthr. Ges. 1883. No. 3. S. 17, auch in Tschermak's Min. u. petr.
Mitth. V. 801, femer in Hm. A. B. Meyer's Werk 66b und 67a, und auch Corr.-Bl. 1883.
No. 4 S. 25 und 29). Was aber die von Hrn. Fr aas bei dieser Veranlassung gemachten Be-
merkungen (Corr.-Bl. 1883. No. 3. S. 26) betrifft, so sind dieselben so überraschend, dass sie
nicht einmal einer Widerlegung bedurft hätten. Auch hat Hr. Fr aas seine Sache dadurch
nicht verbessert, dass er im Corr.-Bl. 1883, No. 5, S. 85, erkl&rte, er habe es wohl gewusst,
dass Fibrolith kein Nephrit sei, — denn diese Verwechselung hatte Hr. Fraas veranstaltet,
um über die Auffindung des aNephrits' durch Hm. P ichler seiner Freude Ausdrock zu
geben und anch seinerseits auf weitere europäische Nephrite, die .die Spanier Fibrolith nennen",
Ztitoehrift fSr Ethsologi«. Jahif. 1681. 13
190 A. ArzruDi: Neue fieobachtongeii am Nephrit und Jadelt.
Demnach wäre die Entstehung der beiden hier abgehandelten Mineralien
einerseits und ihre Umwandlung andererseits folgendermaassen auszudrücken:
I — Nephrit
Pyroxen mit Nephrit-Zusammensetzung < c ♦•
J — Uralitisirter Jadeit d. h. Amphibol mit Jadelft-Zusammensetzang
\ — Serpentin
Hieraus erhellt, dass der Nephrit^ wenigstens zum Theil, als
secundäres Umwandelungsproduct anzusehen ist, während der Jadelt als
primär gelten muss. Ob zur Umwandlung des Jadeits in Serpentin ein
Zwischenstadium der Uralitisirung unzunehmcu ist, oder ob es zwei unab-
hängig voneinander und parallel verlaufende Umwandelungsprozesse sind,
können erst weitere Beobachtungen lehren.
Da vorstehendem Aufsatze eine gastfreundliche Aufnahme in einer
ethnographischen Zeitschrift zutheil geworden ist, so will ich ihn denn
auch damit schliessen, dass ich das ethnologische Ergebniss meiner Unter-
suchung nochmals hervorhebe, ein Ergebniss, zu welchem auch Herr A. B.
Meyer, obwohl auf anderem Wege und von anderen Gesichtspunkten aus-
gehend, gelangte:
Die typischen, constanten structurellen Unterschiede der
einzelnen Nephrit- und Jadelt-Varietäten lassen sich meist mit
einer Provenienz derselben aus räumlich getrennten Locali-
täten in Einklang bringen, was die Annahme eines exotischen
(und gemeinschaftlichen) Ursprungs aller über die ganze Erde
verstreuten verarbeiteten Objecte überflüssig, ja unhaltbar
macht.
hinzuweisen. Wenn aber Hrn. Fr aas bekannt ist, dass der Fibrolith kein Nephrit iat, und
er ersteren mit dem Namen des zweiten bezeichnet, um „sich auf den Standpunkt der alten
Steinschleifer^, denen bis auf Härte und Zähigkeit alles egal war, zu stellen, so duifte die
Frage vielleicht gestattet sein: in welcher Weise der spanische Fibrolith zur AaffinduDg von
Nephrit in Europa beitragen kann? Denn darum handelte es sich in diesem Falle und oiebt
am harte, zähe , Steine* im Allgemeinen, und deswegen hatte sich Hr. Fraas an der
^Discussion über die Nephritfrage" wohl auch betheiligt.
XII.
Die Behandlung der Kinder und der Jugend auf den
primitiven Kulturstufen.
Von
M. Eulisolier.
Bei der Besprechung dieses Gegenstandes, könnte ich mich eigent-
lich mit dem Hinweis auf die Werke von Bastian (insbesondere „Die
Rechtsverhältnisse bei verschiedenen Völkern der Erde^) und Ploss („Das
Kind in Brauch und Sitte der Völker^) beschränken, wo die Thatsaohen in
Hülle und Fülle vorhanden sind. Da aber meine Folgerungen auf dem
Boden der Thatsachen fusscn, so konnte ich nicht umhin, dieselben, wenn
auch in Kürze, hier zusammenzufassen.
• I.
Die Nothwendigkeit, der Mangel an Lebensmitteln führt zum Kindermord,
zur Ausrottung der Neugeburt, inwiefern die Mittel zu ihrer Ernährung
fehlen. Diese Beseitigung der überflussigen „Mäuler^, der bouches inutiles,
erscheint als eine allgemeine Thatsache auf den primitiven Kulturstufen. —
Bei den Knistenos ermorden die Frauen zuweilen ihre Töchter, „um ihnen
das Elend dieses Lebens zu ersparen''. Wie Mackenzie berichtet, treiben
sie auch durch gewisse einfache Mittel die Frucht ab^).
Die Indianer in Californien übten ebenfalls den Kindermord, »weil die
Mütter nicht die Mittel hatten, die Kinder zu ernähren"^). Nach Lafitau
tödten die nordamerikanischen Indianer „nach der Geburt von Zwillingen
eins der Kinder** 3). Bei den Eskimo des Smith-Sundes erlebte Bessels
einen Fall, dass eine Mutter, „das jüngste ihrer drei Kinder, ein Knäblein
von fünf Monaten, eigenhändig erdrosselte, um der Nahrungssorgen über-
hoben zu sein**^). Von den Guanas in Südamerika erzählt Azara, „dass
die Mütter den grössten Theil ihrer Töchter gleich nach der Geburt tödten,
indem sie dieselben lebendig begraben"*). Dasselbe erzählt Azara von
den Mbayas, „nur mit dem Unterschiede, dass diese auch männliche^Kinder
tödten** ^). Den Untergang der früher zahlreichen Nation der Guayacurus
schreibt derselbe Azara dem Gebrauche des Kindermordes zu^). Bei den
Abiponern ist der Kindermord, nach Dobritzhoff er, eine gewöhnliche
Thatsache®). Auch von anderen südamerikanischen Yölkern wird berichtet.
1) Klemm, Allf^emeine Kulturgeschichte II, S. 84.
2) Ploss, Das Kind in Brauch und Sitte der Völker. Stuttgart 1876. 8. 181.
8) Lubbock, Enstebung der Civilisation. S. 27. 4) Ploss, II. S. 181.
5) Klemm, II, S. 83. Ploss, II, S. 182. Darwin, Abstammung des Menschen, II,
320. 6) Klemm, ib., 1. c. Ploss, ib., 1. c. 7) Klemm, ib., 1. c.
8) Klemm, ib., 1. c. Ploss, ib., 1. c.
13*
192 M. Kalischer:
dass sie den Eindermord üben, speciell an missbildeten Kindern. ^Unförm-
liche Kinder oder Missgeburten sollen von den Manaos in Südamerika, wie
berichtet wird, lebendig begraben werden nnd es ist merkwürdig, dass hier
ein Gebrauch wiederkehrt, der von den Zigeunern erzählt wird, dass sich
nämlich .... die Bewohner der Hütte heulend so lange im Kreise um die
Grube bewegen, bis das Neugeborene gänzlich von der Erde bedeckt ist,
die £iner nach dem Andern darauf wirft^ ^). Auch im alten Mexico wurde
von Zwillingskindern eins getödtet^). In Afrika war und ist dieser Ge-
brauch weit verbreitet. „Werden zu Arebo in Guinea, so heisst es bei
Smith und Bosmann, Zwillinge geboren, so pflegt man nicht nur die
Kinder, sondern auch die Mütter zu ermorden. In Dahomey und in Ngura,
einer der Schwesterprovinzen von Unyanyembe, bringt man ebenfalls die
Zwillinge um's Leben und wirft sie in's Wasser, damit das Land nicht von
einer Dürre, Hungersnoth oder Ueberschwemmung heimgesucht werde"').
Hier hat sich das Motiv — die Hungersnoth, die den Brauch wahrscheinlich
hervorgebracht hat, in eine von Aussen her verhängte Strafe verwandelt.
Folge und Ursache haben ihren Platz gewechselt. Nach Barth stehen
Doppelgeburten überhaupt bei fast allen afrikanischen Völkern in Misskredit
„und werden Zwillinge wohl meist getödtet"*). Als Missgeburten werden
schon solche Kinder betrachtet, die sich in irgend einer Hinsicht von an-
deren Kindern unterscheiden. „Wird bei den Sotho-Negern ein Kind mit
einem Gebrechen oder mit Zähnen geboren, so wird es von den Wehe-
müttem in einem schon bereitstehenden Topfe mit Wasser ertränkt"*). Bei
einigen Völkern in Ostafrika wird ein Kind getödtet, dessen beide „Schneide-
zähne in der oberen Kinnlade früher durchbrechen, als die in der unteren^.
Solche Kinder heissen „tlola", d h. sie haben die von der Natur gestellten
Normen und Grenzen überschritten" ^). , „Bei den Kaffern ist Kindesmord
nicht selten; namentlich werden missbildete und eins von Zwillingskindem
getödet. Bei den Zulus geschieht diess, nach Arbousset, in ähnlichen
Fällen.^ Die Hottentoten begraben, wie Kolbe berichtet, „theils das Kind
lebendig, indem sie es in die von einem Stachelschweine, Tiger oder an-
derem Thiere ausgegrabene Höhle legen, und Erde und Steine darauf werfen,
oder es an einen Baum binden, wo es sich todtschreien und verhungern
kann, bis ein Raubthier es verzehrt, oder sie begnügen sich auch, das Kind
in irgend ein Gebüsch hinzuwerfen" ^). Die Thatsachen über den Kinder-
mord in Australien und Polynesien werden wir unten kennen lernen, wo
sie zu einem anderen Zwecke angeführt sind. Bei einigen Völkern von
Hindostan pflegt man, falls „Zwillinge geboren werden, meistens ein Kind
zu tödten"^). Ueberhaupt ist in Ostindien die Aussetzung oder Tödtung
Neugeborener, insbesondere der Mädchen sehr gebräuchlich, wenn man
glaubt, sie nicht ernähren zu können^). Auch in China ist „das Aussetzen
der Kinder weiblichen Geschlechts am Wege oder dicht am Wasser . . .
noch Sitte" ^ *^), In Japan bringen die Ainos „immer nach der Geburt eines
Zwillingspaares das eine Kind um"^^). Bei den alten Persern „war bis
nach der Eroberung Persiens durch die Chalifen der Kindermord gestattet" * *).
Der Kindermord herrscht noch gegenwärtig bei den Beduinen, wie er auch
in alter Zeit bei allen Araberstämmen geherrscht hat^ ^). Der Koran erwähnt
diesen Brauch: „Ihr sollt euere Kinder, heisst es dort, aus Furcht in die
Armuth zu gerathen, nicht tödten; denn wir wollen sie erhalten, so wie wir
1) PI088, II, S. 182. Bastian, Rechtsv., S. 356. 2) Ploss, II, S. 1%.
3) Lubbock, S. 26. 4) Ploss, II, S. 192. 5) Ploss, ib., S. 188.
6) Ploss, II, S. 187. Bastian, Der Mensch in der Geschichte, S. 284.
7) Klemm, III, 8. 277. 8) Labbock, S. 26. 9) Ploss, II, S. 188.
10) Idem, II, S. 189. Klemm, VI, S. 112.
11) Lubbock, S. 26. 12) Ploss, II, S. 176. 13) Klemm, VI, S. 154-158.
Die Behandlung der Kinder in der Jugend. 193
Eadi erhalten"^). Bei den alten Hebräern mass diese Sitte ebenfalls gebräuchlich
gewesen sein, wie die von der jüdischen Chronik einem ägyptischen Pharao
sogeschriebene Vorfägung, alle Kinder männlichen Geschlechtes zu tödten,
and dSe Aussetzung Mosis im „Schilf am Ufer des Wassers^ beweisen^).
Die Procednr der Aussetzung am Wasser und der Ertränkung im Wasser
ist fiist überall heimisch und es kann also bei der Aussetzung Mosis von
keinem extraordinären einzelnen Fall die Rede sein, wie es die biblische
Chronik darstellt. — Die Tschuktschen tödten, nach Wrangel „alle miss-
gestalteten Kinder"*). Bei den Kamtschadalen herrscht, wie Steller be-
riehtety die Sitte, „dass Mütter durch allerlei Getränke und äussere Mittel
die ScJiwangerschaft hintertreiben und der Frucht auf unnatQrliche Weise
sich entledigen, oder auch dass sie die neugeborenen Kinder erdrosseln, sie.
lebendig den wilden Thieren zuwerfen und den Hunden überlassen''^). Wenn
Zwillinge geboren werden, bringt man Eins um^).
IL
Dorch den Kindermord werden einerseits alle diejenigen, von denen
im Yoraas schon constatirt werden kann, dass sie zum Kampf um*s Dasein
nntanglich sein werden, aus der Welt geschafft. Alle Schwächlinge, Miss-
geborten allerlei Art, wobei mau schon die kleinste Abweichung von der
Sewöhnlichen körperlichen Organisation als Fehler betrachtet, werden aus
en primitiven Kommunen beseitigt. Man erzieht nur diejinigcn Kinder,
von denen man hoffen kann, dass sie im Stande sein werden, die ahgewor-
denen Mitglieder zu ersetzen, d. h. die Thätigkeit der ausgeschiedenen Mit-
glieder ftür die Ernährung und Yertheidignng der Kommune aufzunehmen,
oder, was auf dasselbe herauskommt: diejenigen aus dem Nachwuchs,
welche die Emährungskosten, die auf sie in ihrer Kindheit verwendet
werden müssen, im späteren Alter durch ihre Arbeit der Kommune wer-
den xnrückerstatten können. Andererseits wird durch den Kindermord
das Gleichgewicht zwischen der Zahl der Mitglieder der Kommune und
der Emährungsmittel, die ihr in einer gegebeneu Zeit zu Gebote stehen,
festgehalten und bei jeder möglichen Störung durch Uebervölkerung immer
von Neaem hergestellt. Nicht von dem Willen des Einzelnen hängt also
die Yerminderung oder Vermehrung der Neugeburt und in Folge dessen
der Bevölkerung ab. Feste Normen über die Zahl der zu erziehenden
Kinder sind aufgestellt und eine Abweichung, eine Ueberschreitung dieser
objektiven Normen wird keineswegs gestattet. Bei den Abiponern pflegten
mehr als zwei Kinder nicht aufgezogen zu werden^). Bei den meisten
nordamerikanischen Yölkern werden, wie Hunter berichtet, meistentheils
,nicht mehr als zwei bis drei Kinder aufgezogen^ ^). Bei den Mbayos
wurde nur das mutbmasslich letzte Kind leben gelassen ^). Yon den
Eskimos des Smith Sundes berichtet Bessels: Die Zahl der Kinder
einer Familie beträgt bei ihnen durchschnittlich zwei; was darüber ist,
wird meistens getödtet; indem die Mutter das Kleine entweder strangulirt
oder es an einem entlegenen Orte aussetzt und dem Hungertode oder dem
Tode durch Erfirieren preisgiebt .... Man scheint hierbei weniger auf
das Geschlecht, ob Knabe oder Mädchen zu achten^ ^). Nach v. Martins
1) Koran, Sure VI. 2) 2. Mosis, I, 15-16, 22. II, 3.
9) Pl088, II, 8. 188. Bastian, Mensch, III, S. 284.
4) Steller, BescbreibuDK über Kamschatka 1774, S. 849. Klemm, II, S. 208.
(A Bastian, Mensch, III, S. 285.
6) l^alts, Anthropologie der Natarvülker, III, S. 47G.
7} Idem, III, 8. 106. 8) Klemm, II, S. 83.
9 ) AkUv 1 Anthropologie, VIII, 2. Heft, S. 112. Flosa, II, S. 180-181.
194 M. Eulischer:
ist es „bei den Guyacurus . . . sehr häufig, dass die Weiber im Allgemeinen
erst vom dreissigsten Jahre an Kinder zu gebären und aufzu-
ziehen anfangen '^,^). Sobald die Eingeborenen Australiens „so viele
Kinder haben, als sie bequem mit sich herumschleppen können, tödten sie
die anderen gleich nach der Geburt . . . Am Spencer-Golf, in Victorialand, an
der Moreton-Üai und in Australia felix wurden ausserordentlich viele Kinder
umgebracht; das dritte Mädchen ganz gewiss, oft schon das
zweite . . . Am Cap York unter den Muralugs zieht man nur sehr
selten mehr als drei Kinder auf, im Süden fast nie mehr als vier^'^).
Auf einigen Carolinen-Inseln durfte „keine Frau aus dem Volke . . . wegen
der Unfruchtbarkeit der Inseln mehr als drei Kinder auferziehen, alle
übrigen mussten lebendig vergraben werden" *). Auf den Marianen durfte,
nach Chamisso, keine Frau „wegen der Unfruchtbarkeit der Inseln mehr
als drei Kinder auferziehen, alle übrigen mussten lebendig begraben wer-
den''^). Auf einer der melanesischen Inseln, der Insel I^ate, zieht man
nur zwei oder drei Kinder auf, die übrigen aber werden lebendig be-
graben^). „Auch auf Neu-Guinea ist Kindermord zu Haus: selten zieht
man .... mehr als zwei Kinder auf und künstlicher Abortus ist hier sehr
verbreitet** *). Auf den Fidschi-Inseln sterbeu zwei Drittel aller Eander auf
diese Weise ^) — es wird also nur ein Drittel der Neugeborenen am Leben ge-
lassen. Auf Tahiti wurden ebenfalls zw^ei Drittel aller Kinder, hauptsächlich
Mädcheo, umgebracht; die ersten drei Kinder, sowie Zwillinge tödtete man
immer und mehr wie zwei oder drei Kinder zog Niemand auf** ^). Ueber
diese That schämten die Einwohner dort sich gar nicht, „vielmehr gestand
man sie offen ein und wunderte sich nur über die Europäer, die sie
tadelten^ ^). In Hawai zog man ebenfalls „nie mehr als zwei oder drei
Kinder auf" ' **). Auf einer polynesisohen Insel Tikopia werden, wie Capi-
tain Di Hon berichtet, „alle männlichen Kinder mit Ausnahme der zwei
ältesten nach der Geburt erdrosselt. Alle Kinder weiblichen Geschlechts
lädst man am Leben^ ^ ^). Bei den Mulagaschen auf Madagascar werden
alle Kinder, „welche im März und April, in der letzten Woche jeden
Monats, an den Mittwochen und Freitagen des ganzen Jahres geboren wer-
den .... ausgesetzt und so dem Tode preisgegeben"^^). Die Guanchen,
die Ureinwohner der canarischen Inseln, haben, ^um der Uebervölkerung
ihrer Inseln vorzubeugen, in den frühesten Zeiten nur das erste
Kind der Ehe am Leben gelassen" *^).
III.
Die am Leben gelassenen Kinder müssen während ihrer Kindheit bis
zu einem gewissen Alter von der Commune ernährt werden. Nachdem sie
dieses Alter, gewöhnlich die Zeit der Mannbarkeit, erreicht haben, werden
sie selbständiji^e Mitglieder der Commune und müssen ihrerseits zur Er-
nährung und Erhaltung der Commune beisteuern. Zu dieser Thätigkeit
werden sie aber nur dann herangezogen, wenn sie die zu diesem Zwecke .
Döthigen Fähigkeiten und Eigenschaften that^ächlich besitzen. Die Neu-
geburt wird unter einer sogouanteu resolutiven Bedingung am Leben ge-
lasj^en und auterzogen, nämlich: dass sie in einer späteren Zeit» in einem
gewissen Alter im Stande sein wird, gewisse Leistungen zu verrichten. Beim
^^ Ploss, IL S, 1>-J. 1> Idem, H. S. 1S3. Waitz-Uerland, VI, S. 778—779.
* Ploss, IL ^. 1S5. 3^ Waitt-GerUnd. W 2 Abth.. S. IIL
-t Ii*ni, VL :>. tÄ\ 5' Liem, L c. tV Idem. VL S. 638.
T Ii*nj. VL S. 13?. Lubbook, S. 3Ä Parwir. Ab>taiumiui^ des Menschen, II,
8. ;=äOL S Ibi j , !. 0. 9^ Ibid., I. c.
Iv* P:?*<. IL 8. 185. Waiti-Gerlaoi. V. i. Abih.. 8. 19L
:r P\ms. IL 8. IS^ 1-2 Idem. IL 8 18v^
Die Behandlang der Kinder in der Jugend. 195
Eintritt dieses Alters, dieser festgesetzten Zeit wird daher die heran-
gewachsene Jagend einer PrQfuDg unterworfen, ob das Vo/ausgesebene sich
bew&hrt hat, ob das, was als wahrscheinlich angenommen, in der Wirklich-
keit eingetroffen ist, ob die Jugend die ihr gestellten Bedingungen erfüllen
kann. Diese Pr&fungen sind ihrem inneren Wesen nach eine Wiederholuog
des früheren Mord- und Aussetzungsprocesses, mit dem ünterbchied, dass
diese Processe nicht an unbehülflichen Kindern verübt werden, die ihrem
Loose nicht entgehen können, sondern an Erwachsenen, die aus den au
ihnen verübten Gewaltthaten die Möglichkeit haben dennoch unbeschädigt
hervorzugehen. Das heisst: die Prüfung besteht darin, dass mau den
fr&her bei ihrer Geburt unterlassenen Mord oder die Aussetzung
an ilmen jetzt als Erwachsenen verübt; wenn sie nach den Martern,
denen sie unterworfen werden, am Leben bleiben, so erscheinen sie da-
durch ipso facto lebensfähig. In Bezug auf die Kinder, die am Leben
gelassen sind, ist der Mord- und Aussetzuugsprocess nur aufgeschoben,
anf eine spätere Zeit anberaumt, aber nicht aufgehoben. Bei den
Huronen, Irokesen und den Algonkin Völkern begeben sich die Kinder zur
Zeit der Mannbarkeit, wie Lafitau berichtet, in einen Wald, die Knaben
unter der Aufsicht eines älteren Mannes und die Mädchen unter der
Aufsicht einer älteren Frau. Während dieser Zeit müssen sie streng
£asten, das Gesicht, die Schultern und die Brust schwärzen. Sie beobachten
mit grosser Sorgfalt ihre Träume und geben über sie umständliche Berichte
an diejenigen, unter deren Aufsicht sie stehen. Nach den Träumen und
der Aufführung der Kinder wird für sie ein Schutzgott — Manitou — ge-
wählt, von welchem das Glück ihres Lebens abhängt i). Bei den Ojibwäeren
bereiten sich die mannbar gewordenen Knaben im Frühling eine Hütte auf
einem hohen Baum und verbleiben dort, auf Moos gelagert, „soviel Nächte
fastend, bis die Qualen des Hungers und Durstes nicht mehr gefühlt
werden und die Seele frei wird". Nach der Ansicht der Ojibwäer soll die
Seele während des Schlafes im Himmel sich aufgehalten haben und ihr
dort die Kenntniss des Lebens enthüllt worden sein^). Nachdem in Vir-
ginien „die Knaben geprügelt und sonst gequält waren, wurden sie, in-
dem die Mutter weinend das Grab bereitete, einer über den andern
in ein Thal geworfen, gleichsam als wenn sie todt wären^. Sie blieben
nachher neun Monate lang in einer Wüstenei und konnten während dieser
Zeit mit keinem Menschen umgehen^). Sie gebrauchen hier keine andere
Nahrung als ein Decoct von Wurzeln, das eine Verwirrung der Gehirn-
thätigkeit hervorruft und dieses Getränk wird ihnen so lange servirt, bis
man voraussetzen kann, dass sie dadurch ihre ganze frühere Umgebung
vergessen haben. Wenn sie in ihre Heimath zurückgeführt werden, müssen
sie sich anstellen, als ob ihnen hier Alles fremd ist, sie sich an Nichts
erinnern. „Auf dieee Art fangen sie auf's Neue zu leben au, nachdem sie
eine kurze Zeit gestorben waren, und werden zu den älteren Mitgliedern
gezählt, nachdem sie vergessen haben, dass sie einmal Kinder gewesen
sind*). Durch die hier geschilderten Handlungen >vird unsere Annahme über
den Ursprung und den Sinn aller Ceremonien dieser Art auf das Glänzendste
bestätigt. Eine Variation dieses Brauches finden wir in West-Carolina.
Dort wurden die jungen Manner und selbst die Mädchen 5 — 6 Wochen
lang in ein dunkles Haus eingesperrt, .... wo sie hart fasteten, angeblich
um sie gehorsam zu machen und abzuhärten"^). Bei den Dakota und Sioux
müssen die jungen Leute, ehe sie in die Zahl der Erwachsenen auf-
genommen werden, verschiedenen Martern unterworfen werden, ohne dass
1) Bastian, Rechtev., S. 394, 398— 399'Anm. 2) Idem, Rechtsv., S. 898—399.
3) Ibid., S. 400. 4) Ibid., S. 401. 5) Waitz, III, S. 118.
196 ^^^^^^^^^ ^* KuliBCher:
gie dabei einen Seufzer ausstosaen. Eine von den Prüfungen besteht darin,
daas „der Candidat, mit einem durch die Haut gezogenen ötnck an eine Säule
befestif^, den Tag über" sich drehen mus8^ ^dem Lauf der Sonne folgend**^).
In Cahfornien gab man den Kindern bei Erreichung der Mannbarkeit
ein sinnverwirrendes Getränk, wie in Virginien. Nachdem sie in einen
Zustand der Besoffenheit gerathen, liess man sie nicht einschlafen, indem
man sie ohne Uoterlass befragte, ob sie irgend welche Raubthiere: einen
Ldwen, einen Bär, einen Wolf u. s. w. sähen. „Je nach der Hallucination
wird ihnen dann die Figur des Thieres auf Brust und Armen eingebrannt^).
Bei den Eskimo, die Franklin besuchte, wurde den Knaben, die ihr
aechszehntes Juhr erreicht haben, „die Unterlippe auf beiden Seiten des
Mundes und der Nasenknorpel durchstochen, 'in welche dann Knochen,
Glasperlen u. s. w. gesteckt wurden ** 3). Bei den Thlinket io Alaska wurden
die Mädchen bei Beginn der Mannbarkeit „durch drei Monate, früher sogar
durch ein Jahr in eine abseits gelegene Hütte verbannt .... Zu Ende
des bestimmten Termins wurde ihnen die untere Lippe durchbohrt und ein
silberner Stift , . , durchgesteckt"*)*
Bei den Koljusclien an der Küste der Behringstrasse herrscht dieselbe
Sitte, wieErman zn sehen Gelegenheit hatte. „Ansserhalb des Dorfes," er-
zählt er, „steht eine Reihe S — 8 Fuss hoher Hütten oder Käfige, die nur
mit einem vergitterten Lichtloch versehen sind. In jedem dieser Ställe
befand sich ein Mädchen , , . , Man erfnhr, dass diese Mädchen eben
menstruiren'*^). Nach Wenjaminow soll diese Einsperrung nach altem
Gebrauch ein Jahr dauern, der unmittelbar die Durchscnneiduug der Unter-
lippe folgt ^), Bei den Indianern im Norden von Mexico musste der
nmunbare Knabe, ehe er aufgenommen w^urde, von einigen Kriegern ein
Zeugüiss erhalten, dass er etwas aushalten könne. ,,Darauf macht der
Häuptling die Probe ao dem nackenden Knaben: er rauft ihn an den Haaren,
wiift ihn hin und her auf den Hoden, stösst ihm mit Fäusten. Dies ist die
eriste Prüfung. Sollte der Knabe dabei nur einen einzigen Seufzer aus-
stossen, würde er als ein untauglicher verworfen und abgewiesen. Wenn
er dazu lacht, sich frisch und munter zeigt und zu viel raehrerem sich er-
bietet, wird an ilim die zweite Probe gemacht.** Der Häuptling peitscht
den Knaben mit Rutben nnd Dornen ^am ganzen Leibe, wobei zwar Blut
fliesst, aber kein Ach dem Knaben entfallen darf. Jetzt muss er sich ooch
dem dritten spitzigen Examen unterwerfen.** Der Häuptling „nimmt unter-
schiedliche, den grossen Raubvögeln abgeschoittene, ausgestreckte und mit
Fleiss dazu gedörrte Füsse, sticht, hackt^ kratzt und reisst den Candidaten
am ganzen Leibe, dass er fast durchaus blutet, wozu der Knabe sich ganz
m Hüter ohne Winden und Drehen darstellen muss. Ein eioziger aus-
brechender Seufzer würde nicht zum Krieger tauglich erklärt werden,*'
Nach bestandener Probe giebt der Häuptling dem Knaben Pfeil und Bogen
und hält ihm eine Anrede, dass er niemals zaghaft sein soll, dass er und
sein Volk allein nur Menschen wären, „und alle ihre Feinde nur als wilde
Thiere vun ihm müssen angesehen und niemals gefürchtet werden, dass er
sich und seiue Landsleute allezeit zu beschützen suche ^, Kaum ist der
Bube angeoommeD, so schiebt maa auf ihn die schwersten Arbeiten. „Er
muss täglich die Wege ausspioniren, um zn sehen, ob nicht Fusstapfen der
Feinde vorhanden sind, muss mit Schwitzen die höchsten Berge erstetgea,
bei jeder Witterung, Tag und Nacht das Vieh hüten .... und immer Boten
lauten"^). Bei den südamerikanischen Mauhes „werden die Knaben im
Älter von 8 — 9 Jahren den versammelten Nachbarn vorgestellt ^ denen
4
I
I
1) Bastian, Hechtäv., ?. 345 Adiu., 39Q Arn». 2) Bastian, Recbtsv., S. 3^.
EJ) Klemm, 11, S, 209. 4) Flosa. II, S. 261-262. 5) Idem, U, S. 262.
6) Idem, I. c, 7) Klemm, II, S. 89-90. Bastian, RecbtaT., S. 395.
Die BehiDdlung der |[inder in der Jugend. 197
mmn ein Mahl bereitet Dem Knaben legt man baumwollene Aermel an,
die oben and unten zugebunden werden, nachdem man einige grosse, heftig
beiesende Ameisen hineingesperrt hat. Sobald nun der Knabe vom brennen-
den Schmerse gepeinigt zu iammern und zu schreien beginnt, schliesst die
tobende Rotte der Männer einen Kreis um ihn und tanzt so lange jauchzend
und aafmunternd um ihn her, bis er erschöpft zu Boden sinkt. Er
wird nun, da die Extremitäten furchtbar angeschwollen sind, den alten
Weibern zur Behandlung mit dem frischen oaite des Mandioccakrautes
übergeben. Hat der Zögling seine Kräfte wieder erlangt, so wird der
Yereuch gemacht, wie er den Bogen spannen kann. Diese Ceremonie wird
gewöhnlich bis ins vierzehnte J:ihr wiederholt, wo dann der Zögling den
Schmerz ohne Zeichen des Unmuths zu ertragen pflegt. Nun wird er als
Mann betrachtet und darf heirathen"^). Die Mädchen müssen ähnliche
schmerzhafte Proben aushalten^). Diese Proben bestehen bei den süd-
amerikanischen Macusis, nach dem Berichte von Martius in Folgendem:
,iMit dem Eintritt der Pubertät wird das Mädchen von den übrigen Be-
wohnern der Hotte .... abgesondert und bringt den Tag in der Kugelspitze
der rauchigen Hütte zu, die Nacht an einem von ihr entzündeten Feuer.
Nach sieben Tagen Fasten darf es im dunklen Winkel den Brei sich
bereiten und später wird es durch den Paje (Zauberer) durch murmelndes
Anblasen entzaubert,^ wobei die von dem Mädchen gebrauchten Gegen-
stände zerbrochen werden. Das Mädchen wird nachdem gebadet. „Nach
der Rückkehr aus dem ersten Bade muss es sich während der Nacht auf
einen Stuhl oder Stein stellen, wo es von der Mutter mit dünnen Ruthen
gegeisselt wird, ohne eine Schmerzensklage ausstossen zu dürfen, welche
die Schlafenden in der Hütte aufwecken könnte. Bei der zweiten Periode
der Menstruation wiederholt sich diese Geisselung. Dann gilt das Mädchen
f&r rein" und kann von einem Bräutigam heimgeführt werden^). Aehnlichen
Pr&fungen werden, nach dem Berichte desselben Reisenden, die Mädchen
bei einem anderen südamerikanischen Volke — den üaupes — unterworfen.
Sie werden ebenfalls im oberen Theil der Hütte gehalten, auf karge Kost
beschränkt und einer Geisselung unterworfen. „Sie empfangen von jedem
Familiengliede und Freunde mehrere Hiebe über den nackten Leib, oft
bis zu Ohnmacht oder Tod. Diese Exccution wird in sechsstündigen
Zwischenräumen viermal wiederholt, während sich die Angehörigen dem
reichlichen Genuss von Speisen und Getränken überlassen, die zu Prüfende
aber nur an dem in die Schüssel gelegten Züchtigungsinstrumente lecken
darf. Hat sie die Marter überstanden, so wird sie für mannbar erklärt***).
Bei den Gnanas werden die Knaben im Alter von 8 Jahren, nach dem
Berichte von Azara, folgendermassen behandelt. Sie „gehen ganz früh
Morgens in's Feld und kehren erst Abends nüchtern in feierlicher Weise
heim. Hier werden sie von einigen alten Weibern gestochen und ihre
Arme mit einem spitzigen Knochen durchbohrt. Die Knaben geben kein
Zeichen von sich und erhalten dann von ihrer Mutter zu essen^^). Und
ebenso werden bei den südamerikanischen Passes die Knaben nur dann
für waffenfähig erklärt, wenn man ihnen mit einem Speerschnabel die Brust
blutig geritzt hat').
IV.
Bei den afrikanischen Völkern finden wir dieselben Qualen zur Zeit
der Pubertät wie bei den amerikanischen Völkern, mit dem Unterschied,
1) Klemm, I, S. 237. 2) Klemm, ibid., 1. c. 3) Bastian, Rechtsv., S. 391.
4) Bastian, Recbtsv., S. 392-393. 1) Klemm, II, S. 89.
2) Bastian, Rechtsv., S. 395.
198 M. Kulischer:
dass die Qualen in Afrika eine bestimmtere Form allgemein angenommen
haben: die Form der ßeschneidung. Aucb hier ist das Resultat der Qualen
sehr oft der Tod des betreffenden Subjectes. Wenn aber der Tod auch
nicht erfolgt, so ist allenfalls ein Theil seiner körperlichen Organisation
statt des ganzen Körpers — ein noth wendiges Aequivalent zu Grunde
gegangen. Bei den Hottentoten bestehet die Beschneidnng ,,in der Aus-
schneidung des linken Testikels, welche ein alter, für dieses Geschäft
besonders geübter Mann an den Knaben zwischen dem 8. und 18. Lebens-
jahre mit einem ganz gemeinen, wenn auch scharf geschliffenen Messer vor-
nimmt. Der Knabe wird mit ausgespreizten Armen und Beinen auf die
Erde gestreckt, festgebunden und gehalten, an die Stelle des ausgeschnittenen
Testikels eine mit Kräutern gemischte Fettkugel gelegt .... Dann wird
der Knabe losgebunden, mit Fett tüchtig eingeschmiert und von dem Aus-
schneider über und über mit Urin benetzt. Hierauf darf der Knabe in eine
für ihn in der Nähe erbaute Hütte kriechen, während seine Verwandten einen
Schmaus halten. Arme Hottentoten lassen ihre Knaben erst mit dem
18. Jahre beschneiden, damit sie, im Falle der Knabe stirbt, wenigstens
die Kosten; welche die Feierlichkeit verursacht, ersparen. Damit ist jedoch
der JüDglin^ noch nicht vollkommen in den Kreis der Männer aufgenommen,
dazu bedarf es einer anderweiten Ceremonie; der Aelteste im Kral ver-
sammelt die Männer, diese setzen sich im Kreise auf die Hacken, stemmen
die Ellenbogen auf die Kniee. Der Aelteste befragt nun die Versammlung
um ihre Einwilligung und tritt, wenn diese erfolgt ist, zu dem ausserhalb
des Kreises harrenden Jüngling und kündigt ihm an, dass er von nun an
des Gehorsams gegen die Mutter enthoben und ihm gestattet sei, in die
Gesellschaft der Männer zu kommen"^).
Bei den Kaffern findet die Beschneidung nicht bei einzelnen Knaben
statt, sondern bei mehreren zusammen, nämlich, wenn der Sohn des Häupt-
lings das erforderliche Alter erreicht hat. „Alle die Knaben, die mit ihm
von gleichem Alter oder etwas darüber sind, werden vor den Fürsten ge-
bracht. Dieser lässt sie in eine eigens dazu an einem einsamen Orte er-
baute Hütte bringen, wo sie eine Zeit lang miteinander leben, und die
Aufsicht über eine Heerde Kühe führen, deren Milch ihnen zugleich als
Nahrung dient.^ Endlich wird die Beschneidung vorgenommen. 9,Die
Knaben werden einer nach dem andern auf den Rücken gelegt, an Händen
und Füssen festgehalten, und, indessen sich zum Ueberflusse noch ein
starker Mann über ihre Brust legt, verrichtet die dazu bestimmte Person die
Operation mit einer scharfen Hassagay Dann werden die Wanden
mit gewissen heilkräftigen Kräutern . . . verbunden. Man gestattet durch-
aus nicht, dass sich eine Kruste auf der Wunde erzeuge, und hält streng
darauf, dass die Knaben die Wunden immer frei davon erhalten. Dadurch
wird die Heilung sehr in die Länge gezogen, und dauert oft zwei Monate
lang . . . Nach völliger Heilung bringen die Jünglinge die Kleider, die sie
bisher trugen, nebst den Milchkörben und allem übrigen Hausgeräthe, dessen
sie sich während ihrer Absonderung bedienten, in die Hütte, und stecken
diese in Brand." Man überreicht ihnen zuletzt Wurfspiesse und andere
W^ äffen und erklärt ihnen, „dass sie nun unter die Zahl der Erwachsenen
aufgenommen seien, und sich fortan als Männer zu betragen haben" ^).
Bei den Negern von Central-Afrika findet die Beschneidung im 14. bis
15. Jahre statt und wird, wie Mungo- Park berichtet, „wie bei den Kaffem,
bei mehreren jungen Leuten zu gleicher Zeit vorgenommen. Die Jünglinge
bleiben zwei Monate lang von aller Arbeit frei, und bilden während dieser
Zeit eine Gesellschaft, welche Sobimana genannt wird. Sie legen Besuche
1) Klemm, II, S. 289. 2) Klemm, III, S. 290—291.
Die BehandluDg der Kinder in der Jagend. 199
in den umliegenden Ortschaften ab „und leben von Almoäen*" ^). Man muss
annehmen, dass diese Gesellschaft auch von Raub lebt, denn durch die
AuBacheidanff der Jugend aus der Kommune wird wahrscheinlich ihre Fähig-
keit sich Nanrungsmittel zu verschaffen auf die Probe gestellt. Von Bam-
baok wissen wir ausdrücklich, dass die herumirrenden Knaben diese von
ans bezeichnete Aufgabe lösen müssen ^). Aehnlichen Proben werden die
Mädchen hei Antritt der Pubertätszeit, die mit der Verheirathung gewöhn-
lich zusammenfallt, bei den Kaffern und Negern unterworfen^). In Kalabarien
wird die Beschneidung der Mädchen, wie Dapper berichtet, auf folgende
Art vollführt: Sie binden „Ameisen an einen Stock und stecken sie in ihre
Schaam, auch wiederholen sie es zuweilen mit den Ameisen, damit der geile
Kitzel am so besser möchte ausgebissen werden. Hiermit bringen sie zwei
bis drei Monden zu, ja so lange, bis um die Schaam herum ein Hand wächst,
ungefähr einen Finger lang und dann werden sie zum Beischlafen geschickt
f^ehalten'' M. Dieselbe Art der Beschneidung soll auch, nach dem Bericht
desselben Reisenden, in Ulkami zwischen Ardru und Benin gebräuchlich
gewesen sein^). y,Bei der Beschneiduug der Knaben und Mädchen in Tom-
bura ist, wie Raffen el meldet, das Gebot zugefügt, kein Wasser zu
berühren, sondern getränkt zu werden, nur Abends zu essen, sowie
Knthenschläge zur Erdulduug des Schmerzes^ ^). Bei den Paravilhaua,
den Nachbaren der Cuburiceua am Cabuny, mussten die Knaben nach
der Beschneidung eine Schale „mit dem bitteren Prüfungstrank Caapi
leeren^. Nach Leerung der Schaale „wirft sie der Knabe heftig an die
Erde, und flieht in den Wald, wo er sich einen Mr)nat einsam aufhält,
nur verstohlen Nachts zur väterlichen Hütto kommend. Auch die Mad-
chen haben bei ihoen durch Fasten und Schläge eine Prüfung zu be-
stehen^ ^).
Bei den Einwohnern des Kio-Nunez werden, nach Caillie, die Knaben
im Alter von 12—14 Jahren an einen Ort versammelt, worüber man dem
Zauberer — Simo meldet. Er erscheint an dem augezeigten Orte, um die
Kinder zu beschneiden. Nach der vollzogenen Beschneidung zieht sich der
Simo in den Wald zurück, wohin er alle der Beschueidung unterworfenen
Kinder mit sich nimmt. Von dieser Zeit an haben sie keinen Umgang
mit ihren Landsleuten. Im Walde wohnen sie in Hütten, die von
Banmzweigen eingerichtet sind. Als einzige Bedeckung füi* den Körper
dienen ihnen die Blätter der Bäume. Die Knaben müssen losgekauft wer-
den, um in ihre Heimath zurückkehren zu können. Alle 7 — 8 Tage bringt
der Simo die Losgekauften zurück, — die Anderen bleiben bei ihm im
Walde, kehren nur zur Erntezeit zurück, aber nachher wieder in den Wald **).
Bei den Quojas in Afrika werden die Knaben, nach dem Berichte von
Dapper, nach der Beschneidung gewaltsam nach dem Walde gebracht.
Dort bleiben sie einige Jahre und werden von den älteren Mitgliedern der
Gemeinschaft — den Seggone — „in den Rechten den Dorfes und in den
Kriegssachen unterwiesen**. Die Proben, denen diese Knaben unterworfen
werden, nennt man Belli-Paato oder Belli-Paaro. Ihr Sinn und Bedeutung
wird von den Quojas auf folgende Art erklärt: Es ist „ein Tod und
eine Wiedergeburt, indem die im Busch Eingeweihten ganz ver-
ändert werden, dem alten Leben und Wesen absterben und
einen neuen Verstand mit neuer Wissenschaft erhalten." Wenn
daher die Knaben „aus dem Busch zurückkehren, erzählt Dapper, stellen
sie sich an, als ob sie erst in die Welt kämen und nicht einmal wüssten^
1) Wem, III, S. 291. 2) Bastian, Rechtsv., 8. 389 Anm.
3) Klemm, III, 8. 292. Bastian, Rechtsv., 8. 390, 392.
4) Bastian, Rechtsv., S. 392. 5) Ibid., 1. c. Anm.
G) Ba.8tian, Reehtsv., S. 390-391. 7) Ibid., 8. 389, 39U. ö) Ibid., S. 387 Anm.
200 H. Eolischer:
wo ihre Eltern wohnten, oder wie sie heissen, was für Leute sie seien, wie sie
sich waschen sollen oder mit Oel beschmieren, was Alles ihnen die Aelteren
— So^gone — lehren müssen. Zuerst sind sie ganz mit Buschgewächsen
und Voffelfedern behängen, aber später werden sie mit Kleidern, Korallen
Leopardzähnen geschmückt''^). Die frappante Aehnlichkeit dieser Cercmonien
mit denjenigen, die wir bei manchen amerikanischen Völkern gesehen
haben, wie auch die ihnen gegebene Erklärung sind ein sehr starker ßeweis
für unsere oben aufgestellte Ansicht, dass hier in Bezug auf die leben
gelassenen Kinder der früher unterlassene Mord- und Aussetzungsprocess
vorgenommen wird. Von diätetischen Massregeln und Gesundheitsrück-
sichten, die man der Einführung der Beschneidung immer noch zu Grunde
legt, von rationalistischen Erklärungen dieser Sitten, die einfach auf Qual
und Martern hinauslaufen, kann keine Rede sein. Richtig aber ist, dass
diese von der Vorzeit vererbten Qual- und Marter-Bandlungen sich an die
späteren Umstände anpassen und dadurch umgeändert werden. Die an
den Kindern zu vollziehenden Martern passen sich an die späteren Bedürf-
nisse der Gesellschaft an. Man will die Kinder nicht durch Martern und
Peitschen umbringen und zu Grunde richten, sondern man erzieht sie
dadurch zu ihrem späteren Berufe. Sie müssen durch Mangel, Noth und
Schläge abgehärtet werden. Die alte Gewohnheit bekommt ein neues
Motiv, um beibehalten zu werden. Es ist die Erziehungsmethode der Ab-
härtung, die der vererbten Gewohnheit zu Hilfe kommt. Auch die noth-
wendige Betheiligung der Jugend am Militärdienste erscheint als Stütze der
alten Ordnung, wonach die Kinder in Schule und Haus nicht zart behandelt
werden sollen.
Li Australien und Polynesien finden wir dieselben Qualen und Martern
zur Zeit der Mannbarkeit. Meisten th eil s ist auch hier die Beschneidang
heimisch. Zusammen mit der Beschneidung oder anstatt derselben findet
die Verstümmelung anderer Körpertheile statt. So wird ein Zahn bei dem
betreffenden Subjecte ausgeschlagen oder ein Fingerglied abgeschnitten.
Diese verstümmelten Theile dienen ebenfalls als Ersatz für das bei der
Geburt unterlassene Umbringen des ganzen Körpers. Dabei werden diese
Marter- und Qualprocesse von solchen Gebräuchen begleitet, die auf ein
Absterben und Wiederaufleben der mannbar gewordeneu hindeuten.
„Am Cap York, wo Beschneidung und Ausschlagen des Zahnes im
Gebrauch ist, geschieht beides verborgen im Walde .... Es folgt auf die
Operation ein Monat, in welchem die Jünglinge gleichsam Novizen ihrer
neuen Würde der Mannheit sind . . . .; nach Ablauf desselben kehren sie
zu ihren Eltern zurück, noch mit dem Schmuck jener Festzeit, den sie
tragen, bis er abfällt"^). Bei dem Goulburnstamm, nördlich von Melbourne,
wird der Jüngling, der zur Mannheit eingeweiht werden soll, von drei
Stammesgenossen in den Wald geführt, wo er zwei Tage und eine Nacht
bleibt und sich die zwei oberen Schneidezähne ausschlägt, die er sorgfältig
aufhebt und zurückgekehrt seiner Mutter giebt. Dann ^eht er wieder in den
Wald, wo er nun zwei Nächte und einen Tag bleibt"^). In anderen
Gegenden von Australien werden die zu beschneidenden Knaben „gewalt-
sam den Weibern entführt, dann mit Ruthen gepeitscht, auf die anderen,
welche sich nach feierlichem Zuge auf die Erde legen, hingesetzt und
beschnitten"*). Wenn im östlichen Theil von Australien irgendwo in
einem Orte eine Anzahl mannbarer Knaben vorhanden ist, so ertönt plötzlich
1) Ibid., S. 388-389, 399. 2) Waitz-Gerland, VI, S. 787.
3) Idem, VI, S. 786. 4) Waitz-Gerland, VI, S. 786.
Die BehandluDg der Kinder in der Jugend. 201
in der Nacht ein Schrei im Walde .... die Männer fuhren sie an einen
Terborgen Platz nnd da werden sie unter Tanzen und Fechten, unter aller-
hand .... Ceremonien, unter verschiedenen Proben von Muth und Stand-
haftigkeit mit den Mannespllichten bekannt gemacht.^ ,,Dann wird bei der
KOatenbevölkerung den Knaben ein Vorderzahn ausgeschlagen^). Das
AasBchlagen des Zahnes wird, wie Hunt er berichtet, auf folgende Art
vollzogen. Dem jungen Menschen wird ^das Zaimfleisch mit einer scharfen
Muschel etwas losgemacht; der Zahn wird mit einem Stöckchen oft an-
geschlagen und gestossen, bis ihm endlich der entscheidende Streich ver-
setzt wird — die darauf folgende Entzündung und Geschwulst wird mit
grosser Geduld ertragen***). Diese Sitte, die Beschneidung als Aequivalent
rar den ganzen Menschen anzunehmen, hat wahrscheinlich ihren Grund
darin, dass an diesem Gliede sich die vorzugliche Manneskraft oder Frauen-
kraft äussert. Es scheint mir, dass ich eine solche oder ähnliche Er-
klärung schon irgendwo gelesen habe. Ganz anders verhält es sich mit
der Sitte, einen Zahn speciell als Aequivalent anzunehmen, und ihn bei
dem Uebergang vom Jugendalter zum Manncsalter auszuschlagen. Der
Brauch hat sich wahrscheinlich dadurch gebildet, dass man dabei einem
Naturvorgang nachahmte. Wie bei dem Uebergang vom Kindesalter in das
Jugendalter ein Wechsel in den Zähnen von selbst vorgeht, so wird hier
der Uebergang aus dem Jugendalter in das Mannesalter ebenfalls durch
Ausschlagen eines Zahnes bezeichnet. Es ist dasseli)e Merkmal des Ueber-
ganges mit dem Unterschied, dass es nicht von selbst geschieht, sondern
gewaltsam vorgenommen wird, als Nachahmung des ersten.
In Sparta wurde der Knabe im siebenten Jahre ^dem Pädenomen,
dem Vorsteher der gesammten Jugenderziehung zugeführt, der ihn dann
einer bestimmten Abtheilung von Altersgenossen zuwies. Die Abtheilungen
hiessen Hai oder Rotten, deren mehrere wieder eine grössere Gesammt-
heit, eine Schaar ausmachten"^).
Die ganze Lebensart der Jungen war auf sogenannte ,. Abhärtung"
gerichtet. „Sie gingen unbeschuht, ohne Koj)fbedecku^g, leicht und knapp
bekleidet, vom zwölften Jahre an selbst im Winter im blossen einfachen
Oberkleide, ohne Untergewand, und mussten mit einem Kleide das ganze
Jahr hindurch ausreichen. Das Haar trugen sie kurz verschnitten, durften
sich selbst nicht baden und salben, einige Tage im Jahre ausgenommen,
lagen in ihren Schlafstellen ohne Teppich und Decken, nur aut Ueu oder
Stroh, und vom fünfzehnten Jahre an, wo die Pubertät sich zu entwickeln
beginnt, auf Schilf oder Rohr .... Ihre Kost war nicht blos einfach im
höchsten Grade, sondern auch so knapp zugemessen, dass sie zur vollen
Sättigung nicht hinreichte, und die Knaben, wenn sie nicht hungern wollten,
fenöthigt waren sich Lebensmittel zu stehlen/ Ausser den gewöhnlichen
arten Strafen für Vergehen waren jährlich Dimastigosis — Geisseiproben
— angestellt „am Altar der Artemis Orthia oder Orthosia, wo die Jungen bis
aufs Blut gepeitscht wurden und es für schimpflich galt, Schmerz zu äussern
oder um Nachlass zu bitten, derjenige aber, der am längsten standhaft aus-
hielt, als Bomonikas, Sieger am Altar, gepriesen wurde. Es kam aber
auch vor, dass Knaben unter der Geissei den Geist aufgaben"^). Diese
Erziehungsart hat sich in Sparta bis auf die späteste Zeit erhalten^). Die-
jenigen, die auf Eigenartigkeit und Diflferenzcn im Leben der Völker pochen,
insbesondere aber im Leben der indo-europäischen Rasse, sollten diese
spartanische Erziehungsart mit der Erziehungsart bei den oben angeführten
Völkern vergleichen. Am allerwenigsten würde ein solcher Vergleich diese
1) Wem, VI, S. 786. 2) Klemm, I, S. 291.
3) Schoemann, Griecb. Alterthümer, I, S. 265.
4) Schoemaniit Oriechische Alterthümer, I, S. 266—267. 5) Idem, S. 267.
809 M. KuHscher:
t$ohlü8S6 fördern, denn die Uebereinstimmung in der Behandlung der Kinder
bei den Spartanern und den sogenannten wilden Völkern ist überraschend.
Aber diese sogenannte spartanische Erziehungsmethode finden wir überall
in Europa im Mittelalter.
Von der Erziehungsmethode, die im Mittelalter gebräuchlich war, er-
zählt der heilige Augustinus aus eigener Erfahrung: Man gab „mich in die
Schule^ um mich in den Wissenschaften zu belehren, deren Nutzen ich
Armer nicht einsah, während ich doch Schläge bekam . . . Das hatte den
l^ifall der Aeltem; und Viele, die vor uns diese Lebensart (d. h. das Ler-
nen) erwählt, hatten uns den mühevollen Weg bereitet; wir mussten ihn
gehen unter einer Pein und MühsaK die den Kindern Adams noch yer-
vielfacht w^r^. Im weiteren Verlauf seiner Erzählung kommt der heilige
Augustinus wieder darauf zurück, dass die Aeltem zu lachen pflegten über
die ^Martern, die uns Knaben von den Lehrmeistern angethan wurden . . .
Es ergötzte uns das Spiel, und das wurde an uns von denselben gestraft,
welche ohne Anstand dasselbe trieben. Aber die Kurzweil der Alten nennt
man Oeschäfte; thun die Knaben dasselbe, ao werden sie von jenen ge-
züchtigt** 0-
Auf die Kinderzucht im Mittelalter wirft auch die Kaiserchronik ein
Tiicht. Dort heisst es:
Da sprach der König hehre.
Nun vernehmet meine Lehre:
Wer den Besen dem Leibe des Sohnes entzieht.
Der hasset und schadet dem Sohn.
Zucht und Furcht ist gut').
Und weitex heisst es in derselben Chronik:
Meine Kinder müssen werden bezwungen
Mit Frost und auch mit Hunger,
Mit Nöthen und mit Arbeit
Ueberwinden sie so die Kindheit
Dann ehret ihre Weisheit das Reich''*)-
Dieser Zucht wurde das ganze Mittelalter unterworfen, gleichviel, ob
sie reich oder arm waren. Diese Zucht war ^hart, streng, mönchisch-finster.
Die Ruthe war das allgemeine Strafinstrumeni. Fasten und Kasteien ge-
hörten zu den Schulstrafen '^^). In der sogenannten Pariser Universität
^bestand eine sehr gewöhnliche Strafe in Ruthenstreichen, die dem Schul-
digem auf den entblössteu Rücken in Gegenwart des Rectors und der Pro-
oumtoren gegeben wurvlen; und diese Strafe, die schon im Jahre 1200 als
bekannt vorausgesetzt wird und die im ..XV. JahHiundert noch sehr ge-
wöhnlich war« wurde nicht nur an Scholaren, sondern selbst an Baccalaureen
voUiofii*n'**\
Ueber die Erziehung: in einem Pariser Colle«ium. wo Erasmns seine Ju-
Seud zugebracht hat« haben wir einen Bericht desselben, der ans dem
ahre 14^¥ stammt: ^Das La|£:er war hart die Speisen so schlecht und
kärglich« die Arbeit mit dem Nachtwachen so beschwerlich, dass viele sehr
begabte «IClnglin^^ in den ersten Jahren ihres dortigen Aufenthaltes starben,
oder blind« wahn:!dnnig« aus^äuig wurden Dabei wurde die Strafe in
Peitschenhieben mit Henkerstrenge volliogen~*\ In rinem Manoacript vom
Jahre KV^O wird u. A. berichtet^ dass in dem bekannten engtischen Eton-
OoUe«e Frt>itag ein Ta« der Züchtigung w^ir — fiogging day*). In der
tnitteklterlichen Behandlung der Ju^^ finden wir üso die beoden Rich-
te Sohmiai, i»<!Khvh:* 0^ rüj^.v*. H. .Cc;b?r' IST4 Sw 11— «X
i^ ivWii. u. s. i::si >^ i>w«. IL >i. j:^ r li«. n s. la i) ä«l, s. 424.
Die Behandlung der Kinder in der Jugend. 203
tangen, das sogenannte Abhärtungssystem einerseits wie das Iso-
lirangswesen andererseits vertreten. Das Isolirungssystem der Jugend,
das Entfernen derselben aus dem Schoosse der Gesellschaft vor der Puber-
tät haben wir schon bei den wilden Völkern gesehen. Dieses System ist
eine Nachahmung des Aussetzungsprocesses. Im Mittelalter findet diess von
einer früheren Zeit vererbte Syqtem eine neue Stütze in dem Umstand, dass
die ganze damalige Wissenschaft sich in den Klöstern concentrirt und dass
die ganze Wissenschaft in lateinischer Sprache vorgetragen wird. Die Kin-
der, Knaben wie Mädchen mössen ins Kloster gehen, um ihre Studien zu
machen. Sie werden also ieolirt. Dort treiben sie Griechisch und Latein
und sind daher bei der Rückkehr in ihre Heimath von ihrer ganzen Um-
gebung entfremdet. Sie erscheinen als ganz neue Persönlichkeiten, als
Wiedergeborene, die mit der früheren Kindheit in geistiger Hinsicht keine
Aehnlichkeit haben. Die von alter Zeit vererbte Aussetzungstendenz, die in
der Erziehung lag, hat also dazu mitgewirkt die Kluft zwischen Schule und
Leben, zwischen Lehrgegenständen und Lebensbedürfnissen auszubilden.
Die Schule hatte ursprünglich keineswegs den Zweck, den Knaben für das
Leben vorzubereiten, sondern einen neuen, nicht dagewesenen Menschen zu
schaffen« Erst allmählich haben die Mord- und Aussetzungsprocesse sich zu
Erziehungsmethoden ausgebildet.
Besprechungen.
Proceedings of tbe Royal Geographica! Society. Mai 1883, London,
mit .Notes on the Central Provinces of Colombia*, durch Bobert Blake White, der durch
seinen langen Aufenthalt dort am sachTerstindigsten darüber zn berichten Termag. A. B.
Ploss: Das Kind in Brauch und Sitte der Völker. Berlin, 1882.
Eine der monographisch grundlegenden Arbeiten, wie sie nnter der Masse des sich an-
sammelnden Materiars für Concentrirung auf die einzelnen Gesichtspunkte der Ethnologie
jetzt als nichste Aufgabe gestellt sind. Und keine günstigere Fügung konnte eintreten, als
dass sie sogleich in solch' musterhafter Weise in Angriff genommen ist Ton einem Altmeister
unserer jungen Wissenschaft, die auch von ihm, aus der Wiege zu heben, thitig mitgeholfen
worden, und die er noch Unge dorch*s Leben begleiten möge, gleich dem Kinde, dessen Leben
er uns ton der Wiege an erzählt. A. B.
Revue de Thistoire des religions. Tome III. Paris 1881.
Neben kritischen Besprechungen und Mittheilungen finden sich selbstst&ndige Artikel Ton
Maurice Yerues (dem Herausgeber), Lenormant. Nicolas. Perrat, Tiele, BeauToit,
BoQohe-Leclerq. A. B.
M. Bailand: Ein altes Straussenei. Journal de Medec. et de Pharmac de
TAlgerie. Ootober 1S81.
In der Umgebung ton ChercheK dem römischen Casjrea. dem alten Jol — unter Juba,
Hauptstadt tou MaQr>(Unien — finden sich lAhIrfiche Rainen. Im Jahre 1878 entdeckte
mau beim Umarbeiten des Bodens ein Columbariom acd in diesem neben Medaillen ans der
/.eit der Antv^nioe, neben Münien« Vis^n nach Art der schwarzen Töpferwaare ron Aretiam
und meuKhlicheu Gebeinen, welche Spuren ier Verbremnucg trugen, zwei Stransseneier,
von denen das eine« ausser einem !^ — T «in ärtvxs^n Lc<he an eicer seüier Spitzen intakt, das
andere terbtoohen war. IVr Verfasser ▼ervr'iofc üe chemische Beschaffenheit der antiken E-
fra^^mente mit denen eine« hiscben $;raus$ene:e< aus Siiiljcerien. IHe Dicke der Schale be-
trag bei beiden :i aun. Pie Aussen- und Incen^icbe de» altes hatte jedoch Glani und Glatte
verloren und erschienen ruoilig. ihclich wie Bisccii-PorcelUn. Das alte Kcsle sick anaser-
ordentlich schnell in verduccter SalRs4ui«. d&s frische «ranx lacgsam. Die wwtew Unter-
schiede stellen sich folgendermaasjien .iar:
Ahe Eis^-hilf. Frisch EiKkale.
Dkhte t^i ÄV ■ 2.^g^ 2314
K.^hlensauiw Kalk . . . i4.14 ?lW
Kohlensaure Magneisia . . vX»^ 2.05
rh^>sph<Mr«atti«r Kalk 1.5e iXTö
Oririni^he. schwe^Ibalti^ Ma:er> ;:vOo -U»
Wasser OJ.^ aiS
Verlust . i\I5 OgS
L. Lewin.
XIII.
lieber weisse Papuas.
Von
Dr. Otto Flnsch in Bremen.
W&hrend meines Aufenthaltes an der Sudostkuste Neu Guineas traf ich
zum ersten Mal Eingeborene von so heller Hautfarbung \i^ie Europaer, die
ich deshalb als „weisse Papuas^ und nicht als „Albinos^ bezeichne, weil
ihnen der Hanptcharacter reiner Albinos, nämlich die röthUchen Augen,
fehlten. Auch waren die betreflfendcn Personen nicht tagblind, wie echte
Albinos, sondern konnten vollkommen gut sehen. Von irgend einer Ver-
mischung mit weissem Blute kann bei keinem dieser Individuen nur entfernt
die Rede sein. Ich traf überhaupt nur einen Mischling von einer Papua-
motter und einem weissen Vater: ein kleines Mädchen, welches sich, wie
alle Mischlinge von Weissen und Farbigen, sogleich als solcher erkennen
liess. Das blonde, schlichte Haar dieser weissen Papuas, die ohne Zweifel
in die Kategorie des Albinismus gehören, hat nichts mit einer muthmasslichen
Vermischung mit Weissen zu thun, da solches Haar öfter bei reinen,
dunklen Papuas in Neu Guinea vorkommt.
Indem ich die Resultate meiner Untersuchungen hier folgen lasse, will
ich noch erwähnen, dass die Eingeborenen diesen weissen Individuen keiner-
lei besondere Beachtung schenkten, obwohl die Hautfärbung des weissen
Mannes noch immer ein Gegenstand ihrer Aufmerksamkeit und Bewunderung
war. Sie haben keinen Eigennamen für solche weisse Individuen, sondern
bezeichnen sie nur mit „uro-uro'^ d. h. „weiss^. Auch haftet an solchen
Personen keinerlei Aberglaube, Abscheu oder Verachtung, wie dies in
einem Falle von Melanismus bei weissen Eltern wahrscheinlich eintreten
wurde.
Ich beobachtete sonst nur noch einen Fall von Albinismus in der Süd-
see und zwar an einer Maorifrau, im Gefolge des Königs Tawihao in Waikato.
Ich hielt sie anfanglich fQr eine Europäerin, fand aber, und die eingezogenen
Erkundigungen bestätigten es, dass sie eine Vollblut-Maori war. Sie hatte ganz
hellblondes Haar und etwas blöde Augen, die das helle Sonnenlicht nicht gut
ertragen konnten, — eine Eigenthümlichkeit, die ja f&r Albinos als typisch gilt.
UiXMhrilt ßr Bthnolofle. Jahrg. 1998. 14
206 Otto FiDSch:
Albino No. 1. Ewarlnam, kräftig gebauter, starker Mann von gewöhn-
licher Mittelgrösse, ca. 30 — 32 Jahr alt, aus dem Fischerdorfe Hula in Hood-
Bai. (Hierzu Gesichtsmaske No. 171.)
Höhe 1,61 c/n; Brustumfang 93 cm; Längsaxe des Schädels 182 mw. —
Hautfarbung so hell als die eines Weisen, im Gesicht No. 23 (Broca), aber
Ohren, Nase, Wangen, Brust, Arme, Schultern, obere Bauchpartie, also alle am
stärksten von der Sonne beschienenen Theile lebhaft fleischroth, weil sonnver-
brannt. Lippen roth, wie bei Weissen; Scrotum fleischroth; Brustwarzen
klein, ohne dunklen Hof. An den sonnverbrannten Thcilen fühlt sich die
Haut rauh an, an den übrigen weich. Auf fast allen Körpertheilen mehr
oder minder stark, im Ganzen aber spärlich mit kleineren und grösseren,
hell" und dunkelbraunen Flecken bespritzt. Die grösseren Flecke sind
dunkelbraun und stehen am dichtesten längs der Wirbelsäule, obwohl auch
hier die grössten nicht mehr als 6 mm im Durchmesser messen; keine der
Flecken fliessen ineinander. Sie haben keine scharf abgesetzten Ränder,
sondern die letzteren sind mehr oder minder ausgezackt. Die hellen Flecke
haben ganz die Färbung und das Aussehen von Sommersprossen, und sind
alle kleiner als die dunkelbraunen. Die dunklen Flecken sind, wie erwähnt,
am zahlreichsten längs der Wirbelsäule. Hier bemerkt man ca. 20, von
denen 5 auf der Rückenmitte fast einen Stern bilden; auf Oberschenkel ca.
8, auf Schultern 7 ; im Ganzen sind die Flecke also spärlich.
Augen gelbbraun, ungefähr wie No. 4, aber lebhaft und glänzend; sie
verrathen keine Spur von Blödigkeit, wie der Mann in der That bei hellem
Sonnenlicht sehr gut sehen kann, was bekanntlich bei Albinos nicht der Fall ist.
Haar fein, lockig, ganz hellblond, wie sogenannte Flachsköpfe, aber
mehr mit gelbem Schein. Augenwimpern hellblond; Augenbrauenhaar aus-
gerissen; Bart, soweit derselbe nicht ausgerissen, hellblond; Arme und Beine
mit kurzem, feinkräusligem, ganz hellblondem Flaumhaar ziemlich dicht be-
setzt, was aber wegen der hellen Haut nicht deutlich sichtbar ist, auf Brust
und Rücken kaum bemerkbar. Scham mit hellbraunem, kräusligem Haar
bewachsen.
Die Physiognomie dieses Papua ist ganz europäisch, trotzdem aber von
irgend einer Blutsvermischung nicht die Rede.
Ich untersuchte diesen Mann wiederholt und zog, als ich nach Hula kam,
eingehende Erkundigungen über die Familie ein.
Die Eltern von Ewarinam sind beide dunkel. Der Vater ist ein
kräftiger Mann, anscheinend im Anfang der 50er Jahre; Hautßlrbung etwas
heller als No. 29; Haar schwarzbraun mit helleren Enden; Augen dunkel-
braun, etwa wie No. 3. ^—
Der Bruder dieses Mannes ist ebenfalls dunkel, zwischen No. 29 und 30.
Die Mutter ist etwas dunkler als ihr Mann, mehr zu No. 28 hinneigend.
In der ganzen Familie war kein Fall von Albinismus bekannt; die 3
übrigen Eander dieses Eltcrnpaares sind dunkel, wie dieses.
Ueber weisse Papaas. 207
Die Frau von Kwarinam war eine kräftig gebaute Frau von ca. 25 Jah-
ren, etwas heller als No. 29 gefärbt; Haar schwarz, schlicht; Augen dunkel.
Mit dieser Frau hatte Kwarinam zwei Kinder:
1. ein Mädchen, ca, 4— 5 Jahre alt; dunkel, zwischen No. 29 und 30,
im Gesicht etwas heller; Haar dunkelbraun, an der Eudhälfte blond, in
langen, schmalen Locken; Lippen hübsch blassroth; Augen dunkel.
2. einenKnaben, ca. 2 Jahre alt, kaum heller als die Schwester; Haar-
farbung ebenso, aber fein lockig; Augen dunkel. —
In demselben Dorfe (Hula) lebte ein zweiter Albino, der übrigens in
keinerlei Familienbeziehung zu Kwarinam stand und in dessen Familie eben-
falls kein weiterer Fall von Albinismus bekannt war. Seine Eltern waren
beide dunkel.
Albino No. 2. Kräftig gebauter Mann von ca. 28— 30 Jahren. Fär-
bung ganz wie bei Kwarinam, ebenfalls sommersprossenartig dunkel ge-
sprenkelt, aber weit weniger; Haar hellblond, eine zarte, weiche Wolke bil-
dend; Augen wie beim vorigen.
Der Mann war auf einem Auge blind, konnte aber auf dem anderen, auch
bei Sonnenlicht, vollständig gut sehen.
In dem zu dem grossen Dorfe Keräpuno in Hood-Bai gehörigen Fischer-
dorfe Alt-Hula, von Hulaleuten bewohnt, die vor der Zerstörung des Dorfes
hier siedelten, traf ich zwei weitere Albinos, Kinder, von dunklen Eltern,
die ausserdem zwei dunkle Kinder hatten. Weder in der Familie des Vaters,
noch in der der Mutter sind Fälle von Albinismus vorgekommen.
Der Vater war ein kräftiger Mann von ca. 35— 40 Jahren; Hautfär-
bung wie No. 29; Haar schwarz, groblockig mit braunen Spitzen. Augen
dunkel.
Die Mutter ca. 30 — 32 Jahr alt, hatte dieselbe Hautfärbung, wie ihr
Mann; Haar ganz kurz geschoren, schwarz. Augen dunkel.
Die Kinder dieser Eltern waren nach dem Alter folgende:
1. ein Sohn, ca. 16 Jahr alt, unbedeutend heller als die Eltern, zwischen
No. 29 und 30.
2. Albino No. 3, eine Tochter, ca. 9 Jahr alt. Schlank gewachsenes
hübsches Mädchen, das ihrer Mutter bereits über die Achsel reichte. Haut-
farbung No. 23; auf den der Sonne ausgesetzten Theilen, namentlich Brust
und Knieen, stark roth tingirt; die vom Grasrock bedeckten Theile so hell
i^ie der übrige Körper; etwas sommersprossenartig dunkel gesprenkelt. Haar
schlicht, hellblond. Augen hellbraun (zwischen No. 3 und 4); das Kind
konnte auch am Tage sehr gut sehen.
3. ein Sohn, ca. 7 Jahre alt; dunkler als der Vater fast wie No. 28; Haar
lockig, dunkelbraun mit hellen Enden.
4. Albino No. 4, ein Sohn, ca. 5 Jahre alt; Hautförbung genau wie bei
der Schwester (No. 3), ebenfalls, aber äusserst wenig dunkel gesprenkelt
14»
208 Otto Fiosch: Üeber weisjie Papuas.
schlichtes, hellblondes Flachshaar; über den ganzen Körper ein zartes,
weisses Milchhaar; die langen Wimpern weiss; Lippen schön roth, Wangen
zart geröthet. Augen hell gelblichbraun. Das Kindchen schielte auf einem
Auge, vras im Ganzen äusserst selten ist, konnte aber sehr gut sehen.
Die Hautfärbung dieser Kinder war genau so hell, wie die meines Armes,
und sie würden, modern angezogen, auch nicht, was den Gesichtsausdruck
anbelangt, in irgend einer Weise von Kindern weisser Eltern zu unterscheiden
gewesen sein.
XIV.
Zwei Grabsteleu von Pesaro.
Von
Dr. Ingvald Undset aus Christiania.
Hierzu Tafel V.
In seinem, an neuen weittragenden Gedanken und anregenden Ideen
80 reichen Buche „Ucber die Anfänge der Kunst in Griechenland*'
hat Dr. Milchhöfer ausgesprochen, dass die etruskischen Grabstelen von
Bologna in vielen Hinsichten uns an die von Schliemann über den alten
Gräbern in der Burg von Mykenae aufgefundenen Grabstelen erinnern,
trotz dem grossen chronologischen Unterschiede, der stattfindet. Diese rühren
aus einer vorhellenischeo , geradezu vorhistorischen Zeit her, jene gehören
einer nicht mehr frühen etruskischen Epoche an, in dem Gebiete nördlich
des Apennin; und doch bieten sich für die Betrachtung mehrere Vergleichs-
punkte dar: in der Hauptform der Stelen, in der Art der Bearbeitung, in
den Ornamenten, in der Anordnung und auch im Inhalt der Darstellungen.
Bemerkenswerth bleibt dabei, dass solche Stelen im eigentlichen Etrurien,
südlich des Apennin, nicht aufgefunden worden sind.
Aof meiner Studienreise durch das adriatische Küstengebiet Italiens
kam ich im letzten Juni auch nach Pesaro, und sah dort in der Biblioteca
Oliveriana die zwei Stelen, die ich hier veröffentliche. Ich gehe sofort
zur Beschreibung dieser hochinteressanten Denkmäler über.
Figur 1 — 3 auf Tafel V stellen das grössere Exemplar dar, Vorder-
seite, Rückseite und Randseite. Die Stele ist, wie man sieht, oben voll-
ständig und dort am breitesten, verjüngt sich nach einem kleinen Absätze
nach unten, ist aber leider hier abgebrochen; was wir übrig haben, ist
0,90 m hoch; die Breite beträgt 1,46 m oben, 1,48 m unten; wie viel fehlt,
lässt sich vor der Hand nicht feststellen. Die Dicke ist etwa 11 cm. Die
Steinart ist ein ziemlich weicher Sandstein.
Von den Darstellungen auf der figurenreichen Vorderseite nimmt zuerst
die Abbildung eines grossen Schiffes unsere Aufmerksamkeit in Anspruch.
Der Kiel läuft vorn wie ein Stachel aus; der Vorderstefen ist hoch empor-
ragend, nach vorn gebeugt, wie ein Vogelhals, und endet scheinbar als ein
Kopf mit Hörnern; der Hinterstefen ist nicht mehr deutlich; das Steuer-
210 Ingrrald üodset:
rüder ist aber hier bestimmt wahrnehmbar. Mitten im Schiff steht der
Mast, mit einem grossen viereckigen, quadratisch eingetheilten Segel; Taue
laufen vom obersten Rande des Segels nach beiden Stefen. Im Schiffe
sehen wir 15 Mann, alle in derselben Stellung, wie sitzend, mit vor-
gestreckten Armen, rudernd, dargestellt; nur in der Mitte deuten schräge
Striche vier Ruder an. In der Mitte, am Mast, hat man wahrschein-
lich auch eine stehende Figur zu erkennen, die mit dem Segel beschäftigt
ist. Unter dem Schiff sind 5 Fische gezeichnet. Unterhalb des grossen
Schiffes sehen wir zwei kleinere Schiffe offenbar im Kampf; sie liegen gegen
einander an, so dass die Vorderstefen sich kreuzen. Die Form ist im
Ganzen wie die des grossen Schiffes, nur dass diese kleineren ohne Mast
und Segel sind. Das Steuerruder ist nur bei dem linken angegeben; bei
dem Schiffe rechts, das seine linke Seite uns zuwendet, müssen wir uns
das Steuerruder an der anderen Seite denken; an beiden Schiffen
scheinen 4 schräge Striche an der Schiffsseite Ruder anzudeuten, wie an
dem grossen Schiffe oben. In diesen Schiffen stehen kämpfende Personen:
in dem links drei (und hinter diesen vielleicht noch am Ruder eine sitzende
Figur), in dem grösseren Schiffe rechts fünf Personen; alle schwingen
Schwerter; ob die runde Form, die den Körpern gegeben, dadurch zu er-
klären ist, dass die Männer schildtragend aufzufassen sind, scheint nicht
ganz klar. Links sind unter diesen Schiffen 6 Fische. Rechts sieht man vier
schreitende menschliche Figuren, die etwas tragen; diese sind umgekehrt
gezeichnet, so dass sie die Füssc gegen den Schiffskiel wenden; ihre
Köpfe fehlen, indem der Stein gerade hier abgebrochen ist.
Oberhalb, vorn und hinten vom grossen Schiff sind mehrere zum Theil
unklare Darstellungen. Rechts oben stehen zwei Menschen-Paare: die einen
wenden sich gegen einander, die anderen folgen einander nach; in beiden
Paaren sind die zwei Figuren durch eine Linie verbunden. Links vom
grossen Schiff sehen wir drei Menschen, die mit etwas beschäftigt sind,
was als eine grosse viereckige Flache, innen mit parallelen Zickzacklinien
angefüllt, gezeichnet ist; das soll vielleicht ein Netz darstellen und somit
eine Fischerei-Scene. Weiter oben eine räthselhafte Figur: von einem
Mittelstück, das oben in 3 kleine Zungen ausläuft, gehen unten zwei lange
gebogene Arme aus. Zu oberst erkennt man ein Thier, auf dem Rücken
liegend, zwei Menschen stehen oberhalb; links davon sind zwei kleine
Thiere, das eine mit einem langen Schwanz; vielleicht Jagdscenen? —
Alles ist nur in Umrisszeichnung dargestellt, und wie man sieht, ganz roh.
Die Verwitterung des Sandsteins hat viele Linien verundeutlicht, so dass
mehrere Einzelheiten nicht mehr klar zu erkennen sind.
Die ganze Rückseite ist mit Spiralornamenten gefüllt, in eigenthümlicher
Verschlingung, so dass in jedem Spiralknoten Linien aus zwei Spiralen
zusarammenlaufen und davon wieder in zwei andere Spiralen übergehen;
echte, wirklich aufgerollte Spiralen kommen eigentlich nur an beiden Enden
Zwei Grabstelen Ton Pesaro. 211
der obersten Reihe vor; die anderen sind nur spiralartig in einander ein-
gehakte Doppellinien, je zwei und zwei. Diese Seite des Steins hat von
der Verwitterung sehr gelitten, namentlich an den Rändern; nur am ober-
sten Rande ist ein grähtenförmiges Ornament sichtbar, das gewiss diese
ganze Seitenfläche einrahmte.
An den Schmalseiten laufen ähnliche Ornamente: zwei Reihen spiral-
artiger Doppellinien, durch eine in der Mitte hervortretende Kante getrennt.
Dieser merkwürdige Stein wurde um 1860 ausgegraben, 4 Miglien süd-
lich von Pesaro, bei San Nicola nel Valmanente, unter der Höhe des
Dorfes Novilara, oder genauer auf der halben Höhe der Hebung von San
Nicola gegen Novilara. An dem Fundorte war früher Wald, jetzt sind
Vignen da, aber die Localität trägt noch den Namen Selva di San Nicola.
Der Fundort liegt jetzt etwa 1 km vom Meeresufer entfernt; das Land ist
aber hier, wie überall an der oberen italisch-adriatischen Küste, stark an-
gewachsen, so dass das frühere Ufer ziemlich nahe an San Nicola lag; der
Weg, welcher von Pesaro nach Fano führt, wird etwa die ältere Küsten-
linie bezeichnen. Der Stein lag nur zwei Fuss tief in der Erde; doch war
er vielleicht früher tiefer, indem die oberen Schichten bei Wegräumung des
Waldes und Anlage der Vignen natürlich viel umgegraben worden. Nach
dem Bericht des Finders lagen in der Erde an dieser Stelle vielfach Frag-
mente von Thongefassen, Menschenknochen und „sostanze carbonate.^
Der Stein wurde durch Vermittelung des Herrn F. Odorici, damals
Bibliothekars der Biblioteca Oliveriana in Pesaro, 1871 in Bologna während
der dortigen Session des internationalen archäologischen Kongresses aus-
gestellt; bei dieser Gelegenheit wurde dies Denkmal aber nicht zum Gegen-
stand einer Verhandlung gemacht; es scheint nicht, dass Jemand damals
eine bestimmte Meinung darüber geäussert hat. Allein Worsaae, der an
dem Kongress von Bologna Theil genommen hatte, soll kurz danach in der
Gesellschaft für nordische Alterthumskunde in Kopenhagen einige Bemer-
kungen über dies Denkmal mitgetheilt haben i); dieselben sind aber nicht
publicirt und der Inhalt ist mir unbekannt; wahrscheinlich hat er zunächst
auf die auffallende Aehnlichkeit dieser Darstellungen mit den nordischen
Felsenbildern (Helleristninger) aufmerksam gemacht. 1873 hat Odorici
diesen Stein veröflFentlicht und abgebildet^), ohne aber zu wagen, eine Mei-
nung über Zeit und Stilcharakter zu äussern ; er theilt mit, dass er Abbil-
dung an mehrere hervorragende Archäologen Italiens und des Auslandes
geschickt habe, aber Niemand habe eine bestimmte Ansicht aussprechen
können. Es war eben zu der Zeit noch nichts ähnliches bekannt, so dass
wir wohl verstehen können, dass man nicht wusste, wie man dies Monu-
ment auffassen sollte. Indessen scheint die Publikation von Odorici, —
1) Hemoires de la societe les antiquaires da Nord. 1871. S^auces.
2) F. Odorici: Di una pietra figurata, a forma di stele, discoperta a Pesaro
(in: Oioraale di eradizione artistica, 11, 1873, Perogia).
212 lüfrald Undset:
in einer provinziellen nicht-archäologischen Zeitschrift — unbeachtet und
wieder ganz vergessen worden zu sein; ich halte es deshalb für nützlich,
hier die Abbildungen dieser Stele zu wiederholen, zugleich mit der einer
zweiten, früher nicht publicirten ^).
Figur 4 auf Tafel V stellt diese andere etwas kleinere Stele dar, Vorder-
seite und Randseite. Sie hat dieselbe Form, wie die erste, oben am breite-
sten, nach unten sich verjüngend; auch sie ist unten leider unvollständig.
Die Breite ist oben 0,96, unten 0,82 //i. Die Höhe des erhaltenen Stückes be-
trägt 0,75 fn; nach der Anordnung der Ornamente können wir schliessen, dass
mindestens ein Stück von 0,25 m abgebrochen isL Der omamentirte Theil
ist also von etwa 1 m Höhe gewesen. Dazu kam das nicht omamentirte
Stück, was in die Erde eingesetzt sein sollte. Auch dies Exemplar ist
von demselben Sandstein wie das erste; die Platte ist 10 cm dick.
An diesem Exemplar ist nur die eine Seitenfläche decorirt und zwar
mit Spiralornamenten von Doppellioieo, hier in klarer, durchdachter An-
ordnung *). In der Mitte ist ein viereckiger Raum mit drei schrägen Spiral-
linien ausgefüllt, durch Reihen von kleinen schrägen Strichen getrennt; die
zwei leeren Eckräame sind mit Spiralschlingen ausgefüllt, die ganz an die
Form der sogenannten brillenförmigen Bronzespiralschliogen unserer prä-
historischen Funde erinnern. Ausserhalb dieser Mittelpartie laufen parallel
mit den Kanten zwei Spiralreihen. Alle diese drei Abtheilungen der Fläche
sind durch dasselbe grähtenförmige Strichomament eingerahmt, was wir
auch an der Rückseite der ersten Stele bemerkt haben. Die Schmalseiten
sind mit einer einfachen Spiralreibe decorirt. Die Rückseite dieses Steins ist
ganz ohne Decoration.
Wie man sieht, sind dis Spiralen an dieser Stele klarer gezeichnet
wie an der ersten; hier kann man immer die eine Linie im Zusammenhang
verfolgen; die andere Linie scheint in die Knoten an beiden Seiten wie
eingehakt. Die Eckschlingen in der Mittelpartie, von einer ein&chen
Linie gebildet, haben regelmässig aufgerollte Spiralen.
Dies Exemplar wurde um 1865 gefanden, in der Nähe von Novilara«
nicht weit von der Stelle, wo der erste Stein gestanden hatte. Das Grund-
stück, wo diese zweite Stele eingegraben war, führt den Namen La tomba,
weil dort viele Gräber und Menschenknochen gefunden sind. Odorici hatte
auch von]^der Existenz dieses Exemplars gehört, es aber nicht gesehen, so
dass er keine Beschreibung oder nähere Nachrichten geben konnte ; es diente
1) Den Abbildan^en Fig. 1 — 3 auf ooserer Tafel V sind die von Odorici {^egebeoen
Lithographien ond eine, allerdings sehr massige Photographie za Gmnde geleimt Die Ab-
biidang der zweiten Stele Fig. 4 ist nach einer Photographie, die ich in Pesaro dorch
die gütige Vermitteloog des Herrn Professor Grossi, des jetzigen Bibliothekars der OU?e-
riana, habe anfertigen lassen.
2) Man könnte Ticlleicht hieraus schliessen wollen, dass diese kleinere die ältere sei;
jedoch kann der Zeit -Unterschied nnr so unbedeutend sein, dass man an diesem Punkt nicht
D&ber au verweilen braucht.
Zwei Grabstelen Ton Pesaro. 213
damals als Tischplatte im Garten des Pfarrers in Novilara; nachher ist
auch dies hochwichtige Monument vom Untergang gerettet worden und
wird jetzt in der Biblioteca Oliveriana in Pesaro mit dem andern auf-
bewahrt.
Ich habe jetzt nicht die Müsse, diese zwei Denkmäler in erschöpfender
Weise zu besprechen; wenn ich die mehrjährige Studienreise, auf der ich
mich noch befinde, beendet und zu der nöthigen Literatur Zutritt habe,
werde ich darauf zurückkommen; speciell werde ich dann die Schifisfiguren
einer näheren Untersuchung unterziehen, in ihrem Verhältniss zu den
ältesten Scbiffsdarstellungen auf den ägyptischen und phönicischcn Monu-
menten, sowie zu verschiedeneu sehr alten Münztypen aus dem inneren Mittel-
meergebiet, und innerhalb der Gruppe des Kunststyls der Dipylon-Yasen.
Da ich aber eben jetzt die Abbildungsmaterialien bekommen habe, halte ich
es für wünschenswerth, sie sofort zu veröflFentlichen. Der Beschreibung der
Objecte luge ich hier nur noch einige vorläufige Bemerkungen und An-
deutungen bei.
Dass diese Steine Grabstelen sind, ist unzweifelhaft; nach den Be-
richten scheint es, als ob zugleich Gräber an den Fundstellen aufgedeckt
worden sind, von deren Inhalt aber leider nichts erhalten worden ist.
Wir können verstehen, wie vor 10 — 12 Jahren, als Odorici die erste
Stele einigen Archäologen in Abbildung vorführte, man nichts damit an-
zufangen wusste. Dank den Funden Schliemann's in Mykenae ist uns
jetzt eine neue, reiche, grosse Culturgruppe erschlossen worden, die unseren
Gesichtskreis über die ältesten Verbindungen der Völker im inneren Mittel-
meergebiet und ihre Culturbeziehungen im ungeahnten Grade erweitert hat;
mehrere Forscher sind jetzt ernstlich an die Arbeit gegangen, diese Gruppe
zu durchforschen, ihren Ursprung und ihre Entwickelungsgeschichte näher
ans Licht zu rücken.
Jetzt ist es nicht mehr schwer zu erkennen, dass diese zwei Grab-
stelen in nächster Beziehung zu der Gruppe der mykenischen Alterthümer
stehen. Die Spiralornamentik, die Weise wie an der Rückseite der ersten
Stele mehrere Spiralknoten mit einander verbunden sind, die Art der Arbeit,
indem die Linien in ganz niedrigem Relief herausgearbeitet sind ^), endlich
auch die Hauptform, — Alles erinnert uns bestimmt an die ^ykenae-
Gruppe, während wir sonst nichts Aehnliches kennen. Die figürlichen Dar-
stellungen auf der Vorderseite des grösseren Steines werden wohl noch
ziemlich alleinstehend innerhalb dieser Gruppe sein; die Zeit wird aber
ho£Pentlich mehr ähnliches Material bringen. Die am meisten ähnlichen
Darstellungen bieten uns, wie schon berührt, die nordischen Felsenbilder
(Helleristninger).
Alterthümer, die in näherer Beziehung zu der Mykenae-Gruppe stehen,
1) "Wie oben bemerkt, sind aber die Figuren an der Vorderseite der grösseren Stele nur
UinrisszeicbnuDgen mit eingeritzten Lioien.
214
fDf^Tald ündset:
waren bisher in Italien nicht bekannt*). Es oxistirt jedoch nocb ein Stuck,
was in diesem Zusamtneti hange vorgeführt werden nmss, nriralich der in
llokschnitt 1 abgebildete Stein. Gozzatlini hat zuerst denselben be-
schrieben als eine Grabstele; er ist in der Stadt Bologna selbst ^g-
fanden. Die Darstellung ist eine merkwürdige: um eine Süule iu der Mitte
sind zwei Thiere wappenartig angeordnet. Der uaterste Tb eil des Steins ist
abgebrochen; scheinbar aber sind die Tbiere an den Hinterfiissen sitzend
Hokschn. 1.
^•VO
1) Ich beniitie diese Gelegenheit, um auf ein^n allgemeinen Irrthinu aufmerksam zu
machen. Im Aotiqnitriiim lu Münclieii befindet nkh ein eigenthömlicbes OelasB^ iba all-
gemein als eine Art U:iusurne tnif^efasst wurde: sieben runde Hütten stehen auf einer Art
Pbttform, die nnf 4 Beinen ruht, und umgeben einen offenen Hof in der Mitte : vorn ist ein
Portal» Miin hat an einen Pf^ihlban jredacht. Aussen ist da» iiefä^s mit Spiralornamenten
versehen. Dieser merkwürdige Gegenstand ist bei Linden seh mit, Altertbomer, 1, X
lif, Fi|^. B abj^ebildet als ein Tbon^efüs<% aus Älbano; so wurde nämlich früher im Antit^uarinm
tingegebfn. Es ist anietzt bei Virehow: Üeber die Zeitbestimmung der Haufturnen,
Seite 7 und 13 «lederholl, Wie ich aber Tor Kurzem in München erfuhr, hat genauere
Nachforschung ergeben. da$s dies ein Irrtbntn ist; in der Ausgabe von 1883 de.*; Führers
durch d:is K. Antiqnarinm iu München^ von W.Christ und J* Lauth, heisst es jeUt
S. 25 von diesem Gefäss: ^Grahcrefass von Topfstein, in einem alten^ wahrscheinlich kari-
scben, Felsengrab der Insel MiJo (Melos) gefunden.* Wenn es hier kariach beisst, so ist das
wobl mit Beziehung auf Koehler's Abhandlung in den MittheiL des archäol. Inst, in Athen
jj^eschebeUf wo er die Ansicht tvk begründen versucht hat, dass die Mjkenae-Gräber karisehen
Seeriubero zuiuscbreiben sind, — Sicher scheint es also, dass wir den Monumenten vorrath der
Mykenae- Gruppe auch mit diesem Topfsteingefäsa von Meios ku bereichern habeD.
J
Zwei Qrabstelen von Pesaro. 215
dargestellt; ihre Körper sind längs der Säule in die Höhe gestreckt; mit
den YordcrfÜsscn stutzen sie sich an einem volutenartigen Absatz an der
Säolc; ihre Köpfe sind nach hinten gedreht; sie sehen Kälbern am meisten
ähnlich. Die Säule endet nach oben kapital-ähnlich und ist mit einer
palraettenartigen Krönung abgeschlossen. Die Darstellung ist identisch^an
beiden Seiten des Steins; indem der Kucken der Thiere und die krönende
Palmette zugleich die Contouren der Platte ausmachen, bildet das Ganze
mehr eine Vollbild-Gruppe, als ein doppelseitiges Relief. Brizio hat, glaube
ich, zuerst ausgesprochen, dass diese Darstellung an das bekannte Re-
lief vom Löwenthore in Mykenae erinnere*). Bekanntlich sind in neuester
Zeit in Kleinasien zwei ähnliche Reliefs entdeckt worden, auch über Thoren
angebracht. Nun hat Zannoni mir mitgctheilt, dass dieser Stein gefunden
worden ist eben an der Stelle, wo die alte „umbrische" Stadt gegen den
kleinen Fluss Aposa (der jetzt mitten durch Bologna unterirdisch fiiesst)
ihre Grenze gehabt haben muss, wo wir also ein Thor anzunehmen haben;
die Stelle ist in der Nähe der bekannten zwei schiefen mitteralterlichen
ThQrme; alte Gräber sind erst eine Strecke weiter aussen gefunden worden.
Die Annahme liegt also ganz nahe, dass dieser sculpirte Stein von einem
Thor des aller-ältesten Bologna herrührt; die Form, nach oben sich ver-
jüngend, passt auch zur Einfügung in einen über dem Thore ausgesparten
dreieckigen Raum, ganz wie an dem Thore von Mykenae und den ge-
dachten kleinasiatischen Thoren.
Diese Monumente reichen einander jetzt die Hand und eröffnen uns
neae hochinteressante und weite Perspectiven: Zur Zeit der mykenischen
Cultur im griechischen Archipel drangen bereits dreiste Seefahrer tief ins
adriatische Meer; an der Küste bei Posaro haben sie uns reich dekorirte
Grabstelen hinterlassen, mit Spiralschlingen im Mykenae-Styl, mit Figuren,
die ihre Schiffe darstellen, Scenen von Kampf und vielleicht aus ihrem
Leben an dem fremden Ufer, von Fischeroi und Jagd. Wenn wir fragen,
welchem Volke diese Seefahrer wohl angehört haben können, liegt es ja am
nächsten, an Phöniker zu denken, die zu der Zeit und noch lange nachher
die Rolle ausfüllten, Handels- und Industrieprodukte, Impulse und Samen-
korner der Cultur von Volk zu Volk an den Ufern des Mittelmeers zu
übertragen und zu verpflanzen. Das uralte Thorrelief von Bologna tritt uns
als das erste Zeugniss entgegen, wie auch diese Einflüsse von der Küste
ins Innere weiter vorgedrungen sind. Jetzt fällt auch neues Licht auf die
Analogien der Certosa-Grabstelen mit denen von Mykenae; sie stehen einander
nicht mehr so fern: unsere Stelen von der Küste bei Pesaro fallen in
die geographische Lücke hinein; fernere Funde werden hoffentlich auch
die chronologische mehr füllen. Ein derartiger Fund ist schon im letzten
Jahre gemacht: auf dem Grundstück Arnoaldi, wo die Gräber bedeutend
1) In einer Abhandlung: Monumenti archeulogici della proTincia di Bologna,
enchienen in einer Pablication von 1881 des Club Apennino iu Bologna.
216 IngTald Undset:
älter sind als in der Certosa, ist ein Fragment von einer figurirten Stele
entdeckt worden, die bedeutend älter scheint als die von der Certosa. In
den Darstellungen zeigt sie auffallende Uebereinstimmungen mit einer eben-
falls dort entdeckten neuen figurirten Situla, die auch noch nicht publicirt,
aber älter ist, als die von der Certosa. Diese Stele wird wohl Zannoni, bei
dem ich eine Photographie davon sah, nächstens publiciren. — Die Sitte,
Gräber mit derartigen sculpirten Stelen auszustatten, ist also schon in
mykenischer Zeit an die adriatische Euste direct übertragen worden und
hat dort lange Zeit fortgelebt, noch bis in die verhältnissmässig späte etrus-
kische Zeit herunter, gegen das Jahr 400. So wird es auch verständlich,
dass wir solche Stelen im eigentlichen Etrurien nicht wiederfinden.
Fernere Entdeckungen und Forschungen müssen uns über die wahre
Art und Bedeutung dieser überseeischen Einflüsse auf das norditalische
adriatische Küstenland belehren, ob wir nicht nur mit „Cultureinflüssen'^,
sondern auch mit einem Eindringen von Volkselementen zu rechnen haben,
ob Eigen thümlichkeiten in der Cultur der ältesten Bologneser Nekropolen
auch unter diesem Gesichtspunkte aufzufassen sind u. s. w. Die Traditionen
des klassischen Alterthums hatten keine klaren Erinnerungen mehr an solche
Vorgänge hier; handelt es sich doch auch um Verhältnisse, die mindestens
etwa ein Jahrtausend vor Christo fallen!
Das Erste aber, was die Forschung auf diesem Punkte erwarten kann,
ist, dass Ausgrabungen in den Grundstücken, wo diese Stelen gefunden
worden sind, vorgenommen werden. Die Fundberichte sprechen ja davon,
dass die Bewohner der Gegend an diesen Stellen vielfach Gräberreste und
Alterthümer beobachtet haben. Ohne Zweifel werden die italienischen
Archäologen sich in Bewegung setzen, nachdem die Aufmerksamkeit auf
diese merkwürdigen Fundstellen nun hingelenkt worden ist.
Einen Punkt will ich hier noch berühren. Es ist bekannt, dass an
mehreren Orten des westlichen Mittelmeers, und noch weiter, eine Reihe
von grossen merkwürdigen Steindenkmälern erhalten ist, auf Malta, Sar-
dinien, den Balearischen Inseln, in Apulien, Spanien und noch weiter bis
Frankreich, Irland und England; mehrere von diesen Monumenten erinnern
an die Tholosbauten der Mykenae-Gruppe, an anderen finden wir Spiral-
monumente, die jetzt unsere Gedanken in dieselbe Richtung lenken ^). In
äusserster Reihe kommen auch hier die Felsenbilder der nordischen Bronze-
zeit in Betracht. Der alte Nilsson, der Nestor unserer paläo- ethnologischen
Forschungen, hat das meiste von diesem Material zusammengefasst und für
seine phöuikische Bronzezeit-Theorie verwerthet. In dem Sinne, wie Nilsson
vor 50 Jahren seine Theorie formulirt hat, wird sie nicht mehr erstehen;
1) Sophus Maller bat auch neuerdings iu einer Abhandlung über die Alterthümer
von Mykenae (in den dänischen Jahrbächern von 1882) dieses Monumeuten-Zusammenbangs
gedacht und auch auf die analogen Erscheinungen innerhalb der liykenae-Cirup^e und der
nordischen Bronzezeit hingewiesen.
Zwei Grabstelen ▼on Pesaro. 217
weDD wir aber viele Phänomene in jener fernen Epoche, welche die Bronze-
zeit in Mittel- und Nord-Europa umfasst, erforschen und erklären wollen,
wer3en wir gewiss auch mit den ausgedehnten Reisen und Handelsbezie-
huDgen der Phöniker zu rechnen haben.
Es besteht ein äusserer merkwürdiger Parallelismus zwischen der
aiykenischen Culturgruppe in der griechischen Welt und der älteren nordi-
schen Bronzezeit: auf beiden Gebieten tritt eine glänzende, reiche Cultur,
mit grossen technischen und künstlerischen Mitteln auf, um nachher wieder
zu verschwinden, ohne sich in der folgenden Entwicklung fortzusetzen; sie
stirbt aus, fast ohne der folgenden Zeit etwas von dem in technischer und
kOnstlerischcr Hinsicht Errungenen zu hinterlassen. Wenn später die Ent-
wickelungen beginnen, die nachher in der historischen Blüthezeit ihre Früchte
setzen, fangen sie so ziemlich von Neuem an.
Ob und wie ein innerer Zusammenhang zwischen diesen Parallelen
stattfindet, können wir noch nicht darlegen; unsere Forschungen sind noch
nicht weit genug vorgeschritten, unser Material reicht noch nicht aus und
fehlt gerade vollständig aus dem wichtigsten Zwischengebiet. Aber einige
Facta können doch hervorgehoben werden: wie noch in homerischer Zeit
Thrakien eine ganz andere Rolle spielt, uns als ein ganz anderes Cultur-
land entgegentritt, als in der späteren historischen Epoche, wo es halb Bar-
barenland geworden; wie Scherben mykenischer Thongefasse in Thrakien
und selbst in Siebenbürgen gefunden worden ; wie die drei Alterthumsgruppen,
innerhalb welcher die Spiralornamentik eine Hauptrolle spielt, gerade die
Mykenae-Gruppe, die ungarische und die nordische Bronzezeit sind; wie in
der Ornamentik dieser Gruppen schlagende Detailübereinstimmungeu sich
wiederholen.
Die wahre Bedeutung dieser Analogien und Uebereinstimmungen ver-
mögen wir aber noch nicht zu überblicken.
Salzburg, 15. September 1883.
Nachsclirift.
Als ich vor 10 Tagen diesen kleinen Artikel in Salzburg schrieb, ohne
ein Bach bei mir zu haben, erinnerte ich mich nicht klar, wie es sich mit
den ältesten Bologna-Stelen vorhält. Indem ich mich jetzt wieder in
Bologna befinde, supplire ich das oben Angeführte mit Folgendem. Mehrere
von den Bologna^Stelen, die kleineren und offenbar älteren, rühren nämlich
auch Ton dem Grundstück Arnoaldi her; sie sind meistens ohne Ornamente
oder mit einer einzelnen Figur u. s. w. Unter diesen kleinen Arnoaldi-Stelen
befindet sich aber speciell ein Stück, welches in jeder Beziehung die Lücke
aosfbllt. Auf der Vorderseite ist diese Stele, wie umstehender Holzschnitt 2
deutlich macht, mit Kreis- und Spiralornamenten dekorirt, sowie mit fünf
1) GoEiftdioi: IntorDo agli Rcav» artheoloRici fatti dal Sij?. A. Amoaldi
Veli» ßülo^a 1877, Tav. XIII. Fip. 7, wooach iiDsere Abbildung gemacht ist, mit Correcturen
nach dem Original. i>ie ganze Dekoration Ut auch hier in jß[anz flachem U<"Hef gegeben
oder wie tnit hjeit ausgearbaiteteu Coutourlinieu peieichnet. Erst wpüti wir uns die g&m&
Fläche ausserhalb der Figuren bis tnr Tiefi* der Umrisslinien weggemeissclt denken^ treten
die Bilder id flachem Relief herror» ^^o ist das Verhältuiss an deu Uykenae-Steten und aD
den am sorgfälligsteu ausgelübrleo spateren von liologiiii.
■
I
ik
H
Zwei Orabstelen von Pesaro. 219
and Pesaro und den bogenförmigen von der Certosa. Nachstehende Umriss-
zeichnung (Holzschn.S) stellt die Form der jüngeren Arnoaldi- und der Certosa-
Stelen dar. Holzschnitt 4 zeigt die Form einiger bei Arnoaldi vorkommenden
grossen kugelrunden Stelen mit Basis. Dieselbe Form kehrt auch im eigent-
lichen Etrarien wieder, z. B. bei Orvieto , aber in ganz kleinen Exemplaren.
Holzscbn. 3. Holzschn. 4.
Man sieht, dass Figur 3 und 4 dieselben Contouron zeigen. Haben dann
die eigentlichen Certosa-Stelen ihre Platten form von der älteren nord-
apenninischen Form, die uns in den Pesaro - Exemplaren und den ältesten
Amoaldi-Stelen in der Form, wie Holzschuitt 2, entgegentritt, ihre Con-
to uren aber von der auch in Etrurien vorkommenden kugligcn, vollen
Stelen-Form (Holzschn. 4) bekommen?
Conestabile hat in seiner Abhandlung Sovra due dischi etc. die
Pesaro-Stelen erwähnt, die Schififsdarstellungen mit denen der griechischen
Dipylon-Yasen verglichen und auf die angenommeneu Eriegszuge von Mittel-
meer-Völkern nach Aegypten unter Ramses II hingewiesen, sie aber nicht
ausführlicher besprochen oder bestimmter charakterisirt.
In seinem grossen Werke Gli scavi della Certosa hat Zannoni
ebenfalls der Pesaro-Stelen Erwähnung gethan, p. 121, Not. 10, und sie als
wahrscheinlich „umbrischen Ursprungs*' hingestellt.
Bologna, 27. October 1883.
Besprechungen.
A. Bastian: Amerikas Nordwestkuste.
Zorn ersten Mal erbalten wir in dem TOrlie^nden Prachtwerk ein Bild von der eigen -
thämlichen Gultnr der Indianerstärame Nordwest-Amerikas, von der wir bis dabin fast nur
durch die kleinere Arbeit Ton Dawson (Report on the Queen Charlotte Islands 1878) einige
Kunde erhalten haben und deren Erzeugnisse Tor Kurzem in den europäischen Museen bei-
nahe gänzlich fehlten. —
Während seines Aufenthaltes in Portland (Oregon) war der berühmte Verfasser von
Neuem auf das betreffende Qebiet anfmerksam geworden, und mehr noch wie anderswo drängte
sich ihm die Wahrnehmung auf, dass hier ein hochinteressantes Stuck ursprünglichen Cultnr-
lebens in Gefahr war, verloren zu gehen und vergessen zu werden. Seinen eifrigen Be-
mühungen gelang es nach seiner Rückkehr, diejenigen Kreise Berlins, die schon mehrfach
wissenschaftliche Unternehmungen durch ihre gern gewährte Unterstützung gefördert haben,
für seine Pläne zu interessiren, und es glückte ihm ferner, in der Person des Herrn Jakobsen
einen Reisenden zu finden, der mit Geschick und Verständniss die ihm gestellte Aufgabe
löste. — Wem es vergönnt war, die im vorigen Sommer nach Berlin gesandte Sammlung von
ethnographischen Gegenständen aus dem Gebiet der Haida- Indianer auf den Queen Charlotte
Inseln zu besichtigen, wird überrascht gewesen sein nicht nur von der Reichhaltigkeit, son-
dern auch von der verständnissvollen Auswahl der Gegenstände in der Sammlung, die, ausser
den noch vor hundert Jahren allgemein im Gebrauch gewesenen Werkzeugen aus Knochen
und Stein (die jetzt für die Eingeborenen nur noch als Reliquien Werth haben), alle die
kunstvoll gearbeiteten Geräthe des Krieges, der Jagd, des Fischfangs und der Hausindustrie,
wie auch die Symbole des Scharaanenthums und die eigenthümlichen Wappenbilder — To-
tems — in einer grossen Mannichfaltigkeit nmfasste. — Die in dem vorliegenden Werke ge-
gebenen prächtigen Abbildungen einiger ausgewählter Stücke dieser Sammlung, welche durch
ausführliche kritische Beschreibungen der Herren Dr. Grünwedel und Krause erläutert
werden, sprechen in ihrer Vorzüglichkeit für sich selbst Was Referent nur noch nach eigenen
Erfahrungen in benachbarten Gebieten hervorheben möchte, ist dies, dass diese Sammlung,
die erste, welche einigermassen erschöpfend die Cultur des Haidavolkes in ihrer natürlichen
Ursprünglichkeit darstellt, höchst wahrscheinlich auch die letzte ist, die in einer der Wissen-
schaft nutzbringenden Weise zusammengebracht werden konnte. Bis vor wenigen Jahrzehnten
hatten die tfaidas und die benachbarten Völker der Tachimsean und Tlingit, trotz des leb-
haften Verkehrs, den sie seit längerer Zeit mit Russen und Engländern unterhalten hatten,
ihre Individualität fast unverändert erhalten; aber seitdem das frühere Russisch-Nordamerika
in die Hände der Vereinigten Staaten übergegangen ist, haben sich die Verhältnisse sehr
geändert. Hier und dort in dem Gebiete entstanden Ansiedlungen der Weissen, industrielle
Unternehmungen wurden gegründet. Schulen und Missionen folgten, und seitdem die regel-
mässig an der Küste nach Norden fahrenden Dampfer nicht bloss den Geschäftsmann, sondern
auch zahlreiche Vergnügungsreisende aus S. Franzisko und Portland, die allerorten die «Indian
curiosities*' aufkaufen, zu den gletscherreichen Küsten Alaskas hinaufführen, seitdem ist
der Verfall der alten Sitten und Gebräuche ein so unaufhaltsam schneller geworden, dass
ihr völliger Untergang nur eine Frage der nächsten Zeit ist. Von besonderem Einflui^s in
dieser Hinsicht ist der Charakter des Indianers selbst, der die neue Civilisation mit Begierde
aufnimmt; er ist zu klug, um sich nicht die Ueberlegenheit des weissen Mannes einzugestehen ;
er sucht ihm ebenbürtig zu werden und zwar zuerst in Aeusserlichkeiten, in der Kleidung.
Derselbe Indianer, den wir auf der Jagd in seinem kleidsamen Lederkostüm sahen, das seinen
muskulösen Körper vortheilbaft zeigt, der auf weichem Mokassin geräuschlos durch das Waldes-
BeBprechongen. 2S1
dieldcht hindurchgleitet, präsentirt sich uns zu Haus« jedenfalls in einem schlecht sitzen-
den Arbeitsanzuge aus dem Laden des Hindiers, mit groben Nägelschuhen an den Füssen
und einem abgetragenen Filzhut auf seinem Haupte. Aber nicht nur auf Aeusserlichkeiten
beschr&nkt sich sein Nachahmungstrieb; er hockt unter Knaben und Mädchen in der Schul-
stube des Missionärs, um in die Geheimnisse des ABC einzudringen, er lernt Bibelsprüche
answendig und singt einen Hymnus zum T^obe des Gottes der Weissen mit eben der Andacht
und Erwartung auf guten Erfolg, mit der er früher die Beschwörungen der Schamanen an-
hörte und im feierlichen Chorgesange die mystischen Manipulationen derselben begleitete. —
Der Indianer der Nordwestkuste ist nicht zufrieden, sein Leben nothdürftig zu fristen; tiel-
mebr ist der Trieb zu erwerben in ihm ausserordentlich entwickelt, und dem kann er nur
«lurch engen Anschluss an die Weissen gerecht werden. Nicht nur, dass er diesen die Pro-
dukte seiner Jagd und des Fischfanges verkauft, dass er den Zwischenhändler zwischen ihnen
und den Indianervöikem des Inneren macht, er verdingt sich auch als Tagelöhner zu jeglicher
Arbeit, er wird in den .Ganneries*, den Anstalten zur Herstellung von Fischconserven und
Fischöl, beschäftigt, in denen er sich mit allerhand Maschinerie und Handwerkzeng vertraut
macht, er hilft dem Händler bei Einkauf und Verkauf und befasst sieb als persönlicher
"Diener mit Kochkunst und Aufwartung. Dem Prospector — Goldsucher — dient er als
Führer und Träger auf Märschen in's unbekannte Innere und vermittelt die Communication
zu den Goldminen; so namentlich in den sechziger Jahren nach den Caribou-M inen am oberen
Fraserflusse, in den siebziger Jahren zu den Cassiare-Minen, zu denen der Weg von Fort
Wrangel in Alaska den Stakblnfluss hinauf vorzugsweise in den Ganoes der Eingeborenen
gemacht wurde und jetzt vom Lynnkanal zum Yukongebiet hinüber. In den Goldwäschereien
selbst, z. B. in Junean City, werden sie als gute Arbeiter gern beschäftigt. — Seine altbe-
währte Kunstfertigkeit in der Herstellung von Schnitzereien in Holz, Stein und Hörn hat der
Indianer keineswegs vergessen, aber er bethätigt sie jetzt mehr in der fabrikmässigen An-
fertigung von „curiosities*' zum Verkauf an die Händler und Besucher. Dabei hat er seinen
Geschmack mehr nach dem des weissen Mannes geformt; er giebt seinen hölzernen Schüsseln
und Geräthen fremde Gestalten und fremde Zeichnungen. Die hübschen, dauerhaft geflochtenen
Körbe, Taschen und Hüte zeigen neue Formen und Muster, auf den silbernen Arm- un^
Fingerreif werden unsere Arabesken eingravirt und die Frauen und Mädchen sticken Blumen
nach den vom weissen Manne erhaltenen Vorbildern auf die zierlichen Lederschuhe. — Wie
die alte Kleidung und die alten Geräthe verändert werden, so verändern sich auch Sitten
und Gewohnheiten. Unsere Kartenspiele treten an die Stelle des alten Stabspiels, die Kunst,
das Feuerwasser zu brauen, ist dem Wilden nicht mehr fremd, Frauen und Töchter demo-
ralisiren im Verkehr mit den niedrigsten Schichten der weissen Gäste und ansteckende
Krankheiten bringen das Volk auch physisch herunter.
Der Untergang der alten Cultur vollzieht sich unaufhaltsam überall, wo eine höhere
Givilisation eindringt; aber an der Nordwestkuste Amerikas verknüpfen sich mehrere Ursachen,
um diesen unvermeidlichen Prozess zu einem besonders raschen zu machen, Ursachen, die vor
allen EHngen in den Charaktereigenschaften der ursprünglichen Bewohner, wie nicht minder
in der Eigenartigkeit derjenigen Givilisation zu suchen sind, die im raschen Triumphzuge
durch den amerikanischen Continent hindurch jetzt in dieses Gebiet gedrungen ist. — Um
so mehr müssen wir dem hochverdienten Forscher Dank wissen, der mit scharfem Blicke
das Rechte erkennend, noch in der letzten Stunde für die Wissenschaft die Reste einer
untergehenden Cultur gerettet hat, deren näheres Studium von ganz besonderer Wichtigkeit
für die Ethnographie Nordamerikas werden muss. Ehrend müssen wir auch die Bereit-
willigkeit derjenigen Männer anerkennen, die in uneigennützigster Weise die erforderlichen
Mittel zu einem Unternehmen hergegeben haben, dessen ausgezeichneter Erfolg, wie vor-
liegendes Werk beweist, die kühnsten Erwartungen übertrofiTen bat. A. Krause.
Arthur Milchhöfer. Die Anfange der Kunst in Griechenland. Leipzig.
1883.
Dieses interessante, in vieler Beziehung epochemachende Werk unternimmt es, gestützt
auf die ältesten Reste der griechischen Kunst, ein Bild des ältesten Culturlebens der vor-
hellenischen Völkerstämme zu entwerfen, zugleich aber auch die erzielten Resultate für die
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1883. 15
232 EeaprechaDgea.
Oesehicbte der Gesammtcultur za Terwerthen. Der Verfasser beg^innt mit der CbarakteriHirung
der Funde von Mykenae aas fönf, von Schliemann innerhalb der ßarpr im Jabre 1876 auf-
gefundenen Schacbtgr&bem: es sind Schmuck- und Geräthsachen , welche die verschieden-
artigste Ornamentimng zeigen. Gerade die Gliederung dieser mannichfaltigen Elemente, die
vortrefflich angelegte Gruppirung der verschiedenen Formen bat dem Verfasser die bedeutend-
sten Resultate ermöglicht. Da ist in erster Gruppe eine „orientalische*' - Richtung, welche
assyriscb-lgyptiscbe Formen bietet und sofort ausgeschieden wird, daneben aber eine zweite
rein ornamentale, deren Hauptformen die Spirale, welche auch zu Knauf- und Knopfver-
sierungen verwendet wird, dann aber auch die Typen der Flechtung, der Uolzverschränkunc
und Webemuster enthalten. Diese Gruppe ergiebt sich als eine ungemischte Omamentgrund-
form, weiche dem assyrisch-ägyptischen fremd gegenübersteht und als deren Parallelen der
Verfasser die alte Metalltechnik Phrygiens und die Teppichmuster an phrygischen Gräbern
(speciell am Grab des Midas) heranzieht. Indem der Verfasser in trefflicher Weise die
Stellung der l'hryger zu den übrigen Völkern Vorderasiens, ihre Verwandtschaft mit den
Armeniern und Iraniern hervorhebt, betritt er zuerst den Boden, auf dem im Verlaufe der
Darstellung seine Vergleichungen theils von Kunst-, theils von Cultusformen der arischen
Völker Asiens so interessante Resultate erzielen. Die erwähnten zwei Richtungen ergänzt
eine dritte, welche aus den Elementen beider gemischt ist, sie enthält Abbildungen von Thieren
des Meeres, — Polypen, zu deren Darstellung die alte Spirale verwendet ist, und derb-
naturalistische Wasservögel und -Pflanzen. Diese dritte, auch dem Material nach bedeu-
tendste Gruppe umfasst meist Goldringe oder massivgoldne «Schieber^, auf denen äusserst
lebendige Scenen von Jagden, Wettfahrten und Kämpfen, oder blosse Thiei^ruppen, in ver-
tiefter Arbeit, gebildet sind. Damit findet der Verfasser den Uebergang zu den «Insel-
steinen*.
Jene letzte Gruppe von Goldschmucksachen aus Mykenae steht nämlich im Zusammenhange
mit den Grabstelen und besonders mit den geschnittenen Steinen (ebendaher und aus
dem Kuppelgrabe von Menidi). Diese Gemmen aber stehen nicht allein, sondern reihen sich
in eine ganz Griechenland vertretende Gruppe ein. Kypros, Rhodos, besonders
jber Kreta, dann Melos, der Peloponnes und Nordgriecbenland sind vertreten, daneben aller-
dings nur schwach auch Böotien und Attika. Die Darstellungen umfassen, den semitischen
Einfluss fast völlig ausschliessend, was die Thierwelt betrifft, nur die europäischen Thiere
des Hauses, des Waldes, des Wassers (hier allerdings wohl nur Geflügel) — aus der ersten
■Reihe aber als das wichtigste das Pferd und zwar in verschiedenartiger Verwendung. Diess
Lieblingsthier der geometrischen Kunst erscheint hier auch symbolisch: .pferdehäuptige, ge-
flügelte, gewaltig kräftige Wesen, die ganze Stiere fortzuschleppen im Stande sind, zeugen
von dem mythischen Gehalte der Darstellungen.* Der Verfasser betont mit Recht die Be-
deutung des l'ferdes bei den Völkern arischer Rasse und bespricht in der interessantesten
Weise mehrere epische Stellen, welche über die erwähnten Wesen ungeahnten Auf-
schluss geben.
Kr erklärt uns diese Bilder als die der ältesten griechischen Götter, — er findet Analoges
in Iran und bei den indischen Aryas und entwickelt uns die ältesten Typen der Har-
pyien, der Krinnys, der Gorgo, der Iris, sowie der Kentauren und Satyren; wir erfahren die
Entstehung der Hippokampen und die der monströsen Chimaira. Und dass auch das Haupt-
Htück alter arischer Sage nicht fehle, erscheint auf zwei Gemmen der vom Geier gequälte
Promet heusi So viel Mythisches weiss der Verfasser aus den Darstellungen zu gewinnen:
daran anschliessend entwirft er uns, indem er die Jagdeu, Schlachten u. s. w. behandelt, ein
liild dor ältesten griechischen Cultur, in dem Schmuck, Bewaffnung und Bekleidung be-
Hpruchen und das Resultat gewonnen wird, dass Bewaffnung und Bekleidung der Männer nicht
so ganz ausser Zusammenhang stehen durften mit den auf ägyptischen Denkmälern der Ra-
nioHsidvnzeit vorkommenden und so oft schon in anderem Sinne erklärten Abbildungen von
«Völkern doM Nordens*, während in der Tracht und dem Goldschmnck, besonders der Frauen,
Mich deutlich die Verwandtschaft mit den arischen Völkern Asiens bis über Iram nach Indien
hin hcruusitellt.
Diese Resultate werden nun auf Grund der griechischen Literatur in Bezug auf die
ethnographische Stellung gewisser Stämme geprüft Die Minyer, Leleger und Karer erscheinen
uU «Sonderbitdungen der ansehen Pelasger*, zugleich wird ihr Zeuskult, den man theilweise
Besprechungen. 223
lum Beweise für Semitismus f^enommeu hat, als arisch in Anspruch genommen. Dieser
Kult ist der älteste und einzige der Pelasger, neben dem nur noch ein Kult
Ton Dämonen steht, die ihre Entwicklung und feste Fixirung in bestimmte
Gestalten erst dem Epos verdanken. Die älteste Culturentwicklung im griechischen
Laben gehört, so fährt der Verfasser weiter aus, Kretn an, die Gestaltung der Kunst des
Festlandes (Mykenae) ist nar von dorther abgeleitet.
Doch genng! Alle übrigen Ausführungen, die sich in der klarsten und fast unwidersteh-
lichen Weise anreihen, sollen dem Leser selbst überlassen sein; es soll nur, um die Bedeut-
samkeit dessen, was sie bieten, hervorzuheben, erwähnt werden, dass die Galturarbeit des
homerischen Zeitalters, die Entwicklung fester mythischer Gestalten, wie die Fortpflanzung
und Verwerthung gewisser, auf mythische Stoffe verwendeter künstlerischer Typen sich an-
schliessen und dass endlich noch die Ausführung des Verfassers, auch das alte Italien, — die
Etruskcr dürften vom Pelasgerthum nicht gelrennt werden, das Werk zu Ende führt. Es
ist in der That schwer, in knrien Worten den Inhalt des Buches zu charakterisiren, da man
der gewaltigen Anregung des frischen und forsch nngsfroben Werkes nur langsam sich wieder
entziehen kann. Orünwedel.
Oscar Schneider. Naturwissenschaftliche Beiträge zur Geographie und
Culturgescbichte. Dresden 1883.
Ein ungemein interessantes und lehrreiches Werk, zugleich vortrell'Iich ausgestattet,
welches allerdings nur in einzelnen Abschnitten die in dieser Zeitschrift vertretenen Disci-
plinen berührt. Der Aufmerksamkeit unserer Leser mögen besonders folgende Abschnitte
empfohlen sein:
1) Ueber Anschwemmungen von antikem Arbeitsmaterial an der Alexandriner Küste.
Der Verf. schildert in eingehender Weise, unter Heranziehung des mannichfaltigsteu literari-
schen Stoffes, den Reirhthuni eines gewissen Abschnittes der Küste bei Alexaudrien an Edel-
steinen und anderen werthvollen Mineralien, welche aus den Trümmern der alten Stadt stammen,
und auf welche schon Hr. Fr aas hingewiesen hatte. Von besonderem Werthe für das Ver-
ständniss der alten Handelsbeziehungen sind die Krorteningen über die Herkunft gewisser
Edelsteine, welche schon lange den Gegenstand der Untersuchung gebildet haben, wie des
Sapphirs und des Lapis lazuli. Der Verf. erwähnt mit Anerkennung, jedoch nicht ohne Ein-
spruch, die Arbeiten des Hrn. H. Fischer, dem gegenüber er geneigt ist, den einheimischen
Ursprung mancher Gesteine (jedoch nicht des Lasursteins) zu vermuthen; er verweist insbe-
sondere auf die mangelhafte geologische Erforschung des Berglandes zwischen Nil und Rothem
Meer, das in alter Zeit mit Bergwerk- und Steinbruchcolonien reich besetzt war, jetzt aber
fast öde ist.
2) Ueber den rothcn Porphyr der Alten (porfido rosso antico). Derselbe stammt von dem
Gebet Duchan (mons Porphyrites) in Aegypten, der neuerlich durch Hrn. Schweinfurth
einer genaueren Durchforschung unterworfen worden ist. Ausführlich wird der gesammte Be-
stand der aus dem Alterthnm erhaltenen Nachrichten und Kunstgegenstände dargestellt. Es
möge daraus erwähnt sein, dass auch in Metz, Trier und Bergheim bei Cöln Stücke der Art
gefunden worden sind und dass die herrlichen Sarkophage der letzten Normannen und der
Hohenstaufenkönige im Dum von Palermo derselben Quelle zugt^ seh rieben werden.
3) Zur Bernstein frage, insbesondere über sicilischen Bernstein und das Lynkurion der
Alten. Es ist dies derjenige Abschnitt, welcher die Prähistorie am direktesten berührt, und
zugleich derjenige, den der Verf. mit besonderer Vorliebe bearbeitet hat. Er geht davon
aus (S. 184), dass nach Pliuius, der sich auf Nikias beruft, der Bernstein im Altägyptischen
(wie später im Koptischen) Sakal heisst. Dieses Wort erinnere au Sikolos, wie denn die Be-
zeichnung Sukalscha in einer Inschrift Kammes' III auf die Siciiier bezogen werde. Bei
Moses IL 30. v. 34 werde unter dem Käucherwerk Schechelet erwähnt. Da nun, wie er aus-
führlich nachweist, in Sicilien Bernstein (oder nach Hrn. Helm Retinit) sehr häufig vor-
komme, auch in neuerer Zeit viel zu Schmuck verarbeitet sei, so erscheine es in hohem
Maasse wahrscheinlich, dass auch schon in sehr alter Zeit eine Verarbeitung desselben statt-
gefunden habe. Indess dürfte das Material nicht als Bernstein (succinum), sondern als Lyn-
15*
224 BesprechüTi^n,
kurion \u den Verkehr ^ebracbt worden sein. In der Septua^inta werde das Wort Lesicheni
dofch Lynkurlnn wiederjreiifebpn nnd Strabon, der dtis Land der Lijfycr ids Fundort dc*s letzteren
finführl, sa|?e aiit^dnlcklkh, da?» Lynkurion aoch Eleklnin (^ensinnt werde. Wir müssen weg^n
einer pjenauer^n Wiürdifijun^ der sehr ausgedehnten BeHeisfnhnmp auf das Original verweisen,
müchteii aber daranf aufmerksam nmcheri, diiss den Au«fubmn(^en de>( Qrn. Veif. ein em-
pfindlicher Mangel anhaftet, der gerade für Feine Scbluaameiiiunij von der undten Keortt-
niss des sicilischen Bernsteins von grosser Bedentung erscheint, nehmlich auf den Manf(el
aller thciL»&chltcheii Beweise für das Vorkominen pdihistoriseber oder ältester hislorischer
Fände ans sirili&i'hem Bernatein. Ich erinnere mich nicht, in den sicilianischen Museen
irgend ein prähistorisches Stück gesehen lU haben, welches auf eiribeimische Bemsteinhe&r*
b«itiing bingedeutet hätle. Das Vorkommen von Bernstein im allen Aegy pten ist bis jetzt
überhaupt nicht nachgewiesen, und es ist daher die Fm^e wohl erlaubt, ob in der That das
Wort Sakiil, Menn es wirklich alt*ägyptisch ist, die Bedeutung von Bernsloin bntte. Dass da-
gegen in jener ziemücb spät historischen Zeit, ans welcher die uns zugänglichen Citate über dss
Lynknrion stammen, dies^e Rezeicbiiung auf den, durch «eine Fluorescenz so au sgei^i ebneten
Rötioit von Sicilien gedeutet werden kunne^ erscheint nach den Ausführungen des Verf. in
der That möglich, Sache der Philologen wird es sein, die sprachlichen Annahmen des Verlv
einer genatieron Kritik n\ unterziehen. Virchow.
Jokn Anderson, Catalogae and haßd-book of the archacological collectioD.s
in the lüdian Museum, Calcutta 1883. Part, L Asoka and Indo-Scyttian
Galleries,
Das Indische Mu&euni in Calcutta wurde lB54j gegründet. Den Kern dcäselben bilden
dio arcbaolop;1scben Sammlungen der Asiat ic Society- die Erweiterungen bestehen hauplaäch-
lieh aus Skulpturen von Bhurhnt, aus den Giindhära-Basrelicfss, aus den Schatten des Buddha
Uayä und aus Abgüssen von den Tempeln von Orissa, Mr. Anderson, ursprünglich Zoo-
loge, gegen wittig Superintendent desJJnseums, hat in Form eines rdsonuirenden Katalogs ein
übersichtliches Handbuch der indischen Archäologie begonnen, {leisen erster^ jeHsit vorl legender
Tbeil die alterten Ahtheilnngen des Museums nmfasst. Dabei mu^s jerloch bemerkt werden,
dass die Funde ans den Cromlechs von Sudtndtpn» sowie die Steingeräthe, also die noch älte-
ren Sachen, anderweitig untergebracht sind. Nach Mr. Anderson enthält die Astoka-Gallerie
Skulpturen, welche mindestens zwei Jahrhunderte vor untrerer Zeitrechnung entstanden sind.
Darunter steht obenan die durch General Cunningham aufgefundene boddhi^tUche Stup.i
von Bharbut (in dem kleinen Staate Nagode), deren Einzeichnungen wichtige Aufschlüsse
über die Bevölkerung jener alten Zeit gewähren. Nach dem Verf. war es eine verhältnissmäs^ig
kleine Rasse mit mehr kurzem, rundem nnd fiiichem Oejjieht, gam verschieden von der grcisae-
ren, mehr scharf* und langgesichtigen Bevulkeiung« webhe jetzt die Gegend bewohnt; sie war
mehr den Uirassen des Plateaus von Centralindien^ als einem arischen Volke ähnlich. Die
Einzelheiten der Stupa werden in ausführlicher Weiae geschildert und erläutert. — Die zweite
Abiheilung, die sog, indoskytbische Oallerie, umfasset Gegenstände, welche den ersten zwei
oder drei Jabrhnnderten der cbristlichen Aera lugeschrieben werden. Darunter befinden sich
vor allem Skulpturen aus den Ruinen von Mathura am Jumna (Jomanes des Flinius) im
Distrikt von Agra, einem der ältesten Platze Indiens (Metbora bei Arrian, Flinius, Ptole-
maeus etc). Darin sind Leute dargestellt^ welehe mit denen auf einer noch älteren Stupa
¥on Sanchi (p. 157) zusammengebracht werden; die Herren Fergusson, Beul und W, Simp-
son halten sie für nördliche „Skythen* aus Afghanistan (p. 264). Es wird namentlich auf
ihr lockiges (curly) oder wolliges Haar hingewiesen^ wie es sieb übrigens auch an den ülteslen
Buddha- Bildern tindet (p. 175). Schon in jener alten Zeit mü^sten Skythen im Gangesthul
gewohnt haben, während die Säkyas, zu denen Buddha selbst gehöre, ein turaniscber Stamm
gewesen seien.
Diejic Hinweise werden genügen, um zu zeigen j eine wie gross© Bedeutung diese Älter-
Ihümer für die so schwierige Erfürscbung der indischen Ethnologie besitzen, und wie viel
Dank wir dem Verf, schulden, dass er in so anschaulicher Weise die seltenen Schätze, welche
seiner Obbnt anvertraut sind, geschildert hat. R, Virchow,
Verhand-liiiigeii
der
Berliner Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Redigirt
la-vad.. TTircliOT^.
Jahrgang 1883.
BERLIN.
Verlag von A. As her & Co.
1883.
Berliner Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
1883.
Vorstand.
Dr. Virohow, Professor, Vorsitzender.
Stellvertreter
dea
Vorsitzenden.
Dr. Bastian, Professor 1 9\
Dr. Beyrloh,Prof.,Geh. Bergrat hj v
Dr.Rob. Hartmaiifi, Prof., erster Schriftführer.
Dr. Max Kuhn, zweiter Schriftführer, Luisen-
strasse 67, NW.
Dr. Albert Vo83, dritter Schriftführer, Alte
Jacobstrasse 167, SW.
W. Ritter, Banquier, Schatzmeister, Beuth-
Strasse 2, SW.
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Frledei, Stadtrath.
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Dr. G. Fritsoli, Professor.
Aussoliuss.
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Dr. Stelnthal, Professor.
Deegen, Geh. Regier ungsrath.
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Ehrenmitglieder.
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Dr. Lisch, Geh. Archivrath, Schwerin, M kl bg.
Dr. Schott, Prof., Mitglied der Akademie der
Wissenschaften, Berlin.
Caesar GodefTroy, Hamburg.
Dr. Heinrich Schllemann, Athen.
Correspondirende
1. John Beddoe, M. D., F. R. S. Clifton, I 8.
Glocestershire. | 9.
2. Huxley, Professor, F. R. S., London. 10.
3. Sven Nilsson, Professor, Lund. i 11.
4. Worsaae, Kammerherr, Kopenhagen. '
5. Graf UwarofT, Präsident der archäolo- V2,
gischeu Gesellschaft, Moskau.
6. Capellini, Professor, Bologna. 13.
7. Dr. Giustiuiano NIootuccI, Isola di Sora,
Napoli. 14.
MitgUeder.
Paolo Mantegazza, Professor, Florenz.
Juan Vitanova y Piera, Prof., Madrid.
Francisco M. Tubino, Professor, Madrid.
Edouard Dupont, Directeur du Musee
royale d'histoire naturelle, Bruxelles.
Japetus Steenstrup, Professor, KopeA-
hagen.
Sir John Lubbocic, M. V, High Kims,
Farnborough, Keot.
Dr. Philipp!, Professor, Santiago, Chile.
f^J
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17.
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21.
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40.
41.
42.
4H,
44
15.
\)r, Jnitaft Naatt, F. R. S., Cbristdioreb, 46.
Dr. med. A. WeittfcMfc, ConsUotiiMfieL 47.
Loigt Miri, ProfeMor, Bologna.
Edgar Leopold Layvi. Britiaeher Coo- 4^.
aal, Paia, Braailien.
GnaUT Haue, Director des kaukaai- 49.
scbeo Museuma, Tiflia.
RfaM, Holündiacher ResideDt, Flores. 5<>.
Dr. um Bwiater, Profcasor, Boeoos-Ajr^ 51.
Loigi PffarW, Capo Sezioae nelU dire-
zione generale dei Masei e degü Scari 52.
del RegDO, Roma. 53.
Dr. Pcreira ia CMtm, Prof., Lissaboo. 54.
Dr. Cmwimi. Professor, DorpaL 55.
Aogostns W. FnMk% 31. A., Loodoo. 56.
V. JwdkmM, Schweizerischer Gesandter,
Wien. 57.
Dr. LctBMa^ Director, Leiden, Holland.
Dr. HansHMiferaiii.Reichsantiqiiar.Di- 58.
rector des historischen MuseoBs nod
des MedaillencJibineta, Stockholm. 59.
Dr. Carl Rml Washington. D. C.
Conte GioTanni CmiKfci, Senator. Bo- (SO.
logna. . 61.
Stockholm.
Professor. Stockholm. ' 62.
\ Melboarne^.Aostralien.
Professor. Director des 1 63.
botanischen Gartens, Athen.
Dr. Georg Zwfe^paMik \ledicinalin$pec< ; 64
tor« Astrachan.
Oscar Fta. Missionär. Ranchi. Nagpore« j 65.
Ostindien. ;
Bror Emil NMaferMii. ReichsarehiTar. ; 66.
StookhiUm.
A. L, Laraait^ Director des Alterthums- 67.
Museums^ Bergen, Norwegen.
Dr. J. R. Aaptlki> HeMngfors. Finland. (^S.
John Evaaa. F. R. S.. President of the > 69.
Numiüim. Society, Nash Mills, Herael
Hempstoi). '
SpleialtlHll, Sohwed. Cousul, Smyroa. I 70.
Frank GalvaH> Amer. Consul, Darda-i
Hellen, Kleinasien. ,
Di\ KatPtnMil, Krakau. |71.
Dr N. VM HiklMiio-Maolay, Sydney,!
AuMralien. 72.
Alt^xaniier CwiBiaglNiM, Major-Geueral, 73.
hireot. Archaeol. Siirvey, Calcutta. 74.
Dr. Oscar
Baron vaa
Baron F. V.
Dr,v<
Professor, Director des Ar-
chäologischen Cabinets, Rrakau
JodL Vi« Ltifeaaaak, Professor, K. Ratb,
Budapest.
Geotge M. Wfeatlar. Lieut. Corps of £d-
ginecrs, Washington, D C.
Dr. F. T. Kay*«, U. S. Geologist io
Charge, Washington. D. C.
J. W. PltM. Major, Washington, D. C.
Franz v. PünU. Director des Nationai-
Moaeam, Budapest
Dr. Fl.ÜMMr, Canonicus, Gross wardeio.
B«ytf W. DawkiM, Prof.. Manchester.
Dr. Dciaali. Washington, D. C.
Dr. Wenzel Cmfeu, Prof., St. Petersburg.
Dr. OimUbl Chefarzt der griechischen
Armee, Athen.
A tartraiC Director des Museums zu
St Germain en Laye.
Don Francisco MaraM, Director des
National-Mnsenms, Buenos Ayres.
Dr. BaJMr. Präsident der Academie,
Krakan.
Dr. BafiMaf, Professor, Moskau.
RajaBajMiiiraLai« HHra, Bahadur, Cal-
cutta.
John Shartt, M. D., Rrcaud, Sheraroy
Hills, Madras Pres., Ostindien.
Giuseppe Ptazi, Professor und Senator,
Rom.
Dr. ErMt, Directordes Nationalmuseums,
Caracas.
F. A.iellaepatart, Assistant Superinten-
dent, Port Blair, Andaman Islands.
IfewÜM ScfeiMler, General und Telegra-
phendirector, Teheran.
Dr. V. MMbari, Staatsrath, Barnaul,
Westsibirien.
Dr. Ry|h. Professor, Christiaoia.
Dr. Rieh. Sobonborgk, Director des bo-
tanischen Gartens, Adelaide, Süd-
australieo.
Prof. Dr. Paul Topinard, Generalsecretar
der anthropologischen Gesellschaft,
Paris.
Ch. 1:. de Ujfalvy de MezS-KSvead, Pro-
fessor, Paris.
Hubrig, Missionar, Oaoton.
William Henry Flower, Prof., London.
Dr. med. V. Gross, Neuveville, Schweiz.
7&. Dr. meü. Qerlach, Hotigkon^.
76. Pen!, von Hoßhstetter, Ititentlaut des k.k.
iiulurhisloriscLei] Mudpums, Wien,
77, J. F, Nery Oelgado, Att. GeoL Landes-
jvufnahrae, Lissabon.
E. Chantre, Prof, SuUdirector des Mu-
5**ume, Lyon.
E, OartailKaC; Toulouse.
80. GiuBeppi* Belluoci, Professor, Perugia.
8L Dr m(*d. Mor^elll, Prnfeaaor, Turin.
78
n
90.
V. Erckert. General, Petrowsk, HuBölaad.
Friedrich Bayern, Tiflis.
Dr. Ingvaid Undset, z. Z, iß Rom.
Dr, Sopbus Müller; Kopeubageß.
Dr. E, T. Hamy, Paris.
Prof. Dr. Giiöt. Reülus, Stockholm.
K Gulmit^ Lyon.
J. H, Rlvett-Carnao, Allahaba.U Ost-
indien.
Dr, ßütimeyer, Profeasor, BaaeL
L
2.
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7.
8.
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17.
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20.
2L
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23.
24.
25.
26.
27.
28,
211.
30.
Abarbanell, Dr.^ SanitiUsrath, Berlin.
AbfaoL Dt, med., Berlin.
Abeklag, l)n med.^ Berlin.
Acbenbach, Dr., Staatsminister, Oher-
Präsident, Potsdam-
Adler, l)r. med., Berlin.
Adolph, Herrn.. CommerÄiejirath, Thorn,
Westpreussen.
Albrecht, P., Dr., Professor, Königsberg,
Alfleri. L., Kauf mim o, Berlin.
Althoff. Dr., G eh. -Reg.- Rat b, Ikrli«.
V. Andrian, Krhr, Miaisterialratb, Wien.
Appel, Gh., Dr. pbil, Stockholm.
Arons, Alb., Gommerziearath, Berlin.
Arzruni, Dr., Frivatdocent, Berlin.
Ascherson* P., Dr., Profeasor, Berlin,
Ascherson, F., Dr. pbil, Berlin.
Aschotr, Dr. med., Berün.
Assmann, Dr. med., Magdeburg.
Audouard, Major, Charlotteaburg.
Awater, Ür. med., Berlin.
Baer, Dr. med., öanitätsrath, Berlin.
Band. Dr,, Oberlehrer^ Berlin.
Barchewitz, Dr., Hauptmann, Treptow
bei Berlin.
Bardcleben, Dr., Geh. Mediclnal-Rath,
Berlin,
ßarnewitz, Realgymnasiallehrer, Bran-
de obnrg a/H.
Barscball, Dr med., Berlin.
Bartels, M., Dr. med., Berlin.
Bastian ; Dr., Professor, Dircctor der
ethnologischen Äbtheilung des Kgl.
Museums, Berlin.
ßauermeUterr A., Saigon, Cochiochina.
Becker, Bauinspector, Berlin.
Behla, Dr. med., Luckau.
Ordentüclie Mitglieder.
31, Beim, W., Maler, Tempelhof bei Berlin.
52. Behrend, BLichhändler, Berlin.
33. V. Benda, Rittergutsbesitzer, Berlin.
34. v.Bennlgaen, Landesdirector, Bennigsen
bei Hannover.
35. Berendt, Dr., Professor, Berlin,
36. Berglus, Oberstlieutenant, Berlin.
37. Bernhardt, Dr. med., Professor, Berlin.
3H, Bernliardy, Kaufmann , Berlin.
39. Bert beim. Stadtverordneter, Berlin.
40. Beuster, Dr., Sanitätsrath, Berlin.
4). Beyfuss, Dr. med., Stabsarzt, Berlin.
42. Beyrich, Dr., Prof., Geh. Bergrath, Berlin.
43. Rogalla von Bleberatein, Vorsteher des
Statist. Bureau der N ieder seh 1,- Mark.
Eisenbahn, Berlin,
44. Biefel, Dr., Sanitätsrath, Breslau.
45. Blscboff^ Dr., Professor, Berlin.
46. Blaslus, Dr., Professor^ Braunschweig.
47. Blumenthalj Dr. med., Berlin,
48. BQdinus, Dr., Berlin.
40. Beer. Dr. med., Berlin.
ÖO. Boehm, Dr,, Medicinalrath, Magdeburg.
61. Boenlnger M., Rentier, Berlin.
52. V. Boguslawki, Dr., Berlin.
53. du Bois-Reymond , Dr., Professor, Geh.
Medicinalrath, Berlin,
v^ Bork, Kammerberr, Möllenbeck, Mek-
lenburg-Strelitz.
Bornj Dr., Berlin*
56. V. Brandt, Oberst z. D., Berlin,
57. V. Brandt, Gesandter^ Peking, China.
V. Bredow, Rittergutshesitzer, Berlin.
B res lauer, Dr., Professor, Berlin.
Bretschnelder, Dr., Berlin.
Bröalke, Dr. med., Berlin.
I 62. Bruchmann, Dr. phiL, Berlin,
54
55
5ö,
59.
GO.
61.
62.
(6)
63. Briokner sen.y Dr. med., Neu-RraDden- 105. FiakeliiNrg, Dr., Geh. Rogieningsratb,
bürg. Godesbcrg bei Bonn.
64. Briokwr, Professor, Dr., Berlin. , lOG. Fisdier, Dr., Marine - Assisteozarzt,
65. BwMolz, Custos des Märkischen Mu- ; Berlin.
seums, Berlin. 107. Förster, F., Dr.. Berlin.
66. Bndezies, Schulvorsteher, Berlin. 108. Frtas, Dr., Professor. Stuttgart.
67. BioMeMUiii, Regierungs-Assessor a. D., 109. Friikel, J., Dr. med., Berlin.
Rcichstags-Abgeordneter, Berlin. 1 10. Frinkel. ßemh., Dr. med., Berlin.
6^, Bitow, Geh. Rechnungs-Rath, Berlin. 111. Fraide, Rentier, Dessau.
69. V. Bmaen, Georg, Dr., Berlin. 11^. Friedel. Stadtrath, Berlin.
70. B«8Ch.Dr.,ünterstaatssccretair, Berlin. 113. Friederich. Dr., Stabsarzt. Dresilen.
71. Ctro, Dr., Hofapotheker, Dresden. 114. Friedländer, Dr., Berlin.
72. Cattai^Besitzerd. Panoptikums, Berlin. 115. Frisch. Photograph. Berlin.
73. Cbrieteller. Dr. med.. Berlin. 116. Frltsch, Gust, Dr., Professor, Berlin.
74. CorM, Schriftsteller, Berlin. 117. Frohihofer, Major, Berlin.
75. Cnn^, Dr.. Proskau i Schles. 118. FirstenheiM. Dr. med., Berlin.
76. Creaer, Abgeordneter. Berlin. 119. GaertBer, Consnl, Berlin.
77. CroMT, Dr. Sanitatsrath, Berlin. 120. Gaffky, Dr.. .Assistenzarzt. Berlin.
78. Cirlh, G.« Dr. med.. Berlin. 121. GelM, Banquier. Berlin.
79. Baaes. Dr., Professor, Berlin. 122. Geatz. Professor, Berlin.
80. Ptvidsoii. H., Dr. med., Beilin. 123. Gesenias. Stadtältester. Berlin.
''l. DivMaol«, L.. Dr. med., Berlin. 124. Gierke. H.. Dr., Professor, Breslau.
82. Beeflea. Geh. Regierunesrath. Berlin. 125. Götz. Dr.. Ober-Mediciualrath, Neu-
>r». Befeaer. Amtsrichter. Königs- Wuster- Strelitz.
hausen. I2i». GStze. Burgermeister, Wollio.
84. Beaiel. Dr. Assistenzarzt. Berlin. 127. Götze. Ernst. Kaufmann. Zossen.
85. Boriai, Dr.. Ober-Stabsarzt. Berlin. 12n. Goldschaiidt. Leo B. H.. Banquier, Pari;«.
>6. Brieawl jr.. Fabrikbesitzer, Guben. 129. Goldschaiidt. Heinr.. Banquier. Berlin.
87. Briese. Erust. Kaufmann. Guben. l3o. Goldschmidt Geb.. lu st izrath, Professor,
S*^. Biaaebea. Dr.. Prof. Strassbur^ i Eis Beriir.
89. Baawat Dr.. Berlin. 131. Gddeticker. Buchhänuler, Berlin.
90. Medaczycki. Graf. Lemberc 132. GottdaaHaer, Dr. med., Berlin.
91. Oell. Dr. med., Berlin. 133. Gcslich. Rentier. Berlin.
*»2. Ehrearetdu Dr. med.. Berlin. l?4. Gossaiaan. J.. Verlagsbuchh.. Berlin.
'.»:». Eade, Professor. B.iuratb. Berlin. I3ö. Gottschau. Dr. med.. Wurzburg.
V4. Eaiel, Dr., Medecin-Insp. des bains 136. Grawitz. Dr. med.. Berlin.
d*Helouan. Egypten. 137. Grenpler. Dr., Sanitätsrath. Berlin.
9r>. V. Eferjesy. K. K. Oestr. Kammerherr. 138. Greve. Dr. med.. Tempelhof in Berlin.
Korn. 139. Griesbach. Or. med.. Weissenburg i Eis.
96. ErdaMaa, Gymnasiallehrer, Züilichau. 140. Gränwedel, Dr. pbil., Berlin.
97. EaMbarg, Dr., Geheimer Sanitatsrath, 141. Gabitz. Rud., Notar, Berlin.
Berlin. 142. Gubitz. Erich, Dr., med., Berlin.
98. Ewald, J., Dr., Professor, Berlin. 143. Günther, Carl. Phoiograph, Berlin.
99. Ewald, Ernst, Professt^r. Berlin. 144. Gössfeldt Dr. phil., z. Z. Südamerika.
100. Ewald, C. A., Dr., Professor, Berlin. 145. Göterbocli. P.. Dr. med.. Berlio.
101. Falkeasteia, Dr., Stabsarzt. Berlin. 146. Gottstadt. Dr. med., Berlin.
102. Fasbeader, Dr.. Professor, Berlin. 147. Hagenbeck. Carl. Hamburg.
lv>3. Feldberg in Meklenburg Strelitz. An- 14^. Hahn, Gust.. Dr., Oberstabsarzt, Berlio.
throj^^logischer Verein. 149. Haha, Dr. med., Director des Allgem.
lOi Felkia, K. W., Edinburgh. Städtischen Krankenhauses, Berlin.
(7)
l Hahn, Dr. m^<l., Stabsarzt. Spandau,
163, Malberstadtj K.iufmoDu, Berlin,
152. Handke. Rf>ntier, ßeriiiu
lf)3. Handtmann, Prediger, Seeclorf bei Leo-
len u, d. Elbp.
15)4. Hanaemann, Rentior^ Berlin.
155* Harms^ L. Heinr., Lübeck,
156. Harseim, Geh, Kriegaraib, Berlin.
157. Hartmann, R-, E)r., Professor» li(*rlin.
15H. Martung, Dr., Stabsarzt, Trier.
159. V. Haselöerg, Dr med,, Berlin.
100. Hattwlch, Dr. med., Berliii.
ICL HauDhecorne;Geh.Ob.-Bergrath, Berlin,
162. Heifnann, Dr., Redactetin Berlin.
IG:^. Heintzel. Dr., LFineburg,
164. Henning, Prof., Dr., Strassburg i;Els.
I(i5. Henoch. Anlon^ Kaufmaßo, Berlin.
166. Hermes. 0., Dr., Berlin.
167. Herrinann, Reiuh., Fabrikant, Guben.
168. Hertz, VViUiara D , Lo ndrin.
16H. Heriberg. Dr. med., Berlin.
170. Heudtlass. Hotelbesitzer, Berlin.
171. HHgendorf. Dr. pbiL, BprJio.
172. Hille, Pr med., Strassburg i,Ei&ass.
173. HirscIiberQ, Dr., Frofessorj Berlin,
174. Hitiifl, Dr., Professor, Halle a/S.
175. Hoffmann, Dr.^Geb.Sanitatsratlt. Berlin.
176. Hoffmann. Landrath, Spremberg.
177. V, Holleben, ^filliäterresideut, Berlin.
178. Ho II mann, Landgericbtsiatbj Berlin.
17f>. Hörn v d. Hork, Dr, z. Z. in Hougkimg.
li^O. Horwitz, Dr., Rechtsanwalt, Berlin.
181. Hoalua. Professor, Münster.
182. Kousselte, Dr . Geh. Moii-Ratb, Berlin.
18:3. Huld. r> , Dr., Stabsnrxt, Gnesen.
1H4. Humhert; Geh. J.egatioasrath, Berlin.
185. lacob, Dr med., Roembild.
186. lacobsen, Dr. pbil., Beilio.
1H7. JacobBthal, Professor, Charlottenburg.
188. Jaffe, Benno, Dr. pbii.. Berlin.
189. Jagor, i\, Dr., Berlin.
l'JO. lahn, Rentier, Burg Lenzen a Klbe.
191. Jannascti, Dr. jur. et phil, Berlin.
1M2. Jaquet, Dr., Sanität'iratb, Berlin.
193. Ideletj Dr. med,, Sanitätsratb, Dalldorf
bei Berlin.
194. lentsoh. Dr., Oberlehrer, Guben.
195. Jetschln, Geh. Calculator, Berlin.
196. Joist, Wilhelm, Berlin.
U)7. Israel, Oscar, Dr. med., Berlin,
198. JUrgena, Rud., Dr. med , Berlin.
199. Junker, Dr.. 2. Z, in Africa.
200. lunker v. tangegg, Dr, Berlin.
*20L Kahlbaum, Dr. med., Görlitz.
202. Kantecki, Clemens, Dr., Posen.
203. Karls. Kaufmann. Berlin.
204 V. Kaufmann, R., Dr., Prof,, Berlin.
205. Kayser, Em., Dr., Professor, Berlin.
206. Kirchhoff, Dr., Professor, Halle a/S.
207. Kny, Dr., Professor, Berlin.
208. Koch, Dr , Regierungsrath, Berlin,
209. Koehl, Dr., Ffeddersbeim bei Worma.
210 Koehler, Dr. med., Kosten, Prov. Posen.
211. König. Kaufmann, Berlin.
212. Körbin, Dr. med.j Potsdam.
21:1 Körte. Dr., Geh, Sanitätarath, Berlin,
214. Koner, Dr., Professor, Berlin.
215. V. KorfT, Baron, Oberst a, D., Berlin.
216. Krahmer, Carl, stud. phih, Halle a/S.
217. Krause, Ed., Architekt, Berlin.
218. Krug, Rittmeister a.D, Jessen, Kr. Soruu.
219. V. Krzyzanowski, Probst, Kamieniec bei
Wolkowo. Posen.
221K Kuchenbuch, A mtsgerichtsratb, Mijnche-
berg.
221. Kiinne. Buchhändler, Gharlottenburg.
222. Küster. Dr,, Prof., Sanitütsratb, Berlin.
22;i Kuhn. M., Dr. phil., Berlin.
224. Kuntze. Dr. phil , Eutritzsch b. Leipzig.
225. Kunz, Stadtrath, Berlin.
226. Kunze, Kreisbauraeister, Samter. Pro-
vinz Posen.
227. Kurtz, Dr, phiL, Berlin.
228. V. KüSserow, H.,Geh.Leg,-Rath, Berlin.
229. Laehr. Geb. Sanitütsrath. Schweizerhof
bei Zehlendorf.
230. Landau, H,, Banquier, Berlin.
231. Landau. Dr. med., Prlvatdoc, Berlin.
232. Landau, W., Dr. phil., z Z. auf den
Philippinen.
23:1 Lange, Henry, Dr. phil., Berlin.
234. Langen, Cupitain, Coln a,Rh.
235 Langen, Köuigl. Baumeister, Kyritz.
236. Langerbans, Dr. med , Berlin,
237. Lasear^ Dr. med., Berlin.
238. Lazarus, Dr., Professor, Berlin.
239. Lehnerdt, Dr., Sanitätsrath, Berlin,
240. Lelnlngen, Graf zu, Lieut. im 3, Garde-
Regiment, Spandan.
241. V. Le Coq, Darmstadt
(8)
242. Loriw, £., Elombitton bei Saalfeld,
Ostpreussen.
243. Letter, Ad., Dr. med.. Pri?at>Ioceot,
Berlin.
244. Leetier, P., CodsuI, Dresdeo.
245. Lewie, Dr., Professor, Berlin.
246. Uwie. Dr., Geb. Saoititsratli, Berlin.
247. Ueke. Dr., Professor, Berlin.
24^. Ueke. Professor, Gera.
249. Liebeeow, Geh. Recbnungarath. Berlin.
251». UebenuM, Geh. Comm.-Rath, Berlin
:f51. UeberauuM, Felix, Dr., Berlin.
252. UebenuM, Dr.. Profesbor, Berlin.
25.3. Uebreieh, Dr., Professor, Berlin.
254. Uaaa, Dr.. Professor, Geh. Medicinal-
Rath, Berlin.
255. Liffler, Dr.. Assistenzarzt Berlin.
25G. Leew, Dr., Oberlehrer, Berlin.
257. Lette«, Dr. pbil., Professor, Berlin.
258. LiMei^ Dr. med., Wollin.
2.M^. LOW, Dr., ObersUbsarzt, Beigard.
260. Lavtte«, Dr., Generalconsul, Berlin.
261. Unebvf, MuseamsTerein.
262. Lttüf, Dr. med., Berlin.
263 HafHt, P., Dr., Professor, Berlin.
264. Mertey. O., Dr. med., Cairo.
265. Maatt, Heinr., Raufm., Berlin.
266. Maatt. Jal., Kaufm.. Berlin.
267. Maratte. Dr. pbil., Berlin.
268. Hareard, Ministerialdirector, r>erlin.
269. Haren, Dr. med., Berlin.
270. Härene, Siegb., Dr. med., Berlin.
271. Härene, Dr., Sanitatsrath, Berlin.
272. Harifraff; Stadtratb. Berlin.
273. HarJBW y Tede. Sebastian, Or. med.,
SeTilla.
274. ¥. Harten, Dr., Professor. Berlin.
275. Hartbe. Dr., Oberlehrer, Beiliu.
276. HartiL Dr. med., Berlin.
277 Hayer, L.. Dr., Sanitaurath. Berlin.
278. Haycr, Dr., .Sub?arzt, Berlin.
27;^. Hebfit, Dr., Dürkbeim.
29.K Hcftzea, Dr.. Geb. R^g,-R*ih. Berlin.
281. Hdtiea. E., Dr., Berlin.
282. WmifA. Dr. med.. PriTatdoc., Berlin.
283. Heufcr, Dr. med., Berlin.
281. V. Hereeebkewtky, C, Custos am Zoo-
>f:.^MrLen Ic^titut, Petersburg.
\ M'vritx. Dr.. G**h. Sanitätsratb.
286. Heyer Ad., Buchhalter, Berlin.
287. Heyer, Geh. Legat ionsratfa, Berlin.
288. Heyer, G. Alf., Dr. pbil., Berlin.
289. Heyer, Hans, Dr., Leipzig.
290. HSIIer. Professor, Dr.. Berlin.
291. Hotet, Dr. med., Berlin.
292. Hnb. M , Dr., Wien.
293. Hibleebeek, Gutsbesitzer. (;r Wachlin
in Pommern.
294. HihtaiB. Dr med., Berlin.
295. Heller, L.. Dr, Berlin.
296. Heiler. O., Buchhändler, Berlin.
297. Hiller. Bruno. Kaufmann, Berlin.
298. Heiler, Carl, Dr., .Medicinal-Kath,
Hannover.
299. Heiler-Beeck. Berlin.
300. Hetzel, Gust., Tbiermaler, Berlin.
301. Heak, Herm., Dr., Professor, Berlin,
302. Nachtigal, Dr.. Geueral-Consul, Tunis.
303. Nagel, Kaufmann, Berlin.
304. Nathaa. J . Kaufmann. Berlin.
305. Nehriag. Dr.. Professor, Berlin.
30t). NewMUHi, G.. Kaufmann, Guben.
307. Neeauiyer. Dr., Professor, Wirklicher
Admiralitätsrath, Hamburg.
308. Nieaderir, Amtsrichter, Berlin.
309. NotiiBagel. Hofmaler. Berlin.
310. Oeltaer, Fr., Amsterdam.
311. Oettea. Subdir.d. Wasserwerke, Berlin.
312. Olsbausen. Otto, Dr.. Berlin.
313. Orth, hr., Professor. Göitingen.
314. Orth, Dr., Professor, Berlin.
315. Otborae, Ritterguutesiuer. Dresden.
316. Otke. £.. Vereid Makler, Berlin.
317. Paechter. Herm , Buchhändler, Berlin.
318. Paetel, Staitverord neter, Berlin.
319. Paettch. Job.. Dr., Berlin.
320. PalBi. Dr. med., Berlin.
321. Parey. BuobbÄndler, Berlin.
322. Pedell. Dr., Stabsarzt, Berlin.
323. Pelpers. Dr., Stabsarzt, Frankfurt a, M.
324. PieUlerer. Pn^f , Dr., Charlotlenburg.
325. PfWil, Dr yXnU Oterlehrer, Posen.
326. PbUipp, D; . med.. Herlin.
327. La Pierre. Dr., Sanitätsrath, Berlin.
328. Pippew. Dr. med., Kreisphvsikus, Eis-
leben.
329. Pletsaer. Dr. med.. Berlin.
330. Peaftek. Dr.. Professor, Breslau.
331. PHagsbeiB. IV.. Pr\>fess«^r. Berlin.
^^^^^^^^^^^^ (fl) ^^^^^^^^^^H
332. V, Proliius, M., Meklenlmr^iscimr (»6-374. Schelbler. Dr. iiiej., Bt^rliii. ^M
saniitt^r, UmIi> Li^^.-liaüi, lifvlin, Hlb. Schemel, Max, Pabrlkbesitzf^r, (iubeu. ^|
333. Püchstein. Dn med., fierün.
376. Scherk. Dn med., Berlin. ■
334. Pudil, H,. Hau- Verwalter. BiHii in
377. Scblerenberg, Fninkfurt a M. ^M
Bölimeu.
378. Schillmann, Dr,, Sradt-Schulinspect^n-, ^^H
335. von Quistorp, GiMiprul» Commamlant
^^M
von Spapdau.
37!>. Schlemm, Dr, SanitaisratK, BerHn. ^^H
330. Rabepiau, Öpcoiifuji. V^'iiscliau. ,
380. Schlesinger. H., Dr. med., Berlin. ^^H
337 Rabl-RückharilJ)T.,liegim..ArÄtBnrlin.
381. Schlesinger, Georg, Dr. jur, Berliji. ^H
338. Rahmer H , Dr., Berlin.
382. Schmidt. Emil, Dr., Leipzig. ^M
33'J. V, Bamberg. Freibr., PremierlieuteDaDt
383. Schmidt, F. W., Fabrik besiUer, Guben. H
iin 2. Garde- Reßiiiieiit, r3f^rliii.
384. Schneider, Ludwig, Fabrikdir^^otor. ^M
340. RÄSChkow, Dr. med., ßerlin.
Gitschin, BöhmeD. ^^^H
34 L Rath, PauL Yoin, Cöln a/Rh.
385. Schoch, Dr. med , Berlin. ^^^|
34:?. Reichenheim. F erd , Berlio.
386. Schöler. Dr., Professor, Berlin. ^^H
343, Reichert, PrnfHj^srjr,üeh.Medicinalrath.
387, Schoene, R., Dr. Gen^-raldirector di^r ^^H
Berlin.
Königl. ALigeeu, Berlin. ^^^H
344, Reichert. Apt>il»i*ker, Berlin.
388. SchÖnlank, ■ W., Kaufmann, Berlin. ^^H
345. Reinhardt, Dr, Oberlehrer, Berlin.
38!). Schröder, Dr, Geh. Med.-Rath, Pro- V
346. Reinhardt, Riid. Küpferwerksbesltzerj
fe^ftor, Berlin. ^M
Bautzen, Köüigreich Sachsen,
390. Schroeter, Dr. med., Dalldorf bei H
347, Rela«, W., Dr., Berlin.
Berlin. ^B
348, Reisa. übrejifabrikaat, Berlin.
391. Schubert, Kaufmann, Berlin. ^^^|
3411. Richter, Oerth , B:ini|nier, Berlin.
392. Schubert, Dr , Generalarzt, Berlin. ^^H
350. Richter, Isidor, Bancjuier, Berlin.
303 Schuchardt, Th., Dr., Görlitz. ^^M
35 K Rieck, Dr. med., Köpenick bei Berlin.
394. Schütz, Dr., Professor, Berlin. ^^M
352. Riedel. Dr. med., Berlin.
395. Schütze, Alb., Aead. Künstler, Bi'din, ^^H
353, Ritter, W., Banquier, Berlin.
396, V. Schulenburg, W.. Charlotten bürg. ^^^|
354. Robel, Dr. phü., ßerlin.
397. Schultze, Ose, Dr. med., Berlin. ^^B
355. Rocholl Amt^gerichtsrath, Berlin.
398. Schwarti, W., Gyninasialdirect.^Berlin. ^^H
356. Röhricht Dr., Oberlehrer, Berlin.
399. Schwarzer, Dr., Zümsdorf, Kr. 8orau. ^^H
357. Roloir, Dr., Geh. Med.-R^itli, Direeior
400. Schwebel, Dr., Oberlehrer, Berlin. ^^M
der Thierurzneiachule, Berlin.
40 L Schweinfurth, Georg, Dr., Prof., Cairo. V
358. Rosentbal, Dr., AsäisleDzarzt, Berlin.
402, Schweitier, Dr. med., Daaden, Kreis ^M
359. Rosenthal, Dr. med., Berlin.
Altenkircben. ^H
360. Roth, Dr., Generalarzt, Dresdeu.
403. Schwerin, Ernst, Dr. med., Berlin. ^|
361. Rüge, Max, Dr. phil., Berlin.
404. Seile, Apotheker, Kosten, Prov. Posen. ^M
362. Rüge, Carl, Dr. med., ßerlin.
405. V. Slehold, Alex., Freiherr, Berlin, ^M
363. Ryge. Paul, Dr. med., Berlin.
406. V. Slebold, Heinrich, Attache d. K. K. H
364. Runge, Stadtratli, Berlin.
Oe&terr. Gesandtschaft in Berlin. ^M
365. Saohau, Prof., Dr., Berlin.
407. Sieflttiund, Gustav, Dr., Sanitätsrath, H
366. Samson, Banqnier, Berlin.
Berlin. ■
367. Sarichei. Don Jose Villar, Sevilla.
408. Siehe, Dr. med., Kreisphys., Calau. H
368. Sander, W., Dr. med,, Dalldorf b, Berlin.
409. Siemene,W., Dr., iieb.Reg.-Rath, Berlin, H
369. Sander, Jul,, Dr. meii.. Berlin.
410. SlerakowBki, Graf, Dr, jur., Waplitz H
370. Sattler. Dr. med,, Fluntern bei Zijrich.
bei Altmark, Westpreussen. ^^^B
371. V. Saurma-Jeltsch, Baron, Bukarest.
|41L Sieskind, Rentier, Berlin. ^^H
372. Schaal, Maler, Berlin.
.412. Slmcn, Tb., Banquier, Berlin. ^^^B
373. Schall, Gutsbesitzer, Neu-lioofen bei
413. Simonschn, Dr. med., Friedrichs fei de ^|
Menz, Kr. R^ippin.
1
bei Berlin. ^H
00)
4H. Souchay. WniBhantllpr, Berün.
415. Springer Verlagsbuclihäudler, Berlin,
416. Stahl, Dn med., Berlin.
417. Starke, Dr„ Oberstab^^nrzl:, Rerlin.
418. Steohow, Dr. Assistenzarat, Berlin.
419. Stechow, Kanitnerßer.-R(»ferend.,B<'Hin.
420. V. d. Steifien, Stabsarzt, z.Z.Süd-Geor*
gi*^n.
421. SteinthaL Leop., Banquier^ Berlin*
422. Steinthal, Or, Prufessior, Berlin.
42H. V. Strasser, Fabrikhes,, Hiisio bei Prag*
424. Straiich« Corv*itteri- Kapitän, Kiel.
425. Strebel, Herrn , Kaufmann, EilUeck bei
Hamburg.
426. Strecker, Kreissekretair, Snldin.
427. Stricker. Verlagsbuch hSVi] dl er. Berlin.
428. Struck, Dr., Dir. des Reich »-Gesund -
heits- Amtes, Geh, Reg.-Kath. Berlin,
429. Stubel, Alf, Dr., Dresden,
430. Sükey, G., Kaufmunu. Berlin
431. Tappetner, Dr., Scbbrns Keieheiihach,
bei Meran.
432. Teige, Juwelier, Berlin.
433. TepluchofT^ A., Gubcmiol - öecrelar,
lljinsk, Gouv. PeriiK Russtand,
4ti4. Teschendorf, Pmlr^dtmaler, Berlin,
435. Tesmar, Ritterguts bo&iuer, Eichen-
bagen, Provinz Posen.
436. Thorner, Dr. med,, Berlin.
437. Thunjg, Domäneupächter, Katserhof,
Dn.sznik, Posen.
43H. Tiedemann, Rittergutsbesitzer, ^labo-
szewo bei Mogilno.
439. Timann^ Dr. med., Berlin.
440. Titel, Max, Kaufmann, Berlin.
441. Trautmann, l>r. med., Oberstabsarzt,
Berlin.
442. Treichel, A-, Rittergutsbesitzer, Hoch-
l'üleschken bei Alt-Kiscbau, Westpr.
443. UbI, Mfijyr, Ingenieur- Officier vom
Platz Spandau,
444. Ulrich, Dr. raed., Berlin.
446. Ümlayff, J, F. G., St. Pauli, Hamburg.
446. V, Onryhe-Bomst, Freiherr, Landralh,
Wollstein, Frovinx Posen. i
447. Urban, J.. Dr. pbil., Schoneberg bei |
Berlin.
448. Vater Dr., Oberstabsarzt, Spandau.
449. Veit. Dr , Geb. Sanitatsrath, Berlin.
476.
477.
478.
479.
480.
481.
482.
4^3.
484.
485.
486.
4H7.
488.
Viedenz, Bprgrath, Eberswalde.
Virchow, R, Dr., Profes^wr, Geheinier
Medicinalrath, Berlin.
Voigtmann, CarL Hau meiste r, Guben.
Vorländer, Fiibrikant, Dresden.
Vormeng, Dr.. Stabsarzt, Berlin.
Voss, A., E)r. med., Di rectorial- Assistent
am ethnologischen Museum, Berlin.
WankeK Dr. meij., Blansko bei Brunn,
Wassmannsdorff, Dr. pkiL, Berlin.
Wattenbach Dr., Professor, Berlin.
Weber, Mder, Berlin.
Wegacheider, Dr, Geh. Sanitätsratb,
Berlin,
Weichand, Kaufmann, Berlin.
Weinberg. Dr. mnd., Berlin.
Weisbach, V,, Banquier, Berlin.
Weiss, H., Professor, Berlin.
Weiss. Guido, Dr., Berlin.
Weissstein. Bmiführer, Bpriin.
Weithe, Dr. med.. Buk, Provinz Po?en.
Wensieroki-Kwitecki, Graf. Wroblewo,
Provinz Posen.
Werner, F., Dn metl.. Berlin.
Wessely, H.. Dr.. Berlin.
Westphal. Dr.. Geb. Medictufd-Rath,
Pn»tVssor. Berlin.
Wetzstein, Dr, ConsuL Berlin.
Wiechel, Ingenieur. Dresden.
Wilke, Tbeod.. Rentier. Guben.
Wileky, Director. Rununelsburg bei
Berlin.
Witt, Sladtrath. Cbarlottenburg.
V. Wittgenstein, H.. Gutsbesitzer. Berlin.
Wittmack. Dr.. Professor. Berlin.
Woldt, Sebrift^teller. Berlin.
Wolff, Alex.. Stadtratb. Berlin.
Wollf, ^lax. l>r. med.. Pri?atdacent,
Berlin.
Wolff, J.. Kaufmann, Berlin.
Woworsky, A., Riltergnlsbes, , Berlin.
Wredow. Professor. P»erlin.
Wütier, Dr. med.. Berlin.
Zabel, K, Gymnasiallehrer, Guben.
Zenker, Rittergutsbesitzer, Bruno w bei
Heckelberg.
Zlerold, Rittergutsbesitzer, Mietzeifelde
bei Sold in.
Zuelier, Dr., Privatdoeent, Berlin.
SiUung am 20. Jan. 1883.
Vorsitzender Hr. Virchow.
(1) Die Wahl der Mitglieder des Ausschusses fDr das Jahr 1883 erfolgt in
statutenmässiger Weise durch schriftliche Abstimmung. Ans der vom Vorstande
vorgelegten Vorschlagsliste werden mit Stimmenmehrheit gewfihlt die Herren
W. Reiss, Friedel, Koner, F. Jagor, Wetzstein, G. Fritsch, Steinthal
Deegen und W. Schwartz.
(2) Der Vorsitzende begrösst das in der Sitzung anwesende correspondirende
Mitglied Hrn. Dr. Gustav Radde.
Hr. Rivett-Carnac in Alhihabad dankt für seine Ernennung zum correspon-
direnden Mitgliede.
Als iipue Mitglieder sind angemeldet:
Hr. Stabsarzt a. D. Dr. Hahn — Spandau.
Hr. Graf Wensierski-Kwilecki — Wroblewo.
Hr. Geh. Rath Prof. Goldschmidt— Berlin.
Hr. Prof. Dr. Sachau— Berlin.
Hr. Prof. Dr. Brückner— Berlin.
Hr. Dr. Paul Rüge — Berlin.
Hr. General von Qu istorp — Spandau.
(H) Hr. A. B. Meyer in Dresden übersendet folgende Mitthoilung über ein
alterthümliohes Haus im Pflertschthal (Tirol).
(Hierzu Taf. II.)
Als ich diesen Sommer einige Wochen in Gossensass auf dem Brenner weilte,
hörte ich von Hrn. Ludwig G robner, dem gefälligen Wirthe des Grobner* sehen
Gasthauses daselbst, dass im Pflertschthale, welches oberhalb Gossensass in das
Eisackthal einmündet, ein uraltes Haus stünde: man sehe es als das älteste der
ganzen Gegend an und schreibe ihm ein Alter von über 700 Jahren zu.
Im Pflertschthal ist in früheren Jahrhunderten Bergbau betrieben worden, wie
noch heute an den vielen Halden, besonders an der rechten Thallehne, zu sehen ist;
auch ein grosses Stück Schwarzkupfer wurde mir als merkwürdiger Fund von einem
Schmied im Thale gezeigt. Es sollen s. Z. 2000 Knappen dort beschäftigt gewesen
sein; in Gossensass befand sich ein Bergamt, dessen Wahrzeichen aus Serpentin (?)
noch heute über der Thür des Wohnhauses der Gröbner'schen Familie zu sehen
ist, da diese nunmehr jenes alte Gebäude bewohnt, und eine Knappsohaftskapelle;
diese stammt aus dem Anfange des IG. Jahrhunderts und ist eine gut erhaltene
Sehenswürdigkeit des Ortes.
Man erzählt nun von einem früheren Besitzer des alten Hauses im oberen
Pflertschthal, er sei so reich und mächtig gewesen, dass die Messe Sonntage in
Gossensass nicht eher beginnen durfte, als er mit seinen Knappen eingetroffen war
(12)
und *lpm (leisllidie» dm ZeicLen ^pgelien hatte. Oli es ßich wirklicli um einen
Besitzer d^s betr» Hauses gehandelt hat — die Wahrheit der Erzählung voraus-
gesetzt — konnte ich niclit ermitteln. Von WohlstantJ ist iin sdiunen Pflertächthal
heute nichts mphr zu sehen; der Weg atii Flusse entlang ist miserabel geliaiten,
kaum fahrbar; num pÄSsirt auf einer zwei Sfuuden langeTi Strasse in eiuem trotz
meiner Hohe von 1000 — KiCiÜ w, wie der Pflanzenwuchs: WeiÄen, Laubhölzer, wilde
Fiosen u, dgl. zeigt, milden Hochihale nur wenige Häuser, und der „Herr Curat"
IQ Inn^-rpflertsch sucht seiue Heerde möglichst von dem Verkeiar mit der Aussen weit
tibzuschliessen. Nach einem lialb* bis dreiTierteUtündigeD Aufstieg Tom „Curaten*
aus gelangt man nach HinterpÜertsch nti das ^Blasbichl^ genannte alte Hau<^. das
letzte irn Thal, welches als solches in Tirol vielfach diesen Namen führt.
Es gelang mir nicht aus einer lueiehrift oder an sonstigen äusseren Zeichen
einen Anhaltspunkt für das angeblich hohe Alter des Hauses zu tioden; allein
dennoch bezweifle ich nicht, dass man es mit einem Hause von beträcht Hchena
Alter zu thun bat, da es manche Kigenthümlichkciten aufweist, welche man an
anderen Hatisern der Gegend nicht findet und welche daher die Tradition slutzen.
Von aussen fällt zweierlei auf:
L die terrassenförmig aufsteigenden Heukästen unter dem Giebel (Figur 3} und
2. der Umstand, dass der Eingang des Hauses nicht, wie sonst, unter dem
Giebel, sondern an der Seite liegt (Figur 4).
In Hrn* Meitzen's belehrender Abhandlung: Das Deutsche Haus iu seinen
volksthumlichen Formen, mit 6 Tafeln und 1 Karte (Verh. d. Deutschen Geogr.«
Tages zu Berlin 1881), fand ich keinen Typus, welcher demjenigen des Hauses io
dieser Gegend Tirols entspricht, oder etwa speciell demjenigen des vom dortigen
tiroler Typus abweichenden allen Hauses vou Hinterpflertsch^ weder das fränkiecbe
noch das friesisch- sächsische, noch das schweizer oder nordische Haus zeigeo ahn
liehe Grundrisse.
Gnindrtss und Ansicht des einfachen ^ in der Gegend von Gossensass üblichen
Bauern bauses sind schematiach in Figur 1 und 2 dargestellt: der Haupteingang
liegt unter dem Giebel, und Wohnung, Kiiche und Stallungen befinden sich an
beiden Seiten eines Ganges, welcher die ganze Tiefe des Hauses tlurchläuft. Die
Giebel sind in dieser Gegend meist mit Ziegenköpfen geziert
Bei dem alten Bauwerk im Fflertächthal aber läuft der Gang nicht von vorn
nach hißten, sondern von einer Seite des Hauses zur andern; hierin und in den
auch sonst nicht üblichen terrassenförmig aufsteigenden Heukasten unter dem Giebel
(Figur 5a, b, c) Hegt eine Sonderstellung^ welche auffällig und wohl nicht bedeu»
tungslos ist Der ganze Zustand des Hauses, Steinmauern und Balkenwerk machen
den Eindruck grossen Alters, wenn es auch nicht möglich zu sein scheint, ausser
etwa durch Ausgrabungen im Hause selbst, zu eruiren, wie lauge das Bauwerk
steht. [)a aber Wassers- und Feuersnoth dem interessanten Bau iiber kurz oder
lang ein Ende bereiten könnten, so schien es mir nicht uberHilssig, denselben zu
skizziren. Grundriss (Fig. 5), Vorder- und Seitenansicht (Fig. 3 und 4) geben eine
genugende Vorstellung, so dass ich von einer detailHrten Beschreibung absehe. Ich
bemerke nur, dass die Bezeichnung ^Keller'^ nicht einen tief gelegenen uoterirdischen
Raum bezeichnet, gondern überhaupt einen Ruum, welcher zum Aufbewahren von
Speise und Trank dient. W^ahrscheinliclt war früher der Haupleingang dort, wo
jetzt der Ausgang i$t, so dass man s. Z. zuerst rechts und links die Stuben betrat;
jetzt geht man an der dem Thalausgnag zugewendeten Seite ins Haus und durch-
schreitet erst den ganzen H ausgangs ehe man an Stube und KiJclie gelaugt. Da«
Ganze ist sehr verfallen und schmutzig. Die schwarz ausgezogenen dicken Linien
(13)
ip •^Pigur 5 bedeuten Steiütuaucrü, die dritiiien Holz wände. Der Herd ist enorm
gross und nimmt den ganzen hinteren Theil der Küche ein.
Leider ist wenig Aussicht vorhanden, über die ßesiedelung nnd die Geschichte
dieser so lange ganz abgeschlossenen Oebirg^thäler etwas Gennueres zu erforschen.
Der Vorsitzende begrübst diese Mittheilung mit Frt'uden. Seitdem die sich
ergänzenden xVrheiten der Herren M ei Iren und Henning die allgemeine Auf-
merksnrnkejt auf das deutsche Haus gelenkt haben, tritt auch für die anthropologische
Gesellschaft die Aufgabe heran, die noch vorliantlenen Reste der ältesten Wobn-
gebäuiie zum Gegenstand ilirer Studien zu machen. Viele Mitglieder werden viel-
leicht gerade in dieser Richtung einen angeTiehtnen Anreiz für praktische Betheiliguog
an den Arbeiten der Gesellschaft finden.
(4) Der Herr Cuttusrainister übersendet zur Kenntnissnahme den 36, Bericht zur
Aiterthumskunde Schleswig- Holsteins von Handel mann,
(5) Hr, Handelmanu übermittelt irn Auftrage des Vorstandes des MeldorfiT
Museums eine Photographie der Immens tadter Fundsachen, aufgenommen vor
deren in Mainz erfolgter Reinigntkgj sowie eine AbhandJung über
Thongefässe und Haselnüsse im Moor.
In den Verhandlungen ISsö, S. 17 und 135, 1881, S. 22 kamen die Thon-
gefässe zur Sprache, weiche hie und da in Mooren gefunden sind und ausser der
hineingewachsenen Torfmasse nichts enthalten. Eine Zusamn^enstellung derartiger
Funde habe ich früher in den Schriften des Naturwissenschaftlichen Vereins für
Schleswig-Holstein ßd, H, Heft 2, S. 87 ff, veröffentlicht und ich bin jetzt in der
Lage, einige andere Fälle oiitzutheiJen, welch« zu einer weiteren DiscuBsioD dieser
Frage anregen dürften :
1. Hr, Hofpachter H. Bockniaou schenkte dem Kieler Musen m No. 4907:
ein kleines Töpfchen mit aufgesetzter schwarzer Glätte, hoch 8\, j cm , Durchmesser
am Boden b cm^ an der Mündung ll'/jcm, während auf b ctn Höhe der grösste
Durchmesser 13 cm beträgt. In der Einschnürung des Halses ist eine kleine, 1 cm
lange, leistenrürmige Erhöhung. Gefunden in einem Moor bei Horusdorf (Kirch*
spiel Schlamersdorf, Kreis Segeberg), w eiche a vor zwanzig Jahren noch als Fisch-
teich benutzt wurde und früher mit dem Honsdorfer See in Verbindung gestanden
haben mag.
[n diesem Moor kommen wiederholt Töpfe vor; aber, wie Hr. Bockmann
schreibt, „es ist nie etwas darin oder dabei gefunden.** Die früher ausgegrabenen
Töpfe waren bedeutend grösser, wnrden aber niemals heil zu Tage gefördert. Eine
derartige Scherbe ist im hiesigen Museum unter Ko, 4270 inventarisirt; s. Be-
richt 36, S, 4,
2, Die Zeitung „Dannevirke** berichtete, dass im Sommer 1880 „in einem
kleinen Moor zwischen den Dörfern Ladegard und Stüding (Kirch^^piel Hamnie-
leff, Kreis Hadersleben) beim Torfgraben Urnen von verschiedener Gestalt gefunden
wurden, und dass es dem Finder gelang, eine wohlerbaltene Urne herauszuheben.
Man hat seiner Zeit in das Moor Locher bis zu eiu Paar Ellen Weite gegraben,
um die Urnen hineinzusetzen. Dass sie nicht in einen See versenkt sind, ist
doatlich, denn die Erde ringsaia ist sowohl dunkler, als auch loser, wie die übrige
Moorerde, Der betreflFende Torfgräber meint, dass die Urnen sich meistens in der
Nachbarschaft der im Moor vorkomtnenden Eichenstamme finden, und dass diese
Bäume nicht umgestürzt, sondern von Menschen timgehaueii sind. Im Moor findet!
sich viele Haselnüsse, was keine Seltenheit und mich nicht sonderbiir ist^ Ja Ha'»ol-
busche oh das Unter hob im Eicliwalde bilden. Dagegen erscheint es beai^rkenb-
wertb, dass zwischen dem Moos vom Gründe des Moors kleine rothe Beeren vor-
koromen, verinuthüch Moorheidelbeereti (Kranichbeereo, Vacciiiiuni oxycoccufi), was
jedoch der Torfgräber bezweifelt, da d)e§elben nach seiner Meinung zu klein dafijr
sind,**
Aller Wahrscheinlichkeit nach ist dad oh gedachte wohlerhalteoe Thongefäss
mit einer neuerdiogs angekaufteü Privateamnilung in den ßesitz des KieJer Museums
übcrgegaügen. No. 5U91j Thongf^fäss mit schwarzer Glätte, hoch 13'/, cwi, Durch-
messer am Boden 7 tm, an der Mündung 17 cm. Der Untertheil gleicht einer
Schaale, welche oberhalb ihrer grossten Weite ('21 cm Durchmesser auf 6 cm Hohe)
einen nngsumlaufenden eingeritzten Streifen mit Ornamenten zeigt. Der darüber
ansetzende Hab ist scharf eingezogen und am Hände wieder aui^legetid. Gefunden
in einem Mcmjt bei Ladegard in der Nähe des Törningsees (welche Ortsangabe
mit obiger Zeitungsnotiz zutrifft).
3. Laut einer Aufzeichnung im Archiv des Kieler Museums (No, G6 vom
Jahre Jö7ö) fand der hiesige Anatomiediener Hanstfu vor Jahren beim Tor f graben
in einer zum Gute l*'reudenhoim (Kirchspiel l^reetz» Kreis Piön) gehörigen Moor-
parcelle unter dem mindestens 14 Fuss machtigen Torflager auf dem sandigen
Grunde eine Stelle, welche mit Asche bedeckt war, zwischen welcher eine Menge
Topfscherben lagen Als er seine Mitarbeiter herbeirief, erklärten diese, solche
Stellen hätten sie dasyibst schon mebrere gefunden. In demselben Moor, mehr nach
der Mitte hin^ lagen viele dick stämmige Tannen, der ganzen Lange nach, und zwar
sämmtlicb, als ob sie bei einem Sturm au^ Nordwesten umgestuijct seien. Die
Aschenstellen oder Herdstätten waren aa der Kante des Moors belegen.
Anch in dem Moor bei Rasdorf (Kirchspiel Preetz, Kreis Plön), w*o die Stein-
axt mit hölzernem Stiel No, 3557, ».Bericht 36, S, 12, gefunden ist, waren wieder-
holt Urnen mit einer schmierigen schwarzen Masse Torgekommen, aber achtlos zer-
schlagen worden,
4. Als der Ein bäum von Vaalermoor, s. Bericht 35, S. 8, erhoben wurde,
erhielt ich No. 4233: Scherben von einem kleinen dünnwandigen Thongefa^s mit
plattena blindem Griff, welche etwa SQcm unter der Oberfläche des Moors, oberhalb
des Einbau ras, gefunden waren. An einer Scherbe klebten noch einige kurze Haare.
Daneben hatten vertrocknete Heeren gelegen, welche die Finder nicht zu bestimmen
wussten.
Am '25. Novbr. 1H80 schrieb mir Hr. Lehrer P. Voss in Vaale (Kirchspiel
Wacken, Kreis Kendsburg); „Es herrscht hier wie im Vaaiermoor bei Cnkiviruug
der Wiesen- und Moorländereieu die Methode, dass man mittelst einer Maschine
die sehr tief liegende Kleierdej den sogen. Marsch niergcl, an die Oberfläche fördert
und denselben alhdanu auf die Ländereien schaÜt. Etwas Mourerde liegt gewÖbnlich
über dem Marschmergel, wekhe erst weggeräumt wird, und danach beginnt die
Arbeit mit der Maschine. Mau hebt zuweilen den Mergel aus einer Tiefe von 2Ü
bis 30 Fuss. An manchen Stellen kommt man gar nicht durch denselben hindurch}
anderswo sitzt er nicht so tief und trifft man darunter wieder Moorerde. Bei der-
ürtiger Arbeit sind iii diesem Herbst verschiedene Alterthumsgegenstiinde äu Tage
gefordert, und zwar sämmtlich aus einer Tiefe von 2() i^u^s, was sich genau au
der Maschine fesstellen liess. Es war in derselben Niederung, wo vor zwei Jahren
der Einbaum gefunden wurde, circa 4tHl Rutlien nördlicK von der Fundstelle.
Die eingesandten Fundsachen Kind: No. 4636 u) 8cherbeu von drei oder vier
Thougelassen; h) Uührivukoochen und e) Itiuciistücke vom Unterkiefer eines Schafes?
(15)
d) piB Kliutspeer. Äussenleiu bracht*? tue Maschine pwe ziemlicbe Masse Holzkohlen
mit in die Höhe, sowie auch mehre faualgrosße i^teioe. weiche in dem Marachthon
eioe ungewöhnliche Erseheinuiif; mtu\, Hr Voss machte daraus folgern, dass die
Thongefasse hier, ebeuso wie sonst die Urnen, mit Steinen Terpackt gewesen sind.
Weiter schrith Hr, Voss; ^Beim Torfketschern werden sehr häufig Haaeltiüaße
und zwar in ziemlicher Menge herausgefordert. Ich habe das Moor schon vor
fTinfziisi Jahren gekannt; damals war es noch an vielen Stellen UDZugäiiglich, Weoo
man darauf ging, so mnss>te man befi'irehttHi eiuÄiisiuken. Giösstentheils war es
damals mit Hiiideknuit bewachsen, und von Striiu^hern uivtl Bfiscben sah man keine
Spur. Nach meiner Erfahrung wä<:hBt der Hasel stranch überhaupt uicht gern auf
Moor. Woher mögen also die Haselnüsse herrühren, welche beim Ketschern ge-
funden werden?"'
Djis Vorkommen von Haselnüssen ist bereits oben im Moor bei Ladegaard
constatirt, und auch aus einem Moor bei Ahrenshöft (Kirchspiel Drelisdorf, Kreis
Husum) im Bereich des vormaligen Friesen wal des sind früher HiiBelnüsse, No. 3369,
eingeliefert. Ich übermittelte die Frage daher dem Hro. Professor Dr. A. Eugler
hierselbst, und erhielt von diesem demnächst den betr. Bogfu des IL Bandes seiner
^Botanischen Jahrbücher**, worin eine Abhandlung von Axel Blyft über ^die
Theorie der wechselnden kontinentaleü uiKJ insularen Klimate** veröffentlicht ist.
Daraus möchte ich die hier in Betracht kommenden Stelleo hervorheben,
(S, '2iK) „Aus den dänischen Beobachtungen ergiebt sich, dass Lager von
Wurzelstöcken auch in vielen Mooren Danemark«! vorkommen, und die genauen Be-
schreibungen Steenstrup's weisen nach, dass sie zwischen den Torfschichten
der verschiedenen Perioden auftreten. Daraus erhellt, dass diese Waldschichten
die einzigen Deberbleibsel jener langen trockenen Zwischenzeiten darstellen,
während welcher die Flora des Landes sich änderte und neue Baumarten ein-
wanderten.**
(S, 2l — 22.) ^Als das Eis während einer trockneren Periode sich Kurückzog,
fand sich zuerst die arktische Flora ein, ~ unter den zunächst hierauf folgenden
klimatischen Aenderungen fand die Einwanderung der subarktischen Flora statte
während gleichzeitig die beiden ältesten Torfschichten und die älteste Waldschicht
sich bildeten. — Die boreale Flora hielt ihren Einzug unter trockenem Klima mit
starker Sommerwärme. Die Moore beweisen, dass die skandinavische Halbinsel
einst weit mehr Laubwald besessen hat als in der GegenwarL Reste wärmeliebender
Laubhötzer finden sich massenweise in deo Mooren, sogar in Gegenden, wo solche
Bäume heutzutage nicht mehr vorkommen. Der Haselstrauch war einst viel häufiger
als jetzt. Die Moore von Bohuslan bewiesen, dass der Vogelkirscbbaum seiner
Zeit viel ausgebreiteter gewesen ist, als in der Gegenwart. — Vom Haselstrauch
findet man Nüsse, vom Vogel kirseh bäum Steine in den Mooren. — Beide oben ge-
nannte Arten sind boreale, und die HaseJstaude ist geradezu eini* Charakterpflanze
dieser Artgruppe. "^
(S. 18,) ^Kohlen schichten liudet mao sowohl auf dem Grunde, wie oben im
Torf, was auf wiederholte Waidbriindc deutet* Da der Blitz durrc Bäume anzündet
und solche zur Zeit der Urwälder im üeberfluss vorhanden waren, konnten Wald-
brände natürlich leicht entstehen auch ohue Zuthun der Menschen.**
Zur Vergleichung möchte ich zwei Moorfundc aus Jütlaod heranziolien, w*etche
Hr; Arthur Feddersen in den AarbÖger for Nordii?k Oldk^-ndighed og Historie 1881
S. 369 ff, ÄUsfiUirlich beschreibt.
Im siidiichen Theil des Moors ßroddcabj ävg, ziemlich dicht an {iandi\ atie99
(Iß)
man beim Torf^aben, April 18
iefen Moores
welche entzwei ging
etwa 4
verpftck
auf einen Steio hänfen» der auf Jem Grunde den
fgeatapeh war Zwischen den Steinen war eine
Nach der Meinung des Finders sollte ^Aäche*^
hier
Urne
darin gewesen sein; aber es war durchaus keiue Spur dnvan oder von Knochen z\i
constatiren« Dajj;egeii fanden sieb Scherben von wenigstens zwei ThoDgefUssen, uüd
auf dem einen Bodf*nbtück war eine ziemlich unvollkommene Kreisßgur mit deut*
liebem Mittelpunkt eingeritzt. An de*r Seite des Steinhaufens stand aufrecht eine
8S cm hohe Priapusfi^wr von Eichenholz, welche Hr. F. mit der reichlich 1'/, i»
hohen Holzößur V(m A 1 t-Frii?sack im Berliner Museum ') u.a.m. zusammenstellt.
Ifu Lauf des Souimers 1880 fand der EigeBthCiraer im östUchen Theil desselben
Moors und auf einem eng begrenzten Raum etwa zwanzig Topfe von schwarzer
Masse mit den characteristischen scharfkantigen Granitkörnern; sie standen ziemlich
dicht bei einander und waren alle leer, üeberhaupt sollen in diesem Moor Öfter
Tbongefässe vorkommen, wie daselbst auch früher ein ßroncecelt und ein anderes
Mal drei Stficke Kingschmuck des Bronzealters j^efnudpn sind.
Im Moor Skj elm ose fand man b*^irn Torfgrahen 18M> einen aufrecht stehendeo,
1 t/i langen awsge höhlten Eichenstumpf, auf denj die Rinde noch feüitsass; derselbe
hatte weder Deckel noch Boden und war zum Theil mit kleinen abgerindeten
Stocken angefüllt. Darunter war ein Steinhaufen, dessen Spitze augeblich in die
cylinderfr^rmige Höhlung des Baumstumpfs hineinreichte^ und als die Steine auf-
genommen wurden, zeigte sich, dass sie in einer tricbterr^rnugen Vertiefung auf
dem Grunde des Moors eingegraben waren. In der siid westlichen Seite des Steiti-
hanfens stand ein leeres Thongefass, 17 cm hoch, von schwarzer Farbe und mit
Ornamenten; mitten in den Boden deäaelhen war ein Loch vom Umfange eines
Bleistifts durchgebohrt. Neben dem Topfe lag ein BruchstQck von einem hölzernen
Löffel nebst einigen anderen, zum Theil angebrannten Stücken Holz. Ausserdem
fanden sich zwischen den Steinen Scherben von mehreren anderen Gefasseo*
Zwischen beiden Steinhaufen waren verschiedene Quarzite und andere Steine,
welche Spuren der Bearbeitung und des Gebrauchs trugen; in letzterem Haufeti
auch zwei Bruchstücke von Qnemsteinen.
Hr. Feddersen denkt an einen Opferbrauch, und in dem einen Falle mit der
Priapuafigur wäre ich nicht abgeneigt, ihm beizustimmen. Im Allgemeinen jedoch
scheint mir die Frage wegen der Thongefasae im Moor noch keineswegs spruchreif
zu sein.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch berichten über
zwei anderweitige Funde von Thongefässen in Dithmarschen.
Etwa 24 m vom Weslabhang der Düne hei Lehe (Kirchspiel Lunden, Kreia
Norder- Dithmarschen) stiess ein Arbeiter, August 1882, beim Sandgraben auf einen
viereckigen Holzbau, welcher reichlich 1 in unter der Oberfliiche lag und etwa 1 in
lang und 75 em breit war. Derselbe bestand aus etwa 5 Fuss langen, zugespitzten
Eichenboblen, welche dicht aneinander in die Erde eingerammt waren, und soll
angeblich mit einem (vermoderten) Holzdeckel verschlossen gewiesen sein. Leider
wurde dieser merkwürdige Bau ohne sachkundige Aufsicht ausgeleert und grössten-
theil B zerstört. Als Hr. Lehrer Heinrich Carstens in Dahrenwurth, welchem
das Kieler Museum einen ausführlichen Bericht und die üebermittelung der Fund-
Btücke verdankt, zur Stelle kam, war insbesondere nur noch eine mit Zapfenlöchern
I
1) Oorrespondenzbl&tt des Oesammtveioins der D«ulschen Qeschichts- im'l Alterthutna-
vereine 1858, S. 104.
(IT)
Versehefle EokU^hie vtjfrbanden, und in diese Löcjjer passten genau die Zapfen von
vier lerbrochenen dicken Queerbölzern. Es scheint uist> eine Art Rahmen in die
Rrde geseUt zu Bein, der die ÄUBdeliüUDg der Grube bestimmte; oder die Queer-
hölzer konnten dazu gedient baben, ein Ausweichen der Ffäble zu verhindern,
Sämmtlicbe Bohlen schienen glatt und sauber bearbeitet 211 sein.
In diesen Holzbau waren etwa (mindesteos) zehn Thongefässe hiüeiDgestellt,
welche angeblich bis an den Rand mit „Asche" gefüllt waren; da diese Asche
jedoch einen unangenehmen Geruch verbreitete, bo wurde sie weggeschüttet. So
viel ist aber durch die sorgfältigen Nachfragen des Hrn. Carstens und namentlich
durch die Aussage des Hrn. Conditor H. U ml an dt in Lunden, der noch früher
2ur Stelle gewesen, als ausgemacht auzuseben^ dass unter der sogeuannteo Asche
durchaus keine calcinirteu Koochenreste vorkameDj und dass also kein Urnen begrabe iss
hier gewesen ii*t* Aucii ist von sogenanDteo Beigabeu oder Todtengeschenken durch-
aus nichts gefunden worden. Dagegen wird eine gelblich -graue fettig -klebrige
Masse erwähn t, die sich wie Butter schmieren liess. Die geringfügigen, eingetrock-
neteo Reste, welche noch an den Scherben klebten, erwiesen sich als Thon, der mit
organischen Substanzen vermengt ist.
Von den Thongefassen sind nur zwei heil zu Tage gefördert^ die übrigen waren
durch den Spaten vollständig zertrümmert und die Scherben in alle Winde zer-
streut; doch gelang es, Einzelnes wieder zusammen zu passen. Es mnss übrigens
bemerkt werden, dass in der Umgebung der Fundstelle schon seit Jahren beim
Sandgraben Topfscherbeo zum Vorschein kamen. Auch hat man später nördlich
vom Hobbau (grösstentheils auf dem anliegenden Acker, wo sonst keine Scherben
g<>funden sind) eine Fläche blossgelegt, die mit schwarzer Äsche übersäet war. Es
wird bei der Sachlage schwerüch an eine Leichenbrandstätte zu denken sein, son-
dere eher vielleicht ao einen Brenn platz, wo die frischgeformten Töpfe (gleicli den
jüfclä od ischeii Tatertöpfen) im Schmauchfeuer gebrannt wurden. Andererseits möchte
ich den Holzbau mit dem wenn auch viel jüngeren Keller des Burgberges auf der
Insel Rom vergleichen, dessen Umfassung aus dicken Eichenpfosten bestand*).
Die in das Kieler Museum gelangten Stucke aus diesem Funde sind unter
No. 41*95 inventarisirt, wie folgt:
a. Krugförmiges Gefäss mit schwärzlicher Glätte, hoch 20 cw*, grösster Durch-
mef*ser ll^j^cvt auf 10 bis 11cm Hohe, Durch messer am Boden 8'y.j ci/ij an der
Mündung !>,8cm. Unten auf dem Boden iet ein Kreuz eingedruckt.
b. Desgl. mit schwarzgrauer Glätte, hoch 17 rm, grösster Durchmesser \üy^ cm
auf 1' cm Höhe, Durchmesser am Boden 8rm, an der .Mündung 11 ^m. Das unten
auf dem Boden eingedrückte Kreuz ist noch deutlicher wie bei dem torigen Gefäss.
Bei beiden Krügen hat die Glätteschicht sich nur am oberen Theil erhalten.
c. Zusammengestücktes fragmentarisches Gefäss. wo nur am Kande Spuren einer
schwärzlichen Glatte bewahrt sind. Eine horizontale Furche bezeichnet den Ansatz
des HatseSj und unten auf dem Boden ist ein Kreuz.
d. Bodenstück eines Gefasses mit schwarzer Glätte, auf welchem gleichfalls ein
Kreuz ^) eingedrückt ist. Dicht über dem Boden laufen fünf Parallel furchen rings
um den Fosb des Gefas&es herum.
1) Zeitschrift der Oe^eü^chaft für Schlesw.-Holst.-Lbg. Geschichte Bd. IX, S. 189; vgb
Bd. XII, a 400.
2) Einfache Kreuze unten auf dem Boden kornmea Im Kieler Museum vor bei einer
Grahurne von Tungendoif, Kirchspiel Neuraünster, und M iwei Thongefässen aus dem
Tasch berger Moor. Ein drittes Gefäss aus eben diesem Moorfun^le zeigt uoten auf dem
Bo<len ein HakenkTeuiJ.
VcrhitidL der Bftri. Aniluopo). QeceUtcluka lü^S. 2
C18)
e— L Scherben verschiedener Art und Farbe, zum Theil lüit OrnameDtea^
im hanflschriftlichen Katalog genauer bescbriebeo siod).
üeber eioeü zw(*ite» Fond von Thongefässen auf der Wurtb von Hassel
b&ttel (Kirchspiel Wesselburen, Kreis Norder-Ditbmarschen) liegt noch wenig!
vor. Vor sechs Jahren nämlich wurden beim Abbruch eines Backofens in der NSfc
des abgebrannten Kruse' sehen Geweses und bei der nachmaHgen Ümpflügung di
Grundstucks eine Anzahl Scherben und auch einzelne heile Gefa^se zu Tage gl
fördert. Es war die Rede von einigen dreissig Töpfen, welche an einer etwi
erhöhten Stelle in gleichoiässiger Tiefe nebeneinander gestanden hätten und m
irdenen Platten zugedeckt gewesen sein sollten; sonst sei nichts mIs Erde in d«
Topfen gefunden. Jedoch im Gaoxen war die Erinnerung an diesen Vorgan|
dem mau s. Z. keine Bedeutung beigelegt hatte, durch ilie lange Zwischenzeit ziemlic
abgeschwächt, und man wusste kaum die eigentliche Fundstelle mit Vüllstäodig«
Bestimmtheit anzugeben,
üeber eine daselbst am 13. Juli 1882 von dem Vorstande des Meldorf«
Museums veranstaltete Nachgrabung hat Htjrr Professor Chalybäus mir gütigi
Nachstehendes naitgetbeilt; „Wir Hessen auf dem Grundstück, welches mit Ruoke
ruhen bepflanzt war, mehrere Quergräben bis zu 5^6 Fiiss Tiefe ziehen, wäbcfeg
die Urnen nur ca* 3 Fusa tief gesessen haben sollen. Aber wir fanden nicbcdl
einzelne Scherben, zum Tiieit vom oberen Rande, unter denen zwei fast 1 an ttÄf
and von so hartem grauen Thon waren, dass wir — wären wir auf ganze Gefas!
gestossen — diese ohne Zweifel unbeschädigt hätten heben können. Ein Stück hl
ein Oehr mit Fingerspuren^ die dasselbe an beiden Seiten zusammengedruckt habei
andere sind rothlich, in der Miete gran, andere schwarz; die letzteren nur halb s
stark wie jene. Ganze Urnen, oder Bodenstucke, welche nach Aussage des Herr
Kruse heim Pflügen an Ort und Stelle geblieben w^aren, konnten wir nicht findei
Da das Grundstück bepflanzt war, so war immerhin etwas Schonung geboten; m
Erlaubniss des Herrn Kruse wurden gegen fünfhundert Pflanzen ausgezogen, ui
Gräben nach den verschiedensten Richtungen zu ziehen; leider vergeben sl Deshal
gaben wir schliesslich die Sache auf. — Die Wnrth von Hassen buttei ist übrigen
im höchsten Grade interessant; sie ist fünf Dithroarscher Morgen gross und misi
an Höhe in der Mitte 22 Vj Fnss über ordinärer Fiutb. Namentlich an der Seeseit«
wo der Fahrweg in einem Winkel von circa 40 Grad herabführt, ist die Höhe voi
trefflich zu ii hergehen . In einer Tiefe von fünf Fusg folgte unterhalb der obere:
Kleierde eine mehrere Fuss mächtige Schicht von verrottetena Reth, mistartigei
Torf u. dgl.**
Andererseite schreibt mir Hr. Kl, Peters in Jarren wisch, welcher zuerst i
den Zeitungen auf diesen Fund aufmerksam machte, dass nächstes Frühjahr ein
umfangreichere Nachgrabung vorgenommen werden soll. ,, Davon erwarte er besser
Resultate, namentlich auch aus dem Grunde, weil ihm von glaubhaften Leuten mil
getheiit worden, dass auf jener Wurth ein riesiger Felsldock vorhanden sei, welche
mitten in die Marsch hinein nur durch Menschenhand und zu einem besoDderei
Zwecke hat hingeschafft werden können." — E* mag in diesem Zusauimenhaog aud
einer alten sageniiaften üeberlieferung gedacht werd|?n, wonach die Kirche, welch
jetzt auf der Wurth Wesselburen steht, ursprüngliüii auf der Hassenbütteler Wi
hätte erbaut werden Bollen.
(6) Hr. Handelmann schreibt über
vorgeschichtliches Bjjrgwerk und Brückwerk In Dlthmarachen.
Die eigenthümliche politische Entwickelung Dithmarschens bis zu
(19)
gewttitsaineu Unterjochung im Jahre 1559 und die Sooderstelluapf^ welche die Land-
schaft auch oachher nooh Jahrhunderte lang behauptet hat, erklärt sich nicht zum
mindesten aus den physisch -topographischen Verhältnissen. Die Dithmarscher
Geest ist nämlich p;egßn Osten fast Überall von Bächen, Niederiingea und Mooren
umgeben und hängt nur mittelst eines schmalea Landstreifens mit dem Mittelrücken
der Halbinsel ("Alt- Holstein) zusammen. Bevor also die modernen Chausseen und
Eisenbahnen die Landschaft mit den andern Schleswig- holsteiniscb»^n Gauen zu-
summen schmiedeten, war daher die Verbindung mit der Aussen weit zu allen Zeiten
auf dem Wasserwege leichter und erspries^licher als zn Lande. Von jenseits der
Elbe kam die christliche Mission; Atrebanus, der erste Märtyrer im ^Diethmarsgau**
(7Ü2), war ein Schüler des nachmaligen Bremer Bischofs Willehad. Und seit der
Zeit Karls des Grossen gehörte Dithmarschen zusammen mit dem südlichen Ufer
der Eibemu ndnngr to geistlicher Hinsicht zum Sprengel des Bischofs von Bremen,
in weltlicher Hinsicht zum Amtsbezirk des Grafen Ton Stade. Der damalige Hafen-
platz Meldorf, unmittelbar auf dem westlichen Rande der Geest, wo derzeit die
Mieie in die Elbe aiiindete, wurde der staatliche und kirchliche Mittelpunkt des
Landes. Hier ist die erste Kirche erbaut, welche lange die einzige Taufkirche
für ganz Dithmarschen blieb; hier stand die Burg des Grafen, von welcher die
Geschichte allerdings nichts zu melden weiss, deren Andenken aber noch in den
Namen der ^Burgatrasse** und des ^ Burgviertels" fortlebt. Ob bei solcher engeren
Verbindung zwischen beiden Eibufern auch ein Geluhl gemeinschaftlicher Abstam-
mung zu Grunde lag oder mitwirkte, d, h. ob die Dithmarscher ursprünglich dem
grossen friesischen Volksstamm, der ringsum die Ufer der Nordsee bewohnte, an-
gehört und erst in geschichtlicher Zeit allmählich die friesiBche Mundart mit der
niederaachBischen vertauscht haben, wie desgleichen nachweislich später noch in
pjidersledt, auf Nordstrand und Pelworm geschehen ist: diese neuerdings wieder
angeregte Frage *) mnss hier unerortert bleiben.
Auf der Landseite ist die Verbindung zwischen Holstein und Dilhmarschen
noch in neuester Zeit schwierig gewesen. Ais vom Jahr 1849 an die Gemeinsame
Regierung eine tägliche „Diligence" nach Meldorf u. s. w. einrichtete, erwiesen die
Wege sich so schlecht, dass umwerfen im eigentlichen Wortverstande eine Zeit
lang zu den taglichen Begebenheiten geborte. In der vorhergehenden Periode (ich
finde diese Angabe schon im Altonaischen Almanach auf das Jahr 1785} fuhr die
^Dithmarsische fahrende Post** einmal wöchentlich (Freitags Mittags) von Altona
über Itzehoe nach Meldort Heide, Lunden und weiter über Friedrichstadt, Husum
nach Schleswig (Sonntags Morgens) und von dort einmal wöchentlich (Sonntags
Nachmittags) auf demselben Wege zurück nach Altona (Dienstags Nachmittags).
Die alte L-mdstrasse ging vorüber an dem holsteinischen GrenzBchloss Hanerau
und folgte dann dem einzigen Passweg, welcher zwischen den Quellen der Giselau
und der Holstenau die dithmarscher Grenze überschreitet, während jetzt die Eisen-
bahn von Neumünster nach Heide in gerader Richtung die Niederung der Giselau
durchschneidet.
Nordostlich von der jetzigen Eisenbahnbrücke, wo von Alters her eine Fürth
ond ein Fussweg und Steg über die Giselau führten, haben sich üeberreste der
uralten Grenzbefestigung erhalten^ Auf holsteinischer Seite, Feldmark Beldoif,
liegt eine Erhöhung, umgeben von einem breiten Graben, um dessen südliche Seite
1) Vergh den Aufsatat: ,Friesi*cbe Spuren in Dith marseben* von H, Chr. Tamm im
[VI. Bande der Zeitschrift der Gesellschaft fnr Schlesw.^Qolst.-Lbg, Geschichte S. 1—93, 233. ,
2*
f20)
in halbmoodförmiger Wall lauf):. Dies ist obae Zweifel der eigentlicbe
der zu den Erdwerken von abgestumpfter Kegel- oder Pjrainidenforni, wie »
mach anderweitig zablreicb irorkommen, m recbneD ist. Auf ditbmarscher S«?it
Feldmark Wennbütte], ist eine WalUtnie, die ziemlich gerade vom nordlicheD Ufi
der An ausgebt and deren nördliches Ende sich schanzeDformig nmbtiBgt; von d«
Mitte der Linie läuft ein Seiten wall bis ober den Weg, Früher ist der Kukswa
wohl als eine Gerichtsstatte gedeutet, weil man im Jahr I5G0 übereinkam, d«
künftige Streitigkeiten zwischeQ Holstein und Ditbmarschen durch beiderseiti|
Schiedsrichter an dieser Stelle beigelegt werden sollten. Aber es kann kein Zweifi
*eio, dass sowohl der Wallberg als die Walllinie ui^prünglich zu militärische
Zwecken aufgeworfen sind. Erinnern wir uns des romantischen Bildes aus Gusta
Freytag's „Ahnen** (Bd. I), wie Ingo hinaufsteigt zu dem Verbau, der die Wald«
der Thünnge von den Katten schied, und wie der Grenzwächter ihm H»lt gebiete
So mag unsere Phantasie steh auch ausmalen, wie hier an der Giseiau di
Nachbarstamme der Holtsaten (Holsten) and der Diethmannger (Dilhmarschd
gegen einander die Landesmark wahrten. Dm die Grenze wird hier oftmals un
blatig gestritten sein; eine Erinnerung an diese Kämpfe haben uns die OrtsD&m«
bewahrt. Die Giseiau z. ß, ist benaout nach einer Walküre Gisila, d. h» Spee
Jungfrau, und auch manche Orts- und tlurnamen des holsteinischen Grenzkirct
Spiels Hademarscben scheinen ihren Ursprung aus der altgermanischen Mythologj
herzuleiten ^).
Längs der Grenze breitete sich ein mächtiger WaldbestaDd aus der Rie»
wohld, wovon jetzt nur der Name und geringe Restbestände übrig sind, der ahi
vormals etwa das Gebiet der heutigen Kirchspiele Albersdorf uud Nord-Haste<
bedeckt haben mag. Freilich ist nicht an einen unberührten Urwald zu deokei;
die zahlreichen Graber aus der Stein- und Bronce- Periode zeugen vielmehr dafu
dass schon die ältesten ßewohner Dithmarscheus den Riesewohld in ihren Bereit
gezogen hatten. Und sie haben sich gewiss nicht darauf beschränkt, jene Gral
denkmäler zu erbauen^ wo das Material, die mächtigen Felsblocke, zur Hand wäret
es mögen auch auf einzelnen I^ichtuDgen Höfe gebaut und Ackerbau betrieben seil
At>er Herkommen und Gesetz schützten den Grenzwald vor unbedachter und xnutl
williger Zerstöruag. Wenn das Landrecht vom Jahre 1447 das Hülzfällen in d<
Ramme oder im Schalkholz oder in irgend einer Landwehr mit der hohen Brucl)
von 60 Mark Lübsch bedrohte, so hätte in jener Vorzeit Denjenigen, der da
Riesewohld zu „verbauen'^ wagte, gewiss noch viel härtere Strafe getroffen. Den
dieser Grenz wald war der Schirm und Schutz des ganzen Landes und mochte darui
mit Recht, wie die Sage erzählt, als heilig gelten.
Wo die Grenz Waldung im Süden zu Ende geht, da finden wir einen Ort!
namen^ welcher für die älteste Kriegsverfassung Dithmarschens bedeutungsvoll et
scheint: „Beristede^, später als ein gleichnamiges Dorf weiter nordwärts erwuchs
„Kerkherstede" (Kirchen*HO und endlich Süder-Hastedt genannt Der Name dürft
sich als die „Heerstatte^, Versammiungsplatz des allgemeinen Aufgebots, erkläre]
Ob der Ring wall bei Scfaafstedt, von dem noch Spuren vorhanden sind, zu eine
1) ZeilBcbrift der Gesellschaft für Scbl-HoUL-Lbpr, Geschichte Bd, I\% S. 16, Vaig
Förstemann: , Altdeutsches l^amenfaucb* Bd. lli S. 1635: «Kulcesborg in der
Hildesbeim,*
2) Vergl- den Aufsatz: ^Dithmurschenkämpfe im Heidentbum" (mit einer Karte)!
W, Mannbardt In dessen Zeitschrift rür Deutsche Mythologie und Sittenkunde Bä)
S. 70 — 83. Jedoch sind bei Hannhardt die Oils- und Flurnamfu nicht immer richtig ac
(21)
VorpostenstelluDg dea Volkabeeres diente, oder ob eiu dithniRrscber Ceßcblecbt hier
deu Versucb gcamcht bat, seiu Geböft auf ritterlicbe Weise oiit Tburm, Wall und
Grabeu eiuzurichten, das mag dalimg**sLellt bleiben. Auch die Hofstelle Speersdielt
ist yoß alten Wällen umgeben, und vom Frestedter Moor bis zur Au, aüdJi^b von
Qtiickborn, ziehen äicli drei parallel laufende ßefestigungaliDieu, welche Laufgräben
geöauDt werden»
ün¥ergleichlicb grnssurtig«r ist die Bökeloburg *), welche auf dem Höhenzuge
oberhalb des Kirchdorfes Burg belegen ist, und deren innerer Raum seit dem Jahr
1818 als Begräbüiasplatz dieoL Der hohe kreisförmige Ringwall hat oben auf dem
Fiß. 1.
Kamm eiaen Umkreis von circa 547 Scbritteo; der ionere Durchmesser beträgt
etsva 330 Fuss, Ala der Wendeßfüret Gottschalk ura das Jahr 1032 das ganze
nordelbische Land mit Feuer und Schwert verheerte, da ist, wie der Chronist Hei-
mold erzählt, seiuen Hiinden nichts eotgangen ausser den weitberühmten Burgen
Itzehoe und Bökel tiburg, wohin einige Bewaffnete mit Weibern, Kindern und Hab-
selii^keiten sich gefluchtet hatten, und zu demselben Zweck hatte der gewaltige
Ringwall damals ohne Zweifel schon seit mehreren Jahrhuoderten fjfedieut. Die an
seinem Fusse voruberfiiessende Au ist gleichfxdls nach einer Walküre Walburg be-
nantiL Der verstorbene Kirchspiel vogt Messner zu Burg bewahrte in seiner Samm-
lung (jetzt im Berliner Museum) „einen halben Stein bamraer, gefunden an der
Ostseite der hohen ßurg^ am zweiten äusseren Wall"j doch darf man darauf nicht
allzuviel Gewicht legen. Von anderweitigen Funden, die für eine Altersbestimmung
besser zu verwerfchen wären, ist nichts bekannt geworden, obwohl man sie gerade
hier, wo die jetzige Bestimmung des Orts fortwährende Grabungen veranlasst, am
ehesten hätte erwarten sollen.
Nach der altherkömmlichen Ueberlieferung wäre hier der Schauplatz der Sagen-
geschtchte vom Untergang des alten Grafenhauses, die im Volksgesaog fortlebte,
bis sie, wie Neokorus sagt, „durch Vielheit der neuen Lieder vergessen uud aus
dem Gedachtniss entfallen". Ich habe an einem anderen Ort^) ausführlicher meine
Ansicht dargelegt, dass der alte Grafensitz nicht hier in der Bökeln bürg zu suchen
ist, sondern vielmehr in der obgedachten Burg bei Meldorf* Ich halle es für wahr-
ficheinlich, dass dort im staatlichen und kirchlichen Mittelpunkte der Landschaft
der Aufstand ausbrach, bei welchem Graf Rudolf umkam. Es war eben damals die
Zeit, wo die Grafen der nordelbingischen Gaue^ welche vom sächsischen Herzog
1) Die Atisiebt Fig. 1 ist nach einer im ersten Britkl dieses Jahrhunderts von Marston
angefertjoteo Zeichnung, Jetzt Ist die ganze Anhöhe mit Bäumen bestanden.
2) Zeitschrift der Gesellschaft für Schl-Boist.-Lbg. Geschichte Bd. IV, S. 3-13.
(22)
zur Ausübung der obersten kriegsberriicbeu und ricbterlichen Gewalt bestellt war
den Versuch macbten, ibrc Befugnisse weiter auszudehnen und zu einer furstlicl
Gewalt auszubilden. Dem Grafen Adolf in Holstein gelang es; er hat, wie £
mold schreibt« .den unbändigen Waldeseln zuerst den Zaum ubergeworfe
Anders war der Verlauf in Bitbmarschen; Graf Rudolf ward am 15. März 1144 i
den Aufstandischen erschlagen; ob in seiner Hauptstadt Meldorf, ob im Bur{
RingwalK wo er eine letzte Zuflucht suchen mochte, darauf kommt wenig an. ]
*;rnsserer Zuversichtlichkeit können wir annehmen, dass im Jahre 1149, als <
sächsische Herzog Heinrich der Löwe heranzog, um den Tod des Grafen an ,<
Keichsfeindeu, den Dith marschern \ zu rächen, diese ihrerseits in die Bukelnbi
flüchteten, ebenso wie ihre Vorfahren bei dem Kiiegszuge des Wenden fürsteD Gl
schalk. Ueber die Einzelheiten dieser Reichs- Execution vom Jahre 1149 ist nie
überliefert: wir wissen nur. dass die Dith marscher besiegt und gcdemuthigt si
und dass sie (als Kriegscontribution) drittehulb Jalirhumlerte lang einen jährlicl
Korn- und Viehzins an die holsteinische Burg Hanerau gezahlt haben, der uo
dem Namen der .Zeheuten des alten Herzogs Heinrich'' bekannt war.
Ich habe schon früher die Vermuthung ausgesprochen, dass den rebelliscl
Dithmarschern damals noch eine besondere Demüthigung auferlegt sein mag, wel<
den Anlass gab zu einem characteristischen Zug der Grafensuge. Bekanntlich
zählt Neokorus, dass zur Zeit des Grafon Rudolf die Bauern zum Zeugniss ih
Dienstbarkeit einen Klawen *) am Halse tragen mussten. Ein Gegenstück dazu fii
ich in der grossen belgischen Chronik, welche in der zweiten Hälfte des 15. Ja
hunderts aufgezeichnet ist. Diese berichtet: «Der Normannenkr»nig Gottfried, (
an den Rheinmündungen herrschre und im Jahre ^^.3 erschlagen ward, habe
widerspenstigen Westfriesen unter ein so hartes, knechtisches Joch gezwungen, d
sie alle einen Strick um den Hals iesohlunjjen tracen niussten.** Aber was
spätere Sage hier wie vlort, in den Nie^ier landen mul in Dithmarschen. als Willk
massregel eines überiualliigen Tyrar.Leii ausl.^g:, das wird vielmehr als eine der
frühen Mittelalter ül -liehen Krire:^ strafen anzusehen s-.Mn. Missethater mussten
demülhigendem Aufzuije, ein Zeicl.er. lier verwirkivi; Strafe auf ihrem Hals «
Rücken tragend, v.>r ii.re::i Herrn erscheinen und eiue vorgeschriebene Stre<
Weges wandern. Kaiser Frie irioh I . der Rothbart, setzte diese zum Tbeil sei
veralteten Ehren strafen mit grosser Strenge wjp.Jer in Kraft. Z. B. als das reb
lische Mailand li.'»'^ lezwuii^en war. erschiener. di'^ Riithsherren, Edelleute u. s.
l.iifuss und ein Mankes S hwort :\m Halse vcr dem Richterstuhl des Kaisers; u
nach der zweiten Capitulatioü \\*y2 musste die ganze Mailändische Burgersch
njit Stricken um den Hals au?/iehen. Ks ist nicht unwahrscheinlich, dass Heinri
der Lowe 114^^ hier in Dithmarschen Gleiches verlan^zte wie sein kaiserlieJ
Vetter in Italien, und das* n.ich der Untorwerfai-i: e:i:e ähnliche Procession y
dem siegreichen Herz-^ge vorül'cr detilirte. Anstatt des hänfenen Seils aber pflej
man vormals die Weide, d. h- den aus frisci.en. zähen Eichen- oder Weidi
iierten gedrehten Slrarg. zu gebrauchen, und dieser Weidenstrick kann spät
als die alte Sitte in Vergessenheit gerieth. leicht mit dem hölzernen Klawen ▼<
wechselt sein.
Zwischen dem Kirchdorfe Burg und dem l>enach harten Dorfe Buchholz li<
die sogenannte Burgholzupg. vormals Borgholt, welche in alter Zeit zu den land
r «Klawen* bedeutet das hoUene Halsband für Hornvieh, «oran dasselbe angebonc
«irl S. die AbhUduBg in Schitte*« bohteinischem Idiotikon Bd. li*. S. Ih^».
(2;j)
»
I
I
I
herrlichen Nutzungsrechten gehörte, naclimals dem G^^sahleclit der Vogedingmannpn ')
lustätidi^ war, uod aua der Niemand HaI/. bauen durfte ohna allgeoieine Beliebuug.
Oboe Zweifel ist dieser Waldbestand ursprünglich als öffentliches Bigenihum der
Bökeln bürg zugelegt gewesen, damit man mi^ demselben das n5thige Material an
Bohlen, Brettern, Faschiiieii u. dgl zum Burgwerk und ßrückwerk eutnehmea
konnte.
Noch etwas weiter sudwestlich, beim Dorfe Kuden, liepjt mitten in der Niede-
rung der Walburgsuu die sogenannte nakwieso. Dieselbe war bei MenBchengedenken
ringsum von Rieth wuchs (l)ak: Ijcbilfrohr, Rieth) umgeben und ist noch durch
solchen vom Kudensee getrennt. Der höchste Tlieil wird gegenwärtig als Acker-
land benutzt, und man ist hier mit dem Pflug wiederholt auf Piahle geßtoasen; der
iibrige Theil ist feuchte Wiese. Bei einer Besichtigung im Herbst 1870 sah ich
an den Gräben, welche Acker uud Wiese scheiden, ein paar aufrech tstchende und
mehrere querliegeode EicheDpfäble; viele andere waren schon früher ausgerissen
und entfernt. Neokorus (Bd, I, S. 26t>) hat bereits berichtet» dass, „wenn man
hier ein wenig eingräbt, man viel verbauten Hohes findet; also auch eine rechte
Steinstrassej so von Norden in die Dakwiese durch gen Süden gegangen.** Er fügt
hinzu, „dass das Hok zu einer Gruudfeste gebraucht gewesen, und dass etliche
meinen, es habe hier ein Junkern -Haus (also ein ndeliger Wohnsitz oder eine
Ritterburg) gelegen.** Jedoch daran ist nach der BeschafFenheit des Terrains ganz
und gar nicht zu denkeu. Die alten grossen Ziegelsteine, welche hier hin und
wieder gefunden werden^ durften eher als Unterlage beim Feueranmacheo, als Heerd-
platten gedient haben. Auch wird unter der ^Steinstrasse** des Neokorus ein Pfad
von sogenannten Stapfsteine n, der durch das Moor führte, zu verstehen sein. Denn
das eine und das andere ist an ähnlichen Stellon in gleicher Weise beobachtet^).
Die Dakwiese war Dämiicii vor Alter» eine Art Insel mitten im Morast, welche
wahrscheinlich in Krtegszeiten als Versteck und Zufluchtsort dif^nte, und die Pfälile
sind hier wohl zur Befestigung des schwanken Bodens, sowie der Uebergaugsstellon
hineingelegt oder eingerammt. Ob auch eine förmliche Bohlenbrücke vorhanden
gewesen ist^ wird sich jetzt schwerlich noch feststellen lassen.
(Welche ßewandtuiss es mit solchem Versteck im Moor hatte, davon giebt die
Kirchspiels -Chronik von Oster- Lfigum, Kreis Apeunidp'), ^-^^ lebendiges Bild. In
der Kriegszeit von 1657—1660, als sowohl die feindlichen Schweden wie die ver-
bündeten Brandenburger, Kaiserlichen und Polen auf das schlimmste im Lande
bausteo, hatten die Einwohner des Dorfes Habers! und sich mit ihrem besten Haus-
rath auf die kleine Insel Bygholm, nördlich vom Dorfe, gefluchtet. Hier waren
damals höhere Banme^ und ringsum war ein tiefer Morastr über den sich so leicht
kein Feind wagte. Doch war man gewöhnlich im Dorf, hielt aber stets Wache in
den hohen Eschenbaumeu, welche beim Hofe No. 27 A standen, uod sobald die
Wache das Zeichen gab, zog sich Alles nach der Insel zurück* Wenn dann der
Feind ins Dorf kam und keine Leute vorfand, so nahm er was zu nehmen war,
steckte auch wohl einige Häuser in Brand und zog wieder ab.)
Vom Kudensee ging früher ein Wasserlauf, der sogenannte Holsteograbeüj bis
in die Elbe und bildete die Grenze zwischen der holdteiniscten Wilstermarsch und
dem Dithmarscher Suderstrand (Sudermarscb). Die Grenzbecke heisst noch das
1) Vergl den Aofiatz: ,Di6 Vogte und das Geschlecht der Vogdemanncn" von Professor
Dr, Chalybaens in Meldorf (Beider Zdtung 1882, Nr, 28— 32),
2} Zeitschrift der Gesellschaft für Schlesw. -Holst .^Lb|f, Geschichte Bd. X, 8,20» 34, i2,
3) Jahrbürber für die Landeskunde von 8chle6w»-Hd»t, und Lbg. Bd. XI, 8.84-35.
Crv'iL..:.: -f- «•: ii^ L i-rT riis.'.^f.i-t'rfr '^Ti-z t-r-r-^i: .W.r n ls*^i t:^"* Beim
rr-:*. - -rl: Irr: l- i.* :.-:.r*i 'jjrri^tiz:} >. -»r.rir L,fr iz f*-r V^ffreft a
r-=r »r::-«-! f if. Tu fir Z^ :. t!? 'irri:' ?,ii:.:' Tr«.?'L.Lrrr ""iri. wlz ::» E:xk3*5^i
.T-? *Ii-r*irLiiri h:i z i.tr.-:i "■-:: Zri.*i*i _ii i.r Lr-*r ArcrriaaiT«
: >:: ':..::rr' rrtii-r. _- di.* -'iit I'.t . -'rzizz -lTtt iri Eiiilif:*- i€» H^
i-^': - - f.u" T ;-:i:i::r 5 r:i* i; T:i-:~-i A-*-^Ti:.i.!"e- . "CtI;!* «.r«:.?^ rä*
Tm-n Li:i :*r t;* :^— AT*T.tkf: I'ii i-r-rz-riT Mir-nfisTTri-t. ix? S:**2*sf
-Iri*-:*! It* i.T-i Hrri rf Hr:ir.:i*. :r:?:r-rrL
11* r«-' "=f-rL: ".r:-?.. t» ■ i.r W.rs-i 5 .rzir.z. r ir^iiwri .- : :.r K-ir-rl:: Li^g^
-JL*"i^I. N •: 1 "r'^tr "Wr-TTr l7ri..ri -IItI «».T .1 TlIrT '*"»". rs*t "-•r- SÜ^rTVÖ* C
Ni-ri C.:*i:;ri. irr :tr Tjr^fs:!.:*: lir I-ttV?: j-:zt1 i*-z t— £"rii>*iD l
•• :isL£-i :*-m ?-:i .•:. Z»:-:iri :'-.iri '.''ri-n ::T::r: •.;- t.i* "■■*::». frü]
"»:^irs::-.i :i 'r-"«! if^r Hi. £-£i:iT is.;*. ■."*:-ri i i i.». i.r I^n-fL^tritirr Ix
I™ "»^i . m »f.:!-: rr?-": *•-:: irn -."-rr 1**.' :_ii Tif . ■».r-i*T ^7 fr*'-*'st :
!■•■: ?L*- IL.-- .LZ i.f: T:r I,:.:fi -r.i rr ".T-f I ::: I-iiri-":r-r:- ik? ^;;rcr£ «-ii
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Z'» >* ' !*-?: 1 -.iri 5 :.;"::■:. _i-*:; :_ .i**"i ~ ;-:r r:._.r *:ri*- 5«:.!r dks m
1' r: £*:.!.: ^-: >: I: ifi :r ,1 :1 ■ ri.-ir: ^ti i^.r.i :'r:r:i A.:-*räö:rf h
^:.:-Il: ?^t I ■.: "p r: ■>.':.:■-* i._:i -■: Sl i-::-?:^:.: zzi r*f.-f- ri.-*r.>:. t
--* «.Ti:*: 7: r:-- -^ t . : r :i:i : i-Tti. - i::f 1 _-f -i "^ r* 11 i irr «r»n <
N ri^: tjr-i; i.i\:L-:. - :^: V ;: ■ :^ ^ t> ^: :i- ..- iii zz-irrZZrrT \''4k
5. i.-:::i:- .l.:- •! ri: :* . .•.:■-->.-. .Kirii:- ^ ir.-r :if A-fffr^r-atsf«
?-: : ::r:T-i"Sii:f }.rr. :.:r r:*.r -^: üti- Nr 1 -r-.ili-: : :-* Br:::Z"?4Jl-<
T.r:r:^-: i:^ _-: Zt : >^ 7t:::^i:i-> ■ - :{r . _:i.l ::- CiriKrriiük«
i' ~-*s —i *.->•:-: " '. ■ :_ii? - - :-i" : 1 • "_.:ti.; .1 Ivr .:.:■:, }":_. K*?::-
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vorföbrleo. Die meisten Graber wür<*ii mit spärlichea ßeipabpii bedacht: ein
Messer, ein Speereisen , ein Bündel Pfeilftpitzen u. s, w. \oi\ hervonragendem
Kang uüd Reichtlmm aber zeugten zwei Gräber mit pnlcbti^em Frauenscbmuek
und i»in drittes, welches einen Krieger in voller WiilVenriistunp barg. Sein Schwert
und die mit Gold tauscbirten Steigbügel entsprechen den Formen des Dordischen
sogenannten jüngeren Eisenalters, resp, der karotingischen Periode; sein Speer mit
zwei vorspringenden Zapfen an der Tülle insbesondere dem T^Knebelspiess" der
Wesaobninner Handschrift vom Jahre 8H\ Steigbügel und Sporn erinnern auch
daran, wie der Todte vor den Leuteo geringeren Standes, zwischen denen er zur
letzten Hube gebettet ist, sich dadurch auszeichnete, dass er hoch zu Ross in den
Krieg zu ziehen pflegte. Dies Zahlen verbakniss stimmt zu der anderweitig ver-
bürgten Th}«tsiache, dass die Norddeutschen der Zeit und auch später noch gewohnt
waren, hauptsachlich zu Fuss zu kämpfen. In den Jahrbüchern Einbard's wird
während des langwierigen Krieges zwischen Sachsen und Franken nur einmal aus-
drucklich von einem Reitertreffen au der Lippe im Jahre 784 berichtet.
Das sind die Zeiten, wo Kaiser Karl der Grosse mit eiserner Faust die nord-
deutscben Stämme in den Schooss der christlichen Kirche und in den deutschen
Eeichsverband hineinzwang. Auch Dithmarschen ist davon nicht unberührt ge-
blieben; bei der wiederholten Schilderhebung Widukind's im Jahr 782 wurden
überall die MissionJire und Christgläubige a hart verfolgt, und im Diethmarsgau
erlitt der Geistliche Atrebanus den Miirtyrertod, Drei Jahre später (785) erliess
Kaiser Karl zu Paderborn das berühmte Kapitular für die siichsischen Lande, daB
wie mit Blut geschrieben ist; ein Artikel nach dem anderen lautet dahin, dass
wer die neue christliche Staatsordnung verletzt oder rückfällig wird in heidnische
Grauelj ^der soll des Todes sterben**. Hier kommen besonders zwei Artikel in
Betracht. Kapitel 7 verbietet bei Todesstrafe die Leichenverbrounung, die damals
in Norddeut^chland vorherrschend gewesen zu sein scheint. Doch sind daneben
schon von älterer Zeit her einzelne Bestattungen vorgekommen, und um so leichter
mochte der christliche Brauch sich allgemein einbürgern. Anders war es mit
Kapitel 22, wo es beisst: „man solle die Leichen der christlichen Sachsen nach den
Kirchhöfen bringen und nicht lu den heidnischen Grabhügeln.** Damit waren
offenbar solche uralte Begräbnissplätze gemeint wie der Immenstedter Karkhof,
welche durch alle Perioden hindurch benutzt sind. Die strenge Durchführung
dieses Gesetzes hatte um so mehr Schwierigkeiten, da die Zahl der Kirchen in
den neubekehrten Provinzen anfangs nur gering und die Entfernungen desl]alb uro
so grösser waren. Fn Dithmarschen war lange Zeit nur die einzige Taufkirche zu
Meldorf* So tnusste noth gedrungen bei den meisten Beerdigungen von einer geist-
licheu Mitwirkung abgesehen werden, und es wird um so länger gedauert haben,
ehe die althergebrachten heidnischen Begrabni^sge brauche ganz und gar abkamen.
Im üebrigen mochte ich zum Vergleich den sogenannten Thyra-Hngcl bei JelHnge
in Jütlaod heranziehen. Dort ist in derselben Grabkammer zur Seite ihres heid-
nischen Gemahls, des Dänenkon igs Gorm, die Konigin Thyra Danebod beigesetzt
gewesen^ welche nach Saxo Grammaticns eine Christin war, und für deren christ-
liches ßekenntnias auch ein daselbst gefundeoes^ mit Gold belegtes Bronzekreuzeheu
zu zeugen scheint'). Wer kann nach alledem wissen, ob nicht das cliristliche
Taulwasser auch den ei neu oder anderen der Immenstedter Todten benetzt hatte?
1) Kornerup: „Kongehöiene i Jellinge' S, 20 u, ff.; Worsaae in den Meinoires de Ja
sociiHe Rojale des antiquaires du Nord 1878— 187^, S. 120—121. Ueber die uhweicheuHe An-
sicht Kngelhardt'i^ s. Aarboger for Nordisk Oldkyndighed og^ Historie 1876, S. IIG n. £
(26)
Dagpgen babeo wir gar keinen Grund iiüzuD^^hmeo, dass dieser alte B^grabni«
jeronl» zu einem christUcIten Kirchhof geweiht wurde. Keioe Spur dcutC
liiii, dass m Immeastedt jemals eine Kirche oder KapelJe geweseo sei.
Von der Grenze (beim KukswaJI) fuhrt die alte Land&trasse in ziemlicb"
Hichtiilig nach Meldorf, Der Fei od hatte ayf diesem Wege den Ries«»W€
passiren, utid ionerbalb dieser Greazwaldung oder utinnttelhar biDter
muBflten selbstverstäüdlich VorkehruDgeii zur Abwehr getroffen werdeu.
war hei Tensbijltel ein iiller Wall, der sogenannte Königsgrahen; auch soll
wärts, zwischen Sarzbütlel und üdderade eine Burg gelegen hnbeu. Wie ea
nun audi damit verhatten mag, uU der eigentliche Schlüssel zu Meldorf is
Pass bei Delf brücke anzusehen, wo die Landstrasse die Norderau (Süder-Ä!
überschreitet. Kurz vor DeUbrucke, diesseits (nordöstlich) TOii der Au, Heg
runder Högel^ der mit einem breiten Graben versehen ist; um die Ostseite
selben lieht sich im Halbkreise ein zweiler Wall, den wieder ein Süsserer Gl
umgieht. Dieser sogenannte Schlossberg wird gewohnlich als der üeberres'
Marienburg angesehen^ welche die Holsteiner im Jahr 141)3 erbauten. Ea
jedoch auf der Hand, dass diese während des Kriegs und mitten in Feindes
nicht Zeit üoch Arbeitskräfte geoiig zur Aufhäufung eines solchen Erdwerka g
hatten. Dasselbe muss vielmehr damals schon vorhanden gewesen sein, um
bolsteinibchen FeldhaupÜeutej welche die militärische Bedeutsamkeit dicBer Pa
zu schätzen wusten, setzten sich darauf fest; sie liesscn hier ein Blocichani
Pal issaden zäun und Graben^) errichten, welches den wiederhoken Angrifiei
Dithmarscher trotzte, aber nach der Niederlage am St Oswalds- Abead 1404
tragsmässig geräumt und geschleift werden mnsste. Die Delfbrücke ist Dacl
Tou den Dithmarschern weiter befestigt worden; nördlich der Au scboeiden
die üeberreste tieftr Bcfestigungsgrilben bastionsforinig in einen Hügel eio.
der Burg wall reicht offenbar in eine viel frühere Periode zurück und ist zur La«
vertheidigung^ nicht zum AngriB* erbaut worden. ^M
Die Landstrasse von Delfbrücke nach Meldorf fuhrt bei Bmrgenstedt^J
über die Spur einer Schanze südlich von diesem Dorf läset sich schwerlich i
sagen. Bei Nindorf müadet ein anderer Weg eia, der von Schafstedt über K
stedt und Farne winkel herkommt Vielleicht dass die Holsteiner im Jahre
diesen südlichen Weg eingeschlagen haben; der damalige halb sagenhafte „H;
krieg**'"') soll auf dem Krumstedter Viertb geschlagen sein. Die ScbaDzen
Farnewinkel sind nach der Ueberlieferung erst 1713 von den Schweden aDg«
Dagegen der Engelsberg daselbst, welchen NeokoruB die „ Engel sburg^ neoDt
von dem er eine Riiubersage erzählt, ist offenbar nichts anderes als eioj
Hünengrab.^)
I
Am nördlichen Ende des Grenzwaldes liegt das Dorf Tellingstedt,"
Kirche bereits um das Jahr 1140 urkundlich erwähnt wird; das ältere Urdorf
der Sage nach*), zur Strafe des Frevels in dem benachbarten Ecksee Tersni
1) Diese Erklärung ist um fO rnehr berechtigt nach dem, wa§ der Presbyter Breia
Kap. 21> ausdrücklich von einer ^leichzei tilgen Befestigung der Burp; Haue ran berichti
stnim H. munieruat palis loagis, ligneis meniis et novis domibas atL|Tie fossatis.*
2) MüllenhofFs Sagen Nr. 11 ^ S. 19; Topographie von Holstein und La
Bd. II, S. 58.
3) Topographie Bd. 1. 8. 377; Zeitschrift der Geseltscbafl für SchL-H(jl«t.-Lbg. i
Bd. IV, S. 14
4) MÜHenhoffs Sagen Nr. 174| S. 131.
- Breifl
cht||^
(•27)
sein. Eine kurze Strecke hinter Tellin^tedt ist der Üebergaug über die Ti(*lenau^
die Tielenbrucke, welche als der Schlüssel zur norderditlimarscber Geest galt und
bis zum Dnterj[jang der Freiheit slark befestigt war. OestHch von TelHngstedt war
vormals eine Befestigung in riiuder Form. Die Namen der benachbarten Ortschaften
Oesterborstel und W«^stcrhor6tel deuten ohnehin auf eine altere Bauernburg oder
Zufluchtsstätte. Dagegen die Hypothese, als sei hier in alter Zeit der Sitz einer
adeligen Urenzerniannschaft gewesen, welche nian aus der ursprünglichen Namens-
form ^Ethelingstede'* herzuleiten suchte, halie ich an eioera anderen Orte*) zurück-
weise q jnÜBS4!n.
Westlich von TelHngatedt breitet sich ein grosses, gegenwärtig recht gut ent-
wässertes Moor aus; südlich Tan diesem ist der Holmer (Süderhol mer) See und
jetzt auch dessen kleiner üeberrest, der Benuewohlder See, trocken gelegt, wahrend
im Norden der tiühe und hodenlose Ecksee noch den ursprünglichen Lagunen-
Charakter verriith. f^enn es kann kein Zweifel sein, dass die ganze Niederung in
früherer Zeit Tollständig versyrapft, ein tiefer unzugänglicher Morast gewesen ist,
aus welchem, wie noch deutlicli zu erkennen, verschiedene kleinere und grossere
SandÄachen ineelartig hervorragten. Die grusste dieser Inseln bildet die Gemarkung
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Schalkhafi
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TiflingsUdt
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Redcrstall; eine zweite heisat im Volks munde „der Heiin **; eine dritte kleinere hat,
als bald nach dem Orientkrieg von 185^ — 185G das erste Haus daseibat gebaut
wurde, den Spottnamen „die Krim** erhalten. ^ Hr. Lehrer A. F, W. Thomsea
iu Schalkholz hat gütigst die obenstehende Kartenskizze (Fig. 2) entworfen, welche
die Situation veranschaulicht. Eben demselben verdanken wir auch die gelegentlich
der Moorarbeiten festgestellte hochinteressante Beobachtung, dnss obgedachte InseJn
zum Theil unter einander und mit dem eigentlichen Festlande durch Bohl brücken
Terbunden sind^).
1) Zeitscbrift der Gesellscbaft für Scbl-Hcilst,-Lbf, Geschiebt© Bd. XTI, S 397.
2) Stehe dessen Aufsatz (^Eia Hammenweg?'') vom Octob^r 1&8U jn den Uzebner Nach-
richten»
(28)
l, Nordilicb von Weslnrborstel fügt sich das Mnor so sebr elo, dass mun
schwer mit einfm Sleinwurf die g^^genüberliegende Hohe (die Krim) erreicht. 1
wurde im Sommer 18H0 auf der Sohle des hier tdcht tiefen ^foors ein querdu
gehender Pfud blossgelegt, der aus ßtark scb rittweit auseinander liegenden groi
Steiöblöeken bes^tand (sogen, Stapfstei«ie). Nur etwa 20 m davon ODtferot, faßd i
ein etwa 2 Fuss unter der Oberfläche liegender BohleDdamra, der eine so ^
8anduuterh)ge hatte, dass das Moor zum Zweck der Torfbereitung unbro^act
wird. — leb werde auf diese Bohlbrücke noch ausführlicher zurückkommeu.
IL Die Krim ist ein schmaler Huhenrücken, der sich reichlich eioe Li
Stunde in West Nord-West-Richtung hinzieht uud südlich von einem wasserreic
Bache Öaukirt wird. Dem westlieheti Ende dieses Kückens nähert sich bis
etwa 200 Schritt ein schmaler Ausläufer des Hell na, uud wieder stellt ein Dal
der aber des hier tiefgehenden Moors wegen mehrfache Lagen aufweiset, in ci
Tiefe von etwa 5 Fuss die Verbindung her. Wie es scheint, hat man hier vrenl
als sonst Eichenhok gebraucht; Erlen- und Birkenstämme sind vorwaltend,
lU. Von Schalk holi her ffdirte ein dritter Bohlendamm, der etwa 2 Fuss ui
der Oberfläche lag, nach dem Hello hinüber. Zwei parallele Reihen ziemlich die
Eichenstämrae mit einem seillichen Abftande von etwa 8 Fuss sind durch Sp
pfähle verhindert, nach aussen ausÄUweichen. Bierüber ist eine dicht zusamiz
schliessende Lage etwa ' >> Fuss dicker und ^j^ Fuss breiter Eichenbohlen gel
und oben darauf finden sich geringe Spuren weissen Sandes.
Der Hclln und Rederstall reichen mit den auasersten Vorsprungen dicht
einander hinan; nur dass sich die Hederstaller Au zwischen beiden dorcbwin-
Die beiden Inseln bildeten eine natürliche Zufluchtatätte mitten im Sumpf, und
Einwohner sowohl der südlich wie der nordlich belegenen Geest hatten sich 3
sichere Kückzugswege dahin gebaut. Drts Material zu den ßohlenbrücken war
der Hand; denn erweislich ist der Helln in der Vorzeit ein prachtiger Wald
wegen. Davon geben die gewaltigen Eiclienstümpfp, sowie die ganzen 2 — S t
starken Eiche ostamme^ welche am Rande desselben noch im Moor gefunden
ein redendes Zeugniss.
IV. Wo dem anssersten südwestlichen Punkt der Insel Rederstall nicht all
fern eine flache sandige Erhebung gegetiübeiliegt, führte ein vierter Damra hiniil
welcher von besonders sorgfältiger und fester Beschaifenheit gewesen sein s
Eine zur Längsrichtung im Winkel von 45 Grad nach links stehende, dichte Li
aus lendendicken Stammen war von einer eben solchenj im gleichen Winkel m
rechts geschichteten und diese von einer dritten, der Längsrichtung entsprechen«
Lage aus gleichen Eichenstämmen überdeckt. Die beiden unteren Lagen waren
den beiden Enden senkrecht durchbohrt und mittelst Hoknagel znsammeiigehalt
Seitlich von diesem Damm in etwa einfüssigem Abstände hat noch ein Faschio'
dämm gelegen, dessen einzelne Bündel von den umschliessenden Weidenruthj^
noch wohl zusammengehalten gewesen sind. ^^
Neuerdings schreibt mir Hr. Thomson, dass er vf>n einem fünften ßohlendac
gebort habe. Südlich von IlederstaU ist namJich ein einzelnes Haus bis an (
Moor vorgeschoben j in geringer südöstlicher Entfernung von dort soll eine we(
umfangreiche sandige Höhe liegen und nach dieser der gedachte Damm fuhr
Das Gerücht erfordert eine genauere Prüfung und Lokaluntersncbung; doch ist <
Möglichkeit keineswegs ausgeschlossen, dass auch noch an anderen Stellen <
Moors derartige Dämme zu Tage gefördert werden.
Vou hervorragender Wichtigkeit für die Zeitbestimmung dieser Bohlbruckeo
ein bronzener Armring, ahidich wie die Abbildung bei Lindenschmit: ^Alt
(29)
^
^
^
ler unserer heidnischen Vorz^if* Bd. II, Heft 5, Tafel 3, Figur G, welcher im
Friihjahr 1882 auf derß Damm Nr. I zwischen Westerborstel und der Krim ge-
fbndeü wurde. Derselbe gehört jetzt dem Hm. Apotheker Fr, Hart mann in Tel-
lingstedt und ist sowohl dem Kieler Museum wie auch dem IJöoaisch-GermaDischen
Ceotral'Museum zur Aosicht eingesandt worden. Wie Ilr Hart mann gefälligst
mittheiltj ist dieser Damm Nn 1 250 Schritte lang gewesen. An der Seite waren
lugeapitzte Pfähle, daran Langsboblen, und darauf erst eine Luge von 2,30 m
l&Dgeo Querbohlen, welche aus gespaltenen Baumstämmen von ca. G Zoll Durch-
messer hergestellt und an beiden Enden gefalzt waren, so dass sie auf die Längs-
hohlen fassten. Darauf lagen wieder zwei Schichten von runden, nicht ge^palteDen
ßunmstämmeö oder Bohlen. Die ganze Brücke war mit weissem Sande beschüttet,
und auch an jeder Seite derselben befand sich viel weisser Sand, Die Torfschicht
oberhalb der BriJcke betrug etwa 1 m.
Nach den von Hrn. Hart mann eingezogenen Erkundigungen hat der Ring in
der Mitte der Briicke auf der untersten flachen und gefalzten Qu er bohle gelegen.
Die ilöglichkeit, dass derselbe nach trag! icb zwischen den Fugen der Bohlen hin-
durch gefallen sei, ist ausgeschlossen; da, wie gesagt, drei Reihen Querbohlen
übereinander lagen, von denen die obersten die Fugea der mittleren und die mitt-
lereo die Fugen der unteren bedeckten, so da&s der Ring hatte einen Zickzack-
Weg machen müssen. Nach alledem kann kein Zweifel sein, dass der Ring beim
Brückenbau verloreu oder niedergelegt ist.
Man pflegt diese Art Armringe in die römische Kaiserzeit zn setzen. Jedoch
im Sommer 1880 wurde ein solcher silberner Armring im Ried bei Lauterach (Vor-
arlberg) gefunden zusammen mit einigeu anderen silbernen Schmucksachen, drei
keltischen Qninaren und 24 romischen Denaren (Familienmünzen) aus der Zeit
zwischen ca. 25t) und ca. 80 vor Chr.') Die Form reicht also bis in die Zeiten
der römischen Republik zu rock. Die Einfachheit derselben und die äusserst prak-
tische Einrichtung, dass sie durch spiralförmige Aufrollung des einen Drahtendes
über das andere eine passende Vergrosserung oder Verkleinerung der Oeffuung
zulieB», bewirkte, dass diese Art Ringe eine grosse geographische Verbreitung
gewiinDen und sehr lange Zeit im Gebrauch blieben. Lind ensch mit weiset die*
selben aus Merowingischen und Angelsächsischen Grabfunden nach; und nach einer
Mittheihng des Hrn, Dr. Sophus Müller findet dieselbe Art des Verschluäsea
sieb noch bei einer grossen Menge silberuer und goldener .Armringe aus der letiteu
Zeit des nordischen Heidenthums, welche im Kopenhagencr Muüeum bewahrt werden
und zum Theil aus grosseren Silberfunden herstammen.
Wenn nach dem Obigen ein weiter Spielraum für die Zeitbestimmung bleibt,
so möchte ich andererseits daran erinnern, dass eine Bohl brücke schon im Moor
Taschberg bei Suderbrarup beobachtet wurde, wo die romischen KaisermiVnreo (die
jöngste von Septimius SeveruSj 193—211) einen genaueren Anhalt für die Periode
der Niederlegung des grossen Moorfundes gaben. Engelhardt-) berichtet darijber
folgeodermassen: ^.Auf einer Stelle an der Westgrenze der Fundschicht fand sich
eine Art regelmässiger Brücke oder üebergangsstelle, gebildet aus eingerammten
Pfählen, auf welche querüber andere Pfahle gelegt und darauf das Ganze rait Busch-
werk und Reisig bedeckt war: diese Pfählo waren mit einzelnen Ausnahmen von
Erlen, Birken oder Ntissbaum," Ofifenbar hatte man diese Brücke erbaut, um jeu
1) S. den XXL Reebenscbaftf^-Bericht des Ausscbupses des Vorarlheiijer Museum -Vereins
in Bregenz über den Verein*jabrgat>g 1881» S. 12 u, ff.
2) ,ThoT*bjerg Moaefund* S. 14.
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dem tiefateu uod wasserreicbsteo T heile des Moörs, der sich zur opfern
Versenkung der Kriegsbeute am besten eignete, bequem und aiciier gelaof
köooen! Nach dem Obigen habe ich keine VeraolassuDg, darao zu zweifeto, d
die Böhi brücken bei Tellingstedt wenigstens von gleichem Alter sein mögen
die Scbleswigflchen Moorfunde, und weon, meines Erachtens, der Boblbrückeiil
als ein uralter, aaturgemässer und daher bei den verschiedeusten Volkern i
kommender Brauch anzusehen sein dQrfte, so bleibt oichtsdestoweniger die MogU
keit, das« die hiesigen Erbauer zum Theil von der römischen Technik gelernt hat
ebenso wie jener Schiffsbaumeister, der iu den Ein bau m von Vaalermoor Rip|
einfugte und einen Spalt mit Schwidbeoschwanzen verschloss ^),
Ehe wir die Nachbarschaft Tellingstedt's verlassen, ist noch zu erwähoeo, d
ein Landgraben, auch Laufgraben genannt, von der Tielenbrucke über das wfl
Moor sich nach dem Bennewohlder See liinzog. Ich veTmuthL% dasa derselbe a
tereo Ursprungs ist und auf die Entwässerung des Moor» Bezug hatte. Als li
teres allmählich trockener und pnssirbar wurde, wird man sich bemuht bab
innerhalb desselben wenigstens einen Wasserlauf herstellig zu machea und ol
zu halten, der die gefahrdrohende Lücke zwischen der Tieleoau und der ßroklaodi
verschliessen ioUte.
Hinter der Tielenbrucke, wo der Weg von Schalkholz nach Linden auf etc
Geestrfjcken sich zwischen verschiedenen Mooren hindurch windet, ist DOcb e
Landwehr gewesen. Quer ijber die Landstrasse zogen sich vier Reihen von ]
Ellen langen Verschanzungen, welche durch ziemlich tiefe Gräben getrennt war
an der östlichen Front war eine balbmotidformige Bastion. Eine Tradition apri
von den Schweden im Jahre 1713; aber die Wälle sind jedenfalls viel älter i
können kaum noch in den letzten Zeiten der Dithmarscher Freiheit eine militäriei
Bedeutung gehabt haben. Nach einer gefälligen MilthRilui^g des Hrn. Lehr
Tbomsen hiess die Schanze ursprijnglicb der ^Grafen wall^, und der ßesit
erzählte ihnij dass bei dem Dorf Linden in alter Zeit ein Graf wohnte, der i
Schanze aufgeworfen habe» Jetzt ist nur noch t^in Fragment übrig; bei der J
tragiing soll in den Schanzen selbst nichts gefunden sein^ neben denselben mau eher.
Insbesondere ein vermodertes menschliches Skelett, unter dessen Kopf ein
geschoben war, wnd neben welchem ein Thongefass (Urne) stand '^).
Eine gute halbe Stunde vom Dorfe Fedderingen liegt ein Fleck Landes, i
im Volksmunde und im Erdbuche die „hoge ßtirg" heisst, wie die denselben u
gebenden Wiesen die „ Borgwischen, ^ Dazu kommt^ dass ehemals eine Bolzu
^ Borgholt" südlich von dem benachbarten Kirchdorfe Hennstedt gelegen hat. H
war offenbar unter Benutzung der natürlichen Verhältnisse eine Zufluchtstatte |
schaffen, und dass man zu demselben Zweck auch einzelne Bodenerhebung
innerhalb der Eidern iederung benutzt haben mag^ darauf labsen verschiedene Or
namen i*chliessen: bei Bergewöhrden erzählt man von einer Burg, und das D^
Wallen hiess vormals ^^to dem Walle", wobei man an einen Wallberg oder Burgw
denken möchte, (Ebenfalls die nachmaligen holsteinischen Grenzschlösser T^^
bürg und Halvesburg sind hier in der Eid ern iederung erbaut worden.) ^M
i
Es bleibt uns noch die südlich von der vorigen belegene Geesthalbinsel zu I
trachten öhrig, ^reiche zwischen den Niederungen der Broklandaau und der Mii
belegen ist und im Wesentlichen den alten Bezirk des Kirchspiels Weddingsti
1) Verhundlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft 1881, 8 406.
2) Zeitschrift der OeseOschaft fnr Schl.-Dolst-Lhg. GeBchichte Bd. IV, 8. 15.
(31)
ausmachL Denn tn der bereits um das J. 1140 urkuDdlich erwähnten Weddingstedter
Kirche war ursprüxigHch auch die jetzige 8tadl Htnde eingepfarrt, welche noch zu
Anfang des 15. Jahrhunderts ein bescheidenes Dorf auf der Haide („to der Haide**)
war, aber binnen kurzer Zeit die alte Landesfiauptstadt Meldorf überflügelte. Ein
schmaler Geestrücken, die sogenannte Süder-Hamme, verbindet diese Halbinsel mit
der östlichen Geest, und an dieser Stelle waren Vorkehrungen getroffen, um dem
Feinde Halt zu gebieten. Der holsteinische Chronist zum Jahr 1404 ') erwähnt
zwei oder drei Grüben im dichten Walde zwischen den beiderseitigen sumpfigen
Niederungen und eioe enge Steinstrasse (Stapfsteine?) von der Länge eines Ballisten-
Wurfes, welche sich durch den Wald hindurchzog. Diese kurze Schilderung erinnert
lebhaft an den Grafenwall bei Linden, den Königsgraben bei Tensbuttel (auf dem
Wege nach Meldorf) und den dreifachen Laufgraben zwischen Frestedt und Quick-
born (auf dem Wege nach Burg), von denen oben die Rede war. Wann diese
gleichartigen Landwehren zuerst angelegt sind, steht dahin; doch bin ich geneigt,
ihnen ein verhältnissmäesig hohes Alter beizumessen» Von allen bewahrte nur die
Söder-Hamme bis zum Untergang der Dithmarscher Freiheit ihre militärische Be-
deutung; die übrigen sind ohne Zweifel viel früher vernacblüssigt und in Verfall
gerat hen.
Die grossajrttge Bauernburg des Kirchspiele Weddingstedt liegt unweit vom
Kirchdorf an der Grenze der Marsch und zwar auf der Feldmark des Dorfes Borg-
holz, Also ist auch hier der Name einer vormaligen BurghÖlzuug haften geblieben^
ebenso wie bei der „hegen Borg" von Fedde ringen und der Bökeln bürg in Siider-
W-
s
9***^***— - .-^.
Fig. 3.
dithmarschen. Nach einem anderen etwas nördlicheren Dorf Stelle ist der Hingwall
benannt; die Stellerburg. (Fig. 3.) Eine schmale moorige Niederung, durch welche
die Steller-Au, ein ZuBuss der Brok landsau fliesst, trennt die Bodenerhebung, auf
1) Pre«byler Bremensis CHp. 31.
(32)
welcher der Ringwall erbaut ist, von der ostlichen Weddingstedter Geest. .And
seits soll die Burg durch eine jetzt 6 bis 7 Fuss unter der Oberfläche lieg
Steinstrasse (Stapfsteine?) mit der nordlicher belegenen Geestinsel vod Stelle
bunden sein. Der Ringwall, welcher an der Sudseite am höchsten ist, 1:
14 Fuss, und auf dessen Kamm ich 380 Schritte zählte, umschliesst eine abgen
viereckige, ungefähr 15 Ruthen lange und 10 Ruthen breite Fläche tod etwa
Preussischen Morgen. Gegenwärtig fuhrt iu einiger Entfernung nordwestwärti
Eisenbahn von Heide nach l'onning. süd westwärts die Eisenbahn vod Heide
Wesselburen an der Burg vorüber.
Was die Sagengeschichle betrifft, welche sich an die Stellerburg ankDÜpfl
habe ich bereits an einem anderen Orte') die gänzliche Haltlosigkeit und
späteren Ursprung derselben nachgewiesen. Der alte Ringwall ist niemals
Grafensitz gewesen, sondern nur eine Bauernburg wie die anderen. Der wände
Wald aber ist seit dem 6. Jahrhundert in vielen deutschen, dänischen, britischei
Sagen nachweisbar, von denen durch Shakespeare und Schiller am bekannt«
wurde die Sage vom Schottenköuige Macbeth, welcher unüberwindlich blieb,
„Bis der Birnam-Wald auf ihn heran
„Ruckt* zum Schlosse Dunsinan.**
In Holstein lokalisirt sich dieselbe Wandersage auf der Jloh-Haide an der Bunzi
Au (Kreis Rendsburg), wo Graf Gerhard der Grosse im Jahre 1317 die Dithman
überfiel. Hier auf der Stellerburg erscheint der wandelnde Wald als der al
kömmliche Festzug zur Frnhlingsfeier. wo man, mit grünen Maien geschmückt,
Winter (den Tod) austrieb und den Sommer einholte. (Ebenso erzählt eine spi
lübekische Sage, dass die Bürger heim Maigrafenfe^^t 122G die Burg überrui;
und die Stadt Lübek von den Dänen befreit haben.)
Ich darf nicht unerwähnt lassen, dass neuerdings in der Stellerburg eine
grabung vorgenommen wurde, wobei man nur auf eine Heerdstätte gestossei
Es fanden sich ausser Kohlen, Asche und den vom Feuer stark angegriff
Heerdsteinen verschiedene caicinirte Knochen, von denen einige mit voller Si<
heit als von einem Schwein herrührend bestimmt werden konnten, sowie auch
Anzahl Topfscherben ohne Ornamente.
Vergegenwärtigen wir uns, am Schluss dieses Ueberblickes über den Be
einer kleinen Landschaft, welch ein ungeheueres Aufgebot von Arbeitskräften i
in der Urzeit für die Landesvertheidigung aufgewandt wurde! Neben dem ei|
liehen Kriegsdienst erscheint die Verpflichtung zur Erbauung und Unterhaltung
Burgen und Brücken, das sogenannte Burgwerk und Brückwerk, schon bei
Angelsachsen, dann im Karolingischen Reich und nachmals in manchen Th
Deutschlands als die drei Leistungen, welche jedem Freigebornen obliegen (tri
necessitas). In einem Gesetz des Kaisers Karl des Kahlen vom Jahr 864 wc
bei den betr. Dienstleistungen ausdrücklich auch die Bohlbrücken (transitoa |
dium) ^aufgeführt-).
Erst im Laufe des 13. und 14. Jahrhunderts gewann die Grenze awii
Dithmarschen und Holstein allmählich ein anderes Aussehen. In der langen ]
densperiode, welche auf die Bornhöveder Schlacht vom Jahr 1227 folgte, §ßm
1) Zeitschrift der Gesellschaft für Schl.-Holst.-Lbpr. üeschichte Bd. IV, 8 ^"
S. 151 ; Bd. X, S. 42-43.
2) Lappenberg: ^(Jeschichte von England* Bd. I, S. 579. W»
fassungsgeschichte* Bd. IV, S. 30—31
(33
[die DitbiiiÄrscber, die alte SchuUwehr der GreuzwalduDg entbehreD zu konneo.
uod der Kiese wohld wurde stark gelichtet^ um für neue Dorfaolagen Platz tu
sciiaffeo. Davoü zeugeu die Ortönameo BeoDewöLld, Oesterwolld, Westerwobld,
Odderade, Oesterrade, ScLelrade, Süderrade. Im Verzeiclioiss vom Jahr 1281 wird
zuerst die Kirche zu Albersdorf ervväbüt, uud im Jabr 1342 die Kircbe zu Nord-
Hastedt Bei letzterem Kircbapiel deutet der ursprünglicbe Name Reep - Herstede
ausdrücklich auf ei De VermessuDg mit dem Reep, d. h. der MessscbBur, also auf
ei De systematische Anlage, Auch weiter südwärts lasst der Name des Dorfes Rade
(GrosseQ'Rade)^ Kirchspiel Süder- Baatedt, auf eine Hodung im vormaligen Wald-
bestande scbliesaen. Die Folge lehrte jedoch, dass man diese neuen Dorfer im
Kriege gegen den Grenz nacbbar nicht vertbeidigen konnte. Wenn im Jahr 1319
Graf Gerhard der Grosse mit einem raschen Vorstoss über die Siiderbamme und
Hemmingstedt bis nach Wobrden in der Marsch vordrang, so beweiset das deutlich
genug, wie uflkitjg es gewesen, den Grenzwald zu „verhauen"' und die alten Land-
webren zu vero ach lässigen. Der schoelle Wechsel des Kriegsglücks rettete damals
Ditbmarscbens Freiheit; und seitdem hat man weiter rückwärts neue stärkere Ver-
tbeidigungsliüien hergestellt oder ältere besser befestigt; (so die Norderbammc mit
der Tielenbrüüke und der Aubrücke bei Suderheistedt. die Süderbamme, die Delf-
brücke). Dagegen die östliche und südliche Geest muaste für die Zukunft preis-
gegeben werden. Es ist offenbar das Urtheil eiaes erfahrenen holsteinischen Feld-
hauptmanns, welches wir bei dem Chronisten 0 lesen, ^dass die Kirchspiele Burg,
Suder- uud Norder-Hastedt, Albersdorf und Telllngstedt, welche ohne SchutÄwebr
auf der Geest liegen, leicht zu zerstören siad,** Der politische und militärische
Schwerpunkt DithmarscheiJ& war eben längst nicht mehr auf der Geest, sondern
die erst im 12, und 13. Jahrhundert eingedeichte fruchtbare und reiche Norder-
marech war inzwischen, wie derselbe Chronist aagt, ^die ganze Kraft und das
Herz des ganzen Ijandes" geworden«
(7) Hr. General von Quistorp in Spandau macht mit Bezug auf S. 313 der
Verhandlungen 18B2 folgende Mittheilung über
den Gebrauch des Schul2enatabes in Werbelln.
^B Im Frühjahr 1847 hatte ich ein Wacbkommando von Weissenfels nach Prettin
~au der Elbe unterhalb Torgau zu führen und nahm auf dem Marsch eines Tages
. Quartier in dorn Dorfe Werbelio, eine Meile südlich Deutsch, Es mussten i*us An-
la88 dieser Eiinquartierung mehrere Anforderungen an die Gemeinde gestellt werden.
hÜiii Mittag sah ich von meinem Fenster aus, das am freien Platze inmitten
des Dorfes lag, einen Einwohner umhergehen und an die Tbür jedes Gehöfts drei
Hammerschläge thun. Auf mein Befragen erhielt ich die Auskunft, dass der Schulz
auf diese Weise die Gemeinde -Versammlung beriefe. That&ächlich sah ich etwa
eine halbe Stuode später die Bauern an dem Baum (wahrscheinficli Dorflinde) um
Pden Schulzen vereinigt, der — in allerdings bäuerlich formloser Weise — auf einem
wohl zufällig vorhandenen Erdhaufen erhobt stand und mit seiner Gemeinde eine
lebhafte Debatte führte.
Das Instrument, mit welchem der Zusammenruf geschah, habe ich mir nicht
Ingeseben; doch war es augenscheinlich ein Hammer, —
DeT AnfsÄt» in den VerhandluDgen ruft jene Erinnerung in mir wach, da der
Gebrauch eine Fortaetzung alter Sitte zu seio scheint
(34)
(8) Hr. BrückDer zu Neu- Brandenburg übersendet einen
Bericht über eine Exoureion nach denjenigen Uferpunl(ten der Tollense und Uep
weiclien die Lage von Rettira gesuolit worden Ist.
Die seitens der Berliner anthropologischen Gesellschaft neuerdings aDge
Untersuchungen über die Lage von Rethra haben den NeubraD den burger
veranlasst, sich ebenfalls wieder mit der Rethrafrage zu beschäftigen. Die
lassung dazu lag sehr nahe. Rethra ist in der nächsten Umgegend von Neabi
bürg an mehreren Oferpunkten der Tollense und der südlichen Fortsetzung dei
der Liepa, gesucht -worden.
An der nordwestlichen Ecke der Tollense, da wo jetzt der grosshen
Park von Belvedere liegt, hat Sponholz^), Pastor zu Rülow, die Stelle von
finden wollen.
An der südwestlichen Ecke der Tollense bei und um Wustrow und a
gegenüberliegenden kleinen Werder, der Fischerinsel in der Tollense [vulgo ^Uü
Häuschen, genannt nach einenr dort stehenden, dem Fischereibetriebe diei
kleinen Häuschen] ist von Beyer^), Archivrath zu Schwerin, Rethm |
worden.
Die meisten Forscher haben Rethra an der südlichen Fortsetzung der T<
an der Lieps, bei Prillwitz gesucht. — Hier glaubte es schon 1611 La
(Bernhard Steinmetz) Rector an der lateinischen Schule zu Neubrandenl
seinem Genealo-chronikon') suchen zu sollen. — Hierher verlegten es auch
rius, Landsyndikus zu Neubrandenburg, und Masch^), Superintendent i
strelitz. — Auch Lisch ^) bezeichnet nach seinen Untersuchungen Prillwitz
Stelle^ an der Rethra mijsse gelegen haben.
Auch F. Boll^), Präpositus zu Neubrandenburg, hat Rethra an den üf<
Lieps gesucht; zunächst auch in der Gegend von Prillwitz. Später schien i
Theil des zwischen der Tollense und Lieps liegenden sogenannten Liepsl
die tief in die Lieps einschneidende, Prillwitz gegenüber liegende Halbinsi
Angaben der alten Chronisten über die Lage der Stadt Rethra zu entsp
Auf der gegen Morgen von dieser Halbinsel mitten in der Lieps liegende!
dem ^Hanfwerder^, waren wiederholt Alterthümer gefunden worden. Dies
konnte nach seiner Meinung vielleicht auch zu Rethra in Beziehungen gei
haben.
1) F.Tb Sponholz: Wo hg Bbetra? Versuch einer historisch-kritischen Beani
dieser Frage. Neubrandenburg 18G1.
2; Beyer in Jahrb. des Vereins f. Meklbg. Gesch. u. Altertbumskunde: Bd 80, {
Seitenblicke auf Retbra und Arkona. Hd. 37, S. 55 ff.: Die Landwehren und Grenzheilij
des Landes der Redarier.
3) Dasselbe, als ^anuscript lange unbekannt geblieben, ist abgedruckt in Wei
Monumenta inedita. Bd. 4.
4) Die gottesdienstlichen Altertbümer der Obotriten aus dem Tempel zu Rhetn i
lenzer See. Berlin 1771.
5) Jahrbücher des Vereins f. Meklbg. Gesch. u. Altertbumskunde. Bd. 111, 8.21
6) Fr. Boll: Ueber die Lage von Rbetra bei Priiwitz und ober die sogen. Pi
Idole; in Archiv f. Landeskunde in d. Grossberzogtb. Meklbg. Jahig. 1868, S.40C
Franz Boll, Pastor an St. Jobannis, Chronik der Vorderstadt Neiibnnduibw|
brandenburg 1875) S. 296.
(36)
NacL den goeheu bezeichiieteu Fiiükteo, so weit sie am Sudeade der Tollouse
lund an der Lieps liegen, hat der NeubraDdenburger Vereio am 28. Joli von J.
teine Exkursioa utiternommen, der ßich zur Freude der übrigen TlieilEehmer Herr
[Dr. Voss und Herr Künoe aus Berlio angescblosseti hatten, tis galt, zu prüfen,
\ytie weit die gedachten Oertlicbkeiton mit den Angaben der Chronisten in Einklang
riu bringen seien.
Um diese Angaben noch einmal kurz hier zusammen zu stelleD^ so lag nach
[Thietmar von Merseburg im Gau Ridirienira, umgeben von einem grossen und
[Ton den Einwohnern unberührten und heiiig g'^haltenen Walde eine Stadt Ridegost,
rwelcbe eine dreieckige [tricornis] Gestalt und drei Thore hatte. Das gegen Morgen
[fechauende Thor führte an das Seeufer, zum Tempel und zu dem visu nimia horri-
fbile, den Grauen erregenden Stätten des heidnischen Gotzenkultua.
Nach Adam von Bremen lag Rethra im Gau der Retharier auf einer Insel in
einem Seej eine Brücke führte hinüber. Die Stadt hatte neun Thore. Der Haupt-
^gotze, welcher dort verehrt wurde, hiess Redigast.
^1 Dass beide Chronisten dasselbe Heiligthum der Retharier beBchreibeD, ist
^kuit Grund wohl nicht zu bezweifeln.
^^ Von einer erneuerten üfitersuchung des am Nordende der Tollense gelegenen
^pTerrains bei Belvedere konnte man bei der Exkursion absehen, Belvedere ist ein
unfern von Neubrandeoburg belegener, vielfach besuchter Vergnügungeort. Die
ganze Lokalität ist genugsam bekannt
Sponholz, der hierher Rethra verlegt, stützt hauptsächlich seine Ansicht auf
jdie schone Lage des Ortes, die eines Tempels würdig sei; — auf den umstand,
Idass der Blick von hier aus gegen Morgen auf den See ßllt; — und endlich mit
»besonderer Betonung darauf, d&as an dem hier steil in den See abfallenden hohen
1 Ufer an der Westseite der Tollense einzig und allelD ein ^bart am See hinlaufender,
[Schwindel erregender*), Fussweg* denkbar sei. So wird nämlich die Stelle
[bei Thietmar: tramitem ad mare juxta positum et visu uimis horribile übersetzt.
[Eine solche IJebersetzung würde aber nur einigermassen zulässig sein, wenn die
[Stelle visu nimis borribilem lautete,
Dass Rethra nun an der Stelle von Belvedere nicht gelegen haben kann, dafür
[Bprechen mehrere entscheidende Gründe. Eiomal ist an der mehr oder weniger
[insularen Lage von Rethra, oder wenigstens des Tempels von Rethra fest zu halten,
[Eine Insel oder Halbinsel kann es aber bei Belvedere nie gegeben haben. — ^ Dann
Ifiind dort auch nie Alterthümer gefunden worden, namentlieb nie slavische Urnen,
leder Scherben mit slavischen Ornamenten^ und solche müssten doch dort, wo die
iTulgatissima Retbre des Chronisten gestanden hat, zu finden sein, — Endlich liegt
{ Belvedere auch nicht in dem alten Gau der Retharier, dem Radver. Im Radver,
wie der Gau der Retharier auch kurzweg genannt wird, ist aber Rethra nach den
Angaben der Chronisten zu suchen.
Die Bestimmung der Grenzen des Radver ist für die Ermittelung der Lage
JTon Rethra von besonderer Wictiiigkeit
Die Untersuchungen über die Lage und die Grenzen des Radver sind naraent*
!licb gefordert worden durch Boll*), Lisch '), und Wigger*).
1) 8ponhi>lz a. a. 0. S. B6.
2) F. Boll: Gesch. d. Landes SlargartJ. Tbl I, a 17 fr.
3) Lisch: Juhrb. d, Vereins f. Mklbg, Gesch. n. ArteTtbumskunde. Tbl. 111, S. 11 ff.
4) Dr* Friedr. Wigger: Meklenburgische Anualen bis zum Jahre 1066. (Schwerin 1860.)
a*
Nach ihren Untenacbungen ist die L»age des Radver mm devtlicIisteB n »
kennen aus der Stiftungsurkunde des Klosters Broda. Diese Urkunde ist amgMhJI
im Jahre 1170, zwanzig Jahre nach der letzten Zerstörang Bethras, die ii di
Jahr 1150 fallt Die Urkunde ist also ausgestellt zu einer Zeit, mls die alte 6»
graphie noch genugsam bekannt sein musste.
Fürst Kasimir fon Pommern ferschreibt in der Stiftaagearkunde dem Doli
folgende Ortschaften:
uilla Bruode, cum foro, taberna et omnibus attinentiis sais, nmiliter et hi
uillas, Wointin, Caminiz, Wogarzin, Szilubin, Calubye usqae in floTiam, qoi foctft
Pretustniza, Patsutin, Wolcazin, Crucowe, Michnin, Pacelia, Vilim, item TS^
Carstici, Cyrice, Wustrowe castrum cum villa. In Radair: Podnlin, Trilnii^
Wigon, Cussowe, Tuardulin, Dobre, Step, Roueoe, Priulbitz, Nicakowe, Malkc^ L-
mino, Lang, Ribike, Tsaple, Nimyrow, Malkowe, Stargard, et Lipis, com omaSim
uillis suis usque in stagnum Woblesko et sursum HaTelam usqae Chotibii% <t
desertas uillas, quae a Vilim inter fines Chotibanz Lipiz et Hmyelam jecent
Diese Urkunde, deren Mittheilung zum Verständniss des Folgenden notbvMii
war, ist mitgetheilt nach dem Abdruck bei Lisch (Mekbg. Jmhrb. III. pa^ \\\
und ist als besonders wichtig bei derselben hervorzuheben, daas in der OrigiMl'
Urkunde — wie Lisch sagt — „nach dem Worte yilla eio Pankt steht mid di
folgende Wort „In^ mit einem gross und sorgfältig geschriebenen I beginnt^ io im
also „In Raduir^ als Einleitung zu einer neuen Reihe von Namen an die Bfim
gestellt wird.
Die in der Urkunde genannten Ortschaften existiren dem grGseten Theik Mk
noch heute mit ihren alten Namen und liegen im Umkreise weniger Meila ■
die Tollense herum.
Es sind drei Gruppen von Ortschaften deutlich zu unterscheiden.
Die in der ersten Gruppe genannten Ortschaften liegen alle westwftrts «m^
Tollensefluss, dem Tollenser See, dem alten Bach, [welcher firüher die d^
und einzige Verbindung zwischen Tollense und Lieps bildete], der Lieps und ~
Zufluss derselben, der zwischen Hohenzieritz und Prillwitz von der Sandmikh
herabkommt Offensichtlich haben diese zusammenhängenden „Tollenaegewiiia',
wie sie der Kürze wegen bezeichnet sein mögen, eine geographische Grenae swiKki
den Ortschaften der ersten und zweiten Gruppe gebildet. Es wird dies ht
sonders deutlich, wenn man auf die Reihenfolge achtet, in welcher die Ortidiita
aufgezählt werden. Die Ortschaften der ersten Gruppe werden von Broda ans ■■
erst nach Norden und dann im Hogen herum nach Süden aufgexählt Bei fa
Aufzählung der Ortschaften der zweiten Gruppe, die ostwärts von den TulliMi
gewfissern liegt, beginnt dann die Reihenfolge wieder von Norden.
Die Ortschaften der ersten Gruppe, soweit sie noch nachweisbar sind 1»»
heute Broda, Weitin. Chemnitz, Woggersin, Lebbin, KalGbbe, Passentin, Wolkw^
Krukow, Maliin?, Penzlin, Gr. Vielen, Kl. Vielen, Hohen«ieriU, Wattn«, fc
liegen nach der Ansicht der meisten Forscher im früheren Lande Wostrow [(te
späteren Lande Penzlin] und in der alten Provinz Tholenk.
Die zweite Reihe von Ortschaften, welche alle ostwärts von den
wässern liegen, beginnt mit den Worten: In Raduir. Es hexest aho aa
Ton dieser Gruppe von Ortschaften, dass sie im Gau der l^^^itrhl^
sind grösstentheils noch heute mit ihren alten Namen Vorhände«»
(a?)
Treptow®
Lebbin ^
KalUbbeo ^A q Podewall
Wog3.rslnO YJ] \ ^„„„h.jM
ChemnH'zo
PAS«entlnO Jf .. . Brod«
-Wullciiizln Q
Penzlin® ^
AHR«h«
O GfsVieUn
WuBtPowO
O Kl.Vialan
Hohan-ZiarltzO
AdamsdonP
o
>är«^v>&ift^ , d«T >^ «V «N
Neu-Stpelitz o
V
Wesenberg®
Weetr^
(38)
PoduUn hei86t jetzt Podewall.
Tribinowe ^ „ Trolleohageo?
Wigon lag wahrscheinlich im BordlicheD Theile des Neiibraodenburger Stadt-
feldes.
Cus&owe heisst jetzt Küsbow,
Tuardulin ^ „ Warlio,
Dobre wahrscheiDlich öötüch vod Neubrandeoburg auf Staditfeld, untergegangen.
Step lag DachweLsbar auf Neubrandenburger Feldmark, südlich toü der Stadt.
RoTiene heisst jetzt Rowa.
Priulbits „ ^ Prillwitz.
Nicakowe Dicht Dachau weisen.
Malke nicht nachzuweisen,
Kamino heisst jetzt Canamin,
Lang nicht nachzuweisen.
Ribike heisst jetzt Riepke.
Tsaple „ „ Säbel.
Nimjrow ^ „ Nemerow.
Malkowe nicht nachzuweisen,
Stargard heisst jetzt Stargard.
Alle diese Orte, so weit sie oachzu weisen sind, liegen also ostwärts ron den
Totlensegewässern im nordwestlichen Mekleubarg^Strelitz. Hier ist mttbia un-
zweifelhaft das Land der RetharteTj der Radver, zu suchen >
Die Westgrenze des Landes der Retbarier ist durch die bezeichneten ToUense-
ge Wässer gegeben. Nordwärts reichte der Rad?er bis an den Landgraben, der noch
heute die Grenze zwischen Mekleuburg und Pommern bildet, Jenseits des Land-
grabe DS war Land Treptow. Wie weit nach Osten und Süden der Rad? er sich
^ erstreckt haben mcjge, igt nicht mit Sicberbeit anzugeben.
Nach Süden kann sich nbrigens der Radver nicht sehr weit erstreckt haben.
Hier lag das Land Lipiz, derjenige Landstrich, welcher als dritte Gruppe dem
Kloster verlieben ward: ^Lipiz mit allen seinen Dörfern bis zum See Woblesko
(dem Woblitzsee bei Wesenberg) und die Havel aufwärts bis Cbotibanz (jetzt
Adamsdorf)') und die wüsten Dörfer, welche von Vielen an zwischen den Grenien
von Chotibanz, Lipiz und der Havel liegen.**
Am echwierigslen ist es, gegen Osten die Grenze des Radver zu bestimmen.
Das aber ist nach dem Wortlaut der Broda' sehen Urkunde nicht zu bezweifeln, dass
die Tollensegewässer gegen Westen die Grenze gebildet haben.
Die Hübe am Westufer der Tollense, auf welcher der Pavillon von Belvedere
erbauet ist, lag ausserhalb der Grenzen des Radver. Hier kann Rethra nicht
gelegen haben.
Bas erste Ziel der Excursion, die zu Wasser ausgeführt wurde, weil man auf
1) Nach P. Kübnel, Gymnasiallehrer in Neubrandenburg: Die slavischen Orfanamen In
MekJetihurij (in Jahrk d. Vereins f. Jlkllig. Gesch. n. Alterthumskunde. 1S8L S. 21) heisst
d. Ort 1170 Chotibanz, 1182 Chotebani, 1244 Chotihanz; später 1460 Kostal!, 1473 Kostal.
Traditionell ist der Ort Koschwanz, Kiihscbwanz, und bis 1815 officiel Kostall, Kuhstall ge-
nannt worden* Der Name Kostall kommt zueri»t 1640« also nach dor Dentscben Besledeluug
vor. Ob da die gegebene Ableitung von altslav. Kostelu, Kastell, Thurm, poln. kosciol, Kirche,
Tempel und die Deutunf^ f,Eirchort' richtig ist, scheint doch fraglich. War einmal Chott-
ban* in Koscbwani cikrrumpirt, Bcbeint bei de utachen Bewobncm der üebcrgang in Kostall
mit der Bedeutung Kuhstall doch dos WahrschBiulichere. — Nacb 1812 («stufte der Besitzer
dm Gut um in Adamsdorf tum Andenken an einen in Rusaland gebliebenen Sohn,
(39)
diese Weise alle zu untersuclienden Puakte leicht erreichen konote, war die Fischer*
iosel IQ der Südostecke der Tollense und das gegeDÖber liegeode Wuatrow. Nach
zweistiiDdig<?r Fahrt über den schooen See wurde die Insel betreten.
Die kleine Insel ist niedrig, theilweise sogar sumpfig,' sie ist 150 bis 180
Schritte lang, 30 bis 36 Schritte breit und umfasst dabei ein Areal von rund G500
Quadratmetern,
Auf dieser kleinen Insel soll nach der Ansicht von Beyer der Tempel von
Rethra und auch das castrum Wustrow gelegen haben. Die zu dem Tempel
gehörende civitas yod Retlira soll dann auf dem bei Wustrow gegenüber liegenden
Festlande zu finden sein uod nicht sowohl eine Stadt als vielmehr ein Tempelhain,
jener van den Einwohnern unberührte und heilig gehaltene Wald Thietmars
gewesen sein» Dieser heilige Tempelgau soll das ganae Land Wustrow, das spätere
Land Pewxlin, timfasst haben.
Lassen wir diesen heiligen Tempelhain ausser Acht, so ist nicht zu leugnen,
doas die topographischen Verhaltnisse speciell bei Wustrow naanehen Angaben der
Chronisten entsprechen. Ostwärts vom Featlande bei Wustrow tind nahe detn selben
Hegt eine Insel im See, Von Wustrow und von der kleinen Insel aus blickt man
gegen Morgen auf den Spiegel der Tolleßse, des grosaten Sees der ganzen Um-
gegend, Wer diese Verhaltnisse auf der Karte betrachtet, nicht aus eigener An-
schauung die ganze Gegend, die Ufer der Tollense und namentlich auch der Lieps
kennt, kann sehr leicht auf die Idee kommen, Rethra müsse bei Wustrow gelegen
haben. — Dass es Beyer so gegangen ist, erfahren wir von ihm selbst^)» ^Ich
glaube — sagt derselbe — dass die Burg Adams auf einer wirklichen, ringsum
von tiefem Wasser umgebenen Insel lag, und zwar nach Tbietmars Angabe am
Westufer des Sees, so dass man aus der zu diesem hinausgehenden Pforte nach
Osten schaute. Demnach suche ich die Tempel bürg am Westufer des Tollenser
Sees, und hier findet sich an der hinter dem Dorfe Wustrow gelegenen Insel ein
in jeder Beziehung geeigneter Platz,*'
Aut?ser der Oertlichkeit bei Wustrow giebt es nun aber noch andere Plätze,
die den Angaben der Chronisten entsprechen, ond von welchen man auch gegen
Osten hinaus auf den Seespiegef blickt. Diese Plätze liegen an den ufern der
Lieps, und wer diese Pliitze besucht^ wird sich leicht überzeugen, dass auf ihnen
ebenfalls die Lage von Rethra denkbar i^t. Dieselben sollen spfiter ganz objectiv
ebne vorgefasste Meinung betrachtet werden.
Geht man aber von einer bestimmten Auffassung über die örtliche Lage von
Rethra aus, so muss sieb dann Alles, was sonst noch über Rethra bekannt ist,
dieser Auffassung anbequemen.
Es ist oben bereits nachgewiesen worden, wo nach dem unzweifelhaften Wort-
laute der Broda sehen Urkunde der Radver zu suchen ist.
Im Radver lag Rethra, Geht man von der Voraussetzung aus, Rethra habe
bei Wustrow gelegen, so ist es vor allen Dingen nothwendig, nachzuweisen, Wustrow
habe im Radver gelegen. ,
Es ist oben bei Besprechung der Brodaschen Stiftungsurkunde gezeigt worden,
dass die dem Kloster verliehenen Ortschaften deutlich in drei Gruppen zerfallen.
Die zweite Gruppe beginnt in der Urkunde nach einem Punkte mit einem gross
und deutlich geschriebenen J und den Worten: In Radnir. Lisch, der die Urkunde
selbst in Händen gehabt bat, bemerkt, es sei ganz unzweifelhaft, dass die Worte
„Fn Raduir** an die Spitze einer neuen Reihe von Ortschaften gestellt seien, — Dm
1) Jahrb. d. Vereins f. Mklbg. Oescb. u. Alterthamskunde, Bd. 32, S, 136,
(40)
DUD Wustrow io den Radier zu bringen, verändert Beyer die loterpunktion and
die Schrift (das grosse J), Er verbindet: Wnstrow castrum cam viUa io Ridotr.
Er meint, der Zazatz Wustrow in liaduir »ei bier zum üoterachiede töb mam
anderen Orte Wufitrow, welcher südlich von Wesenberg am Rätzsee liegt, geoudt
worden. Eine solche Umgestaltung des klaren Wortlautes einer Urkunde — oui
IDUS8 sagen einer vorgefassten Idee za Liebe — ist mindestens doch sehr bedetl*
lieh. — Dazu kommt dann noch, dass, wenn die Lesart ^on Beyer richtig viic,
ein ganz sonderbarer Sprung in der Aufzählung der Ortscbaftea gemacht vtcl;
auf Wustrow am Södende der Tollense folgte dann unvermittelt Podewall, ohtt
weit nordlich der Tollense* Wenn durch die Worte „In Raduir^ nicht ein« o«w
Gruppe von Orten abgegrenzt werden sollte, wäre es dann Dicht am natürlicbiiit
gewesen, nach Hohenzieritz und Wustrow gleich das benachbarte PrillwiU a
nennen? — Es kann nicht zweifelhaft sein, dass die oben bezeichoeteo ^Toücni»-
gewässer** eine geographische Grenze gebildet haben.
Liegt nun aber Wustrow nicht im Radver, so fiilit jeder Grand weg, hier
Rethra suchen zu wollen.
Dass man übrigens in den ersten Jahrhunderten nach der Zeratömng Rethm
nicht bezweifelt bat, Rethra habe an der Ostseite der Tollensegewä&scr im Laadt
Stargard gelegen, dafür spricht eine Stelle in den handschriftlichea Aafxeichouogfi
des fahrenden Schülers Michael Frank ^), eines Studenten der Theologie^ der mctli*
rere grosse Wanderungen gemacht hat Bei der ^Beschreibung des Meklenbarg«
Landes**') heisst es u. a.;
,Item Rhetra, da noch alte Uhrkundt und mdera einer feiaea Stmdt TorhandeOi
allda auch ein Tempel des Abgottes Radagast gewesen; diese Stadt soll stebei
feste Thor gehabt haben ^ auch mit tifen Graben und Mauern wohl verwahret, soll
gelegen sein in dem stargartischen Lande nicht weit von einem grossen Set.*
Grabungen, die anf der Fischen nsel bei Wustrow leider bei der^Excursion nicb
vorgenommen werden konnten, weil die Arbeiter nicht rechtzeitig zur Stelle warfa,
die aber später mehrfach nachgeholt worden sind^ haben gar keine Resultate ergeben*
Es sind weder slavische noch mittelalterliche Reste gefunden worden«
Nach Allem hat sich die Ueberzeugung Geltung verschaffen müsseii«
Rethra an der Stelle oder in der Umgegend von Wustrow nicht gelegen
könne. Der Besuch der Gegend war aber doch nicht ohne Interesse,
Schon während der Fahrt auf der Tollense winkte von der ansehaliches Hfibe
hinter Wustrow ein grosseft, noch ziemlich wohl erhaltenes, Kegelgrab herob».
Der Besitzer von Wustrow, Hr Baron von Maltzan, hatte die Anfgrabaog des
Kegels gestattet, und waren dazu alle Vorbereitungen getroffen worden. Allein als
man auf der Höhe angelangt war, wurde es sofort klar, dass man fiir heute voo
der Oeffnung des Grabes abstehen müsse. Das Grab, welches am unteren
noch mit einigen Steinen umstellt ist, hat eine Hohe von etwa 4 bis 5 Metern
einen Umfang von etwa 30 bis 3^ Metern. Zur Oeflfnung desselben waren l Sb
i volle Tage erforderlich gewesen. Bei dem ferneren, für den Tag entworfeueo
Programm war an eine Grabung bier nicht zu denken.
Von diesem Eegelgrabe begab sich nun ein Theil der Ge^llschaft
anderen, weiter entfernt liegenden Hügeln. Der grösste TheU des W^^s
1) S#ine handschriftticbaii Aufzeicbnangen befinden sich in der BathsbibUolhah der Slidl
Ziitan. Al>g«dnickt ist aus denselben in den Baltitchen Studien Jahigang 1880), S. bl £:
»Waadcrnog eines fahrenden Scbölefs durch Posmern und Mekl^nhurg aono 1590.
?) a. a. 0. S. 82.
(41)
I
rte bergauf bergüb über schwereo, durch laugen Regen aufge weichte», frisch
«mgebrocheEen Acker, Wer oicht mit festem, wasserdichtem Öclmh2eug Teraehen
war, sah sich gezwungen, diese Expedition aufzugebeD. — Die beiden Hügel sind
später, am 20, August, von NeubrandeDburg aus noch einmal besucht worden und
sind bei der Gelegenheit die gteieh anzugebenden Maasse ermittelt worden.
Die blosse Besichtigung lässt nicht mit Sicherheit erkennen, ob die Hügel
nicht etwa ganz oder wenigstens doch theilweise durch die Natur gebildet sind.
Der kleinere Hügel hat einen Durchmesser Ton 70 Fuss und mag etwa 220 bis
230 Fuss im Umkreise messen. Seine Basia ht rund und hat derselbe ganz die
Form der Kegelgraber. — Der grossere Hügel dürfte bestimmt dem grossten Theile
nach eine natürliche Bildung sein. Er ist auf der Höhe 100 Schritte lang und
15 Schritte breit; seine südliche Langseite geht unmittelbar in ein tief liegendes
Thal über. An dem westlichen Ende des langgestreckten Rückens liegt eine ganze
Anzahl grosser Geschiebeblocke in ziemlich regelmassiger Lage. Daas diese eine
alte Grabstelle umschliessen, ist möglich.
Der Theil der Geseilschaft, welcher die Expedition nach den Hügeln hatte
ftufgeben müssen^ schiffte sich wieder ein und besuchte eine alte Ffahlstellung in
der Lieps. Die Pfähle sind kurz über dem Grunde vermorscht und abgebrochen,
Sie waren in dem trüben Wasser der Lieps, obschon dieselbe hier nur etwa 3 Fuss
tief ist, nicht zu sehen, konnten nur durch Sondiren mit den Rudern aufgefunden
werden. Ihre Stellung wurde dann durch neben gesteckte Zweige markirt. Die
Fflhle stehen in einer graden Reihe; eine Doppelstellung wie bei einer Brücke
ist nicht vorhanden. Die Reihe der Pfahle beginnt an der Mündung des ^alten
Grabens** (einer künstlichen Verbindung zwischen Tollense und Lieps), und zieht
sich in einer Linie mit dem Westufer des alten Grabens bis nach einer kleinen
unbedeutenden Insel (von den Fischern Heidensriihe genannt) hin. An dieser Pfahl-
steil ung wurden in einem Boote zwei Leute zurückgelassen mit, der Weisung, in
der Nahe der Pfähle Proben vom Grunde des Sees heraus zu baggern*
In dem Baggersch lamme haben sich ausser zahlreichen Conchylien nur he*
arbeitete Holztheile, zugespitzte durch Moder geschwärzte Pfahlenden und ebenso
beschaffene Bruchstücke von Zweigen und Ruthen vorgefunden. Das FIolz rührt
theils von Elsen, theils von Weiden her. Die Zweigreste sind alle gewunden, als
hätten sie einem Flechtwerk angehorf. Wahrscheinlich ist hier bei Anlage des
alten Grabens durch Verzäunung und Flechtwerk eine Art Buhne als Schutz gegen
Yerschlamroung des Grabens angelegt worden. Eine Zeitbestimmung dieser Anlage,
da keine Alterthümer gefunden wurden, ist unmöglich.
Nachdem die Gesellschaft an der Wust ro wer Ziegelei sich dann wieder ver-
einigt hatte, wurde die Fahrt bis Prillwilz fortgesetzt, und hier zunächst ein Rund-
gang durch den Grossherzoglichen Schlossgarten und das Dorf unternommen, um
ein Bild der ganzen OertÜchkeit zu gewinnen. Das feste Terrain , auf dem das
Dorf Prillwitz und der Schlossgarten liegt, ist begrenzt theilweise vom See, der
sogenannten Lieps, theilweise von grossen Wiesenflachen, zwischen denen nur eiu
schmaler fester Zugang nach Prillwitz hineinführt. Die Wiesen sind theilweise
sehr sumpfig, theilweise bildet die Grasnarbe auch nur eine auf dem Wasser
schwimmende Decke. Der Fischerei pachter, Hr. Melz, welcher die Gesellchaft als
kundiger Wegweiser begleitete, zeigte eine mitten in der Lieps festsitzende kleine
Insel, die im letzten Winter durch Abreissen von dem Bchwimmenden Prillwntzer
Wiesenplane entstanden war. Es leidet keinen Zweifel, dass die Prillwitzer Wiesen
nach und nach durch Zuwachsen entstanden sind, und dass das ganze Terrain von
Prillwitz bis auf die schmale feste Verbindung früher von Wasser umflossen war.
Angabe Ton neun Thoren und dem oeunfachen Styx klingt entschieden noch
poetischer AusschnuickuDg» Drei Thore sind natnrgemass auf dem Terraia bei
PnllwiU z\i constnnreti. Das erste Tlior führte auf dem schmalen Strich festen
Bodens TOn Snden her in den Ort hinein. Von Westen oder Nordwesten her, vod
Zippelow, wo jetzt ein aufgeschütteter Damm die Verbindung Tormittelt, bat es
noch in ziemlich neuer Zeit nnr eine auf Pfählen Tuhende Holzöberbruckung ge-
geben. Hier möaste also das zweite Thor gelegen hahen. Das dritte Thor, weichet
M
(43)
gegen MorgeD hiDauablickte, fülirte danu nur an den See und zum Heiligthume
(faDum), vermittelte keioe VerbinduDg nach aussen.
Der Eindruck, dass auf der Stelle voo PrilJwitz Rethra könne gelegen hÄben,
ist sehr vielen Besuchern dieser Gegend geworden. So z. B. sagt Liscb'): ^icb
habe bei einer persönlichen Untersuchung an Ort und Stelle die Localitat von
Prillwitz so überraschend und gowohl in den grossartigen Ausdehnungen, ak in
den kleinsten Einzelheiten so ijbereinsticumend mit den alten Berichten gefunden,
dass ich keinen Augenblick zweifele: Frillwitz sei die Stelle von Rethra
Als eine grosse Merkwürdigkeit aber inusä es angesehen werden, dass auf den
erhabensten Stellen von Prillwitz, auf dena mit tiefen Wiesen umgebenen Plateau,
naraenilich in den Pfarrgärten und in dem lürstlicheD Garten eine so grosse Masse
von blaugrauen Scherben von mittelalterHchen Gefässen gefunden wird, dass sie
wahrhaft in Erstaunen setzt. . . . Zwei angestellte Proben lohnten , . . mit einer
Hand voll Scherben, welche denen in den sogenannten Wendenkirchhöfen ähnlich
waren, zumal da einige ganz charakteristische Verzierungen hatten.** Demnach
hätte Lisch also Scherben mit sla vischen Ornamenten gefunden.
Seitens der Theilnehraer der EKkursion ist nun auch mehrfach unten am Scbloss-
berge im fürstlichen Garte o^ sowie auch im Pfarrgarten gegraben worden. Man
war nicht so glücklich im Pfarrgarten irgend etwas zu finden. Was im furstliclieu
Schlossgarten zu Tage gefördert wurde, waren mittelalterliche blaugraue Scherben,
Scherben mit slavischen Ornamenten wurden nicht gefunden^).
Directe Beweise einer stavischen Ansiedelung sind demnach bei der Exkursion
nicht gefunden worden. Allein der Name PHllwitz, der entschieden slavischen
Ursprunges ist, kann als sicherer Beweis dafür dienen, dabs Slaven hier angesiedelt
waren.
Aus dem Umstände, dass der Ort zwanzig Jahre nach der Zer&töruDg von
Rethra den slavischen Namen Prülwitz trägt, hat Bucliholz, Pastor zu Lychen,
in einer anonymen Schrift^), die gegen die Ausführungen von Masch gerichtet ist,
zu deduciren gesucht^ dass Rethra nicht an der Stelle von PrillwiU gesucht werden
könne. ^Es ist unbegreiflich** — sagt er — „dass die Sachsen, wenn sie an der
Steile von Rhetra eine neue Festung Liaueu, und den alten wendischen Namen nicht
behalten wollen, dieselbe mit einem neuen Namen aus eben der Sprache sollen
belegt haben. Das war wider ihre Gewohnheit; wo ihnen das Wendische nicht
gefiel, da gaben sie deutsche Namen." Wenn in der ßrodaschen ürkundü zwanzig
Jahre nach der Zerstörung von Rethra ein Ort mit dem wendischen Namen Frill-
witz genannt wird, so musa es allerdings Bedenken eiregeo, wie derselben Ort
zwanzig Jahre früher den wendischen Namen Rethra geführt haben könne.
Es dürfte nicht uninteressant sein, hier auf eine Bexuerkung von Sponholz"^)
aufmerksam zu machen. ^'Pifr/Jat — sagt derselbe — heisat: Ausspruch, Gotter-,
Orakelspruch. Wie, wenn unsere Chronisten das, in der ihnen zugekommenen
Schilderung der Redarier^Stadt, ihnen Bedeutungsvollste': ^dort war das Orakel
der Ungiäubigen'^ in der ihneo geläufigen griechischen Sprache bezeichneten, den
1) Jährt», d. Vereins f. Mklbg. Gescb. n. AUertbumskunüe. ßtl. üf^ S. 21.
2) Hr. Inspektor Engholm xu Prillwiti hat küriÜch eine grosse Menge von Seherlicn
eingesandt, die beim^ünibau de» Pferd est ullea au?i gegraben wurden. Es sind durchweg mittel*
alt« fliehe Topfstherleo.
S) Hhetra und dessen Götzen. Sendschreiben eines Mürkers an einen Meklenburj^er über
die zu Prillwitz gefnüdeiun wendischen Ällenhümer. Ijützow und Wismar 1773.
4) a, a. 0. S. 3^.
wicbtigvteii Gegenstand in der 5udt zum Namen derselbeo machteD?^ Will
eine aolcbe Erklärung acceptlreo^ daisD lies^e sich Prillwits, aU Oft, mit dem
Heiligtbame, dem Orakelplatz Eethra, ohne Schwierigkeit Tefcinigea. — Beachteos-
wenh iBt dabei dann oocb, wie durch eine solche Annahme die Ter^hiedenen An-
g;aben der ChronisteD eioigerraaaseen sich decken; wihrend der eine das Hei ligtLum,
wo das Orakel ist, nach dem dort Terehrten Götzen (Riedegoet) benennt, wird
es Ton dem anderen ganz allgemein nur als der heilige Ormkelplatz oder TempeJ*
platz bezeichnet 0*
Darauf mag schliesslich noch biogewiesen werden, dasa der älteste bekannte
Eethraforscher; Latnmns, auch bei Prillwitz die Stelle toq Bethra sucht Konnte
XU seiner Zeit, fünf Jahrhunderte nach der Zerstörung, sich noch eine Traditioii
über die Lage Ton Eethra erhalten haben?
Nachdem man im Schlossgarten unter schonen alten Bäumen am Ufer des
Sees das mitgebrachte Mahl Terzehrt hatte, wurde unter Fühmog des Hrn* Pastor
Jacobi im Pfarrgarten die Stelle besichtigt, an welcher angeblich die fraglichen
Prillwitzer Idole gefunden sein sollen. Die Stelle liegt hinter dem Pfarrhofe un-
fern Ton dem hier Sachen Seeufer*
Nun drängte die Zeit zur Fortsetzung der Eiücursion. Es handelte sich für
den Rest des Tages noch darum, die TOn Boll für Rethra in Anspruch genommenen
Orte aufzusuchen.
Nach BoU's') Ansicht entspricht die tief in die Lieps einschneidende, Prill-
witz gegenüber liegende Halbinsel allen Angaben der Chronidten, «Ich wurde
zuerst auf diese Lokalität aufmerksam — sagt Boll — als ich erfahr, dass auf der
kleinen in der Lieps gelegenen lasel, dem sogenanoten Hanfwerder, eine grosse
Menge eiserner Alterthümer gefunden wären« *^ Nach einer Mittheilung des Csadel-
schen JiJüllers^ welcher den Haofwerder in Facht hatte, waren dort viele Thier-
knocben von nnge wohnlicher Starke ausgeaekert, auch hatte man beim Ziehen eines
Grabens eine grosse Menge von Hirschgeweihen gefunden. Eiserne Alterthümer
waren nach der Aussage des Müllers wohl ein Scheffelstheil gefunden worden,
darunter besonders viele Barbirmesser, Scheeren^ den Schaf seh eeren ähnlich, Huf-
eisen, Lanzenspitzen u. dergl. Boll koonte xon diesen Dingen noch eine Lanzen-
spitze, ein Hufeisen und einen sehr kleinen Dreifuss acquiriren.
Die Halbinsel des Liepsbniches entspricht nun uDzweifelhaft io yielen Punkten
den Angaben der Chronisten. Die Halbinsel, die nicht durchweg Bruch oder Wiese
ist, sondern mehrere feilte, sehr wohl bewohnbare, grosse Horste einschliesat, bat
eine vollkommen dreieckige Ges'talt. Sie kann von zwei Seiten allgemein zugäng-
lich gewesen sein, — von Westen, von Wustrow her über den alten Bach und den
alten Graben, — von Osten her über den Nonnenbach und den neuen Graben.
Letzterer stammt allerdings aus verhält nissmässig neuerer Zeit, aber das Liepsbruch
war abgesehen davon in früherer Zeit dennoch von beiden Seiten nur durch
Brückenanlagen zugänglich. An der Wustrower Seite liegt noch heute in der Wiese
gegen den alten Bach zu eine Doppelreihe von grossen Geschiebeblöcken. Etwa
von 10 zu 10 Schritten stosst man auf eine solche doppelte SteinsteUöDg. Diese
Steine können knum zu etwas anderem als zur üoterlage einer HoUbrücke dxirch
die Wiese gedient haben. — Das dritte Thor von Eethra wäre dann am Oa^^fet
1) Kühne 1 a.a. O.S. 116 leitet Rethra von dem alUliv. rati, Krieg, ah und «^5^>^ ^
Sciinfiink ralars Knegstenipel bedeuteu
2) Archiv für Landeskund« in dem GrosshefZögtluni Meklenbur?. J.higanjf 1^^,^ - ^
(4«)
r
NatfirUche GroNte
Im Neubraodenburger Maseam wird toq den
Fanden^ die auf dem Haofwerder gemacht sind, Nach-
gteheodef aufbewahrt:
eine eiseroe Scheere,
eine Hacke von Hirschbom,
ein künstlich durchbohrter kleiner Knochen,
(s. Abbildung),
zahlreiche üroenscherben mit slaT. Ornament,
Proben der Brand erde,
zahlreiche Knochen rom Rind, theilweise zer*
schJageo, om die Markhöhle zu öffnen^
Knochen vom Schaf,
Zähne vom Schwein,
ein Yogelknochen.
Die Untersuchung des Hanfwerders hat uozweifel*
haft dargethan, dass derselbe wahrend der Slavenzeit
ein viel benutzter Wohn platz gewesen ist.
Leider konnte wegen vorgerückter Tageszeit die Uotersuchung des Liepsbruches
nicht mehr in Angriff genommen werden. Da unsere Berliner Gaste noch den
Abendzug zur Heimreise benutzen wollten, war es die höchste Zeit, den Rückweg
anzutreten.
£3 ist dftnn später von Neu branden bürg aus speciell nach dem Liepsbruche
noch eine Exkursion unternommen worden. Das Bruch worde von Osten her be-
treten, und wurde die UntersuchuDg den sogenaonteti Horsteo , den festen Stellen
zwischen den theiJ weise recht sumpfigen Wiesen, zugewendet Nach üebersch reitung
des Noonenbaches gelangte man zunächst nach dem ^Leinhorst^ Derselbe war
grösstentbeils zur Wegebessemng abgegraben, uod unterblieb deshalb hier die [Tnter-
suchuDg. — Nach Üeberschreitung des neuen Grabens gelangte man dann nach
dem ^kleinen Horst '^. Derselbe liegt am östlichen Ufer der Ha] biosei und ist
26 476 Qm gross. Von hier aus blickt man gegen Osten auf den See und den
gegenüber liegenden Hanfwerder. Diese Lage des Horstes forderte zu eingehender
Untersuchung auf. E^ wurde deshalb an vielen Stellen gegraben^ nach der Mitte
der Halbinsel zu und am Seeufer. Das Ergebnis» war wieder Erwarten ein sehr
dürftiges. Die ganze Ausbeute bestand in einem Rinderknochen^ einer mittelalter-
lichen Topfscherbe und einigen Scherben eines Topfes der Neuzeit. — Demnächst
wurde dann der „grosse Horst** betreten. Derselbe reicht durch die ganze Breite
der Halbinsel yom Ost- bis zum Westufer, und ist er 45 210 Dm gross. Er war
an mehreren Steljen von der Grasnarbe entblösst, so dass sich diese Stellen leicht
durchsuchen Hessen. Gefunden wurde nichts.
Endlich wurde dann noch der an der Spitze der Halbinsel liegende „ Bachers-
wall** durchsucht. Er ist M2BGm gross. Bell giebt an, dass er ihn mulden-
förmig vertieft gefunden habe. Es konnte nur noch in der Mitte eine seichte Rinne
bemerkt werden. Da er seit Jahren zum Kartoffel bau gedieut hat, wird seine
Oberflache durch die Spateükultur wesentlich eine andere geworden sein. Mehrere
tiefe Grabungen, die hier vorgenommen wurden, brachten eine Brandstelle mit
Kohlen, Asche und Branderde und eine einzige Urnenscherbe zu Tage^ die glatt^
d* h. ohne alle Ornamente war.
Spuren einer grösseren Ansiedelung im Liepsbruche gind demnach nicht ge-
funden worden.
Mit einem endgültigen Ortheil über die Lage von Rethra ist zur Zeit noch
n
C4R)
af» t>[iiQibus (jupulis Slav^trum frequeDtarentur propter responsa et edduas sacriBclorum
impeDsiones. Demnach ist anzunehmen, dtiss das gemeiDschaftlich vertheidigte
oelebeirinitiin fanum auch ein den verböndeteo Tholenzero uud RÄdariero geoaeiD-
schaf^liches war^ und dürfte daraus zu scbliessen sein, dass es demgetnaBS an der
Grenze ihrer Gaue gelegeo hat Schwerlich hg das gemeiu schaff lieh vertheidigte
faoum an deo Greuzen der Riezaner oder Ukrer.
Kach Allem bleibt io Bemg auf die Lage vou Rethra eiostweilen ooch immer
das Wahrscbeialichste, dass es an der Lieps gelegen hat Sollten eich am Wantz*
kaer oder Rodliner See uicht etwa ganz unzweideutige Spuren auffiudeQ, ao kann
man mit Bestimmtheit aussprechen, dass Rethra an der Lieps gelegen hat Dieser
See ist auch tou alten Wasserbecken, die m Betracht kommen können, der
grö&ste, ihn konnte der Chronist am ersten noch ein ^mare** nennen. An dtn
Ufern der Lieps kann dann in erster Linie riur Prillwitz und dann Hanfwerder-
Lieps bruch in Frage kommen.
Hr, Voss bemerkt dazu» dass er, soweit er Augenzeuge gewesen, obigen Be-
richt über die Excursion in Allem nur bestättigen könne. Auch darin stimme er
bei, dass die Oertlichkeit von Prillwitst, sowohl der Terrainbüdung ab der insularen
Lage nach wohl geeignet erscheine, einstmals einem bedeutendem Heiligthume als
Sitz gedient zu haben. Allerdings sei die Bestältigung dieser Vermuthung dnrcb
entsprechende Funde vorlaufig noch abzuwarten, Jedenfalls aber seien die anderen
durch Funde coostatirten Niederlassungen auf den flachen Seeinseln, auf dem
Hanf Werder^ sowie auf den Inseln des Carwitzer Sees wohl einst Ton grösserer
Bedeutung gewesen als jene auf 3en ahnlich formlrten Inseln der Oberspree, dem
Rohr wall bei Schmockwitz» der Liebesinsel bei Treptow u. s. w.
(9) Hn Jeutscb bespricht
VargeschlcMlIcNea aus dem Kreise Guben.
L Das heilige Land bei Niemitzsch. Die in dem XIV, Jahrgange der'
Zeitschrift für Ethnologie S, 112—128 enthaltenen Angaben vervollständige ich
durch nachstehende Ergebnisse der vorjahrigen Untersuchung und durch einzelne
anderweitige Nachträge. Im Laufe dVs Frühsomraers ist ein Theil der West wand
abgestiirzt worden und zugleich ist auf der südöstlichen Erhebung eine flache Ab-
tragung nach dem äusseren Rande hin erfolgt, welche vorzugsweise mit slavischen
Resten durchsetzte Erdlagen eröffnet und die oberste der Schichten mit germani-
schen Einschlüssen bloss gelegt hat: aus beiden sind zahlreiche Scherben und
Knochen, aus den ersteren auch Geweibstucke, aus d^r letzteren ein theilweise zer-
störter viereckiger Webestein zu Tage gefordert worden. Bis in die Tiefe, in
welcher sich auf der bekannten Abbruchsteile (s. a. a, O. S. 114) Baure^te ge-
funden haben, ist diese Bodenbewegung nicht eingedrungen» Endlich ist an der
Sudecke ein ganz neuer Abbruch hergestellt worden, der bis jetzt nur grauschwarze
Erde ohne Scherben^ ausserdem aber eine grössere Zahl von Schneckenbausern
zeigt (vergl ebd. S. 114): die orsprijogliche Anlage scheint hier durch eine An-
schüttung aus dem nahen Sumpfe entnommenen Bodens verstärkt zu sein, wenn
nicht etwa, was erst später klar gestellt werden kann, eine ursprungliche OefiTuung
im Walle nach S&den hin später geschlossen worden ist
Aus der umfassenden westlichen Abgrabung sind (und zwar zumeist auf der
Strecke^ welche a. a, 0. S. 114, Fig. 2, durch die Worte Ost und Söd beieichnet
(49)
ist) folgende Gegenstande gewonnen worden^ die, soferD nicbt anderes aogegelien
iat, von Hrn. Potzßchke der Gubener Gymnosialsammlnng geschenkt worden sind:
A. aus Bronie (vgl, ebd. S, 117): ein koopFartiger, massig gewölbter Gegen-
stend, mit grüoeDi Ueberzug: eine runde, nach einer Seite hin ein wenig aus-
gezogene Platte von 2,7 resp. 2,9 cm Durchraesser, aus welcher eine abgebrochene
Spitze (Durclim. 4 mm) 2 mtn hoch hervorragt, und unter welcher ein 3 mm brei-
ter, i?,5 cm langer Bügel in einem Abstände von 9 wm angebracht ist, durch welchen
ein Riemen gezogen werden konnte (Fig, 1 c?, b). Das a. a 0. unter Nr. 5 erwiihnle
schn&llenartige Schmuckstück von 38 ff Gewicht besteht, wie sich nach Entfernung
des grossten Theiles der dasselbe nmhuHenden bröckligen und schillernden Masse
ergeben hat, aus 3 zusammengebackenen Broozeringen von 2,8 im Durchmesser
mit fast viereckigem Querdwrchschnitt. Der mittlere greift etwa bis zur Hälfte über
den unteren und ist ein wenig übergebogen, der obere ist in den mittleren hinein'
gedruckt und starker über ihn hin weggebogen. Die Lange des ganzen Stuckes be-
trägt direkt gemessen 4 cm. Die ÜmhijUuog ist eine theils durchsichtig weisse,
theila mattgrüne Glasmasse (Fig, 2). — B. aus Stein: l, ein abgestumpfter Kegel
TOD blassrother Färbung mit nicht ganz ebener Oberflache von 13 vm Höhe, 10 cm
unterem, 7 cm oberem Durchmesser, Gewicht 2065 g. Die untere Grundfläche ist
beschädigt (Fig. 3). — 2. ein glimmerbaltiger grauer Stein j etwa in der Form eines
halbierten Scheibenabschnittes, dessen runde Seite glatt und durch abgerundete Kan-
ten begrenzt ist (Fig. 4); die kleine Seitenfläche (gleichsam die Halbieruugsebene des
Scheibenabschnittes) ist uneben, also wohl abgesprengt, ebenso der eine der beiden
den Kor per oben und unten begrenzenden Kreisabschnitte; der andere dagegeti i»^
eben, ohne jedoch durchweg geglättet tu sein. (Gegenwärtige Längsausdehnung i5 cfi*i
grosste Breite 9 er«, Dicke 1,9—5 an). 3. ein flach abgesprengtes Stück von 4 c^^
Durchmesser und etwa 1 cm Stärke uiit einer ganz glatten Oberfläche; das Nlf|,^^^a\
ist ein nicht zu feinkörniger graubrauner Stein. 4. Aus älterer Zeit ist in dex^ -A\le^'
thumersammlung der Lausitziachen Gesellschaft der Wissenschaften ein ovales ^ ^c\\-'
bohrtes Stein platt che n vorhanden (nach deren handschriftlichem Katalog): offeci'^^;^ ^lO
Schmuckstück gleich den Verband L 188], S. 183 beschriebenen, von welcher >^ «ia
ovales Exemplar aus dem Reinhard tischen ürnenfelde bei Bautzen sich ini <3
Stadtmuseum befindet C. Aus T hon; 1. (zu S. 118» IV, 4) ein vierkantiger-
stein mit etwas eingewolbten Seitenwänden, (einschliesslich des oben ervv^
^:ttigei^
^^VVebe-
hinten
(50)
?ierte aus dem beiligeo LaDde); 2. der Rest eioee aDScheiDend TJerseitiges~
giagftlrotheD Körpers, van dessen Seiten flüchea our sehr weaig erh<«ii ifit und
durch deo eine gerade und glatte Durclibobrung von 5 mm Durch meBser hiadurcb-
lauft; etwa der Rest eines NetÄbescbwerers. 3, ein etwa die hohle Hand füllendea
flaches roth gebranntes Tbonstuck mit deutlichen Haimeindrückeo. 4. (zu S. U9, 6)
eine wohl erhaltene, wenig verzogene, etwas nacbgeb rannte Flasche von H ctn Böbe,
ri,5 cm Bodenfläche, 9,ö ctn grössteni DurchmeSBer, mit deutlich markirtem Halse und
Janglicbem Henkel, der aber nur einen kleinen Finger einlasst (Fig, 5), Die stellen-
weise noch mattgläDzende, meist rissige braune Oberfläche ist auf der dem Henkel
gegeoüber liegenden Seite schwammig aufgetrieben, 5, (ebd. Nr. 8) ein Ausschnitt
ans einem sechsten runden Thoabrett, glatt^ mit massig aufgerichtetem Rande, auf
der Oberseite schwarzbrauo, a*if der unteren blassrotb, — unter den Scherben is^t
ein isiemlich formlos gewordenes^ fast 1 cm dick aufgequollexies grosses RandstQck
hervürzuheben, das 9 cm unter dem glatt geweseuen Rande eine wulstige Leiste
mit Fingereindrückeo, und 2 (m unter dem Rande eine offenbar bei der Fabrikation
hergestellte glatte Durchbohrung von 0,5 cm Durchmesser (jedenfalls zum Durch-
ziehen einer Schnur bestimmt) zeigt, ^on der Art der S. 119 — 20 bescbriebenen
Gefassfragmente sind sehr zahlreiche Exemplare gefunden r ich erwähne daraus nur
eine Reihe von solchen, die concentrische Halbkreiseindrücke unter oder über paral-
lelen reifen artigen Kehlstreifen tragen.
Eine zwingende Deutung der Oertlichkeit lässt sich auch aus diesen Funden
nicht herleiten; aJs sicher ergiebt sich (namentlich aus den Webesteinen) nur, dass
der Platz mit Haushaltungen besetzt war. Von den beiden Auffassungen der An*
läge, die aus der erFcböpfenden und wohl noch nicht überholten Behandlung der
Burgwallfrage in Preusker*s Blicken in die Vaterland. Vorzeit 1 (1841) S, 104,
Nr, 1, 3, vgl II, 195 ff., hier in Betracht kommen, ist keine ausgeschlossen: auch
die heiligen Stätten konnten wie die Befestiguugs platze Wohnräume enthalten.
Aber für die Annahme einer Cultusstatte spricht, wie bereits Zeitschr. f. Ethnol.
LXiV, S. 127 bemerkt ist, keiner der Üeberrester sehr wohl kann die Anlage ein
fester Platz — der dauernde Siti eines Führers oder eioe wiederholt benutzte Zu-
flucht — gewesen sein.
Das zweite, nächst den Funden bei Ermittelung des Zweckes in Betracht
kommende Moment, die Tradition, ergiebt ebenso wenig ^twas Sicheres: es kann
ein Hain, wie ihn Tacitus als den üblichen altgermanischen Opferplatz bejEeichnet,
um den Wall her gelegen haben, obwohl dies in dem vom jetzigen guben-niemitzsch-
sadersdoifer Fahrwege her ersichtlich achräg zur Neisse abfallenden, vormals offen-
bar sumpfigen Terrain nicht sehr wahrscbeialich ist. Mit dieser Möglichkeit wäre
aber die Einordnung der Oertlichkeit unter die von Tacitus bezeichneten Cultus-
atätfcen noch nicht begründet Die lokale Tradition, welche in dem Namen dea
heiligen Landes liegt, beweist nichts, weil der an sieb sehr wohl mögliche Zu-
sammenhang mit dem germanischen Alterthum durchkreuzt wird durch die ebenso
gut mögliche, Zeitschr. f, Ethnol. S. 127 erörterte Anknüpfung des Namens an die
Einrichtungen der christiichen Zeit*
Die Frage nach dem Zweck der Anlage, die zunächst wohl noch gegen
die nach der Zeitstellung derselben zurücktreten muss, wird daher trotz der ver»
hältnissmässig zahlreichen uns erhaltenen Einschlüsse vorläufig offen gelassen
werden müssen; möglich, dass die Ergebnisse künftiger Jahre mehr Anknöpfuiigs-
punkte für Folgerungen bieten oder dass durch sichere negative Resultate der Nach-
forschung eine und die andere Deutung ausgeschlossen wird.
Aus dem a. a. 0. S. 122 besprochenen üruenfelde am Finkenheerd sind durch
I
L
(50
die oeuerlicbcu Aut»giabungeu nur Scher beD gewooDeu wordiiu: 1. ein Tbeil eiues
Fläschcbens aus dicbtem^ bulleiii Tbon; unloT dem deutlich abgesetzten Halsse ziehen
sich 3 schmale Kehlstreifea, unter ihnen eine Reibe flacher tupfenartiger kreis-
ruoder Eiodrucke herum. 2. Die Hälfte eines Näpfcbene mit eben aufliegendem
Boden (Höbe 2,5 rm), mit kleinem, ober den Rand aufragendem Heukel, unter
dessen unterer Ansatzsielle zwei Reiben you 2 resp. 3 fiacben Eio drucken» 3. einige
FlaacheBbälse mit Henkel; 4. glatte Randstücke von Scbu&seln mit verdicktem
Rande, doch ohne Verzierungen auf demselben; 5. Bruchstücke eines Decktellers
mit dünnem, aufragendem, ein wenig eiugezogenein Rande, in dessen EinBchnüniug
ein schmaler, langlicb heruntergehender Knopf sitzt; 6. Stücks aus Seitenwandungee
mit Oehsen, die 2^-3 Längsstreifen tragen. — Farbe und Masse dieser Scherben
zeigt von denen aus der unteren Schicht des heiligen Landes keine wesentliche
Abweichung: die leichte Differenz der Färbung und Erhaltung erklärt sich aus der
Einbettuag in verschiedenartigen Boden. Scherben mit Wulst und Fingereindrücken
befinden sich unter diesen Funden nicht Die a. a. 0. beschriebene Schüssel ist,
allerdings nicht ganz genau, gleich der zugehörigen Urne abgebildet in Freusker^
Blicke u. B. w. III, Taf. 6, Nr. yi f., wo auch (Nr. 30 a. b.) eine Abbildung des
Rundwalles selbst und seiner Bösciningsverhaltüiese aus der Zeit um 1844 ge-
geben ist —
Was die slavischen Funde aus der oberen Schicht betrifft, so aind zu den
a. a. 0. S. 124 besprocbenen Scherben nachzutragen die mit einem zweireihi-
gen Kranze von scharfen Einstichen verzierten. Die einzelnen j länglichen Ein-
stiche sind wie die Tannennadeln oder Fischgräten auseinander gerichtet. Zwei
Fragmente zeigen einen Ersatz des den slavischen Topfen fehlenden
Henkels: das eine trägt, an die Wandung des Gefasses angesetzt, den 3 cm
langen Stumpf eines massiven Thonslieles, ähnlich dem Ansatz der Griffstiele mo*
derner, thönerner Tiegel. Bei dem anderen ist vor die bei der Fabrikation her-
gestellte Durchbohrung der Seiten wand (0,8 cm Durchmesser im Lichten) in der
Richtung dieser Durchbohrung ein Thoncjlinder von 2 cm Länge und 2 an Durch-
messer^ vorn roh abgernndet, vorgelegt, so dass durch die beiden correspondiren-
den Oeffnungen des Gefasses etwa ein Stab durchgesteckt und dies selbst daran
getragen werden konnte.
Zu den 13 gezeichneten Topfbuden treten 16 andere hinzu: 4 mit kreisförmigem
Stempel eindrucke der zum Theil sehr flach istj ein fünfter zeigt innerhalb 4 wenig
hervortretender concentrischer Kreise einen ganz seichten, centralen Fingereindruck.
Zu den in den Verhandl. 1882, S. 365, erwähnten beiden durchbohrten Boden-
stöcken kommt ein drittes, dessen Oeffnung 3 cm Durchmesser hat. In demselben
Bericht ist das Fragment mit einem nicht durchgehenden Einstich erwähnt. Her-
austretende Zeichen tragen folgende; ein bis zu 5,5 cm, Hohe erhaltenes Töpfchen
mit einem Bodendurchmesser von 5 cm zeigt ein flaches breites Kreuz, das nicht
genau in der Mitte liegt; Länge der sich kreuzenden Linien 2 resp. 2,5 cm,
Breite 2 inm; 4,8 cm über dem Boden beginnt die Riefeln og der Gefasswand. Auf
einem Scherben ist das Kreuz von gleich langen Armen (Gesammtlänge der Linien
3 cm) scharf markirt; auf einem andereo sind die Balken von 20 resp. 35 fmn
Länge schräg gegeneinander gestellt. Auf einem Boden tritt ein achtstrahliger Stern
(Fig- 6) deutlich hervor, dessen vier Hauptstrablen etwas länger (2 cm) sind als die
übrigen und spitz auslaufen'); auf einem anderen von 9 au Durchmesser 5 starke
1) Der Durchmesser des a. a. 0. 9. 125 erwähnten ach tspeich igen Rades beträgt 3 bis
3^ cm. — Ebenda ist Z. 3 v, ob, zu lesen: 5,5 cm lang; S. 123, Fig. 6, Grosse »/s.
(52J
TParallelatreifeD, zwischeo deneo schwächere erkennbar sind und die ßenkrecht voo
eiöem geraden erhabenen Streifen geschnitten werden. Eine
ahn liehe, aber scbwäcbor hervortreteEde Zeichnung oebst
einer kleinen Erhöhung in der Mitte hat ein dritter; auf
eiiaem vierten gehen von einem centralen Knöpfchen unregel-
maaaige, annäherd radial geordnete, stark heraiiagedr^Dgte
Striche ans (Fig. 7). Eine flache knopfförm ige Erhöhung von un-
regelurä seiger Peripht^rie (Durchmesser 2,5 resp. 4 cm) haben
zwei Boden; der Thou scheint nachträglich angedruckt za
sein.
Von massirer Thonarbeit sind 3 Spinnwürtel nachzu-
tragen r 1. koöisch geformter mit ein gewölbter Unterseite und
etwas * eingezogener Seiten wand (Besitzer Herr Rentier
Th, Wilke), 2 mit herauBtretender Mittelrippe, Von
EiRengeräth folgende Stucke, die zugleich dem am Schliisse des Burgwallberichtes
Verh. 1 882, 8, 3G7, gegebenen Verzeichoisse einzureihen sein würden: 1. ein kleiner Zier-
rath von 3,7 cnt Länge, aus einem Ringe von 1,3 cm Durchmesser und daran befestigter,
zwei Mal eingeschnürter Quaste bestehend (Fig. 8); 2, ein 5,5 cm langer Stift, der
sich nach oben lanzettförmig verbreitert; 3, ein 8 cm langer, nach oben hin ein
wenig sich verjiingender Stift, wohl zu einer Spindel gehörig (Besitzer Herr
Th. Wilke); 4. ein Geräth in der Form eines der Länge nach halbirten Cylinder»
von 12 an Länge und 4 cm Durchmesser (Fig. 9), dessen beide l^angskanten
gekerbt sind und dessen Oberfläche zwei kleine Nagellocher symmetrisch geordnet
zeigt; einem Pflug- oder Deichselbeschlage ähnlich. Ein gleichartiges vollßtiindigeres
Gerath (Fig. 10) ist zu Guben im Baugrunde am Markt zugleich mit einer eiserueo
Sehafschoere u. a. gefunden worden: hier setzt ein starker, an der Anaatzstelle ge-
theilter, spitzwinklig zulaufender eiserner Griif an, — Das a. a. 0. S. 125 Fig. 10
abgebildete krallenartige Gerüth No. 3 war vielleicht zum Bogenspannen bestimmt;
der S. 126 abgebildete Körper (No. 10) ist anscheinend ein Degenknauf gewesen^
da sich an einer Seite eine dieser Bestimmung entsprechende Vertiefung gefunden
hat. Anzureihen ist hier ferner ein Stück Eisenschlacke von 2370 g Gewicht,
zwei Wetzsteine aus Glimmerthon (deren im ganzen also vier vorliegen), endlich
ein angespitzter Eberzahn von 8 mn direkter Länge, ein Stuck defekten, angespitzt
gewesenen Hirschgeweihs, endlich ausser zahlreichen Knochen und Geweihstücken
&Ü8 dieser Schicht eine einzelne Fi&chschuppe (von der Grösse einer Karpfen-
schuppe),
IL In einem bei Schöneich, Kr* Guben, nördlich vom Gutshofe gelegenen, wohl
völlig durchackerten ürnenfelde ist, quer durch dasselbe laufend, ein Damm
aus Findlingssteinen aufgegraben worden. VergL Undset, Eisen in Nord-
europa, S. 200. Die dort gefundenen Scherben sind dick, roh, rothbraun gefärbt;
einer zeigt an der Oberfläche energische unregelmässige schrSge Einstriche dicht
neben einander.
IIL In den Gräberfeldern hei Goschen W., Jessnitz und Reicbersdorf sind
zwischen den Beigefäsöen, in Wirchenhlatt sind neben den ohne ßeigefäaae ein-
gesetzten Urnen hartgebrannte oblonge, nicht ganz regelmässig gefrirmte Thon-
steine von graugelber Färbung und durchweg fein porösem Zustande gefunden
worden; in einen derselben ist in Folge starker Hitze ein bläulicher Feuerstein
glatt eingeschniolzen. Ein ebenfalls oblonger Stein von ganz ähnlichem Aussehen
fand sich neben den Urnen in dem Felde nördlich von Plesse. Die Annahme
liegt nahe, dass diese Gegenstände bei der Verbrennung der Leichen, vielleicht
)
9
(53)
^
n
'/j natürl. Gr. V' natärl Gr-
als Unterlage j VerweDduDg gefußdeD habtso, — Von anderer Art sind zwei im
ganiep pyramidale, glekiifulls uo regelmässige Kör- p. ^n Fi« 13.
per mit geradliuigeu Kanten und ebeaen, uo merk-
lich eingewdlbten Seiten flächen, nnscheiDend aus
feinkörnigem Öandätein, gefunden unmittelbar neben
den Urnen bei Strega: sie dürften zum Formen
oder zum Abreiben von Gegenstanden gedient
habe». (Fig. 12 u. 13.)
IV. StarzeddeL Dem ßabhebbel (s. Verb. 1882, S. 355) entsprechend tritt
westlich von der Lubst aus dem HobenzügCj der jedenfalls cbemals das Flussufer bil-
dete (Tergl, a. a. 0. S, 363 Plesse) ein Vorsprnng heraus (ebd. ö. 358), Garten und Feld
des ßauerngutsbesitxers Seibke auf Lehmanns, der sehr gefällig Nach forseliun gen
jeder Art gestattet hat. Dort sind den germanischen Burgwallscberben aus der unteren
Schicht des Bai sh ebbeis durchaus gleichartige Gefässtrummer, namentlich von grossen
kräftig gearbeiteten Topfen mit heraustretendem Wulst und Fingereindrficken
auf demselben, gefunden worden; ausser diesen auch Randstucke mit spirali-
gern Eindruck, einige mit einem einzelnen heraustretenden Knopf, andere
Scherben mit vom Henkel ausgelienden flachen Einstrichen, nur wenige dünnere
und sauberer gearbeitete, alles von dunkelbrauner oder schwärzlicher Farbe, zum
Theil mattglanzeud, Stucke Ton kleinen ßeigefassen haben sich bis jetzt nicht
gefunden. Während angeblich früher auch ganze Urnen vorgekommen sein sollen,
sind jetzt grossere Fragmente nur von 2 Gefässen vorbanden. Das Feld ist namlicb
bereits vor langer Zeit einmal als Baustelle benutzt worden: es findet sich darin
allerlei Eisengerath und Scherben, die etwa in di^Zeit des dreissigjährigen Krieges
und weiter zurück zu weisen sind. (Die Reste befinden sich in der Gubener
GymnaBialsammlung). Geordneter Steinsatz ist nicht vorhanden; vereinzelt kommen
Findlingssteine vor. Bis jetzt kann, da sich Leichen brand zwischen den Truraraern
nicht konstatiren lasst, nicht entschieden werden, ob hier eine der Änsiedlung auf
dem Baishebbel korrespondirende Begräbnissstclle vorliegt oder eine ähnliche An-
lage, wie auf der weiter östlich gelegenen Insel, so daaa diese beiden den Lauf
des Flusses beherrscht hätten. Vielleicht deutet auch die alte Sage, nach welcher
vom Balshebbel ein unterirdischer Gang uoter diesem Vorsprung hin zu der noch
etwas weiter westlich auf der Hohe gelegenen Kirche führte, den alten Zusammen*
hang der beiden Oertlichkeiten hin.
V. Der Kiebitzhebbel zwischen Guben und Buderose, ein dürrer
Sandhügel ohne Hnmnsschicht, hebt sich, 300 Schritt östlich von der Neisse,
400 Schritt nördlich vom Damm der Märkisch- Posener Eisenbahn gelegen j aus
seiner Umgebung, die ein massig welliges Terrain ist, ersichtlich ab. Er Hegt
östlich vom Guben- Buderoser Wege, der früher über ihn hingeführt haben soll,
dicht anstoBsend an diesen Weg, über den er sich 4 m erhebt, im NO am höchsten.
Er hat einen Umfang von 2ßO Schritt, eine Böschung von 25*'. Eine Einseukung
ist nicht erkennbar. Im SW» ist er angegraben. Das Terrain gehört der Stadt
Guben, ist aber seiner Unfruchtbarkeit wegen nicht verpachtet. Pretisker, seit
dessen Zeit der Hügel nicht mehr untersucht zu sein scheint, ist geneigt, ihn für
eine neuere Schanze zu halten, setzt indessen (Bücke u. s. w. HL 1844. S, 112)
hinzu: ^Der Name kommt oft bei alten Wällen und Grabhügeln vor: Kepjez m.
Grabhügel, Eopiza f. Grenzhügel. ^ Jene erstere Annahme hat sich als irrig
erwiesen: der Platz ist bereits in vorgeschichtlicher Zeit benutzt worden, wie sich
bei einer Untersuchung im Herbst v. J. aus den allerdings recht spärlichen Scherben-
kwamr kleiaeren Brokern tealfl ääe
Offtberfeld
Mt cmi OQfCll
Adterkb 2<rw«iditai Tboot kfiottlidb r»ilig«B»ehte Obaiicbe, eiii anderer einige
oNffficUieh^ Elmrielifl.
ft DtOl Vtrc^tekttM der ßargwlUe im nod mm Kreise Guben (i; Verb. 1882^
8^ M) bt der bttber (rgl, Preotker und Sehnater) oiebt beaebtete bei Schiedio
M der Od«r |!el«(eii« eioitureibeii. ,
TU. fo de« ii5rdltcben Thetle des ümeofeldes auf dem Etablissemeot grüne
Eiche bei SebeDkendorf, Kr. Guben, Qod zwar io dem dicht Tor dem ost-
ficbao Baui« gettgeoeo biAher uoberuhrteo Stucke sind bei NacbgraboDgen im
B&fUmnhtf d. J. die R«#te eioes grossereo Gefasses, eioes gewolbteo Decktellera mit
flaeb aai||elegtem Rande und radialen scharfen EinstricbeD auf der AasaeDdeit«,
BmcbttGcke von kleinen GeCässen Terscbiedener Form und unter diesen ein rier-
fllttig«>r Tiegel gefunden worden fKig. H), ein Seiteostück zu dem rou Herrn Dr.
Bebla in einem H&gelgrabe bei Weiseagk Kr* Lackau 187B gefundenen und jeUt im
Königin Mufteum zu Berlin befiadlicheii. Der Durcbmesscr der unregelmäsdig ge-
formteDi grob gearbeiteten, 5—7 mm dicken Schale betragt im Liebten 6,4—6,8 cm^
die IlJyhe dertelbeo 2,5 cm. Die Fusse^ deren einer abgebrochen ist^ und die sich,
UDgleicbmiiilg geformt , ton l em Durchmesser nach unten massig bis zu 0,0 crn
Terjdngen, uud 1,5 ctn hoch dind, bildeo die Ecken eine^ Quadrats. Die glatte Ab-
bniebatetle zeigt, daes die Kusse der Aussenseite, deren Rand oben ein wenig uacb
ouiaeQ gestrichen ist, aufgesetzt^ nicht eingefijgt sind. Das Material ist grob, durch-
tatst mit Sand und Cilimmerspähochcn; die eine Hälfte der Aussenfläcbe und zwei
KQsso sind s'/iegelrülb^ die ufjdere und die Ionen fläche grau und rissig j ein wenig
blniig aufgetrieben. (Besitzer Herr Rentier Tb. Wilke in Guben,)
VEll, Dio Fl ach 'sehe Frtvutsammlung ist durch Schenkung in den Besitz des
hioitigen Gymnasiums übergegangen.
VII, Beigelegt ist ein himdschriftlicher Schutzbrief gegen Verwundungen, ge-
scbriiVben 182:i.
(10) Hr. Fr t edel berichtet über
Prerdeschädel als Sohlltten.
Auf 8. 272 dfT Zeitschrift „Daheim*' von 1882 schreibt G. Ha m mann aus
lluitenrod (Kt»g.*Be3E. Wiesbaden) Foigeodes: „Hinter der alten Stadtmauer meiner
nicfit nnhokrinnten wetterauscben Vaterstadt Butzbach befand sich — und befindet
Mich thrilwiiiso noch jetzt — ein grosser, tiefer Graben, mit steilen ßoscbungen.
Da bildülQ es nun ein bauptsÜcblichea Winterverguugen der edlen Stadtbuben schar,
mit ihren Schlitten dahin zu ziehen und über Hals und Kopf auf diesen in dio
Tiefe zu jagen; auf der anderen Seite des Wallgrabens ging es dann unwillkürlicb
noch oine ziemliche Strecke wieder aufwärts, um dann schliesslich kopfüber wieder
riut dor Grabeusohio anzulangen. Unverdrossen ward, nach einiger Erholung von
di*m Plnlfiir des eben ausgestandenen Follersturzes, das kleine, winterliche Extra*
fuhrwerk die steile Hohe wieder hinauf geschleppt, um das halsbrechende sogenannte
V^ergnügen aufs Neue zu beginnen etc. Wer aber nun nicht zu den Glücklichen
gehörte, olnen regelrechten hölzernen, mit Eisen wohl beschlagenen Schlitten zu be-
fidm^n, der lief nach dem etwa eine Viertelstunde entfernten Schindanger, um eioeu
I
io ZusaEnmPDSeUuQgeD wie hobgrozjs unihageo, ymschlieBSeD, umfasseo (gleichgültig
ob mit eiüem geÜochteüeQ oder einem Lattenzaune). Es bat aucb den Begriff des
ümkreisena; hobgroda, hobgroia, ist der Hof um den Mond*). Ich faud ingleicbeD,
dasa maoche den Kreiß so nannte d. Hobgroda ist auch ein altes Wort in der
Sprache der Zauberei und heisst Zauber kreis, aber den Jüngeren in diesem Sinoe
nicht mehr bekannt. Will man einen festbannen^ &o mnss man einen Zauberkreis
UQ] ibo z^ieben und liohgro/-ony ist der, welcher nach Sonnenuntergang so um-
8ohlo8»eD, festgebannt, nicht von der Stelle kann, bis er durch Zauberworte wieder
gelost wird. Die Endung in grozisco (oberwend, hrodzisco) bedeutet eine gewisse
Ansdehtmng, Meng»', Ansammlung, FQÜe, so heisat das Wort Gebäge, Umzäunung
(auch BurgwaJl, Scbanse), ureprüngtich Yielleicht aus Flechtwerk. Groiis^io '■') nanote
man früher auch die aus Stangen angefertigten Schaafgehäge, Hürden. Aup dem
BegriÖ'e des Wortes darf man vielleicht einen Schluss auf die ursprungliche Hnr-
stellungsweise derartiger Anlagen machen.
Der wendische Eigeothumer des Schlossberges zeigte mir einen Erdstrich, der
sich auf einer anliegenden Wiese (irre ich nicht, in der Richtung von Morgen nach
Abend) als ein sthr flacher Rucken hemerklich macht, und sagte: ^jHier hatte der
wendische König seinen Weg herunterzugehen (vom Berge) nach Bun; da auf dem
Striche wächst auch alles noch immer schlechter.** Bun ist die Wiese. Bon, bun
heisst Hofedienst (Prohn), der als Gegenleistung bei dem früheren Erbpacht&ver-
hältniss ühlich war. Bon heisst auch eine der Landstellen, welche die Fundstelle
der Babower Ringe umgeben*). Dass beide Namen dasselbe Landstück bezeichnen
sollten, acheint mir, wegen der Entfernung heider Stätten von einander, nicht wahr-
scheinlich. Der wendische König hat also auf dem Brahmoer Schlossberge, ebenso
wie derselbe auf dem Burger, einen Weg, der noch gezeigt wird *). Auf dieses
Verhältniss gedenke ich vielleicht später noch zurückzukommen und will nur hier
darauf hingewiesen haben.
Auf dem Ackerlande, welches den eigentlichen Sehlossberg umgiebt, wurden,
nach Aussage des dortigen alten Ausgedingers Döbrik, Kohlenheerde und ^Töpfe**
mit Knochen gefunden. Scherben fanden sich vielfach, sowohl »olche von Lausitzer,
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I
Schlostfberg sonat grodowa gora (in meinen wendischen Sagen S. 8, Anm. 5, ist das aui Ver-
sehen gedruckte pytko tu (streichen) : gtoi Stall.
1) Sonst auch dwor (Hof) und murja Mauer.
2) Folaiöch heisst der Ringwall, wi© Albin Koho (Icr Ringwall bei Fordon, Posen 1880}
anmerkt, gtodzist:ko, rütlienisch borcdyszrze, rii*sbch gorodyszcie, bobtnisch hradiisko u. ß. w,
GroÄisco heifsen in der Niederlausit« die Orte Sonnen wald* (Kr. Luckau} und Grötsch (Kr.
Cottbus; ein Dorf G rutsch noch im Kreis« Gaben, Brodzisco Gröditz In der Oberlausitz, Wie
mir llr. Uan tsebo-linuo in Schleife Ireuudliclist mittheilte, beis&t eine Wiese bei Treben-
dorf (Kr. Rutbeifburg) gradzina, deutsch ebenso benannt, ,weii sie in allen Zeiten gegen
Wildschaden umzäunt war/
3> Diese Flecken heimsen, wie ich sie im Volke auffand und auf einer Gutskarte zu Wü*
sehen, wenigstens zum Theil verzeichnet sah: chmjetiseo, zanak, tralina, hon, tleda, na kle,
dlujka görka, Koppelhytung. Von ihnen sind In ihrer Bedeutung klar i-hrnjeliBCO Hopfenland, ■
oder derleii vom chmjel Hopfen* Aehnlich heisst ein Landstück in Bur|T- Kauper, wie denn ■
zu Burg überall wilder Hupfen wächst; siedu wohl Hinterland, von sledy hinten; na klo auf
Klee, halb deutsch (wendisch Klee hier kwesiiia, sonst dxecelin u. a.), dlujka gurka langes
Borgeben (Hügel) Bei tralina könnte mau an die nahee^leb enden trawa Gras und traeh
Ftircht, Spuck, Gespen^it di^nken, ^ränden nicht spracblicLo Bedenken entgegen. Dunkel
bleibt jtanak; die Form ianaki, welche Hn Veckenatedt b. Z. erwähnte, Ist mir nicht be-
ksinul geworden (zanaac ^ irerlegen).
A) Vergl. meine wend. Sagen, 4, 7.
(57)
wie Ton Burgwalltypiis. Von letzteren sah ich noch vor einigen Jahren einen grosseo
Haufen bei dem dortigen Gehöfte liegen und habe eine Anxnhl derselben gesammelt
Die Gefässe dieser Art mussten gross gewesen sein und mehrere von ihnen hatten,
uacb den Scherben zu urtheileiij einen Durchme&ser von etwa 18 — 2i cm. Die Ver-
«icrung besteht aus dreizinkig eingerissenen Zickzacklinien, über welche sich auch
Reihen gleichmässig grosser , eingedrückter Punkte hinziehen. Die Masse ist bart-
gebrannt und fest, von graner und erdiger Färbung. Die Stärke der Scherben selbst
beträgt 9 mm. Von diesen Burgwallscherben fand ich neuerdings keine mehr vor.
Ob die Scherben von Lauaitzer Typus nur auf dem eigentlichen Öchlossberge,
oder nur auf dem umliegenden Acker, oder auf beiden sich vorfinden, konnte ich
bisher nicht mit Sicherheit feststellen.
Ferner Ingen Steine auf dem Berge, ^^wie ein Pflaster, hänfen weise, so dass die
Leute mit der Schippe nicht konnten hineinkommen*'. Einen auf dem Schlossborge
gefundenen Schleifstein, klein, sehr fein, mit einem Loche verseben, erwarb ich
von dem Besitzer; solcher sollen mehrere gewesen sein. Auch sprach dieser von
2wei metallenen (also bronzenen) Ringen, die er vordem besessen habe. Mitten auf
dem Scliloasberge, behauptete er, liege, nicht tief, ein Meoschengerippe, „ein Reiter,
Kopf und Alles,** und unfern (etwa zehn Schritte) von ihm, sein Pferd begraben.
Starke Einbildung konnte hier also den wendischen König wiederfinden. Jener
»eigte mir die Stelle und war bereit, die Gerippe auszugraben, doch lies» die grosse
Nisse, eine Folge des diesjährigen Hochwassers (1882)^ und der beständige Regen,
ea nicht iu weiteren Untersuchungen kommen. Die Thatsache bleibt demnach vor-
läufig fraglich; jedenfalls handelte es sich dann um das erste vorgeschichtliche (?)
Gerippe aus der Lausitz, was mir wenigstens Hr. Dr. Behla, der gründliche Kenner
Lansitzer Altertbümer, bestätigte. Gelegentlich will ich hierbei bemerken, daas zu
Burg eine Gegend, welche übel berufen; nass und unwegsam, Freoidlingea uo-
bekannt, R^g^Q dem Stawenzfliesse^) liegt, ten carny rog, die schwarze Kcke heisst,
^weil früher viel Wald da war, und der Töpferberg, gjancarska göra, ebenda so,
weil ein Topfer da gewesen sein soll. Daselbst hat man viele alte Scherben, Kohle
und Knochen gefunden. Da liegen auch jetzt noch die Gebeine von einem Schweden,
oder wie andere sagen: Kosaken, der von Vetschau auf Ranb nach Burg geritten
kam; es soll gerade Dürre gewesen sein*). Da schoss ihu einer — (manche sagen:
Förster Laoschke*) — vom Pferde, die Leiche aber versenkten sie im Luch. Daa
Pferd lief nach Vetschau zurück. Ein Vetschauer Schmidt, Namens Bartholomäus,
hatte, so soll in einer Urkunde gest^inden haben, einen Mann in Vetschau erscblagen,
und floh über die Grenze*) nach Burg, auf preussisches Gebiet. In der Wildniss
1) Vergl. in der Zeilachr. für Ethuol. XII auf der vorgeschichtlichen Karte von Btn^ am
linken Rande. Mehrere Sagen sind hier tu finden. Vergl. wend. Sagen IIG, 119, 281, 183.
2} Wegen der vielen Wassörläiife etc. konnte ein Reiter sonst schwerlich da durch-
kommen.
3) Ein Forfiter Lanachke (?) scheint nach Allem, vvas ich erfahren^ thatsachlich In Bur^
gewesen sa sein, und hat ^ewuhiit in Burg- Kolonie, da, wo jt'tzt der Kaufmann Lecha-KuUk
mohnt. Bier soll er eine Nachbarin (Hexe) erscho^^sen haben. Er muss ^mehr gekonnt haben
wie andere*, denn um seinen Namen haben sich viele Sagen gesponnen. Berichte über
ihn wend. Sagen 166^ 197. Es irtand mit dem Scbiossbergnetzker im Bnnde, beide trugen
die berühmte Scbiees weite 9,ua* Dat^a die Sagten über ihn mythisch »ind, erbellt ancb ana
denen, die vom alten Förster Petrik in Trebendorf (viend. Velksthnm. S7) umgehea, und
anderwärts.
4) Die fhächsische Grenze ging früher bis an das preussische Burg; an der Grenze von
Bnr^, gen Stradow bin, fand ich zwischen ßänmeii versteckt, in der Erde noch stehend, den
leUteo GreQzpf^hl (auf dem Steffenaebeii Flofe). Ich weüe dartuf hio» well er mit seinein
KopFe einem aUen G5t3^eD gleicbend» eiomal auf derartif^eM angc^proclieu werden könole.
1) Seese, wendisch Biez, ist ein Dorf bei Lübbenau. Solcher ZufluehtsÄfätten werden
noch mehrere im Spree wald© nachg:ettie8eD.
2) Dies letztere hp^tätigten auch sehr zuverlässige Leute. Ein ,Conducteur* (Vermesser)
soll dort Pfähle mit eiserueu Spitzen gefunden haben. Zu meiner Zeit hatte der dortige Be-
sitzer Wetülauk ein eispfn«» Beil irgendda in der Erde gefunden, Vergl. wend. S^gen» 16.
3) In Müschen wurde mir s. Z. mitgetheüti dass hinter einem Hause des Dorfes xwei
begraben lagen^ wie man muthmsiäste Franzosen. Mir wurde diese Stelle bt^kannt und ich
grub mit Krbubniss des Eigenlhümers nach; dabei fanden sieb zwei Gerippe. Der eine
Scbidel (oder z»ei?) war kurz und hatte sehr xiiedrige Stirn, die Zähne fehlten, obwohl sie
angeblich IVüber vorhanden waren. Mit diesen Todten mnss es eine eigne Bewandniss gehabt
baben. Wärei* sie in neuerer Zeit erschlagen werden, hätte sie niemand im Dnrle ver-
graben. — Vor etwa drei, vier Jahren hriinnten im Dürfe Burg mehrere Häuser nebeneioander
nieder* Als man mit dem Neuhan begonnen hatte, bteas es, dass KtiOfheu von Riesen in
der Erde unter dem alten Hause gefundea seien. Als ich zur Stelle kam, fand ich noch
Menscbenknochen von Armen und Beinen, aber nicht überm|Lssiger Gross© , und einen
Schädel, den ich dem Königlichen Museum übergpben habe. Aus oeues^ter Zeit konnte das
Gerippe auch nicht seln^ weil es tiemUch tief im Grunde nnter dem Gebäude gelegen hatte,
das wer weiss wie lange gestanden hnt.
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siedelte er sich auf dem Topferberge an und lebte nar tod riscberei. i:»pater, lo
KriegsDothen, zeigte er den Herrschaftea von Seese (andere sagen: von Eaddusch),
den Weg zu seinem Verstecke, daher heisst in der Gegend ein Stück Land noch:
nah ^.eikim, d, h. auf Seeseschem ^), üeber den Töpferberg sind die Schweden einmal
von Straupitz nach Vetschau gezogen und haben über die Mühlspree vor der grossen
Bank (Brücke) bei Werchosch (Kolon ic-Kaupen) eine Brücke geacblagen. Von der
ist bei kleinem Wasser noch ein Pfahi zu sehen ^).'' So die Ueberlieferungen der
Wenden, wie ich sie im Laufe von Jahren aus dem Volke zu&ammengebracht habe,
nichtsdestoweniger braucht nicht Alles Sage zu. sein.
Ab ich vor Jahren das erste MaJ auf dem Topferberge war, erzählte mir der
dortige Eigenthümer Schichan, dass er das Gerippe des Schweden oder Kosaken,
ich entsinne mich nicht mehr genau: beim Ragolen ausgegraben habe, oder nächstens
ausgraben und wo anders unterbringen müsse* Ein Knochen des .p^Schweden'* vwurde
mir gezeigt, der irgendwie über der Erde zurückgeblieben war. leb bat dringeod^ H
mich zu benachrichtigen, wenn der Fall des Äusgrabens einträte, mir namentlich
den Kopf zu überweisen, wurde über immer auf kommende Tage vertröstet, bin
auch oftmals nachdem noch da gewesen, doch ohne Erfolg» So ist mir das Gebein
nicht vor Augen gekommen und muss noch da im feuchten Grunde liegen. Es
giebl nur sehr wenige Wenden noch, die vom Topferberge den Namen nach wissen,
mancher ist wohl kaum in der schwarzen Erke gewesen. Noch bemerke ich, dass
jenseits des Stawenzfliesses Lutchen (ludki, Zwerge) gewesen sind, da wo früher
der „alte Barth el^, ein Häusler (das Wohnhaus steht noch), gewohnt hat. Sehr .H
häufig sind ludki Anzeiger für vorgeschichtliche Fundstätten. Dass in neuerer Zeit
ein Töpfer auf dem jetzt ganz abgeflnchten Topfer berge gelebt habe, ist ganz un-
wahrscheinlich.
Doch ich kehre zum Brahmoer Schlossberge zurück. Vor mehreren Jahren er-
zahlte mir der greise Böbrik, dass ein fremder Herr einen „Topf", der dortselbst
zugedeckt mit einem Hachen Steine (?), lu der Erde gefunden wurde, gekauft und
mit sich genommen habe, üeber den Verbleib desselben war weiter nichts in Er-
fahrung zu bringen. Auf eine Anfrage, hatte Hr. Alexander Raben au in Velschau
die Güte, mir mitzutheilen: „Vor vielleicht drei Jahren, es kann auch noch binger
(59^
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her seiQ^ hat ein Herr einen Topf mit aheni Gelde (sächsischeo Münzen, die in der
Nähe des Schlossberges gefunden) angekauft. Wie ich glaube, ist es ein Cottbuser
Goldschmied, oder ein jüdischer Händler gewesftn. Ich habe nur Scherben und ab-
gerundete Steine gefunden.** Von dem Gelde ist mir an Ort und Stelle nichts ge-
worden.
Gleichfalls ist ^, vor Alters" dort erzählt worden: „Dass die Ltitchen ihre Leichen
ir er brannten , die Asche in „solche Topfe** thaten und sie vergruben . Sie waren
kleine Meoschcnj wohnten in Erdhudikeu ') und sagten: ^Poäiycio roe zHkii njezezku,
iny buÄomy kolack*) njekolack pHnjasc, borgt mir Backfasschen Nichtbackfaaschen,
wir werden (wollen) Brotchen Nichtbrotehen (wieder) bringen.'* Sie hatten solche
Sprache, weil es solche wilden Leute waren, keine Christen, sie waren aus dem
Auslände gekommen. Weil sie aber nichts wiederbrachten, haben sie nichts mehr
geborgt bekommen. Vieh hatten sie nicht, raan weiss nicht, wie sie lebten. Bei
der Dämmerung kamen sie vor, setzten sich auf die Mauerbank') und wärmten sich,
und dabei sind sie auch gestorben (?). — Wie die Glocken kamen, gingen sie weg,
die konnten sie nicht hören. Sie sind gestorben, geschwind, haufenweise. Den
Graben am Schlossberge zog früher der Nachtjäger, ten nocny jaga^, von Muschen
her entlang*)."
So die Berichte aus wendischem Volksmunde; för den Schlossberg folgt daraus
Diehts. Der dortige nocny jagar fällt, wie eine Sage vom Schwurstein*) beweist
und andere ans Burg, nnmentlich vom Schfossberge'^) und Mal ka- Acker, welche dtirch
den „Schatz^ mit dem wendischen Konige in Beziehung stehen, in mehrfacher Hin-
Bicbt mit letzterem zusammen.
Weiter heisst es im Volke: „Früher stand auf dem Brahmocr Schlossberge ein
Schloss, in dem wohnte der wendische König. Er war aber auch auf dem Burgschen
Schlosaberge, denn beide gehorten zusammen. Er war ein Räuber und hat die
Christen beraubt. Die Hufeisen hatte er verkehrt aufgeschlagen, und es wiir immer
»o, als wäre er ansgeritten; sie konnten ihn nicht abfassen. Ueber die Brücke ist
er durch die Luft geflogen, als wenn er auf Erden ginge. Es hat kein Mensch er-
fahren, wo er geblieben ist; auf einmal war er weg^),** Er nimmt also ein Ende,
ganz wie Dietrich von Bern in der Deutschen Heldensage, der auf rabenschwarzem
Hengst dahinfuhr, „so schnell, dass kein Vogel so schnell fliegen konnte. Sein
bester Knappe ritt hinter ihm auf seinem besten Hengste Blanka^ und dem folgten
alle Hunde. Da rief der Knappe ihm nach: ^Herr, wann wirst Du wieder kommen,
weil Du HO schnell reitest?** . . . Da antwortete König Dietrich: ^Ich bin übel be-
ritten, dies muBS der böse ^) Feind sein, auf dem ich reite. Doch wieder werde ich
kommen.^ Demnächst kamen beide auf ihren Hengsten weit auseinander, so dasa
1) Wendisch buda Bude» Ofitte, davon budka; budar der üläusler, Hütiner; budlis,
bydlis wohnen.
2) Hier zu sprechen kowack, pr = psch.
3) = Ofenbank, die wie noch jelzt voa Steinen (vielfach vno Holz) früher steinern war,-
wendisch mtrrja Maner, nuirka Ofenbank. Bei Zossen in einem Neujahrs wünsch der Schweine-
hirten ... «die Mächen» liefen gern auf die Mure."
4) Wend, Sagen, 7, 31, 137, 28a
5) Eb. 87 (123, 135, 185, 32), 135 (4), wend. Volkstbnm 63.
6) Wond. Sagen 214, 11, 1, 3, 9, 10, 12, (88, 100), 133-135.
7) »Er hl mal fortgeritten und nicht wieder gekommen* beidst es zn Bnrg Ton den wen-
dischen Könige auf dem Bürger Scblossbeige, Eh. 6.
8) Theodorich« Asche wurde als die einei ^fSuch würdigen Ketzers* (A rianers) ans dem
Rieseograbe in Ravenna hinausgeworfen und in alle Winde zerstreut.*
(60)
der Knappe den Kmig nicht mehr %sh. Und Dimmer h&t man eeitdem etwas von
ihm vernommei]. Daher kann Niemand tod EÖDig Dietrich sagen, was aas i
geworden ist,**
Der germanische Fürst, der als geschichtliche Persoolichkeit in die Sage
Dietrich'« verwoben wurde, war durch seine machtvollen Tbaten zu leb
Herzen «einer Völker, als dass sie an sein Ende glauben naocbteiJ. Aber d«'
Dietricli dc^r Heldensage nimmt auch noch ein anderes Ende. „Er war io die
Stadt Höfferdli gekommen und als er erkannte, dass es bald mit ihm zu Tode ginge,
da verbot er den beiden Knappen, die ihn begleiteten, irgend Jemand zu sagen, wo
er war* Kurz darauf starb er an den Wunden, welche Witig, WielaDd's S0I1&,
ihm geschlflgen hatte und ward in derselben Stadt begraben als ein Kaufmann*).*
So weiss auch kein Mensch, wo der sogenannte wendische K5nig geblieben ist, er
ist fortgeritten, aber auch begraben, denn es beisst von ihm*): „Er soll einen sil-
bernen Sarg gehabt haben; vier haben ihn begraben. Sie wurden todt geschosiea,
dass Niemand wissen sollte, wo er begraben ist. Er soll mit den Schweden da gi-
lagert haben.'* Diese letztere Nflchricht von dem Begräbnisse, habe ich oor bei
jüngeren, mehrfach ztigezogenen Bewohnern von Bahow gefunden. In Muschen wir
sie nur einem alten Manne bekannt, und dem vielleicht auch erst von den Babower»
geworden. Niemand wusste, dass das Grab an der Fundstelle der Babower Ring«')
gewesen sei, von denen ich doch eher als andere gewuest habe, üeberhaupt habt
ich vor dem Auffindrn des Babower Sclimtickes nichts vom Grabe des wendisckeo
Königs dort gehört, obwohl ich grade in jener Gegend oftmals gewesen war, w«i
dort viele Ortssagen spielen, z, B. vom Schworptein*), von der ßuHengrobe, dff
Wasserfrau (einer Loreley), von der ehemals vielgekrijmmten Kschiscboka u* a, bl,
alle nahe beieinander, und das Sammeln der alten Ueberlieferungen Difii
Zweck war, Hr. Veckenstedt hatte diese Gegend woh! erst später besurbt,
nachdem ich dem königlichen Museum in Berliu entsprechende Nncb richten ob^r
den Fund und seine etwaige Erwerbung gegeben hatte. Erst nachher also h"»rte
ich die Leute von dem Grabe des wendischen Königs erzählen, und dass man dußn
nua diese Sage in Beziehung setzte zu dem Babower Fun de ^ der die Gerouther so
lebhaft erfüllte, war sehr natürlich und ein Vorgang, der sieb überall wiederholt
Ich habe selbst eine sogenannte Pilgerflasche, aus der der wendische König ge-
trunken haben soll, weil sie angeblich auf dem Burger Schtossberge gefoodea
worden ist,
1) Wilkina nnd Nfflimjra-Saga, von Friedrich von den Haaren, Bresbo 1872, 469, 491 Hit
den beiden Knappen, die Friedrich nachfolgen, ver^ldriie die heiden Gesellen, welfhe deft
wendischen Konig begleiten (wend. S. 2). Wpnn der eine dieser beiden bisweilen MorkBiU
genannt wird, wie auch der König und die Konigin ihre Namen haben, s;o scheinen mir auf
Grund meiner eigenen Erfahrungen diese Kamen nicht ganz Tolksthümlich zu sein. Viel-
leicht siud i^ie er8t ans Hrn. Prediger Berger 's E)arstellong der Sage TOm Kinderrau^«
(Mtrja ifon Dronow, in: der SprcoiÄald von Dr. Berger, Cottbus 1866, und im CfartsUidifn
Familien boten) weiter in das Volk gedrungen. Hr. Berge r, dpr in seiner Scbitdernng
dankenswert he Einzel heilen ifieht, erfuhr diese Sage durch den Oherpfarrer Mttdra in Pek
dieser sie durch den Lehrer Lehmann in Drehnow bei Pek^ dieser sie durch den tlt<B
Kitte (,der ein alter Soldat war, ein präihtii^er Mann und Vorsteher einer Spree w»ld-Spi>K
»fhale vor hundert Jahren*); dieser si« von einem alten Miltterlein irgendiwo im Bpreeimlile.
— Vergh wcnd- Sagen 2. Eine eingehende Besprecbnng der Sagen vom wendischen Eüni^t
muss ausführlicher Darstellung vorbehalten bleiben.
2) Wend. Sagen, 7.
3) Vergl Zeitschrift für Ethnologie, X* Verb, 318.
4) Bbend. 1880, XII, 260.
(ßl)
Für den Brahmoer Schlossberg läs&t sich also Nichts aus der erwahüteü Sage
[foigeru. Wollte man dies aber in der so häufig beliebten Weise, so könnte mnn
B. sageD: Beziehungen zu den Schweden, etwa unter König Gustav Adolph, sind
unverkennbar, die dort gemachten Funde wären am sichersten schwedischem Her-
koromen zuzuweisen u. 8. w» Aüeiu das würde niemand glauben, weil die Kenntnis
euer Schweden zeit, wie der Neuzeit uberhaijpt, zu gründlich ist. Die Sage von
iinem derartigen Begrabnisse ist auch sonst in Deutschland allgemein verbreitet.
äo berichtet z. B, Hr, Schwartz') in einer ganz gleichen Sage, dass Bischof
IVepelitz von Havelberg in einem goldenen Sarge an den steilen Abhängen nach
Idem Vorwerk Wepelit« lu ruhe. Als Soldaten da Schanzen gegraben haben» fanden
^ftie Urnen und dergleicbeii. Waren das nun Gefässe aus dem ellften Jahrhundert,
iie irgendwie mit dem Bischof in Beziehung standen, der 1041 gestorben ist, bei»
rgesetzt im Havelberger Dom, wo er auf seinem marmornen Grabdenkmal liegend
in Lebensgrosse zu sehen ist? Niemand folgert das^ aber in der Lausitz mit dem
wendischen Konige ist derlei gestattet. Diese Begräbnisssage gestattet an und für
sieb weder bei ßabow noch au anderen Orten einen besonderen Scbluss auf die
Geschichte oder Völkerkunde. Wer das thut, ist sich über das Wesen solcher all-
gemeinen Sagen nicht klar und begebt einen Irrthum. Man kann nicht ohne ganz
bestimmte Merkzeichenj die ja bisweilen zu Sagen hirizutreteDj aus dem sagen-
mässigen Begriffe „wendischer König** schltessen auf bestimmte thatsächliche Ver-
hältnisse, die vorgeschichtliche Funde bestimmen könnten. Am allerwenigsten darf
oian folgern, dass die Babower Ringe (gleichwie die Burger Bronze wagen) wendisch
seien, weil in dieser Gegend Sagen sich eingefunden und entwickelt haben^ die vom
wendischen Könige reden* Niemand weiss, wann sie sich eingefunden oder in
^k.der jetzigen Fassung ausgebildet haben^ und nichtsdestoweniger sollen sie Zeit-
^■HBgaben abgeben! In anderen Provinzen sind solche literarischen Sagen gespinnste
^Bron den Alterthumsforiä ehern meist beseitigt, in der Lausitz werden sie immer noch
^Kmit Vorliebe aufgebunden* Das liegl an einem hohen Grade von Voreingenommen-
™^ beit, Subjectivitat, die so vielen derartigen Arbeiten in der Lausitz anhaftet*)
1) W. Schwarte, Sagen der Mark Brandenburg, 1871, 153, — Bei Seeben bei Sali-
wedel ist ebenfalls ein Grab eines Riefen oder Wendenlionigs, genannt Zamkal (welches man
auch für den Namen des Wendenkonigs halt) und eine Sage von dem Jean Kaie fJübann)
♦ . . Dort lag noch bis vor knnem ein Stein, den Jean Kai hatte nach Sal2wedel ^werfen
wollen und der ihm aus der Hand gefallen war Vergl Kuhn, Märkische Sagen 1R43, 35,
229. So auch bei Kemnitz bei Pritzwalk ein Riesenkonig in mehreren Särgen u. s. w.
1) In: die GiStter Dentschlands, vorzüglich Sachsens und der Lansitz von Dr. Böuisch,
ausäbendem Arzte, Wundarzte und Geburtshelfer, auch Stadtphysjco und Stirtsmedico tu
Camenz, Mitgliede der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wiasen Schäften in Görlitz und der
deutschen Gesellschaft für Sprache nnd Älterlhi^mer zn Leipzig u. b. w., einem Buche, das
neben einem tücbtig^en Wissen viele beaebtenswerthe Bettierkuiigen enthalt, hehst es z. B.
S. 1: ^Das Pnradies selbst, so wie die Namen Adam und Kva scheinen deutsche Worte zu
gein, denn in Paradeus liegt anjjenfällig ein (erstes) Paar Deuts; Adam aber iat zu^Jimmen-
geäetzt ans dt-m ersten Laute, welchen der Mensch als nengebüreties Kind von sieb giebt,
nämlicb aus A, und aus dem ersten trocknen Plätzchen der Erde, auf welcher er wohnen
ioll, Damm. Zu der Zeit nämlith . . , . i^ar jeder Damm ein Dempel, Damj^el, Dnmpel,
Tempeij Haus und des Lateiners Templum nnd Domus erinnert noch ebenso . » . . an die
frühen Tempel und Wohnungen .... Warf aber Adam den ersten Damm auf und bauele
so das erste Haus, so war er auch der erste Bauer und so konnte Paradies auch den ersten
Bau des ersten Dentschen bezeichnen. Eva scheint zusammengesetzt aus Ehe und Fe^ imd
o bschon difi Sagen vou den Feen der Bewohner des sud liehen Asiens (des Dschesirad- oder
Belad-Ml-Ar&d) am Sinai und Eoreb, am Astan und Euphrat, am rothen und persischen
Der weDÜiscbe König ist oie ion Spreewalde gewesen und auch niemaU begraben
i^'orden, aber er würde sich im Grabe uradreben, erfubre er, was aUes auf seine
Schultern gewätzt wird. Er ist rein mythisch, keineswegs geschiebt! icb$ ähDÜcb wie
der alte Fritz ^), der SchwedenkÖDig, Erka, Königin der Heuoen, der Heidenkomg,
der HiiDenkooig, der Riesenkönig, der Konig der Zwerge^), der König der Erd-
mannchen, und wenn wir Grimm'j folgen, der König der Etben (Elbericb, Lauriii
und andere mehr), wie Huldra, Königin des Huldrevolks, Berchtba der Heimchen
ist. Auch in englischen Uebedicferungen eine elfquecn, the fairy queen, im Alt-
französischen roi Oberon, mit dem royaum de la feerie u. s. w.
Er hat ebenso wenig gescbtchtlicbe Spuren hinterlassen, wie etwa an den
Meere erst In dem Mittelalter von den Europäern beaebiet und iiitere^saut gefunden wurden i
»0 sind sie nichts desto weniger uralte und In dem Namen Eva darf wohl untwdenkllch die
erste nni Ada verehlicbte Fee, Eh-Fee gefunden werden. ^ S. 3 ,. , . weil er durch seinen
wehenden Odem (den Weh'nd oder Wind) Oden oder Odiu {jenannt wurde," und dazu in
einer Anmerkung: »Ocean, O^ieh an, Odin zieh an." —
In dem Ruche: Skytbika von Liebusch, Oberpfarrer und Adjnnct der Spremberger
Superintendentur zu Senftenberg, Gamenz, 1833: , Berlin helsst eine, in einer ziemlich nie*
drigen Gegend ijelegene, i^rösse Stadt (elin). Die SylV»e bcr deutet die Beschaftenheit des
TerrJiina an, auf welchem diu Sladt liegt und hat eine adjectivische Potenz, Mit einem
Worte der jetzigen deutlichen und wendischen Sprache lässt sich Beilin nicht wiedergeben.
Wollte mau den Namen durch ein neugebildetes Wort: TiefGrossstadt übersetzen, so druckte
dies doch die ßedeu(uui;c de&selben nicht bestimmt und vollatäudig ans. Wäre die Gef^nd,
in welcher Berlin ließt, noch niedriger, so müsste der Ort Birlin heisaen. Der Name Berlin
darf nicht von dem jetzigen Worte Berg (mons) und von dem wendischen Lina (der Lehm)
abgeleitet werden, sondern es ist ebenso fut primitiv als Budisain , . . . . Als Name eines
(^rösaeren Ortes iat er generis masculini . . . » . Es ist Tiel wahrachelnl icher, daaa Coln auch
nach den Regeln der Ursprache gebildetj als dasa es von dem lateinischen Oauptworte co-
lonia ahfireleitet ist. Ist der Name Colo primitiT^ wie ea scheint, so sollte er Hein geschrie-
ben werden. Das Wort Kein (kel-en, Uügelort) bezeichnet einen ein wenig höher liegenden
Ort als Berlin Ist Bein kommt das Wort in dem Namen des auf einer Anhöhe liegenden
Dorfes Kein bei ßautiten ?tir. Glinijio heisst ein, in einer niedrigen Gegend gelegenes, kleine«
Dorf Die Sylbe ni bezeichnet die tiefe Lage des Ortes* — S. 92 Lieberose (lin-ber-
ose) [heisßt wendisch Lnhorae, nnd Liebusch war des Wendischen mächtig! W. v, SJ. S* 94,
Potsdam, bu'Cits-dam-uni [wird gewühnüeh in Uebereinstimmung mit einer älteren Form dieses
Namens, aus dem wendischen pod dubami (mit 2wischengescbot}enem s) = unter Eichen er-
klärt. W. V, SOi — Hifichhorn, her-isch-bar-on, — Ziegen hals, zie-egeü-bal-as, 8. d^X Königs-
brück bat seinen Namen nicht von des Konigsbrücke, sondern es hiess vor der Corruption
seiner gegenwärtigen Beneoniing ken-ik-bor-ik, welches eine kleine an einem niederen Berge
gelegene Stadt bedeutet. S. 319. Aum. 7. Weil durch die Stadt Berlin ein Fluss fliegst,
deshalb lautet die erste Silbe in dem Namen dieser Stadt Ber und nicht bal u. s. w. Zu
aolcben Scbnurrpfeilereien kam bei einseitiger Betrachtungsweise ein Mann, dessen Gelehrsam-
keit, wenn auch in abgenöthigtem Vorworte, «elbal ein Ritter hervorhebt. Um! doch hat
Liebusch Einfluss gehabt nnd verschiedene Schriftsteller der Lausitz mit seiner Gelehrtheit
angefüllt» Wie jene beiden sich in Wort zerr erelen ergangen haben, so andere bis in die
neuere Zeit in Sagenspielereien.
1) Geac hiebt lieh König Friedrich der Grosse von Preussen.
2) Auch den wendischen König hörfe ich, wenn auch sehr selten, von Wenden Zwergen-
kunig nennen, doch möchte ich hierin deutschen EinJlues vermulben, — Nach Hr. Dr. Bolle
8oll| wo bei Ranschendorf [einer ausgedehnten, ergiebiegen und sehr beachtenswerthen vor-
geschichtlicben Fundstätte] die Urnen gefunden werden, der Zwergen köuig begraben lie^n.
Ebenda bei R, (Kr. Ruppin), auf freiem Felde, heisst eine Stelle Wendenfeld. Desgleichen
soll der Zwergeniönig begraben liegen bei Lindow. Wend. Volkstbnm, 2*
3) Grimm, Deutsche Mythologie, 4. Ausg. 1875, 374.
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Dardanelleo beim I>ic!ite der Fackel auf hohem 8611er Hem den Freier erwartet«
UQd dieser aachtlicb fltirch das Wasser zu ibr scliwauiiii *)^ uod in Deulsebland und
undereu germaoischen Länderu cacb der Volksüberlieferting verscbiedeoe Liebes-
und Leidensgeoossen dasselbe tfaatea. Oder wie vielleicbt Polykrates den Ring bei
Samoa ins Meer warf Uüd der Koch ibn im Ma^u des Fiacbes faüd, deo ein Fiscber
gefaugen hatte, uüd der Probst Conrad vod Sankt Severin in Cöln auf der Fabrt
nach Xanthcn seinen Ring in den Rhein lallen liess, den der Koch wiederfand in
den Eingeweiden eines Fisches, den ein Fischer gefangen baüe^). Ebensowenig
wie der griechische Theseus auf Kreta, den Faden der Ariadne vom Knaule ab-
wickelnd, in dem unterirdiscbeo Gewölbe des Labyrinths den stierartigen llirmtauros
erlegte und die sieben Knaben und Mädchen befreite, und der mythische Jäger,
welcher den Spree wald durchzog und vorm alten Schlosse zu Lübbenau, das so
viele Fenster hatte als Tage im Jahre, das ünthier, den Ziegenbock mit gewaltigen
fldToerD erlegte und nach sieben Jahren wiederkehrte mit sechs Gefährten, den
Faden vom Knaule abwickelnd, um den Weg zu fiaden nach dem Scblosse, in
dessen Kellergewölben der gefurchtete Basilisk hauste. Ebensowenig wie Dadalos
aus Neid seinen erfindungsreichen Schuler Talos, weil dieser ihn übertraf, Vtin der
Akropolis zu Athen herabstiirzlp, und in Deutschland der ^ebrenwerthe** Meister
der Lausitz aus Eifersucht den kunstreichen Burschen erstochen hat, auf dass er
nicht klüger wurde denn er selber. Ebensowenig wie derselbige Dädalus sich
und seinem Sohne künstliche Flügel mit Wachs angeklebt hat und Ikarus aus der
flöhe niederstürzte in das Meer, das noch nach ihm das i karische heisst, und der
alte Fischer Krepel aus Leipe bei Lübbeuati sich Storcbflügel mit Fech angeklebt
bat und aus der Luft niederstürzte, so dass noch heute die Rede geht: er flog wie
ein Engel und fiel wie ein Teufel, won leseso ak janfei a panu ak cart; wie denn
auch nach ihm eine Stelle im Tozkefliesse Krepelsecka heisst bis auf den heutigen
Tag. Ebensowenig wie Dranos in Griechouland verstümmelt wurde und gleich
anderen der alte Krepel dasselbe vornabm. Ebensowenig wie auf Sicilien bei
Tische an einem Fferdehaare das Schwert des Dionysius über dem Haupte des
Daniokles schwebte, und in Deutschland beim Mahle der unterirdischen der Mühl-
stein an einem seidenen Faden über dem Kopfe der Dienstmagd niederhing.
Und deren mehr.
Der „wendiscLe König" ist oller Wahrscheinlichkeit nach überhaupt erst auf-
getreten, als die wendische Herrschaft ein Ende hatte, und ich glaube behaupten
zu können — die Wenden selbst (oder richtiger gesagt: die Bewohner der
Lausitz) haben niemals den wendischen König gekannt, wenn denselben auch
Hn Veckenstedt als „Messias der Slaven im Herzen Deutschlands**'^) auffasst.
Sie haben den ^wendischen König** wohl erst von den Deutschen gerade mit dem
Namen als Sagengestalt erhalten ^ wie solche Bezeichnungen* Wendenkonig*),
1) Hat man doch sogar in neuerer Zeit sich bemuht durch ScbwimmleiatiingGn eile Mög-
lichkeit d^r nach [liehen Besuche tu erweisen! Aus alleikm geht immer wieder hervor, ^ie
innig die gesamtiit© höhere Geistesentwicklung unserer Zeit in ihrer poetischen Rieht iiug noch
mit der Sagenwelt verweht ist utid wie noth wendig für die Jillgenieine Bildung es wäröi eud-
lieh auf Schulen uud Hochachuleu, ebenso wie bereits griechische, römische und hebrüische,
81» auch deutsche Sagen zu lehren.
2) Wolf, Nied erb Sagen, Leipzig 1843, 24fij Panzer, Bayen Sag. 11, liMj Grimm,
Deutsche Sag. I, 284; Sakuntala von A. v. Wohoi^en, Leipzig (Reclam) 46, Ö8,
a) Veckenstedt, Weodiache Sagen. Graz 1880. S. VIL
4) Ich schreibe lür die Lausitz: wendischer Konig, und nicht Wendenkunig, weil ich ibn
denlach in der Lausitz, entsprechend dem (slftTiscben) serski ocler serbsM kral nur wendi&cher
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Wendenschlachten ')» Seen gercithct vom Blute der Wenden, Wendengräber, Wenden-
kirchliöfe u* dgU m. sich reichlich m Norddeutschlaod findeo. Ja selbst alte ver-
knitterte IrtschnfteD, wie wir bei Haadtmant)^) ersehen^ gelten als weadische.
Wendisch ist in der Yorst^llung des Volkes vorwiegend heidnisch^).
(lewiase mythische und mythologische Erinnerungen aua alten und verschiedenen
Zeiten haben vorgelegen. Si^ haben sich ruannigfach umgebildet in Sage und Dich-
tung und verschiedene Namen hat man im Laute der Zeit auf sie ii bertragen. Denn
mit dem Wechsel der Geschlechter im Volke und der geschichtlicljeD Anschauungen*)
wechselte auch die Beoennuug (Bezeichnung) und die steitgemilsse Färbung, und da,
wo die Erinnerung an die Wenden lebhaft vorherrschtCj wurde Alles wendisch, wie —
unter ürostauden schwedisch, franzosisch u. s, w,, in Erinnerung an die harten ■
Drangsale, welche unser Land seiner Zeit von Schweden und Franzosen zu erleiden
hatte, geradeso wie auf gevvtt^se eigenthümliche Persiinltchkeiten, die die Einbildung
dea Volkes lebhaft erfüllen, gewisse alte Geschichten immer wieder von Neuem
übertragen werden. So kommt es, da^s ein und derselbe umstand von den vex-
scliiedensten geschichtlichen Persönlichkeiten oder mytbischeo Gestalten ausgesagt
wird, ohne dass sie oftmals in unmittelbarer Beziehung stehen. Wie vielfach hat
man (namentlich die classischeu E'hilologeii) zu allen möglichen und uumoglichen
gekünstelten Erklärungen seine Zuflucht genommen, um solche Verhältnisse streng
,,logiscli" zu erklären, die im Grunde einfach und natürlich auf Zufälligkeiten be»
nihen. So w^oMte man altgriechischen Schriftstellern schwankende Auffassung zu-
muthen, weil die diese oder jene, melir oder weniger sagenhafte Geschiebte (auch
als Gebildete treu der Üeberlief^i-ung ilires Volkes) in verschiedener Weise erzählen,
und man quälte sich ab, künstlich und gelehrt Uebereiustimmung, „System" in das
zu bringen, was doch nie über einen Kamm geschoren werden kann. Ebenso viel-
gliedrig und lebendig die ßestaudth eile der Volker immer waren, ebenso mannigfach
sind ihre Anschauungen gewesen, die wir in Sagen überkommen haben. Leider hat
man in frtiherer Zeit die betete Quelle^ als sie noch rein flo*s, unser eignes Volk
selbst, fast nie erforscht, sondevu sich bemüht, eine diirftige Bücherweisheit fortzu-
schleppen und weiterzuspimieu, wie denn noch jetzt von Staatswegen in Preussen
der volksth um liehen Forschung meistentheils fast gar keine Unterstützung zu Theil
zu werden pflegt. Während sie des „gemeinen Pöbels Wahn'* verachteten, die
„albemen Sagen* und „Ammenmärchen** des Volkes*) und wie immer die beliebten
König hake nennen bor^n. — in Burg hiess eine Gastwirthsebaft: zum wend'gcben König.
Diese Bezeichnung verdankte ;)ber nicht einem volksibumlichen Drange, sondern meiner persön-
Heben AnreguDg ihr Dasein.
1) Ancb der Tortreffliche Haupt (Sügeohucb der Lausitz. Leipzlfr 1862. 11, 14 n. a. 0<)
bringt zu willkürlich und unberechtigt die Kümpfer- oder Käropenberge mit Wendenschlacbten
zusanümen.
2) IT an dt mann, Sagen aos der Neumark und Kujmafk, ein leider noch unveröffent-
lichies» inbaltreiche«, rein sachliches Werk. Hm. Ilandtmann ist es biBher (wie anderen)
noch nicht gelungen, für diese wissenschaftliche Arbeit in Deutschland einen Verleger zu
fiuden. Da wäre ea Fflicbt des Stautes, den Druck ?.u übernehmen
3) So heisst aucb in der PflanEenwelt nach Ilrn. Dr. Bolle hier oder da in der Mark
die Goldrntbe (Solidago virgfturea) wendisch oder heidniacb Wundkraut, Vergl. wend, Volkt-
tbum 3.
4) So haben aich bei un&eten Stammverwandten» g-ewissen VölkerBchaften im Kaukasus,
nunmehr £um grossen TheÜ zersetzl und aufgelöst^ sehr alle EritiDerongen in unveränderter
Weise erhallen. YergL die Sagen des Tsefaerkessen - Volks nuch 8chora-Bekniur8in*Nogmow h
von Berge. Leipiig 18G6. I
5) Vergl. daiu Bürgers Leonore, Göthes Erlkönij?. Heines Loreley, Schillers Teil u. a.
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(65)
Aösdröcke der Genügscbatsung im Munde vieler (lebildeten ') lauten » ilachtea sich
msDche Bücbergelehrte sekr viel werthit>sere literarisühe Sagen aus. Spater sind
dann diese „thörichten Fabeln*)** der betreffenden Gelehrten leider ab und zu ins
Volk gekommen, dag zwar das Fremd artig;* te ausgestossen hat, aber doch manches
in sich aufnahm. — Noch iat Zeit zum .Sammeln, aber die Jahre sind gezählt. Mit
den Augen der „Alten% die unter dem Namen ntthsim bei maiicben Gelehrten als
geachichtliche Quellen in grosser Anerkennimg stehen, schliesst sich für immer der
iirft]t6 Bora germanischer Volkssage, Mit Aufbietung aller ivräfte, auch der staat-
lichen Unters tijtzung, kann nocli vieles gerettet werden^ was sonst unwiederbringlich
im Strome der Zeit dahingeht —
Auch viele Einzelheiten über den wendischen König, welche in dem Sagen-
werke') des Hrn. I>r. Veckenstedt berichtet werden, sind wohl nicht ursprimg-
lieh. Wenn der Forscher nicht in der Lage ist, selbst alles im Volke sammeln zu
könneD, so werden sehr leicht auf dem Zwischenwege durch andere (literarisch
Gebildete, welche nnbewusst mehr oder weniger kritisircn), und namentlich durch
unrichtige und drängende Fragen, subjective Aeusserungen festgestellt, die den Vnlks-
riberliefernngen nicht entsprechen und spater die wisseusc haftliche Untersuchung
auf unrichtige Wege fuhren müssen. Nur allein das Volk mit seinem innigen
Glauben vermag die alten üeberlieferüugen in jener immergleichen und wunder-
baren Treue weiterzufuhreD und wiederzuerzählen. Der Gebildete und vor Allem
der sogenannte Halbgebildete, nimmt nicht bedingungslos an, sondern verändert und
begründet nach seinem Verstände, was dem Volke gar nicht einfällt begründen zu
wollen, wie es denn nach jetziger menschlicher Auffassung überhaupt nicht begründet
werden kann. Dem Volke ist Glaube: CJlaübe, und in schlichter Treue überliefert
es sein heiliges Vermächtniss unangetastet den Kommenden, Grade aber beim wen-
dischen Konige sind mann ichfache Erzählungen im Volke auf literarischen Ursprung
zurückzuführen, wie deutlich nachweisbar ist.
Bei meinen Wanderungen in der Lausitz habe ich die Grenzen gefunden, wo
der wendische Konig aufhört, und nichts ist von ihm da in der preussi^chen Lausitz
bekannt, wo sich am meisten Wendenthum in der TJeb erlief er ung und Anschauung
tiodet^ südlich von Spremberg in der Gegend von Muskau und Hoyerswerda, wo eine
Marawuj Myrlata, Ssmerkawa, eine Dremotka uns recht volksthümlich entgegentreten,
freilich auch ein Windhans (w^teroc Hansko), und als männliches Gegenstück zur
wendischen Dremotka (^Schlummergottin^) ein deutscher Hermann*}, der wie ein
1) Und das alles noch nach Jacob Grimm, der uns durch eine Gunst des Schicksals
zu Theil warttt
2) äJan braucht nur an die literarischen Stammsagen s^u denken. „Die Grafen v. Franken-
berg führen drei Ziegel im Schilde und einen Luchs auf dem Helme. Sie stammen ab von
dem tapferen messenis^chen Generale Arislomenes, der um das Jahr der Welt 3641 lebte.
Dieser wurde einst von den Lac^dämoniern gefangen und in eine gemauerte Grube geworfen,
dtrinnen er sterben sollte. Er entdeckte aber ein Loch, welches ein Fuchs unter der Mauer
durchgegrabeo, brach einige Ziegel aus und entkam also glncklicb/ ü. d* m. Sinapius
Schiesischer Curiosit&ten erste Vorstellung. Leipzig 1790 (bei Haupt, II, 80).
S) Beiläufig t^emerkt, nennt leio bnrger Wende (wie in Veckenstedt's Sagen S. 21^ 23)
den Scbkissberg zu Burg (wendisch Borkowy) Burgberg, allgemein und ausnahmslos ist sein
Name Schlossherg (wendisch grod). Auch Haupt (U, 16j schreibt irrthumlicfa Burgberg.
4) Wend. Volksthum 67, ^^ 168, VeigL auch Haupt I, 13, der die anderweitigen
Quellen anführt, Berinann ivie im Deutscljen: Sandmann u. a, (uiederw. zaspicki). leb ge-
denke »uf diesen Hermann nnd einige hindere entsprechende VerbÄltnisse noch eingehender
zurückzukommen.
VcrbABiU. <itr B«rL JUtbropoL QaadJAcliAft IBSS. 5
(66)
aeltsames Fragezeicht'n durch das Wendenthum hindurchhlickt, gleichwie in def
Oberlau^itz und im Lande Bölieinij altdeutscher Heiiiiiith. lunge vor tschechischer
Ausbreitung, Pan-E»iftrich, Bern-Dietnch, Bariadicitrich, Bajiditterch^ Dyterbernat,
Dyter Beoada, Dykef^jadual, DjkeberBak*) noch wie ein Schlaglicht den Ruhmes-
scbimmer des mächtigen Dietncli von Bern asu uns heniberwirft, in Erianwing ao
Theodorich den Ostgotheu, unvergesshchen Angcdenkpoe bei den Völkern seiner Zeit.
I>a also ist nichts vom wendischeo Konige bekutint, der nicht wendisch ist und
nicht geschichtlich, sondern, wie er jetict vorliegt, eine allgemeine unbestiiurnte
Sttgeogestalt, durch die folglich vorgeschichtliche Funde in keiner Weise bestätigt,
werden können.
(12) Hr. W. y. Schuleoburg macht neue Mittheilung über
iten Topfach erben mit ftad Verzierung und prähiatorlsobe Erbse n von Mii sehen, Spree wald.
Auf dem mit eig*^Dthumlicben Beigaben reich besetz ton üroenlager von Wüschen
(Kreis Cottbus) fand sich unter vielen tausend Scherben von laiiäiJzer Typus, die
ich mehrmals durchsuchte, ein einziger (dem Märkiscben Museum ubergebouer) der
mit einem Rade verziert war. Dieses in erhabener Arbeit, 5,5 cm im Durchmesser,
etwa 5 mm abstehend, angebracht auf der Seiten wand eines Gefässes, ist zur Hälfte
abgeschlageo , jedoch erbalten drei Speichen und vom Reifen die grossere Hälfte,
Auch das einzige Kad, welches Wagner auf einem Scherben im ßurgwall von
Schlieben fand, war in erhabener Arbeit Ebenso nach Behla (Urnen friedhofe.
Luckau, IS82, 62) das Rad auf einem bei Garrfnichen (Kr. Luckau) gefundenen
Scherben (Sitzung vom 21. Oci. 1882, Yerh. S. 446).
Ohne auf einen Zusammenhang hinweisen zu wollen, darf vielleicht daran er-
innert werden, das« in der detitschen Mythologie das Rad dem Donar ynd Fro
(Freyr) zugeschrieben wird. Wenn auch in dieser Richtung einzelne Untersuchungen
noch ungenügend erscheinen, so sind die allgemeinen Beziehungen jenes zur Sonne
und dem rollenden Donnerrad doch sicher.
Auf derselben Begräbnissstätte kamen u. A. zwei gänzlich zerfallene ThongefUsse
(keine Urnen!) zum Vorschein, der^n Inhalt aus schwarzer Erde und verkohlten
Fruchtkörnern bestand. Von letztere n^ scheinbar Erbsen, habe ich s. Z. Proben dem
Königlichen, sowie dem Märkischen Museum übergehen; dortsei bst wurde indessen
keine Untersuchung veranlasst. Hr. Prof. Witt muck, dem kh eine Anzahl dieier
Früchte neuerlich wieder vorlegte, hatte die Güte, sie zu untersuchen und kam zu
der Ansicht, dass sie jedenfalls keine Erbsen, sondern mit aller Wahrscheinlichkeit
eine Art der Pferdebohne seien.
Hingegen erklärt Hr. Dr. Boller
^Dass die Samen nicht von Bohnen oder Saubohnen (Vicia Faba) herrfibreu,
unterliegt nicht dem mindesten Zweifel, Es sind, wofür ich sie mit einer ao Ge-
wiesheit grenzenden Wahrscheinlichkeit erkläre, richtige Erbsen, doch ist es unmog*
1) Ornhro!\Dn, Sagen aus Böhmen, Pra^ 18Ö3, 76; Hanpt, 1,^121, 128: ,DuTch die
Flor«n mancber Ortschaften zieht sish piop sogenannte Branilader, riiese nennen die Wenden
Dyter benmtowy püc, cL h, Dieter Bernhardts Wcf^.^ Vergl. auch Grimm, 11, 781 (Ab
Si'hnitt XXI, der «Is Quellen bezeichnet: Job. HorUsrhan^ky von 8iüen und Gehräurhen der
Wend<?n, 3. Abth. (Üessiiu und Görlitz 17S2;, LauBilz. Monätsschr. 1797, S. 74J*j Liehusch
Skyihika 287, und auf Berndietrich ab N.-itxien des wilden Jägers Im Ürlai^üU hinweist, auf
den versteinerten Bernhard am Bodekessel über der Rosstrappe, den von Fichte (einem Lau-
sitzer; Dietrich v(»n Bern genannten Knecht Rnprechl it. d. m.
(67)
Itch^ genau zu beatimmeD, ob sie von der echten uod wirklicheo Erbse un&erer
CultDren (Pisum sativum, L,) oder toh der ^«uen oder Ackererbse (Pisum ar-
veoee, L.) herstammen.
Letztere wird jetzt nicht mehr in der Mark angebaut, sondern kommt hier nur
als Ackerunkraut vor, Wohl aber ist sie in Preu*>aen ein Gegenstand sorgfaltiger
Cultur unter dem Namen der grauen oder preussischen Erbse. Die^ Samen der
letzteren, nicht erbsengelb, sondern grau voo Farbe und weniger nind als die ge-
wöhnlichen^ vielmelir ein wenig eckig, wurden anscheinend am allermeisten mit
den Torliegenden Proben zusammenstimmen, erlaubte der ziemlich firagwördigc Zu-
stand der Erhaltung ein genaueres ürtheil.
Pisum sativtim, unsere gewöhnliche Erbse, im Jugendzustand der Frucht als
Schote bekannt und beliebt, ist eine Pflanze nicht mehr bestimmbarer, wahrsthein-
Heb aber s^orderassi »tisch er Herkunft, Niemand hat sie in neuerer Zeit mehr wild
gesehen.
Ihre f'ultur muss der ribereinstimraenden Benennungen wegen in mehr als
einer Sprache, bei den arischen Völkern sehr froh eine allgemeine gewesen sein.
Auch sind Funde der Samen aus der Bronzezeit in der Schweiz und in Savoyen
verbürgt. Prof, Heer kennt sie sogar als Ueberbleibsel der Steinzeit, indem er
dafür als Lokalität die Pfahlbauten von Moosseedorf, gleichfalls in der Schweiz,
anfuhrt.
Alle diese prähistorischen Erbsen sind kleiner als die der Gegenwart^ unstreitig
durch Pflege und Sorgfalt im Laufe so langer Zeit verbesserten. Dies stimmt mit
den Dimensionen der unsrigen ganz ijberein und lässt auch die Annahme, es konnten
diese Platterbsen Samen gewisser LathyrusarteD sein, als unannehmbar erscheinen.
In seinem neuerschienenen trefflichen Werke Origine des plantes cultiv^a
fParis 1883) sagt Hr; Alphonse Decandoller Wenn diese Speciee sich auf die
Steinzeit in der Schweiz zurückfuhren lässt, würde dies ein Urund sein, sie als
bereits ?or den arischen Bevölkerungen dort vorhanden zu betrachten.
In sehr früher Periode war die Erbse (groch) bei den Slaven Gegenstand des
Ackerbaues. Dies heiläufig, denn die unsrigen datiren entschieden aus vorstaviBcher
Zeit her^ was ja auch nach Erwägung der oben angeführten Thatsachen durchaus
nicht Wunder nehmen kann ^ —
^
^
N
(13) Hr. V. Schulen bürg erörtert die
Uebereinetimmung deutscher und kaukasischer Safee.
Das in den Verhau dlungen S. 26*^ von Hrn. W. Dolbeschew mitgetheüte
Märchen ^Die drei Brüder" kommt mit Veränderungen in Deutschland ebenfalls
vor. Ich fand es in der Niederlausitz unter dem Volke auf, sciemüch ausführlich ^);
mehr bruchstückweise zweimal in Sagensammlungen Deutscher; wo, ist mir ent-
fallen.
Bei mir hat ein Vater 3 Sohne (ebenso bei den T,), der jüngste, dumme Hans,
mnss in die Fremde und bewacht hei einem Bauer l^ Nächte hindurch 3 Haufen
Grummet gegen 3 Pferde (weiss, braun, schwarz), worauf in der 3, die 3 Haufen
zu Gold werden. (Bei den T. fangt der :1 Bruder die 3 Rosse — Rappe, Fuchs,
Schimrael — und nimmt von jedem 3 Haare). Eine weisse Maus begleitet als
guter Geist Hansen^ der sich 7 Jahre stumra halten muss, über das Meer fahrt und
Gärtner bei einem Grafen wird. Dessen ledige Tochter lässt Freier sich vorm
1) W. V. Schulenhurgf, WenHiscbe Sagen. Berlin 1880. 8.
^—11 der goldene Apfel.
5*
Scblosse TPFsammeln^ H, darf zusehen. Wen sie mit einem goldnen Apfel triffi:^ der
soll der ihre mlu. Das Fratilein oifiiet im obersteD Stock das Fenster und trifft
zufallig H. So wird er ihr Gemahl; aber mao sucht ibn los zu werden. 3 mal in
den Kampf geschickt erhält er jedesmal besseres Pferd ond Waffen an einem Strauch
durch das Mäuschen; wird, verwundet, durch eioe 2^ubersalbe gebeilt, ^ch neidet
um Miltemacbt im Stall 3 Pferden (b. w. seh.) die Bäucho auf, aus deneu eiD
Graf, Gräfin und wunderschönes Fräulein hervortipringen, Yerwuo6cht<» Nachbarn,
— Dort bei den T. gewinnt der Jüngste beim Wettren oen in 3 Tagen die 3 Töchter
eines Forsten, die 3 Pferdehaare jedesmal los Feuer werfend^ und findet zu Hause
in der Erde vorm Kamin Gold und Silber, während die »wei bösen Bruder in SteiDe
verwandelt werden').
Die üebereiDstimniung ist in einigen Zögen sehr gross. Dort fehlt der SoDDeo-
m}'tbuSy und die Deutung der Pferde als Finsternif^se. Hr. Dolbescbew merkt au
^Finsleruiss =^ Tma, die uureine Gewalt". Niederwendisch ist sma Dunkel, Fioater-
niss. Der Scbluss lautet bei den T. ,,Vrin diesem Falle hörte mein Grossvater
von meinem Vater.** Herr Dol besehe w bemerkt: „Letzteres ist der gewöhnliche
Schluss, obgleich nicht verständlich,^ Wahrscheinlich sei es mehr oder weniger
ernst gemeint, soll er die Glaubwürdigkeit der üeberÜeferung (wie ein Stamrobaum)
bestätigen. Aehnlich schliessen unsere Sagenerzähler zur ßetheueruug der Wahr-
heit, obachon sie nur bis zum Grossvater oder der Grossmutter zurückgehen. Wenn
nicht weiter, liegt es daran, dass durch die Äusbreituug der Bücher das Gedächtniss
der Völker schwächer wird.
Auch die Sage vom Helden und Riesen (S. 271) zeigt unseren Sagen gemeinsame
Züge; namentlich beraerken^werth ist der einäugige Nogaie mit seinem Hammer
auf dreibeinigem Rosse und die Wiederbelebung der zusammengelesenen Knochen
des durch deo Hammer zerschmetterten Tschetscheneo.
Weitere denirtige üebcrlieferungeo derselben Mären mit vielem [>aDke zu be-
gruBsen.
(14) Hr. E. Fr i edel berichtet über
neue Funde In der Onterspree innerhalb Berlins.
Bei den FuEdirungsarbeiten fiir die neue hölzerne Lessing- Brücke in Berlin,
welche die Slrom-Strasse mit der Lessiiig- Strasse verbindet, sind tiefere Schicht*
proben des alt-alluvialen Spree*Grundes zu Tage gefordert worden, welche ich im
September 1^82 untersuchtet Dieselben enthalten im scharfen Flusssande folgende
subfossile Conchylien :
A. Muscheln.
h Anodonta (Fragmente),
2, ünio tumidus Retz,
3» V, pictorum L*,
4. Cyclas cornea L,,
5. G. Rivicolft Lara ,
6. C* solida Normand,
7. Pistdium amnicum MülL,
8. F. ca-zertanum Poli,
9. F. henslowianum Shepp,
B. Schnecken.
L Paludina contecta Millel,
2. P* fasciata Müller,
3. Bjthinia tentaculata L.,
4. B. Troschelii Paasch,,
5. Valvata contecta Müll.
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1) Vergl. auch Veckenstedt (wendkcb. Sagen, Graz 1880, fi6% wo in der abgekürzten
Sage ehenfnlls drei Brüder wachen.
Vermischt mit diesen Coachylien finden sich io derselben Schicht viele häufig
gespalteoe oder abgesägte bezieheatlicii abgeschlageoe Koocheti Ton starker ßräunuDg,
Dach dem dicken und glänzenden Periosteum zu schHessen wenigatenfi theilweise
voG Wildthieren herriihrend, vermischt mit groben aus niil Steingrus vermengten
Thon gefertigten Oefässscherben, worunter ich verzierte bisher nicht gefunden habe,
desgleichen geschlagene Feuersteinsplitten Alle diese Beste mÜB3(*n viele Jahr-
hundert« im Wasser gelegen haben und dürften wendischer Herkunft sein.
Die Funde erinnern an die von mir bei der Lunebnrger Strasse hieraelbst im
Jahre 1881 gemachten nnd Verh. Band XIV S, 1S7 beschriebenen Funde aus der
Spree und vom Rande derselben«
(15) Hr F* Jagnr übergiebt einen Auszug aus einem
neuen Bericht über ille Andamaneaen.
Mr. M, V, Portman giebt Nachrichten über die Andamanesen ^), die um so
werthvoller sind, als er seit Juni 1879 amtlich mit der Sorge für das Wohl der-
selben betraut war^ ihre Sprache erlernt und im Walde mit ihnen kampirt hat.
Nachstehend ein Auszug mit besonderer Berücksichtigung dessen j was unsere
früheren Mittheikngen (Verb. 187C S. 18, 1877 S. 13, S, 428, 1880 S. 409) ergänzt
oder von ihuen abweicht. Früh Morgens werden die Feuer angeblasen j die Deber-
bleibsel der Nahrucgsraittpl verzehrt; die Männer gehen auf Jagd oder Fischfang,
die Zurückbleibenden machen Bogen, Pfeile, auch Topfe-}. Ihre Moralität lässt viel
zu wünschen. Sie essen nichts roh ^ rühren keine Austern an, früher wohl. Sie
können nicht über zwei zählen. Kinder dürfen kein Schweinefleisch essen und kein
Scbildkrolenfleisch anrühren, bis sie mannbar geworden sind, das erste Schildkroten-
essen wird durch Tanz und viele Cerenaonieu gefeiert*). In der Regel werden
Mannerleichen auf Gerüsten in Bäumen ausgestellt, Weiberteichen begraben.
Die Süd-Andamanesen*) sind im schnellen Aussterben begriffen, weil sie mit
der Civil isatiou in zu nahe Berührung gekommen sind. Sie gehören alle einem
Stamme, dem der ßojingiji an, der früher in mehrere kleinere zerfiel, von denen
aber nur noch geringe üeberbleibsel vorhanden sind.
Auf der Mittel-Ändamane im Osten, Nordwesten und Centrum und auf Interview-
Eiland wohnt ein ganz neues Volk, ein grosser niächti;^er Stamm, die Aka Kedes;
an der Westküste ein kleiner Stamm, die Aka Jawais, die einen Uebergang zu
den Bojingijis bilden; die Sprachen dieser Stämme sind ganz versehiedeCj ebenso
die Form ihrer Bogen. Weiter nördlich sind die Hütten schöner und sorgfältiger
gebaut, die Hautfarbe der Männer ist rother.
Die Aka Juru, gering an Zahl, wohnen im Süden der Nord-Andamane, die
nördliche Hälfte dieser Insel wird von den Aka Ghariars eingenommen. Die Aka
Eris scheinen in der Mitte der Insel zerstreut zu leben. Die Sprachen aller dieser
Stämme sind guttural, ihre Kochtöpfe aind V förmig, die der übrigen Andamanesen
I
1) Jonrn, R. As. 8oc, Lond. Oct 1881.
2} Nach den mir gemachten Angaben tioHlen Topfe nur von Frauen an^fertigt werden.
3) unter den auf der Viptr Insel verpflegten Andamanesen wurde diese Vorschrift lur
Zeit meiner Anwesenheil (1B75) nicht beobachtet. ». .,. ein anderer (kleiuer Knabe) schabte
mit einem grossen Messer von einem Stück Sc bi tdkröte das Fett ab und bot ^s mir dar, ver*
schlang es aber seibat mit Behagen, da ich ea nicht annahm.** (». Verbamll 11. Febr. 1877.)
4) Ei sind diejenigen, ujjt denen kh 1875 verkehrte.
(70)
wie eiu U geformt; ibre Bogeo sind yerscbieden Ton denen der Südauaaojauesea
und schöner.
YoD den Jarawa Stammen^) haust einer 5 Miles westl., ein anderer ebenso-
weit 8Üdl. voQ Port Blair, Bis voriges Jahr wusst** man nichts von ihnen, obgleich
sie in so grosser Nähe der seit 20 Jahreu bestehenden Niederlassang wohnen; ihre
Existenz sogar wnrde von erfahreüen Beamten iäeherlich getuacht. Selbst Mr. Man
giebt eine ganz unrichtige BeschreibuDg von ihoen, Bei eioer Expedition 1880
gegen den Weststamm wurde ein altes Weib gefangen, ihr Haar war weiss und
ungeschoren, sie war unbekleidet, trug nur, wie alle Jaiawaweiber. eine Schnur
(a wreath) mit einer Pnschel um die Hüften, statt des BlatteB, Bei einer anderen
Expedition, etwas nördlich vom Port Mouat, wurden ein alter Mann, 3 Weiber,
6 Kinder gefangen, nach Fort Blair gebracht, bald wieder frei gelasseu, Ihr Vo-
knbulor ist ein ganz fremdes. . . . Die Bewohner vom Centioal-Eüaud sind wahr-
scheinlich mit denen von Klein*Ändaman identisch.
Klein- Ändaman- Eiland ist nach einigen das Centrum, von wo die Jarawas
herstammea; es ist sehr schwer zugänglich und daher wenig bekannt* 1873 be-
suchte General Stewart die Insel, um freundschaftliche Beziehungen anzuknüpfen,
wurde aber zur Selbstvertheidigung zu schiessen gezwungen. Bei einer späteren
Expedition zur Bestrafung von Mordthaten wurde ein Koabe gefangen, nach Port
Blair gebracht; man behandelte ihn mit der groseten Gute, als er aber eines Tages
sein Bild im Spiegel gesehen, nnd vielleicht angenommen hatte, dass ihm einer
seiner Landsleute erschienen sei, zehrte er sich ab und starb.
Bald daranf fing h\T, Homfray einen Mann und eine Frau, vielleicht die
Eltern, da sie eich ohne Widerstand abführen Hessen (Verb, 1877, S. 35).
Die Eingeborenen diesor Insel sind immer feindselig; bei einer Expedition
1880 wurde auf Oberst € ad eil und Mr, Port man geschossen. „Die Leute, die
ich aah, glichen durchaus denen der Centinal-Insel, ihre Bogen und Canoes gleich-
falls; sie waren mit gelbem Thon eingerieben, ihr Haar ungeschoren.
Im November 1880 ist Mr. Portuian an einer neuen Expedition betheiligt,
versucht Freundschaft zu schliessen, l&sst Geschenke an's Land schwimmen, seine
Leute nähern sich den Eingeborenen schwimmend; endlich kommen einige der
Letzteren an den Strand, Bogen und Pfeile mit deu Zehen nachschleifend, „wir werfen
mehr Geschenke aus, plötzlich scLiessen zwei oder drei Eingeborene und verwunden
einen unserer Sikhs, wir erwidern aber nicht das Schiessen*'.
Bei der Rückkehr von Car-mcobar besuchen wir abermals Klein-Andaman*
Eiland, schwemmen Geschenke ans Land, sie weiden angenommen, ich sende einige
Ändamauesen mtt Geschenken aus, die Jarawas lassen Bogen und Pfeile fallen,
kommen ihneti entgegen, höchst freundschaftliche Begegnung, sie umschlingen ein-
ander mit deu Armen, springen auf dem Sande herum ujad jauchzen. Wir landen
nicht, um sie nicht scheu tu machen. Nach einer Stunde riefen wir unsere Leute
zurück, sehr erfreut über unseren Erfolg. Dm J 1 lande ich mit neuen Geschenken,
wahrend Oberst Cadell mich vom Boote aus bewachte. Drei meiner Leute nähern
sich den Jarawadas, kommen aber schnell unter ei Dem Regen von Pfeilen zuriick-
gelaufen; gegen dreissig Kerle stürzen aus dem Walde und schiessen auf uns, so
endete unser letzter Versuch.'' Nach einem Vergleiche der Bogen verschiedener
Stämme beschreibt Portman die Hütten der Kleio^Andamanesen als grosse Bauten,
oft BO Fuss hoch. Der Oberst maass eine von 60 Fuss Umfang. In der Mitte
1) In d©n Verhandl. 1877, 8.63, sind die Jarawa nach Mr. Homfray's Schreibart Juni-
vaddah genannt.
(71)
i*teht eiu Pfahl, 6 bid 8 Pfähle um Um, üaiitj nach etwa 6 Fuss Zwi^acbenraum ein
Kreis voo kürzeren Pfählen, über welche sich das Dach ausbreitet bis es den
Boden berührt. Kleine Locher am Rande gestatten den Bewohnen] hineinzukriechen.
An mehreren Stellen in Norduodaman-Eiland b*^merkte Portman ähnliche Hütten,
aber kleißer. Im Innern waren Plätze durch Stammslücke, die wohl als Kopfkissen
dienen, abgetheÜt. Gegen 6 Fuss über dem Boden liegen Gestelle zum Aufbewahren
von Nalirungsmittelnj Waffen etc. Der Boden der Hütte bestand aud den gewöhn -
liehen Kuclienabfälien. Auch kleinere Hütten nach demeelben Muster wijren vor-
banden. Gewöhnlich standen diese zu fünf im Kreise, Da« Auffallendste ist, dass,
obwohl die Jarawadas auf der Hauptinsel Jahrhunderte hindurch in nfichster Nach-
barschaft der ßojiügiji gelebf hoben, sie immer Feinde waren, dass ihre Bogen und
ihre Sprache gänzlich verj?chieden sind, dass sie einander nicht kennen, aber fürchten.
Die Jarawadas verw^endcn gelben Thon, die andern rothen nnd grauen, ihre Canoes
Bind roher, haben keinen Schnabel, ihre Schmucksachen aber sind viel schöner als
die der Gross -Andamanesen. Die Nahrungsmittel sind dieselben, die Netze und
Kürbe auch, aber gröber. Sie tnigen nur die Unterkiefer ihrer verstorbenen Ver-
wandten, keine andere Kochen. Alle Andamanesen verfallen in Waldbewohner
(Ereratagas) und Strand bewohner (Aryitwtos)* Die Bewohner der grossen Andainane
theilt Port man in zwei durch ihre Bogen j ihre Sitten, ihre Sprache bedingte
Gruppen,
I, Die nordiich der Homfray -Strasse wohnenden Aka^Chariar, Aka-Eri, Aka-
Jaru, Ak&-Kede und Aka-Jnwai, die gleiche Sprache und gleiche Bogen haben.
Alle diese nördlichen Stämme tatowiren sich auch in gleicher Weise, nämlich drei
breite Striche längs des Rückens (auf dieser Eigenthümlicbkeit beruht z. Th. die
Classificadon),
Die Bojingiji^ umfassend die Bojingiji, Bojigiab und Balawa, fast alle wohnen
südlich der Böaifray-Strassc, haben gleiche Bogen, ßojingiji ist die gt^mcinschaflliche
Basis ihrer Spraciien. Sie sind über den ganzen Körper in Mustern tStowirt'),
Zum Schluss hebt Mr. Port man die merkwürdige Thatsache liervor, dass so
viele kleine Stäoime auf einer winzigen Inselgruppe lebend und offen t>ar von ur-
sprünglich gleicher Abstsimraung, wie ihre zwerghafic Gestalt, schwarze Farbe
und Verschiedenheit von allen rings um sie wohnenden Rassen zeigt, nicht nur
verschiedene Sprachen reden, verschiedene Waffen führen, einander als Feinde be-
gegnen, wenn sie zusammentreffen, sondern auch vor Gründung der Niederlassung
in Port Blair thatsächlich von ihrer gegenseitigen Existenz nichts wussten,
^Ich nehme an^ dass vor unserer Niederlassung die nord liehen Gruppen den
böchsten Cuilur/ustaod erreicht hatten, dass die südlichen Gruppen nach ihnen
kommen und die Jarawadas. aus denen möglicherweise alle übrigen hervorgegangen
sind, am tiefsten stehen. Klein-Andnmau*Kiland ist äusserst dicht bev cd kerr, wanim
soll dies nicht auch früher mit der grossen Andaroane der Fall gewesen sein?
Jetzt aber ist in Folge verschiedener mit der Civilisation eingedrungener Epidemien
der grösate Theil der südlichen Abtheibjog ausgestorben, obgleich Krankenhäuser
errichtet und die Kranken sorgfallig aufgespürt und eingeliefert werden; sie werden
1) Die südlich der ITomfray-Strasse wohnenden Andamane^<»n, mit denen ich einen Motiat
Jung verkehrte, waren gar nicht titowirt: sie verzierten ihren KTirper gelegentlich durch Auf-
tragen von welsMin und rolhem Thon in Mustern, mj»ehlen sU-h auch mit Glasscherhen Ein-
schnitte in di« Baut, aber weder an bestimmten Stellen, noch nach bestimmten Regeln,
r namentlich als Hdlmitteb wohl kaum zur Vfrschonpning; die kleinen Narben kommen iiiif
^der schwaTxen Haut kaum tAw Geltung. Hoffentlich erfabren wir bald dnrtb Hrtj. Portman
wie die Tat o wirungen iiusgtffuhrt werden?
(72)
aber too Knuilüieilca hri— ywfht,
Pflege getiogeo wird, imd wMkt
iaoerhaJb weniger Jalife TcrtdiviiMleC.
Dm einzige, wa» wir tbaa kooBei
Bcboiieii umI to fcfaiiell »k »dgisefc i
iUrlMO M juu» bevOT die Wii
liUa fittvis «eitles, daa» die Bme
iit die Bocfa Oebericbeadea torglillif sn
ies m B^refeode so eifofciiep, vmU
nt ilioeB geoaoer bek&aoi geworden ist
(1$) Hr Virchow tdgt pholopspidiclK AnÜMkineB der Fände ron Mmdi-
•onTilie to Okto, wekbe ibm dtireb Hm. Dr. GasUv Bröbl in Cincinand za-
gtfßttg<tü ftind. Er bebilt neb tot, spiter anl diene Aagelefnabett xar5cle sa
(17) Hr. O. FUseb^ jeUt in Bero, berlcbtet ^h&
Id dem Dorfe Etcbbach bei üsiDgeo, Regiernngabesirk Wienbaden, wobnt eine
Paoillie» io welcher oebeo drei normal gebildeten drei ansgenpfndien microcepbale
Kinder leben. Dem fTeuodlicben Entgegenkommen des Hm. Sanitätsratb Dr, Ho sen-
kranz, KönigJ. KreUpbj^sicQB in Usingen, rerdanke icb die Möglichkeit, diese
Familie und speciell die microcephalen Kinder einer üntersncbong zn unterziehen,
deren Ergebnisse hier folgen.
Die Familie besteht aus dem Oeconomen Hofmann, dessen Fran und 6 Kin-
dern. Beide Eltern stehen im Alter von etwa 50 Jahren (die geoane Zahl habe
icb Terainmt zu er&agen), sind gesund und geben ausdrücklich an, dass bei keinem
ihrer Verwandten ähnliches vorgekommen sei. Frau Hof man d bat einen nicht
unbedeutend asymmetrischen Kopf; es ist die linke Stirnseite deutlich Bacher als
die rechte, anscheinend ist dagegen die rechte Hinterbaoptshälfte etwas flacher als
die linke. -Das Haar des Mannes ist dunkel, jenes der Frau licbtbraun, gleich dem
der Kinder,
Frau Hof mann bat 6 Kinder geboren, welche sammtlicb leben:
1. Johannes Hofmann, jetzt 25 Jahre alt, microcephal,
2. Katharina Hofmanu, jetzt 20 Jahre alt^ microcephal,
5. n. i. Zwillinge (ein Knabe und ein Mädchen), jetzt IG Jahr alt, normal,
d. Knabe, jetzt 15 Jahre alt, normal,
6. Lisette Hofmann, jetzt 12 Jahre alt, microcephal.
Die Schwangerschaften verliefen sammtlicb normal, die Geburten leicht» Be-
sondere Beschwerden, von der Zwülingsschwangerjscbaft abgesehen, haben nie be-
standen und werden speciell für die Uicrocephaleo ausdrücklich bestritten.
Von den Kindern waren aur Zeit meines Besuches im Hause anwesend die
beiden microcephalen Mädchen und der IGjäbrige (Zwillings-) Knabe. Der ältere
microcepbale Sohn war mit einem Bruder auf dem Felde. AusführHche Messungen
konnten nur an den Mädchen Yorgenommen werden; auch diese nach Lage der
Sache nicht mit absoluter Genauigkeit, da es zweckmässig schien, dieselben nicht
entkleiden zu lassen, da ferner das dichte Haar die Kopfmessung erschwerte. Jo-
bannes Hofmanu wurde nachträglich auf dem Felde aufgesucht, wo eioige Haupt-
maasse genommen wurden; hier beschmnkten sich dieselben natürlich auf Tasteirk el
und Bandcuass; von den Köpfen der Mädchen wurden, unter freundlicber Assistenz
des Hrn. SaDitätsrath Dr. Rosenkranz und des Hm, cand. med. Berthold Guten*
berg aus Darmstadt Curvenmaasse nach einem toö Hrn. Dr. Rieger in Wurzburg
(73)
eatworfenea und gemesfieneDy mit Hrn. Dr* HanB Virehow ausgebildeteo Systeme
aufgenomtDen.
L Johaones HofmaDU, 25 Jahre alt. Derselbe war auf dem Felde, etwa 2 km
vom Hause mit eiDem jüngeren Bruder beim Koroschneiden beschäftigt Bei unserem
Kommeu war er ziemlieh indifl^ereiit und arbeitete alsbald weiter, nach unserem
Weggang schaute er uns aber längere Zeit nach, gesdculirend und aascheiuend mit
seinem Bruder sprechend; seine Arbeit thut er langsam, aber mit grosser Ausdauer.
Die mil der Sichel geschnittenen Bündel legt er gewissenhaft in die Rechen; er
nimmt beim Schneiden mehr Dukraut mit, aJs andere thun würden. Er kennt das
Unkraut; eioe Distel nennt er mit Namen. Seinen Namen kennt er; aufgefordert
denselben atu schreiben, malt er einige Schriftziige auf ein Yorgebaltenes Blalt und
sagt dann: das heisst Johannes Hofmann (Fig. 1). Den Messungen unterzieht er
Fig, 1.
Schriftprobe des Johannes Hofmanu.
»ich jetzt willig; überhaupt soll er durchaus gutartig sein. — Haare dicht, licht-
braun, Auge graublau, mehr nach grau. Sehr dicke Kopfschwarte. Der Kopf ist
flach, die Stirn fällt flach ab mit massiger Vorwolbung der Augenbrauen -Gegend,
Das Kinn tritt verhältnissmassig wenig zurück. Die PnpiJlen sieben centrisch und
reagiren gut auf das Licht. Dm rechte Ohr ist abDorm gebildet durch auffalleode
Breite der zwischen Belix und Anthelix gelegenen Flache; doch ist die Missbildung
nicht so bedeutend, wie bei der Schwester Katharina. Die Wangen zeigen ziem-
lich starken Bartansatz aus hellen Haaren; im Gesicht ist auch sonst ziemlich er-
hebliche Lanugo- Bildung verbreitet Die Zähne sind defekt, regelmässig angeordnet;
die oberen Schneidezahne sind stark abgeschliffen^ ausserdem unregel massig aus-
gebrochen. Der Unterkörper erscheiut relativ schlank gegen den Oberkörper; der
Bau ist ein kräftiger, die Haltung des Kopfes nicht in dem Maasse vorgebeugt, wie
bei den Schwestern und anderen Microcephakn.
2. Katharina Hofmano, 20 Jahre alt (Fig. 2 u, 3). Kalharioe ist klein, geht vor-
wärts gebückt Sie erscheint etwas plump, ist aber schnell zutraulich und heiter.
Sie spricht alle Worte nach, antwortet auf einfache Fragen richtig. Sie kennt Far-
ben und nennt dieselt»en correkt (u. a. einen blauen Streifen an der Wand; ein
roth gefärbtes, jedoch grün schillerndes Tuch nennt sie erst buot, dann roth). Ihr
Alter giebl sie richtig an. Sie hat Kinder sehr gern und verkehrt viel bei einer
Nachbarfamilie, wo solche mit ihr spielen. Wahrend unserer Messungen ist sie
sehr geduldig, trotz deren langer Dauer und Unbequemlichkeit, Der Kopf ist nie-
drig, die Stirn fällt flach zur Nase ab; die Kleinheit des Hirntheiles ist durch die
Dicke des Haarwuches verhältniss massig wenig auffallig. Das Kinn steht nicht
auffällig zurück, doch mag hier die starke Fette nt wickeln og eine etwaige Klein*
heit des Unterkiefers etwas verdecken. Gesichtsfarbe blühend, hell. Stark vor-
gewölbtes Doppelkinn* Auf den Wangen ist reichliche Lanugo vorhanden* Das
Kopfhaar ist lichthraun, sehr dicht, die Kopfschwarte dick. Auge graublau; Pu-
pilten etwas esteentrisch lateral oben stehend, reagiren gut auf das Licht. Das
rechte Ohr ist missbildet; das zwischen Hei ix und Anthelix eingefasste Feld ist in
der Hohe der Spine helicis ca. 23 mm breit (liDkea ca^ 14) und in sei Dem mitt-
leren Tlieil wie durch stumpfkaotige Knickung nacb aussen gedriingt. Die Zäbne
Bind regelmässig^ angeordnet, schön entwickelt: beide oberen Weisheitszahne liegen
Fi^, 2, Portrait-SkizÄ*.
Fig. 3. Köpf-Ciir?e.
Käthchen Hofmann.
Erklirung lu Fig. S. — Sagittal bogen. — Fronlile Böjjen, ---- Horixontil -Ebene (durch
Glabeüa und Protuherawt, Occ, ext.). Obere Horizonlal-Kbene (2 cm über der voTigeu)
von den frontalen Bögen ist h der Ohrlochbogen. o und c sind anfgenommen über der Mitte
des Abstaridea gi — o bezw. o — pe. - gl — pe Grundlinie zwischen Gl&hena (7/) und
Protuberanz p «. — 0 Projectloiispünkt des Ohrlorhbogens,
bereits frei, der dritte linkt* untere Backzahn fehlt durch Carieß. — Der Ober-
korper wird vorwärts gebeugt getragen. Die Brüste sind anscheinend wenig ent-
wickelt, der Bauch ist sehr dick. Der linke Daumen fehlt durch eine Verletzung
in früher Jugend. — K, hat die Periode regelmässig seit ihrem 18. Lebensjahre*
3, Lisette Hofmann, VI Jahre alt (Fig. 4 u. ö), das jüngste Kind der Familie,
ist anfangs scheu, später wird sie dnrch einige Kleinigkeiten, die ihr geschenkt
werden, sehr zutraulich» Sie kennt Farbeuj wie die ältere Schwester, unterscheidet
Ol. a. sehr gut roth und grunj sie stellt Fragen, verlangt das ihr geschenkte buaie
Tuch und äussert Freude. Bei den Messungen hält sie gleichfalls sehr geduldig
aus. — Der Kopf ist relativ etwas höher als bei der Schwester; die Stirn fallt
flach ab; der Unterkiefer steht nicht unerheblich zurück, L. tragt den Kopf etwas
nach vorn gestreckt» Das Haar isf hellhrauu wie bei den Geschwistern, lang wöd
dicht; die Augen sind graublau, mehr nach blau hin. Pupillen reagiren g^M^ ^g^^w
central Auffällig ist das starke üebergreifen der Sclera oni oberen Q^^* -o?» ^^^
Cornea; die Ohren sind normal gebüdet. Gesichtsfarbe biass. ZieocwV^^ j3ö5**ä
l/anugo auf der Oberlippe. Die Zäbne zeigen enorm starke Weinsteiii^'^;;^x**^^^ aäöc^o^*
Der Durchbrach der bleibenden Zahne ist in etwas unrege 1 massiger "W&^i^^*»^ .^^ -^^Sfe
Schnftprabe der Lisette Hofmaaii.
Die drei microcephalen Kinder zeigen in ihrem K5rperbau keine Spur ^cn
Rachitis. , Bei alleu besteht keiü Speichel fluss, die Zunge wird gerad herauFgestreckt»
Der Schlaf bei allen dreien ruhig, ungestört- Sie essen alles, was sie bekornnjen;
sie halten sieb rein. Auf der Strasse weichen sie Oindernissen aus, so dass sie
ohne Gefahr aus dem Hause können. Besondere Erkrankungen sind nicht vor-
gekommen.
Maasse (in Millimetern)
Johannes
fiathebtii
Li&eti«
a, Kopfmaasse.
Hork o n t al - ü mfan g
Sagittal-Bogeii , .
Ohrl och bogen . .
453
428
253
912
)im
254
413
256
Miasse (m Millimeter o)
(h6«Bte Länge
Grtete Breite
Joch böge Q-ßreite , . . .
Hohe des Gesiebte
Breite am önlerkiererwinkel ........
Abstand der Spina, meot. anr. vom ünterkiefer-
winkel (rechts jj^emesdeti)
Hube der Naseo
Höhe der Augenhohle .
Breite der Augenhöhle
JohiDoeB
143
IIS
116
130
102
85
52
31
86
Kitbchen
fa. Ktirpermaasse.
KörperlioKe .,,...,.,
Schulterbreite (incl. Kleider)
Breite des Becken» mdq D&rmheitikniiim (incL Klei-
dung) . » .
Länge der rechten Oberextremität
, , linken «
ReohleT Oberarai
, Vorderarm
^ Carpufi
, Mittelßiiger ...........
tlöhe ironi Darmbein kämm zyr Sohle
^ „ Knie tut Sohle ........
1570
325
U2
715
702
855
296
79
117
1170
530
188
1S6
HS
190
100
90
4b
28
85
1460
810
310
663
663
298
212
75
98
959
443
Lisette
c. Messungeti des Kopfes an Rieger-Viro ho waschen Curven^).
Abstand der Glabella von der Protub. occip. ext.
Breite der Basis des Stirnbugeus .**...
Höhe des Stirobogens ..........
Breite der Basis des Ohfbo(fen«
Hohe de« Ohrbogens
Breite der Basis des Occipitji 1 bogen s . . . . .
Höhe des Occipitalbogens ,
138
100
50
122
66
120
60
135»)
llß«)
107
106
01
78
40
1821
295
564
594
293
204
71
84
820
410
134
102
108
69
110
5«»
1) An den CurTen jj^emessen.
2) An den Cunren gemessen.
S) Bemerkt werden muss tu diesen MaasseD, dass sie lu keiner Weise mit der Exa<;theit
ausgeführt werden konnten, das» alle Curven absolute Uebereinsiimmnng zeigen. Eine nicht
nnbedenteude Erschwerung erwuchs ans der uusymmelriseben Stellung der Ohröflnungen.
Möge weiter in Berracht gezogen werden, d^iss die Messungen deA jungen Mannes auf freiem
Feld, die anderen in einer Stulie^ in welcher i;leicbzeitig der Tüncher die De^ke bearbeitete^
in grosser Eile auÄgeföhrl wurden. Möge auch meiner geringen Uebung in der Angewendeten
Methode Rechnung getragen werden. Immerhin wird das aus den Curven resultirende Bild
(77)
»
I
Leider kaou die Bescbreibuog hier nicht viel mehr bedeuteu, als eine Ver-
Diebruog der allerdings Doeb kleinen Casuistik. Zur Aetinlogie der Microcephalie,
die hier einen ziemlich hohen Grad, wenn auch Dicht gleich dem bei den Kindern
Becker vorliegeuden, erreicht, köonen wir nichts neues beibringen. Insofern eine
üebertragung irgend welcher Art von Seite der Eltern in Betracht gezogen werden
sollte, musste dies hier wohl nach der Seite der Mutter geschehen, mit welcher Id
einigen Punkten die Kinder mehr AehnlJchkeit zeigen. Für die Kleba'sche Auf-
fassung bezüglich meehanischer SU'kungen während des iutrauteriDen Lebens ist
diese Beobachtung nicht zu verwerthen; ebeoiowenig kann man sie aber direkt
gegen jene Anschauung anführen; der Grad der Erkrankung ist geringer; die yer-
rautheten spastischen ContractioneD waren vielleicht nicht heftig genug, um Schmerzen
zu erzeuge D. Kommen lokale EioflriBse in Betracht? Crelinen fehlen in Eschbach
und überhaupt in dem Becken, in welchem Usingen und Eschbach liegen, wie mir
Hr Physicus Dr. Rosenkranz mittheilt: dagegen kommen solche in den Ort-
schaften auf den umgebenden Hohen vor. üebrigeus ist ai/ deu drei Midrocephalen
nichts Cretineuhaftes zu sehen. Demnach durfte auch ein cansaler Zusammenhang
mit den in jener Gegend vorkommeudeu Midaria-lnfectionen auszuscbliessen sein.
Auffallig und vielleicht weiterer Nachfori^chung werth sind linige Erfahruugoa aus
der Praxis des seit fast '30 Jahrtu dort wohuenden Hrn. Dr. Rosenkraüz. Der*
selbe hat eine ganze Reihe (wenn ich mich recht erinnere 10 oder 1 1) von Kindern
mit Spina bifida, die aammtlich gestorben sind^ behandelt; dazu kommt eine Beob-
acbtuog von zwei aufeinanderfolgenden Geburten anencephaler Kinder einer Frau,
endlich noch ein weiterer Fall von Microcephalie, der indessen im 2. Lebensjahr
gestorben ist. Beachten s werth ist diese Häufung verwandter Bildungen immerhin.
Ich beschranke mich auf die Mittheilung des Thatsäcblicben. Anch dieses ist
leider unvollstäDdig; fehlen doch wichtige Angaben u. a. Üb^r das genaue Alter der
Ellern, das etwaige Vorhandensein eines Kropfes bei Frau H., LMessuugen der nor-
malen Familiengtieder. Eschbach ist nur 2 Stunden von der hekanoten Saalhurg
im Taunus entferut und werden andere Fach genossen vielleicht Gelegenheit nehmen,
die auch der landschaftlichen Reize nicht entbehrende Tour vorzunehmen; vielleicht
wird es denselben gelingen, nachdem die erste Untersuchung ^ bei der immerhin
einige Vorsicht notbig war — die Scheu der Familie überwunden hat, weiter vor-
zudriugen, ab es mir in der kurzen zu Gebote stehenden Zeit möglich war.
Hrn. Sanitütsrath Dr. Rosenkranz sage ich für sein Jiebeu&würdiges Entgegen-
kommen herzlichsten Dank.
(18) Hr. Tr eiche 1 schreibt über
westpreusslsohe Spiele.
L Schimmel, Fastnachtsb engst und Gwizdi in Westpreussen.
In der Sitzung vom 21. Januar 1882 kommt Hr. W. v. Scbulenburg in seinen
Mittheiluugen zu sprechen auf den Siebreiter, der nach einer weitverbreiteten Sitte
io unserem Vaterlande, sowohl unter Deutschen, wie unter Wenden, zu einer ge*
wissen Zeit (Weihnachten oder Fastnacht) im Aufzuge einhergefährt zu werden
pflegt Da eine merkwürdige Coincidenz der Thatsacben mit dem Empfange dieser
ein treneres und aBSchanlicheres sein^ als es irgend sonst möj^licb gewesen wire. In Fig. 3
ist leider die Busis des Occipitalbogens dnrch nn Versehen bei der ersten Zeichnung etwas
zu weit nacb hinten verlegt; ich habe vorgezogen, diese Ungenuuigkeit zu reprodaciren, nm
Aendetungen der Zeichnung lu vermeiden.
(78)
gediucktuu MiUheiluDg mir cißig« gleiche Miltheüungeo aus Westprcussen brachte,
80 möchte ich Dicht unterlassen, zur Vervolbtäiidiguog des Bildes, sowie behufs
AufstelluDg einer Parallele zwischen Deutschthum, Polenthuai und Wendeothum
hiervon in all(*r Kfirze eitve Schilderung zu geben. In diesen mythischen Gebildeo
kooamt der alto heidnische Glaube wieder zum Vorschein und Götterbilder und reli-
gioae Gebräuche, die ihrer Harmlosigkeit wegen selbst mit dem alten Namen oder
doch anklingend an diesen von Seiten des Christenthums Duldung erfuhren» leben,
wie hier auch Wotau's Schimmel, als MumraeDschanz oder Spiel noch fort im
Kreise der VolkssitteD,
Die erstere Miüheilung verdanke ich der Gute dea Fräulein Elisabeth Lemke
in RombitteD bei Saalfeld in Ostpreussen und begreift sie die oben genannte
Lncalität. Der Schimmel kommt! heisst es, wenn er und seine Zeit im Anzüge.
Einige Tage vor Weihnarhten verkleidet sich ein Mann oder Bursche als Schimmel*
Ein verschieden gestaltiger Pferdekopf aus Holz, ein grosaes weisses Laken und ein
Paar Stangen genügen zu seiner Metamorphose, Er hat eine Glocke in der Hand,
um sein Kommen aaaeigend einzuläuten. Sein Aussehen wird wie Fig. L geschildert.
Fig. 2.
Fig. 3.
Doch sieht das ÜDgethQm auch wie Fig. 2. aus, bald auch noch anders, wenn auch
immer die Grundidee befolgt wird. Der Schimmel muss fortwährend tanzen, springen
und mit dem Schweife wedeln. Der Bursche, der ihn daratellt^ leistet oftmals Du-
glaublichea im Krunrmgehen und in schnellen Weiidungen. Von Rechtewegen ist
der Schimmel mit dem Reiter verwachsen. Der Reiter peitscht sich selbst, d. h,
die weissen Tücher, die um ihn herum gesteckt sind, um ihn xum Schimmel su
stempeln. Der Reiter steckt auch im Pferde und dadurch, das» er sein eigenes Haupt
frei erheben kann, entgeht der Künstler der Pein, sich anhaltend bücken zu müssen.
Diese regelmässige Maske würde sich also dergestalt ausnehmen, wie hei Figur 3. Aoi-
(79)
ttabmsweise und zerstreut kommen audi die anderen Weiaeu der AuffiibruDg zum
VoFÄchein, dass der Acterr sich föf die Vorstelluog fortwEbrend bücken myss.
Die ibn begleitenden Darsteller sind dann noch die foIgendcDi
1. Die Nfusik: ein ausgeputzter oder nicht ausgeputzter Harmonika-Spieler;
2. Der Bär; ein kolossaler Baufeii Stroh, der ura einen Mann gewickelt ist;
der Mann muss auf Hauden und Füssen gehen, bestäDdig brurnmf^n und schnappen
(auch Luft!}^ während derjenige, der ihn an einer Kette fuhrt, und auch Andere
auf ihn lo&schlagen;
3. Das Pracherweib: ein Juoge> als alte Frau verkleidet, mit einem Korbe,
woriD er »ich für gewöhnlich Gaben von der Herrschaft oder dea »onst ßesuchtea
erbittet;
4. Der Storch: ein Junge mit einer Zange aus HoUstaben^ nach Art des
Geatelles für Hohsoldateu beliebig zu erweitern und zusammenzuschieben, oft
selbst über den Raum einer grossen Stube auszustrecken (F»g* 4),
xxxxxx
Fig. 4.
^B 5, Der Jude: ein armseligeB Wesen, das sich immer vordrängt und oft un*
^" gerechte Schlage bekommt
Zn weilen sind noch andere Figuren dabei« Der Zug geht von Haus zu Haus.
Den kommenden Sciummel meidet die Glocke an und wer sie hört, wird von der
Festfreude ergrilfea und beeiJt sich, sein Möglichstes zu dem fröhlichen Lärmen
beiifiutrHgen. Schlagen und stossen, selbst mit Wasser begiessen u. b. w. sind nicht
nur erlaubte, sondern da^u gehörige Dinge. Das Ganze wiederholt sich in mancbem
Jahre vor Weihnachten zwei bis vier Mala.
Ein Aehn liebes kommt nach gef. Mittheilung des Predigers H, Freitag um
Tempel borg von Es geht unter deoT Namen Fastnachtshengst Bei ihm ist
aiso nur die Zeit verwechselt-^ da, wie wir sehen werden, Siebe dabei auch ihre
Rolle spielen. Dieser Hengst wird also zur Fastenzeit geritten. Dem Reiter wird
^K ein Sieb vor die Brust und eins auf den Rucken gebunden. Stiibe daran bilden
^V da« andere Fusspaar des Gaules* Ein ausgestopfter Frauenatrumpf stellt seinen
Hals und Kopf dar, sowie eine Rispe Flachs seinen Schweif, Weisse Decken hüllen
das Ganze ein. Die Bewegung ist meist eine hupfende. Der Reiter besucht be-
» sonders die Spiniistiiben und ist's wohl auf ein Erschrecken und Einschüchtern ab-
^B gesehen, wenn der Hengst in's Zimmer hinein und auf die dort Versammelten zn-
^™ springt. Es handelt sich sonst ebenfalls um Ergatterung von Gaben. Der Schimmel-
reiter Saaifeld's wird hier zwar mit Sieben ausslaffiert, bekommt aber seinen Namen
^L f OD der Zeit und nach dem Gescblerhte,
^^M Der Liebenswürdigkeit des Hrn. Rector H. Frisch hier in Königsberg ver-
danke ich ferner einige hierher gehörige Beiträge aus der ostpreussischen Landschaft
Natangen. Vergl. Preussischer Volkskalender, enthaltend Sitten, Gebräuche
etc Neue Freuss. Prov,-BL 1848. Bd, 6, S. 220, Nr. 55.
feÄm Sylvester ziehen auf dem Lande drei eigenthümliche Gestalten umher:
Schimmelj ein Bock und ein buckliger KerL Dra den Schimmel zu
cn, wird ein Pferdekopf auf eine Stange gesteckt, auf der ein Knecht, mit
^i^iaeoü Tuchern bedeckt, reitet, und hinten wird au die Stange statt des Ros«- '
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(80)
Schweifes ein Bündel Flachs angebunden. Der Schioomel schlägt eDtsetzlich aus,
d. h. sein Reiter hat einen Stock in dar Hand und prügelt aile Mädchen, die gicb
blicken lassen, ohne Barmherzigkeit. Der Bock ht ähnlich wie der Schimmel ge-
macht, nur dfiss sein Reiter statt der Stange mit Pferdekopf den Flachsschweif an
eine Ofengabel (Forke) befestigt und mit ihren Zinken^ welche die Hörner vorBtellen,
unaufhörlich den mitziehenden buckligen Kerl ötosst
Ferner narh einem handscliriftlichen Zusätze von R* Reuse h zu Nr, 7 des
„Preuss. Volkskale nders'' (S. 213):
Am Weihnachtsabende „ziehen zuweilen Bär und Schimmel vereint um-
her. Letitert?r fragt die Mädchen, ob sie fleissig spinnen, die Jungen, ob sie die _
Pferde gut gefuttert haben. Die Faulen werden mit Peitschen hieben belohnt.'* ■
Sehr häußg erscheint (am Weihnachtsabend) ein Bär, der einen umgekehrten
Pelz trägt und einen Aermel desselben als mächtigen Schwanz nachschleppen lässt.
Brummend zieht er einher und fordert die Kinder auf, ihren Weihnacbtswunftch
aufzusagen.
Hinsichtlich der geschilderten Nebenfiguren verdanke ich die^childerung eines
ähnlichen (Gebrauches aus der Gegend von Marien bürg der freundlichen Mit-
theilung des Hrn, IV. L<;gowski, NeuBtadt i. Pr. Dieser Gebrauch geht dort vor
sich in der gatizen AdTentszeit, also vier Wochen vor Weihnachten, besonders aber
in der ganzen letzten Woche zuvor. Ist die ganze Sache, wie wir ^ehen werden,
religiös angelegt, so finden wir doch die auch beim Siebreiter figurirenden Neben-
Staffagen auch hierbei wieder. Die einzelnen Darsteller werden dort Gwizdi ge- ■
nannt Es ist dies Wort eine sprachlich eigentbiimliche und locale Umbildung,
Gwiazdka ist nämlich Weihnachten, nach dem Sterne (gwiazda), welcher die heiligen
drei Konige zu Thristi Geburtsstiitte gefuhrt hatte. Die Gwizdi kommen! ist
ihre allgemeine Ankündigung. Auf Abends hingestellten Tellern bekoromeo die
Kinder Geschenke aufgelegt, namentlich aber Backwerk, Doch nur die artigen
Kinder, welche daran wirklich gluuben^ und soweit sie beten und fürnehmlich das
Vaterunser können. Andernfalls ist nichts oder eine Ruthe ihre ßescheerung. Auch
die jungen Leute in nicht mehr kindlichem Älter müssen beten oder bekommen
andernfalls Schläge; ebenso werden die jungen Mädchen dazu herTorgezogen^ wenn
sie sich versteck ten.
Nachdem ein halb geistliches Lied in polnischer Sprache im Hause gesungen
ist, geht jenes Examen vor sich und oaclt diesem erst die Gaben vertheilung. Vor-
her mag Seitens der Eltern den Gwizdi wohl gereicht werden, was diese dem
F^tnzelnen zu geben haben. Jedoch bringen sie auch lauter Kleinigkeiten mit und
nehmen davon noch mehr wieder mit sich* Dieses gegenseitige Beschenken ähnelt
unserer deutschen ('hristbescheerung. Grosse Korbe bergen die zu vertheilendeo
Gaben.
Als Acteure treten alle die Thiere auf, welche nach der Legende das Cbrist-
kindlein bedient hatten, der Gänserich, die Ziege, der Storch, der Ochs, der ihn
erwärmte, vor Allem der Bär, der niemals fehlen darf und gefuhrt mit nach-
geahmten Sprüngen tanzen muss, selbst die Wald- Vogelchen, welche besonders die
so beliebten Zwerge (eine .^rt Käse) bringen. Unter nachgeahmten Naturlauten ■
halten sie ihren Einzug und agiren später ihrer Maske gemäss. AJie Thiere
bringen Etwas und ganz besonders wird von ihnen darauf gehalten, dass die
Kinder namentlich das Vaterunser beten können und dazu angehalten werden.
Einen ähnlichen Gebrauch lernte ich auch hier in Hoch-Paleschken, Kr.
Berent W. Pr., kennen« Er fallt auf den Weihnachts-Heiligabend. Agirende F^iguren
sind die stossende Ziege, auch Storch, geleitet von einem dick aufgeputzten Manne
(81)
(aber Nichts von Stroh!) und begleitet voo dem mäon lieben Weibe (es mangelt
hier ganz die Bezeichnung des Pracherns = Bettehs!), dessen Maske man wohl nur
auswählte, um ihm den dem Weib*: mehr attributiven Korb zum allerdings auch
nicht fehlenden Einsammeln von Liebesgaben in die Rand zu geben. Der Ziegen-
back macht seine grotesken Sprijnge und beunruhigt nameatlich die sich im
Kreiächen ijhende weibliche Besatzung des Hauses. Ist ein Klapperstorcb dabei,
ßo gilt es hier als Glaube, das» dasjeDige Mädchen, welches er hat ia's Bein beissen
können, im folgenden Jahre die nach bekannter Kinderbelehrung daraus entstehen-
den Fülgeu zu kosten haben wird. Naturtoce fehlen ebenfalls nicht. Nach einer
Weile folgen sie gern dem zarten Winke und ziehen gabenbeschwert, auch mit
Geldstücken regalirt, in die Wohnungen der nächsten Häuser. Ich glaube, dass
ein ähnliches Anftretcn in den benachbarten Gixt**rn nicht vorkommt; höchstens
mag es in Bauerndörfern stattEnden, wo man sich mehr Gleich zu Gleich fühlt.
Auch ziehen uoi diese Zeit Kinder mit dem Brummtopfe umher, sowie mit einer
kleinen tragbaren Schaubude mit der betreffenden Darstellung aus der biblischen
Geschichte und singen dabei ein geistliches oder im ersteren Falle das modern ge-
flickte sog. Brummtopflied. Die Fastnacht dagegen ist, soweit ich hier in der
Gegend umherspähte, mit gar keiner Vermummung verbunden.
ßrammtupflied.
Wir kommen aus aller Welt.
Einen schönen (fut^n Abend ij^iebt uns Gott,
Kine fröhliche Zeit, wer un^ den Brumm topf hat bereift.
Wir wüoschen dem Herrn einoii gedecktem Tisch,
Auf alle vier Eeken einen gebratenen Fisch,
In tfer Mitt\ in der Milt* eine Kanne mit Wein,
Dabei der Herr kann lustig sein.
Wir wünschen dem jungen Herrn ein grüne« Kraut,
Aufs »ndere Jahr i'ine hübsche Braut.
Wir wünschen der Madame ne jjold'ne Kron\
Aufs andere Jahr einen jungen Sohn.
Wir wünschen dem Fräulein ein i^obl'nes Paschnir,
Aufs andere Jahr 'nen jungen Ofl'*zi*'r.
Wir wünschen dem Stubenmädchen 'neu Besen in 'ne Hand,
Damit sie kann fegen diö Stnbt'n enthtng.
Wir wünschen der Köchin 'ne kupferne Kann',
Aufs andere Jahr einen puckligeo Mann.
H. Frischbier in seinen Preussischen Volksreimen und Volksspielen (B. 212 ff.)
führt dies Lied noch weiter und verschiedenartiger aus, so dass ein Jeder der
Hausbewohner seinen Wunsch bekommt. Hier aber wird es nicht weiter gesungen.
Das Paschnir in meiner Version dürfte eine breite, metallene Gürtelspange sein,
wie sie bei der früheren Kleidertrncht getragen wurde.
2. Das Stepckespiel.
Da ich in dieser Zeitschrift Jahrg. XIV, Sitz.-Ber. vom 2 L Januar 18S2, S* 12,
von dem früher auch in bevorzugteren Kreisen recht häufig exercirten Kartenspiele
zur gesellschaftlichen Unterhaltung, welches den Namen Stepcke führt, gesprochen
und dessen Personification sammt seinem Instrumente dem Dorfschulzen, welcher
mit seinena Schulzenstocke ebenfalls die Bauern ins Amt ruft, verglichen hatte, so
möchte ich folgends an eine Schilderung dieses Spieles gehen, indem ich es bei
friiherea Zeiten wenigstens unserer Provinz fiir etwas Volksthümliches anspreche
V«rb*i]4L der BorL AuHiropoL Ge^eHBclittlt loü^. 0
1
(82)
und auääerdem der Meinung bin, daas es bald genug gans TOn der Bildfläche yer-
»ch winden wird. In den letzten dreissig Jahren habe ich'« selbst öur ein einziges
Mftl gespielt«
Durchaus müssen dabei figuriren der Herr AmtmÄnn (Carreau-Ass), die
Klägerin, vulgo KlÜgersche (Pic^tie-Dame), der Büttel Stepcke (Trefle-Bube),
der König ((loeur*Kooig) und einige Zäblkartett, je eine von der Zehn an abwärts,
welche die Zeitstunden bedeuten. Um Auswahl zu haben, müssen allerwenigstens
die Zehn und die Neun dabei sein. Die Zhhl der Älitspieleiiden ist also auf min-
dehtenö secha zu bemessen, sowie andererseits höchstens auf dreizehn. Auf einen
Jeden trifft eine Karte. Natiirlich ist das Geschlecht des Inhabers der Karte un-
Abbungig von der Rolle. Angeben thut, nachdem abgehoben ist, erst Jemand aus
diT GeBellschaft; dann geht'a der Reihe nach weiter, sowie auch die Vertbeilung
der Karten der Reihe nach stattfindet. Aufgehoben und besehen wird die Karte
nicht eher, als bis der Gebende aufgeklopft hat. Erst dann müssen die Besitzer
der Kurten Amtmann, Klägerin und Stepcke dieselben aufdecken^ während die
übiig*!n Karten vt?rdeükt wieder hingelegt werden, ohne dasä man ein oft versuchtes
Hineinschielen gestattet.
Der Stepcke empfängt einzig ein Attribut seiaer Würde. Es besteht das in
einem stramm zusammengedrehten und an den Zipfeln verknoteten Taschentuche.
Wir wollen es Plump^^ack nennen und dient er zur Bestrafung. Während im
späteren Verlaufe des Spieles der alte Stepcke den neuen (möglicherweise wieder
sich selbst!) in sein Amt einfuhrt, geschieht zu Anfang die Einweihung durch
irgend einen Mitspieler. Der Akt selbst vollfulirt sich durch einen ersten Schlag
mit dem Taschentuche auf den Tisch, durch einen zweiten auf die innere Hand-
fläche des Wi'trdenträgers und dureh einen dritten wieder auf die TiBcbplatle.
DurÜber wird auch eiu Protokoll aufgenommen oder Quittung geleistet, d» h* der-
selbe Gang wird vom würdenbelehnteu Empfänger vorgenommeo. Alsdann erst
waltet der Stepcke seines Amies. Es besteht dies aber zunächst darin, dass er
beim Austheilen der Karten dafür sorgt, dass sich keine Hände oder Arme auf
dem Tische ruhend blicken lassen (die betretende Redensart herrecht hier: „Rind-
fleisch vom Tisch l'*) und dass, halb in Verbindung damit, die Karten nicht vor
dem Aufklopfen des Austheilers angefasst und besehen werden^ was man mit Vor-
liebe zu versuchen trachtet. Die Strafe erfolgt unbarmherzig, aber stets auf hand-
b&fter That, daher man auch während dieser Zeit sich gern neue Uebergriffe er*
laubt. Den Flumpsack darf Stepcke nicht vergessJich liegen, noch auch sich
entreissen tasseü, weil er dann seiner Würde verlustig geht, und zwar ohne Will-
kommen und Abschied. Anstrengungen genug werden dazu gemacht! In weiterer
Eiecutive aber theilt er die diktirten Strafen aus. Noch bemerke ich hierzu^ dass
proviijziell ein kleiner Gern gross oder ein kleines, stammiges Jungchen oder
Kerlchen ebenfalls Stepcke genannt wird.
Sobald also die Hauptrollen durch die vertheilten Karten f^tgestellt siod,
spricht die Klagersche: «Herr Amtmann^ ich klage !^ 9iNa^ was ist denn los?
was hat Sie denn nur wieder vorzubringen?*' *Ja, Einer Ihrer Bauern hat das
und das gethan!*^ Es werden die widersprechendsten , unsinnigsten, feinfühligsten
ADschuldiguogen vorgebracht, aber immer des Diebstahls. Gestobleo ist bald
ein halbes Ei, bald das Hemd vom Leibe, bald das Schwarze unterm Nagel, bald
die Gans von der Weide, bald dies, bald jenes, wie es Laune, Witz, Spott, An-
spielung aufs Tapet bringen. Es replicirt der Amtmann: «Nun, meine Baueni
halte ich einer solchen Dnthat für unfähig; wenn Sie aber meint, so gebe Sie dem
Stepcke ein gntet Wort oder Trinkgeld, dass er mit Ihr Haussuchung halte!* Das
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geücbieht huü in Worten uud auch mit der für's Trinkgelcl ent&precbeüdl nachge-
ahmten Handbeweguug, nachdem besonders Torher nocli die betreffende Stunde der
That (eine beliebige von rkti vorhandenen) von der Kiägersclien ausgesagt wurde,
gemeinhin von der Wechselrede des Amtmanns unterbrochen, ^dass um jene Zeit
seine Bauern bereits zu schlafen pflegen!** Stepke geht alsö auf die Suche, klopft
auf den Tisch, befiehlt; „Hauern in^s Amt!*^, worauf die Karten vorgeschoben werden,
und klopft dann bei der Stelle an, welche ihm die Klägerin bezeichnete, die sich
«UTor heimüch nach Möglichkeit zu informiren suchte. Ist nun die bezeichnete
Stunde für den Kartenbesitzer getroffen, so erbalt er Strafe für den dadurch allein
überwiesenen Diebstahlj wenn aber nicht, so wird die KJägerin zur Strafe gezogen
wegen falscher Anschuldigung. Dreimal nur (daher mindestens drei Karten ausser
den offenen Hauptrollen!) kann sich die Klägerin irren, stets mit Bestrafung; hat
sie dann nicht das Uichtige getroffen, so wird zusammengeworfen. Die Bestimmung
der Strafen liegt dem Herrn Amtmann ob, sowohl nach Quantitiit, als auch nach
Qualität. Beides wird bei einer Dame möglichst klein bemessen. Eine Straf-
befreiuDg ist unzulässig. Das Mindeste ist: „Eins aus Salz!** Damit koinraen wir
auf die Qtialitat der Strafe. Ihre Ausmessuug ist nicht minder mit sonderbaren
Namen belegt, w^ovon mir bekannt sind die folgends nach der Klinaax geordneten:
aus Sah, aus Pfeffer, aus Pfeffer und Salz, aus Kordemum u. s, w. Die Steigerung
ist also von scharfen, beissenden Ingredienzien unserer Küche hergenommen. Man
könnte ihnen noch den Ingwer hinzusetzen und manche Zwischenstufen einrichten,
wie Kresse, M errettig, Zwiebel, — Angelika, Wermnlh, — Kaddick, Brennessel u, s. w*
Je nachdem wird schwächer oder stärker zugehauen. Dass aber der Stepke nur
nicht vergibst, nachher und besonders vor Anfang der Procedur mit seinem Plump-
sacke je einmal auf den Tisch zu klopfen! ünterliesse er das in seinem Eifer, 80
zieht es unbarmherzig die ganze Rückgabe aller applicirten Hiebe nach sich! Dazu
ist die mit gleichen For malitaten vollzogene Üebergabe des Plumpsackes an den
Bestrafteii nolbwendig, naturlich stets unter Quittungsleistung. Das Abzeichen wird
dann aber glcicherraassen zurückgegeben. Gemeinhin sucht der, welcher schon ein
gutes Theil Schläge empßng, dass die HandMchen auf-^ oder roth anlaufen, der
Wuchtigkeit fernerer Scblage dadurch zu entgeheD, dass er nur die Fingerspitzen,
wo es aber noch mehr weh thut, darbietet oder die Hände vor dem drohenden
Schlage plötzlich entzieht, was ihm aber nichts hilft, da jeder Schlag mindestens
antippen musa. Immer aber kommt es, wie man sieht, auf Schläge und Hiebe
(Kloppe, Wammse, Keile, Schmiere, wie die sonstigen Provinzialismen lauten) an
und ist Stepke daher ein för zart besaitete Naturen äusserst waghalsiges Spiell
Es bleibt noch zu betrachten die Rolle des Königs. Auch er legt gleich den
Zäh l ka rten besitz er n seine Karte verkehrt auf den Tisch und wartet mit der ruhigsten
Miene von der Welt die weitere Entwickelung der Dinge ab. Trifft nun die
Klägersche bei der Diebssuche auf ihn, so bi'aucht er nach dem ersten Anklopfen
des Stepke nicht sogleich seine Karte aufzudecken (es beisst: ^Se. Majestät schJäft!**
— ,^immer noch!'*), so dass man sofort merkt, was los ist, sondern hat dies erst
nach dem dritten Male nothig. Dann aber erfolgt wegen beleidigter Majestät eine
gesteigerte Bestrafung der Klägerin, d. h. die Jagd wird bei ihr angestellt, Stepke
schlägt ihr so lange auf die Hände, bis der Konig selbst, welchem also in diesem
Falle der Befehl über den Amtmann hinweg zusteht, sagt, es sei genug I Stepke
begleitet seine executivlschen Maassnahmen (auch jetzt nicht ohne Auftakt) in
diesem Falle mit den wiederholten Worten; „Ich jage, jage, Hasen, Fuchse, Rehe,
Hirsche u. s. w., grosse,' kleine, — brauoe, blaue, rotbe, grüne u, s, w, 1** Nachdem
endlich das Genug! gesprochen, ist das Einzelspiel beendet,
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Ich ersehe oachträglich aus H. Friscbbier's Preuss, Volksreime und Volks-
spiele (Berlin^ I8G7), dass er dasselbe Spiel uoter dem Namen: „Herr Aintujuitn'*
(8. 204) kurz beschrieben hat Ktwaige Abweichungen werde ich hier wiederholen.
Der AmtDiann let Pique-König, Stepcke (sie!) ist Picjue-Buhe, Kläger (also inasculinum !)
Carreau-Acbt. Es fehlt hier also die Kolle des Königs , wogegen er in Piquet-Ass
den Dieb mehr bat. Die Wechsel reden sind nach ihm folgende. Hr. Amtmano,
ich komme klagen. — üeber was denn? — üeber Ihre schelmischen Bauern. —
Was haben sie denn getban? — Sie haben mir (meine Frau aus dern Bette) ge-
stohleo. — Sollte das unter meinen ehrliclien Bauern sein? — Ich ho0e es! —
Stepke, ruf die Bauern in's Amt. — Dann thut er es, mit dem Plumpsacke auf-
schlagend. Hier werden dann die nach der Mitte des Tisches geschobenen Karten
durch einander gemischt und wieder genommen, so dasa Einer Pique-As« (deo
Dieb) erhält. Der Kläger hat das Recht, drei Karten aufzudecken. Findet er den
Dieb^ so bleiben diesem, sonst aber jenem die Hiebe nicht aus. Auch die Gesell-
schaft kann sie nach Fr, zudictiren. Ebenso bat Fr. für die geringste Stärke der
Hiebe nach die Bestimmung: Aus dem Schmalz, Er verweist noch auf V<dkgreinie
und Volkslieder in Au halt- Dessau^ gesammelt von Eduard Fied ler, (Dessau,
1847), 80 dass daraus das Bekanotsein dieses Spieles auch im Änhaltischen
folgert.
Von Interesse erscheint mir dieses volksthömliche Spiel deshalb zu sein, weil
die ZusammenstelJung der handelnden Personen sammt der Hauptperson Stepke,
nach welchem es auch den Namen empfing, auf eine alte Volksanschanung hinzu-
deuton scheint. Bei dem Grtindlicrrn war alle Macht und auch die Strafbestimmung,
und so hat denn auch der Herr Amtmann des Spieles denselben feudalen Anstrich.
Nächst ihm excellirt der Stepke mit seiner Executive, der stadtische Büttel oder
ländliche Gutsdiener: ihm muss man ein gutes Wort oder Trinkgeld geben ^ damit
er seine Pdicht thue; er wird in seine nach Zufall und auf Zeit bemessene Würde
eingeführt; er ruft die Banern in's Amt und er vollzieht die Haussuchungen nach
hergebrachter Weise und die Strafen mit einem Instruraeutj das zugleich Zeichen
seiner Würde ist (Plumpsack = Schulzenstock). Als Strafe giebl's nur Schläge (keine
Freiheitsstrafen) und das in Rede stehende Verbrechen, welches Jene leithtere und
gewohnheitsmässig geübte Strafe nach sich zieht, ist das leichtere, kein Mord,
sondern Diebstahb Nur um diese Personen in Bewegung zu setzen, wird die Kla*
gerin, mit volksthünilichem Gefühle eine weibliche Person ^ geschafifen, und werden
die Zeitstuuden personificirt. Der Könige der sich nicht sogleich zu zeigen braucht,
dessen Beleidigung eine besondere und schwerere Strafe nach sich zieht, dem sogar
über den Amtmann hinweg der Befehl und die Gnade zusteht, scheint aber eine
neuere Figur zu sein. Frisch hier kennt ihn nicht.
Die Verweisung nach dem Süden (Anhalt) mitsammt dem .\u3drucke der
fjSchelmischen Biiuern^ bringt mich durauf, den Ursprung des Spieles vielleicht noch
südlicher zu suchen, da ich mich erinnere, jenen Ausdruck recht h§u6g in den
gewiss volksthümlicheu Dramen von Hans Sachs gelesen zu haben.
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(19) Hr. ßehla berichtet unter Uebersendting Terschiedener Topfscherben über
den Gehrener Opferheerd bei Luckau.
Da Wagner in seinem Buche: ^Aegypten in Deutschland^ S. 52 erwähnt, da
der Opferheerd bei Gehreu ') im Vergleich zu den anderen Hundwälleu der Uttt»
1) Schuster: «Die altea HeidsnschaDzen Dentschlaiids* 8.96« Nr. 29.
gegend manches abweichende darbietet, so hab€ fch im vorigen Herbst dieaeo Funkt
Dfiber untersucht.
Der G^breoer Opferheerd Hegt nicht, wie die anderen Rundwälle in unserem
Bezirk, io sumpfigem, wiesigem Terrain, sondern auf der Spitze des sogenannten
„grünen Berges*'. Letzterer, welcher circa 70 Fuss über die Oberfläche der Um-
gebung an der Nonl-, Ost- und Westseite frei hervorragt, schliesst sich südlich an
eine Erhöbung an, den Anfang eines in südlicher Richtung verlaufenden holzbestan-
denen Bergzugea, der Gehrener Berge, bildend. Er ist au den Seiten und auf dem
Gipfel nirgends mit Bäumen bewachsen; die Seiten sind mit Rasen bedeckt, daher
der Name. In der Umgebung desselben Hegt eine Mt'Uge von Quellen.
Die Ober0äche des grünen Berges bildet eine breite Flache '); der Durchmesser
von Nord nach Süd betragt ungefähr 130 Schritt; im Allgemeinen ist dieselbe von
viereckiger Gestalt. Das Ganze scheint früher vnn einem Walle umgeben gewesen
zu sein; an der Südseite sind nocb grössere», küostlich errichtete Wullreste sichtbar.
Das Innere, jetzt beackert, ist walirscbeiulich nach und nach planirt worden; in
der Mitte jässt sich jetzt noch eine kleine Erhöhung erkennen.
Die Ausgrabungen auf diesem Punkte hatten folgendes Resultat. Erst in ziera-
1 ich er Tiefe sind prähistorische Gegenstände zu finden; dadurch wird die Ver-
muthung bestätigt, dass der frühere Wallraud zur Ausgleichung des lonern ver-
wendet worden ist fn circa 6 — 7 Fuss Tiefe traten Knochen von Kind, Schaf, etc,
sowie Scherben zu Tage. Diese Gefässbrnchstücke, welche ich in grösserer Anzahl
sammelte und von denen ich einige zur Ansicht einsende, weichen jedoch von den
slavjschen und vorslaviscben Scherben unserer Gegend ab. Sie sind nämlich fester,
härter gebrannt und klingend; die Masse, aus der sie bereitet sind, ist feiner; kleine
concentrische Riefen an der 0 herfläche deuten auf Herslei lung mittelst der Töpfer-
scheibe. Verzierungen fehlen meist; einige Thonfragmente zeigten im der Aussen»
Seite parallele, um den Bauch verlaufeude Furchen. Ganze Gefasse wurden oicbt
ausgegraben. Henkel fehlten. Scherben mit dem Wellenornament oder sonstige,
auf slavischen Ruiidwällen vorkommende Verzierungen wurden nicht bemerkt. Beim
Betrachten der Scherben des Gehrener Opferheerda erinnerte ich mich der Be-
schreibung Wagner 's; er sagt unter Anderem an der vorher citirten Stelle:
^Sonderbar war es indessen, dass die hier vorgefundenen UrneDScherben an Festig-
keit und Feinheit der Masse alle anderen in hiesiger Gegend weit übertreffen und
darin, sowie auch zum Theil in der Verzierung, von den anderen abweichen')."
Ohne Zweifel meint Wagner hier dieselben Gefassbruch stücke, wie die von mir
zu Tage geförderten. —
Die zwi:schen dem Centrum und dem Rande der Anlage ausgegrabenen Sclier-
ben lagen gewöhnlich im Saude j von kohlehaltigen Schiebten war hier wenig oder
nichts nachweisbar. Dagegen stiess ich beim Untersuchen der in der Mitte ge-
legenen Erhöhung in circa 3 Fuss Tiefe auf sehr starke ausgedehnte Aschenschich-
ten, welche Scherben der obenerwähnten Beschaffenheit, Knocbenstuckclien und eine
grössere Steinlagerung in sich bergen. Das Ganze machte mir den Eindruck einer
alten Heerdstelle. W^agner berichtet noch von grossen Steinen, die in der Nähe
dieser centralen Erhöhung zu sehen waren ; davon ist jedoch jetzt nichts mehr vor-
handen. —
1) Die Gestalt derselben zu Wagner 's Zeiten veranschaulicht Taf. VI, Fig. 16 in seinem
Werk: »Aegyi^ten in DeutschlaDd'.
2) Mdnes Wissens ist dies die einzige Stelle, wo Wagner in seinen Schriften vnn
einem Unterschied des Topfgerätba spricht.
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(Üf)
St€io- UQd Metall gegen staode fand ich bei meioeo ÄUBgmbu&gen üicht. Aucb
sind mir derartige Fände von dem Orte Dicht bekannt geworden,
Ob dieser Punkt als Opferstelle aufzufassen ist, muss Torläufi;^ dahiogestellt
bleiben; wichtiger ist Tor der Hand die chronologische Stellung dieser Anlage. Die
Lage und Gestalt derselben geben uds keinen Anhaltspunkt; doch durfte die Tor-
her geschilderte Art des Topfgeraths den Schluss rechtfertigen, dass hier eine spät-
sJavische Benutzung vorliegt.
Die Sage geht, dass auf diesem Berge der Markgraf Gero ein Schloss gehabt
haben und dass das Dorf Gehreu von ihm angelegt und nach ihm benannt sein
solL Dies halte ich nicht für richtig. Von Trümmern oder Grundmauern habe
i^ auf dem grünen Berge nirgends eine Spur entdecken k«3nnen; derartige Ruck-
bleibsel hatten auf einem solchen hoher gelegenen Orte UDZweifelhaft sich erhalten
müssen. Wahrscheinlich ist es wohl, dass der Name ^Gehren** xon dem wendischen
^gora*^ (der Berg) herstammt. Wenden wohnten allerdings einst hier; ein Nachbar-
dorf heisst Wendisch-Drehna Danach nun aber annehmeD zu wollen, dass das
Dorf Gehren aus sl arischer Zeit herrühre, wäre ein falscher Schluss.
Wie ich in meineu „ürnenfriedhÖfen*' *) näher ausgeführt babe^ ist in einem
Lande, wo ein Wechsel der BcTÖlkerung statt hatte, wie z. B. in der Lausita, die
Orts namenforsch ung nicht stickhaltig. Gehren bestand mit grÖsster Wahrscheinlich-
keit schon zur germanischen Zeit^ denn in unmittelbarer Nähe des Dorfes liegt ein
miiBgedehntes Urnenfeld. —
Hr, Virchow bestätigt, dass die Torgelegten Scherben keine slawischen sind,
auch nicht dem gewöhnlichen ^lausitzer^ Typus angehören; allem Anscheine nach
müsse man sie einer spateren Zeit zurechnen.
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(20) Hr. Ol shausen spricht
über Zinngeräthe aus Gräbern und über den Belag der GrifTiunge eines Bronzeschwertea
mit Blei weiss.
Im Laufe der beiden letzten Sommer unternahm ich die Eröffnung einer An-
zahl von Hügelgräbern auf der Insel Amrum an der scWeswigachen Westküste,
Dieselben stammten aus der Bronzezeit, enthielten ausser Zinngegenstanden an Bei-
gaben BroQzegeräthe, Goldschmuck ^ zum TheÜ auch Bernstein und einzelne Flint-
Werkzeuge, niemals aber eiserne GerÄthe oder deren üeberreste, Fa^t immer waren
unverbrannte Leichen in längliche Haufen loser Feldsteine gepackt^ oft auf HoU-
unterläge; die meisten Hügel enthielten mehre derartige Begräbnisse zugleich, In
den Steinmassen, bilu6g mit den Holzresten Termischt, lagen die Beigaben ohne
besonderen Schutz; die Hohlräume zwischen den einzelnen Steinen waren grossten
Theils durch hincingesickerten Sand ausgefiillt
In t^ dieser Skeletgräber, die 3 verschiedenen Hügeln ao-
fc gehorten, fand ich zinnerne Geräthe oder Tielmehr Theile
derselben; ich bezeichne die Hügel als „Nr, 1 u. Nr. 2 auf
Steenodde** und als ^Bagberg**; in einem Hügel Nr. 3 auf
Steenodde stiess ich ferner auf ein Klümpchen Zinn ohne
bestimmte erkennbare Form; endlich liefeilc Hügel 2
in einem Grabe a gleicher Art, wie das obige, das ich b nenne,
ein Object, das vielleicht nur scheinbar hierher gebort.
Der Gegenstand aus Hügel ] ist das äusserste Ende einer zweischnei-
digen Waffe, die Spitze eines Dolches oder das Ende einer Pfeilspitze, 8 mm
1) Behlii, Die Urneiirriedli3fe S. 96, 97.
Natürliche Grosse.
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(87)
]aug, ED der BriichsteUe 6^/2 '""* ^^^»^ ^^^ ^^ ^'?'' Mitte der Brurhiache 2 mm
dick: sie wiegt 67 m^?. Keine Spur von metallischem Aeussern ist au ihr
wahrnehmbar, sie bildet vielmehr eine bräunlich gelbe, leicht bruchige Masse;
iD der That besteht sie jetzt ganz aus Zinn säure (Sn 0^), die an »ich weiss, hier
aber durch die Berührung mit dem modern den Holz bräuulich gefärbt iat; man
konnte glauben, es mit einem Produote der Kerao^ik oder auch mit einem aus
Knochen gefertigten GegeostaDd zu thuu zu haben, letzteres natürlich nur so lange
man nicht das Mikroskop zo Rathe zielit (Fig. 1).
Grab b in Hügel 2 lieferte das Alittelstuck einee kleinen Spateis mit rund-
lichem Stiel und flacher Klinge, im Ganzen 19 mm lang, wovon 9'/* auf den Stiel
kommen j der 4^^ mm Durchmesser hat; die Klinge bat an der Bruchstelle 7^/g mm
Breite bei 1^1^—2 mm Dicke. Das Gesaoiratgewicbt des Brncbstücks betrug wenig
mehr ala 0,5 fj. Zwischen Stiel und Klinge befindet sich ein schmaler Wnlat mit
schrägen Streifen, die von oben Hnks nach unten rechts laufen, wenn man den
Stiel nach unten hält. An diesen Wulst setzt die Klinge mit 6'/^ mm Breite an;
ihr Rücken ist mit Einkerhu^igen versehen, wie der Wulstj die von oben rechts
nach unten links laufen (Fig* 2, o, b^ c).
Die Farbe des Spatels ist schmutzig grau bis bräunlich, inneu weisslich; von
Metall als solchem ist nichts mehr zu sehen, das Stück ist vielmehr wie
das vorbin beschriebene vollständig zu Zinn säure oxydirt«
Das Grab im Bagberg ergab eine gerade Nadel aus rundem Draht, deren
beide Enden indess fehlten: sie ist so noch 95 mm lang ^nd 3 — BVs »T*m dick,
weiss und vollständig in Zinn säure umgewandelt.
Der Zinnklumpeu aus Hügel 3 auf Steenodde bildete eine ganz uoregel-
mässig geformte Masse mit rauber OberÖache, angenähert 1 cm im Durchmesser,
Die Farbe ist im allgemeinen daukelgraUj doch fanden sich auch grünliche und
bränn liehe Stellen an ihm, aber so sehr zurücktretend an Intensität der Färbung
und an Ausdehnung, dass sie nur zufälligen von aussen her gebrachten Vertin-
reiniguogen zugeschriehen werden müssen. Einzelne Bruchstücke erschieueu innen
hellgrau bis weisslich mit stark irisirenden Stellen; manch maj glaubt man wirkliches
Metall vor sich zu haben, doch ist in Wahrheit wohl nicht der geringste Rest von
Metali im unoxydirten Zustande in der Masse enthalten.
Als fünften Gegenstand habe ich endlieh eine grau weisse flache Spirale,
eine Spiralscheibe, aus Grab a des Hügels 2 zu nennen; sie ist so fein gearbeitet,
dass sie ein selbständiges Objekt nicht darstelleu kann, vielmehr lediglich die Aus*
füllmasse einer eingelegten Aiheit zu sein scheint, z. ß, eines bölzerneii Schwert-
griffes oder dergleichen, Sie mag einen Durchmesser von ca, 1 cm gehabt haben,
ihre Höbe ist 1 Ya ""^^ ^^^ Dicke der Mas&e an der stärksten äussern Windung
}^/^mm, Sie besteht aus Zinnsäure; den Grund, weshalb ich sie trotzdem oben
als vielleicht nicht hierliergeh5rig bezeichnete, werden wir später sehen. (S. 90,)
In den betrefienden Gräbern wurden gefunden: neben der zweischneidigen
Spitze des Hügels No. 1 3 goldene Ringe; mit dGm Spatel des Hügels 2 ein
goldner Ring und ein kleines Thonbecherchen (Fig. 3), letzteres
an demselben Rnde der Steinsetzung, wo der Spatel lag; die Spiral-
ßcheibe ans einem gleichaltrigen Grab dee^aelben Berges fand sich
zusammen mit einem goldneu King und einem Brouzeschwert;
der Zinnklumpen aus Hügel 5 bildete den Theil einer mannigfaltigrn
Ausstattung mit Bronzesach en, Berns teinstücken, einem Feuer- */>,
zeug und einem goldnen Hinge,
Diese 3 Hügel lagen einander benachbart auf ein und demselben Felde im
I
(88;
SMoB der loset dicht oebeo dem LandungspUtz Steenodde, der ßtgberg dagegen,
in wekhem ich die weisse Nadel uod uDoiittelbar Deb«n derselben als eiozige
weitere Beigabe des betreffeadea Grabes eine broDzene Fibel der oordischoti
Form fand, lag mehr nach Nordeo in der Mitte Amrums.
Die chemische Analjse der Zionsacheo bot iosofero einige Schwierigkeit,
mls eratiich selbatferst&odlich maglichst weoig Substanz geopfert werden sollte, dann
aber aoch daa Aeussere derselben mich anfangs in ganz falscher Richtnng soeben
Hess, Da ich zonächst an Knochen dachte, so prüfte ich die Dolch spitze und den
Spatel, deren Masse in kochender Salzsäure löslich war, auf Phosphorsaure
mittelst Moljbdänsauren Ammoniaks und erhielt in der That den für Phosphor-
saure charakteristischen gelben Niederschlag; damit schien die Knocbeosubstanz
unzweifelhaft nachgewiesen; allein die Menge der Phosphorsaure war sehr gering
und es gelang nicht, Kalk aufzufinden. Ammoniak erzeugte id der sauren Losung
eine gelatinöse, wie schmutzige Thonerde aussehende Füllung; das Filtrat hiervon
war kalkirei. Der durch Ammoniak erzeugte Niederschlag war in Essigsäure nicht
Tollst^dig löslich; in Salzsäure aufgenommen und mit essigsaurem Natron ver-
setzt entstand er Ton neuem; dies Y erb alten Hess auf phospborsaure Thonerde,
nicht auf Kalk schliessen. Um nun die Thonerde sicherer nachzuweisen, wurde
die Ammoniak fall ung mit reinem Aetznatron zerlegt; braunes Eisen oxyd schied
sich ab uod das Filtrat gab nach dem Ansäuern mit Salzsäure durch essigsaures
Natron einen geringen, durch Ammoniak einen erheblich stärkeren weissen Nieder-
adilag; es schien also thatsächlich Thonerde mit weniger Pbosphorsäure, als zur
Bindung derselben erforderlich, vorzuliegen» Terunreinigt durch etwas Eisenoxyd.
Da eine Substanz dieser Zusammensetzung als Material für Gerathe der Bronze-
nit durchaus unrersiändlich war, so entscbloas ich mich, Ton dem Spatel ein
grosseres Stück des Stieles zu opfern« um die Nator die^r beiden Gegenstände
endgiltig festzustellen.
100 mff der gepulverten Masse wurden auf einem Platinblech, das mit einem
Ubrglase bedeckt, langsam erhitzt; es entwich Wasser und das Pulver färbte sich
bei ganz schwacher Rothgluth gelbücli; der Gewichtsverlust betrug 23 m^. Die
verbleibenden 77 mg sollten mit Salzsaure im Platin schäl chen gelöst werden, allein
es zeigte sich^ dass die geglühte Masse nicht mehr vollständig auf- ^
genommen wurde^ die SalzsSure musste daher veijagt und der getrocknete ■
Rückstand mit kohlensaurem Kali-Natron aufgeschlossen werden. Denn wegen der
weissen Ammoniak fältung (Thonerde?) vermutbete ich, ein Silicat unter Händen
zu haben; der Versuch, Kieselsäure nach bekannter Methode abzuscheiden, ergab H
jedoch ein negatives Resultat. Dagegen gab die saure Lösung der Alkalisch melze
mit Sehwefelwassersioff eine starke Fällung von SchwefeUinn, die eine 8pur
Kupfer enthielt. Das Filtrat hiervon nach dem Verjagen des Schwefelwasserstoffs
mit einigen Tropfen Salpetersäure heisa oxydirt und dann mit Ammoniak versetzt,
gab eine weissliche Fällung, die mit reinem Aetznatron in Eisenoxyd und Thon-
erde zerlegt wurde.
Im wesentlichen bestand also die Masse d^ Spatels aus Zinnsaure mit etwas
Bis«DO(zyd» Thonerde, einer Spur Kupfer und ein wenig Phosphorsiore; die Zinn-
säure scheint aber« soweit man aus dem Gewichtsverlust beim Glühen entnehmen
kann, als Hydrat vorhanden gewesen zu sein.
Die Dolch spitze, die sich im Ganzen chemisch wie der Spatel verhielt, hat
also jedenfalls dieselbe Zusammensetzung gehabt, nur die Thonerde bleibt zweifel-
haft und Kupfer wurde niclit beobachtet. Ich verwendete übrigens zu der Prüfung
oichi einen TheU der Spitae selbst, sondern kleine Brochstuoke, die ihrer Form
(89)
und dem soDstigen Aussehen nach als yod den SclmeideD desselben Geräthes her-
atammend zu betrachteo waren.
Die Spirale aus Grab a des HQgels 2 zeigte insofern ein etwas anderes Ver-
balten, wie die Dolch spitze und der Spatel, ab ihre Masse in Salzsäure und auch
in Königswasser nicht vollständig loslich war. Man muss indess berück-
sichtigen, dass Zinnsaure in ihren beiden ModiBcatiooeo Losungsmitteln sehr un-
gleich widersteht, und wenn auch nicht einzusehen ist, warum hier 2 verschiedene
Arten Zinnsäure entstanden sein sollten, so kommt doch noch in Betracht, dass der
Conceotrationsgrad und die Temperatur der angewendeten Säure yon wesentlichem
Eiofluss ist. Geringe Abweichungen des Versuchs mögen hier das verschiedeue
Verhalten der Zinnsfiureobjecte bedingt haben»
Wegen der mangelhaften U'islichkeit in Säuren wurde zur Prüfung ein Weg
eingeschlagen, der unter allen Umstanden zum Resultat fuliren mussle, nämlich
Schmelzen mit kohlensaurem Natron und Schwefel im PorzellantiegeJ; beim
Lösen in Wasser hinterbÜeb dann eine Spur eines schwarzen Rückstandes;
das alkalische Filtrat Hess mit Salzsäure versetzt Schwefelzinn fallen. Der
schwarze, mit Schwefelwasserstoffwasser gewaschene Ruckstand mit dem Filter zu-
sammen verasch t, durch Salpetersäure oxydirt und in Salzsäure gelost, gab die
Eisen reactioneUj Kupfer wurde nicht gefunden, auf Blei nicht geprüft.
Ein kleines Stiickchen der Spirale vor dem Lothrohr mit kohlensaurem Natron
und Cjankalium geschmolzen lieferte ein dehnbares MetiUkorn, das in kochen-
der Salzsäure unter (Wasserstoff-) Gas-Ent Wickelung losüch war, wodurch das Vor-
handensein von Zinn Bestätigung findet.
Die Analyse des Klumpchens aus Hügel 3 ergab Zinnaäure mit etwas
Phosphorsäure und ein wenig Eisenoxyd, vielleicht auch eine Spur Kupfer oder Hlei.
Die weisse Nadel aus dem Bagberg endlich enthielt neben Zinn säure etwas
Kupfer und eine äufserst geringe Menge Phosphorsäure.
Die chemische DetersucbuDg führte ich im Laboratorium der Königlichen Berg-
akademie aus und sage meinem Freunde Hrn, Prof. Finken er meinen besten Dank
für seine gefallige Unterstützung bei diesen, wegen der geringen Menge von Material
etwas delicaten Arbeiten.
Was nun die Nebenbestand theile anlangt, die sich ausser der Zinnsäure
Torfanden, so bietet zunächst die PhosphorsEure nichts besonders auffallendes^
sie ist ja überall im Erdboden Torhanden upd in den Skeietgrabem speciell gaben
die Gebeine reichlich Material; denn in den meisten Fällen sind dieselben voll-
ständig oder bis auf äusserst geringe Spuren verschwunden, was wohl eine Folge
der Durchlässigkeit des sandigen Bodens ist. Das eindringende atmosphärische
Wasser mit seinem Kohlensäure- und Sauerstoffgehalt führte den phoRphorsauren
Kalk hinweg und bewirkte zugleich die Oxydation des Zinns» Etwas Phosphorsäure
wurde dann von der Zinnsäure zurück gehalten, da beide Substanzen sich bekannt-
lich zu einer unlöslichen Verbindung vereinigen.
Die Thonerde dürfte in gleicher Weise wie die Phosphojrsäure von aussen
aufgenommen sein, nicht minder zum Tbetl das Eisen; dagegen verlangt der
Kupfergeh alt noch eine eingehendere Erwägung. Man könnte versucht sein, in
ihm den Beweis zu finden, da!?s man es hier überhaupt nicht mit ümwandjungs-
producten von Zinn, sondern von Bronze zu thun bat. In der That verlieren
sehr dünne ßronzestückchen beim Liegen in der Erde einen Theil ihres Kupfer*
gehftlbea und sehen, weil durch und durch oxydirt, schmutzig weiss aus'). Aber
1} Oater Umstinden scheint auch bei grösseren Stacken eine derartige vollständig« Um-
(90)
räcs TWila ttt dodi ^ B* der Sfaitd idio« xa dk^ ^ iUs6
käiiiK^ «r limbe jede Spur tod GHtn0ubaiig einfcb^iM («id leicbtei' grüner Hmncb
ist den <Kxxdirte« Broiueii ^sl imaner eig««X "»^ aiMlercfwsts lelirt der direete
Ycrgkiek des ZiimkliiDpebeB» mit den daaeben gefnndeaio BramesaidkeD aus
Hof ei 3, Miwie beaooders der Nadel mit der tamitteibcr dibei gdcgeseii FibuU
aus dem Bagberg, da» kier dorcbai» tod ^ruberer Bronze nieht die Rede sein
kmao. Die FiboU zeigt, obgleich sie zum Tbeil nicbt dicker isu ^^ die weisse
Nsde], docb ToUig das gewobDliche grüce AeuMere oxydirter BronzeD, desgleichen
b&beo die Broozegeräihe des Hügelä 3, selbst die kleiasteo, zum Tbetl sUrk ge*
weisateo, nicht die mindeste Aeholiebkeit mit dem EJümpcfaen, dessen Gessmmt-
eindrack trotz der einzeJaen an ihm haltenden grünlichen Partikelchen ganz und
gsmicht der yod ßroDze i^t. Seine eigen th umliehe Farbe mag er zum Tb eil too
den daneben gelegenen Bronzeetücken, besonders aber ron einem Schwefelkies-
knolien angenommen haben, der, wie es scheint^ mit ihm in ein Stuck Zeug eio-
gewickelt und welcher Yollstandig zersetz! wsr Sofern man also nicht annehmen
will, dass auch der genoge Kupfergebalt den Zinnotjecten fon aussen zugeführt
ist, bleibt nur übrig, die Verwendung schwach kopferhalügen Zinns Toraaszusetzeo.
Geringe Mengen Kupfer finden sich ja sehr häufig in Zinn, so giebt E. t. Bibra:
Die Bronzen und Kopferlegirungen der alten und ältesten Tölker. Erlangen 1869,
Tabelle S. 150^51, Analysen von 7 modernen Zinngegenständen, die »jnmtlich
Enpfer enthalten (bis zu J.2 p€t.).
Etwas anders liegt die Sache bei der Spirale; sie ist so ausserordentlich
dÜQD^ dass sie wohl ihr Kupfer Totlstandig Terloren haben kann; ich halte sie des-
halb nicht für beweisend und tbeilte ihr schon oben eine Ausnahmestellung zu.
Ich komme nun zunächst zu der Frage der früheren Verwendung der Zinn-
sachen. Ueber die Nadel braoche ich kaum etwas zu sagen; es haftete jedoch an
ihr eine Spur eines Gewebes^ so dass sie wohl eher als eine Gewand- wie als eine
Haarnadel aufzufassen ist, obgleich der Geweberest auch Ton einer EinhüÜUDg der
ganzen Leiche oder der Beigaben allein herrühren konnte.
Das Zinnklümpchen mag too seinem Besitzer als Rarität aulbewahrt sein
zugleich mit eiuer Anzahl kleiner, meist unbearbeiteter Bemsteinstuckchen und mit
einigen Knollen^ die nichts anderes als Terkieste Ammonitenkammern oder Seeigel
gewesen zu sein scheinen, jetzt aber völlig in Braun eisen umgewandelt sind.
In Bezug auf die zweischneidige Waffe, sei es Dolch oder Pfeilspitze,
kilnnte man allerdings fragen» was für einen Zweck dieselbe gehabt habeo möge,
da sie doch zu praktischem Gebrauch nicht geeignet; in dieser Beziehung erlaube
ich mir iodess, an Schliemann^s silbernen Dolch uad goldene Pfeilspitze zu er-
innern, die er beide als Prunk- oder Ceremonial- Waffen auffasst (Ilios S. 556/57).
Auch die BerDsteinnachbilduogen tod Aexten Terdienen hier erwähut zu werden.
Siehe ferner nuten die Pfeilspitze in Perugia. Von einem zinnernen Schwerte aller-
dings nur vergleichsweise und ge wisser maassen dessen TJnbrauchbarkeit hervor*
bebend, spricht P. Aelius Aristides^ ein griechischer Rhetor des 2. Jahrhunderts
n. Chr., 11, 40G (editio Dindorf vol. 11, S. 553).
Wandlung in eine )^ae, bruchige Mi s»e Torzugehen; so berichtet t. Cohaosen über Statuen-
Bruchstücke^ gefunden auf der Saslburg bei Homburp, die ohne Patin*, grau, und aach im
Bnirh aschf»rMg, fast erdig waren; er erklärt diese Vcränderong dnrch den Bletgehalt. Die
Analyse durch Fresenius und Souch&j ergab nämlich: Kupfer 70^13; Zinn 8,57: Blei
20»6%; Zink 0,013; Eisen 0,086; Kickel 0,211 = 99,899. — Annalen des Verein» f. Nassauische
Alterthumskande n. OeschkbtäforscbuDg, Bd. XII (1873)« a2%/2a
I
I
1
(91)
D<jr Ziiiuspulel, welcher ia der Nabe des TbotibecUers lag, mag wobl auch
wirklich dazu gehört haboD; man hat es hier vielleicht mit einem Saibentopfcben
zu thun und dem nothigeti Werkzeuge, die Salbe herauszunehinen; doch bin ich
anderen DeutußgeQ gerue zugänglich.
Es ist im höchsten Grade bedaueriich, dass von den interessanten Objecten nur
verbältnissmiissig kleine Stucke erhalten siod; ich habe nicht den mindesten Zweifel,
dass die Geräthe zur Zeit ihrer Niederlegung vollständig vorhanden waren, wenn
auch möglicherweise zerbrochen. Jedenfalls habe ich bei der Aliriiwmung der Stein-
setzungen die anderen Theiie uberseheD, wofür ich als Entschuldigung die wenig
hervorstechende Farbe und die grosse ßrüchigkeit der Gegenstände anführen kann,
sowie die Schwierigkeit, ans dem Haufen loser, ganz un regelmässig gettulteter, mit
Sund untermischter Handsteine zarte Objecte Qberhaypt unversehrt zu Tage zu
fördern. Spatel, Spinde und Dolcbspitze erhielt ich ausserdeni bei den allerersten,
von mir jemals veranstalteten Ausgrabungen, bei denen es mir an Hebung fehlte.
Nachdem ich im Vorhergehpnden das Thatsächbche über meine Ziunfunde mit-
getheilt habe, erübrigt noch ein Rückblick auf den gegenwärtigen Stand unserer
Eenntoiss derartiger Sachen überhaupt*
Ich bemerke jedoch von vornherein, dass die hier zn gebende Zusammen-
stellung nicht Anspruch auf VoUständigkeit macht; die prähistorische Literatur ist
so zerstreut und mir so schwer zugänglich und von Museen habe ich noch so wenig
gesehen, dass sehr wohl erhebliche Lücken mir mögen nachgewiesen werden können.
Was ich an Daten hier zusammengebracht, verdanke ich grossen Theib der GiJte
von Fachgeiiosseu, welche sich zu diesem Behufe zum Theil erheblicher Mühe-
waltung unterzogen haben; FräuL J. Mestorf und den Hrn. (Teh. Rath Virchow,
Dr. 0. Tischler in Königsberg, Th, Blell auf Tüngen und C. Knorrn in Stettin
bin ich zu besonderem Danke verpflichtet
Ich werde nun in der folgenden Aufzählung alterer Zinnsachen zunächst die
Gräberfunde von den anderen trennen» weil sie sich meinen eigenen Beobach-
tungen am nächsten anschliessen. Es sind deren äusserst wenige, aber auch die
Funde anderer Art stehen, wenn man von denen aus den Pfahlbauten absieht^ noch
ziemlich vereinzelt da, besonders was selbständige Geräthe anlangt.
John Lubbock sagte noch 1874 in: Die vorgesclncbtüche Zeit, Theil 1, S, 4,
dass bis jetzt keine zinnernen Gerätlischaften und Waffen gofnnden seien, während,
wie er S. 55, Anm, 2, hervorhebt, Zinn wohl zu Schmucksachen verwendet ward.
Schliemann führt in seiner llios kein einziges Zinnobject ao, schliesst viel-
mehr aus dem Umstände, dass in der ersten und zweiten Stadt in Hissarlik nur
reine Kupfer-, nicht Bronze- Sachen vorkommen, dass Zinn überhaupt den Ein-
wohnern gänziich unbekannt war (S* ''IB2). Im Bieler See wurden jedoch bei Finelz
ziemlich viele Kupfeimesser und -Dolche neben unlegirtem Zinn gefunden (s. unten)*
das Vorkommen von Kupfergerathen schliesst also die Bekanntschaft mit dem Zinn
nicht aus.
E, V. Bibrar Bronzen und Kupferlegirungen, giebt keine Analjse und keinen
Bericht über irgend einen alten Zinngegenstand iind schliesst sich S. 16 WibeTs
Ansicht an, dass in Nord- und Mittel-Europa metallisches Zinn erst nach der
Bronze bekannt geworden; er sogt ferner (S, 161, Note), dass er für gewiss halt,
man habe in der ersten Zeit der Bronzedarstellung die Legirungen nicht aus den
regulinischen Metallen hergestellt.
Auch E. Reyer: Aligemeine Geschichte des Zinns (Oesterreichische Zeitschrift
für Berg- und Hütten-Wesen, Jahrgang 28, 1880, S. 500) halt es mit Wibel für
wahrscheinlich^ dass man kiesige Kupfererz<? mit Zinngranpen gemengt verschmolz,
F. Wibel selbst führt allerdioga in seiner^ Kulfcur der BroDzezeit Nord- und
Mittel-EuropaSj Kiel 1865, einige Ziniifünde aus Cktrnwall, Hallstatt und deü Schwei-
zer Seen an, die später mit aufgeführt werdeo sölleo, schreibt aber den meisteo
derselben kein hohes Alter zu.
Grab erfände*
Dänemark
lieferte in seiner älteren Bronzezeit in den Bautnsärgen Julian ria und Schleswigs
die iDtereöBanteii Holzgeffisse, an welchen Muster durch eingesch lagen e kleine
Zinnstifte gebildet sind, ferner eine Art Doppel knöpf und einige Kliimpchen
Zinn, nämlich:
L Aus dem Kongshöi, Gemarkucg Haydrup, Vamdrup Sogo, Anst Herred
Amt Ribe^ Jütland, eine Holzschale; dabei soll noch ein Zinnklurapen ge-
funden sein; Ä. P. Madsen: Afbildninger af D^nske Olclsager og Mindesmärker,
ßroncealderen II (Samlede Fund), Taf. 7, Fig. Dl und Seite 15,
2, Von Fl) n der Sogn, Skodborg Herred, Amt Ringkjöbing, Jütland, Frag-
mente eines solchen Oefäases, Aarboger for Nordisk Oldkjndigbed og Historie,
1866, Tillaeg, S. 4—6, Fig. ^, b.
3, Ans dem DragshÖi bei Hoirup, Schleswigs SO. von Ribe, eine Holzschale
mit Zinn stiften garnirt und einen kleinen Zinn klumpen; Worsaae: Om Sleavigs
eller Sönderjyllands Oldtidsminder, K<^penhagen 1865, S. 31, Anni. und Fig* ö, S. .^3;
fluch Bericht 20 der Schlesw.-Holst.-Lauenb. Ges. för die Sammlung und Erhaltung
Taterl. AlteHhumer, Kiel 1861, S, 26.
4, Aus demTreenhnir Havdruper Gemarkung, Ynmdrup Sogo, Anst Herred,
Amt Ribe, Jutland, eine Art Doppel knöpf, eigentlich ein kurzes, rundes Pflock -
chen nach den Enden hin leicht anschwellend, daher in der Mitte etwas dünner;
Madsen nennt es einen kleinen massiven Gegenstand von ungewisser Bestimmung,
spricht aber an anderer Stelle von zintiprnon Doppel knnpfen aus den ßaumsärgen,
wobei er wohl das hier erwähnte Stück im Auge hat* O.Tischler in Königsberg
bezeichnet es bestimmt ais einen Doppelknopf, verwandt in der Form den mit
Gold belegten Bronzedoppelknopfen der alleren Bronzezeit und den ßernstein-
doppeJ knöpfen der ostlichen Steinzeit (briefliche Mittheilung). Hr, E. Krause vom
hiesigen Königl. elhnoK Museum macht mich auf die Aehnlichkeit mit gewissen
Ohrpflockeu aufmerksam, die allerdings, soweit sich aus der Abbildung bei M ad -
sen erkennen lässt, schlagend ist, Madsen: BronceaJderen H, S. 1) u. Taf. HI, 4.
GroBsbritannien
hat einen einzigen Gräberfund aufzuweisen. John Evans: The ancient Bronze
Implements, Weapoos and Ornaments of Great Britain and Ireiand, London 1881,
citirt S» 394 aus Hoare: Ancient Wilts, vol. 1, p. 103, eine gekerbte Zin nperle,
wie eine Anzahl an einander gereihter Ferien aussehend, die mit einer Kupfer- oder
Bronze-Nadel und einigen conischen Knöpfen von Knochen oder Elfenbein in einem
Hügel mit Leichenbrand zu Sutton Verney Down niedergelegt war; Hoare sagt
dazu: ,^e3 ist der einzige Gegenstand aus diesem Metall, den wir jemals in einem
Hügel fanden.*^
In Oesterreich
wurde Zinn in mehreren Grabern zu Hall statt angetroffen, nämlich nach E.
Y. Sacken: das Grabfeld von Hallstatt in Oberosterreich und dessen Alterthümcr,
Wien 1868, S, 74, 91 und 119:
L 4 einfache Ringe von %-=l Zoll Durchmesser, aus rundem, 7, Linie
J
I
^
(93)
dickem Zloodraht, an der Brust eines in aussergewobn lieber Richtung, d, b, mit
dem Gesicht gegen Weaten gekehrten Skelettes; eioige der Ringe waren mit
weissem Oxjrd überzogen, was ▼. Sacken einem Bleigebalt zuschreibt; die
Analyse v. Fellenbergs ergab nämlich 94,76 pCl, Zinn, 4,10 Blei, 0,49 Eisen =
99,35 pCt
2, Spiralringe aus Zinn, vrie Taf. XVJI, 10; v. Sacken beschreibt sie so;
sptralartig mehrmals mit gleichem Durchtnesser gewunden, dann zuruckgebogen,
worauf die WindaDg tu entgegengesetztem Sinne fortgeführt ist. Hr, Dr. 0- Tisch-
ler giebt mir über diese höchst charakteristische Form folgendes an: „der Ring biegt
nach einer halben Windung um, bildet so eine Oehse und setzt dann seine Wla*
dangea ia entgegengesetzter Richtung fort; ich nenne Ringe mit solcher Bück-
biegung Oehsenringe^ den hier speciell beschriebenen ^mit einer mittleren
Oehse**; chronologisch sind dieselben wichtig, sie treten wabrend der mittleren und
jüngeren nordischen Bronzezeit und während der Hallstätter Periode anf, in Italien
in den oberitalienischen Necropolen,^ In der Form ganz ähnliche bronzene Fioger-
apiraten aus Ost- und Westpreussen erwähnt i. Undaet; Das erste Auftreten des
Eiaeoa in Nord-Euri*pa, Hamburg 1882, S 119 und Taf XIII, 16. — Auch die Spiral-
ringe sind durch Oxydation zum Theil mit einer weisslicheu Kruste überzogen.
3. Die Fassung eines Schleifsteins (Taf. XIX, 26), ein kurzes Heft aus
reinem Zinn, mattgrau, aber ohne alle Patina, am Ende beider&eirs hornartig
ausgebogen, 1*/^ Zoll kng, und mit einem Loche behufs des Aufljängens versehen.
Es mag übrigens hier daran erinnert werden, dass Hallstatt für dortige Gegend
die frühe Eisenseit repräsentirt
Aus Mahren tou einem Gräberfeld bei Selowitz erwähnt Karl Wein hold
la ^Die heidnische Todtenbeslaltung in Deutschland** Ohrringe Ton Bronze und
Zinn (?}, die mit mancherlei Eisenstücken etc. dort Torkommeo; Sitzungsberichte
d. phil-hist Classe d. Kais. Akad. d. Wissensch., Wien 1859, Bd. 30, Heft 2, S 191.
In der Original mittheilung, Sitzungsber. pro 185^, Bd 12, S. 4S0/81, beisst es:
^Ohrringe aus Blei oder Zinn, die zu einer aschgrauen Masse geworden, die wie
halb gebrannter Topferthon sehr leicht bricht*; dies passt allerdings gut auf die
völlig oijdirten Zinnsachen. Das Grabfetd enthielt 2 oder 3 Graber lagen über-
einander; wie es scheint, fanden sich die Ohrringe (von 1—2 Zoll Durchmesser
and 2 — 3 Linien Dicke) in allen 3 Schichten; als Beigaben sind ausserdem er-
wähnt: Glasperlen In die Bronzezeit reicht wokl keins der Gräber hinauf.
Aus der Schweiz
werden Ton Hermann Genthe in seiner Schrill: üeber den etruskischen Tausch-
handel nach dem Norden, Frankfurt a. lA* 1874, 3 Gräberfunde erwähnt, nämlich:
a) S. 48, Bronzenadein von Murzelen (Canton Bern) mit dreitheiligen Bern-
steinknopfen. an denen zinnerne Platten und Stifte eingelegt sind, aus einem
Frauenskeletgrabe der Eisenzeit; citirt nach; G. de Bonstetten: Recueil d^anti^
quites Suisses (1855), S. 30, und Taf, VI, U, wo der betreffende Grabhügel der
Helvetisch -Römischen Periode zugetheik wird; Bonstetten erwähnt übrigen«
die Zinneinlagen nicht.
b) Aebniiche Nadeln wurden gefunden in einem Hügel bei TrüUikon (Can-
ton Zarich),
c) S. 131, an einer Haarnadel von Sitten im Wallis aus einem Steinkisten*
grabe mit Skelet ist der Knopf mit Stiften eines oxydirten Metalles verziert,
das Genthe für ZTnn hält; daneben fanden sich offene Hals- und Arm-fiinge and
andere Beigaben, sämmtlicb ans Bronze.
(94)
Der Kaukasus
lieferte Hru. Ernest Chuatre in LyoD einige Gegeostatide aus ireüBiP, morschem
(friable) Metall, das dieser Forscher in Folge einer gefälligen MitthciJung des Fräul.
Mestorf ober meine Beobachtungen in Bezug auf Zinoobjecte ebenfalls als Zinn
erkannte. Uie Sat-ben stammen von Koban am Fusse des Kasbek, also von dem-
selben Graberfelde, das Hr. Geh, Ratb Vircbow kurz nach ihm untersuchte, und
welches des letzteren Beobachtungen zu Folge Begräbnisse der späten Bronie- oder
der frühen Eisen^Zeit enthält (Zeitschr, für Ethnol. XIII, Verb. 1881, S. 418; XIV,
Verb. 1882, S. llü); es sind Knöpfe und eine Art kleiner Rädchen oder durch-
brochener Scheiben aus Zinn.
Nach Ansicht besonders der französischen Forscher kam das in Aegypten schon
zur Zeit der vierten Dynastie (3600 v. Chr.) zu Bronzen verwendete Zinn aus dem
Kaukasus; siebe F, Lenormant, Die Anfange der Kultur 1, S. 97 E {Jena 1875);
Du freue: Etüde sur Fhistoire de la production et du commerce de r^tain, p. 22
und 34 (Paris 1881); Germain Bapst: rorfevrerie d'ctain dans Tandquite, in der
Revue archeologique vot XIJII (Paris 1882), K. E. von Baer dagegen bestreitet das
Vorkommen von Zinn in Georgien und Armenien . Zinnmineo und alte einheimi-
sche Zinnwaareniodustrie finden sieb aber nach ihm in der persischen Landschaft
Chorasäö, also in verbalt nissmassig grosser Nabe des Kaukasus ^ auch der bergige
Theil des Gebietes der Teke-Turkmenen liefert Zinn (Archiv f. Anthrop, IX, 1876),
S. 264 /*>5; K, E, v. Baer in der Abhandlung : Von wo das Zinn zu den ganz alten
Bronzen gekommen sein mag?).
Damit scbliesst die Reihe der mir bekannt gewordenen älteren Gräberfunde
von Zinn; vom Kaukasus und dem zweifelhaften Selo witzer Falle abgesehen j sind
es nur 11, nämlich 3 aus Jutland, 1 aus Schleswig, 1 aus England, 3 aus Hallstatt
UDd 3 um der Schweiz; für Hallstatt sind hierbei allerdings die Spiralringe sub -
als ein F"uud aufgefasst, während sie sieb vielleicht auf mehrere Gräber vertheilen.
Im VerbältnisH zur uageb euren Menge aller Orten untersuchter Gräber Ist diese
Zahl verschwindend klein und da Zinn in Funden anderer Art entschieden häufiger
vorkommt, so muss man sich doch fragen, ob dieses Metall wohl wirklich in Grä-
ber so überaus selten niedergelegt sein mag, oder ob es nicht vielmehr bei den
Ausgrabungen zu wenig beachtet wurde. Es ist wohl nicht blosser Zufall, dass ich
auf einem so eng begrenzten Gebiete, wie die Insel Amrum, und bei nur 16 ge-
öffneten Griibcrn in Form von Steinpackungen, die sich auf 9 Hugel vertbeilten,
nicht weniger wie 4 Mal (in 4 verschiedenen Bergen) Zinn angetroffen habe und
darunter A Mal als selbständtges Geräth; ich glaube vielmehr, dass die Anwendung
des Zinnes überhaupt und die Verwendung von Zinnobjecten zu Beigaben eine viel
allgemeinere gewesen ist, als die obige Aufstellung^ schliessen lässt, dass sich aber
diese Dinge bei den Ausgrabungen der Aufmerksamkeit entzogen, weil sie ihr me-
tallisches Aeussere verloren haben, die entstandene Zinosäure geringen Zusammen-
bang zeigt und die Objecte also leicht zerstört werden.
Dass die Vergänglichkeit des Zinnes die Ursache seiner Seltenheit in alten
Funden sei, haben schon andere Forscher ausgesprochen; Schtiemann sagt Ilios
S. 684, dass die in Novum llium gefundenen Gemmen immer ohne Ring (Fassung)
angetroffen werden und erklärt dies dadurch, dass sie in Zinn gefasst gewesen, ^wel-
ches Metall verseh windet, ohne eine Spur zurückzulassen.** Dies ist natürlich voai
Standpunkte des Chemikers aus nicht richtig, da das Zinn vielmehr in die aulös-
licbe Zinnsäure i'ibergeht» aber praktisch genommen ist das Re^ltat dasselbe; denn
wenn wirklich die Fassung der Gemmen aus Zinn bestand, so koimte dieselbe nach
ihrer voUstänfligen Oxydation unmöglich als solche erhalten bleiben, sondern musste
zerbröckeln und verloren geben*
I
I
^
(BS)
Auch Bapst schreibt a, a, 0, p. 23G/37 das Fehlen der Ziunsachen, selbst aus
griechischer und römischer Zeitj in den Museen der gleichen Ursache zu, da doch
eine ZionwaareniDdustrie z» B. in Italien nachweislich bestanden habe (Spiegel-Fa-
brikation u. s. w.).
Im Anscbluss an die älteren Gräberfunde will ich aus späterer Zeit anführen;
a) 10 Schläfe Dringe aus 3 slavischen Gräbern von Slahoszewo bei MogUno
10 Pösenj W. Schwartz, Verbands der Berf, Ges, f, Anthrop. etc. 1878, S. 276;
1879, S. 378; Tiedemann ibid. 18S1, S. 358/59; siehe auch Schwartz: Materialien
zu einer prahlst Kartographie d. Prov. Posen, Nachtrag T, S, 10; II, S. 13; IV, S* 5.
Geb. Rath Virchow publicirte eine Analyse Salkowski's, wonach ein solcher
Ring bestand aus G9 Tbl. Blei und 31 Zinn (Verb. 1878, S. 276/77); Tiederaann
spricht desshalb auch mit Recht nur von bleiernen Ringen oder solchen aus Blei-
tDischuDg, nicht von zinnernen.
b) einen zinnernen Teller mit Eisenreif im Rand aus einem fränkiscbeii Grabe
bei Wiesbaden; Wiesbadener Museum Nr. 1*^38 nach gef. Mittheilung des Hrn.
V* Cohausen. I>u& Metall ist suhon stark oxydirt, in Folge dessen leicht aerreib-
licb, grau und mit weisser Kruste überzogeo; es enthält etwas Blei
Ziniij da» nicht aas Oräberu btatnmt.
Die grössere Zahl der alten Zinnsachen rührt nun, wie bereits bemerkt, nicht
aus Gräbern her, sondern gehört theils Äloor- und Giesserei-Funden an, hauptsäch-
lich aber den schweizer Pfahlbauten; von einigen wenigen habe ich bisher die Fuod-
umstände nicht ermitteln können»
Moorfunde giebt es aus Schweden, Däßemark» Irlami und Pommern jo einen;
Giessereifunde kenne ich aus Schottland und Siebenbürgen ebenfalls je einen*
In der Schweiz lieferte vornebmiich der Neuenburger See eine ganze Anzahl
Produkte einer höchst eigentbümlichen Industrie, nämlich mit Stanniol belegte
ThoDwaaren^ die in an sonst nur noch in den benachbarten Bieler und Mur teuer
Seen, im Genfer See und im Lac du Bourget in Savoyen angetroffen bat. Aber
auch andere Zinnartikel sind in den Pfahlbauten gehoben, besonders kleine Schmuck-
sachen.
Was mir sonst an Zinngegenstäuden bekannt gewordeu, vertheilt sich auf Däne-
mark, England, Irland, Ostpreussen, (Böhmen), Italien.
Ich werde in der folgendem Aufzählung, wie oben, nach Ländern vorgehen und
mit dem Norden beginnen,
Schweden,
Liingbro, Sodermanland ; Ein lerbrochener 510 (^ schwerer Ring aus Zinn,
neben 7 Habriugen mit wechselnder Torsion, 4 doppelten Spindringen mit Endöhse,
3 Hohlcelten und anderen Bronaen 1,5 w* tief im Moor gefunden, der jiingeren
Bronzezeit oder dem Ende derselben angehtirig.
Die Analyse ergab nach Mittheiiung von Frl. Mestorf: 96 Zinn, 4 Blei - lOO,
0. Montelius: Antiqu. Sui^doises; description Nr. 144. Stockholm 1>573— 75,
Dänemark*),
Baarsc, Amt Praesto, auf Seetand: Spjralring von eigenthümticher Biegung,
auB einem Moor, Kopenhagener Museum No. 3725. Hr. Dr, O. Tischler, dem
ich diese Mittheiiung Tierdanke, schreibt mir darüber: er ist nahe verwandt mit den
Spiralringen aus Hallstatt (mit einer mittleren Oehse) und so herzu siel Jen, dass maq
1
1) Siehe Nachtrag«
(96)
eine» DraLt ao eiüem Emle umbiegt, bo dass 2 ungleiche Scheukel entstehen, den
Doppeldrabt Bpiralig iiufwickelt, so dass die Of^bse au der ümbiegungdsteÜe den Ao-
fang Litdet, und nach 7« WinduDgen des Doppeldrahtes den einfachen Draht noch
4 Windungen machen läast. Diese Spiralringe mit Endohse sind meist im ganzen
Verlauf aus Doppeldrabt gebildet etc., wie z. B. die goldenen bei Worsaae, Nordiske
Oldaager, Kopenhagen 1859, No. 246 und 250,
Die beiden Formen der Ringe mit Mittel- und Endöbse scheinen gleichzeitig
aufzütretea^ aus Bronze fanden sie sich zusammen mit obigem Zinnringe von Liing-
bro in Schweden (Montelius, Fig- 243.).
Siehe: 0, Tischler; Beitrage zur Kenntniss der Steinzeit in Ostpreussen und
den angrenzenden Gebieten, Königsberg 1882, S. (18); Separatabdr. aus den Schrifteo
der phye, ocon. Ges., Jahrg. 23, S. M. Vergleiche ijbrigens auch M. Mucb: Baugen
und Ringe (Mittheilungen der Anthropologe Gesellschaft in Wien, Bd. \\ S, 89);
Much hält ^Iche Spiralen für Geldringe.
Ruthsker Sogn auf Bornholm: Im Kopenhagener Museum befindet sich unter
Nn B 564, wie Frl, iMestorf mir mittheilt, ein importirtes Schwert aus Ita-
lien, bei welchem die Füllung des Griffes von Zinn oder Blei zu sein scheint; ab-
gebildet bei Sophus Müller: die nordische Bronzezeit und deren Periodentheilung,
Jena 1878, S, 16, Fig. 13, Siehe aucb Äntiqvarisk Tidskrift f»>r Sverige, Stockholm,
Bd. Ilf, S. 208,
Ich nehme ao, dass es nicht aus einem Grabe stammt, da MuUer S. 17 sagt:
von den fremden und eingeführten Schwertern ist nur eines nachweislich in einem
Hijgel gefunden; Alle übrigen in Alooren oder unter einem Stein.
Schottland.
Äclitertyre, Morajshire: 4 Zinnfragmente, wie es scheint, eines Barren Ton
15^4 <^i Länge, etwa 85 g Gewicht, mit ovalem Querschnitt und etwas gebogen,
bestehend aus 78,66 Zinn, 21,34 Blei, schmelzbar bei 185** C. Die Stucke wurden
mit verschiedenen Bronzesachen (Schaftcelten, Lanzen, Armbandern) zusammen ge-
funden und gehören zu dem Vorrath eines Giesser^. Es ist zweifelhaft, ob man
es hier mit ^Loth** zu thun hat oder nur nait unreinem Zinn; alle in Schottland
gefundenen Bronzeinstrumentc enthalten Blei in verschiedener Menge. — Dies ist
der einzige Zinnfund aus dem Vorrath eines Bronzegiessers in Grossbritannien^
von dem Evans weiss, während Kupfer häufig vorkommt.
John Evans: Bronze -Iroplements, p, 425, citirt nach Froc. Soc. Antiq, Scotl.
voL IX., p. 435.
Bogland.
Gornwall, Falmouth: im Hufen aufgefischt ein grosaer Barren ^ fast 72%
schwer, 89 am lang, 28 breit und 7,6 dick. Seine eigeotlmmliche Form, die mit
den Angaben des Diodorua Siculus: bibliotheca historica üb, V, cap. 22 iiberein-
etimmen soll^ berechtigt, ihn ala alt anzusehen; Evans L c. p. 426, Fig. 514, citirt
nach dem Archaeological Journal vol. XVI, pag. 39,
Andere in Cornwall gefundene Barren hält Evans in Bezug auf ihr Alter nicht
für sicher genug.
Wibel: Cultur der Bronzezelt, S. 42 erwähnt noch 3 Funde aus Cornwall;
einer deriäelbeu mt jedenfalls ziemlich jungen Datums und Qber die beiden anderen
herrscht Ungewissheit; Evans erwähnt dieselben gar nicht in seinen „Brouze-lm*
plemeots^; ich will indessen hier die Einzelheiten geben.
pr
Der erste Fund betrifft 2 Schalen, obeo 4*/.^, Zoll und iiTiten 2^j^ weit, aus
Xinn von V30 ^^^1 Stiirke, die eine luitj die andere ohne Henkel; letztere an der
Innenseite des Bodens mit einer römischen Widmung versehen; und ferner einen
zinnernen Krug mit Henkel; alles 3 wurde zusammen mit anderen Dingen in dem
Brunnen einer romischen befestigten Ansiedlung zu Bossen s, 8t, Erth, nord-
»^stlich von St. Michaels Mouat gefunden; William Borlase in Philo?^ophical Trans-
actioQS für 1759 (London 1760) voL 51, P, 1, p, 13 und 15, PL I., 1, 2; sowie
p. \S und Fig. 3. Siehe aach Daniel Wilson: The archaeology and prehistoric
annals of Scotland, Edinburgh 1H51, p. 197.
Ich will hier nur darauf aufmerksam raachen, dass englische Ziangefässe mit
ronftischen Inschriften mehrfach bekannt sind, so von Southwark, London; Ickliug-
toD, Snffolk; fiambridgeshire; siehe Emil Hühner: Corpus inecriptionum latiuarum
voL VJI (1873), No. 1270 u. 71.
Der zweite Fund ist ein Zinnbecher eigenthumlicher Form, gefunden 171>3
beim Suchen nach Zinn in einem Seifenwerk Hallivick; Archaeologia, London 1812,
vol. XVI, p. 137 und Tat IX. Sichere Anhaltspunkte für das Alter dieses Bechers
fehlen wohl; D. Wilson: Archaeology of Scotland, p. 197 hält ihn für alt, da er
mit einem Broniering, der offenbar britische einheimische Arbeit, zusammen ge-
funden sei; dies ist jedoch ein Irrtlium, da der Bronzering (Archaeologia, p. 137,
TaL X.) im Jahre 1802 im Seifenwerk Trenoweth aufgelesen wurde. Wilson be-
merkt übrigens au dieser Stelle: It seems surprising that relics formed of the most
abundant native metal« tiu^ should not be fouud in the tumuli.
Der dritte bei Wihel erwähnte Fand: eine Art Barren oder Gussfladen
(,a rüde smelted block of tin^, wie es im Ofticial descriptive catalogue, International
Exhibition, London 1851, voL L, p. 165 heisst) aus alten verlaesenen Zinngruben
voQ Ladock bei Trum, Cornwall, wird zwar (Reports by the Juries, Class I, Mining
inetallurgical Operations etc.j p. 12) als verniuthlich von den Phöniciern herrührend
bezeichnet, doch fehlen bestimmte Angahen, welche wahrscheinlich machen, dasg
jene Gruben aus vorcbristHcher oder vorromischer Zeit stammeu und seitdem un-
benutzt geblieben; nach E. Hey er (a. a. 0. 8, 500) war früher, selbst bis ums Jahr
1200 n* Chr, Devonshire der Hauptproductionsplatz in England und Com wall gewann
erst später die Oberhand.
Devonshire: Die berühmte Kent höhle bei Torquay lieferte nach Baer-
Hellwald: Der vorgeschichtliche Mensch, 2. Aufl., Leipzig 1^80, S, 367, Zinn-
gusssachen neben Kupferschmuck und Kupferfladen. Dieses Vorkommen würde
»ehr interessant sein, allein in den officiellen: Reports of the committee for explo-
ring Kents cavern (aus den Reports of the meetings of tbe British Association for
the advaneement of science, for 1865 — 1880, London), findet sich nichts darüber,
auch in den Cavern Researches von J. Mc. Enery, edited by E, Vi vi an, London
1859, ist dieser Fund nicht erwähnt und ebensowenig von R* A. C, Austen in
seinen Mittheilungen über Kents Hole (Transactions oF the Geological Society of
London, second series, voL VI, 1842. p. 444 (46). Die Angabe entstammt daher
wohl einer minder zuverlässigen Quelle und das Vorkommen von Zinn in der Höhle
kann einstweilen nicht als sicher festgestellt gelten.
Lincolnshire: Zlnnlothung an einer gehämmerten Bronzetrompete viel-
leicht aus der Zeit kurz vor der römischen Invasion Englands, gefunden Im Flusse
Witbara; Evans 1, c. p. 363; Philosoph. Transact, London 1796, p. 398, Fl XI, 1;
John M. Kcmble: Horae feralea, p. 171, T&f. XÜI, 2, London 1863,
VerÜtQdl. der B«rl. AntLrupoL Ge»<)llS4:h»ri USi. 7
»)
J. W. Mall et keuDt ausser zweieo der tod Wibel aDgefübrleii noch folgeo-
deD Fuod tod EDgland:
£b ehester, Co. Durham: eine bedeotende QuaDtität gescbmoUeDeo Metalls,
das mad anfangs für Silber hielt, das aber sich spater als „pewter** erwies; wie es
scbeiot, lag das Metall uoter einem geoiauerten FuDdament \n einer romisctien
NiederlasöUDg; J. W. Mallen Äccouot of a cbemical examinatioD of the celtic auti-
quities in the collection of the Royal Irish Acadenay, Dublin 1852, (Göttioger [o-
aiigural- Dissertation), p. 32; citirt nach den Philos. Transact für 1702 und 1703,
London 1704. vol. XXIII, p. 1130.
Fewter ist ein durch Zusatz geringer Mengen anderer Metalle gehärtetes Zinn,
eine Zinnlegirung mit Blei und ein wenig Kupfer, Antimon oder Wismuth und
yielleicbt auch Zink,
2 Barren aus „pewter** oder Zinn vom Jahre 382 n. Chr mit romischen
Stempeln sind »«geführt im Corpus inscriptionum latioarum VII, Nr, 1221; dereine
ist 7 Zoll laug und 4 breit und wiegt 44 Unzen, der andere ist SYs Zoll lang und
4V? breit und wiegt 11 0^/4 Unzen.
Ueber angeblich verzinnte Bronzccelte siehe Evans a. a. 0, p, 55 — 57 j Evans
hält die Anschauung nicht für richtig.
Dagegen erwähnt er p. 426 und 445, dass die alten Briten in Kent und Um-
gegend (um die Zeit vor Christi Geburt, d. b. schon in der Eisenzeit) Zinnüaünjsen
in hölzernen Formen gössen. Näheres hierüber siebe: J. Evans; The coins of the
aucieut ßritous, London 1864, p. 123--126. Auch gallische Münzen aus demselbea
Material sind in Euglaud gefunden.
Zinngeld soll Dionysioa der Aeltere (etwa 400 v, Chr.) die Syracusaner genothigt
haben, statt Silber anzunehmen; Poilux: Ouomasticon, 0 79. Ob wohl jemals der-
artige MGozeu gefunden und analysirt sein mögen?
In China war Geld aus Zinn lange vor der christlicben Zeitrechnuog ebenfalls
gebräueblich; Bapst a, a. 0. p. 226, Note 4.
I
Irland.
Aus einem Sumpf bei Cullen, Tipperary^ ein Bronzesch wert, in \velche&
ein Stück „pewter** eingelegt war^ das wiederum Kupfer (Bronze ?}-Streifen als Ein-
lagen enthielt«
Evans, Bronze Imp* S. 296 nach der Archaeologia voL III, p, 365 (London 1786).
Den Kern eines Ringes, der nach Mallets Analyse aus reinem Zinn be-
steht, führt F. Wibel; Cultur der Bronzezeit^ Tabelle 5, auf; ob das Stuck aus
der Bronzezeit stammt, lasst er traglicb, Mallet setzt es aber in dieselbe Zeit, wie
die iibrigen älteren ßronzesachen des Museums der Royal Irish Acaderoy, Dublin;
fiber die Fundumstaude wird iadess nichts mitgetbeilt Der Zinoring war die Aus-
füllung eines hohlen Bronzeringes von 4'/» Zoll Durchmesser uud \i^ Zoll Dicke;
er war zum Tbeil mit einer Schiebt Zinnsäure bedeckt. — Evans erwähnt den
Gegenstand nicht,
Mallet a. a. 0. p, 32 und 33.
Pommern
lieferte den einzigen Gegenstand von Bedeutung aus Deutsch land. Im Stettinef"
Museum beinden sich 3 Stücke eines ^Barreo^ uus reinem Zinn, im Ganzen 15 cm
lang, 4 mm breit, mit gestreiftem Ornament (Jouruabummer 1703); dieselben
lagen in einem Moore bei Ziegenberg bei Colberg zusammen mit kleinen Bronze-
I
I
ringen und 2 Armsplrajen au« Doppeldrabt mit einer Eodöbse, die anderen Enden
verschlungen, nebst 2 Bernstein perlen an der einen Spirale. (Jahresbericht 44 der
Gesellscbßft für Pommericbe Geschichte und Alterthutnskunde, L II, Januar 1882,
^S. 106, laO, und Fig. 2 der Hthog, Tafel.)
Der Name ^ Barren*^, für so kleine Stäbchen an sich wenig geeignet, passt für
[diesen ornanaentirten garnicht, Dr. O. Tiscbler in Königsberg halt die Stücke
für Theile eines ringartigen Schmuckes; das Ornament besteht nach ibxn aus Strich-
reiben, die in Intervallen, ihre Richtung wechijeln, eine Ornameutatioo, die in der
jiingereu Bronzezeit Yorkommt, wie bei den Halsringen mit wechselnder TorsioD
(Briefliche Mittheilung).
Vergleiche das ornamentirte Armband aus dem Lac du Bourget^ Savoyen, und
den Ring aus dem Murtener See.
I Ostpreussen
besitzt in der Sammlung des Hrn. Th, ßlell auf Tiingen bei Wormditt einen
Gegenstand aus der Bronzezeit mit Zinnlöthung. Daselbst beendet sich ferner
das Obertbeil eines pokalartigen zinnernen Gefässes mit Deckel, aus-
gegraben in Workellen, dem Hr. Blell, weil es fast ganz oxydirt ist ein hohes
Alter zuschreibt. Ob dasselbe in einem Grabe gelegen, ist nicht ermittelt; der Form
Dach mochte ich das Stück nicht sebr weit zurückdatiren, die starke Oxydation
kann auf grosser Dnrchliisäigkeit des Erdreiches oder dergleichen beruhen; das
Original selbst habe ich übrigens nicht gesehen.
Die im Wiesbadener Museum befindlichen 3 oder 4 Löffel aus Zinn (einer
vielleicht aus Blei)^ Nr. 6874/7, und 8 aus Weissmetail sind wohl römische;
fiber die Fundumstaode ist nichts bekannt. Weissmetall dieser Art von einer auf
der Saalbürg bei Bomhurg gefundenen armbrustformigen Gewandnadel ist von
Fresenius und Souchay analyeirt und besteht aus 75,71 Kupfer, (>,97 Zinn,
16,41 Blei, 0J4 Zink, 0,17 Eisen = 100; Nassauische Annalen XII, 1873, 323;
vergleiche unten bei Böhmen; diese weisse Bronze bewahrt nach Hrn. v. Co-
hausen häufig im Gegensatz zu gewöhnlicher Bronze sehr schön eine blanke Ober*
flache; sie findet sich öfters unter den Gewandnadeln der späten Römer- und
Frankenzeit, i^owie unter den Schnallen und Gürtel beschlagen der letzteren.
Böhmen.
I, ..„.........__,.,.
tischen Münzen aus Potin, d. h. etner Art Weisi^nietaü aus Zinn und Blei mit
(etwas) Kupfer, geboren der Zeit der la Teoe-Culturj etwa um Christi Geburt, an.
Potin, eigentlich TopfroetalJ, scheint eine etwas schwankende Bedeutung zu
■^ben; wurde es überall mit Weissmetalj identisch sein, so konnte es wohl sehr
▼erscbiedene Legirungen bezeichnen, z, B, ein Hartmetall aus Kupfer und Zink mit
einem Zusatz von Blei oder Zinn; oder Zbk mit etwas Zinn und wenig Kupfer,
oder Zinn mit etwas Antimon und wenig Kupfer; oder Zinn und Blei mit Antimon.
Die Numismatiker scheinen indes« im Altgemeinen unter Potinmünzen solche zu
verstehen aus minderwerthigem, verfälschteiD Silber, ohne Rücksicht auf die
anderweitigen BestandtheiJe, und zwar vorzugsweise die ägyptischen Kaieermünzen
aus Alexandrien von Auguetu« bis Diocletian.
■ Ingvald Undset: Das erste Auftreten des Eisens in Nord-Europa^ S. 48 (Harn*
bürg 1882). W. Osborne: Mittbeiluogen der Anthropol. Gesellsch. in Wien, Bd. X,
S. 241 und Taf. I, 5.
7*
(100)
Siebenbürgen,
Bei Hammersdorf faodeD sich in einer uoit Lebm ausgeschlagenen )cesBe]-
lutigen Vertiefung auf einem Acker über 8 Ceotner Bronze und Kupfer zum Tbeil
verarbeitet, aber über 6 Centner davon an Bronze nnd Rohkupfer als Gussfladen
lind Barren j letztere von $ — 9 Zoll Durchmesser und höchstens 1 — 2 Zoll Dicke
(Depot eines MetallarbeiterB). Neben diesem Metall fand sich eine kleinere
Menge reinen Zinns, in kleinen Stückchen, ursprÜD glich wohl sogenanntes Körner-
zinn, wie es auch jetzt noch in besonderer Reinheit im Haudel vorkommt; die
Stückchen waren in der Erde tbeilweise 2ii&animen gebacken. Ausgerdem enthielt
der Schatz zwei Stücke unbekannter Bestimnaung ebenfalls aus reinem
Zino, deren eines in Hermannstadt, das andere im Pester National in useum auf-
bewahrt wird. Das Berraannstädter ist ein auf der einen Seite ganz Qacher, auf
der anderen an den Händern abge^tchriigter Stab von 2 Zoll 4 Linien Länge und
8 Linien Breite mit etwas hervortretenden ebenfalls sirh abschräge ndrn Armen an
beiden Seiten, im Gewicht von etwa 2 Loth; ähnlich ist dos Pester Stück; sie
haben durch Oxydation gelitten. Der Fund gehört der ungarischen Bronze-
zeit an.
Ludwig Reisse nherger: Der neneste archäologische Fund bei Hammersdorf;
Archiv des Vereins für aiebenbürgische Landeskunde. Neue Folge X, Heft 1,
1872, S. 25, 27, 28 und Taf. iV, 22.
Im Pester Museunj befindet sich ein cylin drischer Bt^hälter aus Zina;
näheres über die Herkunft des«elt>en weiss man nicht anzugeben, halt ihn aber für
römisch; derselbe diente vielleicht zur Aufbewahrung von ArÄueistoffen:
K. B. Bofmann: Zur Geschichte des Zinkes bei den Alten, Leipzig, S. 37
(Separatabdruck a« d, Berg- und Hitttenmännischen Zeitung, Jahrgang 41, Nr. 46 bis
51), und Privatroitthf^ilung.
Die Schweiz.
Die schweizerischen Pfahlbauten lieferten die grösste Anzahl von Zinnfnnden
aus der Bronzezeit Papierdünne Zinn streifen und Fäden sind auf dunkle, schwach
gebrannte Thongefas>.e gelegt und fest angedrückt: der helle Zinnbelag gab dann
zura Tbeil recht geschmackvolle Muster, die sich auf der schwärzlichen Thoomasse
schön abhoben^ jetzt mag übrigens das Zinn selbst wohl auch gedunkelt sein^
wenigstens spricht ßapst a. u. 0> p. 229 von einem fragment de poterie lacuetre
sur lequel les lanies d'etain noircies par le terops fönt une decoration grecque
des plus pures sur la pause du vase. — F. Keller schreibt diese Art Geschirr
einer „spateren Periode", also wohl dem Ende der Bronzezeit zu.
Man fand in den Pfahlbauten ausserdem eine Reihe kleiner Zinn Stäbchen,
die verniuthlich zur Anfertigunjir des in der ebeu geschilderten Industrie verwende-
ten Stanniols und zu anderen Zinnwaaren dienen sollten, nicht zur Brouzebereittiog.
Endlich wurden auch verschiedene andere Gegenstände, besonders Schm tick such en
in l'orm kleiner Ringe und Radchen, gehoben, und nach einer Mittheilung des Orn,
öudset (durch gefällige Vermittelung des Frävil. Mestorf) sind bei den häutig
vorkommenden zusammeugesetzten Bronzearmbandern, deren verschiedene Ringe
dtirch einen Stift zusammengehalten werdeu, diese Stifte an den Bnden faat
immer aus Zinn.
Neuen burger See:
L Hauterive: Eine Vogelfigur aus dunklem Thon mit Zinnstreifen belegt,
wohl ein Spielzeug.
Anzeiger für Schweizerische Alterthum«kunde 1881, Heft 2, S. 134, Tat X, 5.
I
Ti
2, Auvernier: 2 flache, vierspeichige, duruh ein Quer baod mit einaader ver-
bundene Rad c Leo niit ZickzacklinieD um beiderseitig abgeflachten Reif, sowie eine
21 an lange dünne Hfiar- oder Gewand-Nadel mit grOBsem Zinnküopf.
Anzeiger 1881, Heft 2, S. 135, Taf. X, 4 und 2; siehe auch V. Gross: Deux
statioDB Jacusties, Moerigen et Auvernier, Netiveviile 1878, Taf. YIL
Ein vierspe ichiges Zinnrad mit orüamentirtem Reif, und eine Gewand-
nadel mit Ziaovprzieruog am sehr grossen Kopf; Mittheilungen der antiquarischen
Geseüschaft in Zürich XX, Abtheiluug I, Heft 3 (Ferdinand Keller Pfablbau-
bericht 8, 1879, Taf, VI, 12 und Taf. Vlü, 12).
Hierher gehört ferner eine im Jahre 188t? von Hrn, Dr, Gross an Hrn. Geh,
Rath Virchow gesandte durchlöcherte Leiste oder Platte, die nach einer
Analyse des Hrn. Salkowski aus bleihaltigem Zinn besteht; Yerbandl. d, Berl.
Gesellscb, f. Anthrop. 1882. S. 388.
3, Cortaillod: Ein schön erhaltener schwarzer Teller mit Muster in Zinn-
folie und Fragmente von 4 Tellern;
Züricher Mittheilungen XIV, Heft G, S. 174, Taf. Xllf, 1—5. (Bericht 5,
1863, S. 46).
Ferner eine prachtvolle verzierte Schale; Mittheilungen XV, Heft 7» S. 308,
Tat XVI, L (Beriebt 6, 1866).
Endlich ein kleiner offener Zinn ring, an dem mehrere dünne, etwas grossere
Bronzeringe, hingen, nach E. Desor: Anzeiger 1870, Heft 4, S. 187/89, ein sog.
^porte-monoaie lacustre", bei dem der Sammelring aus dem gescbmeidigen Zinn her-
gestellt; siehe jedoch H. Genthe: Etruskischer Tauschhandel, Frankfurt 1874, S. 117.
4, Estavayer; a) eine Art Deckel aus Thou mit Oebr mit Zionhelag; b) der
Hals einer Vase aussen uiad innen mit Zinn belegt; c) eine prismatische gehämmerte
Stange völlig reinen Zinna, I8S mm läDg, bis zu 5 mm dick, im Gewicht von 15 g*
Züricher Mittheilungen Xill, Abtheilung II, Heft 3, S, ^3 u. 104, Tafel V, 40
und VII, 32 (Kell er *8 Bericht 3, 1860),
d) ein offener Zinn ring, an dem mehre Broozeringe hingen;
Zürcher Mittheilungen XIX, Heft B, Taf. XVI, 9 (Bericht 7, 1876),
e) eine Zinnstange., prismatisch^ 5 Zoll lang, wie es scheint nur einige MÜli-
tneter dick.
Mittbeilongen XIV, Heft 6, S. 175, Taf. XIV, L (Bericht 5 1863, S. 47).
f) eine Stange, 4 Zoll lang, */a Unze schwer mit angenShert 10 pCt. Anti-
mon Gehalt und Spuren von Blei und Kupfer.
Prüderie Troyon: Habitations lacustres etc., Lausanne 1860, p. 152; die Ana-
lyse ist von Prof. Bischoff in Lausanne; die Legirung würde in die Kategorie der
S. 99 bei den Böhmischen Potinmünzen aufgeführten HartmetaüuiischungeD gehören.
Für die im vorstehenden aufgeführten Zinnstäbchen aus den Pfahlbauten findet
man oft den Ausdruck „Barren* angewendet; schon Keller hat auf das On passende
dieser Bezeichnung hingewiesen, Anzeiger etc. 1881, S. 134.
5, Corcelettes: a) achtspeichige Räder aus Zinn,
Victor Gross: Station de Corceluttet*j epoque du brooze, Neuveville 1882, p. 8
und Taf. IV, 12.
b) ein Thonbecher (?) mit 5 Reihen paralleler dunner Zinnfaden, deren
Richtung von Reihe zu Reihe wechselt; die Fäden sind mit braun gelbem
Birkenbarz aufgeklebt.
Ibid. p. 10 und Taf. I, 3.
c) ein anderes Thongefäss mit Zinnfaden,
Ibid. p. 10 und Taf. HI, 6.
(102)
6. Pfahlbau La Tene bei Marin: Gegossene gallische Potinmünzen wie die
Tom Hradischt bei Stradonic in Böhmen.
(Keller» Pfahlbaubericht 6, 1866, S. 302 und Taf. XV, 35-37). Auch Baer-
Hellwald: Der Torgeschichtliche Mensch, 2. Aufl, 1880, S. 593. £. Desor: Die
Pfahlbauten des Neuenburger Sees, Frankfurt 1866, S. 116/117 (und Fig. 90) spricht
nur Ton Bronie münzen, scheint aber diese Potinmünzen zu meinen.
An diesen der Eisenzeit angehörigen PCahlbau schliesst sich
7. einer aus derselben Zeit, zwischen Cudrefin und Port Alban gelegen,
in welchem das yerzinnte Mundblech eines eisernen Dolches gefunden wurde.
Zürcher MittheUungen XIV, Heft 1, S. 28, Taf. III, 7 (Bericht 4, 1861).
8. E. Desor erwähnt (Materiaux p. Thist de Thomme, Ann. 6, p. 535, PI. XX,
1) ein fünfspeichiges Zinnrad von 37 tum Durchmesser, mit doppeltem Reif, aus
dem Neuenburger See, aber ohne nähere Angabe des Fundortes.
Im Bieler See fanden V. Gross und ▼. Fellenberg bei Finelz einen Zinn-
block und mit Zinn belegte Topfwaare. Dieses Vorkommen ist um so inter-
essanter, als Finelz eine Kupferstation ist, indem 15 Artefacte ans reinem Kupfer
daselbst gehoben wurden.
Corresp.-Blatt d. Deutschen Ges. für Anthrop. etc. 1882, S. 100.
Im Murtener See:
Montellier: ein sehr elegant mit Zinnstreifen belegtes Thongefäss.
Zürcher Mittheilungen XV, Heft 7, S. 268, Taf. IV, 3 (Bericht 6, 1866).
Femer: das Randstück einer Urne mit Reifen Yon Zinn,
das Bruchstück eines Ringes aussen mit Gruppen gerader Linien Ter-
ziert» deren Richtung wechselt; dieser Ring erinnert an den Stet-
tiner cS. 98 und 99).
ein offener Handgelenkring aus Zinn; ibid. S. 270, Tat V, 5, 8, 9.
Von der Westseite des Sees, zwischen Schwab 's Stationen Ko. 10 (Bronze)
und No. 11 (romisch): ein Teller Ton Bronze mit Spuren Ton Verzinnung,
ähnlich denen, die in gallo-römisehen Ansiedlungen gefunden werden;
Mittheilungen XIV, Heft 6, S. 177, Taf. XV, 7. (Bericht 5, 1S63, S. 49).
Genfer See:
Ouchv bei Lausanne: ein Zinnstäbchen, 15 omi lang. 2^^ breit und 1 ami
dick; graulich angelaufen; nach der Analyse t. Fellenberg's fast reines Zinn.
Mittheilungen der naturforscheuden Gesellschaft in Bern aus dem Jahre 1863,
S, 140; L.R. T. Fellenberg: .\nalvseu antiker Bronzen, siebente Fortsetzung, Nr. 154.
F. Wibel^ der diesen Gt^ustand in seiner Tabelle V auffuhrt, lässt die Zeit,
aus welciier der Fund stemmt, zweifelhaft
Genf: ein kleiner Ring (anneau apiate) mit ein£ieher Verziening;
Zürcher Mittheilungen XIX, Heft S, Tal XXIV, 8 (Ber. 7, 1876},
In Bezug auf die mit Stanniol belegten Gefas$e der Schweizer Pfahlbauten hebt
F. Keller in dem Artikel: Zinn in Pfahlbauten (Anzeiger für schweizerische AI-
t^rthum^unde ISSK S. 1S4^ als auffallend herrv^r. das« man keinerlei Bindungs-
mittel entdecken kann und da$s die Zinnstreifen, die auf den noch weichen Thon
eingeiitÄckt wunüen« tiv>tz de$ mehr als zweitausendjahrigen Aufenthaltes im See-
scbiamme« jetzt noch innig haften^). Er sieht in diesser Belegung mit Zinnfolie den
mttthmaas«ltchen E^srinn wirklicher Verzinnung, die Plinius (Lib, ^, Gap. 48)
al$ gallische Rx€ndung bezeiclinet.
V Sieiie jk^kvh (v>Wn S. lOV Oro$$: CvK«4ett«« K laci A Perria malen b« SaTOjen b
umi c: WKk (Vm^Imc N^^hskcbliKe« di^ lWI««i:k«a|r ier Zi&Bsstmlen mittitte Hari. — Inter-
(103)
Reyer sagt I, c. S. 500 und 501 vom ZIdd, daes das reine Metall nur Ver-
ndnng fand
Verzi
I
»
I
I
des Kopferf», zur Darstellung yon Gefassen und tnit-
aoter als Münzroetall; er meint allerdiogs wohl nur bei deo Völkern des Mittel-
meeres, aber dass auch diese schön frühzeitig Stanniol gekannt haben, scheint
aus einer Stelle bei Pausanias: Beschreibung Griechenlands IV, 26 hervorzugehen,
wo erzahlt wird, dass der argivische Feldherr Epiteles ein Bronzegefass ausgrub,
das ein coit Inschrift versehenes, aufgerolltes Stuck Stanniol enthielt; Epiteles
lebte etwa in der erbten Hälfte des 4, .lahrh, vor Chr. und wenn auch diese Er-
zählung nur ein Märchen sein mag, so beweist sie doch, dass schon erheblich vor
der Zeit des Pausanias (2, Jahrb. nach Ohr) das zu dünnen Platten ausgeschlagene
Zinn bekannt war, da die alteren Quellen, aus denen Pausanias schöpfte, dasselbe
erwähnt hüben müssen, wobei naturlich vorausgesetzt ist, dass Kassiteros wirklich
Zinn bedeutet und nicht eine Verwechselung nait Blei vorliegt; denn dünne Blei-
platten, ebenfalls nach Art der Bücher aufgerollt, sind uns aus dem Alterthum erhalten.
Keller bemerkt ferner a. a, 0.: das Zinn ist ganz gewiss zur Zeit der Pfahl-
bauten bei uns (in der Schweiz) in äusserst geringer Menge vorhanden gewesen,
wie sich aus dem Umstände ergiebt, dass es nur in dünnen Stängelcben, nie in
Barren gefunden wird und nur in den eben angeführten Blättchen und streifen
und zu einigen kleinen Schmucksachen verarbeitet zum Vorschein gekommen ist.
Das ganze Quantum reinen Zinns, das in den genannten Formen bisher in
der Schweiz aufgehoben wurde, beträgt indessen kein halbes Kilogramm, Da
die Bearbeitung dieses Metalls so leicht, seine Farbe angenehm und der Glanz
ziemlich dauerhaft ist, so hätte man dasselbe, wenn es leichter zu beschaffen ge-
wesen wäre, gewiss bäu6ger zu mannigfachem Schmuck und Gerathen verwendet.
In dieser Beziehung sagt auch Pol Nicard in: Tetain dans les habitatioDS la-
custres (Revue archeologique XLI, p. 324) ganz richtig, das«, wenn man mehr Zinn
gehabt hätte, man die schweizer Gefasse vollständig aus Zinn gemacht haben
wurde, (citirt nach Bapst L c. p. 229). Dasselbe gilt wohl von den dänischen, mit
Zinnstifte 0 beschlagenen Hokgefassen aus den Baumsärgen.
Endlich erklärt auch E. Desor die Anwendung bronzener Samroelringe bei
„porte-monnaies lacustres^ von Auvernier, anstatt zinnerner, wie zu Cortaillod, aus
der Seltenheit des Metalles (Anzeiger 1870, S. 187/9).
Meine Ansicht ist die, dass Zinn zwar allgemein auch ausserhalb der Schweiz
Qolegirt verarbeitet wurde, dass aber die in Umlauf befindlichen Gewichtsmengen
solchen Zinnes nur gering waren, weil das Metall immerhin noch selten war. Im
Grossen und Ganten bin ich geneigt, zu glauben, dass die Ans^^hauung Wibels,
die Bronze sei in ältester Zeit aus den Erzen, nicht mit Hülfe von metallischem
Zinn, dargestellt, durch meine Nachforschungen eine StiJtze erhält, ohne ihr indess
eine ausschliessliche Geltung zuzuerkennen.
Bapst schliesst p. 230 aus der Spärlichkeit des Vorkommens und weil Barren
in der von Diodorus Siculus (lib. V, cap. 22) beschriebenen Form in der Schweiz
nicht angetroffen werden, dass das Zinn der Schweizer Pfahlbauten nicht aus Corn-
wall, sondern aus Asien kam, und schreib! den Ursprung der Schweizerischen In-
dustrie aus Asien eingewanderten Stämmen zu.
Msant ist auch der von Ühl mann (Kellers Berichts, S, 37) beschriebene^ mit einer dünnen
Schicht Asphalt überzogene and dann mit pyramidenförmigen Blättchen von Birkenrinde
beklebte Topf, den er als Vorgänger der schwarzen Pfablbangeflsse der Bronzezeit mit Zinn-
belegnng auflasKt Das betreffende Fragment stammt aus deni östlichen Pfahlbau von Moos-
seedorf, Oantoii Bern.
(104)
Sayoyen*
Luc du BouTget: Zahtreicbe schwarze Tbongefasse mit ZioDfadeD oder Strei-
fen yerziert. Andre Perrio: Etüde prehistorique sur la Savoie, sp^^cialpment a
lepoqtie lacustre (age du bronze), Cbambery 1B69> {Text 1.H70, extrait des memoires
de racad^mie imperiale de Savoie, 2. serie, tonie XU') führt besonders folgende auf:
a) von Le Saut: 2 Gefasöe der Art, Taf. V, 2 und 3, und einen Teller, Fig. 6.
b) von GhätilJoß: ein Gefäss, bei dem die ZinDstreifen tnitteJs eines Kittes
oder Harzes befestigt sind (siebe oben S. 101 und 102); ibid, Fig. 1.
c) von Gresine: Boden eiues Topfes mit Harz überzogen, auf dena ein Gitter-
werk von Zinnfäden befestigt; ibid. Fig> 4.
Ausser diesen Topfwaaren fuhrt Petrin noch folgende interessante Gegen-
stände an:
d) von Cbätillon: 2 Wirtel aus echwarzem Tbon mit rotbem Deberzug, mit
kleinen eoncentrischen Zinnstreifeu gescbinückt etc.; ibid. PL VI, 2 und 5,
e) V. Gr^sine: Ein offenes Kinder-Armband aus Zino von grosser Biegsam-
keit, mit parallelen Strichen geziert; PI, XIII, 1 und Text S. 19.
f) von Le Saut: Ein gegossenes^, durchbohrtes Stuck Zinn, ^presentani un
dessin regulier sur l'une des faces et ayant tous les caracteres d^une monnaie^;
PL XYII, ß. I^ie Herren Dr. Friedländerund Dr, v. Salet vom hiesigen Konigb
Münzeabinet, welche ich auf das Stück aufmerksam machte, halten es jedoch nach
der von Perrin gegebenen Zeichnung nicht för eine Münze.
Endlich ist aus dena Lac du Bourget verzeichnet, aber ohne nähere Angabe der
Pfüblbaustation: ^une petite filiere percee de quatre trous* ebenfalls aus
Zinn; ibid. p. 19; eine Abbildung ist nicht gegeben, unter ^filiere'* versteht man
unter anderem das Zieheisen eines Drahtzuges, welches ja allerdings mit verschie-
denen Löchern versehen ist; kann aber ein solches Instrument hier gemeint sein?
Vergleiche übrigens oben S, 101 die durchlöcherte Leiste von Auvernier
Italien.
Nach Aussage des Hrn. Dr. Montelius (durch gefällige Vermittelung des FrL
Mestorf) befinden sich in der Sammlung Guardabassi (jetzt Universität Perugia)
ein Schaftcelt vom gewuhnlichen Typus der italienischen apäteren Bronzezeit und
eine kleine Pfeilspitze, beide von weissem Metall (Zinn oder Blei).
K, B. iJufmaun analysirte Bruchstücke eines cjliudri scheu Gefässea aus
Pompeji und fand dasselbe „aus sehr gutem Zinn" bestehend (Zur Geschichte des
Zinkes etc. S. 37 und briefliche Mittheilung).
Die von Brn. Chantre als Zinn bestimmten Sachen aus dem Kaukasus sind
bisher die einzigen Gegenstände in Museen, welche in Folge meiner Nachforschungen
als solche erkannt wurden.
Da nämlich das Aussehen meiner Amrümer Zinngegenstände in keiner Weise
ihre wahre chemische Natur verriethj ich selbst vielmehr dieselben lange Zeit theils
für knöchern, theils für thÖnern gehalltn habe, so vermuthete ich, dass sich wohl
in grösseren Sammlungen Stücke befinden möchten, die ju gleicher Weise verkannt
seien; denn da der Nichtchemiker im AllgemeineB mehr auf die Form, als auf die
stoffliciie Zusammensetzung der Altsacben sein Augenmerk richten wird, wäre ein
I) Ein Än^Eüg hieraus fittdet sich- Materiaux ponr rbiatoire primitive et naturell« de
rhomme, Paria 1870, Ann, 6, p. 433/34, PI. XVÜ^ 4, 6, 13, 14
(105)
solcher Iritbuiu sehr verzeihlich, Iü meiaeii Nach forechuD gen oach derartigen Oh-
jecten bin ich durch FräuleiD J, Mestorf auf das Naclidrücklichste unterstützt wor-
Ideo, wofür ich ihr ao dieser Steile meiuen verbindlichsten Dank sage.
In Bezug auf Zinn ist nun, wie bemerkt, der eioiCige Erfolg bisher aus Lyon
SU verzeichnen, dagegen halte ich Gelegenheit, eine andere Beobachtung zu machen,
die ich hier noch mittheilen mochte.
Bleiweli^ä al» ßelftg einer Griffxungc.
Im Kieler Museum beenden sich Terschiedene, als weisse oder geJbUche
Kittmassen bezeichnete Gegenstäude, daruoter auch ein Tutnlus, „nach aussen
kuppel förmig, und mil einem frei gearbeiteten Queriiegel an der inneren Seite, so
da6S er auf einen Riemeu aufgezogen werdeu konnte** (HaDdelmaun: Ausgrabungeu
auf Sylt II, Kiel 188:i, 8. 7, Nr. 3); früher hielt man ihu für knöchern, — Ich
kanote das Object nicht ans eigener Anschauung und hatte den Tutulus in Verdacht,
ein ^Zino knöpft zu sein. Er stammt aus dem zweiten Tiiderioghoog und mit ihm
■ wurde unter anderen Sachen gefundeu ein Seh mwck gegenständ aus Goldblech,
ibid. Nr. 5, mit erhabenen gepnnzten fc>treifen und Punkten beeetzt, dessen Rückseite
mit einer weissen Kittmasse bestrichen ist, dem Aussehen nach derselben wie
■ die des Tntulus.
Ferner sind in Kiel 2 Bruchstücke einer weissen kittähnlichen Masse von
derselben Art, wie die FnlluDg des Goldschmucks, aber bei rührend aus einem
Bronzugrab bei Emmerlev. (Correspondenzblatt des Gesammtvereins der Deut*
scheu üeschichts- und Alterthumsvereine XXV, 1877, S* 1).
Handelmaun ntmn»t an^ dass auch dieser Kitt als Ausfüllung einer Gold-
plattirung diente, welche über der hölzernen Griffbekleidung angebracht war; er
sagt: das eine der beiden Stücke hat ohne Zweifei auf der Griffzunge gelegen; bei
dem zweiten in Ge&talt eines un vollständigen Ringes \nn 12 mm innerem Durch-
messer, mit abgebrochenem Stielchen, möchte ich an den bügel förmigen Abschlusa
der Grißzunge denken (cf, Madsen, Afbildninger, Broncealderen I, Suiter, Fig. 17,
1% 20).
In seinen Ausgrabungen II, S. 15, Nr, 2^ erwähnt Handelmano ferner zwei
grössere und ein kleineres Stuck gelblicher Kittmasse, die wahrscheinlich von
einer tSekleidung eines Dolchgriffs herrühren; Stücke der Dolchklinge lagen damit
zusammen in einer Steinkiste.
Noch andere älinüche Sachen finden sich in Kiel; keine derselben ist
analysirt Fräul. Mestorf hatte nun die Güte, mir zunächst ein Stuckchen des
Belags einer flachen Griffzunge von eiuem Bronzeschwert von Rumohrshof
auf Alsen zu senden, bezeichnet K. S. 4G45r es ist eine gelblich- weisse, harte Masse,
an einer Stelle rein weiss; sie sieht aus wie geschmolzen, schÜesst einige wenige
grössere Blasseu ein und gleicht durchaus uicht weder meinen Ziunobjecten, noch
durch Oxydation weiss gewordener Bronze; vor allem ist es die grossere Festigkeit,
die sie von diesen Dingen unterscheidet, und die reinere Farbe,
Zur Prüfung auf Zinn, wurde ein Theil der Substanz, wie oben (S. 89) an-
gegeben, uiit kohleusanrem Natron und Schwefel im bedeckten Porzellantiegel
geschmolzen, wobei eine tbeilweise Reduction zu Metall stattfaud; nach Behandlung
der Schmelze mit Wasser lieferte das Filtrat auf Salzsaurezusatz keine Fallung,
Zinn war also nicht vorhanden^ die Metallkügelchen und der schwarze Ruck-
stand, der ausserdem beim Lösen in Wasser zurückgeblieben, erwiesen sich als Blei
(resp. Schwefelblei). —
Im offnen PorzeJIantiegel für sich erhitzt schmilzt die Substanz zu einem
I
geibeu, klaren GJase, Jmi» ebenso Leim ErkaUen erstairt, in verdünnter Salpeter-
saure löalicb untl nichts anderes als Bleioxyd hi; auch ira bedeckten Tiegel war
die Erscheinung dieselbe, es fand keine Reduction zu Blei statt.
Die Masse selbst direct mit Salpetersäure behanclelt lost sieb unter (Kohlensäure-)
Gas-Entwickelung vollständig auf; die Lösting enthält neben Blei nur eine Spur
Chlon Andere Substanzen konnten nicht nachgewiesen werden, vor allem war
kein Kalk vorhanden, was wegen des Vorkommens kalkhaltiger Kitte voü loter-
esse'). Der Belng war also reines Blei weiss.
Ändere ähnliche Qdassen habe ich zur Zeit noch oicbt aoaljsirt; von dem
Tutuins und dem Belag des Emoierlever Schwertes erklarte Fräul. Meatorf, aus
nabeliegenden Gründen nichts abgeben zu können, dagegen übersandte sie mir
Nr. 7ÖG5: Füllung der oben erwähnten Goldspange aus dem zweiten Tilderingboog.
Dem Aeusseren nach unterscheidet sich diese Masse ein wenig von dem oben ana-
lye^irten Belag K, S. 4645, sie ist weisslich und nicht porös; das Resultat der Ana-
lyse werde ich im Nachtrag mittheileu. Im Stralsuiuler Museum befindet sich
ein Brönzeschwert, senkrecht im Boden steckend, mit der Spitze abwärts, ge-
funden zw Barkow, Kreis Demmin, dessen GriÄ miti „einer noch nicht untersuchten
weissen Masse** ausgefüllte Querstreifeo enthält (Rudolf Baier: Die vorgescliicbtUchen
Alterthümer des Provinzial-Museums für Neu-Vor|iommern und Rügen etc. Stral-
sund 1880, S. 32); diese Masse wäre der Cntersuchung werth, schon allein im Hin-
blick auf die von mir beschriebene Spiralscheibe, die wiibrscheinlich auch Aus-
füllmasse eines Griffes gewesen (siehe ohen S. 87),- es ist mir indessen nicht ge-
lungen, etwas von der fraglichen Substanz zu erhalten.
Man kann nun über den Ursprung des Bleiweissbelags an dem Alsener
Schwert veischiedener Ansicht sein; entweder es war wirklieb die Substani von
Anfang an Bleiweiss, so lässt sich wnbl nur denken, daas hier eine Art Oelkitt
vorliegt. So weit ich nach dem kleinen Bruchstück, das ich in Händen hatte,
schliessen kann, wäre diese Ansicht sehr wohl zulässig; die Masse sah aus, als
wenn sie im dickbreiarligen Zustande aufgetragen sei, schloas grosse Blasen ein,
zeigte aber erhebliche Cohärenz. Will man einen Oelkitt gelten lassen, so lie&se
sich auch noch denken^ dass ursprünglich ein BJeiglilttekitt verwendet sei, der
später Kohlensäure aufgenommen; doch sollte ich meinen^ dass die Substanz dann
weniger fest sein wurde. Es ist aber noch m5glich, dass der Belag von Anfang
aus metallischem Blei bestanden habe und dann in Bleiweiss ütierging; viel-
leicht war eine Bleiplatte zwischen Griffzunge und äusserer Schale eingeschaltet
des besseren Anschmiegens wegen (wie z, B. nach einer gefälligen Mittheilung des
Brn, Tb. Blell auf Tungen in Ostpreussen beim Einschrauben der Feuersteine in
die alten BatteriebHline); auch könnte der ganze Griff ijberbaupt nnr mit Blei be-
legt gewesen sein. Ob Bleiweiss, so entstanden^ den hier beobacbleten Grad von
Festigkeit haben wurde, lasse ich unentschieden, überhaupt rauss ich erst die
Bauptstucke ähnlicher Beläge gesehen haben, ehe ich mich darüber äussern mochte,
welche Annahme die wabischeinlicliste ist. Hier sei our daran erinnert^ dass aller-
dings von Sacken; Grabfeld von Hallstatt, S. 119, Blei a!s Unterlage eines
Goldplättcheos erwähnt.
1) Tb. Blell*Tungen:Die fränkischen Rundschilde des 6, Jahrhunderts n. Chr. (Sitzunj^s-
berichto der Älterthumsjfesellsebaft Prassia zn Konigsherif i/Pr., XXXV. Vereinsjiihr, 1878/79,
S. 4ö — 59) bespricht S 49/5C* den Kitt an» den Tnllen der eisern«?n Speerspitzen und an den
hÖliernen Schilden (Mi«cbung aus gemahlenem Euhkäse und unj^elüscfatem Kalk). Siehe ferner:
Correfipondenxblatt des Gesammt verein» XXIX (1881), S> 4 und 6, Frage 7.
(107)
Welche Anschauuiig man aber auch in Bezug auf diese Frage haben mag, so
viel scheint mir gewiss, dass der Arbeiter, welcher den betreffenden Belag des
Alsener Schwertes gemacht hat, metallisches Blei als solches gekannt haben
mu88, denn es ist wohl nicht denkbar, dass Jemand längere Zeit mit Bleiweiss oder
Glätte arbeitet, ohne Blei selbst zu kennen, auch wonn er die genannten Materialien
von anderer Seite sollte bezogen haben; dazu ist Blei zu leicht reducirbar. Nun
gehören Gegenstände aus metallischem Blei für den Norden Europas und
in älterer Zeit zu den grossen Seltenheiten, gerade wie Zinnsachen. Ich habe Ter-
sncht, auch hierüber einige Daten zu sammeln, die ich gleich mittheilen will, und
bemerke nur vorweg, dass mir Funde älterer Bleisachen aus Skandinavien und
Dänemark nicht bekannt geworden sind.
Wenn nun wirklich metallisches Blei in diesen Ländern unbekannt war, so
können die mit bleihaltigem Kitt so wenig, wie die mit Bleiplatten versehenen, dort
gefundenen Schwerter einheimisches Fabrikat sein. Ich kenne das Alsener Schwert
Dicht und um festzustellen, wie weit die rein stylistische, nur auf Form und Orna-
mentirnng Rücksicht nehmende Betrachtung obigen Schluss rechtfertige, würde wohl
überhaupt ein grosseres Material erforderlich sein. Sollten aber anderweitige Gründe
zwingen, auch mit bleihaltigen Auf- oder Einlagen versehene nordische Bronze-
sachen als nicht importirt zu betrachten, so würde sich umgekehrt der Schluss
ergeben, dass unmöglich dieses die einzigen Spuren der Verwendung des Bleis sein
können, die uns erhalten sind, dass vielmehr im Schooss der Erde noch selb-
ständige Bleigeräthe und Schmucksachen oder deren Umwandlungsproducte ruhen
müssen und dass, wenn man bei Ausgrabungen sorgfilltig hierauf achtet, dieselben
lach aufgefunden werden dürften, so gut wie im Süden das Blei massenhaft für
sich allein verarbeitet angetroffen wird.
Bisher scheinen die britischen und bretagner Hohlcelte die einzigen selbst-
ständigen Bleiartikel des Nordens aus älterer Zeit zu sein. Man muss hierbei be-
achten, dass das Blei noch leichter als Zinn durch Oxydation u. s. w. verändert
wird. Wibel: Cultur der Bronzezeit, S. 65/66, kommt durch seine Untersuchungen
über die Zusammensetzung und die Art der Herstellung der Bronze zu dem Schluss,
„dass ein entscheidendes ürtheil über das relative Alter nicht durch die Chemie
geboten wird^; wenn dies in Bezug auf die Bronze an sich in den meisten Fällen
richtig sein mag, so hoffe ich doch, dass durch Beachtung der die Bronzesachen
begleitenden, zum Theil mit ihnen mechanisch verbundenen anderen Substanzen
sich in manchen Fällen die Chemie als ein sehr zuverlässiger Wegweiser in dieser
Richtung bewähren werde. Ein solches Ziel lässt sich aber nur erreichen durch
Prüfung eines grösseren Materials, und ich richte daher an die Herren Fach-
genossen die ergebene Bitte, mich durch Zusendung solcher Gegenstände zu unter-
stützen, deren chemische Natur nicht unzweifelhaft feststeht und die möglicherweise
als Zinn- oder Blei-Artikel sich durch die Analyse herausstellen könnten, wobei
mir natürlich Kitte ebenfalls höchst willkommen sein würden.
Zur qualitativen Analyse ist, falls es sich nur um die Entscheidung der Frage:
«Zinn, Blei oder keines von beiden^ handelt, eine sehr geringe Menge Substanz aus-
reichend.
Gegenstände aus metallischem Blei.
Lubbock sagt in: Die vorgeschichtliche Zeit, S. 18: dass bei den Funden aus
der Bronzezeit weder Silber, noch Blei vorkommt.
Schliemann hat allerdings bei Hissarlik Blei in allen Städten (mit Ausnahme
der zweiten, ^Ilios S. 311) beobachtet, aber aus" der ersten Stadt nur in formlosen
kleinen Klumpen, also wohl noch als Seltenheit damaliger Zeit.
(108)
y. Bibra sagt in: Bronzen and Kupfer legirungen eta nichts Erhebliches in
dieser Beziehung.
Wibel bezeichnet S. 65, Cultur der Bronzezeit, das Blei als ein neues
Metall (für Nord- und Mittel-Europa); er stellt dann S. 66 einige Funde metal-
lischen Bleis zusammen, die aber meist einer spaten Zeit angehören.
Mallet: Account of a chemical examination etc. p. 35 spricht zwar von zahl-
reichen Bleiobjecten aus der Zeit der römischen Invasion, die in England gefunden
sind, erwähnt aber keine alteren, und in Irland fehlen naturgemäss selbst diese
jüngeren.
Aus dem ganzen Skandinavischen Norden and Dänemark habe ich
nichts Sicheres über Bleivorkommen aus der Bronzezeit ermitteln können. Die
Eisenzeit lieferte Bleilöthung an Gegenständen aus dem Taschberger Moor bei
Süder-Brarup in Schleswig, z. B. an Messingnägeln, deren Stifte an die Köpfe an-
gelöthet; Zur Kunde vaterländischer Alterthümer, Kieler Bericht XVII, 1859, S. 17.
(Separatabdruck aus den Jahrbüchern für die Landeskunde etc.)
In England fanden sich nach Evans: Bronze- Implements p. 442 und 444/5
Gelte aus Blei auf der Isle of Harty, Sheppej, Kent, und in Lincolnshire
(hier vielleicht in einem Grabe), und die gleichen Instrumente hat man nach
ihm ans
Frankreich von Morbihan in der Bretagne.
Da diese Gelte ab schneidende Werkzeuge natürlich gänzlich unbrauchbar
waren, so kommt Evans nach längerer Discussion zu dem Scbluss, dass sie viel-
leicht gedient haben mögen als Formen für die thöuernen Kerne, die zum
Giessen der Bronzehob Icclte in Bronzeformen nöthig waren.
üeber den Bleigehalt der brittischen Bronzen bemerkt er p. 417, dass die
älteren Bronzesachen (flache Gelte, Paalstäbe, und selbst Lanzenspitzen) frei oder
fast hei davon seien, aber in den jüngeren, den Schwertern und Hohlcelten, oft
bedeutende Mengen sich fänden (besonders auch aus der Bretagne in den sog.
Votivcelten, bis 32'/, pGt. Blei, mit nur 1'/, pGt. Zinn).
Ich führe dies hier nur an, weil derartige Bronzen natürlich die Kenntniss des
metallischen Bleis voraussetzen.
In Deutschland besitzt Hr. Blell auf Tüngen in Ostpreussen nach seiner
gefälligen Mittbeilung ein grosses bronzenes Heerhorn aus der Bronzezeit,
dessen Mundstück von Blei; ob dasselbe einem Gräberfunde angehört, ist nicht
bekannt, nach dem was Genthe: Etruskischer Tauschhandel, S. 58, sagt, aber
nicht gerade wahrscheinlich.
Aus Mainz stammt ein plattes unförmliches Stück Blei, 3—4 mm dick (mit
schwarzem Ueberzug), dessen Analyse v. Fellenberg unter Nr. 153 giebt; es
wird nicht gesagt, ob dasselbe römischen Ursprungs oder welcher Art die Fund-
umstände überhaupt gewesen; Berner Mittheilungen für 1863, S. 139.
Aus Oesterreich berichtet von Sacken: Grabfeld von Hallstatt, S. 119, über
Blei in dünnen Stäbchen oder Draht als Futter der umgebogenen Rander bei
Kesseln (wie bei den altitalischen Gefassen) und bei einem Helm, sowie als Aus-
füllung des Bodens bei einigen Erzgefässen; das Blei ist etwas kupfer- und silber-
haltig.
Zu selbständigen Geräthen verarbeitet findet sich Blei in Hallstatt
nicht
Aus der Schweiz führt Keller von Gortaillod und Gorcelettes am Neuen-
burger See (und aus dem Bieler See?) an:
(109)
BrODzenadeln, deren hohle runde Kopfe an den symmetrisch angebrachteD
Lochern mit Blei besetzt sind;
Mittheilungen d. antiq. Gesellsch. in Zürich XII, Heft 3, S. 150 und Taf. II,
51—55, (Pfahlbanbericht 2, 1858) und ferner ibid. XIII, Abtheil. 2, Heft 3, S. 102,
und Taf. VII, 3 und 5; (Pfahl bau bericht 3, 1860).
Dagegen gebort das bei Wibel: Kultur der Bronzezeit, S. 66, mit aufgezählte,
von ▼. Felienberg unter Nr. 169 analysirte Blei von Ciarens am Genfer See
mit 0,79 pCt. Zinngehalt nicht hierher, weil es von einem römischen Bleirohr
stammt; Berner Mittheilungen aus dem Jahre 1864, S. 127.
Wegen des Gegenstandes, den es betrifiFt, mag hier noch erwähnt werden aus
Spanien, von Oviedo in Asturien, ein Paalstab, dessen eines Ende mit Blei
gefüllt worden, vielleicht schon in älterer Zeit; der Zweck dieser Füllung ist
allerdings unbekannt; J. Evans: Bronze Implemeuts p. 97.
Dies ist alles, was ich über das Vorkommen von Blei in älterer Zeit für Nord-
und Mittel -Europa habe in Erfahrung bringen können.
Vielleicht gehören hierher noch die oben beim Zinn erwähnten zweifelhaften
Sachen, nämlich: 1. die Griflffüllung des italischen Schwertes im Kopenhagener
Museum (8. 96); 2. der Schaftcelt und die Pfeilspitze in Perugia (S. 104). Gewisser-
maassen muss man auch hier anreihen das Schwert aus Irland mit Einlage von
pewter und die Metallmasse von Ebchestor (S. 98), die Potinmünzen aus Böhmen
(S. 99) und von La Thne (S. 102).
Ans Vorstehendem ergiebt sich, dass Bleigegenstände usa ältester Zeit womög*
lieh noch seltener sind als zinnerne; aus spaterer Zeit hat mau wohl derartige
Sachen, z. B. aus slavischer die schon oben beim Zinn angeführten Schläfen-
ringe aus dem Gräberfeld von Slaboszewo bei Mogilno in Posen, nach Virchow
Berliner Verhandlungen 1878, S. 276/77, und nach Tiedemann ibid. 1881 S. 358/59.
Virchow giebt eine Abbildung eines solchen Ringes 1881 S. 367.
Im Süden war ferner das Blei längst allgemein in Anwendung zu einer Zeit,
wo im Norden noch die Bronzeperiode herrschte; die Römer machten den aus-
giebigsten Gebrauch, sowohl von Blei, als auch von Bleipräparaten, Pflastern u. s. w.
Aus Transkaukasien wird die bedeutende ßleiindustrie von Redkin- Lager
erwähnt von Hrn. Friedrich Bayern, Zeitschr. f. Ethn. 14, S. 341.
Nachtrag.
Zinn aus Gräbern.
Insel Sylt, Tilderinghoog II: Die (S. 105 erwähnte) angebliche weisse Kitt-
masse von dem Goldschmuck habe ich analysirt; sie besteht aus reiner Zinnsäure,
der Belag war also eine Zinn platte. Ueber diesen Goldschmuck gedenke ich
demnächst im Verein mit Fräulein Mestorf noch besonders zu berichten.
Rahenthaler Grabstätte bei Hattingen in Westfalen: Hr. Director W.
Sehwartz machte mich aufmerksam auf die Stelle in Gustav Klemm 's Handbuch
der germanischen Alterthumskunde, Dresden 1836, S. 19, Note 6, wo ein von Kor-
tum gefundenes Stück Zinn aus der Ruhenthaler Grabstätte erwähnt wird. Nach
E. A. Kortum: Beschreibung einer neuentdeckten alten germanischen Grabstätte,
Dortmund 1804, S. 105/6, § 79, handelt es sich um ein schmales, längliches, aussen
etwas xerfressenes, innen wie das reinste Zinn erscheinendes Stück, welches genau
die Greatalt eines Haarspiesses hat, „so wie ihn noch jetzt die Bäuerinnen in
hiesiger Gegend sar Befestigung ihrer Haarflechten gebrauchen^. Nach der bei-
gefügten Zeichnung war der „Haarspiess^ aber auffallend kurz und dick. £r fand
(110)
sich mit andereD, wie es scheint einer Frau gehörigen, Beigaben in einer mit
Schiefer bedeckten Urne. Die Grabstätte, 18 Fuss lang, S'/a Fuss breit, bestand
aus 4 Sandsteinmauern ohne Bedachung, enthielt etwa 9 Drnen, und an Metallen
noch eine silberne Schale, sowie verschiedene Eisensachen neben den Urnen
gelegen, aber keine Bronze- oder Kupfergeräthe. Auch gebrannte Ziegel-
steine und andere Dinge (ein Steinkeil) fanden sich vor.
Das Grab kann wohl nicht sehr alt sein.
Zinn aus einem Moore (zu Seite 95 und 96).
Bornholm, Noerre Herred, Ruthsker Sogn: Eine neben anderen Sachen
(worunter ein eisernes Schwert und eisernes Ortband) 1832 im Moor gefundene
zusammengedrückte Opferblutschale (Lautbolle) aus Bronze, welche die innere
Ausfiillung einer Holzschale gewesen zu sein scheint und die inwendig, so viel man
sehen kann, verzinnt ist. Der Fund wird als Metallhändlersvorrath angesehen.
Nordisk Tidsskrift for Oldkyndighed, Kjoebenhavn, Bd. III (1836), S. 311.
Blei aus einem Grabe.
Gross- Je na bei Naumburg, Provinz Sachsen: Hrn. Director Schwartz ver-
danke ich die Kenntoiss einer Stelle in Samuel Christoph Wagener: Handbuch
der vorzüglichsten in Deutschland entdeckten Altertbümer aus heidnischer Zeit,
Weimar 1842, S. 538 und Taf. 101, Fig. 1015, wo eine bleierne Scheibe von Rehe-
bausen bei Pforta, Reg. -Bez. Merseburg, erwähnt wird. In der Originalabhandlung
im 2. Jahresbericht (vom Februar 1822) über die Verhandlungen des Thüringisch-
Sächsischen Vereins für Erforschung deä vaterländischen Alterthums, Naumburg,
S. 2 — 6 und Taf. XI, wird indessen Gross-Jena als Fundort bezeichnet. Die kleine
Bleischeibe, eine „Medaille^, lag mit Knochenresten in einer Urne, ist mit einer
bräunlichen Kruste überzogen, trägt auf dem Avers die Zeichen der Sonne, des
Mondes und einiger Sterne, auf dem Revers orientalische Schriftzeichen, aber keine
Jahreszahl; sie ist ein Mal durchbohrt und wahrscheinlich als Amulet getragen.
Die Schrift wird als früharabisch, karmatiscb, bezeichnet; das Stück soll kurz
nach Mohammed geprägt, das Grab, in dem es lag, als dem 6. oder 7. Jahrhundert,
dem Ende der Heidenzeit in Thüringen, angehörig zu betrachten sein. Hr. Prof.
Ed. Sachau hieselbst erklärt jedoch die betreffenden Zeichen für nicht arabisch,
soweit er nach der Abbildung im Jahresbericht urtheilen kann; die auf diese
Legende basirte Zeitbestimmung wäre demnach hinfällig^). Die Medaille ist auch
abgebildet und erwähnt bei Johann Karl Baehr: Die Gräber der Liven, Dresden
1850, Taf. XX, 7 und S. 62.
Angeblicher Bleiring aus einem Pfahlbau.
Genthe: Etruskischer Tauschhandel S. 117 erwähnt nach Desor: Anzeiger f.
schwzr. Alterthumsk. 1870, Heft 4, S. 187, einen bleiernen Sammelring eines
„porte-monnaie lacustre** von Auvernier am Neuenburger See. Dieser Bleiring
scheint indess nicht zu existiren; allerdings steht bei der Desor'schen Abbildung,
Taf. 18, 8, neben dem Sammelring das Wort „Blei^, aber der Text erläutert aus-
führlich, dass derselbe aus Bronze ist.
1) In dem Jahresbericht wird auch S. 3, Note ** erwähnt, dass Stieglitz: Arch&ologi*
sehe Unterhaltungen Bd. 2, S. 185, alle auf uds gekommenen Bleisachen für römisch hält.
Die vorliegende Medaille ist nun zwar nicht romisch, aber doch auch südlichen Ursprungs.
(111)
(21) Der Yonitzende legt die Photographie des juDgeo Akkamädchens
Saidah, welche vor wenigen Jahren von Romoio Gessi aus Centralafrika gebracht
wurde, vor.
(22) Im Auftrage des Hrn. K. Friedel übergiebt Hr. Buchholz folgende
Mittheilungen :
I. Der Silberberg bei Wollin als Stätte der Jomsburg.
Ueber Wollin, den Siiberberg bei der Stadt und die Statte des alten Julin
(Jamneta, Vineta) sowie die Jomsbnrg oder Jomswikingerburg haben die Verhand-
lungen der Berliner Anthropologischen Gesellschuft bereits manche wichtige Mit-
theilaugen geliefert. Vergl. Virchow's Hauptbericht, Verh. vom 13. Jan. 1872,
S. 58 flg. Albert Voss erwähnt den Woliiner Pfahlbau gelegentlich in Verh. 1873,
S. 131, eine weitere beiläufige Notiz Virchow's siehe in Verh. 1874 S. 14 u. 116.
Küster berichtet über Gerippe-Ausgrabungen und Münzfunde von ca. 1030 am
Silberberg, Verh. 1874, S. 207, Virchow a. a. 0. über die Schädel, vgl. auch die
Notiz Virchow's S. 247. Küster zeigt ferner 2 menschliche Gerippe und 1 Urne
von Silberberg, Verh. 1876, S. 234, Virchow spricht hierüber S. 235 und kommt
in Verb. 1877 S. 399 nochmals gelegentlich auf die Sache zurück.
Wenn ich gleichwohl von dieser Stelle und zwar hauptsächlich vom Silberberg
neue Funde, die ich selber an Ort und Stelle gemacht, beziehentlich für da« Mark.
Museum erworben habe, vorlege, so möge das mit dem grossen Interesse entschuldigt
werden, welches die hochberühinte, von Sage und Geschichte umwobene Gegend
immer wieder erweckt, auch damit feiner, dass mindestens eines der Fundstücke
einen neuen Gesichtspunkt eröffnet und dass ein neu gewonnener reicher Münz-
fiind einen Blick in die weit verzweigten Handelsbeziehungen des hier bestandenen
£mporinm8 und in seine Chronologie verstattet.
In der Gegend kommen 3 Lokalitäten vorzugsweise in Betracht:
L Der eigentliche Pfahlbau Wollin oder Julin, dessen Kulturreste, soweit ich
übersehe, alle dem sogen. Burgwalltjpus entsprechen.
II. Die sehr ausgiebigen Wirthschaftsabfälle bei der Plantage, südlich der
Stadt, die sich durch ihre schwärzlichen Kohlen- und Aschstreifen schon vom
Dampfi»chiff aus, wenn man von Stettin kommt, auf dem linken Dievenow-Ofer,
kurz ehe man an die Stadt gelangt, bemerkbar machen. Auch hier findet sich echt
wendische Poterie der letzten heidnischen Periode, durchaus ohne Glasur, bröcklich,
grob mit Steinchen gemengt, mit Schlangenlinien, Parullelriefen und dgl. nationalen
Ornamenten versehen, ledergelb, röthlich oder schwärzlich.
in. Sehr verschieden davon ist, neben einiger wendischer Poterie, die Haupt-
masse der Geschirrrest-Funde von dem Silberberg nördlich der Stadt, der noch jetzt
darch bruchiges Wiesenterrain, ersichtlich früher durch Mora&t und Wasser, von
der Stadt W^ollin getrennt war, wobei bemerkt sei, dass diese ehemalige Wasser-
fläche hier bequem mehrere 100 Wikingerschiffe wie ein Hafen aufnehmen konnte.
Auf, um und am Silberberg, der bereits durch Abgrabungen viel von seiner
früheren Gestalt und Grosse verloren hat, finden sich sehr harte schwarze, aus
feinerem Thon bestehende Gefässe, zum Theil mit Henkeln versehen, mitunter mit
Ornamenten, die an das W^endische anklingen, verziert. Besonders charakteristisch
Bind aber Scherben, welche der skandinavischen Töpferwaare des 10. bis 12. Jahr-
hunderts gleichen, viel fester sind als die wendischen gleicher Zeit, und sich auch
tonst durch Farbe und Gestaltung von dem spätwendischen Geschirr leicht sondern
lassen. Proben solcher Gefassreste, die ich selbst im und am Silberberg gesammelt.
(112)
befindeo sich im Mark. Museum unter Nr. 11. 8112 — 19 uebst 3 Schädeln (Kat. VIII,
885 — 888) von derselben Stelle, die Schädel in den Formenkreis der von Küster
und Virchow besprochenen offenbar hineingchorig. Der Berg hat sich seit Jahr-
hunderten so reich an Funden von Silber (Münzen und Schmuck) erwiesen, dass
er daher den Namen Silberberg erhalten hat In einem ßriefe von 1590 (Verh.
1874, S. 209) heisst es, dass unter den abgebrochenen Grund- und Ecksteinen sil-
berne BlÜDzen, desgleichen Gebeine von sehr grossen Leuten gefunden wurden.
Der Besitzer der Mühle auf dem Silberberg, Hr. Hartwig, grub im October
1882 in der Nähe seiner Mühle das hier abgebildete Scbälchen, Fig. 1 (Durchmesser
am Rand 10 cm, am Boden 7 cm, Höhe 5 cm\ mit ca. 130 ^ Silbermünzen aus.
\u natärl. Gr. ^^^^ Ge^s ist sehr merkwürdig, vor Allem durch eine deutliche
grüngraue Glasur und durch seine feine röthliche Thonmasse,
^9^C*-i-^ die etwa unseren gewöhnlichen Blumentöpfen entspricht. Es ist
\ / / also grundverschieden von aller wendischen Töpferei. Ebenso
\^ \ J merkwürdig ist es, dass dies Töpfcbeo eingemauert gewesen ist;
' man sieht die Spuren des steinhart gewordenen unvertilgbareo
Kalkmörtels deutlich an der Unterseite. Von dergleichen ver-
mauert gewesenen Gefassen, so häufig sie sonst auch vorkommen,
ist niemals etwas constatirt worden, so weit es sich um wen-
discbe Poterie handelt.
Zur Vergleichung verweise ich auf das hier abgebildete, um
etwa 100 Jahre jüngere, nach Masse, Form und Ornamentirung
acht wendische G^fäss mit Deckel von Michendorf bei Pots-
dam, Fig. 2 (Kat. II des Mark. Mus. 11 828 — 29), welches vom
grössten Interesse erscheint, nicht blos, weil es das vielleicht
V'io natürl. Gr. späteste wendische Gefäss ist, welches chronologisch durch Münzen
bestimmt wird, sondern auch weil es den überaus merkwürdigen, schnell berühmt
gewordenen Mich en dorfer Münzfund mit den ersten Münzen der bis dahin
halb mythischen Petrissa (oder Petrussa), Gemahlin Przibislaws, des Adoptiv-
vaters Albrechts des Bären, und viele andere, theils bis dahin ganz unbekannte,
theils nur in wenigen Stücken erhaltene Münzen des 12. Jahrhunderts in sich
eingeschlossen hat. Die durchweg silberne Münzen aus dem Gefäss vom Silber-
berg bestehen ungefähr zur Hälfte aus sog. Wendenpfennigen in etwa 10 verschie-
denen Geprägen. üeber diese Münzen hat sich Hermann Dannenberg in seinem
vorzüglichen Werk „Die deutschen Münzen der sächsischen und fränkischen Kaiser-
zeit** des Nähern ausgelassen. Gefunden werden die Wendenpfennige in der nord-
ostdeutschen Tiefebene, in Polen und bis nach Kiew hin. Die andere Hälfte der
Münzen besteht vorzugsweise aus Abschnitten von Lothringen'schen, Friesländischen,
Fränkischen und Bayrischen Münzen, ausserdem sind ein ungarisches, ein Böhmi-
sches und 2 Englische Gepräge erkennbar. Es kommen vor:
1. Aus Lothringen:
Cöln,
Huy, König Heinrich II (1002—24).
2. Westpfalen:
Dortmund, Heinrich II (1002—24).
3. Friesland:
Markgraf Bruno v. Friesland (1038—57).
Deventer, Heinrich II (1002—24).
^ Bischof von Utrecht.
Utrecht, Bischof Barnolf.
(113)
4. Franken:
Mainz, Enbischof Bardo (1031—51).
Speyer.
Worms, Otto III (091—905).
5. Bajern:
Regensburg, Herzog HeiDrich VII (1030—47).
,, Bischof Gcbhard III (i(»3u— 60).
6. Böhmen:
Bracislaus I (1037—55).
7. Ungarn:
Stephan I (der Heilige) (lO(K)— lo.Ss).
8. England:
Ethelred II (979—1016).
Kanut d. Gr. (1016-35).
9. Als eine zeitgenossische ^'achahmung erscheint
1 Stück, Otto 111 und Adelheid.
Die M&nzen reichen darnach von etwa 079 bis etwa 1060 und gehören zumeist
der ersten Hälfte des 1 1. Jahrhunderts an. Hierneben sind bezüglich der Joms-
bürg und WoUins folgende geschichtliche Jahreszahlen zu vergleichen:
a) die soandinavische Jomsburg.
1. Handd Blausahn (f 986 oder 987),
wild 965 Christ, mit Gunhild seiner
Gemahlin; Kaiser Otto der Grosse
hebt ihren Sohn Sven-Otto aus der
Taufe.
2. 970—980 Erbauung der Jomsburg.
3. 991 oder 992 stirbt König Harald
in der Jomsburg.
4. Onter Kanut dem Grossen (1014 bis
1035) wird Dänemark christlich. Die
Jomsburg hat sich während dessen
den Dänen wieder unterworfen und
hat dänische SUtthalter.
5. Als sie unter Magnus dem Guten
den Gehorsam versagt, wird sie 1042
oder K^ von Grund aus zerstört.
6. In dieser ganzen Zeit und späterhin
sind keine historischen Daten über
die Jomsburg mehr vorhanden.
4.
7.
VwrhudLdtc BtrL Aathnpol. G«MUtebBft 1883.
b) das wendische Wollin.
\^^'i tlieht König Harald v. Dan. nach
Wollin und wird von den Wenden, wie-
wohl er Christ, gut aufgenommen.
991 wird or verwundet nach Julin ge-
bracht und begieht sich demnächst iu
die Jomsburg, vgl. a. 3.
In diese Zeit gehören die wendischen
Niederlassungen an der Plantage süd-
lich der jetzigen Stadt Wollin und das
Anwachsen der eigentlichen Stadt Wol-
lin (Julin, Jumneta. Vineta).
1075 schildert Adam v. Bremen die
Hlüthe Vineta's (Wollin's).
Als um 10i»5 sich viele aus Dänemark
Vertriebene nach Wollin geflüchtet und
von dort Secraub getrieben hatten, legt
sich eine dänische Flotte vor Wolliu
und erzwingt die Auslieferung der scan-
dinavischen Seeräuber.
1120 wird Wollin von den Schweden
und Polen erobert, Herzog Wartisiav
von Pommern verspricht, Christ zu
werden.
11 22 predigt der spanische Mönch Bern-
8
(114)
(>
In dieser ganzen Zeit und späterhin
sind keine historischen Daten über
die Joinsluirf; mehr vorhanden.
hard den Wollinero das Ghristeothum
vergeblich.
8. 1124 erscheint der Ponamern bekehrer
Otto von Bamberg zum ersten, 1129
zum zweiten Male in Wollin. Die
Stadt wird christlich.
9. 1133 wird Wollin schon als Sitz eines
.Bischofs erwähnt.
10. 1170 wird die Umgegend von Wollin
verwüstet, 1175 die Stadt verbrannt.
Helmold, der Slavenchronist (Ende
des 12. Jahrhunderts) kennt die Stadt
nur als untergegangen.
11. 1180 wird das Bisthum von Wollin
nach Camin verlegt, Wollin ist Ton
da an unbedeutend geblieben.
Zu dieser historischen Parallele passen die Funde vom Silberberg genau. Die
sämmtlichen Münzen sind zweifellos kurz vor 1042 oder 1043, d. h. vor der Zer-
störung der Jomsburg hier vergraben worden. Bei der Eroberung derselben wur-
den die Vertheidiger getödtet oder in die Sklaverei verkauft, daher die grosse
Menge vergrabener und verborgen gebliebener Silberschätze.
Auch das Vorkommen von Bruchstein-Mauerwerk und Mörtel auf dem Berge
in Verbindung mit Münzen aus der ersten Hälfte des 1 1 . Jahrhunderts erklart sich
ungezwungen, sobald wir nur davon absehen, dass auf dem Silberberg eine slavi-
sehe .Nnsiedluug war, denn die Wenden unter sich und für sich kannten allerdings
in jener Gegend — wenn überhaupt — erst sehr wenig Mörtelbau, ja auch die
nächsten christlichen den tscheu Ansiedelungen begnügten sich zumeist mit Holz
und Lehnilvauten. Dagegen waren die Skandinavier durch ihre Eroberungen in
Kngland« wo sich der römische Mörtel- und Mauerbau von den Zeiten des Julius
i'äsav her in Uebung erhalten hatte, schon seit dem 9., gewiss seit dem 10. Jahr-
hundort mit dem Mörtel- und Bruchstein-Mauerbau, sowie dem Steinschnitt ver-
traut. Soll doch schon die grossartige, hoch gefeierte Kathedrale zu Lund in
Schonen mit ihn^n gewaltigen steinernen Portalen und Gewölben im altromani-
schen Styl aus Hausteinen im Jahre 1011 begonnen worden sein. Vergl. C. G. Bru-
nius: Nonlens äldsta Metro]^litankyrka eller historisk och arkitektonisk beskrifning
öfver l.unds l>omkyrka, Lund 1836. S. '24 und 26flf.O.
Nahe verbunden aber sind nach allen historischen Nachrichten die Jomsburg
V \^w «lomslur«; w.ir ein Rurgwall von liranitblCs^keu und Pallisaden, inmendig waren
hoho rhüriMu drr lUfeii ^»r durch einen ^^emauerton Thurm mit einem (romanischen)
Soh>ÄibK»»;x»» und FÄlljrattor ab}:o:iperrt. An Baokstein-Hau ist hierbei nicht za denken^ dieser
Ol scheint oist in ^ior zweiten Hälfte des 12. Jabihuiivierts in Pommern und Meklenburg,
aUouhn^> «iislotum oiiiirt^tühTt durch dänische Baukür.stler. Vergl. hierüber Karl v Rosen
„l cbot l\r,'tiMÄrk> Kint'.uss au:" die früheste christliche Architektur Rügens, 1872': J.L. Löff-
let ,P:c KKvstorkirche :\\ Hergen auf Rübsen* ^Balt. S:ud. XXIX, S 77 ff.) und ders : »Die
Kirchen i\\ .Vitculljchon und Schaprode auf Uü^r* ^das. XXXL S. 211 ff.\ sowie J. Korne-
lup: «Oie VerMr.duuc des Klo>tors Ksrv^m mit oen «er.discben Ländern und deren architek-
toiusche Sj»uren\ .tllo o .\bh. vcn ii. von Roser. aus dem Danischen übertracen. Eornerup
jix'hlii«»st mit der intorxv^'Santen llypothose, dasa: Dänemark und IVotschland ihre romanische
Uück^tioin- \rv*hitektur aus ^emeiuschattücher Quelle« Nord-Italien, speciell der lombardi-
Kchou liett'l'eue^ «o lUu>teiu loblt« alwuteiten hätteu.
(115)
UDd die Stadt Wollin (Julin) immer gewesen und jedenfalls räumlich näher, als
Lebbin sein wurde, 2 deutsche Meilen westlich Wollin, in welchem Punkt G. W.
V. Raumer: Die Insel Wollin, Berlin 1851, S. 20, die Jomsburg sucht, eine Stelle,
wo ein wendisches Fischerdorf seine geringen Reste hinterlassen haben mag, von
ausgiebigen Silberfunden aber keine Rede ist. Bezeichnend erscheint es ferner,
dass langst nach dem Falle der Jomsburg, zur Waldemarischen Zeit, Svend Agesön,
als er von der Zerstörung Julin's (Wollin's) spricht, meint, er sähe mit eigenen
Augen die alte Jomsburg fallen ^).
Nach den vorstehenden Ausführungen löst sich das Verhältniss
beider Ortschaften ungezwungen, wenn man in Wollin oder Julin die
wendische heidnische Pfahlbau-Stadt, auf dem Silberberg mit seinen
Verschanzungen die skandinavische, halbchristliche «Jomsburg sieht.
Dass auf dem Silberberg bei Wollin die Jomsburg gestanden hat,
mochte ich hiernach als Hypothese aufstellen.
II. Der Michendorfer Fund.
Zu den beiden Gefässen von Michendorf bei Potsdam, Kreis Zauche-Belzig, sei
bemerkt, dass dieselben aus hellbraunrothem Thon sind. Leider ist das Haupt-
gefass sehr defect, Durchmesser des Bodens: 9,5 c/n, der Durchmesser der grössten
Weite mag 15 Cf», die Höhe des Topfes 18 cm betragen haben. Der grösste Durch-
messer des mit einem knopfartigen Griff versehenen Deckels ist 12 c/w, die Höhe
5 em. Der Topf ist mit seichten Parallel-Hiefeln, der Deckel mit eingedrückter
Schlangenlinie verziert (cfr. Fig. 2).
Der Inhalt an Silbermünzen hat in der numismatischen Welt das grösste Auf-
sehen erregt. Es sind über 2000 Stuck, theils Bracteaten, theils zweiseitige Mün-
zen, aus der Zeit von 1140 — 1184 gefunden worden und zwar Gepräge von Przi-
bi^law (dem letzten wendischen, zuletzt zum Christenthum unter dem Namen
Heinrich übergetretenen Fürsten von Brandenburg), von Albrecht dem Bär und
Otto L Unter den Przibislaw zugeschriebenen Münzen (dies sind die zweiseitigen)
befanden sich bi-^^her ganz unbekannte Gepräge, darunter namentlich eine mit dem
Bilde seiner Gemahlin Petrissa (oder Petrussa) auf der Rückseite. Näheres über den
Fund haben von Sallet. Dannenberg (Zur Brandenburgischen Münzkunde, zwei-
ter Nachtrag, S. 277), E. Bahrfeld t (Der Bracteatenfund von Michendorf) und
Lange (Berliner Münzblätter 1880, Nr. 4) publicirt.
III. Vorgeschichtliche Gefässstrichler.
In das Märkische Museum sind, mit anderen Fundstücken aus verschiedenen
Gegenden der Provinzen Brandenburg und Pommern, eigenthümlich sägeförmig ge-
kerbte Geräthe von Feuerstein, Kalkstein, Bronze oder Knochen gelangt, deren
Zweck zweifelhaft erschien, bis die im Märkischen Museum damit angestellten
Versoche darthaten, dass sie zur Herstellung der parallel gestrichelten Ver-
zierungen an Thongefässen der letzten vorgeschichtlichen, namentlich der ^slavi-
8cheo^ Periode gedient haben mögen und am bezeichnendsten „Strichler^ zu
nennen sind. Diese Geräthe haben, wenn von Stein, a) die Form von flachen,
prismatischen Messern, deren Schneid^ mit regelmässigen, rundlichen Kerbzähnen
versehen ist, wie der von den Bauzelvitzer Bergen auf Rügen (II, 13 374). der
TOD Feldberg in Meklenburg-Strelitz vorgelegte und derjenige, welchen Hr. Oe-
1) Saxo Grammaticus nennt sogar die Jomsburg selbst Julin, ^as ebenfalls dafür spricht,
dass beide Punkte hart bei einander lagen.
(116)
»teu gelegentlich des letzten Berichts über die Umgegend von Feldberg (Heklen-
t>urg-Strelitz) im Jahrgang 1882 besprochen hat Derselbe, vom Steinwerder,
befindet sich in der Feldberger Sammlung, Facsimilia werden im Märkischen
Museum unter II, 13 772, aufbewahrt. — Oder sie haben b) die Form einer
der natiirlichen Abtheilungen einer Apfelsine, wie ein Strichler aus Kalkstein (Fig. 3)
im Besitz des Hrn. Budach in Greifswald bei Grimmen, Reg.-Bez. Stralsund, in
einem Torfmoor gefunden. Abguss sub II, 13 251, im Märkischen Museum. Fig. 3a
zeigt eine Topfwand, welche mit diesem Geräth nach wendischer Art gestrichelt ist
Unter 11, 13 230, wird ein ganz ähnliches natürliches Steinstück verwahrt, von mir
1882 auf einem mit anscheinend wendischen Scherben besäeten Acker nahe Kagel,
Kreis Nicder-Barnim, gefunden. Wenige kleine Absplitterungen, welche an diesem
Stück bei der Auf6ndung sich bereits befanden, genügen, dasselbe in vollkommen
analoger Weise, wie den Budach 'sehen Strichler zu benutzen.
Fig. 3.
Fig. 3 a.
Fig. 4.
Fig. 4a.
ys natürlicher Grösse.
Va natarlicher Grosse.
Von Bronze befindet sich im Märkischen Museum ein bei Himmelpfort, Kreis
Templin« auf einem Urnenfelde gefundenes kleines Messerchen (11, 13 723), dessen
scharfer Rücken siigoformig gezähnt ist; von Knochen ein in dem spätwendischen
Burgwall von Potzlow, Kreis Prenzlau, gefundenes Instrument (II, 9187), welches
MUH einer sehr flachen und scharfkantigen Rippe (von einem Pferd?) hergestellt
int, in deren scharfe Kante eine Reihe regelmässiger Zähne tief ausgekerbt sind.
Pio Ornamente einer grossen Zahl von wendischen Gefösssch erben, darunter auch
der oben gedachte Münztopf von ^lichendorf, gleichen den probeweise mit jenen
Striühlorn gezogenen sehr, ja zufällig passen die Zähne des Knochenstrichlers von
Potzlow fast genau in die an dem Münztopf von Sonnewalde, Kreis Luckau, an-
gobriushton Ornamentlinieu, welcher Leiuwandsäckchen mit silbernen Wenden-
pfonnigen (I). 11, 10 063 — 56 des Katalogs) enthielt und in den Verh. von 1880,
S. *J2r> und 22G, besprochen ist.
Fig. 4 zeigt den Knochen-Strichler, Fig. 4 a eine mit ihm bearbeitete Topf-
wund.
(117)
IV. Dcorselbe legt eioea
Depot-Fund (BroozeQ und hüsen) von Carlseteln,^
Kreis Köoigeberg in der Neu mark, vor, welcher vom Rittergutsbesitzer von Stulp-
oagel dem Märkischen Museum übergeben ist. Letzterer Hess im herrscbaft-
lichen Garten zu Carlssteiu im vorigen Jahre Bäume ausroden, virobei die Arbeiter
etwa 60 cm tief 3 Bronze-Halsringe (II, 13 606 — 8), darunter einen scharf gewundenen
(Torques), einen massiven stabrunden Bronze-Armring (II, 13 609) und die Reste
von eisernen massiven Armringen (II, 13 610) fanden, von denen die letzteren zum
grössten Tbeil in eine klumpenförmigo, oxydirte Masse unter Aufnahme erdiger
Bestandtheile übergegangen waren, ähnlich den Thoneisenstcinbildungen, welche
sich häufig in Eiesschichten finden. Da das Alter des Fundes in die Zeit gehört,
in welcher Eisen neben Bronze häufiger wird, so würden Geologen aus diesem
Falle Schlüsse auf das Minimalalter jener Naturbilduugen zu ziehen in der Lage
sein. .Dergleichen aus Rostklumpen entstandene Massen ähneln von Natur ge-
wachsenen Steinen so überaus täuschend, dass es wohl kaum ein Alterthumsforscher
der Mühe für werth halten würde, sie in die Hand zu nehmen. Gleichwohl zeigt
dies mineralische Gebilde durchgeschlagen im Innern noch deutlich Reste des
eisemeo Artefakts, aus dem es durch Umbildung entstanden ist. Mit Recht hat
Hostmann warnend und zur Vorsicht mahnend, darauf aufmerksam gemacht, wie
▼iele eiserne Geräthe auf diese Weise auf mineralischem und chemischem Wege
umgewandelt und völlig verzehrt worden sind, ohne dass die hinterbliebenen eisen-
haltigen Erdklumpen von irgend Jemand beachtet wurden. Als diese Erdklumpen
zuerst gelegentlich der im Jahrgang 1882 geschilderten Excursion des Märkischen
Museums nach Alt-Rüdnitz an der Oder (Neumark) den zahlreichen- Tbeilnehmern
der Excursion vorgelegt wurden und sich als umgewandelte Eisengeräthe erwiesen,
machten sie auf dieselben einen geradezu frappirenden Eindruck. Die Frage des
ersten Auftretens von Eisengeräthen erhält in der That durch dergleichen Funde
eine ganz veränderte Perspective.
(23) Hr. V. Martens zeigt
kleine Sohneoken aus einem aiten Menschensohädel.
Dieselben sind bei Bernburg von Director Dr. Fischer gefunden worden. Sie
gehören einer in ganz Mitteleuropa verbreiteten lebenden Art^, Cionella acicula
(auch Achatina acicula oder Caecilianella acicula genannt) an, welche unterirdisch
io lockerer Erde, Wiesenboden u. dgi. lebt und verkümmerte Augen hat. Der be-
treflfende Schädel lag nach der Mittheiiung des Finders 70 — 75 cm unter der Ober-
fläche des Ackers, war mit Erde gefüllt und enthielt etwa 250 Stück der genannten
Scboeckenschalen, welche theils erwachsen, einige ungewöhnlich gross, 5 mm lang,
tbeils jung, alle aber noch glänzend weiss waren ; eine 200 Schritt davon gefundene,
ebenfalls mit Erde gefüllte Urne enthielt keine Schnecke. Auch in England ist
dieselbe Schneckenart unter ähnlichen Verhältnissen gefunden worden, nehmlich von
Rev. H. Housman in einem älteren britischen Begräbnissplatz an Knochen, 3 Fuss
tief unter der Oberfläche (^the bones were infested with Ach. acicula*', Journal of
Conchology, April 1882, S. 317). Da das Vorhandensein des Geruchsinns bei den
Schnecken, speciell den Landschnecken, durch verschiedene Versuche bewiesen ist,
and dieselben gern faulende Substanzen fressen, so erscheint es wahrscheinlich,
dass diese Tbiere durch den in der umgebenden lockeren Erde sich verbreitenden
Verwesungsgeruch herbeigelockt, sich in so bedeutender Anzahl um die Leiche
(118)
sammelten, um von ihr zu zehren, und yielleicht mehrere Generationen an und in
ihr lebten und starben ; denn man findet sie sonst nicht leicht in solcher Zahl bei-
sammen.
(24) Hr. Arzruni spricht im Anschluss an einen Brief des Hrn. A. Frenzel
über das Vorkommen von Nephrit und Jadeit.
(25) Hr. Bartels übergiebt folgende Notiz aus der Norddeutschen Allgemeinen
Zeitung vom 12. d. M. über
Krao, ein haariges Mädchen von Laos.
Ein sonderbares, kleines, behaartes Geschöpf wird gegenwärtig im König-
lichen Aquarium zu Westminster in London von Wr. Farini als „das fehlende
Glied** in der Verbindungsreihe zwischen Affe und Mensch gezeigt.
Krao ist kein Monstrum in der gewöhnlichen Bedeutung des Wortes, sondern ein
sehr gut aussehendes, intelligentes Mädchen von ungefähr sieben Jahren. £s wurde
nach dem über sie von Mr. Farini gegebenen Berichte in einem Walde von Laos
gefunden und von Hrn. Karl Bock, einem Norweger, welcher seit der von ihm in
„The Head Hunters of Borneo** beschriebenen Expedition nach Borneo auch Siam
und die Staaten des Nordostens von Hinter-Indien durchforscht hatte, nach Eng-
land gebracht. Da er an verschiedenen Orten von der Existenz einer behaarten
Menschenrasse gehört hatte, welche einer Familie ähnlich sein sollte, die er im
Hafen von Mandalay gesehen, setzte er eine Belohnung für die Einfangung eines
solchen Exemplars aus. In Folge dessen wurde eine Familie dieser sonderbaren
Rasse, bestehend aus einem Manne, einer Frau und dem eben ausgestellten Kinde,
auch wirklich gefangen und dem Forscher überliefert. Wenn die Kleine weglief,
so riefen sie die Eltern in einem klagenden Tone: Kra-o, und so wurde dieser Ruf
als ihr Name angenommen. Der Vater starb noch in Laos an der Cholera, und der
Beherrscher dieses Landes schlug es ab, die Mutter ziehen zu lassen; es gelang
jedoch Hrn. Bock, das Kind nach Bangkok zu bringen, und dort erhielt er vom
Könige von Siam die Erlaubniss, es mit nach Europa zu nehmen. Die Augen des
Kindes sind gross und glänzend, die Nase platt, die Nasenlöcher kaum sichtbar,
die Wangen fest und pfirsichfarben und die Unterlippe dicker als die der Europäer.
Die grösste sichtbare Eigenthümlichkeit ist jedoch der starke und üppige Haar-
wuchs. Am Kopfe ist das Haar schwarz, dicht und straff; es wächst über die Stirne
nieder zu den dichten Augenbrauen und setzt sich in bartartigen Locken an den
Wangen fort. Der Rest des Gesichtes ist mit feinem, dunklem, flaumigem Haar,
Schultern und Arme sind mit 1 — 2 Zoll langen Haaren bedeckt. Das Kind besitzt
ausserdem eine schwanzartige Verlängerung der untersten Rückenwirbel, und in der
Formation seiner Muskeln, wahrscheinlich auch der Knochen, zeigt es von der ge-
wöhnlichen Form abweichende Bildungen, die wahrscheinlich wissenschaftliche Dis-
cussionen hervorrufen werden. Kra-o hat bereits einige englische Worte gelernt;
sie ist offenen, zuthulichen Charakters und zeigt über ihre Kleider, ihren Schmuck
und ihre Bänder aufrichtiges Entzücken.
(26) Hr. L. Schneider in Jicin bespricht in folgender Zuschrift
die Lage von Asliiburgion.
Vor zwei Jahren erschien im Programm des Taborer Gymnasiums ein Artikel von
Prof. Aug. Sedlaöek über Ptolemaios, in welchem nach Sadowski^s Methode
(119)
versucht wird, durch Kurzen und Strecken der Ptolemaischeu Grade einen Theii
seiner Karte Böhmen und Mähren anzupassen.
So wenig Aussicht auf Erfolg auch derlei Versuche haben, so läset sich doch
nicht verkennen, dass einzelne topische Bezeichnungen seit Ptolemäus bis auf unsere
Tage sich erhalten haben. Zu diesen gehört jedenfalls der slavische Name des
Ricsengebirges ^Korkonose**. mit welchem, in der Form Korkonti, Ptolemzius ein
nahe an der Weichsel wohnendes Volk bezeichnet.
Ich kann daher Sedlucek durchaus nicht beistimmen, wenn er auf Grund der
Worte des Ptolemäus: „Oestlich von den Chama\i wohnen an der Elbe die Eaio-
chaimi, oberhalb diesen die Bateni (?) und uhor diesen am Fusse des Askiburgion
genannten Gebirges die Korkonti und die Buri*" — die Korkonti nach Böhmen ver-
legt and in Askiburgion das Riesengebirge sieht. Dem allgemeinen Sprachgebrauche
nach konnten die Bewohner Böhmens das Rieseugebirge nur dann als ^Korkonter-
berge*^ bezeichnen, wenn die Korkonti jenseits des Gebirges, also in Schlesien
wohnten. Ueberdiess hat sich aber auch der Askiburgion entsprechende Name bis
heute erhalten.
Bekanntlich erhebt sich zwischen Mähren und Schlesien ein von den Deutschen
„Gesenke** genannter Gebirgszug. Die Bezeichnung „Gesenke** für ein Gebirgo
müssten wir sehr absonderlich finden, wenn wir nicht wüssten, dass dieses Wort
nur eine Verbalhornung des Wortes „Jesenik^ ist, mit welchem die ^laven jenen
Gebirgszug benennen. „Jesenik" ist aber soviel wie ^Eschengebirge" vom slavi-
Bchen jesen, deutsch Fische und altdeutsch Aske und folglich identisch mit
Askiburgion.
Oestlich und sudlich vom Askiburgion entspringen nach Ptolemäus zwei Flüsse,
nehmlich die Wistula (slavisch Vis(t}la) und ein zweiter ungenannter Fluss, welcher
seinen Lauf zur Elbe richtet. Dieser zweite Fluss kann nur die Oder gewesen
sein, und wenn Ptolemäus den mittleren Lauf dt^rselben so schlecht kannte, so be-
weist diess, dass die Handelsstrasse, auf welcher seine Gewährsmänner von der
Donau zur Ostsee gelangten, nicht dem Laufe der Oder, sondern dem Laufe der
Weichsel folgte.
Ist „Askiburgion** gleich „Eschengebirge" und „Jesen ik"^, dann müssen wir
alle Orte, welche Ptolemäus zwischen jenem und der Donau nennt, in Mähren
suchen und zwar in den zahlreichen dortigen Burgwällen, in denen häufig genug
romische Münzen gefunden werden.
(27) Hr. L. Schneider übersendet Bemerkungen zu
(jBdset's Buch „Das erste Auftreten des Eisens in Nord-Europa*', soweit es Böhmen betrifft.
In der Einleitung zu seinem monumentalen Werke bespricht Undset die bei-
den Culturstromungen, welche von verschiedenen Seiten und zu verschiedenen Zei-
ten das mittlere und nördliche Europa beeinfiussten und hält sich dabei längere
Zeit bei Böhmen auf, in welchem beide Strömungen ausgezeichneter Weise zur
Geltung kommen.
Es ist nur zu bedauern, dass Undset die in böhmischer Sprache erschienenen
einschlägigen Publicationen (namentlich die bereits 30 Jahrgänge zählenden Pamätky
archaeologicke) nicht benutzen konnte; daher will ich versuchen, diesen Ab-
schnitt seines Werkes zu completiren und wo es nötliig ist, zu berichtigen.
Dass der nördliche und der mittlere Tbeil von Böhmen bereits in neolithischer
Zeit ziemlich dicht bevölkert war, zeigen nicht bloss die seit Langem häufig ge-
(120)
fundeneo Gerätbe von polirtem Stein ^), sonderD noch deutlicher die sich nunmehr
stets mehrenden, früher wenig beachteten Funde von geschlagenen Silexinstrumen-
ten. Auch meine Hypothese, dass der Nordwesten Böhmens Ton Meissen aus durch
den Eibspalt bei Tetschen bevölkert wurde'), gewinnt an Wahrscheinlichkeit durch
den umstand, dass unlängst auf dem Quaderberge bei Tetschen, welcher das be-
treffende Defile abschliesst und den Ausgang aus denselben beherrscht, eine prk-
historische Ansiedelung — oder besser Befestigung — mit Feuersteinspahnen und
Getreidereibsteinen gefanden wurde').
Was an Geräthen dieser frühesten Bevölkerung Böhmens gefunden wurde, stammt
aus Wohnstätten; beglaubigte Gräberfunde aus dieser Zeit sind sehr selten. Um so
werthvoller ist der Bericht des Conservators Lüssner^) über einen Skeletfund in
der neolithischen Ansiedelung bei Cbrudim, den ich hier vollständig mittheile: In
der Lehmgrube der Chrudimer Ziegelei kam im Sommer des Jahres 1858 ein
trichterförmiges Grab zum Vorschein. Dasselbe hatte oben an der Ackerkrume 4*
im Durchmesser und reichte 2^ in die Tiefe. Der ganze Raum war mit Asche,
Kohlen und Resten von Organismen angefüllt. In der obersten Schichte fand man
eine grosse Menge von Thierknochen, Scherben und angebrannten Steinen; 3 Fuss
tiefer lagen auf einem Herde von Steinen der Schädel, die Geweihe und zahlreiche
Knochen von einem starken Hirsche; noch tiefer kamen einige Scherben zum Vor-
schein, dieselben waren dunkel, glänzend, mit sehr kleinen Henkeln oder Oehsen
▼ersehen, die Ränder waren verziert oder fein gezahnt. Ganz wurde bloss ein
kleines, 2 Zoll hohes, 3 Zoll weites Gefäss von Bombenform mit senkrecht auf-
steigendem Rande gefunden, welches in einem Steinkreise stand. Ein zweites Ge-
föss war kegelförmig, — ein abgelöster Henkel war mit einem eingestochenen Jo-
hanniterkreuz verziert. Bei diesen Gefässscherbeo lagen Stiicke von Hirschgeweihen,
Eberzähne, ein geschlagener Feuerstein etc. Wenig tiefer lagen Stücke eines
Menschenschädels. In einer Tiefe von 9 Fuss lag endlich ein ganzes menschliches
Skelet, mit dem Kopfe gegen West, den Füssen gegen Ost gerichtet. Der Todte
lag auf der rechten Seite, die Arme vor die Brust gelegt, die Schenkel eingezogen,
so dass die Fersen das Kreuzbein berührten. Neben dem Skelet lag ein Stierhom,
Stucke von Hirschgeweihen und zwei menschliche Schädel, der eine zu Füssen, der
andere zu Häupten des Todten. Die Zähne an allen Schädeln waren sehr wohl
erhalten und wiesen auf jugendliche Individuen. H. Lüssner übergab alle drei
Schädel den Sammlungen des Nationalmuseums, doch wurden dieselben von Nie-
mand näher untersucht. Es scheint, dass bei Chrudim ein Grab aus jener uralten
Zeit gefunden wurde, wo man den Todten in dem Trichter seiner Erdhütte unter
den Trümmern derselben begrub und dass sich später abermals Jemand in dem
nicht ganz ausgefüllten Trichter ansiedelte.
In die neolithische Zeit reicht auch die Ansiedelung von Vokovice, bezüglich
welcher ich Hrn. v. Strassern viel mehr, als den Herren Berger und Miks bei-
stimme.
Dass die von Undset nach Angaben des Hrn. Miks gezeichneten Gruben-
durchscbnitte nicht Gräber, sondern Reste von Wohnungen sind, dürfte die neben-
stehende Zeichnung einer Grube aus der gleichfalls neolithischen Ansiedelung von
1) Bereits im Jahre 1846 waren 15 Fundorte bekannt. Casopis ceskeho Musea 1845.
2) Verhandlungen der Berliner antbrop. Gesellscb. 1881, S. 243.
3) Klästersky, Pamdtky arcbaeol. XI, p. 432.
4} PamÄtky ill, p. 285.
(121)
Pfernysleni^) beweisen. Diese Grube (165 cm tief, 125 cm weit), welche ich letzten
Sommer in der Ziegelei von Premysleni sah, zeichnete sich sehr scharf in dem
gelben Loss ab, enthielt aber absolut nichts als ^^
dankelgeffirbte Ackererde, so dass ich sie für
nichts anderes erkennen kann, als für einen auf- ^. /^a'w#iw
gegebenen Getreidebehalter. In den Resten der ^' " " f'
Yokovicer Ansiedelung kommen ausser Gefass- /
Scherben auch Artefakte von Feuerstein, polir- / k
teo Steinen, Knochen und antiker Bronze vor^). [ 1
Auch der Bronzeeber „aus der Sarka" wurde \ " j
von Krolmus im Jahre 1848 „hinter den Wirth- y
Schaftsgebäuden (zabumny)'^ des Bauers Hla-
dik in Vokovice ausgegraben, vermuthlich an jener Stelle, wo sich noch im Jahre
1858 eine, damals von mir oft besuchte, nunmehr längst aufgelassene Lehmgrube
(rechts von der Strasse) befand. Die Skcletgräber mit La Tenebeigaben, welche
von Arbeitern in den neuen grossartigen Ziegeleien (links von der Strasse) spora-
disch anter den sogenannten „Brandgräbern*^ gefunden werden, durften zu der
alten Ansiedelung in demselben Verhältnisse stehen, wie die analogen Gräber zu
der neolithischen Ansiedelung bei Bydzov*). Hr. Ziegeleiverwalter Winter in
Vokovice besitzt von hier ausser Silexartefakten etc. auch ein Stück eines roth-
lackirten mit gestochenen Ornamenten verzierten Gefasses von der Art derer von
Kralupy, PoJepy und Markovice*).
Eine unzweifelhafte Grabstätte aus alter Bronzezeit fand Dr. Ryzuer in der
Nähe von Roztoky:
Zwischen Roztoky, ünetice und i^alov erstrecken sich über eine Area von etwa
40 Hetzen prähistorische Gräber, von welchen Dr. Ryzner zwei Gruppen aus-
gebeutet hat. Die erste Gruppe zählte 27 Gräber mit Skeletten neben 3 Urnen-
funden. Die Gräber sind Reihengräber, eines von dem andern 80 — 100 cm entfernt,
die Tiefe beträgt Vj^ — IVj '«, die Breite 1 ?«, die Länge Vj» — 2 m. In jedem
Grabe liegt ein Skelet auf der rechten Seite, der Kopf gegen Süd, die Füsse gegen
Nord gerichtet, also mit dem Gesichte gegen Sonnenaufgang, in zusammengekauer-
ter Lage, so dass die Kniee an die Brust, die Fersen fast bis an das Kreuzbein ge-
zogen sind. Die Arme liegen an dem Brustkasten, in den Ellbogen zurückgeschlagen,
80 dass die Hände an den Kopf reichen. Ausnahmen bildeten die Gräber Nr. 20,
wo der Schädel fehlte und die Knochen zerstreut lagen, und Nr. 21; dieses war
ein Massengrab mit durcheinandergeworfenen Skeletresten.
Fast jedes Grab enthielt ein Gefass, in den Frauengräbern war es klein und
stand in dem von Unter- und Oberarm gebildeten Winkel, in den Männergräbern
war es ein grosses und fast immer zerdrückt. Skelette von Männern wurden ver-
1) Im Jahre 1878 hielt ich die Gruben von Premysleni, Liben, Byd^ov, Zaiany etc. auch
noch for Gräber (Verbandl. d. Berl. antbrop. Gesellscb. 1878, S. 368).
2) Ich erwarb hier eine Broozenadel einfachster und wohl ältester Form. Sie besteht
ans einem Stöcke Bronzedraht, dessen einse Ende zugespitzt ist, während das andere platt-
gehämmert und zusammenfiferollt den Nadelkopf bildet.
3) Siehe Mittheilungen der k. k. Centralcommission für Erhaltimg von Kunst- und Bau-
denkmalen 1882, S. 82.
4} Derlei Gefässe worden in Zulany nicht gefunden, dagegen erregte hei der heurigen
Versammlung bobmiscber Aerzte und Naturforscher allgemeine Aufmerksamkeit ein pracht-
volles Geläss dieser Art, welches beim Grundgraben zu einem Hause in der Prager Vorstadt
Smichov gefunden wurde und von Eorensky ausgestellt war.
(122)
hältnissinässig wenige gefunden, die Frauen und Rinder waren reich geschmückt
mit Bronzeschmuck und Bernstein. Jedes Skelet ist von einer Steinsetzung um-
geben, der Kopf durch grosse Steine geschützt und das Grab bis hart an die Ober-
fläche mit grossen, oft einige Centner schweren Steinen angefüllt. Die drei Urnen-
funde sind folgende:
Nr. 22. eine Schlisse], stand in einem Haufen von Asche und gebrannten
Knochen, in ihr stand ein Topf von 7 cm Hohe mit Asche gefüllt und beides war
mit einem umgestürzten grossen Topfe bedeckt.
Nr. 23 enthielt ein grosses Geßiss (8 Liter), in welchem ein kleineres und in
diesem abermals ein kleineres Gefass steckte, die Gefasse enthielten Asche ohne
Knochen.
Nr. 25. Reste eines grossen, von der Pflugschar zerstörten Gefasses.
An Beigaben wurden gehoben: 11 kleine, schwarze Gefasse mit Graphitanstrich,
7 zerdrückte grössere schwarze und röthliche und 3 grosse ganze GefiSsse, nur
wenige haben Henkel, die meisten sind mit Buckeln versehen; fünf an einer Seite
abgeriebene Steine (Kornquetscher) ; in 17 Gräbern wurde Schmuck gefunden und
zwar sechsmal Perlen (Bernstein), 19 Nadeln (achtmal 1, zweimal 2, einmal 3 und
einmal 4), 15 Ohrgehänge (fast immer zu 2), 5 Armringe, 1 Bronzekette, 3 Amu-
lette (2 durchbohrte Zähne und 1 von Bernstein), endlich ein goldener Ring. An
Waffen und Geruth fand man bloss einen Bronzedolch und 3 Bronzepfriemen.
Die zweite Gruppe von Gräbern lag näher gegen Unetice. Hier wurden
26 Gräber von Dr. Ryzner, 3 von Hrn. v. Strassern geöffnet, alle enthielten
Skelette, welche genau so lagen wie die früher gefundenen. Die Beigaben be-
standen aus 2 zugespitzten Knochen, 1 Bronzedolch, 8 Armringen, 3 Paar Ohr-
gehängen, 6 Partien von Bernsteinperlen, einem Halsschmuck aus Bronze und
Bernstein, 3 Kornquetscbern, 7 Nadeln, 10 erhaltenen Gefässen, 1 Stück Schlacke,
2 Bronzeringen, 1 Bronzepfriem mit Heft von Bein und einem Ringe von Bein*).
Den Gräbern von Unetice sind ähnlich diejenigen von Cecovice (1 Meile west-
lich von Unetice), deren eine grössere Zahl von dem Bauer Kromhoiz geöffnet
wurde. Auch hier liegen die Skelette mit dem Kopfe gegen Süd, den Fassen
gegen Nord gerichtet, in hockender Lage.
Während die Gräber der Bronzezeit aus der Umgebung Prags meist Skelette
enthalten (war diese Gegend vielleicht schon damals so arm an Wald wie im Mittel-
alter und heut zu Tage?), fand man im nordöstlichen Böhmen, ausser den schon
früher bekannten Urnenfeldern von Rosice und Kuneticc (von hier stammt die bei
Undset, Taf. VII, Fig. 10, abgebildete Urne mit Deckschüssel), letzter Zeit solche
bei Hohenbruck (Tfebechovice), Korunka und HoHneves.
Das Urnenfeld von Korunka (beschrieben von Smolik in Pamatky, XI, S. 613)
gleicht auffallend den lausitzer Urnenfeldern von Grossenhain und Strehlen.
Das Horineveser Urnenfeld habe ich heuer im Frühjahre selbst besucht. Es er-
^ füllt den südlichen Abhang eines mit diluvialem Schotter hoch bedeckten flachen
Hügels bei Hortnöves und war wohl schon so lange bekannt, als die hier befindliche
zur Domaine SmiHc gehörige Schottergrube existirt, ohne jedoch beachtet zu werden.
Erst als der Bauer Hosek im Herbste vorigen Jahres der Bauunternehmung der
böhmischen Commercialbahnen sein an die alte Schottergrube anstossendes Feld, be-
hufs Schottergewinnung, zur Verfügung stellte, wurde die F^xistenz des Urnenfeldes
1) Pamatky XI, p. 289 und 353. Diese GegeDstände gleichen auffallend jenen, welche
im Jahre 1878 bei Mönitz in Mähren neben Skeletten gefunden wurden. Mittheil. d. Wiener
antbrop. Gesellsch. IX, S. 202.
(123)
von den Ingenieuren Marter er und Hei man erkannt und da8>ell)e hierauf vom
Gonservator Hrase naher untersucht.
Da die Urnen und die Hci^ofässe sehr nahe an der Oberfläche des Ankers sich
befinden, haben dieselben durch Einwirkung von Feuchtigkeit und Frost stark ge-
litten, so dass nur ausnahmsweise ein ganzes Gefass ausgegraben wird. Die Knochen
befinden sich in gröberen Gefässen, die Beigefasse sind fein gearbeitet, von freier
Hand geformt und häufig mit Graphit angestrichen. Ein Gofäss, dessen Bruchstucke
ich besitze, gleicht in Form und Verzierung dem Gefässe von Maria-Rast (Taf. HI,
Fig. 6, bei Ündset); eine Schussel hat die Innenseite des Bo<lens durch seichte
Striche verziert; die mit Graphit anpestrichenen Gofasse tragen als Verzierung
schraffirte Dreiecke oder flach concave Gruben mit eingedruckten Punkten ringsum
(Nadziejewo, ündset, S. 85). Bei kleinen Gelassen ist der Boden ganz klein und
eingedruckt, als wenn der Töpfer beim Formen des Gefiisses in den convexen Unter-
thcil die Daumenkuppe gedrückt hätte. Ausser den Gefässen (auch Klappern)
wurden Bronzege gen stände gefunden, darunter ein Schwert von 40 cm Länge.
Wie es scheint, war Urnenbestattung die herrschende Art in Böhmen bis in die
ersten Jahrhunderte n. Chr. Dies bezeugt das Vorkommen römischer Bronzegefässe
als Ossuarien bei Zdice und Dusniky, namentlich aber der auch von Ündset (S. r)5)
gewürdigte ürnenfund von Kostom laty '). Bei diesem Funde will ich mich etwas auf-
halten, da ich es war, der diese Gegenstände aus dem Schranke eines Alterthiimer-
liebhabers (des Maschinenmeisters der Kostoralater Zuckerfabrik) an das Tageslicht
brachte. Vor Allem muss ich aber bemerken, dass der grosse Streithammer von
polirtem Stein gar nicht zu den Kostomlater Funden gehört; Hr. Veselv fand den-
selben in der nahen Zuckerfabrik zu Lysä in einem Haufen Knochen, welche behufs
Verarbeitung zu Knochenkohle zusammengekauft worden waren.
Die übrigen von Hrn. Vesely dem Natioualmuseum geschenkten Gegenstände
wurden an sehr verschiedenen Punkten des Weichbildes von Kostomlaty gefunden,
namentlich die punktirte Urne, mit verbrannten Knochen, Eisenwaffen, Eisengeräth
und dem Silberdenar Nerva's geffdlt, wurde ganz vereinzelt auf dem höchsten Punkte
eines neben der Fabrik gelegenen Feldes gefunden, als man daselbst Miethen zur
Einlagerung von Rüben grub. Die Form dieser gehenkelten und von freier Hand
geformten Urne ist eine sehr ungewöhnliche, indessen ist ihr doch eine auf dem
Marchfelde mit eisernen Waffen gefundene Urne (Mittheilungen d. W. G., IX, S. 284)
einigermassen abniich.
Die drei Fibeln vom La Tenetypus, die beiden Armringe und die Miinze des
Augustus brachten Hrn. Vesely Bahnarbeiter, als ein Jahr nach Auffindung der
Urne auf einem tiefer gelegenen Theile desselben Feldes das Stationsgebäude der
Nordwestbahn gebaut wurde (1872). Die näheren Umstände dieser späteren Funde
waren im Jahre 1876 nicht mehr zu eruireu, doch scheint es, als habe mau die-
1) Pamatky, X, S. 647, wo aber die, niobt von mir herrührenden Zeichnungen wenig
genau siuJ.
(124)
selben bei Skeletten gefunden, wenigstens meinte der Parteiführer Baloan, als er
Hrn. Vesely die Münze des Augustus brachte: „Das war ein armer Teufel, wir
fanden bei ihm nichts, als diese Münze.'' Einer von den Arbeitern, den ich noch
in Ljsa vorfand, sprach wohl von Scherben, doch erwiesen sich auch seine sonstigen
Angaben als ganz unzuverlässig.
Etwas später finden wir im nordlichen und mittleren Böhmen abermals
die Bestattung ganzer Leichen als die herrschende, doch findet dieselbe in um-
gekehrter Richtung statt, so dass die Skelette mit den Füssen gegen Süd, mit den
Köpfen gegen Nord liegen.
Verlässliche Nachrichten haben wir bloss Ober das Gräberfeld in der Prager
Vorstadt Zi^kov (Ben es in Pamatky, X, S. 67) und über die von mir ausgebeuteten
Gräber bei Bydiov (Mittheilungen der K. K. Centralkomroission, VIII, S. 82).
Die in den Gräbern von Zi^kov gefundenen Gegenstände sind: Waffen, Geräthe
und Schmuck von Eisen, Bronze und Email, sämmtlich vom Typus LaTene, Münzen
von Gold und Silber und einige zerbrochene Gefasse. Bezüglich der Scherben,
welche neben den Skeletten in Zizkov gefunden wurden, behauptet Ben es, die be-
treffenden Gefässe seien ganz gewiss auf der Töpferscheibe geformt worden; bei denen
von Bydzov, welche sich in meinem Besitze befinden, kann darüber gar kein Zweifel
obwalten. Es sind also die Gräber von Ziikov und von Bydzov jedenfalls jünger
als der Fund von Kostomlaty, denn die dortige Urne ist gehenkelt und von freier
Hand geformt.
Bemerkenswerth ist noch, dass die Gefässe und Scherben von Byd2ov ganz
denen vom Hradiste bei Strädonice gleichen, während die Bronzegegenstände genau
mit denen aus der Riesenquelle bei Dux übereistimmen ').
Im Vorstehenden habe ich den Charakter prähistorischer Funde im nördlichen
und mittleren Böhmen klar zu stellen versucht. Ein ganz abweichendes Verhalten
finden wir in dem südwestlichen Theile des Landes.
In diese Region gehören die von Undset citirten Bronzefunde von B^Pasy, von
Stockau (Pivon ist der böhmische Name), von Strela, von Strakonice und vom
Hradiste bei Pisek^).
Der eigenthümliche Habitus der hiesigen Funde trat erst deutlich hervor, als
man in neuester Zeit mehrere Gruppen von Grabhügeln durchforschte; es waren
1) Wichtige Aufschlüsse kann man erwarten, falls es gelingen wird, die zu der Stradonicer
Stadt gehörige Necropole zu entdecken. Die Tumuli, welche im Walde Lisek, gegenüber dein
Hradiste, sich befinden, sind es keinesfalls; dieselben wurden im Jahre 1846 auf Kosten des
Fürsten v. Förstenberg geöffnet und die gefundenen Gegenstände (meist Waffen von Eisen)
befinden sich im Museum auf der nahen Nischburg. Dieselben weisen so eigenthümliche
Formen auf, z. B. Speere mit zwei Spitzen, dass sie eines eingehenden Studiums gewürdigt
werden sollten.
2) Letzterer Fundort ist irrig S. 45 als Zelenice bezeichnet, mir ist von einem Bronze-
gefässfunde in Zelenice (bei Schlan) nichts bekannt, dagegen fand ein Bauer ans dem Dorfe
Hradiste bei Pisek 1858 in einem Grabhügel goldene und silberne Schmucksachen, einen
Bronzekrug, 2 Schüsseln von Bronze, den Henkel eines Kruges, viele Armbänder, Ringe und
Nadeln (Pamatky V). Der Krug und die eine Schüssel kamen in die Sammlungen des National-
museums. Das vasenförmige Gefäss, welches Undset S. 43 anführt, ist wohl jenes, welches
in dem Burgwalle von Liovice bei Elbe-Teinitz gefunden wurde.
(125)
dies nameuüich die Tumiili Ton Milavec bei Taus, vod Metelsko bei Hischüfteiuitz,
▼on Malesice bei Pilsen und aus der Umgebung des Hradiste bei Blovice^.
Die Gefässe, welche in diesen Grabhügeln gefunden i^'urden, sind in gleich-
formiger Weise mit eingedruckten, von einer weissen Masse ausgefijllten, geometrischen
OrDamenten (scbraffirten Sparren und Kreisen) verziert.
Diese Verzierungen sind von den im nördlichen Hohmen vorkommenden gänzlich
verschieden, doch stimmen sie auffallend u berein mit den Verzierungen des Pracht-
gefasses aus dem Tumulus bei Pillichsdorf (Mittheil, der Wiener Anthr. Ges., IX,
S. 229), folglich auch mit denen der pannonischen Gefasse von Hatvau und einiger-
inaassen auch der von Villanova. Derlei Gefasse fand man bisher verbreitet von
der Wasserscheide zwisclien der Radbuza (Klbegebiet) und d«»s Cham (Donaugebict)
bei Taus, über das Flussgebiet der Anglava und der Uslavu bis an die Mies.
Weiter ostlich, an der Otava, fand man Erzeugnisse einer etwas späteren Zeit,
nameDtlich ausser der Cyste von Strakonice, den Hronzegefassen von Pisek (siehe
oben), noch die merkwürdigen grossen Hohlringe (ündset, Taf. V, Fig. 1) und zwar
aaf einem sehr beschränkten Räume bei Hostice, Rovna, Trebohostice und Vrcovice.
Noch weiter gegen Osten, bereits jenseits der Moldau (Vltava) fand Conser-
▼ator Hrase im Jahre 1862 in einem von der Moldau und der Luznice gebildeten
Dreiecke (bei Rataje) eine grössere Anzahl von Necropolen (Pamatky, V., VI., VIL,
VIII. und IX.). Auch diese bestehen aus Grabhügeln, welche Oeräthe und
Waffen von Eisen und aus Graphit verfertigte Gefasse enthielten. Dagegen fand
man in dem ganzen weiten Gebiet zwischen der Moldau und der Luznice einerseits
und der Sazava andererseits bis dato noch nichts, als an einigen Orten slavische
Hakenringe.
Das Alles macht es sehr wahrscheinlich, dass — etwa während der frühesten
Bronxeteit^ — noch eine zweite Immigration in das obere Eibgebiet stattgefunden
hat, und zwar durch die weite Lücke zwischen dem nördlichen und dem südlichen
Theile des Bobmerwaldes bei Taus^). Die neuen Ansiedler mögen sich zuerst an
der Radbuza, Anglava und Oslava ausgebreitet haben, dann dem Laufe der Mies
gefolgt sein, wobei sie nothwendig ana mittleren Theile derselben nördlich vom Brda-
gebirge^) mit der nord böhmischen Bevölkerung zusammenstossen mussten; dieser
1) Die Grabhügel bei Blovice Hess der Gntsherr Graf Eduard Palfy öffnen und zwar
acht, welche einen Durchmesser von 12—11) m und eine Höhe von 1— 2'/2 m hatten und
sämmtlich einen Steinkern enthielte]). Gefunden wurden in ihnen ausser Gefassen und
Scherben ein Goldring, circa 100 GoMfäden von 12 g Gewicht (die Lejrinmg enthält 916 °/oo
reines Gold), Bernstein, von Bronze^egenständen ein Schwert, ein Dolch, ein Paalstav,
2 Pfeilspitzen, eine grössere Anzahl Arinbüiider und Nadeln, dann eine Pincette. In einem
Grabe fand man 19 Bronzenägel und neben denselben ein Stückchen Kiseii. Don ganzen
Fund erhielt das National museuni (Pamatky Xil, Taf. 1 u. VI 11).
2) Sichere Funde von Steingeräth im südwestlichen Böhmen fehlen noch. In einem
Tumnlus bei Uilavec will man eine unvollendete Speerspitze (?) von Stein gefunden haben.
3) Bei Taus im Walde Okrohlik fand man ein Bronzedepot; in dem nahen Vollmau,
welches bereits im Flussgebiete der (^ham liegt, ausser anderen Alterthümern auch romische
Münzen.
4) Der „Brda* genannte Gebirgszug enthält eine grosse Menge von Befestigungen; die
f^rösftte unter ihnen ist der Burgwall auf dem einerseits von der Litava, anderseits von der
Chnmava eingeschlossenen Berge Plesivec, dessen 290 m hoch über der Umgegend gelegenes
Plateau eine Fi&cbe von 800000 G Meter einnimmt, von welcher vier Fünftheile vom Walle
umgeben sind. Im Walle selbst fand man ßronzecelte, Speere und Barren, am Fnsse im
Jahre 1826 den Depotfund von Jince.
(126)
UmstuDd mag dann ihrer Ausbreitung die Richtuug gegen die Votava und weiter
östlich bis über den mittleren Lauf der Vltaya gegeben haben').
Die Sazava mit der Tmava gehören aber nicht in das Gebiet dieser Immigra-
tion, denn in dem ganzen ausgedehnten Complexe, den die Sazava durchfliesst, fand
man bisher bloss ein Depot (Paalstäbe und Sicheln) bei Rataje, wohin dasselbe leicht
von der nahen Elbe gelangen konnte, und La Tenebronzen bei PoHci, also bereits
nahe an der Mundung der Sazava in die Moldau.
Die Trnava und die sudliche Sazava entspringen demselben Gebirgsstock wie
die Iglava, weiter nordlich entspringt die zweite Sazava, welche sich in Böhmen
mit der ersten verbindet, während eine dritte Sazava, welche noch weiter nördlich
entspringt, zur Morava (March) sich wendet. Es ist also höchst wahrscheinlich, dass
die drei Sazava und die Trnava ihre Namen von der prähistorischen Bevölkerung
Mährens erhalten haben.
Ich habe bereits früher (Zeitschrift f. Ethnol., 1880, S. 102) darauf aufmerksam
gemacht, dass die südböhmischen Flussnamen fast durchweg Composita sind, welche
wahrscheinlich aus einem Adjectiv und dem Substantiv ava (aqua?) bestehen, dass
solche Flussnamen im nördlichen Böhmen niemals vorkommen, dass dieselben aber
sehr häufig sind in Mähren, Pannonien, weiter östlich in den Gebieten der Bastarncr,
nördlich in Polen und Preussen bis an die Ostsee, aber auch südlich in Noricum —
Sava, Drava und Juvava, an welch letzterer Juvajria (Salzburg) lag — vorkommen.
Sollte sich die Ansicht Fl i gier' s bestätigen, dass Vorfahren der Italiker einst,
bevor einzelne Stämme derselben in die Poebene drangen und die dortigen Terra-
maren errichteten, die Pfahlbauten von Ober-Oesterreich bewohnt haben, so würde
dadurch die Verwandtschaft der Bewohner Noricums, Pannoniens, Mährens und des
Weichselgebietes erwiesen und der spätere rege Handelsverkehr zwischen Italien und
diesen Ländern und als Folge dessen das frühzeitige Vorkommen von Eisen in den-
selben erklärt.
Für das südliche Böhmen müssten wir dann eine Einwanderung von der Donau
her annehmen und zwar von Südwest, denn w'enngleich Undset das niedrige Grenz-
gebirge zwischen Böhmen und Mähren als ein geringes Hinderniss für eine
Einwandet ung von Osten her ansieht, so lässt sich doch — selbst mit Urkunden —
beweisen, dass der hochgelegene, kalte und wenig fruchtbare Südosten von Böhmen
am spätesten colonisirt wurde, also Böhmen und Mähren noch in historischer Zeit
durch einen weitläufigen Urwald getrennt waren.
Dagegen lässt sich frühzeitig schon eine Handelsstrasse von Lentium in das
südliche Böhmen konstatiren. An dieser Strasse fand man bereits im Jahre 1832
beim Baue der Linz-Budweiser Pferdebahn in der Nähe von Freistadt (Ober-Oester-
reich) eine Menge von Bronzesicheln, von denen eine Partie dem böhmischen Na-
tionalmuseum damals vom Pfarrer Hofmeister geschenkt wurde. Möglicherweise
fand längs dieser Strasse noch eine dritte Immigration in Böhmen statt, deren Spuren
Stulik in den bisher ganz isolirten Grabhügeln von Plavji südlich von Budweis ge-
funden hat. (Siehe darüber Vir chow in den Verband!, d. Berl. Ges. f. Anthr. 1875,
sowie Pamatky, VIL)
(28) Hr. W. Schwartz legt folgenden Brief des Grafen Wen sierski-Kwi-
lecki zu Wroblewo vor, betreffend
1) Durch diese neue Einwundernng mag auch die Kenntniss des Graphits aus Rayern
nach Böhmen gelangt sein, und nicht, wie ich früher annahm, durch eine Colonisation des
Votavagebietes vom iiurdlicben Buhmen aus.
(127)
ein Bronzegefäss von Unia, Kreis Wrescfien.
Die ßronze-Urue, in dereu Besitz ich mich beiinclo, ist vielleicht iiu Zusammen-
haoge mit der BroDzekroue, die Sie uns Scaw, Kreis Wreschen, haben *). Sic ist
auch im Wre^chner Kreise gefunden worden und zwar auf dem Gute ünia. Das Ge-
fass hat getriebene Ornamente; die runden Zeichnungen sind Buckel. Die Urne ist
30 em hoch, 40 cm im Durchmesser, der limfnng hat 1 m 10 cm. Die ganze Form er-
innert sehr an die Urne, welche in dem Werke des Hrn. Undset, S. 358, Fig. 41,
angegeben ist. Die Urne ist leider defekt, der Boden fehlt, sowie der obere Rand,
die fehlenden Bruchstucke soll ich noch erhalten, vielleicht wird man noch die pri-
niitiTB Form daraus herausfinden können. £s soll sich auch ein Deckel auf der
Urne befunden haben: ich fahre morgen nach Unia, um die Sache zu konstatircn.
Als Beigaben waren nur verbrannte Knochen, dagegen keine Bronzen gefunden.
Bei dieser Gelegenheit zeige ich Ihnen an, dass im vorigen Ilerbst im Gay,
Kreis Kosten, bei dem Hrn. Grafen Zolkowski eine sehr schone Mäander-Urne
gefunden ist und zwar in einer Kies-Grube mit vielen Beigaben an £isen.
(29) Freiherr v. Ramberg übersendet einen Bericht über
prähistorische Funde von Kl. Ladebow bei Greifswald.
Ungetahr 5 km nordöstlich von Greifswald liegt dicht «m der Küste die Meierei
Klein-Ladebow. Vom Wasser aus erstreckt sich hier bis an das Gehöft ein mehrere
Morgen grosses Dünenland, bedeckt mit spärlichem Graswuchse, der an ein Paar
Stellen durch Strecken von losem Flugsande unterbrochen ist. In letzterem nun
hatte ich Gelegenheit, mir eine kleine Kollektion prähistorischer Alterthüuier zu ver-
schaffen. Im Voraus erwähne ich, dass die Fundstelle schon von Dr. v. Hagenow
gekannt war, wie denn auch das Stralsunder Museum Verschiedentliches von dort
aus seiner Sammlung besitzt, und auch hier im Märkischen Museum sich einzelne
Gegenstände befinden. Gründlich scheint mir jedoch die Stelle noch nicht unter-
sucht zu sein.
Der lose Flugsand ist mit zahlreichen Feuersteinsplittern bedeckt, fast an jedem
derselben konnte ich Spuren der Bearbeitung erkennen; dazwischen lagen die von
mir gesammelten Gegenstände.
Drnenreste waren sehr spärlich vertreten, mehrere darunter von mittelalter-
lichen grauen Gefftssen herrührend, hin und wieder lagen Splitter von verbrannten
Knochen.
Hr. Dr. Bai er in Stralsund hält diese Stelle für einen an Urnenfriedhöfe er-
innernden Bestattungsort später Zeit, und hebt dabei speciell die Abwesenheit jeden
Metalls hervor.
Gerade nun im Betreff des letzteren glaube ich, dass mein Fund von einigem
Interesse sein konnte, da es mir gelang, unter den zahlreichen Feuersteingeräthen
einige Reste von Broncen zu entdecken.
Meine Versuche mit dem Spaten führten nirgends zu einem Resultat — ich
fand überall nur todten Sand ohne jede Spur von bearbeitetem Stein.
Im üebrigen macht mir der Platz mehr den Eindruck einer alten Wohnstelle,
wofür wohl auch die zahlreichen Feuersteinsplitter und mehr oder weniger vollende-
ten Gerathe und Waffen sprechen.
1) Die erwfihiite Krone habe ich lei ineincin Wcf^gang aus Pnsen dein dortigen Museiim
der Freunde der Wissenscbaft überi^ebeu. W. S.
Nachstehend gebe ich eioe üebersicht der wichtigsteD, von mir geiamtnelieo
Grgeo»Laude :
1. Fibel von Bronre, Nadel UDd Spirale fehlt (Hobßchu, 1)*
2. und 4. ßruchstücke vod verzierten Fibeln (Holzschn, 2).
1-
2.
7,
i:h.
vx
3. Gürtel sehn alle, Bronze (Hohschn. H).
5. Theil einer gningefarbten Tbon perle.
6—9. PfeiUpiUen, 6 die gewohüHche Form» 9 meines Wissens die einzige
dort gefundene mit Schaftzunge (Holzschn, 6 — 9).
10. Schaber (HolzBohn. 10).
Kleines axtformiges Geräth.
Feuer-
stein
(129)
12 — 13. Bohrer, 13 aus dem Bruchstück eines halbmondformigeD Messers
(Holzschu.).
U. Splitter.
15. Nadeus.
16. Messer, Schneide ringsum gedengelt.
17. Geräth aus milch weissem Quarz: entweder zum Glätten oder zur Be-
arbeitung der Pfeilspitzen.
18. Feuersteine für Pfeilspitzen, in verschiedenen Stadien der Bearbeitung.
19. Runder Schaber.
20. Prismatisches Messer.
21. Hohlschaber.
22. Vorwurf zu einer Pfeilspitze: das Stück misslang, da die Spitze ab-
brach.
23. Lanzen spitze.
24. Urnenscherben, schwach gebrannt, das Material stark mit Quarzstücken
untermengt
25. Kleiner Schleifstein, Thonschiefer.
26. Halbe Hacke aus Sandstein, das angefangene Bohrloch ohne Zapfen,
halbkugelig.
AoBser dieser Form fand ich viele grössere und kleinere Bruchstücke von halb-
moiidf5nDigen Geräthen und Lanzenspitzen.
(30) Hr. Bastian spricht über den
GoldfliiMl von Vettersfelde bei Guben.
Der durch die Zeitungen bereits bekannt gewordene Goldfund von Guben
(Vetterafeld, Kreis Guben) steht an sich so eigenartig da, dass er schon, bei Siche-
mng durch das königliche Museum, auf einem, für mehrfache Berührungspunkte
streitig zweifelhaften Grenzgebiete zwischen prähistorischer Abtheilung und Anti-
quarium, sich nicht sogleich definitiv zusprechen Hess, vorläufig indoss in dem letztern
aufgenommen ist, als dem richtigeren Platz bei dem gegenwärtig unvollkommenen
Zustand des Ethnologischen Museums, vor Herstellung des neuen Gebäudes. Bis
dahin wird die weitere Entscheidung vorbehalten bleiben.
Der Fund (einer der gelegentlich gemachten) besteht aus:
1. Goldschmnck in Gestalt eines Fisches. Gegossen, dann getrieben (und
nachträglich gebunzelt).
2. Schmuck aus fünf Reifen. Gold.
3. EScherbeschlag. Gold.
4. Kleinea Steinbeil in Gold gefasst.
5. Wetzstein in Gold gefasst.
6. Annring mit Schlau gen köpf. Gold.
7. Gehänge. Gold.
8. Gehänge. Gold.
9. Schwertgiiff aus Eisen mit Goldblech belegt.
10. Dolch aus Eisen.
11. Scheide dazu aus Gold.
13. Bronze- Beschlag.
13. MaasiTor Hals- oder Eopfring. Gold.
U. Halskette (Panzergeflecht) Gold. 68 cm lang.
15 u. 16. Zwei kleine Goldbleche.
▼«rhudL d« BotL Amtkropol. ü«MllMl)afi 18^3. 9
(130)
ÜDgeAhre Analogien für eine oder die andere Art der technischen Ausführung
oder der Verzierungen Hessen sich herstellen, aus dem in der prähistorischen Ab-
theilung Vorhandenen mit den Funden:
IL 327. Fundort Granow, Kreis Arnswalde in der Neumark.
Goldenes Gehänge mit Lötharbeit
II. 307. (II. 303 — 313.) Tammendorf in der Neumark. Goldzierratb , mit
anderen Goldsachen und einer Gemme in einer Urne gefunden. Dicht
dabei wurde eine kleinere Urne, enthaltend 4 Gold gegen stände und (II.
1348) eine eiserne Scheere gefunden.
II. 315—325. Fund von Hockericbt bei Oblau in Schlesien.
Goldbleche (getrieben); eiserne Schnalle, mit Goldblech belegt, desgl. mit
Silberblech) Bronze- Gefässe.
II. 3817. F. 0. Buskow, Kreis Ruppin.
Goldene Kette (Panzergeflechl), daran Gehänge mit Lötharbeit.
II. 4687. Ungarn. Gehänge mit Lötharbeit.
II. 5858. Ungarn. Getriebene runde Goldplatte mit 3 Buckeln.
II. 5724. Ungarn. Knopf mit Lötharbeit.
II. 326. Stobjehnen, Kreis Fischhausen, Ost-Preussen. Grösseres Fragment
eines (verbogenen) Halsringes aus Gold mit figürlichen Darstellungen.
Dann Hessen sich noch einige Stücke aus dem Thorsbergerfund, dem Funde
von Vallobj (bei Kjoge), dem Fund in Thorshaide (bei Koskild), Ungarisches und
Verschiedenes aus sog. nordischer Thier-Ornamentik, sowie aus dem unter der Kate-
gorie der Hackfunde Begriffenen herbeiziehen, wobei sich bald für das Eine, bald
für das Andere eine Verknüpfung bieten würde, sobald man solch hier und da an-
haftbare Fäden, nun, unter Vertiefung in's Detailstudium, für den jedesmaligen Fall,
mit dem aus der Literatur und den Sammlungen zu entnehmenden Material, weiter
auszuweben beabsichtigen sollte.
Dem Gesammt-Eindruck nach wird man sich mehrfach auf denjenigen geführt
sehen, der unter der Bezeichnung bosporanischer Funde begreifbar wäre, mit her-
Torragendsten Vertretern in den Ausgrabungen bei Eertsch, und obwohl auch hier-
mit (bei dem bisherigen Mangel systematischer Behandlung dieser grossartigen Er-
gebnisse) noch keinerlei Datirung gegeben sein würde, — unter unbestimmtem
Schwanken zwischen 5. u. 6. Jahrhunderte bis zum Koul-Oba (wo sich z. B. aus Do-
bois' Atlas, Ser. IV, heranziehen Hessen: XX, 2, 3, 7, XXI, 1, 2, XXllI, 4, XXIV,
4 u. s. w.) oder, für das spätere, noch einige mehr — , so liegt die Bedeutung
dieses (nicht als Conjectural-Object, sondern als local gesichertes Sammelstück auf-
zunehmenden) Fundes zunächst darin, die Aufmerksamkeit in verstärkterem Maasse
wieder hinzulenken auf die Einflüsse, welche aus der Handelsthätigkeit der grie-
chischen Colonien am Pontus Euxinus auf den Norden während seiner dunkelen
Vorzeit ausgeströmt haben mögen.
Wie sehr das Schicksal der Naturstämme von dem entzündenden Schlage des
Contactes mit höherer Civilisation abhängt, das liegt in alT den verschiedenen Sta-
dien der Folgenmöglichkeit für die Ethnologie deutlich nachweisbar vor, und auch
in der Prähistorie beginnt ja gerade jetzt diejenige Richtung Geltung zu gewinnen,
welche, seit Verbindung ihrer Studien mit den etruskischen, aus den Necropolen
bereits so manche Aufschlüsse gewährt hat. Dass bei Berührung hoch Toran-
geschrittener Culturstufe mit tief stehend niederer, die letztere davon getroffen
werden muss, folgt im Naturgesetz der Effectwirkung aus grösserer Schwere nnd
es hängt dann von den Neben umständen ab, ob solch mächtiger Schlag (wie oft
in den Zuständen primitivster Kohheit) direct vernichtend (oder zersetzend) wirkt
(131)
oder (auf mehr weoiger ebenbürtagem Boden) in neuer Entwickelung zum Selbst-
sprossen belebend und anregend. Die bedeutsamen Anregungen eines sog. etruski-
schen Handels auf den Norden beginnen, wie schon gesagt, mit den heutigen For-
schungen tagtäglich mehr ans Licht zu treten, und fast durchdringender noch v?ürde,
a priori, der griechische zu denken sein, von den Küsten des Pontns aus. £he die
römischen Heerzüge die Länder jenseits der Alpen zur Provinz vereinigten, konnte
es immer nur periodisch geschehen, dass mit südlichen Erzeugnissen gefüllte Wagen,
wie die des gallischen Gastes Arrontes (bei Dionys. Hai.), ungehindert die gefähr-
lichen Gebirgspässe durchzogen oder eine Correspondenz mit den Handelsfreunden,
unter Hermanduren etwa, aufrecht erhalten wurde, — nur dann, wenn die Via sacra
noch durch den Schrecken ihres schützenden Herakles ') gegen die Raubhorden ge-
sichert war (wie sich auch der indische Kaufmann zögernd in die Pässe der
Kaiber, oder Bolor, hineinwagt, so oft einer euphemistischen Bezeichnung der
Eusofzje nicht recht zu trauen), wogegen bei borysthenischen Colonien durch die in
Basileioi verwandelten Skoloten unter den Skythen, im bosporanischen Reich durch
die halbhellenisirten Fürstengeschlechter der Barbaren (in den, nach den Archäa-
nactiden, die Archonten in Könige umwandelnden Ethnarchen bis zu Asander's
Titulatur), bereits vermittelnde Zwischenstufen für ununterbrochen — in der Beei-
dung selbst mit Melanchlaeui (Dio Chrysostomos), unter nördlichen Chiri oder
Hiren (der Kuren) auch, — sympathische Wechselwirkungen hergestellt waren, und (be-
sonders bei den durch die Flussläufe des Dniestr, Dnepr, Tanais gewährten Erleich-
terungen) mit den beutelustigen Nomadenstämmen für die Karawanen dort ebenso-
wohl ein Abkommen (mit Geld oder Waffen) zu treffen war, wie etwa für die von
Pangani nach den Seen- Regionen Kaviroudo^s ziehenden mit Masai, Wakuafi und
ähnlichem Gelichter. Dabei könnte auf dem anderen Handelsweg zum Tanganyika
das am 134. Tage „from the date of our leaving the coast^ (Burton) erreichte Kazeh,
„headquarters of the Omani or pure Arabs^, die Pinselstriche an die Hand geben,
um die von Herodot aus Olbia mitgebrachten Erzählungen über eine griechisch
redende Factorei der Gelonen^) (^EXkvive^ to oip-^iiov) im Lande der (mit lupxoti be-
rührten) Budinen (der Blondhaarigen und Blauäugigen) zu skizziren, und bei der
Doppelgängigkeit der letzteren, auch das Grab von Ananino an der Kama in seinen
Analogien „avec les trouvailles faites dans les sepultures scytes du IV siecle a. d.
(Aspelin)*' im Gedächtniss fortgetragen werden, von weiteren Lockungen, bis Mi-
nusinsk (in den Tschuden-Gräbern), nicht zu reden.
Dass die Bedeutung der pontischen Colonieen auf die Barbarenstämme in ihrer
vollen Tragweite keine genügende Würdigung erhalten, lag schon in der Abweisung
dieser seitens der nationalen Geschichte der Griechen, die wenn an solchem Posten
entlegenster Grenze, damit auch an dem ihrer Pflicht angelangt war. Auch die
moderne sog. Weltgeschichte, die im Hellenenthum die gewaltigst federnde Spirale
im Treiben des Geschichtsrades zu erkennen hatte, musste ihr lebendiges Interesse
besonders auf die aus dem Centrum hervorquellenden Blütheschöpfungen concentriren,
1) Auf der Strasse des Herakles von Italien zu Kelten, Eeltoligureru und Iberern wurden
griechische Reisende von den Landbewohnern geschützt (Pseudo-Aristotel.), als heilige
Strasse (bei Diod.).
2) Die halb scythisch, halb griechisch redenden Geloner der Holzstadt (mit griechischen
Götterbildern) wohnten (nach Herodot) als Ackerbauer unter nomadisirenden Budinem (mit
blaaen Augen und röthem Haar). Omnibus tnices et caerulei ocali, rutilae comae (bei 0er-
manen), und Tacitus kennt ,tumulos quosdam Graecis litteris inscriptos" (an den Grenzen
Rhaetien's). Die Neurer flächten zu den Budinem vor den Schlangen, wie durch Schlangen
die Longobarden ausgetrieben werden (Anonym.).
(132)
i3Dd die ktzteo Ausläufer Yerloreu BOthwendigj je aecundarer, desto mehr, weitere
ÄDiiehung, je schwiicber tiüd matter, im Verglfich zum Volllicht der Cultur, ihre
ao Barbarismus zunohmcod missbebaglicheren Degen eratiooen abbJaasten utjti Ter-
bljcheo, Bi» zum Versch winden, ganz uod gar, — und damit ausgelosclit für daA
Geschichtsauge im Mittelpunkte der Kulturvülker, Dort aber und dann, hat sieb
nUD eingesenkt manch fruchtgeBchwängerrer Keim^ der fortgesprussf auf hei math-
lichem Boden und zu dem sich entfaltet hat, w.ns die Geschichte geworden der
neuen (.'uilur. Und hier den Anfängen nachzugehen, dem Prozess des Werdens zu
lauseben, in seinen ersten Regnngen, das mag vielleicht der Induction einstmals an
manchen Punkten vergönnt sein, wenn ihr geräumiger Boden gebreitet des thatsach-
Hch gesicherten Materials»
Im Handelsinteresse selbst dieser mÜesiscben Colonieen und ihrer in Athen
zur Lebensfrage gestalteten Kornausfuhr lag der Cult der Demeter Tbesmopboros in
AuBsendung des Triptolemos (wie gerade auf dortigen Vasen mit entzi'i*;kendßter
Schoobeit dargestellt), der M^V>ip (jjpTj^tct (einer Priesterin Kstiaia), der Jsis, — als
Frau Eisen gleichsam L>ei König Schwab (Aventin), la deesse Isis (bei Jean le
Maire), — und ebenso der des Dlonysius (dem unter Spartacus eine Statue errichtet
wurde), da das scjtbische Trinken des (ungemi?cliteii) Weins die Handelstransaktionen
für Pelzwerk oder den, sacrium (Piinius) genannten, Bernstein erleichterte, und
also, wie von ^Indian agonts**, den Barbaren aufgedrungen werden musste, trotz
ihrer Proteste in Gallien (bei Caesar), der Sueben (bei Tacit,), wenn nicht etwa der
Ausdruck populärer Indignation gegen den berauschten König, wie Scylen (Nach-
folger des Aripithes) m den Gassen der Hafenstadt sich Geltung schaffte, oder in
RQckweisung der Mysterien gebrauche (wie sie Ton Anacharsis in Altika gelernt wurden),
da die einheimische Schamanenkunst aunreicbte und selbst gelehrige Scbfder finden
mochte, gleich Arii*teas (in seelischen Luftfahrten bis zu den Hyperbnräern).
Dann aber geschah es ebenfalls, dass die europiiiscbe Civilisation in dem Fluch
des Sklavenhimdels ihre Segnungen herabsandte^ wie Bpäter in Afrika, so hier auf
die ^sanften Milch esser**, als Äbier (bei Strabo). und die gleich ihnen vegetarischen
Geten^ mit heiligen Ktisten, in Ehelosigkeit lebend (Posidouius).
Neben dem von den dazu herangezogenen Stammen (in Schichtung ähnlich der
Suahili in Zanzibar) gebauten Getreide fanden sich unter der Ausfulir^ die (auch
als Tribut eingeforderten) Folie der Petztbiere, und wenn der Bernstein ein Ziel-
punkt gewesen wäre, worden die Munzfunde bei Sehn bin (lH;i3) mit besonderem
Hinweis auf Olbi» zu betrachten sein, wenn nicht hier maassgebecde Ansichts-
äusserung der Numismatik ein vorläufiges Interdikt auf seine Verwendung gelegt
bötte. Von den T^ofjidoeq (nach apyaU 5xiif^ix>| zugewandert) leiten die ßa^ikem
SWÖÄi zu 2xi/9Ai apoTviptq und 2xv^^en yemp'yüij sowie von den festen Wohnsitzen
der Alazonen zu den scythisch-griochischeü KallipiüeD, al& Mj£fXX>jv£c, (gleich ^ Misch-
barbaren'^ Thraciens bei Herodian) und somit letzte Mittelstufe des üebergangs
(^EXX^jveg ^ic\ib<ti)f während ihrerseits die Olbiopoliten sich in der Tracht bereit«
dsn Melanchlaeni angenähert hatten (Dio Chrysostomos), ein Vorspuk der ku-
TiBchen Gewänder an dem „ab Hispanis et Graecis" (Ad. Br,) beschickten Orakel,
neben Pollexiani (Tetharum seu PruBsorum genus (KadL)
Der Äustrveg, wie von Nestor (als noch die Poljänen auf Kiews Höhen wohnten)
oder von Const Porph. höschrieben, mochte seitliche Ablenkung auch im Gewände
der Sage erhalten, wenn Odhin (bei Snorro) über SaxenJand (wo Skiold in Gothe-
Slette oder Withe-Slette, als Witland oder Wykland seinen Bruder Balder einsetzt
und Heimdallr in Schonen oder Haliand, als Markgraf zum Grenzschutz) erst zu
Gylfe (der, ija anderer Version, der Jotunin Gefion für ihre Skaldenkunst SeeUnd
I
(133)
zum Brautschatz für YermähluDg mit Skiold gewährte) gelangt, um in Sigtuna den
Tempel Upsalas vorzubereiten, aber er wird an sich durch geographische Strassen
vorgeschrieben, mit den natürlichen Ausläufern von der Düna-Miindung (Asgard^s
Danubius), woran sich in (Esthnischen) Rotalia (und Rootsima, als Scheerenland
für Schweden) das Fernere des Ruthenischen (und Helmold's sinum ruthenicum) aus
Saxo's Reges Ruthenorum anschliesst, mit den Waräger-Zügen, und hier, schon aus
xijujuipia reiy^vi des Bosporus, wenn man will, zum kimbrischen Chersonesos des.
Nordens in jener Vorzeit, als Kimbern und Keltiberer (Val. Max.) sowenig im
Bette sterben wollten, wie Odhin's Geritzte, nicht der Hei (der Uellusier) zu verfallen
(einer Pohjala oder Tuija im Kalewala).
Zu den, als aus jonischer, reinster Eunstanlage des griechischen Schönheits-
sinnes geflossenen Stylriclitungen kamen bei dem üebergang des bosporanischen
Reichs in das pontiscbe die aus letzter Vertretung der Achaemeniden dort, auch in
den Schätzen des Vorfahren Darius Hystaspis (Appian), concentrirten Essenzen
des Orients, als aus dessen fernem Osten mit goldhütenden Greifen (jenseits der
Issedonen) neben dem ummauerten Lande des Drachenbanners (in Panticapaeum's
Emblem wiederholt) dann jene Umwälzungen herbeizurollen begannen, unter welchen
mit Polemo^s Falle auch die Dynastie der Aspurgianer sich erhob, woraus sich für
weitere Deutungen mancherlei Entschuldigung hat entnehmen lassen.
Auf einem jedoch durch tief gründlichste Gelehrsamkeit der Classiker sowohl,
wie der Germanisten vielfachst beackerten, und dennoch als schlüpfrig täuschend
erprobten Gebiet trägt ein durch gelegentliche Zufälligkeiten nur herbeigeführtes
Anstreifen selbstverständlich sein Missliches an sich und schwere Bedenken. Da
indess immerhin, sobald thatsächliche Beweisstücke vorliegen oder sich mehren soll-
ten, die Prähistorie sich der Pflicht nicht würde entziehen können, ihrerseits auch
ein Wort mitzureden, vom Standpunkt der Induction, mag es rathsam sein, bei
2^iten auf einige der Literatur -Quellen zurückzugehen, aus denen zu schöpfen
wäre, und auf die comparativen Gesichtspunkte, unter welchen die in der Ethno-
logie vor unsern Augen ablaufenden Processe des Werdens Manches von dem aus
der Vergangenheit als abgeschlossen, und seiner Ursächlichkeit nach oft unverständ-
licher Thatbestand üeberlieferten , bei analysirender Zersetzung in den Vorstadien
(woraus es entstanden) zu erklären im Stande sein dürfte.
Wenn bei schwankend in einander übergehenden Namensformen, wie auf Taci-
tus^ Zwischengebiet, oder von Sarmaten (Medorum, ut ferunt soboles) bis Germanen
(bei Plinius), die Geten der Römer, seit Borysthenes' Eroberung, die Scythen der
Griechen zu verdrängen beginnen, während diesen wieder (wie Strabo bemerkt) die
Geten, weil näher, besser bekannt, als Daker, wenn auch den Sprachwechseln aus
vor* italischen Zeiten weitere folgen bis auf technisch schon beschriebene, wie
in den Bulgaren, die (finnisch -uralischer Sprache) im IX. Jahrhundert die slavische
Kirchensprache verstanden, und in die Slaven übergegangen, ein uralisches Volk,
wenn dergl. m., so würde, z. B. bei dem Auftreten der Mallinkie aus Melle als
(islamitisch den Sonninkie contrastiren de) Mandiugo, neben dem Einblick in die
Buntgestaltungen Kaarta's und Bambara's, das Auge auf den weiten Zügen der
Fulbe oder Fellatah, über die Heerstrasse von Futa-Djallon nach Sokoto ge-
führt werden, oder nach Futa-Toro auch, und „Tucouleurs** nicht nur, sondern bei
fernerem Verlauf (mit Barth) bis zu Leuko-Aethiopiern hinaus, und dann ohne Ret-
tung weiter, zu Herakles Meder, Perser und Armenier mit semitischen Versionen
in Amalekiter u. s. w., bis schliesslich zu dem, als schliesslichen meist gegönoteD,
Ruheposten der Phönizier vielleicht, weitherzig umfassender Pelasger auch für die
Bedürfnisse sehnsüchtiger Enthusiasten (oder Phantasten mitunter).
Oder weno wir das Trugbild eioes malayischeii Yolkestammes — unbeschadet,
selbstverstÄDden , der uöter ähnÜcber, bald drei-, bald zweigetheilter, Bezeichnung
von der Linguistik für Anordnung ihrer eigenen (und ihrem eigenen Urtheil atlein
zuständigen) Lehrsätze gewählten Hypothesen — , wenn wir dies in der Kthuologie
als Maiftyeu spukende Phantnni auffl Korn nehmen, mögen wir, von ürang Akit
am Kampar, Orang Saki in Siak (den Ablenkungen nach Semang u. b, w. vorerst
widerstehend) zu Billition, zu Orang Darab, Orang Dagang, Orang Seka gefuhrt,
in den Orang Laut das Wiederspiel der bei Thucydides in den Leleg»Tn oder
(bei Jornandes) in Vidivarii (ex diversis nationibua) zusammenflieasenden (wie auf
anderer Inselwelt iß den Caraibeu) erkennen, aber dann unter ihnen (den Tau-ri-
djene, der Macaasaren, angeschlossene) Orang Badju (als Oraug Raja in Hhiow oder
^ong Kambang) schon bugiuesi»ch Redende in Bontbain, mit den To-Wat)jn in der
Republik am Terope oder rleni alten Königsgeschlecht in Pamana (Tjina) den Ueber-
gang zu urÄprünglicher Wurzel in Turaja's, wahrend 7*, B. in Peling wieder die
den Eingebornen des Innern gegeniiberslehende Bevölkerung sich in ßadju, Bugi,
Macassaren, Ternntäer u. s. w. auflösen wurde, der Rajah von Ende seinen Staat
(aua Malayern, Makasg^aren und Bugin^-sen) den feindlichen Bergstämmen der Dona
(auf Flores) entgegenstellt, oder unter Sumbawa's drei Sultanen der von Bima die
Do-Dongo in demjenigeo Lichte betrachtet, das anderswo Alfuren malt (ohne die
Nachklänge javanischer Einflüsse, und also, in fernerer Instanz, aus Kalinga, oder
aus Guzerat auch» her), und unter sogenannten Malayen sieh Ausiedlungen tr<*ffen
unabhiingiger Bugi, io deron Heimath Cfdebes, von anamitischen Debcrlieferungen
(oder, bei Macassaren, — in Goa's alter Herrschaft über die Couföderation von Boni,
Soppeng und Wadjii *— , mit Zwischenfliessen tamnliecher bald, bald der mit Mon
mitunter parallelisirten Vorstufen des Peguanischeo und Siamesischen) soweit ab-
gespheo, bei der unter dem Schirm aus Pao vollzogenen Weihe des Königa von
Luwa in Palopo sich die auch in Erain vertraute ßodenbelehnung wiederholt,
ähnlich der dem Radjputen-Rajah unter Bheel aufgedrückten Tika. Dann in der Mioa-
hasa gar wachsen die Complicutionen crescendo^ und in den dnreh Sudostwind ab-
getriebenen, dann jedoch mit Westwind nach Kema hingewehten lonsea kommt jenes
charakterisirende Element hinzu, das von den Tenimber auch die Vermittelung mit Po-
lynesien einleiten sollte. Die Tactorei von Dopo mag malayisch bezeichnet werden
(in Arabern und Chinesen, die mit Prauwen aus Macassar, Goram, Ceram u. s. w.
handeln), aber auch flie Arafiiren, die in ihrem Dienste wieder den Verkehr zwi-
schen den Inseln vermitteln, wurden bei Separat theilung zwischen Malayen und
Alfuren, sich lieber zu den erstereu drangen wollen^ wie auch unter den Dayak, ob-
wohl sie im Allgemeinen genommen^ den Typus ihrer Insel repräsentirend entgegen-
genommen werden können, sich im Detail in buntgestaltigst wandelnde Nüanciruagen
auflösen, wie bei den (auf Sumatra) io^s Mandhelingieche übergehenden Loeboe
(Godou), und wer die Malayen etwa im hochgefeierten Stammland aufsuchen wollte,
hätte in der Nachbarschaft zu hören, dass dort die Orang Menangkabau wohnten,
die Malayen dagegen in Djarabi (mit weiteren Combinationen über Javanen, als
Seitenstuck zu Jonen oder Jonaka u. A, m,).
Hier wird sich die Ethnologie in manchem Strudel wirrer Widersprüche rath*
l<fs bernmgetrieben finden, bis aus den Literaturen der umliegenden Cnlturlander,
durch Cbinologen und Öauscrilisten, reichliches und zuverlässigeres Material wird
gespendet sein, uni Rettungsfäden zu weben, welche sich dann, wie zu hoffen steht,
um die festen Pfeiler werden schlingen lassen, wie sie die Anthropologie, in der
Craniologie zunächst, mit sorgsamster Vertiefung überalt bereits einzuschlagen be*
(135)
ginnt, und weil auf tbatsäcb liebem Material gefestigt, demnach dann unerschütter-
lich, sobald dieses gesichert und zuverlässig.
Bei der historisch gebräuchlichen Verwendungsweise ethnischer Namen erheben
sich für die Ethnologie der Cautelen gar viele, schon wegen der überall offenkundi-
gen Lehre, dass in derartigen Generalisationen für das Undeutlichsehen des Ferner-
stehenden — , wie eben in Malayen, oder in Neger u. s. w., in Indianer (innerhalb
dieser wieder in Tupi, Patagouier u. s. w. oder Algonkin mit Anschlüssen u. dgl. m.)
mit anderen Termen jetziger Zeit, oder derartigen früherer (in Sueben z. B. mit oder
ohne ihre Erweiterung über Suiones, neben zahllosen Correspondenten, auch höherer
oder niederer Gradationen) — maunichfaltigste Unterschiede sich verstecken mögen,
die beim Eintreten in deutliche Sehweite erst sich auf dem Gesichtsfeld minutiöser
abzugrenzen beginnen (und schliesslich microscopisch zu studiren wären), und dass
ohnedem bei Eintritt in den Geschichtslauf stets der Klang des herrschenden Namens,
als des stärker dominirenden, den der in Unterwürfigkeit als Sporoi (sporadisch)
Machtlosen überdeckt, obwohl sich die Träger desselben der auf statistische Ab-
wägungen zurückgehenden Induction als insignificant verschwindender Bruchtheil
ergeben mögen. Wenn in Asiens beiden Geschichtshälften die Dynastien der Reiter-
völker die Throne der Weltreiche, auch in ihren Zerstückelungen, besetzt hielten,
konnte ein Mandju ein Chinese sein, sein Feind oder Herr, ein Parther ein Perser,
ja oder nein, und so der Gothe (bei Spartianus) ein Gete, — Terixov 7ap tf^vog
^ao'l rovq FcVdou; eTvai (Procop), — und diese wieder sich verlängern von Massa-
geten zu Thyssageten nicht nur, sondern wie Gotaland älter ist, als Danaland oder
Svealand (nach der Edda), über Geaten auch, Eaten, Juten, unter Abtheilung der
We^segothi für Wessen oder Wisu (bei Jakut) des Nordens (Ibn Fozlan), in den
den Handelsreflex der Veneder wiederholenden Guttonen emporblinken, oder sonst
umberspuken, wild genug und toll, ehe mit der — heilsamerweise — durch den
Bannspruch der Naturwissenschaft eingejagten Hypothesenfurcht die Gespenster zu
verbleichen beginnen werden.
Wie sehr dann wieder die politisch-historischen Verhältnisse den socialen Aus-
druck zu bedingen hatten, zeigen, wie die wechselnden Formen endogener oder exo-
gener Ehe, ihre specielleren in den Analogien zu Djujur, Seraando oder Ambil anak
für Sumatra aus Anderswoher (mit Analogien der Iskandersöhue zn den Phokäern
Massilia's), und wenn die Götar (wie später die Svear) die Länder wilder Stämme
erwarben, fehlte damit die Bedingung, welche neben dem Gefolgsadel (im üeber-
gang zum Hofadel, wie auch bei Nahuatl) feudale Lehen dem Allodialbesitz zuzu-
fügen hatte, wenn germanische Stämme, wie in Gallien, Spanien, Italien, unter einer
von römischer Cultur mehr weniger durchdrungenen Hevölkerung siedelten.
In den mit der Geschichte China's verknüpften Revolutionen, welche (aus den
vorHiongnu weichenden Juetschi mit Usier) die'Aa-ioi und ihre gegen das griechisch-
bactrische Reich (bei Strabo) Verbündeten, von den Alanen, als „primus qui venit in
Europam,^ bis zu den Jazygen und weiter (nach den alaunischen Bergen) führten,
virurdeo nach der Wechsel viele, seit mythisch cimmerischen Vorgängern, aufs Neue
wieder die Flächen von jenen Wanderstämmen durchstrichen, die gehen und kommen,
sich wandeln von Scythen in Sarmaten, oder auch gänzlich zu verschwinden beginnen,
während ihres Dominirens aber den Namen generalisiren, als Anten oder Ent (mit
Slavoniern oder Slaven) über sporadisch in Ansiedelungen zerstreute Sporen herr-
schend, bei Tributerhaltung von den Georgern am Pontus, wie (auf der Schaubühne
spaterer Waräger) mit den Roxolani berührt, als apxTixwrATOi (oino Tep/üLOLvlag f*^i
Tfig KüLTnCiLg neiloi^)^ im Norden, wo Rotala mit Reges Ruthenorum (Saxo) neben
dem rnthenischen Meer (bei Helmold) an (Olimar's) Holmgard stosst, — sedes üi-
(136) .
merugorum (Jörn.) für König Berich und seine Gothen aus Scandza insula, (sowie
besucht durch Prusias' Astronomen aus Salura), — wo^Do-tot mit den Kocpßwvc«; gren-
zend (am wendischen Busen), Bous, der Bruder Balder's hineinspielt, (Othini ex
Rinda filius) oder Boewiuus in der Heimath Russia (Laonikos Chalkokondylos)
der Trybaler, auch Bocrinus (BÖrr, Sohn ßuri's) mit neun Ahnensöhnen (a radice
Boerini germinaverunt, vom Borysthenes her oder der Höhle des Titanen Boreas bei
den Hyperboräern) und Starkattr (Storueki filius eines Storjunkare) als Esthländer
aus den Ostmanni am Austrvegr, indem die baltischen Küsten (für familiae Bal-
thorum, westgothisch) die erste Station (vom Pontus aus) zu bilden hatten, für die,
im Hinüber und Herüber, bald friedlichen bald feindlichen Beziehungen der, betreffs
der, — nach Bezähmung der Thuss (in Thyssageten) oder Thurs (des Ymir oder
Förn Jötunn) als Hrimthursen — herrschenden Kaste, oft gleichartigen Stamme.
Bei der, — unter den Abstammuiigen von Muljus rex (Vater des Erminus, Inguo
et Istio, oder des Armin, Tingus, Ostjus) als Alanus (Nennius), und dieser als
Vater des Isicou, Armenon und Negno (Dlugosz), nach dem Zerfall des von
Dicaneus unter den (auch die Ausrottung des Weiostocks einschliessenden) Gesetzes-
vorschriften der Belagiues (belagjau) geordneten Reichs des Boerebistes) über die
Geten, mit fernerem Anschluss dünn nach Massageten im Osten und Thyssageten im
Norden (gothische Mitwirkung Catualda^s bei den Markomaunenhändeln ein begreifend)
bis zu Geaten (Eaten) oder Juten — , hervortretenden Identificirung mit den (als
Guttones früh schon an Handelsplätzen, gleich den in Heneter von Antenor — wie Dani
bei Dudo und Gothi bei Guil. Gern — abgeleiteten Veneder auch, reflectirten) Gothen,
erscheint auf diesem Boden dann, wo Oedotheus*) oder (Claud.) Odothäus aus
„den entferntesten und unbekanntesten Völkern'' eine grosse Macht versammelt
(2iOsimus), das aristokratische Nomaden volk, das, wie überall in der Geschichte Asien's,
die Throne mit Sprossen seines Fürstengeschlechts besetzend, dann oft genug durch
seinen Namen den der ursprünglichen Bevölkerung im Lande verdeckt oder um-
modellirt (wie aus Perser zu Parther u. dgl. m.), in den Wesigothen oder (Sid.
Ap.) auf Jakut's Wisu (jenseits der Bulgaren) in (tributpflichtigen) Wessen oder
Wsi deutend (neben Ostrogotha*s Austreveg).
Als nach dem Sturz des bosporanischen Reiches (mit Fürstenvergötterungen,
wie in Parisades) durch den Sieg der Barbaren über den pontischen König Polemo
(Priester des Zeus in Olba) die Dynastie der Aspurgiauer die Macht erlangte,
bot sich — schon seit Verbindung der die Asiatae (Strabo) berührenden Aorsen
('Aopo-Ät xÄi TioLyopiTAL b. Ptol., als Nachbarn der Agathyrsen oder, nach Mark. Her.
*A7ÄÖocroi) oder (Tacitus) Adorsi (Verfuhrer indischer und babylonischer Handels-
Produkte auf Kameelen aus Medien und Armenien), unter ihrem König Aune oder
Eunone mit Cotys gegen Mithridates und verbündete Siraci — eine Unterlage für
jene Sagengestaltung, die unter dem von Gaut (Odhin's Vorfahren 2) hergeleiteten
Gothen die Apotheosirung ihrer Helden als Ansen zuliess, ausserdem aber (unter
Erneuerung der durch Gylfe bei Asgard's Besuch eingeleiteten Gastfreundschaft
(mit Siggc Fridulfson) bei Üeberführung Wodan's aus den BujSvivoi (Budini) oder
(Dalin) Wodiner nach „Saxenland^ (in Versetzung des östlichen Götterrathes nach
1) Oüenatus rex ohtinuit totiiis Orientis Imperium quod se fortibus factis dignum tantae
majestatis infulis deciaravit (cf. Trebellius Pollio).
2) None of the tribes at present recognized as distinct, dates their origin earlier than
Gconde (durch Togu, Sikomo, Newangu, Tshawe) von Xosa stammend (bei den Amazosa
(Dugmore) unter Khili (mit Abscbeidung der Abatembu), wo Tembu (durch Umguti, Malan-
dela, Injanya, Umbulali) von Zwidi stammt (Nicholson).
(137J
Byzans), die Asiaroannen und Tyrcae (bei den Tbyssageten wieder auf Jyrcae
stossend und in Pohjala auf Turja) oder Türken (Turcilinger Odoacer's für die
Eroberer Olbia's in den Sciren, zu Jarmerik's Zeit von Jonakur beherrscht) über
Gylfe's Reich (b. Snorro) nach Sigtuoa brachte, und dann zum Tempul UpsalaV, wo
in der auf die Winidaruno natio populosa überstreifenden Priesterkönigschaft der
(in der Seidr-Kunst erfahrenen) Wanen (seit Freyr) zugleich heimische Wurzeln
sproasten aus Ingaevonen (erdgeborenen Thuisko's), in den der Ynglingar aus Yngvi's
Geschlecht, innerhalb der in Berührung mit finnischen und slavischen sowohl, wie mit
lithauischen verwandten, Elementen verbreiteten Völkergestaltungen im Durchwalten
der germanischen. Daneben dann die (bis zur Identificirung oder Entnationalisirung,
Wersebe führende) Berührung der Sueven und Slaven, im Uebergang von slavi-
sehen Wenden, den Yandalen (Schaffarik), Vindili, Winiloi mit weiteren Abwand-
lungen, und den Longobarden gegenüber stehen als Herzöge Ass und Ambri an der
Spitze der Vandalen, die (Frocop) von der Moliujtk; kommen (wo Heruler von
£rmanrich's Gothen ') unterworfen wurden) aus den Mäoten, unter welche Strabo die
Aspurgianer rechnet (zwischen Phanagoria und Gorgippia). Die (unter der Herr-
schaft Rig^s, der den Titel Drot mit Konge vertauscht, aus Hailand oder Herland
von Schonen ausgewanderten) AipouXoi (an der Mäotis) oder wegen der „Hele**
(Ablavius) ^EXovpoi (als durch die Danen, von Suethidi und W*inowiloth stammend,
vertriebeneu Heruler) verwüsten Griechenland (Greg. Sync.) und der „viator inde-
fessus^ (Sazo) qui non hacc tempora, sed longe anterius, nee in Germania, sed in
Graecia fuisse perhibetur (Paul. Diac), wird nach Tyrkland versetzt (Snorro).
Die Heruler, deren Fürst von Theodoricus rex (Cass.) mit Waffenbrüderschaft
geehrt wurde, dienten, weil ihres Wafifenhandwerks wegen überall gesucht (Jor-
nandes), als Föderati (wie unter den Soldtruppen der Nat. imp.) in Constantinopolis,
von wo ihnen Justinian den Prätendenten Suastua gegen den aus Skandia berufenen
Todasios zuschickte (Proc), und wie sie seeräuberten (Idatius) bis an Spaniens
Küsten, fanden sie aus Illyrien ihren Weg zwischen r« "^xhtßYfVaiv Ibvvi nach 0ouXi|
zn den Fciifroi durch Dänen hindurch, die sie früher propris sedibus expulerunt,
als (Gapitolinus) ^a superioribus barbaris^ vertrieben, und vorher schon Warner.
Ihr Name auch deckt als Ovapvoi (Procop.) den ganzen Abstand vom Ister ^q
wxiAvov Tov dpKTwov, uud andererseits wieder '^nopovq to noikoLiov ijULfpoTspoxjg exoLKovVy
die Sklabener und Anten. In Antarum fines ziehend, tödtet Winithar (aus dem
Geschlecht der Amala) den König Boze (Booz nomine), und dass Bakssan, Sohn
des Königs Dauo's, mit seinen Narten gegen den König der Gothen gefallen, wird
in den Liedern der Kabarda beklagt.
Durch Anthaib (Antarum pagus) oder Banthaib (der Wanen) und Wurgondaib
(der OvpOTßyoOvioi oder ^povyovvöimvsg) ziehen, als von Mauringa (der Assipitti) nach
Goland (Paul. Diac.) gelangt, die Winili oder (nach Zeuss) Windili, bei der Aus-
1) Die Favtal (bei Prokop) wohnen in Thule, die Foliai im südlichen Skandinavien
(bei Ptol), Gantar in Gautlaod (hei Soorris), Gautigoth (hei Jemandes), Geatas (im Beowulf)
u. 8. w. Westergotbia (der Gotbi, qui Occidentales dicuntur) mit Sconia (Danorum) grenzend,
Orientales bis znm Baltic (bei Ad. Br.), Ostmanni als Wikinger (818 p. d.) u. s. w. Schwe-
den heisst Oestergaard (bei den Dänen). Auf Asgard an der Dana (Danubius) herrscht Odbin
über Reidgotaland (von der Weichsel bis zum finnischen Busen). Neben den Sveonum fortis-
simi, wie Ar u. s. w. (Pro dei necessarii), Ingi quoque (u. A. m.) ad Frö Deum generis sui
prineipium referebant (Saxo Gr.). Von den gleichzeitig mit den Longobarden (in Wend-
Syssel) ausgewanderten Cimbern (und Teutonen) Hess sich ein Tbeil in (dem Eristilte)
Bremen nieder, als Franken (111. Jahrb. v. Chr.) ein Bündniss mit den Sachsen abschliessend
(Sahm) und dann (neben Brat Jutus) Bo, Brami Filius (wie Brahma im Spreewald).
(138)
WAoderaog (»b extremis Germanifte finibus) ^Iborea et Ajone dacibos*^ (Prosp.
Aq.), bei der HangersDOth nnter Sino, nachdem Gunborg (Mutter Aage's und
Ebbe's) den Wendelboer oder Winuler die Losung empfohlen, wie Sf^Ltcr den Liongo-
bardeu (vor der Schlacht mit den Vandalen) die Anrufung Wodan's durch Frygga,
als Seherin Gambara (379 p. d.). Die Guttones (ßurgundiones, Varini, Carini)
gehören (Piinius) zu den Vindili, identificirt (Zeuss) mit (keltischen) Vindelici
und Gaoidhal (von gaoidh oder Yentus, sonst von Venta im Verkauf des Handels)
neben Yandilii als Sueben (Tacitus). Bei dem Auftretern der, den ßuriern und
Jaiygen (Dio Cassius) angenäherten Vandalen des ALffxißvJpyiov opoc (Ptol.) in
den Sitzen der, die Aouyioi "BoOpoi ersetzenden, Aovyioi ^oOvoiy kommen in Danskir
(Danske), aus Dacia (Petr. Ol.). Yo^'jtoli xäi AclxjxIwvsc (Ptol.) hinzu, aus Scan-
dia (Suhm), auf Mela's Insel Codanonia (am Sinus Codanus). Die Vittungi
(Tir. Prosp.) oder Withinger (aus Witisleth) begleiten die Alamanen (Amm.),
als Juthnngi (Aur. Vict.) und Vitae als Jutae (Gatterer). Nachdem unter
Swegder's Herrschaft in Schweden (gleichzeitig mit Frifdleif in Lethm) die West-
gothen (unter Berich) zu den Reit-Gothen gewandert, folgte Amala (Sohn Gaut's),
und dann führte Filimer die Gothen zum Dnepr und Tanais (Suhm). Das (rus-
sische) „Ermeland das Grosse^ (neben dem preussischen) läuft als Armenien (Orma-
land) mit Armorica (Finnar Jonsen) zusammen, und das Land (lappischer) Quänen
(von Norr unterworfen) in die terra feminarum (Ad. Br.), eingeschlossen im Kranz
der Amazonensagen (bis zur pontischen Heimath wieder).
In der Erzählung von Gangler's Empfang Tor dem Rathe der Drottningar malt
sich, in den aufgestuften Thronen, dreifach (wie im Priesterthum der Gatonier in
Cumana), steife Nachahmung eines, solcher Steifheit wegen schon, als byzantinisch
bezeichen baren Hofceremoniells. Die in den Sagen poetisch geschmückten Besuche
in der Heimath Gross-Svithiod's (in Godheim und Asaheim) gewinnen fasslichere
Greifbarkeit in den kaiserlichen Besoldungen der bereits mit Herulern auftreten-
den Waräger, die jetzt gefürchtet umherzogen, wo einst die römischen Peldherm,
denen ihre Vorfahren zu den Wanen entwichen, oder freier handelten, wenn ein
Sundzoll aufgehoben, wie (an den Dardanellen) Tom bithynischen König Prusias,
unter dessen Namen Nachrichten über Kerbhölzer und Knotenschnüre aus dem Nor-
den kamen (Jaroslav), während die Preussen, — bei denen der Kriwul genannte
^Message- Stick ^ umhergeschickt wurde, (wie beschuitzte Pfeile bei Wogulen und
Ostjäken, 1609) — sich bei den Kreuzrittern wunderten, quod quis absenti inten-
tionem suam per litteras potuit explicare (Duisburg), wie Tahitier über Wil-
liam's Bleistift-Notiz für seine Axt, und so gelten Odhin's Runen als Hexenzeichen
(Suhm), während sein Schiff Skidbladner als zuerst „mit Segel versehenes^ (im
Norden) den Eindruck zurückliess, wie der schwimmende Wald (von Masten), als in
Hawai die europäischen Entdeckungsschiffe zuerst gesehen wurden.
Gylfe (ürbar's Sohn) wurde durch Gefion (mit Weiterführung auf Gebans oder
Geofan's Verehrung bei den Sachsen) und ihre Scaldenkünste bezaubert, Hier da-
gegen durch Braga's Redefertigkeit (wie von Lucian in Ogmius ausgezeichnet, als
ein Herakles, aber auch im Reden starker Starkaddr), da ihm die Hochsitze (Ond-
wegen) der Äsen den aus dem Ruhm ihrer Thaten gewonnenen Eindruck erhöh-
ten, und für das eigene Festmahl das, in der Enkclschaft vom Riesen Fiorgynur,
riesenstarke Brüderpaar Thor und Thyr den Kessel des Riesen Hymir herbei-
schleppten, während Ilmarinen und Lern min käinen mit dem von ihnen gestohlenen
Kessel das Meer zu durchsteuern suchen. Neben dem Sitz auf Hless-ey (Hler's
Insel) bietet sich die Insel Lessö im Kattegat für den Meeresgott Oegir und seine
mit dem Netz (eines Jama) auf Ertrinkende lauernde Ehehälfte Ran.
(139;
An die unter Begründung jotisch-gothischer Herrschaft und der (wie in Gylfe's
Verfilgung über Gefion's Brautschatz kenntlich) daraus fliessenden. Suprematie ein-
geleitete Verschiebung aus Finnland (oder Jotlaud), sowie Hler's (Forniotr^s Sohnes)
Ansiedelung auf HIess-ej (und seines Bruders Haloge in Helgeland) schloss sich
die Weiterd rängung der Oberherrschaft über anliegende Grenzlnnder (in Withi-
Slette) weg, wie in der Vasallenschaft der Wendelboer unter Snio, wahrend, wenn
Hänir oder Hönir als üntorkönig Gylfe's auf Seeland erwähnt wird, darin der (mit
Mimir^s Enthauptung) verunglückte Versuch einer Thronusurpation der Geissei bei
den Wanen angedeutet läge, ehe in Skiold's (Sohns Odhin's) Vermählung der Wit-
tib Gefion's (die ihrem Riesengemahl bereits zwei Söhn« geboren) die Dynastie ihre
heimischen Wurzeln einschlug. Als Markgraf der Grenzen wachte der am Meeres-
Btrande mit einem Jotun-Madchen erzeugte (aber spater als Rig die Ständeklussen
ordnende) Heimdall auf der Himmelsburg in Hulland, ein hoiUistr a&a, doch zu den
Vanir gerechnet (Saem.).
Nachdem Polemo I. gegen die Aspurgitaner gefallen war (12 a. d.), begann unter
seinen Nachfolgern, mit Rheskuporis I. (Vater der Sauromates I.) und dessen Bruder
Kotysi die Dynastie der Aspurgor im bosporanischen Reich, uu«l dann erhielt Sauroma-
tes I. (Aspurgus) die vollen [nsignien des Königthums von Tiberius, als Tiberius Julius
(Rommel). Als Polemon bei den sog. Aspurgianern, einem „barbarischen Stamm**,
umgekommen war, übernahm die Wittwe Pythodoris die Herrschaft, ihre Tochter
(neben zwei Söhnen) an den Sapäer ('otys verheirathend, und sich selbst an Arche-
lans in Kleinarmenien (Strabo). Die Aspurgianer wohnten zwischen Phanagoria
und Gorgippia (zu den Mäoten gehörig) als ol As in Kertsch (Abulfcda) und
Asii in Resan (oder Asäi), auch (Suhm) an Abchasen oder Abassen angeschlossen
(in den Alani Scythae) bis zu Osseten mit weiteren Alanen (der Bergländer), oder
lAXauvoi, die Bwi^voi einbegreifend, als Grenznachbarn der ßastarner (Ptol.). Mit
Konig Palakos verbündet, wurden die Rhoxolanen von Mithridates besiegt (Strabo)
und Hadrian schliesst (nach Spart.) Frieden mit den Rhoxolanen (in Mösien). Ihre
Doppelgänger erscheinen wieder im Norden, wie sich der rege Verkehr, auf den
noch von Karl XII. durchzogenen Wegen, auch in der Nachricht über die Wandalen
beweist, die (Dexippus) im Laufe eines Jahres von dem Ocean an die romische
Grenze gezogen (unter ihrem Fürsteogeschlecht der Astingi).
Unter den, den WI11765 (bei Theraistius) benachbarten, Roxolaneo (usque ad
Pannoniam bei Plinius) geben die (bei Ptol.) nordlichen Sitze, juxta oceanum
(Guido Ravenna) die Unterlage am „sinum ruthenicum'^ (oder wenn in Rotalicn bis
Oesel und dem Sitz des Tharapilla oder Tharapitha mit Tora der Tschuwaschen
und Tara der Bsthen) für die Reges Ruthenorum (Saxo) in Odhins Liebschaft
mit Rinda, aus der sich (auf Rostiophus Phinnius^ Autorität) derselbe (Oller in seinem
Mit-Odhin, bei der Rückkehr vertreibend) in dem russischen Fürsten Bous einen
Rächer (sonst in Vali der Welisungen) erweckte für Baldr's Tod an dem in ritter-
lichen Künsten durch Gevarus erzogenen, und — mit den Waffen des Satyros
Miming, im Schmidt Mimir, von dem Velint (sowie Siegfrit) seine Kunst erlernt
(in der Vilkina saga) — , im Kampf der Menschen gegen die Götter gefeiten Hother
(wogegen der blinde Hödr, der vor Vali fällt, den wunden Fleck des gefeiten
Körpers mit dem Wunderkraut zu treffen hat), und das Herrscherthum (bei Saxo)
in Dänemark vermittelt (aus Juten und Angeln) das Vorwalten, in Englands säch-
sischen Königsdynastien (schon aus den Beziehungen zu Gelderus, Saxoniae rex),
für Baldr's Namen, cujus corpus exercitus regio funere elatum, facto coUe conden-
dum curavit, wie Dan Mykillati (Sohn des Dag oder Daug) von Bruna-Old in's
Haug-Old f&hrt, und Dan (Bruder AnguPs) durch Uumble oder (in der Wilkina-
(140)
saga) Aamlungr auf Amala (P. £: Muller), als Enkel Halmars, Sohn des (Gapt
oder) Gaut (Jörn.) oder (Grimm) Oeat, mit der Auknupfung an (fianisch be-
wahrten) Juroala (gleich Ju-pater, im Obersten) und (keltischen) Hu, der den
Biber (Avanc) aus dem Wasser zieht (als Buddugre oder Siegesgott). Ukko (im
finnischen Alter), als Iku-Thurso oder ewiger Thurso der Pohjala- Wirthin n kehrt
wieder (wie im borussischen Okipirn oder Oka-Perun) in Ake-Thor (Sohn des Snio,
von Fornjotr stammend) oder Oeku-Thorr (Wagen»-Thor), und während Thor (oder
Tbunar im Donner) als Jötnadolgr die Götteraltäre Fornjolr's umstürzt (die Stärke
Utgarthiloke's erprobt, wie der ein ausgerauftes Haar heimbringende Held Thor-
kill), erhält sich (in Gottland, Eonland und Finnland herrschend) Thorri, Enkel
des Fornjotr (in Jötland) oder (nach Finn ^) Magnussen) Hymir (Oergelmir) des
Thorrablot (für Schneien und Schlittschuhlaufen), in Verehrung eines (keltischen)
Taranis (Lncan) oder Törm (der Ostjaken) mit weiteren Analogien. Als Stief-
sohn Thor's (durch blonde Sif) wurde Dller oder Oller (seit der Rivalität mit zu-
gewandertem Odhin) auf den Norden zurückgedrängt (im Schlittschuhlaufen auf
Knochen). —
Wie in Odhins eigener Vermählung mit Frygga tritt auch bei seinen Söhnen
in den Riesenfrauen die Kräftigung durch einheimische Wurzeln hervor, ebenso
zugleich in Gerdur (Tochter des Jötun Gymer) bei Freyr (Sohn Niord's), der die
Tngendpflichten des chinesischen Himmelssohoes (wie Aeacus im Gebet) zu üben
hat, für die Nasensteuer, welche Odhin in „ganz Schweden** empfing, um die Opfer
des Volkes darzubringen und das Land vor Unfrieden zu schützen. Als in Frode's
Frieden das Gold gleich Mehl gemahlen wurde, trugen die Ackerfelder in ununter-
brochener Fruchtbarkeit und dauernder Reichthum herrschte in Pohjala, ehe der
(für Lonhi geschmiedete) Sampo geraubt war, wie in Peru's goldener Zeit (zu
Huarochiri) die Wolle gleich gefärbt wuchs, zur Bequemlichkeit der Weber.
Aus Fornjoter*s Söhnen folgt Kare in Jötneland (Jotunland oder Gotland) oder
(Riesenland) Jättehem (Jemteland), und aus Kuenland (Thor's) zieht dann Gotr
oder Göte (Vater Gylfe's) nach Schweden und Nore nach Norwegen (während
Dänemark Dan's, der in Withesleth siedelt, als Witala, vom gothischen Fürsten
Erich erobert wird). Aus der Erde steigt Mannus' Vater aus (finnischer — wie
Hntola Hnsi's ethnischer — Unterwelt) Manala (des lapis manalis) nach Manheim
Meunor s (b. Frauenlob), und Bertha (ßölthom's Tochter) wurzelt in heimischem
Stamm, für Odhin (Vili und Ve) oder Wodan, quem adjecta litera Guodan dixerunt
(Paul Diac), und Woden erklärt als „Regem Saxonum^ der heilige KentigernuB
(590 p. G.). Unter den Finnehöfdingen (Finmarken's) verehrten die Jotunar oder
Jättar den alten Fornjoter, aber Frialfr oder Fridleif) (Vater Odhin's) galt als
Sohn Finnr's (Sohn des Gudalfr). In Fornjotr's Söhnen, Hier, Logi, Kari, wandeln
(um Ask und Embla aus Erle und Esche zu beleben) die alten Schöpfungsgestalten
in Odhin mit Wile und We, oder mit Hoenir und Lödur. Bei den Finnen herrscht
Karilainen über die Klippen, (Ganander), und Kari zeugt Jökul (glacies), lökul
1) Feine Farsa (tbe instmctor of husbandmen) oder Fenios (tbe first person mentioned
in the Irish story as tbe great leader of tbeir tribe), König der Scuit (Wanderers) oder Scots
(Betham), herrscht aber Scy^bia als Vater des Niul (Vater des Gaodbal oder Gael) und
Nenual (nach den Annalen von Tigernacb oder Tierna).
2) Zu Oberst steht Barri, wie der König von Tyrkland, und auf ihn fol^n Barr, Odbin,
Freyr, Niördr, Freyr, Fiölnir (Grimm), und Barri and Burr (Burri und Bors) entsprechen
Buri und Börr (Poro and Paru).
(141)
SoAer (nix) den Eonig (Grimm), so dass Honir, wie An seiner Stelle, auch an
der Snio's steht. Als Feuergott wird Logi oder (Grimm) Lauha identificirt mit
(des in Curland bekämpften Königs Loker Seitenstuck) Loki, gefurchtet wie Lauhi,
die böse Pohjola-Wirthinn, ^an Loki^ eriDoernd (Gastr^n), wie an Baldr's Tod
der des Lemminkäinen (durch den blinden Hirten aus Pohjola).
Getam dudum pagani pro deo venerabaotur, (Asser), und von Geata, als fi-
Itus Dei (Nenuius) und Urgrossvater Finn's (Vater des Fredulf) stammt Yuoden,
während Odbin (im Grimmismal) den Namen Gautr annimmt, und noch, als vor
Ingiald liirada die westgötischcn Könige vom Schauplatz abtraten, Algöt sich. von
Gaut herleitete (dem Stammherrn der Göta). In der Hervarsaga kommt Laudur
mit einem Heer von Hunnen (in welcherlei Beziehung immer zu den nach Merki
oder Fahnen getheilten Chazareu) durch den Wald Einerkunde nach Reitgothenland,
um seinen Bruder Agautyr (Sohn des Heidrek) zu bekämpfen (und bis nach Gro-
ningen spielen die Hunnen). Wie der Hüne (der Hunebedden) oder Heune aus
Hiunenlant (im Niebelungenlied) oder Hunaland (als Hunus der Chunus), vertritt
sich Gigas (bei Grosius) mit Ent, aus den Antes (qui sunt eorum fortissimi) neben
den Sclaveni (von der Winidarum uatio), als Veneti, Antes, Sclavi (Joroandes)
oder 2xXaß*;voi xai \vT(ti unter (oder über) den Sporen (Procop) oder Serben
(Srb.). Servi Sarmatorum adversum omnes dominos rebellarunt, gegen die Arcara-
gantes (Hier.) oder Sarmatae liberi (Amm.) unter den Sarmatae limigantes (Ja-
zjges metanastae). Das Waffen hüten bei den Sueonen (Tacit.), erleichterte den
Aufstand der väterlichen Sklaven — (im Protest gegen das Prinzip der Kaffir: „the
existing generation always takes precedency of those of earlier date**) — unter
König Egil in Schweden, während die Erhebung des sarmatischen Sklavenvolks
(334 p. d.) auf jener breiten Massenlagerung einheimischer Bevölkerung statt hatte,
die xÄTflt xujjuLCLg lebte, (zu Priskus Zeit), unter Herrschaft der Hunnen (oi jSotp-
ßApoi)y die ihren Kamos (Kumys) tranken. Medum locorum incolae vocant (ihren
Meth).
Hieran nun noch Vieles und wenn diese gelegentlichen Bemerkungen ihre zu-
fälligen Anknüpfungen an den Goldfund in Guben gefunden haben, soll im Uebri-
gen betreffs der, wie erwähnt, durch einige Züge an Kertsch geweckten Erinne-
rungen, nichts ausgesagt werden, darüber hinaus, weil bei anderen Punkten wieder
ein erster Eindruck nicht nur, sondern späterhin schärfer betrachtete Eigenthümlich-
keiten auch nach mancherlei sonstigen Richtungen führen könnten. Ein isolirtes
Factum gleich diesem, ist vorläufig einfach zu registriren, vorbehaltlich aller ferneren
Erörterungen, die sich aus weiter hinzutretenden Materialien anknüpfen mögen, oder
aus eingeleiteten Studien. Wenn jedoch Absicht zur Vornahme solcher gefühlt wer-
den sollte, dann wird allerdings das oben cursorisch Durchlaufene, in der Ver-
schiedenheit der Einzelheiten, für jede derselben den Mittelpunkt eingehender
Detailstudien abzugeben haben, und erst nach Absolvirung sämmtlicher in ihrer
Gesammtheit wieder, für ein zusammenfassendes Gesammt-Ürtheil ein erstes Wort,
aber auch dann nur erst, gesprochen werden können.
(31) Hr. Rad de spricht über die während der letzten Zeit ausgeführten
anthropologischen Arbeiten in Kaukasien, namentlich über die seit dem
letzten Congress gegründete anthropologische Gesellschaft in Tiflis. Im
Anschlüsse an die frühere Mittbeilung des Hrn. von Martens schildert er das
Vorkommen von Helix- und Bulimus-Arten in den Steinkistengräbern von Sam-
thawTo bei Mschet.
(142)
(32) Eingegangene Schriften.
1. Cosmos, Vol. VII, No. IV.
2. Revoe d'ethnograpbie. Vol. I, Fase. V.
3. Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. 1883. Nr. 1.
4. Annalen der Hydrographie. Jahrg. X, Heft XIL
5. Nachrichten für Seefahrer. Jahrg. XIII, Nr. 49—52.
6. Atti della R. Accademia dei Lincei. Vol. VII, Fase. 1.
7. W. V. Beck und J. W. von Muschketow, Ueber Nephrit und seine Lager-
stätten. St. Petersburg 1882. Gesch. d. Hrn. Vi rchow.
8. Neuigkeiten der kaukasischen Gesellschaft für Geschichte und Archäologie.
Tiflis 1882.
9. Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Bd. XVII, Heft IV, V.
10. Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Bd. IX, Nr. 8.
11. Gh. E. de UjfaUy, La langue des Yagnobis. Gesch. d. Verf.
12. Derselbe, Ethnographische Karte von Hoch-Asien. Gesch. d. Verf.
13. Riviftta di Filosofia scientifica. Vol. I, Nr. 2.
14. Przeglad, Biblijograficzno-Archeologiczny. Vol. I, Nr. 3, 5, 7, 8, 20, 21, 22,
23, 24. Vol. II, Nr. 29, 30. Gesch. d. Hrn. General von Erckert.
15. Bolletino della societa Africana d'Italia. Vol. I, Nr. 1, 2, 3, 5.
16. Amtliche Berichte aus den König]. Kunstsammlungen. Jahrg. IV, Nr. 1.
17. A. Treichel, Volksthümliches aus der Pflanzenwelt, besonders für Westpreasaen.
Gesch. d. Verf.
18. Derselbe, WestpreussiscLe Ausläufer der Vorstellung vom Lebensbaum. Ge-
schenk des Verfassers.
19. Francisco P. Moreno, El origin del Hombre Sud-Americano. Buenos Aires
1882. Gesch. d. Verf.
20. Behla^ Die Urnenfriedhöfe mit Thongefässen des Lausitzer Typus. Luckau
1882. Gesch. d. Verf.
Ausserordentliche Sitzung am 10. Februar 1883.
Vorsitzender Hr. Virohow.
(1) Als neue Mitglieder werden gemeldet
Hr. Marine-Assistenzarzt Dr. Fischer, Berlin.
Hr. Sanitätsrath Dr. Jaquet, Berlin.
Hr. Rentier H. Boeninger, Berlin.
Hr. Rittergutsbesitzer A. Zenker, Brunow bei Heckelberg i. d. Mark.
Hr. Probst W. von Krzyzanowski in Kamieoiec bei Wolkowo, Pro-
vinz Posen.
(2) Hr. Dr. C. A. Martins schenkt der Gesellschaft eine Sammlung von Ori-
ginalzeichnungen
nordafrikanischer Rassenköpfe,
welche sein verstorbener Vater, der berühmte Reisende, durch Dr. Guyon, einen
bekannten französischen Militärarzt, erhalten hatte. Hr. v. Martins beschäftigte
sich damals mit dem Gedanken einer vergleichenden Arbeit über südamerikanische
und afrikanische Rassen, welche jedoch in der Vorbereitung geblieben ist
Der Vorsitzende spricht Namens der Gesellschaft für das werthvoUe Geschenk
den freundlichsten Dank aus.
(3) Hr. Messikommer in Wetzikon übersendet die erste Nummer einer perio-
dischen Zeitschrift ^Antiqua, Unterhalt ungsblatt für Freunde der Alterthumskunde**.
Dieselbe soll monatlich zweimal erscheinen.
(4) Cav. Antonio Zannoni in Bologna, der verdiente Dntersucher und Be-
schreiber der Certosa, schickt eine Abonnementseinladung auf ein neues, den grossen
Fund von Schmelzereiwaaren von S. Francisco betreflFendes Werk, betitelt
La Fonderia di Bologna.
(5) Hr. Marinearzt Dr. Drei sing überschickt unter dem Datum des 14. No-
vember, an Bord S. M. Kbt. Albatross, Südatlantischer Ocean, Notizen über einen
Patagonier von Punta-Arenas.
Ende October 1882 wurde von mir in dem Staatsgeßngniss von Punta-Arenas
ein Mann anthropologisch untersucht, über den ich folgende Angaben machen kann.
Derselbe war ein Kazike (Häuptling) der Tehuelche, wie sich die im südlichen
Theile von Patagonien vagirenden eingebornen Indianer nennen. Der Mann, wel-
cher wegen eines Mordversuches, bei dem er sich lange gegen vier Mann behauptet
hatte, festgenommen war, sass bereits über neun Monate in Haft, und war erst
044.)
kürzlich von seinen Wunden genesen. Infolgedessen entsprachen weder seine Mus-
kulatur noch sein Fettpolster den bei seinen Stammesgenossen üblichen Formen,
wohingegen die einzelnen Knochenmaasse mit um so grösserer Genauigkeit ge-
nommen werden konnten. Der Indianer, welcher eine abergläubische Furcht vor
Berührung seines Körpers durch Fremde, und obendrein ein grosses Schamgefühl
besass, konnte nur durch die freundliche Vermittelung seines Arztes, des Hm. Dr.
Fenton, zum Stillehalteo bei den Messungen bewogen werden.
Alsdann betrachtete er meine Anstalten meist mit iiberlegenem Lächeln. Er
sprach etwas spanisch, redete aber wenig. Als ich ihm meine Bewunderung seines
Kazikenthums ausdrückte, bekamen seine Augen einen erhöhten Glanz und seine
Gestalt wuchs mit einem mächtigen Ruck sehr bedeutend, so dass ich schnell den
Augenblick benutzte, um seine wahre Körperlänge an der Wand tu bestimmen.
Die Farbe der Haut war im allgemeinen hell bräunlich, im Gesicht mehr ins
grau gehend, am Körper mit einem Stich ins braunröthliche, die Lippen braun, die
Kopfhaare schwarz mit einzelnen grauen, kurzgeschoren (wahrscheinlich erst im
Gef&ngniss), an Oberlippe und Kinn wenige schwarze und graue, 1 — 2 cm lange
Barthaare. Iris tiefdunkelbraun mit prächtigem Glänze, dunkle Pigmentirung nur
schwach durch das Weisse im Auge (Sklera) durchscheinend.
1. Aufrechte Höhe Tom Scheitel bis zur Sohle 183,0 em
2. Kopfhöhe vom Scheitel bis zum Kinn 28,0 ,,
3. Stimhöhe vom behaarten Theil des Gesichts bis zur Nasenwurzel . 5,6 „
4. Nase mittelgross, von edler Form, leicht gekrümmt (Adlernase). Nasen-
höhe von der Wurzel bis zum Ansatz der Scheidewand . . . 5,8 „
5. Abstand der Nasenflügel von einander an der Basis 4)3 „
6. Von der Nasenscheidewand bis zur Mundspalte ........ 1,9 ,,
7. Von der Mundspalte bis zum Kinn ^fi n
8. Grösste Lfinge des Kopfes von der hervorragendsten Stelle des Hinter-
hauptes bis zur Nasenwurzel 19,0 „
9. Grösste Breite des Kopfes zwischen den Scheitel höckern .... 16,0 „
10. Horizontaler Kopfumfang, gemessen über die hervorragendste Stelle
am Hinterhaupte und den Schläfen, jedoch oberhalb der Augen-
brauenbogeu 58,5 „
11. Kopfbogen von der Mitt« des freien Randes des Tragus über die
Kopfwölbung hinweg zur anderen gemessen 17,3
12. Grösste Länge einer Ohrmuschel 7,5
13. Joohbreite zwischen den am meisten hervorragenden Stellen der
Jochbögen 14,2 „
14. Entfernung der Nasenwurzel von dem äusseren Gehörgange . . . 14,0 „
15. Entfernung des Ansatzes der Nasenscheidewand von da 14,5 „
16. Entfernung des vordersten Lippenrandes von dem äusseren Gehörgange 15,5 „
17. Halsl&nge vorn vom Zungenbein bis Mitte des Juguhim 6,2 „
18. Von der Schulter bis zur Sohle 152,0 „
19. Brustumfang dicht oberhalb der Brustwarzen (unvollständige Ex-
spirationsstellung) 111,0 „
20. Taillenumfang (über der Crista ossis ilium) 91,0 ,
21. Beckenumfang um die oberen Darmbeinstachel gemessen .... 96,0 „
22. Scbulterbreite hinten 50,0 ,
23. Abstand der Brustwarzen von einander 25,0 „
24. Oberarmlänge, bis zur £llent>eiige 35,0 „
25. Dntexarmlange 28,0 ,
t>
045)
26. Handläoge bis zur SpiUe il*"S Mitlelfingers. ..... \ .. . 10,5 cm
Die Fingernägel sehr wohlgebildet, sind bis Ende des Fingers
nm Nagelbett jingewaiihsen,
27» Ober&chepkelläDge 1 „i , - tt ^ . ■ • • -1^.^ «
28. ÖDterscbeDkellänge j "i>er lemene Hosen gemesscD, rm«idier ^^ ^ ^
29, Länge des Fuäsrückens bis Spitze der grogsen Zehe *..,.. 17,11 ^
30. Lange des FußsruckeüS bis SpiUe der zweiten Zehe
IM
3L Länge der Fusssoble bis Spitze der zweiten Zehe 26,0 „
(6) Hn E.Friede! thcilt Folgendes mit
Über symboUscIie Kröten und Verwandtes.
Wenn Ilandclmann (Verhandb 1882, 8.24) meintj ihiSH m deo betreffenden
Gedankenkreis der Name der Geburt&belferkrote (Alytes obstetncans Laur) gehöre,
so bin ich gerade der Meinung, dass das hochet seltsame Verhalten dieser nur
durch eine Gattung und eine Species vertretenen Kröte wahrscheinlich die sym-
bolische LTebertragung auf den Gebarakt und was enger und weiter bei di<^sein in
Frage kommt, veranlaBf^t hat. Die ebendaselbst abgebildete Kröte aus dem Wies-
badener Museum stellt, wenn auch in roher Auffassung, so doch ganz leidlich
kennbur eine Geburtshelferkröte» kenntlich an den 2 Langsreihen erhabener, je eine
Leiste bildender Warzen und an den auf der Oberseite eingestreuten Fleckep.
Gerade im Nassauschen, t^pecielt bei Wiesbaden, ist diese Krotenart gewöbnltcb«
Obwohl nun seit Jahrhunderten im Volksmnndc bekannt ist, dass bei derselben das
Mannchen im eigentlichsten Sinne Geburtshelferdienste leistet, indem es die Schenkel
des Weibchens ?on hinten umklamoiert und die aus der Kloake des Weibchens
austretenden Eicrschnure abwechselnd mit dem rechten und linken Hinterfuss er-
fasst^ fierauszieht und sich selbst in kunstger echten VerschJingungen um die eigenen
Hinterffisse windt^t, alsdann sich aber zur ^coovade** mit den Eierschnüren ver-
grübt, und obwohl dieser Akt zweimal im Jahre beobachtet werden kann, ist er
doch von den Gelehrten so lange angezweifelt worden, bis Demours im Jahre
1778 der fraozosischen Akademie hierüber eine Mittheilung machte. Dies Verbalten
tles Kröteoraännchens musste dem Volk wunderbar erscheinen und ist sicherlich
überall hin, auch da wo Alytes obstetricans nicht vorkommt, verbreitet worden ^).
Dass die Geburtshelferkröte als Männchen und gerade in den St. Leonhardskirchen
vorkommt, kann nicht wundern, da St, Leonhard Schutzpatron der Gefangenen,
also auch der im Mutterleib gefangenen menschlichen Frucht ist, Uebrigens sollen
nach Stöber, S. 244, unfruchtbare und hysterische Frauen dem heiligen Vitus
eiserne Kröten geopfert haben.
Wo man, und da man des Thieres nicht überall, habhaft wird, so haben ße-
staiidtheile desselben, vor Allem der Saft der Kröte ab Volksmedicin gedient, dann
besser transportirbare und haltbare trockne Präparate; damit kommen wir auf den
Krotenstein. Ein kostbarer Stein, der angeblieb im Kopfe der Kröte oder anf
ihr wuchs (Grimin^ Myth. 1169, Wörterbuch V, 2423). Nach noch jetzt währen-
dem Aberglauben liegt im Kopfe der ^grossen" Kröte der Krötenstein (ein kleines
nindes Knöchclchen}, den man aber nur erhält, wenn man die Kröte in einem
Ameisenhaufen zerfressen lässt. Streicht man eine Wunde damit, so heilt sie so-
1) Fig. 1, 2t B und 6 a. a, 0. s^lellen ebenfalls Anura-Ampbibien, wahrscheinlich Kröten
vor. ¥ig* ö halte ich für Testu^lo ^fa^ca, die Täfelung des Rnckeos weist deutlich auf eine
Schildkröte, doch wäre auch an die Stinij>fschildhrrite, Emy» lutaria zu denken.
Verli4udL der Bcrl Anlbropot. Oer^elUchafl I&S3. \Q
(U6)
fort, uhd kommt Gift iu seine Nahe, so schwitzt er (Wuitke, Volksabergl. § 155).
Das ist ein Nachklang seiner ur^rünglichen Bedeutung als Sigestein.
^ich hure von den steinen sagen,
die nattern unde kröten tragen . . .
swer si habe, der gesige.
mohten das sigesteinc wesen'^
(Stricker's klein. Ged. 11, S. llTft).
Wie die Gohr. Grimm lutrefiend bemerken, knüpft an dergleichen At>er-
gUulnni die beginnende Naturwissenschaft an, t>ei Albertus Magnus (f li80): bo-
rax lapis est, qui ita dicitur a bufone, quod in capite ipsiun portat Jacob Grimm,
Myth. 10ei> citirt Ettm. S. IH:
El ist liz dem garten ein abrahemsche Krot (eine hebräische Kröte),
swenne diu gewehset, si brin|^ einen stein,
dai diu snnne üf erden niht bezsers uberscbein.
Doulliciier wird im Dresd. Gedicht gesagt, dass der Stein aof ihr wachse uad
unt^r allen Steinen der hodiste sei.
I>ann werden schon in selir alter Zeit wirkliche Steine oder Yersteinerw^ea
als Kröten oder Kröten theile ausgegeben ond sjmboliscfa so allerhand Abcrglaaben
Ti^rwandt« Xemnich ^Allg. Pc4Tglottenlexion der Naturgesck Hamb. I7dS — 5^'
tt^nnt eine Art versteinerter Muscheln Bafocephali, Krotenköpfe. Stieler
yiiai l^Si^"^ und Kirsch sprechen Ton Kr«'^ten stein. Bufonites. Der Käme
Krotenstein kommt hiemeben bereits recht frfih for Tersteinemngen, Echtnitcs nod
Belemniten« vor« So Ilenisch mit Berufung auf Schwenkfeld C. Tbaieti»-
pbeum Sile$iae^: EKmncrkeil^ grw^r |4atter Kn>ctMBistein. cnaania. lapis fegfoim
n»ajk>r. — Alle diese Steine sind Glücksfunde. Glocksi^teiDe. daher sagt Lessing
irvuiisdi v\Hi dem FistKNr Primarius G^ie: «Hier das Sceindien. das die Uisde
Henne auf^^^^^liam hat. Benennen mag es eta anderer, ick hahe es für ein
Krotensteinchea. e> fcir.r ab«- auck ein Luckss^teiiickeÄ seia, denn hc-lü ist esw*
Nach Frisch kilh der Kr^censtein — similta simillbos — wider die Gcsckwulst
t^fi» Vieh* die <elber Krole heiss^.
In Brandenburg« Poenrenu Schlei vi£-H<4<teiiu Meklenb^ire. HaaBover« t>Et- und
Wesipreus^en. Posen« vvY^tekt man unter Kr''^<ei»teic m^st als losie Kreide i€isiii ine-
run^n im GesckteSe Tcrkeansende S«ik^« vvintgticit Galerites mlcaris Lamk..
nicksidem An^ufechyte« otas» 1 amk.« sowie di« ia Altomeinen «dienere Cidvis
ve«Mttk>sa GoiH AlSe o:es«e S«aciteiyiu;er hil* iis Volk wecen da*
wani^f^na OberiEkW tur Ter^MBterte Krot». ia Bärsum (WesdiPolsCetn^
Herr aus FeliisuuRr ia K^iiLer GeyfiLujit im Ja^ne I>7^ einem sii4ches Eckinite«
und treciaxe sic^ nur «^^ni vvft ihsr« ez>ilx-ii sck^eskie er ika mir ajs ,t>licks-
stiHn^« kHb sv^M^le iks in oie KeauK\2e i!ew?fSL Ia ahec Xack&wu, Traken, Kca>
aKvieo. I-Mez h»S? ick :^n iva FraaesL a&> rie-icfc-er A^eicfct depoaxit. mtkitmk
ge^^sden. n^ck: kitt% ia Tvxitenunes.
Pie KrC^teaktv^fte« G^I-t^rltet^ val^ariav iüt iat S««»?waii i;^t. Sckulembnrg.
We«»iisc^ Vv>*kT«4^e<eB ujc vWcriÄ-t-*^ xls dis ^^f^ste Ml:?ei ee^<eu Ha^s£ei^dbcs. Vau
kvvkl :f^ xa W*S5$ifr »b Ä«d tükt i--* ^Sneizbrih??*'. TS* iw^h^ A« i« die ^lick-
ti<e Krv5e2ik?V3»*^ ^A^anc^ytes ct;«* . lla*?^:-* Wfa»>»c scksa^e« ^«x A^ukideM
etwas^ x*a xsftslea es i:: die A^ijjfS". w-^a ulx-^cs aieir iijft. D» dritte Art ;G(ale
r:»'' v>t aÄ*k x^tsi;ciu xiaw^^cft Wp«! Nür:Cr>^ ^Ix i«- Eröe imdK man
mjüKlisaai ^"«cke S^f^a^* kacaeaie. Kr'Mfsijr ^«fs. EVliuK saa JMmt: Beukn vad
^^e^^wiSure. su^ ^eoseu ste iMt.^ t. Sckxlezrxrx- Wemi. Vjaksfiksai S. 47.
F^:mt F^krstat t\sr AaksLT« «be etae Kr^ce tvhh Sc4b^»rt«s -s I^assaa aas titberue«
(147)
während ihrer, der Fürstin Schwangerschaft, kam eine Frauensperson in der Nacht
aos ßelt, dankte ihr fiir die Bewhihung und verlieh ihr eiuen Hing mit eigen-
thümlichen Steinen, den sie bewahren möge, dann bliebe ihr Geschlecht fruchtbar.
Die Fürstin genas demnächst leicht und glücklich eine« Kiiähhuns, Dieser Ring
mit dem Krötenstein soll lange bewahrt worden sein, Ganz äbnÜeh verleiht eine
Kriite mit einem Ringe eiDem Mudchen Schönheit und schöne Nachkammensicbaft
in der Wendel, Veckenstedt, Wend, Sagen 8.25.*), in den Volksmärchen wer-
den nicht selten Frauen von schwani;ern Kröten alä Kindshelferin gebelen und be-
lohnt. Die Kröten verwandeln sich hierbei in Menschen- oder Zwergengestalt.
In der Gegend von Zossen bei Berlin ist oder war der Bnuich, dass die erste
Kriite, welche Mädchen im Frühjahr auf dein Felde fanden, nach hinten i'iber deo
Kopf geworfen wurde. Fiel dif* Kröte auf den Bauch, so bedeutete es die Geburt
eines Kindes, wenn niclit — nichts.
Die selbe Idee wird von Heiligeosee bei Berlin in folgender Formel nach
Schutenburg berichtet. Bei Pauli Bekehrung (25. Januar) kehren sich die „Pad-
den** um. Dann sollen sich die Mädchen das Deckbett verkehrt legen ujid sageo:
„Pauli bescher' mir,
Daßs ich meinen Bauch nicht sche^ (nicht schwanger werde).
In England heisst es, man müsse einer lebendigen Kröte deu Stein rauben:
The toäd has a stone in its head, ver)' efßeacious in the eure of diverse diseases,
hut tt musi hc taken out of the anioial whilst alive.
In der Lausitz braucht man die Krötensteine (Echiniten) gegen Augeneutscün-
düng, giftige Bisse, bösartige (rcschwiire, Bei nBch merzen, Vergiftung, ja sogar „zur
Stärkung der Maunheit*. Haupt, Laus, Sagenbuch l, 247.
In Tirol ist dieselbe Vorstellung, auch heisst es; wer einen Krötenstein im
Ringe trägt, der wird walirnehmen* dass der Stein beim Annähern Ton Gift schwitzt,
In der Pertisau^ auch in Bayern, wird die grosse Kröte „Broz" genannt. Man legt
ete gern bei der Krauter weihe unter die zu weihenden Kräuter. Man gebrauchte
sie, gebissenes oder vom Brande au gestecktes Vieh zu heilen. Fehlt es dem "Vieh
auf der rechten Seite, so nimmt man ein Viertheil der linken Seite der gedörr-
ten Kröte und räuchert den kranken Theil damit ein. Ist das Vieh links schadhaft,
so räuchert man mit einem rechtseitigen Kröten viertel. Vgl. v, Alpen bürg, My-
then und Sagen Tirols, 388 ff.
Die Verwechslung der Krötensteine (Echiniten) mit den Belemniten, Blitz-
steinen, Lapides ceraunei, führt mit sich, dass sie auch gegen Feuerschaden, Blits-
sehlag, in den Häusern unter den Schwellen, in Viehställen u. s. w. vermauert
werden. Vgl. Mannhardt, Germ. Mythen, lOlK Daher schreiben sich die Volks-
ausdrücke: Blitzkröte, Donnerkröte, Wetterkröte, Grimm, Mytli, Nr. 199. An-
scheinend geschieht dies Vergraben oder VermBueru absichtlich, mitunter auch mit
lebendigen Kröten.
Leoprechting in seinem Büchlein ^Aus dem Lechrain" (Gegend von Äugs-
burg), einer wahren Fundgrube Tür Anthropologen, schildert aus dem Volksmunde
folgendermaassen ^die Krott*^: Diess acheussliche Thier ist übel berufen; besonders
um das Haus herum sieht mau es sehr ungern. Bettelleute, die mit ihrer Gabe
unzufrieden, «auberu einem manchmal in einen "Winkel des Hauses einen ganzen
Haufen solcher Brozen '), was ein übles Anzeichen ist, denn damit fangen die Ver-
wünschungen an. Im Frauendreissigst spiesst man sie an lange Ruthen und hängt
S) In Bayern heisst im Uännehen ßrnste, Broz, Bratz, das Weibchen Hoppln, Heppin,
auch Muml Heppin wird auth verächtlich zu Weib bleuten gesagt«
I
(148)
sie m den StÄlJungen auf, aus cleneo nvto flllea Gift in die Krotte zieht Auch
wirft man sie gero in Bnionen, mit der Meinung, dass sie aus dem Trinkwasser
äIIcs önreine entfernen sollen. Frauen, die an der Bärmtitter leiden, opfern
in Kirchen gern eine wächserne oder eiserne Krotte. An eisernen
Ketten kaan man diemalen in eiDächichtigen Feldkapellen solche
Krotten hängen sehen. Als im Spätherbst 1853 bei einem Bau des Grafen
von Erbach in Lichtenberg der Grundstein des ehemaligen Schlosses aufgedeckt
wurde, sassen zwei lebende Enzion -Krotten darin, die demnach zum mindesten
153 Jahr alt waren. Der Gärtner dort hat sie der Merkwürdigkeit halber nach
München gebracht, wo er sie noch wohllebend abgab. Darum glaubt man auch,
dass Krotten lOOO Jahr alt werden können, oder noch lieber, dass böse Geister in
Krotten verwandelt erscheinen. Dass die Beleidigung eines solchen Hausgeistes
die Verarmung einer ganzen Famiüe nach sicli ziehen kann, davon wird eben-
daselbst S, 84 ff. ein Beispiel erzählt Wolf, Beitr. zur deutschen Mytb, U, 344,
sagt: „Der Kobold erscheint mitunter als Kröte, was auf Verwechselung mit anderen
Eiben beruhen dürfte;** ich bemerke hierzu, dass die Kröte keineswegs überall als
gefurchtetes Thier gilt, im Gegentheil an vielen Orten gern gesehen und gepflegt
wird, dass sie gerade als gimatiger Hausgeist angesehen wird. Dies fuhrt mich
schliesslich von der Geburtshelferkröte auf die Häusunke, ein Tbier, welches der
Hausflchlange parallel steht.
Daher wird die Kröte auch als heilig verehrt, so bei den alten Freussen. <^Dte
heiligen Kröten scheinen zum Schlaugendienste zu gehören, wie es sich wenigstens
in der teutschen Volkssage auswei^f, wo die Kröten ebenso den grossen Schatz be-
wahren, wie die Drachen, was in der preussischen Religion wohl auch stattfindeö
konnte, da sie so vieles von der teutschen angenommen.** Mone, Symbolik V, 9^.
Die Ringelnatter {Tropidonotus natrix L.) wird nach Brehm's Thierl. Kriech-
thiere IL Aufl., 364, nicht selten „der ünk oder Hausunk** genannt, sie ist die
eigentliche Hausschlauge der Deutscheu. Als Kröte aufgefasst, ist die Hausunke
in 2 Speoies vertreten, als gemeine Erdkröte (Bufo vulgaris L.) und als Kreuzkröte
(ßufo calamita Schinz). Wahrend die Erdkröte^ ein plumpes Thier, mehr aus Un-
geschick in unsere Keller gerutb und dort aus gleichem Grande nicht heraus kann,
gleichwohl aber, wenn Schnecken im Keller vorkommen, laoge darin leben kann,
sucht die Kreuzkrote, die beweglicher ist und selbst an steilen Flächen ganz gut
I in die Höhe zu klettern vermag, Keller geradezu auf, lebt hier gemächlich, zu-
weilen sogar familienweise. Diese Kreuzkröte ist in Berlin und der Mark Branden-
I bürg die eigentliche Hausunke, der Spiritus familiaris des Hauses, der den Dienst-
boten geheimes Grausen beim Begegnen einflosst, aber geschont und namentlich
• von der Hausfrau gern gesehen wird, zumal sie sich durch Wegfangen von allerlei
' Gewürm nützlich macht. Auf ihr ruht das Gedeihen und der Segen des Hauses.
(
I (7) Hr. Dr. Kühne in Stettin übersendet unter Hinweis auf die letzten Er-
j örterungen über Leichenbrand bei den Slaven (Verhandle 1882, S. 401 und
I 444) einen Auszug aus dem 44. Jahresbericht der Stettiner AJterthumsforBcbenden
Gesellecbaft, dem er Zeichnungen der betreflFenden Urne nebst Dcckschale beigefügt
hat. Der Bericht des Freiherrn v. Bönigk in Demmin lautet folgendermaassen:
Sohale und entsprechendea TSpfchen von cfer Feldmark Loitz.
Von einem Arbeitsmann aus Loitz sind die genannten Gefüäse nach seiner An-
gabe auf dem Ackeratück Wydenbrink der Feldmark Loitz gefunden worden. Von
schwarzgefarbter Erde und Kohlen umgeben, in gleicher Art gefüllt, Jagen die»
I
C149)
selben uoter ciDer rnüäsigen Stciopackitug; weder Knochen uoch weitere ßeigabeu
siod zu Tage gefördert worden, Die Schale deckte das Töpfchen, Das Material bei
beiden Ge fassen ist Lehm, gemischt mit Bestandtheilen des Granites, und zwar sind
Quarz und Feldspath sehr fein gekorot worden, während Glimmerblättchen in etwas
grösserer Dimension erhalten blieben.
Auf dem Obcrraud der Schale und um den Hals des Bechers sind feine Reife-
luogen ^} sichtbar. Berijcksichtigt man aber die volHg unsymmetrische Form bei-
der Gefasse, so erscheint die Anwendung der Drehscheibe ausgeschlossen. Im
Gegeniheile wird es wahrscheinlich, dass beide Gefösse über einer Form aus ge-
branntem Lehm gearbeitet wurden, in welche letztere ein Stock eingelassen war.
Um den Oberrand der Schale gleich massig abzusetzen, beziehentlich den Hals des
Bechers deutlich auszuarbeiten, ist dann der Stock in drehende Bewegung gesetzt
worden; die eigentliche Arbeit geschah mittelst eines Hnlzciäens* dessen Kaseruiig
in dem weichen Lehme sehr wohl jpue leichten lieifelungeu erzeugen konnte.
Der Brand ist gleich massig von Wand zu Wand, die Härte entspricht aber
nicht der durch den Tripferofr'n i*rreichl»arfiji. Hör Bauch des Bechers zeigt um-
¥..
^^*n^ß
\i
vt
^-
.^
laufende Wellen Verzierung und darunter einen Gurt von Stempeleindröcken
beide anscheinend mit demselben vierzinkigen Instrumente bergestelh.
In den Boden der Schale ist mittelst Stempels das Hakenkreuz'**) eingedrückt
worden j unter dem Rand läuft auf der Innen- wie Äussenwand eine einfache Wellen-
linie um. Auf letzterer, deren Oberfläche leider zum grossten Theile abgerieben,
zf'igt sich nun aber noch eine Reihe von eigenthümlichen Eindrücken, Es sind
Striche und läaglich«^ Punkte, mit einem spitzen Instrumente eingeritzt, ohne jede
Symmetrie, aber doch in Gruppen getrennt. Letztere bilden, von welcher Seite
auch betrachtet, keine bestimmbare Figur. Eine Zufälligkeit ist aYisgescblossen. —
Hr. Kühne bemerkt dazu, dass es ihm nicht zweifelhaft scheine, dass die
kleine Urne zum Zweck des Todtencultus beigesetzt sei, zumal da sie keine Spur
eines häuslichen Gebrauches zeige.
1) Diese sind auch am Bauch unterhalb der Ornamente sichtbar, siud aber nicht ganz
geradlinig. Dr. K.
2) Hit Spuren eiuer Kreiüliuie, in vfelclie die 4 gebogenen Haken verlaufeiL Dr. K
(8) Hr. M. Hol ) 111 an Q spricht, unter Variage von Zeicbuungen uod Fmid-
gegenstfifideD, über
Gräberfunde bei Tangermunde.
Die Altmarlc wird durch die Elbe in einen kleineren östlichen aud eiBfiii
prusseren westlicheD llieil getrennt. Die Riclitung der Elbe ist vod Magdeburg
ah fast DordHchj sie biegt dann, naclidem sie roclits die Havel aufgonomnipo hat,
nach NordwesteD, hier die Grenze der Aitmark gegen die Priegnitz bildeod. Die
nordwestHcbe Ecke der Aitmark^ die Gf'gend bei Salzwedel und Osterburg ißt vofl
unserem VorsirKcnden in der Juni-SitÄUpg 1881 (Zeitscbr. f. Ethnol, 1882, Heft VI,
Verb, S. 220) mit besonderer Beziehung auf die Hi'inenbetteo besprocheo, welche,
von Holland ausgehend, sich hid an die Eibe erstrecken. £s ist id jener Mitthei«
lung erwfihut, dass ein älterer Forscher Danneil die Gräber dieses nordwesüicben
Tbeils der Altmark eintbeilt So: 1. Hunetibetten (neolitiiiach); 2. Kegelgräb<?r
(Bronze) und 3, Wenden- Kirchhofe, dass ab<*r letztere nicht slavisch zu sein
scheinen» sondern mehr mit den lausitzer Gräberfeldern übereiDstimmen. Ein*
weitere Besprechung dieser Excursion findet sich in dem Pfacbtwerk über diPi
Altmark von Dietricbs und Paris iusj Lieferung 6, S. 267.
Die Ansicht, dass die ürnenfelder dieser (hegend der Aitmark tod dem soxisi
ab slavtsch anerkannten Typus abweichen, durfte sich durch die Funde* die icb
heut mitzutbeilen beabsichtige^ bestätige]]^ und fjusserdem den oben erwähoteo dr^i
Begräbnissarten noch eine vierte, bisher wohl in dieser Gegend nicht beobachtetjp,
hinzutreten, nehmlich Bestattung von Lpicben direkt in die Erde ohne Sleinbane
mit Zufügung leerer Urnen und sonstiger Beigaben. — Auf Tangermünde selb&t ober-
gehend, in dessen nächster Nahe die von mir zu besprechenden Funde gemacht
sind, bemerke ich. dass es etwa 1 Meile südlich von Stendal hart am linkeD Ufer
der Elbe Hegt, in weiche, südlich der Stadt, das Flüsschen Tanger eiomÜDdet. Bas
Ufer stdgt hier, abweichend von der Formation der näheren Umgegend, ziemh'cb
steil direkt aus dem Strome auf^ und diesem, das Landen auch bei üebersehwem-
mungen ermügl lebendem Umstand ist es wohl mit zuzuschreibeUj dass seit dea
jiltesten Zeiten der Elbübergang bei Tangermunde einer der wichtigsten dieser
Gegenden gewesen, dass schon früh dieser Platz befestigt war (steht vielleicht die
Burg auf einem alten Bnrgwall?) und dass die ältesten Mittheilungen viel von
Kämpfen zu erzrddeu wissen, welch« die nach Osten vordringenden Deutsehen hier
mit den am rechten Eibufer ansässigen Skiven zu bestehen hatten. Aus diesea
Berichten geht auch hervor, daäs die Slaven in historisch beglaubigter Zeit niemab
festen Fuss auf dem linken EUmfer dieser Gef^end fassen konnten, und eine Be-
stätigung dieser Ansicht liegt in den Ortsnamen, die auf dem linken Elbufcr durch-
weg deutsch, auf dem rechten sofort (a. B. Jerichow, welches Tangermunde gegeo-
Ijber liegt, Rathenow, Rhinow etc.) slavischen Klanges sind. Dass die in der
Gegend von SalÄwedel und Stendal gefundenen Urnen germanischen Ursprungs
sind, kann man wohl mit Sicherheit annehmen; das hiesige Märkiscbe Provinatial-
Museum enthält eine Sammlung solcher.
Dass südlich vou Stendal und speciell bei Tangermünde bisher besondere Auf-
raerksamkeit auf Gräberfunde gerichtet ist, glaube ich verneinen zu dürfen, upd
ich danke es der besonderen (lüte des Hrn. Apotheker Hart wich in Tanger-
münde, dass er, seit üerbst 1882, seine Aufmerksamkeit auf die dortigen Funde
gelenkt und mir das Material zu dieser Miltheilung verscbaiTt hat.
Zuerst von den Urnenfeldern zu sprechen, so finden sich diese um Tariger-
mundc zahlreich. Die Gefasse steigen aus verhältnissmassig kleinem« flachem Boden
»
(IT)!)
meist kugelförmig auf üüd endeD io geradem, Jüiigem, Dach obeu ein wenig enger
werdendem Halac, welcher keine ümbiegungen oach aussen hat. Das Material ist
Thon mit wenig Quarztheilen gemischt, die Gefasse sind ziemlich dickwandig.
Itnkel finden sich nicht, wenigstens nieht an den Urnen; ein Topf mit fast steil
»ufoteigeuden Seitenwänden und au» ziemlich roliem Material tnigt dicht am Rand
nur etwa 1 Zoll darunter abgebrochene Vorsptünge, wcJchc der obere und untere
Ansatz des Henkels zu sein scbeinen. Ornamente trugen nur zwei der in meinen
Besitz gelangten sechs Urnen, sie befanden sieh auf der gjosMen Aushauchung: das
eine sind parallel, schräg von linke unten nach rechts oben laufende, etwa 3 Zoll
lange Wülsle rings um den Bauch der üroe, das andere vier auf der grössten
Ausbauchung gleidimässig vertheilte, etwa 1 Zoll Iiohe. erhabene Figuren von Huf-
eisen- oder Halbmond form, die Rundung nach oben, die Aui-lfiufer geben unten
spitz zu; sie sind, wie eine, welche abgesto&sen, zeigt, auf die fertig gemachte Urne
aufgesetzt. Deber den Inhalt der Gefasse habe ich Sicheres nicht in Erfahrung
bringen können.
Ganz nalie der StJidt Tangermündej westlich derselben, ist der Tlieil eines
Gefasses gefunden, welches ganz auffallend an die Buckelurnen der Provinz Posen
und der Ijausitz erinnert; die Buckel, anscheinend waren es vier, erhetiea sich
selbst nur wenig über das Niveau der Wand, in ihnen aber wieder Wülste, welche
auf das Auffallendste an Brustwarzen erinnern, und um diese finden sicli 3 halb-
kreisförmige Killen, die Rundung oben, die e^twas langen Ausläufer sich nach dem
Baden zu verflachend. Dies Gefäss selbst war klein» der Boden auffallend klein,
die Arbeit sorgfaltig, augenscheinlich auf der tScheihe liergestellt, Derartige Form
ist wohl selten auf dem linken El hufer beobachtet.
Noch eigcßthümlicher jedoch ist das Le i eben fei d, welches sich aüd westlich
der Stadti etwa 10 Minuten von dieser entferot nahe dem Ufer der Tanger in noch
nicht festgestelltem Umfang tindet. Nach Mittheilungen des Besitzers sind dort
seit wohl 20 Jahren vielfach Skelette gefunden, aber nicht sonderlich beachtet; erst
der Bemühung des genannten Hrn* Hartwich ist es gelungen, folgende bestimmte
Thatsachen Ober dieses Leichenfeld festzustellen, die ich mit dem Bemerken hier
einfüge^ dass sie nach den Eanke'scheu Anleitungen aufgenommen sind und dass
die Angaben über die Beigaben sich auf drei bestimmt festgestellte Skelelfunde
beschränken,
1. Die Leichen liegen im Sand, in Reihen, ob schachbretthirmig ist nicht be-
obachtet, in jedem Grabe nur eine Leiche, mit dem Kopf meist nach Ost-Süd-Ost.
-Die Entfernung der Gräber von einander ist bisher nicht sicher festgestellt.
2. An Thierknochen sind gefunden: Pferd (Zahn und Huf), Rind, Hirsch, Eber
(Hauer).
3. Wesentliche Theilc der Skelette sind nicht vermisst, auch Kinder-Sklette
sind gefunden- Die Kopfe lagen in natürlicher i^age, jedoch meist auf der Seite,
die Arme und Füsse waren häufig gekrümmL
4. Die Gebeine lagen 2 — 5 Fuss tief, doch kann sich dies, da die Gegend oft
uberschweDimt jsl, geändert haben. Besondere Bedeckung der Leichen mit Sand
oder Asche oder ein Bett von fremder Erde ist nicht gefunden, schwarze Färbung
der Erde in der Nfihe der Leichen ist beobacblet, Besfattunü; in Särgen ist bestimmt
auszuschliessen.
5. Die Leichen lagen nicbt in Steinbauen*
6. Funde an W^affen sind nicht erinnerlich, ausser Steinhammer und Feuerstein»
messer.
1, An Beigaben fanden sich: oinameulirte Urnen ohne Inhalt, fiache Schusseln
052)
von Thon oboe OrnatDent, die eine mit zwei kleinen Lüchero neben einander nahe
dem Rande, über deo Kopf der Leichen gedeckt, Zübne von Eber und klpiopren
Raubthieren, ein Pferdebuf, in ejoem Fall ein Bronzeblecb.
8, Kleideireste sind nicht beobachtet, Münzen nicht gefunden.
9. Die Zahl der eröffneten Grabstellen ist nicht festzu stellen, noch iiügeoffnete
sind mit Wahrsclieinlicbkeit zu vermuthen.
Soweit die allgemeinen Befunde. Im Einzelnen erlaube ich mir nun über ein
Skelet zu berichten, ober welches ich meinem Gewährsmann genaueste Nachricht
und einen Theil der Beigaben verdanke.
Zu Bäupten der Leiche standen 2 Urnen, zierliche dönnwandigr^ Gefusse, etwa
17 ctH hocby mit grosstem umfang von etwa 52 cm und DurehmegBer des Bodens
6Vj ctn, der oberen Oeffunng 9 cm, aus hellbraunem Thon, nur zum Theil erhalten
und sehr bnlchtg. Gemeinsaro ist ihnen, dass die den gau^seu Bauch oud Hain
bedeckenden Ornamente aus Linien gebildet sind, die ihrerseits :ins neben- resp.
ubereinanderstebenden spitzwinkligen, nach oben offenen Figuren V bestehen, die
unter sich in der Grosse nur um ein Geringes abweichen.
Im Einzelnen unterscheiden sich die beiden Gefas^e dahin:
A. Aus schm^dem, rundem Boden erhebt &ich in zierlichem Schwung der fast
kuglige Bautb und gebt dann mit gleicher Schwingung in den senkrecht narh
oben ohne umgebogenen Hand verlaufenden Hals Ton nicht erheblicher Hohe (etwa
*J^ der Gefässhohe) ober. Unterhulb des Halses sind ringsum 2 Streifen des ge-
dachten Ornaments, dann folgen nach unten 4 schachbrettartige Reihen von Qua-
draten je aus 4 horizontalen Linien des gleichen Ornaments bestehend. Unter ihnen,
an der grössten Breite des Bauchs, lauft eine Horizontallinie um das ganze GefÜss
und von dieser herab bangen fraozenartig senkrechte Reihen von Linien, jede wie-
der aus dem gedachten Ornament gebildet. An jeder Seite des Bauchs zwischen
Hals und grösster Bauchweite betinden sich übereinander je 2 honzontnL 2^^^, cm
breit verlaufende, etwa 1 cm ans dem Gefass beraus^pringende griffartige V'orsprringe,
deren jeder wieder in 2 einzelne getbeilt ist, und jeder dieser einzelnen bat ein
von oben nach unten gebendes Loch von so geringer Grosse, dass ein gewöhnlicher
Bindfaden kaum durchzuziehen ist So sind auf jeder Seite 4 Locher, von denen
je 2 mit Zwischenraum von etwa 1 Zoll übereioanderstchen,
ß. Das zweite Gefass steigt kuglig gleich vom Boden aus auf, verengt sich
wenig, und endet in längerem, auch senkrecht und ohne umgebogenen Rand auf-
tteigendem Halse. Nur ein Vorsprung ist erhalten, aber nahe dem Gefass ab-
gebrochen, so dass nicht zu entscheiden, ob auch er durchlöchert war* Die Orna-
mentik ist: neben dem Vorsprung *2 senkrechte Linien, daen folgen seitwärts unter
dem Bande 7 Horizontallinien und unten über dem Boden 4 gleiche, so dass zwi-
schen ihnen ein nicht ornamentirter Zwiscbenraum bleibt. Alle diese Linieo sind
durch das erwähnte Winkel^Ornament gebildet.
Soweit die Urnen. Die Arme und Fösse des Skelets waren gekrümmt. Um
die Gegend des Halses und der Taille lagen ziemlich zahlreich Zühne eines klei-
neren Raubtbieres nebeneinander, sÜmmllich am breileren Ende durchbohrt; augen-
scheinlich hatten »ie Ketten gebildet. Am linken Handgelenk lag ein *^^ Zoll langes
fingerbreites MetalbthL^k, Vfim Finder ab ^Bronze'* bezeichnet. Diese, sowie einige
der sonstigen Beigaben sind in andere Hände gekommen, ich hoffe jedoch, sie in
einer der nächsten Hitzungen der Versammlung zur Ansicht vorlegen zu können*
Neben dem linken Arm. i'twnj» entfernler, lag ein Pferdebuf, rechts neben dem
Kopf ein Steinbeil, etwa» mehr Meiüieb ein Eberzahn; neben der rechten Seite des
Hikes fand sich t^iu ornuiiirntirter Knorbrn, auscbeinenil Bippe eines Eiudea, au
(153)
beiden Seitflu uff**ijbar übgebroclien» nocb 16 cm lang; die Breite ist überall 272 ^^i
er ist leicbt naeh innen gebogen, DieBer Knochen, wohl das interessanteste der
Fundstüeke, bat IB Reiben Ornamente, die in gleichen Abstauden tmd von gleicher
Fig. U. '/.> naf, Gr.
<nraDifflHiB
Fig. la. Verkleinertes (lesaininflijld*
Fig. Ib. Verzierung' in nntürlicher tfrus^se.
Zeichnung querüber geben, jede Reihe und jeder Zwischenraum sind etwa ^1., cm
hoch. Den Ornamenten Hegt überall-^ wie bei denen der ürneUj der spitze Winkel
zu Grunde, es durchkreuzen sich aber hier solche Winkel, dte nacb oben ruften
sind, mit soJcUeii die sich nacb unten «IfiFoen, und dadurch bilden aicb verschobene
Rechtecke, deren Inneres wieder aus kleineren Figuren gleicher Form bestellt.
Schliesslich bemerke ich nocb, dass der Ko|»f des Skelets, bei dem dieser
ornamentirte Knochen lag, beim Herausheben gänzlich verfiel; einen Arm- und einen
Beinknochen übergebe ich hiermit liem Herrn Vorsit7,endeD, ebenso einen zwar
etwas zerbrochenen, aber in seinen wesentlichsten Tbeilen erhaltenen Schädel des-
selben Leicbenfeldes; dieser war mit einer Schussel bedeckt, die ich dem K«'^nigl.
Museum übergeben habe. —
Hr. Vircbow iiussert über die von IJrn. Hollmann vorgelegten Knochen
Folgendes:
1. Ueber den Schädel berichtet der Einseuder: „Diesen Schädel fand ich
vor mehreren Jahren etwa 10 Minuten vor dem Leicbenfeld, toh dem die an-
deren Sachen stammen. Die Leiche Jag zusammengekrümmt (Hand- und Bein-
knocheu dicht unter dem Kinn) auf der Seite. Der liesiizer des Ackers liess im
folgenden Jahre denselben planiren und kamen dabei viele ürneDScherben zum
Vor^^chein, die, soweit ich mich entsinne, alle sehr roh und ohne Ornamente waren,
Die Leiche lag etwa 3 — 4 Fuss tief din-kt auf Lehm. Der SchSdel zerbrach neu-
lieb, ist aber sonst vollständig.^ Das Schädeldach ist bis auf einen grossen Quer-
sprung, der das ganze Histerhaupt hinter den Tubera abgesprengt bat, gut erhalten,
dagegen waren Basis und Gesiebt total zerbrochen. Beide haben sich erträglich
regtauriren lassen. Nur der Unterkiefer und die Wangenbeine sind so defekt, dasa
sich an ihm keine Quermaasse nehmen lassen. Links fehlt der Joch bogen ganz,
rechts tat er zerbrochen; am Unterkiefer fehlen die ganzen hinteren ^s f^<^bts und
der Gelenk fortsatx liuks. Sonst sehen die Knochen noch ziemlicb gut und fest aus;
sie haben im Ganzen eine braunticbgelbe Farbe.
Wahrscheinlich ist der Schädel ein ma na lieber^ obwohl die etwas niedrige
Stirn, die schnelle Biegung der Scheitelcurve und der nicht unbeträchtliche Pro-
gnathinmus für eine weihliche Form sprechen konnten. Auch die geringe Oapacität
von 1260 €cm würde damit stimmen. Andererseits deuten die Schwere und Dicke
der Knochen, die starke Ausbildung des Nasenwulstes, die hoben Plana temporalia»
r
(154)
die mächtige Protuberatitia occipitalis, die Grösse der Gplenkliricker uod des Gau«fl
nieos docb mehr auf männlichen Hau. Nach der Beschaöetiheit der Zäbn^ war da» i
iDdividuum ooch jugeDdlicb, denn obwohl die Schoeide- und Pramolarzähne schon
stark abgeschliffen sind, so prsch^^inen die Kronen der beiden hintersten Molaren
doch noch wenig angegriffen. Im Unterkiefer fohlen übrigens links ^ammtlicho
Molaren und der Pramolaris H, und au ihrer Stelle ist eine grosse atrophische Lfi^ke;
auch der Framolaris I sin, hat keine Krone mehr.
Spuren pathologischer Vorgänge sind nur an zwei Stellen bemerkbar Während
die Nrdite im Allgemeiuen stslrkor gezackt, nur der mediale uud die seillielien
unteren Abschnitte der Kranznaht einfach sind, zeigen sich Unregelmässigkeiten^
an den Fnntanellgegenden. Die Schuppe des Hinterhauptsbeins ist an der dem]
gebuchtet; der hinterste, stark zackige Abschnitt der Sagittalis dicht vor Spitze
Ende durch ein querhegendeSj halb verwachsenes Schaltbein, das in das rechte
Parietale eingreift und dessen hinterer Rxmd der Einbuchtung der Schuppen-
spitze parallel läuft. unregelmSssig* In dem linken Schenkel der Lambdoides unter
der Spitze ein grosseres stark zackiges Schaltbein; rechts dagegen an der Lambdu-
naht lange Zacken mit secundärer Verästelung. — Die vordere Footanellgegend ist
etwas prominent; im vorderen Winkel des linken Parietale dicht hinter der Kranz-
naht ein flacher rundlicher Eindruck.
Die Form des Schädels ist aupgeniacht hypsidolichoccphül (Breitenindex
G8,5, Hobenindex 76,4). Die Länge resultirt hauptsächlich aus der starken Aus-
wolbung der Oberschuppe, die geringe Breite ans dem zusammengedruckten Zu-
stande der ganzen, von den Tempora Imnskeln bedeckten Flächen, die Höhe aus der
starken WolbuDg der vorderen Sagittalgegend. Auch die untere Stirnbreite j>t ge-
ring (Sl mm); die Temporaldistanz betragt nur 107 mm und die Schläfen erscheinen
daher stark vertieft Die Stirn ist ziemlich voll^ die Tuhera wenig vortretend, der
Naaenwulst kräftige aber glatt, dagegen die Supraorbitalwulste fast ganz fehlend.
Die Curve des Stirnbeins biegt schnell nach hinten um und steigt dann latigsani
bis zur Scheitelhöhe an. Der hintere Theil des Stirnbeins ist daher sehr lang.
Jederaeits nach aussen an den Tuhera, begrenzt durch die wulstige Schläfen li nie,
eioe längliche Depression. Das Mittelbaupt ist gut genvolbt und nach hinten ziem-
lich breit: die stark vorspringenden Tubera parietalia haben eine Distanz von
127 mm. Auch die Hinterhauptsscbuppe gross, die Linea semicircul. superior un-
gemein scharf und durch einen tiefen Absatz unterhalb in eine Art Ton Crista
transversa verwandelt* Die Unterschuppe etwas vertieft, nur in den Cerebellar-
gegenden flach gewölbt
Trotz seiner Hohe ist daher der Schädel in W^irklichkeit ein sehr gestreckter,
dessen sincipitale Entwickeln ng bei Weitem überwiegt Der frontale Äuthell der
ScheitHcurve betragt 34.8 pCt. Eine Berechnung der parietalen und occipitalen
Antheile erscheint wegen der Anomalien der hinteren F^kutanellgegend unzulässig.
Die Gesichtsind ices lassen «ich nicht herecbDen, da alle Quermaasse fehlen.
Dem physiognomischen Ausdruck nach w^ar das (lesicht, namentlich der Oberkiefer
ziemlich hoch und schmal, wie namentlich der leptorrbine Index (47) t>estätigt.
Trotzdem ist der Orbital index clmmaekonch: die Augenbühlen erscheinen niedrig
uod breii, der obere Hand fast gerade gestreckt statt der Incisur jederseits mit
ei Dem geschlossenen Kanal versehen. Fossae caniuac tief und hoch, Kieferränder
und Zähne prognath. Vorder zahne gross. (Tauraeu gros<^, breit und tief, Index trotz
der Länge fast brachystaphjlin. Kinn gerundet wenig vortretend, dick, mit
etwas unregetmässiger Bildung der Spina ment. post.
Die ethnologische Interpretation des Schadeis wurde «ich besser anstellen lassen,
(155)
wenn wir genau wussten, ob er zu dem Gräberfelde irgend welche Beziehungen hatte
oder in welche Zeit sonst er zu setzen sei. Vielleicht wird sich darüber später
mehr sagen lassen; hier will ich nur erwähnen, dass mir als der Oertlichkeit nach
nächster verwandter ein (leider archäologisch gleichfülls schlecht bestimmter) Schädel
Yon Horneburg aus der Landdrostei Stade bekannt ist. Ich habe ihn in der Sitzung
von 14. März 1874 (Zeitschr. f. Ethn. VI, Verh. S. 35) genauer beschrieben.
A. Schädelmaasse.
Capacität 1250 ccm
Grösste Länge .191 mm
^ Breite 131 ^
Gerade Hohe 146 „
Auricularhohe ^^^ n
Horizontaler Umfang . . . . 519 mm
Vertikaler Umfang 310 „
Longit. Umfang 384 ^
„ Stirnbein 134 „
n Sagitt 140 „
„ Sq. occipit HO „
Gesichtshohe A 118 „ '
B 72 ,
Orbita, Hohe 29 «
„ Breite 39 „
Nase, Hohe 5 1 „
„ Breite 24 ^
Gaumen, Länge 54 „
., Breite 41 „
B. Berechnete Indices.
Längen breiten index G8,5
Längenhöhenindex 7G,4
Auricularindex Gl, 2
Orbitalindex 74,3
Nasenindex 47,0
Gaumenindex 80,3
2. Von Extremitätenknochen sind mir ein sehr defekter linker Oberarm-
knochen von mittlerer Stärke und auffallend geringer Torsion und ein sehr gut
erhaltener linker Oberschenkelknochen, an dem nur der Trochanter major
defekt ist, zugegangen. Letzterer hat eine Gesammtlänge (Caput bis Condyl. int.)
von 43 cm. Man sieht noch Spuren der Epiphysenlinien am Kopf und den Condy-
len; er muss also wohl, wie der Schädel, von einem jungen Manne herstammen.
Die Diaphyse ist stark, jedoch vorn etwas abgeplattet und im unteren Theil etwas
nach hinten gebogen. Der Hals kurz und wenig steil. Der Condylus externus
klein, dagegen der Condylus internus gross und tief herabreichend, mit starkem
Epicondylus.
In Bezug auf das Leichenfeld scheint es ja nach den vorliegenden Mitthei-
lungen, dass dasselbe der Steinzeit angehört. Von dem einzigen gefundenen
Metall gegenstände, dem ^Bronzeblech^, wäre es von Wichtigkeit, wenn constatirt
würde, ob dasselbe nicht vielleicht aus Kupfer besteht. Ich erinnere in dieser Be-
ziehung an den Fund von Janiszewek in Cujavien (Sitzung vom 20. November 1880,
(ir,(i)
Verb. S. 330), bei dem sich aucL cid ornameotirtes Falzbeiu (Sitzniig vom 20. De-
cember 1B79, Verb. S. 435) vorfand. Sollte der Typus des ^10 Minuten vor dein
LeicheDfelde'^ ausgegrabenen Schädels demjenigeQ der Schädel des Leichenfeldes
selbst entsprechen, so wfirde sich diese Parallele noch ausdebneM lassen. Die Or-
namentik der Tbongefäsae, namentlich das Sparreuornament, sowie die senkrecht
durchbohrten Vorsprunge an denselben sprechen sehr zu Gunsten der Annahme,
dass hier ganz alte Ueberreste aufgefunden worden sind.
(9) Hr. F. G. MüUer-Beeck bespricht die
Geschiühte der Liukiu-Inseln nach japanischen Berichten.
Dia nachstehend*^ Geschichte, wie sie Idji-chi Teka zusamraenfasst, erscheint
auf den ersten Blick verworren'}. Für uns Europüer bleibt die Frage offen: Wann
ist ('hina mit den Einwohnern der heutigeu Liu*kiu*Iuseln zuerst in Verbindung
getreten? Durch Idji-chi erfahren wir zwar, dass unter der Regierung des
Liu-kiu -Königs Satsudo die Inseln mit (xhina zuerst in ein freundschaftliches
Verhäitniss traten und unter Kr^nig Bune an China tributpflichtig wurden* Das
wäre um 1^95, Unter der Sui- Dynastie (581 — 1>19} begannen aber schon chinesi-
sche Expeditionen v nach Liu*kiu und unter der ersten Ming-Dynastie sollen die
Zeichen für die östliche Insel zuerst aufgekommen sein, Japan war seit den
ältesten Zeiten mit Liu-kiu in Verbindung, es ist aber unmöglich, aus den sagen-
haften Aufzeichnungen der Vorzeit den Kern der Wahrheit herauszuschälen, bis
nicht ein eingehender Vergleich japanischer und chinesiecher Quellen einigermaassen
Aufklärung schafft.
Der Name Liu-kiu kommt nun in der chinesischen Geschichte um 605 n. Chr.
auf, bei Gelegenheit der ersten Expedition, und um 606 n. Chr., als die zweite
Expedition stattfand, die der chinesische Gelehrte Ma-tuan-Hn beschrieben hat. Die
LiU'kiu-Insulauer selbst nennen ihre Hauptinsel Okinawa und haben keinen Ge-
sammtnamen für das Inselreich. Da Ma-tuan-lin unter Liu-kiu die Insel Taiwan
versteht, so ist es wahrscheinlich, dass die Chinesen die nordöstlichen Inseln, wenn
sie von ihnen Kunde hatten, auch zu Formosa gehörig reebneten, umsomehr^ da
besonders die Einwohner dieser südlichen Inselgruppen den Japanern sowohl, wie
den Chinesen gegenüber eine gewisse Unnbhängigkeit bewahrten und die Eifersucht
der beiden Grossmiichte^ diese Inseln zu besitzen, bis heute fortdauert; denn der
Besitz der Miyakosbiraa-Gruppe ist gegenwärtig noch nicht endgültig geregelt-').
Der Franzose d'Hervey de Saint Denys beweist in seiner Arbeit ^Sur
Formosa et sur les iles appelees en chinoia Lieou-kiou im Journal Asiatique Aug.-
Septbr. 1874. VII. Serie 4,** dass die Chinesen Formosa unter dem Namen Liu-kiu
605 n. Chr. kannten, dass zu Ma-tuan-Iin's Zeiten (ca. 1275) keine Expedition nach
den heutigen Liu*kiu-Inseln stattgefunden hat, dies chinesiscberseits überhaupt nicht
vor dem 13. Jahrhundert geschah I
Dies findet seine Begründung in der Beschreibung Ma-tuan-Un*s von den Bewoh-
nern Formosa'», der Lage dieser ,^ Liu-kiu^, im Osten der Stadt Tsiouen*tBcheou
(Provinz Fokien) und der Reise dorthin. Auch die chinesische Geographie: Tai-
1) Derselbe bat nh GesHudfer JapEin's die Inaein mehrmah besucht und Berichte in den
Heft d. ja|>, f^eogr. Oes. 1880 veröflentlicht, die ich als beste Quelle über diese Inseln mit Hülfe
des Lieutetiaut Sindji Endo überarbeitet habe.
*2) 1860 offiziell nn China alifetreten» nber seitdem wieder im Japan zuröfkefefallon.
fl.'^T)
thiDg-y *toug'tcbi liefert den Beweis in dem Artikel: Liti-kiu, dass Lia-kiu =
Taiwan (Formosa) ist
SüdUch Ton Taiwan bat sich heute noch der Name ^Elein Liu-kiu'^ für die
kleinen Inseln erhalten. Mit dem Osten Formosa's (Taiwan's) sind die Chinesen
nie bekannt geworden, folglich lernten sie auch nicht die Miyakoshima-Gruppe auf
dieaem Wege kennen. Diese und die Okinawa-Gruppe kommen hier nur in Be-
tracht. In Folge der Strömungen und Stürme ist es mehr nie wahrscheinlich, dass
chinesische Djuokcn, die stets der Kiiste entlang fuhren, sich nie aufs offene Meer
hinauswagten, zumal japanische Seeleute und die Liu-kiu-Schiffer selbst wohl hio-
reichend dafür gesorgt haben werden^ die gefährliche d Klippen ihrer Gewisser zur
Kenntniss der seefahrenden Chinesen stu bringen.
Hoffmana hat eine vorzügliche kleine Schrift Ober die Geschichte Liu-kiu's
nach japanischen Quellen bearbeitet'), die ich mehrfach controliren konnte^ was bei
dem Franxosen schwieriger war, da er seine Quellen nicht genau angiebt Hoff-
mann zählt die Liu-kin-Könige nach der japanischen Geschichte San-kok-tsu-
ran auf und hat versucht, bei einigen die Jahreszahl mit anzuführen. Dies hat bei
ao unbekannten Potentaten grosse Bedenken. Bei Beschreibung des ersten Liu^kin-
Königs Tiensun (Tenson) giebt Hoffmau n folgende Beschreibung nach chinesischen
oder japanischen Annalcn, was er leider nicht sagt Sie lautet:
^het Tolk kende schrift noch de tijdrekening oaar maanjaren, mcu tekle
„den tijd slechts naar de wassende en afoemende maan, en de jaren naar
^bet bloeijen en verdorren der gewassen, Het keomerkte zieh door diep
^liggende oogen, eeoen langen neus en zag er eenigzin» verwiffd uit. De
^mannen gingen zonder knevel en baard, hadden de banden getatoeeerd,
„droegen mutsen van vogelvederen cd tooiden zieh mit paxelen en kostbare
„steeoeD. De frauen beacbrnderden het aaagezigt met figuren van draken
„en slangen, bouden bet haar op den top met und zameu en droegen mu fr-
äsen van eene witte stof en kleedcren vaa haar,
„In 610 na. Chr. geb, het 4*** jaar Ta-nie der chinesche tijdrekening,
„werd Lioe-kioe door Chinezen veroverd eu de koaing gedood» (Cbin*
Annalen.)
Es fragt sich nun, ob Hoffmann sich auch durch die chinesische Bezeichnung
Liu'kiu hat beirren lassen. Die Schtussnotiz aus den chinesischen Äunalf'n lässt:
dies annehmen, denn es handelt sich hier um die bei Ma4uan-lin erwalmte Ex-
pedition nach Liü-kiu (Taiwan),
Dass die Männer Mutzen von Vogelfedern tragen, passt nur für die Einwohner
Taiwan's,
Vorläufig muBS man also annehmen, dass die Chinesen erst sehr spät, also im
13. Jahrhundert, mit den Inseln und den Bewohnern des ganzen, sich von Taiwan
bis Japan hinziehenden [nselreicbes bekannt geworden sind; dass aber Japan seit
den ältesten Zeiten mit den Bewohnern in Verbindung gewesen ist, wenn sie nicht
gar die japanische Rasse reprasentirten, ehe sich dieselbe mit der chinesischen und
der der Äinos kreuzte.
Bei den nun folgenden Notizen über die Bevölkerung und Geschichte der Liu-
kiu'lnseln habe ich mich ausschliesslich an die Berichte des Hrn. Idji-chi ge-
balten und auch die in der öebersetzung stets komisch^ aber originell klingende
AusdruckBwei&e und Gedankenfolge beibehalten*
1) Bijdnigen tot de Taal-, Land- en Volkeiikuntte van NedeHandsch Indie, derde volgr^eks,
le dL3e stuk.
(158)
Ja die Ineelu frei im »ödlicbcn Theil des Uc*muis liegen " »o sinJ sie tlen sUr-
ken Winden auRgcsetztj welche hier weben. Alle 4—5 Jahre entwurzeln grosse
Teifnne Baume und vernichten Häuiier und Felder'), um diesen Zerstörungen]
vorjEubeugen, baut man auf den Liu-kiu- Inseln fthertdi eine Mauer um das Hau«.
Die Pfeiler und das Fundament sind sehr Btark. Die Ifiluser sind alle sehr niedrig,
und mehrstnckige Häueer sind selten. Auch die Häufer der Adligen, Läden, ßur-
delle werden umraauert. Weil Sturme und Wassermangel häufig, sind die Leute
auf üngiückßfalle vorbereitet und sparsam. In jedem Hause bewahrt man ge-
trocknete Kartoffeln auf. AI» erste Vorsieh tsmasfiregel, um den Hunger zu ver-
meiden, gilb es, den Sago (sotetsu) aufzubewähreo, der in Japan nicht gegesseu
wird. In alten Zeiten wurde ein Beamter für die Kultur der Sagopalme eiagesetzt«]
Man nannte dieses Amt sotetsu-gakari. In allen unfruchtbaren Theilen der Inseln,]
auf den Bergen, den kleinen Inseln, überall pflanzt mau Sagopalmen. Man bereitet
den Sago folgendermaaasen: Der Stamm wird zerquetscht und in Wasser gelegt, dann
in einen Mörser (usu) gethan, gestossen und nochmals gewaschen. Der daraus
entstandene Brei wird getrocknet, daraus MeLl gemacht und mit Kartoffeln zu-
sammen gekocht und in Kuclienform gegessen.
Die Einwohner sind gutmiUliig, sparsam, conservativ und ausdauernd, üu-
glijcksfalle kommen selten von Die Wohnungen haben Aehnlichkeit mit denen der
alten Jajmner im Inlande. Es giebt weder Stuhle noch Tische. Vornehme Adlige
haben schöne tJäuser und sind sauber. Die Bauern aber sind schmutzig, geben
baarfuss und wohnen in kleinen StrohhiUten. üieselben sind noch ganz im Cr-
j^ustande. Die Gesetze sind ziemlich scharf. Nach diesen dürfen die gemeinen
Biiuern keine Holzschuhe tragen. Das ßauernvolk ist fleissig tjeim Ackerhau und
scheut die Arbeit nicht. Adlige und Kaufleute sind faul, ihre Weiber dagegea]
sehr Hcissig, so dass dieselben keine Musik treiben, was nur die Freiidcnmadcheo
thun. Atle Männer tanzen viel, vom Könige bis zum niedrigsten Bauer. Die
Frauen eines Adligen verkehren nie mit Fremden, ausser mit Verwandten* Wenn
sie Fremde auf der Strasse sehen, bedecken sie sieh mit dem Schirm, oder Irelt^n
in ein Thor, oder verstecken sich hinter Bäumen»
Unsere Beamten haben 3 Jahre bei Adligen gelebt, ohne deren Frauen gesehen
XU haben-).
In jedem Kreise giebt es Pferdestfille. Jeden zweiten oder dritten Monat sam-
meln sie die Pferde und veranstalten ein Rennen, mayose genannt Die Ställe
sind sehr gross^ weil man sie auch als Getreidelager benutzt.
Alle Insulaner lernen die Lehre von Teshü (Jqr jrc) ^^^ durch diese die
vun Confucius und Moshi (Moses ?). Man lernt die Lehre nur als Knabe, später
lernt man nicht mehr* Schulen giebt es in Shuri LS, in Nawa 4, in Kumemura 8,
in Tomarimura 1, in Miyakoshima 2, in Yaeyama 2. In Shun und in Kume-
mura lehrt man auch Chinesisch lieben den einbeimiscben Sprachen, damit die
Leute mit den Chinesen verkehren können. Die 48 Zeichen, iroha> sowie die
Schrift und Bücher sind ganz so wie in Japan. Die officielle Schrift uud Vorschrift
ist japanisch (onyeriü). Nach chinesischer Vorschrift lernen nur die Vornehmen.
Die Frauen in Kumemura spinnen nur und können weder lesen noch schreiben.
1) Leider viel hantiger und zwar jedes Jahr gegen Ende September sind Teifuiie im er-
warten.
2) Was bei der selbstbewiisÄten Art des Auftretens der japanischen Beamten noch nicht
auf Landesaitie zu schieben ist.
(159)
Aii8s<>rhu]b Kutoemuru wird Chinesisch weuig gebraucht JapaalBcbt! Gedichte giebi
es überall- Monatlich kororat <^in Verein zusammen, dann entsteht ein Wett-
dichten *),
Grosse Münzen oder Papiergeld giebt es nicht, sondern nur kleine Knjifer-
mfinzen. Der Handel wird dadurch sehr erschwert Baumwollene Stoffe (nun 6)
und daraus gemacbte Kleider verkitufeu nur Mädchen und Frauen. Dieselben kennen
keine Zeichen und können nicht rechnen, sie zählen aber mit Stricken, indem sie
Knoten machen. Auf diese Weise können sie grosse Summen^ und zwar sehr
schnell, ausrechnen.
Die gegenwärtige Sprache scheint ein eigenarHger Dialect des Jajmniscben zu
sein. Genau betrachtet, i^t sie japanisch, nur etwas modificirt, und zwar wie das
Japanische aus der Knmnkura- Periode. Ari heisst a«f Liu-kiu: aya beru, Oki
hcisst 0 u. s, w.
Die Insulaner kennen genau die alten japanischen Worte: */io ^®^ alt-japanisch,
'/,rt chinesisch und *;,o einheimisch. Auf den sudlichen Inseln (Miyakoshima und
Yaejama) wird anscheinend noch der alte Dialekt erhalten sein.
Gesellige Vergnügungen giebt es viele, ücberall wird getrunken, nnd zwar
AwunH*ri, Shochiu und Banshochiu, d. i. Kartoffelsprit. Da, wo mau sehr
viel trinkt, mischt man das Getränk mit Wasser. Frauen dijrfen nach alter Siltc
nicht trinken, daher bietet man ihnen nie zu trinken an, wie in Japan.
Das Volk lebt von Korn uüd Kartoffeln. Seit di^n ältesten Zeiten wird Fleisch
gegessen. In der Hauptstadt Shuri und in Nawa werden jeden Morgen über
KM) Schweine und wenige Stück Rindvieh geschhichtet Mit Schweinefett kocht
man das Gemüse. Das Schweinescblachten geschieht nur ron alten Weibern. Dicpe
nehmen den Kopf der Tbiere mit nach Hauüe und tragen denselbcfi auf dem KofdV,
Man trägt überhaupt viel auf dem Kopfe, auch Lasten und Kupfermünzen im
Werthe von 30 yen. Ein junger Mann bindet die Haare als Zopf auf dem Kopf
zusammen, und ^war flach und glatt ab Knoten, sobald er sein 25. Jahr erreicht
hat. Wenn das Mädchen Di oder 17 Jahre alt ist, so macht es sieb Punkte auf
der Rückseite der Hand, Dieser Gebranch besteht auf Oehima, sowie auf der
Okinawa-Grnppe. Die Eheleute leben gut mit einander. Wiederheirathen finden
bei gewöhnlichen Leuten selten statt.
Bei Begräbnissen herrscheu andere Sitten, wie in Japan. Stirbt Jemand^ so
geht die Familie zur festgesetzten Zeit vor die Leiche und schreit, auch beim Be-
gräbniss schreit man« Es werden Leute hierfür gemiethet^ und hängt je nach der
Höhe der Preise die Iraner und die Starke dieses Schreiens ab.
Die f-eichname werden in jrdene Gefasse gethan und diese in Steinkasten bei-
gesetzt. Kach drei Jahren gebt die sogenannte Knochenwaschung, honne-arai^
vor sich. Die Verwandten und Freunde versammeln sich und trinken sake (Reis-
branntwein). Die nächsten Verwandten des Todten nehmen die Knochen heraus
und reinigen dieselben; dann legt man die gereinigten Knochen in andere Gefässe
und begräbt sie von Neuem. Der Platz wird dann eingezäunt. Auf dem irdenen
Gefifiss zeichnet man Namen und Todesnamen. (Auch in Japan erhält der Ver-
storbene einen anderen Namen.) Ueber die Grösse des Begräbnissplatzes giebt ea
eine Bestimmung. Ein Beamter kann 12 ken, Bauern und Kaufleute G ken im
Quadrat beanspruchen. Um den Begräbnissplatz werden Steine gemauert. Von
fern gleicht derselbe daher einem japanischen godown. Wenn Jemand arm wird,
80 kann er den Begr&bnissplatz verkaufen und erhält dafür ca. 100 yen - 400 Mark.
I
1) Wie im alten Japan.
4
(160)
Die Pflttüxeu, die auf den Lm-kiii-Iasoln ^'orkoramen iiod nicht iü Jupao wach-
sen, 81 od:
yasbi
= Kokosniisa.
gammamaru
?
birö
= Livistona.
akugi
= Rothholi.
tsuko
=: Caryota.
^
Blumen:
^
yunagi
?
Kudjiku
Mittagsblume.
hanslioen
?
Hmki
Antennaria, Anthemis*
kifudji
eine Art Lune?
Yaraiko
Pertjularia ocloratissima
Fukumnki
Glückshol«.
Ätfeaü
?
D^lko
?
Hengo
?
Santan
?
Bo ran
dne Orcbidee? J
Bi)S90ko
Hibißciis syrij*cii8.
IriomotteraD
i
Kocho
Papilio. ^
Nan^O-ran
?
Fufoso?
Hoflinj^akriiuL
Hosai-ran
^
Nichinichiad
Aühi^skrauL
i
Frucbthagende Pflanzen sind: Mohn und Rui-gan-niku, eine chinesische Frucht,
PflaumeDartcn und Ptiräichc. Der Pfct!er wird im Sommer iiicliL welk. I>ie Pflaü-
zpo werdcD von 7 oder 8 snn bi» 7 — 8 sbaku hoch. Die Kirsche trägt Blüthen,
die aber keine so gläozeadeo Farben haben, wie in Japan. Ks giebt wenig Crypto-
meria japonica.
Ban- und Schiffsbaubolz wird von Japan eingeführt. Bei Sburi und Nawa
giebt es überhaupt wenig Baume, Brennholz und Hobkohlen werden von Sangen (?)
iraportirt, daher sind die Preise hierfür höher, als in Kagoshima (Kiy^hin).
Die Gesetze zum Schntze des Waldes eind sehr scharf, in jedem Kreise ge-
hören 140 000 tsubo dem Staate. Mit ErlaubniBs der Regierung können die Ein-
wohner Bäume pBanzen, sie bekommen dafür eine BelohDung. Die Fauna gleicht
der von Japan, Im Süden giebt es Seepferde {Kaiba - Hippocampus), DachBe
und Füchse giebt es nicht. Gänse und wilde Enten bleiben nicht auf den Inseln.
Reiher sieht man nicht. In der Umgcnd von Shun giebt es keine Raben und
Falken (tombi)^ nur in Sangen kommt eine kleine Rabenart vor«
Mushi (darunter versteht der Japanern Käfer. Würmer und Insekten) sind sehr
zahlreich^ viele leben das ganze Jahr hindurch* Zur Frühlingszeit kommt die
Schlange habu, eine Gattung Trimeresurus hervor, die sich zum Herbst ihrem
Winterschlaf hin giebt. Diese Schlangen leben von Wurzeln, klettern auf die
Bäume nod sind giftig. Namentlich auf 0-shima und auf Toknno-shima giebt es
viele habu. Auf Kerama^ Okino-Erabu^ Kikai kommt &ie nicht von
Flusafische sind dieselben Arten, wie in Japan. Seefische giebt es viele, welche
man weder als chinesische, noch als japanische bezeichnen kann, unter diesen sehr
grosse und schmackhafte. Die Humnter haben die Grösse von 2 Fuss 5 — 6 Zoll und
sind 1 Fuss dick. Tacco, Tinten fisch- Arten, sowie Kamasu giebt es viele; ebenso
grosse Muscheln, welche man als Gefässe benutzt.
Der Landwirth&chaft widmet man auf Okinawa viel Sorgfalt, da die Insel stark
bevölkert ist Nach altem Gesetz muss jedes Haus 2, 3 oder 4 Schweine oder
Ziegen unterhalten. Man hält dieselben des Dungeis wegen. Wer solche Tbiere
nicht bat, muss Strafe zahlen. Die vorgenannten Pferdeställe sind auch Versamm*
lungaorte für Dorf bea rate. Doit urt heilt man je nach dem persönlichen Fleiss und
entscheiden die Rangklassen. Wer in die erste Klasse kommt, erhält eine Be-
lohnung; wer in die letzte Klasse kommt^ luuss Strafe zahlen. Meistens erzielt
man 2 Ernten, doch nicht überall, wegen des Mangels an Wasser. Die Indigo-
I
h
(161)
pflanze ist dieselbe, wie iü Japao. Mau pflanzt sie durch Stecklinge fort. Bei
jedem Hause lind et sie sich, da ein Jeder fitch die Kleider selbst färbt. Kara-
rausbi') wird 5 Fuss boch. Aus der Rinde wird der Grasanzug (jofu) gemacht
Die Pflanzen werden auf dem Acker ge2ogen, namentlitb in Scbiattan und Mo-
tobu. Nacb Ablauf von 8 — U Jahren macht man eine neue Anpfianzung. Nach
00 Tagen schneidet man immer die Aeste ab und hat somit 6 Ernten im Jahre.
Der Tagtbihn ist billig. Die Regierung kümmert sieb um jede Neuerung und
deshalb fürchten sich die Bauera, neue Culturen anzulegen. Neuerdings werden
aber bei Shuri und Nawa Älaulbeerbätinie gepflanzt. Soba (Buchweizen) baut man
nicht, weil die Insulaner behaupten, diiss Schweinefleisch und eoba Gift seien.
Ich lasse nun die gefichichtlichen Aufzeichnungen des Hrn, Idji-chi folgen.
Derselbe schreibt: Die gegenwärtigen chinesischen Zeichen für Liu-kiu stammen
von der chinesischen Ming- Dynastie her. Das beisst soviel, dass ein Herrscher
dieser Dynastie, Shu-Gensho, die Zeichen für den Naraen gegeben haben soll.
Aussei* allem Zweifel bleibt es, dass der Name Riu-kiu, chinesisch Liu-kiu, iir-
alt ist»).
Zur Zeit des Kuwammu Teano, 782 n. Chr., reiste im 23. Jahre der Enriaku-
Periode ein japanischer Priester, Kukai, nach China. Derselbe schrieb dort ein
Buch, in dem Liu-kiu erwähnt wird, und zwar mit folgendem Zeichen: ^ ^^^
Zur Regieningszeit des Buntuku-Tenno. im 3. Jahre Jinjiu ward ein Priester
Tachisho nach China verschlagen, der von da nach Liu-kiu Ylfr "yr* kam. Der
berühmte Geschichtsschreiber Miyoshi Kiotsura schrieb spater eine Biographie
dieses Priesfers. Bei ihm sind die Zeichen für Liu-kiu: j-nt' Jilj. Üji-Dainagon
(ein Hof ad liger) schrieb ein Werk über alte Geschichte, in dem er Liu-kiu m Tw J"iß
schrieb. In China schrieb man zum ersten Male in dem berühmten Werke Tsuisho
Liu*kiu mit den Zeichen i'W ip Zur Zeit der Dynastie To ( S ) bat ein Chinese
Riu-ahi-ko Liu-kiy so geschrieben, wie es heute noch geschieht. Jirf" fm* Inder
Geschichte der Dynaiätie So (chiaes. Sung) kommen aber wieder die Zeichen vor, wie
im Werke von Tsuisho. In der Geschichte der Gen- (chines. Juan) Dynastie beisst
es aber Liit-kiu T^jl^und ein chinesisches Werk SchorokuHJ- J^ §^ schreibt
Liu-kiu: Yw ijjf Obgleich diese Zeichen von einander abweichen^ muss man sie alle
Liu-kiu aut^sprechen. p]s gelit daraus hervor, dass man die passendsten Zeichen für
die aJten Laute probirte und Liu-kiu kein erfundener Name der Ming-Dynastie ist.
Die Eingebornen sagen allgemein Okiaawa ()H1 xna), und das schon seit
alten Zeiten. Zur Zeit des Koken -Ten no, im 5. Jahre der Terapei-shoko (749 n. Chr.)
kehrten der japanische Gesaiulte Fuchiwara Kiok?iwa und die Vicc-Gesandten Otomo
Komar<>j Kibi and Shimbi und Andere von China nacb Japan zurück. Durch einen
Sturm verschlagen y kamen sie nach der Insel Akonawa. Anawa ist ein alt-japani-
sches Wort für Okinawa und bedeutet ^offene Strecke"'. Im Hekemonogatari (alt-
japanisches Werk) wird Okinawa erwähnt, ferner dass Insulaner von Süden mich
Japan einwanderten.
Im 24. Jahre nach der Thronbesteigung des Stiiko-Tenno sind schon Ekiku-
1) Boehmeria nivea, eine ürticacee.
2) Bei den Japiinern hat das anlautende L einen ri-LAUt.
rbMudL der BerL ^uilyopoL GMvLItcbjifL IM^ Ü
TJ*
(162)
Leute Japaner geworden. \ü den folgenden 300 — 4110 Jahren kamen fortwiihrend
Leute TäD Tami u, s. w. nach Japdn, die sich dort einen Rang erwarben, Oshima
soll man früher E^^mhi genannt haben, und Ishigaki früher Sliinkaku. Nirgends aber
heiaat es, dass Liu-kiu-Inaulaner nach Japan eingewandert seien. In seiner Be-
8chreibung der südüchen Inseln ^Nantnshi'* sagt Arai-Kumbi:
^Im 24. Jahre der Regierung des Sniko Tenno (593 n. Chr.) kamen Leute von
„Ekikiti nach Japan. Dies ist der Anfang der Einwanderung der Leute von Süden
her.'* Nun geht aber aus älteren Werken hervor, dass die Einwanderer von an-
deren Theilen der Tnsel Oahima über Ekikiu, das auf dieser Insel liegt, einwander-
ten '), Im 10. Jahre der Hakusho-Periode, unter der Regierung des Temmu Tennu,
wurde ein Gesandter nach Tami-shima geschickt (673 il Chr»?). Dieser brachte
einen Plan der Insel mit. Derselbe schreibt, dass die Insel 5000 ri TOn Kiyoto
entfernt sei und sich im Meere südlich von Chikushi (ein Ort auf der Insel Kiu-
shiu) befände. Der Gesandte schreibt von den Bewohnern:
„Die Leute haben kurze Haare, soshio-Graskleidung, Die Reisernte
„ist immer gut Getreide kann man zweimal ernten,"
In der alt-Japanischen Geschichte heisst es:
^Atiieno-ha-tsuchi-ikedsuki-no-mikoto hielt mit Amatsu-hitsu-hitsuki-
^no-mikoto Rath und ertheilte dem Mikoto Awanakino und der Tsurana-
,kieaki-Kanushi-iio-mikot<D den Befehl, nach den Liu-kiu-Inseln zu reisen.
Sie nahmen 150 hohe ond niedrige Gotter mit und fuhren von Sata in
„Osumi (Sfid-Kiushiu) ab. Auf den Liu-kiu-lnseln angekommen, zeigten
^sie den Bewohnern den Seidenbau, Awanakino und Kitashisanahime aber
„blieben dort und wurden die Herrscher tou Futauaki-Land: K^ Vjy^
Im 16, Jahre des Suiko Tenno (593 n, Chr.) w^urde ein Gesandter Onnu Mai-
koshin nach Dakoku (China) abgeschickt. Derselbe sandte einen Vertrauten nach
Liu-kiu, um das Volk dort zu beruhigen, und brachte Kofu (Zeuge) mit, die der
Gesandte als Waare von Yukiu-Koko erkannte.
Man sieht hieraus, dass Japan schon vor dieser Zeit mit den Liu-kiu-Iaseln im
Verkehr gestanden hat,
Ira 6, Jahre der Tempei-Feriod© (729 n. Chr.?) schickte man 2 Männer: Onno
Assön*ro und Takahashi Renkiuyo nach den sudlichen In^ieln, um auf jeder Insel
ein Steinzeichen, d. b. eine Land marke zu errichten, Ira folgenden Jahre ward
dem Dai-saifu der Befehl gegeben, von Neuem ein Steinzeichen (hi) auf jeder
Insel zu errichten. Auf jedem Stein war der Inselname^ der Hafenort und die
Entfernung ein gehauen.
Im ersten Jahre der Eman-Periode (1165) ist Senjei-Hachiro Tametomo (der
berfihmte Bogenschütze Japans) von der Insel Oahima bei Idzu abgefahren und,
durch verschiedene Inseln steuernd, nach den Liu-kiu-lnseln gereist. Er heirathete
dort die Tochter des Oeato-ansu. Diese gebar ihm einen Sohn. Später kehrte er
nach Oshima zurück. Sein Sohn aber ist Shuntecj-o^ der den Aufstand unterdruckte
und Yom Volke zum Könige der Liu-kiu-lnseln gewählt wurde.
Gegenwärtig steht im Tempel Sogendji im Dorfe Tomari-mura sein ihai (Todten-
tnfel) und vor dieser sein Bogen. L>ie8er Tempel wurde von seinen Naehfolgern
sehr Terehrt, Der König ging jedes Jahr in Person dorthin, um seine Huldigung
zu bezeugen (sampai^dsani).
t) Auch die von anderen kleineren Inseln über £kikiu kommenden Insulaner nannte man
»Leute von Ekikiu*. —
Ctes)
I
I
I
Iq dem Buche, weJches toq den Liu kiu-IiisulaDcrD geechrteben ist, heiset es,
Shutiten-o sei aus der Minamoto-Familie ynd deren Ahnherr sei ChinBei-Hacbiro-
Tametomo.
Bei deD höheren Standen der Insulaner kelirt das Zeichen für Tomo als Name
mehrfach wieder. Dieselben halten sich nlh für Abkömmlinge von Tametomo (dem
berühmten Bageoschützen JapaaSj der auch auf deai ueuen Papiergeld abgebildet ist).
Im 3. Jahre Bundji (1372) wurde der Yorfahr von ShimadÄU (Satsnma)^ Namens
Tada-hiza, Gouveraeur von Satsuroa, Osumi, Hinga ynd auch Ton den südlichen InseJn.
Im Bekimooogatarl fiudet man ein Verzeicbniss yon 12 InseJn, darunter auch
Okinawa.
Im 10. Jahre der Shohei -Periode (1340) wurde dem Ashikaga Yoshinori ein
friiherer Besitz von Shimadzu, Sadahiza, als Lehn gegeben. In dieser Urkunde
werden die 18 Inseln von Kawanabegori erwähnt, worunter die Liu-kiu-Ineeln zu
verstehen sind. In einem Gedichte des Priesters Bunshi, der zur Tensho*Kecho-
Periode lebte, heisst es: Nawa liegt eigentlich in Kawanabegori, woraus man ersieht,
dass der Vorfahre des Shimadzu und Satsiima- Fürsten die Inseln verwaltet hat
Ashikaga Yoshinori hat dem Shimadzu Sudakuni die Liu-kiu-Inseln zum Geschenk
(Kaho-Lehn) gegeben, weil er im Stande war, den Revolutionär Yoahiteru zu be-
wältigen. Sechzig Jahre vor dieser Zeit mussten die Liu-kiu-lnseln auf Befehl der
Ming- Herrscher an Japan Tribut zahlen. Vermuthlich war zur Zeit der Engen
(Yen gen) Periode (133ß) ein Aufstand, Japan im Norden und Süden unruhig. Der
Satsuma- Fürst hatte daher keine Zeit, die Lin-kiu-Iuseln zu verwalten. Dies ist
der Grund, warum seit jener Zeit uns die Inseln entfremdet sind. Wahrscheinlich
ist der eben erwähnte Tribut eine Wiederholung. Wie im Tsuku-ichi-zan erzählt
wird, kommen zur Zeit des Morumachi-Tenno oft Liu-kiii-Gesandte nach Kiyöto.
In der alten Geschichte von Satsnma, Satsuma-kiukk erwähnt man Äebnlicbes, Zur
Taikio- (ChokiyOj 1473) Periode hat der Satsuma-Fürst Yoshihiro einen Gesandten
von Llu-kiu in dem Gebäude Shiu-gaku-Dai dem Taikio vorgestellt. Im 14, Jahre
der Kecbio-Periode gr'ifi der Satsuma-Fürst Liu-kiu an, weil die Inseln lange Zeit
bchon ki'inen Tribut gezahlt hatten. Der Fürst hatte mehrere Male Gesandte hin-
geschickt, die Liu-kiu-Insulaner weigerten sich aber, den Tribut zu entrichten. Nach
Erlangung der Erlaubniss vom Shogun (Taiko) musste der Satsiima-Fürst die Insu-
laner angreifen. Barauf schickte der König der Liu-kiu- Inseln eine Schrift an
Yebisa, den Fürsten von Satsnma, in der ex Tribut zu zahlen versprach. Von
jener Zeit an ist es bekannt, dass die Liu-kiu*Inseln dem Fiir?teß von Satsuma
tributpflichtig waren.
Nach den chinesischen Quellen heisst eSj dass im 2. Jahre der Taishio-
Periode, der Dynastie Sui, ein Admirfil Kaban berichtet habe, dass im östlichen
Meere eine Insel läge, Im 4, Jahre derselben Periode Hess der Kaiser den Admiral
als Führer von Yoko-uki-shukan nach Liu-kiu reisen. Da man sich aber nicht mit
den Einwohnern verständigen konnte, kehrte man wieder um,
Im I>. Jahre der Taishio-Periode schickte der Kaiser Shukau abermals mit einem
Dolmetscher hinauf?, der die Liu-kiu-Sprachc verstand. Derselbe brachte kofu, d, h.
Zeuge mit Dies fällt in die Zeit, wo Onomai-Koshin nach China gereist war. Im
7, Jahre hat der Kaiser Bu-hinro^ To küchln, Riochoko, Taifu-chochin nach den Liu-
kiii-lnseln gesandt, um dort Unterhandlungen anzuknüpfen, die aber mit Krieg
endigten. Viele Tausend Männer und Weiber kamen als Gefangene nach China.
Im 29* Jahre Shigen schickte die Gen -Dynastie Tetsuboku, Jito, Djimbu,
Tshoko, Shingen, Banko, Cbosbin wieder hinaus, die aber ohne Erfolg heimkehrteu.
Der darauf folgende Krieg führte 130 Menschen nach CbiDa als Gefangene, Dies
(1(14)
gei?chah ini I.Jahre Ko-an, als die Ciiiaesen mit Jnpao kärapftert imd bd Ts«-
kushi auf dt^r Insel Ktushiu zunlckgeachlageu wurden.
Im 5. Jalire Kobu schickte die Ming-DyD&stie Gensho na den König der Liu-
kiu-ItiBulaeer, Sntsudo mit Nameo, eine Schrift dwreh Kojiü und Yosai. Die Liu-
k in- Beamten Mroen-le, Kioki T!?urdep darnuf tiai-h MiDg-Land (China) als Osandte
geschickt, Di*^s ist der erste Verkehr mit China seitens Liu-kiu.
Her Sohn des Liii-kiu-Koni^s Satsiido, Namens Bunc, bestieg tlt-n Thmn und
empfing den Kalender (Hosaku) von China. Von dieser Zeit ab musstc der Liu-
kiu-K*intg auch von China anerkannt werden (d. h. und war diesem Reiche tribul-
pflichtig).
Die 6 verschiedenen Königsfamilten heiascn:
1 Teuaon (Tien-sun), dieselbe geht darcli 2b Generationen.
Auf ihn folgt der Sohn des japftoiachen Helden Tametomoi
% 8hun-Tenno, mit 3 Generationen.
3. Eso (Ying-tso), die nach b Generationen ausstirbt.
4. Satsudo (Tsba-tö), mit 2 Generationen.
5. Shishoo (Shang-Sse-shao), mit 7 Generationen.
6. Shojen (Shang-yuf^o), der vom Volke erwählt wurde, und dessen Nach-
kommen bis zum letzten König Shotüi reichen, der 1876 von Japan mcdiatisirt
wurde und gegenwärtig den Rang eines Kaditoku hat und in Tokio wohneD sollte,
wo an seiner Stelle sein Sohn sich aufliält. Einige behaupten, dieser Shoyeo sei ein
Nachkomme der 2. Dynastie, Andere führen ihn auf die erste xurück,
l ri = S6 cho = 2160 Vea ^ 12,9<50 sbuku = 3927,27 Meter.
1 kokü ^ 180,3907 Liter.
1 kia ^ 601 Gramm*
(in) Hr. Dr. Kohl er in Kosten berichtet über das, schon in der letzten Sitzung
(Verbandl. S. 127J erwähnte
Bronzegefäss vo^ Unia.
Da meines Wissens ein bronzenes Gefass, in welchem verbrannte Gebeine bicli
befanden und welches die Gestalt einer Urne hat, in der hiesigen Gegend bis jetzt
nicht gefunden wurde und das Exemplar iu meiner Sammlung viel Interessantes
bietet, so berichte icb vorlaufig das mir Bekannte, um später nach näheren Recher-
chen Weiteres zu beschreibeu.
Im letzten Sommer wurde auf dem Felde zu ünia, Kreis Wreschen^ Reg. -Bez.
Posen, heim Pfiijgen ein bronzenes Gefas» (E«g. 1) auf die Erdoberfläche befordert
Es Boll bedeckt gewesen sein, doch fjoll der Deckel in mehrere Stucke zerfallen
sein, auch fehlt der Boden. In der Urne befanden sich kleine Stöcke von Knochen
mit Erde vermengt. Die Urne von grüner Farbe, welche sehr der bei Undset
Seite 3,^9 abgebildeten ähnelt, ist von getriebenem Bronzeblech und besteht aa?>
zwei Theilen, welche in der Gegend des gntssten Urofanges des Gefasses durch
16 bronzene Niete zusammeogenietet sind. Der ober© Theil überragt den unteren,
so dass der freie Rand nach unten kommt Die Oraamentik besteht in gepunzten
Buckeln, denen innen Vertiefungen entsprechen. Die Gegend, wo die Henkel an-
gebracht sindj ist frei von Buckeln. Vom Hoden, an der äusseren Seite gemessen,
bis an den freien Rand der Nietstelle betragt die Höhe 21 cm, von da ah bis au
den oberen Rand des Oefasses 11 '/j ctn. Der Durchmesser am oberen Rande be-
tragt 22 cni; der umfang des Oefasses ober den Nieten misst 109 ew, der un~
grosseren deatruktiven EiukerbiJDgen versebea. Der Bodeo ist ausgebrocbeo ^ der
untere Rand aucb mit destruktiv en Einkerbungen versebeo.
Die beiden Heikel siod mit je zwei (oben und unten) Nieteo an das Gefass
befestigt. Zwiscben den Nieten befinden sich drei Btickel. Die Henkel von S^l^cm
Breite selbst sind sonst nicbt mit Buckeln, nur mit Dellen verziert , die durch ein
veftieftes LinieBornament getrennt sind. Die Innere Fläche der Henkel ist glatt
Die in eine Fläche ausgebreiteten Henkel würden folgende Gestalt und Ornamen-
tirung zeigen (Fig. 2):
ce*i' ««««*•
^ CCOC0C#G€^C0CC'CC^CiC&C>&CC'G6CQ^G€CGC ^
Im nächsten Sommer werde ich an Ort und Stelle selbst die Gegend besich-
tigen, auch wohl Ansgrabungen veranstalten, und den weiteren Bericht xu erstatten
nicht versäumen.
(166)
(11) Hr. W. Schwartz ubergiebt einige Blätter mit Zeicboungen des Fmherra
YOE Hardenberg in Posen, betreff CEd in dessen Besitz befiodtiche
Gräberfunde von Oluzyn und Kamelin, Kreis Kosten u. s. w.
1. lu Dluzyii wurde 1882 eine grosse Auzahl meist schwarzer Tboogefasse
der verscbiedensteD Art, dem fausitzer Typus iini^ehcirig, gefuDdeu, darynter solche
mit Buckeln und aufgericbtetcü zugespitzten Vorsprungen, Einzelne
Schalen (PletscbeD) hatten Verzierungen auf der inneren Seite, Aiisaer-
detn eiue 16 an lange Hronzenadel mit Brilienspirale (Fig> 1), eine
22 cm lange ßronÄeoadel nut gebogenem Halse und endsländigem
Knopf (Fig. 2)j eine 12 cttt lange de&gifichen. eine blaue Gla&peiir,
4 kleine und ein grösserer Bronzering.
2. Bei Trzebidüa in der Nähe von Dluzyn 3 Thoogefasse und
eine sehr zierliche „Pletscbe**, an deren Boden sich ein kleiner
kegelförmiger Zapfen erhebt,
3* In Kamelin gleichfalla 1882 zwei schwere offene Brc^uze-
Armringe, 6,6 an im Durdiroesaer, 17 tum hoch, mit einfai^h linearen
Verzierungen.
4, In ßuckwitz, Kreis Fraustadt, ein eiserner Sporn, ein halbes
Hufeisen und ein eiserner Ring von einem Pferdegeschirr.
5* In der Umgegend von Bromberg zwei durchbohrtey geschliffene Stein-
hammer, der eine 22 an lang nnd 4 cm hoch, der andere 14 an lang und 7 hoch.
Fig. 2. flg. 1.
I
(12) Der im Jahre 1^80 gegründete historische Verein zu Broml*erg hat
einen Jahresbericht über seine Thatigkeit im Jahre 1881/82 erstattet. Ks wprden
darin Gräberfelder
1. in der Forst bei Myslencinuek und Tbalhoim,
2. bei Niecponie an der Weichsel bei Fordon,
3. zu Fünfeichen, Kreis Bromberg
erwähnt, deren Zeitbestimmung zu erheblichen Zweifeln Veranlassung bietet. Als
bester Fund wird der von Wojciechowo bei Nabel, südlich der Netze, beEeichnet;
daselb&t entdeckte man in einer grossen kronenformigen Schüssel 21 grosa»^ dicke
massive Bronzeringe von ovaler Form, spiralförmige l)nibtrioge, 4 Fingerringe, eine
zerbrochene Oliedeiketti% Bernsteinperleu, 2 läugüche Bronzehammer und neben
der Schüssel ein kurzes „Schwert (oder Opfer messer)" von Bronze. Aus dieser
Angabe lasst sich leider weder über die „Hämmer", noch über das „Schwert**,
welches möglicherweise ein Messer war^ etwas entnehmen. Genauere Angaben
wären wünschenswertli.
(13) Hr. Julius Sauer in HilJburghausen übersendet Naehriehten über das in
London befindliche (Verbaudb S. llH) behaarte Laoskind.
Hr Bartels legt eine Zeichnung des Vaters dieses Kindes und zum Vergleich
zwei Bilder der behaarten Birmanen vor,
(14) Hr. Bartels zeigt Photographien aus dem Museo civieo in Bologna.
(15) Hr* Bastian spricht über die
Weihe der JÜnglJnga bei Eintritt der Pubertät.
Der Vortrag erscheint, weiter ausgeführt, in einem zur Ausgabe vorbereileten
Buche,
(1(57)
(16) EiDgegaDgeoe Schriften.
1. Neues Lausitzisches Magazin. Bd. r)8. Görlitz 1882.
2. R. Falb, Das Land der Inca. Leipzig 1883. Geschenk des Hrn. KQnne.
3. Mittbeilungen des Vereins für Erdkunde zu Halle a S. 1882.
4. Bulletino della Societa Africana dltalia. T. I, Fase. 4.
5. Fernao Card im, Do principio e origero dos Indios do Brazil e de seus costumes,
adora^ao e cerenoonias. Rio de Janeiro 1881. (lesch. des Hrn. Dr. Karl
Henning.
6. Keyue d'etbnograpbie. Tonne I, Nr. 6.
7. Revue des Religions. Tome IV, Kr. 6. Tome V, Nr. 1, 2, 3.
8. Annales du Musee Guimet. Tome IV.
9. Nachrichten für Seefahrer. 1883. Nr. 1—5.
10. Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie. 1«83. Heft 1.
Sitzung am 17. Februar 1882,
Vorsitzender Hr. Virohow.
(1) Der Au88chu88 hat sich constiluirt und Hrn. Kon er wiederum zum Obmann
erwählt.
(2) Als neue Mitglieder sind gemeldet:
Hr. Major Frohn hofer, ßerliu.
„ Juwelier Paul Teige, Berlin.
„ Dr. Grünwedel, Berlin.
„ Major Uhl, Ingenieur-Offizier vom Platz, Spandau.
„ Dr. Schroeter, Dalldorf bei Berlin.
„ Buchhändler Behrend, Berlin.
„ Buchhändler Goldstucker, Berlin.
(3) Hr. Virchow legt die zu seinem demnächst im Verlage von A. A sher & Co.
erscheinenden Werk über das Gräberfeld von Koban angefertigten Lichtdnick-
tafeln vor.
(4) Hr. Bastian überreicht ein Werk über die Ethnologie der amerikani-
schen Nord Westküste (Haidah), welches von der Direktion der Königlichen
Museen herausgegeben ist.
(5) Hr. Teige zeigt eine von ihm angefertigte und für den Handel bestimmte
Nachbildung des Hiddensöer Goldschmucks und einer silbernen bei Swine-
mfinde gefundenen Fibula.
(6) Hr. Finsch stellt eine reiche Auswahl der auf seiner letzten Reise an-
gefertigten und erworbenen Photographien oceanischer Rassen aus.
(7) Hr. Voss übersendet aus Canstatt, d. d. 15. Februar, mit nachstehender
Erläuterung
Costiimphotographien von Bäuerinnen aus der Gegend von Tübingen.
Nr. 1, eine alte Frau darstellend, scheint mir besonders bemerkenswerth, da
dieselbe noch eine Vorstellung davon giebt, in welcher Weise man dort mit der
Spindel spann, indem nehmlich mit der linken Hand der zu drellirende Flachs von
dem Rocken, hier „Kunkel^ genannt, gezupft und mittelst der in der Rechten ge-
haltenen Spindel zum Faden gedreht wurde. Die ^Kunkel*' steht dabei isolirt auf
(170)
einem dreibeiüigen FussgestelL Auf der Pliotographie ist auch nocb ein kleioer
Handhaspel dargf^steltt. In der Gegend vod Loreb im Remsthad spannen einzelne
Frauen noch ?ar etwa 15 Jahren mit der Spindel. Auch erzätdt mir Hr* Hang,
Bademeister der hiesigen Veielscben Anstalt, dass seine Frau, jetzt 72 Jalire alt,
noch als junges Mädchen ebenfalls mit der Spindel gesponnen habe. Sehr geübte
Spinnerinnen behielten übrigens, wie letzterer angiebt, die Spindel nicht in der
Hand, an dem Faden hängend, sondern gaben derselben, zwischen beiden Händen
den Stiel rollend, eine kräftige Drehbewegung und Hessen sie gleich einem Brumm-
kreisel auf dem Fußsboden laufen und den mit der rechten Hand gezupften Werg
drelliren* Die Spindeln bildeten einen Hausirartikel, der mit Zündhölzchen und
Ähnlichen Dingen von herumziehenden Mannern verkauft wurde. Sie waren gleich
«um Gebranch fertig, mit ^steinernen**, wie ich aber vermuthe, thönerneu Wirteln
versehen, llr. Haug hat mir versprochen eine „Kunkel** nebst Spindel, wenn es
noch möglich ist, zu verachaffen.
Schon fraher hatte ich über das Spinnen mit der Spindel berichtet, wenn ich
nicht irre, im Jahre 1875. Damals traf ich in Rotlieaburg a, d. Tauber eine Fniu,
welche mit der Spindel spann und sieb einer ahnlichen Kunkel bediente. Sie s&gs
aber nicht beim Spinnen, wie die auf der Photographie dargestellte Frau, aondern
stand dabei, indem sie ebenfalls, wie hier auf dem Hilde, mit einem Fuss den Rocken
auf dem Boden festhielt, damit er nicht umüele, und mit der linken Hand den
Werg zupfte, während die rechte die Spindel drehte.
Die Photoi;rapbieD Nr* 2 und 3 steilen Brautjungfern dar mit grossem krönen-
förmigem Kopfputz, welcher mit Goldflittero und anderen bunten Sachen reich ver-
ziert int. Eine Shnliche Krone erwarb ich im vorigen Sommer in Nürnberg für
das KünigL Museum. Sie stammt aus der Umgegend von Nürnberg. Ausserdem
verdankt das Königl, Museum ein ähnliches Stück, welches aus Norwegen stammt,
Hrn. W« von Schulen bürg, der vielleicht über die Provenienz desselben noch
Näheres angeben kann.
(8) Im Namen des Hrn. Ludoif Paris ius zeigt der Vorsitzende
Bronzereste und einen Thonscherben von den Keller bergen bei Gardelegen.
Der Pastor Adolf Paris ins in Gardelegen hat diese Stucke in der Nahe der
Ülanen-Heitbalm von einem grossen ^ Wendenkirch liofe^ erworben. Das Urnenstück,
hart am Boden des Gefasaes ausgebrochen, ist sehr dickwandig und besteht aus
grobem, mit zahlreichen Kiesbrockeln durchsetztem Thon. £& ist aus freier Hand
geformt, innen und aussen einigermuasfien glatt gestlichen, schwach gebrannt, so
dass es innen und auf dem Bruch schwarzlich, aussen grauröthlich aussieht. Eis
seheint zu einem ziemlich grossen Gefässe gebort 2U haben* Die Bronzestucke
haben durch Feuer stark gelitten. Das eine ist ein Fragment eines Tortjues; das
andere besteht aus xwei zusammengeschmolzenen, zum Theil um einander ge-
wundeneu Stücken eines scheinbar glatten Halsringes. Offenbar handelt es sich
also um ein Grabfehl mit Leichenbrand, wahrscheinlich der germanischen Zeit an^
gehörig. Da der Angabe nach die Urnen ohne alle Ornamente sind, so ist eine
genauere Zeitbestimmung nicht möglich.
(9j General v. Erckert in Fetrowsk, Kaukasus, hat dem Vorsitzenden eine
Reihe von Schädeln, Skelettheüeu imd Beigaben aus kaukasischen Gräbern über-
sendet, über welche letzterer sich vorbehält, später Mittheilungen zu machen. Heute
legt er folgende schriftliche Nachrichten vor
I. Ein Kurgan bei Stawrapol.
^Hierzu TaL 111.)')
In einein Kurgan (Grabhügel), südlich von der beinahe 2000 Fuss hoch auf
einer Hochflacbe, von Miocan gebildet, liegenden Stadt Stawropol (genau auf der
Wasserscheide zwiscben dem Schwarzen und Caspiacheu Meer) fand mau folgend©
Gegenstände, die icb in AbbilduDg und Beschreibung mittbf^ilo:
1, Perlenschnur aus kleinen gelben, dem Anschein nnch, goldenen Kugel eben
mit kleinen durcbgebeoden Oeffnungen zum Aufreihen.
2. Silberner, wohl Arm*Reif.
ä. Silberner Hing, durchweg gerippt.
4. irans£ roher ^ zusamnien gebogener Ring, dessen zusammenlaufondc Enden
dönnec als die gegenüberstehende Mitte sind.
5* Art Conus, aber platt, mit Oeffnung in der Mitte, und abgerundet nach der
Basis zu^ die platt ist (Spinnwirtel?).
0. Figur aus Bronze; hinten eine starke Oebse, die in der Lage der Figury
wie sie abgebildet ist, von links nach rechts geht, so dai*s beim Befestigen etwas
von oben nach unten durchgesteckt werden muaste. In der Zeichnung ist der Gegen-
stand ein klein wenig grösser als in der Wirklichkeit wiedergegeben worden, der
besseren Ausführung wegen.
7. Roh gerippter Knopf oder Perle mit Loch zum Aufreihen auf einer
Schnur; auf einer Seite etwas abgestosseu, wo eine glatte dunkelrothe Fläche sicht-
(mt, wie dunkelrother Bernstein oder Carneol glänzend. Die iiusaere Fläche ist
muh und wie mit einer Art graugelbem Kost bedeckt.
ö. Cylinderförmige, wie eine blasse Hambiitte schimmerDde Perle, die in der
Mitte etwaa stärker, als nach den beiden Oeffnungen, zum Aufreihen (in der
Längenaxe).
9. Gauz cylinderförmige Perle aus blasser, gelblich grau schimmernder, wie
Porzellan aussehender, polirter Substanz (oder Knochen?). Die Zeichnung darauf
ist ziemlich fein und zart; die Bogenlinien im Original mit mehr scharfen Ecken,
als auf der Zeichnung» sind parallel und die mittelsten dicker und duukelgrau,
etwus bräunlich schimmernd; vier solche Streifeu. Zwei parallele feine Linien be-
gleiten die concaven Bogen; sie treten scharf hervor, da zwischen ihnen der Unter-
grund ganz weiss ist^ wie er überhaupt (gefärbt) auf der ganzen Oberflfiche gewesen
SU sein scheint.
10. Durchsichtige Perle von schmutzig weissem Stoff (Glas?).
IL 4 Pfeilspitaeu aus Bronze; die drei Seiten sind concav eingebogen, sodass
dje drei Kanttu dazwischen sehr scharf hervortreten* Die erste PfeilapitÄe bat
ausserdem Jtwei ziemlich tiefe und abgerundete P^insehnitte auf den drei scharfen
Kanten, die Honui eine Wellenlinie bilden. Die Dülle bildet einen bohlen Cylinder zum
Befestigen auf einen Pfeilstab. Ausserdem bat bi^i jediT Pfeilspitze eine der drei cou-
oAven Seiten eine längliche Oeffnnng, vielleicht dazu bestimmtj um die Spitze besser
zu befestigen (oder zur Aufnahme von Gift?), damit sie sich nicht abstreifen kann?
12. Blassbrauner Stein (Bruchstück eines grosseren Stuckes?), von aussen rauh
und wie mit Staub bedeckt; an den Rundem abgeschlagen, namentlich auf einer
Seite; sichtlich ein nur wenig grosseres, als gegenwärtig, Oval bildend, und ent-
schieden als Deckel eines tierässes dienend: wenn man sich den oberen muldeo-
1) Die Abbildunfereii Fip. 1 — ö, 7 — 11 in natürlicher iirosse, Fig. t> etwas vergtüsscrt,
Fig. r^ — 14 in Vi der natürlichen Grösse.
artigen täDglichea Knopf eitler Griff forLdenkt, so betragt die Dicke (Hohe) von
oben bis zum flachen Boden 2 englische Zoll, Zwei der Seitenflächeß, auf denen der
doppelachichtige Untersatz des miilden formigen Koopfes sich befindet, zeigen eine
flach concave Ausbiegung; auch die nur wenig abgeschlagene^ gegenüberliegende
Seite; daa Stück, das der abgeschlagenen Stelle gegenüberliegt, ist aber convex
geformt und eben nach aussen gewölbt, so dass der obere Knopf im Verhäitrdss zQ
dieser Seitenfläelie so zu sagen schief stellt. Der Stein scheint sich schichtweise
zu spalten, oder, besser gesagt, zu blättern.
13» Stahldolch, sehr stark verrostet.
H, Instrument aus ganz dünnem Knpfer, uie aus Blech; verrostet und grün-
lich schiramernd. Der abgebrocfieue (irififknopf wurde mit einem faden befestigt.
Die Locher in der Flache sind sichibiir liureh den Rost oder irgend einen Unistaad
entstanden, da die Ränder wie abgeblättert sind, Rings herum ist der Rand des
Kreises etwas, aber kaum merklich in die Hohe gebogen, während auf der entgegen-
gesetzlen Flache kb-ine Funkte als Mittelpunkte ganz kleiner Kreise angebracht
sind, die jedesmal auf der Mitte einer S^artig verschlungenen Linie liegen, die deo
ganzen Rand umgietvt. Z^wischen dem Knopf des Stiels und da, wo der Stiel an
den Kreis st5sst,'ist ein schmaler Querstreifen, aber eben nur auf derselben Seite,
auf welcher die Zeichnnnjj; des Randes befindlich, eiugravirt, dessen ZeichnuDg
(wenn solche vorhanden war) wegtui des Rostes nicht zu erkennen ist.
Das Ganze macht den Eindruck eines Geschirrs, um etwas darauf zu präseu-
tiren^ oder den etues Hand»^piegels; nur ist, was auch zufällig sein kann, eine
kaum merklich concave Wölbung der Fläche auf derjenigen Seite zu bemerkeUt auf der
sich die Zeichnung nicht befindet (was für die erste Annahme sprechen dürfte) und
auf welcher man deutlich die ausgescblagenen Punkte der anderen Seite hervor-
treten sieht, während die Linien in S-Form auf der anderen Seite nur fein ein-
geritzt sind.
2. Ein zweiter Kurgan bei Stawropol, ausgegraben im October Iß8t
Die wahrhaft zahllose Menge grosserer (oft recht grosser) und, hin und wieder
in unmittelbarer Nahe von ihnen, kleinerer Kurgane im nördlichen Kaukasus, vor-
zugsweise längs des mittleren und unteren Laufes des Terek, der Kumd imd des
Kuban, sowie ganze Kurganen-Felder an den Nebenflüssen des letzteren, besouden
der Laba, veranlassten mich, nach den leider nicht zu Ende geführten Ausgrabuagen
in Cujavien, mein Glilck mit einem Kurgan zu versuchen, und zwar aus Mangel
an Zeitj mit einem kleineren {da grosse mit 10 Arbeitern einen Termin von drei
Wochen erfordern, besonders des Wegschaffiens der Erde wegen und über 100 Rubel
Kosten verursachen für die Arbeiter allein). Es wurde 5 Tage daran gearbeitet
Der Kurgan, 2 km in OSO. -Richtung von Stawropol, hatte eine Höhe von 3 w,
einen umfang von 120 m, lag auf freier Ebene, nicht sehr w^eit von einem Wasser-
lauf entfernt, fiel nach Norden besonders und Osten etwas steiler ab, als nach Westen
und Silden, und hatte oben eine tlach gebogene Kuppe. Seiner geringen Grösse wegen
schlug ich in seiner Mitte, etwas üt}er dieselbe nach N. hin übergreifend, einen An-
fangs 5 Schritt weiten, danu auf 8 Schritt erweiterten, senkrecht abgestochenen uud
in der Mitte bis auf den natürlichen Boden geführten, nach Suilen mehr als 15 Sehritt
verlaufenden (iraben, der später iu der obersten Schicht nach 0. und N. hin, und
tbeilwetse auch nach W. erweitert wurde. Die obere Schicht bestand aus bröck-
ligem, sehr kidkigem ^fergeb di*r nach tien Seiten nlluirdilich verlief und somit den
Eindruck späterer Aufachütlung machte, da in weniger als 1 tn Tiefe die schwarze
Erde plötzlich, wie in der ganzen Umgebung, zu Tage trat. Kaum hatte die Arbeit
I
073)
bcgooDcu, so z«jigteii sich am astlicLen uLicreti Haade. di^s Grabeu;» Holzreste, Eiche,
jcfanz braiifi, aber gut erhalten; sie standen schräg»^, dacbformig von einer Seite in
dern Boden iiud JicMjeu auf Adighi'% wohl Kabardiner, scbltesseo, die Doch im
torigen Jahrhundert diese Gegend bewohnten, und die noch heute so ihre Todlen
im Grube bedecken, wie sie selbst erzählen, DasSkelet, vollständig erhalten, lag
mit dem Kopf auf der rechten Seite und auch die Beine halb seitwärts gegen W., die
Füsse gingen O, gekehrt (Skelet 1); etwa 6 Schritt südlich ilnvonj ebenfalls in der
Mergelachicht, fand sich el>enbo bedeckt ein zweites Skelet( II), durch die Becken-
form als weiblich erkaantj vollstündig gut erhalten, nur mit wenigen Zähnen und
ibeib vernichteten Alveolen, sowie niedrigem Torsteheudcm Unterkiefer, im dem die
Alveolen schon ganz fehlten und selbst Zahnspuren fast nicht vorhanden waren.
Dabei fanden sich kleine Reste eines ganz platten Thierknochens, ein Stuck
flach gerundeter, schwarzgrauer, ziemlich dicker Scherben feines Gefa^ses) und
das hintere Stuck einer Schuhsohle nebst Hackeurest, der in zwei Reihen mit
Holznägel u befestigt war. Das Stück der Sohle hatte hinten 8,9 ein Breite, in der
sehr feinen Biegung nach vorn beim ITebergang zur Fusssohle nur 3 crn. Die Lage
des Skflets war dieselbe, kleine Knochenreste fanden sich beim Umwühlen in der
näheren Umgebung* Die mehrtägige Arbeit wurde mit immer grosseren Schwierig-
keiten nach der Tiefe zu fortgesetzt; der zähe feste Boden erforderte die Anwendung
der Spitzhacke. Auf der westlichen Seite des Grabens fand sich in 1 m Tiefe ein
drittes Skeletj noch in der Mergel -Erde, den Kopf nach 0, gekehrt, vollständig
bis auf Zahnlücken erhalten (JU) und ebenfalls mit theils vernichteten Alveolen
oben, — Bei weiterem Graben der breiten ynd tiefen Trane hee kam man bei 1 m
Tiefe auf achwarze Erde, mit einer Menge mittdgrosser und kleinerer Steine, oft
in flachen Stücken, aus dem hiesigen Miocän bestehend, und eckig, aber auch aus
granitartigen gerundeten. Bei i m Tiefe fand sich in der Mitte des Grabens und
Hügels ein mit dem Kopf nach W, auf dem Rücken liegendes Gerippe, das aber
in Asche meist zertiel; vi>n ihm ist nur die querdurch gespaltene (durch den Spaten)
Schädelkapsei grossentheils. namentlich die rechte Hälfte erbalten, einige Stucke
voro BeJnknochen, von sehr glatten weissHchen Thierknochen und ein Stück eines
Thierzahna. Die grosse Feuchtigkeit der schwarzen Erde bat entschieden, im Gegen-
satz zu der sehr kalkigen Mergelerde und dem Schutt, die grosse Verwitterung ver-
anlasst. Die Schädel kapsr-l stellt dem Auge eine schmale, dolichocep!mle Form
inuthinas&tich dar; wenn man die fehlenden Rander etwa ergänzen würde, so fände
sich etwa 200 : 160, — Das Occiput ist am Ende scharf zu rück gebogen, steigt nach
voru regelmässig und steil gebogen zur Mitte des Schädels auf und fällt von dort
flach nach vorn ab; von vorn oder von hinten gesehen hi der Schädel aber ganz
platt und fallt dann ziemlich markirt nach beiden Seiten (Ohren) ab^); gut erhal-
tene einzelne Zähne. In noch grösserer Tiefe fand sich der vordere obere Theil
einer Schädelkapsel, mehr südlich der vorigen, der Nasenansatz sehr wenig zurück-
tretend, die Stirn sehr niedrig, etwas eingebogen und sehr flach zurück, Sliru-
bogen 98.
In der nächsten Nabe, aber leider wohl auch beim Graben zerschlagen, da der
Boden eine fettige feste Masse bildete, fand sich eine sehr grosse Urne, nach Art
der im Kaukasus und Mittelasien noch hente gebräuchlichen Gefässe für Flüssig-
keiten, aus schwarzem, gebranntem Lehm (Thon)^ roh gearbeitet. Das Gefass geht
vom Bodenstüek flach in die Hohej die Scherben sind 8 mtn dick, roh gearbeitet
1) Der Scheitel bogen etwa 150, da die Sntura rorooaria ^¥im vorn anf der flach abfallen-
den Schädeifläthe liegt.
Fig. 2. Fig, a
Stcio in uDreg6lmä&5ig elliptischer Form, schwer; im LaDgenumraog 245, im Breiten-
imjfang 180 mm gross. Etwa zwischen den Skeietresteo und der grossen Urne fand
sich eine viel kleinere, fast ganz erhalten (Fig. 2); 110 mm
hoch, 132 breit j Haladurchraesser 75; oberer Rand 92, ßoden-
durcbmesseröd* ZeiclLnung nicht regulmaesig. lilateriaUchwarz gc*
braonterTbon. unweit derGeripp-Reste fand sich ein aus Bronze
verfertigter Äerächlagener Gegenstand und ein Spinnwirtel (?)
(Fig. 3), 27 mm Durchmesaer, ferner ein Bronze-Spiegel,
2(Xt mm Durchmesser, zerschlagen, in runder platter Form mit Griff, der zu beiden
Seiten balbkreisffirmig übergreift, und aus 4, im Ganzen 43 mm, einzeln je 5 mm
breiten, auf der hohen Kaute stehenden Släben^ 74 mm laug, besteht, die mit einem
^_^ Querstück verbunden sind, vou dem auB bi» zum Ende des Griffs nioht
mehr 4, sondern nur 3 Stäbe gehen, die in von oben nach unten gehen-
den baramerartigen kurzen Querriegeln enden (Fig. 4). Alle ötäbe haben
an den Seiten eine kleine, der Länge nach gehende Erhöhung. Alles
ist sehr stark mit Grünspan bedeckt. Die äusserate Abtheilung des
Griffs und der Spiegel selbst w^aren ab-, reap, zerbrochen , aber leicht
zusammenzusetzen, — Auch da» Gerüst, ganz erbalten, eines hinten
breiteren, 45 mm laugen Käfers fand sich, njit zwei dünnen Hörnern
nach unten. Der Hügel war bis in grosse Tiefe von Feldmäuseu durch-
wühlt — Bei beiden Skeietresten, die zuletzt beschrieben, fanden sich
Reste^vou Holz, sehr stark verfault. — Als ich bis zum gewachsenen Boden und
zwar in so grosser Ausdehnung gelangt, auch keine Aussicht vorhanden war^ in
dem feuchten festen Boden iSchädel oder erbaltene Gegenstände zu linden, wurde
die Arbeit eingestellt und nur an der Oberfläche des Kurgan nach 0., N. und W».
rings um die ausgegrabene Stelle, forigesetzt Nahe dem Rande der Grube gegen N.
zeigten sich ganz dicht unter der Oberfläche der Mergelschuttschicht verfaulte Holz-
brcttchen, schräge gestellt, und unter ihnen auf den» Kucken, mit dem Kopf nach
W. liegend, ein vollständig erhaltenes, sehr gebräuntes Gerippe mit Kopf (IV)*
I
(175)
Ich enthalte mich näherer Combinationen, glaube aber aoDehmeD zu dürfen,
dass die Gerippreste (noch eines, ganz zerfallen, lag fast auf der gewachsenen Krde,
mehr nach S. yqu den vorigen) aus der schwarzen Erde mit Hronzespiegel und
rohen Urnen oder richtiger Gefassen wohl keinen Zusammenhang mit den Skelet-
ten (I, II, III, IV) in der sehr kalkigen oberen Mergelscbicht haben, und dass letz-
tere eben später beerdigt wurden, wobei man den vorhandenen Eurgan benutzte
und ihn mit der Mergelschicht erhöhte.
Die Kurgane gehören wohl überhaupt nicht einer Periode und einem Volke
an, man benutzte sie später oder nahm diese Begräbnissart an. Im Allgemeinen
weisen die leider wohl jetzt ganz verschwundenen Baba's auf denselben auf Mon-
golisches (? Kalmykisches), da die am Gürtel der Rabats so oft angebrachten Gegen-
stande in Stein genau dieselben Sachen und in derselben Art darstellen, wie sie
die Kalmyken oft selbst heute noch zu tragen pflegen.
£8 ergaben sich folgende Schädelmaasse und Indices an den Schädeln Nr. I — IV:
A. Schädelmaasse.
3
4
ö
G
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
24
25
Schädellänge
Schädelbreito
Ohrhöhe
Schädelhöhe (nach Kollmann) . . . .
Stimbreite
Circumferenz
Stimbogen
Scheitelbogen
Hinterhaaptsbogen
Gesammtbogen . .,
Qesichtslänge (Höhe, Nasenwurzel bis Kinn)
Oberkieferhöbe oder Obergesichtslänge . .
Jochbogendistanz (Jugaldistanz)
Distanz der Suturae zygom. maxill. . . .
Distanz der Unterkieferwinkei ...
Breite der Orbita
Höhe der Orbita
Länge der Nase
Apertarböhe
Aperturbreite
Oaumenlänge
Qaumenbreite (hinten gemessen) ....
Länge der Basis (von aussen bis Foramen
occipitale magnum)
Länge des Occiput
Entfernung der Spitzen der Process. mastoid.
I '^•
I. ' (weiblicher
, Schädel)
176
146
115
137
92
513
127
122
100
349
124
70
128
97
102
40
29
49
24
22
45
38
96
97
101
178
144
103
117
102
517
123
119
107
349
112
65
136
93
104
43
33
49
28
26
51
40
105
87
102
IIL
189
142
113
135
100
535
140
130
113
383
118
74
131
88
108
39
31
51
29
22
46
32
94
91
107
IV').
187
144
111
136
95
530
128
130
116
374
117
64
138
94
10(5
40
31
55
33
25
51
41
103
98
106
1) Entspricht, abgesehen von Nicht-Katarrhinie, dem chamäprosopen mesocephalen Typus
Europas.
La nßcn breiten i n d^^\
Län^enhuhertiiidex
Bretietihöheniodex
OrbiUtindex . ,
Nft-Henrndex
ttesichtsimicx (aus 12 : 10)
(aus IB : 10)
(ans 14 t 10)
Obergesicbtsinriex (ana 12: II)
iiaiiiucniüdex
I^iiißenhobeDindex (1: 3a)
Breitenhohemudex (2 : Sh)
C. Kfiocben-Haasse.
Ftmtir
Tibia
Brarbium \ grüssle Lange
ül«:i
Radius
ÜQifanß der Mitte d. Femur
Berechnete Kaqiennaas^o a 4mai Peiimr
405')
390
420»)
»45
320
mi
380
MO
:iiivi !
300
mi
aoT) 1
?
340
247
230
220
228
80
7^»
fM)
1G20
l.WO
im) 1
1
4Ö0*)
874
365
330
273
2ß2
ICD
1800
1) Mit Trochanter terlius am rechten: 32 mm lan|f, 8 mm breit» 3 mm hoch. Am linken
kwuiii bemerkbares Rudimeiit. Schädel leicht.
2) Schädel leicht,
3) Femur, Tibia und Fibula mit tiefen Rinnen (FibuU mit 2 EiiDaen); im Vergleich 7a\ 1
Sühädel «chwer.
4] Femur und Tibia sehr srbaTfkintij^ im Vergleich zu I, ako wohl auf (^osse Muskel-
ent Wickelung schliesseu lassend, und schwer au Gewicht, wie auch der Kopf.
I
(177)
I.
brach |cep1) Sil - ebHmikonch.
leptoirhm — leptoprosop»
IL
brach ycephal — chaiuikoncb.
pUtyrrhin — chamfiprosop.
IV.
mesocephal — chamäkoDcb.
leptorrhin — chamäprosop.
III.
meflocephal — cbamakotic^b.
kptorrhiji — leploprosop.
3, Beschreibung des Kostüms einer K&barilineHii
aus dem A-ul Chode, am gleicbciamigen Bergßuascben gelegen, das vod links in
die Laba, einen linken Nebenfluss des Kuban, mundet.
(Das Kostüm ist fast überall bei deo Kabardinerinnen genau dasselbe. Den
Kopfputst und t^inige nicht wesentliche Besonderheiten ausgenommen, erinnert es an
das der Adighe (Tsclierkessen) nicht nur, sondern auch sehr an das der Ossetinnen,
ja der kaukasischen Volker, besonders Muhamedyner, überhaupt,}
L Der am meisten eigenthiimliche und in die Augen fallende Kopfschmuck
besteht AUS einem Ib crn hohen Cy lind er, dessen Weite auf den Kopf passt und
der horixontal mit 4 silbernen und 3 goldenen ßandstreifen nmnäbt ist, Ton den
Weiher ü aus dem feinsten Draht gewebt. Dieser Cyliuder verengt sich nach oben
markirt in eine Spitze, die aus 6 flachen Seiten (spitzen Dreiecken) aus gediegenem
Metall besteht und fast 20 cm hoch ist; die Seiten sind sehr geschmackynll grayirt
nufl mit Gfdd und Schwarss eingelegt; ihre Hauptverzierung besteht in kurzen, nach
unten gekehrten Dreiecken, eines auf jeder der 6 Seiten. Alle Dreieke sind mit
platter Goldschnnr eingefasst und inwendig ähnlich den 6 SeitenflächeE der Spitze
verziert, denen sie als Verzierung dienen* — In der Mitte ist ein silbernes Rad
mit H Speichen als Verzierung eingravirt — Von der Spitze der Kopfbedeckung ganz
oben hängen feine silberne KettcheB mit silbernen Knopfehen am Ende herab,
Äü den Ecken der 6 spitzen Dreiecke, die den oberen Theil der Kopfbedeckung
bilden und rings um den cylindri sehen Theit derselben befinden sich eben solche
Knopfchen angebracht. — An dieser Kopfbedeckung sind zwei ganz feine, lange
goldene Schnüre befestig!^ die in 2 silbernen und 2 goldenen kleinen Quasten
•odigea und vorher zusammenlaufen, im Ganzen etwa 20 cm lang; der mit dickem,
auBsen zopfartig gedrehtem Z^uge durchflochtene Zopf hängt hinten über der zu-
sammengehenden Stelle der beiden Schnüre hinaus; die Enden der Schnüre befinden
sich also unter dem Zopf.
2. Der Gürtel besteht aus Sa^anleder und ist mit fein gewirktem Silberband
eingefasst; in der Milte des Gürtels eine silberne Litze, wie auf den Aufschlägen
des ersten Garderegiments j vorn eine sehr massive Art Schnalle, eher ein Mciall-
Btuck zu nennen, das die Hälfte des Gürtels umspannt Als Schloss dient eine senk-
rechte Rohre, in die von oben ein Stift gesteckt wird. Die Verzierungen der
Schnalle sind von Gold, mit Ornamenten in Schwarz. — Beiderseits von der
Mitte befinden sich zwei silberne erhabene Knöpfe in ovaler Form (von oben nach
unten gerichtet). In der Mitte selbst ein eben solcher Knopf, über und unter ihr
runde Knöpfe.
d. Ein dünner, weisser, mit Blumen durch wirkter Schleier, der die Kopfbedeckung
und den Anzug der Frau bedeckt.
4. £iu langes, dünnes Mannshemd mit unten sehr breit werdenden Aermetn,
die mit Silherband eingefasst sind; es ist aus seidenem, wenig glänzendem^ meist
rothem Zeuge (Kana-us genannt).
5. Ueber dem Hemd wird ein vorn ofFenes, auf der Brust zugehaktes, langes
seidenes (Kana-us) Kleid mit oben ganz engen Aermeln getragen ^ die unten
V^rb&QdL der B«rl. 4nüiri>poL CedellJcliart t%^X 12
f
(178)
weit uad faitig und mit Verzierungen eiogefasBt sind (Beßchmet wird dieses Klei-
dnngsetück, wie ein ähnliches der Maniier genannt). Meist aus gestreiftem Seiden-
zeuge,
6. Ueber diesen ßeschraet wird eine Art hohes Leibchen ohne Aermel mit
ganz kurzen Schössen rings herum angezogen, das vorn auf der Brust wie ein
Hu&aren-Dolman verziert ist und eotschieden denselben ('harakter und QrspruDg
zeigt. Drei parallele Reiben ganz kleiuer Knopfe gehen von oben nach unteu
und sind horizontal durch massive längliche silberne Prisma's verbunden, statt der
Schnure der Husaren« Die Ecken der kurzen Schosse dieses Kleidungsstücks sind
mit einer Art Blumeu- oder verschlungenen Verzierung ausgenäht, ahnlich der bei
den Husaren-Attila's; sie besteht aus Silber- und Goldstickerei und Schnur.
7. Sehr eigenthumtich ist die Zopfverzierung; sie besteht aus weissem Zitz,
der sehr fest und oft schmal zusammengelegt ist, und dann zu einer Art Zopf, aus
zwei Stricken bestehend, zusammengedreht wird, der tiefer als die 5litte des
Korpers hinten herabhängt und von dort in zwei schmalen, dicken, platten Bändern
bis zu den Füs^sen reicht; diese Bänder siud aber nicht gedreht, sondern vielfach
zusammengelegt. In den zopfartigen oberen Theil wird der wirkliche Zopf hinein-
geflochteu.
8. Saffian-Schuhe aas einem Stock ohne Sohle, wie sie der Orient tragt und
Pantoffeln dazu mit dicken Sohleu, mit Silber und Gold ausgenibt) vom ganz spitz
zulaufend und mit sehr hohen HackeD,
9. Seidene, meist gelbe Pantalons, unter dem seidenen Hemd getragen,
4. Besohreibung des Koatiims einer Ossetin.
Das junge, sehr schüchterne und bescheidene Mädchen von 15 Jahren wurde
von ihrem Bruder begleitet; sie hiess Fati-matt (Sorge) mit Yornamen und Madsa-ty
mit Familiennamen. — Verschiedene gebräuchliche Vornamen sind; Gursechki,
Gossi, Digorchau, Goska, S sah matt« Dolatchan u. s. w.
Die Haare warea in einen Zopf geflochten, der von einem feinen wetasen Tuch,
meist aus gesticktem Musselin, bedeckt ist, das unter dem Kinn zusammengeschlagen
und dann mit den Endeo über die Schultern zurückgeworfen wird.
Der Bischmet als Oberkleid über dem Bernd, ganz wie bei der Kabardine-
rin^ vorn offen, bis zur Taille vorn zugehakt^ oben schräge steil ausgeschnitteD
(ganz wit? die Tscherkasska, das Oberkleid der Männer). Die Aermel gerade ujid
eng, nicht ganz lang^ auf der Brust mit silberner schmaler Tresse eingefasst. —
Von der Taille bis unten, etwa 13 cm von ihr beginnend, ein breiter Besatz längs
des vorderen Randes des offeuen Bischmet aus hellfarbigem Zeuge, geblümt, etwa
18 cm von dem unteren Ende aufhörend und dann rings herum unten den Bisch-
met garnireud. Die Taille wird von einem Gürtel umschlossen, dessen vordere
Hälfte ganz mit massivem Silber bedeckt ist; auf ihm befinden sich drei Vier-
ecke, erhaben, eines in der Mitte und je eines, etwas enlferut zu beiden Seiten.
Unter dem Bisch met wird ein anderes ganz kurzes Kleid getragen, also um-
gekehrt wie bei der Kabiirdioeriu, das kaum bis zur Spalte reicIiL vorn offen und
zugehakt; mit Silbertressen vorn und ringshenim eingefasst, und Verzierungen von
Silberstickereien in beiden mitereu Ecken der Schösse vorn enthaltend, ähnlich
den hei der Kabardinerin. Vorn auf der Brust befinden sich breite, horizontal
gehende Silberstücke, massiv, ganz in Art der Husaren*Schnüre; von oben nach
unten laufen in der Mitte ziemlich grosse silberne Knöpfe, die an beiden S^usseren
Seiten der Silberstücke aus gajiz kleinen bestehen. Der Hals ist ebenfalls mit
imer Silbertresse eingefasst.
(179)
Das Schnupftuch wird im Gürtel getrageü.
Das obere Hemd ist voü ganz leichtem karmoiBinfarbeciem Seidenzeuge, wie
ein MaDDsbemd geschnitten und sehr lang; oben ist es über dem ßischmet nur
Tom sichtbar; die Hemdärmel sied mit einer ganz feinen Tresse eingefaBst; es tritt
so zu sagen als Kleid unter beidep Bischniefs unten hervor und ist aus betlerer
Farbe als der obere Bisch mel, der dunkelkarmoisin ist.
Das Unterhemd ist weiss, aus LeinwaDd oder Baumwolle. Die Pantalons sind
aus weiss-gelber Seide.
Das Haar wird in zwei Zopfe geflochten; der Scheitel auf dem Kopf ist nicht
genau abgetheilt — Die Strümpfe ganz gewohnlich. —
Das Gesiebt hatte einen »emitischen Ausdruck, Augen mandelförmig, Mund
gross, Lippen in der Mitte dicker, angenehmer Gesichtsausdruck, Nase fein, nach
unten spitz, Nasenlöcher breit uod schräge, Haare dunkel, Augenbrauen sehr Rchmal
und gerade. Oberlippe etwas aufgeworfen, Hände ziemlich fein, Nagel blank, lang,
zurücktretend und an der Wurzel mit weissem flachem Bogen, feine kleine Ohren,
etwas breit (ind abstehend.
5. One türkische und eine arabische Handschrift.
General v- Erckert ühersendete auch zwei baiulscLriftlicbe Bücher, von denen
das eine seiner Angabe nach in einer untergegangenen Moschee bei einer Grabstätte
der Teke-Steppe gefunden wurde.
Hr, Wetzstein bemerkt darüber Folgendes;
Die eine Haadschrift ist ein langes tijrkischea Gedicht, der Sprache nach
etwa 250 Jahre alt; sie ist jedoch kaum 100 Jahre alt; ein Datum tragt sie nicht;
desgleichen fehlt ihr der Titel mit dem Namen des Dichters. Dm den letzteren zu
erfahren, musste man die HSS-Kataioge der Petersburger und Wiener Bibliothek
(wo sich gewiss Abschriften dieses Gedichts finden) nachschlagen. Dem grösseren
Gedichte sind noch einige kleinere angehängt, vermuthlich auch vom Dichter des
grosseren. Poetischen Werth haben alle diese Ausflüsse einer Bchwachköpfigen
Mystik nicht; auch wird wohl das grosse Gedicht keinen Anspruch auf Originalität
haben: ich halte es für die türkische Nachbildung eines persij^chen Originals.
Die zweite Handschrift ist arabisch; sie enthält nehmlich eine Zusammen-
stelhmg aller derjenigen Suren (Abschnitte) des Konin, welche der gemeine Musel-
mann kennen und auswendig lernen muäs. Der Mehrzahl nach sind sie aus der
zweiten Hälfte des Koran. Die HS. datirt ans dem Jahre 1248 der Higra, ist also
ca. 50 Jahre alt. Sie ist sehr dentlich geschrieben, durchweg mit Vocaizetchen
Tersehen und war — wie ich das bestimmt weiss — das Lesebuch eines nicht
arabischen (wahrscheinlich persischen oder türkischen) Seh ulk nahen.
(10) Hr. Brauns aus Halle spricht unter Vorlegung von Photographien und
japanischen Abbildungen (Hütten, Beschäftigungen u. s. w. der Ainos), von prä-
historischen Stein- und Tbongerathen, neuen Holzgerälhen der Ainos und prähistori-
schen Vergleichsstückcü aus Japan über
die Ainns der Insel Yezo.
Obgleich die Literatur über die Insel Yezo und die Ainos — die Bewohner
dieser Insel, sowie der Südhülfte von Saglmlien oder Karafuto und der Kurilen
nebst der südlichsten Spitze Kamtschatkas — in den letzten Jahren stark an-
gewachsen ist, bleibt doch eine auf eigene Anschauung begründete Schildertmg der-
12*
I
I
(180)
Belbeo immer erwÜDscht, nameDtlich um die häufigen Widereprüclie der Terachie-
deoeo Bericlite und der AusichteD der Etlmologeu zu losen, Id dieser Beziebuag
fiiud zuaächst zwei Puukte hervorzuheben, eiamiii, dass die Aioos nicht im Ent-
ferutesten zu den dunklen Röbsen gerechnet werden dürfen, uad zweitenB, daßs sie
siucb mit ihren südlichen Nachbarn, den Japaoern, keine Verwandtecbaft baben^
Hmaichtlich der Farbe möchte ieh bemerken, dasa ich die Aiiios beiderlei Ge*
echfecbtes nicbt dunkler gefunden habe, als manche Europüer sind, ja dasi im
Südeo und Osten Europas ger nicht selten dunkler gefärbte Individuen vorkommen,
&is unter den Ureinwohnern Yczos. Die Behauptung, dass eine dunkelbraune, ja
schwärzliche Färbung ihnen zukomme, erscheint selbst dann unmotivirt, wenn mau
keine Rücksicht darauf nimmt, dasa die Aiuos — aus Aberglauben — sich niclit
eigentlich waachen und daher zu Zeiten erhebhcb dunkler scheinen können, als sie fl
sind; denn auch in diesem Falle bleibt die Hautbrbe immer Äiemlicb helL Die ™
eigentliche Farbe, welche man bei Ainos, welche am Meeresstrande ihrem Lebens-
unterhalte nachgehen, leicht ungefalscht beobachten kann, ist ein wenig heiler und
minder röthlich, als die der Japaner. Besondere Erwähnung verdient der Haar-
wuchs, der bei den Männern am ganzen Leibe entwickelt ist^ etwa in dem nehm- ■
liehen Grade, wie bei stark behaarten Europäern. Der Bartwuchs ist sehr schön;
er wird bei den Weibern durch Tätto wirung imitirt. Auflallend ist die lockige
Beschaue nheit des Kopfhaars. — Der Gliederbau ist viel besser als bei den Ja*
panern; der Unterschenkel nicht so auflfalHg verkürzt; die Muskulatur ist, bei ge-
ringerer Entwickeluüg des Unterbautfettes, im ÄJittel entschiede d kräftiger. — Die
Pb)fsiognomie und der Scbädelban differiren ebenfalls sehr. Die Augen quellen
nicht vor, wie beim Japaner, sondern sind, wie bei uns» vom oberen Augenhohlen-
rande wohl beschattet; die Augenhohlen sind (wie dies der Skelettheil des Gesichts
ausweist) minder hoch und daher ist auch die Lidspalle horizontal, wenigstens bei
allen nicht hybriden Individuen. Die Stirn ist gerader, der PrognalhiBmus, wenn
iiberbaupt TorhandeUj wesentlich geringer, die Nase und das Kinn sind im All- H
gemeinen gut entwickelt, während sie bei dem japanischen Stamme sehr mangel-
haft gebildet erscheinen. Auch ist der Ausdruck des Gesichts ein anderer; eine
gewisse Furchtlosigkeit paart sich mit Oi'enheit und zugleich mit dem Ausdruck
des überaus friedlichen, fast allzu biegsamen Sinnes des Aino&. Es mag hi«^r auch _
anticipirt werden^ dass die geistigeo EigenschafLen dem äusseren Eindrucke ent- ■
sprechen, und dass die Äinos in ihrer diskreten, gastfreien und dabei ofifenen
Weise nicht leicht verfehlen werden^ auf irgend einen Reisenden einen gfjnstigereo
Eindruck zu machen^ als namentlich die Japaner, wie dies übrigens auch schon ■
mehrerseits hervorgehoben ist, In den siidwestlicben Theilen der Insel ändert sich
der Charakter unter dem Einfluss der dort herrschenden Japaner wohl etwas; auch
kommen dort Bastarde iti ziemlicher Menge von Letzter Umstand hat ohne Zweifel
zu manchen irrthünilichen Annahmen von einer näheren Verwand tt^chaft der beiden ^
Stamme Anlass gegeben, wie denn auch eine Sprachverwandtschaft nur von solchen H
Reisenden behauptet sein dörfte, welche die Ainosprachc nicht kannten und das
von den Ainos — durchgehends — geredete Japanisch als deren eigentliches Idiom
ansahen. Alle diejenigen^ welche (wie Dawidoff, Klaproth, Dobrotworsky,
Pfizmaier, V, Siebold, Scheube, Batcbelor, Miss Bird) grössere oder kleinere
Aino-Vocabularien anlegten, sind diesem Irrthume fern geblieben.
Diese Beobachtungen drängten sich mir bereits bei der ersten Bekanntschaft
mit den Ainos in und um Sapporo ^- wo ich auch die von Saghalien bei der Ab-
tretung dieser Insel an Russlaud herübergewanderten Ainos kennen lernte — in
vollem Maasse aul Ergänzt wurden sie in sehr erfreulicher Weise bei Gelegenheit
I
r
einea Festes, welches die Behörden Sappnro'a am O.Juli T881 veranataltetcD , um
mir, wie sie sagten, neben den Produkten der moderEen Civil iRatinn auch die firO-
hereo, alterthumlichen Zustande der Insel vorzoffibren. Eine Anzahl Ainos — aus
Sagbalien Btanimend — war ?ersanimelt und lagerte, Sake oder Eeiswein trinkend,
von onentalisclien Lampen beleacbtet, an einem Ende deß grossen Saales, in wel-
cbem wir saasen.
Auf das Signal zum Anfang erhob sich ein jüngerer Mann, wahrend die älteren
Dorfobersten sitzen blieben, und leitete sämmtliche Frauen zu einem Rundtanze an,
wahrend dessen sie, die Gesiebter nach der inneren Seite des Kreises gekehrt, sich
abwechselnd niederliessen und wieder erhoben, und zugleich feierlich sich in der
Runde fortbewegten. Trotz der malerischen, aus langen Ulmen bastrocken und
metallenen Gürteln — an denen geschnitzte Messer- oder Sichelscbeiden hingen —
bestehenden Tracht war dieser Tanz jedoch nur von untergeordnetem Interesse im
Vergleiche zu dem sanften, melancholischen und dabei melodiösen und in richtigem
Takte gehaltenen Gesänge, der mich z. B. in Norwegen nicht im Mindesten über-
j rascht haben wurde^ hier aber im allcrsch neidend sten Contraste gegen die Oesanges-
leistungen der Japaner stand und eine ganz andere Geistesrichtung bekundete.
In der Umgegend Sapporo'a war das Dorf Juisbikari von vorragendem Inter-
esse, indem ich hier die Bauart der Hütten — grosse Vierecke mit klcinerej) An-
bauten, alles mit Binsen, Schilf u, s. w. behängt — und manche der Lebens-
gewohnheilcn der Ainos, ihre rührende Anhänglichkeit an ihre alte Naturreligion,
i ihre Verehrung der Sonne durch den am Ostfenster der Wohnung aufgestellten
^H Inawo, den geheiligten gekräuselten Holzatab, ihre Furcht vor den Todten kennen
^^ lernte. Unter ihren Speisen waren gesalzeuer Lachs und Hirse wohl die wich-
L tigsten.
^H Die Intelligenz der Ainos ist keineswegs gering; sie erlernen die japanische
^^^^^prache sehr leicht, gewöhnen sich sehr rasch an alle nicht mit ihren religiösen
^^^^Vorstellungen in Conflikt geratbende Neuerungen, wissen sie gelegentlich in ver-
^^^^oesserter Weise anzubringen und stehen auf alle Fragen in präcisester Weise Rede
und Antwort. Ihr Alter verrathen sie nie und geben vor, es nicht zu wissen; sonst
aber erfuhr ich Alles, was ich wrinschte, so z. B. erhielt ich eine ausführliche Dar*
I legung ihrer Farbenbezeichnnngen. Es überraschte mich nach Allem j was ich bis
dahin gesehen, nichi mehr, dass diese ganz und gar der unsrigen conform ist und
von der japanischen darin fundamental abweicht, dass bei den Japanern nur ein
^^ Wort für Blau und Grün exietirt, dass aber die Ainos streng getrennte Benennungen
^M für beide Farben haben, die nur in Folge der japanischen Interpretation oft ver-
^^ wischt und verwechselt erscheinen.
NIo Saru oder Sara hatte ich Gelegenheit, die Reste der einzigen staatlichen
Einrichtung der Ainos kennen zu lernen, welche über die Einsetzung von Dorf*
behorden hiuausgegangen ist. Hier nehm lieh befand sich schliesslich der noch
i früher in geringer Entfernung landeinwärts, bei Biratori oder Piratoru befindliche
^H Sitz des obersten unter den Dorfältesten oder Otona'a, der deshalb als eine Art
^^ von König der Ainos angesehen wurde. Diese immer nur nominelle Macht wnd
I Würde ging selbstverBtandlich mit der Einfuhrung der japanischen Herrschaft vcr-
I loren.
^^ Die Reisen sind ganz so, wie sie unter Anderem von Miss Bird beschrieben
^H werden; ohne die zwar von den Japanern schauderhaft misshandclten, an sich
^^ aber keineswegs schlechten Pferde wjäre absolut nicht fortzukommen. Die Ainos
I zeigen sich dabei in der Hegel brauchbar und gefällig, manchmal aber als gar zti
' williges Werkzeug ihrer Herren, Solche Züge Ton Rücksichtslosigkeit gegen die
(182)
Pferde — üire eioxigeii grösaeren Haustbipre — , wie bei den Japanerü, sah ich jedoch
nicht bei ihnen, zu Zeiten Bogar das GegentheiL
Auch überzeugte ich mich namentlich auf dem Ritte längs der Küste, dass die
japanischen Angaben der Zahl der Äinos auf Yezo sicher um ebensoviel zu niedrig
gegriffen, als die der Japaner übertrieben sind. Während man für die letE-
teren, welche über 1(>0 000 Köpfe stark sein sollen, sicher weniger anzusetzen hat,
musa man die officiell auf 18Ü00 aDgegebene Ziffer für die Ainos unbedingt ver-
dreifachen, um der Wahrheit nahe zu kommen. Der Irrtbum der Japaner ist darin
begründet, dasB die grosse Zahl der überall an grosseren Flüssen der entlegenen
iTheile der Insel und namentlich entlang der ganzen Küste befindlichen Ainod5rfer
Lliicht berücksichtigt wurden, sondern einfach das Verliültnias der Quadrattiächen der
bekannten und unbekannten Theile zu Grunde gelegt ist. In jenen aber sind über-
dies die AinOB zum Theil, nehralich im SW» der Insel, gänzlich verdrängt, und in
den gemischten Distrikten auch immer schon etwas reducirt
Nach allen diesen Beobachtungen, zu denen noch die Traditionen der Ainos
\xküd die in denselben immer wiederkehrenden Klagen um eine bessere Vergangen-
heit, sowie manche epigonenhaften Züge in den Gewohnheiten der Ainos ^- z. ß,
ihre Entwöhnung vom Führen wirklich guter Waffen, das Vergiften der Pfeile und
Stellen von Fallen gegen ihre Jagdthiere, namentlich gegen die Bären — hinzu-
treteOf ist es kaum anders mögUcb, als dass mau die Ainos zu den durch Ycr-
einaamung geistig verarmten, früher reicher mit Culturerzeugnissen versehenen
t^Nationen rechnet. Hierfür eprechen aber giinz vorzüglich noch die prähistorischen
J'unde, welche namentlich in der Gegend von Otaru an der Westküste der Jnsel
gemacht sind. Die dort gefundenen Gruben für die Wohnungen deuten auf einen
Weg von Norden, den die Ainos nach Yezo zurückgelegt; die Muschelhaufen ent-
halten ausser ganz zierlichen Topfscherben viele Steingerathe, namentlich Lanzen-
und Pfeilspitzen aus Obsidran, Schmucksachen verschiedener Art, z. B. Kugeln a dgL
aus Stein, und in allen diesen Punkten unterscheiden sie sich wesentlich von den
roheren, an Schmuck leeren und an Steingeräthen sehr armen, des Obsidians gänz-
liich haaren Muschelhaufen von ganz Jupan vom 39 Grad Nordbreite bis zu den
südlichsten Küsten punkten Kiuschiu's. Gleichwie sich nun schon hierdurch die
Annahme einer früheren Besiedelung eines grossen Theils der Hauptinsel Nip-
pona durch die Ainos widerlegt — die man ganz irriger Weise oft gerade durch
die prähistorischen Funde hat hegrunden wollen — , so beweist es auch die frühere
höhere Cultur des Ainostammes. Da aber auch eine nähere Verwandtschaft mit
den — haarärmeren, prognatheren und dem Tschuktschenstamme ähnlicheren —
Giljaken im Norden Siighalieus nicht anzunehmen sein dürfte, so müssen die Ainos
durch diese abgedrängt und iaolirt sein, während ihre Verwandten, nach einzelnen,
aber bedeutsamen Analogien in der Sprache und besonders nach dem Naturell zu _
schliessen, doch wohl unter den Nordkoreanern, den eigentlichen Kaoli — Oppert's m
kaukasischen Typus unter den Koreanern angehorig — zu suchen sind. Auch diese
haben regelmässige Gesichtsbildung und reichlichen Bartwuchs, weshalb sie von
den Japanern als „bärtige Barbaren" bezeichnet werden; sie stehen den Südkore^-
nern — Oppert's mongolischem Tjpus — in ähnlicher Weise, nur mit mannich*
faltigen Vermischungen und üebergängen, gegenüber, wie die Ainos den Japanern.
Freilich hatten die Kaoli ein ganz verschiedenes Schicksal, als die Ainos; sie wur-
den zum ÜultuTVolk, wahrend diese im Orwalde von Yezo mehr und mehr ver- -
wilderten* Dis spricht aber keineswegs entscheidend gegen die Annahme einer m
Verwandtschaft, während ausser den oben angeführten Momenten und der unleug-
baren Befähigung der Äioos ztt grosseren intellectu eilen Leistungen, als ihnen jetzt
I
I
(183)
zukommen, auch noch der Umstand zu Gunsten jenf?r Annahme redet, dass trotz
der entwickelten Cultur der Koreaner sich einzelne Dinge (z, B. die lanzeoartigeu
Thörmchen an Grabmonumenten) wiederfinden, die augenfällig an Yezo erinnern;
endlich auch noch der, dass dif Traditionen der Kaoli nebst gewissen Ortsnamen
auf die südliclien Theile des Amurlandes — am Suogari und deBsen südöstlichen
Nebenflüssen — als anf friihere Wohnplätze des Stammes hinweisen. Von diesen
lassen sich über die unteren Amurgegenden und Saghalien auch die Ainos ganz
ungezwungen herleiten.
Weitere Versuche, die Ainos sammt den Nordkoreanern mit anderen Völker-
schaften in nähere Beziehungen zu bringen, wären allerdings zu hypothetisch, als
dass sie mit Bestimmtheit ausgesprochen werden dürften; was aber über die Her-
kunft der Ainos gesagt werden konnte, möchte bestätigen, dass diese zur Zeit Tollig
unterdrückte Nation wohl unser Interesse zu erwecken berechtigt ist. In der That
liegt es nahe, zu wünschen — wenn man es auch leider vorerst kaum hoffen kann
— , dass die stumme, aber beredte Bitte um freundliche Theilnahme, welche der
emphatische Gnisa der Ainos und ihr melancboHscher Blick an den Fremden zu
richten scheint, auch praktische Folgen hätte; auf alle Fälle aber mochten diesen
Söhnen des Urwaldes unserer gemässigten Zone, unbedingt den friedlichsten, gut-
müthigsten aller sogenannten „Wilden**, unsere vollen Sympathien nicht zu ver-
sagen sein.
(11) Hn Fritsch spricht über die
Partraitcharaktere der altägyptischen Denkmäler.
Die Frage, in wie weit bei den figürlichen Darstellungen aUogyptischer Kunst
Portraitcharaktere der damaligen Berölkerungen von den Künstlern festgehalten
wurden, hat seit langer Zeit, besonders aber Oftch den bahnbrechenden Unter-
suchungen unseres hochverehrten Nestors der Aegypfologeo, Hrn. Lepsiys zu ein*
gebenden Erorternngen gefuhrt. Das Resultat solcher Erörterungen ist im All-
gemeinen ein wenig befriedigendes gewesen, und konnte bisher eine Einigung
darüber, ob wirk lieh in den Figuren Portraits vorliegen, und welche Typen der
Bevölkerung sich darnach abgrenzen lassen» nicht erzielt werden. Ein Theil der
Autoren sieht in den Darstellungen mir die mechanischen Leistungen handwerks-
roässig geschulter Künstler und findet sie alle mehr oder weniger gleichartig-, ein
anderer Tbeil erkennt darin wirkliche Portraits der darzustellenden Personen. Beide
Anschauungen sind wohl als zu extrem zu bezeichnen, und die Wahrheit liegt, 'Wie
so häufig, meiner TJeberzeugung nach in der Mittej die Schwierigkeiteo der "Unter-
suchung dieses Gegenstandes waren übrigens früher so bedeutende ^ dass ein Aua-
ei na nd ergeben der Meinungen darüber kaum befremden kann.
Nur durch direkte Vergleichungen neben einander g6leg^"t&Y na^"^''^"
getreuer AbbiJdongen kann man sich mit den Merkmalen getiüg^^^ ^e^^"^^^^
machen, um ein sicheres ür theil zu gewinnen. Die Herstellung solo Vi et A v\\\\^^^^^^
ist aber kaum anders als mittelst der Photographie ausführbar. Er«t 1 «^v t '^^ ^^
Anwendung dieser Methode sich mit einer früher nie geahnten Lei (>i,t,iüV. ■^\>e'*'^^
stelligen lasst, gewinnt die Boffnung einer befriedigenden Losung ^^t \ ^ icU^^^^^
Frage au Starke. ^
An der Hand eines reichen photographischen Material» kau i i -^d^^^
darauf hinweisen, wie ich bereits bei früherer Gelegenheit jxiiT n'^h^:^ ^yfö*''^^^
erlaubte, dasa die darstellenden Künstler ea wegen der üüve,.jj^ 'm'cti *"^^ ipö^®'
L.
(184)
sung ihrer Phaßtasift durch die UmgebuDg gar nicht vermeiden konnteD, mehr
oder weniger Portraithaftea in ihre Werke übergehen zu lassen*
Mao hat dabei nicht immer scharf auseinander gebalten, ob die Darstellung^ das
'wirkliche Portrait der Person ist, welche nach der sonstigen Bezeichnung darin
verkörpert werden sollte? oder ob sie das Portrait irgend einer Person ist,
welche aus unbekannten Gründen zur Repräsentation der bestimmten gewählt
wurde? Auch im letzteren FalJe ist die Darstellung doch immer Portrait und
anthropologisch annähernd ebenso wichtig, gleichviel ob Hinz oder Kunz einmal
wirklich so ausgesehen hat.
Ganz abgesehen von dem zu gebenden Namen kann der Anthropologe jetzt an
die Frage herantreten: Was trügt an den Darstellungen ersichtlicb Portraitcharak-
ter und war also individuell? Welche Merkmale treten darunter so bestimmt iind
regelmässig auf, dass sie einer grosseren Bevolkerungsgruppe zugehörig gewesen
sein mi'issen und als ein Typus zusamraeDgefasst werden können? Welches sind
endlich die am sichersten abzugrenzenden Typen und welche Beziehung haben die-
selben zur all gemeinen Ethnographie des Landes?
Nach sorgfältiger Sichtnng liesse sich wohl schon jetzt aus dem vorhandenen
Material ein höchst interessantes Portrait* Album vergangener Jahrtausende xu-
sammenstellen, wenn auch nur selten noch die Namen zu den dargestellten Zugeu
mit Sicherheit zu ermitteln sein werden. Denn selbst da, wo man von vornherein
hätte glauben sollen, bestimmte Personen vor sich zu habeo^ nehmlich in den
Königsbildern, hat die menschliche Eitelkeit die Documente der Geschichte ge-
fälscht, indem spätere Herrscher vielfach auf den ehrwürdigen Denkmälern ver-
gangener Dynastien ihre Namen an die Stelle der richtigen setzten. In einzelnen
Fällen, wie z, B. an dem Kopf Menephtah I, ist aber durch die mehrfache Wieder-
kehr derselben Gesichtszuge unter gleicher Bezeichnung, der Beweis geliefert wor-
den, dass die sterbliche HiJlle der betreffenden Person den darstellenden EünstlerD
wirklich zum Vorbild gedient hat.
Ein anderes merkwürdiges Beispiel derselben Art bietet die (ebenso wie die
vorige) im Bülak-Muaeura bei Cairo aufbewahrte Statue des Pyramide nerbauers
Chefren, da von derselben ein Duplicat im gleichen Räume steht, welches un-
verkennbar die nehmlichen Gesichtszuge tragt, nur sind sie einer jüngeren Per&on
eigen gewesen; also auch hier fand jedenfalls eine Nachbildung wirklich existiren-
der Merkmale statt Andererseits trägt z. B, die CoJosBalstatue im grossen Vestibül
des Bulak-Muscumß die Kartusche Ramses IT, ohne doch die Zijge dea betreffenden
Königs zu zeigen, da sie jedenfalls älteren Datums ist,
Dass nun in der That, auch abgesehen von den Konigsfiguren in den Bild-
werken, Portrait Charaktere zur Darstellung gelangten, läset sich mit einem Blick
erkenneoi wenn man die sogenannte geographische Liste des grossen Tempels von
Karnak betrachtet. Ffüchtig überblickt erscheinen die männlichen Proßlköpfe,
welche die Kartuschen mit den geographischen Namen krönen, alle gleich; genau
betrachtet ist kaum ein Kopf dem anderen gleich und die Absichtlichkeit dieser
Verschiedenheiten ergiebt sich unzweifelhaft aus der wechselnden Behandlung der
Barttracht.
Wenn also auch die Annahme, der Künstler habe durch die verschiedenen
Köpfe etwa den Bevolkerungstypus des betreffenden Landes zum Ausdruck bringen
wollen, keinen Halt hat, so schwebten seiner Phantasie doch jedenfalls bestimmte
Individuen vor, als er die Figuren entwarf.
Dasselbe gilt von ganzen Reihen meisterhaft im vertieften Bas-Relief an sgeffihr-
ten Köpfen weiblichen Geschlechts am Hathorlerapel zu Dendera und am Horus-
I
I
(185)
tempel xia Edfu; weiteres werthvoUea Poriraitniaterial lii-fert der Seti-Tempel zu
Abydoa, die Tempe! zu Abti-Simbel und Kalabcheh, sowie die Gröberfelfler zu
Sakk&ra. Selbst die grosspreii, präcbtigen Photograpliien solcher Denkmale, wie
z. B, die von Sebah in Cairo ausgeführten, werden aber für die einzelnen Ktipfe
meist immer noch eiüe zweite Vergrosserung notbwendig macben, um die Merk-
male ^ur Vergleichuog geougend deotlicb vor sieb zu sehen; dadurch wird die
Aufgabe eiuigermaasBen iimständlicb und kostspielig.
Wie schlagend zuweilen der Portraitcharakter an den Bildwerken sich dem
Beschauer unmittelbar aufdrangt, dafür bietet eine sehr alte, bewunderungswürdig
ausgeführte Holzfigur am Sakkara (V. Dynastie, etwa 4000 v. Chr.) einen guten
Beweis; deno als die Arbeiter die merkwürdig gut erhaltene Statue mit dem
sprechenden Gesichtsausdruck zu Tage forderten, riefen sie sofort aus: 0, das iet
ja unser Dorfschulze! (Schech-el-be|pd). In Folge dessen heisst die Figur bis auf
den heutigen Tag der „Scbecb-el-beied". Dadurch ist zugleich der Continuität im
Aussehen der Bevölkerung durch die stattliche Periode von fast 6 Jahrtausenden
Ausdruck gegeben, und dies führt mich hinüber zum zweiten TheiJ der Aufgabe,
nehmlicb aus den Darstellungen das regelmässig Wiederkehrende, das Typische
abzuleiten und nach verschiedenen Normen zu umgrenzen.
Oifenbar ist dieser Theil der bei Weitem leichtere, da floissiges Studium grösserer
Reihen von Darstellungen unvermeidlich mit sich bringt, dass ßich ein gewisser
Durchschnittscharakter dem Beschauer einprägt; es handelt sich also wesentlich
darum, diesem Coniplex von Merkmalen einen klaren Ausdruck zu verleihen. Bei
solchen Bestrebungen sind wohl häufig zu strenge Grundsätze verfolgt worden, in-
dem man sich bemüht«, in den Bildwerken so und so viel verschiedene Bevölke-
rungen mit positiver Sicherheit nachzuweisen. Es scheint mir sachgemässer, sich
an die gegebeoen geographischen Verhlltnisse anzuschliessen und demgemass, von
wenigen Haupttypen nach der geographiscben Verbreitung ausgehend, die Bildung
von weiteren, untergeordneten Typen in der durch locale Verhältnisse bedingten
Vermischung mit Nachbarvölkern zu suchen.
Je mehr man der Bildwerke durchmustert und je eingehender man dieselben
vergleicht, um so mehr wird einem klar, dass die phy Biographische Grundlage etwas
specifisch Aegyptisches ist, was trotz der mannichfachen Abänderungen doch immer
noch kenntlich bleibt. Die Aussonderung dieses altägyptischen Typus muss
begreif lieber Weise von dem höchsteti Interesse sein, wird aber gleichzeitig nach
der Natur der Sache auch den erheblichsten Schwierigkeiten unterliegen, da auf
seine annähernd reine Conservirung bis in unsere Zeit oicbt zu rechnen ist. Trotz-
dem mochte ich glauben, dass die als Dorfschulze bezeichnete Figur, obwohl sie
an eine Person der Jetztzeit erinnert, in ihrer Eigenthümlichkeit viel von dem
altägyptiBcben Typus bewahrt bat. Die breiten, kräftigen Gesichtszüge, die massig
entwickelte, nicht auffallend vortretende Nase, die regelmässig gestellten Augen,
welche, uns, so zu sagen, recht europäisch ansehen, der energische Mund und die
gerundete Kopfform sind dem gleich zu besprechenden Typus nicht in solchem
Maasse eigen. Ist auch das Material gerade aus dieser ältesten Zeit leider recht
selteo, so wird sich doch manches dieser Merkmale, besonders der kräftige Schnitt
des Gesichtes und das stärkere Auftreten der Breiten, als typisch dafür feststellen
lassen.
Neben diesen, hieroglyphisch „Retu" genannten Völkern erscheinen sehr früh
die libyschen Volker oder Berber, auf den hieroglyphischen Inschriften mit dem
Namen „Tembu** bezeichnet und heutigen Tages in Aegypten norh durch die ßera-
bra vertreten; ausserdem siod aber die westlichen Wüsten stamme bis zu deu Ka-
n
(186;
byleu Algiers wohl nh aus gleicher Abstammung hervorgegnngen zu betrflchtpn
Der EinfluBS dieser Hbyscheu Volker auf deo Habitus der ügyptiscbeD scheint mir,
oacli den BildwerkeD zu schlieasen^ ein besondera grosser gewesen zu seio; denn
der grusste Theil aus den älteren und mittleren Dynastien zeigt einen Typus, den
ich den ägyptisch -libyschen nennen mochte. Er hat nicht mehr das Rohe,
Massige, aber zugleich Kraflige des alt-ägyptischen Typus. Eine gewisse Fülle und
Rundung des Gesichtes erscheint auch hier neben mehr hageren Formen recht
häufig; der typische Ausdruck ist aber weniger energisch, meist indolent, nicht
selten schlaff. Die Nasp erhalt durch die stark nach vorn gerichteten Nasenbeine
einen hohen Rücken und prominirt daher in der Seitenansicht ziemlich stark; in
der Vorderansicht erkennt man, dasß die Nasenwurzel sich nach oben schnell
verbreitert und flach in die gewölbten Augen brauen bogen übergebt. Die Augen
selbst tragen den sogenannten mandelförmigen Schnitt, d. h. ihr äusserer Winkel
ist viel spitzer ausgezogen als der innere; häutig sind sie dabei etwas schräg ge-
stellt.
Die Lippen sind dicklichi i^hne eigentlich aufgeworfen zu seio; es fehlt ihnen
der graziöse Schwung eines edel gebildeteu, europftischen Mundes, wenn sie auch
andererseits den aufgeworfenen Charakter des Negers nicht annehmen. Die Ohren
sind bei beiden Geschlechtern ziemlich gross und abstebend.
Die Gesichter, welche uns der Stein zeigt, begegnen uns noch heute in den
Städten und DMern Mittel-AegyptenSj als ein Beispiel einer bewunderungswürdigen
Constanz der Charaktere, trotz der kolossalen Ümwälznngen, welche Land und
Leute im Lanfe der Jahrtausende erlitten haben; so fand sich das sprechend ahn-
liehe Portrait einer Gawazi (Tänzerin) aus Assiut auf der Wand des Tempels zu
Kalabcheh, wie ein Arbeiter aus Theben^ den ich im Delta traf, an die kräftigen
Zuge des Pyramide nerbauers ChelTen erinnerte. Im Allgemeinen waren die kopti-
schen Christen schon ihrer Religion wegen am meisten gegen Vermischung ge-
schützt und unter ihnen durfte man daher am ehesten hoffen, überlebende Bei^^piele
für die alten Volkstypen zu finden; doch darf man nicht vergessen, dass sie wohl
gegen mubamedaniscbes, aber nicht so wohl gegen griechisches lilut geschützt waren,
und in der That zeigen gerade die Kopien einen recht mannichfaltigen Habitus.
Zwei weitere Varietäten liessen sich aus dem ägypti seh- iihy sehen Typus aus-
sondern, indem entweder das Profil sich anfängt mehr zu strecken und die geradere
Nase an eine ziemlich hohe^ massig zurückliegende Stirn anschliesst, oder im Gegen-
theil die Tor tretende Nase krümmt sich erheblich gegen die etwas verdickte Spitze,
während die Stirn stark zurückliegt. Beide Varietäten, von denen die erstere be-
sonders an den Figuren des Sefitempels zu Abydos gut ausgeprägt erscheint und
als der vornehme ägyptisch-libysche Typus gegenüber dem gewöhnlichen,
Tolksthümlichen bezeichnet werden kann, die andere durch die Ramsesportraits
(z» B. Triumph Ramses IL im Tempel zu Abu-SimbeJ) illustrirt wird, lassen sich
mit dem Grundtypus noch wohl vereinigen. Die zu zweit aufgeführte mochte ich
den pseudo*8emi tischen Typus nennen, da die beschriebene Nasent>ildung den
Semitensuchern, welche solche Vermischung hinter jeder gekrümmten Nase wittern,
einen wiükomroeDen Anhalt für ihre Annahme semitischen Blutes geboten hat; und
doch ist diese Bildung des Profils so charakteristisch, dass sich der Ausdruck Rams-
Nase (RamBeft-Nase) bis auf den heutigen Tag erhaben hat! Abgesehen davon» daas
eine solche Naß« sich von einer jüdischen durch Mancherlei, z. B. durch das Ver-
bältnigs der Spitze zu den Nasenflügeln, wohl unterscheiden lässt, macht doch die
Nase nicht allein den Typus aus. Eine Vergleicbung der Portraits wirklicher Semi*
b
tciiy wie solche in den nocb ijcute ziemlich reiD erhaltetieD Bedumen der agjptischeu
Wüsten Torhandeu sind, läast den abweichenden Habitus leicht erkennen.
Die BeimischuDgeD anderer Elemente von mannichfachen Eindringlingeü häuf-
ten sich a-llmihlicli in Aegypten immer starker, uod damit verändert sich auch der
Portraitcharakter auf den Denkmälern; der aus der Summe dersdben abzuleitende
Typus schliefst sich schon recht nahe an die europaischeu Formen an, weuu auch
immer noch das «peclfisch Aegyptische daneben hervorlritt. Ich möchte diesen
Typus, welcher sieb am besten auf den Ptoleraäer- Tempeln, besonders dem Horus-
Tempel zu Edfu (z. B, Kroüung des Königs Horus durch zwei Isis- Figuren mit der
Krone von Ober- und tJnterägypten) ausgeprägt findet, um einen mfiglichst wenig
präjudicirenden Ausdruck zu gebrauchen, deo ägyptisch»arischcn Typus nennen.
Hier lässt häufig die Nase, was Zierlichkeit der Bildung und Stellung derselben zu den
anderen Gesiehteabschnitten betrifft, kaum etwas zu wiinschen uhrig. Das edle Profil
mit der aufstrebendcü Stirn wurde jeder europäischen Dame zur Zierde gereichen;
nur die mandelförmigen Augen und der zwar feiner geschnittene, absr von ver-
führerischer Sinnlichkeit umlagerte Mund, sowie die OhrenbiJdung erinnert noch
an das Land, in dem wir uns befinden. Hier leistet auch schon die Historie hulf-
reiche Dienste und erklärt uns das Auftreten von griechischen oder rrmiischen
Charakteren in genügender Weise.
Viel schwieriger liegt die Sache hinsichtlich des letzt zu erwähnenden Haupt-
typus, den ich als den ägyptisch- nigritischen bezeichnen will, und der sich
durch das Erscheinen von Merkmalen, wie sie den dunkelpigmeutirten Afrikanern,
Tulgo Neger genannt, eigen sind, auszeichnet Dazu gehört die etwas flache Nase
mit dem breiten Ansatz der Nasenflijgel, vortretende Backenknochen, grosse, etwas
glotzende (nicht mandelförmige) Augen und die stark gewulsteten Lippen. Ein
Beispiel solcher Bildnng liegt schon ans sehr früher Zeit vor, nehmlich die bemalte
Kalksteinstalue des Priozen Ra-hotep aus den Gräbern von Sakkara; auch die grosse
Sphinx bei Gizeh zeigt diese Züge, soweit die Zerstörung durch den Zahn der Zeit
sie noch erkennen lässt. Gerade auf dem Gräberfelde von Sakkara begegnet man
auch nicht selten Schädeln, welche mehr oder weniger deutlich einen negroiden
oder nigritischen Habitus zeigen.
Rs ist hier nicht der Ort-^ die verschiedenen Möglichkeiten gegen einander ab-
zuw^ägeuj welche sich für die Erklärung dieser Erscheinung verwerthen lassen, und
welche Stützpunkte für die eine oder andere Theorie das Studium der Hieroglyphen
darbietet. Jedenfalls ist es höchst bemerkenswerth, dass die nigritischen Gesichter
bereits in den ältesten Zeiten des ägyptischen Reiches (die Statue des Ra-hotep
wird in die Zeit der TV. Dynastie gerechnet und gilt als das älteste aller bekann-
ten derartigen Denkmäler) auftreten; was auch immer die Inschriften erzählen, die
Bevölkerung des alten Reiches mnss jedenfalls selbst bis in die vornehmen Stände
hinein auf friedliche Weise Beetandtbeile in sich aufgenommen haben, weiche in
der Kürperbildung den dunkelpigmeutirten Afrikanern nicht ganz fern standen*
Vielleicht waren dies Reste einer ürbevülkerung, die den Anstoss zur rapide
ansteigenden Civilisation durch die Vermischung mit einem von Aussen eindringen^
den, fremden Elemeut a!a Culturträger erhielt. Die hieroglyphischen Inschriften
erwähnen, soviel ich weiss, Nichts von einem derartigen Verhältniss, indessen sind
in neuerer Zeit auch in Aegypten zahlreiche Funde einer prähistorischen Periode
entdeckt und lebhaft discutirt worden. Bei der Beurtheüung solcher, hauptsächlich
aus Steingeräth Schäften bestehenden Funde ist gerade in diesem Lande die grösste
Vorsicht geboten; denn schon die Massenhaftigkeit der gefundenen Objecte muss
dieselben in hohem Maasse verdächtig machen. Es wird sich Niemand gleichsam
(
zur Belehrung unter Aufwand von Zeit und Mühe oin Steininstniment zurechtr
machen, wenn die ganze Gegend damit bestreut i&t und er hlose zuzugreifen
braucht. So wie dem Fell&h einmal klar geworden ist, dass selche Dinge gesucht
werden, so unterliegt es im Hinblick atif die im Lande allgemein verbreitete Alter-
thyroerfabrikatici^keiüem ZweifeJ, er wird dafür sorgen, dass sie auch gefunden
werden. Andererseits ist man desshalb noch nicht berechtigt, alle hierher gehörigen
Funde als Fälschungen tu erklaren; fijr die ganz rohen, in den Wosten herumliegen-
den Absprengsei von Feiiersteii] darf man aber jetzt wohl die natürliche Eni-
stehung durch WitterunggeinHusse als erwiesen betrachten.
Scharfe Kritik würde die Zalil der unzweifelhaft echten Steingeräthe aus prfi-
historischer Zeit Aegyptens stark leduciren und es erscheint gewagt, daraufhin
Hein den Beweis eines ürvolkes zu gründen^ zumal der Gebrauch solcher Geräth-
Icbaften zu gewissen rituellen Zwecken auch in historischer Zeit geübt wurde*
Ebenso wurde es zweifelhaft bleiben, woher das Cultur bringende Volkselement
gekommen sei? Wenn sich dafür das westliche Asien als wahrscheinlichster Aus-
gangspunkt darbietet, so ist mit der Annahme dieser Hypothese noch nichts über
die Natur der betreffenden Bevölkerung gesagt, oder gar erwiesen, dass es Semiten
waren. Eine bedeutende Wechselwirkung zwischen den benachbarten Theilen der
beiden Continente ist unzweifelhaft und reichte jedenfalls sehr weit; sehr möglich
ist es, dass gerade dieser Wechselwirkung der frühzeitige Aufschwung znr Cultur
an der Berührungsstelle Afrikas und Asiens zuzuschreiben ist. Hinsichtlich der
Beschaffenheit der eigentlichen Urbevölkerung könnte man mit Rücksicht auf die
historischen Quellen znr Vermuthung kommen , dass sie den ßlemmyern verwandt
gewesen seien.
Diese Bleromyer der alten Geographen, welche gegen das rothe Meer hin wohn-
ten und sich noch bis heutigen Tages durch die Bi scharin, Hadendoa und verwandte
Stämme in Resten erhalten haben sollen, werden als den Aegyptern feindliche Be-
völkerungen geschildert, mit denen erbitterte Kriege geführt wurden; indessen darf
man dabei nicht vergessen, dass es sich hier um den prablenschen Lapidarstil der
Hieroglyphen handelt, und wenn sich auch das aufstrebende Cultnrvolk bald in
immer grosseren Widerspruch zu den uncivilisirten Horden des Landes setzte, so
ist das ganze Kriegstheater doch zu eng, um anzunehmen, dass die kämpfenden
Parteien, so lange es sich nicht wirklich um fremde Einwanderungen handelte, von
Grund aus verschiedene Bevölkerungen waren. Die in sehr früher Zeit sich unter-
ordnenden, roheren Bestandtheile der Urbevölkerung Aegyptens werden natürlich
nicht Veranlassung zu Kämpfen geworden sein und haben sich daher auch keinen
Platz in den hieroglyphischen Inschriften erobert, wenn sie auch hier und da ihre
Züge den dargestellten Figuren zu leihen hatten. Hr Lepsius hat aus den vom
ägyptischen Typus ?ibweichenden südostlichen Bevölkerungen eine besondere Gnippe,
die Kuschiten, gebildet, wodurch der Verschiedenheit ein bestimmter Ausdruck ver-
liehen wird, wenn ich auch offen bekenne, dass mir die Abgrenzung derselben
schwierig erscheint. Gerade wegen dieser Schwierigkeit der Abgrenzung möchte
ich in dem Habitus der heutigen Bevölkerungen ein Produkt der Vermischung ver-
schiedener Elemente seheti, wie sie sich schon seit prähistorischer Zeit anbahnte.
Was die Einwanderungen in historischer Zeit betrifft, so wäre besonders das
Eindringen der Hyksos und der Einfluss, den sie etwa auf den Habitus des Volkes
hatten, zu berücksichtigen. Die berühmtesten Bildwerke aus der Hyksoazeit sind
die machtigen Sphinxe im Bulak*MusGum zu Cairo, und erscheinen dieselben gerade
für die vorliegenden Untersuchungen um so mehr wichtig, als sie in hohem Maasse
Portraitcharakter in den Gesichtern zeigen. So gewiss dieselben von den bereite
I
I
erwähnten ^yptischen Tjpen stark abweichen, so gewi&s ist auch, dass kein Zug
in diesen Gosichteni einen semitischen Charakter trägt. Die enorna breiteo, wie
gepolstert aussehenden Backenknochen, der energische Mund mit den geschwun-
genen Lippen» die krÄftige, aber massig vorspringende Nase mit breitem Rücken,
der regelmässige Schnitt der Augen und das rundliche Rinn alW ZOge, die sieb
heutigen Tages am mei&fen an turanischen Nationen ausgeprägt fioden.
Sollen die Hyksos also bei irgend einer Volkerfamilie untergebracht werden,
so sehe ich sie lieber mit den turanischen Tereinigt, als mit den Semiten, wo sie
sicher nicht bingehoren; bei den contineatalen "Wanderungen der asiatischen Völker
können die ersteren gewiSB ebenso wohl nach Aegjpten gc«]angt sein^ als die letz-
teren» Hätten die Hyksos dem specifisch Aegyptiscbeii nicht so fern gestanden,
würde ihre Spur auch uiclit vergangen sein, wie eine Mythe, trotz der mächtigen
Herrschaft, welche sie einst über Aegypten ausübten.
Ganz anders verhalt es sich mit den wirklich semitischen Einwanderungen.
Solche fanden bekanntlich Fchon in sehr früher Zeit über die Strasse Bab-el-Mandeb
in die Hochländer südlich von Aegypten, aber auch umgekehrt von afrikanischer
Kaste gegen den Süden Arabiens statt. Wie weit solche Einwanderungen umgestal-
tend auf den Typus der äthiopischen Völker eingewirkt haben ^ darüber enthalte ich
mich des örtheils; nach dem, was mir davon persönlich bekannt geworden ist, habe
ich keine Veranlassung, diesen Binfluss besonders gross zu taxiren, wahrend noch
bis heutigen Tages der Somali Arabiens ein echter Afrikaner geblieben ist
nnd so aufs neue die bewunderungswürdige Zähigkeit der nigiitischen R^ss^en do-
cumentirt. Die ägyptischen Volksstämme verhielten sich auch durin abweichend
von dcD nigritiscbeo, dass sie den tn spät historischer Zeit eindringenden semiti-
schen Elementen Arabiens wenig Widerstand entgegensetzten und unter dem Ein-
flnss derselbeD sehr bnid deü charakteristischen Habitus, wie ihn die Denkmäler
uns enthülJen, aufgaben.
Dies gilt besonders vom Delta bis hinauf nach Cairo und in die Städte Unter-
Aegyptens, wo in der That die Fellachenbe Völker uug heutigen Tages einen durch-
aus anderen Schnitt des Gesichtes aufweist, ab dem ägyptischen Typus oder einer
seiner Modificationcn entspricht Auffallend war mir besonders die Schmulbeit der
Nasenwurzel und der markirte, schroffe Ansatz der Augenbrauen, was mich längere
Zeit an der Correctbeit der hieroglyphischen DarÄtelluugen in diesem Punkte zweifel-
haft machte^ bis ich die antike Form in Ober- Aegjpten lebend antrat —
Der flüchtige, so eben gegebene üeberblick über das bereits zur Vergleichung
vorliegende Material, welches sich bei genügender Aufmerksamkeit bedeutend ver-
mehren lassen wird, lehrt, wie mannichfaehe wichtige Fragen dabei, wenn nicht
gelöst, doch ihrer Lösung näher gebracht werden können. Wenn es mir Zeit und
Müsse vergönnen, hoffe ich später einmal der Gesellschaft ein ait* ägyptisch es Por-
trait-AI bnoi vorzu legen,
(Eine grössere Anzahl der Geselischaft vorgelegter, theils eigener, theils von
Sebah in Cairo angefertigter Photographien diente zur Illustration der angeführten
Thatsachen.) —
Hr, Band fragt, ob die Arier nach der Meinung des Vorsitzenden von Norden
oder Süden her eingewandert seien.
Hr, F ritsch glaubt^ dass dies von Norden her geschehen sei.
Hn V. Kor ff fügt einige Bemerkungen hlnzn.
(190)
(12) Hr. Caatao stellt der Geselkcbafb die zur Zeit io seinem Panopticdai
aowes enden
Australier
Hr. Virchow bemerkt darüber Folgendes:
Der Föhrer dieser Leute, Hr. Louis Müller brachte, bevor er seine Vorstel-
lungen yor dem Publikum eröffnete, seine Pflegebefohlenen tu mit in das Patholo-
gische Institut, wo ich dieselben genauer untersuchte. Nach seiner Angabe hatte er
dieselben in ihrer Hwiroath, Frfizers Island, gegenüber von Maryborough in Queens-
land, für die Reiise angeworben; die Leute selbst bestätigten diess in ihrem gebroche-
nen Englisch. Der Elteste von ihnen, Jurano, jetzt Alfred genannt, sollte ein Alter
TOD 22 Jahren haben; seine Nichte Susanne wurde als L^ijährig bezeichnet. Das
Alter des dritten, Boony, wurde zu 18 Jahren bestimmt
Alle drei haben ein verhältnissmässig frisches Aussehen r obwohl eher mager,
zeigen sie doch jugendlich gerundete, ziemlieh volle Formen. Die europäische
Kleidung, welche ^ie tragen, mag einen nicht geringen Theil des BigenthümlicheD
decken, was sonst den Australier auszeichnet; nichtsdestoweniger bleibt so viel da-
von aiehtbar, duss mir wenigstens der Eindruck des Fremdartigen in viel höherem
Maas&e eingeprägt wurde, als ich mich sonst erinnere, ihn jemals bei dem Anblick
einer fremden Rasse empfangen zu haben Es war das erste Mal, dass ich lebende
AuBtralter sah, indess habe ich mich so viel mit diesem sonderbaren Volke he-
Hchäftigt, ich hitbe so viele Abbildungen ¥on den verschiedensten Hlämmen gesehen,
10 viele ßeschreibungen gelesen, so viele Schädel studirt, dass ich überzeugt bin, es
seien ganz vortrefiTIiche Specimioa dieser Rasse, Die zahlreichen Mitglieder unserer
Gesellschaft, welche in Australien waren, bestätigen das. Insbesondere ßonny und das
jonge Mfidcheu sind wahre Prachtexemplare, während sonderbarerweise Alfred, ob-
wohl ein naher Verwandter des Mädchens^ eine weniger ausgeprägte Physiognomie
besitzt. Nach meiner Auffassung culminirt die Besonderheit der australischen
Physiognomie in der Bildung der Nasengegend und gerade flafür kann Bonny als
ein wahrer Prototyp gelten. Diese Bildung hat unzweifelhaft den Charakter einer
gewissen Inferiorität, wenn mau will, Alfenartigkeit an sich. Trotzdem kann ich
nicht sagen, dass die Leute im Ganzen einen nugünfttigen Eindruck macheo.
Namentlich das junge Mädchen hat entschieden etwas Freundliches und Angenehmes:
sie ist zur Fröhlichkeit geneigt und zeigt grosses Interesse au den Dingen, ohne
jedoch eine gewisse Zurtickhaltung abzulegen. Die beiden Burschen halten sich
sehr ernst und still, aber sie sehen nicht stupid oder gar thierisch aus.
Indess das Wichtigste war für mich doch, endlich einmal die beiden Verhall-
niise aus eigener Anschauung und Prüfung kennen zu lernen, welche durch die
vielen Widerspruche der Berichterstatter in ein gewisses Dunkel gehüllt worden
sindj nehmlich das Colorit und die HeschafiFenheit der Huare. Dass in diesen bei-
den Beziehungen, wie bei allen gefärbten Rassen, mancherlei individuelle und
St&mmeseigenthümlichkeiten bestehen mögen, ist höchst wahrscheinlich; nichls*
destoweniger lasst sich ein gewisser Generaltypus aufstellen, und da kann ich sagen.
dass ich die hier vor uns stehenden Leute dem Bilde, w^elches ich mir aus dem sorg-
faltigen Studium der Berichterstatter gemacht habe, ungemein ähnlich gefunden habe,
Sie sind unzweifeihaft Schwarze, aber mit überwiegend brauner Nuance und
mit grossen regionären Verschiedenheiten der einzelnen Körperlheile. Die Farbe
liegt nach der Pariser Fariientafel zwischen 27 und 30, also in derselben, durch
Beimischung von Braun und Braunroth zu Schwarz charakterisirten Reihe. Am
dunkelsten ist Bonny, bei dem die Stirn, der Hals und der Vorderarm ganz dunkel
(191)
erscbeinea (27 — 28), inräfareDd bei Alfred die Nuance 28, bei SusADDe 29 — 30*vor-
herrscheo. Was ich schon wiederholt von Leuten gefärbter Rassen hervorgehoben
habe^ zeigt sich auch hier wieder: die bedeckten Theije sind vielfach dunkler, als
die der Luft und dem Licht exp^nirteo, Bo erscheint gerade das Gesicht bei allen
etwas heller, mehr dunkelbraun oder gar gelbbraun, fast cm einen ganzen Farbenton
lichter, süs die Stirn, am meisten ähnlich der Färbung der UandÖäche. So hat
Alfred 28 an Stirn und Vorderarm, 28^29 an Gesicht und Handfiäche; Bonny
leigt 27 — 28 an Stirn und Vorderarm, 28 an den Fiugerrückeu, 28 — 29 am Ge-
sicht, 29*-30 au der inneren Handtiäche. Die Nägel sehen verhältnissmüssig bell
aus, sie sind von weissrötblicher Farbe. Da die Leute zu Hause fast nackt gehen, so
ist der unterschied in den äusseren Bedingungen an sich gering, und es muss den
örtlichen Abweichungen der Farbentone ein grosseres Gewicht beigelegt werden.
Im üebrigen ist die Farbe eiwe sehr gleichmässige und die Baut hat das weiche
sanfte Geffibl, welches die schwarzen Rassen auezeichnet. Ich will sofort hinzufügen,
daas die dickeu, stark vortretenden und aufgeworfenen Lippen ein livides, fast
schwarzliches Ausseben haben und selbst innen mehr bläulich erscheinen.
Das Haar ist im Ganzen wenig entwickelt Beide Männer haben wenig Bart:
an der Oberlippe und den Wangen vereinzelte kurze Haare, am Kinn eine
etwas reichlichere, jedoch gleichfalls dünne Behaarung. Nur die Augenbrauen sind
kräftig ausgebildet. Das Kopfhaar ist rein schwarz, etwas hart anzufiihlen, nicht
sehr dicht, von geringer Liinge. Selbst bei Susanne, welche sich dasselbe nach
Aussage des Führers noch nicht geschnitten hat, reicht es nur bis zum Nacken;
in Folge der besseren Cultur erscheint es glänzend. Aber bei Allen behält es eine
gewisse Neigung zur Auflösung und Verwirrung. In Bezug auf die Richtung der
einzelnen Haare unterscheidet es sich sehr bestimmt sowohl von dem straffen, glat-
ten Haar der Mongolen und Malayen, als von dem Wollhaar der Neger und Ne-
gritos; es ist mehr schlicht, jedoch mit entschiedener Neigung zu welliger Biegung,
die eich aber nicht am Anfange, sondern erst im weiteren Verlaufe bemerkbar
macht. Daher ist es nichts weniger als kraus, kaum h^ckig. Bei dem jungen Jiäd-
chen biegen sich eigentlich nur die Enden um, ohne sich jedoch in eigentliche
Locken zusammenzufügen.
Bei der mikroskopischen üntersuchuDg erscheinen die einzelnen Haare sehr
dunkel, bei schwachen Vergrösserungen fast rein schwarz, bei stärkerer blauschwarz.
Nur die Enden, welche sehr dünn werden und fast ganz zugespitzt auslaufen, sind
hellgelbbraun oder fast farblos. Bei dem jungen Mädchen, bei dem die Enden
schon für das blosse Auge eine mehr bräunliche Färbung zeigen, sind die Haare
eine iängere Strecke vor dem Ende ungemein dünn, zuletzt ganz fein zugespitzt
und mikroskopisch von hellgelblicher Farbe, schliesslich ganz farblos. Auch fand
ich bei ihr einzelne Haare, welche schon in ihrem breiteren Theil mehr hellbräun-
lich aussahen; diese hatten einen wenig entwickelten, mehrfach unterbrochenen, un-
gefärbten Markcy linder, so dass der in Form feiner gelbbräunlicher Körnchen vor*
handene Farbstoff ausschliesslich die Rinde durchsetzte. An den dunklen Haaren
ist Marksubstanz nicht wahrnehmbar. Hier zeigt sich das Haar bis zur Oberfläche
ganz dicht von schwarzlicheu oder dunkelbraunen Körnchen durchsetzt, welche
meist haufenweise angeordnet sind, jedoch auch vereinzelt durch die ganze Substanz
verbreitet liegen. Im Ganzen erscheint die Fä-rbung daher mehr fleckig, jedoch
sehr gesättigt. Die Form der Haare ist durchweg dreh rund.
Die Iris ist braun, das Weisse im Auge durch bräunliche Färbung der Sclero-
tica sehr unrein. Bei den Männern liegt der Augapfel tief und erscheint daher
klein und laiiernd; bei dem Mädchen tritt er in recht gefälliger Form, offen und
(192)
fireuücllich hervor. Bei allen hat das Auge Glauz und der Blick Festigkeit, aber
die verschiedene Haltung der Lider giebt dem männlicben Auge ein mehr geknif-
fenes AusBehen, wäbreod das weibliche grosü und rundlich erscheint.
Die Stirn ist bei allen etwas niedrig, bei dem Mädchen gewölbt und in der
Mitte vortretend, bei den Männern etwas zurückliegend und aamentlich bei Alfred
mit Btarkeo SupraorbitalwijlsteD. Die Naae ist vor Allem kurz und niedrig, und
da Zugleich die Flügel sehr breit und die Nasenlocher weit sind, so folgt dar-
aus jene hassliche Grundform, welche uus am njeistcn in dem australischen Ge-
sichte abschreckt. Die Wurzel sitzt Lief, der Rücken ist stark eingebogen und
mehr abgeplattet. Bei Susanne berechnet sich ein Nasenindex ?an lOÜ. Nur bei
Alfred ist die Nase etwas länger, der Rücken weniger eingebogen und schärfer,
jedoch tritt auch bei ihm, wie freilich viel stärker bei den anderen, die Eigen-
thümlicbkeit hervor, dass unter der dicken Nasenijpitze das Septum weit zurück-
bleibt. Dadurch entsteht unverkennbar eine leichte AnnäheruDg an die Äffennase,
Namentlich bei Bonnj ist diess Verhältniss so ausgebildet, dass die Scheidewand
von der dicken Spitze ganz überlagert wird*
7'rotz der Dicke der Lippen ist der Prognathismus wenig ausgebildet Bei
Bonnj greifen die Zähne des Oberkiefers über die des Unterkiefers über und geben
80 dem Profil *^ine individuelh' Besonderheit, indem sowohl die Nase, als das
Kinn hinter der Oberlippe stark zurückbleiben. Bei den beiden anderen er-
reicht die Nasenspitze in der Seitenansicht nahezu dieselbe Vertikale, wie der
Lippenrand, dagegen bleibt das gerundete Kinn stark zurück.
Das Ohr ist im Ganzen zierlich gebildet.
Was die Schädel form anbetrifft, so weicht darin Bonnj- am meisten abr ei ist
mesocepbal (Index 77). Die beiden anderen dagegen entsprechen ganz der typi-
sehen Dolichocephalie; 70,6 und IQJ, Der Kopf ist schmal und von massiger
Höhe, Der Auricularindei beträgt 62 — 63.
Der Körper ist bei allen drei kräftig, aber von geringer Höhe, Die besonderen
Verhaltnisse desselben werden aus nachf^tehender Tabelle hervorgehen:
\, Kopfmaasse.
Mjiaase (in Millimetern)
Boony
Alfred
Susanne
Grösste Lioge
188
194
184
Gro«ste Breite .,,......,...
141
116
137
120
L%
Obrhöbe ,
114
Geaichtshöhe a ....
179
189
167
b
102
119
92
GtfBichtäbreite a
140
110
lOÖ
29
91
137
88
96
32
95
m;
b
m
„ c , , .
97
Interorbitaldistanz
32
Distanz der äusseren Augenwinkel
86 ^
Niaenhöbe
4&
61
40
Nasenlange
36
i ^
32
Na«6nbr©ite . . , ,
44
42
40
Mundlinge
i;i
58
47
Ohrbohe ...
60
€>4
63
i
(193)
II. KSrpermaasse.
Maasse (in Millimetern)
Körperhöhe .
Kinn . . .
Schulter . .
Ellenbogen .
Handgelenk .
Mittelfinger .
Nabel . . .
Trochanter .
Knie . . .
Malleolut . .
Klafterlänge .
Scbnlterbreite
Hand, Lange
, Breite .
Pubs, Länge.
. Breite .
Bonny
III. Indioes.
Längenbreitenindez
Auricularindex . .
Nasenindex . . .
1675
1465
1405
1040
790
580
1040
890
495
70
1850
340
197
91
277
99
77,0
63,4
97,7
Alfred
1580
1360
1310
985
755
556
997
817
415
55
1700
340
181
79
240
91
70,6
61,9
82,3
Susanne
1583
1380
1310
992
750
577
852
464
55
1629
297
172
74
221
84
70,7
62,0
100,0
(13) Eingegangene Schriften:
1. G. Nicolucci, 1 cranii dei Marsi. Napoli 1883. Geschenk des Verfassers.
2. Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. 1883. Nr. 2.
VerbudL der BerL AnUiropoL GeMllachaft 188S.
13
Sitzung am 17. Mära 1883,
VorsiUeDder Hr. Virchow,
(I) Hr. U Rütimeyer in Basel dankt für seioe ErneoDung zum correspon-
direoden Mitglied e.
Freiherr Eduard v. Sacken id Wien, unser correBpoQdiiendeB Mitglied^ ist am
20. Febmar gestorben. Der Vorsitzende erinnert daran, in welcher Rüstigkeit der
Verstorbene noch auf der Versaramlung in SaJxburg präsidirte, und giebt dem
grossen Bedauern Ausdruck, dasa nuo auch der Maun^ an dessen Namen sich vor-
zugsweise die Kunde des Graberfeldes von HalJstadt ankofipft, aus dem Kreise der
Lebenden geschieden ist.
Als neue ürdentliche Mitglieder sind angemeldet
Hr, Geh, Regierungiirath Dr* Althoff, Berlin,
„ Kaufmann Max Titel, Berlin.
„ Kaufmann Heinr. Waaas, Berlin.
„ Kaufmaun JuL Maass, Berlin.
„ Ritlerguls besitz er Woworaky, Berlin.
(S) Hr. Bastian bespricht
neue Erwerbungen des Königl. Museums,
£s ist bereits zu allgemeiner KenatnisB gekommen, wie ein für die Ethnologie
bedeutungsvolles Ereigniss kürzlich sich vollzogen hat, eine Sicherung nehmlich der
letzten üeberrestc auf der Oster-Insel'), deren Niederlegung in den König-
lichen Sammlungen zur Lösung des auf diesen Räthselpuukt der Sudsee gestellten
Prohlem^s die lang gewünschten Materialien zu liefern vermögen wird. Heute finde
ich mich in der Lage^ eine andere WittbeiluDg hinzuzufügen, die um so erfreulieber
ist, weil sie den Empfang weiterer Vermehrungen in nächste Aussicht stellt. Schon
auf meiner amerikanischen Heise im Jahre 1876 machte ich in Valparaiso die Be-
kanntschaft unseres deutschen Gonsuls dort, des Hrn, Schlubach, und horte von
den ihm auf der Oster- In s*el zur Verfügung stehenden HülfsnuttelD, die durch
seine Beziehungen zu der Kouiglichen Familie Tahiti 's eingeleitet sind, Hr, Consul
Schlubach hatte damals bereits die Freundlich keif, mir Schritte zu versprechen
im Interesse ethnologischer Sammlungen, ixud letztere, welche ich bei seinem
jetzigen Aufenthalt in Hamburg vor einiger Zeit dort in Augenschein nelimen
konnte, linden sich, nach einem gestern erhaltenen Briefe, auf dem Wege nach
Berlin. Für den hohen Werth derselben will ich nur erwähnen, dass sich eines
jener eigentbumlichen Schriftdocumente darunter befindet, die seit ihrer kürzlichen
Entdeckung so sehr die aJlgemeine Aufmerksamkeit auf sich zogen; im Üebrigen
1) bezüglich des Seitens der KaiserL Admiralität veranlassten Besuebfif^ diei^er Insel,
worauf BpMer zurückzukommen sein wird.
13*
kaan FerDeres bis ziim Eintreflfeti Torbehalteö werden, also bis zur nacbsten SiUuDg
wahrschpinlich. —
Eine aDdere ausnebmend daDkeoswertbe Schenkung ist dem KonigL Museum
ÄUgefjangen durch Hro. Dr. Hana Meyer, der sich augeoblicklicb auf einer grösseren
KuDdreise befindet, und der seinen Aufenthalt in Luzon benutzt hat, von den noch
wenig bekannten Stammen des Innern dieser Insel eine ausgiebige Sammlung herzu*
Stelleu, die viel »Selteoes und Neues bringt, wie Sie bereits in einer kleinen Aus-
wahl sehen in den hier vorliegenden Stucken, den als Thürpfosteu dienenden Fi-
guren, dann den Fenster verecblägeQj den beim Kupfeachn eilen gebraucbteu Schilden
mit zugehöriger Streitaxt u. s. w« —
Ein anderer Einblick in das Volksleben wird uns durch die vorliegende
Sammlung gewährt: eine weitere Sendung von Grab bei gaben für Wöchne-
rinnen in der Lausitz, von denen bereits bei einer früheren Gelegenheit ge-
sprochen wurde. Unser Correspondent fügt diesmal nach hinzu, dass der Ge-
brauch der Grabbeigaben, wie er jetzt erfahren, ein allgemeiner sei: jeder werde
gewisaermaassen nach seinem Stande im Leben für den Tod ausgestattet, wofür
ei- das zu seiner Kenntniss gekommene ßetepiel eines Hol zd rech elers aDf1]ihrL Sie
sehen, wir ßuden uns also auf eigener Culturstufe für die primitiven Stadien der*
selben noch mitten in der Ethnologie, in Parallele mit diesen dort entsprechenden
unter den Nutut Völkern, — eine tbai sächliche Bestätigung für das organische Wachs-
thum des Völkergedankens, wie sie schlagender nicht hätte ausgedacht werden
können. Für die im Kindbett Verstorbenen sind überall in den Vol kenn schau ungen
besondere Reservationen gemacht (auf den Uliassers, auf den Marqnegas, bei Azte-
ken u* 8. w.) nach bestimmten psychologischen Gesetzen, die sich aus dem Gedanken-
gang (wenn wir uns objectiy hineindenken) deutlich, und nothwendig sogar, ergeben
(wie mehrfach ausgeführt). Und för die sonstigen Beigaben finden sich Analogien
durchweg, in Abbeokouta oder anden^n Theikn Afrika's sowohl, wie bei Griechen,
neuer Zeit nicht allein, oder wo man sonst will. Einiges war in der Hinsicht
für uns bereits bekannt, das Beilegen von Kamm und Rasirmesser, weil für die
Leiche benutzt (bei Wuttke); aus dem Voigtland spricht Köhler von Regenschirm
und Gummischuhen, die hier an die Stelle indianischer Mocassins treten, oder
anderswo llokpantinen (als Helsko) für den Helvegr u. dgl, m. Für das Erhalten
solcher archaischer Formen hat die Abgeschlossenheit der Gegend, aus der die obigen
Funde stammen, beigetragen, wie aus der Vor-
geschichte der Sechs^ und Vierstadte nachweis-
bar im Anschlass an die Mütschanen, und was
dazu gehört- —
Zugleich erlaube ich mir, eine aus längerem
Verlegtsein zufallig wieder zu Händen gekom-
meoc Zeichnung einer Goldfigur vorzulegen, die
ich friiher in Medellin^) sah, als Illustration zu
denjenigen Bildungen, welche Anlass zu phan-
tastischen Vorstellungen über Elephantenriissel
an am ericani sehen Monumenten gegeben haben,
». B. an den Bauwerken Ux-mal*», von denen ich
deshalb, um zu zeigen, um was es sich factisch
hitndelt, einen Stein mitgebracht habe, der sich im Museum befindet N&her kommt
der Tapir in Betrachtung (auch bei den Mjthen der Quiches).
1) Citlturl&nder des alten America» I, S. 269.
(197)
(3) Hr. Virchow bespricht aufifübrlicher folgende neue EinBeodungen:
K Die neue Schrift von Hro. Sophus Müller über die erste Entwickelung der
ßroDzezeit in Europa,
2, Major PowelPa ersten Jahresbericht des ethnologiscbeu Bureaus (First
annnid repnrt of the Bureau of Ethcology. Washington 1881)»
^. Job, Ranke's Beiträge zur physischen Anthropologie der Bayern,
4. Das Programm des Gubener Gyranaaiums mit dem Bericht des Hrn. Jentsch
über die dortige Älterthümersammlung,
(4) Hr. Ingvald Ündset übersendet aus Rom, d, d. 26. Februar eine Abhand-
lung über
altitalische Bronzewagen.
Unter die berühmtesten Nekro polen Etruriens zählt die der uralten Stadt Tar-
quinii. Die Nekropole Hegt auf einem Höhenzug, der durch ein Thal von der jetzt
absolut verödeten Statte Tarqu in ii's getreiiiit ist; am nordwestlichen Ende derselben
Hohe liegt das mittelalterliche Corneto, welche Stadt seit 1H72 den officiellen Namen
Corneto-Tarquinia fi^hrt, als Erbin Her berühmten Etrusker-Stadt'). Corneto-Tar-
quinia besitzt ein sehr reiches Musetini etruskischer Alterthümer, aus dea Aus-
grabungen in der grossen nahen Nekropole herrührend, die unmittelbar vor der
Porta Tarquinia beginnend, sich mehrere Kilometer in die Länge ausdehnt. Nach
der Initiative des hochverdienten, für wissenscbaftlicbe Forschung im höchsten
Grade interessirten Sindaco, Luigi Dasti, wird von der kleinen Commune jedes
Jahr eine beträchtliche Summe für Ausgrabungen verwendet; s*uf diese Weise ist
das stadtische Museum zu einer der bedeutendsteu und wichtigsten Sammlungen
etruskischer Grabalterthiimer emporgewachsen.
Im Winter 1881 — 1882, vom 15. November bis Ende April, wurde gegraben
auf der Höhe östlich von den Arcatelle (einer Reihe mittelalterlicher Aquaecluct-
bögen), gegen das östliche Ende des Montarozzi genannten Theiles der Nekro-
polen-Höbe, links von der alten Strasse, die von Tarquinii hier herüber nach der
Nekropole und wahrscheinlich auch weiter nach dem Meere führte-). Es \vurde
hier eine Menge uralter Gräber aufgedeckt, älter als alle früher aufgefundenen:
offenbar hatte man hier den ältesten Theil der ganzen Nekropole getroffen^).
Die Gräber waren alle tombe a pozzo: in ein, in den Felsen eingearbeitetes Loch
war die Drne mit den verbrannten Knochen niedergesetzt, meistens in einem aus
nenfro gearbeiteten cylinderförmigen Behälter eingeschlossen. Kine nähere Be-
schreibung dieses Grabfeldes und der reichen Funde werde ich hier nicht gehen;
ich verweise auf Hei big' s vortrefilicben Bericht im Bullettino des deutschen ar-
chäologischen Instituts in Rom, 1882, und auf die zwei verdienstvollen und sorg*
fältigen Relationen, die Ghirardini in den Notizie degli scavi für Üeeember
1881 und April 1882 veröffentlicht hat Ich bemerke nur im Allgemeiaen, dass es
Äich um Gräber handelt, die nach der einen Seite die grössten Aehnüchkeiten mit
den ältesten Bologna-Nekropolen (Villanova, iienacci) darbieten, nur dass die von
1) Vergh Luigi Dasti, Notizie storiche-archeo!n(jiche di Tarquinia e Corneto. Hoiiili
1878.
2) Vergl. die Karte in Caniaa, Etmria maritima, Tav, LXXVl, oder den Plan hei Dea-
Dis: The cities and cimeteries of ancient Etruria (2»Jed.), 1, p. 304. Diese Strasse ist ivahr-
scheinlich die älteste der Verbinduagsstrassen ä wischen Stadt und Nekropole.
B) Es bleibt dabei za bemerken, dass dieser Theil unmittelbar an der genannten ältesten
Strasse liegf^ da wo diese die Nekropole n-Höbe zuer&t erreicht.
(Ut83
Corneto zum Theil noch alter Biod')j — nach der anderen Seite zeigen sie nahe
Verwaadtscbaft mit der Albaner Nekropole (jd den HausurDCD u. t. a.) und knüp-
fen also sehr eng einen weiten Zusammenhang').
Als ich im Januar 1881 zum ersten Mal Cornetn besuchte, hat unter den aus
diesen ältesten Funden herrührenden Gegenständen der Bronzewagen, den ich heute
besprechen werde, mich ganx besonders intereasirt, und ich habe sofort beschlossen,
ier Berliner anthropologxpchen Gesellschaft, die den kleinen Bronzewagen eine be-
E>ndere Aufmerksamkeit gewidmet hat* einen Aufsatz darüber mitzulheilen*). Im
\origen Jahr konnte ich aber niclit mehr nach Coroeto kommen, Er&t in die-
sem Monat arbeitete ich wieder einige Tage dort und habe mir nun auch die mit*
folgende Zeichnung dieses interessanten Gegenstandes anfertigen lassen können.
Der Wagen ist inzwischen in der ersten Yon Gbirardini's oben genannten Abband-
hmgen abgebildet worden, aber leider in so kleinem Maassstabe und in so un-
genauer Zeichnung, dass eine gute deutliche Abbildung dadurch nur um &o mehr
wuoschenswerth werden musste.
Das Grab, in dem (am ll.December 1881) der Wagen gefunden wurde, war
eines der gewohnlichen Art*): in einem Behfilter aus nenfro war das Ossuarium,
mit einer Schale als Deckel, eingeschlossen; in dem Ossuarium fanden sich an Alter-
thümern: 3 kleine halbkreisförmige Flbeb^ 1 Fibula einer Form, die für diese
ältesten Graber bei Corneto sehr charakteristiscb ist, mit scblan genartig gewundenem
Bugel (serpeggianle), mit grosser runder Scheibe am Fuss (Nachbildung einer
Spiralscbeibe) und mit Querstab zwischen Rüge! und Fussscheibe^); ausserdem 2
kleine Bronzespiralen (für Haarlocken) und ein Spinnwirtel. An das Ossuarium
gestiilxt stand der kleine Wagen; daneben lagen viele kleine ßronzeringe, Reste
von Ketten, wovon mehr unten.
Der Wagen ist zusammengesetzt ans 8 Stucken, jedes für sich gegossen: vier
vierspeichige Räder, 2 Axen, das thier form ige Gefäss und der Deckel. Der Haiipt-
theil hat die Form eines Thieres, zwischen Vogel und Vlerfijsslerr der Leib, dt^r
Hals und der Schwanz müssen als vogelformig bezeichnet w^erden, aber das Thier
hat vier Füsse und zwei Horner; die Kopfform ist auch nicht die eines Vogels. Die
Filsse haben an der Mitte Anschwellungeu, wie Koiee, und endigen in vertikalen
Ringen^ durch welche die Axen gehen; die liäder sind fest an den 2 Axen:
diese bewegen sich in den ringförmigen Enden der Beine. Der Korper ist bohl,
mit einer Tiereckigen Oeffnung im Kücken, bildet also ein kleines Gefass; der
Deckel ist ab Ruckenstuck eines ähnlichen Thieres geformt, mit demselben Vogel-
1) E?? knnn hier bemerkt wenleo, dass wahrscbeinlith die ältesten Gräber bei rSologna
nn.*i noch ftlileii, ind*?ni d»s zu nächst der Porta S* laaia gelegene 8tu(*k noch nkbt unter-
sucht ist.
2) Ich holTe binnen nicht zu langer Zeil «ine umfassende Abhandlung »her alle italischen
Ni-kropölen und Umeufelder dieser nnd ähnlicher Arf, ihre Verbreilung, Perioden, Gruppe«,
Nalionalität etc. ?orlegen zu können.
3) Eine kleioe Noti£ darüber konnte ich noch in die deutsche Ausgabe meines Bncbes:
üeher das erste Auftreten de^ Eisens in Nord- Eurot*», S. 197, einrtiassen lassen.
4) Vgl Heibig im Bnllettino delT iostitnto, 1882, p. 18f., öhirardini, l, (Erster He-
riclil), p, 22. Die mit dem Wnjreii xiii-ammen gefundenen AlterthümeT la*&en sich im Mu-
seum nkbt mehr identiticiien, indem man erst später anfing, die in jedem Grab gefundenen
Gegenstände aas ein» oder ?ii hnlten und die Funde getrennt. Grab für Grab, im Museum
suBlelten.
5) Vergh I. B. LIndenschmit: AlloTthümor b IX, Tut 1^, 1, 2: Montf^lins
I
I
I
eum auf' ^M
Spännen ^M
V» der natürlichen Grosw.
luelten wohl den Deckel fest. Au boideii Hälsen findeo sich kleine Oebsen, worin
Reste von Brnnzeketten in sehen sind, die wohl GefTiss i»nd Deckel yereinigten.
Beide Kopfe sind mit OchseiibornerD ansgeatattet: beide siod durcbbolift. der Kopf
de« Gefässes mit 4, der des Deckels mit 3 LöciierD, worin auch Reste von Bronze-
ketten sich befinden, durch die vielleicht der kleine Wagen gezogen wurde. Wie
schon erwjibnt, fanden sieb grössere Reste von solchen Ketten neben dem Wagen
ufid der Urne im steineriien Bebsilter. BeziJgHch der Grosse unseres Wagens kann
ich folgende Maasse anführen: grösßte Länge 2ü cm, grösste Höbe 21 cmi äussere
Diameter der ftäder 9^5 cm^ grosate Axen länge 14 cm.
Unter den bekannt*^n Bronzewagen steht unser Exemplar dem bei Glasiüac in
Bosnien in einem Grabhügel gefundenen, von Hrn. v. Höchste tter ver5ffeutHch-
ten*), jetzt im Museum zu "Wien befindlichen, am nlichsten. Der bosnische Wagen
ist jedoch etwas kleiner (18,5 cm lang, 15 cm hoch) und etwas verschieden: das
Gefäss wie der Deckel haben hier die vollständige Form eines Vogels, auch im
Kopfe-); ersteres rnht nicht unmittelbßr auf den Axen, sondern zunächst auf einem
Untergestell , nn dem es mittelst einer kleinen Säule befestigt ist, die unter dem
Korper des "Vogels ansetzL Diese Säule ist vielleicht als die verschmolzenen Beine
defj Vogels aufzufassen; das Gefäsa ist übrigens auf ihr drehbar. Die Räder an
dem Glasinacer Wagen haben S Speichen, die an unserem, wie gesagt, nur 4.
1) Vergl. V. Hochstetter in den Mittheünngen der anthropologischen Gesellscbart in
Wien. X, 8 289 f.
2) Dagegen stimmen, wenn ich mich nicht in meiner Erinnerung irre, ra<»hrere der
an den in Deutschland gefundenen Deichsel wagen an»ebmchlen Thierfiguren darin mit un*
ierem Cometnner Exemplur uberein, dass sie vogelühnliche Korper mit Oclt^s^ndinrnem zeigen;
no auch der Kesselwagen von SiebenhÜTgen? Die einschlägif^e Literatur steht mir hier anger»-
blicklich nicht tut Verfügung; ehenso wenig führe ich hier, auf (3er Heise, meine eigenen
hnndsfhriftiichen Aufzeichnungen (iher diese Sachen mit.
(200)
Im Museum in Brüssel befindet sich auch eio almlicher kleiDer Vogel wagen,
aus Italien stammend; eine Abbildung dieaea Exemplars ist mir aber hier in Rom
nicht zugangliiib, uod ich muss darum die nähere Besprechung dieses Stuckes bis
auf die Fort«>etzung dieses Aufsatzes verschieben*
Nocb ein anderer kleiner Vogelwagen musa hier erwähnt werden, allerdings
nicht aus Bronze, sondern aus Terracotta. Bei Este (Prov. Fadua) wurden in den
letzten Jahren sehr ergiebige Ausgrabungen vorgenommen'), die ähnliche Materia-
lien för die Kunde einer Reihe dortiger vorrcimischer Perioden eines „alteren Eisen-
altera** geliefert habenj wie die berijbmten Funde in der Gegend von Bologna*). In
einem Grabe „der ersten Periode**', anf dem Grundstück desHrn. Felii Agostino,
wurde neben einem Ossuarium, etwa vom Villaoova-Typus, und mit halbkreisförmi-
gen Fibeln zusammeiij ein kleiner Wagen aus gebräuntem Thon gefunden^). Das
Gefass hat die Form eines Vogelkorpers; Hals und Kopf sind nicbt erhalten; da-
gegen ifit der Kopf des Deckels da und zeigt Vogelform: in dieser Hinsicht, wie
auch bezüglich der Grosse stimmt d*is Stuck mit dem Glasinacer Brontewagen über-
ein. Uebrigens zeigt aber dieser Thon wagen von Este die grosste Aebniichkeit mit
unserem von Cornrto: wie bei dieseoj, ruht der Vogelkorper auf 4 Beinen, welche
nach unten als kleine vertikal stehende Ringe endigen, durch welche die beweglichen
Axen gingen; als solche waren unzweik^Ibaft kleine Bronze- {oder Holz-?) Stäbchen
da, welche nber nicht mehr erhalten sind. Die Räder sind als volle Scheiben ge-
bildet; an dem einen Paare sind auf der Au&senseite lü Speichen ornamental an-
gedeutet; an dem anderen Paare findet sich als Ornament ein Stern mit 8 Spitzen,
Gefass, Deckel und Räder sind mit Linear- Ornamenten decorirt, welche besonders
als mit Strichen ausgefüllte Dreiecke angeordnet sind, wie an vielen Urnen vom
Villa nova-Typus, und wie ganz besonders für die Ossuarien der ersten Golasecca-
Periode charakteristisch ist; die Omatneutlinie ist mit einem gezackten Stempel
oder Rad eingedri'jckt, so dass sie das Aussehen etwa wie „imitirte Schnur** hat (bei
den genannten Urnengrnppen auch sehr häufig).
Einige Fragmente eines ähnlichen kleinen vogelformigen Thierwagens sind auch
in der reichsten der Nekropolen bei Ivste, im Garten der Villa Benvenuti, gefunden;
diese Fragmente stammen etwa aus der Schichte der zweiten Periode, aber andere
Altertbümer wurden mit ihnen zusammen nicht gefunden^),
1} Vergl Prosdocimi im Ballettino delT infttituto 1881, p. 70— 79. nnd besonders
seine Abhandlung in dea Notizie Jegli scavi, Januar 1882; ferner Helbig im ßuHettino
deir inalituto 1882, p. 74-87.
2) In der oben aDgekün>ligti.«n Abhandtung über die Gräberfelder Italiens della piima
epoca del ferro werde ich anch dit^se Estenftlschen Nekrepolen aasfubrlkher liebaiKleln.
3) Abgobildot und bestbriL^bün in Prosdociini's ebeDgenunnter Abhandlung, Tav. Bl,
Flg. 1, und p. IG; die Abbildung nicht besnoders glücklich ^eratbea.
4; Es kann hier auch eine bei E*te gefundene merkwürdige BronÄelibnla erwähnt werden:
der Büffel besiebt nu» 3 neben einander gestellten Pferd efiguren» vorn und biuten durch zwei
durchgehende QnerÄtibchea verbunden; diese Quera^^Een endigea in runden Disken, die wohl
ah Rider aufzufassiti »\nd ; die zwei äussereu Pferde tragen je einen Reiter, das Pferd in
der Mitte eine kleine Yogelfigur; nur dies mittlere Pferd hat Beine: die geschlossenen kiu-
teren laufen nis Spirale und Nudel, die vorderen als Nadölfuss ans. Das Ganxe ist somit ein
sonderbar complicirles Ding: Wagen, Pferd© und ReÜer in und neben einander zusammen-
gedriügt. Dies merkwürdige Stück wnrde Im Liarten der Villa Benvennti, mit Gegenständen
«US dof zweiten Periode gefuuden, schon im Jahre 1M2; vergl. Prosdocimi s citirte Ab-
handlung in den Noiizie degÜ scavi, p, 2<^»r, Tav. IV, Fig, lÖ, Mehrere Fibeln, deren
Bügel dureb eine einfache Pferdefigur gebildet ist, fanden i>icb in andereu Nekropolen bei
Este.
Auch bei Corneto sind Tielkicht Reste kleiner Wagen aus mebr vergänglichem
Material gefunden worden. Ghirardini erwähnt in seinem zweiten Beriebt p. 19
ein Grab, worin ein Ossuariiim mit Deckel in der Form eines Helmes (apex,
pileus)'), eine kleine Drilling-Vase, eine Bronzefibub mit Fussscbeibe, sieben
kleine Tbierchen aus Thon (wovon 4 ganz gleiche) und 4 kleine durchbohrte
tb^nerne Scheiben, wie Räder. Ghirardini meint, dasB diese Räder und die 4
gleichen Thierchen DelxTreate einer kleinen quadriga seien, — das» der kleine
Wagen, mit Ausnahme der Räder, aus Holz gefertigt war und darum gane zer-
stört worden; er stutzt diese Meinung dadurch, dass in einem anderen Grabe 2
ähnliche kleine Thierfiguren mit 2 solchen Tbonrädern und mit einem Stiickchen,
was er als ein Joch auflfasst, gefunden wurden. — Etwas zweifelhaft müssen jedoch
diese Holzwagen ttlf:^iben^ bis einmal sicherere Indicien der Existenz solcher kleinen
Geräthe gefunden werden j es ist zu bemerken, dasa bei den Bronzewagen kleine
Pferde oder andere Zugthiere sich nicht finden^).
Die hier erwähnten kleinen Wagen in Vogelform rubren alle, wie aus dem
Angeführten ersichtlich stein wird, aus sehr alten Funden her; wir haben balhkreis-
formige Fibeln, solche mit Fussscheibe (imitirle Spirale); die Ossuarien der betreffen-
Giäber zeigen den alten Villanova-Typus u. ^. w,
Üeber das Verbultniss dieser vogelforungen Exemplare zu den anderen Formen
kleiner Bronzewagen, wie auch über andere altitalische Bronzewagen werde ich in
einem folgenden Aufsatz handeln, —
Hr.Virchow: Ich begrusse die Mittheilung de»Hrn,UnrlßRt mit besonderem Dank.
Bis dahin fehlten nähere Anhaltspunkte für eine Vergleich ung unserer Bronze wagen
mit altitaliachen fast ganz. Nur der von Hrn, ündset erwähnte Wagen im Briisse-
ler Museum bot eine gewisse Verwandtschaft, wie ich schon wiederholt in der Ge-
sellschaft erwähnt habe (Sitzung vom Hl März IH^l, Verhandl S» 97 und vom
21« Januar 1882, Verband!* S. 53). Dieser Wagen, dessen Aehnlichkeit mit dem
von Glasinac in der Herzegowina (Sitzung vom 16* Juli 1881, Verhandl. S. 242)
gleichfalls von mir hervorgehoben wurde, gebort zu der früheren Sammlung des Hrn.
E. de Meeater de Ravestein (Musee de Ravestein. Catal. descriptif. Liege 1871.
T, I, p. 190, Nr. 732) und ist \n:/d in einem Grabe bei Salcrno gefunden worden.
Nach meinen Notizen handelt es sich in diesem letzten Falle um einen Bronze-
wagen ohne Deichsel (oder Stiel), dessen Aufsatz, wie der von Coro<fto und der
von Glasinac, einen Vogel darstell t, der am Rücken eine Oeffuung hat, welche
1) In den Gräbern von Corneto fanden sich öfters Helme in Bronsje und Nachahmungen
solcher in Tboti als Deckel über den Os^suarien (iider neben diesen); einer von diesen Helm-
deekeln bat zugleich ein© GesichlsMIdung obenan j ich werde In einem Aufsatze über italische
Qesichtaurnen, den ich n&chstens der Gesellschaft vorlegen werde, diese interessanten Vor-
kommnisse näher besprechi^n.
2) Jelzt liegen im Muaeiini zu Corneto diese G kleinen thÖnernen , Räder* zusammen als
in einem und deuiüelhen Grahe irefnndeti: der Custode des Museums Frangioni bebau ptet,
daisa dies corrcet ist, und daas Thierfiguren mit ihncu zusammen nicht gefunden worden sind.
Der Fund hcricht hei Ghirardini wird jedoch gewiss der richtige sein, indem auch Helhig's
Bericht (ßullettino 1882» p. 173 f.) damit übereinzustimmen ftcheitit üelbjg's Berichte
haben als Quelle den Caporale degli scavi (den munici palen Vorsteher), Ghirardini 's
die Tagebücber dea von der Regierung ungestellten Aufsehers. Der Dmstand, dass die zwei
Berichterstjitter aus verschiedenen Quellen geschöpft haben, macht ihren Fundbericht in die-
iem Punkt unzweifelhaft; dies erklärt aber auch, wie dann und wann ihre Üittheilungen in
verschiedenen Details etwas abweichend sein können
(20-2)
wiederum durch einen abhebbaren vogelÄrtigen Deckel geschlossen ist. Nur tmter-
Ächeidet er sich dadurch, dass er noch weiter durch Vr>geJ uud zahlreiche Kettea
i»it Hängescbnmck (Knnpren) verziert ist» Ein grosserer Vogel steht auf dem
Rücken des Deckel vogels: auf den Köpfen des Hauptvogels und des Deckeltogeis
sind wiederum je 2 kleine Vogel angebracht. Dem Vogelwngcn von Corneto nähert
sich der salernitaner dadurch, dass der Kopf des nanptvogels Stierhorner hat; an
letztereo ist H an geschmuck befestigt Auch duri» stimmen beide u berein, dass der
Hauptvogel 4 Beine laat, von denen je 2 eine der beiden Queraxen umfasseD. Die
Räder sind in beiden Fällen 4iipeichig, dagegen hei dem Glasioacer Sspeichig,
Unverkennbar steht daher der salernitaner Wagen dem ('ornetaner naher, als
dem von Glasinac. Aber auch unseren nicderlausitzer und scblesischen Wagen
stehen die beiden ersleren naher^ insofern die gehoroten Kopfe die grösste Aehn*
lichkeit darbieten. Nur die Einaxigkeit unserer BronsEewageo bildet ein durch-
greifendes Unterscheidungsmerkmal lmmr*rhin ist der Gedanke, den ich bei ver-
schiedenen Gelegenheiten, z, B, in meinem Vortrage vom J6. Noveaiber 1876 (Mo-
Dötsberichte der Königl. Akademie) und in unserer Sitzung vom 18. November 1876
(Verb. S, 241) ausführlich dargelegt habe, das» alle diese Wagen auf »udlicheD, spe-
cioll altitalischen Import hinweisen, durch die neuen Erfahrungen sehr befestigt worden.
ich will übrigens noch hinzufügen^ dass sich im Brüsseler Museum noch ein
vierbeiniger Vogel aus Bronze befindet (Mnsee de Ravestein p, 191), der aus
t-'inera Grabe bei Vilerho stammt. Dersplhe ist leider nur fragmentarisch erhalten,
dürfte aber derselben Kategorie, wie der salernitaner, angehört haben.
Je grosser die Zahl dieser Funde wird, um so mehr scheint mir der gleich-
falls wiederholt von mir hervorgehobene Gedanke beachtenswerrh, dass die nächst«
anderweitige Beziehung in den WagenzeicbnuDgen der oetdeiitachen Thongefasse
ynd der skandinavischen Feisei orif^ungen xu suchen sei.
(5) Der Hr* Cnltusminister übersendet zur Kenntnissnabnie einen Bericht des
Mnsriimsdirektors Dr. Piuder zu CasseJ über
Grätleruntersuchungen in Hessen 1081 — 82.
L 7 Hügelgräber bei Allendorf an der Werra am Hirschberg* In
einem derselben v^aren früher 2 steinerne, ohne Mörtel aufgebaute Kingmauern und auf
einem Brandlager mit Knochenrestcn in der Mitte eine Steinaxt gefunden v^-orden.
Eine neue Ausgrabung, bei der freilich keine Fundstücke zu Tage kamen, bestätigte
die Angaben über den inneren Bau: 2 coDcentrische Steinkreise, der äussere im Durch-
messer von 15 Wj 1 m hoch und 2 m dick, der innere und zugleich hoher gelegene
im Durchmesser von 9 m^ 1 m hoch und dick. Ausserdem war die Spitxe des
2/3 m hohen Hügels in der Mitte mit Steinen gefüllt, unter denen sich ein ^ Knochen-
lager ohne Aschenreate*' befand; ein zweites Lager mit geringen Aschenresten folgte
in der Hohe des kleineren Steinringes, endlich in der Mitte des grossen Steinringes
auf der mit Steinen gepfiasterten Sohle Brandspuren mit Kohle und Asche.
2. Hugelfeld auf der Hohe des Wasenherges zwischen dem Dorfe Wasen-
l>erg und der Stadt Neustadt, unweit Willingshausen, in der sog. Schwelmgegend,
Es wurden 8, zum Theil schon durchwühlte Graber angerrofiTen und eines geöffnet.
Am Ostrande zeigten sich schwarze, robe Scherben mit eingebackenen Kieseln, ohne
Verzierung. Im Innera in der Richtung von O. nach W. ein Braudlager, 1 m lang,
40 cm breit bestehend aus einer fingerdicken Schicht von Kohlen und Knochen-
resten. Am westlichsten Ende eine grosse bronzene Haarnadel (Badnadel) und
ein geschlossener Armring von Bronze,
^« Hügelgräber bei Fraokenau la der Nabe tod Fratokenberg« meist
dorcbwublt
4. 7 Hügelgräber im Gemeiodewald toh Oberaula. Distrikt Mues.
Eines wurde geo^'nets, da« ausserlich in einer Eotfenjung ?on etwa 75 cm um die
Spitze einen losen Steinkranz trug. Im Innern fand sich nahe an der WO.*Axif
eine längliche BtetDaufhäufuDg Ton 2 m Breit« und 75 cm H5fae: der Boden mit
platten Steinen belegt, darunter ein Brandlager mit Knochenresten in der Lange
eioes Menachen. Am Westeode eine lange Bronzenadel mit durchbohrter An-
schwellung unterhalb des Eopfendee* Am Oatrande des Grabes Scherben yen
rohec, an der Luft gebrannten, rotlien Gefassen. In einem 7.weiten Grabe traf man
eine T5Jlig runde Steio|iyramide^ jedoch ausser geringeo Kohlen- und Aschenresteo
nichts weiter.
5. Der Hasen köppel, ein höherer Hö gel bei Harl es hausen eulhielt
gar keine Fund stücke, so dass Hr, Pin der die Frage aufwirft, ob er ein blosses
Kenotaph gewesen sei.
6. Hügelfeld von Eichenberg, grossen Theils abgepflügt. Früher sind
Urnen gefunden.
7. Hügelfeld von Iba auf dem Plateau des Mühlherges. In einem
Hügel waren grosse Massen you Steinen, Skeletknochen und eine grosse Spiral-
armschiene von Bronze gefunden. Weitere GrabuDgen waren erfolglos. Da-
gegen traf man andere „Heiden k iippel ** in der Nähe auf dem Schmidtsberg bei
Friedrichshu tte, von denen einer Top f:scb erben, ein Steinpflaster und einen
kleinen centralen Steinkegel^ aber keine mensch ÜL-hen Ceberreste enthielt. Aehn-
lich verhielt es sich mit einem Hügelfeld bei Ronshausen.
8* Gräberfeld bei Bergshausen an der Fulda. Hier sind l^ Urnen, von
denen eioe in der anderen stand, ausgegraben worden.
((j) Hr. Friedrich ßayern berichtet d. d. Tiflis am 9./21. Februar übftr
trati ska ukasi sehe AI te rtli um e r .
^Sogleich, als ich Ihren Brief vom 30. Januar erhielt, suchte ich nach, WM
sieh ftuf die Graber von Zalki und Manglis beziehen konnte. ßronzefuDde sali
ich bei General Ko mar off, die er in Zalki selbst gesammelt hatte, aber ich kann
noch nicht erfahren, in welcher Gräberfoim und ^'ie die Siichen gefunden wurden.
Daher schicke ich Ihnen einen kleinen Auszug aus dem Berichte, den der Lehrer
Jakimoff von Zalki in unserer archäologischen Gesellschaft erstattete. Er erzählt
wie folgt:
„Dorf Ober-Zintzkaro; vor 40 Jahren noch eine leere Ruine. Seine Er-
neuerung geschah durch Griechen, die das, in der grusinischen Geschichte bekannte
Ziutzkaro, im Tiiiser Kreise, besiedelten. Hier findet man eine grusinische Kirche,
und Gräber: I. christliche (grusinische); 2. unbekannte; 5. heidnische. In letzteren
fand man zahlreiche Krüge, Perlen, BraceletSj eiserne Spitzen (?), Pfeile, Thräneii-
kruge (?). Die Gräber sind Steinkisten und bilden kubische Kasten.
„In der Umgebung findet man auf der Oberfläche des Erdbodens sehr viele
übsidian -Waffen, wie Messer, Pfeilspitzen; ebenso auch solche von Feuerstein.
„Im Dorfe selbst sind viele unterirdische Gänge. Vor einigen Jahren fand
man im Dorfe ein Skelet und auf dessen Kopf eine Art Krone von Silber, die an
einen Juden verkauft wurde.**
^Dorf Darakeew; 2 Werst von Über-Zintzkaro. Hier sind sehr viele archai-
sche (?) Gräben Ausgegraben aus den K ist en grab ern wurden Kruge,"
I
(204)
„Dorf Dshiois, 4 bis 5 Werst tod Ober-Zintzkaro : archaische Gräber und
eine grusioische Kirche;'*
„Dorf Kümbet, 2 Werst von Dsbinis, archaische Graber. Am Rande des Ab-
hanges erhebt si^h eine Art Festung, Die Wände sind aus kolossalen Steinen ohne
Gemeut zusaniraeiigesetzt.*'
^Dorf Äwranlo, 2 Werst von Kümbet, ebenfalls f'ine Festung; ftrcbaiscbe
Gräljer wod eine gruainiHche Kirche. Neben den Cyclopm- Bauten fand ich Feuer-
Bteio-Pfeil- und -Lanzenspitzen, &owie Sägen von Feuerstein, Weiter fand man
schone gescbliffene (?) Obsidian- Messer, Mier sind auch viele Grotten."
„Dorf Katschi: Grusinische Kirche. Ein Feld, auf welchem ich in einigen
Min Uten 15 der besten Obsidian- Messer (?) fand, weshalb ich es das Obsidianfeld
nannte,'*
„i>»irf Sanamer: trichterförmige Gräber (?), welche ganz anssergewöhnlich
zahlreiche Perlen enthalten mit Verzierungen ans weissem Material, von viereckigen,
runden und cyli ndrischen Formen, mit zwei kleinen Kreisen, In diesen Gräbern
fand man Bronze-Bracelets, Krüge u. a. w."
^Dorf Tak-KiÜBsa; In der Schlucht unsere gewöhnliche Grotten mit groben
Abbildungen, in den Wänden eingehauen, und neben denselben viele Obsidian-
Splitter und Waffen.^
„Dorf Eddi-Kilissa mit 7 grusinischen Kircbenniinen. — Aussergewöhnlich
zahlreiche Obsidian -Waflten, Zerstörte Burg-Ruine und Kirche an der Vereinigung
zweier Nebenflüsse der Kzia« Hohes und langes Bauw^erk mit schon behauenen
Steinen. Gräber, welche ?ich durch ausserordentliche Grösse auszeichnen, Die
Lage des Dorfes ist sehr schön,'*
Dies ist alles, was Hr. Jakimoff der Gedellscbaft bertcbtete. Ausserdem weiss
icb, daas der Toporowun-See ein grosses Obsidianbecken hi und die ganze Hoch-
ebene bis selbst nach Tiflie iiiiuib mit Obsidian- Sfdittern gespickt iBt, an manchen
Stellen so viel» dass man sie zusammeDkebren konnte,
Dass nun unter diesen Milliarden von Obsidiansplittem viele die Formen von
Schaber nj Pfeil t^pitzen «. b. w. haben können, ist einleuchtend^ doch glaube ich, da&s
wirklich von Menschenhänden gearbeitete Stein perathe nicht in Splitterhaufen auf
Feldern zerstreut sich linden können, ausser Pfeilspitzen, die in Schlachten oder
auf der Jagd verloren gingen. Doch sah ich bei General Komaroff schone, aber
nicht polirte Pfeilspitzen, jedoch aus Feuerstein und nicht aus Obsidian,
Unter dem Namen archaische Gräber versteht »j ak im off die Steinkisten, diese
aber werden bis beute noch, namentlich im Gebirge, gebraucht; daher mit dem
Worte archaisch nichts gesagt ist. Die Gegenstände, welche ich aus grossen Stein-
kisten von Manglis erhielt, gehören in die Byzantiner- Zelt, mit Münzen von
Argun Chan, zwischen 1282 bis 1300 ungefähr, daher schon tief in das Christen-
thnm hineinreichend; die Gegenstande aber, welche ich bei General Komaroff von
Zalki ebenfalls aus Steinkisten, wie es heisst, gesehen habe, gehören in die Zeit
meiner Brunnengräber von Samthawro, namentlich ist dies der Fall mit einem
Meissel von Bronze mit kurzer Haftzunge {Wyrouhoffj PJ. 111, Fig. 5), welchen
ich Selbst früher für ein Streitbeil hielt, dessen wahre Verwendung ich jedoch nicht
errieth. Als M eissei hat er keinen Sinn in einem Grabe, wo nur Waffen auftreten.
Freilich fand der General dieses Instrument ohne Waffen, und das zweite Exemplar,
welches er besitzt, kaufte er, wobei die Angabe gemacht wurde, dass dasselbe auf
dem Felde gefunden sei (?).
Wir wissen demnach bis jetzt nicht viel Gewisses über die Gräber von
ZalkL —
(205)
Ich »ende ein kleines Schachtelcben, eotlialtend drei Pfeilspitzen*): zwei
Formen von Bronze, eine von Eisen. Es sind diese ztirten Pfeilspitzen sicher nur
für die kleine Jagd bestimmt gewesen. Sie starofuen ans den Brunnen-Gräbern
von Samtbawro, samrat der beigelegten Bernstein-Perle, Die Bronzepfeil-
spitzen wurden mittelst Pfcrdebaar, wie es scheint, am Kf>br befestigt und über das
Haar eine feine Bronzeblecbnihre als Zwinge gezogen, die ich in diesem Grabe
aber nicht wieder fand. Die Eisenpfeilspitze bat ein Schaftloch, durch Umbiegen
der liander hinten, in w^elcbes das Rohr oder das Holzstück gesteckt war, dessen
Rest noch im 8cbaftloche zu sehen ist
(7) Hr. Arthur Krause berichtet, unter Vorzeigung ethnographischer Gegen-
stände,
über die Dörfer der Tlfngit-Indianer.
Die Indianer-Stämme, welche die vielfach eingeschnittene Nordwestkaste Nord-
Amerikas vom 49. bis 60, Breitegrade bewohnen, nnterscbeiden sich von ihren Nach-
baren im Osten durch ihre Sesabaftigkeit, Da sie ihren Haupfunterbnit durch den
Fischfang erbalten, so ist bei der Wahl des Platzes zar Ansiedelung in erster Linie
Rucksiebt auf die Nahe ergiebiger Fischgrunde genommen. An dem flachen, san-
digen Strande einer gegen den Seegang geschutzteu Bucht, an stillen Meeresarmen
zwischen den Inseln, an der Mündung oder dem unteren Lauf der Flijsse liegen
ihre Dorfer, die manchmal nur aus wenigen, manchmal aber aus 50 — GO iläysern
bestehen. Im Allgemeinen ist die Lage der Dörfer, die Bauart der Häuser eine
sehr abereinstimmende bei den verschiedenen Stummen dieses Gebietes, Die Hauser
sind von rechteckigem oder quadralischem Drofang und mit einem flachen Giebel-
dach versehen; sie liegen in ein oder zwei unregeJmässigen Reihen so nahe wie
möglich am Meeresatrande oder dem Ufer des FlusseSj mit der Giebelseite, in wel-
cher sich die Thi'ir befindet, dem Wasser zugewandt; mitunter bilden die Häuser
eines Geschlechtes eine abgesonderte Gruppe im ganzen Dorfe.
Vor den Häusern oder zur Seite derselben stehen die eigenthiimlichen, ge-
schnitzten, bis 5 m hoben Pfosten, die durch allerhand Thiergestalten gewisser-
maassen das Gescblechtswappen, das Totem des Eigenthnmers, darstellen. Ausser-
dem findet man hier die Stangengerüste zum Trocknen der Fische und die durch
Decken und Matten sorgfältig gegen die Wirkung der Sonnenstrahlen geschützten
Canoes, von denen immnr mehrere zu einem Hause geboren* Weiter zurück, an
einer abgelegeneren Stelle sieht man die TodteöbS^ü sehen, kleinere Hütten von ver-
schiedener Form, oft anf 4 Pfählen mhend, in denen die Asche der verbrannten
Leichen in kleinen Kästchen beigesetzt wird. Einzelne derselben, die sich durch
Figuren und Bemal uiig besouderä auszeichnen, sind Schamanen gräber; die Körper
der Schamanen allein werden nicht verbrannt, sondern in solchen besonderen Häus-
chen, in Decken gewickelt, niedergelegt.
Der Bau eines nenen Hauses erfordert viel Zeit und ist mit bedeutenden Kosten
verknüpft, da die nicht zu entbehrende Hölfe der Freunde nur gegen Bezahlung
geliefert wird. Lange bevor der Bau fertig ist, hat der Bauherr einen „cultos
potlasüb^ zu veranstalten, wie es in dem Cbinookjargon heisst, das ist eine Ver-
theilung von Decken und ZengstoflTen an seine guten Freunde, unter obligater Be-
wirtbung derselben mit Tabak^ Zucker und Brod oder von in Fisch thran ein*
1) Ich habe dieselben in meinem Werk über das Grlberfetd von Koban (S. 12B^ Anm. 3)
besprochen* V i r c h o w.
(206)
gemachteii Beeren unä anderen derartigen Leckerbissen» — Sind mit der ersten
Baurate die Mittel des Bauberrn erscbcipft, &o wartet er geduldig, bis er durch
Fleißs und Sparsamkeit, durcb Dienstleistung bei den Weissen oder durch gewion-
bringenden Pehhaudel mit den JägerTölkern des Inneren wieder zu Reicbthümera
gelftogt ist, die ihm die Fortsetzung des Baues ermÖgÜehen. Arcbitectonische Be-
denken sind es jedenfalls nicht, die den angefangenen Bau zeitweise oder mitunter
ganz; liegen lassen; der Bauplan ist fix iiod fertig von der Vorväter Zeit her über-
liefert, und einige geriage Abänderungen, welche von der Laune, durch das zu Ge-
bot stehende ^fateria! oder durch Sparsamkeitsrücksichten dictirt werdeo, werden
während der Arbeit besprochen und ausgeführt* — Zuerst werden in den 4 Ecken
mächtige Pfeiler fest in die Erde gegraberj, welche ein Quadrat von ungefähr 10 m
Seite begrenzen* Sie stehen etwa 3 w über dem Erdhoden heraus, sind 7 — ^8 dm
breit und 2 dm dick und mit entsprechenden Vorspröngen und Rinnen zur Auf-
nahme der Längsbohlen versehen. Zwei wettere Pfeiler mehr nach der Mitte der
Giebelfelder und je einer in der Seiten wand vervollständigen gewissermaassen das
Fundament des Hauses. Von den Pfosten der vorderen Giebelwaud zu denen der
hinteren gehen runde Balken, der Zwischenraum zwischen den senkrechten Pfeilern
wird durch dicke, wagerechte Bohlen, die am Ende nach Art der Balken eioe»
Blockhauses ineinandergefiigt sind, ausgefüllt; zwischeD den schrägen Stutzbatken
des Giebelfeldes stehen senkrechte Bohlen. Dünnere Planken und Bretter dienen
zur Bekleidung des Dachgerustes; Tiber der Firste liegt oft ein rinnenartig aus-
gehauenes Stammstuck; die Bretter werden zur besseren Befestigung mit Steinen
beschwert oder durch darüber gelegte dünnere Langsbäume in ihrer Lage gehalten;
verschiedene Rindenstücke zwischen den Brettern tragen zu giGsserer Dichtigkeit
des Daches bei, — In der Mitte des Daches ist eine grosse viereckige OeÖnung
angebracht, durch welche ük'm das Liebt hineißfallen und der Rauch hinauszieheö
kann; eine verstellbare Bretterwand, die diese Oeffnung auf der Windseite halb
verdeckf, gewahrt bei ungünstigem Wetter einigermaassen Schutz gegen Hegen und
Schnee. Dm diesen Windscbulz zu stelJen, sowie um etwaige Ansbesserungen aoi
Dache vorzunehmen, kann man auf dasselbe auf der an der Seite angelehnten Lei-
ter hinanfsteigeu; diese Leiter ist nur ein runder Baumstamm, in welchen mit der
Axt einige Stufen hineingehauen sind.
In der dem Wasser zugekehrten Giebelseite liegt die kleine Thüroffnung, ge-
wöhnlich ziemlich hoch über dem Erdboden, so dass man auf einigen Stufen zu ihr
emporsteigen muss. Früher soll diese Tbüröffnuog überall rund gewesen sein, jetzt
ist sie, wenigstens im Ghiliatgebiet meistens viereckig und durch eine nach iiinexi
sich öffnende Tbiir verschliesäbar.
Im Inneren ist der Fussboden mit starken Bohlen gedielt bis auf den quadra-
tischen Feuerraum in der Mitte; aber nur bei den kleineren Häusern ist die Diele
in gleicher Höhe mit dem Erdboden, bei allen grösseren findet aicb in der Mitte
noch ein quadratischer Raum 1 m tief atiBgetragen, so das» an den vier Wänden
eine 2 tu breite Estrade hinlauft. Von der Tbur aus gelangt man zuerst in eine
Art Vorhalle und von dort auf ein paar Stufen in den vertieften Raum, wo wir die
HauaiDsaasen um das Feuer hockend antreffen, über welchem an langer Kette voui
der Dachßrste herab der grosse eiserne Kessef, das gemeinsame Kochgeräth der
HausiDsassen, hängt, Die Seitenräume sind durch Bretterverschläge und durch
Decken und Matten, welche von Längsbalken herabhängen ^ abgetrennt Bier sind
die Schlafstätten und Vorrathsränme der Bewohner zu snchen; in einem grosseren
Hause wohnen im/ner mehrere und zwar untereinander verwandte nnd befreundete
Familien zusammen. Zu erwähnen wäre noch, dass das Innere des Hauses öfters,
■
(207)
nMMfitlidi an den Seiten des TbüreiDgatiges und io den Ecken des Woboraumes
mit aus Hotz geechDitzteD Figurea geschmiickt ist.
Keinem Hause fetilt wobl die Vorrichtung zu einem Dampf bade, welches von
den Eiogeboroen, oft auch iu KraukheitälalleD, augewaudt wird; es ist ein ganz
kleiner, nur für eine liegende Person F*Iatz gewahrender Raum, In welchen durch
Begiessen hejsser Steine mit Was8*?r der uöthige Dampf erzeugt wird.
Das Material für den Häuaerbau liefert in den nördlichen Gegenden die Sitkn-
fichte, ein Bauni, der in seinem Habitus mit unserer Rothtanne Aehnlicbkeit hat
und Ton dem mächtige Stämme von über 1 m Durchmesser und 50 m Hohe nicht
selten sind.
Den Gebrauch der Säge kennt der Tlinget nicht; die grossen Bohlen werdcu
dadurch hergestellt, das« der Stamm mit der Axt auf beiden Seiten eben gehauen
wird; dünnere Planken werden mittebt Holzkeilen aus dem Stamme gespalten. Die
fernere Bearbeitung geschieht mit einer Art Beil hacke; diese bestellt aus eiD€^m
meissel förmigen Stück Eisen, das in derselben Weise, wie die alten Steinbeile, mit
quergestellter Schneide an einem Aststück mit Lederstreifen angebunden ist. Trolr
der ün Vollkommenheit der Werkzeuge erscheint die Oberfläche der breiten Pfoi*ten
und Bohlen ganz eben und ziemlich glatt. Schon die ältesten Bewohner dieser
Gegenden erzählen von den grossen Holzhäusern der indianischen Bewohner; da
der Gebrauch des Eisens diesen letzteren vor dem Verkehr mit den Weissen un-
bekannt war, so muss man wohl annehmen, dasa sie auch früher mit ihren Stein-
gernthen im Stande waren^ so bedeutende Arbeiten auszuführen. Kupferne Geräth-
schaften scheinen, nach der Sparlichkeit der Reste zu urtheilen, nur in geringerer
Anzahl gebraucht worden zu sein.
Das Haus ist übrigens für den Tlinget nicht blos eine Wohnstätte, sondern
auch eine Festung; bei den vielen Stammes- und Geschlechtsfehden zwischen den
Angehörigen ein und desselben Dorfes schützten ihn die dicken Bohlen früher gegen
die Pfeile seiner Angreifer, wie auch jetzt noch gegen die schwachen Kugeln der
i'dten Steinschlossmusketen, mit denen die Tlingeta von den Weissen versehen sind.
Zum besseren Schutze befindet sich bei mehreren Hänsern ein starker Pallisaden-
zäun vor der Thür.
Im Sommer verlassen die Bewohner häufig ihre Winterhäuser, um sich in ihren
Canoes mit Weih und Kind nach entfernteren Jagdgründen und Fischplätzen zu
begeben. Bei der Anfertigung der Canoes zeigen die Tlinget eine nicht geringere
Kunstfeitigkeit, als beim Häuserbau, Dieselben werden immer aus einem einzigen
Stamme gehauen, Baumstämme von der erforderlichen Stärke sind zwar nicht
Belten, aber es ist vor allem darauf zu achten ^ dass sie nicht, wie so hantig, eine
spiralförmige Drehung der Fasern zeigen. In den noch stehenden Stamm wird
znerst mit der Axt ein Loch geschlagen und dann darin ein Feuer angezündet,
welches langsam weiter friast, so da9s nach einigen Tagen der Stamm umstürzt. Als-
dann wird zuerst die äussere Gestalt des Canoes ausgearbeitet. Damit nun bei der
folgenden Aushöhlung die Wände nicht an einer Stelle zu dick und an der anderen
zu dünn gerathen, werden von aussen Löcher bis zu einer bestimmten Tiefe hin-
eingebohrt und in dieselben dünne Holzstifte gesteckt; kommt der Arbeiter von
innen an dieselben, so weiss er sich danach zu richten. Dngeiahr ^/^ des Stammes
im Durchmesser werden zum Bau des Canoes verwandt; die Seiteoränder sind also
nach innen gebogen, dss vordere und bintere Ende ist bedeutend erhöht. Um nun
dem Bauche eine passende Rundung zn geben, wendet man folgendes Verfahren
an. Das Caooe wird mit Wasser gefüllt und dieses durch Einbringen erhitzter
Steine zum Kochen erhitzt. Die so nachgiebiger gewordenen Seitenwände werden
1
(208)
mjh^nn durch allmabliches Eiofiigen von immer längeren Querhokern weiter und weiter
ftueeiDiander gepreaat, bis die erwünschte Rundung hergestellt ist* — Das Material
für die Herstellung der Canoes liefert in deo nördlichen Gegenden die Sitkafichte
oder die ßalsanipappel, welche in den weiten Flusstbiilern oft riesige Dimensionfn
erreicht Am besten eignet sich jedoch zu diesem Zwecke die rotlie Ceder, Thuja
gigantea, welche weiter südlich auf den Inseln, nameotHch in TorKÜgHcher Grosee
und Schönheit auf dem zu Britisch Columhien gehörigen Queen Charlotte Archipel
gefunden wird. Die diese Inseln bewohnenden Haida &ind berühmt durch ihre
guten und grossen Canoes, von denen viele 30, nach einigen Berichten sogar
60 Mann fassen können. Die Haida treiben einen grossen Handel mit denselben
nach den nördlichen, weniger hegijosugten Gegenden. Auch beim Bau der Häuser
zeichnen sich die Hnida vortheilhaft aus; es finden sich einige, die 25 Schritt im
Quadrat mesfien* Sie steilen ihre Totem pfähle, die flach und breit gearbeitet wer-
den, dicht vor dem Thfireingang, so dass man erst durch eine Oeffnung am Grunde
derselben^ die mitunter den geofToeten Rachen eines Thierea darstellt, iotlie eigent-
liche Thür gelangt. Auch bei der Anfertigung dee Haufgeräths, namentlich der
'Verschiedenen hölzernen Schüsseln, der Tanzroasken, der Jagd- und Fißchereigerithe
stehen die Haida bei weitem voran {Dawson: Report on the Queen Charlotte
Islands 1878; A. Bastian: Amerikas Nord Westküste), und man wird wohl nicht
fehl gehen, wenn man gerade bei diesen den Mittelpunkt der immerhin nicht un-
bedeutenden Kultur der nordwestUchen Indianerstämmc suchte
(8) Der Vorsitzende legt eine Zeichnung des Hrn. Lepkowaki in Krakau
vor, betreflFend einen
Bronzareif aus der MIeczka, O&tgaltzlen.
7« der natürlichen Groüe.
(209)
Dieser, lo ^'^ der Naturgrnsse dargestellte, in wendig hoblcj gegossene Reifen mit
scbmutzig grQüer Batioa wurde in dem Flüsschen Mleczka bei dem Städtcben
Kanczuga in Ostgalizieo gefunden. Sein Gewicht beträgt 1,905 kg. Er befindet
sieb im Besitze des archäologischen Gabinetd der Jagielloniächen ÜDiversität io
Krakaii, Z. 7701.
Drei ebensolche Reifen, die aus einem bei Sieniawa in Ostgalizien befindlicben
Teiche herrühren, besitzt das Fürstlich Czartoryski'sche Museum, zwei andere die
Akademie der Wisseoachafteii in Krakau: den einen aus Mic;dz}borze bei Opatowo
(ein Geschenk des Dr T, Zebrawski), den anderen ans Wojcza (Kreis Stobnica),
ein Geschenk des Hrn, Faul ropiel. Letztere zwei Ortschaften liegen im jetzigeo
Königreich Polen.
(9) Hr. Wiecbel sendet aus Dresden Bemerkungen über
« Kirchenmarken.
Die Thatsachen, welche neuerdings in dieser Zeitschrift zur Erklärung wenig-
stens der Rundmarken vorgebracht worden sind, verdienen gewiss Beachtung; sie
geben eine erschöpfende Deutung der jüngst entstandenen Rundmarken. Im
sachöischea Eibgebiet liegen die Verhaltnisse anders. In Dresden, Massen, Pirna
4!
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und Dippoldiswalde ist nicht eine frische Kirchenmarke zu finden; dagegen
zeigen aJle in der Vorreformationszeit erbauten Kirchen, insbesondere die Stadt-
VtrbftEidL der B«<rl. AolhropoL G«««Ulcih&ft iSSa. 14
(210)
kirebeti zu Meiasen und Dippoldiswalde, die aus dem 13. Jabrb, ftammende Nicolm-
kirche daselbst, weniger die ADfangs des IG. Jabrh, oeu erbaute Stadtkirche zu Pirna,
Marken und zwar ohne alle Ausnahme die langen Wetz marken und die ruadeo
Dreh marken stets lusammeti im Gemenge, ja oft io gegenseitiger Durchdringung.
(Der Holzschnitt giebt ein deutliches Bild dieses Vorkommens.)
Die Marken befiodeo sich alle für Erwachsene handrecht und komnaen, wie
Dippoldiswalde und Meiflsen schlagend nachweisen, in der grossten Zahl au der
Seite des Eircbenportales vor, welche dem, in das Stadtmnere zurückkehrenden,
also gröästen Tbeile der Kircheiibesucher aiir Rechten liegt. Als Beispiele über die
Hautigkeit des Vorkommens der Marke« möge angeführt werden:
Erbauungszeit
13, bis 15. Jahrhundert
13. Jahrhundert . , ,
\bll
It bis 15. i ah rh ändert
In u. nach d. 17. Jahrb.
Stadtkirche Dippoldiswalde
Nicolaikirche (Todten-Kirche daselbst), nur bis
1418 aii Pfarrkirche im Gebraach . . .
Stadtkirche Pirna .
Stadtkirche Meissen ..... . . .
Die KirchßQ Dresdens ,
Dreh-
VVelÄ-
marken
marken
139
72
2G
7
78 lUscbwach
ungefähr 100
keine
keine
Zu den Wetzmarken in Rillenform sind noch die abgewetzten Quadereckon su
rechnen, eine Erscheinung, die ao den genäünten Kirchen bis zu einer 15 mm tiefen
Ausmuldung der Eckflächcn auftritt
Hemerkenawerth ist noch das Vorkommen von in der Regel einer tiefen
Wetzmarke und seltenen Rtindmarken (gleichfalls alt) in den Laibungen der ältesten
Portale von Stadthäusern stets aus der 5^it vor dem IG. Jabrh,, wofür schöne
Beispiele in Pirna und Dippoldiswalde vorliegen.
Ļif Grund des Vorstehenden, sowie besonders eingehender Betrachtung der so
schön ausgeprägten Erscheinungen in Dippoldiswalde seien folgende Hypothesen
ijber die Entstehung der Kirobenmarken gestattet:
1. Die im sächsischen Elhgebiet Yorkommenden Kirchenmarken sind vor der
Reformation entstanden, sind daher das Resultat eines mit der Aufklärung ver-
gessenen religiösen Oebrauchs.
2. Die BeschaffeDbeit der eingewetzten und abgewetzten Marken (Rillen)
lüsst ohne allen Zweifel auf die Entstehung durch Anstreichen einer Klinge seh lies-
sen. Da in jener Zeit jeder Mann eine Waffe (Messer) in leicht erreichbarer
Scheide oder im Gurt bei sich führte, so werden die Wetzmarken durch Männer
entstandea sein, welche beim Verlassen der Kirche, vielleicht unter dem Läuten der
Glocken, der Wehr an der Seite durch Anstreichen an das geheiligte Gebäude neue
Kraft verliehen.
Zu diesem Anstreichen wurden ofi'eDbar die grossten^ ebensten Quaderflächen m
handrechter Höbe herausgesucht, um die Spitze oder Schneide nicht zu verletzen *).
3* Schwerer ist die 1 Deutung der Dreh marken. Zunächst ist mit Sicherheit
darauf zu acbliessen^ dass dieselben von den in Gemeinschaft mit den Männern die
1) Dem Vemehmen nach sollen in der Laibung des Fortal« der aus dem IL Jahrbunder
stammenden UldchskapeUe in Goslar tiefe Scharten, jedoch m Höbe d«r Spitze eioer Laute'
vorkommeBi die dem Gefolge neiuriGh& des Löwen Augescb rieben werden.
(211)
Kirche verlassenden Fratieo, die ja in ßezug auf die Pflege religiöser Gebräuche
den Mäüuern oie riachstanden , heirubren; dafQr »pricht das stete Zusammen-
vorkommeu, auch das uumerieche üeberwiegen (auch früher gingen Frauen wohl
fleiasiger zur Kirche als Männer) der Rtind marken und noch mehr das zähere Fest-
halten an jenen Gebräuchen, wie es die Stadtkirche Pirna (1517 erbaut, 78 Rund-
mnrken, nur 11 flache, schwache Wetzmarkenspiiren) so charakteristisch zeigt. Der
Gegeostand , welcher in der Haud der Frauen jene halbkugelformigeii Tiocher von
grösserem und geringerem Durchmesser, aber immer völlig kreisrund erzeugte, muss
ohne Zweifel Kugel- oder Kreisform gehabt haben.
Sollte vielleicht an Heck pfenn ige, Heckgroschen zu denken sein? Die Grosse
der Löcher wurde genau zu der Münzgrnsse zwischen dem Pfennig und dem Süber-
gulden passe D.
Allerdings spricht die durchgangig zu beobachtende Form der Näpfchen als
glatter Rotationsflächen mehr für einen kugeligen Gegenstand; denn bei nicht ganz
voller Drehung der Münzen raushten Ungleichheiten, Absätze in den HohlflücheD
entstehen. In dieser Hinsicht sind noch weitere Studien bezüglich der Gegenstände
des Gebrauchs (Münzen, Schlüsse]), des Schmuckes (RiDge) oder des Aberglaubens
(Amulette), welche sich ganz allgemeiu in den Händen der Frauen jener Zeit be-
funden haben, erforderlich.
Wie so oft scheint auch hier aus altem, ernstem Brauche unverstöDdene Ge-
wohnheit und endlich kindisches Spiel geworden zu sein, so dass unsere Hypothese
sich nicht im Gegensatze zu den neuerlich constatirfcen Entstehungstirsachen befindet,
sondern sich neben und geschichtlich vor die neueren Erklärungen stellt
(10) Hr, M. Kuhn legt zwei eiserne beilartige Instrumente vor, welche
in der Mitte eines grossen Mahagoni blocke« gefuDden worden sind. Das
eine dieser Instrumente, welches vollständig erhalten ist, hat eine Länge von 13 cm
und eine rhombische Gestalt und ist mit einem 1,5 an breiten Stielloche versehen.
Das breite viereckige Kopfende zeigt starke Abplattungen, die nur durch wieder-
holtes Schlagen hervorgebracht sein können. Das zweite Instrument, dessen vor*
dere Hälfte nur erhalten ist, hat mehr eine lanzenförmige Gestalt und eine Länge
von 14 cm. Soviel sich ermitteln Hess, stammte der Block aus Honduras, und
haben möglicher Weise diese Instrumente als Keile zum Trennen des Splint- und
Kernholzes gedient. Sie sind abgebrochen resp. im Holz sitzen geblieben und vom
Stamm später überwallt worden.
(11) Hr. Arzruni bespricht die Publikationen des Hrn. A. ß, Meyer über
Nephrit
Der Vortrag wird in weiterer Ausführiing im Text der Zeitschrift erscheinen.
Hr. Virchow spricht seine üeber raschung über die von Hrn. Arzruni er-
haltenen Resultate der mikroskopischen Untersuchung aus, wonach der asiatische
Nephrit erkennbare unterschiede von dem Material der europäischen Nephritgerathe
zeige. Dieselben würden eine vollkommene Umwälzung derjenigen Anschauung zur
Folge haben, welche zuerst von den schweizer Forschern, namentlich von Desor
eingeführt und von Hrn. H. Fischer weiter begründet wurde, wonach der Nephrit
als Begleiter der auswandernden arischen Stämme galt. Er selbst habe, wie noch
in der Si^ung vom IL März 1882 (Verhaodl. S. 169), seinen Zweifel au der Zu-
verlässigkeit dieser Auffassung ausgedrückt und namentlich wiederholt die Noth-
14*
I
(212)
weoifigkeit betont, die AJpea^ besooder« daa Gebiet des Monte Tim, geoftiier xa
dttrchibnclieii, and die Ton ihm bericfateten Funde Ton Mauxacb, nnmeallick das
AoKioden eines gmieren Nephritbloekes and zahlreicher halb bearbeiteter Slidbe,
mUmI Ton Splittem (Sttzong Tom 16, December 1^82, YerhandK S. 5^).
dieten Zweifel eehr be^tirkt Trotzdem Bei er, wie wahrscbeinüch nach
jedermnoo^ nicht damof ? orbereitet gewesen, dafis es gelingen werde, mineralogiscfae
Differenzen von to prignanter Art, wie sie Hr* Arsrani schildere, zq ermitieia«
und er freue sich tcmi Herzeo, dass die Anregung zu derartigen Üntersuchangeii,
welche er darch BerbeischalFuDg von Material gegeben, so reiche Fruchte getragen
habe.
Er könne jedoch Hm. Me^er darin nicht beistimmen, wenn derselbe jetzt »n*
nehme^ die archäologische Frage sei durch die mineralogische gänztich in dem
Hifitergnind gedrängt* Er berufe sich zum Beweise dafür anf die Darlegiuftgett
&ber die geographische Verbreitnog der Nephrit- und Jadeitbeile In Eoropia, wie er
sie in der Sitznng TOm 16. Juli 1881 (VerhandL S. 283) gegeben und
▼erschiedenen Gelegenheiten ergänzt habe. Aus ihnen, wie ans den
Nachweisungen des Hrn, Fisch er , gehe mit Evidenz henror, dass sowohl für die
eine, wie für die andere Art Ton Beilen ganz bestimmte Yerbreitungsbezirke eii-
stirteuy in welchen nicht bloss das Material, sondern auch die Form der Geräthe
mit grosster Beständigkeit wiederkehrte. Diese Bezirke wiesen auf eine radien-
formige Verbreitung von Süden nach Norden und Westen, ab^ nicht umgekehrt
anf eine Verbreitung iron Norden nach Süden bin. Wie er schon früher dorch
eine Anfrage bei Hm. Zirkel (Sitzung vom 20. März 1S75, Verhandl. S. 50) er-
fahren babe^ seien die sogenannten erratischen Nephrite ton Schwemäal und dem
Johannisthai bei Leipzig ebenso unsicher In Bezug auf natürliche Lagerstätte, als
die TOD Poisdam} und selbst wenn sie sicher wären, fehle es doch fto allen Anhalts-
punkten dafür, dass jemals im Norden Europtis eine solche »ystematische Bearbeitung
von Nephrit oder Jadeit stattgefunden habe, wie sie z. B. am Bodensee und Tiel-
leicht noch an anderen sudlichen Fabrikationsstätten geübt sein müsse. Daher
werde nach seiner Meinung die archäologische Frage auch in Zukunft ihre beson-
dere Bedeutung für die Präbistorie behalten. —
Hr* Arzruni bestätigt im Gegensatz zu den Herren Mejer und Credner,
dass der Ursprung der norddeutschen Nephrite schwerlich aus Skandinavien her-
geleitet werden könne, da diese Geschiebe zu selten sind und keine Gletscher-
Wirkungen erkennen lassen.
Hr. Virchow fragt, ob nunmehr als sicher anzunehmen sei, dass Gegenstände
aus Nephrit aus Amerika nicht bekannt seien.
tlr. Arzruni erwidert, dass das einzige, bisher für Nephrit gehaltene ameri-
kanische Stuck^ das von Antioquia, aus Jadeit bestehe.
(12) Hr. Con«tantin Konen übersendet die Nummern 40, 41, M, 54 und 59
der Cobleuzer Zeitung mit Berichten über
vorrömische, römische und fränkische Culturiiberreste in der Rheinprovinz.
I. Der Verfasser unterscheidet unter den priiUistoriscbeo oder, wie er sagt,
vonrn mischen Thongeffissen der RheinproTinz 3 chronologisch verschiedene Arten:
L Gefässe neben schlichten Stein geräthen,
I
(213)
2, Gefässe von grösserer, BpecieÜ ägyptisch- assyrischer Ausliildting neben
ausgebildeteren Stein- und den ersten Metallgeräthen,
3. Gefässe von prähistorischer Form, neben denen die Steingeritthe ge-
wöhnlich fehlen, dagegen Bronze- und Eisengerätbe reichlicher vor-
kommen.
Sonderbarerweise setxt er die erste Gruppe in die Zeit um 2000 v. Chr. bis
zur Zelt phonicischer Handelsblüthe, lasst aber „das Mammuth noch unter den
im Rheinthale lebenden Thieren vorkommen." Die zweite Gruppe soll bis zur
Gründung von Massilia (um 60Q v. Chr.), die drilte bis stur Organisation Galliens
(etwa 9 V. Chr.} reichen.
In die mittlere Abtheilung versetzt er ein neuerlich von Hrn. Fusbahn in
Neuwied bei Weissenthurm, etwa 2 m unter der Oberfläche in einer unberührten
Schicht von Bimssand gefundenes Thongefass, 16,5 cm hoch, am Buuch «nd an der
Mündung 11,5 C7tt im Durchmesser, aus freier Hand geformt, raub, aber mit drei
Gruppen von Schnurlinien verziert. Er nimmt an, dass der Bimssand sich hief ■
nicht in ursprunglicher, sondern an Bectindarerj durch Abschweramung älterer Ab-
lagerungen entstandener Lagerungsstalte befinde, und er legt Werth darauf^ dass
gerade in dieser Gegend die von Hrn. Schneider construirte grosse Strasse, welche
von Massilia zur Weser-Mundung führte, über den Rhein setze.
Nach seiner Angabe sind Gefässe ähnlichen Stjls in Eich zwischen Coblenz
und Andernach, ferner an der Kapelle zum guten Mann und in einem Grabhügel
des Heben kies bei Wiesbaden gefunden, am letzteren Orte neben halbverbrannteo
Skelefcresten vom Menschen und vom Pferde und mit einer Serpentinaxt. Er com-
bioirt diese Funde mit den ThongefAssen des Schnurornaments,
% Eine grössere Reihe römischer üeberreate wurde in und bei Andernach
(Antun nacnna) gefuDden. Aus einigen derselben schliesst er, dass auch Andernach
bei dem Zuge des Civilis im Jahre 70 zerstört worden sei. Andere üeberreste
schreibt er dem Zerstörung» werke der Franken im Jahre 344 zu.
3, Ein fränkisches Gräberfeld schildert er vor dem Burgthore von Ander-
nach auf der westlichen Seite des mittleren Arms der Rhein-Römerstrasse nach
Coblenz. In demselben wechselten Brand- und Skeletgraber in ziemlich regel-
mässiger Anordnung, gewöhnlich zu je 3 oder 4. In den ersteren stand ein Aschen-
geffies^ umgeben von mehreren weiteren Gefassen, jiUein die Gefässe, sowie did
anderen Beigaben waren in beiderlei Gräbern gleichartig, zuweilen identisch* Nach
den Münzen scheint das Gräberfeld hauptsächlich der Regierungszeit Constantin des
Oroasen (306 — 33) anzugehören. Er citirt eine Stelle des Sidonius ÄpolliDaria I
(428^ — 84), der von seinem Grossvater erzählt, derselbe sei auf einem Platze be-
stattet worden, wo Aschennrnen und Leichname zusammen beigesetzt wurden. Der
Verfasser ist geneigt, in den Skeletgrähern die ersten Zeichen der Verbreitung des
Christentbiima zu sehen, das seiner Meinung nach erst um die Zeit Valentinians L
eine allgemeine Verbreitung in Antunnacum gefunden habe; wenigstens fehlten auf
dem Begrabnissplatze des Kirchberges von Andernach, dessen älteste Graber dieser
Zeit angehören^ Spuren des Leichenhrandes vollständig. (Die Stelle ist nicht ganz
verständlich, da es unmittelbar hinterher heisst: „die dort vorgefundenen Leichen-
brandgräber sind mindestens 3 Jahrhunderte alter. ^)
(IB) Eingegangene Schriften:
1. Bulletin of the BulFalo Society of Natural Sciences. Vol. IV, Nr. 3.
2. J, W. Powell. First Ännual Report of the Bureau of Ethnology 1879 — 1880.
Washington 1881. Gesch. d. Hrn. Powell.
(2u;
3, Charles Rau, Ärticlea od Anthropological Subjects. Washiogton 1882. Ge-
scbenk des Verfassers,
4. ForeDmgeD tit Norske ForÜdsmindesmerkers Berariog Äarsberetniog for IBSl.
KriBtiania 18S2.
Ä. N. Nicolaysen, Kunst og Haandverck fra Norges Fortid. Heft 11. Kristiania
1882,
6. Journal of tlie ADthropologieal la&titute of Great Bntain and ireland. Yol. XII,
Nr. IIL
7. La questioö du Zaire. Droits du Portugal. Gesch. d, Geogr. Gea. zu Lissabon.
8. Atti deüa R. Accademia dei Lincei. VoL VJI, Fac. 3,
9. Verh. der Geselbch. för Erdkunde zu Berlin, ßd, IX, Nr. 10; Bd. X, Nr, L
10, Mittbeilungen der Afrikanischen Gesellsch. in Deutbchland. Bd. III, Heft 4.
M. Zeitschrift der Gesellschaft för Erdkunde zu Berliu. Bd. XVU, Heft 6,
12. Bulletins de la socititö d'Aatbropologie de Paris. Vol. V, Cab. 4.
13. Die Martinikirche in Breslau und das Rechenbergsche Ailarwerk in Klitscbdorf
(Kr. BuDzlau). Breslau 1883. Gescb. d, Museums Schlesiscber Altertliiimer.
14. Cb. E. de Ujfalvy, Lcs cuivres anciens du Cachemire. Paris 1883. Geschenk
des Verfassers.
15. Deutsche Geographische Blatter, Bremen 1883. Bd. VI, Heft 1.
16. A analen des Vereins für Nassauische Alterthumskunde itud Geschichtsforschung,
Wiesbadeo 1882, Bd. XVII.
17. Bollettino della Societa Africana dltalia, VoL I, Fase. 6, Napoli 1882; Vol. II,
Fase 1, Nhpoli 1883.
J8. Tijdschrift voor Indische Taal-, Land- en Volkenkunde. VoL XXV IL Heft 6;
Vol. XX VIII, Heft L
19. Notuleu van de Algemeene eu BestTiurs-yergaderiDgen van het Batayiaasch Ge-
Dootdchap van Kunsteu en Wetenschappen. YoL XX, Heft 1, 2.
20. F. Soldan, Das romische Graberfeld von Maria-Münster bei VVorms* (S^pa
abdruck,) Gesch. d, Verf.
21. Ch< Rau, lodian stone graves. (Separatabdruck.) Gesch. d. Verf.
22. Treichelj 1. Fundbericbt über Münzen; 2. Verschreibuog des wüstuu Laudes
zu Woditteu 1615. (Separatabdrnck ) Gesch. d. Verf.
23* H. Jentäch, Die prähistorische □ Alterthünier der Gymnasialiiianimluug zu Guben.
Ein Beitrag zur Urgeschichte der Niederlausitz, Guben 1883. Geschenk
des Verfassers.
24. Licata e Borsari, L'Esplorazione. VoL 1, Fase. 3, Napoli 1883.
25. Job. Ranke, Beitrage zur physischen Anthropologie der Bayern, München 1883.
Gesch. d, Verf.
86w Arehivio per rantropologta e la Etnologie. Vol. XII, Fase, III.
S7» Leweaow, Die Unächtlieit der Obotritischeo Alterthumer. Geschenk des Hro.
Künne.
28. Sopbus Müller, Den Europaeiske ßronzealders oprindelse og forste udvikliog.
Kjobeubavn 1882, Gesch. d. Verf.
29. L. Pigorini, Terramara deir eta del brouzo. Roma 1883, Gesch. d Verf.
Sitzuug am 2i.^pril 1S83.
VorBitzender Hr. Bastian.
(J) Der Vorsitzende: lo erfreulichster Weise kaoo die Sitzung eröffnet wer-
dea "mit günstigen NachricbteD von unaereju ersteu Vorsitzenden, der io einem,
vor einigen Tagen aus Neapel ein getroffenen Briefe seinen Gesundheitszustand als
in jeder Weise befriedigend erklärt^ und nach einem Besuch Siciliens sich gegen-
wärtig zu einer Reise nach Etrurien apschickt. Für die Belehrungen, die uns in
Aussicht stehen, als Früchte dieser Reise, genügt der Hinweis auf die der voran-
gegangenen im Kaukasus, wie vor uns liegend, in dem Pracbtwerk: Das Gräber-
feld von Koban^ Atlas und Text (Asber & Co,), auf welcbesi unsere Studien
sich fortab, aus verschiedenen Richtungen her, vielfachst zurückgeführt finden
werden.
("2) Als neue Mitglieder werden geiDeldet: ' *
Hr. Alex. Schadenberg in Gross-Glogau,
Hr. Joseph Ko^enskyJ Lehrer der Naturwissenschaften an der Madchen-
schule zu Smichow bei Prag.
Hr. Dr. Rieb. Pause h, BerJiu.
Hr. Dr. Emil Riebeck» Halle a. d, Saiile.
Hr, Fabrikbesitzer Paul Riebeck, Halle a. d. Saale.
Hr. Fabrikbesitzer ß. Krause, Berlin.
(3) Hr. Wm. Carstelisen übersendet d. d, Kopenhagen ^ 19. April, die Ein*
ladung zu der 5. Session des internationalen Congresses der Americani-
sten, der um Zusendung von Mittheilungen und um persönliche Theilnahme bittet
{4} Der Vorsitzende zeigt das neu erschienene Werk: Steinbildwerke von
Copan und Quirigua, auf Grund der von Hrn. Meye (dem das Küoigüche
Museum werth volle Bereicherungen verdankt) aufgenommenen Zeichnungen, heraus-
gegeben durch A. Schmidt, in Folge hochsinniger Forderung, weiche Dr. S tu bei
diesem Werke anwandte, ohne dies iodess in der Vorrede viel merken zu lassen '),
(5) Hr Bastian bespricht
neue Erwerbungen dea Königlichen Museums.
Der ethnologischen Abtbeil ung steht eine kostburbte litvreicberung in Ansicht
durch die Sammelstücke, welche Lieut. Wissmann auf seinem wissen scbaftlicben
1) Die Orif^'nalKeicbnungen babeo der Gesellschaft in der Sitzung vom 21. Decemb«r 1878
(Verbandl, 8. 424) vorgelegen und sind später Hrn. Dr. Ö tu bei zur Verüffentlichung über-
lassen worden.
(216)
Kroberuügszuge durcb Afrika, aus bis dablD UDbetreteiieD Gegeodeii dieses Conti*
nentes, gesichert hat, voraussichtlich also mit deoi voUeo Stempel jener Originali-
tätj worauf bereits bei der Begriiodung der Afrikaaiseben (jesellscbaft im Jahre
1873 gehofiFt wurde, indem unter den för den Westen sprechenden Gründen auch
der von dieser Seite aus ungestörter, und unstorender, zu verfolgende "Weg sich
empfahl, statt des von Osten her, mit den Reisenden als Nachzügler auf einem
durch Handelsrazzia der Mobamedaner bereits verwüsteten Gebiet — Ein im Laufe
der Woche bei der Afrikanischen Gesellschaft von Dr. Pogge aus Mukenge eio-
gegaagener Brief, zeigt ebenfalls die Sendung einer Schatzkiste für das Königliche
Museum an.
Noch ein anderer Stern glück verberssendeu Yorzeichen's verspricht an dem jetzt
nllmüblich sich aufhellenden Horizont der Ethnologie unserer jungen Wissenschaft
aufzugehen, in dem mit freimuthigera Edelsinn gennacbten Versprechen, dass aus der
grossartigen Sammlung, welche durch die „Expedition Riebeck** nach Europa ge-
schafft ist, eine Serie Alles dessen, was zum Ausfüllen Ton Lücken im Königlichen
Museum dienen könnte, diesem wird überlassen werden. Im vollen Verständniss
für die der Induction gestellte Aufgabe, welche zum vergleichenden üeberblick
derartiger Centralisation bedarf, wie sie, der Natur der Sache nach, nur in alteren
und grosseren Museen allein gegeben sein kann (betreffs der Ethnologie in Üeutsch-
land also nur io der ethnologischen Sammlung Berltn's als der weitaus ältesten und
soweit aucli grossten), — im unbedingten Einverständniss mit dieser von naturwissen-
schaftlicher Methode und in der für gesunde Fortenlwickelung der Ethnologie er-
heischten Beantwortungsweise einer der brennendsten ihrer Lebensfragen hat Hr,
Dr. Riebe ck bei einem personlichen Hesuche Berlin's die Mittbeilungen seiner
Briefe, deren bereits früher Erwähnung geschah , in liebenswürdigster Weise be-
stätigt. Neben der für das Königliche Musetim bestimmten Vertretung, die sich
dort für wissenschaftliche Verwerthung b VerTollstandigung des Gesammt-Deber-
blickes einreihen wird, scheint es ausserdem in Absicht zu liegen, aus der umfang*
reichen Sammlung in der Vaterstadt des Reisenden ein selbststandiges Museum zu
bilden, das dann als neues Ceutrum der Anregung auf die ethnologischen Interessen
anregend zurückwirken würde, so dass sich die Ergebnisse dieser wichtigen Reise
als in doppelter Beziehung fruchtbringend für die Ethnologie erweisen werden. — Dass
in Folge der hoch seh ätz baren Freundschaft, welcher wir uns seitens des Hrn* Dr, Hans
Meyer zu erfreuen hatten, eine wertbvolle Sendung in das Museum bereits auf*
genommen ist, kam in der letzten Sitzung zur Erwähnung.
Mit eigenartig neuem Charakter, weil eben aus einer neuen (bis dahin in den
Museen fast gänzlich um? ertreten en) Localitat, aus Formosa uehmlich stararaendj
haben sich unter freundlicher Beihülfe des deutschen Consulates einige Stücke der
Sammlung einfügen lassen, wie andere schon früher durch Hrn. Capitain-Lieut.
Strauch, dem wir zugleich eine Sammlung ans Korea verdankten.
In zuvorkommender Weise hat sich Hr. Consul Gerlich in St Louis für die
ethnologischen Intexessen bemüht, indem es ihm möglich war, die Tb&tigkeit
Bandelier's für die Smithsonian Institution in Washington auch gleichzeitig für
das Königliche Museum Berlin^s zu verwertbeu, wo seine Sammlung vor einigen
Tagen eingetroffeia ist,
Gleichaeitig scheint eine andere Bemühung jetzt ihren Lohn zu versprechen,
ftiif die wir, nadi jahrelang nutzloser Correspondenz, bereits zu verzichten begonnen
haben würden, wenn nicht die deutsche Botschaft ihre günstige Geneigtheit zur
Unterstützung unverändert bewahrt hätte. Ber Gesichtspunkt war auf jenen un-
bekanntesten Tiieil des südamerikanischen Gontinentes gerichtet, der sich auf der
(217)
WiM6irecbeide der beiden grosseD Flusssjsteme, bisher Jiacb immer uoaerer Kenntnis?,
also aycb der elbnolügiacben, enUieht, und auf Versucbe, von Paraguay aus dort
einzudringen. Voo dem auf V^ran lassung der deutscben Botschaft in Buenoe-Ayres
scbliesslicb ausgesandten Reisenden sind jetzt die ersten Probesendungen angelangt^
und sie bringen von bisber nur literariscli, aus Azara^lwa, bekannten Stämnaen jetzt
dem Museum aucb eine erste Kunde, zugleieb in dem verstandigen Sinne der Zu»
sammenstelluiig zu besten Erwartungen für die Zukunft berechtigend. In Verwirk-
lichnng dieses lang gehegten Wunsches, unter Mitwirkung des Ethnologischen Comite,
haben sich soinit die diesem geschuldeten Verpflichtungen in bedeutsamer Weise
vermehrt, zum Besten der Studien, und durch die Resultate derselben, wie schon
deutlich voraussichtlicb, sogleich bereits zu zahlen,
Kine grossere Sendung, die von der ostafrikanißchen Station der Afri-
kanischen Gesellschaft durch diese eingelaufen ist, bringt u. A, den hier vorliegen-
den Blasebalg, identisch mit demjenigen, der sich seit meiner Reise am Loango
(1873) von der Westküste Afrika's im Koni gl. Muäeum hefindet.
(6) Hr. Treichel berichtet über
prähtstoriBche Funde um Erünhausen, Kreta Neuatadt.
Im ^og. herrenlosen (früher deckte sich der Begriff mit der That) Bielawa-
ßruch, welches sich au die genannte Ortschaft anschliesst und auf der einen Seite,!
vom Meere nur durch vorgelagerte DOuen getrennt, die sog. Rix hilft er oder Seh war-
zaucr Kämpe umgrenzt, fand mein Vetter Job. Hanneniann vor Jahren eine
Elenschaufel mit 5 Zacken, woran 3 längere. Die grüsste Länge einer Zacke
war von der Rose ab 36 cm, die Ausdehining zwischen den beiden äussersten
Zacken betrug 38 au und der eigentlichen Schaufel form 18 cm^ also eio stattlich es J
E?^emplar, das noch im Besitze des Finders ist.
Als im vorigen Jaiire neben dem Schmiedeteiche ein neues Waascrloch ge-
graben wurde, stiess man in dem durch die Frühjahrs wasser aufgeschwemm-
ten Lande auf eine Menge von Knocben vom Schwein (Wild?) und Wolf (?),
wovon Kopftheile noch erhalten, die Fortsetzungen zum Gerippe aber vermodert
waren.
Ebenda sind hin und wieder eiserne Kanonenkugeln gefunden^ spater meist zu
Kugeln für Schornsteinfeger verwandt. Selbige stammen von einer früheren Be-
schiessung Putzig's und des benachbarten Kiistenstriches durcb schwedische Schiffe
auf der Ostsee (nic^ht in der Wiek), Noch kürzlich (1882) wurde eine solche
Kugel, vom Roste stark zerfressen, una Schwarzati aus gepflügt und Seitens des
Gutsbesitzers Lehmann-Gnesdau an das Danziger Frovinztalmuseum geschenkt.
Nach Erzählung des Hrn. Eldor Thomasins lag ebenda, auf der Koppel hin-
terem Seiiaafstalle, ein grosser, grauer Kalkstein von länglicher, bemerkenswerther
Form. Er sah so aus, als wenn er eitie Figur darstellte, welcher Hals und Kopf
fehlten. An der Mitte der Längsseite ging eine glatte, kugelrunde Oeffnnng hin-
durch» Während ein Fuss fehlte oder nur als Stummel vorhanden war, hatte der
vorhandene andere Fuss eine sehr plumpe Form, bei seinem auslaufenden Ende
jedoch Aehnlichkeit mit Zehen. Der Stein ist nicht mehr Torhanden, da er 1869
gesprengt wurde. Dass er 7 Schnss bekam und dass er gebrannt über etwa 200
Scheffel Kalk ergab, deutet auf seine Grösse. Referent hielt das Ganze für ein
Abbild eines Thieres. Der weichere Kalkstein lies« eine Ausformung sehr wohl
(218)
2U. Es tBi ZU bedauern, dasd er uicht mehr vürhundeD ist, um elaeu geoauereD
EtDblick zu gewionen. Seine Gestalt war ungefähr die DebenstebeDde.
Iq der Nähe des dortigen, der Oätseeküste zu gelegeo€0
/ ' - y- — \^^^ Kiefernwaldes faod etwa im Jahre 1858 derselbe Herr in
f S^ \ gutei^plcker ein Pflaster vqd Kopfsteinen, deren Mürbigtceit
^-^T — Q — ^ auf früheren Angriff durch Feuer schliesseo liess. Darüber
4^ kamen Lager von Kohlen und Aacbe. Eine kleine Strecke wei-
ter gab es mehrere kleinere Steiokiäten, ohne Omen darii),
mit schwerer Deckplatte, auf welcher kleinere Steine rnnd umher gepackt waren.
Der am meisten ansprechende Fund wurde aber im Februar 1882 gemacht^ als
mein Oheim in jenem milden Winter zum Legen von Drains Gräben werfen liess.
Es war das auf einer kleinen Anhöhe, etwa einen Foss unter der Erde, am Wege von
Brünhausen (Miruschin) nach Lissnau. Es erscheint fraglich, ob die Arbeiter
nicht noch mehr gefunden und den Rest unterschlagen baben, des Glaubens, di<^
patinirte Bronze sei Gold. Man stiess zuerst auf eine Steinkiste, die schon früher
von der Pfiugscbar getroffen sein musste, da sie zertrümmert und eingestürzt ge-
funden wurde. Gewiss hat darin eine ürot gestanden, welche, nur mit der
Stehfläche (etwa 15 cm Diircfcmesser) und etwas Anhang gerettet, sich als grob
gebrannt, aussen rothiich, innen schwärzlich, ohne Glimmer^itücke, erwies; es
ist also fraglich ihre Hohe und Durchmesser, sowie ob*s Gesichtsurne gewesen.
Ausser Leichenbrand wird sich in der tJrne ebenfalls befunden haben eine com-
pacte Masse, der man sogleich den Schmelzfluss ansah, welche nach der Unter-
suchung des Cbemikers Hrn. Stadtrath Helm in Danzig kein Kupfer, wohl aber Eisen,
Kalk und kieselhaltige, sich nicht losende Schlacke enthielt. Namentlich die Kalk-
bestandtheile, welche sich dem Auge darboten und zerstörtem Muschelkalk an-
gehorten, erschieneo mir merkwürdig, weil ich nicht weiss, dass solch ein Kalk-
mergel sich in der Nähe befindet. Nach der Auslassung des Arbeiters wurden nun
in (es ist mir dies aber fraglich, da sonst wenig ähnliche Funde vorkommen) oder
neben der Urne, vielleicht auch neben der Steinkiste folgende Stücke gefunden,
die nach der Bestimmung meines verstorbenen Oheims Th. Hannemann in den
Besitz des Westpreuss. Frovinzial- Museums in Danzig übergingen. Eindringende
Nässe oder die Einbettung in den starken Lehmmergel hatte bei allen Bronze-
Stücken eine schone Patina za Wege gebracht. Bei der ersten Ansicbtnahme des
Fundes befand sich darunter noch ein zierlicher^ kleiner Celt, welchen späterhin
wahrscheinlich mein Vetter P.Hanne mann nach Berlin entführt hat, eine Ver-
zettelung;, die im Interesse der Einheitlichkeit und der Wissenschaft sehr im bedauern
ist Der Form nach^ so viel ich mich erinnere, hatte er hinsichtlich der Median-
leiste Aehnlichkeit mit einem Steinbeile von Czarnen. Von den übrigen Sachen
liess ich Zeichnungen anfertigen, die ich zur Illustration hier beifüge,
Figur A. ist die eines sog, Halsringes, mit gleichem Metall in Windungen
umsponnen, die Enden beiderseits in Oehaenform zurückgeschlagen und bia zu
den Seh luss punkten der Windungen hingeführt, welche sie umschliessen. Das
Metall ist sehr br«>cicelig und spröde. Daher zerbrach dieser Ring bei einer Sitzung ^
des Gewerbe- und Bildungsvereins in Neustadt W.-Pn, wo ich diesen Fund zuerst
demonstrirte, da ilemand dessen Anwendung als Hidsring thatsachlich erweisen
wollte. Aber selbst zur truhereu Zeit wäre eine Verbiegung, um den Ring seinem
bis jetzt angesprochenen Zwecke gemäss um den Hals zu bekommen, gar nicht
m5glich gewesen. Aus diesem Grund bekämpfe ich die Ansicht^ dass ähnliche
Funde für Halsringe genommen werden. Die Unmöglichkeit der Thatsache ver-
bietet es einfach. Vielmehr erachte ich, dass solche Ringe als Hauptscbmuek ge-
Fig. A. */» der natürljchen Grosse.
ter*s Ohr komme», vielleicbt durch ein Band fester gehalten, sowohl an sich, als
auch auf dem Kopfe, welcher doch nicht immer »eine gerade Haltuog bewahrt
haben w^ird. In Bruch stüfkeo waren noch etwa drei andere, äholiche Ringe vorhanden.
Ausserdem befanden sich dabei neben Bruch werk drei besser erhaltene Span-
gen von Bronze, eine grössere und zwei kleinere, die eine kleinere mit voll-
Pig^ B, V« der natürlichen Gros««.
standigem Anschlösse (Figur B.) der beiden Schmalseiten, wogegen beide andere
einen trennenden Hawm r-wisclien steh hatten, also möglicherweise eine ge-
ringe leTtllche Verschiebung gestatteten, was aber bei Figur B. ganz lieh aus-
(220)
gesdiloiseD erscbeioen muss« Worsaae io Arbildoioger (KjBbenbaTii. 1854) stellt
unter Figur 290. eine aholiche Spange dar. Auch er folgt für die ßenennung der
all gemeinen AnDabnne von Armspaogen. Ich beatreite das ebcnfalU. Se1bf»t wenn
di^ Ringform, wie bei Figur B, sich oicht zusammenschliessf, alao eiue seiilicbe
Verschiebung sich eriDÖglicbeo Hesse, würde es doch in beiden Fällen durchaus
nicht möglich gewesen seio, diese Objecte auf die gewiss stärkereD Arme früherer
Menschengeschlechter heraufzu zwingen. Ich halte dies« Ringe Tielmebr auch für
einen Schmuck, möglichst ebenfalls für das Haar, und dann wahrächeinlich nach
Art unserer heutigen Toupe's angewandt, so dass das herab- und berumfallende
Haar ihnen Halt und Festigkeit gab, auf dem glänzendeu Untergruude jedoch
sich die Haarsträhne nur desto kleidsamer abhob, üebrigens sind diese Spangen
inwendig hohl, sowie die gebogenen Seitenflächen einen Raum zwischen sich
lassen. Daraus, dass sich auf dieser concaTeu Fläche niemals ein Eindruck oder
eine Beschädigung vorfindet, wie solche, den Gebrauch als Armring vorausgesetzt,
dabei, durch äussere Einflüsse veranlasst, niemals ausbleiben würde, lasse sich
ebenfalls das Negative solchen Gebrauches folgern^ wo* gegen die fügsameren
Baare keineswegs Risse oder Schäden zurücklassen k«:»nnen.
Ein Aufsatz, betitelt ^das Pfahldorf*, von D. von der Alb in „das neue Buch
der Welt*^ (Stuttgart 1880) giebt dazu nach Einern Aquarell von R, Haug ein
farbiges Kunstblatt, auf welchem der Scenerie gemäss der auf einem Ein bäume
lieinikehrende Mann von der auf dem Pfahlbau sitzenden Frau erwartet wird. Sie
näht ein Purpurgewaod und ihre zum Stiche ausholende Hand ist mit einer offenen
Spange (auf dem Bilde bereits grün patinirt) geschmückt. Mir scheint aber, dasa
die Eiubildung auch hier mehr gethao hat, als die Ueberlegung. <
Die aufgefundenen sog* Armspangen können thatsäcbJich ebenso wenig über den
Arm (das Handgelenk), wie die sog. Halsriuge über den Hals gezwüogt werden.
Wozu denn also mit falschen ßeieiclinungen Irrthümliche Auffassungen herbeifuhren
und in der Vorstellung fortleben lassen?! Es geht einfach nicLtI Mit der Tra-
dition muss aber, je eher, je besser, gebrochen werden 1 —
Hr. Voss bemerkt dazu, daJ^s der groese ßronzering nach seiner Meinung ein
Halsring sei, Die Oeffnung desselben genüge vollkommen^ um einen Frauenhals
durchzulassen; schon eine Oeffnung von 7 cm sei für eioeo schlanken Frauenhals
genügend. Soviel er wisse, sei diese Form ausserhalb der Provinz Preussen noch
nicht gefunden* Auf der prähistorischen Ausstellung 1880 sei ein ähnlich es Exem-
plar ausgestellt gewesen.
Der kleine geschlossene sei ein Armring und iu verschiedenen Varietateu weit
verbreitet» Es seien ähnliche in der Schweiz und Westfalen gefunden und das
Köoigl. Museum besitze von der halbhohlen Form, wo der grössere Theil der Innen-
fläche offen sei, eine grossere Anzahl aus Pommern und Brandenburg.
(7) Hr. Krug auf Haus Jensen bei Sommerfeld sendet folgenden Bericht
ein über
das Urnenfeld von Jüritz.
Nachdem ich jetzt fünf Jahre auf dem von mir hier aufgefundenen grosaeu
örnenfelde Jessen -Jüritz gegraben habe, gestatte ich mir die beifolgende Zeich-
uung dieses Feldes zu üherreichen. Die demselbeu entnommenen Stücke sind
wohl im Stande ein vollkommenes Bild des Gräberfeldes zu geben ^ indem sie den
Vollen Inhalt eines solchen darstellen, denn wenn auch einige wenige Funde in dia
(221)
GubeDer Gymnasial-SammluDg gelangten, so besitze ich doch gerade diese noch in
mehreren Exemplaren.
Das Grabfeld wird an seiner Süd- und Ostseite jetzt durch einen kleinen Gra-
ben begrenzt, welcher der Abfluss des dahinter im Walde belegenen Swinateiches
ist, an dessen Ufer, wie ich bereits im Jahr 1879 berichtete, der Sage nach ein
^Heidentempel^ gestanden haben soll. Die Nordgrenze bildet der von ßrinsdorf
nach Jüritz führende breite, sandige Weg, wie ich dies aus den von mir, sowohl
auf dem Wege selbst, als auf dem jenseits belegenen Jessener Terrain angestellten,
eingehenden Untersuchungen schliessen muss. Ich fand an beiden Stellen, qbgleich
Adcsr
■pjjtÄ^yfY^ n at% iTm^S^T^
I
Fcrä^
, e^xiwa
die hügelige Beschaffenheit des letzteren mich eine weitere Ausdehnung des Grab-
feldes vermuthen Hess, nichts. Wenn nun auch die beiden Orte Brinsdorf und
Jüritz (richtiger Güritz) sehr alte Ansiedelungen sind, lässt sich doch kaum an-
nehmen, dass dieser, beide Dörfer yerbindende Weg bereits in prähistorischer Zeit
Yorhanden gewesen sei, und doch bildet er die gerade Grenze des Grabfeldes.
Jüritz, auf einer Höhe belegen, lässt sicli wohl von Gora ableiten; auf einem in
der Kirche zu Dolzig befindlichen Grabsteine von 1681 werden beide Orte Gürtz
und Brüns genannt.
Der Abfluss des Swina-Teiches ist gegenwärtig nur ein kleiner Graben, welcher
wohl früher breiter und wasserreicher war, was ich daraus schliesse, dass auf dem
(222)
Urvtufelde bis auf ungefähr 20 Scbritte an denselhen das TeiraiD abfällt, iiod sich
keine Grabnr befinden. Auch weiter^ jeoseits des GrabeDSj im ßrinsdorfer Terrain,
tund ich nicht« derartiges, so dass ich die Abgrenzung des Grabfeldes nach Nor-
den, Goten unil Süden hin für sicher holte.
In der Richtunja; auf den Swina- Teich, also söd- und siidwestlich, bin ich dessen
nicht sicher, da ich dorthin in dem, jetzt allerdings fast ebeneu Terrain einige
kleine, zwar ziemlich unbedeutende Spuren von runden Hügeln (Tuinuli) entdeckte.
Bei der bis jetzt nur oberflächlichen Untersuchung dieses Striches fand ich
nichts, was mich zur Fortsetzung anregte, zumal das Graben in dem dort dicht
Bteheuden Hnlze Schwierigkeiten bat.
Das ¥on mir untersuchte Drnenfeld seltiat ist jetzt, sowie die ganie öui gebung,
eine Kiefernachnnung; uTirdlicb in demselbeu, nicht weit .vom Wege, zeigt sich eine
liingliche Erhöh ung, von welcher aus sich das Terrain nach allen Seiten senkt» Die
Art der Bestattung ist nicht eine und dieselbe, und glaube ich mich zu der An-
nahme berechtigt, dass hier früher sowohl Hu gel gruber, als solche aus Steinsatz,
und S(!blie8slich solche ohne Beides vorhanden waren. Der Grund und Boden ist
loser Sand, der vor ungefähr 50 Jahren^ nachdem das damals dort stehende Holz
ge.sr. hingen war, wohl Ober 30 Jahre wßste lag. Da mau beim Herausnehmen der
Wurzclstöcke auf viele Steine gestossen war, welche in der Gegend selten sind,
durchwühlte man das Terrain nach ©olcben, wobei viele Gefäf*?i' z»» Tilge kamen,
welche leider aus Mangel au Interesse daran zerschlagen wurden. SprUer lag, wie
gesagt, die Flache lange wfiste, die Sonne trocknete den dürren Sand, Wind und
Regen trieben ihn von den Hohen in die Tiefen, und als dann die Strecke wieder
mit Kiefern beptlanzt werden sollte, war ein Planiren derselben geboten, und ist
durch dies Alles die Erdoberfl&che so verändert, dass man gegenwärtig mit Aus-
nahnu^ des langlicbttn Hugeb nur noch geringe, runde Erhöhungen wahrnimmt Es
finden sich jedoch n*)ch beute hin und wieder deutlich erkennbare, allerdings fast
gHUZ abgeflnchte runde, kleine HügeL Dass die Erdoberfiache früher eine andere
war, beweist schon der Umstand, dass an irgend erhöhten Stellen die Gefassc
meistens sehr flach, oft kaum '/, Fuss tief in der Erde gefunden wurden, während
sie an anderen Stellen heutig an 4 Fuss tief standen.
Nach den von mir angestellten Ausgrabungen möchte ich nuu das gwnze ürneo-
feld in drei Abtheiiuugen verlegen; bei a im Norden beginnend, habe ich besonders
auf dem mehrfach erwähnten Hügel die schönsten und zierlichst gearbeiteten Ge-
fuse, Buckel -örnen aus feinem Thon, dünnwandig, vielfach verziert, mit Bronze-
Beigaben gefunden. So eine Pfeilspitze, Hier fand ich auch einen Becher
mit Deckel; mit einem Falzrande versehen {cL Katalog der Ausstellung in Ber*
lin 1880, S. 103), Die Gräber waren, wie sich aus den jetzt noch dort gefun-
denen Tielen und grossen Steinen ersehen llssi, in Stein gesetzt. Von dieser An-
höhe herab südlich durch die Abtheilungen b und c bis in die Nähe des Grabens
fanden sich die Gräber so vollständig reihen weis, wie dies auf der Zeichnung durch
Striche angedeutet ist Hatte man ein Grab gefanden, so konnte man mit Sicher-
heit dicht daneben in dieser Richtung mit grosserem oder geringerem Abstand auf
das zweite, dritte u. s. w. rechnen.
In der Abiheilung b fand ich die Gräber meistens, jedoch nicht immer, mit
Steitisatz, die Urnen standen öfter auf platten Steinen, und waren auch mit aolchen
bedeckt, die Asohenurnen waren häufig mit einem schüsselform igen Deckel ver-
schlossen. Die Urnen, j^owie andere GefÄsse waren zuweilen sehr grob gearbeitet,
erster« ungefähr bis tur Höhe too *u ^^^ Inhaltes mit Leichenbrand gefüllt, darauf
S(6l8 eine Si:hicht Sand^ und schUessUch der BeckeL Letsterer war stets eine über
(223)
den Rand der Urne greifende Schusselj nie ein flucher Deckel. Diese QcTifTff^eln
waren jedoch in rieJen FälJeu, durch den Druck der darauf lastenden Erde oder
Steine zerdruckt, in die Urne eingedrüDgeii, und hatten so auch diese zersprengt
Aucli grosse Urnen, in denen keine Knochen, wohl aber klelßere Gefa&se eingesetzt
waren, fand ich oft in den Gräbern, sie standen zuweilen verkehrt, oder lagen,
während die Äschenurnen stets aufrecht standen. Die Gräber enthielten grösstew
Theih ausser zwei oder drei Ascheniirnen eine Menge kleiner Gefässe in den ver-
schiedensten Formen, als Kannen, Schüsseln, Schalen, Töpfe u, s. w», was in der
Abtheilung a bei den Buckelurnen gänzlich fehlte. In b wurde auch das Trink hörn
gefaßdeUj und in demselben Grabe eine durchbohrt«, sauber geglättete Steinaxt
Beide Stucke waren auf der Ausstellung in Berlin im Jahre 1880, cf. Katalog der-
selben S. 103. Als Beilage fanden sich in dieser Zone Stein*, Bronze- und Eiaen-
Gerfitbe, Bowie Thonperlcn in verschiedenen Formen, welche sich ebenfalls auf der
Ausstellung in Berlin befanden. Aych eio eiserner Dolch mit Pärirstange und
einem Nietloch im Hefte wurde hier bei einem Grabe kaum 1 Fuss tief in der
Erde gefunden; ich nehme an, dass derselbe beim Gruben nach Steinen heraus-
gefordert, damals niclit bemerkt, oder als unbrauchbares Stück wieder in die Erde
gebracht wurde, da ich ihn sehr flach fand, wäphrend gerade daneben die Urnen
sehr tief standen.
Abtheilung b ist die grösste, und sie ergab desshalb, zumal oft Grab an Grab
stand, eine grosse Ausbeute; allerdings war auch in a besonders der Hügel so Toll-
ständig mit Gefassen besetzt, dass ich oft nicht erkennen konnte, wo ein Grab auf-
horte und das zweite anfing. Da jedoch« wie schon gesagt, die hier hauptsächlich
gefundenen Buckelurnen nie andere Gefösse als Beigabe hatten, war die Stückzahl
der aus a geforderten Gefäase nicht so gross.
In der dritten Abtheilung c, welche sieb wieder zu dem Graben berabsenkt,
war, sowie in a und b, der Rand am Graben unbesetzt, woraus ich auf eine früher
grossere Breite desselben scbliesse. In c wurden von mir, ich mochte fast sagen,
überwiegend schwarze Gefasse gefunden, sowohl Urnen, als andere Formen, stets
dünnwandig, sauber gearbeitet, aussen und innen geglättet, und vielfach verziert.
Ich öffnete Gräber, welche zwiir nur wenige, aber nur schwarze Gefässe enthielten.
Hier fand ich auch die Räucherge lasse und Doppel uruen, beide Arten aber nie
schwarz, mit den zu ihnen gehörigen Tellern. Letztere meistens ganz flach, doch
auch wieder mit überstehendeni Rande, und einen ganz in der Form der jetzigen
Blumentopf-Untersätze. Die Käu eher gefasse hatten wohl ursprünglich auf ihren
Tellern gestundeH, waren durch die Last der Erde zerdrückt, und lagen nun in
Stücken auf und neben den Tellern; doch gelang es mir bei mehreren, sie durch
Kitten wieder vollständig herzustelleu. In dieser Abtheilung allein fand ich die am
Boden oder der Seiten wand durchlochten Gefasse, selbst eine grosse Urne mit
Leichenbrand, an der fast der ganze Boden fehlte, uad war deutlich zu erkennen,
dass sie in diesem Zustande eingesetzt war. Sie stand aufrecht, unberührt, tief in
der Erde, ist fest und wohl erhalten, und war unter ihr kein Stück des etwa her-
ausgebrochenen Bodens zu finden, vielmehr der an dieser Stelle ziemlich feste und
trockene Sand.
Stein- oder Metall-Beigaben sind in dieser Abtheüung gar nicht gefunden wor«
den, wohl aber Tbongefässe in den wunderbarsten und verschiedensten Formen*
Zu welchen Schlüssen berechtigt nun diese so deutlich erkennbare Scheidung des
Urnenfeldes? Hat dasselbe so lange Ze^t als Begrabnissplatz gedient, dass in ihm die
Anfertigung der Gefasse vom Groben bis zum Zierlichen vorgeschritten war, so muss
(224)
es wunderbar ersctieiaea, daäs gerade in der mittlereo Abthf^iluDg b, in der bieh
die gröberen GefSsae fandeo, die Bronze- und Eisenbeigabeo waren, während
BroDze in der Abtbeilung a mit den Buckelurnen im Gauxen nur selten, Eisen aber
nie vorkam, und in c beides fehlte. Wenn nach der Ansicht des Hrn, Dr, Voss
die durehlücbteii Getasge mit deni religiösen Cultuf» zusammenhingen, warum ßnden
sich denn diese allein in der Abtheilung c? Sollten dieselben vielleicht, da eben
aie allein inil den Räuchergefassen jcusammeu gefunden wurden, deren sich doch
wobl die Priester allein bedienteUj auf eine BegräbniBsstätte dieser hindeuten?
Dasö in Abtbeilung a vornehme Leute bestattet seien und in b der grosse
Haufe, scheint mir auch nicht stichhaltig, da gerade in b das grosse, ganz in Stein
gesetzte Grab gefunden wurde, welches das scbün gearbeitete Trinkhorn von Tboo
und die Steinalt enthielt. Auch fand ich gerade in dieser Abtheüung die ver-
schiedensten, oft sehr zierlichen Steinperlen, Bronzeringe, Nadeln und Eisengeratbe,
was doch nacli letalerem Punde wieder auf eine jüngere Zeit scb Hessen liesse*
Ein Grab über oder unter dem anderen, m daiss also dieselbe Stelle zwei Mal
zur Beisetzung benutzt sei, fand ich nie, —
Hr. Voss bemerkt dazu, dass bis jetzt leider sehr wenige vollständige Unter-
suchungen eines ürnenfeldes in ganzer Ausdehnuog vorliegen und deshalb Fragen,
wie die von Hrn. Krug aufgeworfenen, aus dem bisher zu Tage geforderten Ma-
terial kaum zu beantworten sein dürften. Indessen liege es wohl näher, anzu-
nehmen, dass bei einem Grabfelde, welches eine so lauge Zeit hindurch benutzt
wurde, im Laufe der Jiibre Clilturzustaud , Sitten und Gewohnheiten der Be-
völkerung sich geändert hätten und hiermit auch die BegrabnisBgebräuche andere
geworden seien.
(8) Hr. H. Ellenberger in Elberfeld sehenkt einen Gypsabguss desNeander-
ihalschSdels.
0») Hr. Aurel Krause halt einen Vortrag über
die Bevolkerungsverhältnisse der Tachuktschenhalbmsel.
Deber die Natur der KüBtcu bewohn er der Tschuktsehenbalbiuset und ihr Vcr-
hältniss zu de» nomadischen RenthiertBchuktschen sind vielfach abweichende An-
sichten vorgetragen worden. Die ältesten Besucher dieser Gegenden hielten beide
für dasselbe Volkj die Renthiertschuktschen fnr die reicheren, vornehmeren, die
Küstentschukthchen für die ärmeren^ welche durch den Verlust ihrer Renthiere
gezwungen worden wären^ vom Fischfange und der Jagd der Seesauget Liiere zu
leben. Erst durch Kotzebue's, WrangelTs und Luetke's Reisen wird die
Zugehörigkeit eines Tbeilea der Küstenbewohner zum Eskimostamme siclier erkannt;
über die Ausdehnung jedoch dieser Eskimobevolkerung blieb man bis in die neueste
Zeit hinein noch vielfach unsicher. Dali, der beste Kenner dieser Gegenden, glaubte
sie früher nordw^ärts bis zur Koljutschiobai setzen zu müssen; die Ueberwinterung
Nordenskiold'ö bei Serdzekamen lehrte jedoch, dass die Nordküste bis zum Ost-
cap wenigstens von sesshaften Tscluiktschen, nicht Eskimos, bewohnt ist* Im Som-
mer 1881 hatten wir, mein Bruder und ich, Gelegenheit, die Bevölkerung&verbalt-
nisse der Küste vom Oatt'ap bis zur INoverbai kennen zu lernen. In Folgendem
soll nun das Ergebniss all dieser Beobachtungen kurz besprochen werden; eine aus-
fuhrlichere Behandlung des Gegenstandes wird demnächst in den Verhandlungen
der Bremer Geographischen Geselischaft erscheinen.
(225)
Das Volk der Tschantschiiat (im Singular nacB Nord qu ist „Tschautachu") oder
TschuktacLi, wie es von den Ruesen genannt wird, zeT0Ht ebenso, wie das ihm
stauimTerwandte Volk der Koräken, in einen nomadischen und einen sesshaften
TheiL Beide sprechen dieselbe Sprache und unterscheiden sich nur durch die
verschiedene Lebensweise von einander, die wieder durch den Besitz oder Nicht-
besitz von Renthierheerden bedingt ist. Die RenthiertsehuktscheD bewohnen vor-
herrschend das Innere, ziehen aber auch im Sommer an die KQsteu und Ufer der
Baien, um dem Fischfänge obzuliegen, Das Gebiet der ReDthiertschuktschen reicht
von der Beringstrasse westwärts bis zur Tschaonbai und bis zu den Quellflussen
des grossen und kleinen Anjui, BQdwiirts bildet der Anadyrfluss die Grenze gegen
die Koräken. Docli sind weite Strecken innerhalb dieses Gebietes völlig unbewohnt,
da nicht überall genügende Nahrung für die mitunter mehrere tausend Stuck zäh-
lenden Renthierheerden vorhanden ist.
Die sesshaften Tschuktschen leben an den öfern des Eismeeres von der Tschaun-
bai bis zur Beringstrasse und an einzelnen Punkten der Ostküste in Dörfern, die
bis zu 40 Hütten zrihJen, Letztere sind deoen der Renthiertschuktschen ähnlich, nur
grosser und dauerhafter. Sie besteben aus einem Gerüst Ton 'Walfischrippen und
hölzernen Stangen, das mit Hauten von Seesäugethieren überzogen wird, A!s Zug-
thiere gebrauchen die sesshaften TsehuktFchen Hunde. Die Jagd der Seeaäuge-
thiere und den Fischfang betreiben sie nach Weise der Eskimos; auch ihre Leder-
böte gleichen jenen dieses Volkes.
Nordquist zählt gegen 50 Dörfer der sesshaften Tschuktschen mit etwa 2000
Seelen. Am dichtesten ist die Strecke zwischen der Koljutschinbai und dem Ost-
cap bevölkert, ein umstand, der in dem wenigstens früher dort vorhandenen Reich-
thum an Seeaäugethieren seine Erklärung findet,
„Aukali^ oder „Äigwan" werden die sesshafteo Tschuktscheo von den Ren-
thiertschuktschen genannt. Beide Namen drücken jedoch nur den Unterschied in
der Lebensweise aus; auch ist diese Trennung nicht so scharf, da einerseits die
Henthiertschuktscben zeitweise auch Fischfang betreiben^ andererseits auch sesshafte
Tschuktschen einige Renthiere halten, auch ein üebergang von der einen Lebens-
weise zur anderen Öfters statt findet.
Die Södküste der Tschuktschenhalbinsel endlich von Point Tschaplia bis zum
Anadyr^ sowie Tbeile der Ostküßte werden von Eskimos bewohnt In der Be-
mühung, einen Colleclivnamen für dieselben zu finden, hat man eine Fülle von
Bezeichnungen geschaffen, die eine klare üebersicht nicht wenig erschwert. ^Na-
mollo'^ werden sie von Lnetke genannt; es erinnert diese Bezeichnung an ^Nama-
lau"', welchen Namen nach Steiler die sesshaften Koräken führen. „Onkilon*', die
von W ränge H gebrauchte Bezeichnung, ist, wie schon Neu mann bemerkt hat,
wahrscheinlich nichts andtTes^ als das Wort „ankadli" oder „ankali**, welches
ebenso wie die gleichfalls gebrauchte Bezeichnung ^aigwan** auch für die sesshaften
Tschautschuat ii blich ist Nach dem Vorgange von Hooper gebrauchte Dali in
seinen älteren Fublicationen den provisorischen Namen Tuski für die Eskimo-
bevolkerung, später den Namen „Cbüklok^müt'*, welchen nach Stimpsou die Be-
wohner von Ittygrane (Chukluk) führen sollen; nach seiner letzten Expedition hat
er das Wort „YO-if*, eine Variante von Ijinuit, gewählt.
Die Zugehörigkeit dieses Volkes zu den Eskimos steht ausser Zweifel; Lebens-
welse, Sprache und Körperbeschaffenbeit sind dieselben, wie die der Bewohner der
gegenüberliegenden amerikanischen Küste. Nur pflegen diese Eskimo nicht mehr
den Gebrauch, Knochenstucke in die Unterlippe einzusetzen, auch haben sie grössten-
theils die Weise des Zeltbaues der Tschuktschen adoptirt, und die Erdhütten dienen
VftfliuidL d«r B«rL AaÜiro|ioL Geulkcbalt 1SS3. 15
II
I
(226)
ihneii entweder nur nocli zum Wmteraufenibalte oder &Ib Vorrathsraume. Nacb
Dali wandern sie tangsam längs der Küate nach Süden, 1879 wären mehrere Fa-
niilien bereits am Cap Olmtorski an gelaugt.
Die Verbreitung dieser Eskimos an der Ostküste ist in neuerer Zeit Gegen-
Btaiid einiger noch unentschiedener Controversen gewesen. In den ^Tribefi of the
extreme Northwest^ giebt Dali der Eskimobevolkening eine Ausdehnung nordwärts
bis zum Cap Serdzekamen* Die Deberwinterung Norden skiold 's nun in der
Nähe dieses Punktes gab Gelegenheit, den überzeugenden Nachweis zu fuhren^ dass
an der ganzen Küste bis zum Ofltcap Bskiraodörfer nicht vorbanden sind. Auch
bei den späteren Landungen in der Lorenz bai und Eonyambai traf die Yega nur
tschuktachiscb aprechende Leute. Dem gegenüber halt nijn Dal! auf Grund eigener
Beobachtungen und zahlreieher schriftlicher und mündlicher Mittheilungen von
Capitünen der Walfischfanger die Behauptung aufrecht, dass die Ostküste vorzugs-
weise von Eskimos bevölkert sei* Durch Stirn pson erhielt er im Jahre 1865 ein
nahezu reines InnuitvocahulaJ von der Insel Chukluk (Tttigrane), und durch
Smith ein eben solches von dem Dorfe Nuwukh am Ostcap.
Unsere Wahmehmungen können oun dazy dienen, diese Widersprüche einiger-
maasen aufzuklären. Zunächst sind am Ostcap zwei grosse Dorfer vorhanden ^ auf
der Nordseite das Dorf Uedle, dessen Bewohner Tschautschuat sind, auf der Ost-
seite aber, gegenüber den Diomedes-Inselo, das Dorf Nuokao, das von Eskimos be-
wolint ist. Weiter südwärts bis zu Lorenzbai ist die Küste wiederum von Tschau-
tschuat bewohnt; wiihrend unseres 3 tigigen Aufenthaltes in Pooten und unseres
14 tagigen Aufenthaltes in der Lorenzbai haben wir wenigstens nur tschuktschisch
sprechen gehört.
Auf der Fahrt von der Lorenzbai bis Point Tschaplin haben wir nur fluchtige
Berührung mit deo Eingeborenen gehabt; trotz der gegenth eiligen Angaben unseres
tschuktsclii sehen Führers Hidlako lassen die von Da 11 mitgetheilten Angaben kaum
daran zweifeln , dass auch im Seniavin^Arcbipel, und wahrscheinlich auch an der
Mündung der Metschigmenbai Eskimodörfer vorhanden sind,
Nordenskiold versucht die Widersprüche in den verschiedenen Angaben
dadurch zu losen ^ dass er eine Mischrasse an der Ostküste annimmt. Die Beob-
achtungen sprecben jedoch gegen eine solche Annahme. Allerdings leben beide
Völker in freundschaftlichem Verkehr mit einander, doch pßegen ihre Ortschaften H
getrennt zu sein, und Mischheiraten sollen sehr selten stattfinden. An den von
den Wal ti seh f an gern regelmässig besuchten Orten macht sich dagegen bereits viel
weisses Blut geltend, — Die tschuktschische Sprache ist auch vielen Eskimos ge- fl
läufig^ während das umgekehrte höchst selten der Fall zu sein scheint.
Für eine Schätzung der Kopfzahl der asiatischen Eskimos sind nur wenige
Anhaltspunkte gegeben^ zumal da es keineswegs sicher ist, dass in der ganzen Aus-
dehnung von Point Tschaplin bis zum Anadyr nur Eskimos und nicht auch an-
sässige Tschnktschen die Küste bewohnen. Doch dürfte die Zahl der Eekimos in
AsieUj die Bewohner der Lorenz -Insel und der Diomedes-lDsel mitgerechnet, die
Zahl der ansässigen Tschuktschen, also etwa 2000 Seelen^ kaum übertreffen.
Ueberbliekt man nun die gegenwärtige Verbreitung der Eskimos in Asien, so
wird man der Ansicht von Dali and Nordenskiold beistimmen, dass die
asiatischen Eskimo aus Amerika eingewandert sind und nicht, wie Steiler^
Wrangell und andere vermutheten, zurückgebliebene Reste einer ehemals zalil-
reicheren, nach Amerika hinübergezogenen Bevölkerung. Immerhin würde durch
die Annahme eines amerikanischen Orsprunges der jetzigen Eskimo bevölkerung die
Möglichkeit früherer Wanderungen in entgegengesetzter Richtung nicht ausgeschtossen
I
I
(227)
seio, nur giebt die gegenwärtige Verbreitung keinen Anhalt für eine sokhe, und
historische Beweise felilen. In den zweihundert Jahren, die ßeit der ersten Be-
ri'ihruüg der Russen mit den Tschuktschen Yergangen sind^ haben merkliche Ver-
äDderungen schwerlich etattgefunden ; in einer von Pallas nach dem Berichte des
Kosakenhauptmanns Kobeleff, der im Jahre 1778 bis zum Ostcap vordrang, con-
struirten Karte Bnden sich viele der von uns erkundeten Ortsnamen mit nur wenig
abweichender Schreibung angegeben,
(10) Hr. Kulischer ühereendet eine Abhandlung über die Wehrbaftmachung.
Dieselbe wird im Text der Zeitschrift verofifentHcbt werden.
{11} Hr. Kuhn legt zwei Photographien von Labradoreskimo ?or.
noch eine Anzahl Exemplare a 60 Pfennig vorrathig.
(12) Hr, Grunwedel spricht über
Er hat
hatthiädayo vä akkamantu
den Fusatapfen des Buddha.
. . mahämeglio vä va^'^satu na köci nam makkhetuEi) ^akkoti.
Die folgenden skizzenhaften Mittheilungen üher den Fusstapfen des Buddha
beziehen sich zunächst auf ein im Kgl. Museum befindliches Monument, nehmlich
auf einen in Stein nachgebildeten Fussabdruck von gigantischen Dimensionen,
welcher von der Ruineustatte des heiligsten Platzes des Buddhismus, von Gayä
( Buddhagay ä) im sudlichen Bihär stammt, also von der Stelle , wo Gautama die
Erleuchtung sich errang^)* Es sind zwei Steinblöcke, etwa in Form von Kessel-
pauken, am Rande wenig verziert, welche auf der flachen Oberseite das schematische
Bild des doppelt lebensgrossen Fusses zeigen. In der Mitte sieht man das bekannte
Emblem des Buddha, das Rad (tschakra); die fast völlig gleichen Zehen baben
schneckenhäuschenartige Verzierungen j zwischen Rad und Zeben ist je eine indische
Sirene (kinnarl) abgebildet, während man unten auf dem einen einen Opfertisch,
auf dem anderen einen Baldachin und eisen Reliquienstöpa siebt. Vor der Kinnari,
unter dem grossen Zehen, ist je eine Lotusblume abgebildet- ^^ üeber die Art,
wie ein Fusstapfen des Buddha sichtbar wird, ist uns im heiligen Kanon der sud-
lichen Schule eine Legende'-") erhalten, welche ich, da sie die einzige über den
Gegenstand ist, in TJebersetzung hersetzen will,
(Der Brähmane Mägandiya hat eine schone Tochterj die er jedem Freier ver-
weigert) ^Da zu einer Morgenstunde blickte der Erleuchtete über die Welt hin
und da er sah^ dass der Mägandiyabrahmane und sein treues Weib die Früchte
des „Nimmerwiederkehreus'* erlangen würden, so nahm er Topf und Bettelrock
und begab sich an die Feuerumwandlungsatelle nach dem Dorfe jener Leute, Als
der Brähmane die wunderschöne Gestalt des Erleuchteten sab, dachte er: ^Auf dieser
Welt ist diesem Manne kein anderer Mann gleich, der ist passend für meine
Tochter, ihm will ich meine Tochter zur Pflege geben'*. Dann sprach er: „Asket 1
ich habe eine Tochter, — ich finde für sie für diese Spanne Lebenszeit keinen
ebenbürtigen Mann, aber du bist ihrer und sie deiner werth, sie soll deiner Fuöß-
5 pur folgen und du ihr Gatte sein: so wird es fördern, darum gebe ich sie dir;
bia.ich zurückkomme^ bleib hier stehen! Der Meister verhielt sich still, ohne ein
1) Mit zwei anderen in Gayä gefundenen Exemplaren abgebildet in Räjendra-Läla*
Mitra's Buddbagayä Tab. XLllL s. na. 5, 7.
2) Dbiftaima|iaiJa ed. Fausböll p. 162 ff.
15*
I
(238)
Wort zu sagen, der BralitoaDe aber ging in Eile nach Hanse .... Als or mit
seiner Toehter herankam, stand jener nicht mehr auf der oben genanoteu Stelle,
sondern er hatte dort eine FusBspiir (padatschetiya) zurückgelassen, war weg-
gegangen und ata^nd nuii an einem anderen Orte, — Denn die Fussspureo der
Buddhas werden nur^ wenn sie an einer besoßderen Stelle aufgetreten sind, sichtbar,
sonst aber nicht, und wem zu Liebe sie aufgetreten sind, der sieht den Tritt Um
diesen Tritt zu vertilgen, können sogar Elephanten darauf trappen, Wetters türme
kiinnen darüber regnen und . . , , Sturme können ihn peitschen, keiner wird im
Stande sein, ihn auszuwischen, ^ . , . « Die BräbmaiiT (die mit dem Manne und
der Tochter gekommen war, und) welche die drei Vedas und die Spruche über alle
Abzeichen kannte, .... sprach den Vers:
Eines Lüstlings Fusstritt wurde gekrümmt sein,
Eines Thoren Fusstritt ist hingeschJeift,
Das ist der Fuss eines Mannes, yon dem die Lust beseitigt ist.''
So weit die Legende, welche auch Alabaster (Tbe wheel of tlie law p. 260),
doch nur kurz roittlieilt. Die Pointe der Erzählung liegt darin, dass der Brahmane
die Tochter ausersieht, sie möge „der Fossspui des Asketen folgen" (sc. als Gattin),
worauf dann Buddha durch Befähigung seiner überirdischen Kraft seine Abneigimg
gegeu die sinnliche Bedeutung des Wortes zu erkennen giebt\). In Aiabaster's
Fassung fehlt die Yerallgemeinernde Notiz über die Entstehung des Fusstapfens
und diese Notiz ist fiir uns zunächst das wichtige. In den ersten Zeiten der
buddhistischen Gemeinde, nachdem der Erleuchtete ins grosse Nirväna eingegaogen
war, — es war dies die Zeit, wo die Lehre sich reissend verbreitete, aber auch
die der Sektenstiftung, die Zeit der Unsicherheit und des Schwankens — da be-
durfte mau yox Allem eines Kultus für das Volk und an der Stelle der erniedrigten
Götter auch der Kultusobjekte. Man hielt also die Stellen heilig, wo der Dahin*
geschwundene geweilt hatte, und die erste und wichtigste derselben war das
Fleckchen Erde unter dem Feigenbaume zu Gayä, wo er „Erleuchteter" geworden
war. Hier stand noch der Baum als Zeuge des geistigen Ringens des Entschwundenen
und hier waren dann auch seine Fusstapfen zu sehen, welche man, wie dies bei
ähnlichen Erinnerungen an Beroeu vergangener Zeit geschieht, sich in riesenhafter
Gestalt dachte, Als sich nun immer mehr und mehr die Lehre vom Buddha, 70m
Buddhaideale entwickelte, als mau in ihm nicht nur das Urbild geistiger Vollendung
sab, sondern gewiss in Verwendung alter mantischer Vorschriften über körperliche
Vorzuge auch alle jene Korperschönheiten (mahäpurisalakkhanäni) auf ihn über*
trug und schematisirte, da war es nicht das Geringste darunter, dass er gleich-
massigen Gang besitzen sollte, „indem er mit der ganzen Fusiflache gleichzeitig
den Boden trifft und ebenso mit einer Bewegung den Fuss vom Boden erhebt".
Diese flache Form, von der indischen Schonheitsidee verlangt, wird nun in den
Darstellungen in sehr buchstäblicher Weise zum Ausdruck gebracht^). —
1) Es ist seltsam, dass auf ehnstlicheii Miniaturen des Mittelalters bis faluBm in die
Blöthezeit der Malerei in Daratellnngen der Himmelfahrt Chiisti die Fusstapfen am Boden
sichtlmr sind, Mwn könnte an den Bezug auf eine Tieüeicbl dem Baddhismus entlehnte
Legend« denken (v^L Alabaster pa^, 262), wenn es nicht etwa vorzuKieheD wäre, anzunehmen,
dass rein technische Grund© in der Miniatur oder dem rohen Ilolzschnitte die Anpl>e der
Fnssspuren not big m achten, um die Figur des Erlösers als der Erde entrückt darzustellen,
welches sich dann, vielleicht durch Legenden gestützt, bis in die vollendete Kunst hinein fort«
erhalten hab^u mag.
2} Di© breiten Fusse sind ein Fehler jegliclier — nichthelleniacben — Kunstübung.
Theilweise mig der Tbatsache^ daxs auf ägyptischen, wie indiBcben Scutptnren die Füsse so
(229)
Während auf flem bisher allein uns vorliegenden Stucke himmlische Sängerinnen,
Blume und Opfertische und sonstige Cultussymbolc um das Rad sich gruppiren,
gleichsam als Ausdrücke der allgemeinen Verehrung für das Zeichen des grossen
Mannes, zeigen die anderen bei Rajendra-Läla-Mitra abgebildeten, wie die zahl-
reichen in Amravati etc., anknüpfend an die mystische Bedeutung des Rades, auch
andere mystische Zeichen, Die Zeichen svasLika und sauvastika, sowie der tri^^ul,
das Emblem der heiligen Lehre (dharma) treten speciell in denen zu Amravati mit
hinzu, und ähnliche zeigen auch die von Rfijendra ausser dem unsrigen (Tab. XLIII,
s. n. 1, 2 u, 3, 6) abgebildeten. Viele dieser Symbole sind so wenig für den
Buddbismus charakteristisch, dass Rujendra sie für brahmanisch erklärt, aber es
Bind hauptsächlich jene Bilder, welche noch heut« in der ganzen nördlichen Schule
als „die acht Heiligthümer*' bekannt sind und die in Tibet, der Mongolei etc. als
AUarbildchen, in den Feldern magischer Kalender ja auch bloss als Ornamente eine
grosse Rolle spielen'). Sie gehören wohl vorzugsweise der Mantik an, welche auf
den Händen und Füssen der Menschen jene alten heiligen ^Stempel^ zu sehen
versuchte, — Ging man ja doch in Indien so weit, dass man jene oder andere
heilige Zeichen sich auf die Glieder malte'"'). — Diese so zu sagen canonisch fixirte
Reihe der acht Gluckszeicben (Maiigala) bietet der von Hodgson As, Researches
vol XXI publicirte Buddhapud in Nepal.
Einen grossen Werth legte man in deti Landern ausserhalb des continentaleu
Indiens, als diese Gegenden buddinstisch geworden waren, darauf, einen Fusstapfeii
des Gautama oder eines anderen Buddha aufweisen zu kennen. Als Mahendra, der
Söhn des Ä^oka, nach Ceylon gesandt ward, um die Lehre Buddha's dort zu ver-
breiten, und seine Schwester einen Zweig des heiligen Feigenbaumes von Gayä
dorthin verpflanzte, entdeckte man mit Freuden den Fusstritt des Erleuchteten auf
dem Sumanakuta genannten Berge (dem heutigen Adamspik) und der Chronist der
Insel Mahänäma weiss recht wohl von einem Besuche des Gautama auf der Insel
zu erzählen, Im Gegensatz zu all den bisher behandelten ist der Fusstapfen in
Ceylon ein natürlich es Mal im Felsen und ich bin überzeugt, dass der Fnsstapfen
zu Gayä, welchem Orte die Natur einen solchen versagt hatte, nur einer Rück-
wvirkung des Singbalesiscben seine Ex^iitenz verdankt. Von Ceylon aus aber kam
die Idee mit der ganzen buddhistischen Cultur und Literatur nach dem trans-
gangetischen Indien. Hier, wo Gautama sicher nicht gewiesen sein konnte, musst^n
die mythischen Bnddha's auehelfen. Um diese Trittspuren entstehen mehrmals in
der Geschichte Hinterindiens grosse Städte^), und wo die Natur keinen bot, da
schlecht behandelt werden, bloss Vernacblässi^ng der «Nebensache^ zu Grunde liegen oder
aber (wie hier) absichtliche Schema tisining. Bekanut ist es ja ausserdem, wie es eine im
Morgenlaude häufig wiederkehrende Idee ist, dass iveiehe Fusse, die £um Geben unfähig &ind,
Noblesse bekunden.
1) Vgl z, B. Pallas, Mongol. Volker. IL Tab. XV.
2) Im alten Indien jjab es Asketen, die sich die Glieder mit hl Symbolen bemalten und
noch bentp ist das Bemalen der 8tirne mit dem so^. ^tika^ (skt, tibka) allgemein verbreitet.
Bü&ser bemalen auch heute noch Arme und Körper mit Strichen, die mit dem tilaka auf der
Stirne die Sekte fharakteri stiren, der sie ani^ehören. Abgesehen von verschiedenen anderen
durch die ^anze Welt gehenden Erscheinungen, möchte ich nur bemerken, d^ss die Sache
auch hl Europa nicht unerhört war, man vgl nur x. B» die merkwürdigen Notizen bei Hat-
temer, Denkmale des Mittelalters, St. Gallens Sprachschätze. 8t Gallen 1844—49. Vol L
s. T. Stigmata nnd Stic mala.
8) Vgl Bastian, Die Völker des östl Asiens- Bd. I, S. 17, 376.
4) Noch das Lalita?istara kennt iinf der Fussfiäche als elnztges Abzeichen der
ßuddhawürde das Rad, vglFoucaux» rGya-lschher-rol pa, Vol. U, p. 108, während eine an*
(230)
Tünchte man sich einen und handelte dabei ebenso naiT, wie die Verfertiger Tom
Himmel gefallener Heiligenbilder in christlicher wie heidnischer Zeit. Auch im
Schematlsiren ging man weiter, als die nordliche Schule. Man Terstieg sich, was
die ßitder auf dem Fusse betrifft, zu der lächerlichen Ungeheuerlichkeit^ eine Zahl
TOD GO bis 100 Figuren sehen zu wollen, welche die Vertreter aller möglichen
gutgeArteten Wesen daidteJlten von deu Brahma- uod Gotterliimmeln hinab durch
Menschenwelt und Tbier- und Pflauienwelt einschliesslich der Konige aller möglichen
mythischen uod njärcbenbaften Wesen guter Art mit oder ohne die mystische o
Embleme, welche sich nun alle um das Rad gruppirteUj, welches stets den Mittel-
punkt bildete'). Man wollte damit bezeugen, dasa das ganze Universum auf der
Lehre des Buddha ruht, dass alle der Stutze des „erkennenden Mannes"^ bedürfen.
Obgleich nun also eine canonische Form des Fusstapfens des Buddha festgestellt ,
isty so wäre es doch völlig falscb zu glauben, dass die Idee selbst eine buddhistische
sei. Es handelt sich hier wiederum um einen jener Falle, dass die Keligion des
erleuchteten etwas allgemein Populäres aufnabm und ihm einen bleibenden Stempel
auldrQckte. und diese alte populäre Aü schau ung w^usste von den Schritten des
Sonnengottes und von denen riesiger iSturmwesen zu erzähl eii. Es ist der Mythos,
von dem schon im Veda durch seine drei Schritte durch die Welträume bekannten
SonneDgenius Vischnu-'), und ich mnss dazu vor Allem bemerken, dass pada in
vedischen Liedern sowohl Fuss wie Strahl bedeutet, Wie gut nun das Rad, welches
selbst eines der ältesten Son neu sym hole ist, zu dejr Abbildung des Fusses passt^
das hatSenart schon charakterisirt^). Mithinzuziehen ist die vedische Anschauung
vom Adscha Ekapäd, „dem einfussigen Treiber", einem Wesen, welches die vediscben
Comraentaloren auf die Sonne beziehen.
Wir haben Buddhapäds von verschiedenen Formen, theils je ein Paar mit je
einem Fusse, theils beide Füsse auf einer Platte. Es liegt auf der Handj dass der
ältesten mythischen Anscliauung ein Tritt auf einer Platte gemäss war, und erst
bei der üebertragung auf den Gautama, der nach der Legende stehend sich durcli
die Luft bewegt, die beiden Füsse nothig schienen.
Nach der Vertreibung des Buddhismus aus Indien trat Vischuu im Gangeg-
lande an die Stelle des Gautama, so dass also in dem besprochenen Falle ein altes,
auf den grossen Moralisten übertragenea Sonnensymbol wieder auf einen Sonnen-
geniua zurücktrat, und es geschah dies besonders in den grossen Tempeln der Glanz-
periode der buddhistischen Zeit; so ist es denn von dem Im Kgl. Museum be-
findlichen Stücke bekannt, dass es im Mittelalter als Vischiiupäd verehrt wurde.
Im Himälaya aber w^aren es die Trittf'puren des Sturmgottes ^iva, welche, dort im
lebenden Stein zu schauen^ die Verehrung auf sich zogen ^ Denkmäler des eigent-
lichen Volks- und Dämonenkultus, auf welche der Buddhismus vielleicht nie An-
dere (ajameBische) Lebensbeschreibung des Gautama (deren Verse sieh wie Gäthäverae aus-
nebmen) die Patbamasambodhi (vgl. Alabaster, Tbe wheel of tbe law) die valle lange Reihe
aller möglichen Allegorien und Symbtilö der Götter, Menschen und Thierwelten otr. aufltibrt.
1) Abgebildet ist ein solches Stilck bei dem erwähnten Alabaster (vgl die Tafel), wo
diejenigen, welche sich für die ganze lanf^e Reihe interessiren» die Einzel heiieo nachsehe ri
mtigen. Eine ausführliche BehandluDg jedes eiiizduen Bildes mit AuiTübnm^ der ganzen
früheren Literatur giebt Burnouf^ Lotus de la büuae loi. p. 622 iL Mir liegt diuch die
Gate des Hm. Professor Bastian die Copie eines Stückes vor» iwelcbes ein Eingeborner nach
dem in deo Ruinen von Kambodachti befindlichen Originale ferligte und welches in der Reiben
der Bilder Variationen zeigt, auf die ich hier oicht lAeiter eingehen kann.
2) Besonders interessant ist die Stelle Rigvedii I, 1Ö4» 4— 1>.
8) Essai sur lu legende du Buddha p. 188 f.
(231)
Spruch geitiacbt hatte und dereu Verehrung jetzt hervortrat, da die buddhistische
Zeit, wie so oft, auch hierio das Volksmässige zur NotiKiaahme der Iiöheren
Kasten heraufgehobeu hatte. Im Dakkhan ferner faod gerne die UebertragUDg auf
de Ol Heroen Rüma statt.
In den Legenden und Sageo geradezu aller europäischen Volker» in denen der
inohammedtiniscben Welt, ja auch im alten Amerika kehrt in mann ich fachen Spiel-
arten der Gedanke wieder, an sonderbaren Bildungen im Gestein die Beglaubigung
der Maclil eines überirdischen Wesens zu sehen; in der früheren rohen Anschauung
des Volkes sind es, wie erwähnt, die Spuren von Helden und Riesen, später in
Fallen j in denen die Sage auf einen Culturträger angewendet wird, werden sie zum
Zeidien ihrer höheren Sendung. Diese Verwendung auf Männer der Religion und
des Friedens war dadurch möglich, dass der Heros des Geistes, der Märtyrer der
Religion eben die Kraft und die Attribute des OeJden erhält In den Sagen Europas
aber findet nebenher, jenem seltsamen Processe gemäss, welcher aus alten Riesen
und Helden oder der strafenden Seite eines alten Gottes die Teufelsidee entwickelte,
gern die üebertraguug auf den Teufel statt. Und hier ist die Sache zum Insiegel
im schliöEnnen Sinne geworden. Teufel und Dämonen hinterlassen die bezüglichen
Spuren aus Aerger über ihre Ohnmacht, aber auch als Zeichen des Sieges über eine
oder die andere Seele. Zu der dämonischen Seite gehören auch die mannichfacheu
Sagen ?on Geistern und Gespenstern, welche, um Erlösung Öehend, durch ein ein-
gebranntes Korperglied ihre Herkunft documentirea. Nur wenige iadess Ton all
den Sagen tragen ihren rein Tolksmässigen naturwüchsigen Charakter; auch ander-
wärts als in Indien hat die Religion sieb der Idee bemächtigt und aufs weiteste
davon Gebranch gemacht. Das Christenthum hat solche Sagen besonders bei
Christus, bei Petrus, dem heiligen Magnus und Thomas') — der Islam bei Adam,
Abrahann und Ischmael — Mexiko bei Quezalcoatl, in Brasilien findet sie sich bei
Sume. Noch reicher würde die Reihe ausfallen, wenn sich die Abdrücke des Ge-
sichtes, der Hände oder die Sitzspuren anschliessen dürften -^ oder die Zeugen vor-
weltlicher Arbeit, wie bei Prometheus etc., lauter Sagen, welche nur als Ab-
zweigungen einer Idee zu fassen sind. Das wichtigste unter allen diesen Merk-
malen ist die Fussspur ^ sie ist in der That mit Recht die älteste und erste
Schrift genannt worden^ welche der Mensch schreibt und liest, — sie führt ihn
zuerst auf die Idee, sie bildend nachzuahmen ^ und die Verwendung des Fusses
als Symbol, als Hieroglyphe, ais Landmaass, als Ornament, zuletzt noch die Er-
innerung daran, welche Bedeutungsfülle d.is Wort „Fuss" in jeder Sprache vereinigt^
mag das Naheliegende des Gedankens zeigen, dass man die Fussspur eines grossen
Mannes vor allem hochhält, dass man sie sucht, wenn er entschwunden ist. „Die
Stelle, die ein guter Mensch betrat, ist eingeweiht**; so ist es aüch erklärlich, dass
die Buddhisten nach dem grossen Nirvfma des Yullig entschwundenen Gautaroa doch
noch den Abdruck seiner Füsse zu besitzen glauben, einer Idee zufolge, welche
im einfachsten und alterthümlichsten Gewände die verschiedensten Züge religiöseo
Vertrauens und Pietät vereinigt —
Hr. Bastian erörtert das den angeblichen Fussspuren von Gottern, Helden
und Riesen anhaftende ethnologische Interesse.
1) Die Spur auf dem Ädamspik in Ceylon ist für die Christen die des hl. Thomas, für
die HosHms die des Adam, für die Qivaiten die des Qiva. — Zu den obi^n schliessenden
Bemerkungen musa ich mich leider, da das Matenal ein 2U grosses ist, in Rncksicbt auf he-
schrankten Raum aller Citate enthalten j ich muss also leider den Gedanken, die Literatur so
volJz&htig wie möglich zu geKen, fallen lissdn.
(232)
Hr. Voss üodet aucb unter dea skaGcliaaTisoheii HällnslDmgar Fusätapfen ab-
gebildet, deren BedeutuDg Docb siebt sicbergeätetlt t3t.
Hr, Basti QD fügt biazu^ dass sieb aucb unter den EinzeichDUDgeii vod der
Osteriüsel Fussspureo erkeoiien lassen. Mit diesen merkwurdigeD und nocb so
dtiDklen Scbriftzeichen des pacifiscben Eilandes, desseo Truditioa auf Einwandemogen
von Tabiti und Earotonga scbJiessen lässt, babeii noch acn meisten Aebnlicbkeit
die Kikowinen oder magiiicheB Gesänge der Algonquin-Iodianer, wiewobi letztere
einer vorgeschritteneren Periode angeboren,
(IS) Der Hr. Cuitusminister bat die Güte gehkbt, dem Königlieben Museum
einen von Hrn, Studienratb Dr, Müller in Hannover eiogesandten
Eronzenachguas einer sogenannten Bronzekrone
2U überweigen. Der Beriubt des Hrn. Müller lautet folgendermaaesen r
Im vorigen Jabre wurde im Veermoor bei Lebe von einem Torfgräbpr ein
Kopfring, sogenannte Krone, aus wenig mit Zinn legirtem Kupfer gefunden. Das
Stnck gelangte in PrivatbesitZj und da der gegenwfirtige Eigentbümer, Herr 8cbeper
in Lebe, dasselbe nicht veräussern will, so habe ich von dem Ringe ein paar Metall-
copien herstellen lassen. Ew. Excefleoz beehre ich mich, eine derselben mit Ge-
nehmigung des Verwaltungsansscbusses des bipsigen Provinzialmuseums in der An-
lage gehorsamst zu überreichen. Es lässt sich der Ring zu einem Tbeile oflTnen.
Vielleicht eignet sieb die Copie für die prü historische Abtbeiluog des Königlichen
Museums in Berlin, wie ich denn auch der Sammlung des historischen Vereins zu
Stade, in dessen Bereiche das Original gefunden wurde, gleichfalls eine solche, be-
gleitet von einer kleinen Abbandkng zusenden werde.
Bis jetzt sind in der Provinz 4 Stück dieser Kronen zum Vorschein gekommen —
eine verhältnissmässig grosse Zahl — ^ nehmlicb:
1. Bei Wieren, Amt Oldenstadt, und zwar im dortigen Moor: eine wohl massive
Zackenkrone mit ähnlich beweglichem Ausschnitt, wie bei der anliegenden; vergL
Correspoadenzblatt des bistorischen Gesammtvereins 1856, S. 3L Das Exemplar
befindet sich im hiesigen Provinzialmuseum.
2. Im langen Moor, zwischen dem Amte Lebe und Amt Osten, Dies Exeai-
plar bat ebenfalls ein Scharnier und ist abgebildet im Archive des historischeD
Vereins zu Stade 1864, TaL 4, Fig. 1, dazu die Beschreibung S, "273. Es befindet
sich gegenwärtig in der Stader Sammlung, die auch
3. einen bei Issendorf, Amt Harsefeldj in einer frei in der Erde stehenden
Urne gefundenen Bronzering besitzt. Leider ist dieser zerbrochen.
Das 4. Exemplar ist das im Veermoor bei Lebe zu Tage gekommene, nach
welchem die beifolgende Copie verfertigt ist. —
Hr. Voss bemerkt dazu, dass nach seiner Ansicht diese sogenannten Kronen
nicht als Kopfschmuck, sondern als Halsschmuck gedient haben. Hütten dieselben
als Kopfzierde dienen sollen, so wäre die an denselben angebracbte Einrichtung,
dass ein Tbeil mittelst Cham iers geöffnet werden kann, überflüssig. Der manchmal
sehr hoch ober den Rand des Reifens emporragende und mit Zacken verzierte
Dorn des Cbarniergelenks habe noch auf der Ruckseite des Halses gelegen und sei
dadurch nicht unbequem geworden. In der Jagor 'sehen Sammlung seien Indische
Armringe, welche an ihrem Verscblusstheil ähnliche stark hervorragende Dorne
(233)
babea. Hißsichllich der ZeitsteJIung glaube er sie als der La T^De-Periode zu-
gehörig betrachtea zu müsseo.
(14) Hr. Heiuricli Messikommer Sohn in Wetzikon übersendet unter dem
29. März Mittbeilupgen ober
Sämereien und Fruchte auf der Pfahlbaute Robenhausen.
Die Pfahlbau te Robe ti hausen hat in mancher Bezieliung wohl am m eiste» Auf-
schluss über jene frühe Kuiturperiode gegeben. Sowohl io Beziehung auf Knochen-
Überreste als auch auf Industrieproducte und, wie wir sehen werden, in Bezug ituf
Sämereien und Fruchte iiat sie wesentlichen Antheil an den jetzt ziemlich be-
kannten damaligen Kulturverhältnissen. Der Gruaol dieser Thatsoche liegt tbetls
in der günstigen Läge der Niederlassung, theils aber auch in der sorgfaltigen
Durcbsuchung derselben^ Sehr oft gehen Gegenstände von vielleicht grossem
kulturhistorischem Werthe aus UnkenntaisH bei Nachgrabungen verloren, wenn solche
z. B. nur durch ungeübte Arbeiter oder gar noch ohne kundige Aufsicht vorgenommen
werden. Die Sämereien erfordern jedenfalls die grosste Sorgfalt und Aufmerksamkeit
und z. B. ganze Aehreastücke zu erhalten, ist in frischem Zustande schwieriger, als
das Aufbewahren von Geweben, Geflechten etc. Die Äehren sind, wenn sie au die
Luft kommen, so zerbrechlich, dass man sie beinahe nicht berühren darf; durch
das Trocknen gewinnen sie jedoch Festigkeit, so daas man sie ohne Schwierigkeit
aufbewahren kann.
Die Getreidearten ^) der Ffahlbaute Hobenhausen beschränken sich bekanntlich
auf verschiedene Arten von Gerste, Weizen* Hirse und Emmer. Alle bis jetzt be-
kannten Species wurden zu Robenhausen gefunden, theii weise auch auf den andern
Niederlassungen. Es geht hieraus hervor, welch* ausgedehnte Landwirthschaft be-
trieben wurde. Die Kürner werden gewöhn lieh nicht einzeln, sondern in grösserem
Vorrathe, der keiner Hütte fehlte, gefunden.
Gleich den Industrieproducten ftind auch diese Funde nur in verkohltem Zu-
stande coaservirt. Die Getreidearten sind nach Herrn Professor Heer folgende:
Triticum vulgare antiquorum {der kleine Pfahl hau weizeu); Triticum turgidum
(Aegj^ptischer Weizen); Triticum dicocrum Sehr, (Kmmer); Hordeum hexastichum
densum (dichte sechszeilige Gerste); Hordeum hexastichum sanctuni (kleine sechs-
zeilige Gerste); Panicum miliaceum (Rispenhirse); Setaria italica (KolbeDhirse,
Fenn ich).
Eine jede Hütte hatte ihre eigene Mühle, gewöhnlich aus Sernihtconglomerat
oder seltener auch aus Protogengranit, Am häufigsten unter den Getreidei^rten tritt
der kleine Pfahl bau weizen (Triticum vulgare antiquorum) und die kleine sechs-
zeitige Gerste (Hordeum hexastichum densum) auf. Herr Prof. Heer glaubt, dass
der ägyptische Weizen (Triticum turgidum) nur versuchsweise zu Roben hausen ge-
pflanzt wurde. Das Vorkommen dieser Weizenart, die sonst nur noch in einigen
südlichen Landern, besonders aber in Aegypten, gebaut wird und ihrer grossen
Frucht wegen sehr beÜebt ist» ist ein erster interessanter Beweis für den Tausch-
handel, den die damaligen Bewohner gegenseitig unterhielten. Nachdem die Halme,
wahrscheinlich vermittelst starker Ruthen, von den Kornern befreit waren, wurden
sie zur Bedachung der Hütten und als Streu verwendet
Auch für ßrod zeigten die Pfahlbauer schon grosse Vorliebe, Dasselbe findet
sich in flachen, kuchenartigen Brödcben von 15 — 20 n« Durchmesser und 3 — 5 cm
1} Siebet Prof. Osw. Heer: ^Die Päaiizen der Pfüblbautea*. Zürich
(234)
Dicke and l&sst bei mikroskopischer Ontersucbung Qocb deutlich die scbkcLt ver*
mahleoeo Körner untl oft auch eiüzene Kleietheile erkennea; ja, selbst kleiae Reste
der Mühlen, die bei dem Reiben der Steine sieb loslösten^ sind nicht schwer nach-
Äuweiaen, Nachdem der Teig aogeniacht, wurde er auf glatten Steinplatten ge-
backen. Salz fehlte wahrsobeiulich, konnte wenigstens seiner Eigenschaften wegen
bis jetzt nicht nachgewiesen werden. Auffallend erweise beündet »ich auf eiuem,
letztes Frühjahr aufgefundenen Brodcben eine Art Zeichnung, abnlieb einem stark-
geaderten Blatte (Kastanie), Es ist nicht unwahrscheinlich, dass das BrÖdchen io
einem Modelle gebacken wurde. Das ßrod wurde aus verscbiedeneD Getreidearten
gemacht, der Mehrzahl nach aus Gerste und Weizen, seltener aus Hirse.
Eigeutbumlicb ist, dass die grosseren Yorräthe an Frachten und dergleichen,
wie die Industrieprodukte^ auf der er&ten oder untersten Fundschiebte gefunden
werden.
Neben den Getreidearten kommen am häufigsten die Aepfel (Pyrus malus L.)
vor und zwar die sogenannten HohäpfeL Nach Prof. Heer hatten die Pfahlbauer
von Roben hausen jedoch auch schon eine kultivirte Art. Gewiss eine sehr inter-
essante Erscheinung I Fast alle Aepfel wurden entzwei gescliuitten, um sie besser
dorren zu können; vollständige Exemplare kommen wohl mitunter auch vor, doch
sind es nur ganz kleiae Stiicke. Ebenso selten sind die Birnen (Pyrus communis L.),
die gleich den Aepfeln in einer Holzart auftreten.
Sehr beliebt waren jedenfalls auch die Hasebüsse, die in zwei verscbiedeoen
Arten gefunden werden: die Kurznuss (Corylus avellana ovata Willd.) und die
Langnuss (Corylus avellana). Auf der Pfahl baute Robenhausen haben wir schon
oft eine Schichte von 10 — -20 vm Mächtigkeit gefunden, die ausschliesslich aus auf-
gebrochenen Schalen beider HaseJnussarten bestand. Daneben lagen gewöhnlich
auch die sogenannten Kornquetscher, faustgrosse rundliche Steine, an denen man
die Schlagflächen deutliclv sehen kann.
Zwei fernere Pflanzen j» die gerne gesucht wurden, sind die Himbeeren (Rubus
idaeus) und die Brombeeren (Rubus fruticosus). Beide Arten mit ihren wohl-
schmeckenden Friichteo sind jetzt noch von der Jugend gern gesehene Sträueher
uüBerer Wälder.
Die Erdbeere (Fragaria vesca L.) und die Heidelbeere (Vaccinium myrtilluB L*)
werden auf den Niederlassungen nur äusserst selten gefunden.
Häufiger fanden wir die Wassern uss (Trapa natans L.) an gewissen Stellen
des Pfahlbau. Jetzt ist sie hier gänzlich ausgestorben, und ein Versuch, dieselbe
wieder zu pflanzen^ scheiterte ebenfalls.
Die Buchnüsse (Fagus silvatica L.) und die Eicheln von Quercus Robur L. kommeu
ebenfalls vor, Bigenthümlicberweise letztere aber nur sehr selten. Es ist daher
kaum anzunehmen^ dass sie hier eine Rolle als Nahrungsmittel spielten, wie dies in
Wangen der Fall gewesen sein muss, indem dort die ßuchnusse bisweilen in be-
deutender Menge angetroffen worden sind.
Auffallend ist, dass in Robenhausen an einer Stelle der Gartennr>ohn (Papaver
somniferum var. antiquum) in ziem lieb er Menge angetroffen wurde, unzweifelhaft
waren also die Eigenschaften des Mohnes dem Pfahlbauer bekannt, sei es, das er
aus den Samen Oel pres^te, sei es, dass er sie ihrer berauschenden Kraft wegen
genoss. Ein in Robenhausen aufgefundener Kuchen aus Mohnsamen lasst mit siem-
lieber Sicherheit auf letztere Verwendung seh Hessen»
Von grossem Einflüsse auf die Lebensweise der Pfahlbauer war der Flachs
(Linum angustifolium L.), der als wildwachsende perennirende Pflanze aus Italien
importirt wurde. Die Fasern des Flacbies vervrendete man bekanDtllcb ausschliesslich
für die loilustrieproducte. Hau 6g werden Kapsel q uod Steogel gefuDden und later-
essEDterweise neben denselbeo das in Flachafeld^rn wachsende Unkraut Silene
cretiea L. Der beutige Flacba ist nach Heirn Prof. Heer nus jenem durch die
Kultur entstanden. Hierher gehören auch die Li öden (Tilia grandifolia Ehrh, und
Tilia parvifoÜM Ehrh.). Der zähe Bast dieser mächtigen Baume wurde ht-hr häufig
mit Weideustäbeben zu festem Eorbgeäecbte gewickelt.
Die Unkräuter schmarotzten schon zur Pfahlbautenzeit iu grosser Anzahl, ich
nenoe hier: Lolium lemutentum L.; Cbenopodium polysperniuin L.; Chenopodium
rubrum L.; Cbenopodium glaucum; Lappa major L.; Agrostemma gltbago L.; Lychois
vespertina U; ötellaria media L,j Spergula pentaodra L.; Arenaria serpyllifolia L,;
Galium Aparine L.; Ranunculus repens L.; Medieago minima L.; Geutaurea
cjaous U Alle diese Pflanzen sind wahrscheinlich durch Zufall in die Kultur-
schichte gelangt, oft mögen aie durch den Wind hingetragen worden sein. Auf-
fallend ist dagegen, dass wir zwei Pflanzen: Chenopodium aibum L< und GaJium
palustre L. iu Robeohauseo in grosaen Massen beisammen gefunden haben, so dass
solche unzweifelhaft gesammelt worden waren. Aus was für einem Gründe ist mir
aber durchaus räthselhafL
Die Wiilder bestanden zur Pfahl bauten zeit mit Ausnahme der Bergfohre (Pinus
mouLina Mill) aus den jetzigen Waldbaumen. Die ßergfohre kommt jetzt nur
noch in bedeutend böherea Lagen vor. Die Roth- und Weisstanoen bitdeten schon
damals die Mehrzahl und lieferten das Holz für die Pfahle, wenigstens zu der ersten
und zweiten Niederlassung, während für die dritte Niederlassung nur gespalteoes
Eichenbolz verwendet wurde.
Neben diesen spielte der Eiben bäum (Taxus baccata L,) eine Rolle, Messer»
Keulen, Langbogen etc. wurden aus diesem Holze verfertigt Das Eibeuholz hat
die merkwürdige Eigenschaft, von seiner Festigkeit trotz Jahrtausende langem
Aufenthalte im Wasser nichts einzubüssen. Ferner wurden zu Robenhausco theits
Früchte, tbeils Zweige von folgenden Waldbäumen gefunden: Pinns sylvestris L.
(Föhre); Juniperus communis L. (Wach bolder); Carpious Betulus L. (Hainbuche);
Ainus glutinosa L. (Schwarzerle); Betula alba L. (Weisshirke), von welcher man die
Rinde sehr oft auf naturlichem Wege zusammengerollt findet Bisweilen wurden auch
Steine iu dieselbe gelegt und als Netzsenker (Bielersee) verwendet Femer Salix
repens L. (Weide); Fraxinus excelaior L. (Esche); Visen m album L. (Mistel); [lex
aquifolium L. (Stechpalme); Evonjmus europaeus L, (Spindelbaum); Rhamnus frau-
gula L. (glatter Wegdorn); Ahorn; Sorbus aucuparia L. (Eberesche). Mehr oder
weniger zahlreich finden sich auch folgende: Pyrus aria L. (Mehlbeerbaum); Prunus
insititia L, (Pflaume); Prunus «pinosa L. (Schlehe); Prunus padus L. (Trauben-
kirsche); Pruuus Mahaleb L. (Felscnkirsche); Rosa canioa L. (Hagenbulte); Sara-
bucus nigra L. (Hollunder); Sambucus ebulus L. (Attich); Vaccinium vitis idaea L.
(Preisseibeere); Yibnrnum Lautana L, (Schneeball); Cornus sanguinea L, (Hart-
riegel); Carvum carvi L. (ECümmel), der möglicherweise als Gewürz Verwen-
dung fand.
Noch heute beherbergt das Torfmoor von Robenhausen eine grosse Anzahl der
seltensten, thcilweise alpinen Pflarszen, so dass für den Botaniker ein Besuch an
einem schönen Sommertage viele Freude bereiten muss. Auch zur Pfahl bautenzeit
blühte eine Menge von Sumpf- und Laichkräutern um und auf dem Pfahlbaue
selbst. Ich nenne hier: Chara vulgaris L. foetida A, Br.; Pbragmites communis;
Carices; Scheuchzeria palustris L,; Iris paeudacorus L,; Potamogeton perfoliatus L ;
Potamogelon compreasus L.; Pofamogeton natans L,; Ceratophyllum demersum L. ;
Alisraa plantago L.; PolygoDum Hydropiper L. ; Menyanthes trifoliata L.; Prdicularis
(236)
palustris L,; Hydrocotyle vulgaris L.; PeucedaDum palustre L.; Nympbaea alba L,;
Nuphar luteum L,; RaDuuculus aqiiatiJid L.; RaouBculus bederaceus L.; RaouDculus
flaimnula L.; Ranunculwa liügua L. Drei Suropfpflaozeü aiod aus dem Torfmoore
verschwutideii : Trapa uataud L.; Fotamogeton compressus L. und Nupbar luteum L.
Wir ersehen hieraus, dass Hobetihausen io der Tbat eine scboue Auzabt zu
Tage gefordert bat uud daas die damaJige Flora so Eiemlicb mit der heutigeD über-
einBtimmte.
Die üewinouDg der Sämereien ist, da nur ganz wenige in grosser Menge bei*
saiumeo gefunden werden, oft sehr scbwierig. Wir benutzen hierfür folgende ein-
fache Methode. Die betreffende Fundschichte wird, bis sie Tollaländig trocken ist,
der Sonne ausgesetzt. Hierauf bringt man die Masse wieder in Wasser, Erdige
und sonstige schwere Bestandtbeile versinken sofort, wahrend die kleinen uo^
leichten Sämereien auf dem Wasser schwimmen ond so leicht gewonnen werden
können. Das Herauslesen der Sämereien stejlt dann natürlich die Geduld noch-
mals auf eine harte Probe.
Eine geübte Hand fühlt schon beim Durchstechen mit der Schaufel, ob sie in
Hotz, Kohle, Scherben etc. gekommen^ und kann daher oftmals Verbindern, dasa
Objecte beschädigt werden. Wo eine grosse Menge zerbrochener Schalen von Hasel-
nüssen oder Fbchsatengel und Kapseln gefunden werden, sind gewöhnlich auch
Gewebe etc. in der Nähe. Die Sämereien kommen stets in einer leichten^ torf-
ahnlichen Schichte, in der sich meist auch die Excremeote von Schaf und Ziege
befinden, vor, und da diese Schichte auch ausgezeichnet düngt, so ist es nicht un-
wahrscheinlich, dass sie die Abfalle überhaupt repr&sentirt. Die Haselnüsse besitzen,
wenn sie dem Schlamine enthoben werden, noch die natürliche, helle Farbe, ent-
färben sich jedoch tief braun, sobald sie der Luft ausgesetzt werden*
So sehen wir in den Abfällen der Küche etc. die Lebensweise der Pfahlbauer
und oft macht es beim Graben den Eindruck, als ob der Ort erst gestern verlasseii
worden wäre, so deutlich kann man alle Details ihrer häuslichen Verhältnise undj
Einrichtungen verfolgen.
(15) Eingegangene Schriften.
1. Tb. Pjl, Nachtrag zur Geschichte des Klosters Eldena und der Stadt Greifs-
wald. Greifs wald 188:3.
2. Atti delJa R. Accademia dei Lincei. Vol. VH, Fase. 4.
3. Nachrichten für Seefahrer. 1B.S3. Nr. 6— 13.
4. Annalen der Hydrographie, Vol. XI, Heft 2, 3.
5. Cosmos. Vol VII, Fase. V, VI
6. F. Blumen tritt, Die Sprachgebiete Europas am Ausgange des Mittelalters,
Ycrglicben mit den Zuständen der Gegenwart. Geschenk des Verfassers.
7. Bulletins de la societe d'anthropologie de Paris. Ser. Hl, Vol. V» Fase. 5.
8. Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeil. 1883. Nr. 3, 4.
9. H, Virchow, Das Gräberfeld von Koban. Mit Atlas. Berlin lö83. Geschenk
des Verfassers.
10. H. Wankel, üeber einen prähistorischen Schädel mit einer Resectiou des
Uiutt>rhaupte6. Wien 1H82. Geschenk des Verfassers.
IL Derselbe, Wo bleibt die Analogie? Gesch. d. Verf.
]'2. Verhandluiijren der anthropologischen und archäologischen Section anf dem
«weiten Congress der böhmischen Aerzte und Naturforscher in Prag. 26.
bis 29. Mai 18ö2. Gesch. d. Hrn. H. Wankel
(237)
13. W. Osborne, üeber den prähistorischeD Wohnsitz am Hradischt bei Stradonic
in Böhmen. Gesch. d. Verf.
14. Bulletin de la societe d' Anthropologie de Lyon. Tome premier. Fase. II.
15. Beiträge zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns. Bd. V, Heft 2, 3.
16. Bolletino della societä africana dltalia. Vol. 11, Fase. 2.
17. Antonio Raimondi, El Peru. Vol. I, IL Lima 1874. Geschenk des Hrn.
Sattler.
18. Derselbe, El departamento de Ancachs y suscriquezas minerales. Lima 1873.
Geschenk desselben.
19. Mariano Felipe Paz Soldan, Atlas geografico del Peru. Paris 1865. Ge-
schenk desselben.
20. John Payne, Grebo Grammar. London 1882. Gesch. d. Hrn. Bastian.
Sitzung am 19. Mai 1883.
Vor«iUeDder Hr. Virchow.
(1) Als neue Mitglieder werden angemeldet
Hr* Apotheker Hartwich, Tangermimde.
^ Arthur Kurtzhals, deutscher Cousiil io Bangkok, z. Z. Steglitz.
„ Dr. Rud» HartmauE, Marne (Holsleio).
„ Premierlieutenant von Lentz, 2. Garde- Ulan en-Regimeat, Berlin.
^ Kanfmann Martin Broae^ Berlio.
(2) Dei Hr. CultusminiBter hat mittelst Verfügung vom 11. d, M. der Gesell-
schaft für das laufende Rechnungsjahr zur Forderung ihrer wissenschaftlichen Be-
strebungen abermals eine ausserordentiiche ßeihülfe, und zwar in etwas erhöhter
Summe, bewilligt und zugleich eine weitere Erhöhung fi'ir das EtaUjahr 1. Aprü
1884/85 in Aussicht gestellt.
Der Vorsitzende spricht den Dank der Geßellschaft für diese in hohem Maasee
nothwendige Beihülfe aus.
(3) Es wird beschlossen; am 24. Juni eine Excursion nach Tangertuüudc
zu untemebmei).
(4) Es stehen mehrere wissenschaftliche Versammlungen bevor, zu denen Ein-
ladungen ergangen sind:
1. Die Deutsche anthropologische Gesellschaft wird ihre General-
Versammlung in Trier vom 9. — 11. Augusl abhalten,
2. Die Versammlung deutscher Naturforscher und Äerzte, verbunden
mit einer anthropologischen Sektion zu Freiburg i, Br., vom 18.^*22. September.
3. Der ÄmerikaEisten-Coiigress zu Kopenhagen vom 21,^ — 24, August
Der Präsident des Organisationscomltes, Hr. Kammerherr Worsaae hat in einem
Beb reiben an den Vorsitzenden vom 28. April die Hoffnung ausgesprochen, dass die
deutschen Gelehrten bei dieser Gelegenheit an den Arbeiten des Congresses, des
ersteuj der sich in ihrer Nähe versaraDielu werde, zahlreich theilnehmen wollen j er
bittet namentlich die Mitglieder unserer Gesellschaft, die auf dem amerikanischen
Gebiete so viele werth volle Beiträge geleistet haben, dem (jougress ihre Theil nähme
zu schenken.
(5) Die Numismatic and Antiquarian Society zu Philadelphia
wünscht mit der Gesellschaft das namentlich auf Münzkunde Bezügüche auszu-
tauschen.
(6) Hr. Hauchecorne übersendet den Bericht über den in der Sitzung vom
16. December 1882 (Verhandl. S. 560) vorgelegten
f240)
Hauklotz aus dem Braunkohlenflötz von Arntitz.
,lm Verfolg des Schreibens des Hra. Höpfner Tom 23. KoTember t. J. habe
icb micb an deoselben am 19. December v, J. mit der Bitte utn nähere Auskuoft
über die Fuodötelle des TermeiDtlicben präbidtorlschen Hauklotzes gewendet, ios-
beaondere darüber, ob etwa vorbandene Gebirgss palten die YermotbuDg rechtfertigen^
das fragliche Stuck konoe tod der Oberfläche hioabgesunkeD und so an seioe
Fundstelle gelangt sein. Zugleich bat icb um Uebersendung anderweitiger Stüek<^
Ton bolziger Braunkohle (Lignit), wie solche sich im BraDukohlenBotze Torfinden.
,Unter Einlieferung einer Aazabl solcher Stücke erwiderte Hr. Höpfner am
8. Januar, dasd an eine Einsenkung des Hauklotzes Yon Tage oieder durch Saod-
spalten oder dergleichen nicht zu denken sei, und theilte mir zugleich in seioeni
Schreiben, Ton welchem, wie ?on beiden Vorstücken, ich Abschrift beifüge, eine
Profilskizze mit, wonach der sogenannte Hauklotz mitten in dem 5 m mächtigen.
Ton 26 m Deckgebirge überlagerten Braunkohlenfiotz gefunden ist.
^Die eingelieferten Stucke holziger Braunkohle waren ?ollstäodig wassergetraokt.
Da es sich um eine Tergleichende chemische Untersuchung derselben und des Hau-
klotzes handelte, so mussten sie vorsichtig lufttrocken gemacht werden, so daas die
Ontersuchung erst vor Kurzem in Angriff genommen werden konnte.
^Der lufttrockene Lignit des Flötzes gleicht dem sogenannten Hauklotze nach
Farbe und Textur sehr und unterscheidet sich von den meisten Vorkommnisseil
anderer Fundstelle d durch eine ausnahmsweise hellbraune Farbe.
„Die chemische Prüfung hat Folgendes ergeben:
Holzige Braunkohle des Flotses.
Ist etwas zähe, lässt sich mit einem
Mesaer in Späbne zertheüen.
1,79 pCL In Schwefelkohlenstoff loslich 0,92 pCt,
bräunliches Harz.
Alkohol tkibi sich etwas weniger
Aetber färbt sich etwas weniger.
EaUlosung etwas heller brauo.
Sogenannter Hauklotz
Ist mürbe, lässt sich pulvern.
In Schwefelkohlenstoff löslich
bräunlichea Harz«
Alkohol färbt sich bräunlich.
Aetber färbt sich braun lieh.
KalUosuDg wird braun.
^Nach diesem Befunde ist ein wesentlicher Unterschied beider Substanzen nicht
festgestellt, vielmehr nur eine graduelle Verschiedenheit gleicher Eigenschaften.
,,Der sog. Hauklotz wird hiernach und auf Grund der speciellen Untersuchung
der Fundstelle nur als ein Stück Lignit angesehen werden dürfen, dessen äussere
Form durch zufällige, nicht zu beurtbeilende Umstände entstanden ist* —
Als Beilagen zu dem Schreiben siud mitgeseodet:
L Der ursprungliche Brief des Hm. J. HÖpfner, Vertreters der Arntitzer
Kohlenwerk- und ßriquettfabrik (H. G. Koppe & Co.) d. d, Arntitz bei Lom-
matzsch, 23. Noyember 1B82, an Hm. Virchow. Derselbe lautet in dem bezüg-
lichen Abscbnitte:
„Da hier die Möglichkeit einer Spur prähistorischer Menschen vorzuliegen scheint,
so erlauben wir uns. Ihnen das merkwürdige Fragment eines Holzklotzes, welches
kürzlich unsere Bergleute beim Abbau von Braunkohlen zu Tage forderten, anbei
zu übersencleo. Das fragliche Stück wurde in einem erst kürzlich in Aogriff ge*
nommenen neuen Gnibenfelde inmitten von Kohlen in vorliegendem Zustande ge-
fundeo, wohin also zuvor kein Mensch gekommen seio kann. Es drängt sich aber
bei Betrachtung der beiden wie gesägt aussehenden Flächen des Klotzes der Ge-
danke auf, ob nicht, bevor der Klotz durch irgend welche Revolution oder An-
(241)
scbwetumung an »eineQ FuDdort gekommeo ist, derselbe yod MeoschenliäDden seioe
Gestalt erlialten haben möchte. Bedenkt oian aber, dass das KohlenÖutz, welches
ührigeDS auch sonst noch in Verkohbog begrlffeaes Höh aufweist, sich unter einem,
aus Sedimenten gebildeten Deckgebirge von ca. 26 m Mächtigkeit befindet, so miisö
in Ansehung dieses letzteren eine sehr ferne Entstehungszeit aDgenonimen werden,
die vielleicht weit vor der Existenz des Menschen liegt, mithin es ganz zweifelhaft
erscheinen muss, ob obige Annahme irgend welche Berechtigung hat.
„Es können daher nur die glücklichen Combinationen des kundigen und er*
fabrenen Forschers der Wahrheit naher kommen, ob hier die menschliche Hand
schon tbätig war oder ob bewegende schleifende Wassermassen oder andere Natur-
kräfte die Gestalt des Klotzes hervorgebracht habeD."
2. Aus dem Schreiben des Hrn. Hauchecorne vom 19. December 1882 an
Hrn. H. G. Koppe & Co.:
„Die Substanz des Stückes «eigt einige Eigenschaften, welche^ auch abgesehen
von der besonderen ßeschöffenheit der Endflächen, auf die Vermutbung fuhren, dass
es sich nicht um Lignit, sondern um ein nass und natijrlich verkohltes Holz handelt.
^Das Holz brennt mit lebhafter Flamme unter Entwicklung eines harzigen, fast
aromalischen Geruches, welcher von demjenigen verbrennender ßraunkoble merk-
lich verschieden ist. Es läset sich auch aus dem Holz eine nicht geringe Menge
einer harzigen oder berg wachsartigen Substanz ausziehen. Die Farbe ist für Lignit
recht hellbraun,
„Um die Natur des Stückes richtig beurtheilen zu können, bitte ich Sie zu-
nächst, mir mehrere Proben sonstiger holziger Braunkohle senden zu wollen^ um
diese vergleichen zu können.
„Es fragt sich ferner, wie das Deckgebirge heschaflfen ist. Sollten sich z. B,
Verwerfungen, Sandspalten oder dergl vorfinden, so würde vielleicht angenommen
werden können, dass das fragliche Stück einge&pült worden sei. Für eine genaue
profilarissche Skizze und für Angaben darüber, ob sich in der Umgebung des Fuod-
punktes im Flotze selbst Merkmale der spateren Einfuhrung finden, würde ich
Ihnen sehr dankbar sein,*
3. Aus. dem ÄntwortEchreiben des Hrn. E. Höpfner d. d. Dresden^ 8. Ja-
nuar 18JS3:
„Dem in Ihrem geehrten Schreiben ausgedrückten Wunsche zufoJge, habe ich
PS veranlasst, dasa Ihnen eine Quantitiät Kohle, wie sie aus den Arntitzer Gruben
durchschnittlich zur Förderung gelangt, zugesandt werde.
„Ich erlaube mir dazu zu bemerken, dass die Kohle etwa 10 pCt. Lignit ent-
halt, wovon etwa die Hälfte in starker Verkohlnng begriffen ist, wahrend die an-
dere Hälfte noch gut erhaltene Holztextur aufweiset. Oft befinden sich darunter
sehr interessante Stücke und es ist mir angenehm, grade ein solches zu besitzen,
um es diesem Schreiben zu Ihrer gefalligen Bciurtheilyng beifugen zu können.
„Ich gebe Ihnen zugleich eine Skizze von dem sehr gleichmässig liegenden
Flotze und dem darüber hangeudcB Deckgebirge, woran ersichtlich ist, dass Ver-
werfungen aus Sand^palten oder dergl. nicht bestehen, mit hin eine Eiiispülung des
fraglichen Stuekes nicht stattgefunden haben kann. Das Stück ist auch nicht in
einer getriebenen Strecke gefunden worden, so dass die Vermutbung vorliegen konnte,
es habe beim Betriebe des Bergbaues durch die Axt des Hiiuers seine Gestalt er*
haJten, sondern es ist nach nochmaliger genauer Befragung der Bergarbeiter, die
es zu Tage forderten, mitten in der Kohle, etwa wie in der Skizze angegeben ist*
aufgefunden worden.
\«rbanai. der Bftri. Ajttbxuiiol. ti8»U»Jiftlt lUJ^ 16
Lehm
Kies
reap. Si
nd
Tbon
Kohle
a
Hr. Vircbow spricht HfD. Hauchecorne deioen Dank fiir die mühevolle
Untersuchung aus, glaubt aber oach deai Mitgethellteu ein endgültiges ürtbeil doch
nocb beau standen zu dürfen. Nachdem festgestellt worden ist, dass der sogenannte
HaukJotz in der Tbat dem Braunkohle nflötz angehört, so hängt die weitere Be-
urlheituDg offenbar von der Beantwortung der Frage ab, wie derselbe die gewiss
sehr merkwürdige Form erhalten bat Gewias ist es schwer sich vorzustellen, wie
ein Tooi Menschen bearbeitetes Stück ao tief in eine Braunkohlenschicht gelangt
sein sollte, aber nicht minder schwer ist es, den Zufall auszudenken, der einen so
machtigen Baumstamm an zwei, nicht weit von einander entfernten Stellen quer-
durchspalten haben soÜte. Wenn die Flächen auch nicht gerade, wie der erste
Bericht sagt, j^wie gesSgt aussehejj^, so sehen sie doch noch weniger wie gebrochen
aus; am meisten gleichen aie meiner Meinung nach gehauenen Flächen. Es wird
daher dringend wünscbenswerth seio^ da&s Hr. Höpfner dafür Sorge trägt, das«
alle in der Nähe der Fundstelle vorkommenden Verhältnisse genau im Auge behalten
werden; vielleicht gelingt es dann doch noch, die Loaung des Eithsels zu findeo.
(7) Hr. Schott schreibt Folgendes über eine
attehinesische Erzählung von Metallsühmelzem am Altai.
tn einer Mittheüung des Hm, v. Radio ff au Kasan, betreffend die alten Grä*
ber in Sibirien (Zeitschr. f. Ethuol. 1882. Heft 6, S, 430—432) sagt der Verfasser;
«Die einzigen historidcbeti Quellen bieten uns die chinesischen Ge-
scfaichtschreiber. In diesen iat mir zufällig vor einiger Zeit die Notiz
aus dem 2. oder 3. Jahrhuoden aufgestossen, daas einer der Herrseber dea
Altai die Tochter eines Türkenfursten zur Frau gefordert habe. Der Fürst
lässt darauf antworten : Wie darfi Du, unser Metallschmelser und Sklare,
eine solche Forderung an uns stellen?^
Dm diese Angabe richtig au stellen^ stehe hier eine bereits 1641 im ersten
Bande des Brmaii^soken Archiv (S. 319} stehende Notiz des Herausgebers, die er
seiner Erwähnuii|( einer hochasia tischen alten Sage anreiht:
i^Sie (die Sage} wird« wie Schott beaierkt, sowohl bestätigt, als auch in be-
stimmtere Beziehung zu den Anwohnern des Altai gebracht durch das, was die
Chinesen daton beriehlen» In ihrer alten Erdbeschreibung Hu an jii ki (Buch 194,
unter der Rubrik Tu-kju} wird erzaJilt, daas die Ta-kju (Türken) anfänglich
(243)
•
einem andereo iiobeßtimmteD Volke der Tatarei, deo Scben-sclien, dieostbar ge-
wesen seieo. Als aber itn Becbstso Jahrhundert o* Z, eioer ihrer Häuptlingi^ sich
erdreistete, um die Tochter des Königs der Sehen- sehen zu werben und von dieseoi
mit der yerächtÜchen Antwort „Du biit nur mein raetallschiiielzeDder Sklave** ab-
gewiesen worden war, da versammelte er ein Heer und schlug den König von
Sehen -sehen ao vollständig, daas dieser sich entleibte. So legten die Tu-kju, die
big dahin für das Volk Sehen -sehen das Elsen am Kin-schan (Goldherg, Altai) auß-
gehewtet hatten, den Grund zu ihrer Macht**
Einen Artikel über das vorerwähnte Huan jii ki findet man in meiDem, scbon
1840 erschienenen „Verzeichniss cbioeaisdier Werke der Königlichen Bibliothek**,
S. 9 — IL An dem Namen des Verfassers ist aber das dreimal wiederholte teijg
ausiustreieben.
(8) Hr. Wiechel in Dippoldiswalde übersendet als Nachtrag zu seinen in der
vorigen Sitzung mitgetheiltea Bemerkungen eine Notis
über das Vorkommen von Kl rohen marken In Italien.
Ich habe in den grösseren Stiidteu südlieh bis Neapel auf einer Reise im März
]B82 Beobachtungen angestellt, jedoch nur an zwei Kirchen Verona' s derartige
Marken constatiren können:
1, Am Hauptportal von SL Zeno befinden sich Maraaorreliefs vom Jahre 1139,
welche in Handhöhe von einer grösseren Anzahl Wetzmarken*) riicksicbtslos durch-
schnitten sind; zusammen mit diesen Marken kommen daselbst die &og. Näpfchen
vor, zum Theil neuerdings erweitert, wie die Beschaffenheit der Marmoroberfläche
erkennea Hess, In unmittelbarer Nachbarschaft von St, Zeno stand ehemals ein
grosBes ghibelliDisches Benedictinerkloster, w*is den dentscheü Kaisern bei ihren
Rninerzügen oft ale Absteigequartier gedient hat. Es liegt düher sehr nahe, die
Wetzmarken dem deutschen Gefolge der Kaiser ziizusol] reiben,
2. Am Sud portale des Domes, Saa 12 bis 14, waren zu beiden Seiten in
HandhöLe örische Näpfchen zu bemerken, die wahrschein lieh von Knabenhänden
herrührten.
Das? bei der grossen Anzahl alter und ältester Kirchen in Italien nur an einer
dem deutschen Einfluss am Meisten ausgesetzten Stelle derartige Marken vorkommen,
dürfte auf einen specifisch deutschen Charakter der*) KJrchenmarkeo schliessen
lassen. —
Et, Virchow fügt hinzu, dass es ihm auf seiner kürzlich beendigten Reise
durch Italien und Sicilien nicht gelungen sei, Kirchenoiarken aufzuÜnden. ^
Hr. W. V. Schulen bürg giebt einige Nachträge über Kirchenmarken in
der Lausitz und Pommern:
Hr. Dr. Siehe (Calau) erwähnt in seinen vorgeschichtlichen Aufsätzen {im
Niederlausitzer Boten, Cottbus 1883, 31. März) das Vorkommen von Rundmarken
im Eisenstein an Kirchen zu Luckau und Buckow. Ebensolche Näpfchen, wie an
den Ziegelsteinen der Wände, zeigen auch die Kirchen in Werben und Briesen
(Kr. Cottbus) an den in die Grundmauero verbauten Blöcken von Raseneisenstein,
Nach einer Mittheilung des Hrn. Johannes Rahn in Pjritz sollen in die Rund-
1) Längs rillen.
2) in Deutschland an zahlreichen Eiirhen aus S&c. 12 bis IG tu heobachtenden
16*
(244)
marken der Mauritiuakircbe ebendort „zu katholiscber Zeit Haare von Kranken ge-
legt worden sein, am dadurch eine Gene&ung herbeizufdlren.'*
(9) Hr, Director Wein eck (yom Real-ProgymnaBium) in Löbben berichtet d. d,
Lübbeoj 7. Mai 1883 über einen
ironzefund von Straupitz.
Am sog. Neuzaucber Weinberge, dicht bei S trau pit2 (Kreis Lübbeu) wurde auf
einem etwa 300 Schritt laiigf^n und 60 Schritt breiten sog. Berge, der noch vor
50 — 60 Jahren von Sumpf und ßuäch ganz umgeben und mit Eichen bestanden
war, ein grosser Bronzefuud vom Häusler Böttcher im Februar d. J. aufgefun-
den und au mich verkauft» Es wareß zerbrochene und beschädigle Broniesachen, mit
einer Anzahl grösserer und kleinerer Kluoipeu oder Kuchen unvergossenen Erze&
zuBammen io einem irdenen Topf, etw^a 3 Fusb unter der überääclie in »andigem
und thonigem Boden, zusammen 16Va Pfund schwer.
Gelte: 9 kleinere und 10 gröseere Stücke, einige ziemlich vollständig; an
einem fehlt nur etwa '/^ hinten. 5 davon mit zum Theil ganz erhaltenen Scbaft-
lappen, die Beilschneiden 4 — 5 cm breit, hinten theils stumpf und dick, theila halb-
mondförmig flach ausgeschnitten, hinten 2, 27,, 3, ^Vt und 4 cm breit, mit den
Schaftlappen 3,7—4 cm dick oder hoch.
Schwerter; Theile von mehreren, eine» etwa zur Hälfte in passenden Stücken
mit Zunge und einem Tbeil des Grilfed, schön gearbeitet, dazu Begeh läge theile der
Scheide.
Beschläge von Schild und vielleicht auch Helmzier, verbogenes, 5 cm breites,
3—4 cm hohes Blech, strahlenförmig verziert und zackig auslaufend.
Messer: 2 ganze, krumm gebogen, 9 und 10,5 cm lang, i cm und 1,5 cm breit,
und 5 Stücke von solchen, dann ein unteres Ende, 7 cm dick, in eine eingebogene
Gabel auslaufend und durch parallele feine Ringe verziert.
Sicheln: grossentheüs sehr schon gearbeitet, mit starker Hauptrippe am
Rücken, etwas rückwärts geschweifter Spitze und einer kurzen vom Heft aus innen
nach der Hauptrippe schräg hei übergebenden zweiten Rippe zur grosseren ßefesti*
gung, die bei einigen dicht an der Hauptrippe parallel bis in die Spitze ausläuft,
oder so, dass hierzu noch eine kürzere in der vorher beschriebenen Weise kommt;
der untere Thell meist zangenartig oder mit einem Loch endigend, auf den Rippen
eingekerbt, alle nach Itnka gebogen, mit kurzem Gussüapfen, 14—17 cm lang, 2,3
bis 3,5 cm breit — 1 vollständig, 5 mehr als zur Hälfte erhalten, einige 30 grössere
und kleinere Stücke, namentlich Spitzen.
12 Stücke von Lanzen- oder Pfeilspitzen.
M eissei: 2 einfache, der eine 6 cm lang, 8 und 10 wi« breit, 4 mm dick; der
andere 7 cm lang, S mm und 1,3 cm breit und 8 mm dick. 1 gewundener 10,8 cm
lang, 7 und 8 mm breit, ebenso dick. Stück von einem Hohlmeissel, hinten
(abgebrochen) 1,8 cm, vorn (abgebrochen) 7 mm dick, 1,9 cm und 1,4 cm breit.
4 Stangen (Barren?), 1 kleine und dünne, 6 cm lang; eine 9 im lang, dünn;
eine 10 cm lang, t cm hoch und 1,3 cm breit, etwas gebogen, an beiden Enden
abgebrochen; eine 17 cm lang, 1,2 cm breit, ziemlich platt mit fast ovalem Durch-
schnitt, an beiden Enden abgerundet (Münze?),
8 ziemlich rohe, 2 — Bern breite, rundliche oder kantige Drähte oder stift-
artige Stucke von 4 — 25 cm Länge, einige ganz zusammengebogen; 4 ähnlich©
mehr bandartige, mit starkem Rücken, nach der Innenseite Bach verlaufend, 5 — 6 mm
breit, 4—12 cm lang.
(24ro
4 Slücke von Nadeln, "2 ohne Knopf, 4 mm dick, nind; eine mit einem 2 cm
breiteo und ebenso hoben, nach* beiden Seiten kotiiscb verlaufendeu, oben durch
5 Spiral i|Efe Kreise verzierten Knopfe, aus dem oben noch ein kurzes Nadelende
herausgeßtanden batj die 4, mit Ansätzen zu einer längliehen Oehse.
1 unvollständige Fibel (?).
1 Stift, ein wenig gebogen, spitz auslaufend, 8 cm lang und t> mm dick,
epiralig gewnnden, und ein Sbnlicher kleinerer
l Nadel knöpf mit kreisförmigen Verzierungen
Ringe, 10 Stuck von spiralig gewundenen, etliche ziemlich gerade gebogen,
3 mit platten (unverzierten) Enden, von 2 — \Ü mm Durchmesser; ein fast ganz er-
haltener, grnau nach dem Handgelenk gebogener, zur Hälfte spiraüg gewunden,
zur Hälfte glatt und hier faj^t vierkantig, Durchmesser 4,3 cm und 5,5 cm, Stiirke
2 — i mm. Am dünnen Ende eine Oehse, an der noch ein Gewinde sass. — Das
7 cm lange Stuck eines J — 1,3 cm dicken, runden, mit kreisförmig herumgebenden
feinen Riefen verzierten Ringes. — Ein Stuck, halb so gross und balb so dick, mit
triangulär gestellter, str**ifenfnrmig lang verlaufender Strich Verzierung. ^- Das spitze,
nur 4 tm lange Ende eines grossen und dicken {3 — 8 mm) Ringes, durch tief ein-
fichneidende Kreise, nicht ächraubenfnrmig, abgetheilt. — 4 Stucke von kleinen,
platten, un verzierten Ringen; ein äbnliches grosseres Ringende, 1,2 — 1,5 cm breit.
H Stöcke von im Durcbi^chnitt convex-concaven Ringen, verziert:
a) mit 4 scharfkantigen parallelen Längsstreifeo ; 1,7 cw breit, sebr platt;
h) etwas breiter und dicker mit Querstreifen in Dnterbrecbungen;
c) 2 mm dick, 7 mm breit, durch parallele Querstreifen, mit dreikantiger Feile
angebracht, verziert;
d) etwas grösser 1 cm breit, 1,5 cm dick, mit feinen parallelen, auf kürzere
Strecken tint erbrochenen Querstreifen;
e) ebenso verziert, aber 1,2 cm breit, ^ mm dick;
f) ziemlich ebenso geformt, mit schrägen Parallelstricben verziert, Ringende;
g) Ringende, 1,6—1,9 crn breit, 3 — -4 mm dick, also aehr platt, abwechselnd mit
geraden und scbrägliegenden Qnerstreifen, die sich an dem einen Ende berühren;
h) schmaleres, aber dickeres Ringende mit ähnlicher Terzierung, aber grosseren
Abständen zwischen den Gruppen dickerer Streifen. —
Etwa die Hälfte eines sehr genau auf das Handgelenk passenden, besonders
schon gearbeiteten Armringes, 6,3 cm Durchmesser, am umgebogenen Ende 1,7 cm,
in der Mitte 3 cm breit, mit aehr hohem Grat, an der Innenseite bohl, darum wenig
Ober 2 vtm stark, durch starke weit gestellte Querstreifen, je 4 in grosseren Ab-
standen, geschmackvoll verziert.
2 ganze, aber beschädigte Armringe,
a) 5j5 cm tind 6 cm Durchmesser, an den Enden 1,1 cm, in der Mitte ]ß cm
breit, sehr glatt, mit abwechselnd gerade und schräg laufenden Querstrichen, in
Feldern von 2 cm wechselnd, die schrägen Striche feiner.
b) dicker und niedriger, an den Enden 6 mm, in der Mitte 0 mm hoch, 3 mm
und 6 jnm breit, 5,2 cm und 6,4 cm Durchmesser, ovaler Durchschnitt, mit gerade
gestellten feinen Querstrichen, nach den Enden zu unterbrochen, verziert.
3 grossere und kleinere Stücke too platten spiraligen Gewinden, eines aus
sehr glattem und breitem Streifen, zwei von dickerem und schmalerem, mehr drabt-
artigem Streifen gewunden, und 2 kleinere Stücke von grosseren solchen Ge-
winden,
Zierratben. Ein feines Stuck mit einem 5,7 cm langen Weidenblatt mit einer
Art Schleife am Stil, an einem platten Hioge, an dessen anderem Ende muthmaass-
(*♦»
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i fmtldi€fld«a Slftfsea, 3 « «n1 M c» DvidkacMer in ¥oUe».
Noch »ckwerer zu dratendcr Zietnilli: der Outen tttH heilefct aoi svet diopea
giobegeneii und sebrig m mamndtt tSUhtanden BlecWp, doc^ «m ciacfli G«f«» an
dni dai Ganze eine boble, UM o^e, iad^ Hftabe btkieC, an beideii SdAca g kicb-
miang dofchtoebert, 2 em breit, 3 ci» lang; dsmif eia Stift vob ebessolebem
DorvhMhiiilt Oder miue man da» Diag magekekit ttdles?
Noch einige kieioere ZierraÜieii von dieser Fckm. All^ iCb^ BUt Paliiia, oient
heügrüaer und blaogrüner, fiber»>ge&, wenigea mit edJcr dankkr.
Einige Scbritte Yan diesem Fonde, wenig bölier, Etaen (Stock eise» bieiteB
Scbmiede Werkzeuge«?)» —
Sofort Termutbete ich, ala icb den Fand bekan, eine Ginstlitte, die naiürlieh
aof keinen Fall weit gewesen sein kann, da so Tiel zerbrochenes Geräth mit od-
fergossenem Grz znäammeo dort niedergelegt worden. Darnach steht ea au
Zweifel, daaa in der Lausitz Bronzegeratb und zwar sehr kunstreiches gi
worden ist
Aber an der Fundstelle habe ich, als ich Tor Knrzem sehr sorgfaltig bäte
graben lassen, weder Eoble noch eine Spar eines Heerdes, nocb weniger eine G
torm gefunden* Da nnn der Schatz auch, wie oben gesagt, an einem sicheren und
Terborgenen Orte mitten im Sumpf^ docb nahe dem Trockenen und der Strasse, in
die Erde eingegraben gefunden ist, so ist er höchstwahrscheinlich Tom Händler aof
dem Wege nach der Giesserei hier einstweilen aufbewahrt und nachher nicht
wiedergefunden oder aus unbekannten Gründen nicht abgeholt worden, also Depot-
Fund/ —
(10) Hr. W. TOD Schulen bürg bemerkt über das
Vorkommen von Todtenumen auf dem Schlossberge bei Borg.
Da das Vorkommen von Todtenumen auf dem Schlossberge zu Burg (Kreis
Gottbus) noch als zweifelhaft gilt, mochte ich darauf hinweisen, dass mir viele Leute
ab Augenzeugen davon bericbtet haben, unter ihnen auch Hr. Krüger* Grunewald
in Burg-Kolonie, der zur Zeit der Ausgrabungen des Lieutenant v. Renner öfter
auf dem Schlossberge war. Danach wurden viele Urnen (mit zwei kleinen Henkeln)
und BeigefEsse, 1—2 Fuss uoter der Oberflache gefunden, fast alle von verschie-
dener Form. Entweder fand man eine grosse Urne, gefüllt mit Asche und Koochen,
rings umgeben von 4 — 5 kleinen „Näpfchen* (3 — 4 Zoll hoch), welche, etwa l Zoll
%'on der Urne entfernt mit dieser (wie zum Tbeü unter sich) durch Lehm und
kleine Steine verbunden waren^ oder die kleinen Gefasse standen etwa zu 3 — 4 für
sich, ohne Urne uod unverbunden.
(11) Er, W. von Schulenburg bespricht die
territoriale Verbreitung lier deutschen Zwölftengotthelten.
Diß Zwolftengottheiten Deutachlapds habeo, wie bekanüt, in den veischiedenen
C247)
Gebieten ibres Auftreteos verschiedene Namen. Yerbindet man die Ortschaften, in
deoeo je ein gewisser Name vorkommt, so erhalt man in sich geschlossene Gebiete
für denselben. Daraus fo\gU dass diese Namen gruppen im Volke aus heidnisch-
germanischer, li Itcleu tscher Zeit durch die wendische HerrBchaft hindurch sich er-
halten haben und dass, in üebereiustimmung mit sonstigen Zeugnissen, eine germa-
nische Bevölkerung stamm weise sowohl vor den Wenden, als auch spater unter den
Weuden, in Norddeutschlaod zwischen Elbe und Oder gesessen bat. Denn aus der
Zeit der Wiedertjewinnung Dentschlanda im Mittelalter können diese üeberliefe-
rußgen nicht stammen, weil die Wiederbesiedelnng durch die christlichen Deutschen
in ganz zerstreuter Weise, aber nicht in geschlosaenen Stammen und nach Gauen
statt gefunden hat.
Eine Andeutung einiger dieser Verhältnisse giebt das nebenstehende Kärtchen ^),
gezeichnet nach den Angaben von Grimm, Deiitsche Mythologie (1875); Kuhn,
MIrki sehe Sagen (184H), Kuhn und Schwär tz^ Norddeut-
sche Sagen; Kuhn, Westfälische Sagen, und einigen An-
deren. Danach ergiebt sich ein Gebiet des Wo de für
Schleswig -Holstein, M eklen bürg und weiter östlich; der
Fru Gode (auch Fru Wode) für die Priegnitz und die
nordliche Hälfte der Altmark; der Fuik, Fui und Fr ick
für die Uckermark; der Harke Mr einen grossen TheiJ
der übrigen Mark, Letzterer Gebiet wird begrenzt nordlich
durch die Grenze von Meklenburg und der Uckermark.
Oestlich geht sie (nach den bisherigen unzureichenden
Ermittelungen) bis zur Oder, Von dort bildet die Grenze eine Linie von Freien-
walde über Eherswalde, Berlin, Jüterbogk bis Torgau, Von dort südlich über Halle
bis etwa Bailenstedt; westlich über Magdeburg bis an die Priegnitz und deren Ost-
grenze entlang. In Thüringen und Hessen dehnt sich das Gebiet der Holle aus,
südlich derselben das der Bercbtha; beider Grenzen gehen in einander über. Bei
Zossen^ in einer Breitenlinie von Teupitz bis über Storkow hinaus, tritt die wen-
dische Murawa als Zwölfteogottheit auf nnd dehnt sich Über den Spreewald weg
bis hinter Cottbus aus. In der Oberlausitz und im nördlichen Böhmen herrscht
Bern -Dietrich (Han-Dietricb, Bana-Dietrich, Dyterbernat u. s. w.), doch fehlt es
hier leider an genügenden Forschungen* Anderes übergehe ich.
Wissenschaftlich, namentlich ethnologisch, ergiebig kann nur eine Darstellung
auf einer Karte vom grossten Maassstabe sein. Da ausserdem die bisherigen For-
schungen noch ungenügend sind, waren neue erschöpfende Untersuchungen mit
staatlicher ünterstiitzung vorzunehmen, die indessen (wegen der allgemeinen Schul-
bildung) nur in den nächsten Jahren noch von Erfolg sein können.
(12) Hr. W, von Schulen bürg liefert Nachträge zu
der Sage von der Kornmutter und deni Satorspruoh.
1. Folgenden Beitrag bezi^güch der Kornmutter Iheilt Hr. HoUmann mit:
„Auf den Äeckem des Kitterguts Nogat (Kreis Graudenz, Westpreussen) erbaut
man^ „damit das Korn besser wachst^, beim Eggen aus aufgelesenen Steinen die
Kornmutter. Zuerst wird ein langer Stein auf die schmale Seite gestelltj darauf
ein kleinerer runderer^ und oben ein noch kleinerer runder. Diese Figur, nicht
1) 1 = Wode, 2 ^ Fru Gode, 3 = Frick, Fuik, 4 = Harke, 5 = HoUe, 0 = Berchtha, 7 ~
Murawa, 8 - Bernd ietnch.
(248J
ganz r/y trt hoch, liat das Ansebet) einer Frau von gewöhnlicher rirüSBe und bleibt
stehen, bi« auf» Neue geackert wird. Man sagt den Kindern; ^Gpht nicht in'a
Korn, da ist die Kommutter*^. Auf dem Gute sind zwei ßnrgwälte mit slaviscbe»
Scherben," — Die hohe Bedeutung des ^Alten" und der ^ Alten** auch dort er-
hellt u, a. yrkundlich (1249) aus einem Gelöbniss der vom ULristenthuin wieder ab»
gefallenen Bewohner der preussischeu Landschaften PomesaDieu, Ernieland und
Natangen, oach Maunhardt*» Mittheilung (Die Korndämonerjj Berliü 1^68, S. 27)
„Idoio, quod semcl ia anno collectis frugibus coosueverunt confiagere ') et pro deo
colere, cui nomen Curche iroposueruut etc." hf^onhardt: ^NacL Bieleusteian
Entdeckung . , , bedeutet Curche den Alten,** 8. VJ: „in slawischen Landticbaften :
die Baba (die Alte), die Zjtnia matka (Kommutter).'^
2. Deber den Satorspruch berichtet Hnllandtmann (Seedorf) in seinen Auf^-J
zeichnuQgen; „Gegen Tollwutli bei HiJuden und Menschen schreibt in der Nernnark,^
Oathavellaod und der Gegend von Kyritz ein kundiger Schäfer^ auch mittelst Gras-
halms, auf ein Butterbrot:
3 t ^w*—**- [d. h. Gott Vater - Auge,
Sator arepo Jesus Christus = f,
Opera rotas, Heiliger Geist ~ Taube - PfeilJ
Bann schneidet er das Butterbrot in zehn gleiche Theile cjuadratisch und nach
der Zahl der Silben und verkauft das Stück flU 1 Mark," Hn Scliiilüirector ßrod-
fuhrer theilte d, d. Coburg, 11. März 1882, mit, dass hei Gern (Das Hau&bucb,
Sondershausen 1844, I, S. 115) gegen Tollenhundshiss, indessen nur neben dem
Gebrauch ärztlicher Mittel, der Satorspruch empfohlen wird,
(13) Hr, D, L, Wittmack S(;hreibt unter dem 5. Mai über
prähiatorEsche Saubohnen von MUschen (Spreewald).
Mit Bezug auf die Ausfuhrungen meines verehrten Freundes, des Hr. Dr. Carl
Bolle in der Zeitschr, f. Elhnol. Bd. XV, VerhandL S. 66, gestatte ich mir zu be*
merken, dass ich, trotzdem Hr, Dr, Bolle die von Hrn. v, Schulenburg bei Mö-
schen gefundenen Samen für Erbsen erklärt, entschieden daran festhalten muss,
dass es Pferdebohnen (auch Saubohnen oder Puffbohnen genannt) sind: Vici«4
Faba L.j Faba esculenta Mönch. 8ie sind für Erhsen der Vorzeit viel zu grosBi
und haben auch die besser erhaltenen Exemplare deutlich eine etwas längliehe
Form, wie die Saubolinen. Was aber das Haupt- Erkennungszeichen ist, so hesiticn
diese fraglicben Samen den Nabel am vorderen Ende, nicht in der Mitte obenauf,
wie die Erbse; das kommt nur bei Vicia Faba vor, die deshalb auch zu einer
eigenen Gattung, Faba, erhoben ist. — Dass die Samen nach unseren heutigen Be*
griffen für Faba ziemlich klein sind, audert nichts an der Sache. Die in Troja von
Geh. Rath Vircliow und Dr, Seh lie mann gefundenen Saubohnen sind fast noch
kleiner j und unter den Saubohnen aus dem Pfahlbau zu ('orcelettes hei Grandson
am Neuchateller See, die ich Hrn. Dr. E. Keiss verdanke, findet sich neben
grosseren Saubohnen eine ebenso kleine, wie die aus MGscben. Von sä mmt lieben*!
angegebenen Samen finden sich Proben im Museum der Königlichen landwirth-
scbaftlichen Hochschule in Berlin und lade ich Interessenten ein^ sie mit einander
2u vergleichen.
i) Hartknoch, Alt- und neues Preu^sen, Franitfurl 16S4, J, S. 12(), bat confriogert.
(249)
(U) Hr. Dr. Alfred G. Meyer bescbreibt das
yrnenfeld von Dergischaw bei Zossea
Durcli Uro. H* Tiecke aus Berlio, eioeo eifrigen Jagdliebhaberj war mir ge-
leg«?otliclj eine Uroe aus der Dergisclmwer Haide, westlich vod ZoBsea, augestellt
wordeo. Eine DurcKsicht der Berichte dt*r Gefiel Iscliaft xeigle, dass in den Ver-
haüdlutägei) des Jahres 1881, S. 137 ff. idjer diese Gegend durch den Biirgerme ister
Götze in WoUin berichtet worden ist. Ei« Ausflug am 15, Mai d, J. ergab, unter
Hidfe des Dergtschower Fischers und Waldhüters Klaus, aowie des Musikers Karl
Lehmaun aus Nächstoeuendorf^ Folgendes:
Westiich tou Nächst 'Neuendorf, in der nait Kiefern bestandenen Haide, zwi-
sehe« dem Werbener und Schiinower (Trebbiner) Weg, liegt daö einem Eigenthümer
von Dergischow gehörige und von dem Waldhüter Klaus, der seit Jungen Jahren
hier Steine ausgräbt, genau ermittelte Gebiet des alten Urnen friedhofes, das der-
selbe auf ca. 90 Morgeu (?!) sehätzt (ü£ Karte IV in Verli* XÜIJ. Der W^uldhüter
selbst hat bei seiner Thätigkeit scLou hunderte von Gefaesea z\j Tage gefordert,
anderen Arbeitern ist dasselbe begegnet, die meisten Thongeräthe w^aren freilich
durch Wurjseln, Steine u, a. zerdrückt oder gesprengt, viele sind auch nachher zer-
schlagen, eine kleine Zahl der grosseren Exemplare ist an Hm» Götze und an Bauera-
leute gekommen. Auch eine Ustrine scheint gefunden zn sein. — Ein Gang durch
das Gebiet zeigte den Boden besät mit den durch die Arbeiter hingeworfenen
kleineren und grösseren Scherben, sowie mit der aus Urnen ansge schütteten Brand-
asche und mit Knocbenresten. Die Scherben zeigten den Lausitzer Typus, liberaus
kunstvolle und ansprechende Handarbeit, zahlreiche Henkel* und Randstücke, Reste
von Buckel urnen^ daneben auch Stücke gröberer Art Au Beiguben sind nach den
Angaben des Waldhüters vereinzelt Stein Werkzeuge, ßronzenadeln, — einmal G in
einer Urne, — ^owie ein Spiralrmg gefunden. — Trotz mehr als fünfstündigen
Grabens mit 2 Spaten wurde am genannten Tage keine ganze Urne während meiner
Anwesenheit gewonnen. Wokl aber an einer Stelle ausser zahlreichen Scherben
und tvnocbenresten das Stück einer etwas verbogenen Bronzenadel ohne Kopf
(10,7 cm lang) und ein Stuckchen ßronzodraht (5 cm lang); an einer i weiten
Stelle 5U em tief von einer Urne nur Stücke und Äsche mit Knochen, tiefer und
zwar 80 cm unter der Oberfläche ein — nur zur Hälfte erhaltenes — kleines, schön
gebauchtes Geföss ohne andere FüHung ak Sand, endlich Stucke eines dritten Ge-
rätlies. — An einem dritten und vierten Punkte wieder Scherben. — Alle diese
Stellen lagen in der nördlichen HElfte des Friedhofes, da wo er sich zum Werbener
Weg senkt; grosse Steine lagen hier zu Dutzenden an den betreffenden Orten,
zwei- und dreifach übereinander, zwischen ihnen und zwar in verschiedenen Tiefeu
Thongefasse, die deshalb so beschädigt waren.
Ganz anders liegen nach Aussage des Klaus und nach meinen damit über-
einstimmenden Versuchen die Gefasse auf der Südhälfte de& Terrains; hier finden
sich Flachgräber; gewöhnlich ein Deckstein, darunter die Urne^ J*i^gs umher kleine
Steine und Nebengefasse. — Die haumfreien Theile des Terrains waren leider
längst durchwühlt, Grabungen an anderen Funkten lehrten die Hiclitigkeit der An-
gaben, ergaben aber nichts Ganzes, Eine grosse grobe Urne mit einer Ut^bermenge
an Asche und Knochen stand 15 cm unter dem Rasen, ohne grosseren Stein, nur
von kleineren umgeben; sie war von Wurzeln zersprengt und zerdrückt.
Am interessantesten erscheint die verschiedene Bestattunga weise auf demselben
Terrain, aber — wie e^ zunächst den Anschein hat — mit locakr Scheidung.
Wenn die Mittclmark mit Recht als das Gebiet bezeichnet wird, in dem die Flach-
(250)
gräber, wie sie weiter osklicli vorherrsch en, und die Steinscbirbtungen neben eio-
ander »ich vorfioden^ so würde iu der Dergischower Haide di»^sp verschi**dene Be-
stattuügaweise auf demselben FriedLof gefunden sein. Ich bemerke aber^ dass die
Fucdstücke im N. wie ina S. durchaus nicht abzuweicheo scheirien, sodass Behla's
Ausfuhrungen in den „Urnenfriedbofen des Laus, Tjpua etc.*' S. 41 ff. im Auge au
behalten sind.
Der „By rgwall** bei Nächst-Neuendorf ist Ton Hrn. Götze a. a. 0. eingeheod
beichrieben; der kleine Hügel — eine Umwallung feblt ihm — ist iuzwisclien weiter,
etwa bis zur Hälfte, abgefahren. Die Rrandecliicht und die mächtigen Stücke Holi-
kohle — namentlich eichene hemerkten wir — traten in l^j,^- — 2 m Tiefe besonders
hervor; darüber ergaben wenige Spatenstiche von Brand völlig zermijrbte Steine,
Knochen, grobe, dicke Topfscherben, mehrere mit dem Burgwalltypus.
Die beiden Ortsan gehörigen wollen hier wie auf dem Urnenfelde weitere Fund-
stücke in Obacht nehmen und event. Nachricht geben.
(15) Hr. Siehe übersendet in einem Briefe an Um, Virchow d. d. Calau,
12. Mai, einen Bericht über
das Gräberfeld von Ragow und efnige benachbarte Plätjee,
Auf dem von Ihnen schon geschilderten Urnengräherfeld bei Ragow ist man*
neulich heim Ausheben eines Grabes wiederum auf eine Urne gestossen. Ich be-
gab mich alsbald auf den Kirchhof und fand daselbst die Urne neben dem Grftbe
stehend vor. Dieselbe war gefunden worden in einer Tiefe von 2 Fuss, ohne jede
Steiusetiung und ohne Nebengefasse. Zugedeckt war sie mit einem Teller. Die
Urne seihst ist 20 crn hoch, der Boden hat einen Durchmesser von 11 cm. Sie
ist nach oben leicht gebaucbtj der Rand endet stumpf, nicht umgelegt. Die Farbe
ist gelblich grau, innen schwärzlich. Das Material ist mit gtobem Gruss durch-
setzt. Der Bruch schwarz, Brand nath meiner Auffassung gering; die Crne ist
innen geglättet, aussen künstlich rauh gemacht. Verzierungen nicht vorhanden. In
der Urne befanden sich gebrannte menschliche Of^beine mit folgenden Beigaben:
1. Ein eisernes Älesser, \4 cm lang, Rücken ^ mm dick.
2. Ein Spinn wirteL Derselbe zeigt an der unteren Flache zwei herum laufende
Furchen, durch einen Wulst geschieden. Das auffallendste aber ist eine offenbar
erst nach der Fertigstellung kunätüch eingekratzte Querfurche, welche mitten über
die untere Fläche lauft. Die Farbe ist schwarz graublau, an der oberen Seite wie
polirt glänzend, unten von eigenthnml icher, wie Bimsstein kratzender Beschaffen-
heit, Er scheint aus Thon, mit sehr feiüern und scharfem Saude gemischt,
hergestellt und schwach gebrannt zu sein, doch sehr fest.
3. Rudimente eines knocherneo Kammes. Derselbe ist defect und an zwei
Stellen mit eisernen Nieten versehen, welche auf beiden Seiten 2^^^ '^"^ über das
knöcherne Niveau hervorragen, also jedenfalls noch 2 andere Platten mit dem knö-
chernen Fundfiment des Kammes in Verbindung hielten.
4. Ein sonderbares Stück, auch von Knochen gearbeitet, wahrscheinlich znm
Kamm gehörig und ornamentirt durch punktförmige, sich kreuzeude Linien.
ö. Stücke eines halbdurchsichtigen grünlichen und bläulichen Korpers, den ich
für in der Hitze zu einem Klumpen geschmolzenes Glas halte.
6. Eine sehr eigenthümliche Substanz, die theilweise am Kamm haltete, theilweise
an den Knochen, tbeiJ weise auch in kleinen Ballen aufgefunden wurde. Die Masse
ist blasig aufgetrieben, blättert, ist halb durchsichtig bräunlich, brennt nicht, verbrei-
C251)
tet aber, an die Flamme gehalten» einen aromatischen Genick Sie sieht so aus, wie
geflchinolKeoer Bernstein, doch ist es Yieileicht ein anderem Harz.
7. An dem einen Seiteawandl>ein anj^eschmoizen 5 Körner (von ca. Stecknadel-
kopfgrösse) aus Silber.—*
Bei einem späteren Besuch wurde wiederum eine Urne mit Knochen aus-
gehoben von fihulicber Gestalt. Auch in dieser fand sich ein Kamm mit denselben
Nieten, ebeofalls geschmolzene GJasstücke, sowie jene sehr eigeutliiimlicbe harz-
artige, blasig aufgeschmolzene Substanz, diesmal kein Silber, aber ein eisernes
Messer und 2 eiserne Pfeilspitzen^}. —
Neben diesem Gräberfelde, ca. 3 X*w entfernt, ist merkwürdigerweise noch ein
anderer ürnenfriedhof mit ähnlichem Charakter, aber doch abweichender Formation
sowohl in der Figuration der Thongefässe als auch der Grabfunde, Die letzteren
sind ebenfalls Eisensacheu, besonders sehr lange Nadeln. Ich überlasse die Bi*-
schreihung dieses Feldes Hrn. Director Weineck aus Löbben. Nur so viel sei
noch erwähnt, dass dieses Gräberfeld, welches zur KonigL Oberforsterei Eilerborn
gehört, wundervoll den Charakter der Hügelgräber bewahrt hat Auch die hier ge-
fundenen Gefässe sind theils innen geglättet und aussen künstlich rauh gemacht —
Job komme nun noch zu anderen ThoDgefässscherben, die ebenfalls in Ragow
in einem Garten und ebensolche gleichen Charakters, die in Klein-Mehsow auf
einem prähistorisch ebenfalls hocbwichtigen Terrain gefunden sind. Ich habe der-
artige Gefa SB seh erben noch nie auf einem Ürnenfriedhof angetroffen und sende des-
halb ein Kistchen mit Darin befinden sich 4 grossere Schalen aus Eagow, von
denen zwei Bodenstiicke sind, 2 aber Bruchtheile des Halses; alle 4 Stucke sind
zweifellos auf der Drehscheibe gefertigt; sie zeigen den Typus, wie ich ihn auf
mehreren Byrgwälleu hauÜg gefunden habe^), und den ich aJs den Uebergang der
altslayischea Zeit in die neusluTische bezeichnen möchte; denn es sind nocb viele
Reminiscenzen an die alten Burgwallscherben, der balbconcave Boden, die Ver-
zierungen des Halses u. s. w.
Ein sonderbarer Gefassuberrest ist die Schale, die auf einem dünnen Fusse
steht. Ganz ähnliche Gebilde habe ich auf einem ca. 1 Morgen grossen Felde bei
Kl. Mehsow in Menge, aber sehr zerkleinert gefunden; doch sind hierauch Henkel
und sonstige Sachen, die an ein germanisches Gräberfeld erinnern, dabei, so dass
man auf den Gedanken gerathen konnte, es seien hier die letzten Ueberbleibsel
eines alten Burgwalleä; denn die gefundenen Scheiben sind überaus verschieden
nach Brand, Masse und Form.
Wir sehen, dass sich die Lücken zwischen den einzelnen, fest gegliederten,
keramischen Perioden mit bestimmt ausgeprägtem Cbarakter doch mehr und mehr
füllen und dass Oebergänge vorhanden sind. Bestimmt nachgewiesen ist dies an
den Burgwallscherben und nun zeigen doch auch schon einige ürneufriedhöfe an-
dere Formen und Beigaben, als die vom sog. Lausitzer Typus. —
Hr. Virchow begrüsst die Erweiterung unserer Kenntnisse über das Urnenfeld
von Hugow mit besonderer Freude. Als er zuerst in der Sitzung vom 17. April
1) Da nn^h einer mitbekommenen Skizze die Länge dieses Stückes etwa 10, die Breite
des Blattes 1,8 cm beträgt, wobei von der Länge etwa 4 cm auf den hohlen Stiel (Dulle)
kommeo» so dürfte diess wohl mehr ah eine Lanzen- oder Wurfäpi essspitze zu betrachten
sein. Virchow.
2) Dr. Siebe» Abhantllungen über Voigeschiehtliches der Niederlausitz im Feuilleton des
Niederlausitzer Boten,
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breit« Beftkelitfiefce.
Die fiBcbeK <}t« ^of einem Fmm üebl«, kl ein I>ecbel nst Httdffnff; letster^r
tifldet etD«ii obeo pbtteo, ttarb eriuibeaeit Kaepl^ der iiRWMi «aegebSlitl ÜL Der
Deebei i«i auf der Dr^liscbeibe bergeiteltt vnd mit tiefe» eo»€e»tr»cl»eo Eindrücken
f«r««^{i«^f), welcfj« ftchoo an die friih mitteUHetlieiie» Krüge erimieni.
fiifiig«! Stljck<> kooiiU^D Ti<*I]eicht der Periode des Bsgower Eirchliofes aoge-
bdreo^ doeh möcbte icb das oicbt aU aicber aamprccben. Aaderei erinnert ao die
eberbeo roni Oebreoer Opferbeerd (S. Ä5).
Wabrftch<^io]ich bandelt e% sieb groe»e»tbcilf um Abranm ron IJOU- nnd Scber-
b^^obaufen ä^iw flofeft, der später auf den Acker gebracht ist
(10) Hr* Vircbow seigt eine Reibe foo
Scherbenproben aus dem Burgwall Waldstein im Fichtelgebirge.
Die recht interessanten Scherben sind mir ron Hm. L. Zapf in Müncbeberg
(Oberf ranken) mit dem Ersuchen logesendet worden, über deren Abstammong,
nanif'ntlicli yber die Frage ihrer slarischen Abkunft ein Ürtbeil abzügeben.
Die Localitl^t selbst ist schon frnher in unseicn Verbandinngen (18^* Verb,
8, 140) erwähnt.
Die riherscndeten Stücke bieten in roehrfacber Beriehung Anklänge an slaTi-
sche Formen. Insbesondere kehrt die Wellenlinie mebrfucb wieder und ein Boden-
stDck zeigt innerhalb eines Kreises ein Kreuz mit secun«
dären Ansätzen an den Armen, Alles erhaben» also wahr-
scheinlich mittelst eines Stempels ausgeführt. Dieses
Rand- oder Kreuzornanient (Fig. 1) kehrt nach Hrn. Xapf
auf einer grossen Zahl gefundener Bodenstücke wieder,
einigemal mit doppelten Speichen, einmal als förmliches
Rad. Trotzdem kann icb nicht sageoj dass ich innerhalb
des mir geläufigen Kreises slavischer üeberbleibsel eigent-
liche Parallelen finde; insbesondere ist mir ein solches
Rad nicht vorgekommen. Einiges widerstreitet unseren
Fig. L slaTiscben Funden, namentlich dem Burgwalltjpus direkt
I
(253]
Dahin zahle ich zuDachst eio Randstück emes Topfes, der sonst wohl slaviscb
Bein konüte, der aber den breiten Ansatz eines abgebroclienen HenkeJs zeigt.
Ein anderes Haudstück ist sehr hoch, dick und fast gentde: es aiisst beinahe
5 cm in der Höhe und mehr als 1 im in der Dicke, und seine äussere Fläche ist
mit ganz hohen Parallelrippen und Fiirchea bedeckt. Ein Paar Stücke
haben aussen die Wellenlinie, aber am ßauch und ganz solitar. Andere
dagegen haben die Wellenlinie auf der inneren Seite und zwar sehr breit und
mit niedriger Excuröion (Fig. 2); eines zeigt umgekehrt auf der io Deren Seite eine
erhaben aufgetragene, ganz grosse kantige Welleoleiste (Fig. 5).
Die Bildung der Geflisse scheint an sich sehr mann ichfaltig gewesen zu sein.
Das geht am meisten aus den mir übersendeten RandstiJcken hervor. Der grössere
Theil derselben hat einen kurzeiij sehr Mark eingebogenen Hals mit scharf um»
gelegtem, kantigem Rande (Fig. 4); hier ist der anslosseode Theil des Bauches ent-
weder mit einfachen Horizontallinien, oder mit einfachen Wellenlinien besetzt. Oder
der Rand ist fast gar nicht abgesetzt und nhen abgeplattet, die Wand dick; hier
finden sich die inneren Ornamente, was auf schalen förmige^ GefUsse deutet. Oder
endlich es sind jene schräg aufgerichteten, aber geraden und hohen Rander, von
denen ich schon sprach.
Das Material ist sehr dunkel, meist schwarzbraun, wenig scharf gebrannt^ sehr
glimmer- und vielleicht etwj^s graphithaltig.
Im Ganzen mochte ich daher glauben, dat^s die Parallelen, falls überhaupt
slawische Reste Yorliegen, mehr nach Böbmeii hin zu suchen sein müssen.
(17) Hr. Victor Gross hat nebst nachfolgendem Brief d. d. Neuveville, 26. April,
an Hrn. Virchow neue Pfahl baufun de übersendet, n eh ml ich
einen gespaltenen Schädel von OefeU und eine Nadelbüchse von La Tene.
Voici le crane^ trouve dernierement daiis la Station de Tage de la pierre de
Gerofin ou Oefeli (lac de Bienne) quj, a mon avis, doit avoir ete utilise comme
coupe a boire. II presente, en effet, les memes caracteres que les coupes du
meme geore trouTees a Sutz et Chavannes, c'est ä dire que les bords inciees
oÜreni aussi ces eclats semi-Iunaires, qui denotent une preparation artiücielle et
C254)
tum uoe fractare aoeideo teile. Seolement ce spedfueo
fremarqoable, parc«qu*«Q lieu davoir ete btisee duis le
eao« horizontat, la bofte crAnieoDe a ete paitagee daB0
le plao Tertical, de maoiere ä eonserver iotacl t<nit Je
cot« droit et Qoe portion du cote gauebe. Le maxilJmije
droit parfaitemeot cooserre, serraii apparemmeDt ile
poigDee. —
Je joiDs a oel eoToi la Photographie d'on ctirieux
objet, trooYe deroieremeot a la Tene. C'est an tu be de
brooze ferme au boat inferieur, mani de cbaqae cole de
Itrois beliere«, qui portent cbacuoe un aooeau mobile.
I Deux de ces belteres aoDt pres de romrerture et Im ttoi*
«ieme Ters le milieo da tube. — Lloterieur reDfennait
I raigmlle ä coadre, qoi se trouTe photograpKiee k cöte,
f de Sorte qu^il faut admettre qae cet objet frerrait d'etai a
I aigttllles. II Douft expüquerait aiosi femploi de oea tubec
de broDze, trooTea dans quelques uties de oot atatiooa,
que Ton arait coosid^res jusqu' ici comme des gamitures de caunes (Mor*
tiliel, Musee pr^historiqae PL XCVlll 12*» 1229> —
Er, Yirchow bemerkt tn Bezug auf den QberBeodeten Schädel voa 0#feli
Folgendes:
Die Bemerkungen des Hm. Gross in Bezug auf die Art der Trennuog sind
durchaus zutreffe od. Der Schädel ist der Länge nach io der Weise gespalten, data
die Spattungslioie links neben der Nasenwurzel beginnt, dann durch das Tuber
frontale sinistrun] hindurchgeht^ das linke Parietale in einer Entfexnung tod etwa
3 QuerliDgern Ton der Sagittalis durchsetzt und in gleicher Richtung durch die
Hinterhauptsschuppe hindurchgeht. Ad der Basis ändert sich das Verhältnisse in-
dem die Spaltlinie ganz nach rechts hinübergeht. Schon der Gaumen ist rechts
von der Mittclnaht durch trennt, die Apophysis basilaris fehlt in ihren hinteren zwei
Drittheilen gänzlich, vom Hinterhauptsloch ist keine Spur Torbanden und selbst in
die Squama occipitalis greift noch ein weit nach rechts hin ausgedehnter Substaoa-
Verlust halbmond förmig; hineio. £s ist demnach am Schädeldach ein grösserer Theil
der linken Seite erhalten, dagegen fehlt an der Basis der grösste Theil der mitt-
lereu und nach hinten und unten hin auch der linken Seite. Keineswegs liegen je-
doch die Rander der ;;ro8sen Bnichfläche in einer Ebene^ soodern, wie schon Hr.
Gross richtig bemerkt hat, man sieht an denselt>en eine Reihe unabhängiger Schlag*
einwirkungen.
Von einer neuerlichen, etwa erst bei der Ausgrabung eutstandenen Verlelaang
kann nicht die Rede sein. Die Ränder sind genau von demselben Aussehen, wie
die anderen Tlieüe: der kalkige Sand des Seegruodes ist in die Diploe eingedrungen
und die Ränder selbst sind grossentheils abgerundet, wie wenn das Scbädelstück
im Sande gerollt oder doch bewegt sei. Dass es also alte Veränderungen sind, lisst
eich nicht bezweifeln. Auch scheint es ziemlich wahrscheinlich, dass der Schädel
nach dem Tode de» ludividuums durch eine ganze Reihe, in einer Linie hinter
einander angesetzter Schläge gespalten oder dass wenigstens der einmal vorhandene
Spalt durch weitere Absprengungen vergrössert worden ist Diese Absprengungen
haben im AllgemeineD eine halbmondförmige Gestalt, sind jedoch zum Theil auch
I
(255)
eehr aeichi iind fast geradlinig, nirgends scharf, &o da88 das einwirkende Inatrument
ein gani^ stumpfes, yieJ leicht ein Stein gewesen aein dürfte.
So nahe nun auch der Gedanke liegen mag, dass diese eine Trinkschale sein
sollte, 90 muss doch gesagt werden, dass die Form von allen sonat bekannten
Trinkachadeln abweichen wurde. In der Regel lauft die Treunuogslinie, wie in dem
froher (Zeitecbr für Ethnol. 1877, Bd. IX, Verhandle S. 131, Tat XI) von mir be-
Bchriebenen Pfahlbau- Schädel von Sutz, horizonlal durch den Schädel, und das Ge-
sicht ist vollständig abgelost. Hier Hegt die Trennungslinie rertikal und das Ge-
sicht ist so vollständig durchspalten, dass sei bat der Kieferrand und die Gaumen-
hälfte der rechten Seite noch vorhanden sind, — ein gewiss vollgiiltiger Beweis,
dass die Abtrennung nicht erst lange Zeit nach dem Tode, wo die Verbindungen
der Knochen schon gelockert waren, erfolgte. Eine solche Triokschale wurde nicht
»ehr bequem sein; die noch erhaltene Gesichtshtilfte, nicht stark genug, um als
Griff zu dienen, erscheint geradezu als ein Hinderniae. Trotzdem weiss ich nicht,
was die Sache sonst zu bedeuten haben soÜtej falls es sich um eine absichtliche
Bearbeitung handelt. Anders würde die Sache naturlich liegen, wenn es zufallige
Verletzungen wären, vielleicht hervorgebracht durch Einwirkungen schwerer Körper
auf den schon macerirten Schüdel, — eine Möglichkeit, die sich nicht ganz zurück-
weisen la.^st.
Im Uebrigen hat der Schädel keineswegs die Farbe der Torfschädel, sondern
ein mehr braunlich- oder gelblich-graues, etwas mattes Aussehen, wie es Knochen,
die im Seesande lagen, darzubieten pflegen. Die Knochen sind leicht, kleben an
der Zunge und sind durch zahlreiche Gefäaslücher etwas mehr als gewöhnlich porös.
Nur nach vorn sieht das Schädeldach mehr dunkelbraun und leicht glänzend aus.
Die tief abgescbtiffeneu Zähue deuten auf ein ulteres Individuum; die Stärke der
Knochen und die kräftige Ausbildung der Sehnenansätz<*, namentlich des Stirn-
nasenwulstes und des Warzen fortsatzes auf einen Mann- Alle Nahte sind ofl"en und
mehr einfach, nur die mittleren Theile der Pfeil- und der beiden Hälften der Kranz-
und Lambdanabt etwas mehr zackig. Auf der rechten Schläfenseite grosse Schnial-
heit des Keilbeinfliigeb: die Sutura sphenoparietalis hat eine Länge von nur 5 mm^
der Angulus parietal is ist kurz und schmal (leichte Stenokrotaphie). Inner-
lich sind die Verbältnisse anders: die Sut. sphenopar. hat hier eine Länge von fast
8 mm.
Die Profilansicht zeigt eine massig hohe, lange, gestreckte Scheitelcurve, die
sich ziemlich schnell aus der fast geraden , sogar oben etwas vorgebogenen
Stirn entwickelt und hinten ihre grosste Ausbiegung in der weit hinausgeschobenen
Squama occipitalis findet. Die Nuse steht stark vor, ihr Rücken ist leicht gerundet
und oben eingebogen. Der Oberkiefer scheint schwach prognath gewesen zu sein,
wenigstens sind die sehr langen Wurzeln des Schneidezahns und des Prämolaris I
etwas gebogen.
In der Oberansicht macht das Hchadeldach entschieden einen dolicbocepbalen
Eindruck; insbesondere fehlt das Tuber parietale und der Schädel ist hier sehr
schmal Dagegen ist das Tuber frontale kräftig entwickelt und die Stirn selbst
breit. Der Joch bogen liegt an, Grosste Länge des Schädels 184 mm^ halbe Breite
70, danach wäre der Index 76, wahrscheinlich etwas zu hoch» da die Knochen
wohl etwas aus einander gewichen sind. Ohrhohe 115 mm. Die Orbita ist sehr
gross, breit und hoch, jedoch mehr in der Diagonale entwickelt; Höhe 34^ Breite
40 mm, Index 80,5,
^18) Hr. Friedr. BajerD hjt an Hrn. Virchow einen Brief d. d. Tiflis,
12.;?4. Apri], abenendet nebst Bemerkungen ober dessen Yottrige, bctreffeMi
1. Bemerkangen zu Hrn. Virciiow's Vortrag am 15. Jnli 1882.
5. 471 ist es ein MissTerstandniss, dass ich gesagt hatte, die schaofel- oder
roderformigen Nadeln seien auch an f Samthavi ro gefunden V. EHese Nadeln
sind bis jetzt nur auf Koban beschrankt und sogar typisch für diese Lokalität.
Wenn je diese Nadeln anf Samthawro gefunden werden sollten, was doch za be-
zweifeln, weil hier die Tracht der Frauen und die Sitten des Volkes Terschiedea
Ton denen Ton Koban waren, so können sie nur in den Brunnengräbem, nicht aber
in den Kisten der oberen Etage auftreten, denn die Brunnengraber gehören ungefibr
in dieselbe Periode, wie das Kobaner Leichenfeld, während die Kistengraber schoo
der Geschichte angehören.
Oberst Olschewskj und der Grabfeldbesitzer sagten mir, dass diese Nadeln
anf der Brust sich finden, und dieses bestätigte sich, ab wir mit Hm. Chan Ire
selbst die Graber untersuchten. Auch wird Hr. Chantre in seiner Arbeit über
Koban eine Zeichnung Ton einem dieser Graber, in welchem die Rnderschaufelnadeln
sich £inden, geben'). Die Nadeln waren kreuzweise, wahrscheinlich um das Kleid
zu heften, gesteckt; der breitere Theil bedeckte sicher die Brüste der Frau. Anf
dem Kopfe dürften diese Nadeln nie gefunden worden sein; auch weiss ich nichts
dass sie von Jemandem am Kopfe selbst beobachtet wurden. Dies scheint eine
Schlussfolgerung Ton Jemandem zu sein, der nicht gegraben und der an den Zopf
und den, den Zopf befestigenden Kamm dachte; nun aber ist der Zopfkamm im
Kaukasus nie bekannt gewesen, bis die Deutschen 1819 Ton Würtemberg hier ein-
wanderten; bisher aber hat kein kaukasisches Volk diese Mode angenommen.
Die Kaukasierinnen tragen die Flechten herabhängend in Grusien und dem
südlichen Kaukasus überhaupt, und der Zopf findet sich hier in den meisten Fällen
falsch, derselbe ist Ton fremden Haaren gemacht Die Nogaierinnen (die ihre Kopfe,
wie es scheint, geschoren haben) tragen lange herabhingeDde Flechten, Yon Baum-
wolle geflochten. Diese Sitte, die Zöpfe lang herabhängend zu tragen, scheint sehr
alt im Kaukasus; dafür sprechen die Fonde in Redkin-Lager ebenso, wie ge-
wisse parthische Münzen, namentlich Münzen des albanischen (Grusiner) Königs
Aderk, der Ton 4 oder 2 t. Chr. bis 56 oder 58 n. Chr. regierte und vom arme-
nischen Arsaciden - Hause stammte, bei den Persern als Orodes II, bei den
Numismaten und den Römern als Hjrodes II bekannt, dessen Geschichte, weil
bald in Persien, bald in Palästina, bald in Iberien gesucht, bis jetzt im Dunkeln
liegt. Die Frau dieses Königs trägt eine Krone mit Nadeln besetzt und offenes,
lang herabhängeodes Haar, d. h. mehrere Flechten, deren untere Hälften offen
sind ; die Tochter aber tragt eine Flechte, nach unten offen, die am Scheitel be-
ginnt Von Nadeln am Hinterkopfe finden wir keine Spur. —
Die korallenartigen kleinen Bronzeröhren, welche sich in einzelnen
Exemplaren auch in Redkin-Lager und in den BrunDengräbern von Samthawro
1} Das MissYerstiDdoi&s bezieht »ich auf eine Angabe des Hrn. Bayern (Mittheilungen
der Wiener anthropologischen Gesellschaft 1874, S. 44), wo er sagt, dass er ^ neben den Haar-
nadeln Vi Foss lange Scheitel-Scheiden-Nadeln ^ gefunden habe. Was diess ledeutet, ist mir
jetzt noch weniger klar als früher. Virchow.
2) in der inzwischen publicirten Abhandlung zeichnet Hr. Chantre die Scheibennadeln
hinter dem Kopfe, dagegen die ruderförmigen in d<:r Bauch- oder Hecke ngegend. Beide Arten
müssen also aus einander gebalten werden. V.
(257)
finden, halte auch ich für graiDS de coUiers, also für Halsschmuck. Sie haben
grosse AehDÜchkeit, selbst in der Durchschnittsweite, mit den Bronzeblechr5hren
aus den BruDnengräbern Yon Samthawro, welche ich als Pfeilspitzen-ZwiDgen be-
zeichnete; diese Samthawroer Röhren aber sind viermal länger als die von Eoban
und bestehen aus ßronzeblech, während die Halsschmuckröhren gegossen sind. Ich
nenne diese letzteren Korallen ebenso, wie die ganz ähnlichen, nur um 7s ^^''
neren, weissen, schwarzen, grauen, blauen oder grünen Glaskorallen, die von 15 bis
zu 1 mm Länge auftreten und oft bis zu hundert und mehr Exemplaren sich sammeln
lassen; namentlich war Redkin-Lager sehr reich an diesen verschieden grossen
Glasröhren.
S. 472. Das Dental ium aU Halsschmuck findet sich nicht selten in der
oberen Etage von Samthawro; einzelne fossile Dentalien aber fanden sich mit an-
deren durchbohrten Fossilien, wie Trochus, Mactra u. s. w., in Redkin-Lager.
S. 473. Sehr erfreut hat es mich zu erfahren, dass Hr. Dolbeschew auch
Goldperlen von Eoban Ihnen zusendete; hier nun liegt die Frage vor, stammten
dieselben aus den Gräbern mit Schaufelnadeln (obere Etage von Eoban) oder aus
denen mit den Ammonshömern (untere Etage); die zweite Frage ist, sind es ge-
gossene Perlen, oder sind sie aus feinem Goldblech gefertigt? In letzterem Falle
gehören sie der oberen Etage an, die gegossenen Perlen aber sind nur in der
unteren zu treffen, doch glaube ich, dass Gold nur in der oberen Etage in Kobao
auftritt. Ossetien selbst besitzt kein Gold; wohl aber finden sich reichlich in Di-
gurien geschwefelte Silber-, Eupfer- und Zinkerze.
Es ist aber nicht nöthig, das Gold allein aus dem Eubandelta in Ossetien
einführen zu lassen; die Pelzhändler von Sibirien konnten von der Wolga aus
zu Schiffe durch das Easpi-Meer Herodots bis an die Grenze der Eabarda, wo-
selbst das Meer den Namen Hyrkanisches Meer führte, und landeten an der alten
Mündung der Kuma, an einem jetzt verschwundenen Orte, etwas nordwestlich von
Mosdok. Es konnten daher sehr möglich diese Pelzhändler auch Goldstaub bringen,
von denen die kaukasischen Völker ihn erhandelten. Aber auch die medo-scythische
Landstrasse führte am Fusse der ossetischen und digurischen Berge vorüber, und so
war es ein Leichtes, auch fertige Eunstprodukte und namentlich Goldschmuck, ebenso
aus dem Eubandelta, als von Indien und Arabien über Tiflis zu erhandeln.
S. 473. Die Amphoren mit Leichenbrand in Samthawro enthalten nicht
nur Asche und Gebeine (nicht zertrümmerte Enochen), sondern auch kleine, rothe
Töpfchen aus gebranntem Thon. Meinen Beobachtungen zufolge wurde die Leiche
verbrannt und das noch zusammenhängende Skelet sammt dem Schädel in die Am-
phore hineingelassen, so dass sie sitzend erscheint, mit dem Schädel nach oben.
Auf dem Schoosse findet man gewöhnlich die beiden kleinen Töpfchen, selten auch
andere Beigaben, die jedoch vom Brande keine Spur zeigen, während die Enochen
des Skelets theils weiss gebrannt, theils auch nur schwarz angebrannt, aber, wie
gesagt, nicht zerstückelt sind. Der Leichenbrand findet sich nicht allein in den
Amphoren auf Samthawro, sondern auch in einer Steinkiste fand ich eine Leiche,
ausgestreckt auf einer mächtigen Schicht Kohle, wobei das Feuer so stark war, dass
selbst die Wände der Steinkiste roth gebrannt waren. Ich hob hier nur den
Schädel (mesocephal), der ganz schwarz gebrannt war; die Gebeine aber Hess ich
in der Kiste und deckte sie wieder zu, damit spätere Forscher diesen Fall auch
beobachten können.
S. 477. Der Anfang des Christenthums in meinen Arbeiten ist der der
Einführung desselben in Grusien. Die Grusiner wurden Christen um einige
Jahrhunderte später, als die Absilier (Pitzunda) an der Küste von AbcbasieD,
Verhandl. dar B«rl. 4ntluropoL G«aelUcliaft 1883. 17
(258)
welche schoD ChristeD waren zu CooetaDtiDS des Grossen Zeiten. Der grusinischen
Chronik zufolge hatten freilich schon die Apostel Andreas und Simeon tou EaoaaD
(der in Anakopi begraben liegt, aber sicher in Gudaut, das früher Nitika (Arrian)
hiess und von Juden (worauf auch der Name Gudaut hinweisst) bewohnt war, er-
mordet wurde) das Christenthum gepredigt.
Das Christenthum nahm seinen Weg von der Küste des Schwarzen Meeres
allmählich nach Iberien und von hier bis in die kaukasische Centralkette; leider
aber wurde es durch das Auftreten der Araber im südlichen Kaukasus und der
darauf folgenden Horden von Asien in seinem Fortschreiten abgebrochen.
S. 477. Die Beigaben in den Gräbern vonlnianthkari sind sehr selten
und bestehen aus einfachen Bronze- oder Kupferdraht-Arm-, Ohr- und Fingerringen,
hin und wieder Glasschmelzperlen der Byzantiner -Zeit und Spuren von gewohn-
lichen Eisenfibeln.
Der Topf, welchen ich Hrn. Yirchow in Tiflis übergab, stammt von Redkin-
Lager. Die Steinkisten von Inianthkari führen keine Thoogeschirre.
Der Gerrus Ptol. ist die Jora, die bei Herodot Gyndes heisst. Der Alazan
heisst bei Ptol. Alazonius, bei Strabo Euleus; der Alazonius Strabo's aber ist der
obere Tereklauf, von den Quellea bis nach Kobi hin ; von hier aus heisst der Terek
bei Strabo Aragos borealis. Bei den Grusinern heissen alle Flüsse Aragwi, und
so wird heute noch im oberen Terekthale der Araxes Herod., also der Terek, ebenso
wie die heutige Aragwa bei Mzchet, genannt. Diese Mzcheter Aragwi heisst bei
Mela Albanus, bei Ptol. Aragos, bei Strabo Aragos meridionalis. Der AlbanuB
Ptol. ist der Rhaetaeus Strabo's, heute Rechula genannt Die Liachwa heisst bei
Strabo und Mela Cyrus und auch Cambyses, nach dem Vater von Cyrus I, der
in Cyropolis, heilte Zchinwali, am Cyrus lebte.
Das Suramer Gebiet bis an die Liachwa, bei Herodot Armenien, heute noch
Ameri genannt, hiess bei Strabo Iberien, andere nannten es Amardi und Mardi.
Die Ostgrenze war die Liachwa von Iberien, welche die Westgrenze von Albanien
bildete. Das Liachwathal hiess Cambysene und wird falschlich einmal nach Me-
dien, ein andermal nach Armenien gesetzt; Armenien aber ist ein Irrthum bei He-
rodot 5, 52.
Mit der Liachwa beginnt nach Osten zu Albanien, dessen östliche Grenze He-
rodot's Tigris III (Mela's Albanus, Strabo^s Aragos) war; die Nordgrenze Al-
baniens dagegen war der Darialpass (Kaspische = Kaukasische = Sarmatische e==
Hunnen u. s. w. Pforte genannt). Den Fehler, Iberien bis an die Aragwi bei Mzchet
auszudehnen, machte Strabo, der sein Seusamore (die Acropolis Dio Cass.), also
Mzchet in Iberien, ebenso falsch erwähnt, wie das Castell Harmosica, das nach
Herodot in das syrische Medien gehorte. Wenn man nun noch weiss, dass der alba-
nische Pass der Kreuzberg an den Quellen des Albanus Mela (Aragwa) und des
Rha Mela (Terek) ist, so wird man Albanien nicht mehr am Gerrus (Jora) in Ka-
chetien, Schirwan oder Daghestan suchen, wie dies durch üokenDtniss der Topo-
graphie schon bei Ptolemaeus der Fall war. Marienfeld liegt daher auf alt-assyri-
schem Gebiet und die hier begrabenen macrocephalen Leute sind Meder gewesen,
ebenso wie die von Samthawro, von Muchadgwerd und von Maredschi auf der
Wasserscheide zwischen Jora und Alazan; denn Medien hiess das ganze Kurafluss-
netz, von Borjom beginnend bis an den Ssamur, den Araxes Strabo's, den Crutius
fälschlich Medus nennt, während der Medus Strabo^s, bei Curtius fälschlich Araxes
genannt, der heutige Achtitschai ist. Daher halte ich dafür, dass alle dolicho-
cephalen deformirten Schädel des Samthawroer Typus als reine Meder zu nehmen
sind, die sich, wie schon hervorgehoben, vom Ssamur aus bis auf die Adjurer Hoch-
(259)
giebirge im Achalzicher Gebiete (früher Yon Makronen und Moschiern bewohnt) ver-
folgen lassen werden. Wenn man in Europa, namentlich an der Donau und in
Südnissland, diese Schädelform findet, so dürfte mit Sicherheit angenommen werden,
dass sie von Kriegern aus den Expeditionen des Darius und des Xerxes stammen.
(Hierzu habe ich noch die Bemerkung zu machen, dass die Gräber von Sar-
tatschali von 5 bis 9 Fuss Länge und von 2 bis oft 5 Fuss Breite haben, das von
Hrn. Virchow gegebiene Maass daher nur auf die kleineren Eisten sich bezieht.)
S. 480. Wenn auch heute die Osseten nur in beschränkten Regionen sich
bis an die Kura herunter ziehen, so war dies früher nicht so, denn die Osseten,
bei Herodot Perser genannt, lebten gemengt unter den Medern nicht allein im
grusinischen Ossetien (Albanien), sondern auch das rechte Kuragebiet von Eartha-
linien, zwischen Gori und Mzchet, war an vielen Orten von ihnen besiedelt; bis
heute noch findet man ossetinische Ansiedelungen in den karthalinischen Bergen
zwischen Manglis und Borjom. Dieser Umstand nun dürfte es erklären, dass die Grie-
chen keinen Unterschied zwischen den eigentlichen Persern (Osseten) und den
Medern (Albanern, heute Grusinern) machten; denn durch die Einnahme Mediens
durch Cyrus, der dem Liachwathale angehorte, wurden Osseten ebenso nach Elj-
mais (Kachetien), als nach dem östlichen Medien (heute Schirwan) und dem östlichen
Daghestan angesiedelt. Es waren diese Osseten, wie ich annehmen muss, welche
der Provinz Schirwan den Namen Hohles Persien (weil es die kaukasische Erd-
bebenzone ist) und dem östlichen Daghestan den Namen Gross-Persien verliehen.
Man wird sich daher Hiebt wundern, wenn ich ossetinische Leichenfelder in
Natschpis, 14 Werst oberhalb Mzchet, dann bei Kodoraani, 8 Werst oberhalb
Mzchet am linken Kura-Ufer, dann bei Inianthkari, am rechten Aragwa-Ufer,
5 Werst östlich von Duschet, fand. Die Schädel aber von diesen drei Orten zei-
gen, bei gleicher Bestattung, grosse Verschiedenheit; denn die von Natschpis sind
grössten Theils dolichocephal, aber nicht deformirt, und finden sich gemengt mit
roeso- und brach ycephalen Schädeln ; die Schädel von Eodomani, die ich sammelte,
waren alle mesocephal, während die Schädel von Inianthkari grössten Theils dick-
schalig und mehr oder weniger brachycephal sich erwiesen; von Dolichocephalie
und von Deformation der Schädel ist mir bei ihnen nichts aufgestossen.
Die Steinkisten der ossetinischen Gräberfelder sind alle ziemlich schmal (3 Fuss
in selteneren Fällen breit) und doch findet man gewöhnlich vier Leichen neben
einander in gestreckter Lage. Die Länge beträgt 7 — 8 Fuss, und die Gräber bergen
6 bis 8 Leichen, theils mit den Schädeln im Osten, theils im Westen; alle, wie
gesagt, in gestreckter Lage, wodurch sie sich von den medischen Gräbern von
Samthawro, von Muchadgwerd (gegenüber der Aragwamündung, am rechten
Euraufer), von Digom (7 Werst oberhalb Tiflis am rechten Euraufer), von Sar-
tatschali und Marienfeld an der Jora, rechtes Dfergebiet, sowie von Mered-
schi auf dem Parachantras, — .das ist das Jora-Alazaner Grenzgebirge, — unter-
scheiden, die erstens bedeutend grössere Steinkisten, zweitens selten mehr als
zwei Leichen in gestreckter Lage aufweisen, während alle anderen Leichen sitzend
beigesetzt wurden.
Die nach Herodot in Honig gesetzten Meder und die, gleichfalls nach ihm, in
Wachs gesetzten Perser habe ich noch nicht gefunden, daher scheinen die Amphoren
mit Leichen brand auf Samthawro mit Honig gefüllt gewesen zu sein, wenn diese
Angaben bei Herodot richtig sind, woran zu zweifeln ich keinen Grund habe. Bei
aUe dem dürfte die Sitte nur in sehr seltenen Fällen vorgekommen sein.
Merkwürdiger Weise sind mir in Tiflis selbst nur Gräber aus der Bjzantiner-
Zeit zu Gesiebt gekommen, und ich erinnere mich nicht, hier je einen dolioho-
11*
(260)
oephmleo Schädel beolwchtet lo limbeD. Aber moch die alten Giiber leUen vas ia
Tiflis, denn sie sind von den Häusern bedeckt
Die Beigaben in Inianthkari sind denen ?on Netscbpis und Moehadgwerd ihn-
lieh, aber noch um etwas jünger. In den Gräbern Ton Mnchadgwerd £uid ieh
eine Nadel Ton Bronze mit einer Hand, welche als Kopfchen einen niduschen Segen,
wie in den orthodoxen Kirchen im Kaukasus oft xu sehen, darstellt, daher dieaea
Grab ebenfalls bestimmt dem Christeothum angehört, und doch £uiden sich in dem»
selben vier sitzende Leichen, also Christen, nach alter Weise begraben. Daa Ba-
lansticum aus rother Koralle als Köpfchen auf Haarnadeln fand ich ebenso in Sam-
thawro, Moehadgwerd, Sarthatschala und Maredschi, als in den ossetiner Gräbern
Ton Netscbpis.
Alban und Alran bedeutet Gebirgsland und scheint dem deutschen Alp an
entsprechen. Ein grusioer Forst sagte mir, dass Al^anai (also Aea AWan oder
Alnm-aia) Königsgrfinde bedeute, sicher aber irrt sich dieser Kachetiner Fürst, denn
der untere Theil des Alazaner Thaies beisst Miza- (Erde) batooi (Herr), folglich
Königs -Erde, aus welchem die Griechen Messa-batika machten (es ist dies der
Ssakataler Kreis).
In der Bömerzeit und selbst noch bis auf Procopius wurde der Rhion be£shren
bis hinauf nach Sarapanis, dem Surium Plin. et Ftol.; dies aber konnte nur ge-
schehen, so lange der grosse, das Rhionbecken bedeckende Imerethiner See (Aska-
nius?) noch stand, welchen Herodot entweder Phasis, wie den Rhion selbst, oder
was noch wahrscheinlicher, nördliches Meer nannte (4, 37), denn dieser See bildete
eine bis an die Grenze der Sarapanis (Scharopan) sich ausdehoende Bucht, in
welche alle imeretinischen Flüsse mündeten; und dieser grosse See war auch die
Ursache, dass die Geographen den eigentlichen Phasis (RbioD) nicht finden konnten,
so dass selbst noch Dubois de Montpereux nach Plinius den Suriosfluss, also
die Quirulla, für den Phasis hielt Die Römer fuhren im Rhiooflussbette durch
diesen See bis an die Mündung des Surius bei Surium (Sarapanis Proc.), beute die
Festung Scharopan oberhalb Quirilskaia.
Wann dieser namenlose imeretiner See abgeflossen, ist mir nicht bekannt;
so viel weiss ich, dass noch 1849, als ich das Rhionbecken bereiste, grosse
Strecken unter Wasser standen und Sümpfe bildeten, so namentlich bei Quirilskaia
selbst Der Abfloss fand daher nur allmählich statt; dies bezeugt auch die grusini-
sche Chronik, die Scharopan an den namenlosen See angrenzen lässt und Iberien
an den Sper-See. Dass nun Iberien im Osten an den Sper-See, Sarapanis aber im
Süden oder richtiger Südwesten an; den Scharopaner (Imeretiner) See angrenzen
musste, übersah Brosset und dehnt in Folge dessen Iberien aus bis an die Mün-
dung des Tschorok bei Batum ebenso, wie die Scharopan, glaubt auch, beide Seen
seien identisch und bezeichneten nichts weiter, als das Schwarze Meer an der La-
sischen Küste. In Folge dieses Missgriffes ist auch die Geschichte Imeretieos und
Grusiens bei Brosset gänzlich verfehlt und alle seine Nachfolger, namentlich der
thätige und besonders hervorragende Reisende Dubois de Montpereux, wurden
dadurch irre geleitet
S. 442. Eine Spalte nennen die Griechen x^X.>f. Die grusinische Sprache aber
besitzt viele griechische Worte; ob sie in die grusinische Sprache eingeführt, oder
ob die Griechen aus dieser altmedischen Sprache Worte entnommen, weiss ich
nicht; so viel aber ist gewiss, dass auch Chili oder Chele der Griechen in der
grusinischen Sprache auftritt, denn die Spalte, sei es eine Erd- oder eine Mauer-
oder eine Baumspalt«, heisst Gachet-chili; Holzspalten aber heisst Tschescha
(= Holz) daap6 (spalten).
(261)
S. 457 wird vom PolireD und Brennen der ThongeBchirre gesprochen. Dabei
erinnerte ich mich einer Beobachtung, die ich machte, wie die Perser die Fuss-
boden ihrer Wohnungen verfertigen.
Im Jahre 1875 reiste ich nach Gurien, um die von Dubois de Montpereux
entdeckte Festung Petra auf dem Plateau von Waschnari, 7 Werst unterhalb (west-
lich) von Ozurgeti zu untersuchen, fand jedoch, nachdem ich 8 Tage hier Aus-
grabungen machte, dass Dubois sich in dem Namen Petra geirrt, weil er über-
sehen, dass diese Festung nothwendig am Meere liegen masstc, wenn Procopius
richtig verstanden wird. Dubois beschreibt diese namenlose Festung ziemlich ge-
nau, und ich habe gefunden, dass, wenn auch dieselbe nicht die von Procopius be-
schriebene Festung Petra sei, die wir, wenn am Meere, nur bei oder in Zichisdir
an der Gurischen Küste, unweit Batum, zu suchen haben, die von Dubois be-
schriebene Festung auf Waschnari doch bekannt zu werden verdient, um so mehr,
als sie an derselben Stelle, aber verkleinert, steht, wo einst eine altassyrische oder
vorhistorische grössere Festung gestanden hat. Daher skizzirte ich einen Plan von
derselben, soweit meine Ausgrabungen gingen, um einmal diese Arbeiten zu publi-
ciren, wozu ich bisher noch nicht kommen konnte.
Hier will ich nur die Aufmerksamkeit darauf lenken, wie die Perser, denn
dies war sicher eine persische Festung, die Fussböden in den Zimmern, den Gase-
matten und dem Bade zubereiteten.
Bei dem Wegräumen eines Schutthügels stiess ich auf die Grundmauern eines
grossen Gebäudes, sicher die Commandantenwohnung, vor deren Eingang eine 12 Fuss
lange, 6 Stufen hohe, aus 2 Fuss hohen Quadern gebaute Treppe aufgedeckt wurde.
Die Grundmauern waren aus eben so grossen Quadern, aber von grünem Thon-
porphjr an der Frontseite gebaut; das Gebäude jedoch über der Grundmauer war
ein reiner Ziegelbau, der aber demolirt war. Von der Treppe führte ein langes,
schmales Vorzimmer in das Innere des Hauses, gerade in ein langes Querzimmer,
aus welchem eine Treppe, von Ziegeln gebaut, von welcher noch einige Stufen zu
finden waren, in einen oberen Stock führte.
Ich Hess hier den Boden vom Schutte räumen und fand einen geglätteten
Ziegelboden, konnte aber keine Ziegelränder finden. Als nun der Boden ganz vom
Schutte befreit war, fand ich, dass dies nicht ein Ziegelboden, sondern eine roth-
gebrannte, stark geglättete Thonlage war, die ungefähr Vs ^uss dick den Boden
bedeckte, aber nur bis auf Va ^11 ungefähr roth gebrannt sich erwies. £inen ganz
ähnlichen, aber bedeutend dickeren Boden fand ich in dem Bade, welches Dubois de
Montpereux für einen Atesch-gad (Feuertempel) hielt; selbst in den Casematten
traf ich diesen gebrannten Lehmboden, aber weniger geglättet, als im Gomman-
dantenhause und im Bade.
Diese polirten und gebrannten Thonboden, scheint mir, sind, nachdem sie ge-
glättet waren, mit einer Schicht getrockneter Farrenkräuter (Pteris aqailina) bedeckt
worden, auf welche eine Lage Holzkohle gelegt wurde; bevor noch Holz, von wel-
chem ich jedoch nirgend eine Spur fand, in die Wände des Gebäudes eingelegt
wurde, wurde das Farrenkraut angezündet. Dieser Brand war es, welcher den
Thon roth brannte. Als das Gebäude fertig war, scheint es, dass der Boden wieder
mit einer feinen Schicht rothen Thons bedeckt und geglättet wurde, um Risse und
Unebenheiten auszufüllen; auch dieser erhielt vielleicht eine zweite Feuerung auf
kurze Dauer, denn auch diese papierdünne Lage erwies sich roth gebrannt, mber
schon weniger, wie die untere gebrannte Lage.
(262)
Hr. Oberst Weiss Yon Weissenhoff, ein eifriger Archäologe, brachte mir
eine Partie Obsidiansplitter, • welche er auf der Steppe, an der Vereinigung der
Kura und des Araxes sammelte, woselbst er Studien für einen Irrigationakanml
machte. Diese Obsidiansplitter lassen sich hier zahlreich sammeln, zeigen aber
keine Spur einer künstlichen Bearbeitung. Unter ihnen finden sich merkwQrdiger
Weise schöne und oft ziemlich grosse Splitter und Bruchstücke von Morion (schwar-
zem Bergkrystall, sogenanntem Rauchtopaz). Alle diese Splitter zeigen ganz frischen
Bruch. Hr. t. Weisse nh off überliess mir ein Stück für Sie, das ich Ihnen bei
Gelegenheit zusenden will*).
Morion, also den ganz schwarzen Rauchtopaz habe ich bis dahin im Kaukasus
als anstehendes Gestein nicht beobachtet. In Bialoiklutsch hiess es, in den
fünfziger Jahren habe man Rauchtopaz gefunden; als ich denselben aber selbst
suchte und untersuchte, fand es sich, dass dies nur herumgestreute Obsidiansplitter
waren, die im ganzen Eura- und Araxbecken gesammelt werden können. Das erste
wirkliche Morion-Exemplar erhielt ich als schön polirte grosse Perle aus den Gr&-
bern von Komunta in Digurien; es stammt aus der Byzantiner-Zeit. Ich lege
Ihnen hierbei drei Tafeln von Photographien meiner Sammlung bei, die namentlieh
rein byzantinische Productionen aus den Gräbern von Digurien geben, wobei ich
Sie aufmerksam zu machen wünsche auf die verschiedenen Schildformen, die in
grosser Mode waren in dieser Zeit und die beinahe alle bekannten Formen zeigen: so
das ausgeschweifte Amazonenschild, das boeotische Schild, das Rundschild und yer-
schiedene andere Schilde, die zu einer Monographie der Schilde guten Stoff liefern
könnten. Die Sammlung befindet sich jetzt im kaukasischen Museum.
Den ersten Morionsplitter fand ich in einer Grabkammer in Redkin-Lager eben*
falls in Gesellschaft mit Obsidiansplittern ; dies bewies mir, dass dies Mineral der
Karabach angehört und nicht Tora Ural stammen konnte. Der Fund des Hm.
Obersten von Weissen hoff bestätigt meine Annahme; nur bleiben wir noch
immer im Dunkeln, wo eigentlich er anstehend sich findet, denn die von ihm ge-
sammelten Morionsplitter finden sich an einer Stelle , die noch im 5. Jahrhundert
vom heutigen kaspiscben Meere bedeckt war, wo folglich weder von einem Ein-
führen dieser Splitter, um zu Eunstproducten verwendet werden zu können, noch
von künstlicher Bearbeitung die Rede sein kann. Wie kamen sie auf diesen alten
Meeresboden und warum in Gesellschaft von Obsidiansplittem von ganz gleicher
Farbe? Dies sind Fragen, die ich noch nicht zu lösen weiss. Den Morion für ge-
schmolzenen Quarz zu nehmen, verbieten die quergestreiften Erystallflächen, die
den krystallinischen Quarz cbarakterisiren.
Da nun das Gräberfeld von Redkin-Lager um einige tausend Jahre alter ist,
als das Sinken des kaspiscben Meeres, welches im 6. Jahrhundert n. Chr. statt fand,
so ist es begreiflich, dass der Morionsplitter von Redkin-Lager nicht von der Steppe
zwischen Eura und Araxes stammen kann, sondern ebenfalls durch eine Spalte in der
Nähe des Akstaphathales sammt den Obsidiansplittem ausgeworfen werden konnte,
wie jene Stücke auf der Araxesebene; ihr Vorkommen ist daher ganz analog mit den
Obsidiansplittem von Samthawro. Solche vulkanische Spalten müssen in einer
früheren Zeit häufig den südöstlichen Kaukasus heimgesucht haben, und eine solche
Spalte auch scheint das Versinken oder Sinken des Wassers im kaspiscben Meere
hervorgerufen zu haben. Es ist daher zu hoffen, dass wir in der Karabach und im
£lisabethpoler Gouvernement auch bearbeitete Werkzeuge, namentlich Pfeilspitzen
von Morion, finden werden.
1) Nach einer neueren Nachricht ist der vermeintliche Morion Obsidiao. Virchow.
(263)
Hr. y. Weissenhoff sagte mir, dass jene Stelle 40 Faden über dem Niveau
des Schwarzen Meeres liege. Dies durfte auf eine einstige Deltabildung des
Araxes hinweisen; mit den verschiedeuen Meeresuiveaus durfte, scheint mir, noch
manches nicht richtig sein.
Die Graber von Zalki sollen sehr sporadisch auftreten; bis jetzt sollen nur
drei Gräber beobachtet sein, wie mir General Komaroff erzählte, von denen zwei
durch den Chausseebau zerstört wurden, während es dorn General gelang, das dritte
selbst zu untersuchen. Nach seiner Angabe war das Grab ein Schacht oder Brun-
nen, in die Erde gegraben und mit einem mächtigen Steine bedeckt, welchen 20
Mann kaum wegwälzen konnten. Im Grabe war nur eine Leiche, zwei kleine
schwarze Thontöpfe, ein M eissei von der Form der Fig. 5 auf Taf. 111 (Objets
d'antiquite) und einige Pfeilspitzen von Bronze mit Haftzunge; der zweite Meissel,
früher von mir für ein Streitbeil gehalten, weil er nur mit "Waffen sich fand und
sicher auch als Waffe diente, ist nach Komaroff in der Erde bei dem Chaussee-
bau gefunden.
Diesem Meissel zufolge gehört dies Grab ganz in dieselbe Periode, wie die
Brunnengräber von Samthawro.
2. Bemerkungen zu den Verhandlungen der Sitzung am 21. October 1882.
S. 489. üeber Bruchstucke grosser, schwarzer Thongefässe bemerke ich, dass
auch auf dem Leichenfelde von Redkin-Lager dicke, schwarze Scherben mit oft
sehr schönen Verzierungen in der Erde gefunden werden, die in den Gräbern selbst
nicht auftreten, aber doch derselben Zeit angehören. Namentlich sind skulpirte,
erhabene Spiralen und rosettenartige Ringolungen hervorzuheben. Ob die schöne,
glänzende, schwarze Farbe auf den Thongeschirren von Redkin-Lager dem Graphit
zuzuschreiben ist, muss noch untersucht werden.
S. 506. üeber das Band wirken der Mädchen habe ich in Koban eine
interessante Beobachtung gemacht. Heute noch beschäftigen sich die Weiber und
ganz besonders die Mädchen der kaukasischen Gebirgsvöikcr mit Posamentirarbcit,
das heisst mit Weben oder richtiger Klöppeln der Silber- und Goldborten für ihren
und der Männer Bedarf. Diese Kunst scheint schon sehr alt, denn ich fand in
einem der kistiner Grabthürme, die gewöhnlich drei übereinander stehende Räume
bilden, wo im oberen Räume die Reichen, im mittleren die Aermeren und ganz
unten die ganz armen Leute liegen, wie mir ein Ingusche erzählt, bei denen die-
selbe Beerdigungsweise einst statt fand, und wo in jedem Räume hunderte von
Leichen, in Tücher eingewickelt, mumienartig aufeinander liegen, — also ich fand
in der mittleren Etage, aus welcher ich für Hrn. Chantre eine dieser Mumien und
einige Schädel holte, ein kleines niedliches Körbchen, aus Ruthen geflochten, in
welchem ein in einem Beutelchen liegendes Spiegelglas, eine, wieder in einem
ledernen Beutelchen steckende Scheere und, nebst einigen anderen Instrumenten für
Frauengebrauch, auch die zum Borton weben nöthigen Bestecke und das Falzmesser,
aus Bein gefertigt, lagen. Khanukoff, der Grundbesitzer des Kobaner Leichenfeldes,
sagte mir, dass dies Körbcheu einem verstorbenen Mädchen beigelegt sei; ganz
dasselbe soll sich auch in den Inguscher Grabthürmen finden, erzählte mir der
Ingusche. Das Körbchen liegt jetzt in der Sammlung des Hrn. Chantre in Lyon.
S. 523. In Bezug auf die Brandgruben bei Gross-Gerau hätte ich folgende Be-
merkung vorzulegen:
Im Gebiete von Pifltigorsk, auf der Stawropoler Hochebene und an einigen
anderen Orten der nordkaukasischen Steppen, findet man häufig Ansammlongen von
(264)
TopfiBcherbeD, antermeDgi mit xertrümmerten ThierkDodien, ja selbst hin und wie-
der HalsperlsD uod Trümmer von Eisengerathen und Nadeln. Schon bei dem ersten
Scherbenhaufen, den ich im Jahre 1857 fand, kam ich zu dem Schlüsse, dass diese
sogenannten Küchenabfälle Ton wandernden Hirten stammen, wenn die Scherben-
haufen grösser, von Winterplätzen, in deren Nähe sich gewöhnlich auch Brennhols
— das ist Wald — findet, wenn aber die Haufen kleiner, von kurzen Sommer-
plätzen. Vieler Orts scheinen diese Wanderhirten, so wie heute noch die Ejü-
mücken und Nogaier auf den Steppen hier thun, den Winter stets an derselben
Stelle zuzubringen, wo sie in ihren schwarzen Filzzelten vor der Kälte ziemlich ge-
schützt sind.
Ganz so, scheint mir, verhält es sich auch bei Gross-Gerau, woselbst die Thon-
klumpen darauf hinweisen dürften, dass hier ein Winterlager war, wobei die Zelt-
bewohner einen, aus Ruthen geflochtenen, mit Thon innen und aussen bestrichenen
Unterbau für ihre Zelte machten, um vor Wind und Nässe oder auch vor wilden
Thieren geschützt zu sein.
(19) Hr. General von Erckert, der eben im Begriff stand, die Mauer von
Derbent in einer Länge von etwa 70 km abzureiten, sendet aus Petrowsk, 20. März
(1. AprU)
KSrpernessungen mssiscber V5lker.
Die erste Reihe der Zahlen enthält die Körpergrösse; die zweite die Länge des
Rumpfes vom obersten Halswirbel bis zum Steissbeinende; die dritte das Verhält-
niss des Rückens (Rumpfes) zur Höhe des Beins bis zum Trochanter, den Rücken
auf 1000 reducirt.
L Tscb'eremissen.
1720
645
632
1720
600
591
1715
635
635
1640
575
592
1730
615
621
1735
620
649
1760
640
663
1740
640
618
1730
660
644
Durchschnitt 62,7 pCt.
2.
Wotjaken.
1715
6%
726
1635
590 _
631
Dorchschmti
; 67,Ö pCt.
3.
Baschkiren.
1720
595
575
1700
600
609
1730
625
622
1795
650
607
1750
625
625
1700
630
630
1720
605
599
1670
600
609
1770
635
672
1750
645
632
1750
610
607
1705
640
663
1685
655
712
1795
650
607
1760
626
625
1700
630
630
1720
605
599
1670
600
609
1700
630
636
1665
670
736
1700
620
620
1660
590
601
1635
615
676
1745
670
694
1725
620
636
1750
620
617
1755
615
603
1740
645
665
Durchschnitt 63,3 pGt
Baschkiren sichtbar Mischrasse aus Finnen
and Tataren; daher ihr Platz auch nach
diesem Resaltat richtig.
4. Meschtscheräken.
1680
620
649
1745
640
653
1705
630
636
1725
620
Durchsc
617
hnitt 63,9 pC
5. W
olga-Ta
taren.
1710
605
5%
1680
630
643
1760
655
675
1695
615
631
1730
. 645
668
1655
585
619
1625
687
716
(265)
1620 680 . 712 1670 625 698
1670 585 594 1660 635 676
1730 635 -645 1640 605 634
1770 626 635 1655 640 707
1665 620 646 1550 596 681
1735 665 689 1560 585 688
1615 590 652 1600 630 696
1675 615 647 Mittel 66,3 pCt.
1685 597 606 7 ui • d
Mittel 65,0 pCt. j^j^ g^^ ^^3
6. Gross-Rossen an der Wolga, sehr 1690 645 672
gemischt, finnisch und tatarisch. 1640 585 609
1775 645 658 1715 615 635
1720 655 677 1675 615 661
1745 625 641 1595 580 641
1710 620 632 Mittel 65,5 pCt.
1760 620 611 ^ p ,^^
1775 670 667 ^' *^oien.
1575 545 612 1570 570 630
1660 600 038 1*^50 590 621
1610 605 684 1780 650 628
1650 595 650 1695 620 610
1675 595 613 1575 600 667
1660 600 638 1660 585 579
1675 585 597 1600 585 609
1690 630 649 1720 605 611
1675 635 668 1580 605 658
1730 635 629 1635 565 589
1680 615 641 1710 640 660
1655 620 674 1610 595 661
1615 600 659 1610 610 674
1650 620 685 1635 615 683
1590 585 636 Mittel 63,4 pCt.
1610 615 638 Q T ^
1595 605 699 ^' J'^^ö'^^-
1675 590 615 1680 575 590
1585 600 698 1565 550 611
1620 615 676 Mittel 60,0 pCt.
Reihenfolge nach Mittelwerthen:
Wotjaken 67,8
Gross- Russen 66,3
Klein-Russen 65,5
Wolga-Tataren 65,0
Meschtscheräken 63,9
Polen 63,4
Baschkiren 63,3
Tscheremissen 62,7
Juden 60,0
Die hervortreteDden sehr abweichenden Zahlen correspondiren meist mit be-
sonders abweichenden Typen, sind aber hier mit eingerechnet.
(20) Hr. Alex. Schadenberg hat an Hrn. Vircbow d. d. Glogau, 10. März,
die Photographie eines
deformirten Schädel aus einer Höhle von Süd-Mindanao
übersendet. Letzterer zeigt dieselbe Art künstlicher Deformation, .welche Hr. Vir-
cbow früher von Höhlenschädeln auf Luzon beschrieben hat, jedoch in so hohem
Grade, dass er ganz den sogenannten Makrocephalen der Krim und des Kaukasus
gleicht.
(266)
(21) Hr. F. y. Laschan berichtet in einem an Hrn. Virchow gerichteten Briefe
aus Aleppo, Ostersonntag, über seine
Reise in Kieinasien und Syrien.
Seit ich Sie zuletzt (1881) in Salzburg gesehen, war ich fast immer auf Reiseo.
Erst mit der Benndorrschen Expedition ein zweites Mal in Ljcien, dann mit Prof.
Petersen auf einer hochinteressanten Streiftour Tom lykischen Hochland durch
die Kibyratis nach Pisidien und Carien; dann war ich im September v. J. volle
8 Tage in Europa und kehrte sofort wieder nach Kleinasien zurück, vorerst nach
Pamphylien; dann kam Rhodus an die Reibe, wo ich eine grosse Zahl altgriecbi-
scher Gräber öffnen sah und schöne Schädel erwarb. Daran schlössen sich aller-
hand Ausgrabungen in der Nähe von Smyrna, daun ein mehrwöchentlicher, ethno-
graphisch nicht undankbarer Aufenthalt in Constantinopel; dann eine sehr lohnende
Tour durch Nord-Syrien und das türkisch-arabische Grenzgebiet. Schliesslich ein
Aufenthalt in Aleppo, hauptsächlich um die habb-es-rene zu studiren. Da habe
ich leider einen grossen Misserfolg zu verzeichnen; meine Absicht, eine Reihe von
Aleppoknoten zu exstirpiren und zu härten, stiess auf unüberwindliche Hindernisse.
Ich bt)t Bettlern, die nie im Leben ein Goldstück in der Hand gehabt, jede be-
liebige Summe, wenn sie mir ihren Knoten verkaufen wollten; aber umsonst! So
beschränkte ich mich einstweilen darauf, verschiedene Impfungs-Versuche an mir
selbst und an meinen Pferden vorzunehmen, sowie grosse Mengen schlechten Was-
sers zu trinken; das letztere desshalb, weil die Einheimischen gerade das Wasser
als Ursache des Knotens bezeichnen. Auf eine oder die andere Weise hoffe ich
also doch, zu einem exstirpirbaren Knoten zu gelangen. Auch mein Diener bekam
grosse Mengen Wasser zu trinken und wurde auch täglich in das Hamman ge-
nommen, um seine Haut recht empfindlich zu machen; er ist mir blind ergeben,
und würde natürlich mit Freuden in eine Exstirpation willigen. Bei den hiesigen
Aerzten, die sonst sehr anständig sind, ist auf Unterstützung kaum zu rechnen, da
alle den Knoten wie ein Noli me tangere betrachten und er ausserdem als etwas
Alltägliches und Selbstverständliches kein Interesse für sie hat.
Meine Idee, dass eine Exstirpation nebenbei auch eine Radical-Heilung sein
dürfte, fand bei den Herren auch nicht den geringsten Glauben; ja ich glaube, sie
waren * alle überzeugt, dass ich ihnen nur desshalb davon sprach, um sie leichter
zu einer Exstirpation zu bestimmen.
Ich breche noch heute von hier auf, gehe über Alexandrette per mare
nach Adalia, bringe in Pamphylien allerhand dort begonnene Arbeiten zu einem
vorläufigen Abscbluss und hoffe dann, die von der preussiscben Regierung nach
Kurdistan und an den Nimrud-Dagh zu entsendende Expedition dahin begleiten zu
dürfen.
(22) Hr. M. Eisner V. Gronow auf Kali nowitz schreibt, mit Beziehung auf
die in der Sitzung vom 16. December 1882 (Verhandl. S. 559) mitgetheilten Be-
merkungen des Hrn. L. Schneider über
Lhota — Elgut.
Was den Namen Lhota anlangt, so habe ich selbst schon darauf hingewiesen,
dass er sich im Böhmischen eingebürgert hat, wie im Deutschen das Wort Colonie.
Doch hat er in der böhmischen Sprache noch eine besondere ßedeutung: Lhota ist
nehmlich eine Colonie, welche auf längere oder kürzere Zeit abgabenfrei errichtet
wird. Dass nach dem Rechte der Lhota vom 13. Jahrhundert an in Böhmen eine
(267)
Menge tod NiederlassaDgen errichtet wurde, ist mir bekannt. Ich behaupte aber, dass
der Stamm Lhot oder Lgot kein slavischer, sondern ein keltischer ist, sowie noch
heutigen Tages im Dialekt der Insel Man Lhot einen Besitz bedeutet. Verwandt
ist er mit dem deutschen Gut oder Hut.
Es ist auch eigenthumlich, dass die, Lhota oder Lgota benannten Besiedelungen
strahlenförmig von der Gegend um Krakau, wo Quaden und Sarmaten zusammen-
stiessen, ausgehen und sich in Schlesien, Polen und Mähren, wo sie nicht in dem
Umfange vorkommen, wie in Böhmen, auf die Eisenerzfelder beschränken. Wären
die Lhota*s von Böhmen ausgegangen, so musste ihre Verbreitungsweise eine andere
sein. In Böhmen sind dann eben Colonien vielleicht von nicht keltischen Eisen-
arbeitern und endlich auch von anderen Arbeitern in Menge nach dem ursprung-
lichen Recht der alten keltischen Niederlassungen angelegt worden.
Merkwürdig ist es auch, dass sich im südlichen Böhmen eine Gruppe Lhotas
um die Stadt Birken sammelt und dass diese Stadt Welsch-Birken heisst.
Die Niederlassungen, welche von den ursprünglichen Gotinen herrühren, waren
gewiss nicht zahlreich, sondern beschränkten sich auf das polnische Vorkommen, die
beiden schlesischen Gruppen, die mährische Gruppe auf dem Brauneisenstein des
Quadersandsteins und vielleicht 50 — 60 alte Lhota's in Böhmen.
Wenn das Wort Lhota als ein böhmisches beansprucht wird, so müsste der
slavische Ursprung nachgewiesen werden.
(23) Hr. Kofi er in Darmstadt übersendet Berichte über
Hügelgräber bei Lorsch und prähistorische Wohnstätten bei Hoizhausen v. d. Höhe.
1. Das Ried, welches in diesem Winter von den Fluthen des Rheines so schwer
heimgesucht ward, birgt in Wald und Feld eine grosse Menge Gräber vor- und
nachrömischer Zeit, Hügelgräber sowohl, wie Reihengräber. Die ersteren liegen in
grösseren und kleineren Gruppen, die letzteren zum Theil in grossen Todtenfeldern
beisammen. Grössere Gruppen von Hügelgräbern findet man bei Wallerstädten,
Gernsheim, Gross-Rohrheim, Jägersburg, Bobstadt und Lorsch. Reihengräber wor-
den bei Gross-Gerau, Berkacb, Biebesheim, Klein-Rohrheim, Gross-Rohrheim, Viern-
heim u. s. w. gefunden.
Die Zahl der Hügelgräber im Lorscher Walde, welche in verschiedenen Grup-
pen beisammen liegen, mag wohl etwas über hundert betragen. Sie sind schon
öfters Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung geworden '), leider wurde eine
Anzahl von ihnen auch von unkundiger oder muthwilliger Hand geöffnet und ge-
plündert oder gar zerstört, so dass man zur Zeit nur noch ganz vereinzelte, kleine,
niedere Gräber in ungestörtem Zustande antrifft.
Eines dieser noch ungestörten Gräber wurde von mir im vergangenen Herbste
geöffnet. Es lag im Districte ^Stubentränlte^, hatte eine Höhe von 90 cm und
einen ömfang von 60 m. Als ich mich, von unten her abhebend, der Mitte bis auf
3,2 m genähert hatte, fand ich genau im Westpuokt und 34 cm unter der Ober-
fläche des Hügels den Boden eines starken Thongefässes von gelbbrauner Farbe.
Andere Theile dieses Gefässes lagen 2,5 w von der Mitte entfernt in SSW. auf
dem gewachsenen Boden, während kleinere Stücke von hier ab bis zur Mitte bei-
nahe allerwärts vorkamen. Randstücke dieses Gefässes zeigen Verzierungen, welche
mit dem Finger eingedrückt sind.
1) Vergl. Beriebt d. Schle8w.-Hol8t.-Lau6nb. Ges. f. d. Sammlung vaterl. Alterthnmer. 8.
Kiel 1888 S. 36 ff. Darmst. Zeitung 1869 S. 180.
3)
1,2 tn Too der Mitte, ebenfttlJs im SSW,, stand auf dem Boden ein zweite« Ue-
fäs8, aus öcbiecht gebranntem Tbon, von schwärdicber Farbe und ohne Oraameute,
das TOH eingedruDgeneii Wurzeln In unzählige kleine Stucke zersprengt war. Die
Stucke, Boweit sie zusammengesetzt T^^erden konnten, deuten auf eine Hohe too
20 an und eine Weite von 17 mn; der Boden ist auffällig Bcbraal. In dem Räume
zwischen den beiden Gefassen lagen viele kleine, stark vermoderte HoIzstGckchen.
In der Nähe des zweiten Gef^sses fand ich vier Bronzezangelcben, zwei Milch*
zäbnchen, deren Glasur von der daneben liegenden Bronze grün gefärbt war, und
zwei Bronzeslifte. Zwei Zängelchen und ein Stift waren unbeschädigt Dje Zün-
gelcben haben eine Lange von 7^^ und eine Breite von '/s aiin Sie waren oh&en-
artig audgebogeo. sonst aber fest geschloBäen und bielren in den Zangen eine dicke
lederartige Substanz fest. Die Stifte, welche in der Weise hergestellt waren, dass
vier Drähte paarweise um einander gewunden wurden, hatten eine Länge von 7 ctn
und eine Dicke von 1 mm; sie waren am oberen Ende abgeplattet und zu einer
Oehse umgebogen.
Die Lederstuckeben beweisen, dass die Zängelchen einst einen Gegenstand,
Gewand oder Fell, festhielten, der dann vielleicht vermittelst eines durch die Oehsen
geschlungenen Bandes oder einer Faser am Halse über den Scliultern getragen ward.
3. Bei meinem letzten kurzen Aufenthalte in Holz bansen v. d. Höbe, etwa
1 St. von Homburg, wurde meine Aufmerksamkeit auf die an der alten Wein-
strasse (Mainzerstrasse) gelegene Lehmgrube gelenkt, wo sich mitten in dem
gelblichen Lehm Brandgruben vorluden sollten. Ich suchte den Ort in Begleituiig
der Herren Forbach und Ried, sowie des Fiurschutzen auf, welch' letzterer die
Arbeiten an der Grube zu besorgen hat und dabei eine grossere Anzahl dieser Erd-
locher vorfand, 0 bschon der Boden fest gefroren und hier und da mit einer Eis-
kruste überzogen war, liessen sich doch zwei dieser Brand gruben sofort erkennen.
Sie hoben sich mitten in dem gelben Lebm durch eine tief schwarze Farbe ab,
ihre Seiten waren senkrecht und 1^ — 1,2 m tief, der Boden abgerundet und etwa
1 m breit. Dem Anscheine nach waren sie kesselförmig, was auch mit den Aus-
sagen der Flurscbützen übereinstimmen wurde. Da wir keine Arbeitsgerätbschaften
mitgenommen hatten, waren wir genothigt, das Innere derselben vermittelst unserer
Stocke zu untersuchen. Es bestand dies aus einer fetten, tief schwarzen Erde,
reichlich durchsetzt mit Holzkohlen und Scherben thonerner Gefässe, die mit der
Hand geformt waren. Ihr Material ist ein zarter Tbon ebne Zusatz von Sand^ ihre
Farbe auf beiden Flachen roth, im Innern schwarz; die Masse ist so weich, dass sie
sich mit dem Messer beschneiden lässt. Ausser dieae'h Scherben fanden wir noch ein
kleines Stein Werkzeug; der Flurschütz will viele Knochenreste darin angetroffen haben.
(24) Hr. Jagor bespricbt neue Zusendungen des Hrn. von Koepstorff von den
Mlkobaren.
1. Ein Kocbgel^ss der Schombengs, aus Baumrinde gefertigt Es ist von den
auf Tafel VII unserer Zeitschrift für 1881 abgebildeten in so fern verschieden, als
es die Form eines Tragkorbes hat, während jene bootförmig sind. Hr. v. Roepstorff
hat das Gefäss im Gebrauch gesehen: es enthielt etwas Wasser, das während seiner
Anwesenheit erneuert wurde; auf der geschlossenen Mündung lag Pandanus*Teig,
der im Dampf kochte.
2* Ok-hau, d. h. Rinde von hau, von den Scbombengs loe-boe genannt,
Io§ = Zeug. £b ist ßaumbast, in Äiessendem Wasser einge weicht und auf Steinen
geklopft (wie die Tapa der Siidseeinaul&ner).
4
(269)
3. 2 Schamschurze der Schaura- Weiber (tatat); der grobe Schurz wird über dem
feiDOD während der Menstraation getragen.
4. Ein Votiybild, einen Mann im Grabe darstellend, seine Freunde stehen zu
beiden Seiten, links das Zeichen der Sonne, rechts das des Mondes.
5. Ein Korb, Ton den Schombengs ausgeführt
(26) Hr. W. Schwartz berichtet über neue
Funde auf der Insel bei Jankowo,
die Hr. Inspektor Pahlke gemacht und ihm eingesandt hat
1. Ein Steinhammer in kunstvoll bearbeiteter Form, 12 cm lang.
2. Ein kleines thönernes Geräth, 8 cm lang, bei welchem Hr. Pahlke an
einen Schmelzlöffel denkt und hinzufügt, „dass es beinahe die Form einer rohen,
nicht fertig gewordenen (türkischen) Tabakspfeife habe, nur dass die beiden „seit-
wärts^ auslaufenden Verengungen an dem lofifelartigen Vordertheil behufs Aus-
giessens der betr. Flüssigkeit gemacht zu sein schienen, und die Höhlung des Stiels
nicht nach dem Vordertheil durchgehe, sondern eben zum Hineinstecken eines
Stockes gedient zu haben scheine^.
3. Zwei thönerne Deckel von flaschenähnlichen Gefässen, 4 und 5 cm Durch-
messer.
4. Ein 16 cm langer und unten meisselartig angeschärfter und benutzter
Knochen (nach Erklärung des Hrn. Professor Nehring vom Pferde), desgl. ein
ähnliches Instrument vom Hirschgeweih.
5. Wieder ein beim Verfertigen verunglückter Hirschgeweihhammer, wie schon
mehrfach neben gut geglückten Exemplaren sich daselbst gefunden.
6. Ein Stück von einem thönernen Siebe (von der Grösse einer Handfläche).
Ausserdem legt Hr. Schwartz zwei, von Hrn. Freiherrn y. Hardenberg aus
Posen ihm übersandte, bearbeitete Steine, den einen aus Zniii, den anderen aus
Luschwitz, vor.
(26) Hr. Voss übergiebt einen Bericht des Hrn. Prediger Senf zu Laugwitz
bei Brieg, Reg.-Bez. Breslau, enthaltend eine Beschreibung des
Laugwitzer Fundes.
Laugwitz liegt am Schneidepunkte der alten Strassen Brieg — Strehlen, Ohlau —
Grottkau. In der Richtung auf Mollwitz zieht sich nahe am Orte der jetzt wasser-
arme Seihgraben hinab zum Hünern, chartographisch Olwetzbache. Rechts von
jenem Graben erhebt sich eine sandige Bodenanscb wellung, deren Material seit
Jahren zur Wegebesserung abgefahren wird. Im Herbste 1882 deckte die fort-
gesetzte Abräumung des geringen Mutterbodens eine kohlengeschwärzte Sandfläche
auf, in deren Mitte sich eine fast kreisförmige, erderfüllto Grube einsenkte von
186 cm Durchmesser und 50 cm Tiefe. Sie war in folgender Weise entstanden:
Nach Auswerfung einer etwas grösser dimensionirten Grube hatte man die steilen
Sandwände entlang, um ihre Abrieselung zu verhüten, in massigen Abständen dünne
Pfahle bis zu 30 mm Durchmesser senkrecht eingeschlagen und dann mit Ruthen
bis 10 mm Durchmesser durcbflochten. Ein noch flüchtigeres Flechtwerk bedeckte
den Boden. Dieser flache Korb wurde mit einem fingerdurchfurchten, dicken Lehm-
bezuge versehen, der aber über den Eorbrand breit herüberschlug, nach unten sich
progressiv yerstärkte. In der Mitte des schrägwandigen, knietiefen Raumes
eriioben sich etliche gewichtige, feuerzermürbte Granitsteine, neben denen eine
(270)
stark geschwärzte Herdplatte lag. Wir stehen offenbar in einer alten Küche, über
der, hier konserrirend, das Wohnhans brennend zusammenbracl/. Die gewaltige
Gluth bewirkte eine kunstgerechte Yerkohlong des beschriebenen Flechtwerkes,
durch diese aber Schwärzung und Härtung, selbst sporadische Verziegelung der
hintersten Lehmlagen, während die oberen nur leicht gebräunt erscheinen. Als Be-
weismittel für die eben gemachten Angaben werden einige 30 Probestücke von 8200,
Flechtwerkkohlen von 200, die Herdplatte von 5450 g Gewicht aufbewahrt.
Grössere Wichtigkeit ist natürlich beizumessen dem seltenen, überaus reich-
lichen Scherbengerichte, das auf dem breit überschlagenden Lehmrande des be-
schriebenen Eüchenraumes aufgetischt war. Kaum konnten die fahrlässigen Köchin-
nen der Vorzeit auch nur von fem ahnen, dass die Scherben ihres Koch- und Tafel-
geschirres in den Augen der wissenshungrigen Nachwelt einen bedeutenderen Werth
besitzen wiirden, als die Produkte ihrer Kochkunst für den Gaumen ihrer Zeit-
genossen. Wir sind ihnen zu Danke verpflichtet dafür, dass sie entstandene Ge-
fassbruchstücke nicht ordnungsliebend zur Hüttenthür hinauswarfen, sondern be-
quemer Weise in nächster Nähe für ein künftiges Museum zusammenschoben.
Wir sehen lauter Scherben alten Bruches vor uns. Als Ganzes konnte höch-
stens bezeichnet werden ein Napf, dessen Rest 78, 92 und 170 mm Höhe, Boden-
und Randdurchmesser zeigt und den 2 flache Parallelreifen umlaufen. Von einem
ähnlichen, etwas kleineren existiren nur 6 Randstücke. Ein dritter, noch klei-
nerer, mit auswärts geneigtem Rande, hat inwendig 2, auswendig 3 Parallelen
über den untersten, wie auch ein zugehöriges Bodenstück bestätigt, 2 Halter-Knöpf«»
eben. Eben so viele sitzen an den beiden Resten eines vierten. Gesammt-
gewicht aller Napftheile 500^.
Die vorhandenen Randstücke von 1 1 grosseren Gefässen varüren im Mündunga-
durchmesser von 10 bis 28 cm. Gewicht Summa 1500 g, 15 Bodenstücke Summa
1250^.
Den 125 nicht ornamentirten Scherben von 4350 g stehen gegenüber 52 orna-
mentirte von 3250 ^, von denen 7 zugleich Randstücke sind, die 1500 g Gewicht
in Anspruch nehmen, auf das grösste kommen 900 g. Demnach wiegen sämmtliche
Scherben 10 850^.
Die ca. 20 verschiedenen Ornamente zerfallen in 3 Klassen: Kreise, erzeugt
durch einen Stempel mit 13 viereckigen Erhabenheiten; Parallelen bis zur Vier-
zahl, grabenformige mit rechtwinklig aufsteigendem, muldenartige mit etwas über-
stehendem Rande; dazwischen ein-, zwei-, selbst 8 fache Wellenlinien in mannich-
fachster Bewegung, die einen sanft und langgestreckt, die anderen kürzer, wilder,
wild bis zum schliesslich doch noch leise umbiegenden Zickzack. Die parallelen
Wellenlinien denkt man sich gewöhnlich mit mehrzinkiger Holzgabel gezogen.
Wahrscheinlicher dürfte sein, dass man eine entsprechende Anzahl elastischer Ruthen
in einen gespaltenen Holz- oder noch weichen Thongriff einschob und dann festband
oder festbacken liess.
Der erste Blick auf die mitgesandten Tafeln macht darüber gewiss, dass nie
noch auf so kleinem Räume sich eine so überraschende Fülle verschiedenartigster
Schanzenornament-Muster zusammenfand, die sonst nur getrennt und vereinzelt vor-
kommen. Als die beiden merkwürdigsten erscheinen zwei Stücke, welche alle drei
Ornamentstufen vereinigen, auch Stempeleindrücke zeigen, das eine ringsum-
laufend ihrer 21, das andere wenigstens einen fragmentarischen. Beide sind zu-
gleich, was besonders betont zu werden verdient, nach Material, Härte, Farbe von
späterzeitlicher, steingutartiger Beschaffenheit, während die ganze übrige Scherben-
raasse durchaus den Charakter des früher gewöhnlichen Urnengutes an sich trägt
(271)
Nun begegnet freilich ans selber in einem der vielen, bisher als Graber geltenden,
aber als Terfallene Wohnungen nachweislichen Steinhugel am Schmowitz-Walle bei
Üaatzen ein gestempelter Scherben von altüblichem Urnengute. Die viereckige,
schachbrettfeldähnliche Figur bestand aus mehrfachen Reihen durch Stempel er-
zeugter scharfkantiger Punkte. Indess dürfte doch das oben hervorgehobene Faktum
in der Gewissheit bestärken, dass der Stempel stets auf eine spätere Zeit weist,
und zwar um so mehr, als notorisch seine Anwendung auf Gefassen jüngeren Da-
tums zunimmt.
Im Verlaufe unserer Erörterungen behaupteten wir, dass der scherbenspendende
Küchenraum, in dem wir uns so lange bewegten, unter den brennenden Trümmern
einer Wohnung begraben wurde. Zum Schlüsse geben wir den nothwendigen, aber
leicht zu erbringenden Beweis dafür.
Er liegt in den 38 825 g wiegenden 291 Stücken des Lehmbewurfes jener
Hütte, welche die einstige gütige Feuersbrunst rothverziegelt auf uns brachte, —
eine glänzende Bestätigung der Beschreibung, die Tacitus vom Wohnbau unserer
Vorfahren entwirft. Sie errichteten ihre Hütten aus rohem Holzwerk, das natür-
lich nicht fest zusammenfügte und darum zur Dichtung von aussen und innen
einen starken Lehmbezug erhielt. Inwendig, etwa bis zur Mannshohe, suchen
wir die ^sorgfältigere Erdausglättung von einer Reinheit und einem Glänze, dass
man dadurch an die bemalten und von farbigen Linien umzogenen römischen
Zimmerwände erinnert wurde. ^ So etwa dürfte die bekannte klassische Stelle er-
läuternd zu übersetzen sein. Die y^sorgfältigere^ innere Lehmdicbtung setzt voraus
eine weniger sorgfaltige äussere. Um diesen Lehmmantel vor dem Regen zu schützen,
wurde ihm einer von Stroh umgehängt, wie deutlich zu sehen an den Hüttenbildern
auf der Antoninssäule und auf der Platte im Louvre Museum. An den Hausurnen
ist nichts davon wahrzunehmen, auch das Strohdach der Ascherslebener ist noch
streitig.
Die Richtigkeit des eben Gesagten wird zweifellos festgestellt durch die Laug-
witzer Fundstücke. Aehnliche, aber mürbe, bereits abgebröckelt, kleineren Maass-
stabes, fielen uns schon bei Lausitzer Ausgrabungen in die Hände. Dank der
starken Verziegelung haben wir es hier mit einer ungemeinen Menge von Bewurf-
stücken zu thun, die zum Theil bedeutende Dimensionen, bis 950, sogar 1325 g
Gewicht und so klare Couturen besitzen, dass sie die zuverlässigsten Wahr-
nehmungen verstatten.
Die Ziegelstücke zeigen meist eine prismatische, zuweilen auch eine vierkantige
Gestalt, je nachdem der feuchte Lehm zwischen nur 2 Rundhölzer hineingedrückt
wurde, oder zwischen ihrer 3, von denen das eine mehr zurücktrat. Hie und da
lassen stumpfe Kanten auf zu verklebende Spalten von 1 cm Weite, die daneben
befindlichen Ein Wölbungen auf Baumstämme bis zu 18 om Durchmesser, die Stroh-
und Rohrabdrücke der Rückseite auf das Material des Schutzmantels schliessen.
Gegen 5000 g Abdrücke grobfaseriger Holzflächen ergeben zur Gewissheit die nahe-
liegende Vermuthung, dass stärkere Rundhölzer längsgespaltet zur Verwendung kamen.
Die Spaltfläche kehrte sich wohl bauverständiger Weise nach dem Hütten inneren.
Gerade das gewichtigste Probestück kann nur so erklärt werden, denn seine mit
Holzfasermarken bedeckte Seite ist entschieden convex, entstammt also einer rund-
laufenden Holzwand. Auch steht dies Beweisstück keineswegs allein.
Die Dicke des Lehmbezuges, der die luftige Hüttenwand dichtete, wechselt
von 3 bis 6 cm. Die ihn fest anstreichende Hand hat stellenweis Fingerspuren
hinterlassen. Zur Erhöhung seiner Haftkraft und Haltbarkeit pflegte man ihn mit
Stroh zu durchkneten, wie häufige Halmlöcher und selbst ein glücklich erhaltener,
(272)
also fast lOOOjähriger Halm bezeageo. Es scheint ein Roggenhalm. Vor der Lehm-
auftragung, um bessere Bindung vorzubereiten, beklebte man die Pfahlwand in der
Längsrichtung mit dünnen Strohzopfen, von denen Abdrücke vorliegen. Kein ein*
ziges Ziegelstück trägt Rutbenflechtwerkspuren, wie man sie anderwärts in Be-
gleitung filterer Urnen gefunden haben will.
So hat denn unser Fund eine ganze Menge Baugeheimnisse der Vorzeit an's
Licht gezogen, mit denen wir uns so lange begnügen müssen, bis es dem Spaten
glückt, weitere Museen von Ziegelstücken zu erschliesscn. Die beiden bisher ent-
deckten lagen in ca. 4 Schritt Entfernung von der uns heimisch gewordenen Küche
und zwar dicht auf einander gepackt als Cylinder von 30 cm Durchmesser und
70 cm Höhe in den Sand eingesenkt. Wie sie da hinunter kamen, blieb zunächst
unerklärlich; die geringen beigemischten Kohlenspuren gaben darüber keinen Auf-
schluss. Das eine Nest umschloss mehr als 156 Partikel von 16 525, das andere
135 von 22 300 g Gewicht.
Die seit vielen Jahren benutzte Sandgrube ergab nach Angabe der Arbeiter
bislang weder Ziegelstücke noch Scherben. Wir aber sahen an ihren ausgedehnten
Wänden und Rändern den Gegenbeweis hängen und liegen. Ebenso will man bis-
lang weder verbrannte noch unverbrannte Gebeine entdeckt haben. Auch darüber
wird erst fortgesetzte, genauere Untersuchung Entscheidung bringen.
Wir schliessen mit der schon oben augedeuteten Vermuthung, dass Kundige
unsere Fundstücke dem ersten Jahrhundert des laufenden Jahrtausend zuweisen
werden. Om diese Zeit drang das Cbristenthum hier ein. Die Kirche zu Schmo-
grau, die erste Schlesiens, wurde ca. 966 erbaut. —
Hr. Voss bemerkt dazu, dass die vorliegenden Gefässfragmente in Form und
Ornamentik zwar einige Abweichung zeigen (den punktirten Kreis, die starke
Wölbung der Seiten wand, welche dem Gefass eine fast kugelförmige Gestalt gebe,
sowie die verhältnissmässig enge Mündung), im Grossen und Ganzen sich Jedoch
an die keramischen Produkte unserer nördlicheren slavischen Burgwälle nahe an-
schliessen. Ebenso finden sich in letzteren die erwähnten mit Stroh durchkneteten
Ziegel brocken, welche man in Pommern „Klehmstücke^ nennen würde, nach Ana-
logie der aus solchem Material hergestellten Fach werkwände, der sogenannten
„Klehmwände^.
(27) Hr. Voss berichtet, unter Vorlegung von Fundgegenstäuden, über die
Pfahlbauten bei Schussenried und Im Olzreuther See, Württemberg.
Hr. Oberförster Frank zu Schussenried hat die Güte gehabt, dem könig-
lichen Museum eine kleine Collection von Fundgegenständen aus dem Pfahlbau in
Schussenried zu verehren, welche ich mir erlaube, hier vorzulegen. Hr. Frank hat
bereits mehrfach über die Fundstätte berichtet (Die Pfahl bau Station Schussenried,
Württemb. naturwissenschaftl. Jabreshefte, Stuttgart 1876 und Lindau 1877. Com-
missions Verlag von J. Th. Stettner. Das Königreich Württemberg, eine Beschreibung
von Land, Volk und Staat, herausgeg. v. d. Königl. stat. topogr. Bureau. Bd. I,
1882. S. 112fif.), auch Gegenstände zur prähistorischen Ausstellung im Jahre 1880
hierher gesandt (Kat. d. Ausst. S. 6ü2fiF.). Seit jener Zeit hat er die Ausgrabungen
fortgesetzt und seine Sammlung nicht unbeträchtlich vermehrt. Das wichtigste
Resultat seiner letzten Ausgrabungen jedoch ist die Aufdeckung des wohlerhaltenen
Unterbaues eines Pfahlbauhauses, von dem er Aufnahmen nach der Natur hat an-
fertigen lassen und die ich Ihnen in Photographie hier vorlegen kann. Ich war
(273)
künlieh selbst an Ort und Stelle und mass gesteheD, dass selteD eine präbistorische
Stätte einen so bedeutenden Eindruck auf mich gemacht hat, als dieses unscheinbare
Haus Ton so bescheidenen Dimensionen. Die Länge desselben beträgt nur 7,5 m,
seine Breite 4,5 m. Es bildet ein Rechteck und ist auf etwa ein Drittel der Lange
durch eine Querwand getheilt, die Seitenwände des Unterbaues sind hergestellt
aus Palisaden, gespaltenen Eichenstammen, welche mit der Spaltfläche nach innen
gestellt sind, ebenso die Zwischenwand. Die Fugen sind mit feinem Thon dicht
verkittet Die Bodenfläche dieses wasserdichten, kastenförmigen Raumes wurde zur
Herstellung eines festen und trockenen Wohnbodens mit mehreren abwechselnden
Schichten von Thon und horizontal gelegten Spalthölzern belegt. In der grösseren,
etwa zwei Drittel der Fläche einnehmenden Abtheilung des Hauses besteht der Wohn-
boden aus 5 solchen Schichten, in der kleioen nur aus 3. In der letzteren liegt oben-
auf ein Pflaster ans diluvialem Steingeröll. Offenbar war hier die Feuerstätte und bil-
dete dieser Theil, welcher mit dem grösseren Räume durch eine Thür verbunden war,
die Küche. Die Palisaden sind nur in den Torf getrieben, ebenso liegen die unteren
Schichten der Wohnböden auf einer Torfschicht, dagegen sind die an der Innen-
seite der Palisaden eingerammten Pfosten der Wände des Oberbaues, welche auch
das Dach zu tragen hatten, bis in den Seeboden hineingetrieben. Aus dem kleineren
Räume gelangte man ins Freie und zwar auf eine Laufbrücke, welche die Strassen-
verbindung bildete. Das ganze Holzwerk des Unterbaues ist sehr gut erhalten und
fast gar nicht aus der ursprünglichen Lage verrückt, so dass man fast glauben
könnte, es sei diese Wohnstätte erst seit Kurzem verlassen worden, nachdem irgend
ein Ereigniss den Oberbau zerstörte.
Unter den Artefacten nehmen an Zahl die Hirschhorngeräthe eine sehr her-
vorragende Stelle ein, wie überhaupt der Hirsch 70 Procente der in der Station
vertretenen Fauna bildet. An sogenannten Hirschhornhämmern wurden nicht
weniger als circa 30 Exemplare gefunden, zum Theil mit Stielfragmenten. Letztere
. waren ebenso wie der Stiel der zu dem Spandauer Bronzefunde gehörigen Zieraxt
(s. Verb. d. B. A. G. 1882 S. 125 ff.) aus. Eschenholz (fraxinus excelsior) verfertigt.
Das häufige Vorkommen dieser sogenannten „Hämmer^ oder „Aexte^ gerade in
diesen eigenthümlichen Bauten, zu welchen eine so bedeutende Menge gespaltener
Stämme verwendet wurde, dürfte wohl zu der Annahme berechtigen, dass dieselben,
ebenso wie jene von den Haidah's Nordwestamerika's verwendeten Hirschhorn keile,
von denen ich einige Exemplare vorlege, ebenfalls als Keile zum Spalten der Baum-
stämme dienten. Wie Sie sehen, ist die Form beider Instrumente sehr ähnlich,
nur sind die der Haidah nicht mit Stielen versehen. Den Stiel brachte man aber
deswegen an, um den Keil als Setzkeil zu gebrauchen und so der Gefahr zu ent-
gehen, von der wuchtigen und plumpen Keule des Holzspalters an der Hand
verletzt zu werden. In gleicher Weise deuten auch jedenfalls jene eigenthümlichen
Steingeräthe in Schuhleistenform, welche theils durchbohrt theils undurchbohrt
vorkommen und zum Theil als Hobel oder Glättwerkzeuge angesehen wurden, sowie
jene schweren grossen Steinkeile mit unbearbeitetem Bahnende und meist sehr
engem Stielloch, welche man zum Theil für Erdhacken oder Pflugschare hielt,
zum Spalten von Baumstämmen.
An Steinäxten, meist aus feinkörnigem Granit und Gneiss, wurden etwa 30
EiXemplare von nur kleinen Dimensionen gefunden, unter ihnen ein hübsch geform-
tes kleines Jadeitbeil (spec. Gew. 3,370). An durchbohrten Steinhämmern wurden
oar 1 ganzes Exemplar und 2 Bruchstücke gefunden. Von den Steinbeilen waren
2 Exemplare unvollendet und ein Exemplar erst ganz roh zugehauen im Anüangs-
stadium der Bearbeitung. Feuerstein kam hier verbal tnissmässig wenig vor. Es
V«rhandl. d«r Bari. AaUiropoL Get«llscliaft 188S. 18
(274)
waren Schaber, Pfeilpitien, Messer, Bohrer, Sägen und kleine unverarbeite EnoUeD.
Ausserdem wurden Klopfsteine, Reibsteine und Mahlsteine gefunden.
Knochenwerkzeuge sind ebenfalls reichlich vertreten, namentlich in Form von
Meisseln (die langen aus Rohrenknochen vom Rind, die kurzen aus Hirschhorn) udcI
Pfriemen, von letzteren zwei aus den Armknochen des Reihers.
Sehr interessant sind auch die Gefasse. Sie sind meist schwarz, nur ein kleines
Gefäss zeigt schwarzen und rothen Brand, ist also ein Beweis dafür, daas die
Schwärzung der Geffisse durch Blaken geschah. Die Ornamente bestehen in schraf-
firten triangulären Flächen mit glatten Zickzackbändern um den Hals oder den
Körper und senkrechten Parallelbändern. Die Linien sind eingerissen und mit
weisser Masse gefüllt. Ein Stück mit eingedrückten Dreiecken und Ereisverzieruog
erinnert entfernt an die Verzierungen der Gefasse des Attersees und Mondsees
(6. Graf Wurm br and, Ergebn. der Pfahl bau- Unters, in den Mitth. der anthropol.
Ges. zu Wien, II. Bd., Nr. 8, Taf. 5 u. 6 a. Much ebenda». Nr. 10 Taf. 1). Im
üebrigen stehen die Gefasse in ihrer Yerzierungsweise bis jetzt ziemlich isolirt
da, nur die Station Bodman am üeberlinger See lieferte ähnliches Topfgerätb, nach
den im Museum zu Friedrichshafen vorhandenen Proben.
Hr. Oberförster Frank hat in letzter Zeit noch einige andere Stationen ent-
deckt, so auf einer in den Olzreuther See vorspringenden Landzunge von 12 ar
Grosse. Dieselbe bot einige Abweichungen von der bei Schussenried, u. A. in der
Art und Weise der Schäftung der Steinbeile und in den Thonwaaren, deren Orna-
mentik häufig gerade Linien mit Querstrichen zeigt, die im Üebrigen dem Schussen-
rieder Topfgeschirr aber ähnlich sind. Bemerkenswerth ist, dass hier 4 Nephrit-
Instrumente gefunden wurden, ein Beilchen und 3 Meissel; letztere sind Fragmente
grösserer Beile und nachträglich zu Meisseln umgeformt. Es sind also vier nur
kleine Stücke, entsprechend den Befunden, welche die neuerdings in grosser Menge
im Bodensee zu Tage geforderten Nephritgegenstände constatiren lassen. £^ muss
nehmlich nach meiner Meinung noch viel schärfer als bisher die Nephritfrage von
der Jadeitfrage getrennt werden und zwar hat man bis jetzt noch zu wenig Werth
auf die äussere Form der Gegenstände gelegt, welche schon zwischen den Arte*
facten aus den beiden Mineralien einen ziemlich durchgreifenden Unterschied er-
kennen lässt. Wie man sich namentlich auch in dem reichhaltigen Museum zn
Constanz überzeugen kann, sind die Jadeitwerkzeuge immer sorgfältig gearbeitet,
auch die kleineren Exemplare, welche nicht den Charakter der grossen Flachbeile
mit spitzem Bahnende an sich tragen. Die Nephritstücke dagegen sind meistens
nachlässig gearbeitet, nur einige und verhältnissmässig wenige etwas sorgfaltiger.
Oft sind sie Trümmer von grosseren Stücken, meistens aber nur von kleineren
Dimensionen. Vielleicht deuten schon diese äusseren Umstände darauf hin, das«,
wenn in der Zukunft die Frage zur endgültigen Lösung gelangen sollte, die Pro-
venienzen dieser aus den genannten beiden Mineralien gefertigten Artefacte ganz
verschiedtM) sein werden. Nicht im Geringsten zu bezweifeln ist jedenfalls, dass
die %ladeitl>oiU\ vor Allem die schönen grossen Flachbeile, einen weitverbreiteten
Handelsartikel bildeten.
Kino auilere sehr interei^s^nte Station am Olzreuther See, welche Hr. Frank
noueniiujis aufdeckte, ist Ihm Kiein-Winn enden. Die dort gefundenen Gefasse sind
von sehr f^uter Tochnik, ähneln denen der Hügelgräber jener Gegenden und sind
«um Theil mit n>then Linean^rnamenten auf hellgrauem Grunde bemalt
Hr. OlH'rf5rster Krank wird später einen ausführlichen und vollständigen Be-
richt ülH'r seine neuesten Forschungsresultate ereoheinen lassen, auf den ich bei
dieser Gelegenheit für genauere Information verweisen will. —
(275)
Hr. Nehring bemerkt, dass die aus HirscbgeTveih yerfertigten Gerathe wohl
Bcbwerlich als Keile beim Holzspalteo, sondern als axtartige Instrumente gedient
hätten. Das Renthier komme nach den vorgelegten Stücken in Schussenried nicht
vor. —
Hr. Voss erwidert, dass die schussenrieder Renstation durchaus getrennt yon
der Pfahlbau-Station liege. £r hält an der Ansicht fest, dass die Geweihstücke als
sogenannte „Setzkeile^ gedient haben müssten.
(28) Hr. Nehring spricht über einige
prähistorisohe Funde aus der Gegend von Osohersleben (Reg.-Bezirk Magdeburg).
1. Der erste Fund stammt von dem Gypsberge bei Weste reg ein. Hier wur-
den während des letzten Winters in einer Schicht röthlichen Thons, welcher auf
der Höhe des Berges ansteht und durch einen Steinbruch aufgeschlossen ist, zahl-
reiche, grob gearbeitete Urnen und daneben ziemlich roh durch Hauen und Schlei-
fen hergestellte Steininstrumente (aus Diorit und Kieselschiefer), sowie Reste
von wilden und domesticirten Thieren gefunden und durch den Besitzer des Gjps-
berges, Hrn. Bergung, gesammelt Es handelt sich hier um dieselbe Fundstelle,
über die ich bereits vor einigen Jahren an die Gesellschaft berichtet habe^).
Während damals Steininstrumente (ausser einem Schleifsteine) nicht gefunden
wurden, sind dieses Mal 8 Exemplare zum Vorschein gekommen, welche theils die
Form von Aexten, theils von kleinen Meissein haben und hinsichtlich ihrer Be-
arbeitung erkennen lassen, dass sie sowohl durch Schlagen, als auch durch Schlei-
fen in die beabsichtigte Form gebracht sind. — Die Urnen sind leider zerbrochen;
doch zeigen die Bruchstücke, dass dieselben sehr dickwandig, roh geformt und
schlecht gebrannt waren, ebenso wie bei dem früheren Funde. — Was endlich die
thierischen Reste anbetrifft, so bestanden dieselben in Skelettheilen von Bos sp.,
Sus scrofa, Cervus elaphus und Cervus capreolus*-^). Menschliche Ueberreste sind
nicht beobachtet worden.
2. Der zweite Fund stammt von Alickendorf bei Hadmersleben, westlich
von Westeregeln gelegen. Hier wurde vor einigen Jahren in einer Lehmgrube eine
mit 4 kleinen Henkeln versehene Urne nebst 2 Beigefässen neben einem
menschlichen Skelet ausgegraben. Die Gefässe sind schwach gebrannt und
o£fenbar aus freier Hand geformt; das eine der kleinen Beigefässe hat die Gestalt
eines Bechers, das andere die einer Tasse. — Nach Angabe des Finders, welcher
die obigen Gefässe mir gegen eine kleine Entschädigung überliess, sind in der Um-
gebung von Alickendorf schon mehrfach ähnliche Grabfunde gemacht worden. Das
oben erwähnte menschliche Skelet war leider nicht mehr zu beschaffen, man hatte
es verkommen lassen.
3. Der dritte Fund endlich besteht in einer vollendet schön gearbeiteten, reich
verzierten Urne, welche vor etwa 6 Jahren in der Gemeindekieggrube bei Hohns-
leben unweit Schöningen ausgegraben und mir von dem inzwischen verstorbenen
Ortsvorsteber Jäger geschenkt wurde. Der Inhalt des Gefässes soll aus verbrann-
ten menschlichen Gebeinen bestanden haben. —
1) Vergl. Sitzungsber. vom 12. April 1878, Verb. S. 216.
2) Genaueres über dieselben, sowie über die sehr reicbbaltigen DiluTialfunde, welche im
letzten Winter wieder bei Westeregeln zum Vorschein gekommen sind, habe ich in der Qe-
sellscbaft natnrforsoh. Freunde zu Berlin am 17. April d. J. mitgetheilt. Siebe den betreffen-
den Sitzungsbericht.
18*
(276)
Hr. Voss ist der Ansicht, dass der tod Hrn. Nehring vorgelegte gerillte Sand-
stein zum Glätten und Geradestrecken von Pfeilschäften benntst worden sei. —
Hr. Nehring wünscht eine Aeusserang über das mothmaassliche Alter der
Thongeräthe. —
Hr. Yirchow erklärt, dass die geschlagenen Steingeräthe Ton Westeregeln den
herrschenden Thüringer Typus erkennen lassen und keineswegs dem eigentlichen
Steinalter angeboren müssen. Auch das Thongeräth könne dafür nicht herangesogen
werden. —
Hr. Nehring glanbt aus der schlechten Beschaffenheit der Omen auf ein höheres
Alter derselben schliessen zu dürfen. —
Hr. Virchow erwidert, dass wir sehr häufig die Erfahrung machen, dass ge-
rade das ältere Thongeräth sorgföltiger und geschickter gearbeitet ist, als das
neuere. So sei auch in diesem Falle die Wahrscheinlichkeit recht gross, das gerade
das rohere Geräth von Westeregeln jünger, das reicher verzierte von Hohnsleben
älter sei.
(29) Hr. Virchow berichtet
Ober den Stand der prähistorischen Forschungen in Italien.
Bei meiner vor Kurzem gemachten Reise hatte ich das dem Zufall des an-
haltend kalten Wetters zuzuschreibende Glijck, dass ich im Verlauf von wenigen
Wochen Italien seiner ganzen Länge nach zweimal durchmessen habe und dass ich
nicht nur die mir schon von früher her bekannten Sammlungen von Neuem mustern,
sondern auch eine grosse Zahl ganz neuer hinzufügen konnte. Auf diese Weise
vermochte ich mit einer gewissen Sicherheit, darf ich wohl sagen, in meiner Er-
innerung die Wechsel vollen Formen zu fixiren, welche mir dort entgegentraten. Wenn
ich hier Einiges daraus bespreche, so kann um so weniger von etwas Vollständigem
die Rede sein, als ich noch nicht einmal Zeit gehabt habe, meine Notizen zu
ordnen.
Ich ging in der zweiten Hälfte des März durch den Gotthard nach Italien
und begab mich auf der neu eröffneten Linie längs des Lago maggiore zunächst
nach Turin, von da nach Genua und, da die Kälte meinem noch geschwächten Zu-
stande wenig entsprach, ziemlich schnell über Rom und Neapel nach Messina. Ich
habe dann die östliche Küste von Sicilien bis Syracus allmählich durchwandert,
bin darauf hinübergegangen nach Girgenti und von da nach Palermo. Am 12. April
war ich wieder in Neapel. Von da an habe ich meine Rückreise auf dem Conti-
nent etwas ruhiger fortgesetzt und habe namentlich in Neapel, Rom, Corneto, Peru-
gia, Florenz, Bologna, Reggio und Este die Alterthumssammlungen genauer studirt.
Was mich auf dieser Reise am meisten überraschte, war die sehr erfreuliche
Erscheinung, dass in dem Maasse, wie die prähistorische Wissenschaft überhaupt
erstarkt, allmählich auch der Widerstand mehr und mehr gebrochen wird, der ge-
rade in diesem Lande der klassischen üeberlieferungen von Seiten der alten Ar-
chäologie unseren Bestrebungen entgegen gestellt wurde. Es lässt sich ja begreifen,
dass in einem Lande, wo so zahlreiche Kunstsachen, plastische sowohl wie gemalte,
namentlich Vasen in den allermannichfaltigsten Erscheinungen zu Tage treten,
wo mehr, als bis dahin in Griechenland selbst, die hellenischen Sagenkreise ge-
wissermaasen neu erschlossen worden sind aus diesen Funden, wo so lange Zeit
(277)
hindurch die Untersuchung sich in der Tbat auf einem gesicherten, historisch-
philologischen Boden bewegte, -— dass man hier mit einer gewissen Zurückhaltung '
den neuen Funden gegen übertrat, für die in der Geschichte kaum Anknüpfungen
vorhanden waren und die eine Menge von Prämissen, welche man bis dahin fest-
gehalten hatte, über den Haufen warfen. Man muss es in der That mit besonderer
Anerkennung rühmen, dass einer nach dem anderen von den klassisch gebildeten
Männern in Italien sich der prähistorischen Richtung zugewendet hat. Ich will
jedoch nicht verschweigen, dass fast jeder von ihnen mir mitgetheilt hat, welche
inneren und äusseren Schwierigkeiten er zu überwinden gehabt habe, um sich zu
entschliessen, sich mit Prähistorie zu beschäftigen; mancher sprach sogar die Be-
sorgniss aus, dass er desswegen in der Achtung seiner philologischen Collegen ge-
sunken sei. Einer der bedeutendsten von ihnen erklärte mir sogar, er werde nur
noch einmal dieses Gebiet betreten; dann müsse er sich wieder zu rein philologi-
schen Untersuchungen zurückwenden, wenn er nicht seinen Credit ganz einbüssen
wolle. Ich will nicht behaupten, dass unsere Philologen so ausschliesslich sind^
indess gerade aktive Tbeiluahme von dieser Seite können wir mit wenigen Aus-
nahmen, die ich besonders dankbar anerkenne, bis jetzt auch nicht anführen. Viel-
leicht wird es gelingen, wenn gerade in den Ländern des klassischen Alterthums
die Prähistorie mehr und mehr ihren bedeutungsvollen Platz ausfüllt, auch bei uns
das Verständniss derselben in grösserer Ausdehnung zu heben.
Sie werden begreifen, m. H , wenn, wie das jetzt bei den neuen Anlagen in
Rom der Fall gewesen ist, der Zufall plötzlich an die Grenze zwischen dem Histo-
rischen und Präbistorischen fuhrt, dass die Ueberzcugung von der Reihenfolge der
Culturen sich mit einer gewissen unabweislichen Härte dem Einzelnen aufdrängt.
Dieser Fall ist namentlich eingetreten bei der Anlegung der neuen Stadttheile,
welche den alten Esquilin und Viminalis bedecken. Die Veränderungen, welche
in Rom in dieser Richtung, namentlich gegen Nordosten, im Laufe der letzten Zeit
vor sich gegangen sind, sind so erstaunlich, dass ich, der ich seit 10 Jahren nicht
dort gewesen war, mich Anfangs gar nicht zurechtfinden konnte. Grosse Stras-
sen, von denen keine Spur existirte, als ich das letzte Mal da war, haben die
tiefen Einschnitte zwischen den alten „Hügeln^ durch grosse Aufschüttungen, die
allerdings die ehemaligen „Hügel^ noch erkennen lassen, so sehr ermässigt, dass es
sehr schwer ist für einen, der die Verhältnisse nicht ganz genau kennt, die Sieben-
hügelstadt noch aufzufinden. Die Anlage der neuen Strassen, sowie der Bau der
Eisenbahnstation ist auf ein Terrain gekommen, welches nachweislich der ältesten
Ansiedelung von Rom entsprach, wo zuerst die Stadt sich entwickelte. Späterhin hat
sich die Stadt mehr und mehr verschoben, sie ist allmählich von den Hügeln her-
abgestiegen in das zwiscbenliegende Gebiet, und namentlich gegen den Tiberstrand
hin hat sie sich in grösserer Ausdehnung auf Gebiete erstreckt, die früher wegen
der Malaria gemieden waren. Es ist wohl kein Zweifel, dass schon in der alten Zeit
die Anlage der Stadt auf den Hügeln aus sanitären Rücksichten stattgefunden hat,
wie man gewiss auch die hohe Lage des grössten Theils der alten etruskischen
Städte nur erklären kann, wenn man erwägt, welche Gefährlichkeit die Malaria
überall in den Thälern und Ebenen besitzt, wo nirgends ein genügender Abfluss
stattfindet, sondern überall stagnirende Gewässer vorhanden sind. Ich erinnere
an das grosse Gebiet um den trasimenischen See mit allen den daran sich an-
schliessenden kleinen Niederungen. Dass man da auf die höchsten Bergspitzen
gegangen ist und dass fast alle etruskischen Städte auf Höhen, zum Theü fast
unzugänglichen, angelegt sind, das ist begreiflich. So hat sich auch Rom ursprung-
lich auf den Hügeln entwickelt, weil man in der Tiefe nicht existiren konnte. Was
(278)
man jetzt in der Campa|Q;Da ßieht, dasa jedes Haus eine erbabeoe Sälelle eionimmt,
das idt mit einer gewissen Flaomussigkeit auch in der ursprGngUcben Anlage Eotns
beobachtet worden. Dieeer älteste Theil ist späterhin 2um Theil verlassen und erst
in der Kaiserzeit wieder benutz worden, als das Castrura praetorium in dieser
Gegend angelegt wurde. Der Sclnitr zahlreicher Zerslörungen hatte dann all mäh-
lich auch das wieder bedeckt, ao daas man höchst ubenrascht war, aJa man auf
diesem Gebiet, und zwar gerade an dem Bahnhof, ähnlich wie das auch bei uns
an vielen Orten, %. 6. in Kegensburg, geschehen ist, auf die Rudimente der aiten
Bauten stiess, Bier traf mau di*3 Reste der servischen Mauer.
Wenn man nach Rom kommt, erblickt man gleich beim Einfahren neben den
Schienen die sorgfaltig bewahrten Üeberreate dieser Mauer. Kin kleinstes Stück
derselben ist auch noch in der Via tiaziooale erhalten. Dadurch wurde eine ge-
sicherte Linie gefunden, von welcher aus man die alte Mauer, mag sie auch nicht gerade
Serviua TulJius gebaut haben, so doch jedenfalls die älteste Stadtmauer aus der
Königszeit, verfolgen kann. Als man weiter grub, stiess man in dem Terrain, auf
dem die Mauer steht, auf prähistorische Dinge, nicht gerade auf Wolfszähoe, aber
doch auf zahlreiche Dären Überreste, die gewiss als höchst charakteriätische Zeichen
der Zeit, innerhalb deren die ersten Äusiedelungen stattgefunden haben, bezeichnet
werden können.
Ich werde vielleiclit ein anderes Mal etwas genauer auf diese esquilinischen
Funde zurückkommen; ich wollte heule nur gerade diesen, überaus drastisch wir*
kenden Fall in den Vordergrund stellen, wo meiner Meinung nach die Chronologie
in der allerscbärfsten Weise sich fühlbar macht, zumal da die Funde in einer so
grossen Reichhaltigkeit gemacht worden sind, dass sie in der That ein ziemlich
geoaues Bild yon der Art des Lehens der vorser vi sehen Bevölkerung gewähren.
Nebeobei will ich bemerken, dass die Aufmerksamkeit &o wenig auf diese Dinge
gelenkt war, dass wahrscheinlich Alles verloren gegangen sein würde, wenn nicht
zufälligerweise ein Privatmann^ Jün Nardoni, der seine Spaziergänge in diese
Gegend zu machen pflegte, auf die Sachen geachtet hätte, die herauskamen, und
jede^ Mal eine kleine Sammlung davon in die Tasche gesteckt hätte, so dass er
im Laufe der ziemlich ausgiebigen und weit verbreiteten Ausgrabungen ein kleines
Museum zu Stande gebracht hat, welches fast das Einzige enthalt, was aus dieser
Periode erhalten ist Es ist noch jetzt sein Privatbesitz. Die Munictpalitat hat
späterhin versucht, im Wege des Prozesses ihm diese Schätze abzunehmen, indess
ist der rechtliche Anspruch der Gemeinde nicht so sicher nachzuweisen gewesen,
dasfi man ihm hat beikommen koDoen. Hr* N.ardoni, der übrigens ein sehr ge-
fälliger und liebenswürdiger Demonstrator seiner Schätze ist, muss daher in seiner
Privatwohuung aufgesucht werden, wenn man die Sachen kennen lernen will.
Üebrigens hat er einen ausführlichen Bericht über seine ersten Funde in Gemein-
schaft mit Hrn. Michele Stefano de Eossi erstattet, auf den ich besonders ver-
"weisen will ^),
So wichtig diese Funde t^ijid, so will ich mich heute auf die generelle Be-
merkung beschränken, dass die csquiUnischen Funde für Rom die Bedeutung ge*
habt haben, eine nächst vor die historische Periode zu 8et«ende Reihe von Attf-
dcckungeu vor die Augen zu stellen. Aehnüches it^t allmählich au sehr vielen
Punkten Italiens nachgewiesen worden und es sind die erstaunlichsten Dinge zu
1) Di alcani Of^etti di epoca arcaica rinvemiti nell* intemo di Roma. Memoria di Leone
Nardoai e del acad. prol. Micbele Slefuiio d« Rossi. Estr. d^l giornale M Buonarotti< Ser. II,
VoMX, Marzo 1874. Roma.
(279)
Tage gekommea, die Alles auf den Kopf Btellen, wa& man bis dabin geglaubt hatte.
Das Hauptgebiet für diese Fuocle liej^t bis jetzt diesseita des ApeDDiGj und nament-
lich in der Umgegead von Bologna^ wo man zuerst angefangen hatte, die äUcsteD
Gräberfelder genauer zu untersuchen, jedoch auch weiter nordwärts bis ao den
Fus^ der Alpen und nach Westen bis an den Tessin. In diesem „curcumpadani-
acben" Gebiet ist in den letzten Jahren namentlich ein gaua wundervolles Feld
eroffoet worden, reicher und manuicbfaUiger, als irgend eiaes, das ubcrbaupt in
Italien bid jetzt Gegenstand der Beobacbtting geworden ist, das von Eäte, unmittel-
bar an dem Fuss der Euganei sehen Berge, und gerade dieses Gräberfeld hat von
Anfang- an die gtosste Aufmerksamkeit gefunden, indem einer der Lehrer des dor-
tigen Gymnasiums, Hr. Frosdocimi in der sorgfältigsten Weise aJles nicht blos
gesammelt, sondern auch der I^nge nach bestimmt hat. So ist denn in Este ein
Lokalmusenm entstanden, welches eine Vollständigkeit der Funde darstellt, wie in
gleicher Weise nur noch Bologna, aber ia einer fast nocb mehr mannichfaltigen und
vielleicht noch weiter zuröekreichenden Voll&tündigkeit. Ich will dabei besonders her-
vorheben, dass hier in der unmittelbar vorromischen Periode eine GuJtur zur Erschei-
nung kommt, in welcher die Schrift schon sehr ausgeprägt w^ar: zahlreiche In-
schriften finden sich vor, die eine gewisse Aehnlichkeit im Ausseben mit etrus-
kischen haben, aber sich nicht haben lesen lassen, auch nicht in dem beschränkten
Sinne, wie Dinn etruskische Schrift lesen kann. Voriäuhg stellen sie ein ganz un-
bekanntes Glied in der Entwickeluiig der Schrift dar. Ausserdem ist nocb eine
Eeibe von Schichten da, die in viel altere Zeit zurijckreichen.
Nach dieser allgemeinen Notiz bleibt mir nur noch so viel Zeit übrig, das» ich
ein paar Worte in Bezug auf die Verhältnisse sage, welche ich in Sicilien getroffett j
habe. Vorweg möchte ich bemerken, dass seit der Zeit, wo Freihr, v» Andriaa
in unserer Gesellschaft seine Funde vorlegte und seine Beobachtungea in einem
besonderen Supplementheft zu unserer Zeitechrifl (1878, Bd. X) publicirte, keine
zusammenfassende Darstellung der siciiianischen Präliistorie überhaupt erschienen ist,
80 dass für jeden, der den Wunsch hegt, sich nach dieser Richtung zu orientiren,
seine Schrift immer noch als die eigentlich grundlegende betrachtet werden muss.
Inzwischen hat sich allerdings auch auf Sicilien die Lokalforschung erheblich ent-
wickeit, aber sie leidet wesentlich darunter, dass mit einer geradezu neidischen Eifer-
sucht jede einzelne Stadt ihr Museo civico anlegt und entwickelt. Ks ist da* ,
her ein Gegenstand von grosser^ Schwierigkeit, eine vergleichende BeobachtuDgl
zu veranstalten. Der verdienstvoile und gelehrte Direktor des Palermitaner Mu-
seums, Professor Salinas, hat allerdings nach und nach Specimina aller Perioden
in seinem Museum gesammelt, allein sie repräsentireo doch die einzelnen Yerhalt-
nisse keineswegs in der Vollständigkeit, wie es wünschenswerth wäre, und es ist
daher nothwendig, jedes einzelne Museum aufzusuchen. Ja, es giebt dabei noch
eine ganze Menge von Privatsammlernj die ihre Sammlungen an ganz unztjgang-
lichen Plätzen, z. B. auf ihren Schlossern, haben; diesen ist, wenn man nicht sehr
lange Zeit zu verwenden hat, gar nicht bciznkommen.
Auch in Sicilien ist die Aufmerksamkeit lange Zeit hindurch vorzugsweise in
Anspruch genommen gewesen durch die reichen Funde, welche der griechischen
Colon isatioQ angehören. Namentlich im Osten und Süden sind so grosse Gräber-
felder ans dieser Periode übrig geblieben, namentlich in der Nähe von Syracus, bei
dem alten Megara, bei Agragas, Selinunt, Segeste u. s. w,, dass der grösste Theil
der Sammlungen lange Zeit hindurch fast ausschliesslich aus bemalten UroeE be-J
standen hat, wie wir hier zu Lande sie unter dem Namen der etrnrischen zu-
sammenzufassen pflegten. Davon finden sich überall die wundervollsteo Sammlungen.
(280)
Die Frage, was vor dieser Zeit war, welche BevollceniDg vor der griecbtscbeti
ElnwaaderuDg im Lande sass, ht, wie Sie wisseti, schau tod den alten Schrilt-
stellern verschiedentlich hehandeU worden. Sie haben eine gewisse Reihenfolge
von Völkern aufgeführt, die einander folgten; Sicaner, Siculff, Phönizier, Griecbcü,
Karthager, Römer. Da£u kamen dann Araber, Normannen und zahlreiche kleinere
Scharen von Ansiedlern, z. B. Albane&eo« Aus dieser langen Reihe von Namen
ragt in der Vorötellnng der Patrioten um meisten der Siculer hervor; so oft tDan
bei einem prähistorischen Gegenstände fragt: was ist das eigentlich? bekommt
man die Antwort; es ist sicuJisch.
Ich will darüber nicht streiten, indess ist es etwas schwer, das ausznmacheo,
und zwar um so mehr, als gerade diese Gräber Leichenbratsd haben, also die An-
haltspunkte, die man aus craniologischen Erfahrungen gewinnen konnte, wegfallen«
In diese Zeit rechnet man Gräberfelder, in denen auegezeicboet schöne Urnen vor-
kommen, welche nichts von einem griediipchen Styl, am wenigsten etwas von den
figürlichen Darstellungen der hellenischen Periode zeigen. Sie sind gewöhnlich
braun gefärbt und zeigen zuweilen Anfiinge von Malerei. Manchmal finden sich
rothe Qod schwarze Bänder daran, manchmal auch eingeritzte Linien, die mit
Weiss ausgelegt sind; ja, es kommt gerade an diesen Gefässen jenes eigentbüm-
liche Ornament vor, das ich schon ein paar !^lal besprochen habe, das wir in
unseren Hügelgräbern finden, das auch tu Pfahlbauten gesehen wird, das ich in
Hissarlik gefunden habe: Dreiecke, deren Feld mit Linien, welche der einen Seile
parallel sind, schraffirt ist und an denen diese Schraffirungen mit einer kreidigen
Kalkmasse ausgeschmiert sind. Die Gefasse selbst sind ?on geschmackvoller Form
und grosser Mannichfaltlgkeit Ausser grösseren Urnen mit ausgeprägtem Hals und
Henkel kommen solche mit langen Stielen vor, auch solche mit breit ausgelegtem
Fuas, bis fusshoch und mit Schlitzlochern, wie sie sich bei unseren „Laternen*'
finden. Aber das ganze Mobiliar dieser Zeit, was bis jetzt gerettet ist, reducirt
sich, wenn ich es recht schätze^ auf etwa drei Dutzend solcher Gefasse, die ich
an verschiedenen Orten zusammengesucht habe. Ich wurde zuerst aufmerksam auf
die Sache in Syracus, wo in dem dortigen, sehr massig gebaltünen städtischen
Museum neben dem Born einige solche Gefasse vorhanden sind, die zum Tht^il aus
Hohlen bei Sortlno PantaJica herstammen, zum Theil von Modica, ganz nahe
gelegenen' Plätzen, etwas südwesthch von Syracua auf dem Gebirgsstock, der die
südöstliche Spitze von Sicilien bildet und voll von fiohlengrähern und Hohlen-
Wohnungen ist. Die Mehrzahl dieser Gefasse ist gross und hat als Ossuarien ge-
dieht j sie sind aussen geglättet, von glänzend dunkelbraunem Aussehen, nicht
stark durchgebrannt und verschiedentlich ornamentirt. Die Verzierungen sind eia<i>
gedrückt oder eingeritzt, im Ganzen einfach; mir war besonders bemerkenswerth|^
dass sich an einem rothen Gefasse der schon erwähnte Ring grosser Breiecke
fand. Dann traf ich sehr schöne Sachen dieser Art in Girgenti, von Jeuen ein
Theil, den übrigeuß schon Hr. v. Ändrian abgebildet hat (Taf, IV, Fig. I — 4, 8.82),
in dem dortigen Museo civico sich befindet, Sie stammen von dem Monte Toro, süd-
östlich von dem Riünenfelde von Akragas, aus der nächsten Nähe eines hellenischen
Gräberfeldes, Einige Stücke besitzt der deutsche Consul Hr, Dietz, der mir die
Zusage gemacht hat, dass er sie dem KonigL Museum in Berlin schenken wolle.
Sie stimmen mit denen von Modica nicht ganz überein, wie denn auch nach Hrn.
V. Andrian die Gräber vom Monte Toro Bestattungsgräber gewesen sein sollen.
Auch diese Gefäase sind gross und gut modellirt und zugleich etwas bemalt, jedoch
Bcbwarz auf rothem Untergründe. Die Mehrzahl hat grosse Henkel und erscheint
in der Form von Kannen, Schalen, Topfen u. a. w., jedoch will ich besonders zwei
(281)
grosse Nachbildungen yon Schweinen und eine den unserigen sehr ähnliche „La-
terne^ erwähnen. Letztere (Audrian Taf. IV, Fig. 1) stellt einen sanduhrformigen
Doppelkegel dar, dessen unterer engerer und längerer Theil hohl and mit langen
Schlitzen versehen, der obere dagegen schalenförmig, weiter und kürzer ist Die
Verzierungen sind eingeritzt, theils einfache, parallele, in Gruppen geordnete Linien,
theils saubere Durchkreuzungen. — Später traf ich auch im Museo nazionale in
Palermo einige Sachen dieser Art, die aber eben auch zum Theil aus der Gegend
Ton Girgenti, vom Monserrato, herstammen, einige von Thapsos, erstere bemalt, letz-
tere braun, glatt und einfach, ^egen der Funde aus den Grotten Ton Yillafrati
verweise ich auf Andrian (S. 39, Taf. IV, Fig. 5, 7—9, 11—14); ihre Ornamentik
erinnert an nordliche Formen. Endlich sah ich auch noch eine braune glatte Vase
von Girgenti in dem kleinen, aber schön gehaltenen Museo civico von Reggio in
der Emilia. Immerhin ist das eine ziemlich beschränkte Zahl bis jetzt; indessen,
wenn man aufmerksam ist und die Eisenbahnen im Süden fortgeführt werden, so
steht zu erwarten, dass man bald grössere Schätze finden wird. Dann wird es
auch an der Zeit sein, die offenbaren Verschiedenheiten dieser Thongefässe genauer
zu Studiren und die Frage ihrer Zugehörigkeit zu gewissen prähistorischen Bevölke-
rungen näher zu erörtern. In dieser Beziehung kann ich nicht unerwähnt lassen,
dass ein sehr glücklicher Sammler in Neapel, Hr. Bourguignon, aus Stein gräbern
Gampaniens, welche der Conte di Spinella in Acerra ausbeutet, mir braune polirte
Gefösse mit dem Schnurornament, mit Mäandern und Dreiecken, zeigte, welche
offenbar einer verwandten Keramik zugeschrieben werden müssen.
Wenn man nach der gewöhnlichen Tradition geht, so würde diese Periode auf
Sicilien einigermaassen zusammentreffen mit den ersten phönizischen Niederlassungen.
Ich habe begreiflicherweise mit grossem Eifer nachgeforscht, was denn auf der
grossen Insel im strengeren Sinne Phönizisches ermittelt sei. Indess bis jetzt
konnte mir beinahe nichts gezeigt werden; ein sehr schöner Sarkophag, der offen-
bar importirt ist, im Museo nazionale von Palermo ist fast das Einzige. Dagegen
sind in der letzten Zeit einige Sachen zu Tage gefördert worden, welche höchst
sonderbarer Natur sind und dem Anscheine nach einer, wenn man so sagen will,
vorsiculischen Zeit angehören dürften. Das sind Gräberfunde von Capaci in der
Contrada Ciachia auf dem Gebirgszuge des Nordrandes, in nicht grosser Entfernung
von Palermo selbst. Man trifft daselbst Felsengräber, welche in der Art angelegt
sind, dass in den anstehenden Fels hinein von oben her grosse kugelförmige Löcher
gemacht wurden, von denen aus wiederum grosse seitliche Ausbuchtungen von
runder Gestalt weitergeführt sind. Das Eingangsloch ist also eine Art von Kessel
mit engem Eingang, so dass es für einen Menschen schwer iet hinein zu kommen,
aber im Innern doch gross genug, um einen menschlichen Körper aufzunehmen.
Von da aus sind dann ähnliche seitliche Aushöhlungen angelegt worden. Ich
bin nicht an Ort und Stelle gewesen, indessen hatte Prof. Salinas einen solchen
Block ganz heraushauen und im Museum in Palermo in einem der Höfe aufstellen
lassen, ein Stück von wohl 8 — 9 Fuss Höhe. Nach seinen Angaben findet sich in
dem Eingangsloch sehr wenig vor, aber die seitlichen Ausbuchtungen sind Grab-
kammern; in ihnen liegen die üeberreste der darin beigesetzten Menschen, eine
nicht unbeträchtliche Zahl von Thongeräth (mit winklig gebogenen Henkeln und
sehr regelmässigen eingeritzten Ornamenten) und Gegenstände aus Feuerstein. Me-
tall ist gar nicht gefunden worden. So erstaunlich es klingt, so muss wenig-
stens vorläufig angenommen werden, dass diese grossen Aushöhlungen in den
harten Felsen hinein nur mit Stein gearbeitet worden sind. Mir war diese Vor-
stellung so neu und fremdartig, dass ich dus grösste Widerstreben verspürte, mich
(282)
zu fügeo. Die Oberfläche der Äusbobliitigen ist so glatt und sie sind so vol!-
ßJündig kuglig auBgefübrt, dttss es io der Thal schwer zu deokeo ist^ wie aiao
mit StelDbämmero oder vieltuebr mit blossen Klopfsteioen, wie sie angetroffeD
werden, im Stande gewesen sein boU, derartige Sachen ausKufubren. Nichts-
destüweDiger muss ich mich beugen, da Professor Salinas diese AuägrabuDgen
geleitet bat uud sich personlich dafür verbürgt, däs^s absolut gar keine Spur top
irgeod eiuem rnetölHscbeü Gegenstand zu fiaden gewesen sei. Auch scheint Aebn-
Hchea soast in Italien vorzukommen; ich verweise z. B. auf die UntersuchuDgeD
des Hrn. Chierici auf der Insel Pianosa, Welcher Zeit das jedoch angehört, da-
für fehlen vorläutig alle weiteren Anhaltspunkte; man hat eben nur die unzweifel-
hafte Tbatsache vor sich, dass es vor die, wenn ich so sagen soll, siculiscbe Zeit
reicht.
Weiterhin kommt in Siciiien die ansserordeotlicb grosse Masse natürlicher
Höhleu in Betracht, Die Insel ist von jeher durch ihre Hohlen berühmt geweaeti.
Ich brauche nur an die Cyclopen und Polyphem zu erinnern; die voa ihm dem
Odjeaeus nach geschleuderten Felsblücke werden noch jetzt im Meere bei Äcireale
gezeigt. In allen Theilen des Landes, nicht blos an den Küsten, sondern auch im
Innern giebt es Höhlen in solcher Häufigkeit, daas vielleicht kein zweiter Erd-
strich aufgefunden werden kann, wo sie zahlreicher sind. Ein grosser Tbeil dieser
Höhlen war in prähistorischer Zeit bewohnt, man findet neben reichen üeber-
resten der damaligen Thierwelt die üeberreste der Älenscben selbst mit ihrem
Steingeräth, Diese Höhlenbevölkerung reicht bis in die Zeit des polirten Steins;
es giebt jedoch einzelne Grotten, in denen keine Spur von polirtem Stein ge-
funden ist., dafür aber die wunderbarsten gescblagenen Steine, darunter namentlich
sogenannte Messer von ganz ungewöhnlicher Lange, länger, als unsere heutigen
Tafelmeseer. Sonderbarerweise ist bis jetzt ans dieser Zeit ausserhalb der Höhlen
ungemein wenig gefunden worden. Ich habe mich sehr bemüht, dea palaecdithi-
achen üeberresten nachziiforschen, bin aber in dieser Beziehung ausserordentUch
unglücklich gewesen. Im Museum von Sjracus sah ich ein solches langes Messer,
welches auf der alten Bpipolae gefunden war; als ich davon in L*alermo berichtete,
wollte man es mir nicht glauben, dass es richtig sei. Dann wurde mir ein zweites
kleineres Messer in Girgenti gezeigt; es ist im Privatbesitz eines archäologisch
sehr thätigen Arztes, des Dr. Gaetano Nocito, der persönlich bezeugt^ dass es
auf einer benachbarten Fläche bei Favara gefunden sei. Endlich giebt es noch
ein Paar Exemplare in Palermo vom Monte Erice, Das ist aber Alles, was meines
Wissens an geschlagenem Stein ausserhalb der HöhleD bis jetzt bekannt geworden
ist, indess glaube ich, dass nach dieser Richtung hin noch zahlreiche Entdeckungen
werden gemacht werden.
Nun hat aber die Höhienbevolkerung insofern specielles Interesse, als es die
erste ist, bei der wir craniologiscb ^) ansetzen können, bei der auch die Möglichkeit
gegeben sein wird, ausgiebige Vergleiche anzustellen. Ich will in dieser Beziehung
bemerken, dass comparative Schädel -Sammlungen in verschiedeneu Orten Italiens
gemacht worden sind. Namentlich hat man, — ich weiss nicht wie ich sagen soll,
ob mehr mit Liberalität oder mehr mit Rücksichtslosigkeit, — die Leichen sici-
iianiscber Soldaten, welche in den Hospitälern gestorben waren, zu cranio logischen
Zwecken verwendet. So befinden sich gerade in Norditalien ausgezeichnete Samm-
lungen, welche hauptsächlich aus dieser Quelle stammen. Zieht man dieses Material
1) Franc, ßerte, latroduzioae allo studio della antropologia preistonea delle Sicüia.
Catan. 1883.
k
(283)
zur YergleichuDg, so stellt sich heraus, dass noch gegenwärtig in Sicilien mehr, als
in irgend einem continentalen Theile Italiens, eine langkopfige Beyölkerung sich
vorfindet, die nur noch übertroffen wird durch die Bevölkerung Sardiniens, welche
ganz exorbitant dolichocepbal ist. Noch viel merkwürdiger ist es, dass diese leben-
den Dolichocephalen auch in Einzelheiten einigermaassen entsprechen den alten
Troglodyten. Jedenfalls kann ich sagen, dass ich bei der allerdings etwas eiligen
Untersuchung, die ich nur machen konnte, keinen nennenswerthen Charakter ge-
funden habe, der die alte Höhlenbevölkerung aus der Zeit des geschliffenen Steins
von einem Theile der gegenwärtigen Bevölkerung unterschiede. So finde ich
namentlich eine Besonderheit in der Bildung des Gesichts, die, wie mir scheint,
den dolichocephalen Sicilianer charakterisirt. Die Linie von der Nasenwurzel bis
zum Kinn ist etwas schräg nach vorn gerichtet, das Kinn steht nach vorn hinaus,
die unteren Zähne greifen unter die oberen, die oberen ragen hervor, dann kommt
ein ziemlich langer Alveolarfortsatz, auch eine lange, mehr schmale Nase, so
dass das ganze Gesicht eine eigentbümlich lange und in der Kinngegend höchst
charakteristisch vorgeschobene Form gewinnt. Genau dasselbe konnte ich an
alten Schädeln aus der Grotta del Porcospino bei Villafrate nachweisen, wo
übrigens schon gezähmte Thiere, Thongeräth, Cjpräen u. s. w. vorkommen, und
die Troglodyten sich zugleich durch starke Platyknemie auszeichnen. £s kann
daher nicht blos der Schädel, sondern auch der Gesichtstypus in Sicilien nach
meiner Auffassung als ein constanter angesehen werden, soweit es sich um den
dolichocephalen Bruchtheil der Bevölkerung handelt. Allein gegenwärtig hat sich
die Bevölkerung in ihrer Hauptmasse so verändert, dass der dolicbocephale Ty-
pus besonders gesucht werden muss, wenn man ihn finden will. Ich habe in
Catania die jungen Mediciner zusammen genommen, um sie in Anthropologie zu
exerciren; bei der Gelegenheit habe ich einen Theil von ihnen selbst gemessen
und ihnen daran gezeigt, wie man es machen muss. Da stellte sich heraus,
dass kein einziger Dolichocephaler darunter war. Man kann daher immerhin
sagen, dass der dolicbocephale Typus sehr verdeckt worden ist durch die dar-
über gehenden Völkerwogen, aber, soweit er noch vorhanden ist, darf man wohl
annehmen, dass noch von jener uralten Zeit her Reste desselben in der jetzigen
Bevölkerung zu erkennen sind. Nebenbei bemerkt, sind auch die Schädel von
Capace mesocepbal mit Neigung zur Dolichocephalie.
Aus der Zeit des geschliffenen Steins giebt es ausgezeichnete Exemplare,
namentlich von Steinäxten. Ein paar Specimina davon kann ich vorlegen: mehr
dicke, kürzere, gewölbte Formen. Daneben kommen gelegentlich die grossen Flach-
beile vor, welche nach rückwärts spitz zulaufen, wie ich sie bei Gelegenheit der
Jadeitformen beschrieben habe. Wahre Jadeitbeile sind in Sicilien sehr selten,
aber sie kommen in der ganz ausgemachten Form des Flachbeils vor. Schon Baron
Andrian (Taf. III, Fig. 14) hat die schönen Funde von Castrogiovanni besprochen.
Ich sah im Palermitaner Museum die Nachbildungen von 6 polirten Steinbeilen- aus
einem Grabe von Vizzini, unter denen sich ein sehr grosses Flachbeil von der
ganz charakteristischen Jadeitform befand.
Die gröberen Formen polirter Beile sind in Italien überall ziemlich häufig.
Ihre Anfertigung ist sehr begünstigt worden durch den umstand, dass schon unter
dem gewohnlichen Gerolle man nicht selten Formen findet, die, wenn man sie zu-
erst erblickt, den Eindruck geschliffener Steine machen. Ich habe ein solches
Stück mitgebracht, das ich bei Genua in einer Wasserfurche, die vom Gebirge
heruntergeht, selbst aufgelangt habe; als ich es bemerkte, glaubte ich ein Steinbeil
gefunden zu haben. Aber es ist nur eine natürliche Bildung, die jedoch so weit
(284)
Torgeformt ist, dass nur noch ein kleiner Schliff nothig wäre, um ein Beil her-
zustellen.
Ich will damit sohliessen, dass ich Ihnen eines der werthvollsten Stücke dieser
Art zeige, das ich der Liebenswürdigkeit eines unserer correspondirenden Mitglieder,
des Hrn. Bellucci in Perugia verdanke: ein kleines Nephritbeil aus Mittelitalien.
Hr. Bellucci hat die Hoffnung, dass er die eigentliche Lagerstatte dieses Nephrits
in den Monte rozzi an den Tiberquellen entdecken werde; dort sei eine grosse
Masse der seltensten Gresteine anstehend, und er ist der Meinung, dass sich
Nephrit darunter werde finden lassen.
(30) Hr. Lieutenant Wissmann stellt einen westlich vom Lualaba erworbenen
Knaben vom Negerstamme der Waküsu vor.
(31) Eingegangene SchriCten:
1. Revue de Thistoire des religions. Vol. VI, Nr. 4, 5.
2. Atti della R. Accademia dei Lincei. Vol. VII, Fac. 5, 6, 7, 8.
3. Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. 1883. Nr. 5.
4. A questao do meridiano universal. Lisboa 1883.
5. Boletim da sociedade de Geographia de Lisboa. 3* serie, Nr. 8.
6. Antiqvarisk Tidskrift för Sverige. Vol. 6, Heft 2.
7. Archivos do Museu nacional do Rio de Janeiro. Vol. IV, V. Rio de .Janeiro 1881.
8. Amtliche Berichte aus den Königl. Kunstsammlungen. Jahrg. IV, Nr. 2.
9. Nachrichten für Seefahrer. 1883. Nr. 14—17.
10. Annalen der Hydrographie. Jahrg. XI, Heft IV.
11. Revue d'ethnographie. Tome II, Nr. 1.
12. Hamy, La croix de T^otihuacan. Paris 1882. Gesch. des Verf.
13. Derselbe, Quelques observations sur Tanthropologie des (^omalis. Paris 1883.
Geschenk des Verfassers.
14. Derselbe, Les mutilations dentaires au Mexique et dans le Yucatan. Paris 1883.
Geschenk des Verfassers.
15. Bulletins de la societ^ d^bistoire naturelle de Colmar. 22« et 23«annees. Col-
mar 1883.
16. Sechster Jahresbericht des Vorstandes der Geographischen Gesellschaft zu
Bremen. 1883.
17. Deutsche Geographische Blätter. Bd. VI, Heft 2.
18. Sitzungsberichte und Abhandlungen der Gesellschaft Isis zu Dresden. Jahr-
gang 1882. Juli — December.
19. Bulletins de la societe d'antbropologie de Paris. Vol. VI, Fase. 1.
20. Gat sehet, Phonetics of tbe Kajowe Language. Gesch. d. Verf.
21. Derselbe, Linguistic notes. Gesch. d. Verf.
22. Derselbe, Specimen of the Cbumeto Language. Gesch. d. Verf.
23. R. Hart mann, Ueber die alten Dithmarscher Wurthen und ihren Packwerk-
bau. Geschenk des Verfassers.
24. Gh. Rau, Indian stone graves. Gesch. d. Verf.
25. Derselbe, Aboriginal stone-drilling. Gesch. d. Verf.
Sitzung am 16. Juni 1883.
Vorsitzender Hr. Yirohow.
(1) Zu correspondirenden Mitgliedern sind gewählt worden die Herren:
Professor Heibig vom archäol. Institut in Rom.
„ Lortet, Director des Museum des sciences naturelles in Lyon.
^ P. Castelfranco in Mailand.
^ Gaetano Chierici, Director des Museo di storia patria in
Reggio-Emilia.
„ Gemellaro, Director des paläontol. Museums in Palermo.
„ Salin as, Director des Museo nazionale in Palermo.
^ Stieda in Dorpat.
Als neue Mitglieder werden angemeldet die Herren:
Rector Dr. Wein eck in Lübben.
Apotheker Singonowitz, Charlotten bürg bei Berlin.
Fabrikant J< C. Schulze, Berlin.
(2) Für den 24. d. M. ist eine Gesellschaftsexcursion nach Tangermönde vor-
bereitet.
(3) Hr. H. Fischer in Freiburg übersendet im Auftrage des Hrn. Charles Rau
in Washington eine Nachbildung der im Archiv für Anthropologie, Bd. XIV, S. 161,
beschriebenen
aztekisohen Kindesmaske.
(4) Hr. Wilhelm Osborne hat d. d. Dresden, 2. Mai, an Hrn. Virchow folgen-
den Brief gerichtet, betreffend den
böhmischen Burgwall Zamka.
„Sie hatten die Freundlichkeit, im ersten Hefte der Zeitschrift für Ethnologie,
Jahrg. 1880, S. 82, eine kleine Arbeit von mir, die sich „üeber einen Fund aus
der jüngeren Steinzeit" betitelte, eines kurzen Referates werth zu halten. Sie
sprachen damals die Ansicht aus, dass der beschriebene Fund auf dem Burgwall
Zamka nicht, wie ich annahm, aus der Steinzeit, sondern aus späterer Zeit, als das
Metall bereits bekannt war, stamme.
„Es freut mich Ihnen heute mittheilen zu können, dass Ihre damals aus-
gesprochene Ansicht durch Fundgegenstände, die der besagte Burgwall bei Ge-
legenheit einer erneuerten Untersuchung lieferte, volle Bestätigung findet. Diese
Gegenstände sind: Ein Bronzemesser, eine Pfeilspitze aus Kupfer und das Bruch-
stück eines flachen Bronzeringes. Das Messer wurde beim Abgraben des Walles
gefunden, die Pfeilspitze und den Ring fand ich auf der Oberfläche des Feldes.
(286)
(5) Hr. Jentsch erstattet folgenden Bericht, betreffend
Prähistorisches aus den Kreisen Guben, Sorau, Crossen und den Namen Helnohen.
I. Bei Deulowitz, 5 km westlich von Guben, ist: 1. Bei Abtragung des
Damooes zwischen zwei kleinen Teichen in der Nähe eines Torfstichs vor einigen
Jahren ein Silberdenar etwa- 27] ^ tief gefunden worden. Hs. : (IMP) CA£S
NBR TRAIANO OPTIMO AVG GER Kopf mit Kranz. Rs.: PM TR PC — VI
PP S PQ R. Schreitende unbekleidete Figur nait Helno, in der Rechten den Speer,
auf der linken Schulter Trophäen. — 2. Auf den Deulowitzer Bergen, einem Theil
des Höhenzuges, der nach Westen hin und weiter stromabwärts nach Süden das
Neissethal begrenzt, ist ein polirter, flacher, nicht durchbohrter Steinkeil ge-
funden. Alle seine Begrenzungßflächen sind massig nach aussen gewölbt; die
Schneide ist nicht gleichmässig gerundet, sondern tritt zu einer der Seitenflächen
hin stärker zurGck, so dass die Länge dieser Seite direkt gemessen nur 7,7 cm
gegen 8,1 cm der anderen beträgt; Breite der Schneide 4,8 cm (direkt gemessen),
der oberen Seite 3,3 cm; grösste Stärke 1,8 cm, Gewicht 148 g. Beide Breitseiten
sind in der mittleren Partie auf etwa 4 cm Länge stark abgeschliffen, die eine
zeigt hier sogar eine flache Einwölbung; dagegen ist die Schneide scharf und nicht
abgenutzt. Das an einzelnen wenigen Stelleu poröse Material ist eine üebergangs-
form von Feuerstein zu Halbopal; die Färbung ist braun mit einigen eingespreng-
ten unregelmässigen weissgrauen Flecken. Im Ganzen stehen derartige Funde in
der Niederlausitz numerisch erheblich zurück gegen die durchbohrten Steinhämmer,
deren breite Seitenflächen unter einem grösseren Winkel auseinandergehen. Aehn-
liche Stücke sind gefunden im Kreis Guben bei Beitzsch, hellgrau (Besitzer Hr.
von Wiedebaoh-Nostiz auf Beitzsch) und bei Tzschernowitz im Schlossgarten,
defekt, Färbung gelbgrau (im Besitz der Frau Gräfin von Kleist auf Tzscherno-
witz), im Kreis Sorau bei Jüritz (Besitzer Hr. Rittmeister Krug auf Jessen), 1 dm
lang, 4 cm breit, 2 an dick, braunschwarz gesprenkelt, Kreis Lübben 2 bei den
Hartmannsdorfer Bergen (Besitzer Hr. Rector Weineck zu Lübben), in Kr Calau
in den Freibergen, in Kr. Luckau bei Freesdorf im Torfmoor (Besitzer Hr. Dr. Behla).
Münze und Steinkeil befinden sich im Besitz des Hrn. Rittergutsbesitzers
von Schlichtin g auf Deulowitz.
3. Auf der Deulowitzer Feldmark ist ein Bronzecelt ohne Schaftlappen ge-
funden worden, mit beiderseitiger rechteckiger Vertiefung für den Stiel (vgl. Abb.
im Gubener Gymnas.-Progr. 1883, Nr, 22), von derjenigen Form, welche in der
Niederlausitz wohl die gangbarste gewesen ist, wie aus dem neulichen Sammel-
funde von Neu z au che, Kreis Lübben, der die in unserer Landschaft vorhandenen
Bronzegeräthe am umfassendsten vorführt, hervorzugehen scheint. (S. Verh. 1883,
a 244.)
II. Von dem am 7. October v. J. entdeckten Vettersfelder Goldfunde
(Sitzung vom 20. Jauuar d. J., Verhandlungen S. 129) scheint kein erhebliches Stück
verloren zu sein; nur folgende Gegenstände sind nicht in den Besitz des Königl.
Museums zu Berlin übergegangen: 1. ein zwingen artiger Ring ohne jegliche Ver-
zierung von 1,5 cm Durchmesser und ca. 3,5 cm Höhe, der nach Annahme eines
Goldarbeiters über 2 Ketten geschoben war (eingeschmolzen); 2. eine ebene Platte
in Gestalt eines Rhomboids; an den beiden £nden der längeren Diagonale von ca.
5 cm befand sich je eine Oehse; die Platte war belegt mit Schleifen aus Perlendraht;
Goldwerth wenig über 50 Mk. (eingeschmolzen); 3. eine Kette aus Golddrahtgliedern
von ca. 18 cm Länge und 5 mm Durchmesser; Goldwerth ca. 50 Mk.
III. Auf dem Drnenfelde von Zilmsdorf bei Gr.-Teuplitz seit Anfang d. M.
(287)
angestellte Nachgrabungen haben nach dem Bericht im Niederlausitzer Boten. Gott-
bus, 13. Juni, die älteren Angaben bestätigt (Tergl. Saalborn in der Zeitschrift fQr
Ethnologie XI, S. 418, Nr. 203 ff.), dass, wie bei Müschen, Kreis Cottbus, drei
Schichten yon Urnen über einander beigesetzt sind, deren unterste bis 2 m tief
liegt. —
IV. Bezüglich der Urnen aus den niederlausitzer Todtenfeldern ist mehrfach
die Annahme ausgesprochen, dass die Zahl der Buckel nur zwischen 4 und 7
yariiere: Zu dem bereits im oben angeführten G7mna8.-Programm S. 23 erwähnten
Exemplar mit 3 Buckeln von Coschen W. treten gleichartige in der Erug'schen
Sammlung zu Jessen (von Jüritz) und in der gräflich Brühl 'sehen zu Pforten (aus
Sakrow, Kreis Sorau). — In der letztgenannten Sammlung befindet sich übrigens
auch ein fast ganz erhaltener Wendentopf, der neunte aus der Niederlausitz be-
kannt gewordene, mit der Strasser^schen Sammlung erworben, ^aus der Herrschaft
Forst-Pforten^; die näheren Fundumstande sind unbekannt. Das Oefass verjüngt
sich nach unten ziemlich schnell; über einem massig heraustretenden Wulst mit
scharfen Einstichen ist der Hals stark eingeschnürt; die Wandung ist mit wage-
rechten Parallel furchen bedeckt; aus dem Boden tritt ein Kreuz mit breiten Armen
heraus.
V. Eine der hiesigen Gymnasialsammlung unlängst von Hrn. Rittergutsbesitzer
Fournier auf Bau dach bei Crossen geschenkte, auf der Feldmark dieses Domi-
niums gefundene Urne ist von beachtenswerthen Dimensionen: die Höhe betxiigt
50 cm, der grösste Durchmesser 61 cm. Das Gefäss ist sorgfältig gearbeitet,
ternnenförmig, ohne Henkel und Oehsen, weit ausgebaucht; in scharfer Furche ab-
gesetzt steigt der Hals massig konisch sich verengend 1 dm hoch auf. Die Fär-
bung ist rothbraun, auf der Innenseite im unteren Theile scbiefergrau ; die Aussen-
seite ist bis zur weitesten Ausbauchung durch Belag mit erweichtem Thon künst-
lich rauh gemacht Das Material, im Bruch schwarz, ist mit vielen Steinbröckchen
durchsetzt. Die Urne stand mit derOeffnung nach unten über 12 verschie-
den geformten Ge fassen, in deren keinem Leichenbrand festgestellt werden
konnte. Steinsatz ist nicht beobachtet, auch sind Ausgrabungen in der Umgebung
noch nicht angestellt worden.
VI. Als Verfertiger der Urnen werden im Gubener und auch im Sorauer
Kreise vielfach die Heinchen bezeichnet. Der Name ist mir nordwärts über Coschen
hinaus begegnet; südwärts tritt er noch in Wellersdorf, Kreis Sorau, auf (vergl.
Zeitschr. f. Ethnol. XI, S. 401, Nr. 187); im Westen scheint ihn in der Gegend
von Forst die im Gubener Kreise unbekannte Bezeichnung Ludki abzulösen; ost-
wärts reicht er bis an die Oder. Im Volksmund wird er auf Heiden chen (pagani)
gedeutet, wie der ihm nicht selten parallel gehende Jülichen in Jüdelchen um-
gesetzt wird. Eine andere Beziehung legt die Schreibung Hunnen (s. Zeitschr. f.
Ethnol. a. a. 0. Hunnenhäuser) in denselben hinein. Vielleicht wirft auf seine Ent-
stehung eine Notiz Licht, die Prof. Knothe zu Dresden in seinem Aufsatz über:
^Die verschiedenen Klassen slavischer Höriger in den wettinischen Landen während
der Zeit vom 11. bis zum 14. Jahrhundert^ (Neues Archiv f. sächs. Gesch. IV.
1883, S. 33) mittheilt: „Als eine fünfte Klasse Höriger werden 1181 die proprii,
1122 die Heyen genanot. Haltaus (Glossar. 905 unter dem Worte Hien) sagt:
Hien, Hin, Hyen, Hygen, Heyen vocabulum veteris Saxoniae. Danach war es also
ursprünglich eine Bezeichnung altsäcbsischer Höriger, welche auf die slavischen
Hörigen nur erst übertragen wurde. Im alten Sachsenlande scheinen diese Heyen
eine zahlreiche und in den Dörfern sesshafte Klasse gebildet zu haben, welche
unter eigenem Gericht standen^. 1259 wird die Hiensprake, 1348 das Gericht,
(288)
quod Tolgariter dicitur ein hienspracke. erwähnt** E» wäre wohl denkbar, da»»
Bfikshßische Einwanderer hier den Ausdruck auf die unterjoch teo Slaven in den
Dörfern übertragea hatlen, uod das» später der Name, als er nicht mehr offizielle
Geltung hatte^ als ein abgestorbener den abgestorbenen Generationen, denen man
die Herstellung der Todteotöpfe und anch der Sumpfburgen zuschrieb, verblieben
wäre. Das» die Bezeichnung in unseren Urkunden noch nicht nachgewiesen ist,
würde sich erklären aus der yerhältnissmassig geringen Zahl solcher Schriftstucke,
die jene Verhältnisse berühren.
(6) flr, Direktor Wein eck in Lubben berichtet über
Funde aus dem Kreis« Lüblien.
1. Steinkirchen. a) SO. nahe bei der Forsterei Kllerboro, grosses, von der
Eisenbahn durchzogenes, ca. 300 Schritt langes und 200 Schritt breites ürnenfeld.
Auf den^ älteren Theil viele und zierliche Beigefössc, Feuerstein, Bronzen (kleine
Ringe, Fibeltheile), blaue und gelbbraune Glasperlen; besonders erwähnenöwerth ein
grossentheils mit Steinen re gel massig bis über 1 m Höhe umsetztes grosses und
reiches Grab, Auf dem jungem Theil des Feldes anders geformte und verzierte
Urnen mit sehr wenig Beige^sen, Bronzen (geschmolzener Schmuck mit Ring,
grosser Fingerreif, kleiner Armring mit dünner kreiaförmiger Platte, kleiner dünner
Fingerreif mit Oehse, in die das andere Ende eingreift, Schnalle) Eisen (2 unvoll-
ständige Nadeln und Brocken) und Glasperlen, b) nahe bei dem Dorfe: Drnen,
theilweise unter f5rmlicher Steinpflasterung, Bronze (Fingenreif, vierkantige Nadel-
spitze* c) dicht am Dorfe: Urnen, Bronze (Nadel mit Kopf, dünnes Blech, wohl
Beschläge), graubraune Thonperlen, durchbohrt.
2. Lubben, a) 0. dicht bei der Stadt und bei dem Kietz, also wohl älteste
Niederlassung: 2 Urnenfelder, zahlreiche Urnen ^ auch etagenmassig gesetzt, mit
vielen und mannichfaltigen Beigaben, Bronze (mittel groeeer Ring für's Handgelenk),
2 mühlsteinähnliche, auf einander passende und auf einander gedrehte Steine, aber
nicht Mühlsteine, da beide durchbohrt sind, an dem unleren Ende der höhere
Rand und am oberen die Griffe fehlen, b) NW. an den sog. Hartman nsdcrfer
Bergen: ürnenschcrben, Feuerstein (zahlreiche Messerchen, Pfeilspitzenj Abfall ati'icke),
3. Hartmannsdorf, a) NW. vom Dorfe an der Roggaschenze (Düne)
^LütcheDbacköfen*', Urnen (grob, gross, roh verziert); b) N. Urnen, Eisen (WaflPeo
aus der Ritterzeit?). W, davon im Moor 2 grosse polirte Feuerstein meissel.
4. Klein-Lubholz. a) WNW. von Lübben um Windmühlen berge: Drnen;
(vermuthlicb Bronze*) Celt; b) an der Flurgrenze von Niewitz dicht bei der Berste
2 grosse Urnen felder, Eisen (Speere), Golddraht, — Grosse Üstrine von mir blos-
gelegt, C> m lang, Sm breit, Pflasterung mit Lehm, Richtung NNW, zu SSO.
fi. Hagow er Heide, Ellerborn For.stbf*zirk, ',4 Stunde von R. nordöstlich:
Urnen (gröber, anders verziert als auf dem Todtenacker unter la), Bronzen, Eisen
und blaue und gelbbraune Glasperlen zusammen (wohl Halsschmuck), vornehmlich
Eisen (zwei je 10 cm lange unvollständige Nadeln, eine 38 m» lange Nadel mit
scheibenförmigem Kopf, zur Nadel parallel stehend; 3 Theile eines Görtelbeschlags
mit lose angeschmiedeten Ringen und einem grossen Gürtel h«ken, wohl La Teoe-
Cultur; 3 kleine, schwache, auffallend glatte Armringe.
H. Krugau: Urnen, Bronze.
7, Sglietz, „Scliwedenkirchhof*, von mir noch nicht besichtigt, soll keio
BurgwatI sein, wohl auch Urnenfeld,
8* Zwischen Öglietz und Hessec im Monr ein durchbohrter, metalleuer Beil-
(289)
hammer, wohl Bronze, Stiel umwickelt mit Metalldraht, in Berlin im Provinzial
Maseum (Angabe eines Lehrers).
9. Wittmannsdorf: Urnen.
10. Neuzauche: 4 Urnenfelder nach Angabe des Herrn Cantor Lakas,
welcher auch Urnen besitzt, die in Form, und namentlich in der Zeichnung von
den Steinkirchenern oder Lübbenem ziemlich abweichen.
11. Altzauche: Urnen.
12. Straupitz: grosser Bronzefund.
13. Zeust bei Friedland, jenseits des Schwielochsee's: unterirdischer Steinbau,
6 Fuss unter dem Boden. Die Grundmauern von grossen Feldsteinen fest mit
Lehm gemauert, 2 Fuss stark, 47, hoch; der Boden des Innenraums mit einer
festen Lehmschicht bedeckt, der ganze übrige Innenraum mit kleineren Feldsteinen
in Lehm ausgemauert, darinnen nur 2 ganz ummauerte Hohlräume; in denselben
je ein ca. 8 Zoll hoher Topf, ein ^wendischer Topf", wie sie dort noch vor 30 bis
40 Jahren gebraucht wurden , auf einer handhohen Schicht Asche , darum herum
Pferdeknochen, und in dem sie füllenden Grus je ein eiserner Bohrer von 9 bis
11 Zoll Länge aufrecht hineingesteckt. Keinerlei Zugang, weder von oben noch
von der Seite. Ich habe den Bau nicht mehr gesehen; die Zeichnung nach
genauester Erkundigung. Dicht am Dorfe ein ausgedehntes Urnenfeld. Die von
mir in der Eile herausgebrachten Scherben von Todtenurnen und Beigefassen
weichen von den hier beschriebenen in Form und Zeichnung ab. Die Gefasse
waren in der steinreichen Gegend mit Feldsteinen dicht umsetzt. Früher dabei
ein Bronzering (kleiner Armring?) gefunden.
14. Friedland: 2 Urnenfelder. Das eine vor 7 — 8 Jahren zum Theil aus-
genommen, mit früher deutlich erkennbaren Hügelgräbern. Die Urnen auf platten
Kalksteinen (aus einiger Entfernung hergeholt) stehend, mit Steinen locker umsetzt
und mit grösseren Steinen bedeckt. Bronze (11 Metallnägel, unter dem Knopf ge-
ringelt, also wohl Nadeln).
15. Skuhlen, zwischen Mittweida und Wittmannsdorf: 2 Urnenfelder an den
gegenüberliegenden Rändern eines alten Luchs. Auf beiden Hügelgräber mit
mächtigem Steinsatz, zum Theil schon ausgenommen. Ganz dichte, 3— 4 m lange,
2 m breite und ^/j — 1 m hohe Steinmauerung mit Lehm, darin ganz knappe Hohl-
räume, in denen die Gefässe eben Platz hatten, daher alle mehr oder weniger zer-
drückt. Dem Alter nach scheinen beide Felder verschieden: in dem einen viele
Urnen und Beigefässe, meist von sehr feinem Thon, schöner Form und mannich-
faltiger Verzierung, und eine Bronzenadel; im andern wenige sehr grobe und un-
verzierte Gefässe und ein ganz kleines Klümpchen zerfallender Bronze.
16. Mittweida: ähnliche Hügelgräber.
V«rhandL der B«rl. AnthropoL GMellaehaft 1883. 19
(290)
17. Grosfi-Leinet Urneiifeld, auch längst ausgeeommen, wenn nicht noch
Reste in der Heide.
18. Klein-Leine: desgleichen.
19. Trebatach, im Gurten des Gastwirtliä: eine mehr als 1 m hohe, kegej-
formige Mauerung, oben offen, mit weissem Sand gefüllt; darin ein Krug mit
grossem Henkel, voll Sand; oben auf der Mauerung ein Pferdegerippe, alles einige
Fuss in der Erde. So nach Beschreibung des Wirthes,
20» Im Kreise Luckau Neundorf: 4 üruenfelder, Feuerstein messer, Eiseo
(Schwert mit Scheide, zerbrochen^ doch vollständig; Schnalle, Scheere), Schance
aswischon Neundorf und Duben, darin gemauertes Grab, dabei Urnen; weiter ab
Bronze (Celt, Dolch), Steinsachen (Hammer, Keil) im Torfstich. Hier auch eine
Buckelurne, um Lübben, Ragow, Crimoiti, Lübbenau nie. Sammlung des Amt-
mann Paschke. —
Ferner ü hersendet Herr Wein eck folgende briefliche Mittheilungen des Herrn
Oberprediger Krögpr zu Lieberose über dortige Funde des Kreises Lubben:
Unsere Gegend ist reich gewesen an ürnenfriedhöfen, aber sie sind meist bei den
Ghausseebauten und dem Steinesuchen dazu zerstört.
2L Bei Lieberose wurden mir Fundstätten genannt: a) in NO. am Wege
von hier nach Trcbitz, nahe der Stadt; b) weiter an der Chaussee von hier nach
Friediand I Stunde im N, von der Stadt „Topfe", c) Ya Stunde im NW., neben
dem Stockabof genannten Luubwalde, liegt ein mit Waldbaumen bestandener Berg,
lenannt das ^alte Schloss**, ohne Ueberlieferungen von einem solchen; von 3 Seiten
von fli essendem Wasser und breiten, morastigen Wiesen umschlossen, hiingt er nur
an einer Seite mit dem festen Lande zusammen, leicht zu vertheidigen durch einen
kunstlich gemachten, steilen Abhang. Die Vorderseite und vorderen Seitenrander
sind hoher als der &o gcfichutzte Innenratim. Die schroffen Abhänge zeigen
kunstliche Anschüttung, bestätigt durch den tiefen Humus (entsäuerte Erde aus
den anliegenden Torfwiesen), der sich beim Graben der Baumlocher findet. Als
ich im Frühjahre mit Herrn Grafen von der Schulen bürg, Besitzer des Burg-
walls, hier grub, fanden wir oben auf dem Berge 1^ — 4 Fuss tief viele, raannicbfach
verzierte Scherben^ ziemlich fest, ohne Henkel Masse wie Verzierungen verhfilt-
nissmiissig roh; einige, nur kleine Stucke zeigten Wellenlinien. Ferner zu Schlacken
gebrannte Topfscherben, unverbr^junte Knochen und Hörner von Thieren; ein Stück
Schlacke mit einer Art (vielleicht zufälliger) Glasur, dann Scherben mit ganz aus-
gesprochen gelber Glasur als Zeugniss der Benutzung des Bnrgwalls bis in ge-
schichtliche Zeit. £n der Mitte des Burgwalls flach vergraben neben Burgwall-
sclierbeo die Stücke eines geschliffenen Steiahammerg mit Spuren des Stiellochs.
In dem hinteren, zurück gelegensten Theile ist die natürliche Grundlage des
Schlossberges eine sandige Bodenerhehung über dem Wiesengrund. Dort (wenig
über der Wiesenoberfläche) samrat den Trümmern von zierlicheu ßeigefässen ger-
manische Scherben eines Henkeigefasses mit triangulären eingerieften Strich Ver-
zierungen^ dabei Feuersteinsplitter, eine Anzahl nicht grosser Feldsteine (dort
im Sande nicht verkommend) und endlich in einem Haufen beisammen die
Trümmer einer (?) menschlichen Figur (?) aus schwach gebraniitem(?)
weichem Lehm.
Oben auf der Hohe des „alten Schlosses**, da wo die höheren Ränder am
meisten den tieferen Innengrnnd ubi^rragen, nicht auf der Mitte, sondern mehr seit-
wärts im Grunde wurden die Grundmauern eines nicht grossen Gebäudes gefunden.
Sind dies die Reste des alten Schlosses, aus dem Thiederich der Jüngere (oder
Ticemannus), Landgraf von Thüringen, Markgraf der Ostmark und Lausitz (Aclam
(291)
et dictum Luberaz) 1300, an das Kloster Neuzelle die ScheDkuag von 4 Hufen in
Welmenicz macht (vergl. Wilkii Ticemannus sive vita Theodorici junioris etc.
Lipsiae 1754, II. Diplom. 115)? Denn Stadt und Schloss waren damals landes-
herrlich (immediat), vergl. Stadturkunde von Lieberose von 1302 bei Wilke Tice-
mannus II. p. 164, Diplom. 130 und I. p. 240. Wenn also in alten Urkunden,
z. B. von 1301 bei Worbs Inventarium diplomatic. Lusatiae inf., Lübben 1834 I.
p. 115 y)Stadt Lubraz^ und ,,Burg Lubraz^ aufgezählt wird, oder 1336 bei Riedel
Codex diplom. Brand. 2. II, p. 112 — 114 ^Wibilde unde hus tzu Lubraz^, so
suche ich dies „hus** oder „Burg** hier auf dem „alten Schloss". ^
22. Nahe Speichrow zwischen dem Schwielochsee und einer grossen tiefen
Wiesenniederung, liegen die allgemein so genannten Ludgen berge, jetzt mit Kiefern-
schonung bestanden, an derem Rande ich grosse Steine aufgeschichtet sah, mög-
licherweise von Urnenfeldern.
23. Bei Lamsfeld nahe dem grossen und kleinen Mochowsee in den Bauern-
forsten nach der Beschreibung von Steinsuchern: Urnen mit Knochen, Asche und
Saud, ringsum kleine Näpfe aller Art, das Ganze mit Feldsteinen umpackt.
24. Jamlitz: beim Bau der Chaussee nach dem Bahnhof, beim Abgraben
eines Hügels, dicht am Dorf Urnen.
25. Dicht beim Vorwerk Hollbrunn, Va Stunde SW. von Lieberose, an
mehreren Stellen Urneoscherben. Ein Schlag im Lehmfeld heisst „die Backofen-
breite", weil beim Ackern die Pferde durchgetreten sein sollen in einen alten
Backofen (?), der sogleich zugeschüttet worden sei (ein Steingrab?). Auf einem
sandigen Ackerplan dort sah ich eine Menge kleiner, weisser und schwarzer, un-
verzierter Urnenstückchen liegen, die der Pflug zerarbeitet hatte. Einmal grub ich
vergeblich.
26. Blasdorf. Ich besitze von hier die Stücke einer Bronzenadel, gefunden
in einer einzelnen Urne ohne Steinsatz, beim Kiefernstubbenroden, gefüllt mit
Knochen und Asche.
27. Mochow: Henkelurne von 25 cm Durchmesser, unverziert, mit Stücken
einer zerbrochenen Bronzenadel in Leichenbrand; dicht daneben fand ich in Asche
und Knochen eine ganze Bronzenadel, 13 cm lang, Stücke einer Urne mit Buckeln
(etwa 3 cm heraustretend), Scherben mit triangulären Strichverzierungen.
Aus dem südlichen Tbeile des Ejreises Luckau, wo ich früher lebte, besitze
ich von
28. Rücke rsdorf eine 13 cm lange, scharf behauene Lanzenspitze (oder
zweischneidiges Messer?) von Feuerstein, auf dem Felde 1876 beim Rigolen ge-
funden.
29. Friedersdorf, südlich: umfangreicher Urnenfriedhof, etwa 5 Morgen
gross, längst durchwühlt, jenseits der Wiesenniederung auf sandigem Anberg am
Nordabhang des Lausitzer Grenzwalls. Bei den Scherben einer Urne mit con-
centrischen Kreisen um schwach buckelartige Verzierungen Eisenschmuck: a) etwa
0,6 cm starker, 3,5 cm langer, 2,2 cm breiter Ring mit daran gearbeiteten, zu je
2 sich gegenüberstehenden Blättchen (bis auf 2 jetzt abgebrochen); b und c)
2 ganz gleich gewesene Schmuckstücke, oben wie ein Entenkopf auslaufend (etwa
Ohrgehänge?), beim Ausgraben als oxydirte Sandklumpen herausgeworfen, und
trotz vorsichtigen Abschabens des Sandes zum Theil zerbrochen. Die von mir
ganz herausgehobenen kleinen Gefässe lagen meist umgekehrt (dabei Haufen von
Asche und gebrannten Knochen). Sonst meist Scherben, zum Theil von ungewöhn-
licher Güte der Masse (weisslich, gelb, auch rothlich, von grosser Feinheit und
Glätte). 2 Gefässe (1 weiss, 1 schön roth) mit Buckelfeldern, 1 io Form einer
19*
(292)
modernen Tbeekanne mit J ei atep artigen, angesetzten Streifen Ton oben nftch unten
und angpaetÄtem Bodenraud, &o dasa es auf diesem, nicht dem ganzen Boden sUnd.
Die hohe Kunstfertigkeit in Masse und Form kann ich mir nur au? der Nähe des
grossen und vorzfiglichen Thoiilagers von HohenleipiRch (an der Berlin-DreBdener-
Bahn) und Döilingen erklären, so dasa dies berühmte Tbonlager schon ira Alter-
thuDB eine hervorragende Keramik aich hat entwickeln lassen. Berüglich des Etsen-
Bchmucks sei bemerkt, dasa in dem ganzen, nördlich am Urnenfelde, nach Frie-
dersdorf sich erstreckenden Felde Raseneisen&tein in grossen Mengen sich findet,
früher in jener Gegend (in Lauchhammer) auch außgebeutet. Ist doch die ganze,
Btattlicbe Kirche in Friedersdorf samrot dem üriterbaii des Th armes aus hartem,
scharfkantig behaueaem Raseneisenstein, nach der Üeberliefcruag von jeneai Felde,
gebaut Auch fand ich dicht beim ürnenfelde, 1 tn tief in der Erde, grosse Eisen-
schlacken. Glasur war auf keinem der Gefiisse. Ich fand aber später beim Um-
bau des Altars der Kirche in Kückersdorf, die urkundlich 1319 gebaut ist, ein
kleines, etwa 8 cm hohes, krugartiges Reliquiengefäss mit gelber Glasnr,
30. Tröbitz; grosseres Urnen feld. Ich grub nur noch unbedeutende Scherben
mit unregel massig eingeri taten Strichen bei Feldsteinen aus. Der frühere Pastor
Ritter (vor 1872) soll indessen viele grosse Gefässe dort ausgegraben und theila
nach Berlin gesandt, theila mitgenommen haben (ging von dort nach Niederscbutt-
lau bei Glogau i. S.). —
(7) Hr. Handel mann übersendet einige Nachtrige zu den Mittheiluiigen des
Hrn. Treichel (S. 77—84) Über
Volksspfele
1. ThiermaßkeD, Scbon in meinem Büchlein iiber „Weihnachten in Schles-
wig-Holstein** (Kiel I86G), S. 69 — 78 und Äamerkung 57, habe ich darauf hin-
gewiesen, dass die Thiermasken, welche in den festlichen Aufzügen der Zwölften
u. 8. w. vorkommen, ohne Zweifel bis in die heidnische Vorzeit zurückreichen und
von der üblichen Verkleidung in die Haut der Opferthiere berstamniea. Im 6. Jahr-
hundert und später erwähnen mehrere Kirchenlehrer aus Deutschland, Engiand und
Frankreich, dass in den ersten Tagen des Januars die Heiden und leider auch
manche Getaufte verkleidet in unanständiger Missgestalt sacrilayische Tänze auf*
führen und durch Ausgelassenheit beim Trunk und schändliche Gesäuge die Dä-
monen gleichsam zum Opfer einladen. ^Einige kleiden sich in die Felle ihres
Viehes, andere setzen sich Thierhäupter auf, darüber sich freuend und ergötzend,
dass sie sich so in die Gestalten wilder Tliiere umgewandelt haben.** Auch auf
mittelalteriicheu Miaiaturbildern aus Eoglaud sehen wir Tänzer mit ThiernifiskeD
dargestellt, ebenso wie Puck in Shakespeare's Sommernachtstraum dem Weber-
meister Bottom einen Eselskopf anzaubert. Die Namen blieben an manchen A^olks-
spielen haften, auch als die Masken verschwanden (z. B. Blinde Kuh, Hinkebock'^
u. s. w,), und die lebhafte Phantasie der Kinder konnte sich leicht über den Mangel
hinwegsetzen.
Indem ich die Mittheilungen und zum Theil mythologischen Deutungen a. a. 0.
nachzulesen bitte, habe ich nur wenige Nachweise beizufügen:
Auch bei den Insel-Esten macht man zu Weihnacht den Weihnachtßbock
(joulopok) und die Weihnachtsgans (joulohauni); s. VerhandluDgen der gelehrten
Eatnischen (Gesellschaft Bd. VU, Heft 2, S. 56 und 114.
Dem Gansreiter, welcher ebenso wie der Schimmelreiter ein Maskenbild
Wodau*s ist, begegnete ich in einem Weih nachts brauch zu Seelze, unweit Hamiover,
(293)
und in der Sage vom Klowenhoog auf Sylt; s. Zeitschrift der Gesellschaft f. Schl.-
Holst-Lbg. Geschichte Bd. XI, S. 234.
Das Ochsenschiach ien kommt als Fastnachtsscherz auch in Friedrichstadt,
Herzogthum Schleswig, vor; s. a. a. 0. S. 235.
Auch hier wiederhole ich die dringliche Bitte, dass man solchen Thiermasken
überall möglichst genau nachspüren möge^). —
2. Stepke und der Plumpsack. Laut Grimm's Deutscher Mythologie,
2. Ausg., S. 955, „ist in einem grossen Theile Deutschlands jetzt ein Ausdruck für
Teufel verbreitet, der überall nur in der Diminutivform gebraucht wird; nieder-
s&chsisch Stöpke, Stopke in der Helle; in der Maingegeod Stebchen, Stä-
bgen; in der Gaunersprache Steppche, Stepches; obersüchsisch Stebgen,
Stöpgen; thüringisch Stöpfel; im Badischen Steuble. Man versteht darunter
zumal den fliegenden feurigen Drachen, der in die Häuser seiner Ergebenen ein-
kehrt und ihnen Geld oder Korn zuträgt'-')*'. Ob dies Diminutiv von dem Personen-
namen „Stephan*' abzuleiten, lässt Grimm (S. 956) zweifelhaft. Dagegen erwähnt
or, dass die Soldaten ihren Profoss „Stepchen*' nennen, ebenso wie hier der Büttel
im Volksspiel heisst.
Soviel ich weiss, ist das Spiel zuerst kurz angedeutet in Chr. F. Weisse's
„Kinderfreund" (95. und 96. Stück vom 26. April bis 3. Mai 1777), wie folgt: „Es
wurde fast nichts als Klumpsack (sicl) gespielt . . . Des armen Siegfrieds Hände
waren ganz aufgelaufen. . . . Z. B. da spielten wir ein Ding, das hiess Amtmann,
Büttel, Dieb u. s. w., da schanzten sie ihm immer das Blatt aus der Karte zu, das
der Dieb ist, und der Kläger wusste auch allezeit, wer der Dieb war.**
Gutsmuths: „Spiele" (2. Auflage, Schnepfenthal 1796) S. 290—93, giebt eine
ausführliche Beschreibung des Spiels, das, wie er sagt, „in manchen Gegenden be-
kannt genug ist**; und daraus ist dasselbe in die ganze moderne Spielliteratur über-
gegangen. Nach Gutsmuths ist As (Daus) der Amtmann, Dame (Ober) Kläger,
Bube (Unter) Büttel, Sieben der Dieb. — Bei der Strafvollstreckung werden mei-
stens nur drei Grade unterschieden: „aus dem Schmalz I** (oder wie es in Schwaben
heisst: „aus dem Butter!**), „aus dem Salz!** und „aus dem Pfeffer!** („aus dem
ff!**). — Zum Schluss fragt der Amtmann: „Herr König, habe ich recht gerichtet?„
Worauf der Konig nach seinem Ermessen antwortet : „Ja, Dein Urtheil spricht Dir
Gnade I*', oder „Nein, Dein Urtheil spricht Dir so und so viel Streiche!*, welche
der Büttel dann dem Amtmann aufzählt (Ernst Meier: „Deutsche Kinderreime
und Kinderspiele aus Schwaben*' S. 131).
Das Stepke-Spiel hat sich vereinfacht zu einem gewöhnlichen Kartenspiel (Drei-
blattspiel); doch bleibt auch hier der Büttel mit dem Plumpsack in Funktion. S.
die Beschreibung in Krünitz' ökonomisch -technologischer Encyclopädie Bd. 158,
S. 21—22.
Die „Europa**, Jahrgang 1863, Nr. 18, S. 572, beschrieb ein verwandtes Würfel-
spiel aus Persien (das Schahspiel). Von den sechs Seiten eines Würfels sind
vier mit Figurfen bezeichnet, nehmlich mit einem Schah, Wessir, Räuber und Bauer.
Der Bauer gilt Nichts. Wer zuerst „Schah** wirft, setzt sich als solcher auf einen
Teppich. Wer zuerst „Wessir** wirft, tritt als solcher neben den Schah. Wirft
1) Vergl. übrigens W. Mannhardt: „Antike Wald- und Feldkulte« (Berlin 1877) S. 183
bis 200, das mir leider augenblicklich nicht wieder zur Hand ist.
2) Martin oder Stöppchen heisst der fliegende Drache auch in H. L. Fischer^s .Buch
vom Aberglauben* (Leipzig 1790) S. 78 und in R. Z. Becker' s ,Noth- und Hülfsbächlein,
Theil I, S. 366.
eiD dritter „R&uber*', bo führt der Wessir ibo vor den Schah und bescbulcligt ibn
irgend eines ansiDDigee Vergeheos, z. B. er habe des Schahs Schwester am Barte
gezupft. Darauf spricht der Schah eine Strafe auSj welche gewöbülicb in einigen
Hieben mit einer zusamraengedrebten Schärpe besteht.
Die Anwendung des Plumpsacks im Orient bezeugt übrigens schon Adam
Olearius (^Moskovitische nnd Persianische ßeisebeschreibung**, Buch V, Kap. 22).
Im Frühjahr Hj38 sah er bei einer Hochzeit zu Scbaniachi in Schirwan, jetzt zur
Kaspiscben Provinz Russlande gehörig, daBS diejenigen Gaste, welche zu sp?ir kamen
u. derg]., yjmit einem zusammengedrehten Nasetuch auf die Fusssohlen geschlagen
wurden.'*
Viel früher noch sehen wir den Plumpsack auf englischen Miniaturen des Mittel-
alters, namentlich bei der Darstellung des Blindekub-Spiels, wo die Sehenden ihre
Kapuzen abgenommen und in einen Knoten geschürzt haben, um den Blinden damit
zu schlagen (J. Strutt „Sports and passtimes of the people of England." Loo-
don 1801; 2. ed. by W. Hone 18300.
(8) Hr. Handelmann berichtet über
einige Thongefässe von Borgstedterfelde.
Von den yielen schonen Thongefassen aus dem Urnen begräbnisspf atz bei Bor
stedterfelde, unweit Rendsburg, ist bisher nur die sogenannte Figuren-Ürne publi-
cirt^). Ich erlaube mir daher eine pbotographische Aufnahme von sechs besonders
hemerkenswertben Urnen zu überreichen, welche im Katalog des Schleswig-Hol-
steiniscben Museums folgendermaassen iuyentarisirt sind :
4021 k. Urne, hoch 16\'.j cm, grösster Durchmesser 21^3 cm auf 7 cm Hohe^
Durchmesser oben 10 vm^ unten 7Vs cfn. Von der grössten Weite sich konisch
verengernd bis an den 4 cm hohen, etwas eingezogenen Hals. Unterhalb des Halses
drei flache Parall elf ureben; von dort an bis zur grössten Weite von rechts nach
links abwärts cannelirt. Feine graue schollige Glätte.
ff/ii « ^
^^5».^.
Nr. 4021 k.
Nr. um k.
Nr. 40251.
4044 k. Urne, gegenwartig 13 cm hoch, grusster Durchmesser 20 an auf 5 cm
Höhe, Durchmesser unten 7 cw*, oben 77^ cm. Von der gdissten Weite verengert
sich das Ge^s ringsum um 4 cm, wodurch ein 4 cm breiter > nach aussen ab-
geschriigter Rand entsteht; derselbe ist bedeckt mit von links nach rechts abwärts
laufenden Cannelirungen, welche von innen so scharf herausgedrückt sind, dass der
Umkreis, von oben gesehen, scharf gezackt erscheint. An dem 6 ctn hohen, sich
1) Schriften des Natnrwisaenschafllicben Vereins für Schleswig-Holatein ßd, If^ Heft 2,
S. 78 — 81; Compte-reudu du congres international d'aiitbropologie et d^arcbeologieprehistoriques
k Budapest 1\ I, p. 674—76.
(295)
stark vereni^erßden Halse ist, 2'/a cm imterhalb des Eaades, ein Kranz perlenähn-
licher Grübchen, und der Zwischenraum zwischen diesem und der Cannelirung wird
diircU fünf flach erhabene Reifen ausgefüllt. Feine schwarze Glätte.
4025 1, Yaseu förmige Urne mit Fu&s; hoch 16 cm, grosster Durchmesser IBcni
auf 10 tVH Höbe, DurchiueSBer unten l\^cm^ oben im Lichten 14 n/j. Von dem
Fusse vasenförmig aufsteigend, ist der Gefasskörper in der Höhe Ton 5*/, au und
nochmals dicht unter der groseten Weite mit je zwei ringsumlaufenden, 5 mm voo
einander abstehenden Parallelfurchen verziert, Ayf der grossten Weite vier schmale
scharfe Kippen und zwoJf breite yon innen herausgedrückte Buckeln. Von den je
drei, zwischen den vier Rippen liegenden Erhnbungr^n ist die mittlere glatt, die
anderen beiden sind dreimal senkrecht breit gefurcht Beim Ausatz des Halses
vier übereinander liegende Furchen, DSnn aufgetragene schwarze feine Glatte,
402ci i. Urne, hoch 18 cm, grösster Durchmesser reichlich 20 tm auf 7 cm Hohe,
Durchmesser oben 8 (?) er;«, unten 9 cm; der Boden ist kaum markirt An dem
oben theilweise ausgebrochenen, d\!y a« hohen, sich stark verengernden Halse nuter-
halb des glatten, 2 cm breiten Randstückes folgen parallel fünf Furchen, eine ein-
gedrückte Ferlenscbnur, wieder fünf Furchen und eine Perlenschnur, dann vier
Furchen. Darunter um die grosste Weite 26 von innen herausgedrückte senkrechte
Buckeln, Das Gefass von feinem, mit Gfimmerpünktchen reichlich gemischtem
Thon ist roth gebrannt vor Auftragung der scb warzgrauen Glättet
c (
Nr. 4023 i.
Nr. 40^221.
Nr. 4021 1.
4022 L Urne, hoch 18 cm, grösster Durchmesser 26 Va ^''* öuf 10 cm Hohe,
Durchmesser oben 17 Vs cr^h unten 9V« <^* Unter dem gerade aufsteigenden, 6 cm
hoben Halse eine ringsum laufende Furche; von da 4 cm bis zur grössten Weite;
unterhalb derselben dreimal ein eingedrückter Ring zwischen zwei senkrechten
Furchen, Dunkle Glätte,
4021 t. Topfförmige Urne, hoch 17Va ^^^ grösster Durchmesser 20 cm auf 11 cm
Hohe» Durcliraesser oben 14 etHj unten 10^/, cm. Der gerade aufsteigende, ein-
gezogene Rand ist 2 cm hoch. Unterhalb desselben drei aufgesetzte rohe ring-
förmige Ornamente. Graue Glatte.
Ich brauche kaum hinznzurügen, dass hier dem Topfer ohne Zweifel römische
Erz ge fasse mit Cannelirungen und anhängenden Ringen vorgeschwebt haben, welche
er, so gut es anging, in Thon nachzubilden versuchte. Zum Vergleich sehe man
die in den AarbÖger for Nordisk Oldkyndighed og Historie 1875, S. 37, und Me^
raoires de la soci^te royale des autiquaires du Nord 1872 — 77, S. 252, abgebilde-
ten drei dänischen Thongefäi^se, welche nach dem Muster römischer Geisse von
Glas und Edelmetall geformt sind.
(i)} Hr. Dr. Kohl von Pfeddersheim bei Worms berichtet in einem Schreiben
?oin 10. d* M. an Hrn. Virchow über
(296)
Funde tn Rhelnhesseu.
Da ich soeben Ihre PublikatioD über das Grabfeld toq KobaD gelesen , worin
mich die Beschreibung ver8clii«deDer Fundobjektc wegen ihrer üebereinstimHiung
mit hiesigen Funden äusserst frappirt bat, so gestatten Sie mir vielleicht, meioe'^
dtesbeEÜglichen Beobachtungen hier kurz mitzutheileo:
Die Bronzerohr eben habe auch ich gefnuden und zwar als Tbeil eines
Hülsbandes in einem Frauengrabe der Bronzezeit, wo sie mit rohgearbeiteten
Berosteinperlen zusammen gefasst waren (Westdeutsche Zeitschr* f. Gesch. u. Kunst
11, Ji. S. 216 unter e.). Von Gräbern, wie die hier beachriebenen , habe ich jetzt
vor wenigen Wochen wieder einen grösseren Complex entdeckt, den ich jedoch erst
nach der Ernte ausgraben kann.
Schon vor mehreren Jahren fand ich solche Bronzeröhrchen, wie die kau-
kasischen, jedoch von der kleinsten Form, in Gräbern der La Tene-Zeit, auch als
Halsschmuck mit Bernstetoperleu zusammen, —
Was die Scheiben nadeln betrifft, die, wie Sie bemerkt haben, unsereu
„Rad nadeln" entsprechen, ao dürfte der Fund von Leiselheim, was ihren Gebrauch
betrifift, recht instruktiv sein. Dr, Tischler schrieb mir darüber, dass bisher noch
kein ähnlicher Fall bekannt sei, ausser einem bei Popp, Ingolstadt 1821, y» Aus-
grabungen von Grabhügeln bei Amberg** angegebenen. Popp habe auch einmal solche
Nadeln auf der Brust eines Skelets gefunden, jedoch mit den radförmigen Köpfen
nach unten, wenn man die Stelle, die etwas dunkel erscheine, richtig verstäude.
Bisher wurden ja die KadDadeln auch von Linden schmit meist für Haarnadeln
gehalten; es konnle auch die Frage eigentlich nicht klar gestellt werden, weil es
an Skeletfuoden fehlte, und die Nadeln sich nur in Brandgrabern fanden. Hier
in Leiselheira kamen bisher nur Skeletgräber aus der Bronzezelt vor. Es
diirfte sonach die demnächst versuchsweise vorzunehmende Ausgrabung recht inter-
essant werden.
Dicht neben diesen Grabern, und offenbar derselben Zeit angehörend, fanden
sich nun auch zahlreiche Gruben mit Scherben, aufgeschlagenen Knochen,
Muscheln u. s. w, vor, wie Sie solche bei Gr. Gerau getroffen und darüber in der
Zeitschrift für Ethnologie berichtet haben. Diese Gruben kommen bei uns ganz
ausserordentlich häufig vor. Hier bei Pfeddersheim sind unzählige davon. Ich
habe mir neulich auf einem Felde, auf dem ich schon vor zwei Jahren solche auf-
gedeckt hatte, eine grosse Anzahl, vielleicht 80^ 100, markirt und gedenke solche
auch nach der Ernte zu untersuchen. Es Hessen sich dieselben leicht an der Fär-
bung des Roggens nachweisen. Die diesen Roggenfeldern benachbarten Grund-
fitiicke müssen deren auch noch viele enthalten. Es lasst sich vielleicht die Frage
über ihre ehemalige Bestimmung hier leichter lösen als anderswo.
Freiherr von Ow hat auch in den „Württemb. Annalen** solche beschrieben
und als Wohnstätten gedeutet; Hr. von Cohaueen spricht, soviel ich mich er-
innere, sich nicht deutlich über ihre muthmaassiiche Bestimmung aus. Die in den
Gruben enthaltenen Scherben zeigen oft eine merkwürdige Aehnlichkeit mit den
Gefässeo der norddeutschen tJrnenfelder. Sie haben das för Nauheim ja auch con-
statirt. Als ich nach der Berliner Versammlung zum ersten Male wieder derartige
Gruben öffnete, war ich ganz frappirt von der üebereinstimmung der dort gefun-
denen Scherben mit den Gefassen des örnenfeldes von Burg,
Icli habe eine Reihe von hier gefundenen Gefüssen zusammengestellt, die diese
Aehoiicbkeit in der Art der Verzierung (Warzen, Buckel) mit dem Lausitzer Ty-
puä noch deutlicher veranschaulichen. Diese Gefösae fijiden sich in Grabero, die
(298)
liehe aus Gräbero der Frühzeit sich 6nden kooDteD, ist mir ganz yndenkbar. Ueber-
haupt kommt der Torcpes doch erst sehr spät var, eigi?ntlich erat zur La Tene-Zeit,
Aus der Bronze-Zeit ist mir kein sicher constatirter Fund eines metaHeuen Tor-
ques bekannt. Der von W. Gross ausj^ebeutete Pfriblbau von Corcelettes weist
keinen einzigen Torques auf uater 300 oft sehr kunstvoll gearbeiteten Arm-
bändern, ferner unfer 400 Nn dein und anderen Gegenwänden. Bei Lindenschmil
gehören alle Torques, rnit Ansnahnie zweier et^vas früheren Formen, der La Tene-
Zeit ao und auch die in Hallstadt gefuudeueu stammen aus den etwas jüogereu
Gräbern mit La Tene-Sacheu. Da man nun im Kaukasus schon häufig auf den Grab-
feldern römische Fibeln, Miinzen und Atidores fand, wie Sie, Chantre und Bayeru
erklären, so ist der Fund der SchnalleB und des Torques weiter auch nichts Auf-
fttUeades, wie mir echeiut —
Hr, Virchow bemerkt in Beziebung auf die xuletzt von Hrn. Kohl auf-
geworfenen Fragen Folgendes:
Die auf Taf. fV meines Atlas über Eobao abgebildeten Schnallen sind mir von
Hm« Cbaboach Khanukoff, dem Besitzer des Gräberfelde», in dessen Glaub-
würdigkeit ich nicht den mindesten Zweifel zu setzen Veranlassung habe, als ße-
standtheile eines grösseren Grabfundes überliefert worden, Sie für römisch zu hal-
teo^ ist ganz unzulässig, da in keinem der alteren Gräberfelder des Kaukasus irgend
ein römischer Gegenstand gefunden worden ist. Diejenigen Nekropolen, wo ein
Gontakt mit römischer Cultur angenommen werden darf, gehören einer gauz anderen
Kategorie an; im Thöfe von Kobao ist niemals etwas der Art zu Tage gekommen.
Es wird daher wohl nichts übrig bleiben, als die Gleichzeitigkeit der Schnallen mit
den übrigen Fundohjekten zuzulassen« gerade so wie es mit dem Email der Fall
ist, welches im Oecident gleichfalb einer gelir viel spateren Zeit anzugehören
scheint In Betieff der Frage nach der Erfindung der Schnalle bin ich in der
That geneigt, anzunehmen, dass sie aus der Fibula hervorgegangen ist. Ich ver-
weise deswegen auf Tat 1, Fig. ß meines Atlas.
Der Haisring (Taf. IV, Fig. 1) hatte, «chon seines ganz solitären Auftretens
wegen, auch meine besondere Aufmerksamkeit auf sich gezogen und ich hatte be-
merkt, dass er „vielleicht das älteste Beispiel einer solchen Technik darstelle*
(S. 49). In der That wiesen alle mir damals zugänglichen Fülle auf römische, ja
zum grösseren Theile spritröuiische Zeit hin. Indess habe ich auf meiner italieoi-
scben Reise micb überzeugt, dass die besondere Art des Verschinsses durch üm-
Bchlingung des Endes sehr yiel alter ist, als man bisher angenommen hat. So sah
ich im Museum von Este aus einem Grabe der dritteu Periode einen kleinen Arm-
ring von einem Kinde, der ganz nach Art der Hinge von Kertsch eingerichtet ist:
doppelte Umschlingung der Enden dea Drahtes mit zwei längeren, ausziehbaren
Parallelfäden zwischen den ümschlingungsstellen; auf demselben hing ein kleiner
SiJberring» In der Sammlung des Hrn. Nardoni in Rom, welche grossentheils
prähistorische Funde aus der Gegend des Esquiiin enthalt, zählte ich inmitten zahl-
reicher, rein prähistorischer Stücke 4 Ringe mit umschlungenen Enden und eiiieo,
an der Via Varese am Castro Pretorio gefundenen, mit dem Kertscher Verschlusa;
ferner einen Armring von ganz ähnlicher Einrichlung, gleichfalls zum Aufziehen ein-
gerichtet, vom Munte delia Giustizia am Viminal, und von eben daher einen klei-
neren mit anhängendem symbolischem Fingerring; sodann einen Fingerring aus
ßronzedraht mit umgewickelten Endeo von der Piazza S. Antonio am Esquiiin.
Daran schlössen sich endlich noch zwei Drabtketten, deren artikulirende Glieder
durch Umschlingung der Enden geschlossen waren, von S. Euaebio e S. Antonio.
(299)
Obwohl in Rom gefunden, sind diese Sachen doch nicht in dem gewohnlichen Sinne
römisch zu nennen.
. Aehnlich verhält es sich auch mit dem Torques, wenn man darunter nicht ge-
rade einen Halsring versteht. In der Sammlung des Hrn. Michele Stefano de Rossi
za Rom sah ich aus der zweiten Periode von Marino, von den alten Wohnplätzen
am Caput Aquae Ferentinae, also aus latinischer Zeit, einen schön gedrehten Spiral-
armring. Indess berülirt uns diese Frage um so weniger, als gedrehte Nadeln
(Taf. X, Fig. 10) und gedrehte Bügel an Fibeln (Taf. I, Fig. 3) in Koban in ganz
ausgezeichneten Formen vorkommen, also die Methode der Torsion damals schon in
vollendeter Gestalt zur Erscheinung gelangte. Ccbrigens verweise ich wegen des
Alters des Halstorques auf Evans, Bronze Implements of Great Britain and Ire-
land p. 375 sq.
(10) Hr. Eimer in Tübingen schreibt in einem Briefe an den Vorsitzenden über
Tumuli in Bulgarien.
In diesem Frühjahr habe ich eine Reise nach Griechenland und der Türkei
gemacht, in letzterer bin ich von Constantinopel aus zu Land an die Donau gereist,
über den Balkan. Dabei fielen mir schon im Anfang der Landreise Tumuli auf,
welche, häufig in grosserer Anzahl — zu 9 — 12 — vereinigt, je weiter man dem
Balkan sich nähert, um so mehr der Landschaft einen ganz eigenen Charakter ver-
leihen. Sie liegen meist in der Ebene, zuweilen aber auch auf den hervorragend-
sten Höhen der Berge. Ich habe mir von einem derselben Maass genommen, habe das
Papier aber verlegt — ich weiss nur auswendig, dass derselbe — ein kleinerer — etwa
150 Schritte im Umfang hatte, bei einer Höhe von 15 — 20 Fuss. Zuletzt, vor dem
Balkan, auch in der Nähe von Sofia, liegen die Tumuli zu Hunderten. Auch jen-
seits, gegen die Donau zu trifft man sie.
Diese Tumuli gleichen nun äusserlich durchaus jenen, welche man im Vorbei-
fahren am Ufer in der Nähe von Troja sieht. Zwei derselben sind von einem Herrn
in Sofia untersucht worden. Den einen davon habe ich mir angesehen. Es war
ein etwa 5 Fuss breiter Ausschnitt durch denselben gegraben. Man hat nichts
darin gefunden. Desgleichen im zweiten. Ich meinte, es könnte unter dem Ni-
veau des Landes, bis zu welchem nur gegraben worden ist, sich etwas finden. Wie
ich höre, ist aber auch in anderen nachgesucht und nichts gefunden worden. Da
und dort haben Zigeuner ihre Wohnungen in den Tumuli aufgeschlagen, indem
sie Löcher, Höhlen in dieselben gruben. Sollten sie etwa nur Familienwahrzeichen
hervorragender Geschlechter sein? —
Hr. Virchow: Auf den Hohen um Yarna, namentlich im Süden der Bucht,
sah ich 80 gewaltige Tumuli, dass ich von Weitem (ich hatte nicht Zeit, sie zu be-
suchen) im Zweifel blieb, ob es nicht Befestigungswerke neueren Datums seien.
In Constantinopel hörte ich aber von Blum-Fascba, dass es Tepe's, alte Erd-
BufwÜrfe und wahrscheinlich prähistorische seien. Von Ausgrabungen daselbst ist
mir nichts bekannt. Indess wird man vorsichtig sein müssen in ihrer Deutung.
Dts Vorbild der trojanischen Tepe's, welche schon im Alterthum als Grabhügel
angesehen wurden, von welchen die Mehrzahl aber keine Spur von Begräbniss-
resten aufgewiesen hat, dürfte wohl für manchen ähnlichen Erdhügel im Osten
maassgebend sein. Viele sind ebfen /Av^f/uAroc, Erionerungshügel. Jedenfalls wäre es
aber dringend erwünscht, wenn baldigst eine wissenschaftliche Erforschung der
bulgarischen Tumuli in*8 Werk gerichtet würde. —
(300;
(11) Hr. H. Neitzke zu Eoppenow bei Labebn in Pommern berichtet 6e-
DaaereB über die in der Sitzung tom 15. Juli 188*2 (Verbandl. S. 441) besprochene
Holzlade mit Bronzeschnuck von Koppenow.
Hinsicbts des hölzernen Koffers, in dem sich die Sachen befanden, wollte ich
betreffs des Verschlusses desselben noch die Mittheilung machen, dass nach Aus-
sage der Leute, die s. Z. den Koffer fanden, derselbe durch fichtene, genau in die
Locher passende Pflocke derartig fest zusammengehalten wurde, dass sie den
Koffer für eine Klobe Holz angesehen und dieselbe auf das Land geworfen hätten,
wobei sie aber aus einander fiel und die Bronzesacheu zu Tage kamen. Von den
Pflöcken habe ich alles Suchens ungeachtet nichts mehr finden können; auch
wusste ich über diese Art des Kofferyerschlusses damals, als ich Sie in Stettin zu
treffen die Ehre hatte, noch nichts, sonst hätte ich es damals selbstredend gleich
genau erklärt.
Seitdem bin ich eifriger Forscher geworden und habe mit Hrn. K norm -Stettin
und allein bei mir eine ganze Reihe yon Ornen gefunden, die eiserne Lanzenspitzen,
zusammengerollte Schwerter und Scheiden, Schildbuckel, die Nägel dazu und auch
Fibeln (alles von Eisen) enthielten; ieh habe sie sämmtlich nach Stettin ge-
schickt
• (12) Hr. E. Krause zeigt im Auftrage des Hrn. G. Stimming zu Brandenburg
zwei Thongeflase aus der Gegend von Brandenburg.
Das eine ist eine zu Buschow gefundene, fast vollständige Siebschale, Fig. 1,
mit zwei Henkeln, 13 cm oberem Durchmesser, 6,5 cm hoch; das zweite der oben
eng zulaufende Halstheil eines weitbauchigen Gefasses, Fig. 2. Dieser Gef&sstheil
ist von dem zugehörigen unteren Theil an der weitesten Stelle losgelöst, der Bauch-
rand glatt geschliffen und dann, den Halstheil mit der engen Oeffnung nach unten
gekehrt, zur Beisetzung der Knochenreste einer Brandleiche benutzt worden. Der
Fundort ist Radewege.
Fig. L V* natürl. Gr. Fig. 2. V* natürl. Gr.
Hr. Stimming schreibt über diese Gefässe:
,)Bald nach meinen ersten Ausgrabungen im Jahre 1872 machte ich die Beob-
achtung, dass fast alle Gefasse eine ganz bedeutende Bodenabnutzung zeigten.
Versuche an ungebrauchten Aschenkrugen ergaben, dass zu einer derartigen Ab-
nutzung des Bodens ein langer Gebrauch vorausgegangen sein musste.
„Ich sprach s. Z. meine Ansicht hierüber aus, dass fast alle Gefasse, welche zur
Bestattung benutzt wären, vorher als Hausgeschirr gedient hätten, fiel aber mit
dieser Ansicht durch. Heute kann ich nun einen unwiderleglichen Beweis für
meine Ansicht bringen, zu welchem Zwecke ich das Objekt vorlege.
(301)
„ Anschein end ist es der obere Tbeil eines Butterfasses, da am spitzen Ende die
Abnutzung innen, am weiten Ende aussen ist Es scheint fast, als wäre es ein-
geschliffen gewesen^ damit beim Gebrauch keine Flüssigkeit entweichen konnte.
Dieser Thei^ eines Gefässes stand mit der weiten Oeffnung nach oben und war
ganz mit Knochenresten angefüllt.
^Der Fund spricht für meine frühere Behauptung mit aller Bestimmtheit.
^Dass man Butter- und Käsefabrikation kannte, dafür spricht auch der bei-
gefügte Napf. Wäre es ein Seiher, so müsste er im Verhältniss zu den Lochern
Tiel grosser sein, da die Flüssigkeit so schnell entwiche, dass der Rückstand sofort
das Gefass füllen würde; wäre es zum Trocknen oder Aufbewahren von Früchten
u. 8. w., so würde ein Quantum, welches ein so kleines Gefass fasst, nicht loh-
nend sein.^
(13) Hr. Bastian bespricht
Sanmiungen aus Adamaua und Siidcentraiafrika, vom Amazonas, der Osterinsel
und den Agomes.
unter den Vermehrungen der letzten Tage im Königl. Museum ragen besonders
kostbare Bereicherungen aus Afrika hervor, und unter ihnen in erster Linie die
bereits früher erwähnten Sammlungen Lieut. Wissmann*s. Diese glorreiche That,
welche die Wissenschaft nach allen Richtungen hin förderte, hat nicht am wenig-
sten die Ethnologie unter Verpflichtung gestellt, da ihr bei diesem erfolgreichen
Vordringen in das noch völlig Unbekannte preislose Kleinodien zugegangen sind,
aus bis dahin ganz unberührten Gebieten, mit dem Typus ächter Originalität ge-
piügt Es ist dies dem Festhalten der bei Gründung der afrikanischen Gesell-
schaft leitenden Gesichtspunkte, dem Vordringen von Westen her zu danken und
der glücklich erlangte Erfolg um so höber zu schätzen, weil gewissermaassen schon
der letzte mögliche, da bereits bei Pogge's Rückkehr die Störungen einzusetzen
begonnen zu haben scheinen.
Nicht weniger bedeutungsvoll erweisen sich die von dem Reisenden Flegel
eingelaufenen Nachrichten, der sich ebenfalls an der Grenze des für jetzt noch
völlig unbekannten bewegt, an der nördlichen Peripherie jenes im dunkeln Gon-
tinent weiss gebliebenen Flecks, den die Afrikanische Gesellschaft bei ihrem ur-
sprunglichen Plan (1873), von der Loango-Küste her, nach dem von Schwein-
fnrth festgelegten Ziel in Munsa^s Residenz zu durchschneiden dachte, und der
von Flegel jetzt vielleicht, für einen Theil wenigstens dieses Gebietes, in umgekehr-
ter Richtung mag durchkreuzt werden, von Adamana aus in die Wasserscheiden des
Ogowe und Congo. Adamaua bildet schon seit Denham und Barth den äusser-
st^ Vorposten, die Warte, von der wir erwartungsvoll hinausblicken in das noch
neblig Verschleierte ringsum, und wer zuerst dort eindringend, eine Fackel ent-
zündet, wird damit das Herz des ältesten, und doch am längsten fremd gebliebenen
Erdtheils der Eenntniss enthüllt haben. Aus den reichen Sammlungen, die seit
kurzem durch Flegel beim Königl. Museum eingelaufen sind, lege ich hier eine
Serie jener für Gentralafrika charakteristischen WafFe vor, die unter ihren ver-
schiedenen Variationen als Schangormangor oder Trumbasch bekannt ist, als Gul-
beda, dann als Golio Baghirmi's, Daniska der Marghi, Hunga-Manga (der Manga),
bei den Funj, von Hartmann beschrieben, bei den Nyam-Nyam von Seh wein -
fiirth (in seinem ausgezeichneten Werke der Artes Africanae) als Pingah, die in
80 überraschender Weise ihr westliches Seitenstück bei den Pangwe erhielt. Von
beiden Arten finden sich Vertretungen in der ethnologischen Sammlung, und jetzt
(302)
kommt döTch 1^1 e gel (in ErgüDzimß einer Nachtjgal zu datikendeo Vertretung)
diese lange Reihe aus Adamatia hinzu (ihm jetzt von den Fulbe beherrschten
Fumbina), aus den eingebornen Stämmen (der Mbum, Deck oder Duck, Karra u. 8. w,).
Während die üulbeda zwei Schenkel, die Pingah drei Schenkel zeigt, finden sich
hier Formen bis vier. Ausser zum Wurf, dient diese Waffe auch zum Schlag, um
mit dem vorspriogenden Haken deu durch wulstige Haarfrisur gebildeten Helm wu
durchdringen» Auch ausserdem enthalten die so eben ausgepackten Sammlungeu
viel eigenartig Neues, 80 dass bald eine ausgiebige VertreUing hoffentlich noch zu
erwarten, ehe es auch für dort zu spat sein möchte.
Wie kein Augenblick verloren gehen darf, zeigt schlagend ein gleichfalls hier
vorliegendes Schälchen, welches das Museum durch einen Reisenden am AJto Ama-
zonas aus einem bis dahin in den Sammlungen unvertretenen Stamm erhielt, und
das, obwohl die erate Kunde von seiner ethnischen Eigenthümlichkeil, auch zugleich
die letzte zu sein scheint, denn wührcnd die Anssenseite noch charakteristische
Ornamentirung zeigt, beginnt sich aof der Innenwand bereits fremder Ein flu ss por-
tugiesisch-spanischer Beziehungen merkbnr zu machen.
Was aus der Osterinsel durch S, M. K. Hyäne den ethnfilogischen Studien ge-
reltet wurde, ist Ihnen bereits bekannt, durch die im Kouigl. Museum eingefügten
Sammlungen sowohl, wie aus dem in der Beilage des Marineheftes veröffentlichten
Reisebericht, Seitdem hat das Kriegsschiff, nach einer vom Hrn. Zahlmeister Weis-
ser zugegangenen Mittheilung, noch andere Inselgruppen besucht, darunter die
Hermit-Inseln, und über die dorl für die ethnologischen Forschungen gesicüerten
Resultate ist ausserdem ein schätzbares Schreiben zugegangen von Hrn. Korvetten-
Kapitain Knrcher, Ooramandant S. M. K. Carola, der die Güte hatte, eine Liste
der für das Koni gl. Museum unterwegs befindlichen Sammlungen zu uberschicken.
Im Anschluss an eine nach den Her mit- Inseln durch die Kaiserliche Admiralität
beschlossene Expedition war eine darauf bezugliche Eingabe seitens des Ethnologi-
schen Museums unterbreitet worden und t)ei der hochgeneigten Aufnahme, welche
dieselbe gefunden, wird deshalb auch diesmal wieder die Thatigkeit der deutschen
Marine in dankeuswerther Weise der Wissenschaft zu Gute kommen. Die Hermit-
Inseln (Agomes) hatten schon langer die Aufmerksamkeit erregt in Foige der eigen-
thümiichcn Schnitzereien, wie sie sieb z, B. in Ciodeffroj's oceanischem Muster*
Museum ausgestellt finden, und dann in anthropologischer Hinsicht (wie Sie aus
den MittheiJungen unseres Vorsitzenden wissen) kamen Maclay^s MittheÜungeu
über die G rosszäh nigkett hinzu, dort und auf den Anachoreten, sowie die weiteren
Bemerkungen über Ninigo (Kchiquier), auf einem Grenzgebiete Melanesiens und
Mikronesieus, wo sich also, wie stets auf solchen Kreuzungspunkten, die Forschungs-
faden durcheinander^ehlingen, um sich dann, mit Anhalt in zuverlässigem Material,
um so klarer zu lösen. Die von Maclaj zugefügte Erwähnung der (aJs kraus-
haarig beschriebenen) Orong Gargassi (zwisclien Kedab und SiugoroJ auf malayiacher
Halbinsel würde nebsk anderen Analogien weiter führen auf die Hauerzähne indo-
chinesischer Belu und ähnlicher Schöpfungen verwandter Mythologien (auch geogra-
phisch weit getrennter).
I
I
(14) Hr, Bastian legt sein eben im Druck fertig gestelltes Buch vor: ^Zur
Kenntniss Hawaü's**, zugleich als Naclitrag und Ergänzung zu den kürzlich
erschienenen ^Inselgruppen in Oceanien". Abgesehen von dem auf das im Titel
bezeichnele Inselreich Bezügliche, ist aus den bereits erwähnten Forschungen
White's» des besten Kenners der Maori aus lebenslanger Mitarbeit (schon seit der
Sir George Grey's, mit Recht berühmtem, Buch gewidmeten), eine bei dem Aufenthalt
in Wellington yon ihm erhaltenen Uebereichtstafel der mythologischen Weltauffas-
anng beigefugt, mit schematischer Darstellung des Schopfungsprocesses, der An-
ordnung oberer und unterer Welten, der Götter-Genealogien u. s. w., so dass sich
jetit das Ganze zu einem mehr abgerundeterem Bilde gestaltet, als aus den bisher
nur aphoristisch erhaltenen Notizen herzustellen möglich gewesen.
(15) Der Vorsitzende legt Photographien von Alaska-Indianern vor
als Geschenk des Hrn. Aurel Krause.
(16) Hr. Friedrich Bayern berichtet in einem Briefe an den Vorsitzenden
d. d. Tiflis, 12./24. Mai über
neue Aasgrabungen in Samthawro.
„Ich habe die untere Etage von Samthawro, d. h. das Feld mit den Kuppel-
oder Brunnengräbern untersucht, der ganzen Länge nach, ungefähr in 25 Faden
Lange, auf 3, stellenweise 6 m Breite und 3, stellenweise bis 4 m Tiefe, und fand
bei dieser Arbeit 9, theils durch Kistengräber zerstörte Kuppelgräber und ausser
den von mir schon früher geofiPncten Steinkisten noch 12 andere, von denen
ich 7 etwas genauer untersuchte, aber nur in 2 einige interessante Gegenstände
fand. Endlich entdeckte ich auch einen mächtigen Steiuhügel, aus mehr denn
500 Rollsteinen zusamraengehäuft. Die grösseren (4 — 5 Fuss dicken) Steine lagen
ganz unten; nach oben wurden sie immer kleiner, wo sich sch'on Gerolle von Vs Fuss
Durchmesser fanden, ungefähr einen Fuss unter diesem Steinhügel fand ich ein zer-
drücktes Skelet, ohne alle Beigaben, neben welchem jedoch ein eiförmiger kleiner
Rollstein lag, sehr ähnlich den künstlich gerundeten Schleudersteinen, wie ich sie
in Gräbern der Ghewsuren traf. Dieses Grab erinnert sehr an diejenigen, wie sie
bei Josua 7, 25, beschrieben und noch von Vamberi in Khiwa, wenn ich nicht
irre, gefunden wurden. Leider verjagte mich der Hagel, so dass ich nur einige
Bruchstücke vom Schädel dieser Leiche heben konnte.
Künftig wird sicher von diesem Leichenfclde kein einziger Topf mehr gehoben
werden können, denn ich habe jetzt Alles aufgeräumt, und selbst grabe ich hier
nicht wieder. Von ungefähr 80 Thongeschirren sind :?5 Stück so ziemlich voll-
ständig. Ein Krug (Wyrouboff, Objets d'antiquite PL VIII, Fig. 6), jedoch mit
viel schönerer Zeichnung, ist unversehrt gehoben; ein Topf (PI. IX, Fig. 2) mit sehr
schöner Zeichnung erhielt ein Loch durch die Keilhaue, und ein Henkel brach
durch Unvorsichtigkeit, der aber bald wieder angeheftet werden kann. Diesmal
habe ich viele ganz neue Formen von Thongeschirren sammeln können, auch mehrere
Schüsseln; bei dem Heben derselben aber sind diese, im trockenen Zustande so
festen Thongeschirre so mürl)e, dass sie in den Händen zerfallen, so lange sie noch
feucht sind. Ein grosser Topf, leider in Trümmern gehoben, ist mit einer Schlange
auf jeder Seite verziert, was mir noch nicht vorgekommen. Im Ganzen genommen
ist der Formreichthum dieser kleinen Sammlung von Thongeschirren hervorzuheben.
Es finden sich Töpfchen von kaum 2 Zoll Höhe und ebenso viel Bauchdurchmesser,
bis SU Krügen und Töpfen von 2 Fuss Höhe und Schüsseln von 2 Fuss und mehr (?)
Kreisdurchmesser. Bei vielen Geschirren, namentlich bei den Krügen, findet man
die OefFnung mit einem flachen Rollsteine bedeckt, wodurch gewöhnlich der Rand
bei dem Arbeiten in der Erde beschädigt wird.
Von Waffen fand ich diesmal meistens Eisen, dieses aber, bis auf ein Stück,
gänzlich zerblättert. So fanden sich zwei Schwerter, das eine mit merkwürdigem
Bronzegriff, der mit Bronzenägeln, wahrscheinlich um eingelegtes Holz zu befestigen,
(304)
geziert war; auch die, wabracheiolicb kderne, Scheide war mit zablreicbeo Brouie-
koopfen auf der eioen Seite Terziert^ die in zweij weoD Dicht sogar in drei Heihen»
deoo ich sammelte aa einigen Steilen auch drei neben einander stehende Knöpfe
der Länge nach am Schwerte bis lur Spitze, sich sammeln liesseo. — Das zweite
Schwert bat eine Schaftzunge und zwei Niete. Auch zwei Dolchklingen von
Eisen und eine schön«, noch gut erhaltene Lanzenspitze von Eisen (ähnlich
PL I, Fig. 6) sind zu erwähnen.
Yöti ßronzewaffen sind Wurfspeer und Lanzenapitzen, »owie zwei
Pfeilspitxeu zu npunen: der Wurfspeer (PL I, Fig, 4), Lanzenspitzen (PL I,
Fig. 5, 6 und andere Formen), Pfeilspitzen (PL I, Fig. ^). Selbst eine Pincette
ist gefunden, leider aber zerschlagen und nicht vöHstandig, sie kann nur zur Bronze-
analyse dienen. Pfeilspitzen von Bein (Fig. 10 w. 11 auf PL I bei Wyrou-
boff) sind in zerbrochenem Zustande gesammelt
Von Bronze sammelte ich ferner einen Armring Ton einer älteren Person und
einen anderen von einem Kinde; dann Kleidernadeln. Dazu verschiedene Car-
neolperJen (alle von einer Seite gebohrt) und Glasperlen von iuteressanten Formen.
Aus zwei Steinkisten wurden gesammelt ein paar Goldohrgebänge, ähnlich
denen von Komunta in Digurien, daher der Byzantiner-Zeit angehdrend, dann ein
Geliängsel von Silber^ einen Halbmond bildend; eine Baurnadel von Bronze
niit grosser ceylonischer Perle. Ein Fingerring von Silber, besetzt nait
einer Rubingemme, darauf ein Hase* Ein Armring von Silber, 2 Armringe
von Bronzedraht; ein Spinnwirtel von Bein und einer Ton Glaspaate
mit farbigen Blumen verziert. Zwei kleine Glas ringe (Talismane?). Die Fibeln
von Eisen sind alle zerstört.
Von Schädeln habe ich 10 Stück nach Tiflis gebracht; bis auf zwei Stück
aber sind dieselben so jämmerlich zerstört, dass ich es nicht wage, diese Trümmer
zu schicken; es werden daher nur hoebstens drei Schädel Cur Berlin eingepackt —
Ich habe für Sie eine grosse Partie Obsidiansplitter von Samlhawro ge-
sammelt, wobei sehr interessante Stücke sich finden, die an Messer, Pfeilspitzen,
Schaber u. «» w, erinnern, und es ist merkwürdig, wie bei der Unzahl von Obsidian-
splitter n, bei denen kaum einige Hiebe nothig gewesen wären, um Stein werk zeuge
daraus zu bereiten, man doch kein einziges bearbeitetes Stück auf Samlhawro findet.
Diese Sammlung von Splittern ist auch darin sehr lehrreich, dass viele Nichtken ner
der wirklichen Stein Werkzeuge ganz sicher dabei künstliche Produkte erkennen
wurden; sie beweist, wie vorsichtig manche Berichte von Steinwerkzeugfynden auf-
zunehmen sind. —
Aus dem Löss, unter einem Kuppelgrabe, sammelte ich eine Partie gebrannter
Knochen, worunter Menschenschädel und Wirbeltrümmer mir aufstiessen. Sollte hier
Leicbenbrand oder Anthropophagie vorliegen? — Au zwei Stellen fand ich jetzt
unter den Knppelgräbern grosse, mit Knochen gemengte Brandstellen mit Holz-
kohlen; an anderen Stellen aber nur Koochentrummer im Löss, Ich sammelte für
Sie eine kleine Partie der gebrannten Knochen und vier Zähne, wahrscheinlich vom
Hirsch^ die nicht im Brande lagen« Grossere Knochen, namentlich Röhreukoochen,
konnte ich diesmal nicht finden; die kleineren Eübrenknochen sind aber alle ge-
spalten.
Ein unbeschreibliches Gewitter mit zweimaligem Hagelschlag machte meinen
Arbeiten auf Samthawro ein Ende. Mehie Gruben waren alle noch zwei Tage dar-
auf mit Wasser gefüllt; ich liess daher dieselben zuwerfen und das Feld ebnen,
damit der Landbesitzer auch dies Stiick Land bebauen kann, wie dies jetzt mit dem
ganzen Leichen felde der Fall iat.
(305)
Hr. TOD Weisenhoff hat mir eine Partie sehr schöner glasirter, bemalter
und sogar mit arabischen Inschriften versehener Thongeschirrscherben aus der
Itulagwiden-Zeit für Sie iibergeben, die auf dem Felde zwischen Eura und Araxes,
oberhalb ihrer Vereinigung, gefunden wurden, wahrscheinlich an der Stelle, wo
Djelal-Ed-din von den Kurden ermordet wurde. Auch griinglasirte Ziegelbruch-
stQcke sind dabei.
Ich selbst enthalte mich für jetzt gänzlich weiterer Schlüsse über meine Aus-
grabungeu. Für mich ist an den jetzt gesammelten Gegenständen aus den Kuppel-
gräbern von Samthawro das so häufige Vorkommen Ton Eisen wafiPen unerklärlich,
während auch jetzt, bis auf eine einzige Kleidernadel, von Eisengeräth nichts an-
deres sich fand; dann die so zu sagen fast kunstlosen Bronzesachen neben der
schon hohen Kunst der Glasperlen-Industrie. Lokalerzeugnisse in den Samthawroer
Kuppelgräbern scheinen mir nur die Thongeschirre und vielleicht die Jagdpfeil-
spitzen von Bronzeblech und Bein zu sein.
Die Scheitelhaartheil-Nadel, früher fälschlich Scheitelscheide-Nadel von mir ge-
nannt, habe ich im alten, ausgeworfenen Schutte der Steinkiste Nr. 565 des Jahres
1876, welche ich jetzt wieder mit Erde füllte, während ich das Land ebnen liess,
wiedergefunden, leider fehlt an diesem Exemplar das, wahrscheinlich aus einem
Onjxcjlinder bestehende Köpfchen. Ich werde dieselbe Ihnen zuschicken; Sie
werden sehen, dass diese Nadeln mit den Scheiben- und Schaufelnadeln von Koban,
wenn auch eben so lang, nicht zu identifizieren sind; sie gehören einer bedeutend
jüngeren Periode und jüngeren Kunst an.
In zwei Gräbern fand ich unter den Kuppelgräbern, einen Fuss unter der
oberen Leiche, wieder eine Leiche, wobei merkwürdiger Weise nichts anderes als
Bronze-Lanzenspitzen auftraten, während in der oberen Lage nur Eisenwaffen nebst
Bronzenadeln und Thongesch irren sich sammeln Hessen.
Von grossem Interesse ist für mich in Ihrem Buche über Koban das Citat von
Plinius über den Carneol bei Babylon. Sollte Plinius diesen Bericht aus dem
Herodotischen Babylon, was sehr wahrscheinlich ist, haben, so Hesse sich vielleicht
dieser Carneol zwischen der Algeth und der Vera, im Süden von Tiflis, einmal
finden, denn als Gerolle fand ich ihn im Kodi-See und im Walde bei der deut-
schen Kolonie Elisabeththal, 16 Werst südlich von Tiflis.
r^
(17) Hr. W. Dolbeschew berichtet in einem Briefe an den Vorsitzenden d. d.
Wladikawkas, 2./ 14. Mai, über
eine Bronzegussform von Koban, Kaukasus.
Wir wollen, Ihrem Wunsche gemäss, recht sorg-
fältig nach den Wohnsitzen der alten Ober-Kobaner
suchen. Dazu werde ich Ausgrabungen irgendwo im
alten Gemäuer des Auls selbst anstellen, auch ander-
wärts herumsuchen. In den Sachen, die ich von
Kanukoff für das Petersburger Museum absandte,
fand sich eine Thonform aus gebranntem, rothem
Lehm mit einem dazu genau passenden Deckel aus
demselben Material. Das Ding enthielt den Abdruck
eines schmalen Dolches mit Handhabe, ohngefähr wie
ich hier aufgezeichnet habe (Fig. 1 u. 2). Die Ver-
tiefung des Abdruckes hatte sehr genaue scharfe Kan-
ten. Das Stück war etwa in der Mitte durchgebrochen.
V«rhaiidL dar B«rl. Anthropol. GeMllschaft 1883. 20
(306)
Die Ränder a a a des Lehmstückes Fig. 1 und die Fläche de8 St&ckes Fig. 3, b b h,
waren sehr glatt und passten genau auf einander; auf der Fläche b b b des xweiteo
StQckes, das nicht so dick war, wie das erste, war keine Spur Ton Abdruck oder
Vertiefung bemerkbar. Aufeinandergelegt, passten die Stücke in Betreff der Länge,
der Breite und der Ecken ganz genau auf einander. Ich denke, dass man mit Gewiaa-
heit voraussetzen darf, dass es eine Gussform gewesen ist, und dass man daher aof
eine ortliche Fabrikation oder Nachahmung oder Reparatur der Gussgegen stände
Ton Koban schliessen düifte. Am oberen Ende des Stückes Fig. 1 war eine kleine,
etwas trichterförmige Rinne, durch die wahrscheinlich das aufgelöste Metall gegossen
wurde. Diese beiden Stucke sind in einem Grabe nebst anderen Sachen gefunden
worden. Sonderbar kommt mir hier nur der umstand Tor, dass ich, so viel ich
Kobaner Bronzen gesehen habe, mich durchaus nicht eines Stückes erinnern kann,
das genau der Form dieses Abdruckes entspräche. —
Hr. Virchow bemerkt dazu, dass er Hrn. Dolbeschew ersucht habe, doch
alle Aufmerksamkeit darauf zu verwenden, ob sich nicht in oder bei Koban Spuren
der alten Niederlassung auffinden Hessen, welche doch unzweifelhaft früher dort
bestanden haben müsse. Möglicherweise würden sich dann ungleich deutlichere
Nachweise für das Alter und die ganze Beschaffenheit der dortigen Cultur gewinnen
lassen. Der Nachweis einer Gussform sei von grosser Wichtigkeit, zumal da unter
den von Hrn. Chan tre mitgebrachten Bronzen sich eine annähernd ähnliche Form
eines zweischneidigen Dolchmessers befinde.
(18) Hr. Virchow lenkt die Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf den, eben
in Berlin gezeigten
anerlkanischen Zwerg.
Francis G. Flym von New -York, 19 Jahre alt, ist einer der niedlichsten
und durch die gleicbmässige Kleinheit aller Theile vorzugsweise ausgezeichneten
Zwerge. Seine Körperhöhe beträgt nur 80,7 cm Rumpf und Glieder sind ganz
proportionirt und höchstens der Kopf ist für diesen Körper vielleicht etwas zu gro«8
ausgefallen. Es beträgt
der Horizontalumfang .... 415 mm
der Vertikal umfang (quer) . . 268 ^
die grösste Länge des Kopfes . 146 „
Breite „ „ • 116 ^
Seine Geisteskräfte sind, wie es scheint, über die eines 12jährigen Kindes hinaas
nicht erheblich entwickelt, indess weiss er durch eine gewisse Sicherheit des Be-
nehmens und der Haltung diesen JMangel zu verdecken.
(19) Hr. Virchow bespricht, unter Vorlage zweier Schädel,
die Rasse von La Täne.
Durch ungewöhnlich glückliche Beziehungen sind wir im Stande gewesen,
für die Geseilschaft ein fast vollständiges Skelet und einen trefflich erhaltenen
Schädel aus der berühmten Pfahl baustation von La Tene am Neuenburger See zu
erwerben. Hr. Professor Aeby in Bern zeigte mir unter dem 24. April an, dass
in der Culturschicht, 3,5 m tief, in Gesellschaft von Pferdeschädeln und eisernen
Kriegswaffen mehrere Menschenskelette gefunden seien, von denen eines nebst einem
Schädel zum Kauf gestellt sei. Der Ausscbuss bewilligte sofort die Ankaufssumme
(307)
und wir sind jetzt in der beneidenswerthen Lage, an eigenem Material die Unter-
suchung über die Rasse, welche jener berühmten Cultur Ton La Tene als Trägerin
diente, anstellen zu können.
Der Direktor der archäologischen und anthropologischen Sammlung in Bern,
fir. Edm. von Fellenberg, hat noch die besondere Güte gehabt, über die Fund-
▼erhältnisse selbst folgenden Bericht an mich gelangen zu lassen:
„Seit der Tieferlegung der Juraseen durch die grossartigen Arbeiten der
Juragewässer-Correction, die uns ermöglicht hat, zahlreiche Pfahlbauten trockenen
Fusses auszubeuten und umzugraben, ist auch der Pfahlbau von La Tene bei Marin
trocken gelegt und in den letzten Jahren mit wechselndem Erfolg von verschie-
denen Alterthumsforschern, vor Allen von Hrn. Oberlehrer Vouga in Marin und
dem Abwart des Neuenburger Museums, Hr. F. Borel, ausgebeutet worden. Die
zahlreichen prachtvollen WaflFen (Schwerter, Lanzen, Schildbeschlage u. s. w.), welche
die Sammlungen des Oberst Schwab sei. im Schwab-Museum zieren, und diejenigen
von Prof. Desor in Neuenburg wurden in früheren Jahren bei ruhigem Wetter und
klarem See meist oberflächlich mit der Zange vom Seegrund aufgehoben oder mit
leichtem Uandbagger aus der oberen Bodenschicht des Seegrundes herausgebaggert.
Die damaligen Fundstücke La Tene^s fanden sich auf einem beschränkten Areal zahl-
reich auf oder in schlammigem und Torfboden vor, zwischen zahlreichen, sehr dicken
eicheneu Pfählen und liegenden Balken. Seit der Tieferlegung des Sees jedoch
hat sich das Fundareal von La Tene bedeutend erweitert. Weiter gegen das Land
hin, innerhalb des Terrains, welches man früher für die eigentliche Pfahlbaustation
hielt, fanden sich in einer groben Kiesschicht ebenfalls La Tene-Artefacte. Hier
sind nun seit einigen Jahren grossartige und sehr kostspielige Ausgrabungen vor-
genommen worden, welche ergeben haben, dass, was man früher als La Tene-Station
ansah, kein eigentlicher Pfahlbau im gewöhnlichen Sinne des Wortes, sondern eine
Niederlassung auf einer Insel oder an einem seichten Ufer der alten Zihl (Tbielle)
war, welche zur gallischen Zeit einen anderen Ausfluss aus dem Neuenburger See
• hatte als jetzt. Es hat sich herausgestellt, dnss die mächtigen Kieslager innerhalb
der früheren oberflächlichen Fundschichten von La Tene-Sachen den alten Lauf der
Zihl bezeichnen, und nun findet sich neuerdings in diesem alten Zihlbett, welches
allmählich durch den Wellenschlag des Sees von Westen her ausgefüllt wurde, in
verschiedenen Niveaux, bald im groben Kies, bald im feineren Sand und in Schlamm-
schichten, eine Fülle der werthvollsten Artefacte der La Tene-Periode. In diesem
alti^n Flussbett zeigen sich nicht regelmässige Pfähle, wie in der äusseren (alten)
Station, sondern nur einzelne Pföhle und liegende Balken, die auf eine Brücke hin-
deuten. Um diese Brücke oder um die alte Fuhrt, die aufs jenseitige Ufer zur
eigentlichen Station (Lager, castrum, Fabrik?) führte, hat man sich geschlagen, das
zeigen alle die Waffen, welche Einschnitte, Scharten besitzen, oder solche, die gebogen,
zerknittert oder zerbrochen sind. Hier auch im alten Flussbett liegen die zahl-
reichen Ueberreste menschlicher Individuen, und zwar Skelette und zahlreiche
Schädel mit Spuren von Schwerthieben und sonstigen Verletzungen; ebenso zahl-
reich sind Pferdeschädel. Oberlehrer Vouga, der beste Kenner der Station La
T^ne, hat schon über 30 Skelette, meist nur in einzelnen Theilen, constatirt. Es
hat nun letzten Winter Hr. F. Borel, der Abwart des Neuenburger Museums, auf
Rechnung des letzteren, wobei er als Bezahlung die Doubletten verwerthen darf,
wieder grossere Ausgrabungen vorgenommen und ist in einer Tiefe von S'/j — 4 m
noch auf einige wohlerhaltene Skelette und Schädel gestossen, von denen diejenigen,
die Ihnen zugesandt worden, mit die besterhaltenen sind. In der gleichen Tiefe
Dnter und neben diesen Menschenresten fanden sich mehrere sehr schone Schwerter,
20*
(308)
wovoD eines mit halbBeidg-broDiener Scheide, Pferdegebisse, Tr e n aen stücke, Laute n-
spitzeii, Fibeln und PferdeschadeL Dr. V. Gross besitzt vou La Tene eioeD Schädel
mit mehreren tiefen und scharfkantige» Schmisaen eines Schwertbiebes, Der Prei»
des Skeletes und der 2 Schädel ist allerdings etwas hoch; wenn man aber bedenkt,
dass über 3 m Kies abgetragen werden mÖBScn, bis man auf die Schicht kommt, und
dass man immer mit Wasserandrang zu kämpfen hat und fortwährend pumpen muss,
so begreift man die etwas hohen Ansätze* Da wir in unserem Antiquarinm kein
anthropologisches Material besitzen, habe ich Freund Aeby ersucht, für eine Ver-
werthung der Skelette zu sorgen, und ich bin sehr froh, dass sie eine so würdige
Ruhestätte finden, wie die Anthropo logische Sanjmlung in Berlin ist Die übrigen
Fundstücke habe ich alle behalten, da in eicht zu ferner Zeit La Tene auch aus*
gebeutet und der Geschichte verfallen sein wird.**
Ich darf hier zunächst den Herren Aeby und y* Fellenberg dea besonderen
Dank der Gesellscbaft aussprechen, nicht bloss für die Zuwendung so seltener
Funde, sondern auch für die gute Meinung^ in welcher sie gerade uns bevorzugt
haben. Wir waren, wesentlich durch die nicht genug anzuerkennende Zuvorkommen-
heit des Hrn. Victor Grose zu wiederholten Malen in der Lage, uns mit der Cra-
niologie der Pfahlbau ern zu beschäftigen, indess waren diess ohne Ausnahme Schädel
aus Stationen der Stein- oder der Bronzezeit. Zum ersten Male liegen uns hier
gut erhaltene Reste der Menschen aus jener so denkwürdigen Anfangsperiode der
Eisenzeit vor. Ob darüber schon anderweitig neuere Untersuchungen veranstaltet
worden sind, ist mir nicht bekannt geworden*
Das Skelet ist offenbar ein weibliches, der andere Schädel ein männlicher.
Somit ist eine gute Gelegeoheit zu vergleichenden Betrachtungen gegeben; nur ein
Umstand ist hinderlich, nehmlicb eine starke Verletzung der Gegend um daa
Hinterhauptsloch bei dem männlichen Schädel, welche insbesondere die Bestim-
mung der Capacität, der Hohe und des Sugittalnmfanges unmöglich macht. Die
Verletzung selbst ist eine alte und es liegt nahe, sie mit dem Kampfe, den Hr.
V. Fellenberg erwähnt, in Verbindung zu bringen.
Sämmtliche Knochen haben jene tief graubraune Färbung, welche den Moor-
knocheu eigeothümlich ist. Sie sind, soweit sie vorhanden sind, wohl erhalten,
von glänzendem, dichtem Aussehen und erheblicher Schwere. Die Rinde ist durch*
weg vorhanden.
1. Der männliche Schädel ist sehr voluminös. Bei einem Horizontal-
umfange von 51B mm misst er im queren Vertikal um fange B12 mmi der Sagittal-
umfang betragt, obwohl von der Hinterhauptsschuppe fast der ganze untere Ab-
schnitt bis nahe an die Lineae semicirculares inferiores fehlt, immer noch 344 mm.
Der sagittale Umfang des Vorder* und Mittelkopfes misst je 124 inm. Da sich
der Längen breiten index auf 80,2, der Auricularindex auf 62,1 berechnet, so wird
man ihn als orthobrachycephal bezeichnen dürfen.
Sämmtliche Nähte sind offen. An der Hinterhauptsschuppe findet sich sogar
noch jederseits ein Rest der Sutura transversa occipitis. Nur das linke
Emissarium parietale fehlt und die Sagittalia hat hier einen auffallend einfachen,
geradlinigen Verlauf. Dafür sind in der Lambdanabt mehrfache Schaltknochen
enthalten und sie bildet, abgesehen von einer Abflachung der Spitze, einen starken
Absatz gegen die Hinterhauptsschuppe.
Der Knochenbau ist am eigentlichen Schädel kräftig. Die stark geschwungenen
Supraorbital Wülste treten auffallig vor und sind durch einen prominenten Naseo-
Wulst verbunden. Die Schläfenlinien sind deutlich, aber sie treten nicht hoch hin-
auf; der geringste Abstand der ionereD Linien beträgt 152 mm^ Eine Frotuberantift
I
4
(309)
occipitalis externa fehlt gänzlich und auch die Lineae semicirc. occip. sind wenig
entwickelt Die Tubera parietalia treten kaum hervor, dagegen sind die frontalia,
namentlich lateralwärts, deutlich abgesetzt
In der Norma verticalis erscheint das Schädeldach ziemlich gleichmässig ge-
wölbt und von grosser Breite, die Schläfengegend nicht eingewölbt, nur das Hinter-
haupt Yorspringend. — In der Seitenansicht bildet die Scheitelcurve keine gleich-
massige Linie: die etwas niedrige Stirn hat einen starken Glabellareindruck, da-
gegen einen deutlichen intertuberalen Vorsprung, hinter welchem der obere Theil
des Stirnbeins eine lange, sanft ansteigende, breite Fläche bildet; der höchste Punkt
der Scheitelcurve liegt an der Fontanellstelle; hinter derselben folgt die kurze,
wenig gewölbte Curve des Mittel h au ptes, von der Intertuberallinie an ein schneller
Abfall, dann der Absatz an der Lambdanaht und endlich eine massige Yorwölbung
der Hioterhauptsschuppe, die schnell nach unten und vorn umbiegt. Auch die
Seitentheile des Schädels sind ausgevrölbt, die Alae temporales breit und nur nach
der Basis zu stärker eingebogen. — In der Norma occipitalis tritt die Breite des
Schädels besonders deutlich hervor. Der Quercontour erscheint breit, fast flach
gewölbt, oben etwas gerundet, an den Seiten ein fast gerader Abfall. — Die Basilar-
ansicht zeigt sich breit und kurz, die Vorderansicht so breit und hoch, dass
der Eindruck einer stärkeren Entwickelung des Vorderkopfes sich sofort ergiebt
Der untere Frontaldurchmesser misst 113 mm.
Gegenüber der Schädelcapsel erscheint das Gesicht eher dQrftig und etwas ge-
drückt, so dass es fast an lappische Formen erinnert. Der Gesichtsindex beträgt
87,9, ist also chamaeprosop. Damit harmonirt die Form der Orbitae, welche
niedrig, breit und eckig erscheinen; der untere Rand bildet in der Gegend der
Sut zygom. max. eine kantige Yorwölbung; der Index 74,3, in hohem Maasse cha-
maekonch. Die Jochbogen und die V^angenbeine mehr angelegt, nur die Tubero-
aitas malaris stärker vortretend. Sehr tiefe Fossae caninae. Die Nase kurz, im
knöchernen Theile schmal, an der Wurzel tief angesetzt, am Riicken eingebogen,
die Apertur oben eng, nach unten weit und mit starken Pränasal furchen ver-
sehen, neben der rechten Furche eine rundliche Knochenanschwellung; Index 53,1,
also platyrrhin. Der Alveolarfortsatz des Oberkiefers deutlich prognath, die
Zähne vorn stärker abgenutzt, hinten mit gut erhaltenen Cuspides, die Schneide-
zähne ziemlich gross, die Molaren von regelmässig nach hinten abnehmender Grösse.
Der harte Gaumen gross, im mittleren Theile breit, hinten hufeisenförmig zusammen-
gehend, mit leichtem Medianwulst am hinteren Abschnitte und kurzer Spina nasal.
post; Index 71,1, leptostaphylin. Unterkiefer zart, eher schmal, Distanz der
Winkel nur 93 mm, mit hohen, steilen und schmalen Aesten, das Kinn vortretend,
gerundet^ die Medianfläche darüber stark eingebogen, der Zahnrand vortretend,
starke Spina ment int Molaren fehlend, Alveolen obliterirt.
Was endlich die erwähnte Verletzung um das Hinterhauptsloch betriflt, so um-
bsst der Defekt die ganze Apophysis basilaris bis zum Tuberculum ephippii, die
Bogenstücke und den unteren Theil der Schuppe des Os occipitis. Die Ossa pe-
trosa bilden unmittelbar den Rand des Loches. Rings umher sieht man alte Wund-
flächen. Der rechte Warzenfortsatz ist fast horizontal und zwar in zwei Absätzen
durchgeschlagen, der linke vollständig an seiner Basis abgetrennt, wie denn über-
haupt links die Verletzungen etwas ausgiebiger sind, als rechts. Der verletzte Rand
der Hinterhauptsschuppe, wie die Trennungsfläche am Keilbein, sehen stellenweise
wie gebrochen aus; man erkennt jedoch an ersterem mehrfach glatte, scharfe, nicht
nuammenhängende, sondern absatzweise sich wiederholende Schnitt- oder Hieb-
flächen, deren Farbe eben so braun ist, wie die der übrigen Knochenoberflfiche. Am
(310)
deiitlichsteo stod sie aaf der rechten Seite hmter dem WarzeiifotrtBaiz, wo il
ander zwei gaoz glatte Hiebflicheo faerrortreteo, töq deaen at» sieh noch bQfiio»«^
Ule Eioftchziitte auf des hinteren umfang des Warze of ort satzes erstrecken.
X'^
Ai(
.^
ZweifelJos sind diese Verletzungea mit scharfen InstrumenteD beigebracht,
welche von hinten her einwirkten, und zwar entweder kurz vor oder bald nachj
dem Tode* Denn einerseits febten jene reactiven V^eränderiingen der Nachbarschaft^!
welche während des Lebens nach derartigen Verletzungen eintreten; andererseits
siebt man ntcbt« Ton jenen Brüchen nnd SpJitterungen, wt'lcbe bei der Verletztm«
todter, brüchig gewordener Knochen 8o leicht zu Stande kommen. Nicht nnwah
scheinlich ist es, dass die Verletzungen den Tod herbeigeführt haben. Immerhin
bleibt dabei Manche» rathselhaft. Ein Hieb mit einem Schwert oder einer Streitaxt
oder ein Lanzenstoss kann die Ursache der Verwundungen nicht wohl gewesen sein;
dazu sind sie zu zahlreich und zugleich zu klein, AJlein am rechten Warzenfort-
sats zahlt man über einander 4 ungefähr parallele Schnitte; der eine hat die Spitze
glatt abgetrennt, ein zweiter ein Stuck darunter Tom hinteren Umfange sch&rf ab-
gesprengt, zwei weitere, näher an der Basis, aber gleichfalls am hinteren Umf&nge^j
stellen mehr oberflächliche Einschnitte dar. Letztere, wie gesagt, sind nur Aus-i
Ifiufer jener glatten Schnittflächen, welcbe an der rechten Cerebellarwölbung der
Hinterliauptsschuppe sitzen. Der Bieb, welcher die Basis des linken Processus
mastoidea getroffen und fast den ganzen Fortsatz abgebrochen hat, liegt wiederum
verschieden von denen der rechten Seite. Keiner von diesen Hieben oder Schnit-
ten war an sich t5dtlicb. Auch kann keiner yon ihnen den grossen Bruch der
Apophysis basüaris und aller Raodtheile des Foramen magnum bewirkt haben,
welchen ich beschrieben habe. Dieser Bruch nmss vielmehr vor der Beibringung
einzelner der Torhanclenen Schnittwunden entstanden sein, denn auf der linken
Seite hinten sieht man eiDige kleine Schnittflächen unmittelbar am Rande der zer-
brochenen St|uama occipitaüs.
Am wahrscheiniichsten erficbeint es mir daher, anzunehmen, dass der Tod durch
einen Bruch der Basi» cranii, vielleicht durch einen Sturz mit dem Kopf auf einen
harten Gegenstand, erfolgt ist und dass man nachher den Kopf vom Rumpfe ab-
getrennt oder abzutrennen Tersucht hat ßesassen wir die U als wir bei, so würde
sich die Frage bebUmmter beantworten lassen.
(311)
In yieleo Beziehungen ähneln die hier beschriebenen Verletzungen denjenigen,
welche ich in der Sitzung Tora 18. März 1882 (Yerh. S. 226) von Ainos und an-
deren Schädeln beschrieben und abgebildet habe. Indess möchte ich doch' nicht
glauben, dass sie derselben Kategorie angehören. Abgesehen davon, dass in allen
diesen anderen Fällen eine Verletzung der Warzenfortsätze, der Apophysis basilaris
und der ßogenstücke des Os occipitis nicht vorliegt, zeigt bei ihnen auch die beson-
dere Art der Verletzung der Hioterhauptsschuppe bemerkenswerthe Unterschiede, vor-
nehmlich die vorwiegend quere Richtung der Substanzverluste. Die Verletzung an
dem La Tene-Schädel ist mit viel grösserer Gewalt, offenbar mit wuchtigen, scharfen
Hieben ausgeführt worden, und während bei jenen anderen Schädeln, wie bei den
von Hrn. Kopernicki beschriebenen, die Richtung des schneidenden Werkzeuges
mehr gegen die Schädelhöhle gerichtet war, geht sie bei dem La Tene-Schädel
fast genau horizontal gegen den Anfang des Wirbelkaoals.
2. Das Skelet mit dem zweiten Schädel gehört einer jüngeren Weibs
person, wahrscheinlich gegen 20 Jahre alt, an. Die sämmtlichen Knorpelfugen,
auch die Synchondrosis spheno-occipitalis, sind geschlossen, und obwohl ein Weis-
heitszahn eben erst am Durchbrechen ist, zeigen die meisten übrigen Zähne doch
schon die Zeichen erheblicher Abnutzung. Sämmtliche Knochen sind von mehr
gracilem Bau: die Höhe des montirten Skelets beträgt nur 1,47 m und die Capa-
cität des Schädels bemisst sich auf 1200 ccm. Auf alle Fälle muss die Person
klein, aber ausgewachsen gewesen sein.
Der Schädel ist hypsibrachycephal (Längenbreitenindex 82,9, Längenhöhen-
index 76,4, Auricularindex 64,1). Die Umfangsmaasse stimmen mit den Durch-
messern sehr gut überein: die vertikalen und sagittalen sind verhultnissmässig gross,
das horizontale klein. Aus den noch später zu besprechenden sagittalen Umfangs-
maassen geht eine überwiegend sincipitale Entwickelung des Kopfes hervor.
Sämmtliche Nähte sind offen und die meisten nicht bloss stark gezackt, son-
dern auch in ungewöhnlichem Grade mit kleinen Schaltknochen durchsetzt. An der
Sagittalis ist der Abschnitt zwischen den parietalen Emissarien, von denen übrigens
das linke fehlt, einfach, wenngleich etwas geschlängelt, während der vorderste und
der hinterste Abschnitt, jener in der Länge von 3, dieser in der Länge einer
Fingerbreite sehr verästelte Zacken und eine grössere Zahl minimaler Schaltknochen
zeigt und zugleich etwas erhaben ist Auch die Coronaria ist jederseits in dem
Abschnitte zwischen dem Kreuzungspunkt der Schläfenlinie (Stephanion Broca)
und einer etwa 3 Finger breiten, an der Mitte gelegenen Stelle mit einer breiten
Zone feinster, fast wie Filigran aussehender Schaltknöchelchen erfüllt. Dagegen
enthält die Lambdanaht nur in ihrem rechten Schenkel ein Paar grössere Worm-
sehe Knochen.
Im Uebrigen ist der Schädel sehr regelmässig gebildet und von gleichmässig
glatter Oberfläche. Die niedrige Stirn hat fast gar keine Wülste und eine sehr
schwache Glabella. Der Mittelkopf zeigt eine grosse flache Wölbung, indem die
Schlfifenlinien sich mit ihren medialen Schenkeln nur bis auf 13, mit den lateralen
bis auf 13,8 cm Oberflächendistanz einander nähern. Auch die Protuberantia occi-
pitalis ist schwach, dagegen findet sich ein kräftiger Toms occipitalis an der Linea
semidrc. superior. Auch die Warzenfortsätze sind kräftig und durch tiefe und
breite Incisuren begrenzt.
In der Norma verticalis sieht man das stark gewölbte und durchweg breite
Schädeldach länglich gerundet. Hinterhaupt und Stirn treten etwas eckig vor, die
Gegenden der Parietalhöcker sind stärker ausgelegt, die Höcker selbst aber nicht
abgesetzt, die Schläfen voll.
(312)
In der Seitenansicht erscheint der Schädel hoch und wegen der mehr flach
gewölbten Scheitelcurve trotz seiner Kürze (167,5 mm) mehr länglich. Die ziem-
lich gerade und, wie gesagt, niedrige Stirn hat einen Yolleo Nasenfortsatz und eine
vorgewölbte Intertuberalgegend ; hinter derselben biegt die Curve schnell nach hin-
ten und bildet noch am Stirnbein eine lange, sehr volle Wölbung; darauf folgt eine
kurze, fast gerade Strecke bis zur parietalen Intertuberallinie und von hier an ein
schneller Abfall, der nur am Lambdawinkel einen leichten Absatz zeigt. Am Hinter-
haupt tritt die Oberschuppe leicht vor, um sich schnell nach unten und vorn um-
zubiegen. Die Alae temporales sind gross und erst nach unten hin stärker ein-
gebogen.
In der Hinteransicht erscheint der Schädel trotz der geringen Krhebung an
der Sagittalis breit gewölbt bis zur Tuberalgegend, die Seiteiitheile wenig ausgelegt
und nach unten etwas convergirend, die Basis breit und durch Vortreten der Cere-
bellargegenden etwas gewölbt. Der erwähnte Torus occipitalis ist nach oben und
unten durch starke Vertiefungen begrenzt. Die Oberfläche der Unterschuppe durch
zahlreiche Muskel- und Sehnenansätze vielfach modulirt.
In der Onteransicht tritt die kurze und breite Form besonders deutlich hervor.
Das Foramen maguum eng, 31 mm lang, 25 breit, mit sehr dicken Randern und
vorspringenden, stark gewölbten Gelenkhöckern versehen.
Endlich in der Vorderansicht zeigt sich die Stirn breit, voll und der ganze
Vorderkopf hoch gewölbt.
Das Gesicht trägt in noch höherem Grade den Charakter einer zarteren £nt-
wickelung. Obwohl der Index von 90,7 eben noch die Leptoprosopie erreicht,
so wurde doch bei einer weiteren Gliederung der £intheilung ihm vielmehr eine
mittlere Stellung gebühren. Jochbogen und Wangenbeine sind anliegend und nur
die Tuberositas malaris tritt massig vor. Dagegen sind die Orbitae gross, hoch und
mehr gerundet, ihr Index von 91,4 ist hypsikonch. Auch die Nase ist schmal, die
Wurzel etwas tief liegend, obwohl die Sutura naso-frontalis hoch und breit in den
Nasenfortsatz des Stirnbeins heraufgreift; der Rücken ist an der Wurzel etwas ein-
gebogen, sonst ziemlich gerade gefirstet, die Apertur eng und ohne Pränasalfurchen;
Index 45,6, leptorrhin. Die Fossae cauinae tief, der Alveolarfortsatz des Ober-
kiefers etwas schräg gestellt, die Schneidezähne gross, die Molaren von regelmässig
abnehmender Grösse: schwacher Prognathismus. Gaumen kurz und breit, die
Spina nas. post. nicht entwickelt, an der Medianlinie hinten ein leichter Torus
palat.; Index 79,0, leptostaphylin. Der Unterkiefer zart, die Aeste niedrig,
breit und etwas schräg angesetzt, die Seitentheile dick und niedrig, das Kinn leicht
dreieckig, fast progenäisch vortretend, die Medianfläche wenig eingebogen, die
Vorderzähne etwas zurückstehend.
Das Skelet ist nicht ganz vollständig. Die Hände fehlen ganz, von den Füssen
sind nur die Astragali und rechts der Calcaneus vorhanden; ebenso fehlt das
Brustbein nebst den vorderen Rippenenden und einige untere Rippen; auch ist das
Becken in der Gegend der Schambeinfuge etwas verletzt. Dafür sind die Wirbel
und die langen Knochen der Extremitäten vollständig und gut erhalten. Die ganze
Höhe des Skelets beträgt, wie erwähnt, nur 1,47 m; da die senkrechte Entfernung
der Cristae ilium vom Boden 854, die der Trochanteren 747 mm misst, so ergiebt
sich, dass Hals und Rumpf verbältnissmässig laug ausfallen. Die einzelnen Ab-
schnitte der Extremitäten sind durchaus günstig proportiouirt, Oberarme und Ober-
schenkel länger als Vorderarme und Unterschenkel. Die Oberarme wenig torquiit,
ohne Durchbohrung der Fossa olecrani; die Tibiae nicht platyknemisch, mit stark
gebogenen Cristae. Das Becken ist nicht sicher messbar, aber es hat eine weite
(318)
Apertur; die Schaufeln der Darmbeine niedrig und ausgelegt, das Kreuzbein breit,
die Incisurae ischiadicae wenig ausgetieft, der Winkel an der Schamfuge weit. Es
ist also ein gut gebautes, wenn auch kleines, weibliches Hecken. —
Bei einer Yergleichung der beiden Schädel unter einander ergiebt sich trotz
erheblicher Differenzen in der Grosse, wie sie das Torschiedene Geschlecht erklär-
. lieh macht, eine üebereinstimmung des Hauptschädelindex: derselbe ist bei beiden
brachjcephal, bei dem Manne 80,2, bei dem Weibe 82,9. Die gerade Hohe lässt
sich leider wegen des Defekts an der Basis bei dem Manne nicht bestimmen; ich
schätzte den Höhenindex als orthocephal, indem ich von dem Auricularindex (62,1)
ausging. Immerhin muss derselbe nahe an 75 betragen haben, und ich meine da-
her, dass die Differenz von dem weiblichen Schädel, dessen Hohenindex 76,4, also
bjpsicephai ist, keine sehr grosse ist. Was der männliche in der Länge mehr hat,
kommt dem weiblichen in der Höhe zu Gute. Auch darf ich sagen, dass der cra-
Diognomische Ausdruck der beiden Schädel ein ziemlich einheitlicher ist
Es kommt dabei namentlich in Betracht, dass an beiden Schädeln der Vorder-
kopf eine vorzugliche Ausbildung erfahren hat. Leider lässt sich wegen der Ver-
letzung am basilaren Theil der Hinterhauptsschuppe eine volle Yergleichung der
sagittalen Ümfangsmaasse nicht ausfuhren. Immerhin ist es sehr bezeichnend, dass
der sagittale Umfang des Stirnbeins in beiden Fällen fast gleich gross ist, bei dem
Manne 124, bei dem Weibe 123 7nm. Grst am Mittelhaupt erscheinen Differenzen,
welche durch die verschiedene Ossifikation der hinteren Fontanelle bedingt sind.
Sehr viel grosser sind die Differenzen im Gesichtsskelet, wie eine Zusammen-
stellung der Indices sofort ersichtlich macht:
Mann Weib
Gesichts-Index . . . chamae- leptoprosop,
Orbital- ^ . . . chamae- hypsikonch,
Nasen- „ . . . platy- leptorrhin,
Gaumen- „ . . . lepto- leptostaphylin.
Die Aehnlichkeit der Gaumenbildung basirt auf der in beiden Fällen vorhandenen,
wenn auch nur leichten Prognathie. In allen anderen Beziehungen ergeben sich
erbebliche Unterschiede, welche in der Nasenbildung culminiren: der platyrrhine
Mann hat zugleich sehr ausgeprägte Praenasalfurchen.
Man kann nicht sagen, dass diese Verschiedenheiten sich durch Geschlechts-
unterschiede genügend erklaren Hessen, wenngleich Aehniiches sich auch bei an-
deren Rassen findet. Ich erinnere an meine Auseinandersetzungen über die slavi-
achen Schädel von Slaboszewo (Sitzung vom 12. November 1881, Verhandl. S. 363),
wo die Ghamaekonchie bei den Männern auch besonders stark hervortrat. Sonder-
barerweise bemerkte ich damals auch Praenasalfurchen und, wie in beiden La T^ne-
Schädeln, den Torus palatinus. Ich verzichte jedoch darauf, diese Frage weiter zu
erörtern, da es unmöglich ist, aus zwei Schädeln, von denen der eine männlich,
der andere weiblich ist, zu ermitteln, ob der betreffende Stamm ein gemischter war
oder nicht.
Leider ist mir aus der älteren Literatur nur noch ein weiterer Schädel von La
Tene bekannt und dieser ist sehr unvollkommen beschrieben: es ist der von Desor
(Les palafittes, Paris 1865, p. 102, Fig. 91 — 92) kurz besprochene. Nach der Angabe
anseres verstorbenen Freundes ist derselbe ziemlich gross, sehr lang, oben stark
abgeplattet, mit enormer Occipital-Entwickelung und sehr niedriger, fast fehlender
Stirn (le front tr^ bas, presquc nul). Von den Zähnen wird hervorgehoben, dass
sie ungemein stark abgenutzt seien. Diese Beschreibung erscheint gegenüber den
Abbildungen, namentlich in Bezug auf die Stirn, etwas übertrieben; wenn der
Scbädel sehr lang ist, so ersctieiot er doeb auob recbt breit, uod nur die sehr laoge
und flache Scbeitelcurve macht den Eintlruck der Cljaoiaecepbalie. Sehr auffällig
iöt die Chamaekoüchic, währeod die Nase vielmehr leptorrbia und die AlTeolar-
^o^l^ät2e orthognath aussehen. Nach der Meiourig Desor's näherte sich dieser
Schädel am meißten dem Sion-Typus der Herren His und Rütimeyer,
DiettB ist nun aber gerade nicht der Fall bei unseren Schädeln. Der Sion-
Schädel ist weseDtlieb ein mest^cophaler (mittlerer Index 77,2), und obwohl die
Herren His und Kütiujeyer (Crania belvetica S. 12) ein Maximum von 81,9 zu-
lassen, so pasät doch nicht im Mindesten ihre ßeecbreibutig: ,,mäcbtige Eßtwicke-
lung des Hinierkopfes nach f>änge, Breite und Höhe,** Bei ynseren beiden ScbE-
delß ist der Hinterkopf kurz ynd breit und von mäs^siger Hoho. Genau geuomnaen
paaat von den 4 Typen, welche die genannten Beobachter an Schweizer Schädeln
unterscheiden, kein einziger gaox; am nächsten kommt ihm aber der Disentiskopf,
von dem es heisst (ebecdas. S, 26): ^sein auffälligster Charakter bestehe neben Breite
und Kürze in der Abflachung des Hinterhaupts uud in dessen beinahe rechtwink-
liger Absetzung gegen Scheitel und Basis.'* Freilich wird der Scbädelindex im
Mittel auf 86,5, im Minimum auf 81,8 angegeben, so dass nur der weibltcbe Schädel
noch hineiupasst; auch ist das Hinterhaupt unserer Schädel nicht abgeflacht, son-
dern kuT£ gewölbt, ohne nach oben oder nach unten rechtwinklig abgegetzt zu sein.
Aber der Belair- und Hobberg-Typus, welche beide als dolichocepbal bestimmt
sind, passen gar nicht. Man muss sich also entweder für den Disentis-Typus enl*
scheiden, oder man muss erklaren, dass die beiden La Ttne- Schädel gänzüch aus
dem Rahmen der Eintheilung von His und Rütimeyer heraustraten.
Nun ist aber Deeor in einer anderen Schrift (Le bei dge du bronze Jacustre
ei) Suiaae^ 1874, p, 27) auf den in seioem Besitze befindlichen Schädel von La T^ne
zurückgekommen^ wenigstens scheint nach genauer Prüfung der Stelle meine frühere
Annahme, dass diess ein zweiter Schädel gewesen sei, nicht zuzutreffen. Der
Schädel w^ar inzwischen durch Hrn. Ecker gemessen worden und als brach jcephat
(Index 81 j2) bestimmt worden. Von einer „enormen" Entwickelung des Hinter-
haupts ist aus den Zahlen nichts zu ersehen, denn es beträgt der Sagittalumfang des
Stirnbeins , .
Mittelhaupts .
Hiaterhaupta .
130 mm = 36,1
120 „ = 33,3
110 ^ ^ 30,5
360 mm 99,f)
Hierbei ist nichts Yon einer „enormen Occipitaleutwickelung** zu bemerken, sondern
viel mehr von einer ungewöhnlich starken Fronlalentwickelung, die freilich wenig
stimmt zu der früheren Angabe von dem front presque nul, aber um so mehr mit
den Verhältnissen unseres Weiberschädels, Denn dieser ergiebt folgende Verhalt
nisse des Sagittalumfangs:
Stirnbein , . . 123 mm = 35,6
Mittelhaupt ... 115 ^ = 33.3
Hinterhaupt . . . 107 ^ = 31,0
345 mm 99,9
Grosser kann die Uebereiostirnnvung kaum sein. Wenn Desor trot^ dieser Cor rel?
turen dabei bleibt, seine La Tene- Schädel dem Sic n -Typus zuzuschreiben^ so weiss
ich diess nur aus dem umstände zu erklären, dass unser Freund eben kein Adä-
tom und dass sein Blick für Schadelverbältnisse nicht geschärft war
Unglücklicherweise hat er auch diessmal keine Beschreibung des Schädels gegeben
und ich vermag daher eine ins Einzelne gehende Vergleichung nicht zu liefero.
4
i
(315)
Für die „yertikale^ Höbe tbeilt er ein £cker*8che8 Maass mit 1 145 mm. Das
wQrde eioen Hohenindex voo 80,1 ergeben, also einen bypsibrachycepbalen Scbädel.
Jedenfalis wächst damit die Wahrscbeinlichkeit, dass die Verwandtschaft unserer
beiden Schädel mit diesem früheren eine Tiel grossere ist, als man nach der ersten
Beschreibung desselben erwarten durfte. Eine volle Aufklärung kann natürlich
nur durch eine erneute Untersuchung gewonnen werden, indess die Thatsache, dass
alle 3 bisher bekannten La T^ne-Schädel brachycephal sind, dürfen wir
schon jetzt als ein bemerkenswertbes Ergebniss bezeichnen. Von einer mächtigen
Entwickelung des Hinterkopfes und somit Ton einer Sion-Form ist nicht die Rede.
Die Herren His uod Rütimeyer haben sich für solche Fälle, wie der vor-
liegende, mit der Annahme von Mischtypen geholfen, und in der That würde hier
die von ihnen als ziemlich häufig angenommene Mischung Sion-Disentis zulässig
sein. In eine derartige Reihe stellen sie zwei Pfahlbau schädel von Pfeidwald und
VCD Mörigen-Steinberg (a. a. 0. S. 48), also von Stationen, von denen die erstere
als romisch, die zweite als bis in die romische Zeit reichend bezeichnet wird (S. 50);
femer einen vorrömischen Gräberschädel von Bülach, Cant. Zürich, aus dem I. bis
II. Jahrhundert stammend. Die Schädelindices dieser 3 Köpfe betrugen 83,8 —
83,0 (?) — 88,0. Jedenfalls treffen wir hier Verwandte der La Tene-Leute. Ob
diess ein Miscbtypus ist, das muss wohl noch im Zweifel bleiben, bis etwas grössere
Reihen vorliegen; möglicherweise stossen wir hier vielmehr auf einen guten Volks-
typus.
Desor glaubte speciell durch die Vergleichung seines La Teue-Schädels mit
einem von Mörigen den Nachweis liefern zu können, dass dasselbe Volk den Ueber-
gang von der Bronze- zur Eisenzeit durchgemacht habe und in beiden Perioden
hervortrete. Wie gross die Aehnlichkeit der beiden genannten Schädel unter ein-
ander war, will ich dahingestellt sein lassen, bis genauere Nachweise darüber vor-
liegen. Ich will auch nicht bestimmt behaupten, dass die Eisenleute Einwanderer
und Eroberer waren, obwohl ich eine solche Annahme für nicht unwahrscheinlich
halte. Aber ich muss darauf aufmerksam macheu, dass gerade die zunehmende
Zahl von Schädeln aus Bronzestationen des Bieler und Neuen burger Sees die
üeberzeugung herbeigeführt bat, dass die Bronzeleute dolichocephal waren.
Ich habe ausführlich über eine Anzahl solcher Schädel in der Sitzung vom 17. März
1877 (Verhandl. S. 126, Taf. XI) berichtet und noch neuerlich, in der Sitzung vom
17. Juni 1882 (Verhandl. S. 389), einen mustergültigen Schädel von Auvernier
beschrieben. Bei diesen Gelegenheiten habe ich schon auf andere Parallelen aus
der Literatur hingewiesen. Daraus geht meines Erachtens evident hervor, dass die
Hauptbevölkerung der Pfahlbaudörfer der Bronzezeit, namentlich in der West-
schweis, von den Leuten, deren Reste wir gegenwärtig aus La T^ne kennen lernen,
gänzlich verschieden war.
Sehen wir uns nach Parallelen dazu um, so finden sie sich in der alten süd-
keltischen Bevölkerung, wie wir sie am besten aus der Auvergne kennen. Auch
Hr. Aeby, als er mir die Schädel ankündigte, erklärte sie für gute Specimina
des keltischen Typus. Damit kämen wir also auf die Helvetier, und da die Herren
His und Rütimeyer ihren Sion-Typus gleichfalls als den althelvetischen definir-
tCD, 80 nähern wir uns auf einem Umwege. Die volle Vereinigung wird sich viel-
leicht so herstellen lassen, dass der Sion-Typus aufgegeben oder wenigstens neben
ihm ein neuer Typus aufgestellt wird.
Das gefundene Resultat harmonirt auf das Beste mit den archäologischen Fun-
deo. Desor selbst (Le bei äge p. 28) sagt, die Waffen von La Tene hätten mit
denen der guten Bronzezeit nichts gemein, dagegen seien sie identisch mit denen
(816)
TOD Alise-Sftiote'Reioe; mit ihoeo finde man einlieimisehe ood lömische M&nseo
aas der ersten Hälfte des L Jabrbonderts Ton Aognstos bis Claudius. Niemand
kann daran zweifeln, dass nm diese Zeit in diesem Theile der Schweb keltische
HeWetier sassen, nnd es liegt gewiss kein Gmnd Tor, noch eine Mischnng mit dem
Disentis-Tjpos der Rhätier anzunehmen, um ihre Schädelform zu erklären. Kein
Punkt erscheint mehr gesichert für eine derartige Bestimmung, als La Tene, und
ich kann daher dem Gefühle des Dankes gegen die Herren Aebj und t. Fellen-
berg nur noch einmal und in recht warmer Weise Ausdruck geben, dass sie uns
in die Lage gesetzt haben, an dieser so wichtigen Untersuchung Theil nehmen zu
können. —
Die gefundenen Maasse und Indices der Schädel ergiebt die nachstehende
Tabelle:
Schädel Ton La Teoe
Capadat
Grösste Läo|i;e
, Breite
Gerade Hohe
AuricDlarhöhe
Stirobreite
Scbläfeodnrcbmesser . . . .
Occipitaldurchmesser . . .
Auriculardurchmesser . . .
MaBtoidealdurchmesser, Spitze
Basis.
Gesicbtsböbe A
B
Gesicbtsbreite A
B
C
Orbita, Höbe
, Breite
Nase, Höhe
M Breite
Gaumen, Länge
, Breite
Horizontalumfang
Querer Verticalumfang . . .
Sagittalumfang
Stirn
Mittelbaupt
Hinterbanpt
182
146
113
100,5
127
115
120
124
111
66
126
95
93
27.5
37
47
25
59
42
518
312
124
124
1200
167,5
139
128
107,5
91^
119
104
110
94
114
108
64
119
86,5
87
82
35
46
21
43
34
481
300
345
123
115
107
II. Berachiet»
Schädel von La Ten e
Liogenbreiteniodex
L&n^i^nhdbenindex
Auricnlarindex . .
Gesichtsindex . .
Orbitalindex . . .
Nasalindex . . .
Palatinaliodex . .
82,9
76,4
644
90,7
91.4
45,6
79,0
(20) Hr. Virchow zeigt das, der Gesellschaft Tom Verfasser als Geschenk
zugesendete neue Werk des Hm. Victor Gross über die
Protohelvetier.
Das schon in der Zeitschrift für Ethnologie S. 152 angezeigte Werk, welches
zum ersten Male eine zusammenfassende Debersicht der Hauptfunde aus den Pfiihl-
baustationen , namentlich der Westschweiz, für die Stein- und Bronzezeit giebt,
sdiliesst die Eisenzeit und damit die Funde tou La Tene grundsatzlich aus, indem
es dieselben einer späteren Publikation vorbehält. Für jeden, der eine genauere
Eenntniss der älteren Funde und damit eines der wichtigsten Culturabschnitte
Europa's gewinnen will, bietet dieses Werk einen wahren Schatz, und es kann da-
her den Mitgliedern nicht dringend genug an das Herz gelegt werden, durch An-
schaffung desselben dem Autor die grossen Aufwendungen, welche er im Interesse
der prähistorischen Wissenschaft gemacht hat, einigermaassen zu ersetzen. Die
gebildeten Kreise in Deutschland, auch wo ihnen Mittel genug zur Verfugung
stehen, sind leider so sehr ent wohnt davon, Prachtwerke rein wissenschaftlichen
Inhalts zu kaufen, dass unsere Publicistik dadurch ein auffällig armseliges Aus-
sehen gegenüber dem Reicbthum Italiens, Frankreichs und Englands an parallelen
Werken darbietet. Auch solche Autoren, deren Kräfte so grossen Aufgaben eigent-
lich nicht gewachsen sind, werden dadurch genothigt, ausser den Kosten der Dnter-
suchoDg auch noch die Kosten der Veröffentlichung zu tragen. Nicht einmal unftere
Gesellschaften vermögen es, diese Last wirksam zu erleichtem.
(21) Hr. Virchow giebt, unter Vorlegung zahlreicher Abbildungen, die Fort-
setznng seines in der letzten Sitzung abgebrochenen Vortrages über
Italische Prahlstorie.
Bei einer Reise in Italien stosst uns, die wir vom Norden herkommen, die
wir also zunächst mit den Funden von Nord- und Mittel- Italien bekannt werden
und die wir natürlich Beziehungen suchen, welche etwa unser Land mit diesen
Oegenden in der Vorzeit verknüpft haben, fortwährend die Frage auf, ob die alt-
italisdie Bevölkerung vom Norden her gekommen ist, also in irgend einem näheren
Verwandtschaftsverhältnisse mit unseren Volksstammen gestanden hat, oder ob der
Hauptstrom der Einwanderer in einer anderen, sei es östlichen, sei es südlichen
Bichtang sich bewegt hat. Eine ganze Reihe italienischer Forscher, zu denen sich
(318)
auch unser LaDdainanD, Hr. HcUj ig gesellt hat, ist geneigt, cioe starke Einwaode-
ruög vom Nordeo her zuzugestehen. Einige, z. B. Hr. Pigorini, der Direktor des
prabistori gehen Museum» in Rom, wollen schon die Bewohner der TerramareD,
jener burgwalJartigen Ansiedelungen, welche sich in der Po-Ebene finden und auch
Dach Süden hin nirgends üter die Ebene hinaus getroffen werden^ in engere Be-
ziehungen setzen mit mehr nordlichen Stämmen, insbesondere mit solchen, die
einst in Ungarn gewohnt haben. Hr. Hei big dagegen hat hauptsächlich die alten
Etniflker im Auge, von denen er an nimmt, dass sie mit grosser Macht aus den
Alpen hervorgedrungen seien und die Terramaren - Bevölkerung niedergeworfen
hätten, um auf den Ruinen eine neue Cultiirpenode zu inauguriren.
Ich rauss nun leider sagen, dass, so sehr ich an sich gewisse Sympathien da-
für empfinde, derartige VerwandtschaftsverhältDisse zwischen den alten Stämmen
Italiens und denen unserer eigenen Prähislorie aufzusuchen, ich doch zu keiner
vollkommen günstigen Meinung über diese Hypothesen gekommen bin. Ich kann
nicht umhin, auszusprechen, dass auch nach meiner italienischen Reise ich vielmehr
den Eiodnick bewahrt habe, den ich allerdiftgs schon mitnahm, dass eine viel
grossere Zahl von Cultureinflüssen schon in ganz alter, vorhistoriBcher Zeit von
Süden nach Norden über die Alpen herüber gewirkt hat, als daes umgekehrt der
Norden mit seinen Künsten den Süden befruchtet habe. Die Schwierigkeit, die
ursprünglichen Beziehungen der Terramareleuten festzustellen, wird allerdings in
hohem Maasse vermehrt durch die grosse Verschiedenartigkeit der Fundgegenstande,
welche das Auftreten der Terramare-Cultur im Norden Italiens bezeichnet, gegen-
über dem, was wir in Mittelitalien jenseits des Apennin und noch mehr im Süden,
namentlich mit dem, was wir in Sicilien antreffen. Bis jetit ist mir wenigstens
das Verstandniss dafür nicht aufgegangen, d&ss das eine und dieselbe zusammen*
hangende Cultur sein könne. Im Gegentheil scheint es mir, dasa von verschiedenen
Ausgangen her ganz verschiedene Wege der Cultur eingeschlagen worden sind.
Ich muss dabei bemerken, dass ein nicht geringes HinderniBä für dieses Stu-
dium dadurch herbeigeftihrt wird, dass bis in die neueste Zeit hinein in Italien fast
noch mehr, als dns bei uns leider der Fall gewesen ist, in den Museen eine An-
häufung von Gegenstfinden stattgefunden hat, ohne dass man mit Sicherheit er-
mitteln kann, wo sie hergekommen sind. Wenn nun ein solches Museum durch
seinen Namen auf eine gewisse Localilät und Bevölkerung hinwel&t, so wird jeder-
mann dadurch inducirt, vorauszusetzen, dass auch alles in dem Museum Enthaltene
in diese Localcultur hinein gebore. Ich habe durch eigene Anschauung eine Reihe
von Thatsachen kennen gelernt, welche darthun^ das» nicht wenige Gegenstände, die
man bei uns gewöhnt ist, in eine bekannte Territorial cultur zu versetzen, z. B. in
die etruskische oder römische, eine ganz andere Stellung einnahmen. Um das-
jenige Beispiel vorweg zu nehmen, welches mir persönlich den tiefsten Eindruck
hervorgebracht hat und an das ich gerade erinnert werde durch das vorliegende
Werk unseres Freundes, des Hrn. Weiss, stiess ich in dem Museo KircheriaDo
in Rom auf jene Bronzefigur, auf welche Hr, Weiss zu wiederholten Malen bei
Diskussionen über die sogenannten Bronzewagen hier in der Gesellschaft hin-
gewiesen hat Es ist das eine ziemlich hohe, aber sehr roh ausgeführte Bronze-
Statuette eines Kriegers, der auf dem Rucken eine aufgerichtete Deichsel tragt, au
deren oberem Ende eine Queraxe mit zwei Rädern befestigt ist*). Diese Figur
hatte schon die Aufmerksamkeit von Winkel mann auf sich gezogen und wir
hatten die Deutung so aufgefasst, dass es ein römischer Soldat sei, der ein solches
I
I
I
I
1} Hertu. Weiss, Eostümkunde. Stuttg. 1860. Abth. II, S. 1066» Fig. 458b.
(319)
kleines Wagelchen mit sich führte, auf das er gelegentlich, wenn es die Verhält-
nisse gestatteten, sein Gepäck legte, um bequemer marschiren zu können. Mancher
Ton uns ist so zu der Meinung gekommen, es sei ein aligemeiner Gebrauch im
römischen Heere gewesen, derartige Wägelchen auf Kriegszügen mitzunehmen. Ich
war daher nicht wenig erstaunt, bei der sorgfaltigeren Aufstellung, welche unter
der Leitung des Hrn. Pigorini gegenwärtig im Museo Kircheriano stattgefunden
hat, diese Figur unter eine Zahl verwandter Stucke aus Sardinien versetzt zu
sehen, und auf meine besondere Ruckfrage mit der grossten Bestimmtheit bestätigt
zu hören, dass das eine alteardische Figur sei, die weder mit Rom, noch mit Etru-
rien in irgend einer Beziehung stehe. Sie zeigt irgend einen Gebrauch an, der
möglicherweise den alten Phöniziern eigenthümlich gewesen ist, aber der in keiner
Weise mit römischen Soldaten in Beziehung gebracht werden kann.
In dem Museo nazionale zu Neapel, dem alten Borbonico, beschäftigte ich
mich längere Zeit damit, die Bronzen von Pompeji zu studiren, um zu sehen, wie
weit man in der Interpretation der einzelnen Bronzestucke die römische Cultur zu
Grunde legen und was man namentlich bei uns als römisch ansehen dürfe. Ich
hatte mir eine Reihe von Notizen gemacht von Dingen, die mich in hohem Maasse
Qberraschten , dass sie in Pompeji im Gebrauch gewesen sein sollten, bis mir das
am Ende zu viel wurde und ich mir die Mühe nahm, auf die Kataloge zurück-
■ugehen. Dieselben sind et^vas schwer zu erlangen, indess die Herren waren sehr
liebenswürdig, es wurden die Kataloge herangebracht und so ergab sich, dass nicht
ein einziges der Stücke, die ich mir notirt hatte, ein pompejanisches sei, sondern
dass sie aus einer Anzahl Ton sehr verschiedenartigen alten Sammlungen herstamm-
ten, die man nachher nicht bloss unter sich, sondern auch mit den pompejanischen
■usammen geworfen hatte, obwohl sie in nichts weiter Beziehungen zu einander
haben, als dass sie alle Bronzen sind. So ist es leicht begreiflich, dass wenn
jemand mit einer gewissen Tertrauensvollon Nachsicht durch diese Sammlungen geht
und sich notirt, was er in den Schränken sieht, das Gebiet des Römischen sich in
einer Weise ausdehnt, die in der That höchst gefährlich werden kann für die
Interpretation der Prähistorie.
Tch will mich auf diese Anführungen beschränken; ich könnte sonst noch eine
Reihe yon Analoga vorführen. Das letztere Beispiel wird genügen, um zu zeigen,
wie vorsichtig man sein muss, wenn nicht ganz authentische Notizen über die Sache
vorhanden sind. So ist es denn bei uns namentlich geschehen, dass der Begriff
des Etruskischen eine Ausdehnung erhalten hat, die nach meiner Meinung un-
zulässig ist und die in Bezug auf zeitliche Bestimmung der Stücke zu durchaus
&Ischen Consequenzen führen muss. Das Etruskische hat ja unverkennbar eine
ausserordentlich grosse Bedeutung, insofern es für uns den Anfang der eigentlichen
Historie bedeutet. Wenn auch die Anfange des alten etruskischen Volkes an sich
liemlich dunkel und in gewissem Sinne prähistorisch sind, so besitzen wir doch für
die spätere Zeit bestimmte Ueberlieferungen. Wir wissen, dass es ein reiches Volk
gewesen ist, dessen politische Organisation und dessen artistische und wissenschaft-
liche Entwickelung zu einer grossen Vollendung geführt war. Wenn man uns nun
sagt: das oder jenes ist etruskisch, — so sind wir immer geneigt, das Etruskische als
einen bezeichnenden Collektivbegriff zu nehmen und auf eine gemeinsame Zeit oder
Bevölkerung zn beziehen. Jetzt erst, seitdem die Prähistorie in ihr Recht getreten
ist^ hat man begriffen, dass es auch bei den etruskischen Dingen nothwendig ist,
Zeitunterschiede zu machen und innerhalb des Etruskischen solche Perioden zu
unterscheiden, welche einer älteren, und solche, welche einer jüngeren Cultur an-
gehören.
Torher Latte man wohl einzelne Indicien, welche dorfliif hinzudeuten schienen,
wo etwa die Grenze des Etruakiscben zu suchen sei. Ich will in dieser Beziehung
einen Punkt hervorhebet!, der uns näher berÜlirt: das waren die berühmten und
viel diskutirten Funde, weiche am Albaner Gebirge gemacht wurden, ziemlich
genau auf dem Platze, wo man die alte Stxidt Albalonga eticbt und wo das alte
Latiuni den Centralheerd seiner politischen und gesellechaftlichen Entwickelyng fand.
An dieser Stelle, die bier zu wiederholten Malen besprochen worden ist^), wurde
eine ganze Reihe von Funden gemacht, die ersten im Jahre 1817 und kurz vorher,
welche unter einem Peperinstrom lagen, Sie wissen, das Albaner-Gebirge ist eine
Tiilkanißche Krhebun*^ mit grossen Kraterbildungen. Dieser Vulkan ist in einem
gewissen Maasse noch thätig gewesen bis in die ersten Zeiten Roms. Denn nnch
Li vi US berichtet, wie der Berg lebendig geworden sei, Steine ausgeworfen habe
u. s. f- Einzelne Thatsachen weisen darauf hin^ dass Aschen- nnd Schlamm-
jiusbruche noch damals stattgefundeo haben. Eigentliche Laven sind wohl nicht
mehr in historischer Zeit geflossen, aber Erdbeben, Aschenregen und Schlamm-
ausäüsse haben offenbar noch in der ersten Zeit Roms stattgefunden. In den
Peperinraassen, w*elche über dio Abhänge des Gebirges gegen die Campagna her-
nntergehen, d. h. in erstarrten Schlanim- Massen, welche allmählich zu festem Ge-
stein znsammengebacken sind, wurde^ namentlich längs des nördlichen Ufer« des
Albaner Sees, hauptsächlich zwischen Castel Gandolfo und Marino, nahe der Statte,
wo man den Platz von Albalonga selbst sucht, in den Jahren 1815, 1816 und 1817
eifrig neues Terrain fiVr Weinberge hergerichtet. Sind doch dort die besten Wein*
berge in der Nähe von Rom. Man durchbrach zu diesem Zwecke die Peperin-
schichten mit grosser Mühe, um für die Weinstöcke besseren Boden zu finden, und
stieas dabei an verschiedenen Stellen auf Thongefässe, auch auf allerlei andere
Dinge und namentlich auf gebrannte menschtiche Gebeine. Bei dieser Gelegenheit
kamen auch zum ersten Male die nachher so viel diskutirten Bausurnen zum
Vorschein und das Interesse hat aich dann namentlich bei uns im Norden ganz
überwiegend an sie geknöpft, obwohl neben ihnen eine ganze Masse anderweitigen
Gerfiths gefunden wurde, das vom archäologischen Standpunkte aus betrachtet nicht
minder wichtig und bedeutend ist, wie die Eausuruen als soKhe. Indess ist es
begreiflich, dass sich bei uns ein hervorragendes Interesse an die letzteren knüpfte,
nachdem seit 1826 in Deutschlaud gleichfalls eine ganze Reihe von Hausurnen zu
Tage gekommen ist, die in vielen Stücken eine ungemein grosse Aehaüchkeit mit
den italischen darbieten , so dass, wenn man einzelne unter einander vergleicht,
mnn in der That glauben könnte, sie seien aus derselben Fabrik oder wenigstens
aus demselben Volk hervorgegangen.
Wir besitzen jetzt in unserer Stadt diejenige Hausurne^ welche mir vor einiger
Zeit Gelegenheit gegeben hat, eine Zusammenstellung der deutschen Funde in
unseren Verhandlungen zu geben {Sitzung vom *20. November 1880, Verb. S 297),
die von Wildeben, aus der Gegend von Aschersleben; sie ist jetzt in den Besitz
des Königlichen Museums übergegangen. Gerade diese Urne hat in der ganzen
Anlage, namentlich in der Dnchhildung, eine so grosse Aehnlichkeit mit Albaner
Urnen, dass man wirklich glauben konnte, es wäre derselbe Stamm, der sie ge-
fertigt hat. In der That ist auf diesen Gedanken ein italienischer Schriftsteller,
Tambroni, gekommen, der schon im Jahre 1817 die Frage diskutirte, ob die
Verfertiger der Albaner Urnen nicht Barbaren gewesen seien, die vom Horden her
I
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1) Sitzung vom 2 April 1870 (Zejtschr. f. EtbnoL, Bd. 11, S. 239), vom 16. Decetuber 1871
(Zeitschr. ßd IV, Verhandl. S. 31, und vom 6. Juli 1872 (VerhandJ. S, 221),
(321)
gekommen seien und ihre Tf^dten dort nach heimischer Weise begraben hätteo.
Neuerlieh hat Hr. Meitzen diesen Gedanken hei Gelegenheit seiner üuter-
suchimgen über das deiitsi'be Hans wieder aufgenommen und der Ansicht Raum
gegeben, dasa gerade unsere Vorfalireo, die alten Semnonen, auf ihren süd-
lichen Wandernngea diesen Gebrnuch mitf^enommen und am Albaner Gebirge die
Reste ihrer Todten begrabeo hätten, in derselben Form, wie sie das zu Hause ge-
wohnt gewesen.
Wenn man jedoch die Sachen in loco studirt, so ergiebt sich» dasa durch-
greifende unterschiede vorhanden aindj und zwar nicht so sehr in den Hausnrneo
selbst, als vielmehr in dem gesammten Anfhau uud der Ausstattung der Gräber. Wah-
rend nehmlich bei uns, so weit ich wenigstens die Fundberichte habe erreichen können,
diese Urnen meistentheils direkt in Steinkisten gefunden sind, welche zum Theil
% 1-
<?i--^
I
I einei Ätbaner äeptikralkrui^es mit seinem Inhalt, darunter einer Hausurne,
^on Marino.
in Kegelgrabern eingeschlossen waren, hat schon Visconti, der den ersten genauen
Bericht über die Albaner Funde geliefert hat» nachgewiesen, das« das italische
Grab in der Weise geordnet war, dass man ein gan^ grosses ThongefäsB von un-
gewöhnlichen Dimensionen in den Boden einsenkte und erst in dieses die ver-
schiedenen Gegenstände setzte, nicht bloss die Hausurne, sondern daneben noch
eine grosse Anzahl von anderen Urnen, zum Theil brichst charakteristische. Da»
Alles zu!*ammen bildet also einen einzigen Aufbau. Ich habe eine Nachzeichnung
(Fig, 1) der Skizze von Visconti anfertigen lassen, welche das Verhältniss 7or-
krefflich darstellt. In einem grossen Dolium (oder yridaf), das zwei tiefsitzende vor-
springende Henkel besitzt, steht die Hansurne und neben ihr der andere Haus-
rath in sehr entwickelten Fornnen, von denen Jedermann zugestehen wird, dass
sie gänzlich fremdartig sind för unser Land. In der Hausurne lagen die gei-
Verhftodl. il«r &«r]. Ajitbropol. G«ieU«cli»rt 11^3. 21
braniiteo Gebeioe eiDes MeDSchcD. Sie war in Wirklichkeit das Haus deg ToilteD.
Darin liegen auch die Brooien uod aoderf» Gegensüiade, welche mitgegeben wur-
den. Man bemerkt darunter eine grosse Fibula und ein kleineB Bronzerad. Was
die Fibula beirifft, so ist es von grosser Wichtigkeit, dass es die uralte Fibula ist,
welche der ersten Perif»de der Fibulaentwickelung in Italien entspricht, dieselbe,
die ich im Kaukasus gefunden habe, die Fibula von Koban mit einracber Spiral-
d rebung des Drahtes, ganz aus einem einzigen Stück bergestellt, in Bogenform.
Ich will zugleich aufmerksam nuichen auf einen der Unterschiede in der
aussereu Gestalt, der die höchst entwickelten italischen Bausuinen trotz der vielen
Aehnlichkeiten, die sie sonst mit den unsrigen haben, auszeichnet: das ist die
eigenthümliche Art der GiebelbüduDg, von der, so viel ich unsere deutschen Uaus*
umen kenne, kein einziges paralleles Stück bei uns bekannt ist. Die Grundform
der italischen Hausurne ist durchweg ein längliches OTal; die Thür liegt (mit einer
einzigen Ausnahme) immer auf dem eiuen langen Ende, Darüber erhebt sich ein
Dach, welches in der Regel an jedem Langende einen schräg abgestumpften Giebel
bat; an dem Giebel befindet sich ein grosseres Loch, offenbar das Rauch loch, und unter
demselben eine, meist mit 3 seDkrechten, parallelen erhabenen Rippen und einem
darüber liegenden Querbalken versehene Figur (Fig. 1 u. 3), die man verschiedent-
lich gedeutet hat. Hr. Schliemann hat sie auf das mythisclie M zurückgeführt.
Ich will aber bemerken, dass ich bei einer italischen Hausume 5, bei einigen an-
deren 4 Rippen gezählt habe. Etwas Aebuliches ist an keiner deutseben Hausurne
gesehen worden.
Neben den Hausurnen kommen Topfe mit weiter Mündung vor, die in höchst
charakteristischer Weise gebildet sind: sie sind mit einer Anzahl von erhabenen
Längsrippen besetzt, welche von Querrippen gekreuzt werden, so dass es auEsieht,
wie ein Strick werk, das um den Korper des Gefasfies gelegt ist, um dasselbe zu
sichern (Fig. 1).
Auf andere, nicht minder eigen thüm liebe Thongefösse werde ich später
Doch zurückkommei]. Was ich als Ergebniss meiner Untersuchungen zusammen-
fasse, ist das, dasB sowohl die Thongefasse nach Form und Verzierung, z. B. dem
recht häufigen Mäander, als auch die Bronzen und die anderen Gegenstande wesent-
lich dem widerstreiten, was wir in Deutschland kennen, dass aber noch mehr fremd-
artig die Einrichtung des Grabes ist, indem in ein grosses Thongefass hinein die
Beisetzung der Todtenurne mit Beigabe eines ganzen Haiisgerathes geschah. Das
ist meiner Meinung nach ein wesentlich südlicher, vielleicht ein orieDtaliscber Ge-
schmack. Verwandtes kennen wir aus Kleinasien, namentlich aus der Troas, wo
an verschiedenen Orten eine Bestattung von Todten in mächtigen Thongefässen
nachgewiesen isL In meiner Abhandlung über alt trojanische Gräber und Schädel
habe ich eine Zusammenstellung von Beobachtungen gegeben, wo grosse nt^ei be-
nutzt wurden, um darin die Beisetzung der Todten vorzunehmen» Freilich wurden
dabei die Leichname nicht verbrannt, aber, was gana charakteristisch ist, die-
selbe Art der Bestattung un verbrannter Leichen findet sich auch in den älteren
etruskischen Gräbern: auch da giebt es sowohl colossnle Thongefässe, ab nuch stei-
nerne Bebälter mit bober, topfahnlicher Aushöhlung, iu welche man die Todten
T ersenkt hatte.
Bei den weiteren Untersuchungen w der Umgebung von Marino, welche nament-
lich Hr. Michele Stefano de Rossi ausführte und bei welchen ausser den Gräbern
längs des Ufers des Albaner ^^ee8 auch alte Wobustätten nachgewiesen wurden,
stellte es sich heraus, dass an den Wohnplälzen Ueberreste, insbesondere von Thon-
geräthj verschüttet 8iDd> die eine weniger archaische Beschaffenheit besitzen und
1
(323)
sich den damals schon bekanntfD nierleren etruakischeit Formen anschüeBsen. Hr,
de Kosai hat mit grosser ömsicht deu Nachweis gefohrt, dass die Albaner An-
siedelung bis in die Zeit der Etraaker hiueingpreicht haben mÖBse; er hat daraus
gefolgert^ dass damals ein Verkehr zwischen Latinem und Etruskern stattgefunden
habe. Ich wiü in Bezug auf die Einzelheiten hier nicht auf ein grosses Detail ein-
gehen; ich behalte mir das för eine in der Akademie der Wissenschaften zu lesende
Abhandlung vor. Ich will nur noch bemerken, dass ahnlich, wie das auch bei uns
der Fall ist, die verschiedenen Arten der Hausurnpu eine recht grosse Mnnnich-
faltigkeit der Ausführung zeigen, von den allerniedrigsten Formen an, die ungefähr
da» Aussehen ländlicher Backüfen haben (Fig. 2), bis zu der ganz vollendeten
Fig, %
Albaner ßackofetiarne van Marino.
Hütte, an der eine Menge von archaischen Ornamenten sich findet. Ich habe
die Zeichnung einer solchen verzierten HiJttenarne aus den alten Funden von
Visconti, die sich gegenwärtig im Gregorianischen Museum im Vatikan befindet
(Fig. 3), mitgebracht, an der diese Ornamentik in buntester Weise hervortritt. Sie
bietet^die^^grösate Äehnlichkeit dar mit den Ornamenten, welche Hr. Schliemanu
an Thongeräth jn Ilios gefunden hat Bekanntlich behaupten alte Traditionen, dass
eine unmittelbare Gründung von Albalooga durch eine trojanische EinwandcruDg
nach dem Falle von Troja stattgefunden habe, und die vornehmen romischen Ge-
schlechter haben nicht verfehlt, in einer Zeit, wo man von dem Inhalt des grossen
Trijmmerbergei Hissurlik nichts ahnte, aus den Legenden des askanischen Hauses
Argumente herzuleiten für den Adel ihrer Ahnen.
Eine analoge Mannichfaltigkeit der Formen zeigt sich nun auch^ freilich nicht
in gleicher Vollständigkeit der Ornameptik, bei uns. Auch unsere Hausurnen
stellen eine Reihenfolge von niederen zu höheren Formen dar, und es ist insbe-
sondere sehr merkwürdig, dsss wir auch bei ihnen eine Reihe von der Form eines
Backofens mit rundlichem Gewölbe bis zu der Form einer Hütte mit vollkommen
eutwickeltfm Giebeldach, bei vollständiger Ausbildung hoher kantiger FirsJe, an-
treffen. Ich gehe nicht so weit, dass ich diesen Formen, welche in beiden
Landern in einer scheinbar gleicharligen Entwickelungsreihe auftreten, Gleich-
zeitigkeit zuschreibe. Wenn man sich vorstellt, — und dazu liegt aller Gnind
f
(32^
vor, — dass in den Haueiirnen das wirkliche Haue nachgeahmt ist, so wird roao
aoöehmen müsseo, dass. wie das Volk sich weiter und weiter entwickelte utid
seine Hiitlen eioe voHkommpoere Aii&geetaltung erfuhren, auch die Hausurnen dem
entsprecheod oachfolgteB. Bei einer solchen Entwickelung war es übrigens nicht
auBgeschiossen, dass die roheste Backofenform nehen der Form einer vollkommen
aUBgebildeten Hütte noch benutzt wurde. Aber ea scheint mir, dass, so aufiFalÜg
dieser Paralleiisnius der italischen und deutschen Hausurnen ist, man nicht wohl ao-
nehmen kano, es habe zu irgend einer Zeit eine Einwanderung in Italien stattge-
fundenj welche alle diese Formen auf eißmal mitgebracht und ntin neben einander
fortgeführt hätte. Viel natürlicher erscheint die Annahme^ dass unabhängig von
Fig, 3.
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Albaner Hüttenurne von Marino,
einander der Styl der Topfwaare sich dem fortschreitenden Architekturstyl nach-
gebildet habe, wie er sich vermöge einer Natur noth wendigkeit überall entwickelt hat.
Die neuesten Untersuchungen haben nun merkwürdigerweise gezeigt, dass, wah-
rend man früher glaubte^ die italische d Hausnrnen seien ganz und gar auf das AI*
baner Gebiet beschrankt, sie auch im eigentlichen Etrurien vorkommen. Bis
jetzt freilich ist nur ein einziger Platz bekannt, aber gerade der Hauptplatz,
das alte Tarquinii, das gegenwärtige Cometo, oder, wie die neuere Bezeichnung
lautet, Corneto- Tarquinia. Coroeto ist ja schon seit langer Zeit berühmt
durch die Reichhaltigkeit und die Aasdehnung seiner Grabfelder; die Museen
fast aller Lander besitzen von da die ausgeprägtesten Kunstprodukte, Die vor-
zugsweise gesochten Artikel müssen wesentlich der Einfiibrung der griecbiscben
(325)
RuDSt zugeschriebeD werden; sie tragen nicht nur griechische Inschriften, sondern
zeigen von den korinthischen Typen an die ganze Reihenfolge der fortschreitenden
Ausbildung des griechischen Kunststyles in der Keramik, der sich vortreffliche
Leistungen in der Malerei und Skulptur anschliessen. Neben diesen hochgeschätz-
ten Arbeiten hat man früher, wie leicht verständlich , die gewöhnlichen Stucke ziem-
lich gleichgültig bebandelt, vielleicht einfach verworfen, und es beginnt erst jetzt
eine genauere Sammlung, so dass allmählich die älteren Verhältnisse, welche vor
der nachweisbaren Einwirkung des griechischen Einflusses bestanden haben, sich un-
seren Augen darstellen.
Die kleine Stadt Corneto, welche nahe der Stelle liegt, auf der das alte Tar-
quinii stand (nördlich von Civita vecchia, nicht weit von der Küste), besitzt einen äus-
serst thätigen und intelligenten Sindaco, Hrn. Dasti, der es sich nicht hat nehmen
lassen, die Ausgrabungen in regelmässiger Weise fortzusetzen und für die Auf-
nahme der Funde ein eigenes Mueeo civico zu gründen. Dasselbe ist in wenigen
Jahren ausserordentlich reich geworden und enthält u. a. auch die Mehrzahl der
Hausurnen, welche in neuester Zeit ausgegraben worden sind. Eine einzige davon
befindet sich in Rom, im Museo preistorico. Somit giebt es ausser Corneto keinen
Platz in Italien, welcher für ein eingehendes Studium das Material darböte.
Durch die Funde von Corneto ist das zum Theil unsicher geworden, was Hr.
de Rossi für Albalonga annahm, dass nämlich erst in einer späteren Periode
seines Bestehens — er unterschied 4 Perioden — und zwar erst in der dritten
und vierten der Verkehr der Latiner mit den Etruskern eröffnet worden seL Nachdem
sich bei Corneto dieselben ältesten Dinge ünden, wie sie bei Marino unter dem
Peperinstrom liegen, stellt sich die Sache anders. Wir finden an beiden Orten
parallele Reihen. So kann man auch für Corneto die Frage aufwerfen, ob das
Etrusker waren, welche die Hausurueu gemacht haben? Es ist ja denkbar, dass
es voretruskische, wie man wohl gesagt hat, pelasgische Stämme waren, — aber es
zeigen sich so zahlreiche und naheliegende Beziehungen dieser älteren Funde mit
den unzweifelhaft etruskischen , dass es kaum ausführbar erscheinen dürfte, eine
vollständige Allophylie der älteren Bevölkerung zu statuiren. Es giebt gewisse
höchst typische Fundstücke, namentlich Bronzegeräthe, welche die Etrusker von
Anfang an geführt haben. Dahin gehören die sonderbaren Rasirmesser, wie man
sie genannt hat, gestielte halbmondförmige Messerchen aus Bronze, die sich mit
Hartnäckigkeit durch die etruskische Zeit unverändert fortsetzen. Sie sind schon
in Hausurnen vorhanden. Es kommen aber auch mit den Hausurnen mehr aus-
geführte, sehr eigen thümliche Bronzegeräthe vor, Erzeugnisse einer höher entwickel-
ten, wenn auch immer noch archaischen Technik, die sich späterhin mehr und
mehr verliert, aber doch nicht so verliert, dass ihre Erinnerung gänzlich schwindet;
das ursprüngliche Muster wird nur mehr künstlerisch ausgeführt. Dahin gehören
kleine länglich-viereckige Bronzetische mit 3 gegen die Mitte zusammenlaufenden,
schrägen Füssen, die zuweilen in der Mitte der Platte eine Vertiefung haben und
auf der Fläche mit gepunzten sonn enförm igen Vorsprüngen besetzt sind, wodurch sie
ein zierliches und reiches Aussehen erlangen.
Wenn ich die Summe dieser Verhältnisse zusammenfasse, so ist mir wenigstens
kein Zweifel darüber geblieben, dass in der That diese Funde der Anfangszeit
der etruskischen Cultur entsprechen, wobei ich es dahingestellt sein lassen will, wie
viel von einer voretruskischen Cultur da hineinschlagen mag. Aber wir haben
wenigstens einen gewissen Anfang gewonnen, der es gestattet, eine archäologische
Schichtung der Fnnde vorzunehmen. Und da kann kein Zweifel sein, dass die
(326)
Periode der Hausurneo, obwohl alt der atteateu Albatter uod Coroe*
laner Zeit entspricht, jünger ist, ale die Terramare-Zeit.
Es öchliesst sich au die besprochenen Gogenslände iifimittelbar an eine gerade i
auch in Corneto zahlreich vertretene Gruppe von groi<seren Thongel^esen, den so-
geDftnnten Vasi di bucchero, die mit parallelen Besonderheiten in dem BronzestyJ
verbunden sind. Es sind darunter höchst jäonderbare Stucke, die sich namentlich
dadurch auszeichnen, da&s über etoeni, ao sich etwa theekannenartigen Getdss sich
noch einmal ein grosserer Aufbau erhebt^ so dass das Gefäss sicli sehr verlängert
durch eine, zum xweileii Mal ausgebauchte Höhle. Dieee Gefasse, die ich der Kürze
wegen ^pagoden artige** genannt habe^ sind gewöhnlich reich ornamentirt Aehn-
liche Oruameote sieht man auch in Norditalien, ja, sie lassen sich in Andeutungen
verfolgen bis über die Alpen herüber; namentlich in süddeutschen Kegelgi'äbern
treten sie gelegentlicli auf, wenngleich nicht in der V oll stund igkeit, dass man un-
mittelbaren lüipnrt erechllessen müsste. Jedenfalls pind die italischen Pagoden«
Urnen so auffällig, d»ss man sie von weitem mit einem Blick erfasst und ihre Stet-
luog in keiner Weise zweifelhaft bleibt. Die Ornamente sind sehr verschiedenartig,
doch herrschen darunter fensterartige Ornamente, in deren Mitte das Hakenkreuz
angebracht ist, Mäüoder, Dreiecke, treppenfürmi|;e Zeichnungen vur. Dagegen feh-
len Darstellungen lebender Wesen vollstaudig.
Diese erscheiuen dagegen, zum Theil in grosser Vollendung, in einer späteren
Periode der unzweifelhaft etruskischen Cultur, und ich darf wohl dasjenige Gebiet '
keramischer Erzeugnisse hier kurz erwähnen, welches uns nahe lierlihrt, nämlich
das der Gesichtsurnen. Diese sind im Augenblick nirgends reichlicher vertreten
als in dem etrusikischeu Museum in Florenz. Es sind meist hohe Gefässe, nicht I
ebenso gestaltet, wie die Pagoden von Corneto und Villanova, aber doch einiger-
maassen verwandt, Ihr ^ufbau zeigt alle möglichen Combinationen, Bei den am
tneiHeo ausgeführten sind bewegliche Arme vorhandeUj während der DeckeJ als
Kopf behandek ist; bei anderen sind die Arme nur als Relief au der Seitenw&nd
des Topfes angebracht, bei anderen endlich fehlen sie gänzlich. Wiederum andere
zeigen dieselben Formen, wie bei uns: mützenartige Deckel und das Gesicht am
Balse. In dieser Reihe kommen die mannichfaltigsten Ausschmückungen vor^ z. B.
Deckel, auf denen Vogel sitzen, ein in allem Detail durchgeführtes Gesicht am Halse,
um den Bauch Zonen mit erhabenen Figuren, namentlich mit Thieren. Auf eine
genauere Erörterung muas ich für jetzt verzichten; nur das will ich bemerken, dass
trotz des nicht wegzuleugnenden Faraltetismus zwischen den deutschen und den
italischen Gesichtaurnen ein unmittelbarer Zusammenhang bis jetzt wohl schwerlich
nachgewiesen werden kann.
Es ist sonderbar genug, das^ die Verbreitung sowohl der Haus-, als der Gesichtft-
urnen in beiden Ländern eine lokal beschrankte ist. Während bei uns die Haus-
urnen zwischen Eibe und Harz vorkommen, finden sich die Gesichtsurnen hauptsäch-
lich zwischen Oder und Weichsel, so dass sich die beiden Gebiete kaum berühren.
Analog ist es in Etrurien; während in Corneto und Älbalonga längs des tyrrbeni-
achen Meeres die Hausurnen angetroffen werden, ist das Hauptfeld für die Gesicbta-
urnen vielmehr in dem gebirgigen Theil von Etrurien,
Zum Schlüsse will ich noch kurz erwähnen, dass in der ausgemacht etrueki-
sehen" Zeit die ganze ßestattungsweiae sich ändert. An Stelle der Brandgraber
treten später Bestattungsgräber, vielfach in Bruuncnform. Wo die Einäscherung
daneben fortgeführt wird, t>enutzt man zur Aufbewahrung der verbrannten Knochen
Urnen* von weniger abweichender Form, aber auch kleine Sarkophage, welche die
Form des Hauses, namentUcb den dachförmigen Deckel beibehalten, aber aus Stein
(827)
gefertigt werden. Aber auch uoverbraDote Leichname werden in grossen Stein-
sarkophagen beigesetzt. Auf denselben finden sich bald mehr, bald weniger gut
ausgeführte, jedoch stets halb liegende Portraitstatueu^ in der Regel mit aufgestütz-
tem linkem Arm und erhobenem Kopf. Die Gesichter sind sehr verschieden, jedoch
mehr realistisch gehalten; selten haben sie einen blos schematischen Charakter.
Der Körper ist meist etwas fehlerhaft behandelt, mit Verkürzungen und Ver-
längerungen, die schwer erträglich sind. In Cometo Hessen sich zwei Haupttypen
unterscheiden: einer mit längerem Kopf und schmalem Gesicht, namentlich mit
längerer gerader Nase, und ein etwas breiterer mit kurzer Nase und au£fallig star-
kem Unterkiefer. Dazu kam ein dritter, individuell mehr variirender mit aus-
gesprochener Adlernase.
Diese Sarkophage sind, meist familienweise, in grossen Grabkammern bei-
gesetzt, welche unmittelbar aus dem Felsen herausgearbeitet wurden. Auch diese
Kammern tragen den Charakter eines Hauses mit gefirstetem Dach und bestehen nicht
selten aus mehreren, vollständig zimmerartig angelegten Abtheilungen. Eines der
prächtigsten und noch jetzt mit allen Fundstücken ausgestattet ist das Grabmal
der Familie der Volumnier unterhalb Perugia. Es ist dies einer der Plätze,
welcher auf einer Reise nach Italien von niemand übergangen werden sollte. Frei-
lich ist Perugia durch die jetzige Eisenbahoroute sehr benachtheiligt, da die
regelmässige Strasse nach Rom, die noch vor 10 Jahren über Perugia führte, jetzt
westlich vom trasimenischen See läuft Man muss also schon einen besonderen
Abstecher nach Perugia machen, aber er ist in hohem Maasse lohnend. Ich kann
einem jeden Reisenden dazu rathen; sicher wird keiner diesen Umweg bereuen.
(21) Eingegangene Schriften:
1. Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde. Bd. 18, Heft 1.
2. Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde. Bd. X, Heft 2, 3, 4.
3. Bleicher etFaudel, Materiaux pour une etude prehistorique de TAlsace.
Gesch. d. Hrn. Virchow.
4. Köpern icki, Czaszki i Kosci. (Ueber Stakenringe.) Krakau 1883. Gesch.
d. Verf.
5. Jonmal of the Anthropological Institute of Great Britain and Ireland. VoL XH,
Nr. IV.
6. Verhandlungen der Berliner medicinischen Gesellschaft. Bd. XIII.
7. Weiss, Kostümkunde. Bd. II. Gesch. d. Verf.
8. Colin iy CoUezione etnografica degli indigeni deir Alto Amazzoni. Roma 1883.
Gesch. d. Verf.
9. Victor Gross, Les Protohelvetes. Berlin 1883. Gesch. d. Verf.
10. Schriften der physikalisch-ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg. Jahrg. 23.
11. Al, Fornandcr, An account of the Polynesian race, its origin and migrations.
Vol. II. Gesch. d. Hrn. Bastian.
Sitzuog am 21. Juli 1883.
Vorsitzender Hr. Virohow.
(1) Als neue Mitglieder werden angemeldet:
Hr. Professor Dr. Lucae, Berlin.
„ Landschaftsmaler E. Bracht, Berlin.
^ Geb. Regier ungsrath Kelch, Berlin.
^ Dr. Kuntzemüller, Spandau.
^ Dr. Neuhaus, Berlin.
„ Rittergutsbesitzer von An cum, Sorbehnen b. Saalfeld (Ostpreussen).
„ Kaufmann Klaar, Berlin.
^ Rentier Fried. Kofier, Darmstadt. «
„ Stud. phil. M. Weigel, Berlin.
Dankschreiben sind eingegangen von den neu ernannten correspondirenden
Mitgliedern Prof. Hei big in Rom, Prof. Chierici in Reggio dell' Emilia, Professor
Lortet in Lyon und dem Direktor des Museo civico in Mailand, Hrn. Castel-
f ran CO.
(2) Hr. Dr. W. Joest hat an den Vorsitzenden folgendes Schreiben gerichtet:
^Darf ich mir erlauben, Ihnen vor der letzten Sitzung der Anthropologischen
Gesellschaft in diesem Semester die Mittheilung zu machen, dass ich die Absicht
habe, Europa im Herbst d. J. wieder zu einer längeren Reise zu verlassen. Be-
stimmte Reisepläne mache ich nie im Voraus. Ich gedenke aber im September
nach dem Cap zu reisen, von Pt. Elisabeth aus nach den Diamanten- und Gold-
feldern nordlich einen Ausflug zu machen und en route sowohl ethnographisch zu
sammeln, wie die politischen Verhältnisse zu studiren und irgendwo an der Ost-
kÜste wieder herauszukommen. Dann hoffe ich via Mauritius Madagascar zu be-
suchen und dort zu sammeln, was ich auftreiben kann.
^Von Südafrika und Umgegend werde ich dann nach Australien dampfen und
hoffe später diis propitiis ein oder einige Jahre die Siidsee zu durchstreifen und
in5glichst die out of the way places zu besuchen, um vom anthropologischen und
ethnographischen Standpunkte auf dem Wege des Sammeins zu retten, was zu
retten ist.
^Wo ich später herauskommen werde und ob ich via America i. e. Columbien-
Venezuela- Westindien oder via Philippinen -Tonkin • Centralasien nach Europa zu-
rQckkehre, wird von Umständen und meinem Gesundheitszustand abhängen.
„Wollen Sie gutigst veranlassen, dass eine diesbezügliche Notiz in die Ver-
handlungen der Anthropologischen Gesellschaft aufgenommen werde, damit unsere
aoBwäitigeo Mitglieder bei meinem eventuellen Besuch wissen, wen sie vor sich
f330)
haben; zdnia] mag es sie, nach schlechten Erfahrungf^n, die sie aDderweitig gemactit
babeu^ inttressirtMi zu hören, tluss icb auf meine eigenen Knsten reise, und du mit
ferner hiesige Mitglieder d^-r Gesellschaft, sofern sie veriifiuftige Wunsche an
mich richten wollen^ mir dieselben mittheilen konDen*
„Sie, Hr. Gebeimratb, könueu natürlich vollkommen über meine Dienste ver-
fugen und wiire ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir möglichst präcisirt Ihre
Wünsche ofittheilen wollten.'* —
Der^ Vorsitzende spricht Hrn. Joe st die herzlichbten Wünsche für seine neue,
grosse Reise aus und erklart ihm Namens der Gesellschaft, dass wir ihn mit un-
serer wärmsten Theilnahme begleiten werden und dass wir Alle die grössten Hoflf-
DUO gen auf die zu erwartenden Resultate setzen. Selten hat ein so junger Mann
mit so sicherem Blick und so viel V erstand iiiss seine ersten Ansflüge in ferne
Zonen ausgenutzt Können wir daher irgeud etwas zu dem Gelingen der neuen,
selbst gewählten Aufgabe thun, so wird es stets mit grösster Bereitwilligkeit g€-
Bchehen,
(3) Der Vorsitzende verliest die definitive Einladung zur Theilnahme am
Amerik&nisten-Congreas in Kopenhagen und legt den Mitgliedern eine
möglichst i&ahlreiclie Betheiligung an dieser so viel versprechenden Versammlung
an's Herz. Die Sitzungen werden vom äl.— 24. August stattfinden. Als Dekgirten
der Gesellschaft hat der Verstand das Mitglied des Ausschusses, Hrn. Dr. W. Reisa
erwählt.
(4) Hr. Stieda tn Dorpat hat für die Sammlung der Gesellschaft 2 kaukasi
sehe Skelette (von Baku und dem Daghestan)^ ein ännisches und den Schädel eines
mftsischen Weihes eingesendet, wofür ihm der Vorsitzende den besonderen Dank
der Gesellschaft ausspricht.
(5) Generallieutenant v. Erckert bespricht in einem Schreiben an den Vor*
sitzenden d. d. Pelrowsk^ 6» Juni, seine
Reisen {m Kaukasus.
I
mit ■
^Ich vrar bereits in diesem Frühjahr 40 Tage zu Pferde, und werde, um
dem Dagbestan fnr Landes- und Volkerkunde, Schadelniessnogen und Sprach-
vergleiche abzuschliesseoj in diesen Tagen noch eine dreiwöchentliche Reise zu
Pferd in seinen letzten, nicht von mir durchforschten Theil (Westen) unternehmen, ■
die hoffentlich nicht minder von Gluck begünstigt wird, als die früheren. Dann
habe icb sämmllicbe (über 20) Stumme des Kaukasus besucht und erforsclit. In
Petersbiirg will ich dann retrospectiv lesen und studiren, was nicht hypothetisch
über den Kaukasus gesagt wurde, und ein, wenn auch nicht abgerundetes, so doch
positives Ganzes bearbeiten. Spracbe nnd Abstammung werden wohl oft nicht xu-
sammenstimmen; auch muss die Einwanderung nicht nach den logischen Annahmen
allein beurtheilt werden, da noch viele speciellen Gründe dabei mitwirkten. Ganz
auffallend und unwillkürlich an die Meinung des Hrn. Bayern erinnernd, tat die
massenhafte Mischung mit Juden, ja reines Judenthum, im ganzen ostlichen
Daghestan; im SO, massenhaft; in der ösilichen Mitte bis in die aussersten Winkel!
Ganz unglaublich, und vielleiclit durch Verbannung oder durch niedergeworfene Cha-
Süren (Juden?) oder ürsprünglichkeit allein (?) zu erklären. Sie sind ganz getrennt
(881)
TOD den sogenanoten Berg-Juden! — Die grossartige Natur allein belohnt eine
EDStreogende Reise, die ich auch bis ans Hochgebirge im Kreise Kuba zu Buducheu,
Dahekten und Chinalugen (nur ein Dorf) ausgedehnt habe. Die Mauer habe
ich twei Tage abgeritten und aufgenommen. — In der Tschetschna hat der ostliche
Theil (Auswanderer vom westlichen Theil) fast reine Juden! Kopfmessungen habe
ich SU hunderten ausgeführt bei allen Stämmen. Rücken- und Beinmaasse sind
▼iel&ch genommen, wenn auch nicht gerade für den Daghestan, nach Ihrer An-
gabe. — Die Vergleiche der Maasse, nach einem von mir erfundenen Plan, giebt
sehr anschaulich die Haupt- und Abweichungs-Typen, nicht nur jedes einzelnen
Stammes, sondern auch im Vergleich mit den übrigen. Ein Wortschatz yon 700
einfachen Worten aus einfachen Lebenssphären, sowie kurze Dekiinations- und Con-
jogations-Proben aus allen Sprachen des Dagbestau, der Tschetschna und der Tscher-
keasen sind gesammelt. — Nicht genaue Schall -Nachahmung scheint hierfür un-
weaentlich, sonst müssten ja alle tiefer gehende Sprachforschungen aufgegeben werden.
— Für alle Fiscbarten giebt es gar keine Unterscheidung, unglaublich fein sind die
Nuancen, in der die dritte Person sich lokaliter zu denen befindet, die yon ihr
in der dritten Person sprechen; ganz unglaublich. Interessant sind üebertragungen
▼on Bezeichnungen: Roggen = rother Weizen! Strauss = Kameel und Sperling! Schild-
kröte = Leder und Frosch! — Auch viele Tataren, Baschkiren und ostfinnische
Stimme habe ich gemessen.
(6) Hr. Virchow zeigt
eine Fibula aus der Tschetschna und zwei Schädel von Koban.
Durch die Gute des Hrn. Dolbeschew in Wladiskawkas habe ich einige sehr
wichtige Nachträge aus dem nordlichen Kaukasus erhalten ^).
Schon yor einiger Zeit berichtete er mir von einem Funde im Flachlande
der kleinen Tschetschna, wo an einer Stelle im Walde Menschenknochen und
ein Paar Bronzefibeln, ohne zu graben, gesammelt seien. Von einer der Fibeln
übersendete er mir folgende Skizzen:
a. b.
Vorderseite. Ruckseite.
Va naturlicher Grösse.
1) Hr. Dolbeschew macht mich zugleich auf einige Druckfehler, beziehentlich Irrtbümer
meiner Schrift über Koban aufmerksam:
8. 2, Z. 18, sollte es statt Gisaldon beissen Kobandon. Ersterer kommt aus dem Sani-
baithale und vereinigt sich erst später mit dem Kobandon.
' S. 8, Z. 11, muss es statt Kaffekanuo beissen Wasserkanne. Der Gebrauch des Kaffes
(882)
Gegenwärtig liegt die Fibula selbst vor. Es ist ein Stück yod der jetzt wohl
hinreichend bekannten Koban-Form, aber sehr viel schwerer, gröber und roher, als
irgend eines der mir yon Eoban selbst yorgekommeuen. Obwohl die Nadel ab-
gebrochen ist und fehlte wiegt es doch noch 119,8^. Die Basis ist 10 cm lang,
der Radius des Bogens misst etwas über 7 cm. Der Bügel hat in der Mitte eine
Dicke yon 12 mm. Die Endplatte, welche zur Aufnahme der Nadel diente, ist 30 mm
hoch und an der Basis 32 mm breit. Da die Nadel in der ersten Biegung ab-
gebrochen ist, so lässt sich nicht mit Bestimmtheit erweisen, dass hier eine Spiral-
tour gelegen hat, indess darf man es wohl als wahrscheinlich annehmen, da alle
Haupteigenschaften mit denen der Eoban-Fibeln übereinstimmen.
Was die Einzelheiten betrifft, so besteht der Bügel nicht, wie bei den Koban-
Fibeln, aus einem solid walzenförmigen Balken, sondern es zieht über die Mitte der
Rückseite (Holzschn. b) in deren ganzer Länge eine unregelmässige Rinne, welche an
beiden Enden breit und flach ausläuft. Sie macht den Eindruck, als sei der Bügel
aus einem hinten platten Balken unter ümbiegung der Ränder, etwa durch Häm-
mern in der Hitze, hergestellt worden. Gegen die Seiten hin ist die Hinterseite
ziemlich gleichmässig gerundet. Dagegen erscheint die vordere Hälfte leicht drei-
eckig gekantet, so dass eine Kante oben, eine zweite unten, die dritte auf der
Mitte der Yorderfläche (in der Zeichnung nicht dargestellt) angebracht ist Ausser-
dem zeigt die Vorderfläche 4 Gruppen tiefer Quereinschnitte, von denen die beiden
lateralen aus ungefähr einem Dutzend, die beiden medialen aus je 10 und 11 Pa-
rallelkerben bestehen. Am einen Ende geht der Bügel in den drehrunden, 3 bis
4 mm dicken Nadelanfang über; am andern verbreitert er sich schnell in eine,
mit einer senkrechten erhabenen Mittelrippe versehene Platte, welche am unteren
Ende nach hinten umgebogen ist und so einen breiten Falz zur Aufnahme der
Nadel bildet.
Obwohl das Stück recht hübsch dunkelgrün patinirt ist, so fiel es mir doch
auf, dass es an einzelnen, etwas abgescheuerten Stellen uogowohnlich roth durch-
schimmerte. Ein Feilenstrich gab fast reine Kupferfarbe. Ich ersuchte deshalb
Hm. Salkowski um eine Analyse. Dieselbe ergab, dass ausser Kupfer eine, auf
etwa 4 pCt. zu veranschlagende Beimischung von Zinn darin enthalten ist; Zink,
Blei, Wismuth und Silber konnten nicht nachgewiesen werden.
Es ist also gewiss ein recht merkwürdiges Stück. Vieles scheint dafür zu
sprechen, es für sehr alt und zugleich für ein Produkt einheimischer Arbeit
zu halten, das noch einer vorkobanischen Zeit angehöre. Denn, wie ich in meiner
Monographie über Koban nachgewiesen habe, alle analysirten Bronzen dieses Gräber-
feldes zeigten die gewöhnliche Bronzemischung. Wenn wir also hier eine Bronze
antrefl'en, die Zinn in noch nicht einmal der halben Menge gewohnlicher Bronze-
mischung enthält, so dass ihr Aussehen fast das von reinem Kupfer ist, so scheint
diess in der That für ein ganz archaisches Verhältniss zu sprechen. Damit würde
die Rohheit der Ausfuhrung harmonireo. Nichts desto weniger möchte ich mein
ürtheil suspendiren, bis genauere Nachrichten über die Fundstelle vorliegen. Denn
ist in den Bergen ganz unbekannt Ein Wasserkrug, wie der an der Stele von
Koban abgebildete, aus Kopfer, Eisenblech oder Gusseisen, bei Reichen auch aas
Silber, ist noch heutzutage überall anzatreffeu. Er dient beim Waschen vor dem
Namas (Gebet der Muselmänner) und aaeb zum Trinken.
S. 8, Z. 27, will Hr. Dolbeschew statt des von Güldenstedt gebrauchten Namens
Enmbelei lesen Kambelej.
Ich fuge hinzu S. 18, Z. 22, «Nasenwurzel'' statt .Stirn'.
(333)
es wäre doch aucli möglich, dass es sich um eine rohe, so za sagen, barbarische
Nachbildung eines in Koban schon viel höher entwickelten oder importirten Ge-
r&thes handelt; ja, man muss zugestehen, dass eine solche Erklärung viel mehr
Terständlich machen würde, warum hier eine schon typisch ausgebildete Form in so
plumper Nachbildung erscheint. Ich erinnere an die analogen Erfahrungen auf dem
Gebiete der Numismatik. Indess auch das wäre eine höchst interessante Thatsache.
Ich werde daher Hrn. Doibeschew sehr dankbar sein, wenn es ihm gelingen
sollte, weiteres Material zu einer gesicherten Erklärung zu liefern. —
Vorläufig sind fiir mich von ungleich grösserer Wichtigkeit die beiden neuen
Schädel von Koban. Zur Zeit, als ich meine Abhandlung über das Gräberfeld
Ton Koban schrieb, hatte ich nicht einen einzigen unversehrten Schädel zu meiner
VerftguDg. Nur bei einem war die Schädelkapsei so weit erhalten, dass die
Hauptmaasse genommen werden konnten, aber auch bei ihm war die Basis verletzt
and das Gesicht fehlte gänzlich. Es ist daher ein ungemein grosser Fortschritt,
dass nun 2 Schädel angelangt sind, welche bis auf die Unterkiefer, von denen nur
Bmehstücke vorhanden sind, ziemlich alle Theile vollständig besitzen. Nur bei
dem einen, einem weiblichen, waren manche Abschnitte zerbrochen; sie haben sich
s&mmtlich restauriren lassen.
Hr. Doibeschew berichtet, dass diese Schädel aus einer neu entdeckten Ver-
iweigung des Gräberfeldes herstammen, auf welcher Hr. Chabosch 25 neue Grä-
ber aufgedeckt hat. Dem grösseren der Schädel waren Waffen beigegeben, dem
kleiaeren weibliche Zierrathen von der schon bekannten Art, dagegen keine Waf-
fen. Beide wurden in der unteren Schicht der Gräber gefunden und Hr. Dolbe-
■chew glaubt sie als typisch für diese Schicht bezeichnen zu können, in der
ihm sämmtliche Schädel dolichocephai und nur einzelne mehr abgeplattet er-
schienen. Letzteres sei bei den Schädeln der oberen Schicht in höherem Maasse
der Fall gewesen. Thurmköpfe (Makrocepbalen) seien auch diessmal nicht zu Tage
gekommen.
Unzweifelhaft ist der eine Schädel ein männlicher, der andere ein weiblicher,
and auch das ist ein besonderer Vorzug. Nur war leider der Mann sehr alt und
nicht blos gänzlich zahnlos, sondern auch mit so vollständigem Schwund der Alveo-
larfortsätze behaftet, dass sich die ganze Gesichtshöbe nicht messen und demnach
der Gesichtsindex nicht berechnen lässt. Ich bezeichne in Fortsetzung der in mei-
ner Monographie angenommenen Numerirung die neuen Schädel als Nr. 6 und 7.
Der männliche Schädel (Nr. 6) ist, wie erwähnt, bis auf den Unterkiefer,
Ton dem nur die rechte Hälfte vorhanden ist, sehr gut erhalten. Er ist von sehr
festem GefQge, schwer, im Ganzen weisslich grau, aber in grosser Ausdehnung
darch Kupfersalze intensiv grün gefärbt. Diese Färbung vertheilt sich auf zwei
grossere Regionen: einerseits auf die ganze Stirn, die linke Schläfen- und Joch-
beingegend bis über die Ohröffnung hinaus, andererseits und zwar rechts auf das
Ohr, den Warzenfortsatz, ein Stück der Hinterbauptsscbuppe, den Jochbogen und
das Wangenbein, endlich den Gelenkfortsatz des Unterkiefers bis zum Winkel herab.
Leider ist nicht angegeben, was für Gegenstände hier gelegen haben.
Der Schädel imponirt durch seine mächtigen und groben Formen, sowie durch
die höchst ausgeprägten, aber etwas plumpen Züge des Gesichtsskelets. Alle
Haskelansätze und Wülste, mit Ausnahme der temporalen, sind sehr stark ent-
wickelt. Insbesondere springen die Supraorbitalwüiste weit vor, sind jedoch über
der Nase nicht vereinigt. Die Protuberantiu occipitalis ist kräftig und die Linea
ftemicirc. super oecip. begrenzt eiceD j&heo tinrl tiefeo Absatz, von dem au6 sieh
die Facies tDUSCutanB der HiDterhauptsschappe in sehr audgebüdeter Zeicbiiung der
Muskel- und Sehneitabsätze abwärts erstreckt. Auch die Warze ofortsätze ;»lDd un-
gewShnlich dick, lang und höckerig.
Die Capacitat beträgt 1425 rem, der Horizontal (imfaog 535 mm, — recht beträcht-
liche Maasse, Die starke EotfaltUDg des Schindeldaches war begüostigt durch
Persistenz der Stirn naht» welche jetzt freilich atelleuweise iu der Obliteration
begriffet] ist; iudess giebt eine leichte Crista froiiüilis Zcugoiss von dem Btärkerea
Knochenwacbsihunj dieser Gegend, Von deo ourmalen Nähten siod nur jederseits
der seitliche untere Abschnitt der Coronaria innerhalb des Flänum temporale und
dj4^ Sphenofrontalis o^^ificirt. Alle übrigen Nähte sind erhatten, jedoch mit man eher lei
Abweichungen. Die betracblichstc der letzteren ist ein Os sagittale s. inter-
par letale in dem Ton mir früher (Merkmale niederer Menschenrassen am SchädeK
B<?rlia 1875. S. 75) entwickelten Sinne, jedoch von etwas ungewöbnlichen Eigeo-
»chaften. Dasselbe nimmt den leUtefi Abschnitt der Sagittalis ein, hat jedoch
zugleich die Enlwickelung de» LanübdawinkelB gehindert und gewissermaassen
eine Nied^rdrtickung und Abmachung desselben bewirkt. Es bitdet ein unregelmässig
gpHtaltetee, auf die Spitze gpstelltes und nach links geneigtes Dreieck von ^5 mm
Höhe und 19 fum Baikal breite, welches ringsum durch verzweigt -zackige^ von
minimalen Schal tbeinchen durchsetzte Näbte umgeben, nur unten mit dem rechten
Parietale tbeil weine verschmolzen ist Es greift beiderseits, jedoch, da es schief
gestellt ist, mehr in das linke Parietale ein. Der mittlere Thejl der Sagittalis ist
stark gezackt, aber im Beginn der Verschmelzungj der vordere, sowie die Coro-
naria in ihren medialen Th eilen mehr einfacb. Dagegen ist die Lambdanaht uoi
80 mehr zackig, besf^nders an ihr<*m rechten Scbeokel, der durch gleichzeitige Ein-
Sprengung kleingter Schaltbeincben fast wie ein breites Filigranbnnd aussiebt.
Jederseits giebt es einige hintere laterale Fontanellknoeheu. Auch die
8ut squarooaa ist mit kleinen Scbaltknochen versehen und in Folge davon etwas
vorstehetid»
Die Schädelform iet orthomesocephal (Breitenindex 76,0, Hohenindex 71|9)
obwohl der Eindruck im Grossen eigentlich dolichocephal i&L Es erklärt sich dies
aus dem Umstände« dttss die grosste Breite an den 8chläfenschuppen, also sehr
tief liegt, wie denn alb* Breiten maasis*» der tieferen Schädel gegenden, z. B, das au-
riculare, ungewöhnlich gross sind.
lo der Norma verticalis erscheint der Contour lang oval, zugleich breit und
etwas schiefp indem die rechte Seite hinten in der Gegend der Seitenfoiitanelle
Iflicht abgeflacht ist. Der Vurderkopf breit gewölbt, die Tubera parietal ia wenig
abgesetzt, dor Hifiterkopf vortretend und seitlich etwas abgeschrägt. Die Seiten
pbueuozyg.
In der Norraa tempöralis sieht der Schädel sehr lang aus, hauptsächlich wegen
der im vorderen Abschnitte mehr gestreckten Scbeitelcurve. Die Stirn itt leicht
rückwärts geneigt und da zugleich die Nase ungewobulich weit vorspringt, so hat
das Gesichtsprofil ein recht auffälliges Aussehen. Hinter der Coronaria eine seichte
Quervertiefung» Von der purietalen Intertuberallinie an langsamer Abfall der Curve,
welche nur an der Stelle des Sagittalbeius leicht abgeflucht und eingedruckt ist;
hinter dem Lambdiiwinkel beginnt die Wölbung der Oberschuppe, wogegen die
Ünterschuppe fast ganz glatt ist und nahezu horizontal nach vorn verläuft Die
Plana temporal la leicht gewölbt, bis zu den Schettelböckern heraufreichend, jedoch
?orn nur bis auf 1'25 mm genähert. Die Sohläfenlinien ausserhalb der Stirn beiue
I
I
I
I
(385)
wenig ausgebildet. Die Alae temporales gross uDd erst gegen die Basis hin Ter-
tiefb. Die Schläfenschuppen etwas vorspringend.
Die Hinteransicht zeigt das Schädeldach flach gewölbt, die Seitentheile mehr
platt, jedoch divergirend, die Basis breit und um das Foramen magnum stark Yor-
tretend.
In der Basilaransicht erscheinen namentlich die vorderen und mittleren Ab-
schnitte breit, dagegen das weit vorspringende Hinterhanpt seitlich abgeflacht
Das Foramen magnum gross, lang oval, vorn am engsten, 40 mm lang, 33 breit,
mit ungewöhnlich dicken und höckerigen Rändern. Die Geleukhöcker gross, stark
nach aussen gewölbt und vorspringend. Die Apophysis basilaris tief, im Ganzen
flach, jedoch etwas eingebogen, mit grossem Tuberculum pharyngeum und
jederseits dicht vor den Gelenkhöckern mit einem tiefen, gegen das Tuberculum
auslaufenden lateralen Quereinschnitt. Sehr kräftige Griffelfortsätze. Gelenk-
gruben des Unterkiefers gross, besonders tief, und über das Tuberculum zygomati-
cam fortgesetzt. Weit ausgelegte Lamina externa des Proc. pterygoides.
Die Norma frontalis zeigt eine schräge, grosse, jedoch mehr breite als hohe
Stirn mit mächtigen Orbital wulsten, tiefer Glabella, wenig abgesetzten Tubera, aber
at&rker gewölbter und durch die mediane Crista noch verstärkter Intertuberalgegend.
An dem sehr breiten und tief herunter reichenden Nasenfortsatz ein stark vertieft
liegender, breiter Abschnitt der Stirn naht mit einem Filigran kleinster Schalt-
knochelchen.
Das Gesicht selbst ist grobknochig und durch eine kolossale Verschiebung der
Nase nach rechts hin ganz difform. Der Nasenriicken bildet mit der Stimnaht
einen Winkel von 12 ^ Der Mittelgesichtsindex von 72,7 deutet Leptoprosopie
an. Die tlochbogen abstehend, aber nur massig gewölbt. Die Wangenbeine gross
und grob, mit höckerig vortretendem Centrum, die Tuberositas malaris gross, indem
zugleich der benachbarte Theil der Oberkiefer stark vortritt. Sehr tiefe Fossae
caninae. Zugleich grosse Foramina infraorbitalia. Die Orbitae sind gross und breit
und in diagonaler Richtung sowohl nach oben und innen, als nach unten und aussen
erweitert, daher machen sie eher den Eindruck der Niedrigkeit, obwohl der Index
von 85,3 hypsikonch ist. Sehr weite Fissura infraorbital is.
Für die Abweichung der Nase nach rechts ist ein Grund nicht erkennbar,
namentlich fehlen alle Anzeichen von Fraktur. Der vordere Theil der Nasennaht
und der Sut. naso-maxill. sind synostotisch. Der Ansatz der Nase liegt sehr
tief und ist ungewöhnlich schmal, dagegen ist der RQcken, obwohl ganz schräg vor-
springend, flach gedrückt und ziemlich grade, nur gegen die Spitze hin abgeplattet
und leicht aquilin gebogen. Der gerade Querdurchmesser der knöchernen Nase
misst oben 6, in der Mitte 10, unten 18 mm. Apertur sehr hoch und breit, nach
antan eng; Spina gross. Der Index von 50 ergiebt Mesorrhinie.
Der Zahntheil des Oberkiefers, dessen Alvcolarfortsatz verkümmert ist in Folge
des Verlustes der Zähne und der Obliteration der Alveolen, erscheint schmal, niedrig
und leicht opisthognath. Der etwas schiefe Gaumen ist vorn schmal, hinten huf-
'eisenformig gebogen und mit kleiuer Spina versehen; Index G9,9, leptostaphylin.
Das Unterkieferstück ist gleichfalls zahnlos und obliterirt, trotzdem sehr kräftig.
Der Ast ist 37 mm breit, der Gelenkfortsatz vom Winkel an 77 mm lang. Der
Winkel selbst höckerig.
Ausserdem ist noch das Ende der rechten Spina scapulae mitgekommen. Das-
selbe ist interessant, insofern es gleichfalls eine, wenn auch schwache, so doch un-
verkennbar grüne Metallfarbe trägt, besonders aber wegen der excessiven Grösse
nnd des gans höckerigen' Zustandes der Acromion. —
(386)
Der weibliche Schädel (Nr. 7) war an beiden Schläfeo Terletzt und die
KranzDaht klaffte ein wenig. Er ist klein und leicht, graagelblich, brüchig, an
Tielen Stellen durch Abblätterung der Rinde weisslich. Auch er hat grosse grüne
Flecke yon Metall färbuog, nehmlich rechts um das Ohr, besonders an der Schläfen-
schuppe und dem Parietale, am Warzenfortsatz und der ünterschuppe, am Joch-
und Wangenbein, am Oberkiefer bis zu den Rändern der Nasenapertur und bis weit
über die Mittellinie hinaus am AWeolarfortsatz. links dagegen nur am Warzenfort-
satz und seiner Umgebung, einerseits bis auf das Parietale, andererseits bis zum
Proc condyloides am Foramen magnum.
Seine Capacitat beträgt nur 1250 ccm; auch seine ümfangsmaasse sind gering
(horizontal 495, vertikal 302, sagittal 367 mm). Sämmtlicbe Nähte sind offen und
etwas zackig. Der Lambdawiokel niedrig und flach; an dem Fonticnlus Casserii
jederseits einige Schaltknochen. Ueber die Mitte der Stirn ein seichter Längs-
wnlst, aber keine Spuren der Stirnnaht. — Alle Theile der Oberfläche sanft ge-
rundet. An der Stirn kaum Andeutungen der Supraorbitalwülste, der Nasenwulst
ganz schwach. Keine Protuberantia occip. ext. und eine fast glatte Facies mus-
cularis der Squama occip.
In der Norma verticalis zeigt der Schädel einen langen, in der Gegend der
Scheitel hocker am breitesten ausgelegten, an der Stirn und dem Hinterhaupt eogeren,
jedoch nach hinten etwas breit und flach endigenden Contour. £r ist kaum phae-
nozyg, dagegen ausgemacht hypsidolichocephal (Lnngeoindex 74,5, Höhenindex
76,5).
In der Norma temporalis erscheint er weniger lang, da die vordere Fontanell-
gegend hoch liegt und der Abfall nach hinten schon vor der parietalen Inteituberal-
linie beginnt. Die Stirn liegt etwas schräg, jedoch ist sie ziemlich hoch und mit
einer langen ansteigenden Hiotcrstirnwölbung versehen. Das Mittelhaupt sieht hoch
und verhältnissmässig kurz aus. Der hintere Abfall bis zu der stark vorgewölbten
Oberschuppe ist lang. Plana temporalia schwach begrenzt. Alae gross.
Die Norma occipitalis zeigt ein regelmässig gewölbtes Schädeldach mit leichtem
sagittalem Vorsprung, die Seitentheile mehr platt, leicht convergirend, nach unten
etwas gewölbt. Die Warzen fortsätze kräftig.
In der Norma basilaris dominirt der Eiodruck der Länge, besonders verstärkt
durch das grosse und zugleich breite Hinterhaupt; vorn erscheint der Schädel mehr
schmal. Das Foramen magnum ist 31 mm lang, 27 breit, länglich gerundet, vorn
eng. Die stark gewölbten Geleukhöcker stehen weit nach vorn. An der etwas
flachen Apophjsis basilaris dicht vor dem Rande des Uinterhauptsloches ein kleines
Knochenknöpfchen. Griffelfortsätze zart, aber lang. Gelenkgruben des Unterkiefers
weit, aber flach.
Endlich in der Vorderansicht sieht man die etwas schmale, aber in der Mitte
recht hohe Stirn mit sehr genäherten Tubera und voller Intertuberalwölbung; die
Glabella wenig tief.
Das Gesicht schmal, leptoprosop (Mittelgesicbtsindex 78,8). Jochbeine an-
liegend, verletzt. Wangenbeine zart, aber in der Mitte vorgewölbt bis an die
Sut. zjgom. maxillaris, wo auch der Oberkiefer eine diffuse starke Vorwölbung be-
sitzt In Folge davon fehlen die Fossae caninae fast gänzlich. Die Foramina in-
fraorbitalia gross. Orbitae gross, flach und tief, in der Diagonale besonders nach
oben und innen weit, hypsikonch (Index 89,7). Nase etwas nach rechts abwei-
chend, hyperleptorrhin (Index 43,6). Die Naso frontal naht lang und nach oben
gerückt, in den Nasenfortsatz des Stirnbeins eingreifend. Die Nasenwurzel dem
entsprechend breit und flach; weiter abwärts ist der Rücken leicht eingebogen und
(337)
schmaler, aber gerundet. Apertur hoch, oben eng, unten weit; lange Spina. Die
gerade Breite betragt am Ansatz 15, in der Mitte 10, unten 14 mm. Per Alveolar-
fortsatz des Oberkiefers springt schwach prognath vor und ist 16 mm lang; die
Zähne Bammtlich entwickelt, mit starker Abnutzung der Beissflächen: die Incisivi
etwas gross, die Praemolaren klein, die Molaren massig, von abnehmender Grosse.
Gaumen sehr tief, mit schmalem Toras palatinus; Index 66,0, leptostaphylin.
Vom Unterkiefer ist nur ein Stück der rechten Hälfte erhalten, darin 6, wenig
abgenutzte Zahne. Am II. Molaris von aussen her eine grosse runde Höhle.
Wenn man beide Schädel unter einander vergleicht, so lässt sich nicht ver-
kennen, dass sie trotz grosser sexueller und individueller Abweichungen
doch im Typus sich ganz nahe stehen. Dasselbe lässt sich von dem männ-
lichen Schädel Nr. 1 sagen, den ich in meiner Monographie über Koban S. 13 ff.
ausführlich besprochen und in mehreren Ansichten abgebildet habe, und dessen
Haasse ich in die vorzulegende Tabelle noch einmal mit aufnehme.
Der weibliche Schädel Nr. 7 zeichnet sich durch Kleinheit und zarte Formen,
aber auch durch grosse Regel mässigkeit aus, so dass es nicht unwahrscheinlich ist,
dass er in vielen Stücken dem alten Stammestypus am nächsten kommt. Die beiden
männlichen Schädel Nr. 1 u. Nr. 6, namentlich der letztere, sind ungemein kräftig
entwickelt und geräumig. Leider ist Nr. 6 durch die £inschiebung eines grossen
Sagittalbeincs und durch die gewaltige Deviation der Nase in Haupttheilen so ab-
weichend, dass die individuellen Merkmale die ethnischen in mehreren Beziehungen
unkenntlich machen. Dazu kommt die grosse Altersdifferenz, welche in der Zahn-
losigkeit und der alveolaren Atrophie der Kieferknochen bei Nr. 6 culminirt und
insbesondere die Bestimmung der Gesichtsform fast unmöglich macht. Der me-
sorrhine Index dieses Schädels darf schwerlich als typisch angesehen werden.
Was den eigentlichen Schädel- oder Längenbreitenindex anlangt, so ist derselbe
bei dem weiblichen Schädel Nr. 7 und dem männlichen Nr. 1 dolichocephal. Zu
der Mesocephalie des männlichen Schädels Nr. 6 trägt unzweifelhaft das grosse
Sagittalbein etwas bei, jedoch liegt der Hauptgrund in der ungewöhnlich starken
Entfaltung der Breitendurchmesser an den unteren Schädelabschnitten. Die grösste
Breite liegt an den Schläfenschuppen, aber auch die temporalen, auricujaren, ma-
stoidealen und occipitalen Durchmesser erreichen sehr beträchtliche Maasse. Trotz-
dem betragt der Schädelindex nur 76,0; er steht also der Grenze gegen die Doli-
chocephalie sehr nahe. Im Mittel aus den 3 Schädeln berechnet sich ein Index
von 74,3, also ein dolichocephaler.
Dies Ergebniss stimmt überein mit dem, was ich in meiner Monographie über
Koban von den prähistorischen Rassen des mittleren und südlichen Kaukasus aus-
gef&hrt hatte. Allerdings hatte ich damals schon constatirt, dass die Kasse von
Koban keine ganz reine gewesen sei, indem sich brachycephale Einmischungen
nachweisen Hessen, indess bildeten diese doch die Minorität. Mit den beiden neuen
Schädeln stellt sich das Resultat noch günstiger für die damals geäusserte An-
sicht. Es mag sein, was schon Hr. Bayern annahm und was jetzt Hr. Do 1 be-
sehe w zu bestätigen scheint, dass eine gewisse Verschiedenheit der Leichen in den
verschiedenen Schichten oder Höhenlagen der einzelnen, mehrere Skelette umfassenden
Gräber besteht; da aber die neuen Schädel nach der ausdrücklichen Angabe der
tiefen Schicht entnommen sind., so darf die Dolichocephalie der ältesten Bevölke-
mng wohl als gesichert betrachtet werden.
In Beziehung auf die Höhe bestätigen die neuen Funde gleichfalls das, was
ich früher, allerdings auf Grund sehr unvollkommenen Materials, vermuthet hatte,
Varhaadl. der Berl Anthropol. OeseUtcbaft lb83. 22
(338)
dasB Formen von mittlerer und grosserer Höhe als die typischen anzuaehea seien.
Der Hoheumdex des raäDoKcheo SchädeU Nr. 6 ist ortliocephal, der des weiblicbeo
Nr. 7 hypsicephaL Welches von diesen Maassen eine grössere Berecfitigung bat,
muss auch jetzt ooch dahingestellt bleiben, da der Schädel Nr. 1 in der geraden
Höhe nicht gemessen werden kann, Intlesa ist sein Auricularindex (63,1) so gross,
dass man Ghamaecephalie bei ihm bestimmt aussehli essen darf.
Schon mein altes Material gestattete es, auf die beträchtliche Entwick-
lung des Vorderkopfes hinzuweiseö. Nicht ohne Interesse ist es, dass bei dem
männlichen Schädel Nr. 6 trotz des hohen Alters eine Persistenz der Stirn naht
und bei dem weiblichen Nr 7 wenigstens eine mediane Erhöhung^ eine Andeutung
einer Grista frontalis vorhanden ist, wie denn auch bei dem früheren Schädel Nr. 2
eine persistente Frontalnaht erw^ahnt wurde. Die von mir in der Monographie
S. 18 beschriebene Eigenthömlichkeit der Frontalbildung, dass die eigentliche Flache
der Stirn eher niedrig, die intertuberale Gegend vorgewölbt und der hintere Ab-
schnitt des Stirnbeins, der im Leben von Haaren gedeckt wird, ungemein gross und
namentlich lang ist^ lässt sich auch an den neuen Schädeln nachweisen, obwohl die
gewaltige Entwicklung der Supraorbitalwulste bei dem Manne Nr 6 und die hohe
Stellung der hinteren Stirnbeintheile bei der t^rau Nr. 7 den Eindruck stÖrea.
Leider lässt sich eine volle zahlcnmässige Vergleichung der einzelnen Ab-
schnitte des Schädeldaches bei den neuen Schädeln nicht anstellen, da das 25 mtn
lange Sagittalbein des Mannes Nr. 6 die Rechnung stört. Man kann dieses Bein weder
ganz den Parietalia zurechnen, noch die Proportion seines occipitalen Abschnittes
feststellen. Ich gebe daher die sagiUalen Verhältniaszahlen unter Weglassung
der parietalen iind occipitalen fnr Nr. 6:
Frontale . .
Parietalia
Squama occip.
Nr. 6
Nr. 7
Nr. 1
. 34,4
33,7
34,7
—
34,8
32,6
. —
31,3
32,6
99,8
mß
Die individuelle Variation betrifft also wesentlich das Mittel- und Hinterhaupt,
während die frontalen Maasse aufifälüg übereinstimmen und sämmtlich gross sind.
Die Betheiligung des Hinterkopfes an der Herstellung des Gesammtprofils
erscheint sexuell verschieden. Die gerade Länge des Hinterhauptes (gemessen Ton
der Mitte des hinteren Randes des grossen Hinterhauptsloches bis zur stärksten
Aus Wölbung der Oberschtippe) betragt bei
Nr, a ^ 29,1 pCt der Gesammtlänge
« 1 5 29,3 „ „ «
^ 7 9 35,7 „ ,
Am welligsten läset sich über die Verhältaisezahlen des Gesichts sagen, da
bis jetzt überhaupt kein einziger Schädel mit ganz erhaltenem Gesicht vorliegt.
Von meinen früheren Schädeln besitzt keiner ein Gesicht; von den beiden neuen
hat keiner einen intakten Unterkiefer und der männliche ist überdies wegen seiner
Zahnlosigkeit und wegen der senileo Atrophie der Kieferränder nur beschränkt
brauchbar. Trotzdem ergiebt sich eine grosse Uebereinstimmung der Hauptverhält*
nisse an den beiden neuen Schädeln; nur die Nase Ton Nr. 6 lässt eich wegen ihrer
grossen Deviation nicht vergleichen. Mao wird darnach vorläufig die Koban-Rasse
als wahrscheinlich ieptoprosop^ hypsikonch und leptostaphylin, rjelleichl
auch als leptorrhin bezeichnen dürfen, wenn man für die Nase den weiblicbeo
Schädel als Anhalt gebraucht.
4
4
4
\
(339)
Nachdem ich schon früher den Nachweis lieferte, dass die alten Schädel
von Kobao von denen der heutigen ossetischen Bevolkerang wesent-
lich verschieden seien, so muss ich diesen Satz gegenwärtig mit noch grosserer
Bestimmtheit aufrecht erhalten, namentlich im Gegensatze zu dem, was Hr. Chantre
angegeben hat. Meines Wissens kann auch keiner der anderen Stamme, welche
jetzt den Kaukasus selbst und seine Nachbarschaft bewohnen, zu der prähistorischen
Rasse in eine nahe Beziehung gebracht werden. Sollte sich diese Auffassung
durch weitere Funde bestätigen, so wurde daraus mit hoher Wahrscheinlichkeit
hervorgehen, dass alle heutigen Stämme des Kaukasus erst nach der Zeit
des alten Koban eingewandert sind.
I. Maasse.
Scbädel von Koban
Cap&cität , .
Grösste LiQp
, ßreile
Gerade Höbe, ,..,..
Ührhühe
Stiro breite. .......
Coronarbreile » ......
Seh lifen breite ......
Tuber&ie Parlet»] breite . . .
Occipitai breite ......
Amicul arbreite ......
üastoide albreite: Basis . , .
Spitze . . .
OccipitH Hinge ......
Harizontal umfang , , . . .
Querer Vertical umfing . . .
Sagittalumfang ,
„ der Stirn . *
, der Ffeilnaht ,
, dee Os sagittale
, , Hinterhaupts
Gesichtshuhe B.. . . * - »
Gesichts breite, a< jugal . . .
b. nulir . . .
Orbit«, Höhe.
^ Breite
Naee, Höhe .
, Breit« .
GatimeQf Lliif«'
Brdti
66
7 2
1 5
senil
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3ö
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4!
89
—
m
m
—
^
—
(340)
II. Berechnete indloee.
Schädel yon Eoban
Längeobreitenindex . . . .
Längenhohenindex
Aoricalarindex
Mittelgesichtsindex (aus B : b) .
Orbitalindex
Nasenindex
Gaumenindex
6$
senil
76,0
71,9
60,9
72,7
85,3
50,0
69,9
79
74,5
76,5
64,2
78,8
89,7
43,6
66,0
1 5
72,6
63,1
(7) Frl. E. Lemke zu Rombitten bei Saalfeld übersendet, ankniipfend an
die von Herrn W. Dolbeschew in der Sitzung vom 22. April 1882 (Verh. S. 267)
mitgetheilten Sagen der Tschetschenen (die drei Brüder) '), folgendes ostpreussiscbe
Märchen:
Der dwatsche Hans.
(Diesen Titel führen übrigens mehrere, von einander abweichende, ostpreussiscbe Märchen.)
Es war einmal ein Vater, der hatte drei Sohne; zwei davon waren klug, aber
der dritte, der Hans hiess, war so dumm, dass die Leute ihn immer nur den dwat-
schen Hans nannten. Nun kam die Zeit, dass der Vater sterben sollte. Er rief
seine drei Sohne an sein Bett und sagte ihnen: übers Jahr sollten sie der Reihe
nach auf den Kirchhof kommen und an seinem Grabe wachen; die erste Nacht der
älteste Sohn, die zweite Nacht der zweite Sohn und die dritte Nacht der dwatsche
Hans. Die Söhne versprachen das und der Vater starb.
Jetzt übernahmen die beiden Aeltesteu die Wirthschaft und bestimmten Alles.
Aber den Jüngsten, den dwatschen Hans, behandelten sie ganz niederträchtig; sie
gaben ihm kaum zu essen und Hessen ihn meist im Stall leben; und Jener war so
dumm, dass er sich Alles gefallen Hess. Allmählich war das Jahr um, und der
älteste Bruder sollte zur Nacht auf den Kirchhof gehen; aber es graute ihn so sehr;
er könnt' und könnt' nicht. Da sagte er zum dwatschen Hans: „Bruder, geh heut
Nacht für mich wachen! Wir geben Dir auch Essen die Hüll' und die Füll'.** und
sie gaben ihm so viel zu essen, als er nur zwingen könnt' und vom Besten. Und
der dwatsche Hans ging denn auch willig wachen. Als er nun auf dem Grabe des
Vaters sass, klappert es drin und eine Stimme fragte: wie denn die Wirthschaft
zu Hause ginge. Da klagte der dwatsche Hans aU sein Leid und wie schlecht er
es hätte. „Sei nur ruhig," sagte die Stimme, „Du sollst schon getröstet werden!"
Und mit Eins wurd' es so licht, und es erschien ein schwarzes Pferd mit gold'nem
Sattel und Zaumzeug und ganz beladen mit Gold und Silber. „Das ist dem älte-
sten Bruder sein Glück !'^ sagte die Stimme im Grabe. „Das sollst Du nun haben.
Es wird immer auf Deinen Befehl erscheinen. Auch brauchst Du dann nur zu
wünschen — und Du bist auf der Stelle das, was Du sein willst, und gleich dort,
wo Du hin willst, aber Du darfst zu Niemand dn'iber sprechen!" — Das war nun
ganz schön, und der dwatsche Hans vertraute sein Geheimniss auch keiner Seele an.
1) Vgl. auch V. Schulenburg, Sitzung vom 20. Januar 1883. Verh. S. 67.
(341)
Wie die zweite Nacht anruckte, bat der zweite Bruder: „Ach HAiischen, geh
doch für mich wachen! Du sollst auch Alles zu essen bekommen, was Du willst,
und so viel, als Du verzehren kannst.^ Und der d watsche Hans ass sich wieder
satt und ging wachen. Diesmal kam ein braunes Pferd zum Vorschein, noch viel
schöner und kostbarer, als das schwarze; und das war das Gliick vom zweiten
Bruder. Alles war sonst, wie in der vorigen Nacht, und der dwatsche Hans sprach
kein Wort über das, was er erlebt hatte.
Nun kam die dritte Nacht. Ja, mein Gott! Heute bekam der arme Hans wieder
schlechtes und knappes Essen und so viel Prügel, als er nur haben wollt'. Und
ganz elend ging er auf den Kirchhof und setzt' sich da hin. Diesmal kam ein
Schimmel zum Vorschein ; der überstrahlte Alles, was vor ihm gewesen, denn der
war gleich so verziert, dass einem die Augen übergingen. Und das war das Glück
vom dwatschen Hans. Der aber verschwieg Alles.
Nun verging einige Zeit, und dann geschah es, dass ein vornehmer König aus-
rufen Hess: derjenige bekäme seine Tochter zur Frau, der einen Tag ein Stock-
werk hoch, den zweiten Tag zwei Stockwerk hoch, den dritten Tag drei Stockwerk
hoch — gleichviel ob zu Fuss oder zu Pferd' — springen könnte bis an das Fenster,
an dem die Prinzessin stehen würde, — und der dann am dritten Tage der Prinzessin
den Ring vom Finger ziehen und das Taschentuch aus der Hand nehmen könnte.
Das war nun ein grosses Gewallfahrte dorthin, und viele feine Herreu sprangen in
die Höhe, reichten aber nicht. Als der dwatsche Hans sah, dass seine Brüder auch
hingegangen waren, rief er: „Dem ältesten Bruder sein Glück komm hervor!^ Und
sofort stand das schwarze Pferd da, und er selber war gleich so strahlend, wie kein
Prinz auf der Welt. Als er zum Schlosse kam, war er schon von Weitem zu
hören, es klingelte und klöterte Alles an ihm, wie Gold und Silber, und ein Leuchten
war, dass es nur so blitzt' und blänkert', und dass alle Menschen nach ihm hin-
sahen. £r ritt rasch vor das Fenster, an dem die Prinzessin stand, und sprang mit
einem Satz ein Stockwerk hoch; und dann jagt' er im Galopp davon. Alle Leute
zerbrachen sich den Kopf, was für ein feiner Prinz das gewesen sein mochte; aber
keiner wusste es.
Als die beiden ältesten Brüder nach Hause kamen, sprachen sie Langes und
Breites über den fremden Prinzen, und der dwatsche Hans, der sich wieder rasch
verwandelt hatte, hörte zu. Zuletzt konnte er's aber nicht mehr aushalten und
platzte heraus: „Ihr gesehen, ich gewesen!^ Da schlugen sie ihn so, dass er ganz
grün und blau war und kaum gehen konnte.
Am andern Tage gingen und ritten die Leute wieder nach dem Königsschlosse,
und es sprangen wieder Viele in die Höhe, ohn' dass sie reichen konnten. Als der
dwatsche Hans sah, dass seine Brüder auch hingegangen waren, rief er: „Dem
zweiten Bruder sein Glück komm hervor!" Und sofort stand das braune Pferd da,
und er selber war gleich so strahlend, wie kein Prinz auf der Welt. Diesmal leuch-
tete es noch viel mehr von Weitem, und alle Leute waren ausser sich vor Verwun-
derung. Der dwatsche Hans sprang nun schnell zwei Stockwerke hoch und jagt'
dann im Galopp davon. Alle Leute zerbrachen sich den Kopf, was für ein feiner
Prinz das gewesen sein mochte; aber keiner wusste es.
Ais die beiden ältesten Brüder nach Hanse kamen, konnten sie nicht genug
reden über den fremden Prinzen, und der dwatsche Hans, der sich wieder rasch
verwandelt hatte, hörte zu. Zuletzt konnte er sich nicht mehr bezähmen und sagte:
„Ihr gesehen, ich gewesen I" Da schlugen sie ihn beinahe kurz und klein, dass er
liegen blieb.
Am dritten Tage war wieder dasselbe Gerenn' nach dem Königsschlosse. Heute
(342)
musste es sich eütscheideo, ab einer die Prinzessin kriegte oder nicht Als der
d watsche Hans sub^ dass seioe Brüder auch hiogegangea wareo, rief er: ^Meio
Gluck komm hervor!'* önd sofort stand der Schimmel da, und er selber war gleich
8o strahlend, wie die Soon' am Himmel, Diesmal waren die Leute noch erstaunter.
und noch neugieriger. Der dwatsche Hans aber ritt rasch vor das Fenster, ao
dem die Prinzessin stand, sprang mit eiueoi Satze drei Stockwerk hoch, nahm der
Prin7«ea3in den Ring uod das Taschentuch weg und gab ihr ein Eijascben; daoo
jagt' er im Galopp davon. Nun kann niao sich denkeD, wie gern der König und'
alle anderen gewusst hätteo, wer es eigentlich gewesen sei; aber keiner konote es
errathen.
Als die beiden ältesten Bruder nach Hause kamen, riethen sie ebenfalls hin
und her und meioten dieses und jenes, und der dwatsehe Hans, der sieb wieder
rasch verwandelt halte, hörte zu* Zuletzt jedoch könnt' er's nicht mehr auf der
ZuDg^ behalten nod sagte: ^Ihr gesehen, ich gewesen!** Da schlugen sie so auf ihn
los, dass die Stücke flogen, und behandelten ihn von nun an noch viel schlechter.
Wie nun keiner herausbekommen konnte, wer der feine Prinz gewesen sei,
schickte der Konig Boten io^s Land und liess Alles durchsuchen, denn Einer musste
doch den Ring und das Taschentuch haben. Selbst das kleinste Kind in der Wiege
sollte durchsucht werden. So kamen die Boten denn auch zu den drei Brüdern.
Die beiden Aeltesten mussten bekeunen. dass sie^s nicht wären, und die Boten
wollten schon fortgehen. Da sagte Jemand: „Im Stall ist noch einer!*' — «Ih!*
riefen die Brüder, „ob Ihr den verrückten Kerl fragt und untersucht oder keinen I
Der ist es gewiss nicht gewesen.** Es half nun abpr nichts: die Boten ruhten nicht
eher, bis der dwatsche Hans sich durchsuchen Hess; und da kamen der Fting und
das Taschentuch zum Vorschein, denn er halte Beides unter der Weste auf der
Brust verwahrt Sie nahmen ihn ntiD mit mm Konig und führten ihn der Prin-
zessin vor. „Was?l" rief die entsetzt, ^der grise Bettler soll mein Gemahl werden !**
Auch alle anderen waren ausser sich, und es war dem dwatscben Hans bald schlecht
ergangen* Aber er besann sich noch rechtzeitig und rief: ^Alle drei Glücke
kommen hervor!** Und alle drei Pferde kamen, und er selber stand sogleich als
der schönste Prinz da, mit solcher Pracht, wie sie noch kein Men^ich auf dieser Welt
gesehen hatte. Nun kann man sich denken, wie gross die Freude im Schlosse und
im ganzen Lande warl — Und bald darauf war Hochzeit, und der dwatsche Hans
lebte in lauter Seligkeit.
(S) Der Vorsitzende zeigt eine Anzahl
ethnographlacher Gegenstände von den Nicobaren,
welche Ur. v« Roepstorf f eingesendet hat. Da noch kein Brief desselben angeli
ist, 80 wird der Bericht vorbehalten.
(9) Baron Ferd. v. Müller in Melbourne übersendet mit Sehreiben vom
17. Mai
drei Schädel von westanstral lachen Eingeborenen
aus der Nahe von King George's Sound, sowie einige Schriften. Der Vorsitzende
dankt dem so verdienten cnrrespondirenden Mitgliede für seine unermüdete Theil-
nähme und behalt eich eine weitere Besprechung der sehr interessanten Zuwen*
düngen vor.
(3P
#ttjk>Mr
0.
(10) Hr. Jentsch in Guben schielet folgende Mittbeilüng über
alte Ansiedlungen bei Sehlag&dorf (Kr. Guben), Funde aua der La Tene-Perlode und Flurnamen.
In dem Hobenztige, welcher westlich den Lauf der Neisse begleitet, tritt nord-
nordwestlich vom heiligeo Lande bei Niemitzsch, lOOO — 1200 Schritt vod demselben
entfernt, eine starke Änsbiegiing zurück, ein nach SO. geöffneter Thalkessel, dessen
vorspringende Ecken im 0. und 8W. ziemlich Bteile Hohen bildeo, während sich
im Norden eioe breite muldenförmige Einseokwng m11 mahl ich in das Thal binab-
ziebt Gegen die Neisse hin ist eine langgezogen e, an einer Steile unterbrochene,
dunenartige Erhebung vorgelagert. In der ehedem von breiten Lachen durchzogenen
Flur jenes Thalkessels nnd des Vorlandes bis zu dieser BodenerhebuDg treten zwei
kleine Sandhügel inselartig heraus, deren nördlicher der Liezkhebbel heisst: nach
ihm heisst der ganze Landstrich westwärts bis zu dem ein wenig aus der west-
lichen Abdachung heraustretenden Kirch hofsbügel „unter dem Liezk**.
Dies Terrain, dessen nordnordciatlichen Abhang
gegenwärtig das Dorf Schi agsdorf einnimmt, war,
geschützt gegen Sturme, nach der Sonnenseite bin
offen, der Neisse noch jetzt auf 7— 8f)0 Schritt
nahe, vormals von ihr jedenfalls zum Tbeil durch-
zogen, wie geschaffen für die Besiedlung, tind in
der That lasst sich die Bebauung rückwärts in
einer geschlossenen Reihe verfolgen, da zu den
bisherigen Funden nunmehr auch der Rest einer
slaviscben Anlage mit Burgwallscherben getreten ist
Bemerkens werth ist einerseits, dass auch hier
die Funde ohne die Spuren einer reinen Steinzeit
abschliessen, insofern kein Thongefass mit achtem
Schnurornament in diese hinweist, ja bis jetzt
überhaupt kein Stein geräth dort zu Tage gefor-
dert ist. Dieser Thatbestand ist in De berein Stim-
mung mit dem Gesammtergebnif^s der Beobach-
tungen im Gubener Kreise, ja in der ganzen Nieder-
lausitz, innerhalb deren die Hteingeräthe, welche
der Steinzeit selbst ihre Entstehung verdanken durften, als Kinzeifnnde mit sehr
geringer Dichtigkeit von Norden her ausgestreut sind; jene meisselartigen Hammer,
die sich vereinzelt bis in eine spätere Kulturperiode hinein im Gebrauch erhalten
haben mögen. (VgL S. 286 I. wo Schmogro Kr. Caiau und Burg nachzutragen sind.)
Andererseits verdient Beachtung, dass auch hier, wie bei Guben, SW. dem
Felde mit alteren Funden (Dietrichs Berg), das mit Einschlüssen aus der Eisenzeit
(am Kirchhof, unter dem Liezk) sehr naLe liegt, ohne sich ihm indessen unmittelbar
an zu seh Hessen. Die Entfernung zwischen beiden betrügt 200 Schritte; eine äussere
Ursache, mit der Einsetzting von Urnen in Dietrichs Berg nach Süden oder Norden
hin aufzuhören (etwa ein starker Abfall des Bodens oder ein alter Wasserlauf), ist nicht
ersichtlich, vielmehr drängt sich der Gedanke an eine Unterbrechung der Leichen-
beisetzung selbst und damit zugleich an eine Discootinuität der ßewohnung jener
Flur auf. Fehlt es auch noch an zwingenden Beweisen für diese Annahme, da das
zweite Gräberfeld noch kaum untersucht ist, so wird doch die grosse Nahe der
beiden Todtenfelder jedenfalls nicht als positiver Beweis für die Stammes- oder
Culturgleichartigkeit in den aufeinander folgenden Generationen der Bewohner zu
verwerthen sein.
* ' Schi agsdorf,
3. D. alt« Dorfstelle,
L, Liezk-Hüg^el,
1. Dietrichs Berg,
2. unter dem Liezk, N. vom
Kirchhof,
3. sla>\ An Siedlung« S« vom
Kirchhof,
4. Scherbenstelle,
1. Lü. heiliges Land bei Nie-
mitzsch.
(344)
Die Emscblösse der beide« Felder sind folgender Art: la Dietricbg Berg
siud iti Steinsatz gefunden terrinenartige^ zun) Theii dickwandige GeTääse mit Oebsen^
verÄiert mit bisweilen bis 2 cm breiten Keblstreifeu, ferner mit wagerechteu Parallel -
furchen, \^orüber concentrische Halbkreise, untermischt mit grobeo, triangulär geord-
neten Einiätricheo; einzelne zetgten nur eine dtircii Ueberzug künstüch rauh ge-
roachte Oberfläche; ein Henkel war dick uad lang herabgezogen, bo dass er zwei
Finger übereinander fasdte; bei 3 Gefassen war die InneoBeite des Randes faccttirt;
bei ei Dem mittel grosden ragte der Rand 2^0 cm hoch fast senkrecht auf und unter
demselben fanden sich seichte senkrechte Einstriche auf der AusbauchtiDg; bei einem
Urnenbrucbstilck sind unter dem mächtigen Henkel zwei grobe Tupfen sichtbar.
Von den Decktellern haben einzelne verdickten Raud, tbeils mit spiraligeu Ein-
drucken, theils mit wagerechten Furchen, die von schrägen Einstrichen unterbrochen
sind; ein anderer schliesst mit dünnem, unverÄtertem, ein wenig nach ionen über-
gebogenem Rande ab; ein Teller ist auf der Aussenseite mit radialen Stricheo ver-
ziert, an welche flüchtig gezogene, gleich den Rippen eines Blattes auseinander
geriehtete Striche ansetzen» Das Fragment einer Schale tragt einen aufragenden
Henkel mit kantigem üraht. Völlig erhalten sind nur 4 Beigefässe: ein nmdlichcs
Töpfchen von h crn Hohe, ohne Henkel, mit rauher Oberfläche; ein kleines bltiraen-
topffÖrraiges Gefiiss von 4,5 cm Höhe und 4 cm grÖsster Weite an der Oeffuung mit
einem Henkel, am untersten Tbeile durch 3 wagerechte Parallel furchen verziert;
ferner ein rundliches, nach oben kooiacb sich öffnendes Töpfeben, 5^5 cm hoch, von
5,5 cm grosster Weite an der oberen Oeffuung, mit einem Henkel, über dessen Än-
satzstelle 2 Knnpfchen (ansa luoata) '); oüdlich eine kleine Pokalurne, 8,5 cw hoch,
obere Oeffnung h^b an] Höhe des sonst cyiindrischen Obertheils ^ cm. Die Fär-
bung säm rat lieber Gefässe, unter welchen den stärkeren Quarzgrus beigemischt ist,
war roth braun; eiu Scherben war blasig aufgetrieben. Metall fehlt bis jetzt zwar;
jene Einschlüsse, unter denen nur die letzten zwei nicht zu den allgemein ver-
breiteten gehören, stellen jedoch das Bild, das übrigens als Widmstatte der scheueo,
den Menschen aber dankbaren Heineben bezeichnet wird, zu der grossen Zahl der-
jenigen, in welchen Bronzefuode überwiegen. Von Buckelurnen, Käuchergefässen ^),
sogenannten Doppelurnen und anderen aufl'allenderen Formen ist bis jetzt nichts
gefunden.
Spärlich sind diesem Ertrage gegeouber bis jetzt die Funde aus dem Felde
unter dem Liezk: am meisten charakteristisch Ist die in der Zeitschr. f, EthnoL
Bd. IX. 1877. Taf. XVH Nr. 9 abgebildete, VerhdL S, 297 beschriebene eiserne
Fibel*), welche in einer schwarzen Urne gefunden ist. üeber etwaigen Steinsatz
1) Zu den bisher bekannten tlerartigfo Funden tritt aus dem Kreise Soran ein weit
oflenes Qefiss mit brdtem Henkel in der gräflich Brühr»chen Sammlung lu I'forten (aus der
Herrscliaft Forst-Pförten): die Verxierung besteht in schrägen Stricbsystemen verschiedener
Richtung; unter dem Henkel befinden sich ^ Tu{>fcn.
2) Ein Räucberpelä^s mit ceiitrnler Durchhohriiii^, 4 mal je 2 Warxeo auf dem Rande
des Tellers, einem mässifj hejaustretenden Wulst in der EinscIinüruDg und 4 noch oben ge-
öffneten hufeisenförmige n Fern? tereiuöchnitten im glockenfürmigen Fusee brsllit die-
selbe Sammlung ebendaher. Ueber eine Biiokf^hiTne mit 3 Buckeln aus Sa<!krow Kn Sorau
vgl S, 287. Auch bietet «ie ein Seitenstnck zu dem Thoolöffel von Droskau Kr Sorau
(s, Zeitschr f. Ethnol Bd. XI. 1879. S. 408 Kr. 88). Das flache Schälrhen des ebeofalU
mit der 8 tra*ser 'sehen Sammlunfr aus der Herrsirhaft Först-Pfürten angekauften Lfjflels
iüt 5,5 ctn laug: der Stiel ist ein vrenig nach unten gebogen und nicht durchbohrt.
3) Auvh zu den La Tene-Funden bieiel die Prörteoer Sammlung, deren KenotniBS ich
gefässe 'J liegt «och keiue sichere Nacliricht vnr; die erhaltenen Scherben
Die Durchforscht
Fek
steht abe
bieten oichtt^ Bpinerkpnswcrtb
Aufsicht.
Nur durch den Kirchhof^weg getretmt, stufst in der VerläugeruDg der l.iüie,
welche Dietrichs Berg mit dem letztbesprochenen Gräberfeide verbindet, au dieses
eine alavische Fundstätte, mit dem Rücken gelehnt an die Abdachung d«»
Höheozugee und vou ihm jius zum Tbeil übersandet, nach SO. lilo der leuchten
Niederung zugewendet.
EIdc Aufgrabuug ergab feine Kohlenstöckcheo im leichtem gelblichweißseu
Sande. Bis jetzt liegen 8 gezeiehTiete Scherben vor^ worunter 7 Randstucke, unter
diesen 1 mit gerade aufgeriebtetem, 6 mit massig nach aiisseu gebogenem Rande,
Die Färbung von 2 Fragmenten ist ziegelrotb, die der übrigen graubraun. Das
Ornament besteht bei 2 m Wellenlinien (1 mit seichter zweizackiger Linie, 1 mit
kamplicirterer Zeichnung^ zwischen zwei wagerechten, vierzackigen Liniensyatemen,
deren oberes dicht unter dem Rande hinlauft, sind die beiden gleichfalls vierfachen
Wellenlinien so grupprrt, das» von der unteren die nach oben gerichtete Curve
sich der entgegengesetzt gerichteten Biegung der oberen nähert); 3 Scherben tragen
einander durchkreuzende geradlinige Stnchsysteme; 1 ist mit zwei wagerechten
Reiben von grossen und tiefen Punkteiodrucken in der massigen Ausbiegung des
Gefasaes verziert; 2 endlich haben eine geriefelte Aussen wand. Andere Scherben
sind ornameotlos.
In die skvische Periode weisen auch einzelne Flurnamen: die Glieuken in der
Richtung nach Guben, an sie weiterhin in derselben Richtung anstossend der
Tscherlsk oder die Schadis'cheu; in den Kuupken (Richtung auf Klei n-Go st rose und
Niemitzsch), der Dollen (in der Richtung auf Kalten born), endlich der bereits er-
wähnte Lieak-). Den Namen des alten Dorfes führt die weiter nordwärts auf der
Berghöhe gelegene Laudung; es ist glanblich, dass mau nach Austrocknung der
Niederung mit den Wohnstatten tiefer hioabgerückt ist
Tritt man aus jenem Thalkessel heraus und verfolgt mau die der Neisse zu*
gewendete Kante des Höhenzuges, welcher hier die Eich berge heisst, weiter
stromauf, so finden sich 400 Schritt südlich vom Liezk auf dem Terrain „hinter
der Maasske*^, einem von Taubendorf zur Neisse ftiessenden Bache^ auf dem noch
ziemlich schräg liegenden, nach SO. offenen Vorlande des Berges bis zum Fahr-
wege an einer Stelle dicke, rauhe, roth braune Scherben: 4 Randstucke sind gesam-
melt, sämmtlich glatt; 1 dünnes, anscheinend von einem Schill che n; die übrigen
3 steigen gerade auf mit ein wenig nach aussen geneigter Kante; bei einem sind,
anscheinend durch Herunterstreichen des Thons vom Rande her, flache, unregeJ-
der Freundiichkcil de^; Herrn Grafen Franz y, ßrübl verdanke, einen Beitrag dnrch eine
8 cm lunge ei^^^erne Fibel mit nrngeschlagenem Fuss, den eine kleine, iät'nkrecbt auf dem Bögel
sitzende Scbeifie anfnimmt. Vgl, etwa die Abbildung bei rndaet, d Eisen in Nordeuropa,
üebersetz. S. 397 Nr. 86. Das 8!ilck stamtot gleicbfalls aus der 8trasser'sehen Samtnlnng.
1) Bei Urnen mit La Töne- Funden fehlten Bei^fässe, wie im Gnbener Krei&e hei
Cosehen 0., Guben 8W. Windmühlenberpf, Wirchenl>latt, so im Lnhbener bei Elagow, Scbuiz-
bezirk Ellerbrunn (tiie Funde in der Weineck srhen Sammlung zu Lübben).
2) Di« Flurnamen erlöschen zwar gegenwärtig im mündlichen Verkehr, sie bleiben
aber, wenn auch nii'ht ohne Weiteres znginglicb, erbalten in den alten Hypotheken'
büchern. Einige Einzelheiten reihe ich den obigen bipr an: die buhden bei Saude, Kreia
Guben; da.s Lncb.sgen, die Chöne bei Gub&n, die Kain« bei Bnischen, der Kapsehunkenberg,
die Ktif>innewiese bei Baudacb Kr. Crossen, die Filschken bei Mesaow ebendaselbst, der Ka-
denj, der Polenz bei Niemitzscb; die Graupe, der Zebrwinkel bei Grossbreeseo.
(346)
masßige, knöpfcbeD artige Erliohuogen entstaudeo. Ein Fragment zeigt eine seicbte,
glatte Eiofurchuog, eines etwas scharfer gezogene Linien. Den übrigen 20 Scherben
fehlt jede Zeichüung, Diese Funde machen den Eindruck germanischer Herkunft.
Von Steinsalz findet .«ich keine Spur, dagegen ist ein einzelner flacher Stein von
etwa 5 cm Langend urchmedser, auf einer Seite vom Brand geschwärzt, dort auf-
gefunden. Die ganze Sachlage spricht mehr für den Rest einer Wohn statt aus
germaniRcher Zeit, als für ein Gräberfeld: möglich, dass nur ein einzelner Bau an
dieser Steile, von der aus man übrig»?n8 in einer Enfernung von 8 — 000 Schritt
das heilige Land bei Niemitzsch vor sich sieht, gelegen hat.
Der weiter stromauf verfolgte Abhang der Berge bietet zahlreiche kable, san-
dige Stellen, an denen man Feuerstein werkst titten, für welche die Hoben aus-
reichendes Materiell bieten, zu vermutljnn versucht ist Die Absuchung hat aber
bis jetzt kein Resultat ergeben. Allerdings könnte Schmelz- und Hegeowasser,
das sich zum Theil ersichtliche Rinnen dort gezogen bat, die Spuren verspult
haben.
(11) Hr. Sepp sendet mit einem Briefe d* d, München, 4. Juli^ einen Abdruck
zweier Sculpturen von Chettim aus Plazarei
Nach seiner Mittheüuog sind es Kanauäer- Köpfe vom Stamme der Chettim
(Kittaer) oder Rodanim, Jordan be wohner. ^Ich habe sie/ schreibt er, „io Nazaret
im Vorhöf des griechischen Aletropolitanpalastes entdeckt, aber um keinen Preis
von dem hochgebildeten Erzbisehof sie zu erwerben die Möglichkeit gehabt, bin
übrigens mit ihm in Correspondenz geblieben. Sie sind wohl pliouizische Arbeit
und mögen ein paar einheimische Konige vorstellen, aus Abrahams Tagen, wenn
auch nicht nach strengstem Tjpus,*^
(12) Hr. Handelmann schreibt über
Symbolische Kröten und Echlnlteft.
Die höchst dankeuswerthen Au^sführungen der Heneu Nehring (1882 S. 451)
und Fr i edel (1883 S, 145) veranlassen mich nachzutragen, dass im Jahresbericht
des Museums Oarolino-Augusteum zu Sahburg 1882 S* 44 gleichfalls ^eine Kröte
von Eisen, bei Äbgrabung eines Mirabell- Walles gefunden/ erwähnt wird. Ohne
Zweifei würde eine Nachforschung in den deutschen Vereinssammlungen noch
weiteres ähnliches Material zu Tage fördern I
Ich mochte bei dieser Gelegenheit zugleich ausdrucklich wiederholen, dass iah
au meiner Aufiassung der Figuren 5 und 6 (1882 S. 26) als Doppelthiere fest-
halte. Ich glaube nicht, dass man die gitterformige (auch ohne Ztithat von Thier-
köpfchen häufig vorkommende) Fibula auf eine Täfelung des Rückens deuten und
als einen Beweis für die Schildkrotenqualität anführen darf.
Dass man Echiniten unter dem Namen „Gewittersteiue" zum Schutz gegen
Blitzschlag sorgfältig aufbewahrte, hat noch in diesem Frühjahr Herr Lehrer Fuhlcn-
dorf in Sülldorf bei Altena bestätigt und verschiedene deigh eingesandt, welche
seine Schüler aus den Schränken ihrer Eltern hervorgeaucht hatten.
(13) Frl. E. Lemke uberseudet einige Notizen über
Frosch- und Krötenaberglauben in Ostpreussen.
Auch in unserer Gegend erfreuen sich diese Thiere einiger Aufmerksamkeit
Ton Seiten abergläubischer Leute. Das Volk unterscheidet: Beestkroteu (Kröten),
(347)
Poggen, Rocbelcben (quarrende Frosche) und Frosche (Laubfrösche). Die Kröte ist
setir gf*furclitet; man bfitpt sich, ihr mit Fus«t oder Hand nahe zn kommen, denn
das GJiedj das die Kröte bernhrt, wird so „schorbig'*, als sie selber i»t.
Trotzdem spielt die Kröte eine Rolle unter den Heilmitteln. Sie vvird in ge-
trockoetera Zustande gegen Krämpfe, besonders bei Kindern, angewandt, ^ Weno
der Fieberkranke sie zerbeisst» so muss er sich dabei das Fieber „abschlakkern",
was durch das von Grauen veranlasste Schütteln geschiebt. — Ktne andere Art, das
Fieber mit Hülfe dieses Tbieres zu heilen, ist folgende; die Kröte wird todtgescbla»
gen und im Ofen langsam getrocknet; wenn sie ^scbon rosch^ ist, zerreibt man sie
zu Pulver, welches der Kranke mit Wasser einnehmen niuss, — Ebenso kann nian
bei Hautkrank beiteii verfuhren. Derjenige, dem eine Kröte in der rechten Hand
stirbt, wird Gluck halten.
Früher haben die Menschen anderen wünschen kojinen, dasa dieselben in
Kröten verwandelt würden. Kröten sind „verwtmscbene*' Prinzen und Prinzea&innen,
und au diesen Glauben knüpfen sich viele Märchen (z. B. „Vooi PritizeUj der eine
Beestkrote küsste**). Man sagt auch: PVosche sind kleine Menschen; ja einige
wollen wissen, das*4 sich unter dieser Gestalt zuweilen die ^Untererdchen" zeigen.
Der Glaube au y^^m Wassermutter'* erfährt in dieser Gegend verschiedene Deu-
tung. Während ein Theil des Volkes unter der Wassermutter einen grossei»,
»chwarzen, im Wasser umberspringeudea Käfer versteht, behaupten andere, die
Wassermutter sei eitte alte Pogge, und noch andere sind der Meinung, es gäbe
zw^ei Sorten Wassermütter: Käfer und Pog^eu, Doch darin stimmen alle u ber-
ein, dass die Wassermutrer in jedem Gewässer zu Hause ist und gern Kinder an
den Haaren zu sich hinunterzieht (Scherz).
Man sagt: Frosche können im Frühling den Mund nicht eher aufthun, als
bis ein Gewitter gewesen. Wenn man im Frühling den ersten Frosch sieht, so
ist es nicht gleichgültig, tjWo**; sitzt er auf der Erde, so bat man Freude zu er-
warten; befindet er sich aber im Wasser, so muss man weinen. Wenn die Frosche
aufs Land kommen und auf den Wegen herum hüpfen, so sagt man: es wird regnen.
Wer Sommersprossen hat^ soll sich mit ^Poggenscbleim'* waschen.
Schliesslich sei hier noch eine Heilmethode erwähnt, die sich auf den Scblangeti-
biss bezieht, und bei der zuweilen — wenigstens nach der Aussage einzelner Leute
— auch die Kröte ein Wort mitzureden hat. Wenn Jemand von einer Schlange
in den Fuss oder in die Hand gebissen w^urde. so gräbt man ein Loch in die Erde,
in welches Buttermilch gegossen w*ird und in welches der J /eidende das also be-
troffene Glied hineinstecken muss, um neun Tage lang — Tag und Nacht (in Betten
verpackt) -* vor der Thiir zu bleiben. Es wird nun empfohlen, in die Buttermilch
Kröteo (wenn keine vorhanden sindj andere Frosche) zu setzen, damit dieselben
das Gift aussaugen. Die Buttermilch muss öfters erneuert werden.
(14) Hr. Treichel überschickt mit Schreiben d. d. Hoch Palescbkeu, 10. Juli,
folgenden Nachtrag zu seiner Mittheilung (Sitzung vom 21. Jan, 1882. Verb. S. 11)
über
den Schatzenstflb und den nordische rt Budstock.
Im Texte und bei der Erklärung der Abbildungen meiner Arbeit über den obigen
Gegenstand sind Buchstaben für die Reihenfolge angewendet, wogegen auf der ar-
tistiachen Beigabe (Tafel VUI) dafür Zahlen gesetzt wurden ; durch Nachzählen und
Gleichsetzen wird man leicht auf die entsprechende Unterlage kommen.
Wenn ich mich wunderte hinsichtlich der Wahl gerade des Masculinums G^aior
(348)
(Ganter) als Bezeichnung für die krumme, ebenfalls Klucka geoaBotc Bruriiien-
stange, so bin icb darauf aufmerksam gemacht worden, dassjene Wabl wahrschein-
lich deshalb stattfand, weil im Frühjahre zur Wonnezeit der Gänse sieh der Ganter
von Frau Gaus wesentlich in seiner Haltung untersclieidet und die Biegung seioes
HaUes uameutlich la ach wim tuendem Zustande eine markant krummere Biegung
zeigt, — ein Umstand, welcher dann der gebogeueu ßrunuenstauge im Poluischeu
mit mehr Recht den Namen für Gimter, als den für Gans eintragen musste.
Als Rolz, wovon man die Klucke entnahm, muss icb noch die Hasel und die
Kirsche aufijhren,
ilinsichtJich des Namens für die SchuUcnst/ibe habe ich noch den Nameo
Kringel (weil in Form des Zahlzeichens 8) in l^>fnhrung gebracht, wne er um
Heilsberg in Ostpreussen üblich ist; ferner die Kuli um Saalfeld in Ostpreussen.
Sie tat dort von ächmiedceisen in der beigezeich aeteu
Form (Ä^ügabe des Frl. Klis. Lemke) und wird ihr der
Zettel angeheftet. In Bezug auf die Kriwule möchte ich
noch dasjenige Neue anführen, was H, Frisch bi er im
Preuss. Wörterbuch S. 432 durunter giebt» Er sagt, dftM
ein daran gebundeni^r Zettel den Gegenstand der Bera-
thutig vermerkt und dnss, wenn in der Versatumlnng
Zahlungen zu leisten siud, dies aogedeutet wird an einigen
Orten durch einen ajjgebundenen Knopf (so auch für die
Kuli oder Kiille= Klucke nach Mühliug's Sammluog
preuss, Prov. im Manuscr.), im Oberlande jedoch (west-
preussische Landschaft westlich vom Krmhinde, das alte
Pomesanien mit dem Hockerlande und Pogesanien) durch
einen umwundenen Leiowandlappen. Frisch bier halt
für den Stamm des Wortes Kriwule das Lithauiscbe krivas, kreiwas, krumm, pol-
nisch krzywj (Krzywulec = Krummholz), gegen welche Ableitung sich Joh. Voigt
(Gescb. Preuss. L 603) mit Unrecht auflehnt, der eine Abstammung von Griwe,
dem Oberpriester der alten Freussen, will iind daher auch Griwulle schreibt.
Louis Pas sarge (Aus baltis^cben Landen. Studien und Bilder. Glogau, 1878.
S* 138) giebt beide Ableitungen, stellt den Gegenstand richtig dar, kennt die Klucke
in Pomerellen (uro Danzig) und hat Kunna als polnische Bezeichnung dafür.
Den Gebrauch von solchen hölzernen Zeichen zur Berufung der Leute in Nadrauen,
einer Landschaft Ostpreussen^, und ihren Namen Kriwule kennt auch A. W. Pierson
in Matthaeus Praetor! us Deliciae Prussicae (9. 38). Stab, wie Versammlung,
heissen nach Frisch bier auch noch Krawöl, Krawöl, Krawii (auch gesellige
Zusammenkunft der Dorfjugend, namentlich an den Abenden der Zwölften; auch
Spinngesellschaftef)) und Krewulle. Masurisch heisst Kuias^ m., Kruckeostock,
krummer Hakeustock, polnisch Kula die Kriicke, wie Klucka der Haken. Mühling
kennt noch Schul zen bock.
Aehnliche Beiträge aus der Wendei giebt W. von Schulen bürg (Wendi-
sches Volksthum in Sage, Braut^^h und Sitte. Berlin, 1882). Nach 8. 7 haben
zwar die von der Gemeinde gewählten beiden Jüngsten (mlodse) im Dorfe Allerlei
kundzugeben und schnelle Bestellungen in allgemeinen Angelegenheiten auszurichten,
sind also lebendige Boten; andererseits aber (S. Vdb) werden die Gemeinde-Hekannt-
machungen in einen hölzernen Hammer (klapac) geklemmt und so im Dorfe (nehm-
lieh Schmogrow) herurageschickt In Schleife wird der Zettel in ein Brettchen
gesteckt^ in Steinkircben in einen Hammer (?). Die hauptsächliche Gemeinde-
Versammlung (gromada, auch mit dem Zusätze hoklapnica; vergl. klapac = Hammer!),
4
(349)
weil dann Berechnungen vor-, auch junge Wirtho aufgenommen werden, findet dort
immer an H. Drei-Könige statt.
In der Provinz Sachsen ist der Knüppel seit Menschengedenken abgeschafft
worden (Angabe von G. Maass) und nur die Redensart existirt noch.
Für meine Angabe, dass Schulzenstocke als Ehrenzeichen verliehen worden
seien, verdanke ich weiterhin eine bestimmte Unterlage der gütigen Mittheilung des
Herrn Prediger H. Freitag in Mirchau aus dessen Heimath, dem Dorfe Flacksee
bei Tempelburg, also hart an der Grenze von Pommern gegen Westpreussen gelegen.
Als König Friedrich Wilhelm IV. im Jahre 1852 in Neustettin war, erhielten
die Schulzen des Kreises zum Andenken daran, bei amtlichen Gelegenheiten zu
tragen, ausser einer blauweissen (die pommerschen Provianzialfarben) Binde um den
linken Oberarm, einen Schulzenstab, gelb gestrichen, mit vergoldetem Knopfe von
gegen drei Zoll Durchmesser, — ein gewichtiges Ding von nahezu vier Fuss Höhe.
Auch in jener Gegend existirte früher die Schulzenkeule, eine grosse, wenn die
Bauern allein, und eine kleine, welche an die andere angebunden wurde, wenn die
Bauern und die sogen, kleinen Leute (Käthner und Einwohner) zusammenkommen
sollten; handelte es sich um Zahlung von Geld (Steuern), so wurde dies mündlich
gleich bei Deberbringung der Keule roitgesagt. Beide Arten von Scbulzcnstäbeu
hat dort längere Zeit der jetzt verstorbene Schulze Habelmann geführt.
Andererseits scheinen die heutigen Schulzenstäbe im Regierungs-Bezirke Brom-
berg reine Amtszeichen zu sein (Angabe von B. Moritz). Wo das Amt des
Schulzen zu vertreten ist, da muss er den Stab mitbringen. Das Kreisblatt be-
fiehlt es immer bei militärischen Angelegenheiten. Ist im Kruge von erhitzten Ge-
müthern Spektakel entstanden, so hält der Schulze, zur Ruhestiftung gerufen, nur
seinen Stock in die Stube hinein, ganz in der Weise des englischen Policeman.
Der Stab hat bei etwa zwei Zoll Stärke eine Höhe von ungeföhr sechs Fuss und
ist versehen mit einem Messingknopfe und einem etwa einen Fuss herabgehenden
Messingringe mit der Inschrift: „Schulzenamt .... Kreis ,^ ganz wie auf
dem Ortssiegel.
Der nordische Budstook und die altnordischen Ladungszeichen.
Es verlohnt sich wohl der Mühe, noch darauf hinzuweisen, dass solch ein
Botenstock eine altnordische Einrichtung zu sein scheint. Bei den verstreuten
Hoflagen, sowohl der germanischen Völkerschaften, wie auch der nördlicheren ver-
wandten Stämme war es wohl kaum anders möglich, die einzelnen Mannen zur
ßeratbung im Dinge zusammen zu holen. Es machte sich die Umsendung eines
Botenstockes als etwas Naturgemässes ganz von selbst, da er ein bestimmtes, Allen
bekanntes und Allen gültiges Zeichen war. Er wurde förmlich ein Eigen eines
kleineren oder grösseren Complexes von Menschen, wie es die Haus- und Hofmarke
seit wenigstens sechs Jahrhunderten für den Einzelnen und seine Heimstätte nebst
Fahrniss gewesen war und theilweise auch noch jetzt ist. Er wurde förmlich eine
Almende, zumal es auf dem Dinge ausser Rechtsspruch auch die Beratbung zu Kriegs-
zügen galt, und leicht hätte sich aus ihm selbst die Idee des Scepters herausgebildet
haben können, falls dieses nicht schon vorher vorhanden gewesen!
In Esaias Tegner's Fritbiofssage, als es nach König Ring's Tode zur Königs-
wahl gehen soll (Gesang 22), heisst es deshalb in ähnlicher Weise:
Zum Ting! Zum Ting! Der ßudstock geht
Zu Berg und Thal.
Fürst Ring ist todt; bevor nun steht
Die Königswahl,
(350)
Nach dor Erkläinog ron Alb. HartmaBD, eines der TielfKlien üebenetzery
iiit diir Uudiitock (badkafle; ein etwa einea Fasä langer Stab« der, too Haas zu
UttUH getragen, eilig weiter befordert wurde aad zur Bekaantmachoag irgend
oines durch Ruoen darauf gezeichneten Gegen:&candes diente.
In der Uebersetzaog tod Jal Miodiog giebt derselbe zn Botschaft, bodkafley
folgende dürftige Erklärung: ein Ton Hand zi Hand gehender Stab mit Ronen und
Zeichen, um Nachrichten und Aufgebote rasdi za rerbreiten.
Während Niendorf fast gar nichts bringt, erklärt dagegen Gottl. Mohnicke
nach der Uebersetzong den badkaäe, isländisch bookafli (bapkafli), als bacalus
nuntiatorius, quo ad conrentos pablicos cooToeabAntur dTes reteris Siiioniae (Ihre),
bestätigt, dass er mit Ronen Tersehen war und Ton Hof zu Hof gebracht wurde,
und fügt als ein Neues hinzu, dass die Scandinarier reich seien (weitere Quellen
fehlen ihm!) an Benennungen dieses Botenstockes^ je nach dem Terschiedenen
Zwecke der Zusammenkünfte, zu denen er berief. Es erhellt daraus, dass für
diese einzelnen Zwecke und Namen es auch nothwendig besondere Formen des budkafle
oder verschiedene, den Zweck bezeichnende Zeichen auf denselben gegeben haben muss.
Aeltere deutsche Schriftsteller haben das Wort Budkafle schlecht durch Steck-
brief und dann schon besser durch Kerbholz übersetzt, wogten Arndt (Neben-
stunden S. 111) einfach und am besten Budstocke beibehält £s ist aber weniger der
Boten-, als der Bot- oder Gebotstock und hängt das Bud, wie im Deutschen die
Worte botmässig, Gebot« Angebot^ Bot (man rergL Weigand, Grimm und Schade),
zusammen mit mhd. das bot« bot. ahd. das pot (?), angelsächsisch das bod (Gebot,
Befehl), entsprossen durch Ablautung dem Plorale des Präteritums Ton biotan, bieten.
Das altdeutsche Wörterbuch ron Oscar Schade (2. Aufl. 1872 82) giebt nun
(S. 467 b), um auch dem zweiten Theile des Wortes budkafle einige Aufmerksamkeit
zu widmen, für das deutsche« anklingende Wort kafl, as (st masc mit kaflon im
Dat. plur.) die Bedeutung: Kiefer der Thiere, wie auch das angelsächsische ceafl
(st. masc. 1.) dasselbe bedeutet. Budkafl wäre also der Thierkiefer. der umher-
geboteu wird und selbst gebietet. Es scheint daraus sich zu ergeben, dass die Bud-
stocke zu Anfang, wenigstens in Skandinavien, nicht von Holz gewesen seien, sob-
dem aus Thierkiefem bestanden haben. Diesen lässl sich dann aber, ebeatogut
wie beim hölzernen Stocke, wenn auch nur durch grossere Länge oder Stärke, eine
eigenthümliche Form geben oder man kann auf ihnen Kinritzungen (wie beim
Holze Einkerbungen) in einer Art Bildersprache veranstalten, wie es der verschie-
dene Zweck der berufenen Versammlung erforderte.
Wenn man eine üebertragung solcher nordischen Sitte auch auf deutsche Volks-
stämme zugeben kann, so erscheint es mir nicht ausgeschlossen, dass die falzbein-
artigen Kunstprodukte, in deutschen Steingräbern vorgefunden, etwa ebenfdk dem
Wesen nach budkafle gewesen sein können, vorausgesetzt, dass sie Thieikiefer dar-
stellen und am Ende mit Einritzungen versehen sind.
Da aber sich die Umsendung eines Boten, wenn nicht von Fleisch und Blut,
so doch von irgend einer Masse (Hörn oder Holz), als eines bestimmteu und Allen
bekannten Zeichens, unter weitläufig von einander getrennt lebenden Gemeinwesen,
Gauverbänden, Völkerschaften ganz von selbst machen musste. sobald es sich um
die Berufung zu einer gemeinschaftlichen Zusammenkunft aller Berechtigten, wenn
auch nur der Stärkeren oder der Krieger bei weniger cultivirten Völkerschaften,
handelte« so kann die Entstehung und .\nwendung eines solchen gemeinen Zeichens
auch bei vion wilden Völkerschaften .\ustraliens. worauf in der Sitzung vom 21. Jan.
188d Seitens des Hrn. Virchow abermals aufmerksam gemacht wurde, kaum
etwas .\ul9ßilliges haben. Es helfen zu unserem Hinweise die vielfachen anderen
(351)
verabredeten, der Wirklichkeit entDommeoeD und häufig auch in die Koman-
literalur öhertrageaen Zeichen, wi*' sie etwa bei den Indianern Nordaiiierika's im
Gebrauche wareo oder noch siod. Die Abrede •j;lridit hierio der Fitrm der Ein-
kerbung. Verabredete Zeichen mit ihrer stummen Sprache fliessen die Flüsse
heruBten Ein vom Häuptlinge nmgesaadtes Bündel Pfeile ruft die Indianer
zum Kriegszuge. Bergfeuer flamraea auf in irnmer weiterer V'^erb reitung; so
galt für die Schweiz nach Schiller^s Wilhelm Teil {1, 4, II. 2, IV. 2), dasa , , , tod
Alp zu Alp die Feuerzeichen flammend sich erheben, — dass gi>geben wird von
einem Berg zum andern das Zeichen mit dem Rauch, — dass Ihr warten Bollt der
Berge Feuerzeichen, .... leuchtend als willkommene Flammen. In Island figu-
rirt der Kriegspfeil (Berör, Harpii), der seinen Zweck durch die Form andeutete.
Äehnlich wird es in Böhmen gewesen sein; denn Oscar Schwebel (Deutsche
Kaisergeschichte) erzählt, dass, als 10^9 Konig ßretislav losbrach, um Polen za
erobern, ia Böhmen eine Schlinge von Eichen hast von Haus zu Haus wan-
derte, zum Zeichen, da&s jeder säumige Krieger, der nicht folge, dem Tode durch
den Strang verfallen sei. In Polen wurden in früheren Zeiten königliche Befehle
durch Weidenruthen C^icl), an Stangen befestigt, von Ort zu Ort gesandt und da
dies hauptsächlich beim Aufgebot des Adels geschah, so bedeutet wie das Aufgebot
selber. Der Aufruf geschah jedoch dreimal^ die ersten beiden enthielten bloss den
Befehl sich bereit zu halten, der dritte bestimmte den Sammelplatz. Wie es nur der
Uebereinkunft bedarf, um selbst jedem belieLigen Gegenstande eine bestimmte Sprache
zu verleihen, das beweist endlich auch in der Geschichte Deutschlands der durchs Land
geschickte Bundschuh. Nur diese Beispiele wollte ich in aller Kurze herausgreifen*
Nach C. F. AHen's Geschichte des Königreiches Dänemark (übers, u. herausgeg.
von Dr. N. Falck, Kiel, 1846) wurde, wenn der Feind das Land angriff oder wenn
im Frühjahre die geplanten Wikingzijge ins Ausland zur Ausführung gelangeo
sollten, vom Konige, dessen vorzüglichste Pflicht die Anflibrung des Volkes im
Kriege war, das Volk aufgeboten, wo dann ein Jeder, zur Vertheidigung, wie sonst
auch zum Angriffe gerüstet, bei Strafe, für vogelfrei und für einen feigen Buben
erklärt zu werden, erscheinen musste; das Aufgebot geschah durch einen Bud-
stikke oder Heerpfeil, der überall um hergeschickt ward und in einem Zweige be-
stand, der wie ein Bogen geformt und mit einer Schnur an dem einen Ende
versehen, an dem andern aber aui^ebraont war und so auf eiüe bildliche Weise
den feindlichen Einfall und zugleich das Schicksal andeutete, welches Jeden er-
wartete, der sich der Pflicht der Vaterlands vertheidigung entzog, dass neb ml ich sein
ganzes Eigenthum durch Feuer verwüstet werden würde.
C. J, Schlyter (Glossarium ad coq>us juris Sueo-Gothorum antiqui p. 101
T, XJII) erklärt Bupkafli m. budkaJle als en kafie I. ett mindre traestycke, som
Bandes omkring du folket skulle sammankallas tili tilg 1. af annan anledning (Heer-
fahrt), och var da inrätted, att af dess form (siisom IsL herÖr, härpil) 1, af däri
inskurna marken künde sjnas, hvad som var att gora, und h. das iss eyn stok des
gebotes als by dem galgen unde by dem v&re (Feuer, d. h. Feuertod).
Herr Dr. Oscar M ontelius in Stockholm, den ich um den altskandinavischen
Bud stock befragte, bestätigt mir mit grosser Gefälligkeit, dass derselbe ein Stück
Holz gewesen sei, welches von Dorf zu Dorf gesandt, wurde, wann das Volk zum
Ting oder zu anderen Zwecken zusammengerufen werden sollte, und dass er ^o ein-
gerichtet war, dass man an der Form (vergl. den isländischen Heror, Kriegspfeil)
oder an eingeschnittenen Zeichen ersehen konnte, was zu thun war.
Üeber die altnordischen Ladungszeichen, soweit sie aus den Quellen
und mit Heiziehung der Dächatliegenden Hulfsmittel, namentlich des alteren nor-
(352)
weg! 6ch -[Bland iscbea RechU, erweUlich sind, jedoch abgesehen tob mancherlei
Angaben, die mehr Detail» der Verwendung betreffen, theilte mir Herr Professor
Dr. K, rcn Maurer aus München mit äusserst daokenswertber Freondlichkeit noch
die folgenden Angaben mit:
„Feuerreicben waren bereits dem ilteren norwegischen Rechte bekannt^ in-
dessen mehr als Allarm, denn zur Ladung. Schon die alteren norwegischen Pro-
Tinzialrechte (Gulatbingslog § 311, Frostothingslog V. § I) kennen die Verpflich-
tung der HauerUf bei drohender Kriegsgefahr auf Aufforderung des königl. Beamten
Holzstosse die ganze Seekuste entlang aufzuschichten, in solcher Entfernung von
einander, das« einer vom andern zu sehen war, und Tag und Nacht bei denselben
Wacht zu halten; zeigten sich dann feindliche Kriegsschiffe, so hatte sofort der
Wächter, der ihrer zuerst gewahr wurde, seinen Holzstoss anzuzünden und von
Poöten zu Posten war das Signal sofort nach beiden Seiten hin weiterzugeben.
Auch das gemeine Landrerht (llt. § 4) kennt die Verpüchtung noch; als viti d. h.
Zeichen, Signal, werden hier wie dort die Holzstosse bezeichnet und wird der Dienst
bei denselben des Näheren gesetzlich geregelt Die Geschichtsqaellen , «, B
Heimäkringta, HakonatsagngoT^'a (cap. 21) führen die Einrichtung auf Konig H4kon
den Guten (935 — 961) zurück und fügen bei, dass dieser Dienst so geordnet ge-
wesen sei, dass das Heeresaufgebot von dem südlichsten Signale an der schwedi-
schen Grenze bis zum nordüchfiteo an der Grenze von Fiiimarken in 7 Tagen habe
ergehen können. Es fehlt in den GeschichtsquelleD nicht an Belägen für den Ge*
brauch dieser SigoalordnuDg, aus früherer, wie späterer Zeit.
^Fiir eigeotliche Ladungen gilt die Bezeichnung bod, d. h Gebot- Die Grund-
bedeutung von bod tritt recht klar hervor in der alliterirenden Verbindung „bod
ok bann^ d. h. Gebot und Baun^ Gebot und Verbot. Die Ladung konnte, nach
Hltnorwegi«Lchem Recht«, zu ganz verschiedenen Zwecken erfolgen und danach war
auch ihre Form eine verschiedene. Handelte es sieb, eines feindlichen Einfalles
wegen, um ein plötzliches Heeresaufgebot^ so soll der Heerpfeil ^herSr** ausfahren,
uod zwar in doppelter Gestalt: ein eiserner Pfeil wurde die ganze Küste tintlang
mit einem vollbemannten Schiffe von einem Landherrn, d.h. höheren konigl.
Beamten, zum andern befördert, Tag und Nacht unausgesetzt fahrend und die ge-
meine Seestrasse einhaltend, — ein hölzerner Pfeil aber lief von Station zu
Station ins Land bin ein, von Hof zu Hof von den Bauern befördert, alle eiozelueü
Meerbusen und Kustenstrecken hineingehend (so schon Gulathingp^log § 312). Durch
einen Pfeil aber erging auch die Lndung zum Gericht in Todschlagssache n
und wegen schwerer Körperverletzung, Heimsuchung u. dergl m., wesshalb die so
berufene Dingversaminlung isländisch örvarthiug^ d. h. Pfeilding, htess (z. B.
GulathU 151 und 156; für die Lücke im Texte der Frostuthl. V. §§ 2—6 tritt
die Jarnsida ein, Marrhelgi § 14, dann § 18 u. ff.); da der Verletzte selbst, resp.
der Erbe des Erechlagenen angewiesen wird, den Pfeil zu schneiden, so ist klar,
dass dieser im gegebenen l'alle ein hölzerner ist. Handelte es sich aber um an-
dere RechtsBacheu, die nicht durch schwere Gewaltthaten veranlasst waren, so
galt zwar auch die Re|2(el, dass Jeder eine Ding Versammlung berufen durfte, der
einer solchen zu bedürfen glaubte (Gulath, L § 35, 131); aber die Versammlung
wurde durch eiu Ihingsbod d, h. Dingaufgebot berufen, nicht durch einen Pfeil.
Auch das ThingsboLl wird geschnitten (Gulath. § 161); seine Form wird jetloch
nicht angegeben itod lässt sich nur daraus erkennen, dass sie nicht die eines
Pfeiles war, dasis eine Geschichtsquelle einmal erzählt, wie die Bauern ein things-
bod, das ihr Beamter hatte ausgehen lassen, in den Ueerpfeil verwundidten und
demgema&B bewaffnet sich einfanden (Hakouarsaga ganilu cap* 32). Auch diese
(353)
LöduDg aber wurde von Häür zu Hans getragen; doch hatte sie die Nacht Ruhe
(Gulath. § 131, FrOBtuth. IL 23); Dothigenfalls steckte raao sie über die Dau&thrire
uud sagte an, was dazu gehört**. Handr^It es sich endüch «m eine LaduDg zur
Kirche, so ergeht ein Krossbod, d. h. ein Kreuzaufgebot; der Name schon
zeigt, dass die Ladung hier Kreuzesform hat^ und der Pfarrer ist es, der das Kreuz
schneidet (Gulüth. § 19, Frostuth. IL § 22, BoegarthingsJog L § 13, Eidsifalhiagslög
L § 10 und 11), während im Uebrigen auch diese Ladung den gewöhnlichen Weg,
bodsleid, d. h- den Ladiingsweg, lauft und von Jedem getragen werden rauss.
„Auf Island gab es kein Heerwesen und auch keine gebotenen Dingversamm-
lungen; doch kommt auch hi#*r eine liadung zu G era ei nde versammln n gen
vor, und zwar tragt nie die Kretizesform, obwohl die Kreuze nicht von GeistlicheD,
sondern von Privatleuten geschnitten werden (Konungabok § 23i. S. 173, Stadar-
holsbök § 218 S. 251). Das spätere islandische Recht (Jarnsida, Jonsbok) folgt in
Allem dem norwegischen Landrechte, welches seinerseits den alteren ProvinziaU
rechten sich anschliesst Die Form des thingbod auf Island war später die einer
Streitaxt, nach deorj Zeugnisse des Juristen Pall Vidalin (f I7ii7, in Skyringar
yfir fornjrd"i lögbokar S. 654) und Jon Ärnason'ü resp, Jon Eiriksson's (Historiak
Inledoing til den gamle og nje Islandske Raeftergang S. 442, 3). Das letztere^ im
Jahre 1762 erschienene Werk bemerkt auch, dass uian der Ladung einen Zettel
beizugeben pflege, welcher den Zweck der Ladung u, dergl. anzugeben bestimmt
sei (also ganz in der Art und Weise unserer Klucke und Kriwule. T.).
^Der schwedische buthkafli dient aber genau demselben Zwecke, wie
das norwegische bod. Kafli oder KeHi hat ganz und gar nichts mit dem Kiefer
von Menschen oder Thieren zu thun. Das Wort bezeichnet einen runden Stab
von nicht allzugrosser Länge, weiterhin alles Cylinderförmige. Auf Island braucht
man z. B, jetzt den Ausdruck „at Kafla thvatt'* für das Hangen oder Mangeln der
Wäsche* In abgeleitetem Sinne bezeichnet Kafli auch wohl soviel wie Stück,
Abschnitt, z, B. eines Buches; buthkafl» aber ist seiner Grundbedeutung nach
nichts Anderes, als der Ladungsatock.
^Dänemark betreffend sind nur einige Nachweise bekannt. Des Heerpfeile»
zwar gedenkt Saxo Grammaticus bei Besprechung der angeblichen Gesetze des
Königs Frotho IIL, indem er sagt (V. S* 228 u, 229); Solebat iiamque sagitta lingnea
ferreae speciem habens nuntii loco viritim per omnes mitti, quoties repeotina belli
necessitas incidisset,^ dann wieder in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, wo
er das aufständische Volk in Schonen und Mailand „more gentis, misso per omnes
stipite" unter die Waffen rufen lässt (XV. S. 945). Auch die HeämskriDgla Olafs, helga
cap. 158 lässt einmal in Dänemark den Heerpfeil schneiden und auefahren, ja noch
ein Ürtheil des seelandiechen Landsdings vom 7. Juli 142Ö bespricht die Bestrafung
derjenigen, welche daheim sitzen, wenn der Feind vor das Land komnat „og Baga
braender og Widie Brand ginge," d. h. und din Feuerzeichen brennen und das ange-
brannte Holz umgebt (Regesta Danica Nr. 3482), Letzteres ist eine Ausdrucksweise,
welche auf einen ähnlichen Gebrauch hindeutet, wie er in Schottland üblich war, wo
das Ladungszeichen Cranntaic oderCranntaraidh hiess. Armstrong (A Gaelic Dictio-
nary p. 149) defioirt dasselbe: a fire-cross or beam of gathering; a piece of half-
burnt wood dipped (getaucht) in blood and used as a signal of distress (Elend) or
to spread (verbreiten) an alarm;** er bemerkt, dass der Bote, der das Zeichen weiter
trug, nur den Sammelplatz zu nennen hatte, und dass noch 1745 das Zeichen über
den ganzen Bezirk von Breadalbane, über 30 Meilen weit, in 3 Stunden lieL Ob
aber in Danennark ein Ladungsstock auch zu gerichtlichen Zwecken gebraucht
wurde, ist mir nicht bekannt und wenig wahrscheinlich.
(354)
„Id Norwegen war daa Lad uogs zeichen nocli bis in die neuere Zeit ubiicb;
in Eonig Christian Y^ Norske Lot i. cap. S § 9 werden genaue BeBtimmuDgen
über dessen Beschaffenheit und Behandlung gegeben nnd gilt hier für dasselbe die
BezeichnuDg budstikke (L b, Botschaftsstock. Jvar Aasen, Norsk Ordbog S. 6B,
scbiidert es als einen hohlen Cylinder von Holz, in welchen die schriftltche Bekannt-
machung gelegt wird, mit einer eisernen Spitze am einen Ende, womit man den
8tock an dleHausthure steckt, wenn dessen Ueberbringer Niemanden daheim fiüdet,^
(15) Hr. Treichel übersendet ferner einen
Nachtrag zur Satorf ormel.
Durch Güte von Hr. Dr. H, Flosa in Leipzig, welcher meine in den Siti*-
Ber. der berJ. Anthrop. Ges. niedergelegten Arbeiten über die Toütafeln und Qber
die Satorformel verfolgt hatte, war ich auf ein Aroulet im Besitze des Germanischeo
National-Museums zu Nürnberg aufmerkäam gemacht worden, eine runde IVlessiog-
acheibe, dort unier Nr 46. der wisseoschaftlichen [nstrumente aufgeführt, auf wel-
cher ausser mancher anderen Inschrift, wie zu ersehen, sich ebenfalls die Sator-
formel beendet. Durch Güte des Vorstandes des Uerm, National-Museums erhielt
V
^^
53:
Sätor
ARBPO
Tenet
OPERA
Rot ÄS
I
^
i-i^asüij
ich die beigefügte genaue Copie der InschrifteD der fraglichen Messingschoibe von
ganz derselben Grösse, mit der gefalligen sooBtigen Auskunft, dass dieselbe atif
beiden Seiten die gleiche Inschrift in derselben Anordnung zeigt, dass sie dem
17* Jahrhunderte entstammt und iilter Bestand der dortigen Sammlungen, also über
ihre Herkunft leider nichts bekannt ist Für alle Fälle ist das in einem Glas-
kasten beiindliche Original, zumal es so hohen Alters ist, für die Geschichte der
Amulette, besonders aber der Satorformel nicht unwichtig.
Nach gefälliger Mittbeilung desselben Herrn hatte sodann die Satorformel ?or
etwa drei Jabren im Globus einem Serbier, der über serbischen Aberglauben schrieb
sie kommt also auch dort vor!}, Anlass zu eioer sehr falschen Hypothese gegeben;
4
(355)
er hatte dort den Spruch „Schator^ u. s. w. geschrieben gefunden und sprach nun die
Meinung aus, dass unter diesen Worten yielleicht alte Gottheiten gemeint seien. Später-
hin wurde jedoch ebenda eine Berichtigung durch Hr. Dr. H. Ploss veröffentlicht.
Endlich hat der Arzt, Dr. J. Polak aus Warschau bezüglich der Hunds-
wuth Folgendes in Hieronymi Cord an i, Mediolanensis Medici, De rerum varie-
tate Libri XVII. Baslae. Anno MDLVII (also auch in Ober-Italien: Mailand be-
kannt!) gefunden: Quidam cum a rabido cane morsus esset, transfixo pollice panis
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crustae, ut a latere vides inscripta, tribus sumpsit quinquiesque dicta singulis Ticibus
jejunus, precem domini eam dixit pro quinque vulneribus Christi, quae moriendo
accepit, nee non pro clavibus ut dicunt: seruatusque est immunis a maximo
periculo. Res ita se habet.
(16) Hr. Eofler übersendet einen im Rheinischen Kurier am 15. Juli enthal-
tenen Bericht über eine am 8. Juli unter Leitung des Hrn. v. Cohausen durch
Mitglieder des Frankfurter Museumsvereins und des Nassauischen Alterthumsvereins
unternommenen Besichtigung
der Ringwälle de8 Altk8nlg8 im Taunu8.
Der wesentliche Theil dieses Berichtes ergiebt Folgendes:
Am alten Eingange des inneren Ringes waren schon im vorigen Jahre Nach-
grabungen gemacht und durch sie war konstatirt worden, dass er einst durch einen
Thurm oder Tborbau von Holz vertheidigt worden ist. Man fand damals vie-
len Brandschutt, verschlackte oder mit Glasur überzogene Quarzite, dem Gestein,
aus dem die Ringwälle überhaupt bestehen, einige kleine Gegenstande, Topfscher-
ben im Wall bürg- Charakter, einen Spinnwürtel und ein eisernes, etwa § for-
miges Messer. Sehr glücklich war man aber diesmal, indem einer der Frank-
furter Herren in dem aufgeworfenen Schutte eine damals übersehene, jetzt durch
den Regen rein gespülte Bronze-Fibula erspähte und dem Conservator des
Nassauischen Landesmuseums übergab.
Nachdem der aussichtslose Gipfel, eine mit üppigen Fichten umstandene Rasen-
fläche, erstiegen und von hier wieder abwärts die drei oder vier Trichtergruben, in
welchen sich Regen- und Schneewasser lange halten mochte, aufgesucht waren, kam
man an die merkwürdigste Stelle auf der Südwestseite des inneren Walles, die
durch die Nachgrabung im IMai aufgeschlossen worden war. Die Innenseite des
Walles war von dem Steingerdll entblösst und zeigte eine 16 m lange, 1 — 1,25 m
hohe, senkrecht aufgemauerte Wandfläcbe, welche in Abständen von etwa IVa m
durch 25 cm breite und ebenso tiefe senkrechte Falzen getheilt war. Auch in der
äusseren Wallboschung war eine solche Aufmauerung und Falzentheilung freigelegt,
28*
(356)
um zwischen beiden die 6,60 m dicke Trockenmauer zu messen. Wir erkannten
daher, das» der Kern des Steinwalles durch eine Trockenmauer gebildet iit, welche,
wenn wir die Falzen richtig deuten, durch eine HolzkonstruktioD zuaammeDgehalten
war, die allerdings verwest ist, die aber ohne Zweifel in Holzstäodern bestand,
welche die Falzen ausfüllten und durch Holzanker oder Zangen, die quer durch
die Mauer gingen, verbunden waren. Solcher Zangen mochten mehrere in ver-
schiedenen Hohen die mauerhoben Ständer auf der Innen- und Äussensejte mit ein-
ander verankert haben*
Wenn wir nun die gemessene Mauerstärke festhalten und die Masse der vor
ihr liegenden Steintrömmer berechnen, welche, vom oberen Theile der Mauer herab-
gefallen, den unteren Theil verdecken, so finden wir, dass sie genügte, um die
Mauer wieder um etwa l m zu er hohen und ihr so die ohne Zweifel ursprüngliche
senkrechte äussere Hohe von etwa 4^,3 m zu geben; wir haben so eine recht
respektable Festungsmauer vor uns, welche rlem anstürmenden Feinde ein ganz
anderes Hinderniss entgegenstellte, als das SteingerÖlle, das wir heute leicht er-
steigen. Dass die un gefügten Stein bl^icke nicht durch Mörtel, sondern durch Holz-
einlagen zusammen gehalten waren, lag vor Augen, ja wir hatten die Spuren des
Holzes in seiner Brandwirkung auf das sonst unschmelzbare Quarzgestein beobach«
tet; aber wie ausser den Ständern die Holzer im Innern der Mauer verwandt
waren zur Verankerung und Ausgleichung der Schichten» das wissen wir nicht,
können es uns aber hypothetisch ergünzen aus der Beschreibung, die Cäsar von den
aus Holz und Steinen erbauten gallischen Mauern entwirft» oder aus den Abbildun-
gen der dacischen Festen, welche uns die Trajanssäule erhalten hat, sowie aus den
Resultaten, welche diese Bauweise in den Glashurgen und Schlackenwällen Schott-
Janda, Böhmens und anderwärts^ so auch in KirnfiBcbbach an der Nahe hinter-
lassen bat.
Es wurde endlich noch die gleichfalls durch übergreifende Walläste mit dem
Zwinger verbundene UmwaJlung auf der Sudwestseite überschaut, die sich als Pferge
für das geflüchtete Vieh zum quellenreichen Thal hinabstreckt* Es wurde daran
erinnert, wie noch bei der Belagerung von Königslein 1796 die Bewohner ihre
Schweine hier untergebracht haben.
(17) Hn Dr. Everett in Washington übersendet Studien über Indianer-
Sprachen von West- Oregon in i'orm eines autographirten Heftes. Der Vor-
sitzende spricht den Dank der Gesellschaft aus.
(18) Hr. R. W, Cochran-Fatrick übersendet eine Einladung zur Subscrip-
tion auf ein Werk: A descriptive catalogue of the Med als of Scotland from the
earliest period to the present time, nebst einer Frobe der Medaillen auf die Konigin
Maria Stuart.
(19) Professor A. H, Keane in London schickt Subscriptionseinladungen für
ein neues Werk; A Classification of the races of mankind.
(20) Hr. Schneider in Jicin hat Hrn. Virchow eine Reihe von Kymnotypien
der in seiner Mitthoilung vom 20. Januar (Verh. S. 11 '3) besprochenen böhmischen
Funde zugehen lassen, welche die Brauchbarkeit dieses sehr billigen Verfahrens
vortrefflich erläutern.
(357)
(21) Br. Nebring spricht über einige nacbtraglicb an der Stätte des Span-
dauer Bronzefundes zum Yorscbein gekommene
menaohliche und thieriaohe Re8te.
Bekanntlich ^urde im Sommer 1881 bei Spandau, als man das Fundament zu
einem Pulvermagazin ausschachtete, ein sehr merkwürdiger und umfassender Fund
von BroDzesachen, sowie von menschlichen und tbierischen Resten an das Tages-
licht befördert. Die betreffenden Objecte sind in unserer Gesellschaft mehrfach ein-
gehend besprochen worden; sie werden in der ethnographischen Abtheilung des
Konigl. Museums hierselbst aufbewahrt').
Als man kürzlich die im Sommer 1881 ausgeschachteten Bodenmassen wieder
umtransportirte, wurden dieselben in der Hoffnung, noch einige übersehene Bronze-
sachen zu finden, sehr genau durchgesehen, und es fanden sich bei dieser Gelegen-
heit einige menschliche und thierische Reste, welche offenbar zu dem früheren
Funde gehören. Auf Veranlassung des Herrn Oberstabsarzt Dr. Vater reiste ich
nach Spandau, um jene Reste zu untersuchen. Durch die Freundlichkeit des Herrn
Ingenieur vom Platz, Major Uhl, welcher dieselben sorgfaltig gesammelt und in
seinem Bureau vorläufig (bis zur Ueberweisung an das Königl. Museum) unter-
gebracht hatte, wurde ich in die angenehme Lage versetzt, eine sorgfaltige Messung
der einzelnen Fundstücke, zumal der thierischen Reste, gleich an Ort und Stelle
ausführen zu können.
1. Homo sapiens. Ein schön erhaltener, kräftig gebildeter Unterkiefer, ein
vollständiger Humerus (345 mm lang, grösste Breite des unteren Gelenktheils 64 mm\
1 Clavicula (160 mm lang) 2 vollständige, zusammengehörige ülnae (297 mm lang),
1 Beckenhälfte von männlicher Form, 1 ziemlich platjknemisch gebildete, oben
lädirte Tibia (382 mm lang, ursprünglch etwa 395—400 mm lang) und 1 Lenden-
wirbel. — Alle diese Skelettheile haben eine sehr dunkle Färbung, zeigen einen
gleichartigen Erhaltungszustand und gehören wahrscheinlich demselben Individuum,
dessen Oberschädel 1881 zusammen mit den Brouzesachen gefunden wurde. —
Ein Stück von der Hirnschale eines zweiten Schädels, welches mir vorlag, sieht
viel jünger aus, als die oben erwähnten Reste; es muss deshalb von denselben ge-
trennt werden.
2. Canisfa miliaris. Sehr interessant sind einige Hundereste, welche ver-
mutblich zu dem früher gefundenen Oberschädel gehören. Es sind 2 zusammen-
gehörige Femora, 2 zusammengehörige Tibiae, 1 Humerus und 1 Radius. Den
Grössenverhältnissen nach steht dieser prähistorische Haushund von Spandau in
der Mitte zwischen Canis palustris Rüt. und Canis matris optimae Jeitt. Indem
ich mir eine genauere Beschreibung und Vergleichung vorbehalte, gebe ich hier
nur einige vergleichende Messungen, wobei ich den früher gefundenen Oberschädel
mitberücksichtige.
Aus umstehender Tabelle ergiebt sich, dass der Haushund des Bronzefundes
von Spandau der Grösse nach in der Mitte zwischen dem Canis palustris Rut und
dem Canis matris optimae Jeitt. steht; er dürfte sich dem Canis intermedius
ViToldr. am meisten nähern*).
1) Vergl. diese Verhandlungen 1882, p. 371 ff. und 381 ff.
2) Man ver((leiche übrigens die kürzlich erschienene, ausgezeichnete Aifoeit von Prof.
St ad er über ,die Tbierwelt in den Pfahlbauten des Bieler-See's* (S.-A. aas den Mittb. der
Bemer naturf. Ges. 1883), sowie die interessante Publication des Director Wiepken ober
„Säugetbiere der Vorzeit'', Oldenburg 1888.
(358)
a a s 8 e
Caois matris Cania famil.
optima« JeittCintermediua?)
Cania pala-
atris Rot.
Roben-
AlTe«e') Spandau i,,,,^^
1. Scheitell&Dge des Schädels (f^öute Länge) .
2. Baailarlinge des Schädels
3. Gröiste Breite an den Jochbogen
4 Länge dea harten Gaumens
5. Oroaste Breite des Oberkiefers Tom AWeolar-
rand
6. Breite der Schnauze an den Eckzähnen . . .
7. Länge dea Unterkiefers
8. , der unteren Backzahnreihe . . . .
9. , des Humerus
10. , der ülna
11. « des Radius
12. , dea Femur
13. , der Tibia
205
173
180
152
106^
97^
101
1 ^
62
' 56
35
32
152
p
77
V
—
1 164
210
1 —
—
i 170-171
193
180-181
202
; 190-191
150
131
83
76
52
29
110
61
148
NB.l Die Maasse sind in Millimetern ansgedrnckt
(Uebrigens hat sich nach meiner Anwesenheit in Spandau noch ein einzelner
Unterkiefer eines Hundes gefunden, welcher für den oben beschriebenen Ober-
scbädel zu gross ist und offenbar einer grösseren Rasse oder doch einem grosseren
Individuum angehört. Ich konnte ihn noch nicht genau messen; doch schien er
mir dem Augenmaasse nach etwa so gross, wie der Unterkiefer von Canis matris
optimae zu sein.)
Wenn man den Caois matris optimae Jeitt. als charakteristischen Hund der
Bronzezeit, den Caois palustris Rüt. als charakteristischen Huod der Steinzeit an-
sieht, so ist das wohl im Allgemeinen richtig; doch darf man dieses nicht zu
strict nehmen. So z. B. ist das oben erwähnte Exemplar von Caois matris optimae
in dem Moore von Alvesse nicht zusammen mit Bronzesachen, sondern mit neolithi-
schen Steioinstrumenten gefunden worden.
3. Equuscaballus. Vertreten durch eine wohlerhaltene Tibia von bedeu-
tender Grösse; dieselbe hat eine grösste Länge von 400 mm, am oberen Gelenk
eine transversale Breite von 103, am unteren Gelenktheil von 84 mm. Diese Dimen-
sionen beweisen, dass es sich hier um ein grosses schweres Pferd handelt,
welches von der früher gefundenen kleinen und zierlichen Rasse wesentlich ver-
schieden war; die Tibia dieses kleinen Pferdes weist nämlich für die obigen Dimen-
sionen nur folgende Zahlen auf: 311, resp. 80 und 60. — Da die grosse Tibia
denselben Erhaltungszustand zeigt, wie die Reste des kleinen Pferdes, so scheinen
beide Rassen nebeneinander existirt zu haben. Wie ich in einer ausführlichen Ar-
1) Dieser Schädel stammt aus dem südwestlich von Braunschweig, bei dem Dorfe Al-
vesse gelegenen Torfmoore; der verstorbene Jeitteles, dem ich ihn früher einmal zusandte,
erklärte ihn für ein typisches Exemplar des Canis matris optimae. Er gehört jetzt der zool.
Samml. d. landw. Hochscbnie.
2) Zool. Samml. d. landw. Hochschule, aus der v. Nathosius^schen CollecUon.
(869)
beit zu beweisen ho£Pe, ist das schwere Pferd vom Diluvialpferde abzuleiteo, wäh-
rend das in der Bronzezeit weitverbreitete kleine Pferd meist orientalischen Ur-
sprungs zu sein scheint
4. Bos tauius. Vertreten durch einen juvenilen Unterkiefer mit Milch-
gebiss, dessen Milch-Backenzähne etwa 58 mm lang sind.
5. Capra hircus? Eine Ziege oder ein ziegenähnliches Schaf ist angedeutet
durch einen ausgewachsenen, sehr zierlichen Metatarsus; die grösste Länge desselben
beträgt 126 mm, das obere Gelenk hat eine transversale Breite von 16, das untere
von 18 mm, der Umfang des Knochens in der Mitte der Diaphjse beträgt 30 mm,
6. Ovis aries. Ein zweiter Metatarsus, welcher viel plumper gestaltet ist
und von einem nicht völlig ausgewachsenen Thiere herriihrt, gehört einem Schafe
an, welches mit der kürzlich von S tu der beschriebenen, plumperen Schafrasse
des Bieler-See's übereinzustimmen scheint. Die obengenannten Maasse betragen
hier resp. 113, 19, 22, 38 mm, also fast genau so viel, wie die von Studer a. a. 0.
S. 73 angeführten.
7. Cervus capreolus. Das Reh wird durch mehrere, sicher bestimmbare
Reste repräsentirt.
8. Sus (palustris? Rüt). Eine kleine Art, resp. Rasse von Schweinen wird
durch ein Schädelfragment, 1 Scapula, 1 Humerus, 1 Femur, 1 Tibia angedeutet.
Das wohlerbaltene, einem ausgewachsenen Individuum angehörende Femur hat eine
grösste Länge von 166 mm; vom Condylus ab gerechnet misst es nur 162 mm,
9. Cjgnus sp. Ein Schwan wird durch zwei zusammengehörige, 280 mm
lange Humen angedeutet; ferner
10. Anas sp. durch einen 87 mm langen Bumerus^).
Unter Berücksichtigung der früher bereits von mir constatirten Thierarten be-
steht die Fauna des Spandauer Pfahlbaus aus folgenden Species:
1. Ursus arctos.
2. Canis familiaris, in zwei Formen, von denen die eine in der Mitte zwischen
C. palustris Rüt. und C. matr. opt. Jeitt. steht, die zweite dem letzteren
sehr nahe steht.
3. Sus scrofa ferus.
4. Sus sp. domest. (palustris?).
5. Equus caballus. Schwere Rasse.
6. ^ jf Kleine, zierliche Rasse.
7. Bos sp. Eine grosse, wahrscheinlich wilde Art
8. „ „ Eine kleinere, wahrscheinlich zahme Art
9. Capra hircus? oder ein ziegenähnliches Schaf.
10. Ovis aries.
11. Cervus claphus.
12. „ capreolus.
13. Lepus timidus.
14. Cygnus sp.
15. Anas sp.
Hiernach ist die früher von mir mitgetheilte Speciesliste (1882, S. 381 £F.)
zu vervollständigen.
1) Ausserdem ist der Hamems einer grossen plumpen Höhnerart gefunden. Derselbe
siebt aber viel recenter aus als die übrigen Reste und ist deshalb hier nicht mit berück-
sichtigt, zumal er seiner Form nach mit dem Humerus eines Puters flbereinstimmt
(seo)
(22) Hr. Ed. Krause bespricht
die ErhaltvDg von Gold- and HolzsaoheiL
Derselbe tbeilt mit, dass seiae Annahme, auch Gold werde im Erdboden von
den Chloriden angegriffen (Verb. 1882. S. 537), sich als richtig bewahrt hat,
da die angestellten Versuche in den braunen Flecken und sonstigen anhaftenden
Theilen auf Goldalterthümern aus dem südlichen Baden, sowie auf denen des
Vettersfelder Goldfundes (Verb. 1883. S. 129) xur Evidenz das Vorhandensein
von Chlor erwiesen. Ebenso zeigten sich die Krusten von fünf alten Blei münzen,
(an verschiedenen Orten ausgegraben), welche das Königl. Münzcabinet gütigst xur
Verfügung stellte, als sehr stark chlorhaltig.
Derselbe berichtet über ein von ihm seit mehr als drei Jahren im Königl.
Museum mit bestem Erfolge angewendetes Verfahren zur Conservirung von Holz-
alterthümem. Die Beobachtung, dass Holzarbeiter (Tischler, Fournierschn eider etc.)
die Hirnenden (Querschnitte senkrecht gegen die Äxe) der Hölzer mit Papier ver-
leimen, um so die Bildung radialer Spalten (sog. Windrisse) zu verhindern, führte
ihn auf seine Conservirungsmethode. Das Verhindern der Entstehung von Wind-
rissen durch Verleimen der Hirnflächen ist durch den Umstand zu erklären, dass
die Ausdünstung, in Folge der Hauptstromes der Exosmose und Endosmose,
sowie in Folge der Lage der Intercellularkanäle, in der axialen Richtung am
stärksten stattfindet, in weit geringerem Grade in der Radialrichtung. Daraus
folgt, dass, wenn die Ausdünstung an den Hirnenden gehemmt wird, ein viel
langsameres und gleichmassigeres Trocknen der Hölzer erzielt wird, und dass
namentlich die äusseren Schichten nicht, wie bei freiem Ausdünsten, nach jeder
Richtung hin zuerst schwinden und dadurch nach Innen sich nach und nach weiter
fortsetzende Spalten (Windrisse) l>ekommen, sondern durch die in radialer Rich-
tung erfolgende Verdunstung einen gewissen Grad von Feuchtigkeit behalten, bis
auch der Kern trocken ist und dadurch vor dem Reissen geschütz' irird, da der
Kern zugleich mit den äusseren Schichten austrocknet und schwindet.
Das zur Conservirung ausgegrabener Holzgegenstände angewendete Verfahren
ist nun folgendes: Die Objecte werden sobald als thunlich, womöglich sofort nach
der Ausgrabung, mit einer mindestens zolldicken Lage Langstroh (oder ahnlichem
Material), das der Längsrichtung parallel an das Holz gelegt wird, mittelst Bind-
faden dicht umhüllt, um das schnelle Austrocknen zu verhüten; dann werden die
Hirnenden mit einem Gemisch aus gleichen Theilen von käuflichem Fimiss und
Petroleum getränkt. Dieses Gemenge muss vor dem Gebrauch stets frisch zubereitet
werden, da der Firniss sich nicht Tollständig im Petroleum auflöst, sondern nur
aufschwemmt und bei längerem Stehen einen starken, in Petroleum unlöslichen,
gallertartigen Bodensatz absondert. Die Objecte sind in der ersten Zeit der Be-
handlung vor Zugluft möglichst zu schützen und an einem trockenen, aber kühlen
Ort aufzubewahren. In Zwischenräumen von je acht bis vierzehn Tagen wird die
Tränkung mehrmals wiederholt und je nach Erfordemiss das Stroh nach einigen
Wochen entfernt, statt seiner aber zuerst ein leichter, später stärkerer Anstrich nut
obigem Gemisch gegeben, unter gleichzeitiger starker Tränkung der Hirnenden,
die schliesslich durch Aufgiessen geschehen kann, oder durch Einsetzen der Enden
der Objecte in ein mit dem Gemisch gefülltes Gefass. Hauptsache ist die mög-
lichst oft wiederholte Tränkung der Himenden, sowie recht langsames Austrocknen.
Wenn das Verfahren auch etwas langwierig ist, so ist es doch, im Verhältnis», zu
dem zu erzielenden Erfolge, wenig umständlich. Vor mehr als drei Jahren der-
artig behandelte grosse, sehr poröse und jetzt sehr leichte Gegenstände (von denen
eiDige Torgelegt wurden) haben in dieser Zeit ibr AussebeD absolut Dicht verändert,
Doch Windrisse bekommen.
Auch für ethnologische Hohobjecte, welche von Insekten (Bohrkäferu etc.)
aufs Aergste niitgenommen waren, hat sich das Gemisch zur Tränkung bestens
bewährt. Es tödtet die jerstörenden Insekten und giebt dem sebr mürben, wurm-
frassigeo Hok beim Trocknen neue Festigkeit,
(23) Hr. E. Krause macht Mittheilungeo über
trape zfö rml g e Feu e rst e I na ch erben .
DeTselbe legt einige trapezförmige prismatische Feuersteinmessercben vor, deren
nicht parallele Endseiteo durch Absplitterung vermittelst Quetschens absichtlich
stumpf gemacht sind,
Herr v. Meresclkowski machte vor zwei Jahren bei Vorlage seiner in der
Krim ausgegrabenen Stt^iugerätbe {Verb, 1881 S* 36), auch iu seiner, leider russisch
geschriebenen Broschüre über die Krim (Petersburg 1880) auf Taf. IV ganz besou*
ders auf diese Messerchen aufmerksam uml sprach die Vermutbung aus, dass diese
Geräthe der Krim eigeüthüralich seien. Dies gab mir Veranlassung, bei meinen
Excursionen ganz besonders auf die kleinen Splitter und Messerchen zu achten,
und ich bin beute in der Lage, vier Exemplare trapezförmiger Messerchen vor-
legen zu können von drei verschiedenen Fundorten
aus nächster Nähe Berlins, nämlich zwei von dem
bekannten Reinickendorf-Rosenthaler ürnenfelde,
eines von Schmockwitz und eines von Picheisdorf*
Letztere beiden Fundstellen sind anscheinend Werk- '
stitten von Feuersteingeräthen. Die Annahme v. Mereschkowski's dürfle also
hinfällig sein, umsomehr, als mir heute vor der Sitzung durch Freiherrn von Ram-
berg mitgetheilt wnrde, dasö diese trapezforndgen Messerchen auch auf dem
Ürnenfelde von KL Ladebow bei Greifswald (cf. Verb. 1883 ö. 127) vorkommen,
80 dass sie also weit verbreitet zu sein scheinen. —
Hr. Virchow: Hr. v. Me reschkowski, der vor einigen Monaten nach langer
Abwesenheit auf der Rückkehr nach St Petersburg Berlin wiederum passirte, hat
sieb inzwischen schon selbst von seinem Irrthnui überzeugt. In der That bat
Hr. Chierici (Bulletino di paletnoh>gia italiana. ]^15. Anno L p ä, Tav. L Fig. 10
— 16} diese, von ihm selci romboidali genannten Feuerstein-Manufakte ausführlich
beschrieben. Er erwähnt sie von Albinea und Rivaltella aus der Etnilia, wo sie
in Wohngruben (fondi d icapanne) getroffen waren, und von der Valie della Vibrata,
wo ConcezioHosa sie gesammelt hatte. Bald nachher haben Hr. Casini (Ebcndas.
p, 141) und Hr, Aogelo Äogelucci (Ebendas. 1870 Anno IL p. 3), ersterer von
BeUiiria bei Bazzano, letzterer von Lesina in der Capitanata weitere Beispiele bei-
gebracht. Ich habe deren auf meiner letzten Reise, sowohl bei Hrn, Chierici in
Reggio, als bei Hrn. Angel ucci im Artillerie-Museum zu Turin gesehen. — Hr.
Chierici hat schon in seiner ersten Mittbeilung die Vermutbung aufgestellt, dass
derartige rhomboidale und trapezoidale Feuersteinscherben in derselben Art ge-
braucht seien, wie noch jetzt die WÜdeo in Australien ihre Lanzen mit scharfen
Steinsplittern besetzen. Da bei uns einige solche Geräthe aus prähistorischen Fund-
stätten existiren, so würde es von Interesse sein zu erfahren, ob in der That die
daran befindlichen Stücke dieselbe Form besitzen. Meiner Erinnerung nach wage
ich dies nicht bestimmt zu behaupten. —
Hr. £. Friede 1: Unter den dünnen flachen mess erklingen formigen Feuerstein-
idmeiden, weldie nameoüicli maf Mgeuftooteo FabrikatiDDMtitleii ▼orkocniDeD, Ukot
mao woLJ, ein« dreifache Sooderung xörzunehmen:
L Die eioe Gruppe enüitillt sich bei scbärferer VergletcbuDg als FrtgmeDte
liogerer Feoersteioftpäbiie, die durch das Treteo der Füsse noch jeUt leicht zer-
hrecheo und mitafiter dann ein Ätissehea gewinoer» kciDoeo, das ao Gruppe 3 er-
iöoert. In diese Gmpp** recbae ich wenigstens einen der FlintEplitter, weJcherJ
mit einem ßronzedoppelknopf und kleinen ßranzefragmenten auf ein TafeJcfaeiil
gezogen, durch Hro, £du;ird Krause aU von dem bekaDoteo (lo meiner Schrift
^VorgeftcbichtJicbe Funde aus Berlin und Dmgegend% Berlin 1880, S. 41— 43^ erwalm- i
teo) Graberfeld bei Reinickendorf und Schönfaolz, Krei«» Nieder-Bamim heut Torgcwie
seil wurde. Die §eitHchen Bruchflachen dieser verstümmelten Manofacte, auch di^
Befestigungsfläcben, sind anders als bei den querschneidigen PfeiUpitzen (Gruppe 3)
2* Die zweite Gruppe habe ich in einem Aufsatz: Deber Knocbenpfeile auf
Deutschland, Archiv für Anthropologie ?, Bniunschweig 1872, S, 433, bereits aufl
föhrlicb erörtert Es gehören hierher schmale d. h. in der Regel höchstens 1 eiü^
breite dünne Splitterchen, die mindestens eine scharfe Schneide haben. Dieselben
sind als Schneiden oder als Widerhaken, mitunter schrotsägenformig, in eine
knöchernen oder hölzernen Schaff, der dazu eine geeignete Rinne besitzt, ein-^
gekittet und haben theils die Schneidigkeit, theils — durch das leichte Aus- und
Abbrechen der Splittereben — ^ die Gefährlichkeit der mit dem Bogen geschosseneib j
Pfeile oder mit der Hand geschleuderten, unten befiedert zu denkenden, Wurfpfeü«
beträchtlich erhöht. Ich habe an der bezeichneten Stelle mehrere Beispiele von weh
erhaltenen vorgeschichtlichen Exemplaren angeführt und fuge hinzu, dass bei den"
Eskimos und bei verschiedenen Südsecinsulanern, auch bei den Neuhollandern, der-
gleichen mit scharfen Steiosplittern ausgelegte Geschosse noch jetzt benutzt wer-
den, sowie, dass sie, unter Benutzung von Obstdian, bei den alten Mexikanern ge*
wöbnlich waren* Letztere haben sogar förmliche, von Obsidiansp littern starrende
zweischneidige Schwerter in ähnlicher Weise hergestellt.
3. Die dritte Gruppe umfasst die noch wenig beachteten qnerschneidigen Pfeil-
spitzen, von denen ein Exemplar, aus der erwähnten Reinickendorfer Fundslell«
stammend, durch Hrn, Krause heut vorgelegt worden ist. Mehrere dergK quer-J
schneidige Feuerstei tipfeil !!*pitzen habe ich auf der vom Freiherrn von Ramberg^l
S. 127 flg der diesjährigen Mittheilungen erwähnten Fundstelle von Klein-Ladebow
bei Greifswald gefunden, auch bereits im Jahre 1881 ein Exemplar zur baltischen
Fiecberei* Ausstellung vorgelegt VergL E. Friedel: Erläuterungen zu einer Samm-
lung urgeschichtHclier und vorgescbichtl icher Gegenstande aus der Omgegend voii.
Greifswalii. Greifswald 1881 und Catalog, B- II, Nr. G623 des Märkischen Museuros.
In letzterem linden sich mehrere querschneidige Feuersteinpfeile, z. B. von mir auf
dem Cladower Saudwerder iii der Havel westlich von Spaüdaii gefunden, Nr. 2920
des Gatalogs, beschrieben in den erwähnten „Vorgeschichtlichen Funden ** S. 59.
Abgebildet und erwähnt werden diese merkwürdigen Geschosse als »quer-
gescharfte Pfeilspitzen in Nilsson's Steinalter des Scandinavischen Nordens, Ham-
burg 1868, Fig. 36 u. 37, dgl. 266—268.
Bei oberflächlicher Betrachtung können dergl, querschneidige Pfeile mit den
Flintsteinen von Feuersteinschloss-, ßatterieschloss- und Radschloss-Gewehren, na-
mentlich von dergl, Pistolen, verwechselt werden/) Allein abgesehen davon, dasei
1) Auch mit den Bogen. SchuBsfeueneugen^ welche, ähnlich wie Pistolen conalrttirt, von
etwa der Mitte des vorigen bis in den Anfiing dieses Jahrhunderts hinein im Gebrauch waren«
Vgt die vielen im Mark, Museum vurhaiuieuen Exemplare.
(368)
zur Armlrung dieser Feuerschlosser meist der honiggelbe Feuerstein der ChampagDe,
weDigstena auf dem europaisclieii Conti neot, verwandt worden ist, verjüngen sich
die qtierdchnekligen Pfeilspitzen mit dem hinteren, lu den Pfeil-Schaft gehörigen
Ende mehr, alä die Feuerschlosssteiöe, Endlich kann von einem Zweifel an der
Benutzung der Querschneiden zu Pfeilspitzen gar keine Rede mehr sein, wenn
man die gar nicht selten aus altaegyptischen Gräbern mit Schäftung und ße-
featiguDg vorhanilenen vollständigen Pfi'üe vergleicht Evans^ The ancient stone
implements of Great Britaiii, Lond<^n 1872, bildet einen solchen vollständig moo-
ttrten Pfeil in Fig. 272 ab. Die lipfestigung ist mit EnJpech hergestellt (p. 320).
Zwei querschneidige Pfeile bildet Madsen in seinem vortrefflichen Bilderwerk über
die däüische Steinzeit ab, Afbihlniger, pl, XXII, 18 ii, 19. Nr. V} beschreibt Mad-
sen als ein Flintinstrumeot, mit Bast ao einem hohernen Schaft befestigt, im Torf
bei Visseuberg nahe Odense auf Fönen gefunden. Sonderbarer und falschlicher
Weisse hält Madsen sie für meisselartige Werkzeuge.
FLg. 342 bildet Evans a. a. 0. p, 352 einen grossen querschneidigen Pfeil von
ürquhart in Schottland ab, die Schneide 18 mm breit, die beiden schrägen Seiten
37 und 35 mm und die schmälste Seite 7 vtm breit. Aehnliche sind von Suflfolk
und Yorkshire bekannt. Evans fand in einem der Dolmen auf dem Plateau
von Thorus nahe Potiera einen der kleineren Art, andere sind von Pontlevoq aus
der Bretagne und anderen Theilen Frankreichs, ebenso aus Mittelitalien (aus der
Emilia) und aus SQditalien bekannt. Einen kleinen querschneidigen Pfeil besitzt
das Britische Museum von St Clement^ losei Jersey.
Mitunter sind die Schneiden dieser Pfeilspitzen concav, ja geradezu dem tür-
kiseben Mt»nd ähnlich. Dergl, sind aus Nord-, Mittel- und Südamerika, wo über-
haupt querschneidige Steinpfeile nicht rar sind, bekanDt
Kaiser Comtnodus (nach Herodia n lib. L c. 15) pflegte mit ähnlichen halbmond-
förmigen Pfeilen von Eisen Strausse im vollen Latif ^ um seine Geschicklichkeit
zu zeigen — auf der Arena zu schiessen.
Während des ganzen Mittelalters scboss man aus Bogen, später aus Armbrüsten
dergleichen Pfeile, bezit*hvntlicb Bolzen. Aus Persien sind ebensolche Eisenpfeil-
spitzen nicht minder bekannt Dem min, Waffen künde, Leipzig I8i>9, bildet der-
gleichen Pfedspiizen 8.4*34, Kig. 22-25, entsprechende BoUi-n S. 506, Fig. 27 und
28 ab. Originale siüd in allen grosseren Sammlungen, 2, B. im Berüaer Zeughaus
und im Märkischen Museum vorhanden.
Noch jetzt werden die querschneidigen Geschosse von den Wal fischfängern an
den Harpunen benutzt, Hr. Heins, der seine, nach Schleswig gekommene reich-
haltige Sammlung von Fischereigerat hen im Jahre 1873 in Berlin auf der all-
gemeinen Fischerei-Ausstellung aufgestellt hatte, versicherte mir, dass er derartige
Harpunen beim Walfiacbfang selbst verwendet habe und dass der Zweck der Quer-
schneide sei, starkblutende Wunden, thunlichst unter Verletzung von Arterien, her-
vorzurufen; mit gewöhnlichen dreikantigeu Pfeil- und Lanzenspitzen sei dies nicht
Bo leicht zu erreichen.
Hiermit haben wir wohl auch die Absicht erklärt, welche dem Gebrauch der
querschneidigen Feuerstein- Pfeilspitzen zu Grunde gelegen hat
Zu einem Vergleich laden endlich die Paalstav-Lanzenspitzen ein, jene breit-
schneidigen Instrumente, welche mit kleinen Aexten Aeholichkeit haben, aber nicht
immer als Aexte an knieförmigen Hölzern, sondern mitunter unleugbar auch an
geraden Lanzeuschäften befestigt gewesen sind.
($64)
(24) Hr Vircliow feigt
Alterthumer aus Coloraifo, ATI- ititd Neu-Mexioa.
(Hierzu Tufel VI .
Hr Dr. Gtistav Briiiil in CiaciDnati, dessea zuvorkommender Freuodlichkeh
leb schon eine Reibe der interessantesten ZusendiiDgen verdanke, bat kOrxlich eine
Heise durch Colorado, Neu- und Ah- Mexico gemacht und auf derselben zahlreiche
Alterthumer gesammelt, von de neu er mir eine Anzahl von Probea bat zugehen
UaaeQ. Du er im näcbsteo Winter Yucatan und Söd-Mexico zu besuchen gedeokt,
80 glaube ich am besten seinen Intentionen zu entsprecben, wenn ich schon jetzl
durch die Vorlage seiner Proben auf die Ergebnisse der neuen Reise vorbereite.
Die übersandten Gegenstände verlheileo sich auf folgende Orte:
K San Juan de Teotibuaean, 50 km NO von Mexico« £& ist diea jene be-
rühmte „Stadt der Gotter", deren Ruinen noch jetzt einen sehr grossen Raum er-
fallen nnd von der die Pyramiden des Mondes und der Sonne, die Citadelle und
die Gräberstrasse in mäcbtigeD Anlagen erhalten sind*). Hr. Brühl berichtet
speciell über eine hübsche Vase, die er von da mitbrachte (Taf, VI, Fig. 1). Er
schreibt darüber:
^öie wurde auf der Westsrite des Ruinenfeldes in einer kleinen Grotte gefun-
den, die zu einer niedrigen Pyramide fuhrt and in welcher noch ein etwa 4* hoher
Altarstein aus ßasüllporpbyr mit einem Sonoeubilde (aber ohne herausbängeDde
Zunge) auf der Vorderseite prangt, ^- das einzige wohlerhaltene Bildwerk, was ich
auf der weiten Trümmerstätte entdecken koantc. Die Vase besteht aus zwei Thei-
len, dem eigentlichen Gefass, bei e beginnend, und dem Deckel Ton a bis ü
Die Höhe derselben incl. Decke) ist 18 engl. Zoll, die Hohe von a bis b (den
Füssen der Figur) 5Vi*j *Jer Umfang bei c - 13*\ bei g = 21'. Das Gefass hat
3 nicht verzierte Füsse; bei ff ist es mit II und bei hh mit 6 Köpfen im Umfang
verziert Es hat einen metallischen Klang tind bei c und e einen eigen thümlichen
Glanz, so dass ich glaubte, es sei aus Serpentin gescbnitteo, eine geringe Läsion
bei m aber hat mich ü tierzeugt, dass es aus hellrothem Tbon gebacken ist; doch
ist ihm eine blimUch aschgraue Färbung gegeben» **
Ausserdem finden sich in der Sendung zahlreiche Topfscberben^ ObBidian-
stücke und Idole^ wie Hr Brühl sagt, ^von den Pyramiden*', Was die ersteren
betrifft, so sind es durchweg aus freier Hand geformte, stark gebrannte^ zum Theil
recht dickwandige Gefassscb erben, welche sich durch Schwere, geglättete Oberflficheii
und grobes, nicht besonders mit Gesteinsbrocken gemengtes Material auszelchneo.
Eines ist ein Henkelstück. An zweien, welche durch Dichtigkeit des Thones^ Dicke
und Schwere besonders bemerk enswerth sind, siebt mau Zonen von glänzend bniunem
Atisseben^ welche offenbar durch Auftragurig einer Farbe hervorgebracht sind; an
einem derselben sind die braunen Bänder mit eingeritzten Linien eingefasst^ [m
Debrigen scheint die Glättung der Oberfläche durch Reibung hervorgebracht zu
sein, denn man erkennt deutlich breitere Züge, welche etwas vertieft liegen, der
Richtung der Polirstriche en (Sprech end.
Ausserdem sind ein Paar kleine Thonschälchen vorhanden, von denen die eine
wie eine geoflbete Blume mit 4 Blättern und erhöhtem Fruchtboden gestaltet ist,
sowie ein abgebrochenes Zierstück, platt, mit einer Federkrone besetzt, mit schwar-
zen Strichen auf rotb und weissem Gründe,
I
I
I
I
1) Hubert Howe Baucroft: The native racea uf the Pacific State* of North Atuenc«.'
Leipiig, 1875. Vol. IV. p, 529. G. MendojEu: Las Piratuidei de Teotihuacan, Analem del
Museo nacional de Mezico. 1878, T. L Hotrega 4. p. 186.
(365;)
Der Obsidian gehört grossen theiJs der ganz dtircfadchtigi^n. glasartig homo-
genen, an dünoen Stellen gruDÜch braun erscheioeDdeu Varietät ao; nur ein Stuck
hat eiü mtttes, uodurchsiclitiges Aysseheu, Da die Minen des Cerrr» de las
Navajas, aus (lenen die altou Mexikaoer den Obsidian genommen haben sollen*),
nicht weit entfernt sind, so erklärt sich der von allen Besuchern hervorgehobene
Reichthura des Ruiueofeldes an stdchen Stücken. Die liberaendeteu sind sämratlich
geschlagen, jedoch der Mehrzahl nach ohne charakteristische Form. Das beste
Stück ist eine nahezu vollendete Laüssenspitze (Fig. 2) von 47 mm Länge und
32 mm Basal breite, am vorderen Ende zugespitzt, an den Rändern und zum Theil
auf der Flache durch kleine Absprengnngßflächen zugerichtet und am hinteren Ende
mit einer Andeutung eines Stiele* versehen. Ein kleines Stück hat mehr die Ge-
stalt eines Schabers. Ein grösseres hat eine grosse ebene Grundfläche, während an
der anderen Seite zwei grossere und eine kleinere Fläche ihm ein eckiges Aus-
sehen geben.
An kleinen Idolen aus Thon hat Teotihuacan bekanntlich einen grossen
Heichthum und schon lange wird darüber geklagt, dass die Bewohner der Gegend
eine besondere Indnatrie in Nachbildung derselben entfalten. Von den vorliegen-
den zeigen viele so deutliche Spuren alter Verletzung, dass an ihrer Originalität
wohl nicht zu zweifeln ist* Der Thon ist durchweg fein, äusserlich glatt und grau-
roth gebrannt. Die Mehrzahl stellt menschliche Relief-Köpfe mit platter
Hinterfläche dar, jedoch lassen sie sich leicht in mehrere Gruppen t heilen. Einige
stellen offenbar Gotter vor; sie tragen reich verzierten Kopfputz. Eines gleicht in
hohem Maasse dem Kopfe der in Fig. 1 al>gebildeten Vase. Ein anderes erinnert
an die altagjptische Götlerfigur Seth. — Die einfacheren, durchweg mit ganz glatter
Kopfschwarte dargestellten Kopfe unterscheiden sich dadurch, dass in der einen
Ähtheilung der Kopf gerundet, zuweilen auch hinten ganz ausgeführt ist, (Taf. VI,
Fig. 3), während in der anderen die Stirn ganz breit abgeplattet, erhöht und zu-
gleich von der Mitte des oberen Randes aus eingebogen ist (Tuf, V^I, Fig. 4). Ge-
wiss liegt es nahe, hier an jene deformirten Schädel zu denken, wie sie schon
Gosse (Bssai sur les deformations artificielles du craue, Fl. 1, Fig. 4a) von der Insel
Sacrificios nahe bei Veracruz unter deno Nameo der „dreilappigen*' beschrieben
hat. Nicht zu verwechseln damit sind übrigens gewisse Köpfe, \% eiche jederseit«
tiber der Schläfe neben der Stirn eine Art von Haarrolle oder Wulst tragen; diese
hat Hr, Mendoza (Anales del Mus. nacion. de Mexico. T. I. Entr. 2. p. 91) auf
japanische Verwandtschaften zurückführen wollen. Die eigentliche Gesichtsbil-
dung ist gleichfalls sehr wechselnd. Im Ganzen dominirt ein langes Gesicht mit
starker, langer^ wenig vortretender Nase und breitem, jedoch gleichfalls wenig vor-
tretendem Munde. Seltener ist die Nase kurz und mehr gekrümmt, dagegen die
Lippen stark vortretend. Ein paar Mal wird die Prognathie äusserst stark, fast
negerarfclg, und in einem Ftdle gewinnt das Gesicht durch die Vorschiebung der
Kiefer ein geradezu affenartiges Anaehen; dieses Köpfchen hat eine gewisse
Aehnlichkeit mit einem Steinkopfe aus einer Höhle von Haiti, den ich durch Dr*
Bansen erhielt (Sitzung vom 14. März 1874. Verh. S. 7t)), einigermaassen auch mit
den Thonidoleu von Puerto Rico (Sitzung vom 13, Januar 1872. Verh. S, 44.
Taf. IV), — Einer der Köpfe macht den Eindruck, als habe ein Todtenkopf dar-
gestellt werden sollen: man sieht an dem erträglich modellirten Gesicht nur drei
ganz grosse rundliche Löcher an Stelle dar Augenhöhlen und des Mundes.
1) Bancroft 1. c. p, 544. Charles Rau: Articles on anthro|)olngku] subjects. Waühiogton.
1882, p. 97 .
'S»:
s 'ii!w&Ki. Er jtififttLC axK aMÜscen «üffr Hiiscuucxä- Alf ä/inai
i, Ckoiila. !*> *a^ M. W, v» FiAOta ie ä» Au^ueft. wo «sc -ier Z«r-
B^mcT^fl'j ipeU aa, 'law iks aar $ «jHwniRijbi« bekaasc «eün. v«kk« m^ Ibt-
eeUaAMQt retici bex^aetm^ v«rd« k^Ksteo. Um «o »ekr äs €» v«l I&un Mf.
4bfft c» Hrn. Brakl i^eh&ic^i üt. ivxii eis ffeS «ax^R^^ite» T!k»«»£i» aofi»-
iBdm. Er imass «» «is« OpCerfate ssui giecc as. liaE» 4r se im öx^iea G^bcxk
der ScfcMfetes« £u<s, we-di« di« zsst«zse T^ama^ der Pjnmid-» i£ Äer Ncrögextie
■it der bober geleipeaea der ygrAoimdke rerbcadet. GeflA»*r besekks«! ist es ein
tiegelmrtii^er Dreifai» olme Hemkei, aas rockea, sark e^önnstes Umm. ziem-
fidb n»li aas freier Hand gefems. IHe 3 Fasse SEod ia Gaozea koossck. 45 ■■
kog aad kniftig: die daraber iteheiid^ Sckale ka< timt MoBdosg toa £ut 14 em
Weite aod eine tiefe AnthdUoa^ ¥o& 5 ob Hohe. IHe Obexfid^ bat kicr vod
da etwa* Glaax. enekeins jedoch ia GrosAen matt and anebec l}ti Rand ist ein-
IkIi, geroadet, hie oad da etwas käg«!^. aof der inneren Seite roa einer nicht
pML eoatinoirliehen, eingehtxten Linie begleitet. Der cröwte TheiJ der inneren
Oberfi^e ist stark geschwärzt dnrch Kohle ond am Bnden za nngefahr ^ ,
seines üin£sttges bedeckt ssit einer anklebenden Schicht Ton naher Obcriachey
brocfaiger Beschaffenheit and schwärzlicheiB Aassehen. Stöcke daTon, anf brennende
^l^^^Me gelegt, entzünden sich sehr leicht ond brennen ganz langsam anter Aoa-
sendang eines reichlichen, aromatisch riechenden Rauches. Es ist also offenbar eine
halb Terkohlte harzige Substanz, eine Art Weihraoch. ond man wird an der
Deotong, dass wir eine alte Opferschale vor ans haben, nicht zweifeln können.
Die Sendong enthält aosserdem noch ein halbes Dotzend Scherben too Thoo-
gewissen, welche allem Anschein nach fast simmtlicb schalenförmig waren. Das
grosste Stock stellt angefahr den dritten Theil einer glänzend schwarzen, ganz ein-
gehen Schale dar; da sowohl der Rand, als ein Theil des flachen Bodens Torhan-
den ist, so kann ober die Form kein Zweifel sein. Die Höbe beträgt angefahr
4,5 cmi der obere Umfang hat einen Darchmes^r Ton 16 em gehabt. Die Seiten
sind stark aasgewölbt — Ein zweites Brnchstück tod sehr ähnlicher Form ist glän-
zend brann. Ein dritres, mehr bräanlich graues gehört zu einer kleinen Schale mit
flachem Boden und eingebogener Seitenwand.
Einige der Stücke machen auf den ersten Anblick den Eindruck, als trügen
sie Linien Tom Drehen auf der Scheibe, indess scheint es mir bei genauerer Prü-
fung, dass sie sänjoitlicL aus freier Hand geformt sind. Das Material, aas
dem sie hergestellt wurden, dürfte feiner, vielleicht geschlämmter Tbon gewesen
sein. Derselbe ist nur ao eioigeo rotb gebrannt; bei anderen ist offenbar das in-
dische Verfahren angewendet, dass sie im Russ schwach gebrannt und dann
nacbfräglich polirt worden sind. Die Glättstreifen sind ganz deutlich und die Farbe
nüancirt, wie erwähnt, zwischen Bräunlichgrau, Röthlichbraun und Schwarz, wie bei
dem türkischen und ägyptischen Thongerätb. Ein Paar ganz kleine Scherben sind
X) Bancroft I.e. p. 476.
(367)
mit einer Art Firniss beBtrlcben uad gaoz glänzend gebraont: eines auf beiden
Seiten hocfaroth, dass andere aussen schwarz, innen mnUgrau. Ornamente, weder
gemalte, noch geritzte oder erhabene, sind an keinem der Stucke sichtbar.
Endlich sind noch einige dicke Stucke von grobem Mörtel oder Cement, zum
Tbeil jedenfalls Wan d beklei du ng, da. Zwei davon haben eine glatte und eine
rauhe SSeite* Die erstere ist an dem einen mit einer weissen Kalkfarbe, an der
anderen mit einer hräunlichrotheo Farbe öbersEogen; an letJterer sieht man noch
die Pinselstriche. Der Mörtel selbst ist leicht, weisslichgrau, porös und sehr
fest, Mögiicherweise ist bei der Herstellung vulkanisches Material verwendet, wie
es Evans für die Anfertigung der Luftziegel (adobes), aus denen die Pyramide er-
richtet ist, behauptet Hr. Brühl giebt an, dass sowohl die Cementstucke, als die
ThoHBcherben von den Terrassen der Pyramide herstammen, deren Boden damit
bedeckt sei. Ich mochte dabei erwähnen, dass nach dem Zeugnisse von Torque-
mada und nach neueren Untersuchungen, die Hr. Mendoza (An. del Mus. Mex. T.
1. Entr. 4. p. 188) uiittheilt, di« Wände in Teotihuacan aussen und innen mit ganz
vorzüglichem, an der Oberfläche polirtem Stuck ausgelegt und mit weisser oder
brauner Farbe getüncht waren. Von Cbolula ist mir keine ähnliche Nachricht be-
kanot; nach den vorliegenden Proben durfte aber wohl angenommen werden, dass
derselbe ß rauch dort gleichfalls stattfand.
3. Aus den Cerillos nahe Santa Fe in Neu-Mexico hat Hr. Brühl der
Sendung einige Steinsacben beigefügt, die er im Pueblo von San Domingo erhielt
Barunter ist gleichfalls ein Stück geschlagener Obsidian von glasiger Beschaffenheit
und mehrere jener hellgrünen Steine, welche als Chalchihuitl bezeichnet werden.
Sie sind säramtlich bearbeitet, jedoch nur zwei derselben haben eine bestimm le
Form. Das eine ist ein ungemein zierüches Miniatur-Flach beil (Taf. Vl^ Fig. 5)
von genau derselben Form^ wie sie die kleinsten Nepbrit-Beilchen darbieten: vom
zu einer fast geraden, scharfen Schneide, hinten zu einer stumpfen Spitze zuge-
schUflfeu. Es misst 20 mm in der Länge, vorn 15 mm in der Breite, 3 mm in
der grossten Dicke. Die Zuscbarfung hat nur von der einen Ftäche her statt-
gefunden. Alle übrigen Flächen sind glatt polirt, die Seitenränder gerundet. Die
Farbe ist prächtig hellgrün, stelienweis weisslichj mit kleLnet), eckigen, braunen
Einsprengungen; auch die dünnen Stellen sind undurchsichtig. — Das zweite Stück
ist eine runde, etwas dicke Scheibe von der Grosse eines 60 Pfennigstückes, Hr.
"Websky bestimmte dus Material als Callait, dessen Vorkommen in jener Gegend
bekannt sei und der in zugeschnittenen, eckigen Stücken in den Handel komme.
Darnach ist anzunehmen, dass die übrigen, durchweg unregelmässigen Stücke,
wenn sie überhaupt alt sind, als Rohmaterial zu betrachten sind.
4. Aus einer Pueblo*Ruine amRioZuÖi, 6 leguas von dem heutigen Pueblo»
sowie aus einem Stein hause an den Quellen des Rio Puerco del Este, einem
Nebenflusse des Rio Grande in Colorado, eine Reihe höchst interessanter Scherben,
von welchen ein Theil ganz übereinstimmt mit den Scherben von Arizona, welche
Hr. Senaper (Sitzung vom 21. December 1878, Verb. S. 418) der Gesellschaft schenkte
und welche seitdem in den Besitz des Königlichen Musen ms übergegangen sind.
Abbildungen solcher Scherbec finden sich bei Bancroft (!. c. p. 661 und 680),
eine Besprechung bei Rau (1. c. p. 56). Ueber die meinigen bemerke ich, dass sie
gleichfalls in zwei luitegorien zerfallen und zwar nach der äusseren Behandlung,
denn in der Form scheinen sie sämmtlich auf schalen- oder kugelförmige Ge-
fasse hinzuweisen. Henkel sind nicht darunter. Ich unterscheide
a) schwarze Bcherbea von matter oder höchstens schwach glänzender
Oberfläche und korbgeflechtähnlichem Aussehen (Taf. VI, Fig. 6 — 1),
(368)
Sie sind sehr hart, kliogeod, seh wach gebranat und aus sehr dichtem Material.
Manche haben eioe mehr graue Farbe, jedoch dürften sie länger an der Luft ge-
legen hüben. Die meiateo habeo eine gleichkam geschuppte Austenfläche, indem
dicht aneinander horizontale Reihen kleiner, unregelmäasig dreieckiger Hocker, ge-
trennt durch gleichfalls dreieckige Gruben, das Geisse umziehen. Bancroft nennt
das raised or indented iSgures. Bei den besten Stiicken liegen die Höcker und
Grübchen so regeJtuässig, dass sie bei jeder Stellung der Scherben geradlinige
Reihen bilde», bald horizontale, bald schräge und zwar sowohl von rechts oben
nach links unten, als auch von links oben nach rechts unten verlaufende. Es
läsat sieh nicht wohl denken, dags eine solche Hegelmäflsigkeit durch freie Hand-
arbeit erzielt werden konnte; auch ist nicht zn erkennen, mit was für einem In-
strumente das erzeugt sein sollte. Es scheint mir daher buchst wahrscheinlich,
dass die Topfe in Korben, welche ans Holz geflochten waren, hergestellt wurden,
wie es Hartt vor längerer Zeit von atuerikaniöchen Eingebornen beschrieben hat.
Die geringeren Stücke zeigen eine grossere Unregelmässigkeit; die einzelnen Hori-
zontalstreifen sind ungleich breit und dicht. An mehreren werden auch die Grübchen
flacher und undeutlicher und an einzelnen sieht man fast nur quere, sehr uuregel-
massig breite Bänder, welche durch schwach wellige Rinnen von einander getrennt
sind. Diese Stücke t^ehen auf den ersten Anblick uus. als wären sie nur horizontal
geritzt» aber bei genauester Betrachtung erkennt man doch auch an ihnen seichte
Vertiefungen, den Grübchen (Indentationcn) entsprechend,
b) gemalte Scherben (Tat VI, Fig, 8), Es sind diess ausserordentlich
schöne und feine Leistungen der Topferei, wie wir sie eigentlich nur aus den klaa-
sischen Landern der alten Welt kenneo. Im Allgemeinen dominirt eine schon
rothe, glänzende Grundfarbe, so saftig und vollkommen, als hätte man samische
Waare oder Terra sigillata vor sich. Auf diesem rothen Untergründe sind glän-
zend schwarze Zeichnungen angebracht, meist in Form von Linien und breiteren
Streifen, doch auch in mehr zusammengesetzten, geometrischen Figuren, Besonders
schon ist ein treppenformiges Ornament, das uns schon von mexikanischen und
peruanischen Thongefissen langer bekannt ist. An einem, leider sehr kleineo
Scherben tritt eine feusterartige Zeichnung hervor. Stets ist auch die innere Seite
glänzend und gefärbt, ja die Ornamente finden sich sogar vorwiegend auf der
Innenseite, woraus hervorzugehen scheint, dass es flache Schalen waren, die man
so verzierte. Bancroft spricht nur von Roth und Schwarz, iodess meine Samm-
lung enthält auch noch eine andere Variation, nehmlich grnu braune Zeich-
nungen auf weissitch- oder gelblichgrauem Grunde, — eine Zusammen-
stellung, wodurch sieh diese Thonornamentik der archaisch-klassischen der alten
Welt noch mehr nähert. Ein Scherhenstuck hat sogar aussen breite, braune Bao-
der und Flecke auf hellem, gelblichgrauem Grunde und innen breite schwarze Ho*
rizontaL und Vertikalstreifen auf rothero Grunde. Am meisten ausgezeichnet ist
aber ein stärker gerundetes, grosseres Scherbenstück vom Kio^Zufii, welches aussen
und innen weisslichgraue Grundfarbe zeigt und darauf auf^sen eine sehr zusammen-
gesetzte, dunkelgmubraune Zeichnung hat (Tat Vl^ Fig. 9). Die sehr gross an-'
gelegte Zeichnung ist leider nicht genau zu erkennen. Wie es scheint, bildeten
breite Müanderxüge die Grondfiguren, die abwechselnd gefüllt und bloss schräg ge-
8trithelt^sind,_j während in weiterer Umgebung sich neue Strichzonen und als Ab-,
schlues nacl* unten oder oben wieder ein breiter voller Strich anschliessend — Eod*!
lieh ist noch ein eioKelnes Stück zu erwähnen, welches ganz einfarbig, innen und
aussen röthlichbraun und glänzend ist.
Ausdrücklich bemerke ich, dass der Glanz dieser Pueblo-Scherben toq dem der
(369)
aJt-mexikaoiBchcn ganz verscliiedeii ist. Bei den PueblcnScherbeii überzieht ein
gleichrnässig glänzender Lack, um so zu sagen, die ganze Oberfläche, währeod von
einer besonderen Politur üiclit eine Spur zu bemerken ißt, wie sie regelmässig an
den altmexikjiniechen Stiicken erkennbar ist Dagegen ist auch an den Pueblo-Scher-
heu von df^r Herstellung der Gefässe auf der DrehBcbeihe kein Anzeichen vorhaoden,
Alles maf'ht den Eindruck reiner Handarbeit,
5. Mit diPSfiu atten Sachen ist zugleich eine Anzahl von kleineo Flachbrödchen
aus dem Pueblo Zuui mitgekommeuj die von der Frau des zweiten Kaziken ge-
backen sind. Es sind ganz feine, runde Scbeibchen, wahrscheinlich aus Maismehl.
0. Endlieh hat Hr Brühl noch einige „Korbchen'* (baskets) der Moqui-In-
dianer beigefilgt, genau genommen, schwach vertiefte, geflochtene Teuer von sehr
verschiede nartif^ftr Grosse. Es sind derbe, haltbare Gerathe^ die zugleich durch
die EinSchiebung gefärbter Abschnitte ein recht gefülliges Aussehen darbieten.
Manche sind zum VerweclreelD den geflochtenen Tellern aus dem Sudan ähnlich.
Die Sendung ist demnach in verschiedener Beziehung »ehr lehrreich und ich
bin Hrn. Brühl in hohem Maasse dankbar für die ganz uq erwartete Gabe. Hoffent-
lich wird ihm diese Darstellung zeigen, wie gross uns^r Vergnügen sein wird, wenn
er auch auf seiner neuen Heise unserer gedenken will.
(25) Hr, Virchow berichtet über
die Excurslon nach Tang ermünde.
Am Sonntag, '24. Juni, begab sich verabredetermaassen eine Anzahl von Mit-
gliedern der Gesellschaft zur Untersuchung der in der Sitzung vom 10. Februar
(Verh. S. 150) erorterteD Gräber nach Tangermünde. Freundliches Wetter be-
günstigte die ExcursioD, die sich wegen des herzlichen Empfanges, der 8chriDheit
der Landschaft und der herrlichen Architektur der alten Stadt zu einer eebr ge*
Qiiissreichen gestaltete.
Tangermünde liegt gegenwartig etwas ausserhalb der Verkehrswege, Keine
Eisenbahn berührt es un mittel bar; nur, wenn man sich auf der Lehrter Bahn der
Elbe nähert, erblickt man in der Ferne seine Thürme und Mauern auf der vor-
ragenden Uferecke des linken Eibufers. So ist es neuerlich ein in grosseren
Kreisen fast unbekannter Ort geworden. Vor einem halben Jahrtausend war es
anders. Damals hatte Kaiser Carl IV hier seine Residenz aufgeschlagen und grosse
Bauten aufführen lassen. Nachher hielt der erste Hohen zoller in Tanger münde
Hof; zwei seiner Söhne, die beiden nachfolgenden Kurfürsten, wurden hier ge-
boren. Aber auch* schon unter den Askaniern war es ein wichtiger Waffenplatz,
denn vermöge seiner ungewöhnlich geschützten Lage beherrscht es die erste be-
queme Elbfuhrt unterhalb Magdeburg, Hierher führten die Strassen von Sten-
dal, Salzwedel und Gardelegen und von hier ging der alte Weg einerseits nach
Rathenow, andererseits über Kloster .lerichow auf Brandenburg. Wahrscheinlich
war der Platz auch in noch früherer Zeit bewohnt und befestigt, indess sind sla-
vische Reste bis jetzt nicht gefunden worden.
Die ganze Anlage der Stadt, wie sie jetzt erscheint, ist deutsch. Aber sie hat
für uns Nordländer manches Ueberraschende. Das liegt namentlich in der grossen
Zahl noch erhaltener alter Bauten, ja, mao kann fast sagen, in der Bewahrung aller
charakteristi^schen Eigenthümlichkeiten der mittelalterlichen Stadt innerhalb ihrer
noch grossentheils stehenden Mauern« Wenn man unten auf der Buschwiese
zwischen Elbe und Tanger steht und zu der mauerumgürteten Stadt mit ihren Kir-
chen und Thoren emporblickt, so meint man ein Bild aus fernen Zeiten und fernen
Landen vor sich zu sehen. Die vortrefflichen Illustrationen des Malers Hrn> Die-
VerhAüdl. d«r ß«rL AatbropoL Quelltcli&ft 1809. 24
(370)
trichs iü den vod ihm und Hrn. Ludolf Parisius herausgegebenen „Bikiern
aus der Ältiiiurk^ (Hamburg 1883) werden auch denen, welche nicht nn der Excur-
sion theiloahmen, ein anschauliebes Bild davon gewähren. Wir, die wir uns, ausser
der freundlicheü Leitung der stadliechen Autoritäten, auch der Änwesenbeit der
beiden genunüten Herren zu erfreuen hatten, konnten alle diese P^rinnerungen mit
vollem Verständnisse in uns aurnebmen. Ich muss hier um äo mehr auf das er-
wähnte Prachtwerk verweisen, als der grosste Theil der Bauten das Gebiet unserer
Gesellschaft nicht berührt. Aber eines muss ich doch hervorheben. Die alte
Kaiserpfalz auf ihrer weithin beherrschenden Hohe ober der Elbe ist im dreissig-
jährigeo Kriege grossenthejls zerstört worden; nur ein mächtiger Bergfried und
einzelne Reste von Gebäoden stehen noch aufrecht, aber am Fusse der Oferecke
nagen die Wasser der Elbe und wenn nicht schnell Einhalt geschieht, werden bald
grosse Abstürze erfolgen und von den Fluthen davon getragen werden.
Von dem Architektonischen, das uns fremdartig erschien« will ich nur zweierlei
erwähnen. Zunächst an der Stephanskirche, welche im Üebrigen dem Backstein bau
des 14, und 15. Jahrhunderts angehört, sieht man, namentlich über den Portalen,
höchst aierliche durchbrochene Gitterj gleichfalls &u^ Backsteinen {Dietrichs u,
Parisius a. a. 0. ßd. I 8. 16), welche iu hohem Maasse an orientalische (persische^
arabische, byzantinische) Bauornamente erinnern. In dieser Kirche befindet sich
auch das alte Schnitz werk der ^Jungfer Lorenzen"- (ebt-ndas, S. 19), welches viel*
leicht an uralte Sagenkreise anknüpft. — Sodann fiel mir ganz besonders auf das
Mauerwerk an dem Unken Thurm des Neustädter Thores (ebendas, S. 49). Ob-
wohl derselbe erst im Ifj, Jahrhundert erbaut sein soll, bo rief mir doch die eigeo*
thümliche Abwechselung von Backsteinen, welche in verschiedenartiger Richtung '
und Färbung, oben in Zickzacklinien, unten in schrägen Parallellinien angeordnet,
das gewöhnliche Mauerwerk unterbrecheD und in buntester Weise verzieren, den
Aufbau der alten grusinischen Thürme^ welche man im Thal der Aragwa im süd-
lichen Kaukasus sieht, lebhaft in das Gedächtuiss,
Dnser eigentliches Tagewerk zertheille sich in zwei Aufgaben: einmal die Erfor-
schung der vorgeschichtlichen Gräber, zum anderen die Musterung einer Sammlung
localer Alterthümer, weh he in dem alten, prächtig restaurirten Ruth hause zu unserer
Belehrung aufgestellt war. Ich werde Beide», soweit es die Prahistorie betrifft, kur«
zusammenfassen, indem ich schon hier alten denen, welche sich an diesen Vorberei-
tungen betheiligt hatten, vornehm lieh dem Herrn Burgermeister und Herrn Apo-
theker Hart wich, unaera besten Dank ausspreche.
Der Weg zu den Gräbern führte uns südlich von der Stadt zu eiuMm Plateau,
welches sich von der Stadt iku» längs des Taugerflusses, in geringer Entfernung von
der Elbe» ganz allmählich senkt. Die erste Stelle, welche uns interessirte, war
der Platz, wo der in der Siizung vom Jü. Februar von mir genauer beschriebene
Schädel gelegen hatte. Soweit sieh bis jetzt übersehen lasst, hat dieser Platz mit
dem demnächst zu erwähnenden Gräberfelde nichts zu thun. Die Entfernung zwischen
beiden betragt fast '^ Stunde; ausserdem sind beide durch einen tiefen Terrain-
eiuschnitt von einander getrennt Hr. Hart wich hat mir kürzlich mitgetheilt, dasa
er dort viele Scherben, eine halbe Urne, durchgeschlagene Feuerstein knollen ge-
funden habe, aber die Scherben zeigten einen wesentlich anderen Charakter, al«
die von dem folgenden Leichenfelde; sie seien ziemlich grob, mit grossen, kräftiget]
Henkeln, äusserst selten verziert. Immerhin ist bis jetzt über diese Stelle, nament-
lich über die Beigaben, so wenig bekannt, dasa es eingehender Untersuchungen
bedürfen wird, um das Alter der Leiche festzustellen. 7^ur genaueren Bestimmung
(371)
6ps Ortes will ich uur biBzufügen^ dass die Stelle hart am Abhänge gegeo den
Tanger, links von dexu auB der Stadt fiih runden Wegt^, gelegen ist.
unsere Aufmerksamkeit war am meisten auf die zweite, etwas weiterhin rechts
vom Wege bei der dort errrichteten Ziegelei gelegene GmbereteHe gerichtet, Ober
wek'lie Hr. Hol 1 mann in der Februar-Sitzung berichtet hat. Soviel man damals ur-
kheilen konnte, glaubten wir dieses Feld der j üngcren Steinzeit zuschreiben zu
müssen. Leider waren die Ausgrabungen^ welche wir vornahmen, ganz ergebniss-
los. Da irgend welche äusseren Anzeichen von Gräbern nicht vorhanden sind, ine-
besondere Erd- oder Steinaufschüttungen g.inzlich fehlen, so konnte nur auf Gerathe-
wohl gegraben werden, und das C41uck wollte uns eben nicht wobL Wir fanden
gajT nicht*«. Was zur Bestimmung des Gräberfeldes dienen konnle, waren nur die
früheren Fundstücke, welche wir im RathhHUsie sahen. Dieselben sind in den Be-
sitz des Hrn. v. Alvensleben zu Calbe a. d« Milde übergegangen, welcher die Freund-
lichkeit gehabt hatte, sie zur Ansicht herzuschaffen. Wir sahen ein schon ge-
flcbliflfenea Feuerst ein bei l von etwa 14,5 cm Länge, an der flach gewölbten
Sühneide fast 5 cm, um stumpfen Ende 3 cm breit, sowie 3 sehr interessante, kleine,
dünkelgrane Thongefasse von sehr charakteristischer Form und Verziernng: eine
flache Schal ej einen Henkel topf mit weiter Mündung und einen etwas höherenj fast
umgekehrt kegelförmigen Topf. Sowohl die erstere, als der letztere, besitzen breite,
vorstehende Knöpfe oder Oebre, welche senkrecht durchbohrt, also zum Auf*
hängen bestimmt sind. Die sehr mannichfaltig und reich in geraden und gebogenen
Linien augeordneten Verzieiungen sind tief eingedrückt und bestehen aus kurzen
Giiedern des sogenannten Sparrennrnameo tes. Ich behalte mir eine genauere
Besprechung dieser sehr alten Gerathe für eine andere Gelegenheit vor, will aber
schon hier bemerken, dass sie dem neolithischen Typus völlig entsprechen.
Seit unserem Besuche sind mir aowobl durch Hrn. Maler Dietrichs^ aEs durch
Hrn. Apotheker Hartwicb weitere Funde zugegangen, welche von diesem Gräber-
felde stammen. Da jedoch die Untersuchung noch nicht abgeschlossen ist, so er-
scheint es mir richtiger^ ihrer für diesmal nur ganz kurz Erwähnung zu thuii.
Sehr viel glücklicher waren wir an einer noch etwa '/^ Stunde weiter entfernten
Stelle, wo vor Kurzem auf dem seit laoger Zeit beackerten und ganz geebneten
Blachfelde und zwar auf dem Schröder 'sehen Acker gleichfalls Graber entdeckt
worden waren. Die Stelle liegt links von einem, mehr südwestlich verlaufenden
Feldwege. Hier genügte eine kurze und flache Grabung, um uns auf mehrere, in
geringen Enfernungen von einander stehende Urnen mit Leichenbraud zu
führen. Sie standen, kaum */, m tief, in dem ziemlich lockeren Erdreich, von
platten Steinen bedeckt und von einzelnen unregelmässigen GerriiJateinen umgeben,
welche man jedoch kaum Steinkisten nennen konnte. Einzelne waren fast ganz
zerdrückt, andere dagegen nahezu ganz erhalten. Zweifellos hatten wir hier eines
jener Drnenfelder vor uns, die noch Oaniiei] Wendenkirchhöfe nannte, von denen
ich jedoch an zahlreichen Orten der Mark und Lausitz, Pommerns und Foseas ge-
zeigt habe, daes sie einer weit älteren Zeit angehören*
In der Tliat lehrte die weitere Untersuchung alsbald, dass unzweifelhafte Ana-
logien mit Urnen fehlem diessc^its der Elbe vorhanden sind und dass derselbe Cultur-
strom, dessen Wirkungen wir in unserer Nähe so oft begegnen, in dieser Gegend
den Eibstrom überschritten hat. In welcher Richtung, das wird sich erst genau
übersehen lassen, wenn weitere Untersuchungen in der Altmurk stattgefunden haben;
ich scheue mich jedoch schon jetzt nicht, die Vermuthung auszusprechen, dass die
Richtung eine ostwestliche war.
Die von uns auf>gegrabenen Todtentöpfe hatten das Gemeinsame, dass eine
24'
l
(372)
umgekebrte grössere ThoDSchale als Deckel über dieselben gestülpt war. Ob-
wohl wir keinen Deckel unversehrt zu Tage gefordert haben, so liessen sich doch
ein Paar so weit restauriren, dass man ein deutliches Bild ihrer Form gewinoeo
konnte. Es sind ganz einfache, in keiner Weise ornameotirte Schalen oder Nupfe^J
wie eie wohl sonst als SpeiseDäpfe beuutzt sein inögeo, mit engem, etwas einge- ,
drücktet» Boden, weiter Auslage des Bauches und einfachem, etwas eingebogeDeni
Rande, Die eine ist 7 cm hoch, an der Mündiiog 17,5, am Boden 5 cm im Durch*
messer; eine andere 8,5 t-m hoch, an der Mönduag 24,5, am Boden 9 an weit. Die
Oberfläche ist glatt, fast gläozeiid, jedoch nicht ganz gl eich massig, die Farbe grau-
braun oder ßchwärzlichgrau. Eine hat einen Henkel oder vielmehr einen knöpf*
formigen Vorspruug am Rande, der mit einer ganz feinen, horizontalen Oeffnung
versehen ist.
Die Todtentöpfe selbst sind sowohl in der Grosse, als in der Ausstattung
etwas verschieden. Im Ganzen sind sie ziemlich atarkwandig, aus dichtem, mit
aeharf kantigen Gesteinsbrocken durcbknetetem Thon, an der Ob^^rflache, wie es
scheint, durch Abstreichen mit einer Flüssigkeit geglättet, stellenweise sogar leicht
glänzend, jedoch nirgends polirt. Sie sind sämmth-ch aus freier Hand geformt
und so gehwach gebrannt, dass die Wände auf dem Bruch innen schwarzgrau aus-
sehen, Sie besitzen Henkel oder doch henkelartige Ansätze. Ihre Farbe ist über-
wiegend eine gelblichgraue. Die grösseren haben eine mehr hohe, längliche Ge-
stalt mit massiger Auslage des Bauches und kurzem aufgerichtetem Halse, dessen
Bildung jedoch nicht genau angegeben werden kann, da er nur an einem einzigen
(Nr. 2) nicht abgebröckelt ist Die Art der Verzierung wird sich am besten aoa
einer Beschreibung der einzelneOj von uns gefundenen Stücke ergeben.
Der lohaU bestand fast ausschliesslich aus calcicirten, durch starkes Breoneo
gebleichten und nachträglich durch Zerklopfen zerkleiaerten Menschen knocben.
Sonstige Beigaben waren sehr spärlich. lodess gelaug es mir, aus einer, freilich
sehr zerdrückten Örue (Nr. 1) alsbald sowohl Bronze, als Eisen zu gewinnen.
Ueber die allgemeine Zeitstellung, frühere Eisenzeit, wird kaum ein Zweifel
sein können.
Wir fanden folgende 4 Urnen:
1. Das von mir untersuchte Grab enthielt unter einem platten Deckstein einen
zerdrückten Deckel und eine gleichfalls zerdrückte Urne (Bolzschnilt 1). Bei aller
Sorgfalt ist es nicht gelungen, alle Stücke zusammenzubringen, so dass nur eine
sehr fragmentarische Restauration müglich v/ar. Die Stucke sind fast alle 8—10 mm
dick, äusserlich glatt, leicht glänzend und sehr weich anzufühlen; die Grundfarbe
dunkel gelbüchgrau, stellenweise schwärzlich und röthlich durch Brand, auf dem
Bruch matt und schwärzlich grau. Bestimmte Maasse lassen sich nicht gewinnen,
doch kann der Durchmesser des Bodens und der iMfiadung auf etwa 12 — 13, der des
Bauches auf 26 cm verauschlagt werden. Vom (fehlenden) Boden an erweitert sich das
Gefäss langsam ansteigend zu dem weit ausgelegten Bauche ganz gleicbmässig, um
nach oben hin ebenso wieder sich zu verengen. Au der Grenze des Halse« liegt
ein seichter, sehr glatter Absatz (Eindruck); voa da steigt der engere Hals mit ge-
ringer Einbiegung in die Höbe; ungefähr darf man seine Höhe auf 5 cm veran-
schlagen. Am Debcrgang vom Hauche zum Halse sieht man an zwei entgegen-
gesetzten Stellen die Ansatzstucke abgpbrochener Henkel mit enger, horizontaler
Oeflfuungp möglicherweise mehr der Form durchbohrter Knöpfe entsprechend. Die
Flache des Bauches ist ganz überzogen mit einer stümperhaft ausgeführten, aber in
einem gewissen Sinne gross angelegten Zeichnung aus geritzten Linien, Dieselben
liegen gruppenweise zu 5— 8 — 14 parallel nebeneinander, meist sehr dicht, jedoch iü
(378)
unregel massigen AbstäDdeo und vod sehr verschiedener Tiefe; die meisten sind gerade,
viele jedoch auch etwas gebogen. Nur unter den Henkelansätzen ist die Richtung
dieser Bündel oder Gruppen senkrecht, und um die Mitte des Bauches und gegen
Holzschnitt 1.
das untere Ende läuft je ein horizontales, jedoch sehr wenig exaktes Bündel herum;
die anderen sind schräg gestellt, so dass sie sich an gewissen Punkten schneiden
und Kreuzungsstellen von zum Theil sehr buntem Durcheinander bilden. Auf
diese Weise entstehen grössere dreieckige, zuweilen unregelmässig viereckige, freie
Felder zwischen den Strichzonen. Nach oben ist die Zeichnung durch eine sehr
ungenau eingeritzte Horizontallinie begrenzt, nach unten fehlt jeder Abschluss.
Die Urne war gefüllt mit gebrannten und zerschlagenen Knochen eines Men-
schen, zwischen welche Sand aus der Nachbarschaft eingedrungen v^ar. Zwischen
den Knocheustückchen und zwar mehr im oberen Theil erschienen hie und da
Bronzeplättchen und durch partielle Einschmelzung veränderte und deformirte
Knopfe von blauem Glasfluss. Bei genauerer Betrachtung und Aneinander-
fügung ergab sich sehr bald, dass es sich um segeiförmige Ohrringe mit
blauen Glasperlen auf dem Schliessungsdrahte handelte. Ein reconstruirtes
Exemplar (Holzschn. 2) besteht aus einem länglich viereckigen, 1,5 cm breiten, aber
ganz dünnen, gebogenen Bronzeblech, das aussen schwach ge- Ilolzschnitt 2.
wölbt, innen vertieft ist. üeber die Mitte desselben ziehen der
Länge nach 6 gepresste, erhabene Linien: an jedem Ende schliesst
eine ähnliche Horizontallinie das Feld ab. Ausserdem befindet
sich an jeder der 4 Ecken ein kleines rundes, durchgedrücktes
Loch, mit nach innen oder nach aussen aufgeworfenen Rändern.
Aus dem Ende der Platte geht unter schneller Verjüngung ein
nach innen gebogener Fortsatz hervor, der in einen runden, bügei-
förmig gebogenen Draht ausläuft. Dieser trägt an der Oeber-
gangsstelle eine flachrundliche, durchbohrte Glasperle von beiläufig 1 cm Durch-
(374)
raesser. Da keines [äev uberhsupt voü uns gefanilenen 4 Exemplare voUstäDdig
war, do Ifisst »ich nicht genau featatelleo, wie der ADSchiii»s am anderen Ende
war. Sowohl die Bronzeplaltchen^ als Damentlich die Perlen, sind mit im Brande
gewesen: letztere erscheinen äusserlich rauh, uorepelmäsaig, an den Bügel ange-
schmolzen, von duokelblaugrauer Farbe, dagegen zeigt der Bruch innen ein s^^hön
hellblaues Aussehen. Ausserdem fanden sich noch zwei zusammengehöriger stark
gerostete Eisenstücke, die zusammen ein 57 mm lange?, rundliches, ziemlich
starkem NadeLstück mit abgebrochener Spitze und eincui hinteren platten, rollen-
artig eingebogenen Ende, wahn^cheinlich also den arliculirenden Dorn einer Schnalle,
darstellen.
2* Ein fast ganz erhaltenes, grosses und reich verziertes Ossuarium von 32 i
Höhe und einem Durchmesser von 11 rm am Boden, 25 am Bauch und 13rtH an
der Mündung. Es ist aus freier Hand geformt, zeigt noch vieifach die Ab^trichc
der Hand, ist auch starker gebrannt, so dass es theils gelblichgrau^ theils rothlich
aussieht, ist äusserlich gltitt und ohne jedes Ornament Der Boden ist flach und
klein, die grosste Ausbauchung des Bauches unter der Mitte des Gefasses, der Hals
wie bei Nr, 1, abgesetzt, kurz, leicht eingebogen, der Rand dick, glatt und leicht
vorspringend. An zwei entgegengesetzten Stellen sitzt über dem Halse je ein
breiter Henkel, weil genug, um den Daumen durchzulassen.
:i. Ein sehr ähnlich gefortnter Todtentopf (Holzschn, 3), 30 an hoch, am Boden
12, am Bauch "24 cm im üurchroessen Am Dehergange zum Hahe sitzen an dem
Holzschnitt 3.
*^1
^4,
tV
i\^?'
m
Bauche in regelmässiger Vertheilung 4 etwas platte, horizontal vorspringende, iiolid^
Knopfe mit hjill)mondf«5rmiger Ausbuchtung. Zwischen ihnen ziehen dicht ao
einander 2 Reihen kleiner, aber tiefer Grübchen wie Porlschnure um das Gefass, Die
ganze Flüche darunter, bis nahe an den Boden, ist in 8 Felder getheilt^ von denen
abwechselnd das eine schmal und glatt, das andere breit und mit tief eingedruckten
dreieckigen Stichornaraenten verziert ist. Letztere stehen in je 13 — 14 Reihen
neben einander, so jedocl], dass die Einstriche an gewissen Stellen mehr senkrecht,
an anderen horizontal oder schräg gerichtet sind. Die Dreiecke sind in der Regel
ziemlich regelmässig, zuweilen jedoch mehr rundlich, aber meist mit verlängerter
Spitze. Viele sind so ^^ausgefuhrt, dasa die Basis des Dreiecks tief und zwar
achrag, also mit überragendem Rande eingedrückt ist, wahrend die Spitze seicht
(375)
ausläuft; bei andereB ist cJagegeo gerade umgekehrt die Spitze tief eingedrückt
und die Basis sei-ht. Jede Abtbeilung ist etwas verschiedeo behaodelt
4. Eine kleinen^ mehr schwärÄliche Henkelurne mit ganz äbnliclier Anord-
nung der Verzierungen, wie Nr. 3, 19 an hoch, aro Boden 8, am Bauche 19, an
der Müoduag 14 cm weit. Es ist nur ein Henkel vorhaDdeUj mit breiter Fiäche
und weiter OefiFaung, die bequem einen Finger duTchläsBt. Der Hals ist wie bei
den tuideren bescbaffeu. Die Ornamente sind in 6 Feldern angeordnet, aber einfach
mit dem Nagel oder einem ihm gleichenden Werkzeuge eingedriJckt.
5- Eine flache Henkelscbale, 4 cni hoch, 16 cm an der Mündung weit, ohne
Ornameut, von schwärzlich hraiingraupr Farbe, sehr glatt, mit grossem, flachgewölb-
tem Boden, weitem Bauch und ganz kurze m^ etwas eingedrücktem Halse.
Hei läufig will ich noch erwähnen, dass sich in der Erde um die Urnen ein
Paar Bruchstücke grober, eiserner Nägel fanden, die ihrer guten Erhaltung nach
wohl ab moderne jVccidenzien angesehen werden mtjssen. —
Das waren die Ergehnisse unserer Ausgrabung, unter ihnen stehen zweifellos
die Ohrrringe in Torderstnr Linie des Interesses. Genau dieselben Formen sind
nehonüch auch von einigen Punkten diesseits der Elbe bekfmnt. Eine dieser Fund-
stellen Hegt ganz nahe bei Berlin, westlich von der Cadettenaostalt in Lichterfelde;
ich habe darüber in der Sitzung vom 18. October 1879 (Verh. 8. 348 Fig. 2—6)
berichtet. Eine zweite wurde nach dem Berichte des Hrn. R. Baier (bei E. Fried eJ,
Vorgeschichtliche Funde aus Berlin und Umgegend. Berlin 1880, S, 76) in der
Nähe Ton Tempelhof, südwestlich, gefunden. Eine dritte ist das Urnenfeld von
Bineuwalde hei Ruppin, welchem Hr. Schwartz (Programm des Friedrich-Wilhelms-
Gymnasiums. Neu-Ruppin 1871, S. 20 Fig. 10, 11) beschrieben hat. Die Ohrringe
Bind so übereinstimmend, auch der Besutz mit Glasperlen so coustant, dass wir
dieses Fundstück als ein ganz sicheres Leitobjekt behandeln können, Hr. Schwartz
war geneigt, seinen Fund der letzten heidnischen Zeit zuzuschreiben, trug aber
Beden keuj ihn ohne Weiteres als wendisch zu betrachten, da in dieser Gegend
sich wahrscheinlich auch in wendischer Zeit deutsche üeberreste erhalten hätten.
Wenn man indess die Gesammtheit der Funde von Binenwalde, Tempelhof und Lichter-
felde zusammennimmt, so wird man kaum Anstand nehmen dürfen, sie, wie auch
Hr. Ondset*) thut, der La Tene-Gullur anzuschliessen, sie also weit vor die Völ-
kerwanderung zu setzen.
Hr. Ho 11 manu hat mir inzwischen mitgetheilt, dass seit unserem Besuche auf
dem Tangerrnfjüder ürueufelde ausser weiteren Ohrringen mit Glasperlen und zwei
Armbändern von Bronzeblech noch folgende eiserne Gegenstände ausgegraben sind:
„Zwei Ringe von der Grosse weiter Fingerringe.
„Eine Scheibe (HolzBchn. 4, I), oben zum Haken umgebogen; an einzelnen
Stellen acheinen eiserne Niete zu sitzen.
„Eine eiserne Nadel (Holzschu, 4, Fig. II) mit zwei Bronzescheiben, der Rand
nach unten gebogen."*
Der Charakter des Gräberfeldes wird damit noch bestimmter bezeichnet. Die
verhäknissmässjg grosse Zahl von eisernen, sowie die Dürftigkeit der Bronze-
beigaben, namentlich die meht blechartige Beschaffenheit der letzteren, beweist genü-
gend, dass w*ir uns in der ausgemachten Eisenzeit befinden. Auch der Charakter
der Funde spricht dafür. Das als „ycheibe** bezeichnete Stück dürfte kaum etwas
anderes, als ein Stück eines Gürtelschbsses sein, gleichwie der von mir gefundene
^Dorn'^ SU einer Schnalle gehört haben mag. Auch die eiserne Nadel mit S knopf-
I) J. Undset, Das erate Aufireten des Eisens ia Nordeuropa. S. 20O.
(876)
üolzschoitt 4. artigen ADschwelluDgen am fiode und den dar-
auf sitzenden Bronzesch ei beben passt in diese
Umgebung. Hoffentlich wird die weitere Bx-
plorirung des Feldes noch mehr Aufschlüsse
ergeben, indess genügt das Mitgetheilte, um uns
erkennen zu lassen, dass der Culturkreis, zu
welchem das Urnenfeld gehört, mehr östliche
als westliche Anknüpfungen darbietet.
Von besonderer Bedeutung erscheint es mir,
dass, so nahe dieser Culturkreis den lausitzer
Funden steht, er doch in mehrfacher Beziehung
davon abweicht. So fehlt jene Mannichfaltig-
keit der kleinen Gefasse, welche fast alle lau-
sitzer Felder auszeichnet. Die Technik der
Ossuarien unterscheidet sich nur in der beson-
deren Ausgestaltung der Form und der Orna-
mente, während die Behandlung des Thons, die
Formung aus freier Hand, die Glättung durch
Abschwemmen, die Anwendung von umgekehrten
thÖnernen Schalen als Ürnendeckel auch auf
unseren Urnenfeldern wiederkehren. Zweifel-
haft erschien mir Anfangs die eigenthümliche
Verzierung, wie sie namentlich bei der Urne
Nr. 3 (Holzschn. 3) in so ausgiebiger Fülle an-
gewendet ist, insbesondere die Anwendung des Tiefstiches, in dem man eine
Art von Reminiscenz der alteren Tiefornamentik erblicken könnte. Aber die ganz
verwandte Ornamentik der Urne Nr. 4, wo an Stelle des Tiefstiches der blosse
Nageleindruck getreten ist, führt uns sofort in eine Praxis, die in der Lausitz und
in Posen weit verbreitet ist. Ich möchte daher, so sehr ich einen gewissen Local-
charakter, namentlich in der hohen und mehr schlanken Form der Gefasse, in der
Art der Verzierung und in der Solitär-Aufstellung der Ossuarien anerkenne, doch
das verwandtschaftliche Verhältniss dieses Culturkreises mit dem lausitzer aufrecht
erhalten, nur dass es mir scheint, dass der letztere im Ganzen mehr alterthümliche
Züge darbietet, als wir sie in Tangermünde, Lichterfelde, Tempelhof, Binen-
walde u. s. w. antreffen. Dagegen dürften die eben erwähnten Urnenfelder einer
älteren Periode angehören, als die mit römischen Importartikeln ausgestatteten
von Stendal (Borstel), Darzau u. s. w.
Schliesslich habe ich noch dankbar zu erwähnen, dass uns Hr. Hartwich
einen mächtigen, wahrscheinlich mittelalterlichen Topf überlassen bat, der in
der Stadt selbst gefunden worden ist. Derselbe ist allerdings stark zertrümmert
und noch jetzt nicht ganz restaurirt, aber Form und Grösse lassen sich doch ziem-
lich genau angeben. Er war 18 an hoch und an der Mündung 22 cm weit, unge-
fähr eben so weit auch am Bauche. Der Boden ist kesselartig, also Bach gerundet,
der Hals ganz kurz und eingebogen, der Rand glatt und etwas nach aussen um-
gelegt. Das Gefäss besteht aus sehr dichtem und hartem, gut gebranntem, klingen-
dem Thon und hat durchschnittlich 6 — 7 mrn dicke Wandungen, aber keine Orna-
mente. Er gehört wohl zu den grössten Thongefassen dieser Periode.
(877)
(26) Hr. Dr. Haas Meyer hält einen Vortrag über
die Igorrotes von Luzon (Philippinen).
Es ist mir die ehrenvolle Aufforderung zugegangen, an dieser Stelle einige
Nachricbteu über die Reise zu geben, die ich im Herbst des vorigen Jahres in
Luzon, der Hauptinsel der Philippinen, gemacht habe.
Da mir der sehr verehrte Vorstand der Gesellschaft die Wahl des Gegenstandes
freiliess, erlaube ich mir, m. H., Ihnen einige Mittheilungen über denjenigen Volks-
Stamm zu machen, bei dem ich während meiner Streifzüge durch die Insel Luzon am
längsten verweilte und den ich demgemäss besser kennen gelernt habe, als die übrige
Bevölkerung der inneren Gebirgsdistricte. Es ist das der Stamm der Igorrotes.
Seit lange schon haben die im Innern von Nordluzon lebenden Bergstamme,
namentlich ob des Geheimnisses, das ihre Abstammung verschleierte, die Aufmerk-
samkeit der Ethnographie erweckt, und erst aus neuerer Zeit, erst nach den Reisen
und Untersuchungen der HHrn. Semper, A. B. Meyer, Scheidnagel u. A. datiren
die Versuche, das Räthsel zu lösen. F. Blumen tritt's höchst verdienstvolle Arbeit:
„Versuch einer Ethnographie der Philippinen^ fasst alle diese Ergebnisse zusammen
und kommt schliesslich zu einem Resultat, das in aller Kürze etwa folgendes ist:
Die vermuthlich papuanische Urbevölkerung der Insel Luzon, die Negritos,
wurde durch zwei malayische Invasionen derart verdrängt, dass sie heute nur noch
in vereinzelten Stammesinseln zerstreut im Land existiren. Die erste Invasion der
Malayen jagte die Negritos von der Küste zurück in die Berge der Binnenland-
schaften, wo sie ungestört blieben bis zur zweiten malayischcn Invasion. Diese
trieb die malaiischen Küstenbewohner ihrerseits ins Innere des Landes zurück und
nahm Besitz von den Gestaden, wo ihre Stämme noch heute angesiedelt sind. Die
Negritos wurden aber von den zurückgedrängten Malayen der ersten Invasion durch
Bekrieguug und Vernichtung so absorbirt, dass sie jetzt keine zusammenhängenden
Stämme, sondern nur mehr blosse Stammesinselu bilden.
Die Malayen der ersten Invasion, die wahrscheinlich von Borneo ausging, sind
die Stämme der Igorrotes, Ginaues, Apayaos, Abacas, Catalaoganes, Gaddanes u. s. w.,
die also heute die ßerglaudschaften des inneren Luzon innehaben, während die
Malayen der zweiten Invasion, die Tagales, Pampangos, Visayas, Ilocanos u. s. w.
die Küstengebiete bewohnen, wo sie von den im dritten Viertel des IG. Jahrhun-
derts anlangenden Spaniern vorgefunden und gelassen wurden.
t)s ist natürlich, dass die einzelnen Stämme weder unter sich noch gegen
äussere Einflüsse sich absolut abschliessen konnten. Desshalb bestehen Aehnlich-
keiten, die in vielen Beziehungen ein gemeinsames Band um alle Malayen Luzons
schlingen, und deshalb finden sich bei den Stämmen der ersten Invasion aus jener
Zeit, da sie noch am Meer sassen und dem Einfluss der nach den Philippinen
Handel treibenden Chinesen, vielleicht auch der Japaner ausgesetzt waren, viele
Anklänge an mongolische Einwirkungen. Umsomchr ist aber an der malayischen
Abstammung dieser Stämme festzuhalten.
Dies ist das kurze Resume der Blumen tritt' sehen Darstellung.
So gut man auch die Malayen der zweiten Invasion, die heutige Küstenbevöl-
kerung, die den Spaniern unterworfen und längstrchristianisirt ist, kennt, so wenig
sind doch die grossentheils noch unabhängigen oder blos nominell unterworfenen
heidnischen Malayen des Inlandes erforscht.
Ich hatte mir bei Gelegenheit meiner Reise um die Erde auf Anrathen der
HHrn. Bastian und Jagor die Aufgabe gestellt, die nur theilweise bekannten Igor-
rotes, sowie die noch ganz unbekannten Ginanes zu besuchen, und reiste zu diesem
r378)
^weck Dach einem kurzen AufeathaJt in Manila an der Westkaste Luzoos za
Schiff entlaag bis nach San Fernando im Didtrict Itocos Sur, um von dort aus in die
Proviozeo ßenget und Lepanto (die Gebiete der Igorroten) und in den östlicbea Tbeil
der ProvioÄ Abra (da-s Gebiet der Ginanen) voraudringen. Fn meiner B«»glei-
tuag war ein junger Apotheker Namens Au und ein malaiischer Diener^ die icli
beide in Manila engagirt hatte. Aber bereiU an der Grenze des Igorrotengebietes
war meine Earavane auf 26 Pprsooen, Führer, Dolmetscher und Trager des Ge-
päckes, angewachsen. Ich zog uun im wilden Stromthal des Rio Agno in die Berge
des Districtes ßenget hinauf, in dessen Hauptorr La Trinidad mir der Gobernadcvr
dea Districtes Anweisungen zur Weiteireise gab. So verfolgte ich das Stromgebiet
des Rio Agno durch die ganze Provinz Benget bis au seinen Ursprung am Monte
Dat4 in Lepanto, bestieg und umkreiste diesen BtTgslock, wo die Igorrotes noch
am ursprünglichsten zu finden sind, und stieg in das weite Thal des Rio Abra
hinab« dessen Lauf )(^h bis zur Sijdgreoze der ProTinz Abra, bis zum Verschwinden
der Igorroten stamme, folgte. Nach einem Abstecher zu dem ilocanischen Küsten*
Städtchen Caudon, in dessen Nähe ich Net;ritos zu beobachten Gelegenheit batLe^
drang ich unter militärischer Hegleiniiig vom NVe^tee her in die Cordillereo der
Frrivinz Abra ein und erreichtt* nach vieleu Muhsaleo GiD4an und Balafok^ die
Hanptorte der Ginanns. Krankheit und andere Widerwärtigkeiten trieben mich
jedoch eher nach der Küste hinahj als ich beabsichtigt hatte, und so kehrte ich im
November über Vigan nach Manila zurück.
Es ist mir nicht möglich^ heute eine nach allen Seiten vollständige Schilde-
rung des Igorrntenstanimes zu geben; ich beschränke mich deshalb auf eine fluch»
tige Skizze, in welcher ich nur einige Partien, die von anderen Beobachtern un-
richtig oder gar nicht gezeichnet worden sind, etwas ausführlicher behandeln möchte.
L
Blumentritt theilt die Igorrotes ein in Igorrotes im engeren Sinn und in die
Busaos und Buriks, denn, sagt er, diese haben eine gemeinsame Sprache, welche
nur geringe dialectische Verschiedenheiten aufzuweisen hat, auch unterscheiden sich
diese Stämme nur durch Tracht und Tättowiruiig^ während Sitten und Bräuche nur
unerheblich von einander abweichen. Es stützt sich diese Eintheilung auf münd-
liche Mittheilungen des Don Gumersindo M orales, auf die Angaben ran Mas und
anf Berichte in der Dustracion filipina, sowie der Ilustr. del Oriente» Doch sind
diese Quellen nicht unanfechtbar.
Es ist ganz ULglaublich und unverständlich, wie wenig Kenntnisse die spanischen
Beamten im allgemeinen vom Volkaleben in dem Gebiet haben, das ihnen ab Wir»
kungskreis angewiesen ist, und wie sie oft ohne das geringste Interesse für die Stämme
und Landeeverhältnisse sind, die ausserhalb ihres Gebietes bestehen. Das Aufbringen
der Kopfsteuer und das stricte Aufrechterhalten des Tabak monopols, bei dem so viel
für den Beamten selbst ubflllt, ist diesen Leuten die Hauptsache, oder wenn sie Pfaffen
sind, kennen sie gewöhnlich nichts als ein blindes Eifern gegen die „Salvajes**, Aber
eine Kenntniss der verschiedenen Stamaieseigenth um liebkeiten findet man nur in sehr
seltnen Ausnahmen. So ist es erklärlich, dass die Bezeichnung „Igorrotes^ so Tiele
falsche Anwendungen erfahren hat. Da die Igorrotes der erste der heidnischen Stämme
der ersten Invasion waren, die den Spaniern bei ihrem Vordringen ins Landes-
innere sehr viel zu schaffen machteo, wurde ihr Name als Gattungsbegriff auch
auf andere, gleich widerspenstige, nicht-christliche und nicht-mohamedanische Stamme
des Inlandes angewendet, und heute verstehen die spanischen Beamlen unter dem
Wort „Igorrotes** alle heidnischen Bewohner des inneren Luzon,
(379)
IgorroL (Ton auf der ersten 8i1be) habe ich aber uur ille Bewohoer voq Beuget
and Lepaoto sich selbst n<»nnen hnren. Die Bewohner von ßnubok dagegen, die
gewohalich awch als Igorrntt^ü beyelcboet werden, ni*Duen sich je nacb den Kau-
cberiet), die sie bewohneo, Leute von Beaao, Leute von Sagada, Leute von Saka-
saka w. s. w.; wie dies ebenso die angrenzeüdea Ginaneo thuD, mit welchen die
Bontokbewohner auch in Typiis, Tracht und Sitten sehr viel meiir gemein haben,
als mit den Igorroten.
Die Leute von Besao wohnen den Li* p an to-I gorrote a am nächateu, weshalb sie
wohl zuweilen von diesen selbst Besao-IgoiTotes genannt werden, da sie auch eben
wegen dieser Nachbarschaft nicht ganz frei von igorrotiscbem KJenient sind. Ihr
Grundtypus, ihre Tracht und Sitte ist aber die der ßontokleute und nähert sieb
derjenigen der Ginanes sehr viel mehr, als der der Igorrotea. Die ßesaos oder
Bnsnaos sind also nur Igorrotes im weilen Sinn der spanischen BcÄeichDung.
Was endlich den dritten angegebenen Zweig, die Bnriks, betriflt, so habe ich
wohl in den Rancherien um den Monta Data herum diese Bezeichnung oft, gehört,
mir aber von diesen Buriks selbst erklären lassen, dass ihr Name sich »Hein auf das
besondere Muster ihrer Tättowirung bezieht und etwa ^buntscheckig** heisht. So
giebt es in Cagubatan etwa ein Duliend Buriks, ii) B^inao desgleichen; wer sich
ids Burtk tättowiren lassen will, kann es tbun, aber einen besonderen Stamm der
Buriks giebt es nicht Es ist leicht ujöglich, dass diese Bnriktiittowiiung auf eine
gemeinsame Abstammung der also Tältowirten hinweist^ ich konnte aber keinen Auf-
sohlu^s dariiber erlangen, und sollte einmal eine Rancherie Burik bestanden haben,
so sind heute ihre Bewohner unter deo Lepanto-Igorroteu aufgegangen, von denen
sie sich einzig und allein durch ihre TiittowirnngsmuBter untcrscbeiden.
Somit bleiben als ^Igorrotes^ die Bewohner von Benget und Lepanto im
Grossen und Ganzen; die Bnsaos oder Besaos sind eia Tbeil der BontokJeute und
die Buriks ein Tbeil der Lepanto-I gorroten.
IL
Land und Klima.
Die Heimatb der IgorroJes ist Gebirgsland^ Das Terrain ist zerrissen, die
Bodenerl^ebungen sind schroß' und die WasserJäufH tief eifigeschnitten. Beuget ist
wilderen und düstereren Charakters als Lepanto, wo breitere Gebirgsformationen und
offenere Thalbildungen vorherrschen.
In Beuget sind die Höhen und Abhänge von Fichtenwäldern bedeckt, nur in
den FluBB- und Bachthälern tritt Laubbolz auf, während in Lepaiito letzteres in
Dschungelform alte die feuchten Plateaus der Bergzijge überzieht und nur in den
tiefen Thalebenen den Casuarinen Platz macht.
Das Klima ist in Beuget kälter als in Lepanto. Der Wechsel der „secas* und
„lluvias", der trocknen und nassen Jahreszeit ist dagegen in Lepanto fühlbarer,
wo wiederum die täglichen Temperaturscliwankuugen unbedeutender sind, als in
Beuget. Das Tiefland von Lepanto bleibt wahrend der „secas** mitunter wochenlang
ohne Regen, wahrend der „Uuvias^ tritt dort wie in Benget regelmässig Nachmittags
Gewitterregen ein. In Benget fallen auch iu der trocknen Jahreszeit an jedem 4.
oder 5, Tag Niederschläge.
UL
Körperbeschaffenheit
Der Jgorrot ist von untersetzter Statur. \fi5—lfiOm fand ich als Durch-
scbnittsmaass von lÜG Individuen, Doch sind die ßenget-Igonoten im Allgemeinen
(380)
grösser als die Lepaotoleate. Die Miisinilatur ist gat entwickelt ond die Ausdauer
durchweg erstanolicb. Die Hautfarbe ist je nach der iodiTiduellen Lebensweise
Terscbieden. Am bäofigsteo findet sieb ein dankles Kastanienbraun, seltner eine
gelbbraune Nuance und nur bei den Weibern der Principes, die sich meist in den
Hütten aufhalten, die lichtere Färbung etwa eines gebräunten Earopaers.
Die Gesichtsform ist mehr breit wie lang. Die Backenknochen stehen herror
and die Stirn liegt ein wenig zoruck. Die Augen sind dunkelbraun. Die Nase
der Lepanto-Igorroten ist kürzer und mehr aufgetrieben, ihr Mund breiter und wul-
stiger als der der Bengetleute.
Das Haar ist schwarz, glatt und glanzlos. Der Bart (wo die Sitte des Haar-
ausreissens nicht besteht wie im westlichen Lepanto) beschränkt sich auf einen
Flaum um Kinn und Oberlippe. Die Benget-Igorroten scheeren das Kopfhaar über
der Stirn gerade ab oder überhaupt ganz kurz; ihre Weiber lassen es im Nacken
hingen oder binden es zu einem Schopf auf. Ebenso tragen es die Lepantolente.
Die Hände und Arme, oft auch die Brust und theilweise die Beine sind tätto-
wirt. Ein spiralförmiges Sonnenbild auf dem Handrücken trägt fast jeder. Die
2^ichnung auf den Armen besteht in aneinander gereihten Feldern Ton geraden
und krummen Linien, die gewohnlich bis zum Ellenbogen reichen. Federartige Muster
auf der Brust sind schon seltener, am seltensten die sogenannten Burikzeich-
nungen, die sich ib parallelen Bandstreifen über Brust, Rücken und Waden er-
strecken und dem Bnrik das Aussehen eines mit einer gestreiften Matrosenjacke
und ebensolchen Kniestrümpfen Bekleideten geben. Thierbilder, wie Schlangen und
Spinnen, kommen selten vor, Menschenbilder nie.
Die Muster werden mit einem spitzen EisengrifFel. die in eine blaugrane
Indigomischung getaucht wird, in die Haut gestochen und brauchen theilweise (bei
den Bnriks) 3—4 Monate zur Ausheilung und Vernarbung.
IV.
Tracht.
Schmuck, Tracht und Bewaffnung der Igorroten glaube ich nur flüchtig be-
schreiben zu dürfen, da Specimina yod alledem io meiner, dem Königlichen Museum
einverleibten Sammlung enthalten sind, die ich Ihnen vorzustellen später einmal
die Ehre haben werde.
Kopftuch und Lendenschurz aus Baumwollenzeug oder praparirter Baumrinde
sind nebst einer baumwollenen Decke, die nach Art einer Toga getragen wird,
aber nur den Oberkörper bedeckt, die Kleidungsstücke des Mannes; Kopftuch und
ein kurzer Sarong, in den Philippinen Saya genannt, in manchen Gegenden auch
ein baumwollnes kurzes Jäckchen, sind das Gewand des Weibes. Die Kinder gehen
nackt bis zum Pubertatseintritt d. h. die Knaben etwa bis zum 12., die Mädchen
bis zum 10. Jahre.
Fussbekleidung giebt es nicht.
Als Schmuck dienen Männern und Weibern in gleicher Weise Ketten, Arm-
ringe, Wadenspangen und Ohrgehänge aus Pflanzensamen, Glasperlen, Acbatstück-
chen, Messing, Muscheln und Krokodilzähnen, welche letztere von den tropischen
Küstenlandschaften herauf kommen und einen besonders hohen Selten heitswerth
besitzen. Als Waffen haben sie das 1 — IV/j Fuss lange, ein- oder zweischneidige
Schlagmesser, wie es sich ähnlich bei den Küstenmalayen findet, schmale lange
Holzschilde, die roh geschnitzt, selten verziert sind, und Wurflauzen mit Bambus-
spitzen, sowie Stosslanzen mit eisernen, pfeilformigen Spitzen. Pfeil und Bogen
kennen sie nicht; Feuerwaffen besitzen sie ebensowenig.
(381)
V.
AnsiedluDgeD.
Die Hütten der Igorroteo, auf 4 Pfählen stehend, aus Fichteodielen gezimmert
und mit Cogongras gedeckt, enthalten nur einen Kaum, in dessen Benutzung sich
die Familie theilt. Das Vieh, namentlich Schweine, haust unter der Hütte zwischen
den 4 Pföhlen und wird durch einen rings um die Hütte geführten Steinwall oder
einen Zaun am Ausbrechen verhindert.
Ein grosser Feldstein inmitten des Hüttenraumes bildet den Heerd; Haus- und
Feldgeräth hängt und steht an den Dachsparren und Halkenvorsprüngen umher, der
Rauch zieht aus der einzigen Oeffnung, der Thüre, ab. Zehn bis zwanzig sol-
cher Behausungen, selten die doppelte Anzahl, bilden zusammen eine Gemeinde,
Rancheria; regellos stehen die Hütten nebeneinander. Der Pfad zur Nachbar-
rancherie führt mitten durch die Ansiedlung. Ich traf keine Rancherie an, die
mehr als 250 Bewohner hatte, denn die dann nothwendige Ausdehnung der mühsam
an den Thalhängen anzulegenden und abzuerntenden Reis-, Mais- und Camotefelder
führt von selbst zur Abtrennung eines Theils der Rancheriebewohner und zur Er-
richtung von Einzelhöfen (Barrios) oder Nachbarrancherien.
Wo es nur möglich ist, da sind die Hütten auf oder an den Rand eines hohen
Fluss- oder Bachlaufes gestellt. Im Thalgrund selbst finden sie sich nur dort, wo
wegen der Breite oder Tiefe des Bettes keine Gefahr durch die in der Regenzeit
oft erstaunlich rasch und stark anschwellenden Wasserläufe droht.
Landschaftlich sind die Igorrotenniederlassuugen von weiter Ferne an den
Rodungen erkenntlich, die im Umkreis zur Gewinnung von Feldboden vorgenommen
sind. Nur die grösseren Orte wirthschaften geordneter mit einer an die Stelle ge-
bundeneu Wechselbestellung. Die kleineren hausen mit der bequemeren Breun-
wirthschaft arg in den Wäldern und wechseln darum, wenn der Boden nicht mehr
recht ertragsfähig ist, von Zeit zu Zeit den Standort. Die Genauigkeit der Croquis-
karten kann deshalb in dieser Hinsicht nie von langer Dauer sein.
VI.
Feld und Vieh.
Der Ackerbau gewährt dem Igorroten den Hauptunterhalt, Viehzucht erst in
zweiter Linie; die Jagd kommt kaum, der Fischfang gar nicht in Betracht. Reis
ist die hauptsächlichste Frucht, darnach ist Mais, dann Camote, die süsse Kartoffel,
und endlich Patatas, unsere geschmacklosen Kartoffeln, zu nennen. Wo es das
Klima zulässt, wie in den Thälern von Lepanto, wird ferner Zuckerrohr, und diess
ausschliesslich zur Bereitung von Basig, Zuckerrohrbranntwein, gebaut; auch Bananen
finden sich zuweilen und sehr oft Apfelsinen.
Die Anlage der Reisfelder, welche stets an den Hängen der Fluss- und Bacb-
thäler liegen, ist ein sehr geschickter Terrassenbau. Kanälchen und ausgehöhlte
Baumstämme führen das Wasser aus dem oberen Gefälle des Baches oder Flusses
herbei und ebenso ist für den gehörigen Abfluss gesorgt. In den hochgelegenen
Gebieten von Beuget giebt es nur eine einmalige Ernte im Jahr und zwar im Mai,
in den tieferliegenden Districten von Lepanto aber eine zweimalige, eine im Januar,
die zweite im Juni. Gegen Ende der Regenzeit wird das Vieh, vorwiegend die
Carabaos, in die Felder getrieben, um die Stoppeln einzustampfen, worauf die Aus-
saat in der Art vor sich geht, dass in kleinen Zwischenräumen mit einem eisen-
spitzigen Pfahl Löcher in den Schlamm gestossen werden, deren jedes eine Hand
voll Kömer aufnimmt. Auspflanzen des Reises kennt der Igorrot nicht. Die Aus-
(382)
saat wird von den M&niiem besorgt, die Ernte von den Weibern und Kiodero.
Der Schnitt des Reises geschieht nicht mit der Sichel in Garben, soudern jed«r
Haltn wird einzeln vermittelst eines kleinen Rtiodmessere geschnitten, und als
Speicher dient in den H Titten der Raum über den Tragbalken des Daches bis zuni
Dachfirst.
Einfacher i»t die Bestellung der Mais- und Camotefelder. Diese brauchen keiire
künstliche Bewossening; nach Ausreissen und Verbrennen der Maisstoppeln wird
die Regenzeit abgewartet ond nach dieser je ein Maiskorn in ein mit dem schon
erwähnten Pfahl gebohrtes Lot-h gesteckt, das Loch dnrch Daraufschlagen mit dem
Pfahl geschlossen und die Aussaat ist fertig. Der Schnitt geschieht mit dem Bolo,
dem Waldmesser. Und die Cumotefelder bedürfen gar keiner weiteren Bestellung,
als der Aberntung der Knnllt^n und Reinhaltung des Ackers; für ununterbrochene»
Wachsthdm sorgt dieses Rauken gewiichs, das wie die Erdbeere seine LuftwunEeln
auslegt, ganz von selbst.
Die Anpflan«nug des Zuckerrohrs geschieht wie bei den übrigen Malayen iq
Stecklingen, die der Bananen gleichfalls. Kaffee bauen die Igorroten gar nicht,
Tabak, dessen Cultnr sehr ?iel mehr Aufmerksamkeit als Fleiss erfordert, in recht
schlechter Qualität und sehr geringer Quantität
Eine rationelle Viehzucht ist den Igorroten unbekannt Ihre Hausthiere sind
Rinder, Carabaos, Pferde, Schweine, Hunde und Hühner, aber sie verstehen weder
deren Pflege noch deren richtige Verwendung im Dienst des Menschen. Das Pferd
wird wie das Schwein in erster Linie des Fleisches wegen gezogen, und geht ^m
bei grossen Festen hoch her, dann muss der Hund so gut wie das Pferd sein
Fleisch hergeben. Ziegen, Schafe, Katzen, Tauben u, s. w. giebt es nicht. Mit
Auenah me des Hundes, der in die Hütte mitgenommen wird, und des Schweins, das
unter der Hütte haust, nächtigen die Thiere im Freien, wo sie sich den Tag über
da« Futter gesucht haben. Der grosate Theii des vorhandenen Grossviehs ist darum,
wie diese Missstande ergeben, nicht von den Igorroten selbst gezogen, sondere den
Küsten inalaypB abgekauft. Daher auch der hohe Werth, den d&a Fleisch für den
Igorrot i^n hat.
VH.
Speisen, Getränke und sonstige Genusemittel.
Fleisch wird nur zu besonderen Uelegetiheiten genossen, und dann in welchem
Zustand es auch immer sei; ob gebrate o, gekocht oder roh, ob frisch oder bereits
in FäulnibS übergegangen, ob Muskelfleisch, Darm oder Haut, Alles was die Zähne
und der Magen nur verarbeiten können, das wird vertilgt. Bei einem Todtenfest in
der Rancherie Tublay, in Beiigety sah ich, wie Igorroten die Eingeweide eiaes
soeben aufgebrochenen Büffels verschliiiigen, ohne den darin sitzenden Koth heraus-
zupressen. Ein wenig rother Pfeffer schien ihnen den Genuss bedeutend zu er*
höhen.
Das Brüten des Fleisches geschieht an einem Hobspiess über einem ofiFnao
Feuer, dsxn Kochen in kupfernen grossen Kesseln oder Thontopfen und das Röu*
ehern an Stangen i)ber dem Heerdstein in den Hütten.
Die Hanptt^peise, der Reis, wird nur in Wasser abgekocht, die Camote eot*
weder gekocht oder in der Asche gt^rostet« die Bananen ebenfulla gerostet oder
frisch, die Apfeisinen nur frisch genossen.
Als Zukost dient Salz, das aus den vielon salzhaltigen warmen Quellen ge-
wonnen oder auch von der Küste bc raufgebracht wird, und rotber Pfeffer, dessen
Biische durchs ganze Land wild wachsen.
I
4
Ein leicbt alkoboHscbeB säuerlicbes Geti^Dk bereiten sie durcb einfacbeB Wäs-
sern und Abgab ren aus Reis (Siniput), ein anderes, weit schmackhafteres, rimi-
artiges aus gegiihrt^nem Zuckerrohrsaft (Ha»i), Wo ktMn Ziickerrabr wächst *ind
allein der Reisbranntwein vorkonmit, trägt auch dieser den Namen Hasig.
Ab letztes Genussiuittel ist schliesslich der Tabak zo nennen, dessen Genuas
die Igorroten, Männer, Weiber und Kinder, leidenschaftlich ergeben sind. Da sie
selbst sehr wenig Tubak bauen, t^etgen sie eineu grossen Tbeil ihrer Feld- und
Bergbauerträgnisse daran, sieb in Besitz desselben zu setzen. Die Beuget- Igor roten
erhandeln viel Tabak aus der angreuaenden Provinz Nueva Vizcaya, die Lepanto-
Igorroten aus Isabela, beide aus Ilocos.
Der Tabak wird nur geraucht und zwar aus winzigen, den japaniscbeo ähn-
lichen Bronze- oder Thonpfeifchen, in die ein Pfröpfchen gestopft wird von der
Grösse einer Bohne» In 2 — 3 Minuten ist der Genuas vorüber. In maacben ab-
gelegeneu Raneberien des aiittleren Benzet fand ich ein eschenartigea Blatt im
Gebrauch als Surrogat des schwer zu beschaffenden Tabaks.
VIIL
Handwerk, Kunst, Bergbau,
Die kleinen Tabakspfeifcben sind dasjenige Erzeugt! iss des Igorroteo, in dem
sich sein KiiDstsinn am deutlichsten atii^prägt Aus Bolz getfrchnitzt, aus MessiDg
gegossen oder aus Tbon geformt, entbehrt keine« der Verzierung durch eingetriebene
Messißgstiftchen, durch scbneckenartige oder rosettenforuiige Ornamentej und ge-
wöhülich hängt an jedem noch ein Messingkettcheo mit eim^r gleicberweifte ver-
zierten Messingnadel. Aebnlicbe Musler keliren auf den Mesivingohrringeo, den
Arm- und Halsspangen wieder. Ebenso geschickt ist der Igorrote in der Anferti-
gung von Körben und Körbchen und in der Schnitzerei bölzeroer GeTäthschafteu.
Und wo er sich da an die Nachbildung menscbHchcr [♦'iguren wagt, tritt sofort eine
überraschende Aehn liebkeit mit den gleichartigen Produkten der Dayaks von Bornen
zu Tage. Solche Figuren finden sich regelaiässig an Löffeln, oft an den Wehr-
gehangen (portaüak) und bisweilen im grossen Maassstab an den Thürpfoslen.
In den meisten spricht sich eine obscöne Vorstellung aus ^),
Alle Geräthe, Waffen und Schmucksachen gehen aus Hausarbeit hervor. Von ir»
gend welchem bandwcrksmassigen Betrieb ist mir nur ein Beispit:! vorgekommen und
von einem andern habe ich wenigstens einen glaubwürdigen Bericht. Das erstere
ist eine Schmiede, das andere eine Töpferei, und beide Betriebe werden von den
Igorroteu sehr geheim gehatten.
Die Töpferei besteht in der Rancheria Vila in Lepanto und versorgt einen
grossen Theil der Rancheriea um den Monte Data mit Kochtöpfen; die Schmiede,
welche ich zu besuchen Gelegenheit hatte, befindet »ich vor der Rancheria ßugias
in Benget und versieht das obere Thal des Rio Aguo mit Messern und Danzen-
spitzen. Einige andere Schmieden existiren, wie mir dort in Bugias mitgetheilt
wurde, in den nordwestlichen Raneberien von Beuget.
Der Mechanismus dieser Schmiede war denkbarst primitiv. Zwei senkrecht in
den Boden gerammte bohle Baumstämme tod l^j^m Höhe, in welchen an Stäben
1) Daas die meisten dieser Figuren Bilder der Anitos, der Ter^torbenen Abnen» vorstellen
sollen, wie einige Reisende vermutben, Ist mir um üO unwahrscheinlicher, als ich nirgendg aarh
nur eine Spur von Cultus wahrgenommen habe, der die-nen Bildern dargebracht worden sei.
Nur in Cay^n bekam ich einraal einige Anilobildcben zu Gesiebt, den^^n man VerehruiiK
icnllte: die^e aher wiiren »us Gold g^gosisti und denjenigen durchitns ähnlich, die Hr Dr liär
dem KonigUcbeu Museum meines Wissens von Bontok mitgebracht bat.
(384)
zwei Holzscheiben auf- und abgestossen wurden, bildeten das Geblase, Der durch
die Bewegiiüg der Sclicibeu erzeugte Luftsitrom dringt durch 2 Holzriihrcn, die auf
dem Erdlioden von den beid«*rj bohlen Baum stammen auslaufen, nach der Ff-uer-
stelle hinaUÄ, und dort wird das Eihen durch Seluniedeu imf (^»uiirzblocken uüt Häm-
mern aua liasait oder Quarz zu Wafifen und Geiathcn verarbeitet.
Das Schmledeeieen wird ubrigeus durch blosses Gluhf^n, Schmieden und Kühlen
auB dem Gusseisen gewonnen, das auf fdinlich»:' Weise unweit der Raochene aus
dem dort gegrabenen Roheisen hergestellt wird.
Nur ein geringer Theil des benöthigteo Eisens geluugt schön als Seh miede eisen
von der Kiiste herauf in den Besitz der Tgorrotew, der gröseero Theil wird von
diesen selbst gewonwen.
Öüd ebenso wie Eitlen schürfen sie Kupfer, Zink (diese« in geringen Mengeo)
und Gold. Pie reichhaltigsten Kupfergruben liegen am Monte Data, die ertrag-
fähigsten Goldminen bei Suyuc in Lepanto und am Monte de Oro in Benget*
Die Forderung des Eisen- und Kupfererzes geschieht gewöhnlich durch Feuer-
setzeti. Die Wärme und namentlich die in den Erzspalten eatsteheoden Wasser-
därapfe sprengen das Gestein auseii^ander, das dann gerostet und in Schmelzen vou
ebenso einfacher Art, wie die erwähnten Schmied egehlase, ausgeschmolzen wird.
Das Gold wird in den offnen Gruben mit eisernen Harken gebrochen und die
Quarze nach den Werkplätzen gebracht, wo sie zwischen »Steinen zerklopft und
zerrieben werden. Der ^o eiatstehende graue Schlamm wird dann auf äacbeii
Schwingen vielfachen Waechungen unterworfen, bis sich die Goldkornchen alle id
einer Ecke abgesetzt haben. Zum Schluss wird der Goldsand zu Scheiben einge-
schmolzen und in dieser Gestalt kommt da^ Metall meistens in den Handel')»
Die Grubenarbeit ist Sache der Manner, das Waschen und Einschmelzen be-
gorgen die Weiber, Besitzer der Minen sind in Suyuc die Principea, die je nach
den gewonneneu Quantitäten den Arbeitenden einen entsprechenden Tagelohn zahlen.
Geburtsbräuche und Ehe.
An diese Notizen erlauben Sie mir einige Mittheilungen über das Familien*
leben an z u seh li essen.
Sofort nach der Geburt wird das Kind in kaltem Wasser gebadet. 10 Tage
lang badet die Mutter sich und das Rtitd täglich mehrmals Die Wöchnerin tragt
3 Wochen laug eine Leibbinde und verlässt wahrend dieser Zeit (wenigstens in Le-
panto) die tlütte nicht. Die liaus- und Feldarbeit liegt inzwischen dem Mann und
den Kindern ob. Von Zwülingen wird das zuletzt geborene Kind erwürgt, falls
sich in der Hancheria Niemand findet» der es adoptiren will. Ebenso wird ein
mit der Nabelschnur umschlufi genes neugeborenes Kind sofort vergraben, da der
Glaube herrscht, ein Kolches Wesen würde in späteren Jahren den Eltern nach dem
Leben stehen. Die Taufe besteht in der Benennung nach demjeuigen Verwandten,
der dem Kind das erste Geschenk bringt.
Bis zur Verheirathuug bleiben die Kinder in der Hiitte der Eltern.
Die Behütung der Keuschheit dt^r Mädchen ist eine geradezu ängstliche und
Fehltritte werden mit schweren körperlichen Züchtiguugen bestraft. Bei den
Lepaoto-Igorroten mu&s der Verfuhr«T das Mädchen heinifhen oder ihr ein voll-
I
1) Die Beuget-Jgerroten bringen jahrlieh im Durchschnitt 6000 Vntea xum Verkauf
die ilocanischen und chinesischen H&adlor.
(385)
stäadiges Weibergewaod und ein belegtes Miitterschwein schenken, und falls das
Mädchen niederkomdjen sollte, das Kind erhalten. Eine Scheidung aher der ge-
schlechUreifen Junglinge und Mädchen einer Rancherie in zwei grosse Hütten, wie
sie Lillo de Gracia angiebt, besteht nirgends mehr.
Haben zwei Verliebte die Zustimmung der Eltern zur Heirath, so findet ein
Festschmaua statfe, bei welchem gebratene Schweine und Reisbasig die Hauptrolle
spielen, und währeod des Schmauses werden die beiden tu Verheirath enden allein
in eine Hütte eingesperrt, wo sie, mit Essen und Trinken versorgt, 4 — 5 Tage bis zur
Beendigung des Festes bleiben. Nach dieser Probezeit steht es jedem der beiden Par-
teien frei, von der Heirath abzustehen. Wenn der Mann zurücktritt, so hat er das
Mädchen mit einem Gewaod, einem Feldspaten, einem Kochkessel, einem Armband
und Ohrringen zn beschenken und die Kosten des Festschmauses zu tragen; tritt
das Mädchen zurijck, so fallen ihr die Kosten des Schmauses zu. Wird aber das
Mädchen schwanger, dann nauss ihr der iMann eine Hütte bauen und ihr ein
Schwein nebst eiaem Paar Hühner scheoken. Sind jedoch die beiden Parteien mit
der Ehe einverstanden, so wird eine Frieaterin gerufen, die bei Anwesenheit aller
Verwandten unter Anrufung der Geister der Verstorbenen (der Anitos) den Bund
fürs Leben weiht.
Die Heilighaltung dieser monogaraischen Ehen ht eine äusserst strenge. Kommt
dennoch ein Ehebruch vor, so hjit der schuldige Theil auf \^ erlangen des andern
die Hütte und Familie zu verlassen und gehört djinn wieder der Familie des Va-
ters an; übt aber der beleidigte Gatte Nachsicht, so kommt der schuldige Theil
Diit einer harten körperlichen Züchtigung davon.
Für Wittwer besteht bei den Ben get-I gorroten eine Trauerzeit Ton mindestens
3 Monaten, Der Arme, der für seinen Unterhalt zu sorgen hat, muas einen vollen
Monat in der JHutte zubringen, der Reiche die ganze Trauerzeit. In Lepaolo dauert
die Trauer sogar ein Jahr. Erst nach der Trauerxeit darf der Wittwer wieder hei-
rathen.
Die Wittwe gehört der Familie des verstorbenen Galten an, ebenso ihr Haus-
wesen und ihre Kinder; verheirathet sie sich wieder, so verbleiben letztere in
der Fitmilie des verstorbt^nen Gatten. Der ehemals betriebene Handel mit Kin-
dern an die christlichen Malayei] der Kustenlande hat unter den Igorroten ganz auf-
gehört; hei aüderen Stammen existirt er noch,
X.
Todtenbräuche und Erbschaft
Ist ein Igorrot dem Tod nahe, so wird er Ton seiner Familie vor die Hütte
getragen, damit er draussen sterbe und der Geist des Abgeschiedenen, der Anito,
dem olle möglichen bösen Absichten gegen die Deberlebenden beigelegt werden,
nicht in der Hütte sein Wesen treibe. Die Leiche aber wird in die Hütte
aufgenommen und dort aufgebahrt. Zu diesem Zweck setzen die Ben get- Igorroten
die Leiche aufrecht auf ein hohes Stuhlger&st inmitten der Hütte. Bekleidet ist
der Todte mit seinem besten Gewand^ aiir in einer Raiicberie auf dem Monte
Data fand ich die Sitte, dem Cadaver ein langes Todtenhemd anzuziehen. (Ein
Exemplar davon befindet sich im Museum.) Kopf und Brust der Leiche werden
mit Tüehern an die hohe Lehne des Stuhigerüstes festgebunden und die Arme und
Füsse auf Querleisten gestützt Am ersteo Tag wird die gesammte Habe des Ver-
storbenen neben der Leiche ausgebreitet, ein Theil seines Schmuckes wird ihm an-
gelegt, mit den Geldstücken ihm Tor den Ohren herumgeklimpert, die Waffen ab-
geputzt und ihm vor das Gesicht gehalten, kurzum alles gcthan, um ihm zu zeigen,
(386)
dmss sein Hab aod Gut in bester Ordnung mit ihm ins Grab wandern werde.
Bald aber Terscbwindet ganz beimlicb ein Stuck oach dem andern, bis ibm zuletzt
nur das Gewand und die wenigen Scbmuckgegenstande bleiben, die er auf dem
Körper trägt
Während nun die Leiche aufgeb.ihrt in der Hütte sitzt und von einem Rauch-
feuer, das Tor ihm entzündet und beständig unterhalten wird, langsam mumificirt
wird, ist es die Pflicht aller Verwandten, Ton nah und fern auf die Benachrichti-
gung durch den nunmehrigen Familienältesten herbeizukommen und dem Verstor-
benen Lebewohl zu sagen. Dass diese Verabschiedung unter Umständen sehr luoge
dauern kann, davon sah ich ein Beispiel in der Rancherie Tublaj in Beuget, wo
ein Cadaver bereits 23 Tage aufgebahrt sass und immer noch auf den Abschied
▼on entfernt wohnenden Verwandten wartete.
So lange nun die Leiche sich noch in der Hütte befindet, wird vor der Hütte
ein Todtenschmaus abgehalten, bei dem es hoch hergehen muss. Auf einem er-
höhten, weithin sichtbaren Punkt in der Nähe der Rancherie wird zu Beginn dea
Schmauses ein Baumfarrnstamm aufgerichtet, an dessen Spitze die mit den Hör-
nern versehene Hirnschale eines Carabaobüfiels festgebunden ist, als Merkzeichen
für die Menschen, dass in der Rancherie ein Todtenfest abgehalten werde, und als
Merkzeichen für den Geist des Verstorbenen, dass man sein Andenken würdig
feiere. Die Quantitäten des bei solcher Gelegenheit vertilgten Fleisches und Reis-
branntweins sind mitunter, wenn der Schmaus Wochen lang dauert, so enoraie,
dass die Familie des Todten durch die entstehenden Kosten von Grund aus rui-
nirt wird.
Wenn endlich die Verwandten sich vom Todten verabschiedet haben, wird die
Leiche in sitzender Stellung mit sammt dem Stuhlgerüst in circa G Fuss lange
Fichten holzsärge gelegt und diese in natürlichen Höhlen, an denen die Korallen-
kalkfelsen des Landes reich sind, beigesetzt, oder wo Höhlen fehlen, in hohle
Baumstämme gesteckt oder auch, wie im nördlichen Benget und auf dem Monte
Data, in künstlichen Gruben unter der Schwelle der Hütte begraben.
Den Häuptlingen und Reichen der Rancherie errichtet man wohl auch auf
einem Hügel eine künstliche Gruft, die das Aussehen einer niedrigen Pyramide
hat uod aus Steinen aufgeschichtet ist; solche „Luddut^ genannten Gräber sind
aber selten, ich sah nur ein einziges bei Suyuc in Lepanto*).
Die Hinterlassenschaft des oder der Verstorbenen fällt an den überlebenden
Gatten, oder wenn dieser schon gestorben, an die Kinder, oder in dritter Linie an
die Geschwister. Gewöhnlich weihen die Erben dem Todten einen neuen Mantel
und eine gute Waffe, damit der Anito nicht wiederkehre und seine Habe von den
Erben zurückverlange.
XL
Anitos, Religion, Priester, Krankheiten.
Die entwichene Seele des Todten wird nach dem Glauben des Igorroten ein
Anito, d. h. ein in menschlicher oder thierischer Gestalt erscheinendes Wesen, das
alle die Fähigkeiten besitzt, die unser Volksaberglaube einem sogenannten umgehenden
Geist zuschreibt. Wenn die grosse Mehrzahl dieser Anitos als ganz harmlose
1} Beim Wohnungswechsel lassen die Benget-I gorroten und der grüsste Tbeil der Lepanto-
Igorroten die Gebeine ihrer Ahnen zurück, um deren Kube nicht zu stören; diejenigen
Lepanto-Igorroten aber, welche die Todten unter ihren Hütten begraben, nehmen die Gebeine
mit sich and begraben sie an der neuen Wohnstätte wiederum unter den Hätten.
(387)
Geister gedacht werden, so ist docb der Anito des verstorbenen Familienältester
um 80 melir gefürchtet. Ihn denkt sich der Igorrot als ein bochst reizbares
und rachöücbstiges Wesen, welches jede Vernachlässigung der schuldigen Rück-
sicht gegen sich und seine Mitanitos an den lebenden Gliedern der Faiuili«^ heimsucJat.
Namentlich schreibt man ihm die Erzeugung von Krankheiten unter Menschen und
Thiereu xu. Erkrankt ein Jgorrot, so ist die erste Frage: wodurch wurde der
Anito erzürnt? und was ißt zu thun^ um ihn zu besänftigen? Krst in zweiter Linie
werden Maassregeln gegen die Krankheit als solche getroflfen. Zunächst sucht nnan
den erzürnten Anito durch ein Opfer zu beschwichtigen. Es wird hierzu, um den
Wunsch des Anito zu erfahren, eiü Stein an einem F&deu aufgehängt, auf den Stein
geblasen uad dabei gefragt: Willst Du ein Huhn oder willst Du ein Schwein oder
willst Du einen Canibao? Bewegt sich der Stein bei der ersten Frage, so wird ein
Huhn gf^sctilachtetj bewegt er sich bei der zweiten, so wird ein Schwein und wenn bei
der dritten^ ein Carabao geopfert. Von dem geschlachteren Thier werden Stückchen
voui Herzen und den Lungen an Holzsplitter gesteckt und vor der Hütte an eiDeu
Pfahl aufgehängt, den betnichtlicheren Rest verzehrt die Familie zu Ehren des
Anito. Wenn aber die Krankheit dennoch eine ernstliche Wendung nimmt, so
schmiert ein Priester, ein Mambunung, den Familiengliederu Blut vom Opferthier
auf Stirn und Wangen, welclies nicht abgewasclien werden darf, bis der Kranke
entweder genesen ist oder stirbt '),
um den Anito^ den Urheber aller dieser Uebel, beständig bei guter Laime zu
erhalten, haben die Igorroten des nordlichen Benget und am Monte Data vor ihren
Hütten Pfahle aufgestellt^ an denen in aufgehängten Holznäpfchen oder Bambus-
splittern dem Anito täglich von der Reis- oder Maismohlzeit eine kleine Gabe dar-
gebracht wird. Neben dem Pfahl steht gewöhnlich noch ein Bänkchi^n, damit sich
der Anito dort bei seinem Malile gehörig ausruhen könne.
Die eigentliche Spukzeit für die Anitos ist die Nachtzeit nach Sonnenunter-
gang bis Sonnenaufgang, und nie verlässt deshalb der Igorrot während dieser Zeit
das Gebiet der Kancherie, ohne eine absolut zwingende Veranlassung. Muss er
aber liie Nacht ausäerhaib der Hütte zubringen, m umgiebt er seinen Ruheplatz
mit verschiedenen Talismanen zur Abwehr des Anilo, worunter naturlich Splitter
mit Speise nicht fehlen dürfen. Derartig |^ e kenn zeich netn Lagerplatze bemerkte ich
namentlich im nördlichen Benget vielfach auf meinen Wanderungen.
Ausser dem Glauben an die Anitos ist die Vorstellung des Igorroten von höhe-
ren Wesen eine sehr beschrankte und unklare. Fast in jeder .Rancheiie lauten die
Berichte darüber verschieden. Nur den einen Gott Cabuniang kennen sie fast alle.
Er wohnt sowohl in der Sonne und im Mond, als auch auf den Steroen, er hat die
Krde geschaffen und verkehrt mit den Menschen durch die Anitos. Das Gewitter
1) Es dürfte hier vielleicht eine kiirie Bemerkung über die unter den Igorroten vor-
kommend eii Kriinkbeiten am Platze syin.
In den hoch gelegenen Ben getlandsc haften aiud namentlich Bbttem sebr bSufig. Uh
bin mir hehr Tienigen alten Lenfeu begegnet, diö nicht einen mit tiefen Blwttt^rnurbeti bedeckten
K'lrper hatten, Ebeoso häufig sind Sfbwere Lunpfenentzündungen und Astbma, Die meisten
Männer sind mit Krampfadern behaftet, und HantausBchläge Bowi*j Krätze, sind so gewöhnlich,
wie Scbnupfen und Hasten* Von Geacblechtskrankheifen f:md ich in Beuget keine Spur* desto
mehr aber in Lt*panto. Ueberall, wo dort spanische Militarpüftten beäieben oder bestanden
haben» ist Syphilis und Äwwr m abscb<?ubf*ben Erscbeinan^sformen vürha»nden; Gonorrhoe und
Fluor albus finden sieb ^lelchfatls, und in den tief liögt-nden Dist rieten kommen nücb Dysen-
terie und Leberkrankheiten hinzu, Au^enentzöodnngen, die sehr oft Erblindung bewirken,
giebt es in Beuget wio in Lepanto gleich baufig.
25»
(388)
ist eioe. AeusseruDg seines Zornes. Atieh hat er zwei Sßhne, die den Meii»cbeD
wohlwollen und die deshalb, wie mir acbien, von den Ignrroten wenig berücksich-
tigt werden. Einen eigentlichen Cultns des Cabnniang traf ich nirgends an.
Trotzdem besitzen die Igorroten einen Prieslerstand. Es sind das Männer,
Müinbununga, oder alte Weiber, Asiteras, welche die Kenntniss ihrer Beschwömogs-
fortnetn anf das Erstgeborene ihrer Kinder vererben und damit den Priesterstaod
seihst zu einem erblichen machen. Die Hauptthati^keit der Mambuuutig ist die
Einweihung der Schweine. Hunde nnd Hühner, die ohne ihren Beistand nicht ge-
schlachtet werden dürfen; der Hoku&pokiis der Asiteras winl dagegen nothwendig
erachtet bei Erkrankungen, Leichenbedtattungen, Hochzeiten, Höttenbau, Aufbruch
zu Kriegszugen und dergleichen mehr.
Der Igorrot tragt sich mit einer iMeuge abergläubischer Vorstellungen, die sein
Thun und Lassen reguliren. Hauptsächlich das Erscheinen von Thieren, venuuth-
lieh als verkörpprter Anitos, spielt darin eine grosse RoMe. Kreuzt bein» Lochgraben
für die Grundpfahle einer Hütte eine St:h lange, ein Frosch oder eine Ratte den Platz,
so wird die Stelle sofort verlassen und die Hütte anderswo errichtet. Niest heiia
Hütteuban einer der Betheiligten, so schieben sie die Arbeit eine bis zwei Stunden
auf, bis eine Priesterin den Ort geweiht bat; wenn aber Jemand während des
Bütten baue» stirbt, so schlugen sie mit neuem Material die Hütte an minderer Stelle
auf, Fliegt vor einem Wao derer der kleine rothbrüstige Vogel „uridas** oder
^tiktik*^ über den Pfad, so kehrt er augenblicklich um; wird d« gegen der Ge-
sang dieses Vogels neben dem Weg hörbar, so gilt dies als gutes Omen. Ebenso
veranlasst eine über den Weg schlüpfende Schlange den Igorrotea zur sofortigen
Umkehr. Wenn bei der Ernte des Reises eine Ratte im Felde sichtbar wird, so
hält man mit der Arbeit ein; bis eine Priesterin die Ernte geweiht bat, und fällt ein
Meteor vom Himmel, was nicht selten vorzukommen scheint, oder schlagt der Blitz
in der Nähe der Rancherie ein, d. h. droht der Gott Cabuniang mit Strafe für ir*
gend ein Vergehen, so wird mit Hülfe eines Priesters ein Schwein geopfert und
der Kopf des Thieres aufgepfälilt an den Ort des Blitzschlages gestellt, um deo
zürnenden Gott zu besänftigen.
XII,
Rech tsverhältDisse, Gern ei ndeverfassung.
Auch in die Rechtsverhältnisse greift dieser Glaube an Omina ein. Gewohn-
lich wird eine Streitsache von den Aeltesten der Rancherie in gemeinsamer Be-
sprechung entschieden; können diese sich aber nicht einigen, so muss eine Art
Gottesurtheil entscheiden. Mit einem spitzen Bambus oder Holzsplitter wird dca
beiden Parteien der Hinterkopf geritzt, und wer dabei am meisten Blut verliert,
der bat seineu Anspruch verloren.
Eine merkwürdige Art von Schuldentilgung ist unter den ßenget-lgorroten
Brauch, Wenn dort der Schuldner nicht zahlen kauu, erhält er vom Gläubiger
ein junges Schwein, das er aufziehen muss, bis es Junge wirft. Von diesen Jungen
fallt die Hälfte an den Gläubiger zurück, und ist mit dieser Zahlung die Schuld
noch nicht abgetragen, so muss der Schuldner auch von den folgenden Ferkeiwürfen
so viel abgeben, bis die Angelegenheit beglichen ist
Die Entscheidung in Rechtsstreiten steht, wie erwähnt, bei den Rancherie-
ältesten, unter welchen naturgemäss die Priester und die Vornehmen die erste
Stimme führen. Dieses Collegium der Vornehmen und Priester bildet zugleich deo
HauplheBtandtheil in der Rancheriegemeinde. Nicht sowohl die Tapfersten, als
Yielmehr die Reichsten sind die Adligen; es ist eine Art von PJutokratie, die jede
(389)
Smcherie beherrscht Ihoen^ deo ß^ktiangefl (Beoget) oder GadatigiaD (Lep&uto), ge«
liÖrt ia der Gesaramtbeit der Grund und Boden; von ihneu müssen die Abiteg
(Beuget) oder Cailiak (Lepaoto), die Plebejer, das Ackerland kiiut'en, und ibneo ge-
boren die EiscD-, Kupfer- und GoJdgruben, in welchen die Abiteg auf Kosten und
auf Rechnung der Bakoanges arbeiten müssen. Wo die Spanier feelen Fuss ge-
fasst haben, da sind fn-ibch diese unterschiede schon xiemlich verwischt; tnan hat
ihnen die Genieindeverfasaung der chrisüaniairten Malayen der zweiten luvasion |
aufgezwungeu, mit scharfer Abgreazufig des Raucheriegebietes, mit Wahl eines ein»
^igeo Orts Vorstehers^ mit Biniichtung von Abgaben und Gemeindediensten; aber in
den abgelegenen Rancherien besteht, abgesehen von der Wahl eines OrtKVorstehers, ]
eioes Capitan, die alte Haocherie Verfassung iu ihrer alten Ürspninglicbkeit um so
fester^ ata dorthin nur höchst selten einmal ein spanischer oder misch blutiger Be-
amter vordringt und die Igorroten mit Ausnahme einer geringen Taxzahlung von
allen jenen Äbgabea frei sind, die dea christianisirten Kustenmalayen aLifliegen.
XIII,
Kopfjagd, KriegBbräuchej Feste.
Dort in den abgelegenen Rancherien ist auch noch die alte Sitte der Kopfjagd,
die wohl allen Malajen der ersten Irivaeitm eigen war, und die heyte noch in den
meisten unabhängigen Stämmen herrscht, in Uebußg. Bei den iibrigen Igorroten
ist diet^er Brauch aber bis auf symbolische Andeutungen verschwunden, welche im
nördlichen Beuget und am Moote Data darin bestehen, daas bei grossen Festi?n die
jungen Männer in einer grossen Kette um einen rob bebauenen Baumstamm tanzen
und jenen Spottgesang anheben, welcher ehemals beim Unitaazen der aufgesteckten
Schädel erschallte, die ein glücklicher Kopfjäger erbeutet hatte.
Diese grossen Feste der ganzen Raucherie, Caoaos genannt, die auch beim Tod
eines reichen Adligen oder eines Priesters oder aus Anlass einer besonders guten
Ernte veranstaltet werden, sind übrigens die einzigen, in welchen solche kriegerische '
Kundgebungen vorkommen Alle anderen Feste «ind durchaus friedlicher Natur.
Sie werden je nach ihrer Bedeutung vor oder in der Hütte gefeiert und bestehen
in £ss^ und Trinkgelagen, in Springtänzen junger Männer, in Gesängen einer
Prietiterin und Trommelmusik irgend eines dieser Kunt^t beflissenen Igorroten* Jede
respectable Familie besitzt eine solche Tanztrommel, die einem Kanonenrohr nicht
unähnlich ist, zu eigen. Soll das Fest im engsten Kreis der Familie stattfinden
und Niemand eintreten dürfen, ohne dass er an den Schmauskosten theilnehme, dann
hängen sie als Warnungszeicben in Knoten geflochtene Grasbundel über die Thür-
offnung und bleiben darum unbehelligt.
XIV.
Sprache,
Zum Schluss möchte ich noch einige kurze Notizen über die Sprache der
Igorroten geben, ohne mich auf linguii^tische Yermuthungen einzulassen, da ich
davon nichts verstehe. Die Igorroten sprechen in Beuget und in Lepanto vier ver-
schiedene Dialecte. Der eine, die Inibaloi-8prache genannt, wird im Thal des Rio
Agno gesprochen bis hinauf nach der Rancherie Loo, wo das Gebiet desjenigen
Lepanto- Dialectes beginnt, der um den Monte Data gesprochen wird. Der zweite
Bialect der Beuget- Igorroten, Cancanai genannt, ist im ganzen Nordwesten ron
Beuget im Brauch und die zweite Mundart der Lepanto-I gorroten im ganzen Tief-
land des Rio Äbra, Es sind also scharfe geographische Grenzen^ welche die
einzelnen Idiome von einander trennen.
(3D0)
Die beiden Dtalecte der Lepanto-Igorroten haben scbr*n so Tiele ilocanische
Worte aufgeaomtiieii, das« eine Verstftotli gutig mit den Ilocanerü sehr wobl möglich
ist DiejenigeD der Beoget-Igorroten sind reiner geblieben. la diesen verur-
sachte mir bei der AufsteHung eines kleinen Vocabulars nameotlich die Unreinheit
der Vokale grosse Schwierigkeiteo. Für e, o und u besitzen sie nur einen einzigen
Laut, ein Mittelding zwischen o und ö, das sie erst nach wieikrboltem Befragen
mehr nach e, o oder u hin accentuiren. Eigentbümlich sind die vielen halben und
ganzen Nasallaute, deren erstere dem französischen Nasallaut nahekommen, wahrend
die letzteren an das harte Chinesisch anklingen^ wie es in Cauton gesprochen wird.
An unserem deutschen ßcharfen ch-Laiit sind alle vier Dialecte reich und nicht
minder häufig kommt das tßcb von Auf welche Yerwandlschaft diese characteristi-
ächen Eigenschaften in der Aussprache aber hinweisen, ist mir unbekannt.
Eine Schrift, in welcher Gestalt auch immer, haben die Igorroten nicht.
Hier, m, Hrn., erlauben Sie mir hente die Mittheiinngen abzuschliessen; icIh
hoffe aber, Ihnen später einmal eine aosführlicbere Darstellung geben und Ihnen
noch einiges Neue über die den Igorroleu stammverwandten Ginanes mittheilen
2U dürfen; denn die Ginanes sind vom si^ianischen Kinfluss noch total unberührt
und desbtdb als Typus der heidnischen Malajen der ersten Invasion io den Philip*
pinen gewiss noch intereasanter als die Igorrotee. —
Hr, Virchow legt bei dieser Gelegenheit Mittheilungen vor über die
Schädel der Igorroten.
Bei verschiedenen Sendungen von Philippifien-Schädeln, welche ich in der
Gesellschaft besprochen habr, fand sich jedesmal ein in seiner Bildung auffällig
abweichender, der auch nach seiner Provenienz die Aufmerksamkeit besonders in
Anspruch nahm.
Der erste iiitammte au:! der Sammlung des Hrn. Ja gor. Er ist bezeichnet als
der eines Cimarronen^ der 1B5G durch einen Hieb mit einem Jagdmesser am lierge
Tsarog auf der Insel Luzon das Leben verloren hatte. Ich besjirach ihn in de
Sitzung vom 15. Januar 1870 (wiederabgedruckt in dem Reisewerk des Hro* Jage
S. 360, vgl. S. 371 u, S. 374), Er ist, nach der erneut vorgenommenen Messung,
orthomesocephal: Breiten index 7(5,8, Hohenindex 74,6.
Einen aweiten Cimarronen*Schädel erhielten wir durch Hrn. Schetelig: ich
legte ihn in der Sitzung vom 10, December 1870 (bei Jagor S. 366, 371} vor. Der-
selbe wurde in der Pro vi uz Albay, gleichfalls auf Luzon, ausgegraben und ist
mit dem Namen Baringeag bezeichnet. Er ist hjpBimesocephal; Breitenindejc
75,7, Hijhenindex 78,9.
Ein dritter verwandter Schädel wurde durch Hrn. A. B.Meyer mitgebnichts
er wurde in der Sitaung vom 15. Juni 1872 (bei Jagor S. 374) gezeigt Ein be-
Btimmter Fundort ist nicht angegeben, doch trägt er die Bezeichnung: Igorrote.
Er ist ausgemacht orthodolichocephal: Breitenindex 67,6, Hohenindex 73,4.
Endlich erhielt ich einen vierten diircli lim. G. A. Baer: derselbe wurde in
den Sitzungen vom 18, Octobcr 1879 (Verb. S. 332) und vom '20. December 1879
(Verh, S. 427) besprochen. Er gehörte einem Igorroten von Gay an auf der Insel
Luzon und war durch den Gouverneur des Distriktes von Lepanto, Hrn Lillo be-
sorgt; Hr. Baer nennt ihn ^sehr authentiach**. Er ist gleichfall» orthodolicho-
cephal: Läogenindex 74,3, Breitenindex 72,6.
Bei allen diesen Gelegenheiten* insbeaondere bei der letzten, habe ich ausfuhr*
(391)
Jicb darauf aufm erksam gemacht, dass diese Schädel in einem sehr bestlmiLiteü Gegeo-
eatze gegen alle anderen Schädel philippinischer Stamme stehen und daas sie sich
sowohl von den alten HohlenschädelD, als aych von denen der Negritos, der Ta-
galen, der Bicols u. 8, w, scharf unterscheiden. Ich hob insbesondere ihre dolicboce-
phale oder höchstens mesocephale Form, ihre geringe Prognathie, die verbaltniss-
mässig hohen Augenböhlen^ die hohe NaJ?e mit schmaler Wurzel und gelegentlich
starken Stirn-NasenwOlsteu hervor, und bemerkte, dass diese wilde Rasse, soweit
wir wüssten, nicht schwura und nicht kraushaarig eei. Ich schlogg mit den Worten :
„Oa^ Interesse, sie genauer kennen zu lernen, ist ungemein gross, und ich darf die
Aufiaerksaujkeit sowohl der inländischen Forscher, als der Reisenden ganz beson-
ders darauf hinlenken^ weitere Nachrichten über diese Stämme zu sammeln und
anthropologisches Material zu ihrer ßeurtheiluug zusammeßÄubriogen.**
Meine wiederholten Mahnungen haben jetzt endlich ihre Fnicht getragen und
ich habe in erster Linie den ilerreu Bastiaa und Jagor zu danken, dass sie ihren
Einfluss dazu verwendet haben, die letzten Reisenden zu veranlassen, den nicht zu
den Negritos gehörenden wilden Stämmen des Innern Besuche abzustatten. So sind
denn zuerst voa Hrn. Landau nicht bloss Nachrichten, sondern auch Knochen ein-
gegangen, und wir haben jetzt Brn. LI ans Meyer unseren Dank abzuslatten für
die horgfüllige Erforschung des eigentÜclien Igorroten-Landes.
B»/kanntlich hat der Name der Igorroten manches Unsichere an sich, da er
zuweilen auf alle centrab*n wiblon Stämme, mit Ausnahme der Negritos, ausgedehnt
ist. Hr. Biumentritt (Versuch einer Ethnographie der Philippinen. Erganzungs-
heft Nr. 67 zu Petermaon's Mitth. S. 24) nennt das „önfug**, aber auch er ist
geneigt» Igorrotea im engeren und solche im weiteren Sinne zuzulassen, und ich
mochte die Frage auf werfen, wie es gekomuien sein sollte, dass dieser Name so
allgemein angewendet worden ist, w^enn das Volk vou jeher nur auf den kleinen
Bezirk im Norden von Luzon beschränkt war, wo jetzt die Igorroten ^im engeren
Sinne"^ wohnen. Gerade die Schädel, von denen ich gesprochen habe, schienen
mir den Gedanken nnhe zu legen, dass in der That ein näheres Verhältniss zwischen
dipÄen Igorroteu und den Cimarronen von Ganiarines und Albay, also aus süd-
licbereu Provinzen von Liizon, bestehe. Immerhin mag es mehr gerechtfertigt sein,
letztere zunächät auszuscheiden.
Unter den vorband eneo Schädeln un4 sonstigen Gebeinen nehmen die von
Hrn. Hans Meyer mitgebrachten den ersten Rang ein, insofern sie gerade aus dem
Gebiet der Igorroten „im engeren Smue** herstammen und von dem Reisenden selbst
gesammelt sind. Er berichtet darüber Folgendes:
„Die beiden Stiiadel nebst Knochen, Ringen und Gewaadresten sind von mir
aus einer Höhle bei Cabajan, Provinz Beuget, Luzou, geholt worden. Die Höhle
liegt ca* Va Stunde von der Igorroten-Iiancherie Cabayan entfernt^ am Hang eines
Hügels und dicht am Pfad, der von Cabayan nach Adasay fuhrt. Sie ist voa
Korallenkalkfel^en gebildet und hat eine Hohe von etwa 4 Fuss, eine Breite von
8—10 Fuss und eine Länge von 15 — 20 Fuss. Ehe ich hineingelangen konnte,
hatte ich eine Schicht grosser Steine wegzuräumen, die offenbar von den Igorroten
zum Schutz geg*^n Hunde^ Füchse u. s. w, oder gegen eine räuberische Hand vor dem
Eingang aufgeführt war. In der Hohle standen drei, aus je eiuem Fichtenstamm
gehauene und mit fichtenen Deckeln gescblosaene Sarge. Die Deckel waren eben-
falls aus einem Stamm geschnitten und durch Hoizpflöcke befestigt. Die Lange der
Särge betrug 6 Fuss, ihre Form näherte sich sehr derjenigen unserer Särge. Nur
der vorderste der drei Särge war ganz intact^ die beiden anderen dagegen ziem-
lich stark zerfallen^ so dass ohne viel Mühe die Deckel eingestosson iiud der In-
(392)
halt, soweit er bei Kerzenlicht in dem duokeln Loche zu erfassen war, heraus-
geüomoien werden konnte. Der vorderste, wohl neueste Sarg, widerstand allen
ADstrengtingen.
„Die Armringe sammt den GewandreBten stammen aus dem augenscheinlich
Zweitältesten, dem mittleren Sarg; ebeudaher die Holzstückchen, welche den Deckel
zierten. Der lohalt des bintersten und wahrscheinlich ältesten Sarges war, abge-
sehen vom Schädel und den Knochen, vollständig vermodert.
„Unter der Hand eingezogenen Erkundigungen nach, war der vorderste Sarg
var 4 Jahren beigesetzt worden, die anderen mögen schon 30 — 40 Jahre oder
noch langer gestanden haben. Aüe drei enthielten Leichen von Igorrotes aus
Cabayan.*'
Leider fehlt in der Mittheilung des Hrn. Meyer eine Angabe über das Ge-
schlecht der beigesetzten Leichen, was um so mehr zu bedauern ist, als, wie
ich aus Erfahrung weiss, an den Schadein vieler Wilden, inabesondere von Insula-
nern, unsere gewöhnlichen Merkmale in Bezug auf die Bestimmung des Ge-
schlechts versagen. Wie ich die beiden Schädel ansehe, wäre ich geneigt, beide
für weibliche zu halten, den einen (Nr» IV) für den eiuer ganz alten, zahnlosen
Frau, den anderen (Nr V) für den eines jnn-gen Mädchens. Indess erkenne ich
vorweg an, dass die Grösse des Schädel raumes und die Bescbaffeoheit der üaare
von Nr, V einigen Zweifel erwecken konnten.
In beiden Fällen sind die Schadelknochen einschliesslich der Unterkiefer voll-
ständig vorhanden^ dagegen finden sich von den iibrigen Skeletknochen nur die
langen Knochen der Extremitäten etwas vollständiger vor, während selbst die
Becken wegen Mangels grossprer Abschnitte nicht zu restauriren sind und die Mehr-
zahl der kleinen Knochen ganz fehlt. Ein linkes Os humeri und 2 entsprechende
Seapulae weiss ich gar nicht unterzubringen* Sie sind zu klein für lY und zu ent-
wickelt für V.
Bei der Wichtigkeit der Funde gebe ich zunächst eine gedrängte BescbreibUDg
der Einzelheiten:
1. Von dem Skelet der alten Frau (Nr. IV) ist der Schädel vollständig
vorbanden. Da jedoch alle Zähne aufgefallen waren und ein totaler Schwund
der Alveokrfortsätze eingetreten ist, so lassen sich die Gesichtsverhältnisse nur für
den oberen Abschnitt genauer feststellen.
Der Schädel bat die geringe Capacität von 1210 ccm. Auch die Umfangsmaasse
Bind durchweg klein* Die Form ist ausgemacht hy psimesocephal (Breiteoindex
78,3, Hühenindex 81,3). Die gerade Länge des Hinterhaupts beträgt 2^ pCt,, alao
hei nahe \'^ der Gesammtlänge.
Die gelbbräunliche OberMche ist sehr glatt und besitzt namentlich an der
Stirn fabt gar keine Wülste oder Vorspiunge; hinten zeigt sich ein zii^mlich kräfti-
ger Toms occipitalis mit tiefem, und scharfem Absatz, ohne ausgeprägte Protubcratix.
Sämmtliche Nähte sind offen und wenig gezackt« Hinter der Coronaria, insbesondere
jederseita an dem vorderen Abschnitte der Parietalia oberhalb der Schläfe nliuien
eine stärkere, fast dachförmige Depression, Am Stirnbein, links, dicht vor und
parallel mit der Coronaria^ eLn 2 cm langer, 5 ww breiter, unebener, offenbar trau-
matischer Eindruck.
In der Oberansicht erscheint das Schädeldach sowohl schmal als kurz, der
Vordertheil eher breit, die Tubera parietalia wenig abgesetzt und weit nach vorn
gestellt. Das Seitenprofil zeigt eine mehr gerade, niedere Stirn, an welche ziemlieb
schnell eine etwas flache Scheitelcurve ansetzt, aber schon von der intertuberaleo
Farietallinie an beginnt ein schneller Abfall, der am Hinterhaupt selbst ziemlicb
4
4
(393)
jäh ausläuft Sehr auffallig ist der ogivale Contour der Norma occipitalis: die
oberen Flächen sind dachförmig, die Seitenflächen ziemlich gerade. In der Dnter-
ansicht tritt der Eindruck der Breite mehr hervor; selbst das Hinterhaupt, welches
übrigens von rechts her etwas eingedrückt und somit schief ist, sieht verhältniss-
mässig gross aus.
Die Vorderansicht zeigt au der fast geraden und ziemlich vollen und breiten
(92 mm) Stirn einen breiten, flach gewölbten und tief heruuterreichenden Nasen-
fortsatz von 25 mm Querdurchmesser. In denselben greift die ganz gerade Stirn-
nasennaht hinauf. Die Nasenbeine sind lang, breit und fast ganz platt; erst von
der Mitte an ist der Rücken ganz schwach eingebogen und erst am unteren Ende
ein klein wenig erhaben. Da die Apertur wohl oben, aber nicht unten (24 mm)
weit ist, so ergiebt sich ein noch mesorrhiner Index (51). Dagegen sind die
Orbitae sehr gross, hoch und fast viereckig; ihr Index (87,1) ist ausgemacht
hypsikonch. Die Infraorbitalspalte ungemein weit Die Wangenbeine liegen
mehr an, die Fossae caninae sind sehr tief, der Alveolarfortsatz, soweit sich über
sein früheres Yerhäitniss urtheilen lässt, schwach prognath, die Gaumencurve
desselben hufeisenförmig. Wie weit der mesostapbyline Index (82,6) maass-
gebend ist, lasst sich nicht beurtbeilen. Der Unterkiefer ist bis auf einen, vorn
fast abgeplatteten Knochenbogen geschwunden; seine Aeste schräg angesetzt und
ziemlich lang.
Von sonstigen Skcletknochen sind folgende vorhanden:
a) Ein Os humeri von 273 mjii Länge, stark gedreht, mit voller Fossa olecrani
b) Ein linkes Os femoris, 385 mm lang, mehr zart, mit leicht gebogener Dia-
pbyse, starker Crista posterior, niedrigem Trochanter, kurzem, etwas
flachem, unter einem Winkel von 115^ angesetztem Halse, kleinem Kopfe.
Der Condylus internus steht sehr tief.
c) Die linke Tibia, 302 tarn lang, von aussen her etwas stärker eingedrückt,
aber nicht abgeplattet, mit dem oberen Ende etwas nach hinten gebogen,
die Malleolen klein.
d) Die entsprechende Fibula, 291 mm lang, zart, mit starker Längs Vertiefung.
e) Die beiderseitigen Beckenknochen, verhäitnissmässig gross, die Darmbein-
schaufeln stark ausgelegt.
2. Von dem jugendlichen Skelet Nr. V ist ein sehr schöner Schädel vor-
handen, dagegen ist das Uerippe an sich sehr defekt und von den vorhandenen
Röhrenknochen fehlen fast durchweg die noch nicht verschmolzenen Epiphysen.
Am Schädel ist die Sphenooccipitalfuge offen, die Weisheitszähne sind noch nicht
ausgebrochen, die Kronen der Backzähne noch nicht abgenutzt Die Stirn ganz
glatt, ohne alle Vorsprüuge; auch am Hinterhaupt weder Protuberanz noch Toms.
Der Schädel ist für die Jugend des Individuums recht geräumig, 1400 ccm mes-
send; auch sämmtliche Umfangsmaasse ergeben grössere Zahlen. Die Form ist
orthomesocephal (Breitenindex 76,4, Höbenindex 72,5) und zwar nähert sich
der Breitenindex stark der unteren Grenze der Mesocephalie. Die Länge von
182 mm ist für diese Bevölkerung gross; die Occipitallänge macht davon 29,6 pCt
aus, nahezu dasselbe Muass wie bei Nr. IV. Säuimtiiche Nähte sind offen und
ohne gröbere Anomalie; trotzdem besteht beiderseits starke Stenokrotaphie, in-
dem sowohl die Gegend der temporalen Fontanelle tief, fast trichterförmig einge-
drückt, als auch die Ala temporalis selbst vertieft ist. Dafür ist nicht bloss der
Schläfe ufortsatz des Stirnbeins bombenförmig vorgetrieben, sondern auch die Schlä-
fenschuppe mehr vorgewölbt
Die Oberansicht bietet ein überwiegend jugendliches Aussehen dar: die Tubera
$«ri»uA «Jti T"^ "Ebi "r-.rrr^CÄfl*- . '•.cori.il .i> irT«fft&^ üc^ssa täsos Trreyn, as <ftcB
h^xi^l^umxL-vi^^^^ .i«t. t**r Ti»nL i«* *iaifi^ii.ä-^ tt >ki Tit. ^«t- «.■**? finc
kj^^ii^m^ 4-t»- v^Ä ^-K c^ 5c ja f*T»-j» xa.; *äi»r -.c»:':: lOiiä ia* äJi'-traatscc sdt
</iftT*TtT*s-- Iä -d*r Ü!iT*rai.«<£.t o:*a.ia.r: ^^a» Atz* i-i -^--.wic- riX'?*Äri^«^. so
Thii^iU: n^xL ^on Nr. IV ganz it=.-i«ä e'-i^.ac^ i*«. f^-t-'-r i*r aart^rc. ah-*r c-reitea
(^ji mm, StiTfi hiizt •fit, 23 am G^*;;«r. *:»a* ii*j ii#n*!:'>rT»;.:i^S'i*r Nas^nfi-itsatz«
an w^{4(h<» ftftdb ci« e*&2 abg^-fiacM«'. höchst tithc-k vi*ie Nas•^ m:; einer
br«iU;A, XMiDiicb g*rrwi*:ß. etvx« i& 6ra ForCäaiz c** S*irs.r^iL5 herauftreteoäen
XaLt anfüge Di^ Xa^^&Veice ii*z*n io «^Lr :q eic^r E'^ce. öa» t.>ii einem
EuckcD eigentii^b Licht ge^|>r>:heo v^ri^^c kax^c: eine vlcKte Eicbie^ucg in öer
Mitl« Dkacbt Cie Abplattung ehrr c>:c^ a-3£«l:£rr. Da£e£^n tritt <ier ^tiraft^itsata
des Ot<?rkiefer§, besonder* nebec Cen otteren Tbei>c cer Xas-e-nh-eic*». leicht ge-
wölbt Tor. Obwohl öie Apertar eher scho^ gecann: wer^iec kann '24 i»a}, ist
doch wegen der Kurze cer ganzen Nase ;i4 ua der Icöex platjrrhio (64.5).
Damit barmooiit die Form des oberen fUndes der Apertur: hier scbceideo die
Naaenbeiue fia^t gerade ab and es bildet sich eine breite, eckige Bucht, welche
beiderseita g^g^n die Oberkiefer herantritt.
Aocb das Gericht im Gauizen. de$£en H«>be leider weg*»n des Verlustes der
meisten ii^boe nicht genau zu bestimiüen ist. ergiebt aooäheruog^weise ein chamae-
prosopes Maass (Index ^1,^^^. An den soc^t geraden Waogeni:>eioen tritt die
untere Tu berosität stärker vor. Trotzdem i?t oer Orbitaliu'iex hvpsikoncb ^80.4):
die Augenhöhlen erscheinen gross, tief und hoch, nach oben stärker gewölbt, mit
sehr weiten Infraorbitalspalten. Die Fossae caninae tief, der Alveolarfortsatx
prognath, Kfust kurz (15 rnrnj. Die Zähne sehr unregelmäßig, namentlich sind
links der Eckzahn und die beiden Prämolaren gegenseitig yerschobcu. so dass der
I. Främolaris ganz nach innen gedrängt, die beiden anderen Zähne aber um ihre
Axe gedreht sind. Die Zahneunre ist hufeisenförmig; der Gaumenindex (65,3)
leptostaphylin. Endlich der Cnterkiefer ist schwach und niedrig, in der Median-
linie 25 mm hoch, das Kinn gerundet, mit leicht vortretendem Höcker, der Alveolar-
rand leicht prognath, die Curve vorn weit, aber die Kieferwiukeldistanz gering
(86 mm). Die Aeste sind niedrig, aber breit: 47 mm hoch, 3ö breit. Die 11. Mo-
laren stehen mit ihren Kronen schräg nach innen.
Von dem sonstigen Gerippe sind ausser dem Kreuzbein und dem rechten Darm-
bein nur Röhrenknochen der Extremitäten gerettet, an denen, wie erwähnt, zahl-
reiche Epiphjsen fehlen. Am Arm sind bis auf den Epicondylus sämuitliche
Epiphysen um das Ellenbogengelenk verwachsen, dagegen fehlen der Kopf des
Oberarm- und die Carpalephiphysen der VorderarmknocLen. Am Oberschenkel
und den beiden Tibiae fehlen sämmtliche Epipbysen, selbst die Trochanteren. Dar-
nach durfte anzunehmen sein, dass die Person ein Lebensalter von 16 — 17 Jah-
ren gehabt hat. Am Vorderarm sassen noch mumificirte Weicbtheile, wahrschein-
lich erbalten durch Metallsalze, denn das obere Drittel des Radius ist durch Kupfer-
färbung grün.
(395)
Der (lioke) Oberarm iet fast gar nicht gedreht, die Fossa olecrani voll. Am
Femur (links) betragt der Insertionswinkel des Halses 125^ An den Tibiae keine
Spur von Abplattung. Das Kreuzbein misst in der Quere fast 9 cm; die (rechte)
Darmbein schaufei ist dick, flach und kurz.
Offenbar zu diesem Gerippe gehörig fand sich in der Kiste noch ein zusammen-
gebackenes Packet von grauen Gewebsresten, Fetzen von rothem Netz und
schwarze, ganz glatte, sehr straffe Haare von 8 — 9 cm Länge. Unter
dem Mikroskop erscheinen die letzteren von der Fläche ganz dunkel und undurch-
sichtig; auf Querschnitten sieht man sie schwach abgeplattet, im Ganzen rundlich,
mit einem kleinen runden, ganz schwarzen Markstreifen, einer dicken, nach aussen
schwarzbraunen, nach innen lichteren und mehr gelbbräuulichen Rinde, und einer
ziemlich dicken, gelblichen Oberhaut. Die Färbung der Rinde ist durch dichtere
oder losere Anhäufungen von körnigem, dunkelbraunem Pigment bedingt —
Es lässt sich nicht leugnen, dass die beiden Gerippe für eine sichere Kennt-
niss der Rassencharaktere nicht besonders geeignet sind. Das eine gehörte einer
gänzlich zahnlosen Greisin, das andere einem jungen Individuum, wahrscheinlich
einem Mädchen von 16 — 17 Jahren an. Das eine ist also zu alt^ das andere zu
jung zu maassgebenden Folgerungen. Deberdiess fehlt ein männliches Gerippe,
welches erst das Bild vervollständigen wurde. Nehmen wir indess das vorliegende
Material, wie es nun einmal ist, so ergeben sich als Hauptmerkmale: Mesocepbalie
mit ogivalem Contour des Schädeldurchschnittes, Chamaeprosopie,
Hjpsikonchie, leichte Prognathie und vor Allem eine höchst eigen-
thijmliche, zwischen Meso- und Platyrrhinie schwankende Nase, end-
lich sehr stark pigmentirtes, schwarzes, straffes Haupthaar. —
Die von Dr. Landau eingesandten Gerippe sind leider weniger gut bestimmt.
Nach einem, au die Verwaltung des Königlichen Museums eingeschickten Bericht
hat er in der Gegend von Barn bang, in der Provinz Nueva Viscaya, zwei ^wohl-
erhaltene** Skelette ausgegraben. Seiner Angabe nach ist auch diese Gegend noch
von Igorroten bewohnt. In der That ist sie nur durch den Rio Magat und die Cor-
dillere von dem eigentlichen Igorroten-Lande getrennt, und auch andere Reisende,
z. B. V. Dräsche, geben hier Igorroten an. Aber es ist noch eine andere Schwierigkeit
vorhanden. Es sind nicht 2, sondern 3, freilich unvollständige und zum Theil sehr
mangelhaft erhaltene Skelette angekommen, und es hat sich aus den Berichten des
Dr. Landau über die Herkunft des dritten Skelets nichts ermitteln lassen. Hoffent-
lich wird sich das später ausgleichen. In der That hat der eine Schädel so viele
Eigenschaften eines Negrito an sich, dass er wahrscheinlich aus der jetzigen Betrach-
tung ausgeschieden werden muss. Die beiden anderen sind ganz verschieden von
ihm. Leider ist der eine derselben ohne Gesicht; der andere dagegen zeigt eine
Gesichts- nnd namentlich eine Naseubildung, welche mit der eben besprochenen
der Schädel von Cabajan völlig übereinstimmen. Ich glaube daher nicht fehlzu-
gehen, wenn ich diese beiden Schädel (Nr. I u. II) gleichfalls als Igorroten ansehe.
a) Der Schädel Nr. I gehörte einem älteren, kräftig entwickelten, wenngleich
etwas zart gebauten Manne an. Er besitzt eine Capacität von 1300 ccm, also weni-
ger als das junge Mädchen, und demgemäss üuifangsmaasse von mittlerer Länge.
Er ist orthodolichocephal (Breitenindex 72,8, Höhenindex 75,0); die gerade Oc-
cipitallänge beträgt 32,6 pCt. der Gesammtlänge.
Die Knochen sind mürbe und oberflächlich abgeblättert, an letzteren Stellen
weiss, sonst schmutzig braungrau. Die Nähte offen, die Schläfen gut gebildet, die
(396)
"tDeiaten Knochen vorsprüiige schwach, nur die Protub. occip, gross und kräftig
Hinter dem linken Tuber parietale ein iai her traumadsclier Rindruck.
In der Ober- und Seitenansicht erscheint das Dach eßtschiedeß lang und voll,
au den Seh eitel liockern ausgelegt. Die Plana temporal ia gross, ihre GreDKÜnieo bi»
auf die Tubera par. reichend. Die Norma ^vccipitalis zeigt einen leicht ogivaleo
Querschnitt, indem diis Dach zwischen Pfeil naht und Tubera parict. etwas eiüge-
drückt ist Die Seiteoflächen convergiren nach tioten. Der Lambdawinkel öpitz,
seine Schenkel etwus gediückt. Starke Wa raten fortöätze. In der Norma bftsilari*
tritt bessouders die Lauge des Hinterhaupts hervor. Das Hinterhauptsloch oviil.
uiit dicken Rändern.
In der Vorderansicht erfcheint die Stirn, obwohl massig breit (J*l vmt)^ doch
klein, besonders niedrig, etwas vorgerundet, fast von kindlichem Aussehen, Suprn-
orbitulwIjUte kaum angedeutet, dagegeo der Supraorbitalrand nach aussen etwas
vortretend. Das Oesicbl macht mehr einen mittleren Eiiulruck, obwohl der Index
(71j->) entschieden chainaeprosop ist. Die Orbitae gross, fast viereckig, beson-
ders hoch: Index hjpsikonch (94,7), Der Nasen fort?; at« des Stiriibem» breit
(24 wwi), mit einem kurzen, stark gezackten Reste der Stirn oaht; die Stirn nasen*
naht greift in den Fortsatx ein. Die Nase selbst ist fast giinz fluch nod breit, bei-
nahe ohne Rücken^ unten quer abgeschnitten. Der Index ist platjrrhio (69,1);
dem entspricht die breite Apertur, vod der aus jederseits eine breite Praenasal-
furche schräg auf den progoathen Alveolarfortsatz herablauft. Tiefe Fossae cä-
ninae. Die Oberkieferjtäbne fehle« durchweg. Der Gaiiraeu leptostaphy liti
(71,4?), mit hufeisenlurmiger Zahncurve.
Der Unterkiefer ist kräftig, vorn stark ausgebogen, das Kinn fast progeuäischy
der einzige vorhandene Zahn (Molaris dexter I) tief abgenutzt. Aeste breit (33 mm)
und hoch (60 mm). Sehr weite Spannung der Kieferwjokel (lt}4 mm).
Sämmtliche übrige Skeletknochen sind brijchig, etwas verletzt und von mehr
gracüer Gestalt. Es sind vorhanden:
2 Hunieri, 255 mtfiy lang, massig gedreht, mit feinem Loch in der Fos&a
olecraoi.
2 Radii und eine Ülna, sämmtlicb unten defect,
1 rechtes Femur, 380 mm lang, mit kurzem Hals, kleinem Kopf, die Knie-
Condylen etwas nach hinteu gebogen.
1 Tibia und Fibula der rechten Seite, erstere nicht platt.
b) Der Schädel Nr, II, gleichfalls mäuniicb, von sehr ähnlicher Gestalt, ohne
Gesicht und mit zerstörter Basis. Ob der vorhandene Unterkiefer dazu gehört, ist
nicht ganz sicher, derselbe hat ein auffällig gelbbraunes Aussehen, während die
übrigen Knochen schwarzbraun sind und die Schädelkapsel überdies mit schwärzlichen,
wie verkohlt aussehenden Stellen besetzt ist. Der Schädel ist eminent doUcho-
cephal, wahrscheinlich orthodolichocephal (Breitenindex 70,7, Auriculanndex 62,5)*
Die KnochenvorspruDge sind mehr entwickelt. Alle Nähte offen; in der Lambdoides
einige grössere, gegen die Parietalia vorspringende Schaltknochen.
Die Stirn ist voll, gerundet^ weuig breit (88 mm), niedrig, von fast weiblicher
Bildung, Die lange Scheitelcnrve beginnt mit einer schnellen ümbiegung der
Stirn; Tnbera parietaüa wenig entwickelt; Hinterhaupt voll und stark geruodeL
deutliche, aber schwache Frotub. occip. Jederseits ein Ansatz zu einem Proc
frontalis alae tempor. Au der Stirn kurze, etwas scliräg vom inneren Ende
der Orbital ränder aufsteigende Wülste. Die Nasennaht greift eckig in den Fort-
satz des Stirnbeins ein; der Rücken der Nase ist ganz schwach gewölbt, niedrig,
leider aber sehr bald durch Bruch zerstört.
(397)
Der Yorhandene Unterkiefer sehr fibnlich dem von Nr. V, aber mit ganz alten,
tief abgenutzten Zähnen und zahlreichen obliterirten Al?eolen; niedrige, aber breite
Aeste.
Von dem übrigen Gerippe finden sich:
einige Wirbel und Rippen;
2 recht kniftige Scapulae mit sehr starker Muskelzeichnung; die hintere obere
Ecke ist auffallig rechtwinklig. Höhe 145, Hreite 85, Index 58,6 mm;
2 Seitenhälften des Beckens, durch Muskelleisten sehr kantig, compakt, mit
steilen Schaufeln;
der rechte Ober- und Vorderarm vollständig; links fehlt die Ulna, der Ra-
dius ist defekt. Sehr kräftige Knochen. Massige Torsion des Humerus,
nicht durchbohrte Fossa olecrani. Humerus 281, ülna 234, mit Froc. sty-
loides 240, in der Mitte der Diaphjse sehr platt; Radius 207 (212), am
unteren Ende sehr breit,
die Knochen des Ober- und Unterschenkels vollständig, nur die eine Fibula
etwas defekt. Femur 400 mm (Trochanter bis Condyl. ext. 375), mit sehr
sonderbarer Bildung des Halses und Kopfes: der kurze, unter einem
Winkel von 130^ angesetzte Hals ist so stark nach vorn gewendet, dass
der etwas abgeplattete Kopf wie um die Axe gedreht erscheint; zugleich
ragt er weit über den Trochanter vor. Trochant. minor sehr gross. An
der Diaphjse starke Crista post. Die Knie-Condylen gross und weit
nach hinten gedreht. — Tibia 320 (ohne Malleolus 310), voll und kräftig.
Fibula 312, stark kantig,
2 kräftige Calcanei und 1 Astragalus.
c) Der Schädel Nr. III ist mürbe und etwas defect, sehr klein (Capacität
nur 1050 ccm)^ aber durch eine persistente Stirnnaht ausgezeichnet. Sein In-
dex ist brachycephal (80,4). Sein Gesichtsindex steht auf der Grenze zur
Leptoprosopie (90,0); die Orbitae sind hoch, extrem hypsikonch (102,8); die
Nase ist am Ansatz schmaler, im Ganzen weniger platt, auch leicht eingebogen,
aber stark platyrrhin (60,8). Nur der Oberkiefer ist sehr wenig prognath.
Von den Skeletknochen sind die meisten defect. Ich erwähne das lange Ob
femoris sinistrum, das, trotz einiger Defekte oben und unten, 370 mm misst. Die
330 mm lange Tibia ist platyknemisch und zeigt auf der äusseren Fläche die
schräge Muskelkante.
In dem Schädel und in einigen Wirbeln steckten zahlreiche krause Päckchen von
losen, dicken, gedrehten Fäden eines Gewebes, meist bräunlich geförbt, dazwischen
auch kleinere Fetzen von grauem und blauem Gewebe.
Dass dieser Schädel von den anderen beiden verschieden ist, liegt auf der
Hand. Ich wurde an sich kein Bedenken tragen, ihn für den eines Negrito zu
halten, obwohl namentlich die geringe Prognathie dagegen zu sprechen scheint.
Der ungewöhnlich geringe Raumgehalt des Schädels (1050 ccm), die starke Platyr-
rhinie (Index 60,8), die Brachycephalie (Index 80,4), selbst die Platyknemie sind
gute Negrito-Merkmale. Wenn ich trotzdem mein ürtheil noch zurückhalte, so
geschieht es, weil Hr. Schetelig seiner Zeit einen Schädel mitgebracht hat, der
manche Aehnlichkeit darbietet, aber der Angabe nach keinem Negrito-Distrikt
entstammt Es ist der Schädel einer Semarrona llamada Omang, den ich seiner
Zeit beschrieben habe und der aus der Provinz Albay stammen soll.
Sehen wir vorläufig von dieser Semarrona und dem Schädel Nr. III ganz ab,
so würden von dem vorgeführten Material als Igorroten im engeren Sinne zu be-
trachten sein:
(398)
1. and 2. die beiden Schädel von Cabayan (H. Meyer),
3. der Schädel von Gayan (G. A. ßucr),
4. und 5. die beiden Scbädel von Bambaog (Landau),
6. vielleicht der Schädel, den Hr. A.B.Meyer im December 1871 erwor-
ben hat.
Diese 6 stimmen negativ darin übereiu, dass kcioer von ihnen brachjcepbal
ist Die beiden ei-ston sind mesocephal, die 4 letzten dolichocephal. Mit Ausuabme
des ersten sind sie sämmtlich von mittlerer Höbe; bei jenem freilich beträgt der
Hobenindex 81,3. Es scheint das zusammenzuhängen mit der stärkeren Ogivalform
des Schädeldaches bei Nr. 1. Sehr viel mehr gleicht sich eine Reihe dieser Schädel
in Bezug auf die Gesichtsbildung, namentlich in Bezug auf die Gestaltung der
Nase. Diese ist mit Ausnahme des einzigen Schädels von Hrn. A. B. Meyer bei
allen platyrrhin und zugleich in 3 Fällen (den beiden von Hrn. H. Meyer und
dem ersten von Dr. Landau) in hohem Maasse pithekoid. Der Schädel von Hrn.
Baer (Nr. 3), der von Hrn. A. B. Meyer (Nr. 6) und, soweit er erhalten ist, der
zweite Schädel von Hrn. Landau haben anders gebildete Nasen, selbst wo sie
platyrrhin sind. Die Wurzel ist schmal, vortretend und etwas eingebogen; erst
gegen die Apertur hin weitet sich die Nase aus. Immerhin tritt die knöcherne
Nase auch hier wenig vor und im Leben war die jBeischige Nase unten breit und
oben eingebogen, also recht bässlich. Die mir zugekommenen Photographien von
Igorroten, namentlich von Weibern, harmoniren damit sehr gut
Ich habe bisher nur von den [gorroten -Schädeln gesprochen, welche mir direkt
vorliegen. Es giebt aber noch einige andere, in der Literatur erwähnte, welche
hierher gehören. Das sind in erster Reihe einige von Hrn. C. Semper mitgebrachte,
welche neuerlich in den Besitz des Dresdener naturhistorischen Museums über-
gegangen und von den Herren A. B. Meyer und Tijngel in den Mittheiluogen
des Königl. 2k>ol. Museums zu Dresden 1878. Bd. III S. 338 kurz beschrieben bind.
Einer derselben (Nr. 1380) stammt gleichfalls von Cabayan in der Provinz Benget,
vom Rio Agno: er hat eine Capacität von 1185 ccm, ist orthomesocephal (Breiteu-
index 77,9, Höhenindex 73,1). Ein zweiter (Nr. 1381), von derselben Gegend, hat
eine Capacität von 1195, ist dagegen hypsi mesocephal (Breitenindex 78,2,
Höhenindex 79,6). Hier treffen wir also denselben Gegensatz in den Höhenindices,
wie bei den beiden Cabayan-Scbädeln des Hrn. Hans Meyer. Ein dritter Igorroten-
Schädel des Hrn. Semper stammt von Bontok, N. von Lepanto (Nr. 1379); er wird
als weiblich bezeichnet, hat 1285 ccin Capacität und ist, wenngleich etwas weniger
hoch, hypsidolichocephal (Breitenindex 74,3, Höhenindex 76). Im Ganzen
schliessen sich diese Schädel, wie man sieht, den unserigen an. Leider ist in der
Beschreibung von der Bildung der Nasen nichts gesagt.
Hr. Semper hatte aber ausserdem noch zwei Schädel von Tinguianes „in der
Provinz Nueva Viscaya" niitgebracht. Die Localität ist nicht näher bezeichnet, was
um so mehr zu bedauern ist, da nach der Zusammenstellung dos Hrn. Blumen-
tritt die Tinguianen gar nicht in der Provinz Nueva Viscaya, sondern noch weiter
nördlich über Bontok, in der Provinz Abra und llocos, wohnen. Nach ihm ist es
ein durch hellere Hautfarbe und oft adlerartig gekrümmte Nase ausgezeichneter Volks-
stamm. Der eine Schädel (Nr. 1382) hat 1245 can Capucitnt urui ist orthodolicbo-
cephal (Breitenindex 68,7, Höbeoiudex 72,8); der andere (Nr. 1383) hat 1285 ccm
und ist hypsimesocephal (Breitenindex 78,1, Höhenindex 77,2). Auch hier tritt
die mehrfach erwähnte Verschiedenheit der beiden Schädel hervor.
Endlich sind noch ein Paar Schädel wenigstens kurz zu erwähnen, welche sich
diesen Gruppen annähern: ein hypsimesocephaler ohne nähere Bezeichnung,
(399)
als n Inländer, Manilla^, im Dresdener Museum (Nr. 812), und einer von Lilio in
der Provinz S. Pablo, jetzt in Paris und beschrieben von den HHrn. flamy und
de Quutrefages (Crania ethnica p. 450): derselbe ist hypsidolichocephal
(Breitenindex 71,97, Höhenindex 75,82).
Nach dieser, wahrscheinlich ziemlich vollständigen Uebersicht aller, gegen-
wärtig in Europa befindlicher Schädel von [gorroten und ihren Nachbarstämmen
muss man freilich zu;Te8tehen, dass es noch weiterer Nachrichten und weiteren
Materials bedürfen wird, um die Frage zu erledigen, ob die Igorroten in zwei
Reihen auseinandergehen, wovon die eine die mehr mesocephalen und mehr platyr-
rhinen Glieder umfasst, wahrend die andere mehr dolichocephal ist und gelegentlich
bis zur Mesorrhinie zuiiickgeht. Möglich wäre es ja, dass diese zweite Reihe auf
andere Ursprünge hinwiese.
Vielleicht sind gerade in dieser Beziehung die sogenannten Cimarronen- oder
Semarronen-Schädel von Bedeutung, insofern sie gleichfalls der Bergbevölkerung
Luzou's, wenngleich aus mehr südlichen Gegenden, entnommen sind. Dahin ge-
hören die Schädel von Ja gor (1) und Schetelig (2), welche aus den Provinzen
Camarines und Albay stammen. Beide sind mesocephal. der erstere ortho-, der
andere bjpsicephal, stehen darin also den Igorroten der HHrn. Semper und
H. Meyer gleich. Aber ihr Nnsenindex steht auf der Grenze zur Mesorrhinie (50)
und in der That gleicht ihre Nase mehr derjenigen der Schädel Nr. 3 (Baer), 5
(Landau) und G (A. B. Ideyer), von denen bestimmt angegeben wird, dass sie von
Igorroten kämen.
Die Thatsache, dass in Luzon in grosser Ausdehnung die mehr central gelegenen
Gebirgsbezirke von einer ganz abweichenden, dunkelfarbigen, glatthaarigen
und mehr langköpfigen, zugleich mehr oder weniger plattnasigen Bevölkerung
bewohnt werden, ist jedenfalls jetzt gesichert. Hr. Semper (Die Philippinen und
ihre Bewohner. Würzburg 1869 S. 136) hatte darüber schon einige generelle Be-
merkungen gemacht, ohne sich jedoch auf Einzelheiten, am wenigsten des Schädel-
baues, einzulassen. Ich selbst habe in einer der früheren Mittheilungen darauf
hingewiesen, dass die nächste Vergleichung auf die Dayak's von Borneo hinführe.
Die HHrn. Hamy und de Quatrefages (I.e. p. 451) sind zu demselben Schlüsse
gekommen, Indess bezieht sich diese Vergleichung liauptsächlich auf die Schädel-
kapsel. Was die Bildung des Gesichts und namentlich der Nase anbetrifft, so
möchte ich darüber nicht zu viel aussagen. Sonderbarerweise ist die Nasenbildung,
wie ich sie vorher beschrieben habe, eine so abweichende, dass unter sammtlicben
Nachbarn mir nichts Analoges bekannt ist; ich finde ähnliche, wenngleich keines-
wegs identische Nasen erst wieder bei Japanern und namentlich bei Goldi-Scbä-
deln vom Amur. Was ich über das Kopfhaar beigebracht habe, spricht gleichfalls
für eine mongolische Verwandtschaft, jedoch nenne ich auch hier einen merkbaren
Unterschied zwischen dem (mikroskopisch) braunen und nur durch seine Dichtig-
keit (makroskopisch) schwarz erscheinenden Haarpigment der Igorroten und dem
reinen Schwarz der Japaner.
Auf das Yerhältniss dieser Bergstämme zu der alten Bevölkerung, deren Schä-
del wir aus den östlichen Höhlen der Philippinen kennen, will ich nicht näher ein-
gehen, da ich bei früheren Gelegenheiten darüber ausführlich gesprochen habe.
Gegenüber den von Hrn. H. Meyer erwähnten zwei malayischen Einwanderungen,
die Hr. Blumentritt annimmt, glaube ich hier eine dritte, walirscheialich prä-
malayische, nachgewiesen zu haben.
(400)
I. Sohidelmaasse.
Maasse
CapaciUt
Orösste Länge
Breite
Gerade Höhe
Obrhöhe
Stirobreite
Coronarbreite
Scbläfenbreite
Parietalbreite (tuber&I) ....
Occipilal breite
Ä urica] arbreite
11 astoide albreite: Basis ....
, Spitze . . .
Occipitall&Dge
Horizontalamfang
Querer VerticalomfaDg ....
Sagittaluinfang
„ des Stirnbeins .
9 des Mittelbaupts
s des Hinterhaupts
Oesichtshöhe A
B
Gesichtsbreite, a. jugal. . . .
, b. malar . . .
, c. mandibular .
Orbita, Höhe
V Breite
Nase, Höbe
. Breite
Gaumen, Länge
. Breite
Längenbreitenindex
Längenhöhenindex
Ohrhöhenindex .
Gesichtsindex . .
Mit tekresich tslndex
Orbitalindex . .
Nasenindex . . .
Gaumen index . .
Cimarrones
Jagor i
1315
181
139 p
135
119
90,5
115
111
134
113
116
119
95
53
497
312
369
125,5
134
110
Scbe-
telig
1470
185
140 p
146
116
111
112
133
110
116
124
104
53
511
318
391
130
133
128
64 68
133,5 135
95
40
48 I
24
51
97
31
39
52
26
50?
42?
Igorrotes
A. B. I Baer
Meyer! senil I L $
Landau
1400
188
127 t
138
115
90
110
108
117
104
113
118
%
57
513
302
374
127
130
117
71
130
93
36
39
54
26
58
32
;i270
i 179
133 t
130
115
82 ;
106
105,5
120
109
HO
122
97
51
488
298
361
126
118+10
107
- i
!55,5
125 '
91 I
!
33 I
36
48,5
26 i
1300
184
134 p
138
119,5
91
108
116
128
102
108
120
100
60
508
312
376
135
120
121 :
100 '
68
130
95
104
36
38
49 j
29 '
53?
38
IL $
184
130p
115
98
115
HO
124
102
107
112
508
315
373
132
135
106
IL Berechnete Indicee.
76,8
75,7
67,6
74,3
72,8
74,6
78,9
73,4
72,6
75,0
65,7
62,7
61,2
64,2
64.9
—
—
—
—
71,9
67,3
70,1
76.3
G0.9!
71,5
82,5
76,9
923
91,6
94.7
50,0
50,0
48,1
53,6
59,1
64,7
84,0?
Protocc
nimia
1
55,1
Steno-
kroL
Steno-
. kroL
71,4?
1
87
Negriu?
Landau
IIL
Sut.
front.
1050
163
131t
105
88
108
114
103
106
114
95
50
472
2%
341
116
125
100
109?
66?
121
99
%
36
35
46
28
42?
37
Igorrotet
Hans Meyer
^enüjsyn^.
1210 1400
168,5 Ifö
132t
137
113
92
111
120
119
107?
HO
116
98
49
481
299
352
120
122
106
139t
132
112
92
106
109
131
101
112
112
95
54
500
900
866
126
124
116
— 1 100?
64!
124
92
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S4 I
89
47
24
461
38!
60
122
93
86
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87
44
24
49
70,7
80,4
62,5
64,4
-
90,0?
—
66,6?
—
102,8
—
60,8
Proc.
front.
88,0?
78,3
76,4
81,3
72,5
67.0
61,6
—
81,9?
69,6?
64,5
87,1
86,4
51,0
54,5
82,61
65,8
Stano-
krou
(401)
(27) Hr. Bastian bespricht die
Expeditionen der Herren Chamay und Paesavant.
Die aufgehängten Photographien zeigen die Resultate von Charnay's erfolgreichen
ünternebmungeD in Idexico, die eine der Grösse der Aufgabe entsprechende Unter-
stützung in Frankreich nicht nur, sondern auch in New-York (durch die Liberali-
tat eines Förderers wissenschaftlicher Bestrebungen) gefunden hatten, und die jetzt
mit den hergestellten Abformungen der Monumente die Räume des im Trocadero
neu eröffneten Museums schmücken, zum Theil wahrscheinlich auch für das unsrige
werden erworben werden.
Der Expedition des Dr. Passavant, der sich längere Zeit hindurch gründlich
auf eine Erforschung des Camerungebietes und der Wege in das Innere Africa's vor-
bereitete, ist nach einem zugegangenen Briefe ein bedauerlicher Unfall zugestossen,
der die Rückkehr nach Europa behufs Erneuerung der Ausrüstung erfordern wird.
(28) Hr. Virchow zeigt eine Reihe, von Hrn. J. C. Schultze gesammelter
neuer
Höhlenfunde von Mentone.
Schon in der Sitzung vom 21. October 1882 (Verh. S. 510) habe ich eine An-
zahl höchst interessanter Fundstücke vorgelegt, welche Hr. J. C. Schultze aus
einer neu erschlossenen und damals von ihm allein besuchten Höhle in der Nähe von
. Mentone gesammelt hatte. Bei einem erneuten Aufenthalt im Süden hat derselbe
während des letzten Winters unter thätigster Mithülfe seiner Frau, nachdem er den
Werth der Fundstelle durch unsere Besprechung genauer kennen gelernt hatte,
persönlich Grabungen vorgenommen und eine grössere Zahl noch mannichfaltigerer
und merkwürdigerer Objekte zu Tage gefördert. Wahrscheinlich werden dies die
letzten sein, welche zu uns gelangen, denn bald nachdem er seine Erwerbungen in
dem Museum zu Mentone vorgelegt hatte, wurde der Zugang zur Höhle, auf Befehl
von Paris her, verboten.
Nach der Angabe des Hrn. Schultze wären gegenwärtig 5 Höhlen bei Men-
tone bekannt. Er sagt darüber:
„Die Gegenstände, die ich aufgenommen, habe ich hauptsächlich in der dritten
Höhle gefunden. Sie hat ungeßihr ßm Breite, 10m Höhe und 15 m Tiefe. Ein
Heerd zum Kalkbrennen war an der Oeffnung angebracht. Das Innere der Höhle
ist aber unversehrt geblieben. Die Knochen und Feuersteine befanden sich 1 y, m
tief in der Erde, die hie und da mit Felsstücken vermengt war.
„Die vierte Höhle hat 2 — 3 m Breite an der Oeffnung, 15 m Höhe und 25»»
Tiefe; sie verbreitert sich bedeutend, je mehr mau vordringt. In dieser Höhle hat
man fossile Knochen gefunden. Eine Masse von Knochen und Feuersteinen ist
bei Va ^ Tiefe gefunden worden.
„Die erste Höhle enthielt auch Feuersteine und Knochen; die meisten davon
sind beim Bau des Kalkofens verloren gegangen.
„Die zweite ist vollkommen durch Felsstücke verstopft worden.
„Alle diese Höhlen sind natürliche und befinden sich in einem festen Kalk, wel-
cher von Elie de Beaumont und Dufreuoy in der geologischen Karte von
Frankreich der unteren Kreide zugeschrieben ist.
„In der vierten Höhle hat man das ziemlich gut erhaltene Skelet eines Men-
schen gefunden, welches jetzt im Museum zu Paris ist.
„1873 wurde in einer anderen Grotte ein menschliches Skelet gefunden, wel-
VerhaadL der BerL Anttaropol. Gatelltobaft 1888. 26
(402)
ehes beinahe 2 m lang war. Dieses Skelet, wie das enlere, ruhte auf einem
Ascbeobett, Ton Waffen ans Feuerstein amgeben.*
Die letzteren Angaben beziehen sich offenbar auf die schon in der früheren
Besprechung ron mir angezogenen Funde des Hm. Ririere. der übrigens tod
9 Höhlen berichtet.
Hr. Schultze hat aoch ein Paar photographische Ansichten der Felswand mit
den Eingingen der fraglichen Höhlen mitgebracht, welche ich rorlege. Die eine
derselben entspricht der Originalaafnahmey nach welcher PI. I io dem Werke des
Hrn. Ri?iere (De Tantiquite de Thomme dans les Alpes maritimes. Paris 1878 — 79.
LiTr. 1 — 2) angefertigt ist; die andere zeigt im grösseren Maassatabe den Eingang einer
der Höhlen. Es ergiebt sich daraus, dass es sich nm die Höhlen der Banssi-Raussi
oder der Rothen Felsen bei dem Dorfe Grimaldi, Comm. VentimigUa, handelt
(Ebendas. p. 26, 82). Die PI. I zeigt den Zustand der Felswand ror der Anlage
der Eisenbahn ?on Nizza nach Ventimiglia. Die neue Höhle scheint nach der Mit-
theilnng des Hrn. Schnitze näher an Mentone zu liegen.
Gegenüber der ersten Sammlung zeigt die gegenwärtige eine viel grössere
Mannichfaltigkeit, da auf meinen Rath auch solche Gegenstände gesammelt wurden,
welche dem ungeübten Beobachter unwesentlich erscheinen. Dabei ist der ¥oll-
ständige Hangel an Topfseberben nm so mehr bemerkenswerth, als ich die
Aufmerksamkeit unseres eifrigen Landsmannes besonders darauf gelenkt hatte.
Dieselbe Thataache hat schon Hr. Ri viere (1. c p. 94) gegen Hm. A. Issel be-
hauptet. Die Naturobjekte stimmen Tielfach mit denjenigen überein, welche Hr.
Riviere beschrieben und aus welchen er die Zugehörigkeit der Funde zu der
Quaternärzeit, paläolithische Periode, abgeleitet hat. Dagegen bieten die
Artefakte vieles durchaus Eigenthümliche, wie ich schon bei der rorigen Samm-
lung herrorgeboben habe. Ich stelle die Fundstücke in Nachstehendem kurz zu-
sammen:
1. Geschlagene Feuersteine. Ausser einem unregelmässig bebauenen
Knollen von eckiger Gestalt und etwa der Grösse eioer Kinderfaust sind 7 deutlich
geschlagene Stücke vorhanden. Drei davon sind dreiseitige, längliche Späbne mit
leicht gekrümmter Grundfläche und rundlich gewölbtem Ende; eines, gleichfaila
dreiseitig, ganz schmal, am Ende spitz und an den Rändern etwas ausgebrochen.
Ein viertes grösseres hat auch die länglichovale, leicht eingebogene Grundfläche, aber
die convexe Seite ist nicht weiter bearbeitet, als längs des vorderen gewölbten Randes,
der durch kleine Absplisse zugeformt worden ist; das Stück stellt demnach einen
Schaber vor. Weiter ist noch ein breites, aber sehr dünnes, wiederum dreiseitiges
Stück vorhanden, dessen eine Langswand noch durch eine secundäre schmale
Spaltfläche zuge«chärit ist Endlich ist ein kleines, fast scheibenförmiges Stück
mit stark vorspringender Schlagzwiebel und sonst scharfem Rande zu erwähnen.
Der Feuerstein ist überwiegend dunkel, bräunlich- und bläulichgrau, seltener hell-
graubraun. Schlagzwiebeln und glänzende muschelformige Spaltflächen mit concentri-
schen Linien finden sich sehr ausgeprägt. Ein etwas grösseres und dickeres Stück
von mehr dreickiger Grundfläche mit schräger Grundlinie hat ein fleckig braunes,
aber ganz mattes Ausseben und sieht auf dem Bruch mattweiss aus; es scheint im
Feuer gewesen zu sein. Seine obere Fläche zeigt 2 schräge marginale und eine platte
mediane Secundärflächen, welche gegen die hintere, stumpfe Spitze zusammenlaufen.
Schliesslich wäre noch ein länglich dreiseitiges, etwas unregelmässig geschlagenes
Stück aus blaugrauem Kalk zu erwähnen, welches durch secundäre Absprengungen
am vorderen Ende gleichfalls eine schaberform ige Gestalt erhalten hat.
2. Geschlagene, theilweise auch unveränderte Thierknochen. Da-
(408)
Yon ist eine beträchtliche Zahl vorhaDden, von denen die Mehrzahl jedoch sich nicht
genau hat bestimmen lassen. Einzelne sind Theile von Rippen, Beckenknochen u. s. w.,
die meisten stammen von Röhrenknochen der Extremitäten her. Yon letzteren
haben einige eine sehr grosse Starke: so misst an einem Stücke die Rinde 15 mm
in der Dicke. Fast alle sind äusserst scharfrandig und häufig spitz. Hr. Nehring
hatte die Güte, diese Knochen durchzusehen; er hat folgende Thierarten daraus
bestimmt:
Lepus cuniculus, Kaninchen.
Cervus elaphus, Edelhirsch.
Cervus (sp?). Backenzähne, Geweihzacke und Stücke von Extremitätenknochen
einer grossen Hirschart, welche dem Riesenhirsch sehr ähnlich oder geradezu
mit ihm identisch sei.
Capra (ibex?). 5 obere und 2 untere Backenzähne nebst einigen Knochen-
fragmenten, insbesondere vom Atlas und der I. Phalanx, von einem Wieder-
käuer, welcher wahrscheinlich mit dem grossen diluvialen Steinbock iden-
tisch sei. ^Die Zähne stimmen fast gänzlich mit den von Forsyth Major
aus der Grotta di Levrange beschriebenen grossen Steinbock- 2^hnen.^
Columba (livia), wahrscheinlich von der Felsentaube.
Nach den Angaben des Hrn. Rivi^re scheint es, dass der grosse Hirsch in
Paris als Cervus canadensis bestimmt ist (1. c. p. 17, note 1).
Die von Hrn. Nehring dem Steinbock zugeschriebenen Reste dagegen würden
wahrscheinlich mit denen der Capra primigenia von P. Gervais identisch sein (1. c.
p. 19, PL XIX Fig. 39. p. 86).
3. Einige Landschnecken. Hr. v. Martens schreibt mir darüber:
^üeber die Landschnecken in den Höhlen von Mentone und einigen benach-
barten existirt eine eigene Arbeit von A. Issel in den Atti dell' Accademia di
Torino, classe delle scienze fisische e matematiche, Ser. IL T. XXIV, 1867, wo-
nach die Mehrzahl noch jetzt in der Umgegend lebende Arten, einige aber auch nicht
mehr als lebend bekannt, doch solchen ziemlich nahestehend sind. Die über-
schickten Stücke gehören Arten an, welche in der Umgegend noch lebend vor-
kommen, nämlich Zouites Algirus L. (sp.) und Helix neglecta Draparnaud.
4. Eine grössere Anzahl von Olivenkernen, von denen die Mehrzahl an einem
Ende geöffnet ist. Da nach Hrn. Hebu (Culturpflanzen und Hausthiere. 2. Ausg.
Berlin 1874, S. 87) der veredelte Oelbaum von Kleinasien eingeführt sein soll, ob-
wohl der wilde Oleast^ auch in Griechenland und vielleicht in anderen Mittelmeer-
ländern heimisch war, so schien es mir von besonderem Interesse, den Versuch zu
machen, ob an den vorliegenden Kernen die Bestimmung möglich sei. Ich bat also
Hrn. Wittmack um eine genauere Untersuchung. Seine Erklärung lautet folgender-
maassen :
„Unter den mir übersandten Samen der Olive aus der Höhle befindet sich
auch ein Kirschenstein! Dies macht mich stutzig. Auch scheint es Hrn. Nehring
und mir, dass wahrscheinlich Thiere (Eichhörnchen oder dergl.) die Steine durch-
geschnitten haben. Alle Olivenkerne sind genau gleich massig schräg durch-
geschnitten; auch die sägeartigen feinen Stufen auf den Schnittflächen lassen sich
als Spuren der Zähne eines Thieres deuten.
„Der Kirschenstein ist so gross, dass er einer neueren Zeit, wo schon grosse
Varietäten der Kirsche in Cultur waren, angehören muss. Ich denke mir nun, dass
irgend ein Tbier die Höhle als Schlupfwinkel benutzte und die Samen dahin ver-
schleppt hat.
„So skeptisch das klingt, so scheint mir doch die grösste Vorsicht hier geboten.
(404)
Gegen meioe Ansicht spricht die Kleinheit der Olivensamen, Vielleicht
sie aber van verwilderten Bäumen, d. b. von Olea earopaea var. Olea^t^r, bei denen
die FrQchte sehr klein sind. Namentlich die Variflat mit länglichen Btättero
hat sehr kleine Fruchte, üehrigens giebt es auch unter den Varietäten der kulti*
virteu Oelbäume nach Risso's Monographie, die vou Alefeld in seiner laniJw*
Flora S. 261 benutzt ist, mehrere, die sehr kleine Früchte haben, folglich auch
kleine Samen.
^Der einzige vollständige unter den übersandten Oliveosteineo aus der Hohle
h;*t eine Länge von 14 jmn bei einer Breite von 7,2 mw», während die von Ihnen
übersandten moderneu I8V|— 19 mm lang «ind, aber Risso fuhrt unter den Cultur-
Varieiäten mehrere auf, bei denen die ganzen Fruchte nicht länger als die ge*
fundenen Kerne sind. So z, B.
Olea europaea rotundata . . . Fracht 13 mm x 9 mm
9 t, minima .... , 14 „ X 9
„ » ctirviföUa . , . ^ 12 „ X 8
^ „ hermaphrodita . . ^ II „ x 10
„ „ alrorubens ... „ u ^ x J 1 „ .** —
Hr. Schnitze hält es für möglich, da»s der Kirschenstein lufällig unter die
Fundgegenstände gekommen sei, giebt jedoch bestimmt an, dass er die Oliven-
kerne aus derselbpn Culturfechicht mit den übrigen Gegeo-
standen entnomuien habe. Eine weitere Bestätigung wäre
iranierhin sehr erwünscht, da en sich hier um ein cultur-
historisch sehr wichtiges Problem handelt*
5, Die Artefakte aus Knochen und Hirscbboro.
Wir können sie, wie das vorige Mal, gruppenweise be-
trachten ^);
a) 3 stumpfspitzige, konisch gestaltete Pfrieme mit
Durchbohrung am hinteren Ende (Holzschn* 1). Einer i»t
1 B ptattrundlich, die beiden anderen fa^t drehrund, sehr glatt,
dunkelbraun, am hinteren Ende gerundet, die Oberfiäche
ist geschabt, die Löcher zeigen etwas weitere Eingangs-
offflungen, sind aber sonst ziemlich gleichmässig gebohrt,
b) 2 aus Ruhren knochen, welche der Länge nach ge-
spaJteti sind, hergestellte Dolche oder Lanze n^pitxen.
Das grössere Stück (Holzschn. 2), aus einem Metatarsus von
Cervus elaphus gearbeitet, ist 19,5 cm lang und stallt ein
sehr kräftiges Instrument dar. Auch ist es an den R^n-
Ri II ^^^^h ^'® ®s scheint, durch langen Gebrauch ganz abge-
glättet. Die ganze convexe Oberflache zeigt feine schräg-
liegende Schabekritze; nur an der Spitae ist eine so tiefe
und durch zahlreiche kleine Furchen rauhe Abnutzung ent-
stunden, dass sie wie genagt aussieht. — Das zweite Stück
ist kurzer, aber viel breiter und gröber; es misst 13,5 cm
in der Länge und 3,5 cm in der Breite. Beide Stücke sind
vorn schräg zugespitzt
c) 2 gleichfalls aus Stücken gespaltener Rohrenknochen
gearbeitete Werkzeuge, die man allenfalls als M eissei be-
1) Alle Abbildungen sind in */> der natürlichen Grösse ansgeführt.
(405)
^!
i
zeich Den koante. Dies gitt uatneDtlicb von dem
grösseren (Holzschü. 3), weiches an einem Ende
in eine 4,5 cm breite, ziemlich scharfe Schneide
ausgeht. Das StDck ist sehr cimipakt und
an der ganzen Oberfiäche kÜDsitHch geglaubt.
Es hat eine Länge vou 8 cm, eine Dicke von
12 mm^ ist im Ganzen platt, und läuft am hin-
tereo Ende in eine schiefe, an der einen Seite
etwjis vorgebogene Spitze aue. Da diese Bie-
gung durch Ausarbeitung des Randes bewirkt
worden ist und durch dieselbe eine sehr bequeme
Lage de« Werkzeuges in der Hand bedingt wird,
80 musa man wohl den Gedanken, dass dies ein
Meissel seij aufgeben uud es als für den Gebrauch
des Abhäuten 8 hestimrat ansehen. Auf der einen Seite sieht man noch einen
kleinen Abtfchnitt der Markhohle; es ist also auch aus einem Röhrenknochen eines
sehr grosspn Thipres gefertigt, — Das zweite Stück (Holzschn. 4), obwohl sehr
viel dünner und unvollkommeEer, dürfte demselben Zweck gedient haben. Es ist
9,5 cm lang, ganz platt» höchstens 3—4 mm dick, vorn schräg zugeschärftj hinten
gerundet und stumpf, dort 3, hier 2,4 cm breit. Vor dem Ende ist jedoch der eine
Rand gleichfalls um ein Erhebliches, bis auf eine Breite von 2 ein^ ausgearbeitet,
BO dasß auch hier das Instrument sehr bequem in der geschlossenen Faust liegt*
d) 3 durchbohrte Hängeschmucksachen (HoUschn. 5—6), den früher
besprochenen sehr ähnlich, jedoeh noch wieder anders gestaltet. Das eine Stück
ist au* sehr grober, abi^r harter Spongiosa herausgearbeitet (Holzschn. 5), die anderen
zeigen grossentheila dichte und ganz glatte Spongiosa. Man hat dazu wahrschein*
lieb besonders gut vorgebildete Kuochentheile ausgewählt, denn die äussere Ober-
fläche, die höchst eigenthümlich gebogen uud an einem Stucke (Holzi^chu. 6) wie
gedreht erscheint, ist nur zum Theil bearbeitet.
e) 2 S-formig gebogene platte
Knochen (Hnlzsehn 7) ohne Durchboh-
rung* Ob dieselben gleichfalls als Schmuck-
gegenständc zu betrachten sind, weiss ich
nicht. Sie sind platt und ziemlich dick
(6—7 mm) uod bestehen auf einer Seite
aus Compacta, auf der anderen aus Spon-
giosa. Au jedem Ende laufen sie in eine
seitwärts gerichtete, ziemlich scharfe Spitze
aus.
f) 2 aus Wirbeln gearbeitete Ringe
(Hoizschn, 8), gerade weit genug, um auf
Daumen und Zeigefinger zu gehen. Die
Fortsätze sind bis auf einen ahgebroclien.
Vielleicht dienten sie als Bogenspan ner.
g) 3 Löffel, wie schon das vorige Mal einer dabei war (Holzscbn. 9—10).
Es zeigt sich aber jetzt, wo grossere Stucke irorliegen, dass zu der Herstellung
dieser souderbaren Geräthe die Pfanne und der noch nicht ganz verschmolzene
Kopf des Oberschenkels benutzt wurde- Es bedarf nur geringer Nachbülfe, um
daraus löffelartige Schalen zu machen. Das grossere Stück (Holzschn* 9) ist das
Acetabulum mit seiner natürlichen lucisur; die beiden anderen, kleineren Stücke
8
m
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Kj-VW
(406)
11
sind Oberscbenkelkopfe, die tod der SpoDgiosa-Seite her ausgehöhlt (Holzschn. 10 b),
ao der Ausseuseite dagegen ganz unye rändert (Holzschn. 10a) geblieben sind.
h) Ein Becher (Uolzschn. 1 1) von sehr um-
fänglichen Dimensionen. Er ist 5,8 cm hoch,
5 auf 3 cm weit, hat einen sehr ungleich hoheD,
aber überall sorgfaltig gerundeten Rand, und be-
steht aus dem Ende eines sehr grossen Knochens,
dessen Spongiosa fast ganz ausgeräumt ist unten
endigt er in einen länglichen, plattrundlichen
Fuss, auf dem er sehr bequem steht, und der
nach einer Seite in einen platten Fortsatz aus-
geht, durch dessen Anwesenheit die Pussähnlich-
keit noch gesteigert wird. An diesem Fortsatz
lässt er sich auch leicht fassen.
Für die unter c— g beschriebenen Knochengeräthe finde ich weder bei
Hrn. Ri viere, noch sonst zutreffende Parallelen. Nur für das sonderbarste
dieser Geräthe, den stiefelartigen Becher, kenne ich ein Analogen aus unserer
Nähe. Beim Anlegen eines Weges wurde im Jahre 1867 in dem Dorfe Minsleben
in der Grafschaft Wernigerode ein Becher ausgegraben, der ,,au8 der Rose eines
Hirschgeweihes von 3 2k>ll Durchmesser durch Ausbohren des schwammigen Ge-
webes bis auf die festere Rindensubstanz gebildet war und um so grosseres Inter-
esse dadurch erhielt, dass sich auf der von den Perlen der Rose umgebenen Platte
ein Hirsch eingravirt findet** (A. Friede rieh, Beiträge zur Alterthumskunde der
Grafschaft Wernigerode. II. 1868, S. 13, Taf. VII, Fig. 10). Daran schliessen sich
ein Paar, durch ihre grosse Aehnlicbkeit unter einander ausgezeichneter, jedoch
von dem vorliegenden in der Form verschiedener Trinkbecher aus dem Rosenstock
von Hirschen, die gleichzeitig auf der Pariser Ausstellung von 1867 erschienen
(G. de Mortillet, Promenades prehistoriques ä Texposition universelle. Paris 1867.
p. 53 Fig. 19 et p. 80 Fig. 31). Der eine, aus der Sammlung Desor, stammte aus
einem Schweizer Pfahlbau; der andere, dem Grafen Costa de Beauregard ge-
hörig, aus einem Grabe in den Chaumes d'Auvenaj.
Auf alle Falle wünsche ich uns Glück zu diesen interessanten Erwerbungen
und sage Hrn. J. 0. Schnitze wiederholt den besten Dank für seine schönen
Geschenke.
(29) Eingegangene Schriften:
1. Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. 1883. Nr. 6 und 7.
2. Nachrichten für Seefahrer. 1883. Nr. 18—26.
3. Annalen der Hydrographie. Vol. XI, Heft 5, 6.
4. Mittheilungen der anthropologischen Gesellschaft in Wien. Bd. XIII, Heft 1.
5. J. Q. H e n r i q u e 8, Expedi9ao scientifica ä Serra da £strella em 1 881 . Lisboa 1883.
(407)
6. Mittheiluogen der deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ost-
asiens. Heft 28.
7. ßolletiDO della Societa Africana d'Italia. Vol. II, Fase. 3.
8. Archiv für Anthropologie. Band XIV, Heft 3, 4.
9. Castelfranco, Notizie intorno alla stagione lacustre della Lagozza nel Gonaune
di Besnate. Gesch. d. Verf.
10. Castelfranco, Ripostiglio di Vertemate. Gesch. d. Verf.
11. Gastelf ran CO, Tombe Gallo-Italiche. Gesch. d. Verf.
12. Castelfranco, Bronzi eccezionaii d'una tomba della necropoli die Golasecca.
Gesch. d. Verf.
13. Archivio per TAntropologia e la Etnologia. Vol. XIII, Fase. 1.
14. Gozzadini, Di due Statuette etrusche e di una iscrizione etrusca. Roma 1883.
Gesch. d. Verf.
15. Cosmos. Vol. VII, Heft 7—8.
16. E. Bracht, Bericht über eine Reise in den Grient, speciell über einen Besuch
am Todten Meer. Karlsruhe 1883. Gesch. d. Verf.
17. Bulletins de la societa d'Anthropologie de Paris. Tome 6, Fase. 2.
18. Boletim da sociedade de GeograpLia de Libboa^ 3. Serie, Nr. 10.
19. Droits de putronage du Portugal en Afrique. Lisbonne 1883.
20. Gatalogus der numismatische Afdeeling van het Museum van het Bataviaasch
Genootschap van Künsten en Wetenschappen. Tweede Druck. Batavia
1877.
21. Notulen van de Algemeene en Bestuurs-vergaderingen van het Bataviaasch
Genootschap van Künsten en Wetenschappen. Deel XX, Nr. 3, 4.
22. Tijdschrift voor Indische Taal-, Land- en Volkeukunde. Deel XXVIII. 2, 3, 4.
23. Verhandelingen van het Bataviaasch Genootschap van Künsten en Weten-
schappen. Deel XV. II, Stuck 2.
24. Nehring, Faunistische Beweise für die ehemalige Vergletscherung Nord-
deutschlands. Gesch. d. Verf.
25. Wilh. E. Eve rette, Study of Indian languages of Indians of North America.
Vocabulary of Alseeah and Klamath Indians. Gesch. d. Verf.
26. Dr. Wernich*8 Essay on Beri-Beri in Japan. A Review translated by Baron
Ferdinand von MuH er. From the Australian medical Journal. Dec. 1882.
Gesch. d. Baron Müller.
27. Rev. Peter Macpherson, The religion of the Aborigines of Australia, as
preserved in their legends and ceremonies. Sydney 1883. Gesch. des
Baron Müller.
SitzuDg am 20. Oktober 1883.
Vorsitzender Hr. Virobow.
(1) Am 22. September ist zu Schwerin unser ältestes Ehrenmitglied, der Ge-
heime Archivrath Dr. Georg Christian Friedr. Lisch im 83. Jahre seines Lebens
gestorben. Er war es, der mit Danneil zuerst jene Eintheilung der prähistorischen
Archäologie in die 3 Perioden der Stein-, Bronze- und Eisenzeit aufgestellt hat,
welche alsbald von den skandinavischen Forschern aufgenommen uod die Grund-
lage der wissenschaftlichen Untersuchungen über die vorgeschichtlichen Alterthümer
geworden ist. Er war es auch, der in dem wohlgeordneten Museum zu Schwerin
die erste praktische Demonstration von dem Werthe dieser Eintheiluog lieferte.
Viele Jahre hindurch brachten die M eklen burgischen Jahrbücher, deren Redaktion
er selbst besorgte, in immer wachsender Reichhaltigkeit die Funde neuer Aus-
grabungen, und es darf wohl besonders daran erinnert werden, dass er wiederum
der erste war, der wirkliche Römergräber in unserem Norden nachwies und dami^
den Anschauungen auch der skandinavischen Altert humsforscher eine neue Rich-
tung gab. Die Gründung der deutschen anthropologischen Gesellschaft, welche ihre
erste Generalversammlung in Schwerin hielt, war gewissermaassen der Lohn, den
Lisch für lange treue Arbeit empfing. Auch unserer Berliner Gesellschaft war er,
wenngleich einmal von anderer Seite der Versuch gemacht ward, eine Art von
Gegensatz hervorzurufen, ein treuer Freund; so lange seine Kräfte es erlaubten,
erfreute er uns direkt mit Zuspruch und belehrenden Mittheilungen. Sein Andenken
wird bei uns stets in Ehren bleiben.
Wenige Tage nach ihm, am 27. September, sank zu Lausanne ein anderer
hochverdienter Forscher ins Grab, dessen Hülfe in prähistorischen Studien oft und
stets erfolgreich angerufen ist, Professor Oswald Heer von Zürich, der erfahrenste
Kenner der tertiären und quartären Flora, der Special gelehrte für die Pflanzen der
Pfahlbauten. Obwohl er unserer Gesellschaft nicht angehörte, möge seiner an dieser
Stelle doch mit herzlichem Danke gedacht sein.
Auch aus der Zahl unserer ordentlichen Mitglieder haben wir zwei liebe und
treue Männer verloren in dem Oberst H. von Brandt, dessen Tod zu Wutzig bei
Woldenberg erfolgt ist, und dem früheren Consul Conrad Gärtner, der, erst
45 Jahre alt, am 30. August zu Pootresina gestorben ist.
Zum Ersatz für Lisch ist Hr. Dr. L. Lindenschmit, der hochverdiente
Direktor des Mainzer römisch- germanischen Centralmuseums, zum Ehrenmitgliede
erwählt worden.
Hr. Stieda dankt für seine Ernennung zum correspondirenden Mitgliede.
Als neue Mitglieder werden gemeldet:
Hr. Major Rausch, Direktor der Königl. Geschützgiesserei in Spandau*
„ Kaufmann Julius Lange in Spandan.
„ Kaufmann Theodor Finkh in Stuttgart
^ Sanitätsrath Dr. Haacke in Stendal.
(410)
Königliches Luisengymoasiam zu Berlin.
Hr. Prof Dr Waldejer in Berlin.
, Oberlehrer Dr. Bnjak in Königsberg i. Pr.
^ Dr. Grabe in Berlin.
(2) Za dem 50jährigen Jubiläum des berühmten Sprachforschers, Prof. Dr.
Aug. Friedr. Pott in Halle hat der Vorstand folgendes Glückwunschschreiben er-
lassen:
Hochverehrter Herr!
Onter denen, welche Ihnen zn der schönen Feier Ihrer fonfziirjährigeii Wirk-
samkeit als Professor der allgemeinen Sprachwissenschaft an der Universität Halle
ihre Glückwünsche aussprechen, möchte die Gesellschaft für Anthropologie, Ethno-
logie und Urgeschichte in Berlin nicht vermisst werden.
Wenn der Philolog unter den Begründern der vergleichenden Sprachforschung
neben Wilhelm von Humboldt, Grimm und Bopp mit hoher Achtung Ihren
Namen nennt, wenn ihn Ihre „Etymologischen Forschungen^ ein durch über-
wältigende Fülle des Sto£Bi, durch Schärfe des ürtheils und überzeugende Cooibi-
nation unvergleichliches Werk, gelehrt haben, Sie als den Schöpfer der wissen-
schaftlichen Etymologie auf dem Gebiete der indoisermanischen Sprachen anzusehen,
wenn ihn die Genialitat, mit der Sie Sich in den verschiedenartigsten Sprach-
gebieten heimisch zu machen wussten, mit Bewunderung erfüllt, so betrachtet Sie
der Antbropolog und Ethnolog als seinen zuverlässigen und unentbehrlichen Be-
gleiter und Berather auf den Pfaden seiner Forschungen.
Die Ergebnisse Ihrer gelehiten Arbeiten über die Sprachen der mittel- and
südafrikanischen Völker und deren verwandtschaftliche Beziehungen zu einander
waren überraschende Entdeckungen, die wesentlich dazu beitrugen, dem Bewohner
des dunkeln Erdtbeils, welcher bis dabin vernachlässigt worden war, eine er-
höhte Theilnahme zuzuwenden. Für die heutigen Afrikaezpeditionen haben Ihre
Forschungen die wertb vollsten Pionierdienste verrichtet.
Und welch' überaus kostbare Ausbeute gewähren Ihre zahlreichen Schriften
dem Ethnologen für die Behandlung der Frage über die Ungleichheit der mensch-
lichen Rassen, über Theilung, Wanderung und Mischung der Völker, über Ge-
schichte und geistiges Leben derselben I
Hochverehrter Jubilar I Empfangen Sie zu Ihrem Ehrentage diesen Ausdruck
unserer Verehrung für Ihre Person, unserer Anerkennung Ihrer hohen Verdienste
und unseres innigen Wunsches, dass es Ihnen vergönnt sein möge, an der Statte
Ihrer fünfzigjährigen, so erfolgreichen Thätigkeit noch lange Jahre in voller Frische
des Geistes und Körpers zum Besten der Wissenschaft und zur Ehre der deutschen
Gelehrsamkeit durch Wort und Schrift zu wirken.
Berlin, den 7. August 1883.
Die Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Orgeschichte in Berlin.
Darauf ist seitens des Jubilars folgendes Antwortschreiben ergangen:
Halle, am H.September 1883.
Hochzuverehrende Herren!
Unterzeichneter hat mit einer, für ihn beschämenden Bitte gegenwärtigea
Schreiben zu beginnen. Nämlich, ob dessen Verspätung Ihrerseits Gnade vor Recht
walten su lassen. In der Unruhe während meiner mehrwöchentlichen Abwesenheit
in böhmischen Bädern, zumal bei so mancherlei mir zu meinem 50jährigen Amts-
Jubiläum am 31. August erwiesenen Aufmerksamkeit^ ward es dem Octogenarius
(411)
schwer, genug UDgeetorte StuDdeD zu fiuden, um all deo Auforderungen an seine
Daokespflicht ^sofort^ brieflich zu genügen.
Es war eine übergrosse Freundlichkeit abseiten Ihrer hochachtbaren gelehrten
Gesellschaft, eines Draussenstehenden bei dessen allerdings seltenem Erlebuiss sich
zu erinnern und ihn mit einem, nicht hoch genug von ihm zu schätzenden Be-
glück wüoschungs-Schreiben zu beehren. Es hat eine solche mir geschenkte Theil-
nahme an meinen, wie sehr auch dem Erfolge nach hinter dem Verdienste, wel-
ches Sie mir gütigst zuschreiben, zurückbleibend, doch ernsten wissenschaftlichen
Bestrebungen meinem Herzen, ja, wenn Sie das Wort nicht übel deuten wollen,
meiner Eitelkeit in angenehmster Weise wohlgethan.
Sie heben mit Recht hervor, die Allgemeine Sprachwissenschaft, der
über ein halbes Jahrhundert meine geringen Kräfte gewidmet waren, biete ausser
ihrer, mehr der Philologie zugewendeten Seite, von welcher Disciplin selber in-
dess sie nicht gerade immer liebsam anerkannt worden, noch eine zweite hoch-
wichtige dar, worin dieselbe mit den Ihrer Gesellschaft gestellten Aufgaben einem
gemeinschaftlichen Zwecke dient. Sind es doch ta ibvvi und der, wie auch volk-
lich und nach Rassen-Typus geordnete ivbpwno^, stets und immer, auf und ab, das
Eine vernunftbegabte Wesen, Mensch geheissen, wir selbst, unser Aller Ich, um
dessen Erforschung es sich bei Ihnen, wie bei uns Sprachforschern handelt, und wird
das, ob auch auf verschiedenen Wegen Gefundene doch mit der Zeit durch gegen-
seitige Förderung dem beiderseits uns gesteckten Ziele näher und näher bringen.
Sie begreifen nun, meine hochverehrten Herren, dass der Dank, welchen ich
Ihnen für Ihre ungemein grosse Güte zu zollen habe, sei es in meinem eigenen,
um Vieles mehr aber noch in derjenigen Wissenschaft Namen, welche betreibend
ich den drei, von Ihnen genannten Herren, W. v. Humboldt, Grimm und Bopp
nachzueifern suchte, ein tief empfundener ist, und nehmen sie daher denselben in
wohlwollendster Weise entgegen. Ich wünschte daher auch noch, behufs einer ge-
wissen Bestätigung Ihrer gegen mich ausgesprochenen Ansichten, Ihnen einmal die
prachtvolle und mit sinnigen Symbolis ausgestattete Addresse vor Augen bringen
zu können, welche mir die hiesige Studentenschaft zu meiner Jubelfeier verehrt
hat. Da sitzt nämlich auf einem Schemel in behaglicher Aufmerksamkeit Ihr
unterthänigster alter Pott, dem bunten Sprachgewirr lauschend, welches dem, ihn
umstehenden Volk von Hottentotten und Zulu, Zigeunern, Indianern u. dergl. m.
aus dem Munde geht.
Augenblicklich ist der Hr. Dr. Techmer mit Herausgabe des 1. Heftes einer
internationalen Zeitschrift, welche der allgemeinen Sprachwissenschaft im
weitesten Sinne sich widmet, beschäftigt. Er hat mich veranlasst, dazu eine Ein-
leitung zu liefern, welche Wege und Ziele jener Wissenschaft in Kürze darstellen
soll. Der I. Artikel, 4 Bogen in Quart, ist fertig. Der IL, von mir noch nicht
vollendete, wird eine üebersicht über die Sprachen der 5 Welttheile, hauptsächlich
in Angaben über die zu deren Studium nöthigen Hülfsmittel, zu geben suchen.
Mit Wiederholung meines Dankes und in hochachtungsvollster Verehrung, meine
hochgeschätzten Herren,
Ihr ganz ergebenster
Professor Aug. Friedr. Pott
(3) Am heutigen Vormittage hat der Vorstand der Gesellschaft einem der
Gründer derselben, Hrn. du Bois-Rejmond, zu seinem 25jährigen Amtsjubiläum
die Glückwünsche und die Anerkennung der Gesellschaft dargebracht
(412)
%t^%%«t% Iht ^t%.^ihlOT'\%^h^ Aaiir-^poioz:* -ii Ar-^iio.izi» «::ar:z'^&i«-ii
kaUto« Ton Titr*<h:*ii*rft^£ jj^itet »sw cer W^r.4.:£. ü4£'*»iri<ir: w-nrii*c, da^ft <y^T
uktM^ Cooer«!» in b^riiz. aiizehaat^c ««rc<»=. !&-:•:£.:'!;. Ic €^1::'»' £««&«üsaiDen
Sitzung df^ Tontand«« aa«i C«rs Aoi«<fic«5«3b d'rr O^^^^^^rcii: w:ftr mxn j^i>jch eio-
•timubiie d^r Ax»^icht, liaad e» a^^inanl:^ i«ü einec. C*jczr<rs4 s^c^ Beriin einm-
Bissig die (nm/r^iHh^ Ist. Es ward« dann erinnert, da» «i^fcioc aof d»ni G»-
gr^M za SUjckh^/im der A&trag gestellt sei. anch die Sprac&ea der aai<?zen grossen
Coltorrolker xazolaueo. da« jedoch dieser Actrag a^f dem Cocgrei« zu Boda-
peft abgeiebbt seL Voc denUcker Seite kocne deräeloe eicht wocl wieder aof-
g#'DOflDfDeD werden. Ueberdi^ss w^de zor £ia bringe; ng d^^fieib^c xmiuer noch ein
▼oraofgebeoder Congresa an einem anderen Orte erforderlich sein, da Sutotecande-
rangen immer er»t durch einen anf die EinbringüLg des Antrages folge&ien Con-
grets Totirt werden dürfen. Cnter diesec Um^tanden glänzte man. so gern man
aocb sonst bereit Mrin würde, die £iLia>iaLg za einem internationalen Congresae
ergehen zu lassen, anf die Ehre verzichten zu müssen.
(5) Dr. Will. Ererette abersendet nebst Schreiben d. d. Takama. Indiana,
10. August, ein neues antograpbisches Heft von Indian Stuöiesv. enthaltend Unter-
suchungen unter den Tatüteni-Indianern. W. Oregon
Der Vorsitzende spricht den besonderen Dank der Geseilschaft aus.
(6) Hr. K. Andree bemerkt in einer Zoschrift. dass die durch Hm. Fritsch
(Verh. S. l>^6y vorgeschlagene Herleitung des Ausdrucks Ramsuase von Ramses
für den deutschen Volksmond an sich sehr auffällig wäre; das Wort käme jedoch
▼on Ramm = Bock und werde bekanntlich am häuSgsten von Pferden gebraucht.
(7) Hr. Ludwig Schneider in Jicin schreibt über
Slaviaelw
^In Virchow's Artikel ^Die ßurgwälle an der Mogilnitza*^ (Verh. 1877 S. 243)
findet sich die Stelle: ^nitza oder nica heisst im Sla Tischen fliessendes Wasser."
Da dieses nicht ganz richtig ist und richtige Etymologie auch für die Prähistorie
YOD grossem Werthe sein kann, so theile ich hier etwas über Bildung der slavi-
sehen Flussnamen auf nica mit.
^Als Beispiel greife ich die in Böhmen vorkommenden Namen Dubnice, Breznice,
Jilemnice, Rokjlnice, Olesnice und Svidnice auf. Die Stammwörter, von denen
diese Flussnamen abgeleitet sind, beissen
dub Eiche, rokyta Weide, saiix caprea L..
brjeza Birke, olsa £rle oder Else,
jilma Ulme svida Hornstrauch, cornus sanguiiiea L.
„Von diesen Pflanzennamen sind zunächst abgeleitet die topischen Namen
Dub-no Eichenwald, Rokjt-no Weidengebusch,
Brez-no Birkenwald, Oles-no Elsengebüsch,
Jilem-no Ulmen wald, Svid-no Hörn Strauch gebu seh,
Formen, welche in Böhmen vorkommen oder vorkamen.
.Die Endform ist dann
(413)
Dub-n-ica Eicheowasser, oder Wasser, Jilem-D-ica Ulmen wasser,
welches in einem £ichenwalde ent- Rokyt-n-ica Weidenwasser,
springt, Oles-n-ica Elsen wasser,
Brez-n-ica Birkenwasser, Svid-n-ica Hornstrauchwasser,
welche entweder als Flussnamen bis heute bestehen oder in den Namen solcher
Orte, welche an den betreffenden Gewässern gegründet wurden, sich erhalten haben.
„Es werden also nicht aus dub, breza, olsa die Flussnamen gebildet durch An-
hängen von nica, sondern aus dubno, brezno, olesno u. s. w. (die älteren Formen
sind duben, brezen, olesen u. s. w.) durch Anschluss des Wortes ica, welches in
seiner Bedeutung als Wasser an und für sich bei den Slaven bereits längst ausser
Gebrauch kam, dagegen bei den Germanen als is (Eis) sich erhalten zu haben
scheint.
„Ob die Sylben issa und essa'), welche sich bei den mitteleuropäischen Ariern
in alten Ortsbezeichnungen finden, ebenso als zweite Bezeichnung des Wassers
(neben ava, acva) dienten, wie bei den osteuropäischen Ariern ica und is neben
woda und water, mögen competentere Kreise entscheiden.** —
Hr. Virchow hat diese Mittheilung zunächst Hrn. Prof. A. Brückner vor-
gelegt, der sich darüber in einem Schreiben vom 7. August folgendermaassen
äussert:
„Es ist allerdings richtig, dass die Endung nica auf zwei Elementen beruht und
auf eine n Endung (no na oder ähnlich) + Endung -ica zurückgeht; die Zusammen-
stellung von ica mit Eis jedoch ist ein Irrthum.
„Die Endung ica, zurückgehend auf ikja (litauisch ike), bedeutet nämlich — Nichts.
Ihre Funktion ist nur, Substantiva Feminini Generis zu bilden, sei es nun beim
Genuswechsel, bei der sogenannten Motion, z. B. polnisch lew der Lowe, Iwica die
Löwin u. s. w., oder zu einem Adjektivum, z. B. auf -n, ein Subst. Fem. zu bilden.
So sind die meisten polnischen Subst. auf -nica entstanden, wie maslnica, mafnica,
kamienica, szklauica u. s. w., so sind fast alle Orts- und Flussnamen auf -nica
entstanden, Koprzywnica von einem Koprzywno, sei es nun bereits Nomen propr.
oder noch Nom. appellat. gewesen u. s. w. ; oder endlich zu einem fertigen Subst.
Fem. ein neues Subst. Fem. als Deminutivum etc., dziewica nozyce u. s. w.
„Jeder Versuch, in -ica oder -nica und anderen Endungen „bedeutende — Stoff-**
statt „Form-** Elemente aufzuspüren, verträgt keine ernst gemeinte Erörterung,
bleibt Illusion oder freies Spiel der Phantasie, womit der wissenschaftlich Gebildete
nichts gemein hat.** —
Hr. Virchow freut sich der genaueren Aufklärung, möchte aber die Frage
aufwerfen, ob denn doch nicht ein näherer Zusammenhang zwischen den zusammen-
gesetzten Flussnamen z. B. Mutnitza (im Spreewald), Mogilnitza (in Posen), Müg-
nitz (in Pommern) und den einfachen z. B. Neisse (mittelalt. Nyssa) besteht.
Seiner Erinnerung nach ist eine solche Beziehung von verschiedenen Autoren an-
genommen worden. Es wäre gewiss sehr dankenswerth, wenn sich die Slavisten
über die Bedeutung dieser Flussnamen äussern wollten. —
(8) Hr. Bartels überreicht im Namen des Dr. G. Beyfuss, Offizier van
gezondheid I Klasse zu Batu Djadjar, Preauger Residenz (Hochland von Java)
folgende Bearbeitung einer
1) Siehe üenning's Yortraf^ in der Frankfnrtor Versammlung (Corresp. El. 1882).
(414)
Fabel der Ball.
Meines Erachten» Terdient die folgeode Fabel, welche von den EiDwohDem
der Insel Bali stammt, eiuiges lutöTesse. Die Insel selbst hat ursprutjglich mit
Ja?a ein Ganzes gebildet, so da&s es wohl mit Recht Sicilieo des Ostens genannt
wurde. Sitten und Gebräuctie, Sprache und gesetzliche Bestimmungen sind alt-
javanischen Ursprungs und haben sich hier in reiner Form zu erbalten gewusst,
wahrend sie im Mutterlande nur noch in schwachen Umrissen zu erkennen sind-
Man schätzt die Zahl der Bewnhner auf 900 000 und soll dieselbe der Wahr-
heit nahe kommen» eine Thatsachej die wohl anzuerkennen ist, wenn man weiss,
wie schwer es in Indien selbst den tijchtigsten Beamten wird, eine annähernd
richtige Statistik zu liefern.
Doch kehren wir zu unserem Theina zurück.
Die Fabel selbj^t hat eine hochpoliti^sche Tendenz; sie geht von der Opposi-
tionspartei des Volkes aus, die es müde ist, von dem hoch mii tili gen Adel gequält
und ausgesogen zu werden.
Ein hungriger Tiger') lief beinahe den ganzen Tag durch den Wald, ohne
etwas nach seinem Geschmack zu finden. So rastlos und hungernd verfolgt er darcb
Bäume und Gestrüpp seineu Weg, bis er in die Nähe eines Dorfes gelangt, wo er
einen Stall erblickt, in welchem ein fetter Ochse sich am frisch geschnilteneo
Grase labte.
Da sich kein menschliches Wesen in der Umgegend sehen Hess, war die Ge-
legenheit für unseren Tiger günstig, sich mit wenig Mühe einen trefflichen Braten
zu verachafifen.
Anstatt sich aber seiner Beute still zu nahem, läset er seinen Adelsstolz ober
seinen grossen Magen triumphireti, stellt sich in hochmüthiger Haltung vor den
Ochsen und redet ihn im hrüUeudeu Tone auf folgende Weise an: „Was bist Du
für ein unbedeutendes Wesen')! Trotzdem Du einen gewaltigen Körper und solche
spitzen Höroer hast, lässt Du Dich binden wie ein kleines Kind. Mit Recht tiagen
die alten Bücher, dass Dein Geschlecht zu nichts anderem taugt, als von mir, dem
Könige der Wälder verzehrt zu werden, — Nur dazu haben die Gotter Dich so fett
gemacht Vor uns muss sich alles beugen, selbst die Menschheit hat Achtung vor
uns. Aber es würde unter meiner Würde sein, viele Worte an Dich zu ver-
schwenden. Komm nur schnell heraus aus Deinem Stall und lass Dich ohne Murren
von mir verzehren,**
Der Ochse war nicht wenig erschrocken und antwortete im unterthänigeo
Ton: y^Mlt Erlaubniss, Herr Tiger, wenn die heiligen Biicher wirklich derartiges
hebauplen, dann habe ich nicht den Muth, mich dem zu widersetzen; jedoch, wenn
Sie es nicht Übeln elimen wolleo, mochte ich auch meine Ansicht äussern. Ich habe
einmal eine alte Erzählung gelesen, in der gesagt wurde, dass alle Thiere zu einer
und derselben Kaste gp hören und dass sie ohne Unterschied den Menschen oder rich-
tiger den Göttern, — denn die Manschen sind nichts weiter, als die Repräsentanten
1) Mit dem Tiger wirtl hier der Adel, speciell der Brahmane gemeint, während der Ochs«
den Sadra vorstellt.
2) Der Tiefer in Nieder* Balinesisch, während dieser Ihm in der hoch-tnilinesiehen Sprache
antwortet. Gerad« im Gebrauche der S|jracbart«n spricht sich d«r Unterschied des Adela
und des Volkes im täglichen Leben aus.
(415)
der Götter auf Erdeo, — unterworfen seien ^). Wenn das nun auf Wahrheit beruht,
dann haben Sie eigentlich nicht das Recht, mir gegenüber solchen hohen Ton an-
zunehmen. — Vielleicht schenken Sie mir keinen Glauben? Gehen Sie dann nur
einmal zu meinem Herrn, der da drüben beschäftigt ist, Wein aus seinem Palm-
baum abzuzapfen. Der wird Ihnen dasselbe sagen und Ihnen ausserdem den Beweis
liefern, dass ein Mensch die Thiere in Gelehrsamkeit bei weitem übertrifft.^ —
unser Tiger war nicht wenig in seiner Ehre verletzt, vergass seinen Hunger
und eilte zu dem Abzapfer des Palmweins, dem er in strengem Ton befahl, von der
Palme, in der er sass, herabzusteigen. „Ich verlange,^ so fugte er hinzu, „mit
Deiner Gelehrsamkeit Bekanntschaft zu machen.^
Der Mann erschrak arg, als er den Tiger so sprechen horte, und Angstschweiss
brach ihm aus. Glücklicherweise kamen die Götter ihm zu Hülfe und flüsterten
ihm eine List zu, wodurch er sein Leben retten könne. — und als der Tiger
seinen Befehl wiederholte, antwortete er im höflichen Ton: „Mit grossem Vergnügen
will ich Dir meine Gelehrsamkeit zeigen, doch muss ich zu meinem grossen Be-
dauern bekennen, dass ich sie nicht bei mir habe; sie liegt zu Hause. Willst Du
mir also erlauben, sie Dir zu holen, dann stehe ich zu Deinen Diensten. Ich fürchte
nur, dass Du so lange nicht warten wirst und ich Dich nach meiner Rückkehr nicht
mehr finden werde."
„0, darum brauchst Du nicht besorgt zu sein,*' fuhr der Tiger fort. „Oder
denkst Du gar, dass ich deine Gelehrsamkeit furchte? Binde mich nur au diesen
Baum fest, dann kannst du sicher sein, dass ich nicht davon laufen werde." —
Der Mann Hess sich das nicht zweimal sagen; eiligst kletterte er herab, schnitt
ein Stück Epheu ab und band damit den Tiger fest. Dieser war jedoch nicht
wenig entrüstet, sich so, wie ein Kind behandelt zu sehen. „Denkst Du," rief er
zornig aus, „dass ein solches Stück Epheu mich, den König des Waldes, halten
kann? Da, sieh nur!" Und mit einem Ruck war das spröde Band in tausend
Stücke zersprungen. — Auf den Rath des Tigers holte der Mann nun ein Stück
Rohr, mit dem er seinen Gegner so kräftig knebelte, dass dieser bald laut auf-
schrie vor Schmerzen. „Halt ein!" brüllte er, „Du ermordest mich!"
Aber nun war die Reihe an dem Abzapfer des Palmweines, zu lachen und ihn
hochmüthig anzulassen. „Das ist meine Gelehrsamkeit," so fuhr er den gebundenen
Feind an, „wie gefallt sie Dir? Willst Du etwa noch mehr von ihr kennen lernen?"
Der Tiger, der halb todt war, bekannte sein Unrecht und flehte um Gnade. Der
Mann war aber taub und erkletterte wieder unbekümmert den Palnibaum, um seine
Arbeit fortzusetzen. Erst als sein Tagewerk beendigt war und er im Begriff stand,
nach Hause zurückzukehren, Hess er sich bereden, sein Schlachtopfer aus den
Fesseln zu erlösen.
Es dauerte aber noch geraume Zeit, bis der erbärmlich zugerichtete Tiger sich
zu bewegen im Stande war, und er schleppte sich endlich mit grösster Anstren-
gung von der Stelle.
Sobald der Ochse seinen Feind in diesem erbärmlichen Zustand ankommen
sah, begann er zu lachen und rief ihm bereits von weitem zu: ^Nun, hat Eure
Hoheit ihn gefunden? Und wie steht es mit seiner Gelehrsamkeit? Haben Sie ihn
tüchtig in die Klemme gebracht?"
1) Hier scheint auf eine Schrift der Eingebornea hingedeutet zn werden, in der die
Lehre staud (wahrscheinlich nicht rein inländischen Ursprungs), dass arsprünglich nur
zwei Gottesdieoste bestanden, die balinesische und die mohamedaniBche Religion, und daas da-
mals alle Menschen gleich waren.
(416)
^Ach, sprich nur nicht davon/ stöhnte der Tiger, „ich furch te, dass ich ee
nicht mehr überleben werde. *— 80 unbedeutend er auch aussah, so scbaDdlich
hat er mir doch mitgespielt.'*
^Ja sehen Sie,"^ versetzte der Ochse, ^das hi es ehen; die, welche so ßchon
aussehen und ein hohes Wort füJireDj sind durum noch nicht immer die gelehrtesten.
Ich hoffe, dass Sie iiüch Gelegenheit finden werden, aus der empfangenen Lebre
die Nutzanwendung zu ziehen, und hiermit Imbe ich die Klire, Sie zu grusseD, das
Ef*8en wartet auf mich,^
(9)
neuen
Hr. Bartels übergiebt folgende Notiz und Abbildungen über eia|
Bronzewagen von Cortona,
Hr. Dr. Ingvald Undget hat uns in einer Zuschrift aus Rom') mit eiDefD
kleinen et ruaki sehen Bron^ewagen bekannt gemacht, welchen das ^Juseum in
Corneto besitzt Derselbe gehört dem interessanten Typus von Bronzewagen an,
wie sie sich von Etrurien über die ostlicben Alpen bis in unsere norddeut-
schen Gebiete gefunden haben. Diese ZuBchrift veranlasst mich, die Beschreibung
eines kleinen prähistorischen^ wahrscheinlich ebenfalls etruskischen Bronzewagena
lu geben, welchen ich in diesem Jahre in dem kleinen Museum von Gortooa sab.
Er befindet sich In einem freistellenden Scliranke, so das» man ihn von vom und
von hinten betrachten kann. In der Hand habe ich ihn nicht gehabt; in Folge
dessen sind die angegebenen Maasae nur approximative.
Der Wagen besitzt vier Rader von dem umfange eines Markstückes. Sie sind
voll gegossen, ohne Andeutung der Speichen. Die innerej der Axe zugekehrte
Vorderansicht. Va ^^^ natürlichen Grosse.
Seite ist ganz glatt. Auf der äusserea Seite erhebt sich aus der Fläche des Haili
einige Millimeter von dessen Peripherie entfernt, eine coDcentriscbe Scheibe, welche
annähernd dieselbe Dicke, wie das Rad erreicht. Die Nabe des Rades tritt stark
glockenförmig hervor und schliesst mit einer Halbkugel ab. Die Vorderräder sind
von der gleichen Form und Grösse wie die Hinterrüder. Die Axen sind dünn und
1) AUitüHsche Bronzowagen. Zeitacbrift fijr Ethnologe. Band XV, 1883. V«?rb,
S. 197-201.
(417)
Eint eran sieht.
zierlich, aber nicht rund, soDdern vierkantig. Der Langbaum, welcher die Axen
mit eißander verbindet, ist von etwas complicirter Gestalt. Er ht drehrund, von
der ungefähren Dicke des kleinen Fingers. Von der Axe der Hinterräder geht er
nicht in hori^Kontaler Ricbtung zu der Vorderaxe hin, soodern er biegt sich zuerst
leicht der Erde zu und steigt dann wieder auf, so dass er einen flachen, nach oben
offenen Bogen bildet. Er läuft dann von der Axe der Yorderräder eine kleine
Strecke in horizontaler Richtung nach vorn^ biegt darauf mit abgerundetem Winkel
in die vertikale Richtung nach oben um und verläuft in derselben ungefa.hr 3—4 nn
weit. Auch bei dieser ümbiegnng ist d^r Winkel abgerundet. Dieser obere
horizontale Verlauf erstreckt sich nur auf 2,5 cm. Hier endet der Langbaura nun
nicht frei, sondern es fugt sich an ihn ein balbmondfrSrmiges (ie bilde an, wel-
ches quer zur Längsaxe des Wagens steht. Die Schenkel des Halbmoodea sind
ebenfalls dreh rund und von gleicher Dicke, wie der Langbaum, Die Eaden des Halb-
mondes verdicken sich kolbig und schliessen mit einer abgerundeten Spitze ab.
Diese kolbigen Enden machen den Eindruck, als ob sie roh gearbeitete Thierkopfe
daratelten sollten. Sie erinnern au Widderköpfe mit gestreckter Schnauze, oder an
Schlangenkopfe, wie sie sich in der nordischen Ornamentirung so häuEg Buden.
Der Langbaum des Wagens erreicht auch an der Hinteraxe nicht sein Ende,
sondern setzt sich über dieselbe hinaus nach hinten fort* Nach kurzem Ver-
laufe in horizontaler Richtung wendet er sich in leichtem Bogen der Erde zu und
geht hier in ein dreispitziges Gebilde aus, das nur als eine Art Pflugschar gedeutet
werden kann. Mit ihrer unteren, ein breites gleicliscbenkligea Dreieck darstellenden
Fläche liegt diese Pflugschar dem Boden glatt auf. Ihre obere Fläche wird durch
vier schmale, im Winkel au einander stossende Dreiecke gebildet Auf diese Weise
charakterisirt sich unser kleiner Wagen also als das Modell eines vierrädrigen,
pflugartigen Äckergerathes. Dass diesem Modelle aber die Bedeutung eines Votiv-
gegenstandes oder eines zvt heiligen, rituelien Zwecken bestimmten Stückes zu-
kommt, das scheint mir aus einigen figürlichen Darstellungen hervorzugehen, welche
sich auf demselben beenden«
Die eine dieser Figuren ist eine menschliche und steht auf der Binteraxe
des Wägelchens; die andere ist die Darstellung eines Thieres, welches sich auf
dem oberen, vorderen Ende des Lang bäum es, zwischen den Hörnern des vorher
geschilderten Halbmondes befindet.
VerkiADdL d«r BerL ActbropoL G««ellftclii.n ISSS.
srr
(418)
Die menschliche Figur auf der HiDteraxe ist ungefähr 5,5 cm hoch und gans
platt, und hat eine Dicke von nur 1,5 mm. Die Beine sind nicht angedeutet nod
auch die Gürtelgegend ist nicht markirt; es macht den Eindruck, als ob ein langes,
einem Talare ähnliches Gewand den Rumpf vom Halse bis über die Füsse hin eio-
hüllt. Der rechte Arm ist erhoben und die Hand, welche durch Oxydation wie
eine dicke, unförmliche Faust erscheint, ist, wie bei lebhafter Rede, fast bis xur
Höhe des Kopfes elevirt; der Arm ist dabei fast völlig ausgestreckt, nur im Ell-
bogen leicht gebeugt. Statt des linken Armes tritt aus der Seite des Rumpfes, un-
gefähr iu Gürtelhohe, ein kleines, nahezu quadratisches Metallstück hervor. Ob
das eine schlecht ausgebildete Hand sein soll, oder ob, was wahrscheinlicher ist,
hier etwas angelothet gewesen und jetzt verloren gegangen ist, das konnte ich mit
Sicherheit nicht entscheiden.
Der Kopf wird von einem deutlich abgesetzten Halse getragen. Er ist in
seinem Hinterhaupt ebenfalls wie der übrige Körper ganz platt. Auf der Gesichts-
seite springen aber die in starkem, schräg stehendem Bogen au der Nasenwurzel
convergirendcn Augenbrauen, die unförmlich dreieckige Nase und die Stirnpartie
aus der Fläche hervor, während die Gegend der Augen und des Mundes grubig ver-
tieft erscheint
Die Peripherie des Kopfes ist nicht rund, sondern die Scheitelhöhe wird durch
zwei niedere Dreiecke mit breiter Basis gebildet, während je ein anderes Dreieck
in der Gegend der Ohren von dem Kopfe absteht. Hierdurch werden also vier den
Kopfumfang überragende Spitzen gebildet, welche wohl ohne allen Zweifel eine
Stnihlenkrone repräsentiren sollen.
Warum der Künstler diese Figur nicht rund, sondern platt gearbeitet hat, ist
nicht recht zu verstehen. Denn dass er die Beßlhigung besass, auch runde Ge-
stalten zu modelliren, wenn auch nur in roher, primitiver Weise, das beweist die
Ausführung des kleinen Thierchons, das er oben auf dem Langbaume zwischen
den Hörnern des Halbmondes stehend angebracht hat. Das Thier steht in der
Richtung der Längsaze des Wagens, es blickt nach vorn und kehrt daher dem
Männchen auf der Hinteraxe die Hinterpartie zu. Der Leib ist schlank; dem hin-
teren Körperende scheint ein kurzes Schwänzchen aufzuliegen. Die Hinterbeine
sind aus einem Stück gebildet, an dem je eine vorn und hinten angebrachte Längs-
furche die Grenze zwischen dem rechten und dem linken Beine angiebt. Die
Vorderbeine sind aber jedes für sich gearbeitet. Der Kopf steht in gutem Ver-
hältniss zu dem übrigen Körper. Die Schnauze ist lang und schmal. Nach jeder
Seite steht von dem Kopfe ein spitzes, zierliches Gebilde ab, von dem es un-
möglich ist, mit Sicherheit zu entscheiden, ob das Hörner oder Ohren sein
sollen. Die Species zu bestimmen, welcher dieses ungefähr 3 ein hohe Wesen an-
gehört, hat seine grosse Schwierigkeit. Seiner ganzen Erscheinung nach möchte
man es am ersten wohl für eine Hirschkuh ansprechen. Wenn man dasselbe aber
mit den aus anderen Sammlungen bekannten rohen Tbieriiguren der Etrusker
oder deren Vorläufer vergleicht, so ist die Annahme auch nicht absolut von der
Hand zu weisen, dass der Künstler einen Stier oder eine Kuh darzustellen beab-
sichtigt habe.
Die Länge des Wagens von der hinteren Spitze des Pflugeisens an schätze ich
auf 15 em, seine Höhe bis zur Hulbmondspitze auf Q cm. Der strahlen gekrönte
Mensch ist ungefähr 5,5 cm hoch, während das Thiercben, wie gesagt, nur eine
Höhe von 3 cm erreicht.
Nur schwer widersteht man der Versuchung, sich hier auf weitgehende Hypo-
thesen einzulassen. Es ist aber wohl vorsichtiger, dieselben zu unterdrücken, bis
(419)
sich geeignetes Material zur Yergleichung darbietet. Erwähnen mochte ich nur
Doch, dass wir in dem Wagen und seiner Ausschmückung wohl ohne jeden Zweifel
das Symbol des Ackerbaues verbunden mit den Attributen der beiden Haupt-
gestirne zu erkennen haben. Dass dieses kleine Ackergeräth rituellen Zwecken
gedient haben muss (als Tempelschmuck oder Votivgegenstand), ist auch in hohem
Grade wahrscheinlich.
Das halbmondförmige Ansatzstück des Langbauroes wird, wie man wohl ver-
muthen darf, wirklich die Mondgottbeit darstellen sollen. Das in der Mondsichel
stehende Tbier, sei es nun ein Rind oder eine Hirschkuh, hat ja als Begleiterin
des Mondes nichts Ueberraschendes. Die menschliche Figur auf der Hinteraze wird,
wie ich glaube, durch die Zacken am Umfange des Kopfes als Personifikation der
Sonnengottheit gekennzeichnet. Nicht unerwähnt lassen will ich, dass nicht allein
das lange talarartige Gewand, sondern auch ganz besonders die Art, wie die Ge-
stalt den rechten Arm erhebt, an gewisse Darstellungen des Baal erinnert, welche
sich in den Gebieten von Massilia und Garthago gefunden haben.
(10) Hr. Th. Liebe berichtet über
zwei Gefassfragmente aua den Pfahlbauten im Barmsee (Ober-Bayern).
Der Barmsee liegt nördlich von dem Weiler gleichen Namens, zwischen Mitten-
wald und Partenkirchen, von ersterem Ort in 1^2» von letzterem in 2 Stunden er-
reichbar. Während eines kurzen Aufenthaltes daselbst hatte ich Gelegenheit, Eennt-
niss zu nehmen von den sehr interessanten Pfahlbauten im See.
Dieselben ziehen sich in nicht sehr bedeutender Entfernung vom südlichen
Dfer dasselbe entlang. Wegen der weithin tief moorigen Beschaffenheit des letzteren
ist ein Blick anf die Bauten und eine Untersuchung derselben nur von der Wasser-
seite aus zu ermöglichen. Was bei ungünstigen Verhältnissen, d. h. bei hohem
Wasserstande und starkem Regen zu beobachten war und zu weiteren Untersuchun-
gen anregen dürfte, ist in Kürze Folgendes: Starke (bis 1 Fuss), zum Theil kantig
behauene Pfahle stehen auf eine Strecke von etwa 300 m meist aufrecht, z. Th.
in Doppelreihen. Der Oberfläche des Wassers nähern sie sich mit ihren ziemlich
harten Köpfen bis auf etwa 2 m Entfernung. Niederliegende Pfahle sind zwischen
den aufrechten bemerkbar. Kohle, Thierknochen (Pferd), Gefassfragmente von eisen-
grauer Färbung, durch reichen Glimmergehalt und die Spuren der Drehscheibe
ausgezeichnet, wie die beiden hier vorgelegten, sind dem See an dieser Stelle ent-
nommen worden. Auch in der Nähe des nordostlichen Ufers sollen sich Reste von
Pfahlbauten befinden.
(11) Hr. Oesten bespricht einen vermuthlichen
Kiehnapahnleuohter von einer Insel des Carwitz-Sees (Meklenburg).
Beim Suchen nach Oeberresten aus der Wendenzeit auf einer der Inseln des
Garwitzer Sees stiess ich, nach Abräumung der obersten Bodenschicht mit den üb-
lichen wendischen Scherben, in ca. 0,5 m Tiefe auf ein horizontales Steinpflaster,
welches in einer Fläche von ca. 4 — 5 qm freigelegt wurde. Auf diesem fanden sich
sehr zahlreiche Scherben der vor wendischen Zeit, zum Theil von grosser Wand-
starke, zum Theil von kleineren Geissen mit geglätteter Oberfläche, sämmtliche
Randstücke ohne Profilirung, in Masse und Herstell ungs weise mit den in den Stein-
27*
(4201
gfibern der Feklberger Gegend bisher gefuadeneD übereinstimmend, sehr abwei-
chend dagegen von den ßtets profiUrteii slawischen GefäsBresten. Die Zwischen-
räume zwischen den Pflastersteioen waren zum Theil noch mit schwach gebraDnter
Lehmerde ausgefüllt, welche ausserdem in Stücken reichlich auf dem Pflaster vor-
handen war.
An einer Stelle, vielleicht in der Mitte des nicht ?ol!fitÄndig frei gelegten Fuss-
bodens, fand sich eine Vertiefung, mit Asche und Kohlen reaten gefüllt; neben der-
selben lagen 2 Feueratein-Pfeilspitxon und ein kegelförmiger massiver Korper, ähn-
lich der Spitze eines Zuckerhuts von massig ^tark gebranntem Thon mit einer
gegen die Basis geneigten Qaerdiirchbohrung.
Der Kegel hat 145 wm Höhe, seine Gnmdfiäche 115 mw* Durchmesser. Um
Qber den Zweck und die Bedeutung dieses Thonkegels ins Klare zu kommen, stellte
ich folgende Betrachtung an,
[)er Thonkegel ist vermöge seiner grossen und ebenen Grundfläche sehr stabil
und duher geeignet, frei auf eine Unterlage hingestellt zu werden und darauf fest
zu stehen. Die Durchbohrung, am tieferen Ende 12 mm, am höheren G tum weit,
ist konisch und daher ds2u eingerichtet, einen hineingesteckten festen Körper fest-
zuhalten. Dieser Gegenstand darf jedoch nicht von sehr harter Masse sein, weil
'/^ der natürlichen Orösse.
er sonst die glatte Innenfläche des wenig harten Thonkorpers zerstören würde.
Steckt man nun einen Holzspahn in dieses Loch, so fällt auf, dass derselbe in
einer Neigung nach unten gerichtot festgehalten wird, welche derjenigen gleich-
kommt, die man dem brennenden Zündholz in der Hand oder einpm Kiehnspahn
giebt, damit er gut brennt, also nicht wagerecht, wobei ein Spahn erlischt, und
nicht zu steil nach unten gerichtet, wobei derselbe in seiner ganzen Länge ent-
flammt. Ich habe nun wiederholt Kiehnsprihne in die Durchbohrung des Thon-
korpers gesteckt und dieselben am Ende angezündet Es zeigte sich, dass wenn
der Kegel auf horizontaler Unterlage stand, der Kiehnspuhn sich gerade in der
richtigen Neigung befand, um gleich massig abzubrennen, und dies auch regelmässig
thaL Ebenso kann mau den Thonkegel bequem in die Hand nehmen, die er gemde
ausfüllt, und kann mit dem Licht unjhorleuchten.
Die Zweckmässigkeit dieses Thon kegeis als Kiehnspabuleuchter springt bei dem
Versuche, ihn als solchen anzuwenden, in die Augen. Inwieweit hieraus der
Schluss, den ich zu machen geneigt bin, berechtigt ist, dass das Object wirklich
ein Kiehnspahnleuchter der vorwendischen Zeit ist, überlasse ich gern weiterer
Prüfung.
(421)
(12) Hr. Jeotaob berichtet über eine
silberplattlrte Streitaxt aus Guben, die Steinumgrenzung eines Urnenfeldea Im Kreise Schwle-
bus und Kirch enmarken.
1. GubeD. Bei Aushebung des^ Fundaiiieiits für eine Rnmise auf dem Grund-
stücke des Herrn WeiDhäudler Fötko ist nördlich Ton dem Wohohause Oater-
berg 14 in der letzten Woche des Juli d. J. eine eiserne Streitaxt mit Silber-
plattirung gefunden worden. Osterberg heisst die Strasse, welche au der 25 bis
35 m hohen ersten Terrasse des halbmond förmigen Höhenzuges im NO. der Stadt
emporsteigt. Das Haus Nr. 14 liegt in mittlerer Höhe der Strasse, die den unteren
Theil des Berges wie eine Schlucht durchschneidet; über diese erhebt sich das
Niveau des Hauses selbst 6^ — ^7 m. Die Tiefe, aus welcher die Axt stammt, ist
nicht genau bekannt, da sie sich in einer von der Ostwand der Unterkellerung der
bezeichneten Remise abgestürzten Erdschicht befunden hat; sie iibersteigt aber
eicht 2 m.
Diese Axt ist an der massig einge wölbten oberen Kante der Platte 13 cm lang;
die entgegengesetzte innere Seite bildet annähernd einen Viertelkreis. Die untere
Spitze, zu welcher hin sieh die in der Mitte nur 8 mm starke Platte verdünnt, ist
abgebrochen. Die Länge der Schneide beträgt jetzt noch 9 cm, l^as Stielioch ist
ungefähr kreisrund und hat einen Durchmesser von 2,3 an; es fasst der Stiel nur
anf 3 cm Länge, doch ist das Metall hinter demselben nach oben und unten spitz
stulaufend zu einer Gesammtlänge von 6/2 cm ausgezogen.
Auf beiden Seiten der Plattej auch auf der
Fassung des Stiels und an den schmalen Seiten
sind durch feine Risse in Vs ^^*^ breite Sil-
berstreifen zerlegte OrnamentplättcheD aufge-
sch miedet; an drei, von der Stielfassung in
die Platte hinein sieh ziehende Streifen, deren
einer etwa mit einer rohen Nachbildung eines
Vogelkopfes abschliesst, setzt ein quer vorge-
legter, nicht über die ganze Breite der Platte
ausgedehnter^ Belag an, vor welchen concen-
triseh ein längerer, aus breiten arabeskenartigen
Windungen gelegt ist. Die gesammte Verzie-
rung ist mit einem silbernen Saum umrändert, ^^^^E^^_^ * '^ ^^j
in welchem ein feines tannennadel- oder fisch-
grätenartig geordnetes Ornament ausgespart ist. ^R^^^ttA*!^ ^^
Die Stelleu, weichte der Silbf*rbeJag deckt, *^^^^^=:;^- >
sind massig aufgewölbt; in ihnen werden durch
seichte Vertiefungen schlichte Muster sichtbar
in den tieferen Zwischenräumen zwischen dem
Sil herbelag tritt noch an einzelnen Stellen Gold-
glanz hervor- Die Zeichnung der Axt ward erst nach Entfernung der 1 — P/j mm
starken Rostach icht erkennbar» Das Gewicht des Gerathes betragt gegenwärtig 357 g.
Wenn die Axt etwa dem 1 1. Jahrhundert zuzuweisen ist, so würde sie der
Zeit der Reger maoisation unserer Gegend angehören.
In dem unmiltelbar ostwärts an ihren Fundort anstossenden Terrain ist un-
gefähr 1,5 m tief Thongeräth von der Art der Lühbi neben er Pfahl baufunde aus-
gegraben worden: dünne, klingende Scherben mit stark geriefelter Aussen wand, ein
Fragment mit gekräuseltem Fuss (nicht erhalten), unglasirte Topf kacheln von
J\
"^
(422)
15 em Tiefe, ferner Topfijturzen, äholich den in den Verb. 1883 S« 252 beschriebenen
Deckeln^ ausserdem mancherlei Eiseiigeräth: 3 dreieckige Hacken, eine Sichel mit
12 cm langem Stiel, auf welchem noch die den Uolzgriff oben zusammen zu halten
bestimmt gewesene Oelise sitzt, e»u duBüer Stab von 22 cm Länge, Nägel mit
grossem, butCörmigem Kopfe, der 3,5 cm Durchmesser hat. Einer etwas höheren
Schicht gehörten braungliisirte» quadratische^ ca* 13 cm tiefe, auf der kreisförmige n
Inneßseite offene Kacheln mit heraustretenden Figuren (Sphinx, Löwe, gothiscbeo
Bogen) flUj welche etwa dem 16. Jahrhundert xuzuweisea sein dürften.
Den ganzen Fund hat Herr Potko dem hiesigen stadtiächeu Gymnaatum,
welcbeo) er als Schüler angehört bat, geschenkt.
2. Bei Starzeddel Kr. Guben sind in dem nördlichen Unienfelde (vergL
Zeitscbr. f. EthnoL XIV. S. 129, Verh. 1882 S. 35S) durch Um. Chausseebauaufseher
Zimmermann hier einige Gräber geöffnet, welche ia Steiixsatz terrioenf^^rmige
Urnen mit Keh [streifen und kleine Beigefässe (Tassen u. dgl., keine Fläschchen)^
auch eioe Bronzenadel von Sem Lange mit abgeplattetem utid eingerolltem
oberem Ende enthielten. Ferner fand steh eine erhöhte, aus Steinen hergeBtellte
Brandatelle und auf derselben ein 130^ schweres, schwach eisenhaltiges, offen-
bar zufallig ^ntstaadeoeä Scbmelzproduct, das man zunächst als Eisenschlacke
anzusehen versucht sein möchte, aus tropfenförmigen Massen in TraubcDgestalt zu-
sammengelaufen, blaugruu. Es besteht aus kieselsaurer Thonerde, 4—5 procentigem
kieselsaurem Eiseaaxydul und etwas kohlensaurem Kalk (Analyse des Herrn Pro-
rektor Hamdorff). Sammtlicbe Gegenstände beenden sich in der Gymnanial*
Sammlung.
3. Da sich nicht zu häu£g Gelegenheit findet, ungestört ein ganzes und in*
taktes Urnenfeld aufzudecken, und da namentlich für die Frage nach der Umgren-
zung desselben seilen zuverlässiges Material vorliegt, reihe ich eine von Herro
Rittergutsbesitzer 0. Schonig auf Birkbolz freundlichst mitgelheitte Notiz über
ein Todtenfeld bei diesem Orte (Kr. Schwiebus) an. Dasselbe hatte einen Durch-
messer von ca. 50 Schritt; die Urnen waren in massiger Tiefe mit kleinen Bei-
gefiissen, aber ohne Stein pack ung^ doch zum Theit mit einem Deckstein versehen,
beigesetzt, um das ganze Drnenfeld lief ein geschlossener Stein kränz, her-
gestellt durch achlichte Aneinanderreihung von ca. '/j m im Durcbmesser haltenden
Feldsteinen. — Mit seltener Bchonung sind die ziemlich festen Ge^se aus dem
Boden gehoben und sammt ihrem Inhalt an anderer Stelle wieder in eiue Erdgrube
gepackt worden.
4. Der Deutung der Rundmarken an Kirchen als Reste einer Kirchen-
busse, die ich aus einem Haveldorfe (Wust) Verb. 187H, S. 437 mitgetheilt und auch in
Spandau gefunden habe, bin ich unlängst in Muncheherg begegnet. Unter den bis
jetzt bekannt gewordenen 12 Deutungen (zusammengestellt Brandenb. Provinzialblatt
lö81 S. 249, vgl, Lausitz. Magazin 1882 Bd. 57 S. 437) ist diese, — abgesehen von
der Erklärung nachweislich in jüngerer Zeit ausgeiiebener Näpfchen^ — die einsige
welche auf allerdings vereinzelt nnd dunkel fortlebender Volkatradition beruht. —
Hr. Virchow erinnert mit Bezug auf die erste Mittheilung des Hrn. Jentsch
daran, dass tauschirte Eisenwaffen schon einigemal anf slaviscben Burgwällen un-
serer Gegend zu Tage gekonnnen sind. Er selbst besprach in den Sitzungen vom
16* Mai 1874 (Verb. S. Il5) und vom 22. April I357Ü (Verh. S, 118) ein mit Kupfer-
und Silbereinlagen tauachirtes Lanzenblatt von Polzlow in der Uckermark, daa
letztere Mal unter besonderer Erörterung des Zusammenhanges dieser Arbeiten mit
arabischen Handelsbeziehungen des 10. und IL Jahrhunderts. — Das schone, mit
(428)
Silber tauschirte Schwert von Lippehne, welches Hr. Hauptmann v. Eamienski auf.
der Berliner Ausstellung von 1880 vorführte (Katalog der Ausstellung S. 84), ist
im Moor eines tiefer gelegten Sees, am Eingang zu einer im See gelegenen Wenden-
burg, gefunden worden. — Es wird daher auch der neue Fund, der übrigens wohl die
Darstellung eines Hirsches cothält, der gleichen Zeit zugerechnet werden müssen ; jeden-
falls dürften aus NordostdeutschJand keine älteren Funde dieser Art bekannt sein. —
Hr. Voss: Eine Eiseuaxt in ähnlicher Form bildet Montelius ab (Antiquites
suedoises. Fig. 483). Das Blatt derselben ist mit einem rundeu Loche versehen. Sie
stammt aus dem Gräberfelde von Hemse Annexhemnian, Gotland, wo auch eine
andere Axt von der Form der sehr reich tauschirten Axt aus dem Grabe von Mammen
auf Seeland und ausserdem 1 arabische und 2 deutsche Münzen des 10. und
1 1 . Jahrhunderts gefunden wurden. Aehnlich reiche Tauschirungeu, wie an der vor-
gelegten Axt, finden sich auch vielfach an fränkischen Alterthümern.
(13) Hr. Siehe in Calau sendet unter dem 10. d. M. Nachrichten über das
Gräberfeld von Zllmsdorf bei Teuplitz.
Durch unser Mitglied, Hrn. Director Schwarzer in Zilmsdorf bei Teuplitz im
Sorauer Kreise, hatte ich die Nachricht erhalten, dass ein sehr bedeutendes Urnen-
feld aufgedeckt sei.
Ich entschloss mich schon im Juli dort hinzureisen und an Ort und Stelle In-
spection zu halten. Zunächst fand ich ein sehr reiches ürnenfeld und dann noch
andere, recht interessante Dinge, auf welche ich später zurückkomme. Das Urnen-
feld umfasst ungefähr 30 Morgen, welche fünf flachgewolbte Hügel bilden. Yier
von diesen Hügeln sind bisher noch nicht untersucht, doch wurde mir von einem
Herrn, der länger als dreissig Jahre dort lebt, versichert, dass auch auf ihnen beim
Pflügen sehr häufig ürnenscherben gefunden worden seien. Der eine Berg aber
war schon vielfach durch Nachgrabungen zerklüftet, die plan- und regellos, nur
zum Erwerb einiger Gefasse angestellt waren. Diesem Treiben ist auf meine Bitte
durch die Besitzerin, Frau von Reibnitz Einhalt gethan worden und ist das Nach-
graben nur legitimirten Personen gestattet
Am Freitag den 5. October wurde nun systematisch und plangemäss unter
meinen Augen eine Aufgrabung vorgenommen. Auf einem Raum von ca. 8 qm
wurden ungefähr 60 Gefasse gefunden, von denen 25 ganz heraus befördert werden
konnten. Weder über noch unter den Gefassen war eine Steinsetznng bemerkbar,
nur zwei Urnen standen auf flachen Steinen. Doch führte merkwürdiger Weise
ein Steinwall, aus nebeneinander gelegten Granitfindlingen bestehend, mitten durch
(424)
die aufgedeckte Stelle. Die Breite der SteinfxacIniDg betrigt ca. ^j^ m, äd der DÖrd-
licbeD Sffit« ward«; die Steiosetzung rechtwinklig foa eioer Eweiten gekreuzt. In
dea Ecken fand ich die UnieD sehr zahlreich, ebenso an den Längsseiten.
Die GeHaae bestanden aus der bekannten Masse des Lausitier TjpQS ood
wafieii im grD«cen GanEen auch diesem entsprechemJ geformt Sie waren iDoeii
and aussen glatt, mei&tentbeUs je mit einem Henkel and zwar häufig sehr grossen
▼ersehen. Die Gefa^se^ welche zwei Oehsen trugen, zeicbueten sich durch die
Kleinheit der Oehsen aus. Der Brach der Gefasse war schwärzlich und rotli-
lieh und zeigte reichUch Beimischungen tod zerkleinerten Gmnitstäcken. Die
Form war äusserst mannichfahig: grosae gebauchte Ge^se, Tasseokopfahnliche^
Milchnäpfe, Teller, flache Scbaaleo worden gefunden, besonders zahlreich kleine
Kruge mit bochgewölbtem Henkel. Interessant war das Auffinden eines Fokales
und zweier Gefasse, die ebenfalls pokalartig gestaltet waren, nur zeigte sich an
beiden der eine Tbeil von Tier kreisrunden Lochern darchbrochen ; der eine Ton
diesen Kelchen zeigte auch den Stiel, der beide Tbeile verbindet, mit einem durcb-
gehenden Loche versehen (Räu eher gefasse?). Eine Eigeothömlicbkeit der Gef&ase
war die Farbe: die meisten waren gelblich, röthlich u« s. w«, eine ganze Anzahl
jedoch, alle kleineren Krüge insbesondere, sind tiefschwarz und glänzend, ein
Bruchstück, auf Papier gestrichen, schreibt genau wie Bleistift; es sind jedenfalls
mit Graphit überzogene Gefasse.
Buckel gefasse wurden nicht gefunden, auch t>ei früheren Nachgrabungen sollen
keine derartigen Urnen ergraben worden sein« Es giebt jetzt übrigens mehrere
Friedhofe, auf denen noch kein einziges Buckelgefäss gefunden wurde.
Die Stellung der Gefasse, soweit noch nicht erwähnt, ist folgende typische: In
der Mitte steht die grosse, mit Knochen gefüllte Urne, rings umher au&echt 5 bis
11 kleine Gelasse aller möglichen Formation; es wurden auch ganz kleine, hasel-
nussgrosse Schaalen gefunden. Dies Bild ist nicht ganz eonstant Zuweilen ist die
Knocheourne liegend, zuweilen auch mit der Qeffnung nach unten, in beiden Fällen
ist die Urne durch seitlich und oben resp. unten angebrachte Gefasse und GefSaa-
stücke umhüllt Auch die Beigefasse sind zuweilen halb und ganz liegend ge-
funden; dies gilt ganz besonders von den Ränchergefassen.
Die Ornamente zeigen im Ganzen den Lausitzer Charakter, nur sind die üraen
mit Strichverzierungen selten; wenn aber eine mit Strichen verziert ist, so ist die
Ausführung über die ganze Urne und von ausserordentlicher Sauberkeit und Ele-
ganz. Am meisten flnden sich um den Bauch herumlaufende, 3 — 12 fache Ringe.
Zuweilen ifet auch der Henkel und der Rand durch Striche verziert Die Gefasae
sind nach meiner Ansicht mit der Hand geformt Deber den Inhalt ist zu sagen,
dass die grossen, meist in der Mitte tefiudlichen Urnen gebrannte Menscheoknocheo
enthielten, ab und zu auch eine einfache Bronzenadel. Die kleinen Gefasse waren
mit Sand gefüllt Von früheren Ausgrabungen sind als durch den Besitzer sieber
agnoscirte Funde viele bronzene Nadeln, auch kleine Ringe u. s. w. zu erwähnen.
Interessant sind 3 Funde:
Zunächst eine durchbohrte Streitaxt, von einem mir unbekannten Material,
wahrscheinlich selir feinkörnigem Sandstein von grauer Farbe, Dieselbe ist sehr zier»
lieh gearbeitet und besonders das Bohrloch von einer seltenen Sauberkeit Da das
Steinbeil in der Hohe des Bohtlochs durch einen Sprung in zwei Stücke getheilt
ia^ so sieht man deutlich die Herstellung des Bohrlochs: dicht nebeneinander
laufende, deutlich sichtbare, unzählige cooeentrische Kreise, welche durch abwech-
selnde, ganz kleine Erhabenheiten und Vertiefungen gebildet werden und welche
4
4
(425)
ungefähr deo Eiodnick hervorrufeD, als sei es eine ans unzähligen Windungen be-
bestehende Schraubenmutter. Die eine Oefifnung des Bohrloches misst 17, die an-
dere 20 mm und bildet einen correcten Kegelabschnitt. Das Material ist sehr weich,
so dass es sich gut schaben lässt. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass dieses Beil
als Waffe oder als Geräth zu profauen Zwecken gebraucht worden ist Die Steinaxt
wurde in einer Urne gefunden und ist Eigenthum des Hrn. Amtmann Meyer;
hoffentlich gestattet derselbe, dieses interessante Stuck der Gesellschaft vorzulegen.
Eine gleiche Hoffnung knüpft sich an die beiden Eisenfunde, welche der Besitzerin
Frau von Reibnitz gehören. Ich kann nicht unterlassen, dieser Dame für das
Gestatten der Nachgrabungen und dabei bewiesene Liebenswürdigkeit und Ver-
ständniss für die Sache, meinen wärmsten Dank auszusprechen.
Der eine Gegenstand aus Eisen ist ein Hohlmeissel resp. celtartiges Gebilde
(Holzschn. 1). Der zweite ein messerähntiches Instrument (Holzschn. 2). Als drittes
Object fand sich ein sichelförmiges mit mehreren Knöpfen versehenes, an einem
Ende umgebogenes Instrument von der Gestalt wie Holzschn. 3. Dazu kommt
noch ein unbekanntes Gebilde von der Gestalt des Holzschn. 4 und ein nagel-
artiges Gebilde (Holzschn. 5).
Femer wurde in einer Urne, durch Rost innig an einander gekettet, eine
eiserne und eine Bronzenadel gefunden.
Sämmtliche Eiseugegenstände sind stark verrostet Ausserdem kam zu Tage
eine durchbohrte Glasperle von lasurblauer Farbe.
V4 natürlicher Grösse.
Ich muss noch erwähnen, dass die Urnen in 3 Etagen übereinander stehen,
dass die Knochenurnen meist zugedeckt sind und dass sich an der einen Ecke des
ausgegrabenen Platzes eine solche Menge mit Kohlen vermischter Scherben fanden
dass nur mittelst einer Hacke durchzukommen war. Unter diesen Scherben, deren
Ausdehnung wegen Mangels an Zeit nicht erforscht werden konnte, fand sich keine
Steinpackung, sondern gewachsener Boden. Ausserdem sind, wie schon erwähnt,
sehr lange und schön gearbeitete, mit Knöpfen und Ringen vielfach versierte fironse-
C426)
nadelo, ferner Fingerringe, kleine BronÄeapiralea und einige kleine solide Bronze-
stucke gefunden worden.
Ausser diesem Gräberfelde zog aber noch etwas anderes meine Aufm er ksani keil
an. Einii^e tüusend Scliritte von diesem alten Kirchhof begiunt »ich die Gegend
2U erheben und man triflt in dieser Erfiebuog, prachtvoll erhalten, ca* 30— 4i>
Steinkreise mit einem Durchraeii8er von 10 — 30 Schritten. Die grossen erratischeo
Blocke sind mit bewundernswerther PräcisJon in Kreisform gesetzt. Zwei von
diesen Kreisen wurden aufgegrabeo, wobei es sich herausstellte, dass dieselben im
Jahre lb2b von Mitgliedern der Gmiitzer Geselldchnft durchwühlt worden sind.
Es fanden sich nur gebrannte Kuochen und vereinaelte Scherben. Die Scher-
ben tragen, soweit dies aus den wenig charakteristischen Stucken siih beurtheileo
läftst, den uns bekannten, in der Lausitz hantig gefundenen Typu«. Nach Erklii-
rung eines alten Herrn ist iiber die Hälfte der Stein ringe noch nicht untersucht.
Leider befinden sieb gerade diese in Kieferschonnngen resp. Dickichten. Wenn
man zwischen diesen Steinringen einen Fusspfad weiter verfolgt, kommt man nach
wenigen Minuten an 7 einzeln stehende, ca. 30 — 40 Fuse hohe Hügel, die Sieben-
htigel genannt; wegen mangelnder Zeit konnten auch diese nicht untersucht werden.
Weiter aufwärts gelangt man anf den Gipfel de» Höhenzugs, der iu gros&ej Aus-
dehnung mit kleinen Granitsteinen gepflastert ist. Ausserdem tinden sich in dem
Walde sonderbare Läugswfdle aus Granitsteinen.
(14) Hr, H. Ahrendts zu Muncheberg berichtet unter dem 5. September
ober eine
thüneme Dose von Platkow.
Eine ahnliche Dose, in Gestalt eines Köberchens, wie solche Hr, Virchow io
der Sitzung vom 21. Juli 1H77, S. 298 erwähnt, gefunden am Bukatscb 'sehen Wein-
berg und wie dieselbe Hr. Jentsch näher beschreibt und abbüdet (Sitzung toob
17. Juni 1882, S. 207, Abbildung S. 209 Nr. 1), ist dem hiesigen Verein für Hei-
raathskunde übergeben worden. Sie entstammt dem Acker des Bauern Lückefett
in flatkow (nicht Lückefeit, wie bei Beschreibung des in vielfacher Beziehung hoch-
interessanten Fundplatzes in dem Sitzungsbe-
richte vom 18. October 187^, S. 157 Abs. 3 Ton
oben irrthümlich gedruckt ist) und unterscheidet
sich insofern von der vou deutsch beschriebe-
nen, als der Boden ebenfalls seitlich ausgezogen
und mit Lochern versehen ist, so dass eine Schnur,
wie bei einem Kober, nicht nur durch die oberen
Oehsen, sondern auch durch die unteren Locher
über den Boden hinweg an der anderen Seite hinauf wieder nach oben gezogen und
dort vereinigt werden konnte. Ein Deckel ist leider nicht vorbanden. Jedenfalls
ist derselbe auch mit 2 Lrichero versehen gewesen, um durch Hindurchziehen der
Schnur Dose und Deckel zu veri^inig^n. Sie ist aus Tlion gefertigt und im offenen
Feuer gebrannt, gelbgrau von Farbe und, wie die beigefügte Zeichnung ergiebt, oben
und etwas von unten entfernt mit vori^pringend^n Leisten versehen, die durch Ein-
kerbungen verziert sind. Die ganze Hohe betragt hO mm, die Länge oben 66 mm,
die Breite 40 mm^ so dass sie in der allgemeinen Gestalt einer Schnupftabaksdose
aus Birkenrinde ähnlich sieht. — Dem von Jentsch angeführten und dort noch ge-
bräuchlichen Zweck dürfte unser Gerälh ebeuralls gedient haben.
4
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n
(427)
(15) Hr, W. V. Schulenburg berichtet über
Radornamente,
1d den Örnenfriedhofeü der I.awsitx voq lieliia (Luckau 1882) und io der
Zeitschrift für Kthaologie (XIV. Verh. S. 496-^498, XV. Verb. 8, 06) ist das Rad
mit Kreuz besprochen worden. Seihiges ficdet sich zweimal ahgehildet auch in
den Rüde stone moouments iu all couDtries von James Fcrgusscm (London 1872),
auf welches Werk Hr. KQüne mich freundÜch aufmerksam machte.
P, 303 auf einem Dolmen zu Herrestrup auf tSeelaud (Danomaik); vergl
Ännaler for Nord. Oldk. YL pl, X. Hr. Fergusson schreibt: „on it are engraved
some halfdozen rcpresentations of ships, such as tbe VIkings were in the habit of
drawmg etc."" und setzt den Dolmen in das S. Jahrhundert.
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üoimen at nerrestrap.
P. 157: the crosB in the circie auf einefii Steine eines Grabdenkmals von
90 Fuss Durchmesser at a place called Aspatria, near St. Beea in der Gegend von
Carüsle ia Cumberlaad. Im Grahe lag das Gerippe eines Maunes of gigantic sta-
Iure (7 Fuss lang), ein 4 Fuss langes eisernes Schwert (der Griff geziert mit eio-
gelegten Silberblumen): eine Goldöbula or buckle, Theile vom SchÜd und der Streit-
axt, und ein Pferdegebiss, gewissen jetzt gehriiuchlichen gleichend, Hr. Fergusson
möchte (1872) das Grab in die Wikingerzeit setzen.
Die conceiitrischen Halhkreise (zu je 3, 4) auf Steinen bei Fergusson, wie
sie ahnlich auf dem von Bebla beschriebenen Gefässe von Garrenchen, ebenso in
Muschen und sonst in der Lausitz sich findeiij gleichwie die bei Fergusson ab-
gebildeten (bei uns nicht seltenen) ein- oder mehrfachen Kreislinien mit Mittel-
punkt ') kommen hier nicht weiter in Betracht, abpr p. 3ti7 gedenkt der Verf. einer
160Ü Fuss langen Steinreihe auf der Halbinsel von Crozon {Frankreich)^ deren
eines Knde im Grundriss dem Svastika- Zeichen, unserem Hakenkreuz (vergL die
Erörterungen von Hrn. Virchow in der Zeitschr. L EthnoL XIV, Verh. S. 402
und III, Verh, S. 26^ Taf. VI), gleicht Letzteres findet sich auch auf der einen
Inschrift des Newtou-Steines (Aberdeeushire), welche Hr. George Moore (Ancient
Piilar Stones, Edinburgh, 1865) als hebräisch erklärt (nach seiner Ansicht stammen
die Sachsen [Isaak] von den Hebräern^ die Danen vom Stamme Dan), das Svastika-
1) Solcbd saigte ans auch Herr Krause auf den für (Lis Königliche Museum in Berlin
vc»n Herrn Flegel aus Afrika übersandten Gegen» täa den.
(428)
zeichen einseitig als buddhistisches^) Symbol deutend; Tergl. auch die p. 20, 21
bei Moore gegebenen Inschriften. Hr. Fergusson sagt p. 271 nach Erwäh-
nung der anderen Ogham-Inschrift auf dem Newton-Steine Ton jener ersteren : ^The
letters are not Roman. Thej may be bad Greek, but certainly they appear to be
pre-Roman, and therefore probably the earliest Scotch inscription known.^
Gelegentlich der Steine von Stennis (p. 255) gedenkt Hr. Fergussson des holed
stone, connected with the circle at Stennis, whicb seems to be a most distioct aod
positive testimony to the nationality of this group of monuments. It is quite cer-
tain that the oath to Woden or Odin was sworn by persons joining their haods
through the hole in this ring stone, and that an oath so taken, altthough by Chris-
Alignments at Crozon.
.V
Side Stone, Aspatria Cist.
tians, was deemed solemn and binding. Dieser Steinschwur bei Odin fand nach-
weisbar noch um 1781 statt. Ich erwähne dies wegen der Abgelegenheit der Nach-
richt, nicht um auf gewisse norddeutsche Steindenkmale hinzudeuten, deren Gebiet
scheinbar zusammenfällt mit dem Vorkommen des Wode und Gode (vergl. p. 247).
Da Sagen Deutschlands, anknüpfend an bestimmte alte Steine, allerdings auch an
gewisse andere Stellen und Oertlichkeiten ohne erstere, von Schwirren (üAeineiden)
in Folge von Grenzstreitigkeiten berichten, möchten manche jener Steine in heid-
nischer Zeit thatsächlich Schwursteine gewesen sein. Im Forstrevier Lucknitz, an
der alten Poststrassc von Cibelle nach Muskau, soll eine Säule mit der Jahreszahl
1748 stehen, woselbst nach der Sage wegen Grenzstreites ein Bauer falsch schwur
und später zur Strafe jene setzen musste. Seitdem treibt dort der Nachtjäger sein
Wesen, gerade wie am Schwurstein bei Müschen (vergl. Zeitschr. f. Ethnol. XII.
S. 260). Derselbe, so geheissen in Schlesien und der Lausitz, gleicht im Wesen
durchaus dem wilden Jäger, bis in dieses Jahrhundert in Meklenburg Wode, in
2) Vergl. die Bemerkungen des Herrn Grüowedel: Zeitschr. f. Ethuol. XV, Verh.
S. 229.
(429)
der PriegDitx (Langobardeogau) Gode*) genanDt, so dass wohl für derartige Steinft
eioe höhere BedeatuDg zu beanspruchen ist
(16) Hr. W, V, Schulen bürg übergiebt folgende Notiz über
Leichenverttrennung bei den Föten,
Thietmar voq Merseburg berichtet in seiner Cbrüuik (deutsch tob Laurent,
Berlia 1848, S, 322), nach Erwähnung der Vorgänge um 1018 und der Vermahlung
des Herzogs Bolizlav von Polen: ^Xu Zeiten seines Vaters, da derselbe noch ein
Heide war, ward eiuer jeden Ehefrau, die ihren Mann verlnr, nachdem derselbe
verbrannt war, das Haupt abgeschlagen uod so folgte sie ihna nach,"
(17) Hr, Virchow zeigt einen, ihm von Hrn. W, Krause in Göttingeo Über-
sendeten
Thorikrug mit zwei Böden von Grone.
Derselbe ist auf der Generalversammlung zu Frankfurt im vorigen Jahre von
dem Herrn Geber besprochen worden (Correspondetjzblatt 1882, Nr. 10 S. 181)
unter der Bezeichnung einer ,ürne mit Maniellofioroament*' Nach dem Bericht
wurde er vor etwa einem Menachenalter ini Dorfe Grone bei Göttin gen neben oder
iu einer Steiosetzung, welche die Arbeiter für einen Heerd hielten, in der Erde
gefunden uud dann längere Zeit hindurch im Haushalt eine» Bauern als Oel- oder
Petroleumkrug gebraucht. Von ihm ging er in den Besitz des Pastor ?, Helmolt
und von da in den des Profestor W, Krause über. Letzterer verglich das Orna-
ment mit dem, welches Cesnola an einer Vase von Cypero abbildet, Hess aber
die Frage nach ihrem Älter unentschieden.
Das ziemlich geräumige, 25 cm hohe, 22 cm breite Gefäss ist noch mit einer,
aus erstarrtem Oei hervorgegangenen dicken Kruste überzogen und mit einem Strick
versehen^ welchen der Bauer zum Gebrauche umgelegt hatte. Offenbar war es ur-
sprünglich ein Behälter für Flüssigkeit, vielleicht für Bier, denn es ist sehr praktisch
mit zwei grossen fluchen Böden, einem uoteren uud einem seiUiehen^ ausgestattet,
so dass man es ebenso bequem aufrecht stellen, als seitlich umlegen kann, um den
Inhalt ausfliessen zu lassen. Es hat im Oebrigen eine fast kuglige Gestalt, einen
engen kurzen Hals mit leicht ausgeweiteter Oeffnung und jederseits 2 starke, enge,
übereinanderstehende Henkel mit senkrechter Durchbohrunge zum Durchziehen eines
Strickes, so dass es leicht getragen werden konnte. Das von Hrn, Krause er-
wähnte Mamellen-OrBament ist ein flacher Buckel mit conceritrischen Ringen auf
der dem lateralen Boden gegenüberstehenden Seite des Bauches. Das Gefass ist
gut gebraant, von fast stein gutaitiger Dichtigkeit und mit einer Art von Glasur
überzogen.
Seinem ganzen Habitus nach erweist es sich als ein mittelalterliches Stück*
Man konnte sagen, dass es in vergrossertem Maassstahe die mehrfach bei uns ge-
fundenen Pilgerflaschen wiedergiebt. Vielleicht darf auch an das sonderbare tonnen-
förmige Gefiss mit 2 Boden und einem trieb terförai igen Einsatz erinnert werden,
das bei Halberstadt gefunden und in unserer Sitzung vom 15, Januar 1872 (Verb,
S. 211) in Abbildung vorgelegt wurde. —
Hr. E» Krause bemerkt, dass im hiesigen „Märkischen Provinzialmuseura"
1) Piiilua Üiaconus (1,9): Wodan sane, quem adjecta litera Gwodan dizerunt * . . ab
universis Germaniüe gentibus ul deus adoratur, Karl Meyer (Sprachdenkmller der Lango-
barden, Paderborn 1877, 8. 119) hat noch als Lesarten: Godann, Godan, (iuodan. Nach
Herrn Bandtmann ist in der Priegnitz ein Familienname: Gotbam, Jotfaam»
(430)
zwei TOD den gewohnlich als Pilgprflaschen gedeoteten GefSdScn vorhaDden seico.
Auch iD der nordischen Abtheüuiig des EonigJ. Museums sei eine Ähnliche Flascbe
von hartgebranntem „Steinzeug" vou Retzin zwischen Ferleberg uud Pritzwalk. Dao-
neil, der üie eingeliefert
Lan diente/
lat, bemerkte dazu, &ie gleiche ^df^n Lechelu unserer
(18) Hn Virchow bat Berichte der HHrn. Bayern und Dolbeschew
über neue Ausgrabungen bei Redkin-Lager und in Nordkaukaaieo er-
halten, deren Besprechung er für eine andere Gelegeiiheitj sobald die Sachen ein-
gegangen sein werden, vorbebält.
(19) Hn Virchow dpricht unter VoriegaDg der Gegenstande über
Grätierfynde der jüngsten neolithtschen Zeit aus Cujavlen, den Proviazen Posen und Sacliaeiir
(Bimn Tafel VII und Vü(.)
In der Sitzung vom 20. December 1879 (Verb. S. 428) hatte ich die Ehre, der
Gesellschaft die ersten M i tt heil uo gen des Hrn, Generals y, Erckert über seine Aus-
grabungen grosser, mit mächtigen Steinsetziiogen ausgestatteter Gräber in Cujavien
zu machen. Insbesondere war es das megalithische Grab von Jauischewek, welches
imsere Aufmerkt^amkeit wegen des fast ganz erhaltenen Skelels in Anspruch nahm;
ich habe das letztere später montirt^n lassen und auf unserer Ausstellung im Jabre
1880 konnte es als das erste, vollständig erhaltene Skelet aus der Steinzeit nnseres
Nordens den Fachgennssen gezeigt werden. Der prächtige Schädel erwies sich als
hypsimesocephal (Breitenindex 78,4, Höheuindex 75,8),
Hr, V. Erckert gab damals zugleich eine kurze Notiz über 4 Thongefäaae,
von denen 2 am Kopf-, 2 am Fussende des Gerippes gestanden liatten. Die Ge-
fasse selbst waren mir nicht zugegangen; nur ein kleines ornameutirtes Bruchstuck,
dessen Verhattniss zu den Gefassen nicht aufgeklärt war, fand sich in der Sendung
und wurde von mir besprocHen nnd abgebildet (ebend, S. 435)* Es zeichnete sieb
durch auffallig lief eingeritzte Ornamente aus, von denen ich hervorhob, dass sie ^den
Mustern der ötcnuzeir jmgereiht werden konnten". Ich darf jetzt erkläjen, dass es un-
zweifelhaft ein BruL'hstück von dem Henkel eines der sofort tn erwähnenden Gefässe tsL
l)ie 4 anderen Gelasse erhielt ich erst im Mai 18>il, iudess zwei liavon in so
zertrümmertem Zustande, dass es erst grosser Restaurationen bedurft hat, um sie
wieder in einen präseotablen Zustand zu versetzen. Die grosse Sorgfalt und Ge*
schick lichkeit, mit welcher die Zusammensetzung der Scherben durch Hrn. Rei-
chert und dann die erforderliche Ergänzung durch Frl. Hilhrecht bewirkt worden
ist, verdient eine um so grössere Anerkennung, als die Erhaltung so grosser und
charakteristiscber Gefässe der Steinzeit ein seltenes und glückliches Ereigniss genannt
werden darf. Ich lege diese Gefässe (Tafel Vll Fig. 1, 2, 3 und 4) beute vor:
1. Die ganz grosse Urne (Fig, 1), dicht vor welcher nach der Angabe des
Hrn, v» Erckert das Gesicht der Leiche lag, ist am Rande nicht ganz zu restau-
riren gewesen, da kein eigentliches Kandstuck erhalten ist, welches von der früheren
Gestalt dieses Theils eine Andeutung gegeben hätte. Nichtsdestoweniger bat sie
noch eine Höhe von 25 ein bei einer Baucbweite von 34,5 an. Der platte ßoden
bat nur 13,5 cm Durchmesser j das Gefass erweitert sich über ihm zu einer mäch-
tigen Wölbung des Oberbaucbes. Yon da verengert es sich sehr schnell bis zu
den ß ruchsteilen des Randes, welche auf der einen (hinteren) Seite bis tief in den
Bauch eingreifen. An der einen (vorderen) Seite sitzen 2 vollständig erhaltene,
sehr eigenthömlicbe Henkel oder Oehsenj ihnen gegenüber findet sich neben der
grosseren Bruchstelle noch der Ansatz eioer dritten Henkelstelle, so dass man et
I
I
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(431)
wohl als sicher aonehmen darf, dass auf jeder Seite ursprünglich 2 solcher Heokel
angebracht waren. Auch findet sich, ausser dem schon vorher erwähnten Bruch-
stück, noch ein zweites vor, nur dass leider bis jetzt keines derselben wieder an-
gefügt werden konnte.
Die beiden erhaltenen Henkel, welche durch einen Zwischenraum von 11,5 cm
getrennt worden sind, sehr breit und ganz platt, wie angedrückt Sie beginnen in
einer Breite von fast 4 cni an dem oberen Bruchrande, heben sich dann ein wenig
ab, um eine horizontale, plattnindliche, längliche, kanalformige Oefifnung von so
grosser Enge zu bilden, dass höchstens eine dicke Schnur durchgezogen werden
kann, und setzen sich, nachdem sie sich bis zu 6 cm verbreitert haben, ganz flach
an den Bauch des Gefässes an, über welchem sich noch eine längere Strecke eine
bis zu 8,5 cm sich verbreiternde, schwach erhabene Fläche als ihre Fortsetzung
hinzieht, so dass die gerade Höhe etwa 7,5 cm beträgt.
Das Gefäss hat eine schwärzliche, vielfach durch Verwitterung und Inkrusta-
tion graue Farbe und eine, ursprünglich offenbar überall, glatte und schwachglän-
zendc Oberfläche. Es ist aus freier Hand geformt und schwach gebrannt Sein
oberer Theil ist mit tief eingedrückten Zeichnungen reich ornamentirt.
Zunächst, in der Hohe der Henkelansätze, also an dem engsten Theile, sieht man
übereinander 3 Reihen grosser, tiefer Gruben, wie von eingedrückten Perl-
schnüren. Darunter, auf der eingebogenen Partie des Oberbauches, sitzt eine
Reihe neben einander gestellter, auf den ersten Blick blatt- oder schildförmi-
ger Figuren: dieselben haben die Gestalt, von sphärischen Dreiecken mit nach
unten gerichteter Spitze und leicht nach aussen gewölbten Seiten; ihre Fläche ist
von je 4 in einander geschobenen, ähnlich gestalteten Dreiecken erfüllt; dabei ist
von oben nach unten, von der Basis zur Spitze, ein schmaler senkrechter Strich
ausgespart, so dass jedes Dreieck in 2 nahezu gleiche Hälften zerlegt wird. Die
Linien, durch welche die Dreiecke begrenzt werden, sind tief und scharf eingeritzt,
jedoch nicht etwa durch einen Stempel eingedrückt; in der Tiefe scheinen ein-
zelne durch quere seichte Scheidewände abgetheilt gewesen zu sein, doch ist dies
wenig deutlich. — Die Henkel tragen auf ihrer breiten Fläche ein ähnliches Orna-
ment, nur dass es nicht ein Dreieck, sondern eine längliche Zone bildet; dadurch
wird es dem bekannten Sparrenornament ähnlich. (Man vergleiche die Abbil-
dung des Hc'ukelbruchstücks von 1879.) Links neben den Henkeln endlich ist ein
solches länglich(>s, hier fast einem Palmzweige ähnliches, schmales Ornament, nur
mit umgekehrter Richtung der Winkel eingeschoben.
2. Ein weiter, fast uapfartiger Topf (Fig. 2), bis auf einen Sprung fast voll-
ständig erhalten. Es ist der von General v. Erckert am Küssende des Gerippes
gefundene und in seiner Beschreibung mit Nr. 6 bezeichnete. Derselbe ist 14,5 cm
hoch; seine Durchmesser betragen am Boden 9,5, am Bauche 20, an der Mündung
18 cm. Der Boden ist ganz platt. Von da steigt die Wand beinahe ohne Wölbung bis
zu der, an der Grenze des oberen Viertheiles gelegenen grössten Ausbauchung an.
Letztere springt fast kantig vor. Ueber derselben biegt die Wand etwas schräg
nach innen und erreicht, ohne einen eigentlichen Hals zu bilden, in einer Höhe
von 3,2 cm über der Ausbauchung den fast ganz gerade abgeschnittenen, nur 4 mm
dicken Rund.
Dieses Gefäss, obwohl recht hart, ist doch, seiner geringen Dicke wegen, auf-
fallend leicht. Es ist aus freier Hand geformt, wenig gebrannt, von schwärzlich
grauer Farbe und ziemlich glatt an der Oberfläche. Auch das Material erscheint
sehr gleichmässig und dicht, nur hier und da durch glitsernde Flächen eckifi;er 6e*
Steinsbrocken unterbrochen.
(432)
Auf eiüer Seite sitzen in eioer Eotferoung vod 6 cm von einander zwei tod
unten nach oben durch enge senkrechte Locher durchbohrte platte
Knopfe; ihre Basis hat eine Länge tod 25 mm, ihr &eier Rand geht in einen 5 mm
abstehenden Vorspning aus. Die Durchbohrungsstelle ist nicht genau centrirt, der
ganze Knopf nicht besonders sorgfältig gearbeitet. Sonderbarerweise findet
sich weder auf der entgegengesetzten Seite, noch sonst an dem Ge-
fässe ein ähnlich er Knopf, so dass man annehmen muss, dasselbe sei an der
Schour^ welche durch die OefiFonngeii der Knöpfe gezogen war, nur währe od der
Zeit des Niehtgebraticbes aufgehängt worden.
Die Ornamente diesem Gefasses stiEnmeQ mit denjenigen des unter Nr. 1 be*
schrieben en im Wesentlichen überein. Zwischen den Henkel knöpfen und in ihrer
Höhe ist das Gefass mit d übereinander gelegenen, tief eingedrückten Punktreihen
oder Perlscbuüren umgeben; eine vierte ähnliche Reihe liegt diubt unter dem
Rande. Die einzelnen Funkte oder Grübchen sind nur sehr viel kleiner, als im
dem anderen Gefäss; ausserdem sieht man im Mittelpunkt jedes Grübchens einen
kleinen centralen Zapfen stehen, woraus hervorgeht, dass die Grübchen mit einem
hohlen, aber engen Cylinder, etwa mit einem Strohhalm oder einer
durchschnittenen Federpose eingedrückt sind. Dass dies aus freier Hand
geschehen ist, dafür spricht nicht nur die Unregelmässigkeit vieler Grübchen, aoa-
dern noch mehr die geringe Geoauigkeit der Parallelreihen. Auch auf der Fläche
des Randes sieht man eine Reihe, jedoch ganst seichter und etwas grösserer Tupfea.
Der Raum zwischen der oberen Perlreihe und den 3 unteren ist mit gans ähn-
lichen, schiklformigen Dreiecken in einer zusammenhängenden Reibe bedeckt,
wie wir sie bei dem vorigen Gefässe kennen gelernt haben, nur dass jedes
Schild nur 4 eiDgeschachtelte Dreiecke enthält. Dabei leigt sich jedoch noch eine
andere Eigenthiimlichkeit: in den sehr tiefen Furchen der Seitenlinien erkennt man
feine, quere, etwas schräg gestellte Scheidewände, so dass die Linien
fast dem BindfadenornaraeDt: gleichen, während sie sicher nicht durch Eindrücken
eines gedrehten Fadens hergestellt sind. Dazu sind die durch die Scheidewände
gebildeten kleinen Fächer zu scharfrandig und eckig. Ich möchte vielmehr an-
nohöieo, dass diese Fächer zur Aufnahme weisser Farbe bestimmt waren*
Obwohl sich davon an diesem Gefässe mit Sicherheit nichts wahrnehmen lüsst, so
werde ich doch nachweisen, dass den damaligen Menschen diese Technik be-
kannt war.
3. Ein höheres Kugelgefäas (Taf. VII Fig. 3), gleichfalls am Kopfende des Ge*
rippes gefunden, Nr. 5 bei Hrn» v. Sirckert. Dieses sehr rot-rk würdige Stück hat ino
Ganzen eine eiförmige Gestalt, einen völlig kugelförmig abgerundeten Boden und
einen engen niedrigf^o Hak. Es ist 26 cm hoch und an der Mündung 8, am Bauche
17,5 cm weit. Material und Aussehen, wie bei dem vorigen. Der Mündnoggrand
ist ganz glatt, der Hals fast gerade, etwa 4 an hoch. An demselben sitzen, ein-
nndt^r gegenübergestelU, zwei breite^ ganz flach angedrückte „Henkel*', weiche dichl
unter dem Rande beginnen und sich fast ohne alle Erhebung bis zum Anfang des
Bauches fortsetzen, indem sie eine ganz enge, plattrund liehe Oeffnuug zur Atifnahnne
einer Schouv lassen«
Auch hier wiederholen sich die Ornamente der beiden vorigen Gefässe, Perl-
schnure und Schilder, jedoch in etwas mehr künstlerischer Combination, und es
treten ausserdem noch das Zickzack- und das Sparren Ornament hiosu. Die
Schilder sind in zwei Reihen aDgebracht; eine, aus 41inigen Schildern zusammeo*
gesetzte am Halse, dicht unter dem Rande, und eine zweite, aus 51inigeD Scbildem,
denen aussen noch eine Ferllinie hinzugefugt ist, am oberen Theile des Bauches, unter
I
I
(433)
den Henkelansätien. In der oberen Reihe ist einmal das Sparrenomament mit
nach oben gerichteten Winkelspitzen eingeschoben ; dasselbe ist auch auf der Fläche
der Henkel angebracht. Unter der oberen Reihe der Schilder, noch am Halse,
folgen zunächst übereinander zwei Perlreihen; darunter, schon am Anfange des
Bauches, 2 weit ausgelegte Zickzacklinien. Dann erst (olgt die zweite Schildreihe.
Auf diese Weise entsteht um den ganzen oberen Theil des Gefässes eine breite,
höchst geföllige Bordüre.
4. Ein zweites, jedoch gar nicht verziertes Kugel gefäss (Fig. 4), gefunden
am Fussende des Gerippes, Nr. 7 bei Hrn. v. Erckert. Es ist 19 cm hoch, an
der Mündung 9, am Bauche 15 cm weit, am Boden ganz kuglig, mit einem geraden,
3,8 cm hohen, ganz einfachen Halse und 4, in regelmässigen Abständen von ein-
ander um den Anfang des Bauches gestellten, horizontal durchbohrten, henkelartigen
Knöpfen. Das Gefäss ist äusserlich sehr rauh und inkrustirt, so dass man die Be-
schaffenheit seiner ursprünglichen Oberfläche schwer beurtheilen kann. —
Diese 4 Gefässe würden, auch wenn sie sonst keine besonderen Beziehungen
hätten, ein besonderes Interesse erregen, nicht nur wegen des Styles und der Or-
namentik, sondern schon um des ümstandes willen, dass sie bei aller Yerschieden-
artigkeit im Einzelnen doch eine ersichtlich zusammenhängende Reihe darstellen.
Ich werde darauf zurückkommen. Viel wichtiger aber ist das chronologische Interesse.
In dem Grabe von Janische wek fand sich ausser den Thongefässen und dem Ge-
rippe nichts als eine archaische Bernsteinscheibe und ein nicht minder archaisches
„Falzbein** von Knochen (vergl. Verh. 1879, S. 434 — 35). Nur in einem benach-
barten Grabe mit ähnlicher Steinsetzung traf man ein Metallplättchen, vielleicht ein
Messer oder eine Säge, deren Material bei der chemischen Analyse als Kupfer
erkannt wurde (1880, Verb. S. 330). Ich hatte schon damals aus der Gesamintheit
der Funde geschlossen, dass es sich um Gräber der Steinzeit handle, welche dem
Beginn der Metallzeit nahe liegen.
Die Sendungen des Generals v. Erckert im Jahre 1881 erwiesen nicht nur
die Richtigkeit dieser Diagnose, sondern auch die weitere Verbreitung derartiger
Gräber in Cujavien. Ich darf in letzterer Beziehung auf den ausführlichen Bericht
verweisen, welchen ich über die Fundstücke dieser Periode in der Sitzung vom
20. November 1880 (Verh. S. 319 ff.) erstattet habe. Ich will daraus nur hervor-
heben, dass polirte Aexte aus Feuerstein in Gräbern bei Faliszewo, Chotel und
Swerczynek zu Tage kamen nnd dass ornamentirte Thonscherben und zwar mit
den sehr charakteristischen tiefen und scharfen Eindrücken oder Einschnitten von
Faliszewo *), Tymin, Swerczynek und Czarnocice eingeliefert wurden. Darunter kommt
1) Auf einer anderen Stelle in Faliszewo, in einem Garten des Besitzers, wie es scheint
nicht in einem Grabe, wurde ein anderes, sehr schönes Tbongefass ausgegraben (Verh. 1880,
S. 319), welches mir gleichfalls erst im Jahre 1881 zugegangen ist und welches ich daher
hier mitbehandeln will (Taf. VII Fig. 5), obwohl es sichtlich mit der neolitbischen Zeit und
den übrigen Thongefässen nichts zu tbun bat. Es ist eine schöne glatte schwarze Vase von
ganz klassischer Form, einem grossen Pokal ähnlich und mit einem (nicht, wie Hr. v. Er-
ckert sagt, mit zwei) Henkel versehen. Sie ist fast 18 cm hoch, am Boden 11, am Bauch
über 24 cm weit. Von dem platten nnd engen Boden an erhebt sich ein engerer Theil,
gleichsam ein Fuss, der sich nach oben kelchartig erweitert bis zu der stärksten Ausbanchung,
welche kantig vortritt und nach oben durch einen scharfen Absatz begrenzt wird. Von hier
an beginnt ein kurzer, nur 25 mm hoher, etwas eingedruckter Hals, der in einen dicken vor-
springenden Rand übergeht. Der einzige Henkel ist stark vorgewölbt und mit einer Oeffnnng
versehen, welche die Koppe des kleinen Fingers zul&sst. Er beginnt breit am Rande und setzt
Verhaadl. der Berl. AathropoL GMellsebtft 188S. 28
(434)
hier ganz besoüders in ßetracbt ein Scherben von Tymin (Verh. 1880 S. 325 Fig.
welcher ausser eiDfacheD lioearen EinritzuDgen sowohl das Sparrenornameot,
aJs die geritzte d Schilder zeigt, welche uns bei dea Töpfeu tod JaDischewek
beschäftigte D, sowie ein zweiter ?od eben daher mit dem Scbnuroruanient, ao
dem die Eioritzungen mit einer weissen kreideartigen Masse gefüllt
gewesen zu sein scheinen. Ganz voruehmlieh aber ein Randstuck von Faüszewo
(Ebendas. S, 323 Fig. 5), glänzend und schwarz, mit mehrfachen tief eiogedrnckten
Verzieiungeo, nameotlich Ziokzackllnieii; und einem Ornament^ das zwischen
einem Blattkranze und einer Reihe von Fisch grähteii oder von Sparren in der Mitte
steht, und zugJeicb^ was ganz besonders hervorzuheben ist, mit einer breit an ge-
setzten, platten und von oben nach unten eenkrecbt durchbohrteu Anaa
lunata versehen ist
Ich habe damals eingehend diese Thonüberreste besprouben, insonderheit auch
das Vorkommen analoger in sächsiacheii Bezirken hervorgehoben, unil die
Debereinstimmung der spnkrechten Durchbohrung, tier eigenthümlichen Gestalt und
Anselzung der Henkel, sowie der Zeichnung der Ornamente mit trojanischem
Topfgeräth nachgewiesen* Obwohl meine Ausführungen ziemlich unbeachtet ge-
blieben zu sein scheinen, so mag es hier doch genügen, auf ihre Existenz hioge-
wiesen zu haben. Auch will ich über eine Reihe gleichaltriger Funde aus Pom-
mern hier weggehen, deren Vorhandeosein im Stettiner Museum ich bei Gelegen-
heit unserer Excursion dahin erwähnt habe {Sitzung vom 15. Juli 1882, Verh.
S. 441). Nur beiläufig sei bemerkt, dass sich auch im Königlichen Museum a&u
Berlin (1, 2026) ein hierher gehöriges, grosses, schwarzes Gefäss von Stargard io
Fümmern befindet, das sowohl das Schnur-, als das Stichornament und zwar in
Zickssacklinien zeigt.
Dagegen mochte ich noch ein Paar Fund*
Btellen aus polnischen Gebietstheilen auf-
führen. Zunächst eine don kujavischen nahe
benachbarte- In meinen Notizen aus dem
Jahre 1875 finde ich, dass ich im archäolo-
gischen Cabinet der Krakauer Universität
eine Urne von Wies Koscielna am Goplo-
See sah, welche mit derauf Taf. VII Fig. 3
in vielen Stücken verglichen werden kann,
Sie ist nach unten kuglig abgerundet, hat
einen ganz ähnlich gebildeten kurzen Hals«
einen gleicbfatls ganz ähnlichen, mehr an-
gedruckten Henkel und endlich ganz ana-
loge eingeritzte Verzierungen. Ich gebe einen
Holzschnitt (Nr. 1) davon nach einer Hand-
zeichnurig, welche mir damals Hr. von Sa-
düWäki machte.
Eine zweite, freilich noch etwas ach wie-
rige Stelle liegt weiter nordlich zwischen
Schneidemubl und Nakel am rechten Netze- Ufer. Ich erhielt von dem Ritterguts-
besitzer Tesemar zu Eichenhagen (bei Bialoslive oder Weisseuhöhe, Ostbahn)
Hokacbnitt 1.
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obenao t»reit an der K^nte de« Bnucbes an; in der Mitte dagegen verschmälert er sich zu
•iiitlii ganz runden, nur 5 tmi dicken Theil. — Das Qefis« scheint unzweifelhaft der Eisen-
zeit anzugehören.
(435)
emen Brief vom 12, September nebst einem recht gut erhaltenen, hypsidoJicho-
cephaleu Schädel ynii folgendem Fundbericht:
„Die Ausgrabung fand auf der südwestlich vom Gutsgeböft ao der Strasse nach
Weissenhöbe, nahe dem Rande des Nclzethals belegenen Hochfläche statt Die ,
Ausgrabungsstelle war durch viele Steine und eine kleice, jedoch bereits stark ab-
gepflügte Bälden erhebung aufgefallen. Auf derselben waren bereits früher Splitter
Ton Feuersteinen und ürnenBcherbenj unter anderen die unter Nr. 1 beigefügten, ge-
funden worden. Am 8. d. Mon. wurde ebendaselbst in einem Steingrabe ein voll-
ständiges, jedocb bereits sehr vermorschtes Gerippe aufgefunden. Dies bewog micb
am 10. in Gegenwart des Herrn Lantlrichters Scblötke aus Berlin und meines In-
spektors eine neue Ausgrabung vornehmen zu lassen. Bei dieser wurde dicht unter
der ca. 2 Fuss starken Ackerkrume eine Steinkiste aus grossen flacbea, unbehauenen
Steinen gefunden j dieselbe war bereits eröffnet oder zerstört, und es wurden in ihr
nur viele grosse und kleine ürnefischerben und Feuersteinsplitter gefunden. Der
Boden der Kiste bestand aus grossen flachen Steinen Nach Abhebung derselben
wurde etwa einen Fuss unterbalb derselben in der Erde ein vollir-tändiges, gut erhal-
tenes Gerippe gefunden^ welcbes noch anscheinend unberührt in seiner ursprüng-
lichen Lage sieb befand. Dasselbe lag von Osten nach Westenj die Füsse nach
Osten, auf dem Kücken, die Arme ausgestreckt dicht am Leibe, und war vom Fuss-
knöcbel bis zur Höbe des Scbulterknochens 1,45 m lang. Der Kopf lag auf der
linken Geaichtsseite, der Brustkasten war von oben eingedrückt An der linken
Seite, nahe der linkeß Hand wurde das unter Nr. 2 beigefugte Metallstück ge-
funden, daneben die Metallstücke Nr 3. Am Fuasende wurde das Stück Nr. 4 und
ein ganz runder Kieselstein gefunden. Ausserdem befanden sich mehrere Urnen-
scherben, Nr, i)j und Feuersteinsplitter in der Erde neben und iiber dem Gerippe;
unter demselben lag die Kohle Nr. 6. Ausserdem wurde über den Decksteinen des
Grabes der Zahn eines grossen Thieres gefunden, welcher jedocb abbanden gekom-
men ist Der Schädel des Gerippes ist der beigefügte^ die übrigen Knochen zerhelen
beim Herausbeben.
^Es befinden sich anscheinend noch mehrere uneröffnete Bteingräber an der
Ausgrabungsstelle. In der Nabe derselben, etwa 3—400 Schritt entfernt, habe ich
vor einigen Jahren einen sauber gearbeiteten, scharfen Streitkeil von Feuerstein
gefunden.** —
Der eine der von Hrn. Tessmar als Nr. 1 erwihnten
Scherben {Holzschn. 2) ist von ungewöhnlicher Dicke {1, 5 üt«)
und Festigkeit, von ziemlich gleich massigem , aussen und
innen fast glattem, rot blieb grauem Aussehen und etwas
stärker gebrannt. Seine Oberfläche zeigt eigeiithümliche,
tiefe und breite, unregelmässige Ornamente, welche an-
scheinend grössere freie Felder umgrenzt haben. Zwei
tiefe Faraliellinien laufen in der Nähe des einen Bruch-
randes gerade herab und geben unter etwas stumpfem
Winkel jaderseits in zw^ei analoge Horizontal furchen über.
Längs derselben und senkrecbt darauf stehen dicht anein-
ander kürzere, durchschnittlich 1 cm lange, ziemlich gerade
Einkerbungen, welche bis nahe an die ßegrenzungslinien
reichen; die unteren sind in der Weise ausgeführt, dass
sie am inneren Ende in ein rundes Grübchen auslaufen, dagegen in der Mitte sehr
seicht sind; die übrigen sind ganz gleichnaässig ausgeführt und laufen mehr spitz
aus. — Der andere Scherben (Holzschn. 3) stammt off'enbar von einem anderen
Holzschnitt 2.
(436)
Holzschoitt 3. Gefiase, das nur 5 mm didc war; er ndst ioflBeriidi grmo am^
zeigt aber fiberall, wo er abgerieben wird, ziegelrodie FlSchen,
fflOM also stark gebrannt gewesen sein. Am einen Ende steht
ein abgebrochener knop&rtiger Tonprung schräg herror, hinter
dem eine qnere Vertiefung liegt, offenbar der Ueberrest eioes
kleinen offenen Oehrs. Von beiden Seiten desselben zieheD,
etwas diTer^rend, tief eingeritzte Linien und zwar aof der
besser eriialtenen 'Krediten) Seite 2 herab. Aach hier ist die
Mitte des so umgrenzten Feldes frei (unter dem Oehr), wäh-
rend die Seiten gleichfalls Ton kleinen Einzeichnungen, die senkrecht gegen die
Linien gerichtet sind, eingenommen werden. Sie stellen jedoch keine Striche dar,
sondern Reihen Ton kleinen rundlich-riereckigen Grübchen, welche durch sdiiäges
Eindrücken einer breiten Spitze erzeugt sind.
Von den sonstigen Fondstücken ist ein Theil ohne Bedeutung. Nr. 4 ist ein
Stück Sphärosiderit, also, wie der runde Kiesel (Feuerstein), ein Naturprodukt.
Auch die Feuersteinsplitter sind Ton keiner charakteristischen Form. Dagegen
findet sich unter den Scherben Nr. 5 ausser ein Paar dicken, stärker gebrannten,
rothlichen Stücken ein nicht Terziertes, schwarzes, glänzendes Randstuck too feine-
rem Aussehen und ein zweites, gleichfalls schwarzes und glattes, dünnes Rand-
stück, welches dicht unter dem Rande ein ganz ähnliches Ornament, wie Holz-
schnitt 2, trägt: eine Reihe kurzer, senkrechter, dicht an einander stehender, tief
eingeritzter Striche und darunter, dicht anschliessend, eine Art Ton grobem Winkel-
omament mit sehr dicken Schenkeln und nicht ganz geschlossenen Winkeln. Am
auffalligsten ist aber das Metallstack Nr. 3. Dasselbe besteht aus einem unregel-
mässigen, stark verrosteten Eisen klumpen, über welchem ein dünnes, gebogenes,
grün patinirtes Bronzeblech liegt. Ein davon abgelöstes Blechstück trägt einen
kurzen Bronzeniet mit plattem Ende. Das Ganze sieht von aussen einem Bmch-
stück vom Griffe eines Eisenschwertes ähnlich. Es muss ferneren Untersuchungen
vorbehalten bleiben, ob diese Gräber der Eisenzeit angehören.
Schon früher war jedoch bei demselben Orte ein Thongefass gefunden worden,
welches durch Vermittelung des Hrn. W. Seh war tz an das Königliche Museum
gelangt ist (Tai. VUI, Fig. 1. Katalog des Museums l. 5464). Dasselbe hat unge-
fähr die Form eines modernen Champagnerkühlers oder auch eines Blumentopfes.
Es ist sehr roh, äusserlich rauh, von rothgelber Farbe und stärker gebrannt. Seine
Höhe beträgt 15,5, der Durchmesser des Bodens 9,5, der der Mündung 12 cm. Der
Boden ist platt, die Wand gerade, aber etwas schräg nach aussen ansteigend, der
Rand etwas vorgebogen, die Mündung weit Unter dem Rande sind 4 Reihen des
Schnurornamentes dicht übereinander angebracht; daran schliessen sich nach
unten 5 grosse, mit den Spitzen nach unten gerichtete Dreiecke, deren eine Seite
durch eine doppelte Linie bezeichnet ist, während im Üebrigen ihre Fläche durch
8 — 9, der anderen Seite parallele Linien schraffirt ist. Alle diese Linien zeigen
gleichfalls den Schnureindruck. Ziemlich tief, fast in der Höhe der Dreiecksspitzen,
tritt ein starker henkelartiger Knopf hervor. (Ein einigermaassen ähnliches Ge-
fäss bei Madsen, Antiquites preh. du Danemark, age de la pierre Fl. 44, Fig. 15.)
Vielleicht dürfte sich hier ein von Kasiski (Beschreibung der vaterl. Alter-
thümer im Neustettiner und Schlochauer Kreise. Danzig 1881, S. 46 Taf. IV Fig. 64,
jetzt im Königlichen Museum zu Berlin Nr. I b, 33) beschriebenes Gefässstück an-
schliessen, dass bei Zechlau im Kreise Schlochau in einem kleinen Erdhügel ge-
funden wurde. Jedenfalls gehören hierher die von mir in der Sitzung vom 28. Juni
(437)
1875 (Verb. S. 159) erwabnteu Scherbeo von einer Insel im Primenter See, welche
deutlich das Bindfaden- oder Kettenoroament zeigten, —
Die neuen Mittheilungen, die ich heute machen möchte^ sind hervorgerufen
durch die ÄDknöpfungen, welche wir durch Hrn, Ho Jl mann in Tangermünde ge-
wonnen haben und über welche in der Sitaung vom lü. Februar (Verh. S. 150) be-
richtet worden ist. Es stellte sich bei Gelegenbeit des Besuches, den wir selbst
im Juoi in Tangermünde abstatteten (Sitzung vom 21. Juli, Verk S. 371), heraus,
dasB da zweierlei Gräberfelder nebeneioaüder Hegen: eines mit Leichenbrand, welches
Geräthe enthält, die in vieler Beziehung »n unsern Lausitzer Typus erinnern, und
eines mit Bestattung der Leichen, mit Skeletgrabern, welches einer viel älteren
Zeit angeh5rt und in der Hauptsache sich anschliesst an Funde, welche mao der
jüngsten Steinzeit zurechnet. Ich habe seit dieser Zeit Gelegenheit gehabt, auf
einer Reise, die ich im October durch Anhalt und die nordlichen Grenzgebiete des
Harzes machte, mehrere Lokalsaramlungen zu durchmustern^ welche in dorn Gebiet
von der Saale an nordwestlich bis nach Halberstadt sich vorfinden, Bei der Yer-
gleicbung stellte es sieb heraus^ dass dort eine grosse Reihe paralleler Fund gegen-
stände vorbanden ist und dass wir in TaDgermünde gewissermaassen an den nord*
liebsten Zipfel') eines grossen Gebietes gelangt sind, welches sich sowohl nördlich
als südlich vom Harz nach Westen erstreckt, sich durch Westfalen und Thüringen
fortsetzt und noch jenseits des Rheins in gewissen Erscheinungen bemerkbar wird.
An allen diesen Orten hat man aus Skeletg rabern Thongefasse gewonnen,
deren Technik und Ornamentik in einer ganz besonderen, wenn auch etwas mannich-
faltigen Weise sich darstellt. Einerseits zeigen sie das bekannte Bindfaden- oder
Scbnurornament, so genannt, weil es so aussieht, als sei ein gedrehter Faden,
eine mehr oder weniger dicke Schnur so tief in den weichen Thon hineingepresst
worden, dass die Form sich abgedrückt hat Indess, das Bindfadenornanient bildet
nur einen Theil einer grosseren Reihe, wie es schon vor liingerer Zeit von Herrn
Klopfleiscb (Die 7. allgemeine Versammlung der deutschen Gesellschaft für An-
thropologicj Ethnologie und Urgeschichte zu Jena 1876, S* 74) an thüringischen
Sachen entwickelt ist und wie es In neuester Zeit Hn Tischler (Schriften der
phjsik.-ökonomiscben Gesellschaft zu Königsberg, Jahrg. XX[1I, 1882 S. 17;
Jahrg* XXIV, 1883 S. 112} für ein grösserem Gebiet von nordischen Funden, welche
sich durch PretiBsen bis nach Russland hinein verfolgen lassen, nachgewiesen hat
Man kann über die Art der Technik, wie im Einzelnen diese Zeichnungen hervor-
gebracht sind, eine verschiedene Meinung haben. Hr. Tischler hat gewisse In*
Btrumente, namentlich Knochenpfrieme und Feuersteinsplitter, in nächste Beziehung
damit gebracht. Ich gebe das ganz anheim. Die Mannichfaltigkeit der Eindrücke^
Einstiche und Einschnitte scheint mir mit Noth wendigkeit eine Mehrzahl von
Hulfsmitteln vorauszusetzen. Die Hauptsache für uns bleibt das diagnostische Ele-
ment, da wir darauf halten müssen, möglichst dahin zu kommen, die uns erschlossenen
archäologiscbeD Pfade weiter zu verfolgen und das Gebiet, das sich hier aufthut, in
genauester Weise festzustellen» Mix scheint, dass dasjenige Moment, welches am
meisten aulfallend hervortritt in diesen verschiedenen Bindfaden- und Stichorna-
1) Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich auch noch weiterhin in der AUmark ähDliche
Fundstellen ergeben werden. Eine, scheinbar hierher gehörig© Urne mit horizontal achraffirten
Dreiecken und einem senkrecht und doppelt durcbbehrten breiten 0 ehr erwähnt
T, Led ebur (Das Küiiigliche MuBeum valerläudischer AUerthümer, S. 114, Taf. 11 Nr. 1, 82)
wn Güssefeld im Kreise Sahwedel, freilich^ wie er selbst angiebt, uoter sonst sehr abweichen-
den Oefissen. Auch findet sich eine spätere analoge Eiwerbaug aus der Aitmark unter
I« 2078 im Köuiglkheo Museum.
(438)
roeoleo, den Tupfen und wie Qian sie sonst genannt bat, das am meisten charakte-
ristische, worauf sich die Abgrenzung der Local gebiete gründen llsst, die unge wohn-
liche Tiefe d^er Ornamente ht Die Mehrzahl der Lioien und sonstigen Zeich-
nungen ist tief hineingezogen und zum Theil hineingedrückt in den Thon, xu-
weilen sogar durch atempeSartige Instrumente. Dagegen tritt das, was die näcliste
Periode, die eigentliche ßroDxezeit darbietet, ganz in den Hintergrund. Ich
mochte das zunächst an Tangerni Finder Funds tu cken darlegen.
Das Gräberfeld an der Ziegelei vor Tangerruünde hat eine gewisse Zahl sehr
ausgezeichneter Thongefasse mit Tiefornamentik geliefert. Die schönsten und best-
erhaltenen, über welche ich schon neulich kurz berichtet hahe {Sitzung vom 21, Juli,
Verb» S» 371), sind im Besitze des Hrn. v* Aiven sieben zu Calbe an der Müde;
wir sahen sie in der Ausstellung im Rathhause zu Tangernumde. Leider ist ea
mir nicht möglich gewesen, diese Stücke hier vorzulegen-^ wie ich gehofft hatte.
Ich muss mich daher darauf beschränken, auf das früher Gesagte zu verweisen*).
Von den neuerlichen Ausgrabungen ist mir, ausser einem Paiir nachher zu erwäh-
nender Gefässe, ein kleines Bruchstuck zugegangen, welches aHein schon ganx
charakteristisch ist (Holzschn, 4). Es ist stark gewölbt, äusserlich schwärzlich und
Holzschnitt 4,
/C^"
Wvv^v?!
^ r ' r -1
k**=Tf-*j*»":^ -^ *' "^
Natfirlichö Grösse,
etwas uneben, und zeigt zweierlei Ornamente, welche beide sehr tief eingedrückt
sind: einerseits kleine abgerundete viereckige Grübchen mit etwas vorstehendem Cen-
trum^ welche in nicht ganz regelmässigen Reihen schachbrettartig angeordnet
1) Nachtraglieh habe ich durch die Gute des Hra, v, Älvensleben Abbildungen von
Ö »eiuer Gef&sse erhalten, wofür ich ihm meinen besten Dank abiitiitte. Das eine derselben
stimmt in der Form uberein mit dem auf Tu f, VII Fig. B darpestellttn; nur ist der Henkel
Tüllständi^ erbalten und das Ornament, obwohl aus denselben A förmigen Einstichen tu-
sammengesetrt, besteht aus S obere» und mehreren nnteren boriicontalen Ziekzacklinien und
ans einer grossen Zahl senkrechter, zwischen diese beiden Gruppen eingeschobener Büuder
au» Doppelwinkeln VV* — Ein zweites Gefass, djiss am Rande stark verletzt ist^ bildet einen
weiten Henkeltopf mit engem Boden^ um dessen ßuucli ein Hin^ seiir üeferi spindellfMrmi^Q
Eindrücke gelegt ist, — Endlich das dritte Gefass (Tal VI II Fig. % hat eine sehr zierlich«
Vasenform, iihrilieh dem auf Taf. VIII Fig. 4 wiedergej^eheneti. An jeder Seite sitxt eii
breites, au seinem Rande ausgeschnittenes und daher zw ei spitziges Oebr mit 2 senkrechll
durchbohrten Locherni eine Art Ansa In n ata. Die Ornamente bestehen durchweg
aus gestochenen Winkeln und zwar liefen anter dem Habe znnlchst ^ horizontale Ringe;
dann folgen schachbrettartige Gruppen mit freien Feidom dazwischen; dann in der Hohe
der Oehre eine freie Stelle; dimn am Anfange dea Bauches wieder ein horizontaler Ring unitJ
darunter graziüse Guirlauden, aus je S ineinander hangenden concentriscben Gliedern
stehend.
(439)
aiad; andererseits kleioe v ^der u förmige Eindrücke» die in 9 Horizootalreiheo
iJbereiDander und so dicht zu&ammenstosseod angelegt sißd, dass dadurch eine Zick-
zacklinie entsteht. Beiderlei Verzierungen wechseln im Umfange des Gefaases
mit einander ab.
An diesen Scherben «chliessen sich ihren Ornamenten nach ganz nahe an die
beiden Gefässe, welche Hr. Hotlmann in der Februar-Sitzung (Verh, S, 152} be-
sprochen hat und welche seitdem an das Königliche Museum gelangt sind. Das
eine derselben (Taf. VIII, Fig. 3; Museums-Nr. Ig 100) ist ziemlich gut erhalten.
Es ist aus freier Hand geformt und zwar, wie man namentlich am unteren Theile
deutlich erkennen kann, durch Aufeinanderlegen wurstförmiger Thon-
streifen oder Thonringe, deren Verklebung sich nachträglich wieder gelockert
hat. Es ist ferner wenig gebrannt, von dunkelgrauer Farbe, äusserlich glatt Seine
Form gleicht am meisten der eines modernen Milchtopfea; ein flacher enger Boden,
eine sehr schnelle Auslage des Bauches^ dessen grösste Ausweitung nicht weit über
dem Boden liegt; darüber ein hober, sich sehr wenig und sehr langsam verjüngender,
bis zu dem ganz einfachen und glatten Rande gleich massig, nur etwas schräg an-
steigender Obertheil ohne eigentlichen Hals, An einer Seite ein leider zerbrochener,
grosser und auf der Fläche 4 cm breiter Henkel mit weiter Oeffnung, deren Spann-
weite in der äquatorialen Auslage des Bauches 5 cm betrügt; der untere Ansatz sitzt
ganz tief, in der Nähe der äquatorialen Ausbauchung, der obere eine ganze Strecke
unter dem Rande. Die weite, zugleich sehr abstehende Biegung, die
grosse Breite und der tiefe Ansatz der Henkel sind höchst charakte-
ristisch. Das ganze Gefass ist 17,5 cm hoch; der Boden hat einen Durcbmesser
von 7,2 cm, der Bauch von 18,5 cni. Die Ornamente gehören in dieselbe Kategorie,
wie die des eben beschriebenen Scherbeuü: es sind bauptsäcblich horizontale Zick-
zacklinien, welche aus einer Aneinanderreihung V förmiger Einstiche bestehen.
Diese Zickzacklinien liegen in 2, durch eine breite glatte Zone geschiedenen
Gruppen: einer oberen, aus 7 parallelen Reihen gebildeten, welche in kurzer Ent-
fernung vom Rande beginnt, und einer unteren, aus 4 Reihen bestehenden, dicht über
der weitesten Auslage des Bauches, Die HeDkelgegend ist ganz frei geblieben j
jederseits neben derselben ist ein senkrechter Streifen von 15 kurzen Querreihen,
die aus je 2 zusammengestellten y förmigen Eindrücken bestehen, angebracht
Das zweite Gefass (Taf. VIII Fig. 4, Museums-Nr. lg 101) zeigt eine ganz ver-
schiedene Form und EinrichtuDg. Es bat mehr das Aussehen einer regulären Vase:
enger platter Boden, etwas höhere und weniger starke Auslage des Bauches, dar-
über eine stärkere, zu einem wlrklicheii, engeren Halse sich zusammenziehende
Einbiegung und endlich ein leicht ausgebogener, übrigens einfacher Rand, Die
Höhe beträgt 12 cm, der Durchmesser des Bodens 6,6, des Bauches 16, der Mün-
dung 8 cf}i. Es ist gleichfalls aus freier Hand hergestellt, von graurötblicher Farbe,
äusserlich glatt Auf zwei Seiten sitzen, einander gegenüber, an dem eingebogenen
Theile die Henkel oder Oebsen, und zwar jederseits 2 übereinander; dieselben
stellen platte, am freien Rande halbmondförmig ausgeschnittene, breite
Vorsprünge dar, welche von oben nach unten durch je 2 kleine Locher
senkrecht durchbohrt sind. Jeder Durch hob rungsstelle entspricht demnach
ein kleiner Vorsprung des freieu Randes. Dieses höchst gefällige Gefass ist auf
das Reichste mit tief eingedrückten, aber sehr kleinen v förmigen Zeichnungen ge-
schmückt, welche theils in viereckigen, schachbrettartig angeordneten Fel-
dern, theils in Ringen und Linien (Reihen) angeordnet sind. Zu oberst, dicht
unter dem Rande, liegen 2 horizontale Hinge^ dann folgt das Schachbrett, welches
abwechselnd aus freien und aus mit v förmigen Eindrücken besetzten^ in 4 Reihen
(440)
übereinaader gestellten Feldern besteht. Nnr oebcn der Oehse ist Doch ein fünftes
Feld unten angesetzt. Darauf folgt wieder eine HonzontalliDie, wie die oberen^
und endlich am Bauch senkrecbte Reihen oder Liuieiij welche bis über deo Aequator
herabreichen. Alle diese Linien und Felder sind aus ganz kleinen^ nebeoeinander
gestellteu, U furmigen Eindrücken oder genauer Einstichen zusaaimengesetzt, weiche
aas dem v förmigen Ornament durch stärkere Auswolbuog des Winkels h error-
gegangen sind. Offenbar sind sie sämmtlich durch Einstecheo eines bohleo^ schräg
abgeschnittenen Cy linders, vielleicht eines Rohrhai mes oder noch wahr^CDeiD lieber
eines Vogelknochens her vorgebracht, denn die UmbiegungsstelJe ist stets tief und
zugleich schräg eingedrückt^ wiihrend die Schenkel seicht auslaufen.
Bei den letzten Atisgrabungen ist ferner ein, leider stark zerbrochenes grosseres
Gefüas, das nur theil weise restaurirt werden konnte (Taf. VIII Fig* 5), gewooneD
worden, welches in Form und Verzierung manches Abweichende von den vorigeo
darbietet. Obwohl sowohl der Boden und der Rand, als auch grosse Theile des
Bauches fehlen, so erkennt man doch, dass der Boden sehr klein gewesen ist; der
Unterbau ch weitet sich schnell gegen den bis zu lö nii ausgelegten Aequator aus,
gleichwie der Oberbauch sich mindestens ebenso schnell und wahrscheiolich ebenso
stark gegen den nur 13 cm weiten Ansatz des Halses verengert. Der Hals steigt
S cm fast cylindrisch zu der weiten Mundung auf. An der erhaltenen Seite sitzen
am Uebergange vom Halse zum Bauche die AnsatzKtücke einer zerbrocheneo, engen,
aber verhaltnissmässig breiten Oehse mit horizontaler Durchbohrung; wahrschein-
lich war auf der entgegengesetzten j günzlicb defekten Seite eine zweite ahuJiche,
Die sehr reiche Ornamentik zeigt Folgendes: Au der sonst glatten Aussenflficbe des
Halses sieht man an einer einzigen Stelle, welche dem Rande nahe war, eine Reihe
senkrechter Eindrucke; tiefer, etwa im unteren Drittel der Hohe, sind in grosseren
Abstanden von einander je 2, nahe zuBammenstehende, grössere, umgekehit v f^'
mige tiefe Einritzungen, jede aus 2 ineinander geschobenen A bestehend. Der
Winkel des a ist abgerundet, Nächstdem folgt au der Uebergaugsstelie vom
Halse zum Bauche eine rings herum laufende, aus nach rechts offenen < oder
Sparrenzeichnungen zusammengesetzte Linien. An diese schlieest sich eine bis lum
ünterbauch herabreicheude, abwechselnd aus senkrechten geraden Strichen und
schmalen Bändern des Winkel- oder Sparren Ornaments zusammengesetzte^ recht
saubere Verzierung. Jedes der letztgenannten Bänder besteht aus einer grosseren
Anzahl, gewöhnlich 8 oder 9, übereinander stehender, aus je zwei A zusammen*
gesetzter, horizontaler Zickzacklinien, welche jedoch nur bis an die äquatoriale
Kante des Bauches reichen; am ünterbauch ist in der Fortsetzung des Bandes jedefr-
mal eine Gruppe aus 3 oder 4 senkrechten Pnrallellinien angebracht. Jedes dieser
Bünder ist zu beiden Seiten seiner ganzen Lauge nach von 2 Senkrechten einge*
fasst; daran stosst eine leere Stelle und an diese wieder je eine Gruppe von 3 oder
4 senkrechten Strichen, welche jedoch nicht ganz durchlaufen, sondern oben in der
Nähe des Halses durch eine freie Stelle unterbrochen sind. In dieser Weise ist der
ganze Umfang des Bauches von abwechselnden Strich- und Sparrenfeldern
eingenommen; nur in der Nahe der Oehse ist eine etwas grössere Strecke freigelassen
und erst unter der Oehse sind 2 Gruppen von je 3 senkrechten Strichen einge-
schoben. Alle diese Striche und Linien sind tief und scharf eingedruckt, aber bei
genauerer Betrachtung zeigt sich, dass der Eindruck nicht überall ein gleichmäsftig
fortlaufender ist: bisweilen bemerkt man in der Tiefe in kurzen Abständen schmrfe,
schräg nach oben gerichtete, kleine Grubchen und von diesen ausgehend an der
Seitenwand des Eindruckes kurze schräge Furchen, so das stellenweise fast der
Eindruck eines SchnuroToamentes entsteht, Aber es bandelt sich TieUnehr am
I
(441)
schräge Einstiche eioes scharf zugespitzten, pfriemetiartigen lustru-
mentes, welches yDter starkem Druck über den noch weichen Thon berabgezogeo,
aber iiitercurreat immer toh neuem eingestossen worden ist.
Endlich ist mir noch ein ganz erhalteoeSj bei den neueren Ausgrabungen zu
Tage gekommenes klpiiu-s Töpfehen ztigesendet worden, das ungewötinlich roh und
gänzlich ohne Verzierung ist Es hat eine Höhe von 7,6 cfn^ einen Durchmesser
am Boden von 5,2, am Bauche von 9,4, an der Muodung von 7,2 an. Seine Ober-
fläche ist gelblichgrau j sehr uneben und mit einzelnen Horizontal furchen, welche
darauf hindeuten, dass das Gefass aus kleinen Thonwursten aufgebaut isL Der
Boden ist ganz platt, der Bauch nur wenig ausgelegt, die Müudung weit, der Rand
ganz dünn und ungleicli. Jederseits unter dem Räude sitzen in einer Linie 2, in
einer Entfernung von 5 mm von einander angesetzte, also ganz getrennte, stark vor-
tretende und fast zugespitzte Knöpfe, welche in der Richtung von oben nach
unten durchbohrt sind.
Das sind die Thongefasse von der Tangermfinder Ziegelei, über welche ich aus
eigener Anschauung berichten kann. Die Mehrzahl der bisher zu Tage gekomme-
nen ist nach allen Richtungen durch Liebhaber verschleppt wordea Noch nie-
mals ist mir ein Platz vorgekommen, wo der FaDatismus der Sammler in gleicher
Weise hinderlich geworden ist für eine wissenschaftliche Untersuchung; nicht nur,
dass der Verbleih der Sachen kaum zu ermitteln ist, sondern es ist mir auch da,
wo ich den Verbleib ermitteln konnte, abgeschlagen worden, mir die Gegenstände
zugäogiich zu machen. Nur von einer Stelle habe ich genauere Nachricht er-
halten, Hr, Hart wich theilte mit, dass nach der Aussage des Ziege leibe sitzers
HotzschnitI 5. Hokschnitt 6.
^^'
Fieper zwei Gefässe, darunter das am reichsten verzierte von allen, an den Abt
Thiele in Braunschweig gegeben seien, Hr. Dr. Noack in Braunschweig hat
auf meine Anfrage die grosse Güte gehabt, nachdem Hr. Dr. Thiele in bereit-
willigster Weise seine Zustimmung ertheilt hatte, Beschreibungen^) und Zeichnungen
dieser Gefasse anzufertigen (Holzschn. 5 u. 6). Sie sind nach seiner Angabe etwa
10 cm hoch, aus feiuem, nicht geschlemmtem, mit eiuzelnen Quarzkörnern durch-
setztem Thon, mit je einem Henkel. Das eine (Holzachn. 5) hat zwei eingeritzte
Zickzackreihen mit unsicheren und unregel massigen Linien, welche jedoch nicht bis
au den Henkel herangehen. Bei dem anderen (Holzschn. 6} sei das Ornament be-
fionders sorgfaltig und es bestehe aus zwei Zickzackreihen und unter jeder derselben
aus einer punktirten Zone, deren Punkte sehr regelmässig in schrägen, rechteckigen
Gruppen angeordnet seien, — Anscheinend haben diese Gefasse am meisten Aehn*
licLkeit mit den auf Taf. VHI Fig. 3 abgehildeten, nur dass die Mündung enger
1) Dabei ivird bemerkt, dass sie „in eioem Acker am Wego nach Demkort westlich von
TangermüniJe, ohne weitere Beigaben gefunden'* atien. Da die angegebene Eicbtung der Ltge
der Ziegelei eotsprlcbt, so wird wohl kein Zweifial über die Zogehürigkett bestebeu.
(442)
und die äquatoriale Wölbung des Bauches schärfer ist Auf den ersten Blick er-
innern sie fast an slavische Töpfe mit dem Wellenomament, aber die Henkel zeigen
sofort, dass sie damit nichts zu thun haben; gerade diese weiten, abstehenden and
tief angesetxten Henkel beweisen, dass sie dem hier erörterten Culturkreise ange-
hören.
Auf die sonstigen Verhältnisse des Tangermünder Feldes werde ich ein an-
deres Mal genauer eingehen. Hier will ich nur bemerken, dass die sammtlichen
Gefässe leer waren und neben Skeletten standen, deren Schädel mehr oder weniger
dolicho- oder mesocephal waren. Als sonstige Beigaben fanden sich ge-
schliffene Steinbeile, sehr sauber geschlagene, geschweifl-rhomboideale Feuerstein-
scherben, durchbohrte Zähne von Carnivoren, bearbeitete Knochen und Yereinselt, wie
ich noch ausführen werde, geringe Artefakte von Bronze. In der Hauptsache charak-
terisiren sich diese Funde als Reste aus der Zeit des geschliffenen Steines. —
Vergleichen wir das Tangermunder Thongeräth mit dem cujavischen, so zeigen
sich manche nicht unerhebliche Verschiedenheiten. Als solche will ich nur die
Kugelform und die hoch angesetzten, flach anliegenden und mit röhrenförmigen Oeff-
nungen Tersehenen Henkel der cujavischen Geisse, sowie die stärkere Entfaltung des
Halstheils und die tief angesetzten, weit Tortretetenden und mit grosser Oeffnnng
Tersehenen Henkel der altmärkischen Gefässe anführen. Dagegen treffen wir in beiden
Gruppen Hängegefässe mit senkrecht durchbohrten Oehren, in beiden
die tiefe Einritzung der Ornamente und namentlich ein vorzugsweise Ter-
wendetes Ornament, das in mancherlei Variationen auftritt. Es ist etwas schwer,
jede dieser Variationen mit einem besonderen Namen zu belegen. Die Herren
Hartwich und Ho 11 mann nennen es mit einer für die Mehrzahl der Fälle ganz
zutreffenden Bezeichnung Winkel Ornament, indess haben wir schon gesehen,
wie der Winkel sich in Fig. 5 in eine Curve und in Fig. 4 geradezu in ein u Ter-
wandelt. Die aus solchen Elementen zusammengesetzten Bänder, bei denen die
Oeffnung des Winkels nach unten gerichtet ist, können, wenn man sie umdreht,
mit einem Tannenzweig Terglichen werden und man hat sie in der That als
Tannenzweig - Ornament bezeichnet Gelegentlich passen die Namen des
Palmzweig- oder Fischgrähten-Ornamentes noch besser. Wenn die Schenkel
eine gewisse Länge erreichen und man den W^inkel nach oben wendet, so steilen
sie dasjenige dar, was ich in meiner ersten Beschreibung nach einem recipirten
Gebrauch Sparrenornament genannt habe und was in der Geschichte der
ältesten Bronzeornamentik eine sehr grosse Rolle spielt, indem wir es Tom Kan-
kasus bis nach Irland überall Terfolgeo können. Offenbar hat bei der Einritzong
dieser Zeichen weniger die Absicht Torgewaltet, einen bestimmten Gegenstand nach-
zubilden oder darzustellen, als vielmehr eine Gewohnheit, welche zuerst
durch die Natur des benutzten Instrumentes und die weiche Be-
schaffenheit des Thons herbeigeführt war und später vom Thou auf die
Bronze übertragen wurde. Ich meine daher, dass man in erster Linie weni-
ger die Form, als die Tiefe dieser Ornamentik betonen muss. Man mag
nebenbei anerkennen, dass unter den ausgeführten Verzierungen, namentlich an
manchen Orten, das Schnur- oder Bindfadenornament sehr häufig hexTcr-
tritt, aber wenn man eine grossere Zahl solcher Verzierungen genau mustert, so
erkennt man bald, wie schwer es ist, sieb in jedem Falle klar zu werden, ob es
sieh um eingedrückten Bindfaden oder um etwas anderes handelt.
Ich lege zur Ver^leichung ein Paar Gefässe vor. welche ich auf meiner letzten
Reise durch die Güte des Hrn. Sanitätsrathes Dr. Grundier in Aschersleben er-
halten habe. Sie stammen von einem Gräberfelde bei Fr ose im Anhaltischen
(HS)
Kreise Ballenstedt, zwiacheo AscherslebeD und Hütbarstadt. leb war selbst Muter
freundlicher Führung des Hrn. Pastor Bei:ker von Wil sieben auf dem betreffenden
Pltttze, der von der Eisenbahn von Asubersloben nach Hiilberätadl angeschnitten
worden ist. Er liegt auf der Hohe, welche den jetrt trockengelegten grossen See*)
von Frose gegen Südwesten begleitet, ist beackert und ohne alle Spuren früherer
Erhöhungen. Die etwas flüchtige Grabung, welche wir veranstalteten, brachte eine
grosse Menge von Thonecherben und Thierknochen zu Tage und schien, da auch
grossere Klumpen von gebranntem Lehm mit eingedrückten Rinnen an der Ober-
fläche, sowie Kohlen hervortraten, mehr für eiuen alten Wohnplatz, als für ein Gräber-
feld lu sprechen. Unter den Thouscherben waren grobe und dickwandige vor-
herrschend, theils ohne alte Verzierung^ theils mit tief und grob eingeritzten Linien,
welche Hauten oder dreieckige Gurte darstellten (Holzscbn, 7), iheüs mit groben
Nageleindrücken. Einzelne hatten oberflächlich eingeritzte Linien, welche sich
gruppenweise oder gekreuzt über die ganze Flüche erstreckten. Die Henkel
Holzschnitt 7.
-J
Holzschnitt 8.
sehr gross, grob und weit. Die Böden platt oder tiegelartig gcrtindet* Indess
fanden sich auch einzelne feinere und glattere, von schwärzlicher oder bräunlicher
Farbe, mit sorgfältigerer und breiterer Furchen Zeichnung und schöner Biegung der
Flächen, die an unsere lausitzer Gefässe erinnerten. Jedenfalls bezeugte Hr.
Becker, dass früher aucli Skelette ausgegraben seien, und zu diesen dürften die
Stücke gehören, welche mir Hr. Gründler überliess.
Das eine derselben (Holzschn. 8) ist
ein kleines Topfeben mit fast kuglig aus-
gelegtem Bauche und einem weiten, leider
am Rande abgebröckelten, jedoch wohl
nicht erheblich hoher gewesenen Halse,
Es ist 7,5 cm hoch nnd hat am Boden
einen Durchmesser von 4, am Bauche von
8,5, an der Mündung von 5 cm. Auf je-
der Seite der äquatorialen Ausweitung des
Bauches steht ein kleiner, quer durch-
bohrter Henkel oder besser ein Oehr her-
vor. Um die Basis des ziemlich cylindri-
schen Halses laufen zwei Bindfaden-Linien; an diese schliesst sich eine Reihe über
den Oberbauch herablaufcnder, mit der Spitze nach unten gerichteter, spitzwinkliger
^
1) Aus diesem (oder wie man dort sagt, dieser) See stammt ein Knochen heil in der Bem-
bürger Sanirolung (Katalojf der Berliner Samralnnjf 1880, S. 4, 5). Eine grosse IFme von
Frose habe ich nna dem germanischen Uuseuin in Nürnberg notirt.
(444)
Mi
Dreiecke, je 4 aaf jeder Seite zwiscbeo den Henkeln tind eio neuotea über den
eiwen Henkel (reclits). Das Feld jedes Dreiecks ist durch 2 oder 3 LioieD, welcli
der Itfiken Seite paraltel liegen, 8cbraf£rL Sammt liehe Lioien zeigen 8cbrag g€
stellte, der Windung einer gedrehten Schnur entsprechende Glieder.
Das zweite grossere Gefiiss (Taf. VIll Fig, 6} ist leider sehr defekt, Ihtu fehlt_
der Boden und ein Stück des Unterhauchea, sowie Theile des Randea» doch
seioe Form erträglich z\i erkennen. Es ist noch immer 17 cm hoch und hat ei«
Mundungsweite von 10, eine Baiich weite von 17 cm. Nach unten bin zeigt es elti
yolle Wolhung; die stärkste Ausweitung des Bauches liegt hoch, dicht uoter deoi,
nur 3 cm hohen Bal»e, der sich unter starker Einbiegung aus dem Körper d«^«
Gefiisses erhebt und in einen schwach nach aussen vortretenden glatten Rand aufti^|
geht. Am Oberbauch, dicht über dem Aequator, sitzen kleine, quer durchbohrte
Henkel oder Gehre; ihre Zahl hat offen har 4 betragen, gegenwärtig sind Dur noch 3,
in ganz regelmässiger Vertheilung, vorhanden. Die Ornamente sind in 3, um den
oberen Theil des Gefasses herumlaufenden und durch tiefe Strichlinien begrenzteti
Zonen angeordnet Zu oberst, am Halse, eine breitere Zone, welche mit eiaer zu-
sammenhangenden Reihe unregelmässig aneinander geschobener Dreiecke erfüHt isL^|
Auch hier ist das P^eld jedes Dreiecks mit Linien, welche der einen (rechten) Seitc^^
parallel sind, besetzt. Jede Seiteulinie dient den zwei aneinander stossenden Drei-
ecken als Begrenzung. — Eine zweite, ganz ähnliche, nur etwas breitere Zonal
läuft tiefer zwischen den Henkelansätzen um das Gefäss. — Die dritte Zone liegt!
zwischen diesen beiden um den Anfang des Oberbaucbes; sie ist im Ganzen glatll
und nach oben und nach unten mit einer Reihe von kurzen, senkrechten Strichen [
oder genauer Einstichen ausgestattet. — Sammtiiche Linien, welche die Dreiecke]
begrenzen und erfüllen, stehen gewisse rmaassen in der Mitte zwischen dem Schnor-
ornament und dem Stichornament. Sie zeigen in der Tiefe eingestochene Grübcbeo
oder Fünktcheu und an den Seitenwiinden schräge Furchen, und ich halte es fuf
zweifellos^ dass sie nicht durch Eindrucken einer Schnur erzeugt sind. 1
Ich mochte glauben, dasa diese eigenthümliche Art der Herstellung der Striche
oder Linien dazu bestimmt war, einen Stoff, wahrscheinlich eine weisse In^
krustation, aufzunehmen. Schon bei dem cujavischen Gefasse Nr. 2 (Taf. VH
Fig» 2) habe ich eine ähnliche Vcrmuthung geäussert. Allerdings ist keine Spur
von weisser Farbe an den Oerässeu von Frose zu erkennen, aber ich sah die In*
krustation sehr schon an einem Gefasse derselben Periode ans Wulfen in der berxog*
liehen Sammlung zu Gross Kuhnau bei Dessau, welche ich unter der gefälligen
Leitung des Hrn. Hofrath Dr. Hosäus besuchte (Nr. 681 d). Ich will dabei be-
merken, dass unter den Gefässen von Wulfen (im Kreise Kothen) auch solche mit
senkrecht durchbohrten Knöpfen vorkommen. Ich bezweiße daher o ich t, dass
bei weiterem Suchen und insbesondere bei nicht zu weit getriebener Reini-
gung der Gefasse, wodurch gerade solche Äufifüllungsmassen leicht entfemt i
werden, auch in der Altmark weisse Inkrustationen noch werden gefunden werden«
Damit will ich in keiner Weise behaupteUj dass in jedem Falle, wo lineare Ein-
drücke absatzweise erzeugt wurden, die Absicht einer späteren Inkrustation bestebeal
mu88^ aber ich glaube diese Absiebt annehmen zu dürfen, wo die Eindriicke beson-
ders scharf und schief sind. Dm in dieser Beziehung eine^ wenngleich etwas weit*
liegende Vergleichung zu bieten, lege ich einen, der Gesellschaft schon bekann teoj
(Sitzung vom 2 L Juli 1877, Verh. S. 347) Thonscherben vor, den Hr. Dr. FiascUl
seinerzeit fCir mich vom Ufer eines Tundra-Sees in West-Sibirien mitgebracht hat;"
er zeigt dieselbe absatzweise BeschaÜenheit der Eiuritzungen, jedoch nicht in glei-
cher Tiefe uud Schärfe.
(445)
Aus YerschiedeneD Gegenden von Niedersachsen ist das Yorkommen solcher
Urnen, wie ich sie hier besprochen habe, schon seit langer Zeit bekannt. Es ist
dabei ganz besonders heryorzuheben, dass die Hauptfunde in Kegelgräbern ge-
macht sind, welche zu den grössten gehören, die wir überhaupt in Norddeutsch-
land haben. Es waren mächtige, spitz zulaufende Kegel von weitem Umfange, die
sich fast immer als Massengräber erwiesen haben, in der Weise, dass in den tief-
sten Schichten die ältesten Gräber mit Gefassen der eben besprochenen Art sich
fanden, während in den höheren und seitlichen Schichten jüngere Gräber vor-
kamen, namentlich Steinkistengräber. In diesen Steinkisten stiess man schon
auf Leichenbrand, während die tieferen Lagen Skelette führten. Ich betone das
ganz besonders, da wir hier nicht blos im Geräth, sondern in der ganzen Art der
Bestattung einen aufiPälligen Gegensatz vor uns sehen: in der Tiefe die Alten, welche
bestattet wurden, und plötzlich darauf folgend eine allgemein yerbreitete Incinera-
tion, die mit einer vollständigen Aenderung des Geschmacks in der Technik und
Ornamentik verbunden ist.
Aus der Zahl der früheren Publikationen, welche solche Funde behandeln, will
ich namentlich eine hervorheben, welche die Sammlung des verstorbenen Augustin,
die sich jetzt in Wernigerode befindet, zum Gegenstande hat*). . Der alte Dom-
prediger hatte schon 1822 auf einem Hügel zwischen Derenburg und Halberstadt
eine Ausgrabung veranstaltet. Dieser Hagel führt einen Namen, der sich in Nieder-
sachsen überall wiederholt, wo alte Hügelgräber vorkommen; er heisst der Lause-
hügel, — ein Name, der vielleicht unseren philologischen Mitgliedern zu weiteren
Erörterungen Gelegenheit geben kann. Die Meinung in der Provinz geht dahin,
dass der Name als verächtlicher Ausdruck für einen, den heidnischen Vorfahren
heiligen Ort gewählt sei und eine Art Verfluchung oder Beschimpfung ausdrücke.
Jeder „Lausehügel^, der in jener Gegend zu treffen ist, darf mit Wahrscheinlich-
keit angesehen werden als ein Grabhügel. Augustin hat den Lausehügel bei
Halberstadt sehr genau untersucht und daraus eine grössere Anzahl von Gefassen
gewonnen, von denen eines mit Tannenzweigen, ein anderes mit Schachbrettfiguren
verziert ist (S. 11 Taf. V, Fig. 12—13). Indess im Ganzen treten die Ornamente
nicht auffällig hervor, dagegen ein Paar andere Eigenthümlichkeiten, die wir schon
kennen gelernt haben. Dahin gehören namentlich die auf Tafel VI in grosser
Zahl abgebildeten „ Milchtöpfe ^ mit tief angesetzten, sehr weiten und breiten Hen-
keln, an welchen gelegentlich auch das Winkel- oder Sparrenornament nicht fehlt.
Mir persönlich war die Eigenthümlichkeit dieses Thongeschirres am meisten
aufgefallen, als ich im Jahre 1880 nach dem Schlüsse unserer Ausstellung Hrn.
Klopfleisch bei der Ausgrabung eines Hügelgrabes im Anhaltinischen, in der
Nähe von Bernburg, besuchte. Hr. Klopfleisch hatte die Güte gehabt, mich ein-
zuladen zu der Ezplorining des Spitzen Hoch, eines beträchtlichen Kegels auf
dem rechten Ufer der Saale unterhalb Latdorf, dessen Ausgrabung er für die Bern-
burger Historische Gesellschaft veranstaltete. Ich fuhr mit den HHrn. Fränkel
und Fischer von Bernburg hinaus. Da habe ich zuerst die Totalität eines solchen
Fundes gesehen und mancherlei Sachen wahrgenommen, die insofern von besonde-
rem Interesse für mich waren, als sie, wie ich in meiner Vorrede zu Schlie-
mann's „Ilios^ hervorgehoben habe, eine Reihe von Eigenthümlichkeiten darboten,
welche gerade Hr. Schliemann als physiognomonisch für Hissarlik ansah. Bei meiner
1) A. Friede rieb, Abbildungen von mittelalterlichen und vorchristlichen Alterthümern
in den Gauen des vormaligen Bisthams Halberstadt, gesammelt von Christ. Ferd. Bemh.
A u g u s t i n. Wernigerode. 1872.
(446)
I
i
letzten Reise traf ich diese Sachen wieder in der Sammlung des histonscbeo Ver-
eins zu Bern bürg, wo sie sammtlich aufgestellt sin4. Es wurden bei der Oeffouiig^_
des Hügds jijngere und altere liegräbnissstellen in dem Hügel aufgedeckt: erster^H
mit Tliongeräth, mehr dem lausitzer Typus verwandt, natnentlich mit gaoz gro&seo^^
Deckeln, letztere mit dem Bindfüdenorjiameiit und seiir tiefen Hin furch ungeD. Aü_
Gefassen dieser letzteren Abtlieilung fanden sich auch ziemlich tiefsitzende, bori^
zoDtale, gao2 enge Röhren, welche an dem GeHlsä entlang laufen, sowie Doch tiefet
angesetzte plattenartige Vorsprünge, welche von dem Bauch des Gefasses weit oacb'
aussen vortreten und den Eindruck machen, als habe man das Gefass über etoem
Heerdloche auf eioen Ring oder auf den Rand des Loches aufhängen wollen. Aber
diese Vorsprunge sind von obeo nach unten durchbohrt, sie waren also zum Durch-
ziehen von Schnüren und zum freien Aufhangen bestimmt. Solche Hangegefa^ee,
denen wahrecheiulich die spateren Hfingf^gefasse aus Bronze nachgebildet
sind, machen unter den aufgehängten Thongefassen ein verhältnlss massig grosse«
Contingent aus. Entsprechend haben sie, wie das bei Hängegefiissen allgemeiD ge-J
bräuchlich gewesen zu sein seheint, in der Regel keinen eigentlichen Fusb, sondern J
sind nach unten kesselformig gerundet, so dass sie, wie einige der cujavischea Ge
fasse, beim Gebrauche entweder in den Saud gedrückt oder io einem Thonringe auf-
gestellt w*erden mussten,
Aelinliche Besonderheiten des T hon gesteh irrs treten an verschiedenen Stellen
Deutschlands und besonders Norddeutschlands hervor. Wir haben daher allen
Grund, sie zu beachten. Neben der Ornamentik iat es die äussere Form, welche
uns auflFallt, der Styl, vielleicht darf man sogar sagen, die Mode, welche diesen
Gefäsaen die durchgreifenden Verschiedenheiten von dem, was wir sonst bei uns
ivahrnehmen, gegeben haben. Ich habe durch die besondere Güte des Hru. Dr, |
Noack in Braunschweig eine grössere Zahl von Zeichnungen von alten TboD-
gefässen des dnrtigen stadtischen Museums erhalten, welche eine besondere Seite^
der Keramik dieser Periode gut illuBtriren. Es kommen nämlich darunter Dicht
selten eigenlhümliche, hohe, becherförmige Gefasse vor, nicht blos seitlich ein-
gebogene oder „geschweifte**, wie Hr* Tischler sagt^ sondern vereinzelt aucb f^anz
gerade. Alle diese Becher sind henkellos und mehr oder weniger reich mit hori-
zontalen Bandern und anderen Einritzungen
verziert. Ich möchte nur ein Paar als Typen
herTorheben, Ein Becher, der mir schon 1875
beim Besuche des herzoglichen Kunstmuseums
in Braunschweig auffiel (Hnlzschn, 9, Nach-
bildung in Gyps im städtischen Museum A, '
I a. 450)^ ist im Jahre 1843 beim Bau der
Eisenbahn 19 Fuss tief „unter einem Flötz**
bei Jerxheini ausgegraben worden; daneben
fanden sich noch drei andere Gefässe, welche '
zertrümmert wurden, und „MetalP, das an
Reisende verkauft wurde. Nach dem Be*
rieht des Hrn, Noack ist dieser ßeober |
13,5 cm hoch, am Boden 6, an der Mündung
13,5 cm weit, grauschwarz und fast TÖlUg er-
halten* Vom Boden ab erweitert er sich all-
mählich bis zu der Uohe von b cmi von da
bis zum oberen Rande ist er ooncav einge-
bogen. Um die Aussenseite laufen 4 Bän-
I
Bolzschnitt 9.
C447)
Holzschnitt 10,
der, welche durch eiDgeritzte Striche gebildet werdeo; zwißchen ihnen Uegßo ab-
wechselßd freie Felder und solche, welche mit seokreehteti Linien bedeckt sind.
Spuren von weisser Einlage sind erkennbar. — Sehr ähalich ist ein Becher,
der 1867 bei dem Vorwerk Tempelhof auf der Domäne Achim, unweit von Hom-
burg, ausgegraben wurde (A» la 114),
Gegenüber dieser etwas weiten und zugleich niedrigeren Form, welche haupt-
sächlich dem Nordbane eigenthümlicb au seiß scheint^ gieht es noch eine eogere
und schlankere Form, die sieh mehr nach Thüringen verfolgen lää&t. Dahin
gehört ein Becher aus dem Walkeuhügel bei Osmarslebeu in der Nähe von Gusten
{im Äidiaitiniticheti Landkreise Beroburg) in der Samm-
lung des Hrn. Abt Thiele zu Brauiischweig (Holzschu, U^),
der mit einer steinernen Streitaxt, zwei FeuersteinmeBsern
und 2 kleineren, gleichfalls in der Sammlung befindlichen
Gefässen mit Scb nurorn ament zusammen gefunden
wurde. Nach der Mittbeilung des Hrn. Noack ist er
19 cm hoch und hat an der Mündung 12 cm Durchmesser;
seine Farbe ist gelbroth und stellenweiso etwas geschwärzt,
der Boden flackkuglig. Um das Gefäss zieben in
gleichen Abständen 10 Doppelreihen von eingedrückten
FunktßDy so regelmässig und sorgfältig ausgeführt, als
wären sie ^mit einer metallenen Punze eingedrückt**; sie
sind mit einer weissen Müsse (nicht Kreide) ausgelegt.
Auf der Mündung liegt ein genau passender, schalen-
formiger Deckel, der sehr reich verziert ist: in der
Mitte zwei concentrische Doppelkreise aus eingedrückten
Punkten; von dem äusseren gehen 7 Gurte, ans je 2 Dop-
pelreihen von Funkten besteheDd, bis an den innersten der 3 marginalen Doppel-
kreise, welche wie die centraten aus Punkten gebildet sind. Alles ist mit Weiss
ausgelegt —
Hr. Noack erinnert in seinem Bericht an die von mir in der Sitzung vom
19. Mai (Verb. S. 280) beschriebenen „siculischen** Gefässe mit weisser lukmstation.
In der That findet sich, was ich damals nicht erwähnte, unter den Funden von
Yiliafrali (Ferd. Freiherr v. Audrian. Prähist. Studien in Sicilien, Supplement
zu Bd. X der Zeitschr. f. EthnoL Taf» VI Fig. 7) ein Becher, der mit der weiteren
Form von Jerxheim und Achim zum Verwechseln ähnlich ist. Von ungewöhnlicher
Häufigkeit sind Trinkbecher von ähnlicher Form und zuweilen fast identischer Ver*
zierung in England, zum Theil auch in Wales nnd Schottland, jedoch nicht in Ir-
land (John Thuruarn, On ancient British barrows. P. II, London 1873 p. 104,
PL XXXL Will. Green well, British barrows. Oxford 1877 p. 94); sie sind fast
ausnahmslos in Skeletgrabern gefunden. AehnÜch verhält es sich mit einem schtinen
Becher von Folepy in Böhmen, der in der Sitzung unserer Gesellschaft vom
16. Februar 1878 (Verh. S. 39 Taf. VI Fig 9) vorgelegt wurde. Hr. Tischler
(Schriften der phys. ökon. Ges. zu Königsbergs XXIV 1883 S. 112) bildet einen
solchen „geschweiften Becher** von einer ScherhenstelJe der kurischen Nehrung in
Ostpreubsen ab und erwähut 3 Exemplare aus Hinterpommern. Eine grössere
Zahi derselben sah ich in der Anhaltinischen Sammlung zu Gross Küboau und in
thüringischen Museen. Von besonderem Interesse au diesen becherförmigen Ge*
^ssen ist das häufige Vorkommen von miitzenartigen Deckeln und von kiig*
ligen Boden. Dadurch nahern sie sich unmittelbar den dänischen Hängeurneu
(448)
mit MützeDdeckelo (Madsen^ Antiquites prebistonques du Daoemark, L^age de
la pierre, Copenhague 1869, PI. 43 et 45).
Ueber die „Kruge der Steioperiode'* m Mekleuburg bat Lisch (Mekleobj
Jabrb. Bd. X S. 253, Bd. XXX 8. 47, Pfwblbiiuten in Mekleuburg S. 47) wieder-
bolt gehaDdelt. Eine recht gute üebersicbt der üeolitbischen GefassformeD aus den
niedersacbsiscbeQ Gebieten uortllicb vom Harz, iDsbesondere nach Exemplaren der
Museen zu Mfioster, Haunover und Hildesbeira hat Hr. LiDdeosch ra i t (Alter-
thümer uoserer heiduiacheD Vorzeit Bd. 1 Heft 3 Taf, IV) gegebeu. Ein Paar Hild€&-
heinier GefaBse, sowie bochst ausgezeichnete aus der SammluDg des thuriagiscb-
säcbsiscben Geschicbts- und AltertburaB-Vereins zu Halle ficdeo sich auch in dem
Pholographischeu Album der Berliner Ausstellung Heft Y Taf. 8 und Heft VI Taf. 7,
letztere meiet aus der Gegeod von Halle. Scherben mit Schniir und WinkeJorott-
ment bildet Schuitbaiss (Kurze üebersicht und Nachricht der in der Woluaif-
»tedter Gegend gefundenen Altertbümer, Woltnirstedt 1875, Taf. XI Fig. 9, 12, 13,
19j 25, 29, 84) von Grosß Ammensleben bei Bleiche ab. Das Königliche Maseum
zu Berlin besitzt eine grosse Anzahl hierher zu zahlender Gefasse, auf welche ich
kurz verweisen will, aus Aohaltj der Provinz Sachsen und Thüringen; so von Eden-
dorf bei Magdeburg (I. 1745—51), Crutnpa bei Querfurt (I. 5543), Bernburg (L 3049),
Rathmannsdorf und Peissen im Kr, Bern bürg (I. 5566 u. 2203), Walter-Nienburg
bei Zerbst (l 4571b), Calbe a, d. Saale (1. 504, 2192, 2195, 2197, 2218), Köoflern
und Trebnitz im Saalekreis (1. 2205, 2207, 2222), Schwansee bei Weimar (II, b.,
n2). Mehrere Gefasse ans dem Hiranielreichshau bei Altenburg bildet Hr, LindeD-
Bclimit (a. a. O. Bd. II Heft 1 Taf. 1 Fig. 10 — 12) ab. Auf verwandte Form«»D aus
Böhmen habe ich in der Sitzung vom 16. November 1878 (Verb. S. 378) hinge-
wiesen, nachdem schon Hr. Voss in der Sitzung vom 21, Juli 1877 (Verb. S. 308)
das Vorkommen des Schi uro ruaments sowohl in Böhmen, als in üßgam erwähnt
hatte.
Wenn wir nun noch einmal auf die Frage zurückkommen: welches ist die
Zeit gewesen, in welche diese Bestattungen fielen? in welcher diese Art vod Topfen
gemacht wurde? so sind wir seit längerer Zeit daran gewohnt, sie im weseatHchen
als die Zeit des polirten Steins zu bezeichnen. In der That ünden sieb unter den
Beigaben ungemein selten metallische Gegenstande, während Knocbengeräthe und
polirte Steine in sehr charakteristischer Weise fast regelmässig hervortreten. Die«
ist auch in Tangermünde der Fall, wie schon früher berichtet worden ist. Ins-
besondere sind Waffen und Geräthe aus geschliffenem Stein, namentlich Heile oder
zugescharftQ Keile aus Diorit und Kieselschiefer^ in Niedersachsen sehr häufig; und
noch weit nach Norden hinauf tragen sie den bekannten thüringischen Charakter
an sich. Trotzdem kann man nicht behaupten, dass Bronze ganz ausgeschlossen
sei. In England hatte Bäte man angegeben, die einzigen meUlIischen Objekte,
welche er mit Bechern gefunden habe, seien ein oder zwei Bronzepfrieme gewesen,
und er hatte daraus geschlossen, sie müssten in eine Zeit gehören, wo Metall nahesQ
unbekannt war. Tbnrnam (1. c. p. 105) bestritt diesen Scblussj vielmehr müsse man
annehmen, dnss der Gebranch, Waffen mit in das Grab zu legen, für eine spätere
Periode aufgegeben sei. üebrigens habe er in 6 Gräbern von Wiltshire neben den
Bechern Dolche oder Messer von Bronze gefunden. Immerhin ist dies selten beob*
achtet, und was noch weit mehr auffällt, Angaben über das Vorkommen von Bronze-
Bchmuck fehlen fast ganzlich; letzterer ist aber später und selbst in der Zeit, wo
schon Verbrennung eingeführt war, gewöhnlich mit in das Grab gekommen. Hr.
Victor Gross (Les Protohelvetes p. 25 Fl. II Fig. 5), der aus dem Pfahlbau von VlneJs
ein becherförmiges Gefäss abbildet, rechnet das Tbongcrath mit dem Bindfaden*
4
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C449J
OrnameDt der üebergangöieit vom Stein jsur ßronsie zu, unrl Hr. Tischler (a.a.O.
S. 120) schliesst sich dem für daa ostba (tische Gebiet a.D.
Für das von tüir specieller behandelte Gebiet gilt das Nämliche, aber doch
mit einem gewissen VorbehalL Dasa in einem der cujavischeo Gräber eine Kapf er-
platte gefunden istj habe icli schön erwähnt. Aber gerade in dem Gräberfelde von
Tangermönde rausa Bronze oder Kupfer häußger vorkommen. bVeilich ist ea mir bis
jetzt nicht gelungen, auch nnr ein einziges MetaUstiick von da zur Anschauung zu
erhalten; sie sind unbegreiflicherweise immer unter den Händen verschwunden, und
ich wurde darüber kaum zu gprechen wagen, wenn ich nicht in letzter Zeit von
zwei verschiedenen Skeletten Knochen und ausserdem Thierzähne erhalten hatte,
welche unzweifelhafte Spuren von Kupfer- oder Bronzefärbung an sich tragen. Das
eine ist ein Schädel; den ich Hrn, Maler DietrichB verdanke; das andere Bind
die Knochen des linken Vorderarms einer erst neulieb gefundeneu Leiche, um welche,
nach Angabe des Hrn. Hart wich, ein Armband, aus zwei Stucken bestehend, ge-
legen hat. Hr. HoUmana ') hat die Güte gehabt, mir Zeichnungen der Flächen- und
Randansicht beider Stücke zu ij bergeben (Holzschn. 11). So unscheinbar und pri-
Holzsehnltt ]1.
mitiv diese Stucke auch gewesen sein miJSBen, so ist ihr Verlust doch sehr zu be-
dauern, da eine chemische Analyse höchst erwünscht gewesen wäre. Die Färbung
der Zähne scheint sich dadurch zu erklären, dase sie gleichfalls an der linken Hand
des SkeletB gelegen haben sollen, was freilich sehr sonderbar ist, da es durchbohrte
Tbierzahne sind, wie sie sonst gewöhnlich um den Hals getragen wtirden. Immerhin
können wir jetzt auch für die Altmark den Nachweis führen, dass diese Gräber
auf der Grenze oder auf dem üebergange von der neolithischen Zeit
zur Metall- (Kupfer- oder Bronze-) Periode stehen. Damit ist auch für
unsere Nähe ein ganz grosser und wichtiger Abschnitt der prähistorischen Zeit
sicher festgestellt. Dabei ist aber nicht zu übersehen, dass in vielen dieser Gräber
Metall gänzlich fehlt und dass es, wo es vorkommt, meist sehr spärlich und zu-
gleich sehr primitiv gearbeitet ist. Man wird daher allerdings daran festhalten
müssen, dass diese Gräber, wie schon die Leichen bestattung zeigt mehr der neo-
lithischen, als der Bronzezeit angeboren.
Für die weitere Untersuchung möchte ich jedoch hinzufügen, das» gewisse
Arten der Tiefornamentik sich über die bezeichnete Zeit hinaus fortsetzen. Es
finden sich Analogien dazu, bis weit nach Süddeutschland über den Rhein, in der
1) In eineoi nachträglichen Bericht bezeichnet er sie als .zwei dünne ßronieblerbe nn
dvr linken Handwurzel, b bez, 5 ctn lang^ an den breiteslea Stellen wenig aber 1 tm breit,
an jeder Schmalseite einmal durchlocht, etwas gebogen, prrnn patinirt, aui Schnitt gol^elb,*
fiifftei 7 x;iii«L Ulli i«L xsflrlean- :3ii>m: ü -Bssrie^sL iJzee ssuL Idt
kxLlii VM'JUtX t-OM -JB. ^ItjOS. IBii W«««. T^^ugl I3ii «» IOC Ü
^ömm tut uaa "MUk Hcwcä^ln " >'ä V««. 12. ^. xi>i
Htt»X CHX SlOlSUT SJ: ^TsKTBL VyifiFtf X3>£ Kfl? 3ABL
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gTjmvn Fitt*«'- wi* b«ei dtü Ec&l Äk=ip-L»Tt. -ei^i^i^r. A^Ö€rers«£t» b^be iek
bä d*fi G^^iiaes t:« T*ix*r=iii* izti Fr:*t ti^^r t^ssiici-r» Art i-;ä EisHicheB
crwäkst. »ekt-e Li ksn<* Atts^Lci-^c iJji:*r*ii4i.i-»r 1^ i-a. mkz. Scri'-^kfcicfam la
okecsea üi. •>Ssc.rar si»«^ k-» gi*::' V » iz. i-sr A':t£:<£.t &£X^^«ke&i fcia. die
iakiTBCire&i« >{aESd< ':«sfr=r n fxir»r. A**:'.":i* ELüeii-? sitk^ü-K ziemläcb Tcr-
bratet za i«i:!^. So leL« xL ui dtr Z^:<^r::sff£g- wt^^ Hr. Li £ des sc b Bit tob
BUiic p^r.Vrn. vu döicL r,'/^.? rrS.":g asbi olzz. -:-:'V-<:>1 12 d^er B«»dreib«ag
BicLu daToc «rvinnt i<t.
Die i^krascirende Mi.s5« selis: La: si^^ ^i<rL^ w-:* id. ^ ^cicrsocbte oder
ixiiteiKKL<£ Ü«**- ü K&lk *rmi*s«r, w*::rc:*:rh nirLi £*r*ie u Kreide. Sc täad
icfc b« i^r Hz.itfv^itTizz d^r Tcp:or:LJia;*i^& t:- Hiiäarlik kryi^&IIiiiiscben W»^^
(AJttrojaiiiKh* Grib«r asd ScLü*!. Br-rlii l>*f. S. cÖ. Hr. Sehliemami. der,
eiüer weit Ter^Teitrt^s Ail=:cLi ioiz*zL li* Ma^vs« f^ T'*:-*rde hieh. bat mir nocb
besoBden eisen derutiz^:: S^Lert^a 1-* i*r il:»*:«- .Stiii* geschickt, aber aocb
hier erwies «ich die Masse al« Kalk. Eine aLz!:-±e Erfihmrz bah« ich aacb nctier-
lieh ao westrkelcischeni Material ee sucht.
In den Sammlangen tos W-irm« und D^rkheim liefen sehr sofaöoe Gefia»-
Scherben mit blenieci weisser Inkrustation der tief eingeschcirtenen OnxameBte.
Hr. Dr. Mehiis halte die Gate mir einen «..Ichen Sohert-?n (Holzscbn. 12^ za
äb-erlassen, der aus einem Crossen Graberfelde (Flach-
erah-er] rin Altsheim in der Pfalz herstammt. In
einrr neucri::b.e!: P-ilikatfon 'Studien zar ältesten
Gr*.:hich:e der Er.-riiiide. Lripiig 18*3. Abtb. VU
S. 17 Fig. 5; iit er rine Besohrr.tang und Abbildung
segeh-en. I:L hatte rin «pecieües Interesse daran,
gerade iiese Inknstation zu antersuchen, weil bei
.\lbshe:x reiche and TielfzoL a-jsget-eutete Lager tob
Kaolin (verwinertem Fel'i>pÄ:L; acstehec. Derselbe
wird in schneeweis*en Massen gewonnen und zeig;!,
wenn er ganz trocken ist und man ihn neben die
Scherben hält, dasselbe Ausseben, wie die InkmstB-
In Folge dessen bat sich die Meinung am Bhein Terbreitet, die lakruBtation
Holis-rhnit: 12.
tion.
(451)
sei eiogestricheoer KaoÜD. Ich habe die Masse durch meineo Sohn, Dr. Carl
Virchow, analysircn lassen und es hat sich herausgestellt, dass es kohlensaurer
Kalk ist. Keine Spur davon ist zu erkennen, dass Kaolin dabei verwendet wurde.
Kine aus der Sammlung der Pollichia in Dürkheim entnommene Probe des betrefiPen-
dcn Kaolins ist gänzlich verschieden. Gewiss ein recht charakteristisches Beispiel!
Nichts lag näher als die Vermuthung, dass die prähistorischen Leute von Albsheim
durch den Anblick des Kaolins zu der besonderen Technik, welche sie anwandten,
verleitet worden seien, und doch wird man sich, nachdem die Masse als Kalk er-
kannt ist, nicht bedenken dürfen, die Technik als eine importirte zu betrachten.
Hr. Kohl (Westdeutsche Zeitschr. f. Geschichte und Kunst II 2 S. 217) rechnet
das Gräberfeld von Albsheim der La Tene-Zeit zu. Ich möchte dies schon der
Bronzen wegen bezweifeln. Ohne hier in Einzelheiten einzugehen, will ich nur
erwähnen, dass ganz kurze, hinten breite Dolchmesser mit 2 Nietlochern, grosse
spiralförmige Armschienen und andere Bronzen von älterem Typus gefunden sind,
dass grosse Deckelschalen auf den Gefässen vorkommen, sowie dass es sich um
Skeletgräber handelt. Freilich darf nach den zahlreichen Bronzen geschlossen
werden, dass dieses Gräberfeld erheblich junger ist, als das am Hiukelstein bei
Monsheim, welches Hr. Linden seh mit (a. a. 0. Bd. II, Beilage zu Heft VII Taf. I
und Heft VIII Taf. I. Zeitschr. des Vereins zur F)rf. der rhein. Geschichte und
Alterthümer in Mainz 1868. Bd. III Heft 1 S. 1) so sorgfältig untersucht hat Hier
wurde keine Spur von Metall angetroffen, dagegen menschliche Skelette und zahl-
reiche Thongefasse mit höchst charakteristischen Tiefornamenten, unter denen sich
z. B. auch das cujavische Schild- oder Blattornament (Heft VII Taf. I Fig. 18)
wiederfindet, von den kugligen Boden, den tief sitzenden Knöpfen u. A. gar nicht
zu sprechen. Sicherlich darf man so verschiedene Funde, wie die von Albsheim
und Monsheim, trotz mancherlei Uebereinstimmung chronologisch nicht identificiren.
Aber was ich aus ihrer Aehnlichkeit schliessen möchte, das ist, dass die neolitbi-
sche Technik in die eigentliche Bronzezeit hineingetragen worden ist
und dass sie sich in der letzteren in einer gewissen Ausdehnung längere Zeit hin-
durch erhalten hat.
Dass etwas derartiges auch bei uns im Norden vorgekommen sein dürfte, dafür
spricht manche Reminiscenz, die uns in der Ornamentik späterer Perioden ent*
gegen tritt. Ich erinnere in dieser Beziehung speciell an die Gefässe, welche wir
bei Gelegenheit unserer Exkursion nach Tangermuude selbst aus der Erde heraus-
befördert haben und welche einem Gräberfclde mit Leichenbrand und zwar meiner
Meinung nach einem der La Tene-Zeit entnommen wurden. Ich habe in meinem
Bericht (Sitzung vom 21. Juli, Verh. S. 371 insbesondere S. 374 Holzschn. 3) schon
darauf aufmerksam gemacht, dass die dort vorkommenden dreieckigen Stichverzie-
rungen an die alten Formen erinnern, und ich will noch hinzufugen, dass auch
die (freilich nicht mehr durchbohrten) breiten, vorspringenden und einer Ansa
lunata ähnlichen Knöpfe (Gehre), sowie die Deckelschalen die alte Tradition wieder-
zuspiegeln scheinen. So lässt Hr. V. Gross, wie schon erwähnt, in den Pfahlbauten
der Schweiz das Schnurornament erst in der Debergangszeit zur Bronze erscheinen,
und die Tiefornamente mit weisser Inkrustation stehen bei ihm in der vollen Bronze-
zeit. Aber sicherlich blieben sie nicht bis zur La T^ne-Periode. In Dänemark
erscheinen genau dieselben Muster der Tiefornamentik, wie in der Altmark, in An-
halt und in Cujavien, in der reinen Steinzeit; man vergleiche nur die berühmten
Funde von Stege auf Möen und von Borreby bei Madsen (I. c. PI. 16 u. 17). Da-
gegen zeigt die dortige Bronzezeit nur noch spärliche Reminiscenzen (Madsen,
Bronsealderen I Taf. 41 — 43) und zwar mehr in der Form, als in der Ornamentik.
2Q*
(49?)
inJM
Solche Remiuiscenzen treffen wir aof der anderen Küste der Ostsee io Ponicrellen
uad Posen^ wo die Gesichts- und MfitJtenurDen nocb in der ßisenzett nach Por
uüd Verzierung in P,irallele gestellt werden können.
Wenn man also auch, wie ich thuu mochte, die Frage bejaht, ob nicht in der
That eio aus der Steinzeit heröbergekomraener Modus der Topferei sich bis tief in
die Bronzezeitn, ja selbst bis io die Eisenzeit erhalten habe, so wird man doch nicbt
umhin könucD, zuzugestehen, dass derselbe sich in den verschiedenen Gegenden
landschaftlich verschieden und eigenlhumlich entwickelt und io einzelnen Gogendeo
lange, in anderen dagegen nur sehr kurze Zeit erhalten hat Je länger er bestand,
nm so mehr neue Formen darf man neben ihm erwarten, und die Aufgabe de
prähistorischen Archäologie wird es sein, die Wege der Abweichungen und Ve
misch ungen im Einzelnen aufzusuchen. So, um auf ein schon einmal augesogeoc
ßeispiel noch einmal zurückzukommen, die alten Stucke tod Bissarük bieten offen*
bar Anklänge an die tjörd liehen Gräberfelder, welche uns beachäfligt haben. Die
Urnendeckel, die senkrecht durchbohrten Oehre, die rinnenformig durchlochtai|fl
Grife, nameDtlieb die weiss incrustirten Tiefornameote gewahren die bestinomteate^B
Tergleichungspunkte, Man vergleiche z.B. die Abbildungen des Hrn. SchliecnanD
(Ilias S. 2ltj Fig, 28—35, namentlich da» Sparrenornitmeot in Fig. 33) und die
colorirte Tafel VIU io meinen „Ali trojanischen Gräbern und SchädeJn**^ mit den
liier vorgelegten Zeichnungen, Trotzdem ist der Styl schon in der älleateo Stadt
ein auffällig verschiedener und er wird mji jeder folgenden Stufe mehr verschieden.
Wir können immer noch einzelne Parallelen auffinden, aber sie sind vereinzelt in
der Masse und das Ganze erscheint uns durchaus frenniartig. Wolheo wir aUo
wirkliche Beziehungen zwischen HtBsarljk und Norddeutschland aufsuchen, so wäre
dies ein wenig berechtigter Schritt, Es mag sein, dass einmal die Cultur, welche
die alttrojanische Technik beeinflusst hat, mit derjenigeo. welche die ßeigabeo un-
serer prähistorischen Skeletgräber beeinüusste, materiell zusammenhing, aber dlee
musste vor der Gründung der ältesten trojanischen Stadt stattgefunden haben. Denn
schon die ältesten Ansiedler brachten StylfornQen mit auf den Burgberg, welche io
dieser Besonderheit unseren neolithischen Vorfahren gänzlich fremd waren.
Man kann freilich in Frage stellen, ob überhaupt eine gemeinsame Quelle für
diese so weit auseinanderüegenden Culturkreise angenommen werden darf. Io der
That lässt sich auf diesem Gebiete jede Skep^sis begreifen. Hr. Harrisoo Wright
hat in einem kürzlich erschienenem Heftchen (A Memorandum-description of the
dner specimens of Indian earthenware pots in the collection of the Wyoming histor.
and geolog. socicty. Public-Nr. 4. 1883) eine Anzahl gut erhaltener prähistorischer
Töpfe aus Nordost-PenDsjlvanien beschriehen und abgebildet, darunter ausgezeich-
nete ^Becher**, Gefässe mit kugligem Boden und mit einer Tiefornamentik, io
welcher unter Anderem das Schnufornameut dorcb Eindrucke einer Fisch Wirbel-
säule ersetzt ist. Einige dieser Gefasse sind altenglischen erstaunlich ähnlich.
Man vergleiche z. B. das zwischen Felsen an den Wallenpaupack-Fällen gefundene
Gefäss mit breiter Randbordüre mit den Aschenurnen von Dorset und Derbyshire
bei Thurnam (l. c. p. 62). und doch wird schwerlieh jemand daraus folgern, dasA
dasselbe Muster io prähistorischer Zeit von einem Orte aus nach Pennsjlvanien und
nach England gebracht ist. Wir in der alten Welt setzen uns über solche Sorgen
leicht hinweg, und ich erkenne an, dass der Gedanke eines inneren Zusammen-
hangs unserer prähistorischen Culrurbewegung sich nicht so leicht zurückdrängen
lässt Aber wir sollten es lernen, uns davor zu hüten, jeden zufällig etwas ge-
nauer bekannten Culturheerd sofort als einen Mittelpunkt weithin ausstrmhleiider
KiDfiüsse zu betrachten, und auf ihn alles Mögliche zu (beziehen. Auch die L<M«ü-
(453)
eotwicklong hat ihre Bedeutunpi^ und ao jedem Orte können sich mehrere Cultur-
strömuDgen gekreuzt habeo. So hat, wie es mir scheint, der U ebergang von
der Stein- in die Metallzeit sich je nach den Gegenden sehr yerschieden
gestaltet, und dieselben Formen, die ao gewissen Orten ganz neolU
thiacli sind, werden an anderen Orten schon der Bronzezeit, an man-
chen sogar schon der Eisen-, ja selbst der La Tene-Zeit zugerechnet
werden müssen.
Auf ein hesonders interessantes Fund gebiet weide ich später noch einmal zu-
riick kommen, nehmlich auf das italienische^ namentlich das von Bologna^ wo das
Schnurornament neben höchst eigenthümüchen Mustern der Tiefornamentik unge-
wöhnlich lange persistirt hat.
(20) Hr. Wissmann bespricht die
In Innerafrika stattgehabten VÖlker^erscKjebungen und den Tanganyka-See.
Gestern erst von der Reise zurückgekehrt und beschäftigt mit der Ausrüstung
einer neuen Expedition, habe ich nicht Zeit gehabt, einen längeren Vortrag vor-
zubereiten. Ich werde daher zunächst einiges über die Verschiebung der centralnfrika-
nischen Volker, von der Westküste ausgehend bis an die Ostkuste, mittheilen, so-
weit es mir müglicb war, die Verhältnisse genauer kennen zu lernen.
Was zunächst die portugiesische Colonie Angola betrifft, die ich von Loanda
bis Sanza durchkreuzt habe, so ist hier wenig zu bemerken, da wegen der ausser-
ordentlichen Masse von Sklaven^ die in früheren Zeiten aus den verschiedensten
Theilen des Innern nach Angola gekommen «ind, ein besonderer Typus nicht mehr
zu erkennen ist Zwischen den Sklaven und Sklavinnen, die hier eingeführt sind,
hat eine vollständige Mischung aus allen Völkern und Stammen des centralen
Afrikas stattgefunden.
Die Farbe der sämmtHchen Volkerschaften von Loanda bis Zanzibar hinüber
ist eine ausserordentlich gleich massige und zwar diejenige, welche die Herren hei
meinem kleinen Knaben gesehen haben, den ich vor einiger Zeit zeigte: eine dunkle
chokoladenbraune Färbungj die nur wenig nach dem Helleren zu varürL Die drei
Leute, die ich aus der portugiesischen Colonie bis Zanzibar gebracht habe, sind in
keiner Gegend als fremdartig aufgefallen. Das ist ein Zeichen, dass der Typus im
Grossen und Ganzen ein gleich massiger ist. Allein gewisse, ganz auffallende Unter-
schiede treten zwischen diesen, sonst ziemlich gleich massig aussehenden Leuten um
so mehr hervor; das sind ganz besonders die Batua und der von Süden ein-
gewanderte Stamm der Watuta, nördlich von Uhha.
Verläßst man die portugiesische Colonie, ao trifft man zunächst auf die
Massongo, die meiner üeberzeugung nach seit langer Zeit an derselben Stelle
sitzen, dann auf die Minungo, die eine Mischung zu sein scheinen von den
Maasongo ähnlichen Volkern und Kalunda, welche letzteren, wie ich später
erwähnen werde, aus Anlass von Zwistigkeiten zum grossen Theil nach Westen
ausgew^andert sind. Ganz auffallend ist aber ein eigenartiger Typus bei den ßan-
gftla, am Rande des Gebirges Tala Mnngongo. Diese ßaugala sind das Erzeugniss
einer Mischung der Tupende, der früheren Besitzer dieser Länder, besonders des
ausserordentlich reichen Thaies Cassange, und eines Theiles der Kalunda. Vor
etwa lOU Jahren wanderten die drei Sohne des damaligen Muata Yanwo, des Herr-
schers des KalundareicheS) mit einem grossen Theil ihrer Anhanger nach Westen
aas. Einige blieben, wie schon erwähnt, bei den Minungo hängen; ein anderer
Theil blieb bei den Makosa. Diese Makosa sind jetzt noch tributpflichtig dem
(454)
Moata Yaowo. Der grosste Theii giog aber in das reiche Thal und überwältigte
die dort sitzeadeD Tupeode. Der grösste Theii der ietztereo wanderte aas und
wir haben diesen Theii bei Kikassa am Easai wiedergetroffen und zwar rein er-
halten^ noch mit denselben Namen und in genauer Kenntaiss der Vorgange ihrer
Geschichte. Der sitzen gebliebene Theii vermischte sich mit den Kalunda und es
entstand der Name Bangala. £s ist dies ein viel lebhafterer und höher stehender
Stamm, als die sonstige Eüstenbevölkerung; sie sind sehr intelligente Händler und
reisen ausserordentlich weit. £s sind dies dieselben Bangala, die vor 12 Jahren
die portugiesische Armee schlugen. Sie gehörten bis dahin zur portugiesischen
Colonie Angola und sind jetzt frei.
Es kommen dann östlich von den Makosa die Kioque, die von den meisten
Reisenden Eioko genannt werden. Ich glaube aber den Namen Eioque für diese
Völker aufrecht halten zu müssen. Sie haben ihren Sitz südlich von den Massongo
gehabt und sind seit langer Zeit in einer fortwährenden Wanderung nach Norden
begriffen. Diese Wanderung hängt zusammen mit ihrem Handel, der sich hauptsächlich
auf Elfenbein und Gummi erstreckt. Elfenbein ist in Westafrika schon ein recht
seltener Artikel geworden; der Gummi muss seine Stelle vertreten, er steht sehr hoch
im Preise. Die Gummiwälder nehmen nach dem Aequator zu an Reichthum zu. Die
Gewinnung des Gummis ist ein vollständiger Raubbau; ein rationelles Vorgehen
ist dabei nicht zu bemerken. In Folge davon verlassen die Eioque die Gegenden,
wenn sie ausgebeutet sind, und verziehen sich weiter nach Norden. Es mag dies
auch mit der Jagd zusammenhängen, denn wo die Eioque sich niederlassen, ist es,
als wenn der wilde Hund gejagt hat. Wo der Hyänenhund jagt, ist nämlich für lange
Zeit jede Art von Wild verschwunden und für den Jäger nichts zu machen. Den
Eioque dichten die Neger dieselben Eigenschaften an, weil sie ausserordentlich zähe
Jäger sind. Ein Eioque, der ein Wild angeschossen hat, marschirt Tage und Wochen
lang demselben nach. Auf diese Weise wird auch der grösste Theii der Elephanten
erlegt, die sie, wenn sie sie krank geschossen haben. Tage und Wochen lang nicht
verlassen, bis das betreffende Thier fällt.
Die Eioque stossen zunächst im Norden an das Ealundareich, das mächtige
Reich des Muata Yanwo, das sich vom Eoango bis über den Lualaba hinaus er-
streckt. Muene Pute Eassongo ist der westlichste seiner Uuterfursten, der übrigens
schon in Folge der grossen Entfernung eine etwas eigenmächtige Stellung einnimmt
und, wie Major v. Mechow erzählt, sich für ziemlich unabhängig hält. £s
kommen dann der Reihe nach viele andere Unterfürsten. Die Macht der Waffen
des Muata Yanwo ist gleich Null, seine Macht als Fetischero ersetzt dieselbe
vollständig. Ein Eaguata, ein Häuptling und Richter zugleich, wird vom Muata
Yanwo ausgeschickt mit dem Befehl: nimm dem und dem Fürsten den Kopf.
Er begiebt sich mit 3 — 4 Leuten, die seine Sachen tragen, auf die Reise, er-
scheint in der Hauptstadt des Fürsten und nimmt in vollständiger Ruhe und
unangefochten dem Fürsten den Eopf, ohne dass es Jemand einfällt, gegen
den Eaguata aufzutreten, aus Furcht vor den Folgen des mächtigen Zaubers des
Muata Yanwo. In Folge der massenhaften Sklavenjagden im Reiche der Ka-
lunda und der willkürlichen Art des Herrschens baut der Ealunda ausserordentlich
wenig; sowie man Ealuudaländer berührt, hat man mit Hunger zu kämpfen.
Die Ealunda sind grosse, schone, schlanke Leute, auffallend schlanker und
schöner gebaut, als die westlicheren Volker. Die Rauhheit ihrer Sprache, die
scharfen R-Laute und die Gutturaltone fallen auf; daraus erklärt es sich, dass die
zunächst nach Norden wohnenden Stämme Tuluba (Plural von Ealuba) heissen.
(455)
Dr. Bucboer, der sie von den Kaluuda neuneu hörte, schreibt Turruba. Die Tuloba
neDDea sich selbst auch, besoDders weiter ostlich, Haluba.
Man findet auf den Karten ein Volk l'ubinsch; dasselbe existirt nicht, son-
dern dies Wort ist die Hezeichnung für ein niedriger stehendes Volk, Wenn die
Tuluba von Tubinsch aprtcheo, so meinen sie Völker, die Kannibaleö sind, die in
ie;ar keinem Coanex mit dem weissen Mann und seinen SchätKca stehen u. s* w.
Es ist also eine verächtliche und sogar beleidigende Bezeichnung.
Am Kasat trafen wir die Tüpende, den grossten Theil der aos dem Cassange-
thale Ausgewanderten» Wir fanden hier auch mehrfach für Dörfer die Bezeich-
nnng Cassange.
Oestlich von Kasai beginnt ein anderes Völkergebiet, das der Baluba. Zu-
nächst wohnen nordlich die Tukete unter ihrem Fiirsten Kabao, in neuester Zeit
die letzte Elfenbeinstation. Während wir in Lubuku waren, war dieselbe besucht
von einem Portugiesen, dem bekannten Reisenden und Elfenbeinbündler Silva
Porto, der jetzt 72 Jahre alt ist. Wahrend wir nach Osten zogen, war er nach
Kaban gegangen. Nordöstlich und östlich von den Tukete wohnen die Bakuba.
Die l^aluba erzählen, daas nördlich Menschen vorkommen mit grossen Köpfen und
solche, die sich mit der in die Laug«* gezogenen Haut ihres Bauches ihre Scham
bedecken. Es ist eigentbümlich und interessant, dass das, was ich dort erfuhr,
dieselben Nachrichten sind, die Professor Bastian an der Westküste eingesogen
hat auf seinen Reisen bis San Salvador, Auch dort horte er von den Bakuba; nur
wurden sie Bakubi genannt Man sieht, dass selbst auf so grosse Entfernungen die
Erkundigungen ausserordentlich werthvolt sind.
Dann nördlich von diesen Dickköpfen wolinen nach der Erzählung Zwerge, von
denen die verschiedenaten Geschichten erzählt werden: sie seien behaart, bellteD
\%'ie Hunde, wohnten in den Bäumen, führten kleine Bogen mit vergifteten Pfeilen,
ihr Hausthier sei der Elephant, den sie wie Ziegen aufzögen^ und eine Masse ähn-
licher Geschichten.
Da hier zum ersten Mal von Zwergen die Rede ist und wirklich ein Volks-
stamra zu diesen Geschichten Veranlassung gegeben hat, da ferner wahrscheinlich
auch der Chimpanse oder Gorilla, von dem man nicht weiss, wie weit er sich nach
dem Innern und nach Siiden verbreitet, mit Veranlassung zu diesen Geschichten
gegeben hat, will ich die Völker erwähnen, die hier in Betracht kommen.
Stanley hörte am Lualabo von einem Zwergenvolk, dass er Watwa nennt,
und französische Missionare, die am Tanganyka gereist sind, erzählen ebenfalls von
Batwa* Ich traf die Batua zuerst am Lubi, nnd verfolgte sie bia zum Tanganyka.
Es war ein ganz eigenlhumlicher Eindruck, den «ie raachten: kleitie, schlecht ge-
baute, magere Leute niit wildem Aussehen, scheinbar dicken Köpfen und ab-
schreckendem Aeufisern* Sie nehmen eine ganz absonderliche Stellung unter den
andern Negern ein, nehmlich eine allgemein venichtete. Ein Neger, mag er beissen
wie er will, geht nie in die Wohnung eines Mutua, Der Mutua darf sich ihm
nicht nähern, er wird zurückgewieBen.
Die Batua stehen ausserordentlich tief in ihrer Industrie, sie haben nur höl-
zerne Waffen. Besitzen sie einmal eine eiserne Pfeilspitze, so haben sie sie er-
worben für ein Tliierfell. Sie kleiden sich nicht in die wirklich reichen schönen
Stoie aus dem Bast der Palma vinifera, sondern nur in Felle; sie haben keine
Hausthiere, nicht einmal Ziegen und Schweine, wie die anderen Neger, sondeni
nur ab und zu Huhner nnd allerdings auffallender Weise einen Hund, der unend-
lich viel höher steht, als der afrikanische Hund, wo ich ihn auch gesehen habe.
Nur die Batua fuhren diesen Hund und jagen mit ihm in Koppeln. Während sontit
(456)
der sfrikaaidche Hund weder, wie maa sonst sagt zum Locken noch zaen Hetzen
geeigoet ist, so zeigt der Jagdbuod der Batua etwas Rasse und Blut; er steht hoher, ist
kräftiger gebaut, sehniger und macht im Grossen einen sehr viel besseren Eiodruek.
Er wird cur zur Jagd gebraucht. F>te Batua sind grosse Jäger; ein Theil von ihnen
wohnt io kleincD Dorfero vertheüt, ein anderer zieht herum, jagend, und folgt, wie
ich glaube, dem Elephaoteo, der auch seiueo bedeutenden Wechsel hat und in be-
stimmten Zeiten lu die Savanne tritt^ wahrend er in anderen Zeiten gar nicht aus
dem Urwalde kommt. £s kultivtren diese Batua nichts, weder Kartoffeln, oooli
Mais, Hirse oder Tomaten; sie leben nur von Wurzeln und Früchten de^ Feldes
und der Savanne und hauptsächlich von der Jagd. Da diese selbstverständlich oft
nicht sehr ergiebig ist besonders in dem jogdarmen Centralafrika, so versebreo sie
auch Heuschrecken, Ratten u. A. Die Batua haben ihre eigene Sprache und ich
glaube, dass sie die älteste Bevölkerung sind, die überhaupt noch übrig ist in der
Gegend zwischen dem Lubi und dem Tanganyka, und dass die anderen Volker sie
erst unterdrückt und zum Theil verjagt haben. Zu dieser Ad nähme berechtigt
vielfach die üeberlieferung, die andere Neger haben.
So wissen die Völker, die wir von Easai fast bts zum Tauganyka wiedertreffen, die
Baiuba oder Mischungen der Batuba mit anderen Völkern, dass sie von Süden in dieae
Länder eingedrungen sind und einen schwächeren Stamm unterworfen haben. Rein
erhalten haben sieh die Balubavülker vom Sankua bis zum Lomami, während die
T uschilange Mischungen üi:'r Bajuba mit einem i^chwächeren, kleinen, vermicker*
ten Volksstamm sind, der sich tättowirt und io vieler Beziehung tiefer gestandeo hat.
Die Tuschilauge lassen sich gern Baiuba nennen. Sie sind schwächer gebaut und
schlanker als die Haluba. Geistig ist diese Mischung sehr günstig ausgefallen ; sie
stehen am höchsten von alJen Negern, die ich kennen gelernt habe. Es kenozeichuet
sich das in den Fragen, die sie einem vorlegen, und auch sonst in jeder Beziehung.
Die rein er halte neu Baiuba sind überall, wo man sie siehe, vierschrötig, starker,
kräftiger mit stärkerem Ünterkinn, und haben, wie Hr. Dr. Pogge in seinem Brief
bemerkt, ein etwas buldoggenartiges Aussehen^ wahrend die Gesiebter der Tuschilunge
durchgehend einen weichen Zug besitzen.
Die Tuschilange erzählen: Der grosse Muata Yanwo Kassongo hatte folgende
Söhne: Kassongo, Kanjika, Kaseuge und Kapuku Muluba. Diese Söhne schickte
der alte Kasson^^o in die Welt hinaus und sie eroberten sich ihre Länder. V^on
den Kapuku Muluba stammen die Baiuba ab; dieselben seien, so erzählen sie, ein-
gebrochen in diese Gegenden und hätten die kleineren Volker unterworfen. Letztere
seien schwache Leute gewesen, die am ganzen Leibe tättowirt waren, Sie hätten
sich mit ihnen vermischt und auch die Tat to wirung übernommen, denn die Tuachi-
lange tättowiren sich am ganzen Korper. Aufiallig ist es, dass der östlichste Theil
der Tuschilange immer mehr sich dem Typus der reinen Baiuba nähert, während
weiter westlich die Leute kleiner und schwächer werden und der Geäichtsausdruck
immer weicher wird. Es fiel das sowohl Pogge als mir auf.
Dann folgen die rein erhaltenen Baiuba* Zwischen Bie ist hier und da ein
anderer ^"olksreat eingemischt, so z* B* die Ngongo, der Volksstamm, dex den
Dr. Pogge auf seinem Rückmarsch überfallen und mit dem er ein ziemlicli
ernstes Gefecht gehabt hat. Dies ist ein Stamm, der sich uns gegenüber beim
Hinmarsch anders benahm als die reinen Baiuba.
Im Norden der Baiuba sitzen die Bakuba, welches ein ausserordenüich mach*
tiger Volks stamm sein muss, denn an den Grenzen war man fortwährend in Auf-
regung und Furcht vor ihrem Einfallen. Man sagt, sie gehorchen aUe dem mäch*
tigen König LuqueDgO| der etwas oMiich vom Moansangoma seine Hauptstadt bat.
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(457)
Von der Hauptstadt erzählt iriaii, sie sei in 7 Tagen nicht zu uragehen. Ich hoffe,
den Bakuba auf meiner nächsten Heise etwas näher zu treten, da ich nach Norden
gehen werde und me jedenfalls treffen muss. Auf der Karte sind hier grosse Dörfer
iferzeichnet, von d«nen ich früher gesprochen hahe.
In der irnmen^ bev5lkerteQ Gegendj in diesen Dörfern, deren jedes eine
Republik für sich ist, lebt eiugebtreut der Stamm der Bas sauge, der hervor-
ragend kriegerisch ist. Er wohnt in drei Feudalstaaten, die unter Zappu^ Zappu
Zapp und Mooa der Schrecken der ganzen bevölkerten Gegenden sind. Ich halte
die Bassange auch für Baluba, vieMeicliI für die am a!lerreinaten erhaltetienj wäh-
rend die anderen sich doch schon mit anderen Stämmen mehr oder weniger ver-
mischt haben. Sie haben ganz den Typus, von dem ich sagte, dass er den Baluba
eigen sei, das Vierschrötige und Eckige.
In ejgenthümlicber Weise traf ich hier auf 2 Gemeinden, die sich ßena
Lualaba und Beua Tanganyka nennen. Es war mir nicht möglich zu erfahren,
wie diese Namen, weit vom Strom und vom See ah, entstanden seien, denn die
Gemeinden wussten vom Tanganyka-See nichts; vom Lualaba wussten sie wohl^
konnten »ich aber nicht erklären, wie sie zu dem Namen gekommen seien.
Am Lomami setzen sich hier im SQden die Balubavölker weiter fort, während
man nach Norden zu schon in andere Bereiche kommt, zuwächst in Mischungen
mit anderen Völkerschaften uud zwar mit denen, die im Norden von Nyangwe
wobnen, mit den Wasongora, von de» neu Stanley uns den entsetss liehen DrwaJd
beschreibt. Die Waregga sah ich mehrfach in Nyangwe, wohin sie kommen, um
zu handeln. Sie haben einen eigenthunilichen Typu^. Ihr Gang isjt ganz anders,
er ist ein federnder, leichter und ausserordentlich muskulöser. Auch haben sie
eine ganz andere Art von Putz und andere Sitten. Hier beginnen aber schon
Mischungen; ausserdem, wo die Araber öuftreten, kommen wieder die von alJeu
Seiten herbeigeschleppten Sklaven dazu, die ein Herauserkeunen erschweren. Die
Bewohner de» Lualaba, welche direkt seine Ufer bewohnen und niemals weiter als
500 Ml in das Laud hineingehen, sind die Wagenia oder Waenya. Sie geben
weit nach Norden hinauf und in andere Volkerschaften hinein, weil sie sich als
Fischer Völker an dem Strande halten und in Folge dessen eine gewisse gesicherte
Stellung haben; denn ihre Rettung ist der tluss und sie sind die gewandteBten
Bootsleute, die ich in Afrika gesebeu habe.
Oestlich vom Lualaba herrschen die Mischungen vor mit den Waldvolkern.
Auf der Grenze zwischen Ubujwe und Manyema traf ich ein kleines Völk-
chen an, das sich Wasi Malungo nannte. Sie haben auch ibre ganz besondere
Eigenart, sie sind auffallend grösser, stärker und schöner^ als die Leute von Man-
yema. Ihre Dörfer sind in ganz vorzüglicher Weise befestigt mit 3 und 4 fachen
Pallisadengängen, auch innerhalb des Dorfes sind einzelne Abtbeilungen durch
Pallisaden abgeschieden. Sie waren sehr gut bewaffnet und machten einen sehr
ernsten und kriegerischen Eindruck, so daea meine ziemlich frechen Träger sieb s«hr
zusammennahmen.
Die Wabujwe, die gegen die Wasi Malungo sehr abfallen an Körpergrösse,
Auftreten und Aussehen, bewobnen dann die Länder bis zum Tanganyka. An der
WestkQste des Tanganyka finden sich die letzten Reste der Batua, der sogenannten
Zwergvölker. Ganz ei gen th um lieh war es, dass ich bei meinem Besuch des Lu-
kug% des Abflusses des Tanganyka^ auf ein Volk stiess, das sich Baluba nannte
und zwar auf derselben Breite^ wo ich die Baluba früher verlassen hatte. Es sind
die Bewohner von Drua oder Uruwa. Sie aiud Baluba dem Typus nach und er*
innern sehr an die Westvölker in ihrem Putz und ihren Sitten. Hier traf ich auch
(458)
einmal wieder dms lange nicht gehörte Wort Mnkelenge. eine Anrede, die so Tiei
bedeutet wie ^rerehrter Herr'. Auch bemerkte ich viele Eigenheiten, welche den
Ralaba eigen sind, so z. B. das massenhafte Anhäufen Ton Brennholx bei ihren
Hänsern.
Oestlich vom Tanganjka beginnt eine ganz andere Art der BeTolkeroDg. Ich
traf zuerst die Wabha. schlanke Gestalten, die Ton Süden in diese Länder ge-
kommen sind. Dann die Watuta, welche Tor 7 Jahren zuerst in diene Gegenden
eingebrochen sind. Das grosse Volk der Watuta wohnt weit im Süden. Von
ihnen hat sich ein kleiner Theil abgezweigt, ist in diese Gegenden eingebrochen
und hat sich in Uniamwesi niedergelassen. Der Mututa wird von den um wohnen-
den Völkern sehr gefürchtet, weil er ausserordentlich kriegerisch ist
Oestlich von ihnen wohnen die Waniamwesi. Was ich ans denen machen
soll, weiss ich nicht, denn es ist aus ihnen nicht herauszubekommen, Ton wo sie
gekommen sind. Dann kommen die Wagogo, die auch von Süden in diese Länder
vorgedrungen sind und ebenfalls an die Watuta erinnern.
Es folgen dann die Küstenvölker, von denen wenig zu sagen ist, weil hier
schon Mischungen stattgefunden haben. Es ist aber meine Route ziemlich genau
die Grenze der Somali Völker. In zweitägigen Einbrüchen fallen oft die Somali
in die Länder der Wagogo ein. Die Masai gehören zu den Somalivölkem.
Zanzibar selbst ist natürlich in Folge der bis dabin in Flor gewesenen Sklaverei
eine Karte von Sliscbungen sämmtlicher Völker der Ostküste und der Völker des
weiteren Innern, die vou den Arabern herausgeschleppt worden sind.
Ich will noch erwähnen, dass es mir aufgefallen ist, dass ich in Weatafirika
viel Albinos, in Centralafrika wenig und in Ostafrika nicht einen einzigen gefanden
habe. In Westafrika habe ich ausserordentlich viel Albinos, namentlich in der
Kolonie Angola, getroffen.
Oeber den Kannibalismus der Stämme ist es nicht leicht etwas zu sagen, weil
die Leute ausserordentlich schwer Einblicke gestatten. Man weiss niemals sicher,
ob das, was erzählt wird, auf Wahrheit beruht; jedenfalls erzahlt man aber Ton
Kannibalismus. Man hört immer die Redewendung: damals, als wir noch Menschen
assen. Meines Eracbtens sind die BalubaTÖlker alle Kannibalen, mehr oder weniger;
speciell unsere Freunde, bei denen wir so lange lagen, waren Kannibalen. Die
östlichen Baluba sind es noch, unsere Tuschilange sagten uns, sie hätten selbst
noch Menschenfleisch gefressen, erst seit 10 Jahren, mit der Einführung des Riamha,
habe das Menschenes^en aufgehört. Ganz besonders soll der Kannibalismus be-
trieben werden bei den Bassange, bei jenen sehr rein erhalteneu Baluba, die
zwischen den grösseren Dörfern sitzen und die wirklich die Plage jener Länder
siod. Während wir bei dem Fürsten waren, hatte gerade ein Krieg stattgefunden,
uod die Leute waren zurückgekehrt mit den Häuptern der Gefallenen und Er-
schlagenen auf den Speeren. Am anderen Tage sollte der König kommen und ans
begleiten, er erschien aber nicht und wir hörten des Nachts Geräusch und Trom-
meln in weiter Ferne, und erfuhren, dass in jener Gegend, nicht im Dorfe selbst,
das Fest abgehalten sei. Sie hatten dort die in den letzten Tagen Gefallenen ver-
zehrt. Man erzählte uns, dass das immer nur bei Nacht geschähe, niemals in den
Dörfern selbst Vom Menscbenessen sind ausgeschlossen die Kinder bis zu einem
gewissen Jahre und ausserdem die Weiber, die schon geboren habeo, sowie jedes
Weib bis zu einem bestimmten Alter. Wenn es feststeht, dass sie unfruchtbar ist,
hat sie Theil am Menschenessen. Bei den Wareggn, behauptet Stanley, auch
Beweise von Anthropophagie getrofifen zu haben. In Manyema sagte mir ein Mann:
„Bis vor kurzem haben wir auch Meuscheufleisch gegessen und zwar auch das von
(459)
deu an einer Krankheit Gestorbenen, nur haben wir, wenn Jemand an einer Krank-
heit gestorben ist, die aussersten Glieder der Finger und Zehen abgenommen, ein-
gesalzen, in Blätter gewickelt und ins Wasser geworfen, während wir den ganzen
anderen Körper gegesson haben.^ Durch das Einsalzen und Wegwerfen sollte erreicht
werden, dass die Krankheit nicht auf deu Essenden überging. Er erzählte weiter, dass
sie nicht die in ihren eigenen Dorfern Gestorbenen gegessen, sondern die Leichen
gewissermaassen ausgetauscht hätten. Die von einem fremden Dorfe herüber-
gekommene Leiche wird später wieder erstattet durch einen im Dorfe selbst Ge-
storbenen. Die Batua essen kein Meuschenfleisch. —
Ich wollte mir dann noch ein Paar Worte erlauben über den Tanganyka. Es
ist speciell der Abfluss des Tanganyka, über den die verschiedensten Gerüchte exi-
stiren seit Stanley, ich glaube, deu Schlüssel zur Aufklärung aller dieser sich
strikte entgegenstehenden Nachrichten gefunden zu haben. Zunächst will ich be-
merken, dass der Tanganyka-See ein Eiubruchsee ist; seine Ufer zeigen oft schräg
anstehende machtige Schichten in scharfen Brüchen, so dass, wenn man an seinen
Ufern entlang fährt, man die Ueberzeugung gewinnt von einem plötzlich und auf
vulkanischem Wege herbeibeführten Bruch der Schichten. Seine colossale Tiefe
spricht, so viel ich darüber gehört habe, für diese Annahme und ebenso spricht
dafür das Weitere, was ich noch erwähnen will.
Was seinen Abfluss betrifft, so wurde zunächst von Lieutenant Cameron
über denselben berichtet. Er fand, ähnlich wie Stanley, ein stagnirendes Wasser
am Lukuga-Creek, welches sehr sumpfig und jedenfalls kein Abfluss des Tanganyka
war. Es kam darauf später der Capitaiu Code Höre dorthin und fand einen
mächtigen Abfluss; ebenso der englische Reisende Thomson, und als ich hinein-
fuhr in die Oeffuung des Lukuga, mussten wir mit allen Rudern arbeiten, um an
iiand zu kommen und nicht weggefegt zu werden. Mit einer Stromgeschwindig-
keit von 1 m in der Sekunde jagt das Wasser des Tanganyka dem Lualaba zu.
Wie ist das nun zu erklären? Nur dadurch, dass der Tanganyka von der Zeit
Stanley 's bis zu mir so gestiegen ist, dass er sich jetzt einen Abfluss geöffnet
hat. Dieser Abfluss hat aber schon früher sehr lange existirt und der See in seinem
jetzigen Spiegel hat schon Jahrhunderte lang existirt. Man braucht nur an irgend
welche Stelle des Ufers zu gehen, um zu sehen, dass das jetzige Ufer nicht neu
ist. Die mächtigen Sanddünen gehen an einigen Stf^llen etwa 2 — 300 m in das
Land hinein. Die Schrift an den Felsen ufern des Tanganyka ist die langer Jahr-
hunderte. Es genügt das Auge eines Laien dazu, um das feststellen zu können.
Ebenso ist das Bett des Abflusses ein so markirtes und mit so starkem Geroll aus-
gestattetes, dass es kein neues sein kann. Sogleich, wenn man am Ausfluss
steht, sieht man eine mächtige Felswand, die von den Wassern des Lukuga abge-
spült ist, jedenfalls das Werk vieler Jahrhunderte. Also existirt hat der Lukuga
schon lange vorher. Wie ist das zu erklären? Die Erklärung giebt der dort statt-
findende Vulkanismus. Noch vor 25 Jahren hat aus dem Tanganyka ein Ausbruch
stattgefunden von Wasser, Schmutz und Steinen; Proben von einem solchen Aus-
bruch liegen heutzutage noch in London bei einer der Missionsdirektionen. Die-
selben sind von Griff ith, der die Station hierinne hatte, dorthin gesandt, nachdem
er sie von Arabern erworben hatte, welche das Ereigniss mitgemacht und von den
ausgeworfenen Massen mitgenommen hatten. Viele Araber beschreiben diesen Aus-
bruch und sowohl Capitain Höre als Thomsen und Griff ith haben noch Erd-
stösse erlebt, die sich fortsetzten bis nach Tabora, wo ich selbst verschiedene Erd-
stösse gefühlt habe. Auch schreibt Thomsen von einpm ausgebrochenen Krater
zwischen dem Tanganyka und Nyassa. Der Vulkanismus giebt die Erklärung meioec
(460)
MeiouDg nach in folgeoder Weise: Es hat an den öfern dieses Einbruchsee» abep-
uiaJs eiQ NacliStüri stattgeftinden, io irgend welcher Verlängeruog, sei es Dach
Nordeo, sei es nuch Südeo. Stanley sagt, es macbe den Ei&druck, als weoD es
fr&her zwei Seen gewesen seien. Es zieht sich eine untiefe qner durch den Tan*
gaojku. Mag es aun ein Naebsturz an den Ufern gewesen sein oder ein Nach-
stürz seines Bettes selbst, kurz und gut^ dieser Einsturz hat die Folge gehabt, dass
der Spiegel des Sees mächtig gesunken ist Mit dem Nachstur« des Wassers in
die neue Vertiefung ist der Abfluss seiner Funktion enthoben worden und die Masse
der kleinen Bäche, die in den Ltikuga munden, haben dort Pflanzen und Erdreich
zugefijhrt und das Bett ausgefüllc in der Länge der Zeit, so dass das Bett des alten
Lukuga endlich volbtäadig verschwunden war. Allmählich ist der See wieder
gestiegen und damals» als Stanley und Cameron dorthin gekommen sind, bis xu
der Höhe gelangt, dass er scheinbar an dem Ausfluss bin und her ebbte. Zwischen
Stanley und mir aber hat sich dann das überlaufende Wasser zuerst wieder
den Weg gebahnt. An dieser Stelle, der einzigen, wo ein Abfluss möglich ist,
bat sich zunächst eine kleine Riniif' gebildet; demnächst ist Alles wieder nach*
gerissen und das alte Bett des Lukuga wieder geößFnet worden. Es ist io Folge
dessen seit Stanley der Spiegel wieder etwas gefallen, bis jetzt nachweist^rerweiae
um 12 Fuss, selbstverständlich weil der Strom das Wasser abführte. Ob zu der
Zeit, ab ich da war, ein vullständiger Ausgleich der Wassermasse stattgefunden
hatte oder oh der Spiegel des Sees noch weiter fallen wird» weiss ich nicht; er kann
aber jedenfalls nicht mehr viel rallen^ da das Bett des Lukuga nicht tiefer werdea
kann und höchstens ein unterschied eintreten konnte hinsichtlich der Strom«
geschwind igkeit. Einige Kleinigkeiten sprechen für diese Annahme, z. ß. die Sylbe
Lu ist der Gegensatz eines Deminntivum und heisst etwas Grosses und Mächtiges.
Stanley und Cameron brachten schon zu der Zeit, wo der See hin und her
ebbte, den Namen Lukuga. Dann sprechen für solche eigeuthümHchen und plötz-
lichen, mit Vulkanen verbundeneu Vorgänge die Seefabeln, die Stanley erzählt,
und endlich wird man bei dieser Erklärung jedem einzelnen Beobachter gerecht.
So lauge also eine andere Erklärung nicht da ist, scheint mir dies die Aufklärung
der eigenthümlicheu, sich widersprechenden Berichte über den Abfluss des Sees
zu sein.
Inwiefern die Fauna im Tanganyka und Lualaba einen Beweis fljr meine Be-
hauptung liefert, kann ich nicht sagen, da ich Kenntnisse in dieser Beziehung Dicht
besitze. Jedenfalls gaben mir Griffith und Oapitain Höre, die ich an der Eusie
traf, vollständig Hecht, als ich ihnen die Sache so auseinandersetzte. —
Br. Bastian richtet warme Abschied sworte an den zu einer neuen, auf 3 Jahf«
berechneten Expedition nach Innerafrika sich rüstenden Herrn Vortragendeo.
(21) Eingegangene Schriften:
1. Journal of the Anihropological Institute of Great Brit&in and Ireland. Vol.
Nr. L
2. AI Frosdocimi, Le necropoli euganee ed uns tomba della Villa BeoTeoiiti
in Este, Gesch. d. Verf.
3. AI, Frosdocimi, Notizie delle necropoli euganee di Este. Roma 1882, Geaeli.
d. Verf,
4. F* V. Hochstetter, Die neuesten Gräberfunde von Watsch und St. Marg».
rethen in Krain und der Culturkreis der Hall^tädter Periode. Wien 1883^
Gesch, d. Verf.
Xl^V
(461)
5. Antiqvarisk Tidskrift for Sverige. Bd. 7, Heft 1—3.
6. Revue de Thistoire des religions. Tome VI, Nr. 6.
7. Amtliche Berichte aus den Königlichen Kunstsammlungen. Jahrg. IV, Nr. 3.
8. K. Wehse, Herrschaft, Burg und Ruine Karpenstein. Landeck 1883. Gesch.
d. Hrn. Virchow.
9. W. Arnold, Deutsche Urzeit. Gotha 1879, Gesch. d. Hrn. Virchow.
10. Neues Lausitzisches Magazin. Bd. 59, Heft L
11. W. Joest, Das Holontalo, Glossar und grammatische Skizze. Ein Beitrag zur
Kenntniss der Sprachen von Celebes. Berlin 1883. Gesch. d. Verf.
12. Annuaire de TAcademie rojale des sciences, des lettres et des beaux-arts de
Belgique. 1882. 1883.
13. Bulletins de TAcademie royale de Belgique. 3. serie, Tome I — V. Bruxelles
1881—1883.
14. Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Bd. X, Nr. 5, 6 und
Extranummer.
15. Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Bd. XVllI, Heft 2, 3.
16. Revue d'Ethnographie. Tome IL Nr. 3, 4.
17. Bulletins de la societ^ d* Anthropologie de Paris. Tome VI, Fase. 3.
18. Baltische Studien. Jahrgang 33. Stettin 1883.
19. Atti della R. Accademia dei Lincei. Vol. VII, Fase. 11, 12, 13, 14.
20. Deutsche geographische Blätter. Herausgegeben von der Geographischen Ge-
sellschaft zu Bremen. Bd. VI, Heft 3.
21. Anzeiger fQr Kunde der deutschen Vorzeit. 1883. Nr. 8, 9,10.
22. Mittheilungen der deutschen Gesellschaft für Natur und Völkerkunde Ostasiens.
Heft 29.
23. Antiqua, Unterhaltungsblatt für Freunde der Alterthumskunde. Zürich 1883.
Nr. 2—6.
24. Boletin de la Academia nacional de Ciencias en Cordoba, Republica Argentina.
Tomo V, Entrega 3.
25. Boletim da sociedade de Geographia de Lisboa. 3. serie Nr. 9, 11, 12; 4. Nr. 1.
26. W. Schwartz, Prähistorisch-anthropologische Studien. Berlin 1884. Gesch. d.
Verf.
27. 'W. Freih. von Tettau, D ebersichtliche Zusammenstellung der in Erfurt und
dessen Umgegend gefundenen vorgeschichtlichen Gegenstände. Gesch. d.
Verf.
28. Albrecht, Note sur la presence d'un rudiment de proatlas sur un exemplaire
de Hatteria punctata Gray. Gesch. d. Verf.
29. Albrecht, Note sur le basioccipital des batraciens anoures. Gesch. d. Verf.
30. Albrecht, Note sur un sixieme costoide cervical chez un jeuue Hippopotamus
amphibius L. Gesch. d. Verf.
31. AI brecht, Note sur une hemivert^bre gauche surnumeraire de Python Sebae
Dumeril. Gesch. d. Verf.
32. Albrecht, Memoire sur le basiotique, un nouvel os de la base du crane.
Bruxelles 1883. Gesch. d. Verf.
33. Albrecht, Sur le cranc remarquable d'une idiote de Maus. Bruxelles 1883.
Gesch. d. Verf.
34. Albrecht, Das os intermcdium tarsi der Säugethiere. Gesch. d. Verf.
35. Albrecht, Sur les 4 os intermaxillaires, le bec-de-li^vre et la valeor mor-
phologique des dents incisives superieures de Thomme. Broxelles 1883.
Gesch. d. Verf.
(462)
36. M. TOD Brandt, Sprache und Schrift der Chineseo. Breslma 1883. Gesch.
d. Verf.
37. VerhandloDgeD der permaDeDten Commission der Europaischen Gimdmesaung.
Berlin 1883. Gesch. d. Hrn. Virchow.
38. Verhandlungen des wissenschaftlichen Beiraths dos Kgl. Geodätischeo lostituU
zu Berlin im Jahre 1883. Gesch. d. Hrn. Virchow.
39. R. Schomburgk, Report on the progress and condition of the botanic garden
of Adelaide and govemment plantations during the year 18>S2. Adelaide
1833. Gesch. d. Verf.
40. Fr. Tappeiner. Studien zur Anthropologie Tin)Is und der Seite comiini.
Innsbruck 1883.
41. Ges. Lombroso, Gasparone. Torino 1882.
42. I J.ihresbericbt der geographischen Gesellschaft zu Greifswald. 1882 — 1683.
43. Will. E. Eyerette, Ethoological researches among the Tutütene Indiana of
Western Oregon. Msc. vom Verf. eingesandt
44. Mittheilungen der anthropologischen Gesellschaft in Wien. Hand XIII^ Heft 2.
45. R. Virchow, Oeber die Zeitbestimmung der italischen und deutschen Hau»-
urnen. Aus den Mittheil, der Kgl. Akademie der Wissenschaften, Mai 1883.
Gesch. d. Verf.
Sitzung vom 17. November 1S83.
Vorsitzender Hr. Virchow.
(1) Hr. Lindenschmit hat folgendes Schreiben, d. d. Mainz, 23. October, an
den Vorsitzenden gerichtet:
„Das gestern erhaltene Schreiben des Vorstandes der Berliner Gesellschaft för
Anthropologie, Ethnographie und Urgeschichte, in welchem derselbe mir die Ernen-
nung zum Ehrenmitgliedc kund giebt, hat mich überrascht und hoch erfreut. Ge-
nehmigen Sie meinen ergebensten Dank fijr diese mir gewährte Auszeichnung von
Seiten eines Vereins, der in dem umfassenden ßereichc seiner Aufgaben bereits so
Bedeutendes geleistet und so glücklich ist, sich der unvergleichlich vielseitigen
Thätigkeit seines verehrten Vorsitzenden in gleichem Maasse zu erfreuen wie seiner
Erfolge auf so manchem, bis jetzt nahezu unbetretenero Gebiete der Forschung.
„Wenn es mir nur vergönnt war, im Vergleiche mit einer so weitgreifenden
Wirksamkeit, auf mehr beschranktem Gebiete die Erfolge unbefangener Auffassung
anzubahnen, so linde ich die werthvollste Anerkennung meiner Bestrebungen in der
mir erwiesenen Ehre.* —
Die HHrn. Aeby und von Fellenberg in Bern sind zu correspoudirenden
Mitgliedern erwählt worden.
(2) Hr. A. B. Meyer sendet folgenden Nachruf für den verstorbenen S. C.
J. W. van Musschenbroek in Leiden:
Am 7. November verschied im Alter von 56 Jahren nach kurzem Krankenlager in
Leiden Mr. S. C. J. W. van Musschenbroek, gewesener niederländisch-indischer
Resident von Ternate und Manado, wissenschaftlichen Kreisen weithin über die
Grenzen seines Vaterlandes hinaus bekannt durch sein vielseitiges Wirken auf den
Gebieten der Geographie, der Sprachwissenschaft, der Ethnologie, Zoologie, Botanik
und allen mit diesen Disciplinen verwandten Bestrebungen. Viele Jahre als As-
sistent-Resident in Buitenzorg auf Java tbätig, wurde er 1873 nach Ternate, 1875
nach Manado auf Celebes als Resident versetzt und kehrte 1876 zu bleibendem
Aufenthalte nach Europa zurück. Nach Absolvirung seiner juridischen Studien
hatte er sich im Leidener Museum emsig mit Zoologie beschäftigt, in Buitenzorg
bot ihm der dortige berühmte botanische Garten Gelegenheit, seine Kenntnisse in
der Botanik zu vertiefen, und während seines langjährigen indischen Aufenthaltes
legte er grosse naturwissenschaftliche Sammlungen an, mit denen er die Museen
Europa' s, in erster Linie diejenigen Leiden's bereicherte, wie auch sein Verweilen
unter den Völkern des ostindischen Archipels dazu diente, seine Kenntnisse im
Sanscrit, Arabischen, Javanischen, Malaischen, Kawi und anderen Sprachen mehr zu
sehr umfassenden zu gestalten. Er Hess es sich ferner in ganz hervorragendem
Maasse angelegen sein, alle wissenschaftlichen Reisenden, welche den ostindiechen
Archipel besuchten und mit ihm in Berührung kamen, in jeder Weise durch seinen
werthvollen Rath und seine werkthätige Hülfe zu unterstützen, wodurch er sich die
weitesten Kreise zu hohem Danke verpflichtet hat. Seine Versetzung von Jaya
(464)
Dach Ternate geschah tod Seiten der niederländisch -indischen RegieroDg in der
Absicht, ihn an die Spitze einer grossen wissenschaftlichen Expedition oach Neo-
Guinea zu stellen, welche von dort ihren Ausgangspunct nehmen sollte, welche
jedoch in Folge des inzwischen ausgebrochenen Krieges mit Atjeh nicht zur Aus-
führung kam. Während seines dann folgenden Aufenthaltes auf Celebes sammelte
er die Daten zu seinen 2 schonen Karten vom Golf von Tomini und der Minahasfa,
welche 1878 und 1879 erschienen. Er hatte sich während seines Tieljährigen Auf-
enthaltes im Archipel die umfassendsten Kenntnisse erworben und schritt sofoit
nach seiner Ruckkehr nach Curnpa dazu, dieselben nutzbar zu machen. I>ie nieder-
ländische Regierung entsendete ihn 1878 zur internationalen Ausstellung nach
Paris, 1880 zur internationalen Fischerei- Ausstellung nach Berlin, 1881 zum inter-
nationalen geographischen Congress nach Venedig, und bei der in diesem Jahre
in Amsterdam Teranstalteten internationalen kolonialen Ausstellung gehörte er zu
den leitenden Persönlichkeiten. Noch wenige Tage vor seinem so plötzlich er-
folgten Tode wurde ihm die Direction des neu gegründeten kolonialen Museums
in Amsterdam übertragen, nachdem er seit seiner Rückkehr aus Indien einer
grossen Reihe von wissenschaftlichen Gesellschaften und gelehrten Instituten Hollands
und des Auslandes thätig nahe getreten war.
Die Wissenschaften verlieren in Tan Musschenbroek einen unermüdliGheB
Förderer und begeisterten Anhänger, mit dem eine Fülle noch unbehobenen Wissens
zu Grunde ging, sein Vaterland verlor einen seiner edelsten Patrioten, seine unter
den civilisirten Nationen der Erde verbreiteten Freunde betrauern einen treaen Ge-
nossen und Gönner, welcher stets bereit war, alle ernsten Bestrebungen zu lordem,
zu allem Guten und Schönen aufzumuntern und alle Leistungen ruckhaltlos und
gerecht anzuerkennen. An allen menschlichen Tugenden war er reich. Seinem An-
denken Ehre!
Verzeichniss der hauptsächlichsten Arbeiten von S. C. J. W. Tan Mus-
schenbroek:
1. Diss. jur. ing. de quaestione, num in venditione rerum immobilinm, majo-
ribos et minoribus aetatis competentium, auctoritate judicis opus sit. 1852.
8^ 31 pag.
'2. Verslag omtrent de afdeeling Ambarawa na de aardbevingen waargenomeo
in den Nacht v. 16. tot 17. Julij 1865. Nat. Tijdschr. v. Ned. Indie Vol.
XXIX 1867 pag. 1 — 27.
3. Cachelot- Vi^scherij in den Nederlandsch indischen Archipel. Getah-Pertja
van Celebes- Oostkust. 1877. 55 pag. ;T. ter bev. v. Nijverheid.)
4. lets over de inlandsche wijze van Eatoen verwen. ISl^.
5. Een bezoek aan de Friesche Wadden. 1S7S. 8^ 3c» pag. (Eigen haard.)
6. Kaart van de Minahassa. 1878. ,^J^^^
7. Aanteekening omtrent de Avifauna van Ters«:helling. Is79. (T. Ned. Dierk.
Ver. IV.:
^. Kaart met toelichting van de Bocht van Tomini of Gorontalo en aangrensende
Landen 1879 fol. und 4^ 18 pag.
9. Mededeelingen omtrent grondstoffen uit het oostlijk gedeelte van onzeo
indischen Archipel ISSO. S'. 67 pag.
10. Memoire offen au congref de geographie s'assemblant a Venise. IShl. S\
91 pag.
11. La Papouasie ou Nouvelie-Guin^e occidentale par M. le Cte )leyners
li'Estrey. 18sl. 8. ^ pag. (Ind. Gids.;
(465)
12. Hei Vaar water vao de schipbreukelingen vaü het stoomschip Koniog der
Nederianden. 1881. 8°. 2S pag, mit Karte.
13. Toepassiog van fotozinkografie op verreelvutdiging vao hydrografische
Kaarten. Tijdschr, Aardr. Gen, 1882, 132.
14. Over de afschafting TftD de octrooieo. Maatsch. v. Nijverheid. 1882.
15. Over de spoorwegverbiüdiog van dea Senegal met den Niger en de han-
delageroeenscliap met Timboektoe, ibid. 1882.
16. Over de verbetering, welke bjj de cartograpliie in den laatsten tijd waren
in toepassing gebracht ibid. 1882.
17. Dagboek van Dr. H. A. Bernsteines laatate Reis van Ternate naar Nienw-
Gninea. 1883. 8» 258 pag. mit Karte.
18. Catalogus der afdeeüng Nederlandscbe Kdonien van de Internationale
Koloniale en uitvoer-bande! tentoonstelÜEg te Amsterdam. 1883. Groep IL,
lOe Klasse: Middelen van bestaan. A. Jacht en VtsBcherij pag, 87 — 13 L
E. Boachproducten pag. 178—214. G, Nijverbeid pag. 227—272.
Der Vorsitzende erklärt, dass viele der Anveesenden, welche Hrn. van Mus-
achenbroek zur Zeit, ala er hier die Funktion des Kommissars der niederländi-
flchen Ptegierung auf der deutschen Fischerei-Ausstellung versah, kennen gelernt
haben, seine liebenswürdige Persönlichkeit und seine ausgedehnten Kenntnisse in
lebhafter Erinnerung halten. Mit tiefer Theilnahme werde man auch in Deutschliind
den Tod des trefflichen Mannes beklagen» der berufen schien, ein neue« Verbindungs-
glied zwischen Europa und dem fernen Osten zn bilden.
(3) Hr. Virchow berichtet über
ein mit Glyptodon-ftesten gefundenes menscliliclies Skelet aus der Pampa de la Flata.
Nach einer freundlichen Mittheilung des Hin, v. Martens ist augenblicklich
in Genua eine seltene Sammlung von Thier- und Menschenresten aus der argen-
tinischen Pampa ausgestellt, welche zum Verkauf angeboten wird. Dieselbe gehört
dem Hrn. Santiago Roth, einem seit läogerer Zeit dort angesiedelten Schweizer,
und umfasst nach dem uns vorliegenden Katalog {Fossiles de la Pampa. San Nicolas
1882) eine grosse Zahl der interessantesten paläontologiecheu Stücke. Nach seiner
Angabc fand Hr. Roth ein menschliches ökelet in der oberen Pampa- Formation bei
Pontimelo im Norden der Provina Buenos Äyres au einem sanft geneigten Abhänge,
etwa ^/j M, von dem Rio de Arrecifes, an einer durch den Regen zum Theil abge-
schwemmten und der Humusdecke beraubten Stelle. Der Schädel lag in gleicher
Hohe mit der Schale eines Glyptodon nach der Flnssseite zu, die übrigen Knochen
nach verschiedenen Richtungen zerstreut, ein Oberschenkel und das Becken aber
unter dem Schilde des Thieres. Der Schädel nebst Unterkiefer hatte eine verti-
kale Stellung, war aber von dem Atlas und Epistropheus um 1,50 m entfernt; unter
dem Unterkiefer ateckfee ein ^Instrument" aus Hirschhorn. Die Knochen der einen
Hand waren zusammen, die der anderen, sowie die der Füsse zerstreut. Eine
Muschelschale fand Hr. Roth persönlich im Becken; dicht dabei lagen kleine zer*
brocheae Knochen eines Edentaten^ von denen er annimmt, dass das Thier dem
Menschen als Nahrung gedient habe. Die Schale des GJyptodon war umgedreht, der
Rucken nach unten, die Rander aus der Erde herausstehend. Hr. Roth nimmt
an, dass der Todte nicht bestattet^ sondern nach und oacb mit Erde überweht sei,
wesshalb auch die zuerst bedeckten Theile sich besser erhalten hätten, als die längere
VffrhundL il«r Berl. Antbropol. QtäMtchzh taSS. 30
(466)
Zeit der Luft und dem Regen ausgesetzt gewesenen. Von der öbersendeteD Photo-
graphie des Schädels giebt der nachstehende Holzschnitt die Hauptumrisse.
Hr. Carl Vogt, der den Finder personlich kennt, hat schon früher in den Bullet
de la soc d'anthrop. de Paris Tom 20. October 1881 p. 693 einige weitere Mit-
theilnngen gemacht. Damach umfasst die von Hrn. Roth im Laufe yon 15 Jahren
explorirte Fläche einen Raum von etwa öOOOdMeil. längs des Parana, eine weite
wellige Ebene ohne jeden Fels, ohne Geroll und Sand, deren Humusdecke etwa
1 m stark, aber an den tieferen Stellen durch Wasser fortgeschwemmt ist. Die dar-
unter liegende, eigentliche Pampa-Formation, welche durchweg aus einer sehr feinen
thonig-sandigen Erde besteht, bat 2 Etagen: eine obere, lichtere yon 5 — 24 m
Mächtigkeit, in welcher die Reste von Glyptodon, Hoplophorus, Mylodon, Sceli-
dotherium, Dasjpus, Machaerodus, Equus curvidens und zahlreicher Wiederkäuer
eingeschlossen sind, und eine tiefere, 1 — 3 m dicke, von dunklerer Farbe, mit
Resten des Mastodon, Megatherium, Panochthus, Doedicurus und Taxodon. Beide
Etagen seien quaternär, aber niemals finden sich die Knochenreste derselben gemischt
Tor. Darunter folgt eine Thonschicht von unbekannter Tiefe, die Hr. Bur meist er
als marin ansieht, was Hr. Roth bestreitet. Das menschliche Gerippe lag in der
obersten Quaternäretage. Diese Schichten sind jedoch nach Hrn. Roth nicht ans
Wasser abgesetzt, sondern in ähnlicher Weise, wie es Hr. v. Richthofen für den
Loss in Centralasien annimmt, durch die combinirte Thätigkeit von Wind and
Wasser entstanden. Er fuhrt Beispiele dafür an, wie schnell noch jetzt die Gerippe
yon Thieren auf der Pampa bedeckt werden.
Hr. Vogt, der nur Photographien der Gegenstände gesehen hatte, erklärt, dass
er an der Hirsch hörn zacke kein Zeichen einer absichtlichen Bearbeitung bemerke,
dass jedoch Hr. Roth schon bei einer früheren Gelegenheit neben den Resten eines
Scelidotherium eine Feuersteiowaffe ausgegraben habe, die sich jetzt im Besitz des
Hrn. Pedro Pico in Buenos Ayres befinde. Eine spätere Bestattung unter dem
Schädel des Glyptodon sei übrigens nach Hrn. Roth ganz ausgeschlossen, da in
diesem Falle die ganze Schale erst weggenommen und nachher sorgfaltig hätte re-
ponirt werden müssen. Jedenfalls ist der Fall ein sehr bemerkenswerther und eine
genauere Beschreibung des Schädels wäre von besonderer Wichtigkeit. Nach der
Photographie zu urtheilen, ist derselbe kurz und hoch; seine ganze Erscheinung
bringt mir unwillkürlich die Schädel aus brasilianischen Sambaqui's in die Ejrinne-
rung, welche ich bei früheren Gelegenheiten in der Gesellschaft besprochen habe.
Der erste, den ich in der Sitzung vom 11. Mai 1872 (Verh. S. 189) vorlegte, stammte
von Dona Francisca: er erwies sich als hypsibrachjcephal. Der andere, von der
(467)
Insel San Amaro bei Santos, den ich iü der Sitzung Tom 10. Jpouar 1874 (Yerh.
S. b) erörterte, war orthobracbycephal. Ich liabe auch schoo darauf hinge wieseo,
dass die von Hrn. Strobel in den Paraderos von Patagooien gefundenen Schädel
gleicbfalJs brachycephal waren. Eine speciellere Analyse der Einzelheiten nach der
PhotogTapbie mochte leb nicht versuchen; es mag umsomebr genügen, auf diese
Analogien bingewiesen zu haben, de ich früher sehr eingebende Bescbreibnngen der
8 am baqui- Schädel geliefert habe.
Es ist aber dabei nicht zu übersehen, dass auch die Schädel der niodemen Paro-
peos sich in ihren YerhäJtnissen den hier besprochenen nähern. Ich habe darüber
in der Sitzung vom 11 März und 12, December 1874 (Verb. S. 60 und 261) aus-
fübrlicher berichtet, indem ich einige Schädel, welche ich der Vermittelung des
Hrn. Oldendorff verdankte, und einige in der Sammlnng Retzius in Stockbolm
befindliche bescbrieb. Dieselben sind ausnahmslos hypsibrachycephalj aber sie sind
auch stark verdächtig, ihre Gestalt zum Tb eil arteficieller Deformation zu verdanken.
Davon ist nun freilich in der Photographie des Hrn. Roth wenig zu bemerken, aber
eine Photographie ist ein wenig sicheres Beweis-Objekt. Immerhin ist der Abfall
am Hinterhaupt ein sehr steiler und die in der Photographie gegebene Norma
temporalis weicht von der meines einen Pampeo-Schädels nur um ein Geringes ab»
Ich möchte sagen, dass sie ungefähr die Mitte zwischen dem öambaqui-Scbädel von
Dona Francisca und dem eben erwähnten Pampeo-Schadel einnimmt. Indess eine
blosse Seitenansicht genügt nicht, um ein ausreichendes Ürtheil zu fällen; dazu
wäre mindestens noch eine Oberansicht nöthig.
Noch weit ungünstiger steht es mit der BeurtheiJung des Gesichts, welches
nach der Photographie nicht sehr hoch, aber stark prognath gewesen zu sein
scheint. Leider ist der Unterkiefer unzweifelhaft falsch angesetzt Aber auch
unsere Vergleichungsschädel sind in dieser Beziehung übel daran. Der Schädel
von S. Amaro bat überhaupt keine Gesichtsknochen und bei dem von Bona Fran-
cisca sind sie aus der Verbindung gelost. Scheinbar ist jedoch der Prognathismus
des letzteren Schädels ebenso gross, wenn nicht noch grosser, als der des photo-
graphirten, und nicht minder ist dies der Fall bei den moderneu Pampeos. Unter
diesen umständen muss ich darauf verzichten, die Frage des Alters des von Hrn,
Roth ausgegrabenen Schädels zu beantworten. Sind seine Fundangnben aber richtig,
was zu bezweifeln kein Grund vorliegt, so dürfte mit Sicherheit folgen, dass schon
diese älteste Bevölkerung brachycephal war. - —
Hr. N eh ring bemerkt im Änschiusse an das über den Pampa-Schädel gesagte,
dass er einen Menschen-Schädel aus den Sambaquis von Santos besitze, welcher
in der Th&t ebenfalls eine wesentliche Aehnlichkeit mit dem in Abbildung vor-
liegenden Schädel aufweise.
(4) Hr. Olshausen überreicbt einen von ihm und Fräulein Mestorf er-
statteten Bericht
über den Goldschmuck aus dem zweiten TIdeHnghoof auf Sylt
Im Kieler Museum befindet sich unter Nr* F. S. 7565 ein Goldschmuck aus
dem zweiten Tideringhoog von der Norderhaiile auf Sylt, durch Brn, Handelmann
ausgegraben und in seinen „Ausgrabungen auf Sjlt^ IL, Kiel 1882, S. 6 und 7
abgebildet und beschriebeo.
Hr. Handel mann sagt über diesen Gegenstand wörtlich Folgendes:
„Ein aus dünnem Goldblech zusammen gebogener Seh muck gegenständ^ welcher
30*
(468)
75 mm lang, in der Mitte 21 mm breit ist und an beiden Enden spitx xoläolt
Derselbe ist Teniert mit 3 erhabenen und mit erbabeoeo Punkten besetaten Streifen,
der mittlere breiter, die an den Seiten schmäler, welche in der Mitte der Länge
nach neben einander herlaufen; zwei ähnliche Streifen begleiten den oberen aod
den unteren Aussenrand. Diese Verzierung ist mit einer einfachen Punze von hinten
dorchgeschlagen. Ehe die Punze zur Anwendung kam und die Ränder des Gold-
blechs YoUig umgeb<^en wurden, war die Rückseite mit der obgedachten weissen
Kittmasse bestrichen. Die ganze Arbeit ist roh und ungeschickt; es steht aber
ausser Zweifel, dass eine Nachbildung von der verzierten Platte solcher bronzenen
Qewandnadela, wie sie im mittleren Erockhoog, im Nessenhoog vorkommen, beab-
sichtigt war**.
Das Titelblatt zu den „Ausgrabungen^ 11. giebt als , Gewandnadel ans Hügel
No. 15*^ eine Abbildung der bronzenen Nadel aus dem Krockhoog; die Abbildungen
der Vorder- und Rückseite des Goldblechs aus dem Tideringhoog gestatten den
Vergleich mit derselben. Der „weisse Kitt^ ist die durch einen von uns analysirte
Masse, welche aus reiner Zinnsäure besteht (VerhandL Berlin. Anthrop. Gea.
1883, S. 109 Nachtrag).
AnfEsllend bei obiger Darstellung Handelmann *s ist, dass die von der RQck*
seite angesetzte Punze indirect, nehmlich durch Vennittelung der weissen Mnaee,
gewirkt haben soll; ist diese Thatsache richtig, so muss der eine Belag an seiner
Anssenseite dasselbe Muster Tertieft zeigen, welches das Goldblech auf der Vorder-
seite erhaben enthält. Wie weit dies der Fall, werden wir sf^ter sehen, xonachat
wollen wir das bei der Punzirung gegenwärtig angewendete Verfahren nach den
gefiUligen Angaben des Hm. Hofgoldschmiedes Hugo Schaper zu Berlin achiidem.
Der betreffende Gegenstand wird mit der Rückseite auf eine Unterlage too
fiatt befestigt, das Muster dann auf die zu Terzierende Fläche des Metalls gezeichnet
und mit Punzen leicht eingeschlagen (gezogen). Entfernt man nun den Kitt Ton
der Rückseite, so zeigt diese das Muster schwach erhaben. Es wird darauf das
Metall auf der Vorderseite gekittet und die Stellen, welche Reliefhöhe haben sollen,
Ton der Rückseite her in den Kitt eingetrieben; dann wird wieder umgekittet und
die Vorderseite mit den Punzen bearbeitet, um das Muster in seiner Feinheit nnd
Vollendung herzustellen.
Die Kittunterlage dient im wesentlichen dazu, das betreffende Metallstück fest-
zuhalten : der Kitt muss eine gewisse Elasticität besitzen, darf weder zu weich noch
zu hart sein. Hr. Schaper giebt als übliche Mischung für denselben an: 30 Theile
gebrannten Gyps, 10 Theile Pech, 1 Theil Theer.
Es ist nun sofort klar, dass die Aussenseite der Kittmasse, welche bei der
letzten Bearbeitung mit dem Punzen die Rückseite des Blechs bedeckt, das Moster
dieses letzteren selbst durchaus nicht zeigen kann; nur die dem Goldblech an-
mittelbar aufliegende Innenseite des Pecbkuchens würde, wenn als Ganzes abgeho-
ben, das Muster darstellen und zwar en relief, wie die Vorderseite des Metalls;
hieraus ergiebt sich aber, dass wenn thatsächlicb der weisse Belag genau dasselbe
Muster Tertieft wieder giebt, das der Goldscbmuck erhaben zeigt, die Punze auch
wirklich nur Ton der Rückseite und dazu noch iodirect angesetzt sein kann, ein
ferneres Ausarbeiten oer Vorderseite aber unterblieben ist; dem würde dann der
Handel man n*sche Ausdruck: «die ganze Arbeit ist roh und ungeschickt' in ge-
wissem Sinne entsprechen.
Eine erneute UctersuchuDg des Goldschmuckes (ucter Zuziehung des Hm.
Goldschmiedes Hansen in Kiel] hat nun als zweifellos Folgendes ergeben:
Den Reliefknöpfchen auf den erhabenen Mittelrippen der Vorderseite der Gold-
(469)
platte eDtsprecheo genau die Tertlefteu PuDkte auf der Mitte der Rückseite des
weisBfln Belags, nur sind letztere schärfer und reiner ausgebildet, weil
direct durch die Punze eingedrückt. Die Laogsrippen selbst fehlen auf der Rück-
seite des Belags, sie waren al&o auf dem Golde vor her eingezogen; die Punzen-
arbeit zerfallt hiernach in einen directen und einen indirecten TbeiM),
Der Raud des Goldblechs ist saumartig über die weisse Einlage gebogen und
durch Aufsetzen der Punze festgedrückt, so dass hier das Goldblech selbst auf
der Äussenseite ebenfalls vertiefte Punktreihen zeigt; aber diese letzteren ent-
sprechen im allgemeinen nicht d^^n erhabenen Punkten auf den Langsrippen am
obern und untern Rande der Torderseite, die vielmehr, wie die Reliefknopfchen
der Mittelrippen, durch Eindrücke der Punse auf die weisse Masse her vor gebracht
sind; der Saum wurde also erst spater umgelegt^ und natur gemäss sind die ver-
tieften Punkte der weissen Einlage hier am Rande in der Regel nicht sichtbar, da
sie von dem Golclsaume bedeckt werden. An einer Stelle jedoch, wo auf der Vor-
derseite die Puuktreihe des Randes eine etwas abweichende Richtung nimmt, in-
dem sie sich mehr nach innen wendet, erscheinen die Vertiefungen neben dem
Goldsaume auf der weisseo Einlage.
Die Frage^ wie es möglich war, auf die schon vorhandenen erhabenen Rippen
die Punkte mit der erforderlichen Genauigkeit zu setzen, ohne dass man doch diese
Rippen sehen konnte, da sie ja mit der weissen Masse bedeckt waren, bereitet auf
den ersten Blick einige Schwierigkeit. Bedenkt man aber, dass die jetzt aus Zinn-
saure bestehende Einlage ursprünglich unzweifelhaft eine Zinnplatte gewesen ist
und zwar, wie der Augenschein lehrt, eine sehr dünne, so ist es höchst wahrschein-
lich, dass sich beim festen Andrücken des Goldes an das Zinn in letzteres die Rip-
pen abgedrückt haben, wenn auch nur leicht sichtbar, immerhin aber genügend,
um der Punze als Fuhrung zu dienen*
Hiergegen spricht nicht der Umstand, dass man jetzt auf dem Zinnbelag keine
Spur der Rippen wahrnehmen kann, denn die völlige Oxydation des MetaJIea zu
ZinnSÄure konnte die leichten Eindrücke verwischen.
Die Möglichkeit, mittelst der Punze auf dem Goldbleche durch Ueb ertra-
gung Eindrücke hervorzubringen, muss einerseits der Natur des Zinnes^ anderer-
seits der grossen Reinheit und entsprechenden Weichheit des Goldes antiker Schmuck-
sachen zugeschrieben werden; das Verfahren selbst darf man aber immerhin als
mangelhaft bezeichnen, da die Schärfe der Eindrücke auf der Goldplatte naturlich
verloren ging, Vermuthlich ist dem Künstler die Idee, die Goldplatte mit Relief-
knofpchen zu verzieren, erst gekommen, nachdem er Gold- und Zinnblech vorläufig
mit einander verbunden hatte; unerklärt bleibt es allerdings, warum er nicht lieber
diese Verbindung wieder gelost und dann die Verzierung vorgenommen hat
Da wir es bei dem Object aus dem Tiden nghoog mit einem goidplattirten
Zinnblech zu thun haben, so mag hier daran erinnert werden, dass von Sacken:
Grabfeld von HaHstatt, S. 119 einen Goldschmuck erwähnt, dessen Rückseite mit
einer Blei pl atte unterlegt ist-)^ und dass bronzene Armringe, Nadelknopfe u, d. g.
mit aufgestanztem Goldblech häufig vorkommen.
1) Hierbei ist zu bemerken, dass die AbbÜdunpr der Ruckseito auf S, 7 bei Handelmnnn
allerdjn^ die Längsrippen zeigt; sie ffiebt aber eben auch die Ruckseite der Gold platte selbst
und nicht die des Belag:^ wieder. Von letzterem sind nur geringe Reste «rbalten^ das meiste
noch an elüetu spitzen Ende uoter dem umgebogenen Rand.
2) Bei dieser Gelegenheit wollen wir bemerken^ daSs nach Mittbeilung des Orn. Scbaper
kleine nod dänne Gegenstaude bisweilen nicbt auf Kitt befestigt, sondern einfach mit einer
Bleiplatte unterlegt werden beim Panziren* Leider finden wir bei v, Sacken keine Angabe
über etwaige Verzierungen des Hallatatter Schmuckes und die Art ihrer Ausführung.
(470)
Was nun die Bedeutung des Schmuckes aus dem Tideringhoog anlangt, so kttt
schon Handelmaon die Goldplatte als eine NachahmuDg der Platten brooxeii«r
Gewandoadeln erkannt. Unzweifelhaft ist der Schmuck auch wirklieb ein TbeU
einer Spange nordischer Form, von welcher die Nadel, der Nndelhalter and die Axe,
um die sich die Nadel dreht, fehlen. Waren diese vermissteu Theile aus Gold^ so
würden sie wohl gefunden sein, sofern mau nicht varaussetzeu will, daae alte drei
Stücke schon vor dem Niederlegen ins Grab verloren gegangen. Es ist jedoch ao
beiden Enden des Objectes das Goldblech zu einer kleinen runden Rohre zusammen*
gelegt, und innerhalb dieser Röhren sieht man die weisse Einlage mit ebenfalls
rundlichem, wenn auch vielleicht etwas abgedachtem Querschnitt Dieser Umstand
lässt vermuthen, dass die Zinnplatte an jenen Stellen sich als Draht fortsetzte, der,
beiderseits tu einer Spiralscheibe aufgerollt, am eioen Ende die Drehaogsaxe, am
andern den Halter für die Nadel abgab; solche Spiralen konnten, weil sie im oxj-
dirten Zustaade überaus zerbrechlich und an Farbe wenig hervorstechend sein
mussten, allerdings wäbrend der Ausgrabung sehr leicht trots grosster Aufmerksam-
keit übersehen werden.
Die Spange hätte demnach ungefähr die Form gehabt, wie die bronzene bei
ündset; Etudes sur Tage de bronze de la Hongrie, 1, Taf, IV., 2 (ChristiaDia 1880)
abgebildete, gefunden zu Werder, Kreis Zauche-Belzig, Reg.-Bez, Potsdam, ond
aufbewahrt im Mark. Museum zu Berlin ^ oder besser vielleicht noch, wie die bei
Undset, p* 81, Fig. 10 wiedergegebene aus dem Schweriner Museum, gefundeo ju
Jürgenshagen bei 8chwaaD in Meklenburg (siehe auch Liudenschmit, Die Alter-
thümer unserer heidnischen Vorzeit, Bd. I. 9, Taf. 3, 3), Nur bestand bei unaerm
Exemplar der Körper aus Zinn, welches mit Gold plattirt war. Die eigentliche
Nadel der Fibel würde allerdings, wenn sie ebenfalls aus Zinn gefertigt war, nicht
sehr brauchbar gewesen sein, doch nicht so wenig, als man wohl glaube q mochte;
ein directer Versuch hat gezeigt, dass man mit einer Zionnadet sehr wohl Zeuge
durchbohren kauo, ohne dass sie sich biegt; auch erinnern wir an die Zinnoadel
aus dem Bagberg auf Amrum, welche der eine von uds beschrieben hat (YerhaodL
Berl antbrop. Ges. 1883, S. 87).
Dass nicht etwa die Goldblech röhr eben an den Eoden zufallig abgebrocben
sind und so vielleicht bestandene Vertäu gerno gen derselben, welche Nadelhattex
und Axe hätten abgeben können j verloreti gingen, ergiebt die Betrachtung mit der
Lupe, indem das Goldblech glatt abgeschnitten, nicht unregelmassig abgebrochen
erscheint. Hierdurch wird die Annahme einer zinnernen Spange noch gestützt-
im Kopenbageuer Museum befindet sich ein Goldblech ähnlicher Form, wie
das in Rede stehende ; Zinnunterlage enthält dasselbe jedoch nicht, so wenig wie
andere Goldbleche dieser reichen Sammlung, die vielmehr häufig Spuren von Bronze-
einlagen zeigen,
(5) Hr. Robert Ei sei zu Gera übereeadet mit einem Schreiben vom 5. No-
vember folgende Mittheilung iiber eine
Ausgrabung neolithlscher Hiigel bei NickelBdorf ynferu Crossen, Kreis Zeitz.
Nork schon will bemerkt haben, dass häufig je 7 Grabhügel eine Gruppe für
sich bildeten; wäre dies za bestätigen^ so konnte man vielleicht untersuchen, ob
solch ein Gebrauch Zusammenhang habe mit der uralten^ nicht erst christlichen
Legende von den Siebenschläfern oder mit den sieben Monaten des Jahres, welche
die Natur im Winterschlaf zubringt. Im Ee?ier ZS des Zeitzer Stiftsforstes (Sachaeti*
berg, Vogelheerd kuppe) liegen z. B. auf dijnnbewaldeter, wenige 100 Schritt im
(471)
UtnfaDge messender, idotirter Kuppe wirklich sieben Hügel uu regelmässig vertbeilt
beisammen, und da es mir ebeoBO wenig Zufafl schien, dass die Stiftsgreoze ju&t
diese Euppe umsäumte, als dass fast tille biesigcn Fuiide aus prähistomcber
Zeit just ao Landes- oder Flurgreuxen gemacht worden sind (einige hundert), so
ward mir, Dank insbesondere dem freundlichen EutgegeDkommeu der königlichen
Forstbehörden, Tergünnt, bisher 4 dieser Högel abzuheben.
Hügel 1 (40 Schritt Umfang, l^j^m hoch, oyal) zeigte zu otiterst duukeJgrau-
rothen Thon (ein Verwitterungsprötluct des unterliegenden Buntsandsteins), dann
messerrückenstark und nur iu der Hugelmitte Bobkuble, meist anhaftend an der
Unterseite der nächsten Schicht, Dämlich eines 1^2 Zoll mäcbtigen^ nuten noch bart-
gebrannteu, Äiegelrotbeu, oben dagegen griiugelblicben, ganz weichen Thons. Hierauf
Reste eines menschlichen Gerippes, sammtlich fest eiugeknetet in graurotben Tbon,
im Westen das aerbrochene Schädeldach, weiterhin einige Armknochen, mehr im
Osten aber, völlig regelrecht, die säramtlichen Bein- und Fussknochen; im Ganzen
ein Zahn nur, keine Rippe, kein Rückgrat, kein ßei'ken, keine Hände.
Am Kopfende uüd an der liuken Seite dieses wohl auf dem Rucken gelegenen
Leichnams waren längliche Sandstein platten so auf die schmale Kante gestellt, dass
sie sich als Reste zu erkennen gt*beu einer ehemaligen, etwa W jjt hohen Grab-
kammer; im Süden freilich, also rechts vom Gerippe, standen dergleichen Steine
nicht mehr aufrecht und im Osten fehlten sie, denn hier schien die Kammer über-
haupt offen gewesen zu sein. Während nehmlich der gelbe Thon ringsum genau
mit den erwähnten Ümfassungs st einen abscbloss, verbreiterte sich derselbe im Osten
unregelmassig noch um \'g m über die Grabkammer hinaus. Ohne Zweifel waren
es die faulenden Organismen, die innerhalb dieses ihres Bereichs den Orboden des-
oxydirteo, d. h. entfärbten.
Auch die Ret*te zweier junger Hunde, welche sich, zum Theil vermischt
mit den einzelneu menschlichen Fussknochen, liier am Ende der offenen Grab-
kammer vorfanden, mögen hier desojsydirend mitgewirkt haben. Ich hielt sie an-
fangs für Fuchsreste neueretj Datums, da deren ja auch Hr, Dr. Voss in den nahen
Braun shainer Gräbern als nicht selten erwähnt, — ein beiliegende» Vogelknücbelcben
bestärkte mich hierin; Hr. Prof. Dr. Liebe jedoch erkannte in ihnen eine Hunde-
rasse zwischen Spitz- und Windhund, letzterem naher stehend und ausgewachsen,
einen starken Fuchs noch um 50 pCt. an Grösse übertreffend, wonach (nach eben-
genanntem) unsere Thiere etwa zu vergleichen waren mit dem zweiten kleineren
Kjokkenmoddinger (der grössere gleicht dem Eskimohunde) und mit dem Canis
familiaris intermedius Woldrich*8, welcher letzteren abgespalten hat vom C. f. matris
optimae, als eine kleinere, dem Windhunde näher stehende Rasse zwischen dem
Bronze- und dem Torfhunde (C. t palustris). So interessant es nun ist, den offenen
Eingang zu einer Grabkammer bewacht zu Enden durch Hunde, die zu den Füssen
ihres Herrn liegen, so sehr ist zu beklagen, dass sich von dieser neolithischen
Rasse weder Schädel noch Zahn erhalten hat, nur ein Splitter des einen Schä-
dels kam zum Yorschein. Tödtete die Tbiere vielleicht ein Keulenschlag auf den
Kopf? Auch hier übrigens zeigt sich eine Berührung mit der Siebenschläferlegendej
denn auch jenen Sieben soll das alte Windsymbol (Windtiund, Windspiel), auch
diesen, sage ich, soll ein Hund als Wächter ihrer Grabhohle sich beigesellt haben,
der auch in mancher vogtländischen Sage (siehe mein Sagenbuch des Vogtlandes)
als mitbegraben gilt und zu Zeiten als wieder hervorbrechend auftritt. Ja, am
Eingange zum Schlosse Burgk fand man ein solches Windspiel eingeniauerL
Weiter im Hügel 1 fanden sich links und rechts vom Kopfe des Todten 3 zer-
brochene, jedocli wieder reataurirte Trinkbecher mit reichlichen Seh nur Verzierungen
(472)
Terschiedenen Musters (Fig. 1), in Form ond Grosse ganz den von ElapfleiBcli
beschriebeDeD äbnlicb, ebenso (oabe der linken Hand etwa) eine tod Klopfleisch
sogenannte Ampbara, gleicbfaih mit vielen Scbnureindruckeo QDd eodiicb eine
Äweite solche, deutlich zwischen den Oberschenkeln stehend (nicht reparabel). Ottne
die Anwesenheit der Schenkelknochen hätte man leicht in Versucbong koniiDCB
können, dieses so ziemlich die Mitte der Kammer einnehmende Gefass fte bestimait
zu erachten, etwa die Asche eines der Verbrannten in sich aufzunehmen, w*hraid
davon in Wirklichkeit keine Spur zu entdecken war, sondern eher ein Iiobi^s dann
enthalten gewesen sein mag, wie auch das links stehende grössere Gefass ehewohl
einen Trunk geborgen hat Auf den Imbiss komme ich dadurch, weil anhaftend
an den Scherben des Mittelgefasses einzelne unzweifelhafte Mäusereste sieb Daaden
und neben ihnen (nach Hrn, Prof, Liebe) ebensolche von Myoxus glis, dem nasch-
h&fteo Siebenschläfer
Der geachilderten Grabkammer wurden noch mehrere Stücke gescbliffenen
Steingeräths entnommen, rechts zur Hand gelegen ein echön durchlochter Serpentio*
% der natüilicben Grösse.
Va der natürlichen Grosse
ha mm er (Fig. 2). zwei dergleichen grössere und eine kleinere Axt (Fig. 3), endlich
ein nnr geschlagenes, langes zweischneidiges Feuersteinmesser (Fig. 4), -* samint-
lieh scheinbar noch völlig unbenutzt.
Vereinzelt am Kopfe lag der Metacarpus eines Rindes, vielJeicht von einer
Leiciienmahlzeit her, obschon deren sonstige Spuren hier fehlen würden; möglich
also auch, dass es mit diesem wohl erhaltenen Knochen eine andere Bewandtniss
hatte. Schon zweimal nehmlich sind mir im Vogtlande die Insassen alter Heiden-
hügel bezeichnet worden als „ein Herr von Kuhbein** (oder von Rindsfoot) und ein
übel (d. h. blitz) riechendes Kuhbein wurde dort angeblich solchen als Lohn ge--
spendet, die dem alten Herrn eine musikalische Ovation dargebracht hätten. Nun
der Knochen ist ja ein Blitzsymbol, desshalb wandelte sich auch, zu Haus ange«
kommen, der Uebelriechende in pures Gold; ein Blitzsymbol aber in einer Grab-
I
(473)
kammer konate wohl Dur die BestimmuDg huben, die Dämaneu zu scheucheD, die
etwa deo Scblummer dea TodteD stören möchten.
Diejenigen Thonlagen, die das Innere der Grabkammer füllten, Hessen sich in
allen 4 Hügeln ungleich leichter bearbeiten und waren ungleich lockerer geschichtet,
als das über der Kammer liegende gleiche Material, obwohl man eher das Gegen-
theil hätte erwarten können, weil die tieferen Schichten offenbar erhöhtem Drucke
ausgesetzt waren. Ich muss daher annehtnen^ dasa die Kammern ursprünglich hohl
waren und erst durch Nacbeturz sich füllten; so erklärt sich auch, mir scheint un-
gezwungen, daes die Torgefundene Desoxydation der rotben Thone iraraer nur auf
die unterste dünne Schicht der Grabkammer beschränkt blieh, d. h, auf die ur-
sprüngliche Unterlage des einstigen Leichnams, nicht aber auf solchen Thon eich
erstreckt hat, von welchem die Knochen selbst unmittelbar umhüllt lagen; denn,
war diese Umhüllung eine erst nach dem Nachrutacheo der Decke eingetretene, so
4
7a natürlicher Gros«e. Natürliche Grosse,
traf sie »war die Knochen noch an, nicht aber mehr die desoxydirenden Fleisch-
theil e. Auch die scheinbar ganz widersinnige Erhaltung ziemlich zarter Knochen
— gegenüber dem Verschwinden fast aller Zahne — kann am ehesten solch ein un-
regelmässiger, allmählicher Nachsturz verschuldet haben; flelbstverstfindlich blieben
just nur diejenigen Theile erhalten, welche vom fallenden Thou gegen Feuchtigkeits*
durchzug genügend geschützt wurden. Das aber^ was den Nachaturz der Decke in
den Nickelsdotfer Gräbern eine Zeit lang hintan hielt, können keine über die Gräber
gelegten meterlangen Steine gewesen sein, — solche fanden sich weder in den Grä-
bern, noch finden sie sich in deren Umgebung; auch Steinsetzungen nicht, denn in
zweien der Graber fehlen Steine fast ganz; eher möchte man an Aesle denken, die
in der Breite der Graber Yon reichlich 1 m noch am leichtesten zu schaffen und ein-
fach Dur quer über zu legen waren. Dann mufiste ein Grab, welches eine schwerere
Decke hatte^ als die anderen^ wie 2. ß. Grab 1 (mit einigen 50 Gentnern von über
(474)
V« Stande weit henugeschafiter Platten) auch zuerst znsammeDbrecheo , hier
miisste weiter auch die ThoonmhüIIaDg am frd besten eintreten, nnd konnten 0oaiit
Knochen hier erhalten werden, während die Knochen der übrigen Gr&ber der Ab-
sorbining bereits erlegen sein konnten, ehe auch dort die Holzdecke nachgab. Der
Befund der Gräber 1 — 4 scheint diesen Vorgängen zu entsprechen. Dass das
Herzuschaffen so vieler Steine über die Grabkammer eine längere Zeit beansprachte,
ist einleuchtend; ehe dem Grabe der vorgefundene schützende Thonmantel angelegt
war, blieb dann für kleine Thiere, für Mäuse, Siebenschläfer u. a. die Circulatioii
noch eine gewisse Zeit eine offene, jedenfalls der nächtige Zutritt zu dem oben er-
wfihnten Speisegefass, bei dem diese Thiere schliesslich überrascht and so anch
mit begraben worden sind. Den Myoxus seines deutschen Namens willen als hier
absichtlich mit begraben hinzustellen, wage ich nicht
Die dem Stein hügel gegebene Thondecke belegte man schliesslich, dem Dache
einer Sennhütte ähnlich, mit grösseren Sandsteinplatten, deren einzelne nur durch
je 2 Mann zu heben waren, und hier erst scheinen auf diesem Hügel Opfer- o. dgl.
Gebriluche begonnen zu haben. Zwischen jenen Steinen nehm lieh lagen bis herab
zu der Umgebung des Hügels yereinzelt winzige Knochensplitter mit Brandsporen,
ganz kleine Knochenpartikelchen und vereinzelte Scherben verschiedenartiger Ge-
fSsse. Die Masse der letzteren gleicht der aller anderen hier gefundenen, nicht
aber die Form; diese ist zwar meist nicht mehr nachweisbar (nur ein reich mit
Schnnreindrücken Tersehener Krug war darunter), doch keinesfalls identisch mit
der für die Grabkammem, wie es scheint, allein üblichen Becher- und Amphoren-
form. Ein Boden, am Rand durch Zickzack verziert, hat z. B. nur 2 — 3 cm Dorch-
messer u. s. w.
Nicht ohne Interesse sind die erwähnten Dachsteine selbst; sicher hat man
ihnen z. B. solche Exemplare mit Absicht beigesellt, die Dank der Verwitterong
etwas absonderliche Gestaltung annahmen, so insbesondere zwei fast runde keulen-
förmige Stücke Yon V« — Vs ^ Länge. Ja die stellenweise schon ziemlich mürben
Platten zeigen in erwünschtester Deutlichkeit Dinge eingegraben, welche die Auf-
merksamkeit der anthropologischen Gesellschaft schon länger beschäftigten, nehm-
lieh YoUkommen regelrechte sogenannte
Näpfchen und Rillen,
letztere an 6 — 8, erstere in 2' , Exemplaren (nahe beisammen, 3 cm Durchmesser,
1 7« — 2 cm tief, ehedem glatt, weil staubig, jetzt rauher anzufühlen), allerdings nur
an einer Platte (Fig. 5). Kaum Zufall kann es sein, dass just eben diese Platte
inmitten des Hügels auf der höchsten Stelle desselben zu liegen kam und wiederum
Zufall auch nicht, dass das einzige grössere Stein-
5 geräth, welches sich ausserhalb einer Grabkammer
dort vorfand, — nehmlich ein Serpentinkeil mit zahl-
reichen rothen Pyropen darin — just quer über jene
Platte gelegt war, mit den erwähnten Näpfchen. Weit
eher scheint da eine Analogie Yorzuliegen sa dem-
jenigen holsteinischen Brauche, dessen Frl. Mestorf
gedacht hat: wie bei Nickelsdorf gräbt man nehm-
lich dort zuweilen noch Näpfchen in Grabsteine, um
allerlei Kleinigkeiten hinzu- (dort mehr hinein-) an-
legen, welche bestimmt sind, solchen Dämonen als Spielzeug zu dienen, die etwa
kommen möchten, die Ruhe dieses Grabes zu beeinträchtigen. Derselbe Gedanke
mithin, wie oben bei dem Metacarpus des Rindes. Adler berichtete schon 1837,
wie in den Ranisser La Tene-Gräbem ebenfalls irdene Näpfchen (sogenannte Zwerg-
(475)
6
(77)
Däpfe^ voD der ungefähreii Grosse der unsrigen) mit rotlieo TboDkugelo bei den
Todten vorgefuDdei wurden; auch diese afiFenbaren Blitzsymbole sollten dem Todten
wobl zur Wehr dieneu. (Bälle oder Kugeln in eine Dülle [ein Näpfcheuj lÜEein zji
practiciren^ ist Aufgabe eines hiesigen Kinderspiels.)
Das auch in einem neolitbiscben Grabe scbon beobachtete Zusammen vor-
komoaen von Näpfchen und Rillen ist schwerlich ein Zufall nur. Die vorliegenden
Rillen (Pig. 6} siod 8—20 cm lang, 1 — 5 breil und in der Tiefe rasch zunehmend
bis zu 5 und mehr Centiraeter, Die grosste Breite
und Tiefe endet immer am mürberen Rande der
Platten; wo die Rillen dagegen den Rand nicht er-
reichen, keilen sie sich beiderseits aus. Wer die
Verwitterungaerscheinungen unseres Buntaaodsteins
kennt, kann hier an Verwitterung nicht denken,
auch an Eiseindrucke nicht, denn nicht selten
schneiden sich die Rillen (ohne gegenseitige Be-
rübrung) io ihrer Richtung rechtwinklig. Stein-
geräth zwar scheint sie erzeugt zu haben; dasselbe
aber auf solche Weise etwa ku echleifen» kann
schwerlich die Absicht gewesen sein, denn die
daau besonders erwählten mürberen Partien waren
die am wenigsten dazu geeigneten. Spreng versuche
aber und die oft citirten sagen baften Blutrinnen
baben keinerlei Sinn an dünnen Platten e, Tb. von
kaum 7» ?^'* Fläche.
Hätte man dagegen etwa zur Steinzeit schon
um deswillen Rillen ausgehoblt, wie Näpfchen, um, wie es von der Neuzeit be-
kannt ist, durch den so gewonnenen Grabstein staub zu gesunden, und wäre da-
mit die christlich-mittelulterlicbe Legende in Verbindung zu bringpu, dass es immer-
dar das Grab des Gerechten sei, welcbes heilkräftig und Wunder zn wirken im
Stande ist, so wäre der Anforderung, den Nickelsdorf er Tb atbe stand io Connex zu
bringen mit z. Th, noch geübtem Gebrauche, so ziemlich enfsprochen. Grabsteiu-
pulver j,vor den Kropf empfiehlt eine mir vorliegende Handschrift noch im Jahre
1802; ebenso erzählt mir Hr. Architect Adler iti Gera, dass seine Maurer gern,
^weil es gesund sei," die fettigen Tbonlameilen essen, die sich im hiesigen und
Nickelsdorfer Buntsandsstein finden und Ificht ablosen. Im Mittelalter aber ßpiehen
solche Bolusbissen, besonders von der Insel Lemnos, bebannthch eine so grosse
Rolle in der Mediciu, dass sie kaum zu bezahlen waren und dessbalb viele Magi-
strate solcbe ^Lemnische Bissen" selbst formiren, mit dem Stadtwappen versehen
und als Medicin verkaufen liessen, indem sie auch diesem heimischen Producte Heil-
krafle beimassen* Ja noch jetzt nennen die Kinder in Gera den Bolus, den sie in
Zecbstein- und Buntsandklüften antreffen^ ,^ Esserde'' und verzebren ihn auch nicht
selten noch. Mit einem Worte, sicher ist, dass sich durch Jahrtausende die ein-
facheren Gebräuche selbst fast unverändert zu erhalten vermochten, äusserst selten
aber das Vollbewusstsein ibres Zweckes, Drum zu verschiedenen Zeiten und oft am
nämlichen Orte die heterogensten Deutungsversuchel Bei Langenberg z. B», unfern
Gera, wusste man schon seit Jabrhunderten nicht oiehr, warum man einen sogenannten
Froh n tanz tanzte (gegen 50 Brochuren des vorigen Säculums mühen sich vergebens,
seinen Ursprung zu erforschen), man tanzte ihn aber gleichwohl „bei Strafe** fort,
auch zwecklos, — und zwar bis in unser Jahrhundert
versteckt erotischer, wahrscheinlich aus der Heidenzeit
herein 1 Ebenso dient ein
stammender Zauberspruch
(476)
^
\
bieroris aU „KiDdenreim'*. Ein Brauch also, dem Rindesatter der MenBchbeit ent-
sprungen, bat sich schliesslich auch hi#*r völlig abgelöst von aeinem ursprünglicbeu
Zwecke und sich gchliesslich, gleichwie bei deo Näpfen uad der Esserde, zu der
immer noch treu nacbahmenden Kinderwelt zu rück geflüchtet.
Zum Hügel ztiruckkehreod, sei bemerkt, dass unter den aufgewalzten oder ge-
worfenen Steineu auch Elstergeachiebe sich befanden und üben im Hügel 4 ebcDÄO
auch ein Stiick Grauwacke aus zweistündiger Entft^rnung, Wäre nicht rings am
unsere HiJgel fast nur Bunt^andstein anstehend, vielleicht hatte ich auch hier ein
Cabioet weit zugetragener Opfersteine nachzuweisen vermocht, wie mir dies be-
züglicb einiger Hügel der sich anschliessenden Bronzezeit nahe Muhladorf bei
Gera geglückt ist (Verhandlungen des Vogtland, alterth. Vereins Nr, 52/53 S. 71).
Was einige obenauf gefundene formlose Feuersteine betriflftj so konnte man diese
als Feuer* d, i. als Blitzträger auffassen und sie somit ebenfalls den den Högel
schützenden Dingen beizahlen. Den geringen Humus, der schliesalicb alle Hügel r
deckte, lieferte ihnen der Wald, welcher zu jener Zeit, als Gräber hier errichtet ■
wurden, die weite herrliche Aussicht in die Elsteraue wahrscheinlich noch oichl
hemmte. —
Hügel 2 {oval, l'/i"* hoch» 50 Schritt umfang). Noch ^/itn tiefer als der gc- M
wachsene Boden, in diesen selbst also gelegt, befand sich die Grabkammer und ™
zwar im Tiefsten ungefähr auf 1 ^/^ qm belegt mit eng zusammengescbobeoen flachen
Sandsteinplatten, über denen derselbe grauHchgeJbe Thon sich fand, wie unter dem
Leichnam im Hügel 1, doch ohne sonstige Spur mehr des Gerippes, desgleichen _
ohne Steinumfassung. Die (restaurirte) gewöhnliche schnurverzierte Amphora (Fig. 7) I
stand im Norden, eine andere nahe der
7, Mitte und an diese gelehnt ein ganz klei*
nes Kännchen, beide letztere ohne Ver-
zierungen. Die sonstige Ausstattung: ein
flchön geschliffener Serpentiokeil (im Sü-
den) und zwischen den Scherben der gröss-
ten Amphora ein fast runder kleiner Be-
lemniteo- (Teufelsfioger-) ähnlicher „Don-
nerkeil", jedoch nicht; spitz, wie jene, son-
dern mit einer noch zollbreiten scharfen
Schneide. Den hier fehlenden Becher mochte H
eventuell ein Frauengrab missen, wofür
sich jenes zum Trinken untaugliche Känn-
chen eingestellt zu haben scheint, -~~ I
vielleicht ein ToüettengefaBS^ Zweifelsohne
deckten auch hier Aeste die Kammer;
gleich über ihnen, bez. über der aus der
Kammer gewonnenen und wieder aufge- ^
schütteten Thonmasse stellen sich dann hier ■
und in den folgenden •) beiden Gräbern die C^pferspuren ein: kleine Aacbenlageo,
einzelne Kohlen, seltene Knochelchen, wenig Feuersteine und Scherben, die wiederum
mit der nachgebenden Decke locker binabtielen in den hohlen Grabraum. Doch
Hessen sich die Trümmer der hierdurch geschadigten Grabgefasse jederzeit sehr
wohl unterscheiden von den nun daneben liegenden Scherben der Opfergefasse^
denn während jene noch so beisammen lagen, wie sie die stürzende Decke ein*
hüllte, vereinzelte sich das mit der Decke z, Tb. herabgekommeue Opfergeräth nur
noch mehr und das wenige etwa zusammenpassende lag oft weit von einander ent-
¥'V
nalürlicher Grösse.
I
(477)
fernt. Regelrechte kleinere Aschenkgen verblieben, theils aDStehend, io der Decke,
wabreod abgerissene Stücke bis ing Grab selbst mit hinabgelangten. Nach üben
wölbte nur Thon den Hügel, selten eine Scherbe mehr, kaum ein Stein» —
Hügel 3 (fast rund, l'/* jn hoch, 30 Seh rirt Umfang), Die gelbe Desoxydations-
schicht des Drbotlens, in eiDem deutlich mannslangeü Streifen das Tiefste anzeigend,
erstreckte sich wiederum von Osten nach Westen. Freilich der wahrscheinlich
wiederum nach Osten blickende Todte fehlte bereits, doch war von ihm ein brei-
artig gewordener längerer Sehen kelknochen^ von Osten nach Westen liegend, noch
sichtbar, aicht mehr faashar. Eine un versierte Amphora stand bei oder zwischen
den Oberschenkeln etwa (reataurirt), nahe der Mitte, der gewohnte schön verzierte
Becher (ebepfalls restanrirt) im Norden; im Westen, beim Kopfe vielleicht, wurde
eine ganze und eine zerbrochene Serpentinaxl gehoben, dazu einzelne Feuerstein-
messerchen, Schaber und Pfeilspitzen, nebst dergleichen Stücken von uubestiramterer
Form» Endlich hatte der unausbleibliche Deckensturz auch hier Opferreate mit
hinabgelangeo lassen in die Grabkammer selbst, nehmlich geringe Aschen- und
Kohlenlagen, natürlich ganz zerrissen und untermischt mit Scherben, die mindestens
einer Mandel verschiedenarriger tleEssen angehörten, Wannen, Näpfchen u. 6* w.
Fiogerlupfe und allerlei Einschnitte am Hals, am Bodenrande u. s. w* hatten diese
Gefasse ebenso geziert, als die sonst hier gefundenen Schnürcheneindrücke, Ziem-
lich üben lag im TLone, der den Hügel wölbte, unter den letzten Opferapuren noch
die Rippe eines Hirsches oder einer kleinen Rioderart.
Hügel 4 (fast rund, P/g w hoch, 30 Schritt Umfang), Ein Flies flacher Sand-
steine bedeckte 2 m lang, P/a breit dessen Basis in der Art, dass in der Mitte des
oblongen Raumes ein kleineres ObJongum (etwa 1 jn lang) unbedeckten ürbodens
verblieb, der wiederum aus Roth in Gelb gewandelt war. Die Längsrichtung beider
Räume war genau die von Osten nach Westen^ und wenn der Leichnam auch fehlte,
so ist doch seine ehemalige Lage wahrscheinlich auch die des Hügels 1 gewiesen,
nehmlich mit dem Gesicht nach Osten. Denn hier im Westen, wohl wiederum
beim Kopfe, stand der übliche Becher (Fig, 8), die Amphora in der NO- Ecke bei
den Füssen* Was dieses Grab auszeichnete, war eine
mit grosser Sorgfalt ausgeführte Umstellung des flies-
belegten Grabraumes durch etwas scbriig nach Innen
stehende Sandsteinplatten, während sich sonst nur
ein roh geschliffener Steinkeil vorfand und wenige
Feuersteine von unbestimmter Form. Auch hier sind
schliesslich die über dem Grabe gehäuften Opferspuren
in die Grabkammer hinabgelangt: Kohlen, Äsche und
wenig Scherben, besonders zu Haupt und Füssen des
Todten. Dass dieser Brand aber ursprijuglich auch
hier nicht etwa im Grabe selbst sich abspielte, war
deutlich daraus zu erkennen, dass in die spitzen Win-
kelräume zwischen Flies und Umfassungsmauer beim
Hinabfallen der Decke keinerlei Äsche noch Kohle
gelangte, sondern vielmehr der hier geschützt gestan-
dene Becher das einzige Gefass ist, welches fast un*
versehrt geblieben ist. Die Decke dieses Hügels, mit
theilweise grossen Steinen, zeigte da und dort auf
letzteren wiederum Rillen; eine derselben befand sich sogar in einem der Steine,
welche die Umfassungsmauern bildeten.
Hügel 5—7 (flacher und wenigpr hervortretend als Nr. 1 — i) aehen einer Uater«-
8.
*ii ijj Iß
% natüf lieber ü rosse.
I
(478)
BQchoog Qoch eDlgegen, eb^tieo wie eioe etwas eDtfemtere Gruppe tod nor 2 B&-
gebj deren eioer jedoch 2Vi, m hoch ist aod gegen 70 Schritt Uoifaog bat.
Die VermuthuDg liegt Dicht fem, dass au Orten, wo die Gerippe eich nicht
cooserTirteD, die etwa zwischeo den Oberscheokelo, d. h* so ziemHch Ln der Mitte
des HijgelB gestandeDeD Gefasae für A sehen aroen gehalten wtirdeo and das« naa
Dur nm desawiUen der Unregelmässigkeit in der Aufstellaog der übrigen GeCkSK
so oft Erwähaung ihut, weil die&e durch die ehemalige Existenz eioeg Leicbnami
bedingte ünregelmäaeigkeit auffällig ond scheinbar durch nicht« gerechtfertigt wir;
so bei Croeseo, Dobra, Hartroda^ Prehoa, Köpaen u. s. w., alle nahe nn&erem Nickel»-
dorf! Endlich konnte dort ein Deckensturz (mit seinem Auftreten tdd Brandresiies
im Grabe selbst) der Idee eines Leichen brmo des allerdings Vorschub thaa, niebl
aber bei Nickelsdorf, nicht praesente cadaTere. Obschon endlich Niemand Gleich*
altrigkeit und Stammesgteichheit unserer Grabstellen anzweifeln wird, sebeo wir
dieselben doch in Bezug auf die Bestattung^methode nicht unwesentUcb ▼aiiircB.
Grab 1 hatte allein eine im Odten offene Grabkammer and eine deutliche Brand-
schicht nur unter, nicht über sich, die 3 anderen, gerade umgekehrt, hatten die
Opferbrände nur dicht über ihren Kammern; 1 nnd 4 würdigte man vieler weit
trän Sport irter Grabsteine, 2 und 3 nur einer aimpleo Thondecke aus näcbster Nabe;
auf schönen Steinfliesen lagen 2 und 4 geb«;ttet, nur auf Gottes nacktem Erd-
boden aber die Leichen 1 nnd 3; endlich scheint der Minnetrank, der dem Ge-
nossen galt im Högel 3, nachgerade za einem Bachanal ausgeartet zu sein, denn
dort ging an Geschirr allein mehr zu Grunde, als auf Bämmtlichen übrigen Hügeb
zusammengenommen. Nicht Alters-, nicht Stammesunterschiede also möcbten diese
Varianten erzeugt haben, sondern der Todten Rang, Stand, Ansehen, Charakter, _
ihr Reicbthum^ nicht minder wie das Geschlecht, endlich der Geschmack oder diel
Laune der Hinterlasseoen, ja wohl nicht zum letzten die der jeweiligen Ausstattting
bald forder- bald hinderlicben momentanen Zustände und Ereignisse*
(6) Hr. A. B. Meyer hat unter Uebersendung zweier Abgüsse von atejzi-
schen Nephrit- Geröüen an den Vorsitzenden folgendes Schreiben d. d« Dresden,
12. November, gerichtet, betreffend die
i
Nephritfrage. ^
Da es Sie und andere Herren in Berlin interessiren dürfte, die beiden bis jetzt
zu Tage geforderten alpinen Robnephritfunde wenigstens im Abgüsse besichUgeo
zu könneUj so sende ich Ihnen anbei einen Abguss des Sann* und einen ebensolchen
des Grazer Gescbiebes, welche Sie bebaUen können, und bitte Sie, dieselben nebst
den folgenden gelegentlichen Bemerkungen der Anthropologischen Gesellecbah
gütigst Yorlegen zu wollen. Die Originale dieser 2 Abgüsse befinden sieb zu Graz
im Museum Joanneum; ich habe im September d. J. sowohl im Sannthale als auch
in Graz nähere Nachforschungen über deren Provenienz gepflogen. Die Daratellung
der Resultate meiner hierauf gerichteten Bemühungen befindet sich bereits unter ^
der Press Cj und zwar veröffentliche ich das über den Sanu-Nephrit in den Sitzungs- I
berichten der Dresdner Gesellschaft „Isis* mit Lichtdruckabbildungen des Stückes
und Plan des Fundortes, und über das Grazer Nepbritgeschiebe in den Mittheilun*
gen der Wiener Anthropologischen Gesellschaft mit AbbilduDgen im Text. Ich
werde Ihnen baldigst Sep.-Abdr. dieser Aufsätze zustellen können.
Änlässlich der Abhandlung des Hin» Ärzruni in der Zeitschr. f. Etbnol.
1883, S. 163 ff. and der sich an seinen Vortrag rom 17. März d. J, über meine
(479)
^Nephrit-PüblicatioD* schliesseDden Debatte (Verh. 211 ff.) bitte ich mir folgende
BemerkuDgeD zn gestatten,
Sie brecheD eioe Lauze für die auch „io Zukunft*^ Bestand habende „besoodere
Bedeutung des archäologbcben Theiles der Nepbrilfrage für die Prähistorie** gegen
mich, welcher ich „jetzt annebme, die archäolt)gi8clie Frage sei durch die minera-
logische gänzlich in den Hintergrund gedrängt^. Allein ich habe nnr die ^ eminent*^
ethnologische Bedeutung der Nephritfrage bekämpft, ich habe nnr gesagt, die
Nephritfrage sei kein ethnologisches ^Problem **, indem ich unter „Problem** ein
Kathsel verstaod, welches nicht allein schwer zu losen ist^ sondern auch eines,
welches, wenn gelost, von grosser Consequenz für die Prähistorie wäre. Denn so
ist die Nephritfrage ¥ielfach und im Besoiideren Yon Hrn. Fischer aufgefasst
worden, wie z, B. das folgende Citat (Corr. Blatt 1881 S. 76 Citat nach Ranke) be-
weist; „Die die ganze MenscheDgeschichte bis in ihre tiefsten Falten verfolgenden
Gesichtspunkte, welche ich bei der Anlage meines Nepbritwerkes Ton Tornherein
im Auge gehabt habe, sind denn doch schon jetzt bei den etwas weiter blickenden
Forschern glücklich zum Durch bruch gekommen**.
Nur diese eminente Bedeutung der Nephritfrage habe ich in Abrede gestellt
und habe gemeint, wie schon Andere vor mir» dass vielmehr eine Aufgabe für
die Mineralogen, Geologen und Petrographen vorläge, welche die betreffenden Mine^
ralien in Europa und Amerika zu entdecken hätten, da deren Yorhandensein aua
guten Gründen zu erschliessen wäre. Hierdurch — das Vorhandensein des Roh-
materials in Europa und Amerika vorausgesetzt — wijrtie die Nephritfrage zu einer
Frage secuadarer Bedeutung reducirt werden, denn es handelte sich dann nur noch
um die locale Verbreitung der Objecte, keinenfalls um die urgirte von Continent
zu Continent. D&ss eine solche Frage ebenfalls von wissen seh aftlichem Interesse
sei, habe ich keineswegs in Abrede gestellt, mich jedoch absichtlich nicht weiter
darüber ausgelassen, weil das specielle locale Vorkommen von Nephrit und Jadeit
noch so unbekannt ist^ wir stehen hier kaum am Anfange einer Kenntniss. Neuer-
dings hat, was ich hier gelegentlich anfiihren will, Ur. Zintgraff mitgetheilt^
„dass die Chloromelanitbeile aus dem Neuenburger See in soweit von denjenigen
aus dem Bieler See verschieden sind, als die letzteren im Allgemeinen eine grössere
Durchsichtigkeit zeigen'*, was denselben zu der Schlussfoigerung veranlasst, dass
„die Beile dieser verschiedenen See'n auch von verschiedenen Blocken oder Felsen
stammend Dasselbe hatte Hr. de Mortillet schon im Jahre 1872 für die fran-
zösiflcben Jadeitbeile ausgesprochen; er hatte gefunden, dass der Charakter dersel-
ben in den verschiedenen Gegenden Frankreichs constant differirt und gemeint,
dass jeder dieser Varietäten ein gesonderter Fundort im Lande entspreche.
Warum sollte ich bei dieser Sachlage mich z, ß. über die möglichen Ver-
breitungswege der europäischen Jadeitflach heile ergehen, wo jede Unterlage fehlt
hinsichtlich des naturlichen Vorkommens des Jadeit?
Es ist mir aber keinenfalls in den Sinn gekommen, die archäologische Bedeu-
tung der Nephritfrage in Abrede zu stellen; ich wui^ste wenigstens nicht, dass Stellen
meines Werkes, welches bis zum 17, März meine einzige Pubücation in der ^Nephrit-
frage" gewesen ist, dies besagten. Anf der andern Seite kann ich jedoch nicht so
weit gehen, wie Hr. Arzruni, welcher S. 169 seiner Abhandlung von einer »Un-
summe von ethnologischen Fragen" spricht, ^die sich an den Gegenstand knöpfen**^
und von der »nicht unwesentlichen Rolle, welche der Nephrit im psychischen Lebeu
der Völker besessen hat und auch noch besitzt'^. Wenn hiermit gesagt sein
soll, dais er eine ähnliche EoUe spielt, wie Metalle, Edelsteine u* dergL^ so
(480)
stimme ich zu, soll es noch mehr besagen, so würde ich eine solche Anflicht nicht
theilen.
Auf S. 212 der Yerh. erklärte Hr. Arzruni auf eine Frage ihrerseits, .daii
das einzige bisher für Nephrit gehaltene amerikanische Stuck, das von Antioqoii,
aus Jadeit bestehe; dieses Stuck besteht nach Hrn. Fischer aus Bronzit, wie idi
bereits in meinem Werke S. 65 b (Nachtrag) mitgetheilt habe.
In Bezug auf Hrn. Arzruni's Abhandlung kann ich nicht unterlassen, meiner
Befriedigung darüber Ausdruck zu Terleihen, dass derselbe auf ganz anderem Wege.
wie ich, zu demselben Resultate gelangt. Diesem gegenüber, welches entscheidend
gegen die Importtheorien spricht, ist es von keiner Bedeutung, wenn ich hier und
da Hrn. Arzruni nicht ganz beistimme. Ich bitte Sie mir nur zu gestatten, da«
ich mich in einem Punkte rechtfertige. S. 172 heisst es: ^^Unter den Beweises.
welche Hr. Meyer gegen den Import asiatischen Materials oder Terarbeitetir
Gegenstande nach Amerika vorbringt, vermisse ich einen sehr nahe liegenden.
Alle dortigen Gegenstände, wie er selbst betont, sind lediglich aus Jadeit gea^
beitete, denn es ist bisher kein verbürgter Nephrit von daher nachgewiesen wonlei.
Kämen die Gregenstände aus Asien, so würden sich sicher darunter auch solche
aus Nephrit finden . . .^
Dass dieser Beweis in meinem Werke zu vermissen ist, hat seine guten Gründe.
Ich musste an dem Vorkommen von Nephrit in Amerika festhalten, wenigstens weni
ich mich, wie ich es wohl mit Recht that, auf Hrn. Fischer's Autorität stütilie:
Dieser hatte z. B. im Jahre 1881 in seiner Abhandlung ,)über die mineralogiaek-
archäologischen Beziehungen zwischen Asien, Europa und Amerika (Neues Jahr-
buch für Mineralogie IL, 208) gesagt: „Gelegentlich bemerkt, bestärkte mich diese
Beobachtung nur noch intensiver in der mir mehr und mehr plausit>el gewordesei
Anschauung, dass das Rohmaterial aller vorhistorischen, in Mexico, Mittel-
Amerika, Süd-Amerika gefundenen, aus wirklichem Nephrit hergestelltea
Amulete, Idole u. s. w. (ich kenne deren aus Autopsie etwa im Ganzen erst 6
bis 10) ursprünglich aus Asien stamme, so gut wie jenes der in den letztgensno-
ten Ländern sogar bis nach Chile ausgestreuten spärlichen Chloromelanit- und
reichlichen Jadeit-Zierrathe und Beile !^
Ich habe allerdings einen leisen Zweifel 8. 16a meines Werkes Anm. 9 über
die NephritDatur dieser Objecte nicht unterdrücken können, musste dieselbe anf
Hrn. Fisch er 's Autorität hin jedoch gelten lasseu *). Hierzu trat als fernerer Be-
weis für das Vorkommen von Nephrit in Amerika das schon oben berührte Beil
von Antioquia, dessen Analyse die HHrn. Damour und Fischer im Jahre 1878
(Rev. arch. Vol. 36, 19) veröffentlicht und welches sie für ein Nephritbeil erklärt
hatten. Für mich lag kein Grund vor, diese Diagnose in Zweifel zu rieben, bis
Hr. Fischer so freundlich war, mir nach Erscheinen des 1. Theiles meines Werkes
mitzutheileu, dass hier ein Irrthum vorliege, welcher leider unberichtigt geblieben
sei, es handle sich nicht um Nephrit, sondern um Bronzit. Ich konnte diesen Irr-
thum nur nachtragsweise im 2. Theile meines Werkes S. 65b kurz berichtigeD
und bemerkte: „Es fallt damit die einzige Stütze eines Nachweises von Nephrit
in Amerika**, und: „Jedenfalls vereinfacht sich unser Problem, wenn es sich her-
ausstellen sollte, dass Amerika lediglich Jadeit und keinen Nephrit beherbergt*
(S. 66a). In meinem Vortrage „die Nephritfrage*, welcher zwar am 17. Min
noch nicht vorlag, von Hrn. Arzruni jedoch bei Abfassung seiner Abhandlung he-
1) Uebriffens hat Hr. Fischer diese Objecte später (A. f. Anthr. 1882, 8. 165) als .mög-
licherweise ebenfalls in das Bereich des Jadeites fallend** erklärt.
(481)
Dutzt werden koDute (siebe S. 168 derselben), batte icb aucb scbon 8. 21 die
vermisste Consequenz gezogen, indem icb sagte: „. . . denn wenn man das Rob-
materiul einführte . . ; so würde man . . . aucb den Nephrit keinenfalls in Asien
zurückgelassen baben^. Alles dieses unter der Voraussetzung gemeint, dass in
Mexico, Mittel- und Sud-Amerika der Nephrit fehlt.
Noch auf eine Bemerkung in jener wichtigen und für die Keuntniss des Nephrit
und Jadeit bedeutungsvollen Abhandlung mochte icb zurückkommen dürfen. Seite
173 beisst es: „Vollkommen plausibel erscheint es mir, wenn Hr. Meyer die An-
nahme einer eventuellen nachträglichen Ummodelung bereits verarbeitet importirter
Gegenstände als entschieden unwahrscheinlich verwirft. Wenn er sich aber dabei
hauptsächlich auf den Geröllcharakter mancher Stücke stutzt, so wäre vielleicht
daran zu erinnern, dass dieser einem Stücke aucb nach dessen Verfertigung ver-
liehen werden kann. Offenbar wurden aucb in den ältesten Zeiten die Ansiede-
lungen naturgemäss vorwiegend in der NSbe von Wasserlaufen oder an Seeufern
angelegt. Infolge dessen konnten also bereits fertige oder gar in Gebranch gewe-
sene Gegenstände unschwer (etwa bei üeberschwemmuDgen oder aucb sonst durch
irgend einen leicht denkbaren Zufall) ins Wasser gorathen, von demselben foitge-
rissen, dabei abgerundet, abgeschliffen werden und somit einen theilweisen Geröll-
charakter erlangen. '^
Dieser Ansicht vermag ich nicht zuzustimmen. Es bandelt sich um ame-
rikanische Objecte, denn für diese batte ich S. 14a meines Werkes den Be-
weis eingebender zu führen versucht. Nun setzt aber Hrn. Arzruni's Deutung
des Gerölicharakters an den betreffenden Stücken voraus, dass sie (von uns) an
Flüssen oder an Seeufern gefunden worden sind, während nachweislich die meisten,
fast alle, aus Gräbern stammen; der Geröllcbarakter war daher keiner, welcher
nach der künstlichen Formung und dem Gebrauche entstanden ist. Aucb giebt
es viele Stücke, welche im Ganzen eine unregei massige Geröllform haben und deren
Skulptur dieser Form Rechnung trug, was ebenfalls ausschliesst, dass der Geröll-
cbarakter ein später erworbener ist; auf Tafel 11. Fig. 2 meines Werkes habe ich
z. B. ein solches Stück abgebildet. Ebenso schwer wiegend ist aber der Umstand,
dass es sich gar nicht um Erklärung des Gerölicharakters „mancher^ Stücke ban-
delt, sondern dass fast alle denselben aufweisen. Wenn icb nun auch im Prin-
cipe gern zugeben will, dass ein verarbeitetes Stück nachträglich, indem es in
einen Fluss oder in einen See gerieth, abgerollt werden konnte, so wird dieses
doch immer nur eine Ausnahme gewesen sein, den Geröll Charakter fast aller
amerikanischen Stücke lässt es unerklärt. Ob eine nachträgliche Abrollung in
Europa, wo wir so viele derartige Objecto in den Pfahlbauten finden, vorgekommen
sein mag, bezweifle ich, will aber die Frage momentan unerörtert lassen, da vor-
aussichtlich dieses Argument für die inzwischen in der Steiermark entdeckten
Nephritgeschiebe angezogen werden dürfte, was mir vielleicht Gelegenheit giebt,
eventuell darauf zurückzukommen.
Seit Publicirung meines Werkes im Anfange dieses Jahres bat die „Nephrit-
frage** so zu sagen ein neues Gepräge erhalten. Hrn. Arzruni's Entdeckung von
der typischen Mikrostructur der verschiedenen Nephrit- und Jadeitvarietäten, welche
allerdings in directem Gegensatze zu der von Hrn. Fischer so oft behaupteten
Identität aller Funde tritt (A. nennt die Angaben F's über die Structur „ungenü-
gend** S. 176 Anm.), reicht für sich allein bin zur Entscheidung der Alternative:
Import oder Lokalherkunft; alpine Rohnephritfunde in der Steiermark, Rohmaterial-
fu^de in Nordwest-Amerika widerlegen ferner und in anderer Weise die exotische
Verbandl. der Berl. Anthropul. Gesellschaft 1883. 31
Er V.r:ii-v ltm via Tl.!! iciamii»xiirt icxf:x üic liiisiLojc^ «iae Sru.
w:i!i:»4nai la ->5riL iiitrx'»ginig»3iga "^c-ix-**::!. if »-^c sia lac I-'j» Fm*fccse&iiektt>
.iMi büt <^i*!iTU. äati. aL^Tiorurac laa«^. I« io* 5ciiat Tan I'uli -Ra fnwm
3isaac?dii«KCe» «j^frTil Sd v:ri *i*i'a X-^^arT a. £ii^ zur: uubkkissix. »wt«*» — Die
•»in** 0DX3 i>*aps B^iiR&üarux £<»cr*r»z. V.i'ir* vir» lari — «m*ir- si» w^izr via •io'
^•w-**'*^ gin.T.'>!ä zesÄCj?: -m^r. in^cx-ira ■• ^inr :#*r iic-? ^-t« i«r T^iifieksa.
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f483)
Herkunft dieses Beiles ist eine besonders sicher beglaubigte; es ist seiner Zeit von
Dr. Karsten mitgebracht worden. —
Hr. Virchow: £» wird jetzt eine besondere Aufgabe sein, die an so ver-
schiedenen Orten gemachten Funde von angeblichen Nephriten einer genauen Re-
vison zu unterziehen. Denn dass an allen diesen Orten Nephrit anstehen oder
als Geröll vorkommen sollte, ist nicht gerade wahrscheinlich. Ich habe mich in
diesem Sinne auch an Hrn. Sc hl ie mann gewendet und ihn um ein Stück aus
der ältesten Stadt von tiissarlik gebeten. Er hat mir kiirzlich ein höchst zierliches
kleines Beilchen gesendet, indess hat eine erste üotersuchung in der Bergakademie
ergeben, dass es ein specifisches Gewicht von 3,275 besitzt, also vielleicht Jadeit
ist Indess möchte ich darauf hinweisen, dass das Interesse an der Herkunft des
Jadeit ein fast noch grösseres ist, als das am Nephrit. Der Jadeit ist nur in letzter
Zeit ungebührlich in den Hintergrund geschoben worden.
(7) Der Vorsitzende legt eine Reihe von
Kyanotypien von Kurden u. A.
vor, welche ihm Hr. Felix v. Luschan nach seiner Rückkehr nach Europa über-
sendet hat. Dieselben stammen von der letzten Reise nach dem Nimrud Dagb,
welche der junge und strebsame Forscher in Begleitung des Hrn. Humann unter-
nommen hat.
(8) Hr. Generalkonsul Zembsch überreicht als Geschenk eine Reihe von Photo-
graphien von Samoanerinnen und Kingsmill-lnsulanern. —
Hr. Virchow schildert, im Anschlüsse daran,
einen Jungen Kingsmill-Indianer.
Hr. Generalkonsul Zembsch hat einen etwa 14 — 16 Jahre alten, frischen und
kräftigen Eingebornen von Makin, der nördlichsten Insel des Gilbert- oder Eingsmill-
Archipels, Namens Anto Atu, mitgebracht. Es war mir eine besondere Freude, den-
selben untersuchen zu dürfen, nicht bloss weil der ungemein intelligente Bursche
sich schnell in die Formen unseres civilisirten Lebens gefunden hat, sondern nament-
lich desshalb, weil es der erste Mikronesier ist, der zu uns gekommen ist.
Sein Körperbau ist schlank und elastisch; ganze Höhe 1,645, Klafterlänge
1,670 m. Seine Haut ist dunkelbraun und glänzend, an der Dorsalseite der Hände
mehr dunkel graubraun, an der Volarfläche sehr viel heller und mehr gelblich, die
Nägel weiss. Iris schwarz. Kopfhaar schwarz, ganz glatt, in keiner Weise lockig,
stark.
Der Kopf ausgemacht dolichocephal (Index 73), das Gesicht chamaepro-
sop (Index 88,8), wenig prognath. Die Lippen voll. Die Nase kurz, mit etwas
dicker Spitze, wenig vortretend, aber nicht besonders breit Das Ohr klein und
schmal, mit sehr niedrigen Falten und angewachsenen Läppchen.
Folgendes sind die Kopfmaasse:
Grösste Länge 189 mm
„ Breite 138 „
Ohrhöhe 116 „
Gesichtshöhe A. (Haar ran d) . 185 „
„ B. (Nasenwurzel) ^^^ »
sr
(484)
Mittelgesichtshöhe (Nasenwurzel bis Mundspalte) 76 mm
Gesichtsbreite a. (jugal) 134 ^
„ b. (malar) 94 „
„ c. (mandibular) 112 ^
Augendistanz (innere Winkel) . , . . . 35 „1 Di«fcr«os €«»«.
}
„ (äussere Winkel) 101 „ j spait« S3
Nase, Höhe 53,5 „ |
„ Länge 48 „> ind«x 72,8.
„ Breite 39 „ )
Mund, Länge 52 „
Ohr, Höhe 56 ,
Das Kopfhaar zeigt mikroskopisch fast drehrunde, zuweilen ganz schwach ge-
drückte Formen; die Farbe erscheint von der Fläche gesehen rein schwarx und un-
durchsichtig, auf dem Querschnitt sieht man eine dicke ganz farblose Rinde, zu-
weilen einen engen, schwarzen Markstrang, sonst nur feinkörniges, in kleinen Häuf-
chen auftretendes, blauschwarzes Pigment.
In meiner kleinen Abhandlung über mikronesische Schädel (Monatsberichte der
Königl. Akad. der Wiss. vom 8. Dec. 1881 S. 1133) habe ich auch die Schädel der
Gilbcrts-Iusulaner besprochen. Ich fand im Mittel von 7 Schädeln ein hypsidolicho-
cephales Maass (Breitenindex 73,5, Höhenindex 76,4), während sich aus den Messun-
gen des Hrn. Krause an 22 Schädeln des Museum Godeffroy ein schwach meso-
cephales Mittel herausrechnete. Immerhin konnte man, wie ich damals hervorhob,
und wie auch der jetzige Fall beweist, ^eine gewisse Annäherung an melanesische
Formen^ anerkennen. Indess beweist das Aussehen und namentlich das Haar tod
Anto Atu, dass diese Analogie der Schädelform ein isolirtes Phänomen ist und dass
sie den im Uebrigen polynesischen Gesammtcharakter der Erscheinung nicht be-
seitigt. Wenn man westliche Vergleiche sucht, so bieten sich für den Schädelbau
in erster Linie die Igorroten der Philippinen dar, über welche wir in der Sitzung
vom 21. Juli ausführlich verhandelt haben, aber die Nasenbildung derselben
scheint ganz abweichend zu sein.
(9) Der Vorsitzende theilt mit, dass der Ausschuss für die Herausgabe eines
von Hrn. Dr. Fi n seh bearbeiteten illustrirteu Katalogs der von ihm auf seiner
oceanischen Reise gesammelten Gjpsmasken die geforderte Unterstützung votirt hat
Das Heft wiid zugleich eine Uebersicht der ethnologischen und anthropologischen
Beobachtungen des Reisenden bringen und sich insofern wesentlich über das Niveau
eines gewöhnlichen Kataloges erheben. Die Verlagshandlung Asher & Co. hat sich
bereit erklärt, deuselben als Supplementheft zu der Zeitschrift für Ethnologie er-
scheinen zu lassen.
(10) Hr. Lilienfeld übergiebt als Geschenk einen ßuschmannschadel vom
Cap mit vorzeitiger Synostose der Nähte. Derselbe stammt von einer bekannten
Person, einem Diener.
(11) Hr. Hartraann berichtet über einen
afrikanischen Soko-Schädel.
Der von Livingstone in Manyema entdeckte und von ihm nicht genauer
charakterisirte Anthropoide Soko (Last Journals H, p. 52) ist von Lieutenant
Wissmann in demselben Gebiete lebend beobachtet worden. Ein von demselben
(485)
mitgebrachter weiblicher Soko-Schädel, io dessen Gehirnhöhle sich eine Hyroeno-
pterenkolonie angesiedelt hatte, verräth, dass der fragliche Anthropoide ein Chim-
panse ist und zur Forna des Mandjaruma der Niam-Niam (Troglodytes Diger var.
Schweinfurthi) gehört.
(12) Hr. Schwartz legt einen Steinhammer aus Kieselschiefer von
Thüringen vor, welcher ihm zugegangen ist. Eigenthümlich ist besonders die
Schleifung nicht in grösseren Flachen, sondern in schmalen Streifen (etwa 11).
Der Hammer ist Wj^ cm lang und hat fast 1273 cm Umfang beim Bohrloch. —
Hr. Voss bemerkt, dass es eine in Thüringen häufig vorkommende Form der
Hämmer sei.
(13) Hr. Buchholz bespricht Namens des Vorstandes des Märkischen Pro-
vinzialmuseums
neue Funde aus der Mark.
I. Zunächst lege ich das in Guben gefundene silberne Beil vor, über
welches Hr. Jentsch bereits in voiiger Sitzung berichtet hatte. Hr. Jentscb hat
es dem Märkischen Museum eingesandt, damit nach dem dort gebräuchlichen, dem
Krause'schen ähnlichen Verfahren der Rost beseitigt, das Silberornament voll-
ständig blossgelegt und das Weiterrosten verhütet werde. Hier-
nach zeigt nun der Silberbeschlag ein sehr vervollständigtes Bild.
Die Zwischenlinieu scheinen, nach den wenigen, nicht mit dem
Rost abgefallenen Spuren zu schliessen, mit Gold plattirt gewesen
zu sein. Das Beil ist jedenfalls als Wafife, als Streitaxt, anzu-
sehen, weil diese reiche Ornamentirung den Gebrauch als Haus-
oder Handwerksgeräth ausschliesst. In den mir zur Verfügung
stehenden Abbildungen aus anderen Sammlungen habe ich das
gleiche Ornament nicht wiedergefunden; es scheint orientalischen
(arabischen) Ursprungs zu sein und dem älteren Mittelalter anzu-
gehören, in welchem die Streitbeile noch nicht zu einer zwei-
seitigen Waffe entwickelt waren.
II. Wie sehon die Zeitungen berichtet haben, sind in dem
Baugrunde des neuen Schulhauses an der Ecke der Ar-
tillerie- und Johannis-Strasse bei 5 m Tiefe 2 Pfeile (Holz-
schnitt) gefunden, welche für unsere Gegend vollständig fremdartig
erscheinen, so dass die Vermuthung etwas für sich hat, sie möchten
aus den Sammlungen Alexander von Humboldt^s herrühren,
welcher auf einem benachbarten Grundstück der Oranienburger
Strasse gewohnt hat. Diese Pfeile, welche aus einer flachen
eisernen Spitze mit 2 Widerhaken und einem 50 cm langen Rohr-
schaft bestehen, lege ich hiermit vor.
III. Herr Handtmann aus Seedorf bei Lenzen, welcher,
wie ich beiläufig erwähne, Grund zu haben glaubt, das alte Rbetra,
entgegen den Feststellungen von meklen burgischer Seite, in der
Gegend von Lenzen suchen zu können, beabsichtigt, in Lenzen
einen Verein für Alterthumskunde zu gründen, um das Interesse
an dieser Wissenschaft zu verbreiten und vorkommende Funde zum Besten der
Forschung zu concentriren. Der Verein würde zur Veranschaulicbung auch eine
(486)
Srnrnmlang anlegen, deren Stamm einige dem Märkischen Museum zur BegatacfatQng
eingesandte Fände bilden sollen. Es sind dies Folgende:
1. Fandstücke Ton einer nahe am Bahnhof Lenzen gelegenen Stelle,
Ton welcher schon eice grössere Anzahl tod Urnen, z. Th. mit kleinen Bronze-
Beilagec. sich im Märkischen Museum befindet. Diese Gegenstände scheinen die
Wohnstätte anzudeuten zu dem Urnen Friedhof. Es sind namentlich eine grössere
Anzahl Ton Flintspli:terc. Ton denen einzelne ziemlich gut gelungene prisnuuiache
Messer, Pfeilspitzes. Schaber n. dgl. darstellen; immerhin charakterisiren sie sich
alle als Abfiel von einer Fliotgeräth- Werkstätte. Daneben kommen auch i Bronxe-
fragmente — von einer kleinen Fibula Dorn und Spirale und Ton eineon Bronze-
zeit das äusserste Schneidestück — Tor. sowie Urnen Scherben Ton dem Tjpas der
germanischen Grabgefässe.
2. Fundstücke von Wustrow. Kreis West-Prlegnitz.
T hon gefasssch erben aller Typen Ton der zermanischen bis zur frühmittelalter-
lichen Zeit« darunter dicht 'gestrichelte vcc einer grossen flachen germanischen
Schale, mit dreieckigen Eindrücken Tersehece. auch von einem flaschenformigeo,
siebartig durchlochten Gefass: ferner wiederum bearbeitete Flintsplitter. Messer,
Pfeilspitzen. Schaber und Strichler. sowie ein Spicnwirtel. Der ganze Fund deutet
auf eine schon zu germanischer Zeit Lesiaii<Jene und bis zum 12. — 13. »lahrhnndert
fortgesetzte Wohnsiätte.
3. Funde von Sandow. Kreis West-Prlegaitz.
Einige germanische Umenscherbec. Leichen brand. die Fragmente einer eisernen
Fibula und Proben Ton Kohlen und Bnic ierie. welche innerhalb einer Steinsetsung
in der Nähe von Urnenscherben gefunden sini. Ein mitgesandter Kinderxahn er-
scheint nicht alt. Ebenso k«'^ncen giasirte. etwa dem 15. — 16. Jahrhundert an-
sehörige Scherben hier eicht zur Besprechung gelangen.
4. Funde tou Zeil in a. O.. Kreis Königsberg i. N.
Germanische und mittelalterliche Thonge fassscher ben.
5. Funde Ton Gross Wooiz, Kreis Wesrpriegnitz.
Scherben einer grösseren germaciächec Urce mit StrichTerzierung. in den Drei-
ecken zwischen den Strichen je eice Xmirii^z tos I cru Durchmesser, welche von
9 tief eingedrückten dreieckigen Punkten umget-en wird; ein grösseres Feaerstein-
messer und ein Nadeldom Ton Terrosr-eieoi Eisen. Von Gross Wt-u befindet sich
übrigens eine grössere Anzahl germaniscner Urzien. ein mit R^Lgeln Terziertes
Knochengeräth und ein eisernes Messer im Märkischen Museum (IL IIÖ06-— 69).
(14' Hr. Voss L-espricht zwei tou Hm. Berg er in Prag ihm übenchiekte
Silbernage vm SchhKkeaai bi BBlici.
Herr W. Belgier in Pra^ Li:tr .i:e G-:e. mir iwei Sillerringe zur Ansicht
zuzusecdes. welche ich mir er-i-ii-rL w:... iinei. iier Ti-rzuiegen Dieselben sind
Tor ein igen Jahren reim Bau eiLes Eiuses .z. Schiuckecau. im nördlichen Böhmen.
gelunieL w.-rdec. Es s-:-.^:: .iMch Mürze- iiiei g-weses seic. indes» ist keine
derselbe'- err.altrr. !'> Ki-ge sied tos h-Vhs: ei ;;ec:LÜ Blücher Technik. Während
sie auf -ec ersiei An'iiiok an iie häüäg L-ri uns in: Lande mit orientalischen
Münzen gefunienen sücemen S^Lmuckricce er nntrn. zeigen sie bei näherer Be-
iracblun^ dvoL -ir.e wesenili:: e Aiweiobunc. iis.rVrn als unsere nordischen, ans
mebr^r-n dre!. r*r Silter.irär.r-rn zusamn:eEs:e^--n-.ien sinJ. während die Torliegen-
den. s.5wei: s::L -ies oiine BesoLi.i.^u-z der K^^f learmeiien lässt. aus einigen
um e;Lrn c^r/ra.-: Jckerr:. L>rah: icewundmen !•: unten bestehen. Hr. Juwelier
(487)
Teige hat die Güte gehabt, in Bezug auf die Herstelhingsweise verschiedene Proben
zu machen und erscheint auch nach diesen obige Annahme die wahrscheinlichste.
Der eine der Drähte ist in regelmässigen Abstanden mit rundlichen Erhabenheiten
besetzt, welche nach meiner Ansicht herausgravirt, nach Ansicht des Hrn. Teige
aufgelöthet sind. Der Durchmesser der Ringe betrügt 11,5 cm^ ihre Stärke 1 rm;
die Schlusstheile greifen etwas übereinander. Letztere sind vierkantig und mit ein-
geschlagenen Linear-Ornamenten verziert. Die Mittelfügen dieser Ornamente sowohl,
wie die Vertiefungen auf den gravirten Drähten sind mit rother Masse ausgefüllt
gewesen, wie es nach einigen noch anhaftenden Spuren zu urtheilen den An-
schein hat.
Was nun Alter und Herkunft
dieser Ringe anbetrifft, so ist es
klar, dass sie mit unseren nordischen
Silberringen des 10. und 11. Jahr-
hunderts in engstem Zusammenhange
stehen. Jedoch machen sie einen
etwas späteren Eindruck und es ist
wohl möglich, dass sie etwas jünger
als die bei uns gefundenen sind.
Sollen doch auch die slavischen
Schläfenringe, welche bei uns gleich-
zeitig mit den Hacksilberfunden sind,
in Böhmen noch auf christlichen
Kirchhöfen gefunden sein. Was die
Herkunft anbetrifft, so ist wohl an-
zunehmen, dass die Ringe aus süd-
lichen Gebieten stammen; wenigstens
zeigen die ähnlichen Funde aus Ga-
lizien und Ungarn eine mehr eigen-
artige Entwicklung in der Form
und Ornamentik dieser Art von
Schmucksachen.
Für Böhmen ist dieser Fund insofern von besonderer Bedeutung, als bisher
erst ein Fund, welcher in nähere Beziehung zu dem vorliegenden zu bringen wäre,
vorgekommen ist. Es ist der in der Gegend von GoUin entdeckte Grabfund, von
dem wir durch Hrn. Schneider in Jicin Nachricht erhielten und der dem Procop
zugeschrieben wurde (s. Verh. 1882 S. 94). Ausserdem ist auch in der Nähe von
Schluckenau, dem Fundorte des eingesandten Fundes, nämlich in der Gegend von
Bautzen, ein sehr reichhaltiger Fund dieser Art vorgekommen, welcher sich jetzt
im Besitz des Hrn. Rechtsanwalt Stephau in Bautzen befindet. Da Schluckenau
auf der nördlichen Abdachung des Böhmisch-Lausitzischen Grenzgebietes liegt, so
dürfte der letztere Fund vielleicht, als derselben Fundregion angehörig, hier beson-
ders in Betracht kommen.
.^Sl
^M
Vs der natürlichen Grosse.
(15) Hr. Voss spricht über die von Hrn. Teige verfertigten und der Gesell-
schaft vorliegenden
Naohbildunoen dea Goldfundes von Vettersfelde.
Die einzelnen Gegenstände sind Ihnen schon aus Zeichnungen bekannt, welche
Hr. Professor Bastian Ihnen in der Sitzung vom 20. Januar d. J. vorlegte. Ich
(488)
H erde noch Gelegenheit haben, den Fund ausführlicher zu besprechen und mochte tot
läufig nur bemerken, dass derselbe nach meiner Ansicht dem 3. oder 4. Jabrfaoo-
dert nach Christ. Geb. angehört, aus dem nordpontischen Ländergebiete stammt and
einer grösseren Reihe dorthin weisender Funde angehört. Es dürfte Oberhaupt
wohl jetzt, nachdem die Funde römibcher Zeit aus unseren östlichen Gebieten nun-
mehr in stattlicher Zahl und Menge vorliegen, an der Zeit sein, die Verschieden-
heiten zwischen diesen Funden und den römischen Fundgegenständen der westlichen
Landestheile besonders ins Auge zu fassen und schärfer zwischen ihnen zu scheiden.
Es ist höchst eigenthümlich und gewiss von grösster Bedeutung, dass einzelne
Gegenstände und Formen, welche bei uns häufig sind, in den westlichen Provinzee
selten oder gar nicht vorkommen, ^^o finden wir bei uns z. B. unter den GegeDStändeD
römischer Zeit sehr häufig Sporen verschiedener Form, aus Bronze, Eisen und Silber.
Das Königliche Museum besitzt davon gegen zwanzig aus Preussen. Posen, Schlesien,
Brandenburg und Sachsen, und in den Sammlungen zu Königsberg sind ihrer noch
mehr vorhanden, während in den Sammlungen der Rheinlande Sporen la den Sel-
tenheiten gehören und, wie mir Herr Dr. ündset mündlich mitgetheilt hat, ancfa
in ganz Italien nur einige wenige Exemplare gefunden sind. —
Hr. E. Krause berichtet über seinen Besuch der
FwMlsteiie der Vettersfelder Goldsaciien.
Am 1. August d. J. besuchte ich mit Herrn Teige Vetlersfelde, welches etwa
r, Meile NW. von der Station Jessnitz der Niederschi. Mark. Eisenbahn liegt. Der
Fundacker liegt ungefähr 1 km NW. von Vettersfelde, nahe dem Kasower Kirchhofe.
ist flach und hat meist Sandboden. Er er>treckt sich in seiner Längsausdehnung von
NO. nach SW\ und ist von drei Seiten von Wald umgeben, die vierte grenzt an nach-
barliches Feld; in der Nähe befindet sich eine Thalsenkung, die früher einmal Ton
einem See gefüllt gewesen sein dürfte. Der Besitzer, Büdner Aug. Lauschke.
gestattete die Untersuchung und legte selbst mit Hand an. Auf dem südwestlichen
Theii de» Ackers >taud früher Lehm an, der zur Herstellung von Ziegeln ausge-
beutet worden ist. Die Ziegelei ist vor etwa 15 Jahren aufgegeben, der Feldofen ab-
gebrochen. Ein Lehmfleck ist unberührt geblieben; dieser bürg die Hauptstücke
des Fundes; die in einiger Entfernung von ihm gefundenen Stücke sind höchstwahr-
scheinlich mit dem Pfluge dorthin verschleppt worden. Ueber die Fundumstände
erfuhr ich Folgendes: Als Lauschke am 5. October 18S2 nach der .Aussaat tob
Roggen die für den Abfluss des überflüssigen Regen wassers erforderlichen „Fahren*
anlegte, pflügte er diese nach beiden Seiten auf. wodurch sie tiefer als gewöhnlich
wurden. Die Mittelfahre durchschneidet die erwähnte Lehmstelle, auch sie wurde
tieft?r gelegt, und dadurch griflf der Pflug die etwa nur ?0 cm unter Terrain liegen-
den FuDvlstücke, welche indessen nicht sofort bemerkt wurden. Erst als I,. am
7. Oktober, nachdem Regen gefallen war, sieh überzeugen wollte, ob die Fahren
zweckentsprechend seien, fand er als erstes Stück den ma-siven Kopfriug, daneben
einige au»iere Stücke, welche er wohl für des Aufhebens werth. nicht aber für aus
Gold bestehend hielt. Kr bot dio^e Stücke, darunter uen Fisch, Köcherbeschlag (?)
s.u. w. dem Landrath, Prinzen Carolath-Schonaieh. der sich für .\lterlhömer inter-
essirt. als Geschenk an. Oieser, den Werth der Stücke erkennend, verweigerte die
Annahme des Geschenkes, erbot sich aber, behufs besserer Sicherung, zur Aufbe-
wahrung bis zum endgültigen Eutscheid über ihren Verbleib. Die weiteren Vor-
gänge, wie Anbieten an das Mark. Prov. Museum. Besichtigung durch Professor
Leasing und endliche Ueberführung in das Königliche Museum sind bekannt. Es
(489)
kam mir <1arauf an, festxusteller, unter welclieo Verbal toisseo die Gegenetaade
gefunden sind, ob ah (irabfuiui, üb in einer Aosiedelung oder uls UepotfutKl, ob
'\n eiuem Gefass beiges«tzt oder frei in der Erde. Die LaDdleule sind gewohnlich
misstmuißch und verscblosseiL Erat nach längerer Unterhaltung erfuhr ich von der
Frau und dem Vat*;r brockenweis, dass Scherbon, wie zu einem sehr grossen Topf
geborig, aber sehr schwach gebranntj bei den Fuotbtücken gelegen hatten, auch
mit nach Hause genomineri, dort aber verÄettelt seien. Ob Kimchen oder ßr«üd-
re&te gefunden seien, konnte nicht angegeben werden. Ich schritt deshalb zur
eigenen Untersuchung der Fundstelle. Das obeu naher beschriebene Ackerstllck
wurde zuerst n«ch Torschiedenen Ricbtungeti durchschritten, um etwa auf der Ober-
fläche liegende Scherben oder Knocheureste aufzulesen. Ich fand einen alten
Scherben und einen roittelalterlichen. CaleiDirte Knoehenresle, welche etwa auf
einet] Begrfibii issplatz hatten scblieasen lassen, fanden sich durchaus nicht. Dann
wurde die engere Fundstelle mit dem Spaten angegriffen. Die grosse Nässe des
Bodens, sowie der heftige Regeu hinderten uns sehr bei der Arbeit, doch fanden
wir ausser Branderde und Koblenresten einige schwach gebrannte, ihrer ganzen
Bescbaffenheit nach als alt anzusprechende Lehmstucke mit Abdrücken von Rolir-
balmen (oder Ruthen), auf der Gegenseite oberfläcbUcb geglättet, — also anschei-
nend Theile des Lebmbewuife» einer aus Rohrgeflecht bestehenden Hüttenwand,
welche beim Brande der Hütte selbst schwach gebrannt wurden j ausserdem einige
wenige, ebenfalls alte, Scherben ^ darunter ein Stückchen Boden kante eines dick-
wandigen, veraiutblicb sehr grossen Gefässes. Diese Scherben sind von ziemlich
roher Arbeit, die Aussen flachen schlecht geglättet; sie sind schwach gebrannt, auseen
Tothlicb, der Kern sihwar/lich; die Masse ist mit kleinen Granilbrocken durch-
setzt. Der Bodentheil stimmt nach Aussage der Frau L. mit den von ihr gefun-
denen Scherben überein. Knocbenreste, sowie reguläre Brnndschichten wurden
nicht beobachtet. Eine ausgiebigere Untersuchung war leider nicht möglich, da
wir buchstabiich in einem Lehmsumpf arbeiteten.
Da hier unter den obwaltenden Verhältid^sen nichts Erspriesslicbes weiter zu
thun war, li essen wir von weiterer Arbeit vorläufig ab und machten uns an die
Untersuchung einer etwa 100 Schritt östlich gelegenen Stelle, an der L. beim Pflügen
auf einen grossen Stein geratbeo war, den er Diangels Haudwerkzeuges damals nicht
heben konnte, der also unberührt lag. Wir umgruben diesen Stein und legt*Mi durch
vorsichtiges Graben ungefähr 30 rr/i unter Terrain ein ungefähr kreisrundes Pflaster
von 1 m Durchmesser frei, auf und neben dem schwarze Bodenschichten (Brand-
reste) zu Tage traten. Scherben oder zerschlagene Knochen wurden auf dem
AcK.
Pflaster nicht gefunden. Nachdem das Pflaster (Heerd) behutsam abgehoben, wurde
in der folgenden Schiebt und zwar vorläufig nur auf einer Hälfte mit Pflanzen-
Stecher und Kratze sehr vorsichtig weiter gegraben, doch fand ich nur zwei kleine
Scherben, von derselben Beschaffenheit, wie die auf der ersteu Stelle und einen
Bchwärzlichen, besser geglätteten. Ein senkrechter Abstich durch einen grossteu
(490)
Durchmesser der Brandstelle ergab den in der Skizze dargestellten Quenchoitt
Die Durchsuchung der anderen Hälfte ergab keine Fondstücke, besonders war mir
das Fehlen Ton Knochen auffällig.
Die Fundstelle des Goldes dürfte hiernach also nicht als ein Begrabniat-
platz anzusprechen sein, sondern wahrscheinlich als der Ort einer alten Nieder-
lassung, der durch Feuer, vielleicht in Folge feindlichen Angriffs, der Untergang
bereitet wurde und deren Bewohner getodtet oder als Gefangene fortgeführt wurden
und so nicht mehr an Hebung des zurückgelassenen Goldschatzes denken konnten.
Ueber das Alter des Fundes aus den keramischen Beifunden zu urtheilen, durfte
bei dem geringen vorliegenden Material zu gewagt sein, doch mochte ich meiner
Meinung dahin Ausdruck geben, dass sie nicht allzuweit in prähistorische Zeiten
hinaufreichen, sondern als prähistorisch ziemlich jnng zu betrachten sind, da sie
nicht die saubere, feine Glättung der Aussen- und Innenflächen zeigen, die wir an
älteren Scherben zu finden gewohnt sind, auch stärker gebrannt sind, als die ganz
alten. Dies über die Fundstätte selbst.
Die Frage nach etwa zur Vervollständigung des Fundes noch vorhandenen Theilen
stiess auf harte Ohren. Die Lausch ke's sind so oft angegangen und von des
verschiedensten Seiten beeinflusst. auch wohl hintergangen worden, dass sie jetzt
sehr zurückhaltend und verschlossen sind. Doch erfuhr ich, dass 2 goldene Kett-
chen von je etwa 8 cm Länge, deren eine in einem Knopf endigte, sowie ein kugel-
förmiger Knopf, ein Schieber und 2 Ringe auf L.'s Veranlassung zu einer Uhrkette
vereinigt wurden, die er selbst getragen, später aber an Hrn. Rentier Wilke in
Guben für ca. 100 Mark verkauft hat, wo ich sie selbst sah.
Der Vater des L., ein schon schwacher Greis, erzählte von einer aus 15 bis
16 Kugeln bestehenden Kette, wovon 5 — 6 Kugeln durch den Pflug abgerissen seien,
auch von goldenen Plättchen, wovon der Sohn nichts wissen wollte. Ein im Orte
wohnender Invalide soll einige Sachen, wie man vermuthet, gefunden und nach
Sommerfeld gegeben haben; ferner sind in Guben selbst einige Stücke eingeschmolzen
worden.
(16) Hr. Virchow erstattet Bericht über die
anthropologische Generälversammluno In Trier.
Der stenographische Bericht über die letzte Generalversammlung der deutschen
anthropologischen Versammlung liegt iu dem Correspondenzblatt zum Theil schon
gedruckt vor und die noch ausstehenden Theile werden alsbald in aller Händen
sein. Ich kann mich daher auf einige Bemerkungen beschränken, insbesondere
über solche Punkte, welche in den Verbandlungen nicht oder nur beiläufig be-
sprochen sind. Oeberdies hatte sich eine etwas grössere Zahl unserer Berliner
Mitglieder an der Versammlung betheiligt, wenngleich bei Weitem nicht so viele,
als bei dem hervorragenden Interesse gerade dieser Gegend unseres Vaterlandes
wünschenswerth gewesen wäre.
Trier ist genau genommen die einzige grössere deutsche Stadt, welche die
Erinnerung an die Römerzeit noch in einer Vollständigkeit bewahrt hat, wie wir
es sonst nur in Südfraukreich und Italien zu sehen gewohnt sind. Noch bis in
die neueste Zeit hat sich die wenig fabrikthätige Stadt, namentlich in ihren öst-
lichen Theilen, in den Grenzen der alten Kaiserresidenz gehalten; gegen Westen
ist sie sogar erheblich dahinter zurückgeblieben. Erst in den letzten Jahren hat
die Bebauung die Mauern der mittelalterlichen Zeit zu überschreiten angefangen.
Noch steht die Porta nigra iu einer Vollständigkeit da, wie selbst in Rom nur wenige
(491)
MoDumeote erhalten siDd; noch ist das Amphitheater zum grossen Theil Yorhanden,
die Ruinen des alten Eaiserpalastes erheben ihre Mauern noch weit über die Hohe
der modernen Bauten und die Thermen im Westen (in St. Barbara) werden, Dank
der Liberalität der Regierung, eben einer ausgedehnten Ausgrabung unterworfen.
Das mächtige Grabmonument von Igel (Aquila), einem Dorfe oberhalb von Trier
an der Mosel, sucht seines Gleichen in deutschen Landen. Dazu kommt die grosse
Zahl alterthümlicher Kirchen, welche in ihren Grundlagen zum Theil bis in die
erste Zeit der Einfuhrung des Christenthums in diesen Gegenden zurückreichen.
Aus einem altchristlichen Golumbarium bei Pallien, dem alten Vicus Voclannionum,
der westlichen Vorstadt Triers, stammen zwei herrliche Glasgefasse, ein Becher
mit aufgesetzten Fischen, und eine Schale mit der Darstellung des Opfers von
Abraham ^).
Dieser Herrlichkeit der Monumente entspricht die Ausdehnung und die Mannich-
faltigkeit der in dem Provinzial-Museum aufgehäuften römischen Fundstücke. Ob-
wohl erst seit wenigen Jahren officiell anerkannt und begünstigt, hat das Museum
unter der sammelnden und ordnenden Hand seines Direktors, des Hrn. Pr. Hettner
eine Vollständigkeit erreicht, welche es den besten Museen der romisch-ger mani-
schen Zeit an die Seite stellt und als eine wahre Zierde unseres vaterländischen
Besitzes erscheinen lässt. Nirgends tritt gerade die Ue bergan gsperiode zu der ger-
manischen Zeit in so häufigen und gut erhaltenen Erinnerungen hervor; wir sehen
die Grabsteine germanischer Beamten des niedergehenden Kaiserreiches, darunter
den eines alten Landsmannes aus dem Königsgeschlechte der Burgundionen'), vor
uns; wir verfolgen von Periode zu Periode, wie die Waffen und der Schmuck der
Barbaren an die Stelle der römischen traten. In das Einzelne dieser Funde ein-
zugehen, würde hier zu weit führen. Ich will nur ein besonders überraschendes
Vorkommen erwähnen, nehmlich unzweifelhaft römisches und ebenso un-
zweifelhaft glasirtes Thongeschirr in grünen und gelben Farben^), wie
wir es bisher fast ausschliesslich dem Mittelalter zugeschrieben hatten, unter den
seltenen Kunstschätzen nenne ich nur den in den Thermen gefundenen Torso einer
Amazone aus parischem Marmor.
Gegenüber dem Reich th um der römischen und der Trefflichkeit der freilich
viel seltneren nachrömischeu Funde war es für uns Alle gänzlich unerwartet und,
ich darf sagen, unverständlich, das fast vollständige Fehlen gallischer Funde
constatiren zu müssen. Wir waren in der sicheren Hoffnung nach Trier gekommen,
hier gerade eine volle Anschauung der gallischen Gultur zu finden. Zu unserem
höchsten Erstaunen mussten wir uns sagen lassen, dass nicht einmal eine Spur
der vorrömischen Stadt der Trevirer aufgefunden ist. Keine noch so tiefe
Grabung in der Stadt selbst oder in ihrer nächsten Nähe hat, soviel man weiss,
jemals Wohnstätten oder Gräber der alten Bevölkeruug aufgedeckt. Hr. Hettner
ist daher zu der Meinung gekommen, dass die alte Stadt irgendwo in grösserer
Entfernung, vielleicht auf den Bergen, gelegen habe. Aber selbstverständlich
1) V. Wilmowsky, Archäologische Funde in Trier und Umgegend. Trier 1878. S. 29
mit 2 Tafeln.
2) Ffibrer durch das Provincial-Museom za Trier. Zweite Auflage. Trier 1888. (Den
Theilnehmern der Generalversammlung äberreicht vom Masenm.) S. 28. Hariulfus protector
domesticus filius Hanbavaldi regalis gentis Bui^undionum.
3) EiDe ThoDvase mit graner Glasur, bei welcher eine Mänze Hadrians gefunden wurde,
stammt aas einem mit Sandsteinen umstellten and mit WelDkragsscherben bedeckten Grabe
(Nr. 8746 Fährer S. 87). Im Musenm zu Worms sab ich ein gelbrotbes, fast wie glasirt er-
scheineodes Gefäss, das oben und unteo dunkelrotha Zonen hat; ein ähnlichea in Dnikheim.
inusstpn wir uns darein ergpli^n» von Trier zu aclipiden, ohne auch nur die
lichkeit errficbt zu lial en, nlkg^feelien von den Münzeiiy über die Besoßderb
gaÜisclier Cultur oder galliscber Korper eine Anscimiiung zu geiiviDDeD.
Bis Tor kurzer Zeit fehlte es id der Gegend auch fast ganz an Nachweisen
der ältesten prühi&torisi'hen Bewohnung. Wenn man erwägt, in welcher Reichhaltig-
keit die doch nicht so weit entfernten Flohlen der Maas und ihrer Nebenflüsse iti
Belgien eine weit zurück^ bis in die Z^eit des Mammnth und des Retithlers m-
chende Ausbeute geliefert bähen, so musste es in der lliat üherraachend erscheinen,
dass im Trierischen Gebiet derartige Funde ganz fehlten. Unser ebenso th
als glnckliches Mitglied, Hr. Bracht hat die erste, wenigstens einigermaassen «■
folgreiche und durch die Sorgfalt, nait der sie ausgeführt wurde, ausgezeicboetc
Ausräumung einer Höhle in der Eifel, des Buchenlocba bei Gerolsteiti bewirkt
und daraus eine Fülle von Gegenständen der Quiiteroärzeit zu Tage gefordert. Die-
selben sind jetzt irn Trierer Museum niedergelegt und in einer, unserer Versamm-
lung von der Gesellschaft für nützliche Forschungen in Trier überreichten Febl-
Schrift ausführlich dargestellt worden. Hr Ne bring hat die Fauna, dereo Rest«
Zulage gefordert wurden, bestimmt; ich will daraus nur das Mammtitb, das Rhino-
ceros tichorhiuns, das Renthier, den Höhlenbären und eine Anzahl jener kleioeo
diluvialen Nager erwäbüeo, auf welche Hr. Ne bring erst die Aufmerksamkeit
tixirt hat. Vom Menschen splbst wurde nur ein Brustwirbel gefunden, dessen Er-
haliungszusland nach Hrn. Neb ring gegen ein diluvitdes Alter spricht. Auch
sonst ist die Zahl der auf menschliche Tbatigkeit hinweisenden Stücke, DameDtlidi
im Vergleich zu den belgischen Höhlen, auffallend klein. Ein grosser 1 heil der
Thierknochen ißt zerbroclien und zersplittert, iiber es fehlt an beweisenden Merk-
malen für absiebt liehe Zerschlagung. Von eigentlich bearbeiteten Stücken erwähnt
Hn Bracht (Taf. Vll Fig. 5 u. 6) uur zweier zngespitzter Rippenstücke. Von
„geschlageuen'* Feuersteinen wurden überhaujit nur 7 gefunden und darunter OQf
einer (Taf. VH Fig. 1) von einer mehr charakteristiBcben, wenngleich aehr robett
Forna; die gewohnlichen Spähne und Messercheo fehlten gänzlich. Dafür zeigte
sich in allen Schichten ein Menge vou zerschlagenen Quarzgerolien, wie sie im
Bette der benachbarten Kyll zahlreich vorkommen, indess keines dieser Stucke
lässt die Absicht erkennen, ein bestimmteb Werkzeug herznsitellen. Unzweifelhaft
ist dies recht wenig, ja so wenig, dass man die Frage aufwerfen darf^ ob überhaopl
eine Bewohnnng der Hohle in alter Zeit stattgefunden bat. Für eine Bejahung
dieser Frage t^jirecben hiuiptsäcblich zwei Umstände. Zuerst das Vorkommen aus^
gedehnter Brandschichten, einer tieferen, in dem Niveau der fossilen Thierknochen,
mit grossen Stücken von Holzkohle, und einer oberen, mehr ascben artigen; &d
einer Stelle im Hiotergrunde der Hohle stiess man auf eine, der oberen Schickt
entsprechende, ganz mit Asche gefüllte kesselartige Vertiefung, Sodann der Nach*
weis von Thonscherben. Freilich wurden auch moderne, mittelülterliche und lö-
mifiche gehoben, indess bezeichnet Hr. Bracht 14 prähistorische Stücke, welche in
dem rothen nohlenbdiru lagen, zum Theil seihst biiiabreichten bis zu den maugan-
gefärbten schwarzen Knochensplittern der tiefen Schicht. Mit Rhinoceros-Resten
zusammen wurden keine Scherben angetroffen. Die Thonscherben selbst (Taf. Vlü)
sind ziemlich rohe, aber doch zu grosseren Gefässeu gehnrige, zum Theil geglättet«
und in mannichfaltlger Weisse verzierte Bruchstücke. Ausser Nageleiudrücken und
linearen Eiiiritzuugen giebt es auch solctie mit regelmassigen, abgesetxteo Zonen
und andere mit knotigen Gürteln.
Mau wird daher in der Beurtbeilung dieser Funde vorsichtig sein müssen.
Von der Anwesenheit des Menschen während der Zeit der Bildung der
\
I
(493)
Scbichten wird k»uni gesprochen werden können. Brat nychdem der Hohlenboden
biB zu einer gewissen Höhe mit dem Detritus der Wandungen und mit cingespultem
Material gefilllt war, sind Bniudslellen ao^'csetzt worden, immerhin noch nach den
Anfjaben des Hrn. Bracht in einem Niveau, welches den Üeberresten einer Dilu-
viaJfatina, aber wahrscheinlich schon einer jCingeren, entspricht. Die ungemein ge-
ringe Zahl der Artefakte weist den (iedauken einer anhaltenden Bewohnung an
sich zurück: 7 Stöcke von geachlageneui Feuerstein, 14 von Thongeschirr gestatten
höchsten», eine gelegentliche Bentity^ung der Hohle nuximelimeD, Es mai? sein, dass
die «erspHlterten Quarzgerölle auf menschliche Eitjwirkyug zu hexiehen siud, aber
sicherlich gehören die Thonsclierben uicht diesen Menschen an. Zu einer Zeitj wo
man noch nicht einmal verstandj Feuerst eine regeimässig zu behaadclu, gab es
schwerlich Thon gerät h und am wenigsten Thougefasse von dieser Grosse und mit
solchen Verzierungen.
Ich fuhr nach dem Schlüsse der Versammlung selbst hinaus, um mir das Buchen-
loch anzusehen. Mein Besuch in demselben konnte irgend ein positives ResultTit nicht
ergeben, da die Höhle bis auf den Boden ausgeräua>t ist. Trotzdem mochte icli die
Stelle allen Reisenden empfehlen. Gegenüber von (lerolstein, am rechten Ufer dpr Kyll,
stellt eine machtige Felsinsel aus Dolomit, die sich auf allen Seiten steil über die Um-
gebung erhebt, die sogenannte Monterlei. In ihrer Mitte sind die zwei, seit lange
erloschenen vulkanischen Krater, welche durch die langjährigen Untersuchungen von
Eilhard Mitscher lieh und durcfi die Bearbeitung seiner hinterlasaenen Aufzeicli-
nungt^n von Justus Roth so berühmt geworden sind. Zufallig traf ich an der
Westseite des einen dieser Kriiter^ der Papeokaule^ gerade auf eine Stelle^ wo man
hei^chaftigt war, Material zum Wegebau in grosser Menge abzufahren; dadurch war
der Wall von vulkanischer Schlacke, die sieb hier vor Zeiten aufgelhürmt hat, in
beträchtlicher Ausdehn nng durchschnitten und aufgeschlossen, — für mich ein be-
sonders interessanter Anblick, da ich eben erst vor wenigen Monaten am Aetna
die ganz frischen Schlacke ukegel des jüngsten Ausbruches begangen batle* Hier an
der Papenkaule lag dieselbe pechschwarze glänzende poröse harte Schlacke, wie
ich sie am Monte Principe di Napoli ganz frisch gesammelt hatte, nur stellenweise
unterbrochen durch Lvräunliche oder graue Aschenschichten. Au einer Stelle lotete
ich mitteu aus der Wand des Durchschjiittes Bi nistein, von dem meine Familie ein
Stückchen nach Hause brachte; hier erst erfuhr ich von Hrn. Rotb, dass niemals
früher ßimetein in dieser Gegend gefunden ist. Der Westwall der Papenkaule
reicht bis hart an den Westrand der Monterlei selbst, die hier in phantastisch
zerklüfteten, ganz steilen Abhängea abfällt. Mitten in denselben, ziemlich hoch
oben, liegt der Eingang des Buchenlochs, zu dem mau mühselig auf der steilen,
durch Abstürze der Wand gft bildeten Scharre hinaufklettern rauss. Durch eine
ziemlich enge Üeffnuog gelangt man in eine Höhle mit mehreren Aushuchtungea
und sehr ungleichem Boden, der früher offenbar durch einen kleinen Spalt mit drm
Plateau der Monterlei in Verhinduüg gestanden hat. Hoffentlich wird eine weitere
Umschau au diesen Abhängen noch andere Höhleu und damit die Möglichkeit einer
weiteren Erforschung des gewiss sehr merkwürdigen (lebietes ergeben, freilich
vielleicht erst dauOj wenn auf irgend eine Weise das Gerolle, welches jetzt bis
über die halbe Höhe die Abhänge bedeckt, weggeräumt werden sollte, —
Sonst giebt es bis jetzt im Trier sehen keine eigentliche Fundstelle für die
palaeolithische Periode. Geschlagene Feuersteine sind nur ganz vereinzelt gefunden
worden und ihr Vorkommen hat an sich wenig Bedeutung, da sie noch in fränki-
schen Gräbern Belgiens, wie ich früher im Museum von Namur eah, ungetroffen
werden, im Trier^schen sind Pfeilspilzen aus Feuerstein in Grabern der römischeu
Z«« K^Kroffec wGrd«n. Icc win dabei b^merkeB. »ia*« ich im Mi
zu L?ix*cih,t2rz. wohin ich t.::: Trl*r a^-* eisen A Stecher machte, gieieiildls m
wenige G'iTüxh^, Ton jjeichiageneni FeueRteia sah-
R'^io hl icher sied die e**chiiffeLen zzd zjim Thei; ^ecohnea Steingerithe. nuDMt-
iich ao« Kie*el*ch:efer. flr weiche C»-rd*l ••:* jrt2t Haaptfandort ist- Auch ii
Luxemburg *ir.d *i*. cameLtlicK 11 ier Form tol Fiaoht^üeo, nicht selteo. Die
zwei «^h-'n^tAQ Fiachbeiie öer Ther<^r SaizüLlace tod Pfalzkjll and Saarbarg find
uns TOD acserer Au^ätellücg her t^kancr. Icde»5 über die meisten Fondstficke
dieser Art wei»^ zr.ar. Lichiä GeLauer^«: cioht wenige sind ganz zafaliig geaammek
worden, and eic Urtri^'H. ^c welche Zeit ?ie eer.'reo. därfte daher im Aagenblick
*chwer abgegel*-n w^rlec köccen. —
In reichen uci ^:L'''r.en Ex^'mpiareL ist daeegec die Bronze vertreten. Hier
wurde unsere AufmerksÄmlirit giLi t.- rziigiwei*«^ g*»fe»äeli durch Artikel de«
italischeo Imports, wie si- soh'>n seit längerer Zeit durch die CnterBochiui;
des Hm. Alex, ßertrand über «He Bn-nzen von Wailerfangeo (VandreTanges) ib
der Nähe fon Saarlouis und durch die de? Hrn. Schuermans über die Fände to&
EyggenbiUen in Limburg bekannt geworden sind. Soweit ich die Fundorte n
übersehen vermag, handelt es sich dabei wenigt^r um das eigentliche ^osel- Gebiet
als vielmehr um die Flu-^sthäler d^r Nabe und der Saar nebst den anstossendeB
Bezirken des Hochwald«"«. Beson-i^rs beT«:>rzugt ist das Furstentham Birkenfeld,
dessen Sammlung zum grossen Th*-il nach Trier gesendet und dort für noaer
Studium mit aufgestellt war. [Jie frühere Sammlung von St. Wendel, welche ihn-
liche Fundstücke f>ntbäit, ist \oriäufig dem Trierer Museum übergeben wordea.
Wir hatten daher reichliche Gelegenheit, diese schnnen Sachen, welche sich an die
berühmten Funde in der bayrischen Pfalz und im Elsass anschliessen, im Zu-
sammenhange zu Studiren. Für die heutige Uebersicbt will ich nur einige der
Hauptgegenstände kurz erwähnen :
1. Die Schnabelkanne II. welche in jeder Beziehuue der etruskischen Form
entsfireohf-n. Wir sahen ihrer h >tück, von Rfmm»'Sweiler Kr. St. Wendel, Hermet-
kcil (Ausläufer des Hochwaldes , Besseringf'u und Weisskirchen a. d. Saar (Gjpenacb-
bildun^en), Schwarzeribach im Birkenfeldischpu und eine unbekannter Herkunft. Die
von Weisskirchen und Schwarzenbach sind abgebildet bei Lindenschm it, .Alter-
thümer un>erer heidui»oheü Vorzeit, Bd. I Heft II Taf. III, Fig. 1 u. 3. Ausserdem
noch '2 von BirkenfeM. eine aus dem Hasselt. ^ine von Ameisrech.
i. Hin Bronze he Im (•einfacher BIf'chhut,, nach einer wenig glaublichen An-
gabe bei Winningeii in der Nähr* von Schr.necken gefunden, ähnlich denen Ton
Watsch.
3. Zwei aus einem blattförmig gestalteten Blech mit SpiraiendplatteD
gebildete Armreife von Lauterbach bei Ottweiler.
4. Wendelringe. Ich mochte so, zum Unlerechiede von den eigeotlicheD
Torques, jene uns so bekannte Art mehrfach gedrehter und mit blattartigeo Kanten
versehener Halsringe bezeichnen (vergl. Lindenschmit a. a. 0. Bd. I Heft XI
Taf. III;. Sie wurden auf der Versammlung Gegenstand der Besprechung, da Hr.
V. Troltsch auf einer »einer antiquarischen Karten ihre Verbreitung dargestellt
hatte, leider auf Grund eines ganz fragmentarischen .Materials. Er hat die Güte
gehabt, mir eine Abschrift seiner Liste') zu geben, die einige für mich neue Fund-
1; \c\i theile die Lif«te nachstehend mit:
Fundorte von Brunzeringen mit wechselnder Torsion.
1. Wickenroth (Hirkenfeld) 2 Kzcmplare in der Birkenfelder Sammlung.
(495)
orte enthält; unsere Gegend fehlt darin ganz. Vielleicht erklärt sich das aus dem
Umstände, dass neben den wirklich gedrehten Ringen auch solche vorkommen,
welche, obwohl nach demselben Muster, nur gravirt sind; beide gehören indess nahe
zusammen, und ich werde daher die wahren und die falschen hintereinander auf-
fuhren, umsomehr als ausser denen von Wickenroth die sämmtlichen übrigen gravirt
sind, in dem Museum und in der Ausstellung von Trier habe ich 13 (vielleicht 15)
FDxemplare notirt: Zunächst aus dem Birkenfeldischen 2 von Wickenroth, 3 von
Boschweiler, 1 vom RiesenkÖpfel bei Wolfersweiler, Bruchst&cke von mehreren vom
Brand zwischen Birkenfeld und Hoppstädt, sodann 2 von Marpingen, 4 von Bran-
denbusch bei der Hohen Sonne auf dem Wege von Trier nach Bitburg. Gleich-
zeitig damit wurden wiederholt Knotenringe, sowohl Arm- als Halsringe, gefunden.
Wo man Genaueres über die Fundorte weiss, da waren es Hiigelgräber und zwar,
wie es scheint, solche mit Leichenbrand. —
Wenn iiber die chronologische Stellung dieser Bronzefunde nicht füglich ein
Zweifel bestehen kann, so ist dies in hohem Maasse der Fall mit den alten Stein-
wällen der Gegend. Allerdings sind die Untersuchungen über die Bedeutung
dieser Wälle eigentlich erst eröffnet, und es wird viel genauerer Erforschung dar-
über bedürfen, wie weit man die einzelnen als „Festungen^ anerkennen darf. So
entstand schon in der Versammlung selbst ein Streit über den Brandwall von
Kirn, von dem ausgezeichnete verglaste Stücke im Trierer Museum liegen, welche
mit denen von unseren Oberlausitzer Brandwällen vollständig übereinstimmen. Da-
gegen habe ich mich bei einem persönlichen Besuche nicht überzeugen können,
dass der Steinring um die Dietzelei bei Gerolstein, den Hr. Bracht als einen
Wall ansieht, eine künstliche Bildung sei; mir schien derselbe das natürliche Pro-
dukt einer vulkanischen Durchbrechung des Sandsteins zu sein.
Ungemein lohnend war die von den Trierer Herren veranstaltete Excursion
nach dem Steinwall von Otzenhausen auf den westlichen Abhängen des Hoch-
waldes. Es ist dies klassisches Gebiet, denn Schwarzenbach, Hermeskeil und
Birkenfeld selbst liegen sämmtlich verhältnissmässig nahe, und man fragt sich un-
willkürlich, ob die Hügelgräber der Bronzeleute früher oder später, als dieser ge-
gewaltige Steinwali, zu setzen seien. Der letztere führt den Namen Hunring oder auch
blos Ring; er liegt auf einem hohen bewaldeten Bergvorsprung, welchen die Leute
Dollberg heissen. Derselbe fällt nach Süden, Osten und Westen steil ab und ist
hier, ausser von dem eigentlichen Steinringe, noch von einem gleichfalls aus Steinen
aufgehäuften Vorwall umgeben; gegen Norden schliesst sich das Plateau des Berges
unmittelbar an, und hier ist der Wall einfach, aber von gewaltiger Grösse, denn er er-
reicht hier eine Höhe von 10 m bei einem Durchmesser der Basis von 40 m. Die
umschlossene Fläche beträgt mehr als 19 ^a, der Umkreis des Ringes 1360 m. —
Verhältnisse, welche noch die des Innenringes des Altkönigs (Umkreis 1150 m) über-
treffen. Eine genauere, durch Karten und Durchschnittszeichnungen erläuterte
ar l
eiden J
2. Grifte
3. Badamar ^ Kurhessen, \Lg\, Mu»eum in Kassel.
4. Wehlheiden
5. im Flusse Gersprenz, Oberhessen, Gross. Hess. Samml. in Darmstadt.
6. in der Lindner Mark, Oberbessen, Samml. in Giessen.
7. Eichelsachsen (nach Liiidenschmit, Altertb. uns. heid. Vorz.), Oberhessen.
8. A8chaffenburf(? Berliner Photographien?
9. lledel (Rde. Provinz Gelderland), Reichsmoseum in Leiden.
Nr. 1, 2, 3, 4, 5, G, 9 nach den Angaben der Sammlungtvorstinde.
(497)
Sehr riet grossartiger siad äie fiüd liehen Stein wälle in der Pfalz und Im EIshss,
welche ich im Einzelnen niclit besprechen werde. Ich will nur auf die grosse
Analogie hinweisen, welche der mächtige Ringwall um dit^ Kuppe des Donners-
herges und die berühmte Teufel sm au er bei Dijrk heim darbieten; diese mochte
ich m der That für die am meisten verwandten halten. Im Elsase treten scboa
wieder ganz andere Elemente hervor, so namentlich am Od iHen berge, desaeo sich
die Theilnehmer an unserer Strassburger Versamnilsing noch lebhaft erintiern werden.
Bine vergleichende Darstellung aller dieser Befestigungen balte ich für ein drin-
gendes Bedürfaiss der prähistorischen Chronologie des linksrheinischen Landes* —
Zum Schlüsse will ich noch ein Paar c ran io logische Bemerkungen kurz an-
hangen. Zunächst war ich nicht wenig überraschtj in den Sammlungen auffallend
viel brachjcephale Schädel anzutreffen. In Trier mnss ich von den zahlreichen
Schädeln des römi^hen Todtenfeldes die 5 am besten erhaltenen; davon waren
3 brachycephal (Index 82,0—84,5—85,0), 2 mesocephal (Index 76,2—78,7), Hier
könnte man einwenden, dass dies vielleicht Fremdlingej Kriegsvolk aus fernen
Landen, waren. Aber in Luxemburg trat dieselbe Erscheinung an fränkischen
Schädeln, so namentlich aus dem durch zahlreiche Beigaben gut charakteriwrten
Gräberfelde von Greisch hervor. Von 5 gut bestimmbaren Schädeln waren fast alle
sehr gross, brachycephal, zum Theil niedrig. Sie erinnerten mich an die Schädel von
Sclaigneaux und Heristal, welche ich seiner Zeit genauer beschrieben habe (Archiv
f. AnthropoL 1873 Bd» VI S. 96, 100). Die Legende von dem ^Reihengräber-TypuB**
ist hier schwer festzuhalten.
Sodann die Physiognomie der jetzigen Landbevölkerung, namentlich ira oberen
Nabe-Thal, aber auch im Luxemburgischen ist eminent leptoprosop: starkknochige
Gesichter mit grossen Kieferknocben und langen, etwas dicken Nasen, Der häufig
offeü stehende Mund Hess ungewöhnlich grosse und vorstehende Schneidezähne sehen*
Mebrmals konnte ich coustatiren, dass im Oberkiefer nur zwei, aber sehr breite
Schneidezähne vorhanden waren. Die Kinder im Nahethal waren gana lichtblond,
dagegen zeigte sich in Luxemburg viel spaniached Blut in der tief schwarzen Farbe
der Haare und Augen der Kinder. —
Hr. Nehring knüpft an diesen Bericht einige Bemerkungen über die Fauna
des „Buchenlochs" bei Gerolstein an:
Diese fossile Fauna ist im Wesentlichen von mir untersucht w^orden, und zwar
auf Veranlassung des Hrn. Prof, Eugen Bracht. Letzlerer hat vor einigen Jahren
die Bodenschichten des Buchen Jochs durch Nachgrabungen er forscht, wobei neben
manchen Artefacten auch zabireiche Reste von Thieren zum Vorschein kamen. So-
weit letztere zu den grösseren und bekannteren Species geboren, sind sie meistens
schon von den HHrn. von Decken und Schaaff hausen bestimmt worden« Die
Bestimmung der Mikrofauna. sowie mancher nur mit Hülfe eines reichhaltigen Ver-
gleichsmaterials feststellbarer Fundstucke war mir vorbehalten.
Die thierischen Reste stammen aus verschied enea Perioden; sie sind theils
diluvial, theils postdiluvial und zeigen alle möglichen Stufen der Fossilitat.
Die diluviale Fituna wird durch folgeude Species repräsentirt:
1. Ursus spelaeuSf Bohlen bar.
2. Canis lupus, Wolf.
3< ^ lagopus, Eisfuchs,
4. Foetorius erniinea, Hermelb.
5. Myodea torquatusj Halsband lemming,
6. Arvicola gregalis^ Sibir. Zwiebelmaus.
VerlifcüdL der BerL AutliropoL GcMllAoliia lSä3, ^
.495;
12- E^pü* cai*II:is, Pf*rd-
13. Bcif §p. (priaiz-tti^iir , «ii* ElMtr-An.
14- C-OTc* UknaiB5. Eäcüj** '^
15. C«TBS 5f-.- -rit rkt-e-utfizr*! V:«r-_
IT. • jL-ta*. G-e^irri-Scii'^LiLr-
It öitt-s-r F&:3:^ i« 'ü* <:r*ri^ .^i-t S>j:f"tLÜ-iA- «>t xti sie t^s IK'egggjeyA»
kDoditigec IUs6e tcl £. cfc'Al!:^^ :':>=<$. ^z.. veü-ct.» >tL :*ei WessezvcdB umd bei ThäKk
so zaiilreich gefaxien L&'^e. U-ei-rr d.r BezieL^rc^s d>eü<T Form <ies OiioräJ-
pCerd«» xa deo L^eutig^n E^»-r^ ir^ HAüipferd«^ L^«e :<i. xsikii ia einer aasfikr*
licfa^D Art<r;l aaf£««f-n>cLeiu, «üie &-£«-ni.:ckIi«h im Erscb^ise« bepriffiem ist*}:
alle ci^j^aLef-r. v^i^tL« §:cL :"=r -i:e Fn^<f i^^cL d-r? AiätamaaBg oad Hfeisazk
gleictao^ex: anicies oickk^x-rii^ri. I*^:;Ti^pf-^rcer zz.it drs Leati^eti Pff irii iimi
mngestellt ncdec
(17) Hr. W. Rfrisr t-ericL^e: t:-fr d^z^ Verrat d<*
welchem rr »!s heieginer ier «^ej^.lsrrjkf: lieimiini*.
Im Jkhrr lr^2 ixgte c*r A^Lfrlkiri^t-ecMtzr«^ ru llairid. Reiche SdiiUe
au* d*r: ::: ::eu*rer Zeil erä-rLIi'^i^iL^a ArcLivri w::ri*E t:-2 «pamischea GeleLitec
zar Vorlic-r z^bracht äci d*r Zr^i: -irr CvL-q-iiiftÄ waren :=. 'W«*ttlklien die Ver-
hacdJacze:: sewidn:*:. Bei der Wii. ö« niriftei: Ver?4=:=:l3:igsorie* war d«
Wunsch maas.>re:-e::i. i^r T::r.:l::Liiar:s^::en Z«iL den Esi-jseckern de« NordeiB
gerecLt za wercec. D^au wir Kof-enra^rL ier ge*:£Ee:e P.aix. Die Tiel gerülimle
diniscbe GÄiifreaiafcLaf: i-emälirte ^:ch üoi diesmal iz der ^ticxendstea WeiM
und da* l'::l:ihafte Ii.:ere-*^ für iie älteste Ges:L:ch:e ihre^ Vai^rlacdes fahrte den
CoE£Tr?* zahlreiche M::^->ier Jii MiiÄTt-rit-r i-. r»rr KT-'-i. der Krön prina waren
die Pr.'tect'"krec. iie Mii^irr. .:> Kacinirrc. irrvirrkirerie «jieleLne nnd reiche
Private die eifrige: F'rierer .-* ULt-rirLzi-zj. S k ii:e e* denn eicht feblen.
dass die T.;a; tl ^'24. Au^--?:. unter z^z l-fwlmen L^.tjzi de* Hrn. Wor>aae
ta^ecde VersamailucÄ ^'-iizeii Terlief.
1 Diru kv'^EfL L::i :i i Hm. t.l I«::!;!. OerTiss eiiry«r», eine kletce Cerm»-
Art cni Sc« pr.f-rus.
2 t»:c>r Ar*^ri; ;>: .l:«:>:'i--l 'ri F. P.-tJ -:f->rl->: 4r>:iieiec: s.e führt Jen Titel:
.Fofsiie Prerie au< z-'^:^cItz. V:\z^ :i, -A ij.-r-zjTi und ihre Beiiehuncen
ZG den Irbenie- PrerirL.- -:: ier-A- irz:£ i;* i-n :Ani*:r:b$chaftlkliec Jahrbocbera,
1SS4, ni:i 5 dth urij'bis-rhtn Tju'e i
(499)
Der ersten Sitzung wohnten der König, der Kronprinz, sowie die ganze könig-
liche Farailie bei. In der Bröfftiungsrede wies Hr. Worsaae darauf hin, dass
der Enthusiasmus, die allgemeine Aufregung und Theilnahme, welche in unseren
Tagen die glückliche Umschiffung Europas und Asiens in der gebildeten Welt er-
zeugte, nur einen schwachen Begriff von der mächtigen Erregung der Geistor geben
könne, welche die Entdeckung Amerikas am Ende des 15. und Anfang des 16. Jahr-
hunderts in Europa hervorrufen musste. Die HHru. Fabie, Bamps und Adam,
als Vertreter der Länder, in welchen die vorhergehenden Congresse stattgefunden,
begrussten die Versammlung und sprachen den Dank der Gäste für die ihnen ge-
wordene Anfnabme aus. — Im Saale war das Modell eines alten skandinavischen
Schiffes aufgestellt, dessen Original, 25 m lang, in einem norwegischen Grabhügel
gefunden wurde.
Am 22. August begannen die eigentlichen Arbeitssitzüngen. Ohne die Reihen-
folge der Vorträge zu berücksichtigen, soll im Folgenden eine kurze üebersicht
der reichhaltigen Verhandlungen gegeben werden.
Der Geologie waren 3 Vorlagen gewidmet: Prof. Lütke sprach über die Ar-
beiten Lund's, dessen reichet Material fossiler Thiere aus den Höhlen Brasiliens
in dem Zoologischen Museum der Universität aufbewahrt und allmählich bearbeitet
wird; V^. Reiss legte die kürzlich vollendete Arbeit Prof. Branco's über die
fossile Säugethierfauna von Punin in Ecuador vor; Hr. Vera erörterte die in histori-
scher Zeit in Amerika eingetretenen Niveauschwankungen.
Den weitaus grössten Theil der Verhandlungen nahmen die Vorträge in An-
spruch, welche die Geschichte der alten skandinavischen Entdeckungen behan-
delten. Hr. Valdemar Schmidt gab eine historische üebersicht der Neu-Ent-
deckung Grönlands. Die Anwesenheit der alten Skandinaven in Nord-Amerika
wird durch eine Reihe von Ruinen festgestellt und so die Richtigkeit der Sagas er-
wiesen. Wie kam es nun, dass diese Kenntniss verloren ging? Nach dem Vor-
tragenden lag der Handel und Verkehr mit den transatlantischen Ländern in den
Händen der Kaufleute von Bergen. Mit dem Niedergänge der Macht dieser Stadt
ging auch die Verbindung mit Amerika verloren. Nur unsichere Nachrichten hatten
sich erhalten, und erst im Jahre 1579 wurde eine Expedition ausgesandt, um Grön-
land wieder zu entdecken. Nach mehreren vergeblichen Unternehmungen gelang es
in den Jahren 1605 — 1G07 Grönland wieder aufzufinden. Etwa 12 Jahre später
erfolgte die Expedition unter Jens Munk, der^n Aufgabe es war, die NW.-Durch-
fahrt zu erforschen. Bisher war nur wenig über den Verlauf dieser Reise bekannt.
Neuerdings hat Hr. Lauridsen neue Documente aufgefunden und in einer kleinen
ßrochure veröffentlicht, welche im Namen des Marinemi nisters den Congressmitglie-
dern gespendet wurde. Zum Schlüsse geht Hr. V. Schmidt auf die Arbeiten von
Rink und auf die neuesten, im Auftrage der Regierung ausgeführten Forschungen
der HHrn. Steenstrup, Jensen, Holm, Hammer, Sylow, Petersen, Groth
und Kornerup über, deren archäologische Funde z. Th. im Sitzungssäle ausgestellt
waren.
Hr. K. J. V. Steenstrup, ein Mitglied der zuletzt erwähnten Expedition, be-
richtet über die in Grönland aufgefundenen Ruinen, unter welchen neben Kirchen
und Häusern auch Stallungen aufgefunden wurden, ein Beweis, dass die alten Kolo-
nisten Viehzucht trieben. Eine Anzahl von Zeichnungen und Plänen, sowie ein reich-
liche Auswahl der Fundstücke waren im Saale ausgestellt
Die alten Skandinavier kolonisirten aber nicht nur, sie unternahmen Reisen bis
hoch nach dem Norden, ja sie gelangten wohl bis zu denselben Breiten, welche zu
erreichen unseren neuesten Reisenden gelungen ist. Hr. Brynjulfson zeigt nach alten
82*
(500)
Manuscripten, dass sie im 13. Jahrhundert den Smith-Sand erreichteo, uod chirt
ein, angeblich aas dem Jahr 1100 datirendes, islandisches Gedicht, in welchem der
Aafenthalt in der Melyille-Bacht beschrieben winL
Den Werth der alten Sagas als historischer Berichte der firüheren Entdeckangen
Tertheidigt aach Hr. Löffler: nach seiner AolEassang wäre das alte Yinljuid in dem
heutigen Virginien zu suchen. Ebenso betont Hr. Beauvois den Werth der ia-
landischen Sagas, weist auf die Tielen Aehnlichkeiten hin, welche nach den Sltesten
spanischen Berichten die religiösen Gebräuche der Indianer mit unseren christlicheo
Gebräuchen darboten, und sucht diese als Ueberreste des darch die skandinaTiachen
Missionare nach Amerika gebrachten Christenthums darzustellen. Gegen eine solche
Auffassung protestircn die nHm. Adam, Fabie und Vinson, wie denn auch bei
einem Ton Hrn. Bamps Terlesenen Aufsatze des Abbe Schmidt lebhaft der Zo-
sammenhang zwischen den aufgefundenen kreuz-ähnlichen Zeichen und dem Christen-
thum bestritten wurde.
Im Auftrage Nordenskjöld's übergab Hr. Bahnson dem Congresse eine
Brochure, die Facsimiles dreier vorcolombianischer Karten enthaltend, auf welchen
der Norden von Amerika bereits eingetragen ist. Es sind die Karte Ton Zeno, nach
der yenetianischen Ausgabe von 1558, eine Karte aus einem Manuscript der Koamo-
graphie des Ptolomaeus aus dem Jahre 1427, welches in Nancy aufbewahrt wird,
und eine Karte desselben Werkes in der Ausgabe von Nicolas Denis aus dem
Jahre 1482. Der berühmte Reisende ist der Meinung, dass die Karte Ton Zeno
und die Ton 1482 nur Gopien einer älteren, im Norden Pluropas ausgeführten Karte
seien, welche von einem Italiener nach dem Süden gebracht wurde.
Aasfuhrlich und Ton ganz neuen Gesichtspunkten betrachtet Hr. Japetua
Steenstrup die Zeno'sche Karte. Seiner Annahme nach besteht die 1558 in Venedig
veröffentlichte Karte aus zwei ganz yeischiedenaltrigen Theilen: der linke, Fries-
land und EngroTeland enthaltende Theil stammt ungefähr aus dem Jahre 1400:
der rechte Theil aber aus dem Jahre 1558. Das Frisland der Karte wird, in üeber-
einstimmung mit Admiral Irminger, als Island gedeutet, und zwar liefern hierfür
die auf der Karte eingetragenen Namen einen kaum anfechtbaren Beweis. Mehrere
der Namen sind augenscheinlich üebersetzungen der isländischen Namen in das
Italienische, andere sind italienisirte islüodische Worte. Es lassen sich in diesen
Namen Spuren eines norditalienischen Dialektes entdecken, so dass wohl Zeno mit
Recht als Verfasser angenommen werden darf, der ungefähr im Jahre 1400 in Is-
land sich aufgehalten haben muss. Die Verwechselung der Namen Frisland und Island
wurde, wie bekannt, schon zwei Jahrhunderte früher durch die falsch aofgefaaste
Schreibweise der arabischen Geographen TeranlassL In dem Texte, welcher die 1658
erschienene Ausgabe der Zeno'scheo Karte begleitet, kommt auch ein Frie&laod
Tor; aber dies Friesland des Textes ist keineswegs Island, sondern «Strandfriesland*^
in Schleswig. Das EngroTeland ist auch keineswegs Grönland; es ist ohne Zweifel
die Halbinsel Kiderstedt: die Ortsnamen auf der Karte yon Engroveland sind weder
grönländischen noch lappischen Ursprungs: sie sind friesländisoh : die eingezeichneten
Vulkane sind KaJk- und Ziegelöfen und die Berge sind Dünen. Zeno ist also
nicht nach Grönland gekommen, wohl hat er Island gekannt, nicht aber Amerika.
Auch Admiral Irminger erörtert Einzelheiten der Zeno* sehen Karte: Frisland
kann unmöglich die Faröer darstellen; wer die Inseln aus eigener Anschauung kennt,
sieht auf den ersten Blick, dass die gegebene Beschreibung durchaus nicht auf die
dort Torhan denen Verhältnisse passt.
Spanien war auf dem Congress durch einige seiner herrorragendsten Ameri-
kanisten yertreten ; so konnte es nicht fehlen, dass auch der spanischen Entdecknnge-
(501)
gescWchte gedacht wurde. Hr. F&bie besprach zuerst eioige der aeu erachieoeDeD
apanischeD Werke uod erilrterte dann die von ihm in Angriff genommene neue Aus-
gabe der „Ciisas de Nueva E&paia*" des Padre Sabagun^ welches Werk mit allen
das ManuBcript so lehrreich machendem Abbildungen ersclieiiien solL Er legt ausser-
dem die von Fernanden Dyro ver6ffpiiilit:hte Arbeit ober D. Diego de Penalosa
vor und knüpft daran einige Bemerk uugen über die Königreiche von Cibola^
Quivira und Teguayo.
Der Linguistik war eine Reihe von Vorträgen gewidmet: Hr, Luden Adam
wendet sich mit grosser Energie gegen die linguistischen Studien Hale^s» der die
Amerikaner aus Europa einwandern lässt, als ein freies Volk, verdrangt durch die von
Osten kommenden Fürstenknechte. — Eine eingehende Arbeit über die E»kimo-DiaJecte
legt Hr* Rink vor. Nach den Untersuchungen und Zusammenstellungen dieses
Kenners des hohen Nordens haben alle Eskimos die gleiche Abstammung. Die
westlichen Stämme, die Aleuten, die Tschuktscben, haben sich zuerst vom gemein-
samen Stamme getrennt, dann die mittleren Stämme und zuletzt die Vorfabren der
Bewohner Labradors und Grönlands.
Üeber die Mayainschriften spricht Hr. Rada y Delgado; die Schwierigkeiten
sind gross, da die Schrift verschiedene Elemente enthalt. Die Arbeit Brassen r
de Bourbourg's kann nur mit grosser Vorsicht gebraucht werden. Hr. V^inson
theilt einiges über die im 17. Jahrhundert in Florida erloschene Timucua-Spracbe
mit und Hr. Blomme zeigt eine Grammatik der Kichesprache, welche vor etwa
2 Jahren in Guatemala aufgefunden wurde.
Hr. Vahl legt eine Karte Nordamerikas vor, auf welcher die froheren und die
jetzigen Wohnsitze der verschiedenen Indianerstamme bezeichnet sind. Die Karte
gebort zu einem aus 20 Tafeln bestehenden Atlas, der gegenwärtig von der dani-
schen Missionsgesellschaft herausgegeben wird.
üeber die peruanischen Vasen, deren Herstellung und deren Ornamente^ macht
Hr. Rada y Delgado, Direktor der Konigl. archäologischen und ethnologischen
Sammlung zu Madrid, eingehende Mittheilungen, unter Vorlegung der Tafeln, welche
für eine grossartige Publikation bestimmt sind. Hr. ßamps bringt zur Kenntniss
des CoDgreases seine eingebende mikroskopische Untersuchung sudamerikanischer
Thongefässe, durch welche eine KlassißciruQg angestrebt und die ßestimmung ein-
zelner Exemplare gesichert werden kann. Durch Anwendung dieser in der Petro-
grapbie gebriiucblicben Methode sind wohl wichtige Resultate zm erlangen.
Hr. Vera gab eine vorläufige Notiz über ausgedehnte Untersuchungen über
die von den Indianern angewandten Färbemittel, wozu ihm die reichen Madrider
Sammlungen audreichendes Material lieferten.
Durch eine reiche Auswahl von Abbildungen erläuterte Hr* Stolp seinen hoch-
interessanten Vortrag über die Entwiekelung der Ornamente bei den wilden Völker-
ftchaften«
Baron de Baye erörterte die wichtige Frage der Trepanation.
' Hr. Rdias bespricht 3 neue deutsche Werke: Die Steinsculpturen in Guatemala
von A. Bastian^ Amerikas Nordwestküste von demselben Verfasser, und die Stein-
bild werke von Copan und Quirigua von Meye und Schmidt. Derselbe legt
ausserdem Photographien columbianischer Alterthümer vor, sowie die Copie des
merkwürdigen, im See von Siecha bei Bogota gefundenen Flosses, welche er der
Güte des Generalconsuls Koppel verdankt
Am '24. fand die letzte Sitzung des Congresses statt. In reichem Maasse
waren die wissenscbaftliclien Arbeiten unterbrochen durch glänzende Fegte, welche
in liberalster Weise den fremden Gästen geboten wurden. Der Kon ig berief die
(502)
Vorsitzenden und* Delegirten nach Schloss Fredensborg. Die däDischeii Mit-
glieder des Congresses arrangirten Abendanterhaltung und festliches Diner, und den
glänzende Schlnss der in jeder Beziehung wohl gelungenen Versammlang bildete
eine am 25. ausgeführte Festfahrt. Allen Besuchern des Congresses wird der Aufent-
halt in Kopenhagen stets in dankbarer Erinnerung bleiben.
Man kann Kopenhagen nicht verlassen, ohne der grossartigen ethnographischen
und prähistorischeu Sammlungen zu gedenken, deren Aufstellung und ADordnang
als Muster für derartige Anstalten gelten kann. Umsicht und Eifer der leitenden
Gelehrten wetteiferten mit der Opferwilligkeit der Privaten, welche 2^it and Geld
zur Verfügung stellen, um diesen Sammlungen ihren hohen wissenschaftlichen Werth
zu sichern. Möge es den Herren vergönnt sein, recht bald diese Schätze in ein
ihrer würdiges Gebäude übersiedeln zu können, in welchem, mehr noch als dies
jetzt möglich, die einzelnen Stücke eine ihrem Werthe entsprechende Aufstellung
erhalten und vor allem Sicherung gegen Feuersgefahr geboten wird, um das Land
und die Wissenschaft vor unersetzlichen Verlusten zu bewahren. —
Hr. Reiss übcrgiebt einige Publikationen vom Amerikanistencongress und
Abbildungen colombianlscher Altertbäaer.
Hr. Benedix Koppel, Generalkonsul der vereinigten Staaten Colombias, hatte
die Güte, vorliegende Photographien seiner Sammlnng mir gütigst zu überlassen, um
sie der Gesellschaft, wie auch seiner Zeit dem Amerikanistencongresse vorzulegen.
Es sind Abbildungen verschiedenen Goldschmucks aus dem Hochlande von Bogota
und einer Anzahl von Thongefässen aus derselben Gegend. Bei letzteren sind
namentlich die aus gebranntem Thon gefertigten Stempel interessant, mit welchen
die Verzierungen auf die Thongefasse aufgedrückt wurden.
Hrn. Koppel verdanke ich ausserdem die Möglichkeit, eine genaue Abbildung
eines der interessantesten Alterthümer, welche im Norden Süd -Amerikas gefunden
worden sind, vorlegen zu können. Die Sage vom Eldorado reizte gleich in den
ersten Jahren der Conquista die Spanier zu weitgebenden Eroberungszugen. So
auch Belalcazar in Pasto und Popayan von einem Fürsten, der mit Gold-
staub bedeckt im heiligen See sich bade, während die Uuterthanen vom Ufer aus
Goldspenden den Göttern zu Ehren im Wasser versenkten. Diese Nachricht
war es, welche den Zug von Popayan nach Bogota veranlasste und zu der berühmten
Zusammenkunft der drei Conquistadoren führte. Seitdem wurde der See von Guata-
vita und Siecha oft nach Gold durchforscht und mehrfach die Ableitung des Wassers
versucht. Bei einer dieser Arbeiten wurde vorliegendes Stück gefunden. Es stellt
ein aus spiralförmig aufgew^undenen Streifen gefertigtes rundes Floss dar, welchem
durch weit hervorragende Stangen grösserer Halt gegeben ist Auf der Fläche steht
in der Mitte der Fürst, grösser als die ihn umgebenden Vasallen oder Diener. Die
einzelnen Figuren sind in der bekaauten Art der Chibcha-Goldarbeiten ausgeführt
Ob das Ganze ein Floss oder eine grosse Tragbahre darstellen soll, darüber sind
neuerdings verschiedene Meinungen laut geworden (vergl. diese Zeitschrift Bd. VI
S. 160—166).
(18) Hr. Müller-Beeck spricht über
Japan, das Wokwok (Wakwak; der Araber.
Bei meinen Studien über den Verkehr der Völker in Ostasien vor der Zeit der
rossen Entdeckungen bin ich auch der Frage näher getreten, welche Inseln wir
(503)
unter den ^Wdkwlik' Eilanden** zu verstehen haben, die verschiedene arabiacbe
Berichte iießüen.
Es ist Ton nicht geringer Bedeutung, festzustellen, dass das Zipangu des
Marco Polo den MohamedauPTD sclion vnr 1000 n. Chr., virenigsteDa dem Namen
nach, bekannt warl Dass sie diese Kenntniss erlangpn konnten, ist leicht begreiflich,
da es heute keinem Zweifel mehr nuterliegt, dass arabische oder persische Factoreien
in der Gegend dea heutigen Kanton beslacden haben.
Unter den arabischen Gelehrten der Neuzeit hat die Erklärung dieser angedeu-
leten Berichte über die Wiikwäk-Inseln sehr verschiedene Auslegnnge« gefundeit.
Neuerdings hsit sich Hr. De Goeje*), fuasend auf zahlreichen arabischen Noüaseii
über WtVkwAk, definitiv für Japan entschieden. Die Art seiinjr Beweisführung
aber erscheint mir gar zu hypothetisch, wenn er auch (Bl. 9) richtig annimmt,
dass „Wokwok** die chinesische Bezeichnung in Kanton für die japanische Lesart
^Wakoku** ist. Wie kommen aber die Japaner dazu, ihr Land ao ausKusprechen ?
und was hat dieser Name mit dem Wuuderbaurae Wokwok der arabischen Be-
richte zu thuB?
Ich werde mir nun erlatibeo zu zeigen, d&ss die ErkEamng diefier Wakw^k>
Frage ohne Kenutnisa der chinesichen Schriftzeichen, namentlich ohne Kenntnias
der japanischen und chines^icbeii Lesart ein und derselben Zeichen^ nicht möglich
ist. Damit entzieht sich für den arabischen Sprach kenner das Wort W^dkwiik oder
Wokwok einer wissenschaftlichen Beurtheilung und derselbe wird bei seiner Unter-
suchung über die Bedeutung dieses Wortes unwillkürlich auf das arabische Märchen
von dem Witkwük- Baume gefuhrt. Weil nun die Sage von dem heiligen Soma-
Baume Indien's auch mit dem Buddhismus nach China und Japan gewandert ist,
und in Japan eine vielleicht noch viel ältere Sage yon einem, das ganze Inselretch
beschattenden Baume existirt, so kam Hr. De Goeje darauf, in dem Wokwok der
Araber Japan zu sacben.
Ehe ich auf die Erklärung der Zeichen eingehe, mochte ich daran erinnern,
dass Japan im 8. und 9. Jahrhundert sein goldenes Zeitalter der Literatur hatte,
und dass Kunst und Gewerbe, wenn auch noch uuter dem üirecteo Einfluss Chinas
stehend, sich doch auf so hoher CuUurstufe befanden, dass sie von den Nachbar-
völkern Dicht unbeachtet bleiben konnten. Japan war ferner durch den Verkehr
mit Korea, Liu-Kiu und China diesen Völkern ebenso bekannt, wie den Persern
die Volker JemcnV
Daher ist wohl der Schluss berechtigt, dass ein solches Land auch von den
Chinesen mit einem ganz bestimmten Namen genannt wurde. Die einheimische
Bevölkerung Japan*s hatte aber bereits einen in Dokumenten und Büchern gebräuch-
lichen Landesnamea fixirt. Wir wissen aus den chinesischen Annalen der Tang-
(jap. To) Dynastie (618 — 905), unter w^elcher Nord- und Sud-China vereinigt wurde,
dass die Chinesen den Namen Dschi-pen für Japan anwandten. Dieser Name
kam mit der cbinesischen Schrift und den chinesischen Werken nach Japan, wurde
von den Japanern umgeformt und hat sich als Nippon (Sonnen Ursprung) bis heute
erholten, ja ist gegenwärtig bei allen Urkunden der characteri »tisch sie Name für
das InseJreich geworden.
Da der erste diplomatische Verkehr zwischen China und Japan um 203 u. Chr.
beginnt, so ist es wahrscheinlich, dass die Namen Nippon und Dschi-pen mehrere
1) Arabische Berichten over Japan. Mededeelingen der Eoninklijke Akadeune van Weten*
sehappen, Afdeellng Letlerkunde^ 2. Eeeks, Deel X. Amsterdam IBSO.
(505)
Ich muss an dieser Stelle darau eriDnern, dass die Chioesen mit Fu-sang
ein Land im Alterthum bezeichneten, das in weiter Ferne gen Osten lag und bei
ihnen ein Land der Fabelmenschen und der Wunderthiere war. Dieses hat —
unglaublich, aber doch wahr — Deguignes und Lei and') veranlasst, den Chi-
nesen die Entdeckung Amerika's, resp. Mexico's, zuzuschreiben I Ihnen folgten
Anhänger und Gegner, bis ßretschu eider im Jahre 1876^) überzeugend nachwies,
dass Fu-sang in den Mythen der Chinesen ungefähr dieselbe Rolle spielte, wie die
Hesperischen Gärten und die Inseln der Seeligen bei den alten Griechen.
Wenn wir nun die Zeichen für den Namen Fu-sang betrachten, so ergiebt
sich, dass Fu = J^, Sang = ^ä eine Art Maulbeerbaum ist, was aus dem
Zeichen sang (jap. so gelesen) hervorgeht. Sang in's Japanische übersetzt, heisst
kuwa (Maulbeerbaum), in der Verbindung mit Fu aber kann der Japaner nie
anders als Fu-so lesen. Daraus folgt also, dass wir es auch hier mit einer
ursprünglich chinesischen Bezeichnung zu thun haben, und das ist für unsern
Wunderbaum Wokwok wichtig, den uns die arabischen Berichte beschreiben.
Japan war den Chinesen im Alterthum und Mittelalter ein Land der Fabel-
menschen (Zwerge) und Wunderthiere. Die Sage von dem das ganze Inselreich
beschattenden Riesenbaume, der uns heute noch in japanischen Märchen vielfach
begegnet, deutet wohl auf continentalen Ursprung, ist aber betreffs ihrer Herkunft
selbst bei japanischen Gelehrten eine Streitfrage, obgleich es mir mehr als wahr-
scheinlich erscheint, dass dieselbe ächt-japanisch ist, da in alten Zeiten die Japaner
keine Tempel hatten, sondern zu ihren Gottern unter freiem Himmel in der Nähe
geweihter Bfiume beteten.
Ich kann mich hier nicht auf Hypothesen einlassen, will auch auf die Frage
nicht näher eingehen, ob die japanisch-chinesische Sage von dem Wunderbaume in
Beziehung zu bringen ist mit der vom indischen Baume, oder ob die erstere älter
ist, als der Buddhismus in China und Japan ^). Für unser Thema genügt es, zu
constatiren, dass dieser japanische Wunderbaum bei Ankunft der Araber in Ost-
asien schon in Bild und Wort verherrlicht und die Sage von ihm im Umlauf war,
so dass die Araber, welche Wundererzählungen und Fabeln ebenso wie die Ost-
asiaten begierig sammelten, an den Küsten Süd-China's neues Material erhielten
für die Märchen, die sich in Indien bereits um den Soma-Baum gebildet hatten.
Die Japaner verlegen die Existenz eines solchen Baumes, der bei ihnen nicht
vorkommt, natürlich in die Zeit, wo die Götter sich noch auf der Erde umher-
trieben. Muler, Dichter und Kunsthandwerker schmückten die Sage immer mehr
aus, je nachdem dieselbe von China aus durch die Literatur neue Nahrung empfing.
Kinder, Kindsköpfe sollten an diesem Baume gewachsen sein! Nie vergass man
aber, darzustellen oder anzuführen, was für eine Art von Baum es war, entweder
Conifere oder Maulbeerbaum oder Ahorn, kurz, ein Baum, der in Japan oder China
wirklicher Verehrung werth war.
Da nun aus keinem arabischen Bericht hervorgeht, was für ein Baum es gewesen,
den die Araber beschreiben, ferner Land, Baum und Volk verwechselt werden, — mit
1) Fusauf; or tbe discovery of America by Charles G. Lei and, London 1875.
2) Mittbeilungen der D. 0. für Natur- u. Volkerkunde Ostasiens.
3) Erst in späteren Werken heisst eine Pflanze in Japan Fo-sang d. h. Bnddha*s Maul-
beerbaum. In China bezeichnet man mit Fu-sang einen Zierstrauch, Hihiscus Rosa sinensis,
der nach ßretschn eider in pfar keiner Beziehung steht zu unseiem Sagenbaum; also Be-
weise mehr für die willkürliche Anwendung des Namens Fu-sangl
(506)
alleioiger AosDahme AI Birüni^s yielleicht — , so möchte ich darmos folgern, das«
diese Berichte durch VermittloDg chioesischer Haodelsleate eDtataodeo sind, also
eine Mittheilaog angebildeter, abergläubischer Menschen.
Wir missen, dass die Japaner Tor 1000 n. Chr. nach Ningpo ond Kaotoo fuhren,
wir können also weiter folgern, dass das arabische setüemeot^ welches um 878 n. Cfar^
selbst nach Abzug tou 50 Procent der in arabischen Berichten angefahrten Ein-
wohnerzahl, recht bedeutend gewesen sein muss. doch nie direct mit japanischen
Kauffihrem verkehrt hat. Hier in Süd -China fand ja der mohamedaniache Fana-
tismus und die arabische Handelslust an dem Nationalstolx und an der Handels-
eifersucht der Chinesen den überlegenen Gegner, der mit grosser Energie gegen
Ende des ersten Jahrtausends die Anhänger des Islam Ton den Küsten China^s
forttrieb.
Es erscheint mir wichtig, die Momente herrorzu Leben, welche die Veranlasanng
waren, dass das Inseireich Japan, sowie seine Bewohner von allen Handelsleuten
der damaligen Zeit mit Misstrauen und heiliger Scheu betrachtet wurden.
Wo sonst auf dem derzeit bekannten Erdkreis, als in Japan, schlenderten so
zahlreiche Vulkane ihre verderben bringenden Geschosse auf Dörfer und Fluren nnd
bewegten weithin die Wasser des Meeres!
Hier auf diesen Inseln schien femer der Boden fast beständig zu wanken und
der Glaube an unterirdische Drachen seine Bestätigung zu finden.
Nirgendswo auf der langen Fahrt vom indischen Meere bis nach Ostmsien —
um speciell von den mohamedanischen Seefahrern zu reden — wehte ein solcher
Wirbelwind, wie im Süden Japan^s, und machten Strömungen die Fahrt nach diesem
östlichen Inselreich unmöglich.
Die östliche Grenze des südchinesischen Meeres war gleichsam durch die
häufige Bahn der Tai-fung '} vorgezeichnet, deren verheerende Wirkongen sich auch
zeitweilig an den Küsten Süd-China's zeigten.
Diese Gründe haben die Mohamedaner veranlasst, im 7., 8. und 9. Jahrhundert
nie die Häfen Süd-Japan*s aufzusuchen!
Sie waren deshalb darauf angewiesen, nur durch chinesische Dolmetscher mit
Japanern zu handeln — wenn dies überhaupt geschehen ist — und diesem Um-
stände ist es zuzuschreiben, dass uns aus den frühen Nachrichten der Araber nur
unzureichende Berichte über ein loselreich erhalten sind, von dem die europäischen
Völker zuerst durch Marco Polo Kenntniss erhielten.
(19) Hr. Bastian macht folgeoJe Mittheiluog:
Von unserem ruhmvollen Reisenden erhielt ich gestern noch ein Tel«^ramm:
Lebewohl .\llen
Wissmann
aufgegeben in Hamburg, 11 Chr :?0 Miouten Vormittags, also wahrscheinlich im
Augenblick der Abreise. Unsere Hoffiiungeu und Wünsche begleiten ihn. ins-
besondere auch für die Ethnologie. Noch vor seicem Fortgange von Berlin ist
durch Hm. Lieut. Wissmann, im Interesse wissenschaftlicher Forschung, die hoch-
sinnige Verfugung getroffen, dass seine sämmtlichen Sammlungen in der Haupt-
sache in den Bestand des Etbcologischen Museums übergehen werden, so dass gmss-
artigster Bereicherung unserer Kenntnisse aus den bevorstehenden Entdeckungen
entgegenzusehen ist.
1} Hier beisst Tai nicht ^ross, sondern ist das erste Zeichen tod Tai-wan C^ormosa}.
(507)
(20) Eiugegangene Schriften:
1. Reis 8 und St übel, Das Todtenfeld von Ancon. Lief. 9. Gesch. d. Verf.
2. Archivio per l'antropologia e la etnologia. Vol. XIII Fase. IL
3. Boletin de la Academia nacional de ciencias en Cordoba (Repnblica Argentina).
Vol. IV Entrega II, III, IV. Vol. V Entrega I, IL
4. Actas de la Academia nacional de ciencias en Cordoba. Toni. IV Entrega I.
5. Expedicion al Rio Negro, Patagonia. Entrega II Botanica. Kntrega 111 Geologia.
6. Verwaltungsbericht des Märkischen Provinzialmuseums. 1882 SH.
7. Atti della R. Accadeuiia dei Lincei. Vol. VII Fase. 15.
8. Annalen der Hydrographie. Jahrg. XI Heft X.
9. Nachrichten für Seefahrer. Jahrg. XIV Nr. 41 — 44.
10. W. Blasius, Üeber Speraiophilus rufescens Keys. n. Blas., den Orenburger
Ziesel. Gesch. d. Verf.
11. F. Albrecht, Sur la valeur morphologique de Tarticulation mandibulaire, du
cartilage de Meckel et des osselets de Touie. Gesch. d. Verf.
12. Annales du Musee Guimet. Tome III, V.
13. Revue de Thistoire des religions. Tome VII Nr. l.
14. Oatalogue du Musee Guimet par L. de Mi Hone. Premiere partie.
15. Association Lyonnaise des amis des scicnces naturelles. Comptc rendu de
Tannee 1882. Gesch. d. Hrn. L ortet.
16. Museum des sciences naturelles de Lyon. Rapport a M. le Maire par M. le
Dr. Lortet Gesch. d. Verf.
17. Archives du Museum d'histoire naturelle de Lyon. Tome III. Gesch. d. Hrn.
Lortet.
18. Antiqua, ünterhaltungsblatt für Freunde der Alterthuraskunde. 1883. Nr. 7.
10. Bulletins de la societe d'anthropologie de Lyon. Tome II Nr. 1.
20. Congres international des Americauistes. Proces- verbal. fJopenh, 1883.
21. A. E. Nordenskjöld, Trois cartos precolombiennes repri-sentant une partie
de TAmerique (Groenland) 1883.
22. Jens Munk's Navigatio septentrionalis, udgiven af P. Lauridsen. Kyöbnh.
1883.
23. Daniel C. Brinton. The books of Chilau Balam, the prophetic and historic
records of the Mayas of Tucatan. Philadelphia.
24. Notice sur les Musees ethnographiques et archeologiques de Copenhague. 1883.
25. Henry Philipps, A bricf account of the more important public collections
of American Archaeology in the United States. 1883.
2G. Itldwin A. Barbe r, Oatalogue of the CoUection of tobacco pipes in the
Pennsylvania Museum and School of Industrial Art. Philadelphia 1882.
Nr. 20—27 dorch Hrn. Reiss von dem Kopenhagener Congress mitgebracht
Ausserordentliche Sitzung vom 24. November 1883.
Vorsitzender Hr. Virchow.
(1) Der Vorsitzende eröflfnet die Versammlung mit der erschütternden Nach-
richt von der Ermordung des Hrn. Fr. A.d. de Röpstorff, correspondirenden
Mitgliedes der Gesellschaft.
Vor wenigen Augenblicken erhalte ich von Hm F. Ja gor die nachstehende
Mittheilung:
„So eben lese ich in der Times 22. November folgendes Telegramm aus Cal-
cutta 21. November: In Port Blair ist ein Schiff aus Camorta angekommen, welches
Kunde von der Ermordung des Hrn. de Röpstorff, Superintendent of the Nico-
bars, bringt. Hr. de R. und seine Frau waren die einzigen Europäer auf Camorta;
der Rest der Bevölkerung bestand, abgesehen von den Eingebornen, aus einigen
hundert Sträflingen und einer Sepoy -Wachtmanuschaft aus Madras unter einem
Havildar. Der Havildar, der vom Superintendent amtlich bestraft worden war,
lauerte ihm auf und erschoss ihn, als er mit seiner Frau ausritt. Darauf tödtete
sich der Mörder. Frau v. Röpstorff zeigte grossen Muth. Sie schleppte die Leiche
ihres Mannes in das Haus, gab die nöthigen Befehle an die Sepoys und sandte
einen Bericht über das Vorgefallene nach Port Blair. Major Protheroe, Super-
intendent der Andamanen, begab sich sofort nach Camorta.^
Unsere Gesellschaft zählte unter ihren correspondirenden Mitgliedern wenige,
welche mit gleicher Hingebung und üneigennutzigkeit den ganzen Ertrag ihrer For-
schungen ihr zur Verfügung stellten. Noch im Laufe dieses Jahres haben wir eine
Fülle der mannichfaltigsteu ethnologischen Gegenstände, darunter Stücke seltenster
Art, empfangen, deren genauere Besprechung nur aus dem Grunde verzögert wurde,
weil wir noch nähere briefliche Aufklärungen erwarteten. Die letzte Sendung, welche
erst vor Kurzem eingegangen ist, bestand in einer werthvollen Abhandlung über die
Behandlung der Todten auf den Nicobaren, begleitet von linguistischen Beigaben, zu
umfangreich, um in der gewöhnlichen Art unseren Publikationen eingefugt werden
zu können. Wir waren eben damit beschäftigt, die Vorbereitungen zu treffen, um
dieselbe als besonderes Supplementheft erscheinen zu lassen, und es war eine
(Korrespondenz eingeleitet, um die nöthige Verständigung herbeizuführen. Nun ist
das Alles plötzlich und auf so schreckliche Weise unterbrochen worden.
Hr. V. Röpstorff war Däne von Geburt und, soweit bekannt, zur 2^it der
Abtretung der Nicobaren an England aus dem dänischen Dienst in den englischen
übergetreten. Längere Zeit hindurch hatte er die Sammlungen seines Vaterlandes
vorzugsweise mit seinen Geschenken bereichert. Aber er beklagte stets die Zer-
würfnisse, welche die Politik zwischen Dänemark und Deutschland herbeigeführt
hatte, und er war bemüht, dieselben auszugleichen. Eine anonym erschienene
Schrift') behandelt die Wege zu einer solchen Ausgleichung; ja, er trug kein Be-
denken, seine Gesichtspunkte in einem besonderen Memoir an entscheidender Stelle
vorzutragen. Von der Zeit an, wo er unser correspondirendes Mitglied wurde, und
1) Danmark af en Fader. Et alvorligt ord til Landsmand fra en i Udlandet bosat
Dansk. Ejöbenb. 1882.
(510)
WO er sah, dasä wir ä^^ineii ßemöhoogen durch ausgiebige, geoogeDd Ulostrirte
Veröffentlich uDg^D daokteo, wo er sich oberzeugte. dass io Berlin ein Ceotrmlponkt
der ethDologischeo Forschoog begründet war. schloss er mehr ood mehr seine er--
folgreiche Thätigkeit den Bestreboogen unserer Gesellschaft an, in solcfaem Maaase,
dass io letzter Zeit, nameotlich bei Gelegenheit der eben in Calcotta stJittfiDdeDdeii
ethnologischen Aosstellong, ein Conflikt mit den englischen Behördeo drohte.
So klein das Gebiet seiner Forschacgeo räumlich war, da es eben oor die
Gruppen der Aodamanen und der Nicobaren umfasdte, so grosse Scliwierii^keiten
bot es dar, wegen der Unzugänglichkeit der wilden BeTolkerungen und der beson-
deren Verhältnisse der Verbrechercolonie. welche die englische Regierong dort ge-
gründet hat. Nachdem er längere Zeit hindurch die linguistischen und socialra
Verhältnisse der Andamanesen und Nicobaresen zum Gegenstande seiner FcnrscboDg
gemacht hatte, war es ihm in letzter Zeit gelungen, bis zu der ürbeTÖlkeroDg der
Nicobaren, den bis dahin ganz unbekannten Shombengs, Torzudringen. Eine aas-
fuhrliche Abhandlung in unserer Zeitschrift berichtet darüber. Eben mit neuen
Untersuchungen beschäftigt, hat er den Tod durch Verbrecherhand erlitten.
So ist nun auch der Name Röpstorff unter die Zahl der Blutzeugen der
Wissenschaft eingetragen. Die Kugel des Mörders hat in einem Augenblick ein
Leben geschlossen, welches ausschliesslich der Erfüllung der Pflicht und der Hin-
gebung an die Wissenschaft gewidmet war. In unserer Erinnerung ist das Ge-
dächtoiss des edlen Mannes uoausloschlich eingetragen. Aber wir würden un-
seren Empfindungen nur einen unvollkommenen Ausdruck gewähren, wenn wir
nicht in diesem Augeublicke der treuen Gefährtin gedenken wollten, welche seit
Jahren fast alle Gefahren mit ihm getheilt hat und welche auch in dem schreck-
lichen Augenblick, der ihr den Gatten raubte, den hohen Muth und die seltene
Gegenwart des Geistes bewährte, die der Verstorbene mit Stolz und inniger Liebe
wiederholt ofifentlich anerkannt hat. Möge ihr die Zuversicht einigen Trost ge-
währen, dass die hohen Ziele, welche Hr. de Ropstorff im Dienste der Wissen-
schaft unter schwersten persönlichen Opfern verfolgte und welchen sie selbst mit
Begeisterung und üiugebung sich angeschlossen hatte, in dem Gedächtnis^ der
Zeitgenossen und der Nach well vollste Anerkennung finden werden. —
(2) Die herrliche ethnologische Sammlung des Hrn. Dr. Riebeck,
welche demnächst ganz in den Besitz des ethnologischen Museums und des Kunst-
gewerbe-Museums übergehen soll, hat ihre würdige Aufstellung in der Halle des
Kunstgewerbe-Museums gefungen; der Vorstand des letzteren übersendet Einladungen
zu der am 26. d. M. stattfindenden Flröffoung. Indem der Vorsitzende den Dank
der Gesellschaft dafür ausspricht, weist er zugleich auf das für unser Vaterland
ganz neue und hoflfentlich folgenreiche Beispiel hin, welches Hr. Riebeck giebt,
indem er eine bo grosse und kostbare Sammlung, wie sie vor ihm kein Privat-
mann zusammengebracht hat, ohne irgend eine Entschädigung dem Staate schenkt.
Auch die Eutsagiiug verdient besondere Erwähnung, dass Hr. Riebeck darauf ver-
zichtet, ein neues Specialmuseum zu gründen. In hochherzigster Weise erkennt
er an, dass auch eine grosse Nation alle Anstrengungen darauf concentriren muss,
zunächst an einem Centralpuiikte das Vollständigste zu erreichen, was durch Ver-
einigung aller Kräfte erreicht werden kann. Wenn auch getheilt, wird seine Samm-
lung in den i»rossen Museen unserer Stadt in ihrer besonderen Bedeutung stets er-
kannt werden.
(3) Hr. Schliemann übersendet sein neues Werk über Troja, welches die
(511)
Ergebnisse seiner letzten, ausgedehnten und wahrscheinlich für immer abschliessen-
den Ausgrabungen auf Hissarlik und in der Troas darlegt. Der Vorsitzende dankt
dem Ebrenmitgliede der Gesellschaft für diesen erneuten Beweis seiner Theilnahme.
(4) Die Direktion des Berliner Aquariums theilt mit, dass sie in Unterhand-
lungen steht, um das behaarte Kind Krao, genannt the missing link, hierddbst
öflfentlich zu zeigen. Der Vorsitzende verweist auf die in den Sitzungen vom
•20. Januar (Verh. S. 118) und vom 10. Februar (Verh. S. 166) gemachten Mitthei-
lungen und spricht die Anerkennung der Gesellschaft für die Bemühungen der
unermüdlich thatigen Direktion des Aquariums aus, welche durch die Versammlung
von Repräsentanten aller 4 anthropoiden Affen so viel zu einer objektiven Ver-
gleichung dieser merkwürdigen Geschöpfe gethan hat. Vielleicht werde gerade in
dieser Umgebung der menschliche Typus des behaarten Kindes um so deutlicher
hervortreten.
(ö) Ilr. Virchow zeigt Photographien des von Lieutenant Wissmann von
seiner centralafrikanischen Reise mitgebrachten und in der Sitzung vom 19. Mai
(Verh. S. 284, vgl. S. 453) vorgestellten
Negerknaben von Ukusso.
Ilr. Lieutenant Wissmann hatte die Güte, mir zu gestatten, den kleinen
Negerburschen, den er vor einem halben Jahre der Gesellschalt vorstellte, zu unter-
suchen und photographiren zu lassen. Letzteres ist durch Hrn. Photographou Carl
Günther in der vortrefflichsten Weise geschehen, und ich kann die ersten Proben
davon hier vorlegen.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich Hrn. Günther noch besonders unseren Dank
ausdrücken für seine stets bereite Gefölligkeit, unseren Wünschen nachzukommen.
Im Laufe der Zeit hat er schon eine recht bemerkenswerthe Sammlung von Rassen-
typen zusammengebracht, welche zu den besten gehören, die überhaupt existiren.
Es wäre nur zu wünschen, dass eine grössere Zahl von Mitgliedern, als dies bis-
her der Fall gewesen ist, ihn durch Abnahme von Blättern auch einigermaassen
entschädigte für die nicht unerheblichen Aufwendungen, welche er gemacht hat —
Der kleine Bursche wurde von Hrn. Wissmann in Nyangwa von Arabern,
die ihn geraubt hatten, gekauft. Sein Name lautet Sänkuru uud sein Alter mag
auf etwa 11 bis 12 Jahre geschätzt werden. Er ist ein Djomba aus Dumbi, einem
Dorfe in Ukusso (nicht, wie es im früheren Sitzungsberichte heisst, Wakusu) im
Lande der Papaugayen, westlich vom Lualuba, in 2 — 4^ S. Br.
Seine ganze Erscheinung ist die eines ausgemachten Negers. Der Aufenthalt
in Europa, namentlich im mütterlichen Hause des Hrn. Wissmann, hat seine
Entwickelung ungemein begünstigt. Nicht blos hat sich sein Körper gekräftigt,
er ist voller geworden, ein Bild bester Gesundheit, sondern auch seine geistige
Entwicklung hat grosse Fortschritte gemacht. Er trägt europäische Kleidung und
bewegt sich mit grosser Freiheit, auf Alles aufmerksam achtend. Er hat etwas
Deutsch gelernt, ja er schreibt sogar in deutschen Lettern seinen Namen uud
kleinere Sätze. Dabei hat sich seine Gemüthsrichtung als eine ungemein gutmüthige
und freundliche erwiesen.
Hr. Stabsarzt Dr. Wolff, einer der Begleiter des Lieut. Wissmann auf seiner
neuen Reise, der es auch übernommen hat, die anthropologischen Aufgaben in mög-
licher Vollständigkeit zu verfolgen, brachte mir noch den Tag vor der Abreise den
Knaben, der nun auch wieder seiner Heimath zugeführt werden wird, in das Patho*
(512)
logische Institut, und wir nahmen noch einmal an ihm die gewöhnlich auszuführenden
Messuugen vor. Bei dieser Gelegenheit wurde auch ein von mir für die Zwecke
der Körpermessung neu construirter Maassstab geprobt, den ich ein anderes
Mal genauer besprechen werde. Hier sei nur bemerkt, dass es sich gegenüber der
Schwierigkeit des Transportes auf einer ccntralafrikanischeii Reise darum handelte,
ein leicht zusammenlegbares und doch festes Instrument herzustellen, das alier
Orten ohne besondere Vorbereitung benutzt werden kann. Ich will noch erwähnen,
dass Hr. Wissmann trotz aller Bedenken sich entschlossen hat, meinem dringenden
Ansuchen zu entsprechen, eine genügende Zahl von Gypsbüchsen mitzunehmen, um
von den Haupttypen, welche die Expedition antreffen wird, Gesichtsmasken zu
nehmen. Hoffentlich wird es so gelingen, wenn auch in beschränktem Maassstabe,
diese Expedition auch anthropologisch zu einer so nachhaltigen zu machen, wie es
die Reise des Hrn. Ein seh nach Oceauien gewesen ist
Die Hautfarbe unseres kleinen Sdnkuru ist im Allgemeinen eine gesättigt choko-
ladenbraune mit einem mehr gelblichen Grundton. Die Stirn ist am dunkelsten; ihre
Earbe entsprach ungefähr der Nr. 4 fg. der Rad de' sehen Farbentafeln. An der Ge-
sichtshaut zeigten sich ausserdem zahlreiche, schwarze Flecke. Die Hände boten
äusserlich die Farbe Nr. 33, de, innen Nr. 33, pq, mit einer Hinneigung zu Nr. 34, d,
dar. Es sind dies wesentlich Farben, welche aus Orange und Carmoisin gemischt
sind. — Das schwarze Haar bedeckte in Form einer ganz dichten und kurzen, aas
engen Röllchen zusammengesetzten, wolligen Perrücke den Kopf. Die einzelnen, ganz
dicht zusammengelegten Spiralröllchen haben einen Durchmesser von 2— 3 mm. Unter
dem Mikroskope erscheinen die Haare dünn, seitlich etwas abgeplattet, von platt-
ovalem Querschnitt; von der Fläche aus betrachtet, ist die Farbe tief schwarz-
braun (nicht bläulich) und das Haar undurchsichtig; auf dem Querschnitt fehlt der
Markstrang, vielmehr ist die Mitte ziemlich farblos, dagegen der übrige Theil des
Haares bis zur Oberfläche hin durchsetzt mit getrennten Häufchen eines feinkornigen,
braunschwarzen Pigments, zwischen denen die Substanz ungefärbt erscheint. — Die
Augen vortretend, glänzend, mit ganz schwarzer Iris.
Der Kopf erschien in der Haarbedeckung fast rundlich, indess ergab die Mes-
sung ein ausgemacht dolichocephales Maass (Index 72,3) bei recht beträchtlicher
Höhe (Auricularindex 67,7), so dass man den Kopf ohne Weiteres als hypsi-
dolichocephal bezeichnen kann. Ungewöhnlich breit. (108 mm) und vortretend
ist die Stirn. Das Gesicht ist chamaeprosop (Index 87,3) mit stark vortretenden
Jochbogen. Die Nase kurz und breit (Index 86,3), im Ganzen flach, mit beson-
ders kurz endigender Kuppe. Die Lippen ungemein dick, vortretend, von blau-
graurother Färbung, der Mund lang (49 mm).
Die Körperhöhe maass 1,449 m, um 115 mm weniger als die Klafterlänge. Der
Nabel bedeutend über die Mitte der Körperhöhe, in 905 mm Entfernung vom Boden.
Die Armlänge ergiebt 94 pCt. der Beinlänge. Die Spitze des Mittelfingers erreichte
fast das Knie. Der Fuss gross und nach vorn sehr plump; seine Länge von 254 mm
ist nur 5,9 mal in der Körperhöhe enthalten. Die II. Zehe überragt um ein Geringes
die I. Obwohl der Knabe jetzt Stiefel trug, war doch die innere Seite des Fusses
fast gerade, zwischen I. und II. Zehe ein deutlicher Zwischenraum, die kleine 2^he
nicht gekrümmt, sondern am meisten nach aussen vortretend.
Das Weitere wird aus folgenden Maassen hervorgehen:
I. Kopfmaasse.
Grössto Länge 192 »wm Ohrhöhe 130 mm
„ Breite 139 „ Stirn breite ^08 „
GeaichtshShe A. (HaarraDd) .
„ B (Naaen Wurzel)
M itte I gesich tabobe (Nasen wur-
zel bis Mund) . , . . *
Gesicbtsbreite A. (jugai) . .
^ B. (malar) . »
„ C. (maDdibuIar)
(513)
187 mm Distanss der Augenwinkel innen
110 „ „ ^ „ aussen
Nase, Hohe .
66 „ ^ Länge
126 „ „ Breite
81 „ Mundlange .
95 ^ Ohr, Höbe .
IL Korpertnaase,
Ganze Höbe
Klafterlange. 1564
Brustumfang 730
Schulterbreite 324
Sebuherbnhe 1192
Ellbogenb<jhe 8H4
Handgel enkbobe 649
Mittelfingerbübe ..... 470
1449 mm
Handlange .183 mm
Handbreite , , 80 „
Nabeibobe 905 „
Trocbanterhohe 788 „
Knieböbe . 469 „
Mall, exL Höhe 75 „
Fu88, Länge 246 „
„ Breite 90 .
(6) Hr. L. Zapf zu Münchberg in Bayern übersendet mit folgendem Brief
vom 2Ü. d. Mt Hra, Vircbow^ im Anscblusse an dessen Mittbeilungen in der Sitzung
vom 19. Mai (Verb. S- 252), Zeichnungen yöu
erhabenen Bodenornamenten aus dem ßurgwall Waldstein Im FlcMelgebirfe.
y, Meine Waldsteiubammlung wird dem n liebst an deu historisühea Verein in
Bayreuth iibergebeii, und konnte ich mir uicht versagen, vorher noch einige der
cbarakteristiscben erhabenen Bodenornamente für die geehrte anthrop. GesellBchaft
^/y
/
Qiilbe Grösse.
zu Berlin zu zeichnen, da sieb möglicherweise doch früher oder spater anderwärts
Seitenstücke finden. Dasselbe Ornament findet sich in entsprechender Ver-
grossem ng auch auf grossen Topfböden, wie ich denn z, B. einen dergb von 14 cm
Breite oder Üurchmeaser besitze,
„8ebr zutreffeLid haben Sie in der Maisitzimg die Mannichfalligkeit der Gefaes-
VerbkJiin. der Berl. Aiitbropol, Gel el lieb All 1B83. 33
(514)
formen angedeutet; ich habe gegen 30 variirende Randstöcke, und wechselnd orna-
mentirte Deckel- und Wandstucke in grosser Anzahl. Klumpen Lehms ond Thons,
sowie eine (flaschenhalsähnliche) Thonform mit einem auf solcher gefertigteo Stücke
weisen auf die ehemalige Töpferwerkstatte hin. Bemerken swerth sind verschiedene
(vielleicht jüngere) glasirte Stücke, darunter zwei mit innen aufgelegten graufarhigen
Verzierungen.
„Weiteres wird mein 1884 in Ranke's „Beiträgen'^ mit Abbildungen er-
scheinender Fundbericht enthalten.^
(7) Hr. Hand t mann in Seedorf bei Lenzen a. d. Elbe berichtet ut>er
Käsenäpfe, Kunkeln und Kiebitzberge.
Durch das Correspondenzblatt Nr. 9 Septbr. 1883 S. 95 neu erinnert erlaube
ich mir, folgende drei kleine Notizen zu senden über heimatliche Anthropologie.
1. Käsenapf. Nicht bloss fern im Schwarzwald und Elsass, sondern auch
ganz nahe bei Berlin, z. B. zu Zellin a./Odcr Kr. Königsberg giebt es dergleichen.
unzählige Käse half ich vor ca. 30 Jahren in solche irdenen ^Käsenäpfe^ ein- bez.
ausklicken (wie der terminus technicus lautet). Ich werde, da ich selbst nicht
recht Gelegenheit habe, dorthin zu kommen, Auftrag geben, dass Von dort aus
möglichst bald entweder aus einer der dortigen Töpfereien (Heller, Both, Sprott)
oder aus dem Haushalt meiner Stiefmutter ein Exemplar solches heimischen Haus-
industriewerkzeuges an das Märkische Museum gelangt.
2. Die ^Spindel und Kunkel^, welche Herr v. Schulenburg, Zeitschrift 1882
Verh. S. 36 abbildet und bespricht, Herr Dr. Voss aufs Neue im laufenden Jahr-
gang aus Tübinger Gegend (wo ich dieselbe sah) erwähnt, war in den 50er Jahren
in der Neumark noch sehr in Gebrauch, jetzt nicht mehr. Im Jahre 1868 sab ich
ganz nahe bei Berlin in Dorf Groben bei Ludwigsfelde (Anhalter Bahn) mit solcher
Spindel wiederholt den alten Küster Hoffmann, auf der Ofenbank sitzend, spinnen.
3. Ein kleines Thongefäss, sehr erinnernd an das, Verh. 1882 S. 505 abgebildete
Milch-(?)Töpfchen, ist vor einigen Tagen ganz unversehrt im losen Sande des Kiebitz-
berges bei Gandow nahe Lersen gefunden worden. Dasselbe wird z. Z. in der
Oberpfarre Lersen aufbewahrt. Es stand ganz allein für sich. Doch enthält be-
sagter Kiebitzberg merkwürdige Scherben, welche bis jetzt noch nicht untersucht
sind, im nächsten Sommer aber unter Herrn v. Schulenburg*s Oberleitung ener-
gisch untersucht werden sollen.
Betreffend Kiebitzberge habe ich bereits vor einigen Tagen Hrn. v. Schulen-
burg meine persönliche Ansicht mitgetheilt, duss ich dieselben grösstentfaeils
für künstliche Gebilde halte, also für Tumuli. Ich bitte, die allgemeine Auf-
merksamkeit auf „Kiebitzberge "^ zu lenken, insbesondere darauf, ob und wieweit
sich mit solchen Namen die Sage von der „goldenen Wiege^' verknüpfe. —
Herr Virchow bemerkt zu dem zweiten Gegenstande, dass er die aherthümliche
Weise des Spinnens mit frei herabhängender Spindel auf seiner letzten Reise in
Sicilien überall angetroffen habe. Seine Aufmerksamkeit wurde zuerst in Taormiua
darauf gelenkt, wo er die Frauen auf den offenen Tennen der Häuser durchweg
damit beschäftigt sah. Er macht übrigens darauf aufmerksam, dass Herr Schlie-
mann in seinem neuen Buche über Troja S. 335 eine ausführliche Abhandlung
über „die Spindelwirtel und das Spinnen bei den Alten" geliefert hat.
(515;
(H) rir. Forrcr Jon. in Hottiogen bei Zürich schreibt über
ein Thonrad von WoIHshofen.
Einer bisher iioberührt geblitibeaeo Pfahlbaute htn Wullishofen (Zörichseft) wurde
jüngst eine oioht unbetrachtlicbe Aazabl von Artefacteo enthoben. Dieselben lassen
diese einstige SeeaosiecHuDg als der reiDeti BrOQsezeit angehörend erkennen. —
*/^ der natüiriichen Grösae,
VeranlassüDg zu diesem Schreiben giebt mir ein höchst interessantes Fundetück
von dieser Stelle: ein Rädchen aus feinem Thon gebrannt, wie es tue beifolgende
Abbildung zeigt. Besonders charakteristisch sind die 4 Speichen und die antfalland
gnisse Nabe, welche auf beiden Seiten gleich weit vorsteht
Im Üebrigen verweise ich auf eine a. Z. im ünterhaltung^blatt für Freunde der
Alterthumskunde „Antiqua" eracheitiende Mittheilung über diesen Fund.
Sollten Ihm^n Funde ahnlicher Art (Räder <tder Wagen aus vnrgescbicht-
1 icher Zeit, Bronze oder Ihon) bekannt sein, so würden Sie mich durch gefällige
diesbezügliche Mittheilung sehr zu Dank verpflichten [ —
Hn Voss: Ein ähnfiches Thonrad befand sieb in der präbisioriscbeD Aus-
stellung hierselbBt 1880, dem Museum schlesischer Alterthümer zu Breslau gehörig.
Es ist abgebildet in dem photographischen Album der Ausstellung SecL IV, Tat G
und bei Büaching, Heidnische Alterthümer Schlesiens Taf. IX Fig. 4, Breslau 1820.
Eh stammt aus einem Grabe bei Mondschütz Kr. Wob lau (KutaL der Ausst. S. 559
Nr. 26), Büsching berichtet darüber a.a.O. Folgendes: „Bei Mondschütz fand
Hr, von Köckeritz in einem Grabe dieses Rad, vollständig einem Wagenrade
gleichend, mit vier Speichen, In einem anderen, mehrere Sehrilte von jenem ersten
entfernten Grabe fand sich ein zweites solches Rad, diesem volktändig gleich.
Beide, grosse Seltenheiten, da dergleichen In Schlesien noch nie gefunden worden,
kamen als gütiges Geschenk in die Sammlung (Verzeichnet B. LXXV 545, 553).
Zwei kupferne Räder mit langen Naben wnrden im Jahre 1740 in einer Urne bei
dem Judenkirchhofe zu Frankfurt ti* d. Oder von zwei Mädchen beim Saodholen
gefunden. Sie haben etwa l'/j Zoll im Durchmesser und finden sich auf der KÖnigL
Kunstkammer zu Berlin^). Ein ähnliches Rad lag bei Albano in einer tempel-
artigen Urne, wie die darüber erschienene Abbildung ausweist^).'*
Ein anderes Exemplar, aus der Auguslin* sehen Sammlung stammend und
vielleicht in der Gegend von Halberstadt gefunden, leider etwas beschädigt, ist ?on
1) Vergh v. Ledebnr^ Da^ Eünii^l. Mnseutn vaterländischer Alterthümer 1836 8.70 C
und Virehow, Verh. d, Berl. anthrop. Ges 1876 S. 240.
2) Virchow: Ueber die Zeitbestimmung^ der itahsrhen und deutschen Hansumem Sitzungs-
ber. d. Kg}. Akad, d. W. zn Borlm. 26. Juli 1883 S. 36 ff, Verb, d. Gas» 1863 8, 321 Fig. 1
33*
(517)
äuasersten Eode der Höhle etwa 40 m mit verfolgeü liesa biß io die Nähe des Ein-
gang<is, Ihre Stärke war ao den verschiedeneD PunktcD sehr verschieden. So war
sie dortj wo ich zu arbeiten begaoo, nur etwa 4 — 5 cm stArk, wahrend sie nahe am
Eingänge, wo sie plötzlich aufhörte, in einer Mächtigkeit von über 30 cm auftrat
Besonders stark waren 4 Stellen rait dieser Culturschichfc bedeckt, ond zwar drei
Plätze am Ende der Hohle und einer nahe am Eingange. An diesen Stellen fanden
sich zugleich die grössten Äühäufungeü vou Topfscherbeo und zerachlageuen Knochen,
so dass ich anttehmen zu dürfen glaube, da&s hier einst die Heerde der ehemaligen
Bewohner staDden,
Wie es scheint, haben hauptsächlich die geräumigsten Oerter, also der äusserste
Theil der Höhle und dann eine Strecke nahe am Ein gange, als driuernder Wohn platz
gedient, denn hier standen die Heerde, wahrend an den engen Stellen nur selten ein-
mal ein Feuer angezündet wurde, wie durch das sporadische Auftreten von Holz-
kohlen und die geringe Mächtigkeit der Cnlturschicht an diesen Punkten genügend
bewiesen wiid- Ausserdem wurden von mir keine Gerathschaften an den engen,
sondern ausschliesslich an den weiten Siellen der Hohle aufgefunden. Dieselben
waren bier wahrscheinlich beim Gebrauche in die Asche gefallen, auf diese Weise
für die Besitzer verloren gegangen und haben sich so glücklich bis auf unsere Zeit
erhalten.
In der Nähe des Einganges horte die Culturschicht plötzlich auf; von dort ab
war der Boden der Höhle überhaupt nicht mit Kalksinter, sondern nur mit Dolomit-
geroU bedeckt, zwischen dem sich auflFallender Weise sehr viele Topfscherben fanden»
Besonders zahlreich waren dieselben an einer Stelle, wo es etwa ] m in die Tiefe
ging (Holzschü. ]^ T). Dieses erkläre ich mir so, dass an dem noch jetzt sehr schlüpf-
rigen Punkte die ehemaligen Bewohner der Höhle oft ausglitten, wenn sie denselben
von draussen mit gefüllten Gefa^^sen kommend passirten, wobei ihnen diese zuweilen
entäelen und zerbrachen.
Sehr au&llend war die Anhäufung von Menschen knochen an den Heerdstellen,
und zwar waren, was mir besonderer Beachtung werth zu sein scheint, die Röhren-
knocheu särnrntlich zerschlagen und angebrannt, so dass an den ppuern ohne Zweifel
einst Menschen verbrannt würden. Entweder sind diese Knochen meiner Ansicht
nach Reste von Leichenverbrennungen, von Menschenopfern, oder Mahlzeiten der
Höhlenbewohaer. Wenn auch der Kannibalismus unserer Vorfahren bis jetzt nicht
nachgewiesen ist und von vielen Forscherii bestritten wird*), so weist doch die
ganze Art und Weise, wie sich in der Höhle bei Holzen die Menschenknochen vor-
fanden, entschieden daraufhin, dass dieselben Reste von einst hier gehaltenen Mahl-
zeiten sind. Denn Leichenverbrennungen oder Opfer würden von den Bewohnern
kaum an dem eignen Wohnplatze angestellt sein, und für einen solchen muss ich
die Höhle in Rücksicht auf die zahlreichen Topfscherben, die Geräthschaften und
die Stärke der Culturschicbt entschieden halten. Besonders aber stützt sich meine
Ansicht darauf, dass ich fast sammtliche Röhrenknochen an den Heerd-
stellen zerschlagen und angebrannt vorfand, während alle, kein Mark ent-
haltenden Knochen unverletzt waren. Nach meiner Meinung sind diese Knochen
bei den Mahlzeiten zertrümmert, um Mark und Saft aus ihnen zu geniessen ; zu
welchem Zwecke sollten dieselben aber bei Gelegenheit von Leichenverbrennungen
oder Opfern zerschlagen sein?
Die einzigen unverletzten Rohren krochen fanden sich in einem (io Holzschn» 1
mit b bezeichneten) Kjiochenhaufen unter einer Sinterdecke von 15 — 20 cm; sie
1) VergL Dr. Ratzei, Vorges^^Mchte des europäischen Menschen, S. 115.
(518)
rübreo tod einem ziemlich starken und zwei scbwiclieren Individaen ber. Sift
waren wahrscheinlich Ton dem schräg gegenüberliegenden Heerde, nachdem sie ab-
genagt waren, in diesen Winkel, welcher durch eine Tor^ringende Feisenkante
theil weise Terdeckt wurde, geworfen, am später zerschlagen ond ausgesogen so
werden, waren dann aber Tergessen und bald eingesintert
Die Topfscherben, welche, wie oben erwähnt, sidi hauptriichlich an den Heerd-
stellen und ausserdem zwischen dem Dolomitgerölle in der Nahe des Bingaoges
landen, rühren Ton Gefassen ber, welche theilweise aus ungeschlemmtem, schlecht
gebranntem, theilweise' aus geschlemmtem Tbone hergestellt sind, doch waren
alle diese Gefasse ohne Drehscheibe Terfertigt
Die übrigen Ton mir aufgefundenen Gerathschaften sind üunmtlich aus Bronze
oder Knochen gearbeitet, während ich kein einziges Steingeräth fand, falls man als
ein solches nicht etwa einen Feuersteinsplitter ansehen will, welcher an der am
Ende der Höhle befindlichen HeerdsteUe lag. Ausser den schon erwähnten Gegen-
ständen barg die Culturschicbt sechs Gerathschaften % Ton denen zwei aus Knochen
gearbeitet sind, nämlich eine 14 cm lange Pfriemnadel (Holzschn. i)j welche unter
3
f^^
Vs der naturlichen Grösse.
einer Sioterdecke von 14 cm auf dem erwähnten Knochenhaufen lag, eine gut ge-
schliffene Spitze hat und überhaupt sehr regelmässig gearbeitet ist. Ferner ein
bohrerartiges Instrumeot (Holzschn. 3), welches ebenfalls glatt geschliffen ist und
an der HeerdsteUe nahe am Eingänge lag. Von bronzenen Gerathschaften fanden
sich eine Streitaxt (Holzschn. 4), eine Drahtspirale (Holzschn. 5), eine Pfeilspitze
(Holzschn. 6) und eine Lanzenspitze (Holzschn. 7). Die Länge der Streitaxt be-
trägt 10,5 cm; leider fehlt an ihr die wahrscheinlich scharfe Kante. Die Pfeilspitze
und Lanzenspitze besitzen Löcher, um sie im Schafte befestigen zu können. Letztere
trägt in den Lochern noch die Stifte, welche zur Befestigung dienten.
Auffallender Weise fanden sich im Vergleiche zu der grossen Anzahl von
1) Dieselben sind in den beigefügten Holzschnitten in V, der naturlichen Grösse wieder-
gegeben.
(519)
Meiischepknocheo in der Culturacliicht üur sehr weoigc Thierkuochen, ausser deo
nedermausknochen, welche sich über die ganze H<>hle verbreiteten und theil weise
noch vollständig recetit waren. Ausser diesen eothielt die Cuiturschicht nur Beste
von Hirsch ( vertreten durch eine Augensprosse), von Reti und Wildkatze.
unter dieser Cuiturschicht stiessen wir, nachdeni abermals eine etwa 2 C7n
starke Sinterschicht ahne Einschlüsse durchbrochen war, auf eine dunkelbraune,
thonig-sandige Schicht, welche zahlreiche kleine Knochen enthielt Sie war im
Maximum nur 5 cm stark und iog sich besonders an den Seitenwänden der H5hle
hin, wahrend sie in der ftlitte fehlte. Sie eathielt Reste von Arvicola glareolus, Arv.
arvalis, Talpa europaea, Foetorius Erminea, Mus sylvaticus uud Rana temporaria^
ausserdem war iti ihr sehr zahlreich eine Höhlen bewohnende Conchylie (Hyaliuu
cellaria); in ihr waren also nur Thiere vertreten, welche noch jetzt unsere Walder
und Felder bevölkern. Allem Anscheine Dach sind die Knochen dieser Schicht
sämmtlich Reste von EulengewölieD; an manchen Stellen konnte man sogar noch
deutlich gewollartige Conglomerate erkennen.
Diese Schicht ging an einigen Stellen allmählich in eine ebenfalls Knochen
führende Kalksinterablagerung über, in welcher leider die Knochen so fest eingesintert
waren, dass es fast uomügüch war, dieselben heran sznpräpanrei). Daas diese Schicht
nur so sporadisch auftrat und die Knochen darin alle einzeln von Kalksinter um*
schlössen waren, ist wohl daraus zu erkläreo, dass die Höhle während der DiJuvial-
zeit nur seJten von Eulen bewohnt wyrde. Infolge dessen bildeten sich nicht starke
Schichten von Eulengewöllen, sondern die Gewolle lagen einzeln am Boden der
Höhle, zerfielen bald, und so wurde jeder einzelne Knochen von Kalksinter um-
schlossen.
Unter dieser diluvialen Ablagerung, oder wo sie fehlte, unmittelbar unter der
vorhergehenden, folgte eine Schicht von fast homogenem, hell klingendem Sinter
mit scliiefriger Structur. Sie enthielt keine Einschlüsse, liess sich bis in die Nähe
des Einganges verfolgen und trat fast an allen Punkten der Höhle in einer Mächtig-
keit von 30 an auf* Diese Schicht war bei ihrer Bildung offenbar nicht, wie die
oberen Ablagerungen, durch lebende Organismen und deren Reste gestört. Unter
ihr ötiessen wir auf eine etwa 5 cm starke Schicht von rothem Thone, untermengt
mit kleinen glänzenden Si nt ersehe rben, unter welcher dann überall der alte Dolomit-
felsen stand.
Das Resultat meiner Ausgrabung ist nun kurz folgendes: Die Hühle im Ith
war in den ersten Zeiträumen nach ihrer Bildung von keinem lebenden Wesen be-
wohnt. Erst zur Diiuvialzeit siedelten sich Fledermäuse und vorübergehend Eulen
in ihr an, welche den damals noch überall häufigen Lemming und die noch jetzt
bei uns lebende Arvicola amphibius jagten. Allmählich wurde die Diluvialfauna
von unsern Waldthieren verdrängt, und die jetzt die Hohle dauernd bewohnenden
Eulen jagten und verzehrten schon die damals bereits eingewanderten Waldmäuse,
Wald Wühlmäuse, Maul würfe u. s. w. und bewahrten durch ihre Gewölle deren
Knochen bis auf unsere Zeit auf.
Darauf ergriff der Mensch Besitz von der Höhle, wodurch die Eulen offenbar
vertrieben wurden, während die Fledermäuse ruhig mit den Menschen zusammen
in der Hohle weiter lebten, denn in der Ciilturschicht fanden sich nur Fledermaus-
knochen, während die anderen kleinen Thiere dort nicht vertreten waren. Der
Mensehj welcher die Höhle bewohnte, besass schon Geräthe aus Bronze und Knochen,
sowie Töpfe, welche theilweise noch aus schlecht gebranntem, ungeschlänimtem, theil-
weise schon aus gut geschlämmtem Thone hergestellt waren; der Gebrauch der
Drehscheibe war ilim noch vollständig unbekannt. Kr jagte schon Hirsch, Reh und
(520)
Wildkatie, also Thiere, welche noch heute zu onserer Waldfanoa gehören, und Ter-
sehrte auch Henscbeo. Der dilayiale Mensch dagegen, welcher nur Gemtiie aos
geschlagenen Feuersteinen kannte und die diluTialen Thiere, besonders das Renn-
thier, jagte, bewohnte die Hohle noch nicht —
Hr. Virchow: Die Mittheilang des Hm. Wollemann ist Ton besonderem
Interesse, da wir bisher aus Norddentschland noch fast gar keine Nachrichten über
Wohnplätze der Bronzezeit haben. Die Torgelegten Zeichnungen der Fand-
gegenstände zeigen jene alten Typen, welche wenigstens in unseren Gegenden ge-
wöbnlich ohne Begleitung Ton Eisen gefunden werden, obwohl sie im Saden schon
der beginnenden Eisenzeit angehören. Ich mache namentlich auf die zweischnei-
digen Bronzeblätter mit Nietlöchem am hinteren Ende aufmerksam, welche för Pfeil-
spitzen etwas gross sind und wahrscheinlich zu Wurfspiesseo gehörig waren. Ueber
diese Formen, welche sich unmittelbar in die zweischneidigen Dolchmesser fortsetzen,
habe ich in meinem Buche über Koban S. 76 ausfuhrlich gehandelt. Dazu stimmen
sehr gut der Bronzekeil und die Bronzespirale, die offenbar Ton irgend einem
grösseren Stücke, einem Armringe oder einer Fibula, abgebrochen ist. Auch die
Knocheninstrumente reihen sich ungezwungen an. Da nun jede Spur eines Stein-
geräthes Termisst wurde, so darf man wohl keinen Zweifel darüber hegen, dass hier
Menschen der ausgemachten Bronzezeit, wenn auch nur vorübergehend, gehaust
haben. Denn der Mangel aller Hausthierknochen, sowie die äusserst spärliche Aus-
beute an Knochen Ton Jagdthieren schliesst jeden Gedanken an eine dauernde Be-
wohnung der Höhle aus.
Die Annahme, dass diese Menschen Kannibalen waren, mag angesichts der
Tielen aufgefundenen Menschenknochen, die leider nicht Torliegen, sehr wahr-
scheinlich sein. Aber sie wäre eine Neuigkeit ersten Ranges, denn bis jetzt hat
sich eine derartige Vermuthung immer nnr auf Menschen des Steinalters gerichtet,
und selbst für diese ist sie, wie Hr. Wollemann selbst erwähnt, noch keineswegs
sicher gestellt; für die Bronzezeit, also doch immerhin für eine Periode schon vor-
gerückter Cultur, lässt sich ohne absolut zwingende Gründe eine derartige Hypothese
nicht füglich acceptiren. Es wird sich also darum handeln, durch eine genaue
wissenschaftliche Prüfung der einzelnen Knochen die Zulässigkeit stattgehabter
Menschenfresserei festzustellen. In erster Linie wäre dabei zu ermitteln, wie
vielen Individuen die gefundenen Knochen angehört haben, was ja keine
grosse Schwierigkeit machen kann. Ein einziger Mensch liefert schon eine grosse
Anzahl einzelner Knochen. Wären aber z. B. nur einige Individuen in der Höhle
getödtet und über das noch brennende Heerdfeuer hingestreckt worden, so Hesse sich
der beschriebene Befund recht wohl durch einen Ueberfall durch eine feindliche
Schaar erklären. Nächstdem wäre freilich eine eingehende Untersuchung der beson-
deren Art von Zertrümmerung, welche an den Knochen stattgefunden hat, noth-
wendig, um zu entscheiden, ob die Zertrümmerung zufallig, z. B. durch die Fusstritte
späterer Besucher, durch Raubthiere, oder absichtlich herbeigeführt ist Vorläufig
dürfte es daher angezeigt sein, das entscheidende Crtheil noch zu suspendiren.
(10) Hr. Ingvald Undset übermittelt durch ein Schreiben d. d. Venedig,
21. Oktober folgenden Bericht über
eine Raneospeerspitze ans Italien.
Hierzu Tafel IX.
Auf einem Ausflug nach Torcello, um in dem dortigen kleinen Museum die
Reste aus dem alten Altinum und die gefundenen Alterthümer aus den ältesten An-
sicdelungen an den LagUDen-Insetn zu sttidireD, habe ich am 1$. Oktober eioe
interessante Eütdeckuog gemacht, wovon ich sofort der Gesellschaft einen Bericht
uoterbreite').
Iq dem eiueo Schrank wurde ich auf eine bronzene Lanzenspitze von oii-
gewiihnlicher Form und Grosse aufmerksam j da der Cnstode zugleich sagte, dass
sie eine „etruskische Inschrift** trage, habe ich das Stück einer genaueren Unter-
suchung unterworfen. Beim ersten Anblick der HiickäPite. rait der Triskele und dem
HakenkreuZj wurde ich an die Rutienspeere von Müneheberg und Kowel erinnert;
als ich die andere Seite za sehen bekam, erkannte ich sofort, dass die Inschrift
keine etruskische sei, sondern akgertwaniscbe Runen darstelle.
Die Form dieser bronzenen LaoÄeaspit/e ist von den Typen der Bronzezeit,
wie auch von den Formen der griech^scheD und etru&kischen Bronzelanzen absolut
verschieden; aus der VrdkerwaDderungszeil jeiioch kennen wir diese Form mit dem
flachenj breiten, scliwach dachförmigen Blatt als eioe charakteristische. Aber stets
sonst in Eisen; bei diesem Exemplar in Bronze raiJssen wir an die glänzende Aus-
rüstung eines Häuptlings oder an ein sacrales Stück denken*
Glücklicherweisn war mit mir mein Freund, der dänische Architekturmaler
J. T. Hansen, dvT sofort die nöthigen Skizzen und Meeisungen vornehmen konnte,
wonach er mir die beigelegte schöne Zeichnung (Taf. IX, halbe Grosse) ausgeführt hat.
Die Speerspitze ist 41,5 cm. lang, wovon die Dülle l'I^b cm einnimmt; die
grosste Breite des Blattes beträgt lOjH cw, die Dülle misst A cm im Durchmesser.
Die Rundung der Dülle verliert sich fast sofort im Blatt, Weiter wird die Mittel ünie
des Blattes als ein flacher Dachrücken erkennbar; sonst ist das Blatt ganz flach,
aber ziemlich dick und kräftig. Die Dülle hat unten zwei Löcher und ist mit ein-
gravirten Linien verziert; wo das Blatt anfangt^ ist ein V-formiges Zeichen gravirt,
die Bnden der Linien sind mit Punkten raarkirt. Diese Decoration ist an heiden
Seiten identisch.
Wo das Blatt am breitesten ist, finden sich an beiden Seiten Zeichen und zwar
zu beiden Seiten der Mittellinie, Auf Aer Vorderseite sind es links 5 Runenzeichen
zwischen einem kleinen Kreis und einem langgestreckten Bogen, rechts eio Symbol^
das wohl als der klassischen Darstellung von Jupiters Donnerkeil entnommen be-
trachtet werden darf. Auf der Rückseite sieht man links einen grossen Bogen, mit
je drei Halbkreiaen an den Enden, rechts die Triskele und die Crux aus ata, beide
mit 3 Sternchen an den Enden der Liaieo. Die Runen, wie die übrigen Zeichen
und Symbole, werden gebildet von kleinen Sternen und Kreisen, die zwischen gra-
virten Linien tief und scharf eingesiempelt sind. Die Erhaltung des Stückes ist
eine vorzügliche, nur die äusserste Spitze ist ein klein wenig verbogen; die Figuren
aber stehen alle scharf und deutlich; nirgends ist etwas zweifelhaft
Die Besprechung der Inschrift überlasse ich ganz dem Runologen und Ger-
manisten vom Fach; auch über die Zu^amnienstellung und Bedeutung der sym-
bolischen Zeichen werde ich keine weitere Auseinandersetzung versuchen.
Als ich nach Venedig zurückgekommen war, fuhr ich sofort zum Hrn, Batta-
glini, dem Director und Maecen des kleinen Museums in Torcello, und von ihm
habe ich über das interessante Stück Folgendes erfahren;
Er wurde auf diese Lunzenspitze etwa im Februar 1883 in dem Hanse eines
1) Dam Direktor des Museums in Torcello, Hrn* Cavaliere Nicole Battaglini, Conaol ffir
Chile in Venedig, bin ich lu besonderem Dank verpflicbtet Für die Auskünfte über Herkunft
des betreffenden Objectes und für die Bereitwilligkeit, womit er mir die Verüffeutlictong ge-
stattete.
(522)
Bauern in Torcello aufmerksam^ als er einen Knaben damit spielen sah. Mit einer
kurzen Handhabe versehen, diente die Lanzenspitze dort als Feuerscfaaufel am
Heerde; mindestens ein Menschenalter hindurch sei das Stück in diesem Bauern-
hause so benutzt worden. Hr. Battaglini hat die Brouzelanze sofort um 25 Francs
für das Museum in Torcello erworben; über die Inschrift habe er nach Rom ge-
schrieben, Ton wo ihm mitgotheilt wurde, dass dieselbe etruskiscb sei. Ueber
die Herkunft des Stückes konnte der Bauer nichts sagen; ^es war immer im Hause
als Feuerschaufel gewesen, mindestens seit seiner Kindheit.*^
Wahrscheinlich ist diese Lanzenspitze in früherer Zeit dort ausgegraben; ich
kann hinzufügen, dass die Spuren der ursprünglichen Patina, soweit sie nock,
namentlich an der Handhabe, erkennbar sind, entschieden auf Fund im Moorboden
deuten. Es bleibt zu erwähnen, dass die Einwohner von Torcello auch Tielfach
nach dem nahen Festlande zu Erdarbeiten hinüberfahren; es ist daher auch wohl
möglich, dass unser Runenspeer auf dem gegenüberliegenden Festlande ausgegraben
worden ist und nicht auf der Lagunen-Insel.
Besonderes Interesse bietet dieser Runenspeer (gothisch? longobardisch?) dar
als das erste bekannt gewordene Runendenkmal der Germanen* in Italien. —
Hr. Prof. Henning in Strassburg, an den Hr. Undset zunächst seinen Be-
richt nebst Zeichnung gesendet hatte, äussert sich darüber unter dem 4. NoTember
folgendermaassen :
Die Aehnlichkeit der Lanzenspitze von Torcello mit der 1866 bei Munche-
berg gefundenen ist eine sehr frappirende. Verschieden an beiden ist nur das
Material, die Grosse und Form, sowie im Einzelnen die Technik; völlig eotsprechend
dagegen und meist identisch sind das ganze Arrangement der Verzierung, fast alle
einzelnen Ornamente, sowie endlich die Runeninschrift selber.
Ueber die letztere fuge ich auf Undset*s Wunsch noch einige Erläuterungen hinzu.
Sie ist ebenso von rechts nach links zu lesen, wie die Müncheberger. Beide werden
eingeschlossen rechts durch einen Kreis, links durch einen langgestreckten Bogen.
Der erste Buchstabe soll klärlich dasselbe alterthümliche R sein, wie auf der
Müncheberger Spitze. Sehr auffallend bleibt jedoch, dass von dem Hauptstab nur
das obere Drittel vorhanden ist, während derselbe nothwendiger Weise bis unten
hin hätte gefuhrt werden müssen. Da nun Ondset ausdrücklich hervorhebt, dass
alle Figuren scharf und deutlich dastehen und nirgend etwas zweifelhaft sei, so
müssen wir uns schon nach einer besonderen Erklärung umsehen. Denn an eine
innerhalb der Runenschrift mögliche Variante kann nicht gut gedacht werden, weil
in ihr niemals der Hauptstab, höchstens die Seitenastc eines Zeichens reducirt
werden. Adi nächsten liegt deshalb wohl die Annahme, dass der untere Lauf des
Striches bereits auf dem Original, welches der südländische Künstler hier repro-
ducirte, durch eine Beschädigung undeutlich geworden oder verschwunden war.
Eine wirkliche Variaute bietet dagegen die zweite Rune. So wie sie dasteht,
ist sie ein völlig sicheres N, während wir auf der Müncheberger Spitze ein A vor-
finden. Alle übrigen Zeichen sind identisch: das dritte ist hier wie dort dasselbe
N, bei dem auch der Querbalken jedes Mal in gleicher Richtung steht; das vierte
ist dieselbe Ing-Rune, deren beide Bogen sich nur auf unserem Denkmal berühren;
das fünfte endlich ist dasselbe A, nur dass hier die Seitenäste nicht schräge, sondern
gerade laufen.
Wenn wir nun für die dritte Rune, welche meistens den Lautwerth von NG
besitzt, deren ganzen Namen ING einsetzen, was auch auf der Müncheberger Spitze
(523)
tioth wendig ist, so erhallen wir die LesuDg BNNINGA. RNN ist aber eine gnuz
unmcigliche Lautgruppe, welche Dimraermehr richtig sein kuun, und wir werden
deshalb fast mit Notbwendigkeit zu df*r Annahme geführt, dass auf unserem Speere
das N ani zweiter Stelle nur fehlerhaft für das richtige A der Milncheberger Spitze
steht, vermuthlich, weil wiederum auf dem Original der obere Theil dieser Rune
et>enso beschädigt und unken ntlit-h geworden war, wie der Hanptstab der ersten.
I)ie Inschrift sollte zweifellos auch hier EANINGA lauten.
Dies i»t aber sicher ein Kigenname, der io den Urkunden der späteren Jahrhunderte
noch mehrfach als Ran io gas, Raningus elc, nacliiu weisen ist, was an anderer Stelle
auszuführen sein wird. Schwanken kann man aber, ob es der Nominativ Pluralis
(als liezeichnung des ganzen Geschlechtes) ist, oder, was weniger wahrscheinlich»
die schwache Form des Nom. Siag. neben der regulären starken Form Raning.
Der etymologische Sinn des Namens ist ein sehr auszeichnender und kriege-
rischer. An die nordische Göttin Ran (aus Rahaoa contraliirt) kann schon daiuai
nicht gedacht werdeUj weil das a Ja den deutschen Namen immer kurz ist. Viel-
mehr ist Raning eine patronymi&che Ableitung von Rano^ dessen ursprüngliche
Bedeutung uns die altnordische Sprache erhalten hat^ in ihr bezeichnet rani
den Schnabel der alten keilförmigen Schlachtordnung, welche nach dem spitzeu
Eberkopf svinfylking zu benannt wurde. Hier an der Spitze der Schlachtordnung
war aber nach feststehenden Nachrichten der Platz der EdeJinge und Anführer,
denen dann, geschlechterweise geordnet, die übrigen Krieger folgten, und so
konnten die vorn stehenden wrdd „Raninge" genannt werden, ebenso gut wie etwa
von her „das Heer^ die Scbaar"', der Her i Dg als derjenige, der in einer grossen
Schaar sich auf^u halten pflegt.
In den Zijgen der Völkerwanderung louss ein Mitglied dieses alten semnoni-
sehen Geschlechtes von Müncheberg an den Golf von Venedig gekommen sein, wir
wissen nicht^ bei welcher Gelegenheit und mit welchen Geehrten, Aber er be^
wahrte noch treu die alten Traditionen seines Geschlechtes, wenn er sich hier ein
ganz ähnliches Schmuckstück anfertigen Hess, wie es einst seine Vorfahren im
Norden besessen. Es macht in der That ganz den Eindruck eines Familien wappens;
von all den merkwürdigen Ornamenten kehrt nur ein einziges nicht wieder, — die
Peitsche^ vermuthjich, weil daa in der alten suebischen Heimath noch lebenskräftige
Symbol hier itu Süden nicht mehr seine volle Bedeutung bewahren konnte. —
Hr. Virchow: Es ist mir in der Zwischenzeit noch ein Brief des Herrn
ündset aus Venedigs S. November zugegangen, der mich beatiinmt halte, die
Mittheilung zurückzuhalten. Hr ündset schreibt, dass ihm, nachdem er die bei-
nahe völlige üebereinstimmung der Inschrift mit der Möncheberger erfahren, Zweifel
aufgestiegf a seien, ob es sich nicht doch mii gl ich erweise um eine moderne Nach-
bildung bandeln könne. Inzwischen scheint mir aus der Geaainmtheit der vor-
liegenden Thatsachen hervorzugehen, dass nur eine ganz absiclitliche Fälschung
möglich sein konnte; gegen die Annahme einer solchen sprechen Jedoch so viele
innere und äussere Gründe^ die ich aus Achtung vor den betheiligten Personen
nicht erat auseinandersetzen will, dass ich mich entschlossen habe, die öffentliche
Mittheilung auf meine Verantwortung zu wagen. —
Hr. Voss: Zu dem Triquetrum auf der Muncheberger Lanienspitze, abgebildet
bei Linden seh mit, Handbuch der deutschen Alteithumskunde 188(1 u. Katalog
der präh. Ausstellung 1880, Supplem. S, 11, möchte ich mir die Bemerkung er-
lauben^ dass an deoa sehr reich mit Bronze beschlagenen Wagen, welcher vor
(524)
w«sieeii Jahren in Dinemark io etDem TorfiBOor gelonden wurde aad mth jetzt üb
liiii«etim zo Kof>eDbaeeii beladet, ein noch etwa« fchwiiBgroÜer aaBcdahitcs Tri-
qvetnuD. ebenfalU mit j<( 3 Panktea an dem Ende der eimelneB Sdieikkel Tefxiot,
aof einem BroaxebescUag^töck des Wagecs eiograTirt ist. Es ist vokl anzaBckmeB,
dau b^ide Zeichen dieselbe sjmboüsehe BedeoCnng haben.
(11^ Hr. W. Schwarcx leiicfatet aber einige kulturhistorische Beobüdhtnikges,
welche er t^I seinem letzten Sommeraatenthalt in Friedriclksroda gemacht. Während
er in früheren Jahren in Flinsbcrg den sogen, krklopischen Stein bau in seinen
primitiTsten Formen habe stadieren können *). sei ihm diesmal in dem tannenreicben
Tböringen eine Tolksthumlicbe. aber höchst ectwickeite Uoizbaakanst entgegen-
getreten, deren Formenreichtum in den Verzierungen ihn besonder» interea&irt habe.
Sei diese Verschiedenheit durch die lokalen Verhaltniscse bedingt, so xeige sich in
beiden Fällen andrerseits, wie eben durch die betr. Be»Jicgungea und des Lebens
NothTerhältnisse innerhalb derselben sich menschliche Kunstfertigkeit ganz nator-
gemäss mit der Zeit in einer gewissen Vollendung mit dem Torhandesen Mmterinl
entwickle, — ein Moment, welches auch bei der Frage über die Bearbeitung d^ He-
talle mehr, als gewöhnlich geschähe, berücksichtigt werden sollte.
Speciell habe ihn dann noch die 'Art äes Steinklopfens für die Chausseen
intereasirt, welche dort stehend verrichtet werde, während in der Marie die Stein-
klopfer dabei gewöhnlich knieten. Hätten diese dann einen kurzen gewöhnlichen
Hammer, so gebrauche man dort einen über ein Meter langen mit einem eisernen
Schlägel in Form der alten prähistorischen Steinhammer ron 9 cn Länge, mit
dem Bohrloch in der Mitte und einem Stiel Ton einer jungen frischen Tnnne.
Der Hammer werde, wie man beim Mähen die Sense fasse, mit beiden Händen ge-
fasst und dabei eine auffallende Gewandtheit und Sicherheit beim Schlagen ent-
wickelt. Hr. Schwartz legte ein solches Exemplar Tor. und wies auf die eigen-
thümliche, einfache Befestigung des Schlägels durch ein paar kleine Holzkeile, die
oben in den Stiel hineingetrieben sied, hin, sowie auch auch auf die Schwungkraü,
welche die frische, zähe Tanne gebe, die allerdines nach Angabe eines Arbeiters
nur etwa 8 Wochen Torbalte. Dächte man sich übrigens einen derartigen Stiel
bei einem prähistorischen Steinhamuier und diesen dann al<§ Waffe benutzt, so wäre
es eine höchst gefahrliche, zwischen Hammer und Schleuder zwiscbeninne stehende.
(12) Hr. Max Bartels zeigt
mstsdK Ostereier.
Das Osterfest ist bekanntlich das h''.chste Fest der Russen und hierbei spielen
die Ostereier eine viel grüisere Kölle als tei uns. Ich Uii- Ihnen hier einige Oster-
eier vor. welche mir mein Bruier Fritz Barteis. iaaiwirthschattlicher Administrator
der Herrschaft Kowalowka bei Nemirow ia Podolien zusrsobickt hat. Sie sind
von den dortigen Tagelöhnern gearbeitet worden. Die Herstellung dieser Ostereier
wird mir von meiner Schwägerin als sehr schwierig l»ezeicbnet. Mit Hülfe einer
feinen Blechröhre werden mit geschmolzenem Wachs aus freier Hand diejenigen
Ornamente aufgezeichnet, weiche weiss bleiben seilen. Darauf wird das Ei (es
handeil sieb um natürliche Hühnereier^ röth gefart. Nun werden wieder die Partien
in derselben Weise mit flüssigem Wachs üt»erzogen, welche man roth zu behalten
wünscht, und darauf wird das Ei schwarz gefärbt. Nachdem das Wachs entfernt
1^ Vergl. bchwartz, Prähbt. Studien 1SS3 S. 360 ff.
(525)
ist, bat man auf achwarzem Grunde rothe und weisse Verzierungen; auch gelbe
kommen noch bis weilen vor. Ich lege Ihnen diesB Dir>ge vor als eioen erneuten
ßeweii, dass eine im Ganzen doch auf ziemlich oiederer CuUurstafe stehende
Bevölkerung dennoch eine grosse Fertigkeit und ein hervorragendes Geschick in
der Erfindung sowohl, als auch in der Ausführung geschinackvolh^r OrnameDte be-
sitzen kann. Eines der Eier zeigt ganz deutlich das Hakenkreuz.^)
(13) Hr Capt. Jacobseo berichtet, unter Vorlegung ethnologischer Gegen-
stände, über seine
Reise nach der Nord Westküste von Amerika.
Mit dem Berliner Hilfd-Cnniite für Vermehrnnp der ethnologischen Sammlungen
der Königlichen Museen in Berlin schloss ich am 27. »Tuli 1881 einen Vertrag,
worin ich mich verpflichtete, die mir Ton der Verwaltung der Ethnologischeu Ab-
theilung der Königlichen Museen angewiesenen Reisen behufs Sammlung von f;thno-
logischen Gegenständen mit den mir vom Hilfs-Comite zur Verfügung gestellten
Mitteln zu unternehmen.
Als mein eestes Reiseziel wurde mir von der Verwaltung der ethnologischen
AbtheiluDg die Nordwestknste Amerika^s bezeichnet Ich begab mich Ausgangs
Juli 1881 nach Hi»mburg, um mich daselbst mit dem Dampfer Austria am 3 L Juli
nach New-York eioKuschiffen, welches ich nach einer ITtiigigen Fuhrt am 17. August
erreichte, fuhr mit der Facüic-Bahn nach San Francisco und traf hier am 26. August
ein. Am 30. August schiffte ich mich mit dem Dampfer Dacota iiai h Victoria
(Vancouver Island) ein und erreichte diesen Ort am 2, September. Meine Absicht,
mit einem Judianer-Canoe nach Queen Charlotte Island zu gehen, wurde dadurch
vereitelt, dass augenblicklich keine derartige Gelegenheit vorhanden war, K*b nahm
daher Veranlassungj die Indianer- Reservaiion bei Sonieh zu besuchen. Ks existiren
hier nicht viele elhn<dogische Gegenstände von Werth, uud konnte ich sonach nur
einige Kleinigkeiten erwerben. Nach meiner Rückkehr nach Victoria bot sich mir
Gelegenheit, von einem lodianerstauime der Westküste Vancouvers einige Sachen,
meißtentheils Flechtwerk, wie Körbe und kleinere Hau&genlthf? aü kaufen. Am
Soonabendj den 10. September, glückte es mir, mit einem alten Dampfer^ der Hud-
son Bay Cie. gehörig, die Oslköste von Vaocouver hinaufzugehen. Wir legten am
l L in Departure Bay au, wo Kohlen eingenommen wurden, und fuhren dann weiter
bis Alert-Bay. Unter den daselbst wohnenden Nimpis-indianern acfjuirirte ich
verschiedene Gegenstände, als Masken, ein hölzernes Götzenbilds Tanz- (Ceremouien-)
Ratteln, sowie auch allerlei Hausgeratbe aus. Holz und Flechtwerk. Am 13. Septbr.
langten wir in Bella-Bella an, wo besonders hübsche hölzerne Schnitzereien an-
gefertigt werden. Es gelang mir, u. a. Tanzmaakeu und einen sehr seltenen
Hänptlings-Ceremonienstab zu erwerben» ich machte ausserdem noch Bestellungen
auf ein Canoe und auf einen Hänptlingsthroa, bekam auch einige Musik-Inatrumente
zu kaufen. Am selben Tage (13.) legten wir noch bei einem Indianerdorfe an, von
1) Njich der Sitzung machte mith Hr. Dr. Ja gor tiaranf aufmerttsam, diisa er ähnliche
Eier aus Euiuänien mitgebracht habe. Ur. ^iutenis bal sokhe Bier in Griechenland,
Hr. Prüf. Ascherson und Hr. v, 8chul«?üburR haben ähnlicliw in der Wendei angetroffen.
Hr. Jagor giebt noch an, dasa die vornehmen mu 1 ü y is-ciier» Djimen skh eines giiui ähn-
lichen Verfiihreua der Färbung und Ornameutirung l'ei d*Jr Herstellung ihrer Kattungewaiider
bedienen. Er hat Pnjben yoej den Yerssfhiedenen Stadien der Hearbeitung und auch ein
kleines, einer Miniatur-Theekanne ähnliches üeräth aus Kupferblech inilgebracbt, mit dessen
Hälfe die Wachsornamonte gezeichnet vverden.
(526)
den Weissen Cbioamanshat darum genannt, weil der in der Nähe des Dorfes be-
findliche Felsen eine grosse Aehnlichkeit mit einem chinesischen Hot hat. Hier
sah ich bei einer Hauptlingsfrau den grSssten Lippenpflock, den ich je wahrgenommeo
habe, er war 3 Zoll lang nnd 2 Zoll breit. Ich erwarb einige dieser Lippeopflöcke,
sowie einige andere Hausgerathe ans Holz.
Am 14. fuhren wir ohne irgendwo ansniegen zwischen einer grossen Afunhl
dicht bewaldeter Inselgruppen und langten um 10 Uhr Abends in Fort EssiiigtoD,
am Skinar RiTer gelegen, an. In der Umgegend wohnen die Chimsian-Indiaoer,
welche den Haida-Indianem in der Verfertigung von Holzschnitzereien gleich stehen.
Die Chimsian-Indianer bewohnen folgende Dörfer: Fort Essington, MatlmcaÜa, Fcftt
Simpson und Kitkatla. Wie mir mitgetfaeilt wurde, bewohnen diese Indianer im
Innern noch Terschiedene andere Dörfer, die ich jedoch nicht besucht habe, lo
Fort Essington machte ich durch die Hilfe des daselbst wohnenden Traders Cunning»
ham verschiedene gute Einkäufe an Tanzmasken, Tanztrachten, einigen Medizinmann-
Verzierungen, verschiedenen Alterthümem in Stein, alten Aexten, Measem etc.
Ich hielt mich hier bis zum 19. September auf, miethete an diesem Tage 4 Chim-
sian-Indianer mit einem grossen Canoe und landete Abends spät in Kitkatla. Dort
verbrachte ich den ganzen 20., kaufte verschiedelie Tanzmasken und eine alte Streit-
axt von Knochen mit wunderbar schönen Schnitzereien. Dieselbe wurde Tiele
Generationen hindurch von den Besitzern aufbewahrt
Am 21. fuhr ich von Kitkatla ab und besuchte die kleine unbewohnte Inael
Bonilla, wo ich durch einen starken Sturm 4 Tage lang aufgehalten wurde. Am
25. Morgens 3 Uhr gelang es mir abzukommen und ich erreichte das geradeober
in einer Entfernung von 50 engl. Meilen liegende Queen Charlotte Island bei Cap
Chroustscheff, woselbst ich übernachtete. Am 26. machte ich in Skidegate Station
und besuchte daselbst das erste Haidadorf Goldharbour, wo ich verschiedene Eink&ife
machte. In Begleitung eines Indianers als Dolmetscher ging ich mit einem kleinen,
einer Dil Co. gehörenden Dampfer, der in Skidegate stationirt und auf welchem
ich mein Canoe unterbrachte, herunter nach Camchewas Dorf, von da am 28. weiter
nach Skidans und langte Abends spat in Clou an, einem der grössten Dörfer auf Queen
Charlotte Island. Ich machte hier verschiedene Einkäufe von ethnologischen Gegen-
ständen, ging am 29. wieder nach Skidans zurück, erwarb auch hier einige Sachen
und ging dann nach Camchewas weiter, woselbst ich am 30. eintraf. Am 1. Oktober
fuhr ich zurück und langte Abends wieder in Skidegate au. Ich verblieb hier bis zum
4. Oktober, indem ich verschiedene Gegenstände einkaufte, steinerne und silberne
Schnitzereien, hölzerne Masken und Tanzschmucksacben. Am 5. traf hier der
Hudson Bay Dampfer Outter an, auf dem ich mich einschiffte und am 6. Masset
am Dixon Entrance erreichte. Hier glückte es mir, einen grossen Pfahl und einige
andere Sachen einzukaufen.
Wegen der vorgerückten Jahreszeit war ich genöthigt umzukehren. Wir gingen
von Masset am 7. Oktober nach Fort Simpson und Matlakatla, am 8. nach Bella-
Bella, und trafen am 9. in Fort Rupert am Nordenge von Yaucouver Island ein.
Am 10. charterte ich eine kleine Sloup, erhielt einen sehr guten Dolmetscher
und langte am 11. in Noute auf üope Island an. Hier gelaug es mir, von den
Hametza (einer Kaste unter den Indianern, die noch Kannibalen sind) sehr seltene
Masken, Blanquets, Hüte aus Cedernriode und Mäntel zu erwerben, auch Fisch- und
Jagdgeräthe. Ich segelte noch am selben Tage (11.) wieder ab, und erreichte am
12. Alert Bay, wo ich noch einige Einkäufe machte. Am 13. kam ich in Mameklika,
auf Knight Island gelegen, an. Hier waren bis jetzt noch nie Weisse gewesen^
weshalb es mir möglich war. viele Einkäufe zu machen. Am 14. fuhr ich wieder
(527)
ab und langte am 15. im Iiidiaiierdcrfe Kweka an, wo Ich ebenfalls etbnologiscbe
Gt^gfnslaiidc erwerben konnte, Eb wurden bier gerade grosse Feste gefeiert. Am
Uk fuhr ich wieder nach Fort Rupert zurück und bliel* hier biß zum 19. Ich
eügagirte einen andern Dolmetscher, ging über Land nach Quatsino Sound an
der Westküste von VancouTer, besuchte die zwei dort gelegenen Dorfer, kaufte
manche seltene Sachen ein und langte am 24* wieder in Fort Rupert an. Am
31. Octbr, schiffte ich mich auf dem Dampfer Frincess Louise ein und erreichte
Victoria am 1. November. Ich benutzte meinen Aufenthalt hier, um die bis jetzt
erworbeaen Gegenstände zu verpacken und nach Europa zu verschiffen.
Meineo früher gefasgten EotschlusSj die Westküste von Vancouver Island zu
besuchen, führte ich nunmehr aus, indem ich mich am 11. November auf einem
kleinen Schooner einschiffte; ich langte am 15. in Barclay Sound an. Hier besuchte
ich die sämmtlicheu Indiaaerdörfer, ging den Älberni-Canal hinauf und besichtigte
diu daselbst befiüdliclien zwei Indianerdörfer. In Alberni kauft*; ich eine knöcherne
Keule, welche ganz den Keulen gleicht, die die Maori in Neu- Seeland benutzen.
Am 2l, fuhr ich von Alberni- Ganal ab, besuchte während der Fahrt die an dem
nördlichen Dfer gelegenen Dorfer und langte ara 24. in Clayoquot Sound an. Hier
war es sehr schwicrtg, wegen der herrsch ende u Winteratürme Mannschaften zu
engagiren. Nachdem mir dies endlich im Dorfe Abauset gelungen war, fuhr ich
nach Hesquiat, wo ich am *2S, eintraf, machte hier verschiedene Einkäufe, engagirte
neue Mannschaft und langte am :i, December Abends 10 Dhr in Kynquot Sound
an. Ich tjesuchte die hier gelegenen 6 Dörfer und begab midi am 7. December
auf den Rückweg nach Victoria. Am selben Tage erreichte ich Esperanza Island,
wo mir während der Nacht die ganze Mannschaft weglief. Ich war hierdurch ge-
zwungen^ nach dem nächsten Dorf zu gehen, bekam dort am IL neue Mannschaft,
landete Abeuds spät iu Nootka Sound und reiste am 12. wieder ab. Am Nacli-
mittage überfiel uns ein fürchterlicher Sturm, welcher uns beinahe zur See abtrieb; es
gelang ntiir jedoch nach den grossten Anatrengungeo, in der Nachl am E^^tevan Pt.
zu landen und blieben wir hier bis zum 16, liegen. Im Dorfe Hesquiat, wo wir
anlegten, war es mir unmöglich^ wegen der bereits sehr vorgerückten Jahreszeit
und der vielen starken Stürme neue Mannschaft zu engagiren. Zu meinem Glijck
langte am 2S. ein Schooner aus Victoria &n, welcher die BeatimLuuug hatte^ nach
Kynquot Sound zu segeln. Der Schooner blieb bis zum 28. in Hesqiiiat liegen.
An diesem Tage schiffte ich mich ein und erreichte Freudly Cowe am Nootka Sound.
Hier hat Capitain Mares um 1776 einen Handelsposten errichtet, 1788 landete hier
Capitain Cook. Der Capitain des Schooners, mit dem ich reiste, legte hier einen
Handelspostcn an^ und benutzte ich die Gelegenheit, nach dem Guaquina-Arm zu
reisen. Ich erreichte diesen Ort noch am '28. und kam am 31, wieder nach Frendly
Cowe zurück. Hier blieb ich bis zum 6. Januar 1882, segelte dann nach Nuchatlitz
Island, wo ich am 7. eiutraf, nahm ein Indianer-Cano«, fuhr nach Ehatteseth, wo
während der Nacht von den Eingeborenen ein grosses Fest, verbunden mit Masken-
tanz, gefeiert wurde, kaufte viele Sachen, namentlich Masken, und langte am 8. Januar
wieder an Bord des Schooners an. Wir lichteten am Mnutag die Anker und er-
reichten noch an diesem Tage zum zweiten Male Kynquot Sound. Am 12. traten
wir die Rückreise nach Victoria an, erreichten am 14. den Barclay S^mnd und
trafen am IS. Jünuar wieder in Victoria ein. Ich blieb hier bis zum Februar»
ordnete und verpackte die bis jetzt gewonnenen Gegenstande und expedirte die-
selben mit einem Schiff der Hudson ßay Co. nach Europa.
Da ich während der kalten Jahreszeit In Vancouver Island nichts unternehmen
konnte, so hatte ich mir vorgenommen, während der Wintermonate nach Arizona
(528)
xa gebco, am dort za nmmelo. Ich machte mich mm 1. Februar 1882
aof^ langte hier am selben Tage an, reiste am 2. Morgens 8 Chr water nadi
Calama and traf Abends in Portland, Oregon ein. Ich Terlieas Portland mm 4. und
erreichte San Francisco am 7. Hier erhielt ich Ton Europa aas DepeeheB des
Inhalts, mich wiederaro nach VancooTer Ulaod so begeben. Ich schiffte micfa deakalb
am 20. auf einem Dampfer ein und langte am 23. wieder in Yictoria an. Hier
war ich bis zam 1. März mit den Reiserorbereitangen beschäftigt An dieaem Tage
ging ich nach Fort Rupert ab, wo ich am 3. Morgens eintrat Ich miethet« hier eine
Sloap mit Mannschaft, um nach Quatsino Sound, Westküste, au segeln. Am 8. fbhr ich
Ton Fort Rupert fort, langte am ^. in Hope Island an und erreichte Quatsino Sound
am 11. März. Ich machte hier bis zum 1. April Sammlungen, und erreichte am
4. wieder Fort Rupert, Terpackte hier die eingekauften Sachen und kehrte mit den-
selben am 15. nach Victoria zurück, wo ich am 17. wieder eintraf. Mein Aufenthalt
hier währte bis zum 2. Mai, während welcher Zeit ich die sämmtlichen Sachen nadi
Europa expedirte.
Am 2. Mai begab ich mich mit einem Dampfer nach Cu wichen, engagirte hier
Indianer, ging den Golf of Georgia hinauf, besuchte die grösseren IndianerdMer
und legte am 6. in Nanaimo an, Terliess diesen Ort am 9. und erreichte mm 10.
Abends Cap Comux. Ich besuchte sowohl hier wie in Bute Island, wohin ich am
12. abreiste, mehrere Indiaoerdörfer, eines derselben auf Malaspina Island. Aof dem
Rückweg fuhr ich die Küste heruoter bis zum Howe Sound, setzte hinül>er nach
Nanaimo und fuhr von dort zurück nach Victoria, wo ich am 17. wieder eintraf.
Die Indianer in Terschiedenen Gegenden am Georgia Golf sind bereits soweit Ton
der Kultur beleckt, dass ich nur wenige Altcrtbümer sammeln konnte.
Während meiner Abwesenheit von Victoria waren aus Europa Depechen für mich
eingetroffen, die mich beorderten, sofort nach Nord-Alaska zu gehen. Ich l>eootste
die Zeit meines Aufenthalts hier, um die gesammelten Gegenstände zu ordnen, zu
▼erpacken und nach Europa zu verschiffen, fuhr dann, da es von Victoria aus keine
Gelegenheit nach Nord-Alaska giebt, am 20. Mai nach San Francisco, woselbst ich am
23. eintraf. Leider musste ich hier bis zum 13. Juni warten, ehe ein Schiff die Reise
nach St Michael antrat, begab mich dann an diesem Tage an Bord eines Schooners,
langte am Sonntag den 16. Juli in Cnalaska ao, ging am 18. weiter und traf in
St Michael am 25. Juli ein. Hier kaufte ich ein grosses Eskimoboot, ein sogenanntes
Umiak, verliess St. Michael am 3. August und erreichte am 5. die Mündung des Yukon
River. Ich fuhr nunmehr diesen Fluss ununterbrochen etwa 900 engl. Meilen weit
bis zur Mündung des Tannana River hinauf und langte daselbst am 27. ao, machte
die nöthigen Vorbereitungen, den Fluss entlang wieder zurückzukehren und begann
die Rückreise bereits am 29. Nun besuchte ich sämmtliche Dorfer bis zur Mündung
des Yukoo River, sammelte viele prähistorische Gegenstände sowohl in Stein wie
in Mammuthknochen und erwarb auch ein Paar Mumien und Köpfe. Ich muss
hierbei erwähnen, dass die Bewohner de« unteren Yukon, welche zum Eskimostamme
gehören, sehr schöne Tanzmasken besitzen, von denen ich viele acquirirte. Leider
hatte ich das Unglück, dass mir zweimal mein Boot infolge von heftigen Stürmen
mit Wasser angefüllt wurde, wodurch ich viele Sachen verlor, u. a. meinen Revolver
und mein Rifle. Am 19. September traf ich wieder in St. Michael ein, trocknete,
ordnete und verpackte die erworbenen Sachen, womit ich bis zum 10. Oktober
fertig wurde, und übergab dieselben dann der Alaska Co. zur Weiterbeforderung.
Meine Absicht war jetzt, von St. Michael aus nach dem Norden vorzudringen.
Ich versah mich mit allem Nöthigen, kaufte Hunde uud Schlitten und trat meine
Reise am 15. Oktober an. Ich ging fortwährend die Küste entlang bis zur Norton
(529)
Bay, wo ich eine Station an fegte. Das Wetter wurde jetzt dermaassen ungünstig,
es fiel in grossen Maaseo Schnee, der nicht trocken war, dass es mir rein uuniogiiich
wurde, weiter nordwärts vorzudringen. Ich y ersuchte deshalb nach Weaten vorwärts-
zukommen und rüstete zu dem Zweck eine Expediti«*n aus nber die Golownin Bay
nach Cap Prince of Wales. Ich verliess Norton Bay am 16. November und folgte
der Küste bis Newiarauartok. Da die ßay sich hier leider vollständig eisfrei zeigte,
so war ich gezwungen, njeinen Weg über das Gebirge zu nehmen. Hier entdeckte
ich in ungefähr 64*^ 15' nord, Br. und 102^ 30' wesU, U eine heisse Quelle, von
der mir schon vorher die Eskimo' a erzählt hatten, welche ich Lake Bastian nannte.
Nach einer höchst rouhseJigen 4tiig»gen Reise über das Gebirge, auf welcher uns
u. a. auch das Futter für die Hunde ausging, und wfibrend der wir uns mit wenigen
getrockneten Fischen begnügen raussten^ erreichten wir am 2L Abends völlig er-
schöpft Singrak. Hier haben sich fünf Amerikaner niedergelassen, die einige von
ihnen entdeckte Blei- und Silberminen mit Erfolg ausbeuten. Wir wurdeo von den
Besitzern freundlich aufgenommen und sehr gut verpflegt Ich machte von hier aus
einen Abstecher über die Golownin Bay nach [guitok, wo gerade ein grosses Fest zur
Erinnerung an die im abgelaufenen Jahre Verstorbenen gefeiert wurde, welches
5 Tage andauerte und wobei von Seiten der Anverwandten der Verstorbenen viele
Geschenke an alle Anwesenden verabfolgt wurden. Hier engagirte ich mir einen
guten Führer für meine Reise nach ('ap Prince of Wales, der zufallig dort zu Hause
war, uod kehrte am 24. nach Singrak zurück. Am 25. früh trat ich nun die Weiter-
reise an, traf am i6. in Kratlewik ein und ging bis zum L December über das
Gebirge, Hierbei b alten wir durch die grosse Kalte sehr viel zu leiden. Am
1, December traf ich in Kawiarsak ein, kaufte von den dortigen Einwohnern ver-
schiedene Curiosi tüten und setzte die Reise am 4, fort. Wir besuchten mehrere
Dörfer, bis wir in die Nahe von Cap Prince of Wales anlaogten. Leider leigte sich
hier kein Eis, so dass ich ptirsönlicb nicht weiter vordringen konnte, da auch das
Gebirge mit den Schlitten unmöglich zu über seh reiten war. Ich schickte deshalb
einen Mann ab^ um für mich Gegenstände zu erwerben, und^ nachdem derselbe am
6., versehen mit verschiedenen Sachen, bei mir wieder eingetroffen war, trat ich
meine Rückreise am 8. Decbr, an. Ich schlug zurück denselben Weg ein, den ich
auf meiner Hinreise genommen hatte, und traf am 18. wieder in Singrak ein, wo-
selbst ich von den Amerikanern wieder sehr gut aufgenommen und aufs Beste ver-
pflegt wurde, was mir sehr nöthig war, da mich die höchst beschwerliche Reise,
namentlich der grosse Frost, sehr mitgenommen hatten. Nach einem 4tägigen
Aufenthalt brach ich am 22. Decbr. mit frischen Kräften wieder auf, um nach
Norton ßay zurückzukehren. Auf dieser Tour hatte ich das Unglück, dass ich mit
dem Schlitten auf dem Eise einbrach, wobei mir leider viele Sachen verloren gingen.
Am 26. langte ich in meiner Station in Norton Bay an, verblieb hier einige Zeit,
um mir und den Bunden die uns nothige Erholung zu gönnen, und machte den
Plan, von hier aus nach dem Kotzebue Sound vorzudringeo, wo noch viele Nephrit-
steine vorhanden sein sollen.
Ich verliess Norton Bay am 13. Januar 1883, fuhr den Koyuk -River ungefähr
30 Meilen weit hinauf, ging über eine Bergkette und entdeckte einen von den
Weissen noch nie gesehenen Fluss, welcher von den Eingeborenen Unalitschok ge-
nannt wird, und der in den Kangek- (nicht Kunguk-) River mündet. Bis zu dieser
Stelle haben wir noch Nadelhölzer angetroffen. Der ganae Landstrich von Norton-
Bay bis xur Mündung des Kangek in den Kotzebue Sound ist unbewohnbar und bis-
her noch von keinem Weissen betreten worden. Wir langten an der Mündung des
Kangek Hiver am 29. Januar an, setzten am 1. und 2 Februar über die Hottam-
(530)
Halbinsel und erreicbti^D deü Sellawik River am 3. Februar Hif^r bekatiieo wir
zum ersten Mal eine Menge von Fischen, roeistenlheils Häringe, zum Futter für die
Hunde, Wir verweilten 3 Tage, wäliread deren wir s^ämmtlicbe Dörfer der am
Sellawik River wobnenden E«ikimcj's besuchten, wobei ich liübi^cbe Siicben in Nephrit,
sowie atjcb undere steinerne Schmuckgegenatände sammeke- Am H, Februar traten
wir UDsere Rückreise an und erreichten undere Station an dcT Norton- Bay ata 20,,
gingen um 22. weiter und trafen den 2ij. in St. Mu^bael, HandeUposten der Alaska
Cooiraercird Co., wieder ein, wo ich mich wieder unter Weissen befand. Ich hieJt
mich hier bi» zum 18. März auf uud beschäftigte mich während dieser Zeit cnil
dem Ordnen und Verpacken der siimmtlichen gesammelten Gegenstände, damit die-
selben mit den übrigeu, schon iai Depot befindlichen mit erster Gelegenheit nach
Europa geschickt werden kf>naten.
Mein nächster Reiseplau war jetzt, über den Yukoa, Kuskoquim und Nushagek
River und über die Halbinsel von Alaska nach Cook Inlet zu gehen. Ich brach
am 18. Miirz roit 3 Schlitten auf, erreichte am 29. Andriewsikoy am Yukon River,
wo ich mir neue Hunde und einen anderen Führer nabm^ ging am Montag deo
2. April weiter quer über die Tundra gegen die Weslküate bei C&p Vancouver »u
und traf daselbst am 5. April Abends ein. Die Gegend zwischen dem Yukon und
Kuskoquim River ist von Eskimo's dicht bevölkert^ uod machte ich daselbst Ein-
käufe von seltenen Arbeiten in Stein und Knochen, [ch fand hier die Angabe des
Reisenden Nielsen bestätigt, wonach der Yukon River einen Ausfluas nach der ^
Vancouver Bay hat. Vom G. ab verfolgte ich die Küste von Cap Awinofif bis xur H
Mün<lüng des Kuskoquim River, ging diesen Fluss an seinem linken Ofer 150 Meilen
weit hinauf, und langte am 15. April in M^imtratlaremiiten an, wo ich meine Leute
vom Yukon River ablohate, und neuo engagirte^ auch frische Huode nahm. Ich
hielt mich hier 'd Tage auf, verpackte die gesammelten Sachen, trat am 18 die
Rückreise auf dem rechten Ufer an und erreichte das Dorf Kwinaekoarremuten
am 20. April. Da das Eis an der Küste bereits aufgebrochen war, so musate ich
meinen Weg über Land fortsetzen. Ich trat meinen Marsch am 20. an, ging den
Agalik River eine Tagesreise w^eit hinauf, schlug dann den Weg über das Gebirge
ein und erreichte den Toreak River am 24. Abends. Diese Reise war dadurch eine
äusserst beschwerliche, dass wir uns und die SchJitten mühsam und unter Auf-
bietung aller Kräfte die steilen Feiswände hinauf- und wieder bernnterarbeiteo
mussten. Da säramtlicbe Flüsse bereits wieder eisfrei waren, so war ich genöthigt,
Schlitten und Hunde zurückzulassen und meine Weiterreise per Kajaks (kleine Fell-
böte) fortzusetzen. Ich erreichte Cap Constantia am Abend des 29. und traf in
Fort Alexander am Nushagak River am 1. Mai wohlbehalten ein. Die Alaska Com-
mercial Co. hat hier einen Handelsposten, dem ich die siimmt liehen auf dieser Reise
gesammelten Gegenstände, wohl geordnet und verpackt, zur Weiterbeforderung über-
gab. Es hielt für mich äusserst schwer, Mannschaften zu engagiren, noch schwerer
aber, die nathigen Böte zu erhalten, und musste ich daher bis zum 18. Mai hier
bleiben, ehe es mir gelang, mich mit Allem zu versehen. An diesem Tage verliess
ich Fort Alexander, ?erfoIgte die Küste von der Bristol Bay bis zum Kwichak River,
ging diesen Fluss hinauf, durchfuhr den lliamna Lake von Westen nach Osten, fuhr
in den Nusdkfoligno River ein und Jandete am 4. Juni an dem Handelsposten
gleiches Namens. Ich entlohnte meine Leute und ging am 5, über die Bergkette
bia nach Cook fnlet an der lliamna Bay herunter, das ich Abends erreichte. £t
gelang mir hier, neue Mannschaften, sowie 2 Fell böte zu engagireu. Wir fuhren
die Küste von Cook Inlet entlang bis zum Dorf Thajonak, wo ich am 11. eintraf.
I
I
(531)
Am 13- setzten wir über Cook lolet und erreichtee aro Morgen cl 14. Fort Kejiai.
Hier verpackte ich die gewooneneu Gegenstände und fuhr dann um 16, mit neuer
Mannschaft versehen, die NordkQste von Kenai Halbinsel entlang bie Fort Alexander,
das ich am 21. erreichte. Mein Vorhaben, nach der Insel Kadiak überEuaetEeD,
wurde dadurch vereitelt, dasa es mir unrnöglich war, Mannschaften zu gewinnen.
Ich ging deshalb erst den Kachekmak Golf hinauf und nahm bei dem alten ludianer-
dorf Kardon ak Ausgrabungen vor, die von Erfolg waren, kehrte darauf wieder nach
Fort Alexander zurück und traf hier am 1, Juli ein. Endlich am 7« Juli bot sich
mir eine giinstige Gelegenheit, nach Kadiak üherzufahreD. Ich erreichte die Insel
am 9. uad charterte hier einen Schonner, um nach Prince William Sound zu segeln.
Ich fuhr am 13* Juli von Kardiak ab und erreichte Kinega, am Sound gelegen, mw
19* Ich iammelte auf den Inseln Kinega und Knight verschiedene Mumien und
Kopfe, machte auch unter den Eskimo'» gute Einkäufe, fuhr dann weiter bis Nutzik,
einem Eskimodorfe, wo ich am 2*1 nintrafj verliesa dasselbe am 27. und traf am
28. in dem Indianerdorfe Iggiak ein. Von hier aus fuhr ich am 29. nach dem
Dorfe Alaganak, wo ich sehr hübach«? Einkäufe machen konnte. Die hiesigen
Indiatierstimme haben viele Sachen, welche denen der Haida- und Chimsian-Indlaner
ähneln; sie sind wahrscheinlich mit den letztgenannten verwandt. Am 30* schlafe
ich mich wieder ein und langte am 2. August an (Jap Martin an. Hier hielt ich
mich eine ganze Woche lang auf, nnd sammelte unter den Yukatas-Indianern ver-
schiedene Sachen, Wegen widriger Winde und starker Stlirme war ich leider ge-
zwungeD, von meinem Vorhaben, nai^h Sitka zti gehen, abzustehen, wozu auch noch
der traurige D instand hinzukam, das» unser Proviant ausging. Ich musste daher
am IL August meine Rückreise nach Kadiak antreten, welche lusel ich nach einigen
kleinen Abweichungen am 18, wieder ^rreichtp. Hier erhielt ich die Nachricht, daas in
den nächsten Tagen ein SchilT von Cook Eulet nach San Francisc30 gehen wiirde,
und da ich nunmehr meine Sammlungen in Alaska beendet hatte, so entschloss Ich
mich, diese Schiffsgelegenheit zu benutzen. Ich fuhr in einem Schooner von Kadiak
nach Kenai und traf daselbst am 22. ein* Das betreflfende Schiff war bereits an-
gelangt, ich erhielt einen Platz, und wir verliessen die Halbinsel am Abend des
28. August. Es erhoben sich nach unserer Abfahrt leider äusserst heftige Gegen*
winde, so dass wir die Strecke bis Barren- Island in 7 Tagen zurücklegten, während
die Fahrt bei günstigem Wetter nur einen Tag dauert Anj 23. September langte
ich endlich in Sau Francisco wohlbehalten an.
Ich fand bei meiner Ankunft bereits Ordre vor, auf meiner Rückreise Arizona
zu besuchen, um auch dort noch Sammlungen zu machen. Ich verliess demgemaas
San Francisco, nachdem Ich zuvor säiiimtliche eingetroffenen Sac!ien wohl verpackt,
gehörig geordnet und dann zur Weiterbeförderung nach Europa übergeben hatte,
am IL Oktober und reiste auf der Söd-Pacific-Bahn nach Fort Yuma in Arizona,
wo ich am Freitag den 12. Oktolier eintraf. Ich besuchte hier die Indianer-
Reservationen am 13. und 14., machte verschiedene Einkaufe, eetzte am 14 meine
Ruck reise fort, traf am andern Morgen in Maricupa ein, besuchte 3 Tage hindurch
verschiedene Dörfer der Fimus* und Maricupas-iodianer, sammelte zu meiner Zu-
friedenheit manche Gegenstände, besichtigte auch die Stadt Phönix, in der ich von
einem Amerikaner einzelne Sachen erwarb, kehrte dann nach Maricupa zurück und
fuhr von dort mit der Bahn am 19, nach Tucon. Ich besuchte noch die dort an*
s&ssigen Papajus-Indianer auf einen Tag und fuhr dann direkt nach Washington.
Von hier gelangte ich über New- York nach Hamburg und traf am 23* Novbr. 1883
wohlbehalten in Berlin ein.
34*
(532)
(14) Hr, Hart wich raacht Mittheilung über
vermuthlich wandische Funde bei Tangermiinde,
Im Laufe dieses Sommerö wurde auf dem Gruadstrick der Tmiperiuönd<?f
Zucker-Rafütierie em<? gröi?8ere Strecke planirt, bei wflcber GdegeDbeit eine gaozo An-
zahl TOö Urnen und einige aüdere Objekte xo Tap;e gefordert wurden. Leider fttand^n
die Gefä«8e auBserordeiitlicb flach, bo dass »Jp ohne Ausnahme bereits früher dnrcfa
den Pflug mehr oder weniger zerstört waren. Süfiimtliche UrneB, bei deoeu dar-
auf geachtet wurde, standen in Sleitieu; von einer etwaigen Bedeckung, sei es durch
Steine «der durch flache Gefasse fand sich keine Spur. An mehrereo Stellen
Zeigten sich Anhäufungen von Steinen, die vielfach im Feuer gelegen hatteo, und
grossere Partien kohliger Erde, endlieh wurde nocli ein etwa fuustgrosser Granit-
ßtein gefunden, der deutliche Spnreo Ton Abnutzung zeigte. Ausserdem wurden
Tbier- and auch Menschenknochen in grosser Menge gefunden; da auf diesem Platz
früher der Galgen geatanden, muss man sie wohl gerichteten Verbrechern und ver-
scharrtem Vieh zusehreiben.
Hie gesammelten Scherben, die ich hiermit vorlege, zeigen, dass mit eioigeo
Ausnahmen die Getaase siimmtlich sehr roh gearbeitet waren; aus den OrnamenteD
glanhe ich schliessen zu dürfeuj dasB sie wendischen Ursprungs sind. Binea der
gefundenen Bodenstücke ist durchbohrt; cb iat das erste derartige Stuck, welebea
ich gesehen, ich vermag daher nicht zu beurtheilen* ob die Durchbohrung eine tir-
sprüngliche iui, doch glaube ich nach dem massenhaften Vorkommen von Steinen
versichern zu dürfen j dass frijher auf diesem Felde nicht nach Steinen gesucht
wurde, bei welcher Gelegenheit das Loch vielleicht mit einem Visitireisen gemacht
sein konnte. Der Inhalt wenigstens der einen Urne scheint aus zerkleinerten
Knochen zu bestehen^ eine Probe dieser Masse lege ich bei. Ferner wurde zwischen
den Scherben eines zerbrochenen Gefasses ein zugespitzter Knochen gefunden, ausser-
dem eine eiserne Lanzenspitze, von welcher letzteren der Finder nicht mehr aozu*
geben vermochte, ob sie ebenfalls unter Scherben lag. Endlich fand sich ein Stück
egbogenen Bronze- oder Kupferblechs, dessen Ursprung aber einigermassen zweifel-
haft ist, denn als ich es fand, klebten Th ei leben Dünger daran; möglicherweise isl
es also mit diesem auf den Acker gebracht; andererseits kann es aber, da, wie er-
wähnt, alles sehr flach lag, auch beim Pflügen damit in Berührung gekommen sein.
Höchstens zwei Minuten südlich von dieser Fundstelle liegt hart am Eibufer das
Dorf Olli bau (auch Calbu, Calbuw, Calbuwe, Calebu, Calebow, Calebaw), welches
wendischen Ursprungs ist. Die Einwohner haben ihre Nationalität lange, minde-
stens bis zum Ende des 15. Jahrhunderts bewahrt, was vielleicht darin seinen Gniiid
hatte, dass sie in einem gewissen Schutzverbaltnissc zur Btirg Taugerraüode standen.
Nach Carls IV. Land buch hatte Jeder der Einwohner, die sich vom Fischfang
nährten, am Weibnachtsabend 15 Neunaugen und am Sonnabend vor Ostern für
2 Pfennige Fische an die Burg abzuliefern, ausserdem hatten sie die Einwohner
derselben unentgeltlich über die Elbe zu fahren, mussten das Holz für die Burg-
küche herbeischaflen und die Gemächer ausfegen, wofür ihnen Speise und Trank
gereicht wurde. ^Besonders müssen (sie) dem Amte mit dem Halse, so oft ihnen
geboten wird und wozu man sie bedarf, gleich als eigene Leute dienen und Ge-
horsam leisten** (Beckmann, Beschreibung der Mark Brandenburg).
Dagegen waren sie nicht nur von Abgaben frei, sondern erhielten sogar seit
Ki73 eine kleine Rente aus dem Tangermünder Zoll und 1377 Zollfreiheit bei Ein-
führung ihrer Fisch ereigerälhe aus Brandenburg, 1465 wurde ihnen ausscMiess-
lieber Gerichtsstand vor dem Dorfgerichte und vor dem Gerichte auf der Tanger-
I
C533)
mÜDder Scblossbrücke (bis Ende des 14. Jahrhunderts das höchste Gericht in der
Mark) gewährt.
Bis 1792 besass Calbau keine Feldmark, sondern es waren den Einwohnern
zwei Eibwerder zum Fischereibetriebe gegeben. Trotzdem heisst der bei Calbau
gelegene Theil der Tangermiinder Feldmark das ^Calbau^sche Feld^ und etwa bis
Ende des H.Jahrhunderts existirte neben dem Dorfe ^wendisch Calbau^ ein
^deutsch Calbau^ Götze (Geschichte der Burg TangermGnde) nimmt an, dass
man den Wenden ihre Feldmark weggenommen und sie mit Deutschen besetzt hatte.
Wie ich glaube, haben wir in den vorgelegten Resten Spuren der alten Calbau-
schen Wenden vor uns. —
(15) Hr. Hart wich berichtet ferner über
HOnenbetten der Altmark.
Im Jahre 1881 (S. 220 d. Yerh.) berichtete Hr. Virchow über eine grosse
Anzahl von Hünenbetten im Kreise Salzwedel, welche nebst einigen im Magde-
burgischen und Anhaltischen vorkommenden das östliche Ende einer zusammen-
hängenden Reihe ähnlicher Monumente darstellen, welche sich von der holländi-
f Orassau
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Beesewege ß-,j^ Grönwulscb
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O Klaeden t
O Steinfeld
Burgwall
*
Badiniren
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'^'0*'&°:''o"'"^"
sehen Provinz Drenthe durch Hannover bis zur Elbe erstreckt. Da ich in diesem
Sommer gelegentlich einer Excursion eine wenn auch weit geringere Anzahl solcher
Monumente, welche die östliche Grenze dieser Reihe nicht unerheblich hinausrücken,
kennen lernte, möchte ich mit einigen Worten die Aufmerksamkeit auf dieselben
lenken. Diese Gräber, 7 an der Zahl, liegen im Kreise Stendal, östlich von Bismark.
Ich führe sie hier kurz auf und erwähne dabei zugleich ein paar andere inter-
essante Punkte, die ich gesehen:
1. Zwischen Klaeden und Badingen einen Burgwall, östlich vom Wege. Die
westliche Seite des Walles ist am höchsten, der Durchmesser beträgt 90 Schritt,
(534)
eine Eriiöbaog io der Mitte habe ich nicht bemerkt. Dm ich nur eiBCB Tag auf
die Tour Terweoden konnte and noch ein zweiter Marsch Tor mir lag, wurde nicbt
gegraben.
2. Zwischen Qaerstedt and Kl. Möhringen befindet sich eine w&ate, etwas
moorige Gegend, die Rassan, die im Volke, als Ton Gespenstern bewohnl, arg ver-
schrieen ist; Termnthlich ist es ein wostes Dort Die Genenlstabekarte won ISbS
fahrt an dieser Stelle eine ^Kirche RasMia^ aaf, deren letste Beste sieh noch jetzt
in einem Gestrüpp am Wege befinden sollen.
3. Oestüch davoo steigt der Heidberg nicbt anbedeatend an, aaf dem 3 Hügel
gefondeo wurden (a, b. c)^ die wohl künstlichen Ursprongs sind; sie xetduieteB
sich dnrch sehr regelmässige Form and eine Vertiefung auf der Spitze ans.
4. Nordlich davon, bei der Kirche des Dorfes Steinfeld liegt ein pimchtiges,
fut ToHständig erhaltenes Hü nenbette (d). Die Träger sind etwas auseinander ge-
wicheo, so dass die Deckplatten zwischen ihnen aaf der Erde liegen. Diese eigent-
liche Grabkammer nmschliesst ein zweiter Steinkreis; am Südende der Kammer
liegt anf 3 Blocken ein mächtiger flacher Stein, der beim Anschlagen einen bellen
Ton Ton sich giebt: „der klingende Stein voo Steinfeld.* Daran schlieaat sich
eine 30 — 10 Schritte lange Allee Ton Stein blocken, die anf das Grab zof&hit. —
Dieses Grab ist jetzt das einzige bei Steiofeld, früher sind sie zahlreicher geiresen.
Beckmann (Beschreibung der Mark Brandenburg) führt ausser dem erwähnten
(die Eigenthümlichkeit des klingenden Steines ist ihm bekannt) noch 2 grosse nnd
eine Anzahl kleinerer Hünenbetten auf.
5. Das folgende (e) liegt vor dem Dorfe Grünwulsch in einem Gebüsch, es ist
wie die folgenden von dem früheren Besitzer Ton Klaeden, Domherrn Ton Lere t so w,
geöffnet. Dieses and das nächste (f) bei Grassau habe ich nicht selbst gesehen.
6. Ein Hünenbett bei dem Dorfe liülitz (g), Ton dem nur die Grabkammer
und 7 Steine des äusseren Kreises erhalten sind. Am Grabe steht eine Steintafel
mit folgender Inschrift: ^Hünengrab | Ton 21 Steinen | möge auch zu ferneren Zeiten
erhalten | bleiben | gehört dem Besitzer tou Klaeden | und Damewitz | weiland |
Herrn C. L. W. A. Theodosius | ron LeTetzow | sie ben. den 29. Januar 1861 |
Römer 15 t. 12 | Es wird sein die Wurzel Jesse und der auferstehen wird zn
herrschen über die Heiden, auf den werden die Heiden hoffen.*' Aehnliche Tafeln
sollen an den Gräbern von Grassau und Grünwulsch stehen. Beckmann bildet
Taf. I Fig. 1 ein Grab ab, von dem ich nicht entscheiden kann, ob es dieses oder
7. ein anderes beim Dorf Besewege ist (h), Ton dem nur noch 2 Steine er-
halten sind.
8. Ebenfalls bis auf wenige Reste zerstört sind 2 Gräber (i, k) in nächster
Nähe des Dorfes Klaeden. Beckmann führt dort 3 an.
9. Da es wohl zur selben Gruppe gehörte, sei erwähnt, dass fniher ein Grab
zwischen ßellingen und Dabrenstedt lag, Ton dem jede Spur Terschwunden ist. Es
würde das am weitesten östlich gelegene gewesen sein.
Im Schlosse Klaedeu befindet sich eine Anzahl von Alterthümern, die beim Oeff-
neu einzelner dieser Gräber gefunden sein sollen: Urnen, die eine mit Gruppen senk-
recht verlaufender kurzer Linien, eine andere mit schräg über den Bauch gehenden
flachen Wülsten, sodann mehrere ganz ohne Ornamente, femer einige darchbohrte
Steinhämmer, von denen mir einer dadurch auffiel, dass er an der Schneide sich
verbreitert. Einige andere Sachen konnten mir wegen Abwesenheit des Besitzers
nicht gezeigt werden.
(535)
(16) Hr, F ritsch spricht ober
die Bedeutung des SatorSpruchea.
Wer die SitzuDgsbericlite unserer Gesellschaft durcliBtebt» findet an 'vielen
Stellen des Sator- Spruch es Erwäfmung gethan und mancherlei Versuche aufgezeichnet,
dem Zaubersprucli eine axigeraeaaene Deutung zu geben. Obwohl dabei inanches
Interessante und Zutreffende angeführt wurde, ßo ist es doch nicht gelungen, der
richtigen Deutung auf die Spur zu komiiieti, was sich bereits aus der bemerkens-
werthen Divergenz d^r verschiedenen Meinungen ergiebt. Es durfte daher, schon
um Qberflusisige Discussionen zu vermeiden, angezeigt aeio, endlich die richtige
iröaung der Formel, die ein glücklicher FuDd mir an die Hand gab, mitzutlieilen,
zumal sich daran einige allgemeine, recht lehrreiche Betrachtungen knüpfen.
Besonderen Scharfsinnes bedurfte es nicht, die Deutung zu erlangen, sondern
dieselbe steht gar schön gedruckt zu lesen in eiüem zu Nürnberg 1764 erschienenen
Buche: Onomatologia curiosa, artifieiosa et tnagica, und selbst noch in neuerer Zeit
brachte ein wenig gelesenes Schweizer Journal, die neue Alpen-Post (Bd. IX, 4)
aus obigem Werke eDtuommene Notizen darüber.
Es ergiebt sich, dass eine der zuletzt versuchten Erklürungen (vergh Bericht
über die Maiaitzung d. anlhrop. Gesellsch. vom vorigen dahre), welche den Spruch
mit der heiligen Dreieinigkeit in Verbindung bringen wollte, die von der Wahrheit
am weitesten entfernte ist. Ich weise auf dieselbe nur deshalb hin, weil sie zeigt,
dass derartige Dinge im Lauf der Zeit durch den Gebrauch unlösbar werden können,
etwa wie eine durch Abnutzung unleabar gewordene Inschrift. Ausser einem
mystischen Zeichen, welches Gott Vater unter der symbolischen Figur des Auges
darstellte, sollte „Sator arepo** — Jesus Christus, ^Opera rotas* = Heiliger Geist
gesetzt werden.
Hierbei fehlt nun vor allen Dingen das Wort ^tenet**, weil der vollständige
Spruch bekanntlich lautet : Sator arepo tenet opera rotas, und nur In dieser vrtlb
stand igen Form ist er lösbar Es ergiebt sich durch die genauere Betrachtung
desselben, wie bereits von Hrn. W. Scbwartz in seinem interessanten Aufsatz
über das Vor- und Rückwärtsiesen solcher Zauberformeln eingehend erörtert wurde
(vergl, Zeitschr. f. Ethnol. 1883), dass die eigeu-
thümliche Btichstabeastellung es erlaubt, ohne
Veränderung des Lautes den vollständigen
Spruch vor- und rückwärts zu lesen. Demnach
ist es auch möglich, denselbeUj wie der ursprüng-
liche Gehrauch es vorgeschrieben haben soll, in
Form eines Quadrates zu schreiben, so dass
alsdann jederseits dem Leser, gleichviel an wel-
cher Ecke er zu lesen beginnt, stets der be-
nannte Spruch in die Augen springt* (Vgl. die
nebenstehende Aufstellung.)
Die fünfundzwanzig Buchstaben des Spruches
sind demnach symmetrisch geordnet, und zwar
kommt einer darunter, das „n'^, nur einnml vor
und musB als der dreizehnte Buchstabe placirt
werden; zwei Buchstaben, „e** und „p", erschei-
nen je zweimal und erhalten die Platze 1 und
t t
25, beziehungsweise 1^ und 17; die übrigen fünf ^ ^
Buchstaben a, e, o, r, t finden sich zu je viere« «ator arepo tenet opera rota»
sator are^to tenet upera rotas
a a
t t
0 o
r r
1 r
(53ß)
ODd TertheileD sich id gleichen Abstanclen links ood rechts tob dem mittle-
ren „n**.
Die für das mystische Rückwärts- und Vorwärtslesen noth wendige sjnmietiisebe
BuchstabenstelluDg erxwingt folglich ihre Verbindung mit einander; es ist
somit ungerechtfertigt, in den zufallig entstehenden Worten einen tieferen Sinn so
suchen und zu fragen, wer etwa der „Arepo*' gewesen sei? oder was ^Smtor tenet
opera^ eigentlich bedeute? Der doppelte Zweck dieser kabbalistischen Buchstaben-
Spielerei wurde auch ohne tieferen Sinn der entstandenen Worte schon erreicht,
wie der Erfolg es beweist; d. h. die symmetrische Anordnung wirkte auf den un-
eingeweihten Beschauer fremdartig, zauberhaft, und hielt ihn, indem sie zu uofimcht-
baren Deutungsversuchen verleitete, von der Erkenntoiss ihres wesentlichen In-
haltes ab.
In der That haben nehmlich die 25 Buchstaben eine tiefere Bedeutung und
sind nicht etwa willkürlich zusammengelesen, sondern Termuthlich in manch ein-
samer Stunde von einem müssigen Mystiker künstlich ausgeklügelt worden. Um
diesen wahren Inhalt der Formel aber zu erkennen, ist es noth wendig, die sym-
metrische Stellung der Buchstaben aufzugeben, welche die Bedeutung ge-
schickt verhüllte. Es ergiebt sich dann bei pas.sender Ordnung derselben, daas der
Spruch eine ganze Reihe von direkten Anrufungen des Satans enthält, dessen Hülfe
bei solchen Beschworungen ja stets ein grösseres Vertrauen geschenkt wurde, als
der heiligen Dreieinigkeit, und dass er so eine Art En-tout-cas-Beschwörung im
Monchslatein des Mittelalters ausdrückt. Ich lasse hier die interessantesten dieser
Anrufungen mit den zugehörigen Nummern der Buchstaben des Satorspniches, aus
dem sie hergeleitet sind, folgen:
1 2 3 6 13 4 5 10 11 8 9 7 16 20 19 15 14 24 23 12 25 17 18 21 22
Satan, oro tcpro art e, a t e spe ro!
4 123 613 10 5 16 14 11 12 19 20 915 24 7 1817 22 2123 8 25
OSatan,oro e t e, r apt a re p o r tes!
12 3613 118 7 45 13 15 12 169 14 2124 17 19 2018 25 23 22
Satan, teroro te, opera praesto!
12 36 13 4522 23 18 7816 9 10 191120 25 17 241512 2114
Satan, oro t e,reo po r t a s pa t e r e!
1 2 3 6 13 11 8 7 4 5 10 15 12 19 14 9 20 21 24 23 16 22 17 18 25
Satan, teroro te, reparato opes!
12 36 13 9 24 1187 4 5 10 25 15 20 21 12 23 14 17 1916 18 22
Satan, pater, oro, s tare te pro eol
123 613 98 7 12 10 24 17516 1914 25 112015 16 2122 2318
Sata n, per eoapro, restat, oro te!
1 2 3 6 13 4 5 10 118 12 15 24 9 17 20 7 14 18 19 16 25 23 21 22
Satan, oro teet appare e ros t ro!
Mit der heiligen Dreieinigkeit hat also der Spruch in der That blutwenig zu
schaffen, yielmehr muss „Vater Satan^ die Sache allein auf sich nehmen; es sei
denn, dass Jemand geneigt ist festzuhalten, die Satansanrufungen seien zufällig in
den der heiligen Dreieinigkeit geweihten Spruch hineingekommen. Gegen eine
solche Behauptung zu polemisiren dürfte als überflüssig erscheinen.
In der That spielt aber auch die Dreieinigkeit gelegentlich in den Zauber-
formeln eine Rolle, wie an der oben citirten Stelle ebenfalls ausgeführt worden ist.
Eine noch heutigen Tages, am häufigsten allerdings scherzweise von Taschenspielern
und solchen, die es werden wollen, gebrauchte Formel, das kabbalistische «Abrm
catahra^ wird in sehr plausibler Weise auf die Dreieinigkeit zurückgeführt. Es
CM7)
handelt sich dabei um die drei Buchstaben „A** „B** ^R", sowie deren Verdoppe-
luDgen zur phoDf tischen Äbruodung des Gaozen; dem gleichen Zweck dient das
dem zweiten Wort ein gefugte „c**
und „t*"
Die drei Bnchataben werden gedeutet
als die AnfangabuciistabeD der nrabiacheu Worte Ab (Vater), Ben (8obn), Ruh
(Geist) und können so in der That ab t'ine symbolische Darstellung der Dreieinig-
keit betrachtet werden.
Für Jemanden, der mit stetig erhöhtem (.icnuss im Buche der Natur blättert
und stets mit einem gewissen Widerstreben den Staub auf den gewalkten Lnmpeu
unserer Bibliotheken in seiner friedlichen Ruhe stört, ist es übrigens ein eigen-
thömliches Gefühl, welches, offen gesJandeo, von einer gewissen Schadenfreude nicht
ganz frei ist, dass die Bedeutung des Sator- Spruch es ifoll ständig vergessen werden
konnte, obwohl sie in keineswegs erstaunlich alter Druckerschwärze niedergelegt war*
Es kommt hinzu, dass die wiederholten Debatten über den Gegenstand die öffent-
liche Aufmerksamkeit ausdrücklich auf die Lücke unseres Wissens hingewiesen
hatten und sogar in verschiedenen Zeitungen zur Losung des Rathsi^ls aufgefordert
worden war. Trotzdem ist keiner der Herren Scliriftgtdi'lirteu hilfreich eingetreten
und hat das wlssensdursttge Publikum durch eine entsprechende Notiz klug ge-
macht; offenbar hat der Teufel als Protektor doch erheblich an Ansehen verloren,
und andererseits ist die Literatur de8 Jahres lim noch nicht alt genug, um wieder
ausgegraben zu werden.
Wie dem auch sei, jedenfalls darf man im üin blick auf dies kleine, tragi-
komische Unglück hoffen j dass eine gelegentlich etwa passirende U uteri assungs-
Bünde der Nichtberücksichtigung eines bestaubten Autors des jüngeren Alterthums
oder der älteren Jetztzeit auch von Seiten der gewiegten Literaturkenner keine
allzu harte Verurtheilung finden sollte. -—
Hr. V. Schulenburg: Als Hr. HaudtmanD den Gebrauch mittheilte (Z. f.
Ethn. 1883, Verh. S. 248), auf den Hr. Fritsch sich bezieht, liai er nicht die
Worte des Satorspruches erklärt, sondern nur die Zeichen der Dreieinigkeit (Auge,
Kreuz, Pfeil), welche den Zauberspruch in christlichem Sinne vreihen. Es beruht
also auf einer irrthümlichen Annaiime^ wenn Hr. Fritsch darin den Versuch einer
Erklärung der Satorworte sieht. —
Hr. Fritsch bemerkt dazu, dass er nur citirt hat, was au der ajigeführteo
Stelle steht. Ist dies ^irrthümlich^, so dürfte die Mehrzahl der Leser demBelbeo
Irrthum verfallen.
(17) Hr. Prof. Gustav Oppert aus Madras halt einen Vortrag iiber
die Versctiie den halten des Spraohcharakters und deren natürliche Ursache.
Der Vortrag wird im Text der Zeitschrift für Ethologie (Heft I des neueo
Bau des) erscheinen,
(18) Eingegangene Schriften:
1. Verhandlungen der Gesellschaftaft für Erdkunde zu Berlin» Bd, X Nr. 7.
2. Zeitschrift der Gesellschaft fiir Erdkunde zu Berlin. Bd. XVill Heft 3,
3. ßoüelino della Socielä Africana d'Italia, Napoli 188c4. Anno II Fase. IV.
4. The Journal of tbe Anthropological Institute of Great Britain and IreJand.
VoL Xm Nr IL
^. Antiqua, Unterhaltung^blatt für Freunde der Alterthumskuude. 1883. Nr. 8.
(538)
6. Sepp, Der Bayerostamm, Herkunft und Ausbreitung über Oestreich, EirntheD,
Steyermark und Tyro). München 1882. Gesch. d. Hm. Yirchow.
7. J. Namur, Ein Blick in die geologischen und mineralogischen VerbältDiaae
des Mosel- und Sauerbeckens. Luxemburg 1883. Gesch. d. Hrn. Yirchow.
8. Ausgrabung römischer Reste in Heidelberg. Bericht über die in den Jahren
1875 — 78 Torgenoramenen Ausgrabungen auf den Bauplätzen des Academ.
Krankenhauses und der Irrenklinik mit 4 Blatt Zeichnungen von Bezirks-
bauinspektor Schäfer. Gesch. d. Hrn. Virchow.
9. H. Seh lie mann, Troja. Ergebnisse meiner neuesten Ausgrabungen auf der
Baustelle von Troja, in den Heldengräbern, Bunarbaschi und anderen Orten
der Troas im Jahre 1882. Leipzig 1884 Gesch. d. Verf.
10. A. Fried erich, Abbildungen Ton mittelalterlichen und Torchristlichen Alter-
thumern in den Gauen des vormaligen ßisthums Halberstadt, gesammelt
von Chr. Friedr. Bernh. Augustin. Wernigerode 1872. Gesch. d. Verf.
11. Mat^riaux pour Thistoire primitive et naturelle de Fhomme. Tome Xlll
Livr. 7.-11.
Sitiung vom ][>. December 1883.
VoraiUender Hr. Virohow.
(I) Der VfvraiUende erstattet atatutenmSssipj den
Verwaltungsberieht für das Jalir 1883.
In meinem, Nanipns des Vorstandes zu erstalteodeTi Verwultungs-Berichte für
das Jalir lHH:i werde jch mich, Angesichts der vielen neuen Vorlagen, mogliebst
kurz fassen, ol>wohl eine Reihe von erheblichen Ereignisseo die Gesellschaft be-
trofFeii bat. Indess ist Ihnen im Laufe des Jahres regelmässig von allen Vorgängen
Mittheilung gemacht worden, uod ich darf annehmen, dafes die Mitglieder von allem
Wiehtigeren unterrichtet sind.
Der Mitglieder-Bestatad unserer Gesellschaft hat sieb in diesem Jahre erfreulich
gbeoben. Wir haben, nachdem in deo letzten Jahren ein gewisses Schwanken auf
und ab stattgefunden hatte, uns jetzt über das erste halbe Tausend der Mitglieder
erhoben: in der officiellen Liste unseres Schatzmeisters, welche als Grundlage für
diesen Bericht dient, stehen am Schluss des Jahres 512 Mitglieder verzeichne». Der
Bestand am Schluss des vorigen Jahres war 476; wir Bind also uin ein Erhebliches
vorwärts gekommen, unter den ordentlichen Mitgliedern, die wir verloren babeu,
im Ganzen 2'2, befindet sich eine Anzahl geschätzter Männer, welche dureli den
Tod abgerufen wurden. Es sind die HHrn*: Kaufmann Karl«, Cotisul Gärtner,
Oberst v, Brandt, Prot Albrecht, Fabrikbesitzer Saeger und Geb. Sanitatsratb
Veit Die fibrigen Itj sind ausgeschieden. Inzwischen ist durch den Zutritt von
56 neuen Mitgliedern der Bestand von 512 erreicht, den ich angegeben hatte. Wir
nSbera uns damit langsam dem Funkte, wo, wenn die alten Mitglieder uns treu
bleihen und aich in gleicher Weise bemijben, uns neue Freunde zu verschaflFen,
wir einigermaassen hoffen dürfen, endlich die Zahl zu erreichen, welebe für uneere
VeröfFentlicbuDgen von nicht unerheblichem Interesse ist. Ich darf wohl daran er-
innern, daas nach dem Vertrage mit unserem Verleger bei einem Bestände von
570 Mitgliedern Honorar gezahlt werden soll für die Abhandlungen, welche in der
Zeitschrift für Ethnologie erscheinen, — ein ünmtand, der von erheblicher Wichtig»
keit für uns ist und dessen Mangel uns tn dem alten Jahre In einige Un-
bequemlichkeiten verwickelt hat Da die Gesellschaft so viele Atisgaben hat, waren
wir nicht in der Lage, auch nach dieser Richtung einzutreten.
Auch in den Kreisen unserer correspondirenden und Ehren-Mitglieder haben
wir sehr schwere Verluste erlitten. Schon in früheren Sitzungen habe ich des
Todes zweier Männer gedacht, die zn den Begründern der modernen deutschen
Alterthomswissenschaft geboren, des Hm, Lisch in Schwerin und de? Hrn. Baron
von Osten-Sacke n in Wien, von denen der eine die erste wissenschaftliche Ord-
nung unseres Materials durchgeführt, der andere durch seine weltberlhmten unter-
guchnogen des Gräberfeldes von HaJlstatt einen grossen Abschnitt der mittel*
europäischen Cultur zum ersten Male festgestellt hat. Eben ist noch eine neue
CS40)
I
Todesnacb rieht ei D gegangen, die des Nestors d**r AothrOfMlogie überhaupt, des alten
Sven Nil SSO n lu Luad, der am 30. November seiu arbeitsTolles Leben abgeschlo6a«ii
hat. im Alter von 9ii Jahren B Monaten 22 Tagen, — seit den Zeiten des ehemaligen
Präeidenten des Brüsseler Congresses, d*0 mal ius^d' Hallo y der älteste Forscher^
den wir unter uns hatten NilBSon hat das jetzt erat ius volle Liebt tretend«
grosse Verdienst, üass er, nat^hdem er in seiner ursprunglichen Stellung als Professor
der Zoologie die Fische des Nurdeus in Tollem wissenschaftlichem Sinne bearbeitet
hatte, seine Tliätigkeit auf die archüologische Krforschung seines Vaterlandes, na*
mentlich der ProvinÄ Schonen, rit'htete. Sie alle kennen seine hafaobrecb enden
Arbeiten iiber das Stein- und Bronzealter und die daraus erwachsene Theorie über
die phonicischen Einflüsse im Norden, — Arbeiten, welche den ersten grossen An-
dtoss zu weitgehenden Untersuchungen in der coroparativen Prahistorie gegebeo aod
gewissermaasseu den EuthuBiasmu^i entzündet haben, welcher sich seitdem auf dieaeiD
Gebiete entfacht hat. Wir haben gerade beute das Vergnügen, Hrn. Cudaet, unser
sehr fleisE^iges currespoudirendes Mitglied, unter uns zu sehen, der eben aus Italien h
zurückgekehrt ist mit Nachrichten über phonicische oder ihnen sehr nahe stebende^
Funde längs der Ostseite des adriatischen Meeres. So erwachen ge w isser maassen
von Neuem, wenngleich in etwas veränderter Gestalt, Gedanken, welche eine Zeil
lang durch die Opposition gegen Nilssoo's Theorie gänzlich begraben schienen.
Der Name des grossen Archäologen wird auch ohne diese Anknüpfungen aus un-
serer Erinnerung nicht schwinden. Er war, genau genommen, der erste wirkliche
Naturforscher, der sich der Präbistorie zuwendete; er ist es gewesen, der die stren-
geren Methoden der imturwissenschafÜichen Forschung in dieses neue Gebiet ein-
führte. Seinem Vorbilde folgend, sind die jüngeren Naturforscher mehr uud mehr
an Fragen herangetreten, welche bis dahin fast ganz der klassischen Archäologie
Torbehalten, aber von ihr vemacbläseigt waren, so dass gegenwärtig eio grosser
und wichtiger Theil dieses ausgedehnten Arbeitsfeldes fast mehr der Naturwissen*
Bchaft, als der eigentlichen Archäologie zugefallen ist. Wer, wie ich, sich des un-
schätzbaren Vorzuges der Freundschaft des seltenen Mannes rühmen durfte und das
Glück gehabt hat, unter seiaer eigenen Leitung seine prähistorischen Sammlungen
in Lund studiren zu können, darf niemals vergessen, wie machtig der Eindruck
war, welchen diese bescheidene und ruhige und doch so kraftvolle und arbeitsame
Persönlichkeit ausgeübt hat ■
Ich habe ausserdem manches bedeutenden Forschers auf dem Gebiete der Dr-
geschichte und Frähistorie schon im Laufe des Jahres gedacht, der dahingeschieden
ist. Ich erinnere an Oswald Heer und van Musschenbroek, sowie an unseren
hochgeschätzten Freund Eöpstorff, dessen schreckliches Ende ich in der letzten
Sitzung anzeigen muaste. Heute habe ich wieder den Tod von Fran^^^ois Lenor-
mant zu melden, der in Paris gestorben ist mitten in einer grossen Arbeit, welche
bestimmt war, die Alterthümer des Orients in zusammenhängender Form der ge-
badeten Welt vorzuführen. Wir bähen keine direkten Beziehungen zu ihm gehabt;
die allgemeinen Verhätttiisse der Oeutschen zu ihm waren sogar etwas ins Schwanken
gerathen durch die Zweifel, welche sich an der Zuverlässigkeit einzelner seiner
Funde ergehen und zu Streitigkeiten geführt hatten, die zum Thpil ziemlich
herbe Formen annahmen und die dazu angethan waren, den grossen Namen» den
sein Vater ihm hinterlassen hatte, einigermaasseu zu verdunkeln. Nichts desto*
weniger werden wir anerkennen müssen, dass ein Mann von weitumfassendem
Wissen und seltener Befähigung der Darstellung dahingeschieden ist, dessen Schriften
noch lange Zeit mit Nutzen consultirt werden dürfton.
Was unsere eigene Tbätigkeit angeht, so will ich kurz hervorheben, dass wir
(541)
in 4iedem Jahre die Zahl unserer Sitzungen durch zwei ausserordentliche v*^rnnehrt
haben^ eine im Feliruar, die andere ira November, und dass wir, wie gewöhnlich,
eine Excursion gemacht haben im Lnufe des Sommers, diesmal nach Tttiigerinütide^
wo wir ganz neue und fruchtbringende Beziehungen eröffnet haben, die udb, wie
ich hoffe, noch für lungere Zeit beschäftigen und ao einer Stelle, wo wir bisher fast
im Leeren tappten^ hoffentlich eine Fülle der besten Funde bringen werden.
In unseren Sitzungen hatten wir, wie ich von Neuem mit grossem Danke an-
erkennen muäs, hi'mtig Gelegenheit^ durch unsere corrnspondirenden Mitglieder mit
den werth vollsten Einsendungen erfreut zu werden. Ich erinnere an das, was Hr.
Undset uns aus Italien gebracht hat, an die Zusendungen, welche Hr. Victor Gross
in immer erneuten und immer iuteresfianteu Funden uns aus den Schweizer Pfahl-
bauten zugeführt hat, an die zahlreichen uud seltenen Geschenke, die wir der Güte
des Hrn. V. Rnp&torff verdanken, an die vielen und noch mehr in Aussicht stel-
lenden Miltheilungen, welche wir von unseren kaukasischen correspooclirenden Mit-
gliedern, dem General v, Erckert und Hrn. Bayern erhielten» Ich kann diese
Erwähnung der correspondirenden Mitglieder nicht schliessen, ohne zugleich mit
Dank hervorzuheben, wie auch eine groase Zahl anderer bedeutender Forscher,
welch« nur als Gäste unter uns erschienen oder als Freunde uns ihre Hutfe schenk-
ten, uns durch ihre Mittheilungen erfreut und belehrt haben. Ich erwähne zuer«t
Hrn. Wissmann, der jet^t aeifie neue grosse, dreijährige Heise nach Central- Afrika
angetreten hat, Hrn. Hans Meyer, der uns seine Studien über die Igorroten vor-
gelegt hat, Hrn- Oppert, den wir erst neulich gehört haben, Hrn. Riebeck, dessen
bewunderungswürdige Sammlung heute noch der Betrachtung ausgestellt iet, ferner
die HHriK Finsch, Zembäch untl Herne heim, welche die prächtigsten Samm-
lungen aus Oceanien heimbrachten, und mit besonderer Genugthuuug der Reisendeu
aus dem Nordwesten Amerikas uud dem Nordosten Asiens, der Gebrüder Krause
und des Hrn. Jacobsen, endlich des Hrn. Dr. Brühl in Cincinaati und des Baron
Ferd, v, Müller in Melbourne.
Es wird selten ein Jahr zu verzeichnen sein, wo so grosse Schätze, nicht bloss
an neuem Wissen, sondern auch au thatsächlichem Material für die Ethnologie nach
Berlin kamen, als es gerade in diesem Jahre der Fall war. In einer, in der That
überwältigenden Reichhaltigkeit ist von allen Seiten der Zufiuss zu uns gelangt,
Bo dass das Bedürfniss, endlich die Räume des neuen ethnologischen Mu-
seums zu eroffnen, ein ausserordentlich dringendes geworden ist In der That
sehen wir mit einem wahren Schrecken, wie eine dieser werthvollsten RisteD
nach der anderen in den Keilern des Museums verschwindet. Der Bau des neuen
Gebäudes ist inzwischen soweit vorgerückt, ilass wir hoffen dürfen, im Laufe des
Jahres den Beginn des Einzugs zu erleben. Dann erst wird die Zeit kommen, wo
wir uns dieser Schatze in vollerem Masse werden erfreuen können, als es in diesem
Jahre leider der Fall war, wo nur einige Eingeweihte in der Lage waren, eine An-
schauung von den neuen Erwerbungen zu gewinnen.
Ich darf dann wohl daran erinnern, dass auch in anderer Beziehung unsere
Verhandlungen fruchtbarer gewesen sind, als wir im Anfange des Jahres erwarten
konnten. Der Flei&s der Mitglieder und das gute Glück hat uns vielfach uutcr-
slütit. Ich halie schon erwähnt, welche werthvollen Anhaltspunkte uns gerade die
Excursion nach Tangermunde gewährt hat. Wir werden wahrscheinlich darauf noch
wiederholt zurückkommen müosen. Ich darf dann erinnern an den grossen Gold-
fund von Vettersfelde, der jetzt durch die Bearbeitung des Herrn Furtwängler
in einer so anschau liehen Weise der Welt vorgeführt ist und der als ünicum in
der norddeutschen Allerthumskunde dasteht. Ich kann ferner hervorheben ^ wie
(542;
ibcn,
For-V
iosbesondere oosere ßeatrebufigeii, dem Nephrit auf die Spur la komme i^» abne i
wir dea Verdieosten des Hra. A. B. Meyer Abbruch thun^ den Vortag gehabt
dass wir auf dem geraden Wege einer immer tiefer greifenden, wi«»eiiscbaltil
Uoterfluchung der Lrisang der Frage oach der Natur dedjeoigeD Nephrits, der
Ruropa gefunden wird, namentlich durch die Arbeiten des Hrn. Arzruoi, Daher
kommen sind, als es jematä frtjher der Fall war Hr. OUbausen hat durch ^eiae
Bchungen über die Verwendung von Z^iun an alten Metallarbeiten ein ganz DeoeB Ottd
unerwartetes Gebiet der Beobachtung prscbloafien. Die Aufmerksamkeit, mit welcher
namentlich die Lausitz jetxt in archäologischer Beziehung durch die UHrn. Jeiitaeh,
f3ehta, Siehe, Wein eck, v. Schulen hu rg unter Beobachtung gestellt i»r, liefeilH
die erfreulichsten Ergebnisse. Fräulein Mestorf, die BHrn. Handelmaca , Trei-^l
cbel, Brückner, Ludwig Schneider und yiele Andere sind unermödet in der
Th eil nähme, mit der sie uns neue Thatsacben aus dem weiten Gebiete unseres Nofd-*
Ostens zufuhren. Unser junger Freund Joest, anf dessen erprobte Fähigkeit ÜB
Beobachten und Sammelo wir die grössten Hoffnungen setzen, bat inzwiscbeo seine
neue Weltreise angetreten, auf der unsere herzlichsten Wünsche ihn begleiteo.
Eines will ich hier noch erwähnen, obwohl es streng genommcu oicbt hierher
gehört, Ton dem ich hoffe, dass es Ihre Zustimmung haben wird. Ich w^ar id die-
sem Jahr zum ersten Mal in der Luge, über die Einkünfte der Stiftung sq Ter-
fügen, welche auf Anregung von Mitgliedern dieser Gesellschaft zu Stande gekom-
men und mit meinem Namen bezeichnet worden ist. Ich habe im BioTerstandoiss
mit den Mitgliedern unseres Vorstandes und Ausschusses geglaubt, die erste Ver-
wendung aus diesem Fonds in derselbea Richtung machen zu aolleo, welcher meifti^|
letzten grösseren Arbeiten gewidmet waren. Ich habe zwei Reihen tod üoter-
suchuugen im Kaukasus aufteilen lassen: eine, welche Hr Bayern geleitet hAt, im
kieinen Kaukasus, die andere, welche Hr. Bolbeschew übernommeD bat, in Nord-
Kaukasien. Beide haben reiche Ergebnisse geliefert. Hr. Bayern bat das acboD
voti früher her bekannte, aber unvollst^mdig exploiirte Gräberfeld von Redkin-La^r
untersucht, welches am Abhänge der armenischeii Gebirge in der Schlucht der
Akstafä liegt, ungefähr in der Richtung, in welcher einst die medischen Heerzüge
sich gegen das Thal der Kurä bewegt habeu müssen, Hr. Dolbescbew hatte die
Aufgabe übernommen , Thrile \on Ossetien und der Kaberda zu durch forsch eo,
welche bisher ausserhalb der archäologischen Forschungsgebiete lagen. Von ihtn
iBt noch nichts angekommen. Die Ergehnisse der Ausgrabungen ^ welche Hr.
Bayern geleitet hat, schwimmen auf der See, um über Hamburg hierher gebracht zu
werden. Welche Gesammtresultati.» ilaraus hervorgehen werden, sollen Sie später er-
fahren, kb glaubte jedoch, schon bei dieser Gelegen heit Mittheitung niacheo xu
müssen, in welcher Weise ich über die Mittel verfugt habe, welche so viele Freunde
mir bereitwillig in die Hiind gelegt haben.
Die Verhältnisse der G »'Seilschaft zu den Behörden haben sich, wie bi!*her^ auf
der Basis des grössten Vertrauens bewegt Der Herr Cultusmitiisler hat uos, wie ^_
Sie wissen^ einen erhöhten Beitrag bewilligt und noch etwas mehr für das oaicbste ^M
Jahr iu Aussicht gestellt. Wir iioffen auch, dass in nlchster Zeit unter Mitwirkung
der verschiedeueo Ministerien endlich das erreicht werden wird, was wir als die
Grundlage künftiger gesichfTter Thätigkeit betrachten, nehmlicb, dass wir Corpora-
tionsrechte erbiwgen. Unser Gesuch hat dai* Justizministerium passirt und ist eben
zurückgekehrt nach dem ('uUusministenufn, so das* wir hoÖen dürfen, im I^ofe
der nächsten Monate endlich die Sücbe erledigt zu sehen. Damit hängt der Antrag
auf provisorische Statuteuiinilerutig zuiäaiiuiien, der Ihnen für heute unterbreitet ist
(Mn)
und den ich bei dieser Gelegenheit inotiTiren darf. Es handelt sich darum, im die
von dea Ministerien etwa geforderten Aenderu^igen onserer Statuten die MT^glichkeit
eiuer 8chnell«*n Erlediguni^ zu haben. Nach unseren Statuten kann nur in dt*r De-
ceinber-Sitzung über Statutenänderungen ahgeBtimmt werden. Wir würden alsn^
sobald der heutige Taji; vorübergegangen sein wird, ohne das» wir wissen, was wos
etwa auferlegt werden dürfte, bis zum Decemher 1884 warten müssen, um diese
Aenderungen herbeizuführen, und erst dann wurden wir darauf rechnen können,
Corporationirechte zu erlangeiu Nun hängt an unseren Corporationsrechten aber
wiederum die Gewinnung der Rechte einer juristJachen Person für die nach mir
benannte Stiftung, von di*r wir ebenfalls wünschen, daas sie einen völlig legitimirten
Charakter erhalten möehte. Wir haben also alles Interesse, die Sache 2U ht^schleu-
nigen, und um das herbeizuführen, wird Ihnen der Antrag unlerhreitet, der Ihnen
in der Einladting gedruckt raitgotheilt ist. Das würe abo eine ganz provisorische
Bestimmung, die von selbst wegfällt, sobald die Corporationsrechte ertheilt stin
werden. Ich hoffe, dass der Vor>chlag auf kein Bedenken stossen wird»
Ich muss ebenso mit Dank anerkennen, dass die General- Verwaltung der Kgl,
Museen und apeciell unsere Freunde, welche die Verwaltung der ethnologischen Ab-
theilung führen, immerfort in der angenehmsten Weise uns entgegen gekommen
sind in allen guten Dingen^ die wir irgendwie erwarten konnten. Im Laufe des
nächsten Jahres wird die definitive Gestaltung des Verhältnisses berathen werden
müssen, welches die Gesellschaft künftig zu dem Museum einnehmen soll, wenn die
neyen Gebäude bezogen werden und wenn, wie wir erwarten, dort auch für uns
ein Heim geschaffen sein wird. Die Hoffnung, dort einen Sitzungssaal und Arbeits-
räume zu erhalten ; haben wir immer festgehalten, und es wird Gegenstand dieser
weiteren Verhandlungen sein, dafür eine beslimmte Rechtaform zu suchen. Natür-
lich wird dieselbe Ihrer Genehmigung unterbreitet werden. — Ich darf ebenso her-
vorheben, dass Vorstand und Beamte des Märkischen Provinzial- Museums uns in
liebenswürdiger Weise und regelmassig mit ihren neuen Erwerbungen vertraut ge-
macht haben* Ich danke den Herren recht sehr für die anhaltenden und dauernden
Beziehungen, welche Sie mit der Geseilachaft unterhalten.
Gegenüber der deutschen anthropologischen Gesellschaft, zu der wir nach der
neuen Ordnung unserer Statuten im vorigen Jahre in eine etwas losere Beziehung,
wenigstens formell, getreten sind, hl materiell keinerlei Aenderung eingetreten; wir
bezahlen unsere Beiträge nach wie vor, wir empfangen von da die Correspondenz-
blätter, wir alle sind Mitglieder der deutschen Gesellschaft, und ich kann nur
hoffen, daas Sie im michsteo Jahre auch zeigen werden^ wie sehr Sie geneigt
sind, sich praktisch an den Arbeiten der Gesammtgesellechaft zu betheiligen, wenn
es die äusseren Verhältnisse gestatten. Sie wissen, dass die nächste General- Ver-
sammlung IQ Breslau stattfinden wird, wahrscheinlich im Anfange des AugtfSl^M^^^
sehr nahe bei uns, und Sie werden daher wohl in grosserer Zahl auf dem FJatze
sein, als wir sonst gewohnt waren, unsere Mitglieder bei diesen häufig etwas fernen
Versammlungen zu sehen.
Das Letzte, was uns am meisten beschäftigt und beschäftigen rauss, sind unsere
puhliciatischen Leistungen. Dieselben liegen Ihnen siemlich vollständig vor. Die
5 Hefte, welche im Laufe dieses Jahres erschienen sind, müssen an alle Mitglieder
gelangt sein. Es bleibt nur dasjenige Heft übrig, welches die Sil Zungen bis heute
einschliesslich umfassen wird, und von dem wir hoffen, dass es in diesem Jahre
etwas früher herauskommen wird als sonst. Leider muss ich auch diesmal an-
melden, dass wir nicht im Stande gewesen sind, mit dem uns zugebilligten Raum
auszukommen; wir werden wieder eine Deberschreitung an Drucksachen haben, in-
(54A)
Baofi
dess ist das an sich ein gutfs Zeupfni^s, tmd ich denke, daes der gegen wart
der Verhandlmigen in der Reih«^ unserer Publikationen einen durcbauß ebenbiirtigeo
Platz einnehmen wird.
Ein besonderes Supplementheft soll den illufttrirten Katalog der Gypsmasken
des Hrn. Finsch enthalten, welcher la ausgiebigster Weise die iDikronesiscben, poly-
nesisehen, melaneaicheo, nmlayjscbrn u. 8, w. Typen, die er in ao fleia&iger Weise
gesammelt hat» zur Anschauung bringen wird. Bei der grossen Bedeutung, welche
wir dieser Sammlung beilegeo, hat der Ausschuss bereitwillig die Mittel bewilligt,
um diese Publikalian zu ermöglichen. Möge der fleissige Forscher darin ztigletch
eine Anerkennung aeioer aufopfernden Arbeiten sehen!
Was schliesslich die Sammltmgen der Uesellachaft betrifft, so habe ich xii nächst
betf;onderen Dank abzustatten an Hrn. Reichert, der auch in diesem Jahre mit
unermüdlicher Thätigkeit sowohl der Bibliothek, als der ethnologischen Sammlung
einen grossen Theil seiner Tage gewidmet hat, mit dem erfreulichen Resultat^ dass
allmählich eine vollständige Üehergicht und Ordnung durchgeführt ist Ich habe
immer noch die Hoffnung, daas wir in oächster Zeit einen Katalog werden drucken
lasaen, damit Sie alle nberseheo können, was wir haben, und damit Sie es in
grösserer Ausdehnung benutzen können. Ich muss übrigens bemerken, dass die
Benutzung der Bibliothek schon jetzt eine recht rege gewesen ist und daas sie
vielen Mitgliedern grosse Vortheile geboten hat. unsere Bibliothek hat sich im
Laufe des Jahres um 102 Nummern, tm Tausch um 45 Zeitschriften erweitert. Die
Zahl unserer Photographien dagegen ist sehr wenig gewachsen» Wir haben nicht
in der Reich haltigk ei t, wie das früher der Fall war, durch die Güte unserer Mit-
glieder Zuwächse gehabt Ein grosser Theil von den 20 Nummern, die überhaupt
hinzugekommeu sind, ist gekauft worden, so dass ich nicht umhin kann, den Mit-
gliedern für den Fall, dass Sie Reisen unternehmen, die Vermehrung unserer
Sammlungen bestens zu empfehlen.
Die ethnologische Sammlung ist im Laufe diesrs Jtihres um 45 Nummern ver-
mehrt worden und schliesst im Ganzen mit 2H5 Nummern ab. Wir haben von
Zeit zu Zeit Austäusche mit dem Königlichen Museum veraostaltet, indem wir einen
Theil unserer ethnologischen Erwertmngen an das Musenm abgegeben und dafür
unsere nothropologtscben Sammlungen verstärkt haben. Wahrscheinlich wird das
auch in nächster Zeit wieder eintreten Daran a erklärt sich, dasß die Sammlung
keinen grösseren Umfang h^t.
Die oäieologische Sammlung ist durch zahlreiche Schädel und Skelette verstärkt
worden. Von letzteren erwähne ich besonders die reichen Gaben des Hrn* Htieda,
oslkitukaaische Männer betreffend^ sowie das Sketet und den Schädel von La Töne,
deren Ankauf durch das freuudliche Entgegenkommen der HHrn. Aeby und v. Fel-
le nberg vermittelt wurde; von ersteren die Philippinen-Schädel, welche Hr. Hans
Meyer und Dn Landau gesammelt haben, die Westauetralier^ die Baron Muller
ge^hickt batj endlich die Tangermünder Schädel aus der neolithischen Zeit, die wir
der Aufmerksamkeit des Hrn. Hartwich verdanken.
In Bezug auf die Kassenverhältnisse wird unser Schatzmeister die Üebersicht
vorlegen; ich bemerke, dasa es uns gelungen ist^ nicht nur das iileichgewicbt
zwischen Ausgaben und Einnahmen herzustellen, sondern auch einen kleinen Be-
stÄnd in das neue Jahr hinüberzunphmen. Die Prüfung der Rechnungen durch den
Ansschusä hat inzwischen schon stattgefunden und es ist von ihm die Decharge sta*
tutenmääsig ertheilt worden.
Ich selbst habe nun wiederutn während einer dreijährigen Periode den Vor-
sitz der Geäellächaft geführt. Nach der weisen Bestimmang unserer Statuteu bin
!
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(545)
ich für das nSchste Jahr nicht wieder wählbar. Ich freue mich, dass es mir ge-
stattet ist, nach einem so langen, an Ergebnissen fruchtbaren Zeitraum die Geschäfte
der Gesellschaft in eine andere, hoffentlich noch glücklichere Hand legen zn können.
Für die Nachsicht, die Sie mir schenkten, und für die stets wachsende Theilnahme
nicht blos voo hörenden, sondern auch von mitarbeitenden Mitgliedern sage ich
meinen aufrichtigen und herzlichen Dank. Als wir das Jahr begannen, befand ich
selbst mich eben in dem Beginn einer sehr langsamen Reconvalescenz von einem
schweren Krankheitsanfall, der mir den Gedanken an die künftige Leitung und die
weitere selbständige Entwickelung der Gesellschaft recht nahe gelegt hatte. Jetzt,
wo es mir gegönnt gewesen ist, noch einmal ein Jahr hindurch die Geschäfte der
Gesellschaft zu führen und durch eigene Arbeiten etwas zu ihrer Fortbildung und
ihrem Oedeiben beizutragen, empfinde ich um so mehr die Verpflichtung, Ihnen
allen und auch den vielen sonstigen Freunden, welche mir die werthyoUsten Zeichen
Ihrer Theilnahme gewährt haben, zu sagen, wie sehr mich der Zuspruch gestärkt
und bei der Wiederaufnahme meiner Thätigkeit gehoben hat.
(2) Der Schatzmeister, Hr. Ritter, erstattet den Kassenbericht. Die De-
charge wird seitens der Gesellschaft ohne Widerspruch genehmigt.
(3) Der Vorsitzende bringt die vom Vorstande und Ausschusse vorgeschlagene
Statutenänderung zur Abstimmung. Dieselbe wird einstimmig angenommen.
Sie lautet:
Zusatz zu § 36 Abs. 3 der Statuten:
Behufs Herbeiführung derjenigen Aenderungen der Statuten, welche von
der Königlichen Staatsregierung zur Ertheilung der Rechte einer juristi-
schen Person für nothwendig erachtet werden sollten, kann eine Aende-
rung der Statuten auch in einer anderen ordentlichen Sitzung, als in der
December-Sitzung, beschlossen werden.
(4) Hierauf findet die Wahl des Vorstandes für das Jahr 1884 statt. Durch
Acclamation wird gewählt Hr. Beyrich zum Vorsitzenden, die HHrn. Virchow
und Bastian zu Stellvertretern desselben. Die übrigen Mitglieder des Vorstandes
werden in ihren Aemtern bestätigt.
(5) Als neue Mitglieder sind angemeldet:
Hr. Dr. jur. Carl Dettenborn — Halle a. d. Saale.
„ Dr. jur. Eugen Zintgraff — Berlin.
„ Forstmeister von Binzer — Berlin.
„ Dr. Ossowidzki — Oranienburg.
„ Kaufmann Robert Rosenberg — Berlin.
„ Kaiserl. Deutscher Gonsul G. Travers — Hongkong.
„ Dr. Cahnheim — Dresden.
Die Herren Aeby und von Fellenberg danken für ihre Ernennung zu
correspondirenden Mitgliedern.
(6) Der G.Russische archäologische Gongress findet vom 15. (27.) Aug.
an in Odessa statt.
Verhandl. der B«rl. AathropoL GMellschaft 18Ö3. 35
(546)
(7) Hr. Ingvald öndset übersendet d.d. Budapest, 27. November 1883, fol-
genden zweiten Bericht über
die Runenlanze von Torcello.
Nachdem ich jetzt die unten angeführte Mittheilung von Hrn. Dr. Tischler
erhalten habe, lasse ich die schon angekündigte weitere Besprechung der RuneDlaoze
von Torcello folgen.
Gleichzeitig mit dem früheren Aufsatz über die Auffindung dieses interessanten
Stückes schrieb ich einige Worte darüber an die nordischen Runologeo, meinen
Lehrer und Freund Professor Dr. Sophus Bugge in Christiania, und die HHrn.
Prof. Dr. Georg Stephens und Dr. L. Wimmer in Kopenhagen.
Von Hrn. Prof. Dr. Bugge erhielt ich umgehend einen Brief, aus dessen In-
halt ich hier Folgendes anführe:
^Ihre Mittheilungen über die Speerspitze mit Runeninschrift aus dem Museum
in Torcello haben mich selbstverständlich im höchsten Grade interessirt. Ich
schreibe Ihnen sofort meine dadurch veranlassten Betrachtungen.
„Sie bemerken mit vollem Recht: In Hauptform, Ornamenten, heiligen Zeichen,
Steile, wo die Inschrift angebracht ist, stimmt ja die neue Speerspitze mit denen
von Kowel und Müncheberg völlig überein. Ich vermutbe, dass sie eine Abbildung
der Müncheberger zur Vergleichung bei der Hand nicht gehabt haben; ich schicke
Ihnen darum anbei eine Zeichnung der Inschriftseitc des Müncheberger Speeres.
Wenn Sie diese Zeichnung mit der Torcello-Lanze vergleichen, werden Sie, glaube
ich, mit mir einverstanden sein, dass ein ganz besonderes Verhältniss zwischen
der Müncheberger und der Torcello-Speerspitze stattfindet (bezüglich der uicht
beschriebenen Seite ist das Verhältniss ganz derselben Art). Dies besondere Ver-
hältniss lässt sich wahrnehmen, nicht bloss bezüglich der Stelle, wo die Inschrift
angebracht ist, sondern auch bezüglich der Inschrift selbst; es lässt sich, soweit
ich sehe, nur durch eine der folgenden drei Alternativen erklären:
1. der Müncheberger Speer und der Torcello-Speer sind im Alterthum von
einem und demselben Fabrikanten verfertigt worden, — oder
2. der Torcello-Speer ist eine im Alterthum verfertigte Nachahmung des
Müncheberger Speeres, — oder eines anderen damit übereinstimmenden Speeres
aus derselben Fabrik. — Oder
3. die Torcello-Speerspitze ist eine moderne, gefälschte Nachahmung der
Müncheberger.
„Als ich auf die durchgehende Aehnlichkeit auch in der Inschrift zwischen
beiden Speerspitzen aufmerksam wurde, kam bei mir der Gedanke an die ünächt-
heit des Torcello-Speeres auf, aber ich wagte nicht, dem Gedanken Raum zu geben,
weil Sie nichts in dieser Richtung äussern. Ich zeigte dann Hrn. Professor Rygh
Ihre Zeichnung, verglichen mit der Abbildung der Müncheberger Lanzeuspitze, und
machte ihn auf das besondere Verhältniss zwischen beiden Inschriften aufmerksam;
auch ihm kam dann die Torcello-Lanze etwas verdächtig vor; er wagte aber auch
nicht, seinem Verdacht Raum zu geben, weil Sie nichts darüber geäussert hätten.
Hrn. Prof. Rygh schien der Umstand verdächtig, dass die Speerspitze aus Bronze
ist, und auch, dass ihre Figuren von denen der Müncheberger im Material abwei-
chen, während sie bezüglich der Form übereinstimmend sind.
„Ich hebe folgende Einzelheiten in Bezug auf die Inschrift hervor. Die erste Rune
an der Müncheberger ist f], eine ächte Runenform, auf der von Torcello dagegen /^,
eine Form, die als eine „ünform** zu bezeichnen ist. Die zweite Rune an der
(547)
Müncheberger ist ^ (Ä), wodurch man einen voll geschriebenen Namen erhält
(nur mit der Eigenthümlichkeit, dass C) ng, wie bisweilen sonst die ganze Sylbe
ing bezeichnet); ich habe ran(i)nga gelesen. Auf der Torcello-Lanze dagegen ist
die zweite Rune «f*. Dann fehlt in der Schrift der Yocal, der hier in der Aus-
sprache vorhanden sein muss, und was noch mehr auffallend ist, N ist zweimal
geschrieben, einmal mit dem Querstrich nach links ^, das andere Mal mit dem
Querstrich nach rechts +.
,,Sovvohl Prof. Rygh, wie ich, mochten darum sehr wünschen, dass die Aechtheit
der Torcello-Speerspitze bestimmt constatirt würde; aber Ihr Schweigen über die-
sen Punkt fällt so schwer ins Gewicht, dass wir keine bestimmte Meinung haben
dürfen. Wenn die neue Runenlanze von Torcello acht ist, muss ich eine der
oben angeführten Alternativen 1 oder 2 für die richtige halten^.
Wie schon in meiner früheren Mittheilung angeführt, wurde ich beim ersten
Anblick der Torcello-Lanze von der Aehnlichkeit in der Ausstattung mit den Runen-
lanzen von Müncheberg und Kowel betroffen. Ich hatte aber keine Abbildung von
diesen bei der Hand und in Venedig keine Gelegenheit, eine solche einzusehen; die
Müncheberger Inschrift stand mir nicht so deutlich im Gedächtniss, dass es mir klar
wurde, dass die U eberein Stimmung eine so auffallende war. Der Umstand, dass diese
Lanzenspitze in der Form der Völkerwanderungszeit aus Bronze war, brachte mich
im ersten Moment dazu, au eine Fälschung zu denken; aber das Stück sah gar
nicht neu aus; die ganze Arbeit war eine so sorgfaltige, die Manier, in welcher
die Runen und Zeichen eingeschlagen waren, eine so eigenthümliche, und, was mein
Zeichner mir sofort bemerkte, mit der Decorations weise einiger Fibeln und anderer
Schmuckstücke aus der Völkerwanderungszeit, die wir in Rom zusammen unter-
sucht und gezeichnet hatten, so übereinstimmend, dass ich für jenen Umstand eine
andere Erklärung suchen zu müssen glaubte. Bronzene Lanzenspitzen aus der
Völkerwanderungszeit waren mir sonst nicht bekannt; es schien mir aber nicht un-
wahrscheinlich, dass es sich hier um ein sacrales Stück oder um die weitstrahlende
Waffe eines Häuptlings handeln könne. Der Fundbericht war so bestimmt und
wurde mir mitgetheilt von Hrn. Battaglini selbst, der das Stuck bei dem Bauer
zufällig entdeckt hatte; au dem Stück selbst konnte man deutlich sehen, dass es
durch lange Zeit in Asche und Feuer gedient hatte, was auch 'genügend erklärte,
dass die Patina so zerstört war; dass es sonst so wohl erhalten war, wurde durch
die wahrscheinliche Herkunft aus einem Moor auch ganz erklärlich. Ich glaubte
somit, nicht an der Aechtheit des Stückes zweifeln zu können.
Durch Prof. ßugge's Brief, der mich auf die so höchst auffallende Aehnlich-
keit der neuen Runenlanze mit der Müncheberger aufmerksam machte, wurde ich
nun stark alarmirt. Glücklicher Weise traf sein Brief mich noch in Venedig. Ich
begab mich sofort zu Hrn. Battaglini, sprach den Wunsch aus, das Stück noch
einmal genau untersuchen zu dürfen und zu dem Zweck die Schlüssel der Glas-
schränke des Torcello-Museums zu erhalten. Mit der grössten Bereitwilligkeit kam
er meinem Wunsche entgegen, stellte mir seine grosse barca mit 4 Mann (der Tag
war ziemlich windig) zur Disposition und fuhr selbst mit hinaus nach Torcello.
Als Resultat dieser neuen Nachforschungen und Untersuchtun gen kann ich nun
Folgendes anführen:
Das Stück ist nicht, wie im ersten Aufsatz angeführt, in diesem Jahre dem
Museum in Torcello zugegangen, sondern im Februar oder März 1882. Der Bauer,
in dessen Hause es angetroffen wurde, ist jetzt ein Mann von 50 — 60 Jahren; da
die Lanzenspitze schon in seiner Kindheit als Fcuerschaufel im Hause diente, kom-
men wir mit der wahrscheinlichen Ausgrabung des Stückes aus der Erde mindestens
3ö*
(548)
50 Jahre in der Zeit zurück. Dieser Fundbericht kann nicht bezweifelt werden;
ich hatte zwar keine Gelegenheit, den betreffenden Bauer zu sprechen und aas
seinem Munde den Bericht zu hören, aber die Mittheilungen des Hrn. ßattaglini,
des yerdienten Verfassers der €reschichte Yon Torcello und des Begründers des
dortigen werthvollen Museums, sind für mich über jeden Zweifel erhaben.
Dass die Inschrift der Lanzenspitze bei dem Museum für eine etruskiache galt
und auch seitens der archäologischen Direction im Cultusministerium in Rom für
eine solche erklärt worden war, hält den Verdacht einer Fälschung vom Museom
und überhaupt yod Italien fern, denn wenn das Stück moderne Arbeit wäre, müsste
es von einem, mit den älteren Runen und mit den in Norddeutschland gefuDdenen
Runenspeeren vertrauten Manne gemacht sein. Der Umstand, dass diese schön
und mit grösster Sorgfalt gearbeitete Lanzenspitze als Feuerschaufel im Hause eines
Bauern auf der kleinen, abseits gelegenen Lagunen-Insel angetroffen wird, und
weiter, dass dieser Bauer das Stück sofort dem Museum überlässt, nur so viel Ent-
schädigung fordernd, dass er sich eine andere Feuer8ch%ufel kaufen könne ^), —
spricht entschieden dafür, dass das Stück dort aussen in der Erde seiner Zeit ge-
funden worden ist — Wenn die Lanzenspitze nicht antik sein sollte, müsste
man sich etwa folgende Combination vorstellen: dass im vorigen Jahrhundert etwa
ein antiquarischer Amateur in Deutschland nach dem Müncheberger Speer (damals
wusste ich noch nichts über den Zeitpunkt der Auffindung dieses ^Originals^) eine
Nachahmung in Bronze hätte machen lassen, und zwar mit Absicht weit grosser,
wie das Original, und mit einigen Aenderungen in der Dekoration und in der In-
schrift, — dass diese Nachahmung so vielleicht durch Tausch in die Hfinde eines
italienischen Amateurs im Venetianischen gelangt wäre, — dann auf seinem Gate
in die Erde verloren gegangen, und schliesslich von einem Arbeiter aus Torcello
zufälligerweise wiedergefunden, nach Hause mitgenommen und dort als Feuerschaufel
in Gebrauch genommen wäre, — eine Combinationsreihe, die mir doch so un-
wahrscheinlich schien, dass ich sie sofort abweisen zu müssen glaubte.
Vom Stücke selbst ist Folgendes zu sagen: Das wichtigste Kriterium wäre die
Patina, aber damit ist in diesem Falle nicht viel anzufangen; durch den (halb-
hundertjährigen) Gebrauch der Lanzenspitze im Feuer ist die Patina ganz zerstört;
die Oberfläche ist jetzt schwarzbraun und wie angebrannt; eine durch Oxydation
erzeugte Oberflächen-Schicht ist nicht mehr zu erkennen. Nur an der Dülle sind
Spuren einer Patina, die am meisten an Moorfund- Patina erinnern. Debrigens ist
das Stück, wie schon angeführt, merkwürdig wohl erhalten: die Linien, welche die
Conturen der Runen und Zeichen bilden, stehen so scharf und fein, als hätte
sie der Grabstichel gestern gezogen. Eine frühere Oxyd-Patina mag, wie ge-
sagt, weggebrannt sein, aber eine ähnliche vortreffliche Conservirung lässt sich ja
sehr oft an Gegenständen beobachten, die im Moor oder unter besonderen Um-
ständen gefunden worden sind. Nur die Ornamentlinien an der Dülle sind unten
und in der Mitte so stark abgenutzt, dass sie theilweise kaum mehr erkennbar
sind; möglicherweise kann diese Abnutzung zum Tbeil neu sein, indem das
Stück hier oft angefasst wurde während der langen Zeit, wo es als Feuerschaufel
diente. — üeber die technische Herstellung der Zeichen und der Runen habe
ich Mher gesprochen: die Contourlinien sind mit dem Grabstichel gezogen;
mit punzirten Kreisen und Sternchen sind die Zwischenräume ausgefüllt. Diese
Arbeit ist mit der grossten Sorgfalt und Sauberkeit gemacht. Eine ganz analoge
1) Der Bauer forderte nur eine neue Feuerschaufel fär die Ueberlasrani^ des Stückes;
da die Lanze dem Hrn. Battaglini so interessant schien, bezahlte er dem Manne 25 Francs,
(549)
DecoratioQSweise ist mir bekannt an Fibeln und anderen italischen Slshmuckstücken
aus der Yölkerwanderungszeit, die ich aus einer Privatsammlung in Rom habe
zeichnen lassen für eine Abhandlung, die ich für die Gesellschaft vorbereite; an
modernen Bronzearbeiten erinnere ich mich nicht eine solche Arbeit gesehen zu
haben.
Die Vergleichung der zwei Inschriften stellt sofort ausser Frage, dass hier ein
innerer Zusammenhang besteht, und dass die Müncheberger Inschrift die correctere
ist. Die erste Rune in unserer Torcello-Inschrift zeigt ja eine Unform; die Krüm-
mung des linken Stabes nähert sich sehr der Form auf dem Müncheberger Speere
und lässt bestimmt schliessen, dass hier ein )1 wiedergegeben ist Die Variationen
in der zweiten Rune, -)^ anstatt ^ , und in der Form der vierten, ^ für C), schei-
nen zu beweisen, dass der Verfertiger des Torcello-Speeres einige Kenntnisse, wenn-
gleich mangelhafte, des Runenalphabetes gehabt haben muss. Auch in den heiligen
Zeichen lassen sich einige Variationen beobachten; eine nur vergrösserte Bronze-
Copie des Müncheberger Speeres ist der von Torcello somit keinesfalls.
Mein Resultat nach diesem zweiten Ausfluge nach Torcello war, dass ich mich
nicht hatte überzeugen können, dass hier eine moderne Fälschung vorläge; auf
der anderen Seite fühlte ich mich aber auch nicht von jedem Zweifel befreit gegen-
über der so auffallenden Aehnlichkeit mit der Müncheberger Lanzenspitze, üeber
einen Punkt fühlte ich mich jedoch beruhigt: um eine moderne, seitens des Torcello-
Museums oder in Italien überhaupt verfertigte Nachbildung nach einer Zeichnung
des Müncheberger Speeres konnte es sich hier nicht handeln.
Da es für die Beurtheilung dieses Verhältnisses von entscheidender Bedeutung
war, die Fundgeschichte der Müncheberger Lanze zu kennen, und ich darüber nichts
Bestimmtes wusste, auch in Venedig keine Gelegenheit haben konnte, einschlägige
Literatur einzusehen, so schrieb ich gleich beim Empfang des Bugge 'sehen Briefes
an Hrn. Dr. Voss in Berlin mit der Bitte, mich darüber zu informiren. Dr. Voss
theilte mir gütigst umgebend mit: „Die Runenlanzenspitze wurde beim Bau des
Bahnhofes Müncheberg im Jahre 1865 gefunden und ist wahrscheinlich sogleich
in den Besitz der Sammlung des Vereins für Heimathskunde in Müncheberg ge-
langt. — In der BlelTschen Sammlung in Tüngen sah ich einen Bronzenachguss
eines Gypsabgusses der Speerspitze; Blei) hielt denselben für ein achtes Stück,
während Tischler schon seine Bedenken geäussert hatte, die ich auch nur bestätigen
konnte.^
So bestimmt die Mittheilung über das neue Datum der Auffindung der
Müncheberger Lanze das Alter der von Torcello zu beweisen schien, so machte
die Nachricht von der Bronzecopie bei Hrn. Blell mich doch etwas bedenklich.
Wohl konnte unser Stück von Torcello kein Abguss sein, da es mehr wie doppelt
so gross, in einer andern Technik hergestellt und mit der grossten Sorgfalt gearbeitet
ist, aber konnte nicht derselbe Künstler, der den BlelTschen Bronzeabguss gemacht
hat, auch freiere Nachahmungen in Bronze in die Welt gesetzt haben? Ich schrieb
darüber sofort dem Hrn. Dr. Tischler und habe jetzt von ihm folgende Ant-
wort bekommen:
„Die BlelTsche Lanzenspitze ist einfach eine Fälschung, ein einfacher, unge-
schickter Abguss der Müncheberger (Voss glaubt, nach einem Gypsabguss, ich glaube
nach dem Originul). Es ist ein Sandabguss, daher die Zeichen zum Theil undeutlicher
und überhaupt nur da vorhanden sind, wo die Silberausfüllung verschwunden ist; wo
das Silber erhalten war, ist die Fläche ganz glatt. Auch zeigen sich am Abguss
alle Defekte des Originals, abgeblätterte Stückchen, Rostgruben u. s. w. Ich fand dies
durch genaueste Vergleichung mit der Berliner Photographie, später sah sie auch
(550)
Voss. Es ist also keioe Nachbildung, soodern ein eiDfacher Abgoss, ohne jede
Bedeutung, mithin für diese Frage werthlos.^
Ueber den wichtigsten Punkt, woher Hr. ßlell seinen Abguss erhalten hat,
und inwiefern der Verfertiger des Abgusses auch freie Nachbildungen gemacht hat,
kann also nichts angegeben werden.
Nach alle dem, was ich hier Yorgefuhrt habe, muss der Runenspeer von Tor-
cello Yon dem gegen ihn erhobenen Verdacht freigesprochen werden. Ich stutxe
mich dabei namentlich auf den Fundbericht, der nach meiner Meinung Dicht ao-
gezweifelt werden darf. Da aber der innere Zusammenhang zwischen den Ruuen-
lanzen von Muncheberg und Torcello unverkennbar ist, so muss man annehmeo,
dass die von Torcello eine im Alterthum gemachte Nachbildung der MQncheberger
ist, oder dass beide eine andere dritte wiederholen*).
Ich habe über diese Angelegenheit so ausführlich berichtet, so zu sagen die ganze
Procedur vorgelegt, weil die Sache so wichtig ist, und weil ich jedem die Gelegen-
heit bieten wollte, aus dem ganzen Material sein eigenes Drtheil zusammenzafiasaen.
Nachtrag. Berlin, 15. December. So eben erhalte ich einen Brief Ton
Hrn. Professor Henning in Strassburg, aus dem ich Folgendes hier anfuhren will:
„Da Ihnen die Literatur vielleicht nicht so zur Hand ist, mochte ich Ihnen
nachträglich noch Folgendes mittheilen:
„1. Ebenso wenig, wie nach dem Original, kann die Spitze von Torcello nach
der ersten Publikation (Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1867) angefertigt
sein, wegen der hier vorhandenen grossen üngenauigkeiten, welche auf der neuen
Spitze sich nicht finden.
„2. Auch die zweite Publikation, in der Zeitschrift für deutsches Alterthum XIV
(1869), kann nicht zu Grunde liegen, weil die Vorderseite in ähnlichem Maasse fehler-
haft ist und die Rijckseite ganz fehlt.
„3. Kann auch die Publikation bei Stephens II (1867/68) nicht zu Rathe ge-
zogen sein; die Abweichungen sind zu grosse, als dass ein Zusammenhang wahr-
scheinlich wäre.
^4. Dagegen hat es mich frappirt, dass auch in der Abbildung bei Linden -
seh mit, Handbuch der deutschen Alterthumskuude I, 167 (1880) und danach im
Kataloge der Ausstellung (Berlin 1880), Supplement S. 11, der Hauptsti ich der
ersten Rune zu kurz ausgefallen ist.
„Nur mit der letzten Publikation scheint mir ein Zusammenhang wenigstens
denkbar. Damit Ihnen dies nicht Jemand nachträglich entgegenhalte, mochte ich
Sie im vorweg darauf hinweisen, obwohl ich diese Verkürzung des ersten Striches
1) Hr. Battaglini theilte niir mit, dass ein Arzt aus dem Rstensischen oder Padovnni-
scben, der die Torcello-Lanze gesehen hätte, ihm erklärte, dass auch er eine Bronzelanze mit
etruskischer Inschrift bcsäfse, gefunden bei Este. Dieser Bericht hat mir keinen Eindruck
gemacht ; ich vermuthe nehmlich, dass es sich hier um einen Votiv-Nagel aus Bronze han-
delt mit „euganeischer" Inschrift (im „nordetruskischen" Alphabete). Das Museum in E-ste
besitzt eine grosse Menge solcher bronzener, grösserer und kleinerer Votiv-Nägel, mit vielen
anderen Votiven dicht bei Este auf einer alten Tempelstätte ausgegraben; der Ort beisst
chiusura Baratela. Dieser Fund wird von Ghirardini in den Notizie degli scavi
nächstens publicirt werden. — Ich habe aber doch den Collegei» und Freunden in Este ge-
schrieben, um über jene „Lanze mit Inschrift" vielleicht Näheres und Sichereres erfahren zu
können.
(551)
nur fQr eine der soDstigen (JogenauigkeiteD der betreffenden Abbildung halte. Aber
bemerken 8 werth ist dies Zusammentreffen immerbin.
^Also vor dem Herbst 1880 könnte die eventuelle Nachbildung nicht angefertigt
sein, und dann müsste, meines Eracbtens, nothwendig auch der Museumsdirektor darum
wissen. Hier ist also die hohe Meinung, die Sie von dem Manne haben, sehr wichtig.
Für besonders schwerwiegend halte ich frrner die abweichende, aber wie mir scheint,
alterthümliche Art der Ornamentiruüg. Fügen Sie doch gleich etwas über die
Analogien hinzu, auf die Sie in Ihrem Berichte verweisen**. . . .
Dem Wunsche Professor Henning's entsprechend füge ich hinzu, dass die Ana-
logien, auf die ich bezüglich der Dekorationsweise zunächst hingewiesen habe, in
Rom, in der Sammlung des Hrn. Augusto Castellani, des berühmten Goldschmiedes,
sich befinden. Es sind eine grosse Fibel und mehrere flache runde Knopfe aus
Bronze, die mit anderen Alterthümern aus der Völkerwanderungszeit aus einem
Skeletgrabe bei Rieti herrühren. Diese Gegenstände sind mit ein gestempelten
Ornamenten von Kreisen, Doppelkreisen und mit einem Kreise gefüllter Vierecke
dekorirt (Sternchen kommen nicht vor). Diese Ornamente bilden Reihen und sind
in ganz ähnlicher Tiefe und Schärfe eingestempelt, wie an unserer Spitze von Tor-
cello, 80 dass sowohl mein Zeichner wie ich beim ersten Anblick der Speerspitze an
jene Stücke von Rieti erinnert wurden. Diese Gegenstände aus Rieti werden in
einer Arbeit über die Alterthümer aus der Völkerwanderungszeit in Italien ab-
gebildet werden, die ich später in dieser Zeitschrift zu publiciren beabsichtige.
Schliesslich ressümire ich meine Ansichten über die Runenlanze von Torcello
dahin:
Aus dem Stuck selbst lässt sich ein entscheidendes Kriterium nicht entnehmen,
weil die Patina fast ganz zerstört ist. Die Abnutzung der Ornamentlinien an der
Dülle, die hier vorhandenen Patinaspuren, die sorgfältige Ausführung und die mit
auderen sicheren italischen Alterthümern aus der Völkerwanderungszeit überein-
stimmende Dekorationsweise, — dies alles spricht für die Alterthümlichkeit der
Lanzenspitze. Dass hier eine nach einer Abbildung aus dem Jahre 1880 an-
gefertigte Nachbildung vorliegen sollte, scheint mir undenkbar. Wäre die Tor-
cello-Spitze eine moderne Nachbildung der Müncheberger, so müsste sie in
Münchcberg selbst kurz nach der Auffindung des dortigen Runenspeeres an-
gefertigt sein, — vielleicht von demselben Manne, der den BlelTschen Bronze-
abguss gemacht hat. Für mich aber schwindet jede Möglichkeit, dass die Tor-
cello-Spitze modern sei, vor dem mir von Hrn. Battaglini, einem Ehrenmanne,
mitgetheilten Fundbericht und den Fundumständen; seine Mittheilungen dürfen,
nach meiner Ansicht, nicht angezweifelt werden.
(8) Hr. Virchow zeigt einen ihm von Hrn. Schliemann mit dem Ersuchen,
ihn der Gesellschaft vorzulegen, übersendeten
Ohrring aua der älteaten Stadt von Hissarlik.
In seinem Werke Ilios, Leipzig 1881 S. 284 Fig. 122 führt Hr. Schliemann
einen kleinen Schmuckgegenstand auf, von dem er S. 286 sagt: „Von Silber ist
das merkwürdige Gehänge eines Ohrringes, das in seiner Form einem primitiven
Schiffchen gleicht und vermittelst eines dünnen Drahts am Ohre aufgehängt war.
Ich würde es überhaupt nicht für einen Ohrring gehalten haben, hätte ich nicht
eine grosse Anzahl ähnlicher Gehänge aus Gold in der dritten Stadt gefunden. Die
Abbildung lässt an eine Fibula denken, an der nur die Nadel fehlt. Dafür ist aber
das Goldblech viel zu dünn und dies ist noch viel mehr bei den in der dritten, der
(552)
VArhrunntifn Stadt gefundenen Ohrringen gleicher Form der Fall, welche alle mos
Hehr dUiinein (loldhli^ch verfertigt sind.^ Einer dieser letzteren ist Ilios S. 559
Fig. 017 al)gohildet. Hr. Schliemann sagt darüber S. 561: ^Sie haben die 6e-
Mtalt einoH primitiven Hootes und bestehen aus einfachem Goldblech. Die beiden
Knd(*n nind Hpiralformig rundgebogen und mit den Löchern dieser Spiralen wurden
nie durch einen dAnnen Golddraht in das Ohr gehängt. Jeder dieser bootforaaigeD
Ohrringo ist mit 21, mit der Punze gemachten, hervorstehenden Punkten verziert.^
Loidor ist von keinem dieser Gegenstände der Schlussdralit gezeichnet, und so
wahrHchoinlicli es ist, dass ein solcher vorhanden gewesen ist, so war der Zweifel
doch nicht ganz beseitigt, ob es sich hier wirklich um Ohrringe gehandelt habe.
UnKWoifolhaft gleiclit die Form des Gegenstandes in hohem Maasse der alten Bogen-
ÜbuJA, wie ich sie so zahlreich im Kaukasus gefunden habe. In meinem Buche
(\ber Kobnn (8. «il Anm. 1) habe ich diese Aehnlichkeit besonders hervorgehoben,
mich jedoch dnmit beruhigt, dass Hr. Schliemann das Stuck mit einem primitiven
SchiflfohtMi verglich. Dieser Vergleich, sagte ich, zeige, „dass der Bügel ausgehöhlt, also
jedenfMlU von der kaukasischen Fibelform verschieden war.^ Alle Nachforschungen
nach «licsem SliWk in unserem Schliemann-Museum waren leider vergeblich; auch die
persönliche Musterung des Hrn. Schliemann im Sommer führte zu keinem Ergebniss.
luiwisohen war dus Stück sowohl von den HHrn. Dumont und Chaplain,
als von Prof. «lebb als Fibula angesprochen worden. Hr. Schlieman hat diese
Auffassung in seinem neuen Buche Troja, Leipzig 1884 S. 54 Anm. und S. 269
««nergisi'h zurückgewiesen und wiederholt versichert, dass weder in den vorhidtorishen
AusiedeUingen auf Hissarlik, noch in der lydischen Ansiedelung eine Spur Ton
Fibula vorkomme.
In einem Briefe vom ^«>. November berichtet er jetzt, dass er unter der grossen
NUsse der in Athen gebliebenen Nadeln der 4 untersten Städte von Hissarlik nun
diK'h den vernüssten i^hrring gefunden habe und dass er ihn mir zur Prüfung und
sur demnächstigen l-elH'rgabe an die hiesige Trojanische Sammlung übersende. So
bin ich denn in der glücklichen Lage, das viel discutine Stück hier vorzulegen.
Ks ergiebt sich nun s^^ort^ dass ich die Beschreibung des Hm. Schliemann
missYorstandeu halle. Wie schon erwähnt» hatte ich aus seiner Vergleichung mit
<»ittem IWi gefolgt»«^ dai^s da* Stück ,ausgehohU* sei, dass es als*^ eine gewisse Aehn-
lichkeit mit der uns geläufigen Form unserer prä-
^^ historischen Ohrringe oder auch mit der altitalischen
Fibula« welche man .Kahnäbula* (a navioella)
nennte Ue^iue. Dies ist aber keineswegs der Fall;
im OegenlheiL «iex Bü^el ist ganz platt und eben,
s^^ da>s er, ^or. der Kante gesehen ^Holzschn. 5).
c;;:e ga::i ger*vie /.eichsu::*: ergiebt. Son.it nähert
s'v-r das Siüvk Aller/.iCa:^ :a uaTerkenD^<arei Weise
sicr k'.c.r^r. Boifr.d:~lA n:i: vIä::*^: Bjcei. welche
uh lus e..f:v. K -.ieriTa:<e t.- K.ras ^ Alias zu
:ue;:;fr A: rjL, i.ucc Ia:. I Fii- 4^ at^etildet Labe,
Nx.** ,>vr v-vN»*- ...^* ^Cj^^ ^^. ,^ j.^- :.;s? ir: e:iT?r Se le eine spirai-
r:rr.*..if Prfruvi des Pririer* T.rijjiiec isi.
y* i 5 »r A u : JL* - T? .i : r Niiel ii i*: rächt i#t
(558)
Bügel selbst oder vielleicht besser die Platte hat in ihrem mittleren Theil, wo sie
am breitesten ist, 8 mm im Querdurchmesser, dagegen nur 1 mm Dicke. Die Platte,
die man allerdings mit dem Längsdurchschnitt eines Bootes vergleichen kann,
bildet einen sehr regelmässigen Halbmond, dessen beide Hörner sich jederseits in einen
feinen, drehrunden, kaum 1 mm dicken Draht fortsetzen. An dem einen (in der
Zeichnung Fig. 1 rechten) Hörn ist der Draht sofort in eine doppelte, mit ihren
beiden Windungen etwas divergirende Spirale gebogen, deren Ende so stark mit
Rost bedeckt ist, dass man nicht genau erkennen kann, ob dasselbe abgebrochen
ist oder von Anfang an angedrückt war. Jedenfalls bemerke ich keine Andeutung
davon, dass der Draht an dieser Stelle weiter gegangen ist. Die Spirale liegt, wie
aus der Seitenansicht (Holzschn. 2 unten) ersichtlich ist, nicht in derselben Ebene
mit der Platte, sondern auf der einen Seite. Dasselbe gilt von der anderen (in Fig. 1
linken, in Fig. 2 oberen) Spirale. Hier läuft zunächst der Draht 4 mm weit
frei, in einer schwachen, etwas seitlich gewendeten Curve und bildet dann, nahezu
2 vollständige Spiralwindungen, au deren Ende er in einer rauhen, gleichfalls ver-
rosteten Bruchstelle ausgeht. Beide Spiralen sind demnach in derselben Richtung von
der Platte abgebogen. Auch ist es sehr wahrscheinlich, dass der Draht hier weiter
ging. Dies konnte nun freilich eben so gut in Form einer geraden Nadel, wie bei
einer Fibel, oder in Form eines ringförmig gebogenen Bügels, wie bei einem Ohr-
ringe, der Fall sein. Für letztere Annahme spricht einerseits die dünne Beschaffenheit
des Drahtes, welche zur Befestigung eines Kleidungsstückes wenig Sicherheit bot,
andererseits der Mangel einer zur Aufnahme einer Nadel geeigneten Einrichtung,
wie etwa eines Falzes am anderen (rechten) Ende. Auch darf erwähnt werden,
dass für eine Fibel die Platte verhältnissmässig gross erscheint.
Wäre von den goldenen Stücken der verbrannten Stadt ein einziges vollständig
erhalten, so würde die Deutung ungleich zuverlässiger sein. Aber leider scheint
von allen 9 „Ohrringen^ kein einziger unversehrt gefunden zu sein. Immerhin
weiss ich keine näherliegeude Deutung, als die von Hrn. Schliemann angegebene.
Handelt es sich aber auch um einen Ohrring und nicht um eine Fibula, so wird
man doch nicht anstehen dürfen, anzuerkennen, dass die uns nun so bekannt ge-
wordene Form der Bogenfibula in diesem Ohrringe gleichsam präformirt vorhanden
ist, und es erscheint um so seltsamer, dass man, nachdem diese Form einmal ge-
wonnen war, nicht alsbald auch zu der Erfindung der Bogenfibula gekommen ist.
Das Problem dieser Erfindung complicirt sich dadurch. Während ich früher nach-
zuweisen gesucht habe, dass die Bogenfibula durch einfache Biegung einer ur-
sprünglich geraden Nadel entwickelt worden ist, muss ich jetzt wenigstens die
Möglichkeit zugeben, dass dieser Vorgang schon früher an dem Ohrringe aus-
probirt sein mag.
Die genauere Prüfung des Stückes hat aber noch eine andere üeberraschung er-
geben. Als dasselbe in meine Hände kam, hatte es eine mattschwärzliche Grund-
farbe, auf welcher zahlreiche hell- und graugrüne, etwas erhabene, unregelmässige
Flecke verbreitet lagen. Hr. Schliemann hatte angenommen, es sei Silber. Aber die
vielfach hervortretende grüne Patinirung machte mich bedenklich, und als ich an einer
kleinen Stelle die tiefere Schicht biossiegte, zeigte sich eine rein kupferrothe
glänzende Färbung. Hr. Juwelier Teige erbot sich in freundlich entgegenkommender
Weise, seinerseits die Prüfung vorzunehmen. Er legte mit grosser Vorsicht einen
kleinen Theil der Platte frei und überzeugte sich, dass sie aus reinem, unlegirtem
Kupfer bestehe. Er glaubte dabei aber eine Art von Zeichnung wahrzunehmen,
und ich bat ihn daher, eine etwas grössere Stelle freizulegen. Dabei ergab sich,
dass zunächst unter der Patina eine härtere, ziemlich glatte, dunkelioth braune Schicht
(554)
sitzt, aaf welcher eine Anzahl, etwa 4, breiter, seichter, omameotariiger Streifen
oder EiodrQcke, der LängsrichtaDg der Platte entsprechend and parallel mit ein-
ander, erscheinen. Hr. Teige war geneigt, diese Schicht für eine Art Ton Email
zu halten. Allein die mikroskopische Untersnchnng lehrte, dass auch nicht eine
Spur von Glasfluss darin enthalten ist; es ist durchweg eine rothbraone, ToUatfindig
in Säure losliche, bröckelige Masse. Hr. Salkowski constatirte auf chemiachem
Wege, dass es reines Kupferoxjd ohne die mindeste Beimengung von Silber ist.
Unter dieser Oxjdschicht sitzt die eigentliche, ganz unangegriffene fiapfernamsse,
welche glanzendroth und durchweg feinfaserig, mit dem Verlauf der Fasern in der
Längsrichtung der Platte, erscheint. Es dürfte daraus folgen, dass das Stück ge-
hämmert und ausgezogen, nicht gegossen ist.
Somit gehört dasselbe, wie die anderen von Hrn. Schliemann llios S. 285
erwähnten, welche Hr. Chandler Roberts analjsirte, zu den reinen Kupfer-
geräthen, welche für die älteste piäbistorische Ansiedelung von Hissarlik so
charakteristisch sind, — eine Thatsache, welche von nicht geringerer Bedentnog ist,
als die Form des Stückes, so wichtig dieselbe für die Entwickelungsgeschiehte der
Metallformen auch angesehen werden muss.
(9) Hr. Fried el übergiebt einen Bericht des Prof. Dr. F. C. Noil über
Stdagerithtade an ier Gefead vm Fraakfirt a. ■.
Ich erhielt kürzlich ein Jadeit-Beil in Vilbel, einem Ort, den die
bewohnten, — der zweite derartige Fund aus hiesiger Gegend. Gröaste Lmnge
72 mm, die rundliche Schneide 31 mm breit; nach hinten verjüngt das Beil sich
«tark. Das erste Stück ist inHeddernheim, der Römer-Niederlassung in unserer
Nähe gefunden. Was machten die Römer mit dem Jadeit? Weiter wird es inter-
essiren, zu hören, dass ein Herr Ritter im Taunus, woselt>st man bislang der-
gleichen Fundstücke nicht kannte, 65 Stein- Beile u. s. w., dabei 7 Hohlmeissel, ge-
sammelt hat. Das Material ist zum Theil Westerwald-Basalt, zum Iheil noch fest-
zustellen. Meiner Ansicht nach können 2 Stücke davon aus dunkelgrünem Jadeit
sein, doch sind sie noch mineralogisch zu bestimmen. Die Form der Gerathe ist
eine feine, elegante: manche sind freilich stark verwittert. Sie stammen aus Orten,
die auf Abhängen liegen, mit südlicher Neigung. Aus den Thälem hat der ge-
nannte Sammler Steinweik zeuge noch nicht anftreiben können. In Bezug anf die
gedachten Fund^tücke füi;e ich hinzu, dass die Sohneide abgebrochener Aexte als
Keil zum Holzspalten gedient zu haben scheint. Stücke ron iO — 50 mm Länge
zeigen an ihrem abgebrochenen Ende beiderseits Aussprünge, die durch Hiebe,
welche auf das Bahnende geführt wurden, entstanden sind. Diese Benutzung scheint
mir unzweifelhaft, es sind einige Stücke der An dabei.
(10' Hr. Pr. .Anger, jetzt Gvranasiaidirector in Graudenz. berichtet in einem
Schreiben an den Vorsitzen Jen, da>s er am t4. November an letzterem Orte eine
.Mlerthums-Gesellschafl gegründet habe, welche bereits 40 Mitglieder zählt,
und welche beabsichtigt, ein eigenes Museum at zulegen. Für letzteres sind die
3 Privat^ammlucgen d«*r HHri;. Scharlock. Fiorkowski und Böhm zugesagt.
Hr. Anger berichtet ia demselt^c Schreil»en über die Aufüsduo^: Ton Brand-
pletterbeiRondsen, 1 M. tod GrauJenr, wo xusammengeb.>gene eiserne Schwerter,
SchildbuckeK Laozenspitzen« darunter eine mit gewellter Verzierung. Fibeln, Messer,
Spinnwiitel und Ceremonialumen gefunden wurden.
(555)
(1 1) Hr. W. Seh wart z macht Mittheilung über neue, höchst ioteressaDte Funde
auf dem bekannten
Gräberfeld bei Kazmierz in Posen
nach zwei Briefen des Freiherrn v. Hardenberg in Posen. Derselbe hatte dort
einer Ausgrabung beigewohnt und schreibt über dieselbe unter dem 5. December:
„Vor einigen Tagen besuchte
mich Hr. Fe hl an und theilte mir
mit, dass er nach meioem Weggange
von Kazmierz noch viele Sachen
gefunden, so eine Menge Bernstein-
und Thonperlen, grosse eiserne
Ringe und nebenstehend skizzirte
Fibula, die er mir im Original
zeigte und die wohl ein Unicum
sein dürfte. Die in der Skizze
dunkel gehaltenen Striche bedeuten Vertiefungen. Das Ganze ist sehr plump, aber
ganz eigenthümlich.** —
Weiter heisst es in einem Briefe vom 7. desselben: „Nachstehend beehre ich
mich, das vollständige Verzeichniss der Kazmierzer Funde mitzutheilen als Nach-
trag zu meiner Skizze der Glas-Fibula in dem Briefe vom 5. Den Bernstein-
Schmuck habe ich noch nicht gesehen, derselbe muss aber nach Hrn. Fehlan*s
Beschreibung prachtvoll sein.
Fundbericht: 1. Eisen. 2 Ringe von 25 cm Durchmesser, 1 Ring von 20 cw
Durchmesser, 2 Ringe von \l cm Durchmesser, 3 Ringe von 9 cm Durchmesser,
1 Ring von 5 cm Durchmesser, 1 Meissel, 1 sichelartigos Messer, 1 Lanzenspitze,
1 Gelt, 2 Pferdetrensen mit Resten von Bronze.
II. Bronze. 1 Fibula, 1 Nadel mit gewundenem Kopf, 1 Reif von 7 cwi Durch-
messer, 1 Gelt, 1 kleines Ohrgehänge.
ni. Bernstein. Schmuck von Perlen und Ringen und einem grosseren
medaillonartig geformten Stück, — eine Kette von 2 m Länge bildend.
IV. Glas. Diverse blaue Perlen, diverse blaue Perlen mit gelber Zeichnung,
die erwähnte Fibula mit Heftnadel von Bronze (Holzschn.).
V. Thon. Verschiedene üruen.
Hr. Schwartz hofift von Hrn. Fehlan, der leider längere Zeit leidend ge-
wesen, noch einen weiteren Bericht über das zu erhalten, was überhaupt, seitdem
er Posen verlassen, noch in Kazmierz gefunden. In Betreff des Bernsteinschmuckes
erinnert er an den gleichfalls kostbaren Schmuck, bestehend aus einem grossen
Bernsteinring mit 2 Bronze-Berloques, welchen er selbst früher dort gefunden und
8. Z. auf der Berliner anthropologischen Aussellung gezeigt hatte. —
Hr. Virchow erklärt, dass diese Fibel bis ins Kleine mit der in den Gräbern
Arnoaldi in Bologna vorkommenden Form übereinstimmt; er verspricht in der
nächsten Sitzung ein entsprechendes Exemplar aus Bologna vorzulegen. —
Hr. ündset bestätigt die Uebereinstimmung, macht weitere Mittheilungen
über Vorkommen und Verbreitung dieser Fibelform in norditalischen, bez. etruski-
schen Gräbern des (5. oder 7. Jahrhunderts y. Ghr. und verweist auf die Aehnlich-
keit der Glasmasse mit jener der kleinen Balsamfläschchen und den möglichen
Ursprung der Fabrikation in Phonicieo.
(556)
(12) Hr. Zieske übersendet Fuod gegenstände und Berieht über
Steinkistengräber mit Gesichts- und Mutzenurnen bei Scliloss Kischau in Westpreüssen.
Hierzu Tafel X.
In meinem Heimathsorte, Schloss Kischau im Berenter Kreise, wurden mir ge-
legentlich eines Besuches im Sommer 1880 von glaubhafter Seite mehrere Stellen
in der Nähe des genannten Ortes als Fundstellen von Urnen bezeichnet. Es sind
dies folgende:
1. unmittelbar südlich des Weges von Kischau nach Neuhof, auf einem ausser-
halb der eigentlichen Grundstücks -Grenzen liegenden , zum Kruggrundstück in
Kischau gehörigen Feldstücke, dicht an der Chwarsnauer Grenze;
2. der vor bezeichneten Stelle gegenüber auf der andern Seite des Weges auf
dem zu dem SteckeFschen Grundstücke gehörigen Feldstücke;
3. auf der Chwarsnauer Gemarkung, nördlich des Weges von Kischau nach
ersterem Orte, unmittelbar an der Kiscbauer Grenze;
4. unmittelbar bei Schloss Kischau auf dem von der Chaussee und den beiden
aus dem Dorfe fuhrenden Wegen eingeschlossenen Hügel;
5. im Orte selbst, in der Nähe des Brunnens im Steckerschen Garten.
Die entferntesten dieser Stellen liegen noch nicht 3 klm auseinander. Die
Gegend, von dem Flüsschen Ferse durchzogen, ist wasserreich; mehrfach finden
sich in der Nähe der prähistorischen Begräbnissstätten jetzt trockene Seebecken.
Die (Imstande gestatteten mir im selben Jahre auf der erst bezeichneten Stelle
nähere Untersuchungen vorzunehmen, welche ich im Sommer 1881 fortsetzte.
Die betreffende Stelle befindet sich an der Lehne eines nicht steil abfallenden
Hügelplateaus. Der sandige Boden ist wahrscheinlich erst in den fünfziger Jahren
dieses Jahrhunderts der Beackerung werth erachtet worden. Aus meiner Knaben-
zeit, Ende der fünfziger Jahre, erinnere ich mich, dass dieses Feld meist brach
gelegen hat; von Urnenfunden war damals noch nichts bekannt. Nicht unwahr-
scheinlich ist es, dass auf der betreffenden Stolle grössere Steine gelagert waren,
wenigstens deuteten darauf einzelne Exemplare derselben, die ich als Knabe noch
am Wege liegen sah. In den letzten Jahrzehnten ist die Erde durch die Ein-
wirkung des Pfluges yon den höher gelegenen mehr nach den tiefen Stellen der
Lehne geschält worden. Hierdurch wurden an ersteren flach liegende Steine vom
Pfluge freigelegt, die sich als Decksteine von Steinkistengräbern erwiesen. Zur
Zeit meiner Untersuchung waren die Gräber an den höchstgelegenen Stellen fast
sämmtlich zerstört.
Die Abmessungen der Gräberstelle, die von oben erkennbar nicht begrenzt war,
betrugen etwa 60 Schritte in der Länge und 50 Schritte in der Breite.
An den tiefer gelegenen Stellen der Hügellehne gelang es mir, mittelst eines
Visitireisens sehr bald die Lage einer grösseren Zahl von Steinkistengräbern fest-
zustellen. Dieselben wurden nun mit der erforderlichen Vorsicht freigelegt und
erwiesen sich meist als vollständig intakt. In Beziehung auf die Lage zu einander
liess sich bei einem Theil derselben eine gewisse Regelmässigkeit erkennen. So
wurden mehrere Gräber aufgedeckt, die in einer Reihe parallel und mit nahehin
gleichem Abstand (etwa 6 Schritte) nebeneinander lagen.
Die Längsrichtung der Gräber war von Nord nach Süd, mit geringer Ab-
weichung von der Nordrichtung nach Osten. Die Erdschicht über der Steindecke
der Grüber hatte eine Mächtigkeit von 30— 80c7ä. Grössere Steine fanden sich in
derselben nicht. Bei dem Aufgraben wurde derart verfahren, dass zunächst die
Deckplatten freigelegt und dann ringsum ein Graben gezogen wurde. Alsdann
(557)
zeigte sich das Grab als Dahehln regelmässig rechteckige Steinkiate. Die äussere
Lange der Steinkisten betrug 100 — 175, die äussere Breite 4ö — 85, die Höhe
40—60 an.
ürofassungawäiide und Decke der Kiste bestanden aus grossen Steinplatten
Ton einem rothlichen Stein, der sich nach Art des Schiefers schon durch Auf*
schlagen nait einem andern Stein in duone Platten sprengen und anderweit roh
bearbeiten Jäs^t, Eine solche Bearbeitung hatten auch augenscheinlich die Grab-
platten erfahren. Sie waren meist von viereckiger Gestult, bis 150 rm lang und
80 rm breit, bei einer Dicke von 10^-20 cm. Bei einzelnen derselben gehörte die
volle Kraft zweier Männer dazu, um sie 'abzuheben. Zum Deckel der Kiste waren
vorzugsweise grosse Platten verwendet^ doch reichte eine einzelne nur in seltenen
Fiilleo zum Deckel oder zur Längs wand. Es waren dann zwei oder auch noch
mehr veiwendet. Die Platten stiessen nicht mit genau gearbeiteten Kanten an-
eiuander, sondern griffen in der Regel etwas übereinander, um eine dichte Ein-
m%m
Schliessung herbeizufuhren» Zu den Seitenwiiaden waren in einzelnen Fallen auch
gewöhnliche Rundsteine, wie sie an Ort und Stelle gefunden werden, augenscheinlich
aushulfa weise, etwa in der Weise verwendet, dass drei Ümfassungs wände aus Platten,
die vierte aus Ruadateiöen bestand. Letztere hatten auch zum Ausfüllen kleiner
Lücken zwischen den Platten gedient, Bemerkens werth ersclieint, dass ich von
einem Vorfinden jenes rnthlicben Gesteins^ ausser in roh bearbeitetem Zustande
aus UrneBgräbeni, in dortiger Gegend nichts habe erfahren können. Ein Binde-
raittel für die Platten und Rundsteiae (Lehm, M5rtei oder dergh) war nicht vor-
handen. Nichtsdestoweniger waren die Steinkisten doch so sorgfältig gefügt, dass
das Ganze nach vollständiger Freilegung seine Form mit nahezu senkrechten Seiten-
wänden selbst dann behielt, wenn sich Jeiuand auf die Eindeck ung stellte. Die
an Ort und Stelle aufgenommene Ansicht eines solchen freigelegten Stein kisten-
grabes ist in vorstehendem Holzschuitt gegeben.
(558)
Nach AbheboDg der Deckplatten zeigte sieh das Innere bis zum Rande aoiig-
faltig mit Erde gelallt, so dass sich ein hohler Raum unter den Platten nicht vor-
fand. Die Annahme eines nachtraglichen Eindringens der Erde in das Innere der
Steinkiste ist nach der Sachlage ausgeschlossen. Der im Innern der Kiste befind-
üche Erdwürfel behielt in der Regel auch nach Beseitigung der Seitenplatten die
bisherige Form beL Es wurde alsdann unter Anwendung grösster Sorgfalt, meist
mit blossen Händen, zur Beseitigung der Erde geschritten. Leider zeigten sich
jedoch dann die im Innern des Erdwurfeis befindlichen Tbongefasse so durch-
weicht, und daher so wenig haltbar, dass es nur in yerhältnissmässig wenigen
Fällen gelang, sie in unversehrtem Zustande von der Stelle zu rucken.
Im ersten der (am 11. Juni 1880) geöffneten Gräber befanden sich fünf
üroen und als Beigabe eine Schale mit einem auf dem Boden derselben stehenden
Henkeltöpfchen. Die Urnen standen dicht an einander. Sie waren sämmtlich mit
Deckeln in Halbkugelform versehen, die mit einem Falz in die Oefifnnng der Urnen
passten. Eine dieser Urnen unterschied sich schon durch ihre Grösse von den
andern vier. Sie war ohne Deckel 29 cm hoch und hatte einen Umfang in /der
Ausbauchung von 1 m. Die obere Oefifnnng der Urne hatte 16 cm Durchmesser.
Besonders bemerkenswerth an derselben aber waren zwei Ohrenansätze, die un-
weit des oberen Randes, nicht diametral einander gegenüber, sondern auf etwa ein
Drittheil des Umfanges angebracht waren. Die Ansätze standen nicht senkrecht,
sondern unter einem Winkel von etwa 60® zur Uroenwandung. Jedes dieser Ohren
(denn das haben sie sicher darstellen sollen) hat am Rande 3 Durchbohrungen, die
einen Draht von mittlerer Stärke durchzulassen im Stande sind. Von den sämmt-
lichen fünf Urnen gelang es nur zwei Bruchstücke der grössten Urne mit den beiden
Ohrenansätzen von der Stelle zu scbafifen, das andere zerfiel. Ich hebe hervor,
dass ich von Darstellung der Nase oder anderer Theile des Gesichts an der
Urne nichts wahrgenommen habe, wenn nicht eine Einritzung in der Nähe des
einen Ohres für die rohe Darstellung eines Auges gehalten werden kann. Ob
einer weitern Einritzung über dem einen Ohre in der deutlichen Gestalt eines S
eine Bedeutung beigelegt werden kann, lasse ich dahingestellt (Taf. X Fig. 9).
Der Thon der Urne ist von dunkelgrauer Farbe und mit Glimmerstückchen durch-
setzt. An der Ionen- und Aussenfläche scheint die Urne mit einem schwarzen,
mattglänzenden Ueberzug versehen zu sein. Der lohalt der Urne bestand im
obern Theil aus Sand, welcher feinkörniger und weisser war, als der in der Nachbar-
schaft freiliegende, im uotern aus Asche und Knochenresten. Die Knochen waren
als von Menschen herrührend auch für den Laien erkennbar. An besonderen Bei-
gaben enthielten vier der Urnen nichts, die Ohreaurne zwei durch Edelrost zu-
sammengehaltene Bruchstücke eines bronzeoeo (Finger-?) Ringes und eine an-
scheinend durch Einwirkung des Feuers deforrairte blaue Glasperle mit durch-
gehendem Bronzebaken. Von Eisen befand sich in diesem Grabe keine Spur.
Vollständig erhalten blieb das in Fig. 8 dargestellte Henkeltöpfchen; von der
darunter stehenden Schale (Fig. 4) ein Bruchstück, welches die gaoze Form er-
kennen lässt. Die Schale hat ein Oehr, welches wahrscheiolich zum Durchziehen
einer Schnur oder eines dunoen Lederriemens für den Transport gedient hat. Schale
und Topfchen enthielten nichts als Erde; die Prüfung der letzteren ohne weitere
Hulfsmittel Hess keinen Schluss auf eineo etwaigen früheren Inhalt dieser Ge-
fässe zu.
Der Boden des Steinkistengrabes bestand aus grossen Steinplatten.
In dem zweiten, am selben Tage geöffneten Grabe befanden sich drei
grosse und eine kleinere Urne ohne Beigaben; bemerkenswerth erschien die
(559)
letztere Urne. Sie konnte bis auf den Deckel, welcher zerfiel, mit ihrem In-
halt fortgeführt werden. Erst auf dem weiteren Transport erlitt sie Beschädi-
gungen. Die Form dieser Urne ist Taf. X Fig. 3 wiedergegeben. Sie hatte
augenscheinlich Henkel gehabt; nach dem Befunde an Ort und Stelle bin ich zu
der üeberzeugung gekommen, dass der Henkel bereits abgebrochen war, als die
Urne, oder besser der Krug, in die Steinkiste gesetzt wurde. Dieses Gefäss zeigte
in seiner Form, in der Absetzung des Halstheils und der Glätte der Oberfläche
eine bemerkenswerthe Vollkommenheit: es ist so dünnwandig, wie unsere heutigen
Thongefässe. Seine Oberfläche ist mit einem schwarzen mattglänzeudem Ceber-
zuge versehen. Bemerkens werth, wie der Krug, ist auch sein Inhalt; er besteht aus
kleinen Erdklumpen, welche ganz kleine Knochenreste ohne Brandstellen und ohne
Asche enthalten; die Knochenstückchen zusammen genommen füllen kaum einen
Esslöffel. Es bleibt fast keine andere Annahme übrig, als dass man es mit den
Resten einer dem hier bestatteten Todten mitgegebenen Fleischspeise zu thun hat.
Im Juni des Jahres 1881 wurden von mir an derselben Stelle sieben Steio-
kistengräber aufgedeckt. Zwei dieser Gräber enthielten nur je eine Urne. Eine
der letzteren enthielt als Beigabe zwei Bronzeplättchen, die nur als unbestimmbare
Bruchstücke bezeichnet werden können. Im dritten der geöffneten Gräber be-
fanden sich drei Urnen, Beigaben waren in denselben nicht. Das vierte Grab ent-
hielt gleichfalls drei Urnen. In zwei der letzteren befanden sich Beigaben von
Eisen und zwar ein Ring und ein Bruchstück (Kopf) einer Nadel, dessen Purm
trotz der starken Rostschicht deutlich erkennbar ist.
Das fünfte Grab (Holzschn. S. 557) war von aussen 175 cw lang, im Mittel
60 cm breit und 50 cm hoch. Es glich im Allgemeinen den anderen, hatte darin
jedoch etwas Besonderes, dass eine Platte von der Seite her in das Innere der Stein-
kiste griff und so einen besonderen Raum abtrennte, in welchem eine Urne Platz
gefunden hatte. Im Ganzen standen vier Urnen in dem Grabe und zwar in einer
Reibe in der Längsrichtung des Grabes, die am südlichen Ende stehende durch
die eingreifende Steinplatte abgesondert. Alle Urnen enthielten Aschenreste und
Knochenstücke, anscheinend von Menscheu herrührend. Am Nordende waren Rund-
steino gleichsam für späteren Gebrauch bereit gestellt. Nach der Art der Anlage
schien wenigstens der Zweck der Stütze für die angrenzende Steinplatte ausge-
schlossen. Die Art der Herstellung dieses Grabes möchte dafür sprechen, dass
nicht eine gleichzeitige Beisetzung sämmtlicher vier Urnen stattgefunden hat.
Man könnte vielmehr annehmen, dass man es hier mit einem Familienbegräbniss
in dem Sinne zu thun hat, dass die Asche der Familienglieder nach ihrem ver-
schiedenzeitigen Ableben Aufnahme in dem nach Bedarf vergrösserten Steingrabe
gefunden habe. Bei allen anderen Gräbern kam ich eher zu der entgegengesetzten
Annahme: das Steingrab ist von vornherein für die darin befindliche Zahl von
Urnen hergestellt worden und diese haben gleichzeitig darin Aufnahme gefunden. Im
letzteren Falle erscheint die Annahme am meisten begründet, dass beim Ableben des
Familien-Oberhauptes Weiber oder Sklaven getödtct wurden, um ihm entsprechende
Begleitung in das Jenseits zu schaffen.
Eine der diesem Grabe entnommenen Urnen blieb wohlerhalten; sie hat zwei
Oehre, anscheinend zum Durchziehen einer Schnur, diametral einander gegenüber,
ist von rötblichem, scharf gebranntem Thon und zeigt deutlich die Spuren der Be-
arbeitung auf der Drehscheibe. Verzierungen befinden sich auf derselben nicht
(Taf. X Fig. 6). Der zu dieser Urne gehörige, aber später verloren gegangene
Deckel hatte gleichfalls ein derartiges Oehr. Sonstige Beigaben an Gefässen oder
Schmuckgegeostanden befanden sich in diesem Grabe nicht
(560)
Im sechsten der geofifneten Gräber befanden sich drei grosse Urnen und drei
kleinere Gefasse. Eretere standen in Dreieckform dicht neben einander. Es gelang
hier die drei grossen Urnen und ein grosseres Bruchstück eines der kleineren Ge*
fasse dem Grabe zu entnehmen. Erstere drei standen in Dreieckform dicht neben
einander. Sie sind Taf. X Fig. 1, 2 und 7 dargestellt.
Die in Fig. 1 dargestellte Urne und deren Deckel haben Strichverzierangen,
in welchen sich das Bild eines befiederten Pfeiles wiederholt. Die Urne war zor
Hälfte mit Asche und Knochenstuckchen gefüllt, darüber befand sich Sand bis
unter den Deckel. Auf dem Boden der Orne lag ein Bronzehaken und das in
Fig. 11 dargestellte zangenartige Instrument. Es besteht aus Eisen, nur der
darauf befindliche Ringschieber ist von Bronze.
Die zweite, in Fig. 2 dargestellte Urne hat am Halstheil zwei Rillen und darunter
eine Blattverzierung, in welcher sich die Vierzahl wiederholt. Diese Urne konnte
mit ihrem gesammten Inhalt fortgeführt werden. Er besteht aus Enochenstücken,
mit nur geringen Aschenresten. Die Urne war zur Hälfte leer, es fehlte die sonst
übliche Sanddecke. Oben auf den Knochenstücken lag ein Eisen ring. Unter
den Knochenstücken ist das grosste ein Stück des Schädels von 10 cm Länge und
Breite (wahrscheinlich vom Stirnbein).
Die dritte Urne (Fig. 7) hat auf ihrer unteren Hälfte rohe Strich Verzierungen,
welche anscheinend mit einem sechszackigen Instrument ziemlich regellos eingekratzt
sind. Diese Urne war nur mit Erde, ohne eine Spur von Asche oder Knocben-
resten, gefüllt. Ebenso enthielten die drei kleineren Gefasse, von denen eines in
Fig. 10 dargestellt ist, nur Erde.
Im siebenten und letzten der im Jahre 1881 geöffneten GriLber waren die
Urnen sämmtlich zerdrückt. Nur ein Urnendeckel blieb uozerbrochen (Fig. 5).
Er zeigt Punktverzierungen und ist ausnehmend dickwandig. Der Falz am untern
Theil zeigt eine sehr rohe Arbeit. Aus dem Inhalt der Urne wurden heraus-
gelesen: Ein gut erhaltener Ring von Eiscudraht, ein Stückchen Bronze-
draht, eine anscheinend durch Feuer deformirte blaue Glasperle mit durch-
gehendem Bronzedraht; mit der Perle ist ein Stück Eisen durch Rost und
Schlacke verbunden, ferner mehrere Bruchstücke von Eisenringen mit daran be-
findlichen Resten von Glasperlen. Letztere sind anscheinend durch die Ein-
wirkung des Feuers zerstört.
Hinsichtlich der aufgefundenen Eisenringe ist Folgendes bemerkenswerth:
Das Drahtstück, aus welchem die Ringe hergestellt sind, scheint ohne geeignete
Werkzeuge roh abgebrochen zu sein. Es ist dann ebenso roh in Ringform derart
zusammen gebogen, dass die beiden Enden etwas übereinander greifen. Es liegt
hiernach die Annahme nahe, dass die Ringe im Handelswege nicht als solche,
sondern als nicht verarbeiteter Eisendraht in jene Gegend gekommen und erst an
Ort und Stelle mit ungeeigneten Werkzeugen weiter verarbeitet worden sind.
Die Hersteller des Drahtes selbst waren sicher auch im Besitz von Werkzeugen,
um einen besseren Schluss der Ringe zu fertigen. Wahrscheinlich waren diese
Ringe nicht in erster Linie Schmuckgegenstände, sondern Tauschmittel, vertraten
also die Stelle von Geldmüozeo. —
Erklärung der Tafel X.
Fip. 4, 8 und 9 aus dem ersten, Fig. 3 aus dem zweiten Grabe. Fipj. 5 aus dem fünften,
Fig. 1, 2, 7, 10 u. 11 aus dem sechsten, Fig. 5 aus dem siebenten Grabe der zweiten Reihe.
Fig. 1 Mutzenurue mit Zickzack- und Perllinien, sowie mit Tannenzweig-Ornamenten,
(561)
23cm^bocb, 82 cn» im grössten Qaerdarchmesser. Fig. 2 Knochenume mit Tapfan, 27 cm
hoch, Bodendurchmesser 12, Bauchdurchmesser 28 cm. Fig. 3 Schwarzer Henkelkrag, 20 cm
hoch, an der Mundang 10, am Bauche 15 cm weit. Fig. 4 Schale mit Oehr, 5,6 cm hoch,
an der Mündung 16 cm, am Boden 4,5 cm im Querdurchmesser. Fig. 5 Mätzendeckel mit
Punktreiben in Seiten- und Unteransicht, 5,5 cm hoch, 13 cm im Qnerdurchmesser, die Oeff-
•nung im Boden 7,2 cm weit. Fig. 6 Ossuarium mit 2 Oehren, ohne Verzierung, 27 cm hoch,
an der Mündung 16, am Bauche 27 cm weit, Durchmesser des Bodens 12 cm. Fig. 7 Zer-
brochene Urne mit gekreuzten Einritzungen am Untorbauche, jetzt noch 13 cm hoch, 28 cm
weit, Bodendurchmesser 12 cm. Fig. 8 Henkeltöpfchen, 6,5 cm hoch, an der Mündung 6, am
Bauche 7 cm weit, Boden dnrchmesser 4 cm^ Auslage des Henkels 3,8 cm, Fig. 9 Bruchstücke
einer Ohren- (Gesichts?) Urne, Weite der Mündung 16,5, des Bauches 32 cm, Fig. 10 Henkel-
topf, 8,2 ctn hoch, am Bauche (in einer Höhe Yon 2,9 cm) 8 cm weit, Durchmesser des Bodens
4,2 cm, Fig. 11 Eiserne Pincette mit Bronzeschieber, 9,5 cm lang, am vorderen Ende
1,4 cm breit.
Hr. Virchow: Ich habe zunächst die sehr angenehme Pflicht, Hro. Zieske^
der mit so grosser Sorgfalt diese Ausgrabungen geleitet und beschrieben hat, den
Dank der Gesellschaft auszusprechen. Seitdem ich in der Sitzung vom 12. März
1870 (Zeitscbr. f. Ethnologie Bd. 11 S. 73) zuerst wieder die Aufmerksamkeit auf
die pomerellischen Gesichtsurnen lenkte, hat sich eine stattliche Literatur über
diesen Gegenstand entwickelt Trotzdem fehlt es noch immer recht sehr an ein-
gehenden Fund berichten, welche auch die sonstigen Thongeffisse und Beigaben voll-
ständiger behandeln, und es ist daher höchst erfreulich, dass diesmal ein so aus-
giebiges und mannichfaltiges Gräberfeld genügend beschrieben ist.
Dass es sich hier um eine Nekropole aus der Zeit der Gesichtsurnen handelt,
kann nicht zweifelhaft sein. Der Fundort Kischau liegt in Pomerellen und zwar im
südlichen Theile des Kreises Bereut, nicht allzuweit von Eamerau, wo schon im Jahre
1853 eine Gesichtsurne zu Tage gefordert wurde. Die beiden Bruchstücke mit
dreimal durchbohrten Ohren (Taf. X Fig. 9), welche leider allein von einer
grösseren Urne erhalten wurden, gleichen vollständig den Ohren gut erhaltener
Gesichtsurnen, bei denen manchmal noch Bronzeringe oder Kettchen, zum Theil
mit blauen Glasperlen, in den Löchern der Ohrringe hängend angetroffen wurden.
In diesem Falle waren freilich alle 6 Löcher leer, aber unter den Trümmern der
gebrannten Knochen im Innern der Urne wurden die Reste eines kleinen platten
Armreifes aus Bronze und eine durch den Brand veränderte blaue Perle mit
durchgehendem Bronzedraht aufgelesen. Hier kann in Bezug auf die Ceberein-
stimmung kein Zweifel bestehen, wenn auch sonst von Gesichtstheilen nichts er-
halten ist. Denn die Striche und Flecke, welche sich an den beiden Scherben
zeigen, haben damit nichts zu thun; es sind eben nur ausgesprungene oder sonst
angefressene Stellen.
Noch in einer anderen Urne (aus dem siebenten und letzten Grabe) sind
blaue Glasperlen, darunter eine mit durchgehendem Bronzedraht, vorhanden,
welche neben Bronze- und Eisendraht aufgefunden wurde. Die Urne selbst ist
leider nicht erhalten worden, wohl aber ein recht charakteristischer Deckel (Taf. X
Fig. 5). Letzterer ist roh, dick und schwer, von der bekannten Mützenform,
innen hohl, mit sehr breit ausgelegter, flacher Basis und von gedrückt konischer
Grestalt Seine Oberfläche ist mit radiär herablaufenden Punktreihen bedeckt. Der
sonst häufig vorkommende Yorsprung (Falz) an der Basis, welcher zum Einsetzen
des Deckels in die Gefässmündung diente, ist wenig aasgebildet und ganz niedrig.
Glücklicherweise ist ein anderes Gefass mit Mützendeckel (Taf. X Fig. 1)
vollständig erhalten. Es ist dasjenige, in welchem sich ausser calcinirten Knochen
ein Bronzehaken und die sehr gut conservirte eiserne Pincette mit Bronze-
Verhandl. der B«rl. Anthropol. OtMUaehaft 18S3. 86
C562)
sohittber (Taf. X Fig. 11) vorfand. Der Deckel hat dieselbe Form, wie der Torige,
Dur da88 die Basis ganz platt, ohne jeden Vorsprang ist. Dagegen ist nicht blos
der Deokel, sondern auch die Urne selbst sehr reich verziert mit Zickzacklioien,
Punktreihen und hängenden „Tannenzweigen^ (wohl nicht Pfeilen, wie Hr. Zieske
interpretirt). Aehuliche Tannenzweige zeigt der Mutzendeckel einer Gc^ichtsume
von Stangenwalde und der Bauch einer anderen von Hoch-Redlau (6. Berendt,
Die pommerellischen Gesichtsurnen. Königsberg 1872. Taf. II Fig. 9 und Taf. III
Fig. 18), ferner der Hals einer solchen von Neukau (Berendt, Nachtrag. Königs-
berg 1878. Taf. II Nr. 49). Henkel oder Oehsen sind an der betrefifeoden Urne
von Kischau nicht vorhanden.
Von besonderem Interesse ist es, dass ausser den Mützendeckeln noch eine
grossere Schale (Taf. X Fig. 4) vorhanden ist, wie sie sich bei Grabern unserer
Gegend so oft als Deckschale ausweist Nach der Angabe des Hrn. Zieske stand
jedoch diese Schale als Beigabe neben den Urnen, und in ihr stand wiederum jenes
merkwürdige TÖpfchen mit ganz grossem, fast horizontal abstehendem
Henkel (Taf. X Fig. 8), dessen Technik eine fast archaische Beschaffenheit dar-
bietet. Die Schale selbst, oder vielleicht besser die Schüssel, ist weit nnd tief,
aussen gans glatt und mit einer ganz engen Oehse am Rande versehen.
Unter den übrigen Gefassen erscheint mir am meisten erw&hnenswerth die
kleine Henkelvase (Taf. X Fig. 3) aus dem zweiten Grabe, auf welche schon Hr.
Zieske bes<Niders aufmerksam gemacht hat Sie zeichnet sich nicht blos durch
ihre schlanke Form und den hohen, aber weiten Hals aus, die sich ganz almlicfa
bei vielen Gesichtsumen wiederfinden, sondern namentlich durch ihre tiefschwarse
und gÜniende Farbe. Denkt man sich den grossen, leider abgebrochenen Henkel
kiniu^ so ergiebl sich die Form eines recht gefalligen Kruges.
Zwei grosse Ge£use (Taf. X Fig. 3 n. 6) nahen sich schon mehr den Formen
der Ossuarien aus den posenschen GriberMdenu wahrend Fig. 10 durch Gestalt
und GrJ!«»e des Henkels abweicht Die Strichvenierung am Untertheil der Urne
Fig« 7 erinnert an die^ in der Sitzung vom 21. Juli, Terfa. S. 373 Fig. 1, beschrie-
bene Urne vv>n Tangermünde.
Die Metallbeigaben sind im Ganzen spärlich und noch mehr innlich. Ton
Bronze sind ausser alleriei Drahtstucken und Drahtringen nur ^n Paar verbogene
und durch den Hraad vefinderte Bledistucke^ sowie Reste eines stark gebrannten
platten Armreif» aus dem ersten Grabe vorhanden, — lauter wenig charakteristi-
sche Stücke. .\m meisten typisch erscheinen die auf Bronzedraht gezogenen, ziem-
lich ||:fv«»en blauen Glasperlen« welche gleichfalls den Tangermondem ähnlich
»ehen. Auch iva Eisen sind aitsser der erwähnten Pincette nur giusaeie offene
Kxtt^ mit üc^mnaader^seschobenen Enden und Resce einer Knoploadei voihaBdea.
Waffen fehle.x ^i 3« lieb. AUe ^cetaadeaen Meiaügegenstande sind entweder
Schw^Sk- v\ier v^ebrauca^^JS^^hcSk
Scho;x i9t aeise^i «fcs^ü Vortrag üSer die Gesichtsumen hatte ich der in
letitcrv^ ^m«cht«fX! Krv^ie- lutd Ei^senftisce gedacht und daniach die Stellung der
Gif<^cftt^;aTKen ch^.v^. woi$\$cc: tu: Swci-naiea cencd:. Nach alle dem» was seitdem
N^^öiat ^ewvrden -.sc wxrd ri^ut =ä"£l: az.s;eee£ ciirtVs, sie der alteren Eisen-
• i^it iU4*^vie^$ea. Mast »x:j$ cai;£ :i<iLsfrNt« iass^ es sich um Brandgrab er han-
vie»^t uavi iA$* ^wvöLxl.cÄ eiae Meinail vo:i Urses in einer Steinkiste
N^<^^^««^<: «'^r^. I\fe» 3a:;^kvni3:e3e ki^^c^srjck eiser der Sceinpiatten seiet.
vVJK^ >U^^t>f a^js;» vxeot XI U2$ 5lr jc^che Iw^-cke so vieläch verwacdten pxhea
U x•ev^^iK S^J^r4ec «vi^c $«v*ft «MOLa*:^ eiae ^«.sse Vernaaotichaft mit de«
(563)
Gräbern des lausitzer Tjpus. Nur enthalten diese gewöhnlich eine grössere Zahl
von Beigefössen, namentlich kleineren, und ihre Ausstattung mit Steinplatten ist
häufig eine sehr unvollkommene. Im Ganzen machen daher die Gesichtsurnenfelder
den £indruck eines etwas höheren Alters. Aber zu einer sicheren Entscheidung
scheinen mir auch jetzt die Thatsachen noch nicht ganz auszureichen. Nur bei-
läufig will ich darauf hinweisen, dass die Zeichnungen, welche nicht selten auf den
Gesichtsurnen eingeritzt sind, am nächsten den Felseinritz ungen in Skandinavien
stehen, wie ich denn erst in der Sitzung vom 20. Oktober, Verh. S. 447, 452 darauf
hingewiesen habe, wie ähnlich die „Mützendeckel^ der skandinavischen Thongefässe
aus der Steinzeit, zum Theil auch die der niedersächsischen ^Becher^ aus dem
Anfange der Bronzezeit, den pomerellischen und posenschen Deckeln sind. Offen-
bar sind diese Dinge nicht sämmtlich gleichaltrig, aber es scheint mir der Gedanke
nicht wohl abzuweisen zu sein, dass ein innerer Zusammenhang der Culturbewe-
gung in solchen Anzeichen erkennbar wird.
Möge daher der Vorgang des Hrn. Zieske noch viele Nachfolger finden!
Vorläufig dürfen wir es als eine günstige Fügung betrachten, dass die Gesammt-
heit dieser Funde uns erhalten bleibt Hr. Zieske hat dieselben zu meiner Ver-
fügung gestellt; ich denke sie an das Königliche Museum abzugeben.
(13) Hr. Bastian berichtet über die im Kunstgewerbe-Museum z. Z. aus-
gestellte
Sammlung des Herrn Dr. Riebeok und neue Erwerbungen des Königlichen Museums.
I. Die grossartige Sammlung, welche in nächster Nähe unseres Sitzungslokals
ihre Pracht entfaltet hat, ist Ihnen bekannt, und ebenso das Verdienst dessen, der
dem ethnologischen Studium diese werth vollsten Bereicherungen verschaffte, Hr.
Dr. E. Riebeck aus Halle.
Da der Hochsinn des Eigenthümers die Sammlung wissenschaftlicher Bear-
beitung zur Verfügung gestellt und sie ihrem grösseren Theile nach für Berlin be-
stimmt hat, wird sich im Laiife der Zeit Gelegenheit bieten für das reiche Detail,
das sie einschliesst, und der bei einer früheren Sitzung (wegen damals verzögerter
Aufstellung der Sammlung) zurückgestellte Bericht hat in der Zwischenzeit, als
vorläufig allgemeiner, seine Erledigung insofern gefunden, als in nächster Woche
bereits ein als Führer bei der Besichtigung geeigneter Catalog der Benutzung
zugänglich sein wird, verfasst von Dr. Grünwedel für das Ethnologische und
Dr. Papst für das Kunstgewerbliche.
Da die Sammlung sich vielfach auf dem zwischen beiden Instituten oft
zweifelhaften Grenzgebiete bewegt, wird sie, ausser in das ethnologische Museum,
auch in das kunstgewerbliche übergehen, abgesehen von den für eigenen Besitz re-
servirten Stücken. Die Sammlung, als Ergebniss einer Rundreise, begreift zunächst
diejenigen Gegenstände, welche aus einer solchen durchschnittlich zurückgebracht
werden, aber auch diese bereits über das gewöhnliche Maass hinaus, in Bezug auf
verständige Auswahl sowohl, als in Bezug auf Umfang des Erworbenen.
Ihren ethnologisch bedeutungsvollen Charakter erhält die Sammlung dann aber
durch eine Reihe von Special-Erforschungen, theilweis mit Einsetzung persönlich
eigener Mitarbeit, theilweis durch systematisch angelegte Aufträge von Sach-
verständigen an Ort und Stelle. Hierfür ist zunächst die, unter Besprechung mit
Dr. Schwein furth in Cairo, nach Socotra unternommene Expedition zu nennen,
deren Durchführung bereits eine nicht jedem Reisenden gegebene Ausdauer und
36*
(565)
Marine abermals ein beachtenswerther Inselfleck Oceaniens der ethnologischen An-
schauung gewonnen ist.
Als durch besondere Eigenthümlichkeit markirt, hatten bereits seit länger die
Herrn it- In sein die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, und Hessen deshalb den
durchschnittlichen Mangel ausgiebigen Materiales aus dieser Localitat bedauern, da
ausser dem für die oceanische Inselwelt eigenartig dastehenden Museum in Ham-
burg, fast kein anderes von dorther versorgt war. Bei dem wegen Excesse gegen
deutsche Handelsleute auf den Hermiten veranlassten Beschluss, für die Regelung
derselben deutsche Kriegsschiffe dorthin zu senden, fand eine seitens des König-
lichen Museums an die Kaiserliche Admiralität gerichtete Eingabe wohlgeneigte
Aufnahme, und da für Sicherung der Beutestucke die entsprechenden Anordnungen
getroffen wurden (besonders durch Hrn. Capt. z. S. Kare her, der den Stabsarzt
Dr. Kunze mit der Leitung beauftragt hatte), sind der ethnologischen Abtheilung
kostbare Schätze zugeführt worden an Schnitzereien, Geflechten u. s. w.
III. Ausnehmender Dank wird dann Hrn. Capt. z. S. Zembsch geschuldet, der
während seines Greneralconsulats in Samoa sich in freundlichster Weise, wie be-
reits früher, des ethnologischen Interesses des Königlichen Museums angenommen
und dasselbe bei seiner jetzigen Rückkehr reich versehen hat.
lY. Eine ausnehmend interessante Erwerbung bot sich ausserdem als zufällige
in diesen Tagen, indem ein auf der zeitweise unbewohnten Insel Kermandec
ausgegrabenes Thongefäss zum Kauf angeboten wurde, das bei seiner Zugehörigkeit
sn den aus Fiji bekannten Formen, bei der Benutzung der substanzielleren Canoes
dieser Insel-Gruppe durch Samoaner und Tonganer, einen Anhaltspunkt für Stationen
in den nach verschiedenen Richtungen kreuzenden Wandersagen der Maori gewähren
könnte.
V. Gleichzeitig kann ich Ihnen die Photographien einer in ihrer Art einzig
dastehenden Sammlung vorlegen, durch welche die bedeutungsvolle Cultur der
Ghibcha, auf die ich bereits mehrfach zurückzukommen Gelegenheit hatte, in um-
fangreichstem Maasse zur Vorstellung gebracht wird. In voriger Sitzung erst wurde
uns durch Dr. Reiss^ freundliche Vermittlung eine Nachbildung des in Bogota be-
findlichen Goldflosses vorgelegt, das in seiner Herkunft aus der Siecha-Lagune,
oder, wie man früher glaubte, von Guatavita, für eine aus den spanischen Chro-
nisten bekannte Sage alter Cbibcha zur Bestätigung dienen kann, und das durch
den Hochsinn des gegenwärtigen Besitzers zur schliesslichen Niederlegung im König-
lichen Museum zu Berlin bestimmt ist. Ein anderer Charakterzug jener Mytho-
logie findet sich unter den Objecten der jetzigen Sammlungen illustrirt, nämlich
die Erzählung von dem Opfer des Guesa, alle 15 Jahre zur Regelung der Ein-
schaltung (zum Zwecke einer Einwirkung auf den geordneten Gang der für frucht-
bare Ernten erforderlichen Jahreswechsel) dargebracht. Nach altem Herkommen
war eine Familie des Thals San Juan bestimmt, den Knaben zu liefern, der in
einem Tempel unter den der Gottheit selbst gezollten Ehrenbezeugungen und unter
Ausstattung mit allen Genüssen des irdischen Lebens erzogen wurde, um dann
nach dem Ablauf der 15 Jahre auf dem vom Culturheros Bochica gewanderten
Wege seinem Todesziel entgegenzugehen, mit Pfeilen am Pfahl erschossen, um der
Gottheit des Mondes die Aufträge der Menschheit zu überbringen, wie in ähn-
lichen Gesichtspunkten die Cbibcha bei ihrem Leichenfest Papageien, die sprechen
gelernt, opferten, ebenfalls mit solcher Absicht eines überirdischen Verkehrs (analog
den von Galliern, Scjthen u. s. w. in den classischen Berichten mitgetheilten Vor-
stellungen).
(566)
(14} Hr. Victor Gross sdireibt in eioem Briefe d. d. NenveTiDe, 1. Decbr., aber
*» Aller icr
Hr. Dr. Kohl spricht in seinen Bemerkungen in der Sitning vom 16. Jmi
(Verh. S. 2%^ die Meinung mos, dass aas der Broniezeit kein sieher coortatiiter
Fond eines metallenen Torques bekannt sei, und bezieht sich dabei spcciell mai
meine Funde im Piahlbaa Ton Corcelettes. Allein bis jetzt sind seboo 3 Stock
ans schweizer Stationen der Bronzezeit bekannt: eines Ton AuTemier*) (Desor, Le
bei ige da bronze PL UI Fig. 12), eines Ton Cortailiod (ProtohelTetc« PL 2¥I
Fig. 14) and endlich ein wahrer Torqaes Ton Möringen (Protoh. PL XVI Fig. 1
et 2;. Somit ist es nicht überraschend, dass die Halsringe anch in kaokasiacheii
Gräbern vorkommen, and man mnss annehmen, dass sie nicht aus romiacher Zelt
stammen, sondern mit den übrigen Fandgegenstanden derselben Localität gleidi-
altrig sind.
(15) Hr. Finsch übersendet mit einem Briefe d.d. Bremen, 10. NoTember
wmä Malereiea seines
Mein Papaabursche Tapinowane Torondohian ans Matnpi ist vor etwa 4 Wochen
mit einem directen Schiffe von Hamburg aas in seine Heimath befördert worden.
Ans seinem Nachlasse sende ich Ihnen einige Coloritproben, die Sie vielleicht
interessiren dürften, da sie ani Besten für den Farbensinn der sogenannten ,Wildeo*
sprechen. Wenn die Nea-Britannier aach überhaupt kein Wort f&r ,,Farbe'' be-
sitzen and die wenigen Farben (rotb, weiss, schwarz) nnr nach den Naturstoffen
benennen, so unterscheiden sie doch Farben sehr gut; diese Proben werden mehr
zeigen als grosse Farbentafeln. Der Junge colorirte diese Bilder ganz ohne aUe
Anleitung und Anweisung.
(16) Mittbeilnngen der HHm. Handelmann, Jentsch, Behla, v. Schulen-
burg, y. Kanitz, Friede!, Schierenberg, Virchow und F.Krause, sowie
des Fräulein Mestorf werden in dem Bericht der Januar-Sitzung zur Veröffent-
lichung gelangen.
(17) Eingegangene Schriften:
1. Burmeister, Atlas de la description phjsique de la Republiqae Argentine.
Deuxieme Section. Deuxieme ÜTraisoD. SJammiferes. Buenos- Ayres 1883.
Gesch. d. Veef.
2. Burmeister, Supplement zur Beschreibung der Bartenwale. Die Seehunde
der Argeutinischen Küsten. Gesch. d. Verf.
3. Nachrichten für Seefahrer. Jahrg. XIV Nr. 45—48.
4. Annalen der Hydrographie. Jahrg. XI Heft XI.
5. W. Grub er, BeobacbtuDgen aus der menschlicheD und vergleichenden Anatomie.
Heft 4. Berlin 1883. Gesch. d. Verf.
6. Cosmos. Vol. XIl Nr. IX.
7. Revue d'etbnographie. Vol. II Nr. 5.
8. P. Albrecht, Note sur le Pelvistemum des Edentes. Bruxelles 1883. Gesch.
d. Verf.
9. Boletim da sociedade de geographia de Lisboa. 4. serie Nr. 2, 3.
1) Desor selbst (p. 23) giebt an, dass das Stack von Colombier sei. Red.
(567)
10. Luciano Cordeiro, La question du Zaire. Lettre k M. Behaghel. Lisbonne
1883. Gesch. d. Verf.
11. Stanley 's first opinioDS. Portugal and the Slave trade. Lisbon 1883.
12. Antiqua, Unterbaltungsblatt für Freunde der AJterthumskunde. 1883 Nr. 9, 10.
13. Annual Report of tbe Board of Regents of the Smithsonian Institution for the
year 1881. Washington 1883.
14. Transactions of the Anthropological Society of Washington. Vol. I. Washington
1882.
lö. Edwin A. Barber, Mound-Pipes. Gesch. d. Verf.
16. Derselbe, Indian Music. Gesch. d. Verf.
17. Report of the proceedings of the numismatic and antiquarian society of Phila-
delphia for the year 1881. Philadelphia 1882.
18. A. Treichel, Volksthümliches aus der Pflanzenwelt, besonders für West-
preussen. IV. Gesch. d. Verf.
19. Derselbe, Die Kräuterweihe in Westpreussen. Gesch. d. Verf.
20. Derselbe, Botanische Notizen. V. Gesch. d. Verf.
21. Derselbe, Zoologische Notizen. III. Gesch. d. Verf.
22. Fr. Hernsheim, Södsee- Erinnerungen (1875—1880). Mit Vorwort von Dr.
0. Finsch. Berlin 1883. Gesch. d. Verf.
Chronologisches Inhaltsverzeichniss
der
Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthro-
pologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Mitglieder- Verzeichniss S. 3.
Sitzung am 20. Januar 1883. Wahl des Ausschusses für 1883, S. 11. — Neue Mit-
glieder S. 11. — Altertbümliches Haus im Pflertsohthal (Tirol). (Hierzu
Tafel H). A. B. Meyer, S. 11. — Beriebt zur Altertbunpskunde Schleswig-
Holsteins, S. 13. — Photographie der Immenstadter Fundsachen, S. 13. —
ThongefSsse und Haselnüsse im Moor. Handelmann, S. 13. — Vorgeschicht-
liches Burg- und Brück werk in Dithmarschen. (Mit 3 Holzschnitten.)
Handelmann, S. 18. — Gebrauch des Schulzenstabes in Werbelin. von Qul-
Storp, S. 33. — Die Ufer der Tollense und Lieps mit Rücksicht auf die
Lage von Rethra. (Mit 3 Kartenskizzen und l Uolzschn.) Brfiokner, S. 34.
Voss, S. 48. — Vorgeschichtliches aus dem Kreise Guben. (Mit 13 Zeich-
nungen in Holzschn.) Jentsoh, S. 48. — Pferdeschädel als Schlitten. Friedel,
S. 54. — Der Brahmoer Schlossberg und der wendische König, von Schulen-
borg, S. 55. — Topfscherben mit Rad Verzierung und prähistorische Erbsen
von Müscben, Spreewald, von Schulenburg, S. 66. — Uebereinstimmung
deutscher und kaukasischer Sagen, von Schulenburg, S. 67. — Neue Funde
in der Unterspree innerhalb Berlins. Frledel, S. 68. — Andamanesen.
Portman, Jagor, S. 69. — Photographien der Funde von Madisonviile, Ohio.
Brühl, S. 7*2. — Mikrocephalen- Familie in Cschbach, Wiesbaden. (Mit
6 Holzscho.) Fiesch, S. 72. — Westpreussische Spiele. (Mit 4 Holzschn.)
Trelchel, S. 77. — Opferheerd auf den Gehrener Bergen bei Luckau. Behia,
S. 84. VIrchow, S. 86. — Zinngeräthe aus Gräbern und Belag der üriff-
zunge eines ßronzesch wertes mit Bleiweiss. (Mit Holzschn.) Olshausen,
S. 86. — Photographie eines Akka-Mädchens. VIrchow, S. 111. — Silber-
berg bei Wollin als Statte der Jomsburg. (Mit 2 Holzschn.) Frledel, S. 111.
— Michendorfer Fund. Frledel, S. 115. — Vorgeschichtliche Gefässstrichler.
(Mit 4 Holzschnitten.) Frledel, S. 115. — Depot-Fund mit Bronze und
Eisen von Carlsstein, Kr. Königsberg, Neumark. Frledel, S. 117. — Kleine
Schnecken aus einem alten Menschenschädel, v. Martens, S. 117. — Nephrit
und Jadeit Arzninl, S. 118. — Krao, haariges Mädchen von Laos. Bartels,
S. 118. — Die Lage von Askiburgion. L. Schneider, S. 118. — Die böhmi-
schen Funde in Undset's Buch. (Mit 5 Holzschnitten.) L. Schneider, S. 119.
— Bronzegefäss von Unia, Kreis Wreschen. Graf WenslerskI - Kwlleoki,
S. 126. — Prähistorische Funde von Kl. Ladebow bei Greifswald. (Mit
11 Holzschnitten.) Freiherr v. Ramberg, S. 127. — Goldfund von Vetters-
felde bei Guben. Bastian, S. 129. — Anthropologische Arbeiten in Kau-
kasien. Radde, S. 141. — Eingegangene Schriften. S. 142.
Ausserord. Sitzung am 10. Februar 1883. Neue Mitglieder. S. 143. — Nordafrikanische
Rassenköpfe. Martins, S. 143. — Antiqua. Messlkommer, S. 143. — Schmelzerei-
waaren von San Francisco dl Bologna. ZannonI, S. 143. — Patagonier von
Punta-Arenas. Drelsing, S. 143. — Symbolische Kröten und Verwandtes.
Frledel, S. 145. — Leichenbrand bei Slaven und Thongeföss von Loitz.
(Mit 2 Holzschnitten.) Freiherr v. Bönigk, Kflhne, S. 148. — Gräberfunde
VerhandL der Berl. Anthropol. Gesellschaft 1883. 87
(570)
bei Tangermunde. (Mit 2 HoIzschnitteD.) Hollm■i^ S. 150, VirelMW, S. 153.
— Geschichte der Liukio-InselQ oach japaDischen BericbteD. Hiller-Baeok,
S. 156. — Broozegefäss yod Unia. (Mit 2 Holzschnittes.) KIHiler, S. 164. —
Gräberfunde von Dluzyn, Trzebidza, Kamelin (Kr. Kosten). (Hit 2 Holz-
schnitten.) Freiherr v. Hardenberg, 8. 166. — Graberfelder bei Broaiberg,
Nakel u. s. w. S. 166. — Behaartes Laoskind. Sauer, Bartels, S. 166. —
Photographien aus dem Museo civio in Bologna. Bartels, S. 166. — Weihe
der JungÜDge bei Eintritt der Pobertat. Bastian, S. 166. — EiDgegangene
Schriften S. 167.
Sitzung am 17. Februar 1883. Neue Mitglieder. S. 169. — Graberfeld von Kobao.
Virchow, S. 169. — Ethnologie der Haidah. Bastian, S. 169. — Nachbildung
des Goldschmucks von Hiddenso und einer Silberfibula von Swinemünde.
Teige, S. 169. — Photographien oceanischer Rassen. Flaseli, S. 169. —
Photographien von Bäuerinnen aus der Gegend von Tübingen und Gebrauch
der Kunkel. Voss, S. 169. — Bronzereste und Thonscherben von den
Keller bergen bei Gardelegen. Parislus, Virchow, S. 170. — Kurgan bei
Stawropol. (Mit Tafel III und 6 Holzschnitten.) v. Ereksrt, S. 170. —
Kostüm einer Kabardinerin und einer Ossetin, v. Erekert, S. 177. —
Türkische und arabisohe Handschrift, v. Erckert, Wetzstein, S. 179. —
Ainos von. der Insel Yezo. Brauns, S. 179. — Portriltcharaktere der alt-
ägyptischen Denkmäler. Frltsch, S. 183, Band, v. KorlT, S. 189. — Australier.
Gasten, Vlrcliow, S. 190. — Eingegangene Schriften. S. 193.
Sitzung am 17. März 1883. Correspondirende und neue Mit^ieder. 8. 195. — ^
Neue Erwerbungen des Königlichen Museums. (Mit 2 Holzschnitten.)
Bastian, S. 195. — Altitalische ßronzewagen. (Mit Holzschnitt.) Undset,
S. 197, Vlreliow, S. 201. — Gräberuntersuchungen in Hessen. Pinder, S. 202.
— Transkaukasische Altertbümer. Bayern, S. 203. — Dorfer der Tlingit-
Indianer. Arthur ICraose, S. 205. — Bronzereif ans dem Mleczka-Fluss,
Ostgalizien. (Mit Holzschnitt.) LepkowskI, S. 208. — Kirchenmarken in
Sachsen. (Mit Holzschnitt.) WIechei, S. 209. — Eiserne Beile in einem
Mahagonistamm. M. Kuhn, 8. 211. — Nephrit. Arznini, Vlreliow, S. 211. —
Vorrömische, römische und fränkische Culturüberreste in der Rheinprovinz.
Konen, S. 212. — Eingegangene Schriften. S. 231.
Sitzung am 21. April 1883. Neue Mitglieder. S. 215. — Internationaler Congress
der Amerikanisten in Kopenhagen. S. 215. — Steinbildwerke von Copan
und Quirigua. Meye, A. Schmidt, S. 215. — Neue Erwerbungen des König-
lichen Museums. Bastian, S. 215. — Prähistorische Funde von Brünhausen,
Kr. Neustadt, Westpr. (Mit 3 Holzschnitten.) Treichel, S. 217; Voss,
S. 220. — Ornenfeld von Jüritz, Lausitz. (Mit Kartenskizze.) Kmg, S. 220;
Voss, S. 224. — Gypsabguss des Neanderthalschädels. Ellonbergor, S. 224.
— Bevölkerungsverhältnisse der Tschuktschen-Halbinsel. Aurel Kranse,
S. 224. — WehrhaftmachuDg. Koliscber, S. 227. — Photographien von
Labrador-Eskimos. Kuhn, S. 227. — Fussstapfen des Buddha. Grinwedol,
S. 227; Bastian, S. 231; Voss, S. 232. — Bronzeabguss einer Krone von
Lebe, Hannover. Moller Voss, S. 232. — Sämereien und Früchte aus der
Pfahlbaustation Robenhausen. Heior. Messikommer, S. 233. — Eingegangene
Schriften. S. 236.
Sitzung am 19. Mai 1883. Mitglieder. S. 239. — Finanzielles. S. 239. — Ge-
lehrte Versammlungen. S. 239. — Numismatic and antiquarian Society,
Philadelphia. S. 239. — Hauklotz aus dem Braunkohlenflötz von Arntitz.
Haoohecorne, S. 239; Höpfner, S. 240; Virchow, S. 242. — Altchinesische
Erzählung von Metallschmelzern am Altai. Schott S. 242. — Kirchen-
marken in Italien, der Lausitz und Pommern. Wiechel, Virohow, v. Schalen-
bürg, S. 243. — Bronzefucd von Straupitz. Weineck, S. 244 — Todten-
urnen auf dem Schlossberg von Burg a. d. Spree, v. Sohulenburg, S. 246.
— Territoriale Verbreitung der deutschen Zwölftengottheiten. (Mit Karten-
skizze.) V. Sohulenburg, S. 246. — Kornmutter and Sator-Spruch. v. Schulen-
(571)
bürg, S. 347, — Prabistoriäche SaubohDea tod Mttecheo, Spreewald* Wltt-
mack, S. 248. — ürDeDf<?ld von Dergischow bei Zossen. A 8. Meyer,
8. 249. — Griiberfekl bei Ragow uod benachbarte PlaUe in der Nieder-
laasitx. Siehe, S. 250; Vlrehow, S. 25L — Scherbeu vod dtuii Burgwall
Woldsteia im Fichtplgtdiirgi\ (Jlit 4 Holzficbnitti'n.) Zapf» VirchOW, S. 252.
— Gespaltener Sciiädej von Oeleli üod Nadel buchse vöü La 1 eue, 4Schwciz.
(Mit 2 Holzschnitteiu) V. Gross, 8, 2r>3; Vlrchaw, S. 254. — Kaukasische
Gräberfelder und soustigc etbüographi.sche Notixcn. F. Bayern, S. 256. —
Korpermessuogep russischer VriJkfT. v, Erckert, S. 264. — Photogrnplne
eines deformirten iSchädels aus einer Hnhle vod Süd-Mindaoao. Sohaden
berg, S. 265. — B*;richt über eine Reipe itj Kleinasieß und Syrieo. F, v. Lusotian,
S. 266. — Lhola*Elgut. Elsner v. Gronow, S. 26(i. — Hiigelgräber bei Lorscb
und prähistorische Wohnstälten bei Holzhauses, Homburg v, d. Hohe. Koller,
S. 267. — Zuseßdungen von den Nikobaren. v. RoepstorfF, S. 26H. — Funde
auf der Insel bei Jankowo. Pahlke, Schwarz, S. 261*, — Laugwitzer Fund.
Senf, S. 269; Vom» 8. 272. — PlAhlbniiteu bei Schussenried und im Olz-
reuther See in Württemberg. Frank, Vos», S, 273. Nehrlng, S* 275 —
Pro histori sehe Fuude aus dt^r Gegend von 0 seh ers leben (Prov. Sachsen)
Nehring; S. 275; Vo&8, Virohow, Ö. 276, — Stand der prähistorischen
Forschungeo in Italien. Virchow, S, 276, — Wakusu-Knabe. Wiaemann»
S, 2S4. — Eingegangene Schrifteii. S, 284.
Sitzung am IG, Juni 1H83. Corret^ponHireiide und ordentliche Mitgtieder 8, 285.
— Aztekische Kindermaske, Ch. Bau, H. Fischer, S. 285. — Buhmischer
Burgwaii Zamka. Oaborne, 8. 2?h5. — Prähislorisches aus den Kreisen
Gubeu, Sorau, Grossen und der Name Heinchen, Jentsoh, S, 2S6. — Ftinde
aus dem Kreise Lübben. (Mit Holzachnitt.) Weineok, S. 288, — Volks-
spiele. Haadelmann, S. 292. — Thongefäsise von iiorgstetterfebJe, Holstein.
(Mit 6 Holzschnitten») Handelmann, S. 294. — Funde in Rheinhessen.
Kbhl^ 8. 296; VIrchcw, 8. 29H, - Tumnii in Bulgarien. Eimer, VIrchow, S, 299.
— Hnbhide mit ßronzegeräth von Koppenow, Pommern. Neitzkej 8, 300. —
Thongefässe von Radewege bei Brandenbyrg a. H. (Mit 2 Holzi^chnitten.)
Stimmlng, S. 300. — Sammlungen von Adamaua und SüdcentniUfrika, vom
AmazonaSj der Osterinsel und den Agomes. Bastian, S. 301. ^ Zur Kennt-
niss Hawaii's. Bastian^ S. 302. — Photographien von .Alafika-Indianern.
Aurd Krauae, S. 303. — Ausgrabungen bei Samthawro. Kaukasus. Bayern,
S, 303. — ßrouzegussforin von Kobaii, Kaukasus. (Mit 2 Holzschnitten.)
Dolbeschew, 8. 305; Vlrchow. S. 306. — Amerikanischer Zvirerg. VIrchow,
S. 306. ^ Kasse von La Tene. (Mit Hokscbnitt.) Vlrchow, 8. 3li6. —
Protohelveticr von V. Gross. Vlrchow^ S. 317. — Italische i^rähistorie. (Mit
3 Holzschnitten.) Vlrchow, S. 317. — Eingegangene Schriften. S. 327.
Sitzung ain 21. Juli 1883. Nene Mitglieder. S. 329, — Abreise des Hrn, Joesl.
S. 320. — Amerikanisten-GongreBs in Kopenhagen. S. 330. — Kaukasisch©
und finnische Skelette. Stieda, S. 330. — Reisen im Kaukasus, v. Erckert^
S 330* — Fibula aus der Tschetsobna und Schädel von Koban, Kaukasus.
(Mit 2 Hokschuiiten.) Vlrchow« 8. 331. — Der d watsche Hanä. E. Lemcke,
S. 340. — Ethnographieches von den Nicobaren, v, Rijpstorff, S. 342. —
Wes tau strali sehe Schädel. Baron Müller, S. 342. — Alte Ansiedelungen
bei Scblagsdorf (Guben), La Tene- Funde, Flurnamen. (Mit Kartenaktzze.)
Jentsch, S. 343. -- Sculpturen .von Chettira ans Nazaret. Sepp, S. 346. —
Syiuboliscbe Kröten und Ecbiniten Hände Im ann, 8. 346. — Frosch und
Kröteuaherglaube in Ostpreussen. E. Lentcke, 8. 34G. — Schulzenstab und
nordischer Budstock. (Mit Holzschnitt.) Trefchel, S. 347. — Satorformel
(Mit Holzschnitt.) Trelohel, S. 354. — Ring wäll© dea Altkönigs im Taunus.
Xofler, S. 355. — ladianersprachen von West-Oregon. Everette, S. 356. —
Schottische Medaillen. Cochr an- Patrick, S, 356, — Klassifikation der Rassen,
Keane, S. 356. — Böhmische Funde. Schneider, S. 356. — Menschliche und
thierische Reste vom Spand«uer Hroozefund. Nehring, S. 357. — Methoden
zur Erhaltung von Gold- und Holzsachen. E, Krause, S. 360. — Trapezförmige
(rhomboideale) Feuersteinscheiben. (2 Hulzschuitte*) E, Krause, Vlrchow,
(572)
Friedet, S. 361. — Altertbümer aus Colorado, Ost- ood West-Mexioo. (Taf. VI.)
BrOhl, Virchow, S. 364. — Excorsioneo nach TaDgerm&Dde. (4 Holzsohnitte.)
Virchow, S. 369. — Igorrotes yod Luzod. Hans Meyer, S. 377. — Schfidel
der Igorroten. Vlrohow, S. 391. — Expeditionen von Cliamay and Passavaat.
Bastian, S. 401. — Höhlenfunde von Mentone. (1 1 Holzschnitte.) J. C. Schaltza,
Virebow, S. 401. — Eingegangene Schriften. S. 406.
Sitzung am 20. Oktober 1883. Lischf, G. Gärtnerf. Neue Mitglieder. S. 409.
— Jubiläum von Pott, S. 410. — Jubiläum von du Bote-ReyMmMl, S. 411.
— Internationaler Congress für prähistorische Anthropologie und Ar-
chäologie. S. 412. — Weitere Indiauersprachen von West -Oregon.
Everette, S. 412. — Ramsnase. AaiMe, S. 412. — Slavische Kluse-
namen. L. Schneider, S. 412, Briiekner, Virehow, S. 413. — Fabel der
JBali. BeyflMS, S. 413. — Bronzewagen Ton Gortona (2 fiolzschnitto).
M. Bartels, S. 416. — Thongeräth aus dem Pfahlbau im Barmsee (Ober-
Bayern). Th. Uehe, S. 419. ~ Vermuthlicher Kiehnspahnieuchter von einer
Insel im GarwiU-See (Mecklenburg). (Holzschnitt) Oestea, S. 419. —
Tauschirte Streitaxt von Guben (Holzschn.), umwalltes Dmenfeld im Kreise
Seh Wiebus, Kirchenmarken. Jentseli, S. 421, Virchow, S. 422, Vees, S. 423.
— Gräberfeld von Zilmsdorf bei Tenplitz. (6 Holzschnitte.) Siehe, S. 423.
— Thönerne Dose von Platkow. (Holzschn.) Ahreadts, 8. 426. — Rad-
ornamente. (2 Holzschn.) v. Schttleahorg, S. 427. — LeichenTerbreonung
bei den Polen, v. Schalenbare, S. 429. — Thonkrug mit 2 Boden von Grone.
W. Kraase, Virchow, £. Krause, S. 429. — Ausgrabungen im Kaukasus.
Bayern, Dolheschew, S. 430. — Gräberfunde der jüngsten neolithischeo
Zeit aus Cuja^ien, den Provinzen Posen und Sachsen (Ta£. VIl — VIII,
12. Holsschn.) Vht)how, S. 430. — VölkeryerschiebungeD in lanerafirika
und Tanganyka-See. WissaHUM, S. 453; Bastiaa, S. 460. -^ Eingegangene
Schriften. S. 460.
Sitzung am 17. Noybr. 1883. Ehren- und correspondirende Mitglieder. S. 463. —
Tan Musschenbroekf, A. B. Meyer, S. 463; Vkchow, 465. — Mensch-
liches Skelet mit Glyptodon-Resten aus der Pampa de la Plata. (Holzschn.)
Virchow, S. 465; Nehriag, S. 467. — Goldschmuck aus dem ^Tideringhoog
auf Sylt Mestorf, Otshaasen, S. 467. — Neolitbische Grabhügel too Nickels-
dorf, Kr. Zeitz. (8 Holzschn.) Bsel, S. 470. — Nephritfrage. A. B. Heyer,
8. 478; Virchow, Bastiaa (Anraei), S. 482. ~ Kyanotjpien ron Kurden.
V. Laschaa, S. 483. — Kingsmill-lndianer. Zertich, Vfa^haw, S. 483. ~
Gatalog der Gypsmasken von Ftesck. S. 484. — Busdimannschädel. UHaa
IM, S. 484. — Soko- Schädel. Rob. HartBMaa, S. 484. — Thüringischer
Steinhammer. W. Schwartz, Voss. S. 485. — Neue Funde ans der Mark.
(Holzschnitt) Bachhdz, S. 485. — Silberringe von Schlockenau, Böhmen.
(2 Holzschnitte.) Voss, S. 486. — Goldfund von Vettersfelde. Voss, Telfe.
S. 487: E. Kraase, (Holzschn.) S. 488. — Anthropologische Versammlong
in Trier. Vhrchow, S. 490. — Funde im Buchenloch bei Gerolstein. lliihilB|,
S. 497. — Amerikanisten-Congress in Kopenhagen. W. Heisa, S. 498. —
Colombianische .Alterthümer. W. Relss. S^. 502. — J^pan, das Wokwok
der Araber. Miller-Beecii, S. 502 — Abreise von Wissmann. Basttaa,
S. 506. — Eingegangene Schriften. S. 507.
Ausserordentliche Sitzung am 2t. No^br. 1S83. Ermordung des Hm. de
S. 509. — Ethnologische Sammlung von Riehedu S. 510. — Krao. S. 511.
— Negerkoabe ron Ukusso. Virchow. S. 511. — Erhabene Ornamente
auf Topfboden Ton Waldstein, Fichtelgebirge. (3 Holzschn.) Zi^, S- 513.
— Käsenäpfe. Kunkeln und KieMtzberge. Haadtaaaa. Vhrchow/ S. 514.
— Thonrad ron Wollishoft>n, Züricher See. (Holzschn.) Forrer. Voaa,
S. 515. — Hohle im Ith bei Holzen. Harz (7 Holzschn.^ ¥infiBi S. 516.
Virchow, S. 5^\ — Bronzespeerspitze ron Torcello Taf. IX). Uiiiit, S. 52i^;
Heaahil, S. bti: Vhrchow. Voss, S. 5:^3. — Holzbau und Steinklopfen in
Thüringen. W Sehwartz. S. 524. — Russische Ostereier. BarMs« S. 524.
— Reise nach der Nordwedcüste Ton Amerika. Jacohooa, S. 525. — Ver*
(573)
mutblich wendische Funde bei Tangermfinde. Hartwioh, S. 532. — Hnneo
betten der Altmark. Hartwioh, S. 533. — Bedeutung des Sator-Spruches.
Fritaoh, S. 535; v. Sohulenburg, S. 537. — Verschiedenheit des Sprach-
cbaracters und deren natürliche Ursache. H. Oppert S. 537. — Eingegangene
Schriften. S. 537.
Sitzung am 15. Decbr. 1883. Verwaltungsbericht für das Jahr 1883. S. 539. —
Kassenbericht S. 545. — Statutenänderung S. 545. — Wahl des Vorstandes
für 1884. S. 545. — Mitglieder S. 545. — Russischer archäologischer Ck)n-
gress in Odessa, S. 545. — Runenlanze yon Torcello. Undset, S. 546. —
Kupferner Ohrring aus der ältesten Stadt yon Hissarlik. (2 Holzschnitte.)
Virohow, S. 551. — Steingeräthe aus der Gegend von Frankfurt a./M.,
namentlich Jadeit von Vilbel. Noil, S. 554. — Alterthumsgesellschaft in
Graudenz und Brandpletter bei Rondsen. Anger, S. 554. — Gräberfeld bei
Kazmicrz, Posen, namentlich Fibula mit Glasfluss. (Holzschn.) v. Harden-
berg, Virohow, Undset, S. 556. — Steinkistengrfiber mit Gesichts- und Mützen-
urnen bei Scbloss Kischau, Kr. Berent. (Taf. X und Holzschnitt.) Zieake,
S. 556; Virohow, S. 561. — Sammlung des Dr. Riebeck und neue Er-
werbungen des Konigl. Museums. Bastian, S. 563. — Alter der Torques-
Ringe. V. Gross, S. 566. — Zeichnungen und Malereien eines jungen Neu-
britanniers. Finach, S. 566. — Eingegangene Schriften S. 566.
Autoren-Register.
Abrendts 426.
Andref 412.
Anger &54.
Amunl 118, 211, 482.
Baod 189.
Barifls, M. 118, 166, 416, 524.
Bastian 129, 166, 169, 195, 215, 231, 301, 302,
401, 460, 482, 506, 563.
Rasern 203, 256, 303, 430.
Bfbla 84.
Berger 486.
Bejfuss 413.
?. Bönigk 148.
Brauns 179.
Brückner (Strelitz) 34.
Brflekner, R. (Berlin) 413.
Brühl 72, 364.
Uucbholi 485
€astau 190
Ibarnaj 401.
Cochran-Patrlck 356.
Dalkescbew 305, 331, 430.
Ilreislng 143.
Eimer 299.
Elsel, R. 470.
Cllenkerger 224.
Eisner ?. Gronow 266.
▼. Erckert 170, 177, 179, 264, 330, 430.
Eferette 356, 412.
Feblan 555.
f. Fellenberg 307.
Flnscli 169, 484, 566.
Fischer, U. 285.
Flesck 72.
Forrer jun. 515.
Frank 272.
Frledel, E. 54, 68, 111, 115, 117, 145, 361.
FrlUch, G. 183, 535, 537.
Gross, Vict. 253, 317, 566.
Grünwedel 227.
Günther, G. 511.
Handeluiann 13, 17, 18, 292, 294, 346.
Bandtmann, 485, 514.
Hardenberg, Freih. y. 166, 555.
itrtnuuin, Rob. 484.
Hartwich 582, 533.
Hauchecorne 239.
. Henning, lt. 522, 550.
> Höpfner 240.
Hollmann 150, 247.
Jacobsen 525.
Jag«r, F. 69, 268, 525.
Jentsch 48, 286, 343, 421, 485
Joest 3-29.
Rarcher bi\b.
Keane 356.
Koebi 296.
fioebler 164.
Ronen 212.
fiofler 267, 355
fioppel 502.
Y. Korff 189.
Krause, Artb. 205.
Krause, Aurel 224, 303.
Krause, Ed. 300, 360, 361, 429, 4
Krause, W. 429.
Krug (Jessen) 220.
kühne 148.
Kuhn, M. 211, 227.
Kultscber 227.
Kunie 565.
Umke, E. 340, 346.
UpkowskI 208.
Liebe 419.
Ullenfeid 484.
Lindenscbmit 463
Y. Luschan 266, 483.
Y. MaHens 117, 403.
Martins 143.
i nesslkouimer, Sobn 143, 223.
I flestorf 467.
nejfe 215.
Mejer, A. B. 11, 463, 478.
Meyer, A. G. 249.
Meyer, Hans 216, 377.
Müller (IlanDover) 232.
Mülier-Beeck 156, 502.
Y. Müller, Baron 342.
Nebring 275, 357, 403, 467, 197.
Neltike 306.
Biali 554.
Oesten 419.
(576)
OkhaMM 86, 467.
Oppcrt 637.
Oskme285.
PiUke269.
ParUM, L. 170.
PasMfut 401.
PlBtIer 202.
PtHmao 69.
Pf« 410.
f. Qiltttrp 33
nUit 141.
f. Baabcrg 127.
lUo, G. 285.
Bei», W. 498, 602.
Riebeck 216, 510, 663.
f. Eteptttrff 268, 342.
Saoer 166.
Schadeakerg 266.
SeUleaiaBB 610, 651.
ScIiniM«, A. 216.
Scbaei^, L. 118, 119, 366, 412.
Sckatt 242.
f. ScboleBborg 66, 66, 67. 243, 246, 247, 427,
429, 637.
Sckaltie, J. G. 401.
Mwarti, W. 269, 486, 624.
Seaf 269.
Sepp 346.
Siehe 260, 423.
Stle^ 330, 544.
StiMlag 300.
StlM 215.
Teige 169, 487.
Toamr 434.
Trckhd 77, 217, 347, 354.
IJniset 197, 520, 546, 565.
TIrchew 86, 111, 153, 169, 170, 190, 197, 201,
211, 242, 243, 261, 262, 254, 276, 296,
299, ,306, 317, 331, 342, 361, 364, 369,
390, 401, 409, 410, 411, 412, 418, 422,
429, 430, 466, 482, 483, 490, 609, 511,
614, 520, 523, 539, 551, 665, 561.
?fss48, 169, 220, 224, 232,269,272,276,428,
485, 486, 487, 515, 528.
Wdaeck 244, 288.
WeMienkl-Ewileckl, Graf 126.
WeüateiB 179.
WiecM 209, 243.
WiMMiB 215, 248, 453, 484, 506, 511.
Wittnack 248, 403.
Wellenaan 516.
XanneBl 143.
Upt 252, 613.
Senback 483, 566.
ZIeake 556.
Sach-Register.
A.
Aberglauben, Frosch- und Kröten-, 146, 346.
Ackerbaa der Pfahlbauzeit in der Schweiz 239.
Achim, Aubalt, Thonbecher Ton dort 417.
Adainaua, Sammlung ans A. 301.
Adighf, Kaokaaieo, Skeletgrab das. 173.
Aegjptfo, Denkmäler, Porträt -Charaktere der-
selben 183.
Afrika, AdamauaSOl; Akkamädchcu 111; Aogyp-
tische Denkmäler 179; Buschmannscbädel
484; Passavants Reise 401; Rassenköpfe
des Nordens 143; Sokoschädel 484; Ukusso-
knabe 284, 511; Yölkerverschiebungen im
Innern 453; Wakusu s. Ukusso.
.Agouifs (Hermit-Inseln) 301, 565.
AhreDshöfl, Schleswig, Moorfunde 15.
Aloe's von der Insel Yezo 171).
Akka-Mädchen, Photographie 111.
Alaska 303, 528. i
Albana, kupfernes Rad, dort gefunden 515, Haus-
Urnen 820.
Albsbflm, Pfalz, Scherben mit weisser Incrasta-
tion 450.
Alickenderf, Provinz Sachsen, Urnen neben Ske-
letten gefunden 275.
Allendorf a. d. Werra, Hügelgräber das. 202.
Alsen, Bronzeschwert von dort 105.
Allai, Metallschmeizereien daselbst 243.
Altmark, Prov. Sachsen, Gräberfunde von Tanger-
münde 150, 370, 437; von Gardelegen 170;
Hünenbetten 533; s. auch Prov. Sachsen.
AHiauekr, Kr. Lübben, Brandenburg, Urnen 289.
Amazonas, Sammlung 301.
Amerika, Alaska 303; Amazonas 301; Argen-
tinien 465; Azteken 285; Golombien 502,
565; Colorado 364; Copan 215; Eskimos,
Labrador-E. 227; Ethnologisches Bureau
197; Honduras 211; Jacobsen*s Reise 525;
Madisonville, Ohio 72; Medellin 196; Mexico
364, 401; Nephrit 482; Oregon 356, 412;
Pampa de la Plata465; Patagonler 148; QuI
rigna 215; Tlingit-Indianer 806; Zwerg 806.
(577)
Amefikaoiftei-CoiigreM, foDfter 216, 880, 498.
Amnin, Schleswig, Hägelgrräber das. 86.
Anu sp., Reste aus dem Spandaner Pfahlbao
859.
AniiaiiMiien 69.
Aidernack, fränkische und römische Funde
213.
Anhalt 444
Anthrepslden s. Soko.
Antbrapaphagle in Raukasien (?) 304; in einer
Höhle des Harzes 517.
Araber, das Wokwok der 502.
Arthlscke Handschrift aus der Teke-Steppe 179.
Arseutinleo 216, 465.
AriMM 867, 531.
Arotits, Königreich Sachsen, Hauklotz aus dem
Braunkoblenflötz daselbst 240.
Asien, Aino*s 179; Araber 179, 502; Bali 414;
Klein-Asien 266; Laos 118, 166; Liukia-
Inseln 156; Nicobaren 268; Palästina 346 ;
Philippinen 265, 377; Syrien 266; Tschukt-
schen 224; Türken 179.
Askiharglon, seine Lage 118.
Australier, in der Anthrop. Ges. vorgestellt 190.
Aastralier-Schädel 342
Astekiscbe Eindermaske 285.
B.
Baba's, auf den Kurganen Ton Stawropol 175.
Ball, Fabel der 414.
Baidwlrken, das, der Mädchen in Kaukasien 263.
Barmsee, Oberbayem, Gefässfragmente aus einem
Pfahlbau 419.
Baudach Kr. Crossen, Brandenburg, grosse Urne
von dort 287.
Bauernhurg, in Dithmarscben 31.
Bayern, physische Anthropologie der 197.
Bayern, Burgwall bei Waldstein 252, 513; Pfahl-
bau am Barmsee 419.
Becherförmige Tbongefasse 446, 472.
Belalr-Typus 314.
Bergsbausen, Hessen, Gräberfeld 203.
Berlin, Funde ans der Unterspree 68; afrikani-
sche Pfeile in der Artillerie-Strasse 485.
Bernhnrg, Gräber 445; Schnecken in einem
Mescbenschädel gef. 117.
Bernstein in Gräbern von Amrnm 86; in Grä-
bern von Kazmierz 555.
Bemsteinperle aus Brunnengräbern in Kankasien
205.
Bestaltnngs weise der Etrusker 326, s. auch Grab,
Gräber, Leichenbrand, Skeletgräber, ßrand-
graber.
Birkbeli Kr. Schwiebus, Brandenburg, Urnen-
feld 422.
Blasderf Kr. Lübben, Brandenburg, Urne mit
Bronzeoadel 291.
Blasebalg von der ostafrikanischen Station 217.
Blei, Celt von Blei oder Zinn 104; unter Gold-
platten bei alten Schmocksaehen 469; Blei-
gegenstände 107; Scheibe (Medaille) 110.
Blelwelss an der Griffzunge eines Bronzeschwerts
86, 105.
BIkeInburg, Ringwall in Dithmarscben, Holstein
21.
Böhmen, Zinnfunde 99; Askiburgion 118; Allge-
meines zu Undset's Werk 119; Burgwall
Zamka 285; Scbluckenan, Silberringe 486.
Bodenemamente an Thongefässen 148, 252, 513.
Bologna, Schmelzereiwaaren von S. Francisco
das. 143; Museo civico das. 166.
Borgstedterfelde, Holstein, Thungefasse 294.
Bosporaniscbe Funde s. Goldfund von Vetters-
felde.
Bos taurus, Reste aus dem Pfahlbau Spandau
359.
Botenstab, altnordischer 349.
Brabmo Kr. Cottbus, Brandenburg, Schlossberg,
Wendenkönig 55.
Brandenburg, Provinz. Altzanche 289, Baudach
287, Berlin 68, 485, Binenwalde 375, Birk-
holz 422, Blasdorf 291, Brahmo 55, Burg
246, Buschow 300, Garlstein 117, Ooppen
52, Crossen 286, Dergischow 249, Deulo-
witz 286, Ellerborn 251, 288, Finkenheerd
50, Frankfurt a. d. Oder 515, Friedersdorf
291, Friedland 289, Gandow 514, Gehren
84, Grossleine 290, Gross-Wootz486, Guben,
Kreis 48, 286, Gaben, SUdt 421, 485,
Hartmannsdorf 288, Hollbrunn 291, Jam-
litz 291, Jessnitz 52, Jüritz 220, Kleioleine
290, Kleinlubholz 288, Kleinmehsow 251,
Krupau 288, Lamsfeld 291, Lenzen 485,
Lichterfelde 375, Lieberose 290, Lippehne
423, Luckau 84, Lübben 288, Michendorf
112, 115, Mittweida289,.Mochow291, Hu-
schen 66, 248, Nächstneuendorf 250, Neun-
dorf 290, Neuzauche 289, Niemitsch 48,
Platkow 426, Plesse 52, Radewege 300,
Ragow 250, 288, Reichersdorf 52, Rnckers-
dorf 291, Sandow 486, Schenkendorf 54,
Scbiedlo 54, Schlagsdorf 343, Schöneich
52, Sglietz 288, Skohlen 289, Sorau 286,
Spandau 357, Speichro 291, Starzeddel 53,
422, Steinkirchen 288, Straupitz 244, 289,
Strega 53, Tempelhof 375, Trebatsch 290,
Tröbitz 292, Vettersfelde 129, 286, 487,488,
Werbellin 33, Wirchenblatt 52, Wittmanns-
dorf 289, Wustrow 486, Zeilin 486, Zeost
289, Zilmsdorf 286, 428, Flurnamen 848.
(578)
Brtni- WMi Skdelgriber der friokischen Zeit bei
Andernach 218, s. auch Gräber and Bestat-
tungsweiae.
Braadwall too Kirn, Rhein provinz 495.
Braankfklenfliti von AmtiU 239.
Broitkerg, Provinx Posen, historischer Verein
das 166; Steinhammer 166; Gräberfelder
bei 6r. 166.
Breite. Armbänder mit Schlangenkopf 297.
Armring von Telnigstedt 29, yonKanielin
166, im Museum zn Trier 494. Arm-
schiene, spiralig, Iba in Hessen 203.
Barren von Straupitz 244. Gelte von
Straupitz 244. Depot-Fund von Garls-
stein mit Eisen 117. Fibeln aus der
Tschetschna 331, von Ladebow 128, aas
Rheinbessen 297. Figur, mit Deichsel-
wagen auf dem Rücken, Italien 318. Funde
zu Straupitz 244, 289, Koppenow 300. Ge-
fftss von Unia, Provinz Posen 127, 164.
Gärtelreste von Eilerborn 288. Guss-
form von Koban 305. Halsring 232,
297. Hämmer 166. Helm 494. Helm-
zierreste von Straupitz 244 Krone
vonStaw, Posen 127, Kronen in Hannover
282. Lanzenspitze von Straupitz 244, mit
Runen, aus Italien 520, 546. Messer 244.
Meissel 244. Nadel von Oberaula 203.
Nadeln 244, von Dluzyn 166. Ohrringe,
segelformige, mit Perle 373. Pfeilspitzen
von Straupitz 244, von Stawropol 171, von
Samthawro 205. Keif mit reicher Strich-
verzierung, aus der Mleczka, Galizien 208.
Reste von Gardelegen 170. Ringe etc.
von Bränbausen 218, 220, von Straupitz
244. RiBgverschluss 298. Röhrchen
2%. Runenspeerspitze 520, 546.
Scheibennadeln 2%. Schildreste von
Straupitz 244. Schmelzereiwaaren von
Bologna 143. Schmuck von Koppenow
300. Schnabelkannen 494. Schnallen
128, 297. Schwert 86, von Amrum 87,
in Rumohrshof auf Alsen 105, von Strau-
pitz 244, Wojciecbo wo 166. Sichel messer
244. Spiegel von Stawropol 174. Spi-
ralplatten-Fibeln 297. Spiral -Schie-
nen 297. Tischchen von Corneto 325.
Torques 298, 566. Vorrath von Ham-
mersdorf, Siebenbürgen 100. Waffen in
Brunnengräbern Kaukasiens 303. Wagen
von Cortona 416, allitalische 197, 201.
Wendelringe 494. Zierrathen von
Straupiu 244.
BrMieo im Museum zu Trier 494, in einer
Höhle im Hart 518.
Braue nni Mi, Amrum 87.
Brsnie, %9\iy Silber nni Elsen, zusammea gefun-
den 171, in Brunnengrabem Kaukasiena
304.
Breoie nni Eisen. Carlstein 117, Tangermünde
375, Zilnisdorf 423, Graudenz 554, Kaz-
mierz 555, in Steinkistengräbem mit Ge-
sichtsumen 560.
Brenieieit in Europa 197, Menschen waren do-
lichocephal 315.
Brnckwerk, vorgeschichtliches, in Dithmarschen
Holstein 18.
BrfinkaoseB , Westpreussen , vorgeschichtliche
Funde 217.
BruDDengrlber in Trant'kaukasien 205, 268, d08.
Buckenleek bei Gerolstein, Rheinprovinz 492, 497.
Bucckero 326.
Backeiarnen von Jüritz 222, von Neundorf 290,
in der Lausitz 287, 291. S. auch Urnen
und Thongef&sse.
Bttckelverslerang in der Altmark 151.
Buckwiti Kr. Fraustadt, Posen, Eiaengerithe 166.
Buddka, Fusstapfen des 227.
Budsteck, altnordischer 346.
Bulgarien, Tumuli 299.
Barg im Spreewald, Brandenburg, Todtenurneo
auf dem Schlossberg 246.
Burgwillf (s. auch Brandwall, Ringwall, Stein-
wall), in Dithmarschen 20, im Taunus 855,
Lieberose, Brandenburg 290, Nachstneneo-
dorf bei Zossen, Brandenburg 250, Schiedlo
Kr. Guben, Brandenburg 54, Waldatein,
Bayern 252, 513, Zamka, Böhmen 285,
Klaeden, Altmark 538.
Burgwerk, prähistorisches, in Dithmarschen 18.
Busckmannsch&del 484.
Busckew, Prov. Brandenburg, Siehgeniaa y. dort
300.
Bolter- und käse-Bereltang in prähistorischer Zeit
300.
C.
Callait, Neu-MexicO 367.
Caiup d'Bastedto bei Namur 464.
Canis familiaris, Reste aus dem Spandauer Pfahl-
bau 357.
Cantfs, Anlertigung bei den Tlingit- Indianern
207.
Gafra hircas, Reste aus dem Spandauer Pfahl-
hau 359.
Caristrln in der Neomark, Depotfund 117.
Caraeel in Kaukasischen Gribern gefunden 305.-
Carwiti, Meklenburg, Kiebnspahnleuchter von
dort 419.
CerUleS Neu-Mexico 367.
(579)
Cenos etpre •Ini, Reste ans dem Ptahlbaa Span-
dau 359.
Gkalchikaltl d67.
Ckamay's Expedition nach Mexico 401.
Cbettlm, Nazaretb, Sculpturen von dort 346.
CUkha 602, 565.
CUmpaDM 8. Soko.
Gkinesiscbe Eizählnng von Metallschmelzern am
Altai 242.
Gbelola, Mexico 366.
Ckristentkuin, EinführuDf^ desselben in Eaukasien
256.
Cflemblaiüscke Alterthnmer 502, 565.
Celerade, Alterthümer ans 364.
Cfiekylieii in den Höhlen von Mentone 403, ans
der Unterspree in Berlin 68, in einem alten
Menschenschädel 117.
Ctigress, internationaler, für präbist Anthrop.
und Archäoloprie 412, der Amerikanisten
215, 330, der Rassischen Archäologen 545.
CeoserTining von Holzsachen 360.
Ctpan, Steinbild werke von dort 215.
Cernete-Tarquinia 197, 324.
Certena, Bronze wagen 416.
Catchen, £r. Guben, Brandenburg, Urnenfeld 52.
Cressei, Er., Brandenburg, Prähistorisches aus
demselben 286.
Cifjafien, Gräberfunde der jüngsten neolithischen
Zeit 430.
Gnltarfiherreste in der Rheinprovinz, aus vor-
römischer, römischer und fränkischer Zeit
212.
Gjdepiscli s. Kyklopisch.
GjgooB spec., Reste, Pfahlbau Spandau 359.
D.
Däaenark, Zinn in Gräberfunden 92.
Deptt-Faod, Bronze von Straupitz 246; Bronze
mit Eisen in Carlsstein 117.
Dergiscksw, Er. Teltow, Brandenburg, Urnenfeld
249.
Deulewiii, Er. Guben, Brandenburg, Römische
Münze, Steinbeil und Bronzecelt 286.
DlthmarscIieD, Holstein 16, 18.
DlaijD, Er. Eosten, Posen, Gräberfunde 166.
Deiiuin als Grabgeföss 321.
Deppelurneo in Gräbern von Jüritz 223.
DreleekeruameDt an sicilianischen Urnen 280.
DriJlliigsgeriss im Ossuarium von Gorneto 201.
£.
Ecklnitei 346. S. auch Erdten u. Erötensteine.
Ekk bei Coblenz, Rheinprovinz, vorrömische
Funde 213.
Elckenkerg, Hessen, Hügelgräber 203.
Eicbenkagen, Posen, Schädel und Terzierte Urnen
434.
Eisen in dem Depotfunde In Carlsstein mit
Bronze zusammen 117, Beile in Mahagoni-
holz eingewachsen, Honduras 211, Axt mit
Silberplattirung, Guben 421, 485, Dolch im
Umengrab von Jüritz 223, Dolch mit Gold,
Silber und Bronze 172, Funde in Gräbern
bei Graudenz 554, in Gräbern von Eaz-
mierz 555, Geräthe, Dauer des Uebergangs
in Thoneisensteinbildungen in der Erde
117, Schmuck vom Urnenfeld bei Friedera-
dorf, Er. Lnckau 291, Schwerter in Brnn-
nengräbern Eaukasiens 306, Schwertreste
mit ßronzebeschlag, von Eichenhagen 436.
ElfD-Schaufel aus Westpreussen 217.
Ellerkera bei Lübbeo, Brandenburg, Urnenfeld
251, 288.
Ellgut-Lbota 266.
England, Zinn in Gräberfunden 92, Schnecken
an menschlichen Gebeinen 117, Medals of
Scotland 356, Thonbecher 447.
Equos cakallus, Reste aus dem Pfahlbau Span-
dau 358.
Erbsen, prähistorische, von Maschen 66, 248.
Erkaltung von Gold- und Holzsachen 361.
Esckiweh, Nassau, Mikrocepbalenfamilie dus. 72.
EslLimostämuie, Labrador 227,auf der Tschuktschen-
Halbinsel 244, in Nordwest- Amerika 528.
Este, Gräber 279.
Etrurien 197, 319, 324, 494. S. auch lUlien.
Excursion nach Taogermünde 369.
Expedltlenen Charnay*s und Passavant*s
401, Meyers 196, Riebeck^s 216, 510,
563, Wissmann's 216, 453, 506, 511.
F.
Felsengriker in Italien 281.
Feuerseieben 352.
Feuersteine, geschlagene. Höhle von Mentone 402.
Feaerstein-Schaber 128.
Feuersteinbeile, polirte, in Gräbern Cujaviens 438,
Sachsens 448, Thüringens 472.
Feuerstelnsiililter, trapezförmige 361.
Fenerstein-Pfeilspitzen von Ladebow 128, quer-
schneidige 363.
Fibula, älteste Form derselben 553, in Italien
322, kahnförmige 552, aus der Tschetschna
331, mit Schmelzkoraile, Eazmierz 555.
Ficbtelgebirge s. Waldstein
Fignren-Vrne von Borgstedterfelde 294.
Finkenbeerd, Er. Guben, Brandenburg, Urnen-
feld 50.
Finnen, Finnisches SkeUt 880.
(580)
fkApUmh^nmaä an Unien 442.
»■■tiifi, sUTiMbe 412.
ffHM, ProT. Poteo, in der N&be bei Niecponie
ein Oriberfeld 166.
Feraeft, Erwerbangen des KöniglicbeD Mafeams
Ton dort 216.
FraiVei, Friokiscbe a. a. Caltorreste in der
Rheinprorinz 212, 491, Luxemburg 494.
Praakem, Hessen, Uöfrelgr&ber 202.
FraakfnrI a. I., Steingeratbfande too dort 554.
Franlfart a. 0., kopferoe R&der 616.
Fraakreicb s. Mentone.
Frea^eabelifl, Holstein, Moorfunde 14.
FrMcrs4erf, Kr. Lnckau, Brandenburfr, Urnen-
feld mit Eisen 291.
Frfedlaaä, Kr. Lübbeo, Urneofeld mit Bronzen
289.
Frascb-Aberglaoben in Ostpreussen 346.
Freee, Anhalt, Urnen 443.
FiB^e, in Rheinbessen 2%; La Tene-F. 343;
8. a. Depotfunde a. Bronze- n. Eisenfunde.
Frficbte ans Pfablbanten 233. 8. a. Sämereien.
FuiMei bei den Persem 261.
Fosf-Sckale fon Ragow, Hrandenbarg, 251; 252.
FoisUpfeii des Buddha, 227; Ton Göttern, Hel-
den, Riesen 232; unter den Skandinavi-
sehen HUlristringar 232; auf der Oster-
Insel und io Amerika 282.
G.
ftal, ProT. Posen, Maänder-Ume 127.
ttalliien, Bronzereif aus der Mieczka, 206;
3 Bronzereifen von Sieniawa, 209:
fiandew Prov. West-Priegnitz, Brandenbürg,
Kiebitzberge 514.
fiansreitfr (Maskenbild Wodan's) 292.
QardeIfgeD, Altmark, Funde von dort 170.
fiaya (Buddha — ) in Bihär, Fusstapfen des
Buddha, 227.
Cteflssfragmeote aus den Pfahlbauten im Barm-
see, 419. 8. a. Scherben u. Topfscherben,
fieflssstricblfr 115.
Gebr«Dfr Berge bei Luckau, Brandenburg,
Opferheerd 84.
General-Tmaminlang der deutsch. Anthropol. in
Trier, 490. \
GereistelD, Höhle Buchenloch, 492, 497.
GesIchUarnen in Italien 826; von Kischau in
Westpreussen 556.
Glasperlen in Gesichtsurnen 561; in Gräbern in
Zilmsdorf 425; in Tangermünde und der ;
Mark 373. |
Glasar an Gefassen des 11. Jahrhunderts 111 ;|
an römischen Gef&sseU 491. i
«yptetoi Bette mit meoseU. Skelet, Pui|mi de
la Plata, 465.
Md-Cbloridbildung an Funden 360.
Mitmd Ton VetterafeMe 129, 286, 487, 488;
Hiddensoe 169.
Mi in Gräbern von Amrum 86; KobMi 356.
GtM-Obrgekäege in ßrunnengiibem Raakasieiis
304.
Geld-Prriei ans dem Grabbögel bd 8tawn>pol,
171.
GeM-Schmaek tou Sylt 467.
Geldfigur von Medellin, Amerika, 196.
Grabhigd s. a. Kegelgräber in der Provinz Hes-
sen 202; bei Stawropol 171; (Brinnerani^s-
bngel) in Bulgarien, 299; neolitbische, bei
Zeitz, 470.
Grab-BeigakfB aus moderner Zeit, Lausitz, 196.
GfäWr der Altmark 150, 170, 370, 437; der
Etmsker 326: tranakankasiscbe 206.
Gräketfeld von Kobao, Kankas. 169; Ragow
250; Lausitzer 250; Zilmsdorf ^3; Kax-
mierz 555; in der Gegend von Bromberg
und Nakel 166; im Kreise Koston a. Dluxin,
Trzebidza, Kamelin.
Gräkerfbade von Tangermnnde 150; der jungiten
neolithischen Zeit in Poesn und Saehaen
430, in Thüringen 470.
Graadeai, Prov. Posen, Museum, Gräberfande.
Grieckiscke Gräberfelder auf Sicilien 279.
Grene bei Göttingen, Hannover, Topf mit 2 Bo-
den 429.
Gresslelae, Kr. Lnbben, Brandenburg, Umenfeld
290.
Gross-Woeti, Kr. Westpriegnitz, Funde, 486.
Grabea mit Küchenabfällen in Rheinbessen 296.
Guben, Funde aus dem Kreise, 48, 286; von
Eisenbeil mit Silbertauscbirnng 421, 485;
Alterthumersammlung desgl. 197.
Gttssform, Koban, Kaukasus dOb.
Gussstitte für Bronzen, Straupitz, Kr. Lübben
246.
H.
Haannfnsckfn. Haariges Mädchen von Laos 118,
166, 511.
Ilingfgeflssi^ von Tbon 44G.
Haidah 526.
Ilakenkreui, an der Urne von Loitz 149; an
ähnlichen Hansurnen 324.
Hallstadt, Oesterreich, Blei unter Goldplatten
von dort 469; Bronzen von dort 297.
Halsringf, 220; bronzene, sogenannte Kronen
232; Torques in Rheinhessen 297; im
Kaukasus 298. S. Bronze.
Handsebriflen, türkische 179; arabische 179.
(581)
HainoYer s. Grone, Issendorf, Vermoor, Wieren.
Htrleskaaseii, Hessen -Nassau, Hügelgrab das.
203.
Harlmaonsdorf, Kr. Lübben, Brandenbarg, Flint-
geräthe, Urnen mit Eisen 288.
«an, Höhle im Ith 516.
Han in Urnen 260.
HaielnOsse im Moor gef. 13.
Hasseobuttfl, Holstein, Tbongefasse, 18.
laaklets aus dem Braunkoblenflöz von Arntitz
240.
laus, altert humliches in Tirol 11.
Haasurnen, etruskische, 320 s. auch Hütten urne.
Hawaii, 302.
leer, Prof. Osw. f 410.
leluehen, Verfertiger der Urnen, Lausitz 287.
lein, Bronze 494.
■eheüer, Proto-H. 317.
Hemit-Iasela 301, 565.
Hessen, Qrossb., Funde 296.
Hessen-Nassau, Provinz, Gräberuntersucbungen
von Pinder 202; s. a. Allendorf, Bergs-
bausön, Eicbenberg, Iba, Lorsch, Oberaula,
Wasenberg.
Hiddeoseer Goldfund 169.
HissarlilL s. Troja.
Hellberg-Typus 314
Höliien in Sicilien 282; in der Eifel 492.
Hdliienschädel von Süd Mindanao 265.
Helilenfunde von Mentone 401; im Ith bei Hol-
zen im Harz 516.
Holinsleben, Prov. Sachsen, verzierte Urne 275.
Hollbrunn Er. Lübben, Brandenburg, Urnen 291.
Helslflu) Haselnüsse und Tbongefasse im Moor
13; Funde von Borgstedterfelde 294; von
Freudenholm 14; Ahrenshöft 15; Hassen-
büttel 18; Hornsdorf 13; Immenstadt 13,
24; Ladegard 13; Lebe 16; Rasdorf 14;
Stüding 13; Tellingstedt 27; Vaalermoor
14; s. a. Dithmarscben.
HelibaolLunst in Thüringen 524.
Hollbau b. Lehe in Holstein 16.
Hellen im Harz, Höhle im Ith 516.
Hollfigur (Priapus) Jütland 16.
Holigegenstinde, deren Erhaltung, 360.
Hollhausen, Hombuig v. d. Höbe, Hessen, alte
Wohnstätten 267.
Holllade mit Bronzen, von Koppenow 300.
Hondaras, Eisenbeile in Mabagonistämmen ein-
gewachsen 211.
Homo sapiens, Reste aus dem Bronzezeit- Pfahlbau
Spandau 357.
Hügelgräber in der Provinz Hessen 202; bei
Lorsch, Hessen, 267; bei Lübben 251. S.
a. Kurgan und Tumuli. |
Hfinenbetten der Altmark 533; bei Nickelsdorf,
Kr. Zeitz 470.
Hfittennrne 323 S. a. Hausurnen.
Hjpsibricbjeephalie 311.
Hjpsidellekocfpkalle 336.
I. J.
Jadeit, Vorkommen dess. 118.
Jadeltgerathe in Sicilien 283.
Jadeitbell, Schweizer Pfahlbaute, 273; von Vil-
bel j^ei Frankfurt a. M. 554.
Jamllti Kr. Lübben, Brandenburg, Urnen 291.
Jankowo Posen, Funde von der Insel 269.
Japan, Berichte über die Liukiu-Inseln 156;
das Wokwok der Araber 502. S. Ainos.
Iba, Hessen, Hügelgrab mit ßronze-Armscbiene,
203.
Idole. Aus Mexiko 364.
Jerxbeiui, Braunschweig, verzierter Thonbecher
446.
Jfssnlti, Kr. Guben, Brandenburg, Urnenfeld 52.
Igorrotes, Philippinen 377; Schädel 390.
ImmensUidt, Holstein, Funde, 13, 24.
Indianer, Tlingit-, 205.
inlanthkari, Kaukasus, Gräber, 258
Inkrustation weisse an Thongeßissen 434, 444,
450.
Joest, Dr. W., Antreten einer Forschungs-Reise
329.
Jomshurg, bei Wollin vermuthet, 111.
Issendorf, Hannover, Bronzekrone 232.
Italien, Museen und andere Sammlungen 278;
prähist. Forschungen 276, 317; Bronze-
Speeispitze mit Runen, Torcellu 520, 546;
Bronzewagen 197, 416: Kirchenmarken
243, Zinnfunde 104; Terramaren 318; Ai-
bano 515. S. a. Bologna.
Juden im Daghestan 330.
Jürlti bei Sommerfeld, Brandenburg, Urnenfeld
220.
Jutland, Mooriunde 15.
K.
Kabardiner, Kaukasus, Skeletgrab 173; Kostüm
einer Kabardinerin 177.
Räsenäpfe 514.
Kalksteinfigur von Schwarzau, Westpreussen 217.
Kaiuelin, Kr. Kosten, Prov. Posen, Gräberfunde
106.
Kannibalismus. 8. Anthropophagie.
Rankasus Sagen 67; Altertbümer 203,298; Anthro-
pologische Studien 141 ; Ausgrabungen 430,
542; Fibula ausderTschetschna331 ; Bronze-
Gnssform von Koban 305; EthnologiBohe
Notizen 256; Gräber, Kurgane 171, 308;
(582)
Gr&barfeld von Koban 169; nachträgl.
Bemerkungen 256; Kostüm einer Kabardi-
nerin 177, einer Ossetin 178; Reisen des
General von Erckert SdO; Schädel von
Koban 331; Skelette 330, 544; Zinn in
Gräberfunden 94.
Eumlen, Prov. Posen, Gräberfeld, 555.
Eegelgräker 445. S. a. Hügelgräber, Tumuli.
EermaD^ec, Tbonge^s 565.
Klebitiberge 514.
Elebltikeidel bei Guben, Brandenburg, Scherben
58.
Klenspaliilewkter von Carwitz 419.
ElBgsuill-lndiaDer 483.
Ktrcheimarkeo 209, 243, 421; s. h. Näpfchen,
Rillen.
Kim bei Trier, Brandwall 495.
Eisehai in Westprenssen, Gesichtsumen 556.
Klttfflssse im Goldscbmuck von Sylt 468.
Rlawentragen, das, in Dithmarschen, 22.
Kleinaslen, v. Luschan's Reisen 266.
RleiiHLelie Kr. Lnbben, Brandenburg, Umenfeld
290.
fileia-Lobbels Kr. Lübben, Brandenburg, Urnen,
Bronzen, Gold, Eisen, 288.
RIein-Mehsow Kr. Calau, Brandenburg, Ring-
wall 251.
Knfeheih>€erätbe, aus den Höhleu von Mentone
404; aus der Hoble bei Holzen im Harz
518.
RDocIien, ornamentirte, aus einem Skeletgrab v.
Tangermünde 153.
Kaipfe, als Ornament an Urnen 441.
Rtban, Kaukasus, Gräberfeld 169; Bronzen 2%,
298; Gussform 305; Schädel 331.
EirpermessuDgeD, Russischer Völker, 264.
Kepenliagen. Amerikanisten-Gongress das 330,
498.
Eeppenow, Pommern, Bronzen in Holzlade,
300.
Rernmutter, Sage von der, 247.
Kostfiin von Bäuerinnen der Gegend von Tü-
bingen 169; einer Kabardinerin 177;
einer Ossetin 178.
Krao, haariges Mädchen von Laos 118, 166,
511.
Kringel, Schulzenstab in Ostpreassen 348.
Kriten- Aberglauben 346; Krone 146; Stein 145;
Symbolik 145.
Krone s. Bronze.
Rrugau Kr. Lübben, Brandenburg, Urnen,
Bronze, 288.
RagelKefiss 432.
Kakswall in Dithmarschen, Holstein, 20.
EoU, Schnlzenstab in Ostpreussen 348.
Eankel, ihr Gebrauch in Württemberg 149; in
der Mark und Sicilien 514.
Eopfergerithe von Hissarlik 554.
Karden 483.
Korgan, Grabhügel bei Stawropol 171. s. Grab-
hügel, Hügelgräber, Tumuli.
Kjanotyple 356; von Kurden 488.
KyUepIscher Steinbao 524.
L.
Labrador. Eskimo, Photographie 227.
Ladebow, Pommern, prähist Funde 127, 961.
Ladegard, Holstein, Moorfunde 13.
Lantifeld Kr. Lübben, Brandenburg, Urnen 291.
LanienspUie, Bronze mit Runen von Torcello
520, 546.
Laos, haariges Mädchen von, 118, 166, 511.
La Tene, Nadelbüchse von, 258; die Menschen,
rasse von, 306; Periode von, 297, 376.
Laagwlti, Schlesien, slaviscke Wohnstätte, 269.
Laasekfigel bei Derenberg, Ausgrabungen, 445.
Lausiti, Grabbeigaben 196; Urnenfeld von Jürits
220; Lausitz 243; s. a. Brandenburg und
Königreich Sachsen.
Leke, Holstein, Holzbau, 16.
LcIcbenkestattoDg auf den Liukiu-Inseln 159.
Lelckenbrind bei den Slaven 148, 427; im Kau-
kasus, Samtbawro 257.
Lelselhelm, Rheinhessen, Scheibennadeln, 2%.
LeBormant, Fr. f 540.
LenieB, Funde, 485.
Lenckter 419.
Lkota-Eilgvt 266.
Lleberose, Urnen, Burgwall, 290.
LIepssee, Lage von Rhetra an demselben 34.
Lignit aus dem Flötz von Amtits 240.
LIppebae, tanschirtes Eisenschwert von dort 423.
ysck t 410.
Llukla-Insfln, Geschichte der, 156.
Löflel von Thon, Jankowo 269; s. a. Tbon-
geräthe.
LoKs, Pommern, Urne mit Wellenornament und
Hakenkreuz 149.
Lorsch, Rheinhessen, Hügelgräber 267.
Luckau, Brandenburg, Opferheerd auf den Geh-
rener Bergen 84.
Ludgen Berge bei Speichrow Kr. Lübben, Bran-
denburg, 291.
Lubken, Brandenburg, Funde aus dem Kreise,
288; Umenfelder mit Bronzen nnd Stein-
geräthen bei der Stadt, 288.
Lnion, Philippinen 377.
(583)
M.
MadistnYllle, Ohio, Funde, 72.
Hlanderarne yon Gai, Posen, 127.
HlaDder-OrnaiufDt an altitaliscben Gefässen 281
llrehen, 340, 414.
Mariot s. Albano.
ledelllB, Goldfigur toq dort 196.
Meklenburg, Rhetra 34; Carwitz 419.
Hensclieii der Bronzezeit 315.
neDscbliche Figur, Borgwall Lieberose 290.
nenUne, Höhlenfande 401.
fleM-lnstrainfiit für Körpermasse 512.
Metallachmelifr am Altai 242.
lieber, Dr. H., Reise auf Lazon, 1%.
Mexiko, Alterthumer 364; Cbarnaya Expedition
401.
Mlcbendorf bei Potsdam, Mänzfand, 112, 115.
HUkrecepbalen-Familie in Eschbach 72.
likrenesier, in Berlin 483.
MilcbtepfroriD der Urnen 445.
HIndaoao, deformirter Uöblenscbädel von dort,
265.
Mittwelda Er. Lubben, Brandenburg, Urnen mit
Bronzen, 289.
nifCika-Fluss, Galizien, Bronzereif aus dem-
selben 208.
Hsckow Kr. Lübben, Urnen mit Bronzen, 291.
Mondschfiti Kr. Woblau, Schlesien, Thonrad 515.
Hoorfunde in Holstein und Jütland 12—14.
nfinien, Funde des 10.— 11. Jahrhunderts 112;
Mfinzfund von Michendorf 114 und 115;
römische, in Brand- und Skelet- Gräbern
am Rhein 213.
Hfiseken K. Cottbus, Brandenburg, Topfscherben
mit Rad, 66; prähistorische Saubohnen 248.
?an Hasschenbroek f 463.
Museain, Königsberg 129, 195, 215, 301, 563;
Kiel 17.
Myslenclnoek, Posen, Gräberfeld das. 166.
N.
Nadelo s. Bronze und Scbeibennadeln.
Nadflbücbse von la Tene, 253.
Nfickstneaendorf bei Zossen, Burgwall 250.
üakel, Prov. Posen, Gräberfelder 166.
Nlpfcben aod Rillen 209, 243, 422, 474.
Naiareth, Sculpturen von dort 346.
Negerknabe von Ukusso 511.
Neolitblscbe Zeit, jüngste Gräberfunde, 430, 470.
Nephrit, Vorkommen de.ss. 118, 211, 478; Beil
aus Mittelitalien 284; aus Hissarlik 483;
aus den Schweizer Pfahlbauten 274; aus
Venezuela 482, Anm.; aus Nordwest-
Amerika 530.
Neubritinnier, Zeichnungen und Malereien eines
solchen 566.
Neumark s. Brandenburg.
Neunderf Kr. Luckan, Brandenburg, Umenfclder
mit Stein, Bronze und Bisen 290.
Neuwied, vorrömische Funde von dort 213.
Neuiauebe Kr. Lübben, Brandenburg, UrnenfeU
der 289.
Nlckelsderf Kr. Zeitz, Prov. Sachsen, Ausgrabung
neolithischer Hngelgr&ber 470.
NIecpenle bei Bromberg, Posen, Gräberfeld 166.
Nlewltsebb. Guben, Brandenburg, heiliges Land 48.
NIkobaren, ethnographische Gegenstände 342;
Bericht von Röpstorff, 268.
Nilsson, Sven f 540
0.
Öberaula, Hessen, Hügelgrab mit Bronzen ^Qß,
Obsidlan, in transkaukas. Gräl)ern 203; aus Mexiko
364; natürliche Splitter im Kaukasus 262.
Oceanien, Rassen-Photographien 169; Dr. Finscb
Reisewerk 484, 544; s. Hermit, Kingamill,
Neubritannien, Osterinsel, Hawaii.
Ocbsenschlacbten, das, Fastnachtsscherz, 298.
Oefell, Schweiz, gespaltener Schädel 258.
Oesterrelcb, Zinn in Gräberfunden 92.
Ohio, Funde von dort 72.
Ohrring von Hissarlik, älteste Stadt 551, von
Kischau 560, 562, von Tangermünde 378.
Ollfen aus einer Höhle bei Mentone 403.
Olireutb, Pfahlbau das. 272.
Opferbeerd, auf den Gehrener Bergen, bei Luckau
84.
Opfergebräuche auf Skelethügelgräbern . bei Zeitz
474.
Oregon, Indianersprachen 356, 412.
Ornamentik, prähist Geisse in Italien 280.
Ornaiuente, verschiedene, an Urnen 442; drei-
eckige Stich-, Tanger munde, 374; Rad-
ornamente 66, 427; weiss ausgefüllte, 434;
erhabene, am Boden von Töpfen 513.
Ortbobracbjcepballe 308.
Ortbomesocepbalif, 334.
Oscbfrsleben) Prov. Sachsen, prähist. Funde, 275.
Osmarslfben, Anhalt, verzierter Becher, 447.
Osseten, ihre Wohnsitze in Kankasien 259;
Kostüm einer 0., 178.
Ossuarlen, etruskische, 200.
Ostereier, russische 524.
Osterinsel, ethnographische Erwerbungen 195,
301, 565.
Ostpreiissen, Märchen, 340.
Otienbausen, Rheinprovinz, Steinwall 495.
Ovis arirs, Reste ans dem Pfahlbau Spandau
359.
(584)
P.
PalaesUoB, Sculpturen yon Chetbim 946.
Ptlmiwelg-OrDament an Urnen 442.
Pampt de la Plata, Skelet mit Glyptodonresteo 466.
Passafanr» Expedition nach Afrika 401.
PatagoDter yon Panta Arena» 143.
Perlen s. Bernstein, Glas, Gold.
Perugia, Grabmal der Volomnier, 827.
Pfahlbaaten, s. La Tene ; im Barmsee, Oberbayem
419; bei Scbosaenried und im Olzreother
See in Wartemberg 272; Robenbaasen,
Schweiz. 283; Torques aus F. 566; Tbon-
rad Ton Wollishofen 515.
Pfeddersheliii, Rheinhessen, Küchenabfalle 2%.
PfeÜP, afrikanische, in Berlin gef. 485.
Pfellspltien, Feuerstein, qaerspitzige 368; von
Klein Ladebow 128.
Pfiprdesekfidel, als Schlitten benutzt 54.
Pflerteck-TbaJ, Tyrol, alterth. Haus, 11.
Philippinen, Igorrotes 877.
Phetographlen d. Immenst&dter Fundsachen 18;
d. Funde von Masonville, Ohio 72; Akka-
mädchens 111; aus dem Museo civico Bo-
logna 166; oceanischer Rassen 169; Baue-
rinnen Ton Tübingen 169; ▼. Labrador
£skimo*s 227; Sch&dels yon Mindanao 265,
Alaska Indianer 808: Samoanerinnen und
Kingsmill Insnlanern 488.
Philadelphia, numismatic and antiquarian society
289.
Plata Li, fossiles Skelet 465.
Platkew Kr. Lebus, Brandenburg, 426.
PInmpsack und Stepke 298.
Pegge's Sammlung 216.
Pelen, Leichenverbrennung bei den, 429.
Ptlynesien s. Oceanien.
Pouinem, Jomsburg 111; Silberberg b. Wollin
111; Zinnbarren 98; Kirchenmarken 248;
l.a. Ladebow, Loitz, Koppenow, Swiue-
münde, Hiddensoe.
Pesen, Prov., Gräberfunde dei jüngsten neoli-
thischen Zeit 480; s.a. Bromberg, Buck-
witz, Nakel, Myslencinnek, Thalheim, Niec-
ponie, Füufeichon, Dluzin, Kicbeohagen,
Gai, Jankowo, Kameliu, Kazmierz, Trze-
bidza, ünia, Wojciechowo.
Pertralt-Charaktere der ägyptischen Denkmäler
Prfussfii, Frosch- und Krotenaberglauben in Ost-
preussen 846, s. auch Westpreussen.
Priapasligur, von Uolz, Jütland 16.
PrilUlti, Meklenbur^, Rethra? 38
Prttthdfftler (Gross) 317.
Pahertät. Weihe der Jünglinge bei Eintritt der 166.
Pnfhlo-Rulnen, Mexico 367.
((airl|;aa, Steinbildwerke von dort 215.
R.
Rad aus Thon, von Wollishofen 515, kapfernes
von Frankfurt a. 0. 515.
Radvenleningcn an Töpfen 66, an Töpfen und
Steinen 427.
Radewege, Kr. Westhavelland, Thongefasae 800.
lUuchergefisae in Lauaitzer Gräbern 228.
Ragew bei Lübben, Brandenburg, Gräberfeld
250, 288. S. auch EUerbom.
Ramsnase 412.
Rasdorf, Holstein, Moorfnnde 14.
Rasse, Photographien von oeeanischen 169, vo|i
La Tene 806, Races of mankind 856.
Rassenkepfe, nordafrikanische 148.
Redkln- Lager, Kaukasus, Ausgrabungen 480,
542.
Relchersderf, Kr. Guben, Urnenfeld 52.
Rfibengräker von Tangermünde 151.
Retbra 84.
Rheluhessen s. Hessen, Grossherzogthum.
Rhelnprovins, Culturreste aller Perioden 212.
S. auch Andernach, Kim, Otzenbauseo,
Trier.
RIekeek's Expeditionen und Sammlungen 216,
510, 668.
Rillen 8. Näpfchen. Rundmarken.
Ringwille in Dithmarschen 20, des Altkönics
im Taunus 855. Siehe auch Burgwille,
Steinwälle.
RobfDbaasen, Sämereien und Früchte aus dnr-
ger Pfahlbaustation 283.
Rem, Funde vom Esquiiin 278.
Röinischf Culturreste in der Rheinprovinz 212.
s. auch Trier.
V. RipsterlT f 509.
Rüekersdorf, Kr. Luckau, Brandenburg, Feuer-
stein Speerspitze 291.
Rumobrshof auf Alsen, Bronzeschwert von dort
105.
RundmarkfB 209, 243, 422, 474.
Runenspeerspitie aus Italien 520, 546.
Russland, Körpermessungen russischer Völker •
264, 430. Ostereier 524. Archäologen-Con-
I gress in Odessa 545. S. Kaukasus.
Sarbsrn, Königreich. Grabbeigaben aus der
Lausitz 196, Kirchenmarken 209. Siehe
auch Arntitz.
Sachsen, Provioz. Gardelegen 170, Oscbeisleben,
Westeregeln, Alickendorf, Hohotl«ben 275,
(585)
Gräberfunde der oeolithiscben Zeit 430,
Nickelsdorf 470, Hänenbetten der Altmark
533, Tangermönde 150, 369, 437, 532.
▼. Sacken, Ed. t 1%.!
SlmerelfD, prähistoriscbe (Erbsen) Saubohnen
Ton Müscben 66, 248, 01i?en 403, S. ans
Robenbauser Pfahlbauten 233.
Sagfo vom wendischen König 55, Ueberein-
Stimmung deutscher und kaukasischer 67,
340, Yon der Kornmutter 247, der dwatsche
Hans 340, der Bali 414.
Samea, Photographien 483, 565.
Sunthawro, Kaukasien 257, 303.
Sandow, Kr. Westpriegnitz, Brandenburg, Funde
486.
Satorforinfl 247, 354, 535.
Saakohnen, prähistorische, von Müschen (66)
248.
Sckaker s. Feuerstein.
Sckfidel, von Bernburg 117, aus Tangermünde
153, von Stawropol 175, Neanderthal 224,
von Oefeli, gespalten 253, von Samthawro
258, 304, Sud-Mindanao (deformirter aus
einer Hoble) 265, La Teno 306, 308, Koban
331, 334, Westaustralien 342, jgorroten
390, Eichenhagen (hypsidolichocephal) 435,
Buschmann 484, Soko 484, Pferdeschädel
als Schlitten benutzt 54.
Schädelforio der Australier 192.
Schelbeiinadehi von Leiselheim 296.
Schenkendorf, Kr. Guben, Brandenburg, Thon-
gefäss mit 4 Füssen 54.
Seherbenproben vom Burgwall Waldstein 252,
mit erhabenen Bodenornamenten ebenda-
her 513. S. auch Thonscherben.
Schiedio a. 0., Burgwall 54.
Schlldforuieii in Kaukasien 262.
Schlacke in dem Urnenfeld in Starzeddel gef.
422.
Schlagsdorf bei Guben, alte Ansiedelungen das.
343.
SchlesieD s. Laugwitz, Mondscbütz.
Schleswig 8. Amrum, Hügelgräber 86, Alsen 105,
Sylt 467.
Schleuderstein, Kaukasien 174.
Scblltlen, Pferdeschädel als 54.
Schllltkuochen 54.
Schlossberg von Brahmo, Wendenkönig 55, bei
Burg, Vorkommen von Todtenumen 246,
Schluckenau, Böhmen, Silberringe 486.
Schnabelkannen, Rhein provinz 494.
Schmelierelwaaren (Bronze) von Bologna 143.
Schnalle, Alter der 297, von Bronze in Ladebow
128.
Schnecken in einem alten Menschenschädel 117.
Verhmodl. der B«rl. Anthropol. Getellschafl 1883.
Schnarornament an alütalischen Gefässen 281,
an kujavischen Gefässen 434, 436, an Ge-
lassen aus neolithischen Hügelgräbern bei
Zeitz 471, 476.
Schenelch, Kr. Guben, Umenfeld 52.
Schettland s. England.
Schulienstab, Gebrauch desselben 33, 346.
Schussenried, Württemberg, Pfahlbauten 272.
Schwanaa, W^estpreussen, Kalkstein%ur 207.
Schnell. Sämereien und Früchte aus Pfahl-
bauten 233, Zinn in Gräberfunden 92, Zinn
in Pfahlbautenfunden 100, Schädel 253,
Nadelbüchse 253, Rasse von La Töne 306,
Protohelvetier 317, Thonrad von Wollis-
hofen 515, Torques- Ringe 566.
Schwarstein 428.
Sculpturen der Ghettim aus Nazareth 346. S.
auch Steinbildwerke.
Schwifbus, Urnenfeld daselbst 421.
Semnonen 321, 523.
Sglletx, Kr. Lübben, Brandenburg, Burgwall,
Bronzebeil 288.
SIcillen, Präbistorie 279, Spinnen 417.
Siebenbürgen, Bronze- Vorratb-Fund 100.
Siebgefäss von Buscbow 300.
SIenlawa, Galizien, 3 Bronzereifen 209.
Sllberberg bei Wollin 111.
Silber. Armringe mit Bronze, Gold und Eisen
172, Tauschirung auf dem Eisenbeil von
Guben 421, Fibula von Swinemünde 169,
Körner 250, Münzen des 11. Jahrhunderts
112, Schmucksachen in Brunnengräbern
Kaukasiens 304, Ringe von Schluckenau
486.
Slon-Typus (Schädel) 315.
Skelft von Hohensleben, neben Urnen 275, von
La Tene 306, von Igorroten 392, aus Kau-
kasien 330, Reste von Spandau 357, aus
Cujavien (erstes vollständiges der Stein-
zeit) 430, aus der Pampa de la Plata, mit
Glyptodon-Resten 465.
Skeletgräbcr. Amrum 86, Tangermünde 151,
Kaukasien 172, Rheiiihessen (Bronzezeit)
2%, mit römischen Münzen 213, mit Urnen
437, Nickelsdorf 470.
Skuhlen, Kr. Lübben, Brandenburg,, Urnen mit
Bronzen 289.
SlaTen, Leichen brand bei den 148. Flussnamen 412.
Sokoschädel 484.
Sorao, Prähistorisches von dort 286.
Spandau, menschliche und tbieriscbe Reste aus
dem Bronze-Pfahlbau 357.
Sparren-Ornament an Thongefassen 431.
Spelchrow, Kr. Lübben, Brandenburg (Ludgen-
berge) 291.
(586)
Spiele, westpreussiscbe 77.
SplnM, Spinnen 170, 514.
SpItM lltek (Kegelgrab bei Latdorf a. 8.) 445.
Sprackckarakter 537.
Spree, Funde in der Uoterspree 68.
Spreewald 66. S. auch Brandenburg.
Staneddel, Kr. Guben, Brandenburg, Slavische
Scherben 58, Urneafeld 422.
Statuten-AenderuDg 545.
Stawrtpol, Kaukasien, Grabhügel und Funde 171.
Steinbau, kyklopischer 524.
Steinbeil s. Jadeit, Neolithische Zeit, Nephrit;
in Lausitzer Gr&bern 223, Serpentin, aus
Skeletgr&bem bei Zeitz 472.
Stetnblldwerke von Copan und Quirigua (Werk
von Schmidt und Meye) 215.
Steinierithe von Niemitscb 49, von Sicilieu 283,
von Frankfurt a.M. 554.
Stelnkammer aus Thüringen 485.
Steinkiste, Schwartau 217.
Steinkistengriber der Osseten 259, in Transkau-
kasien noch modern 204, mit Gesichts-
umen in Westpreussen 556.
Stelnklepfen für Chausseen in Thäringen 524.
Steinkircben, Kr. Lübben, Brandenburg, 2 Umen-
felder daselbst mit Bronzen 28.
Steinkrani um das Urnenfeld von Birkholz 422.
Steinwille der Gegend von Trier 495, in Bel-
gien, der Pfalz und dem Elsasa 4%.
Stellerburg, Ringwall in Dithmarschen 31.
Stepke und der Piumpsack 292.
Stlfbernament 434.
Straupiti, Kr. Lübben, Brandenburg, Bronzefund
244, 289.
StrIcUer, zum Verzieren der Urnen 115.
Stiding, Holstein, Moorfunde 13.
Sos palustris 359.
SwInenAnde, Silberfibula 169.
SjK, Goldschmuck 467.
Serien, Reisebericht Dr. v. Luschan's 266.
Tangan^ka-Sff, Afrika 453.
Tangermündf, Altmark, Gr&berfunde 150, 369,
437, 5:V2.
Tannrnii»elg-Ornamfnt an Urnen 442.
Taunus, Ringwälle im 355.
Tauscblrtfs Kiseu 421, 485.
Tellingstfdt, Holstein, 27.
Tfke-Steppe, Handschriften von dort 179.
Tene s. La Tene.
Teetlbuacan, San Juan de, in Mexico 364.
Tepes in Balgarien 299.
Terramarf in der Po-Ebene 318.
TbalhflM, Prov. Posen, Gräberfeld daselbst 166.
Tblerfignren von Thon in etruskischen Ossuarien
201.
Tbierknecben in Skeletgräbern 151, von Spandau
357, in den Höhlen von Mentone 402, in
. Skeletgräbern bei Zeitz 471, aus der Pampa
de la Plata 465, aus dem Buchenloch bei
Gerolstein 497.
Tbleruiasken bei Volksspielen 292.
Tbonelsensteln, Bildungsdauer 117.
Tbengeflss mit 2 Boden von Grone 429, do-
senförmiges von Platkow 426, mit Haael-
nüssen im Moor 13, der verschiedenen
Perioden am Rhein 212, aus Schweizer
Pfahlbauten 451, von Borgstedterfelde 294,
von Radewege bei Brandenburg 300, pa-
godenartige von Cometo 326, schwarze in
Gräbern von Juritz 223, schwarze in Kau-
kasien 263, bemalte, Puebio 368, glasirte
mit arabischer Inschrift 305, glasirte in
Trier 491, mit erhabenen Bodenornamenten
513.
Tbengerätbe von Niemitsch 49.
Tbenloffel von Jankowo 269.
Thonrad von Wollishofen 515.
Tkenscberben s. Topfscherbeo.
Tbtnwagen von Este 200.
TIderingbeeg auf Sylt, Goldschmock, 467.
Tlefornamentlk 438.
TIIIIS) anthropologische Gesellschaft 141.
Tirel, Pflertschthal, altes Haus 11.
Tlinglt-Indlaner, Bericht 205.
Todtennrnen von dem Schlossberg bei Burg im
Spreewald 244.
Tellense, Lage von Rethra 34.
Tepfscberben mit Rad Verzierung 66, mit Kreuz-
Ornament 252, mit Wellenomament 253,
mit erhabenen Parallelrippen 253, von den
Kellerbergen bei Gardelegen 170.
Tercello, Runenspeerspitze von dort 520, 546.
Tor^ues (gewundener Halsring) 117, 494, von
Gardelegeu 170, aus der Schweiz 566.
. Transkaukasische Alterthümer 203, 542.
Trebatsf b, Kr. Lübben, Urnen mit Steinsetzung 290.
Trier, anthropologische General -Versamml. 490.
I Triblts, Kr. Luckau, Urnenfeld 292.
I Trija, Ohrring 551, Gefässe 434, 452.
. Tnebidsa, Kr. Kosten, Gräberfunde 166.
Tscbetschna, Fibula ans der 331.
Tscbnktscben-Halbinsel, Bevölkerungsverhältnisse
1 224.
'Tübingen, Bauemkostüm 169.
i Türkiscbe Handschrift aus dem Kaukasus 179.
I Tunnll in Bulgarien 299.
Tundra See in NVestsibirien, Tbonscherben 444.
[ Ttttüt«nl-lndlaner, Oregon 412.
(587)
ü.
Ukusso, Ne^rknabe von dort 284, 511.
UdIb, Prov. Posen, Bronzegefass 127, 164.
Urne mit dreiecki^m Stichornament 374, in
Trinkhornform, Jüritz 223, aus der Bran-
denburger Gegend 300, von Burg an der
Spree 246. S. auch Thongefass.
llrnenfeld von Dei^ischow 249, von Jüritz 220,
Starzeddel 422, Tangermönde 369, von
Zilmsdorf 423.
Vraenhan von Ragow, Kr. Lübben 250.
VmeoMherben, verzierte, von Eicheuhagen 435.
S. auch Topfacherben.
Urneotyi^o von Borgstedterfelde 294, in Italien
317.
Vrsus arctos, Pfahlbau Spandau 359.
T.
falerioaor, Holstein, Moorfunde 14.
Tasl dl bacckero 326.
fermoor, Hannover, Bronzekrone 232.
ferwaltangsberkht für 1883, 539.
TenieruDg s- Ornament.
Tettersfeldf, Kr. Guben, Goldfund 129, 286, 487.
TogelfigoreD 202. S. auch Bronzewagen,
folkssplele 292.
Torrluiische CuHurrestf der Rheinprovinz 212,
491.
W.
Wagen, Bronze- 198, Thon- 200.
Wakusu 8. Ukusso.
WaldstelD, Burgwall im Fichtelgebirge 252, 513.
Wallanlagen in Ditbmarschen 20. S. auch Brand-
wall, Burgwal], Stein wall.
Wasenberg, Hessen, Hügelgräber 202.
Wandkekleldung mexicanischer Pyramiden 367.
Webrhafimacbung 227.
Weibe der Junglinge beim Eintritt der Puber-
tät 166.
Weiboacbts-Bock und Gans 292.
Welhraocbartlge Masse in Thonschalen Mexico*s
366.
W elssme tall, römische Sachen 99.
Wendelringf (Torques) 494.
Wendenkonlg 55.
WendenpfenDige 112.
Weodiscbe Fuude von Tangermunde 532.
Wendischer Topf von Pforten 287.
Werbellin, Brandenburg, Schulzenstab 33.
WesteregelD, Prov. Sachsen, Urnen, Steinger&the
275.
Westpreussen, Prov., Spiele das. 77, Alterthümer
von Brnnhausen und Schwarzau 217,
Kischau, Oesichtsomen 556.
Wleren, Hannover, Bronzekrone 232.
Wiesbaden, vorromische Funde 218.
WinkelofDaiueDt an Urnen 442.
Wircbenblatt, Kr. Guben, Brandenburg, Urnen-
feld 52.
Wissmann's Sammlung 216, Vortrag 453, Ab-
reise 506, Negerknabe 284, 511.
WIttinannsdorf, Kr. LQbhen, Brandenburg, Urnen
289.
WocbneriDDen. Grabbeigaben für, in der Lausitz
1%.
Wohnstätteu, prähistorische, Holzhausen v. d. H.
267, der Bronzezeit 520.
Wojclechowo bei Nakel, Bronzefund 166.
Wokwuk der Araber (Japan) 502.
WoIIId, Silberberg, Jomsborg 111.
WolllsbofeD, Schweiz, Thonrad 515.
Württembergs. Tübingen, Schüssen ried, Olzreuth.
Wustrew, Kr. Westpriegnitz, Funde 486.
Y.
Teio, Aino's von dort 179.
Z.
Zamka, Burgwall in Böhmen 285.
ZeichnungeD eines Neubritanniers 566.
Zeitperloden der Thongelässe nach Form und
Ornament 448.
Zeitz, neolithische Grabhügel bei Nickelsdorf 470.
ZelllD, Kr. Königsberg i. N.-M., Funde 486.
Zeust, Kr. Lübben, Brandenburg, Steinbau und
Urnen 289.
Ziegenberg bei Golberg, Zinnfund 98.
Zilmsdorf bei Teuplitz, Kr. Sorau, Brandenburg
Gräberfeld 423.
Zlnnfunde aus Gräbern 86, 99.
Zlnnsäure an dem Goldschmuck von Sylt 467.
Zwerg aus Amerika 306.
Zwergvölker in Afrika 455.
Zwoimen-Qottheiten, territoriale Verbreitung der-
selben 246.
Druck vAO Qedr. Unger (Th. Grimm), Berlin, Schönebergerstr. 17 a.
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