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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
SAN FRANCISCO MEDICAL CENTER
LIBRARY
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ZEITSCHRIFT
FÜR
HYGIENE
UND
HERAUSGEGEBEN
VON
Ds R KOCH, uro IX C. FLÜGGE,
GEH. MEDICINALRATH UND O. ö. PROFESSOR UND DIRECTOR
DIRRCTOR DES INStTTUTES FÜR INFECTIONS- DES HYGIENISCHEN INSTITUTES DER
KRANKHEITEN ZU BERLIN, UNIVERSITÄT BRESLAU.
EINUNDVIERZIGSTEE BAND.
MIT ZAHLREICHEN ABBILDUNGEN IM TEXT UND DREIZEHN TAFELN.
LEIPZIG,
VERLAG VON VEIT & COMP.
. 1902 .
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Druck von Metzger & Wütig in Leipzig.
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Inhalt
Seite
Ascher, Was ist sociale Hygiene, und wie soll sie getrieben werden? ... 1
W. Dönitz, Beiträge zur Kenntniss der Anopheles. (Hierzu Taf. I u. II.) . . 15
Wilhelm Schüffnbr, Die Beziehungen der Malariaparasiten zu Mensch und
Mücke an der Ostküste Sumatras. (Hierzu Taf. III—VI.).89 '
H. Kionka u. L. Ebstein, Ueber die chronische Sulfitvergiftung. (Hierzu Taf. VII.) 123
Erich Martini, Ueber die Entstehung der Neuerkrankungen an Malaria während
des Frühjahres und Sommers unserer Breiten. (Hierzu Taf. VIII u. IX.) . 147
Erich Martini, Beschleunigung und Sicherung der Pestdiagnose in zweifel¬
haften Fällen.153
Schumburg, Ueber die Desinfectionskraft der heissen Luft.167
Albert Lotz, Der Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875—1900. (Hierzu
Taf. X—XIII.).185
Schüder und Proskaurr, Ueber die Abtödtung pathogener Bakterien im Wasser
mittels Ozon nach dem System Siemens &Halske .227
6 . Engelhardt, Histologische Veränderungen nach Einspritzung abgetödteter
Tuberkel bacillen.244
H. Reichenbach, Ueber den Einfluss der Farbe künstlicher Lichtquellen auf die
Sehschärfe.257
Heinrich Bbrger, Die Einleitung von Kaliindustrie-Abwässern in die Flüsse,
besonders mit Berücksichtigung der'Wasserversorgung grosser Städte . . 271
Albrecht Burdach, Der Nachweis von Typhusbacillen am Menschen .... 305
K. Shiga, Weitere Studien über den Dysenteriebacillus.355
W. Kolle ond R. Otto, Die Differencirung der Staphylokokken mittelst der
Agglutination. 389
R. Otto, Ueber den Einfluss der Thierpassagen auf die Virulenz der Pestbacillen
für die verschiedenen Thierarten ..380
J. Kister und H. Wolff, Zur Anwendbarkeit des serodiagnostischen Blut¬
prüfungsverfahrens .410
W. Silberschmidt, Bakteriologisches über einige Fälle von „Gangrene foudroy-
ante“, von Phlegmone und von Tetanus beim Menschen *.427
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IV
Inhalt.
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Seite
A. Rodrlla, Ueber die Bedeutung der im Säuglingsstuhle vorkommenden Mikro¬
organismen mit besonderer Berücksichtigung der anaeroben Bakterien . . 466
R. Kraus, E. Keller und P. Clairmont, Ueber das Verhalten des Lyssavirus
im Centralnervensystem empfänglicher, natürlich immuner und immuni-
sirter Thiere.486
R. Kraus und R. Maresch, Ueber die Bildung von Immunsubstanzen gegen
das Lyssavirus bei natürlich empfänglichen und unempfänglichen Thieren 527
E. Martini und 0. Lentz, Ueber die Differenzirung der Ruhrbacillen mittels
der Agglutination.540
Lentz, Vergleichende culturelle Untersuchungen über die Ruhrbacillen und ruhr¬
ähnliche Bakterien nebst einigen Bemerkungen über den Lackmusfarbstoff 559
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Was ist sociale Hygiene,
nnd wie soll sie getrieben werden?
Von
Dr. Ascher,
KrelMMtetentarxt und Hafenant In Königsberg 1/Pr.
Unter Hygiene verstehen wir die Pflege der Gesundheit und im über¬
tragenen Sinne auch die Kenntniss und Wissenschaft davon. Gesund kann
nur das Einzelwesen sein. Spricht man von der Gesundheit eines Staates,
eines Gemeinwesens, einer bestimmten Gesellschaftsklasse, so gebraucht
man unbewusst einen bildlichen Ausdruck; man meint nämlich die Ver¬
hältnisse und Zustände des Staates, Gemeinwesens, der Gesellschaftsklasse.
Da nur das Einzelwesen gesund sein kann, so kann die Pflege der Ge¬
sundheit immer nur das Einzelwesen, als Object, betreffen. Spricht man
von privater und im Gegensatz dazu von öffentlicher Gesundheitspflege,
so meint man,, dass in dem ersteren Falle der Privatmann diese Gesund¬
heitspflege an seinem Körper ausübt: Reinlichkeit, Mässigkeit, Vorsicht
gegenüber Schädlichkeiten u. s. w., und im letzten Falle, dass die Oeffent-
lichkeit Maassnahmen trifft, um das Einzelwesen gesund zu erhalten.
Unter Oeffentliohkeit versteht man in diesem Falle den Staat und die
Communen: Provinzen, Stadt- und Landgemeinden, welche die Aufgabe
haben, durch Gesetze oder Einrichtungen, die der Einzelne ausser Stande
ist, zu beschaffen: Wasserleitungen, Abfuhr, Nahrungsmittelcontrolle, Ab¬
wehr von Infectionskrankheiten, Abwehr gewerblicher Schädlichkeiten u. s. w.,
das Leben des Einzelwesens gesund zu erhalten, seine Arbeitskraft, als ein
Fundament des staatlichen Lebens, zu bewahren und ihm den Genuss
seines Daseins auf möglichst lange Zeit hinaus zu sichern. In neuerer
Zeit hat man einsehen gelernt, dass Staat und Communen einerseits, das
Einzelwesen andererseits mehr und mehr einen Factor zu berücksichtigen
haben, der, ohne sich genau bestimmen zu lassen, von dem allergrössten
Zeitichr. t Hygiene. ZU. 1
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2
Ascheb:
Einfluss auf den Staat bezw. die Communen und auf das Leben des Einzel¬
wesens stets war, ohne genügend gekannt zu sein, und in den Cultur-
staaten eine immer grössere Bedeutung gewinnt, das ist die menschliche
Gesellschaft. Diese letztere ist aber andererseits ohne den Staat bezw. die
Communen und ohne Einzelwesen nicht denkbar.
Die menschliche Gesellschaft, welche die Gewohnheiten, das Denken
und das Handeln des Einzelwesens in einer Weise beherrscht, die nur bei
reiferem Nachdenken zur Erkenntniss kommt, wird natürlich auch nicht
ohne Einfluss auf die Pflege der Gesundheit, sei es durch den Staat, sei
es durch die Einzelnen, sein. Nicht nur die staatlichen Mittel zur Pflege
der Gesundheit sind von dem Zustand der Gesellschaft, ihrer grösseren
oder geringeren Einsicht, ihrem Bedürfnisse nach Arbeitskräften, ihren
geistigen und sittlichen Bedürfnissen u. s. w., abhängig; auch die Aus¬
führung der Vorschriften des Staates hängt von diesem Zustand ab.
Je mehr deshalb die menschliche Gesellschaft Einfluss auf das Staatsleben
gewinnt, um so mehr wird man neben der privaten und öffentlichen
Gesundheitspflege auch eine sociale Hygiene finden. Die Hygiene, d. h.
die Pflege der Gesundheit des Einzelwesens wird eine soziale genannt
werden müssen, soweit die Gestaltung der menschlichen Gesellschaft auf
ihre Ausübung Einfluss hat. — Andererseits sieht man auch wiederum
gesellschaftliche Einrichtungen zu staatlichen werden (Krankenversiche¬
rung u. s. w.), so dass eine Grenze nicht zu ziehen ist.
Die Wissenschaft von der Hygiene, ebenfalls kurzweg Hygiene
genannt, ist wie alle Zweige der medicinischen Wissenschaft ursprünglich
eine empirische gewesen. Es wurden Thatsachen gesammelt, die dafür
zu sprechen schienen, dass durch gewisse Zustände Krankheiten oder Tod
entstehen, und dass andererseits durch gewisse Einrichtungen oder Hand¬
lungen diese letzteren vermieden, die Gesundheit erhalten werden kann.
Einzelne Thatsachen wurden gesammelt, unter gemeinsamen Gesichts¬
punkten gesichtet, Schlüsse daraus gezogen und, wenn es ging, an
Zahlen nachgeprüft, oder es wurden grössere Zahlenreihen durchgesehen,
daraus Schlüsse gezogen und diese wiederum an den Thatsachen nach¬
geprüft. Erst seit dem Auftreten von Pettenkofer wurden naturwissen¬
schaftliche Experimente methodisch angewandt, zuerst chemische, physi¬
kalische, physiologische, später seit Koch’s Entdeckung des festen Nähr¬
bodens für die Züchtigung von Bakterien auch bakteriologische. Die Be¬
weiskraft der genannten Experimente hat aber überall da eine Grenze,
wo Schlüsse von dem Experimente am Thier auf den Menschen gezogen
werden müssen. Dies trifft in erster Eeihe die Lehre von den gewerblichen
Giften, in zweiter Reihe alle die Zustände, in welchen das Thierleben über¬
haupt keine Vergleichungspunkte für das menschliche Leben bietet: Ge-
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Was ist sociale Hygiene u. wie soll sie getrieben werden? 3
schlechtsverkehr, Geisteskrankheiten u. s. w. Hier wird immer die Be¬
obachtung am Menschen das naturwissenschaftliche Experiment ersetzen
müssen. Da aber die Beobachtung eines einzelnen Falles im Allgemeinen
keine wissenschaftliche Beweiskraft hat und deshalb nicht zum Ausgangs¬
punkt von Vorschlägen allgemein gütiger Natur (Gesetzesvorschläge, Ver¬
ordnungen u. s. w.) gemacht werden kann, wird man sowohl grosse Zahlen¬
materialien sammeln und sichten müssen — Statistik —, als auch die Ergeb¬
nisse der Statistik wiederum durch genaue Erforschung der Personen und
Zustände, auf welche sich jene Zahlen beziehen, ergänzen müssen,
sociologische Forschung. Man wird hierbei zuweilen auf Zustände
stossen, welche bei genauester Forschung aller ein bestimmtes Resultat
bedingender Ursachen die Beweiskraft eines wissenschaftlichen Experimentes
haben. So z. B. wird ein bestimmtes kleines Gemeinwesen, in welchem
ein gewisses Gewerbe lange Jahre hindurch betrieben worden ist, den¬
jenigen, die an Ort und Stelle gleichzeitig medicinische wie sociologische
Forschungen unternehmen, wissenschaftlich unangreifbare Resultate über
den Einfluss des betreffenden Gewerbes auf den Menschen liefern und
dadurch wohlbegründete und aussichtsvolle Vorschläge zur Abwehr ent¬
standener Schädlichkeiten ermöglichen. Solche Forschungen sind leider
bisher nur ganz vereinzelt unternommen worden, da den Medicinem oder
Hygienikern sociologische und den Sociologen oder Nationalökonomen
medicinische Kenntnisse fehlten. Wie nothwendig sie aber sind und wie
aussichtsreich, das soll im Folgenden für einzelne Capitel der Hygiene
nachzuweisen unternommen werden.
Eines derjenigen Capitel, welches nicht nur in der Hygiene und
Medicin, sondern auch zur Zeit in den öffentlichen Erörterungen einen
breiten Raum einnimmt, ist das von den Lungenkrankheiten ins¬
besondere das von den tuberculösen. Der Schaden, welchen die Lungen¬
krankheiten dem Volksvermögen verursachen, ist nur annähernd zu
schätzen; indessen mögen als Anhaltspunkte folgende Daten dienen: Von
1000 männlichen Rentenempfängern der staatlichen Invaliditätsanstalten
sind 327 also etwa ein Drittel in Folge von Lungenkrankheiten Invalide;
und dabei sind in den jüngeren und mittleren Jahren bei den Männern
die Lungenkrankheiten noch bedeutungsvoller als im Alter (1). — Auf
Tuberculose allein,d.h. weitaus vorwiegend auf Tuberculose der Lungen,
ist im erwerbsfähigen Alter in Deutschland etwa jeder dritte Todesfall
zurückzuführen (2). — Für die Heilung von Lungenkrankheiten zur Er¬
sparung der Invalidenrenten werden jährlich Hunderttausende in Deutsch¬
land ausgegeben (3). — In einzelnen Gewerben fällt mehr als die Hälfte
aller Todesfälle Lungenkrankheiten zur Last; und zwar in einem so
niedrigen Alter, dass dadurch die Aussioht, über 40 Jahre alt zu werden,
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4
Ascheb:
kaum für die Hälfte der Arbeiter gegeben ist (4). — In anderen Gewerben
wieder spielen die acuten Lungenkrankheiten eine so bedeutende Rolle,
dass die Fabrikbesitzer Tausende allein als Preis für die Erfindung eines
Abwehrmittels ausgeboten haben (5). — Man sollte deshalb meinen, dass
mindestens die Bedeutung des Staubes in den verschiedenen Berufsarten
für die menschliche Lunge aufgeklärt sei; indessen begegnet man hier den
merkwürdigsten Widersprüchen.
Vorangeschickt sei, dass nach der allgemeinen Anschauung die
Bacillen um so eher in einer Lunge sich ansiedeln können, je mehr die
Lunge von eingeathmetem Staube angegriffen ist und dadurch dem Ein¬
dringen, Ansiedeln und Verbreiten der Bacillen nicht mehr die natürlichen
Abwehrmaassregeln entgegenstellen kann. Nun gilt die Kieselsäure als
eine der verderblichsten Schädlichkeiten für die Lunge (5). Man müsste
deshalb bei denjenigen Arbeitern, welche am meisten Kieselsäure einzu-
athmen gezwungen sind, also bei den Cementarbeitern, einen erheb¬
lichen Procentsatz Tuberculöser finden; das Gegentheil aber ist der Fall (6).
Aber auch noch andere Widersprüche bleiben in diesem Capitel aufzu¬
klären. So soll die Tuberculose der Lungen begünstigt werden durch
schlechte Luft, ungünstige Haltung beim Athmen und sogenannte sociale
Missstände. Nun vereinigen sich Staub, ungünstige Haltung und schlechte
Luft bei der Arbeit des Bergmannes, und unter den Bergleuten gelten die
oberschlesischen als die social am tiefsten stehenden. Während von
1000 Menschen in Deutschland 3*17 an Lungenschwindsucht sterben,
starben Bergleute im Saarbrücker Revier 2*0 und in Oberschlesien 1*10 (7).
Eine Erklärung hierfür ist nirgends zu finden, vielleicht aber könnte uns
für weitere Forschungen auf diesem Gebiet und für die Bekämpfung von
Lungenkrankbeiten im Allgemeinen die Untersuchung von Roepke (8)
über die Solinger und Sheffielder Schleifer einen Anhaltspunkt geben,
die gezeigt hatte, dass die Letzteren, trotzdem ihre Werkstätten viel un¬
günstiger, und die Staubverhütung eine schlechtere ist, als bei den
Ersteren, dennoch bessere Sterblichkeitsziffern aufweisen, weil sie (nach
Roepke) Abstinenzler sind, viel Sport treiben und bessere Wohnungen
haben und eine bessere Haltung bei der Arbeit einnehmen. Hier könnte
man zwar einwenden, dass die Kräftigung des menschlichen Körpers
schon längst von allen Hygienikern als bedeutungsvoll erklärt wird. Um
so mehr muss man aber erstaunt sein, dass die Forschung sich diesem
Gebiet so wenig zugewandt hat, und dass die Haltung des Medicineis
derartigen Fragen gegenüber mehr den Eindruck wohlwollender Neutralität
als thatkräftiger Parteinahme erweckt. Denn wenn dies letztere der Fall
wäre, so hätte die Hygiene sich eben mehr socialen Fragen zuwenden
müssen, als es bisher geschehen ist.
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Was ist sociale Hygiene u. wie soll sie getrieben werden? 5
Die Statistik zeigt, dass es grosse Gebiete mit vorwiegend landwirt¬
schaftlicher Bevölkerung giebt, die eine weit geringere Sterblichkeit haben
als die mit industrieller, dass aber hier wieder Ausnahmen, und wie wir
an den oberschlesischen Bergleuten zeigten, sogar solche mit recht erheb¬
licher Differenz gegenüber dem Durchschnitt des Staates vorhanden sind.
Es starben ferner im Deutschen Reiche an den Küstengebieten entschieden
weniger Personen an Lungenleiden, einschliesslich der LuDgentuberculose,
als im Westen und Süden; Ausnahmen bildeten im Nordwesten der Staat
Bremen mit einer sehr hohen und im Süden das Königreich Württemberg
mit einer unter dem Durchschnitt bleibenden Durchschnittsziffer (9). Soll
nicht die grosse Arbeit, die für solche Statistiken aufgewendet wird, ver¬
loren gehen, und sollen diese Statistiken von Werth für die Bekämpfung
der Lungenleiden sein, so bedarf es einer Ergänzung derselben durch
eine sooiologische und medicinische methodische Durchforschung der be¬
treffenden Gebiete.
Für die praktische Bekämpfung der Lungentuberculose ist die
Erforschung derjenigen Momente, welche den Ausbruch oder den Wieder¬
ausbruch der Lungentuberculose bedingen, von derselben Wichtigkeit wie
die Kenntniss der eine Infection veranlassenden Ursachen. Wir wissen,
dass eine grosse Zahl tuberculöser Entzündungen ausheilt, ohne Zuthun
des Patienten, manchmal vielleicht auch ohne dass er überhaupt etwas
von seinem Leiden weiss. In einer gewissen Zahl von Fällen aber kommt
es bei Gelegenheiten, wie Wochenbett, Unfall und einer grossen Menge von
anderen uns noch unbekannten Veranlassungen, zu einer Verbreitung
des Uebels. Man hat sich bisher mit diesen Ursachen noch wenig be¬
schäftigt, und selbst bei dem Worte „Disposition“ — einem Schlagwort,
bei dem sich Jeder etwas Anderes denken kann — immer nur an die der
ersten Ansiedelung der Tuberkelbacillen folgende Erkrankung gedacht, aber
selten nur an die viel wichtigeren Bedingungen zum Ausbruch eines
tuberculösen Leidens bei einen Menschen, der in seinem Inneren einen in
Ausheilung begriffenen Bacillenherd trug.
Vielleicht klärt uns hierüber einmal später die socialhygienische
Forschung auf dem Gebiete der Invaliditätsversicherung auf, ebenso
wie diese Anstalten schon jetzt im Begriff sind, uns Aufschlüsse über den
Einfluss der einzelnen Hülfsursachen der Tuberculose auf die Heilung des
Leidens zu bringen. Ich verweise nur auf die Jahresberichte der
Hanseatischen Landesversicherunganstalt, in der die Fragen des
Einflusses der Erblichkeit, der Dauer der Krankheit, der Hülfsursachen
wie complicirender Erkrankungen u. a. m. auf die längere oder kürzere
Heilung des Leidens an einem jährlich steigenden Zahlenmaterial von
kundigen Forschern behandelt werden. Derartige Zahlen haben um so
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6
Ascheb:
grösseren Werth, je genauer der Zustand der einzelnen Person vor und
nach der Heilstättenbehandlung erforscht wird. Und es könnte so die
socialpolitische Gesetzgebung, die uns die Behandlung eines grossen Theiles
von Krankheiten in einem früher ungeahnten Umfang ermöglichte, auch
für die Erforschung der Ursachen und Hülfsursachen wichtiger Leiden von
grösstem Einfluss werden.
Ein Gebiet, auf welchem uns die medicinische Hygiene im Stich zu
lassen droht, ist das der Geschlechtskrankheiten. Man kann wohl
bei Privatpersonen die Syphilis und die Gonorrhoe, als die wichtigsten
Geschlechtskrankheiten, heilen oder wenigstens vorbereitungsunfahig
machen. Die Mittel aber, die man bisher anwandte, um bei der officiellen
wie bei der geheimen Prostitution die Weiterverbreitung von Geschlechts¬
krankheiten zu verhüten, sind ohne Erfolg gewesen. Es ist zunächst un¬
möglich, die geheime Prostitution, die noch gefährlicher ist, als die
wenigstens einer zeitweisen Controle unterliegende öffentliche, an ihrem
Hauptsitz, den grossen Städten und Industriecentren, zu unterdrücken.
Auch bei der öffentlichen ist es nicht möglich, jede Ansteckungsgefahr
auszuschliessen. Zunächst kann man nicht nach jedem Beischlaf die
Prostituirten auf ihre Infectionsgefahr untersuchen. Ferner bieten die
weiblichen Geschlechtsorgane den Erreger der Gonorrhoe so viele Schlupf¬
winkel, dass wenigstens bei den Prostituirten eine Ausheilung selbst bei
monatelanger Behandlung ausserordentlich schwierig ist. Dazu kommen
die vielen katarrhalischen Zustände, die die Entscheidung über die In-
fectiosität selbst mit Hülfe der mikroskopischen Untersuchung fast un¬
möglich machen, ebenso wie die Behandlung. Deshalb dürfte es zweck¬
mässig sein, die ganze Frage der Geschlechtskrankheiten einmal vom
sociologischen Standpunkte aus in Angriff zu nehmen.
Hierzu wäre es zunächst nöthig, die Prostitution und die Prostituirten,
sowie die Ursache für beide, Zustände wie Personen, mehr wie bisher
kennen zu lernen. Wir wissen, dass ein gewisser Procentsatz der Pro¬
stituirten zu den Geistesschwachen gehört. Es wäre deshalb ganz zweck¬
mässig, diese schon von der Schule an im Auge zu behalten. Hierzu
würde das neue Fürsorgeerziehungsgesetz eine geeignete Handhabe geben.
Bei den anderen Prostituirten, öffentlichen wie geheimen, wäre eine Er¬
forschung der Ursachen ihres Werdens und Seiens mindestens zu ver¬
suchen. Für die Bekämpfung des Uebels selbst aber verdienten alle Be¬
strebungen, welche das geistige und sittliche Niveau der weiblichen An¬
gehörigen der in Betracht kommenden Gesellschaftsschichten zu heben
bezwecken, dieselbe Förderung wie manche medicinischen Bestrebungen
auf diesem Gebiet. Auch sollten Mittel zur Aufklärung des männlichen
Theiles der Bevölkerung mehr wie bisher erwogen werden.
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Was ist sociale Hygiene u. wie soll sie getrieben werden? 7
Bei dem Mangel an pathologischen Kenntnissen, bei der absoluten
Unzweckmässigkeit des Thierexperimentes hat die Lehre von den Geistes¬
krankheiten stets in der Erforschung der socialen Verhältnisse der
Patienten eines der wichtigsten Erkenntnissmittel gefunden. Ebenso ist
die Verhütung eines nicht unbedeutenden Theiles der Geistes- und Nerven¬
krankheiten eine mehr sociale als medicinische Aufgabe mit der Erweiterung,
dass social nicht gleichbedeutend mit wirthschaftlich, ökonomisch ist,
sondern dass darunter eine Reihe von Momenten zusammengefasst sind,
die wie Bildung, Pflichtbewusstsein, religiöses Gefühl, staatliche Stellung
und anderes mehr das Leben des Einzelnen und sein Verhältniss zur
Mitwelt bedingen. Ein Einkommen, das dem kleinen Landwirth als das
Ideal seines Lebens erscheint, kann einem Richter, der eine Familie zu
versorgen hat, der Gegenstand grösster Verzweiflung sein. Unter diesem
Gesichtspunkte wird man ohne Weiteres die Bedeutung sociologischer
Forschung für die Ursachen von Geistes- und Nervenkrankheiten erkennen.
Ob nicht auch das Auftreten und Verschwinden des Kretinismus mehr
von socialen als medicinischen Umständen abhängt, wäre noch zu unter¬
suchen.
Die Bekämpfung eines Theiles der Nervenkrankeiten, nämlich der
unter der Arbeiterbevölkerung vorkommenden, ist in grösserem Umfange
auch erst durch die socialpolitische Gesetzgebung möglich geworden.
Was von den Geistes- und Nervenkrankheiten zum Theil, gilt für den
Alkoholismus fast ganz, dass nämlich seine Erkennung und seine Ver¬
hütung eine mehr sociale als medicinische Frage ist, obgleich hier natürlich
die medicinische Forschung noch mancherlei aufzuklären geeignet ist.
Ein Gebiet von Krankheiten, welches in der Hygiene sehr wenig
berührt zu werden pflegt, das aber für die Gesundheit des Volkes wie im
Besonderen für die Ergänzung unseres Heeres von nicht zu unterschätzender
Bedeutung ist, sind die Krankheiten und Abnormitäten der Bewegungs¬
organe. Den privaten Mittheilungen eines Landrathes, eines in Thüringen
gelegenen preussischen Kreises verdanke ich die bisher wohl erste sichere
Statistik auf diesem Gebiet: in zwei Dörfern, in denen das Schmiedehandwerk
hausindustriell seit Generationen fast von dem ganzen Dorfe betrieben
wird, betrug die Zahl der Diensttauglichen etwa 22 bezw. 26 Procent
der Militärpflichtigen gegenüber ca. 50 Procent im Deutschen Reich. In
eben jenen Dörfern war die Schuljugend ärztlich untersucht und an ihren
Bewegungsorganen nichts Abnormes gefunden worden, so dass hier wohl
der Schluss zulässig ist, dass die Ursachen zu jener hohen Zahl Dienst¬
untauglicher, die in Leistenbrüchen, Schiefbeinen und Plattfüssen be¬
standen, in der Einwirkung der betreffenden beruflichen Thätigkeit, des
Schmiedehandwerks, auf die jugendlichen Körper zu suchen sind. Der-
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8
Abchee:
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artiges war schon früher Ton erfahrenen Aerzten angenommen, aber noch
niemals bewiesen worden. Die Verhütung der geschilderten Schädlich¬
keiten liegt wiederum auf socialem Gebiete: Sammlung der Hausindustriellen
zu einer genossenschaftlich betriebenen Fabrik, Verkürzung der Arbeitszeit,
Einführung von Turnspielen, Einführung einer landwirtschaftlichen Neben¬
beschäftigung. Ein Theil dieser Vorschläge ist in jenen Kreisen bereits
in der Durchführung begriffen.
Es ist in neuerer Zeit darüber geklagt worden, dass Aerzte sich so
wenig an der Lösung der Wohnungsfrage betheiligen. Das hat un¬
bewusst eine ganz richtige Ursache. Es giebt nämlich keine Statistik,
die den Einfluss der Wohnung auf die Gesundheit des Menschen zu
beweisen im Stande wäre. Zwar werden durch die Reihe der hygienischen
Bücher Statistiken über diesen Punkt gebracht, die diesen Einfluss be¬
weisen sollen; es wird aber dabei übersehen, dass „Wohnung“ immer
einen Complex von socialen Ursachen, fast nie, wenigstens bei jenen
statistischen Erhebungen, eine einzige darstellt. Und Statistiken, wie die
bei der Peabodystiftung, haben übersehen, dass in die verbesserten
Wohnungen ein ganz anderer Schlag Menschen hineinzog mit anderen
socialen Bedingungen, z. B. statt der Arbeiter kleine Handwerker, Schutz¬
leute u. s. w., deren Gesundheitsverhältnisse selbstredend besser sind als
die der früheren Einwohner. Den isolirten Einfluss der Wohnung auf die
Gesundheit des Menschen hat noch keine Statistik erwiesen.
Nachdem nun auch die Bedeutung des Hausschwammes für die Ge¬
sundheit des Menschen in Frage gestellt worden ist, nachdem man von
verschiedenen medicinischen Seiten her die widersprechendsten Anfor¬
derungen an den Wassergehalt der Luft in Wohnungen und in den
Wänden gestellt hat, ist dem Arzt eine gewissere Reserve in der Auf¬
stellung bestimmter hygienischer Forderungen für die Wohnungen zur
Pflicht gemacht. Das darf natürlich den Hygieniker nicht abhalten,
an der Lösung der Wohnungsfrage thatkräftig mitzuwirken, nur muss
von ihm ein gewisses Maass socialer Kenntniss gefordert werden, wenn
sein Urtheil Gehör finden soll. Bei dem heutigen Rechts- und Gesell¬
schaftszustande ist die Wohnungsfrage eine mehr wirtschaftliche; und
wenn die Wohnung die Bedeutung für die Tuberculose hat, die Koch
ihr vindicirt, so hat der Hygieniker die Pflicht, an der Lösung dieser
wirtschaftlichen Frage mitzuarbeiten. Mit der Wohnungsfrage hängt
aber auch in gewissen Gegenden die hygienisch nicht zu unterschätzende
landwirtschaftliche Nebenbeschäftigung und mit diesen beiden die Frage
der Arbeitszeit zusammen, welch’ letztere wiederum für die Entlüftung
und die Gymnastik der Lungen wie für die Hygiene des ganzen Körpers,
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Was ist sociale Hygiene u. wie soll sie getbieben werden? 9
besonders der Bewegungs- und Blutbildungsorgane, von grösster Be¬
deutung ist
Auf keinem Gebiet der Medicin dürfte eine sociale Einrichtung von
so umwälzender Bedeutung gewesen sein, wie auf die Lehre von den Un¬
fallfolgen; man kann behaupten, dass erst die Unfallgesetzgebung dieses
medicinische Capitel zu einer Wissenschaft erhoben hat. Wie ein Stoss,
Fall oder eine andere traumatische Ursache auf einen Knochen, auf ein ganzes
Glied oder auf andere oberflächlich gelegene Theile des menschlichen Körpers
wirkt, war natürlich schon längst beobachtet und gelehrt worden; aber die Ein¬
wirkung jener Ursachen auf die tieferliegenden, edleren Theile des mensch¬
lichen Oganismus, das letzte Schicksal des Verletzten, die Erlangung seiner
Erwerbsfähigkeit, vor Allem der Einfluss des Unfalles auf einen nicht
ganz normalen Körper konnte erst an der Hand eines ausserordentlich
grossen Zahlenmateriales geprüft werden, und dieses lieferte erst die
Unfallgesetzgebung. Man kann nicht behaupten, dass jene Fragen schon
beanwortet sind; aber es wird beständig neuer Stoff zu Untersuchungen,
neue Anregung zu Experimenten und der Prüfung der Besultate der
letzteren an dem Material der Unfallversicherungen gegeben. So soll
nur auf die Entstehung einer allgemeinen Tuberculose nach einem Trauma
hingewiesen werden, die trotz der vielen Experimente mit Tuberculose
bisher noch völlig unaufgeklärt ist, trotz ihrer pathologischen Wichtigkeit
und ihrer Bedeutung für die Unfallgenossenschaften. Auch die Behand¬
lung der Unfallverletzten hat eine nicht geringe Umwälzung erfahren,
wenn man bedenkt, dass Schippe, Karren und landwirtschaftliche Arbeit
jetzt zu einem therapeutischen Mittel erhoben worden sind.
Die schwierigste Aufgabe aber ist dem Arzt durch die Beurteilung
des Rentenanwärters sowohl bei der Unfall- wie bei der Invaliditätsver-
sicherung erwachsen. Hier gehen medicinische und sociologische Fragen
so in einander über, dass selbst die gemeinschaftliche Untersuchung bezw.
Beratung zwischen Arzt und Berufsgenossen des zu Beurteilenden nicht
immer Unrecht abzuwenden vermag. Es fehlt bisher dem Arzt im All¬
gemeinen die Kenntniss dessen, was ein normaler Mensch in einem be¬
stimmten Berufe zu leisten vermag, um so mehr muss es ihm schwer
fallen, unter gegebenen Verhältnissen zu entscheiden, wie weit ein Unfall
oder eine sonstige Abweichung vom Normalen die Erwerwerbsfähigkeit be¬
einflusst. Deshalb darf es nicht wundern, dass der gewissenhafte Arzt
bisweilen von seinem Gutachten die Ansicht mitnimmt, dass dasselbe eher
eine mehr oder minder oberflächliche Schätzung von ihm bezw. seinem
Urteil ziemlich fernliegenden Dingen, als wie eine wissenschaft¬
liche Leistung ist. Als Vorbedingung für diese Urteile, die dem be¬
schäftigten Arzt fast täglich abverlangt werden, müssten ihm bei seiner
st
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Ascheb:
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Ausbildung zum mindesten die nothwendigsten Kenntnisse über Wachs¬
thum, Körperkräfte, geistige und körperliche Leistungsfähigkeit, Wider¬
standskraft gegen äussere Schädlichkeiten unter wechselnden Umständen
und in den verschiedenen Alterstufen, mitgegeben werden. Das kann
nicht geschehen, weil dazu die nöthigen Unterlagen fehlen. Es giebt wohl
ganz vereinzelte Untersuchungen über die Körperkraft einer bestimmten
Arbeitereiasse, wie die von Erismann 10) über die körperliche Entwickelung
der Fabrikarbeiter in Centralrussland, auch giebt es einzelne Unter¬
suchungen an Schulkindern auf ihr Längen- und Breitewachsthum, aber
allgemeine Schlüsse lassen sich aus solchen vereinzelten Untersuchungen
nicht ziehen. Es sammelt sich aber in den Acten der Schulärzte eine
Fülle von Stoff für diese Fragen, zu dessen wichtiger Verarbeitung es
nur an den nöthigen Kräften fehlt.
Noch auf einem anderen Gebiete braucht der Arzt die Kenntniss von
der normalen Entwickelung des Körpers und seiner Leistungsfähigkeit uud
der Abweichungen von der Norm, das ist die Beurtheilung der Berufs¬
wahl. Nicht nur die staatlichen Behörden verlangen ein ärztliches Zeugnis
über die Fähigkeiten eines in einen Beruf Aufzunehmenden, sondern auch
eine immer grössere Reihe von Krankenkassen machen die Aufnahme in
einen bestimmten Betrieb von einem ärztlichen Zeugniss abhängig. Bei
der stetig wachsenden Ausbreitung des Systems der freien Arztwahl kommt
der einzelne Arzt immer seltener in die Lage, sich mit einem bestimmten
technischen Berufe vertraut zu machen, seinen Anforderungen und seinen
Gefahren; um so eher müssen ihm deshalb bestimmte Kenntnisse mit¬
gegeben werden. Deshalb sollten Untersuchungen, wie sie vor kurzem
Radziejewski (11) über die Berufswahl bei normalen und nichtnormalen
Augen vornahm, für dieses wie für andere Organe von den verschiedensten
Unter8uohern wiederholt und die Richtigkeit ihrer Schlussfolgerungen durch
jahrelanges Beobachten geprüft werden.
Eins der schmerzlichsten Capitel für den Kenner der Verhältnisse
sind die Atteste für Lebensversicherungen. Schon wenn es sich um die
sehr seltenen Fälle von absolut gesunden Menschen handelt, ist die
Frage nach der voraussichtlichen Lebensdauer deshalb für die meisten
Aerzte zu schwierig, weil ihnen die Kenntniss von dem normalen
Werden und Vergehen des Menschen fehlt. Weitaus schwieriger wird
die Sachlage, wenn der Versicherungskandidat Ahweichungen von der
Norm zeigt. Hier bleibt selbst dem gewissenhaften Arzt nur eine un¬
gefähre Schätzung übrig. Zwar findet das Urtheil des erst untersuchen¬
den Arztes ein Correctiv in der Nachuntersuchung des Gutachtens durch
den Bankarzt der Lebensversicherungsgesellschaft. Indessen ist dessen
Urtheil immer von dem Befunde und dem Gutachten des Ersteren ab-
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Was ist sociale Hygiene u. wie soll sie getrieben werden? 11
hängig. Die Aeusserungen, die man von den Bankärzten über diese gut¬
achtliche Thätigkeit der praktischen Aerzte zu hören bekommt, rechtfertigen
den dringenden Wunsch, dass die Aerzte über die Bedeutung dieses
Capitels der socialen Hygiene mehr als bisher unterrichtet sein möchten.
Dabei handelt es sich nicht etwa um einen nebensächlichen Zweig unserer
Yolkswirthschaft, die Summen, die jährlich in Deutschland in Lebens¬
versicherungen angelegt werden, betragen etwa 400 Millionen Mark, und
werden nicht etwa bloss von wohlhabendsten Kreisen, sondern auch von
Dorfsohullehrern, Postunterbeamten u. s. w. beigebracht Wie viel die
Aerzte hiermit zu thun haben, geht allein schon daraus hervor, dass eine
einzige Lebensversicherungsgesellschaft, die Gothaer, für die Atteste
ca. 67 000 Mark jährlich ausgiebt (12). Es bestehen aber in Deutsch¬
land 54, wenn auch durchaus nicht gleich bedeutende Gesellschaften, zu
denen noch die ausländischen hinzukommen. Dabei wächst das bei den
Lebensversicherungen angelegte Nationalvermögen stetig bedeutend
(1880:250Millionen, 1896:682Millionen bei dentschenLebensversicherungs-
gesellscbaften) (13).
Man muss dabei bedenken, dass die Beiträge von der Sterblichkeit
der Aufgenommenen, namentlich bei den auf Gegenseitigkeit beruhenden
Gesellschaften, wesentlich abhängen, und dass andererseits die Ablehnung
eines Versicherten ein Unglück nicht nur für den Betreffenden, sondern
auch für eine ganze Familie bedeuten kann.
Die Lebensversicherungsgesellschaften haben auch das Zusammen¬
arbeiten mit den Aerzten und deren Vertrautsein mit den bei ihnen ge¬
machten Erfahrungen erkannt; und so giebt die Gothaer Lebensver¬
sicherungsbank eine Monatsschrift heraus, die leider in den ärztlichen
Kreisen noch viel zu wenig gelesen wird, trotzdem sie vielerlei von Be¬
deutung für die ganze Medicin enthält. So dürfte der Nachweis von der
Zunahme der Gehirnerweichung in neuerer Zeit zuerst von den Lebens¬
versicherungen erbracht worden sein. Auch die Bedeutung des Alkohols,
der Syphilis u. A. m. dürfte sich am besten aus den Statistiken der Lebens¬
versicherungsgesellschaften nachweisen lassen; ebenso könnten Fragen über
die Bedeutung gewisser Dispositionen für einzelne Krankheiten am besten
hier beantwortet werden, da keine staatliche Statistik ein so sicheres Grund¬
material hat, wie jene Gesellschaft; die staatlichen Statistiken basiren auf
Angaben von Standesämtern und nur selten auf solchen von Aerzten, den
Lebensversicherungsgesellschaften dagegen stehen nicht nur ärztliche Atteste
über den Todesfall, sondern auch über alle vorhergehenden, für den Tod
bedeutungsvollen Krankheiten und über den Zustand des Individuums zur
Zeit der Aufnahme, also in seiner Gesundheit, zu Gebote. In den Acten
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12
Ascheb:
der Lebensversioherungsgesellschaften dürften noch manche Schätze un¬
gehoben liegen.
Wir erwähnten bereits, dass die Rolle des Staubes für die mensch¬
lichen Athmungsorgane sehr der Aufklärung bedürfe, und dass möglicher¬
weise hierzu die sociologische Forschung mit Vortheil benutzt werden
könnte. Auch der Einfluss der gewerblichen Gifte ist noch lange
nicht so genügend aufgeklärt, als man bei seiner Bedeutung erwarten
dürfte. Hier spielen Umstände mit, die der Forschung des Mediciners
bisher unangreifbar geblieben sind. Ich erwähne nnr, dass die Zinkhütten¬
arbeiter (14) in Schlesien ein grösseres Krankencontingent stellen als die
westdeutschen. Man half sich damit, dass man die ungünstigere sociale
Lage als Grund hierfür annahm. Wir haben aber oben bei den Lungen¬
krankheiten gesehen, dass die oberschlesischen Bergleute nnr halb so viel
an der gewiss durch sociale Verhältnisse beeinflussten Lungentuberculose
sterben, als die Saarbrücker, und fast nur ein Viertel als die Gesammt-
bevölkerung des Deutschen Reiches. Auch die sogenannte persönliche Dis¬
position, die bei allen gewerblichen Vergiftungen eine grosse Rolle spielt,
ist bisher noch ganz unergründet, und ihre letzten Ursachen dürften bis
auf Weiteres der experimentellen Erforschung noch wenig zugänglich
bleiben. Andererseits wissen wir, dass Besserungen der socialen Lage der
Arbeiter selbst in den gefährdetsten Betrieben gesundheitliche Vortheile
mit sich gebracht haben, so z. B. bei den oben erwähnten Sheffielder
Schleifern. Dass die Unfallhäufigkeit von socialen Momenten: Ueber-
arbeitung, Alkoholgenuss u. s. w. abhängig ist, hat die Statistik zur Genüge
bewiesen. Leider aber fehlt es bisher an wissenschaftlich haltbaren Nach¬
weisen für die Abhängigkeit gewisser Krankheiten von socialen Momenten.
Deshalb musste auch die Umfrage betreffs des Einflusses zu langer Arbeits¬
zeit auf die Gesundheit des Arbeiters so wenig medicinisch befriedigende
Resultate liefern (15).
Ein Capitel der Hygiene, auf dem die medicinische Wissenschaft trotz
einer ausserordentlichen Arbeitsleistung fast gar keine Resultate gezeitigt
hat, ist das der Säuglingssterblichkeit. Trotz der fundamentalen
Arbeiten eines Soxhlet, Flügge u. A. ist die Säuglingssterblichkeit noch
immer nicht merklich gesunken. Die Abhülfe liegt auch hier wieder auf
dem Grenzgebiet zwischen socialer Wissenschaft und Hygiene: Die Statistik
zeigt uns, dass die grosse Sterblichkeit dieser Altersgruppe bedingt ist
durch die Sommerdiarrhöen, dass diese wiederum von einer unhygienischen
Ernährung abhängen, und dass letztere hauptsächlich bei den unehelichen
Kindern zu finden ist, die meist mit der Flasche ernährt werden. Die
Gesetzgebung beschützt diese letzteren aber ganz besonders; das Gericht
sorgt dafür, dass für die weitaus grosse Mehrzahl ein Kostgeld bezahlt
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Was ist sociale Hygiene u. wie soll sie getriehen werden? 13
wird, das für das eheliche Kind des Arbeiters im Allgemeinen nicht auf¬
gebracht wird. Trotzdem die abnorm hohe Sterblichkeit, gegen welche
alle anderen Todesursachen kaum in Betracht kommen: ca. 40 Procent
der unehelichen Kinder starben in Königsberg im ersten Jahre — die
Gesammtsterblichkeit beträgt dagegen etwa 2«5 Procent (16). Hier ist die
Abhülfe folgende: Aufklärung über den dadurch entstehenden wirtschaft¬
lichen Schaden, Ausbildung und Vermehrung der Gemeinde-Waisen-
Pflegerinnen oder besoldeter „Helferinnen“ und eventuell Einführung der
„Goutte de lait“. Diese in Töcamp von Dr. Dufour zuerst eingeführte
Einrichtung der Versorgung der Kinder aller Stände mit für den be¬
treffenden Lebensmonat eingestellter, sterilisirter Milch bezw. Milchver¬
dünnung und Bezahlung je nach der Vermögenslage scheint ausserordent¬
lich gute Erfolge gezeitigt zu haben: Herabgehen auf die Hälfte der
Säuglingssterblichkeit.
Will man die oben gekennzeichneten Mängel der wissenschaftlichen
wie der praktischen Hygiene bessern, so müssen Hygieniker und National¬
ökonomen oder Sociologen mehr wie bisher Hand in Hand arbeiten. Auch
muss der Fehler vermieden werden, dass bei weiterer Specialisirung der
wissenschaftlichen Hygiene ein einzelnes der socialen Momente, das Ge¬
werbe, herausgegriffen und zu einem eigenen Lehrfach gemacht wird;
vielmehr muss neben der mehr naturwissenschaftlichen Hygiene, die jetzt
dank der Erfolge der Bakteriologie einen zu überwiegend bakteriologischen
Charakter angenommen hat, als eine besondere Bichtung die social¬
hygienische gepflegt werden, als deren eines Capitel die Gewerbehygiene den
ihr gebührenden Bang einnehmen soll. Denn unter den socialen Mo¬
menten, welche das Leben und die Gesundheit des Einzelwesens beein¬
flussen, ist der Beruf nur eines, wenn auch eins der wichtigsten.
Dass auch die Sociologie von diesem Zusammenarbeiten grossen Erfolg
haben wird, das lehrt ein Blick auf die Lücken in den Arbeiten über Haus¬
industrie, wo das so wichtige Capitel des Gesundheitszustandes fast stets
nur sehr mangelhaft berücksichtigt wurde, das zeigt die Lehre von der
Invaliditäts- und von der Unfallversicherung u. A. m.
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14
Ascheb: Was ist sociale Hygiene u. s. w.
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Litteratur-Verzeichnis».
1. Amtliche Nachrichten d. Reichsversicherung tarnte*. Beiheft. Berlin, Juli 1898.
2. Bahts, Die Sterbefälle im Deutschen Keich. Mittheilungen aus dem Kaiserl.
Gesundheitsamte. 1900. Hft. 2.
8. Engelmann, Freiluftbehandlufag u. s. w. Ebenda. 1901. Bd. XVIII.
4. Sommerfeld, in WeyPs Gewerbehygiene. S. 954.
5. Wutzdorff, Thomasschlackenmtihlen u. s. w. Arbeiten aus dem KaiserL
Gesundheitsamte. 1899. Bd. XV.
6. Berger u. Helves, Cementarbeiter u. s. w. Vierteljahresschrift f. gerichtb
Medicin. u. öffentl. Sanitätswesen. 1901. Bd. XXXI.
7. Füller, WeyPs Gewerbehygiene. S. 832.
8. -Moritz,^Boepke, Centraiblatt für allgem. Gesundheitspflege. 1900. Sonder*
Abdruck.
9. Bahts, Sterbefälle im Deutschen Beich während des Jahres 1895. MedicinaL
statistische Mittheilungen aus dem Kaiserl. Gesundheitsamte.
10. Erismann, Untersuchungen u. s. w. Archiv für sociale Gesetzgebung uni
Statistik. Tübingen 1888.
11. Badziejewski, Auge u. Berufswahl. Hygienische Rundschau. 1901. Nr.7.
12. Monatsblätter der Lebensversicherungsbank für Deutschland zu Gotha. Juli
und August 1901. S. 64.
18. Jahresbericht der „Viktoria“. 1896.
14. Wutzdorff, Zinkhüttenbetrieb. Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamte.
1900. Bd. XVII.
15. Jahresbericht der preuss. Gewerbebeamten für 1897.
16. Jahresbericht des statistischen Amtes der Stadt Königsberg ifPr. 1897. 1898.
Goi igle
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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles.
Von
W. Donitz.
(Hierzu Taf. I u. II.)
Auf seinen Reisen znr Erfoschung der Malaria hat R. Koch umfang*
reiche Sammlungen von Stechmücken zusammengebracht, in der Erwartung,
dass ihr Studium Anhaltspunkte für die Beantwortung noch unerledigter
Fragen der Malariaforschung gehen würde. Die zur selben Zeit von
italienschen Forschem angestellten Untersuchungen hatten zu dem, wie
sich später herausstellte irrigen Ergebniss geführt, dass gewisse Cu lex -
arten die üeberträger des Wechselfiebers wären. Zuerst erschien ver¬
dächtig eine Mücke, welcher Grassi voreilig den Namen Culex malariae
gab, und welche jetzt für identisch mit Culex vexansMeigen gehalten wird;
dann Culex penicillaris Rondani und Anopheles olaviger F. Später
wurde in erster Linie Culex Richiardii Ficalbi genannt, der besonders
im Herbst gefährlich sein sollte, wenn Anopheles ihm das Feld räumt;
und Culex hortensis, welcher nicht in die Häuser kommt und bei
Tage sticht.
Erst nachdem Ronald Ross gezeigt hatte, dass für Indien das
Genus Anopheles in Frage käme, gelang es in Italien den Nachweis zu
führen, dass auch in Europa ein Anopheles der Üeberträger des
Wechselfiebers ist, nämlich der auch in Deutschland heimische An. ma-
culipennis Meigen s. claviger Fabricius. Die Frage aber, oh auch
Culexarten den Wechselfieberparasiten zur Entwickelung von Sichel¬
keimen, Sporozoiten, zu bringen vermögen, ist endgültig noch nicht
als erledigt zu betrachten, so lange nicht die Thatsache aufgeklärt ist,
dass R. Koch und Gosio bei einigen Exemplaren von Culex pipiens
Meig., die in einer Malariawohnuug in Grosseto (Italien) gefangen waren,
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16
W. Dönitz:
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Sichelkeime in den Speicheldrüsen fanden, welche von denen der
menschlichen Malaria nicht zu unterscheiden waren. Die Annahme, dass
sie zu einem Proteosoma gehören könnten, liess man damals fallen,
weil dieser Vogelparasit in der Umgebung jener Wohnstätte bei den dort
allein in Betracht kommenden Sperlingen nicht aufgefunden wurde. Wenn
man aber bedenkt, dass seitdem zahlreiche Experimente mit verschiedenen
Anophelesarten von Erfolg gekrönt waren, so kommen die Culexarten
praktisch nicht in Betracht, selbst wenn sie gelegentlich einmal die Bolle
von Fieberüberträgern spielen sollten.
Nicht ernst zu nehmen ist der jüngst von T. Moore 1 gemachte
Versuch, auch die Psorophora ciliata F. heranzuziehen, gestützt auf
die Beobachtung, dass bei 4 Stück dieser Stechmücken, 2 Tage nachdem
sie Tropenfieberblut gesaugt hatten, Parasiten gefunden wurden. Woher
weiss Moore, dass diese Parasiten von den Fieberkranken herrührten?
Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf aufmerksam machen, dass
Theobald in seiner Monographie der Gulioiden auf Taf. X, Fig. 37
das fragliche Insect mit den Palpen eines Anophelesweibes abbildet, was
ganz unverständlich ist, denn in Betreff der Palpen unterscheidet sich
das Genus Psorophora nicht von Culex, kann also nicht die charakte¬
ristischen Palpen des Anopheles haben.
Während die ersten Nachforschungen naoh dem wirklichen Ueber-
träger der Malaria in Gang waren, hatte man auch bedeutende Fort¬
schritte in der Kenntniss der Malaria selber gemacht, und wir verdanken
besonders B. Koch die Einsicht, dass beim Menschen nur 3 Arten von
Malaria bekannt sind: 1. das gewöhnliche dreitägige Fieber, Febris ter¬
tiana; 2. das viertägige Fieber, Febris quartana; und 3. das Tropen¬
fieber, Febris tropica, in Italien unter dem nicht sehr glücklich ge¬
wählten Namen des aestivo-autumnalen Fiebers bekannt. Eine jede dieser
drei Krankheitsformen wird durch einen besonderen Blutparasiten bedingt,
und man konnte experimentell feststellen, dass die Febris tertiana in
Europa durch den Anopheles maculipennis übertragen wird. Nun
kommen aber in Italien sowohl wie in den Tropen alle drei Arten von
Malaria vor, während die Anophelesarten hier und dort nicht dieselben
sind. Daraus allein liess sich schon mit Wahrscheinlichkeit ableiten, dass
dieselbe Form der Malaria durch verschiedene Arten von Anopheles über¬
tragen wird, und vielleicht auch, dass die verschiedenen Formen der
Malaria durch eine einzige Art Anopheles übertragen werden können,
d. h., dass die Verschiedenen Formen der Malariaparasiten sich in einer
einzigen Anophelesart zu entwickeln vermögen.
1 Journ. Troß. Hyg. 1902.
Gck igle
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Beiträge zür Kenntniss der Anopheles.
17
Das war im Ganzen und Grossen der Stand unserer Kenntnisse be¬
treffs der Betheiligung der Stechmücken bei der Verbreitung der Malaria,
als mir die Koch'sehe Mückensammlung zur Durchsicht übergeben wurde.
Ich wandte demgemäss meine Aufmerksamkeit zunächst dem Genus
Anopheles zu und versuchte die Arten zu bestimmen, fand aber sehr
bald, dass in der Sammlung eine ganze Anzahl noch unbekannter Äxten
sich befanden. Es musste deshalb meine erste Aufgabe sein, diese zu
beschreiben und zu benennen, weil sich die Beziehungen zwischen den
Stechmücken und dem Wechselfieber nur bei genauer Kenntniss des in
Betracht kommenden Thiermateriales feststellen lassen. So hatte ich
denn schon vor etwa Jahresfrist Gelegenheit, fünf neue Anophelesarten
(uud eine Culexart) bekannt zu geben . 1 Ich füge hier noch drei asiatische
und fünf afrikanische Anopheles hinzu und drucke noch ein Mal die Be¬
schreibungen der fünf ersten neuen Species (mit einigen verbessernden
Zusätzen) ab, weil die Zeitschrift, in welcher sie zuerst veröffentlicht wurden,
nicht allgemein zugänglich seiu dürfte. Eine grössere Auzahl anderer
Arten befindet sich in einem für die Beschreibung wenig günstigen Zu¬
stande und soll deshalb unberücksichtigt bleiben. Ausserdem bespreche
ich noch B Arten, deren Abbildungen schon zum Druck gegeben waren,
als ich sah, dass sie schon von anderer Seite veröffentlicht waren.
Ein Theil des asiatischen Materiales wurde von R. Koch selber in
Java uud Neu-Guinea (Stephansort und Herbertshöhe) gesammelt, der
weitaus grösste Theil aber durch die Colonialverwaltung von Holländisch-
Indien zusammengebracht.
Auch aus China (Hongkong und Canton) ist Einiges dazu gekommen.
Die afrikanischen Arten stammen zum Theil aus Unterägypten,
zum Theil aus den deutschen Colonieen, wo sie von Regierungsärzten ge¬
sammelt wurden.
Was diese Sammlung für unsere Zwecke besonders werthvoll macht,
ist der Umstand, dass alle diese Mücken in menschlichen Wohnungen,
zumeist in Krankenhäusern, gefangen wurden, und es verdient mit be¬
sonderer Anerkennung hervorgehoben zu werden, dass die Niederländische
Colonialregierung an alle Garnisonen die Aufforderung ergehen liess, die
Stechmücken in denjenigen Krankensälen zu sammeln, in welchen sich
Malariakranke befanden, und besonders auch die in den Mückennetzen
gefundenen Exemplare einzuschicken. Da aber in ein gut behandeltes
Moskitonetz die Mücken nicht eindringen können, -so wurde absichtlich
eine kleine Oeffnung gelassen, welche von den beutegierigen Mücken leicht
gefunden und benutzt, von den mit Blut gesättigten aber nicht wieder
1 lnsectenbörse. Januar 1901.
Zeitschr. f. Hygiene. XLI.
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18
W. Dönitz:
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aufgesucht wurde. Lässt mau das Netz zu weit offen, so finden selbst
die trägen, satten Mücken die Oeffnung wieder und gehen davon.
Diese Art des Sammelns brachte es mit sich, dass fast nur weibliche
Thiere gefangen wurden, denn es ist ja bekannt, dass nur diese Blut
saugen. Indessen wurden doch von fast allen Arten auch einige Männchen
gefunden, so dass auch diese bei der Beschreibung berücksichtigt werden
konnten.
Zugleich aber richtet sich auf diese Arten der Verdacht, dass sie
Ueberträger der Malaria seien, nicht allein, weil sie die menschlichen
Wohnungen aufgesucht hätten, sondern auch, weil sich unter allen auf
diese Weise gefangenen Arten eine grosse Anzahl Thiere befinden, die Blut
gesaugt haben, das unter den gegebenen Umständen wohl als Menschen*
blut gelten kann. Ob aber eine jede dieser Arten im Stande ist, die
Malariaparasiten zur Keife zu bringen, müsste erst noch im
Einzelnen experimentell untersucht werden. Für eine der neuen Arten
kann jetzt schon mit Bestimmtheit ausgesprochen werden, dass sie alle
drei Formen der Malaria verbreitet; es ist der Anopheles punctulatus,
neben welchem zeitweilig in Deutsch Neu-Guinea, speciell in Stephans¬
ort, sowie in Herbertshöhe auf Neu-Pommern kein anderer Anopheles
beobachtet wurde, während in seinem Verbreitungsgebiet sowohl die
Tertiana, wie die Quartana und die Tropica heimisch ist.
Unterdessen haben auch Stephens und Christophers durch ihre
schönen, in Bengalen angestellten Untersuchungen nachgewiesen, dass
nicht alle Anophelesarten gleichmässig an der Verbreitung der Malaria
betheiligt sind. Es gelang ihnen ebenso wenig wie früher Ron. Ross,
den An. Rossi zu inficiren. Die Tragweite der Experimente von Stephens
und Christophers wird leider dadurch etwas beeinträchtigt, dass von
den 4 Personen, an welchen sie die Mücken saugen liessen, nur eine
einzige die Parasiten sicher in demjenigen Zustande enthielt, in welchem
sie für die Mücken infectionsfahig sind; nur eine Person hatte Halb¬
monde, von den anderen werden nur grosse Parasiten, keine Gameten
angegeben. Die 5 Anopheles aber, welche das Blut mit Halbmonden ge¬
trunken hatten, entwickelten keine Sporozoiten. So spricht also dieses
Experiment, ebenso wie die von Ron. Ross angestellten, gegen An. Rossi.
In diesem Falle sind die negativen Resultate zum Mindesten eben so
werthvoll wie die positiven Resultate, welche die Autoren jnit der In-
fection des An. Christophersi Theob. erzielten, nämlich 4 Mal Sporo¬
zoiten bei 64 Stück, die sie hatten Malariablut saugen lassen.
Auf den Sunda-Inseln wurden die Mücken vom October -bis De-
cember 1899 gefangen, also zu Beginn der Regenzeit, was besonders
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Beitrage zur Kenntniss der Anopheles.
19
für Java und annähernd auch für Borneo gilt, während auf Sumatra
die monatliche Regenmenge viel gleichmässiger über das ganze Jahr ver¬
theilt ist, und für Celebes die Regenzeit erst später, etwa im Deoember
einsetzt. Auf Neu-Gninea wurden die Mücken gegen Ende der Regen¬
zeit im März und April, sowie in der trockenen Zeit bis zum Sep¬
tember 1900 gesammelt. Obgleich nun erfahrungsgemäss die Mücken
in der Regenzeit sehr viel zudringlicher sind, liessen sich aus dem
gesammelten Materiale keine näheren Anhaltspunkte gewinnen, ob die
Anopheles in dieser Zeit auch häufiger sind als in der trockenen.
Ueber ihr Yerhältniss zu den Culioes giebt folgende Tabelle Auskunft,
die ich für den im Militärhospital in Padang auf Sumatra gemachten
Fang aufstellen kann.
Padang.
October
Culex
Anopheles
Novbr.
Culex
Anopheles
15.
74 1
2
2 An. Kochi
1.
34
3
1 vagus
16.
60
2
1 leucopus
1 maculatus?
1 Kochi
1 leucopus
17.
74
6
2 Kochi
2.
19
1
1 vagus
2 vagus
1 leucopus
3.
56
0
1 plumiger
4.
44
4
4 vagus
19.
41
2
2 Kochi
5.
34
1
1 vagus
20.
81
4
2 Kochi
2 vagus
6.
33
0
21.
i 85
6
3 Kochi
7.
38
0
2 plumiger
8.
37
5
4 vagus
1
1 vagus
1 leucopus
22.
■Ji
3
1 leucopus
2 plumiger
9.
82
3
3 vagus
23.
95
6
3 Kochi
10.
53
5
5 vagus mit
1 plumiger
1 aeceptor
11.
32
0
1 Ö*
24.
60
6
1 vagus
3 vagus
3 Kochi
12.
57
5
i
1
2 plumiger
3 vagus
25.
46
3
1 Kochi
2 vagus
15.
59
i 0
i
26.
74
•
5 vagus
1 Kochi
1 plumiger
1 vagus
Ende
November wurden wieder 3 An.
27.
53
1
Kochi gefangen.
die in
der ersten Hälfte
29.
72
2
1 Kochi
des Monats ganz
ausgeblieben waren.
1 vagus
30.
44
2
1 vagus
1 plumiger
31.
22
0
2 *
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20
W. Dönitz:
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Wenn man diese Tabelle überblickt, so ist man überrascht durch
die geringe Zahl der Anopheles. Es ist dies kein Zufall, sondern konnte
überall festgestellt werden, wo die Sammlung sich über einen grösseren
Zeitraum erstreckte. Um noch ein Beispiel zu bringen, gebe ich eine
Tabelle über den Fang in Kota-Radja, dem Hauptort von Atjeh, wo
im Panteh-Perak-Krankenhause die Mücken Anfang November und
Anfang December in 2 Krankensälen gesammelt wurden. Dort fanden
sich die Anopheles in noch geringerer Zahl vor.
Kota-Radja.
Saal S
Saal 17
Datum
Culex
Anopheles
Datum
Culex
Anopheles
1.
Novbr.
7
0
1.
Novbr.
30
1 plumiger
2,
st
25
0
2.
SS
1 26
0
3.
SS
17
0
3.
SS
! 29
0
4.
•»
1 24
0
4.
st
25
0
5 .
SS
22
1 plumiger
5.
SS
1 43
0
6 .
St
22
0
6.
st
! 25
u
2.
Decbr. |
6
0
2.
Deebr.
25
1 plumiger
3.
st
18
0
3.
st
| 20
1 plumiger
4.
SS
20
0
4.
SS
40
2 plumiger
5 .
s*
16
6 plumiger
5.
st
! 17
0
In den Krankenhäusern von Dar es Salaam kamen sogar, wie K.
Koch sich selber überzeugte, manchmal Monate lang überhaupt keine
Anopheles vor.
Solche in gut gehaltenen Krankenhäusern gewonnenen Zahlen sind
aber nicht maassgebend für die Häufigkeit der Anopheles in einer Gegend.
Es ist ja bekannt, dass diese Thiere sich bei Tage in die dunkelsten
Winkel zurückziehen und dass sie sogar, nachdem sie sich mit Blut ge¬
sättigt haben, die Häuser, welche ihnen nicht Zusagen, verlassen, um sich
im Freien zu verbergen. Wer sich also Gewissheit über das Vorkommen
von Anopheles an einem gegebenen Orte verschaffen will, muss sie in
ihren Schlupfwinkeln aufsuchen. So gelang es denn auch R. Koch und
seinem Mitarbeiter, Herrn Stabsarzt Ollwig, sie in den dunklen, schlecht
gelüfteten Hütten der Eingeborenen in Neu-Guinea und Java in grosser
Menge nachzuweisen; ja sie wurden von ihnen sogar in den Strohhütten
der Arbeiter bei einem Salzsee im Wadi Natrün gefunden, also an einem
Orte, wo man sie überhaupt nicht vermuthen konnte. , In diesem Falle
ergab die Untersuchung der Umgebung, dass stellenweise kleine Ansamm¬
lungen süssen Wassers vorhanden waren, welches Anopheleslarven enthielt.
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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles.
21
Wo es nicht gelang, das fliegende Insect zu fangen, hat man öfter
in Malariagegenden die Larven nachweisen können. Dazu gehört aller-
dings eine gewisse Geschicklichkeit, weil die Larven sehr scheu sind und
schnell von der Oberfläche des Wassers verschwinden, wenn sie gestört
werden. Man muss sich manchmal geradezu an die Tümpel heran-
schleichen und die Larven mit einem plötzlichen Griff herausschöpfen.
So sind denn also die in der Litteratur der letzten Jahre nicht
seltenen Behauptungen, dass in gewissen Malariagegenden die Anopheles
fehlen, einfach auf schlechtes Sammeln und ungenügende Sachkenntnis
zurückzuführen, und das Ergebnis dieser Nachforschungen R. Koch’s,
zusammengehalten mit den auch von anderer Seite gemachten gleich¬
lautenden Erfahrungen berechtigt zu dem allgemeinen Schluss, dass
Anopheles überall da Vorkommen, wo Wechselfieber endemisoh ist.
Das gilt für die Tropen, wie für das gemässigte Klima.
Deshalb it es auch vom grössten Interesse, dass es grosse Gebiete
giebt, wo überhaupt keine Anopheles Vorkommen, während doch die Lebens¬
bedingungen für sie gegeben zu sein scheinen. Ich spreche aber nicht
von der Polarzone oder von wasserleeren Wüsten, sondern von den durch
Wasserreichthum und üppige Vegetation ausgezeichneten Südseeinseln,
und es wäre dringend zu wünschen, dass jetzt, wo es noch Zeit ist, genau
festgestellt würde, auf welchen Inseln diese Gattung nicht vorkommt,
damit eine etwaige spätere Einwanderung oder Einschleppung controlirt
werden kann. Es hat dies ein weitgehendes naturwissenschaftliches und
zugleich sociales Interesse, denn es steht zu erwarten, dass dem Auftreten
der Anopheles die Malaria auf dem Fusse nachfolgen würde, weil die
Verkehrs Verhältnisse es heutzutage mit sich bringen, dass Malariakranke,
an denen sich die Anopheles inficiren können, überall hinkommen.
Besondere Aufmerksamkeit müsste auch dem Uebergangsgebiet
geschenkt werden, nämlich Celebes, Neu-Guinea und den dazwischen
liegenden Molucken. Dabei dürfen aber die kleinen Inselchen, welche
in der Nähe der grösseren liegen, nicht vernachlässigt werden, weil sich
gerade bei ihnen die Entwickelung des Verkehrs am einfachsten gestaltet
und noch am ehesten verfolgen lässt. Von einigen dieser Inseln liegen
schon brauchbare Erfahrungen vor. So erhielten wir von dem kleinen
Ternate, das westlich von Halmaheira liegt, aus den Krankensälen nur
Culices zugeschickt. Aus Halmaheira selber liegt leider kein Mate¬
rial vor.
Von Banda erhielten wir auch nur Culices, doch könnten daneben
auch Anopheles Vorkommen, denn nach Angabe der holländischen
Militärärzte werden dort Malariafälle beobachtet, die an Ort und Stelle
entstanden sind. So gab es im November 1899 in der 130 Köpfe be-
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22
W. Dönitz:
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tragenden Garnison 6 solcher Malariafälle; im December betrug die Gar¬
nison 170 Mann, batte aber nur 2 Malariafälle. Dieser Widerspruch \
zwischen Vorkommen einheimischer Malaria und Fehlen der Anopheles |
kann darin seine Lösung finden, dass die Stechmücken nicht in der !
vorgeschriebenen Weise gesammelt worden sind, wofür ein Anhaltspunkt j
darin gefunden werden dürfte, dass die Culices grösstentheils Männchen
waren. Das legt die Vermuthung nahe, dass die Mücken nicht im Mos¬
kitonetz, sondern im Freien gefangen wurden. Man muss aber auch be¬
denken, dass in den Tropen unter dem Namen Malaria Vielerlei zusammen-
gefasst wird, was mit dieser Krankheit nichts zu thun hat. Zuverlässige An¬
gaben sind erst dann zu erwarten, wenn die mikroskopische Untersuchung
auf Blutparasiten allgemein üblich sein wird.
Im Garnisonlazareth zu Wahaai auf Ceram wurden vom 23. bis
27. December 1899 in den Moskitonetzen 42 Culex und 4 Anopheles
gefangen. Zur selben Zeit waren nur 2 Malariakranke in Behandlung.
Diese Beispiele werden genügen, um zu zeigen, dass auf den kleinen
Inseln der Molucken die Malaria nicht häufig ist oder auch ganz fehlt,
dass aber auch die Anopheles nur in mässiger Menge oder gar nicht
dort Vorkommen. Im höchsten Grade auffallend aber ist es, dass die
Anopheles, die von dort eingesandt wurden, alle nur einer einzigen Art
angehören, welche ich Anopheles vagus genannt habe; eine Art, welche
auch auf der Insel Celebes der einzige Vertreter ihres Genus ist, so
weit aus dem Materiale zu ersehen ist, das uns aus 3 Militärposten der
Insel zuging, nämlich aus Balang-Nipa im Osten, Pankadjene im
Norden, Makasser im Südwesten. Es ist dies wohl die häufigste Art
auf den grossen Sunda-Inseln, auf denen sie sonst noch mit anderen Arten
zusammen vorkommt. Dass sie allein so weit nach Osten geht, scheint
darauf hinzudeuten, dass sie auf der Wanderung nach Osten hin begriffen
ist, und dabei scheint das Wechselfieber gleichen Schritt mit ihr zu halten,
denn man hat guten Grund anzunehmen, dass das Wechselfieber erst vor ,
nicht langer Zeit nach Celebes eingeschleppt worden ist, da aus den
genannten Garnisonen nur vereinzelte Fälle gemeldet werden, von denen
noch nicht einmal durch die mikroskopische Untersuchung des Blutes fest- j
gestellt ist, dass sie wirkliche Malaria sind. Dazu kommt, dass Celebes
früher für gesund galt und dass nach Hey mann die Sterblichkeit der
Kinder der Eingeborenen nur 5 Procent beträgt. Endemische Malaria in
den Tropen fordert aber sehr viel mehr Opfer.
Aehnlich liegen die Verhältnisse in Neu-Guinea und im Bismarck- :
Archipel. Es wurde bis vor Kurzem dort nur eine einzige Anophelesart ;
gefunden, An. punctulatus. Ob er noch weiter nach Osten geht, kann
ich nicht angeben. Vielleicht dass sein Verbreitungsgebiet bis nach Neu- j
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Original fro-m
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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles.
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Caledonien reicht, wo neuerdings Fieber, wenn auch spärlich, beobachtet
sein soll, während es früher dort fehlte. Auf Samoa ist Anopheles un¬
bekannt. Für Neu-Pommern liegen besondere Angaben von der kleinen
Insel Matupl in der Massawa-Bucht vor. Matupi ist sehr dichtbe¬
völkert, frei von Fieber, und beherbergt sehr viele Culices, aber keine
Anopheles. Für das Fehlen der letzteren hat man den mit den heissen
Quellen der gegenüber liegenden Küste zu Tage tretenden Schwefelwasser¬
stoff verantwortlich machen wollen, doch gewiss mit Unrecht, denn wenn
er die anderen Stechmücken nicht am Gedeihen hindert, wird er den
Anopheles schwerlich schädlich sein. So kommt man nothwendiger Weise
zu der Annahme, dass der Anopheles von der Hauptinsel noch nicht hier¬
her verschleppt wurde.
Die Siassi-Inseln, zwischen Neu-Guinea und Neu-Pommern,
wurden sorgfältig nach Anopheles durchforscht, doch vergebens. Aber
auch das Wechselßeber fehlt dort.
Die grossen Inseln des Bismarck-Archipels sind mit Malaria ver¬
seucht und beherbergen An. punctulatus. Dagegen sind die Mariannen
und die Carolinen bisher von beiden verschont geblieben; nur die ge¬
wöhnlichen Stechmücken und die Hausfliege sind, wie R. Koch an Ort
und Stelle erfuhr, nach Aussage der Eingeborenen von Ponapö vor etwa
100 Jahren eingeschleppt worden und sind jetzt eine wirkliche Plage.
Bei Betrachtung dieser Verhältnisse bin ich zu der Ueberzeugung
gelangt, dass zur Zeit in den besprochenen Gebieten etwas vor sich geht,
was man bisher noch niemals zu beobachten Gelegenheit hatte: die
Einwanderung vorhandener zoologischer Arten in neue Gebiete,
und im Gefolge davon die Ausbreitung einer mörderischen
Krankheit. Anopheles punctulatus, den ich hierbei zunächst im
Auge habe, schliesst sich eng an die von Skuse beschriebenen austra¬
lischen Arten, An. Mastersi und musivus, die mir leider nur aus der
Beschreibung bekannt sind, an. Eine verwandte Art ist der mir von
Borneo und Sumatra bekannte An. leucosphyrus, und der auf
Sumatra (vielleicht auch auf Borneo) vorkommende An. deceptor.
Für diese kleine Gruppe von Arten scheint Australien das Centrum zu
bilden. Am weitesten haben sich von den australischen Typen die beiden
nach den grossen Sunda-Inseln verschlagenen Arten entfernt und scheinen
unter der grossen Anzahl der dort schon heimischen und individuenreichen
Arten nicht recht zu gedeihen, denn sie sind überall nur sehr spärlich
gefunden worden. Die Art von Neu-Guinea dagegen, welche bisher ihr
Gebiet mit keinem anderen Anopheles zu theilen hatte, kommt überall,
wo sie beobachtet wurde, in grosser Menge vor, so auch im Bismarck-
Archipel, den sie sich schon erobert hat.
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W. Dönitz:
Wenn die Annahme richtig ist, dass An. vagus von Westen nach
Osten wandert, so ist er über Celebes gehend bis Ceram gekommen,
und es hat sogar unter unseren Augen eine Einwanderung nach Neu-
Guinea stattgefunden, wie aus folgenden Beobachtungen hervorzugehen
scheint. In Stephansort auf der Hauptinsel von Neu-Guinea waren
von Anfang Januar bis Ende Juli 524 Anopheles gefangen worden, die
sich sämmtlich als An. punctulatus erwiesen. In der ersten Woche
des August fand sich unter 32 An. punctulatus ein einziger An. vagus,
und bis Mitte September wurden unter 356 An. punctulatus im Ganzen
32 An. vagus gefangen. Da nun während beider Perioden von denselben
Personen und in derselben Weise an denselben Oertlichkeiten gesammelt
wurde und man nicht annehmen kann, dass An. vagus während 7 Monate
nicht in die Häuser kommen sollte, wenn er in der Gegend vorhanden
ist, so dürfte die Annahme berechtigt sein, dass er gerade um die damalige
Zeit in Stephansort eiugeschleppt worden ist und sich eingebürgert hat.
Ob er aber damals überhaupt erst nach Neu-Guinea gekommen ist.
oder ob er schon an anderen Plätzen vorhanden war, lässt sich nicht
mehr ermitteln. In den Sendungen von Mücken, welche Herr Stabsarzt
Dempwolf in neuester Zeit in Stephausort gesammelt sind, sind wieder
beide Anophelesarten vertreten. — Aus Herbertshöhe auf Neu-Pommeru
haben wir bisher nur An. punctulatus erhalten.
Ueber die Art, wie die Verschleppung der Anopheles erfolgt, sind
wir nicht nur auf Vermuthuugen angewiesen. Jedes Eingeborenenboot,
auf dessen Boden Regenwasser. steht, enthält in diesem zahllose Stecb-
mückeularveu, und es ist anzuuehmen, dass sich darunter auch Ano-
ph eleslarven befiuden werden, obgleich dies von den Reisenden nicht
ausdrücklich erwähnt wird. Wenn man nämlich bedenkt, wie genügsam
die Anophelesweibchen in Betreff des für die Eiablage benüthigten Wassers
sind, so wird man auch in dem Kielwasser der Boote Anopheleslarven er¬
warten müssen. Wenn es sich nun so trifft, dass diese sich bis zum ge¬
flügelten Insect weiter entwickelt haben, zur Zeit wo das Boot eine bis dahin
von diesen Thieren verschonte Insel berührt, so fliegen sie sicher an Land
und haben Gelegenheit, sich dort anzusiedelu. Diese Gelegenheiten aber,
die Fahrten der Eingeborenen von Insel zu Insel, mehren sich von Jahr
zu Jahr, seitdem man die Eingeborenen daran gewöhnt, nicht jeden
Fremden, mag er ein Weisser oder ein Schwarzer sein, als Feind zu be¬
trachten und ihn zu speeren. Dass auch die europäischen Händler, deren
Beschäftigung es mit sich bringt, dass sie von Insel zu Insel fahren, um
Einkäufe zu machen, sich ohne es zu wollen an der Verbreitung der
Stechmücken betheiligen werden, liegt auf der Hand.
Tn dürren Gegenden können die Auopheleslarven auch im Trinkwasser,
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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles.
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das aus Cisternen geschöpft ist, viele Kilometer weit verschleppt werden,
wie jüngst J. Cropper aus Palästina berichtet und daran die Bemerkung
knüpft, dass auf diese Weise Malaria in Ortschaften entstehen kann,
welche mehrere englische Meilen von Brutplätzen der Mücken entfernt liegen.
Wenn es also auch als Thatsache hingestellt werden kann, dass das
Verbreitungsgebiet der Anopheles sich ausdehnt, so wissen wir
doch nicht, wie weit die einzelnen Arten daran betheiligt sind. Um
diesen Hergang, der auch für die wissenschaftliche Zoologie vom grössten
Interesse ist, näher verfolgen zu können, wäre es nothwendig, das augen¬
blickliche Verbreitungsgebiet der einzelnen Arten genau zu umgrenzen.
Das kann leider heute noch nicht einmal annähernd geschehen, weil in
der Bestimmung der Arten die grösste Unsicherheit herrscht. Die Ur¬
sache ist in den oberflächlichen Beschreibungen der älteren Dipterologen
zu suchen, welche für die spärlichen, früher bekannten Arten zwar ge¬
nügten, jetzt aber, wo wir ein viel grösseres Material in Händen haben,
oft auf ganze Gruppen anstatt auf einzelne Arten passen. So ist z. B.
der 1845 von Loew beschriebene Anopheles pictus und der von dem¬
selben Autor 1866 beschriebene Anopheles costalis bisher noch nicht
zu identificiren gewesen.
Die erste dieser Arten, Anopheles pictus, war auf dem klein¬
asiatischen Festland, gegenüber der Insel Rhodus, einige Male gefangen
worden, und zwar nur in männlichen Stücken, also jedenfalls im Freien.
(Loew hat nicht gesagt, wie vielfach angegeben wird, dass diese Art in
Südeuropa vorkommt, sondern dass er dem europäischen Faunen¬
gebiet angehört, und das ist etwas ganz Anderes.) Da nun die Loew’sche
Beschreibung auf viele Arten passt, so glaubte man sie in verschiedenen
Weltgegenden wiederzufinden, und so gab denn auch Ficalbi an, dass
sie in Italien vorkomme. Grassi schloss sich dem an, fand aber in
Italien noch eine andere ähnliche Art, welche er Anopheles pseudo-
pictus nannte. Später glaubte derselbe Autor zu erkennen, dass sein
pictus nicht die Loew’sche Art sei, welche sich vielmehr seinem pseudo-
pictus nähere. Deshalb giebt er der zuerst für pictus gehaltenen
italienischen Art den Namen superpictus, und benennt eine indische
Art, welche dem pictus enorm ähnlich sehen soll, als subpictus. Dem
Texte nach scheint subpictus das von Ross an Grassi abgegebene
Exemplar des sogenannten „dappled winged mosquito“ gewesen zu
sein. Die Beschreibung passt aber auch wieder auf ein halbes Dutzend
Arten. Theobald nun, welcher eben ein sehr verdienstvolles und mit
grossem Fleiss gearbeitetes Werk über Stechmücken veröffentlicht hat,
glaubt in der Loew’schen Art den von Wiedemann 1828 aus China
beschriebenen Anopheles sinensis, oder doch eine Unterart desselben
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W. Dönitz:
wiederzuerkennen; eine Annahme, der ich mich nicht anschliessen möchte,
weil wir wieder nicht wissen, welches Thier Wiedemann gemeint hat.
Die Verwirrung ist also vollständig! Um hier Klarheit zu schaffen,
wäre es das Sicherste, die Namen, die nicht unterzubringen sind, ganz
fallen zu lassen. Da sich aber dagegen das Gewissen der Systematiker
sträubt, so bleibt nichts weiter übrig, als aus der Gegend, in welcher
Loew gesammelt hat, alle Anophelesarten zusammenzubringen und darunter
diejenige herauszusuchen, auf welche seine Beschreibung am besten passt,
für den Fall, dass seine Originalexemplare nicht noch irgendwo vorhanden
und erkennbar sein sollten, so dass ein directer Vergleich möglich wäre.
Ebenso müsste mit der Wiedemann’schen Art verfahren werden.
Bei der Identificirung der Arten darf man die Grössenangaben der
Autoren nicht ausser Acht lassen, und Bedenken wegen der Grösse ver¬
anlassen mich von vornherein, die von Theobald als sinensis beschriebene
Art für verschieden von der Wiedemann’schen zu halten. Sinensis
misst nach Wiedemann 2 3 / 4 '" = 6 mm ; Theobald’s sinensis dagegen
5 mm ; das ist ein für diese kleinen Thierchen recht bedeutender Unterschied.
Ebenso schlimm steht* es mit Anopheles costalis, den Loew aus
dem Lande der Kaffem (Caffrerei) erhalten hatte, und den man jetzt im
ganzen tropischen Afrika, auf der Insel Mauritius und selbst in
Indien gefunden haben will. Die Angabe Loew’s, dass nur die aller-
äusserste Spitze der Kniee und Schienen eine gelbliche Färbung zeigt,
stimmt ganz und gar nicht zu der Art, welche Theobald als costalis
bezeichnet, weil diese an den Hinterbeinen eine breite gelbe Binde be¬
sitzt, welche das distale Ende der Femora umfasst und auf die Ti bien
übergreift. Bis Theobald sich über die Sache ausgesprochen und eventuell
seiner Art einen neuen Namen gegeben haben wird, kann man diese Art
immer noch als pictus weiterführen, muss sie dann aber in der üblichen
Weise als Anopheles pictus Theob. nec Loew bezeichnen.
Die gegebenen Beispiele werden zur Genüge gezeigt haben, wie wenig
bisher die Identificirung gewisser älterer Arten gelungen ist, und wie un¬
zuverlässig deshalb die in der Litteratur vorhandenen Angaben über die
geographische Verbreitung sind. Das Alles ist um so mehr zu bedauern,
als die Anopheles berufen scheinen, eine bedeutende Rolle in der
wissenschaftlichen Zoologie zu spielen. Schon sind wir durch
Howard, Grassi, Nuttall und seine Mitarbeiter über die Structur und
Biologie des europäischen Anopheles maculipennis Meig. besser unter¬
richtet als über irgend eine andere Mücke, und die Untersuchung der
Larven soll sogar ergeben, dass Anopheles bifurcatus L., den man
für einen abgeschabten Anopheles maculipennis zu halten geneigt
war, wirklich eine eigene Art darstellt, indem bei ihnen am Kopfe die
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Beitbäge zub Kenntniss deb Anopheles.
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von ßrassi benannten Winkelborsten einfach, bei maculpennis
bäumchenförmig verzweigt sind, was allerdings noch nachzuprüfen
wäre. Da wir aber aus den spärlichen Mittheilungen, welche über die
Larven aussereuropäischer Anopheles vorliegen, entnehmen können,
dass diese sich sehr merklich von den aus Europa bekannten unterscheiden,
so steht zu erwarten, dass das eingehende Studium der früheren Stände
eine schärfere Umgrenzung zweifelhafter Arten ermöglichen wird. Einen
guten Anfang mit einschlägigen Untersuchungen haben Stephens und
Christophers gemacht.
Unter den bisher bekannt gewordenen Anophelesformen finden sich
schon mehrere, bei welchen es unmöglich ist zu sagen, ob wir es mit
selbständigen Arten oder Varietäten zu thun haben. Dahin gehört
z. B. Theobald’s Anopheles sinensis, zu welchem der englische Autor
als Subspecies folgende Formen stellt: indiensis Theob., nigerrimus
Giles, annularis v. d. Wulp, pseudopictus Grassi. Bei der Be¬
schreibung meines Anopheles plumiger werde ich Gelegenheit nehmen,
diese Frage zu berühren, und möchte hier nur darauf hinweisen, dass
solche Unterscheidungen zu den schwierigsten Aufgaben der Zoologie ge¬
hören. Es hängt das mit der Definition des Begriffes „Species“ zu¬
sammen. Im Grunde genommen ist Species gar kein zoologischer
(bezw. botanischer), sondern ein physiologischer oder biologischer
Begriff, unter dem man diejenigen Individuen zusammenfasst, welche unter
sich in directem verwandtschaftlichen Verhältniss stehen, was man
praktisch so ausdrücken kann, dass man sagt: diejenigen Thiere, welche
unter sich fruchtbare Nachkommenschaft zu erzeugen vermögen, bilden
eine Species. (Von Behinderung der Copulation durch abnorme Grösse,
Missbildung und dergleichen äussere Ursachen muss natürlich abgesehen
werden.)
Die Individuen einer Species sind aber veränderlich, und eine ver¬
änderte Form kann sich durch Erblichkeit fortpflanzen und constant
werden. Sobald nun die Abweichungen der Art sind, dass die Fort¬
pflanzung durch Vermischung mit der Ausgaugsform (Stammform) physisch
nicht mehr möglich ist, so hat sich von dieser eine neue Species ab¬
gezweigt. Nun ist aber der Systematiker selten im Stande, das Experi-
mentum crucis anzustellen, und muss sich ein Urtheil nach äusseren
Merkmalen bilden. Sein Urtheil hat aber an Sicherheit gewonnen, seit¬
dem man auch die Copulationsorgane in den Bereich der Untersuchung
zieht, und gerade in der Entomologie ist die Systematik dadurch sehr
gefördert worden, denn die Erfahrung lehrt, dass selbst bei nahe stehen¬
den Arten eine Verschiedenheit der Copulationsorgane der Begattung,
und somit auch der Befruchtung hinderlich ist. So werden durch rein
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W. Dönitz:
äusserliche Hülfsmittel die Arteii rein erhalten, wenn nicht etwa schon
der Bau der Mikropyle des Eies und derjenige der Zoospermien die Be¬
fruchtung verbieten sollten. Dass ausserdem auch noch chemotactiscke
Kräfte ihr Spiel treiben können, sei nur nebenbei erwähnt.
Nun giebt es aber Genera, bei welchen die Copulationsorgane der
verschiedenen als Arten geltenden Formen einander so ähnlich sehen,
dass die Möglichkeit der Begattung von vornherein zugegeben werden
muss. Solcher Beispiele hat die Eutomologie nicht wenige aufzuweisen,
und auch die Anopheles liefern ein solches. Unter allen Arten, die ich
bis jetzt untersucht habe, besitzt nur mein Anopheles plumiger-Männchen
eine besondere Auszeichnung; bei allen anderen sind diese Organe nicht
allein sehr einfach gebaut, sondern auch unter einander sehr ähnlich, so
dass man wohl annehmen kann, dass viele hybride Copulationen möglich
sein werden. Derartige Conamina werden thatsäc blich auch in der freien
Natur gemacht, wie jener noch viel weiter gehende Fall beweist, den
Theobald berichtet, wo ein Anophelesweib in einen Schwarm männ¬
licher Culex pipiens 11 og und sofort von einem Männchen ergriffen
und davongeführt wurde, in der Weise, wie es bei der Copulation der
Culices geschieht. Aus der Litteratur ist eine besondere und sehr auf¬
fallende Auszeichnung der männlichen Copulationsorgane von Anopheles
Listoni Giles bekannt.
Da die Copulation der Stechmücken, so viel man bis jetzt weiss.
sich immer während des Fluges vollzieht, so wird mau zwar bei der An¬
stellung derartiger Experimente auf Schwierigkeiten stossen, aber unüber¬
windlich dürften diese nicht sein. Man wird dabei die Beobachtung
machen können, dass nicht alle Mücken gleich nach dem Ausschlüpfen
davoufiiegen. Manche warten damit, wie ich gesehen habe, mehrere Tage,
vermuthlich bis ihr Fettkörper aufgezehrt ist. Dann erst werden sie
Hunger empfinden und nach Nahrung fliegen.
Weitere Schwierigkeiten bietet die Aufzucht der Anopheles nicht; man
muss nur dem geflügelten Weib reichlich Gelegenheit bieten, Blut zu
saugen. Dazu haben Van der Scheer und Berdenis von Berlekom
Kaninchen benutzt, welche in einen Drahtkälig gesetzt wurden, der seiner¬
seits in dem mit Gaze bespannten Mückenkäfig stand. Man kann aber
auch die Mücken am Menschen saugen lassen, wenn man sich des kleinen,
von Herrn Stabsarzt Martini im Institut für Infectionskrankheiten be¬
nutzten Kunstgriffes bedient, die mit über einander gelegten Flügeln da¬
sitzenden Anopheles mittels einer flachen Piucette am Ende der Flügel
zu fassen, auf die Haut zu setzen, und so lange festzuhalten, bis sie sich
vollgesogen haben. Die meisten fangen sofort an zu stechen, selbst solche,
welche den Winter hindurch in Häusern gefangen worden waren. Die
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Beiträge zur Kexxtniss der Anopheles.
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Verdauung dieser im Zimmer gehaltenen Anopheles maculipennis
war eine sehr rege, so dass die Thiere öfter schon nach 3 Tagen wieder
stachen. Bei häufig wiederholter und nicht übermässiger Fütterung mit
Blut scheinen sie am besten zu gedeihen.
Bevor ich an die Beschreibung der neuen Arten gehe, möchte ich
ausser Bemerkungen zur Systematik noch einige Worte über den Fang
und den Versand der Stechmücken voraufschicken, weil die im Auslande
gesammelten Stücke oft in einem gar zu schlechten Zustande in die Hände
des heimischen Systematikers gelangen. Fast immer hat dieBeschuppung
stark gelitten, die doch für die Systematik bei diesen so einfach gebauten
Thieren eine grosse Rolle spielt. So ist auch die Angabe der früheren
Autoren, dass der Hinterleib von Anopheles nicht beschuppt sei, auf die
schlechte Erhaltung der von ihnen beschriebenen Stücke zurückzuführen.
Aber auch neuere Systematiker scheinen zum Theil recht mangelhaftes
Material in Händen gehabt zu haben, denu obgleich ich darauf aufmerk¬
sam gemacht habe, dass einzelne Anophelesarten ausser der gewöhnlichen
Beschuppung auch noch gauze Büschel fester haftender Schuppen an der
Bauchseite des Hinterleibes aufweisen, so hat nur Theobald bei seinem
Anopheles squamosus etwas Aehnliches gesehen.
Auch Ficalbi kennt diese Schuppenbüschel nicht, die man füglich
den bei den Schmetterlingen und ihren Raupen bekannten, sogenannten
Schmuckflecken vergleichen kann. Mir liegt aber ein in Italien bei
Grosseto im Busch von R. Koch gefangener Anopheles vor, welcher
dem Ficalbi’schen Anopheles pictus zu entsprechen scheint, und
welcher an der Bauchseite des vorletzten Hinterleibsegmentes ein schwarzes
Schuppenbündel besitzt. Auch Grassi kennt eine derartige Bildung
bei seinen italienischen Anophelesarten nicht.
Um also ein für die systematische Bearbeitung brauchbares Material
zu gewinnen, muss man schon beim Fange darauf bedacht sein, die Be¬
schuppung der Thierchen nicht zu verletzen. Man darf sie deshalb nicht
mit Netzen fangen, sondern muss sie direct in das Fangglas zu bringen
suchen, indem man es über sie stülpt. Will man die Thiere trocken
aufbewahren und gleich nadeln, so benutzt man ein weithalsiges Fang¬
glas, auf dessen Boden Cyankalium eingegypst ist. Das Nadeln der
Mücken ist aber nicht Jedermanns Sache; deshalb hat R. Koch immer
empfohlen, die Mücken gleich beim Fange in Alkohol zu bringen und
darin zu verschicken. Zu dem Zwecke rüstet mau sich mit zwei gleich¬
grossen Gläsern aus, z. B. dickwandigen Reagensröhrchen, von denen das
eine mit Alkohol gefüllt und verkorkt wird. Will man eine Mücke fangen,
so giesst man den Alkohol in das leere Glas über, so dass in dem ersten
nur die Wände noch ein wenig feucht bleiben. Dieses Glas also stülpt
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W. Dönitz:
man über die Mücke, die dann auffliegt und sofort an der von Alkohol
feuchten Glaswand unbeweglich festklebt. Dann bedeckt man die Oeffnang
des Glases mit dem Daumen, um die Verdunstung des Alkoholrestes za
verhüten, bis sich Gelegenheit zum Fange einer zweiten Mücke bietet.
So fahrt man fort, bis man etwa ein halbes Dutzend Mücken im Glase
hat. Dann giesst man dieses aus dem anderen Röhrchen voll und fängt
mit diesem weiter. Ein mehrmaliges Umgiessen des Alkohols mit den
darin enthaltenen Mücken schadet diesen nicht. Zum Versand bringt
man sie am besten in schmale, enghalsige Arzeneiflaschen von etwa 25
bis 50 ccm Inhalt, und füllt diese bis an den Kork mit Alkohol an. Je
kleiner die Luftblase ist, welche im Glase bleibt, um so weniger werden
die Mücken beim Transport geschüttelt, und um so besser erhält sich
ihr Schuppenkleid. Leider ist man dann noch der Gefahr ausgesetzt,
dass ein Theil des Alkohols durch den Kork hindurch verdunstet, wo¬
durch wieder die gefürchtete Luftblase entsteht, welche gestattet, dass die
Mücken hin und her geworfen werden und Schuppen, Beine und Fühler
verlieren. Durch Eintauchen des Verschlusses bis zum Flaschenhalse in
geschmolzenes Paraffin lässt sich Abhülfe schaffen, wenn der Kork sehr
gut schliesst. Ist dieses aber nicht der Fall, so drängt sich der Alkohol
zwischen Paraffin und Glas durch, und auf demselben Wege gelangt
Luft hinein. Ich habe deshalb einen Correspondenten gebeten, den Kork
und Flaschenhals mit verflüssigter Gelatine zu überziehen und diese
nach dem Erkalten durch Eintauchen in Chromsäurelösung oder Kalium-
bichromat zu härten. Ueber den Ausfall eines solchen Versuches kann
ich noch nichts berichten.
Die Montirung der in Alkohol aufbewahrten Stücke für die Sammlung
lässt sich leicht bewerkstelligen. Es handelt sich nur darum, dafür zu
sorgen, dass die Flügel nicht beim Trocknen zusammenschrumpfen können.
Zu dem Zwecke breitet man die für brauchbar befundene Mücke unter
ein paar Tropfen absoluten Alkohols auf einem sauber polirten Object-
träger in der Art aus, dass der Rücken nach unten zu liegen kommt
und dass die Flügel flach, wo möglich ausgebreitet, dem Glase anliegen.
Um den Alkohol besser zusammenzuhalten, wodurch die Hantirung er¬
leichtert wird, ist es zweckmässig, sich eines hohlgeschliffenen Object¬
trägers zu bedienen. Man giesst dann den Alkohol ab, nimmt den Rest
mit etwas Fliesspapier auf, aber ohne die Mücke aus ihrer Lage zu
bringen, und wartet ein wenig, bis die Flügel ganz trocken sind und sich
bei leichter Berührung vom Glase abheben. Dann wird das Thierchen
von der Bauchseite her genadelt und in der gewöhnlichen Weise für die
Sammlung hergerichtet. Bei diesem Verfahren leidet nicht einmal der
Wimpersaum der Flügel Schaden, wie man an den Photogrammen sehen
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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles:
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wird, welche dieser Arbeit beiliegen. Alle die abgebildeten Flügel stammen
von Stücken, die in Alkohol gelegen hatten; viele waren erst getrocknet
worden, am sie bei auffallendem Lichte zn untersuchen, und wurden dann
erst in Canadabalsam oder Cedernöl eingelegt, um sie bei durchfallendem
Liebte photographiren zu können, bei welchem die Zeichnungen viel
schärfer hervortreten als bei auffallendem. Bei scharfem Zusehen wird
man erkennen, dass auch an vielen Stellen des Wimpersaumes, wo die
Cilien abgefallen zu sein scheinen, die Schuppen vorhanden sind. Die
hellen Schuppen werden in Balsam so durchscheinend, dass die Photo-
graphie sie oft nicht wiedergiebt. (An anderen Stellen fehlten die
Schuppen allerdings schon von vornherein.)
Bei der Aufbewahrung der Mücken in Alkohol muss man den Uebel-
stand mit in Kauf nehmen, dass die Farben der Schuppen und Haare
ihre ursprüngliche Frische nicht bewahren. Zwar verlieren auch frisch
genadelte Stücke in den Sammlungen sehr bald ihren Farbenschmelz,
aber sie lassen doch längere Zeit erkennen, was gelb und was weiss, was
schwarz und was braun ist. Ich habe deshalb, um keinen Irrthum zu
begehen, bei den Beschreibungen mich meist darauf beschränkt, die Flecke
als hell oder dunkel zu bezeichnen, und muss es der Zukunft überlassen,
dass die richtigen Farben nachträglich hinzugefügt werden. Die Farbe
hat auch für die Systematik nur untergeordneten Werth; sehen wir doch,
dass einer unserer gemeinsten Schmetterlinge, der Kohlweissling, in Nord¬
amerika, wohin er verschleppt wurde, gelb geworden ist. Man hat deshalb,
wie anderwärts, so auch bei dem Genus Anopheles nach Structur-
unterschieden gesucht, und es gebührt vor Allen Skuse das Verdienst,
gewisse Verhältnisse des Flügelgeäders zu diesem Zwecke herangezogen
zu haben.
Für das praktische Bedürfniss ist es nicht nöthig, sich in die ver¬
gleichenden Untersuchungen des Flügelgeäders und die darauf begründet«
Nomenclatur zu vertiefen; es genügt zu wissen, dass die Flügel der
Anopheles wie aller Culiciden von Längsrippen durchzogen sind, von
denen einige sich gegen die Flügelspitze hin gabeln, und dass die Mehrzahl
dieser Längsrippen durch kurze, zarte Querrippen verbunden ist. Man
zählt 6 Längsrippen, deren erste aus der Flügelwurzel entspringt, unter¬
halb des Vorderrandes verläuft und an der Flügelspitze endet. Zwischen
ihr und dem Vorderrande liegt eine andere Längsrippe, welche aber die
Flügelspitze nicht erreicht, sondern bald nach der Mitte des Vorder¬
randes in diesen ausmündet. Sie wurde schon von Löw als Hülfsader,
Vena auxiliaris bezeichnet. Die zweite und dritte Rippe kommen
nicht aus der Flügelwurzel, sondern entstehen mitten in der freien Fläche
des Flügels, doch verlängert sich die dritte manchmal rückwärts als feiner
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W. Dönitz:
Streifen bis nahe an die Wurzel. Beide münden in die Spitze aus, und
zwar die zweite, nachdem sie sich vorher gabelartig getheilt hat. Eine
solche Gabel bildet auch die vierte Rippe, die aus der Wurzel des Flügels
entspringt. Auch die 5. Rippe kommt aus der Wurzel und entsendet
ungefähr in der Mitte des Flügels nach oben hin einen Ast, welcher sich
bald nach aussen umbiegt und zum Rande zieht, so dass auch hier eine
Art Gabel entsteht, die aber sehr viel grösser ist als die der 2. und
der 4. Rippe und deshalb die grosse Gabel genannt wird, im Gegen¬
satz zu den beiden kleinen, oberen Gabeln, die einfach als obere und
untere Gabel unterschieden werden. Die sechste Rippe kommt aus der
Wurzel, bleibt einfach und endet ungefähr in der Mitte des Hinterrandes
des Flügels, doch in eigenthümlicher Weise; sie zieht nämlich schräg auf
den Innenrand zu und biegt dann ziemlich plötzlich gegen diesen um,
so dass sie ziemlich senkrecht auf ihm steht. Bei Anwendung einer
stärkeren Vergrösserung findet man eine Andeutung dieses Verhaltens
auch an der 5., selbst bis zur 3. Rippe hin. Das Ende der
obersten Rippen erscheint unter dem Mikroskop ein weing aufwärts ge¬
bogen. Eine Art siebenter und achter Rippe wird man in den Photo¬
grammen angedeutet finden; für die Systematik haben sie keine Bedeutung.
Von den kleinen Queradern fallen die centralen leicht in die Augen,
z. B. auf den entschuppten Flügeln (vgl. Taf. I, Figg. 2 u. 10). In Taf. I,
Fig. 2 verbindet ein kleiner Querstrich in der Mitte des Flügels die vierte
Rippe mit derjenigen Stelle des oberen Astes der fünften Rippe, wo dieser
nach aussen gegen den Flügelrand hin umbiegt. Ein wenig weiter gegen
die Flügelspitze hin verbindet ein ähnlicher Strich die vierte Rippe mit
der dritten, und zieht dann gleich weiter bis zur zweiten. Es sind das
die drei centralen Queradern, welche man als die untere, die mittlere und
die obere bezeichnen kann. Letztere, zwischen dritter und zweiter Rippe
gelegen, wird auch überzählige Querader genannt. Die übrigen Quer¬
adern, die marginale zwischen Rippe zwei und eins, die subcostale
zwischen Rippe eins und der Hülfsrippe, sowie die humerale ganz an
der Flügelwurzel zwischen Hülfsrippe und Vorderrand, haben für die
Unterscheidung der Arten keine grosse Bedeutung, doch hat sie Skuse
nach dieser Richtung zu verwertlien gesucht.
Die Lage der drei kleinen centralen Queradern zu einander hat man
für die Artunterscheidung herangezogen; nicht in sehr glücklicherweise,
denn diese kleinen Gebilde verschieben sich viel zu häufig gegen einander.
Bei manchen Arten bilden die drei ceutralen Queradern eine Art Treppe,
indem die oberste am weitesten gegen die Flügelspitze vorgerückt ist,
und die unterste am weitesten davon zurücksteht. Bei anderen Arten
rückt die mittlere Ader am weitesten vor. Der erste Fall würde der
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Beitbäge zub Kenntniss deb Anopheles.
83
Figur entsprechen, welche Theobald auf S. 153 für An. Rhodesiensis
giebt; der zweite Fall passt auf An. funestus am selben Orte. Beide
Bildungen kann man aber nicht selten bei derselben Art antreffen,
wofür ich, um bei den afrikanischen Arten zu bleiben, meinen An. heb es
anführen will. Ja, man kann sogar, wie ich mich wiederholt überzeugt
habe, die erwähnte Verschiedenheit auf beiden Flügeln desselben
Thieres finden. Als Beleg dafür habe ich einen An. merus aus Afrika
aufbewahrt. Die Wandelbarkeit in der gegenseitigen Lage der kleinen
Queradern ist so gross, dass bei der oft so schwierigen Unterscheidung
nahe stehender Arten diese Verhältnisse belanglos sind. Trotzdem werde
ich, um nicht gegen den Gebrauch zu verstossen, bei meinen Beschrei¬
bungen auch die Lage der centralen Queradern bei denjenigen Stücken
angeben, welche der Beschreibung zu Grunde liegen.
Viel beständiger sind die Beziehungen der Längsrippen zu einander
und können in der Systematik Verwendung finden. Solche Beziehungen
bestehen zwischen den beiden kleinen Gabeln. Die obere beginnt häufig
viel früher als die untere und erscheint demgemäss sehr viel länger. In
anderen Fällen beginnt sie auf gleicher Höhe mit dieser, oder merklich
später. Um einen festen Ausgangspunkt zu haben, zieht man von dem
Punkte aus, wo die zweite und die vierte Rippe sich gabeln, in Gedanken
eine Senkrechte auf den Vorderrand. Daraus ergiebt sich sofort, welche
Gabel früher entsteht. Dieses Verhältniss hat Werth für die Unter¬
scheidung der Arten; Gruppeneintheilungen lassen sich darauf
nicht begründen, wie das Beispiel der einander sehr nahestehenden An.
Kochi und pulcherrimus Th. zeigt. Bei ersterem gabelt sich die zweite
Rippe später als die vierte, bei pulcherrimus dagegen auf gleicher Höhe
oder sogar etwas früher, wie aus dem von Theobald 1 gegebenen Photo¬
gramm ersichtlich ist. Auf eine andere, recht brauchbare Beziehung
macht Skuse aufmerksam. Wenn man von dem Punkte aus, wo die
Hülfsader in den Vorderrand mündet, ein Loth errichtet und bis zum
Hinterrand verlängert, so schneidet es diesen gewöhnlich weit vor der
Einmündung der 5. Rippe, aber bei einer kleinen Anzahl Arten fällt
das Loth nahezu mit dem Ende der fünften Rippe zusammen, z. B. bei
meinem An. plumiger und einem italienischen Stück, das wohl zu pictus
Fic. oder zu pseudopictus Gr. gehört. Hierher würde noch An. ma-
culatus* Theob. zu stellen sein, nach Ausweis der Textfigur auf S. 172
in Theobald’s Werk, wenn nicht meine Stücke, die auch aus Hongkong
1 Proc. Royal Soc. 7. März 1902.
* Warum gebraucht in diesem Falle Theobald den Namen Anopheles weib¬
lich und nennt die Art maculata?
Zdtachr. f. Hygiene. XLL 3
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W. Dönitz:
stammen, wie Theobald’s Stücke, dagegen sprächen. Zudem gehört
An. maculatus einer ganz anderen Gruppe an als die oben genannten
Arten, so dass hier wohl ein Fehler in der Zeichnung angenommen
werden muss.
Leider sind die von den Autoren gegebenen Abbildungen wenig ge¬
eignet, diesen Gegenstand weiter zu verfolgen, da die Hülfsrippe häufig
in den Bildern fehlt; so auch vielfach in dem grossen Theobold’schen
Werke. Indessen findet sich auf Seite 150 eine Reihe sehr lehrreicher
Abbildungen, welche An. sinensis Wied, mit den Unterspecies anuu-
laris Theob., indiensis Theob., pseudopictus Grassi und der ver¬
wandten Art An. barbirostris darstellen sollen. Da fallt es nun auf,
dass bei der Art, welche Theobold für sinensis Wied, hält, die Hülfs¬
rippe früher endet als die 5. Rippe; bei annularis und barbi¬
rostris enden beide annähernd auf gleicher Höhe; aber bei indiensis
und pseudopictus ist das Ende der Hülfsader weit gegen die Spitze
vorgerückt und steht fast auf gleicher Höhe mit dem Ende des oberen
Astes der 5. Rippe. Der Unterschied wird noch auffallender, wenn
man dazu noch die Länge der beiden oberen Gabeln in Betracht zieht
Bei sinensis beginnt im Bilde die obere Gabel später als die untere, bei
barbirostris und pseudopictus auf gleicher Höhe, bei annularis
etwas früher, aber bei indiensis so sehr viel früher, dass die Theilungs-
stelle der 2. Rippe über das Ende der Hülfsrippe hinaus gegen die
Flügelwurzel hin zurückgewandert ist. So etwas habe ich überhaupt noch
bei keinem Anopheles gesehen und würde darauf hin An. indiensis
Theob. für eiue auf anatomische Unterschiede begründete Art
halten. Auch die anderen Unterarten Theobald’s können wohl nicht
bei sinensis stehen bleiben, während barbirostris und sinensis sich
in dieser Beziehung sehr nahe stehen, vorausgesetzt, dass die Ausmün¬
dungsstelle der Hülfsrippe bei derselben Art nicht etwa grossen Schwan¬
kungen unterworfen ist, eine Frage, die bisher noch nicht aufgeworfen
wurde. Um hier vergleichbares Zahlenmaterial zu bekommen, kann man
die Entfernung dieser Stelle von der Flügelspitze in Procenten der ganzen
Flügellänge ausdrücken. Als Flügellänge galt mir die Entfernung der
Flügelspitze bis zu dem umgebogenen Theil des Hiuterrandes nahe der
Wurzel, wo der Wimperbesatz aufhört. Die Wimpern wurden nicht mit
gemessen. Thatsächlich ist die Flügelwurzel etwas länger, aber da
diese Messungen am besten unter dem Mikroskope vorgenommen werden,
wird man gut thun, den betreffenden Flügel abzubrechen, und dabei geht
leicht ein Stückchen Wurzel verloren, und das würde zu ungleichen
Messungen führen.
Aus Zweckmässigkeitsgründen mass ich die Entfernungen nicht direct.
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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles.
35
sondern in ihrer Projection auf einer Geraden, welche längs des Vorder¬
randes gedacht wurde, denn in dieser Linie liegt ja auch das Ende der
Hülfsader, welches zahlenmässig festgelegt werden sollte. Die Messung
lässt sich mit Hülfe eines Ocularmikrometers unter dem Mikroskop schnell
und sicher ausführen. Als Beispiele mögen folgende Zahlen dienen, welche
also die Entfernung des Endes der Hülfsrippe von der Flügelspitze in
Prooenten der gesammten Länge des Flügels ausdrücken.
An. Eochi: 44*4—43*5—42*9—42*2—40.0 Procent.
Durchschnitt 42*6 Procent; bei 1 o* 40*6 Procent.
An. maculatus Th.: 43*5—42*6—42*4—42*0—41*8—41*4 Procent.
Durchschnitt 42*3; bei 1 d* 39*1 Procent.
An. plumiger: 36*0—37*0—37*5—38*9—39-7 Procent.
Durchschnitt 37*8 Procent; bei lo* 34.1.
Bei plumiger also mündet die Hülfsrippe viel näher der Flügelspitze
aus, als bei den anderen beiden Arten.
In derselben Weise lässt sich auch der in der Projection gemessene
Abstand des Endes der 5. Hippe von der Elügelspitze in Prooenten
der Flügellänge ausdrücken. So ergaben 5 An. plumiger folgende
Zahlen:
34.2—35-3—35*4—35*5—35*7 Procent; im Durchschnitt 35*2.
5 An. vagus gaben:
34*5—34*7—35*2—35*7—36*8 Procent; im Durchschnitt 35-4.
Bei dieser Art hat die Ausmüudung der Hülfsader die Zahl 42.3.
Man sieht also, dass die wirklich beobachteten Zahlen sich nur wenig
von den Durchschnittszahlen entfernen; das heisst mit anderen Worten:
Die Endpunkte der Hülfsrippe und der 5. Rippe haben bei jeder
Art eine so feste Lage, dass man sie als Ausgangs- und Stützpunkte be¬
nutzen kann, wenn man Längenverhältnisse im Flügelgeäder für die Be¬
stimmung der Arten benutzen will. Die Zahlen selber kann man füglich
als Indices bezeichnen.
Sofern der Vorderrand des Flügels auch nur die Spur einer hellen
Zeichnung trägt, liegt das Ende der Hülfsader sicher in einem
hellen Fleckchen, und es folgen dann immer bis zur äussersteu Flügel¬
spitze zwei durch einen hellen Streifen getrennte dunkle Flecke. Wenn
daher in der Textfigur, welche Theobald von An. Rossi giebt, diese
Rippe schon vor dem drittletzten dunklen Vorderrandfleck endet, so ist
das so auffallend; dass die Sache noch einmal untersucht zu werden ver¬
dient. Bei einer nahestehenden Art, welche ich An. vagus genannt habe,
kommt eine derartige Abweichung von der Regel nicht vor. Auffallend
3*
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W. Dönitz:
ist auch, dass in Theobald’s Abbildungen von An. punctipennis Say
zwischen Ende der Hülfsrippe und der Flügelspitze nur ein einziger dunkler
Fleck steht. Die Thatsache will ich nicht anzweifeln, sie verdient aber
besonders hervorgehoben zu werden.
Da also die Yorderrandzeichnung der Flügel an gewisse
Normen gebunden ist, so giebt sie gute Anhaltspunkte ab, um
die Anophelesarten in Gruppen zusammenzufassen. Bei unseren
europäischen An. maculipennis ist der Vorderrand überhaupt nicht
ausgezeichnet. Dagegen ist er bei einer kleinen Gruppe ganz dunkel oder
doch nur durch unbedeutende helle Eintritte unterbrochen, welche, wie
wir gesehen haben, ungefähr bei zwei Drittel der Flügellänge und kurz
vor der Spitze liegen; und wenn bei ihnen noch eine Aufhellung näher an
der Wurzel hinzu tritt, so erreicht diese nicht den Vorderrand, sondern steht
auf der 1. Rippe. Bei den hierher gehörigen Arten macht der ganze
Flügel einen düsteren Eindruck. Es sind die von Theobald als barbi-
rostris v. d. Wulp und als sinensis Wiedem. aufgeführten Arten;
An. plumiger Dö.; An. pictus Loew; An. pseudopictus Grassi;
An. paludis Theob.; Mauritianus de Grandprö; tenebrosus Dö.
und wohl noch einige andere mir aus eigener Anschauung nicht bekannte
Arten.
Eine dritte Abtheilung bilden diejenigen Arten, deren Vorderrand
vier deutlich getrennte grosse dunkle Flecke aufweist, die ich die
typischen Vorderrandflecke nenne. Nahe der Wurzel finden sich meist
noch einige kleine, kaum in die Augen fallende dunkle Stippchen. Hier
kann man gleich eine kleine Gruppe aussondern, welche ihr Verbreitungs¬
centrum in Australien zu haben scheint und sich dadurch auszeichnet,
dass die Rippen mit zahlreichen, ziemlich gleich grossen hellen und
dunklen Fleckchen übersät siud. Es giebt das dem Flügel ein auffallend
gesprenkeltes Aussehen. Tim diese Gruppe mit Sicherheit zu erkennen,
kann man sich von der 6. Rippe leiten lassen, welche fünf oder mehr
dunkle Fleckchen führt, (selten sind es nur vier), während es bei allen
anderen Arten höchstens drei sind. Es gehören hierher An. musivus und
Mastersi Skuse, sowie punctulatus, leucosphyrus und deceptor Dö.
Weitere Gruppirungen lassen sich auf Grund der Zahl, der Vertheilung
und der gegenseitigen Lage der kleineren, über die Flügelspreite ver¬
theilten dunklen Flecke vornehmen. Einige dieser Flecke haben eine
ganz bestimmte Lage; so z. B. am Ende der Längsrippen, doch meist
den äussersten Saum nicht berührend, indem sich noch einige helle
Schüppchen dazwischenzuschieben pflegen. Man kann sie als Rand¬
punkte oder Flecke, oder, wenn man schärfer im Ausdruck sein will, als
Submarginalflecke bezeichnen. Der Randfleck auf Rippe 2, oft auch
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Beitbäge zur Ivenntniss der Anopheles.
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derjenige des oberen Astes der oberen Gabel, pflegt etwas vom Saume
abzurücken, länger und dunkler zu werden und mit dem vierten Vorder¬
randflecke zu verschmelzen oder ihn zu verbreitern. Die Randflecke sind
bei allen mir bekannten Arten vollzählig vorhanden, mit Ausnahme einer
Art, die ich aus Aegypten erhielt, bei der einige dieser Randflecke an der
Flügelspitze fehlen, weshalb sie An. impunctus genannt wurde.
Wichtig für die Systematik sind die Flecke auf der sechsten Rippe.
Die meisten Arten haben hier 3 Flecke; einen nahe der Wurzel, einen
in der Mitte, und den Randfleck. Unter ihnen lassen sich einige Arten
absondern, bei welchen der Wurzelfleck auf der 5. Rippe weiter gegen
die Flügelspitze gerückt ist, als der Wurzelfleck der 6. Rippe. Das
ist der Fall bei An. pharoensis Theob. und squamosus Theob., die
beide afrikanisch sind. Bei asiatischen Arten habe ich diese Eigen-
thümlichkeit nicht gefunden. Theobald thut dieses Verhaltens keine Er¬
wähnung.
In wenigen Fällen fehlt auf der 6. Rippe der Wurzelfleck; so
bei An. vagus Dö.; An. Rossi Giles und bei den zu der stark ver¬
dunkelten Gruppe gehörigen Arten, wie tenebrosus und plumiger. Bei
einer centralafrikanischen Art, die ich An. hebes genannt habe, fehlt
Wurzel- und Randfleck, oder aber es ist der Randfleck zurückgetreten und
mit dem Mittelfleck verschmolzen, der allerdings auch länger gestreckt
erscheint als gewöhnlich.
Von einiger Wichtigkeit für die Systematik ist auch der Wimper¬
saum der Flügel, da er bei manchen Arten constant einfarbig, bei anderen
gescheckt erscheint; bei einigen Arten indessen finden sich schwankende
Verhältnisse, worüber Näheres bei Besprechung von Anopheles plumiger
angeführt werden soll. Der Wimpersaum setzt sich aus drei Reihen
Schuppen verschiedener Grösse zusammen, von denen die kleinsten, welche
dem Rande sehr schräg aufsitzen, von Theobald Randschuppen ge¬
nannt wurden. Die. anderen beiden Reihen stehen senkrecht auf dem
Rande; sie sind es, welche bei verschiedener Färbung dem Saume ge¬
schecktes Aussehen geben. Dabei fällt es auf, dass die hellen Schuppen
uur an denjenigen Stellen des Randes zu sitzen pflegen, wo Längsrippen
ausmünden; doch macht die Flügelspitze eine Ausnahme, indem der helle
Wimperbesatz dort manchmal über mehrere Rippenendungen ohne Unter¬
brechung hinwegzieht.
Der Form und Structur der Schuppen hat neuerdings Theobald
seine Aufmerksamkeit geschenkt und sie systematisch verwerthet, doch
sind die Darstellungen nicht einwandfrei. So sollen die Photogramme
von Flügelstellen von An. sinensis und barbirostris auf Tafel A zeigen,
dass man beide Formen an der Schuppenbildung unterscheiden könne,
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W. Dönitz:
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indem die Schuppen von barbirostris breiter sind. Leider sind aber
nicht identische Flügelstellen genommen worden, und deshalb beweisen
die Photographieen gar nichts, denn an verschiedenen Stellen des Flügels
sind die Schuppen immer verschieden; an der Wurzel sind sie im all¬
gemeinen kürzer, breiter und abgestutzt, in der Gegend der centralen
Querrippen kräftig, aber nicht gestutzt u. s. w. Zudem ist man der
Täuschung ausgesetzt, dass in Balsampräparaten die hellen Schuppen viel
schmäler erscheinen als sie wirklich sind. Der Gegenstand verlangt eine
eingehendere Untersuchung. Bei der Beschreibung einiger Arten werde
ich auf diese Frage zurückkommen.
Die auf den Flügeln vorhandenen dunklen Flecke haben bedeutenden
diagnostischen Werth und müssen deshalb in den Beschreibungen einzeln
aufgeführt werden, und es genügt nicht, wie das auch schon geschehen
ist, dass man die blosse Anzahl der Flecke angiebt. Selbstverständlich
hat man dabei mit einer gewissen Variabilität zu rechnen; die Grösse der
Flecke wechselt innerhalb gewisser Grenzen, oder es sind den dunklen
Schuppen so viel helle beigemischt, dass der Fleck als solcher kaum mehr
hervortritt oder ganz unterdrückt wird; doch geht meinen Erfahrungen
nach die Variation nicht so weit, wie Theobald es z. B. für An. fuli-
ginosus annimmt, von dem er eine Var. pallida beschreibt und ab¬
bildet (Mon. Cul. I, S. 133), welche meines Erachtens unmöglich zu fuli-
ginosus gestellt werden kann. Angenommen, die bei An. fuliginosus
vorhandenen sehr lang gestreckten Flecke könnten einmal auf ein so be¬
scheidenes Maass zusammenschrumpfen wie bei der vermeintlichen Varietät,
so bleiben doch sehr bedenkliche Unterschiede bestehen. So widerspricht
es aller Erfahrung, dass die dunkle Form an einer Stelle gar keine dunkeln
Flecke zeigt, wo die helle Form solche besitzt. Theobald aber bildet
die sechste Rippe bei An. funestus ohne Flecke ab, und giebt ihr bei
seiner Varietät deren drei. Ich muss mich hier auf die Abbildung
beziehen, da im Texte die sechste Rippe ganz übergangen ist. Ferner ist
der typische dritte Vorderrandfleck bei der hellen Form länger als bei
An. fuliginosus. Wenn es sich um eine Varietät handelte, würde es
umgekehrt sein. Diese wenigen Ausstellungen werden schon genügen, um
zu zeigen, dass es sich hier nicht, wie Theobald sagt, um leichte Ab¬
weichungen handelt, sondern um specifische Differenzen. Ich habe
aber die Sache nur deshalb zur Sprache gebracht, um darauf hinzuwirken,
dass für die Beschreibung und Beurtheilung der thierischen Formen, selbst
bei den unscheinbaren Mücken, endlich einmal festere Grundsätze ein¬
geführt werden müssen.
Bei den übrigen Körperanhängen, den Palpen, dem Rüssel und den
Beinen, haben die früheren Autoren die Beschuppuug und die Zeichnung
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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles.
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im Allgemeinen ausreichend beschrieben, wenn ihre Stücke sich in brauch¬
barem Zustande befanden; besonders galt die Ringelung der Tarsen
oder anderer Beinabschnitte für ein wichtiges diagnostisches Merkmal.
Ich will deshalb nur noch hinzufügen, dass auch hier, wie bei der Zeichnung
der Flügel, gewisse individuelle und auch locale Abweichungen von der
Norm Vorkommen. Das ist nach den Erfahrungen, die man auch auf
anderen Gebieten der Entomologie gemacht hat, nicht anders zu erwarten,
and gerade der indo-malayische Archipel, aus dem ein grosser Theil
meines Materiales stammt, ist in dieser Beziehung sehr lehrreich gewesen.
Bei vielen Arten, besonders unter den Tagfaltern, findet man dort auf
jeder grösseren Insel oder auf Inselgruppen feine, aber so constante
Unterschiede in der Zeichnung, dass der Lepidopterologe die Herkunft
der ihm vorgelegten Stücke mit grosser Sicherheit anzugeben vermag.
Auch bei dem Genus Anopheles habe ich Andeutungen von solchen
Abänderungen gefunden, z. B. bei An. vagus, bei dessen Besprechung
ich die betreffenden Angaben bringen werde. Tiefer in den Gegenstand
einzudringen wird erst möglich sein, wenn wir in den Besitz trocken
aufbewahrter, unverletzter Stücke gekommen sein werden, oder wenn die
Arten an Ort und Stelle frisch von Sachverständigen beschrieben werden.
Von der Form des Thorax, die auch mancherlei Unterschiede bei den
verschiedenen Arten aufweist, kann man sich eine gute Anschauung ver¬
schaffen, wenn man die Stücke aus dem Spiritus nimmt und ein wenig
antrocknen lässt Wenn die Stücke erst ganz trocken sind, ist der Thorax
gewöhnlich geschrumpft und verzogen. Zur Orientirung an der Rücken¬
fläche desselben ist es gut, die Sutura transversalis zu kennen, welche
vom Seitenrande kurz vor dem Flügelansatz ausgeht und schräg gegen
die Mittellinie hin verläuft, aber vorher schon versiegt. Vor dieser Naht
liegt häufig ein dunkler Fleck, der charakteristisch für die Species
sein kann.
Der Hinterleib der Anopheles ist nur selten in der Weise aus¬
gezeichnet, dass er Merkmale zur Erkennung der Art liefert. Ziemlich
häufig kommen auf den Bauchplatten weisse Flecke vor, die in der
Membran selber liegen, und zwar in ihrer vorderen Hälfte je ein Paar.
Sie sind meist dreieckig, die eine Spitze nach hinten gerichtet und manch¬
mal lang ausgezogen. Auch die Mittellinie hebt sich öfter weiss von den
dunklen Theilen der Membran ab. Diese weissen Stellen sind nun durch¬
aus nicht immer weiss beschuppt, denn bei Stücken, die nicht in Alkohol
gelegen haben und ihr ganzes Schuppenkleid besitzen, fand ich gelegent¬
lich die Membran zwar behaart, aber frei von Schuppen, und zwischen
der Behaarung weiss hindurchschimmernd. Bei An. pharoönsis aller¬
dings sind weisse Schuppenflecke auf den Bauchplatten vorhanden.
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W. Dönitz:
Die letzten Hinterleibsringe führen wohl ziemlich allgemein Schuppen
zwischen der Behaarung, am dichtesten auf dem letzten oder vorletzten
Segment und auf den Copulationsorganen. Gewöhnlich sind diese Schuppen
goldig oder bräunlich gelb, aber meist mit schwarzen gemischt: Bei der¬
selben Art kann gelegentlich die eine oder die andere Farbe überwiegen.
Eine besondere Auszeichnung findet sich in der Plumiger-Gruppe,
wo sich am vorletzten Ringe auf der Bauchseite ein gescheitelter Busch
fester haftender Schuppen befindet. Aber auch in der Abtheilung mit
vier getrennten Vorderrandflecken treten solche Schmuckflecke auf, z. B.
bei Anopheles Kochi, wo sechs solcher Büschel am Bauche stehen;
und bei den afrikanischen Arten pharoönsis und squamosus, wo die
Rückenplatten mit aufwärts gekrümmten Schuppen büschelartig besetzt sind.
Sonst sind mir auffällige Auszeichnungen am Hinterleibe nicht be¬
kannt geworden.
Von secundären Geschlechtsunterschieden bei den Männchen
ist zu erwähnen,
1. dass die beiden Endglieder der Palpen immer kolbig verdickt sind;
2. dass die Gabeln der 2. und 4. Rippe sehr viel kürzer, ihre Stiele
demgemäss sehr viel länger sind als beim Weib, wie das der auf Taf. II,
Fig. 16 abgebildete Flügel von An. gracilis zeigt;
3. dass die Krallen der Vorderbeine anders gebildet sind.
Beim Weib hat jedes Bein zwei einfache Krallen; beim Mann findet
sich an den Vorderbeinen nur eine Kralle, und diese trägt in ihrer Con-
cavität einen Nebenzahn, wie es Taf. II, Fig. 29 von An. vagus zeigt.
An ihrer breiten Wurzel befindet sich aber noch ein zweiter Zahn, der
seitlich etwas absteht, wie es Fig. 30 zeigt, welche die Tarsenspitze von
unten gesehen darstellt. Ob dieser eigenthümlich gestellte basale Neben¬
zahn ein Homologon der verloren gegangenen zweiten Kralle darstellt,
vermag ich nicht anzugeben. Ob dieser Nebenzahn bei allen Arten vor¬
kommt, ist mir aus eigener Anschauung nicht bekannt.
Dass die Copulationsorgane der Männchen sehr einfach und über¬
einstimmend gebaut sind, habe ich oben schon erwähnt. Wir entbehren
deshalb an ihnen eines wesentlichen Hülfsmittels zur Unterscheidung der
Arten, das bei anderen Dipteren schon sehr gute Dienste geleistet hat.
Nur An. plumiger und Listoni sind in dieser Beziehung ausgezeichnet.
Auch die stark buschig bewimperten Fühler der Männchen liefern
keine Anhaltspunkte für die Unterscheidung von Arten.
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Beiträge zue Kenntniss der Anopheles.
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Za den nun folgenden Beschreibungen neuer Arten aus dem
tropischen Asien und Neu-Guinea, sowie aus Afrika habe ich noch folgende
Erläuterungen zu geben. Die Palpen habe ich als viergliedrig an¬
genommen. Es befindet sich allerdings an ihrer Wurzel noch eine Ein¬
schnürung, welche einen fünften Abschnitt abtrennt; doch da er sich
durch nichts von dem folgenden Abschnitt unterscheidet und oft schwer
abzugrenzen ist, so kann man ihn unbeschadet zu dem folgenden Ab¬
schnitt hinzurechnen. Die einzelnen Abschnitte der Palpen sind zwar
nicht durch wirkliche Gelenkbildungen, sondern nur durch verdünnte
Stellen der Chitinmembran und leichte Einschnürungen abgesetzt, aber
die Grenze ist oft so scharf, dass man sich daran gewöhnt hat, diese
Einschnitte als Gelenke zu bezeichnen. Ich folge diesem Brauche, da
er zu Irrthümem nicht Veranlassung giebt, aber für die Beschreibung sehr
bequem ist Wo die Längsmaasse für die einzelnen Palpenglieder ge¬
geben werden, wurde das erste Glied vom Ende des Clypeus an ge¬
messen, weil dieser Punkt sich immer genau bestimmen lässt, während
die eigentliche Wurzel der Palpen selbst an Präparaten in Balsam nicht
immer für eine Messung scharf genug hervortritt Das erste Glied fällt
aber dadurch überall um eine Kleinigkeit zu kurz aus.
An den Beinen wird öfter das erste der .fünf Tarsenglieder als
Metatarsus bezeichnet. In den folgenden Beschreibungen ist der Tarsus
als fünfgliederig angenommen worden, weil kein Grund vorliegt, das erste
Glied durch einen besonderen Namen auszuzeichnen. Doch ist es eine
gleichgültige Sache, ob man es Metatarsus nennt oder nicht.
Wenn ein Gelenk geringelt genannt wird, so bedeutet dies, dass die
beiden das Gelenk bildenden Glieder, das obere und das untere, an dieser
Stelle hell beschuppt sind.
In der Beschreibung der Flügelzeichnung lege ich allgemein die Auf¬
fassung zu Grunde, dass die Kippen hell beschuppt sind, und dass die
dunklen Flecke ihnen aufgesetzt sind. Es muss das erwähnt werden,
weil andere Autoren, besonders bei der Beschreibung des Vorderrandes,
von einer dunklen Beschuppung ausgehen und von hellen Flecken sprechen,
die darauf sitzen. In der Lagebezeichnung der Flecke u. s. w. geht man
von der Wurzel nach der Spitze des Flügels hin; wenn also gesagt wird,
dass ein Fleck vor einem anderen liegt, so steht er eben der Wurzel
näher als der andere.
Wenn ich nun kurz zusammenfasse, was ich über die Brauchbarkeit
einzelner Merkmale für die Systematik gesagt habe, so läuft es darauf
hinaus, dass die Flügel die besten Anhaltspunkte liefern. Leider sind
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42
W. Dönitz:
die Structurverhältnisse noch nicht genügend durchgearbeitet, um schon
jetzt Verwerthung zu finden, doch dürfte die Feststellung der Indices, wie
ich sie genannt habe, manche Aufklärung bringen. Zunächst müssen wir
uns noch hauptsächlich an die Zeichnung halten, welche allerdings fast
ausschliesslich durch die Farbe der Schuppen und Haare bedingt wird.
Aber die Zeichnung der Palpen und Beine, ihre Ringelung, Tüpfelung u. s. w.,
auf welche die Autoren so grossen Werth legen, beruht auch auf der
Färbung der Schuppen, und die Zeichnung der Flügel hat eine grössere
Mannigfaltigkeit voraus. Ausserdem hat sich ergeben, dass innerhalb
sehr nahe verwandter Arten, wie ich sie z. ß. in der Plumiger-Gruppe
zusammengestellt habe, die Zeichnung der Beine so verschieden sein kann,
dass die nächsten Verwandten durch das System getrennt, und dagegen
ganz unmögliche Verwandtschaften geschaffen werden. Damit ist dem
jetzt beliebten System das Urtheil gesprochen. In Betreff der Zeichnung
des Thorax und Hinterleibes herrscht noch so viel Unsicherheit, dass wir
sie für die Systematik noch nicht recht verwerthen können. Ich habe
deshalb den Versuch gemacht, eine Eintheilung aufzustellen, bei welcher
in erster Linie die Flügelzeichnung berücksichtigt ist.
Systematische Uebersicht.
A. Arten mit dunklem Vorderrand, der erst jenseit der Mitte
durch ein oder zwei helle Einschnitte durchbrochen ist. Wenn in der
Wurzelhälfte noch ein heller Fleck auftritt, so steht dieser auf der ersten
Rippe, erreicht die Costa aber nicht Hierher gehören die im Folgenden
näher beschriebenen An. plumiger Dö. und tenebrosus Dö., sowie die
noch nicht mit Sicherheit identificirten Arten: sinensis Wiedemann,
barbirostris v. d. Wulp und pictus Loew. Dazu kommen die in neuerer
Zeit beschriebenen: pseudopictus Grassi, paludis Theobald, mauri-
tianus Daruty et d’Emmerez, und vielleicht noch einige andere Arten,
die mir nicht aus eigener Anschauung bekannt sind. Diese Arten haben
noch das Gemeinsame, dass auf der 6. Rippe der Wurzelfleck fehlt oder
nur schwach angedeutet ist. An. plumiger und tenebrosus, wahr¬
scheinlich auch pseudopictus zeichnen sich auch durch ein schwarzes,
gescheiteltes Schuppenbüschel an der Bauchseite des vorletzten Hinterleib¬
ringes aus. Ob paludis und mauritianus auch ein solches besitzen,
wird von den Autoren nicht angegeben. Sollte es vorhanden sein, so
würde es einen sehr werthvollen Gruppeucharakter bilden.
Die hierher gehörigen Arten lassen sich zum Theil an den Hinter¬
tarsen unterscheiden: bei An. plumiger sind die Endglieder dunkel, bei
paludis sind die drei letzten Glieder weiss; bei mauritianus und tene-
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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles.
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brosus sind nur zwei Glieder weiss. Mauritianus hat zwei deutlich
ausgeprägte helle Vorderrandflecke; bei tenebrosus ist der erste mikro¬
skopisch klein, und die helle Beschuppung der 8., 4. und 5. Rippe dehnt
sich viel weiter aus.
Ich bezeichne diese Gruppe als die Plumiger-Gruppe.
B. Am Vorderrande der Flügel stehen vier als typisch be-
zeichnete grössere dunkle Flecke, deren Länge und Breite je nach
den Arten sich ändert. In dem hellen Wurzeltheil zeigen sich gewöhnlich
ein bis zwei kleinere Flecke, und zwischen die beiden ersten typischen
Flecke schiebt sich häufig auch noch ein dunkles Pünktchen ein, welches
mit dem zweiten Fleck verschmelzen kann, wodurch dieser dann an Aus¬
dehnung gewinnt.
1. getüpfelte Arten, mit mehr als drei Flecken auf der
6. Rippe. Auf allen Rippen stehen zahlreiche kleine schwarze Tüpfel,
auf Rippe 6 jedenfalls mehr als drei, und auf Rippe 3 ungefähr sechs bis
acht. Hierher gehören die von mir benannten Arten: An. punctulatus,
deceptor und leucosphyrus, und die von Skuse beschriebenen An.
musivus und Mastersi, sowie vielleicht der von Walker ganz unkennt¬
lich beschriebene An. annulipes. Bei allen gabelt sich die 2. Rippe
merklich früher als die vierte.
Man kann sie alle unter dem Namen der australischen Gruppe
zusammenfassen.
Von den hier beschriebenen Arten zeichnet sich An. leucosphyrus
durch das breit weisse Tibiotarsalgelenk und die starke Verdunkelung der
Flügelmembran aus. Mit An. punctulatus hat leucosphyrus eine
auffällige Einbuchtung des oberen Astes der 5. Rippe gemein, während
bei deceptor diese Rippe in gewöhnlicher Weise verläuft.
2. Arten mit drei oder weniger dunklen Flecken auf der
6. Rippe.
a) mit drei Flecken.
Unter den Arten mit drei Flecken zeichnen sich einige wenige
dadurch aus, dass der Wurzelfleck der 5. Rippe weiter gegen die
Flügelspitze vorgerückt ist als derjenige auf der 6. Rippe. Es sind
An. pharoßnsis Theob. und squamosus Theob., die sich leicht durch
die Zeichnung der 8. Rippe unterscheiden, indem diese in ihrem
mittleren Verlaufe bei pharoöusis ganz hell ist, bei squamosus dort
einen dunklen Fleck trägt, gerade unter der Theilungsstelle der zweiten
Rippe. Ausserdem ist bei letzter Art das Endglied der Hintertarseu
dunkel, bei pharoönsis weiss. Beide Arten haben auffällige aufgerichtete
Schuppenbüschel auf den Rückenplatten.
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W. Dönitz:
Weiter lässt sich leicht eine Art ab trennen, welche die kleinen
Randpnnkte nicht vollzählig besitzt und auch auf dem Flügel wenig
Zeichnung hat. Sie wurde deshalb An. impunctus genannt. Sie fallt
noch dadurch auf, dass die hellen Zwischenräume zwischen den vier
typischen Vorderrand flecken viel länger sind als diese. Darin ähnelt ihr
An. Kochi, der sich aber von sämmtlichen bekannten Arten durch sechs
schwarze Schuppenbüschel auf den Bauchplatten auszeichnet.
An. aconitus Dö. ist leicht daran zu erkennen, dass die 3. Rippe
keinen anderen Fleck trägt als den Randpunkt. Es fallen also die Flecke
in der Nähe der centralen Queradern aus. Eine augenscheinlich sehr
nahestehende Art, An. Christophersi Theob., hat diesen Fleck, und ist
noch dadurch verschieden, dass der Wimpersaum auf der 6. Rippe
nicht hell ist, und dass der obere Ast der oberen Gabel in der Mitte
keinen hellen Fleck trägt. Gemeinsam ist beiden Arten, dass die obere
Gabel sehr viel früher entsteht als die untere, und dass die Beine gleich*
mässig dunkel beschuppt, nirgends hell geringelt sind. In diesen Punkten
stimmen noch überein An. minimus Theob. und culicifacies Giles:
sie unterscheiden sich aber dadurch, dass die Wurzel des Flügels bei
beiden am Vorderrand bis auf die 1. Rippe hinüber dunkel ist.
Eine weitere Gruppe bilden die Arten mit drei schwarzen Punkten
auf der ersten Rippe unter dem zweiten Vorderrandflecke; es
sind: An. maculatus Theob.; metaboles Theob., pulcherrimus Theob.
Sie unterscheiden sich an der Farbe der Glieder der Hintertarsen: hei
An. metaboles ist das Endglied dunkel, bei maculatus weiss, und bei
pulcherrimus siud die letzten drei Glieder weiss. — Eine vierte Art,
An. Jamesi Theob., deren Flügelzeichnung derjenigen von maculatus
und pulcherrimus zum Verwechseln ähnlich ist, gehört wohl nicht
hierher, weil sie auf der von Theobald gegebenen Abbildung nur zwei
dunkle Flecke auf der 6. Rippe führt Möglicher Weise muss auch An.
Theqbaldi Giles hierher gerechnet werden, mit zwei weissen Endgliedern
des Hintertarsus; aber Giles und Theobald beschreiben die Art so
flüchtig, dass sie systematisch noch nicht untergebracht werden kann.
Die Gruppe kann die Maculatus-Gruppe genannt werden.
Hier lässt sich eine kleine Gruppe kleiner Arten durch die Ver¬
mittelung von An. leucopus Dö. anschliessen, welcher auch drei Flecke
auf der 1. Rippe unter dem 2. Vorderrandfleck aufweist; aber der mittlere
dieser drei Flecke ist ein langer Strich, und nur der 1. und 3. sind
Punkte. Ausserdem handelt es sich um eine im Gegensätze zur
Maculatusgruppe sehr dunkle Art, an welche sich der sehr ähnliche
An. fuliginosus Giles anschliesst. Eine besondere Eigenthümlichkeit
der Flügelzeichnung liegt darin, dass die 1. Rippe schwarz unter dem
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Beitbäge zub Kenntniss dek Anopheles.
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hellen Vorderrandfleck am Ende der Hülfsrippe hinwegzieht, während
sonst diese Stelle immer auch auf der 1. Rippe hell ist.
Zwei afrikanische Arten, welche in der Flügelzeichnung einander sehr
ähnlich sehen, zeigen die Eigenthümlichkeit, dass auf der 1. Rippe die
Verbreiterung des 2. und 3. Vorderrandfleckes in der Weise
erfolgt, dass unter dem Anfang der Flecke ein dunkler Punkt, und
weiterhin, nach einer kurzen Aufhellung, ein längerer dunkler Strich
steht. Es sind die hier beschriebenen An. gracilis Dö. und merus Dö.,
denen sich diejenige Art anschliesst, die Theobald als den Löw’schen
costalis beschreibt, die aber wegen ihrer geringelten Tarsen nicht dazu
passt.
Es schliesst sich hier An. cinereus Theobald an, so weit man aus
dem Bilde (Taf. II, Fig. 7) ersehen kann; doch ist bei ihm nur der
2. Vorderrandfleck auf der 1. Rippe von einem Punkt und einem Streifen
unterstrichen; der dritte wird durch einen einzigen, zusammenhängenden
Strich verbreitert. Diese Art könnte mit dem Löw’schen An. costalis
synonym sein.
b) Arten mit weniger als drei Flecken auf der 6. Rippe. Zwei Flecke
besitzen An. Rossi Theob., vagus Dö. und Bigoti Theob. Die ersten
beiden haben gemeinschaftlich die eigenthümliche T-Form des 2. Vorder¬
randfleckes; bei Bigoti ist er seiner ganzen Länge nach schwarz unter¬
strichen. Diese Art soll keinen Wurzelfleck auf der 5. Rippe haben,
was jedenfalls sehr auffällig erscheint. Wegen der Unterschiede der sehr
ähnlichen An. Rossi und vagus muss auf die Beschreibung verwiesen
werden.
Einen Fleck hat An. hebes. Der Wurzelfleck ist ausgefallen, und
der Randpunkt scheint mit dem Mittelfleck verschmolzen zu sein. Ver¬
wandt damit scheint An. superpictus Grassi zu seiu, nach Ausweis der
vom Autor selber veröffentlichten Abbildung in „Die Malaria“, 1901,
Taf. II, Fig. 4. Davon weicht die Figur auf Taf. III, Fig. 11 in Theo¬
balds Monographie ab, denn sie zeigt z. B. zwei Flecke auf der 6. Rippe
und den ganzen Stiel der 4. Rippe sowie die ganze 3. Rippe schwarz.
Theobald kann seine Abbildung nur nach einem central-afrika¬
nischen Stück haben anfertigen lassen, da er von dem echten italieni¬
schen An. superpictus nur Kopf, Flügel und Beine besass, die er von
Grassi erhalten hatte. Wie die Abbildungen ergeben, ist Theobald’s Art
also verschieden von An. superpictus Grassi, von dem auch noch keine
brauchbare Beschreibung vorhanden ist.
In dieser Uebersicht sind nur die bekannten asiatischen und
afrikanischen Arten berücksichtigt worden, doch wird sie von Jeder¬
mann, dem die australischen und amerikanischen Arten zur Ver-
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46
W. Döxitz:
fugung stehen, leicht vervollständigt werden können. Da es mir an
Material aus den Mittelmeerländern fehlte, so habe ich mich in dieser
Beziehung auf die allernothwendigsten Bemerkungen beschrankt. Einige
andere Arten mussten ausgelassen werden, weil in den betreffenden Be¬
schreibungen gerade diejenigen Merkmale, auf welche sich meine Ein-
theilung gründet, nicht angegeben werden, wie z. B. bei An. gigas Giles
und Kumasii Chalmers, was ich aufrichtig bedaure. Dass andere Arten
wegen ungenügender Beschreibung für die heutige Systematik überhaupt
nicht in Betracht kommen, wurde schon des Oefteren bemerkt. Dahin
rechnen An. sinensis Wiedem.— vanus Walker — annularis v. d.
Wulp — pictus Loew — costalis Loew — subpictus Grassi —
minutus Macq. — annulipes Walker. — Auch die Frage, was An.
barbirostris v. d. Wulp sei, ist noch nicht erledigt.
Anopheles plumiger Dö.
Insectenbörse. Jan. 1901.
(Taf. I, Fig. 11. — Taf. II, Figg. 19, 22 u. 27.)
Diagnose: Ein gescheitelter Busch schwarzer Schuppen am Bauche
auf dem vorletzten Segment.
Vorderrand des Flügels breit dunkel, an der Mündung der Hülfsrippe
und kurz vor der Spitze schmal hell durchschnitten.
Rippe 4 gabelt sich ein wenig früher als Rippe 2.
Das Ende der Hülfsrippe liegt ziemlich genau auf gleicher Höhe mit
dem Ende der 5. Rippe.
Wimpersaum dunkel, meist stellenweise hell durchschnitten, doch sehr
veränderlich.
Zeichnung der Flügelspitze veränderlich.
Nur zwei Flecke auf Rippe 6.
Beim zwei kräftige, dornartige Fortsätze am freien Rande des letzten
Hinterleibsringes, dem Hypopygium entgegengerichtet.
Beschreibung nach Stücken aus Hongkong, die Herr Dr. Vivian
Ladds gesammelt hat.
$ Kopf hinten olivbräunlich beschuppt, mit einem weissen Längsstreifen,
der in den weissen Scheitelschopf übergeht.
Palpen um eine Kleinigkeit kürzer als der Rüssel; dunkel beschuppt
und behaart, mit weisser Spitze. Die beiden ersten Gelenke sind an der
Oberseite weiss; desgleichen die Spitze des 3. Gliedes. Das Endglied ist
überwiegend weiss, mit dunklem Ring um die Wurzel. Längs der Oberseite
des 2. Gliedes einige weisse Schuppen. Die Palpenmembran selber ist
dunkelbraun, auch an den hell beschuppten Stellen. Rüssel schwarzbraun
beschuppt, Endlappen etwas heller. Fühler braungrau, hellgrau bewimpert.
Spitze heller.
Thorax oben bläulichgrau, an den Seitenrändern graubraun; in der
vorderen Hälfte liegt jederseits von der dunklen Mittellinie in einiger Ent¬
fernung eine ziemlich scharf gezeichnete dunkle Linie. Mit dem Mikroskop
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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles.
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erkennt man zahlreiche, über die ganze Fläche verstreute schwarze Pünktchen.
An der Vorderkante ein grauer Flaum. Patagien wie gewöhnlich beschuppt.
Flügel schwarzbraun und hell ockergelb beschuppt. Am dunklen
Vorderrand zwei kleine helle Einschnitte, am Ende der Hülfsrippe und kurz
Tor der Spitze. Die Dunkelheit des Vorderrandes wird dadurch verbreitert,
dass die Hülfsrippe und die erste Rippe auch dunkel sind; letztere ist aber
hell durchbrochen an den beiden hellen Stellen der Costa, und ausserdem
auf eine kurze Strecke ungefähr am ersten Drittel der Flügellänge, kurz
vor der Einmündung der Vena marginalis zwischen 1. u. 2. Rippe. Der lange
dunkle Fleck zwischen den beiden hellen Einschnitten des Vorderrandes,
also der Fleck, welcher dem dritten typischen Vorderrandfleck entspricht,
hat ungefähr die Gestalt eines T, indem sich ihm von unten her die dunkle
Gabelungsstelle der 2. Rippe anlegt. Ferner zieht sich die Dunkelheit des
Vorderrandes von der Mitte aus fleckartig in den Flügel hinein, indem der
Stiel der oberen Gabel von ihrem Ursprung an bis zur Höhe des ersten
hellen Vorderranfleckes dunkel beschuppt ist und dazu noch ein kleiner
dunkler Fleck auf dem Ursprung der 3. Rippe sich anschliesst. Diese breite
dunkle Stelle schliesst in gerader Linie unter dem ersten hellen Vorderrand¬
fleck ab. — Die Gabelung der 4. Rippe ist dunkel; ein anderer, auf ihrem
Stiel gelegener Fleck bildet einen sehr schräg liegenden dunklen Streifen
zusammen mit einem Fleck auf dem Ursprung der 3. Rippe und einem
Fleckchen auf dem oberen Aste der 5. Rippe am Abgang der unteren
Querader.
Der Wurzelfleck der 6. Rippe fehlt oder ist nur durch wenige dunkle
Schuppen angedeutet und nur unter dem Mikroskop zu erkennen. An der
Flügelspitze fliessen die Randpunkte von der 1. bis zur 3. Rippe zusammen
und bilden somit einen Fleck, welcher dem vierten typischen Vorderrandfleck
entspricht. Der Saum ist an dieser Stelle hell bewimpert; nur oberhalb des
Endes der 1. Rippe zeigt sich ein schwarzes Schöpfchen. Sonst ist der
Wimpersaum schwarzgrau, mit einer hellen, weisslichen Stelle auf Rippe 5.
An einem Stück sind noch an anderen Stellen einige hellere Schuppen ein¬
gestreut.
Die Flügelmembran ist reichlich verdunkelt, besonders an den Stellen,
wo die dunklen Flecke stehen.
Die untere Gabel beginnt um eine Kleinigkeit früher als die obere.
Index der Hülfsrippe im Durchschnitt 37-8, <$ 34-1.
,, ,, 5. Rippe ,, ,, 36 • 0.
Queradern. Die obere steht bei einem Stück aus Hongkong etwas mehr
wurzelwärts als die mittlere; alle drei sehr nahe bei einander. Bei anderen
Stücken aus Holländisch-Indien, deren Flügel genau so gezeichnet sind wie
die Typen aus Hongkong, ist die obere Querrippe gegen die Spitze hin vor¬
gerückt, so dass diese direct über der mittleren steht; oder sie rückt noch
weiter vor, und dann bilden alle zusammen eine Treppe.
Beine. Femur I wadenartig verdickt, Femur II und HI am unteren
Ende verdickt; Tibien an den unteren Enden stark verdickt. Beschuppung
gleichmässig hell olivbräunlich oder gelblich, an den Tarsen dunkler, mit
heller schmaler Ringelung der unteren Enden der einzelnen Abschnitte.
Auch die Tibien der Hinterbeine haben am unteren Ende ein helles Fleckchen.
Endtarsen des 1. und 3. Fusspaares dunkel, die des 2. am Ende auf der
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W. Dömtz:
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Oberseite etwas heller beschuppt. An den Vorderbeinen ist auch das vor¬
letzte Tarsenglied dunkel. Auf Trochanteren und Coxen einige weissliche
Schuppen (die meisten wohl abgerieben).
Hinterleib olivbräunlich oder gelblich, oder auch dunkler behaart.
Auf der Bauchseite trägt der vorletzte Ring am Ende einen auffallenden
gescheitelten Busch schwarzer Schuppen. Auch auf den benachbarten Seg¬
menten zeigen sich bei vielen Stücken Schuppen auf der Bauchseite, doch
ohne Büschel zu bilden.
Der Schopf am Bauche scheint schwächer entwickelt zu sein. Das
stark und dunkel beschuppte Hypopygium hat zwei, nur unter dem Mikroskop
erkennbare kräftige, dornartige Fortsätze, welche dem freien Rande des
letzten Hinterleibsegmentes aufsitzen und geradeaus nach hinten gerichtet sind;
eine für das Genus Anopheles auffällige Geschlechtsauszeichnung des rf.
Am Kolben der Palpen ist das Endglied unmerklich länger als das
vorletzte.
Kopf und Rüssel $ 3 • 0 — 9 2*9 ram .
Rumpf . . . . £ 4*6 — 9 4.45 mm
Hab.: Südchina (Hongkong)., Sumatra, Java, Bangka, Borneo, Loinbok.
In seiner Monographie über die Culiciden äussert sich Theobald
folgendermaassen über meinen An. plumiger: „Das ist entweder An.
barbirostris v. d. Wulp, oder An. sinensis Wiedemann. Dr. Dönitz
sendet mir drei Stück unter diesem Namen; eines ist ein echter barbi¬
rostris, die anderen beiden sinensis. An. plumiger Dö. ist demnach
ein Synonym einer dieser Arten.“
Leider vergisst Theobald, diesem mit so grosser Bestimmtheit aus¬
gesprochenen Urtheil die Begründung beizufügen. Ich habe aber, bis ich
diese erfahren haben werde, vorläufig Folgendes dagegen einzuwendeu.
Wenn man über Fragen der Synonymie Klarheit gewinnen will,
so muss man sich genau an die Angabe der Autoren halten. Jede will¬
kürliche Annahme ist vom Uebel. Hier nun liegt der Fall so:
Die Flügelzeichuung meiner Stücke lässt sich sowohl auf An. sinensis
wie auf An. barbirostris, aber auch noch auf andere Arten beziehen;
dagegen stimmen die Palpen zu keiner von beiden Arten. Bei sinensis
sollen sie in beiden Geschlechtern braun sein, und beim 9 dicker als
der Rüssel, und von barbirostris wird angegeben, dass sie mit braunen
Schuppenhaaren bedeckt sind, so dass man die Gelenke kaum erkennen kann.
Bei meinen Stücken aus Hongkong sind aber die Gelenke der Palpen
scharf weiss gezeichnet und heben sich dadurch auffällig gegen einander
ab. Das Endglied ist überwiegend weiss. So sind also die Palpen meiner
Stücke zweifarbig, die der anderen beiden Arten einfarbig. Da nun
alle Autoren solchen Ringelungen specifischen W r erth beilegen, so war
ich berechtigt, für meine Stücke eine neue Art aufzustellen. Besonderes
Gewicht legte ich noch auf den merkwürdigen Schuppenbüschel
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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles.
49
am Bauche, von dem ich annahm, dass die alten Autoren ihn hätten
sehen müssen, wenn er ihren Arten zukäme.
Jetzt nun veröffentlicht Theobald eine Abbildung des Typs von
An. sinensis aus dem British Museum. Das Bild, Taf. 37, Fig. 146,
zeigt am Vorderrande des Flügels zwei lange helle Einschnitte, und im
Texte spricht Theobald auch von grossen Einschnitten. Dadurch unter¬
scheidet sich also auf den ersten Blick dieser Typ von plumiger, bei
welchem die Einschnitte klein sind. Ferner aber zeigt dieses Bild höchst
merkwürdigerweise hell geringelte Palpen. Das steht in grelleun
Widerspruch zur Beschreibung, wo die Palpen als einfarbig hin-
gestellt werden. Für diesen Widerspruch finde ich keine andere Er¬
klärung, als dass der sogenannte Typ im British Museum nicht das¬
jenige Stück ist, nach welchem Wfedemann die Beschreibung gemacht
hat. Jedenfalls hat dieses Exemplar als Belegstück für die Beschreibung
und für die Feststellung der Art keinen Werth, ist überhaupt kein Typ
und hat nur noch mehr Verwirrung in die Sache gebracht. Ich komme
also zu dem Schluss, dass sich nicht mit Sicherheit angeben lässt,
welche von den bekannten asiatischen Arten auf An. sinensis zu be¬
ziehen ist; vielleicht ist die Art überhaupt noch nicht wiedergefunden
worden.
Was die Synonymie mit An. barbirostris betrifft, so lag zur
Zeit, wo ich meiner Art den Namen gab, die Sache so. Theobald hatte
in Brit. Mus. Rep. 1900 erklärt, dass An. barbirostris und vanus
Walker synonym mit sinensis wären. Da ich nun keine Veranlassung
hatte, dieser Behauptung zu misstrauen, andererseits aber auch keinen
Grund hatte, meine Art für sinensis zu halten, so fielen die beiden
anderen Namen von selbst fort. Jetzt ist allerdings eine Aenderung in
der Sachlage eingetreten, denn Theobald hat nachmals barbirostris
zuerst für eine Subspecies, und dann für eine eigene Art erklärt; und
An. vanus Walker soll synonym mit An. annularis v. d. Wulp sein,
welche er als Unterart zu An. sinensis stellt. Ich habe also Theobald
gegenüber jetzt meine Art auch noch gegen An. barbirostris zu ver¬
teidigen.
Diese Art soll braune Palpen mit kaum erkennbaren Gelenken und
ungebänderte Tarsen haben. Das passt wiederum nicht auf An.
plumiger, dessen Tarsen gebändert sind, und dessen Palpen, wie schon
hervorgehoben, weiss gefleckt und geringelt sind.
Demnach befinde ich mich nicht in der Lage, den Namen plumiger
einziehen zu können, und ich protestire dagegen, dass dies von Theobald
geschieht.
Zdtechr. f. Hygiene. XU.
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50
W. Dönitz:
Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht unterlassen, auch die Syno¬
nymie von An. vanus zu erörtern, dessen von Walker gegebene Be¬
schreibung so dürftig ist, dass man darnach unmöglich einen Anopheles
bestimmen kann. Einen Anhaltspunkt finde ich in der Angabe, dass die
Flügel leicht grau sind und schwarze Punkte (Flecke) im Yordertheil
haben. Giles sagt vom Typ im British Museum, dass dies eine zarte
blasse Art ist, welche am Vorderrande zwei kleine schneeweisse Einschnitte
zeigt, einen gerade vor der Mitte, den anderen bei */ 3 des Vorderrandes.
Die Abbildung, welche Giles vom Flügel dieses Stückes giebt, zeigt den
ersten dieser hellen Flecke thatsächlich, der Beschreibung entsprechend,
an einer Stelle, wo die sogenannte Sinensis-Gruppe niemals einen
hellen Fleck aufweist, und beide Flecke sind so gross, wie sie niemals bei
dieser Gruppe Vorkommen. Darnach gehört An. vanus nicht in die Ver¬
wandtschaft meines An. plumiger, und eben so wenig in die Verwandt¬
schaft des An. sinensis Theob. nec Wiedem. und des An. barbi-
rostris v. d. Wulp, sondern wahrscheinlich in die Gruppe mit vier
dunklen Vorderrandflecken. Da nun aber An. vanus aus Makasser
auf Celebes beschrieben ist, und ich von dorther nur den mit An. Rossi
verwandten An. vagus erhalten habe, so taucht die Frage auf, ob vagus
und vanus nicht etwa synonym sind. Die Originalbeschreibung sowie
die Giles'sehe Abbildung sprechen dagegen.
Nun möchte ich noch eine Erklärung dafür geben, weshalb ich an
Theobald als An. plumiger drei unter einander so verschiedene Stücke
geschickt habe, dass er zwei davon für sinensis, eins als barbirostris bestimmt.
Ich hatte von den grossen Suuda-Inseln eine Anzahl Anopheles be¬
kommen, welche recht gut zu der immerhin dürftigen Beschreibung von
An. barbirostris v. d. Wulp passten; vor allen Dingen waren ihre
Palpen so dicht dunkel behaart, dass die Einschnitte nur schwer oder
gar nicht zu erkennen waren. Daneben fand ich aber so viele Formen,
die ich für Zwischenformen zwischen plumiger und barbirostris hielt,
dass ich annahm, es mit einer sehr variablen Art zu thun zu haben,
welche in zwei Extreme ausläuft, plumiger und barbirostris. Wegen
dieser Annahme schickte ich an Theobald auch eines von den dunklen
Stücken, von denen wir die meisten aus Borneo erhalten hatten.
Um zu zeigen, wie weit die Variabilität geht, habe ich hier den
Befund an zehn genadelten Stücken tabellarisch zusammengestellt, so ge¬
ordnet, dass die Stücke voraufgehen, bei welchen der Wimperbesatz auf
Rippe 5 nicht aufgehellt ist. Die Tabelle giebt an: 1. die Herkunft der
Thiere; 2. ob die Wimpern auf Rippe 5 hell oder dunkel sind; 3. ob die
Spitze in ganzer Ausdehnung hell bewimpert ist, oder ob sie nur schopf¬
weise hell, also gescheckt erscheint; ein einziges helles Schöpfchen ist
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Beiträge zur Kenntnis« der Anopheles.
51
der Uebersichtlichkeit wegen in dem Ausdruck gescheckt mit einbegriffen;
4. ob die Palpen weiss geringelt oder ganz dunkel sind; 5. ob die Tarsen
schmal oder breit geringelt sind; 6. ob die Randschuppen in gewissen
Stellungen das Licht hell oder dnnkel refleotiren.
Herkunft
Wimpern
Rippe 5
Flügel-
spitze
Palpen
Tarsen
Rand¬
schuppen
1 . Sumatra. Atjeh . .
dunkel
gescheckt
weise
geringelt
schmal
geringelt
dnnkel
2 . „ Kajoe Tanam
9»
99
99
sehr breit
geringelt
hell
3. „ Atjeh . . .
1
»
ganz hell
nur Spitze
weiss
breit
geringelt
99
4. Hongkong .....
hell
1
weisslich
geringelt
schmal
geringelt
99
5. ii • • • • •
' ” •
»»
99
” l
| »9
6 . Borneo. Benkajang .
99
gescheckt
dunkel
99
7. ii »» •
99
»
99
dnnkel
8 . Borneo.
99
»V
99
99
9. Java. Kedong Eebo .
99
99
99
99
10. Sumatra. Atjeh . . .
99
99
99
9*
99
Ueber die Zeichnung der Flügelspitze möchte ich noch einige Be¬
merkungen hinzufügen. Der helle Vorderrandfleok vor der Spitze kann
viel kürzer werden als die Fig. 11 auf Taf. I es zeigt Dabei rückt er
weiter gegen die Spitze vor und wird verbreitert durch ein kleines helles
Fleckchen am äussersten Ende der 1. Rippe, auf welcher der Randpunkt
wegfallt oder nur durch wenige, etwas dunkler gefärbte Schuppen an¬
gedeutet ist. Auf Rippe 1 steht dann im Wimpersaum ein schwarzer
Schopf, der durch eine weisse Stelle auf dem oberen Ast der 2. Rippe
begrenzt wird. Weiterhin ist die eigentliche Spitze schwarz bewimpert
bis zur 3. Rippe, welche wieder ein Fleckchen heller Wimpern trägt Es
kann aber auch der helle Schopf auf dem oberen Ast der oberen Gabel
aasfallen, und dann erscheint die ganze Spitze schwarz. Aber selbst bei
so dunklen Stücken, die ausserdem noch dunkle Palpen tragen, kommt
eine helle Unterbrechung im Wimpersaume auf Rippe 5 vor. Bei einem
Stück mit schwarzer Spitze habe ich folgenden Befund notirt: Im Wimper¬
saume auf der 5. Rippe fünf lange weisse Schuppen, auf ihrem oberen
Ast deren zwei; auf Rippe 4 deren drei; und auf Rippe 3 sowie auf dem
oberen Ast der 2. Rippe nur eine helle Schuppe.
1 Zwischen Rippe 5 n. 6 ist im Saüme eine breite helle Stelle, and eine kleinere
helle Einsprengung findet sich weiter nach der Wurzel des Flügels hin.
4*
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52
W. Dönitz:
Die Stellung der kleinen centralen Queradern zu einander ist ausser¬
ordentlich verschieden. Zur Erläuterung möge folgende kleine Liste
dienen, der noch eine Bemerkung über die Farbe des Wimperbesatzes auf
der Flügelspitze und auf Rippe 5 beigefügt sein mag. Die Präparate
liegen in Balsam.
1. Querrippen sehr nahe bei einander; die obere steht etwas gegen
die mittlere zurück. Spitze und Rippe 5 hell bewimpert. Hongkong.
2. Ebenso, mit treppenförmig gestellten Rippen. Hongkong. Soeka-
boemi (Java).
3. Wie Nr. 2, aber Rippe 5 dunkel. Soekaboemi.
4. Obere Rippe sehr nahe bei der mittleren, diese aber um die Hälfte
ihrer Länge von der unteren entfernt. An der Spitze ein heller Busch
auf dem oberen Ast der oberen Gabel. Banjoe-Biroe (Java).
5. Obere Rippen nahe bei einander, die untere sehr weit davon ge¬
trennt. An der Spitze ein kleiner heller Fleck oberhalb Rippe 3. Rippe 5
hell. Batoe-Djadjar (Java).
6. Alle Rippen weit aus einander gelegen, treppen förmig. Spitze hell.
Rippe 5 dunkel. Padang (Sumatra).
7. Ebenso, aber Spitze gescheckt. Padang.
Aus dieser Fülle von Combinationen fand ich keinen anderen Aus¬
weg als durch die Annahme, dass es sich um eine in den besprochenen
Eigenschaften sehr variable Art handle. Ich möchte aber mit meinem
Urtheile noch zurückhalten, weil die Untersuchung der Eier und Larven,
die ja jetzt in Gang zu kommen scheint, möglicherweise Anhaltspunkte
liefert für die Unterscheidung von Arten oder Unterarten, die sich durch
die zoologische Betrachtung der Imagines nicht hat ermöglichen lassen.
Besonders im Auge habe ich dabei eine Form mit ausserordentlich langem
Rüssel und Palpen. Die hier behandelte Art ist ja schon durch recht
lange Stechorgane ausgezeichnet, die um so mehr in die Augen fallen,
weil sie aussergewöhnlich stark beschuppt und noch viel mehr dolchartig
vorgestreckt sind als bei anderen Arten; aber unter ihnen zeichnen sich
wieder einige Stücke durch noch viel bedeutendere Länge des Stechorganes
aus, während andere, beständige Unterschiede nicht aufzufinden waren.
Noch einer anderen Form muss ich hier Erwähnung thun, weil sie
sich wegen ihrer kurzen Beine auffällig unter den Stücken von plumiger
hervorthut und deshalb auch nicht zu barbirostris und sinensis passt,
welche sich durch besonders lange Beine auszeichnen sollen. Ich will
sie deshalb als brachypus bezeichnen; aber da mir nur ein einziges
Stück vorliegt, lasse ich es unentschieden, ob es sich um eine zufällige
Abnormität, oder um eine eigeue Art handelt. An dem in Balsam ein¬
gebetteten Stück lässt sich Folgendes unterscheiden.
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Beitbägb züb Kbnntniss deb Anopheles.
53
Die beiden hellen Flecke am Vorderrande sind ausserordent¬
lich klein, kaum zu bemerken. DieFlügelspitzeträgthellen Wimper¬
besatz von Kippe 1 an bis über Rippe 3 hinaus. Auf Kippe 5 stehen
keine hellerf Wimpern. Die Hülfsrippe endet vor Kippe 5. Von den
centralen Querrippen bilden die beiden oberen eine gerade Linie; die
untere ist ungefähr um ihre eigene Länge von der mittleren entfernt.
Die beiden oberen Gabeln beginnen auf gleicher Höhe.
Die Oberschenkel des ersten Beinpaares sind in der ersten Hälfte
wadenartig verdickt, die anderen werden gegen das Ende dioker, und die
Unterschenkel haben alle merklich verdickte untere Enden. Das stimmt
alles mit plumiger überein, aber die Tarsen sind viel breiter ge¬
ringelt, und zwar in folgender Weise.
Vorderbein: 1. Glied am Ende hell; 2. Glied in der Endfläche hell;
3. Glied fast ganz hell, nur zu Anfang ein schmaler dunkler King;
4. Glied nur zu Anfang schmal hell; Endglied heil, nur an der Wurzel
leicht verdunkelt.
Mittelbein: Ganz ähnlich wie am Vorderbein, doch ist das 2. Glied
länger als dort, und nur im Enddrittel hell.
Hinterbein: 1. Glied am Ende schmal hell, auf das nächste Glied
übergreifend; 2. Glied am Ende etwas breiter hell; 3. Glied zu zwei
Drittel dunkel, dann hell; 4. Glied nur in der Mitte dunkel; Endglied hell.
Der Unterschied von plumiger in Betreff der Zeichnung der Beine
beruht also darin, dass nicht allein die helle Kingelung eine viel breitere
ist, sondern dass auch die Endglieder der Tarsen hell sind, bei plumiger
dunkel.
Den Unterschied in der Beinlänge ergeben folgende, an den Hinter¬
beinen genommenen Maasse in Millimetern:
Femur Tibia Tarsus I II III IV V Sa.
An. brachypus 1-72 1-72 1.81 MS 0-63 0-42 0-28 7-71
An. plumiger 2*35 2*52 3*28 1*47 1*13 0*71 0.34 11-80
Die Länge der Palpenglieder beträgt bei
An. brachypus 0*55 0*53 0-27 0*19 Sa. 1-55
An. plumiger Typ 0*63 0*67 0*42 0*21 Sa. 1*93
Anopheles tenebrosus Dö.
Taf. I, Fig. 6 .
Etym.: tenebrosus = finster, verdunkelt.
Diagnose: Die 2 . Rippe gabelt sich merklich früher als die vierte.
Auf Rippe 6 fehlt der Wurzelfleck.
Der vordere Abschnitt des Flügels bis zur 4. Rippe dunkel, der Vorder-
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Original frum
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54
W. Dönitz:
rand mit sehr kleinem, hellem Einschnitt dicht vor der Spitze, and kaum
merklichem hellem Fleckchen an der Ausmündung der Hülfsrippe.
5. Rippe hell, nur mit Wurzel- und Randfleck.
Oberschenkel des 1. Beinpaares wadenartig verdickt, die der anderen
Beine in der Endhälfte kolbig angeschwollen.
Tarsen der Hinterbeine von der Mitte des 3. Gliedes an weiss.
. Am Bauche bei 1 Stück dunkle Schuppen am vorletzten Segment.
Beschreibung nach 4? vom Wadi Natrün in Unterägyppten. Mittel¬
grosse dunkle Art, dem An. plumiger der Sundainseln in der Flügel¬
zeichnung sehr ähnlich, aber durch die hellen Enden der Hintertarsen ver¬
schieden, wodurch sie Bich dem An. paludis Theob. nähert.
Kopf schwarzbraun, mit sehr dunklen Schuppen und Borsten. F'ühler
fast schwarz, mit einigen grauen Schuppen auf den ersten Gliedern.
Palpen schwärzlich; oben auf dem ersten Glied von der Wurzel an
eingestreute weissgraue Schuppen; auch die Gelenke oberseits weis» ge¬
zeichnet. Die Spitze trägt weisse Härchen. Rüssel schwarz, auch mit sehr
dunklen Endlappen. Palpenglieder 0*71—0*76—0-53—0-38. — Sa. 2*38.
Thorax. Grundfarbe schiefergrau, nur vom an den Seiten gelb¬
bräunlich. Der ovale Fleck braun. Scutellum grau, in der Mitte etwas
dunkler; Metanotum grauschwarz. Beschuppung abgerieben.
Flügel. Die Beschuppung der Flügel ist dunkelbraun und hell gelblich¬
braun bis weiss. Die vordere Flügelhälfte ist im Allgemeinen dunkel; die
hintere Hälfte heller, besonders deshalb, weil sie von drei hellen Längs¬
streifen durchzogen ist, von denen der erste im Wurzeltheil auf der 6. Rippe
liegt, der zweite im Mittelfeld auf der 5. Rippe, und der dritte am Ende
des Flügels auf der 3. Rippe. Auf der Photographie, welche bei durch¬
fallendem Lichte aufgenommen ist, erscheint diese Streifung nicht so deutlich
wie bei auffallendem Lichte. Die genauere Vertheilung der Farben und
Flecke ist folgende: Der dunkle Yorderrand wird an der Mündung der Hülfs¬
rippe durch ein winziges, mit der Lupe eben bemerkbares helles Stippchen
unterbrochen, das aber auch ganz fehlen kann. Ein etwas grösseres helles
Fleckchen steht am Ende des Vorderrandes und greift, breiter werdend,
bis auf den oberen Ast der oberen Gabel hinüber. Der untere Ast derselben
zeigt in der Mitte seines Verlaufes eine längere helle Stelle. Die Gegend
der Queradern tritt durch dunkle Beschuppung fleckartig hervor. Von hier
an ist die 3. Rippe hell, mit spärlich eingestreuten dunklen Schuppen. Die
4. Rippe ist vor der Gabelung eine Strecke weit hell; ein dunkler Fleck
bezeichnet die Theilungsstelle; dann folgt auf dem oberen Ast ein kurzer
heller Streif; weiterhin sind beide Aeste gemischt dunkel und hell beschuppt,
doch so, dass gelegentlich helle Schuppen gehäuft stehen und helle Fleckchen
bilden. Die 5. Rippe ist im ersten Drittel dicht dunkel, dann hell bis zum
Randfleck. Der obere Ast trägt ein Häufchen dunkler Schuppen an seinem
Anfang, ein längeres an der Abgangsstelle der unteren Querrippe, und
weiterhin ein helles Fleckchen; dann folgt ein Gemisch dunkler und heller
Schuppen. Auf der 6. Rippe fehlt der Wurzelfleck.
Die dunklen Schuppen des Flügels sind braun, die hellen goldiggelb,
der helle Fleck am Vorderrand vor der Spitze weisslich. Auf der Unterseite
erscheint dieser Fleck und ein anderer auf der Mitte des unteren Astes der
oberen Gabel rein weiss.
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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles.
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Wimpersaum schwärzlich, nur auf dem oberen Ast der 2. Kippe eine
helle Stelle.
Die mittlere centrale Querrippe, welche von der unteren so weit ent¬
fernt wie diese lang ist, bildet mit der oberen eine fast gerade Linie auf
dem photographirten Flügel (aber in der Photographie nicht zu erkennen).
Die 2. Kippe gabelt sich früher als die vierte.
Index der Hülfsrippe im Durchschnitt 41*0 mm .
„ „ 5. Rippe „ „ 34 • 9 mm .
Beine. Die Oberschenkel des ersten Paares sind in der Wurzelhälfte
wadenartig verdickt; die des 2. Paares sind gegen das Ende hin kolben¬
förmig angeschwollen; die des letzten Paares werden gegen das Ende hin
dicker. Die Tibien sind über den Tarsengelenken merklich verdickt. Die
Beschuppung der Beine ist graubraun, mit schmaler heller Ringelung an
den Enden der Tibien, sowie der Tarsenglieder an den Gelenken. Am
letzten Beinpaare sind die letzten zwei Tarsenglieder und die Endhälfte des
drittletzten Gliedes hell, wohl weiss. Die wahre Farbe lässt sich an den
in Balsam eingelegten Präparaten nicht erkennen.
Hinterleib. An der Membran der Bauchplatten lassen sich keine
hellen Flecke erkennen. Die Beschuppung des Hinterleibes ist abgerieben,
doch erkennt man noch lange gelbe Behaarung an den vorderen Abschnitten, ,
und gelbe Schuppen auf den Genitalplatten.
Kopf und Rüssel: 3 mra .
Thorax und Hinterleib: 5 mm und darüber.
Flügel: 4-4 und 5*0 mm bei 2 Stücken.
Hab.: Wadi Natrün (Unterägypten).
Bemerkungen. Diese Art hat der Beschreibung nach grosse Aehn-
lichkeit mit An. paludis Theobald von der Sierra Leone, aber bei
letzterer reicht die weisse Färbung der Hintertarsen um ein ganzes Glied
höher hinauf; die 2. und 4. Rippe gabeln sich (der Abbildung nach) auf
gleicher Höhe, während bei tenebrosus die obere Gabel früher beginnt,
und bei paludis ist der schwarze Wimpersaum auf Rippe 5 gelb durch¬
brochen, bei tenebrosus nicht. Dagegen zeigt letzterer an der Flügel¬
spitze eine helle Stelle im Wimperbesatz, wovon bei paludis nichts erwähnt
wird. Schliesslich sind, der Abbildung auf S. 129 der Theobaid'sehen
Monographie zu Folge, bei paludis die hellen Einschnitte des Yorderrandes
viel grösser als bei tenebrosus, wo der erste Einschnitt ja kaum zu er¬
kennen ist. — An. plumiger hat ähnlich gezeichnete Flügel, aber keine
Aufhellung der Hintertarsen.
Die drei hier erwähnten Arten gehören augenscheinlich in eine Gruppe,
und deshalb wäre es wünschenswerth zu erfahren, ob paludis auch einen
dunklen Schuppenbüschel auf der Bauchseite des vorletzten Hinterleibsegmcntes
besitzt. Es würde das eine sehr hübsche Gruppenauszeichnung sein.
Ob diese ägypptische Art Beziehungen zur Malaria hat, ist unbekannt;
bei den verwandten An. paludis aus der Sierra Leone sind nach Chris top her s’
Angabe „Sporozoiten“ in den Speicheldrüsen gefunden worden.
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56
AV. Dönitz:
Anopheles leucosphyrus Dö.
(Insectenbörse. Jan. 1901.)
Etym.: leukos = weiss; sphyron = Knöchelbinde; so genannt wegen
des breit weisBen Tibiotarsalgelenkes der Hinterbeine.
Diagnose: Ende der Tibien und Anfang des ersten Tarsengliedes der
Hinterbeine breit weiss.
Auf dem Thorax 3 Paar dunkler ovaler Flecke.
Palpen an den Gelenken geringelt; Endglied hell, mit breitem dunklen
Ring an der Wurzel.
Flügelmembran stark fleckig verdunkelt. Vorderrand mit den vier
typischen Flecken. Die Rippen im Uebrigen hell und dunkel getüpfelt.
Die obere Gabel beginnt früher als die untere.
Tarsen geringelt.
Beschreibung nach Stücken von Kajoe Tanam auf Sumatra.
$ Kopf. Die Palpen sind schwarz, mit hellen, weissen Enden der drei
ersten Glieder; daa letzte Glied ist weiss oder gelblich, trägt aber einen
breiten schwarzen Ring um die Wurzel.
Rüssel schwarz, mit hellen Endlappen.
Die Fühler sind braun, mit grauer und bräunlicher Bewimperung.
Der Stirnkopf ist weiss.
Länge der Palpenglieder: 0-63—0-7—0*38 —0*25 mm . Sa. l*8 nim .
Thorax. Auf der Rückseite des sonst olivbräunlichen Thorax liegen
2 Paar gelblichbraun bis leicht kupferroth schimmernde, parallele Längs¬
wülste; das 1. Paar in der vorderen Hälfte, unmittelbar neben der dunklen
medialen Längslinie; das 2. Paar in der hinteren Hälfte, weiter von einander
getrennt, in der Weise, dass das vordere Paar mit seinem hinteren Ende
sich zwischen den Anfang der hinteren Wülste noch eine Strecke weit
hineinschiebt. Ausserhalb dieser Wülste ist die Membran bläulichgrau ge¬
färbt und trägt 3 Paar dunkler Flecke; das erste und grösste Paar un¬
mittelbar neben den mittleren und zugleich vorderen Längswülsten und vor
der Quernaht, daher zugleich am Vorderende der hinteren Wülste, welche
an der Quernaht auf hören; das 2. Paar ausserhalb dieser Wülste, hinter der
Quernaht. Das 3. Paar ist sehr unscheinbar und besteht nur aus einem
Längsstrich oberhalb der Flügelwurzel. (Beschuppung leider abgerieben,
doch haben sich am Patagium dunkle Schuppen erhalten.
Flügel. An den Flügeln ist besonders auffällig, dass die Membran
grosse, sehr dunkle Flecke trägt, die weit über die Stellen mit dichterer,
dunkler Beschuppung hinausgehen, wie auch die Abbildung des gut und
vollständig beschuppten Flügels (Taf. I, Fig. 7) deutlich erkennen lässt.
Einen sehr merkwürdigen Verlauf zeigt der obere Ast der 5. Rippe, welcher
hinter dem Abgang der unteren centralen Querader tief eingebuchtet ist,
während an der gegenüber liegenden Stelle die 4. Rippe nach oben ein
wenig ausgebuchtet ist, so dass hier die beiden Rippen weit aus einander
gehen und sich erst allmählich wieder nähern.
Die Zeichnung ist der des An. punctulatus sehr ähnlich, aber die
schwarzen Pünktchen sind mehr gestreckt und fliessen stellenweise zu längeren
Strichen zusammen, so z. B. auf der 1. Rippe unter dem zweiten typischen
Vorderrandfleck; und unter diesem steht ein eben so langer und dunkler
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Beiträge zue Kenntniss dee Anopheles.
57
Strich auf dem Anfang der 2. Rippe. Der 3. und 4. Fleck auf der Costa
sind länger als bei punctulatus, und unter dem letzteren stehen auf dem
oberen Aste der oberen Gabel zwei lange dunkle Striche, welche zusammen
ungefähr zwei Drittel der Länge des Astes einnehmen. Unter dem 3. Fleck
stehen auf der 1. Rippe vier oder fünf dunkle Punkte, welche auch theil-
weise verschmelzen können.
Wimpersaum gescheckt.
Die Farbe der hellen Einschnitte am Vorderrande ist hell ockergelb;
gegen den Hinterrand hin wird die helle Beschuppung mehr weisslich.
Von den centralen Queradern ist die untere ungefähr um das Dreifache
von der mittleren entfernt; die obere steht ein wenig gegen die mittlere
zurück. In ihrer Umgebung bleibt die Flügelmembran hell.
Die obere Gabel entspringt wesentlich früher als die untere.
Schwinger oben weiss, unten dunkel beschuppt.
Index der Hülfsrippe 40<0; der 5. Rippe 34*2.
Flügellänge 3*36 mm .
Beine. Die Oberschenkel der Vorderbeine sind in der ersten Hälfte
stark verdickt. Alle grossen Abschnitte sind auf der Vorderseite in einer
ziemlich regelmässigen Reihe klein weiss gefleckt, also nicht so unregel¬
mässig wie bei punctulatus. Die kleinen Tarsenglieder haben helle Ge¬
lenke, am breitesten an den Vorderfüssen. Die dicken Enden der
Hintertibien und der angrenzende Theil des 1. Tarsengliedes
ist weiss oder gelblichweiss, was für die Art charakteristisch ist.
Hinterleib. Die Rückenplatten haben sehr dunkle Seitenränder, die
Bauch platten sind gleichmässig schön dunkelbraun gefärbt, mit weissen
Flecken, die aber dem ersten und letzten Segment fehlen. Beschuppung
wohl abgerieben.
Genitalklappen gelb behaart und beschuppt.
Kopf und Rüssel »2*5 mm .
cf unbekannt.
Hab.; Sumatra (Kajoe-Tanam, nördl. von Padang). Borneo (Moearah
Teweh, nur 1 Stück; ob sicher hierher gehörig?)
Bemerkungen. Diese Art, vielleicht der entfernteste Ausläufer der
australischen Musivusgruppe scheint recht selten zu sein; wenigstens
kommt sie nicht häufig in die Krankenhäuser.
Anopheles punctulatus Dö.
(Insectenbörse. Jan. 1901.)
Diagnose: Die obere Gabel entspringt etwas früher alB die untere.
Flügel mit vier mittelgrossen typischen Vorderrandflecken und sehr
zahlreichen kleinen dunklen Pünktchen, mit weissen Pünktchen abwechselnd,
die kaum grösser sind.
Palpen in der Endhälfte hell, mit drei dunklen Ringen.
Rüssel am Ende hell.
Oberschenkel der Vorderbeine im ersten Drittel verdickt; die kleinen
Tarsenglieder aller Beine hell geringelt.
Beschreibung nach Stücken aus Stephansort (Neu-Guinea), von
R. Koch aus Larven gezogen.
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58
W. Dönitz:
$ Kopf mit gellem Scheitelschopf. Auf dem Scheitel graue, im Nacken
dunkle Schuppen.
Fühler grau beschuppt.
Palpen bis ungefähr zur Mitte dunkel, das Ende weisslich mit drei
dunklen Ringen. Erstes Gelenk weisslich. Auf der Oberseite des zweiten
Gliedes sind oft schon vor der Mitte helle Schuppen eingestreut; hinter der
Mitte ist das Glied gewöhnlich ringsum weiss beschuppt, doch mit dunklem
Ring am Ende. Die beiden weissen Endglieder tragen dicht über der Basis
einen dunklen Ring. Demnach stehen zwei Ringe, am Ende des zweiten
und am Anfang des dritten Gliedes, sehr nahe bei einander, der dritte RiDg
getrennt von ihnen. Die Membran der letzten Palpenglieder ist heller als
bei den ersten Gliedern, doch ist sie am vorletzten Glied öfter deutlich
verdunkelt.
Länge der Palpenglieder: 0*59—0*63—0*34—0*21.
„ bei einem Stück aus Herbertshöhe: 0-55—0*63—0*38—0*21.
Der RüBsel ist bis über die Mitte hinaus dunkel, dann hell, mit einem
schwarzen Fleckchen vor den hellen Endlappen.
Thorax mit olivbraunem Fleck vor der Quernaht. Auf vielen Stücken
sind weissliche Schüppchen erhalten, die um diesen Fleck besonders zahl¬
reich stehen.
Die Flügel haben am Vorderrande vier dunkle, an Grösse nicht sehr
verschiedene Flecke, die durch ungefähr ebenso breite helle Zwischenräume
getrennt werden; im Wurzeltheil stehen am äussersten Rande zwei oder
drei kleine dunkle Fleckchen, die auch zusammenfliessen können. Der erste
der typischen Flecke erstreckt sich in fast gleicher Breite bis zur 1. Rippe
hinüber. Unter dem 2. Vorderrandfleck stehen drei bis fünf dunkle Punkte
auf der 1. Rippe, während er auf der Hülfsrippe einfach dunkel unter¬
strichen ist. Auch unter dem dritten Fleck stehen vier dunkle Punkte auf
der 1. Rippe. Der etwas kürzere vierte Fleck wird durch zwei oder drei
Flecke auf dem oberen Aste der oberen Gabel verbreitert. Dahinter bleibt
die Flügelspitze hell. Zwischen 1. und 2. Fleck schiebt sich noch ein
dunkles Pünktchen ein, das sich an der äussersten Kante des Flügels mit
dem 2. Fleck verbinden kann und diesen dann auf Kosten des hellen
Zwischenraumes verlängert. Sämmtliche Rippen sind mit zahlreichen dunklen
Punkten besetzt, welche mit kaum grösseren hellen Stellen abwechseln. Auf
dem Anfangstheil der Aeste der 2. und 4. Rippe stehen sie einander sehr
nahe, und auf dem Stiele der unteren Gabel verschmelzen sie vor der
Theilung zu einem längeren dunklen Strich. Auf der 6. Rippe pflegen
5 bis 7 solche Punkte zu stehen, den Randpunkt eingerechnet; selten sind
es nur vier. Manchmal fliessen einige auch auf der 6. Rippe zusammen.
Wimpersaum gescheckt, an der ganzen Spitze hell, aber auf der oberen
Gabelzelle dunkel durchschnitten.
Die Farbe der hellen Stellen des Flügels ist gelblich, doch gegen die
Flügelwurzel und den Hinterrand hin weisslich.
Die obere Gabel beginnt etwas früher als die untere, doch kommen
auch Stücke vor, wo beide auf gleicher Höhe entspringen (z. B. ein Stück
aus Herbertshöhe vom April 1900).
Von den centralen Queradern rückt die mittlere meist ein wenig mehr
gegen die Spitze vor als die obere, doch bilden manchmal beide zusammen
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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles.
59
eine Linie. Die untere pflegt um das Doppelte ihrer Länge oder noch mehr
von der mittleren entfernt zu sein.
Der obere Ast der 5. Rippe ist, wie hei An. leucosphyrus, kurz
nach dem Abgang der unteren centralen Querader tief eingebuchtet, die
4. Sippe an derselben Stelle ein wenig nach oben ausgebuchtet, so dass
beide Rippen hier weit aus einander gehen. Weiterhin nähern sie sich
allmählich einander wieder.
Index der Hülfsrippe 40»2 mm ; der 5. Rippe 32 mm .
Schwinger braun, mit hellem Stiel.
Beine. Die Oberschenkel der Vorderbeine sind im ersten Drittel, die
Tibien aller Beine am Ende auffallend verdickt. Alle Theile, mit Ausnahme
der kleinen Tarsenglieder, sind auf dunklem Grunde hell getüpfelt und ge¬
ringelt; die Tarsengelenke sind in folgender Weise gezeichnet:
Am ersten Paar sind alle Gelenke breit hell geringelt; das zweite Glied
ist manchmal ganz hell, nur mit ein Paar kaum merklichen dunklen Fleckchen
auf der Oberseite. Am mittleren Paare sind die Gelenke nur wenig und
auch nur schmäler geringelt; das zweite Glied ist oft auch stärker aufgehellt,
ähnlich wie an den Vorderbeinen. An den Hinterbeinen erscheint das erste
Tarsengelenk oft kaum heller; die anderen sind deutlich, aber schmal ge¬
ringelt.
Am Hinterleibe finden sich Anhäufungen leicht hinfälliger Schuppen
von glänzend gelber und von schwarzer Farbe auf der Bauch- wie auf der
Rückenseite des vorletzten Ringes, besonders am Hinterrande; ähnlich, aber
weniger auffällig auch am letzten Ringe. Vereinzelte gelbe Schuppen sind
überhaupt über die letzten Segmente verstreut. Zwischen der dunklen Be¬
haarung der Genitalklappen finden sich zahlreiche gelbe und schwarze
Schuppen. Im Uebrigen trägt der Hinterleib blonde Haare, besonders
reichlich auf den letzten Segmenten. Die Bauchseite zeigt in der Membran
ein Paar weisser Flecke auf jedem Ringe. Auf der Oberseite finden sich
manchmal einzelne weisse Schuppen längs der Mittellinie, welche wohl
Ueberbleibsel einer an diesen Stücken verloren gegangenen Zeichnung sind.
(? Das Männchen ist durch nichts Besonderes ausgezeichnet. Das zweite
Palpenglied ist in der Endhälfte hell, und trägt am verdickten Ende einen
Schopf dunkler Schuppen, der sich hauptsächlich von unten her über das
nächste Gelenk hinweglegt. Die beiden Kolbenglieder sind hell, mit einem
Streifen dunkler Schuppen auf der Unterseite und einem dunklen Ringe an
der Wurzel.
9 Länge von Kopf und Rüssel 2*8 mm ; Flügel 4-0 mra .
<? n »» it n >? ^" fi >f 3*8 ,,
Habitat: Neu-Guinea (Stephansort); Bismarck-Archipel (Herbertshöhe
auf Nou-Pommern).
Bemerkungen. In meiner ersten Veröffentlichung dieser Art habe
ich dasselbe Vaterland angegeben wie oben, also Neu-Guinea (Stephansort)
und Bismarck-Archipel (Herbertshöhe). Wenn daher Theobald diese
Angaben auslässt, dafür Sumatra und Borneo anführt und meinen Namen
dahinter setzt, so muss das auf einem Versehen beruhen. Da aber Theo¬
bald die Stücke, welche er für punctulatus ansieht, von Taipang in
den Straits Settlements erhielt, so nehme ich Veranlassung daran zu
zweifeln, dass es sich um dieselbe Art handelt. Hier meine Gründe.
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60
W. Dönttz:
Mir lagen aus Sumatra einige Stücke vor, welche ich anfänglich auch
für An. punctulatus hielt. Da ich aber unter dem reichen Materiale
von den Sunda-Inseln diese Art nicht wieder fand, so musste es auffallen,
dass sie gerade nur an den entlegensten Punkten dieser lang gestreckten
Reihe von Inseln, nur auf Sumatra und Neu-Guinea, Vorkommen, in dem
ganzen dazwischen liegenden Gebiete fehlen sollte. Eine nähere Unter¬
suchung ergab denn auch, dass die Stücke von Sumatra sich sehr wohl
specifisch von An. punctulätus unterscheiden lassen. Wegen der
täuschenden Aehnlichkeit aber wurde die neue Art An. deceptor genannt.
Nach diesen Erfahrungen liegt die Vermuthung nahe, dass Theobald’s
Stücke von Malacca auch dieser neuen Art angehören, doch kann ich
mich nicht mit Sicherheit darüber aussprechen, weil die beiden Abbildungen
des Flügels eines Weibchens, welche Theobald bringt, dem entgegen stehen.
Näheres siehe unter den Bemerkungen zu An. deceptor.
Anopheles deceptor Dö.
Etym.: So genannt, weil er leicht den An. punctulatus oder auch
leucosphyrus vortäuscht.
Diagnose: Obere Gabel beginnt etwas früher als die untere. End¬
hälfte des Rüssels weisslich.
Palpen in der Endhälfte weiss, mit schmalem schwarzen Ring am
Anfang des 3. und 4. Gliedes.
Tibien der Hinterbeine am Ende schmal weiss; Tibiotarsalgelenke nicht
breit weiss.
Flügelzeichnung ähnlich wie bei An. leucosphyrus.
Beschreibung nach einigen Stücken von Sumatra.
9 Kleiner als die beiden genannten Arten, denen er ähnelt. In der
Flügelzeichnung hat er mehr Aehnlichkeit mit An. punctulatus, weil ihm
die über die dunkel beschuppten Stellen hinausgehenden Flecke der Membran
fehlen. Der Flügel erscheint aber auch deswegen heller, weil die Zahl der
dunklen Punkte eine geringere ist. Der zweite typische Vorderrandfleck
erscheint so lang wie bei leucosphyrus, weil er mit dem davor gelegenen
kleinen Punkt verschmolzen ist; aber er ist schmäler, weil der unter ihm
gelegene dunkle Strich auf der 2. Rippe sich ihm nicht anschliesst. Der
dritte Fleck ist länger als bei punctulatus; bei dem darunter gelegenen
Strich auf Rippe 1 ist die Entstehung aus drei Punkten nur angedeutet.
Der ganze Stiel der oberen Gabel ist dunkel beschuppt, zerfällt aber durch
ein eingeschobenes helles Pünktchen an der oberen centralen Querader in
zwei längere Striche.
Von den centralen Querrippen ist die untere um das Dreifache ihrer
Länge von der mittleren entfernt. Die obere ist zurückgerückt. Von der
unteren centralen Querader an entfernen sich der obere Ast der 5. Rippe
und die 4. Rippe gleichmässig und allmählich von einander.
Wimpersaum gescheckt.
Index der Hülfsrippe 40-9 mnl ; der 5. Rippe 36*2 mm .
Flügellänge 2 • 9 Inm .
Schwinger weiss.
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BEITRÄGE ZUR lVEKNTNISS DER ANOPHELES.
61
Kopf. Scheitel grau, Scheitelschopf heller. Die Palpen sind ungefähr
von der Mitte des 2. Gliedes an weiss, mit schmalen dunklen Ringen um
die Wurzel des 3. und 4. Gliedes. Es fehlt also der Ring um das helle
Ende des 2. Gliedes, den An. punctulatus besitzt. Das erste Gelenk ist
oben weiss.
Länge der Palpenglieder 0*46—0*5—0-23—0-13.
Rüssel am Ende weiss oder weisslich.
Thorax wie bei leucosphyrus.
Beine ähnlich gezeichnet wie bei An. leucosphyrus, mit Ausnahme
der Hinterbeine, welche am Ende der Tibia nur einen kleinen hellen Fleck
tragen, nicht eine so breit weisse, für die andere Art charakteristische Binde.
Kopf und Rüssel 2 • 0 mm .
Rumpf 3 • 4 mra .
$ Unbekannt.
Hab.: Sumatra.
Bemerkungen. An. deceptor gehört in die Verwandtschaft von
An. punctulatus, jener auf Neu-Guinea einheimischen Art, die zur
australischen Fauna gehört; aber das Verbreitungsgebiet von deceptor
sowohl wie von leucosphyrus liegt diesseits der von Wallace bezeichneten
Grenze, also im indischen Faunengebiet. Auffallend ist, dass beide an¬
scheinend seltene Arten sind. Vielleicht steht beides in Zusammenhang.
In den Bemerkungen zu An. punctulatus habe ich darauf hin gewiesen,
dass die von Theobald aus Malacca bezogenen und für An. punctulatus
gehaltenen Stücke diese Art nicht sind und dass deshalb zunächst ein Ver¬
gleich mit An. deceptor in Frage käme. Leider ist die Beschreibung
Theobald’s gerade in den Punkten, auf die es dabei ankommt, unzu¬
reichend, so dass ich auf die Abbildungen S. 176 u. Taf. XXXVII, Fig. 148
angewiesen bin. Darnach stimmt die Zeichnung des Thorax nicht überein,
und an den Flügeln finden sich Unterschiede in der Structur und in der
Zeichnung. Es gabelt sich nämlich bei Theobald’s Stücken die 2. Rippe
sehr viel später als die vierte, bei punctulatus und deceptor ent¬
weder früher oder doch auf gleicher Höhe. Ich könnte noch hinzu¬
fügen, dass die Queradern, auf welche die Autoren so grosses Gewicht
legen, auch nicht übereinstimmen, wenn sie nicht in Theobald’s Figur
geradezu falsch gezeichnet wären. Unmittelbar nach dem Ursprung des
oberen Astes der 6. Rippe geht die untere Querader niemals bei einem
Anopheles ab. Zugleich muss ich darauf aufmerksam machen, dass die
2 . Rippe niemals wie in Theobald’s Fig. 49a bei einem Anopheles aus
der Wurzel entspringt, ebenso wenig wie aus der 3. Rippe, wie es die
bunte Fig. 148 zeigt. Ich weiss nicht, ob ich bei diesen groben Fehlern
der Abbildungen Gewicht auf die Flügelzeichnung legen darf, doch will
ich wenigstens erwähnen, dass in beiden Figuren Theobald’s auf der
2. Rippe der dunkle Fleck hinter der oberen Querader, auf der 4. Rippe
der Fleck vor der unteren Querader fehlt, die beide bei An. deceptor
vorhanden sind.
Da man hier also falsch gezeichneten Figuren gegenübersteht und der
Text uns im Stich lässt, wird es am besten sein, es Theobald selber zu
überlassen, sich darüber auszusprechen, ob seine für An. punctulatus ge¬
haltenen Stücke meinem An. deceptor entsprechen oder nicht.
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62
W. Dönitz:
Anopheles pharoänsis Theob.
Diagnose: Die beiden kleinen Oabeln entstehen ziemlich auf gleicher
Höhe, die obere kaum merklich früher als die untere.
Flügel mit den vier typischen Vorderrandflecken.
Der Wurzelfleck der 5. Rippe weiter gegen die Flügelspitze vorgerückt
als der erste Fleck der 6. Rippe.
Rippe 5 an der Gabelung dunkel.
Rippe 6 mit drei Flecken.
Palpen an den Gelenken schmal weiss beschuppt; Endhälfte des letzten
Gliedes weiss.
Tarsen breit geringelt. Endglied der Hintertarsen weiss.
Am Hinterleibe dunkle, aufgerichtete Schuppenbüschel an den Hinter¬
ecken der Rückenplatten.
Beschreibung nach einem Stück von Alexandrien.
Kopf auf dem Scheitel grau, gegen den Nacken graubraun, dahinter und
unten olivbraun beschuppt.
Palpen am ersten Gelenk schmal, am zweiten und dritten breit weiss
beschuppt; Endglied weiss, mit dunklem Ring um die Basis. Bei anderen
Stücken sind die Gelenke schmäler weiss. Weisse Schuppen finden sich
auf der ganzen Oberseite eingestreut. An Balsampräparaten sieht man,
dass am Anfang der Glieder auch das Chitin der Membran hell ist. Das
zweite Glied ist merklich länger als das erste.
Palpenglieder 0 • 55—0 • 69—0 - 42—0 • 26 inra . Sa. l-92 mm .
Fühler mit einigen weissen Schuppen auf den ersten Gliedern.
Thorax bläulich schiefergrau, mit hellen, meist weisslichen, aber auch
gelblichen Schuppen reichlich besetzt, so dass auch die grossen ovalen
schwarzen Flecke vor der Quernaht zum Theil von ihnen bedeckt werden.
Unter der scharfen Seitenkante stehen die Schuppen sehr dicht und er¬
scheinen etwas dunkler, grau bis weissgrau. Oberhalb der Beinansätze liegt
ein weisser Längsstreif, anscheinend nicht beschuppt.
Flügel schön und kräftig gezeichnet; Farbe der Schuppen dunkelbraun
und hell ockergelb; die hellen Einschnitte am Vorderrand erscheinen noch
etwas heller, doch nirgends rein weiss. Der dunkle Mittelfleck fällt besonders
in die Augen und erstreckt sich mit einer schmäleren Fortsetzung weit in
die Flügelspreite hinein, bis auf den Stiel der oberen Gabel. Der Grösse
nach folgen auf diesen Fleck der dritte, der erste, der vierte. Im hellen
Wurzelfelde liegen zwei kleine braune Fleckchen. Der erste Randfleck liegt
auf der Costa und der Hiilfsader, doch greift er in seinem vorderen Theile
mit einigen dunklen Stippchen bis auf die 1. Rippe hinüber. Der zweite
Fleck hat im Wesentlichen die Form eines breiten, kräftig gezeichneten T,
doch wechselt die Form bei den einzelnen Stücken, ja selbst auf den beiden
Flügeln desselben Individuums, indem bald hier, bald dort, besonders auf
der 1. Rippe, Gruppen heller Schüppchen eingestreut sind, so dass der Fleck
hier hell und dunkel punktirt erscheint. Auf der 2. Rippe sind die zu
diesem Fleck gehörigen Schuppen etwas matter gefärbt, doch erstreckt sich
die Verdunkelung der Membran selbst bis hierher. Der dritte Fleck wird
verstärkt durch einen kürzeren und einen längeren Fleck auf der 1. Rippe;
der längere kann wieder getheilt sein, und dann liegen dem 3. Vorder-
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Beitbäge zub Kenntniss deb Anopheles.
63
r&ndfleck unten drei dunkle Fleckchen an. Der vierte Fleck wird verbreitert
durch einen längeren, aber etwas matteren Strich auf der 1 . Rippe, dem
auch wieder helle Schüppchen beigemengt sein können. Der Stiel der
oberen Gabel zeigt zwei Verdunkelungen; die erste dient zur Verbreiterung
des grossen Vorderrandfleckes, wie schon erwähnt; die zweite liegt auf dem
Ende des Stieles und erscheint viel matter als die erste, weil ihr viel belle
Schuppen beigemischt sind. Die Gabeläste tragen mäBsig dunkle Schuppen
mit helleren gemischt, doch hebt sich auf dem oberen Ast gleich hinter der
hellen Theilungsstelle und unter dem 3. Randfleck gelegen eine dunklere
Strecke ab, und eine ähnliche unter dem 4. Vorderrandfleck, mit welcher
auch der Randpunkt verschmolzen ist; der untere Ast trägt drei dunkle
Punkte, zu Anfang, in der Mitte und den Randpunkt. Auf der 3. Rippe
stehen zwei Punkte, vor und hinter den Queradern. Auf dem Stiel
der unteren Gabel überwiegen die hellen Schuppen, doch ist die Strecke
von den Querrippen bis zur Gabelung verdunkelt. Die Gabel ist hell, doch
ist jeder Ast zu Anfang mit einem Fleckchen besetzt. Der Stiel der grossen
Gabel trägt einen im Verhältnis zum ersten Fleck der 6 . Rippe weit vor¬
geschobenen Wurzelfleck, einen Fleck vor der Gabelung, einen kleineren
dahinter, und ist im Uebrigen hell bis zum Randpunkt. Auf dem oberen
Aste findet sich eine dunkle Stelle hinter der Querrippe. Die 6 . Rippe hat
drei ziemlich gleich weit von einander entfernte dunkle Fleckchen.
Der Wimpersaum ist mäBsig dunkel, auf den Rippen hell durchschnitten;
stärker verdunkelt sind zwei oder drei Schöpfchen auf der Flügelspitze.
Die centralen Queradern sind treppenförmig angeordnet.
Index der Hülfsrippe 42 • 1 mra ; der 5. Rippe 36-8 mm .
Beine. Femur des ersten Paares im Anfangsdrittel mässig verdickt.
Femora und Tibien an der Aussen- und Streckseite unregelmässig dunkel
und hell gefleckt und gestrichelt. Tarsen ziemlich breit und scharf geringelt,
doch sind an Vorder- und Mittelbeinen die beiden letzten Tarsenglieder
dunkel. An den Hinterbeinen sind die hellen Ringe noch breiter, das dritte
Glied beinahe zur Hälfte, das vierte Glied zur Hälfte, das fünfte ganz weiss.
Hinterleib. Die Schuppen und Haare auf der Oberseite sind gelb¬
braun, zum Theil haben sie die Farbe des Goldockers; an den Hinterrändem,
neben den Hinterecken der Rückenschilder sind sie büschelförmig auf¬
wärts gerichtet, doch nicht so in die Augen fallend wie bei An. squamosus.
Die Bauchschilder sind in ihrer vorderen Hälfte weiss beschuppt, in der
Weise, dass man neben einander drei Flecke unterscheiden kann, zwei
seitliche und einen mittleren. Dahinter ist die Beschuppung gelb, aber an
den Seitenrändem wieder weiss. Auf den hinteren Segmenten herrscht
gelb vor. Genitalklappen des 9 lang gestreckt, gegen das Ende gelb, im
Uebrigen mehr gelbbraun beschuppt.
Kopf und Rüssel: 3*0 mm .
Thorax und Abdomen: 6 • 2 ram . — g 6 • 7 mm .
Flügel: 4*7 mm ; bei einem anderen Stück 4• 4 mm .
An dem einzigen vorhandenen Männchen sehe ich ausser den allge¬
meinen Geschlechtseigenthümlichkeiten nichts Bemerkenswerthes.
Hab.: Unterägyppten (Alexandrien, Mahmudiehcanal, Wadi-Natrün,
Cairo). Theobald giebt ausser Cairo auch Centralafrika, Mashonaland an.
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64
W. Dönitz:
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Bemerkungen. Ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich die mir
vorliegenden Stücke aus Unterägyppten auf Theobald’s Anopheles
pharoönsis beziehe, obgleich die englische Beschreibung einige Unterschiede
aufweist. So kann ich nicht finden, dass die Hinterleibssegmente am Hinter¬
rande verbreitert sind. Theobald’s Stücke müssen wohl stärker als ge¬
wöhnlich eingeBchrumpft sein. Auch wird bei meinen Stücken der Hinter¬
rand der Segmente nicht durch die für die Art charakteristischen Schuppen¬
büschel verbreitert, denn diese stehen gar nicht an den Hinterecken, sondern
medial von diesen, also auf der Oberseite. — Ferner stimmt nicht, dass
Theobald von seiner Art angiebt, dass die schwarze Costa durch einen
grossen und drei kleine helle Flecke durchbrochen sei, denn bei meinen
Stücken sind nur drei Unterbrechungen vorhanden, und diese sind ziemlich
gleich lang. Auch die Vertheilung der kleinen Flecke, welche ungefähr
20 betragen sollen, stimmt nicht genau überein; so sind die bei meinen
Stücken vorhandenen Flecke am Anfang der beiden Aeste der unteren Gabel
(4. Rippe) von Theobald nicht angegeben. — Vielleicht sind diese Diffe¬
renzen dadurch entstanden, dass Theobald Stücke von weit aus einander
liegenden Gegenden vor sich hatte: ein Pärchen aus Cairo, und 1 Stück
aus Centralafrika. Da kann das centralafrikanische Stück sehr wohl von
den ägypptischen ab weichen. Leider giebt Theobald nicht an, ob er ein
einziges Stücke beschreibt, oder ob er das Facit aus der Untersuchung der
drei Stück zieht. Das bunte Bild Taf. I, Fig. 8 ist nicht geeignet, hier
Klarheit zu schaffen.
Meine Beschreibung bezieht sich auf ein Stück (9) aus Alexandrien.
Die Abbildung des Flügels auf ein Stück, das zwischen 18. u. 22. Nov. 1900
am Mamudiehcanal gefangen war. Dass mir ausserdem noch eine grössere
Anzahl Exemplare Vorgelegen hat, geht aus meiner Beschreibung hervor.
Anopheles squamosus Theob.
(Taf. I, Fig. 8.)
Diagnose: Palpen schwarz, mit weissen Gelenken und Endglied.
Die erste Gabelzelle beginnt merklich früher als die zweite.
Am Vorderrand der Flügel vier schwarze Flecke, durch sehr schmale
w T eisse Einschnitte getrennt.
Wurzelfleck der 5. Rippe ausgerückt.
Beine oberseits dunkel, fein hell betupft, unterseits hell. Tarsen geringelt
Hinterleib stark und abstehend behaart, an den Hinterecken der Rücken-
platten mit aufrecht stehenden Schuppenbüscheln besetzt.
Beschreibung nach einem Stück aus Südwestafrika, das bei Sorres-
Sorres am 24. April 1901 von Herrn Stabsarzt Vagedes erbeutet war.
Ziemlich kleine, schwarze, fein weiss gezeichnete Art.
Beschuppung und Behaarung von Stirn und Scheitel grau, den Scheitel¬
schopf eingeschlossen.
Fühler schwarz, grau behaart; auf der Oberseite einige graue Schuppen
bis etw T a zum 7. Glied.
Palpen schwarz, am Ende der Glieder weiss betupft, das Endglied über¬
wiegend weisslich. Auf dem 1. und 2. Glied bilden eingestreute weisse
Schuppen einen hellen Längsstrich.
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Beitbäge zur Kenntniss der Anopheles.
65
Thorax sehr dunkel, schwärzlich; über die ganze Fläche verstreute
weiäse Schuppen, die Theobald mit Recht spindelförmig nennt. Fleck vor
der Quernaht tief schwarz. Das schwarze scutellum hängt sehr weit über
und verdeckt das metanotum fast ganz. Die von Theobald angegebenen
veissen Seitenstreifen sind an dem vorliegenden Stück nicht zu sehen.
Flügelmembran in der vorderen Hälfte stark verdunkelt, in der hinteren
Hälfte immer noch merklich dunkel. Am Vorderrand vier schwarze Flecke;
die weissen Einschnitte sind sehr klein, doch greifen sie mit einigen weissen
Schöppchen auf die Hülfsrippe, und vor der Flügelspitze auf die 1. Rippe
hinüber. Diese ist auch gegenüber dem Ursprung der 2. Rippe, an der
Einmündungsstelle der marginalen Querader mit einem weissen Stippchen
besetzt. Auf den übrigen Rippen vertheilen sich die Farben wie folgt: Der
Stiel der grossen Gabel ist weiss, unterbrochen nur von dem weit hinaus
gerückten Wurzelfleck. Vor der Gabelung wird der Stiel wieder schwarz;
darüber hinaus ist der untere Ast bis jenseits der Mitte wieder weiss; der
obere Ast ist am Abgang der centralen Querader weiss, darauf folgt ein
schwarzes Fleckchen, und der Rest ist erst weiss, dann schwarz beschuppt.
Die 6. Rippe ist weiss, mit drei schwarzen Flecken. Weiss ist auch die
Gabelung der 4. Rippe, sowie die 3. Rippe, welche aber am Anfang, in der
Hitte und am Ende ein schwarzes Fleckchen trägt.
Wimpersaum schwarzgrau, am Hinterrande matt gescheckt, an der
Flügelspitze scharf gescheckt.
Index der Hülfsrippe 43*0; der 5. Rippe 36‘25.
Beine: Oberschenkel des 1. Paares bis über die Mitte hinaus stark
verdickt, dunkel; das Enddrittel unterseits weiss. Tibia auf der Streckseite
schwarz, mit eingestreuten hellen Stippchen; auf der Unterseite weiss.
Tarsus matter gefärbt, aber die Unterseite des 1. Gliedes auch heller; die
Endhälfte des 2. und 3. Gliedes auf der Oberseite weiss, die beiden End¬
glieder durchaus schwarz. Der Oberschenkel des 2. Paares ist in der End¬
hälfte keulenförmig verdickt. Beschuppung ähnlich wie beim 1. Paare, doch
sind die Enden der drei ersten Tarsenglieder hell, wenn auch in geringerer
Ausdehnung. Leider fehlt das 3. Beinpaar an dem einzig vorhandenen
Stück. Nach, Theobald sind die Oberschenkel desselben stark verdickt,
dunkelbraun mit weissen Fleckchen, einem grösseren weissen Fleck gegen
das untere Ende und weisser Spitze; Tibien schwarz und weiss gefleckt, die
Tarsen am Ende weiss, das letzte Glied ganz schwarz. — Die Krallen sind
alle schwarz.
Hinterleib sehr dunkel, struppig mit langen abstehenden Haaren be¬
setzt; dazwischen auf den Rückenplatten anliegende hellere, olivbräunliche
Schuppen und Härchen, die vor den Hinterrändern eine goldig glänzende
Farbe annehmen. An jeder Hinterecke der Rückenschilder steht ein schwarzer,
aufgerichteter Scbuppenbüschel. Auf den Bauchplatten sind die sonst vielfach
vorkommenden weissen Seitenflecke auf schmale lange Striche reducirt und
auch weiss beschuppt. Von hellen Mittelstreifen ist wenig zu sehen.
Afterklappen lang und struppig schwarz beschuppt.
Kopf und Rüssel: 2 • 6 mm .
Thorax und Hinterleib: 4*3 mrn .
Flügel: 3 • 8 mm .
Index der Hülfsrippe 43.
Zehschr. f. Hygiene« XLI, 5
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66
W. Dönitz:
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Habit.: Mashonaland und Brit.-Centr.-Afrika (Theobald). — Deutsch-
S.-W.-Afrika (Dönitz).
Bemerkungen: Diese Art batte ich schon abbilden lassen, als sie in
Theobald’s Monographie veröffentlicht wurde. Ich füge die Beschreibung
hier bei, weil sio die englische in mancher Beziehung ergänzt. Trotz
mancher Abweichungen, welche mein Stück von der Theobald’schen Be¬
schreibung und Abbildung aufweist, möchte ich keine neue Art dafür auf¬
stellen, obgleich ich auf Grund gewisser, von Theobald aufgestellter
Principien dazu berechtigt wäre. Diese Unterschiede sind folgende:
1. Die obere centrale Querader ist reichlich um ihre ganze Länge von
der mittleren entfernt, während sie nach Theobald nur um die Hälfte
ihrer Länge von ihr abstehen soll. In der Einleitung wurde schon bemerkt,
dass die Stellung der Queradern zu einander nicht geeignet ist, Artunter¬
schiede zu begründen.
2. Theobald nennt die seitlichen Schuppen auf den Rippen der Flügel
keulenförmig und bildet sie auch so ab. Ich sehe bei meinem Stück die
Sache ganz anders. An der Flügelwurzel sind alle dunklen Schuppen sehr
breit, mit leicht verschmälertem und abgestuztem Ende. Am breitesten sind
sie auf der Hülfsrippe, doch auf den beiden ersten Flecken der 6. und auf
dem Wurzelfleck der 5. Rippe sind sie auch recht breit. Gegen die Flügel¬
spitze hin werden sie immer schmächtiger. Dazwischen eingestreut finden
sich sehr lange, alle anderen überragende, sehr schmal spindelförmige
Schuppen, die schon an der Wurzel auf der 6. Rippe Vorkommen, auf der
5. Rippe von der Gabelung an häufiger werden, allmählich aber gegen die
Spitze hin unter den anderen, länger und spitzer werdenden Schuppen ver¬
schwinden. Sehr lehrreich und übersichtlich ist das Verhalten der Schuppen
auf der 3. Rippe. Da finden sich an den zwei ersten dunklen Flecken
breite, flach anliegende dunkle Schuppen, wie sie auch von der Flügel¬
wurzel erwähnt wurden, in drei Reihen neben einander, und überragt werden
sie von den abstehenden, langen spindelförmigen Schuppen. Gegen die
Flügelspitze hin werden die anliegenden Schuppen schmäler, selbst wo sie
dunkel gefärbt sind, wie im Randpunkt, und die Spindelschuppen werden
etwas breiter. Aehnlich ist es auf den anderen Rippen. Zwei Reihen
anliegender Schuppen, wie sie Theobald abbildet, finde ich nur gegen Ende
der obersten Rippen, wo aber die seitlichen Schuppen in grösserer Zahl
vorhanden sind als in Theobald’s Abbildung und nicht kolbig, sondern
vielmehr breit spindelförmig erscheinen. Selten ist ihre Spitze so weit ab¬
gestumpft, dass man sie keulenförmig nennen könnte.
Hieraus ergiebt sich, dass die Beschuppung eines Anophelesflügels nicht
mit ein paar Worten charakterisirt werden kann, wie es Theobald ver¬
sucht, wenn er sagt: „most of the veins dark scaled, the lateral scales being
clavate“. An den einzelnen Stellen des Flügels ist die Form der Schuppen
bei allen Anopheles verschieden, und es muss eingehenderen Untersuchungen
Vorbehalten bleiben, zu entscheiden, wie weit hier Gesetzmässigkeiten walten.
3. Die hellen Schuppen nennt Theobald gelb; bei meinem Stück sind
sie weiss, stellenweise sogar silberweiss» Ich kann kaum annehmen, dass
bei meinem Stück, das in Alkohol gelegen hat, die gelbe Farbe so weit
ausgebleicht sein sollte.
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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles.
67
Vielleicht stellt mein Stück eine locale Varietät der Theobald’schen
Art dar. Darüber zu entscheiden bedarf es weit grösseren Materiales, denn
bis jetzt sind nur drei $ dieser Form bekannt, von denen zwei Theobald
Vorlagen.
Anopheles impunctus Dö.
(Taf. II, Fig. 15.)
Etym.: impunctus = nicht punktirt; so genannt wegen fehlender Rand¬
punkte.
Diagnose: Die beiden Oabeln beginnen auf gleicher Höhe. Am
Vorderrande der Flügel vier kleine dunkle Flecke. Es fehlen die Rand¬
punkte auf den Aesten der oberen Gabel und auf dem oberen Aste der
unteren Gabel.
Auf Rippe 6 drei Flecke.
Alle Flecke klein und spärlich.
Palpen auf den Gelenken Bchmal hell beschuppt.
Beschreibung nach einem in Canadabalsam eingelegten Stück vom
Wadi-Natrün vom 8. October 1900.
Die vier Vorderrandflecke sind klein, ziemlich gleich lang, und greifen
in gleicher Breite auf die 1. Rippe hinüber. Auch die Membran selber ist
an diesen Stellen verdunkelt. Fleck 2 reicht bis zur 2. Rippe, auf welcher
noch ein zweiter Fleck gerade unter dem hellen Einschnitt zwischen 2. und
3. Vorderrandfleck steht. Unter diesem liegt wieder ein Fleck auf Rippe 3
und auf Rippe 4, letzterer kurz vor der Gabelung. Sonst stehen auf Rippe 3
nur noch wenige dunkle Schuppen vor der centralen Querader. Der obere
Ast der grossen Gabel führt in seiner ersten Hälfte zwei Fleckchen. Der
Wurzelfleck der 5. Rippe ist gegen den ersten der drei Flecke der 6. Rippe
etwas eingerückt. Die vorhandenen Randflecke sind klein, punktförmig;
deijenige auf dem unteren Ast der unteren Gabel verschwindend, und es
fehlen die drei in der Diagnose aufgezählten.
Wimpersaum gescheckt; die ganze Flügelspitze bis unterhalb Rippe 3
hell bewimpert, nur von einem schmalen dunklen Schopf unter dem oberen
Ast der oberen Gabel durchschnitten.
Die mittlere Querader ist um die doppelte Länge der oberen von dieser
entfernt; die untere steht ein wenig zurück.
Die Beine zeigen in dem Balsampräparat nichts Besonderes. Die Ober¬
schenkel erscheinen in der Seitenansicht an der Basis nicht verdickt, wohl
aber die Tibien oberhalb des Tarsalgelenkes.
Thorax und Hinterleib: 4*l mra .
Kopf und Rüssel: 2-3 Inm .
Hab.: Unterägypten (Wadi-Natrün).
Anopheles Kochi Dö.
(Taf. H, Fig. 18 u. 25.)
Diagnose: 6 Büschel schwarzer Schuppen am Bauche, vom 2. bis 7.
Hinterleibsring.
Palpen gelb, mit schwarzem Ring an der Wurzel und weissem Fleck
am Ende der einzelnen Abschnitte. Am Rüssel fast die ganze Endhälfte
gelb beschuppt, die Wurzel dunkel. •
5 *
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W. Dönitz:
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Die vier typischen Yorderrandflecke klein, durch viel längere Zwischen¬
räume getrennt. Ein kleiner schwarzer Punkt am Vorderrande mitten
zwischen erstem und zweitem Fleck. Tarsen geringelt. Rippe 6 mit drei
Flecken. Rippe 5 nur mit Wurzel- und Randfleck.
Die 4. Rippe gabelt sich früher als die zweite.
Beschreibung. Kopf. Augen oben mit weissen Schuppen gesäumt.
Scheitelschopf grau. Scheitel gelblich, Nacken- und Halskrause dunkel be¬
schuppt. Fühler grau. Palpen gelb, mit schwarzem Ring an der Wurzel
der einzelnen Abschnitte. Vor dem ersten Gelenk ein scharf weisser Fleck.
Die Endhälfte vom zweiten und dritten Abschnitt, und die äusserste Spitze
des vierten sind weiss beschuppt. Oefter sind den gelben Schuppen so viel
schwarze beigemischt, dass die Wurzelhälfte der Palpen dunkel erscheint.
Der Rüssel ist bis über die Mitte hinaus schwarz und gelb getüpfelt, das
Ende gelb. An der Wurzel ein dreieckiger schwarzer Schopf, und am Ende
vor den weisslichen Endlappen, ein schwarzer Fleck.
Beim $ sind die beiden ersten Palpenglieder an der Wurzel und am
Ende schwarz geringt, letzteres auch ein wenig jenseits der Mitte. An der
Wurzel der beiden Kolbenglieder ein schwarzer Halbring; erstes Kolbenglied
auf der ganzen Unterseite schwarz.
Thorax. Oberseite matt gelb, mit bläulichgrauen Längsstreifen. Vor
der Quernaht (Sutura transversalis), neben den beiden gelblichen Längs¬
streifen, steht jederseits ein tief schwarzer Fleck, nach welchem Theobald
diese Art als ocellatus hatte benennen wollen. Längs des Seitenrandes
finden sich auf dem Thoraxrücken von vorn bis zum Flügelansatz noch drei
unbedeutendere dunkle Flecke. Beschuppung am Vorderrande und auf dem
Patagium gelb. Sonst sehe ich auf dem Thorax noch Spuren weisser
Schuppen; auch Theobald giebt „creamy scales“ an. Scutellum in der
Mitte dunkel, an den Seiten hell. Mctanotum gelblich.
Hinterleib matt goldgelb behaart, besonders auf der Unterseite. An
den Hinterrändern der Bauchplatten vom 2. bis 7. Segment schwarze, ge¬
scheitelte, sehr fest haftende Schuppenbüschel, bei beiden Geschlechtern.
Genitalklappen des 9 mit langen goldgelben Haaren und Schuppen bekleidet;
ebenso der Wurzeltheil der männlichen Copulationsorgane. Die Membran
der Bauchplatten zeigt an den Vorderrändern je ein Paar weisser Flecke.
Ob sie beschuppt sind, liess sich nicht ermitteln.
Beine dunkelbraun, Femora und Tibien mit zahlreichen hellen Fleckchen
bestreut. Enden aller Tarsenglieder weisslich, an den Vorderbeinen noch
schmal auf den Anfang des nächsten Gliedes übergreifend; an den Hinter¬
tarsen sind die drei letzten Gelenke breit weiss geringelt, und das letzte
Glied hat eine weisse Endhälfte, so dass dieses Glied am Gelenk weiss ist,
darauf folgt ein dunkler Ring und dann das weisse Ende. Auf den ersten
Tarsengliedern finden sich meist einige weisse Flecke.
Flügel. Am Vorderrande stehen vier kleine typische Flecke von
ziemlich gleicher Länge. Der erste greift in ganzer Länge auf die Hülfe-
rippe, an seinem Vorderende selbst auf die 1. Rippe hinüber. Der zweite
Fleck wird verstärkt durch einen gleich langen Fleck auf der Hülfsrippe
und durch zwei kleine Fleckchen auf der 1. Rippe. Unter dem dritten
Fleck stehen auf der 1. Rippe zwei fast confiuirende Fleckchen, und der
vierte und kleinste Fleck greift bis auf den oberen Ast der oberen Gabel
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Beiträge zub Kenntniss deb Anopheles.
69
hinüber, <L h. er wird durch die zur&ckgerückten und verlängerten Rand*
paukte verstärkt. Ausserdem stehen am Vorderrande im Wurzeltheil zwei
kleine dunkle Punkte, und ein dritter mitten zwischen den beiden ersten
typischen Randflecken. Unter letzterem findet sich ein eben solcher auf
der 1. Rippe.
Die übrigen dunklen Flecke anf den Flügeln sind alle klein, punkt*
förmig, in geringer Anzahl vorhanden. Die 2. Rippe trägt bei ihrem
unscheinbaren Entstehen auf der Flügelmitte einige dunkle Schuppenhäufchen;
ihre Dabeiäste sind an ihrem Ursprung mit dunklen Fleckchen besetzt, und
der untere Ast zeigt einen solchen auf seiner Mitte. Die 3. Rippe hat
einen kräftigeren dunklen Fleck an ihrem Anfang, gleich hinter den Quer¬
rippen. Dieser Fleck findet sich fast bei allen Anophelesarten, kann deshalb
als typisch angesehen und als Mittelfieck bezeichnet werden. Der Stiel der
unteren Dabei trägt drei weit getrennte dunkle Fleckchen vor der Mitte
des Flügels, hinter derselben und unmittelbar vor der Dabelung. Diese
selbst trägt helle Schuppen, aber der obere Ast dunkle bis fast zur Mitte,
der untere nur zu Anfang. Der Wurzelfieck der 5. Rippe steht vor dem
ersten Fleck der 6. Rippe, welche mit drei Flecken besetzt ist. Wimper-
sanm gescheckt.
Die 4. Rippe gabelt sich eine Kleinigkeit früher als die zweite; das
Ende der Hülfsader liegt weit vor dem Ende von Rippe 5; die Entfernung
bis zur Flügelspitze beträgt durchschnittlich 42*6 Procent der Flügellänge;
bei 1 40*6 Procent.
Querrippen treppenformig.
Maasse: c? c? 9 9 9 9 9
Thorax + Hinterleib . 3-8 4.1 3*3 3-5 36 3*6 3*9
Kopf + Rüssel ... 2-5 2-7 2 0 2-1 2-2 2-1 2-4
Flügel. 2-9 3-1 2-9 2-7 3-2 3-0 3-3
Habitat: Sumatra (Padang); Java (Serang und Tjimah). Ferner nach
Theobald’s Angabe: Taipang, Perak, Straits Settlements.
Bemerkungen. Theobald beschreibt 1 unter dem Namen An. pul-
cherrimus eine indische Art, welche dem An. Kochi nahe verwandt sein
soll. Nimmt man die namentlich aufgeführten Unterscheidungsmerkmale
hinweg, nämlich weisse Hintertarsen, Fehlen der augenartigen schwarzen
Flecke auf dem Thorax, und die Zeichnung der Flügel, dann bleibt von der
Aehnlichkeit nicht viel mehr übrig als jene Büschel aufgerichteter
schwarzer Schuppen seitlich an den Hinterecken der Rückenschilder,
die Theobald schon von An. pharoensis und squamosus beschrieben
hat. Diese Büschel sind aber doch etwas ganz Anderes als die Sohuppen-
bfischel bei An. Kochi, die an der Bauchseite in der Mittellinie liegen.
Die genannten Arten haben mit pulcherrimus, wie sich aus der Photo¬
graphie des Flügels entnehmen lässt, gemein, dass die 2. Rippe sich ein
wenig früher gabelt als die vierte; bei An. Kochi ist es umgekehrt. Leider
lässt sich nicht erkennen, ob bei der neuen Art der Wurzelfleck der 5. Rippe
über den der 6. hinausgerückt ist. Sollte auch hierin Uebereinstimmung
herrschen, so würde man unbedingt eine Verwandtschaft mit diesen Arten
1 Proe. Roy. Soe. Vol. LXIX. Nr. 456.
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annehmen mGssen. Die Verwandtschaft mit An. Kochi hingegen dürfte
sehr fraglich erscheinen, weil nach Theobald’s eigenen Angaben eigentlich
Alles verschieden ist. Indess scheinen mir die Flügel, auf die ich immer
das grösste Gewicht lege, doch so ähnlich gezeichnet zu sein, dass sich die
von Theohaid ausgesprochene Verwandtschaft beider Arten in dieser Be¬
ziehung wird aufrecht erhalten lassen.
Anopheles aconitus Dö.
(Taf. II, Figg. 17 u. 21.)
Etym.: aconitus — unbestäubt; so benannt, weil auf dem Anfang der
3. Rippe der sonst beständig vorkommende dunkle Fleck fehlt.
Diagnose: Obere Gabel nahezu doppelt so lang wie die untere.
Vier typische, gleich weit von einander getrennte Vorderrandflecke:
unter der Endhälfte des 2. Fleckes ein dunkler Strich auf. der 1. Rippe.
Kein Fleck auf dem Anfang der 3. Rippe. Rippe 6 mit drei Flecken; der
mittlere sehr lang, öfter mit dem kleinen Wurzelfleck verschmolzen.
Wimpersaum gescheckt.
Beine gleichmässig dunkel; Tarsengelenke schwach aufgehellt.
Ende der Palpen weiss, mit dunklem Ring jenseits der Mitte des vor¬
letzten Gliedes. Ende des Rüssels aufgehellt.
Beschreibung nach einem Stück von Kajoe Tanam, Sumatra.
Kopf. Scheitelschopf weiss. Palpen dunkel, mit hellem Endtheil; das
1. Gelenk ist breit hell; das Ende des 2. Gliedes, sowie die Endglieder hell,
das vorletzte mit ziemlich schmalem Ring jenseits der Mitte. Rüssel in der
Endhälfte aufgehellt.
Länge der Palpenglieder: 0-5—0-5—0-3—0-13 mm .
Thorax (im Alkohol quittengelb), mit durchgehendem dunklem Mittel¬
streif. Das daneben gelegene graue Feld ist von vorn bis zur Mitte jeder-
seits durch einen ockergelben Längsstreifen getheilt. Hinter der Sutura
transversalis liegt ein olivbräunlicher Fleck, von dem aus ein ebenso ge¬
färbter, aber etwas hellerer Streif über die Flügelwurzel hinweg nach hinten
zieht. Die dadurch entstehenden Seitenfelder sind wieder der Länge nach
durch einen schmalen dunkleren Streifen getheilt, der vorn schon neben
dem oben erwähnten Längsstreifen der vorderen Thoraxhälfte beginnt.
Metanotum ockergelb.
Flügel. Die Gabelung der 2. Rippe liegt senkrecht unter
dem Anfang des 3. Vorderrandfleckes; die der 4. Rippe ist viel weiter
hinausgerückt, so dass ein sehr bedeutender Unterschied in der Länge der
beiden oberen Gabeln entsteht, viel auffallender als bei An. punctulatus,
leucopus u. a. Die Hülfsrippe endet ein wenig vor der fünften. Die
beiden mittleren Vorderrandflecke sind ziemlich gleich lang, der erste
und vierte nur ungefähr halb so lang wie diese. Im Wurzeltheil liegen
auf der Costa zwei kleine dunkle Flecke, deren zweiter in dem zur Be¬
schreibung dienenden Stück mit dem ersten typischen Fleck verschmolzen
ist, was nicht immer der Fall ist. Die typischen Vorderrandflecke sind
durch kurze helle Einschnitte getrennt; der letzte derselben ist nur halb so
lang als die beiden anderen. Alle vier dunklen Flecke greifen in gleicher
Länge auf die 1. Rippe hinüber, mit Ausnahme des 2. Fleckes, unterdessen
erster Hälfte die 1. Rippe nicht verdunkelt ist.
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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles. 71
Auf dem Stiel der oberen Gabel steht ein dunkler Fleck unmittelbar
vor der Theilung, und ein sehr kleiner auf ihrem Anfang, gerade unter der
Mitte des 2. Vorderrandfleckes. Hell ist die Theilungsstelle und die Mitte
des oberen Astes. Der untere Ast ist in der Mitte nur unbedeutend auf¬
gehellt, bei anderen Stücken dagegen auf eine längere Strecke hell. Die
3. Rippe führt nur den Randfleck; (die sonst auf ihrem Anfang vor
und hinter den Querrippen gelegenen Flecke sind höchstens durch ver¬
einzelte, öfter kaum durch das Mikroskop nachweisbare Schuppen angedeutet.
Dieses Verhalten wurde besonders an Stücken aus Soekaboemi beobachtet).
Der Stiel der unteren Gabel ist im ersten Drittel hell, dann dunkel bis zur
Theilung, mit einer kurzen hellen Unterbrechung an den Queradern, welche
treppenförmig angeordnet sind; die Theilungsstelle selbst ist weiss, beide
Aeste dunkel, der untere mit heller Mitte. Bei anderen Stücken erscheint
die ganze erste Hälfte des unteren Astes hell, und auch die Mitte des
oberen Astes kann hell werden. Die 5. Rippe hat nur Wurzel- und Rand¬
fleck; ihr Ast ist bis über die Mitte hinaus dunkel, nur durch die helle
Umgebung der unteren Querader durchbrochen. Die 6. Rippe hat einen
sehr langen Mittelfleck und sehr kleinen Wurzelfleck, welcher mit dem
Mittelfleck verschmelzen kann. Die Randpunkte sind meist zu Strichen
verlängert.
Die hellen Stellen sind am Vorderrand hell ockergelb, auf der Flügel¬
spreite mehr grau.
Wimpersaum deutlich gescheckt, die hellgelben Wimpern der Flügel¬
spitze auf der oberen Gabel scharf dunkel durchschnitten. Am Hinterrande
fällt eine unter dem Mittelfleck der 6. Rippe gelegene lange weisse Stelle
im Wimpersaume auf.
Index der Hülfsrippe 40*4; der 5. Rippe 37»3.
Schwinger braun, mit hellerem Stiel.
Beine gleichmässig dunkel; Tarsengelenke nur unbedeutend aufgehellt,
nicht geringelt. Oberschenkel des 1. Paares am Anfang nicht verdickt.
Kopf und Rüssel: 2-0 rara .
Rumpf: 3-0 ram .
Flügel: 2 • 7 ram .
Hab.: Sumatra (Kajoe-Tanam). Java (Willem I; Soekaboemi).
Anopheles maculatus Theobald.
(Taf. I, Fig. 4 u. Taf, II, Fig. 24.)
Diagnose: Die beiden letzten Palpenglieder weiss, mit dunklem Ring
um die Mitte des vorletzten Gliedes.
Flügel mit den typischen 4 Vorderrandflecken, der zweite so lang wie
1 und 3 zusammen; unter ihm liegen drei getrennte dunkle Punkte auf
Rippe 1.
Tarsengelenke breit weiss geringelt, am breitesten an den Hinterbeinen,
deren letztes Tarsenglied ganz weiss ist.
Die 2. und 4. Rippe gabeln sich auf gleicher Höhe, oder die 4. sogar
etwas früher.
Beschreibung nach einem Stück von Kajoe-Tanam (Nord-Sumatra).
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Original fmm
HT"Y OF CA LI FORT
72
W. Dönitz:
$ Kopf. Scheitelschopf weissgrau. Fühler bis zu Ende grau beschuppt.
Palpen dunkel, mit weissen Gelenken und weissen Endgliedern; das vorletzte
Glied mit dunklem Ring um die Mitte. Rüssel in der Endhälfte heller,
grau; (im Alkohol weiss erscheinend).
Länge der Palpenglieder: 0*63 — 0*65- 0*34—0*17.
Thorax oben bläulich. Mittelstrich vor dem Schildchen stark dreieckig
verbreitert. In der hinteren Hälfte deutliche dunkle Seitenstriche. Dunkle
Flecke vor den Flügeln nicht deutlich. ßeBchuppung abgerieben, aber in
der Nähe der Sutura transversalis noch helle Schüppchen vorhanden.
Flügel. Der 2. Vorderrandfleck ist der grösste; unter ihm stehen drei
dunkle Punkte, an welchen die Art leicht kenntlich ist. Die anderen drei
Flecke sind unter einander annähernd gleich gross. Die drei hellen Ein¬
schnitte zwischen den vier dunklen Flecken nehmen nach der Spitze des
Flügels hin an Länge zu. Die Flecke 1, 3 und 4 sind auf der 1. Rippe
in gleicher Länge schwarz unterstrichen. Im hellen Wurzelfeld stehen zwei
dunkle Striche. Alle Randpunkte kurz, fast punktförmig; nur auf dem
oberen Ast der oberen Gabel ist der Randfleck verlängert und dient zur
Verbreiterung des 4. Vorderrandfleckes. Derselbe Ast zeigt noch einen
kleinen Punkt kurz nach seinem Ursprung, und der untere Ast trägt auf
der Mitte einen dunklen Punkt. Auf dem Stiele der oberen Gabel stehen
zwei schwarze Flecke vor und hinter der oberen Querrippe, und wurzelwärts
davon noch die Andeutung eines dritten Fleckchens, gerade unter der Mitte
des 2. Vorderrandfleckes. Der Anfang der 3. Rippe trägt zwei schwarze
Flecke. Der sonst dunkle Stiel der unteren Gabel ist in der Mitte auf eine
längere Strecke aufgehellt, beide Aeste am Anfang mit einem dunklen
Fleckchen besetzt, von denen das untere öfter fehlt. Auf dem Stiel der
grossen Gabel steht ein Wurzelfleck, und auf ihrem oberen Aste in der
ersten Hälfte erst ein kleiner, dann ein längerer dunkler Fleck. Die 6. Rippe
hat in der Wurzelhälfte zwei dunkle Flecke, mit dem Randpunkt zusammen
also drei.
Wimpersaum matt gescheckt, auf der Flügelspitze hell, mit einem
dunklen Busch auf der oberen Gabelzelle, und einem kleineren darüber.
Centrale Queradern treppenförmig angeordnet, oder die oberen bilden
eine gerade Linie. Die untere ist von der mittleren um reichlich das
Doppelte ihrer eigenen Länge entfernt.
Index der Hülfsrippe im Durchschnitt von 6 Flügeln: 42.3; bei 1 £ 39-1.
Index der 5. Rippe bei zwei Stück 34*0 und 36-6.
Flügellänge 3 • 1 mm .
Schwingerkolben halb weiss, halb dunkel; Stiel weiss.
Beine. Die Oberschenkel des 1. Paares sind in der oberen Hälfte
massig verdickt; sonst finden sich nirgends auffallende Verdickungen. Die
grösseren Abschnitte der Beine sind klein hell getüpfelt, die Gelenke der
Tarsen breit weiss geringelt, am breitesten an den Hinterbeinen. Dort sind
alle Tarsenglieder am Ende weiss, aber das 3. und 4. Glied auch zu Anfang
sehr breit weiss, so dass nur in ihrer Mitte ein dunkler Ring übrig bleibt.
Das Endglied der Hintertarsen ist ganz weiss und hat nur mitunter ein
dunkles Ende. Auch das Endglied der Mittelbeine ist hell, doch nicht weiss.
Der Hinterleib zeigt auf den Bauchplatten paarweise angeordnete
weisse Flecke. Die Behaarung ist gelb, und auf den letzten Rückenplatten
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Beitbäge zue Kenntniss deb Anopheles.
73
und auf den Genitalklappen finden sich noch reichliche Spuren goldgelber
Schuppen.
<?. Bei einem von Herrn Dr. Vivian Ladds in Hongkong ge¬
sammelten sind die weissen Endglieder der Palpen je mit einem schwarzen
Band an der Wurzel versehen, die Copulationsorgane auffallend stark gold¬
gelb beschuppt.
Kopf und Rüssel des 9 2*5 mm .
Rumpf.3 • 8 „
Hab.: Sumatra (Kajoe-Tanam; Oeloe Liman Manie; Doerian). China
(Hongkong).
Bemerkungen. Yon den drei charakteristischen Punkten unter dem
2. Vorderrandfleck ist der erste öfter schwach entwickelt oder fallt ganz
aus. Auch der dritte Punkt kann schwächer auftreten. Solche Ab¬
weichungen zeigen einige sehr kleine Weibchen aus Banjoe-Biroe vom
1.X.99, deren Kopf und Rüssel zusammen nur 1 • 8 mm misst. Ich möchte
dafür keine neue Art aufstellen, weil es sich um verkümmerte Stücke
handeln könnte.
Da die Tafel mit der Abbildung des Flügels dieser Art schon zum
Druck gegeben war, als ich fand, dass Theobald sie schon benannt hat,
so konnte ich die Figur nicht mehr zurückziehen und deshalb gebe ich
hier dazu die Beschreibung. Allerdings weichen Theobald’s Figuren und
Beschreibung in einigen Punkten ab (z. B. in der Zeichnung des Kolbens
der männlichen Palpen), doch möchte ich darauf hin keine neue Art aufstellen.
Anopheles leucopus Do.
(Insectenbörse. Jan. 1901.) (Taf. I, Figg. 3 u. 10.)
Etym.: leukos = weiss; pus = Fuss; so genannt wegen der weissen
Hintertarsen.
Diagnose: Klein, schwarz, spärlich weiss und grau gezeichnet.
Die drei letzten Tarsenglieder und das Ende des 2. Gliedes an den
Hinterbeinen weiss.
Palpen dunkel mit weissem Endglied.
Obere Gabel entsteht früher als die untere.
Vier typische Vorderrandflecke.
Beschreibung nach Stücken von Doerian auf Sumatra.
9 Kopf. Palpen schwarz bekleidet, nur Gelenke und Endglied weiss.
Auch die Membran der Palpen ist dunkel, nur am Endglied hell. Rüssel
schwarz, mit dunkel bräunlichen Endlappen.
Fühlerschaft schwarz, weiss beschuppt, weisslich bewimpert.
Der Scheitelschopf enthält neben den weissen viele schwarze Haare.
Länge der Palpenglieder: 0-42—0-44—0*3—0-17 mra ; bei einem
anderen Stück: 0*46—0*5—0*4—0*19 mm .
Thorax blauschwarz, die Mittellinie und die Seitenwulst in der hinteren
Hälfte des Mesothorax, sowie der Fleck vor der Sutura transversalis tief
schwarz. (Beschuppung abgerieben.)
Flügel. Die Flügel erscheinen sehr dunkel, was zum Theil darauf
beruht, dasB die Membran selbst schon grau und nur massig durchscheinend
ist. An den schwarz beschuppten Stellen sind die Rippen und die an-
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grenzende Membran dunkel (Taf. I, Fig. 10). Vier typische Yorderrandflecke
und zwei dunkle Striche im Wurzeltheil des Vorderrandes. Die 1. Rippe
ist in eigenthümlicher Weise gezeichnet. Sie ist dunkel bis zum Ende des
ersten typischen Vorderrandfleckes, und dann wieder vom Anfang des zweiten
bis zum Ende des dritten Fleckes, so dass auffallender Weise die helle
Unterbrechung zwischen zweitem und drittem Fleck dunkel unterstrichen ist
Es finden sich aber zwei kleine helle Unterbrechungen auf der 1. Rippe
unter dem Anfang und dem Ende des 2. Vorderrandflecbes. Weiterhin ist
auch der vierte typische Fleck dunkel unterstrichen; das äusserste Ende
der 1. Rippe ist weiss Die sonstigen hellen Stellen auf den Rippen sind
eher grau als weiss zu nennen. Solche Stellen sind: die Theilung der
oberen Gabel und ein kleiner Strich vor dem Randpunkt ihres unteren
Astes; auf der 3. Rippe ein oder zwei kleine Punkte in der Flügelmitte an
den Queradern, und eine etwas längere Strecke vor dem Randpunkte. Ferner
sind hell die Aeste der unteren Gabel in der Mitte ihres Verlaufes, der
obere Ast der grossen Gabel an der Querrippe und noch einmal weiterhin
auf eine längere Strecke vor dem Randpunkt, sowie eine Stelle am ersten
Drittel des unteren Astes.
Die 6. Rippe hat drei schwarze Flecke. Alle Randpunkte sind etwas
in die Länge gezogen; die Rippenenden hinter den Randpunkten sind
deutlich weiss.
Die obere Gabel beginnt früher als die untere.
Wimpersaum schwarzgrau, auf den Rippen weiss durchschnitten.
Centrale Querrippen treppenförmig angeordnet.
Index der Hülfsrippe 40*3; der 5. Rippe 38*0 an dem abgeschuppten
Flügel. Bei einem anderen Stück sind die Zahlen 40-0 und 37*0.
Flügellänge 2 , 7 ram .
Beine. Auf den schwarzen Coxen und Trochanteren finden sich
Gruppen weisser Schuppen, auch auf die Oberschenkel übergreifend. Ober¬
schenkel der Vorderbeine im ersten Drittel verdickt, die der anderen Beine
gegen das Ende allmählich dicker werdend. An der Innenseite stehen
lange, weiss beschuppte Flecke oberhalb der Kniegelenke, die selbst mit
einigen weissen Schuppen geziert sind. Untere Enden der Tibien auffallend
verdickt. An den Tarsen sind die unteren Enden der drei oder zwei ersten
Glieder weiss, das übrige dunkel beschuppt, mit Ausnahme der Hinterbeine,
deren Tarsus vom Ende des zweiten Gliedes an ganz weiss ist.
Hinterleib schwarz, mit ziemlich dunkler, spärlicher Behaarung. Auf
dem Bauche sechs Paar weisslicher Flecke. Die Genitalklappen sind schwarz
beschuppt, und auch auf den letzten drei Hinterleibsringen finden sich
schwarze Schuppen, besonders dicht oben am freien Rande der letzten
Rückenplatte.
Die Bauchseite des vorletzten Ringes trägt einen Busch schwarzer
Schuppen, der aber kleiner ist als bei An. plumiger und wohl nicht als
Homologon desselben aufzufassen ist.
$ von Batavia (Ravah-Tanah). Der Palpus hat ein ganz weiss be-
schupptes Gelenk zwischen den beiden ersten Gliedern. Am Kolben verhält
sich die Länge des ersten Gliedes zum zweiten ziemlich genau wie 4:3.
Länge von Kopf und Rüssel beim Weib 1*9 mra .
„ „ Thorax und Hinterleib . . 3*02 ram .
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Beitbäge züb Kenntniss deb Anopheles.
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Hab.: Java (Serang und Batavia). Sumatra (Padang und Doerian).
Bemerkungen. Theobald sagt in seiner Monographie (Appendix
Seite 307): „Dr. Dönitz beschreibt An. fuliginosus Giles unter diesem
Namen von Java und Sumatra.“
Das ist nun nicht der Fall; der Irrthum liegt vielmehr auf Seiten
Theobald’s. Hier meine Gründe:
Giles sagt von seiner Art, dass die beiden letzten Glieder des
Hintertarsus weiss sind. Bei meinem leucopus sind es aber die letzten
drei Glieder. Bei fuliginosus ist nur die Endhälfte des letzten Palpen¬
gliedes weiss, bei loucopus das ganze Glied. In der Flügelzeichnung be¬
stehen sehr viele Unterschiede, doch will ich nur einige hervorheben, um
die Thatsache festzustellen. Die Vorderrandflecke sind anders vertheilt, wie
ein Vergleich der Bilder ergiebt. Bei fuliginosus greift der helle Fleck
am Ende der Hülfsrippe auf die 1. Rippe über, während diese bei leucopus
dick schwarz unter dem hellen Fleck hinwegzieht. Bei fuliginosus
ist die 5. Rippe in ihrer ganzen Ausdehnung dunkel, bei leucopus hat
der untere Ast einen, der obere zwei helle Flecke.
Die angegebenen Unterschiede springen bo sehr in die Augen, dass
ich berechtigt war, die mir vorliegenden Stücke für verschieden von An.
fuliginosus Giles zu halten und sie als neu zu beschreiben und zu benennen.
Nun hat aber Theobald Abbildungen von An. fuliginosus geliefert,
die weder unter einander, noch mit Giles übereinstimmen. So hat z. B.
die 6. Rippe bei Giles drei dunkle Flecke, dagegen keinen einzigen bei
Theobald Fig. 28 A und Taf. I, Fig. 3. Auf letzter Figur zieht die 1. Rippe
dunkel unter dem vorletzten hellen Vorderrandfleck hinweg, in Fig. 28 A
ist sie an dieser Stelle hell, wie bei Giles; der obere Ast der 5. Rippe ist
bei Theobald ungefähr in der Mitte hell durchbrochen, bei Giles gänzlich
dunkel. Die Vorderrandflecke sind in beiden Figuren Theobald’s ganz
verschieden u. s. w. Dazu bildet Theobald die drei letzten Tarsenglieder
der Hinterbeine gänzlich weiss ab, und giebt auch im Texte an, dass drei
Tarsenglieder weiss sind.
Ueber alle diese Widersprüche geht Theobald mit Stillschweigen
hinweg. Für die Beurtheilung der von mir aufgestellten Art entnehme ich
aus dieser Untersuchung Folgendes.
Im tropischen Asien kommen kleine schwarze Anopheles vor, deren
Hintertarsen ganz weisse Endglieder haben. Von den grossen Sunda-Inseln
ist mir nur eine einzige Form bekannt, und diese hat drei weisse End¬
glieder. Diese habe ich An. leucopus genannt. Von Indien hat Giles
eine Form beschrieben, welche nur zwei weisse Endglieder hat; diese
wurde fuliginosus genannt. Mit dieser verwechselt Theobald eine dritte,
auch in Indien vorkommende Form, welche drei weisse Endglieder hat, wie
An. leucopus, sich aber in anderen Stücken von diesem sehr wesentlich
unterscheidet, wie die Abbildungen beweisen. Sollten eingehendere Unter¬
suchungen zeigen, dass alle drei Formen eine einzige Art ausmachen, so
würde der Name leucopus für die Form mit drei weissen End¬
gliedern der Hintertarsen beibehalten werden müssen, es wäre
denn, dass Jemand beweisen könnte, das 3 = 2 ist. Dann würde auch die
indische Form mit drei weissen Tarsengliedern einen Namen verdienen, den
zu geben ich Theobald überlasse.
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Darüber, dass ich Theobald’s Yar. pallida nicht auf An. fuligi-
nosus zn beziehen vermag, habe ich mich schon oben ausgesprochen.
Anopheles gracilis Dö.
(Taf. H, Fig. 16, <?.)
Diagnose. Ursprung beider Gabeln auf gleicher Höhe, die untere
eher etwas früher; beim entspringt die untere deutlich früher.
Vorderrand der Flügel mit vier dunklen, breit getrennten Flecken.
Wurzelfleck der 5. Rippe nicht vorgerückt.
6. Rippe mit drei Flecken.
6. Rippe vom Wurzelfleck bis Randpunkt hell, auf ihrem oberen Aste
drei dunkle Striche.
Gegend der centralen Queradern hell.
Wimpersaum schmal gescheckt.
Palpen des $ mit hellen Gelenken und hellem Endglied.
Tarsen an den Gelenken schmal hell geringelt.
Beschreibung nach 2 cf und 1 $ aus Togo und Kamerun. Kleine,
zierliche, ziemlich dunkle Art, welche in der Zeichnung viel Aehnlichkeit
mit den weit grösseren ostafrikanischen An. merus hat.
9- Kopf. Scheitelschopf weise. Die übrige Behaarung und Beschuppung
des Kopfes sehr hell, grau; auf dem Scheitel sind viele weisse Schuppen
beigemischt, und im Nacken sind sie olivbraun.
Die Palpen sind an den Gelenken weisslich; das letzte Glied des¬
gleichen, doch mit oberseits leicht verdunkelter Spitze. Die Länge der
einzelnen Glieder beträgt 0*46—0-5—0-25—0-17.
Thorax mit zahlreichen weisslichen und gelblichen Schuppen versehen,
die zum Theil in Längsreihen stehen. Ein Fleck vor der Quernaht ist kaum
angedeutet.
Beine. Die Ober- und Unterschenkel, und auch die ersten Tarsen¬
glieder sind hell gefleckt, doch nicht besonders auffällig. Die Tarsengelenke
sind schmal hell geringelt.
Flügel. Der 2. Vorderrandfleck ist viel grösser als der erste und
dritte; der vierte sehr klein. Im hellen Wurzeltheil des Vorderrandes liegen
am äussersten Rande zwei kleine dunkle Fleckchen. Der erste typische
Randfleck greift in gleicher Länge auf die 1. Rippe hinüber; der zweite
Fleck geht mit seinem vorderen, grösseren Abschnitt weit in die Flügelspreite
hinein, nimmt aber ungefähr in seiner Mitte auf Rippe 1 und 2 hellere
Schuppen auf. Der Anfang von Rippe 2 und 3 ist mit dunklen Schuppen
besetzt, welche in gleicher Höhe mit dem vorderen Ende des zweiten Rand¬
fleckes, kurz vor der Einmündung der oberen und mittleren centralen Querader
aufhören. Der dritte Fleck wird verbreitert durch einen kürzeren Strich
auf Rippe 1 und einen eben solchen, aber etwas gegen die Flügelspitze
vorgeschobenen auf dem oberen Gabelaste. Der untere Ast der oberen
Gabel führt ausser dem Randfleck nur noch ein kleines Fleckchen in seiner
Mitte. Die 3. Rippe ist mit einem kleinen Fleck vor und hinter der Quer¬
rippe besetzt, die 4. an den entsprechenden Stellen auf eine längere Strecke
dunkel; die Gabelungsstelle ist hell, fast weiss beschuppt, wie auch auf der
2. Rippe; andere Flecke als die Randpunkte sind auf der unteren Gabel
nicht vorhanden. Die 5. Rippe ist hell, bis auf den Wurzelfleck und Rand-
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Beitbäge zue Kenntniss des Anopheles.
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punkt; der erste der drei Flecke auf ihrem Aste ist bei dem 9 nur durch
wenige dunkle Schuppen angedeutet, bei den $ viel deutlicher ausgeprägt.
Der Wurzelfleck ist nicht vorgerückt. Rippe 6 hat drei Flecke.
Der Wimpersaum ist auf den Rippenenden schmal hell durchschnitten.
Die centralen Queradern sind treppenförmig angeordnet; die mittlere
ist um ihre doppelte Länge von der unteren entfernt.
Der Hinterleib ist reichlich behaart, ohne besondere Auszeichnung.
Eine Zeichnung der Unterseite ist nicht deutlich.
Thorax + Hinterleib 9 3-5 ram ; — 4*2 “ m .
Kopf -J- Rüssel . . 2*0 „ 2-7 „
Flügel. 2*6 „ 3-2 „
Index der Hülfsrippe 36«7; der 5. Rippe 32*4.
<?. Die Vorderrandflecke sind länger, aber etwas heller als beim 9.
An der äussersten Kante sind die ersten Flecke vom zweiten kleinen Fleck
an der Wurzel an bis zum zweiten typischen Fleck hin durch schwarze
Schuppen verbunden. Der dritte Fleck wird auf der 1 . Rippe durch ein
helles Stippchen unterbrochen, und der zweite greift nur mit seinem vorderen
grösseren Theil auf die 2. Rippe über. Auf den Aesten der unteren Gabel
treten zwei dunkle Fleckchen auf.
Der Kolben der an den Gelenken hell beschuppten Palpen ist auf der
Oberseite weiss, mit schwarzem Bande quer über die Wurzel der beiden
Glieder.
Auf der Bauchseite der letzten Hinterleibsegmente stehen gelbe, glänzende
Schuppen unter der übrigen, stark abstehenden Behaarung.
Hab.: Westafrika (Togo und Kamerun, Dr. Ziemann).
Anopheles merus Dö.
(Taf. I, Fig. 12 .)
Etym.: merus = rein, unvermischt; so benannt, weil bei dieser Art zu
den reinen, tvpischen Charakteren der Costalis-Gruppe keine besonders
auffälligen specifischen Auszeichnungen hinzutreten.
Diagnose: Die beiden oberen Gabeln entstehen ziemlich auf gleicher
Höhe, die untere aber doch etwas früher als die obere.
Auf dem Vorderrande der Flügel vier grosse dunkle Flecke.
Auf Rippe 6 liegt der Wurzelfleck unter dem der 5. Rippe.
Rippe 3 ist hell, nur am Anfang und Ende mit dunklen Fleckchen
besetzt.
Rippe 4 dunkel, nur die Gegend der Querrippen aufgehallt.
Rippe 5 hell, nur mit Wurzelfleck und Randpunkt; ihr oberer Ast
dunkel, bis zur Mitte mit zwei hellen Fleckchen.
Rippe 6 mit drei Flecken.
Palpen an den Gelenken weiss, Endglied ganz weiss.
Tarsen schmal hell geringelt.
Beschreibung nach Stücken aus Dar es Salaam.
9. Diese Art hat in der Flügelzeichnung oberflächliche Aehnlichkeit mit
An. pharoensis, ist aber etwas kleiner, und unterscheidet sich leicht durch
die Lage des Wurzelfleckes der 5. Rippe gerade über dem ersten Fleck der
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6. Rippe, sowie durch das Fehlen dunkler Flecke vor der Gabelung der
2. und 5. Rippe. Der Vorderrand der Flügel hat im Wesentlichen dieselbe
Zeichnung, nämlich ausser zwei kleinen Wurzelpünktchen die Tier typischen
Randflecke, von denen aber der zweite nicht ganz so kräftig entwickelt ist
wie dort. Der helle Zwischenraum zwischen drittem und viertem Fleck ist
ein wenig länger, weil der voraufgehende dunkle Fleck etwas kürzer ist als
bei An. pharoünsis. Auf dem oberen Ast der oberen Gabel ist der erste
Fleck viel kleiner, der Fleck auf der Mitte des unteren Astes etwas länger
als bei jenem. Die 3. Rippe ist hell, und hat ausser dem Randpunkt nur
noch zwei kleine Fleckchen vor und hinter den Queradern. Die 4. Rippe
ist in ihrem ganzen Verlauf dunkel, nur in der Gegend der Queradern etwas
aufgehellt; die Gabelung selbst ist hell; darauf folgt auf dem oberen Ast
ein längerer, auf dem unteren ein kürzerer dunkler Fleck; weiterhin sind
die Aeste hell bis zu den Randpunkten. Demnach sind Rippe 3 und 4 fast
genau so gezeichnet wie bei pharoensis. Die 5. Rippe unterscheidet sich
dadurch, dass sie an der Theilungsstelle keinen dunklen Fleck besitzt, und
dass der obere Ast mehr dunkel als hell ist. Er zeigt nämlich bis zur Mitte
einen kleinen und einen längeren Fleck, und dann einen langen dunklen
Strich, der mit dem Randfleck verschmelzen kann.
Auf der 6. Rippe stehen drei Flecke.
Im Wimpersaum sind die hellen Flecke breiter als bei An. pharoensis.
besonders auffallend an Rippe 6. Die obere und mittlere centrale Querader
bilden oft eine einzige gerade Linie, und stehen um ihre gemeinsame Länge
oder mehr von der unteren entfernt; in anderen Fällen sind sie treppenartig
angeordnet.
Index der Hülfsrippe der 5. Rippe Flügellänge
Dar es Salaam 42-5 37-5 3-4 mm .
11 17 V
11 11 11
Südwest-Afrika
41.7
41*1
41*6
36-2
30 • 0
37 • G
3*3 „
3*8 .,
Durchschnitt. . . . 41*5 3(3*8 3*4 mm .
Die Palpen haben weisse Gelenke und ein ganz weisses Endglied,
welches aber in der Mitte auch einen dunklen Ring tragen kann.
Vertex graubraun beschuppt. Augen oben von weissen Schuppen
eingefasst.
Beine. Ober- und Unterschenkel zeigen an Aussen- und Streckseite
helle Punkte und Striche auf dunklem Grunde; die Tarsen sind an den
Gelenken schmal hell geringelt, das Endglied des 1. Paares verdunkelt, die
der letzten Beinpaare heller. Auch das 1. Tarsenglied des 1. Paares ist
am Ende hell geringelt.
Der Körper der mir vorliegenden Stücke ist zu sehr abgerieben, als
dass ich über seine Zeichnung etwas aussagen könnte. Die Haut des Thorax
ist grau, vorn mit röthlichem Schein. Die Bauchplatten des Hinterleibes
haben in ihrer hinteren Hälfte einen weisslichen Mittelstreifen, und in ihrer
Vorderhälfte ein Paar weisser Flecke. Das vorletzte Hinterleibsegment ist
auf der Bauchseite am Hinterrande mit Schuppen besetzt.
Genitalklappen des 9 gedrungen: an ihrem Grunde ein kurzer, mit
starker Borste besetzter Fortsatz.
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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles.
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Thorax + Hinterleib 4 • 3 mD0 .
Kopf + Rüssel 2-8 mm .
Länge der vier Palpenglieder 0 • 7 — 0 • 8 —0 • 5—0 • 25 mm .
<?. Keule der Palpen auf der Oberseite weiss, mit dunklem Ring um
die Wurzel beider Glieder. Auch das verdickte Ende des 2. Gliedes ist an
der Oberseite weiss; ebenso der lange Haarbusch unter dem Kolben und
da3 1. Palpengelenk.
Die Zelle der oberen Gabel ist merklich kürzer, indem die Theilungs-
stelle weiter gegen die Flügelspitze vorgerückt ist als die der unteren Gabel.
Die Hauptkralle des 1. Beinpaares trägt ausser dem Nebenzahn
in ihrer Mitte noch einen zweiten an ihrer Basis.
Hab.: Ostafrika: Dar es Salaam und Mballa-Ebene südlich vom
Victoria Nyanza.
Südwest-Afrika: Franzfontein.
Bemerkungen. In der Flügelzeichnung hat diese Art nicht allein
grosse Aehnlichkeit mit An. pharoönsis Theob., die in der Beschreibung
schon genügend gewürdigt ist, sondern auch mit derjenigen Art, welche
Theobald für den Loew’schen An. costalis hält. Bei genauerem Zusehen
treten indessen bemerkenswerthe Unterschiede hervor. Der Stiel der unteren
Gabel ist anders gezeichnet, und auf der 5. Rippe vor der Gabelung befindet
sich kein Fleck, ausser dem Wurzelfleck; der dritte typische Vorderrandfleck
ist bei merus etwas länger als der erste; bei costalis Theob. ist das Um¬
gekehrte der Fall. Vor allen Dingen aber ist das 1. Tarsenglied (MetatarsusJ
des 1. Beinpaares am Ende hell geringelt, bei costalis Theobald nicht.
In der Einleitung schon habe ich mich dahin ausgesprochen, dass An.
costalis nicht mit Sicherheit identificirt werden kann, da Loew nicht
Species-, sondern Gruppencharaktere dafür angiebt, so dass man fast
jeden Anopheles mit den vier typischen Randtiecken, wenn diese nicht über
die 1. Rippe hinübergreifen, als costalis Loew bezeichnen kann. Deshalb
kann man sehr wohl von einer Costalis-Gruppe sprechen, wenn es auch
zur Zeit wenigstens keine Species costalis giebt. Die einzigen Merkmale,
welche vielleicht die Identificirung ermöglichen, scheinen mir in der Zeich¬
nung der Beine zu liegen. Von diesen sagt Loew: „Beine gelbbraun; die
Schenkel gegen die Basis hin gelblich; auch die alleräusserste Spitze der
Kniee und der Schienen zeigt eine gelbliche Färbung“. Von einer Ringe-
lung der Tarsen sagt Loew kein Wort; da er sich aber die Beine so
sorgfältig angesehen hat, dass er sogar die Aufhellung an den Knieen und
am Ende der Schienen erwähnt, so müssen wir schliessen, dass seine Stücke
keine Ringelung an den Tarsen hatten. Aus diesem Grunde muss da¬
gegen Einspruch erhoben werden, dass ein Anopheles mit ge¬
ringelten Tarsen für die Loew’sche Art angenommen wird. Dem¬
nach ist die Art, welche Theobald Seite 157 in seiner Monographie
beschreibt, eine andere Art, die neu benannt werden muss. Ich will dem
englischen Forscher nicht vorgreifen und überlasse ihm die Namengebung.
Sollte sich aber herausstellen, dass sie trotz der oben hervorgehobenen
Unterschiede doch mit merus zusammenfällt, so wird sie den von mir ge¬
gebenen Namen tragen müssen. Doch glaube ich, dass sie auch in diesem
Falle als gute Localform einen Namen verdienen würde.
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Einzelne Stücke aus Sorres-Sorres in S.-W.-Afrika weichen von den
Dar es Salaam-Thieren etwas ab, ohne sich darum dem Theobald’schen
costalis zu nähern. Vielleicht handelt es sich um eine in Afrika weit
verbreitete, und in verschiedenen Localformen auftretende Art.
Sicher aber ist die Art, welche Daruty et d’Emmerez als costalis
beschrieben haben, eine neue Art, bei welcher der 2. und 3. Vorderrandfleck
ziemlich gleich gross sind, wodurch sie sich ohne Weiteres von merus und
dem Theobald’schen costalis unterscheidet. Es mag den Autoren über*
lassen bleiben, sie zu benennen, aber auch genauer zu beschreiben, denn die
blosse Grössenangabe der Vorderrandflecke dürfte nicht genügen, die Art
scharf von anderen zu trennen.
Aus Westafrika, z. B. Kamerun, erhielten wir Stücke, welche in
diese Costalis-Gruppe hinein gehören, bei denen aber der 2. Vorderrand¬
fleck sich so lang streckt, dass er beinahe ein Drittel der ganzen Flügel¬
länge einnimmt, während er bei merus kaum ein Viertel derselben beträgt.
Das ist augenscheinlich wieder eine neue Art, die ich aber nicht benennen
mag, weil das mir vorliegende Material nicht für eine sorgfältige Beschreibung
geeignet ist.
Es beschreibt aber Theobald unter dem Namen An. cinereus eine
Art, welche ich der Aufmerksamkeit aller derer empfehle, welchen daran
gelegen ist, den Loew’schen costalis wiederzufinden. Gerade das, was
Theobald für seine Art als charakteristisch hervorhebt, erwähnt Lopw
auch, nämlich: 1. Aufhellung der Schenkel gegen die Basis (Loew) und
helle Basen der Beine (Theobald), womit vielleicht aber nur Coxae und
Trochanteren von Theobald gemeint sind. 2. Die alleräusserste Spitze
der Kniee und Schienen gelblich (Loew), und ein rein weisser Fleck an
der Spitze der Ober- und Unterschenkel (Theobald). 3. Thorax an jeder
Seite mit einer breiten bräunlichen Längsstrieme, auf der Mitte mit bräun¬
lichen Linien (Loew), und Thorax grau in der Mitte, braun an den Seiten,
mit drei braunen Längslinien in dem grauen Mittelfelde (Theobald).
4. Taster schwarz, mit einem weissen Ringe auf jedem ihrer Gelenke (Loew),
und Taster dunkelbraun, mit vier weissen Ringen, der letzte an der Spitze
(Theobald). Von ganz kleinen Unterschieden, die vielleicht nur im Aus¬
druck liegen und unwesentlich erscheinen dürften, abgesehen, stimmt dieser
An. cinereus besser zu costalis Loew als irgend eine andere Art, welche
man dafür gehalten hat. Das Vaterland beider Arten stimmt auch, denn
Kaffrerei und Moshonaland sind Nachbarländer. Allerdings scheint
An. cinereus etwas dunkler zu sein. Jedenfalls aber sehe ich in ihm
den nächsten Verwandten von costalis Loew.
Anopheles vagus Dö.
(Taf. I, Fig. 2 u. 14. Taf. II, Figg. 29 u. 30.)
Etym.: vagus = herumschweifend, wegen seiner weiten Ausbreitung
nach Osten hin.
Diagnose: Die zwei Endglieder der Palpen des 9 weiss, das vorletzte
mit schwarzem Ring um die Wurzel. Palpen des $ schwarz, doch mit
hellen Endgliedern, das vorletzte mit dunklem Ring um die Wurzel; das
2. Glied gegen das Ende keulenförmig erweitert.
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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles.
81
Am Vorderrande der Flügel die vier typischen Flecke; der zweite in
Form eines flachen T.
Auffallender Wurzelfleck auf und über Rippe 6.
Auf Rippe 6 fehlt der Wurzelfleck.
Schwarzer Fleck mitten auf dem unteren Ast der oberen Gabel; ebenso
auf dem Anfang der beiden Aeste der unteren Gabel.
Auf den Bauchplatten 6 Paar weisser Flecke (Segment 3 bis 7).
Beschreibung nach einem Stück von Fort de Kock auf Sumatra.
9. Körper grau, wenig gezeichnet. (Beschuppung leider abgerieben).
Kopf olivbraun, Scheitelschopf und die übrige Beschuppung weiss; im
Nacken einige dunkle Schuppen und Haare. Palpen schwarz, die beiden
Endglieder weiss; das vorletzte mit breit schwarzem Ring um die Wurzel;
das 1. und 2. Gelenk schmal weiss; Rüssel schwarz, mit hellerem Ende
und weisslichen Endlappen. Fühlerschaft hell bräunlich, grau bewimpert.
Thorax auf der Oberseite grau, im Alkohol gelblich erscheinend; in
der hinteren Hälfte mit zwei seitlichen Längsstriemen. Ein durchgehender
Mittelstrich wird manchmal kurz vor dem Scutellum undeutlich. Letzteres
in der Mitte bräunlich, seitwärts in weiss übergehend. Die Eindrücke vor
und hinter der Sutura transversalis schwach, nicht durch besonders
gefärbte Flecke ausgezeichnet. lieber den ganzen Thorax verstreut schmale
weissliche Schüppchen, die meisten wohl abgerieben. Uqber die Seiten des
Thorax ziehen drei braune Längsstreifen hinweg, deren oberster die Tracheen¬
öffnung einschliesst, während der unterste über die Ansätze der Beine geht.
Bei den £ sind diese Streifen deutlicher.
Beine. Femur der Vorderbeine am Anfang nur wenig verdickt. Tarsen
des 1. Paares an den Gelenken schwach aufgehellt, die Tarsen der anderen
Beine schmal, aber deutlich geringelt, indem die unteren Enden der Glieder
weisslich werden, mit Ausnahme der Endglieder.
Schwinger grau, am Ende dunkler.
Flügel. Im hellen Wurzeltheil des Vorderrandes unbedeutende dunkle
Pünktchen. Der erste typische Fleck erreicht eben die 1. Rippe. Der zweite
Fleck erreicht die doppelte Länge des ersten und ist T-förmig gestaltet,
indem mitten unter dem Längsstrich noch ein kleines Fleckchen auf Rippe 1
steht. Manchmal wird dieser senkrechte T-Strich noch durch ein Fleckchen
auf dem Stiel der oberen Gabel verlängert, das aber auch seitlich gegen
die Flügelspitze hin verschoben sein kann. Der dritte Fleck steht in ganzer
Länge auf der 1. Rippe und ist etwa um l / 3 kürzer als der zweite Fleck.
Der vierte Fleck ist der kürzeste, wird aber nach unten breiter, indem sich
der verlängerte Randpunkt der 1. Rippe, und der noch längere des obersten
Gabelastes an ihn anlegen. Die obere Gabel hat schwarze Fleckchen am
Anfang des oberen und in der Mitte des unteren Astes. Die 3. Rippe ist
vor und hinter den Queradern mit einem schwarzen Fleckchen besetzt. Der
Stiel der unteren Gabel trägt vor dem Abgang der unteren Querader ein
kurzes Fleckchen, und ist vor der Gabelung ziemlich lang schwarz; die
Theilungsstelle selbst ist hell beschuppt; dann folgt auf dem oberen Ast ein
längerer, auf dem unteren ein kürzerer Fleck. Der Wurzelfleck der 5. Rippe
fällt deshalb besonders auf, weil die ganze Umgebung hell ist, denn es fehlt
auch der Wurzelfleck der 6. Rippe. Ausserdem ist bemerkenswert)!, dass
an dieser Stelle die Flügelmembran oberhalb des Wurzelfleckes dunkel ge-
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82
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zeichnet ist (Taf. I, Fig. 2). Die 6. Rippe hat ausser dem Randfleck nin*
noch einen etwas verlängerten Fleck auf ihrer Mitte. Wimpersaum scharf
gescheckt, die hellen Stellen ockergelb, nur auf Rippe 6 u. 6 und auf einer
Stelle noch weiter gegen die Flügelwurzel hin weise; indessen sind weiss
und gelb nicht immer so scharf geschieden wie bei diesem Stück. Auf der
Flügelspreite sind die hellen Schuppen hell ockergelb, im Spitzentheil mehr
weisslich.
Die untere centrale Querader ist um mehr als ihre doppelte Länge
von der mittleren entfernt; die mittlere und obere bilden zusammen einen
geraden Strich. Bei anderen Stücken, selbst bei solchen von derselben
Localität bilden die drei Querrippen eine Treppe, oder die obere steht etwas
gegen die mittlere zurück.
Hinterleib oberseits gleichmässig grau, ohne alle Zeichnung. An
den Yorderrändern der Bauchplatten zeigt die Membran je ein Paar weisser
Flecke, mit Ausnahme des Endsegmentes. Behaarung grau, auf dem Rücken
gelblich, an den Genitalplatten gelblich und schwarz gemischt. (Bei einem
anderen 9 sah ich am vorletzten Bauchring einige Schuppen, was darauf
schliessen lässt, dass bei dem typischen Stück, wie auch bei den meisten
anderen, die ich gesehen habe, die Beschuppung des Hinterleibes verloren
gegangen ist.)
Die Hiilfsrippe hat mir bei fünf Stück aus den verschiedensten Gegenden
folgenden Index ergeben: 43*6—42-8—42*1 — 42*0—40*9.
Durchschnitt 42*3.
Kopf und Rüssel des beschriebenen Stückes 2*6 mm ; Thorax und Hinter¬
leib 3*3 ram ; Flügel 4*0 ram .
J 1 . Von Banjoe-Biroe, Java.
Palpen. Die Grenze zwischen 1. u. 2. Abschnitt durch eine breite
helle Stelle bezeichnet. Der 2. Abschnitt erweitert sich gegen das Ende
hin keulenförmig und zeigt auf seiner Mitte eine hellere Stelle, am Ende
ein davon getrenntes weisses Stippchen. Die beiden Endglieder sind ober¬
seits weiss beschuppt, je mit schwarzem Ring an ihrer Wurzel; ihre Unter¬
seite ist dunkel.
Rüssel gleichmässig schwarz, bis auf die hellen Endlappen.
Flügel. Bei 1 $ von Kedong-Kebo, Java, und einem anderen von
Pa dang, Sumatra, stehen unter dem grossen 2. Vorderrandfleck zwei kleine
Fleckchen auf Rippe 1, indem ein kleiner unter dem Anfang des Costal-
fleckes hinzukommt. Auch bei manchen 9 ist dieser Fleck angedeutet.
Kopf und Rüssel = 2*8 ,ura . — Thorax und Hinterleib 4*5 mm . —
Flügel 3*2 mm .
Habitat: Grosse Sunda-Inseln, östlich bis Ceram und Neu-Guinea.
Bemerkungen. An. vagus ist sehr nahe verwandt mit An. Rossi
Giles, einer Art, welche deshalb für den Hygieniker besonderes Interesse
bietet, weil sie allem Anscheine nach die Parasiten der menschlichen
Malaria nicht zur Sporulation zu bringen vermag. Schon R. Ross hatte
vergeblich mit dieser Art experimentirt, und die neuerdings von Stephens
und Christophers vorgenommenen Untersuchungen sprechen auch dafür,
dass diese Art mit unserer Malaria nichts zu thun hat. Dagegen wird sie
von Captain James beschuldigt, Uebcrträger der Filaria sunguinis
hominis zu sein.
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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles.
83
Wegen der grossen Aehnlichkeit der beiden Arten gebe ich hier die
Unterschiede, wegen deren ich mich für berechtigt halte, eine neue Art
aufzustellen.
Theobald, welcher An. Rossi viel eingehender beschreibt als der
Autor selber, sagt, dass die 2. Rippe sich etwa auf gleicher Höhe und sogar
noch etwas früher gabelt als die vierte. Bei der neuen Art ist es um¬
gekehrt. — Giles sagt von seiner Art, dass der Mittelfleck des Vorder¬
randes durch einen darunter gesetzten kleinen Fleck auf der Hülfsrippe
ein T-förmiges Ansehen erhält; bei An. vagus dagegen ist der Fleck auf
der Hülfsrippe ebenso lang wie auf der Costa selber, und die T-Form wird
durch einen Fleck auf der 1. Rippe hervorgerufen. Da nun die Abbildung
bei Giles dem Texte widerspricht, indem der Randfleck in gleicher Länge
auf der Costa, der Hülfsrippe und der 1. Rippe liegt, so suchte ich Rath
bei Theobald; doch dieser geht mit Stillschweigen über den Widerspruch
hinweg, giebt aber auf Seite 155 seiner Monographie eine Abbildung, welche
man geneigt sein wird, für eine Unmöglichkeit zu halten, da hier die Hülfs¬
rippe schon vor dem 2. Randfleck endet, anstatt dahinter. Ich muss es
schon den englischen Autoren überlassen, diese Widersprüche aufzuklären.
Da aber keiner von ihnen die Sache so darstellt, wie sie sich bei meinem
An. vagus verhält, so habe ich um so mehr Veranlassung, für ihn besondere
Artrechte zu beanspruchen. — Auch in Betreff der anderen Flecke finden
sich auffallende Unterschiede. So sieht der Spitzenfleck, wie man den
4. Randfleck füglich nennen kann, bei beiden Arten ganz anders aus, nach
Ausweis der Abbildungen. Allerdings ist im Theobald’schen Bilde der
Randfleck auf dem oberen Aste der oberen Gabel ausgelassen, aber schon
der entsprechende Fleck auf der 1. Rippe sitzt anders als bei An. vagus;
er ist verhältnissmässig weit von der Spitze abgerückt, bei vagus berührt
er den Saum des Flügels fast unmittelbar. — Bei Rossi fehlt auf der
3. Rippe hinter den Queradern ein scharfer Fleck, der bei vagus vorhanden
ist; ebenso ein Fleck auf dem Anfang des unteren Astes der unteren Gabel;
und der erste Fleck auf der 6. Rippe liegt der Wurzel sehr nahe, während
er bei An. vagus in der Mitte der Rippe gelegen ist. Das Bild im
Theobald’schen Atlas (Taf. Ml, Fig. 9) zeigt die Sache noch anders; da
ist der Wurzelfleck der 5. Rippe über den ersten Fleck der 6. Rippe hinaus
gegen die Flügelspitze vorgerückt. Das glaube ich für einen augenschein¬
lichen Fehler halten zu müssen, wie es deren in dem Atlas so viele giebt,
dass man Anstand nehmen muss, die schönen bunten Bilder zur Aufklärung
eines Widerspruches oder einer Ungenauigkeit heranzuziehen. — Vom Wimper¬
saum sagt Theobald (Seite 157), dass er von vier hellen Stellen durch¬
schnitten sei; im Bilde (Seite 155) sind es deren fünf; dagegen sind bei
An. vagus mindestens sieben, wenn nicht acht oder neun helle Einschnitte
vorhanden. Das ist gewiss nicht gleichgültig, denn Theobald selber führt
die vier Einschnitte gegen drei bei einer anderen, zu unterscheidenden Art
in’s Treffen.
Die Palpen der sind ganz verschieden gezeichnet. Bei vagus sind
sie schwarz, mit weissen Einsprengungen und Endgliedern; bei Rossi
nach Giles hauptsächlich weiss, die äusserste Spitze und Punkte an den
Gelenken braun. Damit verträgt sich nicht die Beschreibung, welche Theo¬
bald von ihnen giebt, und welche sich eher an den Befund bei vagus
6 *
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84
W. Dönttz:
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anschliesst. Indessen giebt Theobald doch so viel weiss, besonders auf
dem zweiten Abschnitt an, dass der Unterschied recht auffällig wird.
Nach alledem glaube ich die hier von mir beschriebene Form von dem
An. Rossi Giles abtrennen zu sollen. Sie selber ist wiederum veränderlich,
und besonders haben wir aus Celebes abweichende Stücke erhalten, bei
denen das vorletzte Palpenglied des 9 nur am äussersten Ende weiss ist,
und wo der 3. Vorderrandfleck kleiner wird und selbst bis auf 1 3 seiner
gewöhnlichen Grösse zusammenschrumpft, wie es der abgeschuppte Flügel
auf Taf. I, Fig. 2 zeigt. Leichte Abweichungen kommen zwar gelegentlich
auch an anderen Orten vor, hier aber, im Osten des Verbreitungsgebietes,
scheinen sie sich zu fixiren, und es wäre interessant zu verfolgen, ob dk*
in absehbarer Zeit geschieht.
Anopheles liebes Dö.
(Taf. I, Fig. 1.)
Etym.: hebes = stumpf, matt; so benannt wegen der sehr matten
Färbung und Zeichnung.
Diagnose: Rippe 2 gabelt sich früher als Rippe 4.
Die vier Vorderrandflecke greifen auf Rippe 1 über.
Auf den matt bräunlichgrau beschuppten Rippen nur wenige ein gestreute
weissliche Stellen. Die 5. Rippe ist weisslich, mit dunklem Wurzeltleek.
dunklem Fleck an der Gabelung und Randfleck. Auf Rippe (> nur ein
langer, mässig dunkler Mittelfleck.
Wimpersaum matt gescheckt.
Erstes und zweites Palpengelenk weiss, Endglied weiss. Das vorletzte
Palpenglied fast 3 Mal so lang als das letzte.
Beschreibung nach einem Stück von Dar es Salaam.
Sehr kleine Art mit mattgefärbten Flügeln.
Kopf olivbraun, mit grauem Scheitelschopf und grau beschupptem Scheitel.
Palpen. Länge der einzelnen Abschnitte 0*6—0’7—0*3 —0*1. Das
1. und 2. Gelenk weiss beschuppt. Das 3. Glied ist am Ende dunkel, das
4. Glied ganz weiss. Palpen und Rüssel gleich lang.
Fühler mit grauen Schuppen auf den ersten Gliedern.
Thorax. Die Membran zeigt zu beiden Seiten der dunklen Mittellinie
einen bläulich-schiefergrauen Streifen; das übrige ist olivbräunlich, ohne
dunklen Fleck vor der Quernaht. Beschuppung abgerieben.
Flügel. Die obere Gabel beginnt unter dem Anfang des 3. Rand*
Heckes; ihr unterer Ast ist ungefähr doppelt so lang als der untere Ast der
unteren Gabel. Der 2. Vorderrandfleck ist der grösste; der 1. und 3. sind
nicht viel kleiner, der 4. erheblich kleiner. Die Flecke greifen in gleicher
Länge auf die 1. Rippe hinüber, nur unter dem 2. Fleck beginnt die
Dunkelheit auf der 1. Rippe etwas später. Die übrigen Rippen sind haupt¬
sächlich matt bräunlichgrau beschuppt, mit wenigen eingestreuteu helleren,
weissliehen Stellen: nur die 5. Rippe ist in ganzer Ausdehnung weisslieh,
mit Ausnahme eines dunkeln Fleckes an der Wurzel, an der Gabelung und
am Ende (Randfleck). Weisse Flecke befinden sich an den centralen Quer¬
adern, an der Theilung der beiden oberen Gabeln, auf Rippe 3 eine längere
Strecke vor dem Randpunkt, und am Anfang der 2. und 4. Rippe.
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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles.
85
Die 6. Rippe trägt auf der Endhälfte dunkle Schuppen, als Verschmelzung
des Mittelfleckes und des Randpunktes; ihr Wurzelfleck fehlt. Die Rand¬
punkte heben sich nur wenig von der übrigen Beschuppung ab. (In der
Photographie (Taf. I, Fig. 1) fehlt der Wurzelfleck der 5. Rippe, weil
diese Stelle im Präparat abgerieben war.) Der obere Ast der oberen Gabel
ist in seiner ganzen Ausdehnung etwas stärker verdunkelt, doch nicht genug,
um zur Verbreiterung der beiden letzten Vorderrandflecke beizutragen.
Die beiden unteren Querrippen stehen sehr schräg; die obere stösst mit
der mittleren unter einem nach der Flügelwurzel hin geöffneten Winkel
zusammen; die untere ist von der mittleren so weit entfernt, wie diese
lang ist. Bei anderen Stücken steht die untere Querader senkrecht; die
obere kann gegen die mittlere zurück- oder vorrüeken.
Wimpersaum deutlich gescheckt, besonders an der Spitze, die noch
durch einen besonders hellen Fleck unter dem letzten Vorderrandfleck aus¬
gezeichnet ist.
Index der Hülfsrippe 40-8; der 5. Rippe 35-2; bei einem anderen
Stück sind die Zahlen 40*0 und 35*3.
Flügellänge 2 • 7 mra und 2 • 5 mm .
Beine graubraun beschuppt, an Oberschenkel und Schienen mit spär¬
lichen eingestreuten helleren Schuppen; Tarsen etwas dunkler; Gelenke nur
unbedeutend heller.
Hinterleib. Die Bauchseite scheint eine matte helle Zeichnung zu
haben.
Kopf mit Rüssel 2 • 2 mm und 1 • 7 mm .
Thorax und Hinterleib 3 * 4 mm und 3 • 4 m,u .
Hab.: Ostafrika: Dar es Salaam. — In der Mballa-Ebene von Stabs¬
arzt Dr. Zupitza im Mai 1898 gesammelt.
Südwestafrika: Insiza, von Dr. Zupitza im Februar 1899 gesammelt.
Bemerkungen. Eine recht kleine Art, welche der Beschreibung nach
einige Aehnlichkeit mit An. Rhodesiensis Theob. zu haben scheint, sich
aber sofort durch den gescheckten Wimpersaum unterscheidet.
Geographische Verbreitung
der beschriebenen asiatischen Anopheles, soweit sie in der Sammlung
vorhanden sind.
Anopheles
j Sumatra
i
i
Java
L ... ■
Bangka
i
Borneo
!
j Celebes
Lombok
... _
Ceram
NT. Guinea
b£
c
c
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C
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vagus .
+
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—
4-
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4-
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+ i
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—
4-
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—
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+
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— i
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+ i
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—
+
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-
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inaculatuß. .
4*
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! — 1
—
—
4-
leucopus . .
+
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—
—
—
—
—
—
aconitus
+ '
+
—
— 1
—
i
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—
—
deceptor . .
4- ,
—
—
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— |
—
—
punctulatus .
—
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—
, — i
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4-
—
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W. Dönitz:
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Anopheles vagus Dö.
Java: Banjoe-Biroe. .Batavia. Fort Willem I. Gombong. Kedon"-
Kebo. Magelang. Oenarang. Semarang. Serang. Soekaboemi und Barm
Soerabaja.
Sumatra: Doerian. Fort de Kok. Kajoe-Tanam. Lagoe-Boti. Lho
Seumaw6. Melaboe. Padang. Paja-Kombo. Panteh-Perak. Segli. Siboya.
Singkel. Tapa-Toean. Telok-Betong. Telok-Semawö.
Celebes: Balang-Nipa. Pankadjene. Makasser.
Lombok: Ampenan.
Ceram: Wahaai.
Borneo: Moeara-Teweh.
Poeloe-Rajah (bei Sumatra).
Neu-Guinea.
Anopheles plumiger Dö.
Sumatra: Fort de Kok. Kajoe-Tanam. Lho-Nga. Medan. Oeloe-Limau*
Manis. Padang. Paja-Kombo. Panteh-Perak. Siboya. Tandjong-Poera.
Tapa-Tuan.
Poeloe-Rajah.
Java: Banjoe-Biroe. Batavia. Batoe-Djadjar. Kedong-Kebo. Fort
Willem I. Gombong. Oenarang. Semarang. Soekaboemi.
Lombok: Ampenan.
Borneo: Benkajang. Moearah-Teweh. Sambas. Sintang. Tandjong-
Goenoeng-Kalai.
Bangka: Muntok.
China: Hongkong.
Anopheles Kochi Dö.
Sumatra: Doerian. Fort de Kok. Kajoe-Tanam. Padang. Paja-Kombo.
Telok-Betong.
Java: Gombong. Serang. Tjimahi.
Borneo: Tandjong-Goenoeng-Kalai.
Anopheles leucosphyrus Dö.
Sumatra: Doerian. Kajoe-Tanam. Oeloe-Limau-Manis.
Borneo: Moeara-Teweh.
Anopheles maculatus Tlieob.
Java: Banjoe-Biroe.
Sumatra: Doerian. Kajoe-Tanam. Oeloe-Limau-Manis. Padang.
China: Hongkong.
Anopheles leucopus Dö.
Sumatra: Doerian. Fort de Kok. Kajoe-Tanam. Oeloe-Limau-Manis.
Padang. Paja-Kombo. Segli. Selimeum. Tapa-Toean.
Java: Buitenzorg. Serang.
Anopheles aconitus Dö.
Sumatra: Kajoe-Tanam. Padang. Sidempoean. Selimeum. Seroewaij.
r l apa-Toean. Telok-Betong.
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Beiträge zub Kenntniss deb Anopheles.
87
Java: Buitenzorg. Gombong. Kedong-Kebo. Oeuarang. Serang.
Soekaboemi. Fort Willem I.
Anopheles deceptor Dö.
Sumatra: Padang. Paja-Kombo. Kajoe-Tanam. Tandjong - Poera.
Tapa-Toean.
Anopheles punctulatus Dö.
Neu-Guinea: Stephansort. Constantinhafen.
Neu-Pommom: Herbertshöhe.
French-IslandB: Des Lacs.
Erklärung der Abbildungen.
(Tal i u. n.)
Die Originale sind von Hrn. Prof. Zettnow in meisterhafter Weise photo-
graphirt worden. Alle Stücke, mit Ausnahme von Nr. 4 und 7, liegen in Canada-
balsam oder in Cedernöl und wurden bei durchfallendem Licht aufgenommen, weil
dabei die Zeichnung, wie mehrfache Vorversuche ergaben, am deutlichsten hervor¬
tritt, obgleich dann die hellen Schuppen, z. B. im Wimpersaum, weil sie stark durch¬
sichtig geworden sind, oft undeutlich werden. Da aber die Photogramme von Flügeln,
die in Luft liegen und bei auffallendem Lichte aufgenommen wurden, etwas ver¬
schwommen erscheinen, wie die Figg. 4 und 7 zeigen, so wurde von dieser Art der
Wiedergabe Abstand genommen.
Tafel I.
Fig. 1. Anopheles hebes Dö. Ostafrika. Flügel. Vergr. 21 x.
Fig. 2. Anopheles vagus Dö. Celebes, Pankadjene, November 1899. Flügel.
Der Flügel ist entschuppt, um die Dunkelheiten der Membran zu zeigen. Auffallend
ist ein dunkler Fleck über der Wurzel der 5. Rippe (Wurzelfleck). 21 x.
Fig. 3. Anopheles leucopus Dö. Java, Buitenzorg, 10. Nov. 1899. Flügel. 21 x.
Fig. 4. Anopheles maculatus Theob. Sumatra, Kajoe-Tanam. Flügel. 21 x.
Fig. 5. Anopheles punctulatus Dö. Neu-Guinea, Stephansort. Flügel. 21 x.
Fig. 6. Anopheles tenebrosus Dö. Aegypten, Wadi-Natrün. Flügel. 14 x.
Fig. 7. Anopheles leucosphyrus Dö. Sumatra, Kajoe-Tanam. Flügel. 21 x.
Fig. 8 . Anopheles squamosus Theob. Süd westafrika, Sorres-Sorres, 24. April
1901. Flügel. 21 x.
Fig. 9. Anopheles pharoönsis Theob. Aegypten, Mahmudieh-Canal, 20. Nov.
1900. Flügel. 21 x.
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88
W. Dönitz: Beiträge zur Kenntniss der Anopheles.
Fig. 10* Anopheles leucopus Dö. Der entschuppte Flügel zeigt, wie auch in
Fig. 2, dass die Rippen selber an denjenigen Stellen dunkel sind, an welchen dunkle
Schuppen gesessen haben. Die treppenförmige Anordnung der centralen Querrippen
ist deutlich zu erkennen. 21 X.
Fig* 11. Anopheles plumiger Dö. Sumatra, Tapa-Tuan, Not. 1899. Flügel. 21 x.
Fig. 12* Anopheles merus Dö. Deutsch-Ostafrika, DaresSalaam. Flügel. 21 x
Fig« 18* Anopheles pseudopictus Orassi (?). Italien, Grosseto. Flügel des im
Texte erwähnten Stückes mit dem Büschel schwarzer Schuppen am vorletzten Bauch¬
ring. 14 x.
Fig. 14. Anopheles vagus Dö. Sumatra, Padang, 12. Nov. 1899. Flügel. 21 x.
Tafel II.
Fig* 15. Anopheles impunctus Dö. Aegypten, Wadi-Natrün, 8. Oct. 1900. 21 x.
Fig. 16. Anopheles gracilis Dö. o*. Westafrika, Togo. Flügel. 21 x.
Fig. 17. Anopheles aconitus Dö. Sumatra, Kajoe-Tanam. 21 x.
Fig. 18. Anopheles Kochi Dö. Sumatra. Flügel. 21 x.
Fig. 19. Anopheles plumiger Dö. Java, Soekaboemi, November 1899. $. Kopf
mit Anhängen, von der Seite gesehen. Flügelspitze dieses Stückes hell bewimpert;
auf Rippe 5 ist der Wimpersaum hell. 14 x.
Fig. 20. Anopheles deceptor Dö. Sumatra. Flügel. 21 x.
Fig. 21. Anopheles aconitus Dö. ?. Kopf mit Anhängen, von oben gesehen. 14 x.
Fig. 22. Anopheles plumiger Dö. d\ Kopf mit Anhängen. 14 x.
Fig. 23. Anopheles punctulatus Dö. Q. Kopf mit Anhängen. 14 x.
Fig. 24. Anopheles maculatus Theob. ö*. Kopf mit Anhängen. 14 x.
Fig. 25. Anopheles maculatus Theob. Q. Kopf mit Anhängen. 14 x.
Fig. 26. Anopheles punctulatus Dö. d\ Kopf mit Anhängen. 14 x.
Fig. 27. Anopheles plumiger Dö. Q. Hinterleib mit dem Schuppenbüschel. 14x.
Fig. 28. Anopheles Kochi Dö. Hinterleib mit den 6 Schuppenbüscheln. 14x.
Fig. 29. Anopheles vagus Dö. d*. Tarsus eines Vorderbeines, von der Seite
gesehen, um den Nebenzahn in der Concavität der grossen Kralle zu zeigen. 120 x.
Fig. 30. Anopheles vagus Dö. <A Vordertarsus von unten gesehen, um den
an der Basis der Kralle stehenden seitlichen Nebenzahn zu zeigen. 120 x.
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Die Beziehungen der Malariaparasiten
zu Mensch und Mücke an der Ostküste Sumatras.
VoD
Dr. Wilhelm SchüfEner.
(Sumatra, Dell.)
(Hierzu Taf. III —VI.)
Die Bemühungen, auch für die Sunda-Inseln die Arbeiten von Ross
und Grassi, die zuerst die weitere Lebensgeschichte der Malariaparasiten
aufdeckten, zu bestätigen, sind bisher fruchtlos geblieben. Seit der
Expedition Koch’s (1899 bis 1900), die sich über Java, Neu-Guinea
und einige der dort liegenden Inselgruppen erstreckte, ist wenigstens eine
weitere Publication nicht erfolgt. Koch selbst konnte sich bei seinem
Aufenthalt in Indien allein von der Thatsache überzeugen, dass an allen
Fieberplätzen auch der Anopheles angetroffen wurde; es gelang ihm
jedoch nicht, den Parasiten im Körper der Mücke zu finden. Ueber die
Gründe, die er für das Misslingen seiner Versuche verantwortlich macht,
hat sich Koch nicht weiter ausgelassen; er bemerkt nur, dass er nicht
einmal in Moskiten, die Blut mit Halbmonden gesogen hatten, die
charakteristischen Cysten in der Magenwand finden konnte.
Der Mangel an Material, sowohl an Mücken, wie an Kranken, hinderte
mich lange Zeit, mich an den Untersuchungen über den Wirthswechsel
des Plasmodium Malariae zu betheiligen. Das war mir erst möglich,
nachdem ich in diesem Jahre an der Küste einen für mich leidlich zu¬
gänglichen Fieberplatz fand. Dieser Platz, ein Fischerdorf, mit Namen
Rantau Pandjang, liegt an der Mündung des Serdangflusses in ganz
flachem Lande, das bei hoher Flut noch unter Wasser zu stehen kommt.
Er ist rings umgeben von Gemüsegärten, Nipahpalmen- und Mangrove-
wäldem. Die Einwohnerschaft setzt sich aus Malayen und in zweiter
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Linie aus Chinesen zusammen. Sie ist im Allgemeinen wenig zugänglich
und verhält sich auch noch so vorsichtig und rücksichtsvoll angestellten
ärztlichen Bemühungen gegenüber recht ablehnend. Was ich von ihr
untersuchen konnte, waren nur Männer und wenige Kinder — die Frauen
halten sich nach islamitischer Sitte dem ungläubigen Europäer fern, und
mit ihnen natürlich die Kinder.
Immerhin bekam ich nach und nach gegen 80 Leute zu untersuchen,
unter denen sich 88 mit Plasmodien im Blute befanden.
Ich erfuhr durch diese relativ kleinen Zahlen wenigstens soviel, dass
die Malaria in Rantau Pandjang, besonders zu gewissen Zeiten, recht ver¬
breitet war, und dass sämmtliche drei Formen, M. tertiana, quartana
und perniciosa darunter vertreten waren. Dort fand ich nun auch den
Anopheles, nach dem ich mich an meinem Wohnplatz lange vergeblich
umgesehen hatte. Und zwar siud es zwei Sorten, die sich daselbst, wenn
auch mit Schwankungen, was die Anzahl betrifft, constant gehalten haben,
seit ich dort Beobachtungen anstelle (Juni 1901), eine hellbraune und
eine schwarze Sorte. Die erstere zerfallt möglicher Weise in zwei oder
mehr Arten auf Grund von Unterschieden in der Zeichnung, die aus der
nun folgenden Beschreibung hervorgehen.
Anopheles I. (Weibchen.)
Länge vom Rüssel bis Schwanzspitze 6 bis 6 ram ; Färbung im All¬
gemeinen ein fahles hellbraun.
Das frisch ausgeflogene Insect ist um eine Schattirung heller gefärbt,
als das ältere; bei ihnen hat der Körper einen Stich ins Grünliche.
Die Unterseite des Bauches ist durch schwärzliche und weisse Felder
gemustert, die eine spitze dreieckige Form haben. Die weissen Felder
ruhen mit der Basis auf der Grenze der Leibesringe und kehren so inner¬
halb eines jeden Ringes von oben und unten die Spitzen einander zu.
(Vgl. Fig. 1.)
Das Rückenschild, gleichmässig braun, wird durch einen feinen duukel-
brauuen Strich in zwei gleiche Hälften getheilt. Saugapparat und Palpen,
gleich lang, liegen zusammen. Der Saugapparat ist schwarz gefärbt bis
auf die Olive, die broncefarben aussieht
Die Palpen heben sich vom Saugapparat durch etwas hellere Färbung
deutlich ab. Das ganze letzte Viertel ist hellgelb; ausserdem befinden
sich noch zwei ebenso helle leine Tupfen als Begrenzung des mittleren
Drittels auf den Palpen.
Die Antennen fein gegliedert, etwa halb so lang als Saugapparat.
Die Gruudfarbe der Flügel ist ein sehr helles braun (etwa wie Stroh, das
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Die Beziehungen d. Malariapabasiten zu Mensch u. Mücke. 91
durch Verwittern seine gelbe Farbe eingebüsst hat). An der Randcosta be¬
finden sich vier verschieden lange und verschieden geformte sammtschwarze
Flecken, die durch helle Flecken von einander getrennt werden, lieber
die feinere Zeichnung, die auch am unteren Rande scharf ausgesprochen
ist, giebt die Photographie Aufschluss. Die Halteren gleiohmässig braun.
Die Beine haben eine goldbronceartige Färbung, innerhalb welcher
sich nur die Gelenke durch hellere Färbung abheben.
Krallenformel 2—2—1.
Anopheles I. (Männchen.)
Dasselbe gleicht in Allem dem Weibchen bis auf die ihm zukommenden
Geschlechtsunterschiede. Es ist schmaler gebaut, jedoch ist die Behaarung
kräftiger als beim Weibchen.
Auf Fig. 2 ist die Zeichnung des Bauches besonders gut zu sehen.
Die Palpen enden in kolbige dichte Büschel. Nur der vordere Rand ist
hier hellgelb gefärbt und statt mit zwei sind die Palpen hier mit drei
etwas grösseren hellen Tupfen gezeichnet.
Die Antennen sind mit feinen dichten Federn zu vergleichen, auch
bei ihnen ist nur der äussere Rand hell gefärbt.
Diesem Anopheles kann man dauernd in Rantau Pandjang begegnen.
Dazwischen findet man nun Exemplare, die kleine Verschiedenheiten
zeigen, die sich aber erst bei sehr aufmerksamer Betrachtung ergeben.
Ganz kleine Unterschiede in der Flügelzeichnung finden sich z. B. in
Figur 3.
Bedeutendere Differenzen finden sich bei Fig. 4. Hier haben die
schwarzen Randflecken eine andere Form, der vierte äussere verschwindet
beinahe ganz. Die Beine sehen wie gesprenkelt aus, das Muster auf der
Unterseite des Leibes ist weniger deutlich. Da ich nicht imStande 1 bin
zu entscheiden, ob es sich hier um eine Sorte mit Varietäten handelt oder
nicht, so habe ich vorläufig diese Unterschiede bei meinen weiteren Ver¬
suchen auf sich beruhen lassen und alles dazu gehörige unter „Anopheles I“
gruppirt.
Viel schärfer lässt sich dagegen das in Fig. 6 dargestellte Thier von
den eben beschriebenen trennen. Ich nenne ihn vorläufig Anopheles Ia.
1 Es fehlt mir hier za viel an Hiilfsmitteln und Litteratur, um den Anophelen
eine speciellere Bezeichnung beilegen zu können. Der Photographie nach gleichen
die von Kuge wiedergegebeneu Mücken von Kamerun und Zanzibar dem Anopheles I
am meisten. Von den durch Grassi als superpietus beschriebenen weicht er in
mehr als einer Hinsicht, besonders aber durch seine Bauchzeichnung, ab. Für den
Anopheles II fand ich bisher noch kein Analogon in der Litteratur.
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Wilhelm Schüffnek:
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Der Gesammteindruck der Färbung ist um eine Idee heller als bei L
Palpen und Küssel sind fast bis zur Hälfte weiss bezw. gelb gefärbt, mit
sehr feiner Zeichnung, die die Photographie wiedergiebt. Statt der spitzen
weissen Dreiecke auf der Unterseite des Bauches finden sich auf jedem
Leibesring nahe seinem distalen Bande zwei runde schwarze Flecken.
Die Zeichnung der Flügel weicht ganz erheblich von der vorher be¬
schriebenen ab. Endlich sind die Beine getigert, am ausgesprochensten
das dritte Paar, dessen letzte Glieder sogar mit breiten weissen Bingen
versehen sind.
Die Halteren sind schwarz und weisslich getupft.
Zu alle dem kommt hier noch ein recht auffallender Unterschied der
Larven hinzu. Während die Larven der unter Anopheles I beschriebenen
Varietäten sämmtlich ein schwarzes Bückenschild tragen, ist das der Larve
von Ia silberweiss.
Ein ganz anderes Thier ist der „Anopheles II“ Fig. 7.
Länge von Büssel bis Schwanzspitze 7 bis 8 mm , also grösser als
Anopheles I.
Die Grundfarbe ist eine annähernd schwarze, mit lebhaft metallisch
schillernden Flügeln.
Unterseite des Bauches ist ähnlich, wie bei Anopheles I; zu beiden
Seiten der Mittellinie findet sich in jedem Leibesringe je ein spitzwinkeliges
weisses Dreieck, das mit seiner Basis im oberen Bande des Binges liegt.
Bückenschild mattschwarz, durch einen schwarzen Strich in zwei
Hälften getheilt.
Der Saugapparat trägt eine dunkelgelbe Olive, sonst ist er schwarz.
Um eine Spur heller erscheinen die Palpen, besonders deren vorderes
Viertel.
Die Antennen sind mit langen Seitenhärchen besetzt.
Die Flügel sind im durchscheinenden Licht florartig; im auffallenden
Licht schillern sie sehr lebhaft bläulich metallisch. Den ganzen vorderen
Band nimmt ein dichter schwarzer Streifen ein, von unregelmässiger Be¬
grenzung. Bei einigen Exemplaren wird er im äusseren Drittel und ganz
am äusseren Ende leicht unterbrochen durch hellere Tupfen. Die Flügel
sind mit auffallend grossen Schuppen bedeckt.
Die Halteren schwarz.
Die Beine dunkelbroncefarben, die proximalen Gelenke dunkler, die
distalen heller gefärbt.
Krallenformel 2—2—2.
Ueber diesen Anopheles, dessen Infection mit Malariaparasiten bisher
nicht gelungen ist, nur einige kurze Bemerkungen. Er zeichnet sich
durch einen eigenthümlichen Sitz aus, indem er mit seiner Körperaxe nud
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Dee Beziehungen d. Malabiapakasiten zu Mensch u. Mücke. 98
der Sitzfläche einen lothrechten Winkel bildet. Ausserdem spreizt er das
dritte Beinpaar im zweiten Gelenk nach beiden Seiten. Auf der Photo¬
graphie Fig. 9 ist dies Verhalten wohl zu sehen, wenn man der Reihe
nach dem Verlauf der Beine folgt. Bisher nur an der Küste gefunden.
Ich muss auf diesen Anopheles an anderer Stelle noch zu sprechen kommen
wegen eines gelegentlichen Fundes in seinem Magen.
Ebenso kurz kann ich den Anopheles Ia, den ich nicht einmal
zum Blutsaugen bringen konnte, übergehen.
Um so ausführlicher habe ich mich mit dem Anopheles I und
seinen Lebenseigenschaften zu beschäftigen.
Sein Sitz ist der bekannte, oft illustrirte und für die Familie Anopheles
besonders charakteristische (Fig. 5). Saugapparat und Körperaxe liegen fast
in eiuer Linie und bilden mit der Fläche, auf der er sitzt, einen spitzen
Winkel. Die Grösse dieses Winkels ist sehr variabel, sie richtet sich
ganz nach dem Grade seiner Leibesfüllung. Frisch ausgeflogeu, mit noch
leerem Magen, nähert sich seine Haltung der senkrechten. Dabei hängen
die Beine frei nach abwärts. Bei gefülltem Abdomen dagegen sinkt der
Leib durch seine Schwere viel mehr herunter, und nun braucht das Thier
das dritte Beinpaar auch als Stütze. Auf der Photographie Fig. 5 wird
man beide Arten der Körperhaltung erkennen.
Dieser Anopheles ist ein ausgesprochenes Nachtthier, im Gegensatz
zu der Unzahl von Culiciden in Indien, die auch Tags über fliegen und
stechen. Erst mit eintretender Dunkelheit wird er lebendig. Der Flug
ist ein gleichmässig gestreckter, und so stürzen sie sich auch auf ihre
Beute, also nicht wie der Culex, der das Gebiet, auf dem er stechen will,
erst vorsichtig mit längerem Hin- und Herfliegen beobachtet.
Ein besonderer Charakterzug ist ihre Blutgierigkeit. Wenn die Thiere
leeren Magen haben, so genügt es, um sie zu füttern, die Hand in den
Käfig zu halten. Im Nu ist diese von ihnen bedeckt und man fühlt an
dem leichten Brennen unmittelbar darnach, wie rasch sie zu stechen ver¬
mögen. Haben sie einmal angestochen, so lassen sie sich in ihrer Arbeit
nicht so leicht durch etwas stören; man kann sie berühren und rütteln,
ohne dass es gelänge, sie zu verscheuchen. Daher macht es auch keine
Mühe, sie während der Mahlzeit zu fangen. Unglaubliches leisten die
Thiere an Gefrässigkeit. Ein gewöhnlicher Culex fliegt, nachdem er den
Leib vollgesogen hat, weg. Dieser Anopheles jedoch begnügt sich damit
nicht, sondern saugt unverdrossen weiter; durch Entleerung des Über¬
schusses per anum immer wieder Platz schaffend. Im Anfang giebt er den
Koth und Darmsaft von sich, aber daun folgt, Tröpfchen für Tröpfchen,
reines Blut.' So spült er mit der 3- bis 4 fachen Menge Blutes, die zur
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einmaligen Füllung seines Magens nöthig gewesen wäre, seinen Ver*
dauungscanal durch, bis es ihm gefällt, wegzufliegen.
Eine Hand, auf der 15 bis 20 dieser Thiere gesogen haben, sieht
mit allen ihren Blutströpfchen aus, wie von einem dichten Schrotschuss
getroffen. An dem auf diese Weise gewonnenem Blut habe ich übrigens
ein gutes Substrat gehabt für Beobachtung der Weiterentwickelung der
Gameten und der Befruchtungsvorgänge. Das Blut hat durch die Be¬
rührung mit den Magensäften der Thiere seine Gerinnungsfähigkeit ein-
gebüsst. Aus der Lebhaftigkeit, mit der die Weiterentwickelung der
Gameten sich vollzieht, ist vielleicht der Schluss erlaubt, dass der Darm¬
saft eine anregende Wirkung darauf ausübte.
Kräftige Thiere, die in Rantau Pandjang gefangen wurden, blieben,
ohne dass grosse Vorsichtsmaassregeln angewendet wurden, bis 15 Tage
in Gefangenschaft am Leben. Im grossen Käfig, in freier Luft, d. h. nicht
ausgesetzt den Ausdünstungen eines Laboratoriums, wird man wohl ein
noch längeres Leben erzielen können.
Die Fütterung habe ich durch meine Leute besorgen lassen müssen.
Die Methode von Grassi, der seine Mücken mit Bananen am Leben er¬
hielt, schlug hier fehl. Die Thiere ffasseu wohl gierig davon, aber starben
dann fast ohne Ausnahme nach 2 Tagen. Die Untersuchung ergab eine
allgemeine Infection mit grossen Stäbchen, die vom Darmcanal ausging.
Die Weibchen setzen ihre Eier in alle möglichen Arten von Wässern
ab. Im Allgemeinen folgen sie den Gesetzen, die aus den Beobachtungen
der Engländer in Sierra Leone und von Ziem an n in Kamerun bekannt
geworden sind. Auch hier sind es kleine Lachen und Pfützen auf Strassen,
Eintritte von Pferde- oder Ochsenhufen, Wagenspuren, Strassengräben,
Tümpel in Gärten und Wiesen. Sie bevorzugen sonnige Plätze (nur der
Anopheles Ia scheint den Schatten zu lieben). Man findet sie ebenso
gut in Tümpeln, die Regenwasser enthalten, als solchen, die mit Grund¬
wasser gespeist werden.
Von vornherein sollte man nun meinen, dass mit stagnirendem
Wasser und der nöthigen Wärme alle Bedingungen erfüllt seien, die die
Larve zum Leben nöthig hat. Das ist aber hier in Deli keineswegs der
Fall, sondern man macht die Beobachtung, dass das Insect, welches an
der Küste zur Nymphe heranwuchs und dann ausflog, um vieles
kräftiger ist, als im Allgemeinen das aus dem Binnenlande hervor¬
gehende. Dieses bleibt kleiner und schwächlicher. Am ersten Tage
ihres Lebens als Flügelthier erfolgt wohl die Begattung, und viele der
Mücken machen auch den Versuch zu stechen. Aber bei dem Versuche
bleibt es. Zu durchbohren vermögen sie die Haut nicht, der Leib bleibt
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Die Beziehungen d. Maeabiapabasiten zu Mensch u. Mücke. 95
leer und der Endeffect ist, dass keines der Thiere den zweiten Tag
überlebt.
Serien von Hunderten dieser im Binnenlande gesammelten Larven
gingen in solcher Weise verloren, was um so ärgerlicher war, als ich
damit das beste Material zu Untersuchungen einbüsste.
Auch G. Maurer machte schon vor mir die gleiche Erfahrung, die
für ihn zur Folge hatte, dass er seine begonnenen Arbeiten über den
Malariaparasiten in der Mücke wieder fallen lassen musste.
Ganz im Einklang dazu steht nun die Beobachtung, dass man im
Binnenland, ausgenommen besondere Fälle, selten fliegende Anopheles zu
sehen bekommt, während es in den kleinen Wässern nicht immer an
Larven fehlt. Mir gelang es im vergangenen Jahre nur ein Mal, einen
Anopheles in meinem Hause zu fangen. Selbst zugegeben, dass der eine
oder andere übersehen wurde, was will das heissen gegen die Hunderte
und Tausende von Anophelen, die an dem Küstenplatz Rantau Pandjang
des Abends schwärmen? Die Zahl der dort zu findenden Larven ist dabei
nicht erheblich grösser als im Binnenlande. 1 Aber an der Küste ent¬
wickelt sich eben jede Larve zum kräftigen Insect, das 20 bis 30 Tage
leben kann, im Binnenlande gehen ganze Bruten in zwei Tagen zu Grunde
bis auf die wenigen, die doch kräftig genug sind, die Art zu erhalten.
Die eifrigen Versuche, die einzelne der Thiere machen, zu stechen,
weisen darauf hin, dass es an Hunger nicht immer fehlt. Nur ihre Kraft
ist zu gering, um die Haut des Menschen zu durchbohren. Ich bin
augenblicklich damit beschäftigt zu prüfen, ob es vielleicht gelingt, sie
am Leben zu erhalten, wenn sie Thiere mit dünner Haut als Stechobjecte
bekommen. Dann würde es auch interessant sein, zu sehen, ob sich bei
regelmässiger Nahrungsaufnahme ihre Kraft soweit hebt, dass sie nun
auch dem Menschen beikommen könnten.
Sowohl Maurer als ich waren Anfangs, als wir die geringe Lebens¬
kraft jener Anophelen aus dem Binnenlande bemerkten, der Meinung,
dass der Grund zum frühen Tode in dem Herausreissen aus der natür¬
lichen Umgebung zu suchen sei. Um daher jeden Fehler zu vermeiden,
liessen wir die Thiere in ihren Tümpeln, bis sie Nymphengestalt an¬
genommen hatten. Als nun aber mit diesen Thieren, die meist schon in
der Nacht nach dem Einsammeln ausflogen, das Gleiche geschah, blieb
nur noch die Annahme, dass auch in der Natur der Grund zur schwäch¬
lichen Constitution sohon im Larvenstadium, ja vielleicht noch früher
gelegt war.
1 Das Aufflnden der Brutplätze an der Küste hat mir viel Mühe gekostet. Die¬
selbe Erfahrung machten Forscher auch in anderen Gegenden, wie Ross in Sierra
Leone, Koch in Indien, van der Scherr in Middelburg
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Ohne Zweifel bietet die Küste Sumatras den Anophelen dauernd
günstige Bedingungen. Das flache Land, das sich mit seiner Oberfläche
unter dem Einflüsse von Meer-, Grund- und Regenwasserbespülungen be¬
findet, zeigt sich befähigt, eine besonders kräftige Anophelesbrut hervor-
zubringen. Ueber eine gewisse Grenze hinaus, wo sich der Einfluss der
See verliert, verschwindet deshalb der Anopheles II gänzlich. Er ist ein
obligates Küstenthier.
Weniger abhängig von dem Klima, Bodenbeschaffenheit, Flora u. s. w
der Küste ist der Anopheles I, der längs den Strassengräben oder auf
anderen im flachen Lande der Ostküste Sumatras hundertfältig gegebenen
Wegen in das Innere des Landes eindringt. Die veränderten Lebens¬
bedingungen jedoch, die er da findet, drücken seine Lebensenergie herab,
er degenerirt rasch, die Larven bleiben zurück in der Entwickelung, viele
gehen vorzeitig zu Grunde, von den ausgeflogenen Mücken stirbt gleich¬
falls der grösste Theil rasch weg, und nur wenige sind im Stande, Eier
zu entwickeln und abzusetzen.
Der Degenerationsprocess nun wird aufgehalten, wenn es den Thieren
gelingt, auch im Binnenlande zufällig gegebene günstige Brütplätze zu
linden. Gelegenheit dazu giebt sich bei Trockenlegung von Sümpfen.
Gräben und Dammbauten u. s. w. Dann gedeiht die Brut sofort oder
nach einigen Generationen wieder kräftiger und die Gegend wird auf ein¬
mal von stechlustigen Anophelen überschwemmt. Das dauert so lange,
bis jene frischen Wässer nach längerem Stehen auch den Charakter der
älteren angenommen haben, und nun macht die Degeneration wieder
Fortschritte.
Der Zufall gab mir dafür ein recht bedeutsames Beispiel in die Hand.
In der Zeit, wo ich mit den Arbeiten über Anophelen begonnen hatte,
winde in der Nähe vom Laboratorium, ca. 50 m entfernt, ein Sumpf
trocken gelegt. Durch Ungeschicklichkeit des Dieners kamen gerade in
diesem Momente einige Exemplare der in Rantau Pandjang gefangenen
Anophelen aus. Hatte ich schon vorher auf die sich im Gebiete de*
Sumpfes ansammelnden Wasserreste mein Augenmerk gerichtet, so geschah
das nun nach dem Entfliegen jener Mücken mit doppelter Schärfe. Und
wirklich, einige Tage darauf fand ich diese Wasseransammlungen mit
Larven von Anophelen besetzt; darunter waren sogar einzelne schwarze
Exemplare, die vom Anopheles II stammten, den ich bisher nur an der
See angetroffen hatte; es waren also sicher Abkömmlinge jener Flüchtlinge.
Diese Larven wuchsen rasch heran, und aus ihren Nymphen, die ich
sorgsam eiusammelte, ging eine kräftige Zucht hervor, die sich in Ge¬
fangenschaft lange hielt und welche das werthvollste Material für meine
Infectionsversuche geworden ist. Um das Terrain möglichst von den Ein-
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Die Beziehungen d. Malariapabasiten zu Mensch u. Mücke. 97
dringlingen zu säubern, wurden die alten Brutplätze mit ihren Larven
unschädlich gemacht und neue Plätze in der Nähe durch Graben von
flachen Löchern angelegt. So gelang es noch einige Zeit, neuer Gene¬
rationen habhaft zu werden. Von Anopheles II sah ich ausser dem ersten
Male keine Spur weiter, wohl ein Beweis dafür, dass sie durch jene
Maassnahmen wieder ausgerottet waren.
Nun stellte es sich aber heraus, dass der Nachwuchs in zweiter und
dritter Generation immer mehr an Lebensenergie einbüsste. Schon die erste
Generation zeigte nicht die riesige Gehässigkeit der an der See gefangenen
Anophelen, bei der zweiten begnügten sich alle Thiere mit dem blossen
Vollsaugen des Leibes. Man geht wohl nicht fehl, wenn man das als
Zeichen nachlassender Kraft auffasst. Mit der vierten Generation war ich
schliesslich wieder auf dem alten Standpunkte; ich hatte Thiere vor mir,
die nicht im Stande waren, zu fressen und die rasch wegstarben.
Was aus dieser Beobachtung hervorgeht, ist, dass der Küsten -
Anopheles, ins Binnenland eingeschleppt, wohl eine Zeit lang im
Stande ist, seine Art kräftig fortzupflanzen, wenn ihm der Zu¬
fall günstigen Boden bietet, dass er aber nach einigen Gene¬
rationen wieder degenerirt.
Keine Antwort kann ich heute auf die Frage geben: ob sich bei
Fortdauer günstiger Bodenverhältnisse die Lebenskraft der dariu wachsen¬
den Anopheles länger erhalten würde, wie es an der See geschieht, und
ob es sogar möglich wäre, dass sich auf diese Weise die im Binnenlande
eingelebten Anophelen wieder zu voller Kraft fortzüchten lassen würden.
Ausser durch Einschleppung wäre das der zweite Weg, eine im Binnen¬
lande entstehende Epidemie von Malaria zu erklären.
Endlich bleibt noch zu erörtern: warum gedeiht der Anopheles im
Küstengebiet so viel besser und dauernder als im Inlande?
Dass die Temperatur eine solch’ grosse Rolle spielen sollte, ist bei
relativ geringen Differenzen hier und an der See kaum anzunehmen. Von
mehr Bedeutung werden die chemischen (Salzgehalt u. s. w.) und organischen
Bedingungen sein, die die Larven in den Wassertümpeln vorliuden.
Von grossem Einfluss sind ferner die natürlichen Feinde. Ich meine
damit weniger die grösseren Thiere, wie Fische, Kaulquappen und Frösche,
Wasserläufer u. s. w., oder selbst räuberische Culiciden und Larven, deren
Arbeit durchaus nicht zu unterschätzen ist, sondern noch mehr Bakterien
und andere kleinste Parasiten. Als Curiosum, das ist es wenigstens vor¬
läufig noch für uns, sei eines bandwurmartigen Parasiten Erwähnung ge-
than, den erst Maurer, und später auch ich, im Magen der Mücken
(ca. 20 Proc.) fand, die bald nach dem Auslliegen crepirt waren. Wir
Zoit^hr. f. Hygiene. X.LI.
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i zweifeln nicht daran, dass dieser den Magen .ausfüllende Parasit den Tod
i der Mücke verschuldete.
\ Die Zahl der Feinde ist, so stelle ich es mir wenigstens vor, in frisch
’ gebildeten Wassertümpeln am geringsten; die Anophelen können sich also,
’ wenn anders die Ernährungsbedingungen gut sind, darin ungestört ent'
) wickeln. Das dauert einige Zeit, dann verliert der Nährboden seine ge¬
eignete Beschaffenheit, und die natürlichen Feinde haben so überhand
j genommen, dass der grösste Theil der Larven ihnen zur Beute fällt. Die
1 Uebrigbleibenden entwickeln sich mangels Nahrung und in Folge von
: Krankheiten nur kümmerlich, und das ausfliegende Insect, zu schwach, den
Menschen zu stechen, wird kaum mehr als ein Eintagswesen. Für die
Gegend, in der sich solche Verhältnisse finden, resultirt ein Zustand, den
man eine Art Immunität des Landes gegen Anophelen nennen könnte.
Die Zahl der Culiciden ist an der Ostküste Sumatras eine recht grosse.
Das erwähnt für Java auch Koch in seinen Reiseberichten. Es kostet
keine besondere Mühe, um in mehreren Monaten 25 verschiedene Sorten
zu sammeln. Die eigentliche Zahl ist damit auch nicht annähernd er¬
schöpft. Die einzelnen Sorten wechseln mit den Jahreszeiten. Wie weit
das vom Zufall abhängt, wie weit die Schwärmzeiten und ihre Wiederkehr
einer gewissen Regelmässigkeit unterliegen, müssen weitere Untersuchungen
klar legen.
So lange ich keine Anophelen zur Verfügung hatte, habe ich Culiciden
auf Parasiten untersucht; das Resultat war damals negativ. Doch wird
es sich empfehlen, solche Untersuchungen im grösseren Maassstabe zn
wiederholen, auch mit Rücksicht auf andere Parasitenformen, die der
Mückenkörper beherbergen könnte.
Die Untersuchungen über den Malariaparasiten im Anopheles
begannen mit künstlichen Infectionen der Mücken, um mit grösstmög-
licher Wahrscheinlichkeit positive Resultate zu erzielen, und das Auge an
das vorher nie Gesehene zu gewöhnen. Nachdem dies geglückt, war es
an der Zeit, daran systematische Untersuchungen anzuschliessen. Die
unter meinen Augen ausgeflogenen Mücken habe ich nach dem Vorgang«
Anderer für frei von Malariaparasiten angesehen. Die Infectionen, die
mir mit solchen thatsächlich gelangen, sind natürlich das werthvollste
Material meiner Arbeit. Bei den gefangenen Anophelinen, die ich in Er¬
mangelung eines Besseren benutzen musste, hatte ich von jeder Serie
vorher zu bestimmen, ob und wieviele davon zufällig inficirt waren. Wenn
dann nach erfolgter künstlicher Infection sich die Zahl der Inficirten er*
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Die Beziehungen d. Malariapabasiten zu Mensch u. Mücke. 99
heblich erhöht hatte, so durfte man wohl annehmen, dass das die Folge
des Versuches war.
Die Infection der Mücken geschah in der Weise, dass der Malaria¬
kranke seine Hand in den Käfig streckte, und wenn die Thiere ausgebissen
hatten, sie in einen zweiten Käfig übertrug. Zur vorläufigen Orientirung,
ob Infection erfolgt war oder nicht, machte ich von der Untersuchung im
frischen Zustande Gebrauch. Bei nur einiger Uebung gelingt es leicht,
den ganzen Verdauungstractus, mit Saugmagen, Mal pighi’schen Schläuchen
und Genitalien aus dem Leibe herauszuziehen und zu isoliren.
Zur genaueren Untersuchung dienten jedoch Serienschnitte, die in
folgender Weise hergestellt wurden:
Härtung der frisch getödteten Mücke mit 15 Procent Formalin in
40 Procent Alkohol für 4 bis 6 Stunden. In der alkoholischen Lösung
erfolgt das Benetzen der Thiere und das Eindringen der Flüssigkeit rascher.
Dann entwässern in Alkohol von steigender Concentration. Ein
Kriterium für gelungene Härtung hat man an der guten Erhaltung der
Form von den empfindlichen Magenzellen und Facettenaugen. Paraffin¬
einbettung.
Die Schnitte erhielten eine Dicke von 5 bis 6 Mikren. Sie noch feiner
zu machen, war mir hier in den Tropen aus mancherlei Gründen unmöglich.
Die weitere Behandlung der Schnitte war die an den Leipziger In¬
stituten übliche, welche allein brauchbare Bilder für’s Photographiren
giebt. Man lässt die Bänderschnitte auf abgekochtem warmen Wasser
schwimmen bis zur vollkommenen Streckung, bringt sie dann unter Wasser
auf Objectträger. Die Verdunstung des Wassers muss im Brütofen bei
mindestens 37 Grad, besser noch 45 Grad geschehen. Objectträger dabei
flach legen! Die Schnitte haften durch Capillarattraction. 3 bis 4 Stunden
später anschmelzen.
Färben mit Hämatoxylin oder nach Romanowsky. Bei letzterer
Methode darf man den Schnitt nach dem Färben nicht weiter behandeln;
man lässt ihn trocknen wie ein Blutpräparat, und schliesst in Canada-
balsam ein. Für die Einbusse an Feinheit der Structur gewinnt man den
Vortheil einer specifischen Färbung, die besonders für die Darstellung der
Sporozoiten werthvoll ist.
Bei der nun folgenden Beschreibung der erhaltenen positiven Be¬
funde ist, so oft-von Anopheles gesprochen wird, immer Anopheles I
gemeint.
Das Erkennen der Cysten im frischen Zustande macht, auch wenn sie er¬
wachsen sind, keine Schwierigkeiten. Sie fallen durch ihr stark licht-
brechendes Protoplasma als grosse runde Körper ins Auge. Dagegen kostet
es grosse Aufmerksamkeit, um die kleinsten Cysten, die eben unter der
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Tunica elastico-muscularis Platz genommen haben, zu sehen. Hier dient
allein das Pigment als Wegweiser, genau wie es von Eoss und Anderen
hervorgehoben wurde. Das Auftinden ist nur bei tadelloser Präparirung
des ganz leeren Magens möglich, sonst verdecken Blutkrystalle oder Pig¬
ment, das vom Panniculus adiposus der Mücke stammt, zu leicht die
kleinen Gebilde. Das Pigment ist meist noch in lebhafter Bewegung.
Später kommt es zur Ruhe und sammelt sich mehr im Innern des Para¬
siten, häufig um eine Vacuole, ohne jedoch, wie ich beobachtete, an seinem
Charakter etwas einzubüssen. Im Gegensatz zu den Beobachtungen der
Italiener sah ich das Pigment regelmässig bis zur vollen Reife der Cyste
sich erhalten. Um es in jedem Falle zu sehen, muss man die relativ
grosse Kugel in ihrer ganzen Tiefe absuchen.
Die zeitliche Entwickelung will ich an Biand der Photographien meiner
Sohnitte geben. Ich darf mich bei diesem Capitel um so kürzer fassen,
als der ganze sporogenetische Lebenslauf durch die Arbeiten der Fach¬
gelehrten so klargestellt ist, dass es schwer fällt, noch Neues beizutragen.
Figg. 10 u. 11 (Taf. IV). Die kleinste Oocyste, die entstand nach dem
Durchwandern des Ookineten durch die Mucosa, nimmt den Farbstoff nicht
gut an. Sie erscheint unter den contrastreich gefärbten Zellen der Magen¬
schleimhaut als ein mattblauer Körper von der Grösse eines rothen Blut¬
körperchens, in der ein Nucleolus von höchstens 1 / i Grösse des Durch¬
messers der ganzen Zelle liegt. Die scharfe Contourirung, die den
Halbmond auszeichnet, ist verloren gegangen, der Parasit gleicht mehr
der Sphäre. Auch im gefärbten Präparate lenken die Gruppen feiner
Pigmentkörnchen die Aufmerksamkeit auf den Parasiten.
Figg. 12 u. 13 (Taf. IV). 3. bis 4. Tag nach der Infection. Hier hat
schon eine Kerntheilung stattgefunden. Die intensive Färbung der arbeiten¬
den Kerne macht die Parasiten auch auf der schwachen Vergrösserung
sichtbar.
Fig. 14 (Taf. IV). 4. bis 5. Tag nach der Infection. Weitere Ver¬
grösserung der Oocyste.
Figg. 15 u. 16 (Taf. IV). 6. bis 7. Tag nach der Infection. Der Parasit
ist in zahllose feine Kerne zerfallen. In der Mitte befindet sich eine
Vacuole, und über den Parasiten verstreut einige Pigmentkörnchen.
Figg. 17 bis 19 (Taf. V), derselbe Schnitt in drei verschiedenen Ver-
grösserungen ca. 8. bis 11. Tag nach der Infection. Die Endstadien der
Entwickelung. Der Schnitt führt, wie man auf der schwachen Ver¬
grösserung sieht, nicht durch die Mitte des Magens und Leibes, sondern
schneidet nur eine flache Kappe ab. Die grossen Parasitenkugeln liegen
darum ganz getrennt vom Magen, natürlich nur scheinbar, tiefere Schnitte
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Die Beziehungen d. Malabiapabasiten zu Mensch u. Mücke. 101
würden auch bei ihnen den Zusammenhang mit der elastischen Muskel-
liaut des Magens darthun.
Von den 4 Cysten ist die jüngste die dritte, vom oben liegenden
Schwanzende aus gerechnet. Sie ist erfüllt mit Sporoblasten, die an Grösse
noch zurückstehen hinter denen der 4. Cyste, der nächst älteren. Bei dieser
sind schon die herauswachsenden Sporozoiten zu sehen. Die erste und zweite
Cyste werden gleichalterig sein, sie entsprechen etwa dem 10. bis 11. Tage
und sind völlig ausgebildet. Mit Lupe kann man in beiden die feinen,
radiär in allen möglichen Axen um die grossen Restkörper angeordneten
Sporozoiten erkennen. Das Pigment hebt sich in der Photographie von
diesem contrastreichen und äusserst fein detaillirten Bilde nicht mehr ab.
Mit Recht macht Grassi auf die Schwierigkeit aufmerksam, die es hat,
solche Figuren zu beschreiben und darzustellen. Es ist beinahe unmög¬
lich, Zeichnungen davon anders als schematisch zu geben. Die Photo¬
graphie hat wieder den Nachtheil, dass sie bei der dazu nothwendigen
starken Vergrösserung nur so geringe Tiefen scharf zeichnet.
Das Bild giebt auch einen Anhalt für die Grösse der reifen Cysten.
Sie beträgt zwischen 25 und 30 Mikren und ist in den verschiedensten
Schnitten und Mücken eine recht gleichmässige. Niemals fand ich
auch nur annähernd die bedeutenden Grössenunterschiede, zwischen 30
und 70 Mikren, von denen Grassi spricht. Da Grassi weniger in
Schnitten untersuchte, die für die Entscheidung dieser Frage allein aus¬
schlaggebend sind, sondern mehr am präparirten Magen, so möchte ich
wohl fragen, ob nicht jene enormen Differenzen in der Grösse mehr der
Präparatien ihren Ursprung verdankten.
Figg. 20 u. 21 (Taf. IV). Gleiches Alter wie die vorhergehenden.
Hauptsächlich der Topographie wegen und wegen der Restkörper gebe ich
diese Bilder. Man kann auf der stärkeren Vergrösserung sehen, wie von
beiden Seiten aus der Bucht der Schleimhaut die elastische Muskelhaut
auf die Parasitenkugel Übertritt. Die zwischen den Muskelbalken sich
glasartig ausspauneude Membran verschmilzt auf der dem Magen abge¬
wendeten Seite des Parasiten vollkommen mit demselben und ist daher
nicht zu sehen.
Figg. 22 bis 24 (Taf. V). Starke Vergrüsserungen reifer Kapseln.
Nun erfolgt das Bersten der Membran, die Ueberschwemmung des Blut-
und Lymphstromes mit ihnen, und dann die Ausscheidung bezw. ihr
actives Eindringen in die Giftdrüse. Bildern, in welchen die Sporozoiten
auf der Wanderung begriffen sind, bin ich nicht begegnet.
Es folgt daher als nächstes Stadium das in Figg. 25 bis 30 (Taf. V
und VI) wiedergegebene.
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Der Schnitt in Figur 25 (Taf. V) ist ein Medianschnitt, der von der
Topographie des Thorax und Kopfes einen Begriff giebt. Im vorderen
Abschnitt des Thorai liegen die 3 Schläuche der Giftdrüse gerade unter
einander. Hier wie auf den stärkeren Yergrösserungen erkennt man die
Verschiedenheiten der Structur, die den mittleren Lappen (Fig. 27, Taf. YI)
von den beiden anderen unterscheiden. Derselbe verhält sich farberisch
ähnlich wie die Schleimdrüsen des Menschen und setzt sich zusammen
aus grossen homogenen, structurlosen Zellen. Der vordere und hintere Lappen
(Figg. 26, Taf. V, 28 bis 30, Taf. VI) dagegen enthält Zellen, die sich aus
lauter Kugeln zusammensetzen. Das Caliber dieser Kugeln ist am grössten
in der Nähe des blinden Endes und wird nach vorne zu immer feiner.
Meine eigene Vermuthung, dass der mittlere Drüsenlappen ein anderes
Secret führe — er färbt sich mit Romanowsky tiefblau, während die
beiden anderen die specifische Färbung intensiv annehmen —, finde ich
von Grassi bestätigt. Mit ihm habe ich auch keine Bevorzugung
irgend eines Lappens Seitens der Sporozoiten bemerken können. Mau
sieht bald den einen bald den andern von ihnen erfüllt. Sie liegen hier
noch in den Zellen, meist in Gruppen parallel neben einander, oft so
dicht, dass man Mühe hat, sie mit einer starken Vergrösserung aufzulösen.
Figur 30 (Taf. VI) illustrirt den nächsten Schritt: das Eintreten der
Keime in den Mittelcanal der Drüse. Das blinde Ende ist von ihnen
voll gestopft; wie ein dichter Zopf erfüllen sie das Lumen. Nach vorne
zu kann man sie mit Hülfe einer Lupe mehr einzeln liegen sehen, wie
sie einem Fischzug ähnlich dem Ausführuugsgang zustreben. Seitlich sind
in den Zellen noch quere Durchschnitte von dicht in Gruppen zusammen¬
liegenden Sporozoiten. (Vergl. auch die schönen Bilder in Grassi’s
Monographie.)
In diesem Zustande ist der Anopheles fähig, mit seinem Stich zu
inficiren.
Die Bilder, mittels denen wir soeben dem sporogonetischen Lebens¬
lauf des Parasiten folgten, stammen von Moskiten in verschiedener In-
fection. Es eignet sich nicht jeder Schuitt zum Photographiren und
darum blieb nichts anderes übrig als zu combiuiren. Aber leider kann
ich nicht einmal sagen, welcher der Schnitte der Tertiana und welcher
der Perniciosa angehört. 1
1 Das erklärt sich auf folgende Weise: Die Schnitte erhielt ich von den Paar
Serien frisch ausgeflogener Anophelen. Die eine Hälfte wurde mit Tertiana, die
andere mit Perniciosa inficirt. So lange die Thiere in ihrem Kätig sind, ist es leicht
sie aus einander zu halten, ebenso bei der Untersuchung im frischen Zustande. Wenn
es aber an das Einbetten und Sehneideu der Objecte geht, wozu so viele Manipu¬
lationen nbthig sind, so war ein Verwechseln der Thiere, die man nach Form der
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Die Beziehungen d. Malabiapabasiten zu Mensch u. Mücke. 1Ü3
Da jedoch ein principieller Unterschied nicht besteht, so thut schliess¬
lich diese combinirte Serie so gut ihre Dienste, wie eine ungemischte.
Sind sich doch die Autoren nicht einmal darüber einig, ob überhaupt ein
Unterschied zwischen dem Plasmodium vivax und der Laverania Malariae
im Mückenkörper besteht. Grassi z. B. erkennt die von Bignami und
Bastianelli aufgestellten Unterschiede nicht an. Ich kann ihm darin
nicht beipflichten. Mit den beiden anderen Autoren finde ich auch das
Protoplasma der Tertianacysten im frischen Zustande weniger lichtbrechend.
Das Pigment, das der Parasit aus seinem schizogonetischen Leben mit-
nimmt, ist bei der tertianen Cyste feinkörniger als bei der vom Halb¬
monde stammenden.
Auf noch einen Unterschied haben mich die Photographien mit ihrer
objectiven Wiedergabe aufmerksam gemacht. Er betrifft die reifen Oocysten
und die Sporozoiten. Vergleicht man die Oocysten in den Figuren 19
und 22 bis 24 (Taf. V) mit einander, so fallen ohne Weiteres Unterschiede,
die sich auf Form und Anordnung beziehen, ins Auge. Bei genauerem
Zusehen bemerkt man, dass jene abhängig sind von Grössendifferenzen
der Sporozoiten. Diese bedingen es, dass die Oocyste in Fig. 19 (Taf. V)
viel feiner, die in Figg. 22 bis 24 (Taf. V) gröber aufgebaut erscheint.
Gemessen differiren die Cysten im Ganzen nur wenig, 27 u gegen 30^,
dagegen die Sporozoiten recht beträchtlich, 3 n gegen 5 • 5 p. Man beachte
auch besonders die Länge der Kerne der Sporozoiten.
Ganz die gleichen Unterschiede kehren in den Giftdrüsen wieder,
grosse Sporozoiten in Figg. 28, 29 (Taf. VI), haarfeine kurze in Fig. 30
(Taf. VI).
Den Einwand, den bisher Grassi allen solchen Unterschieden in
Grösse und Form macht, dass das Kunstproducte seien, die der Härtung
zuzuschreiben sind, müsste ich für meine Präparate entschieden zurück¬
weisen. Es wäre nicht recht verständlich, warum nun gerade die vom
Gewebe umschlossenen Oocysten unter der Härtung leiden sollten, während
alle Organe der Mücke selbst tadellos erscheinen.
Ich halte mich zu der Annahme berechtigt, dass die angeführten
Verschiedenheiten als Charaktere der beiden Arten Malaria, Tertiana und
Perniciosa, um die es sich hier nur handeln kann, aufzufassen sind. Die
Aufgabe weiterer Versuche wird es nun sein, die Formen, die ich jetzt
Malaria, nach Dauer der Infection und Art der Mücke zu trennen hatte, um so eher
möglich, als den Schreiber dieses die Praxis oft Tage lang wegführte, während
welcher Zeit Hartung u. s. w. dem chinesischen Diener überlassen blieb. Mit dem
Momente, wo ich bemerken musste, dass ein Versehen stattgefunden haben konnte,
hielt ich es für richtiger, überhaupt von einer Angabe abzusehen.
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Wilhelm Schüffner:
kenne, in sichere Beziehung zu der Art der Parasiten zu bringen, von
welcher der Versuch ausging.
Die Infection des Anopheles gelang sowohl mit Plasmodium vivax,
als auch mit Laverania malariae. Doch hafteten die Parasiten durchaus
nicht in jedem Falle. Die meisten Infectionen erhielt ich im Anfang
August in heisser Zeit mit den mehrfach erwähnten Anophelen, die aus
den Nymphen hervorgingen, welche in dem trocken gelegten Sumpf in
der Nähe meines Hauses gross geworden waren. Zwischen 40 und 50 Proe.
ergaben ein positives Ergebniss. Weit geringere Zahlen erhielt ich von
den eigefangenen Mücken, etwa nur 20 Procent, und seit October, mit
Eintritt der kühlen Regenzeit, noch weniger. An diesem so häufig abortiven
Verlauf sind sicherlich manche Untersuchungen gescheitert. Aber welches
sind die Ursachen dafür? Eine Frage, die ich schon Eingangs berührte.
Es sind eine ganze Anzahl von Factoren, die dabei mitsprechen.
1. Unter Anopheles I ist eigentlich eine kleine Gruppe begriffen, die
ich wohl als zusammengehörig betrachtet habe, aus der aber vielleicht der
Zoologe zwei oder mehr Arten machen würde. Die daraus entstehende
Fehlerquelle ergiebt sich von selbst.
2. Für ausgeschlossen halte ich es auch nicht, dass die Temperaturen,
trotzdem wir fast unter dem Aequator leben, eine Rolle spielen. Die
Regenzeit ist eben doch erheblich kühler, und lässt im Zimmer die Tem¬
peratur selten über 27 bis 28 Grad Celsius steigen, während in den warmen
Monaten regelmässig 32 bis 33 Grad erreicht wird. Um das festzustellen,
müsste man Versuche bei constanten Temperaturen anstellen, zu denen
ich bisher keine Gelegenheit hatte.
3. darf man nicht vergessen, dass die Aufnahme von Malariablut
Seitens der Mücke, je nachdem sie Tags oder Nachts erfolgt, in ihrer
Wirkung nicht dieselbe zu sein braucht. Sowohl Gameten wie Mücken
können mit der Tageszeit wechselnden Zuständen unterliegen.
4. ist in Erwägung zu ziehen, ob es nicht auch bei Anopheles zu
einer gewissen Immunität gegen Malariainfection kommen kann, sei es
nun, dass die Brut sie schon empfinge, sei es dass die fliegenden Insecten
sie mit dem zunehmenden Alter erwürben. Da z. B. ein Anopheles eine
nicht allzu reichliche Infection zu überstehen pflegt, wäre es wohl möglich,
dass nun eine zweite Infection nicht mehr haftet.
5. Grassi, der auf die unberechenbare Empfänglichkeit der Ano-
phelen auch aufmerksam macht, denkt an einen besonderen Zustand der
Gameten, die nicht jeder Zeit zur Fortpflanzung fähig sein sollen.
Es sind das alles nur Vermuthungen, die aber wenigstens das eine
zeigen, wie weit wir heute noch von dem vollen Verständniss aller in das
Bereich der Malaria gehörenden Fragen entfernt sind.
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Die Beziehungen d. Maeabiaparasiten zu Mensch u. Mücke. 105
Die menschliche Malaria unterscheidet sich durch die eben berührte
Eigenschaft durchaus von der Vogelmalaria. Bei dem Proteosoma gelingt,
nach den Angaben von Ross, Koch, Rüge, die Infection des Culex viel
leichter, beinahe mit der Regelmässigkeit eines exacten Experiments. Das
ist denn auch der Grund gewesen, dass der Weg zur Erkenntniss der
menschlichen Malaria durch das Studium der Vogelmalaria führte (Ross).
Negativ fielen bisher alle meine Versuche aus, auch den Quartana-
parasiten auf den Anopheles zu übertragen. Malaria quartana -ist hier
durchaus nicht selten, im Gegentheil, zeitweilig ist sie sogar die allein
herrschende Fieberform. Auch an Gameten war in einzelnen Fällen kein
Mangel, jedoch die Infection mit ihnen schlug bei allen Sorten Anopheles
fehl. Soweit mir die Litteratur bekannt, fehlt es ja wohl überhaupt noch
an einer einwandsfreien Beobachtung von dem Entwickelungsgange des
Plasmodium malariae s. str. in der Mücke.
Um nun den Kreis zu schliessen, den sporogenetischen Lebenslauf
wieder mit dem schizogonetischen in Verbindung zu setzen, und so den
Identitätsbeweis zu bringen, konnte ich das Experiment, die beabsichtigte
Infection des Menschen, nicht umgehen. Der Infection mit Tertiana
unterzog ich mich selbst zusammen mit einem Herrn K., der sich dazu
freiwillig anbot. Wir wohnen beide au demselben Platze, der ca. 25 km
von der See entfernt liegt; unsere Häuser liegen ungefähr 400 m von
einander. Der Platz ist so gut wie frei von Malaria. Unter den Europäern,
die daselbst wohnen, habe ich seit den letzten 5 Jahren, die ich dort
zubringe, keine Malariainfection erlebt. Wohl giebt es unter der Arbeiter¬
bevölkerung (ca. 800 Köpfe) ab und zu Fieberfälle. Das will jedoch wenig
besagen, da die Leute eingewandert sind und recht häufig Malaria mit¬
bringen. Im gegebenen Falle fällt es daher schwer zu entscheiden, ob
es sich um wirklich frische Infection oder um Auftlackern einer alten
handelt. Die Möglichkeit einer frischen Infection ist aber nicht zu
leugnen.
Um mit Rücksicht darauf auch den scrupulüsesten Bedenken zu be¬
gegnen, schien nur ein Doppelversuch geeignet und genügend beweis¬
kräftig zu sein.
Ferner muss ich noch vorausschicken, dass wir beide gesund waren,
speciell nie an Malaria gelitten hatten; der eine von uns war seit 5 Jahren,
der andere seit einem halben Jahre in Indien. Endlich unterliess ich es auch
nicht, mich von der Hauptsache bei einem Experiment mit Malaria zu ver¬
gewissern, nämlich dass wir auch beide Chinin gut vertragen konnten.
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Wilhelm Schüffneb:
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Am 26. VII. Nachmittags hessen wir uns beide stechen, nachdem
ich das Gleiche schon am Tage vorher hatte thnn lassen. Die dazu ver¬
wandten Anophelen hatten 12 Tage (bezw. 11) vorher Blut von einem
Tertiankranken gesogen. Die spätere Untersuchung dieser Thiere erwies,
dass thatsächlich bei einigen die Giftdrüsen mit Sporozoiten erfüllt waren.
s.
26. VII. Infection.
9. VIII. Nachmittags, Kopfschmerz.
10. VIII. AbendB gegen 6 Uhr un¬
wohl gefühlt; Temp. 36-6°; Blut frei.
11. VIII. Nachm. 3 Uhr, Fieber¬
anfall ohne eigentlichen Schüttelfrost,
Temp. 39-2°, leichte Delirien. Im
Blute wenig Tertianaparasiten.
Chinin
12. VIII. Morgens 36-8°; Nach¬
mittags neuer Anfall bis 39 • 8 °, sub-
jeotiv weniger angreifend, keine De¬
lirien. Kreuzschmerzen, Polyurie;
Chinin 1 l 2 « rm .
13. VIII. Fieberfrei.
A.
26. VII. Infection.
[ 9. VIII. Abends, Kopfschmerz.
10. VIII. Behauptet, über Nacht
Fieber gehabt zu haben. Temp. nor¬
mal, aber Kopfschmerz. Blut frei,
geschwollene Milz.
11. VIII. Fühlt sich leidlich; im
. Blut Tertianaparasiten spärlich.
Chinin 1 ,e™.
12. VIII. Fieberfrei.
Es handelte sich also bei uns beiden um Tertiana, wie von Maurer
und mir selbst festgestellt wurde. Das Experiment war als gelungen zu
betrachten. Die Infection hatte zu einem auf seltene Weise überein¬
stimmenden Resultat geführt, nur mit dem Unterschied, dass bei mir
eine Tertiana duplex vorlag, während Herr K. mit einer Generation
davon kam. Das erklärt sich bei mir einfach durch das Stechenlassen au
zwei auf einander folgenden Tagen.
Zur Infection mit Perniciosa wählte ich einen Chinesen, der, 25 Jahre
alt, gesund war, und kein Zeichen einer bestehenden oder durchgemachten
Malaria hat.
20. u. 21. VIEL Gestochen.
5. IX. Klagen über Kopfschmerz, Temp. 38-13.
6.IX. Temp. 37-9.
7. IX. Temp. 36-5 Zustand leidlich. Im Blute grosse Ringe; Diagn.:
Malaria perniciosa. Chinin 1 i 2 8 rm .
8. IX. Fieberanfall bis 39-5. Chinin 1 2 8TI ".
9. IX. Fieberfrei.
Die Incubationzeiteu belaufen sich bei den 3 Versuchen auf ca. 15 bis
17 Tage. Sie kann ja, wie bekannt, in ziemlich grossen Grenzen schwanken.
Für kürzere Zeiten habe ich noch ein Beispiel au einem unfreiwilligen
Experiment.
Gck igle
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Die Beziehungen d. Malabiaparasiten zu Mensch u. Mücke. 107
Am 15. September machten 4 Herren aus Medan und Umgebung
einen Jagdausflug nach Rantau Pandjang, meinem Anophelesfangplatz.
Sie blieben mit ihren 2 Boys, die sie mitgenommen hatten, Nachts in
einem Häuschen am Strande, und hatten daselbst von Moskiten zu leiden.
12, 13 und 14 Tage später erkrankten von diesen 6 Personen nicht
weniger als 5 an Malaria. Von 2 Herren bekam ich das Blut zu unter¬
suchen, das enthielt die Laverania malariae. Bei den Uebrigen konnte
ich die Diagnose nur nach den klinischen Erscheinungen machen. Der
eine der Europäer blieb gesund.
Eine Arbeit, die sich mit der neueren Malariaforschung beschäftigt,
muss heutzutage auch zu der Frage der Prophylaxe, dieser wichtigsten
tou allen, Stellung nehmen. So lange man nur den Parasiten der Malaria
im Blute des Menschen bannte, gab es nur ein Mittel, um sich in Fieber¬
gegenden vor Malaria zu bewahren: Chinin in gewissen Zwischenräumen
zu nehmen. Das ist eine Methode, die lange bekannt war, und besonders
durch F. Plehn und A. Plehn die richtige Würdigung erfuhr. Alles
audere, was gegen Malaria vorgeschlagen wurde, Assanirung u. s. w., be¬
ruhte, so viel man auch damit erreichte, auf Hypothese.
Nun kam die Erkenntniss von dem Wirthswechsel der Malariapara¬
siten, die in die ganze Epidemiologie Licht brachte. Damit waren auch
mit einem Schlage, wenigstens der Theorie nach, die Wege gewiesen, die
eine verständige Prophylaxe zu gehen hatte. Es sind deren drei, die sich
ergeben je nach Stelle, an welcher man den Doppelkreislauf des Parasiten
unterbricht, nämlich:
1. alle Malariakranken ausheilen, und so den Anophelen die Möglich¬
keit nehmen, sich zu inflciren;
2. alle Anophelen ausrotten oder
3. verhindern, dass sie den Menschen stechen können.
Consequent durchgeführt würde jeder Weg allein im Stande sein,
die Maleria von dem Erdball wegzuräumen, jedoch nur der Theorie nach.
In praxi stellen sich der Durchführung jeder dieser drei Möglichkeiten
Hindernisse entgegen, die sie schwierig, wenn nicht gar unüberwindlich
macht. Es bleibt daher nichts anderes übrig, als alle drei Wege zu com-
biniren, um durch ihre vereinigte Wirkung die Chancen einer Infectiou
herunter zu drücken.
Ihre Anwendung im Speciellen nun richtet sich ganz nach dem
Charakter des Landes und seiner Bevölkerung. Es gehört wohl zu den
interessantesten Aufgaben des Arztes und Zoologen, besonders in den
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Wilhelm Schüffner:
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Tropen, die unter Malaria am meisten leiden, jene bisher unbekannten
Principien anf das Land seiner Thätigkeit zuzuschneiden. Im Folgenden
mache ich den Versuch, Deli, bezw. Theile davon, auf Grund der Er¬
fahrungen eines Lustrums unter diese Beleuchtung zu stellen.
Das Land der Tabakgesellschaft, der ich als Arzt angehöre, umfasst
ein Gebiet von ca. 540 Quadratkilometern. Es zieht sich als ein langer
schmaler Streifen von den Vorbergen bis auf 10 km Abstand von der See
hin. Mein Wohnplatz, Tandjong Morawa, liegt ca. 25 km von der See.
ungefähr in der Mitte zwischen dieser und den Bergen. Das Gebiet ist,
wie ich durch sehr ausgedehnte Blutuntersuchuugen 1 weiss, sehr wenig
verseucht mit Malaria. Besonders muss man hervorheben, dass das Vor¬
kommen einer Perniciosa geradezu eine Seltenheit ist. Schwer heimgesuckt
dagegen von der Malaria in allen Formen sind die Niederlassungen längs
der Küste. Plätze wie Ran tau Pandjang, der Hafenplatz Delis-
Belawau u. s. w. können es, was Verbreitung der Malaria anangt, mit
den grössten Fieberplätzen der Welt aufnehmen.
Auf Grund dieser Kenntnisse habe ich die persönliche Prophy¬
laxe, die ich in den ersten Jahren meiner Praxis hierdurchzuführen für
nöthig hielt, als im Binnenland gänzlich überflüssig aufgegeben. Nur bei
Touren an die See nehme ich prophylaktisch 1 j 2 Chinin, und verordne
es auch anderen.
Mit aller Energie führe ich dagegen die consequente Heilung
aller Malariakranken durch. Es ist nichts Neues, dass Malaria nur
bei lang fortgesetztem Chiningebrauch definitiv weicht. Früher that
man es nur im Interesse des jeweilig Kranken; um ihn von seinem
Fieber zu befreien, heute erhebt sich das Gebot der vollständigen
Heilung im Interesse seiner ganzen Umgebung. Dieser Gedanke
wurde fast gleichzeitig von Grassi und Koch ausgesprochen, doch von
Letzterem gleich mit dem weit ausschauenden Blick des grossen Mannes
in seiner ganzen Tragweite gewürdigt.
Die eigentümlichen Verhältnisse hier im Lande machen eine gründ¬
liche Durchführung der Chininbehandlung in allen Kreisen der Bevöl¬
kerung ganz unmöglich. Den grossen Tabaksgesellschaften, die über wohl-
organisirte und ärztlich controllirbare Arbeiterschaften verfügen von je
5000 bis 20000 Köpfen, steht die eingeborene, überall im Lande ansässige,
von ihren Sultanen und Häuptlingen regirte malayische und Battakbe-
völkerung gegenüber. Die Fürsten stehen in einem Schutzverhältniss unter
der niederländischen Regierung, und sind von ihr abhängig; das von
ihnen regierte Volk jedoch entzieht sich beinahe jeder directen Beeinflussung
1 Vgl. Janus 1900.
Gck igle
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Die Beziehungen d. Malaeiapabasiten zu Mensch ü. Mücke. 109
seitens der Europäer. Nicht einmal der Arzt vermag bei diesem indo¬
lenten Volke etwas zu erreichen. Die Leute kommen zu ihm höchstens
dann, wenn sie wirklich glauben, mit ihrer eigenen Weisheit und eigenen
Mitteln zu Ende zu sein. Wohl lassen sie sich gerne Chinin geben, dessen
unmittelbare Wirkung sie gut kennen, aber die wenigsten sind dazu zu
bringen, es noch weiter zu nehmen, nachdem das Fieber schon ver¬
schwunden ist. Für das Binnenland entspringt hieraus glücklicher Weise
nur eine geringe Gefahr. Aber wohl würde eine im grossen Maassstabe
ein- und durchgeführte Chininheilung an der Küste recht nothwendig und
in ihren Folgen gewiss sehr segensreich sein.
Im Spital wird ferner noch die Vorsicht beobachtet, dass man jeden
Malariakranken, der Gameten im Blute hat, unter dem Moskitonetz schlafen
lässt, um etwaig schwärmenden Auophelen die Gelegenheit zu nehmen,
sich zu inficiren.
Schutz vor den Stichen der Auophelen.
Hier wie überall in den Tropen ist das Moskitonetz über dem Bett,
der Klamboe, üblich; fast jeder bessere Inländer und Chinese braucht es
regelmässig. In letzter Zeit kommen hier auch mückensichere Stuben und
Häuser immer mehr in Gebrauch.
In den Tropen noch weiter zu gehen, und mückensichere Handschuhe
und Kopfhauben u. s. w. zu tragen, verbietet sich aus mannigfachen
Gründen. Abgesehen von der Umständlichkeit dieser Dinge muss man
bedenken, dass unsere Kleidung überhaupt keine mückensichere ist. Die
Thiere finden durch die capillären Maschenräume unserer leichten Tropen¬
stoffe immer Gelegenheit zu stechen. Man müsste dann schon eine radi-
cale Aenderung unserer Kleidung eintreten lassen, eine Sache, die in der
Praxis vorläufig scheitern dürfte.
Unter diesen Abschnitt gehört auch der Schutz vor Stichen, den man
durch Räuchern oder Einreiben der Haut mit allen möglichen Mitteln zu
erreichen sucht Es sind dies alles Maassnahmen, die für den Augen¬
blick wohl ihren Zweck erfüllen, sich aber nicht dauernd anweuden lassen.
Etwas anderes ist es mit dem Schutz, den die Oberhaut selbst, je
nach Alter, Constitution, Abhärtung und Rasse verleiht. Von Laveran,
der stets ein überzeugter Verfechter der Mückentheorie war, wurde schon
lange darauf hingewiesen, dass der Erwachsene und besonders der Neger
mit seiner dicken Haut weniger, Kinder mit ihrer zarten weichen Haut
mehr durch Malaria gefährdet seien. In der That wissen wir haupt¬
sächlich durch Koch, dass Kinder unter 1 Jahr von der Bevölkerung
eines Fieberstriches den grössten Procentsatz der Infectionen liefern. Ob
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Wilhelm Schüffner:
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man das wohl mit den Beobachtungen, die ich mit meinen schwachen
Anophelesgenerationen gemacht habe, in Zusammenhang bringen dürfte,
d. h. also, dass die Kinder nicht nur darum am meisten unter Malaria
leiden, weil sie es noch nicht zu einer Immunität gebracht haben, wie
Koch annimmt, sondern auch, weil sie mit ihrer dünnen Haut den
Stichen nicht nur der kräftigen, sondern auch der schwächeren Mücken
ausgesetzt sind?
Auch unter den Erwachsenen, ich meine hier hauptsächlich Europäer,
findet man solche, die von Mücken viel, und solche, die beinahe gar nicht
belästigt werden. Neben der Dicke der Haut könnten hier noch andere
Einflüsse die Hand im Spiele haben, z. B. solche chemischer Natur, Aus¬
dünstungen der Haut, die auf die Sinnesorgane der Thiere abwehrend
wirkten. Mich interessirte in dieser Beziehung die Bemerkung eines mir
befreundeten Doctor djawa (javanischer Arzt, der die medicinische Schule
in Batavia durchgemacht hat), nach welcher die Leute auf Java eine
Pflanze kennen, deren Genuss die Moskiten von den betreffenden Leuten
fernhält. Leider habe ich darüber nichts Genaueres in Erfahrung bringen
können.
Endlich die Vernichtung der Mücken und speciell die der
Anophelinen.
Damit berühre ich den heute noch strittigsten Punkt im Capitel der
Prophylaxe. Die Engländer legen grosses Gewicht auf diese Form der
Prophylaxe, die Italiener lassen sie nicht ausser Acht, während Koch
und seine Schule ihr aus praktischen Gründen allen Werth absprechen.
Ich kann mich nur der Ansicht Manson’s anschliessen, der den Vorwurf
der Undurchführbarkeit wohl gelten lässt, aber ihn in demselben Maasse
den beiden anderen Wegen der Prophylaxe macht. Denen, die das Heil
allein in der completen Chininheilung der malariakranken Menschen sehen f
hält er entgegen, dass der Zweck dieses Vorgehens vollkommen illusorisch
wird, falls sich ergiebt, dass der Malariaparasit auch noch in anderen
Zwischenwirthen, nicht bloss im Menschen wohnt. In dieser Hinsicht ist
es durchaus noch nicht ausgemacht, dass wir nicht noch einmal eine Ueber-
raschung erleben. Darum verlangt Manson zur Ergänzung der beiden
anderen unvollkommenen Wege der Prophylaxe auch die Ausrottung der
Mücken.
Man würde in dieser Frage aber noch rascher eine Einigung er¬
zielen, wenn man die Mücke nicht nur in ihrer Eigenschaft als Vermittler
der Malaria betrachten wollte. Die Mücke ist es, die uns mit noch viel
schwereren Krankheiten bedenkt, gegen die wir kein Heilmittel besitzen:
die Filariakrankheit, und das gelbe Fieber; und ob nicht noch andere,
ist vorläufig gar nicht zu sagen (ich erinnere an die Arbeit von Holub:
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Die Beziehungen d. Malabiapabasiten zu Mensch u. Mücke. 111
Insecten als lebende Nährböden für ansteckende Krankheiten). Zur Be¬
kämpfung dieser Krankheiten bleibt ausser dem Schutz vor Stichen nur
die Vernichtung der Mücken. Aber hier wird sie auch zur Nothwendig-
keit und Pflicht, und theoretische Bedenken dürfen nicht mehr von ihrer
Durchführung zurückschrecken und sei sie mit noch so viel Schwierig¬
keiten verknüpft. Hat doch schliesslich die Hygiene noch ganz andere
Fragen zu lösen verstanden!
Sollte nicht auch der Umstand zur Ermunterung dienen, dass die
Ausrottung der Anophelen thatsächlich in den Gebieten gelungen sein
muss, die früher von Fieber verseucht durch Cultur gesund und blühend
geworden sind? Was man mit der Cultur traf, waren nicht die Malaria¬
parasiten, sondern einzig und allein ihre definitiven Wirthe, deren Larven
der Boden zur Entwickelung entzogen wurde. Sollte man nun das, was
früher gelang, nicht viel eher heute erreichen können, wo man den Gegner
kennt, und weiss, wie er anzugreifen ist?
Die Maassnahmen zur Bekämpfung der Mücken richten sich haupt¬
sächlich gegen das Larvenstadium. Die Larve durchläuft hier zu Lande
in 12 bis 20 Tagen ihre Entwickelung vom Ei bis zum fertigen Insect;
man hat also Zeit genug, ihr beizukommen. Ob man sie nun abtödtet
durch Trockenlegen des Brutplatzes, Drainiren oder Ausschöpfen des¬
selben u. s. w. oder durch Petroleum und andere physikalisch oder chemisch
wirkende Mittel, hängt ganz von den Verhältnissen ab. Wenn sich die
Erfahrungen Kerschbaumer’s bestätigen sollten, so dürfte man von An¬
pflanzungen des Lorbeerbaumes im grossen Stil, der den Larven schädlich
ist, Nutzen erwarten. Weiteres Studium wird mit der Zeit gewiss noch
andere Mittel an die Hand geben, die in ihrer Wirkung zuverlässig und
im Gebrauch bequem sind.
Nun gilt es aber ferner, für den Feldzug gegen die Mücken die nöthigen
Streitkräfte mobil zu machen. Nur dann ist die Arbeit ohne zu grosse
Last für den einzelnen zu bewältigen. Man müsste zunächst dahin streben,
alle Schichten der Bevölkerung dafür zu erwärmen und zu gewinnen, und
womöglich schon dem Kinde in der Schule die nöthige Belehrung bei-
bringen. Erst wenn das Volk von der Wahrheit der neuen Lehre ganz
durchdrungen ist, und in den Mücken nicht nur lästige, sondern recht
gefährliche Thiere sieht, wird es an Händen nicht mehr fehlen, die sich
im Dienste der Hygiene zu regen bereit finden. So lange wir von diesem
Zustande noch so weit entfernt sind wie heutigen Tages, kann diese Form
der Prophylaxe in den Händen Einzelner sich nur auf ganz umschriebene
Gebiete ausdehnen. Was man in solchen Grenzen erreichen kann, ist
indess durchaus nicht so unbedeutend, und fordert wohl zu weiteren Be¬
mühungen auf.
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Wilhelm Sch Offner:
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Die Flugweite der Thiere hat man auf 1 bis 1 1 / a km berechnet. Das
ist selbstverständlich uur cum grano salis zu verstehen. Die Entfernung,
die sie zurücklegen, kann durch etappenweises Vordringen oder dadurch,
dass sie von Fussgängern, Wagen u. s. w., die sie umschwärmen, mit¬
genommen werden, viel grösser werden. Solche weite Reisen sind aber
immer nur Ausnahmen, die grosse Masse bleibt in der Nähe der Brut¬
plätze.
Man wird daher mit der Vernichtung der Larven in der Nähe des
Hauses beginnen, und dann je nach Umständen, Gefahr und Schwierig¬
keiten den Radius des zu controlirenden Gebietes vergrössern.
Das ist gar nicht so schwer. Wenn man erst gelernt hat, das Ge¬
lände mit den Augen des Larvenjägers anzusehen, so findet man die
Stellen rasch, in denen Larven von Anopheles zu vermuthen sind. Je
weiter man die Säuberung im Umkreis treibt, um so mehr wird sich die
Menge der Moskitos an dem Wohnplatz verringern, und damit auch die
Möglichkeit abnehmen, von ihnen mit Malaria geimpft zu werden. Es
bedarf doch kaum des Hinweises, dass die Gefahr, die von einzelnen, sich
aus der Ferne in das gesäuberte Terrain verirrenden Anophelen ausgeht,
kaum in Betracht kommt gegenüber jener, die aus der 100- und lOOOfach
grösseren Zahl von Anophelen entspringt, welche ohne Prophylaxe um
das Haus schwärmen würden.
Von einem derartigen Vorgehen habe ich für mein eigenes Haus
schon rechten Vortheil gehabt. Ich wurde in demselben lange nicht so
von Moskiten geplagt, als die Bewohner von nur 200 bis 300 Meter ent¬
fern tliegenden Häusern, die sich zu Zeiten allein durch anhaltendes
Brenuen von Tabaksblättern vor ihnen zu schützen vermochten.
Der günstigste Zeitpunkt, mit der Arbeit zu beginnen, ist in den
Ländern mit kaltem Winter gegeben bei Eintritt der wärmeren Jahreszeit.
Hat man die Zahl der überwinterten Mücken durch Fang nach Möglich¬
keit verringert, so bleibt nun die Aufgabe, die von den überlebenden
abgesetzte Brut aufzufiuden und zu tödten. Hier in Deli, das von Sep¬
tember bis Dezember oder Januar seine Regenzeit hat, haben wir auch
Perioden, die sich durch Ab- und Zunahme der Mückeuplage auszeichuen.
Sie werden bestimmt durch die Regenzeit und durch längere trockene
Zeiten. Das vergangene Jahr, in dem ich auf alle jene einschlägigen
Fragen meine besondere Aufmerksamkeit richtete, zeichnete sich durch
ganz abnormale Witterungsverhältnisse aus; immerhin kann es für das.
was ich hier zeigen möchte, als Beispiel dienen.
Deli wurde von Beginn des Jahres ab von einer aussergewöhulichen
Trockenheit heimgesucht, die bis Juni und Juli dauerte. Der Grund¬
wasserstand sank dabei so tief, dass viele Plätze kein Brunnenwasser mehr
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Die Beziehungen d. Malariapabasiten zu Mensch u. Mücke. 113
hatteD, und es von weit her mussten holen lassen. Je länger das trockene
Wetter dauerte, um so mehr schwanden die Moskiten, in dem Maasse
schliesslich, dass man auch ohne Moskitonetz schlafen konnte. Im Juli
und August kamen dann einige Regentage, und mit September leitete
sich die Regenzeit ein. Die bis dahin massig starken Schauer, die in
längeren oder kürzeren, 2 bis 6 Tage langen Zwischenräumen niedergingen,
begünstigten die Entwickelung der Mücken derartig, das wir mit Anfang
Oktober eine Mückenplage erlebten, wie sie in Deli selten gekannt war.
Nun kam im Oktober die Regenzeit zu vollen Entfaltung; Tag für Tag
gingen die schweren tropischen Gewitterregen nieder, die ganze Boden¬
oberfläche, wenigstens in den drainirten Gegenden, immer wieder ab¬
spülend. Dabei wurden natürlich auch die Brütplätze der Mücken,
besonders Gräben mit stagnirendem Inhalt, ausgewaschen. Der Effect da¬
von war, dass schon mit Anfang November die Zahl der Moskiten zurück¬
ging, und die zweite Hälfte des November geradezu als mückenarm
bezeichnet werden konnte. Gegen ihr Ende zu nimmt die Regenzeit
wieder einen mehr unregelmässigen Charakter an, die schweren Schauer
fallen seltener, und nun erscheinen langsam, immer mehr wieder die
Schaaren von Moskiten. Je nach der Art der Regenzeit wird sich dem¬
gemäss auch die Mückenplage gestalten. Massige Regen in 3- bis 6 tägigen
Intervallen leisten hier ihrer Entwickelung den meisten Vorschub, während
schwere Regen und anhaltende Trockenheit sie vernichtet.
Wenn man das weiss, wird dadurch die Larvenjagd erheblich er¬
lich tert; besonders dass man zur Zeit der schweren Regen, wo das Land
mitunter recht mühsam zu controliren sein würde, ruhig zuwarten kann,
ist für die Ausführung der Prophylaxe ein grosser Vortheil. In der trockenen
Jahreszeit wird die Uebersicht über das Terrain vereinfacht durch die
Verminderung der Zahl der Wasseransammlungen. Aber gerade in der
trockenen Jahreszeit habe ich noch von einem anderen System Gebrauch
gemacht, das den Zweck hatte, die noch fliegenden Mücken in ein leicht
controlixbares Gebiet zu locken. Ich legte an den verschiedensten
Gegenden und Plätzen künstliche Wasserlachen an, in der Erwartung,
dass sie von den noch fliegenden Weibchen, die sonst ihre Eier vielleicht
in für mich unzugängliche Wasser gelegt hätten, aufgesucht würden. Und
das geschah. Ich habe oben schon beschrieben, wie es mir auf solche
Weise glückte, eine ausgekommene Sorte Anopheles wieder einzufangen.
Nun giebt es aber, besonders auf Java, das ich aus eigener An¬
schauung kenne, ausgedehnte Länderstrecken, auf die sich jene prophy¬
laktischen Vorschläge beim besten Willen nicht an wenden lassen: das sind
die Länder des nassen Reisbaues. Dabei handelt es sich um terrassen¬
förmige Anlage der Felder, die je nach dem Gelände mehr oder weniger
Zdtachr. t Hygiene. XLI.
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Wilhelm Schütfner:
steil über einander liegen. Durch kleine Deiche wird ein Feld vom anderen
abgeschlossen, und durch Zu- und Abflüsse wird das von oben kommende
Wasser nach einander über die ganze Reihe der Felder hinweggeführt.
Diese „Sawah’s“ stehen so Monate lang unter Wasser, bis der Reis zu
reifen beginnt. Meilenweite Gebiete werden auf diese Weise in künstliche
Sümpfe verwandelt, und würden der Theorie nach die günstigsten Brut-
plätze für Anopheles abgeben. Wie steht es nun in diesen Districteu.
oder man kann beinahe sagen in ganz Java, das ja zum grössten Theil
in Sawahs angelegt ist, mit Anopheles und Malaria?
Leider lässt mich hier die Litteratur im Stich. Arbeiten, die sich
mit der Malaria auf Java beschäftigen, giebt es wohl eine ganze Zahl,
aber die wenigsten stützen sich auf zuverlässige Blutuntersuchungen. 1
Ich beziehe mich daher nur auf das Buch von: van der Burg. „De
geneesheer in Indie“ (Batavia 1887). In dem Capitel, das er speciell dem
Reisbau widmet, äussert er sich sehr vorsichtig über dessen Einfluss auf
Malaria. Keineswegs seien die Folgen so verderbliche, als sie für Italien
gelten. Inmitten grosser Reisfeldercomplexe gedeiht auf Java ein gesundes
und blühendes Volk. Sogar der Europäer bleibt in solchen Ländern ge¬
sund, nur zur Zeit der Reisernte wird er ab und zu von einer miasma¬
tischen Krankheit befallen, von der man jedoch nicht sicher weiss, ob
man sie als Malaria aufzufassen hat. Andererseits kennt van derBurgim
Küstengebiete schwere Fieberstriche, wo für ihn der malarische Charakter
ganz ausser Zweifel steht.
Ich glaube das genügt, um wenigstens vermuthen zu dürfen, dass
die Länder mit Sawahcultur auf Java keineswegs der Malaria Vorschub
leisten. Van der Burg machte zwar auch keine Blutuntersuchungen,
sein Buch entstand vor der Zeit der Entdeckungen von Laveran und
Celli. Aber das ist auch nicht nöthig, wenn es sich um Verwerthuug
einer Angabe handelt, nach welcher die Malaria in einem Gebiete selten
ist, oder überhaupt vermisst wird. Von allen Krankheiten hat die Malaria
sich gewiss am wenigsten zu beklagen, dass ihre Diagnose zu selten ge¬
macht wird. Ihr Bild ist eben zu ausgesprochen, als dass sie von einem
tüchtigen Praktiker übersehen werden könnte. Ganz unzuverlässig sind
dagegen die positiven Diagnosen: Malaria, die nicht durch Blutunter-
suchuug gesichert wurden.
1 Ich kenne eigentlich nur eine Arbeit, die allen Anforderungen entspricht, die
von van der Scheer aus dem Jahre 1895. Van der Scheer war in Indien der
ferste, welcher die Malaria gut untersuchte, wie er auch der erste gewesen ist, der
ür Mitteleuropa die Funde von Ross und Grassi bestätigt hat. Auf meine be¬
sondere Frage finde ich darin keine Antwort.
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Die Beziehungen d. Malabiapabasiten zu Mensch u. Mücke. 115
In seinen Berichten über die deutsche Malariaexpedition spricht sich
Koch über den nassen Reisbau aus. Ich muss dabei etwas länger ver¬
weilen, weil ich mich nicht zu seinen Ansichten bekennen kann, sondern
vielmehr seine exacten Untersuchungsergebnisse als Stütze meiner An¬
schauungen verwerthen möchte.
Koch hält die Sawah, den „künstlichen Sumpf“, für die gegebenen
Brutplätze der Anophelen, obschon er selbst niemals Larven darin finden
konnte. Je mehr und je näher den Sawahs, um so mehr Anophelen,
uud damit — Koch giebt das ausdrücklich für einen Fieberplatz wie
Ambarawa 1 an — desto reichlichere Malariaerkrankungen. Dagegen steht
nun, dass er Batavia, ganz im Widerspruche zu dessen Ruf, fast frei von
Malariaerkrankungen findet, und dass in Buitenzorg (263 m ), Oenarang (505 m ),
und Soekaboemi (602 m ) nur eingeschleppte Fälle Vorkommen. Und doch
grenzen alle diese Plätze unmittelbar an Sawahs an! Von anderen,
wie z. B. Bandoeng, Tjimahi, deren Umgebung auf unabsehbare Ent¬
fernungen aus Sawahs besteht, ist mir dasselbe bekannt. Warum werden
sie nicht von Malaria heimgesucht?
Koch selbst löst diesen Widerspruch, wenn ich ihn recht verstehe,
indem er aunimmt, dass der Gebrauch von Chinin, das von der Regierung
kostenlos an die Bevölkerung abgegeben wird, die Malaria überall zurück¬
gedrängt habe. Aber sollte diese Rechnung stimmen?
Es wurden durchschnittlich per Jahr 2000 ** Chinin aus dem Reichs¬
magazin in Batavia verabreicht, von dem ein Theil an die Armee ging,
ein Theil wohl auch an die Besitzungen ausserhalb Javas, der grössere
Theil aber jedenfalls der Bevölkerung auf Java zu Gute kam. Selbst an¬
genommen nun, dass die Gesammtmenge von Chinin, die 2000 k? , in Java
von seiner Bevölkerung mit 25000000 Seelen verbraucht wurde, so macht
das auf 12 Seelen erst 1 per Jahr aus. Ja, wenn selbst nur 1 j l0 der
Bevölkerung von dem Chinin Nutzniessuug gehabt hätte, so käme immer
noch weniger als 1 * rra auf einen Kopf. Sollte diese verschwindend kleine
Dosis wirklich jenen gewaltigen Heilerfolg gehabt haben, den ihr Koch
zuschreibt?
1 Ich kenne die Gegend von Samarang bis Ambarawa aus eigener Anschauung
nicht, und kann daher auch nicht erklären, warum sich hier die Malaria so weit von
der Küste entfernt und bis auf 1000“ Höhe steigt. Dass der Sawahbau, der sich
nach Koch bis hoch in die Gebirgsthäler eingenistet hat, daran nicht Schuld sein
kann, ergiebt sich einfach aus der Thatsache, dass so viele andere Gegenden mit der
gleichen Cultur frei davon sind. Vielleicht ist es die Beschaffenheit des Bodens, die
hier wie an der Küste die Anophelen kräftig wachsen lässt. Von Samarang weiss
ich, dass es ein entsetzliches Fiebernest ist.
8 *
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Wilhelm Schüefner:
Noch unsicherer muss diese Wirkung, die jene 2000 ** Chinin gehabt
haben, erscheinen, wenn man bedenkt, dass es ohne Auslese der Fälle,
ja, sagen wir ruhig, ohne rechte Diagnose gegeben wurde. Wurde doch
bis vor Kurzem die mikroskopische Untersuchung des Blutes nur von den
wenigsten Aerzten in Indien geübt! Hätte es kräftig assanirend wirken
sollen, so hätten vor Allem die Kinder, als die hauptsächlichsten Infections-
träger, in Behandlung genommen werden müssen. Ganz abgesehen davon,
dass diese Forderung erst die Frucht neuester Forschung ist, halte ich
es bei dem Charakter des javanischen Volkes fast für ausgeschlossen, dass
die Kinder als Consumenten des Chinins überhaupt in Betracht kommen.
Um Kindern Chinin beizubriugen, dazu gehört neben der Ueberzeugung
von der Nothwendigkeit vor Allem Geduld. Beides fehlt den Javaneu.
wie sollte man es auch anders bei einem solchen Naturvolk erwarten!
Und speciell in der Kindererziehung ist eigentlich der Wille des Kindes
das oberste Gesetz für die Eltern. Mit seinem „tida mau“, ich will
nicht, weiss es sich sehr rasch allen unangenehmen Zumuthungen — und
ist das Chininuehmen etwas anderes? — zu entziehen.
Ebenso wenig wurden die latenten Fälle durch jene Chiningaben der
Regierung besonders getroffen. Um sie herauszulesen und gründlich aus¬
zuheilen, daran dachte vor der Kenntniss des Doppellebens der Malaria¬
plasmodien Niemand. Und da die Leute sich in solchem Zustande meist
nicht einmal besonders krank fühlen, warum sollten sie Chinin nehmen?
Wenn ich nach den Verhältnissen, die ich von hier kenne, urtheilen
darf, so habe ich die feste Ueberzeugung, dass von jenen 2000 ^ Chinin
nur ein kleiner Theil seine Bestimmung erfüllte, der viel grössere aber
bei ganz anderen Krankheiten, die ihrer schweren subjectiven Symptome
wegen den Kranken eher um Medicin bitten liessen, nutzlos, d. h. nutzlos
für die Malariaausheilung verbraucht wurde. So lässt es sich verstehen,
dass auf Java noch eine grosse Zahl von Fieberstrichen bestehen, trotzdem
sich auf sie, wie man wohl erwarten darf, der Chininverbrauch besonders
concentrirt haben wird.
Aber ich möchte noch weiter gehen, und auf Grund dessen, was wir
heute über Immunität wissen, sogar behaupten, dass die Chinindarreichung,
so unzureichend, wie sie auf Java war, an wirklichen Fieberplätzen zu
einer Vermehrung der Morbidität geführt haben muss.
Da, wo Malaria endemisch herrscht, kommt nach Koch’s Unter¬
suchungen unter der wiederholten Infeetion eine volle Immunität bei der
Bevölkerung auf. Dem Immunisirungsprocess sind die Kinder von ihrer
frühesten Kindheit an unterworfen; bereits nach Ablauf des ersten Lebens¬
jahres haben 50 Procent der Kinder die Immunität erreicht, mit etwa
10 Jahren 100 Procent. Dieser natürlich ablaufende Process wird durch
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Die Beziehungen d. Malariaeabasiten zu Mensch u. Mücke. 117
Chinin gestört. 1 Chinin heilt das Fieber, aber nur vorübergehend; sobald
seine Wirkung vorbei ist, sind die Leute von neuem Recidiven oder Neu-
infectionen ausgesetzt. Statt dass also ohne Chinin nur der unter
10 Jahren stehende Theil der Bevölkerung eines Fieberplatzes die Kranken
lieferte, wird mit Chinin, wenn es nur oberflächlich gegeben wird, auch der
ältere Theil der Bevölkerung sein Contingent stellen. Für die Anophelen
entspringt hieraus naturgemäss eine reichlichere Gelegenheit, sich mit
Gameten zu inficiren.
Ganz anders an den Orten, wo Malaria nur ausnahmsweise, oder
eingeschleppt vorkommt. Da ist an einer bessernden Wirkung jeder Dosis
von Chinin gar nicht zu zweifeln.
Was ergiebt sich hieraus, wenn wir diese Ueberlegung auf Batavia,
das angeblich früher verseucht, heute nahezu frei von Malaria gefunden
wird, und seinen Hafen Tandjong Priok, dessen gefährlicher Fiebercharakter
sich gegen früher nicht geändert hat, an wenden? Nichts anderes, als
dass Batavia nie eine Fiebergegend gewesen, während Tandjong Priok
es von jeher war und geblieben ist.
Das Zurückweichen der Malaria, um es vorläufig noch bei diesem
Namen zu nennen, wird also durch die Verabreichung von Chinin an die
Bevölkerung nicht erklärt. Man muss deshalb nach anderen Erklärungen
suchen, und da scheint es mir am plausibelsten, anzunehmen, dass man
früher auf Grund fehlerhafter Diagnosen unter Malaria viel mehr sub-
summirte, als ihr zukam. Diese Annahme deckt sich ganz mit den Er¬
fahrungen, die sowohl Maurer, als auch ich im Laufe der Jahre an der
Ostküste Sumatras haben machen können.
Auch von Deli hiess es früher, dass es ein Fieberland schlimmster
Sorte sei. Mit dieser aus der Litteratur vorgefassten Meinung kamen wir,
der eine früher, der andere später ins Land, und mussten alsbald zu
unserem Erstaunen sehen, dass unsere Blutuntersuchungen mit jenen
Angaben nicht stimmten. Da wir uns Anfangs nicht denken konnten,
dass die früheren Beobachter den genius morbi so sehr verkannt haben
sollten, waren wir viel mehr geneigt, den Fehler in unserer Unkenntniss,
oder in Fehlern der Farbstoffe und Färbungen zu suchen. Erst nach
geraumer Zeit (1897/98) kamen wir darüber zur Gewissheit, dass wir auf
dem rechten Weg waren, dass die Litteratur uns falsch berichtet hatte,
und dass die Verhältnisse mit der Malaria so lagen, wie sie oben ge¬
schildert wurden.
1 Han vergleiche, wag Koch über die Waisenkinder in Samarang sagt. Deutsche
mei. Wochenschrift. 1900. Nr. 49/50.
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118
Wilhelm Schüffner:
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Es liegt uns fern, damit der früheren Zeit einen Vorwurf machen
zu wollen. Wer in den Tropen längere Zeit prakticirt hat und weiss,
wie wir sogar heute trotz aller wissenschaftlichen Hülfsmittel immer von
Neuem vor diagnostische Räthsel gestellt werden, der findet wohl eine
Entschuldigung dafür, dass man früher gern bei der Diagnose Malaria
stehen blieb, wenn man sich nicht mehr Raths wusste. Ausserdem war
das eine Diagnose, mit der das Publicum immer zufrieden war. Aber
gerade, weil dieser Irrthum bis zu einer gewissen Zeit wenigstens absolut
nichts Beschämendes hatte, soll man nicht versuchen, ihn zu bemänteln,
sondern ihn ruhig als solchen einzugestehen.
Ich führe daher das Sinken der Zahlen über Malaria, wie es Koch
in Batavia findet, und wie es z. B. aus den Rapporten der niederländischen
Colonialarmee über die letzten 15 Jahre ersichtlich ist, abgesehen von
sanitären Verbesserungen der Hauptsache nach auf die heutige bessere
Diagnostik bei einem Theil der Aerzte zurück. 1 Als man auch da den
wissenschaftlichen Maassstab an die Diagnose Malaria anzulegen begann,
fielen alle die verschiedenen Anhängsel ab, und die Malaria wurde in
früheren Fiebergegenden ein seltener Gast Ich bin überzeugt, dass mit
der Verallgemeinerung der exacten Malariadiagnose die Ziffern über Malaria
noch weiter heruntergehen werden.
In solcher Beleuchtung verlieren natürlich jene Zahlen aus den
Rapporten und aus der Praxis jeden Werth für eine Beurtheilung der
Epidemiologie der Malaria, und ganz verkehrt würde es sein, mit ihnen
etwas beweisen zu wollen.
Wenn ich nun das alles, was ich anführte, noch einmal übersehe,
so muss die Autwort auf die Frage: wie steht es mit der Malaria und
den Anophelen in den Ländern des nassen Reisbaues? lauten:
Der Sawahbau, so sehr er theoretisch geeignet erscheint, Fieber zu
begünstigen, macht das Land an sich nicht zu einer Fiebergegend.
Unendliche Strecken in Java, die in Sawahs angelegt sind, sind malaria-
frei, oder wenigstens malariaarm. Dieser Zustand ist abhängig von einer
Art relativer Immunität des Bodens gegen Anophelen, über deren Ent¬
stehung ich früher gesprochen habe. Sawahbau ist kein Hinderniss,
um einer Gegend diesen Schutz zu erhalten. Dagegen scheint die
Malaria auf Java ganz den gleichen Gesetzen zu folgen, die ich hier auf
Sumatra finde. Ueberall an der Küste hat sie sich eingenistet und henscht
dort, man kann wohl sagen, seit Jahrhunderten in unveränderter Weise.
Schuld an dieser Verkeilung der Malaria sind die Lebenseigen schäften
der Anophelen. Sie gedeihen dauernd nur an der Küste als ein kräftiger
1 Vgl. Janus 1900. S. 351 ff.
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Die Beziehungen d. Maeariapabasiten zu Mensch u. Mücke. 119
und damit dem Menschen gefährlicher Schlag, zeitweilig wohl auch im
Binnenlande, wenn es ihnen dort gelingt, zusagende Brutplätze zu finden.
Falls nicht aussergewöhnliehe Verhältnisse vorliegen (Ambarawa), die natür¬
lich in jedem einzelnen Falle zu studiren sein würden, verliert aber der
Boden im inneren Lande rasch seine geeignete Beschaffenheit, so dass die
Thiere sich als kräftiger Schlag nicht festsetzen können. So erklären sich
kürzer dauernde Epidemieen von Malaria, unter denen auch das Binnen¬
land ab und zu zu leiden hat. Das ändert aber nichts an der Thatsache,
dass die Malaria im Binnenlande in ihrer Bedeutung ganz
zurücktritt. Unbewusst, oder vielmehr auf die tägliche Lebenserfahrung
hin, haben schon die früheren Colonisten diese Verhältnisse erkannt uad
darnach gehandelt, indem sie tiefer in das Land hineingezogen sind.
Würden sie das gethan haben, wenn ihnen die Länder mit den unend¬
lichen Sawahs die gleichen ungesunden Verhältnisse geboten hätten?
Zur Erhärtung des Gesagten sei hier noch eine eigene Beobachtung
mitgetheilt, die ich an Javanen und damit indirect über Java habe machen
können. Die Tabakgesellschaft, in deren Diensten ich stehe, bezieht
jährlich Hunderte von javanischen Arbeitern, die gewöhnlich über den
Hafen Samarang sich nach hier einschiffen. Die Männer mit ihren
Weibern und Kindern werden aus den verschiedensten Theilen Mittel-
javas (Bagelen, Kedoe, Solo und Djocja) angeworben, Länder, die sämmtlich
unter Sawahcultur stehen. Die Leute sammeln sich dann in Samarang,
wo sie für einige Tage in Schuppen nahe der Küste untergebracht
werden. Von diesen Javanen nun kommen zu gewissen Zeiten (August,
September) bis zu 92 Procent mit frischer Malaria (Tertiana und Perni¬
ciosa) inficirt in Deli an. Ganze Familien, vom Vater bis zum Säugling,
liegen mitunter dann krank an jenen beiden Malariaformen, oder deren
Combinationen.
Die Leute waren nach eigener Aussage und nach ärztlichem Attest,
das ein Jeder mitbringen muss, noch in Samarang gesund. In den
3 bis 12 Tagen, die sie dort auf den Dampfer warten mussten, wurden
ihnen die Malariakeime durh Anophelen inoculirt. Nach verschieden langer
Incubation kam dann die Krankheit auf der Ueberfahrt, die etwa 7 Tage
dauert, oder bei Ankunft in Deli, oder einige Tage später zum Ausbruch.
Früher hat man solche Vorkommnisse gern dem schlechten Klima
von Sumatras Ostküste zur Last gelegt, heute weiss man mit Bestimmt¬
heit, dass der Hafen auf Java es ist, der den Auswanderern als letztes
Gesckenk der Heimath noch die Malariainfection mitgiebt. Die Ver¬
breitung der Malaria kann dort kaum geringer sein als in Rantau Pand-
jaug, dem Fischerdorfe, aus dem ich meine Erfahrungen für Deli bezog.
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120
Wilhelm Schüttnee:
Endlich geht aus dieser Beobachtung hervor, dass es gesunde Leute
waren, die aus dem Binnenlande von da und dort stammend beinahe
sämmtlich der Malaria des Seehafens verfallen. Wenn sie im Binnenlande
Gelegenheit gehabt hätten, sich eine Immunität zu erwerben, so wäre eine
Neuinfection nicht mehr möglich gewesen.
Das Capitel der Mückenvernichtung, auf das ich zum Schluss zurück-
komme, wird auf Grund der geschilderten Verhältnisse in eine ganz be¬
stimmte Richtung gelenkt, die, soweit ich jetzt übersehen kann, für grosse
Gebiete des Sundaarchipeis Geltung haben. Der Kampf gegen die Ano-
phelen hat sich vorerst allein auf die Küsten mit ihren Fieberplätzen zu
concentriren. Aber dort sollte er auch mit aller Euergie und mit allen
verfügbaren Mitteln in Angriff genommen und durchgeführt werden. Das
Binnenland würde davon den grössten Nutzen haben, da die Einschleppung
von Malariakranken und Anophelen vermindert oder ganz abgeschnitten
würde. Es dann noch weiter zu säubern, bliebe eine Cura posterior.
Da wo man Schwierigkeiten von Seiten der Bevölkerung begegnet,
wird natürlich diese Art der Hygiene, ebenso wie die gegen andere Krank¬
heiten, den Rückzug antreten müssen. Aber auf Java, das unter einer
mustergültigen Colonialregierung steht, den eben skizzirten Feldzugsplan
anzupassen und Plätze wie Samarang von Malaria zu befreien, würde ich
für eine der dankbarsten Aufgaben halten.
Sumatra-Deli, 15. I. 1902.
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Die Beziehungen d. Malariapabasiten zu Mensch u. Mücke. 121
Erklärung der Abbildungen.
(Taf. m—VI.)
Tafel HI.
Die Mücken wurden bei durchscheinendem und zugleich auffallendem Lichte
photographirt. Letzteres ist nöthig, wenn man von dem Mückenkörper etwas mehr
wie ein blosses Schattenbild haben will.
Fig. 1 . Anopheles I (Weibchen).
Fig. 2. Anopheles I (Männchen).
Fig. 8 n. 4. Anopheles I (Varietäten).
Fig. 5. Anopheles I sitzend.
Fig. 6. Anopheles Ia.
Fig. 7. Anopheles II.
Fig. 8 u. 9. Anopheles II in seiner steilen Haltung.
Tafel IV.
Fig. 10. Durchschnitt durch die Magenwand des Anopheles. Bei o liegt unter
dem Magenepithel die frisch eingewanderte, kleinste Oocyste, kenntlich an den Pig¬
mentkörnern. Die Innenseite des Magens erkennt man hier wie bei den meisten
anderen Bildern an dem Cuticularsaum der Schleimhautzellen. Vergrösserung Zeiss
Apochrom. u. Proj.-Ocular 2 = 600.2:2.
Fig. 11* Desgleichen. Zwei kleine Oocysten mit matten Umrissen u. schwach
hervortretendem Kern. 600.2:2.
Fig. 12. UeberBichtsbild. Nach links von der Mitte der faltige, leere Magen,
unter dessen Schleimhaut vier Oocysten liegen, eben noch mit blossem Auge als
schwarze Punkte zu sehen. Nach links zu die Eierstöcke, zwischen diesen und dem
Magen Durchschnitte der Malpighi'schen Schläuche. 1000:20. (Planar 20“®.)
Fig. 18. Stärkere Vergrösserung der bei o liegenden Oocyste. Etwa 4. Tag.
600.2 : 2.
Fig. 14. Etwa 6. Tag. Pigmentkörner zu sehen. 600.2:2.
Figg. 15 u. 16. Etwa 6. bis 7. Tag; zwei verschiedene Schnitte des gleichen
Parasiten; aof Fig. 18 ist eine Vacuole getroffen. In beiden Schnitten liegt Pigment.
600.2:2.
Fig. 20. Uebersichtsbild. 1000 : 20.
Fig. 21. Die in Fig. 20 enthaltene Cyste stark vergrössert. Hier ist die Ein¬
bettung zwischen Mucosa und der elastischen Muskelhaut des Magens, die von beiden
Seiten über die Kugel hinzieht, erkennbar. 600.2:2.
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122 W. Schüffner: Die Bezeichnung d. Malariapabasiten u. s. w.
Tafel V.
Fig. 17. Uebersichtsbild. Die Einbettung der Cysten zwischen Mucosa und
die elastische Mnskelhaut des Magens ist hier weniger deutlich, da der Schnitt nur
ein flaches Segment vom Magen abschneidet. Aber für das Grössenverhältniss giebt
der Schnitt einen Anhalt. 1000:20.
Fig. 18. Halbreife und reife Oocysten, scheinbar zwischen einem Malpighi’-
sehen Schlauch und dem Magen liegend. Die ausser der Reihe, etwas nach rechts
liegende dritte Cyste ist die jüngste, etwa 8. Tag, dann folgt die vierte unten, etwa
9. Tag, endlich die beiden oben liegenden, 10. und 11. Tag. 500.4:8. (Comp.-Ocul.)
Fig. 19. Structurbild der beiden reifen Oocysten. Die Sporozoiten sind in
allen Richtungen getroffen. 600.2:2.
Figg. 22 u. 23. Reife Cyste, bei verschiedener Einstellung. Grössere Sporo¬
zoiten als auf der Fig. 19. Structurbild ein ganz anderes. 600 .2:2.
Fig. 24. Dieselbe Oocyste, im nächstfolgenden Schnitt. 600.2:2.
Fig. 25. Uebersichtsbild über Kopf und Thorax der Mücke. Unmittelbar an
der Ansatzstelle des Halses liegen die Giftdrüsen im Thorax. Im Schnitt sind die
drei Lappen getroffen. Der mittlere zeichnet sich durch seine besondere Strnctur
aus. Der oberste Lappen, direct unter der Trachea gelegen, ist mit Sporozoiten in-
ticirt. 1000:20.
Fig. 26. Drüsenlappen mit quer und längs getroffenen Sporozoitenhaufen in
den Drüsenzellen. 600.2:2.
Tafel VI.
Fig. 27. Mittlerer Drüsenlappen mit Sporozoiten in den Zellen und im Secret.
600.2:2.
Figg. 28 u. 29. Starke Yergrösserung des obersten Drüsenlappens in Fig. 16
bei verschiedener Einstellung. Grosse Sporozoiten. 600.2:2.
Fig. 30. Sporozoiten im Lumen des Läppchens. Kleinere Sporozoiten
600.2 : 2.
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[Aus den pharmakologischen Instituten der Universitäten Breslau u. Jena.]
Ueber die chronische Sulfitvergiftung.
Von
Prof. H. Kionka und Dr. L. Ebstein
ln Jena. ln Breslau.
(Hieran Taf. TU.)
Bereits vor 6 Jahren hat der Eine von uns in dieser Zeitschrift 1
Untersuchungen mitgetheilt über die Giftwirkungen der schwefligen Säure
und ihrer Salze und daraus die Unzulässigkeit derselben zur Conservirung
von Nahrungsmitteln abgeleitet. Namentlich wandte er sich gegen den
Brauch, dem Fleische, besonders dem Hackfleische sogenannte Präserve-
salze zuzusetzen, welche sämmtlich aus mehr oder weniger (mit Natrium¬
sulfat) verunreinigtem schwefligsauren Natron bestehen, zuweilen mit einem
Zusatz von Kochsalz. Diese Präservesalze werden von den Fabriken an
die Fleischer in Packungen zu 1 ^ abgegeben, welche aussen einen Auf¬
druck betreffend die Verwendung besitzen. Es wird darin empfohlen, das
Salz in einer Menge von 1 bezw. 2 g auf 1 ** Fleisch zuzusetzen. In dieser
Weise verwandt soll es der Gesundheit nicht naohtheilig werden.
Gegen diese Angabe wandte sich die oben erwähnte Abhandlung, uud
auf Grund von mehreren Versuchen an Hunden kam Verfasser zu dem
Schlüsse, dass das Präservesalz auch in den zur Behandlung des Fleisches
behufs Conservirung angegebenen Mengen eine ausgeprägte Giftwirkung
besitze, und dass, da der Mensch sich wahrscheinlich den schwefligsauren
Salzen gegenüber nicht anders verhalten dürfte als der Hund, die An¬
wendung der schwefligsauren Salze zur Fleischconservirung unstatthaft sei.
1 H. Kionka, Ueber die Giftwirkung der schwefligen Säure und ihrer Salze
und deren Zulässigkeit in Nahrungsmitteln. Diese Zeitschrift . 1896. Bd. XXII.
S. 359.
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124
H. Kionka und L. Ebstein:
Diesen Standpunkt nahm auch das Kaiserliche Gesundheitsamt ein,
welches in einer im October 1898 veröffentlichten Denkschrift 1 sich wie
folgt ausdrückt: „Der regelmässige Genuss von Hackfleisch, welches mit
schwefligsauren Salzen versetzt ist, vermag die menschliche Gesundheit,
namentlich von kränklichen und schwächlichen Personen zu schädigen.“
Es wird daher vor der Verwendung dieses Conservirungsmittels gewarnt.
In Folge dessen wurden an verschiedenen Orten Verbote gegen die Ver¬
wendung der Präservesalze erlassen. Es erfolgten verschiedentlich auch
Verurteilungen von Fleischern, welche trotzdem schwefligsaures Salz dem
Fleische zugesetzt hatten, wegen Vergehens gegen das Nahrungsmittelgesetz,
und die Frage nach der Schädlichkeit der schwefligsauren Salze wurde
besonders in der Fleischerpresse vielfach erörtert.
Im Laufe des letzten Jahres erschienen mehrere Veröffentlichungen 5 ,
welche auf Grund neuer ebenfalls an Hunden angestellter Versuche die
völlige Unschädlichkeit des schwefligsauren Natrons behaupteten und die
gegenteiligen Befunde der früheren Untersuchungen als unrichtig hin-
steil ten.
Diese Angriffe waren es vornehmlich, welche uns bewogen, noch¬
mals an eine sorgfältige experimentelle Prüfung dieser Frage heran¬
zugehen. Ueber die Resultate unserer neuen Untersuchungen hat der
Eine von uns bereits kurz in einer vorläufigen Mitteilung 8 berichtet.
Er hat auch Gelegenheit genommen, die gegen ihn gerichteten Angriffe
zurückzuweisen 4 und hat die Unzulänglichkeit der anderweitigen Unter¬
suchungen und die Haltlosigkeit ihrer den unserigen entgegengesetzten
Angaben klafgelegt.
Diese beiden kürzlich erschienenen Mitteilungen haben inzwischen zu¬
gleich mit früheren Untersuchungen als Grundlage gedient für die tech¬
nische Begründung® zu dem am 18. Februar 1902 veröffentlichten Bundes-
1 Denkschrift über das Färben der Wurst sowie des Sack - u. Schabefleisches.
Berlin, October 1898.
* Lebbin, Eine Beweisführung für die Unhaltbarkeit der Denkschrift des
Kaiserl. Gesundheitsamtes. Deutsche Wurstfabrikantenzeitung. Beilage der Allgem.
Fleischerzeitung. 28. Februar 1901. — Derselbe, Die Conservirung und Färbung
von Fleischwaaren. Mit einem Vorwort von Dr. med. Oscar Liebreich. (Broschüre.)
Berlin 1901. — Lebbin und Kallmann, Ueber die Zulässigkeit schwefligsaurer
Salze in Nahrungsmitteln. Zeitschrift für öffentt. Chemie. 1901. S. 324. — 0.Lieb¬
reich, Ueber das schwefligsaure Natron als Conservemittel des Hackfleisches. AersU.
Sachverständigenzeitung. 1901. Nr. 24.
* H. Kionka, Die Giftwirkungen des als „Präservesalz" zur Fleischconservirung
verwandten schwefligsauren Natrons. Deutsche med. Wochenschrift. 1902. Nr. 6.
4 Derselbe, Die Unzulässigkeit des schwefligsauren Natrons (Präservesalz) zur
Fleischconservirung. Aerztl. Sachverständigenzeitung. 1902. Nr. 4.
5 Reichsanzeiger. 24. Februar 1902. Erste Beilage.
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Über die chronische Suefitvergiftung.
125
rathsbeschlusse 1 über gesundheitsschädliche und täuschende’ Zusätze zu
Fleisch und dessen Zubereitungen gemäss § 21 des Fleischbeschaugesetzes.
Wir halten es daher für unsere Pflicht, unsere Untersuchungen aus¬
führlich mit Wiedergabe der Protokolle zu veröffentlichen und wählen
hierzu gerade diese Zeitschrift, weil in ihr auch die ersten grundlegenden
experimentellen Untersuchungen über diesen Gegenstand niedergelegt
worden sind. _
Unsere Untersuchungen waren nur auf die Entscheidung der Frage
gerichtet: Ist der fortgesetzte Genuss von Hackfleisch, welches mit der im
Fleischereibetriebe üblichen Menge schwefligsauren Natrons versetzt ist,
geeignet, die Gesundheit zu schädigen?
Zu den Versuchen, welche im pharmakologischen Institut der Uni¬
versität Breslau vorgenommen wurden, dienten 6 Hunde.
Die Arbeit wurde zwischen uns in der Weise getheilt, dass der Eine
(fvionka) die Anordnung der Versuche traf, die Fütterungen überwachte
und die Hunde während der Versuchszeit beobachtete. Die Obductionen
wurden gemeinschaftlich ausgeführt. Der Andere (Ebstein) nahm als¬
dann die mikroskopische Untersuchung der Organe vor.
Die Anordnung der Versuche war folgende: Die anscheinend ge¬
sunden Hunde wurden in luftigen, geräumigen Käfigen gehalten (konnten
sich bei guter Witterung auch im Freien aufhalten), täglich genau auf
ihren Gesundheitszustand beobachtet und öfters gewogen. Von der Vor¬
nahme genauerer Untersuchungen, namentlich auch solcher des Harns und
der Excremente, welche ein Einsperren der Hunde in enge Stoffwechsel¬
käfige nöthig gemacht hätte, wurde Abstand genommen, da wir den Thieren
während des ganzen Versuches möglichst günstige Lebensbedingungen er¬
halten wollten.
Als Nahrung erhielten die Thiere nach ein paar Tagen vorgängiger
Beobachtung durch 64 bis 67 Tage täglich zur selben Stunde eine abge¬
wogene Fleischration mit einem gleichfalls genau abgewogenen Zusatz von
Natriumsulfit bezw. Präservesalz. Zunächst wurde mit kleineren Fleisch¬
rationen begonnen, und erst allmählich gingen wir mit den Tagesquanten
steigend zu grösseren Fleischmengen über, welche indessen stets auf einer
mässigen Höhe gehalten wurden. Das verfütterte Fleisch war Rindfleisch.
Dasselbe wurde in ganzen Stücken von einem uns persönlich als zuver¬
lässig bekannten Fleischer bezogen, welcher die schriftliche Erklärung ab¬
gab, dass das gelieferte Fleisch stets völlig frisch und ohne jeden Zusatz
eines Conservirungsmittels sei. Beim Eintreffen im Institut wurde das
Fleisch besichtigt und auf seine Genussfähigkeit geprüft. Alsdann wurde
1 Reichs-Gesetzblatt. S. 48.
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126
H. Kionka und L. Ebstein:
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es sofort von Sehnen und Fett befreit, in der Hackmaschine zerkleinert
und von dem so hergestellten Hackfleisch für jeden Hund die bestimmte
Tagesmenge abgewogen. Jeder einzelnen Ration wurde alsdann die be¬
treffende Menge von Natriumsulfit bezw. Präservesalz zugemischt —
Ausser dieser Fleischration erhielten die Hunde noch Abends (in gleicher
Weise wie die zu anderen Versuchen dienenden Hunde) einen aus Kohle¬
hydraten (Brod, Mehl, Kartoffeln) und Fett bezw. Knochenbrühe herge¬
stellten Brei. Hiervon konnten sie beliebige Mengen fressen.
In Bezug auf die Sulfitdarreichung wurden die Hunde in zwei
Gruppen getbeilt Drei der Thiere erhielten ein von E. Merck in Darm¬
stadt bezogenes Natrium sulfurosum purum crystallisatum pro
analysi, also ein chemisch möglichst reines Präparat. — Die 3 anderen
Hunde bekamen als Zusatz zum Fleisch ein vom Händler bezogenes Prä¬
servesalz. Es wurden 3 Packete ä 1 kg gekauft, deren Inhalt gleichmässig
und rein erschien. Alle 3 ** wurden alsdann vermischt; die Mischung
diente zur Fütterung.
Sowohl von diesem Mischpräparat sowie von dem von Merck be¬
zogenen Salze wurden in liebenswürdigster Weise von Herrn Professor
Dr. Bernhard Fischer, dem Director des städtischen chemischen Unter¬
suchungsamtes in Breslau chemische Analysen angestellt. Es ergab sich
bei dem Merck’schen Präparat ein Gehalt von 22*60 Procent S0 2 , bei
dem anderen Salze ein solcher von 25*39 Procent. Beide Präparate er¬
wiesen sich ferner als frei von Arsen und Metallen, die von Schwefelwasserstoff
oder durch Schwefelammon gefällt werden. — Die beiden Salze waren
demnach im Grossen und Ganzen in ihrer Zusammensetzung einander
gleich. Das Präservesalz enthielt, wie eine später vorgenommene Analyse 1
ergab, etwas mehr Natriumsulfat, welches in dem Präparate von Merck
nur in geringer Menge vorhanden war. Dafür hatte es durch Verwitterung
ein wenig an Wasser eingebüsst.
In der einen Versuchsreihe erhielten die Hunde Fleisch, welchem
wie in den oben citirten früheren Versuchen und gemäss der früherauf
1 Die Zahlen der Analyse lauteten:
I. Präservesalz ist zusammengesetzt aus:
Natriumsulfit Na ii S0 3 .... 35-03 Procent
Natriumsulfat Na,S0 4 .... 20*48 „
Wasser. 43*33 „
98*84 Procent
II. Natrium sulfurosum purum (Merck) ist zusammengesetzt aus:
Natriumsulfit Na^SOj .... 38*23 Procent
Natriumsulfat Na*S0 4 . . . . 11*75 „
Wasser. 49*68 „
99*96 Procent
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Über die chronische Sulfitvergiftung.
127
den Präservesalzpacketen gegebenen Anweisung 0*2 Procent Natriumsulfit
(Merck) zugesetzt war. Da aber inzwischen die von dem Fabrikanten
als Zusatz empfohlene Präservesalzmenge auf die Hälfte verringert worden
ist, so erhielten die 3 Hunde in der zweiten Versuchsreihe Fleisch mit
nur 0-1 Procent Präservesalzzusatz. Während der ersten Tage bekamen
die Hunde — wie oben schon bemerkt in allmählich steigender Menge —
nur Fleisch ohne Sulfitzusatz. Die Fütterung von Fleisch mit Salz dauerte
bei den einzelnen Thieren 64 bis 67 Tage. Hierauf folgten 2 Tage ge¬
mischter Kost, und dann wurden die Thiere durch Verbluten getödtet.
Da nach den Erfahrungen der früheren Untersuchungen 1 zu erwarten
stand, dass die Thiere intravitale Gefässverlegungen aufweisen würden, so
wurde bei 2 Thieren (von jeder Versuchsreihe 1 Hund) die — sehr all¬
mählich ausgeführte — Verblutung mit der im Breslauer pharmakologischen
Institut eingeführten Methode der intravitalen Durchspülung mit 0*75 Proc.
Kochsalzlösung combinirt. Auf diese Weise hoben sich dann in der Leiche
an den im Uebrigen völlig anämisch erscheinenden Organen alle die
Stellen in ihrer ursprünglichen Farbe ab, welche durch eine intra vitam
bestehende Gefässverlegung von der Kochsalzausspülung unberührt ge¬
blieben waren.
Die in dieser Weise angestellten Untersuchungen ergaben folgende
Befunde:
Die Thiere zeigten während der ganzen Zeit der Fütterung ein voll¬
kommen normales Verhalten. Der Appetit war stets gut, die Stuhl-
entleerungeu erfolgten regelmässig, der Koth war stets von normaler Con-
sistenz. Das Körpergewicht nahm bei allen Hunden in der ersten Zeit der
Fleischfütterung etwas zu, dann hielt es sich ungefähr auf gleicher Höhe.
Nur zwei Hunde zeigten während des Versuches etwas Besonderes.
Mit Rücksicht auf die früher schon gefundene Blutgiftwirkung der Sulfite
und in Anlehnung an einige in der Litteratur niedergelegte anderweitig
gemachte Angaben*, dass Sulfite Abort bezw. Frühgeburt und Nach¬
blutungen erzeugen, wurden auch zwei trächtige Hündinnen zu den
Versuchen herangezogen. Die eine abortirte (am 28. und am 30. Tage
der Fütterung je ein todtes Junges), die andere warf zu früh ein fast
ausgetragenes todtes und drei lebeusschwache Junge, von denen zwei
bald nach der Geburt starben, und das dritte, trotzdem es einer gesunden
1 Vgl. Kionka. Diese Zeitschrift. Bd. XXII. S. 384.
* Gesetz von Kaiser Maximilian, gegeben 1497 beim Reichstagsabschied in
Freiburg i/B., citirt bei Kionka, diese Zeitschrift. Bd. XXII. S. 393.
Bernatzik and Braun, Ueber die Anwendung der schwefligsauren Salze und
der schwefligen Säure bei den Erkrankungen der Wöchnerinnen. Wiener medicin.
Wochenschrift. 1869. Jahrg. XIX.
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Original frum
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128 H. Kton ka und L. Ebstein:
säugenden Hündin angelegt wurde, doch nach 14 Tagen einging. Beide
' Hündinnen hatten bei dem Fehlwurfe mehrere Tage andauernde Blutungen.
Wenn so intra vitam — abgesehen von den zuletzt erwähnten beiden
Thieren — an den Hunden nichts Pathologisches zu beobachten war, so
zeigten nach der Tödtung die Organe sämmtlicher Versuchstiere
schwere Veränderungen mannigfachster Art. Es handelte sich vorwiegend
um Blutungen, sodann um entzündliche hezw. degenerative Processe und
— bei den beiden „ausgespülten“ Thieren wahrnehmbar — um intra-
vitale Gefassverlegungen; zum Theil waren die geschilderten Veränderungen
schon makroskopisch zu sehen. Eine genaue mikroskopische Untersuchung,
welche an frischen Gefrierschnitten sowie an verschieden behandelten
Dauerpräparaten vorgenommen wurde, bestätigte die makroskopischen Be¬
funde bezw. erweiterte sie.
Die Einzelheiten in der Versuchsanordnung sowie die bei den ein¬
zelnen Thieren erhobenen Befunde mögen ausführlich durch die folgenden
Protokolle wiedergegeben werden:
Versuchsreihe A.
2 Natrium sulfurosum purissimum (Merck): 1000 ?rm Fleisch.
Versuch I.
Hündin HI. Anscheinend normales Thier.
Den 9. IH. bis 11. HI. gemischte Kost.
Den 12.111. K.-G. 1 : 4300 s 1 “. — 250 gnn Fleisch; die folgenden Tage
gleiche Kost.
Den 14.111. K.-G.: 5200 grm . — 250ff™ Fleisch +0-5*"“ Natr. sulfuros.;
weiter desgl.
Den 18. IH. K.-G.: 5000 grm . — 375 * rm Fleisch + 0.75s™ Natr. sulfuros.
Dieselbe Fleisch- und Sulfitration bis zum 19.V. (Schluss der Fleischfutterung).
Den
21. HI.
K.-G.:
5500
Den
28. IV.
K.-G.
6600 s™
ff
24. III.
ff
5200 „
ff
2. V.
ff
6500 „
ff
28. III.
ff
5000 „
ff
7. V.
ff
5500 „
ff
l.IV.
ff
5500 „
ff
15. V.
ff
6000 „
ff
10. IV.
ff
6500 „
ff
19. V.
ff
5900 „
ff
15. rv.
ff
5400 „
ff
20. V.:
gemischte Kost ohne
ff
19. IV.
ff
5400 „
Natr. sulfuros.
ff
26. IV.
ff
5600 „
ff
21. V.
K.-G.:
5700
Das Thier wird durch Ausspülung getödtet.
Der Hund erhielt während 69 Tagen im Ganzen 25-125 kg Fleisch,
während 67 Tagen ausserdem 48 • 05 gTm Natrium sulfuros. (enthalten in
20-625 k * Fleisch).
Während des ganzen Versuches zeigte der Hund keinerlei Kiankheits-
erscheinungen.
1 K.-G. = Körpergewicht.
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ÜBEB DIE CHBONISCHE SuLFITVERGEFTUNG.
129
Die intravitale Ausspülung mit 0*75 Procent Kochsalzlösung, während
welcher der Hund starb, wurde sehr langsam ausgeführt; sie dauerte
45 Minuten. Verblutungskrämpfe waren nur angedeutet.
Die Obduction wurde sofort vorgenommen.
Befund: Sämmtliche Organe sind anämisch.
An beiden geblähten Lungen disseminirte hellrosarothe runde, das
Niveau nicht überragende Flecke von Hanfkorn- bis Linsenkorngrösse. Hin
und wieder sind die Flecken gruppirt, besonders an den unteren Lungen¬
rändern. ln der Mitte jedes Fleckes ein kleines stichförmiges, dunkleres
Pünktchen.
Herz: Höhlen nicht erweitert, Klappen zart, nicht verdickt. Das
Myocard frei von Verfettungen, von rother, normaler Farbe. Im linken
Ventrikel zeigt das Endocard unterhalb des Mitralringes eine endocarditische,
getrübte, nicht spiegelnde Fläche, deren Grund eine Reihe kleiner, punkt¬
förmiger Blutungen trägt; keine Thromben. Das Endocard des rechten
Ventrikels spiegelnd, anscheinend ganz normal.
Leber von auffallend citronengelbem Timbre, keine makroskopischen
Hämorrhagieen, keine deutliche acinöse Zeichnung. — Gallenblase: Auf¬
fallend dicke Wand und anscheinend hypertrophische, stark injicirte Schleimhaut.
Magen: Am Pylorus kleine stichformige, ältere (braune) und neuere
Blutungen.
Darm: Ohne Besonderheit.
Milz: Ohne Besonderheit.
Nieren: ln der Randzone auf dunkelbraunem Grunde parallele, weiss¬
gelbliche, pallisadenförmige Strichelung. Markkegel frei. Keine makro¬
skopischen Hämorrhagieen.
Mikroskopische Untersuchung.
Stückchen von Leber und Niere werden sofort mit einem Gefrier¬
mikrotom geschnitten. Ein Theil der Schnitte wird frisch, ein Theil mit
Osmiumsaure behandelt und nach 24 Stunden untersucht.
Die frischen, ungefärbten Schnitte zeigten Folgendes:
Leber: Die Zellen gequollen und erfüllt von kleinsten und kleinen
Fetttröpfchen; vereinzelt, meist zwischen den Acinis Blutpunkte.
Niere: In den Tubulis contortis gequollene Epithelien mit undeut¬
lichen Kernen. Auch hier die oben geschilderten Blutpunkte, aber spärlicher.
Osmium präparate:
Leber: In den im Allgemeinen trüb geschwollenen Leberzellen zahl¬
lose kleinste, geschwärzte Fetttröpfchen.
Niere: Allgemeine trübe Schwellung des Parenchyms; an einigen Stellen
in den Epithelien der Tubuli contorti deutliche schwarze Fetttröpfohen.
Dauerpräparate.
8tückchen von der Lunge, dem Herzmuskel, der Milz, der Niere, der
Leber und die Gallenblase werden in 10 Proc. Formol und in Alkohol von auf-
steigender Concentration (96 Procent und absolutem Alkohol) gehärtet. Nach
Durchgang durch Alkoholäther Einbettung in Celloidin. Mikrotomschnitte
sümmtlicher Organe werden mit Hämatoxylin-Gage und van Gieson-Lösung
gefärbt.
ZettMhr. t Hygiene. XU.
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Original fram
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130
H. Kionka und L. Ebstein:
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Befund.
Lunge: Unterhalb der Pleura zum Hilus hin an Dichte und Zahl ab¬
nehmend sind zahlreiche Alveolen mit frischen Blutergüssen ausgefüllt. Die
hämorrhagisch infiltrirten Alveolen sind gleichsam gebläht im Vergleich zu
dem engmaschigen Netzkern der benachbarten lufthaltigen Alveoli. Die
Bronchien sind frei, die Gefässe blutleer. Die Pleura über den hämorrha¬
gisch infarcirten randständigen Alveolen zeigt keinerlei Reizung.
Herzmuskel: DasMyocard zeigt ausschliesslich unterhalb des Endocard?
eine Reihe ziemlich ausgedehnter frischer Blutungen, die am mächtigsten
unter dem Endocard selbst sich allmählich nach dem Innern des Myocards
verlieren. Die Blutergüsse sind bald strichförmig, bald bilden sie rundliche
oder längliche Flecken, die die Muskelfasern von einander drangen und nicht
selten durch zarte, den Muskelfasern parallel verlaufende Verbindungslinien
mit einander communiciren. Das Endocard oberhalb der Blutungen zeigt
nichts Abnormes.
Die Herzmuskelfasern selbst sind überall kernhaltig, zeigen nirgends
trübe Schwellung oder irgend welche Degeneration.
Milz: Ohne Besonderheit.
Niere: Im Nierenquerschnitt fällt zunächst ein ganz besonderer Kern¬
reichthum der Gegend in und um die Glomeruli auf. Die Grenzen der
Glomeruli gegen das umgebende Gewebe verwaschen durch Kleinzellen¬
anhäufung; im Gegensatz zu den meisten Glomerulis ist an manchen Stellen
der Gefässknäuel von der Kapsel abgedrängt durch ein nicht selten hämor¬
rhagisches, intracapsuläres Exsudat. Die Tubuli contorti enthalten hie und
da Querschnitte von cylindrisch formirtem Blut, seltener hyalinen Cylindern.
Das Epithel der Tubuli ist an vielen Stellen kernlos, gequollen. Die Tubuli
recti zeigen zahlreiche Blutcylinder.
Leber: Die Leber zeigt eine allgemeine Erweiterung der Gallengänge.
In den Leberzellen selbst sicht man dunkelgrüne Gallenconcremente, die den
hellviolett gefärbten Grundton des Gewebes stellenweise gelbgrünlich-biliös
verfärben. Die Leberzellen selbst enthalten in grosser Zahl eine oder mehrere
runde, scharf begrenzte Fettvacuolen.
Die Gallenblase zeigt neben auffallend grossen Lymphfollikeln eine
entzündliche Infiltration der Subserosa und des überziehenden Peritoneums.
Auf der Ausscnfläche der Gallenblase liegt eine fibrinös kleinzellige ent¬
zündliche Auflagerung, während die Subserosa eine auffallend starke Gefäss-
füllung und strichförmige, kleinzellige Infiltration aufweist.
Versuch II.
Pudelhündin II — trächtig.
Den 9. III. bis 11. III gemischte Kost.
Den 12. III. K.-G. 6200*™. — 250 * rm Fleisch; desgl. am nächsten Tage.
„ 14.III. „ 5900 „ — 250*™ Fleisch + 0-5ß™ Natr. sulfuros.:
weiter desgleichen.
Den 18. III. K.-G. 6100
Den 19. III. 375 * rm Fleisch + 0.75 Natr. sulfuros. Dieselbe Fleisch-
und Sultitration bis zum 9. IV.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Über die chronische Sul.fitveroiftuno.
131
Den 21. III. K.-G. 6400 8™.
25. III. „ 6400 „
„ 28. III. „ 6400 „
„ l.IV. „ 6900 „
„ 9. IV.: Das Thier sieht matt aus, frisst schlecht, Blutungen aus
den Genitalien.
Den 10. IV. Abort: 1 Junges; spärliche Blutungen. — Nahrung ver¬
weigert.
Den 11. IV. Blutungen. Nahrung verweigert.
Den 12. IV. Abort: 1 Junges. Nahrung verweigert.
Den 13. IV. nur noch spärliche Blutungen; frisst wieder: 375 grra Fleisch
4- 0.75 g ™ Natr. sulfuros. Dieselbe Fleisch- und Sulfitration bis zum 19. V.
(Ende der Fleischfütterung).
Den 15. IV. K.-G. 5700 *™.
., 19. IV. „ 5400
27. IV. ., 5600 „
„ 2. V. ,. 5800 „
7. V. ,. 6000 „
„ 15. V. „ 6400 „
„ 19. V. „ 6200 „
,, 20. V. und 21. V. gemischte Kost ohne Natr. sulfuros.
,, 22. V. K.-G. 6000 8™. — Das Thier wird durch Verbluten getödtet.
Der Hund erhielt während 66 Tagen im Ganzen 23.875 k 8 Fleisch,
während 64 Tagen ausserdem 44* 275 g ™ Natr. sulfuros. (enthalten in
23*375 *8 Fleisch).
Ausser dem geschilderten Abort mit Blutungen zeigte der Hund während
der Versuchszeit keinerlei Krankheitserscheinungen.
Das Verbluten geschah durch Oeffnen der Carotiden. Kaum nennens-
werthe VerblutuDgskrämpfe.
Die Obduction wurde sofort vorgenommen.
Befund:
Lungen auch gebläht, nirgends Hämorrhagieen oder Einziehungen.
Herz: Intacta Klappen und ein gesundes Myocard. — Der linke Ven¬
trikel zeigt wandständig unter dem Endocard, das selbst überall spiegelt und
eine leicht graue Färbung aufweist, mehrere ziemlich frische Blutungen. —
Rechter Ventrikel ohne Besonderheit.— Aorta, Pulmonalis und Gefiiss-
stämme zeigen überall intacte spiegelnde Intima.
Leber: Besitzt namentlich an den Rändern einen deutlich blutigen
Farbenton, der sich nicht abwischen lässt und der bei Lupenbetrachtung
folgendes Bild bietet: Die Acini sind blutig umrändert, im Centrum der¬
selben sieht man je einen blutrothen Punkt. — Keine makroskopischen
Verfettungen. — Gallenblase ohne Besonderheit.
Magen: Am Pylorus sehr vereinzelte kleine, stichförmige, ältere (tabak¬
braune) Blutungen.
Darm: An der Valvula Bauhini findet sich an dem aufgeworfenen
Rande eine kleine Blutung.
Milz: Ohne Besonderheit.
Nieren: bieten schon äusserlich das Bild grosser, bunter Nieren (wie
in Versuch 1): gelbe, röthliche Bezirke, unregelmässig mit einander ab-
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132
H. Kionka und L. Ebstein:
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wechselnd. Auf dem Querschnitt weissgelbliche, pallisadenformige Strichelung
in der Randzone, — in der Grenzschicht, die im Allgemeinen verbreitert
ist, deutliche Verfettungen (roBa Ton), — in den Markkegeln leicht röth-
liche Verfärbungen.
Blase und Genitalien ohne Besonderheiten; keine Blutungen.
Mikroskopische Untersuchung.
Stöcke von der Leber, der Milz und dem Myocard wurden in 10 procent.
Formol und in Alkohol von aufsteigender Concentration gehärtet und in
Celloidin eingebettet. Mikrotomschnitte gefärbt mit Hämatoxylin-Delafield
und van Gieson.
Befund.
Leber: Die Leber zeigt in der Umgebung der Venae centrales fast in
jedem Acinus kleine stippchenförmige Blutaustritte. Die Lebergefässe zeigen
normalen Blutgehalt, die Leberzellen selbst keinerlei Besonderheiten.
Milz: Ohne Besonderheit.
Myocard: Der durch die ganze Dicke der Herzwand geführte Schnitt
zeigt zahlreiche subendocardiale und von dem Endocard ziemlich weit ins
Herzmuskelfleisch sich erstreckende Blutaustritte. Unterhalb des Endocards
bilden dieselben eine ziemlich breite, hämorrhagische subendocardiale Schicht,
von der aus sich die Hämorrhagieen trabekelartig pericardialwärts fortsetzen,
um sich allmählich in feine strichformige Enden zu verlieren. Die senk¬
recht zum Verlauf der HerzmuBkelform gestellten Blutungen hängen durch
hämorrhagische, den Herzmuskelfasern parallel laufende Streifen zusammen.
Die Herzmuskelfasern selbst sind normal (Taf. VH, Fig. 1).
Versuch HL
Hündin I. — Anscheinend normales Thier.
Den 9. III. bis 11. IH. gemischte Kost.
Den 12. HI. K.-G. 8300 gri *'. — 250 frm Fleisch; desgl. am nächsten Tage.
„ 14. HI. „ 7300 „ —376 Fleisch + 0*76 Natr. sulfuros.;
weiter desgleichen.
Den 18. HL K.-G. 8000 s"“.
Den 19. IIL 600 81111 Fleisch + 1 • 0 grra Natr. sulfuros. Dieselbe Fleisch-
und Sulfitration bis zum 19. V. (Ende der Fleischfütterung).
Den
21. HL K.-G.
8100p™.
11
25. HI.
11
8000
11
11
28. HI.
11
7800
11
11
l.IV.
11
8500
19
11
10. IV.
11
8500
11
11
15. IV.
11
8500
11
11
19. IV.
11
8400
11
11
26. IV.
11
8600
11
11
27. IV.
11
8600
11
11
2.V.
11
8600
11
11
7. V.
11
8400
11
11
15. V.
11
8600
11
11
19. V.
11
8300
11
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Über die chbonische Sulfitvergiftung.
133
Den 20. V. und 21. Y. gemischte Kost ohne Natr. snlfuros.
„ 22. Y. K.-G. 7950 gnn .— Das Thier wird durch Verbluten getödtet.
Der Hund erhielt während 69 Tagen im Ganzen 32*875** Fleisch,
während 67 Tagen ausserdem 65*75* rm Natr. sulfuros. (enthalten in 32* 375 k *
Fleisch).
Der Hund zeigte während der Vergiftung keinerlei Krankheitserschei¬
nungen.
Unmittelbar nach der durch Oeffnen der Carotiden vorgenommenen
Tödtung, wobei sich fast gar keine Verblutungskrämpfe einstellten, wurde
die Obduction ausgeführt.
Befund.
Lungen: Ohne Besonderheit.
Herz: Klappen intact und zart. Myocard ohne Degenerationen oder
Blutungen. Endocard zeigt im linken Ventrikel und zwar an der Spitze
und verstreut in kleinsten Spuren unterhalb dfes Mitralostiums subendo-
cardiale kleine Hämorrhagieen älteren Datums. Endocard spiegelt. Rechter
Ventrikel ohne Besonderheit.
Leber: Von braunröthlichem Farbenton. An den Rändern verstreute,
kleinste Hämorrhagieen, keine deutliche acinöse Zeichnung.
Magen: Schnupftabakbraune, stippchenformige Blutungen am Pylorus.
Darm: Im untersten Theil des Dünndarmes und im Coecum multiple
Schwellung der Peyer’schen Plaques und der solitären Follikel; dabei ent¬
zündliche Schwellung und Röthung der Darmmucosa im Allgemeinen.
Nieren: Grosse bunte Nieren. Auf dem Querschnitt: Pallisaden-
strichelung in der Grenzschicht, Verfettungen in der Rinde und blutige
Infarcirung in den Markkegeln.
Mikroskopische Untersuchung.
Stücke der Niere und der Leber werden in 10 procent. Formol und
Alkohol von aufsteigender Concentration gehärtet und nach Durchgang durch
Aetheralkohol in Celloidin eingebettet. Mikrotomschnitte werden mit Häma-
toxylin-Delafield und van Gieson-Lösung gefärbt.
Befund.
Ni-ere: In der ganzen Nierenrinde schwere, ausgedehnte Blutungen.
Die Glomeruli sind fast durchgehends blutig infarcirt oder durch einen
hämorrhagischen Erguss von der Kapsel abgedrängt. In manchen Glo-
mernlis überwiegt der orangerothe Ton des Blutes vor dem violetten der
Färbung der Kerne. Hie und da kann man den Zusammenhang eines Blut-
cylinders in einem gewundenen Harncanälchen mit dem hämorrhagisch in-
filtrirten Glomerulus constatiren. Zahllose Tubuli contorti wie recti enthalten
im Quer- und Längsschnitt die nach der Form der Canälchen verschieden
formirten, aber stets cylindrisch gemodelten Blutergüsse. Das Epithel der
Tubuli contorti zeigt an vielen Stellen Kernuntergang und Verschollung.
Die Tubuli recti zeigen im Grossen und Ganzen normales Epithel (Taf.VII, Fig. 2).
Leber: Die Leber zeigt strotzend gefüllte Blutgefässe und so zahl¬
reiche Blutungen, dass der Grundton des ganzen Schnittes ein orange-röth-
licher ist. In der Umgebung der Gefässe sieht man zwischen die Leber¬
balken hinein sich eindrängende, radiär wie die Leberbalken selbst sich
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134
H. Kionka und L. Ebstein:
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ausbreitende Blutstreifen. Ein Untergang oder auch nur eine Degeneration
der Leberzellen lässt sich nirgends beobachten. Die Gallengänge bieten
nichts Besonderes, ebenso wenig der Peritonealüberzug der Leber.
Versuchsreihe B.
1 grm Präservesalz: 1000 s™ Fleisch.
Versuch I.
Hündin B. — anscheinend normales Thier.
Den 8. Hl. bis 11. III. gemischte Kost.
11
12. IU.
bis 27. III. 250 grm
Fleisch.
11
12. HI.
K.-G.
5000
11
11
14. HI.
11
4400
11
7»
18. HI.
11
4400
11
n
21. HI.
11
4700
11
25. III.
11
4600
11
28. IU.
bis 4. VI.
375
11
Fleisch -f- 0-4 grm Präservesalz.
»
28. III.
K.-G.
4400
11
11
l.IV.
11
4900
11
11
10. IV.
11
5200
11
11
15. IV.
11
4800
11
11
19. IV.
11
4800
11
11
26. IV.
11
4700
11
V
28. IV.
«i
4700
,
M
2. V.
•1
4700
>?
,,
8. V.
11
4700
11
11
14. V.
1
4800
11
11
21. V.
V
5300
11
11
24. V.
11
5400
11
11
27. V.
,,
6300
11
V
30. V.
*1
5300
11
y,
3. VI.
11
5200
11
.. 5. VI. bis 12. VI. gemischte Kost ohne Präservesalz.
’, 10. VI. K.-G. 4900
., 12. VI. „ 4500 ff™.— Das Thier wird durch Ausspülung getüdtet
Der Hund erhielt während 85 Tagen im Ganzen 28-375 kg Fleisch,
während 65 Tagen ausserdem 26*0 grm Präservesalz (enthalten in 24 - 375 ^
Fleisch). Während des ganzen Versuches zeigte der Hund keinerlei Krank¬
heitserscheinungen.
Unmittelbar nach der sehr allmählich ausgeführten, 45 Min. dauernden
intravitalen Ausspülung mit 0-75 procent. Kochsalzlösung wurde die Ob-
duction vorgenommen.
Befund.
Lungen: An den geblähten Lungen sieht man vereinzelte kleine, un¬
deutlich umgrenzte, rundliche, rosafarbene (in Folge von Gefässverlegungen
aus der Circulation ausgeschaltete) Stellen in dem im Uebrigen weiss (blut¬
leer) erscheinenden Gewebe.
Ilerz: Ohne Besonderheiten; Endocard überall spiegelnd.
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Über die chronische Sulfitvergietung.
135
Leber: Zeigt ein unregelmässig geflecktes Aussehen. Blutungen sind
makroskopisch nicht zu erkennen.
Magen und Darm: Ohne Besonderheiten.
Milz: Ohne Besonderheit.
Nieren: Auf dem Querschnitt sieht man im Mark sowie in der Grenz- und
Rindenschicht rothe Flecken und Streifen, zuweilen in radiärer Anordnung.
Mikroskopische Untersuchung.
Stücke von Niere und Leber in 10 procent. Formol und Alkohol von
aufsteigender Concentration gehärtet, in Celloidin eingebettet. Mikrotom¬
schnitte wurden in Häraatoxylin-Gage und van Gieson-Lösung gefärbt.
Befund.
Niere: Manche Glomeruli zeigen, aber nur vereinzelt, kleinzellige In¬
filtration und verwaschene Grenzen. In einigen wenigen sind die Gefäss-
knäuel zusammengeballt und in die Ecke gedrückt durch ein leichtscholliges
Exsudat in der Kapsel. Blutungen finden sich nirgends in der Rinde. Das
Epithel der Tubuli contorti wie recti ist überall wohl erhalten und kernhaltig.
Leber: Die Leber giebt mikroskopisch durchweg normale Bilder. Blut-
wie Gallengangsgefässe und Leberzellen sind intact. Nirgends Hämorrhagieen.
Versuch II.
Hündin IV — trächtig.
Den 12. UI. bis 14. III. gemischte Kost.
,. 15. IH. bis 17. HI. 250»"" Fleisch.
,. 15. UI. K.-G. 8500»"".
., 18. III. bis 27. III. 375»"" Fleisch.
., 18. UI. K.-G. 9400 » rm .
., 21. m. „ 10000 „
„ 25. UI. „ 10000 „
„ 28.III. bis 4. VI. 600»"" Fleisch + 0*5» rm Präservesalz.
,. 28. IH. K.-G. 9800»"".
„ l.IV. „ 10700 „
„ 10. IV. „ 10800 „
,. 15. IV. „ 11200 „
Den 17. IV. Die Hündin wirft 4 Junge, eins davon todt. Die übrigen
Jungen sind schwächliche Thiere; sie werden vorläufig bei der Mutter gelassen.
Den 19. IV. K.-G. 9800 » rm . Das Thier, welches geringe Blutungen
hatte und schlecht gefressen hatte, erscheint jetzt wieder normal.
Den 20. IV. Das eine Junge ist todt.
Den 23. IV. Ein drittes Junges ist todt. Das übrig bleibende vierte
wird einer anderen (gesunden) säugenden Hündin gegeben.
Den 26. IV. K.-G. 9300»"".
„ 28. IV. „ 9300 „
„ 2. V. „ 9400 „
„ 6. V. Das vierte Junge ist ebenfalls todt.
9. V. K.-G. 9400»""'
.. 21.V. „ 10400 „
„ 24. V. „ 10400 „
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136
H. Kionka und L. Ebstein:
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Den
27. V.
30. V.
3. VI.
K.-G.
ff
ff
10500 prm .
10300 „
10200 „
„ 6. VI. bis 12. VI. gemischte Kost ohne Präservesalz.
„ 10. VL K.-G. 9900 8"".
Den 13. VI. K.-G. 9700 8°“. — Das Thier wird durch Verbluten (Oeffnen
der Carotiden) getödtet.
Der Hund erhielt während 82 Tagen im Ganzen 37 k 8 Fleisch, während
65 Tagen ausserdem 32 • 5 8 rm Präservesalz (enthalten in 32*6*8 Fleisch).
AuBser dem geschilderten Partus wurde an dem Hunde während des
Versuches nichts Auffallendes wahrgenommen.
Unmittelbar nach der Tödtung wurde die Obduction vorgenommen.
Befund.
Lungen: Auf der Oberfläche beider Lungen sieht man multiple, mehr
oder weniger rosarothe, das Niveau der Oberfläche nicht überragende Petechien
von Linsen- bis Zehnpfennigstückgrösse. Die Ränder der kreisförmigen
Flecken sind keine scharfen. Vielmehr geht das dunkelrothe oder dunkel¬
braune Centrum der Blutflecken durch eine hellere Zone allmählich in die
normale helle Oberflächenfarbe der Lungen über.
Herz: Das Herz zeigt schon bei äusserlicher Betrachtung nach Er¬
öffnung des Pericards an der Herzspitze sowie auch an der Ventrikel wand
sowohl links wie rechts dunkelbraunrothe, leicht eingesunkene Partieen, die
bei vorsichtiger Palpation sich weicher und minder resistent anfühlen als
das normale Herzfleisch. — Nach Eröffnung der Herzhöhlen sieht man das
Endocard des linken Ventrikels an der Spitze und namentlich auf dem
Septum cordis von gruppenförmig angeordneten confluirenden blutrothen
Hämorrhagieen bedeckt. Das Endocard über den Blutungen spiegelt; keine
Thromben (siehe Taf. VII, Fig. 3). — Unter dem Endocard des rechten
Ventrikels entsprechend den an der AuBsenwand sichtbaren Flecken das
gleiche bunte Bild wie im linken Ventrikel, nur im verringerten Maassstabe.
Leber: Die braune Leberfarbe zeigt an manchen Stellen ein deutlich
gelbes Timbre. An den Rändern der Leberlappen Stauungscyanose, keine
makroskopisch sichtbaren Hämorrhagieen.
Nieren: In den Pyramiden sieht man einen deutlich hellrotben Farbenton,
der sich streifenförmig, der Pyramidenstrahlung entsprechend bis an die
Spitze der Markkegel herunter verfolgen lässt. — Rinde zeigt makroskopisch
keine Besonderheiten. — Die Farbe der äusseren Nierenfläche ist leicht
gelbbräunlich.
Magen. Darm, Milz: Ohne Besonderheiten.
Innere Genitalien desgl.; keine Blutungen.
Mikroskopische Untersuchung.
Stücke vom Herzen, der Leber, der Lunge und der Niere werden in
10 proeent. Formol und Alkohol von aufsteigender Concentration gehärtet,
in Celloidin eingebettet. — Mikrotomschnitte gefärbt mit Hämatoxvlin-
Delafield und van Gieson-Lösung.
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Über die chronische Sulfitveegiftung.
137
Befund.
Herz: Unterhalb des intacten Endocards sieht man mehrere beträcht¬
liche flächenhafte Blutungen, die an einer Stelle das Endocard buckelartig
abheben. Die Blutung setzt sich mit unregelmässigen Ausläufern in die Tiefe
des Myocards fort, das selbst nirgends irgend welche degenerative Processe
zeigt. — Auf dem Endocard selbst intactes Endothel; keine thrombotischen
Auflagerungen. Die Blutungen selbst drängen sioh zwischen Endocard und
die obersten Muskelschichten und folgen in die Tiefe meist bindegewebigen
Trabekeln, welche normaler Weise von der Subserosa als leuchtendroth ge¬
färbte Stränge und Streifen die gelbbräunlich gefärbte Muskelmasse durch¬
ziehen.
Leber: In der Leber sieht man vereinzelte unbedeutende Blutaustritte
in das Lebergewebe hinein. Diese Hämorrhagieen finden sich ausschliesslich
in der Umgebung der periacinösen Oefässe, von denen als Centrum die
Extravasate radiär in das Qewebe ausstrahlen. Die Leberzelle selbst zeigt
keine Besonderheit, die Lebergefässe von normaler Füllung, der Peritoneal¬
überzug des Organs ohne Reizung.
Lunge: Man sieht im Schnitt mehrere quer- und längsgetroffene
Bronchien mit ihrem mächtigen, gewulsteten Epithel. Im Lumen mancher
Bronchien sieht man Blutextravasate, deren orapgerothe Farbe scharf gegen
das schwarzblau gefärbte Epithel contrastirt. Bei stärkerer Vergrösserung
sieht man ausser Blut im Bronchiallumen auch abgestossene Epithelien und
Leukocyten. Die Gefässe in der Nachbarschaft der Bronchien durchweg
prall mit Blut gefüllt.
Die Alveolen sind in der Mehrzahl lufthaltig; um so mehr fallen in
dem lufthaltigen, ziemlich engen Maschenwerk kleine, lobuläre nicht selten
subpleural gelegene Herde von hämorrhagischer Anschoppung der Alveolen
auf. Ueberwiegend rothe Blutkörperchen erfüllen und dehnen eine Reihe
benachbarter Alveolen. Die Alveolenwände sind wohl erhalten. Die Pleura
zieht dort, wo die hämorrhagischen Herde bis an sie heranreichen, ungereizt
über die infiltrirten Alveolen hinweg.
Niere: Die Niere befindet sich im Zustande einer schweren hämorrha¬
gischen Entzündung. Ausgedehnte beträchtliche Blutungen, die in der Rinde
hauptsächlich die Glomeruli und gewundenen Harncanälchen betreffen, heben
sich mit ihrem Orangeton scharf von dem blauvioletten Grundtimbre des
Gewebes ab. Die Glomeruli selbst sind abnorm kernreich, von Leukocyten
infiltrirt oder umgeben; an manchen Stellen drückt ein scholliges, nicht
selten hämorrhagisches, intracapsuläres Exsudat die zusammengeknäulten
GefässBchlingen in eine Ecke der Kapsel. Das Epithel der Tubuli und der
Henle’schen Schleifen zeigt eine allgemeine fortgeschrittene Degeneration
mit Kernverlust und beginnendem scholligen Zerfall des Plasmas. Zahlreiche
hyaline Cylinder in Quer- und Längsschnitten, vor denen im Lumen der
Tubuli recti Blutcylinder prävaliren.
Versuch 3.
Hund A — anscheinend normales Thier.
Den 8. III. bis 11. III. gemischte Kost.
„ 12. IH. bis 13. IH. 250«™ Fleisch.
„ 12. III. K.-G. 7200«™.
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138
H. Kionka und L. Ebstein:
Den 14. III. bis 18. III. 375»™ Fleisch.
14. III. K.-G. 8800»™.
18. III. „ 9500 „
19.111. bis 27. HI. 500»™ Fleisch.
21 . in. K.-G. 10000 »™.
„ 24. in. „ 10000 „
., 28. in. bis 4.YI. 625»™ Fleisch -+- 0 • Gf> »™ Präseryesalz.
„ 28. UI. K.-G. 9100 » rm .
11
l.IV.
11
10000 ,
11
10. IV.
11
9600 ,
11
15. IV.
11
9700 ,
11
19. IV.
11
9900 ,
11
26. IV.
1
9500 „
11
28. IV.
11
9500 .
V
2. V.
11
9900 ,
11
9. V.
11
9900 ,
11
14. V.
11
9700 ,
11
21. V.
11
10300 „
11
24. V.
11
10300 ,
11
27. V.
11
10400 ,
11
30. V.
11
10400 ,
11
3. VI.
11
10700 ,
„ 5.YI. bis 12. YI. gemischte Kost ohne Präseryesalz.
„ 10. YI. K.-G. 10000»™.
Den 13. VI. K.-G. 9900 »™. — Das Thier wird durch Verbluten getödtet.
Der Hund hat während 85 Tagen im Ganzen 47 • 60 *» Fleisch erhalten,
ausserdem während 65 Tagen noch 42*25»™ Präservesalz (enthalten in
40*625 k » Fleisch). Während des ganzen Versuches zeigte der Hund keinerlei
Krankheitserscheinungen.
Die Obduction unmittelbar pach der Tödtung yorgenommen ergab
folgenden Befund:
Lungen und Herz: Ohne Besonderheiten.
Magen und Darm: Im Pylorustheil des Magens beginnend zeigt die
Schleimhaut des Magendarmcanals durch das ganze Duodenum, Jejunum und
Ileum bis zur Yalvula hin eine beträchtliche katarrhalische Schwellung und
Röthung, welch’ letztere durch Injection der Mucosagefässe entsteht. An
einigen Stellen Hämorrhagieen. — Die Peyer’schen Plaques zeigen eine
allgemeine entzündliche Schwellung und Infiltration. Sie ragen beetartig
ins Darmlumen hinein. Die sie überziehende Darmmucosa ist — auch
noch im Umkreise der geschwollenen Plaques — desquamirt. Die jene
ulcerirten Stellen umgebende Mucosa ist am Ulcerationsrande stark injicirt,
so dass Bich die Geschwürchen durch rothe Umrandung scharf von dem
gelbbraunen normalen Darmuntergrunde abheben.
Leber: Zeigt äusserlich einen mehr rotlien als braunen Farbenton und
hier und da gelblich leuchtende Flecke, die namentlich am' Rande zu einer
citronengelben Randzone zusammenfliessen. Neben diesen (verfetteten) Stellen
deutliche Blutergüsse, die man auf dem Einschnitt in die Tiefe verfolgen
kann. Gelbe Farbe und Hämorrhagieen (d. h. Verfettung und Blutung) sieht
man neben einander.
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ÜBEB DIE CHBONISCHE SüliFITVEBGIETUNG.
139
Nieren: Grosse bunte Nieren, d. h. die Oberfläche bietet einen bunten
Wechsel von Braun, Gelb und Roth neben und durch einander. Die Kapsel
ist normal abziehbar. — Auf dem Querschnitt sieht man die Rinde gequollen
und verbreitert. Die Glomeruli treten als rothleuchtende Pünktchen auf
braunem Grunde hervor. Die Grenzschicht ist hämorrhagisch infarcirt;
daneben deutliche pallisadenförmige Fettzeichnung. Das Mark zeigt eine
wolkige, rosenrothe Verfärbung, welche in unbestimmten Grenzen die Muskel¬
schicht in deren ganzer Ausdehnung durchsetzt und selbst die Spitzen der
Kegel nicht einmal frei lässt.
Mikroskopische Untersuchung.
Stücke von Niere, Leber, Darm werden in 10 procent. Formol und
Alkohol von aufsteigender Concentration gehärtet, nach Durchgang durch
Aetheralkohol in Celloidin eingebettet. Mikrotomschnitte werden mit Häma-
toxylin-Delafield und van Gieson-Lösung gefärbt.
Befund.
Niere: In der Rinde sieht man im Schnitt einen grösseren und einen
kleineren älteren Infarct, über denen die Kapsel verdickt und dabei leicht
narbig eingezogen hinwegzieht. Beide zeigen typische Keilform mit der Basis
unter der Kapsel und der Spitze zum Hilus hin. Die Infarcte selbst bestehen
hauptsächlich aus (mit van Gieson leuchtendroth gefärbtem) Bindegewebe
und enthalten noch morphologisch wohlerhaltene Glomeruli, deren einzelne
kleinzellig infiltrirt erscheinen, und erweiterte, oft mit Cylinderquerschnitten
erfüllte Canälchen neben atrophirtcn untergegangenen.
Die Grenze zwischen Infarcten und nicht infarcirter Nierenrinde ist
ziemlich scharf. Die übrige Rinde zeigt in fast allen Glomerulis und in und
um viele Tubuli contorti zum Theil recht beträchtliche Blutungen, die von
der Rinde sich als geschlängelte oder gradgestreckte orangefarbene Linien
in den Tubulis contortis und in die Tubuli recti verfolgen lassen. Um die
entzündeten und durchbluteten Glomeruli ziemlich mässige kleinzellige In¬
filtration des umgebenden Bindegewebes. Ergüsse in die Bowman’sche
Kapsel hinein sieht man nur vereinzelt. Bei starker Vergrösserung sieht
man eine allgemeine schwere Epitheldegeneration in der Rinde: zahlreiche
Zellen haben ihre Kerne verloren, sind aufgequollen und zeigen ein körnig¬
schollig degenerirtes Plasma. Das Epithel der Tubuli recti bietet nichts
Besonderes.
Leber: An den Rändern der Acini sehr vereinzelte kleine Blutaustritte,
stets in der Umgebung periacinöser Gefässe. Die Gefässe selbst zeigen
starken Blutgehalt, sonst aber ebensowenig Besonderheiten wie die Leber¬
zellen selbst, deren einzelne bei starker Vergrösserung eine oder mehrere
Fettvacuolen zeigen. Der peritoneale Ueberzug der Leber bietet keine
Abnormitäten.
Darm: Ein Stück des Heum zeigt im Präparat bei wohlerhaltenem
Epithel der Darmzotten in der Tiefe der Mucosa, noch reichlicher in der
Submucosa streifenförmige Blutungen. Zwischen den einzelnen Darmzotten
oder im Darmlumen nirgends Blutaustritte. Die Lymphapparate — es ist
ein Peyer’scher Haufen im Schnitt getroffen — von mächtiger Entwickelung
ohne Abweichung von der Norm. Die Gefässe der Submucosa sind prall gefüllt,
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140
H. Kionka und L. Ebstein:
erweitert. Sie bilden meist das Centrum der submucösen Hämorrhagieen.
Die Muskelschichten selbst sind intact, nur fällt an der Grenze zwischen
Transversal- und Longitudinalschicht eine den Blutungen entsprechende An¬
häufung von Leukooyten auf. Das Peritoneum ist intact.
Sämmtliche Hunde zeigten demnach gleichartige pathologische Ver¬
änderungen in ihren Organen. Es handelte sich bei allen um intravitale
Gefassverlegungen sowie Blutungen und entzündliche oder degenerative
Processe.
Ueber die Betheiligung der einzelnen Organe an diesen Veränderungen
mag folgende Zusammenstellung eine kurze Uebersicht gewähren:
Blutungen bezw. Gefassverlegungen in den Lungen: 3 Hunde
(Versuch I, 1 und 2).
Subendocardiale Blutungen im Herzmuskel: 4 Hunde (Ver¬
such I, H, III und 2).
Blutungen im Magen (Pylorustheil): 4 Hunde (Versuch I, II, III
und 3).
Blutungen im Darm (vorwiegend im Dünndarm) und entzündliche
Schleimhautschwellung: 3 Hunde (Versuch II, III und 3).
Blutungen in der Leber (meist interaoinöse) einmal auch ver¬
bunden mit Gallenstauung: 5 Hunde (Versuch I, II, III, 2 und 3).
Entzündliche Schwellung der Gallenblase — mit kleinzelligem
Exsudat auf der peritonealen Fläche —: 1 Hund (Versuch I).
Entzündungen der Nieren, meist acute hämorrhagisohe Nephritis:
sämmtliche 6 Hunde.
Man sieht hieraus, dass bei den verschiedenen Hunden — abgesehen
von den Nieren, welche stets erkrankt waren — die einzelnen Organe
verschieden stark befallen waren, so dass bei dem einen Thier dieses, bei
dem anderen Thier jenes Organ die stärksten krankhaften Veränderungen
aufwies. Auch zwischen den Hunden der beiden Versuchsreihen Hessen
sich in dieser Beziehung keinerlei Unterschiede constatiren. Auch last
sich nicht behaupten, dass etwa bei den Thieren der zweiten Versuchs¬
reihe, welche nur einen halb so grossen Sulfitzusatz zur Fleischnahrung
erhielten wie die Hunde der ersten Reihe, die beobachteten Veränderungen
an Intensität geringer wären. Denn wenn auch Hund B in Versuch 1 nur
verhältnissmässig wenig Pathologisches an seinen Organen zeigte, so waren
doch andererseits die krankhaften Organveränderungen der beiden anderen
Hunde dieser Serie, in Versuch 3 und vor Allem in Versuch 2 mindestens
ebenso stark wie bei den Hunden der ersten Reihe.
Es ist nun die Frage zu erörtern, ob diese soeben geschilderten
Veränderungen in den Organen der Versuchshunde wirklich
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Über die chronische Sulfitvergiftung.
141
von dem mit der Nahrung eingeführten Sulfit hervorgerufen
sind oder ob sie eine andere Ursache haben können.
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass derartige wie eben geschilderte
Organveränderungen bei sämmtlichen 6 Hunden übereinstimmend
gefanden sind, während andere, zu anderen Versuchen dienende Hunde,
welche gleichzeitig mit unseren Versuchsthieren gehalten wurden, derartige
pathologische Erscheinungen nicht aufwiesen.
Das krank machende Agens für unsere Hunde muss demnach eine
Schädlichkeit sein, welche alle 6 Thiere, aber nur unsere betroffen hat.
Eine solche Schädlichkeit konnte für unsere Thiere — abgesehen von
der Sulfitdarreichung — eventuell herzuleiten sein
1. aus der Lebensweise,
2. aus der Art der Fütterung,
3. aus der Todesart.
1. Da unsere Hunde mit grösster Sorgfalt unter Lebensbedingungen
gehalten wurden, welche in hygienischer Beziehung als die bestmöglichen
bezeichnet werden konnten: helle, geräumige, luftige Käfige; bei schönem
Wetter Aufenthalt im Freien, bei ungünstiger Witterung geschützter,
trockener Stall; — so kann von der „Lebensweise“ der Hunde keine
Ursache für ihre Erkrankung abgeleitet werden.
2. Vielleicht könnte aber Jemand annehmen, dass die reichliche
Fleischfütterung gewisse Schädigungen setzen konnte. Pflüger 1 hat
gezeigt, dass die ausschliessliche Fütterung mit grossen Mengen Pferde¬
fleisches bei Hunden Durchfalle und Stickstoffverlust erzeugt. Aus diesem
Grunde gaben wir unseren Hunden nicht Pferdefleisch, sondern Rindfleisch
zu fressen, nach dessen Genuss, wie Pflüger besonders hervorhebt, die
Krankheitserscheinungen nicht beobachtet werden. Ausserdem waren wir
darauf bedacht, dass unsere Hunde neben der Fleischkost noch kohle¬
hydrathaltige Nahrung erhielten und Pflüger hat gefunden, dass Zusatz
von Kohlehydraten oder Fett zum Pferdefleisch dessen gesundheitsschäd¬
liche Eigenschaften aufhebt Auch handelt es sich bei den Erkrankungen
der Hunde in Folge Pferdefleischgenusses niemals um Wirkungen, wie wir
sie bei unseren Thieren beobachtet haben.
Es wäre daher unstatthaft, die bei unseren Hunden beobachteten
Veränderungen aus der reichlichen Fleischfütterung abzuleiten.
3. Auch die von uns gewählten Todesarten können für die patho¬
logischen Erscheinungen, welche die Organe boten, nicht verantwortlich
gemacht werden.
1 Pflüger, Ueber die Gesundheitsschädigungen, welche durch den Genuss von
Herdefleisch verursacht werden. Pflüger’s Archiv. 1900. Bd. LXXX. S. 111.
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142
H. Kionka und L. Ebstein:
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Unsere Hunde wurden wie gesagt durch Verbluten (Oeffnen der
CarotideD) getödtet; bei 2 Hunden (Versuch I und 1) wurde die Ver¬
blutung mit der intravitalen Durchspülung mit 0*75 procent. Kochsalz¬
lösung combinirt.
Ueber diese Ausspülungsmethode, welche schon seit langen Jahren
im Breslauer pharmakologischen Institut zur Feststellung von Blutgift¬
wirkungen geübt wird, besitzen wir so ausreichende Erfahrung, die u. a.
an zahlreichen Controlausspülungen normaler (unvergifteter) Thiere ge¬
wonnen ist, dass wir den Einwurf, Veränderungen der geschilderten Art
könnten durch diese Methode der Tödtung erzeugt werden, kurzer Hand
zurückweisen dürfen. Voraussetzung, um die Ausspülung einwandsfrei zu
gestalten, ist allerdings, dass sie mit sorgfältiger Beobachtung von Hen¬
kraft und Athmung und unter Innehaltung einiger an anderen Stellen
häufig genug mitgetheilten Cautelen ausgeführt wird. Vor Allem ist
nöthig, dass gehörig langsam ausgespült wird; — bei unseren Versuchen
dauerte die Ausspülung jedes Mal 45 Minuten.
In bedeutend kürzerer Zeit verläuft allerdings die Verblutung nach
einfacher Eröffnung der Carotiden, wie sie bei den übrigen Thieren von
uns ausgeführt wurde. Indessen besassen wir auch über den Befund nach
Verblutungstod besonders reiche Erfahrungen, da im Breslauer Institut
sehr häufig die zu tödtenden Thiere verblutet werden. Und ausserdem
wurden speciell zur Controle in Jena eine Anzahl von normalen Hunden
(jungen und erwachsenen) in der geschilderten Weise durch Verbluten
getödtet und deren Organe genau untersucht. Auf Grund dieser älteren
und neueren Erfahrungen können wir über den Befund nach Ver¬
blutungstod Folgendes sagen:
Blutungen in grosser Zahl, in Darm und Magen, Leber, Herz
und hämorrhagische Nierenentzündungen, wie wir sie bei unseren Sulfit-
thieren beobachteten, kommen als Folgen des Verblutungstodes bei ge¬
sunden Thieren überhaupt nicht vor. Wohl aber treten gelegentlich,
aber keineswegs regelmässig (in unseren Versuchsreihen waren sämmtliche
Thiere von Blutungen u. s. w. befallen) beim Verbluten unvergifteter
Thiere Blutungen z. B. im Bereich der Brusthöhle (Lungen, Zwerch¬
fell u. s. w.) auf, die offenbar auf die heftigen Athembewegungen und die
Verblutungskrämpfe zu beziehen sind. Es handelt sich alsdann um soeben
entstandene frische Gefässzerreissungen und frische, hellrothe Blutergüsse,
die man bei der sofort nach eingetretenem Tode vorgenommenen Section
findet. Das Blut hat sich ergossen, sich flächenhaft in unregelmässiger
Form ausgebreitet, wo es gerade Platz findet.
Betrachtet man dagegen Blutgiftblutungen — als solche müssen
wir auch die bei unseren Thieren gesehenen auffassen —, so findet man
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Übeb die chronische Sdefitvergiftung.
143
ganz andere Verhältnisse: ganz bestimmte Abschnitte des Laugengewebes
sind befallen. Die Oberfläche einer solchen Lunge — so auch bei unseren
Versuchen I, 1 und 2 — sieht aus wie die mit secundär-syphilitischen
Ausschlägen bedeckte Haut eines Menschen; regelmässig umgrenzte, meist
kreisförmige, häufig kupferfarbene (alte) Flecken zeigen sich. Ueberall,
auch an anderen Organen erkennt man, dass jene blutigen Stellen längere
Zeit ihrer Gestaltung gebraucht haben und oft viele Tage und Wochen
alt sind — also nicht durch den Act der Tödtung verursacht sein können.
In den Blutungen der inneren Darm wand erkennt man, wie Herr
Dr. Biberfeld im Breslauer pharmakologischen Institut fand, öfters, zu¬
weilen schon mit blossem Auge oder doch mit Hülfe einer Lupe, dass in
der Mitte der Blutung eine Arterie sich befindet, die durch ein kleines
eingeschwemmtes Blutgerinnsel verstopft ist; rückwärts, d. h. stromaufwärts
ist etwas Blut in der Arterie, dagegen ist sie stromabwärts leer; um sie
herum hat sich in Venen und Capillaren eine Blutanschoppung ausgebildet,
die zu blutiger Infiltration des Gewebes geführt hat. — Man sieht, das
sind Dinge, die beim Verbluten nicht Vorkommen können.
Somit ist sicher, dass die an unseren Hunden erhobenen Befunde
nicht durch die Art der Tödtung herbeigeführt sind.
Wir sind nach dem soeben Mitgetheilten wohl berechtigt, die von uns
beobachteten Organveränderungen als Folgen der Sulfitdarreichung
aufzufassen, und dies um so mehr, als die geschilderten Schädigungen
vollkommen identisch sind mit den Befunden, welche der Eine von uns
in der mehrfach erwähnten Arbeit bei gleichsinnig angestellten Versuchen
bereits früher an zwei Hunden festgestellt hatte.
Nicht unwichtig]ist auch das Verhalten der beiden trächtigen
Hündinnen. Bedenkt man die günstigen hygienischen Bedingungen,
die im Uebrigen — abgesehen vom Sulfit — vorzügliche Nahrung, und
nimmt man hinzu, wie selten es vorkoramt, dass eine Hündin „verwirft“,
so ist die Zahl von zwar nur zwei Fällen mit 100 Procent Erfolg, der
voiausgesagt und erwartet wurde, subjectiv ausreichend beweisend. Im
Hinblick auf die bezüglich der schwangeren Frauen in der Litteratur über
Sulfitwirkung bereits vorhandenen Angaben siehe oben.
Auch die in anderer Weise (subcutane Darreichung) und auch an
anderen Thieren (Kaninchen) angestellten Sulfitvergiftungen hatten in den
früheren Versuchen 1 eine Blutgiftwirkung der schwefligsauren Salze er¬
geben, als deren Folge in den Organen dieselben pathologischen Ver¬
änderungen auftraten, wie wir sie auch jetzt wieder bei unseren Hunden
sahen. Diese früheren Versuche sind von gegnerischer Seite ebenfalls
1 Kionka, Diese Zeitschrift. Bd. XXII.
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144
H. Kionka und L. Ebstein:
angegriffen worden. Besonders wurde die Richtigkeit eines Versuches
bezweifelt, in welchem ein 1850 *™ schweres Kaninchen mittels Schlund-
sonde 4*0«™ Natrium sulfurosum in etwa 10 procent. Lösung in den
Magen erhalten hatte. Das Thier war nach 4 Stunden todt und zeigte
bei der Obduotion zahlreiche Hämorrhagieen und andere pathologische
Veränderungen in verschiedenen Organen. Demgegenüber theilt Lebbin
in seinen Publicationen gleichsinnig angestellte Versuche mit, welche ein
gänzlich abweichendes Resultat ergaben. So schildert er u. a. folgenden
Versuch:
Kaninchen, 1440 *™ schwer, erhält innerhalb 40 Tagen 12 Mal je 10*™
Natriumsulfit in 30 * rm Wasser gelöst, also eine 25 procent. Lösung mittels
Schlundsonde in den Magen. Das Thier nahm während der Versuchszeit
im Ganzen 99 ab, zeigte aber sonst nicht das geringste Vergiftungs¬
symptom. Alsdann wurde das Thier erschlagen. Bei der Obduction
waren alle Organe „von ganz normaler Beschaffenheit“.
Aehnlich lauten noch einige andere Versuchsprotokolle Lebbin’s.
Wir stellten daher noch eine Reihe verschiedenartig modificirter
Kaninchenversuche in diesem Sinne an. Wir gaben normalen Thieren
von ca. 1500*™ Körpergewicht je 10*"“ Natriumsulfit in 10-, 15-, 20- und
25procent. Lösungen mittels Schlundsonde in den Magen. Doch stets
waren die Thiere nach der ersten Dosis bereits nach 20,
spätestens 50 Minuten todt. In den Organen fanden sich schwere
pathologische Veränderungen.
Folgender Versuch möge als Beispiel dienen:
Protokoll.
Kaninchen K.-G. 1450*™, erhält 12 Uhr 10 Min. 10*™ Natr. sulfuros.
puriss. crystall. (Merck) in 50 ce,n Wasser gelöst mittels Schlundsonde in
den Magen.
12 Uhr 30 Min.: Das Thier ist schwach, sitzt still da, der Kopf ist
auf den Boden gesunken.
12 Uhr 31 Min.: Plötzlich springt das Thier auf und stürzt hin, gleich
darauf ein zweiter Sprung. ,
12 Uhr 32 Min.: Das Thier liegt auf der Seite und sucht vergeblich
sich aufzurichten. — Athmung nicht wahrnehmbar, Herzschlag noch schwach
zu fühlen.
12 Uhr 34 Min.: Das Thier ist todt.
Obduction sofort vorgenommen.
Lungen: Stark blutreich, sonst aber anscheinend normal.
Herz: In der Musculatur der Vorderwand des rechten Ventrikels nahe
dem Septum (schon von aussen sichtbar) zwei kleine strichförmige dunkle
Blutungen.
Magen: Schleimhaut stark geröthet, einzelne Partieen voller punkt-
und strichförmiger frischer Blutungen, die lebhaft roth von der stark irgi*
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Über die chronische Sdlfitverqifttjng.
145
cirten frischrosafarbenen Umgebung hervortreten. Die Schleimhaut löst sich
leicht von der Muscularis ab.
Darm: Im ganzen Dünndarm, der mit stark wässerigem Inhalt gefüllt
ist, erscheint die Schleimhaut sammetartig geschwollen und durch Injection
der kleinsten Gefässe stark geröthet. Die Mesenterialgefässe sind stark
gefüllt, die Darmwand auch des Dickdarmes ist stark hyperämisch.
Leber: Hyperämisch, etwas weich, sonst ohne Besonderheiten.
Nieren: Geschwollen; ihre Oberfläche ist dunkelblauroth und zeigt
zahlreiche kleine hirsekorngrosse, runde, blasse Flecke. — Auf dem frischen
Schnitt hebt sich die Grenzschicht durch einen hellen Rand gegen die dunkel-
blaurothe Rindenzone ab. Das Mark ist ebenfalls röther als in der Norm
und zeigt entsprechend der Markkegelzeichnung dunkelrothe Streifung.
Mikroskopische Untersuchung.
Stückchen von Myocard, Leber und Niere werden in 10 procent. Formol,
Alkohol von aufsteigender Concentration gehärtet und nach Durchgang durch
Aetheralkohol in Celloidin eingebettet. Mikrotomschnitte werden mit
Hämatoxylin-Gage allein und mit Hämatoxylin-Gage und van Gieson-Lösung
gefärbt.
Befund.
Herzmuskel: Unter dem welligen, mit van Gieson leuchtendroth
getärbten Endocrad sieht man strich- und streifenförmige zwischen Endocard
und den obersten Muskelschichten liegende Blutungen. Das Endocard dar¬
über ist intact, zeigt keine thrombotischen Auflagerungen oder Aehnliches.
Die Herzmuskelfaser selbst ist intact; nichts von degenerativen Vorgängen.
Die subendocardialen Blutungen reichen nur wenig tief in die Musculatur
hinein. Nur wenige zarte Linien extravasirten Blutes lassen sich nach der
Tiefe hin ins Myocard verfolgen.
Leber: Zeigt normale Zellen. Blut- wie Gallengefässe ohne Besonder¬
heit; nirgends Blutungen.
Nieren: In der Rinde zahlreiche frische Blutungen in und um einige
Glomeruli sowie in manchen geschlängelten Canälchen. Die Extravasate
sind an vereinzelten Stellen intracapsuläre Glomerulusblutungen, die die
Gefäs8schlingen von der Bowman’schen Kapsel abtrennen oder die Capillaren
selbst umgeben und durchsetzen. Das Epithel der Tubuli ist nicht allent¬
halben kernhaltig. In den Tubulis rectis erscheinen die Blutungen als grad¬
gestreckte orangerothe Streifen. In der Rinde sehr vereinzelte Kleinzellen¬
infiltrationen, meist um durchblutete Glomeruli (Taf. YU, Fig. 4).
Hiermit sind also auch diese Angaben Lebbin’s widerlegt.
Das gleiche Resultat wie die unserigen zeigen auch neuere Versuche,
welche im Kaiserlichen Gesundheitsamt an Kaninchen angestellt wurden
und deren in der technischen Begründung zum Bundesrathsbeschluss vom
18. Februar 1902 Erwähnung geschieht.
Durch unsere neuen Untersuchungen sind also die früheren Befunde
über die Blutgiftnatur der schwefligsauren Salze vollkommen bestätigt
bezw. ergänzt worden. Ebenso bleibt die von dem Einen von uns bereits
Zeitschr. t Hygiene. XLI. 10
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146 H. Kionka und L. Ebstein: Übeb Sulfit Vergiftung.
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vor 6 Jahren in dieser Zeitschrift ausgesprochene Behauptung zu Recht
bestehen, dass das schwefligsaure Natron bezw. das Präservesalz.
auch wenn es nur in den üblichen Mengen als Conservirungs-
mittel dem Fleische zugesetzt wird, bei länger fortgesetztem
Genüsse bei Hunden schwere Blutgiftwirkungen hervorruft
Darüber, wie weit es statthaft sei, diese an Hunden gewonnenen
Resultate auf den Menschen zu übertragen, ist in der früheren Arbeit
bereits ausführlich gesprochen worden. Es sei hier darauf verwiesen. 1
Jedenfalls kommt man bei solchen Ueberlegungen zu dem Schlüsse, dass
es höchst unwahrscheinlich wäre, wenn sich der Mensch den schweflig¬
sauren Salzen gegenüber anders verhielte als der Hund. Es ist daher
mit grosser Freude zu begrüssen, dass der damals 3 ausgesprochene Wunsch:
„dass in Zukunft überhaupt die Anwendung der schweflig¬
sauren Salze als Fleischconservirungsmittel behördlicherseits
gänzlich zu verbieten sei“, jetzt erfüllt ist. Der Bundesrath hat in
den Ausführungsbestimmungen zum Fleischbeschaugesetz vom 18. Februar
dieses Jahres ein bündiges Verbot in diesem Sinne erlassen. Dasselbe
tritt am 1. October 1902 in Kraft.
1 Siehe auch Kionka» Deutsche med. Wochenschrift. 1902. Nr. 6. — Aerzll
Sachverständigenzeitung. 1902. Nr. 4.
* Diese Zeitschrift. Bd. XXII. S. 388.
Zusatz während der Correctur: Durch Zufall kommt uns ein
Exemplar der „Medicinischen Woche“ vom 17. März d. J. in die Hände.
Darin befindet sich ein Aufsatz 1 von Lebbin u. Kallmann: „lieber die
Giftigkeit des Präservesalzes“, eine Erwiderung auf meinen oben erwähnten
Aufsatz in der „Deutschen medicinischen Wochenschrift“. Die sachlichen
Einwendungen finden in dem oben Gesagten ihre Erledigung; auf die
persönlichen Verdächtigungen, die in dieser Arbeit enthalten sind, ein¬
zugehen, habe ich natürlich keine Veranlassung.
1 Dieser Aufsatz von Lebbin und Kall mann ist, wie aus einem Satze fc
Artikels hervorgeht, ursprünglich der Deutschen med. Wochenschrift zur Veröffent¬
lichung übergeben, von der Redaction derselben jedoch zurückgewiesen worden.
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UMIVERSITY OF CALIFORNIA
[Aas dem Institut für Infectionskrankheiten zu Berlin.]
(Director: Geb. Med.-Rath Prof. Dr. R. Koch.)
Ueber die Entstehung der Neuerkrankungen an Malaria
während des Frühjahres und Sommers unserer Breiten.
Von
Dr. Erich. Martini, Marinestabsarzt,
commandirt xum Könlgl. Institut für Infektionskrankheiten.
(Hieran Taf. YIII u. IX.)
Während der Malariaexpedition des Jahres 1899 stellte Geheimrath
Robert Koch in Grosseto durch eingehende Beobachtungen fest, „dass der
plötzliche Anstieg der Malaria regelmässig erfolgt, etwa 3 Wochen nachdem
die Maximaltemperatur 27° G. dauernd erreicht oder überstiegen hat.“ 1
Gleichzeitig fand er, dass hei diesem Grad der Maximaltemperatur die
Temperatur iu geschlossenen Räumen von gewöhnlicher Construction auch
Nachts auf 24 bis 25° C. sich hält, also auf einer dauernden Höhe, bei
der Proteosomakeime in den Mücken noch zur vollen Entwickelung kommen;
er schloss daraus, dass auch die den Proteosomen verwandten Parasiten
der menschlichen Malaria in den Mücken erst bei dieser Temperatur¬
periode zur vollen Entwickelung gelangen, zumal da Sichelkeime in den
Giftdrüsen der in der kalten Periode gefangenen Anopheles sich niemals
feststellen Hessen, während sie in der genannten heissen Zeit mehrfach
dort angetroffen wurden. Koch vertheilte nun die erwähnten Wochen
mit Rücksicht auf die Entwickelung der Malariaparasiten in der Mücke
1 Erster Bericht über die Thätigkeit der Malariaexpedition von Prof. Dr. R. Koeli f
Geh. Med.-Rath. Deutsche med. Wochenschrift. 1899. Nr. 87. S. 10 des Sonderabdr.
10 *
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
148
Erich Martini:
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and mit Rücksicht auf ihre Vermehrung in den neuinficirten Menschen
bis zum Fieberausbruche in der Weise, dass er etwa 10 Tage auf die
erstere und etwa ebenso viele auf die letztere rechnete, eine Einteilung,
die ohne Kenntniss der Parasiten seinerzeit von Wenzel 1 zu Wilhelms¬
haven für das dortige, damals sogenannte Miasma der Malaria in ähn¬
licher Weise vorgenommen wurde.
Diese Beziehung des Anstieges der Malariacurve des südlichen Europas
zur Zeit der dauernd höchsten Maximaltemperatur wird sofort deutlich
beim Betrachten des Beispiels von Rom in den Jahren 1892 bis 1896
(vgl Tab. I, Taf. VIII). Die Curve des monatsweisen Zuganges sinkt vom
Januar mit geringen Unterbrechungen bis Juni zum Minimum und erhebt
sich dann steil, erreicht im August das Maximum und fällt dann ziemlich
steil zum Minimum ab. Gleiche Beschaffenheit zeigen die Malariacurven
der anderen südeuropäischen Länder. 2 - 3 4 * "• * Verschieden hiervon gestalten
sich die Malariacurven in Deutschland, so die von Dithmarschen aus
den Jahren 1842 bis 1863 (vgl. Tab. II, Taf. VIII). Auf dieser findet
ein ziemlich steiler Anstieg bereits von Februar bis Mai statt, Abfall bis
Juli, dann ein zweiter Anstieg bis September und schliesslich ein Abfall
bis December zum Minimum (Dose 6 ).
Noch anders stellt sich die Malariacurve von Leipzig in den Jahren 1832
bis 1865 (vgl. Tab. III, Taf. VIII); vom Januar ab Anstieg, steiler im
März, April, Mai; in letzterem Monat Maximum, von da ab ziemlich
schroffer Abfall zum October bis nahezu an das Minimum (Thomas 6 ).
Aehnlich, nur einen Monat später das Maximum erreichend, sind die
Malariacurven des I. und V. Armeecorps aus den Jahren 1884 bis 1888;
vgl. Tab. IV und V, Taf. VIII (Grawitz 7 ).
Die nahezu gleiche Art der Malariacurve ergiebt sich auch in den
folgenden 10 Jahren für die Armee, und zwar für die gesammte preussische
1 Carl Wenzel, Die Marschfieber. Sonderabdruck der Prager Vierteljahr*-
Schrift für die prakt. Heilkunde. 1870. Bd. IV. S. 28.
* Regio commissariato degli ospedali riuniti di Roma. Statistica sanitaria deW
anno 1896 . Roma 1877. Tavola 27.
* Francesco Scalzi, La meteorologia in rapporto alle febbri malariche e alle
flogosi polmonali. Studiato negli ospedali di santo spirito e del laterano nelV anno 1878.
Roma 1878. Curventafel am Schluss, die unserer Tab. I, Taf. VIII völlig entspricht.
4 Georg Mayer, Zur Epidemiologie der Malaria. Deutsche militär-ärztliche
Zeitschrift. XXIX. Jabrg. 1900. S. 509.
* Hirsch, Historisch-geographische Pathologie. Stuttgart 1881. S. 175.
* Thomas, Ergebnisse aus Wechselfieberbeobachtungen. Archiv der Heilkunde.
1366. Bd. VII. S. 234—237.
7 Grawitz, Zweiter epidemiologischer Beitrag zur Frage der Malariaiufection.
Berliner klin. Wochenschrift. 1900. Nr. 24. S. 521—522.
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Neuebkbankungen an Malaria.
149
Armee, die beiden sächsischen und das württembergische Armeecorps 1 ,
sowie in den Jahren 1874 bis 1896 für die gesammte bayerische Armee 2 * ;
vgl. Tab. VI und VII, Taf. VIII (Georg Mayer).
Diese besonders geformten Malariacurven Deutschlands machten viele
Beobachter in der Beurtheilung der Thatsache der „Malariaübertragung
durch Moequitos“ stutzig; der Frühjahrsanstieg der Malariacurve, ihre
Akme im Frühsommer zu einer Zeit, in der die Aussentemperatur zur
Reifung der Malariaparasiten in den Anopheles noch längst nicht reichte,
das liess sich nicht ohne Weiteres mit den seitherigen Beobachtungen in
Einklang bringen.
Robert Koch suchte den Grund für dies eigenartige Verhalten der
deutschen Malariacurven aus besonderen Lebensbedingungen der Menschen
in Mittel- und Nordeuropa zu erklären, aus dem künstlichen heissen Klima,
welches die Heizung des Winters und Frühjahres in den Wohnungen hervor¬
ruft, in denen und unter denen, z. B. in Kellern, der Anopheles über¬
wintert; in den ersten warmen Tagen, gewöhnlich zuerst im März 8 , ver¬
lassen die Anopheles ihre Schlupfwinkel in Kellern und Scheunen; Abends
flüchten sie sich dann in die warmen Stuben; hierselbst finden sie in den
Malariagegenden Recidivkranke vor, stechen diese und verkriechen sich
dann in den warmen Räumen, gewöhnlich an der Decke, in der Nähe
des Ofens; dort gelangen die eingesogenen Malariaparasiten zur völligen
Reifung; die alsdann stechenden Anopheles erzeugen nunmehr Malaria.
Diese Erläuterung giebt ohne Zweifel Aufschluss über das Verhalten der
deutschen Malariacurven im Einklang mit der Entwickelung der Parasiten
im Anopheles.
Da fand sich jedoch eine Malariacurve Deutschlands, die von allen
anderen durchaus abwich und sich eng der südeuropäischen näherte, die
Curve der durch Wenzel 4 beschriebenen Malariaepidemie von Wilhelms¬
haven am Jadebusen. Die Curve bezieht sich auf das erste Jahrzehnt
nach Wilhelmshavens Gründung (1860 bis 1869), eine für die junge Stadt
sehr ernste Epoche, die, wohl nur wenigen noch in Erinnerung, der Ver¬
gessenheit entrissen zu werden verdient. In welcher Schwere und Aus¬
dehnung damals die grösstentheils in improvisirten Wohnungen lebenden
Einwohner, namentlich die Hafenarbeiter, von der Malaria heimgesucht
wurden, darüber giebt die Arbeit von Wenzel genauen Aufschluss. Ein
1 Sanitätsberichte über die Königl. preuss. Armee, das XVI. und XIX. (1. u.
2. Kgl. sächs.) und dem XIII. {Kgl. württbg.) Armeecorps 1889 — 98.
* Georg Mayer, a. a. O. S. 501 ff.
* H. J. M. Schoo, Arte te Krommenic. „Malaria in Krommenie“. Nederl,
Tijdsckrift voor Geneeskunde. 1902. L Nr. 10. S. 509.
4 Wenzel, a. a. 0.
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Ebich Martini:
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ungefährer Begriff von dieser gewaltigsten Epidemie unserer Breiten er¬
wächst schon aus der Erwähnung der Thatsache, dass in den ersten
10 Jahren nach Gründung der Jadestadt insgesammt 19533 Malaria¬
erkrankungen gezählt wurden. Die anliegende Curve des monatlichen
Zuganges in den Jahren 1860 bis 1869 zeigt nun .folgende Einzelheiten,
Minimum im Februar, nur geringe Erhebung bis Mai, geringen Abfall
bis Juli, dann steilen Anstieg im August, September, das Maximum in
letzterem Monat, darauf Abfall zum October, steil im November, December
(vgl. Tab. VIII, Taf. VIII).
Den Grund für dieses eigentümliche Verhalten zu erforschen, wurde
ich, seit Ende Juli 1901 mit der Verhütung eines Malariaausbruches zu
Wilhelmshaven gelegentlich der neuesten Hafen bauten betraut, von Geheim¬
rath E. Koch beauftragt.
Von der Koch’schen Beurteilung der deutschen Malariacurven aus¬
gehend, hatte ich festzustellen, wie die Wohnverhältnisse in den damaligen
Malariahäusern und wie sie in den heutigen lagen. Die Feststellungen
wurden durch mich und die zu meiner Unterstützung commandirten
Herren, Marinestabsarzt Dr. Schmidt I und später Marine-Oberassistenz¬
arzt Dr. Fischer, gemacht.
Hinsichlich der anliegenden Wilhelmshavener Malariacurve von 1860
bis 1869 ergab sich, dass die Arbeiter grösstenteils in strohgedeckten,
einen Bodenraum entbehrenden ungeheizten Baracken untergebracht waren;
es war nur ein Raum von etwa 3 ra Höhe darin vorhanden. Die Anopheles,
die in den warmen Frühlingstagen ihre Schlupfwinkel verliessen, fanden
hier nicht die zur Reifung etwa in ihnen vorhandener Malariaparasiten
nötige Wärme. Die Malariacurve erhielt ihr Maximum deshalb erst im
Spätsommer, 20 bis 25 Tage nach andauerndem Maximuiq der Aussen-
temperatur, wie in den südeuropäischen Malariagegenden.
Die Verhältnisse in den heutigen Malariahäusern hingegen erwiesen
sich grundverschieden von den damaligen. Die Häuschen, mit Bodenraum
versehen, wodurch der Temperaturaustausch behindert, die Wärme mehr
zurückgehalten wird, hatten in ihren Zimmern zum Theil ganz auffallend
hohe Wärmegrade; siehe die anliegende Tab. IX, (Taf. IX) für März 1902.
Die Temperaturen wurden stets an der Decke des Hauptwohnraumes ge¬
messen; es war dies aus Sparsamkeitsrücksichten oft die Küche. In sämmt-
lichen Häusern waren während des Frühjahres bezw. Sommers bezw.
Herbstes 1901 Malariaerkrankungen vorgekommen. In mehreren der
Häuser wurden während des ganzen Winters von Zeit zu Zeit Anopheles
gefunden und zwar nur in den Kellern; so brachten Einwohner noch im
December 1901, Januar 1902 gleichzeitig mit ihrer Krankmeldung Ano¬
pheles, zwischen Löschpapier gepresst, zu ihrem behandelnden Arzte,
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Neukrkrankungen an Malaria.
151
Dr. Gellhaus, der sie alsdann unserer Untersuchungsstation für Malaria
zuschickte; die Bevölkerung war durch Vorträge und Zeitungsnotiz über
die Bolle der Anopheles bei der Malaria von mir unterrichtet. Die
Anophelessendungen der Leute liessen während des Februar und März
nach, zu einer Zeit, in der wir die Anopheles noch in Kellern vereinzelt
nachweisen konnten. Anopheles aus Wohnräumen erhielt ioh erst wieder
am 9. April 1902, und zwar aus dem Hause Schlosserstrasse 13 (Praxis
Dr. med. Meier); siehe Tab. IX (Taf. IX). Aus Angst vor Ansteckung hatte
so mancher Einwohner die Anopheles in Kellern und Scheunen aus-
geräuchert; es kamen deshalb nur verhältnissmässig wenige Anopheles zur
Untersuchung; bei den in Kellern gefangenen wurden, wie nach der
niederen Temperatur dieser Bäume anzunehmen war, keine Malaria¬
parasiten gefunden, ebensowenig aber auch in den vereinzelten aus den
Wohnräumen stammenden. •
Indess es liegen Beobachtungen vor, die unter den in der Tab. IX
(Taf. IX) gegebenen Temperaturverhältnissen in einem unter dem nahezu
gleichen Breitengrade liegenden holländischen Städtchen, dem Orte
Krommenie, an inficirten Anopheles gemacht wurden. Dortselbst stellte
Dr. Schoo 1 , der unter den zahlreichen, von ihm in der Wohnung ge¬
fangenen Anopheles etwa 1*5 Procent als inficirt nachwies, experimentell
fest, dass in frisch inficirten Anopheles die Malariaparasiten nach 12 Tagen
zu Sichelkeimen entwickelt waren, sobald die betreffenden Insecten nur
unmittelbar nach der Infection 2 Tage lang in einer Temperatur von
25° C. gehalten wurden, selbst wenn nach diesen 2 Tagen die Temperatur
auf 22 bis 10° C. absank; bei einer Dauertemperatur von 18° C. wurde
für die Parasiten im Anopheles eine Entwickelungszeit von 18 Tagen und
bei einer Dauertemperatur von 30 °C. eine Entwickelungszeit von 10 Tagen
gefunden.*
Mindestens eine der drei genannten für die Entwickelung der Malaria¬
parasiten günstigen Möglichkeiten lag — mit Ausnahme des Hauses
Tischlerstrasse 2 — in allen genannten Häuschen vor; ja, es kam in
einem (Jeversche Strasse 1) sogar zu Temperaturziffern, wie sie wohl kaum
höher im heissen Sommer erreicht werden. Ueberdies konnte ich Folgendes
feststellen: selbst während Frostwetters (—6-5° C.) hierher gesandte
Wilhelmshavener Anopheles, unmittelbar nach ihrer Ankunft mittels feiner
Pineette auf meinen Arm gesetzt, stachen alsbald; ein Theil von ihnen
sog auch sofort Blut; andere führten innerhalb der nächsten 10 Minuten
1 H. J. M. Schoo, a. a. O. S. 510.
1 H. J. M. Schoo, Arte te Krommenie. Over Malaria. Nederl. Tijdschrift voor
Geneeikunde. 1901. II. Nr. 24. S. 1343.
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152
Eeich Martini : Neuebkbankungen an Maeabia.
erst etwa zwei bis sieben — stets Quaddeln veranlassende — Stiche aus,
ehe sie mit dem Sangen einsetzten. Bei Zimmertemperatur, etwa 20° C.
gehalten, wiederholten sie das Blutsaugen etwa alle 4 Tage bis zum Eier¬
legen, zu dem es schliesslich nach 14 bis 21 Tagen kam, — so dass bei
etwaigem Vorhandensein von Malariarecidiven und Anopheles dem Aus¬
bruche einzelner Hausepidemieen — im kalten Frühjahr (siehe die an¬
liegende Curve der Aussentemperatur 1 im März 1902 auf Tah.X (Taf. IX),
mehrere Monate vor der andauernden maximalen Sommertemperatur —
nichts im Wege stand.
In der That sind denn auch bereits drei Tertiana-Neuerkrankungen
in zwei gleichartigen, den auf Tab. IX (Taf. IX) bezeichneten unmittelbar
nahe gelegenen (siehe Lageplan) Häuschen aufgetreten, hei zwei Schwestern
im Alter von 15 hezw. 5 1 /* Jahren, Jeversche Strasse 15, am 24. Mäiz
bezw. 6. April 1902 und bei einem Mädchen im Alter von 13 Jahren,
Schmiedestrasse 21, am 11. April 1902. Aus letzterem Hause wurden zwei
frisch in der Wohnstube getödtete Anopheles am 12. April und einer, der
Blut gesogen hatte, am 14. April 1902, aus ersterem Hause vier lebende
Anopheles, die ebenfalls voll Blut gesogen waren, am 14. April 1902 durch
Marine-Oberassistenzarzt Dr. Fischer eingesandt. Die Infectionsherde,
von denen die übertragenden Anopheles das inficirte Blut beziehen konnten,
boten sich in den nahe wohnenden — siehe Lageplan — Recidivkranken
vom Herbst 1901.
So lässt sich also auch das Frühjahrsmaximum der Malariacnrve an
der Hand obiger Beobachtungen in unserem vermittelst Heizung wannen,
künstlichen Winterklima der Wohnungen ungezwungen durch die Ver¬
mittelung der Anopheles erklären.
1 Für die freundliche Uebcrlassung der Temperaturziffern des Observatoriums
zu Wilhelmshaven sage ich den HHr. Admiralitätsrath Prof. Dr. Borgen und
Assistenten Dr. Stück ergebensten Dank.
* Gelegentlich der Durchsicht der Correctnrbogen, am 27. VI. 1902, habe ich
mitzutheilen, dass in der Nähe der Häuser obiger Rccidivkranken inzwischen (bis
zum 17. VI. 1902) weitere 14 Malaria-Neuerkrankungen zngingen und als solche
mikroskopisch festgestellt worden.
Digitizeit by
Gck igle
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[Aus dem Institut für Infectionskrankheiten in Berlin.]
(Directon Geh. Med.-Rath Prof. Dr. R. Koch.)
Beschleunigung und Sicherung der Pestdiagnose
in zweifelhaften Fällen.
Von
Dr. Erich Martini, Marinestabsarzt,
oommmndirt xum Institut für Infectl onskrankheltsn.
Die von der österreichischen Pestcommission 1897 angegebene Methode, 1
durch Verreiben pestverdächtigen Materials auf der rasirten Bauchhaut
Meerschweinchen mit Bubonenpest tödtlich zu inficiren, leistet zur Zeit
für die Diagnosestellung der Pest in zweifelhaften Fällen unstreitig das
Beste; sie führt beim Vorhandensein selbst sehr vereinzelter Pestkeime
wohl stets zum Ziele, indem, wie Kolle dies treffend ausdrückt, in der
Bauchhaut eine „Anreicherung der Pestbakterien“ stattfindet, letztere all¬
mählich in den Lymphstrom, die Leistendrüsen, dann in’s Blut gelangen
und schliesslich die Thiere an Pestsepticämie oder auch Pestpneumonie
— je nachdem die Pestkeime ihre Hauptentwickelungsstätte wählen —
tödten. Beim Tode so inficirter Thiere werden dann die polgefärbten
Bakterien in den Bubonen der Leistenbeuge und in allen inneren Organen
durch das gefärbte Präparat festgestellt; gewöhnlich finden sie sich dabei
besonders zahlreich in der Milz und, wenn die Thiere mit den Erschei¬
nungen einer secundären Pneumonie starben, unter Umständen in den
befallenen Lungenpartieen. Indes der Tod dieser Thiere, die — sei es
mit Secreten von verdächtigen Kranken, Blut pestsepticämischer Kranker,
bei denen keine Localerkrankung nachweisbar ist, oder faulem Leichen-
1 Ueber die Beolenpest in Bombay im Jahre 1897. Gesammtherieht der Kaie.
Akademie der Wueeneehaften zu Wien. Theil II c. S. 667.
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154
Erich Martini:
material — inficirt sind, tritt in der Regel nicht vor dem 4. bis 5. Tage
nach der Infection ein, oft noch mehrere Tage später; und bei gerade
avirulenter Pest erfolgt er, wie Kolle und ich dies mit einer unserer
alten Pestculturen feststellen konnten 1 , überhaupt nicht.
Im Hinblick auf die Folgen, die eine bis auf fünf und noch mehr
Tage verzögerte Diagnose der Beulenpest oder gar eine Versäumniss dieser
Diagnose haben kann, stellte ich mir die Aufgabe, eine Beschleunigung
der Diagnose beim Vorhandensein vereinzelter Keime und eine Stellung
der Diagnose selbst bei Anwesenheit von avirulenten Keimen, mit denen
z. B. bei Auffindung todter fauler Ratten zu rechnen ist, zu erzielen.
Ich ging hierbei von der cutanen Methode aus, inficirte Meerschweinchen
auf diese Weise, wartete aber nicht ihren Tod ab, sondern versuchte die
Pestbakterien aus dem lebenden, bereits erkrankten Thiere rein darzustellen.
Vorversuche, die Keime aus dem Inhalt von Pestpusteln der Bauchhaut
rein zu gewinnen, musste ich bald aufgeben, einmal, weil ich hierbei oft
sehr viele Bakteriensorten in Ausstrichpräparaten wie Cultur erhielt, und
dann vor allem deshalb, weil solche Pusteln in vielen Fällen überhaupt
nicht auf traten.
Weitere Vorversuche* bezogen sich darauf, zu erfahren, wie andere
Bakterien bei dieser Infectionsweise auf das Meerschweinchen wirken, z. B.
die der Schweinepest und insonderheit andere polgefärbte. Es wurden
hierauf untersucht die Bakterien der Schweinepest, der Pseudotuberculose,
Wildseuche, Schweineseuche, Hühnercholera. Die betreffenden Thiere
wurden bereits am Tage nach der Infection auf Bubonen untersucht;
beim Vorhandensein solcher wurde mit der Hohlnadel in den Bubo ein*
gestochen und Saft mit der angesetzten Pravazspritze aufgezogen. Von
dem gewonnenen Material wurden zuerst Ausstriche auf Agarplatten ge¬
macht und mit dem Rest Deckglaspräparate hergestellt. Dabei ereiguete
es sich, dass unter neun mit Schweinepest (siehe Versuch I bis III) in-
ficirten Thieren nur bei einem schon nach 24 Stunden geringe Drüsen¬
schwellung vorhanden war, dass im aufgezogenen Saft vereinzelte Bakterien
sich zeigten und die beschickten Agarplatten, im Brütschrank von 37 0 C.
1 Kolle and Martini, Ueber Pest. Deutsche med. Wochenschrift. 1902. Kr. 1
bis 4. S. 3 des Separatabdruckes.
* Vgl. hierzu „Versuche über Infection durch cutane Impfung bei Thieren" von
Stabsarzt Dr. E. Pritsche, Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamte, Bd.XYUl.
S. 453; die Arbeit ging mir erst während der Correctnr der mcinigen zu und konnte
deshalb im Text keine Berücksichtigung finden. Sie beschäftigt sich im Allgemeinen
mit demselben Thema wie meine Vorversuche und führt nur zu wenig abweichenden
Ergebnissen. Schweinepest, Wildscuche und Pseudotuberculose sind nicht darin be¬
handelt, dafür aber viele andere Bakterienarten, wie die von Diphtherie, Milzbrand
u. dergl. mehr.
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Beschleunigung und Sicherung der Pestdiagnose.
155
gehalten, am nächsten Tage zahlreiche Colonieen lebhaft beweglicher
Schweinepestbakterien aufwiesen. Alle Thiere mit Schweinepest hatten
ein ausgedehntes Infiltrat der Bauchdecken, bei den meisten Thieren
liessen sich Drüsenschwellungen nicht bestimmt abgrenzen, bei den wenigen
anderen wuchsen sie, deutlich abgrenzbar, bis zu Erbsen-, in einem Falle
Bohnengrösse und wurden erst dann in das sich stetig vergrössernde In¬
filtrat der Bauchdecken mit eingeschlossen; aus den Bubonen liessen sich
die Schweinepestbakterien des Oefteren gewinnen. Schliesslich war die
ganze Gegend vom Nabel bis zum Schambein ein einziges Infiltrat, bei
zweien sogar bis weit über einen Hinterschenkel, wodurch dieser unbe¬
weglich wurde; bei einigen Thieren kam es zu tiefen Ulcerationen der
Baachdecken. Nach 4 bis 12 Tagen gingen sieben von ihnen zu Grunde;
zwei, schwerkrank, wurden 13 Tage nach der Infection getödtet. Bei der
Obduction fanden sich ganz vereinzelte Bakterien im Herzblut, in der
wenig vergrösserten Milz, und auch nur spärliche Bakterien in dem nur
bei einem Falle noch deutlich vom Infiltrat abgegrenzten, etwa erbsen¬
grossen, hämorrhagischen Bubo.
Unter den mit polgefärbten Bakterien inficirten Thieren traten
nennenswerthe Drüsenschwellungen bei zweien mit Pseudotuberculose
(siehe Versuch IV und V) auf, während eins der übrigen vier, mit gleioher
Seuche inficirten keine, drei nur kleine, kaum hanfkorngrosse aufwiesen;
bei dem einen der beiden erstgenannten zeigte sich nach 48 Stunden, bei
dem anderen erst nach etwa 10 Tagen ein etwa bohnengrosser Bubo, und
zwar in ganz besonderer Weise; die Bubonen, knorpelhart, lagen in durch¬
aus in filtratfreier U mgebun g, deutlich abgrenzbar; es liessen sich sogar mehrere
etwa erbsengross geschwollene Lymphdrüsen einer Seite deutlich gegen
einander verschieben. Polgefärbte Bakterien wurden im Präparat aus auf¬
gezogenem Bubonensaft bei allen 6 Thieren gesehen, indess stets nur ver¬
einzelt; die damit geimpfte Agarplatte ergab am nächsten Tage die Bak¬
terien der Pseudotuberculose. Das erste der beiden genannten Thiere
verendete nach 17 Tagen; die inneren Organe boten die charakteristischen
Veränderungen der Pseudotuberculose ; letztere enthielten ziemlich zahlreiche
Bakterien der Pseudotuberculose, während solche in den bereits verkästen
Bubonen nicht mehr nachzuweisen waren. Ebenso wenig gelang dieser
Nachweis bei dem anderen Thiere, als es, 29 Tage nach der Infection,
getödtet war, in. den ebenfalls bereits verkästen Bubonen dieses. Im
Uebrigen erwiesen sich die inneren Organe dieses Thieres gesund, ebenso
wie die der übrigen vier, die 30 bezw. 35 Tage nach der Einreibung ge¬
tödtet wurden.
Unter sechs mit Wildseuche (siehe Versuch VI und VII) inficirten
Meerschweinchen entstanden nach 2 Tagen bei einem Thiere ein erbsen-
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156
Ebich Mabtini:
grosser, bei einem zweiten nach 4 Tagen ein bohnengrosser Babo; bei
beiden liessen sich die Wildseuchebakterien nur durch Cultur erweisen.
Bei einem wurde ein bohnengrosser Bauchdeckenabscess beobachtet; Bak¬
terien liessen sich weder durch Deckglaspräparat, noch durch die Cultur
in ihm feststellen. Die Bubonen gingen allmählich zurück. Die Thiere
blieben sonst anscheinend sämmtlich gesund. Sie wurden schliesslich nach
27 Tagen bezw. einem Monat getödtet. Bei den beiden ihrer Bubonen
wegen erwähnten, die nach erstgenanntem Zeitraum getödtet wurden,
konnten aus den bei der Obduction nur noch hanfkorngrossen hämorrhagi¬
schen Bubonen die Bakterien der Wildseuohe culturell noch nachgewiesen
werden, während sie im Deckglaspräparat nicht gefunden waren. An den
inneren Organen fehlten sonst bei allen sechs jegliche Krankheitszeichen.
Unter vier mit Schweineseuche (siehe Versuch VIII) inficirten Meer¬
schweinchen liessen sich Bubonen zu Lebzeiten der Thiere nicht feststellen.
Erst als sie, am 13. Tage nach der Einreibung — anscheinend im besten
Wohlbefinden —, getödtet wurden, ergaben sich durch die Obduction bei
dreien hanf korngrosse, hämorrhagische Leistenbubonen; in Deckglasabstrichen
aus ihnen wurden keine Schweineseuchebakterien gesehen; erst die Züch¬
tung auf Agar brachte solche zu Gesicht.
An sechs mit Geflügelcholera (siehe Versuch IX und X) inficirten
Thieren wurden keine Bubonen gefunden, weder zu ihren Lebzeiten noch
nach ihrer Tödtung, bei der Obduction. Ausser zwei, die je einen etwa
erbsengrossen Bauchdeckenabscess aufwiesen, zeigte keins irgend welche
Krankheitserscheinungen; es gelang nicht, Bakterien der Geflügelcholera
in den Abscessen nachzuweisen. Die sechs Thiere wurden 7 bezw. 14 Tage
nach der Einreibung getödtet; die Obduction ergab keinerlei krankhafte
Veränderungen an den inneren Organen.
Nach dem Gesagten fallen ohne Weiteres die Unterschiede dieser
mitgetheilten Befunde von den der bei cutauer Pestinfection auftretenden
in’s Auge, wie sie sich bei der Section zeigen, sowohl pathologisch ana¬
tomisch, in den ausgedehnten, hämorrhagischen primären Bubonen von
meist nicht unter Bohnengrösse, im blutig-sulzigen Infiltrate der Umgebung,
in secundären Bubonen, in der starken, mit Bildung grauweisser Knötchen
einhergehenden Milzschwellung, den nicht seltenen Herden secundärer
Pneumonie, als auch bakteriologisch, in dem sehr bedeutenden Bakterien¬
gehalt von Bubo, Milz, Leber, Herzblut bezw. auch etwaigen Lungen¬
herden, und in dem eigenthümlichen Aussehen der polgefarbten Bakterien,
die, vielgestaltig, besonders häufig als Ring, sowie Geigenbogenformen,
und zwar so gestaltet in ganz gewaltigen Mengen an den Organabstrichen
auffallen. Ein derartiges Bild ist bisher von keiner anderen Meer-
scliweiuchenkrankheit bekannt, als von der Pest. Das wichtigste Unter-
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Beschleunigung und Sichebung deb Pestdiagnose.
157
scheidungsmerkmal liegt jedoch in dem Verhalten der künstlich gezüchteten
Bakterien gegenüber dem uns .zur Verfügung stehenden, hoch agglutiniren-
den Pariser Pestserum (Trockenpräparat). 1 Niemals wurde eine der ge¬
nannten Culturen, Schweinepest, Pseudotuberculose, Wildseuche, Schweine¬
seuche, Geflügelcholera — selbst bei Anwendung des reinen Pestserums —
von diesem Präparate agglutinirt, während die Pestbakterien virulente,
damit noch in Verdünnungen von 1:1000 = 0*001 oom des Serums + 1 Oese
(2 mg) Pestcultur, avirulente, noch in Verdünnungen von 1:10000 =
0*0001 ecm des Serums + 1 Oese Pestcultur, das typische Bild der speci-
fischen Agglutination ergeben.
Das Hauptaugenmerk erfordert indess für die vorliegende Aufgabe
das erste Auftreten von Bubonen nach der cutanen Infection mit Pest.
Bereits 24 Stunden nach Einreibung von virulenter Pestagarcultur
(siehe Versuch XI) in die rasirte Bauchhaut traten bei einem von vier
Meerschweinchen Stränge, Infiltrate und etwa erbsengrosse Bubonen in der
hinteren Schenkelbeuge auf; die charakteristischen Bilder der Pestbakterien
üessen sich in dem um diese Zeit mittels Pravazspritze aufgezogenen
Bubonensaft durch das mikroskopische Präparat nur vereinzelt nachweisen,
zahlreich jedoch schon in dem 48 Stunden nach Infection entnommenen,
während nunmehr die Bubonen bei sämmtlichen 4 Thieren bereits Erbsen¬
grösse erreicht hatten, — so dass in dieser Zeit die Diagnose zu stellen
war; 72 Stunden nach Infection waren dann noch Pestcolonieen mit
typischem Doppelsaum auf einer am Tage nach der Einreibuug mit
aspirirtem Bubonensaft geimpften Agarplatte gewachsen: die Agglutination
mit dem Pariser Pestserum ergab einen Grenzwerth von 1 j 600 , d. h. eine
Oese = 2 mg der Cultur wurden von 0*002 ccm Serum antipesteux noch
agglutinirt, eine Bestätigung der Diagnose vom Tage vorher. 96 Stunden
nach der Infection verendeten drei der Thiere, das vierte erst nach weiteren
48 Stunden, so dass also bei drei die Diagnose „Pest“ durch das mikro¬
skopische Präparat bereits 48 Stunden, durch Cultur und Agglutination
24 Stunden vor dem Tode gestellt werden konnte, während bei dem vierten
nach Stellung der Diagnose mittels Präparats noch 96 Stunden, nach
Sicherung derselben mittels Cultur und Agglutination noch 72 Stunden
bis zu seinem Tode hingingen, — in jedem Falle ein Beweis erheb¬
lichen Zeitgewinnstes für die Diagnose.
Aehnlich verlief ein Versuch (siehe Versuch XII) mit frischem Koth
einer an Fütterungspest erkrankten Ratte, den Oberarzt Dr. Otto 2 Meer¬
schweinchen gelegentlich auf der rasirten Bauchhaut verrieb. Nach
1 Rolle and Martini, a. a. 0.
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Ebich Martini:
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48 Stunden wurden die charakteristischen Formen der Pestbakterien
massenhaft in den Bubonensaftabstrichen gefunden; das eine Thier starb,
auffallend früh, 72, das zweite 120 Stunden nach der Infection. 48 Stun¬
den vor dem Verenden des letzteren hatte auch hier die Diagnose ihre
Bestätigung durch die Agglutinationsprobe erfahren.
Ebenso schnell wurde nach dem Verreiben einer vergrösserten
Bronchialdrüse (siehe Versuch XIII) von pestverdächtiger Batte auf Banch-
haut zweier Meerschweinchen — mikroskopisch waren Pestbakterien in
der Drüse nicht gefunden — die Diagnose aus Bubonensaft, mittels Pest-
cultur und Agglutination gestellt, während die beiden Meerschweinchen
erst 48 Stunden nach feststehender Diagnose verendeten.
Auch aus dem 3 Tage faulenden Cadaver einer an Pest verendeten
Ratte (siehe Versuch XIV) gelang es mittels der cutanen Methode, bei
2 Meerschweinchen nach 48 Stunden die Pestbakterien zahlreich in dem
Bubonensaft nachzuweisen. Zur weiteren Sicherung der Diagnose wurden
mit Spuren dieses Bubonensaftes 2 Ratten intraperitoneal geimpft. Nach
ferneren 24 Stunden war die typische Pestcultur gezüchtet, mit einem
Agglutinationswerth von 1 I 750 des Pariser Pestserums (= 0*0013"” des
Serums + 1 Oese Pestcultur). Am Tage nach dieser Feststellung ver¬
endeten gleichzeitig ein Meerschweinchen und die beiden mit seinem
Bubonensaft intraperitoneal inficirten Ratten an Pestsepticämie, während
der Tod des zweiten Meerschweinchens erst 48 Stunden nach dem Ver¬
enden dieser erfolgte. Die Pestdiagnose war hier also 48 Stunden vor
dem Tode des ersten, 96 Stunden vor dem Tode des zweiten Thieres ge¬
stellt und hatte noch 24 bis 72 Stunden vor dem Tode der Thiere zwei¬
fache Bestätigung, durch Züchtung der typischen Pestcolonie mit Doppel¬
saum und durch Agglutination, gefunden.
Schliesslich wurde noch ein Versuch mit einer für Ratten avirulenten.
für Meerschweinchen wenig virulenten alten Pestcultur (siehe Versuch XV)
gemacht, die, seit mehreren Jahren in unserem Eisschrank aufbewahrt.
Meerschweinchen bei cutaner Infection erst nach mehreren Wochen, wenn
überhaupt, tödtet; es wurden 3 Meerschweinchen cutan inficirt; bei einem
dieser begann die Bildung eines erbsengrossen Bubos nach 2 Tagen, bei
dem zweiten nach 3 und bei dem dritten nach 5 Tagen; es wurden
immer nur vereinzelte polgefärbte Bakterien im Präparat des aspirirten
Bubonensaftes gefunden; eine Cultur gelang einstweilen nicht; erst am
7. Tage nach der Infection wuchsen Pestkeime, die am Tage vorher aus
einem Bubo aspirirt und auf Platte verimpft waren, in typischer Weise;
die Agglutination gelang noch mit Vsooo ccm des trockenen Pariser Serum¬
präparates. Die Thiere bekamen starke Infiltrate der Bauchdecken; eines
starb 14 Tage nach der Infection; die Pestbakterien waren in den Bubonen
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Beschleunigung und Sicherung der Pestdiagnose.
159
allmählich zahlreicher geworden. Bei der Obdnction fanden sich neben
zahlreichen Pestbakterien in Leber, vergrösserter Milz, Bubonen, solohe
besonders reichlich in Herden von secundärer Pneumonie. Die anderen
beiden Thiere leben, in leidlichem Ernährungszustände, mit haselnuss¬
grossen Bubonen noch heute nach nunmehr 8 Wochen 1 , während die
Pestdiagnose für die wenig virulente Cultur bereits seit 14 Tagen ge¬
stellt ist.
Aus obigen Beispielen lässt sich ersehen, dass es wie mit faulen
Leichentheilen, Excrementen, auch mit anderem pestverdächtigen Material,
z. B. mit bakterienarmem, pestsepticämischem Blute eines ohne nachweis¬
baren localen Herd Erkrankten, auf dem geschilderten Wege gelingen
wird, die Diagnose „Pest“ mindestens 24 Stunden vor dem Tode der mit
derartigem Material behandelten Meerschweinchen zu stellen. Beim Vor¬
handensein schwachvirulenter Keime, wie sie z. B. durch Gotschlich 2
im Sputum eines Lungenpest-Reconvalescenten am 76. Tage nach dem
Krankheitsbeginne nachgewiesen wurden (Pestkeime, die so avirulent waren,
dass sie ein Meerschweinchen bei intraperitonealer Infection erst nach
8 Tagen tödteten, während bei solcher Infectionsweise mit virulenten
Pestbacillen der Tod der Meerschweinchen in 24, spätestens 48 Stunden
eintritt), oder, wie sie in längere Zeit liegenden Rattencadavem vorhanden
sein können, in halbtrockenem Rattenkoth oder Materialien, die mit Koth
verunreinigt sind, — wird die Diagnose hiermit auch dann noch er¬
möglicht, wenn die inficirten Thiere an Pest überhaupt nicht
zu Grunde gehen sollten.
Im Einzelnen stellt sich das ganze Verfahren wie folgt:
1. Sorgfältiges Mischen des verdächtigen Materials mit der etwa
dreifachen Menge Bouillon, so dass schwer verreibbare Theile nicht mehr
vorhanden sind.
2. Gründliches Verreiben des Gemenges auf der zwischen Rippen¬
bogen und Nabel rasirten Bauchhaut von 5 bis 6 Meerschweinchen mit
Skalpellrücken; es muss etwa 5 bis 6 Mal davon aufgetragen und ver¬
rieben werden. Wird noch unterhalb des Nabels inficirt, so bildet sich
nicht selten ein grosses Infiltrat, das die Bubonen mit einschliesst.
* Gelegentlich der Durchsicht der Correcturbogcn füge ich hinzu, dass am
30. Mai 1902 bei einem der Thiere ein Bubo von Erbsengrösse noch bestand, der
sich spontan nach aussen geöffnet hatte und auf Druck einen Tropfen Eiter aus sich
herauspressen Hess, während das andere keinerlei Lymphdrüsenschwellung mehr zeigte.
Das Infiltrat der Bauchdecken war bei beiden gänzlich zurückgegangen. Heute, am
6. Juni 1902, erscheinen beide Thiere völlig gesund.
* Emil Gotschlich, Wochenlange Fortexistenz von Pestbacillen im Sputum.
Diese Zeitschrift. 1899. Bd. XXXII. S. 404.
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Ebich Mabteni:
8. 24 Stunden darauf Fühlen nach Bubonen, das täglich zu wieder¬
holen ist. Selbst bei hanfkorngrossen ist schon ein PunctionsYersuch
mittels Pravazspritze zu machen.
4. Aussäen des aufgezogenen Saftes in
a) 1 bis 2 Agarplatten, — Platten, weil es sieh um die Feststellung
des Doppelsaumes der erwarteten Pestcolonieen handelt, und
b) in 1 bis 2 Agarröhrchen, — letztere, weil bei künstlicher Cultnr
im Condenswasser der Röhrchen die Polfarbung der Pestbakterien sich
am ehesten darstellen lässt
c) Mit dem Rest des aufgezogenen Tropfens wird das Deckglaspräparat
angefertigt. Genügt einmalige Punction für Cultur und Präparat nicht,
so muss sie des Oefteren wiederholt werden.
d) Es empfiehlt sich, falls zahlreiche polgefärbte Bakterien im Deck¬
glaspräparate gesehen sind, in jedem Falle nochmals aufzuziehen und mit
dem aufgezogenen Inhalt der Hohlnadel 2 Ratten intraperitoneal zu in-
ficiren; zu diesem Zwecke werden aber erst 2 ccm Bouillon durch die mit
dem aspirirten Material gefüllte Canüle in die Spritze gesogen; von der
nun entstandenen Mischung erhält jede Ratte je 1 00111 intraperitoneal
eingespritzt.
5. Erkennung der Pestculturen in der Plattenoolonie am Doppelsaum,
im Agarröhrchen an den polgefarbten Bakterien des Condenswassers und
vor Allem durch die Agglutination, sobald genügend Cultur vorhan¬
den ist.
6. Untersuchung der eventuell verwendeten beiden Ratten; Fest¬
stellung der Pestbacillen in ihnen. Lebenbleiben der Ratten spricht nur
gegen die Diagnose „virulente Pestkeime“, nicht gegen die „avirulente“.
In der Anleitung sei schliesslich darauf aufmerksam gemacht, dass
bei der Entnahme der Bubonenflüssigkeit nur scharfe Canülen zu ver¬
wenden sind. Beim Einstechen in den Bubo ist Vorsicht dringend ge¬
boten, damit Stiche mit inficirter Canüle in die den Bubo umfassenden
Finger vermieden werden, Ereignisse, die für das Leben des Untersuchers
verhänguissvoll werden können.
Die eben geschilderte Methode wird m/. dem weiteren Verfahren zur
Sicherstellung der Pestdiagnose, nämlich durch Platten-, Röhrchenoultur,
Agglutination und Rattenimpfuug mittels des aus den Bubonen der Meer¬
schweinchen aufgezogenen Canüleninhaltes auf den ersten Blick umständ¬
lich erscheinen. Demgegenüber muss hervorgehoben werden, dass in Bezug
auf die für ein Gemeinwesen, z. B. ein Schiff, eine Stadt, besonders für
eine Hafen- und Handelsstadt, so bedeutungsvolle Diagnose der Beulenpest
so peinlich als irgend möglich verfahren werden muss, und namentlich
gilt dies bei Pestfällen, in denen die Diagnose nicht unmittelbar durch
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Beschleunigung und Sicherung der Pestdiagnose. 161
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XIV. Versuoh. Einreibung von Milz eines drei Tage faulenden Rattenoadavers in die rasirte Bauchhaut
von Meerschweinchen.
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166 Ebich Mabtini: Beschleunigung u. Sichebung d. Pestdiagnose.
das Deckglaspräparat oder alsbald durch Cultur oder durch Rattenimpfung
gestellt werden kann; hierbei muss das Hauptgewicht darauf gelegt werden,
dass die Entscheidung der Diagnose durch den cutanen Impfversuch an
Meerschweinchen aufs Schnellste und Sicherste erfolgt; und das ermöglicht
das Verfahren der Bubopunction, wie ich es vorschlage, um ein bis mehrere
Tage früher, als wenn, wie bisher, der Tod der Thiere abgewartet wird;
es führt sogar noch einen Schritt weiter, zur Feststellung wenig virulenter,
nahezu avirulenter Pestkeime, — ein Ergebniss, durch das, unter Umstän¬
den, z. B. beim Vorkommen solcher Keime im Auswurf von Lungenpest-
reconvalescenten oder in faulen Cadavern von Pestratten, erst ein genaues
Urtheil in der folgenschweren Frage erzielt wird, ob eine Pestepidemie
im Anzuge, ob eine bestehende bereits völlig erloschen ist, kurz, ob die
Pestgefahr schon oder immer noch besteht.
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Ueber die Desinfectionskraft der heissen Luft.
Von
Dr. Sohumburg,
Obersubsant and Priratdooent ln Hannover.
In dem ersten Band der Mittheilungen aus dem kaiserlichen Ge¬
sundheitsamt (1881) findet sich als Schlussergebniss der epochemachenden
und eine neue Desinfectionslehre einleitenden Arbeiten Robert Koch’s
und seiner Mitarbeiter Wolfhügel, Gaffky und Löffler über die des-
inficirende Kraft der heissen Luft und des Wasserdampfes als auf¬
gezeichnet (S. 322), „dass die umfassenden Versuche, welche über die
praktische Verwerthbarkeit heisser Luft zu Desinfectionszwecken angestellt
waren,.zu wenig befriedigenden Ergebnissen geführt haben.
Es hatte sich zunächst die zur Abtödtung sämmtlicher niederer Orga¬
nismen erforderliche Temperatur als eine so hohe (140°) herausgestellt,
dass durch Einwirkung derselben die Gegenstände selbst Schaden erlitten.
Sodann war die Zeit, während welcher die Gegenstände der erhitzten Luft
ausgesetzt sein mussten, um des Erfolges sicher zu sein, eine relativ
lange (über 3 Stunden). Vor allem aber hatte sich endlich ergeben, dass
das Eindringen der Hitze durch selbst nur dünne Schichten eines
schlechten Wärmeleiters ausserordentlich langsam vor sich geht. Aus
diesen Gründen ist die Desinfection mit heisser Luft nur für wenige Ob¬
jecte verwendbar.“
„In Bezug auf desinficirende Wirkung würden Apparate mit ge¬
spannten Wasserdämpfen von Temperaturen über 100° schon erheblich
mehr leisten. Im Uebrigen bieten sie aber dieselben Missstände, wie die
erstgenannten Apparate.
Bei Weitem übertroffen, was Leistung in der Desinfection, Einfach¬
heit und Billigkeit der Einrichtung des Betriebes betrifft, werden beide
Verfahren von dem von uns in unserer letzten Versuchsreihe geprüften
Verfahren mit Dämpfen kochenden Wassers, welche vor Abkühlung so
geschützt werden, dass sie ihre Temperatur von 100° behalten oder deren
Temperatur durch die Verwendung von Salzlösungen so erhöht wird,
dass der Wärmeverlust sie nicht unter 100° herabgehen lässt“ (S. 340).
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168
Schumbubg:
An diesen Ergebnissen und den sie begründenden Versuchen war
nicht zu rütteln, sie haben die ganze Desinfectionslehre umgestaltet oder,
besser, erst begründet; nach den hier niedergelegten Grundsätzen wurden
Einzeldesinfectionsapparate für kleine und grosse Verhältnisse construirt,
sowie ganze Desinfectionsanstalten überall auf dem Erdenrund erbaut und
ausnahmslos mit Erfolg seit nunmehr 20 Jahren benutzt. Jene Grund¬
sätze der Desinfectionspraxis waren so fundamentaler Art, so erschöpfend,
dass bis zum heutigen Tage nichts daran geändert ist, dass aber auch
nichts Wesentliches hinzugekommen ist, abgesehen von Arbeiten, die be¬
zweckten, die Koch’schen Grundsätze auch für Apparate der Praxis nach¬
zuprüfen und zu bestätigen (wie Wolff im 102. Bande von Virchow’s
Archiv) oder die Wirkung des Wasserdampfes durch geistvolle und ein¬
gehende Versuche (Rubner) zu begründen.
Nach einer solchen Begründung der Wirksamkeit des Wasserdampfes
von 100° gegenüber der geringen von viel höher (140°) temperirter heisser
Luft hatte auch schon Koch mit Gaffky und Löffler gesucht (S. 322
a. a. 0.): „Wie man sich diese Wirkung vorstellen soll, ob die Gegen¬
wart des Wassers zur Anbahnung chemischer Vorgänge nothwendig, oder
ob sein Einfluss ein mehr physikalischer, etwa durch Aufquellung der
die Sporen einhüllenden Schichten, ist, das zu entscheiden, muss späteren
Untersuchungen Vorbehalten werden. Genug, dieser Einfluss ist vorhanden.“
Beim Abwägen nun der Unterschiede zwischen den Eigenschaften
des heissen Dampfes und der heissen Luft muss es vor Allem auffallen,
dass der strömende heisse Wasserdampf von 100° als Träger der Tempera¬
tur — denn diese ist doch sicherlich das baktericide Princip — 60 leicht
und schnell in die Objecte eindringt, während heisse Luft selbst nach
mehreren Stunden noch nicht entfernt ihre Eigentemperatur dem Innern
selbst massig dicker Stoffbündel mittheilt. Dies könnte darauf beruhen,
dass beim strömenden Wasserdampf immer neue Dampftheilchen an
die Stelle der abgekühlten rücken und ihre Wärme an die zu erwärmenden,
zu desinficirenden, Objecte abgeben, während bei der heissen Luft, wenn
sie auf einer bestimmten Temperaturhöhe gehalten wird, kein eigentliches
„Strömen“ statthat. So bewegte sich die heisse Luft in den von Koch
und von Wolff benutzten Apparaten jedenfalls nicht in gleichem Maasse
fort, wie der strömende Dampf. Für die Annahme nun, dass der Unter¬
schied zwischen der Wirksamkeit des Wasserdampfes und der heissen Luft
auf der Unbeweglichkeit der heissen Luft beruht, spricht auch die von Koch
u. A. gemachte Beobachtung, dass gespannter Dampf hei Temperaturen
von 120 bis 130° schlechter in die Objecte eindringt und somit schlechter
desinficirt als strömender Dampf von 100°: Denn auch der gespannte
Dampf strömt nicht, er ist ja eingeschlossen in den Dampftopf, während
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Über die Desinfectionskraft der heissen Luft.
169
derjenige von 100° zu der, wenn auch nur kleinen Oeffnung hinströmt
und herausdringt und somit immer neue Theilchen mit einer Wärme von
100 ° an die Stelle der abgekühlten treten lässt.
Wäre nun die Hypothese, dass von der Bewegung des Desinfections-
mediums die Wirkung abhängt, richtig, so müsste auch die heisse Luft
besser wirken, wenn man sie künstlich in Bewegung setzt Dieser Frage
lässt sieh experimentell bei kommen, wie folgender Versuch lehrt. •
In einem l 1 / 2 cbm grossen Abzug bewegt eine Turbine ein Flügelrad
mit 1 / i m langen und 10 cm breiten Flügeln. Der Abzug ist gut verschlossen.
Mehrere Gasbrenner erhitzen die Luft im Innern. Nach 10 bis 15 Minuten
herrscht im Abzug unten eine Temperatur von 70° C. Durch eine Oeffnung
wird neben dem Thermometer ein zweites eingeführt, dessen Bassin mit
den verschiedensten Umhüllungen versehen war. Es wurde nun die Zeit
bestimmt, die verstrich, bis dieses zweite, umhüllte Thermometer nahezu
die Temperatur des anderen, frei in den Abzug hineinragenden aufwies.
Dies geschah nach Umhüllung mit 12fachem Fries (zu durchdringende
Schicht etwa 3 cm ) in 30 bis 37 Minuten, mit einer 2 mm dicken Schicht
Tannenholz in 20 Minuten, mit 3 ram Haselnussholz in 34 Minuten, mit einer
4 mm dicken Lage von Asbestpapier in 11 Minuten. Wurde die Turbine
und das Flügelrad angehalten, die Luft also nicht bewegt, so erreichte
selbst nach Stunden das umhüllte Thermometer diejenige des freien nicht.
Die mechanische Bewegung der Luft befördert also das
Eindringen der Luft in selbst sehr dichte Objecte ganz ge¬
waltig; es lässt sich auf diese Weise eine erhöhte Temperatur
in das Innere dieselben hineinbringen, ein Vortheil, der den alten
Apparaten zur Heissluftdesinfection abging.
Ich folgerte nun aus diesen Versuchen die Möglichkeit, die Wirkung
der heissen Luft bei der Desinfection dadurch, dass man sie künstlich in
Bewegung setzt, zu verbessern, vor Allem ihre Tiefenwirkung zu erhöhen.
Ich hatte besonders deshalb ein Interesse daran, die heisse Luft wieder
zu Desinfectionszwecken heranzuziehen, weil einmal der heisse Wasser¬
dampf noch allerlei Mängel besitzt, wie Einwirkung auf bestimmte Farben,
besonders bei vorhandenen Flecken, und auf den Glanz gewisser Stoffe, wie
gelegentliches Auftreten von Rostflecken und Aehnliches, was man gern mit
in den Kauf nimmt, vor Allem aber hat der Wasserdampf den Nachtheil, dass
wir keine Ledersachen in ihn hineinbringen können. Nun findet sich aber
gerade bei den militärischen Bekleidungsstücken recht häufig ein Besatz mit
Leder, der schlecht (bei den Mützen) oder gar nicht (bei den Reithosen) von
dem Kleidungsstück zu trennen ist. In sulchen Fällen ist eine Desinfeetion
mit Dampf ausgescb’
schwierig od-
die Mil’'
uifec'
>0
7
eine Desinfection mit Chemikalien aber äa-serst
durchführbar. Diese Erkenntnis ist es, die
lan^ Vusschau halten lässt nach e.nem Des-
r gleich gut keimfrei macht. Ls
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170
Schtjmburg:
schien, als sollte das Formaldehyd alle unsere Wünsche erfüllen. Indess,
je mehr man sich mit ihm beschäftigt und je mehr man bei Anstellung
der Versuche auf seine enorme entwickelungshemmende, aber verhältniss-
mässig geringe baktericide Kraft Rücksicht nimmt, desto enger ziehen
sich die Grenzen für seine Anwendungsmöglichkeit in der Praxis. 1
Als ich deshalb in dem oben angeführten simplen Versuch erfuhr,
wie man die Penetrationsfähigkeit der heissen trockenen Luft erhöhen
konnte, lag es nahe, zu untersuchen, ob auch die keimtödtende Kraft der
heissen Luft zunimmt, wenn man sie künstlich bewegt.
Zu den Vor versuchen benutzte ich eine Kaffee-Rösttrommel, in die die
Bakterienproben in Papierpäckchen, die wie Handsohriften zuB&mmengerollt
waren, hineingethan wurden, so dass sie beim Drehen der Trommel hin
und her fielen. Es wurde also weniger die Luft als die Proben bewegt.
Indess war ja das Endziel dasselbe. Das Innere der Trommel wurde, um
eine directe Berührung der Proben mit der heissen Wand zu verhüten, mit
Asbest ausgekleidet und ebenso die Axe, an welcher sich ein Thermometer
befand, dick mit Asbest umgeben, um eine Leitung der Wärme von der
Axe auf das Thermometer unmöglich zu machen. Zur Beobachtung des
Thermometers war ein Glimmerfenster eingesetzt. Bei einiger Uebung gelang
es bald, durch Regulirung der Gasflamme die Temperatur im Innern der
Trommel auf 100° zu erhalten. Als Versuchsobjecte dienten Staph. aur.-
Culturen, die auf Papier angetrocknet waren und wie bei allen Ver¬
suchen dieser Arbeit nach beendetem Desinfectionsversuch in Bonilion
gebracht wurden. Nach einem Aufenthalt von einer Stunde in der sich
drehenden Trommel bei 100° waren lebende Staphylokokken weder in den
Papierrollen, noch in 2- und 3 fachen Friesumhüllungen nachzuweisen. Die
Controlen wiesen, wie in allen Versuchen dieser Arbeit, reichliches
Wachsthum auf.
Selbst bei Temperaturen von 90° und 80° waren die Resultate die
gleichen, bei 70° wurden sie indess ungleiohmässig, ebenso bei kürzerer
Einwirkung der heissen Luft als eine Stunde, und schliesslich bei An¬
wendung von sporenhaltigem Material.
Anstatt des primitiven Kaffeeröstapparates hatte ich mir inzwischen
eine grössere, 75 cm lange und 30 cm im Durchmesser haltende Trommel
aus Fischernetz auf Holzrahmen anfertigen lassen, die in einem grösseren
Kasten, dessen Boden erhitzt werden konnte, gedreht wurde. Die Control¬
thermometer wurden von oben in den Kasten eingeführt.
Auch in diesem Apparat zeigte sich, dass trockene bewegte Luft von
100° Diphtheriebacillen, Staphylokokken, Typhusbacillen, Choleraspirillen,
Eiterbakterien im Eiter aus einer Mastitis, Kothbakterien in einer Stunde,
zum Theil schon in einer halben Stunde abtödtete, sowohl in eine Papier-
1 Vgl. meine Abhandlung in der Deutschen med. Wochenschrift, 1898, Nr. 52,
„Znr Technik der Untersuchung bei der Formaldehyddesinfection“.
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Cbek die Desinfectionskbaft deb heissen Luft.
171
kapsel eingehüllt wie in eine zweifache Lage von W oll fr i es. Stand die
Trommel still, war also die Luft unbewegt, so erfolgte ausnahmslos reich¬
liches Wachsthum von den Testobjecten aus, trotz der gleichen Temperatur.
Nur Milzbrandsporen trotzten stets bei 100° der Erhitzung, auch 1 V 2 stündiger
Erhitzung, selbst bei 103°, bei 106°, bei 110°.
Gelegentlich indess fanden sich Ausnahmen von der keimtödtenden
Wirkung der bewegten Luft, die ich durch vollkommeneren Apparat auf¬
zuklären suchte. Dieser bestand aus einem 1 m langen und 40 cm im Durch¬
messer haltenden Cylinder aus Eisenblech, in dem an einer Längsaxe be¬
festigt sich eine Flügelschraube drehte. Die Axe stand mit einem Elektro¬
motor in Verbindung, dessen Geschwindigkeit sich genau reguliren liess.
Die Erwärmung des Cylinders erfolgte von unten. Die ersten Versuche mit
diesem Apparat (100 Umdrehungen in der Secunde) waren kurz folgende:
1. 100°. 1 Stunde Aufenthalt. Objecte an sterilem Tuch. Resultat:
Cholera 0, Typhus 0, Staphylokokken +Milzbrandsporen +.
2. 105°. 1 Stunde Einwirkung. Cholera 0, Typhus 0, Staphylokokken-j-,
Milzbrandsporen ■+■ +.
3. 107°. 1 Stunde. Typhus 0, Staphylokokken+, Milzbrandsporen-f.
4. 107°. IV* Stunden. Staphylokokken 0, Milzbrandsporen+.
5. 107°. I 1 /, Stunden. Staphylokokken in Fries+, in Watte (30 om
Durchmesser) +.
6. 107°. l 1 ^ Stunden. Staphylokokken in Watte 0; in Fries +; frei +•
7. Dieselben Bedingungen. Staphylokokken in Fries +; in Watte +;
frei +.
Diese Versuche bewiesen, dass die Desinfection mittels bewegter heisser
Luft selbst vegetativer Formen nur eine unsichere war.
Steigerte ich nun aber die Temperatur auf 110° und wurde anstatt
durch Elektromotor das Flügelrad mit der Hand, also erheblich langsamer
bewegt, so wurden die an Leinwandstückchen angetrockneten Staphylokokken-
Aufschwemmungen in jedem Falle abgetödtet.
8. Handdrehung 110°. Leinwandobjecte. 1 Stunde. 6 Staphylokokken-
Proben: steril.
9. Derselbe Versuch: 6 Staphylokokken-Proben steril.
10. Wiederholung desselben Versuches, aber ohne Bewegung der
Trommel, also bei ruhender heisser Luft. Alle Staphylokokken-
Proben + 4*+, wie die Controlen.
11. Wiederholung des Versuches Nr. 8. Indess wurden die Leinwand¬
objecte vor ihrer Verwendung 24 Stunden im Brütschrank getrocknet. Von
6 Ötaphylokokken-Proben 2 steril, 4+ + + (nach 3 Tagen). Die Ab-
tödtung erfolgte also nur bei noch feuchten Objecten, bei ge¬
trockneten war die Desinfectionswirkung unsicher. Zum Beweis
dessen dienen noch die folgenden Versuche, in denen sich bei getrockneten
Objecten selbst noch höhere Temperatur der Luft bis 115° und 120° als
wirkungslos erwies.
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172
SCHUMBURG:
12. 1 1 / a Stunden Bewegung. Trockene Staphylokokken-Leinwandobjecte
(Aufschwemmung einer Agarcultur; 2 Tage im Brätschrank getrocknet).
Von 6 Objecten nur 1 steril.
13. 1 Stunde 115°. Staphylokokken-Leinwand 24 Stunden im Brüt¬
schrank getrocknet. Alle Objecte + + 4* •
14. 1 Stunde 120®. Objecte wie bei Versuch Nr. 13. Alle + + +.
Aus allen diesen Versuchen lässt sich folgern, dass die
Bewegung der heissen Luft in der That die Desinfectionskraft
der heissen Luft erhöht, dass diese Steigerung aber für prak¬
tische Desinfectionszwecke noch immer nicht ausreicht, dass
vielmehr der Wassergehalt der Objecte vielleicht auch der
Luft selbst dabei eine grosse Rolle spielt. Es musste nun die
weitere Aufgabe sein, den Einfluss dieses Wassergehaltes der heissen
Luft auf die Desinfectionswirkung festzustellen.
Erhitzte ich die Luft in dem Cy linder auf 100°, ohne die Flügel in
Bewegung zu setzen, so fand sich eine relative Feuchtigkeit von 0 Procent
(im Zimmer 62 Procent). Wurde eine Schale mit 200 bis 300 ccm Wasser
eingestellt und dann die Luft bis 100° erhitzt, so stieg die relative
Feuchtigkeit bei ruhender Luftschicht auf 70 bis 80 Procent, um bei
Bewegung der Luft durch die Flügel auf 30 Procent abzusinken. Die
Prüfung der relativen Feuchtigkeit nahm ich mittels eines häufig geaichten
Wurster’schen oder eines Daniel’schen Hygrometers vor. Es kam
nun darauf an, die Desinfectionswirkung einer heissen Luft von 100° und
mittlerer relativer Feuchtigkeit (bei Aufstellen einer Wasserschale in dem
Desinfectionscylinder) zu studiren.
15. 100°. 1 Stunde. Bewegung. Staphylokokken-Leinwand. Vorher
50 Prooent, nachher 88 Procent relative Feuchtigkeit. Proben steril. Die
Lederproben waren nicht geschrumpft; das dünne Leder war weich und un¬
verändert, das dicke Sohlenleder vielleicht etwas brüchig (88 Procent relative
Feuchtigkeit!).
16. Versuch wie Nr. 15. Nur 90°. Alle Bakterienproben ++. Leder¬
proben intact. 90° ist also zu wenig.
17. Versuch wie Nr. 16. Aber 100°, nur 1 / 8 Stunde. Am Schluss
45 Procent relative Feuchtigkeit. Von 4 Bakterien proben 3 steril. Leder
intact. Zeit wohl zu kurz.
18. Versuch wie Nr. 17. Aber 1 Stunde. Relative Feuchtigkeit nach
dem ^Versuch 95 Procent. Alle 4 Proben steril. Leder intact.
19. Versuch wie Nr. 18. Aber Proben in Taschen von Uniformtuch. —
Relative Feuchtigkeit nach dem Versuch 95 Procent. Von 4 Proben nur
2 steril. (Das Herausnehmen der Läppchen aus den Taschen war etwas
umständlich.)
20. Wiederholung des Versuches Nr. 19. Möglichste Cautelen gegen
Luftinfection. Relative Feuchtigkeit 90 Procent zum Schluss. Alle 4 Proben
steriL Der nächste Versuch sollte ein Control versuch sein, um festzustellen,
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Über die Desinfectionskbapt deb heissen Luft.
173
wie die Wirkung wasserhaltiger Luft von 100° wäre, wenn sie nicht in
Bewegung versetzt wird.
21. Versuch wie Nr. 20. Nur keine Bewegung. Relative Feuchtigkeit
nach dem Versuch 95 Procent. Alle (3) Proben steril!
Die Bewegung der Luft ist demnach anscheinend gar nicht
zur Erzielung der Desinfectionswirkung nöthig, wahrscheinlich
nur ein gewisser Feuchtigkeitsgehalt. Um das genauer festzustellen,
wurden nachfolgende Versuche unternommen.
22. Staphylokokken-Läppchen in Taschen von blauem Uniformtuch.
1 Std. bei 100°imCylinder. Ohne Bewegung. Ohne Wasser. 4 Proben+ ++.
23. Wie Nr. 22. Aber mit Wasser. 3 Proben steril; 1 + am 3. Tag.
(V erunreinigung?)
24. Genau wie Nr. 22. Also ohne Wasser. Alle 3 Proben + + +.
25. Wie Nr. 23. Also mit Wasser. Typhus-Bouillon-Läppchen steril.
Coli-Bouillon-Läppchen steril. Milzbrand und Fäces +. (Sporen?) Um
vielleicht noch einen Erfolg mit Fäces zu erzielen, sind die folgenden Ver¬
suche angestellt.
26. Stuhl mit Leitungswasser aufgeschwemmt. Leinwandläppchen damit
getränkt. In Taschen. 24 Stunden im Brütschrank getrocknet. 1 Stunde
im Cylinder, mit Wasser, mit Bewegung. Nach Beendigung des Versuches
85 Procent relative Feuchtigkeit. Alle Proben -f -f-+. (Sporen?)
27. Derselbe Versuch. Nur 1 1 / t Stunden. Relative Feuchtigkeit am
Schluss 82 Procent. Alle Proben + + + • •
28. Derselbe Versuch. Aber 1 Stunde und 110°. Relative Feuchtig¬
keit 82 Procent. Alle Proben +.
Sporenhaltiges Material lässt sich also auf diese Weise selbst
bei 110° oder 1 1 / i Stunden langer Einwirkung nijcht abtödten.
Indes wird die Abtödtung vegetativer Formen anscheinend
erreicht durch einen Aufenthalt von 1 bis 2Stunden in einer etwa
80 Procent relative Feuchtigkeit enthaltenden heissen Luft. Dies
war noch zu erhärten. Es war weiter die Frage, ob auch in der Tiefe
dickerer Objecte die Abtödtung der Bakterien gleich gut vor sich geht.
In der That ist das der Fall, wie die folgenden Versuche beweisen:
29. Staphylokokken-Leinwand in Taschen von blauem Uniformtuch.
Diese in einen Wattebausch von 10 cm Durchmesser. 1 Stunde im Apparat.
Nach dem Versuch 82 Procent relative Feuchtigkeit. Alle Proben steril
mit einer Ausnahme. (Verunreinigung einer Probe war nicht ausgeschlossen.)
30. Versuch wie vorher. Aber 2 Stunden im Apparat und Bewegung
der Luft durch die Flügelräder. Relative Feuchtigkeit nach dem Versuch
82 Procent. Alle Proben (2) steril.
31. Derselbe Versuch, aber ohne [Bewegung. Relative Feuchtigkeit
80 Procent. Alle Proben (2) steril.
32. Wiederholung ergiebt dasselbe.
33. Taschen in nicht entfettete Watte. Sonst derselbe Versuch. Die
zwei ausgesetzten Proben steril.
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Schdmbueg:
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34. Die Taschen mit den Stückchen Staphylokokken-Leinwand werden
mitten in einen 15 cm im Durchmesser haltenden Paok dichten Rosshaare«
gesteckt. Der Pack wird fest verschnürt. 2 Stunden. Mit Wasser. Ohne
Bewegung. 80 Procent relativer Feuchtigkeit. Alle (2) 2 Staphylokokken-
Proben steril.
35. Wiederholung des Versuches, auch mit Diphtheriebacillen. 80 Procent
relativer Feuchtigkeit. Beide Proben sowohl von Diphtherie, wie von Staphylo¬
kokken steril.
36. Schliesslich noch ein Versuch, um die Einwirkung der feuchten,
heissen Luft auf tuberculöses Sputum zu erproben. Am 23. IX. werden
Leinwandstückchen mit tuberculösem Auswurf (1 Tag getrocknet) in die
schon erwähnten Täschchen gesteckt und 1 Stunde in den Apparat gebracht.
Wasser, aber keine Bewegung. Nach dem werden unter allen aseptischen
Controlen die zwei Stückchen zwei Meerschweinohen unter die Bauchhaut
gebracht. Naht. Jodoformcollodium-Verband. Am 21. Xd. Obduction der
getödteten Thiere. Beide Thiere völlig gesund. Sie waren bis zum 21. Xü.
stets munter und hatten ca. 240 s™ zugenommen. Die Controlthiere zeigten
reichliche typische Käseherde in Leistendrüsen, Milz, Leber, Nebennieren,
Retroperitonealdrüsen. Auch in den Lungen und Bronchialdrüsen.
Also auch die Tuberkelbacillen im Auswurf werden in einer
Stunde durch Uniformtuoh hindurch durch feuchte heisse Luft
von 100° abgetödtet.
Ausdrücklich hebe ich hervor, dass bei jedem einzelnen Versuche
Proben von dickem Sohlenleder sowie von Reithosenbesätzen und Hand¬
schuhen, vom Rind wie vom Kalb, Schaf und Wild in den verschiedensten
Stücken und Gerbungen in den Apparat mit eingehängt wurden. Nur
wenn die relative Feuchtigkeit der Luft von 100° die Höhe von 80 Procent
überstieg, wurde dickes Sohlenleder leicht brüchig, ohne indess im Ge¬
ringsten zu schrumpfen, alle übrigen Ledersorten kamen völlig unversehrt
aus dem Apparat, selbst nach zwei- und mehrstündigem Aufenthalt, heraus.
Nach diesen Vorversuchen mit improvisirten Apparaten musste ich
darangehen, die Wirkung feuchter heisser Luft in einem Apparat zu
studiren, welcher in der Desinfectionspraxis Verwerthung finden oder
wenigstens ein Modell für diesen Zweck vorstellen konnte. Die Firma
Rietschel & Henneberg in Berlin war sofort bereit — wofür ich auch au
dieser Stelle meinen Dank ausspreche —, einen zur Desinfection grösserer
Objecte geeigneten Apparat nach meinen Angaben zu construiren. Der¬
selbe bestand aus einem etwa l ! / 2 m hohen, dickwandigen und gegen
Wärmeverluste geschützten Eisencylinder mit einem Durchmesser von 60°".
Der Boden bestand aus Eisenblech, die obere Oeffnung wurde mit einem
nicht hermetisch schliessenden Holzdeckel bedeckt. Zur Aufnahme des
Wassers diente ein ringförmiges Bassin, das — behufs Regulirung der
Wasserverdunstung — höher oder tiefer in den Cylinder eingehängt, also
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Über die Desinfectionskraft der heissen Luft.
175
der Wärmequelle, dem erhitzten Cylinderboden, ferner oder näher gebracht
werden konnte. Die Erhitzung des Cylinderbodens geschah durch Gas¬
flammen, denen Gaszufuhr durch einen Thermoregulator ähnlich wie bei
den Brutschränken so geregelt werden konnte, dass die Temperatur im
Innern des Cylinders fast dauernd constant (meist um 100°) blieb. Die rela¬
tive Feuchtigkeit wurde durch Einhängen von Haarhygrometera festgestellt.
Mit diesem Apparat wurden nun folgende Versuche gemacht:
37. Eine grosse Reihe Lederproben blieb 10 Stunden im Apparat bei
80 Procent relativer Feuchtigkeit. Fast alle waren nach dieser Zeit brüchig,
aber nicht geschrumpft. Vielleicht war daran die Länge der Einwirkungs¬
zeit Schuld.
38. Derselbe Versuch mit anderen Proben. Aber nur 2 Stunden
Aufenthalt: Eine Probe Sohlenleder auf der Narbenseite gering brüchig,
alle anderen intact.
39. Zwei Leinwandstückchen 'mit Staphylokokkenbouillon imprägnirt
und in einem Drahtkorb in den Apparat gehängt. 86 Procent relativer
Feuchtigkeit. Temperatur zwischen 95° und 100°. Alle Proben steril.
40. Zwei Staphylokokken-Leinwandproben in Tasche von blauem Tuch.
Eine Milzbrandsporen-Probe „ „ „ „ „
1 Stunde ausgesetzt. Temperatur von 94° bis 98°. Alle Proben steril.
41. Derselbe Versuch. Zugleich Lederproben eingehängt von starkem
Rind-, wie weichem Kalb- und Ziegenleder. Temperatur von 95° bis 99°.
Alle Proben steril. Lederproben etwas brüchig, aber nicht geschrumpft.
42. Derselbe Versuch, aber ohne Milzbrand. Temperatur 84° bis 99°.
Relative Feuchtigkeit 85 Procent. Leder brüchig: Ursache vielleicht die
hohe relative Feuchtigkeit. Eine Staphylokokkenprobe + (Ursache wohl
die zu niedrige Temperatur).
43. Wassergefäss etwas mehr vom Boden entfernt. Die Dampfent¬
wickelung ist augenfällig geringer als früher. Fünf eingehängte und eine
Stunde im Apparat belassene Lederproben sind weder geschrumpft noch brüchig.
44. Drei Staphylokokken-Läppchen in blauen Taschen. Temperatur
92° bis 98°. 1 Stunde im Apparat. Relative Feuchtigkeit 72 bis 75 Procent.
Steril.
45. Drei Staphylokokken-Läppchen und Milzbrandsporen je in Taschen
von blauem Militärtuch. 1 Stunde. Temperatur 93° bis 95°. Staphylo¬
kokken steril. Milzbrandsporen + + +.
46. Zwei freie Milzbrandfäden in Cornetpincette. 3 Stunden. Tem¬
peratur von 88° bis 97°. 1 Faden steril, 1 ++. Zwei Kalblederproben
intact, eine von dickem Rindleder brüchig.
47. Zwei Staphylokokken-Läppchen in Taschen. 1 Stunde 95° bis 97°.
Proben steril. Dünnes Leder intact, dickes etwas brüchig.
48. Sechs Lederproben 1 Stunde bei 92° bis 96°. Vier dünne weiche
Proben intact, zwei dickere (Sohlenleder) etwas brüchig.
49. Die dickeren Ledersorten angefeuchtet und dann 1 Stunde ein¬
gehängt. Temperatur 96 ü bis 100°. Stark brüchig und geschrumpft.
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Schumburg:
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Aus diesen Versuchen ergab sich ein Mal, dass heisse Luft von nahezu
100° und relativer Feuchtigkeit von 72 bis 75, ein Mal bis 81 Procent
in einer Stunde Staphylokokken, aber nicht Milzbrandsporen, abtödtet, dass
aber andererseits bei dieser Feuchtigkeit dickeres Sohlenleder noch brüchig
wird und zwar häufiger, als es bei den improvisirten Apparaten der Fall
war. Wir müssen deshalb versuchen, ob es angängig ist, die relative
Feuchtigkeit noch weiter herunter zu setzen, ohne der baktericiden Fähig¬
keit Eintrag zu thun. Um das zu erweisen, wurde das Wasserbad noch
höher über den Heizboden emporgezogen und nun die weiter folgenden
Versuche unternommen.
50. Relative Feuchtigkeit zwischen 65 und 70 Procent, in der Zimmer¬
luft 30 bis 35 Procent. Jetzt bleiben bei einem Aufenthalt von 1 Stunde
in dem Apparat alle Lederproben, auch Sohlenleder, intact. Nur eine Sohlen¬
lederprobe, die schon vorher brüchig war, ist stärker brüchig geworden.
51. Staphylokokken-Läppchen: a) frei, b)in blauer Tuchtasche, c) ausser¬
dem in einer Lage nicht entfetteter Watte, d) statt in Watte, in einem
Ballen Rosshaare von 25 om Durchmesser. 1 Stunde. Temperatur 92° bis
102°. Relative Feuchtigkeit 66 und 67 Procent. Alle Proben steril.
Lederproben gänzlich unversehrt, nur eine schon ein Mal früher verwendete
und dabei etwas brüchig gewordene Probe (Sohlenleder) etwas mehr brüchig.
52. Eingetrockneter Auswurf an Leinwandläppchen in Tasche, in Tasche
und Watte, in Tasche und Rosshaaren wie in Versuch 51. 1 Stunde. Tem¬
peratur 94° bis 98°. Relative Feuchtigkeit 58 bis 64°. Alle Proben steril;
in zwei Proben gingen Heubacillen auf.
53. Versuch wie Nr. 51 (Staphylokokken-Läppchen in Tuchtaschen,
ausserdem in Watte und in Rosshaarballen). Ferner ebenso angetrockneter
Auswurf. — Temperatur 93° bis 97°. Relative Feuchtigkeit 70 Procent
Alles steril, mit Ausnahme einer Staphylokokken-Probe, die nach 3 Tagen
wuchs. Grund ist vielleicht die zu niedere Temperatur. Die Gaszufuhr zu
dem Apparate musste leider improvisirt werden; es gelang daher schwer,
die Temperatur bis 100° zu steigern. Sämmtliche Lederproben unversehrt
54. Heute Temperatur 101°. Dabei relative Feuchtigkeit von 80 Procent.
Sohlenleder, das dieser Temperatur und dieser Feuchtigkeit 1 Stunde aus¬
gesetzt war, wird dabei etwas brüchig. Die relative Feuchtigkeit ist zu
hoch und muss herabgesetzt werden dadurch, dass das Wassergefäss 3"“
weiter von dem Heizboden entfernt wird. Dann wird der nächste Versuch
angestellt.
55. Temperatur während der Desinfectionsstunde 95° bis 101°. Das
Resultat des Versuches giebt die folgende Tabelle. Es wurden sowohl
Läppchen mit Bouillonculturen, wie auch Bouillonculturen selbst (ausnahms¬
weise) ausgesetzt.
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Original frnm
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Über Bie Deseneectionskraft deb heissen Luft.
177
Proben in Tasche und
in Watte
Röhrchen mit 2—
Bouilloncultur
Typhus
steril
steril
Stuhl
+ (Heubacillen)
—
Hefe
steril
steril
Pseudotuberculose
M
Coli
*»
ff
Proteus
»»
ff
Cholera
ff
ft
Pyocyaneus
$9
ff
Sohlenleder ein wenig brüchig. Relative Feuchtigkeit wohl noch zu
hoch Deshalb das Wassergefäss noch höher gehängt.
56. Temperatur 100° bis 105°. Relative Feuchtigkeit 80» Procent.
Sohlenleder nach 1 Stunde immer noch etwas brüchig. Wassergefäss noch
5 cm höher.
57. Temperatur 98° bis 100 »5°. Relative Feuchtigkeit 75 Procent.
Von mehreren Lederproben ein sehr hartes Sohlenleder etwas brüchig.
Weiche Ledersorten, z. B. Reithosenbesätze, ganz unversehrt.
58. Temperatur von 91° bis 98°. Relative Feuchtigkeit 80 Procent.
1 Stunde.
Läppchen in Tasche und
in Watte
Bouillonculturen
Typhus
steril
steril
Coli
»»
Diphtherie
ff
tt
Cholera
tf
i
Prodigiosus
tf
i
tf
Proteus
ft
1 »»
59. Milzbrandsporen-Fäden. 100°. Relative Feuchtigkeit 60 Procent
Nach 6 Stunden noch +. Zwei Lederproben (Sohlen, Reithosen) 6 Stunden
im Apparat. Reithose ganz intact; Sohlen etwas brüchig, nicht geschrumpft.
Zur Controle, ob die desinficirende Wirkung der heissen Luft aus¬
bleibt oder unregelmässig wird, wenn die heisse Luft ohne Wasser ist,
wurde nachstehender Versuch angestellt.
60. Das Wasser wird aus dem Apparat entfernt. Dann wurden bei
einer mittleren Temperatur von 100° die nachfolgenden Bakterienarten (an
Läppchen und in Tasche und Watte) 1 Stunde lang in den Apparat ge¬
bracht. Die relative Feuchtigkeit schwankte zwischen 35 und 40 Procent.
Ausserdem wurden eine Reihe von Bouillonculturen gleichfalls 1 Stunde
lang zu gleicher Zeit eingebracht.
Zeitachr. f. H/giene. XLL 12
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178
Schumburg:
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■
Controle
In Watte
Bouilloucultur
Tvphus
+ + +
steril
steril
Coli
+ + +
9»
99
Diphtherie
steril
99
Cholera
+ + +
—
Prodigiosus
+ + +
steril
99
Proteus
+ + +
>9
99
Es könnte nach den erhaltenen Resultaten scheinen, als ob die heisse
Luft, wenn sie trocken ist, dasselbe leistet, als wenn Aian ihr Feuchtigkeit
zuführt. Indess haben wir ja bei diesem Versuch eine relative Feuchtig¬
keit von 35 bis 40 Procent beobachtet. Das ist noch immer ein ziemlich
erheblicher Feuchtigkeitsgehalt. Wir müssten diesen noch herabsetzen.
61. ' Doppel versuch. Desinfector zeigt beim ersten Versuch (trocken)
vorher nur eine relative Feuchtigkeit von 5 Procent, nacher von 20 Procent.
Dann wird — für den zweiten, den Feuchtigkeitsversuch — Wasser ein¬
gestellt. Das Hygrometer zeigt bei diesem zweiten Versuch vorher 76 Procent,
nachher 73 Procent relative Feuchtigkeit an. Die Temperatur bewegte sich
von 97° bis 101° bei beiden Versuchen.
Controle Trocken Feucht
Typhus ....+++ st. st.
Coli.+ + + + + + nach 4 Tagen +
Diphtherie ... st. — —
Cholera .... st. — —
Die Diphtherie- und Choleraläppchen zeigten nach eintägigem Trocknen
kein Wachsthum mehr. Auch dieser Versuch weist noch zu hohe Feuchtig-
keitswerthe (20 Procent) für den Trockenversuch auf, um eindeutig zu sein.
62. Dieser Versuch wurde mit trockenen Sputumläppchen angestellt,
die wie oben in Tasche und Watte verpackt waren. Wie im Vorversuche
erst Einwirken trockener Luft (5 bis 10 Procent relative Feuchtigkeit), nachher
feuchte Luft (30 bis 40 Procent) 1 Stunde lang. Drei Controlen + + +•
Trocken: drei Proben + + +• Feucht: eine Probe steril, eine geringes Waclis-
tlium nach 2 Tagen, eine dritte + + . Ursache wohl die zu niedrige relative
Feuchtigkeit. Es ist zu versuchen, wie eine stärker als 30 bis 40 Procent feuchte
Luft wirkt. Trockene, von 5 bis 10 Procent relative Feuchtigkeit tödtet nicht ab.
63. Sterile Läppchen werden mit Staphylokokkenbouillon (1 Tag alt)
getränkt und 2 Tage im Briitschrank getrocknet. Dann in Taschen 1 Stunde
in den Apparat gebracht. Temperatur von 98° bis 102°. Beim trockenen
Versuch 13 bis 20 Procent relative Feuchtigkeit, beim feuchten Versuch
65 bis 5H Procent. Am nächsten Tag: 3 Controlen: + + ; +; ++ ( am
zweiten Tag). Trocken (3 Proben): +; ++ am zweiten Tag; + . Feucht
(3 Proben): st.; st.; st.
Eine Reihe von Lederproben völlig unversehrt. Mit dieser Ver-
suchsanordnung — relative Feuchtigkeit um 60 Procent —
scheint die Zone für die feuchte Luft von 100° getroffen zu sein,
in welcher einerseits die sporenfreien pathogenen Bakterien in
Gck igle
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Uber die Desinfectionskraft der heissen Luft.
17 »
einer Stunde abgetödtet werden, andererseits Leder nicht an¬
gegriffen wird. Um diese Ansicht zu sichern, wurden die folgenden
Versuche unternommen.
64. Läppchen mit Sputum und Staphylokokkenbouillon in Taschen.
1 */» Tage im Brutschrank getrocknet. 1 Stunde im Apparat bei 100° und
60 bis 70 Procent relative Feuchtigkeit.
Controle Objecte
Sputum a) + + + ; b) am 2. Tag 4* 4-- a) st.
b) st.
c) st., am 5. Tag 4- •
Staph. a) 4- -f- +, b) + + +. a) b) c) steril.
65. Versuch wie vorstehend. Feucht und trocken. Temperatur trocken:
98° bis 100°. Feucht: 101°. Feuchtigkeit beim trockenen Versuch: 20 bis
18 Proc., beim feuchten: 60bis65Proc. Controle: Sputum (2 Proben) + + +.
Staph. (2 Proben) 4* + +• Trocken: Sput. (4Proben) 4* 4* 4** Staph. (4Proben)
+ + +. Feucht: Sputum: 2 st., 2 + (Sporen?) Staph.: 3 st., 1 + am 2. Tag.
66. Derselbe Versuch. Temperatur trocken 97° bis 100°. Relative
Feuchtigkeit 22 bis 15 Procent. Temperatur feucht 96° bis 100°. Relative
Feuchtigkeit 50 bis 62 Procent. Controle: Sputum (2 Proben) + + ; Staph.
(2Proben) -f- +• Nach der Desinfection: Trocken: Sputum (4 Proben) + + + •
Staph. (4 Proben) + + + • Feucht: Sputum (4 Proben) + + + (sporenhaltige
Stäbchen!), Staph. (4 Proben) steril.
67. Eine Fäcalienaufschwemmung wird 4 Stunden im Dampftopf steri-
lisirt und mit Typhusbouillon vermischt. Mit dieser Mischung werden
Läppchen getränkt, ebenso mit Staphylokokkenbouillon. Getrocknet im
Brütschrank. In sterile Taschen von blauem Militärtuch gesteckt. Ein
Theil 1 Stunde trocken, ein anderer 1 Stunde feucht im Apparat behandelt.
Dann in Bouillon. Controlen von Typhus (2) 4- 4" • Controlen von Staphylo¬
kokken (2)4-4-- Trocken: Typhus und Staphylokokken (je 4 Proben) am
nächsten Tage + + + • Feucht: Typhus und Staphylokokken (je 4 Proben)
noch nach 11 Tagen steril. Temperatur war trocken 96° bis 100°, feucht
98° bis 100°, die relative Feuchtigkeit beim trockenen Versuch 15 bis
10 Procent, beim feuchten 63 bis 58 Procent.
68. Derselbe Versuch. Ausserdem noch Auswurfläppchen. Temperatur
trocken 95° bis 100°, feucht 97" bis 100°. Relative Feuchtigkeit trocken
18 bis 15 Procent, feucht 55 bis 65 Procent.
2 Controlen
trocken
feucht
Typhus . . .
+ +
4- (3 Proben)
steril (3 Proben) mit Häutchen
von Kartoffelbacillen
Auswurf. . .
+ +
+ + + (3 Proben)
steril (3 Proben)
Staphylokokken
+ +
+ + + (3 Proben)
steril (2 Proben)
69. Läppchen mit Typhusbouillon und Stuhl zu gleichen Theilen.
20 Stunden im Brütschrank. In Taschen und diese in gelbe Watte; 10 cm
Durchmesser. Ein Ballen 1 Stunde trocken im Apparat, ein anderer feucht.
Feuchtigkeit uud Temperatur während des Versuches wie früher. Controlen:
Oese Typhös 4-4-4-; Typhus + Stuhl an Läppchen (2 Proben) + + +.
12 *
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180
Schumbubg:
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Trocken: Steril. Feucht: Steril. Die Läppchen waren wohl noch zu feucht.
Deshalb gelang auch die Desinfection mit trockener Luft.
70. Wiederholung des Versuches. Alles wie vorher. Läppchen länger
getrocknet. Resultat: Trocken 2 Proben + + , eine steril, feucht 3 Proben steril.
Rel. Feuchtigkeit 15—20 Procent, Temp. 100 — 103° beim trocknen Versuch.
„ „ 58—63 „ „ 100—102° „ feuchten „
71. Sterile Läppchen mit Diphtheriebouillon. 4 Stunden im Brütschrank
getrocknet; dann noch 12 Stunden, nachdem sie in sterile blaue Taschen
gesteckt waren. Diese in Watteballen von 10 cm Durchmesser. Ein Ballen
1 Stunde trocken, ein zweiter 1 Stunde feucht im Apparat.
Trocken: Rel. Feuchtigkeit 15—18 Procent; Temperatur 100—103°C.
Feucht: „ „ 58—65 „ „ 100—102°C.
Controlen: Eine + am nächsten, + + am 2. Tage; die zweite + +
am 2. Tage. Resultat: Trocken: Eine Probe steril, die zweite. -f + am
2. Tage, die dritte + -f- nach 24 Stunden. Feucht: 3 Proben steril
72. Pyocyaneus, der Sublimatlösung 1:1000 15 bis 20 Minuten lang
erträgt. Condenswasser einer Agarcultur an Fäden. 2 bis 3 Tage auf¬
bewahrt bei Zimmertemperatur. Relative Feuchtigkeit 15 bis 12 Procent
und 50 bis 58 Procent. Temperatur 100 °. Controlen + + +.
1 Stunde trocken und 1 Stunde feucht im Apparat.
frei in Cornetpincette. . . .
in Tasche.
inTascbeu.Watte (10 cm Durchm.)
trocken
2 Proben steril
2 Proben steril
1 Probe steril, 1 Probe + +
feucht
2 Proben steril,
2 Proben steril,
2 Proben steril.
73. Derselbe Versuch. Nur relative Feuchtigkeit 12 bis 8 Procent
und 58 bis 62 Procent. Temperatur um 100°. Resultat genau dasselbe,
wie im Vorversuch.
74. Die Pyocyaneus-Fäden werden in sterile Taschen und diese in
einen zu einem Bündel zusaramengerollten Militär-Waffenrock und in Ross¬
haare gepackt, die aus einer alten, festen Matratze entnommen waren. Beide
Bündel werden fest verschnürt. Ihr Durchmesser 40 und 30 cm . Je 1 Stunde
(trocken und feucht) im Apparat. Temperatur 99° bis 100° in beiden
Theilen des Versuches. Relative Feuchtigkeit 5 bis nahezu 0 Procent und
50 bis 58 Procent. Controlen: + + +. Resultat: Trocken: 3 Proben im
Rosshaar + + +, 1 Probe im Rock + + -+-, 2 Proben im Rock steril.
Feucht: 3 Proben im Rosshaar steril, 2 Proben im Rock steril.
75. Milzbrandsporen, die im Ohlmüller.’schen Apparat strömenden
Dampf 6 Minuten ertrugen und nach 8 Minuten abgetödtet waren, wurden
durch heisse Luft mit 60 bis 65 Procent relativer Feuchtigkeit erst nach
6 ständiger Einwirkung vernichtet.
Ausdrücklich möchte ich noch hinzufügen, dass bei jedem einzelnen
Versuche eine Reihe der verschiedensten Lederproben mit den Probe¬
objecten in den Apparat hineingehängt wurden und intact blieben. Wo
dieses nicht geschah, ist es ausdrücklich bemerkt. Auch Wachsthums*
controlen sind bei jedem einzelnen Versuch augestellt und stets positiv
ausgefallen.
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Cbeb die Desinfectionskeaft deb heissen Luft.
181
Aus allen den geschilderten Versuchen geht nun die Thatsache hervor,
dass, wie Koch das schon vor 20 Jahren gelehrt hat, hei der Desinfection
von Kleidungsstücken die trockene heisse Luft sich so unsicher in ihrer
Wirksamkeit zeigt, dass sie als untauglich für die praktische Desinfection
bezeichnet werden muss. Es folgt aber weiter aus den Versuchen die
Thatsache, dass heisse Luft von 100° in und an Kleidungsstücken, Ma¬
tratzen u. s. w. in einer Stunde selbst die widerstandsfähigsten, sporenfreien,
pathogenen Bakterien abtödtet, wenn sie etwa 55 bis 65 Procent
relativer Feuchtigkeit enthält. Dieser Feuchtigkeitsgrad wird regel¬
mässig erreicht, wenn man ein Wassergefäss, nicht zu nahe der Wärme¬
quelle, in einen Raum mit heisser Luft von 100° einsetzt. Die Wirkung der
mit 55 bis 65 Procent relativer Feuchtigkeit versehenen heissen Luft von 100°
stelle ich mir so vor, dass durch die abwechselnde Condensation der Feuchtig¬
keit an den kalten Objecten und die Wiederverdunstung derselben an
den erwärmten eine Art Strömung in die heisse Luft gebracht und da¬
durch immer neue 100° heisse Lufttheilchen an die Objecte getragen
werden, wo sie ihre Wärme abgeben, um wieder neuen, heisseren Mole¬
külen Platz zu machen. Auf diese Weise werden die Objecte der bakteri-
ciden Wirkung der 100° heissen Luft schneller zugänglich gemacht, als
das bei trockener, fast gar nicht strömender Luft der Fall ist, so wie
wir das vom strömenden Dampf seit Koch kennen.
Sporenhaltige Bakterien werden allerdings erst in erheblich viel
längerer Zeit vernichtet, so dass die „feuchte heisse Luft“ für sporen¬
haltige pathogene Bakterien' praktisch nicht in Frage kommt. Da aber
eine Desinfection von Kleidern und anderen Objecten, die Milzbrand- oder
Tetanussporen enthalten könnten, zu grossen Seltenheiten gehört, da
andererseits die übrigen meist bei der Desinfection in Frage kommenden
Bakterien, wie die Mikroben des Typhus, der Cholera, der Pest, der
Eiterungen, der Influenza, Diphtherie, Tuberculose, wahrscheinlich auch
der Masern und des Scharlach, keine widerstandsfähigen Dauersporen
bilden, so reicht fast in allen Fällen die Desinfection mit „feuchter
heisser Luft“ aus.
Dafür gewährt uns aber, gegenüber dem Wasserdampf, die Desinfection
mit feuchter heisser Luft von 55 bis 65 Procent relativer Feuchtigkeit
ganz bedeutende Vortheile. Der wichtigste ist der, dass selbst ein Aufent¬
halt von mehreren (6 bis 8) Stunden in feuchter heisser Luft Leder¬
sachen nicht angreift, in Sonderheit nicht zum Schrumpfen bringt;
nur sehr dickes, altes Sohlenleder wird gelegentlich bei höherer (70 bis
80 Procent) relativer Feuchtigkeit ein wenig brüchig, ohne indess im Ge¬
ringsten zu schrumpfen. Reithosen aber, lederne Handschuhe, Mützen¬
schirme, Stiefel, Pantoffeln, Riemen, Geschirre u. s. w. werden durch
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182 Schumbubg: Über die Desenfectionskbaet deb heissen Lutt.
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mehrstündige Einwirkung feuchter heisser Luft nicht eine Spur ver¬
ändert, weder in ihrer Grösse, Dicke und äusseren Form, noch in ihrer
Haltbarkeit und Weichheit, noch auch in in ihrer Farbe und ihrem Glanz.
Ebenso wenig werden Farben von Militär- und anderen Tuchen im Ge¬
ringsten angegriffen, ebenso wenig wie kostbare und gute Stoffe.
Von der Feststellung dieser Thatsachen, der erhöhten Wirksamkeit
feuchter heisser Luft gegenüber trockener heisser Luft sowie der Un¬
schädlichkeit der ersteren bei Leder, Farben und zarten Stoffen, bis zur
Uebersetzung in der Praxis ist nur noch ein kleiner Schritt. Die Firma
Rietschel & Henneberg in Berlin, die in uneigennützigster und dankens-
werthester Weise mir die Modelle für meine Versuche construirte, hat
sich bereit erklärt, zu 'praktischen Nachprüfungen Apparate zu Vorzugs¬
preisen zu liefern.
Gck igle
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W urstvergiftung.
Von
Dr. Sohumburg,
Oberstabsarzt und Priratdooent in Hannover.
Am 3. Mai des vorigen Jahres erkrankten in Hannover nach Genass
von Rinderwurst 34 Personen nach wenigen Stunden an Darmerscheinungen
(Uebelkeit, profusen Durchfällen, Mattigkeit, mehrfachen Erbrechen). Etwa
100 Menschen hatten im Ganzen von dem Gericht gegessen. Hach
12 Stunden waren bei den meisten Erkrankten die Symptome wieder ab¬
geklungen, nur bei 1 bis 2 Personen bestanden die Erscheinungen weiter
bis zum zweiten Tage und verschwanden dann allmählich, ohne Folgen
zu hinterlassen. Das Nervensystem als solches war in keinem Falle
alterirt.
Unter Rinderwurst versteht man hier in Hannover ein Gemenge von
Rindfleisch (der verschiedensten Organe) mit reichlichem Gewürz (nament¬
lich auch Majoran) und mit Semmel. Meist wird die Wurst lose, das
heisst nicht in Därme gefüllt, in den Handel gebracht. Sie wird zum
Genuss bei massiger Temperatur (nach Schätzung etwa auf höchstens 50° C.)
kurze Zeit erwärmt und stellt dann einen grauweisslichen, grobbröckeligen
Brei dar, der meist einen ganz vorzüglichen Geschmack hat.
Der mir zur Untersuchung zur Verfügung stehende Rest der Rinder¬
wurst betrug 51 * nn . Die Wurst war „lose“ geliefert. Der Rest sah gut
aus und hatte keinen unangenehmen Geruch. Die Wurst war am 3. Mai
Mittags etwa um 12 Uhr gebracht; zum Abendessen wurde sie verbraucht,
indem sie in einem Emailletopf mit Fett und etwas Wasser erwärmt
wurde. Die zu gleicher Zeit gereichten Pellkartoffeln waren gänzlich ein¬
wandsfrei, in Sonderheit frei von gesundheitsschädlichen Solaninmengen.
Von dem Rest der Wurst wurden nun Agarplatten gegossen. Es
wuchsen hauptsächlich 2 Bakterienarten: Eine der Gruppe der Kartoffel¬
bacillen zugehörende Art und ein sehr langsam die Gelatine verflüssigender
Proteus. Von beiden wurden Reinculturen angelegt.
Ferner wurden mit dem Rest der Wurst 1 Ratte, sowie 2 Mäuse ge¬
füttert. Alle 3 Thiere starben nach 24 Stunden. Der Obductionsbefund
bei den 3Thieren war der gleiche: Die Därme enthielten wässerig-schleimige
Flüssigkeit und ihre Gefässe waren stark mit dunklem Blut gefüllt.
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184
SCHUM-BURG t W URST VERGIFTUNG.
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Ebenso waren die Lungen sehr blutreich, wie die stark vergrösserte Milz
und die Leber. Sowohl aus dem Herzblut wie dem Saft der Milz und
der Leber liessen sich allerdings nur vereinzelte Colonieen einer Proteus¬
art züchten, welche der aus der Wurst direct auf Agar gewachsenen
Proteusart völlig glich; au? dem Darminhalt reichlicher. Von Kartoffel¬
bacillen fand sich nichts.
Es handelte sich nun weiter darum festzustellen, ob die verdächtige
Proteusart im Stande war, in Reinculturen Krankheitserscheinungen, wie
die bei den 34 Personen beobachteten, hervorzubringen. Ferner lag
es bei der geringen Zahl der im Blute nachgewiesenen Bacillen nahe, an¬
zunehmen, dass ein von den Bakterien aus dem Fleisch der Wurst ge¬
bildetes Gift die Ursache der Darmkatarrhe gewesen war.
Um diesen Verhältnissen nahe zu kommen, wurde sterilisirtes Rindfleisch
mit der aus dem Thierkörper rein gezüchteten Proteusart inficirt und
24 Stunden im Brütschrank aufbewahrt, um den Bakterien Gelegenheit
zu geben, in dem Fleisch Gifte zu bilden. Dieses Fleisch wurde nun
wieder an Thiere (2 Mäuse, 1 Ratte) verfüttert. Alle drei Thiere starben
nach 24 Stunden. Der Obductionsbefund war dem oben bereits aufgeführten
gleich. Im Blut fanden sich — durch die Cultur erwiesen — wiederum
nur spärliche Proteuskeime.
Um nun noch ganz sicher den Nachweis zu erbringen, dass nicht
die Bakterien selbst es waren, welche die Krankheitserscheinungen hervor¬
gerufen hatten, sondern die von ihnen in dem Fleische erzeugten Gifte,
wurden mehrere Bouillonculturen durch Filtration von den Bakterienleibern
befreit, so dass in dem Filtrat (wie .culturell bestätigt wurde) nur gelöstes
Gift vorhanden war. Diese Giftlösung nun führte, Versuchsthieren in
kleineren Dosen (0-1 bis 0 - 5 CCTU ) unter die Haut gespritzt, deren Tod herbei.
Aus diesen Versuchen geht hervor, dass in der fraglichen Rinder¬
wurst eine Bakterienart gefunden wurde (Proteus), die, wenn
sie Mäusen und Ratten mit dem Futter beigebracht wird, diese
Thiere unter den Erscheinungen eines sehr heftigen Darm¬
katarrhs zu tödten vermag und zwar wahrscheinlich durch
Bildung eines Giftes aus dem im Futter vorhandenen Fleisch.
Da die Proteusbacillen erst durch eine mindestens halbstündige Er¬
hitzung auf 70° oder eine mindestens einige Secunden währende Tem¬
peratur von 100° abgetödtet werden, so hatte eben die am 3. Mai Abends
vorgenommene Erwärmung der Rinderwurst zur Abtödtung der Proteus¬
bakterien und auch zur Vernichtung des gebildeten Giftes nicht ausgereicht.
In mehreren anderen Sorten von Fleischwurst, die zur Controle unter¬
sucht wurden, fand ich niemals zur Gruppe des Proteus gehörige Arten,
wohl aber hier und da Colibacillen.
Gck igle
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Der Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875—1900.
Von
Dr. Albert Lotz,
Assistenzarzt der mediclnischen Klinik ln Basel.
(Hierzu Taf. X-XIII.)
Auf Liebermeister’s Anregung hin erschien im Jahre 1871 die
Arbeit von Bernhard Socin: Typhus, Regenmenge und Grund¬
wasser in Basel. Die Veranlassung hierzu bildeten die bekannten Unter¬
suchungen von Buhl 1 und Pettenkofer* über die Schwankungen der
Typhusmortalität in München. Socin fasst die Resultate seiner Arbeit in
folgenden Schlusssätzen zusammen:
1. Mit Wahrscheinlichkeit ergiebt sich, dass ungewöhnliche Trocken¬
heit in Basel die Entwickelung von Typhusepidemieen begünstigt, während
sie bei zunehmender Feuchtigkeit wieder abnehmen.
2 . Die Intensität der Epidemieen lässt sich aus dem Grade und der
Raschheit der Feuchtigkeitsschwankungen nicht erklären.
3. Die Epidemieen fallen regelmässig auf die zweite Hälfte des
Jahres . . .
4. Die Typhusbewegungen sind in sämmtlichen Stadttheilen . . . an¬
nähernd dieselben.
5. Kein Stadttheil zeigt sich, mit Rücksichtnahme auf die Aus¬
dehnung und die Bevölkerung desselben, besonders auffallend bevorzugt.
1 Buhl, Ein Beitrag zur Aetiologie des Typhus in München. Zeitschrift für
Biologie . 1865. Bd. I.
* Pettenkofer, lieber die Schwankungen der Typhussterblichkeit in München,
von 1850—1867. Ebenda . 1868. Bd. V.
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Original frum
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186
Albeet Lotz:
So ein konnte also für Basel nicht denselben Zusammenhang zwischen
Grundwasserstand und Typhuserkrankungen finden, wie Buhl für München,
und zur Erklärung dieser Thatsache führt er den treffenden Ausspruch
Buchanan’s an, welcher lautet:
„Wenn ich also Pettenkofer’s Theorie, dass das Sinken des Grund¬
wassers ein dem epidemischen Vorherrschen des Typhus günstiger Umstand
ist, als richtig zugebe, so glaube ich jedoch gezeigt zu haben, dass die
Bedingung hinzugefügt werden muss, dass der Satz nur für einen solchen
Ort oder eine solche Stadt gilt, wo die Zufuhr des Trinkwassers aus dem
Boden der Stadt selbst geschieht.“ 1
Am Ende seiner Arbeit spricht So ein den Wunsch aus, es möchten
später, von reichlicherem Material ausgehend, ähnliche Untersuchungen
angestellt werden, die vielleicht deutlichere Resultate würden zu Tage
fördern.
Seit So ein’s Dissertation hat keine grössere zusammenfassende Be¬
arbeitung mehr stattgefunden — ein in dieser Richtung von Herrn
Physikus Dr. Streckeisen begonnenes, bis zum Jahre 1888 reichendes
Unternehmen blieb unvollendet — und es mag daher wünschbar erscheinen,
das Auftreten des Typhus in Basel im letzten Vierteljahrhundert einer
zusammenfassenden Betrachtung zu unterwerfen.
Die am 1. XII. 1900 stattgehabte Volkszählung macht es möglich,
für den ganzen Zeitraum die Bevölkerungszahlen richtig zu berechnen und
damit eine einwandsfreie Basis für sämmtliche Vergleiche zu schaffen.
Betreffend das Material, auf dem die vorliegende Arbeit fasst, ist
Folgendes vorauszuschicken:
Buhl stützte seine Untersuchungen nur auf secirte Leichen und ent¬
ging daher dem Risiko einer intra vitam falsch gestellten Diagnose.
Socin konnte sich wegen der zu geringen Anzahl nicht nur auf die
Todesfälle beschränken; seiner Arbeit liegen sämmtliche Typhuslalle zu
Grunde, die von 1848 bis 1869, einem Zeiträume von 22 Jahren im
Bürgerspitale zu Basel verpflegt worden waren. In seiner Arbeit giebt
der Verfasser zu, dass die Frequenz des Typhus im Spitale nicht immer
als annähernder Ausdruck der Frequenz in der ganzen Stadt anzuseben
sei. Des Fernern ist es klar, dass bei Betrachtung der Frequenz in den
einzelnen Stadttheilen „die grössten Zufälligkeiten mit in’s Spiel kommen.
Das eine Quartier sendet je nach der Dichte oder der Wohlhabenheit
1 Buchanan, Ueber Pettenkofer’s Theorie von der Verbreitung der Cholera
und des Abdominaltyphus. Deutsche Vierteljahrsschrift für öffentl. Gesundhcitspßege.
1870. p. 175.
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Deb Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875—1900. 187
seiner Bewohner und vielleicht je nach seiner Entfernung vom Spital
mehr, das andere weniger Typhusfalle in’s Krankenhaus“. 1
Nachdem schon im Jahre 1869 die ärztliche Bescheinigung der Todes¬
ursache eingeführt worden war, beschloss im Juli 1874 das damalige
Sanitätscollegium der Stadt Basel die obligatorische Anzeigepflicht für an¬
steckende Krankheiten. 2 Von diesem Zeitpunkte an liegen also über
alle in der Stadt aufgetretenen Typhusfälle Anzeigen vor, die alljährlich
von amtlicher Seite in den „statistischen Mittheilungen des Cantons
Basel-Stadt“ (Bericht über die ansteckenden Krankheiten) zusammengestellt
und verarbeitet werden. Es liegt auf der Hand, dass solche Anmeldungen
aus dem gesammten Stadtgebiete die Hauptvorbedingung sind, ohne welche
eine fruchtbare Uebersicht über die Ausbreitung der Krankheit in grösseren
Zeiträumen nicht gewonnen werden kann. Was dieses Material betrifft,
so darf gesagt werden, dass bei der früheren Häufigkeit des Typhus in
unserer Stadt die Aerzte gewiss eine grosse diagnostische Erfahrung darin
hatten, und dass unter der grossen Anzahl die unrichtigen Anzeigen
sicher nur einen für das Gesammtbild unerheblichen Bruchtheil aus¬
machen. Ausserdem ist durch gewissenhafte Collationirung der Todes¬
fälle mit den Erkrankungen, sowie der Anmeldungen aus der Stadt mit
den Spitalanzeigen von Anfang an für möglichste Richtigstellung des
Materials Sorge getragen worden.
Für die vorliegende Arbeit wurden sämmtliche Anzeigeblättchen von
1875 bis 1900 nochmals genau revidirt mit besonderer Rücksicht auf die
Feststellung der Wohnung, in welcher die Erkrankungen aufgetreten waren.
Selbstverständlich wurden die von auswärts in die Stadt verbrachten
Typhusfälle als nicht auf Basler Boden inficirte von den Zusammen¬
stellungen der Erkrankungen und Todesfälle ausgeschlossen. Ebenfalls
absichtlich nicht berücksicht wurden die in der Schorenanstalt aufge¬
tretenen Fälle. In dieser Anstalt 3 werden ca. 300 unbemittelte junge
Mädchen mit Seiden winden beschäftigt; die Anstalt gewährt ihnen als
Gegenleistung u. A. Wohnung und Nahrung. Die in der Schorenanstalt
aufgetretenen Typhuserkrankungen wurden deshalb ausgeschlossen, weil
der aus mehreren Wohn- und Fabrikgebäuden bestehende Häusercomplex
auf dem Gebiete des äusseren Kleinbasels räumlich von der Stadt voll¬
ständig getrennt ist und weil speciell in der für unsere Betrachtung wich¬
tigen Zeit November 1890 bis Januar 1891 das Bild des Epidemiever¬
laufes in Kleinbasel durch die damals in der Schorenanstalt beobachtete
Typhusepidemie sehr getrübt worden wäre.
1 Socin, a. a. 0. S. 29.
* Bericht Über dcu Sanitätswesen von Basel-Stadt. 1874. S. 76, 77.
* Vgl. Statist. Mittheilungen. Basel-Stadt 1890. S. 61 ff.
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Albert Lotz:
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Dass bei den dort auftretenden Epidemieen locale Ursachen mit*
spielten, hat schon Liebermeister 1 2 in seinen bekannten „Untersuchungen
über die Verbreitung des Abdominaltyphus durch Trinkwasser“ gezeigt
Wie für die Epidemie im Sommer 1867 sind auch für die späteren in
der Schorenanstalt ausgebrochenen Epidemieen, insbesondere für diejenige
von 1890 bis 1891 locale Umstände verantwortlich zu machen und zwar
wahrscheinlich sogar derselbe schon 1867 beanstandete Sodbrunnen (Zieh¬
oder Pumpbrunnen) „da die Gefahr der Verunreinigung dieses Brunnens
vom Abtritte der alten Fabrik aus unzweifelhaft besteht“.*
Es sind also die Erkrankungen in der Schorenanstalt bei den jähr¬
lichen Uebersichten (Tab. I) zwar mitgerechnet, bei den monatlichen
aber nur mit kleinen, in den Gesammtzahlen nicht enthaltenen Ziffern
beigedruckt (Tab. III und V) und bei den Morbiditätszahlen (Tab. VI
und VII) sowie auf sämmtlichen Curven nicht berücksichtigt worden.
Einen bei der Mortalität nicht ganz auszumerzenden Fehler bilden
diejenigen Kranken, welche während der Dauer ihrer Krankheit die Stadt
verliessen und über deren Schicksal man nichts in Erfahrung bringen
konnte. Wir haben uns bemüht, überall, wo Erkundigungen möglich
waren, solche einzuziehen: so bei den nach der Diaconissenanstalt in Riehen,
sowie bei den in das Krankenhaus Liestal Verbrachten. Ausserdem ist
der tödtliche Ausgang eines nach Sierenz und eines nach Olten trans-
portirten Falles bekannt. Diese Todesfälle wurden, trotzdem sie auswärts
erfolgten, bei der Mortalität berücksichtigt und es sind also im Ganzen
sechs, sämmtlich aus Grossbasel stammende Fälle dazugekommen und
zwar je ein Fall: VII. 1878; I. 1881; VIII. 1882; IV. 1884; V. 1889;
VIII. 1892.
Soviel zur Erklärung von kleinen Differenzen der Zahlen in den amt¬
lichen Berichten mit den Zahlen in dieser Arbeit; gegenüber jeuen sind
diese letzteren als die Definitiven zu betrachten.
Schon bei der Durchsicht der vorliegenden Jahresberichte ergeben
sich in Bezug auf das Auftreten des Typhus in Basel einige sehr auf¬
fallende Thatsachen. So besonders:
1. Die sehr starken Schwankungen im jährlichen Auftreten.
2. Die vor 1891 fast durchweg stärkere Belastung Kleinbasel»
gegenüber Grossbasel.
1 Liebermeister, Verbreitung des Abdominaltyphus durch Trinkwasser.
Deutsches Archiv für lei in. Medicin. 1870. Bd. VII.
2 Statist. Mittheilungen. Bericht über ansteckende Krankheiten. 1890. S. 62.
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Der Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875—1900. 189
3. Die bedeutende Abnahme des Typhus im letzten Jahrzehnt in
der ganzen Stadt, insbesondere aber in Kleinhasel, das im Gegensatz
zu früher jetzt günstiger dasteht als Grossbasel.
Diese Thatsache, dass das Verhältnis der Typhusmorbidität von
Grossbasel zu derjenigen von Kleinbasel ziemlich rasch eine Umkehr er¬
fuhr, bildete die Veranlassung, die beiden Stadttheile völlig getrennt zu
behandeln und zu untersuchen, wie sich diese Verschiedenheiten im
Einzelnen gestalteten und ob sich ätiologische Momente beibringen liessen,
um uns diese Differenzen zu erklären.
Für auswärtige Leser ist in Kürze zu sagen, dass die Stadt Basel
durch den Rhein in zwei ungleich grosse Theile getheilt wird: das links¬
rheinische Grossbasel und das rechtsrheinische Kleinbasel. Die Bevölkerung
von Kleinbasel betrug im Jahre 1875 ca. 1 / 3 , im Jahre 1900 in Folge
relativ stärkeren Wachsthums ca. 2 / 6 der Bevölkerung der ganzen Stadt.
Die Bevölkerungszahlen, die Jahressummen der Erkrankungen und
der Todesfälle, sowie ihr Verhältniss zur Bevölkerung sind auf Tabelle I
zusammengestellt. Auf dieser Tabelle und noch mehr auf den dazu ge¬
hörigen graphischen Darstellungen (Taf. X) springen die oben betonten
Verhältnisse sofort ins Auge. 1 Ein genauerer Einblick aber ergiebt
sich erst aus den Zusammenstellungen nach Monaten, die auf
Tabelle II und III die Todesfälle, auf Tabelle IV und V die Erkrankungen
angeben. Aus diesen Monatsziffern der Erkrankungen wurde die Morbi¬
dität (auf 1 Jahr und 10000 Lebende) für Grossbasel (Tab. VI) und
Kleinbasel (Tab. VII) berechnet und mit Hülfe dieser Zahlen der Typhus¬
verlauf nach Monaten graphisch dargestellt (Taf. XI und XII). 3 •
Hier treten nun, neben den schon auf der Jahrescurve bemerkten
Eigenthümlichkeiten die Verschiedenheiten und Uebereinstimmungen im
Auftreten des Typhus in Gross- und Kleinbasel sehr deutlich hervor.
Während in vielen Jahren weder in Gross- noch in Kleinbasel be¬
deutende epidemische Steigerungen des Typhus sich bemerkbar machen,
(1876, 78, 79, 83, 84, 86, 87, 88), so haben wir andererseits Jahre mit
sehr auffallenden epidemischen Ausbrüchen, so dass die Linien starke
Eicursionen aufweisen. Hierbei muss es entschieden auffallen, dass die
rothe und die schwarze Linie 3 zeitweise sehr übereinstimmend verlaufen
1 Auf den beigefügten Curventafeln sind die Typhustalle in Kleinbasel durch
eine rothe Linie, diejenigen in Grossbasel dagegen schwarz aufgezeichnet.
* Die blaue Linie notirt in Meter über dem Nullpunkt des Rheinpegels die
Grundwasserstände Kleinbasels (Brunnen Hammerstrasse Nr. 50). Die Zahlen sind
den Slafist. Mittheüungen entnommen.
* Vgl. Anmerkung 1.
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und sich oft geradezu decken, während zu anderen Zeiten wiederum die
beiden Linien einen absolut differenten Verlauf nehmen.
Der parallele Verlauf der beiden Linien tritt besonders deutlich hervor
in den Jahren 1880, 1881, 1889 und 1890, während in den Jahren
1875, 1877, 1882 und 1885 die rothe Linie mehr oder weniger selbst¬
ständige Erhebungen zeigt.
Mit anderen Worten:
Im ersten Falle haben wir Epidemieen, welche sowohl Gross- wie
Kleinbasel betreffen, im zweiten Falle dagegen Epidemieen, die vor¬
herrschend oder ausschliesslich (1882) Kleinbasel befallen. In den folgen¬
den Besprechungen wollen wir der Kürze wegen die ersteren als „ge¬
meinsame“, die letzteren als „Kleinbaseler“ Epidemieen bezeichnen.
Mit dem Jahre 1890 finden die bis dahin häufig aufgetretenen grossen
epidemischen Ausbrüche ihr Ende und — was besonders auffällig ist —
sinken die Zahlen vornehmlich in Kleinbasel auf ein Minimum herab.
Während letzteres bis dahin im Allgemeinen stets höher stand und mit
seinen rothen Eicursionen Grossbasel überbot, so findet nun gerade das
Umgekehrte statt: 1896 und 1897, besonders aber 1898 zeigen uns Er¬
hebungen, welche wesentlich Grossbasel betreffen; Kleinbasel bleibt zurück
oder zeigt nur minimale Zahlen.
Die erwähnten Kleinbaseler Epidemieen, sowie diese Veränderung im
Verhalten Kleinbasels, das gänzliche Auf hören der Epidemieen vom Jahre
1890 an, setzen nothwendiger Weise einen Factor oder Factoren voraus,
welche .
1. allein auf dem Gebiete Kleinbasels wirksam gewesen sind,
2 . mit dem Ende des Jahres 1890 zu wirken aufgehört haben.
Bei der Erwägung, was hierbei ursächlich in Frage kommen könnte,
ist von vornherein das Grundwasser auszuschliessen. Die „Berichte über
die ansteckenden Krankheiten“ weisen beinahe Jahr für Jahr darauf hin,
dass zwischen den Schwankungen des Grundwassers und den Schwankungen
der Typhusmorbidität kein regelmässiger Zusammenhang nachzuweisen sei
und ein Blick auf Tabelle VI, VII a und b zeigt das unverkennbar.
Die starke Epidemie von 1877 fällt in einen Zeitraum von hoch¬
stehendem Grundwasser, diejenige von 1882 in einen solchen starken An¬
steigens desselben, diejenige von 1885 beginnt bei hochstehendem, erreicht
allerdings ihre Höhe bei starkem Sinken, fallt aber bei fortgesetztem
starkem Sinken ebenso rasch wieder ab. Daneben sehen wir starke Tief¬
stände des Grundwassers (VIII 81, III 87, II 91, X 95) gänzlich reactions-
los verlaufen.
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Deb Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875—1900. 191
Ebenso wenig wie das Grundwasser für die im Laufe der Jahre be¬
obachteten Schwankungen können die sanitarisch förderlichen bau¬
lichen Veränderungen für den im Laufe des letzten Jahrzehnts vor¬
handenen niedrigen Stand des Typhus in Kleinbasel als Ursache
herangezogen werden. Diese baulichen Verbesserungen (Ausdehnung einer
rationellen Canalisation n. s. w.) treten ihrer Natur nach nur allmählich
ein, und welchen Antheil am Auftreten des Typhus man auch den früheren
insaluberen Zuständen in den Wohnungen und im Untergründe beimessen
mag, so handelt es sich dabei doch eben nur um die dauernden, nur
allmählich sich verändernden Zustände, während wir nach einem Factoren
suchen, dessen zeitweise Wirkung die Kleinbasel eigenthümlichen epide¬
mischen Ausbrüche hervorrufen konnte und dessen Ausschaltung das Auf¬
hören derselben erklärt.
Ganz undenkbar ist es, dass Milch, Gemüse oder irgend welche
anderen Lebensmittel für die Erklärung der Kleinbaseler Epidemieen in
Betracht kommen könnten. Setzt doch die Verbreitung der Epidemieen
auch eine Verbreitung des Infectionsstoffes voraus, die weder bei Milch
noch bei anderen Lebensmitteln möglich wäre, ohne dass gleichzeitig auch
Grossbasel von seiner Wirkung betroffen würde.
Wenn wir auch unbedingt den Standpunkt vonBorntraeger 1 theilen,
welcher davor warnt, in allen Fällen sofort dem Rufe „cherchez l’eau“
Gehör zu schenken, so liegt doch speciell in unserem Falle die Frage
sehr nahe, ob sich nicht ursächliche Beziehungen zwischen der Wasser¬
versorgung und dem Auftreten des Typhus in Kleinbasel nachweisen
lassen. Nachdem Liebermeister 2 in Basel, Zürich und Solothurn,
Haegier’ für die kleine Ortschaft Lausen, Curschmann* Reineke 6
für Berlin und Hamburg und zahlreiche andere Beobachter 6 typische
Trinkwasserepidemieen beschrieben haben, wissen wir zur Genüge, dass
solche explosive Ausbrüche, wie wir sie in Kleinbasel mehrfach beobachten,
durch verunreinigtes Trinkwasser zu Stande kommen können, und
wir forschten um so mehr nach den Trinkwasserverhältnissen, als uns be-
* Borntraeger, Die Contagiosität des Darmtyphus. Vierteljahrsschrift für
gerichtl. Medicin. Juli 1901. S. 149.
* Liebermeister. Gesammelte Abhandlungen. S. 27 — 65.
* A. Haegier, Beiträge zur Entstehungsgeschichte des Typhus. Deutsches
Archiv für klin. Medicin. Bd. XI.
* Curschmann, Statistisches und Klinisches über den Unterleibstyphus in
Hamburg. Deutsche med. Wochenschrift. 1888.
* Beincke, Deutsche Vierteljahrsschr. f. öjfentl. Gesundheitspflege. Bd. XXVIII.
* Litteraturangaben bei W. von Rieder, Der Abdominaltyphus in Riga im
Jahre 1900. Ebenda. Bd. XXXIII. S. 577 ff.
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kannt war, dass Gross- und Kleinbasel zum Theil mit verschiedenem
Wasser versorgt werden.
Wenn wir oben gesehen haben, dass die Kleinbaseler Epidemieen
einen Factor voraussetzen, der im letzten Jahrzehnt nicht mehr wirksam
war, so stossen wir sofort auf die bedeutsame Thatsache, dass „im De-
cember 1890 das Riehenpumpwerk wegen Gefahr der Verunreinigung des
dort gehobenen Sodwassers bis auf Weiteres ausser Betrieb gesetzt“ wurde. 1
Zur richtigen Würdigung dieser Thatsache ist eine kurze Darlegung
der etwas complicirten Kleinbaseler Wasserverhältnisse nothwendig.
Bis zum Beginn der 60 er Jahre des vorigen Jahrhunderts beruhte
die Wasserversorgung der Stadt Basel auf einer Anzahl aus der näheren
Umgebung zugeleiteter Quellen; dazu kamen in Grossbasel noch einige
Quellen, die in der Stadt selbst am Fusse der gegen das Birsigthal und
das Rheinthal abfallenden Hügel zu Tage treten. Ausserdem existirten
in Gross- und Kleinbasel noch eine Anzahl öffentlicher und privater Sod-
brunnen. Bei dem beschränkten Landgebiete auf dem rechten (Klein¬
baseler) Rheinufer war Kleinbasel auf mehrere, am Abhange des Dinkel¬
berges gegen Bettingen hin gefasste Quellen angewiesen, die zusammen
das sogenannte Riehenwerk bildeten. Da jedoch der Erguss desselben
für die Bedürfnisse des wachsenden Stadttheiles von Jahr zu Jahr weniger
genügte, so begegnen wir im Jahre 1860 dem Projecte, zur Gewinnung
weiteren Trinkwassers vor dem Riehenthore (d. h. in Kleinbasel selbst,
ca. 400 m vom Rheine entfernt) einen Sodbrunnen zu graben. 2 Im darauf¬
folgenden Jahre wurde die Arbeit vollendet und im Berichte des Jahres
1863 heist es: 3
„Vom Pumpwerk vor dem Riehenthore werden folgende Brunnen ge¬
speist: ein Brunnen am Pumphaus, an der oberen Rheingasse, an der
Ecke des Claramattweges, zwei Hebelbrunnen an der Hammerstrasse und
gegenüber dem badischen Bahnhof.“
Der Ueberschuss des vom Pumpwerk gelieferten Wassers gelangte in
die Leitung des Riehenwerks, indem Pumpwerk und Quellwerk schon von
Anbeginn an derart in Verbindung gesetzt wurden, „dass im Falle von
Bedarf Pumpwerkswasser in die Riehenwerksleitung und umgekehrt ein¬
gelassen werden“ konnte. 4 *
Die vom neu erstellten Pumpwerke gelieferte Grundwassennenge
(ca. 30 Helblinge) 6 betrug ungefähr die Hälfte des Ergusses des Riehen-
1 Jahresbericht des Gas- und Wasserwerkes in Basel. 1890. S. 38.
* Verwaltungsbericht des Stadtrathes zu Basel. 1860. S. 27.
8 Ebenda. 1863. S. 18.
4 Verwaltungsbericht des Sanitäts-Dept. 1877. S. 66.
* Ein Helbling = 4-5 Minutenliter.
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Deb Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875 — 1900 . 193
quellwerks (ca. 60 Helblinge). Dieses war der Ergänzung um so be¬
dürftiger, als es im Jahre 1863 weiteren Ansprüchen zu genügen hatte
(3 fernere Helblinge Wasser zu den Hofbrunnen in der Kaserne für die
Zeit, während welcher Militärcurse abgehalten wurden, und 1 j t Helbling
an den badischen Bahnhof). 1
Das auch in Grossbasel sehr lebhafte Bedörfniss nach vermehrter
Wasserzufuhr hatte die Zuleitung der in verschiedenen Jurathälern bei
Grellingen und Angenstein, ca. 15 km von Basel entfernt gelegenen Quellen
zur Folge. Der Erguss dieser neuerworbenen, ergiebigen Quellen, das
sogenannte Greilingerwasser, wird durch eine Sammelleitung in ein
südlich von der Stadt auf dem „Bruderholze“ gelegenes Reservoir geführt.
Da sich dieses bei einer Lage von 92 m über dem Nullpunkte des Rhein¬
pegels immer noch ca. 50 m über den höchstgelegenen Quartieren (Gundol-
dingen u. s. w.) befindet, so gelangt das Wasser mit starkem Drucke nach
allen Theilen der Stadt. Die Eröffnung der Greilinger Wasserversorgung
erfolgte im April 1866, und da schon im December 1865 eine Leitung
im Rheinbette nach Kleinbasel hinüber vollendet war, so nahm schon
von Anfang an auch Kleinbasel an dieser neuen Wasserversorgung theil.
Der „Geschäftsbericht des Yerwaltungsrathes der Gesellschaft für Wasser¬
versorgung“ verzeichnet:
für Ende 1866 . . 206 Käufer; 392 Abonnenten,
worunter in Kleinbasel 18 „ 57 „
für Ende 1873 bereits 2072 „
worunter in Kleinbasel 388 „
Nicht nur das äussere Kleinbasel, auch die „innere Stadt“ (deren
Begrenzung später folgen wird) genoss theil weise Grellingerwasser, wie
daraus hervorgeht, dass von den 388 Abonnenten Kleinbasels 195 die
„innere Stadt“ bewohnten.
Als ferneres Beispiel mag das Waisenhaus angeführt sein, das 1869
zu den früher schon zugeleiteten 3 Helblingen 3 weitere vom Riehenwork
und 2V 2 Helblinge Grellingerwasser zugeleitet erhielt. Der Mehrbedarf
der Kaserne, die — wie wir oben sahen — mit Riehenwerkwasser versorgt
war, wurde ebenfalls mit Grellingerwasser gedeckt.
Waren schon von Anfang an das „Riehenquellwerk“ und das „Pump¬
werk vor dem Riehenthore“ zu gegenseitiger Ergänzung verbunden, so
wurde im Verlaufe des Jahres 1876 am Riehenwerk auch eine „hinlänglich
1 Verwaltung »bericht des Stadtrathes.
ZeiUchr. £ Hygiene. XLI.
1863. S. 18.
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Albert Lotz:
weite Verbindung mit der Greilingerleitung“ hergestellt 1 * , um bei
schwankendem Ergüsse des Riehenwerkes als Ergänzung zu dienen. Wie
variabel dieser sein konnte, geht hervor aus folgenden Angaben*:
1881 bis 1888 lieferten die Riehenquellen 92 bis 95 Helblinge, das
Pumpwerk 42 bis 51; 1885 sank der Erguss der Quellen bis auf 28 Helb¬
linge, während das Pumpwerk 52 Helblinge lieferte und der gegenüber
den Vorjahren geringere Erguss der Riehenquellen durch Grellingerwasser
ergänzt werden musste.
Als letzte wesentliche Aenderung auf dem Gebiete der Wasser¬
versorgung ist zu erwähnen die zur Ergänzung des Grellingerwassers seit
1883 eingeführte Gewinnung von Grundwasser durch das Erlen-
pumpwerk, welches im äusseren Kleinbasel auf den südlich von den
„langen Erlen“ gelegenen Waisenhausmatten errichtet wurde.
Bekanntlich wird die weite flache Mulde des Rheinthals, in welcher
Basel liegt, von mächtigen Geröllablagerungen der Diluvialperiode aus¬
gefüllt. 3 Die grossen Kies- und Sandschichten dieses Geröllbodens bilden
nun ein vortreffliches Naturfilter für das den Pumpbrunnen des Erlen-
werks zufliessende Wasser. Dementsprechend hat das hier gepumpte
Grundwasser sich von Anfang an, sowohl chemisch, als bakteriologisch,
durch seine ausserordentliche Reinheit ausgezeichnet und sich daher als
vorzügliches Trinkwasser erwiesen.
Die chemischen Untersuchungen des Grundwassers von Prof. Piccard,
sowie die späteren bakteriologischen von Prof. Dübler ergaben ausnahmslos
sehr günstige Resultate; bei den letzteren schwankte die Keimzahl zwischen
3 und 25 im Cubikcentimeter und betrug im Mittel 12. 4
Die seit 1893 durch den Kantonschemiker Dr. Kreis regelmässig
weitergeführten Untersuchungen des Wassers auf chemische Bestandteile
und auf Keimzahl, sowie die im hygienischen Institute (Prof Albr. Burck-
hardt) vorgenommenen Untersuchungen der Vorgefundenen Keimarten
konnten stets nur die früheren günstigen Resultate bestätigen.
In den ersten Betriebsjahren des Erlenpumpwerks wurde nur aus¬
nahmsweise bei grösserer Trockenheit gepumpt; allmählich machte jedoch
das grössere Bedürfuiss der wachsenden Bevölkerung eine gesteigerte In¬
anspruchnahme des Grundwassers nöthig. Ausserdem führte die steigende
1 Yerwaltungshericht des Sanitäts-Depts. 1876. S. 56.
9 ID)enda. 1881 —1885.
3 Vgl. Albrecht Müller, lieber d . Gesundheitswesen u. die Bodenverhältnisse
der Stadt Basel. Basel 1867.
4 Bericht der Direction des Gas- und Wasserwerkes an das Sanitäts-Dept. über:
Die Erweiterung des ErlenpumpWerkes. Im Rathschlag vom Januar 1S94.
S. 21.
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Der Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875 — 1900 . 195
Fürsorge für Reinheit des Trinkwassers zu zeitweiser Ausschaltung einiger
Greilingerquellen, „deren Wasser bei Trübung durch Regen oder Schnee-
schmelze jeweilen abgestellt und erst wieder in das Stadtrohmetz ein¬
gelassen wird, wenn es nicht nur seine vollkommene Klarheit wieder er¬
langt- hat, sondern sich auch in der Untersuchung wieder als rein erweist“.
„Unter etwas grösserem Zuschuss von gepumptem Grundwasser“ wurde
es also möglich, „den Consumenten auch in Zeiten von häufigem Witterungs¬
wechsel stets reines Wasser zu liefern“. 1
1883 betrag das Erlengrundwasser 2-8 Procent der Gesammtlieferung
des Wasserwerkes; erst von 1892 an begann die Menge stark zuzunehmen,
so dass 1899 das Erlengrundwasser mit einem Quantum von 4*64 Millionen
Cubikmeter bereits 76*8 Procent der Gesammtlieferung des Wasserwerkes
ausmachte.
An Stelle des früheren im Rheinbette gelegenen Rohres, wodurch
das Grellingerwasser nach Kleinbasel gelaugte, wurde später die Greilinger
Hauptleitung über die neue Wettsteinbrücke nach Kleinbasel hinüber ge¬
führt und diese Leitung im Jahre 1882 bis zum Erlenpumpwerk hinaus
verlängert. Unter entsprechendem Drucke der grossen mit Dampf ge¬
triebenen Maschinen wird dort das Erlengrundwasser in das gleiche, von
der anderen Seite mit Grellingerwasser versorgte Leitungsnetz gepumpt
und auf diese Weise am besten die Ergänzung des Bedarfs an Grellinger¬
wasser durch Zuschuss von Erlengrund wasser ermöglicht.
Da das Erlenpumpwerk von Jahr zu Jahr an Bedeutung gewann,
war es wichtig, „die Verbindung von Kleinbasel und Grossbasel möglichst
leistungsfähig zu machen“.* Es wurde daher zur Verminderung des
Widerstandes, den diese eine Leitung über den Rhein verursachte, im
Jahre 1892 eine neue Communication zwischen Gross- und Kleinbasel
über die Johanniterbrücke hergestellt und durch Verbindung dieser mit der
Grossbaseler Ringleitung eine bessere Ausgleichung des gegenseitigen
Druckes erreicht.
Da das in Kleinbasel liegende Erlenpumpwerk ungefähr drei Viertel
der Gesammtlieferung des Wasserwerkes für die ganze Stadt besorgt, ist
es klar, dass in letzter Zeit Kleinbasel vorherrschend und bisweilen sogar
ausschliesslich Erlengrundwasser consumirt.
Fassen wir die etwas complicirten Wasserversorgungsverhältnisse von
Kleinbasel noch einmal kurz zusammen, so haben wir also:
1. Das Riehenwerk;
2. von 1863 an das, mit dem Riehenquellwerk in Verbindung stehende
Pumpwerk vor dem Riehenthore (oder „Riehenpumpwerk“);
1 Jahresbericht des Gas- und Wasserwerkes. 1895. S. 57.
* Ebenda. 1892. S. 39.
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Albert Lotz:
8. von 1866 an Greilingerwasser besonders in den äusseren
Quartieren;
8. von 1876 an eine directe Communication der Riehenwerksleitung
mit der Greilingerleitung;
5. von 1883 an in steigendem Grade Grundwasser aus dem
Erlenpumpwerk;
6. im December 1890 die Ausschaltung des Pumpwerks vor
dem Riehenthore. Diese war eine definitive, „da die während des
ganzen Jahres 1891 regelmässig vorgenommenen Untersuchungen des
Wassers aus dem Sod des Riehenpumpwerkes eine Verunreinigung desselben
durch das nur wenige Meter vom Brunnenschächte entfernt vorbeifliessende
Wasser des Riehenteiches als höchst wahrscheinlich erscheinen liessen“. 1
Wir haben oben (S. 190) als Ursache der specifischen Kleinbaseler
Epidemieen einen Factor gesucht, der
1. allein in Kleinbasel wirksam gewesen ist,
2. mit dem Ende des Jahres 1890 zu wirken aufgehört hat.
Aus den obigen Darlegungen ergiebt sich, dass das Riehenpump-
wasser diesen beiden gestellten Anforderungen entsprechen würde. Vir
gelangen daher zu der Frage:
War die im December 1890 erfolgte Ausschaltung des Pump¬
werkes vor dem Riehenthore wirklich die Ursache der von 1891
an wahrnehmbaren andauernden Verminderung des Typbus in
Kleinbasel? bezw. lassen sich Beweise beibringen, dass das
Riehenpumpwasser mit den vor 1891 aufgetretenen specifischen
Kleinbaseler Epidemieen in ursächlicher Beziehung stand?
Wir haben zunächst zu untersuchen, ob und auf welche Weise sich
diese Fragen beantworten lassen. Eine unzweideutige Bejahung derselben
ergäbe sich, wenn während der Kleinbaseler Epidemieen der directe Nach¬
weis von Typhusbacillen im Riehenpumpwasser gelungen wäre. Allein
regelmässige bakteriologische Untersuchungen des Wassers finden erst seit
1894 im hygienischen Institute statt, früher wurden sie zeitweise in der
pathologischen Anstalt vorgenommen. Auf Grund einer solchen Unter¬
suchung des Riehenpumpwassers, die zwar keine Typhusbacillen, sondern
nur eine allgemeine bakterielle Verunreinigung des Wassers ergab, erfolgte
im Jahre 1890 die Ausschaltung des Riehenpumpwerkes. Bei der
zweifellos durch verunreinigtes Sodbrunneuwasser entstandenen Epidemie
in der Schorenanstalt (Winter 1890/91) lautete der, allerdings erst am
Ende der Epidemie erhobene Wasserbefund: im Cubikcentimeter 570 Keime.
1 Jahresbericht des Gas • und Wasserwerkes. 1891. S. 46.
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Der Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875—1900. 19T
ein Fäulnissbacterium, keine Typhusbacillen. 1 Niemand wird solche
negativen Ergebnisse als Beweis gegen das betreffende Wasser, als In-
fectionsquelle ansehen; die Thatsache, dass keine Typhusbacillen gefunden
wurden, ist keineswegs identisch mit derjenigen, dass keine in jenem
Wasser vorhanden waren. Untersucht man doch viel zu geringe Quanti¬
täten Wasser, als dass man aus einem negativen Untersuchungsresultate
einen positiven Schluss ziehen dürfte. Bei den grossen Schwierigkeiten,
auf welche bekanntlich der Nachweis der Typhusbacillen im Wasser stösst,
darf es uns nicht wundern, wenn sich aus den damals entnommenen
Wasserproben und auch seither noch niemals Typhusbacillen isoliren
Hessen; denn wie Günther 2 * sagt, ist nur „hie und da, mit grösserer
oder geringerer Wahrscheinlichkeit der Typhusbacillus in dem Wasser
durch Typhusdejectionen verunreinigter Brunnen nachgewiesen worden“.
Leider sind wir ja für die Untersuchung des Wassers auf Typhusbacillen
immer noch auf die primäre Plattenuntersuchung des ursprünglichen
Wassers angewiesen und haben nicht, wie z. B. für den Nachweis der
Choleravibrionen im Wasser „das viel mehr Chancen für das Auftinden
der Keime“ bietende Anreicherungsverfahren. 8
In jüngster Zeit allerdings wurde von Chantemesse 4 eine neue
Methode des Nachweises der Typhusbacillen im Wasser angegeben, die
ebenfalls auf dem Principe der Anreicherung beruht. Sollte sich dieses
neue Verfahren bewähren, so ist zu erwarten, dass viel häufiger als früher
der Nachweis der Typhusbacillen im Wasser gelingen wird. Die negativen
Ergebnisse der oben genannten Untersuchungen beeinträchtigen jedenfalls
in keiner Weise die Möglichkeit eines Causalzusammenhangs zwischen den
Kleinbaseler Epidemieen und dem Riehenpumpwasser.
Liegt schon kein positiver Bacillennachweis im Wasser vor. so ist
auch ganz unbekannt, ob überhaupt die einzelnen Kleinbaseler Typhus¬
kranken der 70er und 80er Jahre vor ihrer Erkrankung Wasser des
Riehenpumpwerks genossen haben oder nicht Verglichen kann nur
werden das Auftreten des Typhus in dem Gebiete, welches dem Einflüsse
des Riehenpumpwerkes ausgesetzt war, mit dem Auftreten des Typhus
ausserhalb dieses Gebietes; dabei sind aus einander zu halten:
die Kleinbaseler Epidemieen,
die gemeinsamen Epidemieen
und die epidemiefreie Zeit.
1 Statist. Mittheilungen des Kant . Basel-Stadt. Bericht über ansteckende Krank¬
heiten. 1890. S. 62.
* Günther. Einführung in das Studium der Bakteriologie. 5. Aufl. S. 235.
* Ebenda. 8. 236.
4 Chantemesse, Semaine mcdicale. 1901. Nr. 24. p. 186.
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Albebt Lotz:
Leider lassen sich diese beiden Gebiete nicht völlig genau gegen¬
einander abgrenzen; Folgendes steht fest:
Dem Einflüsse des Riehenpumpwerks unterlag die ganze, stadtwärt?
zwischen ihm und dem Rheine gelegene Leitung des Riehenwerks. Ein
auch schwacher Erguss der Riehenquellen genügte zur Versorgung der
Brunnen, die zwischen den Quellen bei Bettingen und dem Pumpwerke
lagen, so dass eine rückläufige Verbreitung des gepumpten Wassers in
die ausserhalb gelegenen Theile der Riehenwerksleitung kaum Vorkommen
konnte. Auf dem beiliegenden, nach einer Karte des Wasserwerks eopirten
Plane (Taf. XIII) sind die dem Einflüsse des Riehenpumpwerks unter¬
liegenden Theile roth gezeichnet. Es handelt sich also zunächst um das
Gebiet des alten Kleinbasels vom Waisenhaus im SO. bis zur Kaserne im
NW. und vom Rheine bis zu „oberer“ und „unterer Rebgasse“, den an¬
grenzenden Nebengässchen (Rappoltshof u. s. w.) „Rieheuthorstrasse“ uud
„Kirchgasse“. Dazu ist ferner zu rechnen, die unmittelbar beim Brunnen
am Pumphause gelegene kleine Häusergruppe Riehenstrasse Nr. 5 bis 15
(jetzt Nr. 35 bis 45), deren Bewohner jedenfalls das unentgeltliche Brunnen¬
wasser dem Abonnement auf Grellingerwasser vorzogen; ausserdem gehört
hierher die mit einem laufenden Brunnen aus dem Riehenwerk versehene
Liegenschaft Rheinfelderstrasse Nr. 12.
Dieses gesammte Gebiet bildet einen fast durchweg wohl umschriebenen
Bezirk, der die grösste Zahl der vom Riehenwerk gespeisten öffentlichen
Brunnen und zahlreiche Privatbrunuen (zusammen wenigstens 26) umfasst.
Wir werden im Folgenden der Kürze wegen dieses Gebiet als „innere
Stadt“ bezeichnen. Ausserhalb dieser inneren Stadt bleiben übrig drei
Brunnen an der Hammerstrasse (vom Clarahofweg bis zur Sperrstrasse)
und der Brunnen Ecke Sperr- und Klybeckstrasse. Diese genannten vier
Brunnen liegen in einem ausgedehnten, Ende der 70er Jahre sicher schon
reichlich mit Grellingerwasser versorgten Gebiete. Sie nahmen daher in
dem unserer Betrachtung unterliegenden Zeiträume einen nicht genauer
abgrenzbaren, aber jedenfalls nur sehr geringen Antheil an der Wasser¬
versorgung der in diesem relativ grossen Gebiete lebenden Bevölkerung
und es erschien daher richtiger, sie beim Vergleiche nicht der „inneren
Stadt“ beizurechnen, sondern sie zu dem übrigen, als „äussere Stadt**
bezeichneteu Kleinbasel zu zählen.
Wir sind somit zu zwei getrennten, unter sich vergleichbaren Com-
plexen gelangt, der „inneren“ und der „äusseren“ Stadt. Handelt es
sich nun darum, diese beiden Gebiete und das Auftreten des Typhus in
denselben mit einander zu vergleichen, so haben wir von vorne herein
mit verschiedenen Schwierigkeiten und Fehlerquellen zu rechnen:
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Der Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875—1900. 199
1. haben wir nicht zwei Gebiete vor uns, deren Bevölkerung gänz¬
lich verschiedenes Wasser trinkt, sondern die „innere Stadt“ geniesst
in der Riehenleitung neben dem Wasser des Pumpwerks noch Wasser
der Riehenquellen, sowie von 1876 an Greilingerwasser, und ausserdem
enthält ihr Gebiet auch zahlreiche Abonnenten von Grellingerwasser; die
„äussere Stadt“ dagegen, die fast gänzlich auf Grellingerwasser angewiesen
ist, enthält noch vier, von der Riehenleitung gespeiste Brunnen.
2. besteht zwischen den beiden Gebieten ein reger Verkehr,
so dass gewiss viele Bewohner der äusseren Stadt theils gelegentlich, theils
regelmässig (Schule, Arbeitsort u. s. w.) in der „inneren Stadt“ unter dem
Einflüsse des Riehenpumpwassers stehen konnten.
Zu diesen. räumlichen Ungenauigbeiten kommt:
8. die Schwierigkeit der zeitlichen Abgrenzung zwischeu
Epidemieen und epidemiefreien Zeiten. Zu diesem Zwecke wurden
sämmtliche Erkrankungen mit grösster Genauigkeit, nach den Tagen ihres
Beginnes geordnet, aufnotirt und dadurch der nöthige Ueberblick gewonnen,
der es allein ermöglicht, die Begrenzung der Epidemieen einigermaassen
richtig zu erkennen. Aus der später folgenden Besprechung der einzelnen
Epidemieen wird sich ergeben, dass mit möglichster Objectivität die
Grenzen derselben festgestellt worden sind. Es ist eine bekannte That-
sache, dass der Beginn einer Epidemie meistens deutlich sich manifestirt,
dass dagegen das Ende oft nur schwierig zu bestimmen ist und es etwas
der Willkür überlassen bleibt, welche Erkrankung wir als die letzte der
betreffenden Epidemie annehmen wollen. Auch ist es unmöglich auszu-
schliessen, dass ätiologisch zur Epidemie gehörende Ausläufer derselben zur
epidemiefreien Zeit gerechnet werden.
4. Endlich fehlt die Bevölkerungszahl der inneren und der
äusseren Stadt; wir wissen nur, dass deren Verhältniss einer dauernden
Veränderung unterlag, indem die „innere“ Stadt nur sehr wenig zunahm,
die Anfangs kleinere „äussere“ dagegen sehr stark bis zur baldigen Ueber-
flügelung der inneren. Es bleibt uns daher unmöglich, die Typhus¬
morbidität der beiden Gebiete zu berechnen und einander gegenüberzu¬
stellen; wir können nur vergleichen:
I. Die Vertheilung der Typhuslalle während einer Kleinbaseler Epidemie
mit der Vertheilung der Typhusfälle während der epidemiefreien
Zeit desselben Jahres.
II. Die Vertheilung der Typhusfälle während einer gemeinsamen
Epidemie mit der Vertheilung der Typhusfälle während der epidemie¬
freien Zeit desselben Jahres.
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
200
Albert Lotz:
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III. Die Vertheilung der Typhusfalle während einer Kleinbaseler Epidemie
mit der Vertheilung der Typhusfalle während einer gemeinsamen
Epidemie desselben oder eines nahestehenden Jahres.
Wenn sich hierbei trotz den eben angeführtenSchwierigkeiten und Fehler¬
quellen unzweideutige Unterschiede zwischen der inneren und der äusseren
Stadt herausstellen*, so darf einem solchen Resultate entschieden erhöhte
Beweiskraft zugesprochen werden.
Bevor wir uns zu diesen Vergleichen selbst wenden, geben wir im
Folgenden eine kurze Uebersicht der einzelnen Jahre und beginnen mit
denjenigen Jahren, die ohne Typhusepidemieen verlaufen sind.
I. Epidemiefreie Jahre.
Von den 16 Jahren 1875 bis 1890 weisen 8 Jahre Typhusepidemieeu
auf, in den anderen 8 Jahren kommt es zu keinen epidemischen An¬
häufungen der Typhuserkrankungen. In diesen epidemiefreien Zeiträumen
vertheilen sich die Fälle mehr oder weniger gleichmässig auf das ganze
Jahr (1876), aber doch meist so, dass die zweite Hälfte des Jahres be¬
vorzugt wird (1878, 1887). Trotzdem das Jahr 1879 im August einen
etwas stärkeren Ausschlag der Kleinbaseler Curve zeigt (s. Taf. XI), und
sich die 16 Fälle grossentheils in der inneren Stadt, also dem Riehen-
pumpwerkgebiete befinden, während in der übrigen Zeit die Erkrankungen
im äusseren Kleinbasel überwiegen, wurde, da andererseits auch die Gross¬
baseler Curve ansteigt und es sich überhaupt nur um kleine Zahlen
handelt, also Zufälligkeiten weniger sicher auszuschliessen sind, der August
1879 nicht als specifisch aufgefasst. Alle derartigen kleineren Steigerungen,
wie wir sie vor 1890 öfters antreffen, wurden nicht berücksichtigt; bei
genauer Durchsicht haben wir uns überzeugt, dass sie sehr oft auf
Familien- bezw. Hausepidemieen beruhen und daher den sogenannten
secundären, wohl durch Contagion erzeugten Fällen eine relativ grössere
Bedeutung zukommt, als dies bei einer umfangreicheren Epidemie der
Fall ist.
1883 und 1884 verlaufen ganz epidemielos, ebenso 1886 und 1888,
in welchem Jahre Gross- und Kleinbasel seit 1875 das Minimum von
Erkrankungen — 56 und 32 — zeigen.
Wie sich in den epidemiefreien Jahren die Typhuserkrankungen auf
innere und äussere Stadt vertheilten, ist aus der folgenden Zusammmen-
Stellung ersichtlich.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Des Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875 — 1900. 201
Epidemiefreie Jahre.
1;
Jahre
l !
Tage
Er¬
krankungen
Innere Stadt
Aeussere
Stadt
1876
“T
366
43
1 .24
(1)
19
1878
1 365
74
! 81
—
43
1879
i 1
| 365
62
—
32
1883
-
365
54
21
(2)
33
1884
i !
366
52
25
(1)
27
1886
j
865
57
29
—
28
1887
365
83
38
(4)
45
1888
366
31
15
(2)
16
Total:
l
! 2923
,
456
213
(10)
1 243
1
11. Jahre mit Epidemieen.
Zar Orientinmg folgt vorerst eine Uebersicht der später im Einzelnen
zn besprechenden Epidemieen.
Dauer der Epidemieen in Tagen.
Jahre
«
i
Kleinbaseler
Epidemieen
Gemeinsame
Epidemieen
Epidemiefreie
Zeit
1875
ii
34
—
831
1877
94
69 i
202
1880
||
—
88
278
1881
|l
—
140 i
225
1882
!i
36
—
829
1885
I
42
—
323
1889
1
55
52
258
1890
I|
129
33
203
Total:
ii
390
382
2149 Tage.
In den 8 von Epidemieen heimgesuchten Jahren nehmen also die
„Kleinbaseler“ Epidemieen fast genau gleich viel Zeit in Anspruch, wie
die „gemeinsamen“. Um den Zusammenhang verschiedener Dinge in
den gleichen Jahren nicht zu stören und um die Uebersicht zu erleichtern,
ziehen wir eine zusammenhängende Betrachtung aller Jahre mit Epidemieen
einer in „Kleinbaseler Epidemieen“ und „gemeinsame Epidemieen“ ge¬
sonderten vor.
I. 1875. Die 63 Erkrankungen des Jahres vertheilen sich mit Ausnahme
des März auf alle Monate des Jahres; auf die erste Hälfte desselben fallen
jedoch nur 14. Die Vertheilung nach Tagen zeigt uns, dass von einer
geringen epidemischen Ausbreitung nur im October kann gesprochen werden.
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Go^ 'gle
Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
202
Albebt Lotz:
Bei den folgenden Zusammenstellungen geben wir jeweilen die Er¬
krankungen nach Tagen bezw. Wochen für beide Stadttheile getrennt.
!
Klein basel
Grossbasel
1875
September 13. i 1
—
(Kleinbaseler
14.—28.
1 —
5
Epidemie)
29.-30.
2
2
October 1.— 2.
—
i
8.— 9.
6
2
10.—16.
3
4
17.-23.
8
2
©
CO
1
w*;
Oi
2
6
31.
1
—
November 1.
1
1
2.-11.
—
5
12.
2
—
Tage
Fälle
Innere
Stadt
Aeussere
Stadt
Epidemie 29. IX. — 1. XI.
34 j
18
14
4
Epidemiefreie Zeit.
331
42
20
22
II. 1877. Während der December 1876 keinen einzigen Fall iu
Kleinbasel aufweist, beginnt im darauffolgenden Jahre 1877 die rothe
Curve rasch zu steigen und verläuft zusammen mit der schwarzen bis
zum Mai. Hier erfolgt synchron mit dem Abfall der letzteren ein rapides
Ansteigen für Kleinbasel, und wenn auch Grossbasel im August wieder
einen grösseren Ausschlag zeigt, so erreicht derselbe doch nicht einmal
die halbe Höhe der stark gesunkenen Kleinbaseler Curve.
Das Jahr 1877 bringt uns also verschiedenartige Epidemieen: Anfangs
eine gemeinsame, an welcher sich Gross- und Kleinbasel in gleichem Ver¬
hältnisse betheiligen; die Erkrankungsziffern entsprechen sich und die
rothe und die schwarze Curve decken sich fast völlig. Der Beginn dieser
Epidemie ist auf den 22. III., das Ende auf den 29.Y. anzusetzen, wie
aus der folgenden Zusammenstellung ersichtlich ist:
1'
Klein basel i
Grossbasel
i 1877
März 7.
i i
1
j (Gemeinsame
8.—21. ,
1
Epidemie)
22.
1
1
i
23. — 31.
5
11
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Der Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875—1900. 203
Kleinbasel
Grossbasel
1877
April 1.— 7.
8
14
(Gemeinsame
8.—14.
8
7
Epidemie)
15.-21.
2
9
22.-28
3
1
29.— 5.
3
7
Mai 6.-12.
4
13.-19.
4
1 13
20.—26.
4
5
27.-29.
3
2
30.—81.
—
2
i
Juni 1.— 2.
i —
l — i
i
i
Tage
Fälle
Innere
Stadt
Aeussere
Stadt
I. Epidemie: 22. III.—29. Y.
69
40
18
22
Epidemiefreie Zeit.
202
34
21
13
Nach kurzer Unterbrechung folgt eine Kleinbaseler Epidemie, welche
vom 9. Juni bis zum 10. September dauert. Die Betrachtung der
folgenden Vertheilung nach Wochen ergiebt, dass bis zum 14. Juli den
sehr zahlreichen Erkrankungen in Kleinbasel eine nur geringe Anzahl in
Grossbasel gegenüber steht Im weiteren Verlauf zeigt dann neben Klein¬
basel auch Grossbasel wieder epidemische Erkrankungsziffern; dass es sich
hierbei aber nicht nur um eine gemeinsame Epidemie handelt, sondern zu
gleicher Zeit auch um ein specifisches Auftreten in Kleinbasel, geht ohne
Weiteres aus folgenden Zahlen hervor:
1877
Erkrankungen
Tage | Kleinbasel J Grossbasel
Gemeinsame Epidemie. ,1 69
Kleinbaseler Epidemie 9. VI.—14. VII. . |, 36
„ ,, 15.VIL—10. IX. 58
li
40
124
94
81
33
104
Während bei der gemeinsamen Epidemie die Zahl der Erkrankungen
in Kleinbasel entsprechend der Bevölkerung nur halb so gross ist, als in
Grossbasel, sind im späteren Abschnitte der Kleinbaseler Epidemie die
Erkrankungen in Kleinbasel beinahe ebenso zahlreich, wie in Grossbasel,
was immer noch einer fast doppelt so starken Morbidität Kleinbasels ent¬
spricht
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
204
AxjBebt Lotz:
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Kleinbasel
Grossbasel
1877
Juni 3.
2
(Kleinbaseler
4.- 8.
—
3
Epidemie)
9. ,
1
2
10.—16.
10
3
00
Ol
i
29
5
24.—30.
53
9
Juli 1.— 7.
19
7
8.—14.
12
7
15.—2t.
7
14
22.-28.
11
12
29.— 4.
14
20
August 5.—11.
13
16
GO
7
Ol
14
14
19.—25.
15
10
26.— 1. Sept.
12
8
Septbr. 2.— 8.
i 6
8
9.—10.
2
2 k
11.—17.
—
3 1
18.
i
1
—
Tage
Fälle
Innere Aeussere
Stadt Stadt
11. Epidemie: 9.VI.—10. IX. . . .
Epidemiefreie Zeit. 1
94
202
218
34
151
21
67
13
i
III. 1880. Vom October 1879 an durch das ganze Jahr 1880 und noch
im Beginne des darauf folgenden Jahres bemerken wir eine auffallende
Uebereinstimmung der beiden Curven: die rothe hält sich durchweg etwas
niedriger als die schwarze. Nach einer gemeinsamen massigen Erhebung
im April erfolgt die auf Gross- und Kleinbasel gleichmässig sich er¬
streckende grosse Epidemie, nachdem in der ganzen Stadt in der Woche
vom 27. VI. bis 8. VII. keine Erkrankung vorkam.
Kleinbasel
Grossbasel
1880
Juni
20.
1
1
(Gemeinsame
21.—30.
—
2
Epidemie)
Juli
1.- 8.
1
3
9.
1
—
10.-17.
■1 *
7
18.—24.
4
14
25.—31.
9
20
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Deb Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875—1900. 205
i
I Kleinbasel
Grossbasel
1880
August 1.— 7.
15
33
(Gemeinsame
8.—14.
1 9
1 33
Epidemie)
15.—21.
; 5
15
22.—28.
i 11
10
29.- 4.
6
13
Septbr. 5.—11.
4
20
12.-18.
9
14
19.—25. 1
5
7 '
26.— 2.
4 I
13
October 3.— 4.
3 |
2
5.-10.
1 |
6
11.
1
1
j, Tage
: Fälle
Innere
Stadt
Aeussere
Stadt
Epidemie: 9. VII.—4. X.|
88
89
38
51
Epidemiefreie Zeit.
| 278
i
46
20
26
IV. 1881. Nicht genau so parallel, aber doch unverkennbar ge¬
meinsam verlaufen die Excursionen im Jahre 1881. Der Anstieg erfolgt
im Januar, der Abfall im Mai.
'
Kleinbasel
Grossbasel
1881 .
1880. Decbr. 26.
2
(Gemeinsame
27.-31.
—
7
Epidemie)
1831. Januar 1.
—
2
2.— 8.
9
11
9.-15.
14
48
16.—22.
22
60
23.-29.
14
49
30.— 5.
9
24
Februar 6.—12.
6
10
13.—19.
11
33
20.—26.
22
1 40
27.— 5.
! 14
1 39
M&rz 6.—12. ;
6
26
13—19.
1 11
15
20.—26.
I 5
27
27.- 2. ,
1 9
, 42
April 3.— 9. i
2
28
10.—16.
; 7
i 19 i
17.—23. ,
4
1 4 [
24.-30.
i
4
! 8
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Go^ 'gle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
206
Albekt Lotz:
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ll
Kleinbasel
Grossbasel
1881
Mai 1.— 7.
2
3
(Gemeinsame
8.—14.
2
7
Epidemie)
15.—20.
2
6
21.—30.
—
1
31.
1
1
Tage
Fälle
Innere Aeussere
Stadt Stadt
Epidemie: 2.1.—20. V.
Epidemiefreie Zeit.
i
| 140 !
225
175
48
63 112
15 33
V. 1882. Im Gegensatz zu den vorhergehenden Jahren tritt im
Jahre 1882 eine Epidemie auf, bei welcher Grossbasel sozusagen nn-
betheiligt ist. Im April steigt die rothe Curve mächtig an, fallt dann in
zwei Malen wieder ab, um Anfangs August die schwarze zu kreuzen. Von
allen specifischen Kleinbaseler Epidemieen ist diese, wie wir uns auf Curre
und Tabelle überzeugen können, weitaus die reinste und deshalb besonders
werthvoll und instructiv. Der Beginn ist scharf markirt, das Ende lässt
sich nicht genau feststellen; wir sohliesseu wohl am natürlichsten mit
den drei letzten Fällen des Mai ab.
|
! Kleinbasel 1
i 1
Grossbasel
1882
März 19.
1
—
(Kleinbaseler
20.—31.
—
4
Epidemie)
April 1.—24.
—
1
25.-29.
5
2
30.— 6.
16
1
Mai 7.—13.
33
3
14.-20.
22
2
21.-27.
12
3
28.—30.
3
—
31.
—
—
Juni 1.— 3.
1
1
i
Tage
Fälle
Innere Aeussere
Stadt | Stadt
Epidemie*. 25. IV.—30. V.i 36
Epidemiefreie Zeit:. 329
91 1 63 | 28
60 J 31 j 29
VI. 1885. Wie 1882, so zeigt auch das Jahr 1885 eine starke Er¬
hebung in der zweiten Jahreshälfte, die wiederum fast nur Kleinbasel
betrifft.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Deh Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875—1900. 207
1
| Eleinbasel
Grossbasel
1885
April
—
n
(Kleinbaseler
Mai
9
Epidemie)
Juni
•1
6
Juli 1.—19.
—
7
20 .—21.
1 2
1
22.-25. ;
6
—
26.— 1.
I w ;
7
Aug. 2.— 8.
10
4
9.—15.
16
2
16.—22.
11
9
28.-29.
5
1
80.
2
l
31.
—
1
Sept. 1.— 2.
—
—
3.
1 !
—
| Tage
Fälle
Innere
1 Stadt
Aeussere
Stadt
Epidemie 20. VII.—80. VIII. . . .
II 42
62
36
26
Epidemiefreie Zeit.
j 323
46
15
31
VII. 1889. Während im Jahre 1888 die Typhusmorbidität ihr
Minimum erreicht hat und auch im ersten Quartal des folgenden Jahres
äusserst gering bleibt, erfolgt im Mai 1889 ein rapides Ansteigen beider
Curven, also eine gemeinsame Epidemie, deren Maximum auf Anfang
Juni fällt. Bis zum Juli verlaufen die Curven gemeinsam, dann macht
die rothe Linie einen besonderen Ausschlag, wie auch die folgenden Zahlen
zeigen:
Kleinbasel
Grossbasel
1889
April 24.
25.—30.
1
—
(Gemeinsame
Epidemie)
Mai 1.— 8.
—
5
1
9.-11.
1
4
i
00
T
o*
; 4
3
i
19.—25.
6
16
26.— 1.
8
46
Juni 2.— 8.
i 49
96
9.—15.
22
76
16.—22. I
13
31
23.-29.
6
17
30.
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
208
Albert Lotz:
Kleinbasel
Grossbasel
1889
Juli
1 .— 6.
10
13
(Kleinbaseler
7.—13.
17 1
6
Epidemie)
14.—20.
10
ii
21.—27.
6
7
1
CO
1
ad
c*
11
5
August
4.—10.
12
9
i
11.-17.
14
6
N-t
OD
i
to
15
4
i
i
25. 26.
5
27.
1
1
i
Tage
Fälle
Innere
Stadt
Aeussere
Stadt
Gern. Epidemie 9. V.—29. VI.. . .
52
109
37
72
Kl.-B. Epidemie 1. VII.-24. VIII. .
55
95
[’ 47
43
Epidemiefreie Zeit.
| 258
45
! 17 1
28
Wir haben also im Jahre 1889 eine gemeinsame Epidemie, an welche
sich eine specifische Kleinbaseler Epidemie anschliesst Nach den 6 Fällen
Ende Juni findet am 30. VI. weder in Gross- noch in Kleinbasel eine
Erkrankung statt, dagegen erfolgen an den vier ersten Tagen des Juli
in Kleinbasel je 2 Fälle; der 1. VII. darf also als Beginn der vornehmlich
Kleinbasel betreffenden Epidemie gelten.
VIII. 1890. Das Jahr 1890 bringt uns das letzte grosse epidemische
Ausbrechen des Typhus. Nicht nur eine gewaltige gemeinsame Epidemie
breitet sich aus, wir haben ausserdem sowohl ihr vorausgehend, als ihr
nachfolgend kleinere Kleinbaseler Epidemieen.
Beim Studium dieses in manchen Beziehungen sehr complieirten
Jahres gelangten wir zu einem Punkte, auf welchen wir im Folgenden
etwas genauer eintreten müssen. Ein Hauptereigniss des Jahres 1890
ist die Endemie in der Kaserne, welche, wie wir (S. 193) sahen, theils
mit Riehenwerks-, theils mit Grellingerwasser versorgt wurde. Es erfolgen
hier im September 25 Erkrankungen, während im übrigen Jahre nur
1 Fall verzeichnet ist.
Genauen Aufschluss über die Zahl der jeweilen in der Kaserne
stationirten Mannschaft erhielten wir aus den Büchern des Kreiscommandos,
die uns bereitwilligst zur Verfügung gestellt wurden. Es ergiebt sich:
Wie jedes Jahr war auch 1890 den Winter über (Jan., Febr., Novb..
Dezb.) die Kaserne unbewohnt. Während der übrigen Zeit fanden die
verschiedenen Militärschulen statt und war daher der Bestand der Mann¬
schaften ein stets wechselnder. Zwischen den einzelnen Schulen wiederum
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Gck igle
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Der Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875—1900. 209
stand die Kaserne verschieden lange Zeit leer, so im Juli und August
je 8; im September 7; im October 20 Tage.
Wir haben also constant die grössten Schwankungen in der Zahl der
Bewohner und es ist klar, dass wir kein richtiges Bild des Typhusverlaufes
in Kleinbasel erhalten, wenn wir die in der Kaserne aufgetretenen Er¬
krankungen mit in Rechnung bringen. Gerade, wenn wir die einzelnen
Epidemieen des Jahres 1890 und ihre Ausbreitung studiren, erkennen
wir die Nothwendigkeit, einen so variabeln Factoren, wie die Kaserne, zu
eliminiren. Das folgende Beispiel zeigt deutlich, dass wir zu diesen* Vor¬
gehen nicht nur berechtigt, sondern geradezu verpflichtet sind.
Es fanden im Jahre 1890 folgende Epidemieen statt:
1. Kleinbaseler Epidemie 11. VII. bis 27. VIII.
2. Gemeinsame Epidemie 30. VIII. bis 1. X.
3. Kleinbaseler Epidemie 5.X. bis 24. XII.
Während dieser Zeit waren in der Kaserne stationirt:
7. VI.
bis
19. VI.
113 Mann
20. VI.
bis
23. VII.
139
24. VII.
bis
8. VIII.
—
9. VIII.
bis
12. VIII.
77
13. VIII.
bis
5. IX.
339
6. IX.
bis
18. IX.
461
19. IX.
bis
22. IX.
489
>>
23. IX.
bis
24. IX.
150
25. IX.
bis
5. X.
—
??
6.X.
bis
15.X. ca.
250
16.X.
bis
31. XII.
—
Mitte Juli beginnt eine fast ausschliesslich auf Kleinbasel beschränkte
Epidemie, die bis zum 27. August andauert. Am 23. Juli wird die
Kaserne frei, indem die Sanitätsrekrutenschule entlassen wird, nachdem
von den 5 ersten Erkrankungen der Kleinbaseler Epidemie eine am
18. Juli in der Kaserne erfolgt war. Vom 28. Juli bis zum 9. August
steht die Kaserne leer; es ist also unmöglich, dass wir bei der specifischen
Kleinbaseler Epidemie eine Betheiligung von Seiten der Kaserne haben
können, denn die während der beginnenden Incubationszeit anwesende
Mannschaft ist entlassen und später steht die Kaserne frei.
Nun bringt uns der September eine gemeinsame Epidemie; nichts
ist natürlicher, als dass nun in der Kaserne Erkrankungen auftreten, da
am 9. August 77 Mann, am 13. August 262 Manu eingerückt sind. Wie
ZalUchr. f. HygUu«. XLI. 14
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Gck igle
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
210
Albeht Lotz:
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der Jahresbericht hervorhebt „weisen in sehr charakteristischer Weise die
zuerst Eingerückten auch einige Tage früher die ersten Erkrankungen auf". 1
Den Veränderungen im Bestände haben wir es zu verdanken, dass
im Jahre 1890 die Kaserne bei der gemeinsamen Epidemie sich betheiligt
hat, bei den Kleinbaseler Epidemieen dagegen nicht. Der vor Entlassung
der Mannschaft aufgetretene Typhusfall weist darauf hin, dass die am
23. Juli weggegangene Mannschaft bei längerem Verbleiben in der Kaserne
an der Kleinbaseler Epidemie theilgenommen hätte. Umgekehrt wäre
selbstverständlich eine Betheiligung der Kaserne an der gemeinsamen
Epidemie ausgeblieben, wenn wie hei der Kleinbaseler Epidemie die
während der Iucubationszeit anwesende Mannschaft vor Ablauf derselben
wäre entlassen worden.
Wir haben uns absichtlich des Genaueren über die Verhältnisse, be¬
treffend die Kaserne, verbreitet und sind zu dem Schlüsse gelangt, in
den allgemeinen Tabellen und Curven die Kasernenfälle zwar als in Klein¬
basel stattgefundene Erkrankungen mitzurechnen, bei der Besprechung
der einzelnen Epidemieen dagegen sie aus den oben angeführten "Gründen
wegzulassen. Es sind also bei diesen Zusammenstellungen in Abzug ge¬
bracht worden:
1875
3
1876
1
1884
1
1889
8
1890
26
1896
1
zusammen
40
Anders als mit der Kaserne verhält es sich mit dem Waisenhause,
das ebenfalls in der „inneren Stadt“ gelegen ist und, wie wir oben (S. 193'
sahen, zwei Drittel seines Wasserbedarfes aus dem Riehenpumpwerk zu¬
geleitet erhielt. Hier haben wir einen ziemlich stabilen Bestand an Be¬
wohnern der Anstalt, und demgemäss vertheilen sich auch die Typhusfälle
bis zum Jahre 1890 fast auf alle Jahre und Jahreszeiten. Wir werden
bei den Gesammtzusammenstellungen auf Waisenhaus und Kaserne noch
zurückkommen.
Die folgende Uebersicht zeigt die Vertheilung der Erkrankungen auf
Gross- und Kleinbasel während der drei Epidemieen des Jahres 1890:
1 Statist. 3Jitt?ieilun<jen. Bericht über ansteckende Krankheiten. 1890. S. 60.
Gck igle
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Der Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875 — 1900. 211
Kleinb&sel
Grossbasel
1890
Jani 25.
1
—
I. (Kleinbaseler Epidemie)
26.—30.
—
2
Juli 1.—10.
—
2*
*) Nach Abzug der im
11.
1
—
Bürgerspitale inficirten.
12—19.
3
1
20.-26.
3
1*
27.— 2.
5
1
August 3.— 9.
6
1»
10.-16.
10
i*
17.—23.
7
3»
24.-27.
3
1
28.-29.
—
—
30.
1
1
II. (Gemeinsame Epidemie)
Septbr. 31.— 6.
13
21*
7.—13.
17
26*
14.—20.
7
19
21.—27.
3
9
28.—30.
3
1
October 1.
1
2
2.- 4. f
—
!
5.—11.
8
3*
DI. (Kleinbaseler Epidemie)
12.—18.
5
2
19.-25.
5
5
26.— 1.
4
8 *
Novbr. 2.— 8.
2
1
9.—15.
i 8
4
16.-22.
| 1
3
23.-29.
1 3
2
30.— 6.
> 2 i
1
Decbr. 7.—13.
3
1
i
14.—20. I
6
1
21.—24.
3
! 2
25.—10. L 91.
— |
4
Tage
Fälle
Innere
Stadt
Aeussere
Stadt
I. Kleinbas. Epid. 11. VII.—27.VIII. i
48
38
21
17
II. Gemeine. Epidemie 30.VIII.—l.X.
33
44
15
29
III. Klein baseier Epid. 5. X.—24. XII.
81
50
27
23
IV. Epidemiefreie Zeit..
203
20
9
11
Fassen wir nun die Ergebnisse der verschiedenen Jahre und der ver¬
schiedenen Epidemieen zusammen und beginnen wir mit den Kleinbaseler
Epidemieen:
14*
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212
Albert Lotz:
Kleinbaseler Epidemieeu. Tab. Al-
|
i
j Tage
i
Erkran¬
kungen
Innere
Stadt
(davon
Waisen¬
haus)
Aeussere
Stadt
1875
29. IX.
- l.XI.
34
18
14 1
(i)
4
1877
9. VI.
-10. IX.
94
218
151
(91
67
1882
25. IV.
-80. V.
36
91
63
(11)
28
1885
20. VII.
-30. VIIL
42
62
36
(9)
26
1889
1 . VII.
—24. VHI.
55
95
47
(5)
48
1890
11 . VII.
-27. VIIL
i 48
38
21
(5)
17
1890
5.X.
- 24. XII.
! 81
50
27
(7)
23
Kleinbaseler Epidemieen: j
1 390
i
572
359
| ÖD
213
Innere Stadt = 62*8 Procent. Aeussere Stadt = 37-2 Procent
Die Erkrankungsziffer der inneren Stadt zu derjenigen der äusseren
Stadt verhält sich wie 169:100.
Stellen wir diesen Epidemieen die epidemiefreien Zeitabschnitte der
gleichen 6 Jahre gegenüber, so ergiebt sich:
Epidemiefreie Zeit. Tab. All-
Tage
Erkran¬
kungen
Innere
Stadt
(davon
Waisen¬
haus)
Aeussere
Stadt
1875
331
42
20
"i-r
22
1877
1882
1885
Epidemiefreie
Zeit
202
! 329
323
34
60
46
21
31
15
(2)
(1)
(-)
13
29
31
1889
258
45
17
(-)
28
1890
203
20
9
(-)
! 11
Epidemiefreie Zeit;
, 1646
247
113
(3)
134
Innere Stadt = 45*7 Procent. Aeussere Stadt = 54*3 Procent.
Die Erkrankungsziffer der inneren zur Erkrankungsziffer der äusseren
Stadt verhält sich wie 84:100.
Auf 100 Tage derselben 6 Jahre kommen während:
Tage Erkr. Innere Aeussere
Stadt
der Zeit der Kleinbaseler Epidemieen 100 147 92 55
der epidemiefreieu Zeit ..... 100 15 7 8
Hieraus ersehen wir, dass die Vermehrung in der von Epidemieen
befallenen Zeit in beiden Stadttheilen eine sehr verschieden starke ist.
Für die ,,äussere Stadt“ beträgt sie nicht ganz das 7 fache, für die
,,innere Stadt“ dagegen übersteigt sie das 13 fache.
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Der Tyi-hus abdominalis in Kleinbasel von 1875- 1900. 213
Mit grosser Deutlichkeit ergiebt sich auch, dass, sobald speciell iu
Kleinbasel eine Tjphusepidemie herrscht, diese hauptsächlich die „innere
Stadt“ befallt, dass dagegen in den epidemiefreien Zeiten sich die Fälle
mehr oder weniger gleichmässig auf ganz Kleinbasel vertheilen.
Nun könnte ja die Vermuthung nahe liegen, dass, wenn überhaupt
eine epidemische Ursache für das Auftreten des Typhus wirksam ist, der
Same eben besonders leicht in der „inneren Stadt“ aufgehen könne, weil
diese mit ihren insalubern Zuständen in Haus, Hof und Untergrund der
neuen „äusseren Stadt“ in hygienischer Beziehung weit hintanstehe.
Aus dem Verhalten der Erkrankungen bei den gemeinsamen
Epidemieeu geht die vollkommene Haltlosigkeit dieser Vermuthung
hervor.
Gemeinsame Epidemieen. Tab. BI-
Tage
Erkran¬
kungen
Innere
Stadt
(davon
Waisen¬
haus)
j Aeussere
I Stadt
IST" 22.111. — 29. V.
69
40
18
(-j
22
1880 9. VII. - 4.X.
88
89
38
(-)
51
1881 2.1.
-20. V.
140
175
63
(2)
112
1889 9.V.
-29. VI.
52
109
37
0)
72
1890 30.VIII.— l.X.
38
44
15
(2)
j 29
Oemeinsaine Epidemieen
382
457
1 171
1
(8)
2h6
Innere Stadt = 37*4 Procent. Aeussere = 62-6 Procent.
Die Erkrankungsziffer der inneren Stadt zu derjenigen der äusseren
Stadt verhält sich wie 60:100.
Stellen wir, wie oben, den Epidemieen die epidemiefreien Zeiten der¬
selben 5 Jahre gegenüber, so erhalten wir:
Epidemiefreie Zeit. Tab. BH-
Tage
| Erkran-
! Innere
(davon ,
Waisen- '
! haus) *
Aeussere
j kungen
: Stadt
Stadt
1877
202
j 34
21
1 (2)
13
1880
1881
Epideraiefreie
Zeit
278
225
| 46
48
1 20
15
1 (1)
(2)
26
33
1889
258
45
17
! (-)
| 28
1890
203
20
! 9
i (-) 1
11
Epidemiefreie Zeit
1166
! 193
82
! !
111
Innere Stadt =■ 41-9 Procent. Aeussere = 58-1 Procent.
Die Erkrankungsziffer der inneren Stadt zu derjenigen der äusseren
Stadt verhält sich wie 74:100.
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214
Albebt Lotz:
Auf 100 Tage derselben 5 Jahre kommen während:
Tage Erkr. Innere Aeussere
Stadt
der Zeit der gemeinsamen Epidemieen 100 120 45 75
der epidemiefreien Zeit. 100 16 7 9
Wir gelangen also gerade zum umgekehrten Resultat: bei den ge¬
meinsamen Epidemieen betreffen die absoluten Zahlen der Erkrankungen
hauptsächlich die „äussere Stadt“. Das Verhältniss der beiden Stadt¬
gebiete während der epidemiefreien Zeit ist ungefähr dasselbe, wie während
der epidemiefreien Zeitabschnitte derjenigen Jahre, in welchen Klein baseier
Epidemieen stattfanden.
Vergleichen wir von den Kleinbaseler Epidemieen die beiden mar¬
kantesten und reinsten — 1882 und 1885 — mit den beiden umfang¬
reichsten und ausgesprochensten gemeinsamen Epidemieen 1880 und 1881.
Obgleich die Bevölkerung der „äusseren Stadt“ in den Jahren 1882 und
1885 jedenfalls relativ grösser war, als in den Jahren 1880 und 1881.
tritt die stärkere Belastung der „inneren Stadt“ bei den Kleinbaseler
Epidemieen besonders deutlich hervor.
Kleinbaseler Epidemieen. Tab. CI-
i
'
Tage
Erkran¬
kungen
Innere 1
Stadt !
(davon
Waisen¬
haus)
Aeussere
Stadt
1882 25.IV. — 30.V.
36
1 91
63
tu)
28
1885 20. VII.—30. VIIL
42
| 62
36
(9)
26
Kleinbaseler Epidemieen
78 j
153
99
(20)
54
Innere Stadt = 64-8 Procent. Aeussere = 35-2 Procent
Die Erkrankungsziffer der inneren zu derjenigen der äusseren Stadt
verhält sich wie 183:100.
Gemeinsame Epidemieen. Tab. CH-
1 Tage
Erkran¬
kungen
Innere
Stadt
(davon
Waisen¬
haus)
Aeussere
Stadt
1880 9. VII.— 4.X.
88
89
38
(-)
51
1881 2.1. — 20. V.
1 140
175
63
(2)
112
Gemeinsame Epidemieen
228
264
101
(2)
163
Innere Stadt = 38.2 Procent. Aeussere = 61*8 Procent.
Die Erkrankungsziffer der inneren zu derjenigen der äusseren Stadt
verhält sich wie G2:100.
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Der Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875—1900. 215
' Ebenso sprechend ist die Betrachtung derjenigen Jahre, wo wir —
im gleichen Jahre — Sowohl eine Kleinbaseler, als auch eine gemein¬
same Epidemie haben. Hier spielen sich die verschiedenartigen Epidemieen
auf der Basis derselben Bevölkerungszahl ab.
Kleinbaseler Epidemieen._ Tab. DI-
j
Tage
Erkran¬
kungen
i Innere
Stadt
(davon
Waisen¬
haus)
Aeussere
Stadt
j 67
48
17
, 28
1877 9. VI. —10. IX. ,
1889 1. VII.—24. VIII.
1890 11. VII.—27. VIII.
1890 5.X. —24. XII.
94 218
j 55 95
! 48 ' 38
81 50
151
47
21
27 |
(9)
(5)
(5)
(7)
Kleinbaseler Epidemieen
1 278
1
401
246
(26)
155
Innere Stadt = 61.3 Procent. Aeussere = 38-7 Procent.
Die Erkrankungsziffer der inneren zu derjenigen der äusseren Stadt
verhält sich wie 158:100.
Gemeinsame Epidemieen. Tab. DU-
Tage
•
Erkran¬
kungen
Innere
Stadt
(davon
Waisen¬
haus)
Aeussere
Stadt
1877 22.III. — 29.V.
69
40
18
(-)
22
1889 9. V. —29. VI. 1
52
109
37
(4)
72
1890 30. VIII.—l.X.
i
38
44
15
(2)
29
Gemeinsame Epidemieen *
154
193
70
(6)
123
Innere Stadt = 36*3 Procent. Aeussere = 63.7 Procent.
Die Erkrankungsziffer der inneren zu derjenigen der äusseren Stadt
verhält sich wie 57:100.
Wie man auch den Vergleich gestalten möge, immer ergiebt sich
also dasselbe Resultat. — In der folgenden Tabelle sind die Ergebnisse
übersichtlich zusammengestellt.
Von 100 Erkrankungen
fallen auf
Q . ^ ! äussere
innere Stadt Stadt
Auf 100 Erkr.
der äusseren
Stadt kommen
in der inneren
Stadt
I. Alle 7 Klein baseler Epidemieen
? 63
37
169
Epidemiefreie Zeit derselben Jahre
46
54
84
II. Alle 5 gemeinsamen Epidemieen 1
37
63
60
Epidemiefreie Zeit derselben Jahre
42
58
74
III. Klein baseler Epidemieen 82/85
65
35
is;i
Gemeinsame Epidemieen 80/81
38
62
62
IV. KleinbaBl. Epidemieen) d jJ£ l r b e en
61
39
15$
Gemeinsame Epidemieen 1 77 . ss. 90 .
1 36
64
57
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Gck igle
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216
Albert Lotz:
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Für den Antheil der „inneren Stadt“ und denjenigen der „äusseren
Stadt“ an der Zahl der Erkrankungen erhalten wir durchweg fast genau
entgegengesetzte Procentziffern bei den Kleinbaseler Epide-
mieen und den gemeinsamen Epidemieen. Auf 100 Erkrankungen
der „äusseren Stadt“ kommen in der „inneren Stadt“ bei den Kleinbaseler
Epidemieen 164 bis 172 bis 183, in vollkommenem Gegensätze zu den
epidemiefreien Zeiten, in denen die „innere Stadt“ 74 bis 84 Erkrankungen
aufweist und in noch stärkerem Gegensätze zu den gemeinsamen Epidemieen,
in denen nur 57 bis 60 bis 62 Fälle auf die innere Stadt kommen.
Nachdem das Verhalten des Typhus in Kleinbasel bis und mit dem
Jahre 1890 analysirt worden ist, können wir uns über das letzte Jahr¬
zehnt kurz fassen. Schon aus den Tabellen und den graphischen Dar¬
stellungen ergiebt sich das Ausbleiben speciüscher Kleinbaseler Epidemieen
und der äusserst niedrige Stand der Typhusmorbidität im Allgemeinen.
Die Vertheilung der Erkrankungen auf „innere“ und „äussere Stadt“ ge¬
staltet sich folgendermaassen.
Typhuserkrankungen in Kleinbasel.
Jahr |,
!|
Tage
Er- !
krankungen
Innere Stadt
(davon
Waisenhaus) I
Aeussere
Stadt
lS'.tl
365
58
23
(5)
! 35
1892
366
34
13
—
21
1893
365
32
8
—
24
1894
365
26
6
i
(1)
20
1895
365
27
10
—
17
1896
366
13
3
—
10
1897
365
14
4
—
10
1898
365
39
8
31
1899
365
11
! 3
—
8
1900
365
19
1 1
| —
18
| 3652
273
79
(6)
194
Innere Stadt = 25*2 Procent. Aeussere = 74-8 Procent.
Die Erkrankungsziffer der inneren Stadt zu derjenigen der äusseren
verhält sich wie 41:100.
Ausser der starken Abnahme von 1890 auf 1891 haben wir im
folgenden Jahrzehnte selbst fast eine constante Verminderung bis zum
Jahre 1898, in welchem sich die hauptsächlich Grossbasel befallende
Epidemie in geringem Grade auch in Kleinbasel fühlbar macht, was bei
dem massenhaften Verkehr zwischen den beiden Stadttheilen nicht be¬
fremden kann. Dass vielfach Kleinbaseler in Grossbasel den Einflüssen
ausgesetzt waren, welche dort die epidemische Ausbreitung hervorriefen,
beweist die Thatsache, dass von 18 in Kleiubasel während der Epidemie
Gck igle
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Der Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875—1900. 217
des Jahres 1898 Erkrankten sechs ihre Arbeitsstätte in Grossbasel hatten.
Inwieweit auch die anderen Erkrankten mehr oder weniger in Grossbasel
verkehrten, ist unbekannt. 1
Von den 19 Erkrankungen im Jahre 1900 ereigneten sich zwölf
(October und Anfangs November) sämmtlich bei Leuten, die in einer
Kostgeberei in Verpflegung waren; die Ursache dieses völlig local ge¬
bliebenen Typhusherdes konnte nicht ermittelt werden.
Trotz solchen kleineren Anhäufungen steht Kleinbasel und vor Allem
die „innere Stadt“ im letzten Decennium ausserordentlich günstig da.
Vergleichen wir die Erkrankuugsziffern des letzten Jahrzehntes mit
denjenigen des vorausgegangenen Decenniums, so ergiebt sich:
Jahre
1881—1890
1891—1900
Grossbasel
Mittlere Er-
Bevölkerung krankungen
44 687 1878
58 928 767
Kleinbasel
Mittlere Er-
Bevölkerung krankungen
22 809 1327
35 241 285
Hieraus ergiebt sich als durchschnittliche Morbidität auf 1 Jahr und
10000 Lebende:
Jahre Grosshasel Kleinbasel
1881—1890 42-0 58-2
1891—1900 13-0 8*1
Die Morbidität des ersten Jahrzehntes gleich 100 gesetzt:
Jahre Grossbasel Kleinbasel
1881—1890 100 100
1891—1900 31 14
Die Abnahme ist also in Kleinbasel mehr als doppelt so stark, als
in Grossbasel.
Sehr sprechend drückt sich auch der Unterschied der Jahrzehnte in
den Erbrankungsziffern aus, welche die Kaserne und das Waisenhaus
aufweisen; rechnet man die ersten 13 Tage des Jahres 1891, auf welche
sich noch der Einfluss des Pumpwerkbetriebes erstreckte, zum ersten
Decennium, so erhalten wir im Waisenhaus eine Abnahme von 59 auf 4.
Waisenhaus Kaserne
1881—1890 57 35
1. —18.1. 1891 2 —
14.1.91—1900 4 1
1 Statist. Mittheilungen . Bericht über ansteckende Krankheiten. 1898. S. 58.
Karcher, Einiges über die Baseler Typhusepidemie des I. Quartals 1898. Corre -
spondemhlatt für Schweizer Aerzte. 1899. S. 481.
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218
Albebt Lotz:
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Das Ergebniss aller vorstehenden Betrachtungen lässt sich in folgende
Hauptsätze zusammenfassen:
I. Bei den Kleinbaseler Epidemieen erweist sich die den
grössten Theil des Riehenpumpwassers consumirende „innere
'Stadt“ stets ganz unverhältnissmässig stark betroffen im
Gegensätze zu den epidemiefreien Zeiten derselben Jahre und
in noch stärkerem Gegensätze zu den mit Grossbasel gemein¬
samen Epidemieen, in welchen die „äussere Stadt“ von Klein¬
basel absolut grössere Zahlen aufweist, als die „innere“.
II. Nach der im December 1890 stattgefundenen Aus¬
schaltung des Riehenpumpwerkes bleiben die specifischen
Kleinbaseler Epidemieen gänzlich aus und es fällt die Typhus¬
morbidität Kleinbasels überhaupt dauernd unter diejenige
Grossbasels.
Diese Thatsachen, die starke Belastung der „inneren Stadt“ bei allen
Kleinbaseler Epidemieen und das Ausbleiben solcher Epidemieen nach
Ausschaltung des Riehenpumpwerkes führen mit Nothwendigkeit zu der
Annahme, dass die Typhuskeime durch das aus dem Riehen*
pumpwerk stammende Wasser ihre Verbreitung fanden und
dass die vor 1891 aufgetretenen Kleinbaseler Epidemieen durch
dieses verunreinigte Riehenpumpwasser verursacht wurden.
Natürlich liegt es uns ferne, behaupten zu wollen, dies sei der einzige
Modus der Infection gewesen.
Reineke 1 sagt sehr treffend:
„Wenn somit die Hauptzüge der Epidemiologie von Cholera und
Typhus in Hamburg immer wieder auf das Wasser hinweisen, so soll
damit selbstverständlich nicht jeder Einzelfall durch directe oder indirecte
Aufnahme von rohem Elbwasser erklärt werden, auch nicht in den
Epidemieen, in welchen die Wasserleitung inficirt war. Vielmehr er¬
folgten sehr viele Erkrankungen in Folge von directer Uebertragung von
Person zu Person oder indirect durch Iufectionsherde zweiter, dritter,
vierter und folgender Generationen, deren Mittelpunkt nicht mehr das
Elbwasser, sondern ein Abort, beschmutzte Wäsche, ein Brunnen, eine
Milchhaudlung, eine Küche, ein Gelatinepudding oder ähnliche andere
Dinge waren. Diese Wege können das Bild einer Wasserleitungs-
infectiou mehr oder minder verwischen“.
1 Reineke, Münchener med. Wochenschrift. 1899. Nr. 28.
Gck igle
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Dek Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875 — 1900 . 219
Ist dies auch zweifellos in unserem Falle hier und da geschehen, so
konnte dadurch doch das Bild der Wasserleitungsinfection höchstens ge¬
trübt, nicht aber gänzlich verwischt werden.
Zum Schlüsse sei es mir gestattet, meinem Vater, Herrn Physikus
Dr. Lotz für die Anregung zu dieser Arbeit und für die Rathschläge
bei deren Abfassung meinen besten Dank zu sagen. Herrn Physikus
Dr. Streckeisen verdanke ich die gütige Ueberlassung einiger Aufzeich¬
nungen und zu besonderem Danke verpflichtet bin ich gegen Herrn Paul
Miescher, Director des Gas- und Wasserwerkes, der mir über alle die
Wasserverhältnisse betreffenden Fragen stets in zuvorkommendster Weise
Auskunft gegeben hat.
Erklärung der Abbildungen.
(Taf. X—XIII.)
Tafel X.
1. Jährliche Typhus-Morbidität auf 10 000 Lebende.
2. Jährliche Typhus-Mortalität auf 100 000 Lebende.
Tafel XI.
Monatliche Typhus-Morbidität auf 1 Jahr und 10 000 Lebende (1875—1888).
Tafel XII.
Monatliche Typhus-Morbidität auf 1 Jahr und 10 000 Lebende (1889—1900).
Auf Taf. X—XII sind die Typhusfälle in Kleinbasel durch eine rothe, diejenigen
in Grossbasel durch eine schwarze Linie, die Grundwasserstänoe in Kleinbasel
blau aufgezeichnet.
Tafel XIII.
Stadtplan von Kleinbasel. Das Leitungsnetz, die öffentlichen und die pri¬
vaten Brunnen des Riehenpumpwerks sind roth eingezeichnet.
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Tabelle I. Erkrankungen and Todesfälle an Typhus abdominalis.
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Tabelle IV. Typhuserkrankungen nach Monaten. Grosabasel.
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[Aus dem Institut für Infectionskrankheiten in Berlin.]
(Director: Geh. Med.-Rath Prof. Dr. R. Koch.)
üeber die Abtödtung pathogener Bakterien im Wasser
mittels Ozon nach dem System Siemens & Halske.
Von
Stabsarzt Sohüder nnd Prof. Proskauer.
Seit Anfang Februar d. J. sind von uns Untersuchungen über die
sterilisirende Wirkung von Ozon gegenüber pathogenen Keimen im Wasser
ausgeführt worden. Die Firma Siemens & Halske in Berlin hatte uns
zu diesem Zwecke ihre in Martinikenfelde vorhandene Anlage zur Ver¬
fügung gestellt. Die eingehende Beschreibung der letzteren findet sich
in der von G. Erlwein publicirten Abhandlung 1 : „Trinkwasserreinigung
durch Ozon nach dem System Siemens & Halske A.-G.“
Mit der gleichen Anlage sind bereits Versuche vou Th. Weyl 2 3 * , so¬
wie von Ohlmüller und Prall 8 ausgeführt worden.
Weyl beschränkte sich darauf, die Abnahme der Keimzahl nach der
Behandlung von Spreewasser mit Ozon festzustellen, wogegen Ohlmüller
und Prall neben Versuchen gleicher Art auch Wasser, welches sie vorher
mit Typhus- und Choleraculturen inficirt hatten, der Einwirkung von
Ozon in der Anlage aussetzten. Sie kamen dabei zu dem Resultate, dass
„im Wasser aufgeschwemmte Bakterien der Cholera und des
Typhus durch das Verfahren vernichtet werden“.
1 Journ. f. Gashel. u. Masservers. 1901. Nr. 30 31. — Gesundheit. 1901. Nr 15.
a Centralblatt für Bakteriologie. I. 1899. Bd. XXVI. — Journ. f. Gashel. u .
Wasservers. 1899.
3 Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamte. 1902. Bd. XVIII. S. 417.
15*
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228
SCHÜDER UND PrOSKAUER:
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Ausserdem stellten sie fest,
1. dass durch die Behandlung des Wassers mit Ozon eine beträcht¬
liche Vernichtung der Bakterien eintritt und in dieser Hinsicht das Ozon¬
verfahren im Allgemeinen die Abscheidung der Bakterien durch centrale
Sandfiltration übertrifft;
2. dass in chemischer Beziehung das Wasser durch das Verfahren
nur insofern beeiuflnsst wird, dass eine Abnahme der Oxydirbarkeit und
eine Zunahme des freien Sauerstoffes eintritt und beides eine Verbesserung
des Wassers bedeutet;
3. dass das Ozon, welches bei dem Verfahren das Wasser in Lösung
nimmt, in technischer und gesundheitlicher Beziehung belanglos ist, da
es sehr rasch in die Form von Sauerstoff übergeht;
4. dass das Verfahren das Wasser durch Zerstörung färbender Sub¬
stanzen verbessert und
5. dass durch dasselbe das Wasser keinen fremdartigen Geschmack
und Geruch annimmt.
Ohlmüller und Prall halten das Ozonverfahren somit für befähigt,
für die centrale Reinigung des Trinkwassers in geeigneten Fällen in
Wettbewerb mit den übrigen bekannten und erprobten Reinigungsverfahren
zu treten. Wie bei jedem anderen Verfahren soll man auch bei diesem
auf die Beschaffenheit des Rohwassers Bedacht nehmen und insbesondere
die Höhe der Oxydirbarkeit berücksichtigen.
Die von Weyl seiner Zeit ausgeführten Versuche geben keine Aus¬
kunft über die für die Wassersterilisation wichtigste Frage, wie sich das
Ozon den in einem Wasser möglicher Weise vorhandenen patho¬
genen Organismen gegenüber verhält. Wir hatten uns deshalb
schon nach Veröffentlichung der Weyl’sehen Untersuchungen mit der
Firma Siemens & Halske in Verbindung gesetzt, um diese Lücke aus¬
zufüllen. Diese beabsichtigten Versuche erlitten jedoch dadurch einen
Aufschub, dass die genannte Firma ihre Anlage bereits Hrn. Geh.-Rath
Ohlmüller zu ähnlichen Versuchen zur Verfügung gestellt hatte. Sofort
nach Beendigung der Versuche des Letzteren begannen wir mit unseren
Prüfungen. Im Verlaufe derselben erschien die Veröffentlichung der Ver¬
suche Ohlmüller’s und Prall’s 1 , welche wir aber nicht als ganz
einwandsfrei erachten können. Einmal erschienen uns die Wasser¬
mengen, welche zum Nachweis der nach der Behandlung mit Ozon etwa
lebend gebliebenen Cholera- und Typhusbacillen von Ohlmüller und
Prall durchsucht worden waren, im Verhältnis zu der zum Versuch
benutzten Menge iuficirten Wassers viel zu gering. Ohlmüller und
1 A. a. 0.
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Abtödtung pathogener Bakterien m Wasser.
229
Prall wandten nämlich bei ihren entscheidenden Versuchen 1.5 cbm infi-
cirtes Mischwasser (Spree- und Charlottenburger Leitungswasser) an und
entnahmen nach der Ozonisation bei Cholera je 10 Proben ä 180 oom und bei
Typhus je 10 ä 100 Mm zur Feststellung der etwa nicht abgetödteten Cholera-
und Typhusbacillen. Ausserdem haben sie sich für den Nachweis von ent¬
wickelungsfähigen Typhuskeimen nach voran gegangener Anreicherung mittels
Nährbouillonzusatzes darauf beschränkt, im Ganzen nur 26 ihnen typhus-
verdächtig erscheinende Colonieen von Agarplatten auf die Identität mit
Typhusbacillen — und zwar mit negativem Resultate — näher zu unter¬
suchen. Daraus zogen sie den Schluss, dass sämmtliche eingesäten Typhus¬
keime vernichtet waren.
Der Haupteinwand aber, welchen wir gegen die hier in Rede stehen¬
den Versuche zu machen haben, besteht darin, dass die Genannten 1 die
Proben von ozonisirtem Wasser aus einem in dem Sterilisationsthurm seit¬
lich eingesetzten Metallröhrchen, dessen äussere Mündung vor Beginn des
Versuches mittels einer Flamme sterilisirt wurde, entnahmen. Dieses
Röhrchen nämlich vermittelt den Ausfluss aus einem im Inneren des
Ozonisationsthurmes horizontal aufgestellten und zum Auffangen von herab¬
gerieseltem, ozonisirten Wasser bestimmten Tellerchen, dessen Durchmesser
200 m “ beträgt. Hierdurch erhielten Ohlmüller und Prall stets
nur von ein und derselben und im Verhältniss zum Querschnitt
des Sterilisationsthurmes relativ kleinen Stelle ihre Proben.
Die Querschnittsfläche des Sterilisationsthurmes nämlich beträgt 1 qm , die¬
jenige des Tellerchens 0*0311“; daher macht die Fläche, welche das zur
Prüfung entnommene Wasser lieferte, bloss den ca. 33. Theil des ganzen
Querschnittes vom Thurme aus. Trotzdem schlossen die Verfasser hieraus
auf die gleichartige Leistungsfähigkeit des Gesammtquerschnittes,
obwohl mit Rücksicht auf die Anordnung und Beschaffenheit der Packung
des Thurmes von vornherein anzunehmen war, dass die Durchfluss¬
geschwindigkeit, Vertheilung des Wassers und Berührung mit dem Ozon
nicht an allen Punkten, namentlich nicht an der Berührungs¬
fläche der Packung mit den inneren Wandungen des Thurmes,
völlig gleich sein können.
Die Richtigkeit unserer eben gemachten Einwände wurde
uns schon durch die ersten Versuche bestätigt, welche wir mit
der in dem gleichen Zustande befindlichen Anlage, wie sie Ohl¬
müller und Prall benutzten, ausführten, da Cholerabacillen nicht,
wie die Genannten behaupteten, mit Sicherheit abgetödtet wurden.
1 A. a. 0. S. 420. .
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230
SCHÜDER UND PrOSKAUEB!
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Wir benutzten zum Nachweis in das Wasser eingesäter und etwa
nicht abgetödteter pathogener Keime die Methoden, welche in dieser Zeit-
schrift 1 bereits ausführlich beschrieben wurden. 2
Bei der Entnahme der Proben von Wasser nach dessen Behandlung
mit Ozon verfuhren wir in der Weise, dass wir von der ganzen inficirteu
Wassermenge l-0 cbm ozonisirten, in dem Ueberlaufbehnlter an¬
sammelten, gründlich mischten und dann erst eine Durch¬
schnittsprobe von mindestens 20 Liter schöpften. Die letzteren
wurden nach Anreicherung auf pathogene Keime untersucht. Ausserdem
wurden auch noch in bestimmten Fällen aus besonderen Gründen Proben
in grösserer Menge aus dem erwähnten Ablaufröhrchen entnommen.
Wie wichtig die von uns getroffene Versuchsanordnuug war, die ganze
Wassermenge zu sammeln und eine so grosse Durchschuittsprobe zu
untersuchen, ergaben ebenfalls die ersten Versuche mit Cholera, wo z. B.
in einem Falle von den 22 Litern des entnommenen ozonisirten Wassers
ca. 21*5 Liter frei von Choleravibrionen waren, dahingegen in ca. l /, Liter
lebensfähige Keime von Cholera sich nachweisen liessen. 3
Ebenso, wie Ohlmüller und Prall 4 5 , haben wir auch mit dem
kleinen Laboratoriumsapparat Versuche, und zwar mit Cholera-inticirtem
Wasser, angestellt, die uns aber zu anderen Ergebnissen führten,
als die von den Genannten berichteten. Bei Verarbeitung der ganzen
ozonisirten Wassermenge (10 Liter) 6 konnten wir bei diesen Versuchen
jedes Mal entwickelungsfähig gebliebene Choleravibrionen fest¬
stellen. Das dabei angewandte Wasser war Charlottenburger Leitungs¬
wasser von geringer Oxydirbarkeit! Die Ozonmenge war von Hm. Dr.
Bamberg, Chemiker der Firma Siemens & Halske, in gleicher Weise
auf die Oxydirbarkeit eingestellt, wie sie bei den Versuchen von Ohlmüller
und Prall geschildert wurde. Auch hier hatte sich wieder die Erscheinung
gezeigt, dass nur einzelne der Kolben, auf welche die ganze Versuchsmenge
1 Schü der. Diese Zeitschrift Bd. XXXIX. S. 379ff.
2 Wir wandten zur Infection des Wassers durch einfache Papierfilter geschickte
Aufschwemmungen von Agareulturen an, weil der Ozonisirung von Wasser in der
Praxis eine Filtration desselben vorausgehen soll und zwar durch Kröhnke'sclie
Patentfilter, die mit gut gesichtetem Sande mittelgrossen Kornes gefüllt sind.
8 Jedem einzelnen Versuche mit pathogenen Keimen folgte die peinlichste Des*
infection der Anlage und der ganzen zum Versuch benutzten Wassermenge durch
Zusatz von Saure, um jede Verschleppung der Krankheitserreger auszuschliessen
4 A. a. O. S. 428.
5 Von Ohlmüller u. Prall a. a. 0. S. 428, „wurden von dem nicht behandelten
Wasser je 2, von dem ozonisirten je 6 Proben Wasser zu je 90 ccm entnommen und diese
dem Anreicherungs verfahren unterzogen; in dem nicht ozonisirtem Wasser konnten
die Cholerabakteriell nachgewiesen werden, in dem ozouisirteu waren sie vernichtet.* 4
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Abtödtüng bathogener Bakterien im Wasser.
231
Wasser vertheilt war, lebensfähige Cholerabacillen enthielten. Hieraus
schlossen wir, dass zwar dem Ozon eine kräftig-keimtödtende
Wirkung auf die Cholerabacillen zukomme, dass aber in diesem
kleinen Yersuchsapparate nicht alle Wassertheilcken genügend
und gleichmässig der Einwirkung des Ozons ausgesetzt gewesen
sein konnten. Eine eingehendere Wiedergabe dieser Versuche erübrigt
sich mit Rücksicht auf die gewonnenen ungünstigen Resultate.
Die ersten Versuche in der grösseren Versuchsanlage wurden
mit Cholerabacillen ausgeführt.
I. Vorversuch am 10.ü. 1902.
Angewandt Charlottenburger Leitungswasser mit einer Oxydirbarkeit
= 2*98 IDg Sauerstoffverbrauch pro Liter, und inficirt pro 1 cbm Wasser mit
einer in Wasser aufgeschwemmten Agarcultur von Cholera.
Ozonooncentration: 4 Ozon pro Cubikmeter Luft; pro Stunde gingen
25 cbm Luft durch den Thurm.
1 cbra vom inficirten Wasser brauchte 8 l j 2 Minuten zum Durchgang durch
den Thurm.
Bei diesem Vorversuche wurden zunächst 3 Kolben ä 2 Liter aus dem
schon vorher erwähnten, am Sterilisationsthurm befindlichen Röhrchen, —
welches Ohmüller und Prall auch benutzt hatten, — und zwar die ersten
beiden am Beginn, das dritte am Ende des Versuches entnommen. Ausserdem
füllten wir am Ende des Versuches von dem im Ueberlaufbassin gesammelten
Wasser 4 Kolben ä 2 Liter. Dies geschah^ um einen Vergleich zwischen
beiden Entnahmestellen anstellen zu können.
Nach der Ozonisirung war die Oxydirbarkeit pro Liter um 0*42
Sauerstoffverbrauch, also auf 2-56 m * gesunken.
Im ursprünglichen, nicht inficirten Wasser waren „Rothbildner“ nicht
nachzuweisen.
Der Inhalt aller Kolben ä 2 Liter wurde nach Zusatz von Pepton-Kochsalz¬
lösung auf kleinere Kölbchen verschiedenen Inhalts vertheilt und 24 Stunden
lang behufs Anreicherung der Brüttemperatur ausgesetzt.
In dem Wasser der ersten beiden Kolben (aus dem Abflussröhrchen
gefüllt) blieb nach der Anreicherung jede Rothreaction aus. Dagegen ergab
das Wasser aus dem Kolben 3, der ebenfalls aus dem Röhrchen gefüllt
war, und aus einem der vier aus dem Ueberlaufbassin beschickten Kolben
die Cholerarothrection.
Im Ganzen waren unter 78 kleinen Kölbchen in 3 entwicke¬
lungsfähige Cholerabacillen nachzuweisen.
II. Versuch am 12.11. 1902.
Angewandt ein Gemisch von l j 3 Spreewasser und 2 3 Charlottenburger
Leitungswasser; das Gemisch hatte eine Oxydirbarkeit von 4*(52 ul * Sauerstoff¬
verbrauch pro Liter und war mit einer in Wasser aufgeschwemmten Agar¬
cultur von Cholera (auf l*5 t?bm Wasser) inficirt worden.
Ozonconcentration: 4 * nn Ozon pro Cubikmeter Luft; pro Stunde gingen
25 cbrn Luft durch den Thurm.
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282
SCHÜDER UND PhOSKAÜER:
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1 cbm yon dem inficirten Wasser brauchte 8 l / 2 Minuten zum Durchgang
durch den Thurm.
Es wurden 19 Liter Wasser nach der Ozonisirung als Durchsehnitts-
probe aus dem im Ueberlaufbassin aufgefangenen und gut durchmischten
Inhalt geschöpft und auf 124 kleinere Kolben verschiedener Grösse, wie
oben, zwecks Anreicherung vertheilt.
Nach der Ozonisirung war die Oxydirbarkeit pro Liter Wasser um 0-14 11 *,
d. h. auf 4*48 rag Sauerstoffverbrauch gesunken.
Im ursprünglichen, nicht inficirten Wasser waren „Rothbildner“ nicht
nachzuweisen.
Unter den 124 Kölbchen ergaben 60 mehr oder minder kräf¬
tige „Rothreaction“, ein Beweis, dass die Leistung des Ozons in
Bezug auf die Abtödtung der Cholera bei weitem geringer war, als
bei dem Versuch I mit dem reinen Charlottenburger Leitungs¬
wasser.
III. Versuch am 15.11. 1902.
Angewandt ein Gemisch von 1 / 3 Spree- und 2 / s Charlottenburger Leitun^s-
wasser; das Gemisch besass eine Oxydirbarkeit von 4 -60 m & Sauerstoffverbrauch
pro Liter.
Bei diesem Versuche wurde das Spreewasser mit einem künstlich her¬
gestellten „Cholerastuhl“ (50 ccm diarrhöischer Stuhl mit einer Agarcultur-
aufschwemmung von Cholera im Schüttelapparat innigst gemischt) inficirt,
und zwar so, dass dieser Stuhl zu 1 / 2 cbm Spreewasser, unter gehöriger
Mischung mit demselben zugesetzt und durch das mit der Ozonisirungs-
anlage verbundene Kröhnke-Filter geschickt wurde. Letzteres durchspulten
wir dann mit 1 / 2 cbm nicht inficirten Spreewassers, um das inficirte Spree¬
wasser aus dem Filter und Rohrsystem in das Bassin heraufzudrücken, wo
die Mischung mit dem Charlottenburger Leitungswasser vor der Ozonisirung
vorgenommen wurde.
Ozonconcentration 3*7 pro Cubikmeter Luft; pro Stunde gingen
25 cbm Luft durch den Thurm.
1 cbra von dem inficirten Wasser brauchte 8 l j 2 Minute zum Durchgang
durch den Thurm.
Es wurden Proben entnommen:
a) Hinter dem Kröhnke-Filter und zwar 4 Liter zur Controle, ob
dieses Filter Cholerabacillen hatte passiren lassen. In Folge äusserer Umstände
konnten wir erst nach 48 Stunden mit dem zwecks Anreicherung bei 37 0 C.
gehaltenen, vorher mit Peptonlösung versetzten Proben die Cholerarothreaction
anstellen.
Der Inhalt der Kolben war in Folge dessen in starke Fäulniss gerathen.
und es erschien deshalb von vomeherein fraglich, ob unter diesen Umständen
die „Cholerarothreaction“ auf Zusatz von Säure noch eintreten würde. Des¬
halb wurden von diesen Kolben auf andere sterile Pepton-Kochsalzlösung
enthaltende Kölbchen Uebertragungen gemacht und diese zur Anreicherung
24 Stunden bei 37° gehalten
In der That ergaben die ersten, 48ständigen Anreicherungen mit
Schwefelsäure allein die „Rothreaction“ nicht mehr; sie trat aber kräftig
ein, nachdem zu den Flüssigkeiten eine schwache Nitritlösung hinzugefugt
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Abtödtung pathogener Bakterien im Wasser.
233
worden war. Dieser Ausfall konnte entweder so gedeutet werden, dass
keine Cholerabacillen in den Proben vorhanden waren, sondern nur Indol¬
bildner, wie z. B. das in grossen Mengen mit dem Stuhl zugesetzte Bacterium
coli, oder dass dennoch vorhandene Cholerabacillen Indol und Nitrit zugleich
Anfangs gebildet hatten, das Nitrit aber in Folge der eingetretenen starken
Fäulniss hinterher wieder zerstört worden war.
Bei der zweiten Uebertragung und Anreicherung trat die „Choleraroth-
reaction“ auf alleinigen Zusatz von Schwefelsäure, und zwar unter 12 Kolben
ä 100 ccm 8 Mal, sofort kräftig ein. Ausserdem ergab auch die weitere
bakteriologische Untersuchung, dass, wie zu erwarten war, Choleravibrionen,
die also das Kröhnke-Filter passirt hatten, in den Anreicherungsproben vor¬
handen waren. Die mit nicht inficirtem Spreewasser zur Controle vor¬
genommenen Anreicherungen enthielten keine „Rothbildner“.
b) Nach der Ozonisirung: 20 Liter als Durchschnittsprobe aus dem
gut gemischten Inhalte des Ueberlaufbassins auf 123 kleinere Kolben ver¬
schiedener Grösse zwecks Anreicherung, wie bisher, vertheilt.
Nach der Ozonisirung war die Oxydirbarkeit pro 1 Liter Wasser um
1>04, d. h. auf 3-56 mg Sauerstoffverbrauch gesunken.
Von den 123 Kolben gaben 23 nach der Anreicherung die
Cholerarothreaction. Also auch in diesem Versuch erwiesen sich
die ausgesäten Choleravibrionen durch die Ozonisirung nicht
vernichtet.
An diesen Versuch schloss sich ein zweiter an, bei welchem zur In-
fection des zu ozonisirenden Wassers die im Kröhnke-Filter vom vorherigen
Versuch etwa haftengebliebenen Choleravibrionen dienen sollten. Durch das
Kröhnke-Filter, welches 5 Tage lang, vom 15. bis 20. II., unbenutzt gestanden
hatte, wurde Spreewasser gepumpt und im Rohwasserbassin mit gleichen
Theilen Charlottenburger Leitungswasser gemischt.
Unter völlig gleichen Versuchsbedingungen, wie am 15. II., ergaben
von 20 Liter ozonisirten Wassers aus dem Ueberlaufbassin, auf 146 Kölbchen
verschiedenen Inhalts vertheilt und angereichert, 6 Kölbchen „Choleraroth¬
reaction“.
Die obigen Versuche zeigen mithin, im Gegensatz zu denen von
Ohlmüller und Prall, dass in der grossen Versuchsanlage ebenso
wenig, wie in dem kleineren Versuchsapparate, eine sichere Ab¬
tödtung aller in das Rohwasser eingebrachten Choleravibrionen
erzielt werden konnte. Es war aber wieder unverkennbar, dass
auch bei der Behandlung des inficirten Wassers in der grossen
Anlage dasOzon eine kräftig keimtöjdtende Wirkung denCholera-
bacillen gegenüber entfaltet hatte.
Die Misserfolge Hessen sich, nach den am kleineren Apparat gemachten
Beobachtungen, dadurch erklären, dass auch hier eine ungenügende Be¬
rührung und vielleicht auch eine nicht lange genug andauernde Einwirkung
des Ozons mit den einzelnen Wasserpartikelchen stattgefunden hatte. Dies
war vermuthlich besonders an den Seitenflächen des Thurmes der Fall.
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SCHÜDER UND PrOSKAUER:
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Es wurden deshalb die Versuche mit der Anlage in ihrem bisherige
Zustande abgebrochen und der Sterilisationsthurm mit fein¬
körnigerem Material an Stelle der hühnerei- bis faustgrossen
Kiesstücke gefüllt.
Am 12. März wurden die Versuche mit der so veränderten Anlage
wieder aufgenommen und zwar zunächst mit cholerainficirtem Wasser.
IV. Versuch am 12. III. 1902.
Angewandt ein Gemisch von Vs Spreewasser und 2 / 3 Charlottenburger
Leitungswasser; das Gemisch hatte eine Oxydirbarkeit von 4.8 rag Sauer»toff-
verbrauch pro Liter und war mit einer im Wasser aufgeschwemmten Agar-
cultur von Cholera auf 1*5 ehm Wasser inficirt worden.
Ozonconcentration: 3*8 grm pro 1 cbm Luft; pro Stunde gingen 25 cflu
Luft durch den Thurm.
1 ebm von dem inficirten Wasser brauchte 9 Minuten zum Durchgang
durch den Thurm.
Entnommen wurden 22 Liter als Durchschnittsprobe aus dem im Ueber-
laufbassin gesammelten, gut durchgemischten ozonisirten Wasser und auf
144 kleinere Kölbchen zwecks Anreicherung vertheilt.
Nach der Ozonisirung war die Oxydirbarkeit für das Liter Wasser um
0*3, d. h. auf 4*5 rag Sauerstoffverbrauch gesunken.
Im nicht inficirten Mischwasser waren „Rothbildner“ nicht nachzuweisen.
Von den 144 Kölbchen ergab keins die „Rothreaction“, die
eingesäten Choleravibrionen waren daher als vernichtet an¬
zusehen.
V. Versuch am 14. III. 1902.
Dieser Versuch sollte eine Wiederholung des vorhergehenden darstellen
und wurde daher unter den gleichen Bedingungen durchgeführt. Die Oxydir¬
barkeit des Mischwassers betrug vor der Ozonisirung 4*93 und nach derselben
4*88 Tng Sauerstoffverbrauch pro Liter, sie hatte mithin um 0*05beim
ozonisirten Wasser abgenommen; die Ozonconcentration pro Cubikmeter Luft
machte 3*9 grm aus.
Die in gleicher Weise, wie beim Versuch IV, entnommene Probe von
22 Liter ozonisirten Wassers wurde auf 134 kleine Kölbchen zwecks An¬
reicherung vertheilt; die Rothreaction blieb überall aus. Die Wieder¬
holung des Versuches IV hatte also das bei diesem erzielte Er-
gebniss, nämlich die Vernichtung der Cholera Vibrionen, bestätigt.
VI. Versuch am 18. III. 1902.
Bevor wir zur Prüfung der Wirksamkeit des Ozons gegenüber Typlius-
bacillen übergingen, stellten wir seine Einwirkung auf Colibacillen fest.
Angewandt ein Gemisch von 1 3 Spree- und v 3 Charlottenburger Leitungs¬
wasser; zu 1 cl, n desselben die Aufschwemmung einer Agarcultur vonBacterium
coli hinzugefügt.
Ozonconcentration: 3*8 fPrm pro Cubikmeter Luft; in der Stunde gingen
2.V l,m Luft durch den Thurm.
1 rl,rn von dom inficirten Wasser brauchte 8 Minuten zum Durchgang
durch den Thurm.
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A«TODTUN'G PATHOGENER BAKTERIEN IM WASSER.
235
Entnommen 20 Liter Wasser als Durchschnitts probe aus dem Ueber-
laufbassin und in 4 Kolben & 5 Liter mit Pepton-Kochsalzlösung 24 Stunden
bei 37° C. angereichert. Aus jedem dieser Kolben wurden nach dieser
Zeit aus verschiedenen Tiefen 0-1 ccm entnommen und je auf eine Reihe von
Drigalski-Conradi’schen Platten ausgestrichen. Unter sämmtlichen Platten
fanden sich nur zwei, welche Säure bildende, rothgefärbte wie Bacterium coli
wachsende Colouieen enthielten. Die weitere Untersuchung dieser
Colonieen ergab aber, dass es sich nicht um Bacterium coli
handelte. Es waren mithin die eingesäten und die etwa bereits
vorher in Spreewasser vorhandenen Colikeime durch die Ozoni-
sirung vernichtet worden.
Es folgen nun die Versuche mit Wasser, welches mit Typhus¬
bacillen inficirt wurde. Die Versuchsauordnung war derart getroffen
worden, dass das zu inficirende Wasser vorher möglichst sterilisirt wurde,
um später bei der Identificirung gewachsener Colouieen auf keine Schwierig¬
keiten bei Anwesenheit anderer, aus dem Wasser selbst stammender und
noch zur Entwickelung gekommener Keime zu stosseu. Wir verhehlten
uns durchaus nicht, dass es sehr schwierig, sogar unmöglich sein würde,
eine so grosse Wassermenge, wie hier, sowie die ganze Anlage völlig steril
zu bekommen. Immerhin war aber zu erwarten, dass in dem Rohwasser
und in den in Betracht kommenden Theilen der Anlage eine im Ver¬
hältnis zu den später eingesäten Typhusbacillen nur verschwindend ge¬
ringe Zahl von Bakterien entwickelungsfähig bleiben würde. Bei der
später erfolgten Anreicherung würden daher, falls das Ozon die Typhus-
bacillen nicht vernichtet hatte, die letzteren doch noch bei Weitem in der
Mehrzahl bleiben und also bei dem der Anreicherung folgenden Platten -
verfahren nicht übersehen werden können.
Fü^ die hier nothwendige Sterilisation des Rohwassers und der
Anlage war entweder der Zusatz von solchen Desinfectionsmitteln, die sich
nach Entfaltung ihrer Wirkung leicht und ohne Störung des Versuches wieder
entfernen liessen, oder die Desinfection mittels Dampf möglich. Die Des-
infection mit Chemikalien (Säure) war allerdings leichter, schneller und billiger
auszuführen, als in diesem Falle diejenige mit Dampf (Erhitzen), sie hatte
andererseits aber den Nachtheil, dass das im Ueberlaufbassiu und im
unteren Theile des Sterilisationsthurmes befindliche Wasser, das als Ab¬
schlussflüssigkeit für das von unteu in den Thurm eingeleitete Ozon vor¬
handen sein muss, sich nicht sicher mit Säure desinficiren und dann wieder
neutralisireu liess. Deshalb konnten wir bei dieser Art von Desinfection
des Rohwassers die Proben nach der Ozonisirung nicht aus dem Ueberlauf¬
bassiu schöpfen, sondern mussten sie aus dem am Thurm befindlichen
Röhrchen entnehmen. Dennoch schlugen wir bei den ersten beiden Ver¬
suchen mit Typhus den ersteren Weg ein, weil uns zur Zeit noch keine
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236
Sch über und Proskauer:
Locomobile als Dampfentwickeler zur Verfügung stand und wir die Zeit,
welche uns für unsere* Versuche zu Gebote stand, ausnutzen mussten.
Vor allen übrigen Versuchen mit Typhus und Ruhr desinficirten wir das
zu inficirende Wasser und die Anlage mittels Dampf.
Die Sterilisation des Ausgangswassers und der Anlage auf chemischem
Wege vollzog sich folgendermaassen. Am Tage vor den Versuchen wurde
der Ozonisationsthurm nebst Inhalt dauernd der Ozonwirkung ausgesetzt.
Das Rohwasser — l / 3 Spree- und */ 3 Charlottenburger Leitungswasser —
wurde in eine 2 pro inill. Schwefelsäurelüsung umgewandelt und mit der¬
selben die vor dem Ozonisationsthurme gelegenen Theile der Anlage
18 Stunden lang gefüllt gehalten. Darauf wurde das zur Neutralisation
der hinzugefügten Säure ausreichende Quantum von Soda titrimetrisch
festgestellt, und dem angesäuerten Wasser von einer durch Hitze sterili-
sirten concentrirten Sodalösung die zur Neutralisation bezw. sehr schwach
alkalischen Reaction desselben erforderliche Menge zugesetzt. Dass in
keinem Theile der Anlage den Versuch etwa störende Säure zurückgeblieben
war, wurde durch fortlaufende Prüfung des ozonisirten Wassers bei seinem
Austritt aus dem Sterilisationsthurm controlirt.
Das schwach alkalisch reagirende Wasser wurde mit einer Aufschwem¬
mung einer Typhusagarcultur versetzt. Eine von dieser Mischung entnommene
Probe wurde, nachdem sie mindestens eine Stunde lang gestanden hatte,
durch Anreicherung und die nachherigePrüfung auf Drigalski-Conradi’-
schen Platten auf die Gegenwart lebensfähiger Typhusbacillen controlirt,
um u. a. auch zu erfahren, ob durch die Zusätze der Chemikalien zu
dem Wasser die Typhusbacillen nicht schon vor der Ozonisirung in ihrer
Lebensfähigkeit beeinträchtigt wären. Es ergab sich, dass letzteres nicht
der Fall war. *
VII. Versuch am 20.111. 1902.
Angewandt ein in eben angegebener Weise behandeltes Gemisch von
1 / 3 Spree- und 2 / 3 Charlottenburger Leitungswasser. Das Gemisch hatte eine
Oxydirbarkeit von 5 • 48 mg Sauerstoffverbrauch pro Liter und war mit einer aufge¬
schwemmten Agarcultur von Typhusbacillen (auf 1 • 5 cbm Wasser) inficirt worden.
Ozonconcentration: 3*6 grra Ozon pro Cubikmeter Luft; in der Stunde
gingen 25 cbm Luft durch den Thurm.
1 cbm von dem inficirten Wasser brauchte 8 Minuten zum Durchgang
durch den Thurm.
Bei diesem, sowie auch dem folgenden Versuche wurden die Proben
aus den schon erwähnten Gründen aus dem Ablaufröhrchen an der Seite
des Sterilisationsthurmes entnommen, nachdem dasselbe vorher durch Erhitzen
sterilisirt war, und zwar in einer Menge von 4 Kolben A, 5 Liter. Von dem
Inhalt jedes angereicherten Kolbens wurden je 6 Drigalski-Conradi’sche
Platten ausgestrichen und nach 24 Stunden auf Typhusbacillen untersucht.
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Abtödtung pathogenes Baktebien im Wasseb.
237
Nach der Ozonisirung war die Oxydirbarkeit um 2-32 n,p , d. i.
auf 3*16 m? Sauerstoffverbrauch für 1 Liter gesunken.
Auf 5 unter den 24 Platten waren einzelne Typhuscolonieen
gewachsen und des Weiteren identificirt.
VLII. Versuch am 22. III. 1902.
Der Versuch war eine genaue Wiederholung des vorhergehenden.
Die Oxydirbarkeit des Mischwassers betrug vor der Ozonisirung 6*40,
nach derselben 4*16 ms , hatte somit um 2 • 24 wg Sauerstoffverbrauch pro Liter
abgenommen.
Die Ozonconcentration betrug 3 • 7 pro Cubikmeter Luft.
Bei diesem Versuche gelang es nicht, lebensfähig gebliebene
Typhusbacillen nach der Ozonisirung aufzufinden.
Auffallend ist bei diesen beiden letzten Versuchen im Vergleich zu den
vorhergehenden die ausserordentlich starke Abnahme (um 2-32 bezw. 2-24)
der Oxydirbarkeit nach dem Ozonisiren, während sie bei dem gleichartigen
Gemische der beiden Wässer bei den Versuchen II bis IV nur 0-14,
1*04, 0-3 und 0■ 05pro Liter betragen hatte. Der Grund hierfür lag
darin, dass durch Verwendung der Säure als Desinficiens, Eisenoxydul¬
verbindungen in das Wasser gelangt waren, welche die ursprüngliche
Oxydirbarkeit erhöhten. Durch die Behandlung des Wassers mit Ozon
wurden diese Verbindungen als Oxyd herausgeschafft, und das den Thurm
verlassende Wasser besass den auch sonst nach Ozonwirkung gefundenen
Grad der Oxydirbarkeit. Somit war auch erwiesen, dass ein Theil
der zur Vernichtung der Typhuskeime bestimmt gewesenen
Ozonmenge von 3-7*™ pro Cubikmeter Luft zur Oxydation des
Eisens verbraucht war.
Da uns inzwischen eine Locomobile zur Verfügung gestellt war, ver-
liessen wir die Sterilisation des zu inflcirenden Wassers und der Anlage
durch Säure und gingen zu der Sterilisation derselben mittels Dampf
über. Ausserdem war die Sterilisation mit Säure — wie schon gesagt —
mit dem Nachtheil verbunden, dass wir keine grösseren Durchschnitts¬
proben von der im Ueberlaufbassin aufgefangenen Gesammtmenge des
ozonisirten Wassers schöpfen konnten.
Um eine gleichmässige Vertheilung der Wärme während des Einleitens
von Dampf in dem zu benutzenden Mischwasser zu erzielen, war von der
Firma Siemens & Halske in dasselbe ein elektrisches Rührwerk gesetzt
worden. Das Wasser wurde um 1 Uhr Mittags durch Einleiten von
Dampf in beiden Bassins zum Sieden erhitzt, 15 Minuten lang im Sieden
erhalten und blieb dann bis zum Beginn des nächsten Versuches, d. b.
bis 10 Uhr Vormittag des nächsten Tages zur Abkühlung stehen.
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238
SCHÜDER UND PrOSKAUER:
IX. Versuch am 24. III. 1902.
Angewandt ein Gemisch von l / 3 Spree- und 2 / 3 Charlottenburger Leituugs-
wasser; Oxydirbarkeit des Gemisches 8-08 rog Sauerstoffverbrauch pro Liter.
Das Gemisch wurde nach dem Abkühlen auf 30° mit einer in Wasser auf¬
geschwemmten Agarcultur von Typhus inficirt.
Ozonconcentration: 3*7 Ozon pro Cubikmeter Luft; in der Stunde
gingen 25 cbm Luft durch den Thurm.
1 cbra von dem inficirten Wasser brauchte 8 Minuten zum Durchgang
durch den Thurm.
Oxydirbarkeit nach der Ozonisirung 7 •16 Tr *, mithin Abnahme 0*92”*
Sauerstoffverbrauch pro Liter.
Um wieder grössere Durchschnittsproben von dem ganzen, der Ozoni>ation
ausgesetzt gewesenen und im Ueberlaufbassin gesammelten Wasser (1
statt aus dem Ablaufröhrchen an der Seite des Sterilisationsthurmes. zu er¬
halten. war vorher auch das Ueberlaufbassin und die darin am Boden be¬
findliche und zum Abschluss des Thurmes dienende Wassermenge durch
Dampf desinficirt worden. t
Entnommen wurden 4 Kolben ä 5 Liter aus dem Ueberlaufbassin nach
Mischung des Inhaltes.
Bei Zusatz der coneentrirten Pepton-Kochsalzlösung zu den Proben ent¬
stand eine rothviolette Färbung, die auf einen Gehalt des Wassers an ge¬
lösten Kupferverbindungen hinwies (Biuretreaction). Diese Hessen sieh in
der That auch noch auf andere Weise im ozonisirten Wasser constatiren.
Um festzustellen, ob dieser Kupfergehalt etwa im Stande sei, auf lebende
Typhusbacillen wachsthumshernmend während der Anreicherung einzuwirken,
wurde noch ein fünfter Kolben ä 5 Liter zurControle aus dem Ueberlaufbassin
geschöpft, mit Typhusbacillen neu inficirt, mit Pepton Kochsalzlösung versetzt
und mit den übrigen vier Kolben behufs Anreicherung 24 Stunden bei :>7 Ö
erhalten. Es ergab sich, dass die Proben in allen fünf Kolben steril waren
und dass mithin der Kupfergehalt der Flüssigkeit schädigend auf die ein-
gesäten Typhuskeime eingewirkt haben musste.
Das im Wasser gelöste Kupfer konnte nur von dem oben erwähnten
elektrischen Rührwerk herstammen; denn weder bei den bisherigen, noch
nachfolgenden Versuchen, bei welchen das Rührwerk nicht mehr verwendet
wurde, machte sich die Gegenwart von Kupfer bei Zusatz der coneentrirten
Pepton-Kochsalzlösung im ozonisirten Wasser bemerkbar. Die äus>erst
empfindliche Biuretreaction, die in den von uns entnommenen grossen
Wassermengen Kupfer sofort bei dessen Anwesenheit verrathen haben würde,
trat sonst bei keinem unserer Versuche auf.
Der Versuch wurde wiederholt; dabei wurden zum Umrühren Holz¬
stangen, die während des Kochens des Wassers sieh bereits darin befunden
hatten, benutzt.
X. Versuch vom 25. III. 1902.
Wassermischung, Sterilisation, Infection wie beim Versuch IX. Die
Temperatur des Wassers beim Inficiren betrug 29°.
Ozonconcentration: 3-4 - nn Ozon pro Cubikmeter Luft; in der Stunde
gingen w ieder 25 rbMl Luft durch den Thurm.
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Abtödtüng pathogener Bakterien im Wasser.
239
1 ebm von dem inficirten Wasser brauchte 8 Minuten zum Durchgang
durch den Thurm.
Es wurden 4 Kolben ä 5 Liter ozonisirten Wassers aus dem gut ge¬
mischten Inhalte des Ueberlaufbassins gefüllt, mittels Pepton-Kochsalzlösung,
24 Stunden lang bei 37 u angereichert und 16 Platten, wie oben geschildert,
ausgestrichen. Das ozonisirte und gesammelte Wasser hatte ebenfalls 29° C.
Typhusbacillen waren auf keiner der 16 Platten nach¬
zuweisen.
XI. Versuch am 2.IV. 1902.
Anordnung des Versuches wie vorhin; nur statt des Mischwassers reines
Charlottenburger Leitungswasser. 1 Oxydirbarkeit desselben 6*4 mg Sauer¬
stoffverbrauch pro Liter.
Temperatur des Wassers bei der Infection 31°.
Ozonconcentration: 3*8 grra Ozon pro Cukikmeter Luft; in der Stunde
wurden 25 cbm Luft durch den Thurm geschickt.
Durchgang von 1 cbm Wasser durch den Thurm in 8 Minuten.
Entnahme von 4 Kolben ä 5 Liter, wie bei Versuch X, und ebenso
weiter verarbeitet.
Temperatur des ozonisirten Wassers im Ueberlaufbassin 31°.
Oxydirbarkeit nach der Ozonisirung 5*68 uig , mithin Abnahme 0‘72* rg
Sauerstoffverbrauch pro Liter Wasser.
Auf den 16 Platten waren insgesammt vier typhusverdächtige Colonieen
zu beobachten, die sich aber bei der weiteren Prüfung nicht als
aus Typhusbacillen bestehend erwiesen.
Bei den weiteren Versuchen mit der Martinikenfelder Anlage geschah
die Infection des Wassers mit Ruhrbacillen,
XII. Versuch am 27.III. 1902.
Angewandt Charlottenburger Leitungswasser, welches wieder vor der
Infection mit Dampf aus einer Locomobile sterilisirt und auf 29° C. ab¬
gekühlt war. Dieses Gemisch hatte eine Oxydirbarkeit von ()-6 n,? Sauerstofl-
verbrauch pro Liter und wurde mit der Aufschwemmung einer 24 Stunden
alten Ruhrcultur auf Agar (auf 1*5 ebm Wasser) inficirt.
Ozonconcentration: 3*8 grm Ozon pro Cubikmeter Luft; in der Stunde
gingen 25 cbni Luft durch den Thurm.
1 cbm vom inficirten Wasser brauchte 8 Minuten zum Durchgang durch
den Thurm.
Entnommen wurden 4 Kolben ä 5 Liter ozonisirten Wassers aus dom
gut durchgemischten Inhalt des Ueberlaufbassins, angereichert wie bei den
Versuchen mit Typhusbacillen, darauf Plattenverfahren auf besonderem
Nährboden. 2
1 Wir gingen bei den Versuchen XI, XII und XIII von der Anwendung eines
Gemisches von Spree- mit Charlottenburger Leitungswasser ab, weil die Oxydirbar¬
keit des Spreewassers während dieser Versuche eine sehr hohe geworden war.
* Veröffentlichungen aus dem Gebiete des Militär-Sanitätswesens. 1902. Hft. 20.
S. 88 u. 89.
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240
SCHÜDEB UND PfiOSKAl'EB:
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Nach der Ozonisirung war die Oxydirbarkeit um 0* 72 mg , d. h. auf
5 • 88 mg Sauerstoffverbrauch pro Liter Wasser gesunken und die Temperatur
des Wassers betrug 29° C.
Ruhrbacillen Hessen sich auf den Platten nicht nachweisen.
XIII. Versuch am 4.17. 1902.
Versuchsanordnung wie beim vorigen Versuch.
Oxydirbarkeit des Wassers 6-28 mg Sauerstoffverbrauch pro Liter.
Temperatur bei der Infection 29° C.
Ozonconcentration: 3 • 8Ozon pro Cubikmeter Luft. Durch den
Thurm in der Stunde hindurchgegangene Luftmenge 26 ebm .
Durchlaufgeschwindigkeit des Wassers (1 cbm ) 8 Minuten.
Entnahme und Behandlung der Proben wie beim XII. Versuch.
Die Oxydirbarkeit des ozonisirten Wassers war um 0-78 mg , d. h. auf
5 • 5 mg Sauerstoffverbrauch gesunken.
Temperatur des ozonisirten Wassers bei der Probeentnahme 29° C.
Ruhrbacillen Hessen sich nicht auf den Platten nachweisen.
Unsere Versuche haben, wie aus dem Vorhergehenden ersichtlich ist.
so lange ungünstige Resultate, (I, II, lila und Iüb) ergeben,
als in dem Sterilisationsthurme die ursprüngliche, sehr grob¬
körnige Packung benutzt wurde.
Von dem Augenblicke an, wo die grobe Füllung des Thurmes
durch ein kleinkörnigeres Material ersetzt war, wurden die
Ergebnisse günstige, da unter den gegenüber früher geänderten Be¬
dingungen und mittels der gewählten Untersuchungsmethoden sich
1. Cholerabacillen (Versuch IV und V),
• 2. ebenso Colibakterien (Versuch VI) als abgetödtet er¬
wiesen hatten.
3. Von den 5 Versuchen mit Typhus scheidet derjenige vom 24. III.
(Versuch IX) aus, weil hier die zufällige Beimengung von Kupferverbin¬
dungen die Vernichtung der Typhusbacilleu herbeigeführt hatte.
Aber auch das ungünstige Resultat des Versuches VII vom 20. III.
kann für die Beurtheilung der Ozonwirkung zur Wassersterilisirune
nicht verwerthet werden, weil das in den Sterilisationsthurm eingeleitete
Ozon nicht in seiner ganzen Menge zur Einwirkung auf die im Wasser
befindlichen Typhusbacillen gelangen konnte. "Wie schon berichtet ist.
wurde ein grosser Theil des Ozons von den in das Wasser hineingeratheueu
Eisenoxydulverbindungen gebunden, was die im Verhältniss zu den anderen
Versuchen gefundene ausserordentlich grosse Abnahme der Oxydirbarkeit
von 2*32 n ' g Sauerstoff pro Liter beweist.
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Abtödttjxg pathogener Bakterien m Wasser.
241
Da aber der nächstfolgende Versuch (VIII vom 22 . III.), der unter
den gleichen Bedingungen ausgeführt wurde, trotz gelöster Eisenoxyd ul¬
salze und in Folge dessen Abnahme der Oxydirbarkeit um 2*24 ein
günstiges Resultat geliefert hatte, so muss man schliessen, dass selbst
geringere Mengen von Ozon, wie die sonst bei unseren Versuchen durch¬
schnittlich zur Wirkung gelangten, unter Umständen im Stande sind,
Typhusbakterien im Wasser zu vernichten.
Die Versuche X vom 25.III. und XI vom 2.,IV., bei denen
die Anlage ohne jede Beeinträchtigung und Störung gearbeitet
hatte, waren beweisend dafür, dass die Sterilisation eines
Typhus-inficirten Wassers mit Ozon in der Martinikenfelder
Anlage sicher gelingt. Zu bemerken ist noch, dass bei dem VersucheX
vom 25.III. die Ozonconcentration nur 3*4? rm Ozon für l cbm Luft betrug,
also geringer war, als bei unseren übrigen Versuchen, was unsere schon
vorhin ausgesprochene Annahme von der Wirksamkeit schwächerer Ozou-
concentrationen in der Luft bestätigt.
4. In beiden Versuchen mit Ruhr (XII vom 27.III. und XIII
vom 4. IV.), die unter gleichen Bedingungen wie die Typhusversuche X
uud XI ausgeführt wurden, waren die Ruhrbacillen ebenfalls ab-
getödtet.
Die beobachtete keimtödtende Wirkung des Ozons gegenüber patho¬
genen Bakterien ist um so höher anzuschlagen, als wir für unsere Ver¬
suche absichtlich ungünstigere Bedingungen, als sie in der Praxis gewöhn¬
lich Vorkommen dürften, wählten. Denn die Anzahl der eingesäten Krauk-
heitskeime war eine ausserordentlich grosse; die Zählung ergab durch¬
schnittlich ca. 630000 im Cubikcentimeter.
Die Menge 1 des nach der Ozonisirung geschöpften Wassers, welche
als Durchschnittsprobe von dem gesammten ozonisirten Wasser zum Nach¬
weise etwa lebend gebliebener Krankheitskeime durch Anreicherung u. s. w.
diente, dürfte mit Rücksicht auf das insgesammt 1 cbm betragende, zur
Ozonisirung gelangte, inficirte Wasserquantum als völlig ausreichend an¬
gesehen werden, um selbst den strengsten Ansprüchen nach dieser Rich¬
tung hin zu genügen.
Die Abtödtung der für Wasserversorgungen in Betracht
kommenden Krankheitserreger erfolgte in der Martinikenfelder
Anlage bei einer Ozonconcentration von 3*4 bis 4.0^“ Ozon
für 1 cbm Luft, Durchgang von 25 cbm der letzteren in der Stunde,
bei einer Durchlaufsgeschwindigkeit von 872 bis 9 Minuten
pro Cubikmeter Wasser und bei einer Abnahme der Oxydirbar-
1 Vgl. Schüder. Diese Zeitschrift. Bd. XXXIX. S. 402, Abs. 3.
Zeitschr. t Hygiene. XLI. « 16
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242
SCHÜDEB UND PeOSKAUER:
keit des Wassers durch die Ozonisirung von 0*05 bis 0-92, in
einem Falle auch sogar von 2-24 m * Sauerstoffverbrauch pro
Liter.
Sowohl in den Fällen, in denen die Vernichtung der Krankheitskeime
herbeigeführt wurde, als auch in den Versuchen, wo diese nicht statt¬
fand, waren bis auf die Art der Packung alle Bedingungen durch¬
schnittlich die gleichen. Unsere Versuche zeigen daher, dass es
gelingt, in einem Wasser, von der Qualität des angewandten,
unter sonst gleichbleibenden Bedingungen, insbesondere der
Durchlaufsgeschwindigkeit, nur durchVeränderung der Füllung
die ungünstigen Resultate in günstige zu verwandeln.
Ob etwa bei der von uns vorgeschlagenen und benutzten
kleinkörnigen Füllung des Thurmes oder einer solchen mit
noch feinerem Kiese die Ozonmenge, Durchlaufsgeschwindig¬
keit u. s. w. Abänderungen erfahren können, ohne den Sterili¬
sationseffect in Frage zu stellen, haben wir nicht untersucht, weil
wir es für richtiger and sogar für nothwendig halten, dass derartig«
Prüfungen von Fall zn Fall bei jeder einzelnen, für die Wasser¬
versorgung bestimmten Anlage — allerdings nicht mit pathogen»
Keimen — schon mit Rücksicht anf die verschiedene Beschaffenheit
des jeweils znr Verwendung kommenden Wassers angestellt werden.
Hinzufügen möchten wir, dass der in manchen Arbeiten über die
Anwendung des Ozons für die Wassersterilisation im Grossen angeführte
Vergleich dieses Verfahrens mit der Leistung von Sandfiltern zur Reinigung
von Oberflächenwasser in Bezug auf die bakteriologischen Resultate nicht
zulässig ist. Abgesehen davon, dass es sich in dem einem Falle um eine
chemische, in dem anderen um eine mechanische Wirkung — wie dies Ohl-
müller und Prall richtig hervorheben 1 — handelt, ist es ausserdem nicht
zu ermessen, welcher Antheil von den im filtrirten Wasser gefundenen
Keimen ihrer Zahl und Art nach aus dem Rohwasser und welcher Antheil
davon aus dem Filtermaterial selbst stammt. Die nach einer vorschrifts-
mässigen Ozonisirung im Wasser sich noch findenden Bakterien werden
aber nach den von uns gemachten Erfahrungen nur ganz besonders wider¬
standsfähige, d. h. sporenbildende sein, welche für die Trinkwasserversorgung
nicht weiter in Betracht kommen.
Ueber die Kosten einer Anlage und des Betriebes mit Ozon sind
bereits von G. Erlwein 1 Mittheilungen gemacht worden. Dieselben belaufen
sich z. B. bei einer 120 Liter pro Stunde leistenden Anlage für Ozonisirung
1 A. a. O. S. 426. * A. a. 0.
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Abtödtung pathogeneb Baktebien im Wasseb.
243
incl. Yorfiltration durch Schnellfilter auf 1 * 726 Pfg. pro Cubikmeter,
wobei allerdings, nach Ansicht der Firma Siemens & Halske, zu berück¬
sichtigen ist, dass sich bei Anlagen von grösseren Leistungen die Kosten
naturgemäss erniedrigen würden.
Um auch noch Erfahrungen über die Ozonisirung von Wasser in
grossem Maassstabe zu sammeln, werden von uns in Uebereiustimmung
mit der Firma Siemens & Halske in Wiesbaden, wo die Firma eine
grössere Anlage für die Wasserversorgung der genannten Stadt errichtet
hat, Versuche angestellt werden. Ueber dieselben werden wir in dieser
Zeitschrift demnächst berichten.
16 *
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[Aus dem hygienischen Institut der Universität Halle a/S.]
(Director: Prof. Dr. C. Fraenkel.)
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Histologische Veränderungen
nach Einspritzung abgetödteter Tuberkelbacillen.
Von
Dr. G. Engelhardt,
froherem Assistenten des pathologischen Instituts.
Auf Veranlassung von Prof. Fraenkel unternahm ich es, die oft
untersuchte und viel discutirte Frage der Wirkungsweise abgetödteter
Tuberkelbacillen auf thierische Gewebe einer nochmaligen Prüfung zu
unterziehen. Dass abgetödtete Tuberkelbacillen den echten Tuberkeln sehr
ähnüche oder gleiche Knötchen hervorbringen können, ist eine genügend
erhärtete Thatsache; von wesentlichem Interesse schien es nur, nochmals
nachzuprüfen, ob wirklich eine Verkäsung dieser Tuberkel, sei e6 auch
nur in den ersten Anfängen, zu constatiren sei. Dies ist bekanntlich von
Gamaleia 1 behauptet, von Prudden und Hodenpyl* bis auf Kelber 5
auf das Entschiedenste geleugnet worden. Baumgarten, aus dessen
Institut die letzte dieses Thema behandelnde Arbeit von Kelber hervor¬
gegangen ist, fasst den durch abgetödtete Tuberkelbacillen hervorgebrachten
Tuberkel als Fremdkörperknötchen auf, wie ein solches auch nach Ein¬
spritzung indifferenter Substanzen entstehen könnte, dem mithin die
1 N. Gamaleia, De la virulence des bacilles tuberculeux morts. Etudes exper.
et cliniques sur la tuberculose etc . 1892. A. III. Fase. 2.
1 J. M. Prudden and E. Hodenpyl, Studies on the action of dead bacteria
in the living body. New York Medical Journal . 1891.
# Kelber, Arbeiten aus dem Gebiete der pathologischen Anatomie u. Bakterio¬
logie , herausgegeben von Baumgarten. Bd. II.
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G. Engelhardt: Veränderungen bei Eenspritz. y. Tuberkelbac. 245
Eigenschaft echter Tuberkel, verkäsen zu können, fehlen muss. Uns lag
nun vor Allem daran, einmal nochmals den histologischen Aufbau dieses
durch abgetödtete Tuberkelbacillen erzeugten Tuberkels bei den verschie¬
denen Arten der Einspritzung zu studiren, und dann die Veränderungen,
die er in den einzelnen Stadien seines Lebens durchmacht, festzu¬
stellen. Scheint doch gegenüber Baumgarten, der nur dem lebenden
Bacillus die Fähigkeit zuschreibt, an fertigen Tuberkeln regressive Verände¬
rungen, insbesondere Verkäsung, hervorzurufen, bei manchen Autoren die
Ansicht geltend zu sein, dass ein principieller Unterschied hier nicht
bestehe, dass es mithin auch zu einer Verkäsung der durch abgetödtete
Bacillen hervorgerufenen Tuberkel nur deswegen nicht komme, weil eben
die Wirkung der von den todten Bacillen abgegebenen Toxine nicht weit
genug reiche, um eine Gewebsnekrose oder Verkäsung herbeizuführen.
Darum schien es uns auch von Interesse, das Verhalten der elastischen
Fasern in den verschiedenen Stadien der Entwickelung des Tuberkels
zu verfolgen und zu untersuchen, welchen Einflüssen eine etwa nach¬
weisbare Schädigung von elastischen Fasern zuzuschreiben sei.
Unsere Versuchstechnik gestaltete sich sehr einfach. Von einer
mehrere Wochen alten hochvirulenten Cultur, und zwar immer des gleichen
Stammes, wurden im trockenen Zustande abgewogene Mengen im Achat¬
mörser unter Zusatz einiger Tropfen Kochsalzlösung verrieben, dann so
verdünnt, dass im Cubikcentimeter Flüssigkeit 0*01 ^ rm Cultur enthalten
war. Es folgte hierauf eine 2stündige Erhitzung im Wasserbad auf 100°.
Diese Procedur genügt nach den Angaben von Grancher und Ledoux-
Lebard 1 vollständig, um die in Flüssigkeit suspendirten Bacillen der
Säugethier- und Vogeltuberculose abzutödten. Eine länger dauernde Er¬
hitzung erschien deshalb vollkommen unnöthig. Wir haben es auch unter¬
lassen, aus den todten Bacillenleibern mit chemischen Agentien (Chloro¬
form, Aether u. s. w.) Extracte herzustellen, da der Ein wand Baum-
•garten’s*, dass die mit diesen Mitteln hergestellten Auszüge eventuell
in den Bacillenleibern gar nicht präformirt gewesene Substanzen darstellen,
sehr berechtigt erscheint. Die Injection geschah subcutan, iutraperitoneal
und intravenös. Die Thiere wurden in verschiedenen Zeiträumen getödtet
und Lunge, Nieren, Leber und Milz, auch wenn makroskopisch keine Ver¬
änderung sichtbar war, nach Fixirung in den verschiedensten Flüssigkeiten
(Müller, Müller-Formol, Flemming’sche, Hermann’sche Lösung, dünne
1 Grancher et Ledoux-Lebard, Tuberculose aniaine et humaine. Archives
de med. experim. et d’anatomxe pathologique. 1892. T. IV.
* Baumgarten, Ueber die pathologisch-histologische Wirkung und Wirksam¬
keit des Tuberkelbacillus. Verhandlungen der Deutschen Pathologischen Gesellschaft.
Vierte Tagung. 1901.
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246
G. Engelhardt:
Chromsäurelösungen)' untersucht. Die Färbung geschah in gewöhnlicher
Weise mit Hämotoxylin-Eosin, dann wandten wir nach dem Vorgang von
Wechsberg 1 regelmässig eine combinirte Färbung an, bestehend in Yor-
färbung mit Lithioncarmin oder Hämalaun, Färbung auf Tuberkelbacillen
(mit Carboifuchsin und Entfärbung in 2procentigem salzsauren Auiliu-
wasser) und auf elastische Fasern nach Weigert, ferner wurde stets
die Weigert’sche Fibrinfärbung vorgenommen. Die in Flem-
ming’scher oder Hermann’scher Lösung fixirten Präparate wurden mit
Saffranin nachgefärbt, die in Hermann fixirten mit und ohne Holzessig¬
behandlung. Die Einbettung geschah theils in Celloldin, theils in Paraffin.
Es sei mir nunmehr gestattet, über meine Versuche in aller Kürze zu
berichten.
Bei den subcutan geimpften Thieren kam es an der Injectiousstelle
zu dem bekannten Abscess, in dem sich massenhaft körnig zerfallene
Tuberkelbacillen fanden. Der Abscess lag gewöhnlich nicht unmittelbar
an der Injectiousstelle, sondern etwas weiter entfernt, da, wo die Haupt¬
masse der Bacillen liegen geblieben war. Veränderungen, die mit Sicher¬
heit auf die Wirkung der abgetödteten Tuberkelbacillen hätten bezogen
werden können, fanden sich in den inneren Organen nicht; beispielsweise
hielt sich die Pigmeutablagerung in der Milz, die auf einen vermehrten
Untergang von rothen Blutkörperchen deuten soll 2 , durchaus in physio¬
logischen Grenzen. Ein etwas überraschendes Resultat bot allerdings die
Section eines dieser Thiere (Kaninchen), welches nach der Impfung
(0*015»™ Trockengewicht Bakteriencultur) im Laufe von 81 Tagen nach
anfänglicher Abmagerung gegen das Anfangsgewicht um 190»™ zuge¬
nommen hatte und dann plötzlich verstorben war. Hier fanden sich in
der Lunge, zum Theil dicht unter der Pleura, zahlreiche Käseherde. Einer
dieser Herde, der im rechten Oberlappen lag, war von keilförmiger Gestalt
und von Blutungen durchsetzt. Milz, Nieren und Leber waren makro¬
skopisch ohne Besonderheiten. Die verkäste Lungenpartie zeigte nun mikro¬
skopisch das Bild der käsigen Pneumonie, in den verkästen Partieen fanden
sich aber ausser zahlreichen körnig zerfallenen Tuberkelbacillen massen¬
haft Kokken und nach Gram entfärbte Stäbchen. Das umgebende Lungen¬
gewebe wies eine Verdickung der Alveolarsepten auf, die Pleura war
eitrig infiltrirt. Es hatte hier offenbar eine Secundärinfection den Tod des
Thieres herbeigeführt, aber auch die Tuberkelbacillen waren von der
Injectiousstelle in die Lunge gelangt.
1 Wechsberg, Beitrag zur Lehre von der primären Einwirkung des Tuberkel¬
bacillus. Ziegler's Beiträge. 1901.
* Mafucci, Ueber die Wirkung der reinen sterilen Culturen des Tuberkel¬
bacillus. Centralblatt für allgemeine Pathologie und patholog . Anatomie . 1890.
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Veränderungen bei Einspritzung von Tuberkelbacillen. 247
Dass wir bei den in grösserer Anzahl vorgenommenen intraperitonealen
und intravenösen Injectionen nicht die Regeln der A- und Antisepsis
ausser Acht gelassen haben, braucht wohl nicht weiter hervorgehoben zu
werden. Zur intraperitonealen Injection wurden Kaninchen und Meer¬
schweinchen verwandt; die Menge des injicirten Materials betrug O’Ol bis
0-02 gTm Bakteriencultur. (Trockengewicht.) Von den so geimpften Thieren
starben drei, um dies gleich vorwegzunehmen; bei einem von ihnen ist
eine Secundärinfection sicher, bei den beiden anderen lässt sie sich nicht
mit Sicherheit ausschliessen, obwohl in zahlreichen Schnittpräparaten keine
Bakterien gefunden wurden. Aber auch die Suche nach Tuberkelbacillen
war ohne Erfolg, obwohl sie bei dem 27 bezw. 31 Tage nach der Impfung
erfolgten Tode sich mit Leichtigkeit hätten nach weisen lassen müssen.
Die Lunge dieser beiden Thiere zeigte eine diffuse interstitielle Pneunomie.
Bei den am Leben gebliebenen zwischen 9 und 122 Tagen getödteten
Thieren haben wir niemals eine Gewichtsabnahme constatiren können.
Niemals gelang es uns aber auch, bei ihnen auf dem Peritoneum miliare
Knötchen nachzuweisen und wir glauben deshalb gegenüber anderen
Untersuchem 1 behaupten zu dürfen, dass wenigstens die Einspritzung fein
verriebenen Materials keine sichtbaren Knötchen auf dem Peritoneum
hervorruft. Die Veränderungen, die sich bei diesen Thieren an den
inneren Organen ergaben, waren ebenfalls sehr geringfügig. So konnten
in der Lunge nur kleine als Rundzellen gebildete, im Ganzen nicht sehr
zahlreiche Herdchen aufgefundeu werden, in denen der Bacillennachweis
nicht gelang; in den anderen Organen fehlte jede Veränderung.
Dieser negative Erfolg veranlasste uns, in unseren weiteren Versuchen
nur noch die intravenöse Injection (Ohrvene des Kaninchens) zu verwenden
uud die hier regelmässig in der Lunge auftretenden Veränderungen für
das Studium der Structur des Tuberkels zu benutzen. In den übrigen
Organen haben wir in Analogie mit Kelber 2 u. A. niemals irgend welche
mit Sicherheit auf die Injection der abgetödteten Bacillen zu beziehende
Veränderungen finden können, und es braucht deshalb hierauf nicht weiter
eingegangen zu werden. Die Menge des eingespritzten Materials schwankte
zwischen 0*01 und 0*025s™ Cultur, die ebenfalls mit Kochsalzlösung
fein verrieben und in der hundertfachen Menge Flüssigkeit suspendirt,
injicirt wurde. Nur einmal wählten wir eine etwas höhere Dosis (0*03<f rm
Cultur); hier trat nach 6 Stunden in Folge bacillärer Embolie der Tod
des Thieres ein. Die Gefässe (kleine und mittlere Arterien) waren durch
Haufen von Tuberkelbacillen verstopft, um welche sich massenhaft poly-
1 Prudden and Hodenpyl u. A.
* Kelber, a. a. 0.
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248
G. Engelhardt:
nucleäre Leukocyteu angesammelt hatten, die theilweise auch in dichten
Mengen das Gefäss umgaben. Zellwucherung war hier noch nirgends zu
constatiren. Bei der Untersuchung der Lungen von später getüdteten Thieren
fanden sich nun fast regelmässig neben kleineren interalveoläreu Tuberkeln
solche, in deren Centrum ein Gefäss gelegen war. Typische Veränderungen
der Gefasswandung, die fast immer zu constatiren waren, möchten wir später
im Zusammenhang mit dem Verhalten der elastischen Fasern besprechen
und zunächst nur den Aufbau des übrigen Tuberkels kurz beschreiben. Nach
3 Tagen fand sich bei Fixirung in Hermann'scher Flüssigkeit und nach¬
folgender Safl'raninfärbung im Centrum der submiliaren und miliaren
Tuberkel eine dunkel gefärbte Masse, die sich deutlich in einzelne körnig
zerfallene Bacillen auf lösen lässt, umgeben von polynucleären Leukocyteu:
nach aussen folgen in unregelmässiger Vertheilung spärliche Zellen mit
dunklem Kern und dunkelbrauner chromatischer Substanz, ihrem ganzen
Aussehen nach sichere Alveolarepithelien, und zahlreiche epitheloide Zellen
mit helleren geblähten Kernen, theils mit, theils ohne graubraune, grossen-
theils um den Kern gelagerte chromatische Substanz. Die epitheloiden Zellen
zeigen hier und da, aber im Ganzen nur sehr spärlich, Kemtheilungsügureu.
In der Peripherie des Knötchens liegt eine homogene, bandartige Masse
zwischen den Zellen eingelagert, die keine Fibrinreaction giebt, mit van
Gieson sich schwachrosa färbt, sich aber in Schnitten, die anders fixirtea
Gewebsstücken entstammen, nicht deutlich darstellen lässt. Auch in der
Peripherie des Tuberkels finden sich schon kleine Häufchen von körnig
zerfallenen Tuberkelbacillen. Am 4. Tage treflen wir zunächst grössere
Tuberkel an, in deren Centrum ein Gefäss gelegen ist. Im Gefäss selbst
ist um einen Haufen von Tuberkel bacillen ein mehrreihiger Kranz vou
polynucleären Leukocyteu gelagert, es folgen dann nach aussen in geringer
Anzahl Zellen mit grossem, blassem Kern, zwischen ihnen massenhaft
mehrkernige Leukocyteu, und in der Peripherie mehr spindelige endothel¬
ähnliche Zellen, hier und da mit Tuberkelbacillenresten beladene Alveolar¬
epithelien und Kiesenzellen mit peripheren Kernen. Es lässt sich au
diesen grösseren Tuberkeln noch deutlich der Aufbau aus einzelnen kleineren
erkennen. Von diesen verschieden sind kleinere, in denen die polynucleären
Zellen zurücktreten, es überwiegen hier die gewöhnlichen Rundzelleu. Auch
in diesen Tuberkeln ist die Zusammensetzung der zeitigen Elemente eine
durchaus ungleichmässige; Kerutheilungsfiguren sind äusserst spärlich vor¬
handen. Einen schon makroskopisch auffallenden Befund bot die Lunge
eines gleichfalls nach 4 Tagen getüdteten Kaninchens, bei welchem neben
miliaren grauweissen, ühermiliare Knötchen von ausgesprochen gelblicher
Farbe auffielen. Mikroskopisch erwiesen sich die letzteren als broncbo-
pneumonische Herdchen, in denen nur nach Gram färbbare, nicht säure-
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Veränderungen bei Einspritzung yon Tubeekelbacillen. 249
feste strahlenpilzähnliche Bacillen lagen, einen Befund, den wir noch bei
einem zweiten nach dem gleichen Zeitraum getödteten Kaninchen erheben
konnten. Von einem gemeinsamen Centrum aus vertheilen sich nach den
verschiedensten Richtungen an den Enden spindelig anschwellende, dann
aber wieder spitz verlaufende (also keine Kolben bildende) Pilzfäden, die
an den Enden zum Theil eine deutliche bajonettförmige Abknickung und
hie und da dichotomische Verzweigung zeigten; ein Leukocyteukranz in
der Umgebung fehlte. An einigen Stellen sieht man auch die Fäden mit
einer knopfförmigen Anschwellung enden, so dass an den Soorpilz erinnernde
Bilder entstehen, doch erlaubt wohl die ausschliesslich strahlige Anordnung
der Fäden nicht, ihn mit dem letzteren zu identificiren. Die Fäden sind
nicht septirt, 0*9 bis 1*3 ja dick; ihre Läuge betrug bis zu 17/«., im
Durchschnitt 8-7 fi. Jedenfalls hat es sich um eine Streptothrix- oder
Actinomycesart gehandelt. Das die Alveolen erfüllende Exsudat war das
einer Bronchopneumonie ohne Fibrinbeimengung. Eine Züchtung war
leider nicht mehr möglich wegen Mangels an frischem Material. Ein mit
diesen Knötchen intraperitoneal geimpftes Kaninchen starb nach l 1 ^ Monaten,
wie die mikroskopische Untersuchung ergab, an einer hochgradigen Nephritis;
der übrige Organbefund bot nichts Bemerkenswerthes. Dieser Befund
schien uns deshalb von Wichtigkeit, weil er zeigte, dass die blosse makro¬
skopische Betrachtung leicht dazu verführen konnte, die gelben Herdchen
für verkäste Tuberkel zu halten. Neben diesen durch die erwähnten
Strahlenpilze hervorgerufenen Herdchen lagen Tuberkel, die den vorhin
beschriebenen vollkommen glichen, nur fanden sich unter den an der
Peripherie der Bacillenhaufen gelegenen Tuberkelbacillen einige etwas
schlechter gefärbte, anscheinend etwas gequollene Exemplare.
Wir möchten hier gleich kurz die Frage berühren, ob „strahlenpilz-
förmige Wuchsformen“ bei abgetödteteu Tuberkelbacillen Vorkommen. Es
könnte sich natürlich nur um eine Quellung der Membran handeln, die ein
kolbenförmiges Anschwellen der Bacillen bedingt. Lubarsch 1 scheint
diese Möglichkeit jedenfalls anzunehmen. In seiner Arbeit: Zur Kenntniss
der Strahlenpilze, erwähnt er zwei Versuche, die er mit durch Formol-
dämpfe abgetödteten Tuberkelbacillen, welche er direct in die Niere eines
Kaninchens injicirte, angestellt hat. Bei dem einen nach 16 Tagen ge¬
tödteten Thiere konnte er in Schuittpräparaten kolbenförmige An¬
schwellungen der schlecht färbbaren Tuberkelbacillen nachweisen, während
ihm dies bei dem zweiten nach 32 Tagen getödteten Versuchsthier nicht
gelang. Auch wir haben, wie erwähnt, allerdings nur in dem letzt-
1 Lubarsch, Zur Kenntniss der Strahlenpilze. Diese Zeitschrift. Bd. XXXI.
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genannten Versuch, eine derartige kolbenförmige Anschwellung der am
meisten peripher gelegenen Bacillen constatiren können, deren Färbbarkeit
ebenfalls etwas abgenommen hatte. Eine zweite derartige Beobachtung
haben wir aber trotz darauf gerichteter Aufmerksamkeit nicht gemacht.
Nach 5 Tagen zeigt sich das mikroskopische Bild unserer Lungen¬
tuberkel noch nicht verändert. Am 6. Tage finden wir im Centrum der
Tuberkel eine protoplasmareiche Riesenzelle mit grossentheils peripher
liegenden blassen Kernen; im Innern der Riesenzelle liegen zahlreiche
körnig zerfallene, wohlgefärbte Tuberkelbacillen; die homogene Protoplasma¬
masse hat sich nach van Gieson gelblich, mit der Weigert’schen Fibrin¬
färbung mattblau gefärbt. Die übrigen Zellbestandtheile des Tuberkels
sind grösstentheils Lymphocyten, daneben Alveolarepithelien und epitheloide
Zellen. Immer sind noch deutlich die einzelnen dicht an einander ge¬
rückten Alveolarsepten inmitten des Tuberkels zu erkennen. Fibrin liess
sich in diesen Knötchen nicht nach weisen; Kerntheilungsfiguren waren
nur in sehr geringer Menge aufzufiuden. Nach 10 Tagen sind die
Knötchen, von denen die grössten eine über das Maass gewöhnlicher
Tuberkel weit hinausgehende Grösse zeigen, bedeutend zahlreicher vor¬
handen, als bei nach vier Tagen getödteten Thieren. Die Bacillen liegen
diffus im Tuberkel verstreut, der sonst den gleichen Aufbau zeigt. Nach
15 Tagen sieht man einmal zum grössten Theil aus epitheloiden uud
Rundzellen bestehende Knötchen, dann wieder solche, in denen die
verdickten und dicht an einander gerückten Alveolarsepten noch schmale
Hohlräume offen lassen, in denen sich ziemlich zahlreiche desquamirte
Alveolarepithelien finden. Die Färbbarkeit der Bacillen hat theilweise
stark abgenommen bei erhaltener Form. Bilder, die wir in Schnitten
eines nach 28 Tagen verstorbenen Kaninchen erhielten, unterschieden sich
zum Theil nicht wesentlich von solchen, wie wir sie bei kurz nach der
Injection getödteten Thieren sahen. Es war hier 7 Tage nach der ersten
Einspritzung (0-025 (frm ), als das Thier langsam abzumagern begann, eine
zweite (0.02s rrn ) gemacht worden. In der Lunge fanden sich nun deut¬
liche Conglomeraltuberkel, in deren Centrum ein Haufen körnig zerfallener
Bacillen und um diese herum mehrere Reihen polynucleärer Leukocyten.
Die Hauptmasse des Tuberkels wird aus epitheloiden und in der Peripherie
gelegenen Rundzellen gebildet. Sehr bemerkenswerthe Veränderungen, die
uns den Beweis lieferten, dass bei der intravenösen Injection abgetödteter
Tuberkelbacillen nicht nur interstitielle Tuberkel entstehen können, sondern
auch eine echte desquamative Pneumonie, wie sie ja auch beim Menschen
als besondere Form der Tuberculose beobachtet wird, wiesen die Lungen
eines Versuchstieres auf (Kaninchen XXII), das 80 Tage nach der In¬
jection getödtet wurde. Es fanden sich hier einmal die bekannten iuter-
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Veränderungen bei Einspritzung von Tuberkelbacillen. 251
alveolären Tuberkel, in deren Centruin gewöhnlich ein Gelass mit Haufen
körnig zerfallener Tuberkelbacillen gelegen ist, die von mehreren Reihen
grosser epitheloider Zellen umgeben werden. In der Peripherie liegen
epitheloide Zellen gemischt mit Rundzellen, welch letztere hier an Menge
bei weitem überwiegen und bisweilen bis zu zwei Dritttheilen des Tuberkels
einnehmen. Die Untersuchung dieser Tuberkel ergab ausgesprochen re¬
gressive Veränderungen. Der Kern der unmittelbar um die Bacillenhaufen
gelegenen epitheloiden Zellen zeigte einen deutlich wabigen Bau, das Chro¬
matin der Zellen fand sich um den Kern angehäuft, während die Zellperipherie
frei von chromatischer Substanz war; die Zellgrenzen sind unscharf, das
Protoplasma ist hie und da in beginnender Auflösung begriffen. Dass hier
schon Zellen zu Grunde gegangen sein mussten, bewiesen auch die grossen
Lücken, die zwischen den erhaltenen Zellen sichtbar waren. Daneben
finden sich nun, besonders nach dem Pleuraüberzug hin und gewöhnlich
in der Nähe oder auch zwischen den eben beschriebenen Tuberkeln pneu¬
monische Bezirke. Man sieht hier die Alveolen mit Zellen vollgestopft,
die durch ihre Form, wie durch den Vergleich mit intaeten Lungen-
partieen sich als zweifellose Epithelabkömmlinge charakterisiren. Die
Alveolen sind mit diesen Zellen gleichsam austapezirt; die Epithelien liegen
dicht an einander gedrängt, ohne Beimischung anderer zelliger Bestand -
theile oder von Fibrin. . Auch hier gewahrt man bei einzelnen, aber viel
weniger ausgesprochen, regressive Veränderungen, Quellung mit wabigem
Bau sowohl der Zellkerne wie des Protoplasmas und unscharfe Zellgreuzen.
Tuberkelbacillen lassen sich in diesen pneumonischen Partieen nicht nach-
weisen, während sie in den Tuberkeln in grossen Haufen und sehr wohl
gefärbt sichtbar sind.
Eine zweite derartige Beobachtung haben wir nicht machen können.
Doch gelang es uns, den eben beschriebenen regressiven Veränderungen
ähnliche bei einem nach noch längerem Zeitraum (nach 99 Tagen) ge-
tödteten Kaninchen festzustellen. Wir hatten hier nochmals nach der
ersten (0*02 gTm ) bei beginnender Abmagerung eine zweite geringere, aber
immer noch sehr erhebliche (0*015 grra ) Menge trockener Bakteriencultur
in Kochsalzlösung suspendirt zur Einspritzung verwandt, ohne dass dies
jedoch den Tod des Thieres herbeigeführt hätte. Mikroskopisch war hier
Folgendes festzustellen: Es finden sich einmal kleine aus Rundzellen ge¬
bildete Herde, in deren Centrum gewöhnlich ein kleines Gefäss gelegen
ist, ohne Bacillen. Die grösseren Tuberkel haben ein verschiedenes Aus¬
sehen. Man sieht zunächst solche, in deren Mitte um einen Haufen von
Tuberkelbacillen geschrumpfte Kerne und Kerntrümmer liegen, an welche
sich zuerst langgezogene Zellen mit spindeligen Kernen, von denen ver¬
schiedene Theilungsfiguren zeigen, und dann Rundzellen anschliessen.
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ausserdem Tuberkel, die fast ausschliesslich aus lymphoiden und epithe-
loiden Zellen bestehen, in denen aber die Gefässwandung die mehrfach
erwähnte und gleich zu beschreibende Veränderung aufweist. Nach
133 Tagen sind in der Lunge nur noch hie und da aus Rundzelleu
bestehende Knötchen aufzufinden, der Nachweis von Tuberkelbacillen ge¬
lingt nicht mehr.
Diese Veränderungen der Gefasswand, die wir nun zusammen mit dem
Verhalten der elastischen Fasern kurz beschreiben wollen, treten schon
nach drei Tagen auf und haben bei keinem Versuchsthier bis auf das
letztgenannte gefehlt. Wir fanden sie gerade da, wo grössere Haufen von
Bacillen lagen, nicht, wenn das Gefäss einer kleinen Arterie kurz vor dem
Gebergang in eine Capillare entsprach, sondern nur bei etwas grösseren
arteriellen Gefässen, und dann besonders schön und deutlich bei kleinen
Venen. Man sieht nämlich die elastische Innenhaut von den zugehörigen
Endothelzellen durch mehrere Reihen von zum grössten Theil bläschen¬
förmige Kerne enthaltenden Zellen getrennt, und erst nach genauem Zu¬
sehen gelingt es, in längs getroffenen Gefässen in der Mitte zwei parallele
Reihen dicht an einander liegender Endothelzellen nachzuweisen, deren
Contiuuität nicht unterbrochen ist, und die hier und da zwischen sich einige
rothe Blutkörperchen fassen. Oder man sieht die elastische Lamelle auf¬
gefasert, die einzelnen Fasern durch epitheloide Zellen aus einander gedrängt
und das Lumen der Gefässe in gleicherweise verengt. An kleinen Arterien,
in denen Bacillenhaufen, von einem mehrreihigen Kranz von polynucleären
Leukocyten umgebeu, liegen, fehlt oft diese Zellwucherung. Es ist
wohl ohne Weiteres ersichtlich, dass die zwischen elastischer Innenhaut
und Intima gelegene kernhaltige Bindesubstauzlage der Ausgangspunkt
für diese Zellwucherung gewesen sein muss. Ferner liess sich besonders
deutlich an den Venen erkennen, dass durch diese Zell Wucherung eine
passive Erweiterung der Elastica zu Stande gekommen war, während
das Gefasslumen hochgradig verengt wurde. Gewöhnlich gelang es, so¬
wohl innerhalb des Gefässes wie auch in den ausserhalb gelegenen Theilen
des Tuberkels diffus verstreute, nicht sehr zahlreiche körnig zerfallene
Tuberkelbacillen nachzuweisen. Man kann hier mit einer gewissen Be¬
rechtigung von einer Endoarteriitis bezw. Eudophlebitis tuberculosa sprechen,
nur dass eben diese Veränderung nicht durch lebende, sondern durch
abgetödtete Tuberktlbacillen hervorgerufen worden ist. Was nun das
Verhalten der elastischen Fasern betrifft, so liess sich an kleinen längs
getroffenen Arterien eine Veränderung constatiren, die sehr geeignet ist,
die Auffassung Baumgarten’s von der Massenwirkung injicirter Bak¬
terienklümpchen zu unterstützen. Es fand sich nämlich hier an einer
Stelle, an welcher ein Haufen von Bacillen stecken geblieben war, eine
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Veränderungen bei Einspritzung von Tubebkelbacillen. 253
cylindrische Erweiterung des Gefasses. Die elastische Lamelle war offen¬
bar durch den Innendruck des Bacillenhaufens mechanisch gedehnt und
aneurysmatisch erweitert. Jenseits des Bacillenhaufens zeigte die Gefäss-
lichtung wieder die normale Weite. Soweit die abgetödteten Bacillen
der elastischen Innenhaut anlagen, fand sich dieselbe verdünnt, eine Er¬
scheinung, die wohl leicht in einer mechanischen Dehnung ihre Erklärung
findet. Wir konnten diesen Befund bei dem schon früher erwähnten Ver-
snchsthier erheben, bei welchem eine bacilläre Embolie nach 6 Stunden zum
Tode geführt hatte. Schon nach 3 Tagen liessen sich aber andere Ver¬
änderungen der elastischen Innenhaut von Gefässen nachweisen, wo von
einer mechanischen Wirksamkeit der Bacillenhaufen keine Rede sein konnte.
Es liess sich an Serienschnitten von Gefässen verfolgen, wie auf der einen
Seite etwa der Hälfte des Umfanges entsprechend die elastische Lamelle er¬
halten war, auf der anderen aber entweder eine vollkommene Unterbrechung
erfuhr oder eine Aufspaltung in einzelne Fasern zeigte, ohne dass diese
Unterbrechung etwa einem Gefässabgang entsprochen hätte. Derartige
Bilder setzen es ausser allen Zweifel, dass hier eine chemische Wirkung
vorlag, da die mechanische Erklärung vollkommen versagte. Denn es
hätte sich einmal der Einfluss der mechanischen Dehnung nach allen
Seiten in gleicher Weise geltend machen müssen, da die Bacillenhaufen
gewöhnlich genau central gelegen waren, nicht aber die eine Hälfte der
elastischen Innenhaut vollkommen verschonen dürfen. Dann schloss auch
die Ausdehnung der Zerstörung diese Möglichkeit ohne Weiteres aus. Man
sieht an kleinen Arterien, mitunter von dem ganzen Ring nur noch
kleinste Reste krümelig zerfallener Fasern, Bilder, die uns besonders
deutlich an längere Zeit nach der Infection getödteten Thieren entgegen
getreten sind. So konnte man in einzelnen der von Kaninchen XX be¬
schriebenen Tuberkel von der ganzen elastischen Lamelle nur noch mit
Mähe einige Brockel, denen unmittelbar die geschrumpften und zum Theil
zerfallenen Kerne anlagen, nachweisen. Hervorheben müssen wir dagegen
noch, dass die Fernwirkung dieser abgegebenen „Toxine“ keine erhebliche
sein kann. So gelang es fast regelmässig, das oft in den peripheren
Theilen der Tuberkel noch deutlich alveolär angeordnete elastische Gewebe,
ohne wahrnehmbare Veränderung, nachzuweisen. Dass die intravasculäre
Zellwucherung zu einem Durchbrechen der elastischen Lamelle geführt
hat, scheint uns deshalb unwahrscheinlich, weil wir Bilder vermissten, wie sie
z.B. Hedinger 1 für den Durchbruch der elastischen Innenhaut bei Inti-
masarcomatose der Venen beschrieben hat, bei denen, wenn der Durchbruch
1 Hedinger, Ueber Intimasarcomatose von Arterien und Venen in sarcomatösen
Strumen. Virchow's Archiv. Bd. CLXIV.
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nach aussen erfolgte, die Enden der elastischen Lamelle eine deutliche
Ausstülpung mit der Convexität nach aussen erkennen liessen. Dass es
sich hier vorzugsweise um chemische Noxen handeln muss, zeigen uns
endlich auch Veränderungen, wie wir sie in den früher schon beschriebenen
Präparaten von Kaninchen XXII constatiren konnten. Man sieht neben
einem Ast einer sich verzweigenden Arterie, diesem dicht anliegend, einen
interalveolären Tuberkel gelagert. Hier zeigt sich die elastische La¬
melle und zwar nur auf der dem Tuberkel zugekehrten Seite bis auf
einzelne Fäserchen zerstört, welch letztere aber ihre Lage vollkommen
beibehalten haben, nicht zur Seite geschoben sind. In den die Alveolen
umspinnenden Fasern des pneumonisch infiltrirten Lungenbezirkes vom
gleichen Thier konnten wir keine Veränderung nach weisen, wie hier auch
der Nachweis von Tuberkelbacillen nicht gelang.
Es hätte verlockend erscheinen können, die Angaben Wechsberg’s 1 von
der primären Gewebsschädigung durch lebende Tuberkelbacillen auch für die
todten nachzuprüfen. Nimmt man von vornherin mit Baumgarten an,
dass eine primäre Gewebsschädigung überhaupt nur durch die in Wuche¬
rung gerathenden Bacillen bewiesen werden kann, so erscheint natürlich
a priori eine Gewebsschädigung durch todte Bacillen unmöglich. Anderer¬
seits wird aber eine solche, wenn die Injection, um der Baumgarten’-
schen Forderung gerecht zu werden, mit einer ganz feinen Suspension
ausgeführt ist, immerhin denkbar sein, da es doch nicht ohne Weiteres
ausgemacht ist, dass eine solche Gewebsschädigung nur der Ausfluss der
Wirksamkeit der lebenden Bacillen zu sein braucht. Wir haben nun
keine derartige Beobachtung gemacht, welche uns berechtigte, eine solche
primäre Gewebsschädigung für todte Bacillen anzunehmen. Immer war
das primäre die Zellwucherung. Eine primäre Gewebsschädigung, die
wohl am besten durch eine der Zellwucherung voraufgehende Läsion der
elastischen Fasern sichtbar gemacht worden wäre, war in unseren aller¬
dings zur Entscheidung dieser Frage nicht ausreichenden Beobachtungen
niemals vorhanden.
Wir haben somit durch unsere Untersuchungen nochmals bestätigen
können, dass die zelligen Elemente, die den durch abgetödtete Bacillen
erzeugten Tuberkel zusammensetzen, die gleichen sind, wie die, welche
den echten Tuberkel ausmachen. Vielleicht spielen im Gegensätze zum
echten Tuberkel die in den durch verdickte Alveolarsepten eingeschlossenen
Hohlräumen liegenden Alveolarepithelien bisweilen im Aufbau eine grössere
Bolle. Die Alveolarepithelien sind es jedenfalls auch, welche sich in hervor-
1 Wechsberg, Beitrag zur Lehre von der primären Einwirkung des Tuberkel-
bacillus. Ziegler’s Beiträge. 1901.
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Veränderungen bei Einspritzung von Tuberkelbacillen. 255
ragendem Maasse an der Portschaffung der todten Bacillenleiber be¬
theiligen, die noch länger als 3 Monate wohl gefärbt in allen Theilen des
Tuberkels, am besten aber in den centralen, nachweisbar sind. Typische
Riesenzellen sind vom 3. Tage an, wo sie auch in den peripheren Theilen
des Tuberkels sichtbar sind, bis zum gleichen Zeitraum mit Leichtigkeit
nachzuweisen, besonders schön und deutlich im Centrum, wo sie in ihrem
Inneren Haufen körnig zerfallener Tuberkelbacillen einschliessen. Sehr
bemerkenswerth ist, dass uns in derselben Lunge Bilder aus den ver¬
schiedensten Stadien der Entwickelung des Tuberkels entgegentreten, ein
Beweis, dass die todten, seit längerer Zeit dem Thierkörper einverleibten
Bacillen ihre entzündungserregenden Eigenschaften ausserordentlich langsam
einbüssen, wie andererseits durch die geringe Zahl der auffindbaren Kern-
theilungsfiguren ein langsames Wachsthum der Tuberkels wahrscheinlich
gemacht wird. Bei intravenöser Injection finden wir ausserdem im Innern
des Gefasses die früher beschriebene Zellwucherung, die nur der Reiz¬
wirkung der abgetödteten Bacillen auf die Bindesubstanzlage der Gefäss-
intima ihre Entstehung verdanken kann. Eine Betheiligung endothelialer
Elemente an dieser intravasculären Tuberkelbildung lässt sich nicht aus-
schliessen, ist aber deshalb wenig wahrscheinlich, weil wir häufig die
Reihe der endothelialen Zellen ohne Zeichen einer Wucherung im Innern
des Gefasses liegen sahen; nur einmal (Versuchsthier XX) fanden sich
nach aussen von der zerstörten elastischen Lamelle mehrere Reihen
endothelial aussehender Zellen, mit Kerntheilungsfiguren; hier fehlten nach
innen von der Elastica epitheloide Zellen vollständig. Die Betheiligung
von polynucleären Leukocyten an dem Aufbau des Tuberkels scheint
endlich abhängig von der Menge der injicirten Bacillen.
Dass die Reizwirkung der abgetödteten Tuberkelbacillen vorwiegend
eine chemische und keine mechanische ist, ist uns aus zweierlei Gründen
wahrscheinlich geworden, ein Mal wegen des Verhaltens der elastischen
Fasern, dann wegen des Vorkommens einer desquamativen Pneumonie, wie
sie ja auch bei echter Tuberculose auf Toxinwirkung lebender Tuberkel¬
bacillen bezogen wird, bei der ebenfalls der Nachweis von Tuberkelbacillen
oft misslingt.
Was die Rückbildung der Tuberkel betrifft, so haben wir nach
80 Tagen im Centrum der älteren Tuberkel die beschriebenen Zeichen
beginnender Zellnekrose gesehen. Niemals haben wir aber im Centrum
der Tuberkel das Auftreten einer fibrinoiden Substanz im Sinne von
Schmaus, d. h. einer durch färberische Reactionen bekannter Maassen
wohlcharakterisirten Substanz constatirt, mithin nirgends selbst die Zeichen
einer beginnenden Verkäsung auffinden können. Aber auch der Nach¬
weis von Fibrin ist uns in unseren Tuberkeln nicht gelungen und wir
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256 G. Engelhardt: Veränderungen bei Einspritz, v. Tübebkelbac.
müssen, wollen wir nicht annehmen, dass Exsudation von Fibrin über¬
haupt nur etwas dem echten Tuberkel zukommendes ist, uns mit der
Thatsache begnügen, dass Fibrin auch in echten Tuberkeln vollkommen
fehlen kann.
Schliesslich konnten wir es wahrscheinlich machen, dass nach etwa
4 Monaten die Rückbildung der Tuberkel ihr Ende erreicht hat, da nur
noch bacillenfreie lymphoide Knötchen als Residuen der Wirkung der ab-
getödteten Tuberkelbacillen zurückgeblieben sind.
Zum Schlüsse darf ich Herrn Prof. Fraenkelfür gütige Ueberlassung
eines Arbeitsplatzes im hygienischen Institut meinen ergebensten Dank
aussprechen.
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Ueber den Einfluss der Farbe künstlicher Lichtquellen
§iuf die Sehschärfe.
Aach gemeinsam mit Prof. Des Coudres im physikalischen Institut
der Universität Göttingen angestellten Versuchen . 1
Von
Dr. H. Relchenbaoh,
Privatdocenten und Assistenten am hygienischen Institut
Die bessere wirtschaftliche Ausnutzung der Energie durch unsere
modernen Lichtquellen ist im Allgemeinen durch eine höhere Temperatur
des leuchtenden Körpers erreicht, bei welcher ein grösserer Procentsatz
der Energie in Licht umgesetzt wird. Mit dieser Temperaturerhöhung
ist aber auch eine Aenderung der spektralen Zusammensetzung des Lichtes
verbunden: während bei den älteren Lichtquellen die rothen und gelben
Strahlen überwiegen, treten bei den neueren die grünen und blauen in
den Vordergrund. Als Repräsentanten der ersten Gruppe lassen sich die
Petroleumlampen, der Gas-Argandbrenner und die elektrische Glühlampe
anführen, zu der anderen Abtheilung gehören die elektrische Bogenlampe,
das Auerlicht, die Nernstlampe und wahrscheinlich auch die Osmiumlampe.
Für die Hygiene ist dieser Unterschied besonders dadurch von Wichtig¬
keit, dass die Lampen der zweiten Gruppe ein wesentlich geringeres
Wärmestrahlungsvermögen besitzen, wie dies in den Arbeiten von Rubner*
und dem Einen von uns 8 bereits eingehend dargelegt ist. Es erschien
aber auch von Interesse, die Frage zu prüfen, ob nicht noch nach einer
1 Vom physikalischen Standpunkte wird Prof. Des Coudres an andererstelle
aber die Versuche berichten.
* Rubner, Die strahlende Wärme irdischer Lichtquellen in hygienischer Be¬
ziehung. Archiv für Hygiene. Bd. XXIII. S. 87.
• Reichenbach, Ueber Wärmestrahlung von Leuchtflammen. Ebenda.
Bd. XXXIII. S. 815.
Zdtachr. f. Hygta». XLI.
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Original fram
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258
H. Reichenbach :
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anderen Richtung die hygienische Würdigung der Lichtquellen durch die
Lichtfarbe beeinflusst werden könnte, ob nämlich nicht die Verschieden¬
heit der spectralen Zusammensetzung bei gleicher Helligkeit Unterschiede
in der Sehschärfe bedingte.
Zur genaueren Präcisirung des Themas diene Folgendes: Wir können
zwei Lichtquellen gleich hell nennen, entweder weil sie in dem physio¬
logischen Empfangsapparat des Beobachters einen gleich intensiven Ein¬
druck hervorrufen, mit anderen Worten, weil sie dem Auge gleich hell
erscheinen, oder aber, weil sie die Unterscheidung feiner Einzelheiten auf
einer von ihnen beleuchteten Fläche gleich gut gestatten. Wir wollen
im Folgenden das eine die optische Helligkeit, das andere die Sehschärfeu-
helligkeit nennen.
Die Frage ist nun: Können zwei praktisch verwendete Licht- ,
quellen verschiedener Farbe, aber gleicher optischer Hellig¬
keit, verschieden in der Sehschärfenhelligkeit sein?
Die ersten Untersuchungen in dieser Richtung sind bereits im Jahre
1879 von H. Cohn 1 , dem verdienstvollen Begründer der Hygiene der
Beleuchtung, angestellt worden. Cohn verglich damals elektrisch«
Bogenlicht, Gaslicht und Tageslicht. Er fand, dass bei den meisten
untersuchten Personen die Sehschärfe bei elektrischem Lichte am grössten,
bei Gaslicht am kleinsten war, Tageslicht stand in der Mitte. Diese An¬
gaben sind auch in eine Anzahl von Lehrbüchern der Hygiene über-
gegangeu. Nun lässt sich aber aus den Cohn’schen Angaben mit ziem¬
licher Sicherheit schliessen, dass dies auch die Reihenfolge der durch die
betreffenden Lichtquellen erzielten Helligkeiten war. Die Bogenlampe
stand 1 m von der beleuchteten Fläche entfernt, und wurde von einer
kräftigen Gramme’schen Maschine gespeist, war also sicher mehrere
Hundert Kerzen stark; der Argandbrenner, der in derselben Entfernung
aufgestellt war, hatte dagegen nur 15-5 Kerzen, und das Tageslicht —
die Versuche wurden im März zwischen 4 und 5 Uhr Nachmittags an¬
gestellt — fiel durch zwei je 5 qm grosse Fenster auf die in 6“ Entfernung
aufgestellten Sehproben: die Beleuchtung war also höchstwahrscheinlich
nicht so hell, wie die mit der elektrischen Lampe. Die Cohn’schen Re¬
sultate sind also wohl mehr von der absoluten Helligkeit der untersuchten
Lichtquellen, als von deren Farbe beeinflusst.
Die Untersuchungen von Crova und Lagarde*, die auch wohl iu
1 Cohn, Vergleichende Messungen der Sehschärfe und des Farbensinns bei
Tages-, Gas- und elektrischem Lichte. Archiv für Augenheilkunde. 1879. Bd. VIII-
S. 408.
* Crova et Lagarde, Determination du pouvoir eclairant desradiations simples.
Cowjjf. rend. 1881. p. 959.
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Einfluss der Farbe künstl. Lichtquellen auf die Sehschärfe. 259
diesem Zusammenhänge citirt werden, gehören, streng genommen nicht
hierher, die genannten Autoren haben nicht etwa die Sehschärfe bei ver¬
schiedenfarbiger Beleuchtung gleicher Intensität untersucht, sondern
für zwei Lichtquellen, Sonnenlicht und Carcellampe, festgestellt, in welchem
Theile des Spectrums sie die grösste Sehschärfe hervorriefen.
Wohl aber haben Macö de Lepinay Und Nicati 1 Untersuchungen
angestellt, die in naher Beziehung zu unserem Thema stehen. Sie haben
für Spectralfarben die Beziehungen zwischen Helligkeit und Sehschärfe
untersucht und gefunden, dass im weniger brechbaren Theile des Spec¬
trums — bis zur Wellenlänge 517 — Helligkeit und Sehschärfe parallel
gehen, dass aber nach dem blauen Ende hin die Sehschärfe hinter der
Helligkeit zurückbleibt. Die französischen Autoren ziehen aus ihren Unter-
„ suchungen bereits den Schluss, dass Lichtquellen mit vielen stark brech¬
baren Strahlen, wie z. B. elektrisches Bogenlicht, für den Sehakt sich un¬
günstiger verhalten würden, als solche, die mehr langwellige Strahlen
aussenden; sie haben aber an den praktisch verwendeten Lichtquellen
keine Versuche angestellt Auch sind ihre Resultate nicht auf Grund
einer directen Vergleichung, sondern auf rechnerischem Wege erhalten.
Die späteren Untersuchungen von Uhthoff 2 über die Abhängigkeit
der Sehschärfe von der Beleuchtung können uns über unsere Frage noch
weniger Aufschluss geben. Zwar fand Uhthoff in Uebereinstimmung
mit Mace de Löpinay und Nicati die Sehschärfe im gelben Licht am
grössten und am kleinsten im violetten, und zwar bei allen von ihm an¬
gewandten Beleuchtungsintensitäten; da aber die verschiedenfarbigen Licht¬
mengen nicht in gleicher Helligkeit, sondern so, wie sie die benutzte
Lichtquelle bei der Zerlegung durch das Prisma lieferte, angewandt wurden,
sind die Resultate, ähnlich wie die vorher erwähnten von Crova und
Lagarde, nicht ohne Weiteres mit denen von Macö de Lepinay und
Nicati vergleichbar. Eine Umrechnung der Uhthoff’schen Resultate
auf gleiche Lichtmengen ist zwar von Helmholtz 3 * * * * 8 ausgeführt, indem er
die letzteren mit Coöfficienten multiplicirte, die den Helligkeiten der ein¬
zelnen Regionen des Spectrums einer ähnlichen Lichtquelle, wie die von
1 Macä de Lepinay et Nicati, Recherches sur la comparaison photometrique
des diverses parties d'un mSme spectre. Annales de chimie et de physique . 1881.
Serie V. T. XXIV. p. 289. 1883. Serie V. T. XXX. p. 145. — Recherches sur la
comparaison photometrique des sources diversement colorees et en particulier sur la
comparaison des diverses parties d'un meine spectre. Journal de physique. 1883.
Serie II. T. II. p. 64.
* Uhthoff, Ueber das Abhängigkeitsverhältniss der Sehschärfe von der Be¬
leuchtungsintensität. Graefe's Archiv . 1886. S. 171. — 1890. S. 33.
8 v. Helmholtz, Handhuch der physiol. Optik . 2. Aufl. 1896. S. 426.
17*
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Uhthoff benutzte, entsprachen. Die Ergebnisse sind aber nach dem
eigenen Urtheil von Helmholtz in ihren Grundlagen nicht sicher genug,
dass man weiter gehende Schlüsse daraus ziehen könnte.
Die vorhin aufgeworfene Frage also, wie sich zwei Lichtquellen ver¬
schiedener Farbe, aber gleicher optischer Helligkeit in Bezug auf die Seh¬
schärfe verhalten, ist durch das directe Experiment noch nicht in Angriff
genommen. Wir haben, da es sich für uns wesentlich um die hygienische
Seite der Frage handelte, die Lösung auf einem Wege versucht, der so
viel wie möglich den Verhältnissen in der Praxis entsprechen sollte. Wir
haben die beiden zu untersuchenden Lichtquellen, elektrische Glühlampe
einerseits, Nernstlampe oder Auerbrenner andererseits, auf gleiche optische
Helligkeit gebracht und dann auf einer von beiden gleich weit entfernten,
abwechselnd von ihnen beleuchteten Fläche Leseproben angestellt.
Die Ausführung dieser anscheinend so einfachen Versuchsanordnmig
ergiebt aber einige Schwierigkeiten theils praktischer, theils theoretischer
Natur.
Für die Photometrie der Lichtquellen ist durch die Fragestellung ein
ganz bestimmter Weg vorgezeichnet. Es kann nur ein Messinstrument
in Frage kommen, das die Vergleichung der Lichtquellen rein nach dem
Eindruck ihrer optischen Helligkeit vollzieht. Das für hygienische Zwecke
sonst unentbehrliche, und gerade für die Vergleichung ungleichfarbiger
Lichtquellen vorzüglich geeignete Web er'sehe Photometer ist natürlich
hierfür nicht brauchbar, da es von vornherein die Lichtquellen auf Grund
ihrer Sehschärfeuhelligkeit vergleicht. Ebenso sind alle diejenigen Instru¬
mente nicht zu verwenden, welche durch irgend welche Mittel — Mischung
des Lichtes, Circularpolarisation — eine Verminderung oder Aufhebung
der Farbendiffereuz herbeiführen. Für uns ist die directe Vergleichung
verschiedenfarbigen Lichtes eine unentbehrliche Aufgabe, und darin liegt
ein Theil der Schwierigkeiten der Untersuchung begründet.
Wir haben uns des Lummer-Brodhun’schen Photometeraufsatzes
in der Ivrüss'sehen Ausführung bedient, bei dem bekanntlich zwei von
den zu vergleichenden Lichtquellen beleuchtete mattweise Flächen con-
centrisch angeordnete Gesichtsfelder bilden. Der Aufsatz wird auf der
Photometerbank so lange verschoben, bis die Gesichtsfelder gleich hell
erscheinen, die Lichtstärken verhalten sich dann wie die Quadrate der
Entfernungen von der weissen Fläche.
Die Schwierigkeit lag nun nicht etwa darin, das durch die Farben¬
differenz der Gesichtsfelder bei einem und demselben Beobachter eine zu
grosse Unsicherheit der Einstellung hervorgerufen würde. Die Nernst¬
lampe liess sich mit der Kohlenfadenglühlampe mit fast derselben Sicher¬
heit vergleichen, wie zwei gleichgefärbte Glühlampen: hier trat auch noch
Gck igle
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Einfluss der Farbe künstl. Lichtquellen auf die Sehschärfe. 261
das von Lummer und Brodhun als Criterium der richtigen Einstellung
angegebene Verschwinden der Grenzen der Gesichtsfelder ein. Etwas
schwieriger zwar, aber immer noch auf 2 Procent genau, war die Ein¬
stellung des Auerbrenners mit der Glühlampe, obwohl hier die Farben,
lebhaft grün und gelb, weit ungleicher waren und die Trennungslinie der
Gesichtsfelder nicht mehr verschwand. Wohl aber zeigte sich, dass bei
verschiedenen Beobachtern individuelle Unterschiede in der Schätzung der
heterochromatischen Gesichtsfelder existiren, die zu verschiedener Ein¬
stellung des Photometers führen. Die Differenz zwischen unseren Ein¬
stellungen betrug bei der Nernstlampe im Mittel 3*1 Procent, beim
Äuerbrenner 4 Procent; beide Lampen wurden regelmässig von Prof.
Des Coudres heller geschätzt, als von mir. Die Abweichungen waren
also nicht sehr beträchtlich; ein anderer Beobachter, Hr. Dr. S., mit dem
ich eine vergleichende Versuchsreihe am Äuerbrenner durchführte, stimmte
mit meiner Ablesung auf ein halbes Proceut überein, und auch sonst er¬
gaben gelegentliche Einstellungen, die wir von anderen Personen machen
Hessen, keine Differenzen, durch welche die Zulässigkeit des Verfahrens
in Zweifel gestellt werden konnte.
Wir haben die Unterschiede zwischen uus zunächst dadurch zu
eliminiren versucht, dass derselbe Beobachter Photometrie und Leseprobe
vornahm, später, als sich herausstellte, dass die Unterschiede in der Seh¬
schärfe weit grösseren Helligkeitsdififerenzen entsprachen, als hier in Frage
kommen, haben wir einfach das Mittel aus unseren beiden Beobachtungen
genommen.
Wir müssen aber bei allen derartigen Versuchen wohl im Auge be¬
halten, dass jede photometrische Vergleichung ungleichfarbiger Lichtquellen
eine subjective ist, dass, wie es Helmholtz 1 ausdrückt, es sich bei hetero-
chromenHelligkeitsvergleichungen Dicht um die Vergleichung einer Grösse,
sondern um das Zusammenwirken von zweien — Helligkeit und Farben¬
glut — handelt, für die keine einfache Summe zu bilden ist.
Eine weitere Erschwerung der Messung wurde durch die Thatsache
herbeigeführt, dass die Einseitigkeit des Photometers bei ungleichfarbigen
Lichtquellen sehr viel stärker hervortrat, als bei gleichfarbigen. Bei
letzteren betrug die durch Drehung des Photometerkopfes um 180 Grad
hervorgerufene Einstellungsdififerenz 2*6 Procent (vgl. Tabelle I), während
sie beim Vergleich von Nernstlampe und Glühlampe 5 Procent und bei
Äuerbrenner und Glühlampe 6-8 Procent erreichte. In allen Fällen er¬
schien die Lampe, die das äussere Gesichtsfeld erleuchtete, heller.
1 A. a. 0. S. 440.
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262
H. Reichenbach:
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Tabelle L
Beobachter
Inneres
Gesichtsfeld
Banklänge
erleuchtet von
280«“ |
180 •“
Des Coudres
Glühlampe
31*4
31-6
Hefner
32-3
32-4
Reichenbach
Glühlampe
31*2
81-8
Hefner
32-5
32*1
Mittel aas sämmtlichen Beobachtungen 31*915,
11
für
Des Coudres . .
. . 31.93,
11
11
Reichenbach . .
. . 31-90,
11
11
230 cm Banklänge
. . 31-85,
11
11
180 cm „
. . 31-98,
11
11
Glühlampe innen
. . 31-50,
11
11
Glühlampe aussen .
. . 32-33.
Da bei unseren Versuchen die zu vergleichenden Lampen auf der¬
selben Seite des Photometers standen, hätte ohne dieses eigenthümliehe
Verhalten die Einseitigkeit vernachlässigt werden können; so aber habeu
wir — wenigstens beim Auerbrenner — immer mit dem Mittel aus beiden
Einstellungen gearbeitet; bei der Nernstlampe, wo die Differenzen geringer
waren, haben wir die kleinere Ablesung benutzt, um danach die Glüh¬
lampe einzustellen. Die Nernstlampe hat also etwa um ein Procent heller
gebrannt, als die Glühlampe.
Es stellen sich also der praktischen Ausführung der heterochroma¬
tischen Photometrie gewisse Schwierigkeiten entgegen, die aber, wenn man
auf äusserste Genauigkeit verzichtet, nicht unüberwindlich sind. Wohl
aber scheint ihre theoretische Berechtigung durch folgende Ueberlegnng
in Frage gestellt zu werden. Haben wir zwei Lichtquellen von ver¬
schiedener Farbe, etwa roth und blau, aber gleicher optischer Helligkeit,
und vermindern wir die objective Lichtstärke der beiden um denselben
Betrag, so kann es geschehen, dass 6ie dem Auge nicht mehr gleich hell
erscheinen, dass das Roth dunkler ist, als das Blau. Und umgekehrt
kann bei einer gleichen Erhöhung der objectiven Lichtstärke das Blau
hinter dem Roth an optischer Helligkeit Zurückbleiben. Dieses Verhalten
der verschiedenen Farben, das unter dem Namen des Purkinje’schen
Phänomens bekannt ist, scheint die Photometrie heterochromatischer Licht¬
quellen überhaupt unmöglich zu machen, denn das gefundene Verhältnis
würde ja immer nur für die gerade benutzte absolute Lichtstärke gelten.
In Wirklichkeit ist die Sache aber nicht so schlimm; ein Mal tritt das
Phänomen in störendem Maasse nur bei sehr geringen Lichtstärken ein.
Gck igle
Original frurn
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Einfluss der Farbe künstl. Lichtquellen auf die Sehschärfe. 263
viel geringeren, als sie in der Praxis zum Lesen angewandt werden können,
und zweitens ist es um so stärker, je weiter die angewandten Farben im
Spectrum von einander entfernt sind. Die von uns benutzten Lichtquellen
sind nun aber, wenn auch deutlich in der Farbe von einander abweichend,
doch nicht so verschieden, wie die Spectralfarben, an denen bis jetzt das
Phänomen studirt wurde. Ob und wie weit das Purkinje’sche Phänomen
die Resultate beeinflussen kann, darauf werden wir bei Mittheilung der¬
selben noch zurückzukommen haben.
Zur Bestimmung der Sehschärfe bedurften wir einer Methode, die
neben hinreichender Empfindlichkeit auch die Möglichkeit quantitativer
Vergleichung gewährte. Der von Cohn angegebene Lichtprüfer für Arbeits¬
plätze, dessen Construction ich als bekannt voraussetzen darf, schien uns
für diesen Zweck geeignet, besonders da er auch den Verhältnissen in der
Praxis einigermaassen entspricht. Unsere ersten Versuche mit dem In¬
strument scheiterten aber sämmtlich an dem Umstande, dass in die An¬
gabe der Sehleistung zwei Factoren, Zeit und Fehlerzahl, eingehen, die
sich rechnerisch nicht mit einander in Beziehung setzen lassen. Wenn
bei einem Versuche eine Probe in der halben Zeit gelesen wird, wie bei
einem anderen, dafür aber doppelt soviel Fehler gemacht werden, so ist
es schwer zu entscheiden, in welchem die bessere Sehleistung erzielt
wurde, und vollends unmöglich ist es, das Verhältnis der beiden Seh¬
leistungen zahlenmässig zu bewerthen. Nun ist es Thatsache, und das
hat bereits Crzellitzer 1 richtig hervorgehoben, dass die einzelnen Indi¬
viduen in dieser Beziehung sehr verschieden geartet sind, der eine legt
mehr Werth auf die Schnelligkeit, der andere auf die Richtigkeit, — noch
viel unangenehmer ist es aber, dass auch dieselbe Versuchsperson keines¬
wegs ein gleichmässiges Verhalten zeigt, sondern bald nach dieser, bald
nach jener Richtung neigt. Wir haben deshalb nach mancherlei Vor¬
versuchen bei unserer definitiven Versuchsanordnung die Zeit dadurch
eliminirt, dass die Zahlentafeln nach dem Tacte eines Metronoms,
also immer in demselben Zeitintervall gelesen wurden, dass
also für die Bewerthung der Sehleistung nur die Fehlerzahl in
Betracht kam. Das Metronom machte 56 Schläge in der Minute, bei
jedem Schlage wurde die Hälfte einer der vierstelligen Zahlen in der von
Cohn angegebenen Weise gelesen; also: achtundfünzig, vierunddreissig.
sechsundzwanzig, fünfnndsechzig u. s. w.
Bei dieser Art der Anwendung erwies sich der Colin’sche Lichtprüfer
als vorzüglich geeignet. Das Instrument wurde, natürlich ohne die Rauch¬
gläser, auf einem Gestell in Augenhöhe der sitzenden Versuchsperson be-
1 Crzellitzer, Ueber praktische Photometrie mittels lichtempfindlichen Papiere».
Archiv für Hygiene. Bd. XXXV 7 III. S. 317.
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264
H. Rklchenbach:
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festigt, so dass die Zahlen in möglichst bequemer Stellung und ohne jede
körperliche Anstrengung abgelesen werden konnten. Die zu lesende Zahlen¬
reihe befand sich immer in der Mitte des Gesichtsfeldes, hinter einem
aus weissem Carton ausgeschnittenen Spalte, während die übrigen Reihen
verdeckt waren. Ein Auswendiglernen der Zahlen trat auch im späteren
Verlauf der Arbeit nicht ein, würde auch bei der Anordnung der Versuche
keinen erheblichen Fehler verursacht haben.
Die zu untersuchenden Lampen waren dicht neben einander auf der
Photometerbank befestigt und blieben dort auch während der Sehschärfen¬
bestimmung. Der Abstand der Zahlentafel wurde so gewählt, dass ein
fehlerfreies Lesen gerade nicht mehr möglich war, die dazu erforderliche
Helligkeit betrug für den einen von uns (Des Coudres) etwa 5, für
den anderen (Reichenbach) 3 Meterkerzen. Am anderen Ende der
Bank befand sich eine als Normallampe dienende Glühlampe, dereu
Klemmenspannung immer genau auf 110 Volt gehalten wurde. Die Licht¬
stärke derselben wurde in zwei Versuchsreihen bei einer Banklänge von
230 und 180 cm durch directen Vergleich mit der Amylacetatlampe ge¬
messen; das Resultat ist in Tabelle I mitgetheilt und kann als Beispiel
für die mit dieser Anordnung erreichbare Genauigkeit dienen.
Um über die Leistungsfähigkeit der Methode und besonders über die
zahleumässigen Beziehungen zwischen Fehlerzahl und Beleuchtungsintensität
ein Urtheil zu gewinnen, wurde zunächst die Lichtstärke einer Glühlampe
durch Veränderung der Klemmenspannung variirt, und bei den ver¬
schiedenen Lichtstärken Leseproben vorgenommen.. Die Resultate giebt
Tabelle II.
Tabelle II.
!■
Lichtstärke
Anzahl
' der gelesenen |
1
Fehler
Verminderung
der Lichtstärke
1 Vermehrung
1 der Fehlerzahl
i
i H.K.
i Reihen
5 Ziffern ;
1 i
absolut
Procent
absolut! Procent
| 27-7
14
1680
71
— |
—
—
—
\ 24*8
14
1680
100
2-9
10-5
! 29
|
40-8
f # 27-7
13
1560 '
76
j —
—
K 21 -7
13
1560
138
6-0
21-7 1
63
81'6
Es hatte also eine Verminderung der Lichtstärke um
10*5 Procent eine Vermehrung der Fehlerzahl um 40-8 Procent
zur Folge; wurde die Lichtstärke um 21 *7 Procent herabgesetzt,
so stieg die Fehlerzahl um 81-6 Procent. Innerhalb der Grenzen
des Versuches ist also die Fehlerzahl der Lichtstärke umgekehrt proportional.
Eine geringere Herabsetzung der Lichtstärke als um 10 Procent gab un¬
sichere Resultate.
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Einfluss der Farbe künstl. Lichtquellen auf die Sehschärfe. 2G5
Zuerst wurde die Nernstlampe mit der Kohlenfadenglühlampe ver-.
glichen. Wir benutzten zwei Lampen von nominell 25 Kerzen, die Nernst-,
lampe war älterer Construction, ohne selbstthätige Zündung, mit hufeisen¬
förmigem Bügel und für 220 Volt, die Glühlampe für 110 Volt bestimmt.
Die Ausführung des Versuches geschah folgendermaassen: Zunächst
wurde die Nernstlampe mit der Normalglühlampe photometrirt, dann,
ohue die Stellung des Photometerkopfes zu ändern, die Glühlampe ein¬
geschaltet, und durch vorgelegten Widerstand ihre Lichtstärke so lauge
verändert, bis das Photometer wieder gleiche Helligkeit anzeigte. Dann
wurde der Aufsatz verschoben und noch ein Mal eingestellt, eventuell die
Stromstärke der Glühlampe corrigirt.
Auf diese Weise waren also die Nernstlampe und die zu vergleichende.
Glühlampe auf gleiche Helligkeit gebracht und diese wurde während der
nun folgenden Leseproben beibehalten. Bei der Glühlampe, die von einer
Accumulatorenbatterie gespeist wurde, hatte das keine Schwierigkeit, die
Nernstlampe dagegen, die an der städtischen Leitung lag, bedurfte wegen
der unvermeidlichen Spanuungsschwankungen öfterer Nachregulirung. Da
die Beziehungen zwischen Lichtstärke und Spannung ziemlich complicirter
Natur sind, wurde hier die Stromstärke, gemessen durch ein Siemens’sches
Präcisionsampeiremeter c-onstant gehalten. Allerdings war das nur bis zu
einem gewissen Grade möglich, es gelang nicht immer den häulig sehr
starken und sprungweisen Schwankungen genau zu folgen, so dass nicht
selten mit etwas anderer Lichtstärke gelesen wurde, als photometrirt war.
Diese Differenzen waren immer nur klein, höchstens 2 Procent, und da
die Unterschiede in der Sehschärfe viel grösseren Beleuchtungsdifferenzen
entsprachen, als auf diese Weise vorkamen, können sie, zumal da ihr
Vorzeichen wechselte, das Resultat nicht beeinflussen.
Nachdem so gleiche optische Helligkeit hergestellt war, wurde die
Sehschärfenhelligkeit geprüft, indem je eine der Zahlenreihen abwechselnd
mit der einen und der anderen Lampe gelesen wurde. Zuerst haben wir
mit dem Wechseln der Lampe jedesmal auch die Reihe gewechselt, später,
und so sind weitaus die meisten Versuche angestellt, wurde dieselbe Reihe
nach einander mit beiden Lampen gelesen, dann eine Reihe ebenfalls mit
beiden Lampen, aber in umgekehrter Reihenfolge, z. B.:
Reihe 1 Nerustlampe,
Reihe 1 Glühlampe,
Reihe 2 Glühlampe,
Reihe 2 Nernstlampe,
Reihe 3 Nernstlampe,
Reihe 3 Glühlampe u. s. w.
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266
H. Reichenbach:
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Diese Anordnung hat den Vortheil, dass man Reihe und Lampe nur
halb so oft zu wechseln braucht, und dass Zufälligkeiten, wie die ver¬
schiedene Schwierigkeit zweier Reihen, hier ohne jeden Einfluss bleiben.
Störend war zuerst die leichte Ermüdung der Augen; das Lesen der
unzureichend beleuchteten Zahlen in bestimmtem Tacte ist eine An¬
strengung, die erst eine gewisse Gewohnheit und Uebung erfordert, wenn
man störende Aufgeregtheit und Nervosität vermeiden will. Es wurden
deshalb, auch als wir vollständig eingearbeitet waren, nie mehr als 5 Reihen
(zu 30 4stelligen Zahlen) hinter einander gelesen. Da auch zweifellos
bei derartigen Versuchen die Suggestion eine Rolle spielen kann, so ist
es vielleicht nicht überflüssig zu bemerken, dass wir an die Versuche mit
der festen Erwartung herangegangen sind, das Gegentheil von dem zu
finden, was sich später als sicheres Resultat herausstellte.
Die Nerustlampe wurde zuerst mit Glocke bei horizontaler Stellung
des hufeisenförmigen Bügels benutzt (s. Figur). Das Licht fallt bei dieser
Anordnung also nicht durch die Glocke, sondern durch die vordere Oeff-
nung derselben direct auf das Photometer, die Lichtstärke ist aber ent¬
sprechend der Projection des Bügels auf die Photometerfläche verhältnis¬
mässig gering. Die Resultate giebt Tabelle III.
Tabelle III.
Lampe
Gelesene
' Reihen
Gelesene
Ziffern
Fehler
Glühlampe
Nerustlampe
22
22
2620
j 2620
157
154
Darnach hatten sich also Nernstlampe und Glühlampe in Bezug aut
die Sehschärfenhelligkeit vollständig gleich verhalten.
Nun zeigte sich aber, dass die geringe Abweichung in der Richtung,
in welcher Photometrie und Sehschärfenbestimmung vorgenommen wurden,
bereits ziemlich grosse Differenzen in der Lichtstärke hervorrief, da die
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Einfluss deb Fabbe künstl. Lichtquellen auf die Sehschäbfe. 267
Glocke ausserhalb der Axe als Reflector wirkte (s. Figur). Die Photo¬
metrie ergab denn auch in der Axe 16-9, in der Richtung der Zahlen¬
tafel 18*9 Kerzen. Die Nernstlampe war also beim Lesen 11-8 Procent
heller gewesen, als die Glühlampe. Das Resultat änderte sich sofort, als
beide Lampen thatsächlich gleich gemacht wurden. Die Nernstlampe
wurde jetzt ohne Glocke vertical aufgestellt, und der Bügel so gedreht,
dass die Axe der Photometerbank und die Richtung nach dem Zahlen¬
täfelchen mit seiner Ebene denselben Winkel bildeten. 1 Auch von der
Glühlampe wurde constatirt, dass sie in beiden Richtungen dieselbe Liclit-
meuge ausstrahlte. Das Resultat giebt Tabelle IY.
Tabelle IV.
- - • • - - - -
-- —
— — —- —
— ---
Lampe
Gelesene
Reihen
Gelesene
Ziffern
Fehler
Glühlampe
15
1800
74
Nernstlara pe
15
1800
115
Die Nernstlampe hatte also diesmal 55-4 Procent mehr Fehler ge¬
geben, als die Glühlampe gleicher Helligkeit. Vergleichen wir diese Zahl
mit denen der Tabelle I, so finden wir durch Interpolation, dass dieser
Fehlerzahl eine Verminderung der optischen Helligkeit um 13-9 Procent
entspräche, was mit der auf umgekehrtem Wege gefundenen Zahl des
vorigen Versuches (11*9 Procent) gut übereinstimmt.
Die weiteren Untersuchungen erstrecken sich auf das Verhältnis von
Auerbrenner zur Glühlampe. Wir benutzten das unter dem Namen Juwel¬
brenner im Handel befindliche kleine Modell, das eine Lichtstärke von
rund 40 Kerzen besass. Die Anordnung wurde wieder so getroffen, wie
in den vorigen Versuchen: der Brenner und die zu vergleichende Glüh¬
lampe wurden neben einander auf der Photometerbank angebracht, dann
der Auerbrenner mit der Normalglühlampe photometrirt und nun die zu
vergleichende Glühlampe auf dieselbe Helligkeit gebracht. Die letztere
besass nominell 32 Kerzen, musste also etwas überbelastet werden.
Als sehr störend wurde bei diesen Versuchen der Umstand empfunden,
dass der Auerbrenner erst einige Zeit nach dem Anzünden (mindestens
5 Minuten) seine volle Lichtstärke erlangt. Da nach jeder zweiten ge¬
lesenen Reihe die Lampe gewechselt wurde, war damit ein unangenehmer
Zeitverlust verbunden. Wir versuchten das Auslöschen und Wiederanzünden
der Lampe dadurch zu umgehen, dass wir sie, während mit der Glüh¬
lampe gelesen wurde, mit einem undurchsichtigen Cylinder aus Eisenblech
1 Die Lichtstärke betrug in dieser Richtung 28 Kerzen.
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268
H. Reichenbach;
bedeckten. Dadurch wurde aber die Temperatur und zugleich die Leucht¬
kraft so gesteigert, dass nun ebenso viel Zeit zur Abkühlung nöthig wurde,
als vorher zum vollständigen Warmwerden. Es blieb also nichts anderes
übrig, als ruhig zu warten, bis die Lampe ihre volle Lichtstärke ange¬
nommen hatte.
Tabelle V.
Lampe
Gelesene
Reihen
Gelesene
Zitfern
Fehler
Glühlampe
15
■ 1800
| 70
Auerbrenner
15
1800
113
Nach den in Tabelle V mitgetheilten Resultaten ergab der Auer-
brenner 61 Procent Fehler mehr, was einer Verminderung der optischen
Helligkeit um 14-9 Procent entsprechen würde. Er hatte sich also fast
genau so verhalten, wie die Nernstlampe.
Dieses Resultat wurde auch durch den directen Vergleich zwischen
den beiden Lichtquellen bestätigt. 1 Wie Tabelle VI lehrt, ergaben auch
hier beide fast genau dieselbe Fehlerzahl.
Tabelle VI.
Lampe j
Gelesene
Reihen
Gelesene
Ziffern ,
Fehler
Nernstlarape 1
25
3000
230
Auerbrenner
25
i
3000
227
Eine weitere Bestätigung unserer Resultate konnten wir von der
Messung der untersuchten Lichtquellen mit dem Weber’schen Photo¬
meter erhoffen. Das Weber’sche Instrument giebt bekanntlich an, wieviel
Kerzen der gemessenen Lichtquelle in Bezug auf Sehschärfe äquivalent
sind; nach unseren Resultaten mussten wir also erwarten, dass Nernst¬
lampe und Auerbrenner mit dem Weber’schen Photometer eine geringere
Lichtstärke ergeben würden, als eine mitHülfe der Lummer-Brodhun’schen
Vorrichtung gleich befundene Glühlampe.
Wir haben zwei Versuche mit der Nernstlampe anstellen können,
welche beide eine, wenn auch nur geringe Abweichung zu Gunsten der
Glühlampe zeigten (s. Tabelle VII).
1 Im Haodel waren damals nur 25kerzige Nernstlampen zu haben. Da es nicht
räthlich erschien, diese so stark überzubelasten, hatte Hr. Prof. Nernst die Freund¬
lichkeit, für uns besonders einige 40 kerzige Lampen anfertigen zu lassen.
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Einfluss der Farbe künstl. Lichtquellen auf die Sehschärfe. 269
Tabelle VH.
1
Photometer j
Versuch I , Versi
Nernstlampe | Glühlampe i Nernstlampe
LI c h II
I Glühlampe
Weber.
Lummer-Brodhan . . |
i
22*5
24*6
23- 3 |
24- 6
28-9
24*3
23-6
23-1
Es war uns leider aus äusseren Gründen nicht möglich, diese Ver¬
suche fortzusetzen; auch sind die technischen Schwierigkeiten sehr gross.
Immerhin wird mah die Resultate als Bestätigung des in den vorher¬
gehenden Versuchen Gefundenen auffassen können.
Es ist nun noch die Frage zu erörtern, in wie weit die Richtigkeit
der Resultate durch das Purkinje’sehe Phänomen beeinflusst sein kann.
Eine Einwirkung wäre in doppelter Weise denkbar. Da die absolute
Lichtstärke, bei welcher gelesen wurde, niedriger war, als die beim Photo-
metriren angewandte, und da bei gleicher Verminderung der objectiven
Lichtmeuge die Helligkeit im stärker brechbaren Theil des Spectrums
schneller abnimmt, als nach dem Roth zu, so müsste sich die Einwirkung
des Phänomens dahin äussem, dass die Helligkeit der Zahlentafel bei
Nernst- und Auerlicht etwas grösser gewesen wäre, als mit der Glühlampe.
Experimentell war ein solcher Unterschied nicht nachzuweisen; die Schatten
eines schmalen Stabes, die von den beiden Lampen auf die Zahlentafel
geworfen wurden, erschienen gleich dunkel. Aber wenn auch ein gering¬
fügiger Unterschied vorhanden gewesen wäre, so könnte er nach dem Ge¬
sagten nur den Erfolg haben, dass die Differenz zwischen den beiden
Lampen verstärkt würde.
Nun gilt aber das Purkinje’sche Phäuomen, wie Mace de Le-
pinay und Nicati nachgewiesen haben, auch für die Sehschärfeuhellig-
keit, und zwar in noch höherem Maasse, als für die optische
Helligkeit. Auch die Sehschärfe nimmt im Blau bei gleicher Vermin¬
derung der objectiven Lichtmenge langsamer ab und wächst langsamer,
als im Roth. Es würde darnach möglich sein, dass bei schwacher Be¬
leuchtung die Unterschiede der beiden Lampen kleiner würden oder ganz
verschwinden — ja es ist theoretisch nicht undenkbar, dass bei
ganz geringen Beleuchtungsintensitäten schliesslich das Ver-
hältniss sich umkehrt, und die bläuliche Nernstlampe bessere
Sehschärfe giebt, als die gelbe Glühlampe. Für die Praxis sind
aber diese Erwägungen bedeutungslos, da die von uns angewandte Be¬
leuchtungsstärke schon an der Grenze der Lesemöglichkeit lag. Im Gegen-
theil, die praktisch verwendeten Lichtstärken werden fast immer höher
sein als die von uns benutzten, und wenn bei diesen das Purkinje’sche
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270 H. Reichenbach: Einfluss der Farbe künstl. Lichtquellen.
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Phänomen überhaupt noch von merkbarem Einflüsse ist, so muss es eine
langsamere Zunahme der Sehschärfe bei Nernst- und Auerlicht als bei
der Glühlampe veranlassen. Wir kommen also auch hier wie bei der
vorigen Ueberlegung zu dem Ergehniss, dass das Phänomen einen Einfluss
auf das Resultat, wenn überhaupt, so nur in dem Sinne äussern kann,
dass dadurch die Gegensätze zwischen den Lampen verschärft werden.
Es ergiebt sich also als definitives Resultat, dass Nernst-
und Auerlampe einer Glühlampe von gleicher optischer Hellig¬
keit so weit an Sehschärfenhelligkeit nachstehen, wie einer
Verminderung der optischen Helligkeit um 12 bis 14 Proceut
entspricht. Wir möchten aber davor warnen, die praktische Tragweite
dieses Befundes zu überschätzen. Die Nernstlampe nutzt die elektrische
Energie fast doppelt so gut aus wie die Glühlampe, und der Auerbrenner
das Gas 6 mal so gut wie der Argandbrenner. Die wirtschaftliche
Ueberlegenheit der beiden Lampen ist also so bedeutend, dass
die etwas geringere Sehschärfenhelligkeit dagegen nicht in
Betracht kommt.
Wohl aber scheint in diesem Ergebniss ein Fingerzeig für die Photo¬
metrie verschiedenfarbiger Lichtquellen zu liegen. Da der Werth einer
Lichtquelle für die praktische Ausnutzung weniger von ihrer optischen
Helligkeit als von ihrer Sehschärfenhelligkeit abhängt, so giebt ein Photo¬
meter, welches die letztere bestimmt, entschieden ein richtigeres Bild von
der wirklichen Leistung der Lichtquelle, als ein solches, dessen Angaben
auf der optischen Helligkeit begründet sind. Für hygienische Zwecke
wird, allerdings aus anderen Gründen, das Web er’sehe Photometer bereits
ausschliesslich benutzt: die Frage scheint erwägenswerth, ob es sich nicht
auch für technische Zwecke empliehlt, mehr als bisher von diesem oder
einem ähnlichen Instrumente Gebrauch zu machen.
Die Versuche wurden im Göttinger physikalischen Institut ausgeführt
mit Hülfe des von der Göttinger Vereinigung für angewandte Physik ge¬
schaffenen Instrumentariums.
Gck igle
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Die Einleitung von Kaliindustrie-Abwässern
in die Flüsse, besonders mit Berücksichtigung
der Wasserversorgung grosser Städte.
Von
Dr. Heinrioh Berger,
Kreisarzt in Hannover.
Während früher die Kaliindustrie sich auf die im Flussgebiete der
Elbe liegenden Landestheile beschränkte, haben die Bohrungen auf Kali
neuerdings mehr in dem Flussgebiet der Weser stattgefunden. In Hannover
zählt man jetzt über 100 Bohrgesellschaften, und wenn auch von der
Bohrgesellschaft bis zur Chlorkaliumfabrik noch ein langer Weg zwischen
Scylla und Charybdis zurückzulegen ist, so werden doch ohne Zweifel
nicht wenige Gesellschaften über kurz oder lang vor der Frage der Ein¬
richtung einer Chlorkaliumfabrik stehen.
Für diese liegt nachher der Schwerpunkt in der Beseitigung der
Endlaugen.
Verarbeitet werden in der Kaliiudustrie Sylvinite und Carnallite; die
Sylvinite sind Gemenge von Sylvin (Chlorkalium) mit Steinsalz, unter¬
geordneten Mengen Kieserit (schwefelsaure Magnesia) und Anhydrid
(schwefelsaurer Kalk).
Carnallite sind Gemenge des Carnallit (bestehend aus Chlorkalium
und Chlormagnesium) mit denselben Salzen, auch etwas Brom ist darin
enthalten.
Die Sylvinite werden auf Chlorkalium verarbeitet, die anderen Er¬
zeugnisse sind von untergeordneter Bedeutung; ein Theil des Chlor¬
kaliums wird als hochprocentiges (80 Procent und mehr) verarbeitet, für
die Landwirtschaft (Düngezwecke) werden Gemenge von 80 bis 76 Procent
Chlorkali mit Kochsalz hergestellt; auch schwefelsaures Kali und schwefel-
saure Kali-Magnesia und Kieserit werden hergestellt, Chlormagnesium er-
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272
Heinbich Berger:
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hält man aus den Sylviniten wenig. Dieses erhält man aber bei der
Verarbeitung carnallitischer Salze in grösseren Mengen und es ist nur
wenig zu verwenden. Bei der Verarbeitung der Sylvinite werden nur
wenig Endlaugen erhalten, viel mehr, das 20 fache, bei der Verarbeitung
der Carnallite, und diese Endlaugen der Carnallite, welche stark chlor¬
magnesiumhaltig sind, wollen die Fabriken durch Ableitung beseitigen.
Der Zusammenhang der Sylvinite gestattet es mancherorts, die bei
der Fabrikation ausgeschiedenen fremden Bestand theile wieder in den
Schacht zurückzubringen, und es wird deshalb vorgeschlagen, die Abwässer
von Sylvinitverarbeitungen in Flüsse überhaupt zu verbieten, da die Be¬
seitigung möglich sei, ohne den Betrieb in Frage zu stellen; es muss
jedoch dabei bemerkt werden, dass das nicht überall zutreffend ist, und
dass man gut thun wird, die Trennung zwischen Sylviniten und Carnalliteu
in dieser Richtung nicht zu weit zu verlangen, denn es kann in den
Fabriken wohl auch durch einander gearbeitet werden.
Dahingegen ist man nicht im Stande, die Verunreinigungen uud
Bestandtheile bei der Verarbeitung der Carnallite so zu beseitigen, und
das gilt besonders von dem Chlormaguesium. Bei der Verarbeitung der
Carnallite erhält man das in nicht geringer Menge in diesem Mineral
vorhandene Chlormagnesium in wässeriger Lösung, als sogenannte End¬
lauge, und diese durch Ableiten in einen Fluss zu beseitigen ist das Be¬
streben der Fabriken.
Bei vielen Bohrungen hat man Sylvinite mit so hohem Chlorkalium¬
gehalt gefunden, dass mit der Zeit nach Volhard der Schwerpunkt in
die Verarbeitung der Sylvinite gelegt werden wird, und dass damit eiue
erhebliche Einschränkung in der Verarbeitung des Carnällits eintreteu
wird, welches nur 16 bis 20 Procent Chlorkalium im Durchschnitt enthält.
Sylvinitische Rohsalze von Benthe-Wallmont zeigen folgende Zu¬
sammensetzung:
Minimum
Maximum
Mittel
Chlorkalium ....
20-07
43-4
31-5
Chlornatrium ....
53-54
74-78
62-7
Chlormagnesium . . .
0-48
209
1-1
Magnesiumsulfat . . .
0-66
4-22
2-5
Kohlensaurer Kalk . .
—
0-15
0-1
Unlöslich.
0-9
0-23
0-2
Wasser.
0-94
3-01
1 • 8
Das Leopoldshaller Hartsalz enthält im Mittel 18 bis 20 Procent
Sylvin, 40 bis 50 Procent Kieserit, 30 bis 40 Procent Steinsalz, 3 bis
7 Procent Wasser.
Gck igle
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Einleitung von Kaliabwässekn in Flüsse. 273
Das - Hoheiifelser erste Sylvinitlager enthält durchschnittlich mehr
Sylvin, weniger Kieserit, das zweite Lager fast das Doppelte an Sylvin
wie Leopoldshall.
Die Camallitischen Rohsalze von:
enthalten
Stassfurt
Vienenburg
Hohenfels
(Bohrung (Bohrung
Nr. 69) Nr. 71)
Chlorkalium ....
16
20-98
20-25
17-84
Chlornatrium ....
22-3
22-79
7-10
12-70
Chlormagnesium . . .
20-8
24-62
30-59
23.24
Schwefelsäure Magnesia
12*2
1-06
0-54
7-05
Unlösliches.
1.9
0-33
0-38
0-64
Wasser.
26-8
30-32
35-53
29-42
Die Gewerkschaft Hohenfels beabsichtigte die Endlaugen von der täg¬
lichen Verarbeitung von 2000 Doppelcentnern Carnallit oberhalb Hannovers
in den Leinefluss zu leiten l , sie will ausserdem täglich 2000 Doppelcentner
Sylvinit verarbeiten, wovon die abgehenden fremden Bestandtheile wieder
in den Schacht zurückgebracht werden sollen.
Auch sylvinitische Salze geben Endlaugen.
Für die Endlaugen der sylvinitischen Salze von Benthe-Wallmont
hat Kraut auf 1000 Doppelcentner tägliche Verarbeitung berechnet End¬
laugen mit:
Chlormagnesium.10-8
Chlomatrium.0.15
Chlorkalium.0-30
Schwefelsäure Magnesia . . . 1-20
im Ganzen 12-45 Doppelcentner,
also pro Secunde 14-48*™“ Salze. Bei Verarbeitung von 2000 Doppel -
centnem Sylvinit würden bei 11 obm secundlicher Wasserführung der Leine
kommen auf 1 Liter 2-0 m * Salze. Die sylvinitischen Salze anderer Kali¬
werke werden sich etwas anders zusammensetzen, aber die Verschieden¬
heiten (schwefelsaure Magnesia) sind verhältnissmässig keine grossen.
Die Verarbeitung von 1000 Doppelcentnern Carnallit liefert nach
Berechnungen im Reichsgesundheitsamt Endlaugen mit:
Chlorkalium.
9-3
Chlornatrium ....
6-1
Chlormagnesium . . .
209-1
Schwefelsäure Magnesia .
19-4
im Ganzen 244*3 Doppelcentner Salze.
1 Die Gewerkschaft hat den in dieser Richtung gestellten Antrag beim Bezirks¬
ausschuss jetzt selbst zurückgezogen.
Zefttehr. t Hygiene. XLL 18
Difitized
bv Google
Original frum
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274
Heinrich Berger:
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Demnach hätte ein Gewässer mit l cbm secundlicher Wasserführung
aufzunehmen p. Liter 284 “•» Salze, von diesen sind 19 / 30 Chlor, n / 30 Magnesia
bei 15-4° Härte. Diese Zahlen sind nach Kraut um 10 Procent zu hoch.
Nach Kraut geben 2000 Doppelcentner Carnallit gewöhnlich 108 t,l! “
Endlaugen, von dem specifischen Gewichte 1 • 300, secundlich fliessen dem
Wasser zu 1250 cbm Lauge, diese wiegen 1625und bestehen durch¬
schnittlich zu 2 / 3 aus Wasser und Vs aus Salzen; 1625»™ Endlaugen ent¬
halten 556 fr™ Salze, diese vertheilen sich bei ll cbm Wasser:
auf 11000 Liter also auf 1 Liter 50-55 mg Salze; bei 16 cbra Wasser
„ 16000 „ „ „ 1 „ 34-88 ms „ .
Hier müssen erst einige Bemerkungen über die Wasserführung der
Leine eingeschaltet werden; diese wird (ganz sichere Untersuchungen
darüber sind wohl noch nicht angestellt) im Minimum secundlich zu ll cbm
angenommen, sie soll auch schon unter ll cbm gewesen sein, jedenfalls
seit 1894 soll sie nicht unter 14 cbm herunter gegangen sein. Niederwasser
führt sie:
3 Monate im Jahr mit . . . 16 cbm
2 „ „ „ nicht unter 25 „
r. 40
u ?? V
o i
Ä 7? 77 77 77 77 LUKJ 77
Die Wasserverhältnisse der Leine würden übrigens durch den Mittel¬
landcanal voraussichtlich eine nicht unerhebliche Aenderung erfahren, das
wäre zu berücksichtigen.
Das Wasser der Leine enthält bei Hannover im Liter:
98 m » Chlor
31-3 „ Magnesia
125 „ Schwefelsäure
20-4° Härte.
Die Härte schwankt sehr, sie beträgt meist 15 bis 18°, im Maximum
17 bis 24°. Am 27. Juni 1901 wurden beobachtet 22• 9 0 Gesammthärte.
14-9° bleibende Härte.
Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass nach den Unter¬
suchungen von Dr. Schwarz, Director des städtischen Hannoverschen
chemischen Uutersuchungsamtes, die Härte betrug:
Anfang September 1898 . . . . 27*47°
Mitte September. 29-56°
Anfang October. 30-39°
Mitte October.29*71°
Gck igle
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Einleitung von Kaliabwässern in Flüsse.
275
Anfang December.
Mitte December.
Anfang Juni 1899 .
sonst in 17 Proben höchstens . . .
1899/1900 wurden nie über . . .
1900/1901 wurden im Februar einmal
sonst höchstens.
29-32°
29- 14°
28-04°
24-47°
24° beobachtet
30- 6° beobachtet
24°
Die Zusammensetzung der carnallitischen Endlaugen ist natürlich ver¬
schieden, aber die Schwankungen sind keine grossen, sie zeigen in allen
Fällen annähernd gleiche Zusammensetzung. Die Gewerkschaft Hohenfels
will bei einer täglichen Verarbeitung von 2000 Doppelcentnern Camallit
der Leine zuführen 105 bis 110 cbm Endlaugen, welche pro Cubikmeter
enthalten:
8-0** Chlorkalium
15-6 „ Chlornatrium
380-4 „ Chlormagnesium
0-4 „ Brommagnesium
24-0 „ Magnesiumsulfat, also etwa 1 j i Salze.
Das würde im ungünstigsten Falle geben 471 *2 kg Doppelcentner
Salze, welche der Leine durch die zu erbauende Chlorkaliumfabrik zu¬
geführt würden.
Nach den Berechnungen des Keicbsgesundheitsamts würde die Zahl
etwas zu hoch sein.
Bei einer Tagesverarbeitung von 2000 Doppelcentnern würden der
Leine pro Secunde zugeführt 544 p™ Salze.
Man könnte nun für den Ablauf der Laugen nicht nur die 300 Ar¬
beitstage, sondern die 365 Kalendertage benutzen, dadurch würden sich
die täglich abzuführenden Mengen auf rund 387-3 Doppelcentner Salze
stellen.
Diese 387-3 Doppelcentner Salze bestehen aus:
Chlorkalium ....
Chlornatrium . . .
Chlormagnesium . .
Brommagnesium . .
Magnesiumsulfat . .
im Ganzen
Demnach würden der Leine in c
und zwar:
7-23 Doppelcentner
14-10
343-91
0-36 „
2 1-69 _
387-29 Doppelcentner Salze.
Secunde zugeführt 448 • 20 Salze,
18 *
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276
Heineich Berger:
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8- 36*"" Chlorkalium
16*31 „ Chlornatrium
398*05 „ Chlormagnesium
0*41 „ Brommagnesium
25*10 „ Magnesiumsulfat.
Davon berechnen sich:
311 *3463 Chlor
176-02 „ Magnesia
12-65 „ Schwefelsäure
246-40 „ Härte (deutsche Gramm).
Chlor tritt auf in der Form von Chlormagnesium, Chlorkali, Chlor¬
natrium, Magnesia in Chlormagnesium und Magnesiumsulfat.
Demnach würden die obigen Mengen Salze in Milligrammen jedem
Secundenliter des Flusses, der die Endlaugen aufnimmt, zugeführt werden,
also 448-20 Salze.
Die Abführung der Endlaugen soll durch eine Rohrleitung geschehen,
und diese Leitung soll bei Rethen, etwa 10 km oberhalb Hannovers, in die
Leine münden.
Bei Rethen soll die Leine führen bei:
niedrigstem Wasser 14 ebm
mittlerem „ 48 „
hohem „ 615 „
Nach anderen Angaben führt die Leine das geringste Wasser:
mit 14 cbm
nur während
eines
Monats
15—25 „
»
zwei
Monaten
nicht unter 25 „
wieder
zwei
Monate
40
fünf
V
» » ISO „
zwei
pro Secunde.
Während eines Jahres ist für die Leine beim Dorfe Rethen durch¬
schnittlich 70/80 cbm in der Secunde berechnet
Man wird bei solchen Berechnungen immer die kleinste Wasser¬
führung besonders ins Auge fassen müssen, aus dem naheliegenden Grunde,
weil sich bei dieser etwaige Missstände, die durch das Wasser hervor¬
gerufen werden, am deutlichsten zeigen.
Bei der secundlich kleinsten Wasserführung von 11 cbm würde demnach
der Zuwachs an Salzen nach Zuführung der carnallitischen Endlaugen
von Hohenfels bei einer Tagesverarbeitung von 2000 Doppelcentnern
Carnallit 448-20:11 =* 40-75 ra * sein.
Gck igle
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Einleitung von Kaliabwässebn in Flüsse.
277
Ich lasse die Zuführung an Salzen bei 2000 Doppelcentnem täglicher
Carnallitverarbeitung bei den verschiedenartigen Wasserführungen der Leine
übersichtlich folgen:
Secundliche Wasserführung der Leine
niedrigste: ll cbni
^ cbm
cbm
Salze im Ganzen im Liter . .
. . 40-75
32 01
28
Davon Chlorkalium ....
mg 0*76
0-60
0-50
Chlornatrium ....
„ 1-48
1*17
1-02
Chlormagnesium . . .
„ 36-19
28-43
24-88
Schwefelsäure Magnesia.
„ 2.28
1-80
1-56
Brommagnesium . . .
„ 0-037
003
0-026
Demnach:
Chlor.
„ 28.3
22-2
1946
Magnesia.
„ 16
12-57
11
Schwefelsäure ....
„ 1-15
0-9
0-79
Härtegrade ....
„ 2-24
1-76
1-54
Es betragen weiter die aufzunehmenden Mengen:
bei Mittelwasser mit
bei Hochwasser mit
bei Jahresmittel mit
48 Secunden cbm
615 Sec. cbni
75/80 Sec. ebra
Chlor. . . . 6-48 m *
0-50
3-891
Magnesia . . 3-66 „
0-28 „
2-2
Schwefelsäure . 0*26 „
0-02 „
0-158
Härtegrade. . 0-51 „
0-04 „
0-307
Enthält demnach das Leinewasser im Liter:
Chlor. ... 98
Magnesia . . 31 «3„
Schwefelsäure . 125 „
Härte . . . 20*4 „
so erhält man nach Zuführung der carnallitischen Endlaugen von Hohenfels
im Liter Leinewasser, bei einer Wasserführung der Leine pro Secunde von:
|| cbm
|,| cbm
16 cbm
40 cbm
615 cbm
75/80 cbm
Chlor mg
126-3
120-23
117.46
104-48
98-50
101-89
Magnesia „
47-3
43.87
42-3
34.96
31-58
33*5
Schwefelsäure ,,
126-15
125-90
125-79
125-26
125-02
125-16
Härte
22-64
22-16
21-94
20-91
20-44
20-7
Da die Einleitung der Endlaugen, was die Härte des aufzunehmenden
Wassere anlangt, gestattet ist bis zu einer Höchsthärte von 30°, so würde
eine Härte des Leinewassers vor der Einleitung von 22-9 und selbst 24°
kein Hinderniss für die Einleitung sein. Allerdings würden bei den 1898
und 1899 von Schwarz beobachteten hohen Härtegraden in dieser Richtung
Bedenken entstehen.
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278
Heinrich Berger:
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Die Chlorkaliumfabriken weisen nun darauf hin, dass die Verände¬
rungen, die durch das Einleiten der Endlaugen in die grossen Flussläufe
und selbst in einen Fluss wie die Leine entstehen, ganz verschwindende
sind, und nur auf verhältnissmässig kleine Entfernungen, auch hier nur
für den Analytiker bemerkbar seien, während nach einem Lauf von 15 bis
20 km unterhalb der Einlaufstelle in den meisten Fällen es auch diesem
nicht mehr möglioh sei. Hingewiesen wird auf die Bode, welche die End¬
laugen und alle möglichen anderen Abfallsalze von einer täglichen Verarbeitung
von etwa 35000 Doppelcentnern Kalirohsalzen aufnimmt und der Elbe
zuführt. Beckurts stellte Untersuchungen am Wasser der Oker und
Aller an auf die Veränderungen durch die Abwässer der Chlorkaliumfabrik
der Gewerkschaft Thiederhall. Die abfliessenden Endlaugen enthielten im
Liter 40.2 Magnesiumchlorid, 1 • 4 Kochsalz, 0 • 8 « ra Kaliumchlorid,
3-1»™ Magnesiumsulfat und 0-4 8™ Magnesiumbromid. Innerhalb 24
Stunden liefert die Fabrik bei einer Verarbeitung von 2000 Doppelcentnern
Rohsalzen 634 • 62 Ctr. CI, 366 • 80 Ctr. MgO, 59 • 36 Ctr. SO e und 513-52 Ctr.
Härte. Beckurts kommt zu dem Schluss, dass das Okerwasser aller¬
dings eine Zunahme der Mineralsubstanzen erfährt, jedoch ist diese 6*™
unterhalb der Stelle des Einflusses der Endlaugen schon wesentlich geringer,
als sie rechnungsmässig sein müsste, 20 km unterhalb der Einlaufstelle war
in vielen Fällen nahezu die normale Zusammensetzung des Okerwassers
festgestellt worden (die Wassergeschwindigkeit schwankt stark, sie betrug
unterhalb Braunschweig bei l-9 cbm Wasserzufluss pro Secunde 15 cm in
der Secunde), eine Veränderung des Allerwassers war nicht mehr nach¬
weisbar.
Dass eine Verunreinigung des Wassers an dem Orte der Einleitung
geschieht, darüber kann kein Zweifel sein, die Zufuhr der Salze und die
Vermehrung der Härte können nicht gleichgültig sein.
Zwei Fragen sind hier zu beantworten: 1. Ist die Veränderung des
aufnehmenden Wasserlaufes nur eine im ganzen geringfügige und 2. ist
sie im Wesentlichen eine locale.
Die Salze im Leinewasser würden bei der kleinsten Wasserführung
von ll cbra eine Vermehrung erfahren um 40*75 “8, die Härte würde sich
um 2-24° steigern, das erscheint bei dem vorherigen Gehalt des Leine¬
wassers an Mineralsalzen von bereits 530 m 8 und einer Härte von 20-4°
verhältnissmässig nicht bedeutend, eine Vermehrung der Salze um */„
und der Härte um etwa 1 / I0 .
Bekanntlich strengte 1883 die Stadt Magdeburg einen Process an
gegen die im Bodegebiet liegenden Kalifabriken, deren Abwässer sogar
die Elbe in hohem Grade verunreinigt haben sollten; das aus der Elbe
Gck igle
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Einleitung von Kali Abwässern in Flüsse.
279
stammende Leitungswasser in Magdeburg sollte als Trinkwasser und zu
gewerblichen Zwecken unbrauchbar geworden sein.
Ru bne r hat darauf hingewiesen, dass die Elbe, trotzdem sie in ihrem
Oberlauf eine grosse Menge von Fabrik wässern erhält, namentlich aus
Zuckerfabriken, trotzdem ihr die Abwässer aus Dresden zugehen, in ziemlich
unveränderter Beschaffenheit in Tochheim oberhalb der Einmündung der
Saale anlangt. Unterhalb der Einmündung der Saale wird das Wasser
hart, bekommt reichlichen Rückstand und führt eine reichliche Menge von
Chloriden.
Der Chlorgehalt des Elbwassers bei Magdeburg betrug
1870 nach Reichardt
38
im
Liter,
1878
>>
Kraut
105 „
V
1886
Kraut
196 „
V
1891
Ohlmüller
894 „
JJ
1893
> J
Rubner
858 „
Diese Anreicherung bezog man zunächst auf die Kalifabriken, bis
durch Untersuchungen von Kraut, Hellriegel und im Kaiserlichen Ge¬
sundheitsamt nachgewiesen wurde, dass die Versalzung hervorgebracht
wurde durch den Ablauf aus dem sogenannten Schlüsselstollen, durch die
Abwässer der Mansfelder kupferschieferbauenden Gesellschaft. Aus dem
Sehlüsselstollen kamen 1892 und 1893 täglich mehr als 250000 Centner
Salze in die Saale und weiter zum Theil in die Elbe.
Die oberhalb Nienburgs mündende Bode bringt der Saale die Abwässer
von Kalifabriken, welche reich an Chlormagnesium sind. Der Gehalt der
Saale betrug an:
Rückstand
Anorg. Stoffen
CI
MgO
bei Jena 1872/73
150
12-2
0-9
1-0
„ Halle
52-8
513
7-8
3-0
„ Friedeburg
51-9
51-6
6-8
29
„ Gnölbzig
83-9
83-7
24-3
3*2
„ Gröna
88-0
87.5
27-5
3-2
„ Dröbel
83-8
—
27-4
3-3
„ Kalbe
110-8
—
412
7-3
Kraut hat nun berechnet, dass die Versalzung der Elbe 1892/93
durch die Mansfelder Gewerkschaft zu 91*3 Procent,
„ „ Kaliwerke „ 6-3 „
„ „ Sodafabrikeu „ 2*3 „
geschieht.
Volhard hat für 1898/1900 die Zahlen auf 87-1, 8-7 und 4-2Proc.
berechnet.
Digitized by
Gck igle
Qrigin-al fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
280
Heinbich Bebüeb:
Die Schachtlaugen des Schlüsselstollens bringen der Saale secundlich
144 465 s™, die Kalifabriken nur 8589
Erst an zweiter Stelle steht die Kaliindustrie, sie bringt nur 1 , l0 des
Salzes des Schlüsselstollens.
Nicht zu vergessen ist, dass von natürlichen Soolquellen der Saale
Salze zufliessen, mit der Soolquelle Gnülbzig fliessen täglich 3390 Centner
Kochsalz in die Saale, entsprechend 2054 Centnern Chlor, das ist dieselbe
Menge, die eine Verarbeitung von 12494 Centnern Carnallit liefern würde,
das wären die Endlaugen von mindestens 3 Chlorkaliumfabriken.
Noch grösser sind die Salzmengen, welche mit den Soolquellen in
Dürreuberg und Schönebeck in die Elbe kommen.
1893 wurden im Elbwasser bei Magdeburg gefunden in 1 Liter Milli¬
gramm :
Rückstand
Kalk
Magnesia
Härte
Chlor
orcran.
Substanz
am rechten
Ufer 3140
176
71-4
27.6
1506
121-5
am linken
Ufer 3279
185
73.5
28*8
1640
126*9
Man achte auf die Verschiedenheiten beider Ufer.
Kraut fand bei Magdeburg 1886:
linkes Ufer rechtes Ufer
Chlor 158 • 9 m * 49-2
Magnesia 31-7,, 12-8,,
Glührückstand 492*0 „ 222*2 „
Herr Geheimrath Kraut sagte mir, er hege keinen Zweifel, dass man
nicht nur an verschiedenen Stellen, in verschiedenen Tiefen, sondern auch
an der gleichen Stelle in der gleichen Tiefe zu verschiedenen Tageszeiten
verschiedene Salzmengen finden würde.
Also trotzdem Magdeburg 6 Meilen unterhalb der Einmündung der
Saale in die Elbe liegt, ist noch keine Vermischung des Elbe- und Saale¬
wassers eingetreten. Man muss mithin gefasst sein, an jedem Orte und in
jeder Tiefe von den Analytikern verschiedene Zahlen zu bekommen und
man wird erst auf Gruud einer sehr grossen Zahl von Analysen einiger-
maassen überzeugende Schlüsse ziehen dürfen.
Zum Vergleiche seien angeführt, dass im Liter Wasser enthalten sind
Milligramm:
Rückstand
CaO
Härte
Chlor
Spree (Berlin) . .
. 140
50-5
5-ü
17*7
Weser (Bremen) . .
. 362
82.1
8.6
46*1
Oder (Breslau) . .
. 112
28*5
2-8
17*1
Warthe (Posen) . .
. 190
66*6
7-0
9*4
Difitized by Gougle
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Einleitung von Kaliabwässern in Flüsse.
281
Rückstand
CaO
Härte
Chlor
Ruhr (Steele) ....
182
44*1
4*4
28*4
Neckar (Stuttgart) . .
314
124*4
11-2
8*9
Elbe (Tochheim) . . .
159
29*7
—
10*0
„ (Magdeburg) 1892
1024
78*0
12*0
462*0
„ „ 1893
3463
190*0
29*7
1714*0
Das Wasser der Unterelbe zeigt wieder eine Reinigung, es ist nicht
härter als das Wasser oberhalb der Einmündung der Saale, der Magnesia¬
gehalt ist aber gestiegen (1898 das 10fache wie 1852), der Chlorgehalt,
der 1852 nur 23*9 m * im Liter betrug, war 1893 gestiegen auf 120*7 m &.
Aber Chlor und Magnesia aus der Saale erreichen zweifellos Hamburg.
Immerhin ist eine Reinigung nicht zu verkennen, zum grossen Theil
ist das auf die erheblichen Zuflüsse der Elbe zurückzuführen, besonders
die Havel.
Ausserdem wird der sogen. Selbstreinigung eine grosse Rolle zugewiesen.
Kraut konnte im Leitungswasser der Stadt Magdeburg nur 1-74 Theile
Chlormagnesium in 100 000 Theilen nachweisen, während es rechnungs-
mässig 2*63 Theile hätte enthalten müssen. Spiegelberg fand im Elb¬
wasser nur 0*4 Theile CI statt der rechnungsmässig angenommenen 3*089,
und 0*49 CI statt 3*056.
Im Laufe der Flüsse wird der Salzgehalt und die Härte beständig
geändert, es gehen direct chemische Processe vor sich, die Magnesiasalze
werden als Carbonate ausgeschieden und Silicate. Da die Elbe nach
Kraut kohlensaures Natron führt, so ist die Ausfällung von unlöslichen
Calcium- und Magnesiumcarbonaten möglich.
Weiter wird als die Beseitigung der Magnesiasalze und Chloride aus
den Flüssen befördernd angeführt die Salzaufnahme der Uferpflanzen, die
Absorptionsfähigkeit des Bodens, der Austausch zwischen dem Fluss- und
Grundwasser.
Die Gewerkschaft Hohenfels plant die Ableitung ihrer Carnallitabwässer
durch eine Rohrleitung von Sehnde nach der Leine und die Einlassung
der Endlaugen bei Rethen in die Leine.
Ueber die Wasserführung der Leine ist oben schon gesprochen worden.
Die selbstreinigende Kraft der Flüsse ist ganz verschieden. Günstig liegen
die Verhältnisse, wenn die Wassermenge des Flusses im Verhältnis zu
der Abwässermenge gross ist; je reiner der Fluss an sich bis dahin ist, je
rascher und gleichmässiger die Mischung sich vollzieht. Günstig sind hohe
Stromgeschwindigkeit, kiesiges Bett, glatte, feste Ufer, Zuflüsse reiner
Wässer, ungünstig sind geringe Wassermenge, geringe Wasserbewegung,
geringe Stromgeschwindigkeit, Stauungen, schlammiges Bett, buchtenreiches
Ufer, bereits vorhandene Verunreinigungen.
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282
Heinrich Berger:
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Eine genügende Verdünnung der Endlaugen wird ja in jedem Fall
zu erzielen sein, wo die Wassermenge des Flusses gering ist, da wird sieb
das zweckmässige Verhältnis im Nothfall durch entsprechende Verdünnung
der Endlaugen vor der Einleitung in den Fluss erreichen lassen. Eine
innige Vermischung der specifisch schwereren Endlaugen mit dem Fluss¬
wasser ist schon schwieriger, wie man an der Saale und Elbe sieht.
Die Stromgeschwindigkeit der Leine beträgt l m , genügendes Gefälle
ist überall vorhanden. Der Boden lim Leinethal ist Marschboden, tiefer,
milder Lehm, mit durchlässigem, kiesigem bezw. sandigem Untergründe.
Das Bett der Leine ist lehmig und verschlammt, nach Regengüssen
sieht das Wasser ganz gelb aus, schlammig ist es immer. Es gedeihen
in dem Wasser reichlich Algen, welche man an den Brücken jederzeit
treiben sieht, und das Gedeihen dieser ist ein Beweis für die hochgradige
Verunreinigung eines Flusses.
Verschiedene Stauanlagen wirken weiterhin ungünstig.
Reine Zuflüsse erhält die Leine nur sehr wenige zwischen Bethen
und Hannover.
Und die schon jetzt bestehende Verunreinigung der Leine ist eine
sehr grosse.
Die Innerste bringt stark verunreinigtes Wasser, gerade auch durch
Kaliabwässer, ausserdem aber ist die Leine auch sonst schon stark mit
Schmutzstoffen überladen.
Das Wasser ist schon sehr reich an Salzen und sehr hart. Man kauu
sagen, ein Wasser, das schon diese Zusammensetzung zeigt, wird auch
die Eudlaugen von 2000 Doppelcentner Carnallitverarbeitung täglich noch
aufnehmen können, die Zusammensetzung wird dadurch verhältnissmässig
nur wenig geändert, und bleibt bei dieser geringen Veränderung für die
Zwecke, für die es vorher überhaupt noch brauchbar gewesen ist, auch
nach dem Zuwachs noch verwendbar.
Das ist nur bis zu gewissem Grade richtig, so lange es sich um
kleine Veränderungen verhältnissmässig reiner Gewässer handelt; stark
verunreinigte Gewässer stehen in vielfacher Beziehung natürlich an der
Grenze der Verwendbarkeit, und da kann diese Grenze leicht überschritten
werden.
Da lassen zahlenmässige Berechnungen ganz im Stich. Wo ist die
Gewähr geboten, dass die berechnete Zusammensetzung bleibt; sie kann
sich ändern, nachdem soeben der Analytiker erst Proben entnommen hat,
an denen er noch die zulässige Zusammensetzung findet. Wer kann aber
die sich immer ändernden Verhältnisse im Fluss selbst in Betracht zieheu?
Wird eine geringe Verunreinigung gestattet, so muss nachher wieder
eine kleine gestattet werden, die in demselben Verliältniss steht, und das
Gck igle
Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Einleitung von Kaliabwässeen in Flüsse.
283
würde kein Ende nehmen, dann würde eine Reinhaltung der öffentlichen
Wässer ganz unmöglich sein, da darf nur bis an die Grenze des Erträg¬
lichen im Höchstfälle gegangen werden, und diese Grenze ist bei der Leine
längst erreicht. Chlormagnesium und schwefelsaure Magnesia sind keines¬
wegs gleichgültige Flussverunreinigungen. Der hohe Chlorgehalt kann
nicht gleichgültig sein.
Der Hygieniker wird bei einer Vermehrung der Chloride im Wasser
sein Hauptaugenmerk auf den Zufluss von menschlichen Abgängen richten
und sagt sich, dass auf dem Wege, auf dem die Chloride kommen, auch
Bacillen kommen können, aber auch die Vermehrung der Chloride an sich,
sei es aus welchem Grunde es will, ist ihm nichts weniger als gleichgültig.
Bedenklich vor allen Dingen ist der Zuwachs an Härte, und da die Zu¬
nahme durch Chlormagnesium und schwefelsaure Magnesia bedingt ist,
so widersteht die Härte der Erwärmung, sie ist bleibend, nicht wie bei
Chlorkalcium. Die Leine hat schon an sich hartes Wasser, sie ist zeit¬
weise von 30 Härtegraden nicht weit entfernt gewesen. Wenn nun als
Grenzwerth, bis zu dem Endlaugen in einen Fluss eingelassen werden
dürfen, 30° Härte bestimmt ist,' so würde jederzeit der Augenblick ein-
treten können, in welchem die weitere Einleitung von Endlaugen aus
diesem Grunde verboten wäre. Leitet ferner flussabwärts bereits eine
Chlorkaliumfabrik ihre Endlaugen in den Fluss, so werden die Verhältnisse
der Endlaugen dieser in ihrer Härte zum Flusswasser sich‘sofort ändern,
wenn eine neue Fabrik oberhalb einzuleiten beginnt. Ein solcher Fall
wäre hier möglich, wenn Hohenfels unmittelbar oberhalb Hannovers in
die Leine leitet, und Benthe-Wallmont dicht unterhalb (bei Seelze). Da
müsste eine solche Controle thätig sein, dass die Werke, welche diese
Controle zu bezahlen haben, besser thün, die Endlaugen auf andere Weise
zu beseitigen, durch längere Leitungen in grosse Flüsse, Eindampfen
(welches übrigens nur in beschränktem Maasse möglich ist). Ja wäre es
da nicht für die Fabriken zweckmässiger, wenn naheliegende sich zu einer
gemeinsamen Leitung nach einem grösseren Flusse entschlössen?
Flusswasser soll weich und arm an Salzen sein, 18 bis 20 Härte¬
grade werden als oberste Grenze bezeichnet. An dieser Grenze ist die
Leine bereits. Die Gesammtmenge der Salze in der Leine beträgt durch¬
schnittlich an sich schon über 500 m &, und 400 bis 500 “8 soll höchstens
die Menge in einem brauchbaren Wasser betragen.
Kohlensaures Alkali ist in so winziger Menge vorhanden, dass dessen
reinigende Wirkung gar nicht in Betracht kommt. Dass die geringen
Mengen an Silicaten, welche sich am Boden des Flusses und suspendirt
finden, eine nennenswerthe Wirkung haben, ist füglich zu bezweifeln.
Das lässt sich alles im Laboratorium gut beobachten, gewiss soll es auch
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Gck igle
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284
Heinrich Berger:
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in der Natur keineswegs bestritten werden, aber man soll es auch nicht
überschätzen. Unter allerhand Einflüssen, lebenden und nicht lebenden,
laufen die Processe ganz anders ab, als man anzunehmeu geneigt ist.
Man hüte sich überhaupt, Laboratoriumsversuche in die Praiis zu über¬
setzen, da sind die Processe ganz andere; die complicirten biologischen
Processe lassen sich überhaupt nicht nachmachen.
Ist die Verunreinigung der Elbe aber sogar noch in Hamburg zu
merken, wie viel mehr muss dies der Fall sein bei kurzen Entfernungen.
Auf dem Wege von der Stelle der Einleitung der Endlaugen von Hohen¬
fels in die Leine bei Rethen bis Hannover, einer Strecke, welche nur
wenig über 10 km beträgt, ist jedenfalls eine wesentliche Selbstreinigung
nicht zu erwarten.
Als Trinkwasser wird das stark verunreinigte Leinewasser nicht be¬
nutzt. Magnesiumsalze wirken abführend, aber an die Grenze des noth-
wendigen Gehaltes (226 ms pro Liter) würde das Leinewasser nicht heran-
kommen.
Au Chlor soll ein Wasser höchstens enthalten nach F. Fischer 85 ra *,
nach Kübel und Tiemann 20 bis 30 mg . Diese Zahlen würden schon
im Leinewasser erheblich überschritten sein. Aber auch in dem Leitungs¬
wasser der Stadt Hannover findet sich 40 bis 70, ja bis 80 CI. Das
Reichsgesundheitsamt erklärt Wasser mit 318 bis 470CI noch nicht
für direct schädlich.
Das Bedenklichste ist der Gehalt an Chlormagnesium. Dieses soll
im Wasser so lange unschädlich sein, als es sich nicht durch den Ge¬
schmack zu erkennen giebt. Da die „Geschmäcker“ verschieden sind, so
ist die Grenze keine feststehende. „Feinschmecker“ sollen noch die
lOOOOste Verdünnung der Endlaugen schmecken, ich war nicht im Stande,
eine solche Verdünnung des Wassers mit Endlaugen bei Herrn Geheim¬
rath Kraut herauszuschmecken. An der Oker sind Klagen über die
etwaige Schädigung der Fischzucht nicht bekannt geworden. Die Grenze
der Schädlichkeit liegt nach Krieg und Haselhoff für 7 bis 10° Wasser¬
temperatur bei 6 bis 7 Chlormagnesium im Liter. Nach Weigelt
und Hulwa kann sich die Fischerei Chloride bis zu einem verhältniss-
mässig hohen Grade gefallen lassen, ablaufende Flüssigkeiten sollen nicht
mehr als 10 pro mille gelöste Mineralstoffe enthalten, mit Ausnahme von
XaCl und CaCL, diese dürfen bis 30 pro mille enthalten sein.
In der Leine werden öfter grosse Fischsterben schon jetzt beobachtet,
besonders flussabwärts von Hannover, und man neigt auch hier zu der
schon von T hörn er vertretenen Ansicht, dass die Fische aus Mangel an
Sauerstoff zu Grunde gehen, wenn das Wasser erst oberhalb gestaut ist,
daun durch die Fluth die abgesetzten Schlammmassen aufgerührt werden
Gck igle
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Einleitung von Kaliabwässeun in Flüsse.
285
und sich oxydiren. Nach den neueren Untersuchungen von Koenig und
Hüunemeier ist die Ursache des Fischsterbens nicht Sauerstoffmangel,
sondern es sind schädliche Bestandtheile im Wasser (Salze, Färb- und
Geruchstoffe).
Auch in dieser Richtung ist bei der Leine schon die Grenze über¬
schritten. Die Leine ist bereits fischarm geworden, wie die weitere Ein¬
leitung der Endlaugen wirken würde, ist nicht abzusehen, Günstiges ist
auf keinen Fall anzunehmen.
In der Landwirthschaft wird das Leinewasser viel verwendet. Nach
Künnemann ist Wasser
mit 20 Chlormagnesium pro Tag für junge Schweine unschädlich,
,, 60 ,, ,, ,, „ „ Schafe „
„ 800 „ „ „ „ „ Pferde schädlich.
Wasser mit 1 Chlormagnesium im Liter würde kaum ernstliche
Störungen bei Thieren hervorrufen, eine Grenze, die wohl nicht erreicht
wird. Aber bei einer gewissen Concentration werden die Thiere das
Wasser überhaupt nicht mehr saufen.
Für die Berieselung sind nach König Wässer mit 1 Chlor¬
magnesium auf die Dauer zu verwerfen. Die Grenzwerthe des Salzgehaltes
des Wassers liegen für die Landwirthschaft nur wenig über den Grenzen,
die man stellt, wenn der natürliche Geschmack des Wassers sich nicht
ändern soll. Salzmengen von 500 im Liter sollen für den Graswuchs
bedenklich sein, und namentlich schädlich soll die dauernde Verwendung
solchen Wassers sein. Werden Gräser mit stark salzhaltigen Wässern be¬
rieselt und es brennt die Sonne darauf, so werden diese Gräser „verbrannt“
und gerade salzhaltige Zuflüsse lassen sich erfahrungsgemäss sehr schwer
gleichmässig im Wasser vertheilen, da ist die Zufuhr an concentrirten
Salzlösungen beim Heraufpumpen auf die Wiesen durchaus möglich.
König fand, dass Chlormagnesium lösend auf die Bestandtheile des
Bodens wirkt, die natürlichen Gesteine werden wohl kaum angegriffen,
wohl aber die Zeolithe und Basalte.
Salzhaltiges Wasser laugt den Boden aus, die Wiesen werden kalkarm,
das Wasser härter, Chlormagnesium soll auch zur Verschlickung des
Bodens beitragen. Man hüte sich ja, diese Vorgänge zu unterschätzen.
Beyschlag, Ohlmüller und Orth betonen neuerdings die Versäuerung
und Versumpfung der Wiesen durch Kochsalz und Chlormagnesium, und
die besonderen Gefahren in dieser Richtung im trockenen Sommer und
bei Stagniren des Wassers. Inwieweit im Boden das Chlormagnesium in
Wirkung tritt und wie, das ist eine noch unaufgeklärte Frage. Nach
Maercker ist Wasser mit 19*5Theilen Chlormagnesium in 100 000 Theilen
Wasser für die Vegetation unbedenklich.
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286
Heinrich Berger:
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In den Herrenhäuser Gärten bei Hannover sind bei der schon längere
Zeit beobachteten und immer mehr zunehmenden Verunreinigung des
Leinewassers zahlreiche Schädigungen der Pflanzen entstanden. Das Be-
giessen und Besprengen mit Leinewasser musste eingestellt werden, die
Pflanzen wurden krank und gingen ein, es mussten Brunnen angelegt
werden und Sammelstellen für Regenwasser. Am Rasen sind bisher
Schädigungen nicht beobachtet. Schon jetzt ist beim Spülen der Fontainen
im Grossen Garten in Herrenhausen stellenweise unangenehmer Geruch
aufgefallen. Was weiter bei einer Verschlechterung des Wassers eintreten
würde, das ist zur Zeit noch nicht zu übersehen, jedenfalls besser wird
es nicht.
Das Leinewasser wird in Hannover und vor Hannover vielfach in
Gewerben verwendet. Das Bedenkliche in dieser Richtung ist eine grosse
Härte des in Frage kommenden Wassers beim Waschen und Kochen.
Wäschereien und Färbereien müssen grössere Ausgaben für Seifen verbrauch
bei hartem Wasser machen, Cochenille und Holzroth und mehrere Theer-
farben ändern sich in dem veränderten Wasser, doch wird es wohl nur
an wenigen Orten in Betracht kommen, an der Leine braucht diese Rück¬
sicht nicht genommen zu werden. Störungen entstehen bei Brennereien.
Brauereien und Zuckerfabriken, für letztere wirkt höherer Salzgehalt melasse¬
bildend. Die Lindener Zuckerfabrik giebt an, durch Einleitung der Laugen
aus den Alkaliwerken Ronnenberg in die Beke einen Schaden von 24 50011
erlitten zu haben.
In Gerbereien und Leimfabriken löst sich mit hartem Wasser ge¬
kochter Leim sehr schwer auf, für Papierfabriken verliert der vegetabilische
Leim seine Bindekraft.
Nach Franzius und Sonne ist Wasser mit 18 Härtegraden für
alle Zwecke brauchbar, Bernburg ist glücklich, 84 Grad hartes Wasser zum
Haus- und Wirthschaftsgebrauch zu haben, Göttingen hat sogar 40 Grad
hartes Wasser. Chlormagnesiumhaltiges Wasser wirkt weiter beim Speisen
der Dampfkessel schädlich, es kann in den Kesselstein mit übergehen und
da HCl abspalten, es wirkt rostbildend und die Kesselwände direct an¬
greifend, indem sich Chlormagnesium bei Berührung der heissen Kessel¬
bleche in Magnesium und Salzsäure spaltet und letztere die Eisentheile
angreift., das tritt nach Pr echt erst bei einem Gehalt von Chlormagnesium
von über 10 Procent ein, daran müsste rechtzeitiges Abblasen hindern.
Abnutzungen des Eisenblechs und Rosten der Wasserräder treten an
den Stellen auf, zu welchen die Luft zutreten kann.
In den Gewerben wird vielfach das Wasser eingedampft, wodurch
viel concentrirtere Lösungen zu Stande kommen, als im ursprünglichen
Wasser, daraus folgen denn auch ganz andere Wirkungen. Chlornatrium,
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Einleitung von Kaliabwässekn in Flüsse.
287
Chlorkalium, Chlormagnesium sind zwar geruchlos, aber trotzdem nicht
Chlorkalk und Aehnliches entsteht, so wird man doch die in den End¬
laugen befindlichen Salze nicht indifferent nennen können.
Als wichtiger Factor für die Beseitigung der Magnesiumsalze und der
Chloride wird endlich der Austausch zwischen Fluss- und Grundwasser
angeführt und die Absorptionsfähigkeit des Bodens.
Wie schon oben angeführt wurde, ist das Leinebett lehmig und hoch¬
gradig verschlammt, zunächst also eine Ablagerung möglich, dann aber
wohl auch ein Uebertritt aus dem Flusswasser in das Grundwasser, an
den Beziehungen zwischen Leine- und Grundwasser kann kein Zweifel sein.
Nun hat die Grossstadt Hannover-Linden mit gegen 300000 Ein¬
wohnern eine GrundwasserVersorgung, welche ihr Wasser aus der Nähe
der Leine entnimmt.
Wasserwerks gegenüber Grasdorf
Fig. 1.
Aus der Skizze (Fig. 1) ist zu ersehen, dass die Leine, nachdem sie
die Innerste aufgenommen hat, an dem Dorf Rethen vorbeifliesst, wo die
Einleitung der Endlaugen von Hohenfels geplant ist Dicht unterhalb
Rethen liegt das Dorf Grasdorf, etwa 1 • 3 km (Einfluss der Beke unterhalb
Rethen bis Grasdorfer Brücke) von Rethen entfernt, dann folgen die Dörfer
Laatzen, Wülfel und Döhren mit einer grossen Wollwäscherei.
Gegenüber Grasdorf, auf dem anderen Ufer der Leine, befindet sich
eine Pumpstation des Stadt Hannoverschen Wasserwerkes, die Entfernung
der Brunnen beträgt schätzungsweise von der Leine 150 bis 200 m . Dieses
Wasserwerk ist gewissermaassen ein Hülfswasserwerk, das Hauptwasserwerk
ist dichter bei Hannover, bei der Ortschaft Ricklingen an dem Winkel,
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288
Heinrich Beegeb:
welchen der von der Leine abgehende sogenannte „Schnelle Graben“ mit
der zur Leine fliessenden Ihme bildet, südlich von Linden. Die näheren
Verhältnisse sind ans der beigegebenen Karte (Fig. 2) ersichtlich. Za
derselben ist zu bemerken, dass der Schnelle Graben, gleich nachdem er
von der Leine abgezweigt ist, über ein Wehr muss. Die von der Pnmp-
Fig. 2.
Station ausgehenden zwei punktirten Linien bezeichnen die alten und die
neuen Brunnenanlagen, die gezeichneten Curven bezeichnen die Grand¬
wasserstände, wie sie im städtischen Wasserwerk verzeichnet sind (ich
verdanke dieselben der Direction).
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Einleitung von Kaliabwässebn in Flüsse.
289
Die Abgangsstelle des Schnellen Grabens von der Leine liegt von
dem Wasserwerk gegenüber Grasdorf etwa 8*6 km entfernt, die Entfernung
der Hauptpumpstation von der Vereinigungsstelle des Schnellen Grabens
mit der Ihme beträgt etwa 850 m ; von den in dem Winkel zwischen Leine
und Schnellem Graben hinziehenden Brunnen ist der äusserete von der
Leine etwa 70 bis 80“ entfernt Die Richtung des Grundwasserstromes
wird durch den Pfeil angedeutet.
Dass Beziehungen zwischen dem Leinewasser und dem Grnndwasser
bestehen, daran kann gar nicht gezweifelt werden, zahlreiche Beobachtungen
haben dies dargethan. Wenn auch das Leinebett stark verschlammt ist,
so ist das Flussbett damit noch keineswegs abgedichtet, und bei Hoch¬
wasser ändern sich sonst bestehende Verhältnisse, mit Hochwasser ist aber
bei der Leine zu rechnen. Bei Hochwasser dringt Flusswasser in erhöhtem
Maasse in den Untergrund. Besonders durchlässig muss aber das Bett
des Schnellen Grabens sein, hier findet sich ein mehr kiesiger Untergrund.
Aus dem Plan ergiebt sich auch, wie die Grundwassercurven jenseits des
Schnellen Grabens durch die Saugwirkung noch abgelenkt werden. Syste¬
matische Untersuchungen über die Depressionscurven sind mir nicht be¬
kannt. Aber es kann als sicher angenommen werden, dass auch das
Wasser des Schnellen Grabens der saugenden Kraft der Pumpstation
unterworfen ist.
Nach Jaeger geht das im Flusswasser enthaltene Chlor unverändert
durch den Boden, überhaupt je stärker der Fluss verunreinigt ist, desto
mehr abnorme Zusammensetzung wird auch das Grundwasser zeigen.
Mit Recht weist Gärtner zur Entscheidung der Frage, ob Fluss¬
oder Grundwasser geschöpft wird, auf die Wichtigkeit des Thermometers
hin. Tritt Flusswasser zum Grundwasser, so muss letzteres je nach der
Flusstemperatur — und diese bängt von den Jahreszeiten ab — eine Er¬
wärmung oder Abkühlung erfahren. Derartige systematische Untersuchungen
liegen mir nicht vor.
Aus den Analysen des Flusswassers und des städtischen Leitungs¬
wassers geht aber hervor, dass ein Zusammenhang als sicher anzunehmen
ist, darauf weisen besonders Chlorgehalt und Härte hin.
Ich gebe zunächst einige Analysen des Leinewassers oberhalb und
unterhalb Hannovers und auch der Ihme an und die daraus sich ergeben¬
den Mittelzahlen, wobei zu bemerken ist, dass die Mittelzahlen für das
Leinewasser bei Seelze besser nur aus den Analysen I. und III. genommen
werden, II. zeigt zu auffallende Abweichungen.
I. Leine oberhalb der Wollwäscherei und Kämmerei in Döhren (ober¬
halb Hannovers).
Zeitschr. f. Hygiene. XLI. ' 19
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290
Heinrich Berger:
Milligramm im Liter.
l
2
3
4
5
6
i
Kalk
1888
25. Mai
130.7
1888
14. Juni
139*7
1888
19. Juli
114*4
1888 1
1. Octbr.
155*9
1889
2. Juli
152-5
1891
7. Novbr.
156-6
1892 1
11. Sqit
163-1
Magnesia
29*6
21*5
31-9
31 -1
30.4
31-3
33-1
Schwefelsäure
95-8
108*0
91*9
130-1
116-9
125.1
143-0
Chlor
679
74*8
530
98*0
102-6
98*0
114-9
Härtegrade
17-20
16*98
15*91
20-94
19-50
20-04
20-94
Zu Verbindungen geordnet:
1888
1888
1888
1
1889
1891
1892 1
25. Mai
14. Juni
1. Oct.
2. Juli
7. Not.
11. Jvjt.
Chlornatrium
105-9
117
• 1
154-
6
148-6
156-7
174-6
Chlorkalium
7-8
8
-0
9-
1
17-3
6-1
12-1
Kohleusaures Natron
14-3
7
• 2
19-
8
—
3-8
—
Chlormagnesium
—
—
-
—
5-7
—
4-4
Kohlensäure Magnesia
62-2
45-
2
65*
3
58-8
65*7
650
Kohlensaurer Kalk
113-7
114
5
115-
8
126-2
123-3
112 5
Schwefelsaurer Kalk
162-9
183
6
221-
2
198-7
212.7
244-0
Kieselsäure
7-7
12
6
9-
5
8-0
8-9
7-4
Summe
474-5
GO
00
2
595-
2
563-3
577-2
~620-6
Zwei ältere Analysen des
Leinewassers
von Kreusler und Stro-
meyer ergaben im Liter Milligramm:
Kreusler
A. Strome} -
er
Kalk
124-0
141*1
Magnesia
26-0
25*8
Schwefelsäure
120-0
107*5
Härtegrade
16-04
17-72
Leine bei Seelze an der Brücke nach Havelse
Ihme unter der Eisenbahn
unterhalb Hannovers.
brücke der Gasanstalt
Milligramm im Liter.
l
2
3
l
2
1900
1901
1901
1891
1901
19. Septbr.
27. März
12. Juli
10. Novbr.
11. Juli
158-0
116-0
160-5
159-4
155-4
31-0
22-3
46-7
29.6
38-9
126-8
72.1
138-0
125-2
131.5
114-7
53-1
139-7
101-6
121-1
20 04
14-70
22-60
20-08
20 99
1 Bei besonders niedrigem Wasserstand geschöpft. — 1 Liter Wasser vom 11 . Sept.
1892 hielt 2-03 Tn * Salpetersäure, die bei der Berechnung nicht berücksichtigt ist.
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Original frurn
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Einleitung von Kaliabwässern in Flüsse.
291
Zu Verbindungen geordnet.
1900
1901
1901
1891
1901
19. Septbr.
27. März
12. Juli
10. Novbr.
11. Juli
173.0
83-2
182-6
158-6
174-5
11-1
5-6
11-3
11-5
9-2
—
7-8
—
1-9
—
7-2
—
31-6
—
14-6
58-8
46-8
70-1
62.2
68-9
123.6
117.0
73-9
128-1
111.3
215.6
122.6
234-6
212.8
223-5
8-9
10.7
5-2
8-8
4-2
598-2
393.7
609-3
583-9
606-2
II.
Mittelzahlen.
Leine bei Döhren (1 his 7)
Leine bei Seelze (1 bis 3)
1. u. 3.
Milligramm im
Liter.
1888 bis 1892
1900 bis 1901
Kalk
144-7
144-8
159-3
Magnesia
29-8
33.3
38-8
Schwefelsäure 115-8
112-0
132-4
Chlor
87-0
103-5
127-2
Härtegrade
18.8
19-1
21 - 3
Zu Verbindungen geordnet:
Mittel (6)
Mittel (3)
Mittel (2 u. 3)
Chlornatrium
• . • •
142-9
146-3
177-8
Chlorkalium
• • • •
10-1
9-3
11-2
Kohlensaures Natron
11.2 (4)
7-8(1)
—
Chlormagnesium . . .
5-1(2)
19-4 (2)
19-4
Kohlensäure Magnesia .
60-4
58-6
64-5
Kohlensaurer Kalk . .
117-6
104-8
98-8
Schwefelsaurer Kalk. .
203-9
190-5
225-1
Es folgen dann einige Analysen des städtischen Lei tu ngs wassers in
Hannover. (Siehe III.)
Ich verdanke diese Analysen Herrn Geheimrath Kraut.
Aus dem Vergleiche der Uebersichten ergiebt sich nun, dass im Leine*
wasser bei Döhren, oberhalb Hannovers in den Jahren 1888 bis 1892
der Kalkgehalt gestiegen ist von 130 «7 auf 163-1
„ Magnesiagehalt . . . „ 29-6 „
„ Schwefelsäuregehalt . . „ 95-8 „
„ Chlorgehalt.,, 67-9 „
die Härte.,, 17-20,,
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831
143
114-9
20-91
19 '
Original from
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Härte schwankt von 16*55 bis 24*3 Grade. Mittel (15) von 1884 bis 1901 = 20*54°. Höchste Härte 24*3° October 1890.
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292
Heinrich Berger:
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1878 eröfiuetou, städtischen Wasserwerke Hannovers.
Milligramm im Liter:
Einleitung von Kaliabwässebn in Flüsse.
293
In dem Leinewasser bei Seelze unterhalb Hannovers ist 1900 bis 1901:
der Kalkgehalt gestiegen von 158 auf 160-5
„ Magnesiagebalt . . „ 31 „ 46-7
„ Schwefelsäuregebalt. „ 126*8 „ 138
„ Chlorgehalt . . . „ 114*7 „ 139-7
die Härte.„ 20*04 „ 22*60
In der Ihme ist di<? Steigerung aus den angeführten Zahlen ebenfalls
ohne Weiteres ersichtlich.
Vergleicht mau die Mittelzahlen, so ergiebt sich von 1888/92 bis
1900/1901 eine Steigerung
des Kalkgehalts . . . von 144*7 auf 159*3
„ Magnesiagehalts . „ 29*8 „ 38*8
„ Schwefelsäuregehalts „ 115*8 „ 132*4
„ Chlorgehalts. . . „ 87 „ li7*2
der Härte.„ 18*8 „ 21*3
Aus den Analysen des Hannoverschen Leitungswassers ergiebt sich
von 1884 bis 1901:
eine
Steigerung des Magnesiagehalts. .
von
18*5 auf
21
Minderung „ Schwefelsäuregehalts
?>
119*2 „
110*7
Steigerung „ Chlorgehalts . . .
jj
40*3 „
67*9
„ der Härte.
V
20*23 „
20*94
Schiebt man vergleichsweise das Jahr 1891, wie beim Leinewasser
1892 dazwischen, so ergiebt sich:
Kalkgehalt .
Magnesia. .
Schwefelsäure
Chlor . . .
Härtegrade .
1884 bis 1801
174*4 —187*8
18-5 — 23*6
119*2 —122-1
40.3 — 78-7
20-23— 22-08
1900 bis 1901
159 —180
19*7 — 21
75-3 —110*7
52-7 — 67-8
18*67— 20*94
Diese Zahlen sprechen eine so beredte Sprache, dass mau darüber
nicht weiter Erwägungen anzustellen braucht.
Dieses Parallelgehen der Zahlen im Leinewasser und im Leitungs¬
wasser kann doch kein Zufall sein.
Ich gebe ferner zur Uebersicht noch eine Zusammenstellung von
Analysen des Leinewassers und des Leitungswassers für das Jahr 1900/01
wieder, welche ich dem Director des städtischen, chemischen Unter¬
suchungsamtes in Hannover, Herrn l)r. Schwarz verdanke. (Siehe IV.)
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294
Heineich Bekgeb;
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440-0
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504-0
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62-5
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195-0
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151-2
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63-9
60-3
63-9
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Schwefelsäure.
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21-95
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Temporäre Härte ...
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Bleibende Härte ....
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—
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—
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Einleitung von Kaliabwässebn in Flüsse.
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September
October
November
December
Januar
Februar
März
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120-7
106-5
63-9
92-3
92-3
1 71-0
1
28-4
—
—
99-4
—
71-0
117-9
136-5
126-22
123-8
81-9
106-6
102-9
j 77-52
35-5
_
—
81-97
—
72-85
* ch . J > jj .
Sp.
Sp.
Sp.
Sp.
Sp.
Sp.
Sp.
Sp.
' —
—
Sp.
—
Sp.
0
0
0
0
0
0
0
0
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0
0
0
0
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i ~
—
0
—
0
104-3
86*90
97-95
169-05 161-5
158-0
137-45
126-40
168-4
—
52-1
—
69-5
20-9
17-38
19-59
33-89
32-5
31-6
27-49
25-28
33-68
—
—
10-42
—
13-9
5-2
4*34
4-90
8-45
8-0
7-9
‘ 6-87
6-21
8-42
—
—
2-60
_ j
—
3-5
20 - S 0
21-02
19-16
19-94
13-9
19-67
18-12
16-30
11-77
—
—
30-6
—
14-82
10*55
; 9-00
6-72
9-20
7-16
11-6
5 - 92 |
6-48
1 -60
—
—
12-2
—
5-6
10*25
i 12-02
12-44
10-74
6-74
8 - 07 !
12-2 1
9-82
10-17
—
—
18-4
—
9-22
740
1300
11000 ;
18400
7520 |
11200 ,
1
8120
j
1
1
950 ,
' 1
1
840
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
296
Heinbich Bebgeb;
Zusammenstellung.
Im Liter sind enthalten )
Leitungswasser
Leinewasser
Milligramm
Maximum |
Minimum >
Maximum
Minimum
Abdampfrückstand . . .
602-0
414-0
627-5
226-0
Glührückstand.
557-0
378-4
556-8
192*5
Glühverlust.
45*0
35-6
127-5
33*5
Kalk.
207-0
140-0
216-4
64*75
Chlor.
85-2
53-25 |
127-8
28-4
Schwefelsäure.
125-8
83-35 1
136-5
35*5
Salpetersäure.
Spur
Spur
Spur
schw. Spur
Salpetrige Säure ....
0
0
0
0
Ammoniak.
0
0
i
Spur
0
Organische Substanz . .
41-1
15-80
169-05
52-1
Verbrauch an KMnü 4
8-2
3-16
33-81
10*42
„ „ o
2-05
0-70
8-45
, 2*6
Eisenoxyd.
—
—
—
-
Gesammthärte.
20-07
16-9
30-6
11*77
Temporäre Härte ....
13-02
7-2
12-2
1*60
Bleibende Härte ....
14-57
7-6
18-4
10*17
Bakteriencolonieen im ccm
768
2
18 400
I
740
Zum Vergeich mit anderen städtischen Wässern füge ich eine Ueber-
sicht noch bei. (Siehe V.)
Fr ofiLs chnitl durch die. Jlune
H7,73
Frofilsch n ifL durch die leim
13,1»
Saugrohr Saugrohr •
HG,7
Fig. 3.
Profilschnitte durch die Leine und Ihme lassen deutlich erkennen,
dass bei der Ihme die Grundwasserverhältnisse ganz anders liegen, als
bei der Leine. (Vergl. Fig. 3.)
Flügge macht darauf aufmerksam, dass man früher hauptsächlich
Beobachtungen verzeichnet hätte, nach welchen das Grandwasser wohl in
das Flussbett Übertritt, aber nicht umgekehrt, und es ist ja in der That
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Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Nach einer Zusammenstellung in F. Fischer’s chemischer Technologie des Wassers über Quellwässer (sogenannte
Gruudwässer), welche für städtische Wasserversorgung verwendet werden, waren in 1 Liter enthalten Milligramm:
Einleitung von Kaliabwässern in Flüsse. 297
Untersucht von
Hartenstein
Wachendorff
Hoedt
Schürmann
Hartenstein
Hartenstein
Siwert
F. Fischer
Kolbe
Grüneberg
Baumann
Hartenstein
p UTrjS’.'jOtU'JUl Ullisor)
175
558
155
124
181
205
441
440
229
258
131
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2
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1
Bochum.
Bonn.
Crefeld.
Dresden.
Essen.
Gelsenkirchen . . .
Halle a/S.
Hannover , . . . .
Leipzig.
Mühlheim a/Rh. . .
Strassburg . . . .
Witten.
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Original frnm
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
298
Heinbich Bebgeb:
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leicht einzusehen, dass das im Flussbett dahin fliessende Wasser ganz wie
wir das im Laboratorium sehen, ansaugend auf das Grundwasser neben dem
Flusse wirken muss. Freilich waren bereits einige Ausnahmen registrirt.
Flügge stellt die grosse Durchlässigkeit des Oderbettes fest und
erklärt den höheren Kalkgehalt des Leitungswassers, dieses trifft für
Hannover auch zu. Systematische Analysen, Studium der Depressious-
curven, Temperaturmessungen werden unzweifelhaft einen Zusammenhang
des Leine-, bezw. Ihmewassers mit dem Leitungswasser darthun, über
welchen überhaupt schon jetzt ein Zweifel nicht möglich ist.
Die hygienische Bedeutuug des Zutritts des Flusswassers zum Leitungs¬
wasser ist nach Flügge nicht hoch anzuschlagen, die Infectiousgefahr
wird nicht erhöht, in Breslau genügt eine wenige Meter dicke Boden¬
schicht, Keime aus dem Wasser fern zu halten.
Nun kommen allerorts ja verschiedene Verhältnisse in Betracht, aber
die Beobachtungen Flügge’s von den Bakterien als allgemein gültig an¬
genommen, so gilt das noch nicht für anorganische Stoffe, auch die Ver¬
unreinigungen damit können uns nicht gleichgültig sein. Dann aber ist
bei der Thätigkeit der Pumpwerke eine Auswaschung des Bodens zu be¬
rücksichtigen, der Boden behält nicht seine natürliche Beschaffenheit, dazu
gesellen sich noch die verändernden Lösungsverhältnisse des salzigen Wassers.
Wie oben schon gesagt, wird Hochwasser, das bei der Leine öfter
eintritt, besonders das Grundwasser beeinflussen. Dieser Ansicht ist auch
Kruse.
Ohlmüller begutachtete 1890 das Wasser in Magdeburg.
Er fand, dass in Folge der Versalzung der Elbe auch von dem Filter
des städtischen Wasserwerkes ablaufendes Wasser eine Zunahme an Chlor,
Schwefelsäure, Kalk und Magnesia zeigte.
Es fanden sich Milligramm im Liter:
Chlor
Schwefelsäure
Kalk
Magnesia
SO,,
CaO
MgO
am
26. VI.
89.
126
58-2
53-8
14-7
22.X.
89.
112
68-3
34-5
—
?>
18. VIII.91.
318
100-6
68.4
30-8
5?
10. XI.
91.
470
112-5
78-1
29-2
Ohlmüller kommt zu dem Schluss, dass, wenn auch zwar eine
directe Schädigung der Gesundheit durch den Genuss des Wassers in ab¬
sehbarer Zeit nicht zu befürchten sei, trotzdem seine Verwendbarkeit als
Trinkwasser in absehbarer Zeit in Frage gestellt werden könne und zwar
wegen seines Geschmackes. Das Gutachten hebt noch hervor, dass sich
eine Verlegung der Wasserwerke empfiehlt (die Verunreinigungen der Elbe
machen sich auf dem linken Ufer viel stärker bemerkbar als auf dem rechten).
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Einleitung von Kaliabwassebn en Flüsse.
299
Man kann doch wohl, wenn die kostspieligen Wasserversorgungs¬
anlagen grosser Städte auch nur entfernt in Frage gestellt werden können,
nicht über die Entscheidung im Zweifel sein, zumal es sich um Einleitung
in einen schon im höchsten Grade verunreinigten Fluss handelt, dessen
Wasser jetzt in verschiedener Richtung eben noch verwendbar ist, dessen
Verwendung dann wahrscheinlich auch sonst ganz unmöglich würde, ab¬
gesehen von eventuellen directen Schädigungen.
Ferner aber wird der Uebertritt von Flusswasser ein bedeutender
werden bei stärkerer Inanspruchnahme des Leitungswassers, und diese
ist bei einer wachsenden Grossstadt ohne Weiteres gegeben.
Das Hülfswasserwerk bei Grasdorf liegt nur l-3 km unterhalb der
Einmündung der Endlaugen von Hohenfels und das für das Leitungs¬
wasser in Betracht kommende Grundwassergebiet liegt wieder nur 8 • 6 km
flussabwärts.
Da ist von einer Selbstreinigung des Flusses noch nicht viel die Rede.
Auch darauf sei noch hingewiesen, dass gerade in der Leine allerhand
Ungeziefer für eine Communication zwischen dem verschlammten Flussbett
und dem Grundwasser sorgt
Nun wird eingewendet, das ist ja jetzt schon alles der Fall, die Leine
ist jetzt schon sehr stark verunreinigt, all das Ausgeführte ist jetzt schon
da und zahlenmässig ist bewiesen, dass die Veränderung, welche durch
die Einführung der Kaliendlaugen hervorgebracht würde, nur eine ganz
geringfügige ist, es handelt sich nicht um etwas Neues, sondern nur um
ein ganz geringes, in vielen Fällen nur für den Analytiker wahrnehmbares
Plus, dieses Plus ist so verschwindend, dass eine neue Schädigung in
gewerblicher, landwirtschaftlicher, hygienischer Beziehung ausgeschlossen
ist, dass die geringe Veränderung aber wenigstens erträglich ist
Eine Beeinträchtigung der Brunnenanlagen im Gebiete des Flusses
ist wohl nicht zu bezweifeln, es soll durchaus zugegeben werden, dass die
tiltrirende Kraft des Bodens eine sehr grosse ist, aber schon oben ist
darauf hingewiesen worden, dass wir durchaus noch nicht übersehen
können, welche Aenderungen sich einstellen werden.
Auch im Uebrigen sollen neue Schädigungen nicht hinzutreten, das
ist aber nicht richtig, über den Einfluss der verunreinigten Wasser auf
Landwirtschaft, Fische, Gewerbe sind die Acten durchaus noch nicht
geschlossen, da stehen uns noch durchaus nicht einwandfreie Beobachtungen
zu Gebote. Im Leben sind die Vorgänge zu complicirt, als dass sie ohne
Weiteres durchsichtig wären, und dass Schädigungen nahe liegen, das
wird ja schon dadurch, auch von denen, die solche ableugnen, zugegeben,
dass sie versuchen, die Schädigungen auf das kleinste Maass zurück¬
zuführen. Der Behauptung, dass es sich nur uni geringe Veränderungen
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300
Heinbich Berger:
handle, die nicht ins Gewicht fallen, kann man ebenso entgegenhalten,
eine Grenze muss aber doch da sein, wo liegt diese, hat man diese Grenze
nicht offenbar schon überschritten, nach den zu Tage tretenden Schädigungen
zu urtheilen?
Reine Flüsse sind überhaupt heutzutage eine Seltenheit, man ver¬
langt aber von keinem Fluss mehr heute, dass er ein Schwan sei
Wenn man eine Grenze der Verunreinigung aufstellen kann, dann
ist die höchstzulässige doch die, dass ein Wasser widerlich wird, und das
ist bei der Leine bereits der Fall, ich kenne viele, die auf den Genuss
des Schwimmens verzichten, weil das Leinewasser zu unsauber geworden ist.
Die angestellten Berechnungen beziehen sich auf die Endlaugen von
2000 Doppelcentnern täglicher Carnallitverarbeitung, nun sind diese End¬
laugen nichts weniger als constant in ihrer Zusammensetzung, wie aber,
wenn es nicht bei den Endlaugen bleibt? Wie stellen sich die Zahlen,
wenn Kieserit mit verarbeitet wird, wie es vielfach geschieht, günstiger
doch auf keinen Fall. AVie steht es weiter, wenn Schachtwässer auftreten?
Die Kalibergwerke haben alle mehr oder minder mit Bergwässern zu
rechnen und es ist für die in Betracht kommenden Verhältnisse sehr be¬
zeichnend, dass 1898 das Wasser der Innerste, in Folge der Einleitung
von Schachtlaugen der Goslar-Salzdetfurther Kaliwerke so verschlechtert
wurde, dass es in der Industrie Schädigungen anrichtete, obwohl es erst
18-3 Härtegrade zeigte. Also die Verhältnisse liegen gar nicht so einfach,
da muss alles zusammen berücksichtigt werden, man kann nicht einen
Factor, wie hier die Härte herausgreifen.
Soll bei einem Wassereinbruch in den Schacht das Auspumpen dieses
und die Ableitung auch gestattet sein, soweit nicht die 30 normirten
Härtegrade überschritten werden? Folgerichtig würde das auch zu ge¬
statten sein. Das dürfte aber kaum angängig sein, und das Einzige würde
da sein, den Schacht ruhig ersaufen zu lassen.
Rubner und Schmidtmann weisen auch auf die Beschaffenheit
der Kaliendlaugen hin, welche auf Brom verarbeitet worden sind, welche
in der Menge zwar nicht verändert, sauer reagiren und freies Chlor ent¬
halten. Wo diese Laugen in Flüsse geleitet werden, müssen diese beiden
Uebelstände beseitigt werden.
Die Zunahme der Härte ist ja an sich bei der Leine schon recht
schwerwiegend, hier würde theilweise eine Einleitung der Abwässer nicht
möglich sein, wenn die Grenze von 30° nicht überschritten werden soll.
Darf eine Fabrik nun soweit einleiten, bis als höchste Härte das Wasser
des Flusses 30° erreicht, dann ist jede flussabwärts gelegene Fabrik von
den flussaufwärts gelegenen abhängig. Bei allen Berechnungen ist nun
angenommen, dass sich die zufliessende Lauge gleichmässig im Wasser
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Gck igle
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Einleitung von Kaliabwassern in Flüsse. 301
vertheilt, und dann gelten ja die angegebenen Zahlen, die ausgerechneten
Verdünnungen. Das ist aber gerade bei den Kalilaugen erfahrungsgemäss
nicht der Fall. Lehrreich sind die Erfahrungen an der Elbe, da hat
Kraut an jeder Stelle, in jeder Tiefe des Flusses von einander abweichende
Zahlen gefunden (siehe oben) und das war 6 Meilen unterhalb der Ein¬
mündung der Saale. Bei einem Wehr sammelt sich die concentrirte
Salzlösung in der Tiefe an, wie Römer bei Rothenburg a./Saale fand,
da waren in einer Tiefe von l m 1800—2500CI, bei l*5 m Tiefe
35650 ra? CI und bei 3 bis 5 m Tiefe 41241CI vorhanden, also
Schwankungen um das 20 fache.
In der Leine finden sich verschiedene Stauanlagen, so auch am Be¬
ginne des Schnellen Grabens, wenn da also eine Anreicherung von Salzen
eintritt, dann vielleicht Hochwasser die stark salzhaltigen Wässer nach
dem Schnellen Graben drückt, wo der kiesige Untergrund viel durch¬
lässiger ist, als der lehmige der Leine, so können allerlei Ueberraschungen
herauskommen.
Auch sonst finden sich Stauanlagen, welche erst eine Anreicherung
des Salzes ermöglichen, dann plötzlich concentrirte Wässer laufen lassen,
da ist eine Schädigung der Landwirthschaft doch recht naheliegend.
Gerade die Leine zeigt ein schnelles Fallen des Wassers im Sommer,
überall an den Ufern wird über schlechte Ausdünstungen geklagt, da
können eingetretene Salzlösungen in den oberen Bodenschichten zurück¬
gehalten werden, auch bei Ueberschwemmungen können concentrirte Salz¬
lösungen auf manche Ländereien gelangen, und beides ist zum Schaden
der Landwirtschaft.
Die Leine liegt mit ihrem Flussbett viel höher als die Ihme und
die angrenzenden Wiesen. Bei Hochwasser suchte sich früher die Leine
durch die Lindener und Rickliuger Wiesen einen Weg zur Ihme zu
bahnen, ein Leinedurchbruch fand 1890 statt, der Uferdamm der Leine
riss, das Wasser floss auf das Dorf Ricklingen zu und gelangte bei der
Eisenbahn in die Ihme. Der Durchbruch wurde damals nach anstrengender
Arbeit beseitigt.
Wie da eine Wirkung concentrirter Endlaugen wirken kann, braucht
gar nicht mehr erörtert zu werden.
Es kann nicht ausbleiben, dass die verschiedensten Schädigungen
zum grossen Theil gerechtfertigter Weise, zum Theil dann aber auch
nicht gerechtfertigter Weise, auf das versalzene Wasser zurückgeführt
werden, und dass eine Einleitung von Endlaugen so dicht an einer Gross¬
stadt einen wahren Rattenkönig von Processen im Gefolge hat.
Und bei den verschiedenen Ersatzansprüchen würde sich das Werk,
welches jetzt die Einleitung plant, besser stehen, überhaupt gleich von
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802
Heineich Bergee:
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der Einleitung abzuseben und eine andere Beseitigung der Endlaugen ins
Auge zu fassen.
Die Leine ist aber kein reines Gewässer, das eine kleine Verun¬
reinigung vertragen kann (und diese Verunreinigung ist keine kleine!), ja
sie ist jetzt schon hochgradig verschmutzt, da machen sich die kleinsten
Verunreinigungen weiterhin gerade nach der schlechten Seite besonders
schwer bemerkbar.
Schon jetzt besteht ein begründetes Misstrauen gegen das Leine¬
wasser. Wenn sich aber im Leitungswasser deutliche Einflüsse der in
der Leine eingeleiteten Endlaugen bemerkbar machen, dann wird auch
gegen dieses Misstrauen gefasst werden, und das wird weitere Folgen
haben, welche dem Hygieniker nicht gleichgültig sein können.
Da ist es zu spät, dem Laien klar zu machen, dass nach wie vor
gut filtrirtes Leinewasser getrunken wird, dass jetzt nur einige Salze
mehr sind und das Wasser etwas härter ist, dann sagt er einfach: „Nein,
das dreckige Leinewasser will ich nicht.“
Ist demnach an sich die Zufuhr von Salzen und die Vermehrung der
Härte nicht gleichgültig, so wird man die Einleitung von Kaliendlaugen
in die Flüsse versagen müssen, wenn die Härte des Flusswassers an sich
schon eine grosse, 30° streifende ist. Dabei wäre dann eine fortwährende
Coutrole des Flusswassers unausbleiblich und ein zeitweiliges Verbieten
der Einleitung der Endlaugen nothwendig. Die Zunahme der Härte
macht das Wasser in manchen Gewerben schwerer verwendbar. Eine
Schädigung der Landwirthschaft und der Fischzucht ist leicht möglich,
ausserdem eine Beeinflussung des Grundwassers im Flussgebiet, besonders
wenn der Boden sehr durchlässig ist, dabei ist der Einfluss des veränderten
Wassers auf die Bodenverhältnisse nicht ausser Acht zu lassen. Eine
gleichmässige Vertheilung der Endlaugen im Flusswasser ist schwierig
und man wird besonders bereits hochgradig verschmutzte Flüsse nicht
weiter verunreinigen lassen dürfen.
Ist es möglich, die Endlaugen auf andere Weise los zu werden, so
würde dies in Betracht gezogen werden müssen.
Ein Eindampfen ist nur in beschränktem Umfange möglich, da der
Bedarf an festem Chlormagnesium nur ein ganz geringer ist» Von einer
Seite wird einer Verwendung als Füllmaterial im Bergbau das Wort geredet.
Gangbar dürfte auch der Weg sein, dass mehrere an einem kleinen
Flusse, der noch grosse Städte flussabwärts zu versorgen hat, gelegene
Fabriken gemeinsame Leitungen nach grossen wasserreichen Strömen,
welche auf langer Strecke keine grosse Stadt passiren, bauen, meines
Erachtens ist diese Art der Beseitigung der Endlaugen noch billiger, als
wenn die Fabriken die beständige Controle des Wassers bezahlen müssen
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Einleitung von Kaliabwässern in Flüsse.
303
und zeitweise überhaupt nicht einleiten können, weil die festgesetzte Norm
überschritten ist.
Diese Norm müsste ausgedrückt sein in Zahlen, welche die gesammte
zulässige Salzführung zum Ausdruck bringen, nur so lassen sich feste
Anhaltspunkte gewinnen.
Die Bestimmungen müssen so lauten, dass die secundliche Ableitung
von so und so viel Gramm Salzen mit so und so viel Gramm Chlor¬
magnesium und so und so viel Gramm schwefelsaurer Magnesia gestattet
sind, so dass eine Zunahme der Salze und der Härte im Flusse bei der
nnd der Wasserführung auf höchstens so und so viel stattfinden kann.
Bei der Ableitung von Abgängen in öffentliche Gewässer ist zu unter¬
suchen, ob die durch die Einleitung entstehenden Nachtheile, Gefahren
nnd Belästigungen dasjenige Maass überschreiten, dessen Duldung sowohl
den Nachbarn als dem Publikum im Interesse der für die allgemeine
Wohlfahrt unentbehrlichen Industrie angesonnen werden kann.
Die Concession ist zu versagen, wenn von der Ableitung der Betriebs¬
abgänge in die Wasserläufe erhebliche Uebelstände zu besorgen sind.
Das wird von der Sachlage des einzelnen Falles abhängen. Die Ableitung
der Abwässer von Kalifabriken wird aber in wasserarme Flüsse, und ober¬
halb grösserer Städte im Allgemeinen nicht gestattet werden können.
Bemerkung bei der Correctur. Während des Druckes der Arbeit erschien
eine Abhandlung von Kraut, Oum gra?w sali». Die Kaliindwtti'ie im Leine - und
Wetergebiete. Berlin 1902, Polytechnische Buchhandlung. Bei dem ausgesprochen
polemischen Charakter der Abhandlung, welche ich von Hrn. Geheimrath Kraut zu
erhalten den Vorzug hatte, muss ich es mir versagen, auf dieselbe einzugehen.
Dass ich mich nicht den Ausführungen Kraut’s anschliesse, bedarf nach dem
Gesagten nicht besonderer Betonung.
Die einzelnen Punkte in der Arbeit Kraut’s dürften von verschiedenen Seiten
eine Widerlegung bezw. Modificirung erfahren.
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
304 Heinrich Berger: Einleitung von Kaliabwässern in Flüsse.
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Litteratur-Verzeichniss.
Beckurts, Beitrage zur Verunreinigung und Selbstreinigung von Flussläufen.
I. Ueber die Veränderung, welche das Wasser der Oker und Aller durch die Ab¬
wässer der Chlorkalium-Fabrik der Gewerkschaft Thiederhall erleidet. Arch. Pharm.
Bd. CCXXXU. S. 387.
Rubner, Beitrag zur Kenntniss der Flussverunreinigung durch anorganische
Stoffe. Hygienische Rundschau. 1895. Nr. 20. 8. 925.
Thörner, Ueber eine Ursache der Sterblichkeit der Fische bei Flusswasser¬
verunreinigungen. Forsch.-Ber. u. Lebensm. Hyg. forens. Chem . u. Pharmak. 1897.
Kraut, Die Kaliindustrie der Provinz Hannover . Berlin 1898.
Rubner-Schmidtmann, Ueber die Einwirkung der Kaliindustrie-Abwässer
auf die Flüsse. Vierteljahrsschrift für gerichtl. Medicin und öffentl. Sanitdfssmen.
1901. Supplement.
Thiem, Grundwasserversorgung mit besonderer Berücksichtigung der Enteise¬
nung. — Vortrag auf der XXI. Versammlung des deutschen Vereins für öffentliche
Gesundheitspflege in Kiel. Deutsche Vierteljahrsschrift für öffentl . Gesundheitspflege.
1897.
Flügge, Ueber die Beziehungen zwischen Flusswasser und Grundwasser in
Breslau, nebst kritischen Betrachtungen über die Leistungsfähigkeit der chemischen
Trinkwasser-Analyse. Diese Zeitschrift. Bd. XXII. S. 445.
Jaeger, Die Wechselbeziehungen zwischen Fluss- und Grundwasser in hygie¬
nischer Beziehung. — Vortrag, gehalten in der allgemeinen Sitzung der physikalisch-
ökonomischen Gesellschaft am 3. März 1898. Hygienische Rundschau . 1898.
Gärtner, Die Dresdener Wasserfrage. Ebenda. 1897.
Ohlmtiller, Weiteres Gutachten, betreffend die Wasserversorgung der Stadt
Magdeburg. Arbeiten aus dem Kaiserl . Gesundheitsamte . Bd. VIEL
Borgmann, Vortrag über die Abwässer der Kaliindustrie. Confercnz der Ge¬
werbeaufsichtsbeamten in den Reg.-Bez. Hannover , Osnabrück , Aurich am 30. XI- *•
am 1 . XII. 1900 in Hannover .
F. Fischer, Die chemische Technologie des Wassers. Braunschweig 1878.
Koenig und Hünnemeier, Ueber den niedrigsten, für das Leben der Fische
nothwendigen Sauerstoffgehalt des Wassers. Zeitschrift f. Untersuchung d. Nahrungs¬
und Genussmittel. 1901. S. 385.
Beyschlag, Ohlmüller und Ort, Gutachten über die Verunreinigung der
Haase durch die Piesberger Grubenwässer und deren Folgen. Arbeiten a. d. Kaiser!
Gesundheitsamte. Bd. XVII. S. 217.
Kruse, Ueber die Einwirkung der Flüsse auf Grund Wasserversorgungen und
deren hygienische Folgen. Centralblatt fl allgem. Gesundheitspflege. 1900. Bd. XIX.
S. 113.
Gck 'gle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
[Aus der bakteriologischen Anstalt der Stadt Danzig.]
Der Nachweis von Typhusbacillen am Menschen.
Von
Albrecht Burdach,
approb. Arzt ans Deutach-Ejlau.
Seitdem durch Gaffky die specifische Bedeutung des Ebert-Koch-
schen Bacillus erwiesen war, bestrebte man sich, als praktischen Nutzen
dieser Entdeckung, den Bacillennachweis am Typhuskranken zur Sicherung
der nach den klinischen Symptomen oft so schwierigen Diagnose zu
führen. Diese Bemühungen waren zum Theil von Erfolg gekrönt, jedoch
gestaltete sich der Nachweis der Typhusbacillen zu schwierig, als dass er
ein allgemein übliches diagnostisches Hülfsmittel hätte werden können,
and so kam es, dass nach der Entdeckung der Gruber-Vidal’schen
Reaction dieser zum diagnostischen Zweck vor dem Bacillenuachweis
überall der Vorzug eingeräumt wurde. Allein die letzten Jahre mit ihren
zahlreichen Beobachtungen für und wider die Vidal’sche Reaction haben
ihren wahren Werth gezeigt als den eines Symptoms, das im Verlauf der
Krankheit sowohl lange oder gänzlich fehlen, als auch, wenn auch in
seltenen Fällen auf falsche Wege leiten kann, indem ein positiver Ausfall
durch einen vor Jahren überstandenen Typhus, der als solcher wegen seiner
leichten Form gar nicht erkannt zu sein braucht, bedingt sein kann.
Wenn demnach der Bacillennachweis auch erst dann erbracht wird, wenn
die Vidal’sche Reaction schon positiv war, wird er gewissermaassen zur
Controle derselben einen höheren diagnostischen Werth haben. Im Allge¬
meinen bedeutsamer und unbestreitbar bleibt der hygienische Zweck
des Bacillennachweises. Wie die bakteriologische und damit absolut sichere
Erkennung einer Infectionskrankheit im Allgemeinen prophylaktische Maass-
Zeitechr. t Hygiene. XLI. 20
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
306
Albrecht Bürdach:
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nahmen zum Schutze der Umgebung des Kranken zur Folge hat, so wird
durch den Bacillen nach weis in Se- und Excreten für diese Maassnahmen
im Besonderen der richtige Weg gewiesen. Ferner haben wir dadurch
speciell für den Typhusbacillus auch erkannt, dass derselbe sich noch in
der Reconvalescenz lange im menschlichen Körper zu erhalten vermag
und z. B. durch den Urin oder durch Eiter aus metastatischen Herden
sehr wohl in die Aussenwelt gelangen kann, obwohl man seinen Träger
längst für ungefährlich ansehen zu dürfen glaubte. Wir müsseu also
jede Erleichterung des Bacillennachweises durch neue Methoden nicht nur
vom klinischen Standpunkt als nutzbringend ansehen, sondern sie als
einen Fortschritt im Kampf gegen die Infectionskrankheiten begrüssen.
Identiflcirung des Typhusbacillus.
Wenn wir einen Bacillus nachweisen wollen, so müssen wir im
Stande sein, ihn mit aller Sicherheit zu erkennen und ihn von allen ihm
ähnlichen Mikroorganismen zu unterscheiden. Diese Forderung war und
ist auch noch für den Typhusbacillus keine ganz einfache, weil wir jeden
fraglichen Bacillus einer ganzen Reihe von Prüfungen unterwerfen müssen,
ehe wir ihn mit Bestimmtheit als Bacillus typhi bezeichnen dürfen. 1 Seit
längerer Zeit können wir folgende sicheren Eigenschaften, von denen jede
für sich zwar auch vielen anderen Bakterien zukommt, aber alle vereinigt
den Typhusbacillus kennzeichnen:
1. das charakteristische Aussehen der Gelatineoberfläche,
2. die lebhafte Beweglichkeit der in ihrer Form sehr wechselnden
Stäbchen, die in einem für dieselben günstigen Nährboden bei Blut¬
temperatur gezüchtet sind,
3. eine grosse Zahl peritrieher Geissein,
4. die Ablehnung der Gram’schen Färbung,
5. das Ausbleiben der Gasbildung in mit Trauben, Milch- oder Rohr¬
zucker versetzten Nährböden,
6. Wachsthum in steriler Milch, ohne dieselbe zur Gerinnung zu
bringen,
7. das Wachsthum in eiweisshaltigen Nährböden ohne Indol zu bilden.
1 W. Lösner, Ueber das Vorkommen von Bakterien mit den Eigenschaften
des Typhusbaeillus in unserer Umgebung ohne nachweisliche Beziehung zu Typbus¬
erkrankungen nebst Beiträgen zur bakteriologischen Diagnose des Typhusbaeillus.
Arbeiten aus dem Kais er l. Gesundheitsamte, B<1. XI. S. 208.
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Deb Nachweis von Typhusbacillen am Menschen.
307
8. Säurebildung in Milchserum, welche die Grenze 3 Proceut (ent¬
sprechend Vio Nonnalnatronlösung) nicht übersteigt,
9. Wachsthum auf der Kartoffel in der gleichen Weise, wie das einer
Typhusparallelcultur auf der anderen Hälfte derselben Kartoffel,
10. Ausbleiben des Wachsthums in der Maassen’scben Normallösung
mit Glycerinzusatz.
Diese Merkmale haben sich ergehen aus den zahlreichen Versuchen
einer leichten Differenzirung der Typhusbacillen gegen die Bakterien der
Coligruppe. Bei der Prüfung der in den nachfolgenden Untersuchungen
gefundenen Bakterien wurde stets die lebhafte Beweglichkeit im hängen¬
den Tropfen von einer Bouillonaufschwemmung einer 12 ständigen Agar-
cultur, die Entfärbung nach der Gram’schen Methode im Trockenpräparat,
die gleichmässige Trübung von Traubenzuckerbouillon im Gährungskölbchen
ohne Gasbildung, die Farbennuance der Petruschky’schen Lackmus¬
molke im Vergleich zu Controlculturen von Typhus, Coli und Alkaligenes,
das Ausbleiben der Milchgerinnung während ca. 8 tägiger Beobachtung,
das Ausbleiben der Indolreaction in alten Peptonwasserculturen und endlich
die Nichtverflüssigung der Gelatinestichculturen geprüft. Daueben wurde
öfters als in gleicher Weise bequemes Dififerenzirungsmittel gegen Bacterium
coli die Romond’sche 1 * 4 procentige Lactosegelatine mit etwas Säurefuchsin
versetzt angewandt. In diesem nach dem Neutralismen farblosen Nähr¬
boden bringen Colibacillen nach 24 bis 48 Stunden eine intensive kirsch-
rothe Farbe und Gasblasen hervor, während Typhusbacillen in derselben
Zeit einen leichtrothen. Hauch um die unteren Partieen des Stichcanals
bilden als deutlichen Ausdruck der ganz geringen Säurebildung, deren der
Typhusbacillus in lacktose haltigen Nährmedien fähig ist.
Da nun aber von Pansini* in Leberabscessen und von Loesner 3
Bacillen ohne nachweisbaren Zusammenhang mit Typhuserkrankungen
in vergrabenen Thiercadavern und in der Ackererde gefunden worden
sind, welche alle vorhin aufgezählten Bedingungen erfüllten, jedoch
wegen ihrer auffallenden Fundstätten nur als Pseudotyphusbacillen auf¬
gefasst werden können (Kruse 4 ), so müssen wir zu alledem als ent¬
scheidend die Mittel der modernen Serumdiagnostik für die Identificirung
eines Typhusbacillus ansehen. Hier sei zunächst noch ein Ueberblick
1 F. Romond, Nouveau milieu pouvant servir ä differeneier le bacille d’Kbertli
du bacterium coli. Compt. rend. de la Soc. de Biol. Nr. 28. p. 889.
* S. Pansini, Alcuni casi di asepssi del fegato c di cisti echinococco dd fo-
gato suppurate. Riforma medica. 1893. Nr. 95—99.
8 Lösner, a. a. O.
4 F1 ü £ g e. Mikrourqanismen.
20 *
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Albrecht Bürdach:
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über die Entwickelung dieser Diagnostik gegeben. R. Pfeiffer 1 * fand
zuerst, dass das Serum von mit durch Chloroform abgetödteten Typhus-
culturen immunisirten Thieren eine specifisch baktericide Wirkung allein
gegen Typhusbacillen besitzt, die man als eine „lysogene“ deutlich in
der Bauchhöhle eines Meerschweinchens, dem man gleichzeitig die letale
Dosis der Typhuscultur und Immunserum einspritzt, verfolgen kann.
Während das Controlthier, dem man nur dieselbe Dosis der Typhuscultur
einverleibt, zu Grunde geht, bleibt das in der genannten Weise behandelte
Thier leben. Durch den positiven Ausfall dieses Versuches „der Pfeiffer¬
schen Immunitätsreaction“ wird ein Bacillus mit absoluter Sicherheit als
Typhusbacillus bestimmt. In Gemeinschaft mit Ko Ile* fand dann
Pfeiffer, dass auch in vitro das Immunserum, in welches er eine Oese
Typhuscultur brachte, eine specifische Wirkung entfaltete, indem die
Bacillen sich zusammenballten, und dass zu den gleichen Versuchen in
vitro und am Versuchsthier auch das Serum von Typhusreconvalescenten 3
zu verwenden sei. Gr über 4 5 war es dann, der gemeinschaftlich mit
Durham die Agglutinationsfahigkeit des Immunserums in Verdünnungen,
in denen gewöhnliches Serum nicht mehr wirksam ist, klarstellte. Vidal
beobachtete sodann diese Fähigkeit am Serum des Typhuskranken sogar
in frühen Stadien der Erkrankung. In der weiteren Entwickelung der
Serodiagnostik benutzte man im umgekehrten Wege das Serum von
Typhuskranken, wenn es eine positive Vidal’sche Reaction gegeben hatte,
auch zur Prüfung der Echtheit von Typhusbacillen. Es war dies das auf
die leichteste Weise zu erhaltende Typhusserum, da man es fast bei jeder
Vidal’schen Reaction ersparte. Bartoschewitsch 6 schlägt z. B. vor.
das Blutserum von Typhuskranken in verlöteten Glasröhren zu conser-
viren und zur definitiven Bestimmung der aus verdächtigem Wasser ge¬
züchteten typhusähnlichen Bacillen zu benutzen. Indessen lehrte bald die
Erfahrung, dass das Serum von Typhuskranken auch auf Colibacillen
1 R. Pfeiffer, Ueber die specifische ImmuDitätsreaction der Typhnsbsoilltn-
Deutsche med. Wochenschrift. 1894. Nr. 48.
1 E. Pfeiffer u. W. Kolle, Zur Differentialdiagnose der Typhusbacillen ver¬
mittelst Serums der gegen Typhus immunisirten Thiere. E!)enda. 1896. Nr. 12.
3 Dieselben, Ueber die specifische Immunitätsreaction der Typhusbaeillen.
Diese Zeitschrift. Bd. XXI. S. 203.
4 M. Gruber u. H. E. Durham, Eine neue Methode zur raschen Erkennung
des Choleravibrio und des Typhusbacillus. Deutsche med. Wochenschrift. 1896.
Nr. 13. S. 285.
5 St. Bartoschewitsch, Ueber die Anwendung der Vidal’schen Reaction
zur Bestimmung der Typhusbacillen im Wasser. (Russisch.) Ref. in Baum gar ten s
J ah reshericht. 1897.
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Der Nachweis von Typhlshaclllen am Menschen.
309
agglutinirend wirkt. Diese Beobachtung wurde gemacht nach Curnba 1 * ,
Achard und Bensaude 8 , Ustevedt 3 , Puppo und Ottoni. 4 5
Gelegentlich der Untersuchung eines der Anstalt übersandten typhus¬
verdächtigen Stuhles wurden auch hier lebhaft bewegliche Stäbchen isolirt,
die durch das Serum eines typhuskranken im gleichen Verhältniss wie der
Laboratoriumstyphusstamm 1:50 agglutinirt wurden, sich jedoch bei der
weiteren Prüfung als Bacterium coli erwiesen.
Courmont 6 machte bei seinen Blutserumuntersuchungen die Er¬
fahrung, dass normales Blutserum nicht selten eine agglutinirende Wirkung
auf Colibacillen ausübt und kam zu dem Schluss, dass man deshalb nicht
allein wegen der Agglutinirbarkeit eines Bacillus durch das Serum eines
Typhuskranken den betreffenden Mikroorganismus ohne Weiteres als Typhus¬
bacillus ansprechen dürfe. Christophers 6 constatirte bei einem Normal¬
serum beispielsweise eine agglutinirende Wirkung auf Coli im Verhältniss
von 1:200. Auch Kühnau 7 fand, dass stark wirkende Normalsera in
gleicher Weise wie Typhusbacillen auch Bacillen der Coligruppe und
Vibrioarten beeinflussten und dass die Specificität eines Serums sich erst
dann documentire, wenn es Typhusbacillen ungleich stärker agglutinirte,
als Colibacillen. Biberstein’s 8 interessante Beobachtungen zeigen, dass
einmal die Sera von Typhuskranken in der Mehrzahl die Colibacillen in
stärkerer Verdünnung agglutinirten, als die Sera Nichttyphuskranker. Am
wichtigsten erscheint ferner, dass in fünf seiner Typhusfalle das Serum
der Kranken die Colibacillen stärker agglutinirte, als die Typhusbacillen.
Gleich ihm schliesst Stern 9 , der ähnliche Befunde machte, dass ein
1 Comba, La siero diagnostica della febre tifoide. Riforma medica . Nr. 288.
p. 749.
* Cb. Achard et K. Bensaude, Sur l’agglutination des divers öchantillons du
bacille d'ßberth et des bacilles paratyphiques. Compt. rend . de Biol. p. 940.
* Ustvedt, Undersögelser om WidaPs reaction. Forhandl. vid endra nordiska
Congressen for intcärtes medicin i Oristiania. 11. bis 18. Aug. p. 188.
4 B. Puppo e V. Ottoni, Sulla agglutinazione come mezzo diagnostico del
bacillo tifico. Annali d’igiene sperim . Vol. VIII. p. 145.
5 P. Courmont, S^rodiagnostic de la ftevre typhoide. Action du slrum de
typhiques sur le bacille d^berth le bacterium coli et quelques autres microbes.
Üemaine mSd. Nr. 87. p. 299.
6 S. R. Christophers, Note on the specific action of normal human serum
upon the bacillus coli communis. British med . Journal . Vol. I. p. 71.
7 M. Kühnau, Ueber die Bedeutung der Serodiagnostik beim Abdominaltyphus.
Berliner med. Wochenschrift . Nr. 19. S. 397.
8 M. Biberstein, Beiträge zur Serumdiagnostik des Abdominaltyphus. Diese
Zeitschrift '. Bd. XXVII. S. 347.
9 Stern, Typhusserum u. Colibacillen. Centralblatt für Bakteriologie. Abth. I.
Bd. XXIIL Nr. 16. S. 673.
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Albrecht Bürbach:
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typhusverdächtiger Bacillus auch dann nicht mit Sicherheit als Typhus-
bacillus angesehen werden könne, wenn er durch das Blutserum eines
Typhuskrauken in stärkerer Verdünnung, selbst in noch stärkerer Ver¬
dünnung, als eine zweifellose Typhuscultur agglutinirt wird. Durham 1 *
beobachtete mit Typhuskranken- bezw. Reconvalescentenserum auch am
Bacillus enteritidis (Gärtner) eine positive Agglutinationsreaction, sogar
im Verhältnis 1:100.
Nach allen diesen Beobachtungen erscheint der Werth der Aggluti¬
nation durch ein Typhusserum an sich zur Bestimmung des Typhus¬
bacillus etwa ebenso unsicher, als derjenige der Beweglichkeit Sei es,
dass nun früher überstandene Darmerkrankungen die Wirksamkeit des
Serums gegenüber Darmbakterien bedingen, sei es, besonders beim Ab¬
dominaltyphus selbst in Folge der Darmläsionen Mischinfectionen mit
Darmbakterien diese Eigenschaft des Serums hervorbringen, jedenfalls
dürfte es nicht unwahrscheinlich sein, dass analoge Verhältnisse auch bei
unseren Versuchstieren, die wir gegen Typhus immunisiren, eine viel¬
seitige Wirksamkeit des Serums mitunter erzeugen können, und deshalb
erst die ganz hervorragend durch fortgesetzte Immunisirung gesteigerte
Wirksamkeit eines Serums absolut specifisch ist. Die mit Typhusimmun-
serum gemachten Erfahrungen der Autoren sind zum Theil einander wider¬
sprechend. Während Fodor und Rigi er* im Serum von gegen Typhus
immunisirten Meerschweinchen in Verdünnungen von 1:50, Christophen 3
im Serum ebensolcher Kaninchen und van de Velde 4 5 im Serum eines
immunisirten Pferdes, das sogar eine Agglutinationskraft von 1:100000
besass, ein absolut sicheres Reagens zur Erkennung von Typhusbacillen
mittels der Gruber-Durham’schen Reaction erblicken zu dürfen glaubten,
so existiren andererseits Beobachtungen von Beco 6 , Mauro Jatta 6 und
1 H. E. Durham, On the serum diagnosis of typhoid fever with especial röte¬
ren ce to the bacillus of Gärtner and its allies. Lancet. 1898. Vol. I. p. 154.
* J. v. Fodor und G. Kieler, Das Blut mit Typhusbacillen inficirter Thiere.
Centralhlatt für Bakteriologie. Abth. I. Bd. XXIII. Nr. 21. 8. 930.
8 8. R. Oh ri stop her s. Normal serum in the relation to the diagnosis of the
typhoid bacillus. British med. Journal . Vol. II. p. 599.
4 H. van de Velde, Valeur de l'agglutination dans la s^rodiagnose de Vidal
et dans Tidentification des Bacilles eberthiformes. Centralhlatt für BaJcteriolme.
Abth. I. Bd. XXIII. Nr. 12. 8. 481. — Nr. 13. 8.547.
5 Beco, Recherchen sur la valeur de ragglutination par la formaline et le serum
des typhises entairt que moyen de diagnostic entre le bacillus typhosus et le colibacilU’.
Bull . de l’Acad. de Med. Belgiques .
6 Mauro Jatta, Experimentelle Untersuchungen über die Agglutination de»
Typhusbacillus u. der Mikroorganismen der Coligruppe. Biese Zeitsehr. Bd. XXXIII-
8. 185.
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Deb Nachweis von Typhltsbacillen am Menschen.
311
Sternberg 1 * * , die beweisen, dass es in der Gruppe der Coiibakterieu
neben Varietäten, die nicht durch ein Typhusimmunserum aggtutinirt
werden, auch solche giebt, auf welche die agglutinirenden Körper eine
ganz energische Wirkung, selbst in tausendfacher Verdünnung ausüben.
Mauro Jatta, sowie ferner Pfaundler* erklären durch den Begriff
der Gruppenagglutination, d. h. durch ein gewisses verwandtschaftliches
Verhältniss gewisser Bakterien der Coligruppe zum Typhusbacillus die
Thatsache der gleichzeitigen Agglutination durch ein nur durch einen
Bakterienstamm erhaltenes Immunserum und stellet das Verhalten der
verwandten Bakterienarten durch Curven dar, deren Culminationspunkt
durch den inficirenden Stamm eingenommen wird; wenn ein Bacillus, der
typhusverdächtig ist, im Typhusserum überhaupt nicht agglutinirt wird, so
kann er kein Typhusbacillus sein. Ist die Reaction annähernd gleich der
des Typhusbacillus, so kann nur dann mit grösster Wahrscheinlichkeit
die Diagnose auf Typhus gestellt werden, wenn das Agglutinationsver¬
mögen des Serums ein sehr hohes ist. Ohne mit Puppo und Ottoni 8 ,
welche die Gruber-Durham’sche Reaction auch an Bacillen aus Gelb¬
fieberleichen, von denen einige sichere Colibacillen waren, mit Typhus¬
immunserum im positiven Sinne erhielten, an der Brauchbarkeit dieser
Reaction zu verzweifeln, können wir ihr sehr wohl im Sinne Pfaund-
ler’s eine relative Specificität zubilligen, d. h. eine solche, die nur bei
hochwerthigen Sera und in hoher Verdünnung (1:1000 und darüber) zur
Geltung kommt. Daneben muss jedoch immer als Controle das sonstige
biologische und culturelle Verhalten geprüft werden. Bei den folgenden
Untersuchungen wurde die Diagnose „Typhusbacillus“ immer erst gestellt
nach Anstellung der Lackmusmolke- und Gährungsprobe, nach dem Ver¬
halten im Gelatinestich im hängenden Tropfen und gegenüber hoch¬
wertigem Typhusserum bezw. Pfeiffer’schen Immunserum von einer
Ziege bezw. Kaninchen. So gelang die Diagnose meist in 2 bezw. 3 Tagen
eingerechnet die Wachsthumsdauer in Originalaussaaten. Einmal wurde
ein Bacillus aus dem Blute einer typhusverdächtigen Frau gezüchtet nach
der Cast eil ani’schen Methode 4 * * , welcher lebhaft beweglich war und durch
unser Kaninchentyphusimmunserum sofort im Verhältniss 1:150 agglu-
1 Carl Sternberg, Zur Verwerthbarkeit der Agglutination für die Diagnose
des Typhusbacillus. Diese Zeitschrift. Bd. XXXIV. S. 349.
* Pfaundler, Ueber Gruppenagglutination und über das Verhalten des Bact.
coli bei Typhus. Münchener med. Wochenschrift. 1899. Nr. 15. S. 472.
• E. Puppo e V. Ottoni, a. a. O.
4 Castellani, Ueber Blutuntersuchungen bei Typhus. Academia medico physica
zu Florenz. Sitzung vom 16. Januar 1899. — Ref. Münchener med. Wochenschrift.
1899. Nr. 13. S. 434.
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Albkecht Buudacji:
tiuirt wurde, ja iu der Verdünnung 1:1000 zeigte sich noch ein'e starke
Beeinflussung. Indessen lehrten die bis zum nächsten Tage vorgenommeneu
Proben, dass der fragliche Bacillus in Traubenzuckerbouillon reichliche
Gasbildung und iu der Lackmusmolke bemerkenswerther Weise starke
Alkalescenz hervorrief (vergl. Text über Blutuntersuchungen).
Nachdem zur Genüge dargethan sein dürfte, dass zur Identiflciruug
des Typhusbacillus die Agglutinationsreaction in möglichst hohen Ver¬
dünnungen nur mit gleichzeitiger Benutzung der erwähnten chemischen
Proben statthaft ist, namentlich, wenn mau nicht in der Lage ist, den
bisher unangefochtenen Pfeiffer’schen Thierversuch in jedem Falle zu
machen, der übrigens in Bezug auf Schnelligkeit mit den erwähnten
Proben wegen der bei ihm stets nothwendigen Bestimmung der letalen
Dosis nicht concurriren dürfte, gehe ich zum eigentlichen Thema, dem
Nachweis der Typhusbacillen am Menschen, über, wobei ich die in der
Litteratur verzeichneten Untersuchungsergebnisse und die meinigen nach
dem Orte der Herkunft der Bacillen ordne und jedes Mal die entsprechen¬
den Methoden erörtere. Es folge als zuerst erbracht:
Der Nachweis der Typhusbacilien an der Leiche.
Die in der Litteratur verzeichneten Fälle von Bacillennachweis aus
der Typhusleiche dienen in der ersten Zeit unserer Kenntniss des Typhus¬
bacillus lediglich dem Zweck, seine ätiologische Bedeutung sicher zu
stellen. Von seinen Entdeckern Eberth und Koch war er in den
Typhusleichen zuerst gefunden. Gaffky gelang es, ihn daraus rein zu
züchten. Seine Befunde wurden bald durch andere Autoren bestätigt.
Neben dem culturellen Nachweis wurde dabei immer ein grosser Werth
auch auf den histologischen gelegt, der für sich allein freilich nicht be¬
sonders hoch bewerthet werden dürfte. Reher 1 fand die Bacillen in 6 von
7 tödtlich verlaufenen Typhen nicht in mikroskopischen Milz- und Leber¬
schnitten, in dem 7., der eine ältere Leiche betraf, fand er sie und deutete
die angetroffenen Herdbildungen als postmortale Erscheinung; der culturelle
Nachweis glückte immer. Fraenkel nnd Simmonds* züchteten aus
12 frischen Typhusmilzen mittels Koch’schen Plattenverfahrens Typhus-
1 Reher, Zur Aetiologie des Abdominal typhus. Archiv für experiment. Pa (hol
1885. Bd. XIX. S. 420.
* E. Fraenkel und M. Simmonds, Zur Aetiologie des Abdominaltyphus.
Centralblatt für kl in. Mcdirin. 1885. Xr. 84/35. S. 583. — Die ätiologische Bedeu¬
tung des Typhusbaciltus. Mit 3 Farbeutaleln. Hamburg 1886.
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Deb Nachweis von Typhusbacillen am Menschen.
313
cultureu mit allen von Gaffky angegebenen Eigenschaften. Ferner be¬
richten sie über ein grösseres Material von 33 Fällen, wobei in allen
frischen die directe Reinzüchtung aus der Milz gelang. In dem Bestreben,
auch mikroskopisch in Schnitten den Bacillennachweis zu führen, kamen
die beiden Autoren, geleitet durch die von Reher auf Quincke’sKlinik ge¬
machte Beobachtung zu einer Methode der Anreicherung der Bacillen in Milz-
stücbchen, indem sie dieselben in mit Sublimat getränkten Tüchern bei hoher
Zimmertemperatur aufbewahrten, härteten und Schnitte davon machten. In
der Leber fanden sie auf diese Methode Bacillenherde nur in der Hälfte der
Fälle. Vilchour 1 * hatte aus Organen von 4 Typhusleichen 200 Culturen
erhalten, mit denen er vergleichende Untersuchungen anstellte. Rietsch®
konnte bei 36 Typhusleichen 35 Mal die Gegenwart der Typhusbacillen
nachweisen; der 36. Fall war sonst diagnostisch gesichert. Ferner exi-
stiren Leichenuntersuchungen von Kilcher 3 , der dabei gleich Eberth die
Beobachtung machte, dass die Bacillen nur in früheren Krankheitsstadien
in grösserer Menge im Körper anzutreffen waren. Die Untersuchungen
von Merkel und Goldschmidt 4 erstreckten sich auf 5 Typhusmilzen,
in denen culturell und histologisch der Bacillennachweis geführt wurde;
hinsichtlich der von Fraenkel und Simmonds beobachteten postmortalen
Bacillenvermehrung sprechen sie die nicht unbegründete Yermuthung aus,
dass es sich dabei leicht um „ähnliche“ Bacillen handeln könnte.
Des Weiteren finden wir in der Litteratur Fälle von Bacillennachweis
an der Leiche, bei denen diesem bereits vollgültiger diagnostischer Werth
beigemessen wird. Sie betreffen meist atypische Krankheitsbilder, welche
durch den Bacillennachweis an der Leiche erst ihre Erklärung fanden.
Curschmann’s 5 Fall war mit einer der Landry’schen Paralyse ähn¬
lichen Spinalaffection combinirt, so dass intra vitam die Diagnose Typhus
nicht gestellt worden war; aus der Leiche, die übrigens auch für Typhus
charakteristische Darm Veränderungen zeigte, winden durch Plattencultur
aus Brust- und Halsmark Typhusbacillen gezüchtet, ebenfalls aus der
Milz; mikroskopisch fanden sie sich mehr oder minder reichlich in der
1 Vilchour, The bacilli of typhoid fever. The Lancet. 1886. Vol. II. Nr. 3.
* M. Rietsch, Contribution ä Petiologie de la fl&vre typhoide apropos de l’epi-
demie da Pas des Lanciers. Journ. de tarnt, et de la physiol. 1886. Nr. 3.
* Kilcher, O biologii a aetiologiekem vyznamm bacilla tyfoveho. Sljornika
lekarkeho. 1887. T. II. S. 2.
4 Merkel a. Go*ldsch midt, Ueber die diagnostische Verwerthung der Typhus¬
bacillen. Centralblatt für klin. Medicin. 1887. Nr. 22.
* Curschmann, Bemerkungen über das Verhalten des Centralnervensystems
bei acuten Tnfectionskrankheiten. Verhandlungen des Congrcsses für innere Medicin
zu Wiesbaden.
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Albeecht Buhdach:
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weissen Substanz. Banti 1 berichtet über einen Fall ohne Darmläsiuu,
in welchem sich aber aus Milz und Mesenterialdrüsen Typhusbacilleu
züchten liessen. Thue 2 beobachtete einen Fall, der unter dem Bilde einer
acuten Nephritis verlief, bei dem aber bei der Section sich typhöse Dana-
Veränderungen fanden und aus den Organen sich Typhusbacillen züchten
liessen. Einen ähnlichen Fall beschreibt Carbone* und neuerdings
Hodenpyl, 4 welche auffallender Weise im Dünndarm keine typhösen
Veränderungen, sondern nur im Dickdarm Geschwüre fanden und ans
Milz, Mesocolondrüsen und Nieren Typhusbacillen in Reiucultur erhielten.
Ein weiterer Fall von Banti* zeigte weder Darmveränderungen, noch Milz-
oder Drüsenschwellung, und dennoch liessen sich Typhusbacillen aus den
Orgauen und aus dem Blut züchten. Diese sogenannte „typhöse Septi-
cämie“ beobachteten auch Chiari und Kraus® in einem Falle. Neben
diesen Fällen, in denen die bakteriologische Leichenuntersuchung zur Er¬
kennung der Krankheit führte, beanspruchen unser besonderes Interresse
die Leichenuntersuchungen, bei welchen es sich um den Nachweis de>
Bacillenübergauges von der Mutter auf den Fötus handelt Während
Vidal und Chantemesse 7 den Nachweis aus der Placenta eines vier-
monatlichen Fötus erbrachten, gelang es Hildebrandt 8 , ferner Giglio 9
sowie Frascani 10 auch aus dem Fötalblut, Eberth 11 nur in einem von
1 Banti, Sulla localizzazioni atipichi della infezione tifosa Estratto del gi»r-
nalc la Uiforma medica. Oetober 1887. — Autoreferat.
* Kr. Thue, Colotyphus. Bakteriologische Diagnose. Norsk. Magaz. for Saene-
videnskaben. 1889. p. 272. — Mittheilungen vom pathol.-anat. Institute des Reichs-
hospitals zu Christiania.
Ä P. Carbone, Ud caso di colotifo. Gazetfa medica di Torino . 1891 . Nr. 23.
4 Hodenpyl, Ou the occurence of typhoid fever without characterUtic lesi*>ns
of the ömall intestine. Studien front the Departement of Rathology of the Collene oj
Physicians and Surgcons. Columbia University New-York 1897.
5 Banti, Le settieemie titiche e le infezione pseudotifiche. (Die Typhus-
septicämicen und die Pseudotyphusinfectionen. Rifunna medica. 1894. VoL III- p. 674.
6 H. Chiari u. E. Kraus, Zur Ivenntniss des atypischen Typhus abdominalis
bezw. der reinen typhösen Septicämie. Zeitschrift f. Heilkunde. Bd. XVIII. S. 471.
7 Vidal et Chantemesse, Le bacille de la tievre typhoide. The Lancet. 1887
Nr. 15. p. 145. Ref.
8 Hildebrandt, Zur Casuistik des placentaren Ueberganges der Typhusbacillen
von Mutter auf Kind. Fortschritte der Medicin. 1889. Nr. 23.
9 (liglio, lieber den Uebergang der mikroskopischen Organismen des Typhus
von der Mutter auf den Fötus. Centralblatt für Gynäkologie. 1890. Nr. 48.
10 Frascani, Osservazioni cliniche e ricerche sperime'ntale sul passagio del
bacillo del tilo dalla madre al feto. Rivista generale ital. di clinica medica. 18'*'2.
p. 282, 348.
11 O. J. Eberth, Geht der Typhusorganismus auf den Fötus über? Fortschritte
der Mcdicin. 1889. Nr. 5.
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Deb Nachweis von Typhusbacillen am Menschen.
315
9 Fällen. Merkel und Goldschmidt 1 hatten bei einem Zwillingsabort
einer Typhuskranken ein negatives Ergebniss, Ernst* züchtete die Bacillen
aus der Leiche eines 4 Tage alten Neugeborenen einer typhuskranken
Mutter.
Eine Menge von bakteriologischen Leichenuntersuchungeu wurde au¬
gestellt, um sich die Betheiligung anderer Organe am Krankheitsprocess
zu erklären und gewissermaassen eine wissenschaftliche Grundlage für die
klinischen Begriffe des Pneumo-Nephro-Meningotyphus herzuleiten. Foä
und Bordoni-Uffredruzzi 3 wiesen bei „typischer croupüser Pneumonie“
Typhusbacillen nach sowohl durch Culturverfahren, als auch mittels
mikroskopischer Untersuchung, bei Abwesenheit jeglicher anderer Mikro¬
organismen. Desgleichen wiesen Chantemesse und Yidal* abweichend
von Klebs, Eberth, Gaffky den Typhusbacillus häutig in dem Gewebe
der mit Bronchitis oder Bronchopneumonie behafteten Lunge nach.
Mya und Belfanti 6 gelang ebenfalls der Bacillennachweis in der Lunge
und der Pleura, ebenso Polinöre und Finkler. 6 Hier seien gleich einige
Fälle angeschlossen, wo aus der Pleura des Lebenden Typhusbacillen nach¬
gewiesen wurden. Loriga und Peusuti 7 züchteten mittels Plattenculturen
den Typhusbacillus als Reincultur aus dem serös-fibrinösen Exsudate der
Pleura eines Typhusreconvalescenten. Sahli 8 beschreibt einen Fall, der
klinisch zwar den Verdacht auf Abdominaltyphus erregte, jedoch mit Aus¬
nahme des Milztumors keine charakteristischen Zeichen hatte; unter Fort¬
dauer eines unregelmässigen Fiebers entwickelte sich ein rechtsseitiges
pleuritisches Exsudat, welches am 50. Krankheitstage durch Perforation
in die Lunge nach aussen sich entleerte. Durch „Gelatineplattenculturen“
* Merkel u. Goldschmidt. Ueber die diagnostische Verwcrthung der Typhus¬
bacillen. Centralblatt f. klin. Medicin. 1887. Nr. 22.
* T. Ernst, Intrauterine Typhusinfection einer lebensfähigen Frucht. Zieg-
ler’s Beiträge. 1890. Bd. VIII. S. 188.
3 Foä e G. Bordoni-Uffreduzzi, Sulla pneumonie dei fcifosi. Estratto del
giornale. La tiiforma medica. Genuaio 1887.
* Chantemesse et Vidal, a. a. O.
* Mya e Belfanti, Contributo sperimentale alle studio dei processi locali de-
terminati del bacillo tifoso. Giornale della R. Academia di medicina di Torino . 181)0.
Nr. 1/2. p. 62.
6 Plyn&re und Finkler, citirt nach Cursehmann, Der Unterleihstyphus.
S. 229.
7 Loriga e Pensuti, Pleurite de bacillo del tifo. Ri forma medica . 1890.
Nr. 206. p. 1232.
* Sahli, Ueber die Perforation seröser pleuritiseher Exsudate nebst Bemerkungen
über den Befund von Typhusbaeillen in den serösen Pleuraexsudaten eines Typhus-
kranken. Mittheilungen aus klin. u. mcd. Instituten der Schweiz. 1884. Bd. 1.
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wurden ausschliesslich Typhusbacillen darin nachgewiesen. Ketsch 1 hat
in einem Falle aus einem pleuritischen Exsudate Typhusbacillen gezüchtet;
die Section ergab Tuberculose der Lungen und des Darmes. Ich selbst
hatte Gelegenheit, bei einer pleuritischen Punktionsflüssigkeit eines Typhus-
kranken, die dem Institut zur bakteriologischen Untersuchung übersandt
war, zwar Agglutinationsfahigkeit, aber keine Bacillen, ja überhaupt keine
Mikroorganismen naehzuweisen, ebenso wieCurschmann bei einem typhus¬
kranken Studenten. 2
Zur Erklärung des specifischen Charakters des als Meningotyphus
bezeichneten Symptomenbildes dienen Befunde von Typhusbacillen in den
Meningen und der Hirnsubstanz. Diese wurden zuerst von Chantemesse
und Yidal 3 gemacht; ferner gelang Daddi 4 * einmal und Tictine 8 in
2 Fällen im Meningealeiter postmortem der Nachweis von Typhusbacillen.
Hierher gehören auch die Fälle von Kamen 6 , der gleichzeitig im fibrinös
eitrigen Meningealexsudat und in der Milz Typhusbacillen fand, und von
Ohlmacher 7 , der bei 2 Meningitiden in den Hirnhäuten Typhusbacillen
in Beinculturen nachwies, das eine Mal sie gleichzeitig aus der broncho-
pneumonischen Lunge züchtete. Stühlen 8 fand als einzigen Erreger der
Meningitis bei einem 14jährigen Arbeiter den Eberth’schen Bacillus.
Ein besonderes Interesse finden wir dem Nachweis der Typhusbacillen in
der Gallenblase gewidmet; auch hierbei dient der Bacillennachweis zur
Erklärung für die typhösen Erkrankungen der Gallenblase und der
grossen Gallenwege. Es seien hier kurz die Fälle zusammengestellt, wo
er theils an der Leiche, theils an der operativ eröffneten Gallenblase
gelang.
Gilbert und Giro de 9 führten ihn zuerst. Nach ihnen bestätigten
1 Ketsch, Pleurösie determinee par le bacille de la fievre typhoide. LaSemaint
med. 1892. Nr. 10. Acaddmie de med. Seance du 23. Fevr. 1892.
a Curschmann, Der Unterleibstyphus. S. 239.
* Chantemesse et Vidal, a. a. O.
4 Q. Daddi, Un caso di meningiti da bacillo tifico. Lo Sperimentale-Sezionf
clinica . 1894. Nr 17. p. 325.
8 J. Tictine, Contribution a Tetude des meningites et des abscös produits par
le bacille de la fievre typhoide. Arch. de med. expSr. 1894. Nr. 1.
8 L. Kamen, Ein weiterer Fall von typhöser Meningitis. Centralblatt f. Bak¬
teriologie. Abth. I. Bd. XXI. Nr. 11|12. 8.445.
7 A. P. Ohlmacher, Clinical and pathological features of two cases of typhoid
meningitis. Journ . of the Americans med. Assoc Vol. XX. p. 309.
8 Stühlen, Ucber typhöse Meningitis. Berliner klin. Wochenschrift . 1891.
Nr. 15.
ö Gilbert und Giro de. eit. nach Curschmann, Semaine med. 1890. Nr. 58-
— Cornpt . rend. de la iSoc. biol . 1891. Nr. 11.
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Deb Nachweis von TvTHUSBACiiiLEN am Menschen.
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Blackstein 1 und Welch 2 experimentell durch Thierversuche die Mög¬
lichkeit des Ueberganges der Bacillen in die Galle; sie konnten dieselbe
5 J / 2 Wochen nach der Infection der Thiere noch aus der Galle züchten.
Chiari 3 , welcher 22 Typhusleichen in den verschiedensten Krankheits¬
stadien untersuchte, fand 13 Mal die Gallenblase entzündet und konnte
11 Mal die Bacillen darin nachweisen. Ueber ein Beispiel primitiver
Typhusinfection der Gallenwege berichtet Guarnieri 4 * : der Darm zeigte
keine charakteristischen Veränderungen, jedoch wurde aus der Leber der
Galle, der Milz von der Leiche und auch 12 Tage vor dem Tode aus dem
circulirenden Blute der Eberth-Gaffky’sche Bacillus gezüchtet.
Martin nnd Keenan 6 beschreiben einen Fall von Cholecystitis, bei
dem aus der durch Operation gewonnenen Flüssigkeit Typhusbacillen
gezüchtet wurden. In gleicher Weise gelang bei operativer Eröffnung
eitriger Cholecystitis der Typhusbacillennachweis Richardson 6 und Mason. 7
Eine weitere seltenere Fundstätte der Typhusbacillen ist die erkrankte
Kehlkopfschleimhaut. Lucatell'o 8 hat in einem Typhusfalle am 12.Krank¬
heitstage die Bacillen aus dem Speichel gezüchtet und konnte sie dann
auch postmortem in der catarrbalisch afücirten Kehlkopfschleimhaut nach¬
weisen. Schulz 9 züchtete Typhusbacillen aus den Lymphknoten der ge¬
schwellten Follikel an der Epiglottis neben Staphylokokken. Destree 10
fand im Paukbnhöhlenexsudat eines Typhuskranken Typhusbacillen. In
lymphoiden Schwellungen der Mandel- und Gaumenbögen, die zum Zer-
1 O. G. Blacksteijn, Intravenous inoculation of Rabbits with the Bacillus coli
communis and the Bacillus typhi abdoru. The Johne Hopkins Hospital Bulletin.
1891. Nr. 14.
• W. H. Welch, Intravenous inoculation of the Bacillus typhi abdominalis.
Ebenda. 1891. Vol. XI. Nr. 15. p. 121.
‘Chiari, üeber das Vorkommen von Typhusbacillen in der Gallenblase bei
Typhus abdominalis. Mittheilungen aus dem XI. Internat, med. Congress zu Rom.
Centralblatt für Bakteriologie. 1894. Bd. XVI. S. 648.
4 A. Guarnieri, Contributo alla patogenesi delle infezioni biliari. Birista gene¬
rale di clinica medica. 1892. p. 234, 258.
• C. F. Martin und C. B. Keenan, A case of typhoidal Cholecystitis with
cholelithiasis. Montreal med. Journal. Vol. XXVI. p. 572.
• M. W. Richardson, A case of Cholecystitis due to the typhoid bacillus.
Boston, med. a surg. Journal. Vol. CXXXVII. p. 570.
1 A. L. Mason, Gallbladder infection in typhoid fever. Ebenda. Vol. CXXXVI.
p. 448/49.
• L. Lucatello, Beitrag zur Pathogenese der Kehlkopfaffectionen beim Ab-
dominaltyphus. Berliner klin. Wochenschrift. 1894. Nr. 16.
• M. F. 0. Schulz , Typhusbacillen in der Kehlkopfschleimhaut. Ebenda.
Nr. 34. S. 748.
14 A. Destree, A propos de quelques cas de suppuration compliquant la lievre
typhoide. Journal de med. de Bruxelles. 1891. 5. Aoüt.
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fall gekommen waren und Geschwüre bildeten, konnten Duguet und
Chantemesse 1 , indem sie den Geschwürsgrund zur Aussaat verwandten,
Typhusbacillen nachweisen. Curschmann 2 3 bezeichnet die bakteriologische
Untersuchung ähnlicher initialer Anginen bei Typhus „als eine vielleicht
diagnostisch sehr lohnende Aufgabe, insbesondere, da sie nicht selten die
erste und einzige Krankheitserscheinung ist“. Als Entzündungserreger
der bei Typhus vorkommenden Strumitis wurde der Typhusbacillus von
Lichtheim-Tavel 8 und Jeanselme 4 5 * festgestellt. In den Hoden wurden
Typhusbacillen gefunden von Chantemesse und Yidal® und von Mya
uud Belfanti 9 , von Letzteren auch in Gelenken. Im Knochenmark glückte
der Nachweis der Typhusbacillen zuerst Quincke und Stühlen 7 , später
hat Busch 8 sogar schon im Beginn der zweiten Krankheitswoche Typhus¬
bacillen im Mark einer Rippe und eines Oberschenkels nachgewiesen.
Bei den im Danziger Institut gemachten Untersuchungen von Typhus*
leichen bezw. von klinisch verdächtigen Fällen wurde 6 Mal der Typhus¬
bacillennachweis erbracht, theils aus der Milz, theils aus allen Organen,
tlieils aus der Galle; in 5 anderen Fällen wurde nur Bacterium coli oder
der Alcalignes gefunden; in meinen selbst beobachteten Fällen ergab
Fall 1, bei welchem die Section spät gemacht wurde, in Folge vorge¬
schrittener Fäulnis» nur Bacterium coli. Fall 20 erwies sich als Miliar-
tuberculose, Fall 27 als Streptokokkeusepsis.
Her Nachweis der Typhusbacillen im Eiter und die Misch-
infectiou bei Typhös.
An den Bacillennachweis aus der Leiche schliesse ich als für die
Diagnose eines Unterleibstyphus meist belanglos, aber von wissenschaft¬
lichem Interesse und epidemiologischer Bedeutung den Bacillenbefund im
Eiter, der im Vergleich zu der Häufigkeit von Abscessbildungen bei
Typhuskranken immerhin selten genannt werden dürfte. Am ersten
I ( Y\t. nach Curschniann, Monographie. S. 187.
II Curschmann, Monographie über den Unter lei bstyjdiysus. S. 189.
3 Lichtheim-Tavel, l eher die Aefwlogie der Strumitis u. s. w. Basel 1^‘~*
4 Jeanselme, Contribution ä l’etude des thyreoidites infect. Archive generale.
Juli 1898.
5 Chantemesse et Vidal, a. a. O.
8 Mya e Belfanti, a. a. O.
7 H. Quincke und Stühlen, Zur Pathologie des Abdominaltyphus. Berliner
kt in. Wochenschrift. 1894. Nr. 15.
8 H. Busch, Ueber das Vorkommen von Typhusbacillen iin Knochenmark.
Diese Zeitschrift. Bd. XXV11I. 8. 479.
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Deb Nachweis von Ttphusbacillen am Menschen.
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scheint er noch aus osteomyelitischen und periostitischen Processen zu ge¬
lingen, um so verständlicher, da schon Quincke 1 im Knochenmark vou
Typhusleichen die Bacillen antraf. Dieser Art sind die Fälle von Bacillen¬
nachweis von Orlow a , Colzi 3 , Achalme 4 , Pean und Cornil 6 , Sultan 6 ,
Klemm 7 , Buschke 8 , und Bruni.® Ich selbst hatte Gelegenheit, in einem
Falle einer „posttyphösen Rippencaries“ den dem Institut übersandten
Eiter und etwas Granulationsgewebe auf Typhusbacillen zu untersuchen
und konnte in diesem Material eine Reincultur von Typhusbacillen fest¬
stellen durch Aussaat auf flüssigen und festen Nährböden. Oh hier die
Knochenaffection durch die Typhusbacillen bedingt war, oder ihr Rück¬
bleiben als an einer Stelle todten Gewebes, herrührend etwa von einem
tuberculösen Process, zu erklären war, muss ich ganz dahingestellt sein
lassen, zumal mir keine genauere Kenntniss über den Fall und seinen
Krankheitsverlauf trotz versuchter Erkundigungen wurde.
Aus einem periarticulären Abscess unter dem rechten Deltoideus
züchtete Sniezyüski 10 Typhusbacillen, Valentini 11 , sowie auch Spirig 12
aus Empyemen des Thorax, ersterer auch aus einem Unterhautabscess an
der Tibia, letzterer aus einem im Bereich der Spina il. ant. sup., Ray-
* Quincke, a. a. O.
* L. W. Orlow, Wie lange können Typhusbacillen im Menschenkörper ihre
Lebensfähigkeit bewahren? Wratsch. 1889. p. 1079.
* Colzi, Deila suppurazione dovuta a bacillo del tifo. Lo sperimentale. 1890.
p. 623.
* Achalme, Periostite suppuree consecutive ä une fievre typhoide et due au
bacille tiphique. La Semaine med. 1890. Nr. 27.
* Pean et Cornil, Osteoperiostite consecutive ä la fievre typhoide. Conser¬
vation des bacilles vivants dans les foyers d’infiammationes. Bull, de l.'acad. de med.
1891. Nr. 15. — Centralbla/t f. klin. Medicin. 1892. Nr. 6.
* Sultan, Beitrag zur Kenntniss der posttyphösen Eiterungen. Deutsche med.
Wochenschrift. 1894. S. 675.
1 P. Klemm, Ein weiterer Beitrag zur Lehre von den Knochenerkrankungen
beim Typhus. Archiv f. klin. Chirurgie. 1894. Bd. XLVIII.
8 Buschke, Ueber die Lebensdauer der Typhusbacillen in ostitischen Herden.
Fortschritte der Medicin. 1894. Nr. 15/16. S. 573 u. 613.
* Bruni, Osteomyelite posttyphique provoquee par le bacille d’Eberth. Annales
de l’Institut Pasteur. T. X. p. 220. — Osteomielite posttifica da bacillo di Eberth.
Policlinico. Nr. 12.
18 Sniez yüski, Ein Fall eines periarticulären Abscesses, hervorgerul'en durch
den Typhusbacillus. Centralblatt für Bakteriologie . 1894. Bd. XVI. Nr. 19. S. 77.
11 Valentini, Beitrag zur Pathogenese des Typhusbacillus. Berliner lclin.
Wochenschrift. 1889. Nr. 17.
l * Spirig, Beiträge zur Bakteriologie der Typhuscomplieationen. Mittheilungen
aujf klin. u . med. Instituten der Schweiz. Bd. I.
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mond 1 aus einem Bauchdeckenabscess, Colzi 2 aus einer vereiterten
Struma, Mori 8 aus einem Schilddrüsenabscess, Girode 4 aus einer eitrigen
Nebenhodenentzündung, Fasching 6 unter posttyphösen Eiterungen bei
der einen aus einem Muskelabscess, Melchior 6 aus Abscessen an der
Wade eines vor 7 bis 8 Monaten an Typhus erkrankten Patienten,
Rosin und Hirschei 7 aus einem nekrotischen Gewebspfropf, der sich
als Centrum einer derben Infiltration und ödematösen Schwellung im Ver¬
lauf einer Typhuserkrankung am Unterschenkel gebildet hatte. Zweifel¬
hafter sind die Fälle von Pansini 8 , der in 6 Fällen von Leberabscessen
bezw. vereiterten Echinococcuscysten Typhusbacillen zum Theil vergesell¬
schaftet mit Streptokokken gefunden hatte. Da in seinen Fällen ein
vorangegaugener Typhus klinisch nicht beobachtet war, deutet Kruse 1 '*
die gefundenen Stäbchen als Pseudotyphusbacillen, ebenso dürfte man
reservirt auffassen müssen die 42 Eiterungen mit Typhusbacillen in Rein-
cultur, die Döhu 10 zusammengestellt hat. Burci 11 und Tictine 1 * züch¬
teten aus 2 Abscessen von Typhuskranken die Bacillen. Sudeck 18 fand
1 F. Raymond, Sur les propriet^s do Bacille d’ßberth ä propos d’un cas de
fifcvre typhoide compliquee d’un absc£s de la paroi abdominale et de delire aien.
Gazette med. de Paris. 1891. Nr. 9.
8 P. Colzi, Contributo allo sfcudio della strumite. Lo Sperimentale. 1891. Fase. 2.
8 A. Mori, Contributo alla etiologia delle complicazione del tifo. Riformamd.
Nr. 288. p. 148.
4 A. Girode, Epididymite typhique suppuree: ßöle pyogene du bacille d’Ebertli.
Arch. generales de med . Januar 1892.
5 Fasehing, Zur Kenntniss des Bacillus typhi abdominalis. Wiener klinische
Wochenschrift . 1892. Nr. 18.
6 Melch ior, Typhusbacillen vom Aarsagtil Suppuration. (Der Typhusbacillus
als »Suppurationsursache.) Hospitalstiden de. 1892. Bd. X. S. 1021.
7 Rosin u. Hirschei, Zur Lehre von der metastatischen Wirkung des Typbus-
baeillus. Deutsche med. Wochenschrift. 1892. S. 493.
8 Pansini, Alcuni casi di ascessi del fegato e di eistida echinococco del legato
suppurate. Ri forma med. 1893. Nr. 95/99.
9 Kruse, vgl. Flügge’s Mikroorganismen.
10 D6ku, Etüde sur le role du bacille d’Eberth dans les complications de la
fievre typhoide. These de Paris. 1893. — Ref. Centralblatt für Bakteriologie. 1S‘.M.
Bd. XV. S. 682.
11 E. Burci, Osservazioni cliniche e ricerche sperimentali sulle suppuraziooi di
bacillo tifico. Archivio italiano di Clinica medica . 1898. — Ref. Centralblatt für
Bakteriologie. 1894. Bd. XVI. S. 131.
18 J. Tictine, Contribution a Fetude des meningites et des absces prodaits par
!e bacille de la fievre typhoide. Arch. de med. ex per. 1894. Nr. 1.
13 Sudeck, Ueber posttyphöse Eiterung in einer Ovarialcyste, casu ist isolier Bei¬
trag zur Frage der pyogenen Eigenschaft des Typhusbacillus. Münchener medins.
Wochenschrift. 1896. Nr. 21.
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Der Nachweis von Tyi’iiusbacillen am Menschen.
321
sie in einer vereiterten Ovarialcyste, Schmidt 1 in einem subphrenischen
Abscess, Bucalossi* in Abscessen des Ohres und Thränensackes,
v. Dangern 3 bei eitriger Cholecystitis, Takaki und Werner 4 in einer
eitrigen Bartholinitis, die im Verlauf eines Abdominaltyphus 25 Tage nach
der Entfieberung sich gebildet batte. Neuerdings berichtet Prochaska 6
über 22 Fälle von posttyphösen Eiterungen, von denen nur bei einer
Typhusbacillen in Reincultur aus einem Glutaealabscess sich züchten
liessen, während in den übrigen sich Staphylokokken, daneben auch
Streptokokken, einmal Diphtheriebacillen fanden. Wir sehen also, dass
die Eiterungen bei Typhus meist Complicationen mit einer Mischiufectiou
darstellen, ähnlich, wie andere Processe, wie Parotitis, Pneumonie, Menin¬
gitis, Pleuritis, retrotonsilläre Phlegmone im Verlauf eines Typhus, bei
welchen E. Fraenkel und Simmonds 6 stets nur Staphylokokken, Strepto¬
kokken oder Diplokokken fanden, während A. Fraenkel 7 , Seitz 8 , Rietsch 9 ,
Anton und Fütterer 10 , Vincent 11 , Hewetson 12 , Bonardi, Flora e
Silvestrini 13 daneben auch Typhusbacillen antrafeu. Besonderes Interesse
beanspruchen die Fälle von Karlinski 14 und Ippa. 16 Ersterer beob-
I A. Schmidt, Beitrag zur eitererregenden Wirkung des Typhus- u. Cholera¬
bacillus. Deutsche med. Wochenschrift. 1896. Nr. 32.
* Bucalossi, Suppurazzione multiple in intercorrenza e posttifiche da bacillo
di Eberth. Settimana med. Nr. 12.
* v. Dangern, Cholecystitis typhosa. Münch. m.Wochenschr. 1897. Nr.26. S.699.
4 Takaki u. Werner, Casuistischer Beitrag zur Localisation der posttyphösen
Eiterungen. Diese Zeitschrift. Bd. XXVIII. S. 319.
6 Prochaska, Untersuchungen üb. die Eiterungen bei Typhuskranken. Deutsche
med. Wochenschrift. 1901. Nr. 9. S. 132.
6 E. Fraenkel und Simmonds, a. a. O.
7 A. Fraenkel, Zur Lehre von den pathogenen Eigenschaften der Typhusbaeilleu.
Centralblatt für Hin. Medicin. 1886. Nr. 10.
8 Seitz, Studien zur Typhvsätiologie . 1886.
9 Rietsch, a. a. O.
10 B. Anton und G. Fütterer, Untersuchungen über den Typhus abdominalis.
Münchener med. Wochenschrift. 1888. Nr. 19. S. 315.
II Vincent, Recherches baetöriologiques sur Pinfeetion mixte par le bacille t.y-
phique et le streptocoque. Le Bulletin med. 1891. Nr. 91. — Ref. Centralblatt für
Bakteriologie. 1892. Bd. XII. S. 634.
18 He wetson, The Relation of Bacteria and bacterioid Produits to the rend Lesions
in typhoid Fever. John HapkirCs Hospital Deports. 1894. Vol. IV. Nr. 1. p. 150.
18 Bonardi, Flora e Silvestrin, Osservazioni cliniche anatomo-pathologiehe
e batteriologiche sulla febbre tifoide teste svoltesi epidemicamente in Pisa. Ririsfa
generale italiana di clinica medica. 1891. Nr. 1—3.
14 J. Karlinski, Untersuchungen über das Vorkommen der Typhusbaeillen im
Harn. Prager med. Wochenschrift. 1890. Nr. 35/36.
18 N. S. Ippa, Typhus abdominalis complicirt mit Recurrens. Russisch. Bonitsrh -
nai a Gaseta Botkina. Nr. 7.
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Albukcht BiruDAcn
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achtete eine Typhuscomplication mit Milzbrand, wobei er beiderlei Mikro¬
organismen züchten konnte. Ippa fand bei einem Patienten im Blut
Recurrensspirillen und im Milzblute Typhusbacillen. Ich selbst fand
bei Abscessen in Fall 10 und 17 nur Staphylo- bezw. Streptokokken, im
Fall 23, in einem frisch eröffneten Humerusabscess, der sich angeblich
im Anschluss an Kampherinjectionen gebildet haben sollte, neben Typhus-
bacillen den Staphvlococcus albus; in anderen früher eröffneten Abscessen
desselben Falles fand sich neben diesen Kokken der Bacillus pyoceaneus.
Beide Male Hessen sich die beweglichen Stäbchen unschwer von den Kokken
durch das Gabritschewsky’sche „Rennplattenverfahren“ 1 trennen, so
dass man in kürzer als 24 Stunden Reinculturen hatte.
Der Typhusbacillennachweis im Stuhl.
Ich komme jetzt zu den Versuchen des Typhusbacillennachweises, die
in Bezug auf ihren diagnostischen Werth allgemeines Ansehen besitzen.
Da ja als ein hervorstechendes klinisches Symptom der sogenannte,, Typhus¬
stuhl“ seit alter Zeit angesehen wurde, war es nicht zu verwundern, dass
man namentlich hierin den Erreger der Krankheit leicht zu finden er¬
wartete, da man die Infectiosität des Typhusstuhles als Erfahrungsthat-
sache ansah.
A. Pfeiffer 2 war der erste, dem der Nachweis der Typhusbacillen
im Stuhlgang gelang, und zwar mittels des Koch’schen Agarplatten-
verfahrens. Wenn wir des Weiteren die zahlreichen Untersuchungen der
Autoren über Typhusbacillenuachweis im Stuhl betrachten, so bemerken
wir, dass der Bacillennachweis gleichsam periodisch sich leichter zu ge¬
stalten schien, jedes Mal, wenn eine neue Methode erfunden war, so lange,
bis ihre Mängel und Unzuverlässigkeit erwiesen war, so dass wir schliesslich
noch heute den leichten und sicheren Bacillennachweis im Stuhl als ein
ungelöstes Problem ansehen müssen, da wir noch nicht alle die Umstände
und Zufälligkeiten kennen, die uns manchmal die Bacillen leicht linden
lassen, während in vielen Fällen unter anscheinend gleichen Bedingungen
der Befund dauernd negativ bleibt.
Mit Koch’scheu Gelatineplattenaussaaten erbrachten Fraenkel und
Simmonds 3 in 3 unter 7 Fällenden Nachweis von Typhusbacillen aus dem
' G. Gabritsehcwsky. Ueber aetive Beweglichkeit der Bakterien.
Zeitschrift. Pd. XXXV. S. 104.
* A. Pfeiffer, lieber den Nachweis der Tvjdiushaeillen im Darminlialf und
Stulil^am:. Deutsche mal. Wochenschrift. 1885. Nr. S. 500.
3 E. Fraenkel und Simmonds, a. a. <>.
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Der Nachweis von Tyi’husbacillen am Menschen.
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Stuhl, Seitz 1 bei 6 unter 8 Typhusfällen. Nach diesen betonten den
diagnostischen Werth dieser Methode auf Grund eigener positiver Erfolge
Vilchour 2 * , Kilcher 8 , Merkel und Goldschmidt 4 * ; desgl. berichten
aus jener Zeit über positive Resultate der Stuhluntersuchungen Stagnitta B ,
Pasquale 6 , ferner Bonardi, Flora e Silvestrini 7 , allerdings nur in
2 von 8 Fällen.
Der Uebelstand, dass die im Stuhl sehr reichlich vorhandenen Ver-
tlössiger die Platten unbrauchbar machten, führte zu einer Reihe sogen,
electiver Methoden, wobei durch den Zusatz entwickelungshemmender
Substanzen einer zu raschen Wucherung jener störenden Keime vorgebeugt
werden sollte. Zunächst führten Chantemesse und Vidal 8 ihre
0*2procent. Carboigelatine ein, womit sie „nur ausnahmsweise“ den Nach¬
weis von Typhusbacillen im Stuhl erbrachten. Holz 9 verwarf bald diese
Methode, da nach seinen Vorversuchen Typhusbacillen überhaupt nur in
0-1 procent. Carbolgelatine wuchsen und empfahl seinerseits die Kartoffel-
gelatiue, in welcher „die Typhusbacillen charakteristisch wuchsen und
zahlreiche andere in Schmutz und Wasser vorkommende Bakterien im
Wachsthum gehemmt wurden“. Rawitsch-Schterbo 10 erfand wieder
eine neue Methode: 2 bis 3 Tropfen einer 2 procent. alkoholischen Alpha-
Naphtollösung werden zur Bouillon gesetzt, in welcher eine Oese Stuhlgang
ausgesät wird; es entsteht nach 24 Stunden in dem Röhrchen eine Trübung,
dann wird davon ein gleiches Röhrchen geimpft u. s. w.; im dritten bis
vierten Röhrchen erhielt er schon eine Reincultur von Typhusbacillen.
Eine andere Methode übte Grawitz 11 : in Reagensgläsern mit sterilem
Wasser wurde so viel Stuhl aufgeschwemmt, dass sie sich deutlich trübten,
1 Seitz, a. a. ü.
* Vilchour, a. a. 0.
:i Kilcher, a. a. 0.
4 Merkel und Goldschuiidt, a. a. O.
* Stagnitta, Sul valore diagnostieo delle rieorehe hatteriologiche nel tif'o ad-
dominale. Riforma medica. 1890. Nr. 289/240.
* A. Pasquale, Sul tif'o a Massaua. (liornale rnediro del R. Esercifo e della
R. Marina. 1891. Nr. 17.
7 Bonardi, Flora e Silvestro, a. a. <>.
* Chantemesse et Vidal, a. a. O. — Reeherehes sur le bacille typhique et
l’etiologie de la fiövre typhoide. Archivex de Rhyxiolopie norm, et patk. 1887. Nr. 2.
p. 217.
® Holz, Experimentelle Untersuchungen über den Nachweis der Typhushaeillen.
Diese Zeitschrift. 1891. Bd. VIII. S. 113.
10 Rawitsch-Schterbo, Uebor den Nachweis von Typhusbacillen im Wasser
und in den Fäces. Russisch. Woenuo-medinoleifx Journal. April 1892.
" Grawitz, Uebor die Bedeutung des Typhusbaeillennaehweises für die klin.
Diagnose des Abdnminaltypbus. Charite- Annalen. 1892. Bd. XVII.
21 *
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324
Ai/brecht Burdach:
dann wurden sie in einer Kältemischung zum Gefrieren gebracht, da viele
typhusähnliche Stuhlbakterien gegen die Kälte weniger widerstandsfähig
sein sollten, als Typhusbacillen. Nach dem 12 bis 24 Stunden später
erfolgten Aufthauen des Reagensglasinhaltes wurden auf Holz'scher Gelatine
Aussaaten gemacht und auch anscheinend positive Resultate erzielt, doch
machte Grawitz selbst bei diesen Versuchen die Beobachtung, dass Ver¬
wechselungen mit anderen Bakterien bei der Weiterimpfung gar leicht
Vorkommen. Loesner 1 fand nach eingehender Prüfung der vorher ge¬
nannten Methoden folgende empfehlenswerther: die Gelatineplatten werden
unter Zusatz von 0*03 bis 0-05 Procent Phenol angelegt. Kruse-*
empfahl auf diesen Platten Oberflächenaussaaten zu machen, weil nur
die oberflächlichen Colonieen wegen ihrer charakteristischen Weiublattform
zur Abimpfung benutzt werden könnten. Eudlich beruht auf dem Prineip
der Wachsthumshemmung der störend beigemengten Fäulnisserreger die
Elsner’sche Methode 3 : „Ein Kartoflelauszug von 1 / 2 V ^ Kartoffeln auf
1 Liter Wasser wird in der üblichen Weise mit Gelatine versetzt , dem
Gemisch 0*1 Proceut Normalnatronlauge im Verhältniss 2*5 bis 3-0 auf
10 Gelatine zugesetzt, gekocht, filtrirt, sterilisirt. und mit 1 Procent Jodkaii
versetzt.“ Nach Elsner sollen verflüssigende Arten in dieser Gelatine
überhaupt nicht wachsen, was jedoch nicht immer zutrifft. Ferner sollen
die „stets gröberen Colicolonieen“ sich leicht von den zarten „Wasser¬
tröpfchen gleichen“ Typhuscolonieeu unterscheiden. Diese Typhuscolonieeii
sind erst sehr spät, nach 48 Stunden, zu entdecken und auch dann
dürften Colicolonieen oft ebenso zart sein, weil der Nährboden in der
That ungemein ungünstige Wachsthumsbedingungen bietet. Ebenso wie
das Bacterium coli verhält sich der Bac. faecalis alkaligenes und auch
Vibrioarten bieten in den ersten Tagen, bevor sie anfangen zu verflüssigen,
besonders deutlich Wassertröpfchen ähnliche Colonieen, wie ich oft bei
Wasseruntersuchungen zu constatiren Gelegenheit hatte. So dürfte auch
bei dieser Methode das Resultat mehr dem glücklichen Zufall überlassen
bleiben, dass gerade besonders zahlreiche Typhuskeime im Aussaatmaterial
enthalten sind. Elsner 3 hatte mit seiner Methode in 17 Fällen 15 Mal
ein positives Resultat; gleich ihm erzielten Brieger 4 , Wathelet*, La-
1 Lösner, a. a. 0 .
* K r u s*e, F1 ü g g e * s M ikrourqa n ism en.
3 M. Elsner, Untersuchungen über electives Waehsthum der Baoterium coli*
Arten und des Typhusbacillus und dessen diagnostische Verwerthbarkeit. Diese Ab¬
schrift. Ed. XXL S. 25.
4 Brieger, lieber d le klinische Bedeutung des IjIsiici sehen T^phusnachoi
Berliner kJ in. Wochenschrift. 1895. Nr. 50.
b Wathelet. Recherohes baeteriologiques sur les dejections dans la fievre ty¬
phoide. Annales de V Institut Bast cur. Nr. 4. p. 252.
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Der Nachweis von Typhusbacieeen am Menschen.
325
zarus 1 * , Pollak 3 , Chantemesse 3 , Sterling 4 * und Richardson 6 positive
Resultate. Pollak betont namentlich, dass die Untersuchung sich sehr
lange hinzieht wegen der langsamen Entwickelung der Keime in der
Elsner’schen Gelatiue. Die oben erwähnte Thatsache, dass an den
Fäcalbakterien in den einzelnen Colonieen auf Elsner’schen Platten nicht
von Typhus zu unterscheiden sind, constatirten auch Chizzola 8 , Breuer 7 ,
Hädtke 8 , Curschmann 9 , Kruse. 10 Bei den weiter unten verzeich¬
nten Stuhluntersuchungen wurde nur selten das Elsner’sche Verfahren
angewandt, da namentlich Methoden, die schneller zum Ziele führten,
geübt wurden, während die gleichzeitig angelegten Elsnerplatten oft Tage
lang überhaupt keine Colonieen zeigten und dann erst vom 5. oder 6. Tage
sich mit Schimmelfaden überzogen.
Ein viel discutirtes bakteriologisches Verfahren der Stuhluntersuchung
auf Typhusbacillen ist das Piorkowski’sche. 11 Der Nährboden wird
fulgeudermaassen bereitet: Etwa 2 Tage lang gesammelter normaler Harn
(specifisches Gewicht 1020), der inzwischen die alkalische Reaction an¬
genommen hat, wird mit l /a Procent Pepton und 3*3 Procent Gelatine
versetzt, im Wasserbade etwa 3 / 4 Stunden gekocht, darauf ohne Anwendung
von Wärme filtrirt, in Reagensgläser gefüllt und behufs Sterilisation so¬
gleich 15 Minuten lang und am folgenden Tage 10 Minuten lang im
Dampftopf bei 100° Cels. gehalten. Der Nährboden soll nicht künstlich
alkalisirt werden. Typhuscolonieen erscheinen darin bei 22° gezüchtet
1 A. Lazarus, Die Elsner’sche Diagnose des Typhusbacillus und ihre An¬
wendung in der KliDik. Berliner klin. Wochenschrift. 1895. Nr. 49.
7 G. Pollak, Ueber den klinischen Nachweis des Typhus. Centralblatt f. klin.
Medicin. 1896. Nr. 31.
* A. Chantemcsse, Diagnostic preeoce de la fievre typhoide par l’examen
bacteriologique des garderobes. Compt.rend.de la Soc. de biol. 1896. Nr. 8. p. 215.
4 Severin Sterling, Ueber die Elsner’sche Methode des Nachweises der
Typhusbacillen. Centralblatt für Bakteriologie. Abth. I. Bd. XXII. Nr. 12/13. S. 334.
* M. W. Richardson, On the bacteriologic examination of thestoolsin typhoid
fever and its value in diagnosis. Journal of American med. Assoc. Vol. XXIX. p. 6.
— Boston med. a. surg. Journal. Vol. G'XXXVII. p. 433.
* Chizzola, Sul valore diagnostico del metodo di Elsner (Baeillo tifico). Settima
med. 1896. Nr. 28.
7 R. Breuer, Zur Vidal’schen Serodiagnostik des Abdominaltyphus. Berliner
klin. Wochenschrift. 1896. Nr. 47/48.
* M. Hädtke, Die Diagnose des Abdominaltyphus und Vidal’s serumdiagno-
stisehes Verfahren. Deutsche med. Wochenschrift. 1897. Nr. 2. Nr. 21.
* Curschmann. Monographie. S. 401.
10 Kruse, vgl. Fliigge’s Mikroorganismen.
11 Piorkowski: Ueber ein einfaches Verfahren zur Sicherstellung der Typhus¬
diagnose. Sitzungsbericht der Berliner med. Gesellschaft. 25. Januar 1899. Münch,
med. Wochenschrift. 1899. Nr. 5. — 1899. Nr. 49.
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326
Alükeciit Burdach:
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als eigenthümliche Faserformen in einer eigenartigen von einer Centrale
ausgehenden Anordnung; man unterscheidet kürzere oder längere farblose
Ranken häufig in Spirochätenartiger Form, gänzlich differencirt von den
runden gelben Colicolonieen. Die beiden charakteristischen Momente in
der Zusammensetzung dieser Piorkowski’schen Gelatine, der Harnzusatz
und der geringe Procentgehalt an Gelatine, waren früher schon getrennt
zur Differenzirung von Typhus- und Colibacillen benutzt worden. So hatten
Gorini 1 * 3 in seiner 2procent. Harnstoffgelatiue und Piorkowski* selbst
in Harnnährböden Wachsthumsverschiedeuheiten constatirt, die im Wesent¬
lichen in einer Wachsthumshemmung der Typhusbacillen gegenüber den
Colibacillen bestunden. Culturversuche mit gering procentuirter Gelatine
bei 22° C. bezw. mit höher procentuirter bei entsprechend höheren Tem¬
peraturen waren schon früher von Klie 5 6 , Werner Rosenthal 4 und
nach den letzten Piorkowski’schen Beobachtungen auch von Herford 5
gemacht; dabei hatte sich allerdings bei beiden Bakterienarten, vorzugs¬
weise jedoch bei den Typhuscolouieen, die Bildung von Ausläufern, von
Bakterienlädchen, von der central gelegenen Colouie sowie die Ablösung
kleiuer Bakterienverbände von der Colouie gezeigt. Auch waren die Coli¬
colonieen fast immer gröber. „Indessen schien zu einer sicheren DiflV-
rencirung beider Bacillenarteu die Methode nicht geeignet zu sein“ (Klio 5 ).
Nach Portner 0 kommen die Bildungen von Ranken und Ausläufern
namentlich bei sehr beweglichen Coliarten vor, während sie nach Bischof
und Menzer 7 als die Folge eines ungünstigen Nährbodens anzusehen
sind, da sie stets namentlich bei dichtbesäten Platten auftreten, und zwar
auch bei unbeweglichen Coliarten. Wenn auch Piorkowski 8 in seinem
neuen Verfahren eine so sichere Ditterencirungsmethode für den Typhus-
1 G. Gorini, Su(>ra un nuovo eriterio diagnostico del Bacillo del Tito. Gwrn.
del reale soc. a Statiana d'igiene . 1894. Nr. 7.
s Piorkowski, lieber die Differenzirung von Bacterium coli commune u. Ba¬
cillus typhi abdominalis auf Harnnährsubstraten. Aus dem pathol. Inst. Erlangen.
Centralblatt für Bakteriologie. Bd. XIX. Nr. 18/19. S. 686.
3 J. Klie, Untersuchungen des Wachsthums von Bacterium typh. abdom. und
Bact. coli com. in den Nährböden mit verschiedenem Procentgehalt von Gelatine bei
verschiedenen Temperaturen. Centralblaff für Bakteriologie. Bd. XX. Nr. 2/3. S. 49.
4 Werner Bosenthal, Archiv f. klin. Medi ein. Bd. XV. Cit. nach Bisehoff
und Menzer.
5 Herford, Untersuchungen über den Piorkowski’schen Nährboden. Diese
Zeitschrift. Bd. XXXIV. 8. 341.
6 Unger und Portner, Der Werth des Harnnährhodens für dieTyphusdiagnose.
Manchener med. Wochenschrift. 1899. Nr. 51.
7 Bisehoff und Menzer, Die iSehnelldiagnose des Unterleibstyphus mittels
der von Piorkowski angegebenen Ilarngelatine. Diese Zeitschrift. Bd. XXXV.
8 Piorkowski, a. a. (>.
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Dkk Nachweis von Typhusbacillen am Menschen.
327
bacillus von ähnlichen gefunden zu haben glaubte, dass er „bei der
mikroskopischen Betrachtung von Stuhlplatten schon eine verlässliche
Diagnose stellen zu können glaubte“, so dürfte sich diese Ansicht doch
nicht aufrecht erhalten lassen, da nach den Erfahrungen Anderer immer
eine genaue Weiterprüfung der fraglichen Colonieeu nöthig ist (Unger
und Portner 1 , Schütze 2 , Wittich 3 , Gebauer 4 5 * , Mayer 8 , Herford 8 ,
Bise hoff und Menzer. 7 ) Dazu kommen noch zahlreiche technische
Schwierigkeiten, die die Anwendung des Piorkowski’schen Verfahrens
erschweren: die leichte Verflüssigung der Gelatine, besonders in der warmen
Jahreszeit, die Schwierigkeit, den Thermostaten (Löwit 8 ) auf einer
Temperatur von 21-5 bis 22° C. zu halten, die Beschaffung eines ge¬
eigneten Urins sind alles Momente, welche die praktische Verwerthung
des Piorkowski’schen Nährbodens sehr erschweren. Mittels der Pior-
kowski’scheu Methode gelang mir nur in einem Falle der Nachweis von
Typhusbacillen im Stuhl, trotzdem ich sie in den meisten meiner Fälle
auwandte. Häufig waren die Platten schon nach 12- bis 18stündigem
Aufenthalt im Brütschrank verflüssigt, in anderen Fällen erwiesen sich
Colonieen mit schönen Ausläufern als Colicolonieen; auch bei Vor- und
Parallelversuchen mit Keiuculturen von Typhusbacillen, Colibacillen und
Bacillus alkaligenes bildeten die Colibacillen ähnliche Colonieen, wie Typhus
mit zahlreichen Ausläufern, Bacillus alkaligenes eine staubförmige Trübung
um die Colonie, die bald zur Verflüssigung führte, eine merkwürdige
Thatsache, die nur auf Piorkowskiplatten zu beobachten ist.
Bevor ich zur Besprechung der von mir mit dem relativ grössten
Erfolg ausgeführten Methode der Stuhluntersuchung, der fractiouirteii
Agaraussaat komme, möchte ich noch einige geistreich erdachte Methoden,
welche die Aera der Serodiagnostik zeitigte, erwähnen. Landmann 9
prüfte seine auf dem Princip der Pfeiffer’scheu Reactiou beruhende
1 Unger und Portner. a. a. O.
* Schütze, cit. nach Bischoff und Menzer.
* II. Wittich, Beiträge zur Frage der Typhusdiagnose durch culturellen Nach¬
weis auf Harngclatinenährboden. Centra/Matt für Bakteriologie. Bd. XXVI. Nr. 13.
4 Gebauer, cit. nach Bischoff und Menzer.
5 Q. Mayer, Zur Kenntniss des Piorkowski’schen Verfahrens der Typhus-
diagnose nebst einschlägigen Modificationen. Deutsche med. Wochenschrift. 1901.
• Herford, a. a. O.
7 Bischoff und Menzer, a. a. O.
8 Löwit, Bericht vom 18. Congress für innere Medicin in Wiesbaden. Deutsche
med. Wochenschrift. 1900. Nr. 18.
• Landmann, Ueber eine neue Methode der bakteriologischen Typhusdiagnose.
Arbeiten aus dem städt. Krankenhause zu Frankfurt a/M. Festschrift z. OH. Ver¬
sammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte zu Frankfurt ajM. S. 243.
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328
AiiMiecht Huudach:
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Methode, indem er von einem (vorher jedenfalls sterilisirten) und dann
mit Typhus- und Colibacilleu versetzten Stuhl von nicht an Typhus
leidenden Patienten eine Oese mit 0 • 3 ccm des zu dem betreffenden Coli-
stamm gehörigen Immunserums vermischte und dann einem Meer¬
schweinchen in die Bauchhöhle spritzte. Wenn er dann nach 30 Minuten
entnommenen Bauchhöhleninhalt auf Plattenculturen vertheilte, erhielt er
die Typhusbacillen rein. „Versagen könne die Methode, wenn im Stuhl¬
gang noch andere in der Bauchhöhle des Meerschweinchens entwickelungs-
lähige Bakterienarten enthalten seien.“ An Typhusstühlen selbst hat der
Autor die Methode noch nicht erprobt. Ganz abgesehen davon, dass ein
Coliimmunserum durchaus nicht auf alle im Stuhl vorkommenden Coli-
arten baktericid wirkt, dürften auch die im Stuhl nicht seltenen Eiter¬
kokken eine wesentliche Rolle beim Misslingen des Versuches spielen,
dem fast stets das immerhin kostbare Thier ausserdem noch zum Opfer
fallen dürfte. Werthvoller erscheint die Methode nach Gabritschewsky. 1
Dieser fand, dass auf einer ebenen Agarplatte, die mit sterilisirteni mit
Nährbouillon getränktem Fliesspapier bedeckt ist, bewegliche Mikro¬
organismen, die man auf die Mitte der Platte impft, sich in 6 bis 8 Stunden
schon 3 bis 4 cm von der Mitte entfernt haben, während unbewegliche
sich in derselben Zeit nur auf das Mittelfeld beschränken. Zu diesem
Zwecke legte er in den betreffenden Abständen von dem geimpften Mittel¬
feld sterile Plättchen auf das Fliesspapier, die nach entsprechender Zeit
in Bouillon übertragen wurden, in welcher sich dann die beweglichen
Arten isolirt weiter entwickelten. Beim Vergleich beweglicher Coliarten
mit Typhusbacillen erwiesen sich die ersteren stets als etwas schneller. Um
sie nun aus Gemischen von einander zu trennen, setzte Gabritschewsky
zu der das Fliesspapier tränkenden Nährbouillon 3 Procent eines Coli-
immuuserums, welches Colibaeillen im Verhältniss 1:5000, Typhusbacillen
aber nur im Verhältnis von 1:10 agglutinirte. Selbst wenn 10000 Mal
mehr Colibaeillen ausgesät wurden, fanden sich, allerdings auch erst nach
8 Stunden, die Typhusbacillen weiter entfernt von der Aussaatstelle, wenn
auch nur um 1 cm . Auch aus Typhusstühlen gelang es so, 2 Mal die
Typhusbacillen zu isoliren. Auf Grund seiner eigenen Versuche kann
Gabritschewsky behaupten, dass diese Methode nicht die bereits für
die Isolirung des Typhusbacillus bestehenden ersetzen könnte. „Dazu
dürften noch specielle Untersuchungen und Veränderungen der Technik
erforderlich sein; man benöthigte z. B. eines polyvalenten Serums für die
Colibacilleu.“ Abgesehen davon, dass ein für alle Coliarten ausreichendes
polyvalentes Serum, sei es von einem Thier durch Behandlung mit allen
1 G. Gabritschewsky, a. a. O.
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Deu Nachweis von Tviuiij.suaoimjEx am Menschen. 320
Colispielarten, sei es von mehreren Thieren, als ein Serum mixte nach
dem Vorschlag von Rodet, noch nicht herzustellen gelungen ist, so sind
für die Ausübung der Gabritschewsky’scheu Methode doch auch sonst
iu den Fäces vorkommende bewegliche Mikroorganismen zu berücksichtigen.
Bei den von mir ohne Immunserum angestellten Vorversuchen mit Stuhl¬
proben gelangte ausser beweglichen Coliarten auch z. B. der Bacillus
pyocyanus zur Isolirung (Fall 23). In 19 von mir beobachteten sicheren
Typhusfallen (von denen bei 7 der Bacillennachweis auf andere Weise
erbracht war), während bei den anderen klinische Symptome und Vidal’sche
Reaction die Diagnose sicherten, wandte ich zur Stuhluntersuchung meistens
die im Danziger Institut für besonders keimreiches Material gebräuchliche
Methode mittels des Petruschky'scheu Agarflachkölbchens au. Die Flach¬
kölbchen, welche eine Agaroberfläche von ca. 40 ,,cm , also ebenso wie eine
gewöhnliche Petrischale haben, gestatten wegen ihres mit Wattepfropf ver-
schliessbaren Halses ein sicheres leichtes Arbeiten und verbinden die Vor¬
theile der Plattencultur (weite Vertheilung verhältnissmässig reichen Aus¬
saatmaterials) mit denen der Röhrchenculturen (vollkommener Schutz vor
äusseren Verunreinigungen, namentlich beim Aufbewahren der sterilen
vorräthig gehaltenen Nährboden platten). Der Ausstrich geschieht mittels
geglühter Platiunadel, welche vorher mitten in den eben vom Kranken¬
bette in verdecktem Glasgefäss gebrachten Stuhl eingetaucht ist. Die
nach 12- bis 24 ständigem Brütschrankaufenthalt inspicirten Platten ge¬
statten ein leichtes Abimpfen der verdächtigen Colonieen, als welche
makroskopisch runde durchscheinende etwa stecknadelkopfgrosse farblose
Colonieen angesehen wurden. Sie unterscheiden sich von den häulig im
Stuhlgang vorkommenden Streptokokken durch ihren meist etwas grösseren
Umfang und von den einen Coliarten durch ihre meist zartere Beschaffen¬
heit, während gewisse Coliarten und auch Pyoeyanuscolonieen, wenn sie
vereinzelt sind, in den ersten 12 bis 18 Stunden kaum von ihnen zu
unterscheiden sind, da bei letzteren die Farbstoffbildung gewöhnlich erst
später und besonders beim Stehenlassen ausserhalb des Brutschrankes auf¬
zutreten pflegt. Mittels der erwähnten Methode gelang es mir iu 6 Fällen
10 Mal aus dem Stuhl Typhusbacillen zu isoliren. In einem 7. Falle
gelang der Nachweis mittels des Piorkowski’scheu Verfahrens, wobei
besonders hervorgehoben werden soll, dass der gleichzeitig untersuchte
Urin, von welchem dem Stuhl etwas beigemengt war, aus welchem ja
sonst die Isolirung der Typhusbacillen mittels dieses Verfahrens leicht
gelingt, steril war. Nicht unerwähnt lassen darf ich, dass ich mit dem
Petruschky’scheu Verfahren bei 21 Untersuchungen von Stühlen Typhus-
kranker negative Resultate hatte (vgl. Schlusstabelle). Das Elsner’sche
und Piorkowski’sche Verfahren wandte ich nur in 10 Fällen an, ersteres
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Alkuecht Buiujach:
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ohne positives, letzteres mit dem einen positiven Resultat. In mm
Fällen, von denen sich später zeigte, dass es keine Typhusfälle waren,
wurdeu aus dem Stuhl öfters bewegliche Darmbakterieu isolirt, von denen
besonders bemerkenswerth war ein durch Typhusimmunserum im Ver-
hältniss 1:150 agglutinirbarer, alkalibildender und Traubenzucker ver¬
gällender, die Gelatine nicht verflüssigender Bacillus, der bei derselben
Patientin (Fall 19) auch aus dem Blut gezüchtet worden war.
Nach Abschluss meiner Untersuchungen veröffentlichten v. Drigalski
und Conradi 1 ein neues Verfahren zum Nachweis der Typliusbacille«
aus dem Stuhl. Bei ihrer Methode vereinigt sich der Vortheil der frac-
tionirten Agaraussaat mit der Lackmusreaction, indem sie ihrem Nähragar
Lackmustinctur und Milchzucker zusetzen, wodurch eine leichte Difteren-
cirung der Typhuscolonieen gegen Colicolonieen auf der Originalplatte
erzielt werden soll. Ueber Erfahrungen mit diesem Verfahren kann ich
noch nicht berichten.
Ich komme jetzt zu den relativ einfacheren Wegen des Typhusbacilkn-
nach weises aus dem Blute, den Roseolen, dem Milzsaft und dem Urin.
Nachweis der Typhiisbaclllen im Blut.
Dass wir die Typhusbacillen beim Abdominaltyphus in deu ver¬
schiedensten Organen localisirt finden, erklärt sich nach Kruse 2 durct
die Annahme, dass „dieselben regelmässig in den Kreislauf übergehen".
Diese Annahme wird durch den Nachweis der Bacillen im Blute erwiesen,
welcher jedoch nicht immer gelingt, so dass Heim 3 4 * die Aussaaten von
Blut der Typhuskranken für uugeeignet zur Diagnose hält, „da die Typhus-
keime nur selten im Kreislauf augetroffeu werden“. Die zum Zweck des
Bacillenuachweises augestellten Blutuntersuchungen erstrecken sich aul:
1. Das circulirende Blut (meist einer Armvene entnommen),
2. das Roseolenblut und
3. den durch Milzpuuktion gewonnenen Saft.
Fraenkel und Simmonds* erhielten bei der Untersuchung des Blutes
hebernder Typhuskranker mittels des Koch’schen Platten Verfahrens in
B 1'allen stets negative Resultate; später berichten sie an anderer Stelle
über ein positives Resultat unter 6 Fällen. Seitz 6 untersuchte lei
1 v. Drigalski und H. Conradi, Ueber ein Verfahren zum Nachweis der
TyphiLsbaeilleu. Diese Zeitschrift . l‘J02. Ild. XXXIX.
* Kruse, F1 ü g g e 9 s Alikroorganismen .
3 Heim, Lehrhuch der Bakteriologie.
4 Fraenkel und Simmonds, a. a O.
3eitz, a. a. O.
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Deb Nachweis von Typhusuaoillen am Menschen.
331
11 Typhuskranken 7 Mal das Fiugerblut; dabei Hessen sich weder mikro¬
skopisch noch culturell Typhusbacillen nachweisen. Einen Vortheil für
die Praxis, speciell für die Diagnostik kann sich daher Seitz von den
Blutuntersuchungeu bei Typhus nicht versprechen. Heyseis 1 will in
9 Fällen im Fingerblute, allerdings nur sehr vereinzelte, Bacillen mikro¬
skopisch gesehen haben, die er als Typhusbacillen anspricht, wozu ausser
dem Glauben allerdings keine Veranlassung vorliegt. Lucatello 2 hin¬
gegen kam bei mikroskopischer und cultureller Untersuchung des Blutes
der Körperperipherie von Typhuskranken in 9 Fällen stets zu negativem
Ergebniss. Ganz abenteuerlich klingen die Berichte von Almquist 3 in
einer älteren Arbeit. Er beobachtete mikroskopisch Fäden und Kurz¬
stäbchen mit theils schlängeluder Bewegung im frischen noch nicht
coagulirten Blute von Typhuskranken, die er für die Erreger der Krank¬
heit hielt. Dagegen gelang es Merkel und Goldschmidt 4 5 nicht, im
Fingerblute mikroskopisch Typhusbacillen zu sehen. Janowski 6 machte
bei seinen ausgedehnten Untersuchungen an 26 Typhuskranken nicht
weniger als 236 Ausstriche auf erstarrter Gelatine mit Blut theils aus
der Fingerkuppe, theils aus der Vene, ohne eiu positives Resultat zu er¬
halten. Auch Stagnitta 6 erhielt bei Untersuchung des während der
Krankheit aus der Vene entnommenen Blutes mikroskopisch und culturell
negative Resultate. Pasquale 7 8 gelang es in einem Falle, aus dem circu-
lirenden Blute eines Typhuskranken die Bacillen zu züchten, deren Nach¬
weis nach dem Tode auch aus den inneren Organen gelang. Silvestrini*
machte während der 1890 bis 1891 in Pisa herrschenden Typhusepidemie
Blutentziehungen aus der Fingerkuppe und konnte dann, nachdem er das
Blut in sterilisirten Glasröhren mehrere Tage sich selbst überlassen hatte,
mehrmals darin Typhusbacillen nachweisen. Seine Bacillen prüfte er in
Bezug auf ihr Wachsthum auf der Kartoffel, auf Lackmusagar, in steriler
1 Meysels, Ueber das Vorkommen von Typhusbacillen im Blute und dessen
diagnostische Bedeutung. Wiener med . Wochenschrift . 1880. Nr. 21—23.
2 Lucatello, Sulla presenza del bacillo tifoso nel sangue splenico e suo possi-
bilc valore diagnostico. Bullet, d. R. Academie med. di Genova . 1880. Nr. 8.
a E. Almquist, Ueber die Bakterien des Typhoidfiebers. Aus des Verfassers
Schrift: Wie entstehen unsere J Jasernepidemieen ! Göteborg 1885.
4 Merkel und Goldschmidt, a. a. O.
5 Th. Janowski, Zur diagnostischen Verwerthung der Untersuchung des Blutes
bezügl. des Vorkommens von Typhusbacillen. Centralblatt für Bakteriologie. ls v s9.
Bd. V. S. 657.
• Stagnitta, a. a. O.
7 Pasquale, a. a. ().
8 Silvestrini, Studi sulT cziologica doll* ileotifo. Studien über die Aetiologie
des Ileotyphus. Rimsta generale di clinica mcdica. 1802. p. 330, 304.
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Albkecut Buuuacu:
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Milch und auf Gährungsvermögen; indes erkennt er nach Babes ver¬
schiedene Typen au. Ferner will Guarnieri 1 2 in einem Falle von Angio-
cholitis 12 Tage vor dem Tode aus dem Blute ein mit allen biologischen
Eigenschaften des Eberth-Gaffky’schen Bacillus ausgestattetes Stübchen
gezüchtet haben. Fräseani* züchtete aus dem Blute einer Schwangeren,
die von Abdominaltyphus befallen wurde und im 7. Monat eine todte
Frucht gebar, den Typhusbacillus. Klein 3 hatte in 10 Fällen von Blut¬
untersuchungen mikroskopisch und culturell negative Resultate. Thiemich 4
gelang einmal der Nachweis der Bacillen im Veuenblute. Neuerdings
gelang Kühn au 5 in 2 Fällen, die klinisch kein typhisches Bild dar¬
boten, sondern als Sepsis bezw. Meningitis erschienen, durch den Bacillen¬
nachweis aus dem Blute die Diagnose zu stellen. Kühnau’s etwas
umständliche Methode bestand in fünffacher Verdünnung des Blutes mit
Bouillon, von welcher dann sofort eine grössere Anzahl von Agarplatten
gegossen wurde. Urban 6 dagegen bemühte sich vergeblich bei 6 an
Typhus erkrankten Kindern aus dem circulirenden Blute zu züchten, ob¬
wohl er auf der Höhe des Fiebers täglich später alle 2 bis 3 Tage Ent¬
nahmen machte. Block 7 erhielt 2 Mal aus dem Blute eines Typhus-
kranken intra vitram Typhusbacillen in lteinculturen. Nach dem 24 Stunden
später erfolgten Tode gelang der Nachweis der Bacillen aus dem Herzblut
nicht mehr, wobei als ursächliches Moment die bereits stark vorgeschrittene
postmortale Zersetzung angeführt wird. Schottmüller 8 9 legte Agar-
platten mit je 4 ecm Blut an und konnte nach 4 Tagen vereinzelte Typbus-
colonieeu abimpfen und indentificiren, jedoch fehlen noch detaillirte Be¬
richte über seine Resultate. Castellani“ erhielt zunächst, indem er Blut
in Reagensgläschen mit Bouillon verdünnte, negative Resultate; darauf
1 Guarnieri, Contributo alla patogenisi dolle infezioni iliari. Bivista generali
di clin. medica. 1892. p. 234 u. 258.
2 Frascnni, a. a. 0.
3 Klein. Report on the Etiology of Typhoid Fever. XXII. Annal Report of
the Local ( lovernment Board. London 1892.
* Thiemich, Klinisch-bakteriologische Blutuntersuehungen b. Abdom inaltyi'lm.-.
luaug.-Diss. Breslau 1894.
1 W. Kühn au. Ein Fall von Septicopyaemia typhosa. Berliner k/in. Wochen-
schrift. 1896. Nr. 30. — Zur Kenutniss der Meningitis typhosa. Ebenda. 1896. Nr. 25.
4 K. IJrban, Blutuntersuchungen beim Abdominaltyphus und die Grober-
Vidal’schc J^emdiagnostik. Wiener med. Wochenschrift. Nr. 32 U. 35.
7 Block, A ease of Typhoid fever in which the typhoid was obtained twice
from the blood during lil’e. Bull, of the Johns J lo/di ns Hospital. Vol. VIII. p. 119.
4 Schottmüller, Ueber eine das Bild des Typhus bietende Erkrankung, her-
vorgerufen durch typhusähnliche Bacillen. Deutsche med. Wochenschrift. 1900. Nr. 32.
S. 511.
9 Ca stell an i, a. a. 0.
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Der Nachweis von Typhtsbacirlen am Menschen.
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nahm er grössere Mengen Bouillon und liess darin 10 bis 40 Tropfen
Blut hinein und kam zu positivem Ergebniss, und zwar unter 16 Typhus-
lällen 4 Mal. Die betreifenden 4 Fälle verliefen sehr schwer, 3 endeten
letal. Seine Methode wurde weiter verwerthet von Dnger und Auer¬
bach 1 , die in 300 ccm steriler Bouillon in Erlenmeyer’schen Kolben
10 bis 20 bis 30 Tropfen Blut aus der Vena mediana mittels ausgekochter
Canüle aufßugen und auf ungefähr 18 Stunden in den Brütschrauk stellten.
Wie Castellani fanden auch sie in dieser Originalaussaat zum Tlieil
allgemeine Trübung, bedingt durch bewegliche Typhusbacillen oder auch
durch immobilisirte und zum Theil noch durch den Einfluss des Serums
agglutinirte Stäbchen, die dann erst bei der Weiterimpfung auf Agar sich
als echte bewegliche Typhusbacillen erwiesen. Sie erhielten unter 10 Fällen
7 Mal positive Resultate und empfehlen daher das Verfahren zur Schnell¬
diagnose, „da es schon innerhalb 36 Stunden zu einem entscheidenden
Ergebniss führen könnte“. Allerdings kann man ihren Untersuchungen
den Vorwurf der Leichtfertigkeit nicht ersparen, da sie zur Identiücirung
ihrer Bacillen nur das Verhalten derselben in steriler Milch und gegen¬
über einem „hochwerthigen Typhusserum“ heranzogen, was freilich ganz
ungenügend ist. Trotzdem verdienen ihre Untersuchungen und ihre
interessanten Schlussfolgerungen Beachtung, indem sie nämlich vermuthen,
dass der „Typhusbacillennachweis im Blute nur während der Continua
oder im Eruptionsstadiura der Roseolen sowohl bei der ersten Infection
als auch beim Recidiv gelingen dürfte“. Bei einem Typhusrecidiv er¬
brachten sie nach der obigen Methode den Bacillennachweis noch am
42. Kraukheitstage. Bei 6 Typhusfällen versuchte ich den Bacillennach¬
weis aus dem Blute zu führen (Fall 4, 5, 7, 10, 13, 29), indem ich von
der zur Vidal’schen Reaction steril entnommenen Blutprobe sofort nach
Einlieferung eine Verdünnung von etwa 1:30 in steriler Bouillon vor¬
nahm, jedoch stets mit negativem Resultat. Die betreffenden Aussaaten
wurden nur gemacht, wenn in den Fällen continuirliches Fieber bestand.
In vier dieser Fälle wurde der Bacillenuachweis aus Urin, Roseolen oder
Stuhl geführt, die beiden auderen waren wenigstens durch die klinischen
Symptome und den positiven Ausfall der Vidal’schen Reaction als Typhen
genügend charakterisirt (Fall 5 u. 29). Seiner Zeit hatte Kölzer 2 nach
obiger Methode im Dauziger Institut bei 46 Typhuskrauken bei 77 Blut¬
untersuchungen nur 2 Mal ein positives Ergebniss gehabt. So hatte
diese Methode wenig ermuthigendes und die besseren Resultate nach der
1 Max Auerbach und Ernst Unger, Ueber den Nachweis von Typhusbacillen
im Blute Typbuskranker. Deutsche med. Jf ockenschrift. 1000. Nr. 49.
* W. Kölzer, Weitere Mittbeilungen über die Vidal’sche Keaetion. Diese
Zeitschrift. Bd. XXXVI. S. 76.
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Albkeciit Buhdach:
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Castellani’schen Methode veranlassten mich, auch diese Methode anzu¬
wenden. Leider war das Krankenmaterial nur spärlich. Acht Fälle mit
Typhusverdacht kamen zur Untersuchung, vier davon hatten ätiologisch
mit Typhus nichts zu thun (parenchymatöse Nephritis, Miliartubercuh.ee.
puerperale Sepsis, schwere complicirte Influenza); von den übrigen vier
waren drei leichte Fälle und schon im Stadium des remittirendeu Fiebers,
nur die positive Vidal’sche Reaction liess sie neben gastrischen Sym¬
ptomen als Typhus erscheinen, im 4. endlich (Fall 28) gelang der Nach¬
weis der Typhusbacillen unschwer. Jedoch zeigten auch hier die Bacillen
in der Origiualbouillon (40 Blutstropfen in 300 < ' cra Bouillon) nicht freie
Beweglichkeit, sondern waren zum grösseren Theil agglutinirt; dieser Um¬
stand dürfte sich daraus erklären, dass an demselben Tage, dem sechsten
Krankheitstage, auch schon die Vidal’sche Reaction 1:50 positiv war.
Erwähnen muss ich, dass bei der Castellani’schen Methode Verun¬
reinigungen von der Haut gelegentlich in den Bouillonkolben gelangen
können, so erhielt ich von Fall 20 (Miliartuberculose) Staphylokokken und
von Fall 29 (Typhus) Heubacillen. Bei Fall 27 (puerperale Sepsis) jedoch
fanden sich auf dem Boden des Kolbens, wo sich von der sonst klaren
Bouillon ein hauptsächlich aus Blutkörperchen bestehendes Sediment ge¬
bildet hatte, eine Reincultur von Streptokokken, die auch aus dem Inhalt
der pemphisgusartigen Blasen der Haut und nach dem Tode aus den
inneren Organen sowie dem Eiter der rechten Tube in Reinculturen er¬
halten wurden. Im Fall 30 endlich wurden in dem schwer zu erhaltenden
Sputum des stark benommenen Patienten am 31. Krankheitstage Influenza¬
bacillen gefunden und daraus auf Blutagar gezüchtet; im Blut fanden
sich immer wieder Stäbchen, die sich nach Gram färbten und auch
reichlich in dem Eiter eines am 33. Krankheitstage entleerten peripructi-
tischen Abscesses vorhanden waren. Sie erwiesen sich für Mäuse pathogen,
wuchsen auf gewöhnlichem Agar typhusähnlich und verflüssigten die Ge¬
latine nicht, ln diesen beiden Fällen bewährte sich also dieCastellani’sche
Methode als ein Mittel, überhaupt Fieber erregende Organismen im Blute
nachzuweisen. Ebenso glaube ich den Fall 19 (parenchymatöse Nephritis)
auffassen zu müssen, in welchem wegen des allgemein typhösen Krank¬
heitsbildes eine Blutaussaat nach Castellaui gemacht wurde; nach
ca. 15 Stunden war die Bouillon vollkommen getrübt durch lebhaft be¬
wegliche Stäbchen, die durch unser Kaninchentyphusimmunserum 1:150
vollständig agglutinirt wurden, jedoch Traubenzucker vergährten, in der
Laekmnsmolke deutliche Blaufärbung hervorriefen, die Gelatine nicht ver¬
flüssigten, sich nach Gram entfärbten und die Milch nicht zum Gerinnen
brachten. Zumal es später gelang, dieselben Mikroorganismen auch aus
dem Stuhl der Patientin zu züchten, dürfte es wahrscheinlich sein, dass
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Der Nachweis von TTratrsBACiiiLEN am Menschen.
335
der betreffende Bacillus, sei es primär, sei es secundär, in Folge Stauungs¬
katarrh des Darmes in dem Krankheitsverlaufe eine wesentliche Rolle
spielte. Man dürfte dann aus diesem Fall die Lehre ziehen, dass man
sich bei der Identificirung von Typhusbacillen niemals lediglich auf die
Agglutinationsprobe verlassen darf, und dass das Vorkommen von Bakterien
der Coligruppe im Blute möglich ist. 1
Roseolennntersuchangen.
Im Anschluss an den Bacillennachweis im Blute sollen die Züchtungs¬
ergebnisse aus Roseolen besprochen werden. Während man früher all¬
gemein vom „Bacillennachweis im Roseolenblut“ sprach, müsste man
heute richtiger sagen „aus dem Gewebssaft der Roseoie“, der allerdings
zur Aussaat immer mit etwas Blut vermischt gelangt. Denn erst in
neuester Zeit sind wir über das Wesen der Roseolen aufgeklärt. Neu-
hauss 2 hielt sie für durch Typhusbacillen bewirkte Hautembolien, E.
Fraenkel dagegen 3 früher angesichts seiner und fast aller anderen
Untersucher gänzlich, negativen Untersuchungsergebnisse beim Versuch
des Bacillennachweises für Toxiuwirkungen. Erst nachdem Neufeldt 4
den ursächlichen Zusammenhang der Roseola typhosa mit den Typhus¬
bacillen klarstellte, indem er zeigte, dass der Bacillennachweis aus dem
„echten“ Roseolen entstammenden Gewebssafte leicht gelingt, und dass
für negative Züchtungsergebnisse ausser der „oft nicht leichten Unter¬
scheidung anderer Hautefflorescenzen von den Roseolen“ einmal „die
geringe Zahl der in den Roseolen enthaltenen Bacillen und zweitens die
bei der Abimpfung unvermeidliche Blutbeimischung mit ihrem schnell
wirkenden baktericiden Einfluss“ als ursächliche Momente in Betracht
kommen, schien die Roseoie sich als reactive Entzündung um in der
Haut extravasculär sitzende lebende Typhuskeime deuten zu lassen. Die
histologische Bestätigung dieser Annahme wurde durch Eugen Fraenkel 5
erbracht. Was Neufeldt als vergebliches Bemühen bezeichnet hatte, in
Schnitten von excidirten Roseolen die so vereinzelten Bacillen zu finden,
1 Vgl. auch Schottmüller, a. a. O.
* R. Neuhauss, Nachweis der Typhusbacillen beim Lebenden. Berliner Hin.
Wochenschrift. 1886. Nr. 6. — Weitere Untersuchungen über den Bacillus des Ab¬
dominaltyphus. Ebenda. 1886. Nr. 24.
* E. Fraenkel, Zur Lehre von der Aetiologie der Complieationen im Abdominal-
typhus. Jahrbücher der Hamburger StaatskrankenamtaU. 1889. Jahrg. I.
* F. Neufeldt, Ueber die Züchtung der Typhnsbaeillen aus Rosr.dnilorken
nebst. Bemerkungen über die Technik bakterielog. Blutuntersuchungen. Diese Zeit¬
schrift. Bd. XXX. S. 498.
* E. Fraenkel, Ueber Roseola typhosa. Ebenda. Bd. XXXIV. S. 482.
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Aubreciit Burdach:
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erreichte er durch sein schon hei Organstückchen von Leichen mit Erfolg
angewandtes Anreicherungsprincip, indem er die unter antiseptischen
Kautelen excidirte ltoseole in sterile Bouillon fallen liess und diese
18 Stunden in den Brütschrank stellte. In den später angelegten Serien-
schnitten fanden sich entsprechend dem Centrum der Roseoie im Stratum
papilläre bezw. reticulare vereinzelte Bacillenherde, deren zum Theil deutlich
bäumchenartige Anordnung Lymphgefässen der Haut zu entsprechen schien.
Die Fraeukel’schen Beobachtungen erscheinen besonders dadurch gestützt,
dass gleichzeitig von denselben Patienten aus anderen Roseolaflecken
Typhusbacillen gezüchtet wurden. Durch den histologischen Nachweis
der Bacillen ist die Bedeutung der bakteriologischen Untersuchung der
Roseolen für die Diagnose erst in’s rechte Licht gesetzt, und es dürfte
ein Roseolaexanthem erst dann als typisch angesehen werden, wenn aus
einem oder dem anderen der Fleckchen der Bacillennachweis gelungen ist.
Diesen Nachweis hatte schon Gaffky vergeblich erstrebt. Neubauss 1
und nach ihm Rutimeyer 2 waren die ersten und lange Zeit einzigen
Untersucher gewesen, die mit positivem Erfolg Roseolenblut bakteriologisch
untersuchten. Neubauss skariticirte die Roseolen unter den nöthigen
Kautelen und vertheilte das Blut in Gelatineröhrchen. Der Bacillen¬
nachweis gelang ihm in 9 von 15 Fällen, Rutimeyer in 1 von 6.
Diesen beiden Untersuchern standen mit gänzlich negativen Ergebnissen
gegenüber: Fraenkel und Simmonds 3 bei 6 Typhusfällen, Seitz 4 5 bei
14 Untersuchungen an 11 Typhuskrauken, ferner Merkel und Gold¬
schmidt 6 , Chantemesse und Yidal 6 , Janowski 7 , Grawitz 8 9 , Curscli-
mann 0 , Urban. 10 Erst Thiemich 11 wieder züchtete bei 7 Typhusfallen
3 Mal aus dem Roseolenblute Typhusbacillen, indem er es direct am
Krankenbette mit flüssig gemachtem Agar vermischte und dann Platten
goss. Erheblich bessere Resultate erzielte Neufeldt 12 , indem er flüssige
Nährmedien auwaudte in der richtigen Erkenntniss, dass die nur ganz
1 Neubauss, a. a. O.
2 Kutiineyer, Ue!>er den Befund von Typhusbaeillcn aus dem Blute Kim
1i«d>onden. Ceniralhlatt für kiir. Al edi ein. 1887. Nr. 9.
3 Fraenkel u. Simmonds, a. a. O.
4 Seitz, a. a. ().
5 M(*rke 1 und Go 1 dschmidt, a. a. O.
6 (' h a n te m es so und Yidal, citirt naeli (’u rseli man n, Monographie.
7 Janowski, a. a. O.
8 Grawitz, a. a. O.
9 ( ’ u r s c li m a n n, Der Ahdom i n a lfyphus . 1897.
10 Urban, a. a. O.
11 T b i em ieh, a. a. < K
12 Neufeldt, a. a. (>.
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Der Nachweis von Typhusbacillen am Menschen.
337
vereinzelt in den Roseolen vorkommenden Bacillen, in dem beim Skari-
ficiren hervortretenden Blutstropfen der baktericiden Kraft des Blutes aus¬
gesetzt, davor nur durch möglichst schnelle und ausgiebige Verdünnung
desselben gerettet werden könnten. Unter 14 Fällen gelang bei 13 der
Bacillennachweis. Seine Methode, die um so sicherer zum Ziele führt,
je genauer man sie bis ins Kleinste befolgt, beschreibt Neu fei dt folgen-
dermaassen: „Zunächst wird die betreffende Hautstelle ohne starkes
Drücken und Reiben mit einem in Alkohol und Aether getauchten Watte¬
bausch gereinigt, alsdann mit einem spitzen Scalpell oder Impflancette ein
seichter Einschnitt in die Roseoie gemacht; nun kratzt man, bevor noch
der erste Blutstropfen hervordringt, mit der Spitze desselben Messers etwas
Gewebssaft aus der kleinen Wunde heraus und bringt diesen sofort in
Bouillon; aus dem Röhrchen bringt man mit der Messerspitze einige
Tropfen Bouillon auf die Wunde, um die hervorquellenden Blutstropfen
sofort zu verdünnen; dieselben werden dann ebenfalls in Bouillon oder in
das Condenswasser von Agarröhrchen, wie oben beschrieben, verimpft.
Gewöhnlich habe ich von jeder Roseoie auf diese Weise ein Agar- und
2 Bouillonröhrchen geimpft.“ Zu beachten ist auch ferner nach Neu¬
feld t’s Beobachtungen, denen ich mich nur voll uud ganz anschliessen
kann, dass der Bacillennachweis am ehesten aus ganz zarten eben auf-
gebotenen Roseolen gelingt, und dass man sich nie mit der Abimpfung ver¬
einzelter Roseolen begnügen soll, sondern, wenn möglich, stets mehrere,
4 bis 5, untersuchen soll.
Nicht selten erhält man Staphylokokken in den Culturen, die nach
Neufeldt meist aus den Hautdrüsen stammen dürften, m die man durch
die einfache Oberflächendesinfection nicht dringen kann. Nach diesen
grundlegenden Untersuchungen Neufeldt’s gelang es sogleich mehreren
Beobachtern, die Brauchbarkeit seiner Methode zu bestätigen. Cursch-
mann 1 erhielt bei 20 Typhuskranken 14 Mal positive Resultate und be¬
zeichnet „die bakteriologische Untersuchung der Roseola typhosa“ als „ein
neues gutes Stück in unserer diagnostischen Rüstkammer“. Ferner hat
im Aufträge Rumpfs 2 Krause bei 11 klinisch sicheren Typhusfallen
aus den Roseolen Typhusbacillen gezüchtet. Rumpf erwähnt, dass „nicht
in jeder Roseoie Typhusbacillen gefunden wurden, sondern oft erst in der
3. bis 5. desselben Patienten“ und bezieht diese Thatsache auf die geringe
Zahl der im einzelnen Fleck vorkommenden Bacillen. Erwähnt sei noch,
dass ein Versuch von Unge rund Portner 9 mit Piorkowski’scher Gelatine
1 Curschmann, Zur Untersuchung der Roseolen auf Typhusbacillen. Münchener
med. Wochenschrift . 1899. Nr. 48. S. 1597.
* Rumpf, Der Abdominaltyphus. Berliner klin. Wochenschrift . 1900. Nr. 23/24.
• Unger und Portner, a. a. O.
Zeitgehr. f. Hygiene. XLL
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Original frum
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Albbecht Bubbach:
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bei der Boseoienuntersuchung von negativem Erfolge war, ebenso wie bei
mir. Aus den Protokollböchern des Danziger Institutes finde ich vor der
Zeit meiner eigenen Beobachtungen 9 Roseolenuntersuchungen an 8 Typhus¬
fällen nach der Neufel dt’schen Methode, von denen 3 ein positives Er-
gebniss hatten. Ich selbst machte bei 21 klinisch sicheren Typhusfällen
25 Mal die Roseolaabimpfung nach Neufeldt, jedoch nur 10 Mal mit
positivem Erfolg. Die verhältnissmässig grosse Zahl der negativen Ergeb¬
nisse schreibe ich ausser den von Neufeldt und Rumpf angegebenen
Ursachen dem Umstande zu, dass ich in dem Wunsche, möglichst bei
allen vorräthigen Typhusfällen den Bacillennachweis zu führen, oft genug
ältere Roseolen oder nur schwach Roseola verdächtige Flecke abimpfte,
zumal ich aus äusseren Gründen die Kranken nur gelegentlich, gewöhnlich
aber in den ersten Tagen nach der Aufnahme inspicirte. In diesen
letzteren erythemartigen Flecken wurde öfters Staphylococcus albus bezw.
citreus, in einem Falle unbewegliche Stäbchen, die sich nach Gram
färbten, gefunden. Wie Neufeldt fand auch ich, dass in den Bouillon¬
röhrchen mit dem Roseolablut die Beweglichkeit der Typhusbacillen ge¬
schädigt sein kann. Im Fall 18 war sie sogar ganz aufgehoben. Ich
bemerke, dass in diesem Falle die gleichzeitig am 9. Krankheitstage an-
gestellte Vidal’sche Reaction sofort 1:50 positiv war, und man ersieht
daraus, dass die Typhusbacillen selbst im agglutinirten und paralysirten
Zustande keineswegs todt, wie es in gewissen Lehrbüchern der klinischen
Diagnostik noch zu lesen ist, sondern sogar erheblich vermehrungsfähig
sind; denn wie hätte sich anders das betreffende Bouillonröhrchen trüben
können, wie hätte man anders schon im hängenden Tropfen dieser Bouillon
die unbeweglichen Stäbchen constatiren können, die auf dem nächsten
Agarausstrich sich als eine Reincultur von freibeweglichen Typhusbacillen
erwiesen. Erwähnen muss ich noch Fall 9, der in der ersten Woche
seines Krankenhausaufenthaltes durchaus das Bild eines Typhus darbot;
es wurden bei ihm am 14. und 17. Krankheitstage je 3 und 4 roseola¬
verdächtige Flecke abgeimpft, jedoch blieben die Röhrchen steril: die
Vidal’sche Reaction zeigte nur am 29. Tage, vielleicht als Folge des über¬
standenen Darmkatarrhes, eine schwache Beeinflussung, blieb jedoch negativ,
wie am Anfang der Krankheit. Das Fieber verschwand, nachdem eine
linksseitige Epulis, aus deren Eiter Streptokokken gezüchtet worden waren,
verheilt war, während die erbsensuppenartigen Stühle noch längere Zeit
bestehen blieben. Aus ihnen, wie aus dem Uriu liessen sich Typhusbacillen
nicht züchten. In der That waren die oben erwähnten Flecke durchaus nicht
von echten Typhusroseolen zu unterscheiden, als blassrothe, leicht erhabene,
auf Druck verschwindende Fleckchen. Indessen wurde der Fall auch klinisch
im weiteren Verlauf nicht als Typhus, sondern als Enteritis acuta aufgefasst.
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Der Nachweis von Typhusbacil:len am Menschen.
339
Milzpunction.
Ich schliesse hieran die von den Antoren gewonnenen Resultate bei
Milzpunctionen, wonach dieselbe das unfehlbarste Mittel zum Bacillen-
uachweis sein dürfte. Indessen ist sie wegen ihrer Gefährlichkeit wohl
an den meisten klinischen Anstalten nicht gebräuchlich. Die Berechtigung
ihrer Anwendung zu diagnostischen Zwecken ist besonders von E. Fraenkel 1 * ,
Grawitz* und Curschmann 3 beanstandet worden. In ihrem Sinne be¬
richtet auch Haedtke 4 * über einen nach der Milzpunction bei der Ob-
duction beobachteten Kapselriss von 0-5 cm Länge und daraus stammendem
Bluterguss von 100 ccm in die Bauchhöhle, den er allerdings nicht als
letale Ursache betrachtet, um so wunderbarer, als er eine andere nicht
anführt; denn es dürfte vielleicht doch beinahe einer Darmperforation
gleichkommen, wenn ein Blutextravasat mit massenhaften Typhusbacillen
in der Bauchhöhle verweilt. Die historische Entwickelung der Milzpunction
sei kurz im Folgenden erörtert. Wie die ersten Leichenbefunde von
Typhusbacillen in der Milz gemacht waren, lag der Gedanke nahe, in
vivo durch Punction der Milz sich etwas von der weichen Pulpa zu ver¬
schaffen und darin den Bacillennachweis zu versuchen. Meiseis 6 fand
mikroskopisch im Milzblut reichlicher Bacillen als im Fingerblut, bis¬
weilen 8 bis 10 im Präparat. Lugatello 6 erhielt bei 17 Fällen 10 Mal
aus dem Milzblut Typhusbacillen durch Culturverfahren. Philippowitz 7 8
machte in 4 Fällen mit der Pravazspritze Milzpunctionen ohne schädliche
Folgen und konnte stets mikroskopisch und in Stich- und Platteuculturen
Typhusbacillen nachweisen. Ferner erhielten positive Resultate Vidal und
Chantemesse 9 , Dreifus-Brisac und Yidal. 9 Stagnitta 10 hatte, wie
bei seinen sonstigen Blutuntersuchungen auch bei Untersuchungen
1 E. Fraenkel, Ueber Abduminaltyphus. Deutsche med . Wochenschrift. 1887.
Nr. 6. S. 101.
1 Grawitz, a. a. O.
8 Curschmann, a. a. 0.
4 Hädtke, Die Diagnose des Abdominaltyphus und Vidal's sero-diagnostisches
Verfahren. Deutsche med . Wochenschrift . 1897. Nr. 2. S. 21.
8 Meiseis, a. a. O.
• Lucatello, a. a. 0.
7 Philippowitz, Ueber die diagnostische Verwerthung der Milzpunction bei
Typhus abdominalis. Wiener med. Wochenschrift . 1886. Nr. 6/7.
8 iVidal et Chantemesse, a. a. O.
• Dreyfus-Brisac et Chantemesse, Epidemie de famille de fi^vre typhoide.
V. Malad es, consid^rations cliniques et recherches bacteriologiques. Gaz. hebdom.
de med . et de chir . 1886. Nr. 45. S. 126.
10 Stagnitta, a. a. O.
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340
Albrecht Bubdach:
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des Milzblutes nur negative Erfolge. Von deutschen Autoren tritt be¬
sonders Rettenbacher 1 * für die diagnostische Verwendung der Milz-
punction in zweifelhaften Fällen ein. In 13 Fällen erhielt er 10 Mal
Typhusbacillen; ein Fall erwies sich bei der Obduction als Meningitis, die
beiden anderen blieben unklar. Bonardi, Flora e Silvestrini* fanden
in 8 Fällen im Milzsafte neben Typhusbacillen den Streptococcus und den
Staphylococcus albus. Ippa 3 berichtet über einen Fall mit dem Nachweis
von Typhusbacillen im Milzsaft und Recurensspirillen im Blut. E. Neisser 1 *
empfiehlt die Anwendung der Milzpunction zur Frühdiagnose und theilt
die Beobachtung mit, dass die durch diese Methode bei ein und demselben
Kranken zu verschiedener Zeit gewonnenen Typhusbacillen am Anfang der
Krankheit die höchste Virulenz besitzen. Silvestrini 6 berichtet über
4 Fälle von Züchtung von Typhusbacillen aus dem Milzblute, ohne dass
bei der späteren Section sich Darmläsionen und die typischen Verände¬
rungen der Peyer’schen Plaques gefunden hätten. „Nach seiner Ansicht
könne man die Diagnose auf Typhus stellen, wenn das der Milz ent¬
nommene Blut nach 15 Stunden die Bouillon gleichmässig trübte und im
hängenden Tropfen Bacillen sich zeigten, die sich schnell nach verschie¬
denen Richtungen bewegen, theils eiförmig, theils einzeln stabförmig, theils
in Ketten stabförmig zu 3 und 4 vereinigt seien und sich schnell aal-
artig fortbewegten. Das Bacterium coli, das sich post mortem so leicht
aus der Milz gewinnen liesse, werde nie aus dem Blut oder Milzblut des
Lebenden gewonnen.“ Diese Behauptung dürfte sich denn doch nicht
bestätigen, und ich möchte hierbei nur wieder an den Fall 19 erinnern,
wo die Züchtung eines Bacillus aus der Coligruppe aus dem Blute gelang,
der noch dazu in seiner Beweglichkeit dem Typhusbacillus täuschend ähnlich
war. Da wir jetzt nun andere Methoden des Bacillennachweises beim
Typhus am Lebenden haben, so können wir mit Recht der gefährlichen
Manipulation der Milzpunction entrathen, bei welcher wir gewissermaassen
eine natürliche Schutzvorrichtung des Organismus, als welche wir die
Festhaltung der Krankheitserreger in der Milz aufzufassen geneigt sind,
künstlich beschädigen, indem wir den Bacillen ein, wenn auch nur nadel¬
stichgrosses Thor in die Bauchhöhle eröffnen.
1 Rettenbacher, Ueber den diagnostischen Werth der Milzpunction bei Typhus
abdominalis. Zeitschrift für klin. Medicin. 1891. Bd. XIX. 8. 311.
* Bonardi, Flora e Silvestrini, a. a. O.
* Ippa, a. a. 0.
4 E. Neisser, Untersuchungen über den Typhusbacillus und das Bact coli com.
Zeitschrift für klin. Mediän. 1893. Bd. XXIII.
* R. Silvestrini, 11 reperto del bacillo tifico in clinica. Settimana med. 1896.
Nr. 5 u. 10.
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Der Nachweis von Typhusbaclllen am Menschen.
341
Nachweis der Bacillen im Urin.
Wenn wir die Milz als dasjenige Organ auffassen, welches die schäd¬
lichen Krankheitserreger, die ins Blut gelaugt sind, auffängt, um die
übrigen. Organe davor zu bewahren, so könnten wir bei der Typhus-
bakteriurie an eine zweckmässige Function der Nieren denken, welche ja
nach unserer Kenntniss unorganisirte Gifte aus dem Blute eliminiren,
und zwar meist wenige Stunden nach ihrer Aufnahme in den Organismus,
dann freilich oft auch sehr allmählich und unvollständig. Dass die Aus¬
scheidung der Typhusbacillen durch den Urin aber meist erst in späteren
Stadien der Krankheit vor sich geht, dürfte mit einer activen Betheiligung
der Bacillen selbst an diesem Processe Zusammenhängen. Die vorläufig
beste Erklärung für diesen Vorgang verdanken wir, wie auch Neufeldt 1
annimmt, den Beobachtungen von Konjajeff 2 , welcher „in Schnitten, in
Lymphknötchen (Lymphomen) der Niere bei an Abdominaltyphus Ver¬
storbenen Bacillen fand, ebenso in Kapillaren, sowie in den mit runden
Zellen oder auch mit Harncylindern erfüllten Harnkanälchen, in welch’
letzterem Falle sie zwischen Cylindern und Kauälchenwand lagen. Behufs
culturellen Nachweises der Typhusbacillen aus frischem Knötchenmaterial
wurde dieses unter antiseptischen Cautelen in verflüssigter Gelatine ver¬
theilt und in Platten gegossen. Die beiden sich entwickelnden Colonie
formen, die einen oberflächlich, die anderen in der Tiefe gelegen, stellten
sich zufolge des charakteristischen Wachsthums der von ihnen aus ange¬
legten Kartoffelculturen als unzweifelhafte Colonieen von Typhusbacillen
heraus. Damit schien auch die Identität jener in sämmtlichen typhösen
Nierenlymphomen constatirten Bacillen mit Typhusbacillen festgestellt.“
Des Weiteren bemerkt der Autor, dass er die genannten Lymphome erst
am Ende der zweiten bezw. Anfang der dritten Krankheitswoche auftreten,
sich dann weiter entwickeln und gelegentlich in Harnkanälchen durch¬
brechen sah. Es dürfte sich auoh dieThatsache, die auch Neufeldt® beob¬
achtete, dass nämlich der Urin, der durch mehrmalige Urotropingaben
keimfrei gemacht ist, hinterher wieder Typhusbacillen enthält, so erklären,
dass vielleicht neue Herde aus dem Nierengewebe sich nach den Harn¬
kanälchen entleert haben. Auch die schwankende Keimzahl dürfte in
solch grösseren oder kleineren Nachschüben ihre Erklärung haben, da wir
1 F. Neufeldt, Bakteriurie bei Typbus und ihre praktische Bedeutung. Deutsche
med. Wochenschrift. 1900. Nr. 51.
* Konjajeff, Die bakterielle Erkrankung der Niere beim Abdominaltyphus.
Jescheniedielnaia klinitscheskaja Gaseta. 1888. Nr. 33—38. — Ref. Centralhlatt für
Bakteriologie. 1889. Bd. VI. S. 672.
»Neufeldt, a. a. Ü.
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AijBbecht Bubdach:
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nicht ohne Weiteres eine starke Vermehrung der Bacillen in dem meist
sauer reagirenden Urin innerhalb der Blase verstehen können, beobachtete
ich doch in einem Fall (Fall 23) mit stark sauer reagirendem Harn, in
welchem mikroskopisch zahlreiche, meist zu Häufchen verklebte Typhus-
bacillen sichtbar waren, dass einfache Agarausstriche von dem Bodensatz
des Urins steril blieben, während noch am Tage vorher aus demselben
Urin massenhafte Colonieen aufgegangen waren. Es war am Tage vorher
kein Urotropin gegeben worden. Indessen will ich, bevor ich meine eigenen
Fälle zusammenstelle, kurz die bisher bekannten Fälle von Typhus-
bakteriurie aufzählen. Seitz 1 beobachtete sie zuerst, und zwar unter
7 Fällen 2 Mal mit reichlichen Bakterien und Eiweissgehalt.
Konjajeff 2 3
unter 20 Fällen 3 Mal,
Neumann 8 ... „48
Karlinski 4 5 6 ... „44
Wright and Semple® ,, 7
Hueppe 8 .... „ 18
Baart de la Faille 7 „ 27
Levy und Gisler 8 „ 22
Urban 9 .... fand in 2
Horton Smith 10 . . 3
Potruschky 11 . . . bei 3
7 ?
7 ?
7 ?
77
77
77
11
21
6
1
4
10
77
77
7 ?
7 ?
77
77
Richardson 12
9
Typhusbacillen im Urin,
von 7 Fällen,
„ 50 „ während der
Reconvalescenz,
n 33 •« «
1 Se itz, a. a. O.
* Konjajeff, a. a. O.
3 Neumann, Ueber Typhusbacillen im Urin. Berliner kUn. Wochenschrift.
1890. Nr. 6.
4 Karlinski, Untersuchungen über das Vorkommen der Typbusbacillen im
Harn. Prager med. Wochenschrift. 1890. Nr. 35/36.
5 Wright u. Semple, On the presence of typhoid bacille in the urine of pa*
tients suffering from typhoid fever. Lancet . 1^95.
6 Hueppe, cit. nach Neufeld, a. a. 0.
7 Baart de la Faille, ßakteriurie bei Typhus. Dissertation . Utrecht 1^95.
3 James Levy und Gisler, Untersuchungen über Typhusserum. Münchner
med. Wochenschrift. 1897. Nr. 50/51.
9 Urban, a. a. 0.
10 Horton-Smith, On the presence of the typhoid bacilli in the urine of pa-
tients suffering from typhoid fever. Transact. of the Royal med. and chirurg.
London. Vol. LXXX. p. 141.
11 Petruschky, Ueber Massenausscheidung von Typhusbacillen durch den Urin
von Typhusreconvalescenten und die epidemiologische Bedeutung dieser Thatsache.
Centralblatt für Bakteriologie. Abth. I. Bd. XXIII. Nr. 14. S. 577.
“Richardson, On the presence of the typhoid bacillus in the urine. Jour»,
of exper. Med. Vol. III. p. 349.
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Dkb Nachweis von Typhusbacillen am Men schen.
843
Bösenberg 1 .... bei 10 von 22 Fällen,
Horton-Smith 2 . . . neuerdings bei 17 von 45 Fällen,
Neufeldt 3 .in 3 von 12 Fällen.
Im Danziger Institut wurden in der Zeit vom April 1897 bis Ende
Juni 1900, also in 3*/ 4 Jahren nach den Aufzeichnungen der Protokoll¬
führer an 53 Typhusfällen Urinuntersuchungen auf Typhusbacillen gemacht,
weil die betreffenden Urine durch ihre trübe Beschaffenheit den Verdacht
der Bakteriurie erregt hatten, indessen liessen sich nur bei 10 dieser Fälle
Typhusbacillen nachweisen. Ich selbst machte dann im Danziger Institut
innerhalb 8 Monaten an 25 sicheren Typhusfällen die bakteriologische
Urinuntersuchung und fand Typhusbacillen in 10 Fällen. Man sieht aus
den angeführten Zahlen, dass man nicht im Entferntesten in der Lage
ist, einen Grenzwerth für die Häufigkeit der Typhusbakteriurie festzu¬
setzen; nur scheint die Forderung darans hervorzugehen, dass man ver¬
pflichtet ist, dort, wo eine bakteriologische Controle der Typhusurine un¬
möglich ist, in allen Fällen und sonst in den Fällen von Bakteriurie durch
wochenlange Urotropingaben bezw. monatelange Urindesinfection einer
Weiterverbreitung der Seuche zu steuern. Wie gefährlich die Typhus¬
bakteriurie wegen der kolossalen Mengen der ausgeschiedenen Keime ist,
darauf ist namentlich von Petruschky 4 aufmerksam gemacht worden
und neuerdings auch von Richardson 5 , Horton-Smith 6 und Neufeldt. 7
Aus diesem Gesichtspunkt und wegen der von allen oben angeführten
Autoren, mit Ausnahme von Karlinski 8 hervorgehobeneu Thatsache, dass
die Typhusbakteriurie erst einer späteren Krankheitsperiode angehört,
scheint der praktische Werth des Bacillennachweises im Urin hauptsäch¬
lich in der Prophylaxe zu beruhen. Indessen giebt es auch Fälle, in
denen die Diagnose erst durch den Bacillennachweis aus dem Urin ge¬
sichert wurde. Unter Neumann’s Fällen 9 befanden sich beispielsweise 2,
die wegen des starken Roseolaexanthems als Flecktyphusfalle imponirten,
bevor die Bakteriurie auftrat. In der Arbeit Fischer’s 10 ist ein Fall er¬
wähnt, in welchem die Vidal’sche Reaction immer negativ blieb und erst
der Bacillennachweis im Urin die Diagnose sicherte. Besonderes Interesse
1 K. Bösenberg, Ein Beitrag zur Kenntniss des Abdominaltyphus. Dissertation.
Mönchen 1897.
* Horton-Smith, Welche Rolle spielen die Fäees und der Urin typhöser
Patienten in der Verbreitung der Krankheit? J'he Lancet. 1900
3 Neufeldt, a. a. 0. * Petruschky, a. a. O.
* Richardson, a. a. O. * Horton-Smith, a. a. U.
7 Neufeldt, a. a. O. 8 Karlinski, a. a. O. 9 Neumann, a. a. O.
10 A. Fischer, Welchen praktischen Werth hat die Vidal’sche Reaction? Diese
Zeitschrift. Bd. XXXII. S. 407.
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Gck igle
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
S44
Albbecht Bubdach:
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beansprucht der Fall von Rostoski* aus der Leube’schen Klinik, ein
„Nephrotyphus“: er zeigte ausgesprochene nephritische Symptome, jedoch
die allmähli ch sich steigernd positive Vidal’sche Reaction und der am
32. Krankheitstage in dem mittels sterilen Katheters entnommenen Urin
erbrachte Nachweis von Typhusbacillen stellte die Diagnose sicher. Die
fraglichen Bacillen wurden allerdings nur auf ihre negatives Gährvermögen
in Traubenzuckeragar und ihre Agglutinirbarkeit durch Typhusserum hin
als Typhusbacillen angesprochen, wodurch der Fall leider an absoluter
Sicherheit einbüsst. Immerhin erscheint die Bemerkung des Verfassers
beachtenswerth, dass „es rathsam sein dürfte, in jedem Falle von Nephri¬
tis, die als sogenannte idiopathische imponirt und dabei hohe Tempera¬
turen aufweist, durch die bakteriologische Untersuchung des Harns und
die Anstellung der Gruber-Vidal’schen Reaction auf eine Infection
mit Bacterium typhi zu fahnden.“ In meinen selbst untersuchten Fällen
war die Vidal’sche Reaction, die doch bisher von den Klinikern als aus¬
schlaggebend bei positivem Ausfall in zweifelhaften Fällen angesehen wird,
stets mehrere Tage, bevor die Bacillen im Urin auftraten, positiv, nur im
Fall 7 fiel das positive Ergebniss der Vidal’schen Reaction, als dieselbe
nach dreimaligem negativen Ausfall zum vierten Mal angestellt wurde, mit
dem Bacillennachweis im Urin zusammen, und im Fall 22, in welchem
es sich um ein 3jähriges Kind handelte, war mit Rücksicht auf das Alter
des Kindes (dessen Geschwister übrigens auch an Typhus erkrankt waren)
die Vidal’sche Reaction unterblieben, so dass hier der Bacillennachweis
allein die Diagnose sicherte, während wiederum bei den Geschwistern die
positive Reaction für die Diagnose ausschlaggebend war, während der
Bacillennachweis auf keine Weise gelang (vgl. Schlusstabelle). Schliesslich
bleibt doch der theoretisch wissenschaftliche Werth des Bacillennachweises
in jedem einzelnen Falle unbestreitbar, da er uns gleichsam mit mathe¬
matischer Genauigkeit lehrt, wie weit unsere diagnostischen Schlüsse nach
beobachteten klinischen Symptomen gehen dürfen. Zum Zweck des
Bacillennachweises im Urin bediente ich mich der mikroskopischen Unter¬
suchung im hängenden Tropfen des möglichst frisch unter antiseptischen
Cautelen entleerten Urins, zum quantitativen Nachweis des Ausstrichs oder
der Piorkowskiplatte gelegentlich nach vorausgegaugenem Anreicherungs¬
verfahren, indem der Urin in den Brütschrank gestellt wurde, zum quan¬
titativen Nachweis bei einer zweiten Entnahme des Gelatineplattenver¬
fahrens in Verdünnungen mit sterilem Wasser 1:100, 1:10000 und
1:1000000. Der Nachweis gestaltete sich immmer leicht, da die Typhus-
1 Rostoski, Zur Keimtniss des Typhus „renalis“. Münchener med. Wochen¬
schrift. 1S99. Nr. 7. S. 209.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Der Nachweis von Typhusbacillen am Menschen.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
34tf
Albrecht Burdach:
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Tabelle der 30 von mir zwecks Nachweises von Typhusbacilleu unter-
25 klinisch sichergestellte Tjphen sind.
Lfde.
Nr.
Name, Alter, Stand,
Krankenhaus¬
aufenthalt
Klinische
Diagnose
Krankheitstag
b. d. Aufnahme
Klinische Symptome
jMüller, Hermann, 28 J.jTyph. abdom
v. 20. VI.—26. VII. 1900! un d
t 26. VII. 1900.
Kuschinski, Lucie.9J
27.VI.-I.X. 1900.
(lisella, 23 J..
Schmiedegeselle,
23. VII.—22. IX.
Lehmann, 19 J.,
Schiffsgehülfe.
8. VIII.—21.IX.
Schiass, Paul. 18 .1.,
Sattlergeh Ulfe,
8. VIII.—21. IX.
Schwarz. Juliane, 17 J.
| Mädchen,
i 1S.VI11.—15.X.
Spannowski, 27 J„
Frau,
20. VIII.—5. XI.
Pyczka, Wladislaus,
25 ,1 . Schlosser,
3. IX.—31.X.
Hohes, meist kontinuir-
liches Fieber, Durchfälle.
Tuberc. pult».! Koseoien an Brust und
: Bauch, Stat. typh. hämor-
! rhagisches Sputum mit
j Tb. pos. Diazoreaction.
Typh. abdom. Hohes, zeitweise konti-
(9. Tag)
Typh. abdom.
~ Tag)
Typh. abdom
(14. Tag)
Typh.
(5.
abdom.
Tag)
Typh. abdom.
Typli. abdom.
6. August
1. Krankheits¬
tag
Typli. abdom.
Tag)
nuirliches Fieber, Durch¬
fälle, bisweilen blutig
deutliche Roseolen auf
Brust u. Bauch. Positive
Diazoreaction.
Hohes, zeitweise konti-
nuirliches Fieber, zahl-
reicheRoseolen, Bronchial¬
katarrh, Durchfälle, Neg.
Diazoreaction.
Hohes, zeitweise konti-
nuirliehes Fieber, Erbsen¬
stühle, Stat. typhosus,
Koseoien auf Brust und
Bauch. Bronchialkatarrh.
Pos. Diazoreaction.
Hohes, zeitweise konti-
nuirliehes Fieber, ver¬
einzelte Koseoien, Erbsen¬
stühle, zeitweise blutig,
Bronchialkatarrh. Neg. !
Diazoreaction.
Hohes, zeitweise konti-
nuirliches Fieber, Erbsen-
stühle, Roseolen, deut¬
licher Milztumor. Bron¬
chial katarrh.
typische Fiebcrcurve,
Status typhosus, Roseolen
auf Brust u. Bauch, Milz
palpabel. Pos. Diazo¬
reaction.
Typische Fiebcrcurve u.
Stillile, Status typhosus
mit Sc 1 i werliöri gk eit,
Koseoien auf Brust und
Bauch, Bronchialkatarrh. .
Temperaturen
an den Tagen der
bakteriologischen
Untersuchungen
3. VII.
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6. VII.
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14. IX.
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NB. Bei Fall 1 wurde am 4. VII. das Sputum untersucht und Tb. Gaffky IV fest-
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Der Nachweis von Typhusbacellen am Menschen. 347
suchten Fälle, von denen bei 18 der Bacillen nach weis erbracht wurde und
1. Juli 1900 bis 1. März 1901.
Vidal’sche
Reaction
1:25 1:50
sofortu. nach
2 Stunden
Eventueller
Leichen¬
befund
Stuhl*
Untersuchungen
1
Urin¬
untersuchung
Roseolen
i
i
Blut |
i
Eiter
11. Tag am
21. VI. neg.
23. VI. pos.
27. VII. aus
allen Orga¬
nen Bact.
coli.
Hochgr.
Nephritis
3.VII. pos. von 1
Agarplatte nach
retruschky
6. VII. pos. „
11. VII. pos. „
9. VII. neg. j
nur Coli
i
1
i
30. VI.
starke Be- 1
-intiussung
5.VII. pos.
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1
3.VII. pos. M
6. VII. pos. »
29. VII. Pyocva-
neus Petrusch kyl
25. VIII. neg.
I
1
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30.VI. neg.
t5.VII.po8.
9. Tag
1 ;
1
i
1
25. VII. neg. ,,
>7. VII. neg. „
1
i
7.VIII. Kokk.
1 l.VIII. steril
25. VIII. Kokk,
unbewegliche
Stäbchen
25.VII.pos.
—
—
.'O.VII.pos.
15. Tag
23. VII. neg. „ l
Elsner neg. i
i
23 VII. neg.
7. VIII. neg.
25. VIII. neg.
23.VII.posJ
20. VII. neg.
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1
11. VIII.
pos.
8. Tag
-
i
16. VIII. neg. Pet.
Elsner neg. |
* i
' 1
| |
11. VIII. neg.
25. VIII.
Streptokokk.
6. IX. neg.
i
11. VIII
Kokken
11. VIII.
neg.
-
20. VIII.
pos.
i
i
i
i
1
22.VIII. Strepto-
1 kokken
25.VIII. pos.neb.
Streptokok. und i
Darrabakt.
14.IX. pos. Pet.
22. VIII.
Streptokokk.
25.VIII. pos.
neben Strepto¬
kokk. u. Coli
14.IX. pos.
20. VIII.
neg.
22. VIII.
pos.
1. VIII. neg.
3. „ BeeinfL
5.VID. neg.
nit Beeinfl.
l.VIIL pos.
i
i
1
i
26.VIII. neg. Pet.
(31.VIII. neg. Pet.
i Elsner neg.
3. IX. neg. Pet.
23. VIII. neg.
25* VIII. neg.
31.VIII. pos.-
28. IX. pos.
16.X. neg.
29. VIII.
neg.
25. VIII.
neg.
25. VIII.
neg.
t.IX. pos.
I
3.IX. neg. Elsner
6.IX. neg.
12.IX. p o 8. v. d.
8.IX. pos.
14.IX. pos.
i 4.IX. pos.
Agarplatte
14.IX. pos.
gestellt, während der Nachweis von Typhusbacillen im Sputum nicht glückte
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
348
Albrecht Burdach:
Name, Alter, Stand,
Krankenhaus¬
aufenthalt
Conrad, 28 Jahre,
Bürstenmacher,
14. IX.—19. X.
Frau,
16. IX.-3.XII.
Klinische
Diagnose, !
Krankheitstag
ib.d. Aufnahme
Enteritis acuta;
I 1. September
1. Krankheits-
| tag
Klinische Symptome
an den TiL T fG i ’
bakteriolcirii-'iiiü
Untersuchen^: j
Hohes Fieber, Durchfall.
H.IX.
3*i*6-•».’.? 1
Roseolen auf Brust, u. Bauch,
27. IX.
38-*2—.-SH;
Wadenschraerzen, Diazor.
29. IX.
36-8
pos. Linksseitige Epulis |
30. IX.
36-5~oe:
Hohes Fieber, Erbsenstiihie.
17. IX.
39‘4-SH 1
Roseolen auf der Bauchhaut,
21. IX.
Milz als harter Tumor zu
15.X.
36-5->> i
fühlen 3 Finger breit unter¬
lfi.X.
halb der Rippen.
1 15. XI.
fii-Ler:r-r.
1
27. XI.
fl
11 Brüggemann, Kind, Typh. abdom. Hohes Fieber, weicher | 17.IX. Sy-'i-U-f
15. IX.—19. XI. Milztumor. | 20.IX.
28. IX. 36-4-4-: •!
! 16.X. 35-V-^i
; 24.X. 35-T-o J
|8. u. 10.XI. fcböM
12 Jedneralski, 28 Jahre, Typh. abdom. Hohes Fieber, Erbsenstühle, j 23.IX. 39-4-4 *
Ziegler, | (10. Tag) Status typhosus. Diazoreact. 2S.1X. 38*4-^”*
21. IX.—15. XI. j : pos. lioseolen auf der Brust. 20.X. 36-M-i
Hohes Fieber, weicher
Milztumor.
jTyph. abdom.: Hohes Fieber, sehr zahl- ! 23.IX 38-3-^
13. September reiche Roseoleu, weicher 28.IX. 37 - 0 -S*»
•l. Krankhtag.l Milztumor. j
Glaz, 17 Jahre,
Lauf bursche,
22. IX.-19.XI.
14 Latuscheck, 26 Jahre, [Typh. abdom. Hohes Fieber, zeitweise j 3.XI.
Mädchen, ■ * Darmblutungen, Diazoreact. 4. XI.
3. XI.—10. XII. f I positiv, mehrere Roseolen , 8. XI.
auf dem Bauch. ! 27.XI. 36-»
Schimikowska,
Johanna, 18 Jahre,
6. XL—17. XII.
jTyph. abdom.| Hohes Fieber, Durchfall. 8. XI.
; 30. Oetobcr Cehörverschlechterung, Ro- 9.XL
1. Tag scolen auf Brust u. Bauch, 27. XL
i Diazoreaction negativ, Milz
| nicht palpabei.
16 Schimikowska II, Typh. abdom.j Hob. Fieber, Leibschmerzen, 7.XL
Martha, 16 J., Näherin, 7. November | kein Milztumor, Roseolen | 8.XI.
7. XL—17. XI. 4. Tag I auf der Bauchhaut, 9.XI.
, I Bronchitis. i 12. XL
39 * 2 - 4*1
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38-0-^
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Der Nachweis von Typhusbacillen ah Menschen.
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Eventueller
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Stuhl- ®
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Untersuchungen
Urin¬
untersuchung
Roseolen
Blut
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Eiter
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geringe
BeeinÜ.
-
14. IX. Stuhl
Typhus negativ
(Streptokokken)
30. IX. negativ
80. IX. negativ
14. IX. neg.
17.IX. „
14. IX. neg.
29. IX. „
j
14. IX. neg.
Strepto- u.
Staphylo¬
kokken
4 . IX. pos.
15. Tag
i
17.IX. positiv
Agarplatte
lElsner
jPiorkowski
(Verflüssigung)
21. IX. negativ
15.X. pos. (Rein-
cultur) 16.X. pos.
(100000 Keime
im ccm).
15. u. 27.XI. neg.
17.IX.
steril
I
-
17. IX.
steril
16.X. neg.
Staphylo¬
kokken
(Glutäal-
abscess)
0.1X. pos.
0. X. pos.
i
i
17. IX. pos. Pet
_ Ä _ lElsner
JPiorkowski
(Verflüssigung)
21. IX. negativ
| 28. IX.
16. X. positiv
24.X.
8. XI. „
12. XI. negativ
i
• -
!
2. IX. pos.
23. IX. negativ,
Elsner negativ, j
28.IX. pos. v. d.
Piorkowskiplatte
Stuhl verdünnt
mit steril.Wasser
1:1000 zahlreich,
gezopfte Colon.)
23. IX. Coli
28. IX. steril
i 20. X. ,,
23 IX. neg.
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i
1
3. IX. pos.
(10. Tag)
nach
1 Stunde
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Bacillen
Section
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Albrecht Bübdach:
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aufenthalt
Klinische
Diagnose
Kran kheits tag
b.d. Aufnahme
Klinische Symptome
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bakteriolugis»chtrn
Untersuchungen
Heier, Marie, 7 Jahre, Typh. abdom. Hohes Fieber, Stat. typhös.
22. XL—24. XII. .vor 10 Tagen Roseolen auf der Bauchhaut,
erkrankt , Milz nicht palpabel,
Bronchialkatarrh.
Bezelius, 19 Jahre, ! Typh. abdom.
Heizer, |2. November
9. XI,—27. XII. j 1. Tag
Rogalski, 35 Jahre,
Frau.
11. XII.—15.11.
Philippsen, 16 Jahre
Lehrling,
10.-19. XII. f
Meta Frenzei, 13 Jahre,
Kind,
14. XIL—25. II.
Hertha Frenzei *, 3 J.,
14. XII.—18. I. 1901
Hans Reder, 7 Jahre,
19. XIL—28. IV. 19ül
Nephritis
parenchvma-
tosa
Typhus
abdominalis?
Miliar-
tuberculose?
Seit 10 Tagen
Typhus
abdominalis,
seit 4 Wochen
krank
Typhus
abdominalis,
seit 3 Tagen
krank
Typhus
i abdominalis,
5. December
I 1. Tag der
J Erkrankung
*24 Radtke, 32 Jahre,
Bäckergeselle,
31. XIL—29. 1. 1901
i
Hohes Fieber, Erbsenstühle,
Milz nicht palpabel. Diazo-
reaction positiv. Stat. typh.
und Bronchialkatarrh.
Hohes Fieber, Durchfälle,
Status typh. Albuminurie
und Cylindurie.
Diazoreaction negativ.
Hohes Fieber, Benommen¬
heit, Bronchialkatarrh.
Diazoreaction negativ.
Status typh. Milztumor,
Roseolen, Puls dikrot.
Diazoreaction positiv.
Roseolen, Fieber, Milz nicht
palpabel. Diazoreaction
schwach positiv.
Hohes Fieber, zeitweise
Bewusstlosigkeit, Roseolen,
palpabler weicher Milz¬
tumor, Durchfälle. Diazo¬
reaction negativ, starker
Decubitus. Seit 2. Januar
Dauerbad (38-0).
Typhus 1 Hohes Fieber, Durchfall,
abdominalis Roseolen, Diazoreaction
negativ.
37*4 —
39*S— 40-i>
fieberfrei
22. XL
23. XI.
2. XII.
4. XU.
14. XIL
4. XI. 88-0—40-?.
15. XI. 37-7-40-tj
27.XII. fieberfrei
11. XII. 39-4
12. XII. 38-6-39-
11. XII. 39-0—4«>5
15.XU. 38-0-39-9
19. XIL t
15.XII. 38-0—
8.1. 36-Ö—36-*
17.XIL 39-0—39->
19.XIL 37*5—40-0
20. XU.
6 . 1 .
8 . 1 .
29.1.
23.11.
38-9-3V-9
36-0— ofc-3
36-8
38-6
37*2—37-5
6 . 1 .
10 . 1 .
36-1—37-6
35-8—36-7
1 Der Patient machte seit 15.11. eine künstliche Immunisirungskur gegen Typhus durch.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Deb Nachweis von Typhusbacillen am Menschen.
351
i da Esche
Keaction
:25 1:50
.'fort und
2 Stund.
Eventueller
Leichen¬
befund
Stuhl¬
untersuchungen
Urin¬
untersuchung
Roseolen
'»•• m t i v
II. Tag
22. XI. lebhaft 18. XI. positiv, I 20. XI.
bewegliche Coli- 2. XII. „ \ negativ
bacilleu von
Agar platten.
Elsner negativ
500000 Keime,
14. XII. pos.,
500 000 Keime
15. XI. positiv 14.XII.
(50-60 Millionen) positiv
27. XII. negativ
4. XIL
negativ,
Abscess
1. Ober¬
schenkel
12. XII.
negativ
— 12. XII. negativ. 11. XII. neg. (Ei-
Coli v Alkaligenes, weiss u. Nieren-
| ' bestandtheile),
I 12. XII. negativ
!
19. XII. 15. XII. negativ —
; negativ, (Agarplatte)
Miliar- (Tabritsche wskv
tuberculo.se negativ
1. XII.
negativ,
Castellani
11. XII.
negativ,
Castellani
H. I. negativ
15. XII. 15. XIL
negativ
negativ,
Castellani
' 17.XII. positiv, —
19. XII. negativ ^
i.I. mit
m Serum
'■üs dem
-ter des
lumerus-
u^eesses
• 50 pos.
29. I. negativ
(Pyocyaneus)
fester Stuhl
Urin trübe,
2‘L II. positi v
(sehr reichlich),
etwas Albuinen.
Bac. agglutinirt
10.1. neg. Coli
21. XII.
posi ti v,
15. Krank¬
heitstag
6 . 1 .
positiv
6.1. negat.
Staphyloc.
pyocyaneus
I 8.1. pos.
vom recht.
Humerus,
daneben
Staphyloc.
(Das
Serum
des Eiters
1:50) pos.
I Vidal.
Difitized by Gougle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
352
Albbecht Bubdach:
Digitized by
Name, Stand, Alter,
Krankenhaus-
aufenthalt
Klinische
Diagnose,
Krankheits tag
Klinische Symptome
Temperatur«,
an den Tajftii
bakterioiojrw!
— i |
b. d. Aufnahme
Untersuchung:
25
Schroeder, Adolf,
Typhus
Hohes Fieber, Durchfalle, '
9.1.
3S-0-3
16 Jahre,
abdominalis
Koseoien auf Brust und
10. L
37-2-v^
5.1.-16.IL 1901
Bauch. Diazoreaction pos. !
16.1.
36*0— : ' -S
26
Krause, Martha, 10 J.,
„ H
Remittirendes Fieber,
11.1.
37 •2-SS-:
8.1.—21. III. 1901
Diazoreaction negativ.
16.1.
37-0-
Keine Roseolen, kein Milz- <
25.1.
38*5—4>. -S
turnor, keine Durchfalle.
27.1.
37
27
Müller, 27 Jahre,
Sepsis
Am 20. XII. Partus. Nach '
15.1.
38*2-4i' , -i
Frau,
puerperal is
8 Tagen schon aufgestanden
13.1.—16.1. 1901 f
i und seit 11.1. krank mit
Durchfällen, Frost u. Hitze.
28
Kowalleck, Friedrich,
Typhus
1 Hohes Fieber, Roseolen auf
21.1.
20 Jahre,
abdominalis
Brust und Bauch. Erbsen-
26.1.
38-0—
Schmiedegeselle,
3. Tag
stühle. Status typh. Diazo-
5. II.
3H-3 V; '
18. I.—21.11. 1901
reaction negativ. Milztumor
6. II.
351- ■ • '
nicht zu fühlen.
Dikrotie des Pulses.
29
Gustke, Ernst, 5 Jahre,
Typhus
Hohes Fieber und Roseolen,
5.11.
37
1. II.—18. III.
abdominalis,
Lungenkatarrh (rechts hint.
6. II.
3
Lungen-
unten verkürzter Schall).
14. II.
entzündung,
5. Krankheits-
Kein Durchfall. Diazo¬
reaction positiv.
tag
30
Schütz, Johann, 31 J.,
unbestimmt,
Hohes Fieber, Benommen-
14.11.
37*1'—' k,>
Arbeiter,
1. Krankheits-
heit des Sensoriums, Fistula
15.11.
37'0-ä-
14.11.—24. V.
tag
i ani verkürzt. Schall am r.
21. II.
88 *0-^.
i
27. I.
j Oberlappen, Rasseln auf
beiden Lungen. Kein Durch¬
fall. Diazoreaction negativ.
Sputum am 23. H. reichlich.
23. IL
Influenza.
i
Gck 'gle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Der Nachweis von Typhusbacillen am Menschen,
353
idal’sche
Reaction
: 25 1 : 50
sofort und
. 2 Stund.
jEventueller
Leichen¬
befund
Stuhl-
Untersuchungen
Urin¬
untersuchung
Roseolen
ßlnt
Eiter
—
—
16.1. negativ
10.1.
—
9. L
negativ,
Staphyloc.
citreus
—
i
11.1.
positiv
1:25
1:100
27.1. negativ.
16.1. negativ
Staphjloo. albus
25. L negativ
1 -
11.1.
negativ,
steril,
Castellani
i
!
15. L
negativ
(geringe
Jeeinfluss.)
17. L
Strepto¬
kokken
—
—
15.1.
Strepto¬
kokken,
Castellani
15.1.
Strepto¬
kokken
21.1.
positiv,
6, Tag
—
26.1. negativ
5. II. „
6.II. positiv
i
21.1.
positiv,
6. Tag
21.1.
positiv,
Castellani
—
5. II.
positiv,
10. Tag
—
14.11. negativ,
fest
6. II. negativ
6. II.
negativ,
3 Roseolen
abgeimpft,
1 steril,
2 unbeweg¬
liche
Stäbchen
5.11.
negativ,
Heu¬
bacillen
—
15. II.
negativ,
20- Tag,
.1. Q.23.IL
negativ
(ganz
geringe
Beeinfluss.)
I
i
17. II. negativ
Kokken 1
i
j
15.11.
negativ,
Kokken.
21. II.
negativ,
Kokken u.
Stäbchen.
. 23.11.
negativ,
Castellani
negativ,
nach Gram
gefärbte
Kurz¬
stäbchen
354 Albheoht Bubdaoh: Deb Nachweis von Typhusbacillen u.s.w.
Digitized by
bacillen, wie auch bei anderen Autoren, meistens in Reinculturen und in
grosser Menge vorhanden waren. Die diesbezüglichen Beobachtungen an
dem Gesammtmaterial des Danziger Institutes sind in der vorstehenden
TabelleI zusammengestellt; besondere Angaben über Beginn und Dauer der
Bakteriurie und eventuelle Keimzahl finden sich in den Fällen, in welchen
in längerer Folge von Untersuchungen sich die Dauer der Bakteriurie be¬
stimmen liess und in den selbst beobachteten Fällen.
Wie aus der vorstehenden Uebersichtstabelle ersichtlich ist, gelang
es mir, in 18 von 25 Typhusfallen auf einem oder mehreren Wegen den
Bacillennachweis zu führen, d. h. in 72 Procent Nochmals betone ich,
dass mir immer bei allen meinen Untersuchungen eine genaue Iden-
tificirung der Bacillen am wichtigsten erschien, wodurch freilich die
Untersuchungen immer auf 2 bis 3 Tage sich ausdehnten. Aus diesem
Grunde wird der Bacillennachweis freilich als diagnostische Methode gegen
die Yidal’sche Reaction immer schwer auf kommen; indessen dürfte in
Folge der zahlreichen Methoden, die zum Ziele führen, eine möglichst
häufige Anwendung derselben uns nicht nur in der Erkenntniss der „in¬
teressantesten“ unter den heimischen Infectionskrankheiten, wie Fraenkel
den Typhus nennt, sondern auch der acuten Darmerkrankungen überhaupt
weiter führen.
Zum Schluss erlaube ich mir meinem hochverehrten Chef Herrn
Dr. Petruschky für seine Unterstützung und reiche Anregung bei Ab¬
fassung dieser Arbeit meinen Dank auszusprechen. Für die liebenswürdige
Ueberlassung des Krankenmaterials und der Krankengeschichten bin ich
Herrn Sanitätsrath Dr. Freymuth, Chefarzt am Danziger Stadtlazaretb,
Olivaerthor, sowie seinen Herren Assistenten Dr. Zuckschwerdt und
Kolbe, so wie der Schwester Luise an der Typhusbarracke zu Dank ver¬
pflichtet, den ich hiermit in aufrichtigster Weise zum Ausdruck bringe.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
[Aas dem Königl. Institut für experim. Therapie zu Frankfurt a/M.]
(Director: Geh. Med.-Rath Prof. Dr. P. Ehrlich.)
Weitere Studien über den Dysenteriebacillus.
Von
Dr. K. Shlga.
Als ich im Jahre 1897 den Dysenteriebaoillus entdeckte, constaiirte
ich, dass dieser Bacillus, obgleich er augenscheinlich nur im Darme
localisirt bleibt und nicht in die Ciroulation übergeht, gleichwohl die Ent¬
stehung specifisch wirksamer Antikörper im Serum veranlasst. Ich habe
diese Erscheinung in Anlehnung an die Gruber-Widal’sche Reaction als
wesentliches Hülfsmittel bei der Diagnose der Dysenteriebacillen benutzt.
Im Laufe der folgenden Jahre sind die von mir gefundenen Tbat-
sachen bezüglich der epidemischen Ruhr an verschiedenen Punkten der
Erde bestätigt worden 1 , zumal seitdem Kruse das Studium der epidemi¬
schen Ruhr in Deutschland so erfolgreich aufgenommen hat. Ueber die
Identität des von Kruse herausgezüchteten Bacillus mit dem meinigen
kann ein Zweifel heute nicht mehr bestehen, auch wenn über gewisse
morphologische Details eine völlige Einigung noch nicht erzielt ist. Alle
wichtigen Charakteristika der von mir gefundenen Bacillen, sowie die
Agglutination durch das Serum der Kranken sind von Kruse völlig be¬
stätigt worden. Dass trotzdem geringe Wachsthumsunterschiede Vor¬
kommen können, ist auch bei anderen Bakterien, selbst bei Cholera,
nichts Ungewöhnliches. Besonders schwierig ist es, die Frage einer even¬
tuellen Beweglichkeit zu beantworten. Ich gab zuerst für meine Bacillen
die Beweglichkeit an, Kruse fand sie unbeweglich. Es ist bekannt, dass
es nicht imm er leicht ist, zu unterscheiden, ob ein Bacillus beweglich
ist oder nicht, und Kruse selbst giebt für die Beweglichkeit als Charak¬
teristikum der Coligruppe bei Flügge, Bd. II, S. 361, an: „dass man
1 Vgl. auch die nach Abschluss dieser Arbeit erschienene Abhandlung:
ruchtmgen Über die Rühr. Berlin 1902.
28*
Unter -
Digitized by
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
356
K. Shiga:
Digitized by
bei Feststellüng dieses Charakters vorsichtig sein muss, da die Bewegungen
oft nur kurz dauernd sind und nicht unter allen Lebensbedingungen
(Nährböden, Temperatur) stattfinden.“ Ich erinnere in dieser Beziehung
noch an den Bacillus des Schweinerothlaufs, dessen Unbeweglichkeit noch
von manchen Autoren in Zweifel gezogen wird. Die Beweglichkeit meiner
Culturen habe ich immer als eine schwache bezeichnet. Auffallend war
es mir allerdings, dass es mir zunächst nicht gelang, Geissein färberisch
nachzuweisen. Als ich aber späterhin einmal in einem Präparate zwei
endständige Geissein fand, glaubte ich diese Frage für erledigt anseheu
zu können. Inwieweit ich hierbei einem Irrthum anheimgefallen bin.
möchte ich noch nicht entscheiden, und ebensowenig möchte ich die Be¬
funde von Vedder und Duval 1 , welche peritriche Geissein fanden, vor¬
läufig als Bestätigung meiner Befunde ansehen.
Nachdem ich bereits im Jahre 1898 Pferde mit Dysenteriebacillen
immunisirt und damit ein hochwerthiges Serum hergestellt hatte, mit
welchem in den Jahren 1898 bis 1900 fast 300 Menschen behandelt worden
sind, schien es mir wichtig zu sein, dieses von mir zuerst hergestellte
Dysenterieheilserum nach den Gesichtspunkten der heutigen Immunitäts-
lehre zu untersuchen. Zugleich wollte ich auch noch einmal die Identität
des Kruse’schen mit dem meinigen auf dem serodiagnostischen Wege
erweisen.
Zur Verwendung gelangten eine originale Cultur von mir, eine Cnltur
von Hm. Prof. Flexner, eine Cultur des Kruse’schen Bacillus aus dem
hiesigen Institute und eine Cultur des Kruse’schen Bacillus von Herrn
Dr. Conradi-Berliu. Ich bemerke von vornherein, dass diese Culturen
bei den verschiedensten baktericiden Versuchen sich völlig gleichmassig
verhielten, so dass ich im Folgenden immer nur von. dem Dysenterie¬
bacillus als solchem sprechen werde. Ueber eine gewisse Verschiedenheit
des Flexner’schen Bacillus von dem meinigen und Kruse’schen werde
ich bei der Agglutination sprechen.
Zunächst wurde die baktericide Kraft normaler activer Sera gegen¬
über dem Dysenteriebacillus geprüft. Die Methode der Prüfung entsprach
vollständig derjenigen von M. Neisser und Wechsherg angegebenen,
auf die ich deshalb verweise.*
Die Einsaat betrug immer 1 j ROO n,g einer eintägigen Agarcultur, welche
Menge bei der von mir gewählten Verdünnung in 1 • 0 ccm Kochsalzlösung
enthalten war. Die gesammte Menge in einem Röhrchen betrug 2*0 < * ra ,
wozu stets drei Tropfen Bouillon kamen. Die Einwirkung des Serums
1 The etiology of acute dysentery in the United states. The Journal of experi¬
mental Medicine . 1902. Yol. VI. Nr. 2.
* Münchener med . Wochenschrift. 1901. Nr. 18.
Gck igle
Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Weitere Studien über den Dysenteriebacillus.
857
betrug drei Stunden bei 37°, nach welcher Zeit sechs Tropfen zu
Agarplatten verarbeitet wurden. Die Beurtheilung der Platten erfolgte
nicht durch genaue Zählung, sondern ebenfalls nach M. Neisser und
Wechsberg durch ungefähre Schätzung, da nur grosse Ausschläge als
beweisend angesehen wurden. Manchmal wurde der Rest, der in dem
Röhrchen nach Herausnahme der sechs Tropfen verblieb, wiederum in den
Thermostaten gestellt. Man erhält so häufig eine werthvolle Bestätigung
der Agarplatten, indem man das Wachsthum oder Nichtwachsthum in
den Röhrchen notirt.
Die stärkste baktericide Kraft — die übrigens immer noch im Ver¬
gleich zu manchen anderen Bakterien gering ist — besitzen das Ziegen-
und das Hammelserum, welche in der Menge von 0*3 bei der angegebenen
Versuchsanordnung die Keime vollständig oder fast vollständig abtödteten.
Schwächer wirken das Rinder-, Pferde-, Menschen-, Hunde-, Meer¬
schweinchen- und Kaninchen-Serum. Eine Reactivirung normaler inactiver
Sera gelang nur bei folgender Combination: normales inactives Ziegen¬
serum konnte durch eine an sich nicht abtödtende Menge normalen
activen Pferdeserums völlig reactivirt werden. Es ging aus diesen Ver¬
suchen schon hervor, dass nur wenige Sera zur Reactivirung'brauchbar
waren (z. B. Pferdeserum), augenscheinlich, weil die übrigen Sera einen
nennenswerthen Ueberschuss oder überhaupt freies dominantes Complement
nicht enthielten. Dies wurde durch die Completirungsversuche, welche
mit -einem hochwerthigen Immunserum augestellt wurden, vollständig be¬
stätigt. Als Immunserum stand mir ein Serum eines Pferdes zur Ver¬
fügung, das ich selbst noch zu immunisiren angefangen hatte und das in
der Zwischenzeit weiter immunisirt worden war. Es wurde mir von Japan
mit einem Zusatz 0*5 procent. Carbol zugeschickt. (Dieser Carbolzusatz
störte, wie Controlversuche zeigten, bei den kleinen Mengen des verwendeten
Serums in keiner Weise die baktericiden Versuche.) Die ersten Versuche,
welche mit der Completirung durch actives Pferdeserum angestellt wurden,
fielen insofern negativ aus, als eine abtödtende Wirkung nicht zu be¬
merken war. Es zeigte sich alsbald, dass dies auf dem M. Neisser-
Wechsberg’sehen Phänomen der Complementablenkung beruhte, denn,
als immer kleinere Dosen des Immunserums verwendet wurden, wurde
die abtödtende Wirkung immer deutlicher. Die folgende Tabelle, in
welcher Columne A. das Resultat des Platten Versuches, Columne B. das
Resultat des gleichzeitigen Röhrchenversuches ergiebt, zeigt die abtödtende
Wirkung ebenso klar, wie das Phänomen der Complementablenkung. Man
sieht daraus, dass noch 0*0025 und 0-0005 ecm eine deutliche baktericide
Wirkung haben. Dieses Verhalten wurde zu sehr verschiedenen Malen
und mit verschiedenen Stämmen in fast gleicher Weise erzielt.
Digitized by
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
368
K. Shioa:
Digitized by
Tabelle I.
Inactives
Dysenterieserum
com
Actives
Pferdeserum
oom
Dysenteriecultur
A.
Zahl der Keime
auf der Platte
B.
Wachsthnm
im Röhrchen
0*01
0*8
1*0«“ ('/,„"•)
00
+
0*0076
ft
ft
00
+
0-005
ff
ft
00
+
0*0026
ft
ff
fast 0
—
0-001
ff
ff
0
—
0*00075
ff
fast 0
—
0*0005
i ft
ca. 60
—
0*00026
! ft
ft
etwa 100
+
0*0001
1 »
ft
etwa 1000
+
0*000075
! ”
»t
einige 1000
+
0*00005
ft
ff
00
+
—
0-8
! i*0““ c/ M o-*)
einige 1000
+
o
U)
—
—
00
+
fl
o
0-1
—
! tt
0
—
O
—
0-8
0
—
Ausser dem Pferdeserum war zur Completirung dieses Immunserums
nur noch ein Serum verwendbar, nämlich das active Menschenseram.
Die folgende Tabelle ergiebt einen der diesbezüglichen Versuche.
Tabelle II.
Inactives
Dysenterieserum
ccm
Actives
Uenschenserum
ccm
0-01
0-3
0-003
tt
0-001
tt
0-0008
tt
0-0001
tt
0-00003
tt
0-00001
1 ”
0*8
Dysenteriecultur
Zahl der Keime
auf der Platte
1*0«“ (*/»o« m *)
00
*t
00
00
1
ft
wenig
tt
0
etwa 100
” 1
etwa 1000
1*0““ CU“*)
00
tt
00
—
0
—
0
Ich habe bisher das Serum von 6 Individuen geprüft und 5 Mal
(4 Mal Placentaserum und 1 Mal das Serum von Erwachsenen) für wirk¬
sam gefunden; nur 1 Mal war das ganz frische Serum eines Nephritikers
bei der Completirung unwirksam. Erwähnt werde übrigens, dass das eine
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Weitere Studien über den Dysenteriebacillus.
859
dieser Sera mein eigenes war, welches beträchtlich stärker war, als die
übrigen. Ob diese Eigenschaft mit einer vor 4 Jahren vorgenommenen
activen Immunisirung im Zusammenhang steht, möchte ich auf Grund
dieser wenigen Prüfungen dahingestellt sein lassen.
Ich glaube demnach den Beweis erbracht zu haben, dass das von
mir therapeutisch verwendete Pferdeimmunserum diejenige Anforderung
erfüllt, welche man heutzutage an ein baktericides Immunserum stellen
muss, dass es nämlich einerseits ein sehr hochwerthiges ist und anderer¬
seits im normalen Menschenserum ein passendes Complement findet. Es
ist dieses Serum als das erste in der menschlichen Therapie verwendete
Serum, das die von Ehrlich 1900 in der Croonian lecture ausgesprochene
Bedingung erfüllt. Die von mir in Japan erhaltenen guten Heilresultate 1
geben andererseits eine Stütze für die Ehrlich’schen Anschauungen.
Mit dem Complement des activen Pferdeserams war, wie erwähnt,
das Phänomen der Complementablenkung sehr schön zu zeigen. Da nun
diese Ablenkung in erster Linie von der Menge des vorhandenen Immun¬
körpers abhängt, so wird man vielleicht das Maass der Ablenkung als
Maassstab für die Hochwerthigkeit verschiedener Immunsera verwerthen
können. Versuche, welche ich in dieser Beziehung auf Anregung von
Hrn. Prof. M. Neisser angestellt habe, sind noch nicht zu einem end¬
gültigen Abschlüsse gelangt.
Wie erwähnt, waren die übrigen activen Sera (z. B. Ziegenserum u. s. w.)
zur Completirung des Dysenterieimmunserums nicht brauchbar, obgleich
sie an sich baktericid waren. Es lässt sich aber mit dem Immunserum
auch bei diesen Seris das Phänomen der Complementablenkung sehr schön
demonstriren, wie die folgende Tabelle III zeigt.
Tabelle ELI.
Dysenterie-
Immun serum
eem
Actives
Ziegenserum
ocm
Dysenteriecultur
Zahl der Keime
auf der Platte
0*1
0-8
1/ mg
Ib 00
00
0*03
99
n
QO
0-01
99
99
00
0-003
99
99
0
0-001
99
99
0
©
_
0-3
11 mg
/ 500
0
2
_
j _
99
00
-*» (
a
©
0-1
—
0
k —
| 0*8
| —
0
1 JJetUtche med . WocJimuchrift . 1901. Nr. 43—45.
Digitized by
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
360
E. Shiga:
Vielleicht ist auch diese Versuchsanordnung zur Bestimmung der
Werthigkeit baktericider Sera verwendbar.
Ich habe mich übrigens durch einen Absorptionsversuch analog den
Versuchen von A. Lipstein 1 ausdrücklich davon überzeugt, dass die be¬
schriebene Complementablenkung in der That durch den überschüssigen
Immunk örper, und nicht etwa durch eiu Anticomplement, hervorgerufen wurde.
Noch in einer anderen Beziehung glaubten Prof. Neisser und ich
das Phänomen der Complementablenkung verwerthen zu können. Bei
der von Ehrlich und seinen Schülern erwiesenen Pluralität der Com-
plemente des normalen activen Serums war es denkbar, dass durch die
Complementablenkung in Folge grossen Zusatzes von inactivem Immun¬
serum zu einem an sich baktericiden Normalserum wesentlich nur das
Complement abgelenkt würde, welches zur Completirung dieses Immun¬
serums geeignet ist, während die übrigen Complemente verhältnissmässig
unbeeinflusst blieben. Daraus würde folgen, dass das betreffende normale
active Serum im Wesentlichen nur diese eine babtericide Wirkung ver¬
loren, alle andere aber ziemlich behalten haben könnte. Man hätte somit
ein Serum, welches seine bactericide Wirkung im Wesentlichen nur für
das Bacterium verloren hätte, dessen Immunkörper im Ueberschuss zu¬
gesetzt worden ist, also gleichsam einen wirklich specifischen Nähr¬
boden. Auf Grund dieser Erwägung setzten wir kleine Mengen von
normalem Stuhl, welchen wir künstlich mit geringen Mengen Dysenterie¬
bacillen inficirt hatten, zu 2-0 ccm normalen, activen Ziegenserums, und
fügten 0*2 oom inactiven Immunserums hinzu. Nach 3 Stunden im Brut¬
schrank wurden 6 Tropfen davon in ein zweites, dieselben Serumgemische
enthaltendes Röhrchen übergetragen. Es wurden Agarplatten ausgestrichen:
1. von dem ursprünglichen Stuhlgemisch, 2. aus dem ersten Röhrchen
und 3. aus dem zweiten Röhrchen, nachdem es ebenfalls 3 Stunden bei
37 0 C. gestanden hatte. Bei sehr vielfachen Versuchen zeigte sich nun,
dass auf diese Weise in der That eine specifische Anreicherung der
Dy senteriebacillen eintritt, derart, dass, wenn auf der ersten Platte
nur ganz vereinzelte Dysenteriebacillencolonieen zu finden waren, diese
auf der Platte II oder III reichlich auftraten. Einmal gelang es uns
sogar in der Platte II und III Dysenteriebacillen zu finden, die auf der
Platte I nicht zu finden waren. Als Agar benutzten wir übrigens mit
Vortheil den von v. Drigalski und Conradi 2 für Typhusbacillendiagnose
angegebenen. Diese Methode, die den ersten Weg zu einer specifischen
Anreicherung angiebt, dürfte vielleicht zu einer weiteren Ausbildung em¬
pfohlen werden.
1 Centralblatt für Bakteriologie. 1902. Bd. XXXI. Nr. 10.
* Diese Zeitschrift. Bd. XXXIX.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Weitere Studien über den Dtsenteriebaoillus.
361
Proagglutinoid.
Durch die schönen Untersuchungen von Bail 1 * einerseits und Eisen¬
berg und Volk* andererseits sind zwei neue Phänomene bei der Agglu-
tinationsreaction beschrieben worden, welche für das Studium der Agglu-
tinine von grosser Wichtigkeit sind. Bail beschrieb zuerst, dass Typhus¬
bacillen , welche man zu einem durch die Hitze inactivirten Agglutinin
zusetzte und abcentrifugirte, durch erneute Zugabe von activem Agglutinin
nicht mehr agglutinirt werden können. Eisenberg und Volk zeigten
die weitere wichtige Thatsache einer ungleichmässig verlaufenden Versuchs¬
reihe bei der Agglutination, derart, dass die Röhrchen mit der grössten
Menge Agglutinin keine oder schwache Agglutination zeigten, die Röhrchen
mit geringerem Agglutiningehalt eine starke Agglutination zeigten. 3 Bail
glaubte, das von ihm beobachtete Phänomen mit dem Zusammenwirken
zweier Componenten (entsprechend Amboceptor und Complement) zu er¬
klären und erhärtete diese Annahme durch einige Reactivirungsversuche.
Eisenberg und Volk erklärten diese unregelmässige Reihe durch das
Vorhandensein von Agglutinoiden, welcher Erklärung ich mich vollständig
anschliesse.
Nur möchte ich diese Agglutinoide 4 entsprechend der Ehrlioh’schen
Nomenclatur als Proagglutinoide bezeichnen. Es handelt sich dem¬
entsprechend um die Wirkung von Körpern, welche durch äussere Ein¬
griffe aus dem Agglutinin entstehen, welche weiterhin eine höhere Avidität
zu den Bacillen haben, als das unveränderte Agglutinin, und welche
schliesslich diejenige Gruppe, welche Trägerin der eigenartigen Agglu¬
tinationswirkung ist, verloren haben, während die andere Gruppe, welche
die Verankerung mit den Bakterien besorgt, erhalten geblieben ist. Aus
der grossen Zahl von Versuchen, die ich mit dem Dysenterie- und Typhus¬
bacillus angestellt habe, will ich im Folgenden nur diejenigen Versuche
herausgreifen, welche zum Beweise des oben Gesagten dienen sollen. Mit
1 Archiv für Hygiene. 1902. Bd. XLIII.
* Diese Zeitschrift. 1902. Bd. XL. >
• Dieses paradoxe Phänomen hat Asakawa im Bericht ans dem Institut für
Infeotionskrankheiten zu Tokio (Sept. 1901) angegeben und „ein umgekehrt sieh ver¬
haltendes Phänomen“ genannt.
4 Nach Abschluss dieser Versuche sind zwei neue Arbeiten von R. Kraus
(Centralblatt für Bakteriologie, 1902, Bd. XXXII, Nr. 1) und v. Pirquet, sowie von
Eisenberg ( Extrait d. Bull. d. l’Acad. des Sciences de Cracovie. — Ebenso auch
Centralblatt für Bakteriologie , 1902, Bd. XXXI, Nr. 15) über Präcipitoide (Ueber
Präcipitoide s. bereits Wiener klin. Wochenschrift, 1901, Sitzungsbericht) erschienen.
Die Verfasser kommen bezüglich des Präcipitins zu denselben Resultaten, wie sie
für Agglutination beschrieben worden sind. Sie haben für diese Propräcipitoide die
gleichen beweisenden Versuche, wie ich für Proagglutinoide.
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
362
K. Shiga:
meinem oben erwähnten Dysenterieimmunserum und meinem Origiual-
dysenteriestamm oder mit der Kruse’schen Cultur liess sich das Eisen-
berg-Yolk’sche Phänomen unschwer demonstriren. Die Versuchsanord¬
nung war folgende: Eine Agarcultur wurde mit 10-0 ccm 085 procentiger
NaCl-Lösuug aufgeschwemmt und Anfangs lebend, in späteren Versuchen
(nachdem constatirt war, dass zwischen Verwendung der lebenden und
der auf diese Weise abgetödteten Cultur kein Unterschied vorhanden war)
nach Zusatz von 0 • 02 ccm 40 procentigen Formalins verwendet. Von dieser
Aufschwemmung kam in jedes Röhrchen 1*0 ccm . Dazu kamen fallende
Mengen des Immunserums ( 2 / 10 , 2 / 20 , 2 / 40 u. s. w. gewöhnlich bis 2 / 6120 COT ).
Das gesammte Volumen in allen Röhrchen betrug 2-0 ccm . Die Röhrchen
kamen in den Thermostaten (37 0 C.) und wurden nach 2, 5 und 24 Stunden
besichtigt. Diese Besichtigung erfolgte mit dem blossen Auge und mit
der Lupe.
Notirt wurde: — keine Agglutination, ± Spur, + makroskopisch
deutlich aber schwach, + + sehr deutlich, + -f + völlig geklärte Flüssig¬
keit mit agglutinirtem Bodensatz. Die folgende Tabelle IV zeigt einen
solchen Versuch.
Tabelle IV.
Verdünnung
des Dysenterieserums
2 Stunden
5 Stunden
24 Stunden
1 : 10
—
—
±
1 : 20
—
±
+ +
1 : 40
±
+
4- + +
1 : 80
+
+ +
+ + +
1: 160
±
+
+ + +
1: 320
—
+
+ + +
1: 640
—
±
+ +
1 : 1280
—
—
•±
1: 2560
—
—
—
1 : 5120
—
—
—
[Durch entsprechende Zugabe von normalem Serum und anderen
Flüssigkeiten (z. B. Gelatine, Gummilösung u. s. w.) wurde der Ein wand
widerlegt, dass die grössere Menge des Serums in den Röhrchen an der
Behinderung der Agglutination Schuld sei.] Der erste Punkt, nämlich
die Entstehung des Proagglutinoides aus dem Agglutinin konnte an dem
alten Dysenterieserum nur insofern erwiesen werden, als die Menge des
in diesem Serum bereits vorhandenen Proagglutinoids durch Erwärmung
oder durch ausgedehnte Belichtung oder durch Versetzen mit Chloroform
gesteigert werden konnte.
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Original frorn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Weitere Studien über den Dysenterieb acilijUS.
363
Tabelle V.
Verdünnung
des
Das 17 Tage der
Belichtung ausgesetzte 1
Serum 1
Das auf 60° C. 1 Std.
erhitzte Serum
1 Das mit Chloroform
durchgeschüttelte
1 Serum
Dys.-Serums
2 Std.
5 Std.
24 Std. j
2 Std.
5 Std.
24 Std.
! 2 Std.
5 Std.
24 Std.
1: 10
—
—
—
1
—
—
—
—
1: 20
1: 40
—
—
+
—
—
+
—
—
1: 80
±
+
+ + 1
—
— |
+ +
! —
—
±
1: 160
+
+
+ + +
—
±
+ + + !
—
—
+
1: 320
+
+
+ + +
—
—
+
! —
—
±
1: 640
±
±
+ +
—
—
_
—
±
1:1280
1:2560
1:5120
—
—
—
—
—
—
—
—
Noch deutlicher war die Entstehung des Proagglutinoides aus dem
Agglutinin an einem frischen Typhusimmunserum (Ziege) zu zeigen. Das
Serum, welches keine Proagglutinoidzone gezeigt hatte, wies nach der
2 Mal 4stündigen Erhitzung auf 60° C. eine deutliche Proagglutinoid¬
zone auf.
Die höhere Avidität des Proagglutinoids ging bereits aus diesem
Versuche hervor, konnte aber noch durch andere Versuche bestätigt
werden. Durch Versetzen des Dysenterieserums mit Chloroform war
schliesslich eine fast völlige Umwandlung des Agglutinins zu Proagglutinoid
zu erzielen, so dass das Serum in fast keiner Verdünnung mehr agglutinirte.
Setzte ich zu einer an sich agglutinirenden Dosis des unveränderten
Dysenterieserums absteigende Mengen des mit Chloroform behandelten
Serums, so blieb die Agglutination bis 1:160 Verdünnung aus. Control¬
versuche mit chloroformirtem normalen Serum fehlten natürlich niemals.
Tabelle VI.
Dys-Serum in der
Verdünnung 1:8
Der auf 65° 8 Stunden
erhitzte Dys.-Serum
Aufschwemmung
der Dys.-Cultur
2 Std.
5 Std.
0*1 ccm
1: 10 (1*0 ccm)
1 .()ccm
—
—
tt
1: 20
9}
—
—
99
1: 40
»
9t
—
—
99
1: 80
99
—
—
99
1: 160
»>
99
—
—
99
1: 320
»>
99
—
—
99
1: 640
9*
—
±
tt
1:1280
99
—
+
V
1:2560
—
+ +
n
1:5120
—
+ +
Controle 0*1 00,11
Kochsalzlösung l«O ccm
1-0 ecm
+
+ +
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
364
K. Shlga:
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Dasselbe war anch bei Dysenterieserum durch Erhitzung zu erzielen.
Das auf 65° C. 3 Stunden erhitzte Dysenterieserum verhinderte in der
Verdünnung 1:10 bis 1:320 die Agglutination der an sich wirksamen
Dosis des unveränderten Dysenterieserums (1:160). (S. Tabelle VI.)
Dass schliesslich das Proagglutinoid an die Bakterien verankert war,
also die agglutinirbare Gruppe der Bacillen verstopft hatte, war leicht
dadurch zu erweisen, dass die Bacillen aus denjenigen Böhrchen, in
welchen die Agglutination ausgeblieben war, abcentrifugirt und gewaschen
wurden und danach mit einer an sich wirksamen Dosis des Agglutinins
versetzt wurden. Es zeigte sich dabei stets, dass diese Bacillen inaggln-
tinabel geworden waren.
Tabelle VII.
A.
Verdünnung
des
Dys.-Serums
24 Std.
Zum Rückstand
da8 */i6o Dys.-Serum
zugesetzt
2 Std.
5 Std.
Bemerkungen
1: 10
—
2*0°°m
—
—
1: 20
—
—
—
1: 40
+
H
*a
1: 80
+ + +
«2
Wegen pri¬
1: 160
+ + +
! B
1
märer Agglu¬
1: 920
+ + +
|
0
§
i
i
tination nicht
zum 2. Male
1: 640
+ + !
1 ^
2
l
geprüft
1:1280
+
i
‘
1:2560
—
Q
+ +
+ + +
Controle
2*0 + Dys.-Bacillen 1
+ + + |
Verdünnung des auf
65° 8 Std. erhitzten
Serums
5 Std.
24 Std.
Zum Rückstand das
Vteo Dys.-Serum
zugesetzt
2 Std.
5 Std.
1:
10
"
—
2*o° cm
—
—
1:
20
—
—
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—
—
1:
40
—
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—
—
1:
80
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—
—
1:
160
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ff
99 j
—
+ +
1:
320
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99
±
+ + +
1:
640
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—
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+
+ + +
1:
1280
—
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99
+
+ + +
1:2560
—
99
+ +
+ + +
I
Controle
2*0 + Dys.-Baciilen
+
+ + +
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Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Weitere Studien über den Dysenteriebacillus.
365
Noch ein anderer Funkt mag erwähnt werden. In den bisher an¬
geführten Versuchen war die Menge der in den einzelnen Böhrchen vor¬
handenen Bakterien stets die gleiche (siehe oben). Wurde aber die Menge
der Bakterien sehr vergrössert, so zeigten sich andere Erscheinungen. Wie
die folgende Tabelle VIII zeigt, verschwindet die Proagglutinoidzone voll¬
ständig, wenn man eine geuügend grosse Menge der Bakterien verwendet.
Tabelle VIII.
Verdünnung
des
Dysenterie-
senuns
Normale Aufschwemmung
der Dysenteriebacillen
5fach conc. Aufschwemmung
der Dysenteriebacillen
2 Stunden
5 Stunden
24 Stunden
2 Stunden
| 5 Stunden
24 Stunden
1: 10
—
—
+
++
I + + +
1: 20
—
±
+
+
++
! +++
1: 40
±
+
+ +
+
++
+++
1: 80
±
+
+++
-h
+ +
+++
1: 160
±
+
+ + +
±
+
++
1: 320
±
+
+++
—
+
++
1: 640
—
±
+
—
±
1:1280
—
—
—
—
—
1:2560
i
1 — !
i
—
■ j
—
1:5120
| —
! - i
—
—
—
Die Erklärung hierfür ist nicht schwer, wenn man einerseits die Ver¬
suche von M. Neisser und Lubowsky 1 und andererseits von Eisen¬
berg und Volk mit in Betracht zieht. Zumal aus den letzten Versuchen
geht unzweifelhaft hervor, dass z. B. Typhusbacillen ein ungleich viel
grösseres Quantum von Agglutinin zu verankern vermögen, als zu ihrer
Agglutination nöthig ist Man wird deshalb annehmen müssen, dass auch
der Dysenteriebacillus eine grosse Zahl von Beceptoren besitzt, welche
das Agglutinin bezw. das Proagglutinoid zu verankern im Stande sind.
Um aber den Dysenteriebacillus zu agglutiniren, genügt augenscheinlich
die Besetzung von nur wenigen dieser vielen Beceptoren mit dem wirk¬
samen Agglutinin. Setzen wir nun verhältnissmässig wenige Dysenterie¬
bacillen zu einem Serum, welches viel Proagglutinoid und wenig Agglutinin
enthält, so werden alle die zahlreichen Beceptoren der Bacillen mit Pro¬
agglutinoid besetzt werden. Setzen wir hingegen eine grössere Menge
Bakterien der gleichen Menge Serum zu, so wird das Proagglutinoid nicht
mehr zur Besetzung aller Beceptoren ausreichen und es wird noch Agglutinin
verankert werden können. Das bedingt aber das Eintreten der Agglutination.
1 Centralblatt für Bakteriologie. 1901. Bd. XXX.
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366
E. Shiga:
Wie wir oben angegeben haben, verhielt sich meine originale Cultur
bezüglich der Proagglutinoidzone völlig identisch mit der Eruse’schen
Cultnr. Hingegen zeigten die Flexner’schen Colturen ein anderes Ver¬
halten. Wie nämlich aus folgender Tabelle IX hervorgeht, wird die
Flexner’sche Cultur in etwa gleich starker Weise von dem Immunseium
agglutinirt, aber die Zone des Proagglutinoides fehlt vollständig.
Tabelle IX.
Verdünnung
des Dysenterieserume
2 Stunden
5 Stunden
24 Stunden
1: 10
+++
+++
+ + +
1: 20
+ +
+++
+ + +
1: 40
++
+++
+ + +
1: 80
+
+ + +
+ + +
1 s 160
±
+ +
+ +
1: 320
—
+
+
1: 640
—
+
+
1 :1280
—
±
+
1:2560
—
—
—
1:5120
—
—
—
Absorptionsversucbe, die ich weiterhin ausführte, zeigten, dass Zusatz
des Eruse’schen Bacillus zu meinem Immunserum diesem Serum das
Agglutinin und das Proagglutinoid für diesen Stamm vollständig entzog,
während das Agglutinin für den Flexner’scben Stamm in nur geringerem
Grade absorbirt war. Und umgekehrt entzog Zusatz und Centrifugiren
von Flexner’schen Bacillen meinem Immunserum das Agglutinin für die
Flexner'sehen Bacillen, aber nur wenig von dem Agglutinin und Pro¬
agglutinoid des Eruse’sehen Stammes.
Man wird deshalb annehmen müssen, dass mein Originalstamm
mit dem Eruse’schen Stamm bezüglich des Receptorenapparates voll¬
ständig übereinstimmte, während diese beiden Stämme mit dem
Flexner’schen Stamm sowohl identische als auch verschiedene Re-
ceptoren besassen. Wir dürfen weiterhin annehmen, dass das Serum, mit
welchem diese Versuche gemacht waren, nicht nur durch die Immuni-
sirung mit meinem Stamm gewonnen war, sondern dass im Laufe der
Jahre verschiedene Stämme zur Immunisirung verwendet wurden. Da¬
durch entstanden Agglutinine von etwas verschiedener Art, die deshalb auch
für Stämme mit etwas differentem Receptorenapparate passend waren.
Dass übrigens der Receptorenapparat der Bakterien qualitativ und quan¬
titativ nicht etwas dauernd völlig Constantes zu sein braucht, gebt aus
einigen Versuchen hervor, in welchen es mir gelang, durch Züchtung eine
Veränderung dieser Eigenschaften hervorzurufen. Naohdem ich nämlich
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Weitere Studien über den Dysenteriebacillus.
367
Tabelle X.
Verdünnung
des agglutini-
Normale Cultur
I. Generation j
der Milchcultur
IV. Generation
der Milchcultur
renden Serums
2 Std.j
5 Std.
24 Std.
2 Std.
5 Std.
24 Std. [
2 Std.
5 Std. |
24 Std.
.~i7~Yo j
—
—
±
—
±
4
±
4
4
l: 20
—
4
+ +
±
+
4
±
4
44
1: 40 1
dh
+
+ + +
+
+ +
4 4 4
4
44
4 4 4
1: 80
+
44
444
+
+ + +
+++
4
444
444
1: 160
±
4
444
+ + +
4 4 4
+
+++
444
1: 320
—
4
+ + + j
; ±
+ +
444
±
4 4
4 4 4
1: 640
—
±
44 !
1 —
+
+++
j ±
4
444
1:1280
—
—
± !
| —
±
4
1 __
±
44
1:2560
—
—
— !
i
—
— |
i
—
—
1:5120 |
-
"
i
i
Verdünnung 1
des agglutini-!
VI. Generation
VIII. Generation
X. Generation
der Hilchcnltnr
der Milchcultur
der Milchcultur
renden Serums j
2Std.|
5 Std.
24 Std.
2 Std.
5 Std.
24 Std. I
_i
2 Std.
5 Std.
24 Std.
1: 10
4-
- 44
44
+ +
+ + + 1
+ + +
44
4 4 4
+ + +
1: 20
+
4 4
444
+ +
+ + + ;
1 + + +
44
444
444
1: 40
+ +
+ + +
+ + +
+ +
4- + +
+ + +
444
+++
1: 80
4* +
+ + +
+ + +
+
4- + +
! +++
!++
444
+++
1: 160
1 +
4 4 4
4* 4 4
+
++
+++
i +
+++
+++
1 : 820
,! +
+ 4
+ + +
±
4
4 4 4
t ±
4
44
1: 640
ii ±
i +
+ + +
—
±
4
1, ~
±
4
1:1280
! ±
++
—
—
—
i. ~
—
—
1:2560
1:5120
1! __
ii _
^ —
_
_
—
—
!' —
die Kruse’sehen Bacillen 10 Mal hinter einander (je den 2. Tag) auf
steriler Milch gezüchtet 1 und zuletzt auf Agar übertragen hatte, zeigte
1 Dieses Culturverfahren wurde eigentlich entsprechend der Angabe von Celli
gemacht, der in seiner Mittheilung „Zur Aetiologie der Dysenterie“ (v. Leyden,
Festschrift) geschrieben hat, dass mein Bacillus ebenso wie der von ihm gefundene
auch Milch coagulirt, wenn er 8 bis 10 Mal auf alkalische Milch verpflanzt worden
ist. Das Resultat meines Versuches war vollständig abweichend, weil mein Original-
stamm und auch der Kruse'sche und P1 einer'sche Stamm Milch gar nicht coagu-
lirten , wenn sie vorsichtig, vor Verunreinigungen ganz geschützt, 10 Mal hinter
einander auf Milch gezüchtet worden waren. Da ich schon in Japan geprüft hatte
dass der von Celli gefundene Bacillus ziemlich stark Gas bildet und Milch coagulirt,
wahrend mein Bacillus solche Eigenschaften nicht hat, und ferner der Cellieche
Bacillus mit dem Immunserum, das mit meinem Bacillus hergestellt wurde, keine
Agglutination zeigte, so schliesse ich, wie ich schon in meiner früheren Mittheilung
(a. ft. O.) geschrieben habe, dass diese beiden Bacillen von einander ganz
reraohieden sind.
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368 K. Shiga: Weitere Studien über den Dysenterebbacillus.
dieser Milchstamm nicht mehr die Zone der Proagglutinoidreaction; und
bei J wechselseitigen Absorptionsversuchen verhielt er sich nun nicht mehr
wie der ursprüngliche Kruse-Stamm, sondern vollständig wie der Flexner 1 -
sche Stamm. Es hatte sich somit, wie aus der vorstehenden Tabelle X
hervorgeht, durch diese Züchtung auf Milch eine allmählich zu beobach¬
tende Veränderung des Kruse-Stammes vollzogen, die in der Verschieden¬
heit bezüglich der Proagglutinoidzone des Absorptionsvermögens ihren
Ausdruck fand. Weiteren Versuchen in dieser Richtung bleibt es Vor¬
behalten, ob mir eine Zurückzüchtung des Milch-Kruse-Stammes zu dem
ursprünglichen Kruse-Stamm, bezw. einer Umzüchtung des Fleiner-
Stammes in den Kruse-Stamm gelingt. Bisher haben der Flezner-Stamm.
sowie der ungezüchtete Flezner-Stamm ihre Eigenschaften Monate lang
oonstant erhalten.
Resumä.
1. Mein Originaldysenteriestamm aus Japan verhielt sich bei halt-
terioiden Reagensversuchen, sowie bei Agglutinationsversuchen völlig iden¬
tisch mit den beiden Kruse'sehen Stämmen. Da diese Methoden die
schärfsten sind, die uns zur Zeit zur Verfügung stehen, so ist an der
Identität meines Originalstammes vom Jahre 1897 mit dem Kruse’schen
Bacillus (1900) nicht mehr zu zweifeln.
2. Das von mir im Jahre 1898 bis 1900 zu therapeutischem Zwecke
verwendete Dysenterie - Immunserum vom Pferd ist ein sehr hoch-
werthiges und ist das erste derartige Serum, dessen Completirbarkeit
durch menschliches Serum nachgewiesen worden ist.
3. DieM.Neisser-Wechsberg’sche Complementablenkung war damit
sehr leicht zu constatiren und ergab einen neuen Weg zur specifischen
Anreicherung von Bakterien in Gemischen.
4. Die Umwandlung des Agglutinins in ein Proagglutinoid gelang bei
Dysenterie- und Typhusserum.
5. Verschiedene Stämme können einen etwas verschiedenen Recep-
torenapparat besitzen. Durch dauernde Milchpassage war eine gewisse
Aenderung im Verhalten des Receptorenapparates eines Dysenteriestammes
zu erzielen.
Zum Schluss danke ich Hm. Geheimrath Prof. Ehrlich und zumal
Hrn. Prof. M. Neisser, in dessen Abtheilung vorliegende Arbeit ent¬
standen ist, für ihre vielfache Förderung.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
[Aus dem Institut für Infectionskrankheiten in Berlin.]
(Director: Geh. Med.-Rath Prof. Dr. R. Koch.)
Die Differencirung
der Staphylokokken mittelst der Agglutination.
Von
Prof. Dr. W. Kollo and Dr. B. Otto.
AbtheilungsTorateher am Institut Oberarzt beim 1. Garde-Feld-Art»Regt.
Bei der grossen Verbreitung, welche die Staphylokokken aufweisen,
ist die Frage von Bedeutung, in wie weit die bei pathologischen Processen
des Menschen, auf normaler Haut und Schleimhaut, in der Luft vorkommen¬
den Kokken eine einzige Art bilden oder nicht. Die Differencirung der Kokken
mittelst der Färbungs- und Culturmethoden liess hier vielfach im Stich,
so dass z. B. Neisser und Wechsberg 1 in der Einleitung zu ihrer Arbeit
über das Staphylotoxin sagen konnten: „Wir finden Staphylococci aurei
im Eiter, auf der gesunden Haut, auf gesunden und kranken Schleim¬
häuten, in der Vaccine, in der Luft u. s. w., und immer wieder erhebt
sich die Frage: Ist das jedes Mal der typische Staphylococcus pyogenes
aureus, oder aber haben wir es, wie vielleicht bei den Streptokokken, mit
verschiedenen, für den Menschen pathogenen Arten zu thun? — eine
Frage, die in ihren hygienischen und therapeutischen Consequenzen gleich
wichtig ist. Und dieselbe Unsicherheit besteht in vielleicht noch grösserem
Maasse für die weissen Staphylokokken. Auch diese findet man sehr
häufig als augenscheinlich harmlose Saprophyten, bis man bei manchen
Befunden wieder an ihre pathologische Bedeutung gemahnt wird.“
Es gelingt ja, wie bekannt, an den Wachsthumseigenschaften der
Staphylokokken auf Gelatine und Agar, von der grossen Gruppe der aurei
und albi, die etwa 90 Procent aller bei Züchtungsverfahren gefundenen Kokken
1 Diese Zeitschrift. 1901. Bd. XXXVI.
Ze itechr. t Hygiene. 2L1. 24
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370
W. Kölle und R. Otto:
ausmachen, einige selten vorkommende Arten oder gar nicht zu den
Staphylokokken gehörende Mikroorganismen abzutrennen. Zu den ersteren
gehören die als Staphyloooccns citreus, cereus-aureus, -albus bezw. -flavus
bezeichneten Kokken, zu den letzteren aber alle Gelatine nicht verflüssigende
Kokkenarten, die damit schon von der Klasse der echten Staphylokokken
abzutrennen sind. Denn alle letzteren verflüssigen die Gelatine mehr
oder weniger stark. Auch kann die Farbstoffbildung als ein sicheres Art¬
unterscheidungsmerkmal nicht angesehen werden. Denn die ausgesprochene
Fähigkeit, ein gelbes Pigment zu erzeugen, kann bei echten pyogenen
Kokken quantitativ sehr schwanken, wohl meist in Abhängigkeit von den
Nährböden, dem Luftzutritt 1 * u. s. w. Bei längerer Fortzüchtnng auf Nähr¬
böden wurden anfangs schön .goldgelb gefärbte Stämme, wie wir mehrfach
in Bestätigung ähnlicher Angaben beobachten konnten, häufig hellgelb,
ja unter Umständen 1 so weiss, dass sie kaum von typischen Albus-
Stämmen zu unterscheiden sind. Weiterhin konnten wir feststellen, dass
ein Stamm von Pyogenes aureus durch Thierpassage nach und nach seine
gelbe Farbe verlor, bis er schliesslich nahezu weiss wurde. Im Allgemeinen
bestätigte sich auch die von Gärtner 3 gemachte Erfahrung, dass Sta¬
phylokokken, die aus tief liegenden Eiterherden gezüchtet waren, sich durch
schwächere Pigmentation von den aus oberflächlichen Eiterungen stammenden
unterschieden. Aehnlich liegen die Verhältnisse bezüglich der Pigment*
bildung bei den als Staph. cer. aur., alb., flav. beschriebenen Kokkenarten.
Der Verlust der Fähigkeit, Farbstoff zu bilden, wird ja auch bei manchen
anderen pigmentbildenden Bakterien beobachtet So verliert z. B. bekannt¬
lich der Bac. prodigiosus durch länger dauernde Züchtung bei 37° C. auf
Agar sehr häufig die Fähigkeit, das schöne Purpurpigment zu bilden. Man
kann aus den genannten Gründen also die Fähigkeit der Farbstoffbüdong
der Culturen nicht als constante Art-Charakteristik a n s Ahwn.
Was die Versuche betrifft, die Thierpathogenität zur Entscheidung
der Artfrage der Kokken heranzuziehen, so verfügen wir bis jetzt, wie aus
der umfassenden Monographie von v. Lingelsheim 4 hervorgeht, über kein
Verfahren und kein Versuchsthier, um auf diese Weise in Bezug auf die
Arteinheit und Artverschiedenheit derTrauhenkokken Klarheit herbeizuführen.
Der Grund liegt wahrscheinlich in der schwankenden Virulenz der Staphylo*
1 Vgl. Lubinski, Ueber die Anaßrobiose bei der Eiterung. Centralblatt f* r
Bakteriologie. Bd. XVI. S. 769.
* Der Staphylococcus aureus I wuchs aus einer alten, 1 Stunde auf 85 * eT '
wärmten Bouilloncuttur vollkommen weiss.
* Citirt nach Lubinski, Centralblatt für Bakteriologie. Bd. XVI. 8.774.
4 Aetiologie und Therapie der Staphylokokken-Infectionen. Beiträge ** r eepef-
Therapie. Urban und Sch warzenberger, Berlin and Wien. 1900.
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Die Diffebencibung deb Staphylokokken u. s. w.
871
Tabelle I.
Herkunft und Wachstum der untersuchten Staphylokokkenstämme.
w
a c h s t h u
m
s
Herkunft
Farbe
auf Agar
in Trauben¬
zucker¬
bouillon
in GeUtine-
stich
Bemerkungen
1
Eitrige Peritonitis
gelb
Trübg., keine
verflüssigt
Gasbildung
2
Furunkel (Revier)
11
i*
»»
3
n n
11
ii
4
Phlegmone (Lazareth)
11
m
ii
5
Furunkel (Revier)
11
ii
6
Thierkörper
11
ii
1 1
7
Abscess (chir. Poliklinik)
11
ii
ii
Staphyl.
8
Luft (Garten)
V
ii
•>i
epiderm.
9
Haut (Acnepustel)
weissgelb
ii
ii
albus Welch?
(schwach)
Vgl. Fort» ehr.
10
Abscess (Entnkephaiis F.)
hellgelb
ii
verflüssigt
for Medicin .
11
91 11
gelb
ii
verflüssigt
1892. Nr. 21.
12 |
Eiter (Lazareth)
weiss
n
ii
13 j
Abscess (Lazareth)
gelb
ii
ii
14
Abscess (Poliklinik)
11
ii
ii
15
ii ii
11
ii
ii
16
ii ii
11
91
ii
17
Furunkel (Revier)
11
11
ii
18
Mandelbelag (Lazareth)
11
11
ii
19
Furunkel (Lazareth)
11
11
»
20
Sputum
11
ii
.21
Rachensohleiinhaut
weiss
11
ii
(gesunde)
22
F^urupkel (Reyier)
gelb
11
ii
23
Luft (Garten)
iweisslich
11
ii
,24
Pyogenes aure.us Kral
gelb
"
i »
25
„ albus „
weiss
r
ii
26
„ citreus „
citrouen-
ii
gelb
(schwach)
27
Urin
weiss
ii
verflüssigt u
28
Kleider
gelb
ii
29
ii
weiss
ii
ii
30
St. haemorrh. Kral
weisslich
ii
ii
31
Luft (Platten verunreinig.)
gelb
ii
ii
24*
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372
\V. Kolle und R. Otto:
kokken einerseits und in der geringen and schwankenden Empfänglichkeit
der Versuchsthiere (von denen Mäuse, Meerschweinchen und Kaninchen
doch in erster Linie in Betracht kommen) für die von menschlichen
Krankheiten stammenden Staphylokokken andererseits. Zur Orientirung
geben wir in der folgenden Tabelle die Resultate der Virulenzprüfungen
der von uns zur Agglutination benutzten Culturen an Mäusen. Irgend
welche Schlüsse lassen sich aus diesen Thierversuchen an Mäusen, wobei
jede Regelmässigkeit der Wirkung fehlt, nicht ziehen. Meerschweinchen
haben sich auch uns bisher als die am wenigsten geeigneten Thiere für
die Prüfung der Thierpathogenität der Traubenkokken gezeigt, während wir
über die Brauchbarkeit der Kaninchen zur Zeit noch kein abschliessendes
Urtheil fällen können.
Einen Schritt weiter in der Trennung der Staphylokokkenarten
brachten die Untersuchungen von van de Velde 1 , später diejenigen von
Neisser und Wechsberg 2 über das Leukocidin und das Staphylohämo-
lysin. Diesen Autoren gelang es, nachzuweisen, dass bei Thieren durch
Vorbehandlung mit Staphylokokkenpräparaten Antikörper gegen das Sta-
phylohämolysin sowohl wie gegen das Leukocidin auftraten. Neisser und
Wechsberg 2 nehmen an, dass das Hämolysin der pyogenen aurei und
albi ein und dasselbe ist und glauben deshalb, dass dieses Gift ein Merk*
mal der typischen pyogenen Staphylokokken darstellt. Auch das Leuko¬
cidin soll nach Ansicht dieser Autoren für Staph. aur. und alb. einheit¬
lich sein. Der Beweis für diese Unität der Gifte wird von Neisser und
Wechsberg 2 in der Wirkung der Antikörper gefunden, die sie gegen
Leukocidin und Staphylohämolysin durch Immunisirung hergestellt haben.
Nach ihren Untersuchungen paralysirte z. B. ein mit Staph. aur. her¬
gestelltes Antihämolysin nicht nur das Hämolysin sämmtlicher Aureas-
stamme, sondern auch der Albusstämme.
Die zahlreichen Immunisirungsversuche, welche mit der Leibessubstanz
der Kokken oder ihren Derivaten von den verschiedensten Forschern aas¬
geführt sind, haben zu einer sinnfälligen Demonstration specifischer Körper,
der Bakteriolysine oder Agglutinine, in dem Serum der-einer Immuni¬
sirung unterworfenen Thiere bisher nicht geführt. Obwohl eine Anzahl
der Experimentatoren, welche mit derartigen von ihnen hergestellten Sera
arbeiteten, sicher echte und wirksame Staphylokokken-Antikörper, wie auch
v. Lingelsheim 8 anerkennt, in der Hand hatten, ist doch über die Art
der Wirkung derartiger Sera, ihrem Gehalt an Bakteriolysinen und Ag-
glutinen, sowie die Specifität ihrer Wirkung bisher nichts Sicheres bekannt
1 Van de Velde et Denys, La Cellule. 1894. T. X u. XI.
* A. a. 0.
* A. a. 0.
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2
3
4
5
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15
16
17
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20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
Die Differencibung der Staphylokokken ü. s. \v.
373
Tabelle II.
Virulenzprüfung an Mäusen.
in trap
8 u b c
u t a n
V, OeBe
Vt Oese
*/ 4 Oese
Vio Oese
‘/so Oese
7,0 Oese
Vioo Oese
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3iT4
W. Kölle und R. Otto:
gegeben. Dass die Untersuchung auf das Vorhandensein von Agglutininen
und bakteriolytischen Körpern in dem Staphylokokkenserum, auf die Mög¬
lichkeit seiner Benutzung zur Differencirung der Traubenkokken bisher
nicht ausgeführt ist, scheint um so auffälliger, als bereits bei verschie¬
denen Bakterienarten diese streng specifischen Eigenschaften der Aggluti¬
nation oder Bakteriolyse mit Erfolg zur Trennung von einander nahe¬
stehenden Bakterienarten da verwandt sind, wo die anderen bakteriologischen
Differencirungsmethoden — culturelle Untersuchung, Thierpathogenität,
Giftbildung u. s. w. — im Stich gelassen haben. Wie durch die Arbeiten
von Pfeiffer und Kolle 1 * 3 , Pfeiffer und Vagedes*, Kolle und Mar¬
tini 8 bewiesen ist, gelingt eine Differencirung der echten Typhusbakterien
von den typhusähnlichen Bacillen, der echten Cholerabakterien von den
choleraähnlichen Vibrionen (sog. Rothbildnern) und der Pestbakterien von
den ihnen nahestehenden Mikroorganismen mittelst der Agglutination,
ja diese specifischen Serumreactionen haben im Grunde sich als das ein¬
zige Mittel herausgestellt, die Differencirung bezw. Identificirung der ge¬
nannten Bakterien zu ermöglichen.
Gelegentlich der Immunisirung mit Staphylokokken haben wir diesen
Eigenschaften des Serums zunächst unsere Aufmerksamkeit zugewandt und
wollen im Folgenden unsere Beobachtungen über die Agglutination kurz
mittheilen.
Zur Immunisirung für Darstellung möglichst stark agglutinierenden
Serums verwandten wir Kaninchen, welche mit abgetödteten Agarculturen
der Staphylokokken vorbehandelt waren. Die Einverleibung geschah intra-
peritoneal. Es wurde mit einer Agarcultur begonnen, dann wurde die Dosirung
auf 2, 4, 8, 12, 24, 36, 48, 60 Culturen gesteigert. Die Thiere magerten
nach der Injection grösserer Mengen von Culturmassen oft nicht unerheb¬
lich ab. Es wurde deshalb mit der Injection einer grösseren Dosis stets
so lange gewartet, bis die Thiere das ursprüngliche Körpergewicht wieder
erreicht hatten.
Zur Injection wurden die Traubenkokken Nr. I, III, VIII und XXV
benutzt.
Die Prüfung auf Agglutination wurde in folgender Weise vorgenommen.
Von dem zu prüfenden Serum wurden Verdünnungen mit 0-8procentiger
NaCl-Lösung 4 * hergestellt. Von diesen Verdünnungen, z. B. 1:10, 1:20,
1:50, 1:100, 1:200, 1:400, 1:1000 u. s. w., wird je 1 ccm in ein gut
1 Deutsche med. Wochenschrift. 1895.
3 Centralblatt für Bakteriologie. 1895.
3 Deutsche med. Wochenschrift. 1902.
4 Bouillon eignet sich wegen ihres schwankenden Gehaltes an Salzen u. s* w.
gar nicht znr Anstellung der Aggluticationsreaction.
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Original frum
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Die Differencirung der Staphylokokken u. s. w.
375
gereinigtes, steriles Reagensglas gefallt. Man hat dann eine Scala, indem
z. B. im ersten Röhrchen 0*1, im zweiten 0*05, im dritten 0-02 com n. s. w.
des Sernms immer in l 08 “ Flüssigkeitsvolumen enthalten sind.
Bezüglich der Einzelheiten der Methode wiederholen wir die Angaben,
welche für die Pestbakterien von Kolle und Martini bereits gemacht
sind: In jedem der Röhrchen wird eine Oese = 2“» frischer Agarcultur-
masse am Rande verrieben und nach der Verreibung in der Flüssigkeit
durch Schütteln fein vertheilt. Das Verreiben der Culturmasse mit der
Flüssigkeit geschieht in folgender Weise. Die Cultur wird oberhalb des
Flüssigkeitsniveaus an der Wandung des Röhrchens abgestrichen, ein
Tropfen Flüssigkeit mittels der Oese zugefügt und dann verrieben, bis
die mit blossem Auge sichtbaren Klümpchen verschwunden sind. Alsdann
wird das Gemenge langsam herabgeschwemmt und nun bei Schräghaltung
des RöhTchens die Probe in dünner Schicht beobachtet. Hierbei lässt das
Eintreten der Häufchenbildung sich durchaus sicher feststellen und verdient
den Vorzug gegenüber der mikroskopischen Beobachtung besonders mit starkem
System, die sehr leicht zu Fehlschlüssen führen kann. Denn sehr oft werden
bei der letzteren vereinzelte, in Zooglöa zusammenliegende Bakterien, die durch
das Verreiben nicht von einander gelöst waren, für agglutinirte Bakterien¬
häufchen gehalten, obwohl sie mit den durch die Agglutination zusammen¬
geballten grösseren Bakterienhaufen nichts zu thun haben. Die Haufen¬
bildung der Bakterien muss, wenn sie als echte Agglutination gelten soll,
kurze Zeit, spätestens V* Stunde nach dem Mengen von Culturmasse und
Serum, dem blossen Auge unverkennbar erfolgen. Nur auf diese Weise
können eindeutige Resultate erhalten werden. Man kann mit dem blossen
Auge den Vorgang bei den im Thermostaten von 37 °C. gehaltenen
Röhrchen gut verfolgen. Bei der echten Agglutination ist einer¬
seits der Vorgang der Häufchenbildung ein fortschreitender —
die fast sofort nach der Mischung von Serum und Cultur sich bildenden
Häufchen werden mit zunehmender Zeit grösser und sinken zu Boden,
darüber eine klare Flüssigkeit lassend — und andererseits die Grösse
der Häufchenbildung eine mit der Concentration des Serums
genau wachsende, so dass die verschiedenen Röhrchen eine regelrechte
Scala bilden. Bei den Controlen mit reiner 0 • 8 procentiger Kochsalz¬
lösung oder normalem Serum (bei diesen nur in starken Concentrationeu)
tritt bei den echten pyogenen Staphylokokken keine Agglutination ein.
Der Bodensatz, den die Staphylokokken auch in den letzten genannten
Medien nach längerem Stehen bilden, hat mit der Agglutination nichts
zu thun. Man kann das daran erkennen, dass dieser Bodensatz sich beim
kräftigen Umschütteln wieder in Emulsion auflöst, während wirklich
agglutinirte Bakterienhäufchen dabei als solche erhalten bleiben.
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376
W. Kölle und R. Otto:
Bei der Ausführung der Versuche ist es nothwendig, bestimmte
Cautelen, wie hei dem gleichen Verfahren mit Cholera-, Typhus- oder
Pestbakterien, nicht ausser Acht zu lassen. Dazu gehört in erster Linie
die Benutzung guter, den Staphylokokken zusagender Nährböden. Des
Weiteren ist auf die absolut klare Beschaffenheit der Kochsalzlösung Werth
zu legen, was man durch mehrmaliges Filtriren durch gehärtete Filter
am besten erreicht. Controlversuche mit normalem Serum in gleichen
Verdünnungen und physiologischer Kochsalzlösung allein sind nie zu
unterlassen, um Irrthümer auszuschliessen. Denn es giebt saprophytische
Kokkenarten, welche in physiologischer Kochsalzlösung und normalem
Serum eine geringe Häufchenbildung, die am besten als PseudoagglutinatioD
bezeichnet wird, erkennen lassen. Derartige Kokken können schon durch
diesen Umstand als verschiedenartig von den echten Staphylokokken er¬
kannt werden, und eignen sich nicht zur Austitrirung mit Staphylokokken¬
serum.
Eine Vorbedingung für die Gewinnung eindeutiger Resultate ist ein
in Bezug auf Agglutination hochwertiges Serum, wie es nach 8- bis
4 monatlicher Vorbehandlung von Kaninchen mit abgetödteten Culturen
bei Befolgung der oben gegebenen Vorschriften gewonnen werden kann.
Mit dem hochwertigen Serum der drei Staphylokokkenstämme I, HI
und VIII haben wir bei sämmtlichen in der Tabelle I aufgeführten Culturen
die Agglutinationsproben in der angegebenen Weise angestellt und stets nach
mehrfacher Wiederholung der Versuche die Agglutinationstitres möglichst
genau festgestellt, wie sie in der folgenden Tabelle (III) enthalten sind. 1
Der Vorgang der Agglutination vollzieht sich makroskopisch und mikroskopisch
genau in der gleichen Weise, wie bei anderen unbeweglichen Bakterien,
z. B. den Pestbakterien. Irgend welche Formveränderungen sind an den
einzelnen Kokken selbst bei starker Concentration des hochwerthig agglu-
tinirenden Serums nicht zu bemerken, auch nicht nach längerem Ver¬
weilen in dem Thermostaten. Die Kokken ballen sich ausnahmslos zu
grossen Haufen zusammen. Aneinanderlagerung zu Ketten, wie sie als
Analogon der sog. Fadenreaction bei Bact. coli (Pfaundler) oder der
Kettenbildung der Pneumokokken im Pneumokokkenserum (Neufeld) 1
vermuthet werden könnte, tritt bei den Staphylokokken nicht ein.
1 Die mit Serum XXV (albus-Stamm) gefundenen Agglutinationstitres konnten
nicht mehr angeführt werden, da die genaue Austitrirung erst während der Druck¬
legung dieser Arbeit vorgenommen wurde. Die Austitrirung ergab jedoch, dass alle
von Serum I und III agglutinirten Kokken auch von XXV agglutinirt wurden, da¬
gegen nicht Nr. 8, 9, 21, 23, 26, 27, 28, 29, 31.
* Diese Zeitschrift . Bd. XXXIX.
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Die Differencirung deb Staphylokokken u. s. w.
377
Tabelle III.
Agglutinations-Titres mit Serum I und III.
Lfd. Nr.
Tritt bei Verdünnung
des normalen Serums 1:10
bezw. Serums VIII 1:10
Agglutination ein?
Norm. Ser. | Ser. VIII
S e r u
agglutinirt
bis zur Ver¬
dünnung von
m I
Titre
Sern
agglutinirt
bis zur Ver¬
dünnung von
m III
Titre
1
Andeutung
0
1:500
0-002
1:200
0-005
2
0
0
1:200
0-005
1:500
0-002
8
0
0
1 :200
0-005
1:400
0-0025
4
0
0
1:100
0-01 j
1:500
0-002
5
0
0
1:100
0-01
1:400
0-0025
6
| Andeutung
0
1:100
0-01
1 :400
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7
1 0
0
1 :100
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1-400
0-0025
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0-005
1:10
0-1 |
1:10
0-1
9
Andeutung
0
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0
0
0
10
0
0
1 :500
0-002
1 :300
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11
o
0
1 : 100
0-01 1
1:200
0-005
12
0
0
1 : 400
0-0025
1; 200
0-005
13
0
0
1 : 100
0-01
1:800
0-008
14
0
0
1: 100
0-01
1:200
0-005
15
1 0
0
1: 100
0-01
' 1:200
0-005
16
0
0
! 1:200
0-005
j 1 : 400
0-0025
17
1 Andeutung
0
1 :200
0-005 1
1:400
0-0025
18
0
0
1: 100
0-01
1 1:400
0-0025
19
0
0
1 : 100
0-01
j 1 :200
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20
Andeutung
Andeutung
1 :500
0-002
j 1 :200
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21
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0
1 0
0
0
0
22 ,
i
0
i
0
! 1:100
0-01
1 :200
0-005
23 !
0
0-005
1:80
0-03
1:10
0-1
24
0
0 1
1
1:300
0-008
1 1:100
0-01
25
1 0
Andeutung
1 : 400
0-0025
1:100
0-01
26
0
0
1 : 10
0-1
1:10
0-1
27
0
Andeutung i
0
0
0
0
28 ;
1 0
0
0
0
0
0
29
! 0
0 |
0
0 j
0
0
30
Andeutung
Andeutung
1:1200
o-ooo8 ;
1:500
0-002
31
< Andeutung
Andeutung
1:10
0-1 1
1:10
0-1
* O bedeutet: Es tritt Belbst bei Verdünnungen von 1:10 und 1:5 keine
Agglutination ein. — Unter 1:100 ist unterstrichen.
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378
W. Kölle und R. Otto:
Wie aus dieser Tabelle hervorgeht, zeigt das normale Kaninebenserum
selbst in der Concentration von 1:10 (d. h. 0* 1 cem Serum in 1 CCT0 physiuL
NaCl-Lösung bezogen auf 1 Oese Culturmasse) keine Agglutinationswirkung;
während das Staphylokokkenserum eine Anzahl der aufgeführten Stämme be¬
einflusst (theilweise bis zur Verdünnung von 1:1200). Die Sera I u. III, welche
mit pyogenen gelben Traubenkokken hergestellt sind, agglutiniren in einer
Verdünnung von mindestens 1:100, meist aber 1:200, 300 oder 400 die
sämmtlichen gelben Traubenkokken, die als Erreger von Eite¬
rungen, schweren Furunkeln u. s. w. in Reincultur aus diesen
gewachsen waren. Nicht bezw. nur in physiologischen Grenzen agglu-
tinirt dagegen wurden Nr. 8, 9, 21, 23, 26, 27, 28, 29 und 31. Um¬
gekehrt beeinflusste das mit dem Staphyl. VIII hergestellte Serum sämmt-
liche Stämme nicht oder nicht stärker als normales Serum mit Ausnahme
von 8 und 23. Diese beiden Kokken waren aus der Luft durch Auf¬
stellung von Agarplatten im Freien gewonnen worden, 8 ein gelber,
23 ein weisser Luftstaphylococcus.
Nach den bei anderen Serumarten (Typhus, Cholera, Pest) sicher¬
gestellten Erfahrungen können die von dem Staphylokokkenserum nicht
agglutinirten Kokken nicht als zur Classe der echten pathogenen Kokken
gehörig betrachtet werden. Denn es ist bisher noch bei keinem agglu-
tinirenden Serum beobachtet worden, dass ein solches Serum, ein in die
betreffende Bakteriengruppe gehörendes Bacterium nicht agglutinirt hätte.
Man hat vielmehr umgekehrt eine Agglutination bei Bakterien beobachtet,
welche mit den zur Serumerzeugung benutzten nicht identisch waren,
sondern ihnen nur nahe standen, sog. Gruppenreactionen. In der That
sprechen auch manche andere Gründe bei den nicht agglutinirten Stämmen
dafür, dass sie mit den echten gelben pyogenen Kokken nichts zu thun
haben. So ist Nr. 26, ein aus der Kral’schen Sammlung bezogener Staph.
citr., der zwar ein den gelben Kokken ähnliches, aber doch in dicker
Schicht von ihnen in der Farbe völlig verschiedenes Pigment bildet. Die
Stämme 9, 21, 27, 28, 29, u. 31 aber waren nach ihrer Fundstelle (nor¬
male Haut, Schleimhaut, Kleider u. s. w.) von vornherein als nicht für den
Menschen pathogene Kokken verdächtig. Wenn endlich die völlige Cou-
gruenz der Wirkungsweise von Serum I, III und XXV berücksichtigt
wird, so kann an der Thatsache nicht mehr gezweifelt werden, dass hoch-
werthig-agglutinirendes, mit menschenpathogenen Trauben¬
kokken hergestelltes Serum als ein Erkennungsmittel der echten
menschenpathogenen Traubenkokken zur Differencirung der
pathogenen und saprophytischen Kokkenarten benutzt werden
kann. Wie die Schwankungen in den Titres, soweit sie unter 1:100 liegen,
zu erklären sind, darüber möchten wir vorläufig kein Urtheil abgeben.
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Die Defferencibüng deb Staphylokokken u. s. w.
379
Wenn die bei Typhus, Cholera und' Pest von Pfeiffer, Kolle und
Martini gemachten Beobachtungen bezüglich der stärkeren und geringeren
Beeinflussung durch ein und dasselbe Serum auch für die Staphylokokken
gelten, so sind die Schwankungen der Titres vielleicht mit der Virulenz
der einzelnen Stämme in Beziehung zu bringen.
Die Angaben von der Ubiquität der pathogenen Staphylokokken dürften
nach Bekanntgabe dieser Untersuchungen einer erneuten Prüfung zu unter¬
ziehen sein. Denn es ist, wenn man über ein hochwerthig agglutinirendes
Serum verfügt, ohne grosse Schwierigkeiten möglich, eine grosse Anzahl
von Kokken, die in der Umgebung des Menschen, an Kleidern u. s. w.
Vorkommen, auf Agglutination zu prüfen. Es hat nach unseren Unter¬
suchungen den Anschein, als ob die echten pyogenen Kokken
bei Weitem nicht so saprophytisch in der Natur verbreitet
sind, als man es gemeinhin anzunehmen geneigt ist. Von
Wichtigkeit scheint uns zu sein, dass wir mit Hülfe der Agglutination
zu ganz ähnlichen Resultaten gelangt sind, wie auf ganz anderem Wege
Neisser und Wechsberg, welche fanden, dass alle aus Eiterungen bei
Menschen isolirten Kokken Hämolysine bildeten, während einige von Thieren
(Vaccine) oder aus der Luft isolirte Aureus- und Albusstämme kein Hämo¬
lysin bildeten. Auch bei unseren Versuchen verhielten sich die Albus¬
stämme (Nr. 12 und 25), welche aus Eiterungen der Menschen stammten,
völlig gleich in Bezug auf Agglutination wie die pathogenen Aureus-
stämme, während die saprophytischen, aus der Luft, von gesunder Schleim¬
haut, von Kleidungsstücken u. s. w. isolirten Albusstämme nicht durch das
mit pathogenen Kokken hergestellte Serum, dagegen theilweise durch das mit
dem Luftcoccus Nr. 8 hergestellte Serum stark agglutinirt wurden. Einige
dieser saprophytischen Albusstämme wurden von keiner der von uns her¬
gestellten Serumproben, auch nicht von Serum 8, beeinflusst. Nach der
Thierpassage veränderte sich weder bei den Aureus- noch Albusstämmen
irgend etwas in Bezug auf die Agglutination oder den Titre.
Aus allem geht hervor, dass die Staphylokokken-Agglutinine sich an¬
nähernd gleich so verhalten, wie die gut studirten Agglutinine des Cholera-,
Typhus- und Pestserums. Wir kennen jetzt als Bestandtheile des Staphylo¬
kokkenserums also drei Körper: das Antileukocidin (van de Velde), das
Antihämolysin (Neisser und Wechsberg) und das Agglutinin. Die lange
Zeit ohne Widerspruch angenommene Behauptung von van de Velde,
dass „die Staphylokokkenimmunität gleichbedeutend ist mit Antileukocidin-
bildung“, ist aber nicht mehr haltbar.
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Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
[Aus dem Institut für Infectionskrankheiten zu Berlin.]
(Director: Geh. Med.-Rath Prof. Dr. R. Koch.)
Ueber den Einfluss der Thierpassagen auf die Virulenz
der Pestbacillen für die verschiedenen Thierarten.
Von
Dr. B. Otto,
Oberarzt beim Erzteu Garde-FeldartllJerie-Regiment.
Es ist verschiedentlich die Ansicht ausgesprochen worden, dass die
Pestbakterien durch wiederholten Uebergang von Thier zu Thier derselben
Art an ihrer Virulenz für andere Thierarten Einbusse erlitten, während
für die Passagethierart eine Steigerung der Virulenz einträte. Man hat
die Vorstellung gehabt, dass sich die Pestbakterien in dieser Hinsicht also
ähnlich verhielten, wie gewisse Streptokokkenstämme. Nach den Unter¬
suchungen von v. Behring, Knorr, v. Lingelsheim, Petruschky u. A.
kann es als sichere Thatsache gelten, dass Streptokokken, welche in
kleinster Menge, z. B. weisse Mäuse durch Sepsis tödten, durch lang-
dauernde Passagen durch Kaninchen ihrer Infectiosität für Mäuse beraubt
werden können. Umgekehrt lassen sich die für Kaninchen hochinfectiösen
Kettenkokken durch vielfache Uebertragung von Maus zu Maus ihrer
Pathogenität für Kaninchen berauben. Die Frage nun, ob ähnlicher
Weise ein antagonistisches Verhalten der in verschiedenen Thierarten —
sei es spontan unter natürlichen Verhältnissen, sei es experimentell durch
künstliche Infection im Laboratorium — fortgezüchteten Bakterien auch
bei den Pesterregern vorkommt, bietet nicht nur ein rein Wissenschaft
liches, sondern auch ein praktisches Interesse, namentlich in epidemio¬
logischer Beziehung. So ist von verschiedenen Seiten der Vermuthung
Raum gegeben worden, die geringe Ausbreitung einzelner Pestepidemieen
der letzten Jahre, z. B. iu Alexandrien und in Konstantinopel, bei welchen
die sporadisch und zeitlich getrennt vorkommenden menschlichen Pest-
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Einfluss der Thiebpassagen auf die Pestbacillen Virulenz 381
erkrankangen auf lufection von Ratten zurückzuführen waren, unter den
Bewohnern der von Rattenepizootieen heimgesuchten Städte sei vielleicht
auf die geringe Virulenz zurückzuführen, welche derartige, die Ratten-
pestepizootieen hervorrufende Pestbakterien für den Menschen besässen.
Demgegenüber muss betont werden, dass die aus menschlichen Pest¬
fällen gezüchteten Pestkeime für Affen, Katzen, Ratten, Mäuse und Meer¬
schweinchen hochvirulent sind und auch Kaninchen tödten. Andererseits
verlaufen viele Pestinfectionen, die sicher auf von Ratten stammende Pest¬
bakterien zurückzuführen sind, so rasch tödtlich, wie es bei einem für
Menschen wenig virulenten Infectionsstofife nicht sein könnte. Erfolgte
doch auch bei jenem traurigen Ereigniss in Wien die Infection von einem
pestkranken Thiere, nachdem die Pestbakterien seit Jahren nur durch
Thiere gezüchtet waren.
Trotzdem auch die bisherigen, in der hiesigen Peststation angestellten
zahlreichen Beobachtungen gegen die Annahme antagonistischer Virulenz¬
beziehungen der in verschiedenen Thierarten dauernd fortgepflanzten Pest¬
bacillen sprachen, schien es doch geboten, diese Frage weiter zu verfolgen
und durch Versuche mit genauer Dosirung des Infectionsstoffes die Viru¬
lenzunterschiede lange in einer und derselben Thierart fortgezüchteter Pest¬
bakterien zu bestimmen. Die Erreger der Pest zeigen in mehrfacher
Beziehung Neigung, sich an veränderte biologische Bedingungen anzu¬
passen. So wachsen Culturen, die frisch aus dem Thierkörper gezüchtet
sind, anfangs nur recht kümmerlich auf den gebräuchlichen Nährböden,
auf denen sie nach wenigen Umzüchtungen üppig und rasch gedeihen.
Biologisch nicht minder interessant und wichtig ist die Thatsache, dass
Pestbakterien, die häufig, z. B. durch experimentelle Inhalation, bei den
Thieren zur Ansiedelung und Vermehrung in den Lungen (wo sie dann
eine primäre Pestpneumonie erzeugen) gezwungen sind, die Neigung
erhalten, durch mehrere Generationen nach Uebertragung auf Agar und
Rückimpfung auf Thiere, sich nach subcutaner oder intraperitonealer In¬
fection wieder mit Vorliebe in der Lunge anzusiedeln. Derartige Be¬
obachtungen konnten mehrfach bei den vorliegenden Versuchen gemacht
werden. (Weiteres vgl. unter „Rattenpassagen“.)
Wenn man nun auf Grund dieser biologischen Eigenthümlichkeiten in
der Anpassungsfähigkeit der Pesterregtr, die sich ausser den genannten
Bedingungen auch auf die Wachsthumstemperaturen bezieht, ein gleiches
Verhalten für die Virulenz verschiedenen Thierarten gegenüber erwarten
durfte, so haben die vorliegenden Passageversuche mit einer Einschränkung
für die durch Kaninchen fortgezüchteten Pestbacillen nichts Derartiges
ergeben. Ich theile die Einzelheiten dieser Versuche, welche an Meer¬
schweinchen und Kaninchen noch längere Zeit fortgesetzt werden sollen,
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382
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384
R. Otto:
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hier vollständig mit, unter anderem auch deshalb, weil dieselben zur
Orientirung über die Herkunft des bei den vergleichenden Werthprüfungen
von Pestserum verschiedener Herkunft 1 benutzten Infectionsmaterials
dienen. Zumeist waren nämlich die Controlthiere gleichzeitig Passagen
bei diesen hier mitgetheilten Versuchen.
Die zur Infection benutzte Cultur stammte von einer im Decembt r
1901 auf dem Dampfer Chios todt aufgefundenen Ratte und wurde im
Hamburger hygienischen Staatsinstitut isolirt (von Herrn Dr. Kister).
Als Versuchstbiere wurden Kaninchen, Meerschweinchen, Ratten und
Mäuse benutzt. Der Verlauf jeder einzelnen Infection ist aus den beigefügten
Tabellen ersichtlich, zu deren Erläuterung noch Folgendes bemerkt sei.
A. Kallinchen. (Tabelle A.)
Die directe Uebertragung von Thier zu Thier erlitt mehrfache Unter¬
brechungen. So musste bei der 6. Passage auf die Reincultur der 5.
zurückgegangen werden, weil beide Passagethiere der erstgenannten Reihe
an Kaninchenseuche litten. Bei der 12. Passage blieben beide Thiere am
Leben und nach der 14. Passage wurden die Versuche mit diesen Thiereu
überhaupt auf längere Zeit unterbrochen, nachdem die bakteriologische
Untersuchung bei der Section neben Pestbacillen die Erreger der Kanin¬
chenseuche festgestellt hatte. Erst Ende Mai habe ich mit der aus der
14. Passage gewonnenen Reincultur die Passagen mit Kaninchen wieder
aufgenommen und bis zur 32. Passage mit einer Unterbrechung (bei der
25. Passage wegen Mischinfection mit Kaninchenseuche) fortgesetzt Neben
der Unsicherheit der Infection in Folge der geringen Empfänglichkeit der
Kaninchen für Pest (3 von 56 Thieren blieben bei intraperitonealer Infection
leben) konnten gerade bei den im Kaninchenkörper vorkommenden Pest¬
bacillen stets auffallend viel Involutionsformen beobachtet werden. Bei der
17. Passage fanden sich nach subcutaner Infection nur an der Injections-
stelle, wo sich ein starkes hämorrhagisches Oedem gebildet hatte, und in
den nahen Drüsen reichliche Pestbacillen. Wenn hier also vereinzelt der
Tod nicht durch Septiciimie, sondern durch Gift Wirkung erfolgt war, so war
diese Erscheinung häufiger bei den Battenpassagen zu beobachten. Die
Schlussprüfung ergab, dass nach 31 maliger Passage des Kaninchenkörpers,
während welcher Zeit die Cultur 4 Mal über Agar ging, eine Ab¬
schwächung der Pestbacillen für Kaninchen, Meerschweinchen und
Mäuse nicht nachzweisen war, dass aber eine vorübergehende Herab¬
setzung der Virulenz der frisch aus dem Kaninchenkörper gezüchteten
Pestbacillen für Ratten bestand.
1 Vgl. W. Kolle und R. Otto, Vergleichende Werthprüfungen von Pestserum
verschiedener Herkunft. Diese Zeitschrift. Bd. XL.
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B. Meerschweinchen. (Tabelle B.)
Der Verlauf der Krankheit und der Sectionsbefund waren bei diesen
Thieren von Anfang bis zur 60. Passage stets so vollkommen gleich, dass
schon hieraus eine Aenderung der Pestbacillen in Bezug auf ihre Virulenz
nicht anzunehmen war. Die tödtliche Infection — intraperitoneal, subcutan
und cutan — erfolgte stets prompt (sogar nach Impfung von Viooooooooo
Oese intraperitoneal.) Eine Steigerung der Virulenz oder der Toxicität der
Pesterreger nach monatelangem Passiren des Thierkörpers konnte nicht be¬
obachtet werden. Die Unterbrechung der Passage nach der 30. Passage
erfolgte absichtlich, nachdem eine umfangreiche Prüfung an Kaninchen,
Meerschweinchen, Ratten und Mäusen nicht die geringste Virulenz¬
änderung für irgend eine der Thierarten ergeben hatte. Später wurden
die Passagen bis auf 60 fortgesetzt. Die Schlussprüfung ergab dasselbe
Resultat, wie die erwähnte Prüfung nach der 30. Passage.
1 C. Batten. (Tabelle C.)
Wesentlich anders als bei den Meerschweinchen und bei den ersten
Passagen dieser Reihe war der Sectionsbefund bei den Ratten, wenn das
Impfmaterial bereits öfters den Rattenkörper passirt hatte. Bei der Infection
durch Stich mit inficirter Hohlnadel in die Schwanzwurzel waren zwei
Formen der Pest genau zu verfolgen. Hatte das Impfmaterial den Ratten¬
körper erst einige Male passirt, oder war es vorher mehrmals über Agar
geschickt, so erfolgte der Tod last stets an Pestsepticämie. Dies war da¬
gegen später, ungefähr von der 20. Passage ab nur ausnahmsweise der Fall;
es kam dann meistens zu einer Localisirung der Pest in den Leistendrüsen
und zum Tode des Thieres an Giftwirkung von hier aus. Besonders
toxisch erwiesen sich die Pestbacillen nach mehrfacher Inhalation, wo
sie diese Eigenschaft selbst nach Uebertragung auf Agar und Rück¬
impfung behielten. Sehr interessant war in dieser Beziehung der Be¬
fund bei 2 Ratten, welche von 2 Parallelpassagen (Nr. 38 bis 43) stammten.
Während in der einen Reihe die Uebertragung durch Infection in die
Schwanzwurzel mit einer durch Milzsaft inficirten Hohlnadel bezw. durch
intraperitoneale Injection von 1 / xo Oese Pestagarcultur erfolgte, wurde
in der zweiten Reihe die Pest von Thier zu Thier durch Inhalation
einer Pestlungen - Kochsalzaufschwemmung übertragen. Nach der
43. Passage erfolgte einerseits aus der Milz einer an Pest eingegangenen
Ratte der I. Reihe und andererseits aus der Lunge eines an Pestpneumonie
verendeten Thieres der II. Reihe die Züchtung je einer Pest-Agar-Rein-
cultur, von welchen je Vio Oese 24 h Cultur eine Ratte intraperitoneal
eingespritzt erhielt. Der Tod erfolgte bei beiden Thieren in 24 bezw.
22 Stunden. Die Section des I. Thieres (= Passage 44, I) ergab: Reich-
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398
R. Otto:
lieh Pestbacillen in den Leistendrüsen, der Milz und dem Herzblut, in
den Lungen keine Pestbacillen nachweisbar; dieselben zeigen keinerlei
krankhafte Veränderungen; hei der IL Ratte dagegen fanden sich neben
einem doppelseitigen Leistenbubo (reichlich Pestbacillen enthaltend) schwere
rein toxische Schädigungen (starke Hämorrhagieen) aller Organe, be¬
sonders der Lungen. In letzteren liessen sich reichlich Pestbakterien
mikroskopisch naohweisen, während sie sonst nur in dem Bubo zu finden
waren. Es wiederholte sich also die bemerkenswerthe Thatsache,
dass die von Lunge zu Lunge durch Inhalationen übertragenen
Pesterreger neben der Neigung wieder in den Lungen sich an¬
zusiedeln die Eigenschaft erlangten, äusserst stark toxisch za
wirken, d. h. an dem Primärherd Gifte zu erzeugen, mit denen
sie die Thiere tödten, ohne Herbeiführung einer Septicämie.
Die directe Uebertragung der Pest von Thier zu Thier war in Folge
ähnlicher Verhältnisse häufig schwierig, da mehrfach Ratten zur Section
kamen, die nur in den kleinen Leistenbubonen Pestbacillen aufwiesen.
Eine Unterbrechung der directen Uebertragung musste ich in mehreren
Fällen vornehmen, wo der mikroskopische Befund bei der Section eine
Mischinfection ergab. 1
Zusammenfassend lässt sich über die Virulenz der von Ratte zu Ratte
übertragenen Pestbacillen sagen, dass sie durch längere Passagen von
Ratte zu Ratte keine Einbusse an ihrer Virulenz, weder für Ratten
selbst noch für andere Thierarten erleiden, dass sie dagegen eine erheb¬
liche Zunahme ihrer Toxicität erlangen.
D. Mäuse. (Tabelle D.)
Bei den Mäusepassagen erlitt die directe Uebertragung von Maas zu
Maus bei der 27. Passage beider Thiere eine unfreiwillige Unterbrechang
dadurch, dass die Thiere nicht eingingen. Nach 46. Passage habe ich
eine Züchtung über Agar vorgenommen, da sich beide Passagethiere
in stark verfaultem Zustande befanden und nach den Erfahrungen bei den
Rattenpassagen die Gefahr einer Mischinfection nicht ausgeschlossen schien.
Im Gegensatz zu den Rattenversuchen kam es bei Mäusen stets
zur Pestsepticämie bei der Infection in Schwanzwurzel. Nur einmal
(Passage 70) fand ich eine Localisiruug der Pestbacillen in einem kleinen
hämorrhagischen Bubo, ohne dass sonst in dem Mäusekörper dieselben
uachgewiesen werden konnten. Weiter konnte ich im Gegensatz za den
1 Vgl. auch W. Kolle und R. Otto, Vergleichende Werthprftfungen von Pest-
serum verschiedener Herkunft. Diese Zeitschrift. Bd. XL.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Einfluss dek Thierpassagen auf die Pestbacillenvirulenz 399
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Einfluss der Thierpassagen auf die Pestbacillenvirülenz 401
Bemerkungen
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im Bubo.
Buboaufschwemmung.
24std. Agarcultur (1 Oese in
1 ccm Bouillon) von Passage 25.
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Der in Tabelle III vorhandene Virulenzunterschied besteht also nicht mehr.
1 Die Infection erfolgte mit derselben Cultnr wie in Tabelle III (III), nachdem
diese Cultur zweimal innerhalb 10 Tagen über Agar geschickt war.
Uebersichtn tabeile
über die Art der Uebertragung des Infectionsmaterials bei den
verschiedenen Thierarten.'
A. Bei Kaninchen.
1 Agarcultur.
2 — 6 Von Thier zu Thier.
7 Agarcultur.
8—11 Von Thier zu Thier.
12 Agarcultur.
13—14 Von Thier zu Thier.
15 Agarcultur.
16—24 Von Thier zu Thier.
25 Agarcultur.
26—32 Von Thier zu Thier.
B. Bei Meerschweinchen.
1 Agarcultur.
2—30 Von Thier zu Thier.
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31—60 Von Thier zu Thier.
C. Bei Ratten.
1 Agarcultur.
2—24 Von Thier zu Thier.
25 Agarcultur.
26 — 30 Von Thier zu Thier.
31 Agarcultur.
32—40 Von Thier zu Thier.
41 Agarcultur.
42—43 Von Thier zu Thier.
44 Agarcultur.
45— 64 Von Thier zu Thier
D. Bei Mäusen.
1 Agarcultur.
2 — 25 Von Thier zu Thier.
26 Agarcultur.
27 — 47 Von Thier zu Thier.
48 Agarcultur.
49—61 Von Thier zu Thier.
62 Agarcultur.
63—85 Von Thier zu Thier.
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
408
R. Otto:
anderen Passagereihen bei den Mäusepassagen beobachten, dass nach
häufigen Thierpassagen eine eingelegte Zwischenzüchtung auf Agar die
Virulenz vorübergehend steigerte. (Vgl. Passagen Nr. 63 bis 69 und
Nr. 631 bis 691.) Die Schlussprüfung ergab, dass die Pestbacillen
durch 82 Mäusepassagen mit 3maliger Züchtung über Agar keine Ab¬
schwächung in ihrer Virulenz erlitten hatten, weder für Mäuse noch
für andere Thiere. Es muss jedoch beachtet werden, dass die Empfäng¬
lichkeit der Mäuse für Pest erheblichen individuellen Schwankungen
unterliegt, wie auch aus den Tabellen hervorgeht, da z. B. mehrfach ein
Thier in 2 Tagen einging, während das andere am selben Tage mit der¬
selben Dosis und auf dieselbe Art und Weise inficirte Thier erst nach
mehreren Tagen an Pestsepticaemie starb.
Vergleichende Virulenzprüfungen wurden mehrfach im Verlaufe der
Passagen zu verschiedenen Zeiten angestellt, ohne dass sich eine wesentliche
Differenz in Bezug auf die Virulenz je ergeben hätte.
Tabelle I enthält z. B. einen solchen Vergleich der Virulenz der
Pestbacillen, nachdem dieselben hei jeder Thierart — mit Ausnahme
der Kaninchen — 40 Mal den Thierkörper passirt hatten. Die Infection
erfolgte bei den Versuchsthieren (Meerschweinchen) durch Verreiben
v 4 Oese 24 ständiger Pestagarcultur auf die rasirte Bauchhaut.
Tabelle II und III enthalten die Resultate der abschliessenden Virulenz¬
prüfungen. Die Infection erfolgte einerseits mit Pestorganstücken durch
Verreiben auf Bauchhaut, andererseits durch Injection kleiner Dosen
24 ständiger Agarreinculturen. Die Kaninchen wurden mit Vxo Oese intra-
peritoneal, die Meerschweinchen mit V 60 Oese Cultur subcutan inficirt.
Bei Ratten und Mäusen erfolgte die Uebertragung der Pest durch Ein¬
tauchen einer Hohlnadel in eine Agarculturaufschwemmung (1 Oese
24 stündige Pestagarcultur in 1 ccm physiologische Kochsalzlösung) und
Einstich in die Schwanzwurzel.
Tabelle IV enthält eine zweite Vergleichsprüfung der durch Ratten
und der durch Kaninchen gegangenen Pestculturen, nachdem dieselben
zwei Mal über Agar gesschickt waren. Die Infection erfolgte in gleicher
Weise durch Schwanz wurzelstich.
Die Einzelheiten und Ergebnisse dieser Vergleichsprüfungen sind,
soweit sie nicht bereits bei den einzelnen Thierarten besprochen sind, aus
den Tabellen ersichtlich. Ebenso die Nummer der Passage, von der das
Infectionsmaterial abstammte bezw. entnommen war.
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Einfluss dee T hiebpassagen auf die Pestbacellenvibülenz 409
Aus dem Verlaufe der Passagenreihen und den Ergebnissen der ab¬
schliessenden Vergleichsprüfungen lassen sich folgende Schlussfolge¬
rungen ziehen:
1. Die Pestbakterien haben nach zahlreichen Thierpassagen,
d. h. nach häufiger (nur von vereinzelten Züchtungen auf Agar unterbrochener)
Uebertragung von Thier zu Thier derselben Art, der sie bei Kaninchen,
Meerschweinchen, Ratten und Mäusen unterworfen wurden, in keinem
Falle eine Abnahme der Virulenz für die betreffende Thierart
erkennen lassen.
2. Auch zu einer wesentlichen dauernden Steigerung der
Virulenz der allerdings von Anfang an gut virulenten Cultur ist es trotz
der zum Theil zahlreichen Passagen nicht gekommen, dagegen zu
einer besonders bei den Rattenpassagen sehr hervortretenden Neigung
zur Localisation in den Drüsen, mit Steigerung der Toxicität
der Pesterreger.
3. Ein Antagonismus in Bezug auf die Virulenz für die ver¬
schiedenen Thierarten nach längerer Passage durch eine Thierart liess
sich nicht nachweisen; nur die längere Zeit durch Kaninchen ge¬
schickte Cultur hatte frisch aus dem Kaninchenkörper gezüchtet bis zu
einem gewissen Grade an Virulenz für Ratten eingebüsst, ohne dass
eine Abnahme derselben für Kaninchen selbst, für Meerschweinchen und
Mäuse festzustellen war. Diese Virulenzabschwächung war keine dauernde
(siehe Tab. IV, Seite 407), sondern war bereits nach zweimaliger Züchtung
über Agar nicht mehr vorhanden.
Zum Schlüsse ist es mir eine angenehme Pflicht, Hm. Geh.-Rath
Koch für die Erlaubniss in dem Institute für Infectionskrankheiten ar¬
beiten zu dürfen und Hm. Prof. Dr. W. Ko Ile für die Unterstützung
bei diesen Arbeiten meinen ergebensten Dank aussprechen zu können.
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Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
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[Aus dem staatlichen hygienischen Institut zu Hamburg.]
(Director: Prof. Dr. Dunbar.)
Zur Anwendbarkeit
des serodiagnostischen Blutprüfungsverfahrens.
Von
Dr. J. Kister und Dr. H. Wolff,
AatUtenten am Inititute.
Als wir eines Tages bei unseren Arbeiten mit dem zur Differenzirung
verschiedener Blutarten dienenden serodiagnostischen Verfahren ein frisch
gewonnenes, hochwerthiges Serum eines mit Pferdeblut vorbehandelten
Kaninchens auf seine präcipitirende Wirksamkeit prüften, waren wir über¬
rascht, dass in einer Anzahl heterologer Blutlösungen eine so deutliche
prompte Trübung und des Weiteren Flockenbildung und Bodensatz zu
Gesicht trat, wie man sie nach dem augenblicklichen Stande der Litteratur
nicht erwarten durfte. Wohl ist verschiedentlich darauf hingewiesen worden,
dass das Blut verwandter Thiere, z. B. Hammel und Ochse, Pferd und Esel,
Mensch und Affe u. s. w. und in sehr geringem Maasse auch Blut nicht
sehr verwandter Thiere sich bei der serodiagnostischen Prüfung ähnlich
verhält, aber nach allen bisher über diesen Gegenstand erschienenen
Arbeiten musste man im Allgemeinen annehmen, dass, abgesehen von
Blutarten der Thiergattungen, die als verwandt zu bezeichnen sind, die
Reaction als eine unbedingt specifische anzusehen sei. 1 Die erwähnte auf¬
fällige Erscheinung gab uns Anlass, in einer grösseren Versuchsreihe der
Frage näher nachzuforschen, ob nicht den in heterologen Blutarten be¬
obachteten Reactionen eine gewisse Regelmässigkeit und Gesetzmässigkeit
zu Grunde liege und ob die Reaction in der That eine unbedingt speci-
1 Diese Arbeit wurde Ende März dieses Jahres abgeschlossen.
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J. Kister und H. Wolff: Blutprüfungsverfahren.
411
fische sei, oder ob sie gewisser Einschränkungen bedürfe und bei Deutung
und Verwerthung der bei ihr erhobenen Befunde eine gewisse Vorsicht
geboten erscheine.
Zunächst seien Angaben über die Herstellung der von uns verwen¬
deten Sera und über die Versuchsanordnung vorausgeschickt. Das Thier¬
blut verschafften wir uns aus dem hiesigen städtischen Schlachthof, indem
wir es beim Schlachten in sterilen Kolben auffangen Hessen. Nach dem
Absetzen wurde das mehr oder weniger klare Serum abgegossen und das
gewonnene Quantum zu mehreren Injectionen verwandt.
Das Menschenblut gewannen wir Anfangs durch Entnahme aus der
Armvene, letzthin nach dem sehr praktischen Vorschlag von Uhlenhuth
mittels Heurteloup’sohen Schröpfkopfes; man erhält zwar damit etwas
weniger leicht und schnell Blut, aber diejenigen, welche ihr Blut zu
unseren Versuchen hergaben, waren mit dem letztgenannten Verfahren
weit mehr einverstanden. Bei den geringeren Quantitäten, welche uns
von Menschenblut zur Verfügung standen, verwandten wir die ganze
erzielte Blutmenge, nicht nur das Serum.
Die Vereuchsthiere, kräftige Kaninchen im Gewicht von ca. 2500 ^
und im Alter von 1 bis 2 Jahren, erhielten mittels sorgfältigst gereinigter
Lüer'scher Spritze, je in zweitägigen Intervallen, 10 ccm dieses Blutes
bezw. Serums intraperitoneal 1 ein verleibt. Die Zahl der Injectionen betrug
8 bis 20. Die Versuchsthiere vertrugen im Allgemeinen den Eingriff
recht gut, nur ganz vereinzelt ging uns ein oder das andere Kaninchen
an Peritonitis zu Grunde. Selbstverständlich sind wir sowohl bei der Be¬
schaffung des Blutes als auch bei den Injectionen mit den denkbar
grössten Cautelen verfahren: Zu Beginn unserer Versuche haben wir das
Blut vom Schlachthofe durch einen auch sonst mit diesen Entnahmen be¬
trauten Diener holen lassen; um aber jeder Möglichkeit einer Verwechselung
der Blutarten vorzubeugen, hat bei denjenigen Versuchen, auf deren Ergeb¬
nisse wir unsere nachstehenden Ausführungen stützen, stets einer von uns
der Blutentnahme beigewohnt. Eine Verwechselung der Versuchsthiere
im Laboratorium schlossen wir von vornherein mit Sicherheit dadurch
aus, dass wir erstens die Thiere in deutlichster Weise kennzeichneten, dass
ferner jedes Thier seinen eigenen Käfig erhielt, und dass wir endlich stets
zu zweien die Thiere controlirten. Es kann daher niemals ein Thier eine
andere Blutsorte erhalten haben, als diejenige, welche ihm zugedacht war.
1 Die intraperitoneale Injection wurde im Anschluss an die Versuche Uhlen-
hyth's und Anderer gewählt, bei späteren noch nicht abgeschlossenen Versuchen
wurde, um ein hochwerthiges Serum zu gewinnen, die intravenöse Injection vor¬
gezogen.
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J. Kisteb und H. Wolff:
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Zur Feststellung der präcipitirenden Wirkung der Thiersera wurden
im Laufe der Behandlung kleinere Proben Ton ca. 5 ccm aus der bei
Kaninchen oberflächlich an der Innenseite des Oberschenkels verlaufenden
Arterie entnommen, aus der wir in der Regel reichlicher und bequemer
Blut erhielten als aus der Ohrvene. Hatten wir uns von der genügenden
Wirksamkeit des Serums überzeugt, so entnahmen wir zu den Versuchen
eine grössere Probe von ca. 40 bis 50 ccm aus einer Carotis. Hierzu diente
uns entweder ein Glasrohr, dessen eines Ende fast rechtwinkelig um¬
gebogen und zu einer Capillare ausgezogen war, oder aber wir durch¬
schnitten die mit einem Häkchen fixirte Carotis und liessen das Blut in
ein Kölbchen spritzen. Diese kleine Operation, die auch für grössere Ver¬
suchsreihen reichlich Serum liefert), führt zu keiner offenkundigen Schä¬
digung der Thiere und lässt die Möglichkeit sowohl einer späteren Blut¬
entnahme wie einer weiteren Serumbehandlung zu. Unser aus dem ent¬
nommenen Blut gewonnenes Serum, das wir regelmässig centrifugirten,
war fast stets hellgelb und klar. Entsprach dasselbe nicht diesen An¬
forderungen, so wurde es zu den Versuchen nicht verwandt Die Klar¬
heit des specifischen Serums ist nämlich unseres Erachtens absolute Vor¬
bedingung für eine einwandsfreie Beobachtung der eintretenden Reactionen.
Auch ohne Zusatz von Desinficienten hält sich das Serum bislang im Eis¬
schrank unverändert.
Auch bei den zu prüfenden Blutsorten haben wir in unseren Ver¬
suchen möglichst vermieden, mit zu röthlich gefärbten Blutlösungen zu
arbeiten, weil sich die ersten Anzeichen der beginnenden Reaction in mehr
farbloser Lösung ungleich deutlicher erkennen lassen als in stärker ge¬
färbten. Aus diesem Grunde und auch, weil es uns darum zu thun war,
über die Grenzen und die Leistungsfähigkeit des Verfahrens nach einer
ganz bestimmten Richtung hin Aufschluss zu erhalten, haben wir davon vor
der Hand Abstand genommen, den praktisch so wichtigen Untersuchungen
an eingetrocknetem, faulem Blut u. s. w. näher zu treten. Zur Verdünnung
der Blutlösungen diente 0*6 procentige Kochsalzlösung. Die Lösungen
wurden ebenfalls centrifugirt und nur, wenn sie ganz klar waren, verwendet
Bei den Arbeiten mit nur klaren Lösungen vermag man auch die
feinsten Trübungen mit Sicherheit zu erkennen. Zur Verzeichnung in
unseren Tabellen gelangte nur dann eine Trübung, wenn auch der Ver¬
gleich mit den Controlröhrchen, die wir sowohl von den Blutlösungen als
auch von den angewandten Seris anlegten, jeden Zweifel ausschloss.
In der Versuchsanordnung gingen wir in folgender Weise vor:
Zunächst stellten wir den ungefähren Titer des auf seine präcipi-
tirende Wirkung verschiedener Blutarten gegenüber zu prüfenden Serums
fest, d. h. wir stellten fest, wann und in welcher Verdünnung das Serum
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Anwendbarkeit des serodiagnost. Blutprüfungsverfahrens. 413
in einer homologen Blntlösung bekannter Concentration eine deutliche
Trübung hervorrief. Sodann maassen wir vermittelst genau graduirter
Pipetten in sauber gereinigten und sterilisirten Reagensröhrehen von jeder
Blutart, die wir prüfen wollten, eine Lösung in der Concentration von
1:10 ab. Da wir annehmen konnten, dass der Ausfall der Reaction in
einem bestimmten Abhängigkeitsverhältnisse von dem Concentrationsgrade
der Blutlösung steht, so legten wir von der Lösung 1:10 in gleich*
massiger Abstufung bis 1:320 Verdünnungen an. Das geschah wieder
mit genau graduirten sterilen Pipetten und zwar brauchten wir selbst¬
verständlich zu jeder neuen Verdünnung eine frische Pipette. Die Blut¬
lösungen wurden des Weiteren in kleine Reagensröhrchen von 0,8 cm
lichter Weite gebracht und der Serumzusatz im Verhältnis von 1:1 bis
1:100 darauf so gewählt, dass wir in den letztgenannten Röhrchen stets
2 cm Flüssigkeit hatten. Dieses Quantum stellte in den Röhrchen eine
Flüssigkeitssäule von nahezu 2 1 / 2 cm Höhe dar. Das zugesetzte Serum
wurde in den Röhrchen durch Umschütteln gleichmässig vertheilt.
Im Ganzen prüften wir vor der Hand 5 Blutarten: Hammel-,
Menschen-, Ochsen-, Pferde- und Schweineblut. Serum kam zur Ver¬
wendung von Kaninchen, die mit Pferdeblut (Serie I), mit Hammelblut
(Serie II), Ochsenblut (Serie III) und Schweineblut (Serie IV) behandelt
waren. Unser Serum von Menschenblutkaninchen war noch nicht so
hochwerthig, wie unsere anderen Sera und wurde einstweilen für Serien¬
versuche nicht benutzt Den Ablauf der Reaction haben wir sowohl hei
Zimmertemperatur wie bei 37° C. beobachtet. Da wir uns jedoch von
wesentlichen Unterschieden in der Reaction hei der verschiedenen Auf¬
bewahrung der Versuchsröhrchen nicht überzeugen konnten, so haben wir
uus darauf beschränkt, in der letzten Zeit nur noch hei Zimmertemperatur
die Versuche auszuführen und haben auch nur bei Serie I die Prüfungs¬
ergebnisse nach Aufbewahrung der Röhrchen bei 37° C. mitgetheilt
Unsere Eingangs erwähnte Beobachtung legte uns nahe, unsere Ver¬
buche mit dem Serum des Pferdeblutkaninchens zu beginnen, die in den
folgenden 6 Tabellen niedergelegt sind.
Das zu dieser Versuchsserie verwendete Pferdeblutkaninchenserum
brachte, einer einprocentigen homologen Blutlösung hinzugesetzt, in einer
Concentration von 1:200 nach 15 Minuten eine deutliche Trübung hervor,
die weiterhin zur Flocken- und Bodensatzbildung führte.
Zur Erklärung der Tabellen sei gesagt, dass ein Strich einen negativen
Befund, d. h. Klarbleiben der Blutlösung bedeutet, T bezeichnet das Auf¬
treten einer Trübung, F das einer Flockenbildung. Das erste Auftreten
der Flocken wurde mit Hülfe einer Lupe festgestellt. B bedeutet das
Auftreten von Bodensatz.
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Anwendbarkeit des serodiagnost. .Blutprüfungsverfahrens. 417
Wie Tabelle I zeigt, trat bei einem Serumzusatz im Verhältniss 1:5
in allen Blutlösungen, mit Ausnahme der Hammeiblutlösung, in sämmt-
lichen Verdünnungen, sowie auch der Schweineblutlösung im Verhältniss
von 1:320 nach 5 Minuten eine Trübung auf. Nach weiteren 5 Minuten
war auch die Schweineblutlösung 1:320 getrübt, desgleichen die stärkeren
Concentrationen der Hammelblutlösung 1:10 —1:80 incl. 20 Minuten
nach Ansetzen des Versuches waren auch die schwächeren Hammelblut¬
lösungen getrübt. Somit war in sämmtlichen geprüften Blutarten
nach Ablauf von 20 Minuten auf Zusatz von Pferdeblutkanin¬
chenserum im Verhältniss 1:5 eine positive Reaction ein-,
getreten. Die Trübung in dem homologen Blut war von Anfang an
wesentlich stärker und deutlicher ausgesprochen als bei den anderen Blut¬
arten, am nächsten kam ihm das Menschenblut. Aber auch in den übrigen
Lösungen war die Trübung eine unverkennbare. Waren wir in einem
oder dem anderen Falle — und das gilt auch für die späteren Ver¬
suche — zweifelhaft darüber, ob wir eine Trübung registriren sollten oder
nicht, so gaben wir unser Urtheil im negativen Sinne ab; in solchem Falle
konnten wir aber bei der nächsten oder übernächsten Ablesungsphase
stets eine Trübung verzeichnen. In manchen Fällen haben wir bei schwach
getrübten Lösungen die mikroskopische Untersuchung im hängenden
Tropfen mit Erfolg angewandt, indem man dabei die präcipitirten Massen
als kleine Häufchen erkennen kann. In weiter fortgeschrittenen Trübungen
hat man ein Bild vor sich, das einer Bakterienagglutination sehr ähn¬
lich sieht.
Eine Flockenbildung machte sich im weiteren Verlaufe des Versuches
bei sämmtlichen Blutarten bemerkbar, allerdings nicht in allen Concen¬
trationen. Entsprechend der stärkeren Trübung in dem homologen Blut
trat diese eher und stärker auf, als in den anderen Blutarten; dasselbe
gilt von der Bodensatzbildung. Zeigte sich die letztere noch nicht nach
Ablauf von 2 Stunden, so war doch stets, wie ohne Weiteres verständlich,
in sämmtlichen Röhrchen, in denen überhaupt nur eine Trübung auf¬
getreten war, nach 24 Stunden ein mehr oder weniger massiger Boden¬
satz vorhanden. Dass es sich hierbei etwa um Bakterienentwickelungen
handeln könnte, ist ausgeschlossen, schon deshalb, weil wir in möglichst
steriler Weise die Versuchsröhrchen ansetzten und in denjenigen Röhrchen,
die überhaupt keine Trübung aufgewiesen hatten, auch nach längerer Zeit
kein Bodensatz auftrat. Gelegentlich wurde auch das Nichtvorhandensein
von Bakterien mikroskopisch nachgewiesen.
Hinsiohtlich der Frage, ob die Intensität der Trübung abhängig ist
von dem Concentrutionsgrade der Blutlösungen, können wir bemerken,
dass die Trübung zuerst in stärker concentrirten Lösungen bemerkbar
Zattaehr. £ Hrglaoa XLI.
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418 J. Kistek und H. Wolff:
wurde; die Flockenbildung dagegen manchmal gerade in den verdünnteren
Blutlösungen frühzeitiger sich einstellte. Noch deutlicher geht dieses aus
den nächsten Versuchen hervor. Insbesondere zeigen diese Erscheinung
die Tabellen II und III der Serie I. Es macht sich also in den concen-
trirten Lösungen ein hemmender Einfluss geltend.
Bei den weiteren Versuchen dieser Serie (Tabellen II bis VI) mit
immer geringer werdendem Serumzusatz zeigt sich mit grösster Prägnanz
die Erscheinung, dass allerdings Schweineblut und auch Ochsenblut in
ihrem positiven Verhalten immer mehr zurücktreten, aber immer noch
deutliche Reaction zeigen. Bei einem Serumzusatz 1:50 tritt schliesslich
in der Schweineblutlösung überhaupt keine Trübung mehr auf. Beim
Ochsenblut ist bei 1:75 immer noch in der stärksten Concentration nach
2 Stunden eine Trübung wahrnehmbar, bei stärkeren Verdünnungen trat
keine Trübung mehr ein. Noch ähnlicher dem Pferdeblut reagirt in dieser
Serumverdünnung Menschenblut und Hammelblut. Bei der Verdünnung
1:100 indess versagen sämmtlicbe anderen Blutarten so gut wie ganz,
nur noch beim Hammelblut ist nach 1 bis 2 Stunden bei einer Ver¬
dünnung von 1:100 in den stärksten Concentrationen eine Trübung auf¬
getreten. Das Pferdeblut zeigt auch bei diesem Serumsatz eine schon nach
5 Minuten deutliche Trübung.
Unter der Voraussetzung, dass man unter einem positiven Ausfall
der Reaction eine Trübung versteht und absieht von dem Intensitätsgrade
der Trübung, so müsste also nach den mitgetheilten Ergebnissen in unserem
Falle, um mit aller Sicherheit in einer Lösung Pferdeblut von den an¬
geführten anderen Blutarten zu unterscheiden, höchstens Serum im Ver-
hältniss 1: 75, besser im Verhältniss 1:100 zugesetzt werden. Bei einem
grösseren Zusatz von Serum, etwa 1:10 bis 1:50 müsste man auf die
Zeit, zu der die Reaction auftritt, besonderes Gewicht legen. Bei einem
Serumzusatz von 1:5 kann höchstens noch der Intensitätsgrad der Trübung
den Ausschlag geben. Besondere Vorsicht bei der Beurtheilung einer frag¬
lichen Blutlösung dürfte aber bei Blutgemischen geboten sein. Auf diese
Verhältnisse, denen bei der praktischen Verwerthung der präcipitirenden
Wirkung der Sera die grösste Bedeutung zukommen muss, werden wir
weiter unten ausführlicher eingehen.
Um uns nun mit aller Sicherheit von der Constanz dieser Ergebnisse
zu überzeugen, haben wir uns nochmals durch entsprechende Behandlung
eines Kaninchens ein neues Pferdeblutkaninchenserum verschafft und mit
diesem die obigen Versuche wiederholt. Wir bringen in Tabelle VII das
Ergebniss eines Versuches mit dem Serumzusatz 1:10. Dieser Versuch
ist ganz analog der Tabelle II verlaufen; hier zeigte sich eher noch aus-
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Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Tabelle VII.
Pferde-Kaninchenserum C. (2 Tage alt). I. Reihe. Serumzusatz 1:10.
Anwendbarkeit des serodiagnost. Blutprüfungsverfahrens. 419
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Tabelle IX.
Hammel-Kaninchenserum (1 Tag alt). II. Reihe. Serumzusatz 1:10.
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Anwendbarkeit des sebodiagnost. Blutpbüfungsverfahbens. 421
gesprochener das Auftreten der Reaction in den heterologen Blutarten,
das Menschenblut war wieder nächst dem Pferdeblut am stärksten getrübt.
Nach diesen Erfahrungen, die wir an dem Pferdeblutkaninchenserum
gemacht haben, war von vornherein als wahrscheinlich anzunehmen, dass
wir zu ähnlichen Befunden bei der Prüfung anderer Sera gelangen würden.
In der That traf dieses auch bei dem Serum des Hammelblutkaninchens
(Serie II) bis zu einem gewissen Grade zu, andererseits aber bot diese
Versuchsserie eine Reihe weiterer bemerkenswerther Momente.
Das zu der Serie II verwendete Hammelblutkaninchenserum hatte
eine solche Werthigkeit, dass es im Verhältnis von 1:100 homologem
Blut hinzugesetzt, dasselbe in einer Verdünnung von 1:15 in 5 Minuten,
in einer Verdünnung von 1:240 in 20 Minuten trübte.
Ueber die Versuchsergebnisse dieser Serie geben die Tabellen VIII
bis XI Aufschluss.
Zunächst sei hervorzuheben, dass beim Ochsenblut (siehe Tabelle X)
die Reaction selbst noch bei einem Serumzusatz von 1:50 in allen Con-
centrationen der Blutlösungen nahezu in derselben Zeit wie beim homologen
Hammelblut eintrat; auch die Deutlichkeit der Reaction, d. h. der Grad
der Trübung, war im Ochsenblut nur um ein weniges geringer, als in
der Hammelblutlösung. Erheblich weniger als die beiden genannten Blut¬
arten reagirten jedoch Schweine- und Pferdeblut. Selbst bei einem Serum¬
zusatz von 1:10 (siehe Tabelle IX) waren in diesen beiden Blutarten erst
nach Ablauf von 2 Stunden Trübungen nachweisbar. Ganz auffallend für
uns aber verhielt sich das Menschenblut. Bei diesem war sogar bei dem
äusserst hohen Serumzusatz von 1 Theil Serum zu 1 Theil Blutlösung
keinerlei Trübung zu constatieren (Tabelle XI). Dieses ablehnende Ver¬
halten der Menschenblutlösung gegenüber dem Serum des Hammelblut¬
kaninchens musste uns um so mehr stutzig machen, als wir inzwischen
gesehen hatten, dass Serum eines Ochsenblutkaninchens (siehe Serie III,
Tabelle XII) in einer Menschenblutlösung die Reaction recht prompt und
deutlich auslöste und das Ochsenblut, wie die Tabellen VIII bis XI zeigen,
dem Hammelblut sehr nahe stand. Welche Verhältnisse dieser Erscheinung
zu Grunde liegen, wollen wir einstweilen nicht weiter erörtern, unsere
Ueberlegungen darüber sind über das Stadium der Vermuthung noch nicht
hinaus. Mit Versuchen, die auf eine Klärung dieser Frage hinzielen,
sind wir zur Zeit beschäftigt.
Zu der Serie III sei noch erwähnt, dass das verwendete Ochsenblut¬
kaninchenserum im Verhältniss 1:200 in einer Ochsenblutlösung von
1:160 nach 10 Minuten langer Einwirkungsdauer eine Trübung auslöste.
Abweichend von unseren bei Serie I besprochenen Beobachtungen
trat hier bei der Pferdeblut- und Schweineblutlösung, wie Tabelle XII
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Anwendbabkeit des sebodiagnost. Bldtpbüfukgsveefahbens. 423
zeigt, die Trübung zuerst in den schwächeren Concentrationen der Blut¬
lösung auf; ferner wurde bei Ochsenblut- und Hammelblutlösung die
Flockenbildung zuerst in den concentrirteren Blutlösungen sichtbar.
Um Wiederholungen zu vermeiden, müssen wir es uns versagen, über
die drei bisher besprochenen Sera weitere Tabellen zu bringen.
Es mögen nur noch die vorstehenden beiden Tabellen XIII und XIV,
welche die Versuchsergebnisse der Serie IV mit dem Serum von Schweine¬
blutkaninchen enthalten, hier Platz finden. Das verwendete Serum trübte
eine 1 procent. homologe Blutlösung, im Verhältniss 1:100 zugesetzt, in
5 Minuten, im Verhältniss 1:200 in 10 Minuten. Das Schweineblut
nimmt, wie sich auch schon aus den anderen Tabellen andeutungsweise
erkennen lässt, eine gewisse Sonderstellung den vier anderen Blutarten
gegenüber ein. Wir konnten unsere Versuchsreihe schon nach einem
Serumzusatz im Verhältniss von 1:10 abbrechen, da bei einem solchen
Zusatz trotz des hohen Titers eine Reaction in den heterologen Blutarten
so gut wie ganz ausblieb. (Siehe Tabelle XIII und XIV.)
Nur das Hammelblut und Ochsenblut reagirten bei verhältnissmässig
erheblichem Serumzusatz geringfügig, Spuren einer Reaction wies noch
das Pferdeblut auf, das Menschenblut verhielt sich wiederum absolut
reactionslos.
Verweilen wir noch einen Augenblick bei den Tabellen, so ersehen
wir aus denselben, dass das Menschenblut, während es mit dem Serum
des Hammelblutkaninchens und Schweineblutkaninchens keinerlei Reaction
giebt, dem Serum des Ochsenblutkaninchens und besonders auffallend dem
Serum des Pferdeblutkanincheus gegenüber recht deutlich reagirt.
Das Hammel- und Ochsenblut steht sich, wie das bereits von anderer
Seite ausgesprochen ist, sehr nahe; in unseren Versuchen war der Ablauf
der Reactionen bei diesen Blutarten ein so ähnlicher, dass der Unter¬
schied hinsichtlich Intensität der Reaction nur für ein geübtes Auge sinn¬
fällig war. Das Schweineblut differenzirt sich am besten von den vier
anderen Blutarten, sowohl in Bezug auf Bildung von Präcipitinen, als
auch hinsichtlich seines Verhaltens gegen fremde Präcipitine.
Können nun aus unseren Versuchen Schlüsse für die Anwendung
dieses serodiagnostischen Verfahrens in der Praxis gezogen werden? Wir
wollen zunächst hervorheben, dass wir weit davon entfernt sind, die mit
unserem Material angestellten Versuche nach irgend einer Richtung hin
als erschöpfend zu bezeichnen, immerhin bieten sie uns aber unserer An¬
sicht nach Handhaben genug, um gewisse Vorsichtsmaassregeln anzurathen,
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424
J. Kisteb und H. Wolff:
die bei der Beurtheilung und Verwerthung der Reactionen erforderlich
erscheinen.
Um die subjective Beurtheilung der Reaction nach Möglichkeit aus-
zuschliessen, muss man sich in erster Linie klar darüber werden, dass
eine Reaction als positiv oder negativ nur dann zu bezeichnen ist, wenn
entweder eine Trübung vorhanden ist oder eine solche eben nicht besteht.
Auf Grund von Nuancirungen einer Trübung sein Urtheil abgeben zu
wollen, ist und bleibt etwas Subjectives. Wir geben selbstverständlich
gern zu, dass die durch die Sera hervorgerufenen Trübungen in homologen
Blutarten ungleich intensiver in die Erscheinung treten, man sollte aber
in entscheidenden Fällen, eventuell dem Richter gegenüber mit solchen
Compromissausdrücken, wie stärkere oder schwächere Trübung sein Urtheil
nicht begründen. Wir wollen dieses an einem Beispiel erläutern. An¬
genommen, es ist ein Mensch in den Verdacht gerathen, ein Pferd wider¬
rechtlich getödtet zu haben. Man findet an seinen Kleidern Blutspuren.
Das Vorhandensein derselben erklärt der Beschuldigte damit, dass er wohl
einen Hammel geschlachtet und sich dabei die Hand verletzt habe. Es
könne daher wohl an seinen Kleidern Menschen- und Hammelblut haften,
Pferdeblut dagegen nicht. Die Angelegenheit soll serodiagnostisch klar¬
gestellt werden. Wir setzen also zu der aus den Blutflecken hergestellten
Lösung erstens, um die Angaben des Beschuldigten auf ihre Richtigkeit
zu prüfen, Serum von Hammelblutkaninchen, dann solches von einem
Menscheublutkaninchen zu. Der Ausfall ist positiv. Also ist nach den jetzigen
Anschauungen Hammelblut und Menschenblut an den Kleidern vorhanden.
Zur Bestätigung oder Entkräftung der gegen den Betreffenden erhobenen
Beschuldigung setzen wir nunmehr Serum eines Pferdeblutkaninchens zu.
Nun wird, wie das nach unseren bereits mitgetheilten Tabellen durchaus
nicht unmöglich erscheinen kann, wieder eine Trübung, wenn auch eine
schwächere, in der Blutlösung auftreten, d. h. die Reaction wäre wieder
positiv. Daraus müsste mau folgern, dass der Beschuldigte allerdings
Hammel- und Menschenblut an seinen Kleidern hat, in etwas geringerem
Maasse sich aber auch mit Pferdeblut beschmutzt hat. Diese Folgerung
kann aber ein Trugschluss sein. Das zeigt folgender Versuch: Wir haben
Menschen- und Hammelblut, beides in einer Lösung 1:40, zu gleichen
Theilen gemischt, dieses in drei Röhrchen vertheilt und denen im Ver-
hältniss von 1:10 zugesetzt: erstens Menschenkaninchenserum, zweitens
Himmelkaninchenserum, drittens Pferdekaninchenserum. Bei allen drei
Röhrchen war die Reaction positiv, bei dem mit Serum des Pferdeblutr
kauinchens versetzten Röhrchen trat nach 10 Minuten deutliche Trübung,
nach 30 Minuten Flockenbildung auf, obgleich in der Blutmischung
Pferdeblut nicht enthalten war. (Siehe Tabelle XV.) Dasselbe Resultat
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Anwendbabkeit des sebodiagnost. Blutpbüfungsvebfahbens. 425
erhielten wir bei einer Mischung von Menschenblut und Schweineblut,
der ausser den homologen Seris das Serum eines Pferdeblutkaninchens
hinzugefügt war.
Tabelle XV.
Gemisch von Menschen- und Hammelblut Serumzusatz 1:10.
Röhrchen I mit j Röhrchen II mit
Zusatz von Serum Zusatz von Serum
von Hammelblut- , von Menschenblut¬
kaninchen kaninchen
Röhrchen III mit
Zusatz von Serum von
Pferdeblutkaninchen
Nach 5 Minuten
•»
H
10
20
30
60
»•
»»
*»
T
F
F
F
B
T
T
F
F
T
T
F
F
F
Einen ganz anderen Eutscheid wird man aber erwarten können, wenn
man einen Blick in unsere, die Versuche mit Serum von Pferdeblut¬
kaninchen betreffenden Tabellen (I bis VI) wirft, nämlich wählt man den
Serumzusatz schwächer — bei unserem Serum etwa im Verhältniss 1:100—,
so bringt das Serum eines Pferdeblutkaninchens im Hammel- und Menschen¬
blut oder auch Schweineblut keine Trübung mehr hervor. Die praktische
Nutzanwendung aus diesen Ausführungen dürfte nun dahin lauten, dass
man sich über die Wirksamkeit seiner Sera auf andere Blutsorten vorher
orientirt und nach dem Ausfall dieser Prüfung die Menge des Zusatzes
der Sera im einzelnen Falle wählt. Dieses erscheint weiterhin aus dem
Grunde erforderlich, als man aus einer solchen Vorprüfung über die zeit¬
lichen Verhältnisse der Reaction Aufschluss erhält. Man muss für das
homologe Blut eine zeitliche Reactionsgrenze in der Weise festlegen können,
dass nach Ablauf dieser Zeit die Reaction nur in dem homologen Blut,
nicht aber in den Controlröhrchen aufgetreten sein kann. Die Grenzen
hierfür dürfen aber nicht zu eng abgesteckt werden, wollte man dabei
mit Minuten rechnen, so würde man sich vor verhängnissvollen Irrthümern
nicht schützen können. Das gilt nicht nur für die Laboratoriumsversuche
mit Blutlösungen bekannter Concentrationen, sondern höchstwahrscheinlich
in erhöhtem Maasse für die Fälle, in denen es sich um die Identifizirung
eingetrockneter Blutspuren handelt, bei deren Auflösung bezüglich der
Concentration ziemlich uncontrolirbare Verhältnisse bestehen. Um fest¬
zustellen, inwieweit Beziehungen ähnlich den in unseren Versuchen ge¬
fundenen, zwischen anderen Blutarten bestehen, ist es nothwendig, ein¬
gehende Versuchsserien auch für diese zu gewinnen. Wir können nicht
umhin, gegen uneingeschränkte Nutzbarmachung der Methode für foren-
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426 J. Kiste» und H. Wolff: Blutpbüfungsvekfahren.
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sische Zwecke Bedenken zu äussern, bevor nicht diese Beziehungen in
exaktester Weise weiterhin klargestellt sind. In der Zeitschrift für
Medicinalbeamte hat Schwabe jüngst einen forensischen Fall veröffent¬
licht. Es handelte sich dabei um die Identificirung von Menschenblut
in einer eingetrockneten Blutspur. Der Nachweis galt für erbracht, als
in der Lösung derselben das Serum eines Menschenblutkaninchens im
Verhältniss 1:10 hinzugesetzt nach 2 Stunden und 10 Minuten eine be¬
ginnende leichte Trübung hervorrief, welche erst nach weiteren 55 Minuten
ausgesprochen war, während in den angesetzten Controlröhrchen, die nur
Rinder-, Hasen- und Schweineblut enthielten, keine Trübung auftrat.
Dieser Ausfall der Reaction beweist für uns noch nicht mit aller Sicher¬
heit das Vorhandensein von Menschenblut in der fraglichen Blutspur.
Wie hei der Verwendung der agglutinirenden Eigenschaft specifischer
Sera in diagnostischer Hinsicht gewisse Einschränkungen am Platze sind
und gerade in neueren Arbeiten immer wieder betont wird, dass beispiels¬
weise Typhusbacillen durch nicht specifische Sera in gewisser Concen-
tration agglutinirt werden oder umgekehrt hochwerthiges Typhusserum
andere Bakterien agglutinirt, so wird es sich unseres Erachtens auch mit
der präcipitirenden Eigenschaft specifisoher Sera verhalten.
Wenn auch mit der Deutung der Reactionsbefunde allerlei Schwierig¬
keiten verknüpft sind und wir dabei nach unseren bisherigen Versuchen
eine gewisse Vorsicht anzurathen für erforderlich halten, so liegt es uns
doch, wie wir besonders betonen, fern, die hohe Bedeutung der Methode
für die Praxis in irgend einer Weise anzuzweifeln.
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[Aus dem hygienischen Institut der Universität Zürich.]
Bakteriologisches über einige Fälle
von „Gangrene foudroyante“, von Phlegmone nnd von
Tetanus beim Menschen.
Ein Beitrag zur Kenntniss der pathogenen Anaeroben.
Von
Privatdocenten Dr. W. Silberschmidt,
Assistenten am Institut«
Die Prototypen der pathogenen Anaeroben sind uns namentlich durch
die zahlreichen experimentellen Untersuchungen und durch die in Instituten
seit Jahren weiter gezüchteten Culturen bekannt. Was namentlich die
Gangräne foudroyante, das progressive gangränöse Emphysem der
alten Chirurgen, anbetrifft, so finden wir meist die Angabe, dass diese in
neuerer Zeit viel seltener gewordene Erkrankung auf Grund des klinischen
Bildes und der pathologisch anatomischen Beschreibung identisch sein
dürfte mit dem jetzigen malignen Oedem. Bis jetzt ist die Anzahl
der beim Menschen beobachteten und genau bakteriologisch untersuchten
Eälle gering; merkwürdig ist aber, dass in der grossen Mehrzahl der
untersuchten Fälle nicht der Bacillus des malignen Oedems, sondern der
von Welch zuerst beschriebene und von Ernst kurz darauf in Schaum¬
organen gefundene Bacillus aörogenes capsulatus (von E. Fraenkel
Bacillus phlegmones emphysematosae benannt) nachgewiesen und
als der eigentliche, ja sogar als der einzige Erreger der typischen Gangrene
foudroyante angesprochen worden ist. In den letzten Jahren hatte ich
Gelegenheit, einige Fälle von Gangröne foudroyante und einige Phleg¬
monen mit übelriechender Secretion, ferner verschiedene Fälle von
Tetanus, welche auf der chirurgischen Universitätsklinik zur Beobachtung
kamen, bakteriologisch zu untersuchen und möchte ich die erhaltenen
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428
W. Sil b eh sc hm idt :
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Resultate hier mittheilen. In einer früheren, gemeinsam mit Haemig 1
veröffentlichten Arbeit habe ich schon kurz die bei den zwei ersten Fällen
von Gangräne foudroyante erhaltenen Resultate angeführt. Es sei mir
gestattet, Herrn Professor Dr. U. Kroenlein, Director der chirurgischen
Klinik, für das freundliche Entgegenkommen und für die Ueberlassung
der Krankengeschichten meinen beste! Dank ausmsprechen.
I. Fälle von Gangrene gazeuso.
Fall 1. Die 47 Jahre alte Bauersfrau St. wurde am 26. Juni 1838
Abends auf die chirurgische Klinik gebracht. Vom behandelnden Arzte
wurde mitgetkeilt, dass Pat. am 22. Juni Abends von einem Heuwagen auf
eine steinige Strasse gefallen war, dabei eine sehr grosse Lappenwunde mit
Fissur am Schädel, eine Wunde am Nasenrücken und einen complicirten
linksseitigen Vorderarmbruch acquirirte. Am 23. Juni wurde eine
gründliche Desinfection vorgenommen, die Wunden mit sterilisirter Jodoform¬
gaze und Watte bedeckt und der Arm ziemlich stark suspendirt. Am 24. Juni
nichts Besonderes. Am 26. Juni, d. h. & l / 2 Tage nach der Verletzung,
wurde der Arzt wieder geholt, weil die Frau schwarze Flecken am Arm
hatte, es wurde eine Gangrän diagnosticirt und die Pat. in’s Kantonsspit&l
transportirt. Bei der Spitalaufnahrae wurde u. a. notirt: Die gutgebaute
und ordentlich genährte Pat. ist bei vollkommen klarem Sensorium, Tem¬
peratur 38-5, Puls regelmässig, schwach 140, Respiration 40 bis 50. Der
linke Vorderarm und der Oberarm bis zur Mitte stark geschwollen und grau¬
grün gefärbt; die Verfärbung setzt sich bis in die Axilla fort und ist hier
mehr gelbbraun und marmorirt und geht auch auf die linke Thoraxseite
über. Bis zur Mitte des Oberarms fühlt sich der Arm eisig kalt an, Sen¬
sibilität erloschen, nirgends Pulsation fühlbar.
Von der Wunde am Vorderarm aus, verbreitet sich ein penetrant
fauliger Geruch. Die Gegend der linken Mamma ist deutlich vorgewölbt,
bei Druck am Oberarm und am Thorax wird reichliches Knistern wahr¬
genommen.
Diagnose: Acuteste, progredirende Gasphlegmone (Gangröne fou¬
droyante) „Rauschebrand“, ln der Nacht schlummerte Pat. und erbrach
ein Mal; am nächsten Morgen 37*1 bei 140 Pulsen. Erst jetzt hatte die
Pat. ihre bedingungslose Einwilligung zu jedem therapeutischen Eingriff ge¬
geben. In leichter Aethernarkose wird die Exarticulatio humeri sin. vor-
genommen und die seitliche Thoraxwand reichlich drainirt, wobei sich eine
trübe, blutig seröse Flüssigkeit, vermengt mit Luftblasen aus dem Unterhaut-
Zellgewebe und auch aus der Musculatur entleert.
Nach der Operation erwacht die Pat. prompt aus der Narkose und ist
wieder bei vollkommen klarem Bewusstsein. Reichlicher Stuhl, Urin enthält
beträchtliche Mengen Eiweiss, keinen Zucker. Gegen Abend wird die Pat.
unruhig, furibunde Delirien, bis sie Nachts 1 Uhr plötzlich ruhig wird.
Cheyne-Stoke’sches Athmen zeigt und mit plötzlichem Collaps um 1 l j 2 Uhr
Morgens Exitus macht. Die Temperatur hatte 38*9 nie überschritten.
1 Correspo ulenzidatier für Schweizer Aerzte. 1000
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Gangräne foudroyante.
429
Die, 10 Stunden nach dem Exitus, durch Herrn Prof. Ribbert vor¬
genommene klinische Section ergab im Wesentlichen Folgendes: Gut
genährte Leiche mit grünlicher Verfärbung der Haut, der seitlichen Bauch-
theile und des Halses. Haut über den unteren Extremitäten prall gespannt,
gashaltig, äussere Genitalien vorgequollen. Zellgewebe über dem Thorax
mit reichlichen kleinen Bläschen durchsetzt. Beim Oeffnen der Bauchhöhle
entweicht Gas, in derselben wenig Flüssigkeit. Bauchfell und Mesenterium
überall mit Gasblasen besetzt. Dünndarmschlingen stark gebläht. Die Leber
überragt den Rippenbogen fingerbreit. Zwerchfell links an der 6., rechts
an der 5. Rippe. Beim Anschneiden der Brusthöhle entweicht Gas. Herz¬
beutel sehr weit freiliegend, aufgebläht durch Gas, das sich entzünden lässt
und mit bläulicher Flamme brennt. In den Pleurahöhlen dunkle, klare
Flüssigkeit. Herz gross, unter dem Epicard kleine Gasblasen, ebenso unter
dem Endocard. Musculatur auffallend schlaff, blass. Lungen ödematös,
sonst nicht verändert. Milz auf’s Doppelte vergrössert, schlaff, Kapsel glatt,
keine Zeichnung zu erkennen, mit Gasblasen durchsetzt. Nieren schlaff,
Oberfläche glatt, Schnittfläche schmutzig-braun, rechte mehr blutig imbibirt.
Leber entsprechend gross, Serosa durch Gasblasen abgehoben; auf der Schnitt¬
fläche ist das Organ morsch, trocken, enthält Gas. Schleimhaut des Dick¬
darms, theilweise etwas blutig imbibirt, glatt. Harnblase leer, unter der
Schleimhaut zahlreiche Gasblasen, ebenso in Uterus und Vagina. Weich-
theile der Oberschenkel mit Gasblasen durchsetzt, beim Anschneiden der
Unterschenkel entweicht Gas mit zischendem Geräusch.
Bakteriologische Untersuchung. Bei der Operation wurde, theils
mit sterilen Instrumenten, theils mit sterilen Pipetten sofort Material ent¬
nommen, und zwar: Blut aus der Exarticulationswunde, Fett und Blut
aus den Incisionsstellen am Thorax. Ferner wurden aus dem exarticulirten
Anne Muskelstückchen herausgeschnitten, aus den oberflächlichen Gangrän¬
blasen seröser Blaseninhalt und aus verschiedenen Stellen, so namentlich
an der offenen Fracturatelle, Flüssigkeit aspirirt. Es sei besonders hervor¬
gehoben, dass nirgends Eiter vorhanden war, sondern dass überall (aus
dem Unterhautzellgewebe, Muskel u. s. w.) mit Gasblasen vermengte,
schäumend schmutzig seröse, sehr übelriechende Flüssigkeit aspirirt wurde.
Auch bei der Section wurde nirgends Eiterbildung constatirt.
Directe mikoskopische Untersuchung. Blut und Flüssigkeit aus
der Operationsstelle: Sehr viele, grosse, milzbrandähnliche Bacillen, meist
einzeln, hier und da zu zwei und in kurzen Ketten angeordnet, daneben
nach Gram entfärbbare Kurzstäbchen. Aus den anderen Stellen wurde ein
ähnlicher Befund erhoben.
In dem Inhalt der Epidermisblasen waren die milzbrandähnlichen
Bacillen vereinzelt, aber in langen gegliederten Ketten angeordnet; die
Ketten sind zum Theil länger als ein Gesichtsfeld.
Culturen. Die mit einem aus der Tiefe des Armes entnommenen
Gewebestück angelegten Culturen ergaben:
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430
W. SlLBEESCHMIDT:
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Traubenzuckerbouillon, nach 18 Stunden starke Gasbildung, Trübung,
Bodensatz, sehr starker, unangenehmer Geruch. Mikroskopisch dicke Bacillen
mit abgerundeten Enden, nach Gram nicht entfärbt, einzeln und zu zwei
angeordnet, häufig mit einer helleren Zone in der Mitte.
Agarstrich. Stecknadelkopfgrosse und grössere Colonieen von lebhaft
beweglichen, kürzeren, nach Gram leicht entfärbbaren Bacillen. Milch nach
einigen Tagen geronnen.
Erhitzte Bouillon. Das Bouillonröhrchen wurde auf 100° erhitzt
und mit einem grösseren Muskelstück beschickt; am 1. Tage kein Wachs*
thum; nach 48 ständigem Aufenthalt bei Brüttemperatur ist Trübung in der
Tiefe und der typische, sehr schlechte Geruch wahrnehmbar.
Erhitzter Agar. Agarröhrchen wurden auf 100° erhitzt und ähnlich
geimpft, wie die Bouillon. Am 2. Tage starkes Wachsthum in der Tiefe,
Gasbildung und typischer Gestank. Nach 48 Stunden sind in der aeroben
und anaeroben Bouillon und in den anaöroben Agarculturen typische, sporen¬
haltige Bacillen.
Die ovalen Sporen sind zum Theil mittel-, zum Theil endständig und
erscheinen etwas breiter, als der Bakterienkörper, so dass Trommelschläger
und Clostridiumformen neben einander Vorkommen.
Gelatine (verflüssigt und heiss geimpft); am 4. Tage verflüssigende
Colonieen in der Tiefe.
Die, mit dem, aus der Exarticulationsstelle entnommenen Material, an¬
gelegten Culturen, haben ein ähnliches Resultat ergeben: In der Bouillon
und im flüssig geimpften Agar (Gasbildung), dieselben nach Gram nicht
oder schwer entfärbbaren Bacillen, neben entfärbten Kurzstäbchen; auf der
Oberfläche von Agar und Serum, leicht erhabene Colonieen, bestehend aus
meist kurzen sporenfreien Bacillen.
Die flüssig geimpfte und zum Erstarren gebrachte Gelatine zeigt zwei
verschiedene Colonieen, kleine, runde, nicht verflüssigende, sowohl in den
oberen Theilen, wie in der Tiefe, daneben nur anaerob in der Tiefe wachsende
verflüssigende Colonieen.
Auf den aeroben Gelatineplatten sind nur coliartige Colonieen, keine
verflüssigende Art zur Entwickelung gekommen.
Es sei besonders betont, dass die aus den verschiedenen Stellen
des Armes und des Thorax mit Gewebesaft, Muskel- und Fettstückchen
angelegten Culturen, übereinstimmende Resultate ergeben haben.
Mittels directer mikroskopischer und mittels cultureller Untersuchung
wurden zwei Arten von Mikroorganismen nachgewiesen, welche isolirt
und morphologisch genauer studirt wurden. Der eine, aerob wachsende,
erwies sich als dem B. coli commune entsprechend: Kurze, wenig beweg¬
liche, verschieden lange mit Methylenblau nicht gleichmässig gefärbte, nach
Gram leicht entfärbbare Stäbchen, welche das charakteristische Wachsthum
auf der Gelatineplatte und Gasbildung in 1 procent. Traubenzuckerbouillon
zeigten. Die Gerinnung der Milch trat in einer Cultur nach 6 Tagen
ein, ein anderes Röhrchen war nach 14 Tagen noch nicht geronnen.
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GangbEne foudboyante.
481
Der andere Mikroorganismus wurde aus Culturen verschiedenen Ur¬
sprungs (Exarticulationsstelle, Tiefe des Oberarms) entweder direct oder
nach vorherigem Erwärmen auf 80 hezw. 100° C. isolirt; es stellte sich
heraus, dass die verschiedenen Culturen keinen Unterschied im Aussehen
aufwiesen und nur eine Art darstellten. Die Colonieen waren in der
Gelatine am 3. bis 5. Tage sichtbar, in Form von rundlichen punkt-
bis stecknadelkopfgrossen, verflüssigten Kugeln, mit einem dichteren
Centrum und einer ziemlich gleichmässig getrübten Peripherie. Kings
um die ziemlich rasch wachsenden Kügelchen sind in der Gelatine-
cultur Anfangs kurze Ausläufer vorhanden, welche der Colonie ein
stechapfelartiges Aussehen verleihen. Die Verflüssigung nimmt rasch zu,
so dass am 4. bis 5. Tage die Ausläufer mit in den Bereich derselben
hineingezogen werden. Die isolirten Colonieen zeigen noch einige Tage
lang im Centrum eine dichtere, mehr oder weniger sternförmig aussehende
Stelle, die übrige verflüssigte Gelatine erscheint mehr körnig. Im
flüssig geimpften und dann erstarrten Glycerin und in Traubenzucker-
Agar ist schon nach 24 Stunden Entwickelung in der Tiefe unter starker
Gasbildung und Zerklüftung des Nährbodens; der obere Theil des Nähr¬
bodens bleibt klar. Die einzelnen Colonieen sind rundlich, nicht scharf
begrenzt, am ehesten mit kleinen Wattestückchen zu vergleichen. Im
Agarstrich beginnt das Wachsthum etwas unterhalb der Oberfläche, es ist
am üppigsten in der Mitte des Röhrchens, währenddem es nach unten
wieder abnimmt Längs dem Strich sind zahlreiche, aber kurze, ziemlich
dicke Ausläufer. In Bouillon, aerob, kein Wachsthum.
In anaerober Bouillon üppige Entwickelung, starke Trübung und
etwas flockiger Bodensatz. Die anaerobe Milchcultur zeigt nach einigen
Tagen Gerinnung, dann wird die geronnene Milch peptonisirt. Im
hängenden Tropfen sind die Bacillen aus frischen Culturen beweglich;
die Bewegung ist eine schlängelnde; die längeren Fäden, deren Gliederung
in gefärbten Präparaten leichter zu erkennen ist, bewegen sich langsamer.
Die hellen, stark lichtbrechenden Sporen sind oft schon in 2tägigen
Bouillon- oder Agarculturen nachweisbar, am 4. Tage sind dieselben
massenhaft vorhanden. Auch in der Gelatine kommt es innerhalb 8 Tagen
zur Sporenbildung. Hier und da kann man auch bewegliche, sporen¬
tragende Bacillen finden. Je nach dem Nährboden sind einzelne, ziemlich
kurze Stäbchen oder längere, mehr oder weniger gewundene sechs- und
mehrgliederige Ketten vorwiegend. Es fiel mir auf, dass die sporen¬
tragenden Bacillen ziemlich häufig trommelschlägerartig verdickt sind;
vom Tetanusbacillus unterscheiden sich dieselben durch die plumpere
Gestalt und durch die deutlich ovalen Sporen.
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432
W. SlLBEESCHMlDT:
Thierversuche.
A. Das frisch entnommene Material wurde noch am gleichen Tage
zu Thierversuchen verwendet und zwar:
1. Blut und Secret aus der Operationswunde an der Schulter.
Kaninchen 1 erhält am 27. VI. etwa 0• 2 ccra Flüssigkeit (aufgeschwemmt
in 1 ccm steriler Bouillon) injicirt. Am nächsten Tage Röthung und Schwellung
an der Injectionsstelle; es entwickelt sich ein Abscess, der spontan durch¬
bricht. Am 4. VII. werden im Eiter Kokken und lange Bacillen nach¬
gewiesen. Das Thier magert immer mehr ab, 6tirbt am 10. VII. und wird
am 11. VII. secirt. Der Abscess ist auf die Injectionsstelle beschränkt ge¬
blieben, keine Metastasen, keine weiteren Veränderungen. Mikroskopisch
sind im Eiter massenhaft Mikroorganismen nachweisbar. In den Culturen
(Gelatine und Zuckerbouillon) B. coli; die Culturen aus dem Herzblut bleiben
steril.
Meerschweinchen 1. Subcutane Injection von etwa 0* 1 ccm Flüssig¬
keit mit etwas Bouillon aufgeschwemmt.
Meerschweinchen 2. Intraperitoneale Injection derselben Flüssigkeit;
beide Thiere zeigen keine Krankheitserscheinungen.
Zwei Mäuse, von welchen die eine 0-5 com , die andere nur einen
Tropfen Aufschwemmung subcutan injcirt erhielten, blieben am Leben.
2. Fettstückchen excidirt am Thorax:
Eine Maus erhält etwa 0* 1 ccm des flüssigen Saftes und bleibt am Leben.
3. An der Operationsstelle ausgeschnittene Gewebestücke:
Eine frisch bereitete Aufschwemmung in Bouillon wird zwei Thieren injicirt.
Meerschweinchen 3 erhält 1 ccm dieser Aufschwemmung subcutan.
Es tritt Röthung und Schwellung, später Abscess auf, welcher aufgebissen
wird. Am 11. Tage ist eine grosse in Heilung begriffene wunde Fläche
an der Injectionsstelle und in beiden Inguinalfalten; wahrscheinlich wurden
auch die Inguinaldrüsen aufgebissen. Das Thier erholte sich wieder.
Meerschweinchen 4 erhält lVa 60 ™ derselben Aufschwemmung intra-
peritoneal injicirt. Es stirbt am 28. VI.; 26 Stunden post. inj. Die am
29. VI. ausgeführte Section ergiebt serös eiterige Peritonitis und Pleuritis.
In dem Peritonealerguss sind massenhaft Mikroorganismen, meist Kurz¬
stäbchen, die auch auf Agar wachsen. (Coli.)
4. Aspirirte Flüssigkeit aus der Tiefe des Oberarmes. Der spärlich»
Saft wird mit Bouillon aufgeschwemmt und sofort injicirt.
Kaninchen 3 erhält lVa' 01 ” Aufschwemmung intravenös und zeigt
keine Krankheitssymptome.
Eine Maus (5) wird subcutan, eine zweite (6) intraperitoneal injicirt,
beide bleiben am Leben.
5. Die aus den Hautblasen aspirirte Flüssigkeit wird einem Kaninchen 2
und einer Maus 3 subcutan injicirt; keine Krankheitserscheinungen.
B. Mit den directen Culturen wurden eine Reihe von Thierver¬
suchen angestellt; es seien hier einige mitgetheilt:
Kaninchen 4 erhält 2 ccm 6tägiger anaerober Zuckerbouilloncultur aus
dem Gewebestück intravenös. Ausser einer kleinen Schwellung an der In¬
jectionsstelle ist nichts zu bemerken.
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GangkEne foudroyante.
433
Kaninchen 5 wurden 2 ccm derselben anaöroben Cultur in Zucker¬
bouillon subcutan injicirt. Es entsteht ein deutliches Oedem, das zunimmt;
nach 4 Tagen ist es zur Bildung eines etwa nussgrossen, flachen, scharf
begrenzten Abscesses gekommen, der sich spontan öffnet und nach und nach
verschwindet.
Kaninchen 2 (einmal mit direct aus den Hautblasen aspirirter Flüssig¬
keit geimpft) erhält subcutan am Ohr 2 ccn anaerobe Bouilloncultur aus
einem Gewebestück. Das Ohr schwillt beträchtlich an, hängt 4 Tage nach
der lnjection herunter; das sehr beträchtliche Oedem nimmt allmählich ab.
Das Thier geht nach intravenöser lnjection von B. coli zu Grunde.
Zwei Mäuse, welche 1 / a bezw. 1 ccm derselben anaeroben Bouilloncultur
subcutan injicirt erhalten, bleiben am Leben.
Meerschweinchen 1, welches die subcutane lnjection von aspirirtem
Gewebesaft ohne irgend welche Störung ertragen, erhält 7 Tage später unter
die Bauchhaut 2 ocm einer anaöroben Bouilloncultur aus einem tiefen Ge-
webestück. Das Thier stirbt nach 48 Stunden. Section 1 bis 2 Stunden
post mortem. Pseudomembranbildung und blutig gefärbtes Oedem, von der
Injectionsstelle ausgehend, die Haut lässt sich bis in die unteren Extremitäten
von der Musculatur abheben. Milz kaum vergrössert. Mikroskopisch sind
in der Oedemflüssigkeit dicke und schlankere Stäbchen einzeln und in Ketten
angeordnet, ferner Kurzstäbchen nachweisbar. In der Milz wurden viele
coliähnliche und vereinzelt dickere, nicht entfärbbare Bacillen, im Herzblut
ebenfalls vereinzelt dicke, einzeln und in Ketten angeordnete Stäbchen neben
kurzen Formen nachgewiesen. In den Culturen aus dem subcutanen Oedem,
dem Herzblut und in dem Milzsaft waren neben Coli, die anaeroben, die
Gelatine verflüssigenden Stäbchen nachweisbar.
Meerschweinchen 2, welches 7 Tage vorher mit dem directen Material
intraperitoneal geimpft worden, erhielt 2 ccm 6tägige anaerobe Zucker-
bouilloncultur aus dem aspirirten Safte subcutan am Bauch injicirt. Es ent¬
steht ein Abscess, der am 4. Tage aufgebissen wird; im Eiter werden die
zwei Mikroorganismen nachgewiesen, das Thier erholt sich wieder.
C. Thierversuche mit den Reinculturen djr gefundenen Mikro¬
organismen:
1. Coli.
Ein kleines Meerschweinchen 7 (197 grm ) erhält 5 ccm lOtägiger Cultur
intraperitoneal: Tod in der darauffolgenden Nacht mit starker Peritonitis.
Eine weisse Maus, welche 1 ccm Peritonealerguss von Meerschweinchen 7
subcutan injicirt erhält, stirbt ebenfalls innerhalb 24 Stunden.
2. Isolirter anaerober Mikroorganismus.
Kaninchen 6. Subcutane lnjection am Bauch von 6 ccm 4tägiger
anaerober Bouilloncultur:
Abscess an der Injectionsstelle, das Thier bleibt am Leben.
Kaninchen 7. Subcutane und intramusculäre lnjection derselben Cultur
am rechten Oberschenkel, das Thier bleibt gesund.
Meerschweinchen 8. Subcutane und intramusculäre lnjection von
l l / 2 ccm 4tägiger anaerober Bouilloncultur in die rechte'hintere Extremität;
keine Krankheitssymptome.
ZdUchr. t Hygiene. XLL. 28
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434
W. SlLBEESCHMIDT:
Meerschweinchen 9 erhält in ähnlicher Weise 1 * 2 '' rm derselben
Cultur und bleibt gesund.
Es werden ferner zwei weisse Mäuse mit IV 2 hezw. 1 j 2 ocm anaerober
Bouillonreincultur subcutan geimpft und bleiben am Leben. Auch die In-
jection von anaeroben Gelatineculturen wurde von den Thieren ertragen.
Aus dem Mitgetlieilten geht hervor, dass bei der directen mikro¬
skopischen und bei der culturellen Untersuchung von Gewebesaft, Blut,
Muskel, Fett aus verschiedenen Theilen des befallenen Gebietes stets zwei
verschiedene Mikroorganismen nachgewiesen werden konnten. Die Ein¬
reihung der einen aeroben Art in die Gruppe des B. coli commune
ist begründet worden. Nach eingehenden, morphologischen und ver¬
gleichenden Untersuchungen, wurde der anaerobe Mikroorganismus der
Gruppe des Bac. oedematis maligni eiugereiht.
Fall 2. Ein 24jähriger Dachdecker fiel am 6. Juni 1899 4 Stunden
von Zürich entfernt, Nachmittags 3 Uhr, von etwa 10 m Höhe auf einen
gepflasterten Hof. Er war nicht bewusstlos und bemerkte gleich, nahe dem
Handgelenk, einen Knochen aus einer Wunde am rechten Vorderarm heraus¬
ragen, sowie eine Wunde am rechten Ellbogen. Er wurde in einer Scheune
auf den nackten Boden gelagert, 1 , / a Stunde später kam ein Arzt, legte einen
Nothverband an und dirigirte den Pat. in’s Spital, wo er Abends 9 Uhr
ankam. Der Pat. zeigte kaum eine Alteration des Allgemeinbefindens. In
Aethernarkose wurde sogleich die sorgfältigste Desinfection mit Seife, Alkohol
und Sublimat gemacht und die genauere Untersuchung vorgenommen. Durch
eine grosse Weichtheilwunde auf der Beugeseite war das rechte Ellbogen¬
gelenk breit geöffnet, quer durch die Wunde verliefen ca. 3 t ‘ m weit frei¬
schwebend der N. medianus, sowie die kräftig pulsirende Art. radialis.
Eine Knochenläsion lag hier nicht vor. Grosse Hautwunde nahe dem Hand¬
gelenk, von der aus man sofort auf die multipel zersplitterte Epiphyse des
Radius gelangt. Beide Wunden wurden mit Sublimat 1:2000 reichlich
ausgewaschen und ausgiebig drainirt. Jodoformgaze-Holzwollekissenverband.
Drahtschiene. Schon vor Einleitung der Narkose war constatirt worden,
dass an der Hand Circulation und Sensibilität normal waren.
Am nächsten Tage war bei 38*4° Abendtemperatur nichts Besonderes
zu constatiren, am übernächsten Tage (8. Juni) stieg die Temperatur im
Laufe des Nachmittags bis 39*6° bei 104 Puls. Die Sensibilität der Finger
ist stark herabgesetzt, nirgends aufgehoben, die Finger rechts sind ent¬
schieden weniger warm, als links. Mässig starke Schmerzen. Der Verband
ist von blutigem Secret durchtränkt, riecht ziemlich stark und wird ab¬
genommen. Der ganze Arm ist beträchtlich geschwellt, die Ellbogen¬
gegend geröthet und erhöht temperirt. Am Vorderarm ist unter der Haut
spärliches, aber deutliches Gasknistern zu constatiren, auf der Dorsal¬
seite, nahe dem Handgelenk ein etwa handtellergrosser Hautbezirk mit
leicht bläulicher Verfärbung und vollkommen aufgehobener Sensibilität. Es
wird nun die Diagnose auf gangränescirende Gasphlegmone gestellt,
und mit Einwilligung des Pat. ex indicatione vitali Abends 6 Uhr die
Ablatio humeri *in Aethernarkose vorgenommen. Dabei zeigt es sich,
dass in der Amputationsebene zwischen mittlerem und oberem Drittel des
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GangrEke FOUDKOVANTE.
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Oberarmes das Zellgewebe noch ödematös und gelblich verfärbt ist, besonders
im Sulcus bicipitalis int. Es wird möglichst alles Erreichbare noch excidirt;
bei der Resection der Stümpfe der grossen Nerven fällt auch eine gelbliche
Verfärbung der Nerven auf. Nach Einlagerung eines dicken Gummidrains
werden die Lappen vernäht und ein Jodoformgaze-Holzwollekissen-Verband
angelegt. Während der Operation Entnahme bakteriologischen Untersuchungs¬
materials. Grosse Alkoholdosen.
Bis zum nächsten Tage Temperaturabfall auf 36*3° bei 88 Puls,
Abends jedoch wieder 39*2° bei 112 Puls. Allgemeinbefinden zufrieden¬
stellend, Sensorium frei.
Eei andauerndem hektischen Fieber fängt Pat. am 11. Juni an zu
deliriren. Der Stumpf sieht gut aus, zeigt keine phlegmonösen Erscheinungen.
Inguinaldrüsen beiderseits äusserst schmerzhaft, stark vergrössert.
Am 12. Juni wird zur bakteriologischen Untersuchung aus der 1. Vena
mediana Elut entnommen. Als daraus Reinculturen von Streptokokken
gewonnen wurden, entschloss man sich bei der so trüben Prognose, doch
einen Versuch mit Streptokokkenserum zu machen.
In der Cantonsapotheke war genügend Material da, aus der Lyoner
Fabrik, das Serum war 11 Monate alt und leicht getrübt. Eine erste In-
jection von 20 ccra wurde am 13. Juni gemacht, eine zweite von I0 ccm am
14. Juni und eine dritte von 10 Cfm am 15. Juni. Die Injectionen wurden
abwechselnd an der Aussenseite beider Oberschenkel subcutan gemacht.
Jeweils nach den Injectionen stieg die Temperatur um 0*4 bis 1*0°. Bei
andauerndem hektischen Fieber stellte sich nach und nach an den Injections-
stellen, sowie an den Stellen, wo die Blutentnahme stattgefunden hatte, in
ziemlich grosser Ausdehnung starres Oedem ein, das nach und nach weicher
wurde und schliesslich in deutliche Abscessbildung überging. Die Schwellung
der inguinalen Lymphdrüsen war indessen stark zurückgegangen, dagegen
Hess sich nun zu oberst an der Innenfläche des rechten Oberschenkels, also
an einer Stelle, wo kein therapeutisches Trauna eingewirkt hatte, wie an
Stelle der anderen Abscesse, in der Tiefe deutliche Fluctuation bei grosser
Schmerzhaftigkeit constatiren. Es wurden nun am 27. Juni die Abscesse
in Aethernarkose gespalten und drainirt, wobei sich die drei ersterwähnten
als nur unter der Haut gelegen erwiesen, der letzte tief unter dem M. psoas
aufgesucht werden musste. Ihr Eiter enthielt ausschliesslich Streptokokken.
Die Amputationswunde am rechten Oberarm war indessen breit geplatzt,
doch blieb sie völlig reactionslos und heilte per granulationem aus.
Trotz der Entleerung der Abscesse dauerte das Fieber an, immerhin
etwas weniger hoch und Pat. delirirte wenig mehr. Erbrechen trat nur ein
einziges Mal auf und zwar nur wegen zu reichlich genossenen Weines.
Schon nach zwei Wochen waren die Abscesse am linken Arm und Bein
ausgeheilt, diejenigen am rechten Oberschenkel secernirten weiter. Der
Urin war meist eiweissfrei, nur fanden sich vom 15. bis 29. August als
Symptome einer Nephritis Blut, Cylinder und entsprechend Eiweiss; Eiter
war nie vorhanden. Von Mitte Juli bis Mitte November blieb der Zustand
ziemlich stationär: bei normaler Morgentemperatur abendliche Steigerung
auf 37-6 bis 38*8° und Puls fast immer über 100. »
Eine am 30. October entnommene Blutprobe aus der linken Vena mediana
blieb steril. Am 18. November trat plötzlich reichliche Eiterentleerung durch
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W. SiLBKRSCHMIDT:
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das Rectum auf, die noch längere Zeit andauerte. Durch die Digitalunter¬
suchung konnte nur eine starke Infiltration des rechtsseitigen Beckenzell¬
gewebes nachgewiesen, die Perforationsstelle nicht gefunden werden: da der
Abscess an der Innenseite des rechten Oberschenkels seither erheblich
weniger secernirt, hängt er wohl direct mit einem im Becken gelegenen
zusammen. Das Befinden bessert sich allmählich und der Pat. kann nach
mehrmonatlicher Behandlung geheilt entlassen werden.
Bakteriologische Untersuchung. Es wurde behufs näherer
Untersuchung unter möglichst aseptischen Cautelen Material aus folgen¬
den Stellen entnommen: bei der Operation Blut aus der Amputationssteüe.
aus dem amputirten Arm, Wundsecret, aus den Drainröhren, Knochen¬
mark aus dem Os humeri und Gewebesaft bezw. Muskelstückchen aus
der Tiefe. Später wurde wiederholt das Blut untersucht und der Eiter
aus den verschiedenen Abscessen.
Directe mikroskopische Untersuchung. In dem Wundsecret
aus den Drainröhren waren Kokken, meist zu zwei, auch in kurzen
Ketten angeordnet, ferner sehr spärliche Bacillen vorhanden. Der aus der
Tiefe des amputirten Armes entnommene Gewebesaft enthielt zahl¬
reiche, ziemlich lange, einzeln, zu zwei, selten in Ketten angeordnete
Bacillen mit abgerundeten Enden, Kokken waren hingegen nicht oder
äusserst spärlich vorhanden. In einigen Präparaten war eine kapselariige,
nicht gefärbte Zone um die Stäbchen herum. Sporen wurden in den direcren
Ausstrichpräparaten nicht gefunden.
Culturelle Untersuchung. Culturen wurden angelegt: mit dem
Wundsecret, mit aus der Tiefe entnommenen Muskelstückchen, mit dem
aspirirten Knochenmark, mit Fett- und Nervenstückchen, welche an der
Amputationsstelle excidirt wurden.
Aehnlich wie im ersten Falle wurden aerobe und anaerobe Culturen
in Bouillon, Gelatine und Agar angelegt, einige Röhrchen wurden auf *0''
erhitzt, andere bei 40° geimpft. Die Culturen aus dem Knochenmark bliebtr
steril. In dem an der Amputationsstelle entnommenen Blut waren Strepto¬
kokken in Reincultur nachweisbar. In den Bouillon- und Agarculturen, aus
dem Wundsecret und aus den Muskelstückchen der erkrankten Stellen war
schon nach 20 Stunden Gasbildung und ein sehr übler Geruch wahrnehmbar.
Mikroskopisch war der Befund ein übereinstimmender: Stäbchen, in ihrer
Form entsprechend den im directen Ausstrichpräparat ‘ gefundenen, uni
Kokken in Ketten angeordnet. In den direct angelegten, nicht erhitzten
aeroben Bouillonculturen kamen, wie im ersten Fall, beide Mikroorganismen
neben einander zur Entwickelung unter Gasbildung, und der Geruch war
ebenfalls ein sehr unangenehmer. Im flüssig geimpften Agar war der
Bacillus nur in der Tiefe nachweisbar; es stellte sich heraus, dass dieser
Mikroorganismus anaerob, der Streptococcus hingegen aerob w'uchs.
Die Isolirung beider Mikroorganismen bot keine Schwierigkeiten. Per
anaerobe Bacillus zeigte von Anfang an eine grosse Aehnlichkeit mit
in dem ersten Falle isolirten.
Der Coccus entsprach in seinem morphologischen und in seinem bk»-
logischen Verhalten dem Streptococcus pyogenes.
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GaegrRne foudroyante.
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Sämmtliche Culturen des anaeroben Bacillus zeichnen sich durch
einen sehr starken, unangenehmen Geruch aus. Die jungen Colouieen in
der Gelatine zeigten am 3. Tage längere Ausläufer und entsprachen in ihrem
Aussehen etwa Wattestückchen; am nächsten Tage war die Verflüssigung
schon deutlich. Die grossen Colonieen sind kugelig, ziemlich gleichmässig
getrübt und verfliessen rasch; die kleineren lassen noch das dunklere Centrum
und die trübe, graue, etwas hellere Peripherie erkennen, die Ausläufer
befinden sich meist schon im Bereich der Verflüssigung. Die Colonieen
haben bei durchfallendem Lichte ein schimmerndes, sammetartiges Aus¬
sehen. Das dichtere Centrum sinkt zu Boden und die kugeligen Colonieen
erscheinen dann gleichmässig getrübt. Die einzelnen Colonieen ver¬
schmelzen, die Verflüssigung schreitet weiter, so dass am 6. Tage die
Gelatine bis dicht unterhalb der Oberfläche verflüssigt ist und am Boden
einen ziemlich bedeutenden, fetzigen, grauweissen Bodensatz aufweist.
In Agar und in Zuckerbouillon war das Wachsthum üppig unter
Gasbildung; eine anaerobe Cultur auf erstarrtem Rinderblutserum zeigte
Verflüssigung bei gleichzeitiger Gasbildung; am 6. Tage erschien die
Cultur eingesunken in Form eines dicken, gelblichen Belages; der mit
Paraffin hergestellte Verschluss wurde in Folge der Gasbildung gelockert.
Mikroskopisch waren in den Culturen dieselben etwa 2 bis 10 u
langen und 0-5 bis 1*0/* dicken Stäbchen mit deutlicher Eigenbewegung;
nach drei Tagen war die Sporenbildung schon vorgeschritten. Die Sporen
sind deutlich oval, einige sporentragende Bacillen zeigten noch Eigen¬
bewegung. Mittels der Löffler’schen Methode gelang es, lange, ge¬
schlängelte Geissein, allerdings nur an den sporenfreien Bacillen, in ver¬
schiedener Zahl nachzuweisen. Die Bacillen waren einzeln, zu zwei oder
in kürzeren Ketten angeordnet. Im thierischen Gewebe, so z. B. bei Maus 1,
wurden subcutan sehr lange Fäden von 40/* und mehr gefunden, welche
nur aus wenigen (2 bis 3) Gliedern zu bestehen schienen; hier und da
war der Bacillus an der einen Extremität hakenförmig gekrümmt.
Thierversuche. Nach subcutaner Injection des frisch entnommenen
Materials auf Kaninchen und Meerschweinchen traten Abscesse an der
Injectionsstelle auf, einige Mäuse starben mit Streptokokken im Blute.
In keinem Falle gelang es, ein Krankheitsbild zu erzeugen, welches dem
beim Menschen beobachteten ähnlich gewesen wäre.
Versuche mit Culturen:
Meerschweinchen: Subcutane Injection von 2 ecm 3 tägiger anaerober
Bouilloncultur. Das Thier bleibt am Leben.
Maus 1. Injection von 1 ccm 16 ständiger Cultur in Zuckerbouillon,
Tod in der Nacht. Subcutanea blutiges Oedem mit vielen Bacillen in Fäden
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W. Silberschmidt:
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angeordnet und Kokken. Im Herzblut und namentlich in der Milz lassen
sich die grossen Bacillen neben den Kokken nachweisen.
Kaninchen 1. 21. VI. Subcutane Injection von je 1 ccm Bouillon der
isolirten Streptokokken und anaeroben Bacillen. Das Thier bleibt gesund.
Am 25. VI. werden 5 ccm Bouillonreincultur subcutan ins Ohr injicirt. Es
entsteht ein Oedem und Röthung im Bereiche der Injection. Am 28. VI.
werden ferner 5 ccm 16 stündiger Bouilloncultur aus dem Abscess am Ober¬
schenkel (Streptokokken) intravenös injicirt. Das Thier stirbt in der Nacht
vom 3./4. VII. Bei der Section wird notirt: eitrige Peritonitis mit Strepto¬
kokken. An der Injectionsstelle am Ohr ist ein Defect mit eitrigem Belag
vorhanden. In den Culturen aus dem offenen Abscess sind neben Strepto¬
kokken die anaeroben Bacillen gewachsen. Im Herzblut sind Streptokokken
in Reincultur.
Trotz der wiederholten Injectionen ist es nicht gelungen, bei diesem
Kaninchen das Bild der Gasphlegmone zu erhalten. Hingegen wurde fest¬
gestellt, dass der anaörobe Mikroorganismus 8 Tage lang im Eiter lebens¬
fähig blieb.
Kaninchen 2 erhält am 26. VI. 2 ccm einer 3 tägigen anaeroben
Bouilloncultur subcutan und intramusculär in den linken Oberschenkel injicirt.
Das Thier zeigt keine Krankheitserscheinungen.
Versuche mit Reinculturen.
1. Streptokokken. Eine direct aus dem Blute (1. Arm) gewonnene
2 tägige Bouilloncultur wird zwei Mäusen subcutan und einem Meer¬
schweinchen intraperitoneal (2 ccm ) injicirt. Die eine Maus stirbt nach
24 Stunden; im Milzsaft werden Streptokokken nachgewiesen. Die zwei
anderen Thiere bleiben am Leben. Maus 5 erhält etwa 2 / 10 00111 frischen
Eiter (Streptokokken) und stirbt innerhalb 24 Stunden.
Ein Kaninchen erhält 1 ccm frischen, aus dem linken Oberarm ent¬
nommenen (streptokokkenhaltigen) Eiter. Das Thier bleibt am Leben.
Aus diesen wenigen Versuchen geht hervor, dass die aus verschiedenen
Stellen gewonnenen Streptokokken für die Versuchstiere verhältnissmä^ig
wenig virulent waren.
2. Anaerober Bacillus. Kaninchen 3 erhält 8 ccm 9 tägiger anaercher
Bouillonreincultur intramusculär und subcutan injicirt, ohne Störung.
Eine subcutane Injection von 2 ccm derselben Cultur bei einer Maus
wird ebenfalls ohne Störung ertragen.
Ein Meerschweinchen erhält am 21. VII. 8 ccm anaörober verflüssigter
Gelatinecultur subcutan injicirt; an der Injectionsstelle beisst sich das Thier
auf. Es entsteht ein Schorf mit blutigem Belag; die Haut lässt sich in
einem weiten Bereich von der Musculatur abheben. Am 25. VII. wird das
Thier getödtet; unter dem Schorf ist kein Eiter mehr.
Ein zweites Meerschweinchen wird intraperitoneal mit 10 CCT1 ver¬
flüssigter Gelatinecultur geimpft, es zeigt keine Krankheitssymptome. Nach
5 Tagen w r ird dasselbe getödtet und finden sich nur einige Verwachsungen
im Peritoneum vor.
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Gangräne foudroyante.
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Die genaue, längere Zeit fortgesetzte Untersuchung des anaörobeu
Mikroorganismus führte zur Identificirung desselben mit dem im ersten
Falle beobachteten und mit der Reincultur des Instituts; es handelte sich
bei unserem zweiten Patienten um eine Mischinfection eines Bacillus
aus der Gruppe des Bacillus des malignen Oedems mit dem
Streptococcus pyogenes.
Fall III. Der 40 Jahre alte, sonst gesunde Parquetier F. erlitt am
3. April 1900 Abends gegen 9 Uhr einen Unfall,, indem ihm das Rad eines
Eisenbahnwagens über den vorderen Theil des rechten Fusses fuhr. Mit
einem vom Arzt angelegten Nothverband wurde er Abends 11 Uhr ins
Spital eingebracht. Sämmtliche Zehen des rechten Fusses waren blauroth
verfärbt, anästhetisch und kalt anzufühlen. Im Bereich der Metatarso-
phalangealgelenke dorsal und plantar eine Reihe von Risswunden, aus denen
theilweise Knochensplitter vorstehen. Da sich der Pat. mit aller Entschieden¬
heit gegen einen operativen Eingriff verwahrte, musste man sich mit gründ¬
licher Desinfection und Verband begnügen. Am nächsten Tage war der
Pat. fieberfrei und gab nun seine Einwilligung zu einer Exarticulation im
Bereiche des Fusses, die in Aethernarkose Abends 4 Uhr im Chopart’schen
Gelenk ausgeführt wurde. Die Exarticulation musste aus dem Grunde so
weit hinten gemacht werden, weil besonders die Weichtheile der Fusssohle
ausserordentlich stark gequetscht waren.
Auf eine Infection hinweisende Zeichen fielen bei der mit Esmarch’scher
Blutleere ausgeführten Operation nicht auf. Uebliche Drainage der Wunde und
Hochlagerung der Extremität. Bis am 5. April Abends stieg die Temperatur
auf 39-4°; der Puls auf 108, und der Pat. fing an, leicht zu deliriren.
Am 6. April war bei 38*9° Temperatur das Bild der gefürchteten In¬
fection nicht zu verkennen. Dem Verband entströmt ein ausserordentlich
widriger Geruch; bei seiner Abnahme findet man den Stumpf stark ge¬
schwellt, aus den Drainagestellen fliesst dünnes, ziemlich helles Sekret aus.
Die bei der Operation am stärksten gequetscht gefundene Plantarfläehe zeigt
keine Spur von Gangrän, dagegen finden sieh auf der Dorsalseite gegen
den äusseren Knöchel hin zwei isolirte, rundliche, ca. zweifrankenstückgrosse
Hautpartieen, die bläulich-schwarz verfärbt sind. Unter der Haut verspürt
man ein sehr feines Knistern. Von dem bläulich-livid verfärbten Fuss-
rücken aus erstrecken sich zungenförmige Hautpartieen auf der Aussen- und
Innenseite des Unterschenkels bis gegen die Kniegegend, die blass röthlich-
bräunliche Verfärbung zeigen. In Aethernarkose wird Morgens 9 Uhr die
Exarticulatio genu vorgenommen. Nach Anlegung einer Constrictionsbinde
in der Höhe der Glutäalfalte treten die verfärbten Hautpartieen des Unter¬
schenkels noch viel deutlicher hervor. Bei der Bildung der Lappen lässt
man die verfärbten Hautpartieen in Wegfall kommen; in dem sonst völlig
normalen vorderen Lappen zeigt das Unterhautzellgewebe noch eine Reihe
kleinster Gasbläschen, die durchschnittene Musculatur hat vollkommen nor¬
malen Aspect. Situationsnähte der Lappen, ausgiebige Drainage.
Mit dieser Exarticulation war die Infection coupirt. Die Temperatur
blieb unter 39*0°, der Puls unter 100; eine verdächtige bräunlich-röthliche
Verfärbung einer kleinen Lappenpartie sclnvand in wenigen Tagen wieder;
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W. Silberschmidt:
einige Nähte schnitten durch, die Secretion aus den Drains blieb massig
und völlig geruchlos. Einige Tage delirirte der Pat. noch Nachts. Bei
Genuss von kräftiger Kost, Wein und Eiergrog erholte er sich dann sehr
rasch, ist seit 2. März fieberfrei und ausser Bett. Am 13. Juli wird Pat.
entlassen.
Bakteriologische Untersuchung. Aus verschiedenen Stellen des
exarticulirten Unterschenkels wurde Material entnommen.
Die directe mikroskopische Untersuchung des Wundsecrets
ergab: Ziemlich viele, grosse, nach Gram nicht entfärbbare pleomorphe, zum
Theil spindelförmige Bacillen, einige mit hellem Hofe (Kapsel?) umgeben,
einige mit Sporen versehen. Neben den im Innern der Bacillen gelagerten
Sporen sind auch einige frei. Daneben sind Kokken einzeln, zu zweien und
in kurzen Ketten. Schon im directen Ausstrichpräparat war ersichtlich, dass
wir es mit einer mannigfachen Bakterienflora zu thun hatten.
Untersuchung der Culturen. Agaroberfläche. Nach 24 Stunden
sehr viele Colonieen von Kokken in Haufen (Staphylokokken).
Agar flüssig geimpft und dann erstarrt, Kokken und nicht entfärbbare
Bacillen.
Bouillon. Kokken in Ketten und in Haufen, geordnet, ziemlich dicke
Bacillen und zarte Streptokokken.
Die heiss geimpfte Bouillon zeichnet sich namentlich durch einen sehr
unangenehmen Geruch aus; mikroskopisch lassen sich in derselben Kokken
und sehr viele dicke, plumpe Bacillen, nach Gram nicht entfärbbar, nach-
weisen.
Gelatine. Verflüssigende Colonieen von Kokken, sowohl an der Ober¬
fläche wie in der Tiefe; nicht verflüssigende Colonieen von ziemlich langen,
zum Theil etwas gekrümmten Bacillen, ferner in der Tiefe verflüssigende,
kugelförmige Colonieen von Bacillen. Die verschiedenen Culturen, nament¬
lich Bouillon, zeichneten sich durch einen sehr unangenehmen Geruch aus.
Die in den Culturen gefundenen Staphylo- und Streptokokken wurden
nicht weiter untersucht.
Mittels Erhitzen gelang es, aus verschiedenen Culturen einen anaöroben
Mikroorganismus zu isoliren, der sich durch folgende Eigenschaften aus¬
zeichnet: Mikroskopisch ist er ein ziemlich langer und ziemlich dicker, im
Gegensatz zu dem in den zwei ersten Fällen gefundenen, unbeweglicher
Bacillus. Häufig ist er in Ketten von drei bis vier verschieden langen
Gliedern angeordnet, und die Ketten hier und da parallel gelagert; die
Bacillen sind gestreckt oder gebogen, zeigen deutlich abgerundete Enden
und w r erden nach Gram nicht entfärbt.
In Gelatine und Agarculturen konnte trotz wiederholter Unter¬
suchung Eigenbewegung nicht festgestellt werden. Der Bacillus bildet Sporen,
allerdings nicht so rasch und auch nicht in so grosser Zahl, wie der Ba-
’eillus des malignen Oedems; die ovalen Sporen zeichnen sich ferner dadurch
aus, dass dieselben nicht, oder kaum breiter als der Bacillenleib sind, so
dass Trommelschläger- und Clostridiumformen nicht wie in den früher be¬
sprochenen Culturen auftreten. In der Regel waren die Sporen mehr gegen
das eine Ende, aber doch nicht ganz endständig gelagert.
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Gangräne foudroyante.
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Eigenartig ist das Wachsthum in der Gelatine (22° C.). Nach ein bis
zwei Tagen wird die Colonie rundlich, etwas unregelmässig, meist von einem
etwas trüben Hof umgeben. Am 2. Tage beginnt die Verflüssigung. Die
Colonieen sind Stecknadelkopf- bis erbsengross, kugelig, die verflüssigte
Gelatine ist etwas getrübt. Zu Beginn der Verflüssigung ist meist im Centrum
der Colonie ein rundlicher, punktförmiger, fester und dichter Theil, welcher
bald zu Boden sinkt, so dass man am 3. Tage am Boden einer jeden erbsen¬
grossen, kugeligen Verflüssigung die eigentliche kleine Colonie erkennen
kann; dieses Aussehen ist eigenartig und trat regelmässig auf. In Agar
und in Zuckeragar ist bei Brüttemperatur das Wachsthum in den unteren
Theilen üppig; es findet intensive Gasbildung statt. Die Colonieen sind
rundlich, aber ziemlich unregelmässig. Der Stich erscheint als unten ziem¬
lich breiter Streifen aus dicht neben einander liegenden unregelmässigen,
faserigen Colonieen zusammengesetzt; am ehesten lässt sich die Cultur mit
einem Wollfaden mit vielen kurzen Ausläufern vergleichen.
In Bouillon ist das Wachsthum üppig, aber nicht charakteristisch.
In Milch wurde am 3. Tage Gerinnung und Peptonisirung beobachtet, nebst
eigenartigem Geruch; nach 5 bis 7 Tagen ist die Peptonisirung fast voll¬
ständig, Reaction schwach sauer, H 2 S-Probe positiv, Geruch nach Lim¬
burger Käse.
In dem am 18. April aus der Operationswunde entnommenen Eiter
wurden mikroskopisch Streptokokken, in den Culturen Streptokokken und
einige Pseudodiphtheriebacillen, hingegen keine Anaeroben gefunden.
Thierversuche. Nur die ersten Versuche an Meerschweinchen lieferten
ein positives Resultat.
Meerschweinchen 1 erhält am 7. April eine mit steriler Bouillon
hergestellte Aufschwemmung des direct aus der Wunde entnommenen Secrets
subcutan und intramusculär injicirt. Tod in der Nacht vom 8. zum 9. April,
etwa 36 Stunden nach der Injection. Bei der Section ausgedehntes sub-
cutanes, hämorrhagisches Oedem. In der Flüssigkeit sind lange
Bacillen, meist je zu zweien angeordnet, nach Gram nicht entfärbt, ähnlich
wie in frischem Material.
Meerschweinchen 2. 7.IV. Subcutane und intraperitoneale Injection
der nämlichen Aufschwemmung, Tod ebenfalls nach etwa 36 Stunden. Bei
der Section ausgedehntes hämorrhagisches Oedem am Bauch; die Bauch¬
decken sind von der Musculatur abgelöst.
Wenn auch in diesen zwei Versuchen das Krankheitsbild demjenigen
der foudroyanten gangrene gazeuse nicht vollkommen entsprach, so muss
doch eine gewisse Aehnlichkeit zugegeben werden.
Mittels Injection von directen Culturen konnte bei Meerschweinchen
und bei Mäusen eine rasch tödtlich verlaufende Erkrankung nicht hervor¬
gerufen werden.
Der isolirte anaerobe Mikroorganismus wurde wiederholt Thieren injicirt,
allein ohne Erfolg.
Auch in diesem dritten Falle handelt es sich um eine Mischinfection.
Neben Eiterkokken (Staphylo- und Streptokokken) waren ana&robe,
gasbildende Mikroorganismen vorhanden. Der Bacillus des malignen
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Oedems war in den Culturen nicht nachweisbar, hingegen gelang, es in
den verschiedenen Culturen aus dem ursprünglichen Material einen Mikro¬
organismus zu isoliren, dessen Eigenschaften weiter oben angegeben
worden sind.
Es liegt nicht in meiner Absicht, die ätiologische Bedeutung des be¬
treffenden anaeroben Bacillus des Näheren zu begründen. Die Möglich¬
keit, dass noch andere anaerobe Mikroorganismen, deren Isolirung nicht
geglückt ist, bei der Entstehung der Erkrankung eine Rolle gespielt haben,
muss zugegeben werden.
II. Fälle von Phlegmone ohne ausgesprochene Gasbildung.
IV. Fall. Der 28jährige Pat. geriet am 23. Januar 1900 Abends mit
dem rechten Bein unter einen Wagen, dessen Vorderrad ihm dicht unter
dem Knie über das rechte Bein fuhr. Er wurde Abends 8 1 j 2 Uhr mit von
Blut durchtränktem rechten Beinkleid in das Cantonsspital gebracht. Von
dem Localstatus sei Folgendes mitgetheilt: Pat. ist besonders an den Stellen,
wo unter zerfetzten Kleidern die Wunden liegen, stark von Strassenkoth
beschmutzt. Im Bereich des unteren Drittels des rechten Unterschenkels
befindet sich eine etwa handtellergrosse Wunde; aus derselben ragt, etwa
4 cm lang, das centrale Fragment der Tibia vor, in der grössten Ausdehnung
vom Periost entblösst; das centrale Fragment zeigt eine einfache querlaufende
Bruchfläche, das periphere ist hingegen etwas zersplittert. Starkes Hämatom
von ungefähr Handgrösse in mittlerer Höhe des Unterschenkels. In der
Tiefe der Wunde sind Sand, Kothpartikelchen, sowie kleine Knochensplitter.
Gründliche Reinigung mit Seife, Alkohol und Sublimat, Entfernung aller
fühlbaren Fremdkörper. Gummidrain quer durch den Unterschenkel, Re¬
position und Jodoformgaze, Kissenverband.
Am 24.1. Nachmittags klagt Pat. über Schmerzen und hat erhöhte
Temperatur. Am 25.1. Vormittags ist der Verband durchnässt, das Seeret
hat einen üblen Geruch, Temperatur Abends 39-4°. Am 26.1. verbreitet
die Wunde einen scheusslichen Geruch; bei Druck entleert sich graugelbes,
schmieriges Seeret. Stellenweise deutliches Gasknistern; Amputatio fernem
an der Grenze im gesunden Gewebe. Nach der Amputation ist die Tem¬
peratur beinahe bis zur Norm zurückgegangen. Wundverlauf normal. Pat.
verlässt das Spital am 27. März geheilt.
Bakteriologische Untersuchung. Es wurde das aus dem Drain
Üiessende übelriechende Seeret und aus verschiedenen Stellen des anr.u-
tirten Unterschenkels Material entnommen. Direct an der Fraktursti Ile
ist das Gewebe morsch; es fliesst schmutzig gelblich und rosa gefärbte
Flüssigkeit ohne Gasverinenguug heraus. Es handelt sich somit nicht um
eine ausgeprägte Gangrene gazeuse, wie in den drei ersten Fällen.
Direct© mikroskopische Untersuchung. In dem Eiter der ver¬
schiedenen Stellen und im Knochenmark werden kürzere Stäbchen, längere,
nach Gram nicht entfärbte, verschieden dicke Bacillen mit abgerundeten
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Enden und sehr viele Kokken gefunden, zu zweien, in Ketten und in Haufen
angeordnet. Die dickeren Bacillen wurden auch hier, namentlich in der
Tiefe, gefunden.
Culturen, Agarstrich. Staphylococcus pyogenes aureus und albus,
sehr viele Streptokokken, einige Colonieen von coliartigen Kurzstäbchen.
Zuckerbouillon. Nach 24 Stunden Gasbildung; mikroskopisch Diplo-,
Streptokokken, einige dicke Bacillen. In der Gelatine kommen neben
den angeführten, noch verflüssigende Colonieen eines proteusartigen Bacillus
zur Entwickelung.
, Serum. Streptokokken, nach Gram entfärbte und ziemlich viele diph¬
therieähnliche Bacillen.
Wie aus dieser kurzen Schilderung ersichtlich, konnten Staphylo-,
Streptokokken, Proteus, coli- und diphtherieähnliche Bacillen,
neben einem anafrob wachsenden Mikroorganismus im Wundsecret
nachgewiesen werden.
Der anaerobe Mikroorganismus war auch in den aeroben Bouillon-
culturen nachweisbar; die Isolirung gelang in einem mit Muskelstück
flüssig geimpften und zum Erstarren gebrachten Röhrchen.
Mikroskopisches Verhalten: Ziemlich grosse, unbewegliche milz¬
brandähnliche, gerade, oder etwas gebogene Stäbchen, einzeln, zu zweien und
in kürzeren Ketten, angeordnet. Nach Gram häufig entfärbt, in älteren
Culturen scheinbar leichter entfärbbar. Die Bacillen färben sich häufig
eigenthümlich, unregelmässig, so dass ein Stäbchen aus zwei oder vier
Punkten bezw. Kokken zusammengesetzt erscheint. Hier und da kolbige
Anschwellungen. Erst nach längerer Zeit gelang es deutliche, meist end¬
ständige Sporen zu erkennen, welche nicht dicker als der Bacillenkörper
waren.
Culturen. Die Culturen wurden etwa 2 Jahre lang weiter verfolgt.
Agarstrich, anaerob runde, Stecknadelkopf- bis linsengrosse, feucht-
glänzende, wenig erhabene Colonieen mit dichterem Centrum und mit heller
Peripherie. Im Condenswasser etwas Bodensatz. Serum anaerob, keine
Verflüssigung, Wachsthum im Condenswasser. Die ersten Reinculturen des
anaeroben Mikroorganismus wurden in Agar erhalten.
Agar, flüssig geimpft. Wachsthum streng anaerob, weder im obersten,
noch im untersten Bereich des Röhrchens. Schon nach 24 Stunden Gas¬
bildung. In den späteren Culturen nahm die Gasbildung ab. Die isolirten
Colonieen sind rundlich, unregelmässig begrenzt bis stecknadelkopfgross.
Agarstrich ziemlich breit, namentlich im unteren Theil mit rundlichen Aus¬
buchtungen.
In gewöhnlicher Bouillon aerob kein Wachsthum, anaerob Trübung,
später fester Bodensatz mit klarer Flüssigkeit.
In Zuckerbouillon mit Zusatz von SNa 2 nach Trenkmann ist die Ent¬
wickelung auch aerob üppig mit Gasbildung. In späteren Culturen war das
Wachsthum in der Bouillon viel spärlicher.
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444
W. Silberschmidt:
Gelatine, Entwickelung langsam. Nach 7 Tagen kleine runde Colonieen,
welche ein dichteres Centrum und eine hellere Peripherie aufweisen. Nach
3 Wochen ist ein Theil der Gelatine verflüssigt; die verflüssigte Gelatine ist
klar, die darin zur Entwickelung gekommenen Colonieen bilden einen geringen
Bodensatz. Das Wachsthum in der Gelatine, welches 1 Jahr lang verfolgt werden
konnte, blieb später aus. Ebenso war die Gasbildung ursprünglich ziemlich
beträchtlich; in späteren Generationen blieb dieselbe aus. In Milch wurde
keine Veränderung beobachtet.
Thierversuche.
a) Versuche mit dem frischen Material.
Kaninchen 5, 26. I. 1400 ^ m . Subcutane Injection von 4 ccm mit
steriler Bouillon hergestellter Aufschwemmung aus einem Muskelstück des
amputirten Unterschenkels. 29. I. Schorfbildung und Röthung um die In-
jectionsstelle herum. 5. II. Gewicht 1200 grm , keine # weiteren Krankheits¬
erscheinungen.
Meerschweinchen 8, 26. I. Subcutane und intramusculare Injection
von 1V 2 ccm derselben Aufschwemmung mit eiterigem Brei vermengt, Tod
in der Nacht vom 27./28.1., d. h. nach etwa 36 Stunden. Section 28. I. An
der Injectionsstelle (linke Hinterpfote) ödematöse Infiltration, pseudomem¬
branöse, subcutane Auflagerung. Mikroskopisch an der Injectionsstelle zahl¬
reiche Kokken, in Ketten und in Haufen, verschiedene dünnere und dickere
Bacillen, letztere zu zweien und in kürzeren Ketten. Inden Culturen dieselben
Mikroorganismen, wie im directen Material. Im Herzblut Coli.
Meerschweinchen 9, 26.1. Intraperitoneale Injection von l 1 /., ccm
derselben Aufschwemmung mit Muskel und Eiter hergestellt. Tod nach
23 Stunden. Bei der Section: In der Bauchhöhle trüb seröser Erguss mit
eiterigen Auflagerungen, keine Gasbildung. In den Culturen Streptokokken
und die Gelatine verflüssigende Kurzstäbchen, im Herzblut Streptokokken.
Zwei mit demselben Material subcutan geimpfte weisse Mäuse starben
nach 36 Stunden mit Oedem an der Injectionsstelle.
Mikroskopisch sind verschiedene Kokken und Bacillen, culturell Coli,
Streptokokken und dicke Bacillen nachweisbar.
b) Versuche mit directen Culturen.
Kaninchen 6 erhält am 31.1. 3 ccra 5tägiger Bouilloncultur subcutan
am Ohr injicirt; Tod in der Nacht vom 5./6. II. Das Thier ist abgemagert.
Oedematöse Schwellung am Ohr. Psorospermicn in der Leber.
Meerschweinchen 10, 250 ffrm . Subcutane Injection von 5 ccm anaerober
Bouilloncultur. Schorfbildung an der Injectionsstelle. Das Thier magert
ah (160 grtn ) und stirbt am 7. Tage. Unter dem Schorf ist eine granulirende
Wunde (mikroskopisch Kokken). In den übrigen Organen nichts Auffallendes.
Meerschweinchen 15, 12. II. Subcutane Injection von 5 cctu anaerober
Bouilloncultur. Nach 2 Tagen Schwellung an der Injectionsstelle mit Gas¬
bildung. Das Thier wird am 17. II., 5 Tage nach der Injection, getödtet.
Eiter eingedickt, an verschiedenen Stellen ist der Schorf zerrissen. Brust
und Abdomen normal. Im Eiter Streptokokken und gasbildende Bacillen.
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Gangräne füudroyante.
445
c)Yersuche mit Reinculturen des isolirten anaeroben Bacillus.
Kaninchen 7, 700 grm . Subcutane Injection von etwa 1 / 4 ccm ver¬
flüssigter 20tägiger Gelatinecultur. Keine Krankheitserscheinungen.
Maus 6. Subcutane Injection derselben Cultur, bleibt am Leben.
Verschiedene andere, an Mäusen und auch an Meerschweinchen aus-
gefiihrte Versuche lieferten ein negatives Resultat.
Aehnlich wie im 3. Falle, ist es nicht möglich, nach dem Resultate
der culturellen und der experimentellen Untersuchung einen bestimmten
Mikroorganismus als den Krankheitserreger zu bezeichnen. Es
handelt sich um eine Mischinfection, wobei neben Staphjlococcus
pyogenes aureus und albus, Streptokokken und B. coli commune,
ein anaerober Bacillus gefunden wurde, welcher morphologisch eine
gewisse Aehnlichkeit mit dem B. aörogenes capsulatus (Welch)
hat; ob noch andere anaörobe Mikroorganismen ätiologisch eine Rolle ge¬
spielt haben, bleibe dahingestellt.
Fall 5. Der 44jährige Pat. B. hat am 30. Januar 1900 beim Aufladen
von Eis eine Quetschung am kleinen Finger der rechten Hand erlitten.
Am 1. Februar bemerkt Pat., dass die Hand geschwollen ist; er wird am
nächsten Tag in’s Spital aufgenommen, wegen beginnender Phlegmone der
rechten Hand. Bei den am 8. II. und am 12. II. vorgenommenen Incisionen
kam wenig eiterige, blutig seröse Flüssigkeit zum Vorschein, die bakterio¬
logisch untersucht wurde. Pat. erholte sich nach längerem Kranken¬
lager wieder.
Bakteriologische Untersuchung. Im Eiter wurden gefunden:
Strepto-, Staphylokokken, Bacillen und ein anaerober Mikro¬
organismus, der sich durch folgende Eigenschaften auszeichnet.
Unbewegliche, ziemlich kurze Bacillen einzeln, zu zweien und in kurzen
Ketten angeordnet, gerade, gewunden, häufig mit Anschwellungen versehen,
so dass Kolben und Spiessformen entstehen; nach Gram theilweise entfärbt.
In Bouillon wurden kleine, rundliche Sporen beobachtet, in Agar nicht.
Culturen. Die directe anaerobe Bouilloncultur zeichnet sich durch
einen sehr unangenehmen Geruch aus.
Der durch Erhitzen isolirte anaerobe Mikroorganismus wurde
einige Zeitlang w r eiter verfolgt.
Agar. Oberflächenculturen (im Vacuum) nach 5 Tagen, wasserhelle,
w r enig erhabene zusammenfliessende Colonieen; am 8. Tage sind dieselben
durch unregelmässige Begrenzung ausgezeichnet.
In Bouillon mit Schwefelnatrium bildet sich nach kurzer Zeit ein
Bodensatz, w r ährenddem die ursprünglich getrübte Bouillon wieder klar wird.
In Culturen, welche nach einiger Zeit aus den ursprünglichen an¬
geigt wurden, kam der Mikroorganismus nicht mehr zur Entwickelung.
Thierversuche. Ein Meerschweinchen und eine Maus erhielten
10 bezw. 1 ccm einer l 1 ^ tägigen anaeroben Bouilloncultur subcutan injicirt,
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446
W. SlLBEEBCHMIDT:
beide Thiere blieben am Leben. Mit dem frischen Material wurden keine
Versuche angestellt. Ergebniss der bakteriologischen Untersuchung: Misch-
infection von Streptokokken, Staphylokokken mit anderen Mikro¬
organismen, wovon ein anaerober Bacillus isolirt und weiter verfolgt
wurde.
Fall 6. Die 63 Jahre alte Weberin Tr. tritt am 12. August 1901 ins
Spital wegen eines kalten Abscesses am rechten Oberschenkel; dieser Abscess
wird am 16. VIII. incidirt und drainirt; am 6. September steht Pat. auf,
der Gummidrain wird entfernt und die Secretion hört fast völlig auf. Am
28. September, ohne nachweisbaren Anlass, steigt die Temperatur bis auf
39 «8°. Am 30. IX. ist die Schwellung am unteren Theil des Oberschenkels
wieder bedeutender; die bereits zugeheilten Wunden werden wieder geöffnet
und es entleert sich nur wenig Eiter. Das Fieber bleibt hoch, die Eiterung
wird stärker, Sehnen und Fascien stossen sich ab, die Abscesshöhle setzt sich
bis in die Inguinalgegend weiter. Trotz ausgiebiger Drainage schreitet die
Eiterung auch gegen den Unterschenkel weiter fort. Die Secretion wird immer
profuser, aus allen Drainöffnungen strömt Eiter heraus. Ablatio, welche
am 19. X. verweigert wurde, wird am 22. X., nachdem die Abscesse am
Unterschenkel gazös geworden sind, vorgenoramen. Das Fieber nimmt zeit¬
weise ab, die Secretion ist aber noch sehr stark, der Eiter stinkend. Am 27. X.
entsteht ein Gasabscess am linken Vorderarm und Tags darauf erfolgt unter
zunehmender Schwäche Exitus. Bei der Section wurde gefunden: zum Theil
septisch erweichter Thrombus der Vena fermoralis dextra, septisch
erweichter Milztumor. Alte Endocarditis.
Bakteriologische Untersuchung. Als Material diente am 22. X.
entnommener Eiter, gelblich, dick, sehr übelriechend.
Im directen mikroskopischen Präparat sind massenhaft Mikro¬
organismen vorhanden: Kokken, typische Streptokokken, in kürzeren
und auch in längeren gewundenen Ketten, dünne schlanke, nach Gram
nicht entfärbte, aber schwer färbbare Bacillen und einige wenige, ganz
vereinzelte dickere Bacillen.
Culturen. Agar aerob Colonieen von Streptokokken. In dem flüssig
geimpften Agar sind oberflächlich und in der Tiefe Streptokokken.
Gelatineplatte: Nach 3 Tagen, viele kleine Colonieen von Strepto-,
einige Staphylokokken.
Die Bouilloncultur zeigt nach 2 Tagen einen unangenehmen Ge¬
ruch und starken Bodensatz.
In der anaörob angelegten Bouilloncultur ward am 5. Tag starker
unangenehmer Geruch wahrnehmbar, im mikroskopischen Präparat sind Mikro¬
organismen, welche ursprünglich als unregelmässige, punktförmiggefärbte
Stäbchen, bei weiterer Untersuchung aber als kurze Streptokokken er¬
kannt wurden.
In einer zweiten anaerob angelegten Bouillon waren nach 8 Tagen an
den Wandungen des Gefässes kleine, runde, kaum sichtbare weissliche
Colonieen; mikroskopisch dieselben kurzen Streptokokken, welche zuerst von
verschiedenen Untersuchern nicht als solche erkannt wurden, wegen der
kleinen Dimensionen und wegen der schlechten Färbbarkeit. Auch in einer
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Gangrexe foudroyante.
447
dritten anaeroben Pipette war der Befund derselbe. Auffallend war der
eigenartige, unangenehme Geruch dieser anaeroben Bouillonculturen. Andere
Mikroorganismen konnten in den Culturen keine nachgewiesen werden.
Eigenschaften des isolirten anaeroben Streptococcus. Im
mikroskopischen Präparat sind die Kokken klein, meist schwer zu färben,
in gewissen Culturen, so z. B. in einer anaeroben Agar-Oberflächencultur
sind die Ketten ganz typisch färbbar, in kurzen gebogenen Ketten, hier
und da, allerdings nicht regelmässig waren die Kokken scheinbar eingehüllt
in einer Kapsel. Die Färbung war ziemlich schwierig; die Kokken Hessen
sich in der Regel nach Gram nicht entfärben.
Culturen. Aehnlich den Strepto- bezw. Diplokokken-Culturen, aber
streng anaerobesWacbsthum mässiger in Bouillon als in Zucker-Bouillon.
Nach 2 Tagen Bodensatz und feiner Belag längs der Wandungen. Die
Culturen haben einen deutlichen, unangenehmen Geruch.
Agarstricb (anaörob). Kleine und scharf begrenzte, punkt- bis steck¬
nadelkopfgrosse, durchsichtige Colonieen; üppiges Wachsthum im Condens-
w’asser.
Agarstich. Wachsthum in der Tiefe; am Rand wellige Begrenzung,
keine isolirten Colonieen.
Milch, keine Gerinnung beobachtet.
. Gelatine, kein Wachsthum.
Thierversuche. Zwei Meerschweinchen und mehrere Mäuse
wurden mit verschiedenen Mengen 2tägiger und älterer BouilIon-Rein-
culturen des anaeroben Streptococcus injicirt, stets ohne Erfolg.
Das Resultat der hier mitgetheilten bakteriologischen Untersuchung
ist gewiss interessant. Wir begegnen neben den gewöhnlichen Strepto-
und einigen Staphylokokken einem Mikroorganismus, der beim ersten
Anblick wie ein gebogenes schlecht gefärbtes Stäbchen, bei näherer Unter¬
suchung aber als Streptococcus erkannt wird. Es ist dies ein streng
anaProber Streptococcus; eine weitere Eigenthümlichkeit bestand darin,
dass die anaöroben Bouillonculturen einen ganz ausgesprochenen, un¬
angenehmen Geruch zeigten.
Dass der anaProbe Streptococcus in ziemlich grosser Zahl im ur¬
sprünglichen Eiter enthalten war, ist auf Grund der directen mikroskopischen
Untersuchung wahrscheinlich; es gelang, denselben in drei mit dem ur¬
sprünglichen Eiter angelegten Culturen nachzuweisen. Dass dieser Mikro¬
organismus die Gasbildung hervorgerufen hat, ist nicht ausgeschlossen,
kann aber nicht mit Bestimmtheit angenommen werden. Es sei mir ge¬
stattet, auf einen anderen eigenartigen Streptokokkenbefund auf¬
merksam zu machen. Bei einer älteren Patientin mit acut aufgetretener
seniler Gangrän wurden bei der Section typische Streptokokken in
grosser Menge direct mikroskopisch nachgewiesen. Auf Glycerinagar wurde
nur in denjenigen Röhrchen (in dem ödematösen Arm uud in sämmt-
lichen Organen: Herzblut, Milz, Leber) Wachsthum beobachtet, welche
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448
\Y. Sllbekscumidt :
mit Blut oder mit bluthaltigem Material beschickt worden waren. Ich
dachte zuerst an eine Varietät des Streptococcus, da auch die zweite Ueber-
impf'ung nur auf Blutagar wuchs, allein nach einigen weiteren Ueber-
tragungen kam der Streptococcus auch auf gewöhnlichem Agar und in
Gelatine zur Entwickelung. Eine derartige Beobachtung ist gewiss nicht
ohne Interesse und beweist von Neuem, wie werthvoll die directe Unter¬
suchung und die Anlegung von mehreren Cultureu unter Umständen sein
x kann.
III. Fälle von Tetanus.
Dass der Nachweis von Tetanusbacillen in Fällen von typischem
Tetanus beim Menschen schwierig ist und häufig nicht gelingt, konnte
ich wiederholt beobachten. In einigen Fällen führte der Thierversuch an
weissen Mäusen zum Ziele; hier seien zwei im letzten Jahr untersuchte
Fälle angeführt, bei denen der Nachweis von Tetanusbacillen auch
im directen Ausstrichpräparat gelang.
Im ersten Falle handelte es sich um einen Tetanus, der sich etwa
14 Tage nach eiugetretener Frostgangräu beider Füsse ereignete. Der
Fall verlief trotz Anwendung der Serumtherapie, lethal. In dem Gewebe¬
saft des einen gangränösen Theiles des Fusses liessen sich überall
sehr viele typische Trommelschlägerformen nachweisen. Bis
dahin hatte ich noch nie so viele Tetanusbacilleu im directen
Ausstrichpräparat gesehen. Dass es sich thatsächlich um solche ge¬
handelt hat, beweist der Umstand, dass ganz geringe Mengen des Gewebe¬
saftes genügten, um den Tetanus bei Mäusen zu erzeugen und dass d.e
Injection von directen auaeroben Agarculturen ebenfalls zu Tetanus führte,
ln diesem Fall hat trotz der grossen Zahl von Tetanusbacillen die Incubation
lang augedauert; das lässt sich vielleicht durch die in Folge der Gangrän
aufgetretenen ungünstigen CirculationsVerhältnisse und durch die niedrige
Temperatur im erfrorenen Fass erklären. Die Vermuthung, dass auch
in den Culturen sehr viele Tetanusbacilleu zur Entwickelung gelangen
würden, hat sich nicht bestätigt; es kamen ln den heiss geimpften Agar¬
röhrchen viele anaörobe Mikroorganismen zur Entwickelung, allein es
stellte sich heraus, dass es ödemartige und andere Bacillen waren, hin¬
gegen sehr wenige erwiesen sich als Tetanusbacilleu. Durch die weitere
l'eberimpfung einiger Colonieen auf Agar gelang die Isolirung verschiedener
gasbildender anaerober, für Mäuse nicht virulenten Mikroorganismen, näht
aber des Tetanusbacillus.
Warum ist es in diesem Fall zum Tetanus und nicht zur Gasgaugrän
gekommen? Yerneuil 1 hat drei Fälle von Gasphlegmone mit. Tetanus
1 Yerneuil, Sem . m *' d . 1S90. Xr. 48.
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Gangräne foudroyante.
449
mitgetheilt; bei dem einen wird nach der frühzeitigen Amputation die
Gangrän sistirt, der Tod erfolgte in allen Fällen an Tetanus. Busch¬
mann und Lindenthal 2 nehmen an, dass bei der relativ langen In-
cnbationszeit des Tetanus und der Perniciosität der Gasphlegmone die
Individuen zu Grunde gehen, ehe es zur Hanifestirung des Tetanus kommen
konnte. In unserem Falle müssen wir uns vielmehr fragen: Warum ist
die Gasphlegmone trotz Vorhandensein von anaeroben gasbildenden Mikro¬
organismen nicht zu Stande gekommen?
Ein zweiter, vor Kurzem beobachteter Fall von Tetanus ist auch
interessant: Einem 9jährigen Knaben wurden am 21. XI. 1901 zwei Finger
in einer Futterschneidmaschine abgeschnitten; am 25. XI. Spitalaufnahme,
der Arzt exarticulirt den einen Finger; der nicht entfernte verletzte Finger
ist etwas gangränös. Es wird eine sorgfältige Desinfection vorgenommen
nnd die Demarcation abgewartet; am 27. XI. treten die ersten Erschei¬
nungen von Tetanus auf. Es werden sofort 40 Tetanusserum intravenös,
am nächsten Tag weitere 20 ccm subcutan injicirt. Der Tod erfolgte in
der Nacht vom 28./29. XI., 7 Tage nach der Verletzung.
Bakteriologische Untersuchung. Im directen Ausstrichpräparat
aus der Tiefe des exarticulirten Fingers sind Kokken, Kurzstäbchen, einige
dicke Bacillen und vereinzelte Bacillen mit deutlichen Trommelschläger¬
formen vorhanden, die Sporen sind nicht alle gleich gross. Von zwei mit
einer Aufschwemmung injicirten Mäusen starb die eine nach 23, die
andere nach 25 Stunden. Die mit 2tägiger (anaßrober Agar- und aßrober
Bouilloncultur mit Zusatz von Schwefelnatrium) Cultur injicirten Mäuse
hatten ebenfalls nach 24 Stunden deutlichen Tetanus.
Auch in einer anderen 9 tägigen directen Agarcultur waren mikro¬
skopisch und experimentell Tetanusbacillen nachweisbar, währenddem eine
aus der anaßroben SNa 2 -Bouillon überimpfte Cultur keine Tetanusbacillen
enthielt. Die Reinzüchtung der Tetanusbacillen mittels Culturen gelang
in diesem Falle nicht wegen der Ueberwucherung der Culturen mit
anderen widerstandsfähigen Anaßroben, welche in künstlichen Nährböden
üppiger wuchsen, als der Tetanusbacillus. Die zwei isolirten Mikroorga¬
nismen, wovon der eine in Gelatine langsam verflüssigende'Colonieen bildete
und der andere nur bei Brüttemperatur gedieh, waren beide Gasbildner.
Die zwei angeführten Fälle liefern uns den Beweis, dass auch, wenn
Tetanusbacillen in ziemlich grosser Zahl vorhanden sind, die Isolirung
mittels Culturen erschwert werden kann durch die Anwesenheit
anderer widerstandsfähiger anaßrober Bakterien, welche auf künstlichen
1 Hitschmann nnd Lindenthal, Ueber die Gangrene foudroyante. Wien
189». S. 186.
Z«IUehr. f. Bjgiene. XLI.
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29
Original fram
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450
W. SlLBERSCHJILDT:
Nährböden üppiger gedeihen Für den Nachweis Ton Tetanusbacillen
ist zur Zeit wohl der Thierversuch das einzig richtige Mittel. Ferner
ist der erste Fall insofern von Interesse, als es sich um einen heutzutage
wohl seltenen Tetanus nach Frostgangrän handelt. Der Tetanus¬
bacillus kann sich auch in gangränösen, schlecht ernährten
Körpertheilen vermehren.
Methodik der AnaSrobenzflchtung.
Die bei den vorliegenden Untersuchungen geübte Methode war folgende:
1. Directe mikroskopische Untersuchung, wenn möglich aus
verschiedenen Stellen und auch aus der Tiefe.
2. Culturen in grösserer Anzahl in Gelatine, Agar, Bouillon mit
und ohne Zuckerzusatz, Bouillon mit Schwefelnatrium.
3. Culturen anaerob in Bouillon oder Zuckerbouillon (Vacuum oder
H.-Atmosphäre), Agar und Gelatine (flüssig geimpft). Die isolirten anaeroben
Bakterien wurden dann auf die verschiedenen Nährböden übergeimpft.
4. Culturen in Agar und in Gelatine auf 80 oder 100° erhitzt.
5. Thierversuche mit frischem Material an weissen Mäusen und
an Meerschweinchen, nur einige Male an Kaninchen.
6. Thierversuche mit directen Culturen und mit Reinculturen
einiger Mikroorganismen. Die Injectionen wurden in der Begel subcutan
oder intramusculär, intraperitoneal und manchmal intravenös gemacht.
Die Anzahl der zur Züchtung und Isolirung der Anaörohen angegebenen
Methoden ist bekanntlich eine sehr grosse. FiS wird wohl Niemand be¬
streiten, dass kein einziges Verfahren als ein ideales betrachtet werden kann
und es ist begreiflich, dass eine einheitliche Methode noch nicht existirt
Eine einfache Methode besteht wohl darin, dass das zu untersuchende
Material in flüssig gemachtem, auf 40° abgekühltem und dann zum Er¬
starren gebrachtem Agar geimpft wird; da eine Anzahl bekannter Anafrobier
ziemlich widerstandsfähig gegen höhere Temperaturen ist, wurde ferner
in den meisten Fällen der Agar heiss bei 100° oder etwa 80° geimpft,
so dass die meisten aerob wachsenden Bakterien abgetödtet waren. Die
Isolirung aus der Tiefe bietet, wenn wenig geimpft wurde oder wenn
genügend Verdünnungen angelegt werden, keine Schwierigkeit: man
fischt eine Colonie mit der Platinöse, oder' besser mit einer sterilen aus¬
gezogenen Pasteur’schen Pipette heraus und überimpft weiter.
Fast regelmässig habe ich auch gewöhnliche (aerobe) Bouillon mit
oder ohne Zusatz von Traubenzucker mit dem Material geimpft und in
Bestätigung des von anderen Autoren schon Mitgetheilten beobachtet, dass
auch streng anaerobe Bakterien, vermengt mit aeroben, bei Luftzutritt
üppig wachsen konnten.
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GangbEne foudboyante.
451
Neben den im Verlauf meiner Untersuchungen über Gasgangrän
gesammelten Beobachtungen, wonach in sämmtlichen Bouillonculturen,
neben aeroben auch streng anaerobe Mikroorganismen bei Luftzutritt
wuchsen, habe ich einige Versuche angestellt, um die Fähigkeit der
Anaeroben, in Reinculturen von aeroben Bakterien zu wachsen,
einer Prüfung zn unterziehen.
Hier seien folgende Resultate mitgetheilt:
Es wurde der Bacillus des malignen Oedems übergeimpft in Bouillon;
derselbe entwickelte sich bei Luftzutritt mit zwei verschiedenen Strepto¬
kokkenstämmen, B.coli, Typhus, Proteus, Cholera, Pyocyaneus,
Subtilis, Actin. Eppinger und mit einem säurefesten Butter¬
bacillus. Es stellte sich heraus, dass Wachsthum erfolgte bei gleich¬
zeitiger Impfung beider Bakterien und auch bei Ueberimpfung des Anaeroben
in frische oder in ältere Culturen des Aeroben. Es kam z. B. in der
Streptokokkenoultur zur typischen Gasbildung in Zuckerbouillon nachdem
der Bac. oedem. mal. übergeimpft worden war. Eine ältere (einen
Monat alte) Staphylokokkencultur erwies sich als ungeeignet. Einige weitere
Versuche wurden mit erhitzten Bouillonculturen von Proteus und
von Pyocyaneus vorgenommen mit theilweise positivem Resultate.
Ein Versuch mit, im Chamberland’schen Filter, filtrirter Heu*
bacillencultur verlief auch positiv; der geimpfte B. oed. mal. aus
dem ersten Fall war schon nach 24 Stunden nachweisbar, und am 2. Tage
war auch der Geruch typisch.
Ferner wurde die von Trenkmann 1 angegebene Methode des Zu¬
satzes von Schwefelnatrium zu Bouillon in einer grossen Anzahl von
Culturen häufig mit Erfolg geübt. In der Regel wurden 10 bis 20 Tropfen
einer 1 procent. sterilisirten Lösung pro Röhrchen verwendet. Es ist
wichtig, das richtige Präparat zu verwenden und die Lösung frisch
zu verbrauchen, da dieselbe nicht lange haltbar ist
Versuche mit Schwefelleber und mit Schwefel Wasserstoff lieferten
keine befriedigenden Resultate, das in letzter Zeit von Hammerl *
empfohlene Schwefelammonium habe ich nicht nachgeprüft.
Auf einen weiteren Umstand, den ich wiederholt beobachtet habe,
möchte ich noch aufmerksam machen: In verschiedenen, mit einem
Stückchen des excidirten Gewebes geimpften, erhitzten Bouillonculturen
konnte ich anaerobe Mikroorganismen züchten. Es genügt ein kleines
Fleischstückchen am Boden des Röhrchens, um das aerobe
Wachsthum des Anaeroben zu ermöglichen.
1 CentraJJblatt für Bakteriologie . Bd. XXIII. S. 1042.
* Ebenda. Bd. XXX. S. 658.
29 ♦
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Original frum
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452 W. Silberschmedt:
Aus dem Gesagten geht hervor, dass bei Misohinfectionen von anaeroben
mit aeroben Mikroorganismen die Culturen in Bouillon oder in Zucker¬
bouillon nicht nur die aeroben, sondern auch die anaeroben Mikroorga¬
nismen in lebensfähigem Zustande und häufig in ziemlich grosser MeDge
enthalten und dass es u. A. auch gelingt, wenn ein Stückchen Gewebe
übergeimpft wurde, eine aerobe Reincultur eines Anaeroben zu erhalten.
Ob die Virulenz bei aerober Züchtung geschwächt wird, kann
ich auf Grund meiner Untersuchungen nicht sagen; hingegen hatLebrand 1
gefunden, dass der Tetanusbacillus bei gleichzeitiger Ueberimpfung
und aerober Züchtung mit B. subtilis mindestens ebenso viel Toiin
bildet, als in anaerober Reincultur. In einer 2 tägigen aeroben SXa,-
Bouillon waren in dem einen Tetanusfall virulente Tetanusbacillen ent¬
halten; es schien mir aber, dass die Culturen in SNa,-Bouillon in der
Regel nicht so virulent waren, wie anaörobe.
Die isolirten Mikroorganismen wurden in Bouillon, Agar, Gelatine
und Milch, manchmal auch auf Serum und auf Kartoffel anaerob ge¬
züchtet Die geimpfte Bouillon wurde meist, in Pipetten aufgesogen und
im Vacuum nach Aspiration der Luft aufbewahrt. Dies Verfahren ist
ein rasches und sehr bequemes: die Herstellung der oben etwas ein-
gezogenen Pipetten bietet keine Schwierigkeit und der Verschluss ist ein
ganz sicherer. Der einzige Nachtheil besteht darin, dass nur geringe
Mengen Cultur in einer Pipette enthalten sind, und dass nach dem Oeffnen
ein weiteres Wachsthum nicht erfolgt. Für grössere Mengen wurden mit
Gummistöpseln gut verschlossene dickwandige Reagensröhrchen verwendet;
für die Oberflächenculturen nach Büchner in einem weiteren Gefäss
Pyrogallussäure und Natronlauge gemischt und das oder die geimpften
Röhrchen bei gleichzeitiger Anwendung von Luftpumpe und Wasserstoff¬
apparat weiter verfolgt.
Auf einen Punkt sei noch aufmerksam gemacht, welcher erst in
neuerer Zeit Berücksichtigung gefunden hat, auf die Isolirung der
Anaeroben. Ein jeder Forscher, der sich eingehender mit Anaeroben
befasst hat, weiss, dass in vielen Fällen nicht eine, sondern ver¬
schiedene Anaörobenarten neben einander Vorkommen; dies konnte
ich namentlich bei der Untersuchung von Material aus Tetanusfällen be¬
obachten. Dieser Umstand erschwert die Isolirung und namentlich die
Deutung des Versuchs um ein Bedeutendes. In Bezug auf Wachsthnm
auf künstlichen Nährböden ist das Verhalten der einzelnen Mikroorganismen
verschieden und es kann Vorkommen, wie z. B. in den zwei Tetanusfällen,
dass eine Reihe von verschiedenen ai'roben und anaöroben Bakterien wachsen,
1 Annalen de VInstitvt Fasteur * 1900. p. 757.
Gck igle
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GangeEne foudeoyante.
45 a
dass aber der eigentliche Krankheitserreger nur spärlich oder gar nicht zur
Entwickelung gelangt. Wenn der Krankheitserreger, der Tetanusbacillus,
eine grosse Pathogenität für Thiere besitzt, so gelingt der Nachweis durch
den Thierversuch sehr leicht, wenn aber, wie in einigen unserer Fälle, die
Thierpathogenität des frischen Materials schon gering ist, so ist es unmöglich,
die Bedeutung des einzelnen isolirten Mikroorganismus zu bestimmen.
Von Hibler 1 macht den Vorschlag, zur Isolirung der pathogenen
Anaeroben den Thierrersuch heranzuziehen und die im Thierkörper zur
Entwickelung gekommenen Bakterien weiter zu verfolgen. Diese Methode,
welche gewiss in einigen Fällen zu einem Resultate führen wird, kann
aber nicht als eine allgemein anwendbare betrachtet werden.
Nach dem Gesagten sei hervorgehoben, dass weder die culturelle,
noch die experimentelle Methode in allen Fällen ausreicht; es sind viel¬
mehr in jedem Falle verschiedene Methoden neben einander anzuweuden.
Auf Grund eigener Erfahrungen möchte ich der directen mikroskopi¬
schen Untersuchung des verdächtigen Materials einen besonderen
Platz einräumen. Wie oft wird Eiter oder Secret nur auf Agar ge¬
impft und nachher auf Grund der Untersuchung der Cultur eine Rein-
infection mit C!oli oder mit Streptokokken angenommen, währenddem
die directe Untersuchung die Anwesenheit massenhaft anderer Bakterien
ergeben hätte. Auf diesen Umstand haben u. A. Veillon und Zuber*
in ihrer schönen Arbeit aufmerksam gemacht. Die directe mikroskopische
Untersuchung muss aber richtig ausgeführt werden, ein Präparat nach
Gram und ein zweites mit Methylenblau gefärbt, führt in der Regel zum
Ziele. Bei Gasphlegmouen genügt es aber nicht, die Untersuchung des
Secrets vorzunehmen, wie ich in einem Falle (2) zu beobachten Gelegen¬
heit hatte. Währenddem in den Präparaten von Wundsecret und von
der Oberfläche nur Kokken nachweisbar waren, gelang es ohne Schwierig¬
keit, in der Tiefe, namentlich im veränderten Muskel, zahlreiche dicke
Bacillen nachzuweisen. Es ist anzurathen Material aus verschiedenen
Stellen zu entnehmen. Auch in den zwei Fällen von Tetanus war die
directe Untersuchung werthvoll: es konnten namentlich in dem einen
Falle zahlreiche typische Tetanusbacillen direct nachgewiesen werden,
währenddem in den Culturen fast nur andere anaörob wachsende Mikro¬
organismen zur Entwickelung kamen. Allerdings giebt die directe mikro¬
skopische Untersuchung allein auch nicht genügenden Aufschluss; der
Pleomorphismus gewisser Anaöroben und die Aehnlichkeit ver¬
schiedener Mikroorganismen im mikroskopischen Bilde gestattet häutig
nicht, mit Bestimmtheit die Anzahl der Arten anzugeben.
1 A. a. 0.
* Arch. de mid. exp. 1898. Nr. 4.
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W. Silbekschmidt:
Die Annahme, dass z. B. bei Bauschbrand und bei anderen durch
Anaerobe bedingten Krankheitsprocessen nur ein anaerober Mikroorganismus
zugegen sei, hat manche Autoren irre geführt, so dass wiederholt Misch-
culturen als Reinculturen angesehen wurden.
Die Ansichten der verschiedenen Autoren, welche sich in den letzten
Jahren mit der Aetlologie der Gangräne foudroyante befasst haben,
gehen noch ziemlich weit aus einander. Welch 1 2 hat 46, im Laufe der
letzten 7 Jahre veröffentlichte Fälle sammeln können, in welchen der
B. aörogenes oapsulatus (B. phlegmones emphysematosae) nach¬
gewiesen werden konnte, davon wurden 32 von amerikanischen und nur
14 von anderen Autoren (darunter 4 von E. Fraenkel, 5 von Hitsch-
mann u. Lindenthal und 3 von Muscatello) beschrieben. E. Fraenkel*
betrachtet die durch den B. phlegm. emphys. erzeugte Erkrankung als
eine Krankheit kat exochen, unter zwanzig in der Litteratur gesammelten
Fällen wird in der überwiegenden Mehrzahl dieser Mikroorganismus als
der Krankheitserreger bezeichnet. Die durch den Bacillus des malignen
Oedems bedingte Erkrankung ist nach Ansicht von F. eine ganz andere,
da beim Thierversuch ein sich langsam ausbreitendes teigiges Oedem auf-
tritt mit Aussickern der trüben Flüssigkeit, aber ohne Gasbildung, so
dass er an der Verschiedenheit beider Krankheitsbilder festhält
im Gegensatz zu Hitschmann u. Lindenthal 3 4 5 , weichein ihren Schluss¬
folgerungen die Gangräne foudroyante als einen Sammelbegriff von
klinisch und anatomisch einheitlichen, ätiologisch aber differenten Infectionen
betrachten und die Bacillen des malignen Oedems an erster Stelle und
dann den B. aärogenes capsulatus, Bact. coli communis und Proteus, als
Erreger der Gangräne foudroyante anführen. Grassberger u. Schatten¬
froh* sind der Ansicht, dass der von ihnen mit dem Namen „Granulo-
bacillus saccharobutyricus immobilis liquefaciens“ identisch
mit dem B. aärogenes capsulatus sei, und dass demselben nicht nur
bei der Gasgangrän, sondern auch • beim Rauschbrand eine ätiologische
Bedeutung zukomme. Die Autoren haben sich eingehend mit den Stoff-
wechselproducten der betr. Bakterienart befasst.
In seiner äusserst interessanten und ausführlichen Arbeit über die
durch den B. aerogenes capsulatus bedingten Erkrankungen bemerkt
Welch 6 , dass die Frage der Bedeutung des Bacillus des maligneu
1 Bull, of the Johns Hopkins Hospital. Sept. 1900. p. 188.
2 Münchener med. Wochenschrift. 1899. S. 1869 u. 1420.
3 A. a. 0. S. 165.
4 Münchener med. Wochenschrift. 1900. S. 1733. — Archiv für Ilypene.
Bd. XXXVII u. a.
5 A. a. 0. p. 191.
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GangbEne foudboyante.
455
Oedems beim Menschen noch genaue Nachforschungen erfordert, indem
die früheren Autoren nicht mit exacten Methoden gearbeitet haben und
es ihm und E. Fraenkel, welche wohl die grösste Anzahl von Fällen
von Gasgangrän, „Emphysematous gangrene“ beobachtet haben, nicht
gelungen ist, in einem einzigen Falle diesen Bacillus nachzuweisen.
In dem von Brabec 1 veröffentlichten Fall mit positivem Befund
handelt es sich um ein blutiges Oedem ohne Gasbildung, also nicht um
eine Gangräne foudroyarite und in den zwei von Haemig und Silber*
schmidt* beschriebenen Fällen sei kein genügender Beweis erbracht, um
die Diagnose B. oedematis maligni zu rechtfertigen. Dieser letzte Ein*
wand ist berechtigt; ich wollte weitere Untersuchungen und weitere Er¬
fahrungen sammeln, bevor ich die bakteriologischen Untersuchungen aus¬
führlich mittheilte. Nach der oben angeführten Beschreibung wird Welch
wohl zugeben, dass die in den zwei Fällen von Gangräne foudroyante (1 u. 2)
aus verschiedenen Stellen isolirtenMikroorganismen nichtdem B. aörogenes
capsulatus entsprechen. Die deutliche Beweglichkeit, die Sporenbildung,
die rasche Verflüssigung der Gelatine, die Peptonisirung der Milch, der
üble Geruch sämmtlicher Culturen sind wohl genügende Eigenschaften, um
den betreffenden Mikroorganismus als in die Gruppe des malignen Oedems
gehörend, zu bezeichnen. Vielleicht erscheint es gerechtfertigt, hier die
anderen von Welch angegebenen Differenzirungsmerkmale ebenfalls an¬
zuführen und zwar die Neigung, Fäden zu bilden, die leichtere Entfärb-
barkeit nach Gram und der negative Versuch der Gasbildung, wenn
Kaninchen kurz vor dem Tode inficirt werden. Diesen Versuch habe ich
ebenfalls ausgeführt: ein Kaninchen und ein Meerschweinchen erhielten
intravenös bezw. intraperitoneal grössere Mengen einer Cultur injicirt,
wurden nach einigen Minuten getödtet und bei (ziemlich hoher) Zimmer¬
temperatur, etwa 24 Stunden lang aufbewahrt. Bei der Section war keine
Gasbildung, weder subcutan, noch in den Organen nachzuweisen. Die
Entfärbbarkeit nach Gram ist eine Eigenschaft, welcher nach meinen
Versuchen differentialdiagnostisch keine grosse Bedeutung zu¬
kommt. In Culturen konnte ich bei vergleichenden Untersuchungen der
zwei isolirten Mikroorganismen mit der Stammcultur des Instituts fest¬
stellen, dass alle 3 Bacillen bei kurz dauernder Entfärbung die Farbe
beibehalten, bei starker Entfärbung leichter entfärbt werden, als z. B. der
Milzbrandbacillus. Die Fadenbildüng habe ich auch beobachtet, nament¬
lich ist die verschiedene Länge der Einzelglieder von Wichtigkeit.
Es ist angezeigt, die Differentialdiagnose mit dem „Rauscli-
1 Wiener klin. Rundschau. 1000. S. 145 u. 167.
* A.a.0.
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W. Silberschmidt :
brandbacillus“ zu besprechen, da die Fälle von Gangräne gazeuse häufig
noch als „Rauschebrand“ bezeichnet werden. Die von den einzelnen Autoren
angegebenen Unterscheidungsmerkmale sind nicht ganz übereinstimmend.
Kruse 1 giebt als Hauptunterscheidungsmerkmal die Lagerung, die Breite,
die Form der Sporen an, beim Bacillus oedematis maligni sollen die
Sporen meist in der Mitte der isolirten Stäbchen sein, ohne wesentliche
Auftreibung der letzteren; die nach Fraenkel und Pfeiffer repro-
ducirte Fig. 66 zeigt aber auch einen etwas verdickten sporentragenden
Bacillus. Die Sporen des Riuschbrandbacillus sind kurz, elliptisch, mittel¬
oder endständig und übertrifft ihre Dicke, besonders im letzteren Falle,
die des Stäbchens. Lehmann und Neumann 1 * geben als Unterscheidungs¬
merkmal für den Bac. oedem. maligni an, die langen gegliederten
Fäden im Oedem, den constanten Befund in der Galle, die Nichtfarb¬
barkeit nach Gram und die Pathogenität für Kaninchen, währenddem
beim „Rauschbrandbacillus“ keine langen Fäden im Oedem, und
meist eine geringe Pathogenität für Kaninchen und Mäuse vorhanden ist.
v. Hibler 8 hat bei Verwendung von Hirnnährböden eine Schwärzung
beim Bac. oedem. malign., nicht aber beim „Rauschbrandbacillus“ beobachtet.
Auch Hitschmann und Lindenthal 4 5 vertreten die Ansicht, dass
Kaninchen sehr empfänglich für das „maligne Oedem“, aber ganz refractär
gegen „Rauschbrand“ sind. Bei Meerschweinchen soll nach Kitasato 8
das maligne Oedem nach subcutaner Injection ein ausgebreitetes Oedem
mit vereinzelten oder fehlenden Gasblasen, der Rauschbrandbacillus
hingegen eine Anhäufung von Gas im Unterhautzellgewebe bedingen.
Im Verlaufe ihrer Studien über Anaerobe haben A. Schattenfroh
und R. Grassberger der Fähigkeit der Mikroorganismen, Buttersäure
zu bilden, eine grosse diagnostische Bedeutung zugeschrieben. Die Prüfung
der Stoffwechselproducte ist von Wichtigkeit; allein es ist heutzutage nicht
mehr möglich, nach den chemischen Leistungen Bakterien zu unterscheiden
oder zu identificiren. Auf die Aehnlichkeit zwischen den bei Ranschbrand
und bei Gasphlegmone gefundenen Mikroorganismen haben Sch. und G.
wiederholt aufmerksam gemacht In ihrer letzten Veröffentlichung 6 kommen
die Verfasser zu dem Schluss, dass dem Erreger des „Rauschbrandes“
ein doppelter Formen- bezw. Entwickelungskreis zukomme; es wird neben
dem unbeweglichen, sporenfreien, für Thiere unschädlichen Bacillus eine
1 Flügge, Mikroorganismen. 1896. II. S. 234.
1 A. a. O. 2. Aufl. S. 289.
8 Centralblatt für Bakteriologie . 1899. Bd. XXV.
4 Ueber die Gangrene foudroyante . Wien 1899. S. 129.
5 Diese Zeitschrift . Bd. VI.
6 Münchener med. Wochenschrift . 1901. Nr. 33. S. 1812.
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GangrEne foudroyante.
457
zweite, bewegliche, sporentragende, in Agar anders wachsende pathogene
Clostridiumart anerkannt.
Die hier angeführten Merkmale beweisen, was auch Leclainche et
Valide 1 * * angeben, dass sehr nahe Beziehungen zwischen beiden Mikro¬
organismen bestehen. Nach diesen letzterwähnten Autoren ist aber eine
Unterscheidung durch die längeren Formen in der Oedemflüssigkeit und
durch die streng specifische Serumreaction möglich. Trotz der fast regel¬
mässig beobachteten Anschwellung der sporenhaltigen Bacillen, der schweren
Entfärbbarkeit nach Gram und der geringen Pathogenität für Kaninchen
und Mäuse betrachte ich die in beiden Fällen (1 u. 2) isolirten Mikro¬
organismen als Vertreter der Gruppe des Bac. des malignen Oedems.
Bei dem grossen Pleomorphismus der fraglichen Bakterienarten und bei
der Schwierigkeit, dieselben zu isoliren, erscheint es angezeigt, noch weitere
Untersuchungen abzuwarten, um ein bestimmtes Urtheil zu fallen. Auf
Grund meiner Erfahrungen neige ich zur Ansicht, dass verschiedene Mikro¬
organismen im Stande sind, ein ähnliches Krankheitsbild hervorzurufen.
Ganz besonders sei betont, dass nach unseren Untersuchungen der
Pathogenität für Thiere für die Diagnose keine grosse Be¬
deutung zukommt. Es ist dies von verschiedenen Autoren hervor¬
gehoben worden; trotzdem wird aber dieses Moment noch immer differential-
diagnostisch zu verwerthen versucht.
In seiner grundlegenden Arbeit giebt R. Koch * in Bezug auf Virulenz
der Oedembacillen bei Meerschweinchen an, dass, wenn die Impfung
sicher sein soll, das Corium völlig durchtrennt werden muss; dann wirken
auch sehr kleine Impfmengen tödtlich. In der Veröffentlichung von
Gaffky® vernehmen wir, dass die höchste Virulenz bereits in der ersten
Generation erreicht wird. Bekanntlich haben verschiedene Forscher, so
z. B. Berson 4 unter den prädisponirenden Momenten die Mischinfection,
die chemische oder die mechanische Läsion, namentlich aber das Bestehen
einer „offenen“ Fractur, angeschuldigt und deren Bedeutung experimentell
nachgewiesen. Es ist mir wiederholt gelungen, nach subcutaner Injection
von Erde, Staub aus einer Rosshaarspinnerei oder von Culturen aus Erde
und aus Staub bei den Laboratoriumsthieren, eine acut tödtlich verlaufende
Erkrankung mit typischem Befund von Oedembacillen zu beobachten: mit
dem direct vom Menschen stammenden Material, welches eigentlich noch
schädlicher wirken sollte, fielen viele Thierversuche negativ aus, ein neuer
1 Annales de VInstitut Pasteur. 1900. p. 596.
1 Mittheilungen aus dem Kaiserl. Gesundheitsamte . Bd. I. S. 54.
% Ebenda. Bd. I. S. 112.
4 Annales de VInstitut Pasteur. 1895.
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W. Silberschmidt:
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Beweis dafür, dass die Passage durch den menschlichen Organis¬
mus die Thierpathogenität des Bac. oedem. maligni nicht noth-
wendiger Weise erhöht. Auf Grund der Pathogenität erscheint
es mir nun nicht mehr möglich, die einzelnen pathogenen
Anaeroben zu unterscheiden. Dabei möchte ich es aber nicht unter¬
lassen, hervorzuheben, dass es in Folge dessen sehr schwer fällt, den
oder die eigentlichen Krankheitserreger mit Bestimmtheit za
erkennen. Während in den Fällen 1 u. 2 bei der directen Untersuchung
und in sämmtlichen Culturen nur 2 Mikroorganismen zur Entwickelung
kamen, waren in einigen anderen Fällen mikroskopisch und culturell eine
grössere Anzahl verschiedener Arten zugegen. Es genügt nicht, wie dies
noch allzu häufig geschieht, diejenigen Mikroorganismen, deren Isolirung
und Reinzüchtung gelungen ist, als die Krankheitserreger hinzustellen;
andererseits ist der negative Ausfall des Thierversuchs mit einer Reincultur
nicht beweisend gegen die Specifität des betreffenden Mikroorganismus.
Diese Auseinandersetzungen scheinen mir von Bedeutung, um die
von verschiedenen Autoren gemachten Angaben kritisch zu beleuchten.
Es liegt wohl ausser Zweifel, dass der von Welch und von E. Fraenkel
wiederholt nachgewiesene Mikroorganismus als einer der Krankheitserreger
bezeichnet werden kann. Ob in sämmtlichen von den genannten Autoren
angeführten Fällen ein und derselbe Mikroorganismus gefunden wurde,
ist schwer zu sagen.
Der Bacillus des malignen Oedems ist nach den mitgetheilten
Fällen wohl auch als Erreger der Gasphlegmone zu betrachten. Dieser
Mikroorganismus ist gewiss im Stande, Gasbildung im menschlichen Orga¬
nismus zu erzeugen: dies beweisen unsere zwei ersten Fälle, namentlich
und zweifellos Fall 2. Wäre es bei der einen Patientin noch angängig,
das Bact. coli commune als bei der Gasbildung mitbetheiligt zu betrachten,
so ist dies im 2. Falle, in welchem neben dem Bacillus oedem maligni
nur Streptococcus pyogenes nachgewiesen werden konnte, nicht mehr
möglich.
Somit anerkenne ich mit Hitschmann und Lindenthal, dass
eine Anzahl von Mikroorganismen als Erreger der „Gangröne fou-
droyante“ aufzufassen sind. Nur die eine Frage, ob B. coli oder Proteus
vulgaris allein im Stande sind, das bekannte Krankheitsbild hervorzurufen,
möchte ich nicht in bejahendem Sinne beantworten. Auf Grund
meiner Erfahrungen bin ich geneigt, die typische Gasgangrän anae¬
roben Mikroorganismen zuzuschreiben. In den wenigen veröffent¬
lichten Fällen mit Coli- oder mit Proteusbefund hätte möglicher Weise
eine genauere Untersuchung zur Entdeckung von anaCroben Mikroorga¬
nismen geführt.
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Gangräne foudroyante.
459
In letzter Zeit ist im Anschluss an eine Veröffentlichung von Doerfler 1
die Therapie der Gangrän zum Gegenstand verschiedener Arbeiten
geworden. Allerdings wurde die Sache mehr vom praktischen Standpunkte
aus behandelt. Doerfler spricht sich in seiner ersten Mittheilung mit
Entschiedenheit gegen die Amputation in allen Fällen von Gangräne aus,
auch bei Gangräne foudroyante, malignem Oedem u. s. w., da bei Auftreten
der Gangrän das Blut schon vergiftet, inficirt ist; von Bergmann und
sein Assistent Heinrich Wolff*, betonen, dass in gewissen Fällen die
Amputation die einzig lehensrettende Operation darstellt, und diese Ansicht
wird u. A. auch von einem Assistenten von Angerer’s, Brauser, ge-
theilt. Die meisten Autoren, welche sich eingehend mit der Frage befasst
haben, betonen, dass es nicht möglich ist, eine allgemeine gültige Hegel
zu geben. Vielleicht ist die bakteriologische Untersuchung für die Be¬
antwortung des einzelnen Falles nicht ohne Bedeutung.
In den meisten wissenschaftlichen Werken und auch in den Lehr¬
büchern wird das maligne Oedem als eine hauptsächlich durch das er¬
zeugte Gift schädlich wirkende toxische Erkrankung bezeichnet. Es ist
durch die Arbeiten von Roux u. A. nachgewiesen, dass in Culturen des
Vibrion septique Toxin enthalten ist, und dass es gelingt, Thiere mit
bakterienfreien Filtraten zu tödten; mit den Stoffwechselproducten allein
ist aber das typische Bild der Gasgangrän wohl noch nicht hervorgerufen
worden. Eine scharfe Unterscheidung zwischen toxischer und infectiöser
bakterieller Erkrankung ist heutzutage nicht mehr möglich; wir wissen,
dass auch bei den sogenannten infectiösen Erkrankungen die Stoffwechsel-
producte der Bakterien die Hauptrolle spielen, wie bei den toxischen: bei
ersteren ist aber eine deutliche Vermehrung der Krankheitserreger im
inficirten Organismus nothwendig, bei letzteren nicht, oder nur in geringem
Grade. Dass zwischen diesen zwei Grundtypen alle Uebergänge existiren,
braucht nicht besonders betont zu werden. Bei der „Gangräne foudroyante“
kommt es in der That zu Erscheinungen (z. B. Delirien), welche einer
Intoxication zuzuschreiben sind, allein diese Vergiftuugssymptome können
bei Amputation der befallenen Extremität wieder völlig verschwinden, was
beim Tetanus bekanntlich nicht der Fall ist. Ferner ist zur Entstehung
der schweren allgemeinen Symptome schon ein grosser Krankheitsherd
erforderlich, wiederum im Gegensatz zum Tetanus.
Die Vermehrung des oder der Krankheitserreger ist bei der
Gasgangrän im ganzen befallenen Gebiete wahrzunehmen; wo Gas¬
bildung vorhanden ist, sind auch die betreffenden Mikroorganismen nach-
1 Münchener med. Wochenschrift. 1900. Nr. 17 u. 18.
* Ebenda. 1900. Nr. 48.
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weisbar. Die Ausbreitung findet in der Regel nicht auf dem Blut¬
wege statt, sondern per continuo; darin ist auch das günstige Moment für
den operativen Eingriff zu erblicken. Der primäre Krankheitsherd ist
häufig auch der Ausgangspunkt für eine Septicämie, wie z. B. in unserem
2. Fall, wo Streptokokken im Blute nachgewiesen worden sind. Durch
neuere Untersuchungen wissen wir, dass Mikoorganismen viel häufiger im
Blute Vorkommen, als dies früher angenommen wurde; Prohaska konnte
im Blute von 60 der Reihe nach, ohne Auswahl, untersuchten Pneumonie¬
kranken Pneumokokken nachweisen, obschon bei den wenigsten die Er¬
krankung tödtlich verlief. Dass ein gangränöser Krankheitsherd, wie in
unserem 2. Fall die Septicämie sehr ungünstig beeinflussen kann, und
dass namentlich unter solchen Umständen eine Amputation angezeigt er¬
scheint, braucht wohl nicht besonderer Beweise.-
Für das Auftreten der Gangrene foudroyante beim Menschen
sind viele prädisponirende Momente erforderlich. Bekanntlich kann
man die betreffenden Krankheitserreger als „ubiquitär“ bezeichnen; die¬
selben lassen sich namentlich im Boden und im Darminhalt nachweisen, so
dass eine jede mit Erde, Mist u. s. w. inficirte Wunde diese Mikroorganismen
enthält. Wie oft kommen derartige Infectionen vor und wie selten ist
die Gasgangrän! In den meisten Fällen ist eine complicirte Fractur
die eigentliche Ursache der Erkrankung; die schwere Ernährungsstörung
uud die mechanische Schädigung gestatten den Mikroorganismen, welche
unter günstigeren Verhältnissen von den Phagocyten zerstört worden
wären, die Weiterentwickelung. Selten sind diejenigen Fälle von Gas¬
gangrän, welche ohne Fractur entstehen, wie z. B. die zwei von Brieger
und Ehrlich 1 beschriebenen: die Erkrankung entstand bei zwei Typhus-
kranken nach einer Morphiuminjection mit einer inficierten Spritze. Es
ist nicht ausgeschlossen, dass, z. B. bei kaltem Abscess, bei schon be¬
stehender Infection die Gasgangrän als Secundärinfection auftritt; die
häufigsten Fälle, die im Anschluss an schwere Traumen vorkommenden,
speciell complicirte Fracturen, sind wohl als primäre Mischinfectionen
aufzufassen. In Folge der verminderten Widerstandsfähigkeit des Orga¬
nismus kommt es zu der localen Affection und wahrscheinlich nicht selten
zur AUgemeininfection auf dem Blutwege.
Die anaeroben Mikroorganismen, welche als die Erreger der Gas¬
gangrän betrachtet werden, entwickeln sich local und sind im Stande, in
das gesunde Gewebe immer weiter zu wandern. An dem primären Krank¬
heitsherd vermehren sich aber auch die aeroben Mikroorganismen, und
zwar ist es wahrscheinlich, dass die aeroben die Entwickelung der
1 Berliner klin. Wochenschrift. 1888.
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Gangräne foudroyante.
461
anaöroben Bakterien begünstigen; diese aeroben Krankheitserreger werden
aber auch auf dem Blntwege weiter verschleppt, wie dies für den Strepto¬
coccus in Fall 2 nachgewiesen werden konnte. Wenn Doerfle r 1 annimmt,
dass beim Auftreten der ersten Symptome von Gasgangrän eine Blutver¬
giftung schon vorhanden, und dass daher die Amputation der erkrankten
Extremität ohne Nutzen ist, so erscheint diese Schlussfolgerung nicht ge¬
nügend begründet: so lange der ursprüngliche Krankheitsherd besteht, so
lange kommt es daselbst zur Vermehrung der aeroben und der anaeroben
Bakterien; wird der primäre Herd entfernt, so wird gleichzeitig die Haupt¬
bildungsstätte für sämmtliche Mikroorganismen aufgehoben. Die im Blute
kreisenden Bakterien werden durch diesen Eingriff nicht direct vernichtet;
wohl aber ist der Organismus im Stande, den Kampf gegen dieselben mit
grösserer Aussicht auf Erfolg aufzunehmen. Es darf daran erinnert werden,
dass bei nekrotischen und bei ähnlichen Processen der Alexingehalt im
Blutserum abnimmt und wahrscheinlich auch die Widerstandsfähigkeit
gegen Infectionen. Damit soll allerdings nicht behauptet werden, dass
die sofortige Amputation in jedem Falle von Gasgangrän indicirt ist.
Es darf nochmals darauf aufmerksam gemacht werden, dass unter
gewöhnlichen Umständen, d. h. wenn keine schwere Verletzung oder
Schwächung des Organismus vorliegt, die Gefahr der Infection mit
den ubiquitären sehr widerstandsfähigen Erregern der Gas¬
gangrän eine sehr geringe ist. Eine kleine mit Mist, Gartenerde u. s. w.
inficirte Wunde ist tetanusverdächtig, obschon in der Regel mehr Oedem
als Tetanusbacillen an der Infectionsstelle anzutreffen sind. Der Bacillus
des malignen Oedems und die anderen Mikroorganismen dieser
Guppe sind nur unter gewissen Bedingungen für den Menschen
pathogen. Allerdings muss beigefügt werden, dass, wenn es einmal zur
Gasgangrän gekommen ist, der Verlauf ein sehr acuter und häufig, falls
nicht therapeutisch eingegriffen wird, ein tödtlicher ist.
Ich habe bei der Beschreibung der bakteriologischen Befunde die
Eigenschaften der verschiedenen isolirten anaeroben Mikroorganismen,
welche ich Monate oder Jahre lang weiter verfolgt habe, angegeben. Auf
Grund der weiter oben angeführten Ansicht erscheint mir eine Identifi-
cirung bezw. eine genaue differentialdiagnostische Studie mit von anderen
Autoren beschriebenen Bakterien überflüssig; wir wissen, dass einer
grossen Anzahl von anaeroben Mikroorganismen bei Infectionskrankheiten
des Menschen, eine ätiologische Bedeutung zukommt. Eine strenge Ein¬
teilung, wie die von Welch und von E. Fraenkel für den Bacillus
aörogenes capsulatus vorgenommene, ist kaum gerechtfertigt, da die An-
1 A. a. 0.
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nähme, dass das durch diesen Krankheitserreger hervorgerufene Krankheits¬
bild ein ganz eigenartiges sei, durch die Beobachtungen verschiedener
Autoren und auch durch die drei beschriebenen Fälle von Gasgangrän
widerlegt ist.
Von den übrigen verdient Fall 6 noch besondere Erwähnung: im
Verlauf eines kalten Abscesses des Oberschenkels, nebst tuberculösen
Fisteln am Kreuzbein, kommt es plötzlich, ohne äusseren Anlass zu Fieber,
secundärer Fasciengangrän, profuser Eiterung und Sepsis. Im Eiter
wurde neben Eiterkokken ein anaerober Streptococcus gefunden. In diesem
Falle, welcher in seinem Verlaufe dem typischen Bilde der Gangräne
foudroyante nicht entsprach, war Gasbildung aufgetreten, ohne dass es gelang,
Bacillen der Gruppe des malignen Oedems nachzuweisen. Ob diesem
Streptococcus und ob den in den anderen Fällen isolirten Anaeroben eine
ätiologische Bedeutung zukommt, bleibe dahingestellt.
Die Untersuchung derartiger Mischinfectionen ist eine schwierige und
zeitraubende.
Nachtrag.
Seit Abschluss vorliegender Untersuchungen sind mehrere Arbeiten
über dasselbe Thema erschienen. Stolz 1 kommt zum Schluss, dass die
Hauptrolle in der Aetiologie der Gasinfectionen dem Weleh-Fraenkel’schen
Gasbacillus zukomme und bezweifelt die Bedeutung des Bac. des
malignen Oedems. Ersteren Mikroorganismus hat St. allerdings nur in
einem von zwei untersuchten Fällen von Gasphlegmone nachweisen können;
im 2. Falle wurde ein anaörober Buttersäurebacillus isolirt. Bei
der Section einer an Sepsis mit Gasbildung nach Abort gestorbenen Frau
hat Uffenheimer 2 einen aeroben gasbildenden Bacillus isolirt (anaerobe
Culturen wurden keine angelegt)! Albrecht 3 hat innerhalb kurzer Zeit
an der Gussenbauer'sehen Klinik in Wien 7 Fälle von Infection mit
gasbildenden Bakterien beobachtet, von denen die meisten als Spital-
infectionen aufzufassen, im Anschluss an einen schweren operativen Ein¬
griff entstanden sind. Diese Beobachtungen sind von grossem Interesse
als Beweise für die Möglichkeit der Infection mit anaöroben Bakterien in
einer grossen Klinik trotz Anwendung der modernen Anti- bezw. Asepsis.
In vier Fällen fand Albrecht Mikroorganismen, welche mehr oder
weniger dem Welch-Fraenkel’schen Bacillus entsprachen und 2 Mal
1 Beiträge zur lclin. Chirurgie. Bd. XXXIII. S. 72.
* Zieglcr’s Beiträge zur pathol. Anatomie. Bd. XXXI. S. 383.
3 Archiv für klin. Chirurgie. 1902. Bd. LXVII. S. 514.
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Gangräne foudroyante.
463
Stäbchen, welche mit den fäalnisserregenden Buttersäurebacillen
von Schattenfroh und Grassberger identificirt wurden. Die Bezeich¬
nung „malignes Oedem“ möchte Albrecht streichen, da diese Diagnose
weder in klinischer, noch in bakteriologischer Hinsicht richtig ist. Er
nimmt an, dass es überhaupt keinen typischen, wohl charakte-
risirten Bacillus des malignen Oedems giebt. In einer ausführ¬
lichen Arbeit, die ich nicht eingehend besprechen will, da dieselbe in
dieser Zeitschrift veröffentlicht wurde, bespricht E. Fraenkel 1 neuerdings
Gasphlegmone, Schaumorgane und deren Erreger. Ich hoffe, in der
vorliegenden Veröffentlichung Fraenkel und Welch überzeugt zu haben,
dass der von mir in zwei Fällen von Gangröne foudroyante mit
typischem Krankheitsbilde isolirte Mikroorganismus von dem Gasbacillus
bezw. Bac. aörogenes capsulatus verschieden ist, und dass verschiedene
Mikroorganismen als die Erreger dieser Krankheit zugesprochen werden
müssen. Der Ansicht von Albrecht, dass der Bacillus des malignen
Oedems nicht mehr einen wohlcharakterisirten Mikroorganismus darstellt,
will ich gerne beistimmen; dasselbe gilt aber auch für den Welch-
Fraenkel’schen Bacillus; beide Bezeichnungen stellen Sammelnamen
dar. Ob der Name an aerober Buttersäurebacillus vorzuziehen ist,
bleibe dahingestellt; eine grosse Anzahl von Anaeroben sind Buttersäure¬
bildner, so dass wir es wiederum mit einem Sammelbegriff zu thun haben.
Auch die klinische Diagnose Gasphlegmone bezw. Gasbrand stellt
einen Sammelbegriff dar. Wir dürfen uns heutzutage nicht mehr damit
begnügen einen aus einem Gemenge isolirten Mikroorganismus als den
specifischen Krankheitserreger anzusprechen; wir müssen vielmehr berück¬
sichtigen, dass verschiedene Mikroorganismen ein ähnliches Krankheitsbild
erzeugen können, und dass die Mischinfectionen bei den hier besprochenen
Erkrankungen eine viel grössere Rolle spielen als dies bis jetzt angenommen
wurde.
Schlussfolgerungen.
Die Resultate unserer Untersuchungen lassen sich in Folgendem
resumiren:
1. Eine sichere Methode zur Züchtung und zur Isolirung
der pathogenen Anaöroben giebt es nicht. Bei Gangröne fou¬
droyante und bei ähnlichen Processen mit übelriechender
Secretion sind häufig verschiedene anaörobe Mikroorganismen
1 Diese Zeitschrift. Bd. XL. S. 73.
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464
W. Selbebschmtdt :
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vorhanden. Auf künstlichen Nährböden gelingt es nicht, pathogene von nicht
pathogenen Bakterien zu unterscheiden. In Fällen von Tetanus wachsen
aörobe und anaerobe Bakterien in den Culturen üppig, der eigentliche
Krankheitserreger hingegen nur spärlich oder gar nicht; auch bei anderen
Erkrankungen dürfen daher die durch Züchtung erhaltenen Mikroorga¬
nismen nicht ohne Weiteres als die Krankheitserreger bezeichnet werden.
Die directe mikroskopische Untersuchung, wenn möglich, aus
verschiedenen Stellen, auch aus der Tiefe des erkrankten Körperteiles
giebt häufig wichtige Anhaltspunkte.
2. Der Thier versuch führt namentlich in Fällen von Gasgangrän
nicht immer zum Ziele, da wir wiederholt beobachten konnten, dass vom
Menschen stammendes, sehr virulentes Material bei Yersuchsthieren nicht
die entsprechende Erkrankung zur Folge hatte. Namentlich ist auch
hervorzuheben, dass Reinculturen von Mikroorganismen, wie z. B. des
Bacillus des malignen Oedems, ihre Virulenz sehr leicht einbüssen können
und von angeblich empfänglichen Thieren beinahe reactionslos ertragen
werden. Eine Differenzirung verschiedener Mikroorganismen
auf Grund der Thierpathogenität hat daher nur einen rela¬
tiven Werth.
3. In zwei Fällen von „Gangräne foudroyante“ ist es pir
gelungen, neben B. coli bezw. Streptococcus einen Mikroorganismus zu
isoliren, welcher mikroskopisch und culturell der Gruppe des Bacillus
des malignen Oedems entspricht; in einem dritten Falle wurde ein
anaörober, sporenbildender, unbeweglicher Bacillus isolirt.
Auf Grund dieses Befundes halte ich mich berechtigt anzunehmen, dass
auch der Gruppe des Bacillus des malignen Oedems die Fähig¬
keit zukommt, das typische Bild der „Gangräne foudroyante“
mit Gasbildung beim Menschen zu erzeugen, ähnlich, wie dies von
Welch, E. Fraenkel u. A. für den Bacillus aerogenes capsulatus
nachgewiesen worden ist. In Uebereinstimmung mit Hitschmann und
Lindenthal bin ich der Ansicht, dass die Gangräne foudroyante
in bakteriologischer Hinsicht einen Sammelbegriff darstellt. In den
meisten Fällen, wenn nicht immer, handelt es sich dabei um eine Misch-
infection von verschiedenen aäroben und anaäroben Bakterien.
Ob aärobe Bakterien, wie Bakterium coli commune, Proteus vulgaris,
allein im Stande sind, in einem (durch Diabetes) prädisponirten Orga¬
nismus das betreffende Krankheitsbild hervorzurufen, erscheint
mir zweifelhaft. Diesbezügliche genauere bakteriologische Untersuchungen
sind für die Entscheidung der Frage erforderlich.
4. Die Prädisposition für das Auftreten der „Gangräne
foudroyante“ beim Menschen ist eine geringe; zur Entstehung
Gck igle
Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
GangbFnce foudeoyante.
465
sind besonders nngünstige Verhältnisse erforderlich, wie z. B.: eine com-
plicirte Fractur mit Infection in der Tiefe und schwerer Circulations-
störung, schwere Operation, vorherige Schwächung des Organismus durch
eine Infectionskrankheit u. s. w.
Daher ist die Gefahr der Infection mit dem Bacillus des malignen
Oedems, dem Bacillus aerogenes capsulatus und den anderen ubiquitären
anaeroben Bakterien dieser Gruppe für den gesunden Menschen eine
geringe; diese Mikroorganismen kommen häufig an mit Erde u. s. w. in-
ficirten Wunden vor, ohne schädlich zu wirken. Da aber eine ganze Anzahl
von ubiquitären, namentlich im Boden, Staub, Fäces vorkommenden Mikro¬
organismen im Stande sind, die Gasgangrän zu erzeugen, so kann eine
jede schwere Verletzung, namentlich eine complicirte Fractur Anlass geben
zu der betreffenden Erkrankung, und es ist erforderlich, diesen Umstand
zu würdigen.
5. Ein ganz anderes Verhalten weist der Tetanusbacillus auf,
welcher in ganz geringfügigen Eiterherden zu einer tödtlichen Erkrankung
führen kann; allerdings sind auch beim Tetanus prädisponirende Momente
erforderlich. Die zwei mitgetheilten Fälle von Tetanus liefern uns den
Beweis, dass der Tetanusbacillus in nach Verletzung oder nach
Erfrierung gangränös gewordenen Körpertheilen für seine Ent¬
wickelung günstigeBedingungenvorfindet. In prophylaktischer
Beziehung sind diese Fälle zu beherzigen.
6. Die „Gangröne foudroyante“ stellt im Gegensatz zum Tetanus
keine rein toxische, sondern eine mehr infectiöse Erkrankung dar.
Auch nach Befallensein einer ganzen Extremität kann es noch gelingen,
nach Entfernung des Krankheitsherdes den Patienten am Leben zu er¬
halten.
7. In den Fällen von Gangrän oder Phlegmone mit übel¬
riechendem Secret, mit oder ohne Gasbildung, handelt es sich meist
tun Mischinfectionen von anaeroben mit aeroben Bakterien.
Behufs Aufklärung dieser Fälle in ätiologischer Hinsicht sind genaue
Untersuchungen erforderlich, wobei auch das directe Ausstrichpräparat
und die anaeroben Culturen zu berücksichtigen sind.
Zeitsehr. f. Hygiene. XLI.
30
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
[Aus dem hygienischen Institut der Universität Zürich.]
Digitized by
lieber die Bedeutung der im Säuglingsstuhle
vorkommenden Mikroorganismen mit besonderer
Berücksichtigung der anaeroben Bakterien.
Von
Dr. A. Rodella,
Asaistentcn am Institute.
ii.
Vorliegende Arbeit ist die Fortsetzung der in Band XXXIX dieser
Zeitschrift erschienenen Abhandlung, betitelt: „Ueber an aerobe Bakterien
im normalen Säuglingsstuhle“. Damals war der Nachweis von AnaCroben
im Stuhle gesunder Säuglinge mein Hauptzweck, und ich habe in genannter
Arbeit zweier sowohl für die Physiologie als für die Pathologie sehr
wichtiger Fragen kaum Erwähnung gethan, nämlich der Wirkung der
Darmflora der Säuglinge auf Casein und Milchzucker.
Was wir darüber wissen, ist, wie auch Czerny und Keller in ihrer
jüngsten Publication sagen, „nicht viel mehr als Escherich in seiner
-ersten Arbeit über die Darmbakterien der Säuglinge ange¬
geben hat“.
Den Grund dieses stationären Zustandes in einem so wichtigen Capitel
müssen wir hauptsächlich in der Thatsache suchen, dass auch Autoren,
welche, wie z. B. Tissier, sich mit dieser Frage eingehend beschäftigt
haben, anstatt die Wirkung der gesammten Flora auf die Milchbestand-
theile zu studiren, nur einzelne Arten berücksichtigt haben, welche bis
jetzt isolirt wurden, die aber, wie auch aus Eberle’s Arbeit ersichtlich
ist, nur 4-5 bis 10’6 Procent von den Arten ausmachen, die mit unseren
Färbungsmethoden in den Fäces nachweisbar sind.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
A. Rodella : Bedeutung de» Mikboorganismen u. s. w. 467
Die chemischen Untersuchungen der Stoffwechselproducte der Darm¬
bakterien haben auf dieses Gebiet mehr Licht geworfen als die bakterio¬
logische Forschung. Wir wollen hier nicht die verdienstvollen Unter¬
suchungen Baumann’s, Brieger’s, Nencki’s, Salkowski’s, Blau-
berg’s u. A. eingehend erwähnen.
Es sei nur hervorgehoben, dass nach Ansicht vieler physiologischer
Chemiker der Verdauungsprocess auch bei Säuglingen als ein
beschränkter Fäulnissvorgang aufzufassen ist.
Das häufige Fehlen der Producte der Eiweissfäulniss in den Säuglings-
fäces lässt sich mit der leichten Resorbirbarkeit der gebildeten Verbin¬
dungen erklären. Man kann aber zur Zeit sagen, wie Blauberg richtig
bemerkt, dass zwischen der Darmfaulniss beim Säuglinge und der bei
Erwachsenen nur ein quantitativer Unterschied besteht, der durch die Art
der Nahrung, durch die Fähigkeit des Säuglingsorganismus, die betreffende
Nahrung besser auszunützen, durch die vorwiegend saure Reaction im
Darme und zum Theile auch durch die Verschiedenheit der Säuglingsflora
bedingt ist.
Da unsere Kenntnisse über die Beziehungen der letzteren zu den
physiologischen Vorgängen im Säuglingsdarme ungefähr den von Escherich
in seinem Werke mitgetheilten Befunden entsprechen, so halte ich es für
zweckmässig, Escherich’s Versuche kurz anzuführen, bevor ich zur Be¬
schreibung der meinigen übergehe.
Escherich hat vier sterilisirte Kolben mit je 200 ecm Fleischinfus
gefüllt und je 5 snn feuchtes (2 • 07 Trockensubstanz) Casein und je 5
Fibrin hinzugefügt. Die Kolben wurden dann mit einem Partikelchen
frischen Milchkothes inficirt und während 10 Stunden bei 88° gehalten.
Das Resultat war, dass sowohl das Casein wie das Fibrin unverändert
geblieben war.
Um sich gegen den Einwand zu sichern, dass die Milchkothbakterien
geronnenes Casein nicht angreifen, wohl aber die sich im Darme unter
dem Einflüsse der Verdauungssäfte bildenden Caseinpeptone verbrauchen,
wiederholte Escherich seine Versuche, indem er neben den Bakterien
auch eine Pankreatinlösung auf das Casein wirken liess. — Aus seinen
Versuchen glaubte er schliessen zu dürfen, dass unter günstigen Be¬
dingungen die Milchkothbakterien innerhalb 10 Stunden höchstens
21-3 Procent des vorhandenen Caseins in andere Verbindungen umzü-
wandeln im Stande wären. Da aber solche günstige Bedingungen im
Darme hauptsächlich in Folge von Sauerstoffmangel nicht Vorlagen,
so fügte Escherich weiter hinzu, würde „das .Casein von den Spalt¬
pilzen gar nicht verändert“.
30 *
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
468
A. Rodella:
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Tissier hat sich neuerdings vom bakteriologischen Standpunkte aus
mit dieser Frage beschäftigt und ist zum gleichen Schlüsse gekommen,
wie Escherich. Er bemerkte richtig, dass man die Fäces von Brust¬
kindern von denen der Flaschenkinder wohl zu unterscheiden hat, indem
bei ersteren die Verdauung in einer viel vollständigeren Weise vor sich
geht als bei letzteren; da er in keinem der von ihm beobachteten Fälle
peptonisirende Arten. (ausgenommen den selten in Flaschenkinderkoth auf¬
tretenden Staphylococcus albus) isoliren konnte, folgerte er, dass sowohl
in den Fäces von Brustkindern, wie auch in den von Flaschenkindern
„les microbes qui font fermenter la casßlne ne paraissent pas
exister“.
Da ich nun durch meine Studien über die Anaßroben des Säuglings¬
stuhles die Gewissheit erlangt habe, dass eine grosse Zahl der sich darin
vorfindenden Mikroorganismen gerade zu den Anaßroben gehört, deren
Existenz bisher verneint oder bezweifelt worden ist, wollte ich erfahren,
ob wirklich den Darmbakterien des Säuglingsstuhles jede peptonisirende
und proteolytische Eigenschaft abgeht, wie Escherich behauptet, und wie
die meisten Autoren angenommen haben.
An den Versuchen Escherioh’s ist auszusetzen:
1. Die Zusammensetzung des Nährbodens, welcher neben dem Casein
so viele andere Nährstoffe enthielt.
2. Die geringe Anzahl der geimpften Bakterien, welche der im Darm
enthaltenen Menge nicht entspricht.
3. Die kurze Dauer des Versuches.
Wenn die Zeit von 10 Stunden als Dauer der Bakterieneinwirkung
im Darmtractus des Säuglings als richtig anerkannt werden darf, so ist
nicht zu vergessen, dass in vitro die Verhältnisse ganz andere sind.
Ich habe daher vorgezogen, Milch als Nährboden zu verwenden, viel
grössere Mengen Darmbakterien zu überimpfen und die Culturen längere
Zeit (24 bis 48 Stunden) bei Brüttemperatur aufzubewahren.
Um diese Frage zu studiren, bediente ich mich folgender Methode:
Mit 6 bis 8 ccm sterilisirter Kuhmilch vermengte ich 1 / 8 bis 1 ccm Säuglings-
koth, den ich auf die schon früher angeführte Weise entnommen hatte.
Die so inficirten Milchproben wurden dann in grösseren Glasröhren, worin
mittels einer Pyrogallussäure-Kalilaugelösung und langer Aussaugung der
Luft eine möglichst strenge Anaßrobiose erreicht wurde, hineingethan,
und im Brütschrank 24 bis 48 Stunden auf 37° gehalten.
Die Resultate meiner Untersuchungen sind aus den nachfolgenden
Tabellen ersichtlich.
Gck igle
Original from
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Bedeutung der Mikroorganismen im Säuglingsstuhle. 469
a) Brustkinder.
Fall
Name
Alter
Farbe
Reaction
Consistenz
Milch-Peptonisirung
innerhalb innerhalb
24 Stunden 48 Stunden
1
Baumann
3 Tage
braun¬
schwarz
alkalisch
zieml. fest
völlig 1
2
Behrt
4
yy
goldgelb
sauer
flüssig
fast
vollständig
3
Weinhaupt
5
yy
gelb
schwach
sauer
weich
M
4
Peringer
6
yy
braungelb
alkalisch
fest
nicht
deutlich
deutlich
5
Kempter
6
yy
braun
*»
»9
deutlich
fast völlig
6
Strndcher
7
yy
dunkelgelb
schwach
sauer
flüssig
beginnend
ziemlich
deutlich
7
Weber
7
yy
gelb
sauer
99
deutlich
7* peptoni-
sirt
8
Enter
7
yy
eidotter-
gelb
schwach
sauer
99
unbedeu¬
tend
unbedeu¬
tend
9
Schelli *
7
yy
yy
yy
99
99
99
10
Neilkomm
14
yy
graugelb
sauer
weich
beginnend
nicht stark
11
Natolini
9
yy
goldgelb
yy
7» flüssig
unbedeutd.
unbedeutd.
11
yy
yy
yy
99
99
99
20
yy
yy
yy
ziemlich
deutlich
deutlich
12
Schlegel
14
yy
yy
«
weich
keine
keine
20
yy
yy
yy
99
deutlich
24
yy
yy
yy
99
ziemlich
deutlich
ziemlich
deutlich
13
Guiznetti
1
3 Monate
gelb
yy
fest
völlig
b) Kinder mit gemischter Nahrung.
1
Hocker
8 Tage
grau
leicht
alkalisch
weich
völlig
2
Müller
10
yy
goldgelb
sauer
flüssig
nicht i
deutlich
wenig
deutlich
3
Haries
10
yy
graugelb
neutral
fest
völlig
4
Schweiger
11
yy
gelb
sauer
yy
deutlich
i
5
Lang
12
yy
hellgelb
schwach
sauer
7 s fest
nicht sehr
deutlich
nicht sehr
deutlich
' Zum Theil Meconiuin.
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
470
A. Kodella:
o) Flaschenkinder.
Fall ■!
1
Name
Alter
!
Farbe j
i
i
Reaction
1
Consisteuz i
!
Milcbpeptonisirun g
innerhalb 1 innerhalb
24 Stunden 48 Stunden
l[
1 1
Grev
5 Tage
dunkel
sauer
weich
nicht stark ziemlich
deutlich
2
Greib
6
1t
dunkelgelb
tt
Vs weich
vollständig vollständig
3 !
Ketin
6
tt
gelb
alkalisch
fest
fast völlig völlig
4
i
Bnrkhardt
7
ff
weiss-
gelblich
neutral
)>
völlig
5 i
Wademann
7
ft
graugelb
alkalisch
tt
e i
Urst
8
ft
gelb
sauer
Vs flüssig
tt
i
: i
Brem
9
ff
graugelb
schwach
alkalisch
fest
8 i
Zenbauer
11
ft
gelbgrün
sauer
»
it
9 i
Hochmüller
13
ft
gelbweissl.
alkalisch
fest trocken
io!
Thebmer
17
ft
dunkelgelb
neutral
fest
1
ii
11 '
Hochraüller
21
ff
| gelb
j alkalisch
tt
i
12 ^
Nabalini
4 Monate
braun
j neutral
i
1
” i
Um den Vorgang der Peptonisirung zu beobachten, bediente ich mich
des makroskopischen Criteriums, wobei ich die Peptonisirung im weitesten
Sinne des Wortes auffasste, nämlich als die Umwandlung des Caseins
in andere Eiweissverbindungen. Die Biuretreaction nach der Fällung
aller in der Milch enthaltenen Eiweissarten mit Ausnahme der Peptone
durch festes Ammoniumsulfat erweist sich auch nicht als ganz zuverlässig,
da neben Peptonen theilweise auch Albumosen in Lösung bleiben. Es
handelte sich für uns um den Nachweis, dass einige unter den Darm¬
bakterien der Säuglinge proteolytische Eigenschaften haben und zwar
manchmal in sehr hervorragendem Maasse. Dadurch werden die von
Uffelmann, Wegscheider und Blauberg erhaltenen Resultate be¬
stätigt. Blauberg sagt, dass „Peptone in den Säugliugsfaces während
der ersten Lebenswoche nachzuweisen sind“, Uffelmann und Weg¬
scheider bestätigen dies auch für eine spätere Zeit.
Die Thatsache, die wir besonders hervorheben wollen, ist die, dass
ein bedeutender Unterschied in der peptonisirenden Eigenschaft
des Darminhalts von Brustkindern und desjenigen vonFlaschen-
kindern besteht. Bei letzteren war, wie aus der Tabelle hervorgeht,
mit Ausnahme von Fall 1, in dem kurzen Zeitraum die Peptonisiruug
eine fast vollständige, während selbst in den Fällen -von Brustkindern, in
denen die Peptonisirung eine verhältnissmässig bedeutende war, dieselbe
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Bedeutung deb Mikboobganismen im Säugungsstuhee. 471
höchst selten den Durchschnittswerth derjenigen bei Flaschenkindern er¬
reichte. Diese mit den allgemeinen Beobachtungen im Einklänge stehende
Thatsache hat bereits Tissier besonders hervorgehoben; er sagt: „en
gen&ral les fermentations sont plus actives chez l’enfant au biberon que
chez l’enfant au sein.“
Ich kann auf Grund meiner Untersuchungen nicht mit Bestimmtheit
die Frage entscheiden, in welchem Grade sich Anaeroben bei dem Processe
der Peptonisirung betheiligen; ich habe nur 6 Fälle daraufhin untersucht
und nur in vier derselben gelang mir die Isolirung anaerober Arten, mit
denen ich noch eine Nachprüfung auf ihre Peptonisirungsfahigkeit vor¬
nahm. Neben diesen Anaeroben fanden sich stets auch Aerobe, und es
ist nicht unwahrscheinlich, dass sich darunter auch peptonisirende Arten
befunden haben. Es ist jedoch leicht möglich, dass die Milch für die Darm¬
flora der Säuglinge einen weit günstigeren Nährboden bildet als die bisher
gebrauchten, und dass deshalb mehr Arten in Milch zum Wachsthum
kommen als auf festen Nährböden. Jedenfalls ist aber durch unsere
Untersuchungen festgestellt, dass sich im Säuglingsdarme
peptonisirende Arten vorfinden, dass ihre Zahl bei künstlich er¬
nährten Kindern viel grösser ist und dass die Anabrobiose die
Peptonisirung des Caseins nicht hindert.
Eine Reihe anderer Untersuchungen nahm ich vor, um festzustellen,
ob Bact. lactis aerogenes der specifische Gährungserreger im
Säuglingsdarm sei, wie Escherich behauptet. Diese Untersuchungen er¬
schienen uns auch deshalb von Wert, da verschiedene Autoren behaupten,
dass die Gährung des Milchzuckers hemmend auf die Fäulniss der Milch wirke.
Escherich giebt noch an, dass diese Gährung durch das oben genannte
Bacterium in den oberen Partieen des Dünndarmes statthabe, und diese
Annahme wurde fast allgemein für die richtige gehalten. Wie ich schon
in meiner ersten Arbeit mitgetheilt habe, schien mir dies mindestens
zweifelhaft, da sehr viele Darmbakterien gasbildend sind und nicht ein-
zusehen ist, warum Bacterium lactis aerogenes bezw. coli der einzige
Gährungserreger sein solle. Um dies zu entscheiden, stellte ich folgenden
Versuch an. 5 ccm Bouillon wurden mit Va ccm Fäces iuficirt, und nach
dem Vermengen 8 Minuten auf 80° erwärmt. Um mich von der er¬
folgten Abtödtung von Bacterium coli und Bacterium lactis aerogenes zu
überzeugen, wurde eine Controlcultur auf Bouillon angelegt. Nachdem
noch 5 ccm einer 10 procent. Milchzuckerlösung zugegeben worden wareD,
wurde die Flüssigkeit in 2 Reagensgläser in gleichen Theilen vertheilt
und dieselben in einer weiteren Röhre, die mit Kautschukpropfen und
Hahnrohr verschlossen war, in den Brütschrank gestellt. In dem einen
Falle war die Röhre vorher noch evacuiert worden. Nach Verlauf von
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Gck igle
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472
A. Rodella:
24 Stunden wurden die Hahnröhren mit einem mit Barytwasser gefüllten
Gefässe verbunden und der Hahn — nachdem der Apparat vorher mit
einer in Thätigkeit befindlichen Säugpumpe verbunden war — geöffnet
Eine in beiden Fällen auftretende Trübung des Barytwassers zeigte die
stattgefundene Gährung des Milchzuckers. Es ist somit erwiesen, dass
auch andere Darmbakterien und nicht nur Bacterium lactis aerogenes
und Bacterium coli eine Gährungsthätigkeit entwickeln.
Ich gebe im Folgenden die Beschreibung eines derartigen den Milch¬
zucker vergährenden Mikroorganismus, cs ist ein facultativ anaerobes
Plectridium, das mit dem in meiner früheren Arbeit sub Nr. 3 beschriebenen
Bacterium eine gewisse Aehnlichkeit zeigt.
Mikroskopisches Aussehen: Ziemlich lange, schmale, meistens
gerade Stäbchen mit einer ovalen Spore am Ende; leicht färbbar nach
den üblichen Methoden, sowie nach Gram. Die Sporen lassen sich
manchmal in toto färben, manchmal erscheinen nur die Conturen gefärbt
während ein ungefärbtes, helles Centrum bestehen bleibt. Auf festen
Nährböden, besonders auf Agar, trifft man die sporentragenden Gebilde
häufiger; die Stäbchen zeigen sich dann zum Theil einzeln, zum Theil
paarweise angeordnet. Fäden bemerkt man selten, öfters sind die Bacillen
ein wenig gekrümmt. Ziemlich lebhafte Eigenbewegung, die Spore stets
der Richtung der Bewegung zugekehrt.
Culturelles: Es findet sowohl bei Zimmer-, wie bei Brüttemperatur
aerob, wie anaörob Wachsthum statt
Agar-Platte. Nach 24 Stunden sieht man mikroskopisch kleine
Colonieen, die aus mehr oder weniger radial angeordneten, geschlängelten
Fäden bestehen. In späterer Zeit sind die Colonieen nicht vergrössert
oder verändert.
Agarstich: Länge des Stiches flaschenbürstenförmig angeordnete, in
der Tiefe sich etwas verbreiternde Colonieen. In Zuckeragar reichliche
Gasentwickelung.
Agarstrich: Die Entwickelung findet längs des ganzen Striches,
auf diesen beschränkt bleibend, statt; die einzelnen, sehr kleinen, rund¬
lichen, farblosen, nicht erhabenen Colonieen sind in der Mitte oft etwas
vertieft Sie treten bereits innerhalb 24 Stunden auf, nehmen aber dann
kaum mehr an Ausdehnung zu. Das Condenswasser ist klar und enthält
einen geringfügigen Bodensatz.
Gelatineplatte: Körnige, unregelmässig begrenzte Colonieen von
gelblicher Farbe, die keine längeren Ausläufer bilden.
Gelatinestich: DemStich entlang entstehen getrennte, punktförmige,
weisse Colonieen, stellenweise unterbrochen von sehr ausgedehnten, flocken-
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Gck igle
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Bedeutung dee Mikboobganismen im Säüglingsstuhle. 473
förmigen, die den ganzen Nährboden trüben. Selbst nach 8 Monaten
auch keine Spur von Verflüssigung des Nährbodens.
Gelatinestrich: Längs des Striches kleine Colonieen, wie bei Stich
mit baumförmigen, senkrecht zur Oberfläche in den Nährboden hinein¬
gerichteten flockigen Colonieen, deren Ausdehnung von oben nach unten
zunimmt.
Milch wird innerhalb 4 bis 6 Tagen zum Gerinnen gebracht; es
findet energische Gasentwickelung statt.
Bouillon: Innerhalb 24 Stunden zeigt sich deutliches Wachsthum;
in Zuckerbouillon entsteht unter bedeutender Trübung und lebhafter Gas¬
entwickelung ein weisslicher, feinpulveriger Bodensatz.
Für die üblichen Laboratoriumsthiere erweist sich dieser Mikroorga¬
nismus als nicht pathogen.
Ich habe dieses Bacterium so eingehend beschrieben, da es eine grosse
Aehnlichkeit mit dem in meiner früheren Arbeit sub Nr. 3 beschriebenen,
besitzt. Es ist in Gegensatz zu diesem ein facultativer Anaerobier und
ist etwas breiter; ferner besitzt er Eigenbewegung. Die culturellen Merk¬
male gestatten eine leichte Unterscheidung. Ob diese Mikroorganismen,
die beide der Gruppe der Köpfchenbakterien nach Escherich oder der
Plectridiumgruppe Hüppe’s zuzuzählen sind, näher mit einander ver¬
wandt sind, lässt sich nicht sagen. Bienstock und Tavel haben gleich¬
falls im Darme Bakterien gefunden, die in ihrem mikroskopischen Aeusseren
eine grosse Aehnlichkeit mit unseren Bacillen zeigen. Durch ihre cul¬
turellen Merkmale unterscheiden sich alle von einander wesentlich. Die
Glieder dieser Gruppe werden vielleicht durch weitere Untersuchungen
vermehrt werden.
Im Verlaufe dieser Arbeit haben wir, wie schon einmal erwähnt, in
4 Fällen durch verschiedene Ueberimpfungen Mikroorganismen erhalten,
die nur in der Tiefe des Agar wuchsen. Wir haben sie nur morphologisch
untersucht und nicht auf ihr culturelles Verhalten hin geprüft, da uns
die zeitraubende und schwierige Züchtung anaörober Arten zu weit geführt
hätte. Wir wollen aber doch eine anaörobe Streptokokkenart erwähnen,
die 6- bis 7gliederige Ketten bildete und auf Gelatine nicht zur Ent¬
wickelung kam. Bereits Klecki hat im Darme einige Kokken gefunden,
die besser anafirob, als aerob wuchsen, obligate Anaerobe beobachtete er
keine. Es wäre so nach unseren Kenntnissen diese Streptokokkenart die
erste anaerobe, die sich im Säuglingsdarme findet.
Den häufig auftretenden gasbildenden Arten wollen wir keine grosse
Bedeutung für die Physiologie zumessen. Die Frage, ob wirklich der
Milchzucker bereits im Dünndarme völlig verarbeitet wird, wie Escherich
behauptet, ist noch offen, da andererseits die chemischen Untersuchungen
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474
A. Rodella:
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von Wegscheider, Blauberg, Hoppe-Seyler u. s. w. ergaben, dass sich
in Säuglingsfaces Milchzucker nachweisen lässt. Eine eingehende chemische
wie bakteriologische Untersuchung zur Entscheidung dieser Frage wäre
sehr wünschenswerth.
Untersuchungen auf Anaerobe in einigen Fällen von Kinder¬
diarrhoe.
Ich schicke hier die Beschreibung der in den pathologischen Fällen
gefundenen Arten voraus und werde dann neben einigen klinischen Notizen
auch über den directen mikroskopischen Befund berichten. Ich werde
auch die hierher gehörigen Bakterien im Anschlüsse an die in physio¬
logischen Fällen aufgefundenen mit fortlaufenden Nummern bezeichnen,
da ich nicht entscheiden kann, ob die ersteren bei der Krankheit eine
ätiologische Rolle spielen.
Anaerob Nr. IY.
Mikroskopisches Aussehen: Sehr dicke, meist gerade Stäbchen, von
wechselnder Länge, mit abgerundeten Enden; mit den üblichen Anilinfarb¬
stoffen und nach Gram gut färbbar. Eigenbewegung fehlt.
Culturelles. Agarstich: Nach 24 Stunden ist ein ziemlich deutliches
Wachsthum, einige Millimeter unter der Oberfläche beginnend, längs des
ganzen Stiches zu beobachten. Die Cultur zeigt ein grob-körniges, etwa an
einen Milchzuckerstengel erinnerndes Aussehen; hier und da zeigen sich
längs des Stiches unregelmässige, flache Auftreibungen.
In flüssig geimpftem Agar entstehen kleine rundliche Colonieen, die den
Nährboden zerreissen.
Agarstrich (anaerob): Bereits nach 24 Stunden erscheint ein etwas
erhabener, feuchter, breiter Belag. Das Condensw r asser ist stark getrübt.
Häufig zeigen sich, durch die Gasbildung veranlasst, Risse im Nährboden.
Die einzelnen Colonieen sind rundlich, etwas erhaben, nicht ganz regel¬
mässig, von weisser opalisirender Farbe.
Gelatinestich: Es erscheinen dem Stiche entlang, getrennt, einzelne
Colonieen, die sich allmählich vergrössern und durch Verflüssigung einen
birnenförmigen Raum bilden, der zum Theil mit der stark getrübten Flüssig¬
keit angefüllt ist. Die Verflüssigung erfolgt in 6 bis 9 Tagen; am Boden
des Stiches bemerkt man einen weisslichen Satz.
In flüssig geimpfter Gelatine entstehen rundliche, unregelmässige Colonieen
von w r eisser Farbe, die, wenn sich nur 1 bis 2 entwickeln, in einigen Tagen
die Grösse eines Hirsekornes erreichen. Entwickeln sich viele Colonieen,
so tritt 6chon nach 3 bis 5 Tagen im unteren Theil des Röhrchens Ver¬
flüssigung ein.
Auf Kartoffeln (anaerob) entstehen kleine, weisse nicht confluirende
Colonieen in Gestalt von Körnchen unter Auftreten eines schwachen käsigen
Geruches.
Bouillon (anaerob): Es erfolgt unter starker Gasentwickelung und
Bildung eines reichlichen Bodensatzes eine Trübung.
Gck igle
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Bedeutung dee Mikroorganismen im Säuglingsstuhle. 475
Milch wird innerhalb 3 bis 5 Tagen völlig peptonisirt, unter Auftreten
eines schwachen käsigen Geruches wie bei Kartoffeln.
Serum (anaörob): Wird nicht verflüssigt.
Pathogenität: Dieselbe wurde für die üblichen Laboratoriumsthiere
nachgewiesen, und zwar sowohl durch subcutane als auch interperitoneale
Injection. Da jedoch die Versuche in dieser Richtung nichts Entscheidendes
für die Aetiologie der Dannerkrankung bringen können, fassen wir uns
mit der Beschreibung ihrer Ergebnisse kurz.
Subcutane Injection: DieThiere gehen unter folgenden Erscheinungen
zu Grunde. Abdomen stark aufgetrieben, Darmgefässe injicirt, die Gedärme
aufgeblasen. Ein mit 3 ccm einer 3 Tage alten Bouilloncultur geimpftes
Meerschweinchen von 475 Gewicht starb am Tage der Injection.
Intraperitoneale Injection ruft fast die gleichen Erscheinungen, wie sub¬
cutane hervor.
Anaerob Nr. V.
Das mikroskopische Aussehen ist dem von Nr. IV fast völlig gleich,
nur 6ind die Stäbchen ein klein wenig schmäler. — Eigenbewegung fehlt
gleichfalls. Färbbarkeit wie Nr. IV.
Agarstich. Die Cultur ähnelt der des eben beschriebenen etwas; es
entstehen längs des Stiches, etwas unter der Oberfläche beginnend, unzusammen¬
hängende, traubige Gebilde. Einzelne Colonieen lassen sich nur stellenweise
am äussersten Rande der Cultur erkennen; sie erscheinen im durchfallenden
Lichte als Körper mit einem dunklen, von einem etwas helleren Hofe um¬
gebenen Centrum.
Agarstrich (anaörob): Innerhalb 24 Stunden beobachtet man dem
Striche entlang deutliches Wachsthum in Form eines weissen, erhabenen
Belages. Die Colonieen sind nur stellenweise zusammenhängend, meist ge¬
trennt und dann von halbkugeliger Gestalt und weisslicher opalisirender
Farbe. Im Zuckeragar findet lebhafte Gasentwickelung statt.
Gelatinestich: Rundliche, ungleichmässig gestaltete Colonieen in ge¬
trennter Anordnung; nach 5 bis 7 Tagen verlieren sie in Folge Verflüssigung
des Nährbodens ihre Form; es entsteht ein weisslicher Bodensatz
Gelatine, flüssig geimpft. In diesem Falle entstehen sehr charakte¬
ristische Formen, besonders wenn wenige Colonieen zur Entwickelung kommen.
Es bilden sich durch Verflüssigung Hohlräume von der Gestalt einer Birne,
an deren nach unten gekehrtem schmalen Thcile sich die Colonie als un¬
durchsichtiger weisser Punkt befindet.
Milch wird nach vorausgegangener Coagulierung in 3 bis 5 Tagen fast
völlig peptonisirt.
Bouillon (anaerob) wird in kurzer Zeit stark getrübt; in Zuckerbouillon
findet energische Gasentwickelung statt; stets ist ein reichlicher, weisser
Bodensatz zu finden.
Serum (anaerob) wird im unteren Theile des Röhrchens verflüssigt.
Pathogenität: Subcutane Injection: Meerschweinchen von ca. 400 ?rm
Gewicht mit 2 ccm einer 2- bis 3 tägigen Bouilloncultur (anaerob) geht binnen
2 Tagen zu Grunde; es bildet sich an der Injectionsstelle ein subcutanes
hochgradiges stinkendes Oedem, worin die Bacillen mikroskopisch und
eulturell nachgewiesen werden konnten. Abdomen ist aufgetrieben, die
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476
A. Rodella:
Peritoneal-Flüssigkeit ist vermehrt, ferner findet man acute Nephritis. Einen
ähnlichen Befund beobachtet man bei Versuchen mit anderen Laboratoriums-
thieren.
Intraperitoneale Injection: Die Thiere starben unter ganz ähnlichen Er¬
scheinungen, nur erwies sich die subcutane Injection weniger wirksam.
An aerob Nr. VI.
Mikroskopisches Aussehen: Stäbchen gewöhnlich paarweise oder
in kurzen Ketten von 3 bis 5 Gliedern von etwas grösserer Länge als die
vorangehenden, auch ein wenig schmäler als Nr. IV. — Charakteristisch ist
das Auftreten von am Ende geknickten Formen; manchmal trifft man auch
stark gekrümmte Individuen. Eigenbewegung fehlend, Färbbarkeit wie oben.
In seinem culturellen Verhalten steht dieser Mikroorganismus den
beiden oben beschriebenen sehr nahe; wir beschränken uns darauf, nur
die Verschiedenheiten anzuführen.
Agarstrich (anaerob): Die Colonieen sind kleiner als die früheren
und zeigen keine Opalesceflz.
Gelatine, flüssig geimpft: Die getrennten ovalen Colonieen senden von
einer Stelle ihrer Oberfläche aus zahlreiche, dünne, wurzelförmige Ausläufer,
die manchmal kurz sind, manchmal sich durch den ganzen Nährboden er¬
strecken und sich häufig verwirren. Oefters sieht man eine Colonie theil-
weise von kleineren Colonieen umgeben, die in der Richtung nach ersterer
einen kurzen Ausläufer besitzen, scheinbar aber nicht mit ihr in Verbindung
stehen.
Serum (anaerob) wird nicht verflüssigt.
Pathogenität: Dieses Bacterium erwies sich gleichfalls für die Labo-
ratoriumsthiere pathogen, jedoch in schwächerem Grade als die beiden voraus¬
gehenden. Von 5 Thieren (3 Meerschweinchen und 2 Mäusen) kamen ein
Meerschweinchen und eine Maus mit dem-Leben davon; die Meerschweinchen
erhielten 2, die Mäuse 1 / 2 ccm einer 2- bis 3 tägigen Bouilloncultur. — Die
subcutane Injection rief auch hier ein geringeres Oedem hervor, das geruchlos
war. Nekroskopischer Befund war gleich wie in den vorigen Fällen.
Wir haben diese 3 Mikroorganismen ihres theilweise abweichenden
culturellen Verhaltens wegen getrennt beschrieben; trotzdem glauben wir,
dass dieselben zu derselben Classe gehören oder wenigstens sehr nahe ver¬
wandt sind.
Anaerob Nr. VII.
Stäbchen 4 bis 8 ft lang und 2 bis 3 u breit mit kantigen Enden.
Nach Gram nicht entiärbbar.
Agarstich: Trotz wiederholten Versuchen konnte ich keine Stichcultur
bekommen. Ich bediente mich zwar ausschliesslich der Agarröhrchen in
hohen Schichten; die von Büchner angegebene Methode für anaörobe Stich-
culturen habe ich nicht angewendet. In flüssig geimpftem und nachher er¬
starrtem Agar, wenn man einige Platinösen aus einer Bouilloncultur über¬
impft, kommen kleine rundliche oder etwa linsenförmige, weisse Colonieen
zur Entwickelung, welche auch nach langer Zeit etwas kleiner als ein
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Bedeutung der Mikroorganismen im Säuglingsstuhle. 477
Hirsekorn bleiben. Mit der Lupe beobachtet, sehen die Colonieen homogen
aus; eine Zerreissung des Nährbodens findet nicht statt.
Agarstich (anaerob): Nach 6 Tagen sieht man auf der Oberfläche
von einander weit entfernt kleine makroskopisch kaum sichtbare unregel¬
mässige Colonieen. Das Wachsthum ist allerdings sehr kümmerlich und mit
blossem Auge kaum sichtbar.
Serum (anaerob): Auch auf Serum wächst dieser Mikroorganismus
nicht viel besser. Keine Verflüssigung.
Bouillon (anaörob): 4 bis 6 Tage nach der Impfung erfolgt ein kümmer¬
liches Wachsthum. Die Flüssigkeit bleibt vollständig klar; am Boden des
Röhrchens findet sich ein weisser, spärlicher Satz.
Die Milch bleibt unverändert.
In Gelatine kein Wachsthum.
Dieser Mikroorganismus ist für die Laboratoriumsthiere nicht pathogen.
Anaerob Nr. VIH.
Mikroskopisches Aussehen: Sehr feine, fast fadenartige Gebilde
von sehr wechselnder Länge, die meist in längeren Reihen angeordnet sind;
sie sind mit den üblichen Anilinfarbstoffen, sowie nach Gram zwar färbbar,
jedoch nicht gleichmässig. Neben den gefärbten Stellen finden sich im
Innern der Individuen schwächer oder gar ungefärbte Stellen, so dass man
eine gewisse Aehnlichkeit mit Streptokokken zu sehen glaubt. 1 Eigen¬
bewegung fehlt auch ihnen.
Culturelles. Agarstich: Das ein wenig unterhalb der Oberfläche be¬
ginnende Wachsthum erfolgt in Form eines breiten, etwas zerzupften Woll-
fadens.
In flüssig geimpftem Agar entstehen sehr kleine, weisse Punkte. In
keiner Cultur war eine Gasbildung wahrzunehmen.
Agarstrich: Nach 3 Tagen erblickt man weisse, punktartige Colonieen;
das Condenswasser bleibt klar.
In Bouillon erfolgt ein langsames Wachsthum ohne Trübung; nach
4 bis 6 .Tagen erblickt man in der Bouillon einen weissen, zum Theile an
den Wänden adhärirenden Niederschlag, der zusammenhängend und fetzen¬
artig ist. Auch sieht man einige Punkte, die vermuthlich einzelnen Colonieen
entsprechen. Diese Cultur erinnert entfernt an die mancher Streptotrixarten.
Milch wird nicht coagulirt.
In Serum findet ein dem auf Agar ähnliches Wachsthum, ohne Ver¬
flüssigung des Nährbodens, statt.
Dieser Mikroorganismus lässt sich in der Gelatine nicht züchten.
Er ist nicht pathogen.
Fall 1. Der 4 Wochen alte Patient wurde am 10. August 1901 von
der Zürch. Med. Poliklinik unter der Diagnose: Gastroenteritis acuta in
Behandlung genommen. Er hatte im Tage 10 bis 15 Entleerungen, die
von brauner Farbe und flüssiger Consistenz waren und einen unangenehmen,
1 Mit Methylenblau lassen sich die Bacillen schwer färben; die zu Stande
kommende Erscheinung erinnert etwas an die Polkörnchenfärbung von Diphtherie¬
bacillen.
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478
A. Rodella:
jedoch nicht sehr intensiven Geruch besassen. Das Abdomen war sehr ein¬
gesunken. Am 15. August trat eine Besserung ein, am 20. verschlimmerte
sich der Zustand wieder und am 21. starb das Kind.
Mikroskopisches Aussehen der directen Präparate: Die meisten in diesen
bemerkbaren Mikroorganismen entfärbten sich nicht nach Gram. Es fanden
sich in der Mehrzahl ziemlich dicke Stäbchen, theils in regelloser, theils in
paralleler Anordnung. Einige derselben besassen abgerundete Enden, nur
wenige waren kantig. Auch konnte man vereinzelt kurze, fast ovale Stäbchen
mit einem hellen, einer Spore gleichenden Centrum beobachten. Ferner
waren viele schmale nicht sehr lange Stäbchen vorhanden, die nach Gram
nur sehr schwach gefärbt wurden; einige schmale Stäbchen bildeten Ketten
von 2 bis 4 Gliedern. Endlich sah man noch lange fast fadenförmige,
gerade oder gebogene, manchmal sogar geschlängelte Formen; auch einige
spindelförmige Gebilde waren vorhanden. — Kokken waren in diesem Falle
wenig zahlreich vertreten, meist vereinzelt in Diploanordnung. Man konnte
endlich noch einige spärliche, an Sprosspilze erinnernde Gebilde bemerken.
Culturelles: Es wurde wie gewöhnlich Zuckeragar und Gelatine ver¬
wendet. Im Agar fand alsbald eine starke Gasentwickelung statt, wodurch
eine Isolirung der Colonieen sehr erschwert wurde. Die Gelatine wurde in
kurzer Zeit zuerst im unteren, dann auch im oberen Theil des Röhrchens
verflüssigt.
Yon anaeroben Arten gelang es mir nur aus dem grossen Gemenge
Anaerob Nr. IY zu isoliren. Von den nicht näher untersuchten aeroben
Arten sah man einige Stäbchen, die zur Gruppe der Heubacillen zu gehören
schienen.
Fall 2. Rückenbacher, 8 Wochen alt, gleichfalls von der Med. Poli¬
klinik behandelt, erkrankte am 29. October und starb am 21. November 1901.
Die Diagnose lautete wie oben. Der Patient hatte ca. 10 Entleerungen im
Tage; dieselben waren flüsssig und enthielten grüne und weisse Flecken;
sie zeigten saure Reaction und stanken sehr.
Mikroskopisches Aussehen der directen Präparate: Viele sehr kurze
Stäbchen mit abgerundeten Ecken, deren manche mit grossen Coccobaeillen
zu vergleichen waren; manche kurze Stäbchen waren in Diploanordnung.
Ferner fanden sich einige lange dicke und einige lange schmale, diphtherie¬
bacillenähnliche Formen; auch fadenförmige und einige sporentragende
Gebilde waren zu sehen. Auch Kokken waren mehr als im vorausgehenden
Falle vorhanden, einige in regelloser Anordnung, einige zu zweien, andere
zu kurzen Ketten vereinigt. — Auch beobachtete man aus vielen unregel¬
mässigen Gliedern bestehende Ketten. Einige wenige Hefezellen waren
ferner noch zu sehen.
Culturelles: Die, wie bei Fall 1 angelegten Culturen ergaben ein ganz
ähnliches Resultat; die Gelatineverflüssigung erfolgte gleichfalls sehr rasch und
stark. Auch hier waren die heubacillenähnlichen Gebilde vorhanden; sie
kamen auf der Oberfläche des Agars zur Entwickelung. Aus der verflüssigten
Gelatine im unteren Theil des Röhrchens gelang mir die Isolirung der unter
Anaerob Nr. V beschriebenen Art. Wegen der Zersprengung des Nähr¬
bodens war die Isolirung von Arten aus dem Agar mit vielen Schwierig¬
keiten verbunden.
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Bedeutung der Mikroorganismen im Säuglingsstühle. 479
Fall 3. Patient (Grob) im Alter von 7 Wochen wurde am 15. XI.
unter gleicher Diagnose wie oben von der Med. Poliklinik in Behandlung
genommen. Entleerungen fanden im Tage etwa 5 bis 7 statt; dieselben
waren von gelber Farbe, sehr weicher Consistenz und schwachem Geruch.
Mikroskopisches Aussehen der directen Präparate: Viele Stäbchen von
mannigfacher Grösse und Dicke; viele derselben waren sporentragend. Die
runde oder ovale Spore befand sich entweder in der Mitte, so dass ein
spindelförmiges Gebilde entstand, oder am Ende eines Stäbchen. Bei ovalen
dicken Formen zeigte sich die Spore als heller Fleck in der Mitte oder am
Ende der Bacillen; letztere Gebilde zeigten oft Aehnlichkeit mit Tetanus¬
bacillen. Die meisten besessen abgerundete Ecken; oft traten sie in Form
2- bis 4gliedriger kurzer Ketten auf. — Die Kokken bildeten hier fast
1 j l der ganzen Flora; einige derselben traten vereinzelt, andere in Ketten
von 4 bis 6 Gliedern auf.
Culturelles: Agar wird nur im geringen Grade zersprengt, so dass die
Isolirung einer Art (Anaerob Nr. VII) nicht schwer gelang. Aus der
Gelatine konnte ich nur eine Art züchten (Anaerob Nr. VI).
Fall 4. Patient, Wieder, 7 Wochen alt, wurde am 27. V. 1901 im
Kinderspital aufgenommen und am 10. XII. 1901 als geheilt entlassen. Die
Diagnose lautete: Gastroenteritis, Convulsionen. Phimosis. — Der Patient
erhält als Nahrung sterilisirte Milch und Haferschleim. Am Tage der
bakteriologischen Untersuchung hatte er 6 Entleerungen, die von graugelber
Farbe, halbflüssiger Consistenz mit Gehalt von unverdauten Speiseresten
uud schwach saurer Reaction waren.
Mikroskopisches Aussehen der directen Präparate: Die Flora bestand
hauptsächlich aus schön verzweigten Stäbchen; es zeigten sich Formen, die
entweder an einem oder beiden Enden eine gabelförmige Verzweigung auf-
wiesen, oder man bemerkte mehrfach geknickte Ketten, an deren Knickungs¬
punkte gleichfalls eine Verzweigung stattfand. Ferner beobachtete ich einige
wenige Köpfchenbakterien, und mehrere gerade schmale, längere oder kürzere
Stäbchen, auch wenige fadenförmige Gebilde. Auch sah ich ein paar Stäbchen
mit zugespitzten Enden in paralleler Anordnung. Endlich fanden sich ovale
Gebilde mit einer glänzenden Spore in ihrer Mitte, daneben auch Cocco-
bacillen. — Kokken waren meist in Diploanordnung vertreten, auch einige
grosse waren vorhanden.
Culturelles: Es wurden wie bei den vorigen Fällen Agar- und Gelatine-
culturen angelegt. Auf beiden Nährböden war ein überaus üppiges Wachs¬
thum zu constatiren. Neben anderen aeroben Arten konnte ich auch noch
eine Actinomycesart beobachten. Von den vermuthlich in grösserer Zahl
vorhandenen anaeroben Arten gelang mir nur eine Art rein zu isoliren
(Bacillus Nr. VIII) und weiter zu züchten. Zwei weitere anaörobe Arten
konnte ich nie von einander trennen; unter dem Mikroskop bemerkte ich
stets ein Gemenge von Kokken in Ketten und Stäbchen, beide entfärbten
sich nicht nach Gram. — In Gelatine kamen die beiden Arten nicht zur
Entwickelung.
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480
A. Rodella:
Wir wollen hier nicht an die Frage heran treten, ob die Anwesenheit
der Darmbakterien für die Verdauung unbedingt nöthig ist oder eine
wesentliche Rolle spielt Die Versuche von Nnttal und Thierfelder
haben hierüber nichts Bestimmtes ergehen; diese Autoren sind zu dem
Ergebniss gelangt, dass auch hei einer völlig sterilen Nahrung die Thiere
gleich gut wie mit unsterilen gedeihen. Schottelius hat dies bestritten;
er hat bei seinen Versuchen mit Hühnern gefunden, dass die steril er¬
nährten in ihrer Entwickelung gegenüber den Controlthieren erheblich
zurückgeblieben waren. In neuester Zeit ist Metchnikoff bei Versuchen
mit Froschlarven zum gleichen Ergebnisse gelangt. Kurz vor Beendigung
dieser Niederschrift hat Schottelius .eine Erweiterung und Vervoll¬
ständigung seiner Versuche veröffentlicht, die die Ueberzeugung bestärken,
dass die Bakterien für die Physiologie der Verdauung geradezu unentbehr¬
lich sind.
Wir haben in erster Linie gesehen, dass sich unter den Bakterien
im Darme proteolytische Arten finden, die ihre eiweissspaltenden Eigen¬
schaften auch unter Luftabschluss bethätigen können; letzteres ist
bekanntlich von Czerny und Keller bestritten worden, die, sich auf
Escherich’s Befund stützend, sagen: „Die ausser B. coli im Darme
vorhandenen Mikroorganismen, welche wohl Eiweissfaulniss erregen können,
sind im Darmcanale durch Sauerstoffmangel in ihrer Wirksamkeit gehindert.“
Die proteolytischen Eigenschaften verdienen eine um so grössere Be¬
achtung, weil Spiegelberg die Bedeutung proteolytischer Mikroorganismen
auch für die Pathologie betont hat. Wie wir gesehen haben, finden sich
viel mehr proteolytische Mikroorganismen bei Flaschenernährung als bei
Brustkindern; in pathologischen Fällen ist die Zahl dieser Bakterien am
höchsten und ihre Thätigkeit erstreckt sich dann nicht nur auf den Ver¬
brauch von Casein, sondern auch von Fibrin, was in einer starken Gelatine-
verflüssigungs-Fähigkeit der Culturen zum Ausdrucke kommt. Das Auf¬
treten so vieler Gelatine verflüssigender Arten in den pathologischen Fällen
spricht für eine grosse Mannigfaltigkeit der Darmflora.
Es ist nicht zulässig, aus dem Fehlen Gelatine verflüssigender Arten
auf das Fehlen von Bakterien, die Casein peptonisiren, zu schliessen, wie
dies von fast allen Autoren geschehen ist. Es können einerseits sehr
wohl Casein peptonisirende Arten auf Gelatine gedeihen, ohne diese zu
verflüssigen, wie ich schon in meiner ersten Arbeit erwähnt habe; anderer¬
seits giebt es viele, die Casein verbrauchen, jedoch nur bei Brüttemperatur
gedeihen.
Eine eingehende Untersuchung in dieser Richtung hat vielleicht für
die Pathologie einen weit grösseren Werth, wie für die Physiologie der
Verdauung, da wir wissen, dass die Peptone neben ihrem Nährwerth auch
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Bedeutung deb Mikboorganismen im Säuglingsstuhle. 481
einen schädigenden Einfluss ausüben können, wenn sie in zu grosser
Menge vorhanden sind.
Die Ansichten über die Pathologie des Darmes sind heute noch sehr
getheilte, was schon aus der verworrenen Nomenklatur der Darmkrank¬
heiten hervorgeht. In neuerer Zeit bat sich Escherich bemüht, eine
systematische Eintheilung derselben aufzustellen. Er unterscheidet:
A. Ectogene
Intoxication
Toxischer
Katarrh des
Magens,
Dünndarms
Cholera-
Infantum
B. Chymus-
Infection,
endogene
Intoxication
durch
abnorme
Zersetzung
des
Danninhaltes
Bakterielle
Dyspepsie
(Diarrhoea
acida
Eichstaedt)
Dy spepti scher
Katarrh
(Diarrhoea
catarrhalis
West)
C. Darm-
infectionen,
entzündliche
Reizung oder
Invasion der
Darmwand
durch patho¬
gene Mikro¬
organismen
'Entzündlicher
Katarrh
(West)
Entzündung,
Gastritis,
Gastroenteri¬
tis, Enteritis,
Enterocolitis,
Colitis.
Man sieht jedoch sofort, dass man verschiedene Krankheitsformen in
mehreren der Abtheilungen unterbringen kann. Es liegt nicht im Rahmen
unserer Aufgabe, dieses Thema eingehender zu behandeln; wir wollen
keineswegs die Resultate jener Autoren bestreiten, die in verschiedenen
Fällen von Darmerkrankungen, Streptokokken, B. coli, B. coli dysentericus,
B. enteritidis sporogenes (Klein) u. s. w. gefunden und für die Erreger
derselben gehalten haben. In allen unseren Fällen ist es jedoch kaum
zweifelhaft, dass ein specifischer Krankheitserreger nicht vorhanden war;
dagegen zeigte das mikroskopische Bild eine ungeheure Mannigfaltigkeit
von Formen verschiedenster Art.
Bereits Ciechanowski und Nowak hatten eine ähnliche Beobach¬
tung bei Dysenteriefällen gemacht. In 21 bakteriologisch und zum Theil
histologisch untersuchten Fällen gelang es genannten Autoren aus dem
Darminhalte das Bacterium coli commune beinahe in Reincultur zu züchten.
Von den vielen fast ausschliesslich sich nach Gram nicht entfärbenden
Mikroorganismen, die sowohl in directen Stuhlpräparaten als in den ge¬
färbten Darmwandschnitten zu sehen waren, kam kein einziger auf aeroben
Platten zur Entwickelung, weshalb die Autoren ihre Züchtungsversuche
als misslungen betrachten. Die Mannigfaltigkeit der von ihnen mikro¬
skopisch beobachteten Bakterien stimmt auch mit unseren Untersuchungen
vollkommen überein und es freut uns, dass wir dank unserer Methode
(Erwärmen des Materials und Anlegung anaörober Culturen) weitaus
bessere Resultate bekommen haben als die citirten Autoren. Wir er¬
wähnen noch an dieser Stelle, dass sehr viele aerobe Arten, die in unsere
Culturen gelangten, von uns nicht näher untersucht worden sind, weil
Zeitschr. f. Hygiene. X.LI, 3]
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482
A. Rodella:
unser Hauptzweck nur ein kleiner Beitrag zur Frage anaerober Bakterien
in pathologischen Fällen war. Wir beschränkten absichtlich unsere Auf¬
gabe, indem wir glauben, dass jeder Versuch, Theorieen zu gründen, welche
einen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit haben, ganz zwecklos und ver¬
früht sei, bevor wir über die Physiologie der Verdauung besser orientirt
sind. Die in meinen Arbeiten enthaltenen Andeutungen haben, wenn
nicht viel zur Lösung der vielen diesbezüglichen Fragen beigetragen, doch
wenigstens gezeigt, dass wir mit unseren Forschungen bis jetzt nicht
gerade den richtigen Weg eingeschlagen haben. Die so häufig gestellte
Frage, warum eigentlich Flaschenkinder Darmkrankheiten jeder Art mehr
unterworfen seien als Brustkinder, ist bis jetzt noch nicht endgültig
gelöst worden.
So viel Licht auf diesem Gebiet die neuerlichen Arbeiten über Alexine
in der Frauenmilch und Blutserum von Brustkindern geworfen haben, so
glauben wir doch, dass sehr viele Factoren in den chemischen Leistuugeu
der gesammten Bakterienflora zu finden seien.
Bereits Tissier hat sich die Frage gestellt, ob auch saprophyte
Bakterien, wenn sie in so grosser Menge auftreten, wie dies in patho¬
logischen Fällen vorkommt, im Stande wären, Krankheiten zu erregen;
er fügt hinzu, dass man an die Entscheidung dieser Frage so lange nicht
herantreten dürfe, als die Kenntniss der pathogenen Mikroorganismen
des Darmes eine noch so wenig vollkommene sei.
Trotzdem die Pathogenität dieser Mikroorganismen für Thiere keinen
Schluss auf eine etwaige pathologische Wirkung im Darme gestattet und
solche pathogene Mikroorganismen auch in einigen physiologischen Fällen
beobachtet wurden, so ist es doch möglich, dass die Anwesenheit von
Bakterien, die toxische Producte liefern und eine bedeutende Zersetzung
des Darminhalts bedingen, wie unsere drei Anaöroben, Nr. 4, 5, 6, der
Gesundheit des Organismus nachtheilig sein kann, wenn diese Mikro¬
organismen in sehr grosser Zahl im Darme Vorkommen.
Wir wollen mit unserer Arbeit nur einen kleinen Beitrag zur Klärung
dieser Frage liefern; es bleibt weiteren Untersuchern Vorbehalten, die Be¬
ziehungen zu erforschen, die das Auftreten dieser Anaöroben in physio¬
logischen Fällen mit den in pathologischen Fällen verbinden. Für ein
solches Studium ist die genaue Beobachtung directer Präparate unerlässlich,
um aus den culturellen Befunden gezogene unrichtige Schlüsse der
Autoren zu vermeiden. Leider fehlen in vielen Fällen genauere Ang aben
über erstere.
Das anaörobe Plattenverfahren ist, wie schon erwähnt wurde, zu ver¬
werfen. Es lässt sich schwer sagen, warum verschiedene Autoren mit
dem Plattenverfahren ganz von einander abweichende Resultate erzielt
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Bedeutung der Mikrrorg anismen im Säuglingsstuhle. 483
haben. Eberle, der sich sowohl des aeroben, wie des anaßroben Platten¬
verfahre ns bediente, konnte gerade bei letzterem merkwürdiger Weise
weniger Colonieen zur Entwickelung bringen und will mit Gelatine bessere
Resultate erzielt haben als mit Agar. Im Gegensätze dazu haben De Lange
und Matzuschitta beim anaeroben Verfahren bessere Resultate erhalten
als beim aeroben. Tissier benutzte gleichzeitig geraden und schrägen
Agar und fand, dass in letzterem häufig nur spärliche Colonieen gediehen,
sich viele dagegen im tiefen Agar gut entwickelten. Jedoch auch ein
anaerobes Plattenverfahren, selbst wenn es gelänge, ein ideales zu finden,
wird meiner Meinung nach kein tadelloses Resultat liefern. Ich konnte
öfters beobachten, dass Arten, die ich zuerst im directen Präparat be¬
merkt hatte, erst dann sich auf den Culturen nachweisen liessen, wenn
andere, die jene gewöhnlich überwucherten, eliminirt worden waren; ich
erwähne dies besonders deshalb, da Tissier in den von ihm beobachteten
Fällen keine proteolytischen Arten gefunden hat, wie Spiegelberg. Es
liess sich dies wohl nur damit erklären, dass Tissier nicht, wie Spiegel¬
berg, bei Anlage der Cultur das Material erwärmt hat. — Ich konnte in
der That in verschiedenen Fällen die Angaben Spiegelberg’s bestätigen.
Wir dürfen hierbei nicht vergessen, dass die noch wenig untersuchten
Verhältnisse der Symbiose und des Antagonismus die verschiedenen Re¬
sultate zum Theil erklären können. Dieses sonst noch wenig erforschte
Gebiet der allgemeinen Bakteriologie hat kürzlich von mehreren Autoren
speciell für die Stuhlbakterien einige Beiträge erhalten. So hat Bien¬
stock mitgetheilt, dass B. coli und B. lactis aerogenes die Entwickelung
von B. putrificus verhindern; Gabricewski und Maljutin berichten,
dass Coli durch Cholera Vibrionen verdrängt wird; ferner hat Dalle-
magne durch beweisende Versuche gezeigt, dass B. Coli viele andere
Bakterien in ihrer Entwickelung behindert oder ganz aus den Colonieen
zu verdrängen vermag. Tissier hat mit seinem B. bifidus eingehende
Versuche über diese Frage angestellt und gefunden, dass derselbe einer¬
seits in Symbiose mit einigen Bakterien üppiger wächst, andererseits
wieder fähig ist, gewisse Arten aus den Culturen fern zu halten. Er
führt sogar aus, dass die Widerstandsfähigkeit von Brustkindern gegenüber
Durchfällen wahrscheinlich dadurch bedingt sei, dass die im Darme jener
vorkommende Art von bifidus die Entwickelung schädlicher Arten ver¬
hindern solle.
Fassen wir zum Schlüsse die Ergebnisse unserer Versuche nochmals
kurz zusammen:
1. Es finden sich im Stuhle von gesunden Säuglingen Casein pepto-
nisirende Arten, die ihre Wirkung sowohl bei Luftzutritt, wie bei Luft-
absc hl uss entfalten.
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484
A. Rodella:
2. Die Peptonisirung der Milch ist grösser in Culturen, welche mit
Stuhl von Flaschenkindern geimpft werden, als mit solchen von Brust¬
kindern. In pathologischen Fällen ist die Peptonisirung am grössten.
3. Vielen neben B. coli commune und B. lactis aProgenes im
Säuglingsdarme auftretenden Mikroorganismen kommen gasbildende Eigen¬
schaften zu.
4. Viele peptonisirende und gasbildende Arten sind anaProb.
5. Für die Isolirung der letzteren ist es nöthig, zur Anlage von Cul¬
turen gleichzeitig Gelatine und Zuckeragar zu verwenden; das vorherige
Erwärmen des Materials, auch wenn dadurch eine geringe Ausbeute folgt,
ist hauptsächlich für die AnaProbenuntersuchung in pathologischen Fällen
empfehlenswerth.
6. Ueber die thatsächliche Rolle, die die Anaöroben in physiologischen
und in pathologischen Fällen spielen, wissen wir einstweilen noch nichts
Bestimmtes; doch kann die Bedeutung der grossen Zersetzungsfahigkeit,
die diesen Mikroorganismen eigen ist, für manche pathologische Fälle
nicht bezweifelt werden. Die Krankheitserreger bei Darmkrankheiten dürfen
wir heutzutage nicht mehr ausschliesslich in der Coligruppe und unter
den aProb wachsenden Mikroorganismen suchen.
Den Herren Professoren 0. Wyss, Th. Wyder und H. Müller für
die TJeberlassung des klinischen Materials und Herrn Docent Dr. Silber¬
schmidt für seinen stets bereitwilligst ertheilten Rath spreche ich an
dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank aus.
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BßÜKl/TUNG Dßli MlKliOOKÜANlSMKN IM SaUGLINOSSTUUIjK. 485
Litteratar-Verzeichniss.
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[Aus dem staatlichen serotherapeutischen Institute in Wien.]
(Vorstand: Prof. K. Paltauf.)
Ueber das Verhalten des Lyssavirus im Centralnerveu-
system empfänglicher, natürlich immuner und iminuni-
sirter Thiere.
Von
Pri vatdocentcn Dr. R. Kraus, Dr. E. KeUer und Dr. F. Clairmont.
Die principiellen Ergebnisse der experimentellen Lyssaforsehung sind
mit dem Namen Pasteur’s und seiner Schule auf’s Innigste verknüpft.
Die Entdeckungen, die wir Pasteur verdanken, sind in Bezug auf Trag¬
weite und Fruchtbarkeit für die weitere Lyssaforschung von fundamentaler
Bedeutung gewesen.
Der Nachweis, dass das Lyssavirus im erkrankten Centralnervensysteni
in Reincultur zu finden und durch einen bestimmten Infectiousmodus
auf andere Thiere übertragbar sei, „eröffnet©, wie Högyes (1) in seiner
Monographie der Lyssa sagt, eine neue Aera in der experimentellen Patho¬
logie der Lyssa; es konnten nunmehr viele unbeantwortete Fragen in
Bezug auf diese Krankheit experimentellen Untersuchungen unterworfen
werden und auch diese Methode war es, die Pasteur zur Entdeckung der
an tirabischen Schutzimpfungen führte, die zu den grössten Errungenschaften
der modernen experimentellen Therapie gerechnet werden müssen.**
Wenn auch durch spätere zahlreiche Arbeiten auf diesem Gebiet?
wichtige Fragen gelöst wurden, bleibt immerhin noch eine Reihe von
Problemen der künftigen Forschung Vorbehalten.
Die mitzutheilenden Untersuchungen beschäftigen sich mit der Frage
der Fortpflanzung des Lyssavirus im Centralnervensystem.
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II. Ki^aus, E. Keller und P. Clairmont: Das Lyssa virus u. s. w. 4S7
Da vergleichende Untersuchungen über die Fortpflanzung des Lyssa¬
virus im Centralnervensystem natürlich empfänglicher Thiere, natürlich
immuner oder resistenter Thiere und künstlich immunisirter Thiere bisher
nicht durchgeführt wurden, gingen wir daran, dieser Frage näherzutreten.
Diese Untersuchungen, an und für sich interessant, machten es im
Vorhinein wahrscheinlich, dass sich neue Gesichtspunkte für die Auffassung
der Immunitätszustände ergeben werden, dass möglicher Weise der Mecha¬
nismus der Lyssainfection, der bisher nicht geklärt ist, Aufklärung er¬
fahren dürfte. Auch für das Verständniss der Schutzimpfung nach Pasteur,
über deren Wesen bisher nur vage Vorstellungen existiren, schienen
derlei Untersuchungen günstige Ausblicke zu gewähren.
I. Ueber die Fortpflanzung des Lyssavirus im Centralnerven¬
system gesunder Kaninchen.
Dass das Lyssavirus sowohl das Strassenvirus als auch Virus fixe fast
ausschliesslich auf dem Wege der Nerven zum Rückenmark und Gehirn
gelange, kann man wohl als feststehende Thatsache hinnehmen.
Die Art der Ausbreitung und Vermehrung des Virus im Central¬
nervensystem seihst, scheint jedoch trotz der beweisenden Versuche von
Vestea und Zagari nicht allgemein anerkannt zu werden. Sagt doch
Högyes in seiner Monographie darüber Folgendes:
„Die Geschwindigkeit, mit der das Virus während der Incubation in
das Centrum gelangt, ist mangels genauer Untersuchungen noch un¬
bekannt; unsere Versuche beweisen aber, dass zu Beginn des Ausbruches
der nervösen Erscheinungen das Gehirn bereits voll virulent ist; die in
diesem Stadium von lebenden Kaninchen durch eine Trepanationslücke
entnommenen Theile der Hirnrinde erzeugen bei anderen Kaninchen mit
Sicherheit Wuth. Bei mit fixem Virus subdural inficirten Kaninchen er¬
scheinen die ersten nervösen Symptome im Durchschnitt am 6. Tage; da
aber zu dieser Zeit bereits beide Gehimhiimosphären virulent sind, so
kann es als wahrscheinlich angenommen werden, dass die Virulenz den
Bulbus früher erreicht und zwar gleichzeitig mit dem Beginne des Fiebers
in der zweiten Hälfte des vierten oder in der ersten Hälfte des 5. Tages,
zu welcher Zeit die chromatolytischen Veränderungen der Nervenzellen
bereits im ganzen centralen Nervensystem verbreitet sind.“
In der Arbeit „sulla transmissione della rabbia per la via dei nervi“,
zeigten im Jahre 1887 Vestea und Zagari (2), dass bei mit Virus
fixe subdural inficirten Kaninchen der Bulbus in einer gewissen
Zeit infectiös sei, nicht das Lumbalmark. Umgekehrt ist bei in
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Gck igle
Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
488
1a. Kraus, E. Keller und P. Clairmont:
Digitized by
den Nervus ischiadicus inoculirten Kaninchen in einem gewisseu
Stadium die Cauda equina virulent, nicht der Bulbns.
Dieser Unterschied in der Verschiedenheit der Virulenz der ver¬
schiedenen Abschnitte lässt sich am besten zwischen dem 4. und 5. Tage
nachweisen.
Die späteren Arbeiten von Roux (3) und von G. Ferr6(4) kommen
ebenfalls zu dem Resultate, dass bei Kaninchen durch subdurale Infection
von Virus fixe die Medulla am 4. Tage, wo das Thier noch vollständig
gesund erscheint, bereits virulent sei.
Unsere Untersuchungen beschäftigen sich zunächst mit der Nach¬
prüfung der Arbeit von Vestea und Zagari, da wir die vollkommene
Sicherstellung der Ergebnisse ihrer Arbeit zunächst für eine werthvolle
Bereicherung unserer Kenntnisse in der Pathologie der Lyssa halten. Die
Versuche, die mit Virus fixe durchgefüht wurden, sind in der Weise an¬
gestellt worden, dass die dichte Emulsion in einer Reihe von Versuchen
subdural oder intracerebral, in einer anderen Reihe intranervös injicirt
wurde. Die Kaninchen wurden in bestimmten Zeiträumen nach der In-
jection entblutet und die Medulla und Lumbalmark in dichten Emulsionen
wieder gesunden Kaninchen subdural injicirt.
1. Versuch am 19.III. Subdurale Infection von Virus fixe.
Subd.
Injeetion
Kan.
Tag der
Infection
Entblutet
nach
Medulla
subd. Kan.
Resultat der
subd. Medulla-
infection
Lumbal¬
mark
subd. Kan.
1 Resultat der
subd. Lumbal-
markinfection
268 ”
i
i
19.111.
i
24 Stunden
20. 111.
1
|
232
232 f nach 18
Tagen ohneEr-
scheinungen,
davon Med.-
Kan. 201 bleibt
am Leben
207
j 207 f nach IS
, Tagen okneEr-
scheinungeo,
( davon Med.*
Kan. 265 über¬
lebt
290
i
!
19.111.
i
•
l
48 Stunden
21.111.
157
157 f nach 17
Tagen ohneEr-
scheinungen,
davon Med.-
Kan. 126 über¬
lebt
256
256 f nach 18
Tagen ohneEr-
scheinungen
134
! 19.111.
1
3 Tagen
22.111.
1
147
1
i
i
147 Lyssa
1. IV. t
104
104 f Dach 7
Tagen ohneEr*
scneinuDiren.
davon Medulla
subd. Kan. UH
überlebt
300
19.111.
4 Tagen
23.111.
147
2. IV. Lyssa
4. IV. f
119
1
fin 13 Tatren
ohne Erschei¬
nungen, davon
Medulla subd.
119 f in 5 Tg.
ohne Ersdu
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Das Lyssa virus im CentralnervenSystem immuner Tuiere. 489
Subd.
Injection
Kan.
Tag der
Infection
Entblutet
nach
Medulla
subd. Kan.
Resultat der
subd. Medulla-
i infection
i !
Lurabal-
raark
subd. Kan.
Resultat der
subd. Lumbal-
markinfection
265
19. III.
5 Tagen
24. UI.
264
3. IV. Lyssa
4. IV. f
255
überlebt
142
i9. m.
6Tagen
25. IIL
265
1. IV. Lyssa
4. IV. f
57
2. VI. Lyssa
4. IV. f
201
i9. in.
7 Tagen
26. UL
107
3. IV. Lyssa
6. IV. t
201
3. IV. Lyssa
5. IV. t
2. Versuch. Subdurale Infection mit Virus I
fixe.
13B
13. UI.
4 Tagen
17. III.
232
26.UI. Lyssa
29. UL t
159
überlebt
35
11. IX.
4 Tagen
15. IX.
35
27.IX. Lyssa
1. X. f
i
i
34 !
15. IX.
6 Tagen
17. IX.
34
27.IX. Lyssa
29. IX. f
159
überlebt
47
15. IX.
7 Tagen
18. IX.
47
27.IX. Lyssa
29. IX. f
40
27. IX. Lyssa
l.X. f
133
12. IX.
5 Tagen
17. IX.
133
27.IX. Lyssa
l.X. t
161
überlebt
135
12. IX.
6 Tagen
18. IX.
134
26.IX. Lyssa
28. IX. f
184
29. IX. Lyssa
30. IX. f
1. Versuch am
19. III. 1
[ntracerebrale Injection mit Virus fixe.
269
19. UL
24 Standen
20. III.
125
25. III. f ohne
Erscheinun¬
gen, davon
Medulla subd.
Kaninchen 91
überlebt
108
29. III. f ohne
Erscheinun¬
gen, davon
Medulla subd.
108 f. 18. IV.
ohne Erschei¬
nungen, davon
Medulla 108
überlebt
170
19. Ul.
1
1
1
48 Stunden
| 21. UL
290
6. IV. + ohne
Erscheinun¬
gen, davon
Medulla subd.
290f- 12. IV.
ohne Erschei¬
nungen, davon
Medulla 264
überlebt
170
überlebt
57
19. III.
4 Tagen i
23. IIL
i
84
überlebt
106
überlebt
144
19. UI.
5 Tagen j
24. IU.
271
1. IV. Lyssa
3. IV. f
251
i
13. IV. f ohne
Erscheinun¬
gen, davon
Medulla snbd.
251 überlebt
□ igitized by
o
o
o
S le
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
490
R. Kn aus, E. Kellük und P. Claikmont:
2. Versuch am 27.IIL Intracerebrale Injection mit Virus fixe.
Subd.
Injection
Kan.
Tag der
Infeetion
Entblutet
Dach
Medulla
snbd. Kan.
1
Resultat der
subd. Medulla*
infection
Lumbal¬
mark
subd. Kan.
Resultat der
subd. Lumbal-
naark infection
110
27. III.
24 Standen
28. UI.
242
10.IV. Lyssa
16. IV. f
102
überlebt
122
i
27. III.
48 Stunden
29. m.
122
9.IV. Lyssa
14. IV. f
103
überlebt
244 '
27. IIL
8 Tagen
so m.
112 i
■
überlebt
146
4.IV+ohne Er¬
scheinungen
123
27. in.
4 Tagen
81. m.
123
12. IV. + ohne
Erscheinun¬
gen, davon
Medulla subd.
Kan. 21 +.
12. V. ohne Er¬
scheinungen,
davon Medulla
subd. 21 über¬
lebt
105
8. III.
4 Tagen
12. IIL
290
1
21. III. Lyssa
25. HL f
107
22.1U. Lyssa
25. HL f
Die Versuche mittels subduraler Infection des Virus fixe lehren, dass
die Medulla schon am 3. Tage infectiös sein kann. Die mit der
Medulla von 3 Tage lang inficirten Thieren wieder subdural behandelte
Kaninchen gehen typisch an Lyssa zu Grunde. Das Lumbalmark
jedoch ist weder am 3. Tage, noch am 4. und 5. Tage infectiös. Erst
am 6. und 7. Tage nach der Infection gewinnt das Lumbalmark die
volle Virulenz, wie sie die Medulla bereits 2 bis 3 Tage vorher besitzt.
Immerhin ist bemerkenswerth, dass die mit 1 bis 2 Tage inficirter Medulla
injicirten Kaninchen am 17. oder 18. Tage nach der Infection ohne Lyssa
und Lumbalmark-Erscheinungen unter Abmagerung zu Grunde gehen.
Die Medulla dieser Thiere ist nicht infectiös. Ob dieser Tod irgendwie
mit der Lyssa in Zusammenhang gebracht werden darf, wollen wir nicht
entscheiden. Wir werden auch bei den weiteren Versuchen ähnlichen
Befunden begegnen. Bemerken möchten wir hier nur, dass beim Ueber-
impfen der Medulla dieser Thiere eine ausserordentliche Weichheit des
ganzen Centralnervensystems zu constatiren war.
Wir finden also in Uebereinstimmung mit Vestea und Zagari, dass
das subdural eingebrachte Virus fixe von der Injectionsstelle aus sich im
Gehirn ausbreitet und vermehrt.
Nach den Untersuchungen von Högyes wissen wir, dass Virus fixe
in bestimmten Verdünnungen 1:10000 Thiere nicht mehr tödtet, mit Ver-
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Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Da« Lyssaviküs im Ckntualnekvensyütkm immuner Thiere. 491
dünnungen 1:5000 gingen die Thiere mit verlängertem Incubatiousstadium
zu Grunde.
Ob das Virus am 1. und 2. Tage nach der subd. Infection bereits in
der Medulla vorhanden sei und dazu in Mengen, die keine typische Lyssa
erzeugen (entsprechend den hohen Verdünnungen in den Versuchen von
Högye’s), lässt sich nicht entscheiden, da ja die Medulla der unter dem
Bilde des Marasmus zu Grunde gegangener Thiere nicht infectiös ist. Wir
müssen also die Frage offen lassen, ob das Virus von der Infectionsstelle
im Gehirn aus schon in ganz kurzer Zeit 24 Stunden nach der Infection
in die Medulla und in’s Rückenmark sich fortgepflanzt hat. Nach den
Angaben von Vestea und Zagari und nach den Erfahrungen, die wir
darüber besitzen, ist das in den Nervus ischiadicus eines Kaninchens
peripherwärts injicirte Virus in 24 Stunden im Rückenmark. Die
Kaninchen gehen trotz der Durchschueidung des oberen Antheiles des
N. ischiadicus typisch an Lyssa zu Grunde. Es pflanzt sich demnach das
Virus in der Nervensubstanz ziemlich rasch fort. Der Annahme, dass
nämlich das Virus bereits vor dem 4. Tage nach der subduralen Infection
das ganze Centralnervensystem ergriffen hätte, widersprechen die erhobenen
Befunde. Würde nämlich die Infection gleich nach der Injection gleich-
massig erfolgen, Hesse sich die Thatsache, dass die Medulla bereits am
3. Tage, das Lumbalmark aber erst am 6. Tage infectiös sei, nicht recht
verstehen. Denn angenommen, das ganze Nervensystem sei von Anfang
an gleichmässig inücirt gewesen, müssten dann wahrscheinlich alle Ab¬
schnitte zur selben Zeit gleich infectiös sein. Nur noch mit Zuhülfe-
nahme der Hypothese, dass das Virus in den verschiedenen Abschnitten
des Centralnervensystems sich ungleichmässig vermehrt, in der Medulla
rascher als im Lumbalmark, Hessen sich diese Tliatsachen mit der ge¬
machten Annahme erklären.
Ob wir nun aber an der Annahme festhalten, dass das Virus gleich
nach der subduralen Infection im Centralnervensystem sich ausbreitet,
eine Annahme, die hypothetisch bleiben wird, so lange es nicht gelingt,
das Virus zu züchten oder ob wir uns die Vorstellung bilden, dass das Virus
nach subduraler Infection sich langsam fortpflanzt, und die verschiedenen
Partieen in verschiedener Zeit erst ergreift, eine Vorstellung, die sehr viel
Wahrscheinlichkeit für sich hat — an den festgestellten Thatsachen wird
dadurch nichts geändert. Es steht fest, dass die verschiedenen Ab¬
schnitte des Centralnervensystems nach subduraler Infection
mit Virus fixe zu verschiedener Zeit infectiös sind.
Bei Anwendung der intracerebralen Methode der Impfung finden wir im
1. Versuch, dass bis zum 5. Tage weder Medulla noch Lumbalmark infectiös
sei. * Am 5. Tage ist bloss die Medulla infectiös, nicht das Lumbalmark.
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
492
I?. Kkaüs, E. Kellkü und P. Claibmont:
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Im 2. Versuche finden wir, dass dieMedulla bereits nach 24,48 Stunden
und 4 Tagen infectiös geworden ist; das Lumbalmark erweist sich erst
am 4. Tage als infectiös. Jedenfalls scheint auch dieser Versuch für eine
langsame Fortpflanzung und Vermehrung des Virus im Centralnerven¬
system zu sprechen. Die verschiedenen Abschnitte, wie Medulla und
Lumbalmark sind bei Anwendung der intracerebralen Impfung früher
infectiös als nach subduraler Impfung.
Für das Studium der Fortpflanzung und Vermehrung des Virus fixe
im Centralnervensystem ist die Methode der subduralen Impfung vor¬
zuziehen.
In den weiteren Versuchen studirten wir die Fortpflanzung des Virus
fixe im Centralnervensystem des gesunden Kaninchens nach intranervöser
Infection. Vestea und Zagari, wie bereits angeführt wurde, haben
mittels der Infection in den Nervus ischiadicus ganz ähnliche Fortpflanzungs-
Verhältnisse constatiren können, wie nach der subduralen Infection.
Bevor wir die Fortpflanzungsversuche begonnen haben, überzeugten
wir uns noch, dass die Methode der Impfung in den Nervus ischiadicus
ziemlich constante Resultate giebt, und dass die Lyssaerscheinungen zur
selben Zeit wie nach der subduralen Injection auftreten.
1. Versuch. Infection mit Virus fixe in den N. ischiadicus.
Infection
Tag der
. 1
Resultat
! Infectiosität d. Medulla
Infectiosität
Infection
| subd. Impfung
d. Luinbalmarks
274
6. UI.
16. III. Paralyse
17. III. entblutet
Kan. 263
25. III. Lyssa, 29. III. +
Kan 274
29. UL j ohne Ersehng.
142
6. III.
14. III. f ohne
Erscheinungen
Kan. 118
24. IIL Lyssa, 25. III. +
Kan. 113
21.HL f ohne Erscbng.
265
6. III.
17. III. Lyssa
entblutet
Kan. 288
25. IIL Lyssa, 26.111. f
Kan. 104
25. HI. Lyssa, 26. III. f
263
6. III.
16. III. Lyssa
| 17. III. entblutet
Kan. 115
24.III. Lyssa, 26.ÜL +
Kan. 182
24. HL Lyssa, 26.111. f
42
6. m.
i
17. III. Lyssa
entblutet
Kan. 111
25. HI. Lyssa, 28. IIL f
Kan. 121
25. HL Lyssa, 26. III. t
271
l 7. HL
18. III. Lyssa
Kan. 242 !
! Kan. 102
entblutet
26. HL Lyssa, 29. LU. + 26. IH. Lyssa, 29. HI. t
Diese Versuche zeigen, dass nach Infection mit Virus fixe in den
Nervus ischiadicus Lyssa in der typischen Weise auftritt wie nach sub-
duraler Infection, und dass zu der Zeit, wo Lyssaerscheinungen nachweisbar
sind, das ganze Centralnervensystem infectiös ist, und nachweisbar Lyssa¬
virus enthält.
Des Interesses wegen wollen wir hier zwei Versuche einscbalten, in
denen nach der Impfung die Thiere.oline Erscheinungen zu Grunde gingen,
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Das Lyssavirus im Centralnervensystem immuner Thieke. 493
deren Centraluervensystem sich hei den weiteren Versuchen jedoch als
infectiös erwies.
1. Kaninchen 244 wird am 6. in. in den Nervus ischiadicus mit Virus
fixe geimpft. Am 27. III. Exitus ohne Erscheinungen. Davon wird Medulla
und Lumbalmark subdural Kaninchen 125, 182 injicirt, beide gehen typisch
an Lyssa ein.
2. Kaninchen 271 wird am 7. III. inficirt. Nach 37 Tagen am 12. IV.
geht es ohne Lyssasymptome zu Grunde. Die Medulla und das Lumbalmark
subdural injicirt, erzeugen typische Lyssa.
Wir sehen also auch hier Thiere ohne Lyssaerscheinungen zu Grunde
gehen, die, nach dem Impfresultate zu schliessen, wie wir es gewohnt
sind, als lyssabrank auzusehen waren. E. Genaro beschreibt eine sogen.
Consumptivwuth, die auf einen hohen Grad der Abschwächung des Wuth-
giftes zurückzuführen wäre. Genaro unterscheidet bei der cousumptiven
Lyssa eine übertragbare und eine nicht übertragbare Form.
Die nächstfolgenden Versuche beschäftigen sich mit der zeitlichen
Bestimmung der Ausbreitung des Lyssavirus im Centralnervensystem nach
intranervöser Infection.
1. Versuch am 26. III.
8 3
—» o
Tag der
Infection
Entblutet
nach
Lumbalra.
subd.Kan.
Resultat
Medulla
subd. Kan.
Resultat
125
26. III.
24 Stunden
37
14. IV. f ohne Erschei¬
nungen
288
12. IV. + ohne Er¬
scheinungen
121
26. ID.
48 Stunden!
111
3. IV. f ohne Erschei¬
nungen,davon Medulla
8ubd.Kan.lll. 15.IV.
f ohne Erscheinungen
121
13.IV. f ohne Erschei¬
nungen, davon Medulla
subd.Kan. 121 überlebt
212
26. HL
3 Tagen
29. Hl.
95
überlebt
212
12. IV. f ohne Erschei¬
nungen,davon Medulla
subd.Kan.212 überlebt
115
26. III.
4 Tagen
30.111.
115
überlebt
173
22. IV. f ohne Erschei¬
nungen, davon Medulla
subd.Kan. 173 überlebt
104
26. III.
5 Tagen
81. UL
110
überlebt
2. Versuch am 31. V.
33
81. V.
3 Tagen
2. VL
33
24. VI. f ohne Er¬
scheinungen
37
überlebt
30
31. V.
6 Tagen
6. VI.
30
überlebt
32
17. VII. f ohne Er¬
scheinungen
31
31. V.
7 Tagen
6. VI.
31
15. VI. Lyssa, 16. VI. f
34
31. V.
als Control-Kaninchen erkrankt am 11
. VI.
Lyssa, 14. VI. f.
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
494
R. Kraus, E. Keller und P. Clairmont:
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3. Versuch am 20. VI.
Infection einer oder beider N. ischiadicus mit Virus fixe.
Infection
in den
N. ischiad.
Tag der
Infection
Entblutet
nach
Lumbalm.
subd. Kan.
Resultat
Medulla
subd. Kan.
200
Jnfection
beider Isch.
20 . VI.
5 Tagen
25. VI.
206
überlebt
200
201
Infection
einer Isch.
20 . VI.
5 Tagen
25. VI.
207
11 . VII. ohne
Erscheinungen
201
203
Infection
beider Isch.
! 20 . VL
GTagen
26. VI.
1
209
8 . VIL Lyssa.
9. VIL f 1
Med. subd. K.209'
18. VIL Lyssa,
21 . vn. t
203
203
Infection
einer Isch.
20 . VI.
6 Tagen
26. VI.
208
überlebt
204
Infection
einer Isch.
20 . VI.
7 Tagen
27. VI.
205
6 . VIL Lyssa,
8 . VIL f
204
Resultat
ta.VII.Lyssa, lO.YIl.f
jMedulla subd. Kan.201 1
I 10. V ULI. Lyssa, 11. 7
11 . VII. ohne Erseb.
Medn 1 la so bd. K an . 201
! 30. VIL f ohne Ersch.
11 . VII. 7 ohne Er^b.
Medulla subd. Kao.2M3
überlebt
4. VIL f ohne Erseh.,
j davon Medulla subd.
' Kan. 204
ill.VIL Lyssa, 13.VII 7
Aus diesen Versuchen geht zunächst sicher hervor, dass die Fort¬
pflanzungsverhältnisse, trotzdem die Lyssa in Bezug auf Incubatimu-
stadium und Krankheitsstadium sich nach der Infection in den Nervus
ischiadicus ganz gleich verhält wie nach subduraler Infection, sich anders
gestalten als nach der subduralen Injection.
Zunächst begegnen wir wieder der Erscheinung, dass Kaninchen, dje
mit nicht infectiöser Medulla oder Lumbalmark subdural injicirt wurden
nach 16, 17 oder 18 Tagen und länger ohne Erscheinungen zu Grunde
gingen. Die Medulla und das Lumbalmark ist bei dieser Art. der In-
l'ection am 4. Tage noch nicht infectiös.
In einem Versuche war die Medulla zwar am 5. Tage bereits infecti's.
das zugehörige Lumbalmark hatte sich als nicht infectiös erwiesen. In
anderen Fällen war die Medulla und das Lumbalmark noch am 5. Tagt 1
avirulent und erst am 6. und 7. Tage erwies sich das Lumbalmark infeeü 'S.
die Medulla dagegen nicht infectiös. Ob im Versuch, in welchem das
Lumbalmark am 6. Tage bereits infectiös war, die Infectiosität mit der
Impfung des Virus in beide Ischiadici, also mit Verimpfung einer grossen
Menge Virus in Zusammenhang zu bringen sei, wollen wir unentschieden
lassen. Derselbe Versuch, wobei die Kaninchen in einem Ischiadicus bloss
geimpft waren, ergab nach 6 Tagen, dass das Lumbalmark nicht infectös sei.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Das Lyssavibus im Cektealnervensystem immuneb Tiiikre. 495
Wir sehen, dass die Art der Ausbreitung im Centralnervensystem
nach einer Infection in den Nervus ischiadicus zeitlich von der Fort¬
pflanzung nach subduraler Infection verschieden sei. Wenn wir von dem
Falle, in welchem das Lumbalmark sich als nicht infectiös erwies, die
Medulla voll virulent war, absehen und diese Art der Ausbreitung als eine
atypische ansehen, so dürfte anzunehmen sein, dass die Fortpflanzung
hier von unten nach oben fortschreite, indem zunächst die unteren Ab¬
schnitte ergriffen werden.
Warum diese Verschiedenheit der Infectiosität der einzelnen Ab¬
schnitte des Centralnervensystems nach Infection in den N. ischiadicus
zeitlich von der nach subduraler Infection so abweicht, lässt sich nicht
absolut entscheiden. Wahrscheinlich hängt es mit der Menge des ein-
gebrachten Virus zusammen. Thatsache ist, dass das der Infectionsstelle
am nächsten gelegene Lumbalmark erst am 6. und 7. Tage infectiös ist,
wogegen die Medulla nach subduraler Infection am 3. Tage bereits virulent
erscheint.'
Alle die bisher angeführten Versuche sind mit Virus fixe durchgeführt
worden. Nachdem in der Litteratur Versuche, in denen Strassenvirus
angewendet worden wäre, nicht vorliegen, gingen wir auch daran, die Fort¬
pflanzungsverhältnisse des Strassenvirus im Centralnervensystem gesunder
Kaninchen zu verfolgen. Die Versuche wurden in derselben Weise aus¬
geführt, wie die früheren Versuche mit Virus fixe. Das Strassenvirus,
welches von Hunden, deren Schädel zur Constatirung der Wuth eingesendet
wurden, stammte, war an Hunden, Kaninchen und Meerschweinchen ge¬
prüft worden.
1. Versuch am 27.VI. Subdurale Infection mit Strassenvirus!.
(Teplitz.) 1. Passage durch Hund.
Kan.
Tag der
subduralen'
Infection
Entblutet
nach
Medulla
subdur.
Kan.
Resultat
Lumbal¬
mark
subdur.
Resultat
210
27. VI.
4 Tagen
30. VI.
210
überlebt
232
22. VII. f ohne Erscheinung,
davon Med. 232 überlebt
211
5 Tagen
1 . VII.
241
14. VII. f.
ohne Ersch.
242
überlebt
212
6 Tagen
2 . VII.
212
19.VII.
Lyssa, 21.f
245
>»
213
7 Tagen
3. VII.
213
überlebt
243
|
214
8 Tagen
4. VII.
214
>*
244
i j
i
»*
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496
R. Kbaus, E. Keller und P. Clairmont :
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Kan.
Tag der
subdaralen
Infection
Entblutet
| nach
Medulla
subdur.
Kan.
Resultat
Lumbal¬
mark
subdur.
i
Resultat
215
27. VI.
10 Tagen
6 . VII.
215
19. VII.
Lyssa, 21.f,
davon Med.
subd. Kan.
215, Lyssa
5. VIII, 6 . f
246
20 .VII. f, ohne Erscheinung,
davon Medulla subdur. Kan.
246. — 2 . VIII. Lyssa.
3. VIII. t, davon Medulla
246. 19.VIII. Lyssa, 20 . f
217
Controle:
14 Tagen
10 . VH.
217
25. VII.
Lyssa, 27. t
250
28. VII. Lyssa. 29. VII. j
218
27. VI.
am 18. VII. Lyssa,
16.VIL f (17 Tage).
Das Strassenvirus wurde vorher noch einmal durch einen Hund passirl Die
subdarale Infection erfolgte beim Hand am 6. VI. Die Lyssa trat am 21.VI. aut
der Exitus erfolgte am 27. VII.
2. Versuch am 30. VI. Subdurale Infection mit StrassenlyssalV.
(Passage durch Meerschweinchen.)
Kan.
Tag der
subduralen
Infection
Entblutet
nach
Medulla
subdur.
Kan.
Resultat
Lumbal¬
mark
subdur.
1
| Resultat
i
233
30. VI.
5 Tagen
5. VII.
233
überlebt
246
i5. vm.
Lyssa, 16. t
234
ff
6 Tagen
6 . VII.
234
15.VII. + ohne Ersch.,
davon Med. subd. 284.
22 .VII. f ohne Ersch.,
davon Med. subd. 234.
29.VII. f ohne Ersch,
davon Med. subd. 234.
6 . VIII. Lyssa. 7. f
247
überlebt
236
ff
8 Tagen
8 . VII.
236
15.VII. Lyssa. 16.f-
248
14. VII.
Lyssa, 15. f
Das Strassenvirns wurde vom Hund auf’s Meerschweinchen übertragen, im
2 t. VI. wird das Meerschweinchen subdural injicirt. Am 29. VI. tritt Lyssa auf, am
30. VI. Exitus (nach 8 Tagen).
3. Versuch am 16.VII. Suhdurale Infection mit Strassenvirus I.
(1. Passage durch Kaninchen.)
120
16. VII.
5 Tagen
21 . VII.
120
überlebt
124
überlebt
121
7 Tagen
28. VH.
121
8 .VHL Lyssa. 12 . +
125
5.VHI.Lys8a,7.t
davon Med, subd.
125. 17. vm.
Lyssa. 19. f
122
10 Tagen
27. VII.
122
16.Vin. Lyssa. 18. f
126
überlebt
123
218
1 .2 ( 2 . Passage) 16.III. Lyssa 80. VII., 6 . f (nach 15 Tagen).
-S ( 1 . Passage) 27.VI. Lyssa 18. VII., 16. f (nach 17 Tagen), davon das
ü Virus zu dem Versnob.
Gck igle
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Das Lyssayieu8 im Centbalnebvensystem immunes Thtebe. 497
4 . Versuch am 3. VIII. Subdurale Infection mit Strassenvirus III.
(Passage durch Kaninchen.)
Kan.
Tag der
subduralen
Infection
Entblutet
nach
Medulla
subdur.
Kan.
Resultat
i
t
Lumbal¬
mark
subdur.
Resultat
108
3. VIII.
9 Tagen
6. V1U.
150
überlebt
152
überlebt
106
»>
8 Tagen
11. VIII.
153
154
105
”
10 Tagen
13. VIII.
156
12. DL ohne Erschei¬
nung., davon Medulla
subdur. 156, überlebt
106
12. VII.
Controle:
i
Lyssa am 1. VIII. (nach 20 Tagen).
3. VIII. t.
5. Versuch am 18. VIII. Subdurale Infection mit Strassenvirus I.
(2. Passage durch Kaninchen.)
101
18. VIII.
5 Tagen
23. VJIL
101
überlebt
102
8 Tagen
26 . vrn.
102
13. IX. Lyssa, 14. IX. f
105
überlebt
103
| Controle: Lyssa am 4. IX. (16 Tage), 5. IX. f.
6 . Versuch am 20.VIII. Subd. Inf. mit Strassenvirus IV, Graz.
( 1 . Passage durch Hund.)
200
20. VIII.
1
5 Tagen
25. VIII.
200
überlebt
225
überlebt
201
i
7 Tagen
27. VIII.
201
überlebt
236
überlebt
202
»•
9 Tagen
29. VIII.
202
12. IX. Lyssa, f.
Med. subd. Kan. 202
26 . IX. Lyssa, 27. IX. f
224
24. IX. + ohne
Ersch., Medulla
subd. Kan. 224
10. X. f
ohne Ersch.
204
20. VIII.
| Controle:
Lyssa am 6. X. (19 Tage), 9. X. f.
7. Versuch am 29. VIII. Subd. Inf. mit Strassenvirus V, Mal schütz.
(3. Passage durch Kaninchen.)
227
29. VIII.
5 Tagen (
3. IX.
227
t
17. IX. f ohne Ersch.
241
überlebt
228
8 Tagen
8. IX.
228
18. IX. Lyssa, 19. IX. f
242
29. IX. f ohne
Erscheinungen
199
26 . vrn.
| Controle: Lyssa am 27. IX. (10 Tage), 29. IX. +.
Zeitschr. 1 Hygiene. XLI. 32
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498
R. Kraus, E. Keller und P. Clairmont:
In den früheren Versuchen, ausgeführt mit Virus fixe, sahen wir,
dass nach subduraler Infection des Virus die Medulla bereits am 3., 4. und
5. Tage sich als vollviruleut erwiesen hat. Am 6. Tage nach der Infection
ist auch in der Regel das Lumbalmark infectiös gewesen.
Die mit Strassenvirus durchgeführten Versuche lehren im Allgemeinen
zunächst, dass die Infectiosität der Medulla und des Lumbal¬
markes nach subduraler Infection viel später anzutreffen sei
als nach Infection mit Virus fixe. In keinem unserer Versuche
fanden wir die Medulla vor dem 5. Tage infectiös. Das Lumbalmark war
in zwei Versuchen am 7. und 8. Tage vollvirulent, sonst in allen anderen
Versuchen erlangte es viel später die Infectiosität.
Im 1. Versuch finden wir am 6. Tage die Medulla infectiös, am 7. und
8 . Tage avirulent und erst am 10. Tage lässt sich die Infectiosität derselben
wieder nachweisen. Solchen Unregelmässigkeiten in der Fortleitung sind
wir in früheren Versuchen auch begegnet, ohne dass wir hierfür einen
Grund anzugeben wüssten. Das Lumbalmark ist erst am 14. Tage typisch
virulent gewesen. Interessant ist der Versuch mit Kaninchen 246. Die>es
Thier mit Lumbalmark des Kaninchen 215 subdural geimpft, geht nach
14 Tagen ohne Erscheinungen zu Grunde. Die Zeit würde der Zeit ent¬
sprechen, in der Kaninchen 215 mit Medulla geimpft, typische Lyssa
bekam. Mit der Medulla von Kaninchen 246 wird weiter subdural
Kaninchen 246 inficirt. Nach 18 Tagen geht das Kaninchen an Lyssa
zu Grunde. Das mit der Medulla dieser Kaninchen subdural inficirte
Kaninchen geht nach 17 Tagen an Lyssa zu Grunde. Im 1. Versuch sehen
weiter wir Kaninchen 234 mit der Medulla von Kaninchen 234 6 Tage
nach der Infection subdural inficirt ohne Erscheinungen zu Grunde gehen.
Das mit der Medulla davon subdural injicirte Kaninchen geht gleichfalls
ohne Erscheinungen nach 7 Tagen zu Grunde. Die Infection mit der
Medulla dieses Kaninchens hat in der 3. Passage typische Lyssa zur Folge.
Eine ganz ähnliche Beobachtung machten wir noch in einem nicht
näher anzuführenden Versuche, wo Virus fixe lumbal injicirt wurde.
24 Stunden nach der Infection wurden die verschiedenen Abschnitte des
Ceutralnervensystems subdural Kaninchen iujcirt. Das Lumbalmark erzeugt
typische Lyssa. Das Dorsalmark ist nicht virulent Nach Injection der
Medulla geht das Kaninchen nach 14 Tagen ohne Erscheinungen zu
Grunde. Mit der Medulla dieses Thieres wird ein Kaninchen subdural
injicirt und geht nach 16 Tagen an typischer Lyssa zu Grunde.
Auch diese Thatsachen, sowie die bereits angeführten dürften iu dem
Sinne zu deuten sein, dass es eine Form der experimentellen Lyssa giebt,
die ohne besondere Erscheinung einhergeht, wobei die Thiere unter Ab¬
magerung zu Grunde gehen. Diese Form der Lyssa trat bisher überall
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Das Lyssavibus im Centralnervensystem immuner Thiebe. 499
dort auf, wo Kaninchen subdural mit noch nicht vollvirulentem Virus
inficirt worden waren.
Der 3. und 5. Versuch, ausgeführt mit demselben Virus nach weiteren
Passagen durch Kaninchen, wobei aber zu bemerken ist, dass das In-
cubationsstadium sich nicht geändert hatte, ergiebt am 5. Tage einen voll¬
ständigen Mangel der Virulenz der Medulla und des Lumbalmarkes. Am
7. und 8. Tage ist die Medulla bereits typisch virulent. Das Lumbalmark
ist einmal am 7. Tage virulent, am 10. Tage in demselben Versuch ist es
avirulent, ebenso wie am 8. Tage in einem anderen Versuche (5).
Im 2. Versuche finden wir eine Wiederholung einer atypischen Fort¬
leitung, wie wir sie bereits früher kennen gelernt haben, indem die
Medulla am 5. Tage nicht infectiös erscheint, das Lumbalmark dagegen
bereits typische Lyssa erzeugt. Am 6. Tage ist das Lumbalmark avirulent,
die Medulla erzeugt eine atypische Form der Lyssa. Am 8. Tage ist
sowohl Medulla als auch Lumbalmark virulent.
Im 4. Versuche, in welchem ein Virus mit einem Incubationsstadium
von 20 Tagen in Anwendung gelangt, ist die Medulla selbst am 10. Tage
noch nicht vollvirulent.
Im 6. Versuche tritt die Infectiosität der Medulla erst am 9. Tage
auf, im 7. Versuche am 8. Tage. In beiden Versuchen war das Lumbal¬
mark um diese Zeit nicht typisch infectiös.
Zusammenfassend betrachtet, müssen wir sagen, dass sich im Ver¬
gleich zu den Versuchen mit Virus fixe zeitliche Unterschiede
in der Fortleitung des Strassenvirus im Centralnervensystem
gesunder Kaninchen ergeben haben. Nach subduraler Infection
mit Virus fixe ist die Medulla bereits am 3. und 4. Tage infectiös
hier nicht vor dem 6. Tage, gewöhnlich später sogar erst am
10. Tag. Dementsprechend finden wir das Lumbalmark später infectiös
am 7. und 8. Tage, und oft auch um diese Zeit erweist sich das Lumbal¬
mark als avirulent.
Unsere Kenntnisse über die Verschiedenheit der Eigenschaften des
Virus fixe und des Strassenvirus sind äusserst lückenhaft. Versuche über
die Verschiedenheit sonstiger Eigenschaften, über das Verhalten gegen
chemische, thermische und andere Einflüsse mit dem Strassen- und
Passagenvirus sind nicht angestellt worden. Man kennt nur das ver¬
schiedene Verhalten des Strassenvirus und des Virus fixe im Thierkörper.
Man kennt die Thatsache der Abschwächung des Strassenvirus durch
Affen, vielleicht durch Hühner, die Verstärkung nach Passage durch Meer¬
schweinchen, Kaniuchen und andere Thiere. Man weiss, dass das Virus
fixe sich durch die Kürze der Iucubationszeit vom Strassenvirus unter-
32*
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Original frorn
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500
R. Kraus, E. Keller und P. Claibmont:
scheidet, durch seine Constanz bei weiteren Passagen und durch die Form
der Lyssa. Worin die Verschiedenheit in der Wirkung des einen und
des anderen Virus begründet sei, wissen wir nicht; auch bestehen darüber
in der Litteratur keine Angaben.
Högyes glaubt, die Verschiedenheit in der Wirkung des Strassen¬
virus und des Virus fixe mit der Menge der Wuthmikroben (?) erklären zu
können. Den Ausgangspunkt seiner diesbezüglichen Betrachtungen bilden
seine Versuche über die Wirkungen des verdünnten Virus.
Im Jahre 1888 zeigte Högyes, dass Virus fixe in 10000 fachen
Verdünnungen gar nicht wirksam war. Nach subduraler Injection der
Kaninchen mit 5000facher Verdünnung des Virus starben schon einige
Thiere, aber mit verzögertem Incubationsstadium; die 1000- bis
250fachen Dilutionen tödten schon sämmtliche Kaninchen nach
stufenweise sich verkürzender Incubation. Die 200- bis 10fachen
Verdünnungen wirken ebenso stark, wie die ganz dichte Emulsion des
verlängerten Markes. „Die gleichen Volumina, sagt Högyes, der successiv
weniger verdünnten, daher auch successiv mehr fixes Virus enthaltenden
Emulsionen erzeugen nach successiv sich verkürzender Incubation die
Wuth, ihre Virulenz ist daher gesteigert.
Es entsteht aber nun die Frage, ob die bereits erwähnte Steigerung
der Virulenz, die bei successiven Weiterimpfungeu des Strassenvirus be¬
obachtet wird, nicht auch auf eine solche quantitative Vermehrung der
Wuthmikroben und des von ihnen erzeugten Giftes zurückgeführt werden
könnte, oder mit anderen Worten, ob beim Erlangen der Fixicität die
Erhöhung der Virulenz nur eine scheinbare sei.
Aus den Verdünnungen zu urtheilen, müsste ein Stück verlängertes
Mark eines an Strassenwuth verendeten Hundes ohne Zweifel weniger
Mikroben und auch weniger Wuthgift enthalten, als das gleich grosse
Stück Mark eines mit Passagevirus geimpften und gestorbenen Kaninchens;
es bleibt aber noch die Frage zu beantworten, ob nicht die gifterzeugende
Fähigkeit der Wuthmikroben eine stärkere wird und ob die Differenz
nicht dadurch entsteht, dass bei derselben gifterzeugenden Fähigkeit für
die Vermehrung der Mikroben das Nervensystem des Kaninchens einen
geeigneteren Nährboden darstellt als das Hundehirn. Dies würde experi¬
mentell dann bewiesen sein, wenn es mit der subduralen Einimpfung
einer grösseren Menge des Strassenvirus gelingen würde, die Wuth mit
einer 5- bis 6 tägigen Incubation bei Kaninchen zu erzeugen. Daraus
konnte nun der Schluss gezogen werden, dass auch das Strassenvirus ent¬
haltende Hirn mit derselben gifterzeugenden Fähigkeit versehene Mikroben
enthält, wie das Passagevirus enthaltende, folglich, dass bei der Erhöhung
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Das Lyssavirus im Centralnervensystem immuner Thiere. 501
und Abschwächung der Virulenz bloss quantitative Verhältnisse maass¬
gebend sind.“
Aus den Versuchen von Högyes geht das Eine sicher hervor, dass
zur Erzeugung einer typischen Lyssa mit Virus fixe nach subduraler In-
fection eine bestimmte Menge Virus gehöre. Geht man unter diese
Menge, so tritt überhaupt keine Lyssa auf.
Diese Thatsachen stehen in vollem Einklänge mit unseren sonstigen
bakteriologischen Kenntnissen. Mit virulenten Mikroorganismen können
wir einen acuten, subacuten oder chronischen Tod erzeugen, je nach der
angewendeten Menge der Mikroorganismen. Es gelingt auch, wie wir
wissen, einen wenig virulenten Mikroorganismus, der ein Kaninchen nach
2 bis 3 Tagen in Mengen von 1 bis 2 ccm tödtet, nach systematischer
Passage durch Kaninchen ihn auf eine Höhe der Virulenz zu bringen,
so dass Viooooo ei Qes Cubikcentimeters Kaninchen acut in 6 his 12 Stunden
tödtet (Streptokokken, Pestbacillen). Wodurch diese Virulenzsteigerungen
eventuell Virulenzschwächungen bedingt sind, darüber ist bisher nichts
Feststehendes bekannt.
Nach unseren Versuchen scheint die Verschiedenheit des
Strassenvirus und des Passagevirus auf einer verschiedenen
Fortpflanzungs- oder Vermehrungsfähigkeit zu beruhen. Das
Virus fixe ist nach subduraler Infection bereits am 3. Tage in der Medulla
nachweisbar, das Strassenvirus erst am 6. Tage oder auch später. Die
zeitlich verschiedene Nachweisbarkeit in den verschiedenen Abschnitten des
Centralnervensystems spricht entschieden dafür, dass das Strassenvirus
sich entweder langsamer fortpflanzt oder auch langsamer vermehrt.
Eine langsamere Vermehrung des Strassenvirus muss auf jeden Fall
erfolgen. Angenommen, das Virus pflanzt sich rasch von der Injections-
stelle zur Medulla fort und erreicht dieselbe früher, bevor es noch nach¬
weisbar ist, wäre ohne die Annahme einer langsamen Vermehrung die
Spätinfectiosität der Medulla unverständlich.
Wenn das Virus aber von der Injectionsstelle durch fortschreitendes
Wachsthum die Medulla und das Lumbalmark erreicht, so ist selbst¬
verständlich, dass die langsame Fortpflanzung durch eine langsame Ver¬
mehrung bedingt sein muss. Wie wir auch gesehen haben, hängt die
Vermehrungsfähigkeit hezw. Fortpflanzungsgeschwindigkeit, nach der In-
fectiosität der Medulla und des Lumbalmarkes zu schliessen, mit der Länge
des Incubationsstadiums des Virus innig zusammen.
Wir würden nach dem eben Angeführten zum ersten Male auf Grund
von Experimenten eine Erklärung für die Verschiedenheit der Eigen¬
schaften des Strassenvirus und des Passagevirus erbracht haben. Wir
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502
R. Kraus, E. Keller und P. Cl airmont:
glauben annehmen zu können, dass die Verschiedenheit des Strassen-
virus und des Passagevirus in einer verschiedenen Vermeh¬
rungsfähigkeit des Virus im Centralnervensystem des Kanin¬
chens begründet sein dürfte.
II. Veber das Verhalten des Lyssavirus im Centralnervensystem
todter Kaninchen.
Unsere Kenntnisse über die Natur des Virus der Lyssa sind auch
dermalen noch nicht weiter gediehen, als sie zur Zeit Pasteur’s waren.
Wir wissen auch heute noch nicht über das Virus mehr, als dass das
Centralnervensystem der beste Nährboden für dasselbe sei, und dass man
es nur durch Passage im Thierkörper erhalten könne. Es steht weiter
auch fest, dass das Virus, in’s Gehirn empfänglicher Thiere eingebracht,
sich daselbst fortpflanzen und vermehren könne.
Nachdem alle Versuche, das Virus ausserhalb des Körpers zu züchten,
gescheitert sind, nachdem durch die Untersuchungen von Vestea und
Zagari und durch unsere Arbeit eine Vermehrung des Virus im Central¬
nervensystem empfänglicher Thiere in vivo ganz sichergestellt ist, ver¬
suchten wir es, das Centralnervensystem empfänglicher todter Thiere als
Nährboden zu benützen. Unsere diesbezüglichen Versuche wurden in der
Weise durchgeführt, dass ganz analog wie in den Fortpflanzungsversuchen
im Centralnervensystem lebender Thiere das Virus subdural oder cerebral
in’s Gehirn eines soeben getödteten Kaninchens eingebracht wurde
und nach verschiedenen Zeiträumen die Medulla auf ihre Infectiosität ge¬
prüft. Aus der Arbeit über die Fortpflanzung des Virus im Central¬
nervensystem verschiedener Thiere wissen wir doch, dass nach subduraler
Infection mit Virus fixe bei gesunden Kaninchen die Medulla am 3. oder
4. Tage nach der Infection ganz regelmässig infectiös sei. In unseren
jetzigen Versuchen konnten wir demnach, nach dem, was uns über die
Fortpflanzung des Virus bereits bekannt war, aus dem positiven oder
negativen Impfresultate mit der Medulla der todten Thiere auf die Fort¬
pflanzung und Vermehrung des Virus schliessen.
1 . Versuch. Die Kaninchen werden entblutet und cerebral mit
Virus fixe inficirt.
Die Thiere liegen am Eis.
Cerebral Virus fixe
Liegt am Eis bis
Medulla subdural
Kaninchen
Resultat
111 26.111. 128. III. nach 2 Tagen j 115 überleb:
290 26. HL | 31. III. „ 5 „ 109 , „
142 26.111. i 31. III. „ 5 ,, Lumbalm. subdur. 113 „
Inj. in den N.ischiad.| |
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Das Lyssavibus im Centralnervensystem immuner Thiere. 503
2 . Versuch. Kaninchen werden zu Tode chloroformirt; sofortige
cerebrale Injection mit Virus fixe.
K Cerebral | Liegt am Eis oder
* Vir, fixe am bei Brüttemp. bis
Medulla
subdur. am
Besultat
Mednlla subdur.
Kan.
2 | 17. V.
f
21. V., nach 4 Tg.
bei 37°
Kan. 22
4. VI. nach 15 Tagen
ohne Erscheinungen
12
am 25. V. + ohne
Erscheinungen
6
I
21. V., nach 4 Tg.
am Eis
„ 25
81. Y. nach 10 Tagen
Exitus ohne Ersch.
25
13. VI. Exitus ohne
Erscheinungen
5
° v
i
25. Y.. nach 8 Tg.
am Eis
„ 42
25. VI. nach 1 Monat,
j Exitus ohne Ersch.
42
überlebt
Controls 1 chloroformirt, in Narkose inficirt.
17. V. j25.V.Lyssa,29.+|
3. Versuch. Kaninchen werden zu Tode chloroformirt. 6 Stunden
post mortem, intracerebral Virus fixe. Liegen am Eis und bei 37°.
Kan.
Cerebral
Virus fixe
am
Liegt am Eis
oder bei 37° bis
Medulla subdur.
Kaninchen
Resultat
9
18. V.
22.V. am Eis 4 Tage
72
von der In-
jectionstelle
subd. Kan. 75
überlebt
1 .VI. Lyssa, 2. +
i
10
>•
23.V. nach 5 Tagen,
liegt 4 Tage am Eis
und 24 Std. bei 37°
77
4.VI. Exitus nach
12 Tagen ohne
Erscheinungen
77 Exitus
2.VII. ohne
Erschein.
16
•9
25.V. nach 7 Tagen
am Eis
40
15. VI. f nach
21 Tagen ohne
Erscheinungen.
Lumbalm. subd.
39
überlebt
19
99
25. V. nach 7 Tagen,
liegt 3 Tage bei 37°
und 4 Tage am Eis
44
überlebt
17
1
!
i
9t
28.V. 10 Tage am Eis
68
Injectionsstelle
subd. Kan. 65
28. VI. f nach
1 Monat ohne
Erscheinungen
16. VI. + nach
19 Tagen
68
überlebt
65
überlebt
Control*Kaninchen 1 in Narkose inficirt.
| 18. V. | 25. V. Lyssa, f | |
4. Versuch. Kaninchen zu Tode chloroformirt. Dann cerebral Virus fixe.
Liegen am Eis.
240 | 27. VI.
1. VII. nach 4 Tagen
240
überlebt
6h | „ |
| 2. VII. nach 5 Tagen
65
ft
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504
R. Kbaus, E. Kelleb und P. Claibmont:
5 . Versuch. Kaninchen zu Tode chloroformirt Sofort subdural Virus fixe.
Liegen 48 Stunden bei 37°, dann bei Zimmertemperatur.
Kaninchen
Subdural 1
Virus fixe
am [
Liegt bei 37° und
bei Zimmertemperatur
Medulla subduralis
Kaninchen
r
Resultat
l
8. IX.
48 Stunden bei 37° und
48 Std. bei Zimmertemp.
12. IX.
148
i
|
überlebt
2
»»
48 Stunden bei 37° und ]
3 Tage bei Zimmertemp.
13. IX.
189
i»
3
9t
48 Stunden bei 37° und
5 Tage bei Zimmertemp.
15. IX.
160
*»
4
9t
48 Stunden bei 37® und
8 Tage bei Zimmertemp.
18. IX.
! 74
i 29
..
Aus den vorliegenden Versuchen ergiebt sich zunächst, dass es nicht
gelingt, das in’s todte Gehirn subdural und cerebral injicirte
Virus fixe in der Medulla der todten Kaninchen nachzuweisen.
Weder nach 4 noch nach 5, selbst nach 10 Tagen ist die Medulla dieser
Thiere infectiös. Es dürfte sich nach dem Ausfall dieser Versuche zu
schliessen das Virus fixe, eingebracht in’s Centralnervensystem todter Thiere.
daselbst weder fortpflanzen noch vermehren. Ob das Virus im Gehirn der
todten Thiere zu Grunde geht, ist schwer zu entscheiden. In einzelnen
Versuchen ist es uns nicht einmal gelungen, die Injectionsstelle infectiös
zu finden. Nur in einem Versuche erwies sich die Injectionsstelle noch
nach 4 Tagen typisch infectiös. Diese wenigen diesbezüglichen Versuche
lassen keinen sicheren Schluss zu, da möglicher Weise die Verdünnung
des Virus, da ja das Virus sich nicht vermehrt, die Ursache für die
Nichtinfectiosität der Medulla sein könnte. Immerhin steht es aber fest,
dass nach den übereinstimmenden Resultaten dieser Versuche das in’s Gehirn
todter Kaninchen eingebrachte Virus sich anders verhalte, als das im Ge¬
hirn lebender Kaninchen. Das Virus pflanzt sich im Gehirn todter
Kaninchen nicht fort und vermehrt sich auch nicht.
Um womöglich günstige Bedingungen für die Vermehrung des Virus
zu setzen, wurden frisch getödtete Kaninchen, nachdem das Virus injicirt
wurde, auch bei 37° gehalten. Selbst bei dieser Anordnung gelang es
nicht, die Iufectiosität der Medulla nachzuweisen. Es vermehrt sich
darnach auch das Virus im todten Ceutralnervensystem der Kaninchen bei
37° nicht. Dass niedrige Temperaturen das Virus in seiner Virulenz
nicht zu schädigen vermögen, war Pasteur bekannt und ist durch Ver-
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Das Lyssavibus im Centbaenebvensystem immuneb Thieke. 505
suche von Yiala und Jobert nachgewiesen. Yiala konnte mit einem
im luftleeren Raume hei —4° bis 4° C. auf bewahrtem Gehirn wuth-
kranker Kaninchen noch nach 5 Monaten Lyssa erzeugen.
Jobert konnte selbst nach 10 Monaten bei —10° bis 25° C. die
Virulenz des Virus unverändert nachweisen.
Dass Temperaturen von 35° C. durch längere Zeit die Virulenz des
Virus nicht beeinträchtigen, ist auch nachgewiesen worden.
Die Temperatur, bei der die Kaninchen in unseren Versuchen auf¬
bewahrt wurden, können demnach nicht als Ursache für die negativen
Resultate herangezogen werden.
Es ist weiter noch bekannt und von verschiedenen Seiten auch nach¬
gewiesen, dass die Fäulniss die Virulenz des Virus nicht beeinträchtige.
Wir konnten in einzelnen Versuchen uns davon überzeugen, dass das
Gehirn der frisch getödteten Kaninchen selbst nach einigen Tagen weder
aerob noch anaerob cultivirbare Mikroorganismen enthielt. Auf diese
Weise würde auch der Einwand, dass eventuelle Fäulnisskeime das Virus
in seiner Vermehrung gehemmt haben dürften, entkräftet.
Wir glauben nach dem Vorangehenden zu dem Schlüsse berechtigt
zu sein, dass die Vermehrung der Virus fixe im todten Gehirn
empfänglicher Thiere nicht stattfinden könne und nur im Ge¬
hirn lebender Thiere erfolge. Ob die Fortpflanzung und Vermehrung
des Lyssavirus nur an das Leben der Nervenzelle gekuüpft sei, oder welche
andere Momente hierfür maassgebend sind, lässt sich nicht entscheiden.
Ob aus der Feststellung dieser Thatsache auch auf die Unmöglichkeit
der Cultivirbarkeit des Virus ausserhalb des Organismus geschlossen werden
darf, müssen wir ebenso offen lassen.
III. Ueber die Fortpflanzung des Lyssavirus im Centrainerven*
System der Tauben und Hühner.
In einer früheren Arbeit (6) konnten wir zeigen, dass das Verhalten
der Vögel gegenüber dem Lyssavirus (Virus fixe und Strassenvirus) ein
anderes sei, als das der Säugethiere. Sowohl durch Virus fixe als durch
Strassenvirus lässt sich durch subdurale Infection bei Hühnern, Gänsen,
Enten, jungen Tauben Lyssa erzeugen. Die Incubation ist verschieden.
Während dieselbe bei Gänsen, Enten meist ca. 14 Tage beträgt, ist dieselbe
beim Huhne verlängert und dauert 40 und mehr Tage. Es tritt auch
kein Unterschied ein, ob das Ausgangsvirus kurzer oder längerer In¬
cubation war (Virus fixe und Strassenvirus). Die Krankheitsform bei den
empfänglichen Vögeln ist die der paralytischen Wuth, jedoch ausgezeichnet
durch langwierigen, 14 Tage, ja mehrere Wochen dauernden Verlauf.
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Original fro-m
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506
R. Kraus, E. Keller und P. Clairmont:
Die Erscheinungen sind zu Beginn Ataxie, später tritt Parese, endlich
Paralyse der Extremitäten und der Halsmusculatur auf. Viele Thiere ver¬
weigern jede Nahrungsaufnahme und gehen unter grosser Abmagerung
meist zu Grunde. In seltenen Fällen tritt jedoch unter allmählichem
Zurückgehen der Erscheinungen Heilung auf.
Die Krankheit lässt sich von den Vögeln wieder auf Kaninchen über¬
tragen, doch nicht so constant wie bei den letzteren.
Alte Tauben verhalten sich dem Lyssavirus gegenüber vollkommen
refractär. Weder durch Virus fixe, noch durch Strassenvirus lässt sich
normaler Weise bei Tauben Lyssa hervorrufen. Durch Hungern jedoch
können alte Tauben für die Lyssainfection empfänglich gemacht werden.
Weitere Versuche über die natürliche Immunität der Tauben haben
ergeben, dass weder das Blutserum noch die Gehirnsubstanz rabicide
Eigenschaften dem Lyssavirus gegenüber besitzen.
Gibier zeigte in seinen Versuchen, dass das Lyssavirus noch nach
12 und 20 Tagen nach der subduralen Impfung bei einem Hahn und
einer Taube im Gehirn enthalten sei. Unsere diesbezüglichen Versuche
über das Verhalten des Lyssavirus im Taubengehirn sind nicht einheitlich
ausgefallen. Neben einer Reihe negativer Befunde ist es uns gelungen,
in zwei Versuchen das Virus nach 48 Stunden und 12 Tagen im Tauben¬
gehirn nachzuweisen. Wir schlossen aus unseren Versuchen, dass das
Virus fixe im Taubengehirn nicht zerstört werde.
Nachdem es uns aber in unseren früheren Versuchen nicht gelungen
ist, eine Lösung der Frage über das Verhalten des Lyssavirus im Ceutr.il-
nervensystem natürlich immuner Tauben herbeizuführen, gingen wir noch
einmal dieser Frage nach.
In den früheren Versuchen wurde das ganze Taubengehirn emulgirt
und mit der Emulsion subdural Kaninchen injicirt. In den folgenden
Versuchen kam dieselbe Methodik, wie bei den Fortpflanzungsversuchen
im Kanincheugehim in Anwendung. Das Virus wurde subdural injicirt
und nach verschiedenen Zeiträumen die Medulla und Cervicalmark in
Emulsionen subdural Kaninchen injicirt
1. Versuch. Subdurale Injection von Virus fixe am 4.IV.
Subd. Entblutet
Taube Infect.
: am nach
iMed. subd.
u. Cervical¬
mark
Kaninchen
Resultat
Vom
Kaninchen
Med. subd.
Resultat
1 4. IV. 13 Tasten
17. IV.
157
25.1V. Lyssa,
28. f
vom Kan.
157
auf Kan.
157
7. V. Lyssa. 8.V. f
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Das Lyssavibus em Centbalnebvensystem immunes Thiere. 507
Taube
| Subd.
i Infect.
! am
1
Entblutet
nach
Med. subd.
u. Cervical-
mark
Kaninchen
Resultat
Vom
Kaninchen
Med. subd.
Resultat
1
2
23 Tagen
27. IV.
270 1
23. V. Lyssa,
so. t
nach 26 Tagen
Das mit der Medulla
geimpfte Kaninchen
^eht Tags darauf zu
3
*9
23 Tagen i
27. IV. '
1
113
1
* '
überlebt
1
2 . Versuch. Subdurale Injection von
. Virus fixe am 27. IV.
1
27. IV.
6 Tagen
3. V.
123
6. VI. f ohne
Erscheinung,
nach 33 Tagen
123
12. VI. f ohne
Erscheinungen.
2
99
6 Tagen
3. V.
169
21. V. f ohne,
| Erscheinung.
3
10 Tagen
7. V.
122
| überlebt
3. Versuch. Subdurale Injection mit Virus fixe am 18. V.
1
18. V.
10 Tagen
28. V.
61
7. VI. Lyssa
12. VI. f
61
19. VI. + ohne Erseh.,
davon Medulla sujjd.
Kan. 68 f 26. VL
ohne Erscheinungen.
2
18 Tagen
5. VI.
13
25.VI. f ohne
Erscheinung.
3
38 Tagen
25. VL
100
13
überleben
4. Versuch. Subdurale Injection mit
, Virus fixe am 17. VII.
1 1
i
17.VII.
5 Tagen
22. VII.
171
16.VII. + ohne
Erscheinung.
69
überlebt
2
7 Tagen
24. VII.
173
überlebt
3
1)
9 Tagen
26. VII.
175
»
4
V
11 Tagen
28. VII.
178
7. VII. f ohne
Erscheinung.
10 Tagen
178
14. VII. Lyssa, 16. +.
Diese Versuche stehen mit unseren früheren Untersuchungen in voller
Uebereinstimmung; wir sagten damals, dass nach dem Ausfall der drei
positiven Versuche, welche ebenso ausgeführt wurden wie die zahlreichen
negativen, das Virus fixe im Taubengehirn nicht zerstört werde; ferner,
nahmen wir an, wenn wir die negativen Versuchsresultate zu Schluss-
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508
R. Kraus, E. Keller und P. Clairmont:
folgerungen yerwerthen wollten, dass das Virus im Taubengehim sich nicht
vermehrt Ob das Virus im Taubengehirn abgetödtet wird, kann aus diesen
Versuchen nach dem positiven Ausfall einzelner Versuche und aus dem
negativen der Control versuche nicht geschlossen werden.
Auch in der jetzigen Versuchsreihe stehen einer grossen Anzahl negativer
Befunde einzelne positive Resultate gegenüber.
Es gelang, mit der Medulla und Cervicalmark der Tauben im 1. Ver¬
suche 13 Tage nach der Infection Lyssa zu erzeugen. Bei der 2. Taube
im selben Versuche war die Medulla nach ,26 Tagen infectiös. Allerdings
ging das Kaninchen erst nach 26 Tagen an typischer Lyssa zu Grunde.
Bei der TJebertragung des Virus fixe von Hühnern auf Kaninchen fanden
wir in früheren Versuchen auch eine Verlängerung des Incubations-
stadiums auf 17 und 19 Tage.
Im 2. Versuche gelang es weder nach 6 noch nach 10 Tagen die
Infectiosität der Medulla nachzuweisen.
Im 3. Versuche ist die Medulla nach 12Tagen virulent gewesen, in¬
dem das Kaninchen typisch an Lyssa zu Grunde geht Dass die weitere
Impfung resultatlos verlief, ist nicht verständlich. Eine ähnliche Beob¬
achtung finden wir in unserer früheren erwähnten Arbeit Mit der Medulla-
emulsion einer an typischer experimenteller Lyssa zu Grunde gegangenen
Eule wird ein Kaninchen subdural geimpft Dasselbe geht ohne Er¬
scheinungen zu Grunde. Die subdurale Impfung mit der Medulla dieses
Kaninchens erzeugt Lyssa. Die weitere subdurale TJebertragung gelingt nicht.
Die weiteren zwei Tauben beim 3. Versuch liefern ein negatives
Resultat. Im 4. Versuche sind die Resultate bei drei Tauben negativ, bei
der vierten Taube begegnen wir einem analogen Befund, wie im eben
erwähnten Versuch mit der Medulla von der Eule. Die Medulla von der
vierten Taube ist noch nach 11 Tagen infectiös; das genannte Kaninchen
geht zwar ohne Lyssaerscheinungen zu Grunde, die Medulla erweist sich
jedoch typisch infectiös.
Wir hatten auch bei den früheren Untersuchungen die Beobachtung
gemacht, dass die Impfung mit der Medulla der sicher an experiment.
Lyssa zu Grunde gegangenen Vögel (Hühner, Gänse, Eulen) bei Kaninchen
nur bei einzelnen Fällen typische Lyssa erzeugte. In vielen Fällen er¬
krankten Kaninchen überhaupt nicht oder gingen ohne Erscheinungen zu
Grunde. Ob die ohne Erscheinungen zu Grunde gegangenen Kaninchen
in den früheren sowie in den jetzigen Versuchen einer Lyssainfection
erlegen sind, können wir nicht entscheiden.
I)a es uns immerhin in einigen wenigen Fällen gelungen ist, nach
längerer Zeit eine Infectiosität der Medulla und des Cervicalmarkes nach¬
zuweisen, sehen wir eine Bestätigung der früheren Versuche und
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Das Lyssa virus im Centralnervensystem emmuneb Thiebe. 509
können auch hier sagen, dass das Virus fixe im Taubengehirn sich
erhalten könne.
Ob in den Fällen mit negativem Resultat das Virus vollständig zer¬
stört wurde, oder nur für Kaninchen durch Anpassung an das Tauben-
gehim unwirksam oder abgeschwächt wurde (Exitus ohne Erscheinungen),
ist schwer zu entscheiden.
Wie wir sehen, haben die Fortpflanzungsversuche mit Virus fixe und
mit Strassenvirus im Centralnervensystem des gesunden Kaninchens, also
einer empfänglichen Thierart, im Vergleich zu den Fortpflanzungen im
Taubengehirn, ganz bedeutende Unterschiede ergeben.
Im Centralnervensystem der empfänglichen Thiere pflanzt sich das
Virus in ganz typischer Weise fort und ist constant in einer bestimmten
Zeit im ganzen Nervensystem, zunächst in der Medulla, dann im Lumbal¬
mark nach .subduraler Impfung nachweisbar. Im Centralnervensystem der
natürlich immunen Vögel kann sich das Virus auch fortpflanzen und
ist auch noch nach längerer Zeit nachweisbar. Zumeist gelingt es
aber, das Virus nicht nachzuweisen, ohne dass man deswegen berechtigt
wäre, daraus schon ein Zugrundegehen des Virus im Centralnervensystem
dieser Thiere anzunehmen. In beiden Fällen pflanzt sich das Virus fort,
im empfänglichen Kaninchengehim gesetzmässig, ob im natürlich un¬
empfänglichen Taubengehirn in einer nicht typischen Weise, entzieht sich
der Beurtheilung. Ohne dass Tauben unter gewöhnlichen Verhältnissen
an Lyssa erkranken würden, kann sich im Gehirn dieser Thiere das Lyssa¬
virus fortpflanzen und vermehren.
Wie die Versuche mit Serum und normalem Taubengehim lehren
und wie spätere Versuche noch weiter zeigen werden, besitzt das normale
Taubenserum und Taubengehirn keine rabiciden Eigenschaften gegenüber
dem Lyssavirus, so dass die Immunität der Tauben weder in rabiciden
Substanzen des Serums noch in solchen des Centralnervensystems eine
Erklärung findet.
Die nächstfolgenden Versuche beschäftigen sich, mit den Fort¬
pflanzungsverhältnissen des Lyssavirus im Centralnervensystem der Hühner.
In unseren Untersuchungen konnten wir zeigen, dass Hühner im
Allgemeinen für das Lyssavirus empfänglich sind. Die mit Virus fixe
und Strassenvirus subdural inficirten Hühner erkranken nach verschieden
langen Incubationsstadien unter charakteristischen Erscheinungen und
gehen nach längerer oder kürzerer Krankheitsdauer zu Grunde. Das
Incubationsstadium betrug in den einzelnen Versuchen 28 bis 69 Tage.
Durchschnittlich betrug das Incubationsstadium nach Impfung mit Virus
fixe 40, mit Strassenvirus 44 Tage.
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510
R. Kraus, E. Keller und P. Clairmont :
Die Uebertragung des Virus vom lyssakranken Hnbn auf andere
Hühner ergab unregelmässige Resultate. Ebenso ist die Uebertragung des
Virus vom Huhn auf Kaninchen schwankend. In sechs Fällen wurden
Kaninchen mit Medulla lyssakranker Hühner inficiri Nur in zwei Ver¬
suchen trat Lyssa auf, wobei das Incubationsstadium 17 und 19 Tage betrug.
Nach dem Ausfall dieser Versuche war es von vornherein wenig anssichts¬
voll, Lyssavirus im Centralnervensystem der inficirten Hühner nachzu¬
weisen, zumal es doch in der Mehrzahl der Fälle nicht gelungen ist, von
bereits lyssakranken Hühnern Virus auf Kaninchen zu übertragen.
In unseren Versuchen wählten wir kürzere Zeiten, als sie der nach¬
gewiesenen Länge des Incubationsstadiums entsprechen würden.
Die Hühner wurden subdural geimpft und die Medulla von den ent-
bluteten Thieren subdural auf Kaninchen verimpft.
1 Versuch am 4 .IV. Subdurale Infection mit Virus fixe.
Huhn
Subdurale j Entblutet
1 Infection am j nach
Medulla und
Cervicalmark
subdural
Resultat Medulla v. Kaninchen
1
4. IV. J 2 Tagen
1 6. IV.
256
20. IV. f ohne
Erscheinung
2
13 Tagen
| 17. IV.
119
| l
überlebt
2 . Versuch am 19. V.
Subdurale
Iufection mit Virus fixe.
1
19. V. 9 Tagen
28. V.
I 69
16. VI. f ohne’69 subd. Kaninchen 69«
Erscheinung [ 14. VI. Lyssa. 16 f
2
„ 17 Tagen
! 5. VI.
I 54
19.VI. f ohne
Erscheinung 1
3
, ., 24 Tagen
95
18. VI. Lyssa,
12. VI.
1
Lumbal mark
subd. Kan.
96 |
19. VI.'0
überlebt j
3. Versuch. Subdurale Infection mit Virus fixe.
1
17. VII. 6 Tagen
23. VII.
170 1
172
überlebt j
2
8 Tagen
25. VI.
177 1
i
3
23. VII. 8 Tagen
31. VII.
181 1
1
»» I
4. Versuch. Subdurale Infection mit Virus fixe.
1
15. VIII. 13 Tagen
28. VJfll.
116 i
1
7. IX. Lyssa,
9. f
2
„ 18 Tagen
2.X.
115
1
15.IX. t ohne subd., überlebt.
Erscheinung |
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Das Lyssavibus im Centralnervensystem immuner Thiere. 511
Die Versuche sind ganz analog wie die Versuche mit Tauben aus¬
gefallen. In einzelnen Versuchen gelang es, nach 9, 13 und 24 Tagen
das Virus in der Medulla inficirter Hühner nachzuweisen. Die Mehrzahl
der Versuche, wie auch zu erwarten war, fiel negativ aus.
Dass der negative Ausfall in diesen Versuchen nicht in der Zer¬
störung des Virus bedingt sein kann, dafür sprechen unsere früheren Er¬
fahrungen, wonach Hühner fast regelmässig nach subduraler Infection an
Lyssa erkrankt sind. Wir hätten noch die Annahme zu machen, dass
das Virus in den verschiedenen Zeiträumen noch nicht in der Medulla
vorhanden war oder in zu geringer Menge, oder dass das Virus für
Kaninchen bis zur Unwirksamkeit abgeschwächt wird.
Gegen die erste Annahme spricht der Umstand, dass es uns in drei
Fällen thatsächlich gelungen ist, nach 9, 13 und 24 Tagen Virus nach¬
zuweisen. Für die weitere Annahme liesse sich der Umstand anführen,
dass das Serum der Hühner, wie wir bei besonders darauf gerichteten
Versuchen feststellen konnten, normaler Weise bereits stark rabicide Eigen¬
schaften besitzt.
In welcher Weise die Fortpflanzung des Virus im Centralnervensystem
der Hühner erfolgt, vermögen wir aus den eben angeführten Gründen der
Unmöglichkeit eines sicheren experimentellen Nachweises nicht zu ent¬
scheiden. Wir können nur sagen, dass es gelingt, das Virus nach längerer
Zeit, wie auch aus den früheren Versuchen hervorgeht, im Centralnerven¬
system der inficirten Hühner nachzuweisen. Dass das Virus früher in
der Medulla nachweisbar sei, bevor noch Krankheitserscheinungen auf-
treten, geht ebenfalls aus den Versuchen hervor. Aus der Thatsache, dass
die Hühner nach subduraler Infection fast ausnahmslos an Lyssa erkranken,
dürfen wir schliessen, dass das Lyssavirus sich fortpflanzt und
vermehrt und dass die negativen Uebertraguugsversuche auf
Kaninchen in einer Abschwächung des Virus ihren Grund
haben dürften.
Trotzdem Huhn und Taube in Bezug auf Empfänglichkeit für das
Lyssavirus sich ganz verschieden verhalten, finden wir in den Resultaten
der Fortpflanzungsversuche Analogieen. In beiden Versuchreihen fällt die
Mehrzahl der Versuche bezüglich der Ueberimpfbarkeit des Virus auf
Kaninchen negativ aus. Ohne dass die Tauben eine nachweisbare Rabicidie
des Serums aus der Gehirnsubstanz hätten, wird das Virus offenbar für
Kaninchen geschwächt. Der Mechanismus der Abschwächung des Virus
im Taubengehirn dürfte allerdings ein anderer sein, als der der Ab¬
schwächung des Virus im Hühnergehirn.
Die gesunden Hühner besitzen ja ein stark rabicides Serum, so dass
die Abschwächung für Kaninchen sich daraus schon erklären liesse.
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512
R. Kraus, E. Keller und P. Clairmont:
IT. Veber die Fortpflanzung des Lyssavirus im Centralnerven-
system immnnisirter Kaninchen.
Im Weiteren soll nun der Frage näher getreten werden, wie sich das
Lyssavirus im künstlich immunisirten Thier verhält Wenn auch durch die
Arbeiten von Bab es (8), Tizzoni(9)und ihrer Mitarbeiter die Eigenschaften
des Serums immunisirter Thiere bereits studirt wurden, sind wir trotzdem
darüber, was mit dem Lyssavirus im immunisirten Organismus geschieht,
nicht näher orientirt. Denn wenn auch das extravasculäre Blut immuni¬
sirter Thiere rabicide Eigenschaften in vitro besitzt, ist damit die Frage
nach dem Schicksal des Lyssavirus im immunisirten Organismus noch
nicht entschieden. Wissen wir doch, wie häufig die extravasculäre Wirk¬
samkeit eines Serums einem Mikroorganismus gegenüber direct der
Empfänglichkeit des serumspendenden Organismus für dieses Bacterium
absolut widerspricht.
Mit der Gesetzmässigkeit im Verhalten des Lyssavirus im empfäng¬
lichen Kaninchengehirn und Rückenmark hatten wir eine Basis gewonnen,
um diese Frage richtig zu verfolgen. Die Versuche wurden in der Weise
angestellt, dass Kaninchen Anfangs nach Pasteur, später mit Dilutionen
von Virus fixe nach Högyes immunisirt wurden und nachher mit Virus
fixe oder mit Strassenvirus subdural, intraoculär oder intranervös infioirt
wurden. Nach verschieden langer Zeit wurden die einzelnen Abschnitte
des Centralnervensystems auf ihre Infectiosität geprüft.
1. Versuch am 5. VI. Subdurale Infection mit Virus fixe. (Kaninchen.)
Immunis.
Kaninchen
Inficirt
subd.
am
Entblutet
nach
Medulla
subd.
Resultat
Lnmbal-
mark subd.
Resultat
14
5. VI.
5 Tilgen
10. VI.
93
17. VI. f ohneErsch. j
nach 7 Tagen, davon
Med. subd. 93, + 28.VI.
ohne Erscheinung
15
1
|
7 Tagen
12. VI.
1
99
3. VII. f ohne Ersch.
nach 23 Tagen, davon
Medulla subd.
99 überlebt
60
22. VL f
ohne Er¬
scheinung
Die Kaninchen waren mit steigenden Mengen von Virus fixe-Emulsioneu
in zweitägigen Intervallen vom 1. V. bis 15. V. immunisirt worden und
waren die einzig überlebenden aus einer grösseren Anzahl von Versuchen,
da viele Thiere während der Immunisirung an Lyssa zu Grunde gingen;
die angewandte Methode erwies sich damit als unzuverlässig.
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Das Lyssaviris im Centralxervensystem immuner Tjiiehe. 513
Was unsere Frage selbst anbetrifft, so würden die beiden Fälle zeigen,
dass beim immunisirten Thiere 5 und 7 Tage nach der subduralen In-
fection weder Medulla noch Lumbalmark infectiös sind, denn die hiermit
inficirten Thiere blieben am Leben.
In diesem Versuche waren die immunisirten Thiere 20 Tage nach
der letzten Injection zum Versuch verwendet worden; das ist nothwendig
einzuhalten; in zwei Versuchsreihen, bei denen die Kaninchen nach
Pasteur’s Methode immunisirt worden waren, hatten wir die Infection
kurz nach der letzten Injection vorgenommen und fanden virulentes Mark
oder Tod an Lyssa. Zweifellos lag der Misserfolg in der raschen Auf¬
einanderfolge von letzter Injection und der subduralen Infection. Cen-
tanni (10) zeigte bereits, dass noch am 8. oder 12. Tage nach der
Vaccinatiou die Mehrzahl der behandelten Thiere der Probeinfection nicht
widerstehen. Am 17. Tage können noch einige Thiere der Infection unter¬
liegen, erst nach 20 Tagen sind die Thiere immun.
Im nächsten Versuche wurde dieser Thatsache Rechnung getragen
und 20 Tage nach der letzten Injection erfolgte die subdurale Infection
mit Virus fixe.
Die Virus fixe-Emulsion ist nicht filtrirt. Zur Infection wird eine
Verdünnung 1:1 und 1:50 verwendet.
4. Versuch am 15. XI. Kaninchen immunisirt nach Hügyes. 20 Tage
nach der letzten Injection subdurale Infection mit Virus fixe.
Immunis.
Kaninchen
Inficirt am
Resultat
82 15. XI. mit 23. XI. Lyssa,
Virus fixe 1:1 25. XI. f
87 1 15. XI. mit desjrl.
| Virus fixe
i 1 : 50
Trotzdem also genau nach den Angaben von Centanni und Tizzoni
die Infection 20 Tage nach der letzten Impfung erfolgt ist, sehen wir,
dass die immunisirten Kaninchen an typischer Lyssa erkranken. Es sei
liier nun erwähnt, dass das Serum dieser Thiere auf filtrirte Emulsionen
von Virus fixe in Verdünnungen von 1:50 rabicid gewirkt hatte. Dieses
Serum vermochte jedoch in demselben Zeitraum Emulsionen des Virus in
Verdünnungen 1:1 nicht zu zerstören. Wir sehen also, dass immunisirte
Thiere, deren Serum auf bestimmte Mengen Virus rabicide Wirkungen
auszuüben im Stande ist, der Infection mit demselben Virus erliegen
können. Diese einander widersprechenden Thatsachen seien vor der Hand
Zeitschr f. Hygiene. XL1. 33
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514
R. Kraus, E. Keller und P. Claibmont:
nur constatirt. Analoge Beobachtungen finden wir in der noch näher zu
besprechenden Arbeit von Centanni. Derselbe findet beispielsweise das
Serum eines vaccinirten Tbieres am 11. Tage nach der Vaccination sehr
wirksam, ohne dass das Thier selbst immun gewesen wäre. Aus diesen
und ähnlichen Befunden schliesst dann Centanni, dass die Immunität
der vaccinirten Thiere unabhängig sei von den Eigenschaften seines Blutes.
Immunität und immunisirende Kraft des Blutes sind nach Centanni
zwei verschiedene Dinge.
Der nächstfolgende Versuch zeigte, dass wir aus dem Ausfall dieses
Versuches von Centanni nicht berechtigt sind, Schlussfolgerungen zu
ziehen.
Es wurde im 4. Versuch das Virus zwar in Verdünnungen von 1:1
und 1:50 verwendet, ohne dass die Emulsion filtrirt war. Bei unseren
Versuchen über Rabicidie des Serums sehen wir, dass eine derartige
Emulsion kein gleichmässiges Gemenge giebt, da neben fein vertheiltem
Virus grössere Flocken vorhanden sind, die unberechenbare Virusmengeu
enthalten können.
Bei den Versuchen über die Rabicidie des Serums haben wir die
Wichtigkeit einer genauen Methode der Dosirung des Virus dargethan;
es sei hier im Allgemeinen nur bemerkt, dass beim Nachweis der Lyssa¬
immunität wie auch der Rabicidie der Sera dieselben grundlegenden Gesetze
befolgt werden müssen, wie bei Bestimmung der Immunkörper und über¬
haupt. Dahin gehört vor allem ein genau und sicher ausgewerthetes
Gift; ein solches giebt in unserem Falle nur die durch Papier filtrirte
Emulsion.
Im folgenden Versuch dient zur Infection eine durch Papier filtrirte
Emulsion von Virus fixe.
5. Versuch am 6. XI. Kaninchen immunisirt nach Högyes. 20 Tage
nach der letzten Infection subdurale Infection mit Virus fixe-Emulsion.
Irauiunis.
Kaninchen
Inficirt am
i
Resultat
Entblutet
am
Medulla
subd.
Resultat
31)
6. XI. mit filtr.
Emulsion 1 : 50
überlebt
16. XII.
1 150
7.1. f ohne Erschein.,
davon Medulla subd.
150, überlebt
69
6. XL mit filtr.
Emulsion 1 : 100
jj
1
Nach dem Ausfall dieses Versuches mit Virus fixe war es wahrschein¬
lich, dass im activ immunisirten Kaninchen das subdural eingebrachte
Virus sich nicht fortpflanzt, möglicher Weise sogar zerstört werde.
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Das Lyssa virus im Centralnerven System immuner Thiere. 515
Mit Rücksicht auf das praktische Interesse jedoch, welches der Frage
nach dem Schicksale des Virus im activ immunisirten Organismus zu
Grunde liegt, wurden die weiteren Versuche mit Strassenvirus durch¬
geführt. Die Schlussfolgerungen, die sich aus diesen Versuchsreihen er¬
gehen, lassen sich nach dem Vorausgehenden ohne Weiteres auf Virus
fixe anwenden.
Versuch am 5.IX. Kaninchen immunisirt nach Pasteur und Hügyes
vom 11. VII.—l.IX. Intraoculare Infection.
Immun. Kan.
Inficirt am
| Entblutet nach
Med. subdur. 1
Resultat
54 1
5. IX.
20 Tagen am 26. IX.
54
überlebt
Der mit demselben Virus intraoculär geimpfte Hund geht nach 20 Tagen
an typischer Lyssa zu Grunde.
In diesem Versuche wurde die intraoculare Impfung statt der sub-
duralen angewendet, welch’ erstere beim Strassenvirus ebenso sichere
Resultate 1 liefert, als die letztere.
Versuch am 9. X. Kaninchen immunisirt nach Högyes vom 3.-24. IX.
14 Tage nach der letzten Injection intraoculare Infection.
Immunis.
Kaninchen
Inficirt
am
■ Entblutet
nach
Medulla
subd.
Resultat
Lumbalm.
subd.
Resultat
13
9. X.
25 Tagen
| 24. X.
13, 12
' i
überleben
51
überleben
22
i
: 25 Tagen
24. X.
67
1 überlebt
11
21.X. Lyssa
1 23 * + |
11
3. Lyssa, 4. +
10
Controle*.
Kaninchen
46
| 9.X.
i 25 Tagen
1 24 X.
i
19.Lyssa, 20. +
10, 53
i
l überleben
1
I i
1 Johne (11) zeigt, dass die intraoculare Impfung mit Strassenvirus ebenso
sichere Resultate liefert wie die subdurale Impfung. — Nachdem wir in einer früheren
Arbeit (12) zeigen konnten, dass die intraoculare Impfung mit dichten Emulsionen
von Virus fixe unsichere Resultate liefert und die subdurale Methode an Exactheit
nicht erreicht, gingen wir daran, die Angaben Johne's nachzuprüfen. Die Ver¬
suche wurden mit verschiedenem Strassenvirus durchgeführt und haben ergeben, dass
die intraoculare Impfung mit Strassenvirus ebenso sichere Resultate liefert wie die
subdurale, mithin kann bei Versuchen mit Strassenviruß die intraoculare Impfung
als gleichwertig der subduralen genommen werden.
33*
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516
R. Kraus, E. Keller und P. Clairmont:
Im vorstehenden Versuche erfolgt die intraoculäre Infection mit un¬
verdünntem Strassenvirus 14 Tage nach der letzten Injection.
Aus diesem Versuche, wie aus dem vorigen geht hervor, dass die
activ nach Högyes immunisirten Kaninchen nach intraoculärer Infection
mit dichten Emulsionen von Strassenvirus nicht an Lyssa erkranken,
und dass nach 25 Tagen nach der Infection das Lyssavirus nicht nach¬
weisbar sei. Nur bei Kaninchen 11 trat typische Lyssa auf, was mög¬
licher Weise, wie in den Versuchen mit Virus fixe, auf die grosse Menge
Virus zurückgeführt werden könnte oder auf individuelle Immunitäts¬
verhältnisse. Um vollständig reine Versuchsresultate zu bekommen, wurde
in den folgenden Versuchen zur Infection theils durch Papier filtrirtes
Strassenvirus in Verdünnungen von 1:50 angewendet, theils unfiltrirtes
unverdünntes Virus und die Infection 20 Tage nach der letzten Vacciuation
vorgenommen.
Versuch am 22.X. Kaninchen immunisirt nach Högyes vom 5.IX.
bis 2.X. Intraoculäre Impfung mit Strassenlyssa.
Iiumunisirtes
Kaninchen
lnficirt am
Entblutet
nach
4 Medulla
intraoeular
Resultat
23
22. X.
I
16 Tauen
7. XL
23, 79
überleben
24
yy |
!
12 Tauen
3. XI.
70
17.XI. f ohne Erscheinung,
davon Medulla intraoeular.
7.XII. + ohne Erscheinung
27
|
34 Tagen
25. XL
' 47, 27
überleben
33
yy
33 Tauen
24. XI.
33
16. XII. f ohne Erscheinung
Controle
Gesundes Kan.
71
2. Lyssa,
4. f
n. 10 Tagen
Versuch am 6. XI. Kaninchen immunisirt nach Högyes.
Subdurale Impfung mit Strassenvirus.
38
6. XI.
44 Tauen j
138
3. f ohne Erscheinung,
16. XII. |
davon subd. Kaninchen 138
1
überlebt
Als wichtigstes Ergebniss dieser Versuchsreihe ist somit hervorzu-
heben, dass das Lyssavirus im activ immunisirten Kauinchen¬
gehirn und Rückenmark verschwindet und sich dem Nachweis
entzieht. Ob das Virus local zerstört wird oder sich noch fortpflanzt,
um dann erst zerstört zu werden, lässt sich nicht entscheiden, da wir die
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Das Lyssavibus im Centralnervensystem immuner Thiere. 517
der Incubation entsprechende Zeit abwarten mussten, ehe wir den Nach¬
weis über das Verhalten des Lyssavirus führen durften. Würden wir die
Kaninchen innerhalb der Incubationsperiode zu diesen Versuchen ver¬
wendet haben, hätten wir über den Immunitätszustand dieser Thiere nichts
aussagen können.
Auffallend ist, dass in den Versuchen mit Strassenvirus bei Infectionen
mit unverdünntem untiltrirtem Virus die immunisirten Kaninchen am Leben
geblieben sind. Das Virus war auch in der Medulla dieser Kaninchen
nicht nachweisbar. In den Versuchen mit Virus fixe haben wir nur
nach Einhaltung der von Centanni angegebenen Periode nach der letzten
Injection und nach Verwendung filtrirter verdünnter Emulsionen brauch¬
bare Resultate erzielt. Zur besseren Illustration dieses Factums sei noch
folgender Versuch im Zusammenhänge angeführt.
Kaninchen immunisirt nach Högyes.
Nach 20 Tagen Infection mit Strassenvirus und Virus fixe.
ImimiDis. Kaninchen j
Inficirt am
, Subd. Virus unfiltr.
Resultat
92
15. XI.
Strassenvirus
1 : 1
überlebt
91
r,)
Strassenvirus
1 : 50
überlebt
82
1 ”
Virus fixe
1 : 1
23. Lyssa, 25. f
87
i
77
Virus fixe
l : 50 i
23. Lyssa, 25. f
Ges. Kan. 231 Controle
Strassenvirus
1: 1
25. Lyssa, 28. f
Ges. Kan. 232 Controle
77
Strassenvirus
1:50
24. Lyssa, 28. f
Es scheint demnach, was wir in unseren Versuchen nicht berück¬
sichtigt haben, dass das Virus fixe viel virulenter sein dürfte, als das zur
Infection verwendete Strassenvirus (Maschitz, Graz). In den rabiciden
Versuchen werden wir ganz analoge Beobachtungen machen, die darauf
hinweisen, dass das Virus fixe in gleichen Emulsionen virulenter sein
dürfte als das Strassenvirus. Durch genaue Werthbestimmungen, die aller¬
dings viel Thiermaterial beanspruchen würden, Hesse sich diese Frage viel¬
leicht entscheiden.
Mit der Feststellung der Thatsache, dass im immunisirten Kaninchen
das subdural injicirte Virus zerstört wird, ergiebt sich ein principieller
Unterschied zwischen der natürlichen und der erworbenen Immunität; bei
der Immunität der Kaninchen geht das eingeimpfte Virus zu Grunde,
während es bei der natürlichen Immunität der Tauben erhalten, aber
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518
R. Kraus, E. Keller und P. Clairmont:
wirkungslos ist; wir führten oben bereits aus, dass die Immunität der
Tauben dadurch zu erklären wäre, dass das Centralnervensystem dieser
Thiere gar keine Empfänglichkeit für das Virus besitze, wohl aber noch
einen Nährboden zur Erhaltung und Vermehrung des Virus abgeben könne.
Die Erscheinung ist an sich nicht principiell neu; die weissen Mäuse, die
für das Diphtherietoxin, wie bekannt, unempfindlich sind, geben beispiels¬
weise ganz analog für den Diphtheribacillus einen sehr guten Nährboden
ab; die Bacillen vermehren sich, ohne dass die Mäuse erkranken würden.
Die künstliche Lyssaimmunität findet aber ihre Erklärung in der Zer¬
störung des Virus im Centralnervensystem dieser Thiere.
Mit der Feststellung der Thatsache, dass die immunisirten
Kaninchen der Infection widerstehen und dem Nachweise, dass
das Virus im Centralnervensystem zerstört werde, erscheint
wohl der Mechanismus der Immunität ergründet, nicht aber
die Ursache derselben.
V. Rabicidie des normalen Kaninchensernms
und des lmmnnsernms.
Ueber die Rabicidie normaler Thiersera liegen vereinzelte Angaben
in der Litteratur vor, so giebt Babes an, dass die Froschlymphe die
Fähigkeit besitze, die Virulenz des Virus fixe abzusohwächen. Högyes
bemerkt zu diesen Versuchen, dass die aus den Versuchen gezogenen
Schlüsse nicht ohne Weiteres als beweisend angenommen werden können,
da keine Controlversuche angestellt wurden. Evangelista (18) fand, dass
das Blutserum von Hunden die Virulenz des Virus ebenfalls vermindert,
nach 25 Stunden gänzlich vernichtet. Das Serum von Tauben soll nach
Evangelista eine noch stärkere Wirkung besitzen und die Virulenz des
Virus fixe schon in 15 Stunden vernichten.
Nach Genaro soll bezüglich des Verhaltens des Blutserums von ge¬
sunden und wuthkranken Kaninchen dem Wuthgift gegenüber kein Unter¬
schied bestehen; Babes und Lepp, Tizzoni und Schwarz, Tizzoni
und Centanni haben jedoch nachgewiesen, dass das Serum immuner
Hunde und Kaninchen rabicide Eigenschaften besitze.
Die folgenden Untersuchungen beschäftigen sich mit der Einwirkung
der Eigenschaften normaler Kaninchensera und der Immunsera auf Virus
fixe und Strassenvirus.
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Das Lyssavirus im Centralnervensystem immuner Tuiere. 519
Versuche am 9. VIII. mit normalem Kaninchenserum auf
Virus fixe und Strassenvirus.
Menge des
normalen
Kaninchen-
Menge des
Virus
Concentration i
des Virus
Dauer der
Einwirkung
des Serums .
Infection
subd. Kan.
am
Resultat
serums *
10 Tropfen
5 Tropfen
Virus fixe,
22Stunden bei
9. VIII.
15. VIII. f ohne
dichte Emulsion (
Zimmertemp.
Erscheinung
5
Virus fixe.
9. VIII.
17. VIII. Lyssa,
(Serum von
Lyssa-Kan.)
dichte Emulsion
i
!
1
22. t
10 Tropfen
i
5 „ :
Strassenvirus,
48 Stunden bei (
20. VIII
überlebt
dichte Emulsion
Zimmertemp.
10 „
5 „
Virus fixe,
24 Stunden
23. VIII.
1. IX. Lyssa, 5. f
dichte Emulsion
bei 37°
0-5 „
o-2 „ ;
Strassenvirus
24 Stunden bei
27. IX.
12. X. Lyssa, 13.f
1
(Graz).
Zimmertemp.
i
1
dichte Emulsion
Controle
0-2
Strassenvirus
11
27. IX.
16.X. Lyssa, lT.f
0*5 Tropfen
(Graz),
Kochsalzlsg.
dichte Emulsion
0*5 Tropfen
0-2 „
Strassenvirus
(Malschütz)
11
27. IX.
10. X. Lyssa, 12.f
1*3 „ 1
0-5 „ 1
Virus fixe, Vor-
25. X.
überlebt
1
dünnung 1:100,
Controlthier geht
filtrirt
typ. an Lyssa zu
Grunde
0-5 „
0-5 „
Virus fixe,
18Stunden bei
S. XI.
15. XI. Lyssa, 17.f
dichte Emulsion
Zimmertemp.
■0*5
0-5 „
Virus fixe 1:50, 24Stunden bei
8. XI.
28.XI Lyssa, 30.f
filtrirt
Zimmertemp.
}
0-5 „
i 0*5 ff
Virus fixe 1:100,
8 XI.
überlebt
filtrirt
Controlthiere mit
Verdiinnung von
1:300, 1: 400
gelien typisch an
Lyssa zu Grunde
0*5 »>
0-5 „
Virus fixe 1:1,
26. XI.
3. XII. Lyssa, 7. f
unfiltrirt
0-1 „
0*5 „
Virus fixe 1:50,
ii
26. XI.
7. XII. Lyssa, 9. f
filtrirt
0-5 „
0*5 „
Virus fixe,
dichte Emulsion
18Stunden bei
Zimmertemp.
18. XII.
31. XII. Lyssa
unfiltrirt
0-5 „
0*5 „
Virus fixe 1:50, 20Stunden bei
| 3. II.
13. II. Lyssa, 15. f
j filtrirt
Zimmertemp.
0*5
0*5 „
Virus fixe 1:100,
3. II.
15 11. Lyssa, 16. +
i filtrirt
0-5
! 0-5 „
Virus fixe, dichte
3. II.
13. II. Lyssa, 15. *j*
i
| Emulsion 1:1
0-5 „
,0*5 „
jVirus fixe 1:50,
11
3. II.
13. II. Lyssa, 16.f
filtrirt
0-5 „
0*5 „
!
Virus fixe 1:100
V
3. II.
14. II. Lyssa, 19. f
l
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520
R. Kraus, E. Keller und P. Clairmont :
Die Versuche ergeben, dass das normale, frische Kaninchen¬
serum nicht im Stande ist, das Virus fixe auch nicht nach
längerer Zeit, weder bei Brüt- noch bei Zimmertemperatur zu
zerstören. Das Virus fixe, welches zu diesen Versuchen benutzt wurde, er¬
zeugte allerdings nicht constant noch in Verdünnungen von 1:500 und 1:1000
Lyssa bei Kaninchen. Das Virus wurde theils unfiltrirt, theils filtrirt in
Verdünnungen verwendet. Es zeigt sich, dass das Serum bis zu Mengen von
O. 5 com auf 0*5 ccm lOOfacher Verdünnungen (entsprechend also einer 200 -
fachen Verdünnung) nicht im Stande war, das Virus selbst nach 20 ständiger
Einwirkung zu zerstören. In zwei Versuchen finden wir bei lOOfacher
Virusverdünnung ein Ueberleben der Thiere. Ob diese Resultate an¬
gesichts der vielen negativen Erfolge auf eine Rabicidie des Serums zurück¬
zuführen sei, ist unwahrscheinlich. Es steht jedenfalls fest, dass in den
zahlreichen Versuchen das normale Kaninchenserum nicht im Stande war,
das Virus fixe in Verdünnungen bis 1:100 zu zerstören. Es wäre möglich,
dass das normale Kaninchenserum in grösseren Mengen auf stärkere Ver¬
dünnungen des Virus rabicide Eigenschaften besässe. Die verwendete
Infectionsdosis dürfte einer 10 fach letalen Dosis entsprechen, so dass
möglicher Weise bei lfach letalen Virusmengen (1:1000) eine eventuelle
Rabicidie des normalen Kauinchenserums zum Ausdruck kommen könnte.
Versuche mit Immunserum von Kaninchen auf Virus fixe
und Strassenvirus.
Menge des i
Immunserums
CC Q
& *
TD
o
»•r x
~ 3
z.z
&>
i Dauer der !
Concentra- Einwirkg. !
tion des Serums
des Virus beiZimmer-
temperatur ;
Infection
subd. Kan.
am
Resultat
1 Cfm (von Kan. 13 nach
0*5 1
Strassen- 24 Stunden
25. X.
überlebt
Högves immunisirt, dann
■!
virus
intraoeulär Das Controlthier be-
iniicirt und überlebt)
1:50 liltrirt
kommt typ. Lyssa
1 ccm von Kan. 13
0*5
Virus fixe | „
25. X.
überlebt
|
I
1:100 !
l ccm (von KaD. 10 nach
1-0 ,
Strassen- „
5. XI.
überlebt
Högves immunisirt, dann
virus
intraoeulär
iniicirt und überlebt)
1:50 filtrirt
l ccra (von Kan. 24 nach
1*0
! Strassen- „
5. XI.
S.XILt ohneErsch.,
Högyes immunisirt, dann
virus
intraoeulär
davon Medulla subd.
iniicirt und überlebt)
1:50 filtrirt*
t
[ 96 überlebt
lccm ($ erurn von Kan. 24)
1-0
Strassen- 1 „
5. XI.
überlebt
virus 1:50
i
0-5 ccm s erQrn von Kan. 23
0*5
Virus fixe 18 Stunden
8 . XI.
; überlebt
(nach Högyes immunisirt,
1 : 1 , nicht
dann iniicirt u. überlebt)
filtrirt
0.5 ccm (dasselbe Serum)
0*5
Virus fixe ' „
1 8 . XI.
überlebt
1:50 filtrirt
1 '
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Gck igle
Original from
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Das Lyssavirus im Centralnervensystem immuner Thiere. 521
(Fortsetzung.)
•g » i Dauer der
Menge des
Immunserums
Menge dei
Virus fix«
Concentra- Einwirkg. Infection
tion des Serums subd. Kan.
des Virus beiZimmer- am
temperatur
0-5 ccm (Serum v. Kan. 23)
Control-Kaninehen
0*5 !
Virus fixe
lrlOOfiltrirt
Virus fixe
1:300
1:400
18 Stunden
8. XL.
11
0-l ccra (Serum v. Kan. 82,
nach Högyes immunisirt,
dann mit nicht filtrirtem
0-5
Virus fixe
1:1
unfiltrirt
20 Stunden
26. XI.
Virus 1:1 inficirt und an
Lyssa erkrankt). Die
Serumprüfungerfolgte vor
der Infection
0*1 ccm (dasselbe Serum)
;
0-5
! I
Virus fixe
1:50 filtrirt
n
11
0* 1 ecm (Serum v. Kan. 87,
nach Högyes immunisirt,
inficirt mit Virus 1:50,
j 0*5
i
Virus fixe
1:1
unfiltrirt
n
11
erkrankt an Lyssa. Diel
Serumprüfungerfolgte vor!
aer Infection) i
1
0 • 1 06111 (Serum v. Kan. 87)
0*5
Virus fixe
1:50 filtrirt
»
11
0*1 oem (Serum v. Kan.27,
nach Högyes immunisirt,
0*5
|
; Virus fixe
1:50 filtrirt
n
11
1
dann inficirt u. überlebt,
1
danach Ser. entnommen)!
0 • 5 com (Serum y. Kan. 138,
nach Högyes immunisirt,
inficirt und überlebt)
! 0-5
Virus fixe j
1:1
unfiltrirt
»
, 18. XII.
I
1
O-i ccid (Serum v.Kan. 138 )
0-5
Virus fixe
unfiltrirt
n
i
ii
0-i ccm (Serum v. Kan. 138)
0-5
Virus fixe
1:50
unfiltrirt
n
\
ii
0-5cctn(Serum v.Kan. 138)
0-5
Virus fixe
1:50
unfiltrirt
n
ii
0 - 5 ccm (Serum v. Kan. 88,
nach Högyes immunisirt,
dann inficirt u. überlebt)
0-5
i
Virus fixe
1:1
unfiltrirt
l
ii
ii
0 - 1 ccm (Serum v. Kan. 88)
0-5
Virus fixe
1:1
unfiltrirt
ii
1
v
0 - 3 <*m (Serum v. Kan. 92,
nach Högyes immunisirt,
inficirt, überlebt)
0-5
|. ;
Virus fixe
1:1
unfiltrirt
ii
! 3. II.
1
0• 5 ccm (Serum v. Kan. 92)
0*5
i
Virus fixe
1:50 filtrirt
ii
11
Digitized by
Gck igle
Resultat
überlebt
Lyssa
4. XII. Lyssa, 8. j
21. XII. +, davon
Medulla subdural
Kan. 40 überlebt
5. XII. Lyssa, 7. +
; überlebt
i
überlebt (20 Tage
nach derlnfection zu
Grunde gegangen)
f nach 26 Tagen
| ohne Ersch. 14.1.
' 26. XII. Lyssa, 27 f
i überlebt
7. I. nach 20 Tagen
ohne Erscheinung
'28. XII. f ohne Er-
! scheinung
26. XII. Lyssa, 27. t
!
| 12. II. Lyssa, 16. t
überlebt
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522
E. Kraus, E. Keller und P. Clairmont:
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(Fortsetzung.)
—
«• © !
Dauer der
i
Menge des
£ *
Concentra-
Einwirkg.
Infection
[ bo « !
tion
des Serums
subd. Kan.
Resultat
Immunserums
: £ 2 !
des Virus
beiZimmer-
am
!
teraperatur
i !
0*01 « cm
j 0-5
Virus fixe
20 Stunden
3.11.
überlebt
(Serum von Kan. 92)
1
l: 50 fiitrirt
i
0 * 3 ccm (Serum v. Kan. 91.
! 0-5
Virus fixe
yy
y*
Immunisirt nach Högyes.
1:1
inficirt, überlebt)
1
unfiltrirt
0-05 ccm
Virus fixe
v
' ji
yy
(Serum von Kan. 91)
I 0-5
1:50 fiitrirt
0*01 ccm
' 0-5
Virus fixe
yy
(Serum von Kan. 91)
1 |
1:50 fiitrirt
!
Aus den angeführten Versuchen geht ganz deutlich hervor,
dass das Serum immuner Kaninchen sowohl Virus fixe als auch
Strassenvirus in vitro zu zerstören vermag. Serummengen von
0-6 ccm normalen Kaninchenserums auf Virus fixe in filtrirten Verdünnungen
von 1:100 waren nicht im Stande, nach 18* bis 20 ständiger Einwirkung
das Virus abzuschwächen oder gar zu zerstören.
In den Versuchen mit Immunserum wird im Gegensatz zum nor¬
malen Serum sowohl Virus fixe als auch Strassenvirus nicht nur in Ver¬
dünnungen von 1:100, sondern auch in Verdünnungen 1:50 nach 18-
bis 20 ständiger Einwirkung zerstört. Geringere Zeiträume wurden nicht
versucht. Serummengen von 0*01 ocm genügen schon die 50 fache Ver¬
dünnung, das Virus unschädlich zu machen.
Wurden statt der 5Q- bis 100 fachen Verdünnungen das Virus un¬
verdünnt und uufiltrirt zu den Versuchen verwendet, so sehen wir, dass
0*1 bis 0-3 ccm Serum nicht genügt hat, das Virus zu zerstören, indem
nach subduraler Injection des Gemisches bei den Thieren typische Lyssa
auftrat.
Wie genau quantitativ die Wirkung dieser Immunsera sei, sehen wir
in den Versuchen, wo ein und dasselbe Serum auf verschiedene Virus-
concentrationen eingewirkt hat.
Bei Anwendung von 0*1 bis 0-8 Immunserum auf Virus fixe in
unverdünnten Emulsionen wurde die Infectiosität des Virus gar nicht be¬
einflusst. Wurden stärkere Verdünnungen des Virus genommen (1:50
bis 1:100), so äusserte dasselbe Serum sogar in Mengen von 0-05"”)
rabicide Wirkungen.
Ganz eclatant geht die Wichtigkeit der Berücksichtigung quantitativer
Verhältnisse in den Versuchen mit dem Serum von Kaninchen Nr. 82 n. 87
hervor. Kaninchen Nr. 82 u. 87 wurden, wie aus früheren Versuchen S.517
Gck igle
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Das Lyssavibus im Centralnervensystem immuner Thier e. 523
hervorgeht, nach Högyes immunisirt und 20 Tage nach der letzten
Yaccination mit Yirus fixe Emulsionen, (die nicht filtrirt waren) in Ver¬
dünnungen 1:1 und 1:50 subdural inficirt und gingen an Lyssa zu
Grunde. Das Serum dieser Thiere war ebenso wie das Serum von Ka¬
ninchen, die der Lyssainfection widerstehen konnten, nicht im Stande,
Virus fixe in der Verdünnung 1:1 zu zerstören. Dieselben Sera erwiesen
sich aber auf filtrirte Emulsionen von Virus fixe in Verdünnungen 1:50
wirksam. Auf die Bedeutung der Filtration des Virus durch Papierfilter
zur Erzielung gleichmässiger Verdünnungen haben wir bereits hiugewiesen.
Wir möchten noch einmal hervorheben, dass sowohl für die
Werthbestimmung der Sera als auch zur Prüfung des Im¬
munitätszustandes, wie aus dem Versuch auf S.514 hervorgeht,
eine genaue Dosirung des Virus absolut wichtig ist und exacte
Resultate nur dann zu erwarten sind, wenn die Verdünnung
quantitativ erfolgt und die Emulsion gleichmässig durch
Filtration gewonnen wird.
VI. Zar Theorie der activen Immunität gegen Tollwuth.
Wenn wir nun auf Grund der vorliegenden Thatsachen auf die Theorie
der Pasteur’schen Schutzimpfung eingehen, so muss zunächst bemerkt
werden, dass eine solche, die allgemein anerkannt und fundirt wäre, bisher
fehlt. Pasteur nahm an, dass in der Emulsion des an Wuth verendeten
Thieres neben dem Gifte auch eine matiöre vaccinale vorhanden sei,
welche bei der Abschwächung des Giftes beim Trocknen noch erhalten
bleibe; bei der subcutanen Einverleibung der ungiftigen und giftigen
Rückenmarksemulsionen findet diese Substanz Zeit, auf das Gehirn und
Rückenmark als das für die Tollwuth empfindliche Organ schützend ein¬
zuwirken, so dass das Gift selbst bei subduraler Infection nicht mehr
einwirken könne. Es entsprach diese Vorstellung der auch später bei
anderen Infectionsprocessen vertretenen Anschauung, dass neben der Gift¬
substanz auch immunisirende Körper selbst in den Culturen gebildet und
vorhanden wären.
Babes hat die Vorstellung, dass durch die Schutzimpfung die Zellen
des Centralnervensystems die Eigenschaft erlangen, das in dasselbe ge¬
langte Gift zu zerstören.
Högyes geht von einem Versuche aus, bei welchem er durch Injeetion
grosser Quantitäten einer Gehirn-Rückenmark-Emulsion (eines immunisirten
Hundes) in die Bauchhöhle von mehreren Hunden bei einem dieser Thiere
absolute Immunität erzielte. Högyes nimmt demnach, ähnlich wie
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524
R. Kn aus, E. Keller und P. Clairmont:
Pasteur, das Vorhandensein vaccinirender Substanzen im Centralnerven¬
system an. Högyes findet aber ferner, dass auch ohne Annahme immuni-
sirender Substanzen die Immunität sich durch die Gewöhnung der Nervei:-
zellen an das Gift, wie eine solche bei der successiven Einverleibung
steigender Mengen des Wuthmikroben und des von ihm erzeugten Toxins
stattfinde, erklären lasse.
Centanni, dem wir ausgedehnte Untersuchungen über die Empfind¬
lichkeit der Gewebe und Organe gegenüber dem Wuthvirus danken, geht
von der Anschauung aus, dass die Immunität unabhängig sei von den
Eigenschaften des Blutserums, welche Thatsache er am Kaninchen bei
der Infection mit dem Bacillus meningit. aerogenes erhoben hatte. Be¬
züglich der Lyssa stützt er diese Anschauung auf folgende Thatsachen:
1 . Wenn die giftzerstörende Eigenschaft des Blutserums, welche bei
der Immunisiruug gegen Wuth besteht, auch geschwunden ist, so bestehe
noch immer die Immunität auch gegen die subdurale Infection.
2. Vaccinirte Thiere können bei einer zu frühzeitigen oder zu inten¬
siven Infection erliegen, trotzdem in ihrem Serum eine giftzerstörende
Wirkung besteht.
3. Das Blut sei nicht der Infectionsweg des Lyssavirus, so dass man
mit der Annahme immunisirender Substanzen im Blute noch keine Er¬
klärung für ihre Einwirkung auf das in einem anderen Gewebe (Nerven¬
gewebe) sich verbreitende Wuthvirus besitze.
Centanni constatirte zwar die giftzerstörende Wirkung des Blutes
immunisirter Thiere, fand aber auch am ganz frischen Blute von gesunden
Kaninchen eine allerdings erst nach längerer Einwirkung, aber doch
bereits nach einem 3 stündigen Contact auftretende Zerstörung des Wuth-
giftes. Da aber diese giftzerstörende Wirkung des normalen Blutes weit
davon entfernt ist, am lebenden Thiere das Nervensystem zu schützen,
so kommt Centanni schliesslich dazu, anzunehmen, „dass das Blut uns
keinen sicheren Anhaltspunkt dafür bietet, was innerhalb der Gewebe vor¬
geht, welche ihre eigene Constitution und ihren eigenen Stoffwechsel be¬
sitzen.“
Zur BeweisfiihrungCentanni’s wäre nur zu bemerken, dass nach unseren
Untersuchungen dem normalen Kaninchenserum die rabicide Eigenschaft
fehlt, dass eine solche nur dem Immunserum zukommt, womit einer seiner
Einwände fällt, während der andere, das Bestehen der Rabicidie im Blute
nicht zur Erklärung der Immunität herangezogen werden könne, weil das
Wuthvirus sich auf dem Wege des Nervensystems verbreite, wohl nur
eine Annahme vorstellt, indem ja loco iufectionis immerhin die rabicide
Wirkung des Blutes beim immunen Thiere eintreten könnte.
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Das Lyssavirus lm Centralnervexsystem lmmüxfr Thierk. 525
Marx (13) nimmt an, dass das Wuthvirus bei der Passage durch
das Kaninchen an seiner Resistenz gegenüber • dem Menschen abuimmt,
daher im menschlichen Körper, wie es bei der Pasteur’schen Schutz¬
impfung und bei der Methode Högyes’ der Fall wäre, leicht und sicher
abgetödtet wird; dadurch werden die die Immunität erzeugenden Sub¬
stanzen, der Inhalt der abgetödteten und der Auflösung verfallenden
supponirten Wuthmikroben frei und regt jenen zur Immunisirung führenden
Zellreiz an. Die Immunität kam somit bei der Wuth in ähnlicher Weise
zu Stande, wie bei den Schutzimpfungen gegen Pest, Cholera und Typhus.
Marx findet einen Unterschied nur darin, dass es bei der Wuth nicht
gelänge, das Virus für die Schutzimpfungszwecke abzutödten, ohne gleich¬
zeitig die immunisirenden Substanzen zu vernichten. Dem könnte ent¬
gegengehalten werden, dass nach Babes die Immunisirung auch mit er¬
wärmtem Marke zu erreichen ist.
Für die Annahme, dass das Virus fixe in seiner Resistenz gegenüber
dem Menschen sehr herabgesetzt sei, bringt Marx allerdings keine Beweise,
denn seine Versuche an Javaäffchen sind in dieser Richtung nicht aus¬
reichend. Doch könnte eine Analogie in dem durch Kaninchenpassage
in seiner Virulenz gesteigerten Streptococcus Marmorek gefunden werden,
welchen Petruschky für den Menschen als nicht infectiös gefunden hat.
Es sei auch verwiesen an die gewiss nicht zu unterschätzende Thatsache
der praktischen Erfahrung bei den Schutzimpfungen gegen Lyssa, bei
denen in den vielen Tausenden von Fällen auch nicht einmal eine Er¬
krankung erzeugt worden ist; auch nicht bei der verstärkten Methode, in
welcher bereits am 3. Tage für das Kaninchen virulentes Mark dem
Menschen ein verleibt wird.
Unsere Untersuchungen habeu iu der Frage nun einen Schritt weiter
geführt; sie haben nicht nur die Thatsache bestätigt, dass das Serum
immuner Thiere die Eigenschaft besitzt, das Wuthgift in vitro abzutödten,
sondern haben auch die Thatsache erbracht, dass im immunisirten Thier
das Virus bei intranervöser Application, ebenso wie bei subduraler nicht
nachweisbar ist, dass es zerstört wird im Gegensätze zum empfänglichen
Thiere, bei welchem es constant nach bestimmten Zeiträumen in der
Medulla oblongata bezw. im Lendenmark nachzuweisen ist. Es liegt nahe,
die Erscheinung auf an der Infectiousstelle bereits in Wirksamkeit tretende
rabicide Kräfte zurückzuführen. Wenn Centanni die Beschaffenheit der
Blutflüssigkeit für irrelevant erklärt, so lässt sich dem zwar nicht absolut
widersprechen, wie es das Verhalten des Wuthgiftes im Organismus der
Taube zeigt; im Centralnervensystem dieser natürlich immunen Thiere
erhält sich das Virus längere Zeit, trotzdem kommt es zu keiner Er¬
krankung — ein neuer Beweis für den verschiedenen Mechanismus der
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Gck igle
Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Digitized by
526 R. Rraus, E. Keller u. P. Clairmont: Das Lyssa virus u. s. w.
natürlichen und erworbenen Immunität. Die Immunität der Taube steht
allem Anschein nahe der Giftimmunität, die in der histogenen Immunität
Behriug’s ihre erklärende Vorstellung findet.
Wir wären also geneigt, die erworbene Immunität der empfäng¬
lichen Thiere und in Analogie die des Menschen auf die erworbenen
Immunsubstanzen zurückzuführen, ganz so wie bei anderen Infections-
krankheiten, bei der Cholera, Typhus u. s. w.
Litteratur-Verzeichniss.
1. Högves, Lyssa. Wien 1897. — A. Holder, Nothnagel's Handbuch der
specicllen Pathologie und Therapie. (Hier ausführL Litteratorangaben.)
2. A. di Vestea e G. Zagari, La Psychiatri. Napoli 1887.
3. E. Roux, Annales de V Institut Pasteur. 1889.
4. G. Ferrö, Ebenda. 1889.
5. E. Genaro, La Riforma med. Nr. 7/8. — Ref. nach Baum garten’a Jahres¬
bericht.
6. R. Kraus und P. Clairmont, Diese Zeitschrift. Bd. XXXIV.
7. Gibier, Reclierches exper. sur la rage. Thhe. Paris 1884.
8. Babes, Annales de VInstitut de pathol. et bact. Bukarest 1891. — Annales
de VInstitut Pasteur. 1889, 91, 94.
9. Tizzoni, Riforma med. 1891, 1892. — Berliner lclin . Wochenschrift. 1 &94.
Äfodo di Preparare siero antirabico. Bologna 1895.
10. E. Centanni, Deutsche med. Wochenschrift. 1899.
11. Johne, Zeitschrift für Thiermedicin. 1898.
12. Evangelista, Riforma med. 1892.
13. Marx, Deutsche med. Wochenschrift. 1900.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
[Aus dem staatlichen serotherapeutischen Institute in Wien.]
(Vorstand: Prof. R. Paltauf.)
[Jeber die Bildung von Immunsubstanzen
gegen das Lyssavirus bei natürlich empfänglichen und
unempfänglichen Thieren.
(Außgef&hrt mit Unterstützung der Gesellschaft zur Förderung deutscher
Kunst, Wissenschaft und Litteratur in Böhmen.)
Von
Privatducenten Dr. R. Kraus, und Dr. R. Maresch,
Assistent am Institute. Assistent am paihoL-hutol. Instilute.
Ueber die Bildung von Immunsubstanzen gegen ein bestimmtes Virus
oder bakterielles Gift bei natürlich empfänglichen und unempfänglichen
Organismen liegen bisher wenig systematisch vergleichende Unter¬
suchungen vor.
Die Frage, ob natürlich unempfängliche Organismen gegen das be¬
treffende Virus oder Gift Immunsubstanzen ebenso zu produciren im
Staude wären, wie die natürlich empfänglichen Organismen, ist bisher
nicht in bestimmter Weise entschieden worden. Aus Untersuchungen von
von Metschnikoff (1) z. B. geht hervor, dass Krokodile (Alligator missi-
sipiensis), die gegen das Tetanustoxin und das lösliche Choleragift äusserst
unempfindlich sind, in kurzer Zeit Antitoxine liefern. Junge Krokodile, die
ebenfalls gegen das Tetanustoxin unempfindlich sind, produciren ebenfalls
Antitoxine, jedoch viel langsamer als alte Thiere. Schildkröten geben, trotz¬
dem sie auch unempfindlich sind, überhaupt kein Antitoxin. Nach den Be¬
obachtungen von Calmette und Delöarde erzeugen niedere Wirbelthiere
gegen pflanzliche und thierische Gifte, für die sie sich empfindlich er¬
weisen, keine Gegensubstauzen. So lassen sich beispielsweise Frösche mit
steigenden Dosen von Abrin immuuisiren, ohne dass im Serum Antitoxine
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
528
R. Kraus und R. Maresch:
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nachzuweisen wären. Vaillard und Knorr (8) konnten zeigen, dass das
gegen Tetanustoxin sehr resistente Huhn nach Ueberstehen des Tetanus
ebenso wie die empfindlichen Kaninchen reichlich Antitoxin produciren.
In letzterer Zeit hat de Nittis (3) nachgewiesen, dass das Serum von
Meerschweinchen, die mit Milzbrand behandelt wurden, Mäuse und Meer¬
schweinchen gegen eine Milzbrandinfection nicht zu schützen vermag.
Das Serum von immunisirten Tauben, die für Milzbrand unempfänglich
sind, vermag Mäusen und Meerschweinchen Schutz gegen die Milzbrand¬
infection zu verleihen.
Ueber die Entstehung von Immunsubstanzen bei empfänglichen und
unempfänglichen Thieren gegen das Lyssavirus sind überhaupt keine Ver¬
suche angestellt worden.
Die nachfolgenden Untersuchungen beschäftigen sich in systematischer
Weise mit der Frage, ob bei natürlich empfänglichen und unempfäng¬
lichen Organismen gegen das Lyssavirus nach Immunisirung Schutzstoffe
im Blute dieser Thiere nachweisbar sein dürften.
Aus den Arbeiten von Babes, Tizzoni und unseren Untersuchungen
wissen wir bereits, dass bei Hunden und Kaninchen, die für Lyssavirus
sehr empfänglich sind, nach Immunisirung mit dem Virus Immunsub¬
stanzen im Blute dieser Thiere auftreten. Diese Substanzen vermögen
sowohl das Virus in vitro zu zerstören als auch, wie hauptsächlich aus
Tizzoni’s Versuchen hervorgeht, das in den Organismus bereits eiuge-
drungene Virus unschädlich zu machen.
Neben Kaninchen und Hunden einerseits, wurden andererseits in un¬
seren Versuchen Thiere verwendet, die für das Lyssavirus unter gewöhnlichen
Verhältnissen absolut unempfänglich sind oder sich sehr resistent verhalten.
Gibier und wir (4) konnten zeigen, dass alte Tauben für das Lyssavirus,
sowohl für das Virus fixe als auch für das Strassenvirus, unempfänglich
sind. Die cerebrale Impfung mit Lyssavirus bei alten Tauben bleibt
erfolglos. Hühner können, wie aus unseren früheren Untersuchungen her¬
vorgeht, nach der cerebralen Infection mit Lyssavirus an Lyssa erkranken.
Die Krankheitssymptome treten aber bei Hühnern, selbst nach cerebraler
Impfung mit Virus fixe sehr spät auf, die Krankheitsdauer ist eine viel
längere als bei Kaninchen und Hunden. Ja, wir konnten sogar spontane
Heilungen nach Ausbruch der Lyssa beobachten. Es verhalten sich
demnach die Hühner dem Lyssavirus gegenüber anders als Kaninchen
und Hunde, indem sie viel später nach der Infection erkranken und auch
viel länger Krankheitssymptome darbieten als die letzteren.
Nachdem, wie bekannt, Kaninchen nnd Hunde, Thiere, die für Lyssa
empfänglich sind, nach Immunisirung mit Lyssavirus ein specifisches
Immunserum liefern, war es noch von Interesse zu erfahren, ob bei den
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Bildung von Imaiunsubstanzen gegen das Lyssa virus.
529
weniger empfänglichen Hühnern oder bei den unempfänglichen Tauben
nach der Immunisirung Immunsubstanzen nachzuweisen sein werden
oder nicht.
A priori würden wir ja auf Grund der Seitenkettentheorie von
Ehrlich erwarten, dass bei empfänglichen Thieren gegen ein bestimmtes
Gift Immunsubstanzen nach der Immunisirung sicher im Blute auftreten
werden. Beruht doch die Empfänglichkeit der Organismen für ein be¬
stimmtes Gift nach Ehrlich auf dem Vorhandensein von entsprechenden
Receptoren, die das Gift an sich reissen und in der Regel, wenn sie in
Ueberschuss producirt werden, ins Blut als Immunstoff ausgetossen werden.
Wir müssten also bei den empfänglichen Thieren nach Injection von Sub¬
stanzen, die die Receptoren zur Regeneration anzuregen im Stande sind,
Immunsubstanzen im Blute an treffen.
Bei Organismen, die natürlich unempfänglich für ein bestimmtes
Gift sind und deren Unempfänglichkeit auf einem vollständigen Mangel
an empfindlichen Elementen beruht, werden wir auch nach der Immuni¬
sirung keine Immunstoffe im Blute vorfinden dürfen. Ein Mangel
an Receptoren schliesst nach Ehrlich ja jedwede Bildung von Immun¬
substanzen aus.
Wenn auch der Mechanismus der Lyssainfection bis heute nicht klar¬
gestellt ist und ein Lyssagift noch nicht nachgewiesen wurde, lässt sich
immerhin die Ehrlich’sche Betrachtungsweise sowohl für die Intoxi-
cationen als auch für die Infectionen in Anwendung ziehen.
Unsere Versuche wurden zunächst an den für das Lyssavirus em¬
pfindlichen Kaninchen und Hunden durchgeführt. Vor Allem untersuchten
wir das Serum normaler Kaninchen und Hunde auf eine eventuelle ra-
bicide Eigenschaft. Diese Versuche wurden zunächst aus dem Grunde
angestellt, um die gefundenen Werthe des Serums mit den Werthen der
immunisirten Thiere vergleichen zu können und durch Vergleich auf die
Immunwerthe schliessen zu dürfen. Ausserdem war es interessant zu
erfahren, ob die natürliche Empfänglichkeit dieser Thiere und auch die
natürliche Resistenz und Unempfänglichkeit der Hühner und Tauben in
den Eigenschaften des Serums zum Ausdrucke kommt.
Die Versuche mit normalem Kaninchen- und Hundeblut wurden in
der Weise ausgeführt, dass das frische Serum in verschiedenen Mengen
zu filtrirten und verdünnten Virus fixe-Emulsionen zugesetzt wurde. Nach
18 Stunden (bei Zimmertemperatur) wurde von dem Gemenge etwas
Kaninchen subdural injicirt.
Gleich Eingangs möchten wir bezüglich der Methodik der Serum¬
prüfung hervorheben, dass wir nach den Erfahrungen der früheren Ar¬
beiten das Lyssavirus in verdünntem Zustande zum Serum zusetzen. Wir
Zcitschr. f. Hygiene. XLI.
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34
Original fram
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
530
R. Ivb aus und R. Makesch:
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konnten nämlich zeigen, dass nur bei genauer Einhaltung der quantitativen
Verhältnisse eine Werthbestimmung des Serums für das Lyssavirus möglich
sei. Das Virus fixe und auch das Strassenvirus enthält in dichter Emul¬
sion, wie sie für gewöhnlich benützt wird, die 500- bis 1000fache lat.
Infectionsdosis. Es ist selbstverständlich, dass bei Benützung einer dichten
Emulsion Serumwerthe, die nicht besonders hoch sind, nicht zum Aus¬
drucke gelangen können. Ohne des Weiteren auf diese wichtige Frage
eingehen zu wollen, da wir sie in unserer früheren Arbeit zur Genüge
gewürdigt haben, bemerken wir, dass wir ebenso, wie in den früheren Ver¬
suchen, eine filtrirte Verdünnung des Virus fixe 1:100, die sich als
typisch virulent erwiesen hat und ganz sichere constante Resultate liefert,
in den folgenden Versuchen als Testdosis für gewöhnlich verwendet haben.
Die höheren Verdünnungen 1:500 und 1:1000 waren uns, obwohl sich
mit diesen Verdünnungen auch noch Lyssa erzeugen liesse, doch zu un¬
sicher, um sie als Testdosis zu verwenden. Wir werden sehen, dass sich
mit der Verdünnung 1:100 im normalen Serum von Hühnern rabicide
Substanzen nachweisen lassen. Im Uebrigen haben wir, um dem even¬
tuellen Fehler zu begegnen, dass die Testdosis zu hoch genommen wurde,
auf der anderen Seite das Serum in grossen Mengen zugesetzt.
Versuch mit normalem Kaninchenserum auf Virus fixe.
Menge des
normalen
Kaninchen«
senuns in ccm
Virus fixe-
Emulsion
1 u. 0*5 ccm i
i
Nach 18 Std.
bei Zimmer¬
te mp. subdur.
Kaninchen-
infection
Subdurale
Infection am
Resultat
Serum 1
|
0-5
1 : 100
37
30. IV.
am 9. IV. Lyssa, 13.f
0-25
1 : 100
89
99
am 9. IV. Lyssa, 12.
0*5
| 1 : 50
30
99
am 9. IV. Lyssa, 18. +
Serum 2
1
0*5
1:100 (0*5 ccm )
40
3. II.
am 15. II. Lyssa, 16. f
0-5
! 1:50
35 1
9*
am 13.ILL} T ssa, 15. f
Serum 3
0-5
1 : 100
!
10
i
3. II. i
1 i
am 14. II. Lyssa, 19. f
Diese Versuche und auch solche, über die
in der früheren Arbeit
berichtet wurde, lehren, dass das normale Kaninchenserum in Mengen
von 0-5 ccm nicht im Stande war, auf 0-5 ccm und 1 ccm einer Virus fixe-
Emulsion von 1:100 selbst nach einer I 8 stündigen Einwirkung das Virus zu
zerstören. Höhere Serumwerthe als 0*5 ccm wurden bei unseren Versuchen
nicht benützt. Es wäre möglich, dass bei Verwendung grösserer Mengen
Kaninchenserum als 0*5 ccra und einer noch stärkeren Verdünnung des
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Bildung von Immunsubstanzen gegen das Lyssavibüs.
531
Virus fixe vielleicht ein Werth des normalen Serums hätte nachgewiesen
werden können. Wie ans den weiteren Versuchen hervorgehen wird, war
es nicht nothwendig, diese Versuche in der angedeuteten Weise zu er¬
gänzen.
Im Anschluss an diese Versuche führen wir einen Versuch mit
Serum von immunisirten Kaninchen zum Vergleich an. Ausführliche
Versuche in dieser Bichtung haben wir in der früheren Arbeit mitgetheilt,
so dass wir auf eine ausführliche Wiedergabe ähnlicher Versuche ver¬
zichten können. Die zum Versuche benützten Kaninchen wurden einige
Monate mit Virus fixe behandelt.
Versuch mit Immunserum von Kaninchen auf Virus fixe.
Menge des
Immunserums
in ccm
Menge der
Virus fixe-
Emulsion
....
Concentration
des Virus
Dauer der
Einwirkung
Subdurale
Infection
am 8. V.
Resultat
Kaninch. 118
i
0-5
J ccm
1 : 50
18Std.bei Ztp.
132
überlebt
0-25
99
1:50
91
213
14. Lyssa, f
0-5
99
1 : 100
11
*227
überlebt
0-25
99
i 1:100
ii [
102
ii
Kaninch. 150
i
I
i
0-5
1 J ccm
! 1 : 50
„ 1
'186
ii
0-5
»»
1 : 100
ii
241
ii
0-25
»t
1 : 100
” i
116
i
u
Wie aus diesem Versuche und aus den früheren Versuchen ganz
klar hervorgeht, besitzt das Serum immunisirter Kaninchen die Eigenschaft,
Virus fixe in vitro zu neutralisiren; 0-5 und 0*25 ccm dieses Serums ver¬
mögen nicht nur eine Virus fixe-Emulsion von 1:100 zu ihrer Wirksam¬
keit zu zerstören, sondern sind auch im Stande die doppelte Infectionsdosis
(= 20 let. Dosen), zu neutralisiren. Dieser Versuch und auch die zahl¬
reichen früheren Versuche beweisen zur Genüge, dass im Serum der
mit Lyssavirus immunisirten Kaninchen thatsächlich Schutz¬
stoffe auftreten.
Ganz gleiche Versuche, wie die mit normalem Kaninchenserum und
dem Immunserum wurden mit normalem Hundeserum und mit Serum
von immunisirten Hunden angestellt.
Ebenso wie dem Serum der für Lyssavirus empfindlichen Kaninchen
normaler Weise nachweisbare Werthe an rabiciden Substanzen mangeln,
findet man auch imn ormalen Hundeserum solche Stoffe nicht vor. Erst
nach Behandlung dieser Thiere mit Lvssavirus treten solche Schutzstoffe
auf und sind im Blute nachweisbar.
34*
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
682
R. Kbaus und R. Mabesch:
Versuch mit normalem Hundeserum auf Virus fixe.
Menge des
normalen
Hundeserums
in ccm
Virus fixe-
Emulsion
| ccm
Dauer der
Einwirkung
Subdurale
Infeotion am
9. V. u. 21 V.
Resultat
Hund 1
0-5
1:50
18 Std. b.Zimmertp.
85
18. Lyssa, 20 . f
0-25
1:50
74
19. Lyssa, 20. t
0-5
1:100
90
20 . Lyssa, 22 . 7
0-25
1:100
>>
37
22 . Lyssa, 27. 7
Hand 2
0-5
1:100
55
18. Lyssa, 21. f
Hand 3
0*5
1 : 50
yy
8
29. Lyssa, 30. +
0-25
1 : 100
V
46
30. Lyssa, 31. 7
Hund 4
0-5
1 : 50
yy
37
29. Lyssa, 30. +
0-25
1 :100
V
35
29. Lyssa, 30. f
Versuch mit Serum von immunisirten Hunden.
Menge des
Virus fixe-
Dauer der Ein-
Subdurale
Immunserums
Emulsion
Wirkung d. Serums
Infection
Resultat
in ccm
| ccm
auf den Virus fixe
am 11 . VI.
Hund I
0-5
1 : 50
18 Std. b.Zimmertp.
6
überlebt
rii °- 25
1 : 50
”
73
0-1
1 / Hund II !
1 : 100
63
yy
■ir; <•> ö
1:50
V
94
yy
- 1 - i.i 1 Ü 5
1:50
tf
67
M
• Iii i.:; Onb
1 : 100
tJ
26
yy
[ liCqnfople
71
18. Lyssa, 29. f
xln \W< i! 1
"in kEsi würde also aus
diesen Versuchen hervorgehen, dass die für das
/iLpssatiiirufe empfindlichen Kaninchen und Hunde nach Immuni-
sirung mit diesem Virus Schutzstoffe zu produciren im Stande
i»ibdini;>l iiorl-jil!»,
.i'i ’-’iiEtie weitereniiUntersuchungen beschäftigen sich mit der Frage, ob
Jds± Serum fl natürlich unempfänglicher Thiere, wie es die Tauben sind.
’iioiiaaldr'^Wefisb'Sohutzstoffe enthielte und ob im Serum der mit Lyssa¬
virus behandelten Tauben etwa solche auftreten.
t :
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Bildung von Immunsubstanzen gegen das Lyssavirus.
533
Wie aus den früheren Arbeiten hervorgeht, widerstehen alte Tauben
der cerebralen Infection mit Lyssavirus, sind also für das Lyssavirus
unter normalen Verhältnissen unempfindlich. Es wurde auch gezeigt, dass
diese Unempfänglichkeit für das Lyssavirus nicht dadurch zu Stande
komme, dass das Virus, im Gehirn dieser Thiere eingebracht, zerstört
werde, wie wir es bei den immunisirten Kaninchen gefunden haben. Das
Lyssavirus pflanzt sich im Gehirn der natürlich unempfänglichen Thiere
fort und lässt sich nach langer Zeit noch experimentell nachweisen.
Gleichzeitig wurde auch ermittelt, dass das Serum der Tauben keine
Lyssa virus schädigenden Eigenschaften besitze. Die natürliche Un¬
empfänglichkeit der Tauben beruht demnach auf der Un¬
empfindlichkeit der Zellelemente für das Virus oder dessen
Gifte. Das Vims findet im Gehirn der Tauben einen entsprechenden
Nährboden, auf dem das Virus seine Lebensfähigkeit und Infectiosität lange
Zeit behält, auf dem es sich vielleicht auch vermehrt, es findet aber
keine Angriffspunkte für die schädigende Wirkung.
Versuch mit normalem Taubenserum auf Virus fixe.
Menge des
normalen
Taubenseruras
Virus fixe-
Emulsion
1 ccm
1 Dauer der
Einwirkung
Subdurale 1
Infection
am 21 . V.
Resultat
Taube 1
0-5
1 s 100
18 Std. b. ZimmertpJ
11
29.
Lyssa,
30. f
0-25
| 1 : 100
96
29.
Lyssa,
30. T
Taube 2
0-5
Taube 3
1 : 100 1
i
V |
1
17
j
29.
Lyssa,
30. f
0-5 ;
1:100 ;
i
”
62
11 .
Lyssa,
12 . f
Es vermag mithin das normale Taubenserum in Mengen von 0-5 ecm
Virus fixe-Emulsionen von 1:100 zu zerstören.
Die folgenden Versuche wurden mit Serum von Tauben angestellt,
die mit Virus fixe-Emulsionen subcutan behandelt worden sind. Zu den
Immunisirungen wurden nicht, wie bei Hunden und Kaninchen, erst hohe
Verdünnungen nach Högyes benutzt, sondern die Tauben bekamen gleich
infectiöses Virus von 1:100 und wurden rasch mit höheren Conceutrationen
des Virus behandelt.
Die Tauben wurden vom l.V. bis 22. V. mit Emulsionen des Virus
fixe von 1:100 und 1:50 behandelt und bekamen in bestimmten
Intervallen 5 ccra von diesen Emulsionen; 19 Tage nach der letzten
Injection wurde das Serum geprüft. Wie aus den Versuchen von Cen-
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
534
R. Kbaus und R. Mabesch:
tanni, Tizzoui und unseren Versuchen hervorgeht, ist diese Zeit die
geeigneteste zur Serumentnahme. Nach dieser Zeit, also am 20. bis 25. Tag
nach der letzten Injection, findet man bei empfindlichen Thieren die
höchsten Werthe von Schutzstoffen im Serum.
Sonst wurde der Versuch in derselben Weise ausgeführt wie die
vorhergehenden.
1 . Versuch mit Serum von mit Virus fixe-Emulsionen behandelten Tauben.
Menge des
Immunserums
in ccm
Virus fixe-
Emulsion
J ccm
Dauer der
Einwirkung
des Serums
auf Virus fixe
i
1 Subdurale
! Infection
1 am 17. VI.
Resultat
1 . Taube i
0-5
1: 50
18 Std. b.Zimmertp.
95
18. Lyssa, 20. f
0*5
1 :100
»»
45
tf ft
0-25
1 : 100
' 74
*» M
2 . Taube
0-5
1:50 !
i
f*
97
>> »*
0-5
1:100
tt
8
99 »•
0*25
1:100 1
tt
98 |
tt tt
Nach dem Ausfall dieses Versuches würde das Serum der mit
Lyssavirus behandelten Tauben keine Schutzstoffe enthalten,
es verhält sich das Serum ebenso dem Lyssavirus gegenüber
wie normales Taubenserum.
Um dem Einwande noch entgegenzutreten, dass möglicher Weise die
Tauben zu wenig Virus bekamen, wurden im folgenden Versuche Tauben
verwendet, die durch längere Zeit Virus fixe-Emulsionen 1:100, 1:50
und auch concentrirtes Virus bekamen.
Die Tauben erhielten vom l.V. bis zum 2. VIII. 14 Injectionen und
zwar bekamen sie vom 1. V. bis 9. V. 3 ccra Virus fixe 1:100, vom 13. V.
bis 22. V. 3 ccm 1:50, vom 27. V. bis 4. VI. 2 0cm 1:25, vom 11. VL bis
2 . VIII. 6 ccm dichte Emulsionen. 20 Tage nach der letzten Injection er¬
folgte der Aderlass. Die Versuche wurden in der üblichen Weise mit
dem frischen Serum ausgeführt; bei der 3. Taube wurde das Serum nach
36 Tagen entnommen. (Siehe 2. Versuch.)
Nach dem Resultat dieser Versuchsreihe konnten auch bei drei Tauben,
die durch längere Zeit mit Virus fixe-Emulsionen hoher Concentration
behandelt wurden, keine rabiciden Substanzen im Serum nachgewiesen
werden. Dieselben Mengen, die im Versuche mit normalem Serum Virus
fixe nicht zu schädigen vermochten, waren auch hier nicht im Stande,
schädigend auf das Virus einzuwirken. Es verhielt sich demnach das
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Original from
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Bildung von Immunsubstanzen gegen das Lyssayibus.
535
Serum der behandelten Tauben dem Virus fixe gegenüber ebenso passiv,
wie das Serum normaler Tauben.
2 . Versuch mit Serum von mit Virus fixe-Emulsion behandelten Tauben.
Menge des
Immunserums
in ccm
Virus fixe-
Emulsionen
| ccm
Dauer der
Einwirkung
des Serums
auf Virus fixe
Subdurale
Infection
am 28. VIII.
bis 5. IX.
Resultat
1 . Taube
0*5
1 : 100
18 Std. b. Zimmertp.
107
1 . Lyssa, 4. +
0-2
1:100
i
»
154
2 . Taube
i
0-5
1 : 100
»»
124
4. Lyssa, 6. t
3. Taube
0-5 i
1:100
ft
175
14. Lyssa, 16. j
0-1
1 : 100
tr
60
16. Lyssa, 18. f
4. Taube
22 .VUL 0*5
1 : 100
tt
113
0
0-25
1 : 100
tt
227
0
5. IX. 0-5
1 : 100
t*
137
o
0-1
1 : 100
tt
140
0
Nur das Serum der 4. Taube zeigte sich dem Virus fixe gegenüber
wirksam. Bei wiederholtem Versuche konnte nachgewiesen werden, dass
im Serum dieser Taube rabicide Stoffe vorhanden waren, dass also die
Taube Schutzstoffe producirt hatte. Nachdem doch in zahlreichen Ver¬
suchen bei Tauben normaler Weise keine rabiciden Substanzen nach¬
gewiesen werden konnten, ist wohl in dem Falle der Schluss erlaubt, dass
erst während der Behandlung diese Substanzen aufgetreten waren.
Die Versuche, in denen es gelang, Tauben durch Hungern für Lyssa¬
virus empfänglich zu machen, scheinen dafür zu sprechen, dass Receptoren
auch bei Tauben für das Lyssavirus de norma vorhanden sein dürften,
deren Affinität zum Virusgift erst unter besonderen Verhältnissen aus¬
gelöst werden könne. Auch der besondere Fall lässt sich in dem Sinne
deuten, dass auch die unempfänglichen Tauben Receptoren für das Lyssa¬
virus besitzen. Normaler Weise haben diese Receptoren gar keine Affinität
zum Lyssavirus. Die Unempfänglichkeit der Tauben für das Lyssavirue
und der Mangel an Immunsubstanzen im Serum, die nach Ehrlich aus-
gestossene, im Ueberschuss producirte Seitenketten sind, sprechen in diesem
Sinne. Unter besonderen Umständen, durch Hungern beispielsweise, lassen
sich diese unempfindlichen Receptoren empfindlich machen, die Tauben
bekommen nach der Iufection Lyssa. Ob solche für Lyssavirus disponirt
gemachte Tauben auch Immunserum liefern, was ja möglich wäre, haben
wir nicht untersucht.
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Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
536
R. Kraus und R. Maresch:
Die Hühner verhalten sich dem Lyssavirus gegenüber anders als
Kaninchen und Hunde und anders als Tauben. Die Hühner nehmen in
Bezug auf die Empfänglichkeit für das Lyssavirus eine Zwischenstellung
ein, indem sie weniger empfindlich sind als Kaninchen und empfind¬
licher als Tauben. Nach subduraler Infection mit Virus fixe können
Hühner an Lyssa erkranken. Nach einem sehr langen Incubationsstadium
treten die Krankheitserscheinungen auf. Die Krankheit selbst hat auch
einen ungemein schleppenden Verlauf. Es war also interessant zu erfahren,
wie diese Thiere auf die Behandlung mit Virus fixe reagiren, ob bei den
Hühnern ebenso wie bei Kaninchen Schutzstoffe auftreten oder nicht.
Vorher wurde ebenso wie in den früheren Versuchen das Serum normaler
Hühner auf rabicide Eigenschaften geprüft.
Versuch mit Serum von normalen Hühnern auf Virus fixe.
Menge des
Hühner¬
serums
in ccm
Virus fixe-
Emulsion
1 ccm
Dauer der
Einwirkung
des Serums
auf Virus fixe
1. Huhn
0-5
1
100
18 Std b.Zimraertp.
0-25
1
100
2. Huhn
0-5
1
100
44
Controle
1
100
3. Huhn
0*5
1
100
4. Huhn
i
0*5
1
100
0-25
1
100
5. Huhn
1
0-5
' 1 :
: 100
»»
6. Huhn
0-1
1
: 100
7. Huhn
0*5
1
50
f »
0-1
1
: 100
»♦
Subdurale
Infection
am 13. VI.
8. VIII.
Resultat
75
überlebt
78
I
29. Lyssa, (nach 16 Tagen),
3. f
74
überlebt
77
22. Lyssa, 24. -f*
117
überlebt
131 8. VIII.
140
25. Lyssa (nach 17 Tagen),
‘ 26. f
196
16. VIII. Lyssa, 18. +
148 21.VIII.
30. Lyssa. 4 7
1 '
101
29. Lyssa, 2. 7
197
2. Lyssa, 5. 7
Diese Versuche lehren, dass das normale Hühnerserum in der Regel
in Mengen von 0-5 ccru auf 1 ccm Virus fixe-Emulsion 1:100 geprüft, im
Stande ist, dasselbe in 18 Stunden zu zerstören. Es sind also rabicide
Substanzen im Serum normaler Hühner vorhanden. Bei
keiner der bisher untersuchten Thierart haben wir im normalen Serum
rabicide Substanzen nachweisen können. Die Hühner besitzen solche und
zwar in Werthen, die sich zwischen 0*5 ccm und 0-25 ccm bewegen. Die
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Bildung von Immunsubstanzen gegen das Lyssavirus.
537
Serummeugeu von 0*25 ccm sind zwar nicht mehr im Stande, das Virus
vollständig zu zerstören, sie können aber das Virus so abschwächen, dass
das Incubationsstadium verlängert ist. Bei Verwendung von 0 • 1 eom Serum
tritt gar keine Wirkung auf Virus fixe zu Tage.
Versuch mit Serum von immunisirten Hühnern auf Virus fixe.
Memre des
Immun so rums
in ccm
Virus fixe-
Emulsion
^ ccm
Dauer der
Einwirkung
des Serums
auf Virus fixe
Subdurale
Infeetion
am 6. IX.
Resultat
1 . Huhn
0-05
1 : 100
18 Std. b.Zimmertp.
83
15.
Lyssa, 18. f
0-1
1:50
162
19.
Lyssa, 22. j
2. Huhn
0*05
1 :100
102
15.
Lyssa, 18. f
0-1
1 : 50
>>
187
»♦ M
3. Huhn
0-05
1 : 100
8
15.
Lyssa. 17. +
0-1
1 : 50
9f
70
15.
Lyssa, 18. f
4. Huhn
0-05
1 :100
M
33
16.
Lyssa, 18. f
0-1
1 : 50
185
15.
Lyssa, 18. f
Die Hühner wurden vom 2. V. bis zum 2. VIII. mit Virus fixe
immunisirt. Sie bekamen im Ganzen 14 ccm Virus üxe-Emulsionen und
zwar 3 cctn Virus fixe 1:100, 3 f0m Virus fixe 1:50, 2 0Cra 1:25 und 6 ccra
concentrirte Virus fixe. 33 Tage nach der letzten Injectiou wurde
das Serum der Hühner geprüft. Wie die Versuche ergeben, konnte
bei den behandelten Hühnern ein Immunwerth im Serum nicht uaeh-
gewiesen werden. Nachdem der normale Serumgehalt an rabiciden Sub¬
stanzen fast 0*25 ccm beträgt, war zu erwarten, dass die Immunwertlie
zumindest 5 fach und noch höher sein dürften. Es zeigte sich, dass die
Werthe 0*05 auf die Emulsion von 1:100 und 0-1 auf die Emulsion
1:50 nicht schädigend einzuwirken vermochten.
Die Hühner waren mit concentrirten Emulsionen von Virus fixe von
Anfang an behandelt, so dass, weun Substanzen producirt werden könnten,
solche sicher entstanden sein mussten. Bei Ivaniuchen und Hunden er¬
folgt die Bildung dieser Substanzen auf viel geringere Mengen von Virus,
da die Thiere wegen der Infectionsgefahr nach der Methode vonHögyes
langsam mit steigenden Concentratiouen immunisirt werden. Die In-
jectionen werden mit Dilutionen von 1:10000 begonnen und erreichen
zum Schluss die Concentration von 1:100, mit der wir bei Tauben und
Hühnern begonnen haben.
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538
R. Kraus und R. Maresch:
Es war noch an die Möglichkeit zu denken, dass die Immunsubstanzen
bei Hühnern, entsprechend dem langsamen Verlauf der Lyssa bei diesen
Thieren, sehr langsam producirt werden dürften. Dieser Möglichkeit wurde
im folgenden Versuche Rechnung getragen, indem die Hühner 45 Tage
nach der letzten Injection auf Immunstoffe geprüft wurden. Die Hühner
wurden vom 22. X. bis 5. XII. mit Virus fixe behandelt und bekamen
32 cem conceutrirtes Virus. Am 22.1. wurde das Blut entnommen und
das Serum in der üblichen Weise auf Virus fixe-Emulsionen 1:100 ein¬
wirken gelassen. Das Serum wurde in Mengen von 0-5 und 0-l crra aus-
gewerthet. 0*5 ccm ist der normale rabicide Werth der gesunden Hühner.
Mengen von 0 • 1 ccm Serum und 0 • 25 ccm Serum normaler Hühner erwiesen
sich als unwirksam. Das Serum der immunisirten Hühner erwies sich
bei drei Hühnern nicht anders wirksam als normales Hühnerserum. 0 • 1 < * m
Serum war nicht im Stande das Virus zu zerstören. Es vermochte bei
zwei Hühnern sogar 0*5 ccm Serum, also Mengen, in denen das normale
Hühnerserum wirksam war, das Virus nicht abzutödten. Nur ein Huhn
lieferte ein Serum, dessen Werth höher war als der normale Serumwerth.
Menge des
Imraun serums
in ccm
Virus fixe«
Emulsion
| ccm
Dauer der
Einwirkung
des Serums
auf Virus fixe
Subdurale
Infection
am 22 . 1.
Resultat
1. Huhn
0-5
1 : 100
18 Std. b.Zimmertp.
231
Lyssa
0-1
1 : 100
239
30.
Lyssa,
1.1
2. Huhn
0-5
1 : 100
236
29.
Lyssa,
i -1
0-1
1 : 100
173 1
31.
Lyssa,
t
3. Huhn
0*5
1 : 100
y> i
238
30.
Lyssa,
i -1
0-1
1 : 100
1
ff
209
31.
Lyssa,
i -1
4. Huhn
0-5
1 : 100 1
ff
245
überlebt
0-1 i
1 : 100
ff
82 1
*9
I
Controle i
1 : 100
i
ff
151 |
29.
Lyssa, 31. 7
|
An der Immunisirung konnte es also nicht liegen, das wir bis auf
ein Huhn bei allen anderen Hühnern negative Resultate zu verzeichnen
haben. Es muss nach allem daran gelegen'haben, dass die Hühner für
das Lyssavirus viel weniger empfindlich sind als die empfindlichen Ka¬
ninchen und Hunde, die rabicide Immunsubstanzen zu produciren ver¬
mögen.
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Bildung von Immunsubstanzen gegen das Lyssavebus.
539
Ergebnisse der Untersuchungen.
1. Die empfindlichen Kaninchen und Hunde besitzen physiologischer
Weise in ihrem Serum keine rabiciden Substanzen.
2. Die Kaninchen und Hunde geben nach Immunisirung mit Virus
fixe ein rabicides Immunserum.
3. Tauben, die für Lyssa empfindlich sind, besitzen normaler Weise
kein rabicides Serum.
4. Tauben besitzen auch, nachdem sie mit Virus fixe behandelt
worden sind, keine Immunsubstanzen im Blute.
5. Hühner, die für das Lyssavirus wenig empfindlich sind, haben
normaler Weise im Serum rabicide Substanzen.
6 . Hühner produciren nach Immunisirung mit Virus fixe für ge¬
wöhnlich keine rabiciden Substanzen.
Litteratnr - Y erzeichniss.
1 . E. Metschnik off, Immunität. Handbuch der Hygiene von Weyl. 1897.
2 . A. Knorr, Fortschritte der Medicin . 1897.
3. DoNittis, Annales de VInstitut Pasteur. 1901.
4 . R. Kraus, E. Keller u. P. Clairmont, Diese Zeitschrift .
5. R. Kraus u. P. Clairmont, Ebenda. 1900.
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[Aus dem Institut für Infectionskrankheiten in Berlin.]
(Director: Geh. Med.-Rath Prof. Dr. R. Koch.)
Ueber die Differenzirung der Ruhrbacillen
mittels der Agglutination.
Von
Marinestabsarzt Dr. E. Martini und Kreisassistenzarzt Dr. O. Lentz,
commandirt zum Institut für Infectionskrankheiten.
Im Jahre 1898 berichtete Shiga (1), ein Schüler Kitasato’s, dass
es ihm gelungen sei, aus dem Stuhl von Dysenteriekranken einen Bacillus
von ganz bestimmten morphologischen und culturellen Eigenschaften zu
isoliren. Während diese Mittheiluug zunächst nur geringe Beachtung
fand, theilte Kruse (2) im Jahre 1900 mit, dass er gelegentlich einer
Ruhrepidemie im rheinisch-westphälischen Kohlenbezirk in den Stühlen von
Ruhrkranken ein dem Typhusbacillus ähnliches, von demselben aber sicher
durch biologische Merkmale zu trennendes Kurzstäbchen gefunden habe,
das er für den Erreger der Krankheit anzusprechen geneigt sei Fast zu
derselben Zeit kam aus Amerika die Nachricht, dass Flexner (3) und
Strong bei Ruhrkranken in Manila auf den Philippinen ein dem von
Shiga beschriebenen Bacillus ähnliches oder identisches Bacterium ge¬
funden hätten.
Alsbald mehrten sich ähnliche Beobachtungen, v. Drigalski (4)
E. Pfuhl (4) und Sch mied ecke (4) fanden bei den Kranken auf
dem Truppenübungsplätze in Döberitz, der erste auch bei einigen der
heimkehrenden Chinakrieger sowie bei Kranken in Ostfriesland einen Ba¬
cillus, den sie mit dem Kruse’sehen für identisch hielten. Flexner
und seine Assistenten (5) wollten einen mit dem Bacillus der Philip¬
pinenruhr identischen an verschiedenen Orten des Ostens der Vereinigten
Staaten von Nordamerika gefunden haben. — Dann wies Th. Müller (6)
bv Google
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E. Martini und 0. Lentz: Differenzirung der Ruhrbacillex. 541
bei einer Ruhrepidemie in Steiermark einen mit dem Kruse’schen Bacillus
identischen nach und endlich fand Deycke (7) in Konstantinopel in den
Stühlen Ruhrkranker sowie in der Milz an Ruhr Verstorbener ein Stäbchen
von ganz bestimmten Eigenschaften, das er aber selbst für nicht identisch
mit dem Shiga’schen Bacillus erklärt.
Jeder der genannten Forscher berichtete, dass sein Bacillus mit dem
Serum von Ruhrkranken die specifische Agglutination gebe. Müller
identificirte seinen Bacillus mit Hülfe schwach wirksamer Sera von künst¬
lich immunisirten Kaninchen mit dem Kruse’schen Bacillus.
Es waren also hiernach 6 Ruhrbacillenstämme gefunden, der von
Shiga, Flexner, Kruse, Müller, Deycke und der Döberitzer Stamm,
unter denen die ostasiatischen Flexner, Shiga und der deutsche Stamm
Kruse von Flexner (8), die deutschen und steiermärkischen Stämme
von Th. Müller seither als identisch angesehen wurden. Nach Kruse
hingegen waren die Bacillen von Shiga und Flexner einerseits, die
Kruse’schen Bacillen andererseits in ihrem morphologischen und biologi¬
schen Verhalten nur ausserordentlich ähnlich; in zwei Punkten schien
eine Differenz zu bestehen. Shiga und Flexner beschrieben ihren Bacillus
als beweglich und geisseltragend; beide wollten hin und wieder vereinzelte
Stäbchen mit einer polständigen Geissei gesehen haben, während Kruse
seine Stäbchen als geisselfrei und unbeweglich, wenn auch durch starke
Molecularbewegung ausgezeichnet beschrieb.
Kruse sieht aus diesem Grunde den von ihm gefundenen Bacillus
für eine besondere, wenn auch mit dem Shiga-Flexner’schen Bacillus
verwandte Species an.
Auf Veranlassung von Hm. Geheimrath R. Koch verglich neuerdings
eine Commission, bestehend aus den HHrn. Prof. E. Pfuhl, Oberstabs¬
arzt Schmiedecke, Stabsarzt Schüder und dem einen von uns (Lentz)
5 Ruhrstämme, Shiga, Flexner, Kruse sowie 2 Stämme der Döberitzer
Epidemie mit einander und fand dabei, dass die geprüften Bacillen mor¬
phologisch und culturell keine wesentlichen Unterschiede erkennen liessen,
dass sie insbesondere sämmtlich die gleiche, stark oscillireude Molecular¬
bewegung zeigten und sämmtlich keine Geissein trugen. Eine geringe
Verschiedenheit von den anderen Stämmen hatte nur der Flexner’sche
insofern gezeigt, als er bei der Agglutination mit dem Serum eines Recon-
valescenten der Döberitzer Epidemie in der Verdünnung 1:50 eine etwas
schwächere Agglutination gab als die anderen, die von dieser Verdünnung
noch stark agglutinirt wurden.
Auch hiernach war somit die Frage nach der Identität der bisher
gefundenen Ruhrerreger nicht endgültig geklärt, vielmehr die Arteinheit
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
542
E. Martini und 0. Lentz:
der bisher für identisch gehaltenen Stämme Shiga und Flexner wieder
in Frage gestellt worden.
Dazu kam, dass Kruse (9) berichtete, dass er bei der Ruhr der
Irren häufig Baoillen gefunden hätte, welche zwar seinen echten Ruhr¬
bacillen ähnlich wären, sich aber doch in mancher Beziehung von ihnen
unterschieden. Auch fand Schmiedecke bei einem an Ruhrrecidiv Er¬
krankten aus der Döberitzer Epidemie einen ruhrähnlichen Bacillus, während
es Lentz gelang, bei einem Herrn, der 2 Jahre zuvor im Sudan eine
kleine ruhrähnliche Attaque durchgemacht hatte, als er im letzten Winter
an einer Enteritis mit blutigen, schleimigen Entleerungen erkrankte, aus
letzteren ebenfalls einen ruhrähnlichen Bacillus zu züchten. Beide Stämme,
sowohl der von Schmiedecke als auch der von Lentz gefundene,
Hessen sich zwar bei der Weiterzüchtung auf verschiedenen Nährböden und
durch die Geisselfärbung unschwer von den echten Ruhrbacillen unter¬
scheiden (vgl. Tabelle I), doch wuchsen sie auf der v. Drigalski’schen
Lackmus-Laktose-Agarplatte genau wie echte Ruhr. Sie waren auch, von
dieser Platte entnommen, im hängenden Tropfen weder morphologisch
noch durch eine Differenz in der Beweglichkeit, da sie gleich den Shiga’-
schen Bacillen nur lebhafte Molecularbewegung zeigten, von den echten
Ruhrbacillen zu unterscheiden, so dass sie den Gedanken wachrufen mussten,
dass es sich hier möglicher Weise um echte Ruhrbacillen handeln könnte.
Vervollständigt wurde diese Täuschung zunächst dadurch, dass Ruhrrecon-
valescentenserum diese beiden Stämme noch in der Verdünnung von 1:100
kräftig agglutinirte, d. h. ebenso stark wie die zum Vergleich herangezogenen
echten Ruhrstämme. Bei den weiteren Untersuchungen ergab sich dann
jedoch, dass die beiden Stämme beweglich waren und Geissein trugen
sowie auch culturell in mancher Beziehung sich anders verhielten wie die
echten Ruhrstämme. Daraus ergab sich, dass man bei der Verwendung von
Reconvalescentenserum zur Dififerenzirung echter Ruhr- und rohrähnhcher
Bacillen Gefahr lief, die bereits bestehende Unsicherheit nur noch zu steigern.
Nach den Erfahrungen, die bezüglich der Dififerenzirung anderer
pathogener Bakterien von den ihnen nahestehenden saprophytischen Arten
durch Pfeiffer, Issaeff, Löffler, Abel, Kolle, Dunbar, Fränkel
und Sobernheim gemacht waren, lag es nahe, die specifischen Eigen¬
schaften der künstlichen Immunität heranzuziehen. Wir fassten daher
auf Anregung von Hrn. Geheimrath R. Koch und Prof. Kolle sowohl
die active als auch passive Immunitätsreaction, sowie die durch Vor¬
behandlung geeigneter Thiere eventuell in starker Concentration zu
erzielenden Agglutiniue des Serums ins Auge. Was zunächst die
DitYerenziruug mittels activer und passiver Immunitätsreactionen im Thier¬
körper betrifft, so sind unsere Versuche für eine Entscheidung nach
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Gck igle
Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Über die Defferenzirung der Ruhrbacillen.
548
dieser Richtung hin nicht ausreichend. Dies hatte seinen Grund in den
ausserordentlich toxischen Eigenschaften der Ruhrbacillen einerseits, in
ihren geringen infectiösen Eigenschaften bei Yersuchsthieren andererseits.
Die activ immunisirten Thiere erlangen eine verhältnissmässig geringe
active Immunität mit wenig baktericid wirksamen Eigenschaften ihrer
Körpersäfte. Trotz vielfacher Versuche gelang es uns weder bei den activ
noch hei den passiv mit Serum einer immunisirten Ziege behandelten
Meerschweinchen das Analogon des Pfeiffer’schen Versuches mit Erfolg
auszuführen.
Als die einzige Möglichkeit, Klarheit in diese Frage zu bringen, blieb
nunmehr die Beschaffung eines künstlichen, möglichst hochwerthig agglu-
tinirenden Serums durch Immunisirung von geeigneten Thieren übrig.
Ein derartiges, auf Gewinnung von specifischen Agglutininen in starker
Concentration gerichtetes Vorgehen erschien um so gerechtfertigter, als
durch die Untersuchungen von Pfeiffer und Kolle (10) bei Typhus,
durch Gruber und Durham (11), Pfeiffer und Vagedes (12) bei
Cholera, von Kolle und Martini (13) bei Pest, Neufeld (14) bei Pneumo¬
kokken bereits der sichere Nachweis geliefert war, dass eine DifFerenzirung
der Erreger der genannten Krankheiten von den ihnen nahestehenden,
oft auf keine andere Weise von ihnen zu unterscheidenden Arten mittels
hochwerthig agglutinirenden Serums unschwer gelingt. Wir haben uns
deshalb auch genau an die schon bewährte Methodik, wie sie präcis für
Pest von Kolle und Martini (15) beschrieben ist, gehalten.
Als wir unsere Untersuchungen begannen, standen uns aus der In¬
stitutssammlung folgende Ruhrstämme zur Verfügung: je 1 Stamm von
Shiga (Japan), Flexner (Philippinen), Kruse (Westfalen), 4 Stämme
der Döberitzer Epidemie (Anderssen, Przygode, Schwarte und Stratmann),
sodann die von ruhrkranken Chinakriegern stammenden ruhrähnlichen
Stämme Pseudodysenterie I, II und III, welche ebenfalls durch Serum
von Ruhrreconvalescenten noch in stärkerer Verdünnung agglutinirt worden
waren, ferner der ruhrähnliche Stamm Barabinow, den uns Hr. Ober¬
stabsarzt Schmiedecke gütigst überlassen hatte, und der von uns ge¬
züchtete ruhrähnliche Stamm, den wir der Kürze halber als Pseudo¬
dysenterie Lentz bezeichneten. Die Stämme Pseudodyseuterie I, Barabinow
und Pseudodysenterie Lentz gehören als Geisselträger streng genommen
nicht hierher. Da sie aber durch das Serum von Ruhrreconvalescenten
noch in stärkerer Verdünnung agglutinirt wurden, sich auch culturell in
mancher Beziehung den echten Ruhrbacillen gleich verhielten, zogen wir
sie der Vollständigkeit wegen in unsere Untersuchungen hinein.
Da es sich im Verlaufe unserer Untersuchungen als wünschenswerth
herausstellte, dass wir noch weitere Ruhrstämme in dieselbe einbezogen,
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
544
E. Martini und 0. Lentz:
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Tabelle
1
Stamm
Grösse und
Form
+3
M
Tb
V
*
Geissein
Gelatine
Besonderheiten des
Bouillon gew. Aga:
i
i
«
i
Shiga
Etwas dicker
; und plumper
als d. Typhus¬
bacillus
Stark oscillir.
Molekular¬
bewegung 1
Dem Typhus sehr
ähnlich, tiefe Colo-
nieen hell, rund,
oberflächliche zart,
weinblattartig
Nach24Std. Massig grr«?«,
trübe, von runde, d::>
oben lang- scheinend* 0 io-
sam klar nieen. Imteh
werdend sich wenig sc¬
hreite au,
1 durchschtinrid
Kruse
desgl.
desgl.
desgl.
desgl. desgl.
Andersen
”
ii
—
ii
11 V
Przygode
n
--
ii
11 "
Schwarte
1?
—
ii
11
Stratmann
11
1
ii
—
ii
11 f *
Mehrkötter Laz.
11
ii
—
i*
11
Homev
11
ii
—
ii
11 V
New Haven
I
11
v
—
ii
11 "
Müller
11
ii
ii
11 ■'
Flexner I
desgl., doch
häufig etwas
schlanker als
1 Shiga
ii
i
ii
1 11
Flexner-Manila
Wie Flexner I.
ii
—
y
1 >1
Strong
desgl.
ii
desgl., doch etwas
langsameres
Wachsthum
]
klar, desgl. :t.
dicker, ge- etwas >cfcmw
ballter
Bodensatz
Pseudo- ;
dysenterie I
i
Etwas kleiner
als d. Tvphus-
baciilus
+
i
1 end¬
stän¬
dige
Kleine knopffiörm.
Colonieen
Trübe Sehr kleir.e ^
darchscneifltt'ie
| CdoEKn.
schmaler, i *^ r *
weisser
Pseudo¬
dysenterie II
Wie Shiga
Wie 1
Shiga
i
Wie Shiga
s
Wie Shiga Colonieen sr&v'
i als von *£'-■»•
sonst wie d.-.e.r
1
Pseudo -
dysenterie III
desgl.
desgl.
j ~~
desgl.
i
i
desgl. d^gL
+ bedeutet
Gck 'gle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Über die Differenzlrung der Ruhrbacillen.
545
T.
W achsthuras in bezw. auf:
Lackmus-
Laktose-Agar
v. Drigalski)
Lackmusmolke
(Petruschky)
Milch
c
o
Gasbildung 3
in 0 * 5 proc.
Trauben¬
zuckeragar
155
29
§>a
3 to
Agglutination in stär¬
keren Verdünnungen v.
Ruhrreconvalescenten-
serum. (Wo nur + be¬
merkt, gilt dies nach
Angabe des Entdeckers
des betr. Stammes)
Massig grosse, tau*
tropfen artige durch¬
sichtige Colonieen.
Agar bleibt blau
desgl.
Klar, schwach
sauer
desgl.
nicht
coagu-
lirt
desgl.
Kleine weisse, un¬
durchsichtige Colo¬
nieen. Agar bleibt
blau
Colonieen ähnlich
denen von Shiga,
jedoch grösser und
leicht milchig
getrübt.
Agar bleibt blau
Trübe, alkalisch
desgl.
desgl.
Trübe, siuer
= Coli
— negativer Ausfall.
Zeitschr. f. Hygiene. XU.
Bis 1:150
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
desgl.
+
+
Bis 1 : 50 , doch lang¬
samer u. schwächer als
Shiga (vgl. a. E Pfuhl
u. seine Mitarbeiter)
+
+
35
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
546
E. Martini und 0. Lentz:
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Tabelle I
Stamm
Meerkötter-
ruhrähnlich
Pseudo-
dysenterie Kruse
Grosse und
Form
<L>
tx
o
•s
ja
Besonderheiten 4c?
Gelatine Bouillon gew. Agir
Wie Shiga Wie
i Shiga
desgl. dc>gl. —
Barabinow
Schlanker als
Shiga
Tiefe Colonieen
rund oder oval, (
gelblich, oberfläch -1
liehe dick, gelb, ,
weinblattartig !
Wie Shiga
zahl- Tiefe Colonieen
reiche jrund od. oval, hell,
seiten-! oberflächliche sehr
i stän- j breit, hell, wein-
j dige blattartig
Pseudo- Wie Shiga
dvsenterie Lentz
desgl.
Devcke-Milz
Wie Typhus I Wie
Shiga
Deycke-Stuhl
Coli
desgl. | desgl. —
Typhus
Kurzstäbchen ;|
Grösse und I
Form als be- I
kannt voraus-l
gesetzt
| Tiefe Colonieen !
; rund oder oval,
gelbbraun,
oberflächliche klein,!
1 flach, unregel- '
, massig contourirt, i
i ohne besondere !
I Structur
I Tiefe Colonieen
klein, rund, braun,
mit Randzone,
oberflächliche
scharf contourirt,
kreisrund, dunkel¬
braun, knopfförmig
erhaben
desgl.
-h I zahl- !ln der Tiefe dunkle,
reiche runde u. wetzstein-
seiten- förmige Colonieen.
stän- Oberflächliche
| dige j Colonieen dick,
I weinblattförmig
+ desgl. Tiefe Colonieen |
i hell,rund, oberfläch-
I I liehe zart, wein- |
i blattförmig
Trübe Colonieen grf???r
als von Sh.gi,
sonst wie fcc?
desgl. Wie Shiga. 4 '.i
im Strich bre.r-ir
und
desc
Die einitte
ColonieeD d
! weniger dar. 1 :*
scheinend ib
I Shiga.
schmal und
aes^t.
Wie
•f bedeutet positiver.
Gck 'gle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Über die Differenzirüng der Ruhrbacillen.
547
(Fortsetzung).
W achsthuni an
Lackmus-
Laktose-Agar
(▼. Drigalski)
bezw. auf:
Lackmusmolke
(Petruschky)
Milch
i
i
1
Gasbildung
in 5*0proc.
Trauben¬
zuckeragar
Indol-Reaction
i
Spermageruch
der Agarcultur
Agglutination in stär¬
keren Verdünnungen v.
Ruhrreconvalescenten-
serum. (Wo nur -f be¬
merkt, gilt dies nach
Angabe des Entdeckers
des betr. Stammes)
Colonieen ähnlich
denen von Shiga,
jedoch grösser und
leicht milchig
getrübt
Agar bleibt blau
Nach 24 Stunden
schwach sauer,
wenig getrübt,
nach 48 Stunden
alkalisch
nicht
coagu-
lirt
+
desgl.
Klar, stärker
sauer als bei
Shiga, schwächer
als bei Coli
desgl.
i 1
|
i
i
1
i
1
*»
Nach 24 Stunden
schwach sauer,
trübe, schnell
alkalisch
werdend
I
|
+
+
Bis 1:100
.
desgl.
»
+
1
Bis 1:150
Agar roth,
massig grosse
durchscheinende
Colonieen
Trübe, sauer
= Coli
79
1
+
1
i 1
+
i
i
i i
+
desgl.
desgl.
79
+
+
_
+
>
Trübe, sauer
i
i
coagu-
lirt
+
+
Wie Shiga
1
Klar, schwach
sauer
nicht
coagu-
lirt
—
1
i
—
— negativer Ausfall.
35*
Digitized by Gck gle
Original frorn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
548
E. Martini und 0. Lentz:
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wandten wir uns mit der Bitte um Ueberlassung Ton Culturen an die
HHrn. Professoren E. Pfuhl-Berlin, Kruse-Bonn, Fl ein er-Philadelphia,
Deycke-Constantinopel, sowie Dr. Th. Müller-Graz, welche uns in
liebenswürdigster Weise Culturen zur Verfügung stellten, wofür wir ihnen
auch an dieser Stelle unseren ergebensten Dank sagen. Von Hrn. Prof.
E. Pfuhl erhielten wir drei von Chinakriegern, die nach ihrer Rückkehr
an Recidiven erkrankt waren, stammende Culturen; zwei derselben
stammten von demselben Ruhrkranken und waren von Pfuhl als Meer-
kötter-Lazareth und Meerkötter-ruhrähnlich bezeichnet worden. Der dritte
Stamm war als Homey bezeichnet. Prof. Kruse sandte ausser seinem
echten Ruhrstamm uns einen ruhrähnlichen Stamm (von Ruhr der Irren),
den wir als Pseudodysenterie Kruse rubricirten. Hr. Prof. Fleiner
schickte uns je einen Stamm von den Philippinen (Flexner-Manila) und
aus Nordamerika (New-Haven), sowie eine von Strong in Manila ge¬
wonnene Cultur (Strong), Hr. Prof. Deycke je eine aus dem Stuhl und
der Milz von Ruhrkranken in Constantinopel gewonnene Cultur (Deycke-
Stuhl und Deycke-Milz), sowie Hr. Dr. Th. Müller einen in Steiermark
aus dem Stuhl Ruhrkranker gezüchteten Stamm (Müller). Die wichtigsten
morphologischen und culturellen Eigenschaften sind in der vorstehenden
Tabelle 1 zusammengestellt. Zum Vergleich zogen wir dann noch je
einen Typhus- und Colistamm heran.
linmunisirang kleiner Thiere zwecks Serumgewinnung.
Anfangs versuchten wir, wie oben angedeutet, Meerschweinchen und
Kaninchen zwecks Serumgewinnung mit den zuerst genannten 7 Ruhr¬
stämmen zu immunisiren, mussten aber bald sehen, dass dieses ein zweck¬
loses Unternehmen war, da diese Thiere ausserordentlich empfindlich
gegen die Ruhrtoxine sind. Sie reagirten schon auf kleine Dosen, 2 bis
3 Oesen abgetödteter Culturen, die subcutan bezw. intraperitoneal injicirt
waren, sehr stark mit Temperaturerniedrigung, mangelnder Fresslust,
Abmagerung und erholten sich nur laugsam von der gesetzten Schädigung.
Schon geringe Steigerung dieser anfänglich noch vertragenen Dosis tödtete
einige der Versuchstiere, und dies wiederholte sich bei jeder weiteren
Impfung, so dass wir bald einsahen, dass wir auf diesem Wege nicht zu
einem befriedigenden Resultat kommen würden. Nur die Injectionen mit
dem Stamm Fleiner I wurde von den Kaninchen gut vertragen, so dass
wir hier in kurzer Zeit bis zu zwei ganzen lebenden Culturen intravenös
geben konnten. Wir bekamen auch ein brauchbares Serum, über das
weiter unten noch näher berichtet werden soll.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Über die Difeerenzibung der Ruhrbacillen.
549
Immunisirung einer Ziege zwecks Serumgewinnung.
Nach den anfänglichen Misserfolgen mit den kleinen Thieren nahmen
wir sofort eine Ziege in Versuch. Zur Immunisirung verwandten wir
den Stamm Shiga. Wir legten Culturen auf Schrägagar in Röhrchen
von 2 cm Durchmesser an, indem wir das Condenswasser impften und dann
über die Agarfläche laufen liessen. Später nahmen wir für grössere
Mengen Kolle’sche Schalen, welche eine Culturmenge liefern, die etwa
der von 12 grossen Röhrchen entspricht. Die Culturen blieben 24 Stunden
bei 87 0 im Brutschrank und wurden dann in möglichst geringen Mengen
0 • 85 procentiger Kochsalzlösung aufgeschwemmt. Für die ersten In-
jectionen wurden sie darauf .bei 60° C. im Schüttelapparat abgetödtet,
was in 1 Stunde gelang. Es wurde nach dem Abtödten eine Probe in
Bouillon geimpft und bei 87 0 C. bis zum nächsten Tage eingestellt,
während die Aufschwemmung im Eisschrauk aufbewahrt wurde. Büeb
das Controlröhrchen steril, so wurde injicirt.
Auch die Ziege reagirte stark auf die Injectionen. Die Iujectionen
der abgetödteten Bacillen riefen stets eine anfängliche Temperatur¬
erniedrigung um 1 bis 2° C. hervor, auf die ein 2- bis 3 tägiges fieber¬
haftes Stadium folgte; bis zum 4. oder 5. Tage war die Temperatur meist
lytisch zur Norm zurückgekehrt.
Nach den Injectionen lebender Cultur, mit denen begonnen wurde,
als das Thier 12 abgetödtete Culturen gut vertragen hatte, stieg die
Temperatur gewöhnlich steil um 2 bis 3° C. an, uni dann in 3 bis 4 Tagen
zur Norm lytisch zu sinken. Nach intravenösen Injectionen erlitt das
Thier meist einen schweren Shok, von dem es sich aber in ca. 5 Minuten
wieder erholte. Abscesse haben wir im Gegensatz zu Kaninchen und
Meerschweinchen bei der Ziege nie erhalten, nur massige Infiltrationen
blieben an den Injectionsstellen einige Tage lang bemerkbar.
Das Gewicht sank nach jeder Injection um 1 bis 2 Pfund, hob sich
dann langsam wieder. Erst wenn das alte Gewicht wieder erlangt bezw. über¬
schritten war, wurde von neuem injicirt. Die Ziege erhielt folgende Dosen:
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1902.
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4.
18. IV.
1902.
6
ff
ff
ff
5.
28. IV.
1902.
9
ff
ff
6.
10. V.
1902.
12
ff
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intravenös.
7.
27. V.
1902.
V,
Cultur
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8.
5. VI.
1902.
8
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9.
19. VI.
1902.
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„
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subcutan.
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20. VI.
1902.
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11.
5. VII.
1902.
48
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Original frnm
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550
E. Martini und 0. Lentz:
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Nach dieser letzten Injection, bei der die Ziege das ansehnliche
Quantum von 48 lebenden Culturen erhalten hatte, die übrigens ohne
locale Reaction resorbirt wurden, wurde das Thier krank. Es stellte sich,
nachdem die anfängliche Fieberreaction bis zum 3. Tage abgefallen war,
am 4. Tage von neuem Fieber ein. Das Thier frass nicht, bekam Durch¬
fall und magerte ab. Im breiigen Koth konuten Ruhrbacillen nicht nach¬
gewiesen werden. Allmählich erholte sich das Thier wieder, so dass wir
dasselbe vielleicht noch weiter zur Serumgewinnung werden verwinden
können.
Agglutination.
Nach der fünften Injection wurde der Ziege am 10. Y. d. J. 50 ccro
Blut entnommen. Das Serum, durch Centrifugireu von Blutkuchen be¬
freit, agglutinirte den Stamm Shiga nur bis zur Verdünuung von 1:40,
war also noch auffällig schwach. Nach der Blutung erhielt die Ziege die
nächst höhere Injection von 12 abgetödteten Culturen intravenös. 17 Taue
später agglutinirte das Serum den Stamm Shiga bereits bis zur Ver¬
dünnung von 1:300, ein Beweis für die weitaus kräftigere Wirkung der
intravenösen Injection gegenüber der subcutanen. Die nächsten Injectionen
(V 2 und 8 lebende Culturen) machten wir daher ebenfalls intravenös.
Schon die nächste Injection von 1 / 2 lebender Cultur ergab in 8 Tagen
eine weitere Steigerung der agglutinirenden Kraft des Serums. Dasselbe
agglutinirte jetzt den Stamm Shiga bis zur Verdünuung 1:500.
Heber diesen Agglutinationswerth ging das Serum nicht hinaus.
Schon die intravenöse Injection von 8 lebenden Culturen erzielte keine
weitere Steigerung. Wir gingen daher auch wegen der starken Shok-
wirkung, die auf die intravenösen Injectionen folgte, wieder zu der sub-
cutanen Impfung über und konnten so das Serum auf demselben Werthe
erhalten.
Methode der Agglutination.
Wir wandten zur Agglutination die von Pfeiffer und Kolle bezw.
Ivolle und Martini angegebene Methode an. Bei dieser wird stets die
gleiche Menge der agglutinirbaren Substanz mit abgestuften Mengen der
agglutinirenden Flüssigkeit im Reagensglase gemischt, das Resultat makro¬
skopisch ohne optische Hülfsmittel, wie Lupe oder gar Mikroskop erkannt
und demonstrirt. Gerade diese grobsinnlichen, aber dabei doch ein exactes
Arbeiten gewährleistenden Eigenschaften der Methode liessen sie uns für
die Vergleichung culturell und morphologisch nahestehender Bakterien
besonders geeignet erscheinen. Wir kamen dabei auch nicht in Gefahr.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Über die Dieeerenzirung der Ruhrbacillen.
551
lockere Zusammenballungen, zu denen die Ruhrbacillen und besonders
einige ruhrähnliche Stämme wie Pseudodysenterie Lentz, ßarabinow und
Strong an sich schon neigen, etwa in Folge der Lupe oder schwachen
mikroskopischen Vergrösserung für Agglutinationshäufchen anzusehen. Im
Einzelnen führten wir die Agglutination folgendermaassen aus: Zur Ver¬
dünnung des Serums benutzten wir Anfangs sowohl Bouillon als auch
0 • 85 procentige Kochsalzlösung. Erst nachdem wir erkannt hatten, dass
die Resultate bei beiden Verdünnungsarten vollkommen gleich waren,
begnügten wir uns mit der Verdünnung durch die Kochsalzlösung. Wir
beschickten mit den zu prüfenden Culturen stets zunächst das Verdünnungs¬
mittel für sich, sodann, wenn hier keine Agglutination eiutrat, die
Serumverdünnung V l0 , Vm» V # o» Vhx» Vmo» Vsoo u - s - f * Wo es noth ‘
wendig erschien, schalteten wir Verdünnungen von 1 j 30 , 1 / 00 und
V 75 ein.
Die zu prüfenden Culturen wurden auf Schrägagar angelegt und,
nachdem sie 24 Stunden lang im Brütschrank bei 37 0 C. gewachsen waren,
zur Agglutination verwandt. Zur Entnahme der Culturmenge benutzten
wir stets dieselbe Oese, welche genau tarirt war und 2 m * Cultur fasste.
Zur Agglutination verwandten wir stets 1 ccm der Serumverdünnung,
sowie eine Oese Cultur. Letztere wurde am Glase fein verrieben und
allmählich mit der Flüssigkeit vermischt. Schon beim Herabfliessen der
Aufschwemmung war dabei oft Krümelbildung zu beobachten.
In der Regel trat die Agglutination etwas langsamer ein als bei den
„Typhusbacillen unter der Einwirkung des Typhusserums“, ein Ereigniss,
das wohl im Zusammenhang mit der mangelnden Beweglichkeit der Ruhr¬
bacillen steht. Hatte der Agglutinationsprocess aber einmal begonnen,
so konnten wir, namentlich wenn wir das Röhrchen bei Schräghaltung
sanft hin- und herführten, so dass sein Inhalt in schaukelnde Bewegung
gerieth, deutlich ein rasches Wachsen der Krümel erkennen. So war die
Krümelbildung bei Verwendung der schwächeren Verdünnungen des
Serums bei Zimmertemperatur nach wenigen Minuten unverkennbar, bei
Anwendung stärkerer Verdüuuungen z. B. bis zu einer solchen von 1:400
in etwa l j 2 Stunde deutlich; bei der Verdünnung von 1:500 trat dieselbe
erst nach einigen Stunden ein. Brüttemperatur beschleunigte den Agglu¬
tinationsprocess nicht wesentlich, rief auch sonst, da unser Serum nur
schwach bakteriolytisch ist, selbst bei 24 ständigem Aufenthalt der Auf¬
schwemmung im Brütschrauk keine Aenderung des Agglutinations¬
phänomens hervor.
Die agglutinirten Bakterien sanken zu Boden und die darüber stehende
Flüssigkeit wurde klar. Da aber, wie bereits erwähnt, sowohl die echten
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552
E. Martini und 0. Lentz:
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Ruhrbacillen, wie auch gauz besonders einige der ruhrähnlichen Bakterien,
die Neigung zur Klumpenbildung haben und bei längerem Stehen der
Aufschwemmung zu Boden sinken, erkannten wir eine Agglutination nur
an, wenn die Krümelbildung auch dann noch deutlich zu erkennen war,
nachdem wir das Gläschen, während wir es an seinem oberen Ende hielten,
5 Mal mit kurzem, kräftigem Schleuderstoss geschüttelt hatten. Auf diese
Weise prüften wir mit unserem Serum sämmtliche von uns oben ge¬
nannten Stämme.
Tabelle IT.
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Über die Differexzirung der Ruhkbacileen.
553
Daneben stellten wir Controlen an mit normalem Menschen-, normalem
Kaninchen- und normalem Ziegenserum, ferner mit Seris, welche von
Menschen stammten, die an tuberculösen Darmgeschwüren litten, ferner mit
einem starken Cholera-(Ziegen-)Serum, Titer 1:5000, und einem Typhus-
(Ziegen-) Serum, das den Titer 1:500 hatte. Tabelle II und III geben
die so erhaltenen Resultate wieder. Schon ein Blick auf die Tabelle II lässt
uns zwei Gruppen von Bakterien ohne Weiteres unterscheiden, die eine
bestehend aus den 10 ersten Stämmen, welche von dem Ruhrserum noch
jenseits der Verdünnung 1:400 agglutinirt werden, und die andere, inner¬
halb deren die Agglutinationsgrenze bei der Verdünnung des Serums von
1 :25 liegt. Innerhalb des grossen Zwischenraumes zwischen den Ver¬
dünnungen 1:25 und 1:400 finden wir keine Verdünnung, welche den
Grenzwerth der Agglutination für irgend eine der untersuchten Bakterien¬
arten darstellt, ein Verhalten, welches an sich schon die Erklärung zu
rechtfertigen geeignet ist, dass Stämme der Gruppe II mit denen der
Gruppe I nicht identisch sein können.
Betrachten wir nun die beiden Gruppen etwas näher, so finden wir
in der Gruppe I nur solche Bakterien, welche, wie Tabelle I zeigt, sich
morphologisch und culturell vollkommen gleich verhalten, d. h. mit anderen
Worten: die Stämme der Gruppe I, also auch die Stämme
Shiga und Kruse (was bereits E. Pfuhl uud seine Mitarbeiter be¬
tont hatten) ebenso der Flexner’sche Stamm New Haven sind
nach dem heutigen Stande der bakteriologischen Wissenschaft
identisch.
In der zweiten Gruppe finden wir ausser den Controlen uud den
beiden Deycke’schen Stämmen die sämmtlichen Stämme, welche wir Ein¬
gangs schon als ruhrähnliche bezeichneten. Ausser diesen enthält Gruppe II
aber auch drei Stämme, Flexner I, Flexner-Manila und Strong, welche sich,
wenn wir von der schnellen Klärung der Bouillon beim Stamm Strong
zunächst absehen, morphologisch uud culturell nicht von den Stämmen
der Gruppe I trennen Hessen, und die auch Seitens ihrer Entdecker mit
dem Stamm New Haven, welchen Flexner iu Nordamerika züchtete, iden-
tificirt wurden. Auch Kruse uud Shiga hatten bisher diese Stämme
für identisch mit dem von Shiga gefundenen Bacillus gehalten, während
E. Pfuhl und seine Mitarbeiter bezüglich der Identität des Stammes
Flexner I mit den Shiga’schen Stäbchen Zweifel geäussert hatten.
Auf Grund unserer Resultate mit der Agglutination mittels unseres
Serums halten wir uns nach allem, was über dieses Phänomen bisher
bekannt geworden ist, für berechtigt, zu erklären: dass die von uns ge¬
prüften, von Flexner und Strong in Manila gefundenen Stämme
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554
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UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
Über die Differenzirüng der Ruhrbacillen.
555
mit dem Shiga’schen Bacillus ebenso wenig identisch sind wie
mit einem der anderen Stämme der Gruppe I.
Flexner und Strong hatten die ätiologische Bedeutung der von
ihnen in Manila gefundenen Stämme für die Ruhr auf den Philippinen
und die Identität derselben mit dem von Flexner bei Ruhrkranken in
Nordamerika gefundenen Bacillen (New Haven) ausser auf die gleichen
morphologischen und culturellen Eigenschaften hauptsächlich auch auf die
Agglutination der betreffenden Stämme durch Reconvalescentenserum ge¬
gründet, ein Resultat, dessen Richtigkeit auch E. Pfuhl und seine Mit¬
arbeiter zwar stark in Zweifel zogen, jedoch in Folge Mangels eines künst¬
lichen hochwerthigen Ruhrserums noch nicht mit Bestimmtheit als un¬
richtig erkennen konnten.
Einen wie geringen Werth aber diese mittels des Ruhrreconvalescenten-
serums gewonnenen Ergebnisse haben, ergiebt sich aus der Betrachtung
von Tabelle III, Spalte 1, 4 und 5. Hier sehen wir, dass die Stämme
Flexner I, Flexner-Manila und Strong schon durch normales Menschen¬
serum sowie durch Serum von den an tuberculösen Darmgeschwüren
leidenden Menschen bis zu den Verdünnungen 1:35, 1:50, ja 1:60 ag-
glutinirt werden, ein Beweis dafür, dass auch in dem Blute normaler oder
an ulcerösen Darmaffectionen leidender Menschen Stoffe enthalten sein
können, welche diese Stämme auch in stärkeren Verdünnungen des Serums
zu agglutiniren im Stande sind.
Da auch einige der auderen ruhrähnlichen Stämme Pseudodysenterie
Lentz und Pseudodysenterie II mit diesen Seris und wie auch der Stamm
Barabinow mit Reconvalescentenserum noch bis zu den Verdünnungen
1:25, 1:35 und 1:50 Agglutination ergaben, halten wir das Serum
von Ruhrreconvalescenten für ungeeignet zur Identificirung
von Ruhrbacillen. Hierzu ist einzig ein mittels eines echten
Ruhrstammes erzeugtes hochwerthiges Serum geeignet, dessen
Agglutinationstiter mindestens 0,0033 (oder 1 I 300 ) beträgt, wobei angenommen
wird, dass die Werthbestimmung nach den oben angegebenen Methoden
erfolgt. Ein solches hochwerthiges Ruhrserum von genau bekanntem
Wirkungswerth ist das sicherste Mittel, um auf raschestem Wege die
Ruhrbacillen zu identificiren und von den ihnen nahestehenden Arten zu
differenciren. Die Agglutinine des Ruhrserums reihen sich somit den Ag-
glutininen des Typhus-, Cholera-, Pest-, Pneumokokken- und Staphylo¬
kokkenserums an.
So war es uns denn mit Sicherheit gelungen, durch die Agglutination
mit unserem Serum eine bestimmte Gruppe von Bacillen als gleichartig
festzustellen» andere, die bisher nicht als ungleichartig erwiesen waren,
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
556
E. Mahtini und 0. Lentz:
aus dieser Gruppe auszuschalten. Für einen von diesen letzteren, Flexner I,
erzeugten wir überdies sein specifisob agglutinirendes Serum bei einem
Kaninchen. Dieses Serum ergab ausserdem, wie aus Tabelle IV hervor¬
geht, nicht allein die völlige Verschiedenheit des Bacillus Flexner I and
Flexner-Manila von der Gruppe I, sondern auch die weitere Thatsache,
dass die drei Stämme Flexner I, Flexner-Manila einerseits und Strong
andererseits, die sich eulturell wie die echten Ruhrbacillen verhalten hatten,
von den ruhrähnlichen Stämmen dagegen in dieser Hinsicht sich hatten
trennen lassen, ebenfalls unter einander nicht identisch sind. Dies zeigen
die Agglutinationsversuche auf Tabelle IV, in die wir zum Vergleiche den
Ruhrstamm New Haven, sowie den Stamm Shiga einschlossen, auf’s
deutlichste.
Tabelle IV.
Stamm
Flexner . .
Flexner-Manila
Strong . .
New Haven
Shiga . . .
Wurde von Serum Flexner I agglutinirt
in der Verdünnung
Mithin wurden
2 m * Cultur
agglutinirt von
grm Serum
0-00025
0-00025
0-02
0-04
0-04
Resultate.
Kurz zusammengefasst, kamen wir mit unserer Arbeit zu folgenden
Resultaten:
1 . Das Serum von Ruhrreconvalescenten ist zur Feststellung einer
Gleichartigkeit der bei verschiedenen Ruhrfällen aus dem Darminhalt
bezw. den inneren Organen gezüchteten Bacillen durch Agglutination
unbrauchbar;
2 . die Bestimmung der Gleichartigkeit einzelner von diesen Bakterien-
sorton durch Agglutination gelingt nur vermittelst hochwerthiger, durch
active Immuuisirung mit der einen oder anderen dieser Bakterienarten
erzielten Sera;
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
ÜBER DIE DrFFERENZIRUNG DER RüHRBACELLEN.
557
3. die Ruhrbacillen Shiga’s, Kruse’s, Th. Müller’s, Flexner’s
von New Haven in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, E. Pfuhl’s
aus China und die der Döberitzer Epidemie des Sommers 1901 — auf¬
fallender Weise sämmtlich Bacillen, die bei Ruhrfallen aus Epidemieen in
der nördlichen gemässigten Zone gefunden waren — sind dieselben;
4. alle anderen bei Ruhr aus den Darmentleerungen bezw. den inneren
Organen seither gezüchteten Bakterien, wie z. B. die Flexner’s von
Manila, Strong’s von Manila, Deycke’s von Konstantinopel, Kruse’s
bei Dysenterie der Irren, sind von obigen verschiedene Arten.
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Original frorn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
558 E. Martini und 0. Lentz: Differenzirung der Ruhrbacillex.
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Litteratur -Y erzeichniss.
1. Shiga, CentraV latt für Bakteriologie. Bd. XXIII. S. 599.
2. Kruse, Deutsche med. Wochenschrift. 1900. Nr. 40. S. 637.
3. Flexner, Centralblatt für Bakteriologie. Bd. XXX. S. 449.
4. Veröffentlichungen auf dem Gebiete des Militär-Sanitätswesens. 1902. S. 65.
5. Fouierton, Centralblatt für Bakteriologie. 1902. Bd. XXXI.
6. Th. Müller, Centralblatt für Bakteriologie. Bd. XXXI. S. 55S.
7. De icke, Deutsche med. Wochenschrift • 1901. Nr. 1.
8. Flexner, Centralhlatt für Bakteriologie. Bd. XXX. S. 453.
9. Kruse, Deutsche med. Wochenschrift. 1901. Nr. 23 u. 24.
10. Pfeiffer u. Kolle, Ebenda . 1896. Nr. 12
11. Gruber u. Durham, Münchener med. Wochenschrift. 1896. Nr. 13.
12. Pfeiffer u. Yagedes, Centralblatt für Bakteriologie. Bd. XIX. S. 385.
13. Kolle u. Martini, Deutsche med. Wochenschrift. 1902. Nr. 1 — 4.
14. Neufeld, Diese Zeitschrift. 1902. Bd. XL. S. 54.
15. Kolle u. Martini, Deutsche med. Wochenschrift. 1902. Bd. 1—4.
Gck igle
Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
[Aus dem Institut für Infectionskrankheiten zu Berlin.]
(Director: Geh. Med.-Rath Prof. Dr. R. Koch.)
Vergleichende culturelle Untersuchungen
über die Ruhrbacillen und ruhrähnliche Bakterien nebst
einigen Bemerkungen über den Lackmusfarbstoff.
Von •
Kreisassistenzarzt Dr. Lentz,
cominaudirt zum Institut.
Nachdem es Martini und mir 1 mit Hülfe der specifischen Agglu-
tinationswirkung des hochwerthigen Ruhrserums gelungen war, den Nach¬
weis zu führen, dass einerseits die Stämme Flexner I, Flexner-Manila und
Strong von den echten Ruhrbacillen und andererseits die beiden Flexner’-
sehen Philippinenstämme von dem Stamm Strong artverschieden sind,
unternahm ich es, auch auf culturellem Wege diesen Nachweis zu führen.
Der Stamm Strong hatte ja durch sein langsames Wachsthum auf
Gelatine, sowie dadurch, dass er Bouillon klar liess und am Grunde des
Bouillonröhrchens einen dicken Bodensatz bildete, immerhin kleine Ver¬
schiedenheiten gegenüber den echten Ruhrlacillen sowie den Flexuer’schen
Philippinenstämmen gezeigt, doch sind derartige Unterschiede, zumal auch
die Ruhrbacillen in der Bouillon, wenn auch langsam, zu Boden sinken, zu
gering, um bei dem sonst gleichen Verhalten der fraglichen Stämme bei der
Cultivirung auf den gebräuchlichen Nährböden eine Artverschiedeuheit damit
begründen zu können. Es war also nur wenig Aussicht vorhanden, mittels
der gebräuchlichen Nährböden zum Ziele zu kommen. Dagegen hoffte
ich, mit Hülfe verschiedener Zuckerarten, wie sie von Drigalski und
1 Siehe die vorhergehende Arbeit.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
5ö0
Lentz:
Tabelle
Maltose-Lackmus-Agar
D ulcit-Lack in us- A gar
Dextrin-Lackmus-Agv
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24 Std. 48 Stunden c5 g
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Typhus
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desgl.
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desgl.
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oben unver-ioben unver- —
i and., nuten änd., unten
aufgehellt aufgehellt
1 Drigalski giebt an, dass Coli den Mannit-Nährboden blau lässt. Um den Widersprc^
ihres Wacbsthums auf Mannit-Lackmus-Agar und fand neben vielen, die den Nährboden roth g*-
Stamme verhalten sich also offenbar verschieden dem Mannit gegenüber; darin stimmen sie jed.nl
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UlltM-
Ifbiia*
Untersuchungen über die Buhubacillen ü. s. w.
561
I.
Fructose-Lackmus-Agar
nach nach
24 Stunden 48 Stunden
S2
Inulin-Lack wus-Agar
nach nach
24 Stunden 48 Stunden
G&s-
bildg.
Maunit-Lackmus-Agai
nach nach
24 Stunden 48 Stunden
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dieses Resultats mit dem meinigen za klären, untersuchte ich mehrere Coli-Stämme bezüglich
färbt hatten, auch einen Stamm, der ihn nur violett erscheinen liess. Die verschiedenen Coli-
sämintlich überein, dass^sie alle Gas bilden.
__. Zeltsclir
Digitizer^
'•'©trgfe
36 Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
562
Lentz :
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Conradi 1 zur Dilfcrenzirung von Typhus, Bacterium Coli und Ruhr bei
ihren Lackmus-Nährböden angewandt haben, den Zweck zu erreichen.
Der Vollständigkeit wegen dehnte ich diese Untersuchungen auch
auf sämmtliche in der vorhergehenden Arbeit aufgezählten Stämme aus.
Ich stellte mir nach dem Vorgänge von v. Drigalski und Conradi
Nährböden her, welche als Zusatz zum gewöhnlichen 2 procentigen, leicht
alkalischen Agar 13 Procent Lackmuslösung (nach Kahlbaum) und
1-3 Procent einer der folgenden Zuckerarten enthielten: Maltose, Duleit.
Dextrin, Fructose, Inulin und Mannit.
Zuerst verwandte ich Platten von Maltose-Lackmus-Agar, die ich
mittels des von Drigalski’schen Glasspatels mit den Culturen beschickte.
Die mit den Stämmen Flexner I und Flexner-Manila geimpften Platten
zeigten nach 24 Stunden, während deren sie im Brütofen gestanden hatten,
rothviolette, nach 48 Stunden rothe Färbung des Nährbodens, während
die Culturen Strong genau wie die der echten Ruhrstämme blau blieben.
Sodann untersuchte ich, um gleichzeitig auch etwaige Gasbildung be¬
obachten zu können, sämmtliche Nährböden im Reagensglase und legte
von allen Stämmen Stichculturen an. Das Resultat dieser Untersuchungs-
reihen ergiebt die beigefügte Tabelle. Bemerken möchte ich hierzu, dass
die Nährböden im Reagensglase eine blauviolette Färbung zeigten. Die
Bezeichnung „rothviolett“ bedeutet daher leichte, „roth“ starke Säuerung,
„blau“ Alkalibildung.
Die Duleit-, Fructose- und Inulin-Nährböden gaben nur geringe
Unterschiede, die für die Unterscheidung der nicht gasbildenden Stämme
gar nicht in Frage kommen. Den Maltose-Agar hatten jedoch die beiden
Flexner’sehen Philippinenstämme nach 24 Stunden rothviolett und nach
48 Stunden roth, den Dextrin-Agar nach 24 Stunden dauernd violettroth
gefärbt; die Culturen des Stammes Strong zeigten dagegen auf diesen Nähr¬
böden keinen Unterschied von den echten Ruhrculturen. Ein solcher trat
jedoch deutlich in dem Mannit-Agar hervor. Diesen färbte der Stamm
Strong, ebenso wie die beiden Flexner-Stämme nach 24 Stunden roth¬
violett und nach 48 Stunden leuchtend roth, während ihn die echteu
Ruhrstämme unverändert Hessen.
Diese biochemischen Reactionen treten constant und mit derselben
Klarheit ein; es darf somit auch auf culturellem Wege der Nachweis als
erbracht bezeichnet werden, dass einerseits die Stämme Flexner I, Flexner-
Manila und Strong mit den echten Ruhrstämmen nicht identisch sind.
1 v. Drigalski u. Conradi, Ueber ein Verfahren zum Nachweis der Typhus¬
bacillen. Diese Zeitschrift. 1902. — Siehe auch VeröffentL a. d. Gebiete d. Militär-
sauitätswesens. Hit. 20. Untersuchungen von Stabsarzt Dr. v. Drigalski.
Qriginal from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Untersuchungen über die Ruhrbacillen u. s. w.
563
uud andererseits auch der Stamm Strong von den F lex ne r’sehen
Philippinenstämmen artverschieden ist.
Auch bei der Differenzirung der übrigen Stämme mittels der geprüften
Nährböden hat der Mannit-Lackmus-Agar die besten Resultate ergeben.
Während nämlich auf den übrigen Zucker-Lackmus-Nährböden stets eine
grössere oder kleinere Anzahl der untersuchten ruhrähnlichen Stämme sich
wie die echten RuhrbaciUen verhalten, zeichnen sich auf dem Mannit-
Agar nur diese letzteren dadurch aus, dass sie den Agar unverändert
lassen; die meisten anderen Stämme färben ihn roth, zum Theil unter
Gasbildung, während ihn die beiden Stämme Pseudodysenterie I und II
leicht bläuen. Diese könnten so noch immerhin zu Verwechselungen mit
echter Ruhr führen, doch unterscheiden sie sich von dieser weiterhin da¬
durch, dass sie die Petruschky’sche Lackmusmolke alkalisch machen,
während echte Ruhr sie säuert. Der Bacillus Pseudodysenterie I ist ausser¬
dem beweglich und trägt eine Geissei, unterscheidet sich also auch da¬
durch von echter Ruhr.
Wenngleich somit die Cultur auf Mannit-Lackmus-Agar ein sicheres
einwandfreies Resultat liefert, so tritt ihr Werth als diagnostisches Hülfs-
mittel doch, wie der aUer culturellen Hülfsmittel gegenüber der specifischen
Agglutinationsreaction eines künstlichen hochwerthigen Serums, das in
wenigen Minuten ein absolut sicheres Resultat liefert, zurück; unter den
culturellen Hülfsmitteln dürfte jedoch der Mannit-Lackmus-Agar bei der
Ruhrdiagnose sich vielleicht einen Platz erringen. —
Ueber eine Erscheinung, die ich bei den Lackmusagarculturen häufig
beobachtete, sei es mir gestattet, noch einige Worte hinzuzufügen, nämlich
die Entfärbung des blauvioletten Nährbodens in der Tiefe der
Röhrchen. Der Agar ist hier vollkommen hell wie ohne Zusatz von
Lackmuslösung, und zwar ganz gleich, ob die oberste Schicht blau oder
roth erscheint, ob Gasbildung in den Röhrchen vorhanden ist oder nicht.
Es ist dies dieselbe Erscheinung, die Behring bei der Cultivirung von
Bacillen des malignen Oedems, des Tetanus, der Kaninchensepticämie,
des Milzbrandes, ferner des Pfeiffer’schen Kapselbacillus und von Strepto¬
kokken in mit Lackmustinktur versetzten Agarnährböden beobachtet, und
von der er nachgewiesen hat, dass sie auf einer Reduction des Lackmus¬
farbstoffes durch das Bakterienwachsthum beruht. 1 Dieses Verhalten
gegenüber dem Lackmusfarbstoff boten in mehr oder weniger aus¬
gesprochener Weise alle von mir untersuchten Ruhr- uud ruhrähnlichen
Stämme, wie auch die als Controle dienenden Typhus- und Coliculturen.
1 Behring, Beiträge zur Aetiologie des Milzbrandes. Diese Zeitschrift Bd. VII.
36*
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
504 Ljsntjc: Unteksuchungen übek die Kuhkbacieeen i\ s. w.
Ich hatte bereits früher beim Kochen von Lackmus-Milchzuckerlösung,
bei der Herstellung des von Drigalski-Conradi’schen Nährbodens die
Beobachtung gemacht, dass die blaue Farbe der Lackmuslösung in braun-
roth umschlug, wenn der Wattepfropfen des Kochgelässes mit Feuchtig¬
keit getränkt war und so die Luft abgesperrt hatte. Diese braunrothe
Farbe machte jedoch nach der Eutfernuug des Wattepfropfens und leichter
Abkülilung der Flüssigkeit schnell wieder der blauen Farbe Platz, und
zwar vom Bande der Flüssigkeit her beginnend, an dem letztere in
dünnster Schicht mit der nun einströmenden Luft in Berührung kam.
Ich hatte mir dieses Phänomen so gedeutet, dass bei dem Kochen der
Lackmus-Milchzuckerlösung unter Luftabschluss, vielleicht in Folge von
Caramelisirung des Milchzuckers, eine theilweise Reduction des Lackmus¬
farbstoffes eingetreten war, die nach Oeffnung des Verschlusses in Folge
der nun erneuten Luft- bezw. Sauerstoffzufuhr wieder der Oxydation der
gebildeten Leukobase des Lackmusfarbstoffes Platz machte. So hatte ich
auch jetzt den Eindruck, dass es sich um einen ganz analogen Vorgang,
um eine Reduction des Lackmusfarbstoffes bei Sauerstoffmangel handle,
wie ihn Behring bei seineu oben bereits erwähnten Untersuchungen beob¬
achtete.
Ein einfaches Experiment überzeugte mich von der Richtigkeit dieser
Vermuthung. Ich zerschlug solche Röhrchen und liess die Agarsäule in
ein Schälchen fallen, legte auch noch einige Schnitte durch den aufgehellten
Theil des Agars. Alsbald fingen die hellen Partieen, und zwar an den
scharfen Kanten beginnend, an, sich zu färben; nach wenigen Minuteu
war keine Differenz mehr zwischen den einzelnen Theilen der Agarsäule
zu erkennen. Dabei waren die Agarstücke, deren oberer Theil die Lackmus¬
farbe blau gehalten hatte, blau geworden, die Agarsäulen dagegen, deren
oberster Theil in Folge der erfolgten Säurebildung geröthet worden war,
erschienen roth.
Es beweist dies zweierlei:
1 . Die durch Reduction des Lackmusfarbstoffes entstandene Leukobase
desselben ist ausserordentlich unbeständig und wird schon durch die Be¬
rührung mit dem Sauerstoff der Luft in die gefärbte Oxydatiousstufe über¬
geführt und
2 . in der Tiefe der Cultur, in der die Bakterien bei Gegenwart von
nur wenig Sauerstoff oder unter gänzlich auaeroben Bedingungen wachsen,
findet die Vergährung eines etwa vorhandenen Zuckers bezw. die Zersetzung
des Eiweisses und die damit verbundene Säure- bezw. Alkalibildung in
demselben Maasse statt, wie bei Gegenwart von reichlich Sauerstoff.
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Zeitschrift für Hygiene. Bd. XLI.
Taf. I
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Fig. 1.
Tafel III.
Fig. 8.
Fig. 9.
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Zeitschrift für Hygiene Bei. XLI.
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Zeitschrift für Hygiene Bd. XLI.
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Fig. 27. Fig. 30.
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Verlag von VEIT & COMP., Lcipzig 1JN | VERS | TY QF CALIFORNIA-
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Verlag Veit &Comp. Leipzig. MiAi^viATWJUapiT.
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Zeitschrift fiir Hygiene. 1kl .XLI.
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Verlag Veit JkComp. Leipzig.
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