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Full text of "Zeitschrift Für Hygiene Und Infectionskrankheiten 41.1902"

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SAN FRANCISCO MEDICAL CENTER 
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ZEITSCHRIFT 

FÜR 

HYGIENE 

UND 



HERAUSGEGEBEN 

VON 

Ds R KOCH, uro IX C. FLÜGGE, 

GEH. MEDICINALRATH UND O. ö. PROFESSOR UND DIRECTOR 

DIRRCTOR DES INStTTUTES FÜR INFECTIONS- DES HYGIENISCHEN INSTITUTES DER 

KRANKHEITEN ZU BERLIN, UNIVERSITÄT BRESLAU. 


EINUNDVIERZIGSTEE BAND. 

MIT ZAHLREICHEN ABBILDUNGEN IM TEXT UND DREIZEHN TAFELN. 



LEIPZIG, 

VERLAG VON VEIT & COMP. 
. 1902 . 


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Druck von Metzger & Wütig in Leipzig. 



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Inhalt 


Seite 

Ascher, Was ist sociale Hygiene, und wie soll sie getrieben werden? ... 1 
W. Dönitz, Beiträge zur Kenntniss der Anopheles. (Hierzu Taf. I u. II.) . . 15 
Wilhelm Schüffnbr, Die Beziehungen der Malariaparasiten zu Mensch und 

Mücke an der Ostküste Sumatras. (Hierzu Taf. III—VI.).89 ' 

H. Kionka u. L. Ebstein, Ueber die chronische Sulfitvergiftung. (Hierzu Taf. VII.) 123 
Erich Martini, Ueber die Entstehung der Neuerkrankungen an Malaria während 

des Frühjahres und Sommers unserer Breiten. (Hierzu Taf. VIII u. IX.) . 147 
Erich Martini, Beschleunigung und Sicherung der Pestdiagnose in zweifel¬ 
haften Fällen.153 

Schumburg, Ueber die Desinfectionskraft der heissen Luft.167 

Albert Lotz, Der Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875—1900. (Hierzu 

Taf. X—XIII.).185 

Schüder und Proskaurr, Ueber die Abtödtung pathogener Bakterien im Wasser 

mittels Ozon nach dem System Siemens &Halske .227 

6 . Engelhardt, Histologische Veränderungen nach Einspritzung abgetödteter 

Tuberkel bacillen.244 

H. Reichenbach, Ueber den Einfluss der Farbe künstlicher Lichtquellen auf die 

Sehschärfe.257 

Heinrich Bbrger, Die Einleitung von Kaliindustrie-Abwässern in die Flüsse, 

besonders mit Berücksichtigung der'Wasserversorgung grosser Städte . . 271 

Albrecht Burdach, Der Nachweis von Typhusbacillen am Menschen .... 305 

K. Shiga, Weitere Studien über den Dysenteriebacillus.355 

W. Kolle ond R. Otto, Die Differencirung der Staphylokokken mittelst der 

Agglutination. 389 

R. Otto, Ueber den Einfluss der Thierpassagen auf die Virulenz der Pestbacillen 

für die verschiedenen Thierarten ..380 

J. Kister und H. Wolff, Zur Anwendbarkeit des serodiagnostischen Blut¬ 
prüfungsverfahrens .410 

W. Silberschmidt, Bakteriologisches über einige Fälle von „Gangrene foudroy- 

ante“, von Phlegmone und von Tetanus beim Menschen *.427 


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IV 


Inhalt. 


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Seite 

A. Rodrlla, Ueber die Bedeutung der im Säuglingsstuhle vorkommenden Mikro¬ 
organismen mit besonderer Berücksichtigung der anaeroben Bakterien . . 466 
R. Kraus, E. Keller und P. Clairmont, Ueber das Verhalten des Lyssavirus 
im Centralnervensystem empfänglicher, natürlich immuner und immuni- 

sirter Thiere.486 

R. Kraus und R. Maresch, Ueber die Bildung von Immunsubstanzen gegen 
das Lyssavirus bei natürlich empfänglichen und unempfänglichen Thieren 527 
E. Martini und 0. Lentz, Ueber die Differenzirung der Ruhrbacillen mittels 

der Agglutination.540 

Lentz, Vergleichende culturelle Untersuchungen über die Ruhrbacillen und ruhr¬ 
ähnliche Bakterien nebst einigen Bemerkungen über den Lackmusfarbstoff 559 


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Was ist sociale Hygiene, 
nnd wie soll sie getrieben werden? 

Von 

Dr. Ascher, 

KrelMMtetentarxt und Hafenant In Königsberg 1/Pr. 


Unter Hygiene verstehen wir die Pflege der Gesundheit und im über¬ 
tragenen Sinne auch die Kenntniss und Wissenschaft davon. Gesund kann 
nur das Einzelwesen sein. Spricht man von der Gesundheit eines Staates, 
eines Gemeinwesens, einer bestimmten Gesellschaftsklasse, so gebraucht 
man unbewusst einen bildlichen Ausdruck; man meint nämlich die Ver¬ 
hältnisse und Zustände des Staates, Gemeinwesens, der Gesellschaftsklasse. 
Da nur das Einzelwesen gesund sein kann, so kann die Pflege der Ge¬ 
sundheit immer nur das Einzelwesen, als Object, betreffen. Spricht man 
von privater und im Gegensatz dazu von öffentlicher Gesundheitspflege, 
so meint man,, dass in dem ersteren Falle der Privatmann diese Gesund¬ 
heitspflege an seinem Körper ausübt: Reinlichkeit, Mässigkeit, Vorsicht 
gegenüber Schädlichkeiten u. s. w., und im letzten Falle, dass die Oeffent- 
lichkeit Maassnahmen trifft, um das Einzelwesen gesund zu erhalten. 
Unter Oeffentliohkeit versteht man in diesem Falle den Staat und die 
Communen: Provinzen, Stadt- und Landgemeinden, welche die Aufgabe 
haben, durch Gesetze oder Einrichtungen, die der Einzelne ausser Stande 
ist, zu beschaffen: Wasserleitungen, Abfuhr, Nahrungsmittelcontrolle, Ab¬ 
wehr von Infectionskrankheiten, Abwehr gewerblicher Schädlichkeiten u. s. w., 
das Leben des Einzelwesens gesund zu erhalten, seine Arbeitskraft, als ein 
Fundament des staatlichen Lebens, zu bewahren und ihm den Genuss 
seines Daseins auf möglichst lange Zeit hinaus zu sichern. In neuerer 
Zeit hat man einsehen gelernt, dass Staat und Communen einerseits, das 
Einzelwesen andererseits mehr und mehr einen Factor zu berücksichtigen 
haben, der, ohne sich genau bestimmen zu lassen, von dem allergrössten 

Zeitichr. t Hygiene. ZU. 1 


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Ascheb: 


Einfluss auf den Staat bezw. die Communen und auf das Leben des Einzel¬ 
wesens stets war, ohne genügend gekannt zu sein, und in den Cultur- 
staaten eine immer grössere Bedeutung gewinnt, das ist die menschliche 
Gesellschaft. Diese letztere ist aber andererseits ohne den Staat bezw. die 
Communen und ohne Einzelwesen nicht denkbar. 

Die menschliche Gesellschaft, welche die Gewohnheiten, das Denken 
und das Handeln des Einzelwesens in einer Weise beherrscht, die nur bei 
reiferem Nachdenken zur Erkenntniss kommt, wird natürlich auch nicht 
ohne Einfluss auf die Pflege der Gesundheit, sei es durch den Staat, sei 
es durch die Einzelnen, sein. Nicht nur die staatlichen Mittel zur Pflege 
der Gesundheit sind von dem Zustand der Gesellschaft, ihrer grösseren 
oder geringeren Einsicht, ihrem Bedürfnisse nach Arbeitskräften, ihren 
geistigen und sittlichen Bedürfnissen u. s. w., abhängig; auch die Aus¬ 
führung der Vorschriften des Staates hängt von diesem Zustand ab. 
Je mehr deshalb die menschliche Gesellschaft Einfluss auf das Staatsleben 
gewinnt, um so mehr wird man neben der privaten und öffentlichen 
Gesundheitspflege auch eine sociale Hygiene finden. Die Hygiene, d. h. 
die Pflege der Gesundheit des Einzelwesens wird eine soziale genannt 
werden müssen, soweit die Gestaltung der menschlichen Gesellschaft auf 
ihre Ausübung Einfluss hat. — Andererseits sieht man auch wiederum 
gesellschaftliche Einrichtungen zu staatlichen werden (Krankenversiche¬ 
rung u. s. w.), so dass eine Grenze nicht zu ziehen ist. 

Die Wissenschaft von der Hygiene, ebenfalls kurzweg Hygiene 
genannt, ist wie alle Zweige der medicinischen Wissenschaft ursprünglich 
eine empirische gewesen. Es wurden Thatsachen gesammelt, die dafür 
zu sprechen schienen, dass durch gewisse Zustände Krankheiten oder Tod 
entstehen, und dass andererseits durch gewisse Einrichtungen oder Hand¬ 
lungen diese letzteren vermieden, die Gesundheit erhalten werden kann. 
Einzelne Thatsachen wurden gesammelt, unter gemeinsamen Gesichts¬ 
punkten gesichtet, Schlüsse daraus gezogen und, wenn es ging, an 
Zahlen nachgeprüft, oder es wurden grössere Zahlenreihen durchgesehen, 
daraus Schlüsse gezogen und diese wiederum an den Thatsachen nach¬ 
geprüft. Erst seit dem Auftreten von Pettenkofer wurden naturwissen¬ 
schaftliche Experimente methodisch angewandt, zuerst chemische, physi¬ 
kalische, physiologische, später seit Koch’s Entdeckung des festen Nähr¬ 
bodens für die Züchtigung von Bakterien auch bakteriologische. Die Be¬ 
weiskraft der genannten Experimente hat aber überall da eine Grenze, 
wo Schlüsse von dem Experimente am Thier auf den Menschen gezogen 
werden müssen. Dies trifft in erster Eeihe die Lehre von den gewerblichen 
Giften, in zweiter Reihe alle die Zustände, in welchen das Thierleben über¬ 
haupt keine Vergleichungspunkte für das menschliche Leben bietet: Ge- 


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Was ist sociale Hygiene u. wie soll sie getrieben werden? 3 

schlechtsverkehr, Geisteskrankheiten u. s. w. Hier wird immer die Be¬ 
obachtung am Menschen das naturwissenschaftliche Experiment ersetzen 
müssen. Da aber die Beobachtung eines einzelnen Falles im Allgemeinen 
keine wissenschaftliche Beweiskraft hat und deshalb nicht zum Ausgangs¬ 
punkt von Vorschlägen allgemein gütiger Natur (Gesetzesvorschläge, Ver¬ 
ordnungen u. s. w.) gemacht werden kann, wird man sowohl grosse Zahlen¬ 
materialien sammeln und sichten müssen — Statistik —, als auch die Ergeb¬ 
nisse der Statistik wiederum durch genaue Erforschung der Personen und 
Zustände, auf welche sich jene Zahlen beziehen, ergänzen müssen, 
sociologische Forschung. Man wird hierbei zuweilen auf Zustände 
stossen, welche bei genauester Forschung aller ein bestimmtes Resultat 
bedingender Ursachen die Beweiskraft eines wissenschaftlichen Experimentes 
haben. So z. B. wird ein bestimmtes kleines Gemeinwesen, in welchem 
ein gewisses Gewerbe lange Jahre hindurch betrieben worden ist, den¬ 
jenigen, die an Ort und Stelle gleichzeitig medicinische wie sociologische 
Forschungen unternehmen, wissenschaftlich unangreifbare Resultate über 
den Einfluss des betreffenden Gewerbes auf den Menschen liefern und 
dadurch wohlbegründete und aussichtsvolle Vorschläge zur Abwehr ent¬ 
standener Schädlichkeiten ermöglichen. Solche Forschungen sind leider 
bisher nur ganz vereinzelt unternommen worden, da den Medicinem oder 
Hygienikern sociologische und den Sociologen oder Nationalökonomen 
medicinische Kenntnisse fehlten. Wie nothwendig sie aber sind und wie 
aussichtsreich, das soll im Folgenden für einzelne Capitel der Hygiene 
nachzuweisen unternommen werden. 

Eines derjenigen Capitel, welches nicht nur in der Hygiene und 
Medicin, sondern auch zur Zeit in den öffentlichen Erörterungen einen 
breiten Raum einnimmt, ist das von den Lungenkrankheiten ins¬ 
besondere das von den tuberculösen. Der Schaden, welchen die Lungen¬ 
krankheiten dem Volksvermögen verursachen, ist nur annähernd zu 
schätzen; indessen mögen als Anhaltspunkte folgende Daten dienen: Von 
1000 männlichen Rentenempfängern der staatlichen Invaliditätsanstalten 
sind 327 also etwa ein Drittel in Folge von Lungenkrankheiten Invalide; 
und dabei sind in den jüngeren und mittleren Jahren bei den Männern 
die Lungenkrankheiten noch bedeutungsvoller als im Alter (1). — Auf 
Tuberculose allein,d.h. weitaus vorwiegend auf Tuberculose der Lungen, 
ist im erwerbsfähigen Alter in Deutschland etwa jeder dritte Todesfall 
zurückzuführen (2). — Für die Heilung von Lungenkrankheiten zur Er¬ 
sparung der Invalidenrenten werden jährlich Hunderttausende in Deutsch¬ 
land ausgegeben (3). — In einzelnen Gewerben fällt mehr als die Hälfte 
aller Todesfälle Lungenkrankheiten zur Last; und zwar in einem so 
niedrigen Alter, dass dadurch die Aussioht, über 40 Jahre alt zu werden, 

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Ascheb: 


kaum für die Hälfte der Arbeiter gegeben ist (4). — In anderen Gewerben 
wieder spielen die acuten Lungenkrankheiten eine so bedeutende Rolle, 
dass die Fabrikbesitzer Tausende allein als Preis für die Erfindung eines 
Abwehrmittels ausgeboten haben (5). — Man sollte deshalb meinen, dass 
mindestens die Bedeutung des Staubes in den verschiedenen Berufsarten 
für die menschliche Lunge aufgeklärt sei; indessen begegnet man hier den 
merkwürdigsten Widersprüchen. 

Vorangeschickt sei, dass nach der allgemeinen Anschauung die 
Bacillen um so eher in einer Lunge sich ansiedeln können, je mehr die 
Lunge von eingeathmetem Staube angegriffen ist und dadurch dem Ein¬ 
dringen, Ansiedeln und Verbreiten der Bacillen nicht mehr die natürlichen 
Abwehrmaassregeln entgegenstellen kann. Nun gilt die Kieselsäure als 
eine der verderblichsten Schädlichkeiten für die Lunge (5). Man müsste 
deshalb bei denjenigen Arbeitern, welche am meisten Kieselsäure einzu- 
athmen gezwungen sind, also bei den Cementarbeitern, einen erheb¬ 
lichen Procentsatz Tuberculöser finden; das Gegentheil aber ist der Fall (6). 
Aber auch noch andere Widersprüche bleiben in diesem Capitel aufzu¬ 
klären. So soll die Tuberculose der Lungen begünstigt werden durch 
schlechte Luft, ungünstige Haltung beim Athmen und sogenannte sociale 
Missstände. Nun vereinigen sich Staub, ungünstige Haltung und schlechte 
Luft bei der Arbeit des Bergmannes, und unter den Bergleuten gelten die 
oberschlesischen als die social am tiefsten stehenden. Während von 
1000 Menschen in Deutschland 3*17 an Lungenschwindsucht sterben, 
starben Bergleute im Saarbrücker Revier 2*0 und in Oberschlesien 1*10 (7). 
Eine Erklärung hierfür ist nirgends zu finden, vielleicht aber könnte uns 
für weitere Forschungen auf diesem Gebiet und für die Bekämpfung von 
Lungenkrankbeiten im Allgemeinen die Untersuchung von Roepke (8) 
über die Solinger und Sheffielder Schleifer einen Anhaltspunkt geben, 
die gezeigt hatte, dass die Letzteren, trotzdem ihre Werkstätten viel un¬ 
günstiger, und die Staubverhütung eine schlechtere ist, als bei den 
Ersteren, dennoch bessere Sterblichkeitsziffern aufweisen, weil sie (nach 
Roepke) Abstinenzler sind, viel Sport treiben und bessere Wohnungen 
haben und eine bessere Haltung bei der Arbeit einnehmen. Hier könnte 
man zwar einwenden, dass die Kräftigung des menschlichen Körpers 
schon längst von allen Hygienikern als bedeutungsvoll erklärt wird. Um 
so mehr muss man aber erstaunt sein, dass die Forschung sich diesem 
Gebiet so wenig zugewandt hat, und dass die Haltung des Medicineis 
derartigen Fragen gegenüber mehr den Eindruck wohlwollender Neutralität 
als thatkräftiger Parteinahme erweckt. Denn wenn dies letztere der Fall 
wäre, so hätte die Hygiene sich eben mehr socialen Fragen zuwenden 
müssen, als es bisher geschehen ist. 


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Was ist sociale Hygiene u. wie soll sie getrieben werden? 5 

Die Statistik zeigt, dass es grosse Gebiete mit vorwiegend landwirt¬ 
schaftlicher Bevölkerung giebt, die eine weit geringere Sterblichkeit haben 
als die mit industrieller, dass aber hier wieder Ausnahmen, und wie wir 
an den oberschlesischen Bergleuten zeigten, sogar solche mit recht erheb¬ 
licher Differenz gegenüber dem Durchschnitt des Staates vorhanden sind. 
Es starben ferner im Deutschen Reiche an den Küstengebieten entschieden 
weniger Personen an Lungenleiden, einschliesslich der LuDgentuberculose, 
als im Westen und Süden; Ausnahmen bildeten im Nordwesten der Staat 
Bremen mit einer sehr hohen und im Süden das Königreich Württemberg 
mit einer unter dem Durchschnitt bleibenden Durchschnittsziffer (9). Soll 
nicht die grosse Arbeit, die für solche Statistiken aufgewendet wird, ver¬ 
loren gehen, und sollen diese Statistiken von Werth für die Bekämpfung 
der Lungenleiden sein, so bedarf es einer Ergänzung derselben durch 
eine sooiologische und medicinische methodische Durchforschung der be¬ 
treffenden Gebiete. 

Für die praktische Bekämpfung der Lungentuberculose ist die 
Erforschung derjenigen Momente, welche den Ausbruch oder den Wieder¬ 
ausbruch der Lungentuberculose bedingen, von derselben Wichtigkeit wie 
die Kenntniss der eine Infection veranlassenden Ursachen. Wir wissen, 
dass eine grosse Zahl tuberculöser Entzündungen ausheilt, ohne Zuthun 
des Patienten, manchmal vielleicht auch ohne dass er überhaupt etwas 
von seinem Leiden weiss. In einer gewissen Zahl von Fällen aber kommt 
es bei Gelegenheiten, wie Wochenbett, Unfall und einer grossen Menge von 
anderen uns noch unbekannten Veranlassungen, zu einer Verbreitung 
des Uebels. Man hat sich bisher mit diesen Ursachen noch wenig be¬ 
schäftigt, und selbst bei dem Worte „Disposition“ — einem Schlagwort, 
bei dem sich Jeder etwas Anderes denken kann — immer nur an die der 
ersten Ansiedelung der Tuberkelbacillen folgende Erkrankung gedacht, aber 
selten nur an die viel wichtigeren Bedingungen zum Ausbruch eines 
tuberculösen Leidens bei einen Menschen, der in seinem Inneren einen in 
Ausheilung begriffenen Bacillenherd trug. 

Vielleicht klärt uns hierüber einmal später die socialhygienische 
Forschung auf dem Gebiete der Invaliditätsversicherung auf, ebenso 
wie diese Anstalten schon jetzt im Begriff sind, uns Aufschlüsse über den 
Einfluss der einzelnen Hülfsursachen der Tuberculose auf die Heilung des 
Leidens zu bringen. Ich verweise nur auf die Jahresberichte der 
Hanseatischen Landesversicherunganstalt, in der die Fragen des 
Einflusses der Erblichkeit, der Dauer der Krankheit, der Hülfsursachen 
wie complicirender Erkrankungen u. a. m. auf die längere oder kürzere 
Heilung des Leidens an einem jährlich steigenden Zahlenmaterial von 
kundigen Forschern behandelt werden. Derartige Zahlen haben um so 


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Ascheb: 


grösseren Werth, je genauer der Zustand der einzelnen Person vor und 
nach der Heilstättenbehandlung erforscht wird. Und es könnte so die 
socialpolitische Gesetzgebung, die uns die Behandlung eines grossen Theiles 
von Krankheiten in einem früher ungeahnten Umfang ermöglichte, auch 
für die Erforschung der Ursachen und Hülfsursachen wichtiger Leiden von 
grösstem Einfluss werden. 

Ein Gebiet, auf welchem uns die medicinische Hygiene im Stich zu 
lassen droht, ist das der Geschlechtskrankheiten. Man kann wohl 
bei Privatpersonen die Syphilis und die Gonorrhoe, als die wichtigsten 
Geschlechtskrankheiten, heilen oder wenigstens vorbereitungsunfahig 
machen. Die Mittel aber, die man bisher anwandte, um bei der officiellen 
wie bei der geheimen Prostitution die Weiterverbreitung von Geschlechts¬ 
krankheiten zu verhüten, sind ohne Erfolg gewesen. Es ist zunächst un¬ 
möglich, die geheime Prostitution, die noch gefährlicher ist, als die 
wenigstens einer zeitweisen Controle unterliegende öffentliche, an ihrem 
Hauptsitz, den grossen Städten und Industriecentren, zu unterdrücken. 
Auch bei der öffentlichen ist es nicht möglich, jede Ansteckungsgefahr 
auszuschliessen. Zunächst kann man nicht nach jedem Beischlaf die 
Prostituirten auf ihre Infectionsgefahr untersuchen. Ferner bieten die 
weiblichen Geschlechtsorgane den Erreger der Gonorrhoe so viele Schlupf¬ 
winkel, dass wenigstens bei den Prostituirten eine Ausheilung selbst bei 
monatelanger Behandlung ausserordentlich schwierig ist. Dazu kommen 
die vielen katarrhalischen Zustände, die die Entscheidung über die In- 
fectiosität selbst mit Hülfe der mikroskopischen Untersuchung fast un¬ 
möglich machen, ebenso wie die Behandlung. Deshalb dürfte es zweck¬ 
mässig sein, die ganze Frage der Geschlechtskrankheiten einmal vom 
sociologischen Standpunkte aus in Angriff zu nehmen. 

Hierzu wäre es zunächst nöthig, die Prostitution und die Prostituirten, 
sowie die Ursache für beide, Zustände wie Personen, mehr wie bisher 
kennen zu lernen. Wir wissen, dass ein gewisser Procentsatz der Pro¬ 
stituirten zu den Geistesschwachen gehört. Es wäre deshalb ganz zweck¬ 
mässig, diese schon von der Schule an im Auge zu behalten. Hierzu 
würde das neue Fürsorgeerziehungsgesetz eine geeignete Handhabe geben. 
Bei den anderen Prostituirten, öffentlichen wie geheimen, wäre eine Er¬ 
forschung der Ursachen ihres Werdens und Seiens mindestens zu ver¬ 
suchen. Für die Bekämpfung des Uebels selbst aber verdienten alle Be¬ 
strebungen, welche das geistige und sittliche Niveau der weiblichen An¬ 
gehörigen der in Betracht kommenden Gesellschaftsschichten zu heben 
bezwecken, dieselbe Förderung wie manche medicinischen Bestrebungen 
auf diesem Gebiet. Auch sollten Mittel zur Aufklärung des männlichen 
Theiles der Bevölkerung mehr wie bisher erwogen werden. 


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Was ist sociale Hygiene u. wie soll sie getrieben werden? 7 


Bei dem Mangel an pathologischen Kenntnissen, bei der absoluten 
Unzweckmässigkeit des Thierexperimentes hat die Lehre von den Geistes¬ 
krankheiten stets in der Erforschung der socialen Verhältnisse der 
Patienten eines der wichtigsten Erkenntnissmittel gefunden. Ebenso ist 
die Verhütung eines nicht unbedeutenden Theiles der Geistes- und Nerven¬ 
krankheiten eine mehr sociale als medicinische Aufgabe mit der Erweiterung, 
dass social nicht gleichbedeutend mit wirthschaftlich, ökonomisch ist, 
sondern dass darunter eine Reihe von Momenten zusammengefasst sind, 
die wie Bildung, Pflichtbewusstsein, religiöses Gefühl, staatliche Stellung 
und anderes mehr das Leben des Einzelnen und sein Verhältniss zur 
Mitwelt bedingen. Ein Einkommen, das dem kleinen Landwirth als das 
Ideal seines Lebens erscheint, kann einem Richter, der eine Familie zu 
versorgen hat, der Gegenstand grösster Verzweiflung sein. Unter diesem 
Gesichtspunkte wird man ohne Weiteres die Bedeutung sociologischer 
Forschung für die Ursachen von Geistes- und Nervenkrankheiten erkennen. 
Ob nicht auch das Auftreten und Verschwinden des Kretinismus mehr 
von socialen als medicinischen Umständen abhängt, wäre noch zu unter¬ 
suchen. 

Die Bekämpfung eines Theiles der Nervenkrankeiten, nämlich der 
unter der Arbeiterbevölkerung vorkommenden, ist in grösserem Umfange 
auch erst durch die socialpolitische Gesetzgebung möglich geworden. 

Was von den Geistes- und Nervenkrankheiten zum Theil, gilt für den 
Alkoholismus fast ganz, dass nämlich seine Erkennung und seine Ver¬ 
hütung eine mehr sociale als medicinische Frage ist, obgleich hier natürlich 
die medicinische Forschung noch mancherlei aufzuklären geeignet ist. 

Ein Gebiet von Krankheiten, welches in der Hygiene sehr wenig 
berührt zu werden pflegt, das aber für die Gesundheit des Volkes wie im 
Besonderen für die Ergänzung unseres Heeres von nicht zu unterschätzender 
Bedeutung ist, sind die Krankheiten und Abnormitäten der Bewegungs¬ 
organe. Den privaten Mittheilungen eines Landrathes, eines in Thüringen 
gelegenen preussischen Kreises verdanke ich die bisher wohl erste sichere 
Statistik auf diesem Gebiet: in zwei Dörfern, in denen das Schmiedehandwerk 
hausindustriell seit Generationen fast von dem ganzen Dorfe betrieben 
wird, betrug die Zahl der Diensttauglichen etwa 22 bezw. 26 Procent 
der Militärpflichtigen gegenüber ca. 50 Procent im Deutschen Reich. In 
eben jenen Dörfern war die Schuljugend ärztlich untersucht und an ihren 
Bewegungsorganen nichts Abnormes gefunden worden, so dass hier wohl 
der Schluss zulässig ist, dass die Ursachen zu jener hohen Zahl Dienst¬ 
untauglicher, die in Leistenbrüchen, Schiefbeinen und Plattfüssen be¬ 
standen, in der Einwirkung der betreffenden beruflichen Thätigkeit, des 
Schmiedehandwerks, auf die jugendlichen Körper zu suchen sind. Der- 


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Abchee: 


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artiges war schon früher Ton erfahrenen Aerzten angenommen, aber noch 
niemals bewiesen worden. Die Verhütung der geschilderten Schädlich¬ 
keiten liegt wiederum auf socialem Gebiete: Sammlung der Hausindustriellen 
zu einer genossenschaftlich betriebenen Fabrik, Verkürzung der Arbeitszeit, 
Einführung von Turnspielen, Einführung einer landwirtschaftlichen Neben¬ 
beschäftigung. Ein Theil dieser Vorschläge ist in jenen Kreisen bereits 
in der Durchführung begriffen. 

Es ist in neuerer Zeit darüber geklagt worden, dass Aerzte sich so 
wenig an der Lösung der Wohnungsfrage betheiligen. Das hat un¬ 
bewusst eine ganz richtige Ursache. Es giebt nämlich keine Statistik, 
die den Einfluss der Wohnung auf die Gesundheit des Menschen zu 
beweisen im Stande wäre. Zwar werden durch die Reihe der hygienischen 
Bücher Statistiken über diesen Punkt gebracht, die diesen Einfluss be¬ 
weisen sollen; es wird aber dabei übersehen, dass „Wohnung“ immer 
einen Complex von socialen Ursachen, fast nie, wenigstens bei jenen 
statistischen Erhebungen, eine einzige darstellt. Und Statistiken, wie die 
bei der Peabodystiftung, haben übersehen, dass in die verbesserten 
Wohnungen ein ganz anderer Schlag Menschen hineinzog mit anderen 
socialen Bedingungen, z. B. statt der Arbeiter kleine Handwerker, Schutz¬ 
leute u. s. w., deren Gesundheitsverhältnisse selbstredend besser sind als 
die der früheren Einwohner. Den isolirten Einfluss der Wohnung auf die 
Gesundheit des Menschen hat noch keine Statistik erwiesen. 

Nachdem nun auch die Bedeutung des Hausschwammes für die Ge¬ 
sundheit des Menschen in Frage gestellt worden ist, nachdem man von 
verschiedenen medicinischen Seiten her die widersprechendsten Anfor¬ 
derungen an den Wassergehalt der Luft in Wohnungen und in den 
Wänden gestellt hat, ist dem Arzt eine gewissere Reserve in der Auf¬ 
stellung bestimmter hygienischer Forderungen für die Wohnungen zur 
Pflicht gemacht. Das darf natürlich den Hygieniker nicht abhalten, 
an der Lösung der Wohnungsfrage thatkräftig mitzuwirken, nur muss 
von ihm ein gewisses Maass socialer Kenntniss gefordert werden, wenn 
sein Urtheil Gehör finden soll. Bei dem heutigen Rechts- und Gesell¬ 
schaftszustande ist die Wohnungsfrage eine mehr wirtschaftliche; und 
wenn die Wohnung die Bedeutung für die Tuberculose hat, die Koch 
ihr vindicirt, so hat der Hygieniker die Pflicht, an der Lösung dieser 
wirtschaftlichen Frage mitzuarbeiten. Mit der Wohnungsfrage hängt 
aber auch in gewissen Gegenden die hygienisch nicht zu unterschätzende 
landwirtschaftliche Nebenbeschäftigung und mit diesen beiden die Frage 
der Arbeitszeit zusammen, welch’ letztere wiederum für die Entlüftung 
und die Gymnastik der Lungen wie für die Hygiene des ganzen Körpers, 


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Was ist sociale Hygiene u. wie soll sie getbieben werden? 9 


besonders der Bewegungs- und Blutbildungsorgane, von grösster Be¬ 
deutung ist 

Auf keinem Gebiet der Medicin dürfte eine sociale Einrichtung von 
so umwälzender Bedeutung gewesen sein, wie auf die Lehre von den Un¬ 
fallfolgen; man kann behaupten, dass erst die Unfallgesetzgebung dieses 
medicinische Capitel zu einer Wissenschaft erhoben hat. Wie ein Stoss, 
Fall oder eine andere traumatische Ursache auf einen Knochen, auf ein ganzes 
Glied oder auf andere oberflächlich gelegene Theile des menschlichen Körpers 
wirkt, war natürlich schon längst beobachtet und gelehrt worden; aber die Ein¬ 
wirkung jener Ursachen auf die tieferliegenden, edleren Theile des mensch¬ 
lichen Oganismus, das letzte Schicksal des Verletzten, die Erlangung seiner 
Erwerbsfähigkeit, vor Allem der Einfluss des Unfalles auf einen nicht 
ganz normalen Körper konnte erst an der Hand eines ausserordentlich 
grossen Zahlenmateriales geprüft werden, und dieses lieferte erst die 
Unfallgesetzgebung. Man kann nicht behaupten, dass jene Fragen schon 
beanwortet sind; aber es wird beständig neuer Stoff zu Untersuchungen, 
neue Anregung zu Experimenten und der Prüfung der Besultate der 
letzteren an dem Material der Unfallversicherungen gegeben. So soll 
nur auf die Entstehung einer allgemeinen Tuberculose nach einem Trauma 
hingewiesen werden, die trotz der vielen Experimente mit Tuberculose 
bisher noch völlig unaufgeklärt ist, trotz ihrer pathologischen Wichtigkeit 
und ihrer Bedeutung für die Unfallgenossenschaften. Auch die Behand¬ 
lung der Unfallverletzten hat eine nicht geringe Umwälzung erfahren, 
wenn man bedenkt, dass Schippe, Karren und landwirtschaftliche Arbeit 
jetzt zu einem therapeutischen Mittel erhoben worden sind. 

Die schwierigste Aufgabe aber ist dem Arzt durch die Beurteilung 
des Rentenanwärters sowohl bei der Unfall- wie bei der Invaliditätsver- 
sicherung erwachsen. Hier gehen medicinische und sociologische Fragen 
so in einander über, dass selbst die gemeinschaftliche Untersuchung bezw. 
Beratung zwischen Arzt und Berufsgenossen des zu Beurteilenden nicht 
immer Unrecht abzuwenden vermag. Es fehlt bisher dem Arzt im All¬ 
gemeinen die Kenntniss dessen, was ein normaler Mensch in einem be¬ 
stimmten Berufe zu leisten vermag, um so mehr muss es ihm schwer 
fallen, unter gegebenen Verhältnissen zu entscheiden, wie weit ein Unfall 
oder eine sonstige Abweichung vom Normalen die Erwerwerbsfähigkeit be¬ 
einflusst. Deshalb darf es nicht wundern, dass der gewissenhafte Arzt 
bisweilen von seinem Gutachten die Ansicht mitnimmt, dass dasselbe eher 
eine mehr oder minder oberflächliche Schätzung von ihm bezw. seinem 
Urteil ziemlich fernliegenden Dingen, als wie eine wissenschaft¬ 
liche Leistung ist. Als Vorbedingung für diese Urteile, die dem be¬ 
schäftigten Arzt fast täglich abverlangt werden, müssten ihm bei seiner 


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Ascheb: 


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Ausbildung zum mindesten die nothwendigsten Kenntnisse über Wachs¬ 
thum, Körperkräfte, geistige und körperliche Leistungsfähigkeit, Wider¬ 
standskraft gegen äussere Schädlichkeiten unter wechselnden Umständen 
und in den verschiedenen Alterstufen, mitgegeben werden. Das kann 
nicht geschehen, weil dazu die nöthigen Unterlagen fehlen. Es giebt wohl 
ganz vereinzelte Untersuchungen über die Körperkraft einer bestimmten 
Arbeitereiasse, wie die von Erismann 10) über die körperliche Entwickelung 
der Fabrikarbeiter in Centralrussland, auch giebt es einzelne Unter¬ 
suchungen an Schulkindern auf ihr Längen- und Breitewachsthum, aber 
allgemeine Schlüsse lassen sich aus solchen vereinzelten Untersuchungen 
nicht ziehen. Es sammelt sich aber in den Acten der Schulärzte eine 
Fülle von Stoff für diese Fragen, zu dessen wichtiger Verarbeitung es 
nur an den nöthigen Kräften fehlt. 

Noch auf einem anderen Gebiete braucht der Arzt die Kenntniss von 
der normalen Entwickelung des Körpers und seiner Leistungsfähigkeit uud 
der Abweichungen von der Norm, das ist die Beurtheilung der Berufs¬ 
wahl. Nicht nur die staatlichen Behörden verlangen ein ärztliches Zeugnis 
über die Fähigkeiten eines in einen Beruf Aufzunehmenden, sondern auch 
eine immer grössere Reihe von Krankenkassen machen die Aufnahme in 
einen bestimmten Betrieb von einem ärztlichen Zeugniss abhängig. Bei 
der stetig wachsenden Ausbreitung des Systems der freien Arztwahl kommt 
der einzelne Arzt immer seltener in die Lage, sich mit einem bestimmten 
technischen Berufe vertraut zu machen, seinen Anforderungen und seinen 
Gefahren; um so eher müssen ihm deshalb bestimmte Kenntnisse mit¬ 
gegeben werden. Deshalb sollten Untersuchungen, wie sie vor kurzem 
Radziejewski (11) über die Berufswahl bei normalen und nichtnormalen 
Augen vornahm, für dieses wie für andere Organe von den verschiedensten 
Unter8uohern wiederholt und die Richtigkeit ihrer Schlussfolgerungen durch 
jahrelanges Beobachten geprüft werden. 

Eins der schmerzlichsten Capitel für den Kenner der Verhältnisse 
sind die Atteste für Lebensversicherungen. Schon wenn es sich um die 
sehr seltenen Fälle von absolut gesunden Menschen handelt, ist die 
Frage nach der voraussichtlichen Lebensdauer deshalb für die meisten 
Aerzte zu schwierig, weil ihnen die Kenntniss von dem normalen 
Werden und Vergehen des Menschen fehlt. Weitaus schwieriger wird 
die Sachlage, wenn der Versicherungskandidat Ahweichungen von der 
Norm zeigt. Hier bleibt selbst dem gewissenhaften Arzt nur eine un¬ 
gefähre Schätzung übrig. Zwar findet das Urtheil des erst untersuchen¬ 
den Arztes ein Correctiv in der Nachuntersuchung des Gutachtens durch 
den Bankarzt der Lebensversicherungsgesellschaft. Indessen ist dessen 
Urtheil immer von dem Befunde und dem Gutachten des Ersteren ab- 


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Original fro-m 

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Was ist sociale Hygiene u. wie soll sie getrieben werden? 11 


hängig. Die Aeusserungen, die man von den Bankärzten über diese gut¬ 
achtliche Thätigkeit der praktischen Aerzte zu hören bekommt, rechtfertigen 
den dringenden Wunsch, dass die Aerzte über die Bedeutung dieses 
Capitels der socialen Hygiene mehr als bisher unterrichtet sein möchten. 
Dabei handelt es sich nicht etwa um einen nebensächlichen Zweig unserer 
Yolkswirthschaft, die Summen, die jährlich in Deutschland in Lebens¬ 
versicherungen angelegt werden, betragen etwa 400 Millionen Mark, und 
werden nicht etwa bloss von wohlhabendsten Kreisen, sondern auch von 
Dorfsohullehrern, Postunterbeamten u. s. w. beigebracht Wie viel die 
Aerzte hiermit zu thun haben, geht allein schon daraus hervor, dass eine 
einzige Lebensversicherungsgesellschaft, die Gothaer, für die Atteste 
ca. 67 000 Mark jährlich ausgiebt (12). Es bestehen aber in Deutsch¬ 
land 54, wenn auch durchaus nicht gleich bedeutende Gesellschaften, zu 
denen noch die ausländischen hinzukommen. Dabei wächst das bei den 
Lebensversicherungen angelegte Nationalvermögen stetig bedeutend 
(1880:250Millionen, 1896:682Millionen bei dentschenLebensversicherungs- 
gesellscbaften) (13). 

Man muss dabei bedenken, dass die Beiträge von der Sterblichkeit 
der Aufgenommenen, namentlich bei den auf Gegenseitigkeit beruhenden 
Gesellschaften, wesentlich abhängen, und dass andererseits die Ablehnung 
eines Versicherten ein Unglück nicht nur für den Betreffenden, sondern 
auch für eine ganze Familie bedeuten kann. 

Die Lebensversicherungsgesellschaften haben auch das Zusammen¬ 
arbeiten mit den Aerzten und deren Vertrautsein mit den bei ihnen ge¬ 
machten Erfahrungen erkannt; und so giebt die Gothaer Lebensver¬ 
sicherungsbank eine Monatsschrift heraus, die leider in den ärztlichen 
Kreisen noch viel zu wenig gelesen wird, trotzdem sie vielerlei von Be¬ 
deutung für die ganze Medicin enthält. So dürfte der Nachweis von der 
Zunahme der Gehirnerweichung in neuerer Zeit zuerst von den Lebens¬ 
versicherungen erbracht worden sein. Auch die Bedeutung des Alkohols, 
der Syphilis u. A. m. dürfte sich am besten aus den Statistiken der Lebens¬ 
versicherungsgesellschaften nachweisen lassen; ebenso könnten Fragen über 
die Bedeutung gewisser Dispositionen für einzelne Krankheiten am besten 
hier beantwortet werden, da keine staatliche Statistik ein so sicheres Grund¬ 
material hat, wie jene Gesellschaft; die staatlichen Statistiken basiren auf 
Angaben von Standesämtern und nur selten auf solchen von Aerzten, den 
Lebensversicherungsgesellschaften dagegen stehen nicht nur ärztliche Atteste 
über den Todesfall, sondern auch über alle vorhergehenden, für den Tod 
bedeutungsvollen Krankheiten und über den Zustand des Individuums zur 
Zeit der Aufnahme, also in seiner Gesundheit, zu Gebote. In den Acten 


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12 


Ascheb: 


der Lebensversioherungsgesellschaften dürften noch manche Schätze un¬ 
gehoben liegen. 

Wir erwähnten bereits, dass die Rolle des Staubes für die mensch¬ 
lichen Athmungsorgane sehr der Aufklärung bedürfe, und dass möglicher¬ 
weise hierzu die sociologische Forschung mit Vortheil benutzt werden 
könnte. Auch der Einfluss der gewerblichen Gifte ist noch lange 
nicht so genügend aufgeklärt, als man bei seiner Bedeutung erwarten 
dürfte. Hier spielen Umstände mit, die der Forschung des Mediciners 
bisher unangreifbar geblieben sind. Ich erwähne nnr, dass die Zinkhütten¬ 
arbeiter (14) in Schlesien ein grösseres Krankencontingent stellen als die 
westdeutschen. Man half sich damit, dass man die ungünstigere sociale 
Lage als Grund hierfür annahm. Wir haben aber oben bei den Lungen¬ 
krankheiten gesehen, dass die oberschlesischen Bergleute nnr halb so viel 
an der gewiss durch sociale Verhältnisse beeinflussten Lungentuberculose 
sterben, als die Saarbrücker, und fast nur ein Viertel als die Gesammt- 
bevölkerung des Deutschen Reiches. Auch die sogenannte persönliche Dis¬ 
position, die bei allen gewerblichen Vergiftungen eine grosse Rolle spielt, 
ist bisher noch ganz unergründet, und ihre letzten Ursachen dürften bis 
auf Weiteres der experimentellen Erforschung noch wenig zugänglich 
bleiben. Andererseits wissen wir, dass Besserungen der socialen Lage der 
Arbeiter selbst in den gefährdetsten Betrieben gesundheitliche Vortheile 
mit sich gebracht haben, so z. B. bei den oben erwähnten Sheffielder 
Schleifern. Dass die Unfallhäufigkeit von socialen Momenten: Ueber- 
arbeitung, Alkoholgenuss u. s. w. abhängig ist, hat die Statistik zur Genüge 
bewiesen. Leider aber fehlt es bisher an wissenschaftlich haltbaren Nach¬ 
weisen für die Abhängigkeit gewisser Krankheiten von socialen Momenten. 
Deshalb musste auch die Umfrage betreffs des Einflusses zu langer Arbeits¬ 
zeit auf die Gesundheit des Arbeiters so wenig medicinisch befriedigende 
Resultate liefern (15). 

Ein Capitel der Hygiene, auf dem die medicinische Wissenschaft trotz 
einer ausserordentlichen Arbeitsleistung fast gar keine Resultate gezeitigt 
hat, ist das der Säuglingssterblichkeit. Trotz der fundamentalen 
Arbeiten eines Soxhlet, Flügge u. A. ist die Säuglingssterblichkeit noch 
immer nicht merklich gesunken. Die Abhülfe liegt auch hier wieder auf 
dem Grenzgebiet zwischen socialer Wissenschaft und Hygiene: Die Statistik 
zeigt uns, dass die grosse Sterblichkeit dieser Altersgruppe bedingt ist 
durch die Sommerdiarrhöen, dass diese wiederum von einer unhygienischen 
Ernährung abhängen, und dass letztere hauptsächlich bei den unehelichen 
Kindern zu finden ist, die meist mit der Flasche ernährt werden. Die 
Gesetzgebung beschützt diese letzteren aber ganz besonders; das Gericht 
sorgt dafür, dass für die weitaus grosse Mehrzahl ein Kostgeld bezahlt 


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Was ist sociale Hygiene u. wie soll sie getriehen werden? 13 


wird, das für das eheliche Kind des Arbeiters im Allgemeinen nicht auf¬ 
gebracht wird. Trotzdem die abnorm hohe Sterblichkeit, gegen welche 
alle anderen Todesursachen kaum in Betracht kommen: ca. 40 Procent 
der unehelichen Kinder starben in Königsberg im ersten Jahre — die 
Gesammtsterblichkeit beträgt dagegen etwa 2«5 Procent (16). Hier ist die 
Abhülfe folgende: Aufklärung über den dadurch entstehenden wirtschaft¬ 
lichen Schaden, Ausbildung und Vermehrung der Gemeinde-Waisen- 
Pflegerinnen oder besoldeter „Helferinnen“ und eventuell Einführung der 
„Goutte de lait“. Diese in Töcamp von Dr. Dufour zuerst eingeführte 
Einrichtung der Versorgung der Kinder aller Stände mit für den be¬ 
treffenden Lebensmonat eingestellter, sterilisirter Milch bezw. Milchver¬ 
dünnung und Bezahlung je nach der Vermögenslage scheint ausserordent¬ 
lich gute Erfolge gezeitigt zu haben: Herabgehen auf die Hälfte der 
Säuglingssterblichkeit. 

Will man die oben gekennzeichneten Mängel der wissenschaftlichen 
wie der praktischen Hygiene bessern, so müssen Hygieniker und National¬ 
ökonomen oder Sociologen mehr wie bisher Hand in Hand arbeiten. Auch 
muss der Fehler vermieden werden, dass bei weiterer Specialisirung der 
wissenschaftlichen Hygiene ein einzelnes der socialen Momente, das Ge¬ 
werbe, herausgegriffen und zu einem eigenen Lehrfach gemacht wird; 
vielmehr muss neben der mehr naturwissenschaftlichen Hygiene, die jetzt 
dank der Erfolge der Bakteriologie einen zu überwiegend bakteriologischen 
Charakter angenommen hat, als eine besondere Bichtung die social¬ 
hygienische gepflegt werden, als deren eines Capitel die Gewerbehygiene den 
ihr gebührenden Bang einnehmen soll. Denn unter den socialen Mo¬ 
menten, welche das Leben und die Gesundheit des Einzelwesens beein¬ 
flussen, ist der Beruf nur eines, wenn auch eins der wichtigsten. 

Dass auch die Sociologie von diesem Zusammenarbeiten grossen Erfolg 
haben wird, das lehrt ein Blick auf die Lücken in den Arbeiten über Haus¬ 
industrie, wo das so wichtige Capitel des Gesundheitszustandes fast stets 
nur sehr mangelhaft berücksichtigt wurde, das zeigt die Lehre von der 
Invaliditäts- und von der Unfallversicherung u. A. m. 


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14 


Ascheb: Was ist sociale Hygiene u. s. w. 


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Litteratur-Verzeichnis». 


1. Amtliche Nachrichten d. Reichsversicherung tarnte*. Beiheft. Berlin, Juli 1898. 

2. Bahts, Die Sterbefälle im Deutschen Keich. Mittheilungen aus dem Kaiserl. 
Gesundheitsamte. 1900. Hft. 2. 

8. Engelmann, Freiluftbehandlufag u. s. w. Ebenda. 1901. Bd. XVIII. 

4. Sommerfeld, in WeyPs Gewerbehygiene. S. 954. 

5. Wutzdorff, Thomasschlackenmtihlen u. s. w. Arbeiten aus dem KaiserL 
Gesundheitsamte. 1899. Bd. XV. 

6. Berger u. Helves, Cementarbeiter u. s. w. Vierteljahresschrift f. gerichtb 
Medicin. u. öffentl. Sanitätswesen. 1901. Bd. XXXI. 

7. Füller, WeyPs Gewerbehygiene. S. 832. 

8. -Moritz,^Boepke, Centraiblatt für allgem. Gesundheitspflege. 1900. Sonder* 
Abdruck. 

9. Bahts, Sterbefälle im Deutschen Beich während des Jahres 1895. MedicinaL 
statistische Mittheilungen aus dem Kaiserl. Gesundheitsamte. 

10. Erismann, Untersuchungen u. s. w. Archiv für sociale Gesetzgebung uni 
Statistik. Tübingen 1888. 

11. Badziejewski, Auge u. Berufswahl. Hygienische Rundschau. 1901. Nr.7. 

12. Monatsblätter der Lebensversicherungsbank für Deutschland zu Gotha. Juli 
und August 1901. S. 64. 

18. Jahresbericht der „Viktoria“. 1896. 

14. Wutzdorff, Zinkhüttenbetrieb. Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamte. 
1900. Bd. XVII. 

15. Jahresbericht der preuss. Gewerbebeamten für 1897. 

16. Jahresbericht des statistischen Amtes der Stadt Königsberg ifPr. 1897. 1898. 


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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles. 

Von 

W. Donitz. 

(Hierzu Taf. I u. II.) 


Auf seinen Reisen znr Erfoschung der Malaria hat R. Koch umfang* 
reiche Sammlungen von Stechmücken zusammengebracht, in der Erwartung, 
dass ihr Studium Anhaltspunkte für die Beantwortung noch unerledigter 
Fragen der Malariaforschung gehen würde. Die zur selben Zeit von 
italienschen Forschem angestellten Untersuchungen hatten zu dem, wie 
sich später herausstellte irrigen Ergebniss geführt, dass gewisse Cu lex - 
arten die üeberträger des Wechselfiebers wären. Zuerst erschien ver¬ 
dächtig eine Mücke, welcher Grassi voreilig den Namen Culex malariae 
gab, und welche jetzt für identisch mit Culex vexansMeigen gehalten wird; 
dann Culex penicillaris Rondani und Anopheles olaviger F. Später 
wurde in erster Linie Culex Richiardii Ficalbi genannt, der besonders 
im Herbst gefährlich sein sollte, wenn Anopheles ihm das Feld räumt; 
und Culex hortensis, welcher nicht in die Häuser kommt und bei 
Tage sticht. 

Erst nachdem Ronald Ross gezeigt hatte, dass für Indien das 
Genus Anopheles in Frage käme, gelang es in Italien den Nachweis zu 
führen, dass auch in Europa ein Anopheles der Üeberträger des 
Wechselfiebers ist, nämlich der auch in Deutschland heimische An. ma- 
culipennis Meigen s. claviger Fabricius. Die Frage aber, oh auch 
Culexarten den Wechselfieberparasiten zur Entwickelung von Sichel¬ 
keimen, Sporozoiten, zu bringen vermögen, ist endgültig noch nicht 
als erledigt zu betrachten, so lange nicht die Thatsache aufgeklärt ist, 
dass R. Koch und Gosio bei einigen Exemplaren von Culex pipiens 
Meig., die in einer Malariawohnuug in Grosseto (Italien) gefangen waren, 


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Original frorn 

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16 


W. Dönitz: 


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Sichelkeime in den Speicheldrüsen fanden, welche von denen der 
menschlichen Malaria nicht zu unterscheiden waren. Die Annahme, dass 
sie zu einem Proteosoma gehören könnten, liess man damals fallen, 
weil dieser Vogelparasit in der Umgebung jener Wohnstätte bei den dort 
allein in Betracht kommenden Sperlingen nicht aufgefunden wurde. Wenn 
man aber bedenkt, dass seitdem zahlreiche Experimente mit verschiedenen 
Anophelesarten von Erfolg gekrönt waren, so kommen die Culexarten 
praktisch nicht in Betracht, selbst wenn sie gelegentlich einmal die Bolle 
von Fieberüberträgern spielen sollten. 

Nicht ernst zu nehmen ist der jüngst von T. Moore 1 gemachte 
Versuch, auch die Psorophora ciliata F. heranzuziehen, gestützt auf 
die Beobachtung, dass bei 4 Stück dieser Stechmücken, 2 Tage nachdem 
sie Tropenfieberblut gesaugt hatten, Parasiten gefunden wurden. Woher 
weiss Moore, dass diese Parasiten von den Fieberkranken herrührten? 

Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf aufmerksam machen, dass 
Theobald in seiner Monographie der Gulioiden auf Taf. X, Fig. 37 
das fragliche Insect mit den Palpen eines Anophelesweibes abbildet, was 
ganz unverständlich ist, denn in Betreff der Palpen unterscheidet sich 
das Genus Psorophora nicht von Culex, kann also nicht die charakte¬ 
ristischen Palpen des Anopheles haben. 

Während die ersten Nachforschungen naoh dem wirklichen Ueber- 
träger der Malaria in Gang waren, hatte man auch bedeutende Fort¬ 
schritte in der Kenntniss der Malaria selber gemacht, und wir verdanken 
besonders B. Koch die Einsicht, dass beim Menschen nur 3 Arten von 
Malaria bekannt sind: 1. das gewöhnliche dreitägige Fieber, Febris ter¬ 
tiana; 2. das viertägige Fieber, Febris quartana; und 3. das Tropen¬ 
fieber, Febris tropica, in Italien unter dem nicht sehr glücklich ge¬ 
wählten Namen des aestivo-autumnalen Fiebers bekannt. Eine jede dieser 
drei Krankheitsformen wird durch einen besonderen Blutparasiten bedingt, 
und man konnte experimentell feststellen, dass die Febris tertiana in 
Europa durch den Anopheles maculipennis übertragen wird. Nun 
kommen aber in Italien sowohl wie in den Tropen alle drei Arten von 
Malaria vor, während die Anophelesarten hier und dort nicht dieselben 
sind. Daraus allein liess sich schon mit Wahrscheinlichkeit ableiten, dass 
dieselbe Form der Malaria durch verschiedene Arten von Anopheles über¬ 
tragen wird, und vielleicht auch, dass die verschiedenen Formen der 
Malaria durch eine einzige Art Anopheles übertragen werden können, 
d. h., dass die Verschiedenen Formen der Malariaparasiten sich in einer 
einzigen Anophelesart zu entwickeln vermögen. 


1 Journ. Troß. Hyg. 1902. 


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Beiträge zür Kenntniss der Anopheles. 


17 


Das war im Ganzen und Grossen der Stand unserer Kenntnisse be¬ 
treffs der Betheiligung der Stechmücken bei der Verbreitung der Malaria, 
als mir die Koch'sehe Mückensammlung zur Durchsicht übergeben wurde. 
Ich wandte demgemäss meine Aufmerksamkeit zunächst dem Genus 
Anopheles zu und versuchte die Arten zu bestimmen, fand aber sehr 
bald, dass in der Sammlung eine ganze Anzahl noch unbekannter Äxten 
sich befanden. Es musste deshalb meine erste Aufgabe sein, diese zu 
beschreiben und zu benennen, weil sich die Beziehungen zwischen den 
Stechmücken und dem Wechselfieber nur bei genauer Kenntniss des in 
Betracht kommenden Thiermateriales feststellen lassen. So hatte ich 
denn schon vor etwa Jahresfrist Gelegenheit, fünf neue Anophelesarten 
(uud eine Culexart) bekannt zu geben . 1 Ich füge hier noch drei asiatische 
und fünf afrikanische Anopheles hinzu und drucke noch ein Mal die Be¬ 
schreibungen der fünf ersten neuen Species (mit einigen verbessernden 
Zusätzen) ab, weil die Zeitschrift, in welcher sie zuerst veröffentlicht wurden, 
nicht allgemein zugänglich seiu dürfte. Eine grössere Auzahl anderer 
Arten befindet sich in einem für die Beschreibung wenig günstigen Zu¬ 
stande und soll deshalb unberücksichtigt bleiben. Ausserdem bespreche 
ich noch B Arten, deren Abbildungen schon zum Druck gegeben waren, 
als ich sah, dass sie schon von anderer Seite veröffentlicht waren. 

Ein Theil des asiatischen Materiales wurde von R. Koch selber in 
Java uud Neu-Guinea (Stephansort und Herbertshöhe) gesammelt, der 
weitaus grösste Theil aber durch die Colonialverwaltung von Holländisch- 
Indien zusammengebracht. 

Auch aus China (Hongkong und Canton) ist Einiges dazu gekommen. 

Die afrikanischen Arten stammen zum Theil aus Unterägypten, 
zum Theil aus den deutschen Colonieen, wo sie von Regierungsärzten ge¬ 
sammelt wurden. 

Was diese Sammlung für unsere Zwecke besonders werthvoll macht, 
ist der Umstand, dass alle diese Mücken in menschlichen Wohnungen, 
zumeist in Krankenhäusern, gefangen wurden, und es verdient mit be¬ 
sonderer Anerkennung hervorgehoben zu werden, dass die Niederländische 
Colonialregierung an alle Garnisonen die Aufforderung ergehen liess, die 
Stechmücken in denjenigen Krankensälen zu sammeln, in welchen sich 
Malariakranke befanden, und besonders auch die in den Mückennetzen 
gefundenen Exemplare einzuschicken. Da aber in ein gut behandeltes 
Moskitonetz die Mücken nicht eindringen können, -so wurde absichtlich 
eine kleine Oeffnung gelassen, welche von den beutegierigen Mücken leicht 
gefunden und benutzt, von den mit Blut gesättigten aber nicht wieder 


1 lnsectenbörse. Januar 1901. 
Zeitschr. f. Hygiene. XLI. 


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18 


W. Dönitz: 


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aufgesucht wurde. Lässt mau das Netz zu weit offen, so finden selbst 
die trägen, satten Mücken die Oeffnung wieder und gehen davon. 

Diese Art des Sammelns brachte es mit sich, dass fast nur weibliche 
Thiere gefangen wurden, denn es ist ja bekannt, dass nur diese Blut 
saugen. Indessen wurden doch von fast allen Arten auch einige Männchen 
gefunden, so dass auch diese bei der Beschreibung berücksichtigt werden 
konnten. 

Zugleich aber richtet sich auf diese Arten der Verdacht, dass sie 
Ueberträger der Malaria seien, nicht allein, weil sie die menschlichen 
Wohnungen aufgesucht hätten, sondern auch, weil sich unter allen auf 
diese Weise gefangenen Arten eine grosse Anzahl Thiere befinden, die Blut 
gesaugt haben, das unter den gegebenen Umständen wohl als Menschen* 
blut gelten kann. Ob aber eine jede dieser Arten im Stande ist, die 
Malariaparasiten zur Keife zu bringen, müsste erst noch im 
Einzelnen experimentell untersucht werden. Für eine der neuen Arten 
kann jetzt schon mit Bestimmtheit ausgesprochen werden, dass sie alle 
drei Formen der Malaria verbreitet; es ist der Anopheles punctulatus, 
neben welchem zeitweilig in Deutsch Neu-Guinea, speciell in Stephans¬ 
ort, sowie in Herbertshöhe auf Neu-Pommern kein anderer Anopheles 
beobachtet wurde, während in seinem Verbreitungsgebiet sowohl die 
Tertiana, wie die Quartana und die Tropica heimisch ist. 

Unterdessen haben auch Stephens und Christophers durch ihre 
schönen, in Bengalen angestellten Untersuchungen nachgewiesen, dass 
nicht alle Anophelesarten gleichmässig an der Verbreitung der Malaria 
betheiligt sind. Es gelang ihnen ebenso wenig wie früher Ron. Ross, 
den An. Rossi zu inficiren. Die Tragweite der Experimente von Stephens 
und Christophers wird leider dadurch etwas beeinträchtigt, dass von 
den 4 Personen, an welchen sie die Mücken saugen liessen, nur eine 
einzige die Parasiten sicher in demjenigen Zustande enthielt, in welchem 
sie für die Mücken infectionsfahig sind; nur eine Person hatte Halb¬ 
monde, von den anderen werden nur grosse Parasiten, keine Gameten 
angegeben. Die 5 Anopheles aber, welche das Blut mit Halbmonden ge¬ 
trunken hatten, entwickelten keine Sporozoiten. So spricht also dieses 
Experiment, ebenso wie die von Ron. Ross angestellten, gegen An. Rossi. 
In diesem Falle sind die negativen Resultate zum Mindesten eben so 
werthvoll wie die positiven Resultate, welche die Autoren jnit der In- 
fection des An. Christophersi Theob. erzielten, nämlich 4 Mal Sporo¬ 
zoiten bei 64 Stück, die sie hatten Malariablut saugen lassen. 

Auf den Sunda-Inseln wurden die Mücken vom October -bis De- 
cember 1899 gefangen, also zu Beginn der Regenzeit, was besonders 


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Beitrage zur Kenntniss der Anopheles. 


19 


für Java und annähernd auch für Borneo gilt, während auf Sumatra 
die monatliche Regenmenge viel gleichmässiger über das ganze Jahr ver¬ 
theilt ist, und für Celebes die Regenzeit erst später, etwa im Deoember 
einsetzt. Auf Neu-Gninea wurden die Mücken gegen Ende der Regen¬ 
zeit im März und April, sowie in der trockenen Zeit bis zum Sep¬ 
tember 1900 gesammelt. Obgleich nun erfahrungsgemäss die Mücken 
in der Regenzeit sehr viel zudringlicher sind, liessen sich aus dem 
gesammelten Materiale keine näheren Anhaltspunkte gewinnen, ob die 
Anopheles in dieser Zeit auch häufiger sind als in der trockenen. 
Ueber ihr Yerhältniss zu den Culioes giebt folgende Tabelle Auskunft, 
die ich für den im Militärhospital in Padang auf Sumatra gemachten 
Fang aufstellen kann. 


Padang. 


October 

Culex 

Anopheles 

Novbr. 

Culex 

Anopheles 

15. 

74 1 

2 

2 An. Kochi 

1. 

34 

3 

1 vagus 

16. 

60 

2 

1 leucopus 

1 maculatus? 




1 Kochi 

1 leucopus 

17. 

74 

6 

2 Kochi 

2. 

19 

1 

1 vagus 




2 vagus 

1 leucopus 

3. 

56 

0 





1 plumiger 

4. 

44 

4 

4 vagus 

19. 

41 

2 

2 Kochi 

5. 

34 

1 

1 vagus 

20. 

81 

4 

2 Kochi 

2 vagus 

6. 

33 

0 


21. 

i 85 

6 

3 Kochi 

7. 

38 

0 





2 plumiger 

8. 

37 

5 

4 vagus 

1 



1 vagus 




1 leucopus 

22. 

■Ji 

3 

1 leucopus 

2 plumiger 

9. 

82 

3 

3 vagus 

23. 

95 

6 

3 Kochi 

10. 

53 

5 

5 vagus mit 




1 plumiger 

1 aeceptor 

11. 

32 

0 

1 Ö* 

24. 

60 

6 

1 vagus 

3 vagus 

3 Kochi 

12. 

57 

5 

i 

1 

2 plumiger 

3 vagus 

25. 

46 

3 

1 Kochi 

2 vagus 

15. 

59 

i 0 

i 


26. 

74 

• 

5 vagus 








1 Kochi 

1 plumiger 

1 vagus 

Ende 

November wurden wieder 3 An. 

27. 

53 

1 

Kochi gefangen. 

die in 

der ersten Hälfte 

29. 

72 

2 

1 Kochi 

des Monats ganz 

ausgeblieben waren. 




1 vagus 





30. 

44 

2 

1 vagus 

1 plumiger 





31. 

22 

0 







2 * 


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20 


W. Dönitz: 


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Wenn man diese Tabelle überblickt, so ist man überrascht durch 
die geringe Zahl der Anopheles. Es ist dies kein Zufall, sondern konnte 
überall festgestellt werden, wo die Sammlung sich über einen grösseren 
Zeitraum erstreckte. Um noch ein Beispiel zu bringen, gebe ich eine 
Tabelle über den Fang in Kota-Radja, dem Hauptort von Atjeh, wo 
im Panteh-Perak-Krankenhause die Mücken Anfang November und 
Anfang December in 2 Krankensälen gesammelt wurden. Dort fanden 
sich die Anopheles in noch geringerer Zahl vor. 


Kota-Radja. 




Saal S 




Saal 17 



Datum 

Culex 

Anopheles 

Datum 

Culex 

Anopheles 

1. 

Novbr. 

7 

0 

1. 

Novbr. 

30 

1 plumiger 

2, 

st 

25 

0 

2. 

SS 

1 26 

0 

3. 

SS 

17 

0 

3. 

SS 

! 29 

0 

4. 

•» 

1 24 

0 

4. 

st 

25 

0 

5 . 

SS 

22 

1 plumiger 

5. 

SS 

1 43 

0 

6 . 

St 

22 

0 

6. 

st 

! 25 

u 

2. 

Decbr. | 

6 

0 

2. 

Deebr. 

25 

1 plumiger 

3. 

st 

18 

0 

3. 

st 

| 20 

1 plumiger 

4. 

SS 

20 

0 

4. 

SS 

40 

2 plumiger 

5 . 

s* 

16 

6 plumiger 

5. 

st 

! 17 

0 


In den Krankenhäusern von Dar es Salaam kamen sogar, wie K. 
Koch sich selber überzeugte, manchmal Monate lang überhaupt keine 
Anopheles vor. 

Solche in gut gehaltenen Krankenhäusern gewonnenen Zahlen sind 
aber nicht maassgebend für die Häufigkeit der Anopheles in einer Gegend. 
Es ist ja bekannt, dass diese Thiere sich bei Tage in die dunkelsten 
Winkel zurückziehen und dass sie sogar, nachdem sie sich mit Blut ge¬ 
sättigt haben, die Häuser, welche ihnen nicht Zusagen, verlassen, um sich 
im Freien zu verbergen. Wer sich also Gewissheit über das Vorkommen 
von Anopheles an einem gegebenen Orte verschaffen will, muss sie in 
ihren Schlupfwinkeln aufsuchen. So gelang es denn auch R. Koch und 
seinem Mitarbeiter, Herrn Stabsarzt Ollwig, sie in den dunklen, schlecht 
gelüfteten Hütten der Eingeborenen in Neu-Guinea und Java in grosser 
Menge nachzuweisen; ja sie wurden von ihnen sogar in den Strohhütten 
der Arbeiter bei einem Salzsee im Wadi Natrün gefunden, also an einem 
Orte, wo man sie überhaupt nicht vermuthen konnte. , In diesem Falle 
ergab die Untersuchung der Umgebung, dass stellenweise kleine Ansamm¬ 
lungen süssen Wassers vorhanden waren, welches Anopheleslarven enthielt. 


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Original frurn 

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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles. 


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Wo es nicht gelang, das fliegende Insect zu fangen, hat man öfter 
in Malariagegenden die Larven nachweisen können. Dazu gehört aller- 
dings eine gewisse Geschicklichkeit, weil die Larven sehr scheu sind und 
schnell von der Oberfläche des Wassers verschwinden, wenn sie gestört 
werden. Man muss sich manchmal geradezu an die Tümpel heran- 
schleichen und die Larven mit einem plötzlichen Griff herausschöpfen. 

So sind denn also die in der Litteratur der letzten Jahre nicht 
seltenen Behauptungen, dass in gewissen Malariagegenden die Anopheles 
fehlen, einfach auf schlechtes Sammeln und ungenügende Sachkenntnis 
zurückzuführen, und das Ergebnis dieser Nachforschungen R. Koch’s, 
zusammengehalten mit den auch von anderer Seite gemachten gleich¬ 
lautenden Erfahrungen berechtigt zu dem allgemeinen Schluss, dass 
Anopheles überall da Vorkommen, wo Wechselfieber endemisoh ist. 
Das gilt für die Tropen, wie für das gemässigte Klima. 

Deshalb it es auch vom grössten Interesse, dass es grosse Gebiete 
giebt, wo überhaupt keine Anopheles Vorkommen, während doch die Lebens¬ 
bedingungen für sie gegeben zu sein scheinen. Ich spreche aber nicht 
von der Polarzone oder von wasserleeren Wüsten, sondern von den durch 
Wasserreichthum und üppige Vegetation ausgezeichneten Südseeinseln, 
und es wäre dringend zu wünschen, dass jetzt, wo es noch Zeit ist, genau 
festgestellt würde, auf welchen Inseln diese Gattung nicht vorkommt, 
damit eine etwaige spätere Einwanderung oder Einschleppung controlirt 
werden kann. Es hat dies ein weitgehendes naturwissenschaftliches und 
zugleich sociales Interesse, denn es steht zu erwarten, dass dem Auftreten 
der Anopheles die Malaria auf dem Fusse nachfolgen würde, weil die 
Verkehrs Verhältnisse es heutzutage mit sich bringen, dass Malariakranke, 
an denen sich die Anopheles inficiren können, überall hinkommen. 

Besondere Aufmerksamkeit müsste auch dem Uebergangsgebiet 
geschenkt werden, nämlich Celebes, Neu-Guinea und den dazwischen 
liegenden Molucken. Dabei dürfen aber die kleinen Inselchen, welche 
in der Nähe der grösseren liegen, nicht vernachlässigt werden, weil sich 
gerade bei ihnen die Entwickelung des Verkehrs am einfachsten gestaltet 
und noch am ehesten verfolgen lässt. Von einigen dieser Inseln liegen 
schon brauchbare Erfahrungen vor. So erhielten wir von dem kleinen 
Ternate, das westlich von Halmaheira liegt, aus den Krankensälen nur 
Culices zugeschickt. Aus Halmaheira selber liegt leider kein Mate¬ 
rial vor. 

Von Banda erhielten wir auch nur Culices, doch könnten daneben 
auch Anopheles Vorkommen, denn nach Angabe der holländischen 
Militärärzte werden dort Malariafälle beobachtet, die an Ort und Stelle 
entstanden sind. So gab es im November 1899 in der 130 Köpfe be- 


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W. Dönitz: 


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tragenden Garnison 6 solcher Malariafälle; im December betrug die Gar¬ 
nison 170 Mann, batte aber nur 2 Malariafälle. Dieser Widerspruch \ 
zwischen Vorkommen einheimischer Malaria und Fehlen der Anopheles | 
kann darin seine Lösung finden, dass die Stechmücken nicht in der ! 

vorgeschriebenen Weise gesammelt worden sind, wofür ein Anhaltspunkt j 

darin gefunden werden dürfte, dass die Culices grösstentheils Männchen 
waren. Das legt die Vermuthung nahe, dass die Mücken nicht im Mos¬ 
kitonetz, sondern im Freien gefangen wurden. Man muss aber auch be¬ 
denken, dass in den Tropen unter dem Namen Malaria Vielerlei zusammen- 
gefasst wird, was mit dieser Krankheit nichts zu thun hat. Zuverlässige An¬ 
gaben sind erst dann zu erwarten, wenn die mikroskopische Untersuchung 
auf Blutparasiten allgemein üblich sein wird. 

Im Garnisonlazareth zu Wahaai auf Ceram wurden vom 23. bis 
27. December 1899 in den Moskitonetzen 42 Culex und 4 Anopheles 
gefangen. Zur selben Zeit waren nur 2 Malariakranke in Behandlung. 

Diese Beispiele werden genügen, um zu zeigen, dass auf den kleinen 
Inseln der Molucken die Malaria nicht häufig ist oder auch ganz fehlt, 
dass aber auch die Anopheles nur in mässiger Menge oder gar nicht 
dort Vorkommen. Im höchsten Grade auffallend aber ist es, dass die 
Anopheles, die von dort eingesandt wurden, alle nur einer einzigen Art 
angehören, welche ich Anopheles vagus genannt habe; eine Art, welche 
auch auf der Insel Celebes der einzige Vertreter ihres Genus ist, so 
weit aus dem Materiale zu ersehen ist, das uns aus 3 Militärposten der 
Insel zuging, nämlich aus Balang-Nipa im Osten, Pankadjene im 
Norden, Makasser im Südwesten. Es ist dies wohl die häufigste Art 
auf den grossen Sunda-Inseln, auf denen sie sonst noch mit anderen Arten 
zusammen vorkommt. Dass sie allein so weit nach Osten geht, scheint 
darauf hinzudeuten, dass sie auf der Wanderung nach Osten hin begriffen 
ist, und dabei scheint das Wechselfieber gleichen Schritt mit ihr zu halten, 
denn man hat guten Grund anzunehmen, dass das Wechselfieber erst vor , 
nicht langer Zeit nach Celebes eingeschleppt worden ist, da aus den 
genannten Garnisonen nur vereinzelte Fälle gemeldet werden, von denen 
noch nicht einmal durch die mikroskopische Untersuchung des Blutes fest- j 
gestellt ist, dass sie wirkliche Malaria sind. Dazu kommt, dass Celebes 
früher für gesund galt und dass nach Hey mann die Sterblichkeit der 
Kinder der Eingeborenen nur 5 Procent beträgt. Endemische Malaria in 
den Tropen fordert aber sehr viel mehr Opfer. 

Aehnlich liegen die Verhältnisse in Neu-Guinea und im Bismarck- : 
Archipel. Es wurde bis vor Kurzem dort nur eine einzige Anophelesart ; 
gefunden, An. punctulatus. Ob er noch weiter nach Osten geht, kann 
ich nicht angeben. Vielleicht dass sein Verbreitungsgebiet bis nach Neu- j 


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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles. 


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Caledonien reicht, wo neuerdings Fieber, wenn auch spärlich, beobachtet 
sein soll, während es früher dort fehlte. Auf Samoa ist Anopheles un¬ 
bekannt. Für Neu-Pommern liegen besondere Angaben von der kleinen 
Insel Matupl in der Massawa-Bucht vor. Matupi ist sehr dichtbe¬ 
völkert, frei von Fieber, und beherbergt sehr viele Culices, aber keine 
Anopheles. Für das Fehlen der letzteren hat man den mit den heissen 
Quellen der gegenüber liegenden Küste zu Tage tretenden Schwefelwasser¬ 
stoff verantwortlich machen wollen, doch gewiss mit Unrecht, denn wenn 
er die anderen Stechmücken nicht am Gedeihen hindert, wird er den 
Anopheles schwerlich schädlich sein. So kommt man nothwendiger Weise 
zu der Annahme, dass der Anopheles von der Hauptinsel noch nicht hier¬ 
her verschleppt wurde. 

Die Siassi-Inseln, zwischen Neu-Guinea und Neu-Pommern, 
wurden sorgfältig nach Anopheles durchforscht, doch vergebens. Aber 
auch das Wechselßeber fehlt dort. 

Die grossen Inseln des Bismarck-Archipels sind mit Malaria ver¬ 
seucht und beherbergen An. punctulatus. Dagegen sind die Mariannen 
und die Carolinen bisher von beiden verschont geblieben; nur die ge¬ 
wöhnlichen Stechmücken und die Hausfliege sind, wie R. Koch an Ort 
und Stelle erfuhr, nach Aussage der Eingeborenen von Ponapö vor etwa 
100 Jahren eingeschleppt worden und sind jetzt eine wirkliche Plage. 

Bei Betrachtung dieser Verhältnisse bin ich zu der Ueberzeugung 
gelangt, dass zur Zeit in den besprochenen Gebieten etwas vor sich geht, 
was man bisher noch niemals zu beobachten Gelegenheit hatte: die 
Einwanderung vorhandener zoologischer Arten in neue Gebiete, 
und im Gefolge davon die Ausbreitung einer mörderischen 
Krankheit. Anopheles punctulatus, den ich hierbei zunächst im 
Auge habe, schliesst sich eng an die von Skuse beschriebenen austra¬ 
lischen Arten, An. Mastersi und musivus, die mir leider nur aus der 
Beschreibung bekannt sind, an. Eine verwandte Art ist der mir von 
Borneo und Sumatra bekannte An. leucosphyrus, und der auf 
Sumatra (vielleicht auch auf Borneo) vorkommende An. deceptor. 
Für diese kleine Gruppe von Arten scheint Australien das Centrum zu 
bilden. Am weitesten haben sich von den australischen Typen die beiden 
nach den grossen Sunda-Inseln verschlagenen Arten entfernt und scheinen 
unter der grossen Anzahl der dort schon heimischen und individuenreichen 
Arten nicht recht zu gedeihen, denn sie sind überall nur sehr spärlich 
gefunden worden. Die Art von Neu-Guinea dagegen, welche bisher ihr 
Gebiet mit keinem anderen Anopheles zu theilen hatte, kommt überall, 
wo sie beobachtet wurde, in grosser Menge vor, so auch im Bismarck- 
Archipel, den sie sich schon erobert hat. 


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W. Dönitz: 


Wenn die Annahme richtig ist, dass An. vagus von Westen nach 
Osten wandert, so ist er über Celebes gehend bis Ceram gekommen, 
und es hat sogar unter unseren Augen eine Einwanderung nach Neu- 
Guinea stattgefunden, wie aus folgenden Beobachtungen hervorzugehen 
scheint. In Stephansort auf der Hauptinsel von Neu-Guinea waren 
von Anfang Januar bis Ende Juli 524 Anopheles gefangen worden, die 
sich sämmtlich als An. punctulatus erwiesen. In der ersten Woche 
des August fand sich unter 32 An. punctulatus ein einziger An. vagus, 
und bis Mitte September wurden unter 356 An. punctulatus im Ganzen 
32 An. vagus gefangen. Da nun während beider Perioden von denselben 
Personen und in derselben Weise an denselben Oertlichkeiten gesammelt 
wurde und man nicht annehmen kann, dass An. vagus während 7 Monate 
nicht in die Häuser kommen sollte, wenn er in der Gegend vorhanden 
ist, so dürfte die Annahme berechtigt sein, dass er gerade um die damalige 
Zeit in Stephansort eiugeschleppt worden ist und sich eingebürgert hat. 
Ob er aber damals überhaupt erst nach Neu-Guinea gekommen ist. 
oder ob er schon an anderen Plätzen vorhanden war, lässt sich nicht 
mehr ermitteln. In den Sendungen von Mücken, welche Herr Stabsarzt 
Dempwolf in neuester Zeit in Stephausort gesammelt sind, sind wieder 
beide Anophelesarten vertreten. — Aus Herbertshöhe auf Neu-Pommeru 
haben wir bisher nur An. punctulatus erhalten. 

Ueber die Art, wie die Verschleppung der Anopheles erfolgt, sind 
wir nicht nur auf Vermuthuugen angewiesen. Jedes Eingeborenenboot, 
auf dessen Boden Regenwasser. steht, enthält in diesem zahllose Stecb- 
mückeularveu, und es ist anzuuehmen, dass sich darunter auch Ano- 
ph eleslarven befiuden werden, obgleich dies von den Reisenden nicht 
ausdrücklich erwähnt wird. Wenn man nämlich bedenkt, wie genügsam 
die Anophelesweibchen in Betreff des für die Eiablage benüthigten Wassers 
sind, so wird man auch in dem Kielwasser der Boote Anopheleslarven er¬ 
warten müssen. Wenn es sich nun so trifft, dass diese sich bis zum ge¬ 
flügelten Insect weiter entwickelt haben, zur Zeit wo das Boot eine bis dahin 
von diesen Thieren verschonte Insel berührt, so fliegen sie sicher an Land 
und haben Gelegenheit, sich dort anzusiedelu. Diese Gelegenheiten aber, 
die Fahrten der Eingeborenen von Insel zu Insel, mehren sich von Jahr 
zu Jahr, seitdem man die Eingeborenen daran gewöhnt, nicht jeden 
Fremden, mag er ein Weisser oder ein Schwarzer sein, als Feind zu be¬ 
trachten und ihn zu speeren. Dass auch die europäischen Händler, deren 
Beschäftigung es mit sich bringt, dass sie von Insel zu Insel fahren, um 
Einkäufe zu machen, sich ohne es zu wollen an der Verbreitung der 
Stechmücken betheiligen werden, liegt auf der Hand. 

Tn dürren Gegenden können die Auopheleslarven auch im Trinkwasser, 


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das aus Cisternen geschöpft ist, viele Kilometer weit verschleppt werden, 
wie jüngst J. Cropper aus Palästina berichtet und daran die Bemerkung 
knüpft, dass auf diese Weise Malaria in Ortschaften entstehen kann, 
welche mehrere englische Meilen von Brutplätzen der Mücken entfernt liegen. 

Wenn es also auch als Thatsache hingestellt werden kann, dass das 
Verbreitungsgebiet der Anopheles sich ausdehnt, so wissen wir 
doch nicht, wie weit die einzelnen Arten daran betheiligt sind. Um 
diesen Hergang, der auch für die wissenschaftliche Zoologie vom grössten 
Interesse ist, näher verfolgen zu können, wäre es nothwendig, das augen¬ 
blickliche Verbreitungsgebiet der einzelnen Arten genau zu umgrenzen. 
Das kann leider heute noch nicht einmal annähernd geschehen, weil in 
der Bestimmung der Arten die grösste Unsicherheit herrscht. Die Ur¬ 
sache ist in den oberflächlichen Beschreibungen der älteren Dipterologen 
zu suchen, welche für die spärlichen, früher bekannten Arten zwar ge¬ 
nügten, jetzt aber, wo wir ein viel grösseres Material in Händen haben, 
oft auf ganze Gruppen anstatt auf einzelne Arten passen. So ist z. B. 
der 1845 von Loew beschriebene Anopheles pictus und der von dem¬ 
selben Autor 1866 beschriebene Anopheles costalis bisher noch nicht 
zu identificiren gewesen. 

Die erste dieser Arten, Anopheles pictus, war auf dem klein¬ 
asiatischen Festland, gegenüber der Insel Rhodus, einige Male gefangen 
worden, und zwar nur in männlichen Stücken, also jedenfalls im Freien. 
(Loew hat nicht gesagt, wie vielfach angegeben wird, dass diese Art in 
Südeuropa vorkommt, sondern dass er dem europäischen Faunen¬ 
gebiet angehört, und das ist etwas ganz Anderes.) Da nun die Loew’sche 
Beschreibung auf viele Arten passt, so glaubte man sie in verschiedenen 
Weltgegenden wiederzufinden, und so gab denn auch Ficalbi an, dass 
sie in Italien vorkomme. Grassi schloss sich dem an, fand aber in 
Italien noch eine andere ähnliche Art, welche er Anopheles pseudo- 
pictus nannte. Später glaubte derselbe Autor zu erkennen, dass sein 
pictus nicht die Loew’sche Art sei, welche sich vielmehr seinem pseudo- 
pictus nähere. Deshalb giebt er der zuerst für pictus gehaltenen 
italienischen Art den Namen superpictus, und benennt eine indische 
Art, welche dem pictus enorm ähnlich sehen soll, als subpictus. Dem 
Texte nach scheint subpictus das von Ross an Grassi abgegebene 
Exemplar des sogenannten „dappled winged mosquito“ gewesen zu 
sein. Die Beschreibung passt aber auch wieder auf ein halbes Dutzend 
Arten. Theobald nun, welcher eben ein sehr verdienstvolles und mit 
grossem Fleiss gearbeitetes Werk über Stechmücken veröffentlicht hat, 
glaubt in der Loew’schen Art den von Wiedemann 1828 aus China 
beschriebenen Anopheles sinensis, oder doch eine Unterart desselben 


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W. Dönitz: 


wiederzuerkennen; eine Annahme, der ich mich nicht anschliessen möchte, 
weil wir wieder nicht wissen, welches Thier Wiedemann gemeint hat. 
Die Verwirrung ist also vollständig! Um hier Klarheit zu schaffen, 
wäre es das Sicherste, die Namen, die nicht unterzubringen sind, ganz 
fallen zu lassen. Da sich aber dagegen das Gewissen der Systematiker 
sträubt, so bleibt nichts weiter übrig, als aus der Gegend, in welcher 
Loew gesammelt hat, alle Anophelesarten zusammenzubringen und darunter 
diejenige herauszusuchen, auf welche seine Beschreibung am besten passt, 
für den Fall, dass seine Originalexemplare nicht noch irgendwo vorhanden 
und erkennbar sein sollten, so dass ein directer Vergleich möglich wäre. 
Ebenso müsste mit der Wiedemann’schen Art verfahren werden. 

Bei der Identificirung der Arten darf man die Grössenangaben der 
Autoren nicht ausser Acht lassen, und Bedenken wegen der Grösse ver¬ 
anlassen mich von vornherein, die von Theobald als sinensis beschriebene 
Art für verschieden von der Wiedemann’schen zu halten. Sinensis 
misst nach Wiedemann 2 3 / 4 '" = 6 mm ; Theobald’s sinensis dagegen 
5 mm ; das ist ein für diese kleinen Thierchen recht bedeutender Unterschied. 

Ebenso schlimm steht* es mit Anopheles costalis, den Loew aus 
dem Lande der Kaffem (Caffrerei) erhalten hatte, und den man jetzt im 
ganzen tropischen Afrika, auf der Insel Mauritius und selbst in 
Indien gefunden haben will. Die Angabe Loew’s, dass nur die aller- 
äusserste Spitze der Kniee und Schienen eine gelbliche Färbung zeigt, 
stimmt ganz und gar nicht zu der Art, welche Theobald als costalis 
bezeichnet, weil diese an den Hinterbeinen eine breite gelbe Binde be¬ 
sitzt, welche das distale Ende der Femora umfasst und auf die Ti bien 
übergreift. Bis Theobald sich über die Sache ausgesprochen und eventuell 
seiner Art einen neuen Namen gegeben haben wird, kann man diese Art 
immer noch als pictus weiterführen, muss sie dann aber in der üblichen 
Weise als Anopheles pictus Theob. nec Loew bezeichnen. 

Die gegebenen Beispiele werden zur Genüge gezeigt haben, wie wenig 
bisher die Identificirung gewisser älterer Arten gelungen ist, und wie un¬ 
zuverlässig deshalb die in der Litteratur vorhandenen Angaben über die 
geographische Verbreitung sind. Das Alles ist um so mehr zu bedauern, 
als die Anopheles berufen scheinen, eine bedeutende Rolle in der 
wissenschaftlichen Zoologie zu spielen. Schon sind wir durch 
Howard, Grassi, Nuttall und seine Mitarbeiter über die Structur und 
Biologie des europäischen Anopheles maculipennis Meig. besser unter¬ 
richtet als über irgend eine andere Mücke, und die Untersuchung der 
Larven soll sogar ergeben, dass Anopheles bifurcatus L., den man 
für einen abgeschabten Anopheles maculipennis zu halten geneigt 
war, wirklich eine eigene Art darstellt, indem bei ihnen am Kopfe die 


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Beitbäge zub Kenntniss deb Anopheles. 


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von ßrassi benannten Winkelborsten einfach, bei maculpennis 
bäumchenförmig verzweigt sind, was allerdings noch nachzuprüfen 
wäre. Da wir aber aus den spärlichen Mittheilungen, welche über die 
Larven aussereuropäischer Anopheles vorliegen, entnehmen können, 
dass diese sich sehr merklich von den aus Europa bekannten unterscheiden, 
so steht zu erwarten, dass das eingehende Studium der früheren Stände 
eine schärfere Umgrenzung zweifelhafter Arten ermöglichen wird. Einen 
guten Anfang mit einschlägigen Untersuchungen haben Stephens und 
Christophers gemacht. 

Unter den bisher bekannt gewordenen Anophelesformen finden sich 
schon mehrere, bei welchen es unmöglich ist zu sagen, ob wir es mit 
selbständigen Arten oder Varietäten zu thun haben. Dahin gehört 
z. B. Theobald’s Anopheles sinensis, zu welchem der englische Autor 
als Subspecies folgende Formen stellt: indiensis Theob., nigerrimus 
Giles, annularis v. d. Wulp, pseudopictus Grassi. Bei der Be¬ 
schreibung meines Anopheles plumiger werde ich Gelegenheit nehmen, 
diese Frage zu berühren, und möchte hier nur darauf hinweisen, dass 
solche Unterscheidungen zu den schwierigsten Aufgaben der Zoologie ge¬ 
hören. Es hängt das mit der Definition des Begriffes „Species“ zu¬ 
sammen. Im Grunde genommen ist Species gar kein zoologischer 
(bezw. botanischer), sondern ein physiologischer oder biologischer 
Begriff, unter dem man diejenigen Individuen zusammenfasst, welche unter 
sich in directem verwandtschaftlichen Verhältniss stehen, was man 
praktisch so ausdrücken kann, dass man sagt: diejenigen Thiere, welche 
unter sich fruchtbare Nachkommenschaft zu erzeugen vermögen, bilden 
eine Species. (Von Behinderung der Copulation durch abnorme Grösse, 
Missbildung und dergleichen äussere Ursachen muss natürlich abgesehen 
werden.) 

Die Individuen einer Species sind aber veränderlich, und eine ver¬ 
änderte Form kann sich durch Erblichkeit fortpflanzen und constant 
werden. Sobald nun die Abweichungen der Art sind, dass die Fort¬ 
pflanzung durch Vermischung mit der Ausgaugsform (Stammform) physisch 
nicht mehr möglich ist, so hat sich von dieser eine neue Species ab¬ 
gezweigt. Nun ist aber der Systematiker selten im Stande, das Experi- 
mentum crucis anzustellen, und muss sich ein Urtheil nach äusseren 
Merkmalen bilden. Sein Urtheil hat aber an Sicherheit gewonnen, seit¬ 
dem man auch die Copulationsorgane in den Bereich der Untersuchung 
zieht, und gerade in der Entomologie ist die Systematik dadurch sehr 
gefördert worden, denn die Erfahrung lehrt, dass selbst bei nahe stehen¬ 
den Arten eine Verschiedenheit der Copulationsorgane der Begattung, 
und somit auch der Befruchtung hinderlich ist. So werden durch rein 


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W. Dönitz: 


äusserliche Hülfsmittel die Arteii rein erhalten, wenn nicht etwa schon 
der Bau der Mikropyle des Eies und derjenige der Zoospermien die Be¬ 
fruchtung verbieten sollten. Dass ausserdem auch noch chemotactiscke 
Kräfte ihr Spiel treiben können, sei nur nebenbei erwähnt. 

Nun giebt es aber Genera, bei welchen die Copulationsorgane der 
verschiedenen als Arten geltenden Formen einander so ähnlich sehen, 
dass die Möglichkeit der Begattung von vornherein zugegeben werden 
muss. Solcher Beispiele hat die Eutomologie nicht wenige aufzuweisen, 
und auch die Anopheles liefern ein solches. Unter allen Arten, die ich 
bis jetzt untersucht habe, besitzt nur mein Anopheles plumiger-Männchen 
eine besondere Auszeichnung; bei allen anderen sind diese Organe nicht 
allein sehr einfach gebaut, sondern auch unter einander sehr ähnlich, so 
dass man wohl annehmen kann, dass viele hybride Copulationen möglich 
sein werden. Derartige Conamina werden thatsäc blich auch in der freien 
Natur gemacht, wie jener noch viel weiter gehende Fall beweist, den 
Theobald berichtet, wo ein Anophelesweib in einen Schwarm männ¬ 
licher Culex pipiens 11 og und sofort von einem Männchen ergriffen 
und davongeführt wurde, in der Weise, wie es bei der Copulation der 
Culices geschieht. Aus der Litteratur ist eine besondere und sehr auf¬ 
fallende Auszeichnung der männlichen Copulationsorgane von Anopheles 
Listoni Giles bekannt. 

Da die Copulation der Stechmücken, so viel man bis jetzt weiss. 
sich immer während des Fluges vollzieht, so wird mau zwar bei der An¬ 
stellung derartiger Experimente auf Schwierigkeiten stossen, aber unüber¬ 
windlich dürften diese nicht sein. Man wird dabei die Beobachtung 
machen können, dass nicht alle Mücken gleich nach dem Ausschlüpfen 
davoufiiegen. Manche warten damit, wie ich gesehen habe, mehrere Tage, 
vermuthlich bis ihr Fettkörper aufgezehrt ist. Dann erst werden sie 
Hunger empfinden und nach Nahrung fliegen. 

Weitere Schwierigkeiten bietet die Aufzucht der Anopheles nicht; man 
muss nur dem geflügelten Weib reichlich Gelegenheit bieten, Blut zu 
saugen. Dazu haben Van der Scheer und Berdenis von Berlekom 
Kaninchen benutzt, welche in einen Drahtkälig gesetzt wurden, der seiner¬ 
seits in dem mit Gaze bespannten Mückenkäfig stand. Man kann aber 
auch die Mücken am Menschen saugen lassen, wenn man sich des kleinen, 
von Herrn Stabsarzt Martini im Institut für Infectionskrankheiten be¬ 
nutzten Kunstgriffes bedient, die mit über einander gelegten Flügeln da¬ 
sitzenden Anopheles mittels einer flachen Piucette am Ende der Flügel 
zu fassen, auf die Haut zu setzen, und so lange festzuhalten, bis sie sich 
vollgesogen haben. Die meisten fangen sofort an zu stechen, selbst solche, 
welche den Winter hindurch in Häusern gefangen worden waren. Die 


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Beiträge zur Kexxtniss der Anopheles. 


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Verdauung dieser im Zimmer gehaltenen Anopheles maculipennis 
war eine sehr rege, so dass die Thiere öfter schon nach 3 Tagen wieder 
stachen. Bei häufig wiederholter und nicht übermässiger Fütterung mit 
Blut scheinen sie am besten zu gedeihen. 

Bevor ich an die Beschreibung der neuen Arten gehe, möchte ich 
ausser Bemerkungen zur Systematik noch einige Worte über den Fang 
und den Versand der Stechmücken voraufschicken, weil die im Auslande 
gesammelten Stücke oft in einem gar zu schlechten Zustande in die Hände 
des heimischen Systematikers gelangen. Fast immer hat dieBeschuppung 
stark gelitten, die doch für die Systematik bei diesen so einfach gebauten 
Thieren eine grosse Rolle spielt. So ist auch die Angabe der früheren 
Autoren, dass der Hinterleib von Anopheles nicht beschuppt sei, auf die 
schlechte Erhaltung der von ihnen beschriebenen Stücke zurückzuführen. 
Aber auch neuere Systematiker scheinen zum Theil recht mangelhaftes 
Material in Händen gehabt zu haben, denu obgleich ich darauf aufmerk¬ 
sam gemacht habe, dass einzelne Anophelesarten ausser der gewöhnlichen 
Beschuppung auch noch gauze Büschel fester haftender Schuppen an der 
Bauchseite des Hinterleibes aufweisen, so hat nur Theobald bei seinem 
Anopheles squamosus etwas Aehnliches gesehen. 

Auch Ficalbi kennt diese Schuppenbüschel nicht, die man füglich 
den bei den Schmetterlingen und ihren Raupen bekannten, sogenannten 
Schmuckflecken vergleichen kann. Mir liegt aber ein in Italien bei 
Grosseto im Busch von R. Koch gefangener Anopheles vor, welcher 
dem Ficalbi’schen Anopheles pictus zu entsprechen scheint, und 
welcher an der Bauchseite des vorletzten Hinterleibsegmentes ein schwarzes 
Schuppenbündel besitzt. Auch Grassi kennt eine derartige Bildung 
bei seinen italienischen Anophelesarten nicht. 

Um also ein für die systematische Bearbeitung brauchbares Material 
zu gewinnen, muss man schon beim Fange darauf bedacht sein, die Be¬ 
schuppung der Thierchen nicht zu verletzen. Man darf sie deshalb nicht 
mit Netzen fangen, sondern muss sie direct in das Fangglas zu bringen 
suchen, indem man es über sie stülpt. Will man die Thiere trocken 
aufbewahren und gleich nadeln, so benutzt man ein weithalsiges Fang¬ 
glas, auf dessen Boden Cyankalium eingegypst ist. Das Nadeln der 
Mücken ist aber nicht Jedermanns Sache; deshalb hat R. Koch immer 
empfohlen, die Mücken gleich beim Fange in Alkohol zu bringen und 
darin zu verschicken. Zu dem Zwecke rüstet mau sich mit zwei gleich¬ 
grossen Gläsern aus, z. B. dickwandigen Reagensröhrchen, von denen das 
eine mit Alkohol gefüllt und verkorkt wird. Will man eine Mücke fangen, 
so giesst man den Alkohol in das leere Glas über, so dass in dem ersten 
nur die Wände noch ein wenig feucht bleiben. Dieses Glas also stülpt 


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W. Dönitz: 


man über die Mücke, die dann auffliegt und sofort an der von Alkohol 
feuchten Glaswand unbeweglich festklebt. Dann bedeckt man die Oeffnang 
des Glases mit dem Daumen, um die Verdunstung des Alkoholrestes za 
verhüten, bis sich Gelegenheit zum Fange einer zweiten Mücke bietet. 
So fahrt man fort, bis man etwa ein halbes Dutzend Mücken im Glase 
hat. Dann giesst man dieses aus dem anderen Röhrchen voll und fängt 
mit diesem weiter. Ein mehrmaliges Umgiessen des Alkohols mit den 
darin enthaltenen Mücken schadet diesen nicht. Zum Versand bringt 
man sie am besten in schmale, enghalsige Arzeneiflaschen von etwa 25 
bis 50 ccm Inhalt, und füllt diese bis an den Kork mit Alkohol an. Je 
kleiner die Luftblase ist, welche im Glase bleibt, um so weniger werden 
die Mücken beim Transport geschüttelt, und um so besser erhält sich 
ihr Schuppenkleid. Leider ist man dann noch der Gefahr ausgesetzt, 
dass ein Theil des Alkohols durch den Kork hindurch verdunstet, wo¬ 
durch wieder die gefürchtete Luftblase entsteht, welche gestattet, dass die 
Mücken hin und her geworfen werden und Schuppen, Beine und Fühler 
verlieren. Durch Eintauchen des Verschlusses bis zum Flaschenhalse in 
geschmolzenes Paraffin lässt sich Abhülfe schaffen, wenn der Kork sehr 
gut schliesst. Ist dieses aber nicht der Fall, so drängt sich der Alkohol 
zwischen Paraffin und Glas durch, und auf demselben Wege gelangt 
Luft hinein. Ich habe deshalb einen Correspondenten gebeten, den Kork 
und Flaschenhals mit verflüssigter Gelatine zu überziehen und diese 
nach dem Erkalten durch Eintauchen in Chromsäurelösung oder Kalium- 
bichromat zu härten. Ueber den Ausfall eines solchen Versuches kann 
ich noch nichts berichten. 

Die Montirung der in Alkohol aufbewahrten Stücke für die Sammlung 
lässt sich leicht bewerkstelligen. Es handelt sich nur darum, dafür zu 
sorgen, dass die Flügel nicht beim Trocknen zusammenschrumpfen können. 
Zu dem Zwecke breitet man die für brauchbar befundene Mücke unter 
ein paar Tropfen absoluten Alkohols auf einem sauber polirten Object- 
träger in der Art aus, dass der Rücken nach unten zu liegen kommt 
und dass die Flügel flach, wo möglich ausgebreitet, dem Glase anliegen. 
Um den Alkohol besser zusammenzuhalten, wodurch die Hantirung er¬ 
leichtert wird, ist es zweckmässig, sich eines hohlgeschliffenen Object¬ 
trägers zu bedienen. Man giesst dann den Alkohol ab, nimmt den Rest 
mit etwas Fliesspapier auf, aber ohne die Mücke aus ihrer Lage zu 
bringen, und wartet ein wenig, bis die Flügel ganz trocken sind und sich 
bei leichter Berührung vom Glase abheben. Dann wird das Thierchen 
von der Bauchseite her genadelt und in der gewöhnlichen Weise für die 
Sammlung hergerichtet. Bei diesem Verfahren leidet nicht einmal der 
Wimpersaum der Flügel Schaden, wie man an den Photogrammen sehen 


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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles: 


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wird, welche dieser Arbeit beiliegen. Alle die abgebildeten Flügel stammen 
von Stücken, die in Alkohol gelegen hatten; viele waren erst getrocknet 
worden, am sie bei auffallendem Lichte zn untersuchen, und wurden dann 
erst in Canadabalsam oder Cedernöl eingelegt, um sie bei durchfallendem 
Liebte photographiren zu können, bei welchem die Zeichnungen viel 
schärfer hervortreten als bei auffallendem. Bei scharfem Zusehen wird 
man erkennen, dass auch an vielen Stellen des Wimpersaumes, wo die 
Cilien abgefallen zu sein scheinen, die Schuppen vorhanden sind. Die 
hellen Schuppen werden in Balsam so durchscheinend, dass die Photo- 
graphie sie oft nicht wiedergiebt. (An anderen Stellen fehlten die 
Schuppen allerdings schon von vornherein.) 

Bei der Aufbewahrung der Mücken in Alkohol muss man den Uebel- 
stand mit in Kauf nehmen, dass die Farben der Schuppen und Haare 
ihre ursprüngliche Frische nicht bewahren. Zwar verlieren auch frisch 
genadelte Stücke in den Sammlungen sehr bald ihren Farbenschmelz, 
aber sie lassen doch längere Zeit erkennen, was gelb und was weiss, was 
schwarz und was braun ist. Ich habe deshalb, um keinen Irrthum zu 
begehen, bei den Beschreibungen mich meist darauf beschränkt, die Flecke 
als hell oder dunkel zu bezeichnen, und muss es der Zukunft überlassen, 
dass die richtigen Farben nachträglich hinzugefügt werden. Die Farbe 
hat auch für die Systematik nur untergeordneten Werth; sehen wir doch, 
dass einer unserer gemeinsten Schmetterlinge, der Kohlweissling, in Nord¬ 
amerika, wohin er verschleppt wurde, gelb geworden ist. Man hat deshalb, 
wie anderwärts, so auch bei dem Genus Anopheles nach Structur- 
unterschieden gesucht, und es gebührt vor Allen Skuse das Verdienst, 
gewisse Verhältnisse des Flügelgeäders zu diesem Zwecke herangezogen 
zu haben. 

Für das praktische Bedürfniss ist es nicht nöthig, sich in die ver¬ 
gleichenden Untersuchungen des Flügelgeäders und die darauf begründet« 
Nomenclatur zu vertiefen; es genügt zu wissen, dass die Flügel der 
Anopheles wie aller Culiciden von Längsrippen durchzogen sind, von 
denen einige sich gegen die Flügelspitze hin gabeln, und dass die Mehrzahl 
dieser Längsrippen durch kurze, zarte Querrippen verbunden ist. Man 
zählt 6 Längsrippen, deren erste aus der Flügelwurzel entspringt, unter¬ 
halb des Vorderrandes verläuft und an der Flügelspitze endet. Zwischen 
ihr und dem Vorderrande liegt eine andere Längsrippe, welche aber die 
Flügelspitze nicht erreicht, sondern bald nach der Mitte des Vorder¬ 
randes in diesen ausmündet. Sie wurde schon von Löw als Hülfsader, 
Vena auxiliaris bezeichnet. Die zweite und dritte Rippe kommen 
nicht aus der Flügelwurzel, sondern entstehen mitten in der freien Fläche 
des Flügels, doch verlängert sich die dritte manchmal rückwärts als feiner 


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W. Dönitz: 


Streifen bis nahe an die Wurzel. Beide münden in die Spitze aus, und 
zwar die zweite, nachdem sie sich vorher gabelartig getheilt hat. Eine 
solche Gabel bildet auch die vierte Rippe, die aus der Wurzel des Flügels 
entspringt. Auch die 5. Rippe kommt aus der Wurzel und entsendet 
ungefähr in der Mitte des Flügels nach oben hin einen Ast, welcher sich 
bald nach aussen umbiegt und zum Rande zieht, so dass auch hier eine 
Art Gabel entsteht, die aber sehr viel grösser ist als die der 2. und 
der 4. Rippe und deshalb die grosse Gabel genannt wird, im Gegen¬ 
satz zu den beiden kleinen, oberen Gabeln, die einfach als obere und 
untere Gabel unterschieden werden. Die sechste Rippe kommt aus der 
Wurzel, bleibt einfach und endet ungefähr in der Mitte des Hinterrandes 
des Flügels, doch in eigenthümlicher Weise; sie zieht nämlich schräg auf 
den Innenrand zu und biegt dann ziemlich plötzlich gegen diesen um, 
so dass sie ziemlich senkrecht auf ihm steht. Bei Anwendung einer 
stärkeren Vergrösserung findet man eine Andeutung dieses Verhaltens 
auch an der 5., selbst bis zur 3. Rippe hin. Das Ende der 
obersten Rippen erscheint unter dem Mikroskop ein weing aufwärts ge¬ 
bogen. Eine Art siebenter und achter Rippe wird man in den Photo¬ 
grammen angedeutet finden; für die Systematik haben sie keine Bedeutung. 

Von den kleinen Queradern fallen die centralen leicht in die Augen, 
z. B. auf den entschuppten Flügeln (vgl. Taf. I, Figg. 2 u. 10). In Taf. I, 
Fig. 2 verbindet ein kleiner Querstrich in der Mitte des Flügels die vierte 
Rippe mit derjenigen Stelle des oberen Astes der fünften Rippe, wo dieser 
nach aussen gegen den Flügelrand hin umbiegt. Ein wenig weiter gegen 
die Flügelspitze hin verbindet ein ähnlicher Strich die vierte Rippe mit 
der dritten, und zieht dann gleich weiter bis zur zweiten. Es sind das 
die drei centralen Queradern, welche man als die untere, die mittlere und 
die obere bezeichnen kann. Letztere, zwischen dritter und zweiter Rippe 
gelegen, wird auch überzählige Querader genannt. Die übrigen Quer¬ 
adern, die marginale zwischen Rippe zwei und eins, die subcostale 
zwischen Rippe eins und der Hülfsrippe, sowie die humerale ganz an 
der Flügelwurzel zwischen Hülfsrippe und Vorderrand, haben für die 
Unterscheidung der Arten keine grosse Bedeutung, doch hat sie Skuse 
nach dieser Richtung zu verwertlien gesucht. 

Die Lage der drei kleinen centralen Queradern zu einander hat man 
für die Artunterscheidung herangezogen; nicht in sehr glücklicherweise, 
denn diese kleinen Gebilde verschieben sich viel zu häufig gegen einander. 
Bei manchen Arten bilden die drei ceutralen Queradern eine Art Treppe, 
indem die oberste am weitesten gegen die Flügelspitze vorgerückt ist, 
und die unterste am weitesten davon zurücksteht. Bei anderen Arten 
rückt die mittlere Ader am weitesten vor. Der erste Fall würde der 


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Beitbäge zub Kenntniss deb Anopheles. 


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Figur entsprechen, welche Theobald auf S. 153 für An. Rhodesiensis 
giebt; der zweite Fall passt auf An. funestus am selben Orte. Beide 
Bildungen kann man aber nicht selten bei derselben Art antreffen, 
wofür ich, um bei den afrikanischen Arten zu bleiben, meinen An. heb es 
anführen will. Ja, man kann sogar, wie ich mich wiederholt überzeugt 
habe, die erwähnte Verschiedenheit auf beiden Flügeln desselben 
Thieres finden. Als Beleg dafür habe ich einen An. merus aus Afrika 
aufbewahrt. Die Wandelbarkeit in der gegenseitigen Lage der kleinen 
Queradern ist so gross, dass bei der oft so schwierigen Unterscheidung 
nahe stehender Arten diese Verhältnisse belanglos sind. Trotzdem werde 
ich, um nicht gegen den Gebrauch zu verstossen, bei meinen Beschrei¬ 
bungen auch die Lage der centralen Queradern bei denjenigen Stücken 
angeben, welche der Beschreibung zu Grunde liegen. 

Viel beständiger sind die Beziehungen der Längsrippen zu einander 
und können in der Systematik Verwendung finden. Solche Beziehungen 
bestehen zwischen den beiden kleinen Gabeln. Die obere beginnt häufig 
viel früher als die untere und erscheint demgemäss sehr viel länger. In 
anderen Fällen beginnt sie auf gleicher Höhe mit dieser, oder merklich 
später. Um einen festen Ausgangspunkt zu haben, zieht man von dem 
Punkte aus, wo die zweite und die vierte Rippe sich gabeln, in Gedanken 
eine Senkrechte auf den Vorderrand. Daraus ergiebt sich sofort, welche 
Gabel früher entsteht. Dieses Verhältniss hat Werth für die Unter¬ 
scheidung der Arten; Gruppeneintheilungen lassen sich darauf 
nicht begründen, wie das Beispiel der einander sehr nahestehenden An. 
Kochi und pulcherrimus Th. zeigt. Bei ersterem gabelt sich die zweite 
Rippe später als die vierte, bei pulcherrimus dagegen auf gleicher Höhe 
oder sogar etwas früher, wie aus dem von Theobald 1 gegebenen Photo¬ 
gramm ersichtlich ist. Auf eine andere, recht brauchbare Beziehung 
macht Skuse aufmerksam. Wenn man von dem Punkte aus, wo die 
Hülfsader in den Vorderrand mündet, ein Loth errichtet und bis zum 
Hinterrand verlängert, so schneidet es diesen gewöhnlich weit vor der 
Einmündung der 5. Rippe, aber bei einer kleinen Anzahl Arten fällt 
das Loth nahezu mit dem Ende der fünften Rippe zusammen, z. B. bei 
meinem An. plumiger und einem italienischen Stück, das wohl zu pictus 
Fic. oder zu pseudopictus Gr. gehört. Hierher würde noch An. ma- 
culatus* Theob. zu stellen sein, nach Ausweis der Textfigur auf S. 172 
in Theobald’s Werk, wenn nicht meine Stücke, die auch aus Hongkong 


1 Proc. Royal Soc. 7. März 1902. 

* Warum gebraucht in diesem Falle Theobald den Namen Anopheles weib¬ 
lich und nennt die Art maculata? 

Zdtachr. f. Hygiene. XLL 3 


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W. Dönitz: 


stammen, wie Theobald’s Stücke, dagegen sprächen. Zudem gehört 
An. maculatus einer ganz anderen Gruppe an als die oben genannten 
Arten, so dass hier wohl ein Fehler in der Zeichnung angenommen 
werden muss. 

Leider sind die von den Autoren gegebenen Abbildungen wenig ge¬ 
eignet, diesen Gegenstand weiter zu verfolgen, da die Hülfsrippe häufig 
in den Bildern fehlt; so auch vielfach in dem grossen Theobold’schen 
Werke. Indessen findet sich auf Seite 150 eine Reihe sehr lehrreicher 
Abbildungen, welche An. sinensis Wied, mit den Unterspecies anuu- 
laris Theob., indiensis Theob., pseudopictus Grassi und der ver¬ 
wandten Art An. barbirostris darstellen sollen. Da fallt es nun auf, 
dass bei der Art, welche Theobold für sinensis Wied, hält, die Hülfs¬ 
rippe früher endet als die 5. Rippe; bei annularis und barbi¬ 
rostris enden beide annähernd auf gleicher Höhe; aber bei indiensis 
und pseudopictus ist das Ende der Hülfsader weit gegen die Spitze 
vorgerückt und steht fast auf gleicher Höhe mit dem Ende des oberen 
Astes der 5. Rippe. Der Unterschied wird noch auffallender, wenn 
man dazu noch die Länge der beiden oberen Gabeln in Betracht zieht 
Bei sinensis beginnt im Bilde die obere Gabel später als die untere, bei 
barbirostris und pseudopictus auf gleicher Höhe, bei annularis 
etwas früher, aber bei indiensis so sehr viel früher, dass die Theilungs- 
stelle der 2. Rippe über das Ende der Hülfsrippe hinaus gegen die 
Flügelwurzel hin zurückgewandert ist. So etwas habe ich überhaupt noch 
bei keinem Anopheles gesehen und würde darauf hin An. indiensis 
Theob. für eiue auf anatomische Unterschiede begründete Art 
halten. Auch die anderen Unterarten Theobald’s können wohl nicht 
bei sinensis stehen bleiben, während barbirostris und sinensis sich 
in dieser Beziehung sehr nahe stehen, vorausgesetzt, dass die Ausmün¬ 
dungsstelle der Hülfsrippe bei derselben Art nicht etwa grossen Schwan¬ 
kungen unterworfen ist, eine Frage, die bisher noch nicht aufgeworfen 
wurde. Um hier vergleichbares Zahlenmaterial zu bekommen, kann man 
die Entfernung dieser Stelle von der Flügelspitze in Procenten der ganzen 
Flügellänge ausdrücken. Als Flügellänge galt mir die Entfernung der 
Flügelspitze bis zu dem umgebogenen Theil des Hiuterrandes nahe der 
Wurzel, wo der Wimperbesatz aufhört. Die Wimpern wurden nicht mit 
gemessen. Thatsächlich ist die Flügelwurzel etwas länger, aber da 
diese Messungen am besten unter dem Mikroskope vorgenommen werden, 
wird man gut thun, den betreffenden Flügel abzubrechen, und dabei geht 
leicht ein Stückchen Wurzel verloren, und das würde zu ungleichen 
Messungen führen. 

Aus Zweckmässigkeitsgründen mass ich die Entfernungen nicht direct. 


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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles. 


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sondern in ihrer Projection auf einer Geraden, welche längs des Vorder¬ 
randes gedacht wurde, denn in dieser Linie liegt ja auch das Ende der 
Hülfsader, welches zahlenmässig festgelegt werden sollte. Die Messung 
lässt sich mit Hülfe eines Ocularmikrometers unter dem Mikroskop schnell 
und sicher ausführen. Als Beispiele mögen folgende Zahlen dienen, welche 
also die Entfernung des Endes der Hülfsrippe von der Flügelspitze in 
Prooenten der gesammten Länge des Flügels ausdrücken. 

An. Eochi: 44*4—43*5—42*9—42*2—40.0 Procent. 

Durchschnitt 42*6 Procent; bei 1 o* 40*6 Procent. 

An. maculatus Th.: 43*5—42*6—42*4—42*0—41*8—41*4 Procent. 

Durchschnitt 42*3; bei 1 d* 39*1 Procent. 

An. plumiger: 36*0—37*0—37*5—38*9—39-7 Procent. 

Durchschnitt 37*8 Procent; bei lo* 34.1. 

Bei plumiger also mündet die Hülfsrippe viel näher der Flügelspitze 
aus, als bei den anderen beiden Arten. 

In derselben Weise lässt sich auch der in der Projection gemessene 
Abstand des Endes der 5. Hippe von der Elügelspitze in Prooenten 
der Flügellänge ausdrücken. So ergaben 5 An. plumiger folgende 
Zahlen: 

34.2—35-3—35*4—35*5—35*7 Procent; im Durchschnitt 35*2. 

5 An. vagus gaben: 

34*5—34*7—35*2—35*7—36*8 Procent; im Durchschnitt 35-4. 

Bei dieser Art hat die Ausmüudung der Hülfsader die Zahl 42.3. 

Man sieht also, dass die wirklich beobachteten Zahlen sich nur wenig 
von den Durchschnittszahlen entfernen; das heisst mit anderen Worten: 
Die Endpunkte der Hülfsrippe und der 5. Rippe haben bei jeder 
Art eine so feste Lage, dass man sie als Ausgangs- und Stützpunkte be¬ 
nutzen kann, wenn man Längenverhältnisse im Flügelgeäder für die Be¬ 
stimmung der Arten benutzen will. Die Zahlen selber kann man füglich 
als Indices bezeichnen. 

Sofern der Vorderrand des Flügels auch nur die Spur einer hellen 
Zeichnung trägt, liegt das Ende der Hülfsader sicher in einem 
hellen Fleckchen, und es folgen dann immer bis zur äussersteu Flügel¬ 
spitze zwei durch einen hellen Streifen getrennte dunkle Flecke. Wenn 
daher in der Textfigur, welche Theobald von An. Rossi giebt, diese 
Rippe schon vor dem drittletzten dunklen Vorderrandfleck endet, so ist 
das so auffallend; dass die Sache noch einmal untersucht zu werden ver¬ 
dient. Bei einer nahestehenden Art, welche ich An. vagus genannt habe, 
kommt eine derartige Abweichung von der Regel nicht vor. Auffallend 

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W. Dönitz: 


ist auch, dass in Theobald’s Abbildungen von An. punctipennis Say 
zwischen Ende der Hülfsrippe und der Flügelspitze nur ein einziger dunkler 
Fleck steht. Die Thatsache will ich nicht anzweifeln, sie verdient aber 
besonders hervorgehoben zu werden. 

Da also die Yorderrandzeichnung der Flügel an gewisse 
Normen gebunden ist, so giebt sie gute Anhaltspunkte ab, um 
die Anophelesarten in Gruppen zusammenzufassen. Bei unseren 
europäischen An. maculipennis ist der Vorderrand überhaupt nicht 
ausgezeichnet. Dagegen ist er bei einer kleinen Gruppe ganz dunkel oder 
doch nur durch unbedeutende helle Eintritte unterbrochen, welche, wie 
wir gesehen haben, ungefähr bei zwei Drittel der Flügellänge und kurz 
vor der Spitze liegen; und wenn bei ihnen noch eine Aufhellung näher an 
der Wurzel hinzu tritt, so erreicht diese nicht den Vorderrand, sondern steht 
auf der 1. Rippe. Bei den hierher gehörigen Arten macht der ganze 
Flügel einen düsteren Eindruck. Es sind die von Theobald als barbi- 
rostris v. d. Wulp und als sinensis Wiedem. aufgeführten Arten; 
An. plumiger Dö.; An. pictus Loew; An. pseudopictus Grassi; 
An. paludis Theob.; Mauritianus de Grandprö; tenebrosus Dö. 
und wohl noch einige andere mir aus eigener Anschauung nicht bekannte 
Arten. 

Eine dritte Abtheilung bilden diejenigen Arten, deren Vorderrand 
vier deutlich getrennte grosse dunkle Flecke aufweist, die ich die 
typischen Vorderrandflecke nenne. Nahe der Wurzel finden sich meist 
noch einige kleine, kaum in die Augen fallende dunkle Stippchen. Hier 
kann man gleich eine kleine Gruppe aussondern, welche ihr Verbreitungs¬ 
centrum in Australien zu haben scheint und sich dadurch auszeichnet, 
dass die Rippen mit zahlreichen, ziemlich gleich grossen hellen und 
dunklen Fleckchen übersät siud. Es giebt das dem Flügel ein auffallend 
gesprenkeltes Aussehen. Tim diese Gruppe mit Sicherheit zu erkennen, 
kann man sich von der 6. Rippe leiten lassen, welche fünf oder mehr 
dunkle Fleckchen führt, (selten sind es nur vier), während es bei allen 
anderen Arten höchstens drei sind. Es gehören hierher An. musivus und 
Mastersi Skuse, sowie punctulatus, leucosphyrus und deceptor Dö. 

Weitere Gruppirungen lassen sich auf Grund der Zahl, der Vertheilung 
und der gegenseitigen Lage der kleineren, über die Flügelspreite ver¬ 
theilten dunklen Flecke vornehmen. Einige dieser Flecke haben eine 
ganz bestimmte Lage; so z. B. am Ende der Längsrippen, doch meist 
den äussersten Saum nicht berührend, indem sich noch einige helle 
Schüppchen dazwischenzuschieben pflegen. Man kann sie als Rand¬ 
punkte oder Flecke, oder, wenn man schärfer im Ausdruck sein will, als 
Submarginalflecke bezeichnen. Der Randfleck auf Rippe 2, oft auch 


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Beitbäge zur Ivenntniss der Anopheles. 


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derjenige des oberen Astes der oberen Gabel, pflegt etwas vom Saume 
abzurücken, länger und dunkler zu werden und mit dem vierten Vorder¬ 
randflecke zu verschmelzen oder ihn zu verbreitern. Die Randflecke sind 
bei allen mir bekannten Arten vollzählig vorhanden, mit Ausnahme einer 
Art, die ich aus Aegypten erhielt, bei der einige dieser Randflecke an der 
Flügelspitze fehlen, weshalb sie An. impunctus genannt wurde. 

Wichtig für die Systematik sind die Flecke auf der sechsten Rippe. 
Die meisten Arten haben hier 3 Flecke; einen nahe der Wurzel, einen 
in der Mitte, und den Randfleck. Unter ihnen lassen sich einige Arten 
absondern, bei welchen der Wurzelfleck auf der 5. Rippe weiter gegen 
die Flügelspitze gerückt ist, als der Wurzelfleck der 6. Rippe. Das 
ist der Fall bei An. pharoensis Theob. und squamosus Theob., die 
beide afrikanisch sind. Bei asiatischen Arten habe ich diese Eigen- 
thümlichkeit nicht gefunden. Theobald thut dieses Verhaltens keine Er¬ 
wähnung. 

In wenigen Fällen fehlt auf der 6. Rippe der Wurzelfleck; so 
bei An. vagus Dö.; An. Rossi Giles und bei den zu der stark ver¬ 
dunkelten Gruppe gehörigen Arten, wie tenebrosus und plumiger. Bei 
einer centralafrikanischen Art, die ich An. hebes genannt habe, fehlt 
Wurzel- und Randfleck, oder aber es ist der Randfleck zurückgetreten und 
mit dem Mittelfleck verschmolzen, der allerdings auch länger gestreckt 
erscheint als gewöhnlich. 

Von einiger Wichtigkeit für die Systematik ist auch der Wimper¬ 
saum der Flügel, da er bei manchen Arten constant einfarbig, bei anderen 
gescheckt erscheint; bei einigen Arten indessen finden sich schwankende 
Verhältnisse, worüber Näheres bei Besprechung von Anopheles plumiger 
angeführt werden soll. Der Wimpersaum setzt sich aus drei Reihen 
Schuppen verschiedener Grösse zusammen, von denen die kleinsten, welche 
dem Rande sehr schräg aufsitzen, von Theobald Randschuppen ge¬ 
nannt wurden. Die. anderen beiden Reihen stehen senkrecht auf dem 
Rande; sie sind es, welche bei verschiedener Färbung dem Saume ge¬ 
schecktes Aussehen geben. Dabei fällt es auf, dass die hellen Schuppen 
uur an denjenigen Stellen des Randes zu sitzen pflegen, wo Längsrippen 
ausmünden; doch macht die Flügelspitze eine Ausnahme, indem der helle 
Wimperbesatz dort manchmal über mehrere Rippenendungen ohne Unter¬ 
brechung hinwegzieht. 

Der Form und Structur der Schuppen hat neuerdings Theobald 
seine Aufmerksamkeit geschenkt und sie systematisch verwerthet, doch 
sind die Darstellungen nicht einwandfrei. So sollen die Photogramme 
von Flügelstellen von An. sinensis und barbirostris auf Tafel A zeigen, 
dass man beide Formen an der Schuppenbildung unterscheiden könne, 


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W. Dönitz: 


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indem die Schuppen von barbirostris breiter sind. Leider sind aber 
nicht identische Flügelstellen genommen worden, und deshalb beweisen 
die Photographieen gar nichts, denn an verschiedenen Stellen des Flügels 
sind die Schuppen immer verschieden; an der Wurzel sind sie im all¬ 
gemeinen kürzer, breiter und abgestutzt, in der Gegend der centralen 
Querrippen kräftig, aber nicht gestutzt u. s. w. Zudem ist man der 
Täuschung ausgesetzt, dass in Balsampräparaten die hellen Schuppen viel 
schmäler erscheinen als sie wirklich sind. Der Gegenstand verlangt eine 
eingehendere Untersuchung. Bei der Beschreibung einiger Arten werde 
ich auf diese Frage zurückkommen. 

Die auf den Flügeln vorhandenen dunklen Flecke haben bedeutenden 
diagnostischen Werth und müssen deshalb in den Beschreibungen einzeln 
aufgeführt werden, und es genügt nicht, wie das auch schon geschehen 
ist, dass man die blosse Anzahl der Flecke angiebt. Selbstverständlich 
hat man dabei mit einer gewissen Variabilität zu rechnen; die Grösse der 
Flecke wechselt innerhalb gewisser Grenzen, oder es sind den dunklen 
Schuppen so viel helle beigemischt, dass der Fleck als solcher kaum mehr 
hervortritt oder ganz unterdrückt wird; doch geht meinen Erfahrungen 
nach die Variation nicht so weit, wie Theobald es z. B. für An. fuli- 
ginosus annimmt, von dem er eine Var. pallida beschreibt und ab¬ 
bildet (Mon. Cul. I, S. 133), welche meines Erachtens unmöglich zu fuli- 
ginosus gestellt werden kann. Angenommen, die bei An. fuliginosus 
vorhandenen sehr lang gestreckten Flecke könnten einmal auf ein so be¬ 
scheidenes Maass zusammenschrumpfen wie bei der vermeintlichen Varietät, 
so bleiben doch sehr bedenkliche Unterschiede bestehen. So widerspricht 
es aller Erfahrung, dass die dunkle Form an einer Stelle gar keine dunkeln 
Flecke zeigt, wo die helle Form solche besitzt. Theobald aber bildet 
die sechste Rippe bei An. funestus ohne Flecke ab, und giebt ihr bei 
seiner Varietät deren drei. Ich muss mich hier auf die Abbildung 
beziehen, da im Texte die sechste Rippe ganz übergangen ist. Ferner ist 
der typische dritte Vorderrandfleck bei der hellen Form länger als bei 
An. fuliginosus. Wenn es sich um eine Varietät handelte, würde es 
umgekehrt sein. Diese wenigen Ausstellungen werden schon genügen, um 
zu zeigen, dass es sich hier nicht, wie Theobald sagt, um leichte Ab¬ 
weichungen handelt, sondern um specifische Differenzen. Ich habe 
aber die Sache nur deshalb zur Sprache gebracht, um darauf hinzuwirken, 
dass für die Beschreibung und Beurtheilung der thierischen Formen, selbst 
bei den unscheinbaren Mücken, endlich einmal festere Grundsätze ein¬ 
geführt werden müssen. 

Bei den übrigen Körperanhängen, den Palpen, dem Rüssel und den 
Beinen, haben die früheren Autoren die Beschuppuug und die Zeichnung 


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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles. 


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im Allgemeinen ausreichend beschrieben, wenn ihre Stücke sich in brauch¬ 
barem Zustande befanden; besonders galt die Ringelung der Tarsen 
oder anderer Beinabschnitte für ein wichtiges diagnostisches Merkmal. 
Ich will deshalb nur noch hinzufügen, dass auch hier, wie bei der Zeichnung 
der Flügel, gewisse individuelle und auch locale Abweichungen von der 
Norm Vorkommen. Das ist nach den Erfahrungen, die man auch auf 
anderen Gebieten der Entomologie gemacht hat, nicht anders zu erwarten, 
and gerade der indo-malayische Archipel, aus dem ein grosser Theil 
meines Materiales stammt, ist in dieser Beziehung sehr lehrreich gewesen. 
Bei vielen Arten, besonders unter den Tagfaltern, findet man dort auf 
jeder grösseren Insel oder auf Inselgruppen feine, aber so constante 
Unterschiede in der Zeichnung, dass der Lepidopterologe die Herkunft 
der ihm vorgelegten Stücke mit grosser Sicherheit anzugeben vermag. 

Auch bei dem Genus Anopheles habe ich Andeutungen von solchen 
Abänderungen gefunden, z. B. bei An. vagus, bei dessen Besprechung 
ich die betreffenden Angaben bringen werde. Tiefer in den Gegenstand 
einzudringen wird erst möglich sein, wenn wir in den Besitz trocken 
aufbewahrter, unverletzter Stücke gekommen sein werden, oder wenn die 
Arten an Ort und Stelle frisch von Sachverständigen beschrieben werden. 
Von der Form des Thorax, die auch mancherlei Unterschiede bei den 
verschiedenen Arten aufweist, kann man sich eine gute Anschauung ver¬ 
schaffen, wenn man die Stücke aus dem Spiritus nimmt und ein wenig 
antrocknen lässt Wenn die Stücke erst ganz trocken sind, ist der Thorax 
gewöhnlich geschrumpft und verzogen. Zur Orientirung an der Rücken¬ 
fläche desselben ist es gut, die Sutura transversalis zu kennen, welche 
vom Seitenrande kurz vor dem Flügelansatz ausgeht und schräg gegen 
die Mittellinie hin verläuft, aber vorher schon versiegt. Vor dieser Naht 
liegt häufig ein dunkler Fleck, der charakteristisch für die Species 
sein kann. 

Der Hinterleib der Anopheles ist nur selten in der Weise aus¬ 
gezeichnet, dass er Merkmale zur Erkennung der Art liefert. Ziemlich 
häufig kommen auf den Bauchplatten weisse Flecke vor, die in der 
Membran selber liegen, und zwar in ihrer vorderen Hälfte je ein Paar. 
Sie sind meist dreieckig, die eine Spitze nach hinten gerichtet und manch¬ 
mal lang ausgezogen. Auch die Mittellinie hebt sich öfter weiss von den 
dunklen Theilen der Membran ab. Diese weissen Stellen sind nun durch¬ 
aus nicht immer weiss beschuppt, denn bei Stücken, die nicht in Alkohol 
gelegen haben und ihr ganzes Schuppenkleid besitzen, fand ich gelegent¬ 
lich die Membran zwar behaart, aber frei von Schuppen, und zwischen 
der Behaarung weiss hindurchschimmernd. Bei An. pharoönsis aller¬ 
dings sind weisse Schuppenflecke auf den Bauchplatten vorhanden. 


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W. Dönitz: 


Die letzten Hinterleibsringe führen wohl ziemlich allgemein Schuppen 
zwischen der Behaarung, am dichtesten auf dem letzten oder vorletzten 
Segment und auf den Copulationsorganen. Gewöhnlich sind diese Schuppen 
goldig oder bräunlich gelb, aber meist mit schwarzen gemischt: Bei der¬ 
selben Art kann gelegentlich die eine oder die andere Farbe überwiegen. 

Eine besondere Auszeichnung findet sich in der Plumiger-Gruppe, 
wo sich am vorletzten Ringe auf der Bauchseite ein gescheitelter Busch 
fester haftender Schuppen befindet. Aber auch in der Abtheilung mit 
vier getrennten Vorderrandflecken treten solche Schmuckflecke auf, z. B. 
bei Anopheles Kochi, wo sechs solcher Büschel am Bauche stehen; 
und bei den afrikanischen Arten pharoönsis und squamosus, wo die 
Rückenplatten mit aufwärts gekrümmten Schuppen büschelartig besetzt sind. 

Sonst sind mir auffällige Auszeichnungen am Hinterleibe nicht be¬ 
kannt geworden. 

Von secundären Geschlechtsunterschieden bei den Männchen 
ist zu erwähnen, 

1. dass die beiden Endglieder der Palpen immer kolbig verdickt sind; 

2. dass die Gabeln der 2. und 4. Rippe sehr viel kürzer, ihre Stiele 
demgemäss sehr viel länger sind als beim Weib, wie das der auf Taf. II, 
Fig. 16 abgebildete Flügel von An. gracilis zeigt; 

3. dass die Krallen der Vorderbeine anders gebildet sind. 

Beim Weib hat jedes Bein zwei einfache Krallen; beim Mann findet 
sich an den Vorderbeinen nur eine Kralle, und diese trägt in ihrer Con- 
cavität einen Nebenzahn, wie es Taf. II, Fig. 29 von An. vagus zeigt. 
An ihrer breiten Wurzel befindet sich aber noch ein zweiter Zahn, der 
seitlich etwas absteht, wie es Fig. 30 zeigt, welche die Tarsenspitze von 
unten gesehen darstellt. Ob dieser eigenthümlich gestellte basale Neben¬ 
zahn ein Homologon der verloren gegangenen zweiten Kralle darstellt, 
vermag ich nicht anzugeben. Ob dieser Nebenzahn bei allen Arten vor¬ 
kommt, ist mir aus eigener Anschauung nicht bekannt. 

Dass die Copulationsorgane der Männchen sehr einfach und über¬ 
einstimmend gebaut sind, habe ich oben schon erwähnt. Wir entbehren 
deshalb an ihnen eines wesentlichen Hülfsmittels zur Unterscheidung der 
Arten, das bei anderen Dipteren schon sehr gute Dienste geleistet hat. 
Nur An. plumiger und Listoni sind in dieser Beziehung ausgezeichnet. 

Auch die stark buschig bewimperten Fühler der Männchen liefern 
keine Anhaltspunkte für die Unterscheidung von Arten. 


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Beiträge zue Kenntniss der Anopheles. 


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Za den nun folgenden Beschreibungen neuer Arten aus dem 
tropischen Asien und Neu-Guinea, sowie aus Afrika habe ich noch folgende 
Erläuterungen zu geben. Die Palpen habe ich als viergliedrig an¬ 
genommen. Es befindet sich allerdings an ihrer Wurzel noch eine Ein¬ 
schnürung, welche einen fünften Abschnitt abtrennt; doch da er sich 
durch nichts von dem folgenden Abschnitt unterscheidet und oft schwer 
abzugrenzen ist, so kann man ihn unbeschadet zu dem folgenden Ab¬ 
schnitt hinzurechnen. Die einzelnen Abschnitte der Palpen sind zwar 
nicht durch wirkliche Gelenkbildungen, sondern nur durch verdünnte 
Stellen der Chitinmembran und leichte Einschnürungen abgesetzt, aber 
die Grenze ist oft so scharf, dass man sich daran gewöhnt hat, diese 
Einschnitte als Gelenke zu bezeichnen. Ich folge diesem Brauche, da 
er zu Irrthümem nicht Veranlassung giebt, aber für die Beschreibung sehr 
bequem ist Wo die Längsmaasse für die einzelnen Palpenglieder ge¬ 
geben werden, wurde das erste Glied vom Ende des Clypeus an ge¬ 
messen, weil dieser Punkt sich immer genau bestimmen lässt, während 
die eigentliche Wurzel der Palpen selbst an Präparaten in Balsam nicht 
immer für eine Messung scharf genug hervortritt Das erste Glied fällt 
aber dadurch überall um eine Kleinigkeit zu kurz aus. 

An den Beinen wird öfter das erste der .fünf Tarsenglieder als 
Metatarsus bezeichnet. In den folgenden Beschreibungen ist der Tarsus 
als fünfgliederig angenommen worden, weil kein Grund vorliegt, das erste 
Glied durch einen besonderen Namen auszuzeichnen. Doch ist es eine 
gleichgültige Sache, ob man es Metatarsus nennt oder nicht. 

Wenn ein Gelenk geringelt genannt wird, so bedeutet dies, dass die 
beiden das Gelenk bildenden Glieder, das obere und das untere, an dieser 
Stelle hell beschuppt sind. 

In der Beschreibung der Flügelzeichnung lege ich allgemein die Auf¬ 
fassung zu Grunde, dass die Kippen hell beschuppt sind, und dass die 
dunklen Flecke ihnen aufgesetzt sind. Es muss das erwähnt werden, 
weil andere Autoren, besonders bei der Beschreibung des Vorderrandes, 
von einer dunklen Beschuppung ausgehen und von hellen Flecken sprechen, 
die darauf sitzen. In der Lagebezeichnung der Flecke u. s. w. geht man 
von der Wurzel nach der Spitze des Flügels hin; wenn also gesagt wird, 
dass ein Fleck vor einem anderen liegt, so steht er eben der Wurzel 
näher als der andere. 


Wenn ich nun kurz zusammenfasse, was ich über die Brauchbarkeit 
einzelner Merkmale für die Systematik gesagt habe, so läuft es darauf 
hinaus, dass die Flügel die besten Anhaltspunkte liefern. Leider sind 


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42 


W. Dönitz: 


die Structurverhältnisse noch nicht genügend durchgearbeitet, um schon 
jetzt Verwerthung zu finden, doch dürfte die Feststellung der Indices, wie 
ich sie genannt habe, manche Aufklärung bringen. Zunächst müssen wir 
uns noch hauptsächlich an die Zeichnung halten, welche allerdings fast 
ausschliesslich durch die Farbe der Schuppen und Haare bedingt wird. 
Aber die Zeichnung der Palpen und Beine, ihre Ringelung, Tüpfelung u. s. w., 
auf welche die Autoren so grossen Werth legen, beruht auch auf der 
Färbung der Schuppen, und die Zeichnung der Flügel hat eine grössere 
Mannigfaltigkeit voraus. Ausserdem hat sich ergeben, dass innerhalb 
sehr nahe verwandter Arten, wie ich sie z. ß. in der Plumiger-Gruppe 
zusammengestellt habe, die Zeichnung der Beine so verschieden sein kann, 
dass die nächsten Verwandten durch das System getrennt, und dagegen 
ganz unmögliche Verwandtschaften geschaffen werden. Damit ist dem 
jetzt beliebten System das Urtheil gesprochen. In Betreff der Zeichnung 
des Thorax und Hinterleibes herrscht noch so viel Unsicherheit, dass wir 
sie für die Systematik noch nicht recht verwerthen können. Ich habe 
deshalb den Versuch gemacht, eine Eintheilung aufzustellen, bei welcher 
in erster Linie die Flügelzeichnung berücksichtigt ist. 

Systematische Uebersicht. 

A. Arten mit dunklem Vorderrand, der erst jenseit der Mitte 
durch ein oder zwei helle Einschnitte durchbrochen ist. Wenn in der 
Wurzelhälfte noch ein heller Fleck auftritt, so steht dieser auf der ersten 
Rippe, erreicht die Costa aber nicht Hierher gehören die im Folgenden 
näher beschriebenen An. plumiger Dö. und tenebrosus Dö., sowie die 
noch nicht mit Sicherheit identificirten Arten: sinensis Wiedemann, 
barbirostris v. d. Wulp und pictus Loew. Dazu kommen die in neuerer 
Zeit beschriebenen: pseudopictus Grassi, paludis Theobald, mauri- 
tianus Daruty et d’Emmerez, und vielleicht noch einige andere Arten, 
die mir nicht aus eigener Anschauung bekannt sind. Diese Arten haben 
noch das Gemeinsame, dass auf der 6. Rippe der Wurzelfleck fehlt oder 
nur schwach angedeutet ist. An. plumiger und tenebrosus, wahr¬ 
scheinlich auch pseudopictus zeichnen sich auch durch ein schwarzes, 
gescheiteltes Schuppenbüschel an der Bauchseite des vorletzten Hinterleib¬ 
ringes aus. Ob paludis und mauritianus auch ein solches besitzen, 
wird von den Autoren nicht angegeben. Sollte es vorhanden sein, so 
würde es einen sehr werthvollen Gruppeucharakter bilden. 

Die hierher gehörigen Arten lassen sich zum Theil an den Hinter¬ 
tarsen unterscheiden: bei An. plumiger sind die Endglieder dunkel, bei 
paludis sind die drei letzten Glieder weiss; bei mauritianus und tene- 


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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles. 


43 


brosus sind nur zwei Glieder weiss. Mauritianus hat zwei deutlich 
ausgeprägte helle Vorderrandflecke; bei tenebrosus ist der erste mikro¬ 
skopisch klein, und die helle Beschuppung der 8., 4. und 5. Rippe dehnt 
sich viel weiter aus. 

Ich bezeichne diese Gruppe als die Plumiger-Gruppe. 

B. Am Vorderrande der Flügel stehen vier als typisch be- 
zeichnete grössere dunkle Flecke, deren Länge und Breite je nach 
den Arten sich ändert. In dem hellen Wurzeltheil zeigen sich gewöhnlich 
ein bis zwei kleinere Flecke, und zwischen die beiden ersten typischen 
Flecke schiebt sich häufig auch noch ein dunkles Pünktchen ein, welches 
mit dem zweiten Fleck verschmelzen kann, wodurch dieser dann an Aus¬ 
dehnung gewinnt. 

1. getüpfelte Arten, mit mehr als drei Flecken auf der 
6. Rippe. Auf allen Rippen stehen zahlreiche kleine schwarze Tüpfel, 
auf Rippe 6 jedenfalls mehr als drei, und auf Rippe 3 ungefähr sechs bis 
acht. Hierher gehören die von mir benannten Arten: An. punctulatus, 
deceptor und leucosphyrus, und die von Skuse beschriebenen An. 
musivus und Mastersi, sowie vielleicht der von Walker ganz unkennt¬ 
lich beschriebene An. annulipes. Bei allen gabelt sich die 2. Rippe 
merklich früher als die vierte. 

Man kann sie alle unter dem Namen der australischen Gruppe 
zusammenfassen. 

Von den hier beschriebenen Arten zeichnet sich An. leucosphyrus 
durch das breit weisse Tibiotarsalgelenk und die starke Verdunkelung der 
Flügelmembran aus. Mit An. punctulatus hat leucosphyrus eine 
auffällige Einbuchtung des oberen Astes der 5. Rippe gemein, während 
bei deceptor diese Rippe in gewöhnlicher Weise verläuft. 

2. Arten mit drei oder weniger dunklen Flecken auf der 
6. Rippe. 

a) mit drei Flecken. 

Unter den Arten mit drei Flecken zeichnen sich einige wenige 
dadurch aus, dass der Wurzelfleck der 5. Rippe weiter gegen die 
Flügelspitze vorgerückt ist als derjenige auf der 6. Rippe. Es sind 
An. pharoßnsis Theob. und squamosus Theob., die sich leicht durch 
die Zeichnung der 8. Rippe unterscheiden, indem diese in ihrem 
mittleren Verlaufe bei pharoöusis ganz hell ist, bei squamosus dort 
einen dunklen Fleck trägt, gerade unter der Theilungsstelle der zweiten 
Rippe. Ausserdem ist bei letzter Art das Endglied der Hintertarseu 
dunkel, bei pharoönsis weiss. Beide Arten haben auffällige aufgerichtete 
Schuppenbüschel auf den Rückenplatten. 


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W. Dönitz: 


Weiter lässt sich leicht eine Art ab trennen, welche die kleinen 
Randpnnkte nicht vollzählig besitzt und auch auf dem Flügel wenig 
Zeichnung hat. Sie wurde deshalb An. impunctus genannt. Sie fallt 
noch dadurch auf, dass die hellen Zwischenräume zwischen den vier 
typischen Vorderrand flecken viel länger sind als diese. Darin ähnelt ihr 
An. Kochi, der sich aber von sämmtlichen bekannten Arten durch sechs 
schwarze Schuppenbüschel auf den Bauchplatten auszeichnet. 

An. aconitus Dö. ist leicht daran zu erkennen, dass die 3. Rippe 
keinen anderen Fleck trägt als den Randpunkt. Es fallen also die Flecke 
in der Nähe der centralen Queradern aus. Eine augenscheinlich sehr 
nahestehende Art, An. Christophersi Theob., hat diesen Fleck, und ist 
noch dadurch verschieden, dass der Wimpersaum auf der 6. Rippe 
nicht hell ist, und dass der obere Ast der oberen Gabel in der Mitte 
keinen hellen Fleck trägt. Gemeinsam ist beiden Arten, dass die obere 
Gabel sehr viel früher entsteht als die untere, und dass die Beine gleich* 
mässig dunkel beschuppt, nirgends hell geringelt sind. In diesen Punkten 
stimmen noch überein An. minimus Theob. und culicifacies Giles: 
sie unterscheiden sich aber dadurch, dass die Wurzel des Flügels bei 
beiden am Vorderrand bis auf die 1. Rippe hinüber dunkel ist. 

Eine weitere Gruppe bilden die Arten mit drei schwarzen Punkten 
auf der ersten Rippe unter dem zweiten Vorderrandflecke; es 
sind: An. maculatus Theob.; metaboles Theob., pulcherrimus Theob. 
Sie unterscheiden sich an der Farbe der Glieder der Hintertarsen: hei 
An. metaboles ist das Endglied dunkel, bei maculatus weiss, und bei 
pulcherrimus siud die letzten drei Glieder weiss. — Eine vierte Art, 
An. Jamesi Theob., deren Flügelzeichnung derjenigen von maculatus 
und pulcherrimus zum Verwechseln ähnlich ist, gehört wohl nicht 
hierher, weil sie auf der von Theobald gegebenen Abbildung nur zwei 
dunkle Flecke auf der 6. Rippe führt Möglicher Weise muss auch An. 
Theqbaldi Giles hierher gerechnet werden, mit zwei weissen Endgliedern 
des Hintertarsus; aber Giles und Theobald beschreiben die Art so 
flüchtig, dass sie systematisch noch nicht untergebracht werden kann. 
Die Gruppe kann die Maculatus-Gruppe genannt werden. 

Hier lässt sich eine kleine Gruppe kleiner Arten durch die Ver¬ 
mittelung von An. leucopus Dö. anschliessen, welcher auch drei Flecke 
auf der 1. Rippe unter dem 2. Vorderrandfleck aufweist; aber der mittlere 
dieser drei Flecke ist ein langer Strich, und nur der 1. und 3. sind 
Punkte. Ausserdem handelt es sich um eine im Gegensätze zur 
Maculatusgruppe sehr dunkle Art, an welche sich der sehr ähnliche 
An. fuliginosus Giles anschliesst. Eine besondere Eigenthümlichkeit 
der Flügelzeichnung liegt darin, dass die 1. Rippe schwarz unter dem 


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Beitbäge zub Kenntniss dek Anopheles. 


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hellen Vorderrandfleck am Ende der Hülfsrippe hinwegzieht, während 
sonst diese Stelle immer auch auf der 1. Rippe hell ist. 

Zwei afrikanische Arten, welche in der Flügelzeichnung einander sehr 
ähnlich sehen, zeigen die Eigenthümlichkeit, dass auf der 1. Rippe die 
Verbreiterung des 2. und 3. Vorderrandfleckes in der Weise 
erfolgt, dass unter dem Anfang der Flecke ein dunkler Punkt, und 
weiterhin, nach einer kurzen Aufhellung, ein längerer dunkler Strich 
steht. Es sind die hier beschriebenen An. gracilis Dö. und merus Dö., 
denen sich diejenige Art anschliesst, die Theobald als den Löw’schen 
costalis beschreibt, die aber wegen ihrer geringelten Tarsen nicht dazu 
passt. 

Es schliesst sich hier An. cinereus Theobald an, so weit man aus 
dem Bilde (Taf. II, Fig. 7) ersehen kann; doch ist bei ihm nur der 
2. Vorderrandfleck auf der 1. Rippe von einem Punkt und einem Streifen 
unterstrichen; der dritte wird durch einen einzigen, zusammenhängenden 
Strich verbreitert. Diese Art könnte mit dem Löw’schen An. costalis 
synonym sein. 

b) Arten mit weniger als drei Flecken auf der 6. Rippe. Zwei Flecke 
besitzen An. Rossi Theob., vagus Dö. und Bigoti Theob. Die ersten 
beiden haben gemeinschaftlich die eigenthümliche T-Form des 2. Vorder¬ 
randfleckes; bei Bigoti ist er seiner ganzen Länge nach schwarz unter¬ 
strichen. Diese Art soll keinen Wurzelfleck auf der 5. Rippe haben, 
was jedenfalls sehr auffällig erscheint. Wegen der Unterschiede der sehr 
ähnlichen An. Rossi und vagus muss auf die Beschreibung verwiesen 
werden. 

Einen Fleck hat An. hebes. Der Wurzelfleck ist ausgefallen, und 
der Randpunkt scheint mit dem Mittelfleck verschmolzen zu sein. Ver¬ 
wandt damit scheint An. superpictus Grassi zu seiu, nach Ausweis der 
vom Autor selber veröffentlichten Abbildung in „Die Malaria“, 1901, 
Taf. II, Fig. 4. Davon weicht die Figur auf Taf. III, Fig. 11 in Theo¬ 
balds Monographie ab, denn sie zeigt z. B. zwei Flecke auf der 6. Rippe 
und den ganzen Stiel der 4. Rippe sowie die ganze 3. Rippe schwarz. 
Theobald kann seine Abbildung nur nach einem central-afrika¬ 
nischen Stück haben anfertigen lassen, da er von dem echten italieni¬ 
schen An. superpictus nur Kopf, Flügel und Beine besass, die er von 
Grassi erhalten hatte. Wie die Abbildungen ergeben, ist Theobald’s Art 
also verschieden von An. superpictus Grassi, von dem auch noch keine 
brauchbare Beschreibung vorhanden ist. 

In dieser Uebersicht sind nur die bekannten asiatischen und 
afrikanischen Arten berücksichtigt worden, doch wird sie von Jeder¬ 
mann, dem die australischen und amerikanischen Arten zur Ver- 


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46 


W. Döxitz: 


fugung stehen, leicht vervollständigt werden können. Da es mir an 
Material aus den Mittelmeerländern fehlte, so habe ich mich in dieser 
Beziehung auf die allernothwendigsten Bemerkungen beschrankt. Einige 
andere Arten mussten ausgelassen werden, weil in den betreffenden Be¬ 
schreibungen gerade diejenigen Merkmale, auf welche sich meine Ein- 
theilung gründet, nicht angegeben werden, wie z. B. bei An. gigas Giles 
und Kumasii Chalmers, was ich aufrichtig bedaure. Dass andere Arten 
wegen ungenügender Beschreibung für die heutige Systematik überhaupt 
nicht in Betracht kommen, wurde schon des Oefteren bemerkt. Dahin 
rechnen An. sinensis Wiedem.— vanus Walker — annularis v. d. 
Wulp — pictus Loew — costalis Loew — subpictus Grassi — 
minutus Macq. — annulipes Walker. — Auch die Frage, was An. 
barbirostris v. d. Wulp sei, ist noch nicht erledigt. 


Anopheles plumiger Dö. 

Insectenbörse. Jan. 1901. 

(Taf. I, Fig. 11. — Taf. II, Figg. 19, 22 u. 27.) 

Diagnose: Ein gescheitelter Busch schwarzer Schuppen am Bauche 
auf dem vorletzten Segment. 

Vorderrand des Flügels breit dunkel, an der Mündung der Hülfsrippe 
und kurz vor der Spitze schmal hell durchschnitten. 

Rippe 4 gabelt sich ein wenig früher als Rippe 2. 

Das Ende der Hülfsrippe liegt ziemlich genau auf gleicher Höhe mit 
dem Ende der 5. Rippe. 

Wimpersaum dunkel, meist stellenweise hell durchschnitten, doch sehr 
veränderlich. 

Zeichnung der Flügelspitze veränderlich. 

Nur zwei Flecke auf Rippe 6. 

Beim zwei kräftige, dornartige Fortsätze am freien Rande des letzten 
Hinterleibsringes, dem Hypopygium entgegengerichtet. 

Beschreibung nach Stücken aus Hongkong, die Herr Dr. Vivian 
Ladds gesammelt hat. 

$ Kopf hinten olivbräunlich beschuppt, mit einem weissen Längsstreifen, 
der in den weissen Scheitelschopf übergeht. 

Palpen um eine Kleinigkeit kürzer als der Rüssel; dunkel beschuppt 
und behaart, mit weisser Spitze. Die beiden ersten Gelenke sind an der 
Oberseite weiss; desgleichen die Spitze des 3. Gliedes. Das Endglied ist 
überwiegend weiss, mit dunklem Ring um die Wurzel. Längs der Oberseite 
des 2. Gliedes einige weisse Schuppen. Die Palpenmembran selber ist 
dunkelbraun, auch an den hell beschuppten Stellen. Rüssel schwarzbraun 
beschuppt, Endlappen etwas heller. Fühler braungrau, hellgrau bewimpert. 
Spitze heller. 

Thorax oben bläulichgrau, an den Seitenrändern graubraun; in der 
vorderen Hälfte liegt jederseits von der dunklen Mittellinie in einiger Ent¬ 
fernung eine ziemlich scharf gezeichnete dunkle Linie. Mit dem Mikroskop 


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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles. 


47 


erkennt man zahlreiche, über die ganze Fläche verstreute schwarze Pünktchen. 
An der Vorderkante ein grauer Flaum. Patagien wie gewöhnlich beschuppt. 

Flügel schwarzbraun und hell ockergelb beschuppt. Am dunklen 
Vorderrand zwei kleine helle Einschnitte, am Ende der Hülfsrippe und kurz 
Tor der Spitze. Die Dunkelheit des Vorderrandes wird dadurch verbreitert, 
dass die Hülfsrippe und die erste Rippe auch dunkel sind; letztere ist aber 
hell durchbrochen an den beiden hellen Stellen der Costa, und ausserdem 
auf eine kurze Strecke ungefähr am ersten Drittel der Flügellänge, kurz 
vor der Einmündung der Vena marginalis zwischen 1. u. 2. Rippe. Der lange 
dunkle Fleck zwischen den beiden hellen Einschnitten des Vorderrandes, 
also der Fleck, welcher dem dritten typischen Vorderrandfleck entspricht, 
hat ungefähr die Gestalt eines T, indem sich ihm von unten her die dunkle 
Gabelungsstelle der 2. Rippe anlegt. Ferner zieht sich die Dunkelheit des 
Vorderrandes von der Mitte aus fleckartig in den Flügel hinein, indem der 
Stiel der oberen Gabel von ihrem Ursprung an bis zur Höhe des ersten 
hellen Vorderranfleckes dunkel beschuppt ist und dazu noch ein kleiner 
dunkler Fleck auf dem Ursprung der 3. Rippe sich anschliesst. Diese breite 
dunkle Stelle schliesst in gerader Linie unter dem ersten hellen Vorderrand¬ 
fleck ab. — Die Gabelung der 4. Rippe ist dunkel; ein anderer, auf ihrem 
Stiel gelegener Fleck bildet einen sehr schräg liegenden dunklen Streifen 
zusammen mit einem Fleck auf dem Ursprung der 3. Rippe und einem 
Fleckchen auf dem oberen Aste der 5. Rippe am Abgang der unteren 
Querader. 

Der Wurzelfleck der 6. Rippe fehlt oder ist nur durch wenige dunkle 
Schuppen angedeutet und nur unter dem Mikroskop zu erkennen. An der 
Flügelspitze fliessen die Randpunkte von der 1. bis zur 3. Rippe zusammen 
und bilden somit einen Fleck, welcher dem vierten typischen Vorderrandfleck 
entspricht. Der Saum ist an dieser Stelle hell bewimpert; nur oberhalb des 
Endes der 1. Rippe zeigt sich ein schwarzes Schöpfchen. Sonst ist der 
Wimpersaum schwarzgrau, mit einer hellen, weisslichen Stelle auf Rippe 5. 
An einem Stück sind noch an anderen Stellen einige hellere Schuppen ein¬ 
gestreut. 

Die Flügelmembran ist reichlich verdunkelt, besonders an den Stellen, 
wo die dunklen Flecke stehen. 

Die untere Gabel beginnt um eine Kleinigkeit früher als die obere. 

Index der Hülfsrippe im Durchschnitt 37-8, <$ 34-1. 

,, ,, 5. Rippe ,, ,, 36 • 0. 

Queradern. Die obere steht bei einem Stück aus Hongkong etwas mehr 
wurzelwärts als die mittlere; alle drei sehr nahe bei einander. Bei anderen 
Stücken aus Holländisch-Indien, deren Flügel genau so gezeichnet sind wie 
die Typen aus Hongkong, ist die obere Querrippe gegen die Spitze hin vor¬ 
gerückt, so dass diese direct über der mittleren steht; oder sie rückt noch 
weiter vor, und dann bilden alle zusammen eine Treppe. 

Beine. Femur I wadenartig verdickt, Femur II und HI am unteren 
Ende verdickt; Tibien an den unteren Enden stark verdickt. Beschuppung 
gleichmässig hell olivbräunlich oder gelblich, an den Tarsen dunkler, mit 
heller schmaler Ringelung der unteren Enden der einzelnen Abschnitte. 
Auch die Tibien der Hinterbeine haben am unteren Ende ein helles Fleckchen. 
Endtarsen des 1. und 3. Fusspaares dunkel, die des 2. am Ende auf der 


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W. Dömtz: 


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Oberseite etwas heller beschuppt. An den Vorderbeinen ist auch das vor¬ 
letzte Tarsenglied dunkel. Auf Trochanteren und Coxen einige weissliche 
Schuppen (die meisten wohl abgerieben). 

Hinterleib olivbräunlich oder gelblich, oder auch dunkler behaart. 
Auf der Bauchseite trägt der vorletzte Ring am Ende einen auffallenden 
gescheitelten Busch schwarzer Schuppen. Auch auf den benachbarten Seg¬ 
menten zeigen sich bei vielen Stücken Schuppen auf der Bauchseite, doch 
ohne Büschel zu bilden. 

Der Schopf am Bauche scheint schwächer entwickelt zu sein. Das 
stark und dunkel beschuppte Hypopygium hat zwei, nur unter dem Mikroskop 
erkennbare kräftige, dornartige Fortsätze, welche dem freien Rande des 
letzten Hinterleibsegmentes aufsitzen und geradeaus nach hinten gerichtet sind; 
eine für das Genus Anopheles auffällige Geschlechtsauszeichnung des rf. 

Am Kolben der Palpen ist das Endglied unmerklich länger als das 
vorletzte. 

Kopf und Rüssel $ 3 • 0 — 9 2*9 ram . 

Rumpf . . . . £ 4*6 — 9 4.45 mm 

Hab.: Südchina (Hongkong)., Sumatra, Java, Bangka, Borneo, Loinbok. 

In seiner Monographie über die Culiciden äussert sich Theobald 
folgendermaassen über meinen An. plumiger: „Das ist entweder An. 
barbirostris v. d. Wulp, oder An. sinensis Wiedemann. Dr. Dönitz 
sendet mir drei Stück unter diesem Namen; eines ist ein echter barbi¬ 
rostris, die anderen beiden sinensis. An. plumiger Dö. ist demnach 
ein Synonym einer dieser Arten.“ 

Leider vergisst Theobald, diesem mit so grosser Bestimmtheit aus¬ 
gesprochenen Urtheil die Begründung beizufügen. Ich habe aber, bis ich 
diese erfahren haben werde, vorläufig Folgendes dagegen einzuwendeu. 

Wenn man über Fragen der Synonymie Klarheit gewinnen will, 
so muss man sich genau an die Angabe der Autoren halten. Jede will¬ 
kürliche Annahme ist vom Uebel. Hier nun liegt der Fall so: 

Die Flügelzeichuung meiner Stücke lässt sich sowohl auf An. sinensis 
wie auf An. barbirostris, aber auch noch auf andere Arten beziehen; 
dagegen stimmen die Palpen zu keiner von beiden Arten. Bei sinensis 
sollen sie in beiden Geschlechtern braun sein, und beim 9 dicker als 
der Rüssel, und von barbirostris wird angegeben, dass sie mit braunen 
Schuppenhaaren bedeckt sind, so dass man die Gelenke kaum erkennen kann. 
Bei meinen Stücken aus Hongkong sind aber die Gelenke der Palpen 
scharf weiss gezeichnet und heben sich dadurch auffällig gegen einander 
ab. Das Endglied ist überwiegend weiss. So sind also die Palpen meiner 
Stücke zweifarbig, die der anderen beiden Arten einfarbig. Da nun 
alle Autoren solchen Ringelungen specifischen W r erth beilegen, so war 
ich berechtigt, für meine Stücke eine neue Art aufzustellen. Besonderes 
Gewicht legte ich noch auf den merkwürdigen Schuppenbüschel 


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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles. 


49 


am Bauche, von dem ich annahm, dass die alten Autoren ihn hätten 
sehen müssen, wenn er ihren Arten zukäme. 

Jetzt nun veröffentlicht Theobald eine Abbildung des Typs von 
An. sinensis aus dem British Museum. Das Bild, Taf. 37, Fig. 146, 
zeigt am Vorderrande des Flügels zwei lange helle Einschnitte, und im 
Texte spricht Theobald auch von grossen Einschnitten. Dadurch unter¬ 
scheidet sich also auf den ersten Blick dieser Typ von plumiger, bei 
welchem die Einschnitte klein sind. Ferner aber zeigt dieses Bild höchst 
merkwürdigerweise hell geringelte Palpen. Das steht in grelleun 
Widerspruch zur Beschreibung, wo die Palpen als einfarbig hin- 
gestellt werden. Für diesen Widerspruch finde ich keine andere Er¬ 
klärung, als dass der sogenannte Typ im British Museum nicht das¬ 
jenige Stück ist, nach welchem Wfedemann die Beschreibung gemacht 
hat. Jedenfalls hat dieses Exemplar als Belegstück für die Beschreibung 
und für die Feststellung der Art keinen Werth, ist überhaupt kein Typ 
und hat nur noch mehr Verwirrung in die Sache gebracht. Ich komme 
also zu dem Schluss, dass sich nicht mit Sicherheit angeben lässt, 
welche von den bekannten asiatischen Arten auf An. sinensis zu be¬ 
ziehen ist; vielleicht ist die Art überhaupt noch nicht wiedergefunden 
worden. 

Was die Synonymie mit An. barbirostris betrifft, so lag zur 
Zeit, wo ich meiner Art den Namen gab, die Sache so. Theobald hatte 
in Brit. Mus. Rep. 1900 erklärt, dass An. barbirostris und vanus 
Walker synonym mit sinensis wären. Da ich nun keine Veranlassung 
hatte, dieser Behauptung zu misstrauen, andererseits aber auch keinen 
Grund hatte, meine Art für sinensis zu halten, so fielen die beiden 
anderen Namen von selbst fort. Jetzt ist allerdings eine Aenderung in 
der Sachlage eingetreten, denn Theobald hat nachmals barbirostris 
zuerst für eine Subspecies, und dann für eine eigene Art erklärt; und 
An. vanus Walker soll synonym mit An. annularis v. d. Wulp sein, 
welche er als Unterart zu An. sinensis stellt. Ich habe also Theobald 
gegenüber jetzt meine Art auch noch gegen An. barbirostris zu ver¬ 
teidigen. 

Diese Art soll braune Palpen mit kaum erkennbaren Gelenken und 
ungebänderte Tarsen haben. Das passt wiederum nicht auf An. 
plumiger, dessen Tarsen gebändert sind, und dessen Palpen, wie schon 
hervorgehoben, weiss gefleckt und geringelt sind. 

Demnach befinde ich mich nicht in der Lage, den Namen plumiger 
einziehen zu können, und ich protestire dagegen, dass dies von Theobald 
geschieht. 

Zdtechr. f. Hygiene. XU. 

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50 


W. Dönitz: 


Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht unterlassen, auch die Syno¬ 
nymie von An. vanus zu erörtern, dessen von Walker gegebene Be¬ 
schreibung so dürftig ist, dass man darnach unmöglich einen Anopheles 
bestimmen kann. Einen Anhaltspunkt finde ich in der Angabe, dass die 
Flügel leicht grau sind und schwarze Punkte (Flecke) im Yordertheil 
haben. Giles sagt vom Typ im British Museum, dass dies eine zarte 
blasse Art ist, welche am Vorderrande zwei kleine schneeweisse Einschnitte 
zeigt, einen gerade vor der Mitte, den anderen bei */ 3 des Vorderrandes. 
Die Abbildung, welche Giles vom Flügel dieses Stückes giebt, zeigt den 
ersten dieser hellen Flecke thatsächlich, der Beschreibung entsprechend, 
an einer Stelle, wo die sogenannte Sinensis-Gruppe niemals einen 
hellen Fleck aufweist, und beide Flecke sind so gross, wie sie niemals bei 
dieser Gruppe Vorkommen. Darnach gehört An. vanus nicht in die Ver¬ 
wandtschaft meines An. plumiger, und eben so wenig in die Verwandt¬ 
schaft des An. sinensis Theob. nec Wiedem. und des An. barbi- 
rostris v. d. Wulp, sondern wahrscheinlich in die Gruppe mit vier 
dunklen Vorderrandflecken. Da nun aber An. vanus aus Makasser 
auf Celebes beschrieben ist, und ich von dorther nur den mit An. Rossi 
verwandten An. vagus erhalten habe, so taucht die Frage auf, ob vagus 
und vanus nicht etwa synonym sind. Die Originalbeschreibung sowie 
die Giles'sehe Abbildung sprechen dagegen. 

Nun möchte ich noch eine Erklärung dafür geben, weshalb ich an 
Theobald als An. plumiger drei unter einander so verschiedene Stücke 
geschickt habe, dass er zwei davon für sinensis, eins als barbirostris bestimmt. 

Ich hatte von den grossen Suuda-Inseln eine Anzahl Anopheles be¬ 
kommen, welche recht gut zu der immerhin dürftigen Beschreibung von 
An. barbirostris v. d. Wulp passten; vor allen Dingen waren ihre 
Palpen so dicht dunkel behaart, dass die Einschnitte nur schwer oder 
gar nicht zu erkennen waren. Daneben fand ich aber so viele Formen, 
die ich für Zwischenformen zwischen plumiger und barbirostris hielt, 
dass ich annahm, es mit einer sehr variablen Art zu thun zu haben, 
welche in zwei Extreme ausläuft, plumiger und barbirostris. Wegen 
dieser Annahme schickte ich an Theobald auch eines von den dunklen 
Stücken, von denen wir die meisten aus Borneo erhalten hatten. 

Um zu zeigen, wie weit die Variabilität geht, habe ich hier den 
Befund an zehn genadelten Stücken tabellarisch zusammengestellt, so ge¬ 
ordnet, dass die Stücke voraufgehen, bei welchen der Wimperbesatz auf 
Rippe 5 nicht aufgehellt ist. Die Tabelle giebt an: 1. die Herkunft der 
Thiere; 2. ob die Wimpern auf Rippe 5 hell oder dunkel sind; 3. ob die 
Spitze in ganzer Ausdehnung hell bewimpert ist, oder ob sie nur schopf¬ 
weise hell, also gescheckt erscheint; ein einziges helles Schöpfchen ist 


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Beiträge zur Kenntnis« der Anopheles. 


51 


der Uebersichtlichkeit wegen in dem Ausdruck gescheckt mit einbegriffen; 
4. ob die Palpen weiss geringelt oder ganz dunkel sind; 5. ob die Tarsen 
schmal oder breit geringelt sind; 6. ob die Randschuppen in gewissen 
Stellungen das Licht hell oder dnnkel refleotiren. 


Herkunft 

Wimpern 
Rippe 5 

Flügel- 

spitze 

Palpen 

Tarsen 

Rand¬ 

schuppen 

1 . Sumatra. Atjeh . . 

dunkel 

gescheckt 

weise 

geringelt 

schmal 

geringelt 

dnnkel 

2 . „ Kajoe Tanam 

9» 

99 

99 

sehr breit 
geringelt 

hell 

3. „ Atjeh . . . 

1 

» 

ganz hell 

nur Spitze 
weiss 

breit 

geringelt 

99 

4. Hongkong ..... 

hell 

1 

weisslich 

geringelt 

schmal 

geringelt 

99 

5. ii • • • • • 

' ” • 

»» 

99 

” l 

| »9 

6 . Borneo. Benkajang . 

99 

gescheckt 

dunkel 


99 

7. ii »» • 

99 

» 

99 


dnnkel 

8 . Borneo. 

99 

»V 

99 


99 

9. Java. Kedong Eebo . 

99 

99 

99 


99 

10. Sumatra. Atjeh . . . 

99 

99 

99 

9* 

99 


Ueber die Zeichnung der Flügelspitze möchte ich noch einige Be¬ 
merkungen hinzufügen. Der helle Vorderrandfleok vor der Spitze kann 
viel kürzer werden als die Fig. 11 auf Taf. I es zeigt Dabei rückt er 
weiter gegen die Spitze vor und wird verbreitert durch ein kleines helles 
Fleckchen am äussersten Ende der 1. Rippe, auf welcher der Randpunkt 
wegfallt oder nur durch wenige, etwas dunkler gefärbte Schuppen an¬ 
gedeutet ist. Auf Rippe 1 steht dann im Wimpersaum ein schwarzer 
Schopf, der durch eine weisse Stelle auf dem oberen Ast der 2. Rippe 
begrenzt wird. Weiterhin ist die eigentliche Spitze schwarz bewimpert 
bis zur 3. Rippe, welche wieder ein Fleckchen heller Wimpern trägt Es 
kann aber auch der helle Schopf auf dem oberen Ast der oberen Gabel 
aasfallen, und dann erscheint die ganze Spitze schwarz. Aber selbst bei 
so dunklen Stücken, die ausserdem noch dunkle Palpen tragen, kommt 
eine helle Unterbrechung im Wimpersaume auf Rippe 5 vor. Bei einem 
Stück mit schwarzer Spitze habe ich folgenden Befund notirt: Im Wimper¬ 
saume auf der 5. Rippe fünf lange weisse Schuppen, auf ihrem oberen 
Ast deren zwei; auf Rippe 4 deren drei; und auf Rippe 3 sowie auf dem 
oberen Ast der 2. Rippe nur eine helle Schuppe. 

1 Zwischen Rippe 5 n. 6 ist im Saüme eine breite helle Stelle, and eine kleinere 
helle Einsprengung findet sich weiter nach der Wurzel des Flügels hin. 

4* 


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W. Dönitz: 


Die Stellung der kleinen centralen Queradern zu einander ist ausser¬ 
ordentlich verschieden. Zur Erläuterung möge folgende kleine Liste 
dienen, der noch eine Bemerkung über die Farbe des Wimperbesatzes auf 
der Flügelspitze und auf Rippe 5 beigefügt sein mag. Die Präparate 
liegen in Balsam. 

1. Querrippen sehr nahe bei einander; die obere steht etwas gegen 
die mittlere zurück. Spitze und Rippe 5 hell bewimpert. Hongkong. 

2. Ebenso, mit treppenförmig gestellten Rippen. Hongkong. Soeka- 
boemi (Java). 

3. Wie Nr. 2, aber Rippe 5 dunkel. Soekaboemi. 

4. Obere Rippe sehr nahe bei der mittleren, diese aber um die Hälfte 
ihrer Länge von der unteren entfernt. An der Spitze ein heller Busch 
auf dem oberen Ast der oberen Gabel. Banjoe-Biroe (Java). 

5. Obere Rippen nahe bei einander, die untere sehr weit davon ge¬ 
trennt. An der Spitze ein kleiner heller Fleck oberhalb Rippe 3. Rippe 5 
hell. Batoe-Djadjar (Java). 

6. Alle Rippen weit aus einander gelegen, treppen förmig. Spitze hell. 
Rippe 5 dunkel. Padang (Sumatra). 

7. Ebenso, aber Spitze gescheckt. Padang. 

Aus dieser Fülle von Combinationen fand ich keinen anderen Aus¬ 
weg als durch die Annahme, dass es sich um eine in den besprochenen 
Eigenschaften sehr variable Art handle. Ich möchte aber mit meinem 
Urtheile noch zurückhalten, weil die Untersuchung der Eier und Larven, 
die ja jetzt in Gang zu kommen scheint, möglicherweise Anhaltspunkte 
liefert für die Unterscheidung von Arten oder Unterarten, die sich durch 
die zoologische Betrachtung der Imagines nicht hat ermöglichen lassen. 
Besonders im Auge habe ich dabei eine Form mit ausserordentlich langem 
Rüssel und Palpen. Die hier behandelte Art ist ja schon durch recht 
lange Stechorgane ausgezeichnet, die um so mehr in die Augen fallen, 
weil sie aussergewöhnlich stark beschuppt und noch viel mehr dolchartig 
vorgestreckt sind als bei anderen Arten; aber unter ihnen zeichnen sich 
wieder einige Stücke durch noch viel bedeutendere Länge des Stechorganes 
aus, während andere, beständige Unterschiede nicht aufzufinden waren. 

Noch einer anderen Form muss ich hier Erwähnung thun, weil sie 
sich wegen ihrer kurzen Beine auffällig unter den Stücken von plumiger 
hervorthut und deshalb auch nicht zu barbirostris und sinensis passt, 
welche sich durch besonders lange Beine auszeichnen sollen. Ich will 
sie deshalb als brachypus bezeichnen; aber da mir nur ein einziges 
Stück vorliegt, lasse ich es unentschieden, ob es sich um eine zufällige 
Abnormität, oder um eine eigeue Art handelt. An dem in Balsam ein¬ 
gebetteten Stück lässt sich Folgendes unterscheiden. 


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Beitbägb züb Kbnntniss deb Anopheles. 


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Die beiden hellen Flecke am Vorderrande sind ausserordent¬ 
lich klein, kaum zu bemerken. DieFlügelspitzeträgthellen Wimper¬ 
besatz von Kippe 1 an bis über Rippe 3 hinaus. Auf Kippe 5 stehen 
keine hellerf Wimpern. Die Hülfsrippe endet vor Kippe 5. Von den 
centralen Querrippen bilden die beiden oberen eine gerade Linie; die 
untere ist ungefähr um ihre eigene Länge von der mittleren entfernt. 
Die beiden oberen Gabeln beginnen auf gleicher Höhe. 

Die Oberschenkel des ersten Beinpaares sind in der ersten Hälfte 
wadenartig verdickt, die anderen werden gegen das Ende dioker, und die 
Unterschenkel haben alle merklich verdickte untere Enden. Das stimmt 
alles mit plumiger überein, aber die Tarsen sind viel breiter ge¬ 
ringelt, und zwar in folgender Weise. 

Vorderbein: 1. Glied am Ende hell; 2. Glied in der Endfläche hell; 

3. Glied fast ganz hell, nur zu Anfang ein schmaler dunkler King; 

4. Glied nur zu Anfang schmal hell; Endglied heil, nur an der Wurzel 
leicht verdunkelt. 

Mittelbein: Ganz ähnlich wie am Vorderbein, doch ist das 2. Glied 
länger als dort, und nur im Enddrittel hell. 

Hinterbein: 1. Glied am Ende schmal hell, auf das nächste Glied 
übergreifend; 2. Glied am Ende etwas breiter hell; 3. Glied zu zwei 
Drittel dunkel, dann hell; 4. Glied nur in der Mitte dunkel; Endglied hell. 

Der Unterschied von plumiger in Betreff der Zeichnung der Beine 
beruht also darin, dass nicht allein die helle Kingelung eine viel breitere 
ist, sondern dass auch die Endglieder der Tarsen hell sind, bei plumiger 
dunkel. 

Den Unterschied in der Beinlänge ergeben folgende, an den Hinter¬ 
beinen genommenen Maasse in Millimetern: 

Femur Tibia Tarsus I II III IV V Sa. 

An. brachypus 1-72 1-72 1.81 MS 0-63 0-42 0-28 7-71 

An. plumiger 2*35 2*52 3*28 1*47 1*13 0*71 0.34 11-80 

Die Länge der Palpenglieder beträgt bei 

An. brachypus 0*55 0*53 0-27 0*19 Sa. 1-55 

An. plumiger Typ 0*63 0*67 0*42 0*21 Sa. 1*93 

Anopheles tenebrosus Dö. 

Taf. I, Fig. 6 . 

Etym.: tenebrosus = finster, verdunkelt. 

Diagnose: Die 2 . Rippe gabelt sich merklich früher als die vierte. 

Auf Rippe 6 fehlt der Wurzelfleck. 

Der vordere Abschnitt des Flügels bis zur 4. Rippe dunkel, der Vorder- 


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W. Dönitz: 


rand mit sehr kleinem, hellem Einschnitt dicht vor der Spitze, and kaum 
merklichem hellem Fleckchen an der Ausmündung der Hülfsrippe. 

5. Rippe hell, nur mit Wurzel- und Randfleck. 

Oberschenkel des 1. Beinpaares wadenartig verdickt, die der anderen 
Beine in der Endhälfte kolbig angeschwollen. 

Tarsen der Hinterbeine von der Mitte des 3. Gliedes an weiss. 

. Am Bauche bei 1 Stück dunkle Schuppen am vorletzten Segment. 

Beschreibung nach 4? vom Wadi Natrün in Unterägyppten. Mittel¬ 
grosse dunkle Art, dem An. plumiger der Sundainseln in der Flügel¬ 
zeichnung sehr ähnlich, aber durch die hellen Enden der Hintertarsen ver¬ 
schieden, wodurch sie Bich dem An. paludis Theob. nähert. 

Kopf schwarzbraun, mit sehr dunklen Schuppen und Borsten. F'ühler 
fast schwarz, mit einigen grauen Schuppen auf den ersten Gliedern. 

Palpen schwärzlich; oben auf dem ersten Glied von der Wurzel an 
eingestreute weissgraue Schuppen; auch die Gelenke oberseits weis» ge¬ 
zeichnet. Die Spitze trägt weisse Härchen. Rüssel schwarz, auch mit sehr 
dunklen Endlappen. Palpenglieder 0*71—0*76—0-53—0-38. — Sa. 2*38. 

Thorax. Grundfarbe schiefergrau, nur vom an den Seiten gelb¬ 
bräunlich. Der ovale Fleck braun. Scutellum grau, in der Mitte etwas 
dunkler; Metanotum grauschwarz. Beschuppung abgerieben. 

Flügel. Die Beschuppung der Flügel ist dunkelbraun und hell gelblich¬ 
braun bis weiss. Die vordere Flügelhälfte ist im Allgemeinen dunkel; die 
hintere Hälfte heller, besonders deshalb, weil sie von drei hellen Längs¬ 
streifen durchzogen ist, von denen der erste im Wurzeltheil auf der 6. Rippe 
liegt, der zweite im Mittelfeld auf der 5. Rippe, und der dritte am Ende 
des Flügels auf der 3. Rippe. Auf der Photographie, welche bei durch¬ 
fallendem Lichte aufgenommen ist, erscheint diese Streifung nicht so deutlich 
wie bei auffallendem Lichte. Die genauere Vertheilung der Farben und 
Flecke ist folgende: Der dunkle Yorderrand wird an der Mündung der Hülfs¬ 
rippe durch ein winziges, mit der Lupe eben bemerkbares helles Stippchen 
unterbrochen, das aber auch ganz fehlen kann. Ein etwas grösseres helles 
Fleckchen steht am Ende des Vorderrandes und greift, breiter werdend, 
bis auf den oberen Ast der oberen Gabel hinüber. Der untere Ast derselben 
zeigt in der Mitte seines Verlaufes eine längere helle Stelle. Die Gegend 
der Queradern tritt durch dunkle Beschuppung fleckartig hervor. Von hier 
an ist die 3. Rippe hell, mit spärlich eingestreuten dunklen Schuppen. Die 
4. Rippe ist vor der Gabelung eine Strecke weit hell; ein dunkler Fleck 
bezeichnet die Theilungsstelle; dann folgt auf dem oberen Ast ein kurzer 
heller Streif; weiterhin sind beide Aeste gemischt dunkel und hell beschuppt, 
doch so, dass gelegentlich helle Schuppen gehäuft stehen und helle Fleckchen 
bilden. Die 5. Rippe ist im ersten Drittel dicht dunkel, dann hell bis zum 
Randfleck. Der obere Ast trägt ein Häufchen dunkler Schuppen an seinem 
Anfang, ein längeres an der Abgangsstelle der unteren Querrippe, und 
weiterhin ein helles Fleckchen; dann folgt ein Gemisch dunkler und heller 
Schuppen. Auf der 6. Rippe fehlt der Wurzelfleck. 

Die dunklen Schuppen des Flügels sind braun, die hellen goldiggelb, 
der helle Fleck am Vorderrand vor der Spitze weisslich. Auf der Unterseite 
erscheint dieser Fleck und ein anderer auf der Mitte des unteren Astes der 
oberen Gabel rein weiss. 


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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles. 


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Wimpersaum schwärzlich, nur auf dem oberen Ast der 2. Kippe eine 
helle Stelle. 

Die mittlere centrale Querrippe, welche von der unteren so weit ent¬ 
fernt wie diese lang ist, bildet mit der oberen eine fast gerade Linie auf 
dem photographirten Flügel (aber in der Photographie nicht zu erkennen). 

Die 2. Kippe gabelt sich früher als die vierte. 

Index der Hülfsrippe im Durchschnitt 41*0 mm . 

„ „ 5. Rippe „ „ 34 • 9 mm . 

Beine. Die Oberschenkel des ersten Paares sind in der Wurzelhälfte 
wadenartig verdickt; die des 2. Paares sind gegen das Ende hin kolben¬ 
förmig angeschwollen; die des letzten Paares werden gegen das Ende hin 
dicker. Die Tibien sind über den Tarsengelenken merklich verdickt. Die 
Beschuppung der Beine ist graubraun, mit schmaler heller Ringelung an 
den Enden der Tibien, sowie der Tarsenglieder an den Gelenken. Am 
letzten Beinpaare sind die letzten zwei Tarsenglieder und die Endhälfte des 
drittletzten Gliedes hell, wohl weiss. Die wahre Farbe lässt sich an den 
in Balsam eingelegten Präparaten nicht erkennen. 

Hinterleib. An der Membran der Bauchplatten lassen sich keine 
hellen Flecke erkennen. Die Beschuppung des Hinterleibes ist abgerieben, 
doch erkennt man noch lange gelbe Behaarung an den vorderen Abschnitten, , 
und gelbe Schuppen auf den Genitalplatten. 

Kopf und Rüssel: 3 mra . 

Thorax und Hinterleib: 5 mm und darüber. 

Flügel: 4-4 und 5*0 mm bei 2 Stücken. 

Hab.: Wadi Natrün (Unterägypten). 

Bemerkungen. Diese Art hat der Beschreibung nach grosse Aehn- 
lichkeit mit An. paludis Theobald von der Sierra Leone, aber bei 
letzterer reicht die weisse Färbung der Hintertarsen um ein ganzes Glied 
höher hinauf; die 2. und 4. Rippe gabeln sich (der Abbildung nach) auf 
gleicher Höhe, während bei tenebrosus die obere Gabel früher beginnt, 
und bei paludis ist der schwarze Wimpersaum auf Rippe 5 gelb durch¬ 
brochen, bei tenebrosus nicht. Dagegen zeigt letzterer an der Flügel¬ 
spitze eine helle Stelle im Wimperbesatz, wovon bei paludis nichts erwähnt 
wird. Schliesslich sind, der Abbildung auf S. 129 der Theobaid'sehen 
Monographie zu Folge, bei paludis die hellen Einschnitte des Yorderrandes 
viel grösser als bei tenebrosus, wo der erste Einschnitt ja kaum zu er¬ 
kennen ist. — An. plumiger hat ähnlich gezeichnete Flügel, aber keine 
Aufhellung der Hintertarsen. 

Die drei hier erwähnten Arten gehören augenscheinlich in eine Gruppe, 
und deshalb wäre es wünschenswerth zu erfahren, ob paludis auch einen 
dunklen Schuppenbüschel auf der Bauchseite des vorletzten Hinterleibsegmcntes 
besitzt. Es würde das eine sehr hübsche Gruppenauszeichnung sein. 

Ob diese ägypptische Art Beziehungen zur Malaria hat, ist unbekannt; 
bei den verwandten An. paludis aus der Sierra Leone sind nach Chris top her s’ 
Angabe „Sporozoiten“ in den Speicheldrüsen gefunden worden. 


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AV. Dönitz: 


Anopheles leucosphyrus Dö. 

(Insectenbörse. Jan. 1901.) 

Etym.: leukos = weiss; sphyron = Knöchelbinde; so genannt wegen 
des breit weisBen Tibiotarsalgelenkes der Hinterbeine. 

Diagnose: Ende der Tibien und Anfang des ersten Tarsengliedes der 
Hinterbeine breit weiss. 

Auf dem Thorax 3 Paar dunkler ovaler Flecke. 

Palpen an den Gelenken geringelt; Endglied hell, mit breitem dunklen 
Ring an der Wurzel. 

Flügelmembran stark fleckig verdunkelt. Vorderrand mit den vier 
typischen Flecken. Die Rippen im Uebrigen hell und dunkel getüpfelt. 

Die obere Gabel beginnt früher als die untere. 

Tarsen geringelt. 

Beschreibung nach Stücken von Kajoe Tanam auf Sumatra. 

$ Kopf. Die Palpen sind schwarz, mit hellen, weissen Enden der drei 
ersten Glieder; daa letzte Glied ist weiss oder gelblich, trägt aber einen 
breiten schwarzen Ring um die Wurzel. 

Rüssel schwarz, mit hellen Endlappen. 

Die Fühler sind braun, mit grauer und bräunlicher Bewimperung. 

Der Stirnkopf ist weiss. 

Länge der Palpenglieder: 0-63—0-7—0*38 —0*25 mm . Sa. l*8 nim . 

Thorax. Auf der Rückseite des sonst olivbräunlichen Thorax liegen 
2 Paar gelblichbraun bis leicht kupferroth schimmernde, parallele Längs¬ 
wülste; das 1. Paar in der vorderen Hälfte, unmittelbar neben der dunklen 
medialen Längslinie; das 2. Paar in der hinteren Hälfte, weiter von einander 
getrennt, in der Weise, dass das vordere Paar mit seinem hinteren Ende 
sich zwischen den Anfang der hinteren Wülste noch eine Strecke weit 
hineinschiebt. Ausserhalb dieser Wülste ist die Membran bläulichgrau ge¬ 
färbt und trägt 3 Paar dunkler Flecke; das erste und grösste Paar un¬ 
mittelbar neben den mittleren und zugleich vorderen Längswülsten und vor 
der Quernaht, daher zugleich am Vorderende der hinteren Wülste, welche 
an der Quernaht auf hören; das 2. Paar ausserhalb dieser Wülste, hinter der 
Quernaht. Das 3. Paar ist sehr unscheinbar und besteht nur aus einem 
Längsstrich oberhalb der Flügelwurzel. (Beschuppung leider abgerieben, 
doch haben sich am Patagium dunkle Schuppen erhalten. 

Flügel. An den Flügeln ist besonders auffällig, dass die Membran 
grosse, sehr dunkle Flecke trägt, die weit über die Stellen mit dichterer, 
dunkler Beschuppung hinausgehen, wie auch die Abbildung des gut und 
vollständig beschuppten Flügels (Taf. I, Fig. 7) deutlich erkennen lässt. 
Einen sehr merkwürdigen Verlauf zeigt der obere Ast der 5. Rippe, welcher 
hinter dem Abgang der unteren centralen Querader tief eingebuchtet ist, 
während an der gegenüber liegenden Stelle die 4. Rippe nach oben ein 
wenig ausgebuchtet ist, so dass hier die beiden Rippen weit aus einander 
gehen und sich erst allmählich wieder nähern. 

Die Zeichnung ist der des An. punctulatus sehr ähnlich, aber die 
schwarzen Pünktchen sind mehr gestreckt und fliessen stellenweise zu längeren 
Strichen zusammen, so z. B. auf der 1. Rippe unter dem zweiten typischen 
Vorderrandfleck; und unter diesem steht ein eben so langer und dunkler 


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Beiträge zue Kenntniss dee Anopheles. 


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Strich auf dem Anfang der 2. Rippe. Der 3. und 4. Fleck auf der Costa 
sind länger als bei punctulatus, und unter dem letzteren stehen auf dem 
oberen Aste der oberen Gabel zwei lange dunkle Striche, welche zusammen 
ungefähr zwei Drittel der Länge des Astes einnehmen. Unter dem 3. Fleck 
stehen auf der 1. Rippe vier oder fünf dunkle Punkte, welche auch theil- 
weise verschmelzen können. 

Wimpersaum gescheckt. 

Die Farbe der hellen Einschnitte am Vorderrande ist hell ockergelb; 
gegen den Hinterrand hin wird die helle Beschuppung mehr weisslich. 

Von den centralen Queradern ist die untere ungefähr um das Dreifache 
von der mittleren entfernt; die obere steht ein wenig gegen die mittlere 
zurück. In ihrer Umgebung bleibt die Flügelmembran hell. 

Die obere Gabel entspringt wesentlich früher als die untere. 

Schwinger oben weiss, unten dunkel beschuppt. 

Index der Hülfsrippe 40<0; der 5. Rippe 34*2. 

Flügellänge 3*36 mm . 

Beine. Die Oberschenkel der Vorderbeine sind in der ersten Hälfte 
stark verdickt. Alle grossen Abschnitte sind auf der Vorderseite in einer 
ziemlich regelmässigen Reihe klein weiss gefleckt, also nicht so unregel¬ 
mässig wie bei punctulatus. Die kleinen Tarsenglieder haben helle Ge¬ 
lenke, am breitesten an den Vorderfüssen. Die dicken Enden der 
Hintertibien und der angrenzende Theil des 1. Tarsengliedes 
ist weiss oder gelblichweiss, was für die Art charakteristisch ist. 

Hinterleib. Die Rückenplatten haben sehr dunkle Seitenränder, die 
Bauch platten sind gleichmässig schön dunkelbraun gefärbt, mit weissen 
Flecken, die aber dem ersten und letzten Segment fehlen. Beschuppung 
wohl abgerieben. 

Genitalklappen gelb behaart und beschuppt. 

Kopf und Rüssel »2*5 mm . 

cf unbekannt. 

Hab.; Sumatra (Kajoe-Tanam, nördl. von Padang). Borneo (Moearah 
Teweh, nur 1 Stück; ob sicher hierher gehörig?) 

Bemerkungen. Diese Art, vielleicht der entfernteste Ausläufer der 
australischen Musivusgruppe scheint recht selten zu sein; wenigstens 
kommt sie nicht häufig in die Krankenhäuser. 

Anopheles punctulatus Dö. 

(Insectenbörse. Jan. 1901.) 

Diagnose: Die obere Gabel entspringt etwas früher alB die untere. 

Flügel mit vier mittelgrossen typischen Vorderrandflecken und sehr 
zahlreichen kleinen dunklen Pünktchen, mit weissen Pünktchen abwechselnd, 
die kaum grösser sind. 

Palpen in der Endhälfte hell, mit drei dunklen Ringen. 

Rüssel am Ende hell. 

Oberschenkel der Vorderbeine im ersten Drittel verdickt; die kleinen 
Tarsenglieder aller Beine hell geringelt. 

Beschreibung nach Stücken aus Stephansort (Neu-Guinea), von 
R. Koch aus Larven gezogen. 


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W. Dönitz: 


$ Kopf mit gellem Scheitelschopf. Auf dem Scheitel graue, im Nacken 
dunkle Schuppen. 

Fühler grau beschuppt. 

Palpen bis ungefähr zur Mitte dunkel, das Ende weisslich mit drei 
dunklen Ringen. Erstes Gelenk weisslich. Auf der Oberseite des zweiten 
Gliedes sind oft schon vor der Mitte helle Schuppen eingestreut; hinter der 
Mitte ist das Glied gewöhnlich ringsum weiss beschuppt, doch mit dunklem 
Ring am Ende. Die beiden weissen Endglieder tragen dicht über der Basis 
einen dunklen Ring. Demnach stehen zwei Ringe, am Ende des zweiten 
und am Anfang des dritten Gliedes, sehr nahe bei einander, der dritte RiDg 
getrennt von ihnen. Die Membran der letzten Palpenglieder ist heller als 
bei den ersten Gliedern, doch ist sie am vorletzten Glied öfter deutlich 
verdunkelt. 

Länge der Palpenglieder: 0*59—0*63—0*34—0*21. 

„ bei einem Stück aus Herbertshöhe: 0-55—0*63—0*38—0*21. 

Der RüBsel ist bis über die Mitte hinaus dunkel, dann hell, mit einem 
schwarzen Fleckchen vor den hellen Endlappen. 

Thorax mit olivbraunem Fleck vor der Quernaht. Auf vielen Stücken 
sind weissliche Schüppchen erhalten, die um diesen Fleck besonders zahl¬ 
reich stehen. 

Die Flügel haben am Vorderrande vier dunkle, an Grösse nicht sehr 
verschiedene Flecke, die durch ungefähr ebenso breite helle Zwischenräume 
getrennt werden; im Wurzeltheil stehen am äussersten Rande zwei oder 
drei kleine dunkle Fleckchen, die auch zusammenfliessen können. Der erste 
der typischen Flecke erstreckt sich in fast gleicher Breite bis zur 1. Rippe 
hinüber. Unter dem 2. Vorderrandfleck stehen drei bis fünf dunkle Punkte 
auf der 1. Rippe, während er auf der Hülfsrippe einfach dunkel unter¬ 
strichen ist. Auch unter dem dritten Fleck stehen vier dunkle Punkte auf 
der 1. Rippe. Der etwas kürzere vierte Fleck wird durch zwei oder drei 
Flecke auf dem oberen Aste der oberen Gabel verbreitert. Dahinter bleibt 
die Flügelspitze hell. Zwischen 1. und 2. Fleck schiebt sich noch ein 
dunkles Pünktchen ein, das sich an der äussersten Kante des Flügels mit 
dem 2. Fleck verbinden kann und diesen dann auf Kosten des hellen 
Zwischenraumes verlängert. Sämmtliche Rippen sind mit zahlreichen dunklen 
Punkten besetzt, welche mit kaum grösseren hellen Stellen abwechseln. Auf 
dem Anfangstheil der Aeste der 2. und 4. Rippe stehen sie einander sehr 
nahe, und auf dem Stiele der unteren Gabel verschmelzen sie vor der 
Theilung zu einem längeren dunklen Strich. Auf der 6. Rippe pflegen 
5 bis 7 solche Punkte zu stehen, den Randpunkt eingerechnet; selten sind 
es nur vier. Manchmal fliessen einige auch auf der 6. Rippe zusammen. 

Wimpersaum gescheckt, an der ganzen Spitze hell, aber auf der oberen 
Gabelzelle dunkel durchschnitten. 

Die Farbe der hellen Stellen des Flügels ist gelblich, doch gegen die 
Flügelwurzel und den Hinterrand hin weisslich. 

Die obere Gabel beginnt etwas früher als die untere, doch kommen 
auch Stücke vor, wo beide auf gleicher Höhe entspringen (z. B. ein Stück 
aus Herbertshöhe vom April 1900). 

Von den centralen Queradern rückt die mittlere meist ein wenig mehr 
gegen die Spitze vor als die obere, doch bilden manchmal beide zusammen 


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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles. 


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eine Linie. Die untere pflegt um das Doppelte ihrer Länge oder noch mehr 
von der mittleren entfernt zu sein. 

Der obere Ast der 5. Rippe ist, wie hei An. leucosphyrus, kurz 
nach dem Abgang der unteren centralen Querader tief eingebuchtet, die 
4. Sippe an derselben Stelle ein wenig nach oben ausgebuchtet, so dass 
beide Rippen hier weit aus einander gehen. Weiterhin nähern sie sich 
allmählich einander wieder. 

Index der Hülfsrippe 40»2 mm ; der 5. Rippe 32 mm . 

Schwinger braun, mit hellem Stiel. 

Beine. Die Oberschenkel der Vorderbeine sind im ersten Drittel, die 
Tibien aller Beine am Ende auffallend verdickt. Alle Theile, mit Ausnahme 
der kleinen Tarsenglieder, sind auf dunklem Grunde hell getüpfelt und ge¬ 
ringelt; die Tarsengelenke sind in folgender Weise gezeichnet: 

Am ersten Paar sind alle Gelenke breit hell geringelt; das zweite Glied 
ist manchmal ganz hell, nur mit ein Paar kaum merklichen dunklen Fleckchen 
auf der Oberseite. Am mittleren Paare sind die Gelenke nur wenig und 
auch nur schmäler geringelt; das zweite Glied ist oft auch stärker aufgehellt, 
ähnlich wie an den Vorderbeinen. An den Hinterbeinen erscheint das erste 
Tarsengelenk oft kaum heller; die anderen sind deutlich, aber schmal ge¬ 
ringelt. 

Am Hinterleibe finden sich Anhäufungen leicht hinfälliger Schuppen 
von glänzend gelber und von schwarzer Farbe auf der Bauch- wie auf der 
Rückenseite des vorletzten Ringes, besonders am Hinterrande; ähnlich, aber 
weniger auffällig auch am letzten Ringe. Vereinzelte gelbe Schuppen sind 
überhaupt über die letzten Segmente verstreut. Zwischen der dunklen Be¬ 
haarung der Genitalklappen finden sich zahlreiche gelbe und schwarze 
Schuppen. Im Uebrigen trägt der Hinterleib blonde Haare, besonders 
reichlich auf den letzten Segmenten. Die Bauchseite zeigt in der Membran 
ein Paar weisser Flecke auf jedem Ringe. Auf der Oberseite finden sich 
manchmal einzelne weisse Schuppen längs der Mittellinie, welche wohl 
Ueberbleibsel einer an diesen Stücken verloren gegangenen Zeichnung sind. 

(? Das Männchen ist durch nichts Besonderes ausgezeichnet. Das zweite 
Palpenglied ist in der Endhälfte hell, und trägt am verdickten Ende einen 
Schopf dunkler Schuppen, der sich hauptsächlich von unten her über das 
nächste Gelenk hinweglegt. Die beiden Kolbenglieder sind hell, mit einem 
Streifen dunkler Schuppen auf der Unterseite und einem dunklen Ringe an 
der Wurzel. 

9 Länge von Kopf und Rüssel 2*8 mm ; Flügel 4-0 mra . 

<? n »» it n >? ^" fi >f 3*8 ,, 

Habitat: Neu-Guinea (Stephansort); Bismarck-Archipel (Herbertshöhe 
auf Nou-Pommern). 

Bemerkungen. In meiner ersten Veröffentlichung dieser Art habe 
ich dasselbe Vaterland angegeben wie oben, also Neu-Guinea (Stephansort) 
und Bismarck-Archipel (Herbertshöhe). Wenn daher Theobald diese 
Angaben auslässt, dafür Sumatra und Borneo anführt und meinen Namen 
dahinter setzt, so muss das auf einem Versehen beruhen. Da aber Theo¬ 
bald die Stücke, welche er für punctulatus ansieht, von Taipang in 
den Straits Settlements erhielt, so nehme ich Veranlassung daran zu 
zweifeln, dass es sich um dieselbe Art handelt. Hier meine Gründe. 


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60 


W. Dönttz: 


Mir lagen aus Sumatra einige Stücke vor, welche ich anfänglich auch 
für An. punctulatus hielt. Da ich aber unter dem reichen Materiale 
von den Sunda-Inseln diese Art nicht wieder fand, so musste es auffallen, 
dass sie gerade nur an den entlegensten Punkten dieser lang gestreckten 
Reihe von Inseln, nur auf Sumatra und Neu-Guinea, Vorkommen, in dem 
ganzen dazwischen liegenden Gebiete fehlen sollte. Eine nähere Unter¬ 
suchung ergab denn auch, dass die Stücke von Sumatra sich sehr wohl 
specifisch von An. punctulätus unterscheiden lassen. Wegen der 
täuschenden Aehnlichkeit aber wurde die neue Art An. deceptor genannt. 

Nach diesen Erfahrungen liegt die Vermuthung nahe, dass Theobald’s 
Stücke von Malacca auch dieser neuen Art angehören, doch kann ich 
mich nicht mit Sicherheit darüber aussprechen, weil die beiden Abbildungen 
des Flügels eines Weibchens, welche Theobald bringt, dem entgegen stehen. 
Näheres siehe unter den Bemerkungen zu An. deceptor. 


Anopheles deceptor Dö. 

Etym.: So genannt, weil er leicht den An. punctulatus oder auch 
leucosphyrus vortäuscht. 

Diagnose: Obere Gabel beginnt etwas früher als die untere. End¬ 
hälfte des Rüssels weisslich. 

Palpen in der Endhälfte weiss, mit schmalem schwarzen Ring am 
Anfang des 3. und 4. Gliedes. 

Tibien der Hinterbeine am Ende schmal weiss; Tibiotarsalgelenke nicht 
breit weiss. 

Flügelzeichnung ähnlich wie bei An. leucosphyrus. 

Beschreibung nach einigen Stücken von Sumatra. 

9 Kleiner als die beiden genannten Arten, denen er ähnelt. In der 
Flügelzeichnung hat er mehr Aehnlichkeit mit An. punctulatus, weil ihm 
die über die dunkel beschuppten Stellen hinausgehenden Flecke der Membran 
fehlen. Der Flügel erscheint aber auch deswegen heller, weil die Zahl der 
dunklen Punkte eine geringere ist. Der zweite typische Vorderrandfleck 
erscheint so lang wie bei leucosphyrus, weil er mit dem davor gelegenen 
kleinen Punkt verschmolzen ist; aber er ist schmäler, weil der unter ihm 
gelegene dunkle Strich auf der 2. Rippe sich ihm nicht anschliesst. Der 
dritte Fleck ist länger als bei punctulatus; bei dem darunter gelegenen 
Strich auf Rippe 1 ist die Entstehung aus drei Punkten nur angedeutet. 
Der ganze Stiel der oberen Gabel ist dunkel beschuppt, zerfällt aber durch 
ein eingeschobenes helles Pünktchen an der oberen centralen Querader in 
zwei längere Striche. 

Von den centralen Querrippen ist die untere um das Dreifache ihrer 
Länge von der mittleren entfernt. Die obere ist zurückgerückt. Von der 
unteren centralen Querader an entfernen sich der obere Ast der 5. Rippe 
und die 4. Rippe gleichmässig und allmählich von einander. 

Wimpersaum gescheckt. 

Index der Hülfsrippe 40-9 mnl ; der 5. Rippe 36*2 mm . 

Flügellänge 2 • 9 Inm . 

Schwinger weiss. 


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BEITRÄGE ZUR lVEKNTNISS DER ANOPHELES. 


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Kopf. Scheitel grau, Scheitelschopf heller. Die Palpen sind ungefähr 
von der Mitte des 2. Gliedes an weiss, mit schmalen dunklen Ringen um 
die Wurzel des 3. und 4. Gliedes. Es fehlt also der Ring um das helle 
Ende des 2. Gliedes, den An. punctulatus besitzt. Das erste Gelenk ist 
oben weiss. 

Länge der Palpenglieder 0*46—0*5—0-23—0-13. 

Rüssel am Ende weiss oder weisslich. 

Thorax wie bei leucosphyrus. 

Beine ähnlich gezeichnet wie bei An. leucosphyrus, mit Ausnahme 
der Hinterbeine, welche am Ende der Tibia nur einen kleinen hellen Fleck 
tragen, nicht eine so breit weisse, für die andere Art charakteristische Binde. 

Kopf und Rüssel 2 • 0 mm . 

Rumpf 3 • 4 mra . 

$ Unbekannt. 

Hab.: Sumatra. 

Bemerkungen. An. deceptor gehört in die Verwandtschaft von 
An. punctulatus, jener auf Neu-Guinea einheimischen Art, die zur 
australischen Fauna gehört; aber das Verbreitungsgebiet von deceptor 
sowohl wie von leucosphyrus liegt diesseits der von Wallace bezeichneten 
Grenze, also im indischen Faunengebiet. Auffallend ist, dass beide an¬ 
scheinend seltene Arten sind. Vielleicht steht beides in Zusammenhang. 

In den Bemerkungen zu An. punctulatus habe ich darauf hin gewiesen, 
dass die von Theobald aus Malacca bezogenen und für An. punctulatus 
gehaltenen Stücke diese Art nicht sind und dass deshalb zunächst ein Ver¬ 
gleich mit An. deceptor in Frage käme. Leider ist die Beschreibung 
Theobald’s gerade in den Punkten, auf die es dabei ankommt, unzu¬ 
reichend, so dass ich auf die Abbildungen S. 176 u. Taf. XXXVII, Fig. 148 
angewiesen bin. Darnach stimmt die Zeichnung des Thorax nicht überein, 
und an den Flügeln finden sich Unterschiede in der Structur und in der 
Zeichnung. Es gabelt sich nämlich bei Theobald’s Stücken die 2. Rippe 
sehr viel später als die vierte, bei punctulatus und deceptor ent¬ 
weder früher oder doch auf gleicher Höhe. Ich könnte noch hinzu¬ 
fügen, dass die Queradern, auf welche die Autoren so grosses Gewicht 
legen, auch nicht übereinstimmen, wenn sie nicht in Theobald’s Figur 
geradezu falsch gezeichnet wären. Unmittelbar nach dem Ursprung des 
oberen Astes der 6. Rippe geht die untere Querader niemals bei einem 
Anopheles ab. Zugleich muss ich darauf aufmerksam machen, dass die 
2 . Rippe niemals wie in Theobald’s Fig. 49a bei einem Anopheles aus 
der Wurzel entspringt, ebenso wenig wie aus der 3. Rippe, wie es die 
bunte Fig. 148 zeigt. Ich weiss nicht, ob ich bei diesen groben Fehlern 
der Abbildungen Gewicht auf die Flügelzeichnung legen darf, doch will 
ich wenigstens erwähnen, dass in beiden Figuren Theobald’s auf der 
2. Rippe der dunkle Fleck hinter der oberen Querader, auf der 4. Rippe 
der Fleck vor der unteren Querader fehlt, die beide bei An. deceptor 
vorhanden sind. 

Da man hier also falsch gezeichneten Figuren gegenübersteht und der 
Text uns im Stich lässt, wird es am besten sein, es Theobald selber zu 
überlassen, sich darüber auszusprechen, ob seine für An. punctulatus ge¬ 
haltenen Stücke meinem An. deceptor entsprechen oder nicht. 


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W. Dönitz: 


Anopheles pharoänsis Theob. 

Diagnose: Die beiden kleinen Oabeln entstehen ziemlich auf gleicher 
Höhe, die obere kaum merklich früher als die untere. 

Flügel mit den vier typischen Vorderrandflecken. 

Der Wurzelfleck der 5. Rippe weiter gegen die Flügelspitze vorgerückt 
als der erste Fleck der 6. Rippe. 

Rippe 5 an der Gabelung dunkel. 

Rippe 6 mit drei Flecken. 

Palpen an den Gelenken schmal weiss beschuppt; Endhälfte des letzten 
Gliedes weiss. 

Tarsen breit geringelt. Endglied der Hintertarsen weiss. 

Am Hinterleibe dunkle, aufgerichtete Schuppenbüschel an den Hinter¬ 
ecken der Rückenplatten. 

Beschreibung nach einem Stück von Alexandrien. 

Kopf auf dem Scheitel grau, gegen den Nacken graubraun, dahinter und 
unten olivbraun beschuppt. 

Palpen am ersten Gelenk schmal, am zweiten und dritten breit weiss 
beschuppt; Endglied weiss, mit dunklem Ring um die Basis. Bei anderen 
Stücken sind die Gelenke schmäler weiss. Weisse Schuppen finden sich 
auf der ganzen Oberseite eingestreut. An Balsampräparaten sieht man, 
dass am Anfang der Glieder auch das Chitin der Membran hell ist. Das 
zweite Glied ist merklich länger als das erste. 

Palpenglieder 0 • 55—0 • 69—0 - 42—0 • 26 inra . Sa. l-92 mm . 

Fühler mit einigen weissen Schuppen auf den ersten Gliedern. 

Thorax bläulich schiefergrau, mit hellen, meist weisslichen, aber auch 
gelblichen Schuppen reichlich besetzt, so dass auch die grossen ovalen 
schwarzen Flecke vor der Quernaht zum Theil von ihnen bedeckt werden. 
Unter der scharfen Seitenkante stehen die Schuppen sehr dicht und er¬ 
scheinen etwas dunkler, grau bis weissgrau. Oberhalb der Beinansätze liegt 
ein weisser Längsstreif, anscheinend nicht beschuppt. 

Flügel schön und kräftig gezeichnet; Farbe der Schuppen dunkelbraun 
und hell ockergelb; die hellen Einschnitte am Vorderrand erscheinen noch 
etwas heller, doch nirgends rein weiss. Der dunkle Mittelfleck fällt besonders 
in die Augen und erstreckt sich mit einer schmäleren Fortsetzung weit in 
die Flügelspreite hinein, bis auf den Stiel der oberen Gabel. Der Grösse 
nach folgen auf diesen Fleck der dritte, der erste, der vierte. Im hellen 
Wurzelfelde liegen zwei kleine braune Fleckchen. Der erste Randfleck liegt 
auf der Costa und der Hiilfsader, doch greift er in seinem vorderen Theile 
mit einigen dunklen Stippchen bis auf die 1. Rippe hinüber. Der zweite 
Fleck hat im Wesentlichen die Form eines breiten, kräftig gezeichneten T, 
doch wechselt die Form bei den einzelnen Stücken, ja selbst auf den beiden 
Flügeln desselben Individuums, indem bald hier, bald dort, besonders auf 
der 1. Rippe, Gruppen heller Schüppchen eingestreut sind, so dass der Fleck 
hier hell und dunkel punktirt erscheint. Auf der 2. Rippe sind die zu 
diesem Fleck gehörigen Schuppen etwas matter gefärbt, doch erstreckt sich 
die Verdunkelung der Membran selbst bis hierher. Der dritte Fleck wird 
verstärkt durch einen kürzeren und einen längeren Fleck auf der 1. Rippe; 
der längere kann wieder getheilt sein, und dann liegen dem 3. Vorder- 


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Beitbäge zub Kenntniss deb Anopheles. 


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r&ndfleck unten drei dunkle Fleckchen an. Der vierte Fleck wird verbreitert 
durch einen längeren, aber etwas matteren Strich auf der 1 . Rippe, dem 
auch wieder helle Schüppchen beigemengt sein können. Der Stiel der 
oberen Gabel zeigt zwei Verdunkelungen; die erste dient zur Verbreiterung 
des grossen Vorderrandfleckes, wie schon erwähnt; die zweite liegt auf dem 
Ende des Stieles und erscheint viel matter als die erste, weil ihr viel belle 
Schuppen beigemischt sind. Die Gabeläste tragen mäBsig dunkle Schuppen 
mit helleren gemischt, doch hebt sich auf dem oberen Ast gleich hinter der 
hellen Theilungsstelle und unter dem 3. Randfleck gelegen eine dunklere 
Strecke ab, und eine ähnliche unter dem 4. Vorderrandfleck, mit welcher 
auch der Randpunkt verschmolzen ist; der untere Ast trägt drei dunkle 
Punkte, zu Anfang, in der Mitte und den Randpunkt. Auf der 3. Rippe 
stehen zwei Punkte, vor und hinter den Queradern. Auf dem Stiel 
der unteren Gabel überwiegen die hellen Schuppen, doch ist die Strecke 
von den Querrippen bis zur Gabelung verdunkelt. Die Gabel ist hell, doch 
ist jeder Ast zu Anfang mit einem Fleckchen besetzt. Der Stiel der grossen 
Gabel trägt einen im Verhältnis zum ersten Fleck der 6 . Rippe weit vor¬ 
geschobenen Wurzelfleck, einen Fleck vor der Gabelung, einen kleineren 
dahinter, und ist im Uebrigen hell bis zum Randpunkt. Auf dem oberen 
Aste findet sich eine dunkle Stelle hinter der Querrippe. Die 6 . Rippe hat 
drei ziemlich gleich weit von einander entfernte dunkle Fleckchen. 

Der Wimpersaum ist mäBsig dunkel, auf den Rippen hell durchschnitten; 
stärker verdunkelt sind zwei oder drei Schöpfchen auf der Flügelspitze. 

Die centralen Queradern sind treppenförmig angeordnet. 

Index der Hülfsrippe 42 • 1 mra ; der 5. Rippe 36-8 mm . 

Beine. Femur des ersten Paares im Anfangsdrittel mässig verdickt. 
Femora und Tibien an der Aussen- und Streckseite unregelmässig dunkel 
und hell gefleckt und gestrichelt. Tarsen ziemlich breit und scharf geringelt, 
doch sind an Vorder- und Mittelbeinen die beiden letzten Tarsenglieder 
dunkel. An den Hinterbeinen sind die hellen Ringe noch breiter, das dritte 
Glied beinahe zur Hälfte, das vierte Glied zur Hälfte, das fünfte ganz weiss. 

Hinterleib. Die Schuppen und Haare auf der Oberseite sind gelb¬ 
braun, zum Theil haben sie die Farbe des Goldockers; an den Hinterrändem, 
neben den Hinterecken der Rückenschilder sind sie büschelförmig auf¬ 
wärts gerichtet, doch nicht so in die Augen fallend wie bei An. squamosus. 
Die Bauchschilder sind in ihrer vorderen Hälfte weiss beschuppt, in der 
Weise, dass man neben einander drei Flecke unterscheiden kann, zwei 
seitliche und einen mittleren. Dahinter ist die Beschuppung gelb, aber an 
den Seitenrändem wieder weiss. Auf den hinteren Segmenten herrscht 
gelb vor. Genitalklappen des 9 lang gestreckt, gegen das Ende gelb, im 
Uebrigen mehr gelbbraun beschuppt. 

Kopf und Rüssel: 3*0 mm . 

Thorax und Abdomen: 6 • 2 ram . — g 6 • 7 mm . 

Flügel: 4*7 mm ; bei einem anderen Stück 4• 4 mm . 

An dem einzigen vorhandenen Männchen sehe ich ausser den allge¬ 
meinen Geschlechtseigenthümlichkeiten nichts Bemerkenswerthes. 

Hab.: Unterägyppten (Alexandrien, Mahmudiehcanal, Wadi-Natrün, 
Cairo). Theobald giebt ausser Cairo auch Centralafrika, Mashonaland an. 


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W. Dönitz: 


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Bemerkungen. Ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich die mir 
vorliegenden Stücke aus Unterägyppten auf Theobald’s Anopheles 
pharoönsis beziehe, obgleich die englische Beschreibung einige Unterschiede 
aufweist. So kann ich nicht finden, dass die Hinterleibssegmente am Hinter¬ 
rande verbreitert sind. Theobald’s Stücke müssen wohl stärker als ge¬ 
wöhnlich eingeBchrumpft sein. Auch wird bei meinen Stücken der Hinter¬ 
rand der Segmente nicht durch die für die Art charakteristischen Schuppen¬ 
büschel verbreitert, denn diese stehen gar nicht an den Hinterecken, sondern 
medial von diesen, also auf der Oberseite. — Ferner stimmt nicht, dass 
Theobald von seiner Art angiebt, dass die schwarze Costa durch einen 
grossen und drei kleine helle Flecke durchbrochen sei, denn bei meinen 
Stücken sind nur drei Unterbrechungen vorhanden, und diese sind ziemlich 
gleich lang. Auch die Vertheilung der kleinen Flecke, welche ungefähr 
20 betragen sollen, stimmt nicht genau überein; so sind die bei meinen 
Stücken vorhandenen Flecke am Anfang der beiden Aeste der unteren Gabel 
(4. Rippe) von Theobald nicht angegeben. — Vielleicht sind diese Diffe¬ 
renzen dadurch entstanden, dass Theobald Stücke von weit aus einander 
liegenden Gegenden vor sich hatte: ein Pärchen aus Cairo, und 1 Stück 
aus Centralafrika. Da kann das centralafrikanische Stück sehr wohl von 
den ägypptischen ab weichen. Leider giebt Theobald nicht an, ob er ein 
einziges Stücke beschreibt, oder ob er das Facit aus der Untersuchung der 
drei Stück zieht. Das bunte Bild Taf. I, Fig. 8 ist nicht geeignet, hier 
Klarheit zu schaffen. 

Meine Beschreibung bezieht sich auf ein Stück (9) aus Alexandrien. 
Die Abbildung des Flügels auf ein Stück, das zwischen 18. u. 22. Nov. 1900 
am Mamudiehcanal gefangen war. Dass mir ausserdem noch eine grössere 
Anzahl Exemplare Vorgelegen hat, geht aus meiner Beschreibung hervor. 

Anopheles squamosus Theob. 

(Taf. I, Fig. 8.) 

Diagnose: Palpen schwarz, mit weissen Gelenken und Endglied. 

Die erste Gabelzelle beginnt merklich früher als die zweite. 

Am Vorderrand der Flügel vier schwarze Flecke, durch sehr schmale 
w T eisse Einschnitte getrennt. 

Wurzelfleck der 5. Rippe ausgerückt. 

Beine oberseits dunkel, fein hell betupft, unterseits hell. Tarsen geringelt 

Hinterleib stark und abstehend behaart, an den Hinterecken der Rücken- 
platten mit aufrecht stehenden Schuppenbüscheln besetzt. 

Beschreibung nach einem Stück aus Südwestafrika, das bei Sorres- 
Sorres am 24. April 1901 von Herrn Stabsarzt Vagedes erbeutet war. 
Ziemlich kleine, schwarze, fein weiss gezeichnete Art. 

Beschuppung und Behaarung von Stirn und Scheitel grau, den Scheitel¬ 
schopf eingeschlossen. 

Fühler schwarz, grau behaart; auf der Oberseite einige graue Schuppen 
bis etw T a zum 7. Glied. 

Palpen schwarz, am Ende der Glieder weiss betupft, das Endglied über¬ 
wiegend weisslich. Auf dem 1. und 2. Glied bilden eingestreute weisse 
Schuppen einen hellen Längsstrich. 


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Beitbäge zur Kenntniss der Anopheles. 


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Thorax sehr dunkel, schwärzlich; über die ganze Fläche verstreute 
weiäse Schuppen, die Theobald mit Recht spindelförmig nennt. Fleck vor 
der Quernaht tief schwarz. Das schwarze scutellum hängt sehr weit über 
und verdeckt das metanotum fast ganz. Die von Theobald angegebenen 
veissen Seitenstreifen sind an dem vorliegenden Stück nicht zu sehen. 

Flügelmembran in der vorderen Hälfte stark verdunkelt, in der hinteren 
Hälfte immer noch merklich dunkel. Am Vorderrand vier schwarze Flecke; 
die weissen Einschnitte sind sehr klein, doch greifen sie mit einigen weissen 
Schöppchen auf die Hülfsrippe, und vor der Flügelspitze auf die 1. Rippe 
hinüber. Diese ist auch gegenüber dem Ursprung der 2. Rippe, an der 
Einmündungsstelle der marginalen Querader mit einem weissen Stippchen 
besetzt. Auf den übrigen Rippen vertheilen sich die Farben wie folgt: Der 
Stiel der grossen Gabel ist weiss, unterbrochen nur von dem weit hinaus 
gerückten Wurzelfleck. Vor der Gabelung wird der Stiel wieder schwarz; 
darüber hinaus ist der untere Ast bis jenseits der Mitte wieder weiss; der 
obere Ast ist am Abgang der centralen Querader weiss, darauf folgt ein 
schwarzes Fleckchen, und der Rest ist erst weiss, dann schwarz beschuppt. 
Die 6. Rippe ist weiss, mit drei schwarzen Flecken. Weiss ist auch die 
Gabelung der 4. Rippe, sowie die 3. Rippe, welche aber am Anfang, in der 
Hitte und am Ende ein schwarzes Fleckchen trägt. 

Wimpersaum schwarzgrau, am Hinterrande matt gescheckt, an der 
Flügelspitze scharf gescheckt. 

Index der Hülfsrippe 43*0; der 5. Rippe 36‘25. 

Beine: Oberschenkel des 1. Paares bis über die Mitte hinaus stark 
verdickt, dunkel; das Enddrittel unterseits weiss. Tibia auf der Streckseite 
schwarz, mit eingestreuten hellen Stippchen; auf der Unterseite weiss. 
Tarsus matter gefärbt, aber die Unterseite des 1. Gliedes auch heller; die 
Endhälfte des 2. und 3. Gliedes auf der Oberseite weiss, die beiden End¬ 
glieder durchaus schwarz. Der Oberschenkel des 2. Paares ist in der End¬ 
hälfte keulenförmig verdickt. Beschuppung ähnlich wie beim 1. Paare, doch 
sind die Enden der drei ersten Tarsenglieder hell, wenn auch in geringerer 
Ausdehnung. Leider fehlt das 3. Beinpaar an dem einzig vorhandenen 
Stück. Nach, Theobald sind die Oberschenkel desselben stark verdickt, 
dunkelbraun mit weissen Fleckchen, einem grösseren weissen Fleck gegen 
das untere Ende und weisser Spitze; Tibien schwarz und weiss gefleckt, die 
Tarsen am Ende weiss, das letzte Glied ganz schwarz. — Die Krallen sind 
alle schwarz. 

Hinterleib sehr dunkel, struppig mit langen abstehenden Haaren be¬ 
setzt; dazwischen auf den Rückenplatten anliegende hellere, olivbräunliche 
Schuppen und Härchen, die vor den Hinterrändern eine goldig glänzende 
Farbe annehmen. An jeder Hinterecke der Rückenschilder steht ein schwarzer, 
aufgerichteter Scbuppenbüschel. Auf den Bauchplatten sind die sonst vielfach 
vorkommenden weissen Seitenflecke auf schmale lange Striche reducirt und 
auch weiss beschuppt. Von hellen Mittelstreifen ist wenig zu sehen. 

Afterklappen lang und struppig schwarz beschuppt. 

Kopf und Rüssel: 2 • 6 mm . 

Thorax und Hinterleib: 4*3 mrn . 

Flügel: 3 • 8 mm . 

Index der Hülfsrippe 43. 

Zehschr. f. Hygiene« XLI, 5 


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W. Dönitz: 


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Habit.: Mashonaland und Brit.-Centr.-Afrika (Theobald). — Deutsch- 
S.-W.-Afrika (Dönitz). 

Bemerkungen: Diese Art batte ich schon abbilden lassen, als sie in 
Theobald’s Monographie veröffentlicht wurde. Ich füge die Beschreibung 
hier bei, weil sio die englische in mancher Beziehung ergänzt. Trotz 
mancher Abweichungen, welche mein Stück von der Theobald’schen Be¬ 
schreibung und Abbildung aufweist, möchte ich keine neue Art dafür auf¬ 
stellen, obgleich ich auf Grund gewisser, von Theobald aufgestellter 
Principien dazu berechtigt wäre. Diese Unterschiede sind folgende: 

1. Die obere centrale Querader ist reichlich um ihre ganze Länge von 
der mittleren entfernt, während sie nach Theobald nur um die Hälfte 
ihrer Länge von ihr abstehen soll. In der Einleitung wurde schon bemerkt, 
dass die Stellung der Queradern zu einander nicht geeignet ist, Artunter¬ 
schiede zu begründen. 

2. Theobald nennt die seitlichen Schuppen auf den Rippen der Flügel 
keulenförmig und bildet sie auch so ab. Ich sehe bei meinem Stück die 
Sache ganz anders. An der Flügelwurzel sind alle dunklen Schuppen sehr 
breit, mit leicht verschmälertem und abgestuztem Ende. Am breitesten sind 
sie auf der Hülfsrippe, doch auf den beiden ersten Flecken der 6. und auf 
dem Wurzelfleck der 5. Rippe sind sie auch recht breit. Gegen die Flügel¬ 
spitze hin werden sie immer schmächtiger. Dazwischen eingestreut finden 
sich sehr lange, alle anderen überragende, sehr schmal spindelförmige 
Schuppen, die schon an der Wurzel auf der 6. Rippe Vorkommen, auf der 
5. Rippe von der Gabelung an häufiger werden, allmählich aber gegen die 
Spitze hin unter den anderen, länger und spitzer werdenden Schuppen ver¬ 
schwinden. Sehr lehrreich und übersichtlich ist das Verhalten der Schuppen 
auf der 3. Rippe. Da finden sich an den zwei ersten dunklen Flecken 
breite, flach anliegende dunkle Schuppen, wie sie auch von der Flügel¬ 
wurzel erwähnt wurden, in drei Reihen neben einander, und überragt werden 
sie von den abstehenden, langen spindelförmigen Schuppen. Gegen die 
Flügelspitze hin werden die anliegenden Schuppen schmäler, selbst wo sie 
dunkel gefärbt sind, wie im Randpunkt, und die Spindelschuppen werden 
etwas breiter. Aehnlich ist es auf den anderen Rippen. Zwei Reihen 
anliegender Schuppen, wie sie Theobald abbildet, finde ich nur gegen Ende 
der obersten Rippen, wo aber die seitlichen Schuppen in grösserer Zahl 
vorhanden sind als in Theobald’s Abbildung und nicht kolbig, sondern 
vielmehr breit spindelförmig erscheinen. Selten ist ihre Spitze so weit ab¬ 
gestumpft, dass man sie keulenförmig nennen könnte. 

Hieraus ergiebt sich, dass die Beschuppung eines Anophelesflügels nicht 
mit ein paar Worten charakterisirt werden kann, wie es Theobald ver¬ 
sucht, wenn er sagt: „most of the veins dark scaled, the lateral scales being 
clavate“. An den einzelnen Stellen des Flügels ist die Form der Schuppen 
bei allen Anopheles verschieden, und es muss eingehenderen Untersuchungen 
Vorbehalten bleiben, zu entscheiden, wie weit hier Gesetzmässigkeiten walten. 

3. Die hellen Schuppen nennt Theobald gelb; bei meinem Stück sind 
sie weiss, stellenweise sogar silberweiss» Ich kann kaum annehmen, dass 
bei meinem Stück, das in Alkohol gelegen hat, die gelbe Farbe so weit 
ausgebleicht sein sollte. 


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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles. 


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Vielleicht stellt mein Stück eine locale Varietät der Theobald’schen 
Art dar. Darüber zu entscheiden bedarf es weit grösseren Materiales, denn 
bis jetzt sind nur drei $ dieser Form bekannt, von denen zwei Theobald 
Vorlagen. 

Anopheles impunctus Dö. 

(Taf. II, Fig. 15.) 

Etym.: impunctus = nicht punktirt; so genannt wegen fehlender Rand¬ 
punkte. 

Diagnose: Die beiden Oabeln beginnen auf gleicher Höhe. Am 
Vorderrande der Flügel vier kleine dunkle Flecke. Es fehlen die Rand¬ 
punkte auf den Aesten der oberen Gabel und auf dem oberen Aste der 
unteren Gabel. 

Auf Rippe 6 drei Flecke. 

Alle Flecke klein und spärlich. 

Palpen auf den Gelenken Bchmal hell beschuppt. 

Beschreibung nach einem in Canadabalsam eingelegten Stück vom 
Wadi-Natrün vom 8. October 1900. 

Die vier Vorderrandflecke sind klein, ziemlich gleich lang, und greifen 
in gleicher Breite auf die 1. Rippe hinüber. Auch die Membran selber ist 
an diesen Stellen verdunkelt. Fleck 2 reicht bis zur 2. Rippe, auf welcher 
noch ein zweiter Fleck gerade unter dem hellen Einschnitt zwischen 2. und 
3. Vorderrandfleck steht. Unter diesem liegt wieder ein Fleck auf Rippe 3 
und auf Rippe 4, letzterer kurz vor der Gabelung. Sonst stehen auf Rippe 3 
nur noch wenige dunkle Schuppen vor der centralen Querader. Der obere 
Ast der grossen Gabel führt in seiner ersten Hälfte zwei Fleckchen. Der 
Wurzelfleck der 5. Rippe ist gegen den ersten der drei Flecke der 6. Rippe 
etwas eingerückt. Die vorhandenen Randflecke sind klein, punktförmig; 
deijenige auf dem unteren Ast der unteren Gabel verschwindend, und es 
fehlen die drei in der Diagnose aufgezählten. 

Wimpersaum gescheckt; die ganze Flügelspitze bis unterhalb Rippe 3 
hell bewimpert, nur von einem schmalen dunklen Schopf unter dem oberen 
Ast der oberen Gabel durchschnitten. 

Die mittlere Querader ist um die doppelte Länge der oberen von dieser 
entfernt; die untere steht ein wenig zurück. 

Die Beine zeigen in dem Balsampräparat nichts Besonderes. Die Ober¬ 
schenkel erscheinen in der Seitenansicht an der Basis nicht verdickt, wohl 
aber die Tibien oberhalb des Tarsalgelenkes. 

Thorax und Hinterleib: 4*l mra . 

Kopf und Rüssel: 2-3 Inm . 

Hab.: Unterägypten (Wadi-Natrün). 

Anopheles Kochi Dö. 

(Taf. H, Fig. 18 u. 25.) 

Diagnose: 6 Büschel schwarzer Schuppen am Bauche, vom 2. bis 7. 
Hinterleibsring. 

Palpen gelb, mit schwarzem Ring an der Wurzel und weissem Fleck 
am Ende der einzelnen Abschnitte. Am Rüssel fast die ganze Endhälfte 
gelb beschuppt, die Wurzel dunkel. • 

5 * 

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W. Dönitz: 


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Die vier typischen Yorderrandflecke klein, durch viel längere Zwischen¬ 
räume getrennt. Ein kleiner schwarzer Punkt am Vorderrande mitten 
zwischen erstem und zweitem Fleck. Tarsen geringelt. Rippe 6 mit drei 
Flecken. Rippe 5 nur mit Wurzel- und Randfleck. 

Die 4. Rippe gabelt sich früher als die zweite. 

Beschreibung. Kopf. Augen oben mit weissen Schuppen gesäumt. 
Scheitelschopf grau. Scheitel gelblich, Nacken- und Halskrause dunkel be¬ 
schuppt. Fühler grau. Palpen gelb, mit schwarzem Ring an der Wurzel 
der einzelnen Abschnitte. Vor dem ersten Gelenk ein scharf weisser Fleck. 
Die Endhälfte vom zweiten und dritten Abschnitt, und die äusserste Spitze 
des vierten sind weiss beschuppt. Oefter sind den gelben Schuppen so viel 
schwarze beigemischt, dass die Wurzelhälfte der Palpen dunkel erscheint. 
Der Rüssel ist bis über die Mitte hinaus schwarz und gelb getüpfelt, das 
Ende gelb. An der Wurzel ein dreieckiger schwarzer Schopf, und am Ende 
vor den weisslichen Endlappen, ein schwarzer Fleck. 

Beim $ sind die beiden ersten Palpenglieder an der Wurzel und am 
Ende schwarz geringt, letzteres auch ein wenig jenseits der Mitte. An der 
Wurzel der beiden Kolbenglieder ein schwarzer Halbring; erstes Kolbenglied 
auf der ganzen Unterseite schwarz. 

Thorax. Oberseite matt gelb, mit bläulichgrauen Längsstreifen. Vor 
der Quernaht (Sutura transversalis), neben den beiden gelblichen Längs¬ 
streifen, steht jederseits ein tief schwarzer Fleck, nach welchem Theobald 
diese Art als ocellatus hatte benennen wollen. Längs des Seitenrandes 
finden sich auf dem Thoraxrücken von vorn bis zum Flügelansatz noch drei 
unbedeutendere dunkle Flecke. Beschuppung am Vorderrande und auf dem 
Patagium gelb. Sonst sehe ich auf dem Thorax noch Spuren weisser 
Schuppen; auch Theobald giebt „creamy scales“ an. Scutellum in der 
Mitte dunkel, an den Seiten hell. Mctanotum gelblich. 

Hinterleib matt goldgelb behaart, besonders auf der Unterseite. An 
den Hinterrändern der Bauchplatten vom 2. bis 7. Segment schwarze, ge¬ 
scheitelte, sehr fest haftende Schuppenbüschel, bei beiden Geschlechtern. 
Genitalklappen des 9 mit langen goldgelben Haaren und Schuppen bekleidet; 
ebenso der Wurzeltheil der männlichen Copulationsorgane. Die Membran 
der Bauchplatten zeigt an den Vorderrändern je ein Paar weisser Flecke. 
Ob sie beschuppt sind, liess sich nicht ermitteln. 

Beine dunkelbraun, Femora und Tibien mit zahlreichen hellen Fleckchen 
bestreut. Enden aller Tarsenglieder weisslich, an den Vorderbeinen noch 
schmal auf den Anfang des nächsten Gliedes übergreifend; an den Hinter¬ 
tarsen sind die drei letzten Gelenke breit weiss geringelt, und das letzte 
Glied hat eine weisse Endhälfte, so dass dieses Glied am Gelenk weiss ist, 
darauf folgt ein dunkler Ring und dann das weisse Ende. Auf den ersten 
Tarsengliedern finden sich meist einige weisse Flecke. 

Flügel. Am Vorderrande stehen vier kleine typische Flecke von 
ziemlich gleicher Länge. Der erste greift in ganzer Länge auf die Hülfe- 
rippe, an seinem Vorderende selbst auf die 1. Rippe hinüber. Der zweite 
Fleck wird verstärkt durch einen gleich langen Fleck auf der Hülfsrippe 
und durch zwei kleine Fleckchen auf der 1. Rippe. Unter dem dritten 
Fleck stehen auf der 1. Rippe zwei fast confiuirende Fleckchen, und der 
vierte und kleinste Fleck greift bis auf den oberen Ast der oberen Gabel 


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Beiträge zub Kenntniss deb Anopheles. 


69 


hinüber, <L h. er wird durch die zur&ckgerückten und verlängerten Rand* 
paukte verstärkt. Ausserdem stehen am Vorderrande im Wurzeltheil zwei 
kleine dunkle Punkte, und ein dritter mitten zwischen den beiden ersten 
typischen Randflecken. Unter letzterem findet sich ein eben solcher auf 
der 1. Rippe. 

Die übrigen dunklen Flecke anf den Flügeln sind alle klein, punkt* 
förmig, in geringer Anzahl vorhanden. Die 2. Rippe trägt bei ihrem 
unscheinbaren Entstehen auf der Flügelmitte einige dunkle Schuppenhäufchen; 
ihre Dabeiäste sind an ihrem Ursprung mit dunklen Fleckchen besetzt, und 
der untere Ast zeigt einen solchen auf seiner Mitte. Die 3. Rippe hat 
einen kräftigeren dunklen Fleck an ihrem Anfang, gleich hinter den Quer¬ 
rippen. Dieser Fleck findet sich fast bei allen Anophelesarten, kann deshalb 
als typisch angesehen und als Mittelfieck bezeichnet werden. Der Stiel der 
unteren Dabei trägt drei weit getrennte dunkle Fleckchen vor der Mitte 
des Flügels, hinter derselben und unmittelbar vor der Dabelung. Diese 
selbst trägt helle Schuppen, aber der obere Ast dunkle bis fast zur Mitte, 
der untere nur zu Anfang. Der Wurzelfieck der 5. Rippe steht vor dem 
ersten Fleck der 6. Rippe, welche mit drei Flecken besetzt ist. Wimper- 
sanm gescheckt. 

Die 4. Rippe gabelt sich eine Kleinigkeit früher als die zweite; das 
Ende der Hülfsader liegt weit vor dem Ende von Rippe 5; die Entfernung 
bis zur Flügelspitze beträgt durchschnittlich 42*6 Procent der Flügellänge; 
bei 1 40*6 Procent. 

Querrippen treppenformig. 

Maasse: c? c? 9 9 9 9 9 

Thorax + Hinterleib . 3-8 4.1 3*3 3-5 36 3*6 3*9 

Kopf + Rüssel ... 2-5 2-7 2 0 2-1 2-2 2-1 2-4 

Flügel. 2-9 3-1 2-9 2-7 3-2 3-0 3-3 

Habitat: Sumatra (Padang); Java (Serang und Tjimah). Ferner nach 
Theobald’s Angabe: Taipang, Perak, Straits Settlements. 

Bemerkungen. Theobald beschreibt 1 unter dem Namen An. pul- 
cherrimus eine indische Art, welche dem An. Kochi nahe verwandt sein 
soll. Nimmt man die namentlich aufgeführten Unterscheidungsmerkmale 
hinweg, nämlich weisse Hintertarsen, Fehlen der augenartigen schwarzen 
Flecke auf dem Thorax, und die Zeichnung der Flügel, dann bleibt von der 
Aehnlichkeit nicht viel mehr übrig als jene Büschel aufgerichteter 
schwarzer Schuppen seitlich an den Hinterecken der Rückenschilder, 
die Theobald schon von An. pharoensis und squamosus beschrieben 
hat. Diese Büschel sind aber doch etwas ganz Anderes als die Sohuppen- 
bfischel bei An. Kochi, die an der Bauchseite in der Mittellinie liegen. 
Die genannten Arten haben mit pulcherrimus, wie sich aus der Photo¬ 
graphie des Flügels entnehmen lässt, gemein, dass die 2. Rippe sich ein 
wenig früher gabelt als die vierte; bei An. Kochi ist es umgekehrt. Leider 
lässt sich nicht erkennen, ob bei der neuen Art der Wurzelfleck der 5. Rippe 
über den der 6. hinausgerückt ist. Sollte auch hierin Uebereinstimmung 
herrschen, so würde man unbedingt eine Verwandtschaft mit diesen Arten 

1 Proe. Roy. Soe. Vol. LXIX. Nr. 456. 


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W. Dönitz: 


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annehmen mGssen. Die Verwandtschaft mit An. Kochi hingegen dürfte 
sehr fraglich erscheinen, weil nach Theobald’s eigenen Angaben eigentlich 
Alles verschieden ist. Indess scheinen mir die Flügel, auf die ich immer 
das grösste Gewicht lege, doch so ähnlich gezeichnet zu sein, dass sich die 
von Theohaid ausgesprochene Verwandtschaft beider Arten in dieser Be¬ 
ziehung wird aufrecht erhalten lassen. 

Anopheles aconitus Dö. 

(Taf. II, Figg. 17 u. 21.) 

Etym.: aconitus — unbestäubt; so benannt, weil auf dem Anfang der 
3. Rippe der sonst beständig vorkommende dunkle Fleck fehlt. 

Diagnose: Obere Gabel nahezu doppelt so lang wie die untere. 

Vier typische, gleich weit von einander getrennte Vorderrandflecke: 
unter der Endhälfte des 2. Fleckes ein dunkler Strich auf. der 1. Rippe. 
Kein Fleck auf dem Anfang der 3. Rippe. Rippe 6 mit drei Flecken; der 
mittlere sehr lang, öfter mit dem kleinen Wurzelfleck verschmolzen. 

Wimpersaum gescheckt. 

Beine gleichmässig dunkel; Tarsengelenke schwach aufgehellt. 

Ende der Palpen weiss, mit dunklem Ring jenseits der Mitte des vor¬ 
letzten Gliedes. Ende des Rüssels aufgehellt. 

Beschreibung nach einem Stück von Kajoe Tanam, Sumatra. 

Kopf. Scheitelschopf weiss. Palpen dunkel, mit hellem Endtheil; das 
1. Gelenk ist breit hell; das Ende des 2. Gliedes, sowie die Endglieder hell, 
das vorletzte mit ziemlich schmalem Ring jenseits der Mitte. Rüssel in der 
Endhälfte aufgehellt. 

Länge der Palpenglieder: 0-5—0-5—0-3—0-13 mm . 

Thorax (im Alkohol quittengelb), mit durchgehendem dunklem Mittel¬ 
streif. Das daneben gelegene graue Feld ist von vorn bis zur Mitte jeder- 
seits durch einen ockergelben Längsstreifen getheilt. Hinter der Sutura 
transversalis liegt ein olivbräunlicher Fleck, von dem aus ein ebenso ge¬ 
färbter, aber etwas hellerer Streif über die Flügelwurzel hinweg nach hinten 
zieht. Die dadurch entstehenden Seitenfelder sind wieder der Länge nach 
durch einen schmalen dunkleren Streifen getheilt, der vorn schon neben 
dem oben erwähnten Längsstreifen der vorderen Thoraxhälfte beginnt. 

Metanotum ockergelb. 

Flügel. Die Gabelung der 2. Rippe liegt senkrecht unter 
dem Anfang des 3. Vorderrandfleckes; die der 4. Rippe ist viel weiter 
hinausgerückt, so dass ein sehr bedeutender Unterschied in der Länge der 
beiden oberen Gabeln entsteht, viel auffallender als bei An. punctulatus, 
leucopus u. a. Die Hülfsrippe endet ein wenig vor der fünften. Die 
beiden mittleren Vorderrandflecke sind ziemlich gleich lang, der erste 
und vierte nur ungefähr halb so lang wie diese. Im Wurzeltheil liegen 
auf der Costa zwei kleine dunkle Flecke, deren zweiter in dem zur Be¬ 
schreibung dienenden Stück mit dem ersten typischen Fleck verschmolzen 
ist, was nicht immer der Fall ist. Die typischen Vorderrandflecke sind 
durch kurze helle Einschnitte getrennt; der letzte derselben ist nur halb so 
lang als die beiden anderen. Alle vier dunklen Flecke greifen in gleicher 
Länge auf die 1. Rippe hinüber, mit Ausnahme des 2. Fleckes, unterdessen 
erster Hälfte die 1. Rippe nicht verdunkelt ist. 


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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles. 71 

Auf dem Stiel der oberen Gabel steht ein dunkler Fleck unmittelbar 
vor der Theilung, und ein sehr kleiner auf ihrem Anfang, gerade unter der 
Mitte des 2. Vorderrandfleckes. Hell ist die Theilungsstelle und die Mitte 
des oberen Astes. Der untere Ast ist in der Mitte nur unbedeutend auf¬ 
gehellt, bei anderen Stücken dagegen auf eine längere Strecke hell. Die 
3. Rippe führt nur den Randfleck; (die sonst auf ihrem Anfang vor 
und hinter den Querrippen gelegenen Flecke sind höchstens durch ver¬ 
einzelte, öfter kaum durch das Mikroskop nachweisbare Schuppen angedeutet. 
Dieses Verhalten wurde besonders an Stücken aus Soekaboemi beobachtet). 
Der Stiel der unteren Gabel ist im ersten Drittel hell, dann dunkel bis zur 
Theilung, mit einer kurzen hellen Unterbrechung an den Queradern, welche 
treppenförmig angeordnet sind; die Theilungsstelle selbst ist weiss, beide 
Aeste dunkel, der untere mit heller Mitte. Bei anderen Stücken erscheint 
die ganze erste Hälfte des unteren Astes hell, und auch die Mitte des 
oberen Astes kann hell werden. Die 5. Rippe hat nur Wurzel- und Rand¬ 
fleck; ihr Ast ist bis über die Mitte hinaus dunkel, nur durch die helle 
Umgebung der unteren Querader durchbrochen. Die 6. Rippe hat einen 
sehr langen Mittelfleck und sehr kleinen Wurzelfleck, welcher mit dem 
Mittelfleck verschmelzen kann. Die Randpunkte sind meist zu Strichen 
verlängert. 

Die hellen Stellen sind am Vorderrand hell ockergelb, auf der Flügel¬ 
spreite mehr grau. 

Wimpersaum deutlich gescheckt, die hellgelben Wimpern der Flügel¬ 
spitze auf der oberen Gabel scharf dunkel durchschnitten. Am Hinterrande 
fällt eine unter dem Mittelfleck der 6. Rippe gelegene lange weisse Stelle 
im Wimpersaume auf. 

Index der Hülfsrippe 40*4; der 5. Rippe 37»3. 

Schwinger braun, mit hellerem Stiel. 

Beine gleichmässig dunkel; Tarsengelenke nur unbedeutend aufgehellt, 
nicht geringelt. Oberschenkel des 1. Paares am Anfang nicht verdickt. 

Kopf und Rüssel: 2-0 rara . 

Rumpf: 3-0 ram . 

Flügel: 2 • 7 ram . 

Hab.: Sumatra (Kajoe-Tanam). Java (Willem I; Soekaboemi). 

Anopheles maculatus Theobald. 

(Taf. I, Fig. 4 u. Taf, II, Fig. 24.) 

Diagnose: Die beiden letzten Palpenglieder weiss, mit dunklem Ring 
um die Mitte des vorletzten Gliedes. 

Flügel mit den typischen 4 Vorderrandflecken, der zweite so lang wie 
1 und 3 zusammen; unter ihm liegen drei getrennte dunkle Punkte auf 
Rippe 1. 

Tarsengelenke breit weiss geringelt, am breitesten an den Hinterbeinen, 
deren letztes Tarsenglied ganz weiss ist. 

Die 2. und 4. Rippe gabeln sich auf gleicher Höhe, oder die 4. sogar 
etwas früher. 

Beschreibung nach einem Stück von Kajoe-Tanam (Nord-Sumatra). 


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W. Dönitz: 


$ Kopf. Scheitelschopf weissgrau. Fühler bis zu Ende grau beschuppt. 
Palpen dunkel, mit weissen Gelenken und weissen Endgliedern; das vorletzte 
Glied mit dunklem Ring um die Mitte. Rüssel in der Endhälfte heller, 
grau; (im Alkohol weiss erscheinend). 

Länge der Palpenglieder: 0*63 — 0*65- 0*34—0*17. 

Thorax oben bläulich. Mittelstrich vor dem Schildchen stark dreieckig 
verbreitert. In der hinteren Hälfte deutliche dunkle Seitenstriche. Dunkle 
Flecke vor den Flügeln nicht deutlich. ßeBchuppung abgerieben, aber in 
der Nähe der Sutura transversalis noch helle Schüppchen vorhanden. 

Flügel. Der 2. Vorderrandfleck ist der grösste; unter ihm stehen drei 
dunkle Punkte, an welchen die Art leicht kenntlich ist. Die anderen drei 
Flecke sind unter einander annähernd gleich gross. Die drei hellen Ein¬ 
schnitte zwischen den vier dunklen Flecken nehmen nach der Spitze des 
Flügels hin an Länge zu. Die Flecke 1, 3 und 4 sind auf der 1. Rippe 
in gleicher Länge schwarz unterstrichen. Im hellen Wurzelfeld stehen zwei 
dunkle Striche. Alle Randpunkte kurz, fast punktförmig; nur auf dem 
oberen Ast der oberen Gabel ist der Randfleck verlängert und dient zur 
Verbreiterung des 4. Vorderrandfleckes. Derselbe Ast zeigt noch einen 
kleinen Punkt kurz nach seinem Ursprung, und der untere Ast trägt auf 
der Mitte einen dunklen Punkt. Auf dem Stiele der oberen Gabel stehen 
zwei schwarze Flecke vor und hinter der oberen Querrippe, und wurzelwärts 
davon noch die Andeutung eines dritten Fleckchens, gerade unter der Mitte 
des 2. Vorderrandfleckes. Der Anfang der 3. Rippe trägt zwei schwarze 
Flecke. Der sonst dunkle Stiel der unteren Gabel ist in der Mitte auf eine 
längere Strecke aufgehellt, beide Aeste am Anfang mit einem dunklen 
Fleckchen besetzt, von denen das untere öfter fehlt. Auf dem Stiel der 
grossen Gabel steht ein Wurzelfleck, und auf ihrem oberen Aste in der 
ersten Hälfte erst ein kleiner, dann ein längerer dunkler Fleck. Die 6. Rippe 
hat in der Wurzelhälfte zwei dunkle Flecke, mit dem Randpunkt zusammen 
also drei. 

Wimpersaum matt gescheckt, auf der Flügelspitze hell, mit einem 
dunklen Busch auf der oberen Gabelzelle, und einem kleineren darüber. 

Centrale Queradern treppenförmig angeordnet, oder die oberen bilden 
eine gerade Linie. Die untere ist von der mittleren um reichlich das 
Doppelte ihrer eigenen Länge entfernt. 

Index der Hülfsrippe im Durchschnitt von 6 Flügeln: 42.3; bei 1 £ 39-1. 

Index der 5. Rippe bei zwei Stück 34*0 und 36-6. 

Flügellänge 3 • 1 mm . 

Schwingerkolben halb weiss, halb dunkel; Stiel weiss. 

Beine. Die Oberschenkel des 1. Paares sind in der oberen Hälfte 
massig verdickt; sonst finden sich nirgends auffallende Verdickungen. Die 
grösseren Abschnitte der Beine sind klein hell getüpfelt, die Gelenke der 
Tarsen breit weiss geringelt, am breitesten an den Hinterbeinen. Dort sind 
alle Tarsenglieder am Ende weiss, aber das 3. und 4. Glied auch zu Anfang 
sehr breit weiss, so dass nur in ihrer Mitte ein dunkler Ring übrig bleibt. 
Das Endglied der Hintertarsen ist ganz weiss und hat nur mitunter ein 
dunkles Ende. Auch das Endglied der Mittelbeine ist hell, doch nicht weiss. 

Der Hinterleib zeigt auf den Bauchplatten paarweise angeordnete 
weisse Flecke. Die Behaarung ist gelb, und auf den letzten Rückenplatten 


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Beitbäge zue Kenntniss deb Anopheles. 


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und auf den Genitalklappen finden sich noch reichliche Spuren goldgelber 
Schuppen. 

<?. Bei einem von Herrn Dr. Vivian Ladds in Hongkong ge¬ 
sammelten sind die weissen Endglieder der Palpen je mit einem schwarzen 
Band an der Wurzel versehen, die Copulationsorgane auffallend stark gold¬ 
gelb beschuppt. 

Kopf und Rüssel des 9 2*5 mm . 

Rumpf.3 • 8 „ 

Hab.: Sumatra (Kajoe-Tanam; Oeloe Liman Manie; Doerian). China 
(Hongkong). 

Bemerkungen. Yon den drei charakteristischen Punkten unter dem 
2. Vorderrandfleck ist der erste öfter schwach entwickelt oder fallt ganz 
aus. Auch der dritte Punkt kann schwächer auftreten. Solche Ab¬ 
weichungen zeigen einige sehr kleine Weibchen aus Banjoe-Biroe vom 
1.X.99, deren Kopf und Rüssel zusammen nur 1 • 8 mm misst. Ich möchte 
dafür keine neue Art aufstellen, weil es sich um verkümmerte Stücke 
handeln könnte. 

Da die Tafel mit der Abbildung des Flügels dieser Art schon zum 
Druck gegeben war, als ich fand, dass Theobald sie schon benannt hat, 
so konnte ich die Figur nicht mehr zurückziehen und deshalb gebe ich 
hier dazu die Beschreibung. Allerdings weichen Theobald’s Figuren und 
Beschreibung in einigen Punkten ab (z. B. in der Zeichnung des Kolbens 
der männlichen Palpen), doch möchte ich darauf hin keine neue Art aufstellen. 

Anopheles leucopus Do. 

(Insectenbörse. Jan. 1901.) (Taf. I, Figg. 3 u. 10.) 

Etym.: leukos = weiss; pus = Fuss; so genannt wegen der weissen 
Hintertarsen. 

Diagnose: Klein, schwarz, spärlich weiss und grau gezeichnet. 

Die drei letzten Tarsenglieder und das Ende des 2. Gliedes an den 
Hinterbeinen weiss. 

Palpen dunkel mit weissem Endglied. 

Obere Gabel entsteht früher als die untere. 

Vier typische Vorderrandflecke. 

Beschreibung nach Stücken von Doerian auf Sumatra. 

9 Kopf. Palpen schwarz bekleidet, nur Gelenke und Endglied weiss. 
Auch die Membran der Palpen ist dunkel, nur am Endglied hell. Rüssel 
schwarz, mit dunkel bräunlichen Endlappen. 

Fühlerschaft schwarz, weiss beschuppt, weisslich bewimpert. 

Der Scheitelschopf enthält neben den weissen viele schwarze Haare. 

Länge der Palpenglieder: 0-42—0-44—0*3—0-17 mra ; bei einem 
anderen Stück: 0*46—0*5—0*4—0*19 mm . 

Thorax blauschwarz, die Mittellinie und die Seitenwulst in der hinteren 
Hälfte des Mesothorax, sowie der Fleck vor der Sutura transversalis tief 
schwarz. (Beschuppung abgerieben.) 

Flügel. Die Flügel erscheinen sehr dunkel, was zum Theil darauf 
beruht, dasB die Membran selbst schon grau und nur massig durchscheinend 
ist. An den schwarz beschuppten Stellen sind die Rippen und die an- 


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W. Dönitz: 


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grenzende Membran dunkel (Taf. I, Fig. 10). Vier typische Yorderrandflecke 
und zwei dunkle Striche im Wurzeltheil des Vorderrandes. Die 1. Rippe 
ist in eigenthümlicher Weise gezeichnet. Sie ist dunkel bis zum Ende des 
ersten typischen Vorderrandfleckes, und dann wieder vom Anfang des zweiten 
bis zum Ende des dritten Fleckes, so dass auffallender Weise die helle 
Unterbrechung zwischen zweitem und drittem Fleck dunkel unterstrichen ist 
Es finden sich aber zwei kleine helle Unterbrechungen auf der 1. Rippe 
unter dem Anfang und dem Ende des 2. Vorderrandflecbes. Weiterhin ist 
auch der vierte typische Fleck dunkel unterstrichen; das äusserste Ende 
der 1. Rippe ist weiss Die sonstigen hellen Stellen auf den Rippen sind 
eher grau als weiss zu nennen. Solche Stellen sind: die Theilung der 
oberen Gabel und ein kleiner Strich vor dem Randpunkt ihres unteren 
Astes; auf der 3. Rippe ein oder zwei kleine Punkte in der Flügelmitte an 
den Queradern, und eine etwas längere Strecke vor dem Randpunkte. Ferner 
sind hell die Aeste der unteren Gabel in der Mitte ihres Verlaufes, der 
obere Ast der grossen Gabel an der Querrippe und noch einmal weiterhin 
auf eine längere Strecke vor dem Randpunkt, sowie eine Stelle am ersten 
Drittel des unteren Astes. 

Die 6. Rippe hat drei schwarze Flecke. Alle Randpunkte sind etwas 
in die Länge gezogen; die Rippenenden hinter den Randpunkten sind 
deutlich weiss. 

Die obere Gabel beginnt früher als die untere. 

Wimpersaum schwarzgrau, auf den Rippen weiss durchschnitten. 

Centrale Querrippen treppenförmig angeordnet. 

Index der Hülfsrippe 40*3; der 5. Rippe 38*0 an dem abgeschuppten 
Flügel. Bei einem anderen Stück sind die Zahlen 40-0 und 37*0. 

Flügellänge 2 , 7 ram . 

Beine. Auf den schwarzen Coxen und Trochanteren finden sich 
Gruppen weisser Schuppen, auch auf die Oberschenkel übergreifend. Ober¬ 
schenkel der Vorderbeine im ersten Drittel verdickt, die der anderen Beine 
gegen das Ende allmählich dicker werdend. An der Innenseite stehen 
lange, weiss beschuppte Flecke oberhalb der Kniegelenke, die selbst mit 
einigen weissen Schuppen geziert sind. Untere Enden der Tibien auffallend 
verdickt. An den Tarsen sind die unteren Enden der drei oder zwei ersten 
Glieder weiss, das übrige dunkel beschuppt, mit Ausnahme der Hinterbeine, 
deren Tarsus vom Ende des zweiten Gliedes an ganz weiss ist. 

Hinterleib schwarz, mit ziemlich dunkler, spärlicher Behaarung. Auf 
dem Bauche sechs Paar weisslicher Flecke. Die Genitalklappen sind schwarz 
beschuppt, und auch auf den letzten drei Hinterleibsringen finden sich 
schwarze Schuppen, besonders dicht oben am freien Rande der letzten 
Rückenplatte. 

Die Bauchseite des vorletzten Ringes trägt einen Busch schwarzer 
Schuppen, der aber kleiner ist als bei An. plumiger und wohl nicht als 
Homologon desselben aufzufassen ist. 

$ von Batavia (Ravah-Tanah). Der Palpus hat ein ganz weiss be- 
schupptes Gelenk zwischen den beiden ersten Gliedern. Am Kolben verhält 
sich die Länge des ersten Gliedes zum zweiten ziemlich genau wie 4:3. 

Länge von Kopf und Rüssel beim Weib 1*9 mra . 

„ „ Thorax und Hinterleib . . 3*02 ram . 


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Beitbäge züb Kenntniss deb Anopheles. 


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Hab.: Java (Serang und Batavia). Sumatra (Padang und Doerian). 

Bemerkungen. Theobald sagt in seiner Monographie (Appendix 
Seite 307): „Dr. Dönitz beschreibt An. fuliginosus Giles unter diesem 
Namen von Java und Sumatra.“ 

Das ist nun nicht der Fall; der Irrthum liegt vielmehr auf Seiten 
Theobald’s. Hier meine Gründe: 

Giles sagt von seiner Art, dass die beiden letzten Glieder des 
Hintertarsus weiss sind. Bei meinem leucopus sind es aber die letzten 
drei Glieder. Bei fuliginosus ist nur die Endhälfte des letzten Palpen¬ 
gliedes weiss, bei loucopus das ganze Glied. In der Flügelzeichnung be¬ 
stehen sehr viele Unterschiede, doch will ich nur einige hervorheben, um 
die Thatsache festzustellen. Die Vorderrandflecke sind anders vertheilt, wie 
ein Vergleich der Bilder ergiebt. Bei fuliginosus greift der helle Fleck 
am Ende der Hülfsrippe auf die 1. Rippe über, während diese bei leucopus 
dick schwarz unter dem hellen Fleck hinwegzieht. Bei fuliginosus 
ist die 5. Rippe in ihrer ganzen Ausdehnung dunkel, bei leucopus hat 
der untere Ast einen, der obere zwei helle Flecke. 

Die angegebenen Unterschiede springen bo sehr in die Augen, dass 
ich berechtigt war, die mir vorliegenden Stücke für verschieden von An. 
fuliginosus Giles zu halten und sie als neu zu beschreiben und zu benennen. 

Nun hat aber Theobald Abbildungen von An. fuliginosus geliefert, 
die weder unter einander, noch mit Giles übereinstimmen. So hat z. B. 
die 6. Rippe bei Giles drei dunkle Flecke, dagegen keinen einzigen bei 
Theobald Fig. 28 A und Taf. I, Fig. 3. Auf letzter Figur zieht die 1. Rippe 
dunkel unter dem vorletzten hellen Vorderrandfleck hinweg, in Fig. 28 A 
ist sie an dieser Stelle hell, wie bei Giles; der obere Ast der 5. Rippe ist 
bei Theobald ungefähr in der Mitte hell durchbrochen, bei Giles gänzlich 
dunkel. Die Vorderrandflecke sind in beiden Figuren Theobald’s ganz 
verschieden u. s. w. Dazu bildet Theobald die drei letzten Tarsenglieder 
der Hinterbeine gänzlich weiss ab, und giebt auch im Texte an, dass drei 
Tarsenglieder weiss sind. 

Ueber alle diese Widersprüche geht Theobald mit Stillschweigen 
hinweg. Für die Beurtheilung der von mir aufgestellten Art entnehme ich 
aus dieser Untersuchung Folgendes. 

Im tropischen Asien kommen kleine schwarze Anopheles vor, deren 
Hintertarsen ganz weisse Endglieder haben. Von den grossen Sunda-Inseln 
ist mir nur eine einzige Form bekannt, und diese hat drei weisse End¬ 
glieder. Diese habe ich An. leucopus genannt. Von Indien hat Giles 
eine Form beschrieben, welche nur zwei weisse Endglieder hat; diese 
wurde fuliginosus genannt. Mit dieser verwechselt Theobald eine dritte, 
auch in Indien vorkommende Form, welche drei weisse Endglieder hat, wie 
An. leucopus, sich aber in anderen Stücken von diesem sehr wesentlich 
unterscheidet, wie die Abbildungen beweisen. Sollten eingehendere Unter¬ 
suchungen zeigen, dass alle drei Formen eine einzige Art ausmachen, so 
würde der Name leucopus für die Form mit drei weissen End¬ 
gliedern der Hintertarsen beibehalten werden müssen, es wäre 
denn, dass Jemand beweisen könnte, das 3 = 2 ist. Dann würde auch die 
indische Form mit drei weissen Tarsengliedern einen Namen verdienen, den 
zu geben ich Theobald überlasse. 


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W. Dönitz: 


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Darüber, dass ich Theobald’s Yar. pallida nicht auf An. fuligi- 
nosus zn beziehen vermag, habe ich mich schon oben ausgesprochen. 

Anopheles gracilis Dö. 

(Taf. H, Fig. 16, <?.) 

Diagnose. Ursprung beider Gabeln auf gleicher Höhe, die untere 
eher etwas früher; beim entspringt die untere deutlich früher. 

Vorderrand der Flügel mit vier dunklen, breit getrennten Flecken. 

Wurzelfleck der 5. Rippe nicht vorgerückt. 

6. Rippe mit drei Flecken. 

6. Rippe vom Wurzelfleck bis Randpunkt hell, auf ihrem oberen Aste 
drei dunkle Striche. 

Gegend der centralen Queradern hell. 

Wimpersaum schmal gescheckt. 

Palpen des $ mit hellen Gelenken und hellem Endglied. 

Tarsen an den Gelenken schmal hell geringelt. 

Beschreibung nach 2 cf und 1 $ aus Togo und Kamerun. Kleine, 
zierliche, ziemlich dunkle Art, welche in der Zeichnung viel Aehnlichkeit 
mit den weit grösseren ostafrikanischen An. merus hat. 

9- Kopf. Scheitelschopf weise. Die übrige Behaarung und Beschuppung 
des Kopfes sehr hell, grau; auf dem Scheitel sind viele weisse Schuppen 
beigemischt, und im Nacken sind sie olivbraun. 

Die Palpen sind an den Gelenken weisslich; das letzte Glied des¬ 
gleichen, doch mit oberseits leicht verdunkelter Spitze. Die Länge der 
einzelnen Glieder beträgt 0*46—0-5—0-25—0-17. 

Thorax mit zahlreichen weisslichen und gelblichen Schuppen versehen, 
die zum Theil in Längsreihen stehen. Ein Fleck vor der Quernaht ist kaum 
angedeutet. 

Beine. Die Ober- und Unterschenkel, und auch die ersten Tarsen¬ 
glieder sind hell gefleckt, doch nicht besonders auffällig. Die Tarsengelenke 
sind schmal hell geringelt. 

Flügel. Der 2. Vorderrandfleck ist viel grösser als der erste und 
dritte; der vierte sehr klein. Im hellen Wurzeltheil des Vorderrandes liegen 
am äussersten Rande zwei kleine dunkle Fleckchen. Der erste typische 
Randfleck greift in gleicher Länge auf die 1. Rippe hinüber; der zweite 
Fleck geht mit seinem vorderen, grösseren Abschnitt weit in die Flügelspreite 
hinein, nimmt aber ungefähr in seiner Mitte auf Rippe 1 und 2 hellere 
Schuppen auf. Der Anfang von Rippe 2 und 3 ist mit dunklen Schuppen 
besetzt, welche in gleicher Höhe mit dem vorderen Ende des zweiten Rand¬ 
fleckes, kurz vor der Einmündung der oberen und mittleren centralen Querader 
aufhören. Der dritte Fleck wird verbreitert durch einen kürzeren Strich 
auf Rippe 1 und einen eben solchen, aber etwas gegen die Flügelspitze 
vorgeschobenen auf dem oberen Gabelaste. Der untere Ast der oberen 
Gabel führt ausser dem Randfleck nur noch ein kleines Fleckchen in seiner 
Mitte. Die 3. Rippe ist mit einem kleinen Fleck vor und hinter der Quer¬ 
rippe besetzt, die 4. an den entsprechenden Stellen auf eine längere Strecke 
dunkel; die Gabelungsstelle ist hell, fast weiss beschuppt, wie auch auf der 
2. Rippe; andere Flecke als die Randpunkte sind auf der unteren Gabel 
nicht vorhanden. Die 5. Rippe ist hell, bis auf den Wurzelfleck und Rand- 


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Beitbäge zue Kenntniss des Anopheles. 


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punkt; der erste der drei Flecke auf ihrem Aste ist bei dem 9 nur durch 
wenige dunkle Schuppen angedeutet, bei den $ viel deutlicher ausgeprägt. 

Der Wurzelfleck ist nicht vorgerückt. Rippe 6 hat drei Flecke. 

Der Wimpersaum ist auf den Rippenenden schmal hell durchschnitten. 

Die centralen Queradern sind treppenförmig angeordnet; die mittlere 
ist um ihre doppelte Länge von der unteren entfernt. 

Der Hinterleib ist reichlich behaart, ohne besondere Auszeichnung. 
Eine Zeichnung der Unterseite ist nicht deutlich. 

Thorax + Hinterleib 9 3-5 ram ; — 4*2 “ m . 

Kopf -J- Rüssel . . 2*0 „ 2-7 „ 

Flügel. 2*6 „ 3-2 „ 

Index der Hülfsrippe 36«7; der 5. Rippe 32*4. 

<?. Die Vorderrandflecke sind länger, aber etwas heller als beim 9. 
An der äussersten Kante sind die ersten Flecke vom zweiten kleinen Fleck 
an der Wurzel an bis zum zweiten typischen Fleck hin durch schwarze 
Schuppen verbunden. Der dritte Fleck wird auf der 1 . Rippe durch ein 
helles Stippchen unterbrochen, und der zweite greift nur mit seinem vorderen 
grösseren Theil auf die 2. Rippe über. Auf den Aesten der unteren Gabel 
treten zwei dunkle Fleckchen auf. 

Der Kolben der an den Gelenken hell beschuppten Palpen ist auf der 
Oberseite weiss, mit schwarzem Bande quer über die Wurzel der beiden 
Glieder. 

Auf der Bauchseite der letzten Hinterleibsegmente stehen gelbe, glänzende 
Schuppen unter der übrigen, stark abstehenden Behaarung. 

Hab.: Westafrika (Togo und Kamerun, Dr. Ziemann). 


Anopheles merus Dö. 

(Taf. I, Fig. 12 .) 

Etym.: merus = rein, unvermischt; so benannt, weil bei dieser Art zu 
den reinen, tvpischen Charakteren der Costalis-Gruppe keine besonders 
auffälligen specifischen Auszeichnungen hinzutreten. 

Diagnose: Die beiden oberen Gabeln entstehen ziemlich auf gleicher 
Höhe, die untere aber doch etwas früher als die obere. 

Auf dem Vorderrande der Flügel vier grosse dunkle Flecke. 

Auf Rippe 6 liegt der Wurzelfleck unter dem der 5. Rippe. 

Rippe 3 ist hell, nur am Anfang und Ende mit dunklen Fleckchen 
besetzt. 

Rippe 4 dunkel, nur die Gegend der Querrippen aufgehallt. 

Rippe 5 hell, nur mit Wurzelfleck und Randpunkt; ihr oberer Ast 
dunkel, bis zur Mitte mit zwei hellen Fleckchen. 

Rippe 6 mit drei Flecken. 

Palpen an den Gelenken weiss, Endglied ganz weiss. 

Tarsen schmal hell geringelt. 

Beschreibung nach Stücken aus Dar es Salaam. 

9. Diese Art hat in der Flügelzeichnung oberflächliche Aehnlichkeit mit 
An. pharoensis, ist aber etwas kleiner, und unterscheidet sich leicht durch 
die Lage des Wurzelfleckes der 5. Rippe gerade über dem ersten Fleck der 


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6. Rippe, sowie durch das Fehlen dunkler Flecke vor der Gabelung der 
2. und 5. Rippe. Der Vorderrand der Flügel hat im Wesentlichen dieselbe 
Zeichnung, nämlich ausser zwei kleinen Wurzelpünktchen die Tier typischen 
Randflecke, von denen aber der zweite nicht ganz so kräftig entwickelt ist 
wie dort. Der helle Zwischenraum zwischen drittem und viertem Fleck ist 
ein wenig länger, weil der voraufgehende dunkle Fleck etwas kürzer ist als 
bei An. pharoünsis. Auf dem oberen Ast der oberen Gabel ist der erste 
Fleck viel kleiner, der Fleck auf der Mitte des unteren Astes etwas länger 
als bei jenem. Die 3. Rippe ist hell, und hat ausser dem Randpunkt nur 
noch zwei kleine Fleckchen vor und hinter den Queradern. Die 4. Rippe 
ist in ihrem ganzen Verlauf dunkel, nur in der Gegend der Queradern etwas 
aufgehellt; die Gabelung selbst ist hell; darauf folgt auf dem oberen Ast 
ein längerer, auf dem unteren ein kürzerer dunkler Fleck; weiterhin sind 
die Aeste hell bis zu den Randpunkten. Demnach sind Rippe 3 und 4 fast 
genau so gezeichnet wie bei pharoensis. Die 5. Rippe unterscheidet sich 
dadurch, dass sie an der Theilungsstelle keinen dunklen Fleck besitzt, und 
dass der obere Ast mehr dunkel als hell ist. Er zeigt nämlich bis zur Mitte 
einen kleinen und einen längeren Fleck, und dann einen langen dunklen 
Strich, der mit dem Randfleck verschmelzen kann. 

Auf der 6. Rippe stehen drei Flecke. 

Im Wimpersaum sind die hellen Flecke breiter als bei An. pharoensis. 
besonders auffallend an Rippe 6. Die obere und mittlere centrale Querader 
bilden oft eine einzige gerade Linie, und stehen um ihre gemeinsame Länge 
oder mehr von der unteren entfernt; in anderen Fällen sind sie treppenartig 
angeordnet. 

Index der Hülfsrippe der 5. Rippe Flügellänge 

Dar es Salaam 42-5 37-5 3-4 mm . 


11 17 V 


11 11 11 
Südwest-Afrika 


41.7 

41*1 

41*6 


36-2 
30 • 0 
37 • G 


3*3 „ 
3*8 ., 


Durchschnitt. . . . 41*5 3(3*8 3*4 mm . 


Die Palpen haben weisse Gelenke und ein ganz weisses Endglied, 
welches aber in der Mitte auch einen dunklen Ring tragen kann. 

Vertex graubraun beschuppt. Augen oben von weissen Schuppen 
eingefasst. 

Beine. Ober- und Unterschenkel zeigen an Aussen- und Streckseite 
helle Punkte und Striche auf dunklem Grunde; die Tarsen sind an den 
Gelenken schmal hell geringelt, das Endglied des 1. Paares verdunkelt, die 
der letzten Beinpaare heller. Auch das 1. Tarsenglied des 1. Paares ist 
am Ende hell geringelt. 

Der Körper der mir vorliegenden Stücke ist zu sehr abgerieben, als 
dass ich über seine Zeichnung etwas aussagen könnte. Die Haut des Thorax 
ist grau, vorn mit röthlichem Schein. Die Bauchplatten des Hinterleibes 
haben in ihrer hinteren Hälfte einen weisslichen Mittelstreifen, und in ihrer 
Vorderhälfte ein Paar weisser Flecke. Das vorletzte Hinterleibsegment ist 
auf der Bauchseite am Hinterrande mit Schuppen besetzt. 

Genitalklappen des 9 gedrungen: an ihrem Grunde ein kurzer, mit 
starker Borste besetzter Fortsatz. 


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Beiträge zur Kenntniss der Anopheles. 


79 


Thorax + Hinterleib 4 • 3 mD0 . 

Kopf + Rüssel 2-8 mm . 

Länge der vier Palpenglieder 0 • 7 — 0 • 8 —0 • 5—0 • 25 mm . 

<?. Keule der Palpen auf der Oberseite weiss, mit dunklem Ring um 
die Wurzel beider Glieder. Auch das verdickte Ende des 2. Gliedes ist an 
der Oberseite weiss; ebenso der lange Haarbusch unter dem Kolben und 
da3 1. Palpengelenk. 

Die Zelle der oberen Gabel ist merklich kürzer, indem die Theilungs- 
stelle weiter gegen die Flügelspitze vorgerückt ist als die der unteren Gabel. 

Die Hauptkralle des 1. Beinpaares trägt ausser dem Nebenzahn 
in ihrer Mitte noch einen zweiten an ihrer Basis. 

Hab.: Ostafrika: Dar es Salaam und Mballa-Ebene südlich vom 
Victoria Nyanza. 

Südwest-Afrika: Franzfontein. 

Bemerkungen. In der Flügelzeichnung hat diese Art nicht allein 
grosse Aehnlichkeit mit An. pharoönsis Theob., die in der Beschreibung 
schon genügend gewürdigt ist, sondern auch mit derjenigen Art, welche 
Theobald für den Loew’schen An. costalis hält. Bei genauerem Zusehen 
treten indessen bemerkenswerthe Unterschiede hervor. Der Stiel der unteren 
Gabel ist anders gezeichnet, und auf der 5. Rippe vor der Gabelung befindet 
sich kein Fleck, ausser dem Wurzelfleck; der dritte typische Vorderrandfleck 
ist bei merus etwas länger als der erste; bei costalis Theob. ist das Um¬ 
gekehrte der Fall. Vor allen Dingen aber ist das 1. Tarsenglied (MetatarsusJ 
des 1. Beinpaares am Ende hell geringelt, bei costalis Theobald nicht. 

In der Einleitung schon habe ich mich dahin ausgesprochen, dass An. 
costalis nicht mit Sicherheit identificirt werden kann, da Loew nicht 
Species-, sondern Gruppencharaktere dafür angiebt, so dass man fast 
jeden Anopheles mit den vier typischen Randtiecken, wenn diese nicht über 
die 1. Rippe hinübergreifen, als costalis Loew bezeichnen kann. Deshalb 
kann man sehr wohl von einer Costalis-Gruppe sprechen, wenn es auch 
zur Zeit wenigstens keine Species costalis giebt. Die einzigen Merkmale, 
welche vielleicht die Identificirung ermöglichen, scheinen mir in der Zeich¬ 
nung der Beine zu liegen. Von diesen sagt Loew: „Beine gelbbraun; die 
Schenkel gegen die Basis hin gelblich; auch die alleräusserste Spitze der 
Kniee und der Schienen zeigt eine gelbliche Färbung“. Von einer Ringe- 
lung der Tarsen sagt Loew kein Wort; da er sich aber die Beine so 
sorgfältig angesehen hat, dass er sogar die Aufhellung an den Knieen und 
am Ende der Schienen erwähnt, so müssen wir schliessen, dass seine Stücke 
keine Ringelung an den Tarsen hatten. Aus diesem Grunde muss da¬ 
gegen Einspruch erhoben werden, dass ein Anopheles mit ge¬ 
ringelten Tarsen für die Loew’sche Art angenommen wird. Dem¬ 
nach ist die Art, welche Theobald Seite 157 in seiner Monographie 
beschreibt, eine andere Art, die neu benannt werden muss. Ich will dem 
englischen Forscher nicht vorgreifen und überlasse ihm die Namengebung. 
Sollte sich aber herausstellen, dass sie trotz der oben hervorgehobenen 
Unterschiede doch mit merus zusammenfällt, so wird sie den von mir ge¬ 
gebenen Namen tragen müssen. Doch glaube ich, dass sie auch in diesem 
Falle als gute Localform einen Namen verdienen würde. 


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W. Dönitz: 


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Einzelne Stücke aus Sorres-Sorres in S.-W.-Afrika weichen von den 
Dar es Salaam-Thieren etwas ab, ohne sich darum dem Theobald’schen 
costalis zu nähern. Vielleicht handelt es sich um eine in Afrika weit 
verbreitete, und in verschiedenen Localformen auftretende Art. 

Sicher aber ist die Art, welche Daruty et d’Emmerez als costalis 
beschrieben haben, eine neue Art, bei welcher der 2. und 3. Vorderrandfleck 
ziemlich gleich gross sind, wodurch sie sich ohne Weiteres von merus und 
dem Theobald’schen costalis unterscheidet. Es mag den Autoren über* 
lassen bleiben, sie zu benennen, aber auch genauer zu beschreiben, denn die 
blosse Grössenangabe der Vorderrandflecke dürfte nicht genügen, die Art 
scharf von anderen zu trennen. 

Aus Westafrika, z. B. Kamerun, erhielten wir Stücke, welche in 
diese Costalis-Gruppe hinein gehören, bei denen aber der 2. Vorderrand¬ 
fleck sich so lang streckt, dass er beinahe ein Drittel der ganzen Flügel¬ 
länge einnimmt, während er bei merus kaum ein Viertel derselben beträgt. 
Das ist augenscheinlich wieder eine neue Art, die ich aber nicht benennen 
mag, weil das mir vorliegende Material nicht für eine sorgfältige Beschreibung 
geeignet ist. 

Es beschreibt aber Theobald unter dem Namen An. cinereus eine 
Art, welche ich der Aufmerksamkeit aller derer empfehle, welchen daran 
gelegen ist, den Loew’schen costalis wiederzufinden. Gerade das, was 
Theobald für seine Art als charakteristisch hervorhebt, erwähnt Lopw 
auch, nämlich: 1. Aufhellung der Schenkel gegen die Basis (Loew) und 
helle Basen der Beine (Theobald), womit vielleicht aber nur Coxae und 
Trochanteren von Theobald gemeint sind. 2. Die alleräusserste Spitze 
der Kniee und Schienen gelblich (Loew), und ein rein weisser Fleck an 
der Spitze der Ober- und Unterschenkel (Theobald). 3. Thorax an jeder 
Seite mit einer breiten bräunlichen Längsstrieme, auf der Mitte mit bräun¬ 
lichen Linien (Loew), und Thorax grau in der Mitte, braun an den Seiten, 
mit drei braunen Längslinien in dem grauen Mittelfelde (Theobald). 
4. Taster schwarz, mit einem weissen Ringe auf jedem ihrer Gelenke (Loew), 
und Taster dunkelbraun, mit vier weissen Ringen, der letzte an der Spitze 
(Theobald). Von ganz kleinen Unterschieden, die vielleicht nur im Aus¬ 
druck liegen und unwesentlich erscheinen dürften, abgesehen, stimmt dieser 
An. cinereus besser zu costalis Loew als irgend eine andere Art, welche 
man dafür gehalten hat. Das Vaterland beider Arten stimmt auch, denn 
Kaffrerei und Moshonaland sind Nachbarländer. Allerdings scheint 
An. cinereus etwas dunkler zu sein. Jedenfalls aber sehe ich in ihm 
den nächsten Verwandten von costalis Loew. 

Anopheles vagus Dö. 

(Taf. I, Fig. 2 u. 14. Taf. II, Figg. 29 u. 30.) 

Etym.: vagus = herumschweifend, wegen seiner weiten Ausbreitung 
nach Osten hin. 

Diagnose: Die zwei Endglieder der Palpen des 9 weiss, das vorletzte 
mit schwarzem Ring um die Wurzel. Palpen des $ schwarz, doch mit 
hellen Endgliedern, das vorletzte mit dunklem Ring um die Wurzel; das 
2. Glied gegen das Ende keulenförmig erweitert. 


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81 


Am Vorderrande der Flügel die vier typischen Flecke; der zweite in 
Form eines flachen T. 

Auffallender Wurzelfleck auf und über Rippe 6. 

Auf Rippe 6 fehlt der Wurzelfleck. 

Schwarzer Fleck mitten auf dem unteren Ast der oberen Gabel; ebenso 
auf dem Anfang der beiden Aeste der unteren Gabel. 

Auf den Bauchplatten 6 Paar weisser Flecke (Segment 3 bis 7). 

Beschreibung nach einem Stück von Fort de Kock auf Sumatra. 

9. Körper grau, wenig gezeichnet. (Beschuppung leider abgerieben). 

Kopf olivbraun, Scheitelschopf und die übrige Beschuppung weiss; im 
Nacken einige dunkle Schuppen und Haare. Palpen schwarz, die beiden 
Endglieder weiss; das vorletzte mit breit schwarzem Ring um die Wurzel; 
das 1. und 2. Gelenk schmal weiss; Rüssel schwarz, mit hellerem Ende 
und weisslichen Endlappen. Fühlerschaft hell bräunlich, grau bewimpert. 

Thorax auf der Oberseite grau, im Alkohol gelblich erscheinend; in 
der hinteren Hälfte mit zwei seitlichen Längsstriemen. Ein durchgehender 
Mittelstrich wird manchmal kurz vor dem Scutellum undeutlich. Letzteres 
in der Mitte bräunlich, seitwärts in weiss übergehend. Die Eindrücke vor 
und hinter der Sutura transversalis schwach, nicht durch besonders 
gefärbte Flecke ausgezeichnet. lieber den ganzen Thorax verstreut schmale 
weissliche Schüppchen, die meisten wohl abgerieben. Uqber die Seiten des 
Thorax ziehen drei braune Längsstreifen hinweg, deren oberster die Tracheen¬ 
öffnung einschliesst, während der unterste über die Ansätze der Beine geht. 
Bei den £ sind diese Streifen deutlicher. 

Beine. Femur der Vorderbeine am Anfang nur wenig verdickt. Tarsen 
des 1. Paares an den Gelenken schwach aufgehellt, die Tarsen der anderen 
Beine schmal, aber deutlich geringelt, indem die unteren Enden der Glieder 
weisslich werden, mit Ausnahme der Endglieder. 

Schwinger grau, am Ende dunkler. 

Flügel. Im hellen Wurzeltheil des Vorderrandes unbedeutende dunkle 
Pünktchen. Der erste typische Fleck erreicht eben die 1. Rippe. Der zweite 
Fleck erreicht die doppelte Länge des ersten und ist T-förmig gestaltet, 
indem mitten unter dem Längsstrich noch ein kleines Fleckchen auf Rippe 1 
steht. Manchmal wird dieser senkrechte T-Strich noch durch ein Fleckchen 
auf dem Stiel der oberen Gabel verlängert, das aber auch seitlich gegen 
die Flügelspitze hin verschoben sein kann. Der dritte Fleck steht in ganzer 
Länge auf der 1. Rippe und ist etwa um l / 3 kürzer als der zweite Fleck. 
Der vierte Fleck ist der kürzeste, wird aber nach unten breiter, indem sich 
der verlängerte Randpunkt der 1. Rippe, und der noch längere des obersten 
Gabelastes an ihn anlegen. Die obere Gabel hat schwarze Fleckchen am 
Anfang des oberen und in der Mitte des unteren Astes. Die 3. Rippe ist 
vor und hinter den Queradern mit einem schwarzen Fleckchen besetzt. Der 
Stiel der unteren Gabel trägt vor dem Abgang der unteren Querader ein 
kurzes Fleckchen, und ist vor der Gabelung ziemlich lang schwarz; die 
Theilungsstelle selbst ist hell beschuppt; dann folgt auf dem oberen Ast ein 
längerer, auf dem unteren ein kürzerer Fleck. Der Wurzelfleck der 5. Rippe 
fällt deshalb besonders auf, weil die ganze Umgebung hell ist, denn es fehlt 
auch der Wurzelfleck der 6. Rippe. Ausserdem ist bemerkenswert)!, dass 
an dieser Stelle die Flügelmembran oberhalb des Wurzelfleckes dunkel ge- 
Zeifcchr. t Hygiene. XLL 

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82 


W. Dönitz: 


zeichnet ist (Taf. I, Fig. 2). Die 6. Rippe hat ausser dem Randfleck nin* 
noch einen etwas verlängerten Fleck auf ihrer Mitte. Wimpersaum scharf 
gescheckt, die hellen Stellen ockergelb, nur auf Rippe 6 u. 6 und auf einer 
Stelle noch weiter gegen die Flügelwurzel hin weise; indessen sind weiss 
und gelb nicht immer so scharf geschieden wie bei diesem Stück. Auf der 
Flügelspreite sind die hellen Schuppen hell ockergelb, im Spitzentheil mehr 
weisslich. 

Die untere centrale Querader ist um mehr als ihre doppelte Länge 
von der mittleren entfernt; die mittlere und obere bilden zusammen einen 
geraden Strich. Bei anderen Stücken, selbst bei solchen von derselben 
Localität bilden die drei Querrippen eine Treppe, oder die obere steht etwas 
gegen die mittlere zurück. 

Hinterleib oberseits gleichmässig grau, ohne alle Zeichnung. An 
den Yorderrändern der Bauchplatten zeigt die Membran je ein Paar weisser 
Flecke, mit Ausnahme des Endsegmentes. Behaarung grau, auf dem Rücken 
gelblich, an den Genitalplatten gelblich und schwarz gemischt. (Bei einem 
anderen 9 sah ich am vorletzten Bauchring einige Schuppen, was darauf 
schliessen lässt, dass bei dem typischen Stück, wie auch bei den meisten 
anderen, die ich gesehen habe, die Beschuppung des Hinterleibes verloren 
gegangen ist.) 

Die Hiilfsrippe hat mir bei fünf Stück aus den verschiedensten Gegenden 
folgenden Index ergeben: 43*6—42-8—42*1 — 42*0—40*9. 

Durchschnitt 42*3. 

Kopf und Rüssel des beschriebenen Stückes 2*6 mm ; Thorax und Hinter¬ 
leib 3*3 ram ; Flügel 4*0 ram . 

J 1 . Von Banjoe-Biroe, Java. 

Palpen. Die Grenze zwischen 1. u. 2. Abschnitt durch eine breite 
helle Stelle bezeichnet. Der 2. Abschnitt erweitert sich gegen das Ende 
hin keulenförmig und zeigt auf seiner Mitte eine hellere Stelle, am Ende 
ein davon getrenntes weisses Stippchen. Die beiden Endglieder sind ober¬ 
seits weiss beschuppt, je mit schwarzem Ring an ihrer Wurzel; ihre Unter¬ 
seite ist dunkel. 

Rüssel gleichmässig schwarz, bis auf die hellen Endlappen. 

Flügel. Bei 1 $ von Kedong-Kebo, Java, und einem anderen von 
Pa dang, Sumatra, stehen unter dem grossen 2. Vorderrandfleck zwei kleine 
Fleckchen auf Rippe 1, indem ein kleiner unter dem Anfang des Costal- 
fleckes hinzukommt. Auch bei manchen 9 ist dieser Fleck angedeutet. 

Kopf und Rüssel = 2*8 ,ura . — Thorax und Hinterleib 4*5 mm . — 
Flügel 3*2 mm . 

Habitat: Grosse Sunda-Inseln, östlich bis Ceram und Neu-Guinea. 

Bemerkungen. An. vagus ist sehr nahe verwandt mit An. Rossi 
Giles, einer Art, welche deshalb für den Hygieniker besonderes Interesse 
bietet, weil sie allem Anscheine nach die Parasiten der menschlichen 
Malaria nicht zur Sporulation zu bringen vermag. Schon R. Ross hatte 
vergeblich mit dieser Art experimentirt, und die neuerdings von Stephens 
und Christophers vorgenommenen Untersuchungen sprechen auch dafür, 
dass diese Art mit unserer Malaria nichts zu thun hat. Dagegen wird sie 
von Captain James beschuldigt, Uebcrträger der Filaria sunguinis 
hominis zu sein. 


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83 


Wegen der grossen Aehnlichkeit der beiden Arten gebe ich hier die 
Unterschiede, wegen deren ich mich für berechtigt halte, eine neue Art 
aufzustellen. 

Theobald, welcher An. Rossi viel eingehender beschreibt als der 
Autor selber, sagt, dass die 2. Rippe sich etwa auf gleicher Höhe und sogar 
noch etwas früher gabelt als die vierte. Bei der neuen Art ist es um¬ 
gekehrt. — Giles sagt von seiner Art, dass der Mittelfleck des Vorder¬ 
randes durch einen darunter gesetzten kleinen Fleck auf der Hülfsrippe 
ein T-förmiges Ansehen erhält; bei An. vagus dagegen ist der Fleck auf 
der Hülfsrippe ebenso lang wie auf der Costa selber, und die T-Form wird 
durch einen Fleck auf der 1. Rippe hervorgerufen. Da nun die Abbildung 
bei Giles dem Texte widerspricht, indem der Randfleck in gleicher Länge 
auf der Costa, der Hülfsrippe und der 1. Rippe liegt, so suchte ich Rath 
bei Theobald; doch dieser geht mit Stillschweigen über den Widerspruch 
hinweg, giebt aber auf Seite 155 seiner Monographie eine Abbildung, welche 
man geneigt sein wird, für eine Unmöglichkeit zu halten, da hier die Hülfs¬ 
rippe schon vor dem 2. Randfleck endet, anstatt dahinter. Ich muss es 
schon den englischen Autoren überlassen, diese Widersprüche aufzuklären. 
Da aber keiner von ihnen die Sache so darstellt, wie sie sich bei meinem 
An. vagus verhält, so habe ich um so mehr Veranlassung, für ihn besondere 
Artrechte zu beanspruchen. — Auch in Betreff der anderen Flecke finden 
sich auffallende Unterschiede. So sieht der Spitzenfleck, wie man den 
4. Randfleck füglich nennen kann, bei beiden Arten ganz anders aus, nach 
Ausweis der Abbildungen. Allerdings ist im Theobald’schen Bilde der 
Randfleck auf dem oberen Aste der oberen Gabel ausgelassen, aber schon 
der entsprechende Fleck auf der 1. Rippe sitzt anders als bei An. vagus; 
er ist verhältnissmässig weit von der Spitze abgerückt, bei vagus berührt 
er den Saum des Flügels fast unmittelbar. — Bei Rossi fehlt auf der 
3. Rippe hinter den Queradern ein scharfer Fleck, der bei vagus vorhanden 
ist; ebenso ein Fleck auf dem Anfang des unteren Astes der unteren Gabel; 
und der erste Fleck auf der 6. Rippe liegt der Wurzel sehr nahe, während 
er bei An. vagus in der Mitte der Rippe gelegen ist. Das Bild im 
Theobald’schen Atlas (Taf. Ml, Fig. 9) zeigt die Sache noch anders; da 
ist der Wurzelfleck der 5. Rippe über den ersten Fleck der 6. Rippe hinaus 
gegen die Flügelspitze vorgerückt. Das glaube ich für einen augenschein¬ 
lichen Fehler halten zu müssen, wie es deren in dem Atlas so viele giebt, 
dass man Anstand nehmen muss, die schönen bunten Bilder zur Aufklärung 
eines Widerspruches oder einer Ungenauigkeit heranzuziehen. — Vom Wimper¬ 
saum sagt Theobald (Seite 157), dass er von vier hellen Stellen durch¬ 
schnitten sei; im Bilde (Seite 155) sind es deren fünf; dagegen sind bei 
An. vagus mindestens sieben, wenn nicht acht oder neun helle Einschnitte 
vorhanden. Das ist gewiss nicht gleichgültig, denn Theobald selber führt 
die vier Einschnitte gegen drei bei einer anderen, zu unterscheidenden Art 
in’s Treffen. 

Die Palpen der sind ganz verschieden gezeichnet. Bei vagus sind 
sie schwarz, mit weissen Einsprengungen und Endgliedern; bei Rossi 
nach Giles hauptsächlich weiss, die äusserste Spitze und Punkte an den 
Gelenken braun. Damit verträgt sich nicht die Beschreibung, welche Theo¬ 
bald von ihnen giebt, und welche sich eher an den Befund bei vagus 

6 * 


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W. Dönttz: 


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anschliesst. Indessen giebt Theobald doch so viel weiss, besonders auf 
dem zweiten Abschnitt an, dass der Unterschied recht auffällig wird. 

Nach alledem glaube ich die hier von mir beschriebene Form von dem 
An. Rossi Giles abtrennen zu sollen. Sie selber ist wiederum veränderlich, 
und besonders haben wir aus Celebes abweichende Stücke erhalten, bei 
denen das vorletzte Palpenglied des 9 nur am äussersten Ende weiss ist, 
und wo der 3. Vorderrandfleck kleiner wird und selbst bis auf 1 3 seiner 
gewöhnlichen Grösse zusammenschrumpft, wie es der abgeschuppte Flügel 
auf Taf. I, Fig. 2 zeigt. Leichte Abweichungen kommen zwar gelegentlich 
auch an anderen Orten vor, hier aber, im Osten des Verbreitungsgebietes, 
scheinen sie sich zu fixiren, und es wäre interessant zu verfolgen, ob dk* 
in absehbarer Zeit geschieht. 

Anopheles liebes Dö. 

(Taf. I, Fig. 1.) 

Etym.: hebes = stumpf, matt; so benannt wegen der sehr matten 
Färbung und Zeichnung. 

Diagnose: Rippe 2 gabelt sich früher als Rippe 4. 

Die vier Vorderrandflecke greifen auf Rippe 1 über. 

Auf den matt bräunlichgrau beschuppten Rippen nur wenige ein gestreute 
weissliche Stellen. Die 5. Rippe ist weisslich, mit dunklem Wurzeltleek. 
dunklem Fleck an der Gabelung und Randfleck. Auf Rippe (> nur ein 
langer, mässig dunkler Mittelfleck. 

Wimpersaum matt gescheckt. 

Erstes und zweites Palpengelenk weiss, Endglied weiss. Das vorletzte 
Palpenglied fast 3 Mal so lang als das letzte. 

Beschreibung nach einem Stück von Dar es Salaam. 

Sehr kleine Art mit mattgefärbten Flügeln. 

Kopf olivbraun, mit grauem Scheitelschopf und grau beschupptem Scheitel. 

Palpen. Länge der einzelnen Abschnitte 0*6—0’7—0*3 —0*1. Das 
1. und 2. Gelenk weiss beschuppt. Das 3. Glied ist am Ende dunkel, das 
4. Glied ganz weiss. Palpen und Rüssel gleich lang. 

Fühler mit grauen Schuppen auf den ersten Gliedern. 

Thorax. Die Membran zeigt zu beiden Seiten der dunklen Mittellinie 
einen bläulich-schiefergrauen Streifen; das übrige ist olivbräunlich, ohne 
dunklen Fleck vor der Quernaht. Beschuppung abgerieben. 

Flügel. Die obere Gabel beginnt unter dem Anfang des 3. Rand* 
Heckes; ihr unterer Ast ist ungefähr doppelt so lang als der untere Ast der 
unteren Gabel. Der 2. Vorderrandfleck ist der grösste; der 1. und 3. sind 
nicht viel kleiner, der 4. erheblich kleiner. Die Flecke greifen in gleicher 
Länge auf die 1. Rippe hinüber, nur unter dem 2. Fleck beginnt die 
Dunkelheit auf der 1. Rippe etwas später. Die übrigen Rippen sind haupt¬ 
sächlich matt bräunlichgrau beschuppt, mit wenigen eingestreuteu helleren, 
weissliehen Stellen: nur die 5. Rippe ist in ganzer Ausdehnung weisslieh, 
mit Ausnahme eines dunkeln Fleckes an der Wurzel, an der Gabelung und 
am Ende (Randfleck). Weisse Flecke befinden sich an den centralen Quer¬ 
adern, an der Theilung der beiden oberen Gabeln, auf Rippe 3 eine längere 
Strecke vor dem Randpunkt, und am Anfang der 2. und 4. Rippe. 


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Die 6. Rippe trägt auf der Endhälfte dunkle Schuppen, als Verschmelzung 
des Mittelfleckes und des Randpunktes; ihr Wurzelfleck fehlt. Die Rand¬ 
punkte heben sich nur wenig von der übrigen Beschuppung ab. (In der 
Photographie (Taf. I, Fig. 1) fehlt der Wurzelfleck der 5. Rippe, weil 
diese Stelle im Präparat abgerieben war.) Der obere Ast der oberen Gabel 
ist in seiner ganzen Ausdehnung etwas stärker verdunkelt, doch nicht genug, 
um zur Verbreiterung der beiden letzten Vorderrandflecke beizutragen. 

Die beiden unteren Querrippen stehen sehr schräg; die obere stösst mit 
der mittleren unter einem nach der Flügelwurzel hin geöffneten Winkel 
zusammen; die untere ist von der mittleren so weit entfernt, wie diese 
lang ist. Bei anderen Stücken steht die untere Querader senkrecht; die 
obere kann gegen die mittlere zurück- oder vorrüeken. 

Wimpersaum deutlich gescheckt, besonders an der Spitze, die noch 
durch einen besonders hellen Fleck unter dem letzten Vorderrandfleck aus¬ 
gezeichnet ist. 

Index der Hülfsrippe 40-8; der 5. Rippe 35-2; bei einem anderen 
Stück sind die Zahlen 40*0 und 35*3. 

Flügellänge 2 • 7 mra und 2 • 5 mm . 

Beine graubraun beschuppt, an Oberschenkel und Schienen mit spär¬ 
lichen eingestreuten helleren Schuppen; Tarsen etwas dunkler; Gelenke nur 
unbedeutend heller. 

Hinterleib. Die Bauchseite scheint eine matte helle Zeichnung zu 
haben. 

Kopf mit Rüssel 2 • 2 mm und 1 • 7 mm . 

Thorax und Hinterleib 3 * 4 mm und 3 • 4 m,u . 

Hab.: Ostafrika: Dar es Salaam. — In der Mballa-Ebene von Stabs¬ 
arzt Dr. Zupitza im Mai 1898 gesammelt. 

Südwestafrika: Insiza, von Dr. Zupitza im Februar 1899 gesammelt. 

Bemerkungen. Eine recht kleine Art, welche der Beschreibung nach 
einige Aehnlichkeit mit An. Rhodesiensis Theob. zu haben scheint, sich 
aber sofort durch den gescheckten Wimpersaum unterscheidet. 

Geographische Verbreitung 

der beschriebenen asiatischen Anopheles, soweit sie in der Sammlung 

vorhanden sind. 


Anopheles 

j Sumatra 

i 

i 

Java 

L ... ■ 

Bangka 

i 

Borneo 

! 

j Celebes 

Lombok 

... _ 

Ceram 

NT. Guinea 

b£ 

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vagus . 

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plumiger . 

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Koehi . . . 


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leucosphyrus . 

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inaculatuß. . 

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leucopus . . 

+ 

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— 

— 

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aconitus 

+ ' 

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— 

deceptor . . 

4- , 

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— 

— | 

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— 

punctulatus . 

— 

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— 

; — 

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— 

4- 

— 


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86 


W. Dönitz: 


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Anopheles vagus Dö. 

Java: Banjoe-Biroe. .Batavia. Fort Willem I. Gombong. Kedon"- 
Kebo. Magelang. Oenarang. Semarang. Serang. Soekaboemi und Barm 
Soerabaja. 

Sumatra: Doerian. Fort de Kok. Kajoe-Tanam. Lagoe-Boti. Lho 
Seumaw6. Melaboe. Padang. Paja-Kombo. Panteh-Perak. Segli. Siboya. 
Singkel. Tapa-Toean. Telok-Betong. Telok-Semawö. 

Celebes: Balang-Nipa. Pankadjene. Makasser. 

Lombok: Ampenan. 

Ceram: Wahaai. 

Borneo: Moeara-Teweh. 

Poeloe-Rajah (bei Sumatra). 

Neu-Guinea. 

Anopheles plumiger Dö. 

Sumatra: Fort de Kok. Kajoe-Tanam. Lho-Nga. Medan. Oeloe-Limau* 
Manis. Padang. Paja-Kombo. Panteh-Perak. Siboya. Tandjong-Poera. 
Tapa-Tuan. 

Poeloe-Rajah. 

Java: Banjoe-Biroe. Batavia. Batoe-Djadjar. Kedong-Kebo. Fort 
Willem I. Gombong. Oenarang. Semarang. Soekaboemi. 

Lombok: Ampenan. 

Borneo: Benkajang. Moearah-Teweh. Sambas. Sintang. Tandjong- 
Goenoeng-Kalai. 

Bangka: Muntok. 

China: Hongkong. 

Anopheles Kochi Dö. 

Sumatra: Doerian. Fort de Kok. Kajoe-Tanam. Padang. Paja-Kombo. 
Telok-Betong. 

Java: Gombong. Serang. Tjimahi. 

Borneo: Tandjong-Goenoeng-Kalai. 

Anopheles leucosphyrus Dö. 

Sumatra: Doerian. Kajoe-Tanam. Oeloe-Limau-Manis. 

Borneo: Moeara-Teweh. 

Anopheles maculatus Tlieob. 

Java: Banjoe-Biroe. 

Sumatra: Doerian. Kajoe-Tanam. Oeloe-Limau-Manis. Padang. 

China: Hongkong. 

Anopheles leucopus Dö. 

Sumatra: Doerian. Fort de Kok. Kajoe-Tanam. Oeloe-Limau-Manis. 
Padang. Paja-Kombo. Segli. Selimeum. Tapa-Toean. 

Java: Buitenzorg. Serang. 

Anopheles aconitus Dö. 

Sumatra: Kajoe-Tanam. Padang. Sidempoean. Selimeum. Seroewaij. 

r l apa-Toean. Telok-Betong. 


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Beiträge zub Kenntniss deb Anopheles. 


87 


Java: Buitenzorg. Gombong. Kedong-Kebo. Oeuarang. Serang. 
Soekaboemi. Fort Willem I. 

Anopheles deceptor Dö. 

Sumatra: Padang. Paja-Kombo. Kajoe-Tanam. Tandjong - Poera. 
Tapa-Toean. 

Anopheles punctulatus Dö. 

Neu-Guinea: Stephansort. Constantinhafen. 

Neu-Pommom: Herbertshöhe. 

French-IslandB: Des Lacs. 


Erklärung der Abbildungen. 

(Tal i u. n.) 


Die Originale sind von Hrn. Prof. Zettnow in meisterhafter Weise photo- 
graphirt worden. Alle Stücke, mit Ausnahme von Nr. 4 und 7, liegen in Canada- 
balsam oder in Cedernöl und wurden bei durchfallendem Licht aufgenommen, weil 
dabei die Zeichnung, wie mehrfache Vorversuche ergaben, am deutlichsten hervor¬ 
tritt, obgleich dann die hellen Schuppen, z. B. im Wimpersaum, weil sie stark durch¬ 
sichtig geworden sind, oft undeutlich werden. Da aber die Photogramme von Flügeln, 
die in Luft liegen und bei auffallendem Lichte aufgenommen wurden, etwas ver¬ 
schwommen erscheinen, wie die Figg. 4 und 7 zeigen, so wurde von dieser Art der 
Wiedergabe Abstand genommen. 


Tafel I. 

Fig. 1. Anopheles hebes Dö. Ostafrika. Flügel. Vergr. 21 x. 

Fig. 2. Anopheles vagus Dö. Celebes, Pankadjene, November 1899. Flügel. 
Der Flügel ist entschuppt, um die Dunkelheiten der Membran zu zeigen. Auffallend 
ist ein dunkler Fleck über der Wurzel der 5. Rippe (Wurzelfleck). 21 x. 

Fig. 3. Anopheles leucopus Dö. Java, Buitenzorg, 10. Nov. 1899. Flügel. 21 x. 
Fig. 4. Anopheles maculatus Theob. Sumatra, Kajoe-Tanam. Flügel. 21 x. 

Fig. 5. Anopheles punctulatus Dö. Neu-Guinea, Stephansort. Flügel. 21 x. 

Fig. 6. Anopheles tenebrosus Dö. Aegypten, Wadi-Natrün. Flügel. 14 x. 
Fig. 7. Anopheles leucosphyrus Dö. Sumatra, Kajoe-Tanam. Flügel. 21 x. 

Fig. 8 . Anopheles squamosus Theob. Süd westafrika, Sorres-Sorres, 24. April 
1901. Flügel. 21 x. 

Fig. 9. Anopheles pharoönsis Theob. Aegypten, Mahmudieh-Canal, 20. Nov. 
1900. Flügel. 21 x. 


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W. Dönitz: Beiträge zur Kenntniss der Anopheles. 


Fig. 10* Anopheles leucopus Dö. Der entschuppte Flügel zeigt, wie auch in 
Fig. 2, dass die Rippen selber an denjenigen Stellen dunkel sind, an welchen dunkle 
Schuppen gesessen haben. Die treppenförmige Anordnung der centralen Querrippen 
ist deutlich zu erkennen. 21 X. 

Fig* 11. Anopheles plumiger Dö. Sumatra, Tapa-Tuan, Not. 1899. Flügel. 21 x. 

Fig. 12* Anopheles merus Dö. Deutsch-Ostafrika, DaresSalaam. Flügel. 21 x 

Fig« 18* Anopheles pseudopictus Orassi (?). Italien, Grosseto. Flügel des im 
Texte erwähnten Stückes mit dem Büschel schwarzer Schuppen am vorletzten Bauch¬ 
ring. 14 x. 

Fig. 14. Anopheles vagus Dö. Sumatra, Padang, 12. Nov. 1899. Flügel. 21 x. 

Tafel II. 

Fig* 15. Anopheles impunctus Dö. Aegypten, Wadi-Natrün, 8. Oct. 1900. 21 x. 

Fig. 16. Anopheles gracilis Dö. o*. Westafrika, Togo. Flügel. 21 x. 

Fig. 17. Anopheles aconitus Dö. Sumatra, Kajoe-Tanam. 21 x. 

Fig. 18. Anopheles Kochi Dö. Sumatra. Flügel. 21 x. 

Fig. 19. Anopheles plumiger Dö. Java, Soekaboemi, November 1899. $. Kopf 
mit Anhängen, von der Seite gesehen. Flügelspitze dieses Stückes hell bewimpert; 
auf Rippe 5 ist der Wimpersaum hell. 14 x. 

Fig. 20. Anopheles deceptor Dö. Sumatra. Flügel. 21 x. 

Fig. 21. Anopheles aconitus Dö. ?. Kopf mit Anhängen, von oben gesehen. 14 x. 

Fig. 22. Anopheles plumiger Dö. d\ Kopf mit Anhängen. 14 x. 

Fig. 23. Anopheles punctulatus Dö. Q. Kopf mit Anhängen. 14 x. 

Fig. 24. Anopheles maculatus Theob. ö*. Kopf mit Anhängen. 14 x. 

Fig. 25. Anopheles maculatus Theob. Q. Kopf mit Anhängen. 14 x. 

Fig. 26. Anopheles punctulatus Dö. d\ Kopf mit Anhängen. 14 x. 

Fig. 27. Anopheles plumiger Dö. Q. Hinterleib mit dem Schuppenbüschel. 14x. 

Fig. 28. Anopheles Kochi Dö. Hinterleib mit den 6 Schuppenbüscheln. 14x. 

Fig. 29. Anopheles vagus Dö. d*. Tarsus eines Vorderbeines, von der Seite 
gesehen, um den Nebenzahn in der Concavität der grossen Kralle zu zeigen. 120 x. 

Fig. 30. Anopheles vagus Dö. <A Vordertarsus von unten gesehen, um den 
an der Basis der Kralle stehenden seitlichen Nebenzahn zu zeigen. 120 x. 


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Die Beziehungen der Malariaparasiten 
zu Mensch und Mücke an der Ostküste Sumatras. 


VoD 

Dr. Wilhelm SchüfEner. 

(Sumatra, Dell.) 


(Hierzu Taf. III —VI.) 


Die Bemühungen, auch für die Sunda-Inseln die Arbeiten von Ross 
und Grassi, die zuerst die weitere Lebensgeschichte der Malariaparasiten 
aufdeckten, zu bestätigen, sind bisher fruchtlos geblieben. Seit der 
Expedition Koch’s (1899 bis 1900), die sich über Java, Neu-Guinea 
und einige der dort liegenden Inselgruppen erstreckte, ist wenigstens eine 
weitere Publication nicht erfolgt. Koch selbst konnte sich bei seinem 
Aufenthalt in Indien allein von der Thatsache überzeugen, dass an allen 
Fieberplätzen auch der Anopheles angetroffen wurde; es gelang ihm 
jedoch nicht, den Parasiten im Körper der Mücke zu finden. Ueber die 
Gründe, die er für das Misslingen seiner Versuche verantwortlich macht, 
hat sich Koch nicht weiter ausgelassen; er bemerkt nur, dass er nicht 
einmal in Moskiten, die Blut mit Halbmonden gesogen hatten, die 
charakteristischen Cysten in der Magenwand finden konnte. 

Der Mangel an Material, sowohl an Mücken, wie an Kranken, hinderte 
mich lange Zeit, mich an den Untersuchungen über den Wirthswechsel 
des Plasmodium Malariae zu betheiligen. Das war mir erst möglich, 
nachdem ich in diesem Jahre an der Küste einen für mich leidlich zu¬ 
gänglichen Fieberplatz fand. Dieser Platz, ein Fischerdorf, mit Namen 
Rantau Pandjang, liegt an der Mündung des Serdangflusses in ganz 
flachem Lande, das bei hoher Flut noch unter Wasser zu stehen kommt. 
Er ist rings umgeben von Gemüsegärten, Nipahpalmen- und Mangrove- 
wäldem. Die Einwohnerschaft setzt sich aus Malayen und in zweiter 


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Wilhelm Schüffner: 


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Linie aus Chinesen zusammen. Sie ist im Allgemeinen wenig zugänglich 
und verhält sich auch noch so vorsichtig und rücksichtsvoll angestellten 
ärztlichen Bemühungen gegenüber recht ablehnend. Was ich von ihr 
untersuchen konnte, waren nur Männer und wenige Kinder — die Frauen 
halten sich nach islamitischer Sitte dem ungläubigen Europäer fern, und 
mit ihnen natürlich die Kinder. 

Immerhin bekam ich nach und nach gegen 80 Leute zu untersuchen, 
unter denen sich 88 mit Plasmodien im Blute befanden. 

Ich erfuhr durch diese relativ kleinen Zahlen wenigstens soviel, dass 
die Malaria in Rantau Pandjang, besonders zu gewissen Zeiten, recht ver¬ 
breitet war, und dass sämmtliche drei Formen, M. tertiana, quartana 
und perniciosa darunter vertreten waren. Dort fand ich nun auch den 
Anopheles, nach dem ich mich an meinem Wohnplatz lange vergeblich 
umgesehen hatte. Und zwar siud es zwei Sorten, die sich daselbst, wenn 
auch mit Schwankungen, was die Anzahl betrifft, constant gehalten haben, 
seit ich dort Beobachtungen anstelle (Juni 1901), eine hellbraune und 
eine schwarze Sorte. Die erstere zerfallt möglicher Weise in zwei oder 
mehr Arten auf Grund von Unterschieden in der Zeichnung, die aus der 
nun folgenden Beschreibung hervorgehen. 


Anopheles I. (Weibchen.) 

Länge vom Rüssel bis Schwanzspitze 6 bis 6 ram ; Färbung im All¬ 
gemeinen ein fahles hellbraun. 

Das frisch ausgeflogene Insect ist um eine Schattirung heller gefärbt, 
als das ältere; bei ihnen hat der Körper einen Stich ins Grünliche. 

Die Unterseite des Bauches ist durch schwärzliche und weisse Felder 
gemustert, die eine spitze dreieckige Form haben. Die weissen Felder 
ruhen mit der Basis auf der Grenze der Leibesringe und kehren so inner¬ 
halb eines jeden Ringes von oben und unten die Spitzen einander zu. 
(Vgl. Fig. 1.) 

Das Rückenschild, gleichmässig braun, wird durch einen feinen duukel- 
brauuen Strich in zwei gleiche Hälften getheilt. Saugapparat und Palpen, 
gleich lang, liegen zusammen. Der Saugapparat ist schwarz gefärbt bis 
auf die Olive, die broncefarben aussieht 

Die Palpen heben sich vom Saugapparat durch etwas hellere Färbung 
deutlich ab. Das ganze letzte Viertel ist hellgelb; ausserdem befinden 
sich noch zwei ebenso helle leine Tupfen als Begrenzung des mittleren 
Drittels auf den Palpen. 

Die Antennen fein gegliedert, etwa halb so lang als Saugapparat. 
Die Gruudfarbe der Flügel ist ein sehr helles braun (etwa wie Stroh, das 


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Die Beziehungen d. Malariapabasiten zu Mensch u. Mücke. 91 

durch Verwittern seine gelbe Farbe eingebüsst hat). An der Randcosta be¬ 
finden sich vier verschieden lange und verschieden geformte sammtschwarze 
Flecken, die durch helle Flecken von einander getrennt werden, lieber 
die feinere Zeichnung, die auch am unteren Rande scharf ausgesprochen 
ist, giebt die Photographie Aufschluss. Die Halteren gleiohmässig braun. 

Die Beine haben eine goldbronceartige Färbung, innerhalb welcher 
sich nur die Gelenke durch hellere Färbung abheben. 

Krallenformel 2—2—1. 

Anopheles I. (Männchen.) 

Dasselbe gleicht in Allem dem Weibchen bis auf die ihm zukommenden 
Geschlechtsunterschiede. Es ist schmaler gebaut, jedoch ist die Behaarung 
kräftiger als beim Weibchen. 

Auf Fig. 2 ist die Zeichnung des Bauches besonders gut zu sehen. 
Die Palpen enden in kolbige dichte Büschel. Nur der vordere Rand ist 
hier hellgelb gefärbt und statt mit zwei sind die Palpen hier mit drei 
etwas grösseren hellen Tupfen gezeichnet. 

Die Antennen sind mit feinen dichten Federn zu vergleichen, auch 
bei ihnen ist nur der äussere Rand hell gefärbt. 

Diesem Anopheles kann man dauernd in Rantau Pandjang begegnen. 

Dazwischen findet man nun Exemplare, die kleine Verschiedenheiten 
zeigen, die sich aber erst bei sehr aufmerksamer Betrachtung ergeben. 
Ganz kleine Unterschiede in der Flügelzeichnung finden sich z. B. in 
Figur 3. 

Bedeutendere Differenzen finden sich bei Fig. 4. Hier haben die 
schwarzen Randflecken eine andere Form, der vierte äussere verschwindet 
beinahe ganz. Die Beine sehen wie gesprenkelt aus, das Muster auf der 
Unterseite des Leibes ist weniger deutlich. Da ich nicht imStande 1 bin 
zu entscheiden, ob es sich hier um eine Sorte mit Varietäten handelt oder 
nicht, so habe ich vorläufig diese Unterschiede bei meinen weiteren Ver¬ 
suchen auf sich beruhen lassen und alles dazu gehörige unter „Anopheles I“ 
gruppirt. 

Viel schärfer lässt sich dagegen das in Fig. 6 dargestellte Thier von 
den eben beschriebenen trennen. Ich nenne ihn vorläufig Anopheles Ia. 


1 Es fehlt mir hier za viel an Hiilfsmitteln und Litteratur, um den Anophelen 
eine speciellere Bezeichnung beilegen zu können. Der Photographie nach gleichen 
die von Kuge wiedergegebeneu Mücken von Kamerun und Zanzibar dem Anopheles I 
am meisten. Von den durch Grassi als superpietus beschriebenen weicht er in 
mehr als einer Hinsicht, besonders aber durch seine Bauchzeichnung, ab. Für den 
Anopheles II fand ich bisher noch kein Analogon in der Litteratur. 


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Wilhelm Schüffnek: 


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Der Gesammteindruck der Färbung ist um eine Idee heller als bei L 
Palpen und Küssel sind fast bis zur Hälfte weiss bezw. gelb gefärbt, mit 
sehr feiner Zeichnung, die die Photographie wiedergiebt. Statt der spitzen 
weissen Dreiecke auf der Unterseite des Bauches finden sich auf jedem 
Leibesring nahe seinem distalen Bande zwei runde schwarze Flecken. 
Die Zeichnung der Flügel weicht ganz erheblich von der vorher be¬ 
schriebenen ab. Endlich sind die Beine getigert, am ausgesprochensten 
das dritte Paar, dessen letzte Glieder sogar mit breiten weissen Bingen 
versehen sind. 

Die Halteren sind schwarz und weisslich getupft. 

Zu alle dem kommt hier noch ein recht auffallender Unterschied der 
Larven hinzu. Während die Larven der unter Anopheles I beschriebenen 
Varietäten sämmtlich ein schwarzes Bückenschild tragen, ist das der Larve 
von Ia silberweiss. 

Ein ganz anderes Thier ist der „Anopheles II“ Fig. 7. 

Länge von Büssel bis Schwanzspitze 7 bis 8 mm , also grösser als 
Anopheles I. 

Die Grundfarbe ist eine annähernd schwarze, mit lebhaft metallisch 
schillernden Flügeln. 

Unterseite des Bauches ist ähnlich, wie bei Anopheles I; zu beiden 
Seiten der Mittellinie findet sich in jedem Leibesringe je ein spitzwinkeliges 
weisses Dreieck, das mit seiner Basis im oberen Bande des Binges liegt. 

Bückenschild mattschwarz, durch einen schwarzen Strich in zwei 
Hälften getheilt. 

Der Saugapparat trägt eine dunkelgelbe Olive, sonst ist er schwarz. 
Um eine Spur heller erscheinen die Palpen, besonders deren vorderes 
Viertel. 

Die Antennen sind mit langen Seitenhärchen besetzt. 

Die Flügel sind im durchscheinenden Licht florartig; im auffallenden 
Licht schillern sie sehr lebhaft bläulich metallisch. Den ganzen vorderen 
Band nimmt ein dichter schwarzer Streifen ein, von unregelmässiger Be¬ 
grenzung. Bei einigen Exemplaren wird er im äusseren Drittel und ganz 
am äusseren Ende leicht unterbrochen durch hellere Tupfen. Die Flügel 
sind mit auffallend grossen Schuppen bedeckt. 

Die Halteren schwarz. 

Die Beine dunkelbroncefarben, die proximalen Gelenke dunkler, die 
distalen heller gefärbt. 

Krallenformel 2—2—2. 

Ueber diesen Anopheles, dessen Infection mit Malariaparasiten bisher 
nicht gelungen ist, nur einige kurze Bemerkungen. Er zeichnet sich 
durch einen eigenthümlichen Sitz aus, indem er mit seiner Körperaxe nud 


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Dee Beziehungen d. Malabiapakasiten zu Mensch u. Mücke. 98 

der Sitzfläche einen lothrechten Winkel bildet. Ausserdem spreizt er das 
dritte Beinpaar im zweiten Gelenk nach beiden Seiten. Auf der Photo¬ 
graphie Fig. 9 ist dies Verhalten wohl zu sehen, wenn man der Reihe 
nach dem Verlauf der Beine folgt. Bisher nur an der Küste gefunden. 
Ich muss auf diesen Anopheles an anderer Stelle noch zu sprechen kommen 
wegen eines gelegentlichen Fundes in seinem Magen. 

Ebenso kurz kann ich den Anopheles Ia, den ich nicht einmal 
zum Blutsaugen bringen konnte, übergehen. 

Um so ausführlicher habe ich mich mit dem Anopheles I und 
seinen Lebenseigenschaften zu beschäftigen. 

Sein Sitz ist der bekannte, oft illustrirte und für die Familie Anopheles 
besonders charakteristische (Fig. 5). Saugapparat und Körperaxe liegen fast 
in eiuer Linie und bilden mit der Fläche, auf der er sitzt, einen spitzen 
Winkel. Die Grösse dieses Winkels ist sehr variabel, sie richtet sich 
ganz nach dem Grade seiner Leibesfüllung. Frisch ausgeflogeu, mit noch 
leerem Magen, nähert sich seine Haltung der senkrechten. Dabei hängen 
die Beine frei nach abwärts. Bei gefülltem Abdomen dagegen sinkt der 
Leib durch seine Schwere viel mehr herunter, und nun braucht das Thier 
das dritte Beinpaar auch als Stütze. Auf der Photographie Fig. 5 wird 
man beide Arten der Körperhaltung erkennen. 

Dieser Anopheles ist ein ausgesprochenes Nachtthier, im Gegensatz 
zu der Unzahl von Culiciden in Indien, die auch Tags über fliegen und 
stechen. Erst mit eintretender Dunkelheit wird er lebendig. Der Flug 
ist ein gleichmässig gestreckter, und so stürzen sie sich auch auf ihre 
Beute, also nicht wie der Culex, der das Gebiet, auf dem er stechen will, 
erst vorsichtig mit längerem Hin- und Herfliegen beobachtet. 

Ein besonderer Charakterzug ist ihre Blutgierigkeit. Wenn die Thiere 
leeren Magen haben, so genügt es, um sie zu füttern, die Hand in den 
Käfig zu halten. Im Nu ist diese von ihnen bedeckt und man fühlt an 
dem leichten Brennen unmittelbar darnach, wie rasch sie zu stechen ver¬ 
mögen. Haben sie einmal angestochen, so lassen sie sich in ihrer Arbeit 
nicht so leicht durch etwas stören; man kann sie berühren und rütteln, 
ohne dass es gelänge, sie zu verscheuchen. Daher macht es auch keine 
Mühe, sie während der Mahlzeit zu fangen. Unglaubliches leisten die 
Thiere an Gefrässigkeit. Ein gewöhnlicher Culex fliegt, nachdem er den 
Leib vollgesogen hat, weg. Dieser Anopheles jedoch begnügt sich damit 
nicht, sondern saugt unverdrossen weiter; durch Entleerung des Über¬ 
schusses per anum immer wieder Platz schaffend. Im Anfang giebt er den 
Koth und Darmsaft von sich, aber daun folgt, Tröpfchen für Tröpfchen, 
reines Blut.' So spült er mit der 3- bis 4 fachen Menge Blutes, die zur 


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Wilhelm Schüffner: 


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einmaligen Füllung seines Magens nöthig gewesen wäre, seinen Ver* 
dauungscanal durch, bis es ihm gefällt, wegzufliegen. 

Eine Hand, auf der 15 bis 20 dieser Thiere gesogen haben, sieht 
mit allen ihren Blutströpfchen aus, wie von einem dichten Schrotschuss 
getroffen. An dem auf diese Weise gewonnenem Blut habe ich übrigens 
ein gutes Substrat gehabt für Beobachtung der Weiterentwickelung der 
Gameten und der Befruchtungsvorgänge. Das Blut hat durch die Be¬ 
rührung mit den Magensäften der Thiere seine Gerinnungsfähigkeit ein- 
gebüsst. Aus der Lebhaftigkeit, mit der die Weiterentwickelung der 
Gameten sich vollzieht, ist vielleicht der Schluss erlaubt, dass der Darm¬ 
saft eine anregende Wirkung darauf ausübte. 

Kräftige Thiere, die in Rantau Pandjang gefangen wurden, blieben, 
ohne dass grosse Vorsichtsmaassregeln angewendet wurden, bis 15 Tage 
in Gefangenschaft am Leben. Im grossen Käfig, in freier Luft, d. h. nicht 
ausgesetzt den Ausdünstungen eines Laboratoriums, wird man wohl ein 
noch längeres Leben erzielen können. 

Die Fütterung habe ich durch meine Leute besorgen lassen müssen. 
Die Methode von Grassi, der seine Mücken mit Bananen am Leben er¬ 
hielt, schlug hier fehl. Die Thiere ffasseu wohl gierig davon, aber starben 
dann fast ohne Ausnahme nach 2 Tagen. Die Untersuchung ergab eine 
allgemeine Infection mit grossen Stäbchen, die vom Darmcanal ausging. 

Die Weibchen setzen ihre Eier in alle möglichen Arten von Wässern 
ab. Im Allgemeinen folgen sie den Gesetzen, die aus den Beobachtungen 
der Engländer in Sierra Leone und von Ziem an n in Kamerun bekannt 
geworden sind. Auch hier sind es kleine Lachen und Pfützen auf Strassen, 
Eintritte von Pferde- oder Ochsenhufen, Wagenspuren, Strassengräben, 
Tümpel in Gärten und Wiesen. Sie bevorzugen sonnige Plätze (nur der 
Anopheles Ia scheint den Schatten zu lieben). Man findet sie ebenso 
gut in Tümpeln, die Regenwasser enthalten, als solchen, die mit Grund¬ 
wasser gespeist werden. 

Von vornherein sollte man nun meinen, dass mit stagnirendem 
Wasser und der nöthigen Wärme alle Bedingungen erfüllt seien, die die 
Larve zum Leben nöthig hat. Das ist aber hier in Deli keineswegs der 
Fall, sondern man macht die Beobachtung, dass das Insect, welches an 
der Küste zur Nymphe heranwuchs und dann ausflog, um vieles 
kräftiger ist, als im Allgemeinen das aus dem Binnenlande hervor¬ 
gehende. Dieses bleibt kleiner und schwächlicher. Am ersten Tage 
ihres Lebens als Flügelthier erfolgt wohl die Begattung, und viele der 
Mücken machen auch den Versuch zu stechen. Aber bei dem Versuche 
bleibt es. Zu durchbohren vermögen sie die Haut nicht, der Leib bleibt 


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Die Beziehungen d. Maeabiapabasiten zu Mensch u. Mücke. 95 


leer und der Endeffect ist, dass keines der Thiere den zweiten Tag 
überlebt. 

Serien von Hunderten dieser im Binnenlande gesammelten Larven 
gingen in solcher Weise verloren, was um so ärgerlicher war, als ich 
damit das beste Material zu Untersuchungen einbüsste. 

Auch G. Maurer machte schon vor mir die gleiche Erfahrung, die 
für ihn zur Folge hatte, dass er seine begonnenen Arbeiten über den 
Malariaparasiten in der Mücke wieder fallen lassen musste. 

Ganz im Einklang dazu steht nun die Beobachtung, dass man im 
Binnenland, ausgenommen besondere Fälle, selten fliegende Anopheles zu 
sehen bekommt, während es in den kleinen Wässern nicht immer an 
Larven fehlt. Mir gelang es im vergangenen Jahre nur ein Mal, einen 
Anopheles in meinem Hause zu fangen. Selbst zugegeben, dass der eine 
oder andere übersehen wurde, was will das heissen gegen die Hunderte 
und Tausende von Anophelen, die an dem Küstenplatz Rantau Pandjang 
des Abends schwärmen? Die Zahl der dort zu findenden Larven ist dabei 
nicht erheblich grösser als im Binnenlande. 1 Aber an der Küste ent¬ 
wickelt sich eben jede Larve zum kräftigen Insect, das 20 bis 30 Tage 
leben kann, im Binnenlande gehen ganze Bruten in zwei Tagen zu Grunde 
bis auf die wenigen, die doch kräftig genug sind, die Art zu erhalten. 

Die eifrigen Versuche, die einzelne der Thiere machen, zu stechen, 
weisen darauf hin, dass es an Hunger nicht immer fehlt. Nur ihre Kraft 
ist zu gering, um die Haut des Menschen zu durchbohren. Ich bin 
augenblicklich damit beschäftigt zu prüfen, ob es vielleicht gelingt, sie 
am Leben zu erhalten, wenn sie Thiere mit dünner Haut als Stechobjecte 
bekommen. Dann würde es auch interessant sein, zu sehen, ob sich bei 
regelmässiger Nahrungsaufnahme ihre Kraft soweit hebt, dass sie nun 
auch dem Menschen beikommen könnten. 

Sowohl Maurer als ich waren Anfangs, als wir die geringe Lebens¬ 
kraft jener Anophelen aus dem Binnenlande bemerkten, der Meinung, 
dass der Grund zum frühen Tode in dem Herausreissen aus der natür¬ 
lichen Umgebung zu suchen sei. Um daher jeden Fehler zu vermeiden, 
liessen wir die Thiere in ihren Tümpeln, bis sie Nymphengestalt an¬ 
genommen hatten. Als nun aber mit diesen Thieren, die meist schon in 
der Nacht nach dem Einsammeln ausflogen, das Gleiche geschah, blieb 
nur noch die Annahme, dass auch in der Natur der Grund zur schwäch¬ 
lichen Constitution sohon im Larvenstadium, ja vielleicht noch früher 
gelegt war. 

1 Das Aufflnden der Brutplätze an der Küste hat mir viel Mühe gekostet. Die¬ 
selbe Erfahrung machten Forscher auch in anderen Gegenden, wie Ross in Sierra 
Leone, Koch in Indien, van der Scherr in Middelburg 


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Wilhelm Schüefner: 


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Ohne Zweifel bietet die Küste Sumatras den Anophelen dauernd 
günstige Bedingungen. Das flache Land, das sich mit seiner Oberfläche 
unter dem Einflüsse von Meer-, Grund- und Regenwasserbespülungen be¬ 
findet, zeigt sich befähigt, eine besonders kräftige Anophelesbrut hervor- 
zubringen. Ueber eine gewisse Grenze hinaus, wo sich der Einfluss der 
See verliert, verschwindet deshalb der Anopheles II gänzlich. Er ist ein 
obligates Küstenthier. 

Weniger abhängig von dem Klima, Bodenbeschaffenheit, Flora u. s. w 
der Küste ist der Anopheles I, der längs den Strassengräben oder auf 
anderen im flachen Lande der Ostküste Sumatras hundertfältig gegebenen 
Wegen in das Innere des Landes eindringt. Die veränderten Lebens¬ 
bedingungen jedoch, die er da findet, drücken seine Lebensenergie herab, 
er degenerirt rasch, die Larven bleiben zurück in der Entwickelung, viele 
gehen vorzeitig zu Grunde, von den ausgeflogenen Mücken stirbt gleich¬ 
falls der grösste Theil rasch weg, und nur wenige sind im Stande, Eier 
zu entwickeln und abzusetzen. 

Der Degenerationsprocess nun wird aufgehalten, wenn es den Thieren 
gelingt, auch im Binnenlande zufällig gegebene günstige Brütplätze zu 
linden. Gelegenheit dazu giebt sich bei Trockenlegung von Sümpfen. 
Gräben und Dammbauten u. s. w. Dann gedeiht die Brut sofort oder 
nach einigen Generationen wieder kräftiger und die Gegend wird auf ein¬ 
mal von stechlustigen Anophelen überschwemmt. Das dauert so lange, 
bis jene frischen Wässer nach längerem Stehen auch den Charakter der 
älteren angenommen haben, und nun macht die Degeneration wieder 
Fortschritte. 

Der Zufall gab mir dafür ein recht bedeutsames Beispiel in die Hand. 
In der Zeit, wo ich mit den Arbeiten über Anophelen begonnen hatte, 
winde in der Nähe vom Laboratorium, ca. 50 m entfernt, ein Sumpf 
trocken gelegt. Durch Ungeschicklichkeit des Dieners kamen gerade in 
diesem Momente einige Exemplare der in Rantau Pandjang gefangenen 
Anophelen aus. Hatte ich schon vorher auf die sich im Gebiete de* 
Sumpfes ansammelnden Wasserreste mein Augenmerk gerichtet, so geschah 
das nun nach dem Entfliegen jener Mücken mit doppelter Schärfe. Und 
wirklich, einige Tage darauf fand ich diese Wasseransammlungen mit 
Larven von Anophelen besetzt; darunter waren sogar einzelne schwarze 
Exemplare, die vom Anopheles II stammten, den ich bisher nur an der 
See angetroffen hatte; es waren also sicher Abkömmlinge jener Flüchtlinge. 

Diese Larven wuchsen rasch heran, und aus ihren Nymphen, die ich 
sorgsam eiusammelte, ging eine kräftige Zucht hervor, die sich in Ge¬ 
fangenschaft lange hielt und welche das werthvollste Material für meine 
Infectionsversuche geworden ist. Um das Terrain möglichst von den Ein- 


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Die Beziehungen d. Malariapabasiten zu Mensch u. Mücke. 97 


dringlingen zu säubern, wurden die alten Brutplätze mit ihren Larven 
unschädlich gemacht und neue Plätze in der Nähe durch Graben von 
flachen Löchern angelegt. So gelang es noch einige Zeit, neuer Gene¬ 
rationen habhaft zu werden. Von Anopheles II sah ich ausser dem ersten 
Male keine Spur weiter, wohl ein Beweis dafür, dass sie durch jene 
Maassnahmen wieder ausgerottet waren. 

Nun stellte es sich aber heraus, dass der Nachwuchs in zweiter und 
dritter Generation immer mehr an Lebensenergie einbüsste. Schon die erste 
Generation zeigte nicht die riesige Gehässigkeit der an der See gefangenen 
Anophelen, bei der zweiten begnügten sich alle Thiere mit dem blossen 
Vollsaugen des Leibes. Man geht wohl nicht fehl, wenn man das als 
Zeichen nachlassender Kraft auffasst. Mit der vierten Generation war ich 
schliesslich wieder auf dem alten Standpunkte; ich hatte Thiere vor mir, 
die nicht im Stande waren, zu fressen und die rasch wegstarben. 

Was aus dieser Beobachtung hervorgeht, ist, dass der Küsten - 
Anopheles, ins Binnenland eingeschleppt, wohl eine Zeit lang im 
Stande ist, seine Art kräftig fortzupflanzen, wenn ihm der Zu¬ 
fall günstigen Boden bietet, dass er aber nach einigen Gene¬ 
rationen wieder degenerirt. 

Keine Antwort kann ich heute auf die Frage geben: ob sich bei 
Fortdauer günstiger Bodenverhältnisse die Lebenskraft der dariu wachsen¬ 
den Anopheles länger erhalten würde, wie es an der See geschieht, und 
ob es sogar möglich wäre, dass sich auf diese Weise die im Binnenlande 
eingelebten Anophelen wieder zu voller Kraft fortzüchten lassen würden. 
Ausser durch Einschleppung wäre das der zweite Weg, eine im Binnen¬ 
lande entstehende Epidemie von Malaria zu erklären. 

Endlich bleibt noch zu erörtern: warum gedeiht der Anopheles im 
Küstengebiet so viel besser und dauernder als im Inlande? 

Dass die Temperatur eine solch’ grosse Rolle spielen sollte, ist bei 
relativ geringen Differenzen hier und an der See kaum anzunehmen. Von 
mehr Bedeutung werden die chemischen (Salzgehalt u. s. w.) und organischen 
Bedingungen sein, die die Larven in den Wassertümpeln vorliuden. 

Von grossem Einfluss sind ferner die natürlichen Feinde. Ich meine 
damit weniger die grösseren Thiere, wie Fische, Kaulquappen und Frösche, 
Wasserläufer u. s. w., oder selbst räuberische Culiciden und Larven, deren 
Arbeit durchaus nicht zu unterschätzen ist, sondern noch mehr Bakterien 
und andere kleinste Parasiten. Als Curiosum, das ist es wenigstens vor¬ 
läufig noch für uns, sei eines bandwurmartigen Parasiten Erwähnung ge- 
than, den erst Maurer, und später auch ich, im Magen der Mücken 
(ca. 20 Proc.) fand, die bald nach dem Auslliegen crepirt waren. Wir 

Zoit^hr. f. Hygiene. X.LI. 

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Wilhelm Schüetneb: 


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i zweifeln nicht daran, dass dieser den Magen .ausfüllende Parasit den Tod 

i der Mücke verschuldete. 

\ Die Zahl der Feinde ist, so stelle ich es mir wenigstens vor, in frisch 

’ gebildeten Wassertümpeln am geringsten; die Anophelen können sich also, 

’ wenn anders die Ernährungsbedingungen gut sind, darin ungestört ent' 

) wickeln. Das dauert einige Zeit, dann verliert der Nährboden seine ge¬ 

eignete Beschaffenheit, und die natürlichen Feinde haben so überhand 
j genommen, dass der grösste Theil der Larven ihnen zur Beute fällt. Die 

1 Uebrigbleibenden entwickeln sich mangels Nahrung und in Folge von 

: Krankheiten nur kümmerlich, und das ausfliegende Insect, zu schwach, den 

Menschen zu stechen, wird kaum mehr als ein Eintagswesen. Für die 
Gegend, in der sich solche Verhältnisse finden, resultirt ein Zustand, den 
man eine Art Immunität des Landes gegen Anophelen nennen könnte. 


Die Zahl der Culiciden ist an der Ostküste Sumatras eine recht grosse. 
Das erwähnt für Java auch Koch in seinen Reiseberichten. Es kostet 
keine besondere Mühe, um in mehreren Monaten 25 verschiedene Sorten 
zu sammeln. Die eigentliche Zahl ist damit auch nicht annähernd er¬ 
schöpft. Die einzelnen Sorten wechseln mit den Jahreszeiten. Wie weit 
das vom Zufall abhängt, wie weit die Schwärmzeiten und ihre Wiederkehr 
einer gewissen Regelmässigkeit unterliegen, müssen weitere Untersuchungen 
klar legen. 

So lange ich keine Anophelen zur Verfügung hatte, habe ich Culiciden 
auf Parasiten untersucht; das Resultat war damals negativ. Doch wird 
es sich empfehlen, solche Untersuchungen im grösseren Maassstabe zn 
wiederholen, auch mit Rücksicht auf andere Parasitenformen, die der 
Mückenkörper beherbergen könnte. 

Die Untersuchungen über den Malariaparasiten im Anopheles 
begannen mit künstlichen Infectionen der Mücken, um mit grösstmög- 
licher Wahrscheinlichkeit positive Resultate zu erzielen, und das Auge an 
das vorher nie Gesehene zu gewöhnen. Nachdem dies geglückt, war es 
an der Zeit, daran systematische Untersuchungen anzuschliessen. Die 
unter meinen Augen ausgeflogenen Mücken habe ich nach dem Vorgang« 
Anderer für frei von Malariaparasiten angesehen. Die Infectionen, die 
mir mit solchen thatsächlich gelangen, sind natürlich das werthvollste 
Material meiner Arbeit. Bei den gefangenen Anophelinen, die ich in Er¬ 
mangelung eines Besseren benutzen musste, hatte ich von jeder Serie 
vorher zu bestimmen, ob und wieviele davon zufällig inficirt waren. Wenn 
dann nach erfolgter künstlicher Infection sich die Zahl der Inficirten er* 


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Die Beziehungen d. Malariapabasiten zu Mensch u. Mücke. 99 

heblich erhöht hatte, so durfte man wohl annehmen, dass das die Folge 
des Versuches war. 

Die Infection der Mücken geschah in der Weise, dass der Malaria¬ 
kranke seine Hand in den Käfig streckte, und wenn die Thiere ausgebissen 
hatten, sie in einen zweiten Käfig übertrug. Zur vorläufigen Orientirung, 
ob Infection erfolgt war oder nicht, machte ich von der Untersuchung im 
frischen Zustande Gebrauch. Bei nur einiger Uebung gelingt es leicht, 
den ganzen Verdauungstractus, mit Saugmagen, Mal pighi’schen Schläuchen 
und Genitalien aus dem Leibe herauszuziehen und zu isoliren. 

Zur genaueren Untersuchung dienten jedoch Serienschnitte, die in 
folgender Weise hergestellt wurden: 

Härtung der frisch getödteten Mücke mit 15 Procent Formalin in 
40 Procent Alkohol für 4 bis 6 Stunden. In der alkoholischen Lösung 
erfolgt das Benetzen der Thiere und das Eindringen der Flüssigkeit rascher. 

Dann entwässern in Alkohol von steigender Concentration. Ein 
Kriterium für gelungene Härtung hat man an der guten Erhaltung der 
Form von den empfindlichen Magenzellen und Facettenaugen. Paraffin¬ 
einbettung. 

Die Schnitte erhielten eine Dicke von 5 bis 6 Mikren. Sie noch feiner 
zu machen, war mir hier in den Tropen aus mancherlei Gründen unmöglich. 

Die weitere Behandlung der Schnitte war die an den Leipziger In¬ 
stituten übliche, welche allein brauchbare Bilder für’s Photographiren 
giebt. Man lässt die Bänderschnitte auf abgekochtem warmen Wasser 
schwimmen bis zur vollkommenen Streckung, bringt sie dann unter Wasser 
auf Objectträger. Die Verdunstung des Wassers muss im Brütofen bei 
mindestens 37 Grad, besser noch 45 Grad geschehen. Objectträger dabei 
flach legen! Die Schnitte haften durch Capillarattraction. 3 bis 4 Stunden 
später anschmelzen. 

Färben mit Hämatoxylin oder nach Romanowsky. Bei letzterer 
Methode darf man den Schnitt nach dem Färben nicht weiter behandeln; 
man lässt ihn trocknen wie ein Blutpräparat, und schliesst in Canada- 
balsam ein. Für die Einbusse an Feinheit der Structur gewinnt man den 
Vortheil einer specifischen Färbung, die besonders für die Darstellung der 
Sporozoiten werthvoll ist. 

Bei der nun folgenden Beschreibung der erhaltenen positiven Be¬ 
funde ist, so oft-von Anopheles gesprochen wird, immer Anopheles I 
gemeint. 

Das Erkennen der Cysten im frischen Zustande macht, auch wenn sie er¬ 
wachsen sind, keine Schwierigkeiten. Sie fallen durch ihr stark licht- 
brechendes Protoplasma als grosse runde Körper ins Auge. Dagegen kostet 
es grosse Aufmerksamkeit, um die kleinsten Cysten, die eben unter der 

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100 


Wilhelm Schüefner: 


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Tunica elastico-muscularis Platz genommen haben, zu sehen. Hier dient 
allein das Pigment als Wegweiser, genau wie es von Eoss und Anderen 
hervorgehoben wurde. Das Auftinden ist nur bei tadelloser Präparirung 
des ganz leeren Magens möglich, sonst verdecken Blutkrystalle oder Pig¬ 
ment, das vom Panniculus adiposus der Mücke stammt, zu leicht die 
kleinen Gebilde. Das Pigment ist meist noch in lebhafter Bewegung. 
Später kommt es zur Ruhe und sammelt sich mehr im Innern des Para¬ 
siten, häufig um eine Vacuole, ohne jedoch, wie ich beobachtete, an seinem 
Charakter etwas einzubüssen. Im Gegensatz zu den Beobachtungen der 
Italiener sah ich das Pigment regelmässig bis zur vollen Reife der Cyste 
sich erhalten. Um es in jedem Falle zu sehen, muss man die relativ 
grosse Kugel in ihrer ganzen Tiefe absuchen. 

Die zeitliche Entwickelung will ich an Biand der Photographien meiner 
Sohnitte geben. Ich darf mich bei diesem Capitel um so kürzer fassen, 
als der ganze sporogenetische Lebenslauf durch die Arbeiten der Fach¬ 
gelehrten so klargestellt ist, dass es schwer fällt, noch Neues beizutragen. 

Figg. 10 u. 11 (Taf. IV). Die kleinste Oocyste, die entstand nach dem 
Durchwandern des Ookineten durch die Mucosa, nimmt den Farbstoff nicht 
gut an. Sie erscheint unter den contrastreich gefärbten Zellen der Magen¬ 
schleimhaut als ein mattblauer Körper von der Grösse eines rothen Blut¬ 
körperchens, in der ein Nucleolus von höchstens 1 / i Grösse des Durch¬ 
messers der ganzen Zelle liegt. Die scharfe Contourirung, die den 
Halbmond auszeichnet, ist verloren gegangen, der Parasit gleicht mehr 
der Sphäre. Auch im gefärbten Präparate lenken die Gruppen feiner 
Pigmentkörnchen die Aufmerksamkeit auf den Parasiten. 

Figg. 12 u. 13 (Taf. IV). 3. bis 4. Tag nach der Infection. Hier hat 
schon eine Kerntheilung stattgefunden. Die intensive Färbung der arbeiten¬ 
den Kerne macht die Parasiten auch auf der schwachen Vergrösserung 
sichtbar. 

Fig. 14 (Taf. IV). 4. bis 5. Tag nach der Infection. Weitere Ver¬ 
grösserung der Oocyste. 

Figg. 15 u. 16 (Taf. IV). 6. bis 7. Tag nach der Infection. Der Parasit 
ist in zahllose feine Kerne zerfallen. In der Mitte befindet sich eine 
Vacuole, und über den Parasiten verstreut einige Pigmentkörnchen. 

Figg. 17 bis 19 (Taf. V), derselbe Schnitt in drei verschiedenen Ver- 
grösserungen ca. 8. bis 11. Tag nach der Infection. Die Endstadien der 
Entwickelung. Der Schnitt führt, wie man auf der schwachen Ver¬ 
grösserung sieht, nicht durch die Mitte des Magens und Leibes, sondern 
schneidet nur eine flache Kappe ab. Die grossen Parasitenkugeln liegen 
darum ganz getrennt vom Magen, natürlich nur scheinbar, tiefere Schnitte 



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Die Beziehungen d. Malabiapabasiten zu Mensch u. Mücke. 101 


würden auch bei ihnen den Zusammenhang mit der elastischen Muskel- 
liaut des Magens darthun. 

Von den 4 Cysten ist die jüngste die dritte, vom oben liegenden 
Schwanzende aus gerechnet. Sie ist erfüllt mit Sporoblasten, die an Grösse 
noch zurückstehen hinter denen der 4. Cyste, der nächst älteren. Bei dieser 
sind schon die herauswachsenden Sporozoiten zu sehen. Die erste und zweite 
Cyste werden gleichalterig sein, sie entsprechen etwa dem 10. bis 11. Tage 
und sind völlig ausgebildet. Mit Lupe kann man in beiden die feinen, 
radiär in allen möglichen Axen um die grossen Restkörper angeordneten 
Sporozoiten erkennen. Das Pigment hebt sich in der Photographie von 
diesem contrastreichen und äusserst fein detaillirten Bilde nicht mehr ab. 
Mit Recht macht Grassi auf die Schwierigkeit aufmerksam, die es hat, 
solche Figuren zu beschreiben und darzustellen. Es ist beinahe unmög¬ 
lich, Zeichnungen davon anders als schematisch zu geben. Die Photo¬ 
graphie hat wieder den Nachtheil, dass sie bei der dazu nothwendigen 
starken Vergrösserung nur so geringe Tiefen scharf zeichnet. 

Das Bild giebt auch einen Anhalt für die Grösse der reifen Cysten. 
Sie beträgt zwischen 25 und 30 Mikren und ist in den verschiedensten 
Schnitten und Mücken eine recht gleichmässige. Niemals fand ich 
auch nur annähernd die bedeutenden Grössenunterschiede, zwischen 30 
und 70 Mikren, von denen Grassi spricht. Da Grassi weniger in 
Schnitten untersuchte, die für die Entscheidung dieser Frage allein aus¬ 
schlaggebend sind, sondern mehr am präparirten Magen, so möchte ich 
wohl fragen, ob nicht jene enormen Differenzen in der Grösse mehr der 
Präparatien ihren Ursprung verdankten. 

Figg. 20 u. 21 (Taf. IV). Gleiches Alter wie die vorhergehenden. 
Hauptsächlich der Topographie wegen und wegen der Restkörper gebe ich 
diese Bilder. Man kann auf der stärkeren Vergrösserung sehen, wie von 
beiden Seiten aus der Bucht der Schleimhaut die elastische Muskelhaut 
auf die Parasitenkugel Übertritt. Die zwischen den Muskelbalken sich 
glasartig ausspauneude Membran verschmilzt auf der dem Magen abge¬ 
wendeten Seite des Parasiten vollkommen mit demselben und ist daher 
nicht zu sehen. 

Figg. 22 bis 24 (Taf. V). Starke Vergrüsserungen reifer Kapseln. 
Nun erfolgt das Bersten der Membran, die Ueberschwemmung des Blut- 
und Lymphstromes mit ihnen, und dann die Ausscheidung bezw. ihr 
actives Eindringen in die Giftdrüse. Bildern, in welchen die Sporozoiten 
auf der Wanderung begriffen sind, bin ich nicht begegnet. 

Es folgt daher als nächstes Stadium das in Figg. 25 bis 30 (Taf. V 
und VI) wiedergegebene. 


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102 


Wilhelm Schütfneb: 


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Der Schnitt in Figur 25 (Taf. V) ist ein Medianschnitt, der von der 
Topographie des Thorax und Kopfes einen Begriff giebt. Im vorderen 
Abschnitt des Thorai liegen die 3 Schläuche der Giftdrüse gerade unter 
einander. Hier wie auf den stärkeren Yergrösserungen erkennt man die 
Verschiedenheiten der Structur, die den mittleren Lappen (Fig. 27, Taf. YI) 
von den beiden anderen unterscheiden. Derselbe verhält sich farberisch 
ähnlich wie die Schleimdrüsen des Menschen und setzt sich zusammen 
aus grossen homogenen, structurlosen Zellen. Der vordere und hintere Lappen 
(Figg. 26, Taf. V, 28 bis 30, Taf. VI) dagegen enthält Zellen, die sich aus 
lauter Kugeln zusammensetzen. Das Caliber dieser Kugeln ist am grössten 
in der Nähe des blinden Endes und wird nach vorne zu immer feiner. 
Meine eigene Vermuthung, dass der mittlere Drüsenlappen ein anderes 
Secret führe — er färbt sich mit Romanowsky tiefblau, während die 
beiden anderen die specifische Färbung intensiv annehmen —, finde ich 
von Grassi bestätigt. Mit ihm habe ich auch keine Bevorzugung 
irgend eines Lappens Seitens der Sporozoiten bemerken können. Mau 
sieht bald den einen bald den andern von ihnen erfüllt. Sie liegen hier 
noch in den Zellen, meist in Gruppen parallel neben einander, oft so 
dicht, dass man Mühe hat, sie mit einer starken Vergrösserung aufzulösen. 

Figur 30 (Taf. VI) illustrirt den nächsten Schritt: das Eintreten der 
Keime in den Mittelcanal der Drüse. Das blinde Ende ist von ihnen 
voll gestopft; wie ein dichter Zopf erfüllen sie das Lumen. Nach vorne 
zu kann man sie mit Hülfe einer Lupe mehr einzeln liegen sehen, wie 
sie einem Fischzug ähnlich dem Ausführuugsgang zustreben. Seitlich sind 
in den Zellen noch quere Durchschnitte von dicht in Gruppen zusammen¬ 
liegenden Sporozoiten. (Vergl. auch die schönen Bilder in Grassi’s 
Monographie.) 

In diesem Zustande ist der Anopheles fähig, mit seinem Stich zu 
inficiren. 

Die Bilder, mittels denen wir soeben dem sporogonetischen Lebens¬ 
lauf des Parasiten folgten, stammen von Moskiten in verschiedener In- 
fection. Es eignet sich nicht jeder Schuitt zum Photographiren und 
darum blieb nichts anderes übrig als zu combiuiren. Aber leider kann 
ich nicht einmal sagen, welcher der Schnitte der Tertiana und welcher 
der Perniciosa angehört. 1 

1 Das erklärt sich auf folgende Weise: Die Schnitte erhielt ich von den Paar 
Serien frisch ausgeflogener Anophelen. Die eine Hälfte wurde mit Tertiana, die 
andere mit Perniciosa inficirt. So lange die Thiere in ihrem Kätig sind, ist es leicht 
sie aus einander zu halten, ebenso bei der Untersuchung im frischen Zustande. Wenn 
es aber an das Einbetten und Sehneideu der Objecte geht, wozu so viele Manipu¬ 
lationen nbthig sind, so war ein Verwechseln der Thiere, die man nach Form der 


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Die Beziehungen d. Malabiapabasiten zu Mensch u. Mücke. 1Ü3 

Da jedoch ein principieller Unterschied nicht besteht, so thut schliess¬ 
lich diese combinirte Serie so gut ihre Dienste, wie eine ungemischte. 
Sind sich doch die Autoren nicht einmal darüber einig, ob überhaupt ein 
Unterschied zwischen dem Plasmodium vivax und der Laverania Malariae 
im Mückenkörper besteht. Grassi z. B. erkennt die von Bignami und 
Bastianelli aufgestellten Unterschiede nicht an. Ich kann ihm darin 
nicht beipflichten. Mit den beiden anderen Autoren finde ich auch das 
Protoplasma der Tertianacysten im frischen Zustande weniger lichtbrechend. 
Das Pigment, das der Parasit aus seinem schizogonetischen Leben mit- 
nimmt, ist bei der tertianen Cyste feinkörniger als bei der vom Halb¬ 
monde stammenden. 

Auf noch einen Unterschied haben mich die Photographien mit ihrer 
objectiven Wiedergabe aufmerksam gemacht. Er betrifft die reifen Oocysten 
und die Sporozoiten. Vergleicht man die Oocysten in den Figuren 19 
und 22 bis 24 (Taf. V) mit einander, so fallen ohne Weiteres Unterschiede, 
die sich auf Form und Anordnung beziehen, ins Auge. Bei genauerem 
Zusehen bemerkt man, dass jene abhängig sind von Grössendifferenzen 
der Sporozoiten. Diese bedingen es, dass die Oocyste in Fig. 19 (Taf. V) 
viel feiner, die in Figg. 22 bis 24 (Taf. V) gröber aufgebaut erscheint. 
Gemessen differiren die Cysten im Ganzen nur wenig, 27 u gegen 30^, 
dagegen die Sporozoiten recht beträchtlich, 3 n gegen 5 • 5 p. Man beachte 
auch besonders die Länge der Kerne der Sporozoiten. 

Ganz die gleichen Unterschiede kehren in den Giftdrüsen wieder, 
grosse Sporozoiten in Figg. 28, 29 (Taf. VI), haarfeine kurze in Fig. 30 
(Taf. VI). 

Den Einwand, den bisher Grassi allen solchen Unterschieden in 
Grösse und Form macht, dass das Kunstproducte seien, die der Härtung 
zuzuschreiben sind, müsste ich für meine Präparate entschieden zurück¬ 
weisen. Es wäre nicht recht verständlich, warum nun gerade die vom 
Gewebe umschlossenen Oocysten unter der Härtung leiden sollten, während 
alle Organe der Mücke selbst tadellos erscheinen. 

Ich halte mich zu der Annahme berechtigt, dass die angeführten 
Verschiedenheiten als Charaktere der beiden Arten Malaria, Tertiana und 
Perniciosa, um die es sich hier nur handeln kann, aufzufassen sind. Die 
Aufgabe weiterer Versuche wird es nun sein, die Formen, die ich jetzt 


Malaria, nach Dauer der Infection und Art der Mücke zu trennen hatte, um so eher 
möglich, als den Schreiber dieses die Praxis oft Tage lang wegführte, während 
welcher Zeit Hartung u. s. w. dem chinesischen Diener überlassen blieb. Mit dem 
Momente, wo ich bemerken musste, dass ein Versehen stattgefunden haben konnte, 
hielt ich es für richtiger, überhaupt von einer Angabe abzusehen. 


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104 


Wilhelm Schüffner: 


kenne, in sichere Beziehung zu der Art der Parasiten zu bringen, von 
welcher der Versuch ausging. 

Die Infection des Anopheles gelang sowohl mit Plasmodium vivax, 
als auch mit Laverania malariae. Doch hafteten die Parasiten durchaus 
nicht in jedem Falle. Die meisten Infectionen erhielt ich im Anfang 
August in heisser Zeit mit den mehrfach erwähnten Anophelen, die aus 
den Nymphen hervorgingen, welche in dem trocken gelegten Sumpf in 
der Nähe meines Hauses gross geworden waren. Zwischen 40 und 50 Proe. 
ergaben ein positives Ergebniss. Weit geringere Zahlen erhielt ich von 
den eigefangenen Mücken, etwa nur 20 Procent, und seit October, mit 
Eintritt der kühlen Regenzeit, noch weniger. An diesem so häufig abortiven 
Verlauf sind sicherlich manche Untersuchungen gescheitert. Aber welches 
sind die Ursachen dafür? Eine Frage, die ich schon Eingangs berührte. 

Es sind eine ganze Anzahl von Factoren, die dabei mitsprechen. 

1. Unter Anopheles I ist eigentlich eine kleine Gruppe begriffen, die 
ich wohl als zusammengehörig betrachtet habe, aus der aber vielleicht der 
Zoologe zwei oder mehr Arten machen würde. Die daraus entstehende 
Fehlerquelle ergiebt sich von selbst. 

2. Für ausgeschlossen halte ich es auch nicht, dass die Temperaturen, 
trotzdem wir fast unter dem Aequator leben, eine Rolle spielen. Die 
Regenzeit ist eben doch erheblich kühler, und lässt im Zimmer die Tem¬ 
peratur selten über 27 bis 28 Grad Celsius steigen, während in den warmen 
Monaten regelmässig 32 bis 33 Grad erreicht wird. Um das festzustellen, 
müsste man Versuche bei constanten Temperaturen anstellen, zu denen 
ich bisher keine Gelegenheit hatte. 

3. darf man nicht vergessen, dass die Aufnahme von Malariablut 
Seitens der Mücke, je nachdem sie Tags oder Nachts erfolgt, in ihrer 
Wirkung nicht dieselbe zu sein braucht. Sowohl Gameten wie Mücken 
können mit der Tageszeit wechselnden Zuständen unterliegen. 

4. ist in Erwägung zu ziehen, ob es nicht auch bei Anopheles zu 
einer gewissen Immunität gegen Malariainfection kommen kann, sei es 
nun, dass die Brut sie schon empfinge, sei es dass die fliegenden Insecten 
sie mit dem zunehmenden Alter erwürben. Da z. B. ein Anopheles eine 
nicht allzu reichliche Infection zu überstehen pflegt, wäre es wohl möglich, 
dass nun eine zweite Infection nicht mehr haftet. 

5. Grassi, der auf die unberechenbare Empfänglichkeit der Ano- 
phelen auch aufmerksam macht, denkt an einen besonderen Zustand der 
Gameten, die nicht jeder Zeit zur Fortpflanzung fähig sein sollen. 

Es sind das alles nur Vermuthungen, die aber wenigstens das eine 
zeigen, wie weit wir heute noch von dem vollen Verständniss aller in das 
Bereich der Malaria gehörenden Fragen entfernt sind. 


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Die Beziehungen d. Maeabiaparasiten zu Mensch u. Mücke. 105 

Die menschliche Malaria unterscheidet sich durch die eben berührte 
Eigenschaft durchaus von der Vogelmalaria. Bei dem Proteosoma gelingt, 
nach den Angaben von Ross, Koch, Rüge, die Infection des Culex viel 
leichter, beinahe mit der Regelmässigkeit eines exacten Experiments. Das 
ist denn auch der Grund gewesen, dass der Weg zur Erkenntniss der 
menschlichen Malaria durch das Studium der Vogelmalaria führte (Ross). 

Negativ fielen bisher alle meine Versuche aus, auch den Quartana- 
parasiten auf den Anopheles zu übertragen. Malaria quartana -ist hier 
durchaus nicht selten, im Gegentheil, zeitweilig ist sie sogar die allein 
herrschende Fieberform. Auch an Gameten war in einzelnen Fällen kein 
Mangel, jedoch die Infection mit ihnen schlug bei allen Sorten Anopheles 
fehl. Soweit mir die Litteratur bekannt, fehlt es ja wohl überhaupt noch 
an einer einwandsfreien Beobachtung von dem Entwickelungsgange des 
Plasmodium malariae s. str. in der Mücke. 


Um nun den Kreis zu schliessen, den sporogenetischen Lebenslauf 
wieder mit dem schizogonetischen in Verbindung zu setzen, und so den 
Identitätsbeweis zu bringen, konnte ich das Experiment, die beabsichtigte 
Infection des Menschen, nicht umgehen. Der Infection mit Tertiana 
unterzog ich mich selbst zusammen mit einem Herrn K., der sich dazu 
freiwillig anbot. Wir wohnen beide au demselben Platze, der ca. 25 km 
von der See entfernt liegt; unsere Häuser liegen ungefähr 400 m von 
einander. Der Platz ist so gut wie frei von Malaria. Unter den Europäern, 
die daselbst wohnen, habe ich seit den letzten 5 Jahren, die ich dort 
zubringe, keine Malariainfection erlebt. Wohl giebt es unter der Arbeiter¬ 
bevölkerung (ca. 800 Köpfe) ab und zu Fieberfälle. Das will jedoch wenig 
besagen, da die Leute eingewandert sind und recht häufig Malaria mit¬ 
bringen. Im gegebenen Falle fällt es daher schwer zu entscheiden, ob 
es sich um wirklich frische Infection oder um Auftlackern einer alten 
handelt. Die Möglichkeit einer frischen Infection ist aber nicht zu 
leugnen. 

Um mit Rücksicht darauf auch den scrupulüsesten Bedenken zu be¬ 
gegnen, schien nur ein Doppelversuch geeignet und genügend beweis¬ 
kräftig zu sein. 

Ferner muss ich noch vorausschicken, dass wir beide gesund waren, 
speciell nie an Malaria gelitten hatten; der eine von uns war seit 5 Jahren, 
der andere seit einem halben Jahre in Indien. Endlich unterliess ich es auch 
nicht, mich von der Hauptsache bei einem Experiment mit Malaria zu ver¬ 
gewissern, nämlich dass wir auch beide Chinin gut vertragen konnten. 


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106 


Wilhelm Schüffneb: 


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Am 26. VII. Nachmittags hessen wir uns beide stechen, nachdem 
ich das Gleiche schon am Tage vorher hatte thnn lassen. Die dazu ver¬ 
wandten Anophelen hatten 12 Tage (bezw. 11) vorher Blut von einem 
Tertiankranken gesogen. Die spätere Untersuchung dieser Thiere erwies, 
dass thatsächlich bei einigen die Giftdrüsen mit Sporozoiten erfüllt waren. 


s. 

26. VII. Infection. 

9. VIII. Nachmittags, Kopfschmerz. 

10. VIII. AbendB gegen 6 Uhr un¬ 
wohl gefühlt; Temp. 36-6°; Blut frei. 

11. VIII. Nachm. 3 Uhr, Fieber¬ 
anfall ohne eigentlichen Schüttelfrost, 
Temp. 39-2°, leichte Delirien. Im 
Blute wenig Tertianaparasiten. 
Chinin 

12. VIII. Morgens 36-8°; Nach¬ 
mittags neuer Anfall bis 39 • 8 °, sub- 
jeotiv weniger angreifend, keine De¬ 
lirien. Kreuzschmerzen, Polyurie; 
Chinin 1 l 2 « rm . 

13. VIII. Fieberfrei. 


A. 

26. VII. Infection. 

[ 9. VIII. Abends, Kopfschmerz. 

10. VIII. Behauptet, über Nacht 
Fieber gehabt zu haben. Temp. nor¬ 
mal, aber Kopfschmerz. Blut frei, 
geschwollene Milz. 

11. VIII. Fühlt sich leidlich; im 
. Blut Tertianaparasiten spärlich. 

Chinin 1 ,e™. 

12. VIII. Fieberfrei. 


Es handelte sich also bei uns beiden um Tertiana, wie von Maurer 
und mir selbst festgestellt wurde. Das Experiment war als gelungen zu 
betrachten. Die Infection hatte zu einem auf seltene Weise überein¬ 
stimmenden Resultat geführt, nur mit dem Unterschied, dass bei mir 
eine Tertiana duplex vorlag, während Herr K. mit einer Generation 
davon kam. Das erklärt sich bei mir einfach durch das Stechenlassen au 
zwei auf einander folgenden Tagen. 

Zur Infection mit Perniciosa wählte ich einen Chinesen, der, 25 Jahre 
alt, gesund war, und kein Zeichen einer bestehenden oder durchgemachten 
Malaria hat. 


20. u. 21. VIEL Gestochen. 

5. IX. Klagen über Kopfschmerz, Temp. 38-13. 

6.IX. Temp. 37-9. 

7. IX. Temp. 36-5 Zustand leidlich. Im Blute grosse Ringe; Diagn.: 
Malaria perniciosa. Chinin 1 i 2 8 rm . 

8. IX. Fieberanfall bis 39-5. Chinin 1 2 8TI ". 

9. IX. Fieberfrei. 

Die Incubationzeiteu belaufen sich bei den 3 Versuchen auf ca. 15 bis 
17 Tage. Sie kann ja, wie bekannt, in ziemlich grossen Grenzen schwanken. 
Für kürzere Zeiten habe ich noch ein Beispiel au einem unfreiwilligen 
Experiment. 


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Die Beziehungen d. Malabiaparasiten zu Mensch u. Mücke. 107 

Am 15. September machten 4 Herren aus Medan und Umgebung 
einen Jagdausflug nach Rantau Pandjang, meinem Anophelesfangplatz. 
Sie blieben mit ihren 2 Boys, die sie mitgenommen hatten, Nachts in 
einem Häuschen am Strande, und hatten daselbst von Moskiten zu leiden. 
12, 13 und 14 Tage später erkrankten von diesen 6 Personen nicht 
weniger als 5 an Malaria. Von 2 Herren bekam ich das Blut zu unter¬ 
suchen, das enthielt die Laverania malariae. Bei den Uebrigen konnte 
ich die Diagnose nur nach den klinischen Erscheinungen machen. Der 
eine der Europäer blieb gesund. 


Eine Arbeit, die sich mit der neueren Malariaforschung beschäftigt, 
muss heutzutage auch zu der Frage der Prophylaxe, dieser wichtigsten 
tou allen, Stellung nehmen. So lange man nur den Parasiten der Malaria 
im Blute des Menschen bannte, gab es nur ein Mittel, um sich in Fieber¬ 
gegenden vor Malaria zu bewahren: Chinin in gewissen Zwischenräumen 
zu nehmen. Das ist eine Methode, die lange bekannt war, und besonders 
durch F. Plehn und A. Plehn die richtige Würdigung erfuhr. Alles 
audere, was gegen Malaria vorgeschlagen wurde, Assanirung u. s. w., be¬ 
ruhte, so viel man auch damit erreichte, auf Hypothese. 

Nun kam die Erkenntniss von dem Wirthswechsel der Malariapara¬ 
siten, die in die ganze Epidemiologie Licht brachte. Damit waren auch 
mit einem Schlage, wenigstens der Theorie nach, die Wege gewiesen, die 
eine verständige Prophylaxe zu gehen hatte. Es sind deren drei, die sich 
ergeben je nach Stelle, an welcher man den Doppelkreislauf des Parasiten 
unterbricht, nämlich: 

1. alle Malariakranken ausheilen, und so den Anophelen die Möglich¬ 
keit nehmen, sich zu inflciren; 

2. alle Anophelen ausrotten oder 

3. verhindern, dass sie den Menschen stechen können. 

Consequent durchgeführt würde jeder Weg allein im Stande sein, 

die Maleria von dem Erdball wegzuräumen, jedoch nur der Theorie nach. 
In praxi stellen sich der Durchführung jeder dieser drei Möglichkeiten 
Hindernisse entgegen, die sie schwierig, wenn nicht gar unüberwindlich 
macht. Es bleibt daher nichts anderes übrig, als alle drei Wege zu com- 
biniren, um durch ihre vereinigte Wirkung die Chancen einer Infectiou 
herunter zu drücken. 

Ihre Anwendung im Speciellen nun richtet sich ganz nach dem 
Charakter des Landes und seiner Bevölkerung. Es gehört wohl zu den 
interessantesten Aufgaben des Arztes und Zoologen, besonders in den 


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Wilhelm Schüffner: 


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Tropen, die unter Malaria am meisten leiden, jene bisher unbekannten 
Principien anf das Land seiner Thätigkeit zuzuschneiden. Im Folgenden 
mache ich den Versuch, Deli, bezw. Theile davon, auf Grund der Er¬ 
fahrungen eines Lustrums unter diese Beleuchtung zu stellen. 

Das Land der Tabakgesellschaft, der ich als Arzt angehöre, umfasst 
ein Gebiet von ca. 540 Quadratkilometern. Es zieht sich als ein langer 
schmaler Streifen von den Vorbergen bis auf 10 km Abstand von der See 
hin. Mein Wohnplatz, Tandjong Morawa, liegt ca. 25 km von der See. 
ungefähr in der Mitte zwischen dieser und den Bergen. Das Gebiet ist, 
wie ich durch sehr ausgedehnte Blutuntersuchuugen 1 weiss, sehr wenig 
verseucht mit Malaria. Besonders muss man hervorheben, dass das Vor¬ 
kommen einer Perniciosa geradezu eine Seltenheit ist. Schwer heimgesuckt 
dagegen von der Malaria in allen Formen sind die Niederlassungen längs 
der Küste. Plätze wie Ran tau Pandjang, der Hafenplatz Delis- 
Belawau u. s. w. können es, was Verbreitung der Malaria anangt, mit 
den grössten Fieberplätzen der Welt aufnehmen. 

Auf Grund dieser Kenntnisse habe ich die persönliche Prophy¬ 
laxe, die ich in den ersten Jahren meiner Praxis hierdurchzuführen für 
nöthig hielt, als im Binnenland gänzlich überflüssig aufgegeben. Nur bei 
Touren an die See nehme ich prophylaktisch 1 j 2 Chinin, und verordne 
es auch anderen. 

Mit aller Energie führe ich dagegen die consequente Heilung 
aller Malariakranken durch. Es ist nichts Neues, dass Malaria nur 
bei lang fortgesetztem Chiningebrauch definitiv weicht. Früher that 
man es nur im Interesse des jeweilig Kranken; um ihn von seinem 
Fieber zu befreien, heute erhebt sich das Gebot der vollständigen 
Heilung im Interesse seiner ganzen Umgebung. Dieser Gedanke 
wurde fast gleichzeitig von Grassi und Koch ausgesprochen, doch von 
Letzterem gleich mit dem weit ausschauenden Blick des grossen Mannes 
in seiner ganzen Tragweite gewürdigt. 

Die eigentümlichen Verhältnisse hier im Lande machen eine gründ¬ 
liche Durchführung der Chininbehandlung in allen Kreisen der Bevöl¬ 
kerung ganz unmöglich. Den grossen Tabaksgesellschaften, die über wohl- 
organisirte und ärztlich controllirbare Arbeiterschaften verfügen von je 
5000 bis 20000 Köpfen, steht die eingeborene, überall im Lande ansässige, 
von ihren Sultanen und Häuptlingen regirte malayische und Battakbe- 
völkerung gegenüber. Die Fürsten stehen in einem Schutzverhältniss unter 
der niederländischen Regierung, und sind von ihr abhängig; das von 
ihnen regierte Volk jedoch entzieht sich beinahe jeder directen Beeinflussung 


1 Vgl. Janus 1900. 


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Die Beziehungen d. Malaeiapabasiten zu Mensch ü. Mücke. 109 

seitens der Europäer. Nicht einmal der Arzt vermag bei diesem indo¬ 
lenten Volke etwas zu erreichen. Die Leute kommen zu ihm höchstens 
dann, wenn sie wirklich glauben, mit ihrer eigenen Weisheit und eigenen 
Mitteln zu Ende zu sein. Wohl lassen sie sich gerne Chinin geben, dessen 
unmittelbare Wirkung sie gut kennen, aber die wenigsten sind dazu zu 
bringen, es noch weiter zu nehmen, nachdem das Fieber schon ver¬ 
schwunden ist. Für das Binnenland entspringt hieraus glücklicher Weise 
nur eine geringe Gefahr. Aber wohl würde eine im grossen Maassstabe 
ein- und durchgeführte Chininheilung an der Küste recht nothwendig und 
in ihren Folgen gewiss sehr segensreich sein. 

Im Spital wird ferner noch die Vorsicht beobachtet, dass man jeden 
Malariakranken, der Gameten im Blute hat, unter dem Moskitonetz schlafen 
lässt, um etwaig schwärmenden Auophelen die Gelegenheit zu nehmen, 
sich zu inficiren. 


Schutz vor den Stichen der Auophelen. 

Hier wie überall in den Tropen ist das Moskitonetz über dem Bett, 
der Klamboe, üblich; fast jeder bessere Inländer und Chinese braucht es 
regelmässig. In letzter Zeit kommen hier auch mückensichere Stuben und 
Häuser immer mehr in Gebrauch. 

In den Tropen noch weiter zu gehen, und mückensichere Handschuhe 
und Kopfhauben u. s. w. zu tragen, verbietet sich aus mannigfachen 
Gründen. Abgesehen von der Umständlichkeit dieser Dinge muss man 
bedenken, dass unsere Kleidung überhaupt keine mückensichere ist. Die 
Thiere finden durch die capillären Maschenräume unserer leichten Tropen¬ 
stoffe immer Gelegenheit zu stechen. Man müsste dann schon eine radi- 
cale Aenderung unserer Kleidung eintreten lassen, eine Sache, die in der 
Praxis vorläufig scheitern dürfte. 

Unter diesen Abschnitt gehört auch der Schutz vor Stichen, den man 
durch Räuchern oder Einreiben der Haut mit allen möglichen Mitteln zu 
erreichen sucht Es sind dies alles Maassnahmen, die für den Augen¬ 
blick wohl ihren Zweck erfüllen, sich aber nicht dauernd anweuden lassen. 

Etwas anderes ist es mit dem Schutz, den die Oberhaut selbst, je 
nach Alter, Constitution, Abhärtung und Rasse verleiht. Von Laveran, 
der stets ein überzeugter Verfechter der Mückentheorie war, wurde schon 
lange darauf hingewiesen, dass der Erwachsene und besonders der Neger 
mit seiner dicken Haut weniger, Kinder mit ihrer zarten weichen Haut 
mehr durch Malaria gefährdet seien. In der That wissen wir haupt¬ 
sächlich durch Koch, dass Kinder unter 1 Jahr von der Bevölkerung 
eines Fieberstriches den grössten Procentsatz der Infectionen liefern. Ob 


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Wilhelm Schüffner: 


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man das wohl mit den Beobachtungen, die ich mit meinen schwachen 
Anophelesgenerationen gemacht habe, in Zusammenhang bringen dürfte, 
d. h. also, dass die Kinder nicht nur darum am meisten unter Malaria 
leiden, weil sie es noch nicht zu einer Immunität gebracht haben, wie 
Koch annimmt, sondern auch, weil sie mit ihrer dünnen Haut den 
Stichen nicht nur der kräftigen, sondern auch der schwächeren Mücken 
ausgesetzt sind? 

Auch unter den Erwachsenen, ich meine hier hauptsächlich Europäer, 
findet man solche, die von Mücken viel, und solche, die beinahe gar nicht 
belästigt werden. Neben der Dicke der Haut könnten hier noch andere 
Einflüsse die Hand im Spiele haben, z. B. solche chemischer Natur, Aus¬ 
dünstungen der Haut, die auf die Sinnesorgane der Thiere abwehrend 
wirkten. Mich interessirte in dieser Beziehung die Bemerkung eines mir 
befreundeten Doctor djawa (javanischer Arzt, der die medicinische Schule 
in Batavia durchgemacht hat), nach welcher die Leute auf Java eine 
Pflanze kennen, deren Genuss die Moskiten von den betreffenden Leuten 
fernhält. Leider habe ich darüber nichts Genaueres in Erfahrung bringen 
können. 

Endlich die Vernichtung der Mücken und speciell die der 
Anophelinen. 

Damit berühre ich den heute noch strittigsten Punkt im Capitel der 
Prophylaxe. Die Engländer legen grosses Gewicht auf diese Form der 
Prophylaxe, die Italiener lassen sie nicht ausser Acht, während Koch 
und seine Schule ihr aus praktischen Gründen allen Werth absprechen. 
Ich kann mich nur der Ansicht Manson’s anschliessen, der den Vorwurf 
der Undurchführbarkeit wohl gelten lässt, aber ihn in demselben Maasse 
den beiden anderen Wegen der Prophylaxe macht. Denen, die das Heil 
allein in der completen Chininheilung der malariakranken Menschen sehen f 
hält er entgegen, dass der Zweck dieses Vorgehens vollkommen illusorisch 
wird, falls sich ergiebt, dass der Malariaparasit auch noch in anderen 
Zwischenwirthen, nicht bloss im Menschen wohnt. In dieser Hinsicht ist 
es durchaus noch nicht ausgemacht, dass wir nicht noch einmal eine Ueber- 
raschung erleben. Darum verlangt Manson zur Ergänzung der beiden 
anderen unvollkommenen Wege der Prophylaxe auch die Ausrottung der 
Mücken. 

Man würde in dieser Frage aber noch rascher eine Einigung er¬ 
zielen, wenn man die Mücke nicht nur in ihrer Eigenschaft als Vermittler 
der Malaria betrachten wollte. Die Mücke ist es, die uns mit noch viel 
schwereren Krankheiten bedenkt, gegen die wir kein Heilmittel besitzen: 
die Filariakrankheit, und das gelbe Fieber; und ob nicht noch andere, 
ist vorläufig gar nicht zu sagen (ich erinnere an die Arbeit von Holub: 


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Die Beziehungen d. Malabiapabasiten zu Mensch u. Mücke. 111 

Insecten als lebende Nährböden für ansteckende Krankheiten). Zur Be¬ 
kämpfung dieser Krankheiten bleibt ausser dem Schutz vor Stichen nur 
die Vernichtung der Mücken. Aber hier wird sie auch zur Nothwendig- 
keit und Pflicht, und theoretische Bedenken dürfen nicht mehr von ihrer 
Durchführung zurückschrecken und sei sie mit noch so viel Schwierig¬ 
keiten verknüpft. Hat doch schliesslich die Hygiene noch ganz andere 
Fragen zu lösen verstanden! 

Sollte nicht auch der Umstand zur Ermunterung dienen, dass die 
Ausrottung der Anophelen thatsächlich in den Gebieten gelungen sein 
muss, die früher von Fieber verseucht durch Cultur gesund und blühend 
geworden sind? Was man mit der Cultur traf, waren nicht die Malaria¬ 
parasiten, sondern einzig und allein ihre definitiven Wirthe, deren Larven 
der Boden zur Entwickelung entzogen wurde. Sollte man nun das, was 
früher gelang, nicht viel eher heute erreichen können, wo man den Gegner 
kennt, und weiss, wie er anzugreifen ist? 

Die Maassnahmen zur Bekämpfung der Mücken richten sich haupt¬ 
sächlich gegen das Larvenstadium. Die Larve durchläuft hier zu Lande 
in 12 bis 20 Tagen ihre Entwickelung vom Ei bis zum fertigen Insect; 
man hat also Zeit genug, ihr beizukommen. Ob man sie nun abtödtet 
durch Trockenlegen des Brutplatzes, Drainiren oder Ausschöpfen des¬ 
selben u. s. w. oder durch Petroleum und andere physikalisch oder chemisch 
wirkende Mittel, hängt ganz von den Verhältnissen ab. Wenn sich die 
Erfahrungen Kerschbaumer’s bestätigen sollten, so dürfte man von An¬ 
pflanzungen des Lorbeerbaumes im grossen Stil, der den Larven schädlich 
ist, Nutzen erwarten. Weiteres Studium wird mit der Zeit gewiss noch 
andere Mittel an die Hand geben, die in ihrer Wirkung zuverlässig und 
im Gebrauch bequem sind. 

Nun gilt es aber ferner, für den Feldzug gegen die Mücken die nöthigen 
Streitkräfte mobil zu machen. Nur dann ist die Arbeit ohne zu grosse 
Last für den einzelnen zu bewältigen. Man müsste zunächst dahin streben, 
alle Schichten der Bevölkerung dafür zu erwärmen und zu gewinnen, und 
womöglich schon dem Kinde in der Schule die nöthige Belehrung bei- 
bringen. Erst wenn das Volk von der Wahrheit der neuen Lehre ganz 
durchdrungen ist, und in den Mücken nicht nur lästige, sondern recht 
gefährliche Thiere sieht, wird es an Händen nicht mehr fehlen, die sich 
im Dienste der Hygiene zu regen bereit finden. So lange wir von diesem 
Zustande noch so weit entfernt sind wie heutigen Tages, kann diese Form 
der Prophylaxe in den Händen Einzelner sich nur auf ganz umschriebene 
Gebiete ausdehnen. Was man in solchen Grenzen erreichen kann, ist 
indess durchaus nicht so unbedeutend, und fordert wohl zu weiteren Be¬ 
mühungen auf. 


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Wilhelm Sch Offner: 


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Die Flugweite der Thiere hat man auf 1 bis 1 1 / a km berechnet. Das 
ist selbstverständlich uur cum grano salis zu verstehen. Die Entfernung, 
die sie zurücklegen, kann durch etappenweises Vordringen oder dadurch, 
dass sie von Fussgängern, Wagen u. s. w., die sie umschwärmen, mit¬ 
genommen werden, viel grösser werden. Solche weite Reisen sind aber 
immer nur Ausnahmen, die grosse Masse bleibt in der Nähe der Brut¬ 
plätze. 

Man wird daher mit der Vernichtung der Larven in der Nähe des 
Hauses beginnen, und dann je nach Umständen, Gefahr und Schwierig¬ 
keiten den Radius des zu controlirenden Gebietes vergrössern. 

Das ist gar nicht so schwer. Wenn man erst gelernt hat, das Ge¬ 
lände mit den Augen des Larvenjägers anzusehen, so findet man die 
Stellen rasch, in denen Larven von Anopheles zu vermuthen sind. Je 
weiter man die Säuberung im Umkreis treibt, um so mehr wird sich die 
Menge der Moskitos an dem Wohnplatz verringern, und damit auch die 
Möglichkeit abnehmen, von ihnen mit Malaria geimpft zu werden. Es 
bedarf doch kaum des Hinweises, dass die Gefahr, die von einzelnen, sich 
aus der Ferne in das gesäuberte Terrain verirrenden Anophelen ausgeht, 
kaum in Betracht kommt gegenüber jener, die aus der 100- und lOOOfach 
grösseren Zahl von Anophelen entspringt, welche ohne Prophylaxe um 
das Haus schwärmen würden. 

Von einem derartigen Vorgehen habe ich für mein eigenes Haus 
schon rechten Vortheil gehabt. Ich wurde in demselben lange nicht so 
von Moskiten geplagt, als die Bewohner von nur 200 bis 300 Meter ent¬ 
fern tliegenden Häusern, die sich zu Zeiten allein durch anhaltendes 
Brenuen von Tabaksblättern vor ihnen zu schützen vermochten. 

Der günstigste Zeitpunkt, mit der Arbeit zu beginnen, ist in den 
Ländern mit kaltem Winter gegeben bei Eintritt der wärmeren Jahreszeit. 
Hat man die Zahl der überwinterten Mücken durch Fang nach Möglich¬ 
keit verringert, so bleibt nun die Aufgabe, die von den überlebenden 
abgesetzte Brut aufzufiuden und zu tödten. Hier in Deli, das von Sep¬ 
tember bis Dezember oder Januar seine Regenzeit hat, haben wir auch 
Perioden, die sich durch Ab- und Zunahme der Mückeuplage auszeichuen. 
Sie werden bestimmt durch die Regenzeit und durch längere trockene 
Zeiten. Das vergangene Jahr, in dem ich auf alle jene einschlägigen 
Fragen meine besondere Aufmerksamkeit richtete, zeichnete sich durch 
ganz abnormale Witterungsverhältnisse aus; immerhin kann es für das. 
was ich hier zeigen möchte, als Beispiel dienen. 

Deli wurde von Beginn des Jahres ab von einer aussergewöhulichen 
Trockenheit heimgesucht, die bis Juni und Juli dauerte. Der Grund¬ 
wasserstand sank dabei so tief, dass viele Plätze kein Brunnenwasser mehr 


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Die Beziehungen d. Malariapabasiten zu Mensch u. Mücke. 113 

hatteD, und es von weit her mussten holen lassen. Je länger das trockene 
Wetter dauerte, um so mehr schwanden die Moskiten, in dem Maasse 
schliesslich, dass man auch ohne Moskitonetz schlafen konnte. Im Juli 
und August kamen dann einige Regentage, und mit September leitete 
sich die Regenzeit ein. Die bis dahin massig starken Schauer, die in 
längeren oder kürzeren, 2 bis 6 Tage langen Zwischenräumen niedergingen, 
begünstigten die Entwickelung der Mücken derartig, das wir mit Anfang 
Oktober eine Mückenplage erlebten, wie sie in Deli selten gekannt war. 
Nun kam im Oktober die Regenzeit zu vollen Entfaltung; Tag für Tag 
gingen die schweren tropischen Gewitterregen nieder, die ganze Boden¬ 
oberfläche, wenigstens in den drainirten Gegenden, immer wieder ab¬ 
spülend. Dabei wurden natürlich auch die Brütplätze der Mücken, 
besonders Gräben mit stagnirendem Inhalt, ausgewaschen. Der Effect da¬ 
von war, dass schon mit Anfang November die Zahl der Moskiten zurück¬ 
ging, und die zweite Hälfte des November geradezu als mückenarm 
bezeichnet werden konnte. Gegen ihr Ende zu nimmt die Regenzeit 
wieder einen mehr unregelmässigen Charakter an, die schweren Schauer 
fallen seltener, und nun erscheinen langsam, immer mehr wieder die 
Schaaren von Moskiten. Je nach der Art der Regenzeit wird sich dem¬ 
gemäss auch die Mückenplage gestalten. Massige Regen in 3- bis 6 tägigen 
Intervallen leisten hier ihrer Entwickelung den meisten Vorschub, während 
schwere Regen und anhaltende Trockenheit sie vernichtet. 

Wenn man das weiss, wird dadurch die Larvenjagd erheblich er¬ 
lich tert; besonders dass man zur Zeit der schweren Regen, wo das Land 
mitunter recht mühsam zu controliren sein würde, ruhig zuwarten kann, 
ist für die Ausführung der Prophylaxe ein grosser Vortheil. In der trockenen 
Jahreszeit wird die Uebersicht über das Terrain vereinfacht durch die 
Verminderung der Zahl der Wasseransammlungen. Aber gerade in der 
trockenen Jahreszeit habe ich noch von einem anderen System Gebrauch 
gemacht, das den Zweck hatte, die noch fliegenden Mücken in ein leicht 
controlixbares Gebiet zu locken. Ich legte an den verschiedensten 
Gegenden und Plätzen künstliche Wasserlachen an, in der Erwartung, 
dass sie von den noch fliegenden Weibchen, die sonst ihre Eier vielleicht 
in für mich unzugängliche Wasser gelegt hätten, aufgesucht würden. Und 
das geschah. Ich habe oben schon beschrieben, wie es mir auf solche 
Weise glückte, eine ausgekommene Sorte Anopheles wieder einzufangen. 

Nun giebt es aber, besonders auf Java, das ich aus eigener An¬ 
schauung kenne, ausgedehnte Länderstrecken, auf die sich jene prophy¬ 
laktischen Vorschläge beim besten Willen nicht an wenden lassen: das sind 
die Länder des nassen Reisbaues. Dabei handelt es sich um terrassen¬ 
förmige Anlage der Felder, die je nach dem Gelände mehr oder weniger 

Zdtachr. t Hygiene. XLI. 

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Wilhelm Schütfner: 


steil über einander liegen. Durch kleine Deiche wird ein Feld vom anderen 
abgeschlossen, und durch Zu- und Abflüsse wird das von oben kommende 
Wasser nach einander über die ganze Reihe der Felder hinweggeführt. 
Diese „Sawah’s“ stehen so Monate lang unter Wasser, bis der Reis zu 
reifen beginnt. Meilenweite Gebiete werden auf diese Weise in künstliche 
Sümpfe verwandelt, und würden der Theorie nach die günstigsten Brut- 
plätze für Anopheles abgeben. Wie steht es nun in diesen Districteu. 
oder man kann beinahe sagen in ganz Java, das ja zum grössten Theil 
in Sawahs angelegt ist, mit Anopheles und Malaria? 

Leider lässt mich hier die Litteratur im Stich. Arbeiten, die sich 
mit der Malaria auf Java beschäftigen, giebt es wohl eine ganze Zahl, 
aber die wenigsten stützen sich auf zuverlässige Blutuntersuchungen. 1 

Ich beziehe mich daher nur auf das Buch von: van der Burg. „De 
geneesheer in Indie“ (Batavia 1887). In dem Capitel, das er speciell dem 
Reisbau widmet, äussert er sich sehr vorsichtig über dessen Einfluss auf 
Malaria. Keineswegs seien die Folgen so verderbliche, als sie für Italien 
gelten. Inmitten grosser Reisfeldercomplexe gedeiht auf Java ein gesundes 
und blühendes Volk. Sogar der Europäer bleibt in solchen Ländern ge¬ 
sund, nur zur Zeit der Reisernte wird er ab und zu von einer miasma¬ 
tischen Krankheit befallen, von der man jedoch nicht sicher weiss, ob 
man sie als Malaria aufzufassen hat. Andererseits kennt van derBurgim 
Küstengebiete schwere Fieberstriche, wo für ihn der malarische Charakter 
ganz ausser Zweifel steht. 

Ich glaube das genügt, um wenigstens vermuthen zu dürfen, dass 
die Länder mit Sawahcultur auf Java keineswegs der Malaria Vorschub 
leisten. Van der Burg machte zwar auch keine Blutuntersuchungen, 
sein Buch entstand vor der Zeit der Entdeckungen von Laveran und 
Celli. Aber das ist auch nicht nöthig, wenn es sich um Verwerthuug 
einer Angabe handelt, nach welcher die Malaria in einem Gebiete selten 
ist, oder überhaupt vermisst wird. Von allen Krankheiten hat die Malaria 
sich gewiss am wenigsten zu beklagen, dass ihre Diagnose zu selten ge¬ 
macht wird. Ihr Bild ist eben zu ausgesprochen, als dass sie von einem 
tüchtigen Praktiker übersehen werden könnte. Ganz unzuverlässig sind 
dagegen die positiven Diagnosen: Malaria, die nicht durch Blutunter- 
suchuug gesichert wurden. 


1 Ich kenne eigentlich nur eine Arbeit, die allen Anforderungen entspricht, die 
von van der Scheer aus dem Jahre 1895. Van der Scheer war in Indien der 
ferste, welcher die Malaria gut untersuchte, wie er auch der erste gewesen ist, der 
ür Mitteleuropa die Funde von Ross und Grassi bestätigt hat. Auf meine be¬ 
sondere Frage finde ich darin keine Antwort. 


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Die Beziehungen d. Malabiapabasiten zu Mensch u. Mücke. 115 

In seinen Berichten über die deutsche Malariaexpedition spricht sich 
Koch über den nassen Reisbau aus. Ich muss dabei etwas länger ver¬ 
weilen, weil ich mich nicht zu seinen Ansichten bekennen kann, sondern 
vielmehr seine exacten Untersuchungsergebnisse als Stütze meiner An¬ 
schauungen verwerthen möchte. 

Koch hält die Sawah, den „künstlichen Sumpf“, für die gegebenen 
Brutplätze der Anophelen, obschon er selbst niemals Larven darin finden 
konnte. Je mehr und je näher den Sawahs, um so mehr Anophelen, 
uud damit — Koch giebt das ausdrücklich für einen Fieberplatz wie 
Ambarawa 1 an — desto reichlichere Malariaerkrankungen. Dagegen steht 
nun, dass er Batavia, ganz im Widerspruche zu dessen Ruf, fast frei von 
Malariaerkrankungen findet, und dass in Buitenzorg (263 m ), Oenarang (505 m ), 
und Soekaboemi (602 m ) nur eingeschleppte Fälle Vorkommen. Und doch 
grenzen alle diese Plätze unmittelbar an Sawahs an! Von anderen, 
wie z. B. Bandoeng, Tjimahi, deren Umgebung auf unabsehbare Ent¬ 
fernungen aus Sawahs besteht, ist mir dasselbe bekannt. Warum werden 
sie nicht von Malaria heimgesucht? 

Koch selbst löst diesen Widerspruch, wenn ich ihn recht verstehe, 
indem er aunimmt, dass der Gebrauch von Chinin, das von der Regierung 
kostenlos an die Bevölkerung abgegeben wird, die Malaria überall zurück¬ 
gedrängt habe. Aber sollte diese Rechnung stimmen? 

Es wurden durchschnittlich per Jahr 2000 ** Chinin aus dem Reichs¬ 
magazin in Batavia verabreicht, von dem ein Theil an die Armee ging, 
ein Theil wohl auch an die Besitzungen ausserhalb Javas, der grössere 
Theil aber jedenfalls der Bevölkerung auf Java zu Gute kam. Selbst an¬ 
genommen nun, dass die Gesammtmenge von Chinin, die 2000 k? , in Java 
von seiner Bevölkerung mit 25000000 Seelen verbraucht wurde, so macht 
das auf 12 Seelen erst 1 per Jahr aus. Ja, wenn selbst nur 1 j l0 der 
Bevölkerung von dem Chinin Nutzniessuug gehabt hätte, so käme immer 
noch weniger als 1 * rra auf einen Kopf. Sollte diese verschwindend kleine 
Dosis wirklich jenen gewaltigen Heilerfolg gehabt haben, den ihr Koch 
zuschreibt? 

1 Ich kenne die Gegend von Samarang bis Ambarawa aus eigener Anschauung 
nicht, und kann daher auch nicht erklären, warum sich hier die Malaria so weit von 
der Küste entfernt und bis auf 1000“ Höhe steigt. Dass der Sawahbau, der sich 
nach Koch bis hoch in die Gebirgsthäler eingenistet hat, daran nicht Schuld sein 
kann, ergiebt sich einfach aus der Thatsache, dass so viele andere Gegenden mit der 
gleichen Cultur frei davon sind. Vielleicht ist es die Beschaffenheit des Bodens, die 
hier wie an der Küste die Anophelen kräftig wachsen lässt. Von Samarang weiss 
ich, dass es ein entsetzliches Fiebernest ist. 

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Wilhelm Schüefner: 


Noch unsicherer muss diese Wirkung, die jene 2000 ** Chinin gehabt 
haben, erscheinen, wenn man bedenkt, dass es ohne Auslese der Fälle, 
ja, sagen wir ruhig, ohne rechte Diagnose gegeben wurde. Wurde doch 
bis vor Kurzem die mikroskopische Untersuchung des Blutes nur von den 
wenigsten Aerzten in Indien geübt! Hätte es kräftig assanirend wirken 
sollen, so hätten vor Allem die Kinder, als die hauptsächlichsten Infections- 
träger, in Behandlung genommen werden müssen. Ganz abgesehen davon, 
dass diese Forderung erst die Frucht neuester Forschung ist, halte ich 
es bei dem Charakter des javanischen Volkes fast für ausgeschlossen, dass 
die Kinder als Consumenten des Chinins überhaupt in Betracht kommen. 
Um Kindern Chinin beizubriugen, dazu gehört neben der Ueberzeugung 
von der Nothwendigkeit vor Allem Geduld. Beides fehlt den Javaneu. 
wie sollte man es auch anders bei einem solchen Naturvolk erwarten! 
Und speciell in der Kindererziehung ist eigentlich der Wille des Kindes 
das oberste Gesetz für die Eltern. Mit seinem „tida mau“, ich will 
nicht, weiss es sich sehr rasch allen unangenehmen Zumuthungen — und 
ist das Chininuehmen etwas anderes? — zu entziehen. 

Ebenso wenig wurden die latenten Fälle durch jene Chiningaben der 
Regierung besonders getroffen. Um sie herauszulesen und gründlich aus¬ 
zuheilen, daran dachte vor der Kenntniss des Doppellebens der Malaria¬ 
plasmodien Niemand. Und da die Leute sich in solchem Zustande meist 
nicht einmal besonders krank fühlen, warum sollten sie Chinin nehmen? 

Wenn ich nach den Verhältnissen, die ich von hier kenne, urtheilen 
darf, so habe ich die feste Ueberzeugung, dass von jenen 2000 ^ Chinin 
nur ein kleiner Theil seine Bestimmung erfüllte, der viel grössere aber 
bei ganz anderen Krankheiten, die ihrer schweren subjectiven Symptome 
wegen den Kranken eher um Medicin bitten liessen, nutzlos, d. h. nutzlos 
für die Malariaausheilung verbraucht wurde. So lässt es sich verstehen, 
dass auf Java noch eine grosse Zahl von Fieberstrichen bestehen, trotzdem 
sich auf sie, wie man wohl erwarten darf, der Chininverbrauch besonders 
concentrirt haben wird. 

Aber ich möchte noch weiter gehen, und auf Grund dessen, was wir 
heute über Immunität wissen, sogar behaupten, dass die Chinindarreichung, 
so unzureichend, wie sie auf Java war, an wirklichen Fieberplätzen zu 
einer Vermehrung der Morbidität geführt haben muss. 

Da, wo Malaria endemisch herrscht, kommt nach Koch’s Unter¬ 
suchungen unter der wiederholten Infeetion eine volle Immunität bei der 
Bevölkerung auf. Dem Immunisirungsprocess sind die Kinder von ihrer 
frühesten Kindheit an unterworfen; bereits nach Ablauf des ersten Lebens¬ 
jahres haben 50 Procent der Kinder die Immunität erreicht, mit etwa 
10 Jahren 100 Procent. Dieser natürlich ablaufende Process wird durch 


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Die Beziehungen d. Malariaeabasiten zu Mensch u. Mücke. 117 

Chinin gestört. 1 Chinin heilt das Fieber, aber nur vorübergehend; sobald 
seine Wirkung vorbei ist, sind die Leute von neuem Recidiven oder Neu- 
infectionen ausgesetzt. Statt dass also ohne Chinin nur der unter 
10 Jahren stehende Theil der Bevölkerung eines Fieberplatzes die Kranken 
lieferte, wird mit Chinin, wenn es nur oberflächlich gegeben wird, auch der 
ältere Theil der Bevölkerung sein Contingent stellen. Für die Anophelen 
entspringt hieraus naturgemäss eine reichlichere Gelegenheit, sich mit 
Gameten zu inficiren. 

Ganz anders an den Orten, wo Malaria nur ausnahmsweise, oder 
eingeschleppt vorkommt. Da ist an einer bessernden Wirkung jeder Dosis 
von Chinin gar nicht zu zweifeln. 

Was ergiebt sich hieraus, wenn wir diese Ueberlegung auf Batavia, 
das angeblich früher verseucht, heute nahezu frei von Malaria gefunden 
wird, und seinen Hafen Tandjong Priok, dessen gefährlicher Fiebercharakter 
sich gegen früher nicht geändert hat, an wenden? Nichts anderes, als 
dass Batavia nie eine Fiebergegend gewesen, während Tandjong Priok 
es von jeher war und geblieben ist. 

Das Zurückweichen der Malaria, um es vorläufig noch bei diesem 
Namen zu nennen, wird also durch die Verabreichung von Chinin an die 
Bevölkerung nicht erklärt. Man muss deshalb nach anderen Erklärungen 
suchen, und da scheint es mir am plausibelsten, anzunehmen, dass man 
früher auf Grund fehlerhafter Diagnosen unter Malaria viel mehr sub- 
summirte, als ihr zukam. Diese Annahme deckt sich ganz mit den Er¬ 
fahrungen, die sowohl Maurer, als auch ich im Laufe der Jahre an der 
Ostküste Sumatras haben machen können. 

Auch von Deli hiess es früher, dass es ein Fieberland schlimmster 
Sorte sei. Mit dieser aus der Litteratur vorgefassten Meinung kamen wir, 
der eine früher, der andere später ins Land, und mussten alsbald zu 
unserem Erstaunen sehen, dass unsere Blutuntersuchungen mit jenen 
Angaben nicht stimmten. Da wir uns Anfangs nicht denken konnten, 
dass die früheren Beobachter den genius morbi so sehr verkannt haben 
sollten, waren wir viel mehr geneigt, den Fehler in unserer Unkenntniss, 
oder in Fehlern der Farbstoffe und Färbungen zu suchen. Erst nach 
geraumer Zeit (1897/98) kamen wir darüber zur Gewissheit, dass wir auf 
dem rechten Weg waren, dass die Litteratur uns falsch berichtet hatte, 
und dass die Verhältnisse mit der Malaria so lagen, wie sie oben ge¬ 
schildert wurden. 


1 Han vergleiche, wag Koch über die Waisenkinder in Samarang sagt. Deutsche 
mei. Wochenschrift. 1900. Nr. 49/50. 


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Wilhelm Schüffner: 


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Es liegt uns fern, damit der früheren Zeit einen Vorwurf machen 
zu wollen. Wer in den Tropen längere Zeit prakticirt hat und weiss, 
wie wir sogar heute trotz aller wissenschaftlichen Hülfsmittel immer von 
Neuem vor diagnostische Räthsel gestellt werden, der findet wohl eine 
Entschuldigung dafür, dass man früher gern bei der Diagnose Malaria 
stehen blieb, wenn man sich nicht mehr Raths wusste. Ausserdem war 
das eine Diagnose, mit der das Publicum immer zufrieden war. Aber 
gerade, weil dieser Irrthum bis zu einer gewissen Zeit wenigstens absolut 
nichts Beschämendes hatte, soll man nicht versuchen, ihn zu bemänteln, 
sondern ihn ruhig als solchen einzugestehen. 

Ich führe daher das Sinken der Zahlen über Malaria, wie es Koch 
in Batavia findet, und wie es z. B. aus den Rapporten der niederländischen 
Colonialarmee über die letzten 15 Jahre ersichtlich ist, abgesehen von 
sanitären Verbesserungen der Hauptsache nach auf die heutige bessere 
Diagnostik bei einem Theil der Aerzte zurück. 1 Als man auch da den 
wissenschaftlichen Maassstab an die Diagnose Malaria anzulegen begann, 
fielen alle die verschiedenen Anhängsel ab, und die Malaria wurde in 
früheren Fiebergegenden ein seltener Gast Ich bin überzeugt, dass mit 
der Verallgemeinerung der exacten Malariadiagnose die Ziffern über Malaria 
noch weiter heruntergehen werden. 

In solcher Beleuchtung verlieren natürlich jene Zahlen aus den 
Rapporten und aus der Praxis jeden Werth für eine Beurtheilung der 
Epidemiologie der Malaria, und ganz verkehrt würde es sein, mit ihnen 
etwas beweisen zu wollen. 

Wenn ich nun das alles, was ich anführte, noch einmal übersehe, 
so muss die Autwort auf die Frage: wie steht es mit der Malaria und 
den Anophelen in den Ländern des nassen Reisbaues? lauten: 

Der Sawahbau, so sehr er theoretisch geeignet erscheint, Fieber zu 
begünstigen, macht das Land an sich nicht zu einer Fiebergegend. 
Unendliche Strecken in Java, die in Sawahs angelegt sind, sind malaria- 
frei, oder wenigstens malariaarm. Dieser Zustand ist abhängig von einer 
Art relativer Immunität des Bodens gegen Anophelen, über deren Ent¬ 
stehung ich früher gesprochen habe. Sawahbau ist kein Hinderniss, 
um einer Gegend diesen Schutz zu erhalten. Dagegen scheint die 
Malaria auf Java ganz den gleichen Gesetzen zu folgen, die ich hier auf 
Sumatra finde. Ueberall an der Küste hat sie sich eingenistet und henscht 
dort, man kann wohl sagen, seit Jahrhunderten in unveränderter Weise. 

Schuld an dieser Verkeilung der Malaria sind die Lebenseigen schäften 
der Anophelen. Sie gedeihen dauernd nur an der Küste als ein kräftiger 


1 Vgl. Janus 1900. S. 351 ff. 


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Die Beziehungen d. Maeariapabasiten zu Mensch u. Mücke. 119 

und damit dem Menschen gefährlicher Schlag, zeitweilig wohl auch im 
Binnenlande, wenn es ihnen dort gelingt, zusagende Brutplätze zu finden. 
Falls nicht aussergewöhnliehe Verhältnisse vorliegen (Ambarawa), die natür¬ 
lich in jedem einzelnen Falle zu studiren sein würden, verliert aber der 
Boden im inneren Lande rasch seine geeignete Beschaffenheit, so dass die 
Thiere sich als kräftiger Schlag nicht festsetzen können. So erklären sich 
kürzer dauernde Epidemieen von Malaria, unter denen auch das Binnen¬ 
land ab und zu zu leiden hat. Das ändert aber nichts an der Thatsache, 
dass die Malaria im Binnenlande in ihrer Bedeutung ganz 
zurücktritt. Unbewusst, oder vielmehr auf die tägliche Lebenserfahrung 
hin, haben schon die früheren Colonisten diese Verhältnisse erkannt uad 
darnach gehandelt, indem sie tiefer in das Land hineingezogen sind. 
Würden sie das gethan haben, wenn ihnen die Länder mit den unend¬ 
lichen Sawahs die gleichen ungesunden Verhältnisse geboten hätten? 

Zur Erhärtung des Gesagten sei hier noch eine eigene Beobachtung 
mitgetheilt, die ich an Javanen und damit indirect über Java habe machen 
können. Die Tabakgesellschaft, in deren Diensten ich stehe, bezieht 
jährlich Hunderte von javanischen Arbeitern, die gewöhnlich über den 
Hafen Samarang sich nach hier einschiffen. Die Männer mit ihren 
Weibern und Kindern werden aus den verschiedensten Theilen Mittel- 
javas (Bagelen, Kedoe, Solo und Djocja) angeworben, Länder, die sämmtlich 
unter Sawahcultur stehen. Die Leute sammeln sich dann in Samarang, 
wo sie für einige Tage in Schuppen nahe der Küste untergebracht 
werden. Von diesen Javanen nun kommen zu gewissen Zeiten (August, 
September) bis zu 92 Procent mit frischer Malaria (Tertiana und Perni¬ 
ciosa) inficirt in Deli an. Ganze Familien, vom Vater bis zum Säugling, 
liegen mitunter dann krank an jenen beiden Malariaformen, oder deren 
Combinationen. 

Die Leute waren nach eigener Aussage und nach ärztlichem Attest, 
das ein Jeder mitbringen muss, noch in Samarang gesund. In den 
3 bis 12 Tagen, die sie dort auf den Dampfer warten mussten, wurden 
ihnen die Malariakeime durh Anophelen inoculirt. Nach verschieden langer 
Incubation kam dann die Krankheit auf der Ueberfahrt, die etwa 7 Tage 
dauert, oder bei Ankunft in Deli, oder einige Tage später zum Ausbruch. 

Früher hat man solche Vorkommnisse gern dem schlechten Klima 
von Sumatras Ostküste zur Last gelegt, heute weiss man mit Bestimmt¬ 
heit, dass der Hafen auf Java es ist, der den Auswanderern als letztes 
Gesckenk der Heimath noch die Malariainfection mitgiebt. Die Ver¬ 
breitung der Malaria kann dort kaum geringer sein als in Rantau Pand- 
jaug, dem Fischerdorfe, aus dem ich meine Erfahrungen für Deli bezog. 


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120 


Wilhelm Schüttnee: 


Endlich geht aus dieser Beobachtung hervor, dass es gesunde Leute 
waren, die aus dem Binnenlande von da und dort stammend beinahe 
sämmtlich der Malaria des Seehafens verfallen. Wenn sie im Binnenlande 
Gelegenheit gehabt hätten, sich eine Immunität zu erwerben, so wäre eine 
Neuinfection nicht mehr möglich gewesen. 


Das Capitel der Mückenvernichtung, auf das ich zum Schluss zurück- 
komme, wird auf Grund der geschilderten Verhältnisse in eine ganz be¬ 
stimmte Richtung gelenkt, die, soweit ich jetzt übersehen kann, für grosse 
Gebiete des Sundaarchipeis Geltung haben. Der Kampf gegen die Ano- 
phelen hat sich vorerst allein auf die Küsten mit ihren Fieberplätzen zu 
concentriren. Aber dort sollte er auch mit aller Euergie und mit allen 
verfügbaren Mitteln in Angriff genommen und durchgeführt werden. Das 
Binnenland würde davon den grössten Nutzen haben, da die Einschleppung 
von Malariakranken und Anophelen vermindert oder ganz abgeschnitten 
würde. Es dann noch weiter zu säubern, bliebe eine Cura posterior. 

Da wo man Schwierigkeiten von Seiten der Bevölkerung begegnet, 
wird natürlich diese Art der Hygiene, ebenso wie die gegen andere Krank¬ 
heiten, den Rückzug antreten müssen. Aber auf Java, das unter einer 
mustergültigen Colonialregierung steht, den eben skizzirten Feldzugsplan 
anzupassen und Plätze wie Samarang von Malaria zu befreien, würde ich 
für eine der dankbarsten Aufgaben halten. 

Sumatra-Deli, 15. I. 1902. 


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Die Beziehungen d. Malariapabasiten zu Mensch u. Mücke. 121 


Erklärung der Abbildungen. 

(Taf. m—VI.) 


Tafel HI. 

Die Mücken wurden bei durchscheinendem und zugleich auffallendem Lichte 
photographirt. Letzteres ist nöthig, wenn man von dem Mückenkörper etwas mehr 
wie ein blosses Schattenbild haben will. 

Fig. 1 . Anopheles I (Weibchen). 

Fig. 2. Anopheles I (Männchen). 

Fig. 8 n. 4. Anopheles I (Varietäten). 

Fig. 5. Anopheles I sitzend. 

Fig. 6. Anopheles Ia. 

Fig. 7. Anopheles II. 

Fig. 8 u. 9. Anopheles II in seiner steilen Haltung. 

Tafel IV. 

Fig. 10. Durchschnitt durch die Magenwand des Anopheles. Bei o liegt unter 
dem Magenepithel die frisch eingewanderte, kleinste Oocyste, kenntlich an den Pig¬ 
mentkörnern. Die Innenseite des Magens erkennt man hier wie bei den meisten 
anderen Bildern an dem Cuticularsaum der Schleimhautzellen. Vergrösserung Zeiss 
Apochrom. u. Proj.-Ocular 2 = 600.2:2. 

Fig. 11* Desgleichen. Zwei kleine Oocysten mit matten Umrissen u. schwach 
hervortretendem Kern. 600.2:2. 

Fig. 12. UeberBichtsbild. Nach links von der Mitte der faltige, leere Magen, 
unter dessen Schleimhaut vier Oocysten liegen, eben noch mit blossem Auge als 
schwarze Punkte zu sehen. Nach links zu die Eierstöcke, zwischen diesen und dem 
Magen Durchschnitte der Malpighi'schen Schläuche. 1000:20. (Planar 20“®.) 

Fig. 18. Stärkere Vergrösserung der bei o liegenden Oocyste. Etwa 4. Tag. 
600.2 : 2. 

Fig. 14. Etwa 6. Tag. Pigmentkörner zu sehen. 600.2:2. 

Figg. 15 u. 16. Etwa 6. bis 7. Tag; zwei verschiedene Schnitte des gleichen 
Parasiten; aof Fig. 18 ist eine Vacuole getroffen. In beiden Schnitten liegt Pigment. 
600.2:2. 

Fig. 20. Uebersichtsbild. 1000 : 20. 

Fig. 21. Die in Fig. 20 enthaltene Cyste stark vergrössert. Hier ist die Ein¬ 
bettung zwischen Mucosa und der elastischen Muskelhaut des Magens, die von beiden 
Seiten über die Kugel hinzieht, erkennbar. 600.2:2. 


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122 W. Schüffner: Die Bezeichnung d. Malariapabasiten u. s. w. 

Tafel V. 

Fig. 17. Uebersichtsbild. Die Einbettung der Cysten zwischen Mucosa und 
die elastische Mnskelhaut des Magens ist hier weniger deutlich, da der Schnitt nur 
ein flaches Segment vom Magen abschneidet. Aber für das Grössenverhältniss giebt 
der Schnitt einen Anhalt. 1000:20. 

Fig. 18. Halbreife und reife Oocysten, scheinbar zwischen einem Malpighi’- 
sehen Schlauch und dem Magen liegend. Die ausser der Reihe, etwas nach rechts 
liegende dritte Cyste ist die jüngste, etwa 8. Tag, dann folgt die vierte unten, etwa 
9. Tag, endlich die beiden oben liegenden, 10. und 11. Tag. 500.4:8. (Comp.-Ocul.) 

Fig. 19. Structurbild der beiden reifen Oocysten. Die Sporozoiten sind in 
allen Richtungen getroffen. 600.2:2. 

Figg. 22 u. 23. Reife Cyste, bei verschiedener Einstellung. Grössere Sporo¬ 
zoiten als auf der Fig. 19. Structurbild ein ganz anderes. 600 .2:2. 

Fig. 24. Dieselbe Oocyste, im nächstfolgenden Schnitt. 600.2:2. 

Fig. 25. Uebersichtsbild über Kopf und Thorax der Mücke. Unmittelbar an 
der Ansatzstelle des Halses liegen die Giftdrüsen im Thorax. Im Schnitt sind die 
drei Lappen getroffen. Der mittlere zeichnet sich durch seine besondere Strnctur 
aus. Der oberste Lappen, direct unter der Trachea gelegen, ist mit Sporozoiten in- 
ticirt. 1000:20. 

Fig. 26. Drüsenlappen mit quer und längs getroffenen Sporozoitenhaufen in 
den Drüsenzellen. 600.2:2. 


Tafel VI. 

Fig. 27. Mittlerer Drüsenlappen mit Sporozoiten in den Zellen und im Secret. 
600.2:2. 

Figg. 28 u. 29. Starke Yergrösserung des obersten Drüsenlappens in Fig. 16 
bei verschiedener Einstellung. Grosse Sporozoiten. 600.2:2. 

Fig. 30. Sporozoiten im Lumen des Läppchens. Kleinere Sporozoiten 
600.2 : 2. 


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[Aus den pharmakologischen Instituten der Universitäten Breslau u. Jena.] 


Ueber die chronische Sulfitvergiftung. 

Von 

Prof. H. Kionka und Dr. L. Ebstein 

ln Jena. ln Breslau. 


(Hieran Taf. TU.) 


Bereits vor 6 Jahren hat der Eine von uns in dieser Zeitschrift 1 
Untersuchungen mitgetheilt über die Giftwirkungen der schwefligen Säure 
und ihrer Salze und daraus die Unzulässigkeit derselben zur Conservirung 
von Nahrungsmitteln abgeleitet. Namentlich wandte er sich gegen den 
Brauch, dem Fleische, besonders dem Hackfleische sogenannte Präserve- 
salze zuzusetzen, welche sämmtlich aus mehr oder weniger (mit Natrium¬ 
sulfat) verunreinigtem schwefligsauren Natron bestehen, zuweilen mit einem 
Zusatz von Kochsalz. Diese Präservesalze werden von den Fabriken an 
die Fleischer in Packungen zu 1 ^ abgegeben, welche aussen einen Auf¬ 
druck betreffend die Verwendung besitzen. Es wird darin empfohlen, das 
Salz in einer Menge von 1 bezw. 2 g auf 1 ** Fleisch zuzusetzen. In dieser 
Weise verwandt soll es der Gesundheit nicht naohtheilig werden. 

Gegen diese Angabe wandte sich die oben erwähnte Abhandlung, uud 
auf Grund von mehreren Versuchen an Hunden kam Verfasser zu dem 
Schlüsse, dass das Präservesalz auch in den zur Behandlung des Fleisches 
behufs Conservirung angegebenen Mengen eine ausgeprägte Giftwirkung 
besitze, und dass, da der Mensch sich wahrscheinlich den schwefligsauren 
Salzen gegenüber nicht anders verhalten dürfte als der Hund, die An¬ 
wendung der schwefligsauren Salze zur Fleischconservirung unstatthaft sei. 


1 H. Kionka, Ueber die Giftwirkung der schwefligen Säure und ihrer Salze 
und deren Zulässigkeit in Nahrungsmitteln. Diese Zeitschrift . 1896. Bd. XXII. 

S. 359. 


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124 


H. Kionka und L. Ebstein: 


Diesen Standpunkt nahm auch das Kaiserliche Gesundheitsamt ein, 
welches in einer im October 1898 veröffentlichten Denkschrift 1 sich wie 
folgt ausdrückt: „Der regelmässige Genuss von Hackfleisch, welches mit 
schwefligsauren Salzen versetzt ist, vermag die menschliche Gesundheit, 
namentlich von kränklichen und schwächlichen Personen zu schädigen.“ 
Es wird daher vor der Verwendung dieses Conservirungsmittels gewarnt. 

In Folge dessen wurden an verschiedenen Orten Verbote gegen die Ver¬ 
wendung der Präservesalze erlassen. Es erfolgten verschiedentlich auch 
Verurteilungen von Fleischern, welche trotzdem schwefligsaures Salz dem 
Fleische zugesetzt hatten, wegen Vergehens gegen das Nahrungsmittelgesetz, 
und die Frage nach der Schädlichkeit der schwefligsauren Salze wurde 
besonders in der Fleischerpresse vielfach erörtert. 

Im Laufe des letzten Jahres erschienen mehrere Veröffentlichungen 5 , 
welche auf Grund neuer ebenfalls an Hunden angestellter Versuche die 
völlige Unschädlichkeit des schwefligsauren Natrons behaupteten und die 
gegenteiligen Befunde der früheren Untersuchungen als unrichtig hin- 
steil ten. 

Diese Angriffe waren es vornehmlich, welche uns bewogen, noch¬ 
mals an eine sorgfältige experimentelle Prüfung dieser Frage heran¬ 
zugehen. Ueber die Resultate unserer neuen Untersuchungen hat der 
Eine von uns bereits kurz in einer vorläufigen Mitteilung 8 berichtet. 
Er hat auch Gelegenheit genommen, die gegen ihn gerichteten Angriffe 
zurückzuweisen 4 und hat die Unzulänglichkeit der anderweitigen Unter¬ 
suchungen und die Haltlosigkeit ihrer den unserigen entgegengesetzten 
Angaben klafgelegt. 

Diese beiden kürzlich erschienenen Mitteilungen haben inzwischen zu¬ 
gleich mit früheren Untersuchungen als Grundlage gedient für die tech¬ 
nische Begründung® zu dem am 18. Februar 1902 veröffentlichten Bundes- 

1 Denkschrift über das Färben der Wurst sowie des Sack - u. Schabefleisches. 
Berlin, October 1898. 

* Lebbin, Eine Beweisführung für die Unhaltbarkeit der Denkschrift des 
Kaiserl. Gesundheitsamtes. Deutsche Wurstfabrikantenzeitung. Beilage der Allgem. 
Fleischerzeitung. 28. Februar 1901. — Derselbe, Die Conservirung und Färbung 
von Fleischwaaren. Mit einem Vorwort von Dr. med. Oscar Liebreich. (Broschüre.) 
Berlin 1901. — Lebbin und Kallmann, Ueber die Zulässigkeit schwefligsaurer 
Salze in Nahrungsmitteln. Zeitschrift für öffentt. Chemie. 1901. S. 324. — 0.Lieb¬ 
reich, Ueber das schwefligsaure Natron als Conservemittel des Hackfleisches. AersU. 
Sachverständigenzeitung. 1901. Nr. 24. 

* H. Kionka, Die Giftwirkungen des als „Präservesalz" zur Fleischconservirung 
verwandten schwefligsauren Natrons. Deutsche med. Wochenschrift. 1902. Nr. 6. 

4 Derselbe, Die Unzulässigkeit des schwefligsauren Natrons (Präservesalz) zur 
Fleischconservirung. Aerztl. Sachverständigenzeitung. 1902. Nr. 4. 

5 Reichsanzeiger. 24. Februar 1902. Erste Beilage. 


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Über die chronische Suefitvergiftung. 


125 


rathsbeschlusse 1 über gesundheitsschädliche und täuschende’ Zusätze zu 
Fleisch und dessen Zubereitungen gemäss § 21 des Fleischbeschaugesetzes. 

Wir halten es daher für unsere Pflicht, unsere Untersuchungen aus¬ 
führlich mit Wiedergabe der Protokolle zu veröffentlichen und wählen 
hierzu gerade diese Zeitschrift, weil in ihr auch die ersten grundlegenden 
experimentellen Untersuchungen über diesen Gegenstand niedergelegt 
worden sind. _ 

Unsere Untersuchungen waren nur auf die Entscheidung der Frage 
gerichtet: Ist der fortgesetzte Genuss von Hackfleisch, welches mit der im 
Fleischereibetriebe üblichen Menge schwefligsauren Natrons versetzt ist, 
geeignet, die Gesundheit zu schädigen? 

Zu den Versuchen, welche im pharmakologischen Institut der Uni¬ 
versität Breslau vorgenommen wurden, dienten 6 Hunde. 

Die Arbeit wurde zwischen uns in der Weise getheilt, dass der Eine 
(fvionka) die Anordnung der Versuche traf, die Fütterungen überwachte 
und die Hunde während der Versuchszeit beobachtete. Die Obductionen 
wurden gemeinschaftlich ausgeführt. Der Andere (Ebstein) nahm als¬ 
dann die mikroskopische Untersuchung der Organe vor. 

Die Anordnung der Versuche war folgende: Die anscheinend ge¬ 
sunden Hunde wurden in luftigen, geräumigen Käfigen gehalten (konnten 
sich bei guter Witterung auch im Freien aufhalten), täglich genau auf 
ihren Gesundheitszustand beobachtet und öfters gewogen. Von der Vor¬ 
nahme genauerer Untersuchungen, namentlich auch solcher des Harns und 
der Excremente, welche ein Einsperren der Hunde in enge Stoffwechsel¬ 
käfige nöthig gemacht hätte, wurde Abstand genommen, da wir den Thieren 
während des ganzen Versuches möglichst günstige Lebensbedingungen er¬ 
halten wollten. 

Als Nahrung erhielten die Thiere nach ein paar Tagen vorgängiger 
Beobachtung durch 64 bis 67 Tage täglich zur selben Stunde eine abge¬ 
wogene Fleischration mit einem gleichfalls genau abgewogenen Zusatz von 
Natriumsulfit bezw. Präservesalz. Zunächst wurde mit kleineren Fleisch¬ 
rationen begonnen, und erst allmählich gingen wir mit den Tagesquanten 
steigend zu grösseren Fleischmengen über, welche indessen stets auf einer 
mässigen Höhe gehalten wurden. Das verfütterte Fleisch war Rindfleisch. 
Dasselbe wurde in ganzen Stücken von einem uns persönlich als zuver¬ 
lässig bekannten Fleischer bezogen, welcher die schriftliche Erklärung ab¬ 
gab, dass das gelieferte Fleisch stets völlig frisch und ohne jeden Zusatz 
eines Conservirungsmittels sei. Beim Eintreffen im Institut wurde das 
Fleisch besichtigt und auf seine Genussfähigkeit geprüft. Alsdann wurde 

1 Reichs-Gesetzblatt. S. 48. 


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126 


H. Kionka und L. Ebstein: 


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es sofort von Sehnen und Fett befreit, in der Hackmaschine zerkleinert 
und von dem so hergestellten Hackfleisch für jeden Hund die bestimmte 
Tagesmenge abgewogen. Jeder einzelnen Ration wurde alsdann die be¬ 
treffende Menge von Natriumsulfit bezw. Präservesalz zugemischt — 
Ausser dieser Fleischration erhielten die Hunde noch Abends (in gleicher 
Weise wie die zu anderen Versuchen dienenden Hunde) einen aus Kohle¬ 
hydraten (Brod, Mehl, Kartoffeln) und Fett bezw. Knochenbrühe herge¬ 
stellten Brei. Hiervon konnten sie beliebige Mengen fressen. 

In Bezug auf die Sulfitdarreichung wurden die Hunde in zwei 
Gruppen getbeilt Drei der Thiere erhielten ein von E. Merck in Darm¬ 
stadt bezogenes Natrium sulfurosum purum crystallisatum pro 
analysi, also ein chemisch möglichst reines Präparat. — Die 3 anderen 
Hunde bekamen als Zusatz zum Fleisch ein vom Händler bezogenes Prä¬ 
servesalz. Es wurden 3 Packete ä 1 kg gekauft, deren Inhalt gleichmässig 
und rein erschien. Alle 3 ** wurden alsdann vermischt; die Mischung 
diente zur Fütterung. 

Sowohl von diesem Mischpräparat sowie von dem von Merck be¬ 
zogenen Salze wurden in liebenswürdigster Weise von Herrn Professor 
Dr. Bernhard Fischer, dem Director des städtischen chemischen Unter¬ 
suchungsamtes in Breslau chemische Analysen angestellt. Es ergab sich 
bei dem Merck’schen Präparat ein Gehalt von 22*60 Procent S0 2 , bei 
dem anderen Salze ein solcher von 25*39 Procent. Beide Präparate er¬ 
wiesen sich ferner als frei von Arsen und Metallen, die von Schwefelwasserstoff 
oder durch Schwefelammon gefällt werden. — Die beiden Salze waren 
demnach im Grossen und Ganzen in ihrer Zusammensetzung einander 
gleich. Das Präservesalz enthielt, wie eine später vorgenommene Analyse 1 
ergab, etwas mehr Natriumsulfat, welches in dem Präparate von Merck 
nur in geringer Menge vorhanden war. Dafür hatte es durch Verwitterung 
ein wenig an Wasser eingebüsst. 

In der einen Versuchsreihe erhielten die Hunde Fleisch, welchem 
wie in den oben citirten früheren Versuchen und gemäss der früherauf 

1 Die Zahlen der Analyse lauteten: 

I. Präservesalz ist zusammengesetzt aus: 

Natriumsulfit Na ii S0 3 .... 35-03 Procent 
Natriumsulfat Na,S0 4 .... 20*48 „ 

Wasser. 43*33 „ 

98*84 Procent 

II. Natrium sulfurosum purum (Merck) ist zusammengesetzt aus: 

Natriumsulfit Na^SOj .... 38*23 Procent 
Natriumsulfat Na*S0 4 . . . . 11*75 „ 

Wasser. 49*68 „ 

99*96 Procent 


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Über die chronische Sulfitvergiftung. 


127 


den Präservesalzpacketen gegebenen Anweisung 0*2 Procent Natriumsulfit 
(Merck) zugesetzt war. Da aber inzwischen die von dem Fabrikanten 
als Zusatz empfohlene Präservesalzmenge auf die Hälfte verringert worden 
ist, so erhielten die 3 Hunde in der zweiten Versuchsreihe Fleisch mit 
nur 0-1 Procent Präservesalzzusatz. Während der ersten Tage bekamen 
die Hunde — wie oben schon bemerkt in allmählich steigender Menge — 
nur Fleisch ohne Sulfitzusatz. Die Fütterung von Fleisch mit Salz dauerte 
bei den einzelnen Thieren 64 bis 67 Tage. Hierauf folgten 2 Tage ge¬ 
mischter Kost, und dann wurden die Thiere durch Verbluten getödtet. 

Da nach den Erfahrungen der früheren Untersuchungen 1 zu erwarten 
stand, dass die Thiere intravitale Gefässverlegungen aufweisen würden, so 
wurde bei 2 Thieren (von jeder Versuchsreihe 1 Hund) die — sehr all¬ 
mählich ausgeführte — Verblutung mit der im Breslauer pharmakologischen 
Institut eingeführten Methode der intravitalen Durchspülung mit 0*75 Proc. 
Kochsalzlösung combinirt. Auf diese Weise hoben sich dann in der Leiche 
an den im Uebrigen völlig anämisch erscheinenden Organen alle die 
Stellen in ihrer ursprünglichen Farbe ab, welche durch eine intra vitam 
bestehende Gefässverlegung von der Kochsalzausspülung unberührt ge¬ 
blieben waren. 

Die in dieser Weise angestellten Untersuchungen ergaben folgende 
Befunde: 

Die Thiere zeigten während der ganzen Zeit der Fütterung ein voll¬ 
kommen normales Verhalten. Der Appetit war stets gut, die Stuhl- 
entleerungeu erfolgten regelmässig, der Koth war stets von normaler Con- 
sistenz. Das Körpergewicht nahm bei allen Hunden in der ersten Zeit der 
Fleischfütterung etwas zu, dann hielt es sich ungefähr auf gleicher Höhe. 

Nur zwei Hunde zeigten während des Versuches etwas Besonderes. 
Mit Rücksicht auf die früher schon gefundene Blutgiftwirkung der Sulfite 
und in Anlehnung an einige in der Litteratur niedergelegte anderweitig 
gemachte Angaben*, dass Sulfite Abort bezw. Frühgeburt und Nach¬ 
blutungen erzeugen, wurden auch zwei trächtige Hündinnen zu den 
Versuchen herangezogen. Die eine abortirte (am 28. und am 30. Tage 
der Fütterung je ein todtes Junges), die andere warf zu früh ein fast 
ausgetragenes todtes und drei lebeusschwache Junge, von denen zwei 
bald nach der Geburt starben, und das dritte, trotzdem es einer gesunden 


1 Vgl. Kionka. Diese Zeitschrift. Bd. XXII. S. 384. 

* Gesetz von Kaiser Maximilian, gegeben 1497 beim Reichstagsabschied in 
Freiburg i/B., citirt bei Kionka, diese Zeitschrift. Bd. XXII. S. 393. 

Bernatzik and Braun, Ueber die Anwendung der schwefligsauren Salze und 
der schwefligen Säure bei den Erkrankungen der Wöchnerinnen. Wiener medicin. 
Wochenschrift. 1869. Jahrg. XIX. 


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128 H. Kton ka und L. Ebstein: 

säugenden Hündin angelegt wurde, doch nach 14 Tagen einging. Beide 
' Hündinnen hatten bei dem Fehlwurfe mehrere Tage andauernde Blutungen. 

Wenn so intra vitam — abgesehen von den zuletzt erwähnten beiden 
Thieren — an den Hunden nichts Pathologisches zu beobachten war, so 
zeigten nach der Tödtung die Organe sämmtlicher Versuchstiere 
schwere Veränderungen mannigfachster Art. Es handelte sich vorwiegend 
um Blutungen, sodann um entzündliche hezw. degenerative Processe und 
— bei den beiden „ausgespülten“ Thieren wahrnehmbar — um intra- 
vitale Gefassverlegungen; zum Theil waren die geschilderten Veränderungen 
schon makroskopisch zu sehen. Eine genaue mikroskopische Untersuchung, 
welche an frischen Gefrierschnitten sowie an verschieden behandelten 
Dauerpräparaten vorgenommen wurde, bestätigte die makroskopischen Be¬ 
funde bezw. erweiterte sie. 

Die Einzelheiten in der Versuchsanordnung sowie die bei den ein¬ 
zelnen Thieren erhobenen Befunde mögen ausführlich durch die folgenden 
Protokolle wiedergegeben werden: 

Versuchsreihe A. 

2 Natrium sulfurosum purissimum (Merck): 1000 ?rm Fleisch. 

Versuch I. 

Hündin HI. Anscheinend normales Thier. 

Den 9. IH. bis 11. HI. gemischte Kost. 

Den 12.111. K.-G. 1 : 4300 s 1 “. — 250 gnn Fleisch; die folgenden Tage 
gleiche Kost. 

Den 14.111. K.-G.: 5200 grm . — 250ff™ Fleisch +0-5*"“ Natr. sulfuros.; 
weiter desgl. 

Den 18. IH. K.-G.: 5000 grm . — 375 * rm Fleisch + 0.75s™ Natr. sulfuros. 
Dieselbe Fleisch- und Sulfitration bis zum 19.V. (Schluss der Fleischfutterung). 


Den 

21. HI. 

K.-G.: 

5500 

Den 

28. IV. 

K.-G. 

6600 s™ 

ff 

24. III. 

ff 

5200 „ 

ff 

2. V. 

ff 

6500 „ 

ff 

28. III. 

ff 

5000 „ 

ff 

7. V. 

ff 

5500 „ 

ff 

l.IV. 

ff 

5500 „ 

ff 

15. V. 

ff 

6000 „ 

ff 

10. IV. 

ff 

6500 „ 

ff 

19. V. 

ff 

5900 „ 

ff 

15. rv. 

ff 

5400 „ 

ff 

20. V.: 

gemischte Kost ohne 

ff 

19. IV. 

ff 

5400 „ 



Natr. sulfuros. 

ff 

26. IV. 

ff 

5600 „ 

ff 

21. V. 

K.-G.: 

5700 


Das Thier wird durch Ausspülung getödtet. 

Der Hund erhielt während 69 Tagen im Ganzen 25-125 kg Fleisch, 
während 67 Tagen ausserdem 48 • 05 gTm Natrium sulfuros. (enthalten in 
20-625 k * Fleisch). 

Während des ganzen Versuches zeigte der Hund keinerlei Kiankheits- 
erscheinungen. 


1 K.-G. = Körpergewicht. 


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ÜBEB DIE CHBONISCHE SuLFITVERGEFTUNG. 


129 


Die intravitale Ausspülung mit 0*75 Procent Kochsalzlösung, während 
welcher der Hund starb, wurde sehr langsam ausgeführt; sie dauerte 
45 Minuten. Verblutungskrämpfe waren nur angedeutet. 

Die Obduction wurde sofort vorgenommen. 

Befund: Sämmtliche Organe sind anämisch. 

An beiden geblähten Lungen disseminirte hellrosarothe runde, das 
Niveau nicht überragende Flecke von Hanfkorn- bis Linsenkorngrösse. Hin 
und wieder sind die Flecken gruppirt, besonders an den unteren Lungen¬ 
rändern. ln der Mitte jedes Fleckes ein kleines stichförmiges, dunkleres 
Pünktchen. 

Herz: Höhlen nicht erweitert, Klappen zart, nicht verdickt. Das 
Myocard frei von Verfettungen, von rother, normaler Farbe. Im linken 
Ventrikel zeigt das Endocard unterhalb des Mitralringes eine endocarditische, 
getrübte, nicht spiegelnde Fläche, deren Grund eine Reihe kleiner, punkt¬ 
förmiger Blutungen trägt; keine Thromben. Das Endocard des rechten 
Ventrikels spiegelnd, anscheinend ganz normal. 

Leber von auffallend citronengelbem Timbre, keine makroskopischen 
Hämorrhagieen, keine deutliche acinöse Zeichnung. — Gallenblase: Auf¬ 
fallend dicke Wand und anscheinend hypertrophische, stark injicirte Schleimhaut. 

Magen: Am Pylorus kleine stichformige, ältere (braune) und neuere 
Blutungen. 

Darm: Ohne Besonderheit. 

Milz: Ohne Besonderheit. 

Nieren: ln der Randzone auf dunkelbraunem Grunde parallele, weiss¬ 
gelbliche, pallisadenförmige Strichelung. Markkegel frei. Keine makro¬ 
skopischen Hämorrhagieen. 

Mikroskopische Untersuchung. 

Stückchen von Leber und Niere werden sofort mit einem Gefrier¬ 
mikrotom geschnitten. Ein Theil der Schnitte wird frisch, ein Theil mit 
Osmiumsaure behandelt und nach 24 Stunden untersucht. 

Die frischen, ungefärbten Schnitte zeigten Folgendes: 

Leber: Die Zellen gequollen und erfüllt von kleinsten und kleinen 
Fetttröpfchen; vereinzelt, meist zwischen den Acinis Blutpunkte. 

Niere: In den Tubulis contortis gequollene Epithelien mit undeut¬ 
lichen Kernen. Auch hier die oben geschilderten Blutpunkte, aber spärlicher. 

Osmium präparate: 

Leber: In den im Allgemeinen trüb geschwollenen Leberzellen zahl¬ 
lose kleinste, geschwärzte Fetttröpfchen. 

Niere: Allgemeine trübe Schwellung des Parenchyms; an einigen Stellen 
in den Epithelien der Tubuli contorti deutliche schwarze Fetttröpfohen. 

Dauerpräparate. 

8tückchen von der Lunge, dem Herzmuskel, der Milz, der Niere, der 
Leber und die Gallenblase werden in 10 Proc. Formol und in Alkohol von auf- 
steigender Concentration (96 Procent und absolutem Alkohol) gehärtet. Nach 
Durchgang durch Alkoholäther Einbettung in Celloidin. Mikrotomschnitte 
sümmtlicher Organe werden mit Hämatoxylin-Gage und van Gieson-Lösung 
gefärbt. 

ZettMhr. t Hygiene. XU. 

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Original fram 

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130 


H. Kionka und L. Ebstein: 


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Befund. 

Lunge: Unterhalb der Pleura zum Hilus hin an Dichte und Zahl ab¬ 
nehmend sind zahlreiche Alveolen mit frischen Blutergüssen ausgefüllt. Die 
hämorrhagisch infiltrirten Alveolen sind gleichsam gebläht im Vergleich zu 
dem engmaschigen Netzkern der benachbarten lufthaltigen Alveoli. Die 
Bronchien sind frei, die Gefässe blutleer. Die Pleura über den hämorrha¬ 
gisch infarcirten randständigen Alveolen zeigt keinerlei Reizung. 

Herzmuskel: DasMyocard zeigt ausschliesslich unterhalb des Endocard? 
eine Reihe ziemlich ausgedehnter frischer Blutungen, die am mächtigsten 
unter dem Endocard selbst sich allmählich nach dem Innern des Myocards 
verlieren. Die Blutergüsse sind bald strichförmig, bald bilden sie rundliche 
oder längliche Flecken, die die Muskelfasern von einander drangen und nicht 
selten durch zarte, den Muskelfasern parallel verlaufende Verbindungslinien 
mit einander communiciren. Das Endocard oberhalb der Blutungen zeigt 
nichts Abnormes. 

Die Herzmuskelfasern selbst sind überall kernhaltig, zeigen nirgends 
trübe Schwellung oder irgend welche Degeneration. 

Milz: Ohne Besonderheit. 

Niere: Im Nierenquerschnitt fällt zunächst ein ganz besonderer Kern¬ 
reichthum der Gegend in und um die Glomeruli auf. Die Grenzen der 
Glomeruli gegen das umgebende Gewebe verwaschen durch Kleinzellen¬ 
anhäufung; im Gegensatz zu den meisten Glomerulis ist an manchen Stellen 
der Gefässknäuel von der Kapsel abgedrängt durch ein nicht selten hämor¬ 
rhagisches, intracapsuläres Exsudat. Die Tubuli contorti enthalten hie und 
da Querschnitte von cylindrisch formirtem Blut, seltener hyalinen Cylindern. 
Das Epithel der Tubuli ist an vielen Stellen kernlos, gequollen. Die Tubuli 
recti zeigen zahlreiche Blutcylinder. 

Leber: Die Leber zeigt eine allgemeine Erweiterung der Gallengänge. 
In den Leberzellen selbst sicht man dunkelgrüne Gallenconcremente, die den 
hellviolett gefärbten Grundton des Gewebes stellenweise gelbgrünlich-biliös 
verfärben. Die Leberzellen selbst enthalten in grosser Zahl eine oder mehrere 
runde, scharf begrenzte Fettvacuolen. 

Die Gallenblase zeigt neben auffallend grossen Lymphfollikeln eine 
entzündliche Infiltration der Subserosa und des überziehenden Peritoneums. 
Auf der Ausscnfläche der Gallenblase liegt eine fibrinös kleinzellige ent¬ 
zündliche Auflagerung, während die Subserosa eine auffallend starke Gefäss- 
füllung und strichförmige, kleinzellige Infiltration aufweist. 

Versuch II. 

Pudelhündin II — trächtig. 

Den 9. III. bis 11. III gemischte Kost. 

Den 12. III. K.-G. 6200*™. — 250 * rm Fleisch; desgl. am nächsten Tage. 

„ 14.III. „ 5900 „ — 250*™ Fleisch + 0-5ß™ Natr. sulfuros.: 

weiter desgleichen. 

Den 18. III. K.-G. 6100 

Den 19. III. 375 * rm Fleisch + 0.75 Natr. sulfuros. Dieselbe Fleisch- 
und Sultitration bis zum 9. IV. 


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Über die chronische Sul.fitveroiftuno. 


131 


Den 21. III. K.-G. 6400 8™. 

25. III. „ 6400 „ 

„ 28. III. „ 6400 „ 

„ l.IV. „ 6900 „ 

„ 9. IV.: Das Thier sieht matt aus, frisst schlecht, Blutungen aus 

den Genitalien. 

Den 10. IV. Abort: 1 Junges; spärliche Blutungen. — Nahrung ver¬ 
weigert. 

Den 11. IV. Blutungen. Nahrung verweigert. 

Den 12. IV. Abort: 1 Junges. Nahrung verweigert. 

Den 13. IV. nur noch spärliche Blutungen; frisst wieder: 375 grra Fleisch 
4- 0.75 g ™ Natr. sulfuros. Dieselbe Fleisch- und Sulfitration bis zum 19. V. 
(Ende der Fleischfütterung). 

Den 15. IV. K.-G. 5700 *™. 

., 19. IV. „ 5400 

27. IV. ., 5600 „ 

„ 2. V. ,. 5800 „ 

7. V. ,. 6000 „ 

„ 15. V. „ 6400 „ 

„ 19. V. „ 6200 „ 

,, 20. V. und 21. V. gemischte Kost ohne Natr. sulfuros. 

,, 22. V. K.-G. 6000 8™. — Das Thier wird durch Verbluten getödtet. 

Der Hund erhielt während 66 Tagen im Ganzen 23.875 k 8 Fleisch, 
während 64 Tagen ausserdem 44* 275 g ™ Natr. sulfuros. (enthalten in 
23*375 *8 Fleisch). 

Ausser dem geschilderten Abort mit Blutungen zeigte der Hund während 
der Versuchszeit keinerlei Krankheitserscheinungen. 

Das Verbluten geschah durch Oeffnen der Carotiden. Kaum nennens- 
werthe VerblutuDgskrämpfe. 

Die Obduction wurde sofort vorgenommen. 

Befund: 

Lungen auch gebläht, nirgends Hämorrhagieen oder Einziehungen. 

Herz: Intacta Klappen und ein gesundes Myocard. — Der linke Ven¬ 
trikel zeigt wandständig unter dem Endocard, das selbst überall spiegelt und 
eine leicht graue Färbung aufweist, mehrere ziemlich frische Blutungen. — 
Rechter Ventrikel ohne Besonderheit.— Aorta, Pulmonalis und Gefiiss- 
stämme zeigen überall intacte spiegelnde Intima. 

Leber: Besitzt namentlich an den Rändern einen deutlich blutigen 
Farbenton, der sich nicht abwischen lässt und der bei Lupenbetrachtung 
folgendes Bild bietet: Die Acini sind blutig umrändert, im Centrum der¬ 
selben sieht man je einen blutrothen Punkt. — Keine makroskopischen 
Verfettungen. — Gallenblase ohne Besonderheit. 

Magen: Am Pylorus sehr vereinzelte kleine, stichförmige, ältere (tabak¬ 
braune) Blutungen. 

Darm: An der Valvula Bauhini findet sich an dem aufgeworfenen 
Rande eine kleine Blutung. 

Milz: Ohne Besonderheit. 

Nieren: bieten schon äusserlich das Bild grosser, bunter Nieren (wie 
in Versuch 1): gelbe, röthliche Bezirke, unregelmässig mit einander ab- 

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132 


H. Kionka und L. Ebstein: 


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wechselnd. Auf dem Querschnitt weissgelbliche, pallisadenformige Strichelung 
in der Randzone, — in der Grenzschicht, die im Allgemeinen verbreitert 
ist, deutliche Verfettungen (roBa Ton), — in den Markkegeln leicht röth- 
liche Verfärbungen. 

Blase und Genitalien ohne Besonderheiten; keine Blutungen. 

Mikroskopische Untersuchung. 

Stöcke von der Leber, der Milz und dem Myocard wurden in 10 procent. 
Formol und in Alkohol von aufsteigender Concentration gehärtet und in 
Celloidin eingebettet. Mikrotomschnitte gefärbt mit Hämatoxylin-Delafield 
und van Gieson. 

Befund. 

Leber: Die Leber zeigt in der Umgebung der Venae centrales fast in 
jedem Acinus kleine stippchenförmige Blutaustritte. Die Lebergefässe zeigen 
normalen Blutgehalt, die Leberzellen selbst keinerlei Besonderheiten. 

Milz: Ohne Besonderheit. 

Myocard: Der durch die ganze Dicke der Herzwand geführte Schnitt 
zeigt zahlreiche subendocardiale und von dem Endocard ziemlich weit ins 
Herzmuskelfleisch sich erstreckende Blutaustritte. Unterhalb des Endocards 
bilden dieselben eine ziemlich breite, hämorrhagische subendocardiale Schicht, 
von der aus sich die Hämorrhagieen trabekelartig pericardialwärts fortsetzen, 
um sich allmählich in feine strichformige Enden zu verlieren. Die senk¬ 
recht zum Verlauf der HerzmuBkelform gestellten Blutungen hängen durch 
hämorrhagische, den Herzmuskelfasern parallel laufende Streifen zusammen. 
Die Herzmuskelfasern selbst sind normal (Taf. VH, Fig. 1). 

Versuch HL 

Hündin I. — Anscheinend normales Thier. 

Den 9. III. bis 11. IH. gemischte Kost. 

Den 12. HI. K.-G. 8300 gri *'. — 250 frm Fleisch; desgl. am nächsten Tage. 

„ 14. HI. „ 7300 „ —376 Fleisch + 0*76 Natr. sulfuros.; 

weiter desgleichen. 

Den 18. HL K.-G. 8000 s"“. 

Den 19. IIL 600 81111 Fleisch + 1 • 0 grra Natr. sulfuros. Dieselbe Fleisch- 
und Sulfitration bis zum 19. V. (Ende der Fleischfütterung). 


Den 

21. HL K.-G. 

8100p™. 

11 

25. HI. 

11 

8000 

11 

11 

28. HI. 

11 

7800 

11 

11 

l.IV. 

11 

8500 

19 

11 

10. IV. 

11 

8500 

11 

11 

15. IV. 

11 

8500 

11 

11 

19. IV. 

11 

8400 

11 

11 

26. IV. 

11 

8600 

11 

11 

27. IV. 

11 

8600 

11 

11 

2.V. 

11 

8600 

11 

11 

7. V. 

11 

8400 

11 

11 

15. V. 

11 

8600 

11 

11 

19. V. 

11 

8300 

11 


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Über die chbonische Sulfitvergiftung. 


133 


Den 20. V. und 21. Y. gemischte Kost ohne Natr. snlfuros. 

„ 22. Y. K.-G. 7950 gnn .— Das Thier wird durch Verbluten getödtet. 

Der Hund erhielt während 69 Tagen im Ganzen 32*875** Fleisch, 
während 67 Tagen ausserdem 65*75* rm Natr. sulfuros. (enthalten in 32* 375 k * 
Fleisch). 

Der Hund zeigte während der Vergiftung keinerlei Krankheitserschei¬ 
nungen. 

Unmittelbar nach der durch Oeffnen der Carotiden vorgenommenen 
Tödtung, wobei sich fast gar keine Verblutungskrämpfe einstellten, wurde 
die Obduction ausgeführt. 

Befund. 

Lungen: Ohne Besonderheit. 

Herz: Klappen intact und zart. Myocard ohne Degenerationen oder 
Blutungen. Endocard zeigt im linken Ventrikel und zwar an der Spitze 
und verstreut in kleinsten Spuren unterhalb dfes Mitralostiums subendo- 
cardiale kleine Hämorrhagieen älteren Datums. Endocard spiegelt. Rechter 
Ventrikel ohne Besonderheit. 

Leber: Von braunröthlichem Farbenton. An den Rändern verstreute, 
kleinste Hämorrhagieen, keine deutliche acinöse Zeichnung. 

Magen: Schnupftabakbraune, stippchenformige Blutungen am Pylorus. 

Darm: Im untersten Theil des Dünndarmes und im Coecum multiple 
Schwellung der Peyer’schen Plaques und der solitären Follikel; dabei ent¬ 
zündliche Schwellung und Röthung der Darmmucosa im Allgemeinen. 

Nieren: Grosse bunte Nieren. Auf dem Querschnitt: Pallisaden- 
strichelung in der Grenzschicht, Verfettungen in der Rinde und blutige 
Infarcirung in den Markkegeln. 

Mikroskopische Untersuchung. 

Stücke der Niere und der Leber werden in 10 procent. Formol und 
Alkohol von aufsteigender Concentration gehärtet und nach Durchgang durch 
Aetheralkohol in Celloidin eingebettet. Mikrotomschnitte werden mit Häma- 
toxylin-Delafield und van Gieson-Lösung gefärbt. 

Befund. 

Ni-ere: In der ganzen Nierenrinde schwere, ausgedehnte Blutungen. 
Die Glomeruli sind fast durchgehends blutig infarcirt oder durch einen 
hämorrhagischen Erguss von der Kapsel abgedrängt. In manchen Glo- 
mernlis überwiegt der orangerothe Ton des Blutes vor dem violetten der 
Färbung der Kerne. Hie und da kann man den Zusammenhang eines Blut- 
cylinders in einem gewundenen Harncanälchen mit dem hämorrhagisch in- 
filtrirten Glomerulus constatiren. Zahllose Tubuli contorti wie recti enthalten 
im Quer- und Längsschnitt die nach der Form der Canälchen verschieden 
formirten, aber stets cylindrisch gemodelten Blutergüsse. Das Epithel der 
Tubuli contorti zeigt an vielen Stellen Kernuntergang und Verschollung. 
Die Tubuli recti zeigen im Grossen und Ganzen normales Epithel (Taf.VII, Fig. 2). 

Leber: Die Leber zeigt strotzend gefüllte Blutgefässe und so zahl¬ 
reiche Blutungen, dass der Grundton des ganzen Schnittes ein orange-röth- 
licher ist. In der Umgebung der Gefässe sieht man zwischen die Leber¬ 
balken hinein sich eindrängende, radiär wie die Leberbalken selbst sich 


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134 


H. Kionka und L. Ebstein: 


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ausbreitende Blutstreifen. Ein Untergang oder auch nur eine Degeneration 
der Leberzellen lässt sich nirgends beobachten. Die Gallengänge bieten 
nichts Besonderes, ebenso wenig der Peritonealüberzug der Leber. 


Versuchsreihe B. 

1 grm Präservesalz: 1000 s™ Fleisch. 

Versuch I. 

Hündin B. — anscheinend normales Thier. 
Den 8. Hl. bis 11. III. gemischte Kost. 


11 

12. IU. 

bis 27. III. 250 grm 

Fleisch. 

11 

12. HI. 

K.-G. 

5000 

11 


11 

14. HI. 

11 

4400 

11 


7» 

18. HI. 

11 

4400 

11 


n 

21. HI. 

11 

4700 

11 



25. III. 

11 

4600 

11 



28. IU. 

bis 4. VI. 

375 

11 

Fleisch -f- 0-4 grm Präservesalz. 

» 

28. III. 

K.-G. 

4400 

11 


11 

l.IV. 

11 

4900 

11 


11 

10. IV. 

11 

5200 

11 


11 

15. IV. 

11 

4800 

11 


11 

19. IV. 

11 

4800 

11 


11 

26. IV. 

11 

4700 

11 


V 

28. IV. 

«i 

4700 

, 


M 

2. V. 

•1 

4700 

>? 


,, 

8. V. 

11 

4700 

11 


11 

14. V. 

1 

4800 

11 


11 

21. V. 

V 

5300 

11 


11 

24. V. 

11 

5400 

11 


11 

27. V. 

,, 

6300 

11 


V 

30. V. 

*1 

5300 

11 


y, 

3. VI. 

11 

5200 

11 



.. 5. VI. bis 12. VI. gemischte Kost ohne Präservesalz. 

’, 10. VI. K.-G. 4900 

., 12. VI. „ 4500 ff™.— Das Thier wird durch Ausspülung getüdtet 

Der Hund erhielt während 85 Tagen im Ganzen 28-375 kg Fleisch, 
während 65 Tagen ausserdem 26*0 grm Präservesalz (enthalten in 24 - 375 ^ 
Fleisch). Während des ganzen Versuches zeigte der Hund keinerlei Krank¬ 
heitserscheinungen. 

Unmittelbar nach der sehr allmählich ausgeführten, 45 Min. dauernden 
intravitalen Ausspülung mit 0-75 procent. Kochsalzlösung wurde die Ob- 
duction vorgenommen. 

Befund. 

Lungen: An den geblähten Lungen sieht man vereinzelte kleine, un¬ 
deutlich umgrenzte, rundliche, rosafarbene (in Folge von Gefässverlegungen 
aus der Circulation ausgeschaltete) Stellen in dem im Uebrigen weiss (blut¬ 
leer) erscheinenden Gewebe. 

Ilerz: Ohne Besonderheiten; Endocard überall spiegelnd. 


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Über die chronische Sulfitvergietung. 


135 


Leber: Zeigt ein unregelmässig geflecktes Aussehen. Blutungen sind 
makroskopisch nicht zu erkennen. 

Magen und Darm: Ohne Besonderheiten. 

Milz: Ohne Besonderheit. 

Nieren: Auf dem Querschnitt sieht man im Mark sowie in der Grenz- und 
Rindenschicht rothe Flecken und Streifen, zuweilen in radiärer Anordnung. 


Mikroskopische Untersuchung. 

Stücke von Niere und Leber in 10 procent. Formol und Alkohol von 
aufsteigender Concentration gehärtet, in Celloidin eingebettet. Mikrotom¬ 
schnitte wurden in Häraatoxylin-Gage und van Gieson-Lösung gefärbt. 

Befund. 


Niere: Manche Glomeruli zeigen, aber nur vereinzelt, kleinzellige In¬ 
filtration und verwaschene Grenzen. In einigen wenigen sind die Gefäss- 
knäuel zusammengeballt und in die Ecke gedrückt durch ein leichtscholliges 
Exsudat in der Kapsel. Blutungen finden sich nirgends in der Rinde. Das 
Epithel der Tubuli contorti wie recti ist überall wohl erhalten und kernhaltig. 

Leber: Die Leber giebt mikroskopisch durchweg normale Bilder. Blut- 
wie Gallengangsgefässe und Leberzellen sind intact. Nirgends Hämorrhagieen. 


Versuch II. 

Hündin IV — trächtig. 

Den 12. UI. bis 14. III. gemischte Kost. 

,. 15. IH. bis 17. HI. 250»"" Fleisch. 

,. 15. UI. K.-G. 8500»"". 

., 18. III. bis 27. III. 375»"" Fleisch. 

., 18. UI. K.-G. 9400 » rm . 

., 21. m. „ 10000 „ 

„ 25. UI. „ 10000 „ 

„ 28.III. bis 4. VI. 600»"" Fleisch + 0*5» rm Präservesalz. 

,. 28. IH. K.-G. 9800»"". 

„ l.IV. „ 10700 „ 

„ 10. IV. „ 10800 „ 

,. 15. IV. „ 11200 „ 

Den 17. IV. Die Hündin wirft 4 Junge, eins davon todt. Die übrigen 
Jungen sind schwächliche Thiere; sie werden vorläufig bei der Mutter gelassen. 

Den 19. IV. K.-G. 9800 » rm . Das Thier, welches geringe Blutungen 
hatte und schlecht gefressen hatte, erscheint jetzt wieder normal. 

Den 20. IV. Das eine Junge ist todt. 

Den 23. IV. Ein drittes Junges ist todt. Das übrig bleibende vierte 
wird einer anderen (gesunden) säugenden Hündin gegeben. 

Den 26. IV. K.-G. 9300»"". 

„ 28. IV. „ 9300 „ 

„ 2. V. „ 9400 „ 

„ 6. V. Das vierte Junge ist ebenfalls todt. 

9. V. K.-G. 9400»""' 

.. 21.V. „ 10400 „ 

„ 24. V. „ 10400 „ 


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136 


H. Kionka und L. Ebstein: 


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Den 


27. V. 
30. V. 
3. VI. 


K.-G. 

ff 

ff 


10500 prm . 
10300 „ 
10200 „ 


„ 6. VI. bis 12. VI. gemischte Kost ohne Präservesalz. 

„ 10. VL K.-G. 9900 8"". 


Den 13. VI. K.-G. 9700 8°“. — Das Thier wird durch Verbluten (Oeffnen 
der Carotiden) getödtet. 

Der Hund erhielt während 82 Tagen im Ganzen 37 k 8 Fleisch, während 
65 Tagen ausserdem 32 • 5 8 rm Präservesalz (enthalten in 32*6*8 Fleisch). 

AuBser dem geschilderten Partus wurde an dem Hunde während des 
Versuches nichts Auffallendes wahrgenommen. 

Unmittelbar nach der Tödtung wurde die Obduction vorgenommen. 


Befund. 


Lungen: Auf der Oberfläche beider Lungen sieht man multiple, mehr 
oder weniger rosarothe, das Niveau der Oberfläche nicht überragende Petechien 
von Linsen- bis Zehnpfennigstückgrösse. Die Ränder der kreisförmigen 
Flecken sind keine scharfen. Vielmehr geht das dunkelrothe oder dunkel¬ 
braune Centrum der Blutflecken durch eine hellere Zone allmählich in die 
normale helle Oberflächenfarbe der Lungen über. 

Herz: Das Herz zeigt schon bei äusserlicher Betrachtung nach Er¬ 
öffnung des Pericards an der Herzspitze sowie auch an der Ventrikel wand 
sowohl links wie rechts dunkelbraunrothe, leicht eingesunkene Partieen, die 
bei vorsichtiger Palpation sich weicher und minder resistent anfühlen als 
das normale Herzfleisch. — Nach Eröffnung der Herzhöhlen sieht man das 
Endocard des linken Ventrikels an der Spitze und namentlich auf dem 
Septum cordis von gruppenförmig angeordneten confluirenden blutrothen 
Hämorrhagieen bedeckt. Das Endocard über den Blutungen spiegelt; keine 
Thromben (siehe Taf. VII, Fig. 3). — Unter dem Endocard des rechten 
Ventrikels entsprechend den an der AuBsenwand sichtbaren Flecken das 
gleiche bunte Bild wie im linken Ventrikel, nur im verringerten Maassstabe. 

Leber: Die braune Leberfarbe zeigt an manchen Stellen ein deutlich 
gelbes Timbre. An den Rändern der Leberlappen Stauungscyanose, keine 
makroskopisch sichtbaren Hämorrhagieen. 

Nieren: In den Pyramiden sieht man einen deutlich hellrotben Farbenton, 
der sich streifenförmig, der Pyramidenstrahlung entsprechend bis an die 
Spitze der Markkegel herunter verfolgen lässt. — Rinde zeigt makroskopisch 
keine Besonderheiten. — Die Farbe der äusseren Nierenfläche ist leicht 
gelbbräunlich. 

Magen. Darm, Milz: Ohne Besonderheiten. 

Innere Genitalien desgl.; keine Blutungen. 


Mikroskopische Untersuchung. 

Stücke vom Herzen, der Leber, der Lunge und der Niere werden in 
10 proeent. Formol und Alkohol von aufsteigender Concentration gehärtet, 
in Celloidin eingebettet. — Mikrotomschnitte gefärbt mit Hämatoxvlin- 
Delafield und van Gieson-Lösung. 


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Über die chronische Sulfitveegiftung. 


137 


Befund. 

Herz: Unterhalb des intacten Endocards sieht man mehrere beträcht¬ 
liche flächenhafte Blutungen, die an einer Stelle das Endocard buckelartig 
abheben. Die Blutung setzt sich mit unregelmässigen Ausläufern in die Tiefe 
des Myocards fort, das selbst nirgends irgend welche degenerative Processe 
zeigt. — Auf dem Endocard selbst intactes Endothel; keine thrombotischen 
Auflagerungen. Die Blutungen selbst drängen sioh zwischen Endocard und 
die obersten Muskelschichten und folgen in die Tiefe meist bindegewebigen 
Trabekeln, welche normaler Weise von der Subserosa als leuchtendroth ge¬ 
färbte Stränge und Streifen die gelbbräunlich gefärbte Muskelmasse durch¬ 
ziehen. 

Leber: In der Leber sieht man vereinzelte unbedeutende Blutaustritte 
in das Lebergewebe hinein. Diese Hämorrhagieen finden sich ausschliesslich 
in der Umgebung der periacinösen Oefässe, von denen als Centrum die 
Extravasate radiär in das Qewebe ausstrahlen. Die Leberzelle selbst zeigt 
keine Besonderheit, die Lebergefässe von normaler Füllung, der Peritoneal¬ 
überzug des Organs ohne Reizung. 

Lunge: Man sieht im Schnitt mehrere quer- und längsgetroffene 
Bronchien mit ihrem mächtigen, gewulsteten Epithel. Im Lumen mancher 
Bronchien sieht man Blutextravasate, deren orapgerothe Farbe scharf gegen 
das schwarzblau gefärbte Epithel contrastirt. Bei stärkerer Vergrösserung 
sieht man ausser Blut im Bronchiallumen auch abgestossene Epithelien und 
Leukocyten. Die Gefässe in der Nachbarschaft der Bronchien durchweg 
prall mit Blut gefüllt. 

Die Alveolen sind in der Mehrzahl lufthaltig; um so mehr fallen in 
dem lufthaltigen, ziemlich engen Maschenwerk kleine, lobuläre nicht selten 
subpleural gelegene Herde von hämorrhagischer Anschoppung der Alveolen 
auf. Ueberwiegend rothe Blutkörperchen erfüllen und dehnen eine Reihe 
benachbarter Alveolen. Die Alveolenwände sind wohl erhalten. Die Pleura 
zieht dort, wo die hämorrhagischen Herde bis an sie heranreichen, ungereizt 
über die infiltrirten Alveolen hinweg. 

Niere: Die Niere befindet sich im Zustande einer schweren hämorrha¬ 
gischen Entzündung. Ausgedehnte beträchtliche Blutungen, die in der Rinde 
hauptsächlich die Glomeruli und gewundenen Harncanälchen betreffen, heben 
sich mit ihrem Orangeton scharf von dem blauvioletten Grundtimbre des 
Gewebes ab. Die Glomeruli selbst sind abnorm kernreich, von Leukocyten 

infiltrirt oder umgeben; an manchen Stellen drückt ein scholliges, nicht 

selten hämorrhagisches, intracapsuläres Exsudat die zusammengeknäulten 
GefässBchlingen in eine Ecke der Kapsel. Das Epithel der Tubuli und der 
Henle’schen Schleifen zeigt eine allgemeine fortgeschrittene Degeneration 
mit Kernverlust und beginnendem scholligen Zerfall des Plasmas. Zahlreiche 
hyaline Cylinder in Quer- und Längsschnitten, vor denen im Lumen der 
Tubuli recti Blutcylinder prävaliren. 

Versuch 3. 

Hund A — anscheinend normales Thier. 

Den 8. III. bis 11. III. gemischte Kost. 

„ 12. IH. bis 13. IH. 250«™ Fleisch. 

„ 12. III. K.-G. 7200«™. 


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138 


H. Kionka und L. Ebstein: 


Den 14. III. bis 18. III. 375»™ Fleisch. 

14. III. K.-G. 8800»™. 

18. III. „ 9500 „ 

19.111. bis 27. HI. 500»™ Fleisch. 

21 . in. K.-G. 10000 »™. 

„ 24. in. „ 10000 „ 

., 28. in. bis 4.YI. 625»™ Fleisch -+- 0 • Gf> »™ Präseryesalz. 

„ 28. UI. K.-G. 9100 » rm . 


11 

l.IV. 

11 

10000 , 

11 

10. IV. 

11 

9600 , 

11 

15. IV. 

11 

9700 , 

11 

19. IV. 

11 

9900 , 

11 

26. IV. 

1 

9500 „ 

11 

28. IV. 

11 

9500 . 

V 

2. V. 

11 

9900 , 

11 

9. V. 

11 

9900 , 

11 

14. V. 

11 

9700 , 

11 

21. V. 

11 

10300 „ 

11 

24. V. 

11 

10300 , 

11 

27. V. 

11 

10400 , 

11 

30. V. 

11 

10400 , 

11 

3. VI. 

11 

10700 , 


„ 5.YI. bis 12. YI. gemischte Kost ohne Präseryesalz. 

„ 10. YI. K.-G. 10000»™. 

Den 13. VI. K.-G. 9900 »™. — Das Thier wird durch Verbluten getödtet. 

Der Hund hat während 85 Tagen im Ganzen 47 • 60 *» Fleisch erhalten, 
ausserdem während 65 Tagen noch 42*25»™ Präservesalz (enthalten in 
40*625 k » Fleisch). Während des ganzen Versuches zeigte der Hund keinerlei 
Krankheitserscheinungen. 

Die Obduction unmittelbar pach der Tödtung yorgenommen ergab 
folgenden Befund: 

Lungen und Herz: Ohne Besonderheiten. 

Magen und Darm: Im Pylorustheil des Magens beginnend zeigt die 
Schleimhaut des Magendarmcanals durch das ganze Duodenum, Jejunum und 
Ileum bis zur Yalvula hin eine beträchtliche katarrhalische Schwellung und 
Röthung, welch’ letztere durch Injection der Mucosagefässe entsteht. An 
einigen Stellen Hämorrhagieen. — Die Peyer’schen Plaques zeigen eine 
allgemeine entzündliche Schwellung und Infiltration. Sie ragen beetartig 
ins Darmlumen hinein. Die sie überziehende Darmmucosa ist — auch 
noch im Umkreise der geschwollenen Plaques — desquamirt. Die jene 
ulcerirten Stellen umgebende Mucosa ist am Ulcerationsrande stark injicirt, 
so dass Bich die Geschwürchen durch rothe Umrandung scharf von dem 
gelbbraunen normalen Darmuntergrunde abheben. 

Leber: Zeigt äusserlich einen mehr rotlien als braunen Farbenton und 
hier und da gelblich leuchtende Flecke, die namentlich am' Rande zu einer 
citronengelben Randzone zusammenfliessen. Neben diesen (verfetteten) Stellen 
deutliche Blutergüsse, die man auf dem Einschnitt in die Tiefe verfolgen 
kann. Gelbe Farbe und Hämorrhagieen (d. h. Verfettung und Blutung) sieht 
man neben einander. 


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ÜBEB DIE CHBONISCHE SüliFITVEBGIETUNG. 


139 


Nieren: Grosse bunte Nieren, d. h. die Oberfläche bietet einen bunten 
Wechsel von Braun, Gelb und Roth neben und durch einander. Die Kapsel 
ist normal abziehbar. — Auf dem Querschnitt sieht man die Rinde gequollen 
und verbreitert. Die Glomeruli treten als rothleuchtende Pünktchen auf 
braunem Grunde hervor. Die Grenzschicht ist hämorrhagisch infarcirt; 
daneben deutliche pallisadenförmige Fettzeichnung. Das Mark zeigt eine 
wolkige, rosenrothe Verfärbung, welche in unbestimmten Grenzen die Muskel¬ 
schicht in deren ganzer Ausdehnung durchsetzt und selbst die Spitzen der 
Kegel nicht einmal frei lässt. 

Mikroskopische Untersuchung. 

Stücke von Niere, Leber, Darm werden in 10 procent. Formol und 
Alkohol von aufsteigender Concentration gehärtet, nach Durchgang durch 
Aetheralkohol in Celloidin eingebettet. Mikrotomschnitte werden mit Häma- 
toxylin-Delafield und van Gieson-Lösung gefärbt. 

Befund. 

Niere: In der Rinde sieht man im Schnitt einen grösseren und einen 
kleineren älteren Infarct, über denen die Kapsel verdickt und dabei leicht 
narbig eingezogen hinwegzieht. Beide zeigen typische Keilform mit der Basis 
unter der Kapsel und der Spitze zum Hilus hin. Die Infarcte selbst bestehen 
hauptsächlich aus (mit van Gieson leuchtendroth gefärbtem) Bindegewebe 
und enthalten noch morphologisch wohlerhaltene Glomeruli, deren einzelne 
kleinzellig infiltrirt erscheinen, und erweiterte, oft mit Cylinderquerschnitten 
erfüllte Canälchen neben atrophirtcn untergegangenen. 

Die Grenze zwischen Infarcten und nicht infarcirter Nierenrinde ist 
ziemlich scharf. Die übrige Rinde zeigt in fast allen Glomerulis und in und 
um viele Tubuli contorti zum Theil recht beträchtliche Blutungen, die von 
der Rinde sich als geschlängelte oder gradgestreckte orangefarbene Linien 
in den Tubulis contortis und in die Tubuli recti verfolgen lassen. Um die 
entzündeten und durchbluteten Glomeruli ziemlich mässige kleinzellige In¬ 
filtration des umgebenden Bindegewebes. Ergüsse in die Bowman’sche 
Kapsel hinein sieht man nur vereinzelt. Bei starker Vergrösserung sieht 
man eine allgemeine schwere Epitheldegeneration in der Rinde: zahlreiche 
Zellen haben ihre Kerne verloren, sind aufgequollen und zeigen ein körnig¬ 
schollig degenerirtes Plasma. Das Epithel der Tubuli recti bietet nichts 
Besonderes. 

Leber: An den Rändern der Acini sehr vereinzelte kleine Blutaustritte, 
stets in der Umgebung periacinöser Gefässe. Die Gefässe selbst zeigen 
starken Blutgehalt, sonst aber ebensowenig Besonderheiten wie die Leber¬ 
zellen selbst, deren einzelne bei starker Vergrösserung eine oder mehrere 
Fettvacuolen zeigen. Der peritoneale Ueberzug der Leber bietet keine 
Abnormitäten. 

Darm: Ein Stück des Heum zeigt im Präparat bei wohlerhaltenem 
Epithel der Darmzotten in der Tiefe der Mucosa, noch reichlicher in der 
Submucosa streifenförmige Blutungen. Zwischen den einzelnen Darmzotten 
oder im Darmlumen nirgends Blutaustritte. Die Lymphapparate — es ist 
ein Peyer’scher Haufen im Schnitt getroffen — von mächtiger Entwickelung 
ohne Abweichung von der Norm. Die Gefässe der Submucosa sind prall gefüllt, 


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140 


H. Kionka und L. Ebstein: 


erweitert. Sie bilden meist das Centrum der submucösen Hämorrhagieen. 
Die Muskelschichten selbst sind intact, nur fällt an der Grenze zwischen 
Transversal- und Longitudinalschicht eine den Blutungen entsprechende An¬ 
häufung von Leukooyten auf. Das Peritoneum ist intact. 

Sämmtliche Hunde zeigten demnach gleichartige pathologische Ver¬ 
änderungen in ihren Organen. Es handelte sich bei allen um intravitale 
Gefassverlegungen sowie Blutungen und entzündliche oder degenerative 
Processe. 

Ueber die Betheiligung der einzelnen Organe an diesen Veränderungen 
mag folgende Zusammenstellung eine kurze Uebersicht gewähren: 

Blutungen bezw. Gefassverlegungen in den Lungen: 3 Hunde 
(Versuch I, 1 und 2). 

Subendocardiale Blutungen im Herzmuskel: 4 Hunde (Ver¬ 
such I, H, III und 2). 

Blutungen im Magen (Pylorustheil): 4 Hunde (Versuch I, II, III 
und 3). 

Blutungen im Darm (vorwiegend im Dünndarm) und entzündliche 
Schleimhautschwellung: 3 Hunde (Versuch II, III und 3). 

Blutungen in der Leber (meist interaoinöse) einmal auch ver¬ 
bunden mit Gallenstauung: 5 Hunde (Versuch I, II, III, 2 und 3). 

Entzündliche Schwellung der Gallenblase — mit kleinzelligem 
Exsudat auf der peritonealen Fläche —: 1 Hund (Versuch I). 

Entzündungen der Nieren, meist acute hämorrhagisohe Nephritis: 
sämmtliche 6 Hunde. 

Man sieht hieraus, dass bei den verschiedenen Hunden — abgesehen 
von den Nieren, welche stets erkrankt waren — die einzelnen Organe 
verschieden stark befallen waren, so dass bei dem einen Thier dieses, bei 
dem anderen Thier jenes Organ die stärksten krankhaften Veränderungen 
aufwies. Auch zwischen den Hunden der beiden Versuchsreihen Hessen 
sich in dieser Beziehung keinerlei Unterschiede constatiren. Auch last 
sich nicht behaupten, dass etwa bei den Thieren der zweiten Versuchs¬ 
reihe, welche nur einen halb so grossen Sulfitzusatz zur Fleischnahrung 
erhielten wie die Hunde der ersten Reihe, die beobachteten Veränderungen 
an Intensität geringer wären. Denn wenn auch Hund B in Versuch 1 nur 
verhältnissmässig wenig Pathologisches an seinen Organen zeigte, so waren 
doch andererseits die krankhaften Organveränderungen der beiden anderen 
Hunde dieser Serie, in Versuch 3 und vor Allem in Versuch 2 mindestens 
ebenso stark wie bei den Hunden der ersten Reihe. 

Es ist nun die Frage zu erörtern, ob diese soeben geschilderten 
Veränderungen in den Organen der Versuchshunde wirklich 


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Über die chronische Sulfitvergiftung. 


141 


von dem mit der Nahrung eingeführten Sulfit hervorgerufen 
sind oder ob sie eine andere Ursache haben können. 

Zunächst ist zu berücksichtigen, dass derartige wie eben geschilderte 
Organveränderungen bei sämmtlichen 6 Hunden übereinstimmend 
gefanden sind, während andere, zu anderen Versuchen dienende Hunde, 
welche gleichzeitig mit unseren Versuchsthieren gehalten wurden, derartige 
pathologische Erscheinungen nicht aufwiesen. 

Das krank machende Agens für unsere Hunde muss demnach eine 
Schädlichkeit sein, welche alle 6 Thiere, aber nur unsere betroffen hat. 

Eine solche Schädlichkeit konnte für unsere Thiere — abgesehen von 
der Sulfitdarreichung — eventuell herzuleiten sein 

1. aus der Lebensweise, 

2. aus der Art der Fütterung, 

3. aus der Todesart. 

1. Da unsere Hunde mit grösster Sorgfalt unter Lebensbedingungen 
gehalten wurden, welche in hygienischer Beziehung als die bestmöglichen 
bezeichnet werden konnten: helle, geräumige, luftige Käfige; bei schönem 
Wetter Aufenthalt im Freien, bei ungünstiger Witterung geschützter, 
trockener Stall; — so kann von der „Lebensweise“ der Hunde keine 
Ursache für ihre Erkrankung abgeleitet werden. 

2. Vielleicht könnte aber Jemand annehmen, dass die reichliche 
Fleischfütterung gewisse Schädigungen setzen konnte. Pflüger 1 hat 
gezeigt, dass die ausschliessliche Fütterung mit grossen Mengen Pferde¬ 
fleisches bei Hunden Durchfalle und Stickstoffverlust erzeugt. Aus diesem 
Grunde gaben wir unseren Hunden nicht Pferdefleisch, sondern Rindfleisch 
zu fressen, nach dessen Genuss, wie Pflüger besonders hervorhebt, die 
Krankheitserscheinungen nicht beobachtet werden. Ausserdem waren wir 
darauf bedacht, dass unsere Hunde neben der Fleischkost noch kohle¬ 
hydrathaltige Nahrung erhielten und Pflüger hat gefunden, dass Zusatz 
von Kohlehydraten oder Fett zum Pferdefleisch dessen gesundheitsschäd¬ 
liche Eigenschaften aufhebt Auch handelt es sich bei den Erkrankungen 
der Hunde in Folge Pferdefleischgenusses niemals um Wirkungen, wie wir 
sie bei unseren Thieren beobachtet haben. 

Es wäre daher unstatthaft, die bei unseren Hunden beobachteten 
Veränderungen aus der reichlichen Fleischfütterung abzuleiten. 

3. Auch die von uns gewählten Todesarten können für die patho¬ 
logischen Erscheinungen, welche die Organe boten, nicht verantwortlich 
gemacht werden. 


1 Pflüger, Ueber die Gesundheitsschädigungen, welche durch den Genuss von 
Herdefleisch verursacht werden. Pflüger’s Archiv. 1900. Bd. LXXX. S. 111. 


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142 


H. Kionka und L. Ebstein: 


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Unsere Hunde wurden wie gesagt durch Verbluten (Oeffnen der 
CarotideD) getödtet; bei 2 Hunden (Versuch I und 1) wurde die Ver¬ 
blutung mit der intravitalen Durchspülung mit 0*75 procent. Kochsalz¬ 
lösung combinirt. 

Ueber diese Ausspülungsmethode, welche schon seit langen Jahren 
im Breslauer pharmakologischen Institut zur Feststellung von Blutgift¬ 
wirkungen geübt wird, besitzen wir so ausreichende Erfahrung, die u. a. 
an zahlreichen Controlausspülungen normaler (unvergifteter) Thiere ge¬ 
wonnen ist, dass wir den Einwurf, Veränderungen der geschilderten Art 
könnten durch diese Methode der Tödtung erzeugt werden, kurzer Hand 
zurückweisen dürfen. Voraussetzung, um die Ausspülung einwandsfrei zu 
gestalten, ist allerdings, dass sie mit sorgfältiger Beobachtung von Hen¬ 
kraft und Athmung und unter Innehaltung einiger an anderen Stellen 
häufig genug mitgetheilten Cautelen ausgeführt wird. Vor Allem ist 
nöthig, dass gehörig langsam ausgespült wird; — bei unseren Versuchen 
dauerte die Ausspülung jedes Mal 45 Minuten. 

In bedeutend kürzerer Zeit verläuft allerdings die Verblutung nach 
einfacher Eröffnung der Carotiden, wie sie bei den übrigen Thieren von 
uns ausgeführt wurde. Indessen besassen wir auch über den Befund nach 
Verblutungstod besonders reiche Erfahrungen, da im Breslauer Institut 
sehr häufig die zu tödtenden Thiere verblutet werden. Und ausserdem 
wurden speciell zur Controle in Jena eine Anzahl von normalen Hunden 
(jungen und erwachsenen) in der geschilderten Weise durch Verbluten 
getödtet und deren Organe genau untersucht. Auf Grund dieser älteren 
und neueren Erfahrungen können wir über den Befund nach Ver¬ 
blutungstod Folgendes sagen: 

Blutungen in grosser Zahl, in Darm und Magen, Leber, Herz 
und hämorrhagische Nierenentzündungen, wie wir sie bei unseren Sulfit- 
thieren beobachteten, kommen als Folgen des Verblutungstodes bei ge¬ 
sunden Thieren überhaupt nicht vor. Wohl aber treten gelegentlich, 
aber keineswegs regelmässig (in unseren Versuchsreihen waren sämmtliche 
Thiere von Blutungen u. s. w. befallen) beim Verbluten unvergifteter 
Thiere Blutungen z. B. im Bereich der Brusthöhle (Lungen, Zwerch¬ 
fell u. s. w.) auf, die offenbar auf die heftigen Athembewegungen und die 
Verblutungskrämpfe zu beziehen sind. Es handelt sich alsdann um soeben 
entstandene frische Gefässzerreissungen und frische, hellrothe Blutergüsse, 
die man bei der sofort nach eingetretenem Tode vorgenommenen Section 
findet. Das Blut hat sich ergossen, sich flächenhaft in unregelmässiger 
Form ausgebreitet, wo es gerade Platz findet. 

Betrachtet man dagegen Blutgiftblutungen — als solche müssen 
wir auch die bei unseren Thieren gesehenen auffassen —, so findet man 


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Übeb die chronische Sdefitvergiftung. 


143 


ganz andere Verhältnisse: ganz bestimmte Abschnitte des Laugengewebes 
sind befallen. Die Oberfläche einer solchen Lunge — so auch bei unseren 
Versuchen I, 1 und 2 — sieht aus wie die mit secundär-syphilitischen 
Ausschlägen bedeckte Haut eines Menschen; regelmässig umgrenzte, meist 
kreisförmige, häufig kupferfarbene (alte) Flecken zeigen sich. Ueberall, 
auch an anderen Organen erkennt man, dass jene blutigen Stellen längere 
Zeit ihrer Gestaltung gebraucht haben und oft viele Tage und Wochen 
alt sind — also nicht durch den Act der Tödtung verursacht sein können. 

In den Blutungen der inneren Darm wand erkennt man, wie Herr 
Dr. Biberfeld im Breslauer pharmakologischen Institut fand, öfters, zu¬ 
weilen schon mit blossem Auge oder doch mit Hülfe einer Lupe, dass in 
der Mitte der Blutung eine Arterie sich befindet, die durch ein kleines 
eingeschwemmtes Blutgerinnsel verstopft ist; rückwärts, d. h. stromaufwärts 
ist etwas Blut in der Arterie, dagegen ist sie stromabwärts leer; um sie 
herum hat sich in Venen und Capillaren eine Blutanschoppung ausgebildet, 
die zu blutiger Infiltration des Gewebes geführt hat. — Man sieht, das 
sind Dinge, die beim Verbluten nicht Vorkommen können. 

Somit ist sicher, dass die an unseren Hunden erhobenen Befunde 
nicht durch die Art der Tödtung herbeigeführt sind. 

Wir sind nach dem soeben Mitgetheilten wohl berechtigt, die von uns 
beobachteten Organveränderungen als Folgen der Sulfitdarreichung 
aufzufassen, und dies um so mehr, als die geschilderten Schädigungen 
vollkommen identisch sind mit den Befunden, welche der Eine von uns 
in der mehrfach erwähnten Arbeit bei gleichsinnig angestellten Versuchen 
bereits früher an zwei Hunden festgestellt hatte. 

Nicht unwichtig]ist auch das Verhalten der beiden trächtigen 
Hündinnen. Bedenkt man die günstigen hygienischen Bedingungen, 
die im Uebrigen — abgesehen vom Sulfit — vorzügliche Nahrung, und 
nimmt man hinzu, wie selten es vorkoramt, dass eine Hündin „verwirft“, 
so ist die Zahl von zwar nur zwei Fällen mit 100 Procent Erfolg, der 
voiausgesagt und erwartet wurde, subjectiv ausreichend beweisend. Im 
Hinblick auf die bezüglich der schwangeren Frauen in der Litteratur über 
Sulfitwirkung bereits vorhandenen Angaben siehe oben. 

Auch die in anderer Weise (subcutane Darreichung) und auch an 
anderen Thieren (Kaninchen) angestellten Sulfitvergiftungen hatten in den 
früheren Versuchen 1 eine Blutgiftwirkung der schwefligsauren Salze er¬ 
geben, als deren Folge in den Organen dieselben pathologischen Ver¬ 
änderungen auftraten, wie wir sie auch jetzt wieder bei unseren Hunden 
sahen. Diese früheren Versuche sind von gegnerischer Seite ebenfalls 


1 Kionka, Diese Zeitschrift. Bd. XXII. 


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144 


H. Kionka und L. Ebstein: 


angegriffen worden. Besonders wurde die Richtigkeit eines Versuches 
bezweifelt, in welchem ein 1850 *™ schweres Kaninchen mittels Schlund- 
sonde 4*0«™ Natrium sulfurosum in etwa 10 procent. Lösung in den 
Magen erhalten hatte. Das Thier war nach 4 Stunden todt und zeigte 
bei der Obduotion zahlreiche Hämorrhagieen und andere pathologische 
Veränderungen in verschiedenen Organen. Demgegenüber theilt Lebbin 
in seinen Publicationen gleichsinnig angestellte Versuche mit, welche ein 
gänzlich abweichendes Resultat ergaben. So schildert er u. a. folgenden 
Versuch: 

Kaninchen, 1440 *™ schwer, erhält innerhalb 40 Tagen 12 Mal je 10*™ 
Natriumsulfit in 30 * rm Wasser gelöst, also eine 25 procent. Lösung mittels 
Schlundsonde in den Magen. Das Thier nahm während der Versuchszeit 
im Ganzen 99 ab, zeigte aber sonst nicht das geringste Vergiftungs¬ 
symptom. Alsdann wurde das Thier erschlagen. Bei der Obduction 
waren alle Organe „von ganz normaler Beschaffenheit“. 

Aehnlich lauten noch einige andere Versuchsprotokolle Lebbin’s. 

Wir stellten daher noch eine Reihe verschiedenartig modificirter 
Kaninchenversuche in diesem Sinne an. Wir gaben normalen Thieren 
von ca. 1500*™ Körpergewicht je 10*"“ Natriumsulfit in 10-, 15-, 20- und 
25procent. Lösungen mittels Schlundsonde in den Magen. Doch stets 
waren die Thiere nach der ersten Dosis bereits nach 20, 
spätestens 50 Minuten todt. In den Organen fanden sich schwere 
pathologische Veränderungen. 

Folgender Versuch möge als Beispiel dienen: 

Protokoll. 

Kaninchen K.-G. 1450*™, erhält 12 Uhr 10 Min. 10*™ Natr. sulfuros. 
puriss. crystall. (Merck) in 50 ce,n Wasser gelöst mittels Schlundsonde in 
den Magen. 

12 Uhr 30 Min.: Das Thier ist schwach, sitzt still da, der Kopf ist 
auf den Boden gesunken. 

12 Uhr 31 Min.: Plötzlich springt das Thier auf und stürzt hin, gleich 
darauf ein zweiter Sprung. , 

12 Uhr 32 Min.: Das Thier liegt auf der Seite und sucht vergeblich 
sich aufzurichten. — Athmung nicht wahrnehmbar, Herzschlag noch schwach 
zu fühlen. 

12 Uhr 34 Min.: Das Thier ist todt. 

Obduction sofort vorgenommen. 

Lungen: Stark blutreich, sonst aber anscheinend normal. 

Herz: In der Musculatur der Vorderwand des rechten Ventrikels nahe 
dem Septum (schon von aussen sichtbar) zwei kleine strichförmige dunkle 
Blutungen. 

Magen: Schleimhaut stark geröthet, einzelne Partieen voller punkt- 
und strichförmiger frischer Blutungen, die lebhaft roth von der stark irgi* 


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Über die chronische Sdlfitverqifttjng. 


145 


cirten frischrosafarbenen Umgebung hervortreten. Die Schleimhaut löst sich 
leicht von der Muscularis ab. 

Darm: Im ganzen Dünndarm, der mit stark wässerigem Inhalt gefüllt 
ist, erscheint die Schleimhaut sammetartig geschwollen und durch Injection 
der kleinsten Gefässe stark geröthet. Die Mesenterialgefässe sind stark 
gefüllt, die Darmwand auch des Dickdarmes ist stark hyperämisch. 

Leber: Hyperämisch, etwas weich, sonst ohne Besonderheiten. 

Nieren: Geschwollen; ihre Oberfläche ist dunkelblauroth und zeigt 
zahlreiche kleine hirsekorngrosse, runde, blasse Flecke. — Auf dem frischen 
Schnitt hebt sich die Grenzschicht durch einen hellen Rand gegen die dunkel- 
blaurothe Rindenzone ab. Das Mark ist ebenfalls röther als in der Norm 
und zeigt entsprechend der Markkegelzeichnung dunkelrothe Streifung. 

Mikroskopische Untersuchung. 

Stückchen von Myocard, Leber und Niere werden in 10 procent. Formol, 
Alkohol von aufsteigender Concentration gehärtet und nach Durchgang durch 
Aetheralkohol in Celloidin eingebettet. Mikrotomschnitte werden mit 
Hämatoxylin-Gage allein und mit Hämatoxylin-Gage und van Gieson-Lösung 
gefärbt. 

Befund. 

Herzmuskel: Unter dem welligen, mit van Gieson leuchtendroth 
getärbten Endocrad sieht man strich- und streifenförmige zwischen Endocard 
und den obersten Muskelschichten liegende Blutungen. Das Endocard dar¬ 
über ist intact, zeigt keine thrombotischen Auflagerungen oder Aehnliches. 
Die Herzmuskelfaser selbst ist intact; nichts von degenerativen Vorgängen. 
Die subendocardialen Blutungen reichen nur wenig tief in die Musculatur 
hinein. Nur wenige zarte Linien extravasirten Blutes lassen sich nach der 
Tiefe hin ins Myocard verfolgen. 

Leber: Zeigt normale Zellen. Blut- wie Gallengefässe ohne Besonder¬ 
heit; nirgends Blutungen. 

Nieren: In der Rinde zahlreiche frische Blutungen in und um einige 
Glomeruli sowie in manchen geschlängelten Canälchen. Die Extravasate 
sind an vereinzelten Stellen intracapsuläre Glomerulusblutungen, die die 
Gefäs8schlingen von der Bowman’schen Kapsel abtrennen oder die Capillaren 
selbst umgeben und durchsetzen. Das Epithel der Tubuli ist nicht allent¬ 
halben kernhaltig. In den Tubulis rectis erscheinen die Blutungen als grad¬ 
gestreckte orangerothe Streifen. In der Rinde sehr vereinzelte Kleinzellen¬ 
infiltrationen, meist um durchblutete Glomeruli (Taf. YU, Fig. 4). 

Hiermit sind also auch diese Angaben Lebbin’s widerlegt. 

Das gleiche Resultat wie die unserigen zeigen auch neuere Versuche, 
welche im Kaiserlichen Gesundheitsamt an Kaninchen angestellt wurden 
und deren in der technischen Begründung zum Bundesrathsbeschluss vom 
18. Februar 1902 Erwähnung geschieht. 

Durch unsere neuen Untersuchungen sind also die früheren Befunde 
über die Blutgiftnatur der schwefligsauren Salze vollkommen bestätigt 
bezw. ergänzt worden. Ebenso bleibt die von dem Einen von uns bereits 

Zeitschr. t Hygiene. XLI. 10 

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146 H. Kionka und L. Ebstein: Übeb Sulfit Vergiftung. 


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vor 6 Jahren in dieser Zeitschrift ausgesprochene Behauptung zu Recht 
bestehen, dass das schwefligsaure Natron bezw. das Präservesalz. 
auch wenn es nur in den üblichen Mengen als Conservirungs- 
mittel dem Fleische zugesetzt wird, bei länger fortgesetztem 
Genüsse bei Hunden schwere Blutgiftwirkungen hervorruft 

Darüber, wie weit es statthaft sei, diese an Hunden gewonnenen 
Resultate auf den Menschen zu übertragen, ist in der früheren Arbeit 
bereits ausführlich gesprochen worden. Es sei hier darauf verwiesen. 1 
Jedenfalls kommt man bei solchen Ueberlegungen zu dem Schlüsse, dass 
es höchst unwahrscheinlich wäre, wenn sich der Mensch den schweflig¬ 
sauren Salzen gegenüber anders verhielte als der Hund. Es ist daher 
mit grosser Freude zu begrüssen, dass der damals 3 ausgesprochene Wunsch: 
„dass in Zukunft überhaupt die Anwendung der schweflig¬ 
sauren Salze als Fleischconservirungsmittel behördlicherseits 
gänzlich zu verbieten sei“, jetzt erfüllt ist. Der Bundesrath hat in 
den Ausführungsbestimmungen zum Fleischbeschaugesetz vom 18. Februar 
dieses Jahres ein bündiges Verbot in diesem Sinne erlassen. Dasselbe 
tritt am 1. October 1902 in Kraft. 

1 Siehe auch Kionka» Deutsche med. Wochenschrift. 1902. Nr. 6. — Aerzll 
Sachverständigenzeitung. 1902. Nr. 4. 

* Diese Zeitschrift. Bd. XXII. S. 388. 


Zusatz während der Correctur: Durch Zufall kommt uns ein 
Exemplar der „Medicinischen Woche“ vom 17. März d. J. in die Hände. 
Darin befindet sich ein Aufsatz 1 von Lebbin u. Kallmann: „lieber die 
Giftigkeit des Präservesalzes“, eine Erwiderung auf meinen oben erwähnten 
Aufsatz in der „Deutschen medicinischen Wochenschrift“. Die sachlichen 
Einwendungen finden in dem oben Gesagten ihre Erledigung; auf die 
persönlichen Verdächtigungen, die in dieser Arbeit enthalten sind, ein¬ 
zugehen, habe ich natürlich keine Veranlassung. 

1 Dieser Aufsatz von Lebbin und Kall mann ist, wie aus einem Satze fc 
Artikels hervorgeht, ursprünglich der Deutschen med. Wochenschrift zur Veröffent¬ 
lichung übergeben, von der Redaction derselben jedoch zurückgewiesen worden. 


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UMIVERSITY OF CALIFORNIA 



[Aas dem Institut für Infectionskrankheiten zu Berlin.] 
(Director: Geb. Med.-Rath Prof. Dr. R. Koch.) 


Ueber die Entstehung der Neuerkrankungen an Malaria 
während des Frühjahres und Sommers unserer Breiten. 

Von 


Dr. Erich. Martini, Marinestabsarzt, 

commandirt xum Könlgl. Institut für Infektionskrankheiten. 


(Hieran Taf. YIII u. IX.) 


Während der Malariaexpedition des Jahres 1899 stellte Geheimrath 
Robert Koch in Grosseto durch eingehende Beobachtungen fest, „dass der 
plötzliche Anstieg der Malaria regelmässig erfolgt, etwa 3 Wochen nachdem 
die Maximaltemperatur 27° G. dauernd erreicht oder überstiegen hat.“ 1 
Gleichzeitig fand er, dass hei diesem Grad der Maximaltemperatur die 
Temperatur iu geschlossenen Räumen von gewöhnlicher Construction auch 
Nachts auf 24 bis 25° C. sich hält, also auf einer dauernden Höhe, bei 
der Proteosomakeime in den Mücken noch zur vollen Entwickelung kommen; 
er schloss daraus, dass auch die den Proteosomen verwandten Parasiten 
der menschlichen Malaria in den Mücken erst bei dieser Temperatur¬ 
periode zur vollen Entwickelung gelangen, zumal da Sichelkeime in den 
Giftdrüsen der in der kalten Periode gefangenen Anopheles sich niemals 
feststellen Hessen, während sie in der genannten heissen Zeit mehrfach 
dort angetroffen wurden. Koch vertheilte nun die erwähnten Wochen 
mit Rücksicht auf die Entwickelung der Malariaparasiten in der Mücke 


1 Erster Bericht über die Thätigkeit der Malariaexpedition von Prof. Dr. R. Koeli f 
Geh. Med.-Rath. Deutsche med. Wochenschrift. 1899. Nr. 87. S. 10 des Sonderabdr. 

10 * 


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Erich Martini: 


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and mit Rücksicht auf ihre Vermehrung in den neuinficirten Menschen 
bis zum Fieberausbruche in der Weise, dass er etwa 10 Tage auf die 
erstere und etwa ebenso viele auf die letztere rechnete, eine Einteilung, 
die ohne Kenntniss der Parasiten seinerzeit von Wenzel 1 zu Wilhelms¬ 
haven für das dortige, damals sogenannte Miasma der Malaria in ähn¬ 
licher Weise vorgenommen wurde. 

Diese Beziehung des Anstieges der Malariacurve des südlichen Europas 
zur Zeit der dauernd höchsten Maximaltemperatur wird sofort deutlich 
beim Betrachten des Beispiels von Rom in den Jahren 1892 bis 1896 
(vgl Tab. I, Taf. VIII). Die Curve des monatsweisen Zuganges sinkt vom 
Januar mit geringen Unterbrechungen bis Juni zum Minimum und erhebt 
sich dann steil, erreicht im August das Maximum und fällt dann ziemlich 
steil zum Minimum ab. Gleiche Beschaffenheit zeigen die Malariacurven 
der anderen südeuropäischen Länder. 2 - 3 4 * "• * Verschieden hiervon gestalten 
sich die Malariacurven in Deutschland, so die von Dithmarschen aus 
den Jahren 1842 bis 1863 (vgl. Tab. II, Taf. VIII). Auf dieser findet 
ein ziemlich steiler Anstieg bereits von Februar bis Mai statt, Abfall bis 
Juli, dann ein zweiter Anstieg bis September und schliesslich ein Abfall 
bis December zum Minimum (Dose 6 ). 

Noch anders stellt sich die Malariacurve von Leipzig in den Jahren 1832 
bis 1865 (vgl. Tab. III, Taf. VIII); vom Januar ab Anstieg, steiler im 
März, April, Mai; in letzterem Monat Maximum, von da ab ziemlich 
schroffer Abfall zum October bis nahezu an das Minimum (Thomas 6 ). 

Aehnlich, nur einen Monat später das Maximum erreichend, sind die 
Malariacurven des I. und V. Armeecorps aus den Jahren 1884 bis 1888; 
vgl. Tab. IV und V, Taf. VIII (Grawitz 7 ). 

Die nahezu gleiche Art der Malariacurve ergiebt sich auch in den 
folgenden 10 Jahren für die Armee, und zwar für die gesammte preussische 


1 Carl Wenzel, Die Marschfieber. Sonderabdruck der Prager Vierteljahr*- 
Schrift für die prakt. Heilkunde. 1870. Bd. IV. S. 28. 

* Regio commissariato degli ospedali riuniti di Roma. Statistica sanitaria deW 
anno 1896 . Roma 1877. Tavola 27. 

* Francesco Scalzi, La meteorologia in rapporto alle febbri malariche e alle 
flogosi polmonali. Studiato negli ospedali di santo spirito e del laterano nelV anno 1878. 
Roma 1878. Curventafel am Schluss, die unserer Tab. I, Taf. VIII völlig entspricht. 

4 Georg Mayer, Zur Epidemiologie der Malaria. Deutsche militär-ärztliche 
Zeitschrift. XXIX. Jabrg. 1900. S. 509. 

* Hirsch, Historisch-geographische Pathologie. Stuttgart 1881. S. 175. 

* Thomas, Ergebnisse aus Wechselfieberbeobachtungen. Archiv der Heilkunde. 
1366. Bd. VII. S. 234—237. 

7 Grawitz, Zweiter epidemiologischer Beitrag zur Frage der Malariaiufection. 
Berliner klin. Wochenschrift. 1900. Nr. 24. S. 521—522. 


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Neuebkbankungen an Malaria. 


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Armee, die beiden sächsischen und das württembergische Armeecorps 1 , 
sowie in den Jahren 1874 bis 1896 für die gesammte bayerische Armee 2 * ; 
vgl. Tab. VI und VII, Taf. VIII (Georg Mayer). 

Diese besonders geformten Malariacurven Deutschlands machten viele 
Beobachter in der Beurtheilung der Thatsache der „Malariaübertragung 
durch Moequitos“ stutzig; der Frühjahrsanstieg der Malariacurve, ihre 
Akme im Frühsommer zu einer Zeit, in der die Aussentemperatur zur 
Reifung der Malariaparasiten in den Anopheles noch längst nicht reichte, 
das liess sich nicht ohne Weiteres mit den seitherigen Beobachtungen in 
Einklang bringen. 

Robert Koch suchte den Grund für dies eigenartige Verhalten der 
deutschen Malariacurven aus besonderen Lebensbedingungen der Menschen 
in Mittel- und Nordeuropa zu erklären, aus dem künstlichen heissen Klima, 
welches die Heizung des Winters und Frühjahres in den Wohnungen hervor¬ 
ruft, in denen und unter denen, z. B. in Kellern, der Anopheles über¬ 
wintert; in den ersten warmen Tagen, gewöhnlich zuerst im März 8 , ver¬ 
lassen die Anopheles ihre Schlupfwinkel in Kellern und Scheunen; Abends 
flüchten sie sich dann in die warmen Stuben; hierselbst finden sie in den 
Malariagegenden Recidivkranke vor, stechen diese und verkriechen sich 
dann in den warmen Räumen, gewöhnlich an der Decke, in der Nähe 
des Ofens; dort gelangen die eingesogenen Malariaparasiten zur völligen 
Reifung; die alsdann stechenden Anopheles erzeugen nunmehr Malaria. 
Diese Erläuterung giebt ohne Zweifel Aufschluss über das Verhalten der 
deutschen Malariacurven im Einklang mit der Entwickelung der Parasiten 
im Anopheles. 

Da fand sich jedoch eine Malariacurve Deutschlands, die von allen 
anderen durchaus abwich und sich eng der südeuropäischen näherte, die 
Curve der durch Wenzel 4 beschriebenen Malariaepidemie von Wilhelms¬ 
haven am Jadebusen. Die Curve bezieht sich auf das erste Jahrzehnt 
nach Wilhelmshavens Gründung (1860 bis 1869), eine für die junge Stadt 
sehr ernste Epoche, die, wohl nur wenigen noch in Erinnerung, der Ver¬ 
gessenheit entrissen zu werden verdient. In welcher Schwere und Aus¬ 
dehnung damals die grösstentheils in improvisirten Wohnungen lebenden 
Einwohner, namentlich die Hafenarbeiter, von der Malaria heimgesucht 
wurden, darüber giebt die Arbeit von Wenzel genauen Aufschluss. Ein 

1 Sanitätsberichte über die Königl. preuss. Armee, das XVI. und XIX. (1. u. 
2. Kgl. sächs.) und dem XIII. {Kgl. württbg.) Armeecorps 1889 — 98. 

* Georg Mayer, a. a. O. S. 501 ff. 

* H. J. M. Schoo, Arte te Krommenic. „Malaria in Krommenie“. Nederl, 
Tijdsckrift voor Geneeskunde. 1902. L Nr. 10. S. 509. 

4 Wenzel, a. a. 0. 


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Ebich Martini: 


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ungefährer Begriff von dieser gewaltigsten Epidemie unserer Breiten er¬ 
wächst schon aus der Erwähnung der Thatsache, dass in den ersten 
10 Jahren nach Gründung der Jadestadt insgesammt 19533 Malaria¬ 
erkrankungen gezählt wurden. Die anliegende Curve des monatlichen 
Zuganges in den Jahren 1860 bis 1869 zeigt nun .folgende Einzelheiten, 
Minimum im Februar, nur geringe Erhebung bis Mai, geringen Abfall 
bis Juli, dann steilen Anstieg im August, September, das Maximum in 
letzterem Monat, darauf Abfall zum October, steil im November, December 
(vgl. Tab. VIII, Taf. VIII). 

Den Grund für dieses eigentümliche Verhalten zu erforschen, wurde 
ich, seit Ende Juli 1901 mit der Verhütung eines Malariaausbruches zu 
Wilhelmshaven gelegentlich der neuesten Hafen bauten betraut, von Geheim¬ 
rath E. Koch beauftragt. 

Von der Koch’schen Beurteilung der deutschen Malariacurven aus¬ 
gehend, hatte ich festzustellen, wie die Wohnverhältnisse in den damaligen 
Malariahäusern und wie sie in den heutigen lagen. Die Feststellungen 
wurden durch mich und die zu meiner Unterstützung commandirten 
Herren, Marinestabsarzt Dr. Schmidt I und später Marine-Oberassistenz¬ 
arzt Dr. Fischer, gemacht. 

Hinsichlich der anliegenden Wilhelmshavener Malariacurve von 1860 
bis 1869 ergab sich, dass die Arbeiter grösstenteils in strohgedeckten, 
einen Bodenraum entbehrenden ungeheizten Baracken untergebracht waren; 
es war nur ein Raum von etwa 3 ra Höhe darin vorhanden. Die Anopheles, 
die in den warmen Frühlingstagen ihre Schlupfwinkel verliessen, fanden 
hier nicht die zur Reifung etwa in ihnen vorhandener Malariaparasiten 
nötige Wärme. Die Malariacurve erhielt ihr Maximum deshalb erst im 
Spätsommer, 20 bis 25 Tage nach andauerndem Maximuiq der Aussen- 
temperatur, wie in den südeuropäischen Malariagegenden. 

Die Verhältnisse in den heutigen Malariahäusern hingegen erwiesen 
sich grundverschieden von den damaligen. Die Häuschen, mit Bodenraum 
versehen, wodurch der Temperaturaustausch behindert, die Wärme mehr 
zurückgehalten wird, hatten in ihren Zimmern zum Theil ganz auffallend 
hohe Wärmegrade; siehe die anliegende Tab. IX, (Taf. IX) für März 1902. 
Die Temperaturen wurden stets an der Decke des Hauptwohnraumes ge¬ 
messen; es war dies aus Sparsamkeitsrücksichten oft die Küche. In sämmt- 
lichen Häusern waren während des Frühjahres bezw. Sommers bezw. 
Herbstes 1901 Malariaerkrankungen vorgekommen. In mehreren der 
Häuser wurden während des ganzen Winters von Zeit zu Zeit Anopheles 
gefunden und zwar nur in den Kellern; so brachten Einwohner noch im 
December 1901, Januar 1902 gleichzeitig mit ihrer Krankmeldung Ano¬ 
pheles, zwischen Löschpapier gepresst, zu ihrem behandelnden Arzte, 


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Neukrkrankungen an Malaria. 


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Dr. Gellhaus, der sie alsdann unserer Untersuchungsstation für Malaria 
zuschickte; die Bevölkerung war durch Vorträge und Zeitungsnotiz über 
die Bolle der Anopheles bei der Malaria von mir unterrichtet. Die 
Anophelessendungen der Leute liessen während des Februar und März 
nach, zu einer Zeit, in der wir die Anopheles noch in Kellern vereinzelt 
nachweisen konnten. Anopheles aus Wohnräumen erhielt ioh erst wieder 
am 9. April 1902, und zwar aus dem Hause Schlosserstrasse 13 (Praxis 
Dr. med. Meier); siehe Tab. IX (Taf. IX). Aus Angst vor Ansteckung hatte 
so mancher Einwohner die Anopheles in Kellern und Scheunen aus- 
geräuchert; es kamen deshalb nur verhältnissmässig wenige Anopheles zur 
Untersuchung; bei den in Kellern gefangenen wurden, wie nach der 
niederen Temperatur dieser Bäume anzunehmen war, keine Malaria¬ 
parasiten gefunden, ebensowenig aber auch in den vereinzelten aus den 
Wohnräumen stammenden. • 

Indess es liegen Beobachtungen vor, die unter den in der Tab. IX 
(Taf. IX) gegebenen Temperaturverhältnissen in einem unter dem nahezu 
gleichen Breitengrade liegenden holländischen Städtchen, dem Orte 
Krommenie, an inficirten Anopheles gemacht wurden. Dortselbst stellte 
Dr. Schoo 1 , der unter den zahlreichen, von ihm in der Wohnung ge¬ 
fangenen Anopheles etwa 1*5 Procent als inficirt nachwies, experimentell 
fest, dass in frisch inficirten Anopheles die Malariaparasiten nach 12 Tagen 
zu Sichelkeimen entwickelt waren, sobald die betreffenden Insecten nur 
unmittelbar nach der Infection 2 Tage lang in einer Temperatur von 
25° C. gehalten wurden, selbst wenn nach diesen 2 Tagen die Temperatur 
auf 22 bis 10° C. absank; bei einer Dauertemperatur von 18° C. wurde 
für die Parasiten im Anopheles eine Entwickelungszeit von 18 Tagen und 
bei einer Dauertemperatur von 30 °C. eine Entwickelungszeit von 10 Tagen 
gefunden.* 

Mindestens eine der drei genannten für die Entwickelung der Malaria¬ 
parasiten günstigen Möglichkeiten lag — mit Ausnahme des Hauses 
Tischlerstrasse 2 — in allen genannten Häuschen vor; ja, es kam in 
einem (Jeversche Strasse 1) sogar zu Temperaturziffern, wie sie wohl kaum 
höher im heissen Sommer erreicht werden. Ueberdies konnte ich Folgendes 
feststellen: selbst während Frostwetters (—6-5° C.) hierher gesandte 
Wilhelmshavener Anopheles, unmittelbar nach ihrer Ankunft mittels feiner 
Pineette auf meinen Arm gesetzt, stachen alsbald; ein Theil von ihnen 
sog auch sofort Blut; andere führten innerhalb der nächsten 10 Minuten 


1 H. J. M. Schoo, a. a. O. S. 510. 

1 H. J. M. Schoo, Arte te Krommenie. Over Malaria. Nederl. Tijdschrift voor 
Geneeikunde. 1901. II. Nr. 24. S. 1343. 


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Eeich Martini : Neuebkbankungen an Maeabia. 


erst etwa zwei bis sieben — stets Quaddeln veranlassende — Stiche aus, 
ehe sie mit dem Sangen einsetzten. Bei Zimmertemperatur, etwa 20° C. 
gehalten, wiederholten sie das Blutsaugen etwa alle 4 Tage bis zum Eier¬ 
legen, zu dem es schliesslich nach 14 bis 21 Tagen kam, — so dass bei 
etwaigem Vorhandensein von Malariarecidiven und Anopheles dem Aus¬ 
bruche einzelner Hausepidemieen — im kalten Frühjahr (siehe die an¬ 
liegende Curve der Aussentemperatur 1 im März 1902 auf Tah.X (Taf. IX), 
mehrere Monate vor der andauernden maximalen Sommertemperatur — 
nichts im Wege stand. 

In der That sind denn auch bereits drei Tertiana-Neuerkrankungen 
in zwei gleichartigen, den auf Tab. IX (Taf. IX) bezeichneten unmittelbar 
nahe gelegenen (siehe Lageplan) Häuschen aufgetreten, hei zwei Schwestern 
im Alter von 15 hezw. 5 1 /* Jahren, Jeversche Strasse 15, am 24. Mäiz 
bezw. 6. April 1902 und bei einem Mädchen im Alter von 13 Jahren, 
Schmiedestrasse 21, am 11. April 1902. Aus letzterem Hause wurden zwei 
frisch in der Wohnstube getödtete Anopheles am 12. April und einer, der 
Blut gesogen hatte, am 14. April 1902, aus ersterem Hause vier lebende 
Anopheles, die ebenfalls voll Blut gesogen waren, am 14. April 1902 durch 
Marine-Oberassistenzarzt Dr. Fischer eingesandt. Die Infectionsherde, 
von denen die übertragenden Anopheles das inficirte Blut beziehen konnten, 
boten sich in den nahe wohnenden — siehe Lageplan — Recidivkranken 
vom Herbst 1901. 

So lässt sich also auch das Frühjahrsmaximum der Malariacnrve an 
der Hand obiger Beobachtungen in unserem vermittelst Heizung wannen, 
künstlichen Winterklima der Wohnungen ungezwungen durch die Ver¬ 
mittelung der Anopheles erklären. 

1 Für die freundliche Uebcrlassung der Temperaturziffern des Observatoriums 
zu Wilhelmshaven sage ich den HHr. Admiralitätsrath Prof. Dr. Borgen und 
Assistenten Dr. Stück ergebensten Dank. 

* Gelegentlich der Durchsicht der Correctnrbogen, am 27. VI. 1902, habe ich 
mitzutheilen, dass in der Nähe der Häuser obiger Rccidivkranken inzwischen (bis 
zum 17. VI. 1902) weitere 14 Malaria-Neuerkrankungen zngingen und als solche 
mikroskopisch festgestellt worden. 


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[Aus dem Institut für Infectionskrankheiten in Berlin.] 
(Directon Geh. Med.-Rath Prof. Dr. R. Koch.) 

Beschleunigung und Sicherung der Pestdiagnose 
in zweifelhaften Fällen. 

Von 

Dr. Erich Martini, Marinestabsarzt, 

oommmndirt xum Institut für Infectl onskrankheltsn. 


Die von der österreichischen Pestcommission 1897 angegebene Methode, 1 
durch Verreiben pestverdächtigen Materials auf der rasirten Bauchhaut 
Meerschweinchen mit Bubonenpest tödtlich zu inficiren, leistet zur Zeit 
für die Diagnosestellung der Pest in zweifelhaften Fällen unstreitig das 
Beste; sie führt beim Vorhandensein selbst sehr vereinzelter Pestkeime 
wohl stets zum Ziele, indem, wie Kolle dies treffend ausdrückt, in der 
Bauchhaut eine „Anreicherung der Pestbakterien“ stattfindet, letztere all¬ 
mählich in den Lymphstrom, die Leistendrüsen, dann in’s Blut gelangen 
und schliesslich die Thiere an Pestsepticämie oder auch Pestpneumonie 
— je nachdem die Pestkeime ihre Hauptentwickelungsstätte wählen — 
tödten. Beim Tode so inficirter Thiere werden dann die polgefärbten 
Bakterien in den Bubonen der Leistenbeuge und in allen inneren Organen 
durch das gefärbte Präparat festgestellt; gewöhnlich finden sie sich dabei 
besonders zahlreich in der Milz und, wenn die Thiere mit den Erschei¬ 
nungen einer secundären Pneumonie starben, unter Umständen in den 
befallenen Lungenpartieen. Indes der Tod dieser Thiere, die — sei es 
mit Secreten von verdächtigen Kranken, Blut pestsepticämischer Kranker, 
bei denen keine Localerkrankung nachweisbar ist, oder faulem Leichen- 


1 Ueber die Beolenpest in Bombay im Jahre 1897. Gesammtherieht der Kaie. 
Akademie der Wueeneehaften zu Wien. Theil II c. S. 667. 


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Erich Martini: 


material — inficirt sind, tritt in der Regel nicht vor dem 4. bis 5. Tage 
nach der Infection ein, oft noch mehrere Tage später; und bei gerade 
avirulenter Pest erfolgt er, wie Kolle und ich dies mit einer unserer 
alten Pestculturen feststellen konnten 1 , überhaupt nicht. 

Im Hinblick auf die Folgen, die eine bis auf fünf und noch mehr 
Tage verzögerte Diagnose der Beulenpest oder gar eine Versäumniss dieser 
Diagnose haben kann, stellte ich mir die Aufgabe, eine Beschleunigung 
der Diagnose beim Vorhandensein vereinzelter Keime und eine Stellung 
der Diagnose selbst bei Anwesenheit von avirulenten Keimen, mit denen 
z. B. bei Auffindung todter fauler Ratten zu rechnen ist, zu erzielen. 
Ich ging hierbei von der cutanen Methode aus, inficirte Meerschweinchen 
auf diese Weise, wartete aber nicht ihren Tod ab, sondern versuchte die 
Pestbakterien aus dem lebenden, bereits erkrankten Thiere rein darzustellen. 
Vorversuche, die Keime aus dem Inhalt von Pestpusteln der Bauchhaut 
rein zu gewinnen, musste ich bald aufgeben, einmal, weil ich hierbei oft 
sehr viele Bakteriensorten in Ausstrichpräparaten wie Cultur erhielt, und 
dann vor allem deshalb, weil solche Pusteln in vielen Fällen überhaupt 
nicht auf traten. 

Weitere Vorversuche* bezogen sich darauf, zu erfahren, wie andere 
Bakterien bei dieser Infectionsweise auf das Meerschweinchen wirken, z. B. 
die der Schweinepest und insonderheit andere polgefärbte. Es wurden 
hierauf untersucht die Bakterien der Schweinepest, der Pseudotuberculose, 
Wildseuche, Schweineseuche, Hühnercholera. Die betreffenden Thiere 
wurden bereits am Tage nach der Infection auf Bubonen untersucht; 
beim Vorhandensein solcher wurde mit der Hohlnadel in den Bubo ein* 
gestochen und Saft mit der angesetzten Pravazspritze aufgezogen. Von 
dem gewonnenen Material wurden zuerst Ausstriche auf Agarplatten ge¬ 
macht und mit dem Rest Deckglaspräparate hergestellt. Dabei ereiguete 
es sich, dass unter neun mit Schweinepest (siehe Versuch I bis III) in- 
ficirten Thieren nur bei einem schon nach 24 Stunden geringe Drüsen¬ 
schwellung vorhanden war, dass im aufgezogenen Saft vereinzelte Bakterien 
sich zeigten und die beschickten Agarplatten, im Brütschrank von 37 0 C. 

1 Kolle and Martini, Ueber Pest. Deutsche med. Wochenschrift. 1902. Kr. 1 
bis 4. S. 3 des Separatabdruckes. 

* Vgl. hierzu „Versuche über Infection durch cutane Impfung bei Thieren" von 
Stabsarzt Dr. E. Pritsche, Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamte, Bd.XYUl. 
S. 453; die Arbeit ging mir erst während der Correctnr der mcinigen zu und konnte 
deshalb im Text keine Berücksichtigung finden. Sie beschäftigt sich im Allgemeinen 
mit demselben Thema wie meine Vorversuche und führt nur zu wenig abweichenden 
Ergebnissen. Schweinepest, Wildscuche und Pseudotuberculose sind nicht darin be¬ 
handelt, dafür aber viele andere Bakterienarten, wie die von Diphtherie, Milzbrand 
u. dergl. mehr. 


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Beschleunigung und Sicherung der Pestdiagnose. 


155 


gehalten, am nächsten Tage zahlreiche Colonieen lebhaft beweglicher 
Schweinepestbakterien aufwiesen. Alle Thiere mit Schweinepest hatten 
ein ausgedehntes Infiltrat der Bauchdecken, bei den meisten Thieren 
liessen sich Drüsenschwellungen nicht bestimmt abgrenzen, bei den wenigen 
anderen wuchsen sie, deutlich abgrenzbar, bis zu Erbsen-, in einem Falle 
Bohnengrösse und wurden erst dann in das sich stetig vergrössernde In¬ 
filtrat der Bauchdecken mit eingeschlossen; aus den Bubonen liessen sich 
die Schweinepestbakterien des Oefteren gewinnen. Schliesslich war die 
ganze Gegend vom Nabel bis zum Schambein ein einziges Infiltrat, bei 
zweien sogar bis weit über einen Hinterschenkel, wodurch dieser unbe¬ 
weglich wurde; bei einigen Thieren kam es zu tiefen Ulcerationen der 
Baachdecken. Nach 4 bis 12 Tagen gingen sieben von ihnen zu Grunde; 
zwei, schwerkrank, wurden 13 Tage nach der Infection getödtet. Bei der 
Obduction fanden sich ganz vereinzelte Bakterien im Herzblut, in der 
wenig vergrösserten Milz, und auch nur spärliche Bakterien in dem nur 
bei einem Falle noch deutlich vom Infiltrat abgegrenzten, etwa erbsen¬ 
grossen, hämorrhagischen Bubo. 

Unter den mit polgefärbten Bakterien inficirten Thieren traten 
nennenswerthe Drüsenschwellungen bei zweien mit Pseudotuberculose 
(siehe Versuch IV und V) auf, während eins der übrigen vier, mit gleioher 
Seuche inficirten keine, drei nur kleine, kaum hanfkorngrosse aufwiesen; 
bei dem einen der beiden erstgenannten zeigte sich nach 48 Stunden, bei 
dem anderen erst nach etwa 10 Tagen ein etwa bohnengrosser Bubo, und 
zwar in ganz besonderer Weise; die Bubonen, knorpelhart, lagen in durch¬ 
aus in filtratfreier U mgebun g, deutlich abgrenzbar; es liessen sich sogar mehrere 
etwa erbsengross geschwollene Lymphdrüsen einer Seite deutlich gegen 
einander verschieben. Polgefärbte Bakterien wurden im Präparat aus auf¬ 
gezogenem Bubonensaft bei allen 6 Thieren gesehen, indess stets nur ver¬ 
einzelt; die damit geimpfte Agarplatte ergab am nächsten Tage die Bak¬ 
terien der Pseudotuberculose. Das erste der beiden genannten Thiere 
verendete nach 17 Tagen; die inneren Organe boten die charakteristischen 
Veränderungen der Pseudotuberculose ; letztere enthielten ziemlich zahlreiche 
Bakterien der Pseudotuberculose, während solche in den bereits verkästen 
Bubonen nicht mehr nachzuweisen waren. Ebenso wenig gelang dieser 
Nachweis bei dem anderen Thiere, als es, 29 Tage nach der Infection, 
getödtet war, in. den ebenfalls bereits verkästen Bubonen dieses. Im 
Uebrigen erwiesen sich die inneren Organe dieses Thieres gesund, ebenso 
wie die der übrigen vier, die 30 bezw. 35 Tage nach der Einreibung ge¬ 
tödtet wurden. 

Unter sechs mit Wildseuche (siehe Versuch VI und VII) inficirten 
Meerschweinchen entstanden nach 2 Tagen bei einem Thiere ein erbsen- 


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Ebich Mabtini: 


grosser, bei einem zweiten nach 4 Tagen ein bohnengrosser Babo; bei 
beiden liessen sich die Wildseuchebakterien nur durch Cultur erweisen. 
Bei einem wurde ein bohnengrosser Bauchdeckenabscess beobachtet; Bak¬ 
terien liessen sich weder durch Deckglaspräparat, noch durch die Cultur 
in ihm feststellen. Die Bubonen gingen allmählich zurück. Die Thiere 
blieben sonst anscheinend sämmtlich gesund. Sie wurden schliesslich nach 
27 Tagen bezw. einem Monat getödtet. Bei den beiden ihrer Bubonen 
wegen erwähnten, die nach erstgenanntem Zeitraum getödtet wurden, 
konnten aus den bei der Obduction nur noch hanfkorngrossen hämorrhagi¬ 
schen Bubonen die Bakterien der Wildseuohe culturell noch nachgewiesen 
werden, während sie im Deckglaspräparat nicht gefunden waren. An den 
inneren Organen fehlten sonst bei allen sechs jegliche Krankheitszeichen. 

Unter vier mit Schweineseuche (siehe Versuch VIII) inficirten Meer¬ 
schweinchen liessen sich Bubonen zu Lebzeiten der Thiere nicht feststellen. 
Erst als sie, am 13. Tage nach der Einreibung — anscheinend im besten 
Wohlbefinden —, getödtet wurden, ergaben sich durch die Obduction bei 
dreien hanf korngrosse, hämorrhagische Leistenbubonen; in Deckglasabstrichen 
aus ihnen wurden keine Schweineseuchebakterien gesehen; erst die Züch¬ 
tung auf Agar brachte solche zu Gesicht. 

An sechs mit Geflügelcholera (siehe Versuch IX und X) inficirten 
Thieren wurden keine Bubonen gefunden, weder zu ihren Lebzeiten noch 
nach ihrer Tödtung, bei der Obduction. Ausser zwei, die je einen etwa 
erbsengrossen Bauchdeckenabscess aufwiesen, zeigte keins irgend welche 
Krankheitserscheinungen; es gelang nicht, Bakterien der Geflügelcholera 
in den Abscessen nachzuweisen. Die sechs Thiere wurden 7 bezw. 14 Tage 
nach der Einreibung getödtet; die Obduction ergab keinerlei krankhafte 
Veränderungen an den inneren Organen. 

Nach dem Gesagten fallen ohne Weiteres die Unterschiede dieser 
mitgetheilten Befunde von den der bei cutauer Pestinfection auftretenden 
in’s Auge, wie sie sich bei der Section zeigen, sowohl pathologisch ana¬ 
tomisch, in den ausgedehnten, hämorrhagischen primären Bubonen von 
meist nicht unter Bohnengrösse, im blutig-sulzigen Infiltrate der Umgebung, 
in secundären Bubonen, in der starken, mit Bildung grauweisser Knötchen 
einhergehenden Milzschwellung, den nicht seltenen Herden secundärer 
Pneumonie, als auch bakteriologisch, in dem sehr bedeutenden Bakterien¬ 
gehalt von Bubo, Milz, Leber, Herzblut bezw. auch etwaigen Lungen¬ 
herden, und in dem eigenthümlichen Aussehen der polgefarbten Bakterien, 
die, vielgestaltig, besonders häufig als Ring, sowie Geigenbogenformen, 
und zwar so gestaltet in ganz gewaltigen Mengen an den Organabstrichen 
auffallen. Ein derartiges Bild ist bisher von keiner anderen Meer- 
scliweiuchenkrankheit bekannt, als von der Pest. Das wichtigste Unter- 


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Beschleunigung und Sichebung deb Pestdiagnose. 


157 


scheidungsmerkmal liegt jedoch in dem Verhalten der künstlich gezüchteten 
Bakterien gegenüber dem uns .zur Verfügung stehenden, hoch agglutiniren- 
den Pariser Pestserum (Trockenpräparat). 1 Niemals wurde eine der ge¬ 
nannten Culturen, Schweinepest, Pseudotuberculose, Wildseuche, Schweine¬ 
seuche, Geflügelcholera — selbst bei Anwendung des reinen Pestserums — 
von diesem Präparate agglutinirt, während die Pestbakterien virulente, 
damit noch in Verdünnungen von 1:1000 = 0*001 oom des Serums + 1 Oese 
(2 mg) Pestcultur, avirulente, noch in Verdünnungen von 1:10000 = 
0*0001 ecm des Serums + 1 Oese Pestcultur, das typische Bild der speci- 
fischen Agglutination ergeben. 

Das Hauptaugenmerk erfordert indess für die vorliegende Aufgabe 
das erste Auftreten von Bubonen nach der cutanen Infection mit Pest. 

Bereits 24 Stunden nach Einreibung von virulenter Pestagarcultur 
(siehe Versuch XI) in die rasirte Bauchhaut traten bei einem von vier 
Meerschweinchen Stränge, Infiltrate und etwa erbsengrosse Bubonen in der 
hinteren Schenkelbeuge auf; die charakteristischen Bilder der Pestbakterien 
üessen sich in dem um diese Zeit mittels Pravazspritze aufgezogenen 
Bubonensaft durch das mikroskopische Präparat nur vereinzelt nachweisen, 
zahlreich jedoch schon in dem 48 Stunden nach Infection entnommenen, 
während nunmehr die Bubonen bei sämmtlichen 4 Thieren bereits Erbsen¬ 
grösse erreicht hatten, — so dass in dieser Zeit die Diagnose zu stellen 
war; 72 Stunden nach Infection waren dann noch Pestcolonieen mit 
typischem Doppelsaum auf einer am Tage nach der Einreibuug mit 
aspirirtem Bubonensaft geimpften Agarplatte gewachsen: die Agglutination 
mit dem Pariser Pestserum ergab einen Grenzwerth von 1 j 600 , d. h. eine 
Oese = 2 mg der Cultur wurden von 0*002 ccm Serum antipesteux noch 
agglutinirt, eine Bestätigung der Diagnose vom Tage vorher. 96 Stunden 
nach der Infection verendeten drei der Thiere, das vierte erst nach weiteren 
48 Stunden, so dass also bei drei die Diagnose „Pest“ durch das mikro¬ 
skopische Präparat bereits 48 Stunden, durch Cultur und Agglutination 
24 Stunden vor dem Tode gestellt werden konnte, während bei dem vierten 
nach Stellung der Diagnose mittels Präparats noch 96 Stunden, nach 
Sicherung derselben mittels Cultur und Agglutination noch 72 Stunden 
bis zu seinem Tode hingingen, — in jedem Falle ein Beweis erheb¬ 
lichen Zeitgewinnstes für die Diagnose. 

Aehnlich verlief ein Versuch (siehe Versuch XII) mit frischem Koth 
einer an Fütterungspest erkrankten Ratte, den Oberarzt Dr. Otto 2 Meer¬ 
schweinchen gelegentlich auf der rasirten Bauchhaut verrieb. Nach 


1 Rolle and Martini, a. a. 0. 


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158 


Ebich Martini: 


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48 Stunden wurden die charakteristischen Formen der Pestbakterien 
massenhaft in den Bubonensaftabstrichen gefunden; das eine Thier starb, 
auffallend früh, 72, das zweite 120 Stunden nach der Infection. 48 Stun¬ 
den vor dem Verenden des letzteren hatte auch hier die Diagnose ihre 
Bestätigung durch die Agglutinationsprobe erfahren. 

Ebenso schnell wurde nach dem Verreiben einer vergrösserten 
Bronchialdrüse (siehe Versuch XIII) von pestverdächtiger Batte auf Banch- 
haut zweier Meerschweinchen — mikroskopisch waren Pestbakterien in 
der Drüse nicht gefunden — die Diagnose aus Bubonensaft, mittels Pest- 
cultur und Agglutination gestellt, während die beiden Meerschweinchen 
erst 48 Stunden nach feststehender Diagnose verendeten. 

Auch aus dem 3 Tage faulenden Cadaver einer an Pest verendeten 
Ratte (siehe Versuch XIV) gelang es mittels der cutanen Methode, bei 
2 Meerschweinchen nach 48 Stunden die Pestbakterien zahlreich in dem 
Bubonensaft nachzuweisen. Zur weiteren Sicherung der Diagnose wurden 
mit Spuren dieses Bubonensaftes 2 Ratten intraperitoneal geimpft. Nach 
ferneren 24 Stunden war die typische Pestcultur gezüchtet, mit einem 
Agglutinationswerth von 1 I 750 des Pariser Pestserums (= 0*0013"” des 
Serums + 1 Oese Pestcultur). Am Tage nach dieser Feststellung ver¬ 
endeten gleichzeitig ein Meerschweinchen und die beiden mit seinem 
Bubonensaft intraperitoneal inficirten Ratten an Pestsepticämie, während 
der Tod des zweiten Meerschweinchens erst 48 Stunden nach dem Ver¬ 
enden dieser erfolgte. Die Pestdiagnose war hier also 48 Stunden vor 
dem Tode des ersten, 96 Stunden vor dem Tode des zweiten Thieres ge¬ 
stellt und hatte noch 24 bis 72 Stunden vor dem Tode der Thiere zwei¬ 
fache Bestätigung, durch Züchtung der typischen Pestcolonie mit Doppel¬ 
saum und durch Agglutination, gefunden. 

Schliesslich wurde noch ein Versuch mit einer für Ratten avirulenten. 
für Meerschweinchen wenig virulenten alten Pestcultur (siehe Versuch XV) 
gemacht, die, seit mehreren Jahren in unserem Eisschrank aufbewahrt. 
Meerschweinchen bei cutaner Infection erst nach mehreren Wochen, wenn 
überhaupt, tödtet; es wurden 3 Meerschweinchen cutan inficirt; bei einem 
dieser begann die Bildung eines erbsengrossen Bubos nach 2 Tagen, bei 
dem zweiten nach 3 und bei dem dritten nach 5 Tagen; es wurden 
immer nur vereinzelte polgefärbte Bakterien im Präparat des aspirirten 
Bubonensaftes gefunden; eine Cultur gelang einstweilen nicht; erst am 
7. Tage nach der Infection wuchsen Pestkeime, die am Tage vorher aus 
einem Bubo aspirirt und auf Platte verimpft waren, in typischer Weise; 
die Agglutination gelang noch mit Vsooo ccm des trockenen Pariser Serum¬ 
präparates. Die Thiere bekamen starke Infiltrate der Bauchdecken; eines 
starb 14 Tage nach der Infection; die Pestbakterien waren in den Bubonen 


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Beschleunigung und Sicherung der Pestdiagnose. 


159 


allmählich zahlreicher geworden. Bei der Obdnction fanden sich neben 
zahlreichen Pestbakterien in Leber, vergrösserter Milz, Bubonen, solohe 
besonders reichlich in Herden von secundärer Pneumonie. Die anderen 
beiden Thiere leben, in leidlichem Ernährungszustände, mit haselnuss¬ 
grossen Bubonen noch heute nach nunmehr 8 Wochen 1 , während die 
Pestdiagnose für die wenig virulente Cultur bereits seit 14 Tagen ge¬ 
stellt ist. 

Aus obigen Beispielen lässt sich ersehen, dass es wie mit faulen 
Leichentheilen, Excrementen, auch mit anderem pestverdächtigen Material, 
z. B. mit bakterienarmem, pestsepticämischem Blute eines ohne nachweis¬ 
baren localen Herd Erkrankten, auf dem geschilderten Wege gelingen 
wird, die Diagnose „Pest“ mindestens 24 Stunden vor dem Tode der mit 
derartigem Material behandelten Meerschweinchen zu stellen. Beim Vor¬ 
handensein schwachvirulenter Keime, wie sie z. B. durch Gotschlich 2 
im Sputum eines Lungenpest-Reconvalescenten am 76. Tage nach dem 
Krankheitsbeginne nachgewiesen wurden (Pestkeime, die so avirulent waren, 
dass sie ein Meerschweinchen bei intraperitonealer Infection erst nach 
8 Tagen tödteten, während bei solcher Infectionsweise mit virulenten 
Pestbacillen der Tod der Meerschweinchen in 24, spätestens 48 Stunden 
eintritt), oder, wie sie in längere Zeit liegenden Rattencadavem vorhanden 
sein können, in halbtrockenem Rattenkoth oder Materialien, die mit Koth 
verunreinigt sind, — wird die Diagnose hiermit auch dann noch er¬ 
möglicht, wenn die inficirten Thiere an Pest überhaupt nicht 
zu Grunde gehen sollten. 

Im Einzelnen stellt sich das ganze Verfahren wie folgt: 

1. Sorgfältiges Mischen des verdächtigen Materials mit der etwa 
dreifachen Menge Bouillon, so dass schwer verreibbare Theile nicht mehr 
vorhanden sind. 

2. Gründliches Verreiben des Gemenges auf der zwischen Rippen¬ 
bogen und Nabel rasirten Bauchhaut von 5 bis 6 Meerschweinchen mit 
Skalpellrücken; es muss etwa 5 bis 6 Mal davon aufgetragen und ver¬ 
rieben werden. Wird noch unterhalb des Nabels inficirt, so bildet sich 
nicht selten ein grosses Infiltrat, das die Bubonen mit einschliesst. 


* Gelegentlich der Durchsicht der Correcturbogcn füge ich hinzu, dass am 
30. Mai 1902 bei einem der Thiere ein Bubo von Erbsengrösse noch bestand, der 
sich spontan nach aussen geöffnet hatte und auf Druck einen Tropfen Eiter aus sich 
herauspressen Hess, während das andere keinerlei Lymphdrüsenschwellung mehr zeigte. 
Das Infiltrat der Bauchdecken war bei beiden gänzlich zurückgegangen. Heute, am 
6. Juni 1902, erscheinen beide Thiere völlig gesund. 

* Emil Gotschlich, Wochenlange Fortexistenz von Pestbacillen im Sputum. 
Diese Zeitschrift. 1899. Bd. XXXII. S. 404. 


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160 


Ebich Mabteni: 


8. 24 Stunden darauf Fühlen nach Bubonen, das täglich zu wieder¬ 
holen ist. Selbst bei hanfkorngrossen ist schon ein PunctionsYersuch 
mittels Pravazspritze zu machen. 

4. Aussäen des aufgezogenen Saftes in 

a) 1 bis 2 Agarplatten, — Platten, weil es sieh um die Feststellung 
des Doppelsaumes der erwarteten Pestcolonieen handelt, und 

b) in 1 bis 2 Agarröhrchen, — letztere, weil bei künstlicher Cultnr 
im Condenswasser der Röhrchen die Polfarbung der Pestbakterien sich 
am ehesten darstellen lässt 

c) Mit dem Rest des aufgezogenen Tropfens wird das Deckglaspräparat 
angefertigt. Genügt einmalige Punction für Cultur und Präparat nicht, 
so muss sie des Oefteren wiederholt werden. 

d) Es empfiehlt sich, falls zahlreiche polgefärbte Bakterien im Deck¬ 
glaspräparate gesehen sind, in jedem Falle nochmals aufzuziehen und mit 
dem aufgezogenen Inhalt der Hohlnadel 2 Ratten intraperitoneal zu in- 
ficiren; zu diesem Zwecke werden aber erst 2 ccm Bouillon durch die mit 
dem aspirirten Material gefüllte Canüle in die Spritze gesogen; von der 
nun entstandenen Mischung erhält jede Ratte je 1 00111 intraperitoneal 
eingespritzt. 

5. Erkennung der Pestculturen in der Plattenoolonie am Doppelsaum, 
im Agarröhrchen an den polgefarbten Bakterien des Condenswassers und 
vor Allem durch die Agglutination, sobald genügend Cultur vorhan¬ 
den ist. 

6. Untersuchung der eventuell verwendeten beiden Ratten; Fest¬ 
stellung der Pestbacillen in ihnen. Lebenbleiben der Ratten spricht nur 
gegen die Diagnose „virulente Pestkeime“, nicht gegen die „avirulente“. 

In der Anleitung sei schliesslich darauf aufmerksam gemacht, dass 
bei der Entnahme der Bubonenflüssigkeit nur scharfe Canülen zu ver¬ 
wenden sind. Beim Einstechen in den Bubo ist Vorsicht dringend ge¬ 
boten, damit Stiche mit inficirter Canüle in die den Bubo umfassenden 
Finger vermieden werden, Ereignisse, die für das Leben des Untersuchers 
verhänguissvoll werden können. 

Die eben geschilderte Methode wird m/. dem weiteren Verfahren zur 
Sicherstellung der Pestdiagnose, nämlich durch Platten-, Röhrchenoultur, 
Agglutination und Rattenimpfuug mittels des aus den Bubonen der Meer¬ 
schweinchen aufgezogenen Canüleninhaltes auf den ersten Blick umständ¬ 
lich erscheinen. Demgegenüber muss hervorgehoben werden, dass in Bezug 
auf die für ein Gemeinwesen, z. B. ein Schiff, eine Stadt, besonders für 
eine Hafen- und Handelsstadt, so bedeutungsvolle Diagnose der Beulenpest 
so peinlich als irgend möglich verfahren werden muss, und namentlich 
gilt dies bei Pestfällen, in denen die Diagnose nicht unmittelbar durch 


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Beschleunigung und Sicherung der Pestdiagnose. 161 


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XII. Versuch. Einreibung von Koth einer pestinficirten Ratte in <tye rasirte Bauchhaut von Meerschweinchen. 


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XIV. Versuoh. Einreibung von Milz eines drei Tage faulenden Rattenoadavers in die rasirte Bauchhaut 

von Meerschweinchen. 



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166 Ebich Mabtini: Beschleunigung u. Sichebung d. Pestdiagnose. 


das Deckglaspräparat oder alsbald durch Cultur oder durch Rattenimpfung 
gestellt werden kann; hierbei muss das Hauptgewicht darauf gelegt werden, 
dass die Entscheidung der Diagnose durch den cutanen Impfversuch an 
Meerschweinchen aufs Schnellste und Sicherste erfolgt; und das ermöglicht 
das Verfahren der Bubopunction, wie ich es vorschlage, um ein bis mehrere 
Tage früher, als wenn, wie bisher, der Tod der Thiere abgewartet wird; 
es führt sogar noch einen Schritt weiter, zur Feststellung wenig virulenter, 
nahezu avirulenter Pestkeime, — ein Ergebniss, durch das, unter Umstän¬ 
den, z. B. beim Vorkommen solcher Keime im Auswurf von Lungenpest- 
reconvalescenten oder in faulen Cadavern von Pestratten, erst ein genaues 
Urtheil in der folgenschweren Frage erzielt wird, ob eine Pestepidemie 
im Anzuge, ob eine bestehende bereits völlig erloschen ist, kurz, ob die 
Pestgefahr schon oder immer noch besteht. 


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Ueber die Desinfectionskraft der heissen Luft. 


Von 

Dr. Sohumburg, 

Obersubsant and Priratdooent ln Hannover. 


In dem ersten Band der Mittheilungen aus dem kaiserlichen Ge¬ 
sundheitsamt (1881) findet sich als Schlussergebniss der epochemachenden 
und eine neue Desinfectionslehre einleitenden Arbeiten Robert Koch’s 
und seiner Mitarbeiter Wolfhügel, Gaffky und Löffler über die des- 
inficirende Kraft der heissen Luft und des Wasserdampfes als auf¬ 
gezeichnet (S. 322), „dass die umfassenden Versuche, welche über die 
praktische Verwerthbarkeit heisser Luft zu Desinfectionszwecken angestellt 

waren,.zu wenig befriedigenden Ergebnissen geführt haben. 

Es hatte sich zunächst die zur Abtödtung sämmtlicher niederer Orga¬ 
nismen erforderliche Temperatur als eine so hohe (140°) herausgestellt, 
dass durch Einwirkung derselben die Gegenstände selbst Schaden erlitten. 
Sodann war die Zeit, während welcher die Gegenstände der erhitzten Luft 
ausgesetzt sein mussten, um des Erfolges sicher zu sein, eine relativ 
lange (über 3 Stunden). Vor allem aber hatte sich endlich ergeben, dass 
das Eindringen der Hitze durch selbst nur dünne Schichten eines 
schlechten Wärmeleiters ausserordentlich langsam vor sich geht. Aus 
diesen Gründen ist die Desinfection mit heisser Luft nur für wenige Ob¬ 
jecte verwendbar.“ 

„In Bezug auf desinficirende Wirkung würden Apparate mit ge¬ 
spannten Wasserdämpfen von Temperaturen über 100° schon erheblich 
mehr leisten. Im Uebrigen bieten sie aber dieselben Missstände, wie die 
erstgenannten Apparate. 

Bei Weitem übertroffen, was Leistung in der Desinfection, Einfach¬ 
heit und Billigkeit der Einrichtung des Betriebes betrifft, werden beide 
Verfahren von dem von uns in unserer letzten Versuchsreihe geprüften 
Verfahren mit Dämpfen kochenden Wassers, welche vor Abkühlung so 
geschützt werden, dass sie ihre Temperatur von 100° behalten oder deren 
Temperatur durch die Verwendung von Salzlösungen so erhöht wird, 
dass der Wärmeverlust sie nicht unter 100° herabgehen lässt“ (S. 340). 


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168 


Schumbubg: 


An diesen Ergebnissen und den sie begründenden Versuchen war 
nicht zu rütteln, sie haben die ganze Desinfectionslehre umgestaltet oder, 
besser, erst begründet; nach den hier niedergelegten Grundsätzen wurden 
Einzeldesinfectionsapparate für kleine und grosse Verhältnisse construirt, 
sowie ganze Desinfectionsanstalten überall auf dem Erdenrund erbaut und 
ausnahmslos mit Erfolg seit nunmehr 20 Jahren benutzt. Jene Grund¬ 
sätze der Desinfectionspraxis waren so fundamentaler Art, so erschöpfend, 
dass bis zum heutigen Tage nichts daran geändert ist, dass aber auch 
nichts Wesentliches hinzugekommen ist, abgesehen von Arbeiten, die be¬ 
zweckten, die Koch’schen Grundsätze auch für Apparate der Praxis nach¬ 
zuprüfen und zu bestätigen (wie Wolff im 102. Bande von Virchow’s 
Archiv) oder die Wirkung des Wasserdampfes durch geistvolle und ein¬ 
gehende Versuche (Rubner) zu begründen. 

Nach einer solchen Begründung der Wirksamkeit des Wasserdampfes 
von 100° gegenüber der geringen von viel höher (140°) temperirter heisser 
Luft hatte auch schon Koch mit Gaffky und Löffler gesucht (S. 322 
a. a. 0.): „Wie man sich diese Wirkung vorstellen soll, ob die Gegen¬ 
wart des Wassers zur Anbahnung chemischer Vorgänge nothwendig, oder 
ob sein Einfluss ein mehr physikalischer, etwa durch Aufquellung der 
die Sporen einhüllenden Schichten, ist, das zu entscheiden, muss späteren 
Untersuchungen Vorbehalten werden. Genug, dieser Einfluss ist vorhanden.“ 

Beim Abwägen nun der Unterschiede zwischen den Eigenschaften 
des heissen Dampfes und der heissen Luft muss es vor Allem auffallen, 
dass der strömende heisse Wasserdampf von 100° als Träger der Tempera¬ 
tur — denn diese ist doch sicherlich das baktericide Princip — 60 leicht 
und schnell in die Objecte eindringt, während heisse Luft selbst nach 
mehreren Stunden noch nicht entfernt ihre Eigentemperatur dem Innern 
selbst massig dicker Stoffbündel mittheilt. Dies könnte darauf beruhen, 
dass beim strömenden Wasserdampf immer neue Dampftheilchen an 
die Stelle der abgekühlten rücken und ihre Wärme an die zu erwärmenden, 
zu desinficirenden, Objecte abgeben, während bei der heissen Luft, wenn 
sie auf einer bestimmten Temperaturhöhe gehalten wird, kein eigentliches 
„Strömen“ statthat. So bewegte sich die heisse Luft in den von Koch 
und von Wolff benutzten Apparaten jedenfalls nicht in gleichem Maasse 
fort, wie der strömende Dampf. Für die Annahme nun, dass der Unter¬ 
schied zwischen der Wirksamkeit des Wasserdampfes und der heissen Luft 
auf der Unbeweglichkeit der heissen Luft beruht, spricht auch die von Koch 
u. A. gemachte Beobachtung, dass gespannter Dampf hei Temperaturen 
von 120 bis 130° schlechter in die Objecte eindringt und somit schlechter 
desinficirt als strömender Dampf von 100°: Denn auch der gespannte 
Dampf strömt nicht, er ist ja eingeschlossen in den Dampftopf, während 


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Original fro-m 

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Über die Desinfectionskraft der heissen Luft. 


169 


derjenige von 100° zu der, wenn auch nur kleinen Oeffnung hinströmt 
und herausdringt und somit immer neue Theilchen mit einer Wärme von 
100 ° an die Stelle der abgekühlten treten lässt. 

Wäre nun die Hypothese, dass von der Bewegung des Desinfections- 
mediums die Wirkung abhängt, richtig, so müsste auch die heisse Luft 
besser wirken, wenn man sie künstlich in Bewegung setzt Dieser Frage 
lässt sieh experimentell bei kommen, wie folgender Versuch lehrt. • 

In einem l 1 / 2 cbm grossen Abzug bewegt eine Turbine ein Flügelrad 
mit 1 / i m langen und 10 cm breiten Flügeln. Der Abzug ist gut verschlossen. 
Mehrere Gasbrenner erhitzen die Luft im Innern. Nach 10 bis 15 Minuten 
herrscht im Abzug unten eine Temperatur von 70° C. Durch eine Oeffnung 
wird neben dem Thermometer ein zweites eingeführt, dessen Bassin mit 
den verschiedensten Umhüllungen versehen war. Es wurde nun die Zeit 
bestimmt, die verstrich, bis dieses zweite, umhüllte Thermometer nahezu 
die Temperatur des anderen, frei in den Abzug hineinragenden aufwies. 
Dies geschah nach Umhüllung mit 12fachem Fries (zu durchdringende 
Schicht etwa 3 cm ) in 30 bis 37 Minuten, mit einer 2 mm dicken Schicht 
Tannenholz in 20 Minuten, mit 3 ram Haselnussholz in 34 Minuten, mit einer 
4 mm dicken Lage von Asbestpapier in 11 Minuten. Wurde die Turbine 
und das Flügelrad angehalten, die Luft also nicht bewegt, so erreichte 
selbst nach Stunden das umhüllte Thermometer diejenige des freien nicht. 




Die mechanische Bewegung der Luft befördert also das 
Eindringen der Luft in selbst sehr dichte Objecte ganz ge¬ 
waltig; es lässt sich auf diese Weise eine erhöhte Temperatur 
in das Innere dieselben hineinbringen, ein Vortheil, der den alten 
Apparaten zur Heissluftdesinfection abging. 

Ich folgerte nun aus diesen Versuchen die Möglichkeit, die Wirkung 
der heissen Luft bei der Desinfection dadurch, dass man sie künstlich in 
Bewegung setzt, zu verbessern, vor Allem ihre Tiefenwirkung zu erhöhen. 

Ich hatte besonders deshalb ein Interesse daran, die heisse Luft wieder 
zu Desinfectionszwecken heranzuziehen, weil einmal der heisse Wasser¬ 
dampf noch allerlei Mängel besitzt, wie Einwirkung auf bestimmte Farben, 
besonders bei vorhandenen Flecken, und auf den Glanz gewisser Stoffe, wie 
gelegentliches Auftreten von Rostflecken und Aehnliches, was man gern mit 
in den Kauf nimmt, vor Allem aber hat der Wasserdampf den Nachtheil, dass 
wir keine Ledersachen in ihn hineinbringen können. Nun findet sich aber 
gerade bei den militärischen Bekleidungsstücken recht häufig ein Besatz mit 
Leder, der schlecht (bei den Mützen) oder gar nicht (bei den Reithosen) von 
dem Kleidungsstück zu trennen ist. In sulchen Fällen ist eine Desinfeetion 


mit Dampf ausgescb’ 
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eine Desinfection mit Chemikalien aber äa-serst 
durchführbar. Diese Erkenntnis ist es, die 
lan^ Vusschau halten lässt nach e.nem Des- 
r gleich gut keimfrei macht. Ls 



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170 


Schtjmburg: 


schien, als sollte das Formaldehyd alle unsere Wünsche erfüllen. Indess, 
je mehr man sich mit ihm beschäftigt und je mehr man bei Anstellung 
der Versuche auf seine enorme entwickelungshemmende, aber verhältniss- 
mässig geringe baktericide Kraft Rücksicht nimmt, desto enger ziehen 
sich die Grenzen für seine Anwendungsmöglichkeit in der Praxis. 1 

Als ich deshalb in dem oben angeführten simplen Versuch erfuhr, 
wie man die Penetrationsfähigkeit der heissen trockenen Luft erhöhen 
konnte, lag es nahe, zu untersuchen, ob auch die keimtödtende Kraft der 
heissen Luft zunimmt, wenn man sie künstlich bewegt. 

Zu den Vor versuchen benutzte ich eine Kaffee-Rösttrommel, in die die 
Bakterienproben in Papierpäckchen, die wie Handsohriften zuB&mmengerollt 
waren, hineingethan wurden, so dass sie beim Drehen der Trommel hin 
und her fielen. Es wurde also weniger die Luft als die Proben bewegt. 
Indess war ja das Endziel dasselbe. Das Innere der Trommel wurde, um 
eine directe Berührung der Proben mit der heissen Wand zu verhüten, mit 
Asbest ausgekleidet und ebenso die Axe, an welcher sich ein Thermometer 
befand, dick mit Asbest umgeben, um eine Leitung der Wärme von der 
Axe auf das Thermometer unmöglich zu machen. Zur Beobachtung des 
Thermometers war ein Glimmerfenster eingesetzt. Bei einiger Uebung gelang 
es bald, durch Regulirung der Gasflamme die Temperatur im Innern der 
Trommel auf 100° zu erhalten. Als Versuchsobjecte dienten Staph. aur.- 
Culturen, die auf Papier angetrocknet waren und wie bei allen Ver¬ 
suchen dieser Arbeit nach beendetem Desinfectionsversuch in Bonilion 
gebracht wurden. Nach einem Aufenthalt von einer Stunde in der sich 
drehenden Trommel bei 100° waren lebende Staphylokokken weder in den 
Papierrollen, noch in 2- und 3 fachen Friesumhüllungen nachzuweisen. Die 
Controlen wiesen, wie in allen Versuchen dieser Arbeit, reichliches 
Wachsthum auf. 

Selbst bei Temperaturen von 90° und 80° waren die Resultate die 
gleichen, bei 70° wurden sie indess ungleiohmässig, ebenso bei kürzerer 
Einwirkung der heissen Luft als eine Stunde, und schliesslich bei An¬ 
wendung von sporenhaltigem Material. 

Anstatt des primitiven Kaffeeröstapparates hatte ich mir inzwischen 
eine grössere, 75 cm lange und 30 cm im Durchmesser haltende Trommel 
aus Fischernetz auf Holzrahmen anfertigen lassen, die in einem grösseren 
Kasten, dessen Boden erhitzt werden konnte, gedreht wurde. Die Control¬ 
thermometer wurden von oben in den Kasten eingeführt. 

Auch in diesem Apparat zeigte sich, dass trockene bewegte Luft von 
100° Diphtheriebacillen, Staphylokokken, Typhusbacillen, Choleraspirillen, 
Eiterbakterien im Eiter aus einer Mastitis, Kothbakterien in einer Stunde, 
zum Theil schon in einer halben Stunde abtödtete, sowohl in eine Papier- 

1 Vgl. meine Abhandlung in der Deutschen med. Wochenschrift, 1898, Nr. 52, 
„Znr Technik der Untersuchung bei der Formaldehyddesinfection“. 


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Cbek die Desinfectionskbaft deb heissen Luft. 


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kapsel eingehüllt wie in eine zweifache Lage von W oll fr i es. Stand die 
Trommel still, war also die Luft unbewegt, so erfolgte ausnahmslos reich¬ 
liches Wachsthum von den Testobjecten aus, trotz der gleichen Temperatur. 
Nur Milzbrandsporen trotzten stets bei 100° der Erhitzung, auch 1 V 2 stündiger 
Erhitzung, selbst bei 103°, bei 106°, bei 110°. 

Gelegentlich indess fanden sich Ausnahmen von der keimtödtenden 
Wirkung der bewegten Luft, die ich durch vollkommeneren Apparat auf¬ 
zuklären suchte. Dieser bestand aus einem 1 m langen und 40 cm im Durch¬ 
messer haltenden Cylinder aus Eisenblech, in dem an einer Längsaxe be¬ 
festigt sich eine Flügelschraube drehte. Die Axe stand mit einem Elektro¬ 
motor in Verbindung, dessen Geschwindigkeit sich genau reguliren liess. 
Die Erwärmung des Cylinders erfolgte von unten. Die ersten Versuche mit 
diesem Apparat (100 Umdrehungen in der Secunde) waren kurz folgende: 

1. 100°. 1 Stunde Aufenthalt. Objecte an sterilem Tuch. Resultat: 

Cholera 0, Typhus 0, Staphylokokken +Milzbrandsporen +. 

2. 105°. 1 Stunde Einwirkung. Cholera 0, Typhus 0, Staphylokokken-j-, 
Milzbrandsporen ■+■ +. 

3. 107°. 1 Stunde. Typhus 0, Staphylokokken+, Milzbrandsporen-f. 

4. 107°. IV* Stunden. Staphylokokken 0, Milzbrandsporen+. 

5. 107°. I 1 /, Stunden. Staphylokokken in Fries+, in Watte (30 om 
Durchmesser) +. 

6. 107°. l 1 ^ Stunden. Staphylokokken in Watte 0; in Fries +; frei +• 

7. Dieselben Bedingungen. Staphylokokken in Fries +; in Watte +; 
frei +. 

Diese Versuche bewiesen, dass die Desinfection mittels bewegter heisser 
Luft selbst vegetativer Formen nur eine unsichere war. 

Steigerte ich nun aber die Temperatur auf 110° und wurde anstatt 
durch Elektromotor das Flügelrad mit der Hand, also erheblich langsamer 
bewegt, so wurden die an Leinwandstückchen angetrockneten Staphylokokken- 
Aufschwemmungen in jedem Falle abgetödtet. 

8. Handdrehung 110°. Leinwandobjecte. 1 Stunde. 6 Staphylokokken- 
Proben: steril. 

9. Derselbe Versuch: 6 Staphylokokken-Proben steril. 

10. Wiederholung desselben Versuches, aber ohne Bewegung der 
Trommel, also bei ruhender heisser Luft. Alle Staphylokokken- 
Proben + 4*+, wie die Controlen. 

11. Wiederholung des Versuches Nr. 8. Indess wurden die Leinwand¬ 
objecte vor ihrer Verwendung 24 Stunden im Brütschrank getrocknet. Von 
6 Ötaphylokokken-Proben 2 steril, 4+ + + (nach 3 Tagen). Die Ab- 
tödtung erfolgte also nur bei noch feuchten Objecten, bei ge¬ 
trockneten war die Desinfectionswirkung unsicher. Zum Beweis 
dessen dienen noch die folgenden Versuche, in denen sich bei getrockneten 
Objecten selbst noch höhere Temperatur der Luft bis 115° und 120° als 
wirkungslos erwies. 


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172 


SCHUMBURG: 


12. 1 1 / a Stunden Bewegung. Trockene Staphylokokken-Leinwandobjecte 
(Aufschwemmung einer Agarcultur; 2 Tage im Brätschrank getrocknet). 
Von 6 Objecten nur 1 steril. 

13. 1 Stunde 115°. Staphylokokken-Leinwand 24 Stunden im Brüt¬ 
schrank getrocknet. Alle Objecte + + 4* • 

14. 1 Stunde 120®. Objecte wie bei Versuch Nr. 13. Alle + + +. 

Aus allen diesen Versuchen lässt sich folgern, dass die 
Bewegung der heissen Luft in der That die Desinfectionskraft 
der heissen Luft erhöht, dass diese Steigerung aber für prak¬ 
tische Desinfectionszwecke noch immer nicht ausreicht, dass 
vielmehr der Wassergehalt der Objecte vielleicht auch der 
Luft selbst dabei eine grosse Rolle spielt. Es musste nun die 
weitere Aufgabe sein, den Einfluss dieses Wassergehaltes der heissen 
Luft auf die Desinfectionswirkung festzustellen. 

Erhitzte ich die Luft in dem Cy linder auf 100°, ohne die Flügel in 
Bewegung zu setzen, so fand sich eine relative Feuchtigkeit von 0 Procent 
(im Zimmer 62 Procent). Wurde eine Schale mit 200 bis 300 ccm Wasser 
eingestellt und dann die Luft bis 100° erhitzt, so stieg die relative 
Feuchtigkeit bei ruhender Luftschicht auf 70 bis 80 Procent, um bei 
Bewegung der Luft durch die Flügel auf 30 Procent abzusinken. Die 
Prüfung der relativen Feuchtigkeit nahm ich mittels eines häufig geaichten 
Wurster’schen oder eines Daniel’schen Hygrometers vor. Es kam 
nun darauf an, die Desinfectionswirkung einer heissen Luft von 100° und 
mittlerer relativer Feuchtigkeit (bei Aufstellen einer Wasserschale in dem 
Desinfectionscylinder) zu studiren. 

15. 100°. 1 Stunde. Bewegung. Staphylokokken-Leinwand. Vorher 
50 Prooent, nachher 88 Procent relative Feuchtigkeit. Proben steril. Die 
Lederproben waren nicht geschrumpft; das dünne Leder war weich und un¬ 
verändert, das dicke Sohlenleder vielleicht etwas brüchig (88 Procent relative 
Feuchtigkeit!). 

16. Versuch wie Nr. 15. Nur 90°. Alle Bakterienproben ++. Leder¬ 
proben intact. 90° ist also zu wenig. 

17. Versuch wie Nr. 16. Aber 100°, nur 1 / 8 Stunde. Am Schluss 
45 Procent relative Feuchtigkeit. Von 4 Bakterien proben 3 steril. Leder 
intact. Zeit wohl zu kurz. 

18. Versuch wie Nr. 17. Aber 1 Stunde. Relative Feuchtigkeit nach 
dem ^Versuch 95 Procent. Alle 4 Proben steril. Leder intact. 

19. Versuch wie Nr. 18. Aber Proben in Taschen von Uniformtuch. — 
Relative Feuchtigkeit nach dem Versuch 95 Procent. Von 4 Proben nur 
2 steril. (Das Herausnehmen der Läppchen aus den Taschen war etwas 
umständlich.) 

20. Wiederholung des Versuches Nr. 19. Möglichste Cautelen gegen 
Luftinfection. Relative Feuchtigkeit 90 Procent zum Schluss. Alle 4 Proben 
steriL Der nächste Versuch sollte ein Control versuch sein, um festzustellen, 


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Über die Desinfectionskbapt deb heissen Luft. 


173 


wie die Wirkung wasserhaltiger Luft von 100° wäre, wenn sie nicht in 
Bewegung versetzt wird. 

21. Versuch wie Nr. 20. Nur keine Bewegung. Relative Feuchtigkeit 
nach dem Versuch 95 Procent. Alle (3) Proben steril! 

Die Bewegung der Luft ist demnach anscheinend gar nicht 
zur Erzielung der Desinfectionswirkung nöthig, wahrscheinlich 
nur ein gewisser Feuchtigkeitsgehalt. Um das genauer festzustellen, 
wurden nachfolgende Versuche unternommen. 

22. Staphylokokken-Läppchen in Taschen von blauem Uniformtuch. 
1 Std. bei 100°imCylinder. Ohne Bewegung. Ohne Wasser. 4 Proben+ ++. 

23. Wie Nr. 22. Aber mit Wasser. 3 Proben steril; 1 + am 3. Tag. 
(V erunreinigung?) 

24. Genau wie Nr. 22. Also ohne Wasser. Alle 3 Proben + + +. 

25. Wie Nr. 23. Also mit Wasser. Typhus-Bouillon-Läppchen steril. 
Coli-Bouillon-Läppchen steril. Milzbrand und Fäces +. (Sporen?) Um 
vielleicht noch einen Erfolg mit Fäces zu erzielen, sind die folgenden Ver¬ 
suche angestellt. 

26. Stuhl mit Leitungswasser aufgeschwemmt. Leinwandläppchen damit 
getränkt. In Taschen. 24 Stunden im Brütschrank getrocknet. 1 Stunde 
im Cylinder, mit Wasser, mit Bewegung. Nach Beendigung des Versuches 
85 Procent relative Feuchtigkeit. Alle Proben -f -f-+. (Sporen?) 

27. Derselbe Versuch. Nur 1 1 / t Stunden. Relative Feuchtigkeit am 

Schluss 82 Procent. Alle Proben + + + • • 

28. Derselbe Versuch. Aber 1 Stunde und 110°. Relative Feuchtig¬ 
keit 82 Procent. Alle Proben +. 

Sporenhaltiges Material lässt sich also auf diese Weise selbst 
bei 110° oder 1 1 / i Stunden langer Einwirkung nijcht abtödten. 

Indes wird die Abtödtung vegetativer Formen anscheinend 
erreicht durch einen Aufenthalt von 1 bis 2Stunden in einer etwa 
80 Procent relative Feuchtigkeit enthaltenden heissen Luft. Dies 
war noch zu erhärten. Es war weiter die Frage, ob auch in der Tiefe 
dickerer Objecte die Abtödtung der Bakterien gleich gut vor sich geht. 

In der That ist das der Fall, wie die folgenden Versuche beweisen: 

29. Staphylokokken-Leinwand in Taschen von blauem Uniformtuch. 
Diese in einen Wattebausch von 10 cm Durchmesser. 1 Stunde im Apparat. 
Nach dem Versuch 82 Procent relative Feuchtigkeit. Alle Proben steril 
mit einer Ausnahme. (Verunreinigung einer Probe war nicht ausgeschlossen.) 

30. Versuch wie vorher. Aber 2 Stunden im Apparat und Bewegung 
der Luft durch die Flügelräder. Relative Feuchtigkeit nach dem Versuch 
82 Procent. Alle Proben (2) steril. 

31. Derselbe Versuch, aber ohne [Bewegung. Relative Feuchtigkeit 
80 Procent. Alle Proben (2) steril. 

32. Wiederholung ergiebt dasselbe. 

33. Taschen in nicht entfettete Watte. Sonst derselbe Versuch. Die 
zwei ausgesetzten Proben steril. 


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174 


Schdmbueg: 


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34. Die Taschen mit den Stückchen Staphylokokken-Leinwand werden 
mitten in einen 15 cm im Durchmesser haltenden Paok dichten Rosshaare« 
gesteckt. Der Pack wird fest verschnürt. 2 Stunden. Mit Wasser. Ohne 
Bewegung. 80 Procent relativer Feuchtigkeit. Alle (2) 2 Staphylokokken- 
Proben steril. 

35. Wiederholung des Versuches, auch mit Diphtheriebacillen. 80 Procent 
relativer Feuchtigkeit. Beide Proben sowohl von Diphtherie, wie von Staphylo¬ 
kokken steril. 

36. Schliesslich noch ein Versuch, um die Einwirkung der feuchten, 
heissen Luft auf tuberculöses Sputum zu erproben. Am 23. IX. werden 
Leinwandstückchen mit tuberculösem Auswurf (1 Tag getrocknet) in die 
schon erwähnten Täschchen gesteckt und 1 Stunde in den Apparat gebracht. 
Wasser, aber keine Bewegung. Nach dem werden unter allen aseptischen 
Controlen die zwei Stückchen zwei Meerschweinohen unter die Bauchhaut 
gebracht. Naht. Jodoformcollodium-Verband. Am 21. Xd. Obduction der 
getödteten Thiere. Beide Thiere völlig gesund. Sie waren bis zum 21. Xü. 
stets munter und hatten ca. 240 s™ zugenommen. Die Controlthiere zeigten 
reichliche typische Käseherde in Leistendrüsen, Milz, Leber, Nebennieren, 
Retroperitonealdrüsen. Auch in den Lungen und Bronchialdrüsen. 

Also auch die Tuberkelbacillen im Auswurf werden in einer 
Stunde durch Uniformtuoh hindurch durch feuchte heisse Luft 
von 100° abgetödtet. 

Ausdrücklich hebe ich hervor, dass bei jedem einzelnen Versuche 
Proben von dickem Sohlenleder sowie von Reithosenbesätzen und Hand¬ 
schuhen, vom Rind wie vom Kalb, Schaf und Wild in den verschiedensten 
Stücken und Gerbungen in den Apparat mit eingehängt wurden. Nur 
wenn die relative Feuchtigkeit der Luft von 100° die Höhe von 80 Procent 
überstieg, wurde dickes Sohlenleder leicht brüchig, ohne indess im Ge¬ 
ringsten zu schrumpfen, alle übrigen Ledersorten kamen völlig unversehrt 
aus dem Apparat, selbst nach zwei- und mehrstündigem Aufenthalt, heraus. 


Nach diesen Vorversuchen mit improvisirten Apparaten musste ich 
darangehen, die Wirkung feuchter heisser Luft in einem Apparat zu 
studiren, welcher in der Desinfectionspraxis Verwerthung finden oder 
wenigstens ein Modell für diesen Zweck vorstellen konnte. Die Firma 
Rietschel & Henneberg in Berlin war sofort bereit — wofür ich auch au 
dieser Stelle meinen Dank ausspreche —, einen zur Desinfection grösserer 
Objecte geeigneten Apparat nach meinen Angaben zu construiren. Der¬ 
selbe bestand aus einem etwa l ! / 2 m hohen, dickwandigen und gegen 
Wärmeverluste geschützten Eisencylinder mit einem Durchmesser von 60°". 
Der Boden bestand aus Eisenblech, die obere Oeffnung wurde mit einem 
nicht hermetisch schliessenden Holzdeckel bedeckt. Zur Aufnahme des 
Wassers diente ein ringförmiges Bassin, das — behufs Regulirung der 
Wasserverdunstung — höher oder tiefer in den Cylinder eingehängt, also 


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Über die Desinfectionskraft der heissen Luft. 


175 


der Wärmequelle, dem erhitzten Cylinderboden, ferner oder näher gebracht 
werden konnte. Die Erhitzung des Cylinderbodens geschah durch Gas¬ 
flammen, denen Gaszufuhr durch einen Thermoregulator ähnlich wie bei 
den Brutschränken so geregelt werden konnte, dass die Temperatur im 
Innern des Cylinders fast dauernd constant (meist um 100°) blieb. Die rela¬ 
tive Feuchtigkeit wurde durch Einhängen von Haarhygrometera festgestellt. 
Mit diesem Apparat wurden nun folgende Versuche gemacht: 

37. Eine grosse Reihe Lederproben blieb 10 Stunden im Apparat bei 
80 Procent relativer Feuchtigkeit. Fast alle waren nach dieser Zeit brüchig, 
aber nicht geschrumpft. Vielleicht war daran die Länge der Einwirkungs¬ 
zeit Schuld. 

38. Derselbe Versuch mit anderen Proben. Aber nur 2 Stunden 
Aufenthalt: Eine Probe Sohlenleder auf der Narbenseite gering brüchig, 
alle anderen intact. 

39. Zwei Leinwandstückchen 'mit Staphylokokkenbouillon imprägnirt 
und in einem Drahtkorb in den Apparat gehängt. 86 Procent relativer 
Feuchtigkeit. Temperatur zwischen 95° und 100°. Alle Proben steril. 

40. Zwei Staphylokokken-Leinwandproben in Tasche von blauem Tuch. 

Eine Milzbrandsporen-Probe „ „ „ „ „ 

1 Stunde ausgesetzt. Temperatur von 94° bis 98°. Alle Proben steril. 

41. Derselbe Versuch. Zugleich Lederproben eingehängt von starkem 
Rind-, wie weichem Kalb- und Ziegenleder. Temperatur von 95° bis 99°. 
Alle Proben steril. Lederproben etwas brüchig, aber nicht geschrumpft. 

42. Derselbe Versuch, aber ohne Milzbrand. Temperatur 84° bis 99°. 
Relative Feuchtigkeit 85 Procent. Leder brüchig: Ursache vielleicht die 
hohe relative Feuchtigkeit. Eine Staphylokokkenprobe + (Ursache wohl 
die zu niedrige Temperatur). 

43. Wassergefäss etwas mehr vom Boden entfernt. Die Dampfent¬ 
wickelung ist augenfällig geringer als früher. Fünf eingehängte und eine 
Stunde im Apparat belassene Lederproben sind weder geschrumpft noch brüchig. 

44. Drei Staphylokokken-Läppchen in blauen Taschen. Temperatur 
92° bis 98°. 1 Stunde im Apparat. Relative Feuchtigkeit 72 bis 75 Procent. 
Steril. 

45. Drei Staphylokokken-Läppchen und Milzbrandsporen je in Taschen 
von blauem Militärtuch. 1 Stunde. Temperatur 93° bis 95°. Staphylo¬ 
kokken steril. Milzbrandsporen + + +. 

46. Zwei freie Milzbrandfäden in Cornetpincette. 3 Stunden. Tem¬ 
peratur von 88° bis 97°. 1 Faden steril, 1 ++. Zwei Kalblederproben 

intact, eine von dickem Rindleder brüchig. 

47. Zwei Staphylokokken-Läppchen in Taschen. 1 Stunde 95° bis 97°. 
Proben steril. Dünnes Leder intact, dickes etwas brüchig. 

48. Sechs Lederproben 1 Stunde bei 92° bis 96°. Vier dünne weiche 
Proben intact, zwei dickere (Sohlenleder) etwas brüchig. 

49. Die dickeren Ledersorten angefeuchtet und dann 1 Stunde ein¬ 
gehängt. Temperatur 96 ü bis 100°. Stark brüchig und geschrumpft. 


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176 


Schumburg: 


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Aus diesen Versuchen ergab sich ein Mal, dass heisse Luft von nahezu 
100° und relativer Feuchtigkeit von 72 bis 75, ein Mal bis 81 Procent 
in einer Stunde Staphylokokken, aber nicht Milzbrandsporen, abtödtet, dass 
aber andererseits bei dieser Feuchtigkeit dickeres Sohlenleder noch brüchig 
wird und zwar häufiger, als es bei den improvisirten Apparaten der Fall 
war. Wir müssen deshalb versuchen, ob es angängig ist, die relative 
Feuchtigkeit noch weiter herunter zu setzen, ohne der baktericiden Fähig¬ 
keit Eintrag zu thun. Um das zu erweisen, wurde das Wasserbad noch 
höher über den Heizboden emporgezogen und nun die weiter folgenden 
Versuche unternommen. 

50. Relative Feuchtigkeit zwischen 65 und 70 Procent, in der Zimmer¬ 
luft 30 bis 35 Procent. Jetzt bleiben bei einem Aufenthalt von 1 Stunde 
in dem Apparat alle Lederproben, auch Sohlenleder, intact. Nur eine Sohlen¬ 
lederprobe, die schon vorher brüchig war, ist stärker brüchig geworden. 

51. Staphylokokken-Läppchen: a) frei, b)in blauer Tuchtasche, c) ausser¬ 
dem in einer Lage nicht entfetteter Watte, d) statt in Watte, in einem 
Ballen Rosshaare von 25 om Durchmesser. 1 Stunde. Temperatur 92° bis 
102°. Relative Feuchtigkeit 66 und 67 Procent. Alle Proben steril. 
Lederproben gänzlich unversehrt, nur eine schon ein Mal früher verwendete 
und dabei etwas brüchig gewordene Probe (Sohlenleder) etwas mehr brüchig. 

52. Eingetrockneter Auswurf an Leinwandläppchen in Tasche, in Tasche 
und Watte, in Tasche und Rosshaaren wie in Versuch 51. 1 Stunde. Tem¬ 
peratur 94° bis 98°. Relative Feuchtigkeit 58 bis 64°. Alle Proben steril; 
in zwei Proben gingen Heubacillen auf. 

53. Versuch wie Nr. 51 (Staphylokokken-Läppchen in Tuchtaschen, 
ausserdem in Watte und in Rosshaarballen). Ferner ebenso angetrockneter 
Auswurf. — Temperatur 93° bis 97°. Relative Feuchtigkeit 70 Procent 
Alles steril, mit Ausnahme einer Staphylokokken-Probe, die nach 3 Tagen 
wuchs. Grund ist vielleicht die zu niedere Temperatur. Die Gaszufuhr zu 
dem Apparate musste leider improvisirt werden; es gelang daher schwer, 
die Temperatur bis 100° zu steigern. Sämmtliche Lederproben unversehrt 

54. Heute Temperatur 101°. Dabei relative Feuchtigkeit von 80 Procent. 
Sohlenleder, das dieser Temperatur und dieser Feuchtigkeit 1 Stunde aus¬ 
gesetzt war, wird dabei etwas brüchig. Die relative Feuchtigkeit ist zu 
hoch und muss herabgesetzt werden dadurch, dass das Wassergefäss 3"“ 
weiter von dem Heizboden entfernt wird. Dann wird der nächste Versuch 
angestellt. 

55. Temperatur während der Desinfectionsstunde 95° bis 101°. Das 
Resultat des Versuches giebt die folgende Tabelle. Es wurden sowohl 
Läppchen mit Bouillonculturen, wie auch Bouillonculturen selbst (ausnahms¬ 
weise) ausgesetzt. 


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Über Bie Deseneectionskraft deb heissen Luft. 


177 



Proben in Tasche und 
in Watte 

Röhrchen mit 2— 
Bouilloncultur 

Typhus 

steril 

steril 

Stuhl 

+ (Heubacillen) 

— 

Hefe 

steril 

steril 

Pseudotuberculose 


M 

Coli 

*» 

ff 

Proteus 

»» 

ff 

Cholera 

ff 

ft 

Pyocyaneus 

$9 

ff 


Sohlenleder ein wenig brüchig. Relative Feuchtigkeit wohl noch zu 
hoch Deshalb das Wassergefäss noch höher gehängt. 

56. Temperatur 100° bis 105°. Relative Feuchtigkeit 80» Procent. 
Sohlenleder nach 1 Stunde immer noch etwas brüchig. Wassergefäss noch 
5 cm höher. 

57. Temperatur 98° bis 100 »5°. Relative Feuchtigkeit 75 Procent. 
Von mehreren Lederproben ein sehr hartes Sohlenleder etwas brüchig. 
Weiche Ledersorten, z. B. Reithosenbesätze, ganz unversehrt. 

58. Temperatur von 91° bis 98°. Relative Feuchtigkeit 80 Procent. 
1 Stunde. 



Läppchen in Tasche und 
in Watte 

Bouillonculturen 

Typhus 

steril 

steril 

Coli 

»» 


Diphtherie 

ff 

tt 

Cholera 

tf 

i 

Prodigiosus 

tf 

i 

tf 

Proteus 

ft 

1 »» 


59. Milzbrandsporen-Fäden. 100°. Relative Feuchtigkeit 60 Procent 
Nach 6 Stunden noch +. Zwei Lederproben (Sohlen, Reithosen) 6 Stunden 
im Apparat. Reithose ganz intact; Sohlen etwas brüchig, nicht geschrumpft. 

Zur Controle, ob die desinficirende Wirkung der heissen Luft aus¬ 
bleibt oder unregelmässig wird, wenn die heisse Luft ohne Wasser ist, 
wurde nachstehender Versuch angestellt. 

60. Das Wasser wird aus dem Apparat entfernt. Dann wurden bei 
einer mittleren Temperatur von 100° die nachfolgenden Bakterienarten (an 
Läppchen und in Tasche und Watte) 1 Stunde lang in den Apparat ge¬ 
bracht. Die relative Feuchtigkeit schwankte zwischen 35 und 40 Procent. 
Ausserdem wurden eine Reihe von Bouillonculturen gleichfalls 1 Stunde 
lang zu gleicher Zeit eingebracht. 

Zeitachr. f. H/giene. XLL 12 


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178 


Schumburg: 


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■ 

Controle 

In Watte 

Bouilloucultur 

Tvphus 

+ + + 

steril 

steril 

Coli 

+ + + 

9» 

99 

Diphtherie 

steril 

99 


Cholera 

+ + + 

— 


Prodigiosus 

+ + + 

steril 

99 

Proteus 

+ + + 

>9 

99 


Es könnte nach den erhaltenen Resultaten scheinen, als ob die heisse 
Luft, wenn sie trocken ist, dasselbe leistet, als wenn Aian ihr Feuchtigkeit 
zuführt. Indess haben wir ja bei diesem Versuch eine relative Feuchtig¬ 
keit von 35 bis 40 Procent beobachtet. Das ist noch immer ein ziemlich 
erheblicher Feuchtigkeitsgehalt. Wir müssten diesen noch herabsetzen. 

61. ' Doppel versuch. Desinfector zeigt beim ersten Versuch (trocken) 
vorher nur eine relative Feuchtigkeit von 5 Procent, nacher von 20 Procent. 
Dann wird — für den zweiten, den Feuchtigkeitsversuch — Wasser ein¬ 
gestellt. Das Hygrometer zeigt bei diesem zweiten Versuch vorher 76 Procent, 
nachher 73 Procent relative Feuchtigkeit an. Die Temperatur bewegte sich 
von 97° bis 101° bei beiden Versuchen. 

Controle Trocken Feucht 

Typhus ....+++ st. st. 

Coli.+ + + + + + nach 4 Tagen + 

Diphtherie ... st. — — 

Cholera .... st. — — 

Die Diphtherie- und Choleraläppchen zeigten nach eintägigem Trocknen 

kein Wachsthum mehr. Auch dieser Versuch weist noch zu hohe Feuchtig- 

keitswerthe (20 Procent) für den Trockenversuch auf, um eindeutig zu sein. 

62. Dieser Versuch wurde mit trockenen Sputumläppchen angestellt, 
die wie oben in Tasche und Watte verpackt waren. Wie im Vorversuche 
erst Einwirken trockener Luft (5 bis 10 Procent relative Feuchtigkeit), nachher 
feuchte Luft (30 bis 40 Procent) 1 Stunde lang. Drei Controlen + + +• 
Trocken: drei Proben + + +• Feucht: eine Probe steril, eine geringes Waclis- 
tlium nach 2 Tagen, eine dritte + + . Ursache wohl die zu niedrige relative 
Feuchtigkeit. Es ist zu versuchen, wie eine stärker als 30 bis 40 Procent feuchte 
Luft wirkt. Trockene, von 5 bis 10 Procent relative Feuchtigkeit tödtet nicht ab. 

63. Sterile Läppchen werden mit Staphylokokkenbouillon (1 Tag alt) 
getränkt und 2 Tage im Briitschrank getrocknet. Dann in Taschen 1 Stunde 
in den Apparat gebracht. Temperatur von 98° bis 102°. Beim trockenen 
Versuch 13 bis 20 Procent relative Feuchtigkeit, beim feuchten Versuch 
65 bis 5H Procent. Am nächsten Tag: 3 Controlen: + + ; +; ++ ( am 
zweiten Tag). Trocken (3 Proben): +; ++ am zweiten Tag; + . Feucht 
(3 Proben): st.; st.; st. 

Eine Reihe von Lederproben völlig unversehrt. Mit dieser Ver- 
suchsanordnung — relative Feuchtigkeit um 60 Procent — 
scheint die Zone für die feuchte Luft von 100° getroffen zu sein, 
in welcher einerseits die sporenfreien pathogenen Bakterien in 


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Uber die Desinfectionskraft der heissen Luft. 


17 » 


einer Stunde abgetödtet werden, andererseits Leder nicht an¬ 
gegriffen wird. Um diese Ansicht zu sichern, wurden die folgenden 
Versuche unternommen. 

64. Läppchen mit Sputum und Staphylokokkenbouillon in Taschen. 
1 */» Tage im Brutschrank getrocknet. 1 Stunde im Apparat bei 100° und 
60 bis 70 Procent relative Feuchtigkeit. 

Controle Objecte 

Sputum a) + + + ; b) am 2. Tag 4* 4-- a) st. 

b) st. 

c) st., am 5. Tag 4- • 

Staph. a) 4- -f- +, b) + + +. a) b) c) steril. 

65. Versuch wie vorstehend. Feucht und trocken. Temperatur trocken: 
98° bis 100°. Feucht: 101°. Feuchtigkeit beim trockenen Versuch: 20 bis 
18 Proc., beim feuchten: 60bis65Proc. Controle: Sputum (2 Proben) + + +. 
Staph. (2 Proben) 4* + +• Trocken: Sput. (4Proben) 4* 4* 4** Staph. (4Proben) 
+ + +. Feucht: Sputum: 2 st., 2 + (Sporen?) Staph.: 3 st., 1 + am 2. Tag. 

66. Derselbe Versuch. Temperatur trocken 97° bis 100°. Relative 
Feuchtigkeit 22 bis 15 Procent. Temperatur feucht 96° bis 100°. Relative 
Feuchtigkeit 50 bis 62 Procent. Controle: Sputum (2 Proben) + + ; Staph. 
(2Proben) -f- +• Nach der Desinfection: Trocken: Sputum (4 Proben) + + + • 
Staph. (4 Proben) + + + • Feucht: Sputum (4 Proben) + + + (sporenhaltige 
Stäbchen!), Staph. (4 Proben) steril. 

67. Eine Fäcalienaufschwemmung wird 4 Stunden im Dampftopf steri- 
lisirt und mit Typhusbouillon vermischt. Mit dieser Mischung werden 
Läppchen getränkt, ebenso mit Staphylokokkenbouillon. Getrocknet im 
Brütschrank. In sterile Taschen von blauem Militärtuch gesteckt. Ein 
Theil 1 Stunde trocken, ein anderer 1 Stunde feucht im Apparat behandelt. 
Dann in Bouillon. Controlen von Typhus (2) 4- 4" • Controlen von Staphylo¬ 
kokken (2)4-4-- Trocken: Typhus und Staphylokokken (je 4 Proben) am 
nächsten Tage + + + • Feucht: Typhus und Staphylokokken (je 4 Proben) 
noch nach 11 Tagen steril. Temperatur war trocken 96° bis 100°, feucht 
98° bis 100°, die relative Feuchtigkeit beim trockenen Versuch 15 bis 
10 Procent, beim feuchten 63 bis 58 Procent. 

68. Derselbe Versuch. Ausserdem noch Auswurfläppchen. Temperatur 
trocken 95° bis 100°, feucht 97" bis 100°. Relative Feuchtigkeit trocken 
18 bis 15 Procent, feucht 55 bis 65 Procent. 



2 Controlen 

trocken 

feucht 

Typhus . . . 

+ + 

4- (3 Proben) 

steril (3 Proben) mit Häutchen 
von Kartoffelbacillen 

Auswurf. . . 

+ + 

+ + + (3 Proben) 

steril (3 Proben) 

Staphylokokken 

+ + 

+ + + (3 Proben) 

steril (2 Proben) 


69. Läppchen mit Typhusbouillon und Stuhl zu gleichen Theilen. 
20 Stunden im Brütschrank. In Taschen und diese in gelbe Watte; 10 cm 
Durchmesser. Ein Ballen 1 Stunde trocken im Apparat, ein anderer feucht. 
Feuchtigkeit uud Temperatur während des Versuches wie früher. Controlen: 
Oese Typhös 4-4-4-; Typhus + Stuhl an Läppchen (2 Proben) + + +. 

12 * 


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180 


Schumbubg: 


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Trocken: Steril. Feucht: Steril. Die Läppchen waren wohl noch zu feucht. 
Deshalb gelang auch die Desinfection mit trockener Luft. 

70. Wiederholung des Versuches. Alles wie vorher. Läppchen länger 
getrocknet. Resultat: Trocken 2 Proben + + , eine steril, feucht 3 Proben steril. 
Rel. Feuchtigkeit 15—20 Procent, Temp. 100 — 103° beim trocknen Versuch. 

„ „ 58—63 „ „ 100—102° „ feuchten „ 

71. Sterile Läppchen mit Diphtheriebouillon. 4 Stunden im Brütschrank 
getrocknet; dann noch 12 Stunden, nachdem sie in sterile blaue Taschen 
gesteckt waren. Diese in Watteballen von 10 cm Durchmesser. Ein Ballen 
1 Stunde trocken, ein zweiter 1 Stunde feucht im Apparat. 

Trocken: Rel. Feuchtigkeit 15—18 Procent; Temperatur 100—103°C. 

Feucht: „ „ 58—65 „ „ 100—102°C. 

Controlen: Eine + am nächsten, + + am 2. Tage; die zweite + + 
am 2. Tage. Resultat: Trocken: Eine Probe steril, die zweite. -f + am 
2. Tage, die dritte + -f- nach 24 Stunden. Feucht: 3 Proben steril 

72. Pyocyaneus, der Sublimatlösung 1:1000 15 bis 20 Minuten lang 
erträgt. Condenswasser einer Agarcultur an Fäden. 2 bis 3 Tage auf¬ 
bewahrt bei Zimmertemperatur. Relative Feuchtigkeit 15 bis 12 Procent 
und 50 bis 58 Procent. Temperatur 100 °. Controlen + + +. 


1 Stunde trocken und 1 Stunde feucht im Apparat. 


frei in Cornetpincette. . . . 

in Tasche. 

inTascbeu.Watte (10 cm Durchm.) 


trocken 

2 Proben steril 
2 Proben steril 
1 Probe steril, 1 Probe + + 


feucht 

2 Proben steril, 
2 Proben steril, 
2 Proben steril. 


73. Derselbe Versuch. Nur relative Feuchtigkeit 12 bis 8 Procent 
und 58 bis 62 Procent. Temperatur um 100°. Resultat genau dasselbe, 
wie im Vorversuch. 

74. Die Pyocyaneus-Fäden werden in sterile Taschen und diese in 
einen zu einem Bündel zusaramengerollten Militär-Waffenrock und in Ross¬ 
haare gepackt, die aus einer alten, festen Matratze entnommen waren. Beide 
Bündel werden fest verschnürt. Ihr Durchmesser 40 und 30 cm . Je 1 Stunde 
(trocken und feucht) im Apparat. Temperatur 99° bis 100° in beiden 
Theilen des Versuches. Relative Feuchtigkeit 5 bis nahezu 0 Procent und 
50 bis 58 Procent. Controlen: + + +. Resultat: Trocken: 3 Proben im 
Rosshaar + + +, 1 Probe im Rock + + -+-, 2 Proben im Rock steril. 
Feucht: 3 Proben im Rosshaar steril, 2 Proben im Rock steril. 

75. Milzbrandsporen, die im Ohlmüller.’schen Apparat strömenden 
Dampf 6 Minuten ertrugen und nach 8 Minuten abgetödtet waren, wurden 
durch heisse Luft mit 60 bis 65 Procent relativer Feuchtigkeit erst nach 
6 ständiger Einwirkung vernichtet. 

Ausdrücklich möchte ich noch hinzufügen, dass bei jedem einzelnen 
Versuche eine Reihe der verschiedensten Lederproben mit den Probe¬ 
objecten in den Apparat hineingehängt wurden und intact blieben. Wo 
dieses nicht geschah, ist es ausdrücklich bemerkt. Auch Wachsthums* 
controlen sind bei jedem einzelnen Versuch augestellt und stets positiv 
ausgefallen. 


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Cbeb die Desinfectionskeaft deb heissen Luft. 


181 


Aus allen den geschilderten Versuchen geht nun die Thatsache hervor, 
dass, wie Koch das schon vor 20 Jahren gelehrt hat, hei der Desinfection 
von Kleidungsstücken die trockene heisse Luft sich so unsicher in ihrer 
Wirksamkeit zeigt, dass sie als untauglich für die praktische Desinfection 
bezeichnet werden muss. Es folgt aber weiter aus den Versuchen die 
Thatsache, dass heisse Luft von 100° in und an Kleidungsstücken, Ma¬ 
tratzen u. s. w. in einer Stunde selbst die widerstandsfähigsten, sporenfreien, 
pathogenen Bakterien abtödtet, wenn sie etwa 55 bis 65 Procent 
relativer Feuchtigkeit enthält. Dieser Feuchtigkeitsgrad wird regel¬ 
mässig erreicht, wenn man ein Wassergefäss, nicht zu nahe der Wärme¬ 
quelle, in einen Raum mit heisser Luft von 100° einsetzt. Die Wirkung der 
mit 55 bis 65 Procent relativer Feuchtigkeit versehenen heissen Luft von 100° 
stelle ich mir so vor, dass durch die abwechselnde Condensation der Feuchtig¬ 
keit an den kalten Objecten und die Wiederverdunstung derselben an 
den erwärmten eine Art Strömung in die heisse Luft gebracht und da¬ 
durch immer neue 100° heisse Lufttheilchen an die Objecte getragen 
werden, wo sie ihre Wärme abgeben, um wieder neuen, heisseren Mole¬ 
külen Platz zu machen. Auf diese Weise werden die Objecte der bakteri- 
ciden Wirkung der 100° heissen Luft schneller zugänglich gemacht, als 
das bei trockener, fast gar nicht strömender Luft der Fall ist, so wie 
wir das vom strömenden Dampf seit Koch kennen. 

Sporenhaltige Bakterien werden allerdings erst in erheblich viel 
längerer Zeit vernichtet, so dass die „feuchte heisse Luft“ für sporen¬ 
haltige pathogene Bakterien' praktisch nicht in Frage kommt. Da aber 
eine Desinfection von Kleidern und anderen Objecten, die Milzbrand- oder 
Tetanussporen enthalten könnten, zu grossen Seltenheiten gehört, da 
andererseits die übrigen meist bei der Desinfection in Frage kommenden 
Bakterien, wie die Mikroben des Typhus, der Cholera, der Pest, der 
Eiterungen, der Influenza, Diphtherie, Tuberculose, wahrscheinlich auch 
der Masern und des Scharlach, keine widerstandsfähigen Dauersporen 
bilden, so reicht fast in allen Fällen die Desinfection mit „feuchter 
heisser Luft“ aus. 

Dafür gewährt uns aber, gegenüber dem Wasserdampf, die Desinfection 
mit feuchter heisser Luft von 55 bis 65 Procent relativer Feuchtigkeit 
ganz bedeutende Vortheile. Der wichtigste ist der, dass selbst ein Aufent¬ 
halt von mehreren (6 bis 8) Stunden in feuchter heisser Luft Leder¬ 
sachen nicht angreift, in Sonderheit nicht zum Schrumpfen bringt; 
nur sehr dickes, altes Sohlenleder wird gelegentlich bei höherer (70 bis 
80 Procent) relativer Feuchtigkeit ein wenig brüchig, ohne indess im Ge¬ 
ringsten zu schrumpfen. Reithosen aber, lederne Handschuhe, Mützen¬ 
schirme, Stiefel, Pantoffeln, Riemen, Geschirre u. s. w. werden durch 


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Original fro-m 

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182 Schumbubg: Über die Desenfectionskbaet deb heissen Lutt. 


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mehrstündige Einwirkung feuchter heisser Luft nicht eine Spur ver¬ 
ändert, weder in ihrer Grösse, Dicke und äusseren Form, noch in ihrer 
Haltbarkeit und Weichheit, noch auch in in ihrer Farbe und ihrem Glanz. 
Ebenso wenig werden Farben von Militär- und anderen Tuchen im Ge¬ 
ringsten angegriffen, ebenso wenig wie kostbare und gute Stoffe. 

Von der Feststellung dieser Thatsachen, der erhöhten Wirksamkeit 
feuchter heisser Luft gegenüber trockener heisser Luft sowie der Un¬ 
schädlichkeit der ersteren bei Leder, Farben und zarten Stoffen, bis zur 
Uebersetzung in der Praxis ist nur noch ein kleiner Schritt. Die Firma 
Rietschel & Henneberg in Berlin, die in uneigennützigster und dankens- 
werthester Weise mir die Modelle für meine Versuche construirte, hat 
sich bereit erklärt, zu 'praktischen Nachprüfungen Apparate zu Vorzugs¬ 
preisen zu liefern. 


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W urstvergiftung. 

Von 

Dr. Sohumburg, 

Oberstabsarzt und Priratdooent in Hannover. 


Am 3. Mai des vorigen Jahres erkrankten in Hannover nach Genass 
von Rinderwurst 34 Personen nach wenigen Stunden an Darmerscheinungen 
(Uebelkeit, profusen Durchfällen, Mattigkeit, mehrfachen Erbrechen). Etwa 
100 Menschen hatten im Ganzen von dem Gericht gegessen. Hach 
12 Stunden waren bei den meisten Erkrankten die Symptome wieder ab¬ 
geklungen, nur bei 1 bis 2 Personen bestanden die Erscheinungen weiter 
bis zum zweiten Tage und verschwanden dann allmählich, ohne Folgen 
zu hinterlassen. Das Nervensystem als solches war in keinem Falle 
alterirt. 

Unter Rinderwurst versteht man hier in Hannover ein Gemenge von 
Rindfleisch (der verschiedensten Organe) mit reichlichem Gewürz (nament¬ 
lich auch Majoran) und mit Semmel. Meist wird die Wurst lose, das 
heisst nicht in Därme gefüllt, in den Handel gebracht. Sie wird zum 
Genuss bei massiger Temperatur (nach Schätzung etwa auf höchstens 50° C.) 
kurze Zeit erwärmt und stellt dann einen grauweisslichen, grobbröckeligen 
Brei dar, der meist einen ganz vorzüglichen Geschmack hat. 

Der mir zur Untersuchung zur Verfügung stehende Rest der Rinder¬ 
wurst betrug 51 * nn . Die Wurst war „lose“ geliefert. Der Rest sah gut 
aus und hatte keinen unangenehmen Geruch. Die Wurst war am 3. Mai 
Mittags etwa um 12 Uhr gebracht; zum Abendessen wurde sie verbraucht, 
indem sie in einem Emailletopf mit Fett und etwas Wasser erwärmt 
wurde. Die zu gleicher Zeit gereichten Pellkartoffeln waren gänzlich ein¬ 
wandsfrei, in Sonderheit frei von gesundheitsschädlichen Solaninmengen. 

Von dem Rest der Wurst wurden nun Agarplatten gegossen. Es 
wuchsen hauptsächlich 2 Bakterienarten: Eine der Gruppe der Kartoffel¬ 
bacillen zugehörende Art und ein sehr langsam die Gelatine verflüssigender 
Proteus. Von beiden wurden Reinculturen angelegt. 

Ferner wurden mit dem Rest der Wurst 1 Ratte, sowie 2 Mäuse ge¬ 
füttert. Alle 3 Thiere starben nach 24 Stunden. Der Obductionsbefund 
bei den 3Thieren war der gleiche: Die Därme enthielten wässerig-schleimige 
Flüssigkeit und ihre Gefässe waren stark mit dunklem Blut gefüllt. 


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Original fro-m 

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184 


SCHUM-BURG t W URST VERGIFTUNG. 


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Ebenso waren die Lungen sehr blutreich, wie die stark vergrösserte Milz 
und die Leber. Sowohl aus dem Herzblut wie dem Saft der Milz und 
der Leber liessen sich allerdings nur vereinzelte Colonieen einer Proteus¬ 
art züchten, welche der aus der Wurst direct auf Agar gewachsenen 
Proteusart völlig glich; au? dem Darminhalt reichlicher. Von Kartoffel¬ 
bacillen fand sich nichts. 

Es handelte sich nun weiter darum festzustellen, ob die verdächtige 
Proteusart im Stande war, in Reinculturen Krankheitserscheinungen, wie 
die bei den 34 Personen beobachteten, hervorzubringen. Ferner lag 
es bei der geringen Zahl der im Blute nachgewiesenen Bacillen nahe, an¬ 
zunehmen, dass ein von den Bakterien aus dem Fleisch der Wurst ge¬ 
bildetes Gift die Ursache der Darmkatarrhe gewesen war. 

Um diesen Verhältnissen nahe zu kommen, wurde sterilisirtes Rindfleisch 
mit der aus dem Thierkörper rein gezüchteten Proteusart inficirt und 
24 Stunden im Brütschrank aufbewahrt, um den Bakterien Gelegenheit 
zu geben, in dem Fleisch Gifte zu bilden. Dieses Fleisch wurde nun 
wieder an Thiere (2 Mäuse, 1 Ratte) verfüttert. Alle drei Thiere starben 
nach 24 Stunden. Der Obductionsbefund war dem oben bereits aufgeführten 
gleich. Im Blut fanden sich — durch die Cultur erwiesen — wiederum 
nur spärliche Proteuskeime. 

Um nun noch ganz sicher den Nachweis zu erbringen, dass nicht 
die Bakterien selbst es waren, welche die Krankheitserscheinungen hervor¬ 
gerufen hatten, sondern die von ihnen in dem Fleische erzeugten Gifte, 
wurden mehrere Bouillonculturen durch Filtration von den Bakterienleibern 
befreit, so dass in dem Filtrat (wie .culturell bestätigt wurde) nur gelöstes 
Gift vorhanden war. Diese Giftlösung nun führte, Versuchsthieren in 
kleineren Dosen (0-1 bis 0 - 5 CCTU ) unter die Haut gespritzt, deren Tod herbei. 

Aus diesen Versuchen geht hervor, dass in der fraglichen Rinder¬ 
wurst eine Bakterienart gefunden wurde (Proteus), die, wenn 
sie Mäusen und Ratten mit dem Futter beigebracht wird, diese 
Thiere unter den Erscheinungen eines sehr heftigen Darm¬ 
katarrhs zu tödten vermag und zwar wahrscheinlich durch 
Bildung eines Giftes aus dem im Futter vorhandenen Fleisch. 

Da die Proteusbacillen erst durch eine mindestens halbstündige Er¬ 
hitzung auf 70° oder eine mindestens einige Secunden währende Tem¬ 
peratur von 100° abgetödtet werden, so hatte eben die am 3. Mai Abends 
vorgenommene Erwärmung der Rinderwurst zur Abtödtung der Proteus¬ 
bakterien und auch zur Vernichtung des gebildeten Giftes nicht ausgereicht. 

In mehreren anderen Sorten von Fleischwurst, die zur Controle unter¬ 
sucht wurden, fand ich niemals zur Gruppe des Proteus gehörige Arten, 
wohl aber hier und da Colibacillen. 


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Der Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875—1900. 

Von 

Dr. Albert Lotz, 

Assistenzarzt der mediclnischen Klinik ln Basel. 


(Hierzu Taf. X-XIII.) 


Auf Liebermeister’s Anregung hin erschien im Jahre 1871 die 
Arbeit von Bernhard Socin: Typhus, Regenmenge und Grund¬ 
wasser in Basel. Die Veranlassung hierzu bildeten die bekannten Unter¬ 
suchungen von Buhl 1 und Pettenkofer* über die Schwankungen der 
Typhusmortalität in München. Socin fasst die Resultate seiner Arbeit in 
folgenden Schlusssätzen zusammen: 

1. Mit Wahrscheinlichkeit ergiebt sich, dass ungewöhnliche Trocken¬ 
heit in Basel die Entwickelung von Typhusepidemieen begünstigt, während 
sie bei zunehmender Feuchtigkeit wieder abnehmen. 

2 . Die Intensität der Epidemieen lässt sich aus dem Grade und der 
Raschheit der Feuchtigkeitsschwankungen nicht erklären. 

3. Die Epidemieen fallen regelmässig auf die zweite Hälfte des 
Jahres . . . 

4. Die Typhusbewegungen sind in sämmtlichen Stadttheilen . . . an¬ 
nähernd dieselben. 

5. Kein Stadttheil zeigt sich, mit Rücksichtnahme auf die Aus¬ 
dehnung und die Bevölkerung desselben, besonders auffallend bevorzugt. 


1 Buhl, Ein Beitrag zur Aetiologie des Typhus in München. Zeitschrift für 

Biologie . 1865. Bd. I. 

* Pettenkofer, lieber die Schwankungen der Typhussterblichkeit in München, 
von 1850—1867. Ebenda . 1868. Bd. V. 


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Albeet Lotz: 


So ein konnte also für Basel nicht denselben Zusammenhang zwischen 
Grundwasserstand und Typhuserkrankungen finden, wie Buhl für München, 
und zur Erklärung dieser Thatsache führt er den treffenden Ausspruch 
Buchanan’s an, welcher lautet: 

„Wenn ich also Pettenkofer’s Theorie, dass das Sinken des Grund¬ 
wassers ein dem epidemischen Vorherrschen des Typhus günstiger Umstand 
ist, als richtig zugebe, so glaube ich jedoch gezeigt zu haben, dass die 
Bedingung hinzugefügt werden muss, dass der Satz nur für einen solchen 
Ort oder eine solche Stadt gilt, wo die Zufuhr des Trinkwassers aus dem 
Boden der Stadt selbst geschieht.“ 1 

Am Ende seiner Arbeit spricht So ein den Wunsch aus, es möchten 
später, von reichlicherem Material ausgehend, ähnliche Untersuchungen 
angestellt werden, die vielleicht deutlichere Resultate würden zu Tage 
fördern. 

Seit So ein’s Dissertation hat keine grössere zusammenfassende Be¬ 
arbeitung mehr stattgefunden — ein in dieser Richtung von Herrn 
Physikus Dr. Streckeisen begonnenes, bis zum Jahre 1888 reichendes 
Unternehmen blieb unvollendet — und es mag daher wünschbar erscheinen, 
das Auftreten des Typhus in Basel im letzten Vierteljahrhundert einer 
zusammenfassenden Betrachtung zu unterwerfen. 

Die am 1. XII. 1900 stattgehabte Volkszählung macht es möglich, 
für den ganzen Zeitraum die Bevölkerungszahlen richtig zu berechnen und 
damit eine einwandsfreie Basis für sämmtliche Vergleiche zu schaffen. 

Betreffend das Material, auf dem die vorliegende Arbeit fasst, ist 
Folgendes vorauszuschicken: 

Buhl stützte seine Untersuchungen nur auf secirte Leichen und ent¬ 
ging daher dem Risiko einer intra vitam falsch gestellten Diagnose. 

Socin konnte sich wegen der zu geringen Anzahl nicht nur auf die 
Todesfälle beschränken; seiner Arbeit liegen sämmtliche Typhuslalle zu 
Grunde, die von 1848 bis 1869, einem Zeiträume von 22 Jahren im 
Bürgerspitale zu Basel verpflegt worden waren. In seiner Arbeit giebt 
der Verfasser zu, dass die Frequenz des Typhus im Spitale nicht immer 
als annähernder Ausdruck der Frequenz in der ganzen Stadt anzuseben 
sei. Des Fernern ist es klar, dass bei Betrachtung der Frequenz in den 
einzelnen Stadttheilen „die grössten Zufälligkeiten mit in’s Spiel kommen. 
Das eine Quartier sendet je nach der Dichte oder der Wohlhabenheit 


1 Buchanan, Ueber Pettenkofer’s Theorie von der Verbreitung der Cholera 
und des Abdominaltyphus. Deutsche Vierteljahrsschrift für öffentl. Gesundhcitspßege. 
1870. p. 175. 


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Deb Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875—1900. 187 


seiner Bewohner und vielleicht je nach seiner Entfernung vom Spital 
mehr, das andere weniger Typhusfalle in’s Krankenhaus“. 1 

Nachdem schon im Jahre 1869 die ärztliche Bescheinigung der Todes¬ 
ursache eingeführt worden war, beschloss im Juli 1874 das damalige 
Sanitätscollegium der Stadt Basel die obligatorische Anzeigepflicht für an¬ 
steckende Krankheiten. 2 Von diesem Zeitpunkte an liegen also über 
alle in der Stadt aufgetretenen Typhusfälle Anzeigen vor, die alljährlich 
von amtlicher Seite in den „statistischen Mittheilungen des Cantons 
Basel-Stadt“ (Bericht über die ansteckenden Krankheiten) zusammengestellt 
und verarbeitet werden. Es liegt auf der Hand, dass solche Anmeldungen 
aus dem gesammten Stadtgebiete die Hauptvorbedingung sind, ohne welche 
eine fruchtbare Uebersicht über die Ausbreitung der Krankheit in grösseren 
Zeiträumen nicht gewonnen werden kann. Was dieses Material betrifft, 
so darf gesagt werden, dass bei der früheren Häufigkeit des Typhus in 
unserer Stadt die Aerzte gewiss eine grosse diagnostische Erfahrung darin 
hatten, und dass unter der grossen Anzahl die unrichtigen Anzeigen 
sicher nur einen für das Gesammtbild unerheblichen Bruchtheil aus¬ 
machen. Ausserdem ist durch gewissenhafte Collationirung der Todes¬ 
fälle mit den Erkrankungen, sowie der Anmeldungen aus der Stadt mit 
den Spitalanzeigen von Anfang an für möglichste Richtigstellung des 
Materials Sorge getragen worden. 

Für die vorliegende Arbeit wurden sämmtliche Anzeigeblättchen von 
1875 bis 1900 nochmals genau revidirt mit besonderer Rücksicht auf die 
Feststellung der Wohnung, in welcher die Erkrankungen aufgetreten waren. 
Selbstverständlich wurden die von auswärts in die Stadt verbrachten 
Typhusfälle als nicht auf Basler Boden inficirte von den Zusammen¬ 
stellungen der Erkrankungen und Todesfälle ausgeschlossen. Ebenfalls 
absichtlich nicht berücksicht wurden die in der Schorenanstalt aufge¬ 
tretenen Fälle. In dieser Anstalt 3 werden ca. 300 unbemittelte junge 
Mädchen mit Seiden winden beschäftigt; die Anstalt gewährt ihnen als 
Gegenleistung u. A. Wohnung und Nahrung. Die in der Schorenanstalt 
aufgetretenen Typhuserkrankungen wurden deshalb ausgeschlossen, weil 
der aus mehreren Wohn- und Fabrikgebäuden bestehende Häusercomplex 
auf dem Gebiete des äusseren Kleinbasels räumlich von der Stadt voll¬ 
ständig getrennt ist und weil speciell in der für unsere Betrachtung wich¬ 
tigen Zeit November 1890 bis Januar 1891 das Bild des Epidemiever¬ 
laufes in Kleinbasel durch die damals in der Schorenanstalt beobachtete 
Typhusepidemie sehr getrübt worden wäre. 

1 Socin, a. a. 0. S. 29. 

* Bericht Über dcu Sanitätswesen von Basel-Stadt. 1874. S. 76, 77. 

* Vgl. Statist. Mittheilungen. Basel-Stadt 1890. S. 61 ff. 


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188 


Albert Lotz: 


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Dass bei den dort auftretenden Epidemieen locale Ursachen mit* 
spielten, hat schon Liebermeister 1 2 in seinen bekannten „Untersuchungen 
über die Verbreitung des Abdominaltyphus durch Trinkwasser“ gezeigt 
Wie für die Epidemie im Sommer 1867 sind auch für die späteren in 
der Schorenanstalt ausgebrochenen Epidemieen, insbesondere für diejenige 
von 1890 bis 1891 locale Umstände verantwortlich zu machen und zwar 
wahrscheinlich sogar derselbe schon 1867 beanstandete Sodbrunnen (Zieh¬ 
oder Pumpbrunnen) „da die Gefahr der Verunreinigung dieses Brunnens 
vom Abtritte der alten Fabrik aus unzweifelhaft besteht“.* 

Es sind also die Erkrankungen in der Schorenanstalt bei den jähr¬ 
lichen Uebersichten (Tab. I) zwar mitgerechnet, bei den monatlichen 
aber nur mit kleinen, in den Gesammtzahlen nicht enthaltenen Ziffern 
beigedruckt (Tab. III und V) und bei den Morbiditätszahlen (Tab. VI 
und VII) sowie auf sämmtlichen Curven nicht berücksichtigt worden. 

Einen bei der Mortalität nicht ganz auszumerzenden Fehler bilden 
diejenigen Kranken, welche während der Dauer ihrer Krankheit die Stadt 
verliessen und über deren Schicksal man nichts in Erfahrung bringen 
konnte. Wir haben uns bemüht, überall, wo Erkundigungen möglich 
waren, solche einzuziehen: so bei den nach der Diaconissenanstalt in Riehen, 
sowie bei den in das Krankenhaus Liestal Verbrachten. Ausserdem ist 
der tödtliche Ausgang eines nach Sierenz und eines nach Olten trans- 
portirten Falles bekannt. Diese Todesfälle wurden, trotzdem sie auswärts 
erfolgten, bei der Mortalität berücksichtigt und es sind also im Ganzen 
sechs, sämmtlich aus Grossbasel stammende Fälle dazugekommen und 
zwar je ein Fall: VII. 1878; I. 1881; VIII. 1882; IV. 1884; V. 1889; 
VIII. 1892. 

Soviel zur Erklärung von kleinen Differenzen der Zahlen in den amt¬ 
lichen Berichten mit den Zahlen in dieser Arbeit; gegenüber jeuen sind 
diese letzteren als die Definitiven zu betrachten. 


Schon bei der Durchsicht der vorliegenden Jahresberichte ergeben 
sich in Bezug auf das Auftreten des Typhus in Basel einige sehr auf¬ 
fallende Thatsachen. So besonders: 

1. Die sehr starken Schwankungen im jährlichen Auftreten. 

2. Die vor 1891 fast durchweg stärkere Belastung Kleinbasel» 
gegenüber Grossbasel. 


1 Liebermeister, Verbreitung des Abdominaltyphus durch Trinkwasser. 
Deutsches Archiv für lei in. Medicin. 1870. Bd. VII. 

2 Statist. Mittheilungen. Bericht über ansteckende Krankheiten. 1890. S. 62. 


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Der Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875—1900. 189 


3. Die bedeutende Abnahme des Typhus im letzten Jahrzehnt in 
der ganzen Stadt, insbesondere aber in Kleinhasel, das im Gegensatz 
zu früher jetzt günstiger dasteht als Grossbasel. 

Diese Thatsache, dass das Verhältnis der Typhusmorbidität von 
Grossbasel zu derjenigen von Kleinbasel ziemlich rasch eine Umkehr er¬ 
fuhr, bildete die Veranlassung, die beiden Stadttheile völlig getrennt zu 
behandeln und zu untersuchen, wie sich diese Verschiedenheiten im 
Einzelnen gestalteten und ob sich ätiologische Momente beibringen liessen, 
um uns diese Differenzen zu erklären. 

Für auswärtige Leser ist in Kürze zu sagen, dass die Stadt Basel 
durch den Rhein in zwei ungleich grosse Theile getheilt wird: das links¬ 
rheinische Grossbasel und das rechtsrheinische Kleinbasel. Die Bevölkerung 
von Kleinbasel betrug im Jahre 1875 ca. 1 / 3 , im Jahre 1900 in Folge 
relativ stärkeren Wachsthums ca. 2 / 6 der Bevölkerung der ganzen Stadt. 

Die Bevölkerungszahlen, die Jahressummen der Erkrankungen und 
der Todesfälle, sowie ihr Verhältniss zur Bevölkerung sind auf Tabelle I 
zusammengestellt. Auf dieser Tabelle und noch mehr auf den dazu ge¬ 
hörigen graphischen Darstellungen (Taf. X) springen die oben betonten 
Verhältnisse sofort ins Auge. 1 Ein genauerer Einblick aber ergiebt 
sich erst aus den Zusammenstellungen nach Monaten, die auf 
Tabelle II und III die Todesfälle, auf Tabelle IV und V die Erkrankungen 
angeben. Aus diesen Monatsziffern der Erkrankungen wurde die Morbi¬ 
dität (auf 1 Jahr und 10000 Lebende) für Grossbasel (Tab. VI) und 
Kleinbasel (Tab. VII) berechnet und mit Hülfe dieser Zahlen der Typhus¬ 
verlauf nach Monaten graphisch dargestellt (Taf. XI und XII). 3 • 

Hier treten nun, neben den schon auf der Jahrescurve bemerkten 
Eigenthümlichkeiten die Verschiedenheiten und Uebereinstimmungen im 
Auftreten des Typhus in Gross- und Kleinbasel sehr deutlich hervor. 

Während in vielen Jahren weder in Gross- noch in Kleinbasel be¬ 
deutende epidemische Steigerungen des Typhus sich bemerkbar machen, 
(1876, 78, 79, 83, 84, 86, 87, 88), so haben wir andererseits Jahre mit 
sehr auffallenden epidemischen Ausbrüchen, so dass die Linien starke 
Eicursionen aufweisen. Hierbei muss es entschieden auffallen, dass die 
rothe und die schwarze Linie 3 zeitweise sehr übereinstimmend verlaufen 


1 Auf den beigefügten Curventafeln sind die Typhustalle in Kleinbasel durch 
eine rothe Linie, diejenigen in Grossbasel dagegen schwarz aufgezeichnet. 

* Die blaue Linie notirt in Meter über dem Nullpunkt des Rheinpegels die 
Grundwasserstände Kleinbasels (Brunnen Hammerstrasse Nr. 50). Die Zahlen sind 
den Slafist. Mittheüungen entnommen. 

* Vgl. Anmerkung 1. 


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Albert Lotz: 


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und sich oft geradezu decken, während zu anderen Zeiten wiederum die 
beiden Linien einen absolut differenten Verlauf nehmen. 

Der parallele Verlauf der beiden Linien tritt besonders deutlich hervor 
in den Jahren 1880, 1881, 1889 und 1890, während in den Jahren 
1875, 1877, 1882 und 1885 die rothe Linie mehr oder weniger selbst¬ 
ständige Erhebungen zeigt. 

Mit anderen Worten: 

Im ersten Falle haben wir Epidemieen, welche sowohl Gross- wie 
Kleinbasel betreffen, im zweiten Falle dagegen Epidemieen, die vor¬ 
herrschend oder ausschliesslich (1882) Kleinbasel befallen. In den folgen¬ 
den Besprechungen wollen wir der Kürze wegen die ersteren als „ge¬ 
meinsame“, die letzteren als „Kleinbaseler“ Epidemieen bezeichnen. 

Mit dem Jahre 1890 finden die bis dahin häufig aufgetretenen grossen 
epidemischen Ausbrüche ihr Ende und — was besonders auffällig ist — 
sinken die Zahlen vornehmlich in Kleinbasel auf ein Minimum herab. 
Während letzteres bis dahin im Allgemeinen stets höher stand und mit 
seinen rothen Eicursionen Grossbasel überbot, so findet nun gerade das 
Umgekehrte statt: 1896 und 1897, besonders aber 1898 zeigen uns Er¬ 
hebungen, welche wesentlich Grossbasel betreffen; Kleinbasel bleibt zurück 
oder zeigt nur minimale Zahlen. 

Die erwähnten Kleinbaseler Epidemieen, sowie diese Veränderung im 
Verhalten Kleinbasels, das gänzliche Auf hören der Epidemieen vom Jahre 
1890 an, setzen nothwendiger Weise einen Factor oder Factoren voraus, 
welche . 

1. allein auf dem Gebiete Kleinbasels wirksam gewesen sind, 

2 . mit dem Ende des Jahres 1890 zu wirken aufgehört haben. 

Bei der Erwägung, was hierbei ursächlich in Frage kommen könnte, 
ist von vornherein das Grundwasser auszuschliessen. Die „Berichte über 
die ansteckenden Krankheiten“ weisen beinahe Jahr für Jahr darauf hin, 
dass zwischen den Schwankungen des Grundwassers und den Schwankungen 
der Typhusmorbidität kein regelmässiger Zusammenhang nachzuweisen sei 
und ein Blick auf Tabelle VI, VII a und b zeigt das unverkennbar. 

Die starke Epidemie von 1877 fällt in einen Zeitraum von hoch¬ 
stehendem Grundwasser, diejenige von 1882 in einen solchen starken An¬ 
steigens desselben, diejenige von 1885 beginnt bei hochstehendem, erreicht 
allerdings ihre Höhe bei starkem Sinken, fallt aber bei fortgesetztem 
starkem Sinken ebenso rasch wieder ab. Daneben sehen wir starke Tief¬ 
stände des Grundwassers (VIII 81, III 87, II 91, X 95) gänzlich reactions- 
los verlaufen. 


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Deb Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875—1900. 191 


Ebenso wenig wie das Grundwasser für die im Laufe der Jahre be¬ 
obachteten Schwankungen können die sanitarisch förderlichen bau¬ 
lichen Veränderungen für den im Laufe des letzten Jahrzehnts vor¬ 
handenen niedrigen Stand des Typhus in Kleinbasel als Ursache 
herangezogen werden. Diese baulichen Verbesserungen (Ausdehnung einer 
rationellen Canalisation n. s. w.) treten ihrer Natur nach nur allmählich 
ein, und welchen Antheil am Auftreten des Typhus man auch den früheren 
insaluberen Zuständen in den Wohnungen und im Untergründe beimessen 
mag, so handelt es sich dabei doch eben nur um die dauernden, nur 
allmählich sich verändernden Zustände, während wir nach einem Factoren 
suchen, dessen zeitweise Wirkung die Kleinbasel eigenthümlichen epide¬ 
mischen Ausbrüche hervorrufen konnte und dessen Ausschaltung das Auf¬ 
hören derselben erklärt. 

Ganz undenkbar ist es, dass Milch, Gemüse oder irgend welche 
anderen Lebensmittel für die Erklärung der Kleinbaseler Epidemieen in 
Betracht kommen könnten. Setzt doch die Verbreitung der Epidemieen 
auch eine Verbreitung des Infectionsstoffes voraus, die weder bei Milch 
noch bei anderen Lebensmitteln möglich wäre, ohne dass gleichzeitig auch 
Grossbasel von seiner Wirkung betroffen würde. 

Wenn wir auch unbedingt den Standpunkt vonBorntraeger 1 theilen, 
welcher davor warnt, in allen Fällen sofort dem Rufe „cherchez l’eau“ 
Gehör zu schenken, so liegt doch speciell in unserem Falle die Frage 
sehr nahe, ob sich nicht ursächliche Beziehungen zwischen der Wasser¬ 
versorgung und dem Auftreten des Typhus in Kleinbasel nachweisen 
lassen. Nachdem Liebermeister 2 in Basel, Zürich und Solothurn, 
Haegier’ für die kleine Ortschaft Lausen, Curschmann* Reineke 6 
für Berlin und Hamburg und zahlreiche andere Beobachter 6 typische 
Trinkwasserepidemieen beschrieben haben, wissen wir zur Genüge, dass 
solche explosive Ausbrüche, wie wir sie in Kleinbasel mehrfach beobachten, 
durch verunreinigtes Trinkwasser zu Stande kommen können, und 
wir forschten um so mehr nach den Trinkwasserverhältnissen, als uns be- 


* Borntraeger, Die Contagiosität des Darmtyphus. Vierteljahrsschrift für 
gerichtl. Medicin. Juli 1901. S. 149. 

* Liebermeister. Gesammelte Abhandlungen. S. 27 — 65. 

* A. Haegier, Beiträge zur Entstehungsgeschichte des Typhus. Deutsches 
Archiv für klin. Medicin. Bd. XI. 

* Curschmann, Statistisches und Klinisches über den Unterleibstyphus in 
Hamburg. Deutsche med. Wochenschrift. 1888. 

* Beincke, Deutsche Vierteljahrsschr. f. öjfentl. Gesundheitspflege. Bd. XXVIII. 

* Litteraturangaben bei W. von Rieder, Der Abdominaltyphus in Riga im 
Jahre 1900. Ebenda. Bd. XXXIII. S. 577 ff. 


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Albebt Lotz: 


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kannt war, dass Gross- und Kleinbasel zum Theil mit verschiedenem 
Wasser versorgt werden. 

Wenn wir oben gesehen haben, dass die Kleinbaseler Epidemieen 
einen Factor voraussetzen, der im letzten Jahrzehnt nicht mehr wirksam 
war, so stossen wir sofort auf die bedeutsame Thatsache, dass „im De- 
cember 1890 das Riehenpumpwerk wegen Gefahr der Verunreinigung des 
dort gehobenen Sodwassers bis auf Weiteres ausser Betrieb gesetzt“ wurde. 1 

Zur richtigen Würdigung dieser Thatsache ist eine kurze Darlegung 
der etwas complicirten Kleinbaseler Wasserverhältnisse nothwendig. 

Bis zum Beginn der 60 er Jahre des vorigen Jahrhunderts beruhte 
die Wasserversorgung der Stadt Basel auf einer Anzahl aus der näheren 
Umgebung zugeleiteter Quellen; dazu kamen in Grossbasel noch einige 
Quellen, die in der Stadt selbst am Fusse der gegen das Birsigthal und 
das Rheinthal abfallenden Hügel zu Tage treten. Ausserdem existirten 
in Gross- und Kleinbasel noch eine Anzahl öffentlicher und privater Sod- 
brunnen. Bei dem beschränkten Landgebiete auf dem rechten (Klein¬ 
baseler) Rheinufer war Kleinbasel auf mehrere, am Abhange des Dinkel¬ 
berges gegen Bettingen hin gefasste Quellen angewiesen, die zusammen 
das sogenannte Riehenwerk bildeten. Da jedoch der Erguss desselben 
für die Bedürfnisse des wachsenden Stadttheiles von Jahr zu Jahr weniger 
genügte, so begegnen wir im Jahre 1860 dem Projecte, zur Gewinnung 
weiteren Trinkwassers vor dem Riehenthore (d. h. in Kleinbasel selbst, 
ca. 400 m vom Rheine entfernt) einen Sodbrunnen zu graben. 2 Im darauf¬ 
folgenden Jahre wurde die Arbeit vollendet und im Berichte des Jahres 
1863 heist es: 3 

„Vom Pumpwerk vor dem Riehenthore werden folgende Brunnen ge¬ 
speist: ein Brunnen am Pumphaus, an der oberen Rheingasse, an der 
Ecke des Claramattweges, zwei Hebelbrunnen an der Hammerstrasse und 
gegenüber dem badischen Bahnhof.“ 

Der Ueberschuss des vom Pumpwerk gelieferten Wassers gelangte in 
die Leitung des Riehenwerks, indem Pumpwerk und Quellwerk schon von 
Anbeginn an derart in Verbindung gesetzt wurden, „dass im Falle von 
Bedarf Pumpwerkswasser in die Riehenwerksleitung und umgekehrt ein¬ 
gelassen werden“ konnte. 4 * 

Die vom neu erstellten Pumpwerke gelieferte Grundwassennenge 
(ca. 30 Helblinge) 6 betrug ungefähr die Hälfte des Ergusses des Riehen- 


1 Jahresbericht des Gas- und Wasserwerkes in Basel. 1890. S. 38. 

* Verwaltungsbericht des Stadtrathes zu Basel. 1860. S. 27. 

8 Ebenda. 1863. S. 18. 

4 Verwaltungsbericht des Sanitäts-Dept. 1877. S. 66. 

* Ein Helbling = 4-5 Minutenliter. 


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Deb Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875 — 1900 . 193 


quellwerks (ca. 60 Helblinge). Dieses war der Ergänzung um so be¬ 
dürftiger, als es im Jahre 1863 weiteren Ansprüchen zu genügen hatte 
(3 fernere Helblinge Wasser zu den Hofbrunnen in der Kaserne für die 
Zeit, während welcher Militärcurse abgehalten wurden, und 1 j t Helbling 
an den badischen Bahnhof). 1 

Das auch in Grossbasel sehr lebhafte Bedörfniss nach vermehrter 
Wasserzufuhr hatte die Zuleitung der in verschiedenen Jurathälern bei 
Grellingen und Angenstein, ca. 15 km von Basel entfernt gelegenen Quellen 
zur Folge. Der Erguss dieser neuerworbenen, ergiebigen Quellen, das 
sogenannte Greilingerwasser, wird durch eine Sammelleitung in ein 
südlich von der Stadt auf dem „Bruderholze“ gelegenes Reservoir geführt. 
Da sich dieses bei einer Lage von 92 m über dem Nullpunkte des Rhein¬ 
pegels immer noch ca. 50 m über den höchstgelegenen Quartieren (Gundol- 
dingen u. s. w.) befindet, so gelangt das Wasser mit starkem Drucke nach 
allen Theilen der Stadt. Die Eröffnung der Greilinger Wasserversorgung 
erfolgte im April 1866, und da schon im December 1865 eine Leitung 
im Rheinbette nach Kleinbasel hinüber vollendet war, so nahm schon 
von Anfang an auch Kleinbasel an dieser neuen Wasserversorgung theil. 
Der „Geschäftsbericht des Yerwaltungsrathes der Gesellschaft für Wasser¬ 
versorgung“ verzeichnet: 

für Ende 1866 . . 206 Käufer; 392 Abonnenten, 
worunter in Kleinbasel 18 „ 57 „ 

für Ende 1873 bereits 2072 „ 

worunter in Kleinbasel 388 „ 

Nicht nur das äussere Kleinbasel, auch die „innere Stadt“ (deren 
Begrenzung später folgen wird) genoss theil weise Grellingerwasser, wie 
daraus hervorgeht, dass von den 388 Abonnenten Kleinbasels 195 die 
„innere Stadt“ bewohnten. 

Als ferneres Beispiel mag das Waisenhaus angeführt sein, das 1869 
zu den früher schon zugeleiteten 3 Helblingen 3 weitere vom Riehenwork 
und 2V 2 Helblinge Grellingerwasser zugeleitet erhielt. Der Mehrbedarf 
der Kaserne, die — wie wir oben sahen — mit Riehenwerkwasser versorgt 
war, wurde ebenfalls mit Grellingerwasser gedeckt. 

Waren schon von Anfang an das „Riehenquellwerk“ und das „Pump¬ 
werk vor dem Riehenthore“ zu gegenseitiger Ergänzung verbunden, so 
wurde im Verlaufe des Jahres 1876 am Riehenwerk auch eine „hinlänglich 


1 Verwaltung »bericht des Stadtrathes. 
ZeiUchr. £ Hygiene. XLI. 


1863. S. 18. 


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Albert Lotz: 


weite Verbindung mit der Greilingerleitung“ hergestellt 1 * , um bei 
schwankendem Ergüsse des Riehenwerkes als Ergänzung zu dienen. Wie 
variabel dieser sein konnte, geht hervor aus folgenden Angaben*: 

1881 bis 1888 lieferten die Riehenquellen 92 bis 95 Helblinge, das 
Pumpwerk 42 bis 51; 1885 sank der Erguss der Quellen bis auf 28 Helb¬ 
linge, während das Pumpwerk 52 Helblinge lieferte und der gegenüber 
den Vorjahren geringere Erguss der Riehenquellen durch Grellingerwasser 
ergänzt werden musste. 

Als letzte wesentliche Aenderung auf dem Gebiete der Wasser¬ 
versorgung ist zu erwähnen die zur Ergänzung des Grellingerwassers seit 
1883 eingeführte Gewinnung von Grundwasser durch das Erlen- 
pumpwerk, welches im äusseren Kleinbasel auf den südlich von den 
„langen Erlen“ gelegenen Waisenhausmatten errichtet wurde. 

Bekanntlich wird die weite flache Mulde des Rheinthals, in welcher 
Basel liegt, von mächtigen Geröllablagerungen der Diluvialperiode aus¬ 
gefüllt. 3 Die grossen Kies- und Sandschichten dieses Geröllbodens bilden 
nun ein vortreffliches Naturfilter für das den Pumpbrunnen des Erlen- 
werks zufliessende Wasser. Dementsprechend hat das hier gepumpte 
Grundwasser sich von Anfang an, sowohl chemisch, als bakteriologisch, 
durch seine ausserordentliche Reinheit ausgezeichnet und sich daher als 
vorzügliches Trinkwasser erwiesen. 

Die chemischen Untersuchungen des Grundwassers von Prof. Piccard, 
sowie die späteren bakteriologischen von Prof. Dübler ergaben ausnahmslos 
sehr günstige Resultate; bei den letzteren schwankte die Keimzahl zwischen 
3 und 25 im Cubikcentimeter und betrug im Mittel 12. 4 

Die seit 1893 durch den Kantonschemiker Dr. Kreis regelmässig 
weitergeführten Untersuchungen des Wassers auf chemische Bestandteile 
und auf Keimzahl, sowie die im hygienischen Institute (Prof Albr. Burck- 
hardt) vorgenommenen Untersuchungen der Vorgefundenen Keimarten 
konnten stets nur die früheren günstigen Resultate bestätigen. 

In den ersten Betriebsjahren des Erlenpumpwerks wurde nur aus¬ 
nahmsweise bei grösserer Trockenheit gepumpt; allmählich machte jedoch 
das grössere Bedürfuiss der wachsenden Bevölkerung eine gesteigerte In¬ 
anspruchnahme des Grundwassers nöthig. Ausserdem führte die steigende 


1 Yerwaltungshericht des Sanitäts-Depts. 1876. S. 56. 

9 ID)enda. 1881 —1885. 

3 Vgl. Albrecht Müller, lieber d . Gesundheitswesen u. die Bodenverhältnisse 
der Stadt Basel. Basel 1867. 

4 Bericht der Direction des Gas- und Wasserwerkes an das Sanitäts-Dept. über: 
Die Erweiterung des ErlenpumpWerkes. Im Rathschlag vom Januar 1S94. 
S. 21. 


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Der Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875 — 1900 . 195 


Fürsorge für Reinheit des Trinkwassers zu zeitweiser Ausschaltung einiger 
Greilingerquellen, „deren Wasser bei Trübung durch Regen oder Schnee- 
schmelze jeweilen abgestellt und erst wieder in das Stadtrohmetz ein¬ 
gelassen wird, wenn es nicht nur seine vollkommene Klarheit wieder er¬ 
langt- hat, sondern sich auch in der Untersuchung wieder als rein erweist“. 
„Unter etwas grösserem Zuschuss von gepumptem Grundwasser“ wurde 
es also möglich, „den Consumenten auch in Zeiten von häufigem Witterungs¬ 
wechsel stets reines Wasser zu liefern“. 1 

1883 betrag das Erlengrundwasser 2-8 Procent der Gesammtlieferung 
des Wasserwerkes; erst von 1892 an begann die Menge stark zuzunehmen, 
so dass 1899 das Erlengrundwasser mit einem Quantum von 4*64 Millionen 
Cubikmeter bereits 76*8 Procent der Gesammtlieferung des Wasserwerkes 
ausmachte. 

An Stelle des früheren im Rheinbette gelegenen Rohres, wodurch 
das Grellingerwasser nach Kleinbasel gelaugte, wurde später die Greilinger 
Hauptleitung über die neue Wettsteinbrücke nach Kleinbasel hinüber ge¬ 
führt und diese Leitung im Jahre 1882 bis zum Erlenpumpwerk hinaus 
verlängert. Unter entsprechendem Drucke der grossen mit Dampf ge¬ 
triebenen Maschinen wird dort das Erlengrundwasser in das gleiche, von 
der anderen Seite mit Grellingerwasser versorgte Leitungsnetz gepumpt 
und auf diese Weise am besten die Ergänzung des Bedarfs an Grellinger¬ 
wasser durch Zuschuss von Erlengrund wasser ermöglicht. 

Da das Erlenpumpwerk von Jahr zu Jahr an Bedeutung gewann, 
war es wichtig, „die Verbindung von Kleinbasel und Grossbasel möglichst 
leistungsfähig zu machen“.* Es wurde daher zur Verminderung des 
Widerstandes, den diese eine Leitung über den Rhein verursachte, im 
Jahre 1892 eine neue Communication zwischen Gross- und Kleinbasel 
über die Johanniterbrücke hergestellt und durch Verbindung dieser mit der 
Grossbaseler Ringleitung eine bessere Ausgleichung des gegenseitigen 
Druckes erreicht. 

Da das in Kleinbasel liegende Erlenpumpwerk ungefähr drei Viertel 
der Gesammtlieferung des Wasserwerkes für die ganze Stadt besorgt, ist 
es klar, dass in letzter Zeit Kleinbasel vorherrschend und bisweilen sogar 
ausschliesslich Erlengrundwasser consumirt. 

Fassen wir die etwas complicirten Wasserversorgungsverhältnisse von 
Kleinbasel noch einmal kurz zusammen, so haben wir also: 

1. Das Riehenwerk; 

2. von 1863 an das, mit dem Riehenquellwerk in Verbindung stehende 
Pumpwerk vor dem Riehenthore (oder „Riehenpumpwerk“); 

1 Jahresbericht des Gas- und Wasserwerkes. 1895. S. 57. 

* Ebenda. 1892. S. 39. 

13* 


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196 


Albert Lotz: 


8. von 1866 an Greilingerwasser besonders in den äusseren 
Quartieren; 

8. von 1876 an eine directe Communication der Riehenwerksleitung 
mit der Greilingerleitung; 

5. von 1883 an in steigendem Grade Grundwasser aus dem 
Erlenpumpwerk; 

6. im December 1890 die Ausschaltung des Pumpwerks vor 
dem Riehenthore. Diese war eine definitive, „da die während des 
ganzen Jahres 1891 regelmässig vorgenommenen Untersuchungen des 
Wassers aus dem Sod des Riehenpumpwerkes eine Verunreinigung desselben 
durch das nur wenige Meter vom Brunnenschächte entfernt vorbeifliessende 
Wasser des Riehenteiches als höchst wahrscheinlich erscheinen liessen“. 1 

Wir haben oben (S. 190) als Ursache der specifischen Kleinbaseler 
Epidemieen einen Factor gesucht, der 

1. allein in Kleinbasel wirksam gewesen ist, 

2. mit dem Ende des Jahres 1890 zu wirken aufgehört hat. 

Aus den obigen Darlegungen ergiebt sich, dass das Riehenpump- 
wasser diesen beiden gestellten Anforderungen entsprechen würde. Vir 
gelangen daher zu der Frage: 

War die im December 1890 erfolgte Ausschaltung des Pump¬ 
werkes vor dem Riehenthore wirklich die Ursache der von 1891 
an wahrnehmbaren andauernden Verminderung des Typbus in 
Kleinbasel? bezw. lassen sich Beweise beibringen, dass das 
Riehenpumpwasser mit den vor 1891 aufgetretenen specifischen 
Kleinbaseler Epidemieen in ursächlicher Beziehung stand? 

Wir haben zunächst zu untersuchen, ob und auf welche Weise sich 
diese Fragen beantworten lassen. Eine unzweideutige Bejahung derselben 
ergäbe sich, wenn während der Kleinbaseler Epidemieen der directe Nach¬ 
weis von Typhusbacillen im Riehenpumpwasser gelungen wäre. Allein 
regelmässige bakteriologische Untersuchungen des Wassers finden erst seit 
1894 im hygienischen Institute statt, früher wurden sie zeitweise in der 
pathologischen Anstalt vorgenommen. Auf Grund einer solchen Unter¬ 
suchung des Riehenpumpwassers, die zwar keine Typhusbacillen, sondern 
nur eine allgemeine bakterielle Verunreinigung des Wassers ergab, erfolgte 
im Jahre 1890 die Ausschaltung des Riehenpumpwerkes. Bei der 
zweifellos durch verunreinigtes Sodbrunneuwasser entstandenen Epidemie 
in der Schorenanstalt (Winter 1890/91) lautete der, allerdings erst am 
Ende der Epidemie erhobene Wasserbefund: im Cubikcentimeter 570 Keime. 


1 Jahresbericht des Gas • und Wasserwerkes. 1891. S. 46. 


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Der Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875—1900. 19T 


ein Fäulnissbacterium, keine Typhusbacillen. 1 Niemand wird solche 
negativen Ergebnisse als Beweis gegen das betreffende Wasser, als In- 
fectionsquelle ansehen; die Thatsache, dass keine Typhusbacillen gefunden 
wurden, ist keineswegs identisch mit derjenigen, dass keine in jenem 
Wasser vorhanden waren. Untersucht man doch viel zu geringe Quanti¬ 
täten Wasser, als dass man aus einem negativen Untersuchungsresultate 
einen positiven Schluss ziehen dürfte. Bei den grossen Schwierigkeiten, 
auf welche bekanntlich der Nachweis der Typhusbacillen im Wasser stösst, 
darf es uns nicht wundern, wenn sich aus den damals entnommenen 
Wasserproben und auch seither noch niemals Typhusbacillen isoliren 
Hessen; denn wie Günther 2 * sagt, ist nur „hie und da, mit grösserer 
oder geringerer Wahrscheinlichkeit der Typhusbacillus in dem Wasser 
durch Typhusdejectionen verunreinigter Brunnen nachgewiesen worden“. 
Leider sind wir ja für die Untersuchung des Wassers auf Typhusbacillen 
immer noch auf die primäre Plattenuntersuchung des ursprünglichen 
Wassers angewiesen und haben nicht, wie z. B. für den Nachweis der 
Choleravibrionen im Wasser „das viel mehr Chancen für das Auftinden 
der Keime“ bietende Anreicherungsverfahren. 8 

In jüngster Zeit allerdings wurde von Chantemesse 4 eine neue 
Methode des Nachweises der Typhusbacillen im Wasser angegeben, die 
ebenfalls auf dem Principe der Anreicherung beruht. Sollte sich dieses 
neue Verfahren bewähren, so ist zu erwarten, dass viel häufiger als früher 
der Nachweis der Typhusbacillen im Wasser gelingen wird. Die negativen 
Ergebnisse der oben genannten Untersuchungen beeinträchtigen jedenfalls 
in keiner Weise die Möglichkeit eines Causalzusammenhangs zwischen den 
Kleinbaseler Epidemieen und dem Riehenpumpwasser. 

Liegt schon kein positiver Bacillennachweis im Wasser vor. so ist 
auch ganz unbekannt, ob überhaupt die einzelnen Kleinbaseler Typhus¬ 
kranken der 70er und 80er Jahre vor ihrer Erkrankung Wasser des 
Riehenpumpwerks genossen haben oder nicht Verglichen kann nur 
werden das Auftreten des Typhus in dem Gebiete, welches dem Einflüsse 
des Riehenpumpwerkes ausgesetzt war, mit dem Auftreten des Typhus 
ausserhalb dieses Gebietes; dabei sind aus einander zu halten: 

die Kleinbaseler Epidemieen, 
die gemeinsamen Epidemieen 
und die epidemiefreie Zeit. 

1 Statist. Mittheilungen des Kant . Basel-Stadt. Bericht über ansteckende Krank¬ 
heiten. 1890. S. 62. 

* Günther. Einführung in das Studium der Bakteriologie. 5. Aufl. S. 235. 

* Ebenda. 8. 236. 

4 Chantemesse, Semaine mcdicale. 1901. Nr. 24. p. 186. 


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198 


Albebt Lotz: 


Leider lassen sich diese beiden Gebiete nicht völlig genau gegen¬ 
einander abgrenzen; Folgendes steht fest: 

Dem Einflüsse des Riehenpumpwerks unterlag die ganze, stadtwärt? 
zwischen ihm und dem Rheine gelegene Leitung des Riehenwerks. Ein 
auch schwacher Erguss der Riehenquellen genügte zur Versorgung der 
Brunnen, die zwischen den Quellen bei Bettingen und dem Pumpwerke 
lagen, so dass eine rückläufige Verbreitung des gepumpten Wassers in 
die ausserhalb gelegenen Theile der Riehenwerksleitung kaum Vorkommen 
konnte. Auf dem beiliegenden, nach einer Karte des Wasserwerks eopirten 
Plane (Taf. XIII) sind die dem Einflüsse des Riehenpumpwerks unter¬ 
liegenden Theile roth gezeichnet. Es handelt sich also zunächst um das 
Gebiet des alten Kleinbasels vom Waisenhaus im SO. bis zur Kaserne im 
NW. und vom Rheine bis zu „oberer“ und „unterer Rebgasse“, den an¬ 
grenzenden Nebengässchen (Rappoltshof u. s. w.) „Rieheuthorstrasse“ uud 
„Kirchgasse“. Dazu ist ferner zu rechnen, die unmittelbar beim Brunnen 
am Pumphause gelegene kleine Häusergruppe Riehenstrasse Nr. 5 bis 15 
(jetzt Nr. 35 bis 45), deren Bewohner jedenfalls das unentgeltliche Brunnen¬ 
wasser dem Abonnement auf Grellingerwasser vorzogen; ausserdem gehört 
hierher die mit einem laufenden Brunnen aus dem Riehenwerk versehene 
Liegenschaft Rheinfelderstrasse Nr. 12. 

Dieses gesammte Gebiet bildet einen fast durchweg wohl umschriebenen 
Bezirk, der die grösste Zahl der vom Riehenwerk gespeisten öffentlichen 
Brunnen und zahlreiche Privatbrunuen (zusammen wenigstens 26) umfasst. 
Wir werden im Folgenden der Kürze wegen dieses Gebiet als „innere 
Stadt“ bezeichnen. Ausserhalb dieser inneren Stadt bleiben übrig drei 
Brunnen an der Hammerstrasse (vom Clarahofweg bis zur Sperrstrasse) 
und der Brunnen Ecke Sperr- und Klybeckstrasse. Diese genannten vier 
Brunnen liegen in einem ausgedehnten, Ende der 70er Jahre sicher schon 
reichlich mit Grellingerwasser versorgten Gebiete. Sie nahmen daher in 
dem unserer Betrachtung unterliegenden Zeiträume einen nicht genauer 
abgrenzbaren, aber jedenfalls nur sehr geringen Antheil an der Wasser¬ 
versorgung der in diesem relativ grossen Gebiete lebenden Bevölkerung 
und es erschien daher richtiger, sie beim Vergleiche nicht der „inneren 
Stadt“ beizurechnen, sondern sie zu dem übrigen, als „äussere Stadt** 
bezeichneteu Kleinbasel zu zählen. 

Wir sind somit zu zwei getrennten, unter sich vergleichbaren Com- 
plexen gelangt, der „inneren“ und der „äusseren“ Stadt. Handelt es 
sich nun darum, diese beiden Gebiete und das Auftreten des Typhus in 
denselben mit einander zu vergleichen, so haben wir von vorne herein 
mit verschiedenen Schwierigkeiten und Fehlerquellen zu rechnen: 


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Der Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875—1900. 199 


1. haben wir nicht zwei Gebiete vor uns, deren Bevölkerung gänz¬ 
lich verschiedenes Wasser trinkt, sondern die „innere Stadt“ geniesst 
in der Riehenleitung neben dem Wasser des Pumpwerks noch Wasser 
der Riehenquellen, sowie von 1876 an Greilingerwasser, und ausserdem 
enthält ihr Gebiet auch zahlreiche Abonnenten von Grellingerwasser; die 
„äussere Stadt“ dagegen, die fast gänzlich auf Grellingerwasser angewiesen 
ist, enthält noch vier, von der Riehenleitung gespeiste Brunnen. 

2. besteht zwischen den beiden Gebieten ein reger Verkehr, 
so dass gewiss viele Bewohner der äusseren Stadt theils gelegentlich, theils 
regelmässig (Schule, Arbeitsort u. s. w.) in der „inneren Stadt“ unter dem 
Einflüsse des Riehenpumpwassers stehen konnten. 

Zu diesen. räumlichen Ungenauigbeiten kommt: 

8. die Schwierigkeit der zeitlichen Abgrenzung zwischeu 
Epidemieen und epidemiefreien Zeiten. Zu diesem Zwecke wurden 
sämmtliche Erkrankungen mit grösster Genauigkeit, nach den Tagen ihres 
Beginnes geordnet, aufnotirt und dadurch der nöthige Ueberblick gewonnen, 
der es allein ermöglicht, die Begrenzung der Epidemieen einigermaassen 
richtig zu erkennen. Aus der später folgenden Besprechung der einzelnen 
Epidemieen wird sich ergeben, dass mit möglichster Objectivität die 
Grenzen derselben festgestellt worden sind. Es ist eine bekannte That- 
sache, dass der Beginn einer Epidemie meistens deutlich sich manifestirt, 
dass dagegen das Ende oft nur schwierig zu bestimmen ist und es etwas 
der Willkür überlassen bleibt, welche Erkrankung wir als die letzte der 
betreffenden Epidemie annehmen wollen. Auch ist es unmöglich auszu- 
schliessen, dass ätiologisch zur Epidemie gehörende Ausläufer derselben zur 
epidemiefreien Zeit gerechnet werden. 

4. Endlich fehlt die Bevölkerungszahl der inneren und der 
äusseren Stadt; wir wissen nur, dass deren Verhältniss einer dauernden 
Veränderung unterlag, indem die „innere“ Stadt nur sehr wenig zunahm, 
die Anfangs kleinere „äussere“ dagegen sehr stark bis zur baldigen Ueber- 
flügelung der inneren. Es bleibt uns daher unmöglich, die Typhus¬ 
morbidität der beiden Gebiete zu berechnen und einander gegenüberzu¬ 
stellen; wir können nur vergleichen: 

I. Die Vertheilung der Typhuslalle während einer Kleinbaseler Epidemie 
mit der Vertheilung der Typhusfälle während der epidemiefreien 
Zeit desselben Jahres. 

II. Die Vertheilung der Typhusfälle während einer gemeinsamen 
Epidemie mit der Vertheilung der Typhusfälle während der epidemie¬ 
freien Zeit desselben Jahres. 


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200 


Albert Lotz: 


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III. Die Vertheilung der Typhusfalle während einer Kleinbaseler Epidemie 
mit der Vertheilung der Typhusfalle während einer gemeinsamen 
Epidemie desselben oder eines nahestehenden Jahres. 

Wenn sich hierbei trotz den eben angeführtenSchwierigkeiten und Fehler¬ 
quellen unzweideutige Unterschiede zwischen der inneren und der äusseren 
Stadt herausstellen*, so darf einem solchen Resultate entschieden erhöhte 
Beweiskraft zugesprochen werden. 

Bevor wir uns zu diesen Vergleichen selbst wenden, geben wir im 
Folgenden eine kurze Uebersicht der einzelnen Jahre und beginnen mit 
denjenigen Jahren, die ohne Typhusepidemieen verlaufen sind. 


I. Epidemiefreie Jahre. 

Von den 16 Jahren 1875 bis 1890 weisen 8 Jahre Typhusepidemieeu 
auf, in den anderen 8 Jahren kommt es zu keinen epidemischen An¬ 
häufungen der Typhuserkrankungen. In diesen epidemiefreien Zeiträumen 
vertheilen sich die Fälle mehr oder weniger gleichmässig auf das ganze 
Jahr (1876), aber doch meist so, dass die zweite Hälfte des Jahres be¬ 
vorzugt wird (1878, 1887). Trotzdem das Jahr 1879 im August einen 
etwas stärkeren Ausschlag der Kleinbaseler Curve zeigt (s. Taf. XI), und 
sich die 16 Fälle grossentheils in der inneren Stadt, also dem Riehen- 
pumpwerkgebiete befinden, während in der übrigen Zeit die Erkrankungen 
im äusseren Kleinbasel überwiegen, wurde, da andererseits auch die Gross¬ 
baseler Curve ansteigt und es sich überhaupt nur um kleine Zahlen 
handelt, also Zufälligkeiten weniger sicher auszuschliessen sind, der August 
1879 nicht als specifisch aufgefasst. Alle derartigen kleineren Steigerungen, 
wie wir sie vor 1890 öfters antreffen, wurden nicht berücksichtigt; bei 
genauer Durchsicht haben wir uns überzeugt, dass sie sehr oft auf 
Familien- bezw. Hausepidemieen beruhen und daher den sogenannten 
secundären, wohl durch Contagion erzeugten Fällen eine relativ grössere 
Bedeutung zukommt, als dies bei einer umfangreicheren Epidemie der 
Fall ist. 

1883 und 1884 verlaufen ganz epidemielos, ebenso 1886 und 1888, 
in welchem Jahre Gross- und Kleinbasel seit 1875 das Minimum von 
Erkrankungen — 56 und 32 — zeigen. 

Wie sich in den epidemiefreien Jahren die Typhuserkrankungen auf 
innere und äussere Stadt vertheilten, ist aus der folgenden Zusammmen- 
Stellung ersichtlich. 


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Des Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875 — 1900. 201 


Epidemiefreie Jahre. 


1; 

Jahre 

l ! 

Tage 

Er¬ 

krankungen 

Innere Stadt 


Aeussere 

Stadt 

1876 

“T 

366 

43 

1 .24 

(1) 

19 

1878 


1 365 

74 

! 81 

— 

43 

1879 

i 1 

| 365 

62 


— 

32 

1883 

- 

365 

54 

21 

(2) 

33 

1884 

i ! 

366 

52 

25 

(1) 

27 

1886 

j 

865 

57 

29 

— 

28 

1887 


365 

83 

38 

(4) 

45 

1888 


366 

31 

15 

(2) 

16 

Total: 

l 

! 2923 

, 

456 

213 

(10) 

1 243 

1 


11. Jahre mit Epidemieen. 

Zar Orientinmg folgt vorerst eine Uebersicht der später im Einzelnen 
zn besprechenden Epidemieen. 


Dauer der Epidemieen in Tagen. 


Jahre 

« 

i 

Kleinbaseler 

Epidemieen 

Gemeinsame 

Epidemieen 

Epidemiefreie 

Zeit 

1875 

ii 

34 

— 

831 

1877 


94 

69 i 

202 

1880 

|| 

— 

88 

278 

1881 

|l 

— 

140 i 

225 

1882 

!i 

36 

— 

829 

1885 

I 

42 

— 

323 

1889 

1 

55 

52 

258 

1890 

I| 

129 

33 

203 

Total: 

ii 

390 

382 

2149 Tage. 


In den 8 von Epidemieen heimgesuchten Jahren nehmen also die 
„Kleinbaseler“ Epidemieen fast genau gleich viel Zeit in Anspruch, wie 
die „gemeinsamen“. Um den Zusammenhang verschiedener Dinge in 
den gleichen Jahren nicht zu stören und um die Uebersicht zu erleichtern, 
ziehen wir eine zusammenhängende Betrachtung aller Jahre mit Epidemieen 
einer in „Kleinbaseler Epidemieen“ und „gemeinsame Epidemieen“ ge¬ 
sonderten vor. 

I. 1875. Die 63 Erkrankungen des Jahres vertheilen sich mit Ausnahme 
des März auf alle Monate des Jahres; auf die erste Hälfte desselben fallen 
jedoch nur 14. Die Vertheilung nach Tagen zeigt uns, dass von einer 
geringen epidemischen Ausbreitung nur im October kann gesprochen werden. 


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202 


Albebt Lotz: 


Bei den folgenden Zusammenstellungen geben wir jeweilen die Er¬ 
krankungen nach Tagen bezw. Wochen für beide Stadttheile getrennt. 


! 

Klein basel 

Grossbasel 

1875 

September 13. i 1 

— 

(Kleinbaseler 

14.—28. 

1 — 

5 

Epidemie) 

29.-30. 

2 

2 


October 1.— 2. 

— 

i 


8.— 9. 

6 

2 


10.—16. 

3 

4 


17.-23. 

8 

2 


© 

CO 

1 

w*; 

Oi 

2 

6 


31. 

1 

— 


November 1. 

1 

1 


2.-11. 

— 

5 


12. 

2 

— 




Tage 

Fälle 

Innere 

Stadt 

Aeussere 

Stadt 

Epidemie 29. IX. — 1. XI. 

34 j 

18 

14 

4 

Epidemiefreie Zeit. 

331 

42 

20 

22 


II. 1877. Während der December 1876 keinen einzigen Fall iu 
Kleinbasel aufweist, beginnt im darauffolgenden Jahre 1877 die rothe 
Curve rasch zu steigen und verläuft zusammen mit der schwarzen bis 
zum Mai. Hier erfolgt synchron mit dem Abfall der letzteren ein rapides 
Ansteigen für Kleinbasel, und wenn auch Grossbasel im August wieder 
einen grösseren Ausschlag zeigt, so erreicht derselbe doch nicht einmal 
die halbe Höhe der stark gesunkenen Kleinbaseler Curve. 

Das Jahr 1877 bringt uns also verschiedenartige Epidemieen: Anfangs 
eine gemeinsame, an welcher sich Gross- und Kleinbasel in gleichem Ver¬ 
hältnisse betheiligen; die Erkrankungsziffern entsprechen sich und die 
rothe und die schwarze Curve decken sich fast völlig. Der Beginn dieser 
Epidemie ist auf den 22. III., das Ende auf den 29.Y. anzusetzen, wie 
aus der folgenden Zusammenstellung ersichtlich ist: 


1' 

Klein basel i 

Grossbasel 

i 1877 

März 7. 

i i 

1 

j (Gemeinsame 

8.—21. , 


1 

Epidemie) 

22. 

1 

1 

i 

23. — 31. 

5 

11 


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Der Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875—1900. 203 



Kleinbasel 

Grossbasel 

1877 

April 1.— 7. 

8 

14 

(Gemeinsame 

8.—14. 

8 

7 

Epidemie) 

15.-21. 

2 

9 


22.-28 

3 

1 


29.— 5. 

3 

7 


Mai 6.-12. 

4 



13.-19. 

4 

1 13 


20.—26. 

4 

5 


27.-29. 

3 

2 


30.—81. 

— 

2 

i 

Juni 1.— 2. 

i — 

l — i 

i 

i 



Tage 

Fälle 

Innere 

Stadt 

Aeussere 

Stadt 

I. Epidemie: 22. III.—29. Y. 

69 

40 

18 

22 

Epidemiefreie Zeit. 

202 

34 

21 

13 


Nach kurzer Unterbrechung folgt eine Kleinbaseler Epidemie, welche 
vom 9. Juni bis zum 10. September dauert. Die Betrachtung der 
folgenden Vertheilung nach Wochen ergiebt, dass bis zum 14. Juli den 
sehr zahlreichen Erkrankungen in Kleinbasel eine nur geringe Anzahl in 
Grossbasel gegenüber steht Im weiteren Verlauf zeigt dann neben Klein¬ 
basel auch Grossbasel wieder epidemische Erkrankungsziffern; dass es sich 
hierbei aber nicht nur um eine gemeinsame Epidemie handelt, sondern zu 
gleicher Zeit auch um ein specifisches Auftreten in Kleinbasel, geht ohne 
Weiteres aus folgenden Zahlen hervor: 


1877 


Erkrankungen 

Tage | Kleinbasel J Grossbasel 


Gemeinsame Epidemie. ,1 69 

Kleinbaseler Epidemie 9. VI.—14. VII. . |, 36 

„ ,, 15.VIL—10. IX. 58 

li 


40 

124 

94 


81 

33 

104 


Während bei der gemeinsamen Epidemie die Zahl der Erkrankungen 
in Kleinbasel entsprechend der Bevölkerung nur halb so gross ist, als in 
Grossbasel, sind im späteren Abschnitte der Kleinbaseler Epidemie die 
Erkrankungen in Kleinbasel beinahe ebenso zahlreich, wie in Grossbasel, 
was immer noch einer fast doppelt so starken Morbidität Kleinbasels ent¬ 
spricht 


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204 


AxjBebt Lotz: 


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Kleinbasel 

Grossbasel 

1877 

Juni 3. 

2 


(Kleinbaseler 

4.- 8. 

— 

3 

Epidemie) 

9. , 

1 

2 


10.—16. 

10 

3 


00 

Ol 

i 

29 

5 


24.—30. 

53 

9 


Juli 1.— 7. 

19 

7 


8.—14. 

12 

7 


15.—2t. 

7 

14 


22.-28. 

11 

12 


29.— 4. 

14 

20 


August 5.—11. 

13 

16 


GO 

7 

Ol 

14 

14 


19.—25. 

15 

10 


26.— 1. Sept. 

12 

8 


Septbr. 2.— 8. 

i 6 

8 

9.—10. 

2 

2 k 

11.—17. 

— 

3 1 

18. 

i 

1 

— 


Tage 

Fälle 

Innere Aeussere 

Stadt Stadt 

11. Epidemie: 9.VI.—10. IX. . . . 

Epidemiefreie Zeit. 1 

94 

202 

218 

34 

151 

21 

67 

13 


i 


III. 1880. Vom October 1879 an durch das ganze Jahr 1880 und noch 
im Beginne des darauf folgenden Jahres bemerken wir eine auffallende 
Uebereinstimmung der beiden Curven: die rothe hält sich durchweg etwas 
niedriger als die schwarze. Nach einer gemeinsamen massigen Erhebung 
im April erfolgt die auf Gross- und Kleinbasel gleichmässig sich er¬ 
streckende grosse Epidemie, nachdem in der ganzen Stadt in der Woche 
vom 27. VI. bis 8. VII. keine Erkrankung vorkam. 




Kleinbasel 

Grossbasel 

1880 

Juni 

20. 

1 

1 

(Gemeinsame 


21.—30. 

— 

2 

Epidemie) 

Juli 

1.- 8. 

1 

3 



9. 

1 

— 



10.-17. 

■1 * 

7 



18.—24. 

4 

14 



25.—31. 

9 

20 



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Deb Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875—1900. 205 


i 

I Kleinbasel 

Grossbasel 

1880 

August 1.— 7. 

15 

33 

(Gemeinsame 

8.—14. 

1 9 

1 33 

Epidemie) 

15.—21. 

; 5 

15 


22.—28. 

i 11 

10 


29.- 4. 

6 

13 


Septbr. 5.—11. 

4 

20 


12.-18. 

9 

14 


19.—25. 1 

5 

7 ' 


26.— 2. 

4 I 

13 


October 3.— 4. 

3 | 

2 


5.-10. 

1 | 

6 


11. 

1 

1 




j, Tage 

: Fälle 

Innere 

Stadt 

Aeussere 

Stadt 

Epidemie: 9. VII.—4. X.| 

88 

89 

38 

51 

Epidemiefreie Zeit. 

| 278 

i 

46 

20 

26 


IV. 1881. Nicht genau so parallel, aber doch unverkennbar ge¬ 
meinsam verlaufen die Excursionen im Jahre 1881. Der Anstieg erfolgt 
im Januar, der Abfall im Mai. 


' 

Kleinbasel 

Grossbasel 

1881 . 

1880. Decbr. 26. 

2 


(Gemeinsame 

27.-31. 

— 

7 

Epidemie) 

1831. Januar 1. 

— 

2 

2.— 8. 

9 

11 

9.-15. 

14 

48 

16.—22. 

22 

60 

23.-29. 

14 

49 


30.— 5. 

9 

24 


Februar 6.—12. 

6 

10 


13.—19. 

11 

33 


20.—26. 

22 

1 40 


27.— 5. 

! 14 

1 39 


M&rz 6.—12. ; 

6 

26 


13—19. 

1 11 

15 


20.—26. 

I 5 

27 


27.- 2. , 

1 9 

, 42 


April 3.— 9. i 

2 

28 


10.—16. 

; 7 

i 19 i 

17.—23. , 

4 

1 4 [ 


24.-30. 

i 

4 

! 8 



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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 











206 


Albekt Lotz: 


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ll 

Kleinbasel 

Grossbasel 

1881 

Mai 1.— 7. 

2 

3 

(Gemeinsame 

8.—14. 

2 

7 

Epidemie) 

15.—20. 

2 

6 


21.—30. 

— 

1 


31. 

1 

1 




Tage 

Fälle 

Innere Aeussere 

Stadt Stadt 

Epidemie: 2.1.—20. V. 

Epidemiefreie Zeit. 

i 

| 140 ! 

225 

175 

48 

63 112 

15 33 


V. 1882. Im Gegensatz zu den vorhergehenden Jahren tritt im 
Jahre 1882 eine Epidemie auf, bei welcher Grossbasel sozusagen nn- 
betheiligt ist. Im April steigt die rothe Curve mächtig an, fallt dann in 
zwei Malen wieder ab, um Anfangs August die schwarze zu kreuzen. Von 
allen specifischen Kleinbaseler Epidemieen ist diese, wie wir uns auf Curre 
und Tabelle überzeugen können, weitaus die reinste und deshalb besonders 
werthvoll und instructiv. Der Beginn ist scharf markirt, das Ende lässt 
sich nicht genau feststellen; wir sohliesseu wohl am natürlichsten mit 
den drei letzten Fällen des Mai ab. 


| 

! Kleinbasel 1 

i 1 

Grossbasel 

1882 

März 19. 

1 

— 

(Kleinbaseler 

20.—31. 

— 

4 

Epidemie) 

April 1.—24. 

— 

1 


25.-29. 

5 

2 


30.— 6. 

16 

1 


Mai 7.—13. 

33 

3 


14.-20. 

22 

2 


21.-27. 

12 

3 


28.—30. 

3 

— 


31. 

— 

— 


Juni 1.— 3. 

1 

1 

i 



Tage 

Fälle 

Innere Aeussere 

Stadt | Stadt 

Epidemie*. 25. IV.—30. V.i 36 

Epidemiefreie Zeit:. 329 

91 1 63 | 28 

60 J 31 j 29 


VI. 1885. Wie 1882, so zeigt auch das Jahr 1885 eine starke Er¬ 
hebung in der zweiten Jahreshälfte, die wiederum fast nur Kleinbasel 
betrifft. 


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Deh Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875—1900. 207 


1 

| Eleinbasel 

Grossbasel 

1885 

April 

— 

n 

(Kleinbaseler 

Mai 


9 

Epidemie) 

Juni 

•1 

6 


Juli 1.—19. 

— 

7 


20 .—21. 

1 2 

1 


22.-25. ; 

6 

— 


26.— 1. 

I w ; 

7 


Aug. 2.— 8. 

10 

4 


9.—15. 

16 

2 


16.—22. 

11 

9 


28.-29. 

5 

1 


80. 

2 

l 


31. 

— 

1 


Sept. 1.— 2. 

— 

— 


3. 

1 ! 

— 




| Tage 

Fälle 

Innere 

1 Stadt 

Aeussere 

Stadt 

Epidemie 20. VII.—80. VIII. . . . 

II 42 

62 

36 

26 

Epidemiefreie Zeit. 

j 323 

46 

15 

31 


VII. 1889. Während im Jahre 1888 die Typhusmorbidität ihr 
Minimum erreicht hat und auch im ersten Quartal des folgenden Jahres 
äusserst gering bleibt, erfolgt im Mai 1889 ein rapides Ansteigen beider 
Curven, also eine gemeinsame Epidemie, deren Maximum auf Anfang 
Juni fällt. Bis zum Juli verlaufen die Curven gemeinsam, dann macht 
die rothe Linie einen besonderen Ausschlag, wie auch die folgenden Zahlen 
zeigen: 



Kleinbasel 

Grossbasel 

1889 

April 24. 

25.—30. 

1 

— 

(Gemeinsame 

Epidemie) 

Mai 1.— 8. 

— 

5 

1 

9.-11. 

1 

4 

i 

00 

T 

o* 

; 4 

3 

i 

19.—25. 

6 

16 


26.— 1. 

8 

46 


Juni 2.— 8. 

i 49 

96 


9.—15. 

22 

76 


16.—22. I 

13 

31 


23.-29. 

6 

17 


30. 




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208 


Albert Lotz: 




Kleinbasel 

Grossbasel 

1889 

Juli 

1 .— 6. 

10 

13 

(Kleinbaseler 


7.—13. 

17 1 

6 

Epidemie) 


14.—20. 

10 

ii 



21.—27. 

6 

7 

1 


CO 

1 

ad 

c* 

11 

5 


August 

4.—10. 

12 

9 

i 


11.-17. 

14 

6 



N-t 

OD 

i 

to 

15 

4 

i 

i 


25. 26. 


5 



27. 

1 

1 

i 



Tage 

Fälle 

Innere 

Stadt 

Aeussere 

Stadt 

Gern. Epidemie 9. V.—29. VI.. . . 

52 

109 

37 

72 

Kl.-B. Epidemie 1. VII.-24. VIII. . 

55 

95 

[’ 47 

43 

Epidemiefreie Zeit. 

| 258 

45 

! 17 1 

28 


Wir haben also im Jahre 1889 eine gemeinsame Epidemie, an welche 
sich eine specifische Kleinbaseler Epidemie anschliesst Nach den 6 Fällen 
Ende Juni findet am 30. VI. weder in Gross- noch in Kleinbasel eine 
Erkrankung statt, dagegen erfolgen an den vier ersten Tagen des Juli 
in Kleinbasel je 2 Fälle; der 1. VII. darf also als Beginn der vornehmlich 
Kleinbasel betreffenden Epidemie gelten. 

VIII. 1890. Das Jahr 1890 bringt uns das letzte grosse epidemische 
Ausbrechen des Typhus. Nicht nur eine gewaltige gemeinsame Epidemie 
breitet sich aus, wir haben ausserdem sowohl ihr vorausgehend, als ihr 
nachfolgend kleinere Kleinbaseler Epidemieen. 

Beim Studium dieses in manchen Beziehungen sehr complieirten 
Jahres gelangten wir zu einem Punkte, auf welchen wir im Folgenden 
etwas genauer eintreten müssen. Ein Hauptereigniss des Jahres 1890 
ist die Endemie in der Kaserne, welche, wie wir (S. 193) sahen, theils 
mit Riehenwerks-, theils mit Grellingerwasser versorgt wurde. Es erfolgen 
hier im September 25 Erkrankungen, während im übrigen Jahre nur 
1 Fall verzeichnet ist. 

Genauen Aufschluss über die Zahl der jeweilen in der Kaserne 
stationirten Mannschaft erhielten wir aus den Büchern des Kreiscommandos, 
die uns bereitwilligst zur Verfügung gestellt wurden. Es ergiebt sich: 

Wie jedes Jahr war auch 1890 den Winter über (Jan., Febr., Novb.. 
Dezb.) die Kaserne unbewohnt. Während der übrigen Zeit fanden die 
verschiedenen Militärschulen statt und war daher der Bestand der Mann¬ 
schaften ein stets wechselnder. Zwischen den einzelnen Schulen wiederum 


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Der Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875—1900. 209 

stand die Kaserne verschieden lange Zeit leer, so im Juli und August 
je 8; im September 7; im October 20 Tage. 

Wir haben also constant die grössten Schwankungen in der Zahl der 
Bewohner und es ist klar, dass wir kein richtiges Bild des Typhusverlaufes 
in Kleinbasel erhalten, wenn wir die in der Kaserne aufgetretenen Er¬ 
krankungen mit in Rechnung bringen. Gerade, wenn wir die einzelnen 
Epidemieen des Jahres 1890 und ihre Ausbreitung studiren, erkennen 
wir die Nothwendigkeit, einen so variabeln Factoren, wie die Kaserne, zu 
eliminiren. Das folgende Beispiel zeigt deutlich, dass wir zu diesen* Vor¬ 
gehen nicht nur berechtigt, sondern geradezu verpflichtet sind. 

Es fanden im Jahre 1890 folgende Epidemieen statt: 

1. Kleinbaseler Epidemie 11. VII. bis 27. VIII. 

2. Gemeinsame Epidemie 30. VIII. bis 1. X. 

3. Kleinbaseler Epidemie 5.X. bis 24. XII. 

Während dieser Zeit waren in der Kaserne stationirt: 


7. VI. 

bis 

19. VI. 

113 Mann 

20. VI. 

bis 

23. VII. 

139 


24. VII. 

bis 

8. VIII. 

— 


9. VIII. 

bis 

12. VIII. 

77 


13. VIII. 

bis 

5. IX. 

339 


6. IX. 

bis 

18. IX. 

461 


19. IX. 

bis 

22. IX. 

489 

>> 

23. IX. 

bis 

24. IX. 

150 


25. IX. 

bis 

5. X. 

— 

?? 

6.X. 

bis 

15.X. ca. 

250 


16.X. 

bis 

31. XII. 

— 



Mitte Juli beginnt eine fast ausschliesslich auf Kleinbasel beschränkte 
Epidemie, die bis zum 27. August andauert. Am 23. Juli wird die 
Kaserne frei, indem die Sanitätsrekrutenschule entlassen wird, nachdem 
von den 5 ersten Erkrankungen der Kleinbaseler Epidemie eine am 
18. Juli in der Kaserne erfolgt war. Vom 28. Juli bis zum 9. August 
steht die Kaserne leer; es ist also unmöglich, dass wir bei der specifischen 
Kleinbaseler Epidemie eine Betheiligung von Seiten der Kaserne haben 
können, denn die während der beginnenden Incubationszeit anwesende 
Mannschaft ist entlassen und später steht die Kaserne frei. 

Nun bringt uns der September eine gemeinsame Epidemie; nichts 
ist natürlicher, als dass nun in der Kaserne Erkrankungen auftreten, da 
am 9. August 77 Mann, am 13. August 262 Manu eingerückt sind. Wie 

ZalUchr. f. HygUu«. XLI. 14 


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210 


Albeht Lotz: 


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der Jahresbericht hervorhebt „weisen in sehr charakteristischer Weise die 
zuerst Eingerückten auch einige Tage früher die ersten Erkrankungen auf". 1 

Den Veränderungen im Bestände haben wir es zu verdanken, dass 
im Jahre 1890 die Kaserne bei der gemeinsamen Epidemie sich betheiligt 
hat, bei den Kleinbaseler Epidemieen dagegen nicht. Der vor Entlassung 
der Mannschaft aufgetretene Typhusfall weist darauf hin, dass die am 
23. Juli weggegangene Mannschaft bei längerem Verbleiben in der Kaserne 
an der Kleinbaseler Epidemie theilgenommen hätte. Umgekehrt wäre 
selbstverständlich eine Betheiligung der Kaserne an der gemeinsamen 
Epidemie ausgeblieben, wenn wie hei der Kleinbaseler Epidemie die 
während der Iucubationszeit anwesende Mannschaft vor Ablauf derselben 
wäre entlassen worden. 

Wir haben uns absichtlich des Genaueren über die Verhältnisse, be¬ 
treffend die Kaserne, verbreitet und sind zu dem Schlüsse gelangt, in 
den allgemeinen Tabellen und Curven die Kasernenfälle zwar als in Klein¬ 
basel stattgefundene Erkrankungen mitzurechnen, bei der Besprechung 
der einzelnen Epidemieen dagegen sie aus den oben angeführten "Gründen 
wegzulassen. Es sind also bei diesen Zusammenstellungen in Abzug ge¬ 
bracht worden: 


1875 

3 

1876 

1 

1884 

1 

1889 

8 

1890 

26 

1896 

1 

zusammen 

40 


Anders als mit der Kaserne verhält es sich mit dem Waisenhause, 
das ebenfalls in der „inneren Stadt“ gelegen ist und, wie wir oben (S. 193' 
sahen, zwei Drittel seines Wasserbedarfes aus dem Riehenpumpwerk zu¬ 
geleitet erhielt. Hier haben wir einen ziemlich stabilen Bestand an Be¬ 
wohnern der Anstalt, und demgemäss vertheilen sich auch die Typhusfälle 
bis zum Jahre 1890 fast auf alle Jahre und Jahreszeiten. Wir werden 
bei den Gesammtzusammenstellungen auf Waisenhaus und Kaserne noch 
zurückkommen. 

Die folgende Uebersicht zeigt die Vertheilung der Erkrankungen auf 
Gross- und Kleinbasel während der drei Epidemieen des Jahres 1890: 


1 Statist. 3Jitt?ieilun<jen. Bericht über ansteckende Krankheiten. 1890. S. 60. 


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Der Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875 — 1900. 211 



Kleinb&sel 

Grossbasel 

1890 

Jani 25. 

1 

— 

I. (Kleinbaseler Epidemie) 

26.—30. 

— 

2 


Juli 1.—10. 

— 

2* 

*) Nach Abzug der im 

11. 

1 

— 

Bürgerspitale inficirten. 

12—19. 

3 

1 


20.-26. 

3 

1* 


27.— 2. 

5 

1 


August 3.— 9. 

6 

1» 


10.-16. 

10 

i* 


17.—23. 

7 

3» 


24.-27. 

3 

1 


28.-29. 

— 

— 


30. 

1 

1 

II. (Gemeinsame Epidemie) 

Septbr. 31.— 6. 

13 

21* 


7.—13. 

17 

26* 


14.—20. 

7 

19 


21.—27. 

3 

9 


28.—30. 

3 

1 


October 1. 

1 

2 


2.- 4. f 

— 


! 

5.—11. 

8 

3* 

DI. (Kleinbaseler Epidemie) 

12.—18. 

5 

2 


19.-25. 

5 

5 


26.— 1. 

4 

8 * 


Novbr. 2.— 8. 

2 

1 


9.—15. 

i 8 

4 


16.-22. 

| 1 

3 


23.-29. 

1 3 

2 


30.— 6. 

> 2 i 

1 


Decbr. 7.—13. 

3 

1 

i 

14.—20. I 

6 

1 


21.—24. 

3 

! 2 


25.—10. L 91. 

— | 

4 




Tage 

Fälle 

Innere 

Stadt 

Aeussere 

Stadt 

I. Kleinbas. Epid. 11. VII.—27.VIII. i 

48 

38 

21 

17 

II. Gemeine. Epidemie 30.VIII.—l.X. 

33 

44 

15 

29 

III. Klein baseier Epid. 5. X.—24. XII. 

81 

50 

27 

23 

IV. Epidemiefreie Zeit.. 

203 

20 

9 

11 


Fassen wir nun die Ergebnisse der verschiedenen Jahre und der ver¬ 
schiedenen Epidemieen zusammen und beginnen wir mit den Kleinbaseler 
Epidemieen: 

14* 


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212 


Albert Lotz: 


Kleinbaseler Epidemieeu. Tab. Al- 




| 

i 

j Tage 

i 

Erkran¬ 

kungen 

Innere 

Stadt 

(davon 

Waisen¬ 

haus) 

Aeussere 

Stadt 

1875 

29. IX. 

- l.XI. 

34 

18 

14 1 

(i) 

4 

1877 

9. VI. 

-10. IX. 

94 

218 

151 

(91 

67 

1882 

25. IV. 

-80. V. 

36 

91 

63 

(11) 

28 

1885 

20. VII. 

-30. VIIL 

42 

62 

36 

(9) 

26 

1889 

1 . VII. 

—24. VHI. 

55 

95 

47 

(5) 

48 

1890 

11 . VII. 

-27. VIIL 

i 48 

38 

21 

(5) 

17 

1890 

5.X. 

- 24. XII. 

! 81 

50 

27 

(7) 

23 

Kleinbaseler Epidemieen: j 

1 390 

i 

572 

359 

| ÖD 

213 


Innere Stadt = 62*8 Procent. Aeussere Stadt = 37-2 Procent 


Die Erkrankungsziffer der inneren Stadt zu derjenigen der äusseren 
Stadt verhält sich wie 169:100. 

Stellen wir diesen Epidemieen die epidemiefreien Zeitabschnitte der 
gleichen 6 Jahre gegenüber, so ergiebt sich: 


Epidemiefreie Zeit. Tab. All- 



Tage 

Erkran¬ 

kungen 

Innere 

Stadt 

(davon 

Waisen¬ 

haus) 

Aeussere 

Stadt 

1875 


331 

42 

20 

"i-r 

22 

1877 

1882 

1885 

Epidemiefreie 

Zeit 

202 

! 329 

323 

34 

60 

46 

21 

31 

15 

(2) 

(1) 

(-) 

13 

29 

31 

1889 


258 

45 

17 

(-) 

28 

1890 


203 

20 

9 

(-) 

! 11 

Epidemiefreie Zeit; 

, 1646 

247 

113 

(3) 

134 


Innere Stadt = 45*7 Procent. Aeussere Stadt = 54*3 Procent. 


Die Erkrankungsziffer der inneren zur Erkrankungsziffer der äusseren 
Stadt verhält sich wie 84:100. 

Auf 100 Tage derselben 6 Jahre kommen während: 

Tage Erkr. Innere Aeussere 
Stadt 

der Zeit der Kleinbaseler Epidemieen 100 147 92 55 

der epidemiefreieu Zeit ..... 100 15 7 8 

Hieraus ersehen wir, dass die Vermehrung in der von Epidemieen 
befallenen Zeit in beiden Stadttheilen eine sehr verschieden starke ist. 
Für die ,,äussere Stadt“ beträgt sie nicht ganz das 7 fache, für die 
,,innere Stadt“ dagegen übersteigt sie das 13 fache. 


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Der Tyi-hus abdominalis in Kleinbasel von 1875- 1900. 213 


Mit grosser Deutlichkeit ergiebt sich auch, dass, sobald speciell iu 
Kleinbasel eine Tjphusepidemie herrscht, diese hauptsächlich die „innere 
Stadt“ befallt, dass dagegen in den epidemiefreien Zeiten sich die Fälle 
mehr oder weniger gleichmässig auf ganz Kleinbasel vertheilen. 

Nun könnte ja die Vermuthung nahe liegen, dass, wenn überhaupt 
eine epidemische Ursache für das Auftreten des Typhus wirksam ist, der 
Same eben besonders leicht in der „inneren Stadt“ aufgehen könne, weil 
diese mit ihren insalubern Zuständen in Haus, Hof und Untergrund der 
neuen „äusseren Stadt“ in hygienischer Beziehung weit hintanstehe. 

Aus dem Verhalten der Erkrankungen bei den gemeinsamen 
Epidemieeu geht die vollkommene Haltlosigkeit dieser Vermuthung 
hervor. 


Gemeinsame Epidemieen. Tab. BI- 



Tage 

Erkran¬ 

kungen 

Innere 

Stadt 

(davon 

Waisen¬ 

haus) 

j Aeussere 

I Stadt 

IST" 22.111. — 29. V. 

69 

40 

18 

(-j 

22 

1880 9. VII. - 4.X. 

88 

89 

38 

(-) 

51 

1881 2.1. 

-20. V. 

140 

175 

63 

(2) 

112 

1889 9.V. 

-29. VI. 

52 

109 

37 

0) 

72 

1890 30.VIII.— l.X. 

38 

44 

15 

(2) 

j 29 

Oemeinsaine Epidemieen 

382 

457 

1 171 

1 

(8) 

2h6 


Innere Stadt = 37*4 Procent. Aeussere = 62-6 Procent. 


Die Erkrankungsziffer der inneren Stadt zu derjenigen der äusseren 
Stadt verhält sich wie 60:100. 


Stellen wir, wie oben, den Epidemieen die epidemiefreien Zeiten der¬ 
selben 5 Jahre gegenüber, so erhalten wir: 

Epidemiefreie Zeit. Tab. BH- 




Tage 

| Erkran- 

! Innere 

(davon , 
Waisen- ' 
! haus) * 

Aeussere 



j kungen 

: Stadt 

Stadt 

1877 


202 

j 34 

21 

1 (2) 

13 

1880 

1881 

Epideraiefreie 

Zeit 

278 

225 

| 46 

48 

1 20 

15 

1 (1) 

(2) 

26 

33 

1889 

258 

45 

17 

! (-) 

| 28 

1890 


203 

20 

! 9 

i (-) 1 

11 

Epidemiefreie Zeit 

1166 

! 193 

82 

! ! 

111 


Innere Stadt =■ 41-9 Procent. Aeussere = 58-1 Procent. 

Die Erkrankungsziffer der inneren Stadt zu derjenigen der äusseren 
Stadt verhält sich wie 74:100. 


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214 


Albebt Lotz: 


Auf 100 Tage derselben 5 Jahre kommen während: 

Tage Erkr. Innere Aeussere 
Stadt 

der Zeit der gemeinsamen Epidemieen 100 120 45 75 

der epidemiefreien Zeit. 100 16 7 9 

Wir gelangen also gerade zum umgekehrten Resultat: bei den ge¬ 
meinsamen Epidemieen betreffen die absoluten Zahlen der Erkrankungen 
hauptsächlich die „äussere Stadt“. Das Verhältniss der beiden Stadt¬ 
gebiete während der epidemiefreien Zeit ist ungefähr dasselbe, wie während 
der epidemiefreien Zeitabschnitte derjenigen Jahre, in welchen Klein baseier 
Epidemieen stattfanden. 

Vergleichen wir von den Kleinbaseler Epidemieen die beiden mar¬ 
kantesten und reinsten — 1882 und 1885 — mit den beiden umfang¬ 
reichsten und ausgesprochensten gemeinsamen Epidemieen 1880 und 1881. 
Obgleich die Bevölkerung der „äusseren Stadt“ in den Jahren 1882 und 
1885 jedenfalls relativ grösser war, als in den Jahren 1880 und 1881. 
tritt die stärkere Belastung der „inneren Stadt“ bei den Kleinbaseler 
Epidemieen besonders deutlich hervor. 


Kleinbaseler Epidemieen. Tab. CI- 


i 

' 

Tage 

Erkran¬ 

kungen 

Innere 1 
Stadt ! 

(davon 

Waisen¬ 

haus) 

Aeussere 

Stadt 

1882 25.IV. — 30.V. 

36 

1 91 

63 

tu) 

28 

1885 20. VII.—30. VIIL 

42 

| 62 

36 

(9) 

26 

Kleinbaseler Epidemieen 

78 j 

153 

99 

(20) 

54 


Innere Stadt = 64-8 Procent. Aeussere = 35-2 Procent 


Die Erkrankungsziffer der inneren zu derjenigen der äusseren Stadt 
verhält sich wie 183:100. 


Gemeinsame Epidemieen. Tab. CH- 



1 Tage 

Erkran¬ 

kungen 

Innere 

Stadt 

(davon 

Waisen¬ 

haus) 

Aeussere 

Stadt 

1880 9. VII.— 4.X. 

88 

89 

38 

(-) 

51 

1881 2.1. — 20. V. 

1 140 

175 

63 

(2) 

112 

Gemeinsame Epidemieen 

228 

264 

101 

(2) 

163 


Innere Stadt = 38.2 Procent. Aeussere = 61*8 Procent. 

Die Erkrankungsziffer der inneren zu derjenigen der äusseren Stadt 
verhält sich wie G2:100. 


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Der Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875—1900. 215 


' Ebenso sprechend ist die Betrachtung derjenigen Jahre, wo wir — 
im gleichen Jahre — Sowohl eine Kleinbaseler, als auch eine gemein¬ 
same Epidemie haben. Hier spielen sich die verschiedenartigen Epidemieen 
auf der Basis derselben Bevölkerungszahl ab. 


Kleinbaseler Epidemieen._ Tab. DI- 


j 

Tage 

Erkran¬ 

kungen 

i Innere 
Stadt 

(davon 

Waisen¬ 

haus) 

Aeussere 

Stadt 

j 67 

48 

17 

, 28 

1877 9. VI. —10. IX. , 

1889 1. VII.—24. VIII. 

1890 11. VII.—27. VIII. 
1890 5.X. —24. XII. 

94 218 

j 55 95 

! 48 ' 38 

81 50 

151 

47 

21 

27 | 

(9) 

(5) 

(5) 

(7) 

Kleinbaseler Epidemieen 

1 278 

1 

401 

246 

(26) 

155 


Innere Stadt = 61.3 Procent. Aeussere = 38-7 Procent. 


Die Erkrankungsziffer der inneren zu derjenigen der äusseren Stadt 
verhält sich wie 158:100. 


Gemeinsame Epidemieen. Tab. DU- 



Tage 

• 

Erkran¬ 

kungen 

Innere 

Stadt 

(davon 

Waisen¬ 

haus) 

Aeussere 

Stadt 

1877 22.III. — 29.V. 

69 

40 

18 

(-) 

22 

1889 9. V. —29. VI. 1 

52 

109 

37 

(4) 

72 

1890 30. VIII.—l.X. 

i 

38 

44 

15 

(2) 

29 

Gemeinsame Epidemieen * 

154 

193 

70 

(6) 

123 


Innere Stadt = 36*3 Procent. Aeussere = 63.7 Procent. 


Die Erkrankungsziffer der inneren zu derjenigen der äusseren Stadt 
verhält sich wie 57:100. 


Wie man auch den Vergleich gestalten möge, immer ergiebt sich 
also dasselbe Resultat. — In der folgenden Tabelle sind die Ergebnisse 
übersichtlich zusammengestellt. 



Von 100 Erkrankungen 
fallen auf 

Q . ^ ! äussere 

innere Stadt Stadt 

Auf 100 Erkr. 
der äusseren 
Stadt kommen 
in der inneren 
Stadt 

I. Alle 7 Klein baseler Epidemieen 

? 63 

37 

169 

Epidemiefreie Zeit derselben Jahre 

46 

54 

84 

II. Alle 5 gemeinsamen Epidemieen 1 

37 

63 

60 

Epidemiefreie Zeit derselben Jahre 

42 

58 

74 

III. Klein baseler Epidemieen 82/85 

65 

35 

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Gemeinsame Epidemieen 80/81 

38 

62 

62 

IV. KleinbaBl. Epidemieen) d jJ£ l r b e en 

61 

39 

15$ 

Gemeinsame Epidemieen 1 77 . ss. 90 . 

1 36 

64 

57 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 







216 


Albert Lotz: 


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Für den Antheil der „inneren Stadt“ und denjenigen der „äusseren 
Stadt“ an der Zahl der Erkrankungen erhalten wir durchweg fast genau 
entgegengesetzte Procentziffern bei den Kleinbaseler Epide- 
mieen und den gemeinsamen Epidemieen. Auf 100 Erkrankungen 
der „äusseren Stadt“ kommen in der „inneren Stadt“ bei den Kleinbaseler 
Epidemieen 164 bis 172 bis 183, in vollkommenem Gegensätze zu den 
epidemiefreien Zeiten, in denen die „innere Stadt“ 74 bis 84 Erkrankungen 
aufweist und in noch stärkerem Gegensätze zu den gemeinsamen Epidemieen, 
in denen nur 57 bis 60 bis 62 Fälle auf die innere Stadt kommen. 

Nachdem das Verhalten des Typhus in Kleinbasel bis und mit dem 
Jahre 1890 analysirt worden ist, können wir uns über das letzte Jahr¬ 
zehnt kurz fassen. Schon aus den Tabellen und den graphischen Dar¬ 
stellungen ergiebt sich das Ausbleiben speciüscher Kleinbaseler Epidemieen 
und der äusserst niedrige Stand der Typhusmorbidität im Allgemeinen. 
Die Vertheilung der Erkrankungen auf „innere“ und „äussere Stadt“ ge¬ 
staltet sich folgendermaassen. 


Typhuserkrankungen in Kleinbasel. 


Jahr |, 

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Tage 

Er- ! 

krankungen 

Innere Stadt 

(davon 

Waisenhaus) I 

Aeussere 

Stadt 

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23 

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1892 

366 

34 

13 

— 

21 

1893 

365 

32 

8 

— 

24 

1894 

365 

26 

6 

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(1) 

20 

1895 

365 

27 

10 

— 

17 

1896 

366 

13 

3 

— 

10 

1897 

365 

14 

4 

— 

10 

1898 

365 

39 

8 


31 

1899 

365 

11 

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— 

8 

1900 

365 

19 

1 1 

| — 

18 

| 3652 

273 

79 

(6) 

194 


Innere Stadt = 25*2 Procent. Aeussere = 74-8 Procent. 

Die Erkrankungsziffer der inneren Stadt zu derjenigen der äusseren 
verhält sich wie 41:100. 

Ausser der starken Abnahme von 1890 auf 1891 haben wir im 
folgenden Jahrzehnte selbst fast eine constante Verminderung bis zum 
Jahre 1898, in welchem sich die hauptsächlich Grossbasel befallende 
Epidemie in geringem Grade auch in Kleinbasel fühlbar macht, was bei 
dem massenhaften Verkehr zwischen den beiden Stadttheilen nicht be¬ 
fremden kann. Dass vielfach Kleinbaseler in Grossbasel den Einflüssen 
ausgesetzt waren, welche dort die epidemische Ausbreitung hervorriefen, 
beweist die Thatsache, dass von 18 in Kleiubasel während der Epidemie 


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Der Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875—1900. 217 


des Jahres 1898 Erkrankten sechs ihre Arbeitsstätte in Grossbasel hatten. 
Inwieweit auch die anderen Erkrankten mehr oder weniger in Grossbasel 
verkehrten, ist unbekannt. 1 

Von den 19 Erkrankungen im Jahre 1900 ereigneten sich zwölf 
(October und Anfangs November) sämmtlich bei Leuten, die in einer 
Kostgeberei in Verpflegung waren; die Ursache dieses völlig local ge¬ 
bliebenen Typhusherdes konnte nicht ermittelt werden. 

Trotz solchen kleineren Anhäufungen steht Kleinbasel und vor Allem 
die „innere Stadt“ im letzten Decennium ausserordentlich günstig da. 

Vergleichen wir die Erkrankuugsziffern des letzten Jahrzehntes mit 
denjenigen des vorausgegangenen Decenniums, so ergiebt sich: 


Jahre 

1881—1890 

1891—1900 


Grossbasel 
Mittlere Er- 

Bevölkerung krankungen 

44 687 1878 

58 928 767 


Kleinbasel 
Mittlere Er- 

Bevölkerung krankungen 

22 809 1327 

35 241 285 


Hieraus ergiebt sich als durchschnittliche Morbidität auf 1 Jahr und 
10000 Lebende: 

Jahre Grosshasel Kleinbasel 

1881—1890 42-0 58-2 

1891—1900 13-0 8*1 

Die Morbidität des ersten Jahrzehntes gleich 100 gesetzt: 

Jahre Grossbasel Kleinbasel 

1881—1890 100 100 

1891—1900 31 14 


Die Abnahme ist also in Kleinbasel mehr als doppelt so stark, als 
in Grossbasel. 

Sehr sprechend drückt sich auch der Unterschied der Jahrzehnte in 
den Erbrankungsziffern aus, welche die Kaserne und das Waisenhaus 
aufweisen; rechnet man die ersten 13 Tage des Jahres 1891, auf welche 
sich noch der Einfluss des Pumpwerkbetriebes erstreckte, zum ersten 
Decennium, so erhalten wir im Waisenhaus eine Abnahme von 59 auf 4. 

Waisenhaus Kaserne 

1881—1890 57 35 

1. —18.1. 1891 2 — 

14.1.91—1900 4 1 


1 Statist. Mittheilungen . Bericht über ansteckende Krankheiten. 1898. S. 58. 
Karcher, Einiges über die Baseler Typhusepidemie des I. Quartals 1898. Corre - 
spondemhlatt für Schweizer Aerzte. 1899. S. 481. 


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218 


Albebt Lotz: 


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Das Ergebniss aller vorstehenden Betrachtungen lässt sich in folgende 
Hauptsätze zusammenfassen: 

I. Bei den Kleinbaseler Epidemieen erweist sich die den 
grössten Theil des Riehenpumpwassers consumirende „innere 

'Stadt“ stets ganz unverhältnissmässig stark betroffen im 
Gegensätze zu den epidemiefreien Zeiten derselben Jahre und 
in noch stärkerem Gegensätze zu den mit Grossbasel gemein¬ 
samen Epidemieen, in welchen die „äussere Stadt“ von Klein¬ 
basel absolut grössere Zahlen aufweist, als die „innere“. 

II. Nach der im December 1890 stattgefundenen Aus¬ 
schaltung des Riehenpumpwerkes bleiben die specifischen 
Kleinbaseler Epidemieen gänzlich aus und es fällt die Typhus¬ 
morbidität Kleinbasels überhaupt dauernd unter diejenige 
Grossbasels. 

Diese Thatsachen, die starke Belastung der „inneren Stadt“ bei allen 
Kleinbaseler Epidemieen und das Ausbleiben solcher Epidemieen nach 
Ausschaltung des Riehenpumpwerkes führen mit Nothwendigkeit zu der 
Annahme, dass die Typhuskeime durch das aus dem Riehen* 
pumpwerk stammende Wasser ihre Verbreitung fanden und 
dass die vor 1891 aufgetretenen Kleinbaseler Epidemieen durch 
dieses verunreinigte Riehenpumpwasser verursacht wurden. 

Natürlich liegt es uns ferne, behaupten zu wollen, dies sei der einzige 
Modus der Infection gewesen. 

Reineke 1 sagt sehr treffend: 

„Wenn somit die Hauptzüge der Epidemiologie von Cholera und 
Typhus in Hamburg immer wieder auf das Wasser hinweisen, so soll 
damit selbstverständlich nicht jeder Einzelfall durch directe oder indirecte 
Aufnahme von rohem Elbwasser erklärt werden, auch nicht in den 
Epidemieen, in welchen die Wasserleitung inficirt war. Vielmehr er¬ 
folgten sehr viele Erkrankungen in Folge von directer Uebertragung von 
Person zu Person oder indirect durch Iufectionsherde zweiter, dritter, 
vierter und folgender Generationen, deren Mittelpunkt nicht mehr das 
Elbwasser, sondern ein Abort, beschmutzte Wäsche, ein Brunnen, eine 
Milchhaudlung, eine Küche, ein Gelatinepudding oder ähnliche andere 

Dinge waren. Diese Wege können das Bild einer Wasserleitungs- 

infectiou mehr oder minder verwischen“. 


1 Reineke, Münchener med. Wochenschrift. 1899. Nr. 28. 


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Dek Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875 — 1900 . 219 


Ist dies auch zweifellos in unserem Falle hier und da geschehen, so 
konnte dadurch doch das Bild der Wasserleitungsinfection höchstens ge¬ 
trübt, nicht aber gänzlich verwischt werden. 


Zum Schlüsse sei es mir gestattet, meinem Vater, Herrn Physikus 
Dr. Lotz für die Anregung zu dieser Arbeit und für die Rathschläge 
bei deren Abfassung meinen besten Dank zu sagen. Herrn Physikus 
Dr. Streckeisen verdanke ich die gütige Ueberlassung einiger Aufzeich¬ 
nungen und zu besonderem Danke verpflichtet bin ich gegen Herrn Paul 
Miescher, Director des Gas- und Wasserwerkes, der mir über alle die 
Wasserverhältnisse betreffenden Fragen stets in zuvorkommendster Weise 
Auskunft gegeben hat. 


Erklärung der Abbildungen. 

(Taf. X—XIII.) 


Tafel X. 

1. Jährliche Typhus-Morbidität auf 10 000 Lebende. 

2. Jährliche Typhus-Mortalität auf 100 000 Lebende. 

Tafel XI. 

Monatliche Typhus-Morbidität auf 1 Jahr und 10 000 Lebende (1875—1888). 

Tafel XII. 

Monatliche Typhus-Morbidität auf 1 Jahr und 10 000 Lebende (1889—1900). 

Auf Taf. X—XII sind die Typhusfälle in Kleinbasel durch eine rothe, diejenigen 
in Grossbasel durch eine schwarze Linie, die Grundwasserstänoe in Kleinbasel 
blau aufgezeichnet. 

Tafel XIII. 

Stadtplan von Kleinbasel. Das Leitungsnetz, die öffentlichen und die pri¬ 
vaten Brunnen des Riehenpumpwerks sind roth eingezeichnet. 


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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Tabelle I. Erkrankungen and Todesfälle an Typhus abdominalis. 


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Tabelle IV. Typhuserkrankungen nach Monaten. Grosabasel. 


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Morbiditilt an Typhus. Grossbasel. (Auf ein Jahr und 10 000 Lebende berechnet.) 


Deh Typhus abdominalis in Kleinbasel von 1875—1900. 225 




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Tabelle VII. Morbidität an Typhus. Kleinbasel. (Auf eiu Jahr und 10000 Lebende berechnet.) 


226 


Albert Lotz: Der Typhus abdominalis u. s. w. 




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[Aus dem Institut für Infectionskrankheiten in Berlin.] 
(Director: Geh. Med.-Rath Prof. Dr. R. Koch.) 


üeber die Abtödtung pathogener Bakterien im Wasser 
mittels Ozon nach dem System Siemens & Halske. 

Von 

Stabsarzt Sohüder nnd Prof. Proskauer. 


Seit Anfang Februar d. J. sind von uns Untersuchungen über die 
sterilisirende Wirkung von Ozon gegenüber pathogenen Keimen im Wasser 
ausgeführt worden. Die Firma Siemens & Halske in Berlin hatte uns 
zu diesem Zwecke ihre in Martinikenfelde vorhandene Anlage zur Ver¬ 
fügung gestellt. Die eingehende Beschreibung der letzteren findet sich 
in der von G. Erlwein publicirten Abhandlung 1 : „Trinkwasserreinigung 
durch Ozon nach dem System Siemens & Halske A.-G.“ 

Mit der gleichen Anlage sind bereits Versuche vou Th. Weyl 2 3 * , so¬ 
wie von Ohlmüller und Prall 8 ausgeführt worden. 

Weyl beschränkte sich darauf, die Abnahme der Keimzahl nach der 
Behandlung von Spreewasser mit Ozon festzustellen, wogegen Ohlmüller 
und Prall neben Versuchen gleicher Art auch Wasser, welches sie vorher 
mit Typhus- und Choleraculturen inficirt hatten, der Einwirkung von 
Ozon in der Anlage aussetzten. Sie kamen dabei zu dem Resultate, dass 
„im Wasser aufgeschwemmte Bakterien der Cholera und des 
Typhus durch das Verfahren vernichtet werden“. 


1 Journ. f. Gashel. u. Masservers. 1901. Nr. 30 31. — Gesundheit. 1901. Nr 15. 

a Centralblatt für Bakteriologie. I. 1899. Bd. XXVI. — Journ. f. Gashel. u . 
Wasservers. 1899. 

3 Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamte. 1902. Bd. XVIII. S. 417. 

15* 


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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



228 


SCHÜDER UND PrOSKAUER: 


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Ausserdem stellten sie fest, 

1. dass durch die Behandlung des Wassers mit Ozon eine beträcht¬ 
liche Vernichtung der Bakterien eintritt und in dieser Hinsicht das Ozon¬ 
verfahren im Allgemeinen die Abscheidung der Bakterien durch centrale 
Sandfiltration übertrifft; 

2. dass in chemischer Beziehung das Wasser durch das Verfahren 
nur insofern beeiuflnsst wird, dass eine Abnahme der Oxydirbarkeit und 
eine Zunahme des freien Sauerstoffes eintritt und beides eine Verbesserung 
des Wassers bedeutet; 

3. dass das Ozon, welches bei dem Verfahren das Wasser in Lösung 
nimmt, in technischer und gesundheitlicher Beziehung belanglos ist, da 
es sehr rasch in die Form von Sauerstoff übergeht; 

4. dass das Verfahren das Wasser durch Zerstörung färbender Sub¬ 
stanzen verbessert und 

5. dass durch dasselbe das Wasser keinen fremdartigen Geschmack 
und Geruch annimmt. 

Ohlmüller und Prall halten das Ozonverfahren somit für befähigt, 
für die centrale Reinigung des Trinkwassers in geeigneten Fällen in 
Wettbewerb mit den übrigen bekannten und erprobten Reinigungsverfahren 
zu treten. Wie bei jedem anderen Verfahren soll man auch bei diesem 
auf die Beschaffenheit des Rohwassers Bedacht nehmen und insbesondere 
die Höhe der Oxydirbarkeit berücksichtigen. 

Die von Weyl seiner Zeit ausgeführten Versuche geben keine Aus¬ 
kunft über die für die Wassersterilisation wichtigste Frage, wie sich das 
Ozon den in einem Wasser möglicher Weise vorhandenen patho¬ 
genen Organismen gegenüber verhält. Wir hatten uns deshalb 
schon nach Veröffentlichung der Weyl’sehen Untersuchungen mit der 
Firma Siemens & Halske in Verbindung gesetzt, um diese Lücke aus¬ 
zufüllen. Diese beabsichtigten Versuche erlitten jedoch dadurch einen 
Aufschub, dass die genannte Firma ihre Anlage bereits Hrn. Geh.-Rath 
Ohlmüller zu ähnlichen Versuchen zur Verfügung gestellt hatte. Sofort 
nach Beendigung der Versuche des Letzteren begannen wir mit unseren 
Prüfungen. Im Verlaufe derselben erschien die Veröffentlichung der Ver¬ 
suche Ohlmüller’s und Prall’s 1 , welche wir aber nicht als ganz 
einwandsfrei erachten können. Einmal erschienen uns die Wasser¬ 
mengen, welche zum Nachweis der nach der Behandlung mit Ozon etwa 
lebend gebliebenen Cholera- und Typhusbacillen von Ohlmüller und 
Prall durchsucht worden waren, im Verhältnis zu der zum Versuch 
benutzten Menge iuficirten Wassers viel zu gering. Ohlmüller und 


1 A. a. 0. 


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Abtödtung pathogener Bakterien m Wasser. 


229 


Prall wandten nämlich bei ihren entscheidenden Versuchen 1.5 cbm infi- 
cirtes Mischwasser (Spree- und Charlottenburger Leitungswasser) an und 
entnahmen nach der Ozonisation bei Cholera je 10 Proben ä 180 oom und bei 
Typhus je 10 ä 100 Mm zur Feststellung der etwa nicht abgetödteten Cholera- 
und Typhusbacillen. Ausserdem haben sie sich für den Nachweis von ent¬ 
wickelungsfähigen Typhuskeimen nach voran gegangener Anreicherung mittels 
Nährbouillonzusatzes darauf beschränkt, im Ganzen nur 26 ihnen typhus- 
verdächtig erscheinende Colonieen von Agarplatten auf die Identität mit 
Typhusbacillen — und zwar mit negativem Resultate — näher zu unter¬ 
suchen. Daraus zogen sie den Schluss, dass sämmtliche eingesäten Typhus¬ 
keime vernichtet waren. 

Der Haupteinwand aber, welchen wir gegen die hier in Rede stehen¬ 
den Versuche zu machen haben, besteht darin, dass die Genannten 1 die 
Proben von ozonisirtem Wasser aus einem in dem Sterilisationsthurm seit¬ 
lich eingesetzten Metallröhrchen, dessen äussere Mündung vor Beginn des 
Versuches mittels einer Flamme sterilisirt wurde, entnahmen. Dieses 
Röhrchen nämlich vermittelt den Ausfluss aus einem im Inneren des 
Ozonisationsthurmes horizontal aufgestellten und zum Auffangen von herab¬ 
gerieseltem, ozonisirten Wasser bestimmten Tellerchen, dessen Durchmesser 
200 m “ beträgt. Hierdurch erhielten Ohlmüller und Prall stets 
nur von ein und derselben und im Verhältniss zum Querschnitt 
des Sterilisationsthurmes relativ kleinen Stelle ihre Proben. 
Die Querschnittsfläche des Sterilisationsthurmes nämlich beträgt 1 qm , die¬ 
jenige des Tellerchens 0*0311“; daher macht die Fläche, welche das zur 
Prüfung entnommene Wasser lieferte, bloss den ca. 33. Theil des ganzen 
Querschnittes vom Thurme aus. Trotzdem schlossen die Verfasser hieraus 
auf die gleichartige Leistungsfähigkeit des Gesammtquerschnittes, 
obwohl mit Rücksicht auf die Anordnung und Beschaffenheit der Packung 
des Thurmes von vornherein anzunehmen war, dass die Durchfluss¬ 
geschwindigkeit, Vertheilung des Wassers und Berührung mit dem Ozon 
nicht an allen Punkten, namentlich nicht an der Berührungs¬ 
fläche der Packung mit den inneren Wandungen des Thurmes, 
völlig gleich sein können. 

Die Richtigkeit unserer eben gemachten Einwände wurde 
uns schon durch die ersten Versuche bestätigt, welche wir mit 
der in dem gleichen Zustande befindlichen Anlage, wie sie Ohl¬ 
müller und Prall benutzten, ausführten, da Cholerabacillen nicht, 
wie die Genannten behaupteten, mit Sicherheit abgetödtet wurden. 


1 A. a. 0. S. 420. . 


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230 


SCHÜDER UND PrOSKAUEB! 


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Wir benutzten zum Nachweis in das Wasser eingesäter und etwa 
nicht abgetödteter pathogener Keime die Methoden, welche in dieser Zeit- 
schrift 1 bereits ausführlich beschrieben wurden. 2 

Bei der Entnahme der Proben von Wasser nach dessen Behandlung 
mit Ozon verfuhren wir in der Weise, dass wir von der ganzen inficirteu 
Wassermenge l-0 cbm ozonisirten, in dem Ueberlaufbehnlter an¬ 
sammelten, gründlich mischten und dann erst eine Durch¬ 
schnittsprobe von mindestens 20 Liter schöpften. Die letzteren 
wurden nach Anreicherung auf pathogene Keime untersucht. Ausserdem 
wurden auch noch in bestimmten Fällen aus besonderen Gründen Proben 
in grösserer Menge aus dem erwähnten Ablaufröhrchen entnommen. 

Wie wichtig die von uns getroffene Versuchsanordnuug war, die ganze 
Wassermenge zu sammeln und eine so grosse Durchschuittsprobe zu 
untersuchen, ergaben ebenfalls die ersten Versuche mit Cholera, wo z. B. 
in einem Falle von den 22 Litern des entnommenen ozonisirten Wassers 
ca. 21*5 Liter frei von Choleravibrionen waren, dahingegen in ca. l /, Liter 
lebensfähige Keime von Cholera sich nachweisen liessen. 3 

Ebenso, wie Ohlmüller und Prall 4 5 , haben wir auch mit dem 
kleinen Laboratoriumsapparat Versuche, und zwar mit Cholera-inticirtem 
Wasser, angestellt, die uns aber zu anderen Ergebnissen führten, 
als die von den Genannten berichteten. Bei Verarbeitung der ganzen 
ozonisirten Wassermenge (10 Liter) 6 konnten wir bei diesen Versuchen 
jedes Mal entwickelungsfähig gebliebene Choleravibrionen fest¬ 
stellen. Das dabei angewandte Wasser war Charlottenburger Leitungs¬ 
wasser von geringer Oxydirbarkeit! Die Ozonmenge war von Hm. Dr. 
Bamberg, Chemiker der Firma Siemens & Halske, in gleicher Weise 
auf die Oxydirbarkeit eingestellt, wie sie bei den Versuchen von Ohlmüller 
und Prall geschildert wurde. Auch hier hatte sich wieder die Erscheinung 
gezeigt, dass nur einzelne der Kolben, auf welche die ganze Versuchsmenge 

1 Schü der. Diese Zeitschrift Bd. XXXIX. S. 379ff. 

2 Wir wandten zur Infection des Wassers durch einfache Papierfilter geschickte 
Aufschwemmungen von Agareulturen an, weil der Ozonisirung von Wasser in der 
Praxis eine Filtration desselben vorausgehen soll und zwar durch Kröhnke'sclie 
Patentfilter, die mit gut gesichtetem Sande mittelgrossen Kornes gefüllt sind. 

8 Jedem einzelnen Versuche mit pathogenen Keimen folgte die peinlichste Des* 
infection der Anlage und der ganzen zum Versuch benutzten Wassermenge durch 
Zusatz von Saure, um jede Verschleppung der Krankheitserreger auszuschliessen 

4 A. a. O. S. 428. 

5 Von Ohlmüller u. Prall a. a. 0. S. 428, „wurden von dem nicht behandelten 

Wasser je 2, von dem ozonisirten je 6 Proben Wasser zu je 90 ccm entnommen und diese 
dem Anreicherungs verfahren unterzogen; in dem nicht ozonisirtem Wasser konnten 
die Cholerabakteriell nachgewiesen werden, in dem ozouisirteu waren sie vernichtet.* 4 


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Abtödtüng bathogener Bakterien im Wasser. 


231 


Wasser vertheilt war, lebensfähige Cholerabacillen enthielten. Hieraus 
schlossen wir, dass zwar dem Ozon eine kräftig-keimtödtende 
Wirkung auf die Cholerabacillen zukomme, dass aber in diesem 
kleinen Yersuchsapparate nicht alle Wassertheilcken genügend 
und gleichmässig der Einwirkung des Ozons ausgesetzt gewesen 
sein konnten. Eine eingehendere Wiedergabe dieser Versuche erübrigt 
sich mit Rücksicht auf die gewonnenen ungünstigen Resultate. 

Die ersten Versuche in der grösseren Versuchsanlage wurden 
mit Cholerabacillen ausgeführt. 

I. Vorversuch am 10.ü. 1902. 

Angewandt Charlottenburger Leitungswasser mit einer Oxydirbarkeit 
= 2*98 IDg Sauerstoffverbrauch pro Liter, und inficirt pro 1 cbm Wasser mit 
einer in Wasser aufgeschwemmten Agarcultur von Cholera. 

Ozonooncentration: 4 Ozon pro Cubikmeter Luft; pro Stunde gingen 
25 cbm Luft durch den Thurm. 

1 cbra vom inficirten Wasser brauchte 8 l j 2 Minuten zum Durchgang durch 
den Thurm. 

Bei diesem Vorversuche wurden zunächst 3 Kolben ä 2 Liter aus dem 
schon vorher erwähnten, am Sterilisationsthurm befindlichen Röhrchen, — 
welches Ohmüller und Prall auch benutzt hatten, — und zwar die ersten 
beiden am Beginn, das dritte am Ende des Versuches entnommen. Ausserdem 
füllten wir am Ende des Versuches von dem im Ueberlaufbassin gesammelten 
Wasser 4 Kolben ä 2 Liter. Dies geschah^ um einen Vergleich zwischen 
beiden Entnahmestellen anstellen zu können. 

Nach der Ozonisirung war die Oxydirbarkeit pro Liter um 0*42 
Sauerstoffverbrauch, also auf 2-56 m * gesunken. 

Im ursprünglichen, nicht inficirten Wasser waren „Rothbildner“ nicht 
nachzuweisen. 

Der Inhalt aller Kolben ä 2 Liter wurde nach Zusatz von Pepton-Kochsalz¬ 
lösung auf kleinere Kölbchen verschiedenen Inhalts vertheilt und 24 Stunden 
lang behufs Anreicherung der Brüttemperatur ausgesetzt. 

In dem Wasser der ersten beiden Kolben (aus dem Abflussröhrchen 
gefüllt) blieb nach der Anreicherung jede Rothreaction aus. Dagegen ergab 
das Wasser aus dem Kolben 3, der ebenfalls aus dem Röhrchen gefüllt 
war, und aus einem der vier aus dem Ueberlaufbassin beschickten Kolben 
die Cholerarothrection. 

Im Ganzen waren unter 78 kleinen Kölbchen in 3 entwicke¬ 
lungsfähige Cholerabacillen nachzuweisen. 

II. Versuch am 12.11. 1902. 

Angewandt ein Gemisch von l j 3 Spreewasser und 2 3 Charlottenburger 
Leitungswasser; das Gemisch hatte eine Oxydirbarkeit von 4*(52 ul * Sauerstoff¬ 
verbrauch pro Liter und war mit einer in Wasser aufgeschwemmten Agar¬ 
cultur von Cholera (auf l*5 t?bm Wasser) inficirt worden. 

Ozonconcentration: 4 * nn Ozon pro Cubikmeter Luft; pro Stunde gingen 
25 cbrn Luft durch den Thurm. 


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282 


SCHÜDER UND PhOSKAÜER: 


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1 cbm yon dem inficirten Wasser brauchte 8 l / 2 Minuten zum Durchgang 
durch den Thurm. 

Es wurden 19 Liter Wasser nach der Ozonisirung als Durchsehnitts- 
probe aus dem im Ueberlaufbassin aufgefangenen und gut durchmischten 
Inhalt geschöpft und auf 124 kleinere Kolben verschiedener Grösse, wie 
oben, zwecks Anreicherung vertheilt. 

Nach der Ozonisirung war die Oxydirbarkeit pro Liter Wasser um 0-14 11 *, 
d. h. auf 4*48 rag Sauerstoffverbrauch gesunken. 

Im ursprünglichen, nicht inficirten Wasser waren „Rothbildner“ nicht 
nachzuweisen. 

Unter den 124 Kölbchen ergaben 60 mehr oder minder kräf¬ 
tige „Rothreaction“, ein Beweis, dass die Leistung des Ozons in 
Bezug auf die Abtödtung der Cholera bei weitem geringer war, als 
bei dem Versuch I mit dem reinen Charlottenburger Leitungs¬ 
wasser. 

III. Versuch am 15.11. 1902. 

Angewandt ein Gemisch von 1 / 3 Spree- und 2 / s Charlottenburger Leitun^s- 
wasser; das Gemisch besass eine Oxydirbarkeit von 4 -60 m & Sauerstoffverbrauch 
pro Liter. 

Bei diesem Versuche wurde das Spreewasser mit einem künstlich her¬ 
gestellten „Cholerastuhl“ (50 ccm diarrhöischer Stuhl mit einer Agarcultur- 
aufschwemmung von Cholera im Schüttelapparat innigst gemischt) inficirt, 
und zwar so, dass dieser Stuhl zu 1 / 2 cbm Spreewasser, unter gehöriger 
Mischung mit demselben zugesetzt und durch das mit der Ozonisirungs- 
anlage verbundene Kröhnke-Filter geschickt wurde. Letzteres durchspulten 
wir dann mit 1 / 2 cbm nicht inficirten Spreewassers, um das inficirte Spree¬ 
wasser aus dem Filter und Rohrsystem in das Bassin heraufzudrücken, wo 
die Mischung mit dem Charlottenburger Leitungswasser vor der Ozonisirung 
vorgenommen wurde. 

Ozonconcentration 3*7 pro Cubikmeter Luft; pro Stunde gingen 
25 cbm Luft durch den Thurm. 

1 cbra von dem inficirten Wasser brauchte 8 l j 2 Minute zum Durchgang 
durch den Thurm. 

Es wurden Proben entnommen: 

a) Hinter dem Kröhnke-Filter und zwar 4 Liter zur Controle, ob 
dieses Filter Cholerabacillen hatte passiren lassen. In Folge äusserer Umstände 
konnten wir erst nach 48 Stunden mit dem zwecks Anreicherung bei 37 0 C. 
gehaltenen, vorher mit Peptonlösung versetzten Proben die Cholerarothreaction 
anstellen. 

Der Inhalt der Kolben war in Folge dessen in starke Fäulniss gerathen. 
und es erschien deshalb von vomeherein fraglich, ob unter diesen Umständen 
die „Cholerarothreaction“ auf Zusatz von Säure noch eintreten würde. Des¬ 
halb wurden von diesen Kolben auf andere sterile Pepton-Kochsalzlösung 
enthaltende Kölbchen Uebertragungen gemacht und diese zur Anreicherung 
24 Stunden bei 37° gehalten 

In der That ergaben die ersten, 48ständigen Anreicherungen mit 
Schwefelsäure allein die „Rothreaction“ nicht mehr; sie trat aber kräftig 
ein, nachdem zu den Flüssigkeiten eine schwache Nitritlösung hinzugefugt 


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Abtödtung pathogener Bakterien im Wasser. 


233 


worden war. Dieser Ausfall konnte entweder so gedeutet werden, dass 
keine Cholerabacillen in den Proben vorhanden waren, sondern nur Indol¬ 
bildner, wie z. B. das in grossen Mengen mit dem Stuhl zugesetzte Bacterium 
coli, oder dass dennoch vorhandene Cholerabacillen Indol und Nitrit zugleich 
Anfangs gebildet hatten, das Nitrit aber in Folge der eingetretenen starken 
Fäulniss hinterher wieder zerstört worden war. 

Bei der zweiten Uebertragung und Anreicherung trat die „Choleraroth- 
reaction“ auf alleinigen Zusatz von Schwefelsäure, und zwar unter 12 Kolben 
ä 100 ccm 8 Mal, sofort kräftig ein. Ausserdem ergab auch die weitere 
bakteriologische Untersuchung, dass, wie zu erwarten war, Choleravibrionen, 
die also das Kröhnke-Filter passirt hatten, in den Anreicherungsproben vor¬ 
handen waren. Die mit nicht inficirtem Spreewasser zur Controle vor¬ 
genommenen Anreicherungen enthielten keine „Rothbildner“. 

b) Nach der Ozonisirung: 20 Liter als Durchschnittsprobe aus dem 
gut gemischten Inhalte des Ueberlaufbassins auf 123 kleinere Kolben ver¬ 
schiedener Grösse zwecks Anreicherung, wie bisher, vertheilt. 

Nach der Ozonisirung war die Oxydirbarkeit pro 1 Liter Wasser um 
1>04, d. h. auf 3-56 mg Sauerstoffverbrauch gesunken. 

Von den 123 Kolben gaben 23 nach der Anreicherung die 
Cholerarothreaction. Also auch in diesem Versuch erwiesen sich 
die ausgesäten Choleravibrionen durch die Ozonisirung nicht 
vernichtet. 

An diesen Versuch schloss sich ein zweiter an, bei welchem zur In- 
fection des zu ozonisirenden Wassers die im Kröhnke-Filter vom vorherigen 
Versuch etwa haftengebliebenen Choleravibrionen dienen sollten. Durch das 
Kröhnke-Filter, welches 5 Tage lang, vom 15. bis 20. II., unbenutzt gestanden 
hatte, wurde Spreewasser gepumpt und im Rohwasserbassin mit gleichen 
Theilen Charlottenburger Leitungswasser gemischt. 

Unter völlig gleichen Versuchsbedingungen, wie am 15. II., ergaben 
von 20 Liter ozonisirten Wassers aus dem Ueberlaufbassin, auf 146 Kölbchen 
verschiedenen Inhalts vertheilt und angereichert, 6 Kölbchen „Choleraroth¬ 
reaction“. 

Die obigen Versuche zeigen mithin, im Gegensatz zu denen von 
Ohlmüller und Prall, dass in der grossen Versuchsanlage ebenso 
wenig, wie in dem kleineren Versuchsapparate, eine sichere Ab¬ 
tödtung aller in das Rohwasser eingebrachten Choleravibrionen 
erzielt werden konnte. Es war aber wieder unverkennbar, dass 
auch bei der Behandlung des inficirten Wassers in der grossen 
Anlage dasOzon eine kräftig keimtöjdtende Wirkung denCholera- 
bacillen gegenüber entfaltet hatte. 

Die Misserfolge Hessen sich, nach den am kleineren Apparat gemachten 
Beobachtungen, dadurch erklären, dass auch hier eine ungenügende Be¬ 
rührung und vielleicht auch eine nicht lange genug andauernde Einwirkung 
des Ozons mit den einzelnen Wasserpartikelchen stattgefunden hatte. Dies 
war vermuthlich besonders an den Seitenflächen des Thurmes der Fall. 


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SCHÜDER UND PrOSKAUER: 


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Es wurden deshalb die Versuche mit der Anlage in ihrem bisherige 
Zustande abgebrochen und der Sterilisationsthurm mit fein¬ 
körnigerem Material an Stelle der hühnerei- bis faustgrossen 
Kiesstücke gefüllt. 

Am 12. März wurden die Versuche mit der so veränderten Anlage 
wieder aufgenommen und zwar zunächst mit cholerainficirtem Wasser. 

IV. Versuch am 12. III. 1902. 

Angewandt ein Gemisch von Vs Spreewasser und 2 / 3 Charlottenburger 
Leitungswasser; das Gemisch hatte eine Oxydirbarkeit von 4.8 rag Sauer»toff- 
verbrauch pro Liter und war mit einer im Wasser aufgeschwemmten Agar- 
cultur von Cholera auf 1*5 ehm Wasser inficirt worden. 

Ozonconcentration: 3*8 grm pro 1 cbm Luft; pro Stunde gingen 25 cflu 
Luft durch den Thurm. 

1 ebm von dem inficirten Wasser brauchte 9 Minuten zum Durchgang 
durch den Thurm. 

Entnommen wurden 22 Liter als Durchschnittsprobe aus dem im Ueber- 
laufbassin gesammelten, gut durchgemischten ozonisirten Wasser und auf 
144 kleinere Kölbchen zwecks Anreicherung vertheilt. 

Nach der Ozonisirung war die Oxydirbarkeit für das Liter Wasser um 
0*3, d. h. auf 4*5 rag Sauerstoffverbrauch gesunken. 

Im nicht inficirten Mischwasser waren „Rothbildner“ nicht nachzuweisen. 

Von den 144 Kölbchen ergab keins die „Rothreaction“, die 
eingesäten Choleravibrionen waren daher als vernichtet an¬ 
zusehen. 

V. Versuch am 14. III. 1902. 

Dieser Versuch sollte eine Wiederholung des vorhergehenden darstellen 
und wurde daher unter den gleichen Bedingungen durchgeführt. Die Oxydir¬ 
barkeit des Mischwassers betrug vor der Ozonisirung 4*93 und nach derselben 
4*88 Tng Sauerstoffverbrauch pro Liter, sie hatte mithin um 0*05beim 
ozonisirten Wasser abgenommen; die Ozonconcentration pro Cubikmeter Luft 
machte 3*9 grm aus. 

Die in gleicher Weise, wie beim Versuch IV, entnommene Probe von 
22 Liter ozonisirten Wassers wurde auf 134 kleine Kölbchen zwecks An¬ 
reicherung vertheilt; die Rothreaction blieb überall aus. Die Wieder¬ 
holung des Versuches IV hatte also das bei diesem erzielte Er- 
gebniss, nämlich die Vernichtung der Cholera Vibrionen, bestätigt. 

VI. Versuch am 18. III. 1902. 

Bevor wir zur Prüfung der Wirksamkeit des Ozons gegenüber Typlius- 
bacillen übergingen, stellten wir seine Einwirkung auf Colibacillen fest. 

Angewandt ein Gemisch von 1 3 Spree- und v 3 Charlottenburger Leitungs¬ 
wasser; zu 1 cl, n desselben die Aufschwemmung einer Agarcultur vonBacterium 
coli hinzugefügt. 

Ozonconcentration: 3*8 fPrm pro Cubikmeter Luft; in der Stunde gingen 
2.V l,m Luft durch den Thurm. 

1 rl,rn von dom inficirten Wasser brauchte 8 Minuten zum Durchgang 
durch den Thurm. 


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A«TODTUN'G PATHOGENER BAKTERIEN IM WASSER. 


235 


Entnommen 20 Liter Wasser als Durchschnitts probe aus dem Ueber- 
laufbassin und in 4 Kolben & 5 Liter mit Pepton-Kochsalzlösung 24 Stunden 
bei 37° C. angereichert. Aus jedem dieser Kolben wurden nach dieser 
Zeit aus verschiedenen Tiefen 0-1 ccm entnommen und je auf eine Reihe von 
Drigalski-Conradi’schen Platten ausgestrichen. Unter sämmtlichen Platten 
fanden sich nur zwei, welche Säure bildende, rothgefärbte wie Bacterium coli 
wachsende Colouieen enthielten. Die weitere Untersuchung dieser 
Colonieen ergab aber, dass es sich nicht um Bacterium coli 
handelte. Es waren mithin die eingesäten und die etwa bereits 
vorher in Spreewasser vorhandenen Colikeime durch die Ozoni- 
sirung vernichtet worden. 

Es folgen nun die Versuche mit Wasser, welches mit Typhus¬ 
bacillen inficirt wurde. Die Versuchsauordnung war derart getroffen 
worden, dass das zu inficirende Wasser vorher möglichst sterilisirt wurde, 
um später bei der Identificirung gewachsener Colouieen auf keine Schwierig¬ 
keiten bei Anwesenheit anderer, aus dem Wasser selbst stammender und 
noch zur Entwickelung gekommener Keime zu stosseu. Wir verhehlten 
uns durchaus nicht, dass es sehr schwierig, sogar unmöglich sein würde, 
eine so grosse Wassermenge, wie hier, sowie die ganze Anlage völlig steril 
zu bekommen. Immerhin war aber zu erwarten, dass in dem Rohwasser 
und in den in Betracht kommenden Theilen der Anlage eine im Ver¬ 
hältnis zu den später eingesäten Typhusbacillen nur verschwindend ge¬ 
ringe Zahl von Bakterien entwickelungsfähig bleiben würde. Bei der 
später erfolgten Anreicherung würden daher, falls das Ozon die Typhus- 
bacillen nicht vernichtet hatte, die letzteren doch noch bei Weitem in der 
Mehrzahl bleiben und also bei dem der Anreicherung folgenden Platten - 
verfahren nicht übersehen werden können. 

Fü^ die hier nothwendige Sterilisation des Rohwassers und der 
Anlage war entweder der Zusatz von solchen Desinfectionsmitteln, die sich 
nach Entfaltung ihrer Wirkung leicht und ohne Störung des Versuches wieder 
entfernen liessen, oder die Desinfection mittels Dampf möglich. Die Des- 
infection mit Chemikalien (Säure) war allerdings leichter, schneller und billiger 
auszuführen, als in diesem Falle diejenige mit Dampf (Erhitzen), sie hatte 
andererseits aber den Nachtheil, dass das im Ueberlaufbassiu und im 
unteren Theile des Sterilisationsthurmes befindliche Wasser, das als Ab¬ 
schlussflüssigkeit für das von unteu in den Thurm eingeleitete Ozon vor¬ 
handen sein muss, sich nicht sicher mit Säure desinficiren und dann wieder 
neutralisireu liess. Deshalb konnten wir bei dieser Art von Desinfection 
des Rohwassers die Proben nach der Ozonisirung nicht aus dem Ueberlauf¬ 
bassiu schöpfen, sondern mussten sie aus dem am Thurm befindlichen 
Röhrchen entnehmen. Dennoch schlugen wir bei den ersten beiden Ver¬ 
suchen mit Typhus den ersteren Weg ein, weil uns zur Zeit noch keine 


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236 


Sch über und Proskauer: 


Locomobile als Dampfentwickeler zur Verfügung stand und wir die Zeit, 
welche uns für unsere* Versuche zu Gebote stand, ausnutzen mussten. 
Vor allen übrigen Versuchen mit Typhus und Ruhr desinficirten wir das 
zu inficirende Wasser und die Anlage mittels Dampf. 

Die Sterilisation des Ausgangswassers und der Anlage auf chemischem 
Wege vollzog sich folgendermaassen. Am Tage vor den Versuchen wurde 
der Ozonisationsthurm nebst Inhalt dauernd der Ozonwirkung ausgesetzt. 
Das Rohwasser — l / 3 Spree- und */ 3 Charlottenburger Leitungswasser — 
wurde in eine 2 pro inill. Schwefelsäurelüsung umgewandelt und mit der¬ 
selben die vor dem Ozonisationsthurme gelegenen Theile der Anlage 
18 Stunden lang gefüllt gehalten. Darauf wurde das zur Neutralisation 
der hinzugefügten Säure ausreichende Quantum von Soda titrimetrisch 
festgestellt, und dem angesäuerten Wasser von einer durch Hitze sterili- 
sirten concentrirten Sodalösung die zur Neutralisation bezw. sehr schwach 
alkalischen Reaction desselben erforderliche Menge zugesetzt. Dass in 
keinem Theile der Anlage den Versuch etwa störende Säure zurückgeblieben 
war, wurde durch fortlaufende Prüfung des ozonisirten Wassers bei seinem 
Austritt aus dem Sterilisationsthurm controlirt. 

Das schwach alkalisch reagirende Wasser wurde mit einer Aufschwem¬ 
mung einer Typhusagarcultur versetzt. Eine von dieser Mischung entnommene 
Probe wurde, nachdem sie mindestens eine Stunde lang gestanden hatte, 
durch Anreicherung und die nachherigePrüfung auf Drigalski-Conradi’- 
schen Platten auf die Gegenwart lebensfähiger Typhusbacillen controlirt, 
um u. a. auch zu erfahren, ob durch die Zusätze der Chemikalien zu 
dem Wasser die Typhusbacillen nicht schon vor der Ozonisirung in ihrer 
Lebensfähigkeit beeinträchtigt wären. Es ergab sich, dass letzteres nicht 
der Fall war. * 

VII. Versuch am 20.111. 1902. 

Angewandt ein in eben angegebener Weise behandeltes Gemisch von 
1 / 3 Spree- und 2 / 3 Charlottenburger Leitungswasser. Das Gemisch hatte eine 
Oxydirbarkeit von 5 • 48 mg Sauerstoffverbrauch pro Liter und war mit einer aufge¬ 
schwemmten Agarcultur von Typhusbacillen (auf 1 • 5 cbm Wasser) inficirt worden. 

Ozonconcentration: 3*6 grra Ozon pro Cubikmeter Luft; in der Stunde 
gingen 25 cbm Luft durch den Thurm. 

1 cbm von dem inficirten Wasser brauchte 8 Minuten zum Durchgang 
durch den Thurm. 

Bei diesem, sowie auch dem folgenden Versuche wurden die Proben 
aus den schon erwähnten Gründen aus dem Ablaufröhrchen an der Seite 
des Sterilisationsthurmes entnommen, nachdem dasselbe vorher durch Erhitzen 
sterilisirt war, und zwar in einer Menge von 4 Kolben A, 5 Liter. Von dem 
Inhalt jedes angereicherten Kolbens wurden je 6 Drigalski-Conradi’sche 
Platten ausgestrichen und nach 24 Stunden auf Typhusbacillen untersucht. 


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Abtödtung pathogenes Baktebien im Wasseb. 


237 


Nach der Ozonisirung war die Oxydirbarkeit um 2-32 n,p , d. i. 
auf 3*16 m? Sauerstoffverbrauch für 1 Liter gesunken. 

Auf 5 unter den 24 Platten waren einzelne Typhuscolonieen 
gewachsen und des Weiteren identificirt. 

VLII. Versuch am 22. III. 1902. 

Der Versuch war eine genaue Wiederholung des vorhergehenden. 

Die Oxydirbarkeit des Mischwassers betrug vor der Ozonisirung 6*40, 
nach derselben 4*16 ms , hatte somit um 2 • 24 wg Sauerstoffverbrauch pro Liter 
abgenommen. 

Die Ozonconcentration betrug 3 • 7 pro Cubikmeter Luft. 

Bei diesem Versuche gelang es nicht, lebensfähig gebliebene 
Typhusbacillen nach der Ozonisirung aufzufinden. 

Auffallend ist bei diesen beiden letzten Versuchen im Vergleich zu den 
vorhergehenden die ausserordentlich starke Abnahme (um 2-32 bezw. 2-24) 
der Oxydirbarkeit nach dem Ozonisiren, während sie bei dem gleichartigen 
Gemische der beiden Wässer bei den Versuchen II bis IV nur 0-14, 
1*04, 0-3 und 0■ 05pro Liter betragen hatte. Der Grund hierfür lag 
darin, dass durch Verwendung der Säure als Desinficiens, Eisenoxydul¬ 
verbindungen in das Wasser gelangt waren, welche die ursprüngliche 
Oxydirbarkeit erhöhten. Durch die Behandlung des Wassers mit Ozon 
wurden diese Verbindungen als Oxyd herausgeschafft, und das den Thurm 
verlassende Wasser besass den auch sonst nach Ozonwirkung gefundenen 
Grad der Oxydirbarkeit. Somit war auch erwiesen, dass ein Theil 
der zur Vernichtung der Typhuskeime bestimmt gewesenen 
Ozonmenge von 3-7*™ pro Cubikmeter Luft zur Oxydation des 
Eisens verbraucht war. 

Da uns inzwischen eine Locomobile zur Verfügung gestellt war, ver- 
liessen wir die Sterilisation des zu inflcirenden Wassers und der Anlage 
durch Säure und gingen zu der Sterilisation derselben mittels Dampf 
über. Ausserdem war die Sterilisation mit Säure — wie schon gesagt — 
mit dem Nachtheil verbunden, dass wir keine grösseren Durchschnitts¬ 
proben von der im Ueberlaufbassin aufgefangenen Gesammtmenge des 
ozonisirten Wassers schöpfen konnten. 

Um eine gleichmässige Vertheilung der Wärme während des Einleitens 
von Dampf in dem zu benutzenden Mischwasser zu erzielen, war von der 
Firma Siemens & Halske in dasselbe ein elektrisches Rührwerk gesetzt 
worden. Das Wasser wurde um 1 Uhr Mittags durch Einleiten von 
Dampf in beiden Bassins zum Sieden erhitzt, 15 Minuten lang im Sieden 
erhalten und blieb dann bis zum Beginn des nächsten Versuches, d. b. 
bis 10 Uhr Vormittag des nächsten Tages zur Abkühlung stehen. 


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238 


SCHÜDER UND PrOSKAUER: 


IX. Versuch am 24. III. 1902. 

Angewandt ein Gemisch von l / 3 Spree- und 2 / 3 Charlottenburger Leituugs- 
wasser; Oxydirbarkeit des Gemisches 8-08 rog Sauerstoffverbrauch pro Liter. 
Das Gemisch wurde nach dem Abkühlen auf 30° mit einer in Wasser auf¬ 
geschwemmten Agarcultur von Typhus inficirt. 

Ozonconcentration: 3*7 Ozon pro Cubikmeter Luft; in der Stunde 
gingen 25 cbm Luft durch den Thurm. 

1 cbra von dem inficirten Wasser brauchte 8 Minuten zum Durchgang 
durch den Thurm. 

Oxydirbarkeit nach der Ozonisirung 7 •16 Tr *, mithin Abnahme 0*92”* 
Sauerstoffverbrauch pro Liter. 

Um wieder grössere Durchschnittsproben von dem ganzen, der Ozoni>ation 
ausgesetzt gewesenen und im Ueberlaufbassin gesammelten Wasser (1 
statt aus dem Ablaufröhrchen an der Seite des Sterilisationsthurmes. zu er¬ 
halten. war vorher auch das Ueberlaufbassin und die darin am Boden be¬ 
findliche und zum Abschluss des Thurmes dienende Wassermenge durch 
Dampf desinficirt worden. t 

Entnommen wurden 4 Kolben ä 5 Liter aus dem Ueberlaufbassin nach 
Mischung des Inhaltes. 

Bei Zusatz der coneentrirten Pepton-Kochsalzlösung zu den Proben ent¬ 
stand eine rothviolette Färbung, die auf einen Gehalt des Wassers an ge¬ 
lösten Kupferverbindungen hinwies (Biuretreaction). Diese Hessen sieh in 
der That auch noch auf andere Weise im ozonisirten Wasser constatiren. 

Um festzustellen, ob dieser Kupfergehalt etwa im Stande sei, auf lebende 
Typhusbacillen wachsthumshernmend während der Anreicherung einzuwirken, 
wurde noch ein fünfter Kolben ä 5 Liter zurControle aus dem Ueberlaufbassin 
geschöpft, mit Typhusbacillen neu inficirt, mit Pepton Kochsalzlösung versetzt 
und mit den übrigen vier Kolben behufs Anreicherung 24 Stunden bei :>7 Ö 
erhalten. Es ergab sich, dass die Proben in allen fünf Kolben steril waren 
und dass mithin der Kupfergehalt der Flüssigkeit schädigend auf die ein- 
gesäten Typhuskeime eingewirkt haben musste. 

Das im Wasser gelöste Kupfer konnte nur von dem oben erwähnten 
elektrischen Rührwerk herstammen; denn weder bei den bisherigen, noch 
nachfolgenden Versuchen, bei welchen das Rührwerk nicht mehr verwendet 
wurde, machte sich die Gegenwart von Kupfer bei Zusatz der coneentrirten 
Pepton-Kochsalzlösung im ozonisirten Wasser bemerkbar. Die äus>erst 
empfindliche Biuretreaction, die in den von uns entnommenen grossen 
Wassermengen Kupfer sofort bei dessen Anwesenheit verrathen haben würde, 
trat sonst bei keinem unserer Versuche auf. 

Der Versuch wurde wiederholt; dabei wurden zum Umrühren Holz¬ 
stangen, die während des Kochens des Wassers sieh bereits darin befunden 
hatten, benutzt. 

X. Versuch vom 25. III. 1902. 

Wassermischung, Sterilisation, Infection wie beim Versuch IX. Die 
Temperatur des Wassers beim Inficiren betrug 29°. 

Ozonconcentration: 3-4 - nn Ozon pro Cubikmeter Luft; in der Stunde 
gingen w ieder 25 rbMl Luft durch den Thurm. 


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Abtödtüng pathogener Bakterien im Wasser. 


239 


1 ebm von dem inficirten Wasser brauchte 8 Minuten zum Durchgang 
durch den Thurm. 

Es wurden 4 Kolben ä 5 Liter ozonisirten Wassers aus dem gut ge¬ 
mischten Inhalte des Ueberlaufbassins gefüllt, mittels Pepton-Kochsalzlösung, 
24 Stunden lang bei 37 u angereichert und 16 Platten, wie oben geschildert, 
ausgestrichen. Das ozonisirte und gesammelte Wasser hatte ebenfalls 29° C. 

Typhusbacillen waren auf keiner der 16 Platten nach¬ 
zuweisen. 

XI. Versuch am 2.IV. 1902. 

Anordnung des Versuches wie vorhin; nur statt des Mischwassers reines 
Charlottenburger Leitungswasser. 1 Oxydirbarkeit desselben 6*4 mg Sauer¬ 
stoffverbrauch pro Liter. 

Temperatur des Wassers bei der Infection 31°. 

Ozonconcentration: 3*8 grra Ozon pro Cukikmeter Luft; in der Stunde 
wurden 25 cbm Luft durch den Thurm geschickt. 

Durchgang von 1 cbm Wasser durch den Thurm in 8 Minuten. 

Entnahme von 4 Kolben ä 5 Liter, wie bei Versuch X, und ebenso 
weiter verarbeitet. 

Temperatur des ozonisirten Wassers im Ueberlaufbassin 31°. 

Oxydirbarkeit nach der Ozonisirung 5*68 uig , mithin Abnahme 0‘72* rg 
Sauerstoffverbrauch pro Liter Wasser. 

Auf den 16 Platten waren insgesammt vier typhusverdächtige Colonieen 
zu beobachten, die sich aber bei der weiteren Prüfung nicht als 
aus Typhusbacillen bestehend erwiesen. 

Bei den weiteren Versuchen mit der Martinikenfelder Anlage geschah 
die Infection des Wassers mit Ruhrbacillen, 

XII. Versuch am 27.III. 1902. 

Angewandt Charlottenburger Leitungswasser, welches wieder vor der 
Infection mit Dampf aus einer Locomobile sterilisirt und auf 29° C. ab¬ 
gekühlt war. Dieses Gemisch hatte eine Oxydirbarkeit von ()-6 n,? Sauerstofl- 
verbrauch pro Liter und wurde mit der Aufschwemmung einer 24 Stunden 
alten Ruhrcultur auf Agar (auf 1*5 ebm Wasser) inficirt. 

Ozonconcentration: 3*8 grm Ozon pro Cubikmeter Luft; in der Stunde 
gingen 25 cbni Luft durch den Thurm. 

1 cbm vom inficirten Wasser brauchte 8 Minuten zum Durchgang durch 
den Thurm. 

Entnommen wurden 4 Kolben ä 5 Liter ozonisirten Wassers aus dom 
gut durchgemischten Inhalt des Ueberlaufbassins, angereichert wie bei den 
Versuchen mit Typhusbacillen, darauf Plattenverfahren auf besonderem 
Nährboden. 2 


1 Wir gingen bei den Versuchen XI, XII und XIII von der Anwendung eines 
Gemisches von Spree- mit Charlottenburger Leitungswasser ab, weil die Oxydirbar¬ 
keit des Spreewassers während dieser Versuche eine sehr hohe geworden war. 

* Veröffentlichungen aus dem Gebiete des Militär-Sanitätswesens. 1902. Hft. 20. 
S. 88 u. 89. 


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240 


SCHÜDEB UND PfiOSKAl'EB: 


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Nach der Ozonisirung war die Oxydirbarkeit um 0* 72 mg , d. h. auf 
5 • 88 mg Sauerstoffverbrauch pro Liter Wasser gesunken und die Temperatur 
des Wassers betrug 29° C. 

Ruhrbacillen Hessen sich auf den Platten nicht nachweisen. 

XIII. Versuch am 4.17. 1902. 

Versuchsanordnung wie beim vorigen Versuch. 

Oxydirbarkeit des Wassers 6-28 mg Sauerstoffverbrauch pro Liter. 
Temperatur bei der Infection 29° C. 

Ozonconcentration: 3 • 8Ozon pro Cubikmeter Luft. Durch den 
Thurm in der Stunde hindurchgegangene Luftmenge 26 ebm . 
Durchlaufgeschwindigkeit des Wassers (1 cbm ) 8 Minuten. 

Entnahme und Behandlung der Proben wie beim XII. Versuch. 

Die Oxydirbarkeit des ozonisirten Wassers war um 0-78 mg , d. h. auf 
5 • 5 mg Sauerstoffverbrauch gesunken. 

Temperatur des ozonisirten Wassers bei der Probeentnahme 29° C. 
Ruhrbacillen Hessen sich nicht auf den Platten nachweisen. 


Unsere Versuche haben, wie aus dem Vorhergehenden ersichtlich ist. 
so lange ungünstige Resultate, (I, II, lila und Iüb) ergeben, 
als in dem Sterilisationsthurme die ursprüngliche, sehr grob¬ 
körnige Packung benutzt wurde. 

Von dem Augenblicke an, wo die grobe Füllung des Thurmes 
durch ein kleinkörnigeres Material ersetzt war, wurden die 
Ergebnisse günstige, da unter den gegenüber früher geänderten Be¬ 
dingungen und mittels der gewählten Untersuchungsmethoden sich 

1. Cholerabacillen (Versuch IV und V), 

• 2. ebenso Colibakterien (Versuch VI) als abgetödtet er¬ 

wiesen hatten. 

3. Von den 5 Versuchen mit Typhus scheidet derjenige vom 24. III. 
(Versuch IX) aus, weil hier die zufällige Beimengung von Kupferverbin¬ 
dungen die Vernichtung der Typhusbacilleu herbeigeführt hatte. 

Aber auch das ungünstige Resultat des Versuches VII vom 20. III. 
kann für die Beurtheilung der Ozonwirkung zur Wassersterilisirune 
nicht verwerthet werden, weil das in den Sterilisationsthurm eingeleitete 
Ozon nicht in seiner ganzen Menge zur Einwirkung auf die im Wasser 
befindlichen Typhusbacillen gelangen konnte. "Wie schon berichtet ist. 
wurde ein grosser Theil des Ozons von den in das Wasser hineingeratheueu 
Eisenoxydulverbindungen gebunden, was die im Verhältniss zu den anderen 
Versuchen gefundene ausserordentlich grosse Abnahme der Oxydirbarkeit 
von 2*32 n ' g Sauerstoff pro Liter beweist. 


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Abtödttjxg pathogener Bakterien m Wasser. 


241 


Da aber der nächstfolgende Versuch (VIII vom 22 . III.), der unter 
den gleichen Bedingungen ausgeführt wurde, trotz gelöster Eisenoxyd ul¬ 
salze und in Folge dessen Abnahme der Oxydirbarkeit um 2*24 ein 
günstiges Resultat geliefert hatte, so muss man schliessen, dass selbst 
geringere Mengen von Ozon, wie die sonst bei unseren Versuchen durch¬ 
schnittlich zur Wirkung gelangten, unter Umständen im Stande sind, 
Typhusbakterien im Wasser zu vernichten. 

Die Versuche X vom 25.III. und XI vom 2.,IV., bei denen 
die Anlage ohne jede Beeinträchtigung und Störung gearbeitet 
hatte, waren beweisend dafür, dass die Sterilisation eines 
Typhus-inficirten Wassers mit Ozon in der Martinikenfelder 
Anlage sicher gelingt. Zu bemerken ist noch, dass bei dem VersucheX 
vom 25.III. die Ozonconcentration nur 3*4? rm Ozon für l cbm Luft betrug, 
also geringer war, als bei unseren übrigen Versuchen, was unsere schon 
vorhin ausgesprochene Annahme von der Wirksamkeit schwächerer Ozou- 
concentrationen in der Luft bestätigt. 

4. In beiden Versuchen mit Ruhr (XII vom 27.III. und XIII 
vom 4. IV.), die unter gleichen Bedingungen wie die Typhusversuche X 
uud XI ausgeführt wurden, waren die Ruhrbacillen ebenfalls ab- 
getödtet. 

Die beobachtete keimtödtende Wirkung des Ozons gegenüber patho¬ 
genen Bakterien ist um so höher anzuschlagen, als wir für unsere Ver¬ 
suche absichtlich ungünstigere Bedingungen, als sie in der Praxis gewöhn¬ 
lich Vorkommen dürften, wählten. Denn die Anzahl der eingesäten Krauk- 
heitskeime war eine ausserordentlich grosse; die Zählung ergab durch¬ 
schnittlich ca. 630000 im Cubikcentimeter. 

Die Menge 1 des nach der Ozonisirung geschöpften Wassers, welche 
als Durchschnittsprobe von dem gesammten ozonisirten Wasser zum Nach¬ 
weise etwa lebend gebliebener Krankheitskeime durch Anreicherung u. s. w. 
diente, dürfte mit Rücksicht auf das insgesammt 1 cbm betragende, zur 
Ozonisirung gelangte, inficirte Wasserquantum als völlig ausreichend an¬ 
gesehen werden, um selbst den strengsten Ansprüchen nach dieser Rich¬ 
tung hin zu genügen. 

Die Abtödtung der für Wasserversorgungen in Betracht 
kommenden Krankheitserreger erfolgte in der Martinikenfelder 
Anlage bei einer Ozonconcentration von 3*4 bis 4.0^“ Ozon 
für 1 cbm Luft, Durchgang von 25 cbm der letzteren in der Stunde, 
bei einer Durchlaufsgeschwindigkeit von 872 bis 9 Minuten 
pro Cubikmeter Wasser und bei einer Abnahme der Oxydirbar- 


1 Vgl. Schüder. Diese Zeitschrift. Bd. XXXIX. S. 402, Abs. 3. 
Zeitschr. t Hygiene. XLI. « 16 


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242 


SCHÜDEB UND PeOSKAUER: 


keit des Wassers durch die Ozonisirung von 0*05 bis 0-92, in 
einem Falle auch sogar von 2-24 m * Sauerstoffverbrauch pro 
Liter. 

Sowohl in den Fällen, in denen die Vernichtung der Krankheitskeime 
herbeigeführt wurde, als auch in den Versuchen, wo diese nicht statt¬ 
fand, waren bis auf die Art der Packung alle Bedingungen durch¬ 
schnittlich die gleichen. Unsere Versuche zeigen daher, dass es 
gelingt, in einem Wasser, von der Qualität des angewandten, 
unter sonst gleichbleibenden Bedingungen, insbesondere der 
Durchlaufsgeschwindigkeit, nur durchVeränderung der Füllung 
die ungünstigen Resultate in günstige zu verwandeln. 

Ob etwa bei der von uns vorgeschlagenen und benutzten 
kleinkörnigen Füllung des Thurmes oder einer solchen mit 
noch feinerem Kiese die Ozonmenge, Durchlaufsgeschwindig¬ 
keit u. s. w. Abänderungen erfahren können, ohne den Sterili¬ 
sationseffect in Frage zu stellen, haben wir nicht untersucht, weil 
wir es für richtiger and sogar für nothwendig halten, dass derartig« 
Prüfungen von Fall zn Fall bei jeder einzelnen, für die Wasser¬ 
versorgung bestimmten Anlage — allerdings nicht mit pathogen» 
Keimen — schon mit Rücksicht anf die verschiedene Beschaffenheit 
des jeweils znr Verwendung kommenden Wassers angestellt werden. 

Hinzufügen möchten wir, dass der in manchen Arbeiten über die 
Anwendung des Ozons für die Wassersterilisation im Grossen angeführte 
Vergleich dieses Verfahrens mit der Leistung von Sandfiltern zur Reinigung 
von Oberflächenwasser in Bezug auf die bakteriologischen Resultate nicht 
zulässig ist. Abgesehen davon, dass es sich in dem einem Falle um eine 
chemische, in dem anderen um eine mechanische Wirkung — wie dies Ohl- 
müller und Prall richtig hervorheben 1 — handelt, ist es ausserdem nicht 
zu ermessen, welcher Antheil von den im filtrirten Wasser gefundenen 
Keimen ihrer Zahl und Art nach aus dem Rohwasser und welcher Antheil 
davon aus dem Filtermaterial selbst stammt. Die nach einer vorschrifts- 
mässigen Ozonisirung im Wasser sich noch findenden Bakterien werden 
aber nach den von uns gemachten Erfahrungen nur ganz besonders wider¬ 
standsfähige, d. h. sporenbildende sein, welche für die Trinkwasserversorgung 
nicht weiter in Betracht kommen. 

Ueber die Kosten einer Anlage und des Betriebes mit Ozon sind 
bereits von G. Erlwein 1 Mittheilungen gemacht worden. Dieselben belaufen 
sich z. B. bei einer 120 Liter pro Stunde leistenden Anlage für Ozonisirung 

1 A. a. O. S. 426. * A. a. 0. 


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Abtödtung pathogeneb Baktebien im Wasseb. 


243 


incl. Yorfiltration durch Schnellfilter auf 1 * 726 Pfg. pro Cubikmeter, 
wobei allerdings, nach Ansicht der Firma Siemens & Halske, zu berück¬ 
sichtigen ist, dass sich bei Anlagen von grösseren Leistungen die Kosten 
naturgemäss erniedrigen würden. 

Um auch noch Erfahrungen über die Ozonisirung von Wasser in 
grossem Maassstabe zu sammeln, werden von uns in Uebereiustimmung 
mit der Firma Siemens & Halske in Wiesbaden, wo die Firma eine 
grössere Anlage für die Wasserversorgung der genannten Stadt errichtet 
hat, Versuche angestellt werden. Ueber dieselben werden wir in dieser 
Zeitschrift demnächst berichten. 


16 * 


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[Aus dem hygienischen Institut der Universität Halle a/S.] 
(Director: Prof. Dr. C. Fraenkel.) 


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Histologische Veränderungen 
nach Einspritzung abgetödteter Tuberkelbacillen. 

Von 

Dr. G. Engelhardt, 

froherem Assistenten des pathologischen Instituts. 


Auf Veranlassung von Prof. Fraenkel unternahm ich es, die oft 
untersuchte und viel discutirte Frage der Wirkungsweise abgetödteter 
Tuberkelbacillen auf thierische Gewebe einer nochmaligen Prüfung zu 
unterziehen. Dass abgetödtete Tuberkelbacillen den echten Tuberkeln sehr 
ähnüche oder gleiche Knötchen hervorbringen können, ist eine genügend 
erhärtete Thatsache; von wesentlichem Interesse schien es nur, nochmals 
nachzuprüfen, ob wirklich eine Verkäsung dieser Tuberkel, sei e6 auch 
nur in den ersten Anfängen, zu constatiren sei. Dies ist bekanntlich von 
Gamaleia 1 behauptet, von Prudden und Hodenpyl* bis auf Kelber 5 
auf das Entschiedenste geleugnet worden. Baumgarten, aus dessen 
Institut die letzte dieses Thema behandelnde Arbeit von Kelber hervor¬ 
gegangen ist, fasst den durch abgetödtete Tuberkelbacillen hervorgebrachten 
Tuberkel als Fremdkörperknötchen auf, wie ein solches auch nach Ein¬ 
spritzung indifferenter Substanzen entstehen könnte, dem mithin die 


1 N. Gamaleia, De la virulence des bacilles tuberculeux morts. Etudes exper. 
et cliniques sur la tuberculose etc . 1892. A. III. Fase. 2. 

1 J. M. Prudden and E. Hodenpyl, Studies on the action of dead bacteria 
in the living body. New York Medical Journal . 1891. 

# Kelber, Arbeiten aus dem Gebiete der pathologischen Anatomie u. Bakterio¬ 
logie , herausgegeben von Baumgarten. Bd. II. 


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G. Engelhardt: Veränderungen bei Eenspritz. y. Tuberkelbac. 245 

Eigenschaft echter Tuberkel, verkäsen zu können, fehlen muss. Uns lag 
nun vor Allem daran, einmal nochmals den histologischen Aufbau dieses 
durch abgetödtete Tuberkelbacillen erzeugten Tuberkels bei den verschie¬ 
denen Arten der Einspritzung zu studiren, und dann die Veränderungen, 
die er in den einzelnen Stadien seines Lebens durchmacht, festzu¬ 
stellen. Scheint doch gegenüber Baumgarten, der nur dem lebenden 
Bacillus die Fähigkeit zuschreibt, an fertigen Tuberkeln regressive Verände¬ 
rungen, insbesondere Verkäsung, hervorzurufen, bei manchen Autoren die 
Ansicht geltend zu sein, dass ein principieller Unterschied hier nicht 
bestehe, dass es mithin auch zu einer Verkäsung der durch abgetödtete 
Bacillen hervorgerufenen Tuberkel nur deswegen nicht komme, weil eben 
die Wirkung der von den todten Bacillen abgegebenen Toxine nicht weit 
genug reiche, um eine Gewebsnekrose oder Verkäsung herbeizuführen. 
Darum schien es uns auch von Interesse, das Verhalten der elastischen 
Fasern in den verschiedenen Stadien der Entwickelung des Tuberkels 
zu verfolgen und zu untersuchen, welchen Einflüssen eine etwa nach¬ 
weisbare Schädigung von elastischen Fasern zuzuschreiben sei. 

Unsere Versuchstechnik gestaltete sich sehr einfach. Von einer 
mehrere Wochen alten hochvirulenten Cultur, und zwar immer des gleichen 
Stammes, wurden im trockenen Zustande abgewogene Mengen im Achat¬ 
mörser unter Zusatz einiger Tropfen Kochsalzlösung verrieben, dann so 
verdünnt, dass im Cubikcentimeter Flüssigkeit 0*01 ^ rm Cultur enthalten 
war. Es folgte hierauf eine 2stündige Erhitzung im Wasserbad auf 100°. 
Diese Procedur genügt nach den Angaben von Grancher und Ledoux- 
Lebard 1 vollständig, um die in Flüssigkeit suspendirten Bacillen der 
Säugethier- und Vogeltuberculose abzutödten. Eine länger dauernde Er¬ 
hitzung erschien deshalb vollkommen unnöthig. Wir haben es auch unter¬ 
lassen, aus den todten Bacillenleibern mit chemischen Agentien (Chloro¬ 
form, Aether u. s. w.) Extracte herzustellen, da der Ein wand Baum- 
•garten’s*, dass die mit diesen Mitteln hergestellten Auszüge eventuell 
in den Bacillenleibern gar nicht präformirt gewesene Substanzen darstellen, 
sehr berechtigt erscheint. Die Injection geschah subcutan, iutraperitoneal 
und intravenös. Die Thiere wurden in verschiedenen Zeiträumen getödtet 
und Lunge, Nieren, Leber und Milz, auch wenn makroskopisch keine Ver¬ 
änderung sichtbar war, nach Fixirung in den verschiedensten Flüssigkeiten 
(Müller, Müller-Formol, Flemming’sche, Hermann’sche Lösung, dünne 

1 Grancher et Ledoux-Lebard, Tuberculose aniaine et humaine. Archives 
de med. experim. et d’anatomxe pathologique. 1892. T. IV. 

* Baumgarten, Ueber die pathologisch-histologische Wirkung und Wirksam¬ 
keit des Tuberkelbacillus. Verhandlungen der Deutschen Pathologischen Gesellschaft. 
Vierte Tagung. 1901. 


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246 


G. Engelhardt: 


Chromsäurelösungen)' untersucht. Die Färbung geschah in gewöhnlicher 
Weise mit Hämotoxylin-Eosin, dann wandten wir nach dem Vorgang von 
Wechsberg 1 regelmässig eine combinirte Färbung an, bestehend in Yor- 
färbung mit Lithioncarmin oder Hämalaun, Färbung auf Tuberkelbacillen 
(mit Carboifuchsin und Entfärbung in 2procentigem salzsauren Auiliu- 
wasser) und auf elastische Fasern nach Weigert, ferner wurde stets 
die Weigert’sche Fibrinfärbung vorgenommen. Die in Flem- 
ming’scher oder Hermann’scher Lösung fixirten Präparate wurden mit 
Saffranin nachgefärbt, die in Hermann fixirten mit und ohne Holzessig¬ 
behandlung. Die Einbettung geschah theils in Celloldin, theils in Paraffin. 
Es sei mir nunmehr gestattet, über meine Versuche in aller Kürze zu 
berichten. 

Bei den subcutan geimpften Thieren kam es an der Injectiousstelle 
zu dem bekannten Abscess, in dem sich massenhaft körnig zerfallene 
Tuberkelbacillen fanden. Der Abscess lag gewöhnlich nicht unmittelbar 
an der Injectiousstelle, sondern etwas weiter entfernt, da, wo die Haupt¬ 
masse der Bacillen liegen geblieben war. Veränderungen, die mit Sicher¬ 
heit auf die Wirkung der abgetödteten Tuberkelbacillen hätten bezogen 
werden können, fanden sich in den inneren Organen nicht; beispielsweise 
hielt sich die Pigmeutablagerung in der Milz, die auf einen vermehrten 
Untergang von rothen Blutkörperchen deuten soll 2 , durchaus in physio¬ 
logischen Grenzen. Ein etwas überraschendes Resultat bot allerdings die 
Section eines dieser Thiere (Kaninchen), welches nach der Impfung 
(0*015»™ Trockengewicht Bakteriencultur) im Laufe von 81 Tagen nach 
anfänglicher Abmagerung gegen das Anfangsgewicht um 190»™ zuge¬ 
nommen hatte und dann plötzlich verstorben war. Hier fanden sich in 
der Lunge, zum Theil dicht unter der Pleura, zahlreiche Käseherde. Einer 
dieser Herde, der im rechten Oberlappen lag, war von keilförmiger Gestalt 
und von Blutungen durchsetzt. Milz, Nieren und Leber waren makro¬ 
skopisch ohne Besonderheiten. Die verkäste Lungenpartie zeigte nun mikro¬ 
skopisch das Bild der käsigen Pneumonie, in den verkästen Partieen fanden 
sich aber ausser zahlreichen körnig zerfallenen Tuberkelbacillen massen¬ 
haft Kokken und nach Gram entfärbte Stäbchen. Das umgebende Lungen¬ 
gewebe wies eine Verdickung der Alveolarsepten auf, die Pleura war 
eitrig infiltrirt. Es hatte hier offenbar eine Secundärinfection den Tod des 
Thieres herbeigeführt, aber auch die Tuberkelbacillen waren von der 
Injectiousstelle in die Lunge gelangt. 

1 Wechsberg, Beitrag zur Lehre von der primären Einwirkung des Tuberkel¬ 
bacillus. Ziegler's Beiträge. 1901. 

* Mafucci, Ueber die Wirkung der reinen sterilen Culturen des Tuberkel¬ 
bacillus. Centralblatt für allgemeine Pathologie und patholog . Anatomie . 1890. 


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Veränderungen bei Einspritzung von Tuberkelbacillen. 247 


Dass wir bei den in grösserer Anzahl vorgenommenen intraperitonealen 
und intravenösen Injectionen nicht die Regeln der A- und Antisepsis 
ausser Acht gelassen haben, braucht wohl nicht weiter hervorgehoben zu 
werden. Zur intraperitonealen Injection wurden Kaninchen und Meer¬ 
schweinchen verwandt; die Menge des injicirten Materials betrug O’Ol bis 
0-02 gTm Bakteriencultur. (Trockengewicht.) Von den so geimpften Thieren 
starben drei, um dies gleich vorwegzunehmen; bei einem von ihnen ist 
eine Secundärinfection sicher, bei den beiden anderen lässt sie sich nicht 
mit Sicherheit ausschliessen, obwohl in zahlreichen Schnittpräparaten keine 
Bakterien gefunden wurden. Aber auch die Suche nach Tuberkelbacillen 
war ohne Erfolg, obwohl sie bei dem 27 bezw. 31 Tage nach der Impfung 
erfolgten Tode sich mit Leichtigkeit hätten nach weisen lassen müssen. 
Die Lunge dieser beiden Thiere zeigte eine diffuse interstitielle Pneunomie. 
Bei den am Leben gebliebenen zwischen 9 und 122 Tagen getödteten 
Thieren haben wir niemals eine Gewichtsabnahme constatiren können. 
Niemals gelang es uns aber auch, bei ihnen auf dem Peritoneum miliare 
Knötchen nachzuweisen und wir glauben deshalb gegenüber anderen 
Untersuchem 1 behaupten zu dürfen, dass wenigstens die Einspritzung fein 
verriebenen Materials keine sichtbaren Knötchen auf dem Peritoneum 
hervorruft. Die Veränderungen, die sich bei diesen Thieren an den 
inneren Organen ergaben, waren ebenfalls sehr geringfügig. So konnten 
in der Lunge nur kleine als Rundzellen gebildete, im Ganzen nicht sehr 
zahlreiche Herdchen aufgefundeu werden, in denen der Bacillennachweis 
nicht gelang; in den anderen Organen fehlte jede Veränderung. 

Dieser negative Erfolg veranlasste uns, in unseren weiteren Versuchen 
nur noch die intravenöse Injection (Ohrvene des Kaninchens) zu verwenden 
uud die hier regelmässig in der Lunge auftretenden Veränderungen für 
das Studium der Structur des Tuberkels zu benutzen. In den übrigen 
Organen haben wir in Analogie mit Kelber 2 u. A. niemals irgend welche 
mit Sicherheit auf die Injection der abgetödteten Bacillen zu beziehende 
Veränderungen finden können, und es braucht deshalb hierauf nicht weiter 
eingegangen zu werden. Die Menge des eingespritzten Materials schwankte 
zwischen 0*01 und 0*025s™ Cultur, die ebenfalls mit Kochsalzlösung 
fein verrieben und in der hundertfachen Menge Flüssigkeit suspendirt, 
injicirt wurde. Nur einmal wählten wir eine etwas höhere Dosis (0*03<f rm 
Cultur); hier trat nach 6 Stunden in Folge bacillärer Embolie der Tod 
des Thieres ein. Die Gefässe (kleine und mittlere Arterien) waren durch 
Haufen von Tuberkelbacillen verstopft, um welche sich massenhaft poly- 


1 Prudden and Hodenpyl u. A. 
* Kelber, a. a. 0. 


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248 


G. Engelhardt: 


nucleäre Leukocyteu angesammelt hatten, die theilweise auch in dichten 
Mengen das Gefäss umgaben. Zellwucherung war hier noch nirgends zu 
constatiren. Bei der Untersuchung der Lungen von später getüdteten Thieren 
fanden sich nun fast regelmässig neben kleineren interalveoläreu Tuberkeln 
solche, in deren Centrum ein Gefäss gelegen war. Typische Veränderungen 
der Gefasswandung, die fast immer zu constatiren waren, möchten wir später 
im Zusammenhang mit dem Verhalten der elastischen Fasern besprechen 
und zunächst nur den Aufbau des übrigen Tuberkels kurz beschreiben. Nach 
3 Tagen fand sich bei Fixirung in Hermann'scher Flüssigkeit und nach¬ 
folgender Safl'raninfärbung im Centrum der submiliaren und miliaren 
Tuberkel eine dunkel gefärbte Masse, die sich deutlich in einzelne körnig 
zerfallene Bacillen auf lösen lässt, umgeben von polynucleären Leukocyteu: 
nach aussen folgen in unregelmässiger Vertheilung spärliche Zellen mit 
dunklem Kern und dunkelbrauner chromatischer Substanz, ihrem ganzen 
Aussehen nach sichere Alveolarepithelien, und zahlreiche epitheloide Zellen 
mit helleren geblähten Kernen, theils mit, theils ohne graubraune, grossen- 
theils um den Kern gelagerte chromatische Substanz. Die epitheloiden Zellen 
zeigen hier und da, aber im Ganzen nur sehr spärlich, Kemtheilungsügureu. 
In der Peripherie des Knötchens liegt eine homogene, bandartige Masse 
zwischen den Zellen eingelagert, die keine Fibrinreaction giebt, mit van 
Gieson sich schwachrosa färbt, sich aber in Schnitten, die anders fixirtea 
Gewebsstücken entstammen, nicht deutlich darstellen lässt. Auch in der 
Peripherie des Tuberkels finden sich schon kleine Häufchen von körnig 
zerfallenen Tuberkelbacillen. Am 4. Tage treflen wir zunächst grössere 
Tuberkel an, in deren Centrum ein Gefäss gelegen ist. Im Gefäss selbst 
ist um einen Haufen von Tuberkel bacillen ein mehrreihiger Kranz vou 
polynucleären Leukocyteu gelagert, es folgen dann nach aussen in geringer 
Anzahl Zellen mit grossem, blassem Kern, zwischen ihnen massenhaft 
mehrkernige Leukocyteu, und in der Peripherie mehr spindelige endothel¬ 
ähnliche Zellen, hier und da mit Tuberkelbacillenresten beladene Alveolar¬ 
epithelien und Kiesenzellen mit peripheren Kernen. Es lässt sich au 
diesen grösseren Tuberkeln noch deutlich der Aufbau aus einzelnen kleineren 
erkennen. Von diesen verschieden sind kleinere, in denen die polynucleären 
Zellen zurücktreten, es überwiegen hier die gewöhnlichen Rundzelleu. Auch 
in diesen Tuberkeln ist die Zusammensetzung der zeitigen Elemente eine 
durchaus ungleichmässige; Kerutheilungsfiguren sind äusserst spärlich vor¬ 
handen. Einen schon makroskopisch auffallenden Befund bot die Lunge 
eines gleichfalls nach 4 Tagen getüdteten Kaninchens, bei welchem neben 
miliaren grauweissen, ühermiliare Knötchen von ausgesprochen gelblicher 
Farbe auffielen. Mikroskopisch erwiesen sich die letzteren als broncbo- 
pneumonische Herdchen, in denen nur nach Gram färbbare, nicht säure- 


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Veränderungen bei Einspritzung yon Tubeekelbacillen. 249 

feste strahlenpilzähnliche Bacillen lagen, einen Befund, den wir noch bei 
einem zweiten nach dem gleichen Zeitraum getödteten Kaninchen erheben 
konnten. Von einem gemeinsamen Centrum aus vertheilen sich nach den 
verschiedensten Richtungen an den Enden spindelig anschwellende, dann 
aber wieder spitz verlaufende (also keine Kolben bildende) Pilzfäden, die 
an den Enden zum Theil eine deutliche bajonettförmige Abknickung und 
hie und da dichotomische Verzweigung zeigten; ein Leukocyteukranz in 
der Umgebung fehlte. An einigen Stellen sieht man auch die Fäden mit 
einer knopfförmigen Anschwellung enden, so dass an den Soorpilz erinnernde 
Bilder entstehen, doch erlaubt wohl die ausschliesslich strahlige Anordnung 
der Fäden nicht, ihn mit dem letzteren zu identificiren. Die Fäden sind 
nicht septirt, 0*9 bis 1*3 ja dick; ihre Läuge betrug bis zu 17/«., im 
Durchschnitt 8-7 fi. Jedenfalls hat es sich um eine Streptothrix- oder 
Actinomycesart gehandelt. Das die Alveolen erfüllende Exsudat war das 
einer Bronchopneumonie ohne Fibrinbeimengung. Eine Züchtung war 
leider nicht mehr möglich wegen Mangels an frischem Material. Ein mit 
diesen Knötchen intraperitoneal geimpftes Kaninchen starb nach l 1 ^ Monaten, 
wie die mikroskopische Untersuchung ergab, an einer hochgradigen Nephritis; 
der übrige Organbefund bot nichts Bemerkenswerthes. Dieser Befund 
schien uns deshalb von Wichtigkeit, weil er zeigte, dass die blosse makro¬ 
skopische Betrachtung leicht dazu verführen konnte, die gelben Herdchen 
für verkäste Tuberkel zu halten. Neben diesen durch die erwähnten 
Strahlenpilze hervorgerufenen Herdchen lagen Tuberkel, die den vorhin 
beschriebenen vollkommen glichen, nur fanden sich unter den an der 
Peripherie der Bacillenhaufen gelegenen Tuberkelbacillen einige etwas 
schlechter gefärbte, anscheinend etwas gequollene Exemplare. 

Wir möchten hier gleich kurz die Frage berühren, ob „strahlenpilz- 
förmige Wuchsformen“ bei abgetödteteu Tuberkelbacillen Vorkommen. Es 
könnte sich natürlich nur um eine Quellung der Membran handeln, die ein 
kolbenförmiges Anschwellen der Bacillen bedingt. Lubarsch 1 scheint 
diese Möglichkeit jedenfalls anzunehmen. In seiner Arbeit: Zur Kenntniss 
der Strahlenpilze, erwähnt er zwei Versuche, die er mit durch Formol- 
dämpfe abgetödteten Tuberkelbacillen, welche er direct in die Niere eines 
Kaninchens injicirte, angestellt hat. Bei dem einen nach 16 Tagen ge¬ 
tödteten Thiere konnte er in Schuittpräparaten kolbenförmige An¬ 
schwellungen der schlecht färbbaren Tuberkelbacillen nachweisen, während 
ihm dies bei dem zweiten nach 32 Tagen getödteten Versuchsthier nicht 
gelang. Auch wir haben, wie erwähnt, allerdings nur in dem letzt- 


1 Lubarsch, Zur Kenntniss der Strahlenpilze. Diese Zeitschrift. Bd. XXXI. 


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G. Engelhardt: 


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genannten Versuch, eine derartige kolbenförmige Anschwellung der am 
meisten peripher gelegenen Bacillen constatiren können, deren Färbbarkeit 
ebenfalls etwas abgenommen hatte. Eine zweite derartige Beobachtung 
haben wir aber trotz darauf gerichteter Aufmerksamkeit nicht gemacht. 

Nach 5 Tagen zeigt sich das mikroskopische Bild unserer Lungen¬ 
tuberkel noch nicht verändert. Am 6. Tage finden wir im Centrum der 
Tuberkel eine protoplasmareiche Riesenzelle mit grossentheils peripher 
liegenden blassen Kernen; im Innern der Riesenzelle liegen zahlreiche 
körnig zerfallene, wohlgefärbte Tuberkelbacillen; die homogene Protoplasma¬ 
masse hat sich nach van Gieson gelblich, mit der Weigert’schen Fibrin¬ 
färbung mattblau gefärbt. Die übrigen Zellbestandtheile des Tuberkels 
sind grösstentheils Lymphocyten, daneben Alveolarepithelien und epitheloide 
Zellen. Immer sind noch deutlich die einzelnen dicht an einander ge¬ 
rückten Alveolarsepten inmitten des Tuberkels zu erkennen. Fibrin liess 
sich in diesen Knötchen nicht nach weisen; Kerntheilungsfiguren waren 
nur in sehr geringer Menge aufzufiuden. Nach 10 Tagen sind die 
Knötchen, von denen die grössten eine über das Maass gewöhnlicher 
Tuberkel weit hinausgehende Grösse zeigen, bedeutend zahlreicher vor¬ 
handen, als bei nach vier Tagen getödteten Thieren. Die Bacillen liegen 
diffus im Tuberkel verstreut, der sonst den gleichen Aufbau zeigt. Nach 
15 Tagen sieht man einmal zum grössten Theil aus epitheloiden uud 
Rundzellen bestehende Knötchen, dann wieder solche, in denen die 
verdickten und dicht an einander gerückten Alveolarsepten noch schmale 
Hohlräume offen lassen, in denen sich ziemlich zahlreiche desquamirte 
Alveolarepithelien finden. Die Färbbarkeit der Bacillen hat theilweise 
stark abgenommen bei erhaltener Form. Bilder, die wir in Schnitten 
eines nach 28 Tagen verstorbenen Kaninchen erhielten, unterschieden sich 
zum Theil nicht wesentlich von solchen, wie wir sie bei kurz nach der 
Injection getödteten Thieren sahen. Es war hier 7 Tage nach der ersten 
Einspritzung (0-025 (frm ), als das Thier langsam abzumagern begann, eine 
zweite (0.02s rrn ) gemacht worden. In der Lunge fanden sich nun deut¬ 
liche Conglomeraltuberkel, in deren Centrum ein Haufen körnig zerfallener 
Bacillen und um diese herum mehrere Reihen polynucleärer Leukocyten. 
Die Hauptmasse des Tuberkels wird aus epitheloiden und in der Peripherie 
gelegenen Rundzellen gebildet. Sehr bemerkenswerthe Veränderungen, die 
uns den Beweis lieferten, dass bei der intravenösen Injection abgetödteter 
Tuberkelbacillen nicht nur interstitielle Tuberkel entstehen können, sondern 
auch eine echte desquamative Pneumonie, wie sie ja auch beim Menschen 
als besondere Form der Tuberculose beobachtet wird, wiesen die Lungen 
eines Versuchstieres auf (Kaninchen XXII), das 80 Tage nach der In¬ 
jection getödtet wurde. Es fanden sich hier einmal die bekannten iuter- 


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Veränderungen bei Einspritzung von Tuberkelbacillen. 251 


alveolären Tuberkel, in deren Centruin gewöhnlich ein Gelass mit Haufen 
körnig zerfallener Tuberkelbacillen gelegen ist, die von mehreren Reihen 
grosser epitheloider Zellen umgeben werden. In der Peripherie liegen 
epitheloide Zellen gemischt mit Rundzellen, welch letztere hier an Menge 
bei weitem überwiegen und bisweilen bis zu zwei Dritttheilen des Tuberkels 
einnehmen. Die Untersuchung dieser Tuberkel ergab ausgesprochen re¬ 
gressive Veränderungen. Der Kern der unmittelbar um die Bacillenhaufen 
gelegenen epitheloiden Zellen zeigte einen deutlich wabigen Bau, das Chro¬ 
matin der Zellen fand sich um den Kern angehäuft, während die Zellperipherie 
frei von chromatischer Substanz war; die Zellgrenzen sind unscharf, das 
Protoplasma ist hie und da in beginnender Auflösung begriffen. Dass hier 
schon Zellen zu Grunde gegangen sein mussten, bewiesen auch die grossen 
Lücken, die zwischen den erhaltenen Zellen sichtbar waren. Daneben 
finden sich nun, besonders nach dem Pleuraüberzug hin und gewöhnlich 
in der Nähe oder auch zwischen den eben beschriebenen Tuberkeln pneu¬ 
monische Bezirke. Man sieht hier die Alveolen mit Zellen vollgestopft, 
die durch ihre Form, wie durch den Vergleich mit intaeten Lungen- 
partieen sich als zweifellose Epithelabkömmlinge charakterisiren. Die 
Alveolen sind mit diesen Zellen gleichsam austapezirt; die Epithelien liegen 
dicht an einander gedrängt, ohne Beimischung anderer zelliger Bestand - 
theile oder von Fibrin. . Auch hier gewahrt man bei einzelnen, aber viel 
weniger ausgesprochen, regressive Veränderungen, Quellung mit wabigem 
Bau sowohl der Zellkerne wie des Protoplasmas und unscharfe Zellgreuzen. 
Tuberkelbacillen lassen sich in diesen pneumonischen Partieen nicht nach- 
weisen, während sie in den Tuberkeln in grossen Haufen und sehr wohl 
gefärbt sichtbar sind. 

Eine zweite derartige Beobachtung haben wir nicht machen können. 
Doch gelang es uns, den eben beschriebenen regressiven Veränderungen 
ähnliche bei einem nach noch längerem Zeitraum (nach 99 Tagen) ge- 
tödteten Kaninchen festzustellen. Wir hatten hier nochmals nach der 
ersten (0*02 gTm ) bei beginnender Abmagerung eine zweite geringere, aber 
immer noch sehr erhebliche (0*015 grra ) Menge trockener Bakteriencultur 
in Kochsalzlösung suspendirt zur Einspritzung verwandt, ohne dass dies 
jedoch den Tod des Thieres herbeigeführt hätte. Mikroskopisch war hier 
Folgendes festzustellen: Es finden sich einmal kleine aus Rundzellen ge¬ 
bildete Herde, in deren Centrum gewöhnlich ein kleines Gefäss gelegen 
ist, ohne Bacillen. Die grösseren Tuberkel haben ein verschiedenes Aus¬ 
sehen. Man sieht zunächst solche, in deren Mitte um einen Haufen von 
Tuberkelbacillen geschrumpfte Kerne und Kerntrümmer liegen, an welche 
sich zuerst langgezogene Zellen mit spindeligen Kernen, von denen ver¬ 
schiedene Theilungsfiguren zeigen, und dann Rundzellen anschliessen. 


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ausserdem Tuberkel, die fast ausschliesslich aus lymphoiden und epithe- 
loiden Zellen bestehen, in denen aber die Gefässwandung die mehrfach 
erwähnte und gleich zu beschreibende Veränderung aufweist. Nach 
133 Tagen sind in der Lunge nur noch hie und da aus Rundzelleu 
bestehende Knötchen aufzufinden, der Nachweis von Tuberkelbacillen ge¬ 
lingt nicht mehr. 

Diese Veränderungen der Gefasswand, die wir nun zusammen mit dem 
Verhalten der elastischen Fasern kurz beschreiben wollen, treten schon 
nach drei Tagen auf und haben bei keinem Versuchsthier bis auf das 
letztgenannte gefehlt. Wir fanden sie gerade da, wo grössere Haufen von 
Bacillen lagen, nicht, wenn das Gefäss einer kleinen Arterie kurz vor dem 
Gebergang in eine Capillare entsprach, sondern nur bei etwas grösseren 
arteriellen Gefässen, und dann besonders schön und deutlich bei kleinen 
Venen. Man sieht nämlich die elastische Innenhaut von den zugehörigen 
Endothelzellen durch mehrere Reihen von zum grössten Theil bläschen¬ 
förmige Kerne enthaltenden Zellen getrennt, und erst nach genauem Zu¬ 
sehen gelingt es, in längs getroffenen Gefässen in der Mitte zwei parallele 
Reihen dicht an einander liegender Endothelzellen nachzuweisen, deren 
Contiuuität nicht unterbrochen ist, und die hier und da zwischen sich einige 
rothe Blutkörperchen fassen. Oder man sieht die elastische Lamelle auf¬ 
gefasert, die einzelnen Fasern durch epitheloide Zellen aus einander gedrängt 
und das Lumen der Gefässe in gleicherweise verengt. An kleinen Arterien, 
in denen Bacillenhaufen, von einem mehrreihigen Kranz von polynucleären 
Leukocyten umgebeu, liegen, fehlt oft diese Zellwucherung. Es ist 
wohl ohne Weiteres ersichtlich, dass die zwischen elastischer Innenhaut 
und Intima gelegene kernhaltige Bindesubstauzlage der Ausgangspunkt 
für diese Zellwucherung gewesen sein muss. Ferner liess sich besonders 
deutlich an den Venen erkennen, dass durch diese Zell Wucherung eine 
passive Erweiterung der Elastica zu Stande gekommen war, während 
das Gefasslumen hochgradig verengt wurde. Gewöhnlich gelang es, so¬ 
wohl innerhalb des Gefässes wie auch in den ausserhalb gelegenen Theilen 
des Tuberkels diffus verstreute, nicht sehr zahlreiche körnig zerfallene 
Tuberkelbacillen nachzuweisen. Man kann hier mit einer gewissen Be¬ 
rechtigung von einer Endoarteriitis bezw. Eudophlebitis tuberculosa sprechen, 
nur dass eben diese Veränderung nicht durch lebende, sondern durch 
abgetödtete Tuberktlbacillen hervorgerufen worden ist. Was nun das 
Verhalten der elastischen Fasern betrifft, so liess sich an kleinen längs 
getroffenen Arterien eine Veränderung constatiren, die sehr geeignet ist, 
die Auffassung Baumgarten’s von der Massenwirkung injicirter Bak¬ 
terienklümpchen zu unterstützen. Es fand sich nämlich hier an einer 
Stelle, an welcher ein Haufen von Bacillen stecken geblieben war, eine 


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Veränderungen bei Einspritzung von Tubebkelbacillen. 253 


cylindrische Erweiterung des Gefasses. Die elastische Lamelle war offen¬ 
bar durch den Innendruck des Bacillenhaufens mechanisch gedehnt und 
aneurysmatisch erweitert. Jenseits des Bacillenhaufens zeigte die Gefäss- 
lichtung wieder die normale Weite. Soweit die abgetödteten Bacillen 
der elastischen Innenhaut anlagen, fand sich dieselbe verdünnt, eine Er¬ 
scheinung, die wohl leicht in einer mechanischen Dehnung ihre Erklärung 
findet. Wir konnten diesen Befund bei dem schon früher erwähnten Ver- 
snchsthier erheben, bei welchem eine bacilläre Embolie nach 6 Stunden zum 
Tode geführt hatte. Schon nach 3 Tagen liessen sich aber andere Ver¬ 
änderungen der elastischen Innenhaut von Gefässen nachweisen, wo von 
einer mechanischen Wirksamkeit der Bacillenhaufen keine Rede sein konnte. 
Es liess sich an Serienschnitten von Gefässen verfolgen, wie auf der einen 
Seite etwa der Hälfte des Umfanges entsprechend die elastische Lamelle er¬ 
halten war, auf der anderen aber entweder eine vollkommene Unterbrechung 
erfuhr oder eine Aufspaltung in einzelne Fasern zeigte, ohne dass diese 
Unterbrechung etwa einem Gefässabgang entsprochen hätte. Derartige 
Bilder setzen es ausser allen Zweifel, dass hier eine chemische Wirkung 
vorlag, da die mechanische Erklärung vollkommen versagte. Denn es 
hätte sich einmal der Einfluss der mechanischen Dehnung nach allen 
Seiten in gleicher Weise geltend machen müssen, da die Bacillenhaufen 
gewöhnlich genau central gelegen waren, nicht aber die eine Hälfte der 
elastischen Innenhaut vollkommen verschonen dürfen. Dann schloss auch 
die Ausdehnung der Zerstörung diese Möglichkeit ohne Weiteres aus. Man 
sieht an kleinen Arterien, mitunter von dem ganzen Ring nur noch 
kleinste Reste krümelig zerfallener Fasern, Bilder, die uns besonders 
deutlich an längere Zeit nach der Infection getödteten Thieren entgegen 
getreten sind. So konnte man in einzelnen der von Kaninchen XX be¬ 
schriebenen Tuberkel von der ganzen elastischen Lamelle nur noch mit 
Mähe einige Brockel, denen unmittelbar die geschrumpften und zum Theil 
zerfallenen Kerne anlagen, nachweisen. Hervorheben müssen wir dagegen 
noch, dass die Fernwirkung dieser abgegebenen „Toxine“ keine erhebliche 
sein kann. So gelang es fast regelmässig, das oft in den peripheren 
Theilen der Tuberkel noch deutlich alveolär angeordnete elastische Gewebe, 
ohne wahrnehmbare Veränderung, nachzuweisen. Dass die intravasculäre 
Zellwucherung zu einem Durchbrechen der elastischen Lamelle geführt 
hat, scheint uns deshalb unwahrscheinlich, weil wir Bilder vermissten, wie sie 
z.B. Hedinger 1 für den Durchbruch der elastischen Innenhaut bei Inti- 
masarcomatose der Venen beschrieben hat, bei denen, wenn der Durchbruch 


1 Hedinger, Ueber Intimasarcomatose von Arterien und Venen in sarcomatösen 
Strumen. Virchow's Archiv. Bd. CLXIV. 


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nach aussen erfolgte, die Enden der elastischen Lamelle eine deutliche 
Ausstülpung mit der Convexität nach aussen erkennen liessen. Dass es 
sich hier vorzugsweise um chemische Noxen handeln muss, zeigen uns 
endlich auch Veränderungen, wie wir sie in den früher schon beschriebenen 
Präparaten von Kaninchen XXII constatiren konnten. Man sieht neben 
einem Ast einer sich verzweigenden Arterie, diesem dicht anliegend, einen 
interalveolären Tuberkel gelagert. Hier zeigt sich die elastische La¬ 
melle und zwar nur auf der dem Tuberkel zugekehrten Seite bis auf 
einzelne Fäserchen zerstört, welch letztere aber ihre Lage vollkommen 
beibehalten haben, nicht zur Seite geschoben sind. In den die Alveolen 
umspinnenden Fasern des pneumonisch infiltrirten Lungenbezirkes vom 
gleichen Thier konnten wir keine Veränderung nach weisen, wie hier auch 
der Nachweis von Tuberkelbacillen nicht gelang. 

Es hätte verlockend erscheinen können, die Angaben Wechsberg’s 1 von 
der primären Gewebsschädigung durch lebende Tuberkelbacillen auch für die 
todten nachzuprüfen. Nimmt man von vornherin mit Baumgarten an, 
dass eine primäre Gewebsschädigung überhaupt nur durch die in Wuche¬ 
rung gerathenden Bacillen bewiesen werden kann, so erscheint natürlich 
a priori eine Gewebsschädigung durch todte Bacillen unmöglich. Anderer¬ 
seits wird aber eine solche, wenn die Injection, um der Baumgarten’- 
schen Forderung gerecht zu werden, mit einer ganz feinen Suspension 
ausgeführt ist, immerhin denkbar sein, da es doch nicht ohne Weiteres 
ausgemacht ist, dass eine solche Gewebsschädigung nur der Ausfluss der 
Wirksamkeit der lebenden Bacillen zu sein braucht. Wir haben nun 
keine derartige Beobachtung gemacht, welche uns berechtigte, eine solche 
primäre Gewebsschädigung für todte Bacillen anzunehmen. Immer war 
das primäre die Zellwucherung. Eine primäre Gewebsschädigung, die 
wohl am besten durch eine der Zellwucherung voraufgehende Läsion der 
elastischen Fasern sichtbar gemacht worden wäre, war in unseren aller¬ 
dings zur Entscheidung dieser Frage nicht ausreichenden Beobachtungen 
niemals vorhanden. 

Wir haben somit durch unsere Untersuchungen nochmals bestätigen 
können, dass die zelligen Elemente, die den durch abgetödtete Bacillen 
erzeugten Tuberkel zusammensetzen, die gleichen sind, wie die, welche 
den echten Tuberkel ausmachen. Vielleicht spielen im Gegensätze zum 
echten Tuberkel die in den durch verdickte Alveolarsepten eingeschlossenen 
Hohlräumen liegenden Alveolarepithelien bisweilen im Aufbau eine grössere 
Bolle. Die Alveolarepithelien sind es jedenfalls auch, welche sich in hervor- 


1 Wechsberg, Beitrag zur Lehre von der primären Einwirkung des Tuberkel- 
bacillus. Ziegler’s Beiträge. 1901. 


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Veränderungen bei Einspritzung von Tuberkelbacillen. 255 


ragendem Maasse an der Portschaffung der todten Bacillenleiber be¬ 
theiligen, die noch länger als 3 Monate wohl gefärbt in allen Theilen des 
Tuberkels, am besten aber in den centralen, nachweisbar sind. Typische 
Riesenzellen sind vom 3. Tage an, wo sie auch in den peripheren Theilen 
des Tuberkels sichtbar sind, bis zum gleichen Zeitraum mit Leichtigkeit 
nachzuweisen, besonders schön und deutlich im Centrum, wo sie in ihrem 
Inneren Haufen körnig zerfallener Tuberkelbacillen einschliessen. Sehr 
bemerkenswerth ist, dass uns in derselben Lunge Bilder aus den ver¬ 
schiedensten Stadien der Entwickelung des Tuberkels entgegentreten, ein 
Beweis, dass die todten, seit längerer Zeit dem Thierkörper einverleibten 
Bacillen ihre entzündungserregenden Eigenschaften ausserordentlich langsam 
einbüssen, wie andererseits durch die geringe Zahl der auffindbaren Kern- 
theilungsfiguren ein langsames Wachsthum der Tuberkels wahrscheinlich 
gemacht wird. Bei intravenöser Injection finden wir ausserdem im Innern 
des Gefasses die früher beschriebene Zellwucherung, die nur der Reiz¬ 
wirkung der abgetödteten Bacillen auf die Bindesubstanzlage der Gefäss- 
intima ihre Entstehung verdanken kann. Eine Betheiligung endothelialer 
Elemente an dieser intravasculären Tuberkelbildung lässt sich nicht aus- 
schliessen, ist aber deshalb wenig wahrscheinlich, weil wir häufig die 
Reihe der endothelialen Zellen ohne Zeichen einer Wucherung im Innern 
des Gefasses liegen sahen; nur einmal (Versuchsthier XX) fanden sich 
nach aussen von der zerstörten elastischen Lamelle mehrere Reihen 
endothelial aussehender Zellen, mit Kerntheilungsfiguren; hier fehlten nach 
innen von der Elastica epitheloide Zellen vollständig. Die Betheiligung 
von polynucleären Leukocyten an dem Aufbau des Tuberkels scheint 
endlich abhängig von der Menge der injicirten Bacillen. 

Dass die Reizwirkung der abgetödteten Tuberkelbacillen vorwiegend 
eine chemische und keine mechanische ist, ist uns aus zweierlei Gründen 
wahrscheinlich geworden, ein Mal wegen des Verhaltens der elastischen 
Fasern, dann wegen des Vorkommens einer desquamativen Pneumonie, wie 
sie ja auch bei echter Tuberculose auf Toxinwirkung lebender Tuberkel¬ 
bacillen bezogen wird, bei der ebenfalls der Nachweis von Tuberkelbacillen 
oft misslingt. 

Was die Rückbildung der Tuberkel betrifft, so haben wir nach 
80 Tagen im Centrum der älteren Tuberkel die beschriebenen Zeichen 
beginnender Zellnekrose gesehen. Niemals haben wir aber im Centrum 
der Tuberkel das Auftreten einer fibrinoiden Substanz im Sinne von 
Schmaus, d. h. einer durch färberische Reactionen bekannter Maassen 
wohlcharakterisirten Substanz constatirt, mithin nirgends selbst die Zeichen 
einer beginnenden Verkäsung auffinden können. Aber auch der Nach¬ 
weis von Fibrin ist uns in unseren Tuberkeln nicht gelungen und wir 


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256 G. Engelhardt: Veränderungen bei Einspritz, v. Tübebkelbac. 

müssen, wollen wir nicht annehmen, dass Exsudation von Fibrin über¬ 
haupt nur etwas dem echten Tuberkel zukommendes ist, uns mit der 
Thatsache begnügen, dass Fibrin auch in echten Tuberkeln vollkommen 
fehlen kann. 

Schliesslich konnten wir es wahrscheinlich machen, dass nach etwa 
4 Monaten die Rückbildung der Tuberkel ihr Ende erreicht hat, da nur 
noch bacillenfreie lymphoide Knötchen als Residuen der Wirkung der ab- 
getödteten Tuberkelbacillen zurückgeblieben sind. 

Zum Schlüsse darf ich Herrn Prof. Fraenkelfür gütige Ueberlassung 
eines Arbeitsplatzes im hygienischen Institut meinen ergebensten Dank 
aussprechen. 


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Ueber den Einfluss der Farbe künstlicher Lichtquellen 

§iuf die Sehschärfe. 


Aach gemeinsam mit Prof. Des Coudres im physikalischen Institut 
der Universität Göttingen angestellten Versuchen . 1 

Von 

Dr. H. Relchenbaoh, 

Privatdocenten und Assistenten am hygienischen Institut 


Die bessere wirtschaftliche Ausnutzung der Energie durch unsere 
modernen Lichtquellen ist im Allgemeinen durch eine höhere Temperatur 
des leuchtenden Körpers erreicht, bei welcher ein grösserer Procentsatz 
der Energie in Licht umgesetzt wird. Mit dieser Temperaturerhöhung 
ist aber auch eine Aenderung der spektralen Zusammensetzung des Lichtes 
verbunden: während bei den älteren Lichtquellen die rothen und gelben 
Strahlen überwiegen, treten bei den neueren die grünen und blauen in 
den Vordergrund. Als Repräsentanten der ersten Gruppe lassen sich die 
Petroleumlampen, der Gas-Argandbrenner und die elektrische Glühlampe 
anführen, zu der anderen Abtheilung gehören die elektrische Bogenlampe, 
das Auerlicht, die Nernstlampe und wahrscheinlich auch die Osmiumlampe. 

Für die Hygiene ist dieser Unterschied besonders dadurch von Wichtig¬ 
keit, dass die Lampen der zweiten Gruppe ein wesentlich geringeres 
Wärmestrahlungsvermögen besitzen, wie dies in den Arbeiten von Rubner* 
und dem Einen von uns 8 bereits eingehend dargelegt ist. Es erschien 
aber auch von Interesse, die Frage zu prüfen, ob nicht noch nach einer 

1 Vom physikalischen Standpunkte wird Prof. Des Coudres an andererstelle 
aber die Versuche berichten. 

* Rubner, Die strahlende Wärme irdischer Lichtquellen in hygienischer Be¬ 
ziehung. Archiv für Hygiene. Bd. XXIII. S. 87. 

• Reichenbach, Ueber Wärmestrahlung von Leuchtflammen. Ebenda. 
Bd. XXXIII. S. 815. 

Zdtachr. f. Hygta». XLI. 

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258 


H. Reichenbach : 


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anderen Richtung die hygienische Würdigung der Lichtquellen durch die 
Lichtfarbe beeinflusst werden könnte, ob nämlich nicht die Verschieden¬ 
heit der spectralen Zusammensetzung bei gleicher Helligkeit Unterschiede 
in der Sehschärfe bedingte. 

Zur genaueren Präcisirung des Themas diene Folgendes: Wir können 
zwei Lichtquellen gleich hell nennen, entweder weil sie in dem physio¬ 
logischen Empfangsapparat des Beobachters einen gleich intensiven Ein¬ 
druck hervorrufen, mit anderen Worten, weil sie dem Auge gleich hell 
erscheinen, oder aber, weil sie die Unterscheidung feiner Einzelheiten auf 
einer von ihnen beleuchteten Fläche gleich gut gestatten. Wir wollen 
im Folgenden das eine die optische Helligkeit, das andere die Sehschärfeu- 
helligkeit nennen. 

Die Frage ist nun: Können zwei praktisch verwendete Licht- , 
quellen verschiedener Farbe, aber gleicher optischer Hellig¬ 
keit, verschieden in der Sehschärfenhelligkeit sein? 

Die ersten Untersuchungen in dieser Richtung sind bereits im Jahre 
1879 von H. Cohn 1 , dem verdienstvollen Begründer der Hygiene der 
Beleuchtung, angestellt worden. Cohn verglich damals elektrisch« 
Bogenlicht, Gaslicht und Tageslicht. Er fand, dass bei den meisten 
untersuchten Personen die Sehschärfe bei elektrischem Lichte am grössten, 
bei Gaslicht am kleinsten war, Tageslicht stand in der Mitte. Diese An¬ 
gaben sind auch in eine Anzahl von Lehrbüchern der Hygiene über- 
gegangeu. Nun lässt sich aber aus den Cohn’schen Angaben mit ziem¬ 
licher Sicherheit schliessen, dass dies auch die Reihenfolge der durch die 
betreffenden Lichtquellen erzielten Helligkeiten war. Die Bogenlampe 
stand 1 m von der beleuchteten Fläche entfernt, und wurde von einer 
kräftigen Gramme’schen Maschine gespeist, war also sicher mehrere 
Hundert Kerzen stark; der Argandbrenner, der in derselben Entfernung 
aufgestellt war, hatte dagegen nur 15-5 Kerzen, und das Tageslicht — 
die Versuche wurden im März zwischen 4 und 5 Uhr Nachmittags an¬ 
gestellt — fiel durch zwei je 5 qm grosse Fenster auf die in 6“ Entfernung 
aufgestellten Sehproben: die Beleuchtung war also höchstwahrscheinlich 
nicht so hell, wie die mit der elektrischen Lampe. Die Cohn’schen Re¬ 
sultate sind also wohl mehr von der absoluten Helligkeit der untersuchten 
Lichtquellen, als von deren Farbe beeinflusst. 

Die Untersuchungen von Crova und Lagarde*, die auch wohl iu 

1 Cohn, Vergleichende Messungen der Sehschärfe und des Farbensinns bei 
Tages-, Gas- und elektrischem Lichte. Archiv für Augenheilkunde. 1879. Bd. VIII- 
S. 408. 

* Crova et Lagarde, Determination du pouvoir eclairant desradiations simples. 
Cowjjf. rend. 1881. p. 959. 


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Einfluss der Farbe künstl. Lichtquellen auf die Sehschärfe. 259 

diesem Zusammenhänge citirt werden, gehören, streng genommen nicht 
hierher, die genannten Autoren haben nicht etwa die Sehschärfe bei ver¬ 
schiedenfarbiger Beleuchtung gleicher Intensität untersucht, sondern 
für zwei Lichtquellen, Sonnenlicht und Carcellampe, festgestellt, in welchem 
Theile des Spectrums sie die grösste Sehschärfe hervorriefen. 

Wohl aber haben Macö de Lepinay Und Nicati 1 Untersuchungen 
angestellt, die in naher Beziehung zu unserem Thema stehen. Sie haben 
für Spectralfarben die Beziehungen zwischen Helligkeit und Sehschärfe 
untersucht und gefunden, dass im weniger brechbaren Theile des Spec¬ 
trums — bis zur Wellenlänge 517 — Helligkeit und Sehschärfe parallel 
gehen, dass aber nach dem blauen Ende hin die Sehschärfe hinter der 
Helligkeit zurückbleibt. Die französischen Autoren ziehen aus ihren Unter- 
„ suchungen bereits den Schluss, dass Lichtquellen mit vielen stark brech¬ 
baren Strahlen, wie z. B. elektrisches Bogenlicht, für den Sehakt sich un¬ 
günstiger verhalten würden, als solche, die mehr langwellige Strahlen 
aussenden; sie haben aber an den praktisch verwendeten Lichtquellen 
keine Versuche angestellt Auch sind ihre Resultate nicht auf Grund 
einer directen Vergleichung, sondern auf rechnerischem Wege erhalten. 

Die späteren Untersuchungen von Uhthoff 2 über die Abhängigkeit 
der Sehschärfe von der Beleuchtung können uns über unsere Frage noch 
weniger Aufschluss geben. Zwar fand Uhthoff in Uebereinstimmung 
mit Mace de Löpinay und Nicati die Sehschärfe im gelben Licht am 
grössten und am kleinsten im violetten, und zwar bei allen von ihm an¬ 
gewandten Beleuchtungsintensitäten; da aber die verschiedenfarbigen Licht¬ 
mengen nicht in gleicher Helligkeit, sondern so, wie sie die benutzte 
Lichtquelle bei der Zerlegung durch das Prisma lieferte, angewandt wurden, 
sind die Resultate, ähnlich wie die vorher erwähnten von Crova und 
Lagarde, nicht ohne Weiteres mit denen von Macö de Lepinay und 
Nicati vergleichbar. Eine Umrechnung der Uhthoff’schen Resultate 
auf gleiche Lichtmengen ist zwar von Helmholtz 3 * * * * 8 ausgeführt, indem er 
die letzteren mit Coöfficienten multiplicirte, die den Helligkeiten der ein¬ 
zelnen Regionen des Spectrums einer ähnlichen Lichtquelle, wie die von 


1 Macä de Lepinay et Nicati, Recherches sur la comparaison photometrique 

des diverses parties d'un mSme spectre. Annales de chimie et de physique . 1881. 

Serie V. T. XXIV. p. 289. 1883. Serie V. T. XXX. p. 145. — Recherches sur la 

comparaison photometrique des sources diversement colorees et en particulier sur la 
comparaison des diverses parties d'un meine spectre. Journal de physique. 1883. 

Serie II. T. II. p. 64. 

* Uhthoff, Ueber das Abhängigkeitsverhältniss der Sehschärfe von der Be¬ 

leuchtungsintensität. Graefe's Archiv . 1886. S. 171. — 1890. S. 33. 

8 v. Helmholtz, Handhuch der physiol. Optik . 2. Aufl. 1896. S. 426. 

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H. Reichenbach: 


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Uhthoff benutzte, entsprachen. Die Ergebnisse sind aber nach dem 
eigenen Urtheil von Helmholtz in ihren Grundlagen nicht sicher genug, 
dass man weiter gehende Schlüsse daraus ziehen könnte. 

Die vorhin aufgeworfene Frage also, wie sich zwei Lichtquellen ver¬ 
schiedener Farbe, aber gleicher optischer Helligkeit in Bezug auf die Seh¬ 
schärfe verhalten, ist durch das directe Experiment noch nicht in Angriff 
genommen. Wir haben, da es sich für uns wesentlich um die hygienische 
Seite der Frage handelte, die Lösung auf einem Wege versucht, der so 
viel wie möglich den Verhältnissen in der Praxis entsprechen sollte. Wir 
haben die beiden zu untersuchenden Lichtquellen, elektrische Glühlampe 
einerseits, Nernstlampe oder Auerbrenner andererseits, auf gleiche optische 
Helligkeit gebracht und dann auf einer von beiden gleich weit entfernten, 
abwechselnd von ihnen beleuchteten Fläche Leseproben angestellt. 

Die Ausführung dieser anscheinend so einfachen Versuchsanordnmig 
ergiebt aber einige Schwierigkeiten theils praktischer, theils theoretischer 
Natur. 

Für die Photometrie der Lichtquellen ist durch die Fragestellung ein 
ganz bestimmter Weg vorgezeichnet. Es kann nur ein Messinstrument 
in Frage kommen, das die Vergleichung der Lichtquellen rein nach dem 
Eindruck ihrer optischen Helligkeit vollzieht. Das für hygienische Zwecke 
sonst unentbehrliche, und gerade für die Vergleichung ungleichfarbiger 
Lichtquellen vorzüglich geeignete Web er'sehe Photometer ist natürlich 
hierfür nicht brauchbar, da es von vornherein die Lichtquellen auf Grund 
ihrer Sehschärfeuhelligkeit vergleicht. Ebenso sind alle diejenigen Instru¬ 
mente nicht zu verwenden, welche durch irgend welche Mittel — Mischung 
des Lichtes, Circularpolarisation — eine Verminderung oder Aufhebung 
der Farbendiffereuz herbeiführen. Für uns ist die directe Vergleichung 
verschiedenfarbigen Lichtes eine unentbehrliche Aufgabe, und darin liegt 
ein Theil der Schwierigkeiten der Untersuchung begründet. 

Wir haben uns des Lummer-Brodhun’schen Photometeraufsatzes 
in der Ivrüss'sehen Ausführung bedient, bei dem bekanntlich zwei von 
den zu vergleichenden Lichtquellen beleuchtete mattweise Flächen con- 
centrisch angeordnete Gesichtsfelder bilden. Der Aufsatz wird auf der 
Photometerbank so lange verschoben, bis die Gesichtsfelder gleich hell 
erscheinen, die Lichtstärken verhalten sich dann wie die Quadrate der 
Entfernungen von der weissen Fläche. 

Die Schwierigkeit lag nun nicht etwa darin, das durch die Farben¬ 
differenz der Gesichtsfelder bei einem und demselben Beobachter eine zu 
grosse Unsicherheit der Einstellung hervorgerufen würde. Die Nernst¬ 
lampe liess sich mit der Kohlenfadenglühlampe mit fast derselben Sicher¬ 
heit vergleichen, wie zwei gleichgefärbte Glühlampen: hier trat auch noch 


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Einfluss der Farbe künstl. Lichtquellen auf die Sehschärfe. 261 

das von Lummer und Brodhun als Criterium der richtigen Einstellung 
angegebene Verschwinden der Grenzen der Gesichtsfelder ein. Etwas 
schwieriger zwar, aber immer noch auf 2 Procent genau, war die Ein¬ 
stellung des Auerbrenners mit der Glühlampe, obwohl hier die Farben, 
lebhaft grün und gelb, weit ungleicher waren und die Trennungslinie der 
Gesichtsfelder nicht mehr verschwand. Wohl aber zeigte sich, dass bei 
verschiedenen Beobachtern individuelle Unterschiede in der Schätzung der 
heterochromatischen Gesichtsfelder existiren, die zu verschiedener Ein¬ 
stellung des Photometers führen. Die Differenz zwischen unseren Ein¬ 
stellungen betrug bei der Nernstlampe im Mittel 3*1 Procent, beim 
Äuerbrenner 4 Procent; beide Lampen wurden regelmässig von Prof. 
Des Coudres heller geschätzt, als von mir. Die Abweichungen waren 
also nicht sehr beträchtlich; ein anderer Beobachter, Hr. Dr. S., mit dem 
ich eine vergleichende Versuchsreihe am Äuerbrenner durchführte, stimmte 
mit meiner Ablesung auf ein halbes Proceut überein, und auch sonst er¬ 
gaben gelegentliche Einstellungen, die wir von anderen Personen machen 
Hessen, keine Differenzen, durch welche die Zulässigkeit des Verfahrens 
in Zweifel gestellt werden konnte. 

Wir haben die Unterschiede zwischen uus zunächst dadurch zu 
eliminiren versucht, dass derselbe Beobachter Photometrie und Leseprobe 
vornahm, später, als sich herausstellte, dass die Unterschiede in der Seh¬ 
schärfe weit grösseren Helligkeitsdififerenzen entsprachen, als hier in Frage 
kommen, haben wir einfach das Mittel aus unseren beiden Beobachtungen 
genommen. 

Wir müssen aber bei allen derartigen Versuchen wohl im Auge be¬ 
halten, dass jede photometrische Vergleichung ungleichfarbiger Lichtquellen 
eine subjective ist, dass, wie es Helmholtz 1 ausdrückt, es sich bei hetero- 
chromenHelligkeitsvergleichungen Dicht um die Vergleichung einer Grösse, 
sondern um das Zusammenwirken von zweien — Helligkeit und Farben¬ 
glut — handelt, für die keine einfache Summe zu bilden ist. 

Eine weitere Erschwerung der Messung wurde durch die Thatsache 
herbeigeführt, dass die Einseitigkeit des Photometers bei ungleichfarbigen 
Lichtquellen sehr viel stärker hervortrat, als bei gleichfarbigen. Bei 
letzteren betrug die durch Drehung des Photometerkopfes um 180 Grad 
hervorgerufene Einstellungsdififerenz 2*6 Procent (vgl. Tabelle I), während 
sie beim Vergleich von Nernstlampe und Glühlampe 5 Procent und bei 
Äuerbrenner und Glühlampe 6-8 Procent erreichte. In allen Fällen er¬ 
schien die Lampe, die das äussere Gesichtsfeld erleuchtete, heller. 


1 A. a. 0. S. 440. 


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262 


H. Reichenbach: 


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Tabelle L 


Beobachter 

Inneres 

Gesichtsfeld 

Banklänge 


erleuchtet von 

280«“ | 

180 •“ 

Des Coudres 

Glühlampe 

31*4 

31-6 


Hefner 

32-3 

32-4 

Reichenbach 

Glühlampe 

31*2 

81-8 


Hefner 

32-5 

32*1 


Mittel aas sämmtlichen Beobachtungen 31*915, 


11 

für 

Des Coudres . . 

. . 31.93, 

11 

11 

Reichenbach . . 

. . 31-90, 

11 

11 

230 cm Banklänge 

. . 31-85, 

11 

11 

180 cm „ 

. . 31-98, 

11 

11 

Glühlampe innen 

. . 31-50, 

11 

11 

Glühlampe aussen . 

. . 32-33. 


Da bei unseren Versuchen die zu vergleichenden Lampen auf der¬ 
selben Seite des Photometers standen, hätte ohne dieses eigenthümliehe 
Verhalten die Einseitigkeit vernachlässigt werden können; so aber habeu 
wir — wenigstens beim Auerbrenner — immer mit dem Mittel aus beiden 
Einstellungen gearbeitet; bei der Nernstlampe, wo die Differenzen geringer 
waren, haben wir die kleinere Ablesung benutzt, um danach die Glüh¬ 
lampe einzustellen. Die Nernstlampe hat also etwa um ein Procent heller 
gebrannt, als die Glühlampe. 

Es stellen sich also der praktischen Ausführung der heterochroma¬ 
tischen Photometrie gewisse Schwierigkeiten entgegen, die aber, wenn man 
auf äusserste Genauigkeit verzichtet, nicht unüberwindlich sind. Wohl 
aber scheint ihre theoretische Berechtigung durch folgende Ueberlegnng 
in Frage gestellt zu werden. Haben wir zwei Lichtquellen von ver¬ 
schiedener Farbe, etwa roth und blau, aber gleicher optischer Helligkeit, 
und vermindern wir die objective Lichtstärke der beiden um denselben 
Betrag, so kann es geschehen, dass 6ie dem Auge nicht mehr gleich hell 
erscheinen, dass das Roth dunkler ist, als das Blau. Und umgekehrt 
kann bei einer gleichen Erhöhung der objectiven Lichtstärke das Blau 
hinter dem Roth an optischer Helligkeit Zurückbleiben. Dieses Verhalten 
der verschiedenen Farben, das unter dem Namen des Purkinje’schen 
Phänomens bekannt ist, scheint die Photometrie heterochromatischer Licht¬ 
quellen überhaupt unmöglich zu machen, denn das gefundene Verhältnis 
würde ja immer nur für die gerade benutzte absolute Lichtstärke gelten. 
In Wirklichkeit ist die Sache aber nicht so schlimm; ein Mal tritt das 
Phänomen in störendem Maasse nur bei sehr geringen Lichtstärken ein. 


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Einfluss der Farbe künstl. Lichtquellen auf die Sehschärfe. 263 

viel geringeren, als sie in der Praxis zum Lesen angewandt werden können, 
und zweitens ist es um so stärker, je weiter die angewandten Farben im 
Spectrum von einander entfernt sind. Die von uns benutzten Lichtquellen 
sind nun aber, wenn auch deutlich in der Farbe von einander abweichend, 
doch nicht so verschieden, wie die Spectralfarben, an denen bis jetzt das 
Phänomen studirt wurde. Ob und wie weit das Purkinje’sche Phänomen 
die Resultate beeinflussen kann, darauf werden wir bei Mittheilung der¬ 
selben noch zurückzukommen haben. 

Zur Bestimmung der Sehschärfe bedurften wir einer Methode, die 
neben hinreichender Empfindlichkeit auch die Möglichkeit quantitativer 
Vergleichung gewährte. Der von Cohn angegebene Lichtprüfer für Arbeits¬ 
plätze, dessen Construction ich als bekannt voraussetzen darf, schien uns 
für diesen Zweck geeignet, besonders da er auch den Verhältnissen in der 
Praxis einigermaassen entspricht. Unsere ersten Versuche mit dem In¬ 
strument scheiterten aber sämmtlich an dem Umstande, dass in die An¬ 
gabe der Sehleistung zwei Factoren, Zeit und Fehlerzahl, eingehen, die 
sich rechnerisch nicht mit einander in Beziehung setzen lassen. Wenn 
bei einem Versuche eine Probe in der halben Zeit gelesen wird, wie bei 
einem anderen, dafür aber doppelt soviel Fehler gemacht werden, so ist 
es schwer zu entscheiden, in welchem die bessere Sehleistung erzielt 
wurde, und vollends unmöglich ist es, das Verhältnis der beiden Seh¬ 
leistungen zahlenmässig zu bewerthen. Nun ist es Thatsache, und das 
hat bereits Crzellitzer 1 richtig hervorgehoben, dass die einzelnen Indi¬ 
viduen in dieser Beziehung sehr verschieden geartet sind, der eine legt 
mehr Werth auf die Schnelligkeit, der andere auf die Richtigkeit, — noch 
viel unangenehmer ist es aber, dass auch dieselbe Versuchsperson keines¬ 
wegs ein gleichmässiges Verhalten zeigt, sondern bald nach dieser, bald 
nach jener Richtung neigt. Wir haben deshalb nach mancherlei Vor¬ 
versuchen bei unserer definitiven Versuchsanordnung die Zeit dadurch 
eliminirt, dass die Zahlentafeln nach dem Tacte eines Metronoms, 
also immer in demselben Zeitintervall gelesen wurden, dass 
also für die Bewerthung der Sehleistung nur die Fehlerzahl in 
Betracht kam. Das Metronom machte 56 Schläge in der Minute, bei 
jedem Schlage wurde die Hälfte einer der vierstelligen Zahlen in der von 
Cohn angegebenen Weise gelesen; also: achtundfünzig, vierunddreissig. 
sechsundzwanzig, fünfnndsechzig u. s. w. 

Bei dieser Art der Anwendung erwies sich der Colin’sche Lichtprüfer 
als vorzüglich geeignet. Das Instrument wurde, natürlich ohne die Rauch¬ 
gläser, auf einem Gestell in Augenhöhe der sitzenden Versuchsperson be- 

1 Crzellitzer, Ueber praktische Photometrie mittels lichtempfindlichen Papiere». 
Archiv für Hygiene. Bd. XXXV 7 III. S. 317. 


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264 


H. Rklchenbach: 


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festigt, so dass die Zahlen in möglichst bequemer Stellung und ohne jede 
körperliche Anstrengung abgelesen werden konnten. Die zu lesende Zahlen¬ 
reihe befand sich immer in der Mitte des Gesichtsfeldes, hinter einem 
aus weissem Carton ausgeschnittenen Spalte, während die übrigen Reihen 
verdeckt waren. Ein Auswendiglernen der Zahlen trat auch im späteren 
Verlauf der Arbeit nicht ein, würde auch bei der Anordnung der Versuche 
keinen erheblichen Fehler verursacht haben. 

Die zu untersuchenden Lampen waren dicht neben einander auf der 
Photometerbank befestigt und blieben dort auch während der Sehschärfen¬ 
bestimmung. Der Abstand der Zahlentafel wurde so gewählt, dass ein 
fehlerfreies Lesen gerade nicht mehr möglich war, die dazu erforderliche 
Helligkeit betrug für den einen von uns (Des Coudres) etwa 5, für 
den anderen (Reichenbach) 3 Meterkerzen. Am anderen Ende der 
Bank befand sich eine als Normallampe dienende Glühlampe, dereu 
Klemmenspannung immer genau auf 110 Volt gehalten wurde. Die Licht¬ 
stärke derselben wurde in zwei Versuchsreihen bei einer Banklänge von 
230 und 180 cm durch directen Vergleich mit der Amylacetatlampe ge¬ 
messen; das Resultat ist in Tabelle I mitgetheilt und kann als Beispiel 
für die mit dieser Anordnung erreichbare Genauigkeit dienen. 

Um über die Leistungsfähigkeit der Methode und besonders über die 
zahleumässigen Beziehungen zwischen Fehlerzahl und Beleuchtungsintensität 
ein Urtheil zu gewinnen, wurde zunächst die Lichtstärke einer Glühlampe 
durch Veränderung der Klemmenspannung variirt, und bei den ver¬ 
schiedenen Lichtstärken Leseproben vorgenommen.. Die Resultate giebt 
Tabelle II. 


Tabelle II. 


!■ 

Lichtstärke 

Anzahl 

' der gelesenen | 

1 

Fehler 

Verminderung 
der Lichtstärke 

1 Vermehrung 

1 der Fehlerzahl 

i 

i H.K. 

i Reihen 

5 Ziffern ; 

1 i 

absolut 

Procent 

absolut! Procent 

| 27-7 

14 

1680 

71 

— | 

— 

— 

— 

\ 24*8 

14 

1680 

100 

2-9 

10-5 

! 29 

| 

40-8 

f # 27-7 

13 

1560 ' 

76 

j — 

— 



K 21 -7 

13 

1560 

138 

6-0 

21-7 1 

63 

81'6 


Es hatte also eine Verminderung der Lichtstärke um 
10*5 Procent eine Vermehrung der Fehlerzahl um 40-8 Procent 
zur Folge; wurde die Lichtstärke um 21 *7 Procent herabgesetzt, 
so stieg die Fehlerzahl um 81-6 Procent. Innerhalb der Grenzen 
des Versuches ist also die Fehlerzahl der Lichtstärke umgekehrt proportional. 
Eine geringere Herabsetzung der Lichtstärke als um 10 Procent gab un¬ 
sichere Resultate. 


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Einfluss der Farbe künstl. Lichtquellen auf die Sehschärfe. 2G5 

Zuerst wurde die Nernstlampe mit der Kohlenfadenglühlampe ver-. 
glichen. Wir benutzten zwei Lampen von nominell 25 Kerzen, die Nernst-, 
lampe war älterer Construction, ohne selbstthätige Zündung, mit hufeisen¬ 
förmigem Bügel und für 220 Volt, die Glühlampe für 110 Volt bestimmt. 

Die Ausführung des Versuches geschah folgendermaassen: Zunächst 
wurde die Nernstlampe mit der Normalglühlampe photometrirt, dann, 
ohue die Stellung des Photometerkopfes zu ändern, die Glühlampe ein¬ 
geschaltet, und durch vorgelegten Widerstand ihre Lichtstärke so lauge 
verändert, bis das Photometer wieder gleiche Helligkeit anzeigte. Dann 
wurde der Aufsatz verschoben und noch ein Mal eingestellt, eventuell die 
Stromstärke der Glühlampe corrigirt. 

Auf diese Weise waren also die Nernstlampe und die zu vergleichende. 
Glühlampe auf gleiche Helligkeit gebracht und diese wurde während der 
nun folgenden Leseproben beibehalten. Bei der Glühlampe, die von einer 
Accumulatorenbatterie gespeist wurde, hatte das keine Schwierigkeit, die 
Nernstlampe dagegen, die an der städtischen Leitung lag, bedurfte wegen 
der unvermeidlichen Spanuungsschwankungen öfterer Nachregulirung. Da 
die Beziehungen zwischen Lichtstärke und Spannung ziemlich complicirter 
Natur sind, wurde hier die Stromstärke, gemessen durch ein Siemens’sches 
Präcisionsampeiremeter c-onstant gehalten. Allerdings war das nur bis zu 
einem gewissen Grade möglich, es gelang nicht immer den häulig sehr 
starken und sprungweisen Schwankungen genau zu folgen, so dass nicht 
selten mit etwas anderer Lichtstärke gelesen wurde, als photometrirt war. 
Diese Differenzen waren immer nur klein, höchstens 2 Procent, und da 
die Unterschiede in der Sehschärfe viel grösseren Beleuchtungsdifferenzen 
entsprachen, als auf diese Weise vorkamen, können sie, zumal da ihr 
Vorzeichen wechselte, das Resultat nicht beeinflussen. 

Nachdem so gleiche optische Helligkeit hergestellt war, wurde die 
Sehschärfenhelligkeit geprüft, indem je eine der Zahlenreihen abwechselnd 
mit der einen und der anderen Lampe gelesen wurde. Zuerst haben wir 
mit dem Wechseln der Lampe jedesmal auch die Reihe gewechselt, später, 
und so sind weitaus die meisten Versuche angestellt, wurde dieselbe Reihe 
nach einander mit beiden Lampen gelesen, dann eine Reihe ebenfalls mit 
beiden Lampen, aber in umgekehrter Reihenfolge, z. B.: 

Reihe 1 Nerustlampe, 

Reihe 1 Glühlampe, 

Reihe 2 Glühlampe, 

Reihe 2 Nernstlampe, 

Reihe 3 Nernstlampe, 

Reihe 3 Glühlampe u. s. w. 


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266 


H. Reichenbach: 


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Diese Anordnung hat den Vortheil, dass man Reihe und Lampe nur 
halb so oft zu wechseln braucht, und dass Zufälligkeiten, wie die ver¬ 
schiedene Schwierigkeit zweier Reihen, hier ohne jeden Einfluss bleiben. 

Störend war zuerst die leichte Ermüdung der Augen; das Lesen der 
unzureichend beleuchteten Zahlen in bestimmtem Tacte ist eine An¬ 
strengung, die erst eine gewisse Gewohnheit und Uebung erfordert, wenn 
man störende Aufgeregtheit und Nervosität vermeiden will. Es wurden 
deshalb, auch als wir vollständig eingearbeitet waren, nie mehr als 5 Reihen 
(zu 30 4stelligen Zahlen) hinter einander gelesen. Da auch zweifellos 
bei derartigen Versuchen die Suggestion eine Rolle spielen kann, so ist 
es vielleicht nicht überflüssig zu bemerken, dass wir an die Versuche mit 
der festen Erwartung herangegangen sind, das Gegentheil von dem zu 
finden, was sich später als sicheres Resultat herausstellte. 



Die Nerustlampe wurde zuerst mit Glocke bei horizontaler Stellung 
des hufeisenförmigen Bügels benutzt (s. Figur). Das Licht fallt bei dieser 
Anordnung also nicht durch die Glocke, sondern durch die vordere Oeff- 
nung derselben direct auf das Photometer, die Lichtstärke ist aber ent¬ 
sprechend der Projection des Bügels auf die Photometerfläche verhältnis¬ 
mässig gering. Die Resultate giebt Tabelle III. 


Tabelle III. 


Lampe 

Gelesene 
' Reihen 

Gelesene 

Ziffern 

Fehler 

Glühlampe 

Nerustlampe 

22 

22 

2620 
j 2620 

157 

154 


Darnach hatten sich also Nernstlampe und Glühlampe in Bezug aut 
die Sehschärfenhelligkeit vollständig gleich verhalten. 

Nun zeigte sich aber, dass die geringe Abweichung in der Richtung, 
in welcher Photometrie und Sehschärfenbestimmung vorgenommen wurden, 
bereits ziemlich grosse Differenzen in der Lichtstärke hervorrief, da die 


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Einfluss deb Fabbe künstl. Lichtquellen auf die Sehschäbfe. 267 

Glocke ausserhalb der Axe als Reflector wirkte (s. Figur). Die Photo¬ 
metrie ergab denn auch in der Axe 16-9, in der Richtung der Zahlen¬ 
tafel 18*9 Kerzen. Die Nernstlampe war also beim Lesen 11-8 Procent 
heller gewesen, als die Glühlampe. Das Resultat änderte sich sofort, als 
beide Lampen thatsächlich gleich gemacht wurden. Die Nernstlampe 
wurde jetzt ohne Glocke vertical aufgestellt, und der Bügel so gedreht, 
dass die Axe der Photometerbank und die Richtung nach dem Zahlen¬ 
täfelchen mit seiner Ebene denselben Winkel bildeten. 1 Auch von der 
Glühlampe wurde constatirt, dass sie in beiden Richtungen dieselbe Liclit- 
meuge ausstrahlte. Das Resultat giebt Tabelle IY. 


Tabelle IV. 


- - • • - - - - 

-- — 

— — —- — 

— --- 

Lampe 

Gelesene 

Reihen 

Gelesene 

Ziffern 

Fehler 

Glühlampe 

15 

1800 

74 

Nernstlara pe 

15 

1800 

115 


Die Nernstlampe hatte also diesmal 55-4 Procent mehr Fehler ge¬ 
geben, als die Glühlampe gleicher Helligkeit. Vergleichen wir diese Zahl 
mit denen der Tabelle I, so finden wir durch Interpolation, dass dieser 
Fehlerzahl eine Verminderung der optischen Helligkeit um 13-9 Procent 
entspräche, was mit der auf umgekehrtem Wege gefundenen Zahl des 
vorigen Versuches (11*9 Procent) gut übereinstimmt. 

Die weiteren Untersuchungen erstrecken sich auf das Verhältnis von 
Auerbrenner zur Glühlampe. Wir benutzten das unter dem Namen Juwel¬ 
brenner im Handel befindliche kleine Modell, das eine Lichtstärke von 
rund 40 Kerzen besass. Die Anordnung wurde wieder so getroffen, wie 
in den vorigen Versuchen: der Brenner und die zu vergleichende Glüh¬ 
lampe wurden neben einander auf der Photometerbank angebracht, dann 
der Auerbrenner mit der Normalglühlampe photometrirt und nun die zu 
vergleichende Glühlampe auf dieselbe Helligkeit gebracht. Die letztere 
besass nominell 32 Kerzen, musste also etwas überbelastet werden. 

Als sehr störend wurde bei diesen Versuchen der Umstand empfunden, 
dass der Auerbrenner erst einige Zeit nach dem Anzünden (mindestens 
5 Minuten) seine volle Lichtstärke erlangt. Da nach jeder zweiten ge¬ 
lesenen Reihe die Lampe gewechselt wurde, war damit ein unangenehmer 
Zeitverlust verbunden. Wir versuchten das Auslöschen und Wiederanzünden 
der Lampe dadurch zu umgehen, dass wir sie, während mit der Glüh¬ 
lampe gelesen wurde, mit einem undurchsichtigen Cylinder aus Eisenblech 


1 Die Lichtstärke betrug in dieser Richtung 28 Kerzen. 


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268 


H. Reichenbach; 


bedeckten. Dadurch wurde aber die Temperatur und zugleich die Leucht¬ 
kraft so gesteigert, dass nun ebenso viel Zeit zur Abkühlung nöthig wurde, 
als vorher zum vollständigen Warmwerden. Es blieb also nichts anderes 
übrig, als ruhig zu warten, bis die Lampe ihre volle Lichtstärke ange¬ 
nommen hatte. 

Tabelle V. 


Lampe 

Gelesene 

Reihen 

Gelesene 

Zitfern 

Fehler 

Glühlampe 

15 

■ 1800 

| 70 

Auerbrenner 

15 

1800 

113 


Nach den in Tabelle V mitgetheilten Resultaten ergab der Auer- 
brenner 61 Procent Fehler mehr, was einer Verminderung der optischen 
Helligkeit um 14-9 Procent entsprechen würde. Er hatte sich also fast 
genau so verhalten, wie die Nernstlampe. 

Dieses Resultat wurde auch durch den directen Vergleich zwischen 
den beiden Lichtquellen bestätigt. 1 Wie Tabelle VI lehrt, ergaben auch 
hier beide fast genau dieselbe Fehlerzahl. 


Tabelle VI. 


Lampe j 

Gelesene 

Reihen 

Gelesene 
Ziffern , 

Fehler 

Nernstlarape 1 

25 

3000 

230 

Auerbrenner 

25 

i 

3000 

227 


Eine weitere Bestätigung unserer Resultate konnten wir von der 
Messung der untersuchten Lichtquellen mit dem Weber’schen Photo¬ 
meter erhoffen. Das Weber’sche Instrument giebt bekanntlich an, wieviel 
Kerzen der gemessenen Lichtquelle in Bezug auf Sehschärfe äquivalent 
sind; nach unseren Resultaten mussten wir also erwarten, dass Nernst¬ 
lampe und Auerbrenner mit dem Weber’schen Photometer eine geringere 
Lichtstärke ergeben würden, als eine mitHülfe der Lummer-Brodhun’schen 
Vorrichtung gleich befundene Glühlampe. 

Wir haben zwei Versuche mit der Nernstlampe anstellen können, 
welche beide eine, wenn auch nur geringe Abweichung zu Gunsten der 
Glühlampe zeigten (s. Tabelle VII). 


1 Im Haodel waren damals nur 25kerzige Nernstlampen zu haben. Da es nicht 
räthlich erschien, diese so stark überzubelasten, hatte Hr. Prof. Nernst die Freund¬ 
lichkeit, für uns besonders einige 40 kerzige Lampen anfertigen zu lassen. 


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Einfluss der Farbe künstl. Lichtquellen auf die Sehschärfe. 269 


Tabelle VH. 


1 

Photometer j 

Versuch I , Versi 

Nernstlampe | Glühlampe i Nernstlampe 

LI c h II 

I Glühlampe 

Weber. 

Lummer-Brodhan . . | 

i 

22*5 

24*6 

23- 3 | 

24- 6 

28-9 

24*3 

23-6 

23-1 


Es war uns leider aus äusseren Gründen nicht möglich, diese Ver¬ 
suche fortzusetzen; auch sind die technischen Schwierigkeiten sehr gross. 
Immerhin wird mah die Resultate als Bestätigung des in den vorher¬ 
gehenden Versuchen Gefundenen auffassen können. 

Es ist nun noch die Frage zu erörtern, in wie weit die Richtigkeit 
der Resultate durch das Purkinje’sehe Phänomen beeinflusst sein kann. 
Eine Einwirkung wäre in doppelter Weise denkbar. Da die absolute 
Lichtstärke, bei welcher gelesen wurde, niedriger war, als die beim Photo- 
metriren angewandte, und da bei gleicher Verminderung der objectiven 
Lichtmeuge die Helligkeit im stärker brechbaren Theil des Spectrums 
schneller abnimmt, als nach dem Roth zu, so müsste sich die Einwirkung 
des Phänomens dahin äussem, dass die Helligkeit der Zahlentafel bei 
Nernst- und Auerlicht etwas grösser gewesen wäre, als mit der Glühlampe. 
Experimentell war ein solcher Unterschied nicht nachzuweisen; die Schatten 
eines schmalen Stabes, die von den beiden Lampen auf die Zahlentafel 
geworfen wurden, erschienen gleich dunkel. Aber wenn auch ein gering¬ 
fügiger Unterschied vorhanden gewesen wäre, so könnte er nach dem Ge¬ 
sagten nur den Erfolg haben, dass die Differenz zwischen den beiden 
Lampen verstärkt würde. 

Nun gilt aber das Purkinje’sche Phäuomen, wie Mace de Le- 
pinay und Nicati nachgewiesen haben, auch für die Sehschärfeuhellig- 
keit, und zwar in noch höherem Maasse, als für die optische 
Helligkeit. Auch die Sehschärfe nimmt im Blau bei gleicher Vermin¬ 
derung der objectiven Lichtmenge langsamer ab und wächst langsamer, 
als im Roth. Es würde darnach möglich sein, dass bei schwacher Be¬ 
leuchtung die Unterschiede der beiden Lampen kleiner würden oder ganz 
verschwinden — ja es ist theoretisch nicht undenkbar, dass bei 
ganz geringen Beleuchtungsintensitäten schliesslich das Ver- 
hältniss sich umkehrt, und die bläuliche Nernstlampe bessere 
Sehschärfe giebt, als die gelbe Glühlampe. Für die Praxis sind 
aber diese Erwägungen bedeutungslos, da die von uns angewandte Be¬ 
leuchtungsstärke schon an der Grenze der Lesemöglichkeit lag. Im Gegen- 
theil, die praktisch verwendeten Lichtstärken werden fast immer höher 
sein als die von uns benutzten, und wenn bei diesen das Purkinje’sche 


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270 H. Reichenbach: Einfluss der Farbe künstl. Lichtquellen. 


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Phänomen überhaupt noch von merkbarem Einflüsse ist, so muss es eine 
langsamere Zunahme der Sehschärfe bei Nernst- und Auerlicht als bei 
der Glühlampe veranlassen. Wir kommen also auch hier wie bei der 
vorigen Ueberlegung zu dem Ergehniss, dass das Phänomen einen Einfluss 
auf das Resultat, wenn überhaupt, so nur in dem Sinne äussern kann, 
dass dadurch die Gegensätze zwischen den Lampen verschärft werden. 

Es ergiebt sich also als definitives Resultat, dass Nernst- 
und Auerlampe einer Glühlampe von gleicher optischer Hellig¬ 
keit so weit an Sehschärfenhelligkeit nachstehen, wie einer 
Verminderung der optischen Helligkeit um 12 bis 14 Proceut 
entspricht. Wir möchten aber davor warnen, die praktische Tragweite 
dieses Befundes zu überschätzen. Die Nernstlampe nutzt die elektrische 
Energie fast doppelt so gut aus wie die Glühlampe, und der Auerbrenner 
das Gas 6 mal so gut wie der Argandbrenner. Die wirtschaftliche 
Ueberlegenheit der beiden Lampen ist also so bedeutend, dass 
die etwas geringere Sehschärfenhelligkeit dagegen nicht in 
Betracht kommt. 

Wohl aber scheint in diesem Ergebniss ein Fingerzeig für die Photo¬ 
metrie verschiedenfarbiger Lichtquellen zu liegen. Da der Werth einer 
Lichtquelle für die praktische Ausnutzung weniger von ihrer optischen 
Helligkeit als von ihrer Sehschärfenhelligkeit abhängt, so giebt ein Photo¬ 
meter, welches die letztere bestimmt, entschieden ein richtigeres Bild von 
der wirklichen Leistung der Lichtquelle, als ein solches, dessen Angaben 
auf der optischen Helligkeit begründet sind. Für hygienische Zwecke 
wird, allerdings aus anderen Gründen, das Web er’sehe Photometer bereits 
ausschliesslich benutzt: die Frage scheint erwägenswerth, ob es sich nicht 
auch für technische Zwecke empliehlt, mehr als bisher von diesem oder 
einem ähnlichen Instrumente Gebrauch zu machen. 


Die Versuche wurden im Göttinger physikalischen Institut ausgeführt 
mit Hülfe des von der Göttinger Vereinigung für angewandte Physik ge¬ 
schaffenen Instrumentariums. 


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Die Einleitung von Kaliindustrie-Abwässern 
in die Flüsse, besonders mit Berücksichtigung 
der Wasserversorgung grosser Städte. 

Von 

Dr. Heinrioh Berger, 

Kreisarzt in Hannover. 


Während früher die Kaliindustrie sich auf die im Flussgebiete der 
Elbe liegenden Landestheile beschränkte, haben die Bohrungen auf Kali 
neuerdings mehr in dem Flussgebiet der Weser stattgefunden. In Hannover 
zählt man jetzt über 100 Bohrgesellschaften, und wenn auch von der 
Bohrgesellschaft bis zur Chlorkaliumfabrik noch ein langer Weg zwischen 
Scylla und Charybdis zurückzulegen ist, so werden doch ohne Zweifel 
nicht wenige Gesellschaften über kurz oder lang vor der Frage der Ein¬ 
richtung einer Chlorkaliumfabrik stehen. 

Für diese liegt nachher der Schwerpunkt in der Beseitigung der 
Endlaugen. 

Verarbeitet werden in der Kaliiudustrie Sylvinite und Carnallite; die 
Sylvinite sind Gemenge von Sylvin (Chlorkalium) mit Steinsalz, unter¬ 
geordneten Mengen Kieserit (schwefelsaure Magnesia) und Anhydrid 
(schwefelsaurer Kalk). 

Carnallite sind Gemenge des Carnallit (bestehend aus Chlorkalium 
und Chlormagnesium) mit denselben Salzen, auch etwas Brom ist darin 
enthalten. 

Die Sylvinite werden auf Chlorkalium verarbeitet, die anderen Er¬ 
zeugnisse sind von untergeordneter Bedeutung; ein Theil des Chlor¬ 
kaliums wird als hochprocentiges (80 Procent und mehr) verarbeitet, für 
die Landwirtschaft (Düngezwecke) werden Gemenge von 80 bis 76 Procent 
Chlorkali mit Kochsalz hergestellt; auch schwefelsaures Kali und schwefel- 
saure Kali-Magnesia und Kieserit werden hergestellt, Chlormagnesium er- 


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272 


Heinbich Berger: 


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hält man aus den Sylviniten wenig. Dieses erhält man aber bei der 
Verarbeitung carnallitischer Salze in grösseren Mengen und es ist nur 
wenig zu verwenden. Bei der Verarbeitung der Sylvinite werden nur 
wenig Endlaugen erhalten, viel mehr, das 20 fache, bei der Verarbeitung 
der Carnallite, und diese Endlaugen der Carnallite, welche stark chlor¬ 
magnesiumhaltig sind, wollen die Fabriken durch Ableitung beseitigen. 

Der Zusammenhang der Sylvinite gestattet es mancherorts, die bei 
der Fabrikation ausgeschiedenen fremden Bestand theile wieder in den 
Schacht zurückzubringen, und es wird deshalb vorgeschlagen, die Abwässer 
von Sylvinitverarbeitungen in Flüsse überhaupt zu verbieten, da die Be¬ 
seitigung möglich sei, ohne den Betrieb in Frage zu stellen; es muss 
jedoch dabei bemerkt werden, dass das nicht überall zutreffend ist, und 
dass man gut thun wird, die Trennung zwischen Sylviniten und Carnalliteu 
in dieser Richtung nicht zu weit zu verlangen, denn es kann in den 
Fabriken wohl auch durch einander gearbeitet werden. 

Dahingegen ist man nicht im Stande, die Verunreinigungen uud 
Bestandtheile bei der Verarbeitung der Carnallite so zu beseitigen, und 
das gilt besonders von dem Chlormaguesium. Bei der Verarbeitung der 
Carnallite erhält man das in nicht geringer Menge in diesem Mineral 
vorhandene Chlormagnesium in wässeriger Lösung, als sogenannte End¬ 
lauge, und diese durch Ableiten in einen Fluss zu beseitigen ist das Be¬ 
streben der Fabriken. 

Bei vielen Bohrungen hat man Sylvinite mit so hohem Chlorkalium¬ 
gehalt gefunden, dass mit der Zeit nach Volhard der Schwerpunkt in 
die Verarbeitung der Sylvinite gelegt werden wird, und dass damit eiue 
erhebliche Einschränkung in der Verarbeitung des Carnällits eintreteu 
wird, welches nur 16 bis 20 Procent Chlorkalium im Durchschnitt enthält. 

Sylvinitische Rohsalze von Benthe-Wallmont zeigen folgende Zu¬ 
sammensetzung: 



Minimum 

Maximum 

Mittel 

Chlorkalium .... 

20-07 

43-4 

31-5 

Chlornatrium .... 

53-54 

74-78 

62-7 

Chlormagnesium . . . 

0-48 

209 

1-1 

Magnesiumsulfat . . . 

0-66 

4-22 

2-5 

Kohlensaurer Kalk . . 

— 

0-15 

0-1 

Unlöslich. 

0-9 

0-23 

0-2 

Wasser. 

0-94 

3-01 

1 • 8 


Das Leopoldshaller Hartsalz enthält im Mittel 18 bis 20 Procent 
Sylvin, 40 bis 50 Procent Kieserit, 30 bis 40 Procent Steinsalz, 3 bis 
7 Procent Wasser. 


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Einleitung von Kaliabwässekn in Flüsse. 273 

Das - Hoheiifelser erste Sylvinitlager enthält durchschnittlich mehr 
Sylvin, weniger Kieserit, das zweite Lager fast das Doppelte an Sylvin 
wie Leopoldshall. 

Die Camallitischen Rohsalze von: 


enthalten 

Stassfurt 

Vienenburg 

Hohenfels 

(Bohrung (Bohrung 

Nr. 69) Nr. 71) 

Chlorkalium .... 

16 

20-98 

20-25 

17-84 

Chlornatrium .... 

22-3 

22-79 

7-10 

12-70 

Chlormagnesium . . . 

20-8 

24-62 

30-59 

23.24 

Schwefelsäure Magnesia 

12*2 

1-06 

0-54 

7-05 

Unlösliches. 

1.9 

0-33 

0-38 

0-64 

Wasser. 

26-8 

30-32 

35-53 

29-42 


Die Gewerkschaft Hohenfels beabsichtigte die Endlaugen von der täg¬ 
lichen Verarbeitung von 2000 Doppelcentnern Carnallit oberhalb Hannovers 
in den Leinefluss zu leiten l , sie will ausserdem täglich 2000 Doppelcentner 
Sylvinit verarbeiten, wovon die abgehenden fremden Bestandtheile wieder 
in den Schacht zurückgebracht werden sollen. 

Auch sylvinitische Salze geben Endlaugen. 

Für die Endlaugen der sylvinitischen Salze von Benthe-Wallmont 
hat Kraut auf 1000 Doppelcentner tägliche Verarbeitung berechnet End¬ 
laugen mit: 

Chlormagnesium.10-8 


Chlomatrium.0.15 

Chlorkalium.0-30 


Schwefelsäure Magnesia . . . 1-20 

im Ganzen 12-45 Doppelcentner, 
also pro Secunde 14-48*™“ Salze. Bei Verarbeitung von 2000 Doppel - 
centnem Sylvinit würden bei 11 obm secundlicher Wasserführung der Leine 
kommen auf 1 Liter 2-0 m * Salze. Die sylvinitischen Salze anderer Kali¬ 
werke werden sich etwas anders zusammensetzen, aber die Verschieden¬ 
heiten (schwefelsaure Magnesia) sind verhältnissmässig keine grossen. 

Die Verarbeitung von 1000 Doppelcentnern Carnallit liefert nach 
Berechnungen im Reichsgesundheitsamt Endlaugen mit: 


Chlorkalium. 

9-3 

Chlornatrium .... 

6-1 

Chlormagnesium . . . 

209-1 

Schwefelsäure Magnesia . 

19-4 


im Ganzen 244*3 Doppelcentner Salze. 

1 Die Gewerkschaft hat den in dieser Richtung gestellten Antrag beim Bezirks¬ 
ausschuss jetzt selbst zurückgezogen. 

Zefttehr. t Hygiene. XLL 18 


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274 


Heinrich Berger: 


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Demnach hätte ein Gewässer mit l cbm secundlicher Wasserführung 
aufzunehmen p. Liter 284 “•» Salze, von diesen sind 19 / 30 Chlor, n / 30 Magnesia 
bei 15-4° Härte. Diese Zahlen sind nach Kraut um 10 Procent zu hoch. 
Nach Kraut geben 2000 Doppelcentner Carnallit gewöhnlich 108 t,l! “ 
Endlaugen, von dem specifischen Gewichte 1 • 300, secundlich fliessen dem 
Wasser zu 1250 cbm Lauge, diese wiegen 1625und bestehen durch¬ 
schnittlich zu 2 / 3 aus Wasser und Vs aus Salzen; 1625»™ Endlaugen ent¬ 
halten 556 fr™ Salze, diese vertheilen sich bei ll cbm Wasser: 

auf 11000 Liter also auf 1 Liter 50-55 mg Salze; bei 16 cbra Wasser 
„ 16000 „ „ „ 1 „ 34-88 ms „ . 

Hier müssen erst einige Bemerkungen über die Wasserführung der 
Leine eingeschaltet werden; diese wird (ganz sichere Untersuchungen 
darüber sind wohl noch nicht angestellt) im Minimum secundlich zu ll cbm 
angenommen, sie soll auch schon unter ll cbm gewesen sein, jedenfalls 
seit 1894 soll sie nicht unter 14 cbm herunter gegangen sein. Niederwasser 
führt sie: 

3 Monate im Jahr mit . . . 16 cbm 

2 „ „ „ nicht unter 25 „ 

r. 40 

u ?? V 

o i 

Ä 7? 77 77 77 77 LUKJ 77 

Die Wasserverhältnisse der Leine würden übrigens durch den Mittel¬ 
landcanal voraussichtlich eine nicht unerhebliche Aenderung erfahren, das 
wäre zu berücksichtigen. 

Das Wasser der Leine enthält bei Hannover im Liter: 

98 m » Chlor 
31-3 „ Magnesia 
125 „ Schwefelsäure 
20-4° Härte. 

Die Härte schwankt sehr, sie beträgt meist 15 bis 18°, im Maximum 
17 bis 24°. Am 27. Juni 1901 wurden beobachtet 22• 9 0 Gesammthärte. 
14-9° bleibende Härte. 

Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass nach den Unter¬ 
suchungen von Dr. Schwarz, Director des städtischen Hannoverschen 
chemischen Uutersuchungsamtes, die Härte betrug: 

Anfang September 1898 . . . . 27*47° 


Mitte September. 29-56° 

Anfang October. 30-39° 

Mitte October.29*71° 


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Einleitung von Kaliabwässern in Flüsse. 


275 


Anfang December. 

Mitte December. 

Anfang Juni 1899 . 

sonst in 17 Proben höchstens . . . 

1899/1900 wurden nie über . . . 

1900/1901 wurden im Februar einmal 
sonst höchstens. 


29-32° 

29- 14° 

28-04° 

24-47° 

24° beobachtet 

30- 6° beobachtet 
24° 


Die Zusammensetzung der carnallitischen Endlaugen ist natürlich ver¬ 
schieden, aber die Schwankungen sind keine grossen, sie zeigen in allen 
Fällen annähernd gleiche Zusammensetzung. Die Gewerkschaft Hohenfels 
will bei einer täglichen Verarbeitung von 2000 Doppelcentnern Camallit 
der Leine zuführen 105 bis 110 cbm Endlaugen, welche pro Cubikmeter 
enthalten: 

8-0** Chlorkalium 
15-6 „ Chlornatrium 
380-4 „ Chlormagnesium 
0-4 „ Brommagnesium 
24-0 „ Magnesiumsulfat, also etwa 1 j i Salze. 

Das würde im ungünstigsten Falle geben 471 *2 kg Doppelcentner 
Salze, welche der Leine durch die zu erbauende Chlorkaliumfabrik zu¬ 
geführt würden. 

Nach den Berechnungen des Keicbsgesundheitsamts würde die Zahl 
etwas zu hoch sein. 

Bei einer Tagesverarbeitung von 2000 Doppelcentnern würden der 
Leine pro Secunde zugeführt 544 p™ Salze. 

Man könnte nun für den Ablauf der Laugen nicht nur die 300 Ar¬ 
beitstage, sondern die 365 Kalendertage benutzen, dadurch würden sich 
die täglich abzuführenden Mengen auf rund 387-3 Doppelcentner Salze 
stellen. 

Diese 387-3 Doppelcentner Salze bestehen aus: 


Chlorkalium .... 
Chlornatrium . . . 

Chlormagnesium . . 

Brommagnesium . . 

Magnesiumsulfat . . 

im Ganzen 

Demnach würden der Leine in c 
und zwar: 


7-23 Doppelcentner 
14-10 
343-91 
0-36 „ 

2 1-69 _ 

387-29 Doppelcentner Salze. 

Secunde zugeführt 448 • 20 Salze, 
18 * 


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276 


Heineich Berger: 


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8- 36*"" Chlorkalium 
16*31 „ Chlornatrium 
398*05 „ Chlormagnesium 
0*41 „ Brommagnesium 
25*10 „ Magnesiumsulfat. 

Davon berechnen sich: 

311 *3463 Chlor 
176-02 „ Magnesia 

12-65 „ Schwefelsäure 

246-40 „ Härte (deutsche Gramm). 

Chlor tritt auf in der Form von Chlormagnesium, Chlorkali, Chlor¬ 
natrium, Magnesia in Chlormagnesium und Magnesiumsulfat. 

Demnach würden die obigen Mengen Salze in Milligrammen jedem 
Secundenliter des Flusses, der die Endlaugen aufnimmt, zugeführt werden, 
also 448-20 Salze. 

Die Abführung der Endlaugen soll durch eine Rohrleitung geschehen, 
und diese Leitung soll bei Rethen, etwa 10 km oberhalb Hannovers, in die 
Leine münden. 


Bei Rethen soll die Leine führen bei: 


niedrigstem Wasser 14 ebm 
mittlerem „ 48 „ 

hohem „ 615 „ 

Nach anderen Angaben führt die Leine das geringste Wasser: 


mit 14 cbm 

nur während 

eines 

Monats 

15—25 „ 

» 

zwei 

Monaten 

nicht unter 25 „ 

wieder 

zwei 

Monate 

40 


fünf 

V 

» » ISO „ 


zwei 



pro Secunde. 


Während eines Jahres ist für die Leine beim Dorfe Rethen durch¬ 
schnittlich 70/80 cbm in der Secunde berechnet 

Man wird bei solchen Berechnungen immer die kleinste Wasser¬ 
führung besonders ins Auge fassen müssen, aus dem naheliegenden Grunde, 
weil sich bei dieser etwaige Missstände, die durch das Wasser hervor¬ 
gerufen werden, am deutlichsten zeigen. 

Bei der secundlich kleinsten Wasserführung von 11 cbm würde demnach 
der Zuwachs an Salzen nach Zuführung der carnallitischen Endlaugen 
von Hohenfels bei einer Tagesverarbeitung von 2000 Doppelcentnern 
Carnallit 448-20:11 =* 40-75 ra * sein. 


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Einleitung von Kaliabwässebn in Flüsse. 


277 


Ich lasse die Zuführung an Salzen bei 2000 Doppelcentnem täglicher 
Carnallitverarbeitung bei den verschiedenartigen Wasserführungen der Leine 
übersichtlich folgen: 

Secundliche Wasserführung der Leine 


niedrigste: ll cbni 

^ cbm 

cbm 

Salze im Ganzen im Liter . . 

. . 40-75 

32 01 

28 

Davon Chlorkalium .... 

mg 0*76 

0-60 

0-50 

Chlornatrium .... 

„ 1-48 

1*17 

1-02 

Chlormagnesium . . . 

„ 36-19 

28-43 

24-88 

Schwefelsäure Magnesia. 

„ 2.28 

1-80 

1-56 

Brommagnesium . . . 

„ 0-037 

003 

0-026 

Demnach: 




Chlor. 

„ 28.3 

22-2 

1946 

Magnesia. 

„ 16 

12-57 

11 

Schwefelsäure .... 

„ 1-15 

0-9 

0-79 

Härtegrade .... 

„ 2-24 

1-76 

1-54 

Es betragen weiter die aufzunehmenden Mengen: 



bei Mittelwasser mit 

bei Hochwasser mit 

bei Jahresmittel mit 

48 Secunden cbm 

615 Sec. cbni 

75/80 Sec. ebra 

Chlor. . . . 6-48 m * 

0-50 

3-891 

Magnesia . . 3-66 „ 

0-28 „ 

2-2 


Schwefelsäure . 0*26 „ 

0-02 „ 

0-158 


Härtegrade. . 0-51 „ 

0-04 „ 

0-307 



Enthält demnach das Leinewasser im Liter: 

Chlor. ... 98 
Magnesia . . 31 «3„ 

Schwefelsäure . 125 „ 

Härte . . . 20*4 „ 

so erhält man nach Zuführung der carnallitischen Endlaugen von Hohenfels 
im Liter Leinewasser, bei einer Wasserführung der Leine pro Secunde von: 



|| cbm 

|,| cbm 

16 cbm 

40 cbm 

615 cbm 

75/80 cbm 

Chlor mg 

126-3 

120-23 

117.46 

104-48 

98-50 

101-89 

Magnesia „ 

47-3 

43.87 

42-3 

34.96 

31-58 

33*5 

Schwefelsäure ,, 

126-15 

125-90 

125-79 

125-26 

125-02 

125-16 

Härte 

22-64 

22-16 

21-94 

20-91 

20-44 

20-7 


Da die Einleitung der Endlaugen, was die Härte des aufzunehmenden 
Wassere anlangt, gestattet ist bis zu einer Höchsthärte von 30°, so würde 
eine Härte des Leinewassers vor der Einleitung von 22-9 und selbst 24° 
kein Hinderniss für die Einleitung sein. Allerdings würden bei den 1898 
und 1899 von Schwarz beobachteten hohen Härtegraden in dieser Richtung 
Bedenken entstehen. 


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278 


Heinrich Berger: 


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Die Chlorkaliumfabriken weisen nun darauf hin, dass die Verände¬ 
rungen, die durch das Einleiten der Endlaugen in die grossen Flussläufe 
und selbst in einen Fluss wie die Leine entstehen, ganz verschwindende 
sind, und nur auf verhältnissmässig kleine Entfernungen, auch hier nur 
für den Analytiker bemerkbar seien, während nach einem Lauf von 15 bis 
20 km unterhalb der Einlaufstelle in den meisten Fällen es auch diesem 
nicht mehr möglioh sei. Hingewiesen wird auf die Bode, welche die End¬ 
laugen und alle möglichen anderen Abfallsalze von einer täglichen Verarbeitung 
von etwa 35000 Doppelcentnern Kalirohsalzen aufnimmt und der Elbe 
zuführt. Beckurts stellte Untersuchungen am Wasser der Oker und 
Aller an auf die Veränderungen durch die Abwässer der Chlorkaliumfabrik 
der Gewerkschaft Thiederhall. Die abfliessenden Endlaugen enthielten im 
Liter 40.2 Magnesiumchlorid, 1 • 4 Kochsalz, 0 • 8 « ra Kaliumchlorid, 
3-1»™ Magnesiumsulfat und 0-4 8™ Magnesiumbromid. Innerhalb 24 
Stunden liefert die Fabrik bei einer Verarbeitung von 2000 Doppelcentnern 
Rohsalzen 634 • 62 Ctr. CI, 366 • 80 Ctr. MgO, 59 • 36 Ctr. SO e und 513-52 Ctr. 
Härte. Beckurts kommt zu dem Schluss, dass das Okerwasser aller¬ 
dings eine Zunahme der Mineralsubstanzen erfährt, jedoch ist diese 6*™ 
unterhalb der Stelle des Einflusses der Endlaugen schon wesentlich geringer, 
als sie rechnungsmässig sein müsste, 20 km unterhalb der Einlaufstelle war 
in vielen Fällen nahezu die normale Zusammensetzung des Okerwassers 
festgestellt worden (die Wassergeschwindigkeit schwankt stark, sie betrug 
unterhalb Braunschweig bei l-9 cbm Wasserzufluss pro Secunde 15 cm in 
der Secunde), eine Veränderung des Allerwassers war nicht mehr nach¬ 
weisbar. 

Dass eine Verunreinigung des Wassers an dem Orte der Einleitung 
geschieht, darüber kann kein Zweifel sein, die Zufuhr der Salze und die 
Vermehrung der Härte können nicht gleichgültig sein. 

Zwei Fragen sind hier zu beantworten: 1. Ist die Veränderung des 
aufnehmenden Wasserlaufes nur eine im ganzen geringfügige und 2. ist 
sie im Wesentlichen eine locale. 

Die Salze im Leinewasser würden bei der kleinsten Wasserführung 
von ll cbra eine Vermehrung erfahren um 40*75 “8, die Härte würde sich 
um 2-24° steigern, das erscheint bei dem vorherigen Gehalt des Leine¬ 
wassers an Mineralsalzen von bereits 530 m 8 und einer Härte von 20-4° 
verhältnissmässig nicht bedeutend, eine Vermehrung der Salze um */„ 
und der Härte um etwa 1 / I0 . 

Bekanntlich strengte 1883 die Stadt Magdeburg einen Process an 
gegen die im Bodegebiet liegenden Kalifabriken, deren Abwässer sogar 
die Elbe in hohem Grade verunreinigt haben sollten; das aus der Elbe 


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Einleitung von Kali Abwässern in Flüsse. 


279 


stammende Leitungswasser in Magdeburg sollte als Trinkwasser und zu 
gewerblichen Zwecken unbrauchbar geworden sein. 

Ru bne r hat darauf hingewiesen, dass die Elbe, trotzdem sie in ihrem 
Oberlauf eine grosse Menge von Fabrik wässern erhält, namentlich aus 
Zuckerfabriken, trotzdem ihr die Abwässer aus Dresden zugehen, in ziemlich 
unveränderter Beschaffenheit in Tochheim oberhalb der Einmündung der 
Saale anlangt. Unterhalb der Einmündung der Saale wird das Wasser 
hart, bekommt reichlichen Rückstand und führt eine reichliche Menge von 
Chloriden. 

Der Chlorgehalt des Elbwassers bei Magdeburg betrug 


1870 nach Reichardt 

38 

im 

Liter, 

1878 

>> 

Kraut 

105 „ 

V 


1886 


Kraut 

196 „ 

V 


1891 


Ohlmüller 

894 „ 

JJ 


1893 

> J 

Rubner 

858 „ 




Diese Anreicherung bezog man zunächst auf die Kalifabriken, bis 
durch Untersuchungen von Kraut, Hellriegel und im Kaiserlichen Ge¬ 
sundheitsamt nachgewiesen wurde, dass die Versalzung hervorgebracht 
wurde durch den Ablauf aus dem sogenannten Schlüsselstollen, durch die 
Abwässer der Mansfelder kupferschieferbauenden Gesellschaft. Aus dem 
Sehlüsselstollen kamen 1892 und 1893 täglich mehr als 250000 Centner 
Salze in die Saale und weiter zum Theil in die Elbe. 

Die oberhalb Nienburgs mündende Bode bringt der Saale die Abwässer 
von Kalifabriken, welche reich an Chlormagnesium sind. Der Gehalt der 
Saale betrug an: 



Rückstand 

Anorg. Stoffen 

CI 

MgO 

bei Jena 1872/73 

150 

12-2 

0-9 

1-0 

„ Halle 

52-8 

513 

7-8 

3-0 

„ Friedeburg 

51-9 

51-6 

6-8 

29 

„ Gnölbzig 

83-9 

83-7 

24-3 

3*2 

„ Gröna 

88-0 

87.5 

27-5 

3-2 

„ Dröbel 

83-8 

— 

27-4 

3-3 

„ Kalbe 

110-8 

— 

412 

7-3 


Kraut hat nun berechnet, dass die Versalzung der Elbe 1892/93 

durch die Mansfelder Gewerkschaft zu 91*3 Procent, 

„ „ Kaliwerke „ 6-3 „ 

„ „ Sodafabrikeu „ 2*3 „ 

geschieht. 

Volhard hat für 1898/1900 die Zahlen auf 87-1, 8-7 und 4-2Proc. 

berechnet. 


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Qrigin-al fro-m 

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280 


Heinbich Bebüeb: 


Die Schachtlaugen des Schlüsselstollens bringen der Saale secundlich 
144 465 s™, die Kalifabriken nur 8589 

Erst an zweiter Stelle steht die Kaliindustrie, sie bringt nur 1 , l0 des 
Salzes des Schlüsselstollens. 

Nicht zu vergessen ist, dass von natürlichen Soolquellen der Saale 
Salze zufliessen, mit der Soolquelle Gnülbzig fliessen täglich 3390 Centner 
Kochsalz in die Saale, entsprechend 2054 Centnern Chlor, das ist dieselbe 
Menge, die eine Verarbeitung von 12494 Centnern Carnallit liefern würde, 
das wären die Endlaugen von mindestens 3 Chlorkaliumfabriken. 

Noch grösser sind die Salzmengen, welche mit den Soolquellen in 
Dürreuberg und Schönebeck in die Elbe kommen. 


1893 wurden im Elbwasser bei Magdeburg gefunden in 1 Liter Milli¬ 
gramm : 



Rückstand 

Kalk 

Magnesia 

Härte 

Chlor 

orcran. 

Substanz 

am rechten 

Ufer 3140 

176 

71-4 

27.6 

1506 

121-5 

am linken 

Ufer 3279 

185 

73.5 

28*8 

1640 

126*9 


Man achte auf die Verschiedenheiten beider Ufer. 

Kraut fand bei Magdeburg 1886: 

linkes Ufer rechtes Ufer 

Chlor 158 • 9 m * 49-2 

Magnesia 31-7,, 12-8,, 

Glührückstand 492*0 „ 222*2 „ 

Herr Geheimrath Kraut sagte mir, er hege keinen Zweifel, dass man 
nicht nur an verschiedenen Stellen, in verschiedenen Tiefen, sondern auch 
an der gleichen Stelle in der gleichen Tiefe zu verschiedenen Tageszeiten 
verschiedene Salzmengen finden würde. 

Also trotzdem Magdeburg 6 Meilen unterhalb der Einmündung der 
Saale in die Elbe liegt, ist noch keine Vermischung des Elbe- und Saale¬ 
wassers eingetreten. Man muss mithin gefasst sein, an jedem Orte und in 
jeder Tiefe von den Analytikern verschiedene Zahlen zu bekommen und 
man wird erst auf Gruud einer sehr grossen Zahl von Analysen einiger- 
maassen überzeugende Schlüsse ziehen dürfen. 

Zum Vergleiche seien angeführt, dass im Liter Wasser enthalten sind 
Milligramm: 



Rückstand 

CaO 

Härte 

Chlor 

Spree (Berlin) . . 

. 140 

50-5 

5-ü 

17*7 

Weser (Bremen) . . 

. 362 

82.1 

8.6 

46*1 

Oder (Breslau) . . 

. 112 

28*5 

2-8 

17*1 

Warthe (Posen) . . 

. 190 

66*6 

7-0 

9*4 


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Einleitung von Kaliabwässern in Flüsse. 


281 


Rückstand 

CaO 

Härte 

Chlor 

Ruhr (Steele) .... 

182 

44*1 

4*4 

28*4 

Neckar (Stuttgart) . . 

314 

124*4 

11-2 

8*9 

Elbe (Tochheim) . . . 

159 

29*7 

— 

10*0 

„ (Magdeburg) 1892 

1024 

78*0 

12*0 

462*0 

„ „ 1893 

3463 

190*0 

29*7 

1714*0 


Das Wasser der Unterelbe zeigt wieder eine Reinigung, es ist nicht 
härter als das Wasser oberhalb der Einmündung der Saale, der Magnesia¬ 
gehalt ist aber gestiegen (1898 das 10fache wie 1852), der Chlorgehalt, 
der 1852 nur 23*9 m * im Liter betrug, war 1893 gestiegen auf 120*7 m &. 
Aber Chlor und Magnesia aus der Saale erreichen zweifellos Hamburg. 

Immerhin ist eine Reinigung nicht zu verkennen, zum grossen Theil 
ist das auf die erheblichen Zuflüsse der Elbe zurückzuführen, besonders 
die Havel. 

Ausserdem wird der sogen. Selbstreinigung eine grosse Rolle zugewiesen. 

Kraut konnte im Leitungswasser der Stadt Magdeburg nur 1-74 Theile 
Chlormagnesium in 100 000 Theilen nachweisen, während es rechnungs- 
mässig 2*63 Theile hätte enthalten müssen. Spiegelberg fand im Elb¬ 
wasser nur 0*4 Theile CI statt der rechnungsmässig angenommenen 3*089, 
und 0*49 CI statt 3*056. 

Im Laufe der Flüsse wird der Salzgehalt und die Härte beständig 
geändert, es gehen direct chemische Processe vor sich, die Magnesiasalze 
werden als Carbonate ausgeschieden und Silicate. Da die Elbe nach 
Kraut kohlensaures Natron führt, so ist die Ausfällung von unlöslichen 
Calcium- und Magnesiumcarbonaten möglich. 

Weiter wird als die Beseitigung der Magnesiasalze und Chloride aus 
den Flüssen befördernd angeführt die Salzaufnahme der Uferpflanzen, die 
Absorptionsfähigkeit des Bodens, der Austausch zwischen dem Fluss- und 
Grundwasser. 

Die Gewerkschaft Hohenfels plant die Ableitung ihrer Carnallitabwässer 
durch eine Rohrleitung von Sehnde nach der Leine und die Einlassung 
der Endlaugen bei Rethen in die Leine. 

Ueber die Wasserführung der Leine ist oben schon gesprochen worden. 
Die selbstreinigende Kraft der Flüsse ist ganz verschieden. Günstig liegen 
die Verhältnisse, wenn die Wassermenge des Flusses im Verhältnis zu 
der Abwässermenge gross ist; je reiner der Fluss an sich bis dahin ist, je 
rascher und gleichmässiger die Mischung sich vollzieht. Günstig sind hohe 
Stromgeschwindigkeit, kiesiges Bett, glatte, feste Ufer, Zuflüsse reiner 
Wässer, ungünstig sind geringe Wassermenge, geringe Wasserbewegung, 
geringe Stromgeschwindigkeit, Stauungen, schlammiges Bett, buchtenreiches 
Ufer, bereits vorhandene Verunreinigungen. 


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282 


Heinrich Berger: 


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Eine genügende Verdünnung der Endlaugen wird ja in jedem Fall 
zu erzielen sein, wo die Wassermenge des Flusses gering ist, da wird sieb 
das zweckmässige Verhältnis im Nothfall durch entsprechende Verdünnung 
der Endlaugen vor der Einleitung in den Fluss erreichen lassen. Eine 
innige Vermischung der specifisch schwereren Endlaugen mit dem Fluss¬ 
wasser ist schon schwieriger, wie man an der Saale und Elbe sieht. 

Die Stromgeschwindigkeit der Leine beträgt l m , genügendes Gefälle 
ist überall vorhanden. Der Boden lim Leinethal ist Marschboden, tiefer, 
milder Lehm, mit durchlässigem, kiesigem bezw. sandigem Untergründe. 

Das Bett der Leine ist lehmig und verschlammt, nach Regengüssen 
sieht das Wasser ganz gelb aus, schlammig ist es immer. Es gedeihen 
in dem Wasser reichlich Algen, welche man an den Brücken jederzeit 
treiben sieht, und das Gedeihen dieser ist ein Beweis für die hochgradige 
Verunreinigung eines Flusses. 

Verschiedene Stauanlagen wirken weiterhin ungünstig. 

Reine Zuflüsse erhält die Leine nur sehr wenige zwischen Bethen 
und Hannover. 

Und die schon jetzt bestehende Verunreinigung der Leine ist eine 
sehr grosse. 

Die Innerste bringt stark verunreinigtes Wasser, gerade auch durch 
Kaliabwässer, ausserdem aber ist die Leine auch sonst schon stark mit 
Schmutzstoffen überladen. 

Das Wasser ist schon sehr reich an Salzen und sehr hart. Man kauu 
sagen, ein Wasser, das schon diese Zusammensetzung zeigt, wird auch 
die Eudlaugen von 2000 Doppelcentner Carnallitverarbeitung täglich noch 
aufnehmen können, die Zusammensetzung wird dadurch verhältnissmässig 
nur wenig geändert, und bleibt bei dieser geringen Veränderung für die 
Zwecke, für die es vorher überhaupt noch brauchbar gewesen ist, auch 
nach dem Zuwachs noch verwendbar. 

Das ist nur bis zu gewissem Grade richtig, so lange es sich um 
kleine Veränderungen verhältnissmässig reiner Gewässer handelt; stark 
verunreinigte Gewässer stehen in vielfacher Beziehung natürlich an der 
Grenze der Verwendbarkeit, und da kann diese Grenze leicht überschritten 
werden. 

Da lassen zahlenmässige Berechnungen ganz im Stich. Wo ist die 
Gewähr geboten, dass die berechnete Zusammensetzung bleibt; sie kann 
sich ändern, nachdem soeben der Analytiker erst Proben entnommen hat, 
an denen er noch die zulässige Zusammensetzung findet. Wer kann aber 
die sich immer ändernden Verhältnisse im Fluss selbst in Betracht zieheu? 

Wird eine geringe Verunreinigung gestattet, so muss nachher wieder 
eine kleine gestattet werden, die in demselben Verliältniss steht, und das 


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Original frum 

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Einleitung von Kaliabwässeen in Flüsse. 


283 


würde kein Ende nehmen, dann würde eine Reinhaltung der öffentlichen 
Wässer ganz unmöglich sein, da darf nur bis an die Grenze des Erträg¬ 
lichen im Höchstfälle gegangen werden, und diese Grenze ist bei der Leine 
längst erreicht. Chlormagnesium und schwefelsaure Magnesia sind keines¬ 
wegs gleichgültige Flussverunreinigungen. Der hohe Chlorgehalt kann 
nicht gleichgültig sein. 

Der Hygieniker wird bei einer Vermehrung der Chloride im Wasser 
sein Hauptaugenmerk auf den Zufluss von menschlichen Abgängen richten 
und sagt sich, dass auf dem Wege, auf dem die Chloride kommen, auch 
Bacillen kommen können, aber auch die Vermehrung der Chloride an sich, 
sei es aus welchem Grunde es will, ist ihm nichts weniger als gleichgültig. 
Bedenklich vor allen Dingen ist der Zuwachs an Härte, und da die Zu¬ 
nahme durch Chlormagnesium und schwefelsaure Magnesia bedingt ist, 
so widersteht die Härte der Erwärmung, sie ist bleibend, nicht wie bei 
Chlorkalcium. Die Leine hat schon an sich hartes Wasser, sie ist zeit¬ 
weise von 30 Härtegraden nicht weit entfernt gewesen. Wenn nun als 
Grenzwerth, bis zu dem Endlaugen in einen Fluss eingelassen werden 
dürfen, 30° Härte bestimmt ist,' so würde jederzeit der Augenblick ein- 
treten können, in welchem die weitere Einleitung von Endlaugen aus 
diesem Grunde verboten wäre. Leitet ferner flussabwärts bereits eine 
Chlorkaliumfabrik ihre Endlaugen in den Fluss, so werden die Verhältnisse 
der Endlaugen dieser in ihrer Härte zum Flusswasser sich‘sofort ändern, 
wenn eine neue Fabrik oberhalb einzuleiten beginnt. Ein solcher Fall 
wäre hier möglich, wenn Hohenfels unmittelbar oberhalb Hannovers in 
die Leine leitet, und Benthe-Wallmont dicht unterhalb (bei Seelze). Da 
müsste eine solche Controle thätig sein, dass die Werke, welche diese 
Controle zu bezahlen haben, besser thün, die Endlaugen auf andere Weise 
zu beseitigen, durch längere Leitungen in grosse Flüsse, Eindampfen 
(welches übrigens nur in beschränktem Maasse möglich ist). Ja wäre es 
da nicht für die Fabriken zweckmässiger, wenn naheliegende sich zu einer 
gemeinsamen Leitung nach einem grösseren Flusse entschlössen? 

Flusswasser soll weich und arm an Salzen sein, 18 bis 20 Härte¬ 
grade werden als oberste Grenze bezeichnet. An dieser Grenze ist die 
Leine bereits. Die Gesammtmenge der Salze in der Leine beträgt durch¬ 
schnittlich an sich schon über 500 m &, und 400 bis 500 “8 soll höchstens 
die Menge in einem brauchbaren Wasser betragen. 

Kohlensaures Alkali ist in so winziger Menge vorhanden, dass dessen 
reinigende Wirkung gar nicht in Betracht kommt. Dass die geringen 
Mengen an Silicaten, welche sich am Boden des Flusses und suspendirt 
finden, eine nennenswerthe Wirkung haben, ist füglich zu bezweifeln. 
Das lässt sich alles im Laboratorium gut beobachten, gewiss soll es auch 


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284 


Heinrich Berger: 


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in der Natur keineswegs bestritten werden, aber man soll es auch nicht 
überschätzen. Unter allerhand Einflüssen, lebenden und nicht lebenden, 
laufen die Processe ganz anders ab, als man anzunehmeu geneigt ist. 
Man hüte sich überhaupt, Laboratoriumsversuche in die Praiis zu über¬ 
setzen, da sind die Processe ganz andere; die complicirten biologischen 
Processe lassen sich überhaupt nicht nachmachen. 

Ist die Verunreinigung der Elbe aber sogar noch in Hamburg zu 
merken, wie viel mehr muss dies der Fall sein bei kurzen Entfernungen. 
Auf dem Wege von der Stelle der Einleitung der Endlaugen von Hohen¬ 
fels in die Leine bei Rethen bis Hannover, einer Strecke, welche nur 
wenig über 10 km beträgt, ist jedenfalls eine wesentliche Selbstreinigung 
nicht zu erwarten. 

Als Trinkwasser wird das stark verunreinigte Leinewasser nicht be¬ 
nutzt. Magnesiumsalze wirken abführend, aber an die Grenze des noth- 
wendigen Gehaltes (226 ms pro Liter) würde das Leinewasser nicht heran- 
kommen. 

Au Chlor soll ein Wasser höchstens enthalten nach F. Fischer 85 ra *, 
nach Kübel und Tiemann 20 bis 30 mg . Diese Zahlen würden schon 
im Leinewasser erheblich überschritten sein. Aber auch in dem Leitungs¬ 
wasser der Stadt Hannover findet sich 40 bis 70, ja bis 80 CI. Das 
Reichsgesundheitsamt erklärt Wasser mit 318 bis 470CI noch nicht 
für direct schädlich. 

Das Bedenklichste ist der Gehalt an Chlormagnesium. Dieses soll 
im Wasser so lange unschädlich sein, als es sich nicht durch den Ge¬ 
schmack zu erkennen giebt. Da die „Geschmäcker“ verschieden sind, so 
ist die Grenze keine feststehende. „Feinschmecker“ sollen noch die 
lOOOOste Verdünnung der Endlaugen schmecken, ich war nicht im Stande, 
eine solche Verdünnung des Wassers mit Endlaugen bei Herrn Geheim¬ 
rath Kraut herauszuschmecken. An der Oker sind Klagen über die 
etwaige Schädigung der Fischzucht nicht bekannt geworden. Die Grenze 
der Schädlichkeit liegt nach Krieg und Haselhoff für 7 bis 10° Wasser¬ 
temperatur bei 6 bis 7 Chlormagnesium im Liter. Nach Weigelt 
und Hulwa kann sich die Fischerei Chloride bis zu einem verhältniss- 
mässig hohen Grade gefallen lassen, ablaufende Flüssigkeiten sollen nicht 
mehr als 10 pro mille gelöste Mineralstoffe enthalten, mit Ausnahme von 
XaCl und CaCL, diese dürfen bis 30 pro mille enthalten sein. 

In der Leine werden öfter grosse Fischsterben schon jetzt beobachtet, 
besonders flussabwärts von Hannover, und man neigt auch hier zu der 
schon von T hörn er vertretenen Ansicht, dass die Fische aus Mangel an 
Sauerstoff zu Grunde gehen, wenn das Wasser erst oberhalb gestaut ist, 
daun durch die Fluth die abgesetzten Schlammmassen aufgerührt werden 


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Einleitung von Kaliabwässeun in Flüsse. 


285 


und sich oxydiren. Nach den neueren Untersuchungen von Koenig und 
Hüunemeier ist die Ursache des Fischsterbens nicht Sauerstoffmangel, 
sondern es sind schädliche Bestandtheile im Wasser (Salze, Färb- und 
Geruchstoffe). 

Auch in dieser Richtung ist bei der Leine schon die Grenze über¬ 
schritten. Die Leine ist bereits fischarm geworden, wie die weitere Ein¬ 
leitung der Endlaugen wirken würde, ist nicht abzusehen, Günstiges ist 
auf keinen Fall anzunehmen. 

In der Landwirthschaft wird das Leinewasser viel verwendet. Nach 
Künnemann ist Wasser 

mit 20 Chlormagnesium pro Tag für junge Schweine unschädlich, 

,, 60 ,, ,, ,, „ „ Schafe „ 

„ 800 „ „ „ „ „ Pferde schädlich. 

Wasser mit 1 Chlormagnesium im Liter würde kaum ernstliche 
Störungen bei Thieren hervorrufen, eine Grenze, die wohl nicht erreicht 
wird. Aber bei einer gewissen Concentration werden die Thiere das 
Wasser überhaupt nicht mehr saufen. 

Für die Berieselung sind nach König Wässer mit 1 Chlor¬ 
magnesium auf die Dauer zu verwerfen. Die Grenzwerthe des Salzgehaltes 
des Wassers liegen für die Landwirthschaft nur wenig über den Grenzen, 
die man stellt, wenn der natürliche Geschmack des Wassers sich nicht 
ändern soll. Salzmengen von 500 im Liter sollen für den Graswuchs 
bedenklich sein, und namentlich schädlich soll die dauernde Verwendung 
solchen Wassers sein. Werden Gräser mit stark salzhaltigen Wässern be¬ 
rieselt und es brennt die Sonne darauf, so werden diese Gräser „verbrannt“ 
und gerade salzhaltige Zuflüsse lassen sich erfahrungsgemäss sehr schwer 
gleichmässig im Wasser vertheilen, da ist die Zufuhr an concentrirten 
Salzlösungen beim Heraufpumpen auf die Wiesen durchaus möglich. 

König fand, dass Chlormagnesium lösend auf die Bestandtheile des 
Bodens wirkt, die natürlichen Gesteine werden wohl kaum angegriffen, 
wohl aber die Zeolithe und Basalte. 

Salzhaltiges Wasser laugt den Boden aus, die Wiesen werden kalkarm, 
das Wasser härter, Chlormagnesium soll auch zur Verschlickung des 
Bodens beitragen. Man hüte sich ja, diese Vorgänge zu unterschätzen. 
Beyschlag, Ohlmüller und Orth betonen neuerdings die Versäuerung 
und Versumpfung der Wiesen durch Kochsalz und Chlormagnesium, und 
die besonderen Gefahren in dieser Richtung im trockenen Sommer und 
bei Stagniren des Wassers. Inwieweit im Boden das Chlormagnesium in 
Wirkung tritt und wie, das ist eine noch unaufgeklärte Frage. Nach 
Maercker ist Wasser mit 19*5Theilen Chlormagnesium in 100 000 Theilen 
Wasser für die Vegetation unbedenklich. 


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286 


Heinrich Berger: 


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In den Herrenhäuser Gärten bei Hannover sind bei der schon längere 
Zeit beobachteten und immer mehr zunehmenden Verunreinigung des 
Leinewassers zahlreiche Schädigungen der Pflanzen entstanden. Das Be- 
giessen und Besprengen mit Leinewasser musste eingestellt werden, die 
Pflanzen wurden krank und gingen ein, es mussten Brunnen angelegt 
werden und Sammelstellen für Regenwasser. Am Rasen sind bisher 
Schädigungen nicht beobachtet. Schon jetzt ist beim Spülen der Fontainen 
im Grossen Garten in Herrenhausen stellenweise unangenehmer Geruch 
aufgefallen. Was weiter bei einer Verschlechterung des Wassers eintreten 
würde, das ist zur Zeit noch nicht zu übersehen, jedenfalls besser wird 
es nicht. 

Das Leinewasser wird in Hannover und vor Hannover vielfach in 
Gewerben verwendet. Das Bedenkliche in dieser Richtung ist eine grosse 
Härte des in Frage kommenden Wassers beim Waschen und Kochen. 
Wäschereien und Färbereien müssen grössere Ausgaben für Seifen verbrauch 
bei hartem Wasser machen, Cochenille und Holzroth und mehrere Theer- 
farben ändern sich in dem veränderten Wasser, doch wird es wohl nur 
an wenigen Orten in Betracht kommen, an der Leine braucht diese Rück¬ 
sicht nicht genommen zu werden. Störungen entstehen bei Brennereien. 
Brauereien und Zuckerfabriken, für letztere wirkt höherer Salzgehalt melasse¬ 
bildend. Die Lindener Zuckerfabrik giebt an, durch Einleitung der Laugen 
aus den Alkaliwerken Ronnenberg in die Beke einen Schaden von 24 50011 
erlitten zu haben. 

In Gerbereien und Leimfabriken löst sich mit hartem Wasser ge¬ 
kochter Leim sehr schwer auf, für Papierfabriken verliert der vegetabilische 
Leim seine Bindekraft. 

Nach Franzius und Sonne ist Wasser mit 18 Härtegraden für 
alle Zwecke brauchbar, Bernburg ist glücklich, 84 Grad hartes Wasser zum 
Haus- und Wirthschaftsgebrauch zu haben, Göttingen hat sogar 40 Grad 
hartes Wasser. Chlormagnesiumhaltiges Wasser wirkt weiter beim Speisen 
der Dampfkessel schädlich, es kann in den Kesselstein mit übergehen und 
da HCl abspalten, es wirkt rostbildend und die Kesselwände direct an¬ 
greifend, indem sich Chlormagnesium bei Berührung der heissen Kessel¬ 
bleche in Magnesium und Salzsäure spaltet und letztere die Eisentheile 
angreift., das tritt nach Pr echt erst bei einem Gehalt von Chlormagnesium 
von über 10 Procent ein, daran müsste rechtzeitiges Abblasen hindern. 

Abnutzungen des Eisenblechs und Rosten der Wasserräder treten an 
den Stellen auf, zu welchen die Luft zutreten kann. 

In den Gewerben wird vielfach das Wasser eingedampft, wodurch 
viel concentrirtere Lösungen zu Stande kommen, als im ursprünglichen 
Wasser, daraus folgen denn auch ganz andere Wirkungen. Chlornatrium, 


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Einleitung von Kaliabwässekn in Flüsse. 


287 


Chlorkalium, Chlormagnesium sind zwar geruchlos, aber trotzdem nicht 
Chlorkalk und Aehnliches entsteht, so wird man doch die in den End¬ 
laugen befindlichen Salze nicht indifferent nennen können. 

Als wichtiger Factor für die Beseitigung der Magnesiumsalze und der 
Chloride wird endlich der Austausch zwischen Fluss- und Grundwasser 
angeführt und die Absorptionsfähigkeit des Bodens. 

Wie schon oben angeführt wurde, ist das Leinebett lehmig und hoch¬ 
gradig verschlammt, zunächst also eine Ablagerung möglich, dann aber 
wohl auch ein Uebertritt aus dem Flusswasser in das Grundwasser, an 
den Beziehungen zwischen Leine- und Grundwasser kann kein Zweifel sein. 

Nun hat die Grossstadt Hannover-Linden mit gegen 300000 Ein¬ 
wohnern eine GrundwasserVersorgung, welche ihr Wasser aus der Nähe 
der Leine entnimmt. 


Wasserwerks gegenüber Grasdorf 

Fig. 1. 

Aus der Skizze (Fig. 1) ist zu ersehen, dass die Leine, nachdem sie 
die Innerste aufgenommen hat, an dem Dorf Rethen vorbeifliesst, wo die 
Einleitung der Endlaugen von Hohenfels geplant ist Dicht unterhalb 
Rethen liegt das Dorf Grasdorf, etwa 1 • 3 km (Einfluss der Beke unterhalb 
Rethen bis Grasdorfer Brücke) von Rethen entfernt, dann folgen die Dörfer 
Laatzen, Wülfel und Döhren mit einer grossen Wollwäscherei. 

Gegenüber Grasdorf, auf dem anderen Ufer der Leine, befindet sich 
eine Pumpstation des Stadt Hannoverschen Wasserwerkes, die Entfernung 
der Brunnen beträgt schätzungsweise von der Leine 150 bis 200 m . Dieses 
Wasserwerk ist gewissermaassen ein Hülfswasserwerk, das Hauptwasserwerk 
ist dichter bei Hannover, bei der Ortschaft Ricklingen an dem Winkel, 



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288 


Heinrich Beegeb: 


welchen der von der Leine abgehende sogenannte „Schnelle Graben“ mit 
der zur Leine fliessenden Ihme bildet, südlich von Linden. Die näheren 
Verhältnisse sind ans der beigegebenen Karte (Fig. 2) ersichtlich. Za 
derselben ist zu bemerken, dass der Schnelle Graben, gleich nachdem er 
von der Leine abgezweigt ist, über ein Wehr muss. Die von der Pnmp- 



Fig. 2. 


Station ausgehenden zwei punktirten Linien bezeichnen die alten und die 
neuen Brunnenanlagen, die gezeichneten Curven bezeichnen die Grand¬ 
wasserstände, wie sie im städtischen Wasserwerk verzeichnet sind (ich 
verdanke dieselben der Direction). 


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Einleitung von Kaliabwässebn in Flüsse. 


289 


Die Abgangsstelle des Schnellen Grabens von der Leine liegt von 
dem Wasserwerk gegenüber Grasdorf etwa 8*6 km entfernt, die Entfernung 
der Hauptpumpstation von der Vereinigungsstelle des Schnellen Grabens 
mit der Ihme beträgt etwa 850 m ; von den in dem Winkel zwischen Leine 
und Schnellem Graben hinziehenden Brunnen ist der äusserete von der 
Leine etwa 70 bis 80“ entfernt Die Richtung des Grundwasserstromes 
wird durch den Pfeil angedeutet. 

Dass Beziehungen zwischen dem Leinewasser und dem Grnndwasser 
bestehen, daran kann gar nicht gezweifelt werden, zahlreiche Beobachtungen 
haben dies dargethan. Wenn auch das Leinebett stark verschlammt ist, 
so ist das Flussbett damit noch keineswegs abgedichtet, und bei Hoch¬ 
wasser ändern sich sonst bestehende Verhältnisse, mit Hochwasser ist aber 
bei der Leine zu rechnen. Bei Hochwasser dringt Flusswasser in erhöhtem 
Maasse in den Untergrund. Besonders durchlässig muss aber das Bett 
des Schnellen Grabens sein, hier findet sich ein mehr kiesiger Untergrund. 
Aus dem Plan ergiebt sich auch, wie die Grundwassercurven jenseits des 
Schnellen Grabens durch die Saugwirkung noch abgelenkt werden. Syste¬ 
matische Untersuchungen über die Depressionscurven sind mir nicht be¬ 
kannt. Aber es kann als sicher angenommen werden, dass auch das 
Wasser des Schnellen Grabens der saugenden Kraft der Pumpstation 
unterworfen ist. 

Nach Jaeger geht das im Flusswasser enthaltene Chlor unverändert 
durch den Boden, überhaupt je stärker der Fluss verunreinigt ist, desto 
mehr abnorme Zusammensetzung wird auch das Grundwasser zeigen. 

Mit Recht weist Gärtner zur Entscheidung der Frage, ob Fluss¬ 
oder Grundwasser geschöpft wird, auf die Wichtigkeit des Thermometers 
hin. Tritt Flusswasser zum Grundwasser, so muss letzteres je nach der 
Flusstemperatur — und diese bängt von den Jahreszeiten ab — eine Er¬ 
wärmung oder Abkühlung erfahren. Derartige systematische Untersuchungen 
liegen mir nicht vor. 

Aus den Analysen des Flusswassers und des städtischen Leitungs¬ 
wassers geht aber hervor, dass ein Zusammenhang als sicher anzunehmen 
ist, darauf weisen besonders Chlorgehalt und Härte hin. 

Ich gebe zunächst einige Analysen des Leinewassers oberhalb und 
unterhalb Hannovers und auch der Ihme an und die daraus sich ergeben¬ 
den Mittelzahlen, wobei zu bemerken ist, dass die Mittelzahlen für das 
Leinewasser bei Seelze besser nur aus den Analysen I. und III. genommen 
werden, II. zeigt zu auffallende Abweichungen. 

I. Leine oberhalb der Wollwäscherei und Kämmerei in Döhren (ober¬ 
halb Hannovers). 

Zeitschr. f. Hygiene. XLI. ' 19 


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290 


Heinrich Berger: 


Milligramm im Liter. 



l 

2 

3 

4 

5 

6 

i 

Kalk 

1888 
25. Mai 
130.7 

1888 

14. Juni 

139*7 

1888 
19. Juli 
114*4 

1888 1 

1. Octbr. 

155*9 

1889 

2. Juli 
152-5 

1891 

7. Novbr. 
156-6 

1892 1 
11. Sqit 

163-1 

Magnesia 

29*6 

21*5 

31-9 

31 -1 

30.4 

31-3 

33-1 

Schwefelsäure 

95-8 

108*0 

91*9 

130-1 

116-9 

125.1 

143-0 

Chlor 

679 

74*8 

530 

98*0 

102-6 

98*0 

114-9 

Härtegrade 

17-20 

16*98 

15*91 

20-94 

19-50 

20-04 

20-94 


Zu Verbindungen geordnet: 



1888 

1888 

1888 

1 

1889 

1891 

1892 1 


25. Mai 

14. Juni 

1. Oct. 

2. Juli 

7. Not. 

11. Jvjt. 

Chlornatrium 

105-9 

117 

• 1 

154- 

6 

148-6 

156-7 

174-6 

Chlorkalium 

7-8 

8 

-0 

9- 

1 

17-3 

6-1 

12-1 

Kohleusaures Natron 

14-3 

7 

• 2 

19- 

8 

— 

3-8 

— 

Chlormagnesium 

— 

— 

- 

— 


5-7 

— 

4-4 

Kohlensäure Magnesia 

62-2 

45- 

2 

65* 

3 

58-8 

65*7 

650 

Kohlensaurer Kalk 

113-7 

114 

5 

115- 

8 

126-2 

123-3 

112 5 

Schwefelsaurer Kalk 

162-9 

183 

6 

221- 

2 

198-7 

212.7 

244-0 

Kieselsäure 

7-7 

12 

6 

9- 

5 

8-0 

8-9 

7-4 

Summe 

474-5 

GO 

00 

2 

595- 

2 

563-3 

577-2 

~620-6 


Zwei ältere Analysen des 

Leinewassers 

von Kreusler und Stro- 

meyer ergaben im Liter Milligramm: 





Kreusler 

A. Strome} - 

er 


Kalk 

124-0 

141*1 



Magnesia 

26-0 

25*8 



Schwefelsäure 

120-0 

107*5 



Härtegrade 

16-04 

17-72 


Leine bei Seelze an der Brücke nach Havelse 

Ihme unter der Eisenbahn 

unterhalb Hannovers. 


brücke der Gasanstalt 


Milligramm im Liter. 


l 

2 

3 

l 

2 

1900 

1901 

1901 

1891 

1901 

19. Septbr. 

27. März 

12. Juli 

10. Novbr. 

11. Juli 

158-0 

116-0 

160-5 

159-4 

155-4 

31-0 

22-3 

46-7 

29.6 

38-9 

126-8 

72.1 

138-0 

125-2 

131.5 

114-7 

53-1 

139-7 

101-6 

121-1 

20 04 

14-70 

22-60 

20-08 

20 99 


1 Bei besonders niedrigem Wasserstand geschöpft. — 1 Liter Wasser vom 11 . Sept. 
1892 hielt 2-03 Tn * Salpetersäure, die bei der Berechnung nicht berücksichtigt ist. 


Difitized 


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Original frurn 

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Einleitung von Kaliabwässern in Flüsse. 


291 


Zu Verbindungen geordnet. 


1900 

1901 

1901 

1891 

1901 

19. Septbr. 

27. März 

12. Juli 

10. Novbr. 

11. Juli 

173.0 

83-2 

182-6 

158-6 

174-5 

11-1 

5-6 

11-3 

11-5 

9-2 

— 

7-8 

— 

1-9 

— 

7-2 

— 

31-6 

— 

14-6 

58-8 

46-8 

70-1 

62.2 

68-9 

123.6 

117.0 

73-9 

128-1 

111.3 

215.6 

122.6 

234-6 

212.8 

223-5 

8-9 

10.7 

5-2 

8-8 

4-2 

598-2 

393.7 

609-3 

583-9 

606-2 


II. 

Mittelzahlen. 


Leine bei Döhren (1 his 7) 

Leine bei Seelze (1 bis 3) 

1. u. 3. 


Milligramm im 

Liter. 


1888 bis 1892 

1900 bis 1901 


Kalk 

144-7 


144-8 

159-3 

Magnesia 

29-8 


33.3 

38-8 

Schwefelsäure 115-8 


112-0 

132-4 

Chlor 

87-0 


103-5 

127-2 

Härtegrade 

18.8 


19-1 

21 - 3 


Zu Verbindungen geordnet: 




Mittel (6) 

Mittel (3) 

Mittel (2 u. 3) 

Chlornatrium 

• . • • 

142-9 

146-3 

177-8 

Chlorkalium 

• • • • 

10-1 

9-3 

11-2 

Kohlensaures Natron 

11.2 (4) 

7-8(1) 

— 

Chlormagnesium . . . 

5-1(2) 

19-4 (2) 

19-4 

Kohlensäure Magnesia . 

60-4 

58-6 

64-5 

Kohlensaurer Kalk . . 

117-6 

104-8 

98-8 

Schwefelsaurer Kalk. . 

203-9 

190-5 

225-1 


Es folgen dann einige Analysen des städtischen Lei tu ngs wassers in 
Hannover. (Siehe III.) 

Ich verdanke diese Analysen Herrn Geheimrath Kraut. 

Aus dem Vergleiche der Uebersichten ergiebt sich nun, dass im Leine* 
wasser bei Döhren, oberhalb Hannovers in den Jahren 1888 bis 1892 
der Kalkgehalt gestiegen ist von 130 «7 auf 163-1 
„ Magnesiagehalt . . . „ 29-6 „ 

„ Schwefelsäuregehalt . . „ 95-8 „ 

„ Chlorgehalt.,, 67-9 „ 

die Härte.,, 17-20,, 

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831 

143 

114-9 

20-91 

19 ' 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 






Härte schwankt von 16*55 bis 24*3 Grade. Mittel (15) von 1884 bis 1901 = 20*54°. Höchste Härte 24*3° October 1890. 


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292 


Heinrich Berger: 


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II 


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Original fro-m 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 


1878 eröfiuetou, städtischen Wasserwerke Hannovers. 
Milligramm im Liter: 













Einleitung von Kaliabwässebn in Flüsse. 


293 


In dem Leinewasser bei Seelze unterhalb Hannovers ist 1900 bis 1901: 

der Kalkgehalt gestiegen von 158 auf 160-5 

„ Magnesiagebalt . . „ 31 „ 46-7 

„ Schwefelsäuregebalt. „ 126*8 „ 138 

„ Chlorgehalt . . . „ 114*7 „ 139-7 

die Härte.„ 20*04 „ 22*60 

In der Ihme ist di<? Steigerung aus den angeführten Zahlen ebenfalls 
ohne Weiteres ersichtlich. 

Vergleicht mau die Mittelzahlen, so ergiebt sich von 1888/92 bis 
1900/1901 eine Steigerung 


des Kalkgehalts . . . von 144*7 auf 159*3 

„ Magnesiagehalts . „ 29*8 „ 38*8 

„ Schwefelsäuregehalts „ 115*8 „ 132*4 

„ Chlorgehalts. . . „ 87 „ li7*2 

der Härte.„ 18*8 „ 21*3 


Aus den Analysen des Hannoverschen Leitungswassers ergiebt sich 
von 1884 bis 1901: 


eine 

Steigerung des Magnesiagehalts. . 

von 

18*5 auf 

21 


Minderung „ Schwefelsäuregehalts 

?> 

119*2 „ 

110*7 


Steigerung „ Chlorgehalts . . . 

jj 

40*3 „ 

67*9 


„ der Härte. 

V 

20*23 „ 

20*94 


Schiebt man vergleichsweise das Jahr 1891, wie beim Leinewasser 
1892 dazwischen, so ergiebt sich: 


Kalkgehalt . 
Magnesia. . 
Schwefelsäure 
Chlor . . . 

Härtegrade . 


1884 bis 1801 

174*4 —187*8 
18-5 — 23*6 
119*2 —122-1 
40.3 — 78-7 
20-23— 22-08 


1900 bis 1901 

159 —180 

19*7 — 21 
75-3 —110*7 
52-7 — 67-8 
18*67— 20*94 


Diese Zahlen sprechen eine so beredte Sprache, dass mau darüber 
nicht weiter Erwägungen anzustellen braucht. 

Dieses Parallelgehen der Zahlen im Leinewasser und im Leitungs¬ 
wasser kann doch kein Zufall sein. 

Ich gebe ferner zur Uebersicht noch eine Zusammenstellung von 
Analysen des Leinewassers und des Leitungswassers für das Jahr 1900/01 
wieder, welche ich dem Director des städtischen, chemischen Unter¬ 
suchungsamtes in Hannover, Herrn l)r. Schwarz verdanke. (Siehe IV.) 


Digitized by 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 





294 


Heineich Bekgeb; 


IY. Leitanp 


April 

Mai Juni 

Juli Augu>t 

' 2. 

19. 

1. | 15. ' 1. | 15. 

2. | 16. , 1 . | 15. 


Abdampfrückstand . . . 

512-5 

537.5 

497-5 

520-0 

477-5^ 

532-5 

512-5 

542-5 

584-0 

549-J 

Glührückstand. 

456-5 

470-0 

435-0 

457-5 

440-0 

455-0 

450-0 

480-0 

504-0 

451 - « 

Glühverlust. 

56-0 

67-5 

62-5 

62-5 

37-5 

77-5 

62-5 

62-5 

80-0 

9s* j 

Kalk. 

184-0 

186-0 

191-0 

195-0 

181-0 

184-0 

173-0 

194-0 

203-0 

151-2 

Chlor. 

56-8 

67-4 

63-9 

60-3 

63-9 

71-0 

78-1 

71-0 

5H-25 

63-y 

Schwefelsäure. 

102-6 

117-9 

99-2 

100-0 

97-6 

103-3 

100-9 

111-2 

125-8 

bl*;-' 

Salpetersäure. 

Spur 

Spur 

Spur 

Spur 

Spur 

Spur 

Spur 

Spur 

Spur 

8} Qr 

Salpetrige Säure . . . . , 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

V 

Ammoniak. 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

ij 

Organische Substanz . . 

26-9 

23-7 

28-4 

34-8 

31-8 

28-4 

32-2 

30-0 

31-6 

15- s o 

Verbrauch an KMnU 4 . 

5-4 

4-7 

5-7 

6-9 

6-3 

5-7 

6-6 

6-0 

! 6-32 

3-i* 

„ 99 0 

1-3 

1-2 

1-4 

1-7 

1-6 

1-4 

1 -6 ! 

1-5 

l-5> 

0-T.« 

Eisenoxyd. 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 1 

1 — 

— 

— 

Gesammthärte. 

21-30 

21-55 

21-44 

22-90 

21-3 

21-95 

20-70 

22-7 

! 22-97 

17-M 

Temporäre Härte ... 

11-50 

i 11-95 

11-60 

11-90 

11-1 

11-30 

10-40 

! 10-8 

13-02 

fe-!* 

Bleibende Härte .... 

9-bO 

9-60 

9-84 

11-00 

10-2 

10-65 

10-30 

11.-9 

9-95 


Bakteriencolouieen im ccm 

9 

13 

i 

7 

15 

28 

26 

1 27 

1 14 

! 2 

3 


Abdampfrückstand . . . 

— 


507-5 1 

Glührückstand. 

— 

— 

CO 

c 

c 

Glühverlust. 

— 

— 

77-5 

Kalk. 

— 

— 

136-0 

Chlor. 

— 

— 

92-3 

Schwefelsäure.'■ 

— 

— 

92-3 

Salpetersäure.j 

— 

— 

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Salpetrige Säure . . . . 

— 

— 

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Ammoniak. 

— 

— 

soll. Sp. 

Organische Substanz . . 

— 

— 

94-8 

Verbrauch an KMnU 4 . 

— 

— 

18-9 

o 

— 

— 

4-6 

Eisenoxyd. 

— 

— 

— 

Gesammthärte. 

— 

— 

17-20 

Temporäre Härte .... 

— 

— 

7-35 

Bleibende Härte .... 

— 

— 

9-95 

Bakteriencolouieen im ccm 

i 



14720 


Leine 


520-0 

442-5 

627-5 

422-5 

425-0 

597-0 

604*“ 

452-5 

375-0 

541-5 

352-5 

352-5 

481-0 

479-:* 

67-5 

67-5 

86-0 

70-0 

72-5 

116.0 

127-5 

164-0 

103-0 

156-0 

117-0 

118-0 

130-0 

150-4 

95-8 

78-1 

106-5 

53-2 

67-0 

99-4 

106-5 

100-8 

105-2 

112-9 

76-9 

73-5 

115-9 

114-2 

sch. Sp. 

•oh. Sp. 

sch. Sp. 

sch. Sp. 

Sp. 

Sp. 


0 

0 

0 

0 

0 

9t 

n 

sch. Sp. 

sch. 8p. 

l.sch.Sp. 

0 

0 

** 

u 

91-6 

72-7 

82-2 

79-0 

74-3 

93-2 

72 -h.S 

18-3 

14-5 

16-4 

15-8 

14-9 

18-64 

14-5? 

4-6 

3*6 

4-1 

3-9 

3-7 

4 • 60 

| O-t ‘5 

20-15 

13-5 

20*90 

14-5 

14-60 

16-51 

18-57 

8-95 

5-0 

8-20 

7-0 

6-10 

7 • 22 

5-4- 

11-20 

8-5 

12-70 

7-5 

8-50 

9-49 

13-1 * 

6800 

4350 

4880 

7360 

3650 

, 5376 

i 370 

I 


i 


Digitized by 


Gck 'gle 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 


















Einleitung von Kaliabwässebn in Flüsse. 


295 


wasser. 


September 

October 

November 

December 

Januar 

Februar 

März 

3. j 17. 

1. 

15. 

1. | 15. 

3. | 17. 

2. 

15. 

1. 15. 2. 

15. 


>35-0 

602-0 

572-4 

586-4 

*547-0 

547-6 

566-4 

566-8 

539-2 

000-0 

480-0 

532-4 

457-5 

1414-0 

52-5 

557-0 

520-0 

533-2 

500-0 

489-2 

517-6 

514-0 

496-0 

545-6 

407-5 

470-0 

401*5 

378-4 

>2*5 

i 45-0 

1 52-4 

53-2 

47-0 

58-4 

48-8 

52-8 

43-2 

54-4 

72-5 

62-4 

56*0 

35-6 

72*0 

207-0 

194-0 

187-6 

162-4 

177-0 

173-6 

182-0 

171-6 

182-8 

154-4 

168-0 

1510 

140-0 

74-5 

78-1 

78-1 

85-2 

78-1 

71-0 

78-1 

63-9 

63-9 

63-9 

63-9 

60-35 

63-9 

56-8 

12-8 

116-6 

110-89 

117-3 

102-5 

98-0 

111-13 

110-10 

108-07 

114-99 

104-61 116-60 

04 

0 

0 

83-35 

Spor 

Spur 

Spur 

Spur 

Spur 

Spur 

Spur 

Spur 

Spur 

Spur 

Spur 

Spur 

Spur 

Spur 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

ü 

0 

0 

0 

0 

0 

• i 

0 

0 

0 

0 

o 

o 

0 

0 

36-3 

31-6 | 

39-5 

36-05 

19-45 

41-0 

33-20 

33-15 

31-5 

36-30 

25-25 

18-95 

345 

41-10 

7*3 

6-32 

7-9 

7-21 

3-69 

8-2 

6-64 

6-63 

6-3 

7-26; 

5-05 

3-79 

6-9 

8-22 

1-8 

1-58 

1-97 

1-80 

1-00 

2-0 j 

1-66 

1-66 

1-5 

1-8 j 

1-26 

0-95 

17 

2-05 

20-10 

24*07; 

22-64 

22-26; 

18-97 

22-0 

20-18 

21-70 

20-28 

21-32 

18-0 

19-36 

20*2 

16-9 

12-2 

9-50 

10-70 

11-56 

7-44 

12-6 

10-68 

10-04 

10-16 

10-60 

10-4 

9-20, 

9-2 

7-2 

7-y 

14-57 

11-94 

10-70 

11-53 

9-4 

9-50 

10-66 

10-12 

10-72; 

7-6 

10-16 

11*0 

9-7 

7 

2 

5 ' 

i 

3 

! 

2 | 

5 

3 

9 ( 

2 

5 1 

768 

4 i 

56 , 

14 


wasser. 


62-0 

610-0 

610-5 

610-4 

; 396.5 

536-8 

524-0 

44-36 

226-0 

— 

1 

570-0 

1 _ 

40-88 

>- 7*5 

531-6 

547-2 

556-8 

' 326-5 

462-4 

468-0 

410-8 

192-5 


— 

181-0 

— 

350-4 

^ 2*5 

88-4 

63-3 

53-6 

| 70-0 

74-4 

56-0 

| 32-8 

33-5 


— 

89-5 

— 

58-4 

1 HB *0 

185-0 

144-0 

153*8 

110-4 

| 

156-0 

135-2 * 

| l 30-2 

64-75 

— 

— 

216-4 

— 

116-8 

113-6 

127-8 

120-7 

106-5 

63-9 

92-3 

92-3 

1 71-0 

1 

28-4 

— 

— 

99-4 

— 

71-0 

117-9 

136-5 

126-22 

123-8 

81-9 

106-6 

102-9 

j 77-52 

35-5 

_ 

— 

81-97 

— 

72-85 

* ch . J > jj . 

Sp. 

Sp. 

Sp. 

Sp. 

Sp. 

Sp. 

Sp. 

Sp. 

' — 

— 

Sp. 

— 

Sp. 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

! - 

— 

0 

— 

0 

« h . Sp. 

0 

0 

eeh. Sp . 

0 

0 

0 

0 

0 

i ~ 

— 

0 

— 

0 

104-3 

86*90 

97-95 

169-05 161-5 

158-0 

137-45 

126-40 

168-4 


— 

52-1 

— 

69-5 

20-9 

17-38 

19-59 

33-89 

32-5 

31-6 

27-49 

25-28 

33-68 

— 

— 

10-42 

— 

13-9 

5-2 

4*34 

4-90 

8-45 

8-0 

7-9 

‘ 6-87 

6-21 

8-42 

— 

— 

2-60 

_ j 

— 

3-5 

20 - S 0 

21-02 

19-16 

19-94 

13-9 

19-67 

18-12 

16-30 

11-77 

— 

— 

30-6 

— 

14-82 

10*55 

; 9-00 

6-72 

9-20 

7-16 

11-6 

5 - 92 | 

6-48 

1 -60 

— 

— 

12-2 

— 

5-6 

10*25 

i 12-02 

12-44 

10-74 

6-74 

8 - 07 ! 

12-2 1 

9-82 

10-17 

— 

— 

18-4 

— 

9-22 


740 

1300 

11000 ; 

18400 

7520 | 

11200 , 

1 

8120 

j 


1 

1 

950 , 

' 1 

1 

840 


Digitized by 


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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 






296 


Heinbich Bebgeb; 


Zusammenstellung. 


Im Liter sind enthalten ) 

Leitungswasser 

Leinewasser 

Milligramm 

Maximum | 

Minimum > 

Maximum 

Minimum 

Abdampfrückstand . . . 

602-0 

414-0 

627-5 

226-0 

Glührückstand. 

557-0 

378-4 

556-8 

192*5 

Glühverlust. 

45*0 

35-6 

127-5 

33*5 

Kalk. 

207-0 

140-0 

216-4 

64*75 

Chlor. 

85-2 

53-25 | 

127-8 

28-4 

Schwefelsäure. 

125-8 

83-35 1 

136-5 

35*5 

Salpetersäure. 

Spur 

Spur 

Spur 

schw. Spur 

Salpetrige Säure .... 

0 

0 

0 

0 

Ammoniak. 

0 

0 

i 

Spur 

0 

Organische Substanz . . 

41-1 

15-80 

169-05 

52-1 

Verbrauch an KMnü 4 

8-2 

3-16 

33-81 

10*42 

„ „ o 

2-05 

0-70 

8-45 

, 2*6 

Eisenoxyd. 

— 

— 

— 

- 

Gesammthärte. 

20-07 

16-9 

30-6 

11*77 

Temporäre Härte .... 

13-02 

7-2 

12-2 

1*60 

Bleibende Härte .... 

14-57 

7-6 

18-4 

10*17 

Bakteriencolonieen im ccm 

768 

2 

18 400 

I 

740 


Zum Vergeich mit anderen städtischen Wässern füge ich eine Ueber- 
sicht noch bei. (Siehe V.) 


Fr ofiLs chnitl durch die. Jlune 


H7,73 


Frofilsch n ifL durch die leim 




13,1» 


Saugrohr Saugrohr • 

HG,7 

Fig. 3. 

Profilschnitte durch die Leine und Ihme lassen deutlich erkennen, 
dass bei der Ihme die Grundwasserverhältnisse ganz anders liegen, als 
bei der Leine. (Vergl. Fig. 3.) 

Flügge macht darauf aufmerksam, dass man früher hauptsächlich 
Beobachtungen verzeichnet hätte, nach welchen das Grandwasser wohl in 
das Flussbett Übertritt, aber nicht umgekehrt, und es ist ja in der That 


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Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 












Nach einer Zusammenstellung in F. Fischer’s chemischer Technologie des Wassers über Quellwässer (sogenannte 
Gruudwässer), welche für städtische Wasserversorgung verwendet werden, waren in 1 Liter enthalten Milligramm: 


Einleitung von Kaliabwässern in Flüsse. 297 


Untersucht von 

Hartenstein 

Wachendorff 

Hoedt 

Schürmann 

Hartenstein 

Hartenstein 

Siwert 

F. Fischer 

Kolbe 

Grüneberg 

Baumann 

Hartenstein 

p UTrjS’.'jOtU'JUl Ullisor) 

175 

558 

155 

124 

181 

205 

441 

440 

229 

258 

131 

(O'VN) n0J ?*N‘ 

i -- oi ao o | -h co oo 1 | 

1 Ol *-« Ol 1 CD N H ^ 1 1 

(0*3) 

Spur 

2 

9 


coaccoooiot'-iocoaioocoio 

^ i—< i—« 

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1 c* r« o | | »—• co »—* P cd | 

1 Ol 1 1 Ol Ät Ol 1 

CO 

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134 

27 

31 

122 

146 

70 

75 

97 

qosiatj^Jo 

IOIOO 

Ol Ol Ol Ol ^ ^ 1 Ol 

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Ol Ol 

■4-3 

Fh 

o 

1 

Bochum. 

Bonn. 

Crefeld. 

Dresden. 

Essen. 

Gelsenkirchen . . . 

Halle a/S. 

Hannover , . . . . 

Leipzig. 

Mühlheim a/Rh. . . 
Strassburg . . . . 
Witten. 


Difitized by Gougle 


Original frnm 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 











298 


Heinbich Bebgeb: 


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leicht einzusehen, dass das im Flussbett dahin fliessende Wasser ganz wie 
wir das im Laboratorium sehen, ansaugend auf das Grundwasser neben dem 
Flusse wirken muss. Freilich waren bereits einige Ausnahmen registrirt. 

Flügge stellt die grosse Durchlässigkeit des Oderbettes fest und 
erklärt den höheren Kalkgehalt des Leitungswassers, dieses trifft für 
Hannover auch zu. Systematische Analysen, Studium der Depressious- 
curven, Temperaturmessungen werden unzweifelhaft einen Zusammenhang 
des Leine-, bezw. Ihmewassers mit dem Leitungswasser darthun, über 
welchen überhaupt schon jetzt ein Zweifel nicht möglich ist. 

Die hygienische Bedeutuug des Zutritts des Flusswassers zum Leitungs¬ 
wasser ist nach Flügge nicht hoch anzuschlagen, die Infectiousgefahr 
wird nicht erhöht, in Breslau genügt eine wenige Meter dicke Boden¬ 
schicht, Keime aus dem Wasser fern zu halten. 

Nun kommen allerorts ja verschiedene Verhältnisse in Betracht, aber 
die Beobachtungen Flügge’s von den Bakterien als allgemein gültig an¬ 
genommen, so gilt das noch nicht für anorganische Stoffe, auch die Ver¬ 
unreinigungen damit können uns nicht gleichgültig sein. Dann aber ist 
bei der Thätigkeit der Pumpwerke eine Auswaschung des Bodens zu be¬ 
rücksichtigen, der Boden behält nicht seine natürliche Beschaffenheit, dazu 
gesellen sich noch die verändernden Lösungsverhältnisse des salzigen Wassers. 

Wie oben schon gesagt, wird Hochwasser, das bei der Leine öfter 
eintritt, besonders das Grundwasser beeinflussen. Dieser Ansicht ist auch 
Kruse. 

Ohlmüller begutachtete 1890 das Wasser in Magdeburg. 

Er fand, dass in Folge der Versalzung der Elbe auch von dem Filter 
des städtischen Wasserwerkes ablaufendes Wasser eine Zunahme an Chlor, 
Schwefelsäure, Kalk und Magnesia zeigte. 

Es fanden sich Milligramm im Liter: 





Chlor 

Schwefelsäure 

Kalk 

Magnesia 





SO,, 

CaO 

MgO 

am 

26. VI. 

89. 

126 

58-2 

53-8 

14-7 


22.X. 

89. 

112 

68-3 

34-5 

— 

?> 

18. VIII.91. 

318 

100-6 

68.4 

30-8 

5? 

10. XI. 

91. 

470 

112-5 

78-1 

29-2 


Ohlmüller kommt zu dem Schluss, dass, wenn auch zwar eine 
directe Schädigung der Gesundheit durch den Genuss des Wassers in ab¬ 
sehbarer Zeit nicht zu befürchten sei, trotzdem seine Verwendbarkeit als 
Trinkwasser in absehbarer Zeit in Frage gestellt werden könne und zwar 
wegen seines Geschmackes. Das Gutachten hebt noch hervor, dass sich 
eine Verlegung der Wasserwerke empfiehlt (die Verunreinigungen der Elbe 
machen sich auf dem linken Ufer viel stärker bemerkbar als auf dem rechten). 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Einleitung von Kaliabwassebn en Flüsse. 


299 


Man kann doch wohl, wenn die kostspieligen Wasserversorgungs¬ 
anlagen grosser Städte auch nur entfernt in Frage gestellt werden können, 
nicht über die Entscheidung im Zweifel sein, zumal es sich um Einleitung 
in einen schon im höchsten Grade verunreinigten Fluss handelt, dessen 
Wasser jetzt in verschiedener Richtung eben noch verwendbar ist, dessen 
Verwendung dann wahrscheinlich auch sonst ganz unmöglich würde, ab¬ 
gesehen von eventuellen directen Schädigungen. 

Ferner aber wird der Uebertritt von Flusswasser ein bedeutender 
werden bei stärkerer Inanspruchnahme des Leitungswassers, und diese 
ist bei einer wachsenden Grossstadt ohne Weiteres gegeben. 

Das Hülfswasserwerk bei Grasdorf liegt nur l-3 km unterhalb der 
Einmündung der Endlaugen von Hohenfels und das für das Leitungs¬ 
wasser in Betracht kommende Grundwassergebiet liegt wieder nur 8 • 6 km 
flussabwärts. 

Da ist von einer Selbstreinigung des Flusses noch nicht viel die Rede. 
Auch darauf sei noch hingewiesen, dass gerade in der Leine allerhand 
Ungeziefer für eine Communication zwischen dem verschlammten Flussbett 
und dem Grundwasser sorgt 

Nun wird eingewendet, das ist ja jetzt schon alles der Fall, die Leine 
ist jetzt schon sehr stark verunreinigt, all das Ausgeführte ist jetzt schon 
da und zahlenmässig ist bewiesen, dass die Veränderung, welche durch 
die Einführung der Kaliendlaugen hervorgebracht würde, nur eine ganz 
geringfügige ist, es handelt sich nicht um etwas Neues, sondern nur um 
ein ganz geringes, in vielen Fällen nur für den Analytiker wahrnehmbares 
Plus, dieses Plus ist so verschwindend, dass eine neue Schädigung in 
gewerblicher, landwirtschaftlicher, hygienischer Beziehung ausgeschlossen 
ist, dass die geringe Veränderung aber wenigstens erträglich ist 

Eine Beeinträchtigung der Brunnenanlagen im Gebiete des Flusses 
ist wohl nicht zu bezweifeln, es soll durchaus zugegeben werden, dass die 
tiltrirende Kraft des Bodens eine sehr grosse ist, aber schon oben ist 
darauf hingewiesen worden, dass wir durchaus noch nicht übersehen 
können, welche Aenderungen sich einstellen werden. 

Auch im Uebrigen sollen neue Schädigungen nicht hinzutreten, das 
ist aber nicht richtig, über den Einfluss der verunreinigten Wasser auf 
Landwirtschaft, Fische, Gewerbe sind die Acten durchaus noch nicht 
geschlossen, da stehen uns noch durchaus nicht einwandfreie Beobachtungen 
zu Gebote. Im Leben sind die Vorgänge zu complicirt, als dass sie ohne 
Weiteres durchsichtig wären, und dass Schädigungen nahe liegen, das 
wird ja schon dadurch, auch von denen, die solche ableugnen, zugegeben, 
dass sie versuchen, die Schädigungen auf das kleinste Maass zurück¬ 
zuführen. Der Behauptung, dass es sich nur uni geringe Veränderungen 


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Gck igle 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



300 


Heinbich Berger: 


handle, die nicht ins Gewicht fallen, kann man ebenso entgegenhalten, 
eine Grenze muss aber doch da sein, wo liegt diese, hat man diese Grenze 
nicht offenbar schon überschritten, nach den zu Tage tretenden Schädigungen 
zu urtheilen? 

Reine Flüsse sind überhaupt heutzutage eine Seltenheit, man ver¬ 
langt aber von keinem Fluss mehr heute, dass er ein Schwan sei 

Wenn man eine Grenze der Verunreinigung aufstellen kann, dann 
ist die höchstzulässige doch die, dass ein Wasser widerlich wird, und das 
ist bei der Leine bereits der Fall, ich kenne viele, die auf den Genuss 
des Schwimmens verzichten, weil das Leinewasser zu unsauber geworden ist. 

Die angestellten Berechnungen beziehen sich auf die Endlaugen von 
2000 Doppelcentnern täglicher Carnallitverarbeitung, nun sind diese End¬ 
laugen nichts weniger als constant in ihrer Zusammensetzung, wie aber, 
wenn es nicht bei den Endlaugen bleibt? Wie stellen sich die Zahlen, 
wenn Kieserit mit verarbeitet wird, wie es vielfach geschieht, günstiger 
doch auf keinen Fall. AVie steht es weiter, wenn Schachtwässer auftreten? 
Die Kalibergwerke haben alle mehr oder minder mit Bergwässern zu 
rechnen und es ist für die in Betracht kommenden Verhältnisse sehr be¬ 
zeichnend, dass 1898 das Wasser der Innerste, in Folge der Einleitung 
von Schachtlaugen der Goslar-Salzdetfurther Kaliwerke so verschlechtert 
wurde, dass es in der Industrie Schädigungen anrichtete, obwohl es erst 
18-3 Härtegrade zeigte. Also die Verhältnisse liegen gar nicht so einfach, 
da muss alles zusammen berücksichtigt werden, man kann nicht einen 
Factor, wie hier die Härte herausgreifen. 

Soll bei einem Wassereinbruch in den Schacht das Auspumpen dieses 
und die Ableitung auch gestattet sein, soweit nicht die 30 normirten 
Härtegrade überschritten werden? Folgerichtig würde das auch zu ge¬ 
statten sein. Das dürfte aber kaum angängig sein, und das Einzige würde 
da sein, den Schacht ruhig ersaufen zu lassen. 

Rubner und Schmidtmann weisen auch auf die Beschaffenheit 
der Kaliendlaugen hin, welche auf Brom verarbeitet worden sind, welche 
in der Menge zwar nicht verändert, sauer reagiren und freies Chlor ent¬ 
halten. Wo diese Laugen in Flüsse geleitet werden, müssen diese beiden 
Uebelstände beseitigt werden. 

Die Zunahme der Härte ist ja an sich bei der Leine schon recht 
schwerwiegend, hier würde theilweise eine Einleitung der Abwässer nicht 
möglich sein, wenn die Grenze von 30° nicht überschritten werden soll. 
Darf eine Fabrik nun soweit einleiten, bis als höchste Härte das Wasser 
des Flusses 30° erreicht, dann ist jede flussabwärts gelegene Fabrik von 
den flussaufwärts gelegenen abhängig. Bei allen Berechnungen ist nun 
angenommen, dass sich die zufliessende Lauge gleichmässig im Wasser 


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Einleitung von Kaliabwassern in Flüsse. 301 

vertheilt, und dann gelten ja die angegebenen Zahlen, die ausgerechneten 
Verdünnungen. Das ist aber gerade bei den Kalilaugen erfahrungsgemäss 
nicht der Fall. Lehrreich sind die Erfahrungen an der Elbe, da hat 
Kraut an jeder Stelle, in jeder Tiefe des Flusses von einander abweichende 
Zahlen gefunden (siehe oben) und das war 6 Meilen unterhalb der Ein¬ 
mündung der Saale. Bei einem Wehr sammelt sich die concentrirte 
Salzlösung in der Tiefe an, wie Römer bei Rothenburg a./Saale fand, 
da waren in einer Tiefe von l m 1800—2500CI, bei l*5 m Tiefe 
35650 ra? CI und bei 3 bis 5 m Tiefe 41241CI vorhanden, also 
Schwankungen um das 20 fache. 

In der Leine finden sich verschiedene Stauanlagen, so auch am Be¬ 
ginne des Schnellen Grabens, wenn da also eine Anreicherung von Salzen 
eintritt, dann vielleicht Hochwasser die stark salzhaltigen Wässer nach 
dem Schnellen Graben drückt, wo der kiesige Untergrund viel durch¬ 
lässiger ist, als der lehmige der Leine, so können allerlei Ueberraschungen 
herauskommen. 

Auch sonst finden sich Stauanlagen, welche erst eine Anreicherung 
des Salzes ermöglichen, dann plötzlich concentrirte Wässer laufen lassen, 
da ist eine Schädigung der Landwirthschaft doch recht naheliegend. 

Gerade die Leine zeigt ein schnelles Fallen des Wassers im Sommer, 
überall an den Ufern wird über schlechte Ausdünstungen geklagt, da 
können eingetretene Salzlösungen in den oberen Bodenschichten zurück¬ 
gehalten werden, auch bei Ueberschwemmungen können concentrirte Salz¬ 
lösungen auf manche Ländereien gelangen, und beides ist zum Schaden 
der Landwirtschaft. 

Die Leine liegt mit ihrem Flussbett viel höher als die Ihme und 
die angrenzenden Wiesen. Bei Hochwasser suchte sich früher die Leine 
durch die Lindener und Rickliuger Wiesen einen Weg zur Ihme zu 
bahnen, ein Leinedurchbruch fand 1890 statt, der Uferdamm der Leine 
riss, das Wasser floss auf das Dorf Ricklingen zu und gelangte bei der 
Eisenbahn in die Ihme. Der Durchbruch wurde damals nach anstrengender 
Arbeit beseitigt. 

Wie da eine Wirkung concentrirter Endlaugen wirken kann, braucht 
gar nicht mehr erörtert zu werden. 

Es kann nicht ausbleiben, dass die verschiedensten Schädigungen 
zum grossen Theil gerechtfertigter Weise, zum Theil dann aber auch 
nicht gerechtfertigter Weise, auf das versalzene Wasser zurückgeführt 
werden, und dass eine Einleitung von Endlaugen so dicht an einer Gross¬ 
stadt einen wahren Rattenkönig von Processen im Gefolge hat. 

Und bei den verschiedenen Ersatzansprüchen würde sich das Werk, 
welches jetzt die Einleitung plant, besser stehen, überhaupt gleich von 


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802 


Heineich Bergee: 


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der Einleitung abzuseben und eine andere Beseitigung der Endlaugen ins 
Auge zu fassen. 

Die Leine ist aber kein reines Gewässer, das eine kleine Verun¬ 
reinigung vertragen kann (und diese Verunreinigung ist keine kleine!), ja 
sie ist jetzt schon hochgradig verschmutzt, da machen sich die kleinsten 
Verunreinigungen weiterhin gerade nach der schlechten Seite besonders 
schwer bemerkbar. 

Schon jetzt besteht ein begründetes Misstrauen gegen das Leine¬ 
wasser. Wenn sich aber im Leitungswasser deutliche Einflüsse der in 
der Leine eingeleiteten Endlaugen bemerkbar machen, dann wird auch 
gegen dieses Misstrauen gefasst werden, und das wird weitere Folgen 
haben, welche dem Hygieniker nicht gleichgültig sein können. 

Da ist es zu spät, dem Laien klar zu machen, dass nach wie vor 
gut filtrirtes Leinewasser getrunken wird, dass jetzt nur einige Salze 
mehr sind und das Wasser etwas härter ist, dann sagt er einfach: „Nein, 
das dreckige Leinewasser will ich nicht.“ 

Ist demnach an sich die Zufuhr von Salzen und die Vermehrung der 
Härte nicht gleichgültig, so wird man die Einleitung von Kaliendlaugen 
in die Flüsse versagen müssen, wenn die Härte des Flusswassers an sich 
schon eine grosse, 30° streifende ist. Dabei wäre dann eine fortwährende 
Coutrole des Flusswassers unausbleiblich und ein zeitweiliges Verbieten 
der Einleitung der Endlaugen nothwendig. Die Zunahme der Härte 
macht das Wasser in manchen Gewerben schwerer verwendbar. Eine 
Schädigung der Landwirthschaft und der Fischzucht ist leicht möglich, 
ausserdem eine Beeinflussung des Grundwassers im Flussgebiet, besonders 
wenn der Boden sehr durchlässig ist, dabei ist der Einfluss des veränderten 
Wassers auf die Bodenverhältnisse nicht ausser Acht zu lassen. Eine 
gleichmässige Vertheilung der Endlaugen im Flusswasser ist schwierig 
und man wird besonders bereits hochgradig verschmutzte Flüsse nicht 
weiter verunreinigen lassen dürfen. 

Ist es möglich, die Endlaugen auf andere Weise los zu werden, so 
würde dies in Betracht gezogen werden müssen. 

Ein Eindampfen ist nur in beschränktem Umfange möglich, da der 
Bedarf an festem Chlormagnesium nur ein ganz geringer ist» Von einer 
Seite wird einer Verwendung als Füllmaterial im Bergbau das Wort geredet. 

Gangbar dürfte auch der Weg sein, dass mehrere an einem kleinen 
Flusse, der noch grosse Städte flussabwärts zu versorgen hat, gelegene 
Fabriken gemeinsame Leitungen nach grossen wasserreichen Strömen, 
welche auf langer Strecke keine grosse Stadt passiren, bauen, meines 
Erachtens ist diese Art der Beseitigung der Endlaugen noch billiger, als 
wenn die Fabriken die beständige Controle des Wassers bezahlen müssen 


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Einleitung von Kaliabwässern in Flüsse. 


303 


und zeitweise überhaupt nicht einleiten können, weil die festgesetzte Norm 
überschritten ist. 

Diese Norm müsste ausgedrückt sein in Zahlen, welche die gesammte 
zulässige Salzführung zum Ausdruck bringen, nur so lassen sich feste 
Anhaltspunkte gewinnen. 

Die Bestimmungen müssen so lauten, dass die secundliche Ableitung 
von so und so viel Gramm Salzen mit so und so viel Gramm Chlor¬ 
magnesium und so und so viel Gramm schwefelsaurer Magnesia gestattet 
sind, so dass eine Zunahme der Salze und der Härte im Flusse bei der 
nnd der Wasserführung auf höchstens so und so viel stattfinden kann. 
Bei der Ableitung von Abgängen in öffentliche Gewässer ist zu unter¬ 
suchen, ob die durch die Einleitung entstehenden Nachtheile, Gefahren 
nnd Belästigungen dasjenige Maass überschreiten, dessen Duldung sowohl 
den Nachbarn als dem Publikum im Interesse der für die allgemeine 
Wohlfahrt unentbehrlichen Industrie angesonnen werden kann. 

Die Concession ist zu versagen, wenn von der Ableitung der Betriebs¬ 
abgänge in die Wasserläufe erhebliche Uebelstände zu besorgen sind. 
Das wird von der Sachlage des einzelnen Falles abhängen. Die Ableitung 
der Abwässer von Kalifabriken wird aber in wasserarme Flüsse, und ober¬ 
halb grösserer Städte im Allgemeinen nicht gestattet werden können. 


Bemerkung bei der Correctur. Während des Druckes der Arbeit erschien 
eine Abhandlung von Kraut, Oum gra?w sali». Die Kaliindwtti'ie im Leine - und 
Wetergebiete. Berlin 1902, Polytechnische Buchhandlung. Bei dem ausgesprochen 
polemischen Charakter der Abhandlung, welche ich von Hrn. Geheimrath Kraut zu 
erhalten den Vorzug hatte, muss ich es mir versagen, auf dieselbe einzugehen. 

Dass ich mich nicht den Ausführungen Kraut’s anschliesse, bedarf nach dem 
Gesagten nicht besonderer Betonung. 

Die einzelnen Punkte in der Arbeit Kraut’s dürften von verschiedenen Seiten 
eine Widerlegung bezw. Modificirung erfahren. 


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304 Heinrich Berger: Einleitung von Kaliabwässern in Flüsse. 


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Litteratur-Verzeichniss. 


Beckurts, Beitrage zur Verunreinigung und Selbstreinigung von Flussläufen. 
I. Ueber die Veränderung, welche das Wasser der Oker und Aller durch die Ab¬ 
wässer der Chlorkalium-Fabrik der Gewerkschaft Thiederhall erleidet. Arch. Pharm. 
Bd. CCXXXU. S. 387. 

Rubner, Beitrag zur Kenntniss der Flussverunreinigung durch anorganische 
Stoffe. Hygienische Rundschau. 1895. Nr. 20. 8. 925. 

Thörner, Ueber eine Ursache der Sterblichkeit der Fische bei Flusswasser¬ 
verunreinigungen. Forsch.-Ber. u. Lebensm. Hyg. forens. Chem . u. Pharmak. 1897. 

Kraut, Die Kaliindustrie der Provinz Hannover . Berlin 1898. 

Rubner-Schmidtmann, Ueber die Einwirkung der Kaliindustrie-Abwässer 
auf die Flüsse. Vierteljahrsschrift für gerichtl. Medicin und öffentl. Sanitdfssmen. 
1901. Supplement. 

Thiem, Grundwasserversorgung mit besonderer Berücksichtigung der Enteise¬ 
nung. — Vortrag auf der XXI. Versammlung des deutschen Vereins für öffentliche 
Gesundheitspflege in Kiel. Deutsche Vierteljahrsschrift für öffentl . Gesundheitspflege. 
1897. 

Flügge, Ueber die Beziehungen zwischen Flusswasser und Grundwasser in 
Breslau, nebst kritischen Betrachtungen über die Leistungsfähigkeit der chemischen 
Trinkwasser-Analyse. Diese Zeitschrift. Bd. XXII. S. 445. 

Jaeger, Die Wechselbeziehungen zwischen Fluss- und Grundwasser in hygie¬ 
nischer Beziehung. — Vortrag, gehalten in der allgemeinen Sitzung der physikalisch- 
ökonomischen Gesellschaft am 3. März 1898. Hygienische Rundschau . 1898. 

Gärtner, Die Dresdener Wasserfrage. Ebenda. 1897. 

Ohlmtiller, Weiteres Gutachten, betreffend die Wasserversorgung der Stadt 
Magdeburg. Arbeiten aus dem Kaiserl . Gesundheitsamte . Bd. VIEL 

Borgmann, Vortrag über die Abwässer der Kaliindustrie. Confercnz der Ge¬ 
werbeaufsichtsbeamten in den Reg.-Bez. Hannover , Osnabrück , Aurich am 30. XI- *• 
am 1 . XII. 1900 in Hannover . 

F. Fischer, Die chemische Technologie des Wassers. Braunschweig 1878. 

Koenig und Hünnemeier, Ueber den niedrigsten, für das Leben der Fische 
nothwendigen Sauerstoffgehalt des Wassers. Zeitschrift f. Untersuchung d. Nahrungs¬ 
und Genussmittel. 1901. S. 385. 

Beyschlag, Ohlmüller und Ort, Gutachten über die Verunreinigung der 
Haase durch die Piesberger Grubenwässer und deren Folgen. Arbeiten a. d. Kaiser! 
Gesundheitsamte. Bd. XVII. S. 217. 

Kruse, Ueber die Einwirkung der Flüsse auf Grund Wasserversorgungen und 
deren hygienische Folgen. Centralblatt fl allgem. Gesundheitspflege. 1900. Bd. XIX. 
S. 113. 


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[Aus der bakteriologischen Anstalt der Stadt Danzig.] 


Der Nachweis von Typhusbacillen am Menschen. 

Von 

Albrecht Burdach, 

approb. Arzt ans Deutach-Ejlau. 


Seitdem durch Gaffky die specifische Bedeutung des Ebert-Koch- 
schen Bacillus erwiesen war, bestrebte man sich, als praktischen Nutzen 
dieser Entdeckung, den Bacillennachweis am Typhuskranken zur Sicherung 
der nach den klinischen Symptomen oft so schwierigen Diagnose zu 
führen. Diese Bemühungen waren zum Theil von Erfolg gekrönt, jedoch 
gestaltete sich der Nachweis der Typhusbacillen zu schwierig, als dass er 
ein allgemein übliches diagnostisches Hülfsmittel hätte werden können, 
and so kam es, dass nach der Entdeckung der Gruber-Vidal’schen 
Reaction dieser zum diagnostischen Zweck vor dem Bacillenuachweis 
überall der Vorzug eingeräumt wurde. Allein die letzten Jahre mit ihren 
zahlreichen Beobachtungen für und wider die Vidal’sche Reaction haben 
ihren wahren Werth gezeigt als den eines Symptoms, das im Verlauf der 
Krankheit sowohl lange oder gänzlich fehlen, als auch, wenn auch in 
seltenen Fällen auf falsche Wege leiten kann, indem ein positiver Ausfall 
durch einen vor Jahren überstandenen Typhus, der als solcher wegen seiner 
leichten Form gar nicht erkannt zu sein braucht, bedingt sein kann. 
Wenn demnach der Bacillennachweis auch erst dann erbracht wird, wenn 
die Vidal’sche Reaction schon positiv war, wird er gewissermaassen zur 
Controle derselben einen höheren diagnostischen Werth haben. Im Allge¬ 
meinen bedeutsamer und unbestreitbar bleibt der hygienische Zweck 
des Bacillennachweises. Wie die bakteriologische und damit absolut sichere 
Erkennung einer Infectionskrankheit im Allgemeinen prophylaktische Maass- 

Zeitechr. t Hygiene. XLI. 20 


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306 


Albrecht Bürdach: 


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nahmen zum Schutze der Umgebung des Kranken zur Folge hat, so wird 
durch den Bacillen nach weis in Se- und Excreten für diese Maassnahmen 
im Besonderen der richtige Weg gewiesen. Ferner haben wir dadurch 
speciell für den Typhusbacillus auch erkannt, dass derselbe sich noch in 
der Reconvalescenz lange im menschlichen Körper zu erhalten vermag 
und z. B. durch den Urin oder durch Eiter aus metastatischen Herden 
sehr wohl in die Aussenwelt gelangen kann, obwohl man seinen Träger 
längst für ungefährlich ansehen zu dürfen glaubte. Wir müsseu also 
jede Erleichterung des Bacillennachweises durch neue Methoden nicht nur 
vom klinischen Standpunkt als nutzbringend ansehen, sondern sie als 
einen Fortschritt im Kampf gegen die Infectionskrankheiten begrüssen. 


Identiflcirung des Typhusbacillus. 

Wenn wir einen Bacillus nachweisen wollen, so müssen wir im 
Stande sein, ihn mit aller Sicherheit zu erkennen und ihn von allen ihm 
ähnlichen Mikroorganismen zu unterscheiden. Diese Forderung war und 
ist auch noch für den Typhusbacillus keine ganz einfache, weil wir jeden 
fraglichen Bacillus einer ganzen Reihe von Prüfungen unterwerfen müssen, 
ehe wir ihn mit Bestimmtheit als Bacillus typhi bezeichnen dürfen. 1 Seit 
längerer Zeit können wir folgende sicheren Eigenschaften, von denen jede 
für sich zwar auch vielen anderen Bakterien zukommt, aber alle vereinigt 
den Typhusbacillus kennzeichnen: 

1. das charakteristische Aussehen der Gelatineoberfläche, 

2. die lebhafte Beweglichkeit der in ihrer Form sehr wechselnden 
Stäbchen, die in einem für dieselben günstigen Nährboden bei Blut¬ 
temperatur gezüchtet sind, 

3. eine grosse Zahl peritrieher Geissein, 

4. die Ablehnung der Gram’schen Färbung, 

5. das Ausbleiben der Gasbildung in mit Trauben, Milch- oder Rohr¬ 
zucker versetzten Nährböden, 

6. Wachsthum in steriler Milch, ohne dieselbe zur Gerinnung zu 
bringen, 

7. das Wachsthum in eiweisshaltigen Nährböden ohne Indol zu bilden. 


1 W. Lösner, Ueber das Vorkommen von Bakterien mit den Eigenschaften 
des Typhusbaeillus in unserer Umgebung ohne nachweisliche Beziehung zu Typbus¬ 
erkrankungen nebst Beiträgen zur bakteriologischen Diagnose des Typhusbaeillus. 
Arbeiten aus dem Kais er l. Gesundheitsamte, B<1. XI. S. 208. 


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Deb Nachweis von Typhusbacillen am Menschen. 


307 


8. Säurebildung in Milchserum, welche die Grenze 3 Proceut (ent¬ 
sprechend Vio Nonnalnatronlösung) nicht übersteigt, 

9. Wachsthum auf der Kartoffel in der gleichen Weise, wie das einer 
Typhusparallelcultur auf der anderen Hälfte derselben Kartoffel, 

10. Ausbleiben des Wachsthums in der Maassen’scben Normallösung 
mit Glycerinzusatz. 

Diese Merkmale haben sich ergehen aus den zahlreichen Versuchen 
einer leichten Differenzirung der Typhusbacillen gegen die Bakterien der 
Coligruppe. Bei der Prüfung der in den nachfolgenden Untersuchungen 
gefundenen Bakterien wurde stets die lebhafte Beweglichkeit im hängen¬ 
den Tropfen von einer Bouillonaufschwemmung einer 12 ständigen Agar- 
cultur, die Entfärbung nach der Gram’schen Methode im Trockenpräparat, 
die gleichmässige Trübung von Traubenzuckerbouillon im Gährungskölbchen 
ohne Gasbildung, die Farbennuance der Petruschky’schen Lackmus¬ 
molke im Vergleich zu Controlculturen von Typhus, Coli und Alkaligenes, 
das Ausbleiben der Milchgerinnung während ca. 8 tägiger Beobachtung, 
das Ausbleiben der Indolreaction in alten Peptonwasserculturen und endlich 
die Nichtverflüssigung der Gelatinestichculturen geprüft. Daueben wurde 
öfters als in gleicher Weise bequemes Dififerenzirungsmittel gegen Bacterium 
coli die Romond’sche 1 * 4 procentige Lactosegelatine mit etwas Säurefuchsin 
versetzt angewandt. In diesem nach dem Neutralismen farblosen Nähr¬ 
boden bringen Colibacillen nach 24 bis 48 Stunden eine intensive kirsch- 
rothe Farbe und Gasblasen hervor, während Typhusbacillen in derselben 
Zeit einen leichtrothen. Hauch um die unteren Partieen des Stichcanals 
bilden als deutlichen Ausdruck der ganz geringen Säurebildung, deren der 
Typhusbacillus in lacktose haltigen Nährmedien fähig ist. 

Da nun aber von Pansini* in Leberabscessen und von Loesner 3 
Bacillen ohne nachweisbaren Zusammenhang mit Typhuserkrankungen 
in vergrabenen Thiercadavern und in der Ackererde gefunden worden 
sind, welche alle vorhin aufgezählten Bedingungen erfüllten, jedoch 
wegen ihrer auffallenden Fundstätten nur als Pseudotyphusbacillen auf¬ 
gefasst werden können (Kruse 4 ), so müssen wir zu alledem als ent¬ 
scheidend die Mittel der modernen Serumdiagnostik für die Identificirung 
eines Typhusbacillus ansehen. Hier sei zunächst noch ein Ueberblick 


1 F. Romond, Nouveau milieu pouvant servir ä differeneier le bacille d’Kbertli 
du bacterium coli. Compt. rend. de la Soc. de Biol. Nr. 28. p. 889. 

* S. Pansini, Alcuni casi di asepssi del fegato c di cisti echinococco dd fo- 
gato suppurate. Riforma medica. 1893. Nr. 95—99. 

8 Lösner, a. a. O. 

4 F1 ü £ g e. Mikrourqanismen. 

20 * 


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308 


Albrecht Bürdach: 


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über die Entwickelung dieser Diagnostik gegeben. R. Pfeiffer 1 * fand 
zuerst, dass das Serum von mit durch Chloroform abgetödteten Typhus- 
culturen immunisirten Thieren eine specifisch baktericide Wirkung allein 
gegen Typhusbacillen besitzt, die man als eine „lysogene“ deutlich in 
der Bauchhöhle eines Meerschweinchens, dem man gleichzeitig die letale 
Dosis der Typhuscultur und Immunserum einspritzt, verfolgen kann. 
Während das Controlthier, dem man nur dieselbe Dosis der Typhuscultur 
einverleibt, zu Grunde geht, bleibt das in der genannten Weise behandelte 
Thier leben. Durch den positiven Ausfall dieses Versuches „der Pfeiffer¬ 
schen Immunitätsreaction“ wird ein Bacillus mit absoluter Sicherheit als 
Typhusbacillus bestimmt. In Gemeinschaft mit Ko Ile* fand dann 
Pfeiffer, dass auch in vitro das Immunserum, in welches er eine Oese 
Typhuscultur brachte, eine specifische Wirkung entfaltete, indem die 
Bacillen sich zusammenballten, und dass zu den gleichen Versuchen in 
vitro und am Versuchsthier auch das Serum von Typhusreconvalescenten 3 
zu verwenden sei. Gr über 4 5 war es dann, der gemeinschaftlich mit 
Durham die Agglutinationsfahigkeit des Immunserums in Verdünnungen, 
in denen gewöhnliches Serum nicht mehr wirksam ist, klarstellte. Vidal 
beobachtete sodann diese Fähigkeit am Serum des Typhuskranken sogar 
in frühen Stadien der Erkrankung. In der weiteren Entwickelung der 
Serodiagnostik benutzte man im umgekehrten Wege das Serum von 
Typhuskranken, wenn es eine positive Vidal’sche Reaction gegeben hatte, 
auch zur Prüfung der Echtheit von Typhusbacillen. Es war dies das auf 
die leichteste Weise zu erhaltende Typhusserum, da man es fast bei jeder 
Vidal’schen Reaction ersparte. Bartoschewitsch 6 schlägt z. B. vor. 
das Blutserum von Typhuskranken in verlöteten Glasröhren zu conser- 
viren und zur definitiven Bestimmung der aus verdächtigem Wasser ge¬ 
züchteten typhusähnlichen Bacillen zu benutzen. Indessen lehrte bald die 
Erfahrung, dass das Serum von Typhuskranken auch auf Colibacillen 


1 R. Pfeiffer, Ueber die specifische ImmuDitätsreaction der Typhnsbsoilltn- 
Deutsche med. Wochenschrift. 1894. Nr. 48. 

1 E. Pfeiffer u. W. Kolle, Zur Differentialdiagnose der Typhusbacillen ver¬ 
mittelst Serums der gegen Typhus immunisirten Thiere. E!)enda. 1896. Nr. 12. 

3 Dieselben, Ueber die specifische Immunitätsreaction der Typhusbaeillen. 
Diese Zeitschrift. Bd. XXI. S. 203. 

4 M. Gruber u. H. E. Durham, Eine neue Methode zur raschen Erkennung 
des Choleravibrio und des Typhusbacillus. Deutsche med. Wochenschrift. 1896. 
Nr. 13. S. 285. 

5 St. Bartoschewitsch, Ueber die Anwendung der Vidal’schen Reaction 

zur Bestimmung der Typhusbacillen im Wasser. (Russisch.) Ref. in Baum gar ten s 
J ah reshericht. 1897. 


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Der Nachweis von Typhlshaclllen am Menschen. 


309 


agglutinirend wirkt. Diese Beobachtung wurde gemacht nach Curnba 1 * , 
Achard und Bensaude 8 , Ustevedt 3 , Puppo und Ottoni. 4 5 

Gelegentlich der Untersuchung eines der Anstalt übersandten typhus¬ 
verdächtigen Stuhles wurden auch hier lebhaft bewegliche Stäbchen isolirt, 
die durch das Serum eines typhuskranken im gleichen Verhältniss wie der 
Laboratoriumstyphusstamm 1:50 agglutinirt wurden, sich jedoch bei der 
weiteren Prüfung als Bacterium coli erwiesen. 

Courmont 6 machte bei seinen Blutserumuntersuchungen die Er¬ 
fahrung, dass normales Blutserum nicht selten eine agglutinirende Wirkung 
auf Colibacillen ausübt und kam zu dem Schluss, dass man deshalb nicht 
allein wegen der Agglutinirbarkeit eines Bacillus durch das Serum eines 
Typhuskranken den betreffenden Mikroorganismus ohne Weiteres als Typhus¬ 
bacillus ansprechen dürfe. Christophers 6 constatirte bei einem Normal¬ 
serum beispielsweise eine agglutinirende Wirkung auf Coli im Verhältniss 
von 1:200. Auch Kühnau 7 fand, dass stark wirkende Normalsera in 
gleicher Weise wie Typhusbacillen auch Bacillen der Coligruppe und 
Vibrioarten beeinflussten und dass die Specificität eines Serums sich erst 
dann documentire, wenn es Typhusbacillen ungleich stärker agglutinirte, 
als Colibacillen. Biberstein’s 8 interessante Beobachtungen zeigen, dass 
einmal die Sera von Typhuskranken in der Mehrzahl die Colibacillen in 
stärkerer Verdünnung agglutinirten, als die Sera Nichttyphuskranker. Am 
wichtigsten erscheint ferner, dass in fünf seiner Typhusfalle das Serum 
der Kranken die Colibacillen stärker agglutinirte, als die Typhusbacillen. 
Gleich ihm schliesst Stern 9 , der ähnliche Befunde machte, dass ein 


1 Comba, La siero diagnostica della febre tifoide. Riforma medica . Nr. 288. 
p. 749. 

* Cb. Achard et K. Bensaude, Sur l’agglutination des divers öchantillons du 
bacille d'ßberth et des bacilles paratyphiques. Compt. rend . de Biol. p. 940. 

* Ustvedt, Undersögelser om WidaPs reaction. Forhandl. vid endra nordiska 
Congressen for intcärtes medicin i Oristiania. 11. bis 18. Aug. p. 188. 

4 B. Puppo e V. Ottoni, Sulla agglutinazione come mezzo diagnostico del 
bacillo tifico. Annali d’igiene sperim . Vol. VIII. p. 145. 

5 P. Courmont, S^rodiagnostic de la ftevre typhoide. Action du slrum de 
typhiques sur le bacille d^berth le bacterium coli et quelques autres microbes. 
Üemaine mSd. Nr. 87. p. 299. 

6 S. R. Christophers, Note on the specific action of normal human serum 
upon the bacillus coli communis. British med . Journal . Vol. I. p. 71. 

7 M. Kühnau, Ueber die Bedeutung der Serodiagnostik beim Abdominaltyphus. 
Berliner med. Wochenschrift . Nr. 19. S. 397. 

8 M. Biberstein, Beiträge zur Serumdiagnostik des Abdominaltyphus. Diese 
Zeitschrift '. Bd. XXVII. S. 347. 

9 Stern, Typhusserum u. Colibacillen. Centralblatt für Bakteriologie. Abth. I. 
Bd. XXIIL Nr. 16. S. 673. 


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310 


Albrecht Bürbach: 


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typhusverdächtiger Bacillus auch dann nicht mit Sicherheit als Typhus- 
bacillus angesehen werden könne, wenn er durch das Blutserum eines 
Typhuskrauken in stärkerer Verdünnung, selbst in noch stärkerer Ver¬ 
dünnung, als eine zweifellose Typhuscultur agglutinirt wird. Durham 1 * 
beobachtete mit Typhuskranken- bezw. Reconvalescentenserum auch am 
Bacillus enteritidis (Gärtner) eine positive Agglutinationsreaction, sogar 
im Verhältnis 1:100. 

Nach allen diesen Beobachtungen erscheint der Werth der Aggluti¬ 
nation durch ein Typhusserum an sich zur Bestimmung des Typhus¬ 
bacillus etwa ebenso unsicher, als derjenige der Beweglichkeit Sei es, 
dass nun früher überstandene Darmerkrankungen die Wirksamkeit des 
Serums gegenüber Darmbakterien bedingen, sei es, besonders beim Ab¬ 
dominaltyphus selbst in Folge der Darmläsionen Mischinfectionen mit 
Darmbakterien diese Eigenschaft des Serums hervorbringen, jedenfalls 
dürfte es nicht unwahrscheinlich sein, dass analoge Verhältnisse auch bei 
unseren Versuchstieren, die wir gegen Typhus immunisiren, eine viel¬ 
seitige Wirksamkeit des Serums mitunter erzeugen können, und deshalb 
erst die ganz hervorragend durch fortgesetzte Immunisirung gesteigerte 
Wirksamkeit eines Serums absolut specifisch ist. Die mit Typhusimmun- 
serum gemachten Erfahrungen der Autoren sind zum Theil einander wider¬ 
sprechend. Während Fodor und Rigi er* im Serum von gegen Typhus 
immunisirten Meerschweinchen in Verdünnungen von 1:50, Christophen 3 
im Serum ebensolcher Kaninchen und van de Velde 4 5 im Serum eines 
immunisirten Pferdes, das sogar eine Agglutinationskraft von 1:100000 
besass, ein absolut sicheres Reagens zur Erkennung von Typhusbacillen 
mittels der Gruber-Durham’schen Reaction erblicken zu dürfen glaubten, 
so existiren andererseits Beobachtungen von Beco 6 , Mauro Jatta 6 und 


1 H. E. Durham, On the serum diagnosis of typhoid fever with especial röte¬ 
ren ce to the bacillus of Gärtner and its allies. Lancet. 1898. Vol. I. p. 154. 

* J. v. Fodor und G. Kieler, Das Blut mit Typhusbacillen inficirter Thiere. 
Centralhlatt für Bakteriologie. Abth. I. Bd. XXIII. Nr. 21. 8. 930. 

8 8. R. Oh ri stop her s. Normal serum in the relation to the diagnosis of the 
typhoid bacillus. British med. Journal . Vol. II. p. 599. 

4 H. van de Velde, Valeur de l'agglutination dans la s^rodiagnose de Vidal 
et dans Tidentification des Bacilles eberthiformes. Centralhlatt für BaJcteriolme. 
Abth. I. Bd. XXIII. Nr. 12. 8. 481. — Nr. 13. 8.547. 

5 Beco, Recherchen sur la valeur de ragglutination par la formaline et le serum 
des typhises entairt que moyen de diagnostic entre le bacillus typhosus et le colibacilU’. 
Bull . de l’Acad. de Med. Belgiques . 

6 Mauro Jatta, Experimentelle Untersuchungen über die Agglutination de» 
Typhusbacillus u. der Mikroorganismen der Coligruppe. Biese Zeitsehr. Bd. XXXIII- 
8. 185. 


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Deb Nachweis von Typhltsbacillen am Menschen. 


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Sternberg 1 * * , die beweisen, dass es in der Gruppe der Coiibakterieu 
neben Varietäten, die nicht durch ein Typhusimmunserum aggtutinirt 
werden, auch solche giebt, auf welche die agglutinirenden Körper eine 
ganz energische Wirkung, selbst in tausendfacher Verdünnung ausüben. 

Mauro Jatta, sowie ferner Pfaundler* erklären durch den Begriff 
der Gruppenagglutination, d. h. durch ein gewisses verwandtschaftliches 
Verhältniss gewisser Bakterien der Coligruppe zum Typhusbacillus die 
Thatsache der gleichzeitigen Agglutination durch ein nur durch einen 
Bakterienstamm erhaltenes Immunserum und stellet das Verhalten der 
verwandten Bakterienarten durch Curven dar, deren Culminationspunkt 
durch den inficirenden Stamm eingenommen wird; wenn ein Bacillus, der 
typhusverdächtig ist, im Typhusserum überhaupt nicht agglutinirt wird, so 
kann er kein Typhusbacillus sein. Ist die Reaction annähernd gleich der 
des Typhusbacillus, so kann nur dann mit grösster Wahrscheinlichkeit 
die Diagnose auf Typhus gestellt werden, wenn das Agglutinationsver¬ 
mögen des Serums ein sehr hohes ist. Ohne mit Puppo und Ottoni 8 , 
welche die Gruber-Durham’sche Reaction auch an Bacillen aus Gelb¬ 
fieberleichen, von denen einige sichere Colibacillen waren, mit Typhus¬ 
immunserum im positiven Sinne erhielten, an der Brauchbarkeit dieser 
Reaction zu verzweifeln, können wir ihr sehr wohl im Sinne Pfaund- 
ler’s eine relative Specificität zubilligen, d. h. eine solche, die nur bei 
hochwerthigen Sera und in hoher Verdünnung (1:1000 und darüber) zur 
Geltung kommt. Daneben muss jedoch immer als Controle das sonstige 
biologische und culturelle Verhalten geprüft werden. Bei den folgenden 
Untersuchungen wurde die Diagnose „Typhusbacillus“ immer erst gestellt 
nach Anstellung der Lackmusmolke- und Gährungsprobe, nach dem Ver¬ 
halten im Gelatinestich im hängenden Tropfen und gegenüber hoch¬ 
wertigem Typhusserum bezw. Pfeiffer’schen Immunserum von einer 
Ziege bezw. Kaninchen. So gelang die Diagnose meist in 2 bezw. 3 Tagen 
eingerechnet die Wachsthumsdauer in Originalaussaaten. Einmal wurde 
ein Bacillus aus dem Blute einer typhusverdächtigen Frau gezüchtet nach 
der Cast eil ani’schen Methode 4 * * , welcher lebhaft beweglich war und durch 
unser Kaninchentyphusimmunserum sofort im Verhältniss 1:150 agglu- 


1 Carl Sternberg, Zur Verwerthbarkeit der Agglutination für die Diagnose 
des Typhusbacillus. Diese Zeitschrift. Bd. XXXIV. S. 349. 

* Pfaundler, Ueber Gruppenagglutination und über das Verhalten des Bact. 
coli bei Typhus. Münchener med. Wochenschrift. 1899. Nr. 15. S. 472. 

• E. Puppo e V. Ottoni, a. a. O. 

4 Castellani, Ueber Blutuntersuchungen bei Typhus. Academia medico physica 

zu Florenz. Sitzung vom 16. Januar 1899. — Ref. Münchener med. Wochenschrift. 

1899. Nr. 13. S. 434. 


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Albkecht Buudacji: 


tiuirt wurde, ja iu der Verdünnung 1:1000 zeigte sich noch ein'e starke 
Beeinflussung. Indessen lehrten die bis zum nächsten Tage vorgenommeneu 
Proben, dass der fragliche Bacillus in Traubenzuckerbouillon reichliche 
Gasbildung und iu der Lackmusmolke bemerkenswerther Weise starke 
Alkalescenz hervorrief (vergl. Text über Blutuntersuchungen). 

Nachdem zur Genüge dargethan sein dürfte, dass zur Identiflciruug 
des Typhusbacillus die Agglutinationsreaction in möglichst hohen Ver¬ 
dünnungen nur mit gleichzeitiger Benutzung der erwähnten chemischen 
Proben statthaft ist, namentlich, wenn mau nicht in der Lage ist, den 
bisher unangefochtenen Pfeiffer’schen Thierversuch in jedem Falle zu 
machen, der übrigens in Bezug auf Schnelligkeit mit den erwähnten 
Proben wegen der bei ihm stets nothwendigen Bestimmung der letalen 
Dosis nicht concurriren dürfte, gehe ich zum eigentlichen Thema, dem 
Nachweis der Typhusbacillen am Menschen, über, wobei ich die in der 
Litteratur verzeichneten Untersuchungsergebnisse und die meinigen nach 
dem Orte der Herkunft der Bacillen ordne und jedes Mal die entsprechen¬ 
den Methoden erörtere. Es folge als zuerst erbracht: 


Der Nachweis der Typhusbacilien an der Leiche. 

Die in der Litteratur verzeichneten Fälle von Bacillennachweis aus 
der Typhusleiche dienen in der ersten Zeit unserer Kenntniss des Typhus¬ 
bacillus lediglich dem Zweck, seine ätiologische Bedeutung sicher zu 
stellen. Von seinen Entdeckern Eberth und Koch war er in den 
Typhusleichen zuerst gefunden. Gaffky gelang es, ihn daraus rein zu 
züchten. Seine Befunde wurden bald durch andere Autoren bestätigt. 
Neben dem culturellen Nachweis wurde dabei immer ein grosser Werth 
auch auf den histologischen gelegt, der für sich allein freilich nicht be¬ 
sonders hoch bewerthet werden dürfte. Reher 1 fand die Bacillen in 6 von 
7 tödtlich verlaufenen Typhen nicht in mikroskopischen Milz- und Leber¬ 
schnitten, in dem 7., der eine ältere Leiche betraf, fand er sie und deutete 
die angetroffenen Herdbildungen als postmortale Erscheinung; der culturelle 
Nachweis glückte immer. Fraenkel nnd Simmonds* züchteten aus 
12 frischen Typhusmilzen mittels Koch’schen Plattenverfahrens Typhus- 


1 Reher, Zur Aetiologie des Abdominal typhus. Archiv für experiment. Pa (hol 
1885. Bd. XIX. S. 420. 

* E. Fraenkel und M. Simmonds, Zur Aetiologie des Abdominaltyphus. 
Centralblatt für kl in. Mcdirin. 1885. Xr. 84/35. S. 583. — Die ätiologische Bedeu¬ 
tung des Typhusbaciltus. Mit 3 Farbeutaleln. Hamburg 1886. 


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Deb Nachweis von Typhusbacillen am Menschen. 


313 


cultureu mit allen von Gaffky angegebenen Eigenschaften. Ferner be¬ 
richten sie über ein grösseres Material von 33 Fällen, wobei in allen 
frischen die directe Reinzüchtung aus der Milz gelang. In dem Bestreben, 
auch mikroskopisch in Schnitten den Bacillennachweis zu führen, kamen 
die beiden Autoren, geleitet durch die von Reher auf Quincke’sKlinik ge¬ 
machte Beobachtung zu einer Methode der Anreicherung der Bacillen in Milz- 
stücbchen, indem sie dieselben in mit Sublimat getränkten Tüchern bei hoher 
Zimmertemperatur aufbewahrten, härteten und Schnitte davon machten. In 
der Leber fanden sie auf diese Methode Bacillenherde nur in der Hälfte der 
Fälle. Vilchour 1 * hatte aus Organen von 4 Typhusleichen 200 Culturen 
erhalten, mit denen er vergleichende Untersuchungen anstellte. Rietsch® 
konnte bei 36 Typhusleichen 35 Mal die Gegenwart der Typhusbacillen 
nachweisen; der 36. Fall war sonst diagnostisch gesichert. Ferner exi- 
stiren Leichenuntersuchungen von Kilcher 3 , der dabei gleich Eberth die 
Beobachtung machte, dass die Bacillen nur in früheren Krankheitsstadien 
in grösserer Menge im Körper anzutreffen waren. Die Untersuchungen 
von Merkel und Goldschmidt 4 erstreckten sich auf 5 Typhusmilzen, 
in denen culturell und histologisch der Bacillennachweis geführt wurde; 
hinsichtlich der von Fraenkel und Simmonds beobachteten postmortalen 
Bacillenvermehrung sprechen sie die nicht unbegründete Yermuthung aus, 
dass es sich dabei leicht um „ähnliche“ Bacillen handeln könnte. 

Des Weiteren finden wir in der Litteratur Fälle von Bacillennachweis 
an der Leiche, bei denen diesem bereits vollgültiger diagnostischer Werth 
beigemessen wird. Sie betreffen meist atypische Krankheitsbilder, welche 
durch den Bacillennachweis an der Leiche erst ihre Erklärung fanden. 
Curschmann’s 5 Fall war mit einer der Landry’schen Paralyse ähn¬ 
lichen Spinalaffection combinirt, so dass intra vitam die Diagnose Typhus 
nicht gestellt worden war; aus der Leiche, die übrigens auch für Typhus 
charakteristische Darm Veränderungen zeigte, winden durch Plattencultur 
aus Brust- und Halsmark Typhusbacillen gezüchtet, ebenfalls aus der 
Milz; mikroskopisch fanden sie sich mehr oder minder reichlich in der 


1 Vilchour, The bacilli of typhoid fever. The Lancet. 1886. Vol. II. Nr. 3. 

* M. Rietsch, Contribution ä Petiologie de la fl&vre typhoide apropos de l’epi- 
demie da Pas des Lanciers. Journ. de tarnt, et de la physiol. 1886. Nr. 3. 

* Kilcher, O biologii a aetiologiekem vyznamm bacilla tyfoveho. Sljornika 
lekarkeho. 1887. T. II. S. 2. 

4 Merkel a. Go*ldsch midt, Ueber die diagnostische Verwerthung der Typhus¬ 
bacillen. Centralblatt für klin. Medicin. 1887. Nr. 22. 

* Curschmann, Bemerkungen über das Verhalten des Centralnervensystems 
bei acuten Tnfectionskrankheiten. Verhandlungen des Congrcsses für innere Medicin 
zu Wiesbaden. 


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Albeecht Buhdach: 


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weissen Substanz. Banti 1 berichtet über einen Fall ohne Darmläsiuu, 
in welchem sich aber aus Milz und Mesenterialdrüsen Typhusbacilleu 
züchten liessen. Thue 2 beobachtete einen Fall, der unter dem Bilde einer 
acuten Nephritis verlief, bei dem aber bei der Section sich typhöse Dana- 
Veränderungen fanden und aus den Organen sich Typhusbacillen züchten 
liessen. Einen ähnlichen Fall beschreibt Carbone* und neuerdings 
Hodenpyl, 4 welche auffallender Weise im Dünndarm keine typhösen 
Veränderungen, sondern nur im Dickdarm Geschwüre fanden und ans 
Milz, Mesocolondrüsen und Nieren Typhusbacillen in Reiucultur erhielten. 
Ein weiterer Fall von Banti* zeigte weder Darmveränderungen, noch Milz- 
oder Drüsenschwellung, und dennoch liessen sich Typhusbacillen aus den 
Orgauen und aus dem Blut züchten. Diese sogenannte „typhöse Septi- 
cämie“ beobachteten auch Chiari und Kraus® in einem Falle. Neben 
diesen Fällen, in denen die bakteriologische Leichenuntersuchung zur Er¬ 
kennung der Krankheit führte, beanspruchen unser besonderes Interresse 
die Leichenuntersuchungen, bei welchen es sich um den Nachweis de> 
Bacillenübergauges von der Mutter auf den Fötus handelt Während 
Vidal und Chantemesse 7 den Nachweis aus der Placenta eines vier- 
monatlichen Fötus erbrachten, gelang es Hildebrandt 8 , ferner Giglio 9 
sowie Frascani 10 auch aus dem Fötalblut, Eberth 11 nur in einem von 


1 Banti, Sulla localizzazioni atipichi della infezione tifosa Estratto del gi»r- 
nalc la Uiforma medica. Oetober 1887. — Autoreferat. 

* Kr. Thue, Colotyphus. Bakteriologische Diagnose. Norsk. Magaz. for Saene- 
videnskaben. 1889. p. 272. — Mittheilungen vom pathol.-anat. Institute des Reichs- 
hospitals zu Christiania. 

Ä P. Carbone, Ud caso di colotifo. Gazetfa medica di Torino . 1891 . Nr. 23. 

4 Hodenpyl, Ou the occurence of typhoid fever without characterUtic lesi*>ns 
of the ömall intestine. Studien front the Departement of Rathology of the Collene oj 
Physicians and Surgcons. Columbia University New-York 1897. 

5 Banti, Le settieemie titiche e le infezione pseudotifiche. (Die Typhus- 
septicämicen und die Pseudotyphusinfectionen. Rifunna medica. 1894. VoL III- p. 674. 

6 H. Chiari u. E. Kraus, Zur Ivenntniss des atypischen Typhus abdominalis 
bezw. der reinen typhösen Septicämie. Zeitschrift f. Heilkunde. Bd. XVIII. S. 471. 

7 Vidal et Chantemesse, Le bacille de la tievre typhoide. The Lancet. 1887 
Nr. 15. p. 145. Ref. 

8 Hildebrandt, Zur Casuistik des placentaren Ueberganges der Typhusbacillen 
von Mutter auf Kind. Fortschritte der Medicin. 1889. Nr. 23. 

9 (liglio, lieber den Uebergang der mikroskopischen Organismen des Typhus 
von der Mutter auf den Fötus. Centralblatt für Gynäkologie. 1890. Nr. 48. 

10 Frascani, Osservazioni cliniche e ricerche sperime'ntale sul passagio del 
bacillo del tilo dalla madre al feto. Rivista generale ital. di clinica medica. 18'*'2. 
p. 282, 348. 

11 O. J. Eberth, Geht der Typhusorganismus auf den Fötus über? Fortschritte 
der Mcdicin. 1889. Nr. 5. 


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Deb Nachweis von Typhusbacillen am Menschen. 


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9 Fällen. Merkel und Goldschmidt 1 hatten bei einem Zwillingsabort 
einer Typhuskranken ein negatives Ergebniss, Ernst* züchtete die Bacillen 
aus der Leiche eines 4 Tage alten Neugeborenen einer typhuskranken 
Mutter. 

Eine Menge von bakteriologischen Leichenuntersuchungeu wurde au¬ 
gestellt, um sich die Betheiligung anderer Organe am Krankheitsprocess 
zu erklären und gewissermaassen eine wissenschaftliche Grundlage für die 
klinischen Begriffe des Pneumo-Nephro-Meningotyphus herzuleiten. Foä 
und Bordoni-Uffredruzzi 3 wiesen bei „typischer croupüser Pneumonie“ 
Typhusbacillen nach sowohl durch Culturverfahren, als auch mittels 
mikroskopischer Untersuchung, bei Abwesenheit jeglicher anderer Mikro¬ 
organismen. Desgleichen wiesen Chantemesse und Yidal* abweichend 
von Klebs, Eberth, Gaffky den Typhusbacillus häutig in dem Gewebe 
der mit Bronchitis oder Bronchopneumonie behafteten Lunge nach. 
Mya und Belfanti 6 gelang ebenfalls der Bacillennachweis in der Lunge 
und der Pleura, ebenso Polinöre und Finkler. 6 Hier seien gleich einige 
Fälle angeschlossen, wo aus der Pleura des Lebenden Typhusbacillen nach¬ 
gewiesen wurden. Loriga und Peusuti 7 züchteten mittels Plattenculturen 
den Typhusbacillus als Reincultur aus dem serös-fibrinösen Exsudate der 
Pleura eines Typhusreconvalescenten. Sahli 8 beschreibt einen Fall, der 
klinisch zwar den Verdacht auf Abdominaltyphus erregte, jedoch mit Aus¬ 
nahme des Milztumors keine charakteristischen Zeichen hatte; unter Fort¬ 
dauer eines unregelmässigen Fiebers entwickelte sich ein rechtsseitiges 
pleuritisches Exsudat, welches am 50. Krankheitstage durch Perforation 
in die Lunge nach aussen sich entleerte. Durch „Gelatineplattenculturen“ 


* Merkel u. Goldschmidt. Ueber die diagnostische Verwcrthung der Typhus¬ 
bacillen. Centralblatt f. klin. Medicin. 1887. Nr. 22. 

* T. Ernst, Intrauterine Typhusinfection einer lebensfähigen Frucht. Zieg- 
ler’s Beiträge. 1890. Bd. VIII. S. 188. 

3 Foä e G. Bordoni-Uffreduzzi, Sulla pneumonie dei fcifosi. Estratto del 
giornale. La tiiforma medica. Genuaio 1887. 

* Chantemesse et Vidal, a. a. O. 

* Mya e Belfanti, Contributo sperimentale alle studio dei processi locali de- 
terminati del bacillo tifoso. Giornale della R. Academia di medicina di Torino . 181)0. 
Nr. 1/2. p. 62. 

6 Plyn&re und Finkler, citirt nach Cursehmann, Der Unterleihstyphus. 
S. 229. 

7 Loriga e Pensuti, Pleurite de bacillo del tifo. Ri forma medica . 1890. 

Nr. 206. p. 1232. 

* Sahli, Ueber die Perforation seröser pleuritiseher Exsudate nebst Bemerkungen 
über den Befund von Typhusbaeillen in den serösen Pleuraexsudaten eines Typhus- 
kranken. Mittheilungen aus klin. u. mcd. Instituten der Schweiz. 1884. Bd. 1. 


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Alürecht Burdach: 


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wurden ausschliesslich Typhusbacillen darin nachgewiesen. Ketsch 1 hat 
in einem Falle aus einem pleuritischen Exsudate Typhusbacillen gezüchtet; 
die Section ergab Tuberculose der Lungen und des Darmes. Ich selbst 
hatte Gelegenheit, bei einer pleuritischen Punktionsflüssigkeit eines Typhus- 
kranken, die dem Institut zur bakteriologischen Untersuchung übersandt 
war, zwar Agglutinationsfahigkeit, aber keine Bacillen, ja überhaupt keine 
Mikroorganismen naehzuweisen, ebenso wieCurschmann bei einem typhus¬ 
kranken Studenten. 2 

Zur Erklärung des specifischen Charakters des als Meningotyphus 
bezeichneten Symptomenbildes dienen Befunde von Typhusbacillen in den 
Meningen und der Hirnsubstanz. Diese wurden zuerst von Chantemesse 
und Yidal 3 gemacht; ferner gelang Daddi 4 * einmal und Tictine 8 in 
2 Fällen im Meningealeiter postmortem der Nachweis von Typhusbacillen. 
Hierher gehören auch die Fälle von Kamen 6 , der gleichzeitig im fibrinös 
eitrigen Meningealexsudat und in der Milz Typhusbacillen fand, und von 
Ohlmacher 7 , der bei 2 Meningitiden in den Hirnhäuten Typhusbacillen 
in Beinculturen nachwies, das eine Mal sie gleichzeitig aus der broncho- 
pneumonischen Lunge züchtete. Stühlen 8 fand als einzigen Erreger der 
Meningitis bei einem 14jährigen Arbeiter den Eberth’schen Bacillus. 
Ein besonderes Interesse finden wir dem Nachweis der Typhusbacillen in 
der Gallenblase gewidmet; auch hierbei dient der Bacillennachweis zur 
Erklärung für die typhösen Erkrankungen der Gallenblase und der 
grossen Gallenwege. Es seien hier kurz die Fälle zusammengestellt, wo 
er theils an der Leiche, theils an der operativ eröffneten Gallenblase 
gelang. 

Gilbert und Giro de 9 führten ihn zuerst. Nach ihnen bestätigten 


1 Ketsch, Pleurösie determinee par le bacille de la fievre typhoide. LaSemaint 
med. 1892. Nr. 10. Acaddmie de med. Seance du 23. Fevr. 1892. 

a Curschmann, Der Unterleibstyphus. S. 239. 

* Chantemesse et Vidal, a. a. O. 

4 Q. Daddi, Un caso di meningiti da bacillo tifico. Lo Sperimentale-Sezionf 
clinica . 1894. Nr 17. p. 325. 

8 J. Tictine, Contribution a Tetude des meningites et des abscös produits par 
le bacille de la fievre typhoide. Arch. de med. expSr. 1894. Nr. 1. 

8 L. Kamen, Ein weiterer Fall von typhöser Meningitis. Centralblatt f. Bak¬ 
teriologie. Abth. I. Bd. XXI. Nr. 11|12. 8.445. 

7 A. P. Ohlmacher, Clinical and pathological features of two cases of typhoid 
meningitis. Journ . of the Americans med. Assoc Vol. XX. p. 309. 

8 Stühlen, Ucber typhöse Meningitis. Berliner klin. Wochenschrift . 1891. 
Nr. 15. 

ö Gilbert und Giro de. eit. nach Curschmann, Semaine med. 1890. Nr. 58- 
— Cornpt . rend. de la iSoc. biol . 1891. Nr. 11. 


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Deb Nachweis von TvTHUSBACiiiLEN am Menschen. 


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Blackstein 1 und Welch 2 experimentell durch Thierversuche die Mög¬ 
lichkeit des Ueberganges der Bacillen in die Galle; sie konnten dieselbe 
5 J / 2 Wochen nach der Infection der Thiere noch aus der Galle züchten. 
Chiari 3 , welcher 22 Typhusleichen in den verschiedensten Krankheits¬ 
stadien untersuchte, fand 13 Mal die Gallenblase entzündet und konnte 
11 Mal die Bacillen darin nachweisen. Ueber ein Beispiel primitiver 
Typhusinfection der Gallenwege berichtet Guarnieri 4 * : der Darm zeigte 
keine charakteristischen Veränderungen, jedoch wurde aus der Leber der 
Galle, der Milz von der Leiche und auch 12 Tage vor dem Tode aus dem 
circulirenden Blute der Eberth-Gaffky’sche Bacillus gezüchtet. 

Martin nnd Keenan 6 beschreiben einen Fall von Cholecystitis, bei 
dem aus der durch Operation gewonnenen Flüssigkeit Typhusbacillen 
gezüchtet wurden. In gleicher Weise gelang bei operativer Eröffnung 
eitriger Cholecystitis der Typhusbacillennachweis Richardson 6 und Mason. 7 
Eine weitere seltenere Fundstätte der Typhusbacillen ist die erkrankte 
Kehlkopfschleimhaut. Lucatell'o 8 hat in einem Typhusfalle am 12.Krank¬ 
heitstage die Bacillen aus dem Speichel gezüchtet und konnte sie dann 
auch postmortem in der catarrbalisch afücirten Kehlkopfschleimhaut nach¬ 
weisen. Schulz 9 züchtete Typhusbacillen aus den Lymphknoten der ge¬ 
schwellten Follikel an der Epiglottis neben Staphylokokken. Destree 10 
fand im Paukbnhöhlenexsudat eines Typhuskranken Typhusbacillen. In 
lymphoiden Schwellungen der Mandel- und Gaumenbögen, die zum Zer- 

1 O. G. Blacksteijn, Intravenous inoculation of Rabbits with the Bacillus coli 
communis and the Bacillus typhi abdoru. The Johne Hopkins Hospital Bulletin. 
1891. Nr. 14. 

• W. H. Welch, Intravenous inoculation of the Bacillus typhi abdominalis. 
Ebenda. 1891. Vol. XI. Nr. 15. p. 121. 

‘Chiari, üeber das Vorkommen von Typhusbacillen in der Gallenblase bei 
Typhus abdominalis. Mittheilungen aus dem XI. Internat, med. Congress zu Rom. 
Centralblatt für Bakteriologie. 1894. Bd. XVI. S. 648. 

4 A. Guarnieri, Contributo alla patogenesi delle infezioni biliari. Birista gene¬ 
rale di clinica medica. 1892. p. 234, 258. 

• C. F. Martin und C. B. Keenan, A case of typhoidal Cholecystitis with 
cholelithiasis. Montreal med. Journal. Vol. XXVI. p. 572. 

• M. W. Richardson, A case of Cholecystitis due to the typhoid bacillus. 
Boston, med. a surg. Journal. Vol. CXXXVII. p. 570. 

1 A. L. Mason, Gallbladder infection in typhoid fever. Ebenda. Vol. CXXXVI. 
p. 448/49. 

• L. Lucatello, Beitrag zur Pathogenese der Kehlkopfaffectionen beim Ab- 
dominaltyphus. Berliner klin. Wochenschrift. 1894. Nr. 16. 

• M. F. 0. Schulz , Typhusbacillen in der Kehlkopfschleimhaut. Ebenda. 
Nr. 34. S. 748. 

14 A. Destree, A propos de quelques cas de suppuration compliquant la lievre 
typhoide. Journal de med. de Bruxelles. 1891. 5. Aoüt. 


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Albeecht Bukdacii: 


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fall gekommen waren und Geschwüre bildeten, konnten Duguet und 
Chantemesse 1 , indem sie den Geschwürsgrund zur Aussaat verwandten, 
Typhusbacillen nachweisen. Curschmann 2 3 bezeichnet die bakteriologische 
Untersuchung ähnlicher initialer Anginen bei Typhus „als eine vielleicht 
diagnostisch sehr lohnende Aufgabe, insbesondere, da sie nicht selten die 
erste und einzige Krankheitserscheinung ist“. Als Entzündungserreger 
der bei Typhus vorkommenden Strumitis wurde der Typhusbacillus von 
Lichtheim-Tavel 8 und Jeanselme 4 5 * festgestellt. In den Hoden wurden 
Typhusbacillen gefunden von Chantemesse und Yidal® und von Mya 
uud Belfanti 9 , von Letzteren auch in Gelenken. Im Knochenmark glückte 
der Nachweis der Typhusbacillen zuerst Quincke und Stühlen 7 , später 
hat Busch 8 sogar schon im Beginn der zweiten Krankheitswoche Typhus¬ 
bacillen im Mark einer Rippe und eines Oberschenkels nachgewiesen. 

Bei den im Danziger Institut gemachten Untersuchungen von Typhus* 
leichen bezw. von klinisch verdächtigen Fällen wurde 6 Mal der Typhus¬ 
bacillennachweis erbracht, theils aus der Milz, theils aus allen Organen, 
tlieils aus der Galle; in 5 anderen Fällen wurde nur Bacterium coli oder 
der Alcalignes gefunden; in meinen selbst beobachteten Fällen ergab 
Fall 1, bei welchem die Section spät gemacht wurde, in Folge vorge¬ 
schrittener Fäulnis» nur Bacterium coli. Fall 20 erwies sich als Miliar- 
tuberculose, Fall 27 als Streptokokkeusepsis. 


Her Nachweis der Typhusbacillen im Eiter und die Misch- 

infectiou bei Typhös. 

An den Bacillennachweis aus der Leiche schliesse ich als für die 
Diagnose eines Unterleibstyphus meist belanglos, aber von wissenschaft¬ 
lichem Interesse und epidemiologischer Bedeutung den Bacillenbefund im 
Eiter, der im Vergleich zu der Häufigkeit von Abscessbildungen bei 
Typhuskranken immerhin selten genannt werden dürfte. Am ersten 


I ( Y\t. nach Curschniann, Monographie. S. 187. 

II Curschmann, Monographie über den Unter lei bstyjdiysus. S. 189. 

3 Lichtheim-Tavel, l eher die Aefwlogie der Strumitis u. s. w. Basel 1^‘~* 

4 Jeanselme, Contribution ä l’etude des thyreoidites infect. Archive generale. 
Juli 1898. 

5 Chantemesse et Vidal, a. a. O. 

8 Mya e Belfanti, a. a. O. 

7 H. Quincke und Stühlen, Zur Pathologie des Abdominaltyphus. Berliner 
kt in. Wochenschrift. 1894. Nr. 15. 

8 H. Busch, Ueber das Vorkommen von Typhusbacillen iin Knochenmark. 

Diese Zeitschrift. Bd. XXV11I. 8. 479. 


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Deb Nachweis von Ttphusbacillen am Menschen. 


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scheint er noch aus osteomyelitischen und periostitischen Processen zu ge¬ 
lingen, um so verständlicher, da schon Quincke 1 im Knochenmark vou 
Typhusleichen die Bacillen antraf. Dieser Art sind die Fälle von Bacillen¬ 
nachweis von Orlow a , Colzi 3 , Achalme 4 , Pean und Cornil 6 , Sultan 6 , 
Klemm 7 , Buschke 8 , und Bruni.® Ich selbst hatte Gelegenheit, in einem 
Falle einer „posttyphösen Rippencaries“ den dem Institut übersandten 
Eiter und etwas Granulationsgewebe auf Typhusbacillen zu untersuchen 
und konnte in diesem Material eine Reincultur von Typhusbacillen fest¬ 
stellen durch Aussaat auf flüssigen und festen Nährböden. Oh hier die 
Knochenaffection durch die Typhusbacillen bedingt war, oder ihr Rück¬ 
bleiben als an einer Stelle todten Gewebes, herrührend etwa von einem 
tuberculösen Process, zu erklären war, muss ich ganz dahingestellt sein 
lassen, zumal mir keine genauere Kenntniss über den Fall und seinen 
Krankheitsverlauf trotz versuchter Erkundigungen wurde. 

Aus einem periarticulären Abscess unter dem rechten Deltoideus 
züchtete Sniezyüski 10 Typhusbacillen, Valentini 11 , sowie auch Spirig 12 
aus Empyemen des Thorax, ersterer auch aus einem Unterhautabscess an 
der Tibia, letzterer aus einem im Bereich der Spina il. ant. sup., Ray- 


* Quincke, a. a. O. 

* L. W. Orlow, Wie lange können Typhusbacillen im Menschenkörper ihre 
Lebensfähigkeit bewahren? Wratsch. 1889. p. 1079. 

* Colzi, Deila suppurazione dovuta a bacillo del tifo. Lo sperimentale. 1890. 
p. 623. 

* Achalme, Periostite suppuree consecutive ä une fievre typhoide et due au 
bacille tiphique. La Semaine med. 1890. Nr. 27. 

* Pean et Cornil, Osteoperiostite consecutive ä la fievre typhoide. Conser¬ 
vation des bacilles vivants dans les foyers d’infiammationes. Bull, de l.'acad. de med. 
1891. Nr. 15. — Centralbla/t f. klin. Medicin. 1892. Nr. 6. 

* Sultan, Beitrag zur Kenntniss der posttyphösen Eiterungen. Deutsche med. 
Wochenschrift. 1894. S. 675. 

1 P. Klemm, Ein weiterer Beitrag zur Lehre von den Knochenerkrankungen 
beim Typhus. Archiv f. klin. Chirurgie. 1894. Bd. XLVIII. 

8 Buschke, Ueber die Lebensdauer der Typhusbacillen in ostitischen Herden. 
Fortschritte der Medicin. 1894. Nr. 15/16. S. 573 u. 613. 

* Bruni, Osteomyelite posttyphique provoquee par le bacille d’Eberth. Annales 
de l’Institut Pasteur. T. X. p. 220. — Osteomielite posttifica da bacillo di Eberth. 
Policlinico. Nr. 12. 

18 Sniez yüski, Ein Fall eines periarticulären Abscesses, hervorgerul'en durch 
den Typhusbacillus. Centralblatt für Bakteriologie . 1894. Bd. XVI. Nr. 19. S. 77. 

11 Valentini, Beitrag zur Pathogenese des Typhusbacillus. Berliner lclin. 
Wochenschrift. 1889. Nr. 17. 

l * Spirig, Beiträge zur Bakteriologie der Typhuscomplieationen. Mittheilungen 
aujf klin. u . med. Instituten der Schweiz. Bd. I. 


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320 


Albkecht Bubdach: 


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mond 1 aus einem Bauchdeckenabscess, Colzi 2 aus einer vereiterten 
Struma, Mori 8 aus einem Schilddrüsenabscess, Girode 4 aus einer eitrigen 
Nebenhodenentzündung, Fasching 6 unter posttyphösen Eiterungen bei 
der einen aus einem Muskelabscess, Melchior 6 aus Abscessen an der 
Wade eines vor 7 bis 8 Monaten an Typhus erkrankten Patienten, 
Rosin und Hirschei 7 aus einem nekrotischen Gewebspfropf, der sich 
als Centrum einer derben Infiltration und ödematösen Schwellung im Ver¬ 
lauf einer Typhuserkrankung am Unterschenkel gebildet hatte. Zweifel¬ 
hafter sind die Fälle von Pansini 8 , der in 6 Fällen von Leberabscessen 
bezw. vereiterten Echinococcuscysten Typhusbacillen zum Theil vergesell¬ 
schaftet mit Streptokokken gefunden hatte. Da in seinen Fällen ein 
vorangegaugener Typhus klinisch nicht beobachtet war, deutet Kruse 1 '* 
die gefundenen Stäbchen als Pseudotyphusbacillen, ebenso dürfte man 
reservirt auffassen müssen die 42 Eiterungen mit Typhusbacillen in Rein- 
cultur, die Döhu 10 zusammengestellt hat. Burci 11 und Tictine 1 * züch¬ 
teten aus 2 Abscessen von Typhuskranken die Bacillen. Sudeck 18 fand 


1 F. Raymond, Sur les propriet^s do Bacille d’ßberth ä propos d’un cas de 
fifcvre typhoide compliquee d’un absc£s de la paroi abdominale et de delire aien. 
Gazette med. de Paris. 1891. Nr. 9. 

8 P. Colzi, Contributo allo sfcudio della strumite. Lo Sperimentale. 1891. Fase. 2. 

8 A. Mori, Contributo alla etiologia delle complicazione del tifo. Riformamd. 
Nr. 288. p. 148. 

4 A. Girode, Epididymite typhique suppuree: ßöle pyogene du bacille d’Ebertli. 
Arch. generales de med . Januar 1892. 

5 Fasehing, Zur Kenntniss des Bacillus typhi abdominalis. Wiener klinische 
Wochenschrift . 1892. Nr. 18. 

6 Melch ior, Typhusbacillen vom Aarsagtil Suppuration. (Der Typhusbacillus 
als »Suppurationsursache.) Hospitalstiden de. 1892. Bd. X. S. 1021. 

7 Rosin u. Hirschei, Zur Lehre von der metastatischen Wirkung des Typbus- 
baeillus. Deutsche med. Wochenschrift. 1892. S. 493. 

8 Pansini, Alcuni casi di ascessi del fegato e di eistida echinococco del legato 
suppurate. Ri forma med. 1893. Nr. 95/99. 

9 Kruse, vgl. Flügge’s Mikroorganismen. 

10 D6ku, Etüde sur le role du bacille d’Eberth dans les complications de la 
fievre typhoide. These de Paris. 1893. — Ref. Centralblatt für Bakteriologie. 1S‘.M. 
Bd. XV. S. 682. 

11 E. Burci, Osservazioni cliniche e ricerche sperimentali sulle suppuraziooi di 
bacillo tifico. Archivio italiano di Clinica medica . 1898. — Ref. Centralblatt für 
Bakteriologie. 1894. Bd. XVI. S. 131. 

18 J. Tictine, Contribution a Fetude des meningites et des absces prodaits par 
!e bacille de la fievre typhoide. Arch. de med. ex per. 1894. Nr. 1. 

13 Sudeck, Ueber posttyphöse Eiterung in einer Ovarialcyste, casu ist isolier Bei¬ 
trag zur Frage der pyogenen Eigenschaft des Typhusbacillus. Münchener medins. 
Wochenschrift. 1896. Nr. 21. 


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Der Nachweis von Tyi’iiusbacillen am Menschen. 


321 


sie in einer vereiterten Ovarialcyste, Schmidt 1 in einem subphrenischen 
Abscess, Bucalossi* in Abscessen des Ohres und Thränensackes, 
v. Dangern 3 bei eitriger Cholecystitis, Takaki und Werner 4 in einer 
eitrigen Bartholinitis, die im Verlauf eines Abdominaltyphus 25 Tage nach 
der Entfieberung sich gebildet batte. Neuerdings berichtet Prochaska 6 
über 22 Fälle von posttyphösen Eiterungen, von denen nur bei einer 
Typhusbacillen in Reincultur aus einem Glutaealabscess sich züchten 
liessen, während in den übrigen sich Staphylokokken, daneben auch 
Streptokokken, einmal Diphtheriebacillen fanden. Wir sehen also, dass 
die Eiterungen bei Typhus meist Complicationen mit einer Mischiufectiou 
darstellen, ähnlich, wie andere Processe, wie Parotitis, Pneumonie, Menin¬ 
gitis, Pleuritis, retrotonsilläre Phlegmone im Verlauf eines Typhus, bei 
welchen E. Fraenkel und Simmonds 6 stets nur Staphylokokken, Strepto¬ 
kokken oder Diplokokken fanden, während A. Fraenkel 7 , Seitz 8 , Rietsch 9 , 
Anton und Fütterer 10 , Vincent 11 , Hewetson 12 , Bonardi, Flora e 
Silvestrini 13 daneben auch Typhusbacillen antrafeu. Besonderes Interesse 
beanspruchen die Fälle von Karlinski 14 und Ippa. 16 Ersterer beob- 

I A. Schmidt, Beitrag zur eitererregenden Wirkung des Typhus- u. Cholera¬ 
bacillus. Deutsche med. Wochenschrift. 1896. Nr. 32. 

* Bucalossi, Suppurazzione multiple in intercorrenza e posttifiche da bacillo 
di Eberth. Settimana med. Nr. 12. 

* v. Dangern, Cholecystitis typhosa. Münch. m.Wochenschr. 1897. Nr.26. S.699. 

4 Takaki u. Werner, Casuistischer Beitrag zur Localisation der posttyphösen 

Eiterungen. Diese Zeitschrift. Bd. XXVIII. S. 319. 

6 Prochaska, Untersuchungen üb. die Eiterungen bei Typhuskranken. Deutsche 
med. Wochenschrift. 1901. Nr. 9. S. 132. 

6 E. Fraenkel und Simmonds, a. a. O. 

7 A. Fraenkel, Zur Lehre von den pathogenen Eigenschaften der Typhusbaeilleu. 
Centralblatt für Hin. Medicin. 1886. Nr. 10. 

8 Seitz, Studien zur Typhvsätiologie . 1886. 

9 Rietsch, a. a. O. 

10 B. Anton und G. Fütterer, Untersuchungen über den Typhus abdominalis. 
Münchener med. Wochenschrift. 1888. Nr. 19. S. 315. 

II Vincent, Recherches baetöriologiques sur Pinfeetion mixte par le bacille t.y- 
phique et le streptocoque. Le Bulletin med. 1891. Nr. 91. — Ref. Centralblatt für 
Bakteriologie. 1892. Bd. XII. S. 634. 

18 He wetson, The Relation of Bacteria and bacterioid Produits to the rend Lesions 
in typhoid Fever. John HapkirCs Hospital Deports. 1894. Vol. IV. Nr. 1. p. 150. 

18 Bonardi, Flora e Silvestrin, Osservazioni cliniche anatomo-pathologiehe 
e batteriologiche sulla febbre tifoide teste svoltesi epidemicamente in Pisa. Ririsfa 
generale italiana di clinica medica. 1891. Nr. 1—3. 

14 J. Karlinski, Untersuchungen über das Vorkommen der Typhusbaeillen im 
Harn. Prager med. Wochenschrift. 1890. Nr. 35/36. 

18 N. S. Ippa, Typhus abdominalis complicirt mit Recurrens. Russisch. Bonitsrh - 
nai a Gaseta Botkina. Nr. 7. 

ZeiUchr. t Hj^ene. XU. ~1 


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Albukcht BiruDAcn 


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achtete eine Typhuscomplication mit Milzbrand, wobei er beiderlei Mikro¬ 
organismen züchten konnte. Ippa fand bei einem Patienten im Blut 
Recurrensspirillen und im Milzblute Typhusbacillen. Ich selbst fand 
bei Abscessen in Fall 10 und 17 nur Staphylo- bezw. Streptokokken, im 
Fall 23, in einem frisch eröffneten Humerusabscess, der sich angeblich 
im Anschluss an Kampherinjectionen gebildet haben sollte, neben Typhus- 
bacillen den Staphvlococcus albus; in anderen früher eröffneten Abscessen 
desselben Falles fand sich neben diesen Kokken der Bacillus pyoceaneus. 
Beide Male Hessen sich die beweglichen Stäbchen unschwer von den Kokken 
durch das Gabritschewsky’sche „Rennplattenverfahren“ 1 trennen, so 
dass man in kürzer als 24 Stunden Reinculturen hatte. 

Der Typhusbacillennachweis im Stuhl. 

Ich komme jetzt zu den Versuchen des Typhusbacillennachweises, die 
in Bezug auf ihren diagnostischen Werth allgemeines Ansehen besitzen. 
Da ja als ein hervorstechendes klinisches Symptom der sogenannte,, Typhus¬ 
stuhl“ seit alter Zeit angesehen wurde, war es nicht zu verwundern, dass 
man namentlich hierin den Erreger der Krankheit leicht zu finden er¬ 
wartete, da man die Infectiosität des Typhusstuhles als Erfahrungsthat- 
sache ansah. 

A. Pfeiffer 2 war der erste, dem der Nachweis der Typhusbacillen 
im Stuhlgang gelang, und zwar mittels des Koch’schen Agarplatten- 
verfahrens. Wenn wir des Weiteren die zahlreichen Untersuchungen der 
Autoren über Typhusbacillenuachweis im Stuhl betrachten, so bemerken 
wir, dass der Bacillennachweis gleichsam periodisch sich leichter zu ge¬ 
stalten schien, jedes Mal, wenn eine neue Methode erfunden war, so lange, 
bis ihre Mängel und Unzuverlässigkeit erwiesen war, so dass wir schliesslich 
noch heute den leichten und sicheren Bacillennachweis im Stuhl als ein 
ungelöstes Problem ansehen müssen, da wir noch nicht alle die Umstände 
und Zufälligkeiten kennen, die uns manchmal die Bacillen leicht linden 
lassen, während in vielen Fällen unter anscheinend gleichen Bedingungen 
der Befund dauernd negativ bleibt. 

Mit Koch’scheu Gelatineplattenaussaaten erbrachten Fraenkel und 
Simmonds 3 in 3 unter 7 Fällenden Nachweis von Typhusbacillen aus dem 


' G. Gabritsehcwsky. Ueber aetive Beweglichkeit der Bakterien. 
Zeitschrift. Pd. XXXV. S. 104. 

* A. Pfeiffer, lieber den Nachweis der Tvjdiushaeillen im Darminlialf und 
Stulil^am:. Deutsche mal. Wochenschrift. 1885. Nr. S. 500. 

3 E. Fraenkel und Simmonds, a. a. <>. 


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Der Nachweis von Tyi’husbacillen am Menschen. 


323 


Stuhl, Seitz 1 bei 6 unter 8 Typhusfällen. Nach diesen betonten den 
diagnostischen Werth dieser Methode auf Grund eigener positiver Erfolge 
Vilchour 2 * , Kilcher 8 , Merkel und Goldschmidt 4 * ; desgl. berichten 
aus jener Zeit über positive Resultate der Stuhluntersuchungen Stagnitta B , 
Pasquale 6 , ferner Bonardi, Flora e Silvestrini 7 , allerdings nur in 
2 von 8 Fällen. 

Der Uebelstand, dass die im Stuhl sehr reichlich vorhandenen Ver- 
tlössiger die Platten unbrauchbar machten, führte zu einer Reihe sogen, 
electiver Methoden, wobei durch den Zusatz entwickelungshemmender 
Substanzen einer zu raschen Wucherung jener störenden Keime vorgebeugt 
werden sollte. Zunächst führten Chantemesse und Vidal 8 ihre 
0*2procent. Carboigelatine ein, womit sie „nur ausnahmsweise“ den Nach¬ 
weis von Typhusbacillen im Stuhl erbrachten. Holz 9 verwarf bald diese 
Methode, da nach seinen Vorversuchen Typhusbacillen überhaupt nur in 
0-1 procent. Carbolgelatine wuchsen und empfahl seinerseits die Kartoffel- 
gelatiue, in welcher „die Typhusbacillen charakteristisch wuchsen und 
zahlreiche andere in Schmutz und Wasser vorkommende Bakterien im 
Wachsthum gehemmt wurden“. Rawitsch-Schterbo 10 erfand wieder 
eine neue Methode: 2 bis 3 Tropfen einer 2 procent. alkoholischen Alpha- 
Naphtollösung werden zur Bouillon gesetzt, in welcher eine Oese Stuhlgang 
ausgesät wird; es entsteht nach 24 Stunden in dem Röhrchen eine Trübung, 
dann wird davon ein gleiches Röhrchen geimpft u. s. w.; im dritten bis 
vierten Röhrchen erhielt er schon eine Reincultur von Typhusbacillen. 
Eine andere Methode übte Grawitz 11 : in Reagensgläsern mit sterilem 
Wasser wurde so viel Stuhl aufgeschwemmt, dass sie sich deutlich trübten, 


1 Seitz, a. a. ü. 

* Vilchour, a. a. 0. 

:i Kilcher, a. a. 0. 

4 Merkel und Goldschuiidt, a. a. O. 

* Stagnitta, Sul valore diagnostieo delle rieorehe hatteriologiche nel tif'o ad- 
dominale. Riforma medica. 1890. Nr. 289/240. 

* A. Pasquale, Sul tif'o a Massaua. (liornale rnediro del R. Esercifo e della 
R. Marina. 1891. Nr. 17. 

7 Bonardi, Flora e Silvestro, a. a. <>. 

* Chantemesse et Vidal, a. a. O. — Reeherehes sur le bacille typhique et 
l’etiologie de la fiövre typhoide. Archivex de Rhyxiolopie norm, et patk. 1887. Nr. 2. 
p. 217. 

® Holz, Experimentelle Untersuchungen über den Nachweis der Typhushaeillen. 
Diese Zeitschrift. 1891. Bd. VIII. S. 113. 

10 Rawitsch-Schterbo, Uebor den Nachweis von Typhusbacillen im Wasser 
und in den Fäces. Russisch. Woenuo-medinoleifx Journal. April 1892. 

" Grawitz, Uebor die Bedeutung des Typhusbaeillennaehweises für die klin. 
Diagnose des Abdnminaltypbus. Charite- Annalen. 1892. Bd. XVII. 

21 * 


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Ai/brecht Burdach: 


dann wurden sie in einer Kältemischung zum Gefrieren gebracht, da viele 
typhusähnliche Stuhlbakterien gegen die Kälte weniger widerstandsfähig 
sein sollten, als Typhusbacillen. Nach dem 12 bis 24 Stunden später 
erfolgten Aufthauen des Reagensglasinhaltes wurden auf Holz'scher Gelatine 
Aussaaten gemacht und auch anscheinend positive Resultate erzielt, doch 
machte Grawitz selbst bei diesen Versuchen die Beobachtung, dass Ver¬ 
wechselungen mit anderen Bakterien bei der Weiterimpfung gar leicht 
Vorkommen. Loesner 1 fand nach eingehender Prüfung der vorher ge¬ 
nannten Methoden folgende empfehlenswerther: die Gelatineplatten werden 
unter Zusatz von 0*03 bis 0-05 Procent Phenol angelegt. Kruse-* 
empfahl auf diesen Platten Oberflächenaussaaten zu machen, weil nur 
die oberflächlichen Colonieen wegen ihrer charakteristischen Weiublattform 
zur Abimpfung benutzt werden könnten. Eudlich beruht auf dem Prineip 
der Wachsthumshemmung der störend beigemengten Fäulnisserreger die 
Elsner’sche Methode 3 : „Ein Kartoflelauszug von 1 / 2 V ^ Kartoffeln auf 
1 Liter Wasser wird in der üblichen Weise mit Gelatine versetzt , dem 
Gemisch 0*1 Proceut Normalnatronlauge im Verhältniss 2*5 bis 3-0 auf 
10 Gelatine zugesetzt, gekocht, filtrirt, sterilisirt. und mit 1 Procent Jodkaii 
versetzt.“ Nach Elsner sollen verflüssigende Arten in dieser Gelatine 
überhaupt nicht wachsen, was jedoch nicht immer zutrifft. Ferner sollen 
die „stets gröberen Colicolonieen“ sich leicht von den zarten „Wasser¬ 
tröpfchen gleichen“ Typhuscolonieeu unterscheiden. Diese Typhuscolonieeii 
sind erst sehr spät, nach 48 Stunden, zu entdecken und auch dann 
dürften Colicolonieen oft ebenso zart sein, weil der Nährboden in der 
That ungemein ungünstige Wachsthumsbedingungen bietet. Ebenso wie 
das Bacterium coli verhält sich der Bac. faecalis alkaligenes und auch 
Vibrioarten bieten in den ersten Tagen, bevor sie anfangen zu verflüssigen, 
besonders deutlich Wassertröpfchen ähnliche Colonieen, wie ich oft bei 
Wasseruntersuchungen zu constatiren Gelegenheit hatte. So dürfte auch 
bei dieser Methode das Resultat mehr dem glücklichen Zufall überlassen 
bleiben, dass gerade besonders zahlreiche Typhuskeime im Aussaatmaterial 
enthalten sind. Elsner 3 hatte mit seiner Methode in 17 Fällen 15 Mal 
ein positives Resultat; gleich ihm erzielten Brieger 4 , Wathelet*, La- 

1 Lösner, a. a. 0 . 

* K r u s*e, F1 ü g g e * s M ikrourqa n ism en. 

3 M. Elsner, Untersuchungen über electives Waehsthum der Baoterium coli* 
Arten und des Typhusbacillus und dessen diagnostische Verwerthbarkeit. Diese Ab¬ 
schrift. Ed. XXL S. 25. 

4 Brieger, lieber d le klinische Bedeutung des IjIsiici sehen T^phusnachoi 
Berliner kJ in. Wochenschrift. 1895. Nr. 50. 

b Wathelet. Recherohes baeteriologiques sur les dejections dans la fievre ty¬ 
phoide. Annales de V Institut Bast cur. Nr. 4. p. 252. 


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Der Nachweis von Typhusbacieeen am Menschen. 


325 


zarus 1 * , Pollak 3 , Chantemesse 3 , Sterling 4 * und Richardson 6 positive 
Resultate. Pollak betont namentlich, dass die Untersuchung sich sehr 
lange hinzieht wegen der langsamen Entwickelung der Keime in der 
Elsner’schen Gelatiue. Die oben erwähnte Thatsache, dass an den 
Fäcalbakterien in den einzelnen Colonieen auf Elsner’schen Platten nicht 
von Typhus zu unterscheiden sind, constatirten auch Chizzola 8 , Breuer 7 , 
Hädtke 8 , Curschmann 9 , Kruse. 10 Bei den weiter unten verzeich¬ 
nten Stuhluntersuchungen wurde nur selten das Elsner’sche Verfahren 
angewandt, da namentlich Methoden, die schneller zum Ziele führten, 
geübt wurden, während die gleichzeitig angelegten Elsnerplatten oft Tage 
lang überhaupt keine Colonieen zeigten und dann erst vom 5. oder 6. Tage 
sich mit Schimmelfaden überzogen. 

Ein viel discutirtes bakteriologisches Verfahren der Stuhluntersuchung 
auf Typhusbacillen ist das Piorkowski’sche. 11 Der Nährboden wird 
fulgeudermaassen bereitet: Etwa 2 Tage lang gesammelter normaler Harn 
(specifisches Gewicht 1020), der inzwischen die alkalische Reaction an¬ 
genommen hat, wird mit l /a Procent Pepton und 3*3 Procent Gelatine 
versetzt, im Wasserbade etwa 3 / 4 Stunden gekocht, darauf ohne Anwendung 
von Wärme filtrirt, in Reagensgläser gefüllt und behufs Sterilisation so¬ 
gleich 15 Minuten lang und am folgenden Tage 10 Minuten lang im 
Dampftopf bei 100° Cels. gehalten. Der Nährboden soll nicht künstlich 
alkalisirt werden. Typhuscolonieen erscheinen darin bei 22° gezüchtet 

1 A. Lazarus, Die Elsner’sche Diagnose des Typhusbacillus und ihre An¬ 
wendung in der KliDik. Berliner klin. Wochenschrift. 1895. Nr. 49. 

7 G. Pollak, Ueber den klinischen Nachweis des Typhus. Centralblatt f. klin. 
Medicin. 1896. Nr. 31. 

* A. Chantemcsse, Diagnostic preeoce de la fievre typhoide par l’examen 
bacteriologique des garderobes. Compt.rend.de la Soc. de biol. 1896. Nr. 8. p. 215. 

4 Severin Sterling, Ueber die Elsner’sche Methode des Nachweises der 
Typhusbacillen. Centralblatt für Bakteriologie. Abth. I. Bd. XXII. Nr. 12/13. S. 334. 

* M. W. Richardson, On the bacteriologic examination of thestoolsin typhoid 
fever and its value in diagnosis. Journal of American med. Assoc. Vol. XXIX. p. 6. 
— Boston med. a. surg. Journal. Vol. G'XXXVII. p. 433. 

* Chizzola, Sul valore diagnostico del metodo di Elsner (Baeillo tifico). Settima 
med. 1896. Nr. 28. 

7 R. Breuer, Zur Vidal’schen Serodiagnostik des Abdominaltyphus. Berliner 
klin. Wochenschrift. 1896. Nr. 47/48. 

* M. Hädtke, Die Diagnose des Abdominaltyphus und Vidal’s serumdiagno- 
stisehes Verfahren. Deutsche med. Wochenschrift. 1897. Nr. 2. Nr. 21. 

* Curschmann. Monographie. S. 401. 

10 Kruse, vgl. Fliigge’s Mikroorganismen. 

11 Piorkowski: Ueber ein einfaches Verfahren zur Sicherstellung der Typhus¬ 
diagnose. Sitzungsbericht der Berliner med. Gesellschaft. 25. Januar 1899. Münch, 
med. Wochenschrift. 1899. Nr. 5. — 1899. Nr. 49. 


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Alükeciit Burdach: 


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als eigenthümliche Faserformen in einer eigenartigen von einer Centrale 
ausgehenden Anordnung; man unterscheidet kürzere oder längere farblose 
Ranken häufig in Spirochätenartiger Form, gänzlich differencirt von den 
runden gelben Colicolonieen. Die beiden charakteristischen Momente in 
der Zusammensetzung dieser Piorkowski’schen Gelatine, der Harnzusatz 
und der geringe Procentgehalt an Gelatine, waren früher schon getrennt 
zur Differenzirung von Typhus- und Colibacillen benutzt worden. So hatten 
Gorini 1 * 3 in seiner 2procent. Harnstoffgelatiue und Piorkowski* selbst 
in Harnnährböden Wachsthumsverschiedeuheiten constatirt, die im Wesent¬ 
lichen in einer Wachsthumshemmung der Typhusbacillen gegenüber den 
Colibacillen bestunden. Culturversuche mit gering procentuirter Gelatine 
bei 22° C. bezw. mit höher procentuirter bei entsprechend höheren Tem¬ 
peraturen waren schon früher von Klie 5 6 , Werner Rosenthal 4 und 
nach den letzten Piorkowski’schen Beobachtungen auch von Herford 5 
gemacht; dabei hatte sich allerdings bei beiden Bakterienarten, vorzugs¬ 
weise jedoch bei den Typhuscolouieen, die Bildung von Ausläufern, von 
Bakterienlädchen, von der central gelegenen Colouie sowie die Ablösung 
kleiuer Bakterienverbände von der Colouie gezeigt. Auch waren die Coli¬ 
colonieen fast immer gröber. „Indessen schien zu einer sicheren DiflV- 
rencirung beider Bacillenarteu die Methode nicht geeignet zu sein“ (Klio 5 ). 
Nach Portner 0 kommen die Bildungen von Ranken und Ausläufern 
namentlich bei sehr beweglichen Coliarten vor, während sie nach Bischof 
und Menzer 7 als die Folge eines ungünstigen Nährbodens anzusehen 
sind, da sie stets namentlich bei dichtbesäten Platten auftreten, und zwar 
auch bei unbeweglichen Coliarten. Wenn auch Piorkowski 8 in seinem 
neuen Verfahren eine so sichere Ditterencirungsmethode für den Typhus- 

1 G. Gorini, Su(>ra un nuovo eriterio diagnostico del Bacillo del Tito. Gwrn. 
del reale soc. a Statiana d'igiene . 1894. Nr. 7. 

s Piorkowski, lieber die Differenzirung von Bacterium coli commune u. Ba¬ 
cillus typhi abdominalis auf Harnnährsubstraten. Aus dem pathol. Inst. Erlangen. 
Centralblatt für Bakteriologie. Bd. XIX. Nr. 18/19. S. 686. 

3 J. Klie, Untersuchungen des Wachsthums von Bacterium typh. abdom. und 
Bact. coli com. in den Nährböden mit verschiedenem Procentgehalt von Gelatine bei 
verschiedenen Temperaturen. Centralblaff für Bakteriologie. Bd. XX. Nr. 2/3. S. 49. 

4 Werner Bosenthal, Archiv f. klin. Medi ein. Bd. XV. Cit. nach Bisehoff 
und Menzer. 

5 Herford, Untersuchungen über den Piorkowski’schen Nährboden. Diese 
Zeitschrift. Bd. XXXIV. 8. 341. 

6 Unger und Portner, Der Werth des Harnnährhodens für dieTyphusdiagnose. 
Manchener med. Wochenschrift. 1899. Nr. 51. 

7 Bisehoff und Menzer, Die iSehnelldiagnose des Unterleibstyphus mittels 
der von Piorkowski angegebenen Ilarngelatine. Diese Zeitschrift. Bd. XXXV. 

8 Piorkowski, a. a. (>. 


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Dkk Nachweis von Typhusbacillen am Menschen. 


327 


bacillus von ähnlichen gefunden zu haben glaubte, dass er „bei der 
mikroskopischen Betrachtung von Stuhlplatten schon eine verlässliche 
Diagnose stellen zu können glaubte“, so dürfte sich diese Ansicht doch 
nicht aufrecht erhalten lassen, da nach den Erfahrungen Anderer immer 
eine genaue Weiterprüfung der fraglichen Colonieeu nöthig ist (Unger 
und Portner 1 , Schütze 2 , Wittich 3 , Gebauer 4 5 * , Mayer 8 , Herford 8 , 
Bise hoff und Menzer. 7 ) Dazu kommen noch zahlreiche technische 
Schwierigkeiten, die die Anwendung des Piorkowski’schen Verfahrens 
erschweren: die leichte Verflüssigung der Gelatine, besonders in der warmen 
Jahreszeit, die Schwierigkeit, den Thermostaten (Löwit 8 ) auf einer 
Temperatur von 21-5 bis 22° C. zu halten, die Beschaffung eines ge¬ 
eigneten Urins sind alles Momente, welche die praktische Verwerthung 
des Piorkowski’schen Nährbodens sehr erschweren. Mittels der Pior- 
kowski’scheu Methode gelang mir nur in einem Falle der Nachweis von 
Typhusbacillen im Stuhl, trotzdem ich sie in den meisten meiner Fälle 
auwandte. Häufig waren die Platten schon nach 12- bis 18stündigem 
Aufenthalt im Brütschrank verflüssigt, in anderen Fällen erwiesen sich 
Colonieen mit schönen Ausläufern als Colicolonieen; auch bei Vor- und 
Parallelversuchen mit Keiuculturen von Typhusbacillen, Colibacillen und 
Bacillus alkaligenes bildeten die Colibacillen ähnliche Colonieen, wie Typhus 
mit zahlreichen Ausläufern, Bacillus alkaligenes eine staubförmige Trübung 
um die Colonie, die bald zur Verflüssigung führte, eine merkwürdige 
Thatsache, die nur auf Piorkowskiplatten zu beobachten ist. 

Bevor ich zur Besprechung der von mir mit dem relativ grössten 
Erfolg ausgeführten Methode der Stuhluntersuchung, der fractiouirteii 
Agaraussaat komme, möchte ich noch einige geistreich erdachte Methoden, 
welche die Aera der Serodiagnostik zeitigte, erwähnen. Landmann 9 
prüfte seine auf dem Princip der Pfeiffer’scheu Reactiou beruhende 


1 Unger und Portner. a. a. O. 

* Schütze, cit. nach Bischoff und Menzer. 

* II. Wittich, Beiträge zur Frage der Typhusdiagnose durch culturellen Nach¬ 
weis auf Harngclatinenährboden. Centra/Matt für Bakteriologie. Bd. XXVI. Nr. 13. 

4 Gebauer, cit. nach Bischoff und Menzer. 

5 Q. Mayer, Zur Kenntniss des Piorkowski’schen Verfahrens der Typhus- 
diagnose nebst einschlägigen Modificationen. Deutsche med. Wochenschrift. 1901. 

• Herford, a. a. O. 

7 Bischoff und Menzer, a. a. O. 

8 Löwit, Bericht vom 18. Congress für innere Medicin in Wiesbaden. Deutsche 
med. Wochenschrift. 1900. Nr. 18. 

• Landmann, Ueber eine neue Methode der bakteriologischen Typhusdiagnose. 
Arbeiten aus dem städt. Krankenhause zu Frankfurt a/M. Festschrift z. OH. Ver¬ 
sammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte zu Frankfurt ajM. S. 243. 


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AiiMiecht Huudach: 


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Methode, indem er von einem (vorher jedenfalls sterilisirten) und dann 
mit Typhus- und Colibacilleu versetzten Stuhl von nicht an Typhus 
leidenden Patienten eine Oese mit 0 • 3 ccm des zu dem betreffenden Coli- 
stamm gehörigen Immunserums vermischte und dann einem Meer¬ 
schweinchen in die Bauchhöhle spritzte. Wenn er dann nach 30 Minuten 
entnommenen Bauchhöhleninhalt auf Plattenculturen vertheilte, erhielt er 
die Typhusbacillen rein. „Versagen könne die Methode, wenn im Stuhl¬ 
gang noch andere in der Bauchhöhle des Meerschweinchens entwickelungs- 
lähige Bakterienarten enthalten seien.“ An Typhusstühlen selbst hat der 
Autor die Methode noch nicht erprobt. Ganz abgesehen davon, dass ein 
Coliimmunserum durchaus nicht auf alle im Stuhl vorkommenden Coli- 
arten baktericid wirkt, dürften auch die im Stuhl nicht seltenen Eiter¬ 
kokken eine wesentliche Rolle beim Misslingen des Versuches spielen, 
dem fast stets das immerhin kostbare Thier ausserdem noch zum Opfer 
fallen dürfte. Werthvoller erscheint die Methode nach Gabritschewsky. 1 
Dieser fand, dass auf einer ebenen Agarplatte, die mit sterilisirteni mit 
Nährbouillon getränktem Fliesspapier bedeckt ist, bewegliche Mikro¬ 
organismen, die man auf die Mitte der Platte impft, sich in 6 bis 8 Stunden 
schon 3 bis 4 cm von der Mitte entfernt haben, während unbewegliche 
sich in derselben Zeit nur auf das Mittelfeld beschränken. Zu diesem 
Zwecke legte er in den betreffenden Abständen von dem geimpften Mittel¬ 
feld sterile Plättchen auf das Fliesspapier, die nach entsprechender Zeit 
in Bouillon übertragen wurden, in welcher sich dann die beweglichen 
Arten isolirt weiter entwickelten. Beim Vergleich beweglicher Coliarten 
mit Typhusbacillen erwiesen sich die ersteren stets als etwas schneller. Um 
sie nun aus Gemischen von einander zu trennen, setzte Gabritschewsky 
zu der das Fliesspapier tränkenden Nährbouillon 3 Procent eines Coli- 
immuuserums, welches Colibaeillen im Verhältniss 1:5000, Typhusbacillen 
aber nur im Verhältnis von 1:10 agglutinirte. Selbst wenn 10000 Mal 
mehr Colibaeillen ausgesät wurden, fanden sich, allerdings auch erst nach 
8 Stunden, die Typhusbacillen weiter entfernt von der Aussaatstelle, wenn 
auch nur um 1 cm . Auch aus Typhusstühlen gelang es so, 2 Mal die 
Typhusbacillen zu isoliren. Auf Grund seiner eigenen Versuche kann 
Gabritschewsky behaupten, dass diese Methode nicht die bereits für 
die Isolirung des Typhusbacillus bestehenden ersetzen könnte. „Dazu 
dürften noch specielle Untersuchungen und Veränderungen der Technik 
erforderlich sein; man benöthigte z. B. eines polyvalenten Serums für die 
Colibacilleu.“ Abgesehen davon, dass ein für alle Coliarten ausreichendes 
polyvalentes Serum, sei es von einem Thier durch Behandlung mit allen 


1 G. Gabritschewsky, a. a. O. 


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Deu Nachweis von Tviuiij.suaoimjEx am Menschen. 320 

Colispielarten, sei es von mehreren Thieren, als ein Serum mixte nach 
dem Vorschlag von Rodet, noch nicht herzustellen gelungen ist, so sind 
für die Ausübung der Gabritschewsky’scheu Methode doch auch sonst 
iu den Fäces vorkommende bewegliche Mikroorganismen zu berücksichtigen. 
Bei den von mir ohne Immunserum angestellten Vorversuchen mit Stuhl¬ 
proben gelangte ausser beweglichen Coliarten auch z. B. der Bacillus 
pyocyanus zur Isolirung (Fall 23). In 19 von mir beobachteten sicheren 
Typhusfallen (von denen bei 7 der Bacillennachweis auf andere Weise 
erbracht war), während bei den anderen klinische Symptome und Vidal’sche 
Reaction die Diagnose sicherten, wandte ich zur Stuhluntersuchung meistens 
die im Danziger Institut für besonders keimreiches Material gebräuchliche 
Methode mittels des Petruschky'scheu Agarflachkölbchens au. Die Flach¬ 
kölbchen, welche eine Agaroberfläche von ca. 40 ,,cm , also ebenso wie eine 
gewöhnliche Petrischale haben, gestatten wegen ihres mit Wattepfropf ver- 
schliessbaren Halses ein sicheres leichtes Arbeiten und verbinden die Vor¬ 
theile der Plattencultur (weite Vertheilung verhältnissmässig reichen Aus¬ 
saatmaterials) mit denen der Röhrchenculturen (vollkommener Schutz vor 
äusseren Verunreinigungen, namentlich beim Aufbewahren der sterilen 
vorräthig gehaltenen Nährboden platten). Der Ausstrich geschieht mittels 
geglühter Platiunadel, welche vorher mitten in den eben vom Kranken¬ 
bette in verdecktem Glasgefäss gebrachten Stuhl eingetaucht ist. Die 
nach 12- bis 24 ständigem Brütschrankaufenthalt inspicirten Platten ge¬ 
statten ein leichtes Abimpfen der verdächtigen Colonieen, als welche 
makroskopisch runde durchscheinende etwa stecknadelkopfgrosse farblose 
Colonieen angesehen wurden. Sie unterscheiden sich von den häulig im 
Stuhlgang vorkommenden Streptokokken durch ihren meist etwas grösseren 
Umfang und von den einen Coliarten durch ihre meist zartere Beschaffen¬ 
heit, während gewisse Coliarten und auch Pyoeyanuscolonieen, wenn sie 
vereinzelt sind, in den ersten 12 bis 18 Stunden kaum von ihnen zu 
unterscheiden sind, da bei letzteren die Farbstoffbildung gewöhnlich erst 
später und besonders beim Stehenlassen ausserhalb des Brutschrankes auf¬ 
zutreten pflegt. Mittels der erwähnten Methode gelang es mir iu 6 Fällen 
10 Mal aus dem Stuhl Typhusbacillen zu isoliren. In einem 7. Falle 
gelang der Nachweis mittels des Piorkowski’scheu Verfahrens, wobei 
besonders hervorgehoben werden soll, dass der gleichzeitig untersuchte 
Urin, von welchem dem Stuhl etwas beigemengt war, aus welchem ja 
sonst die Isolirung der Typhusbacillen mittels dieses Verfahrens leicht 
gelingt, steril war. Nicht unerwähnt lassen darf ich, dass ich mit dem 
Petruschky’scheu Verfahren bei 21 Untersuchungen von Stühlen Typhus- 
kranker negative Resultate hatte (vgl. Schlusstabelle). Das Elsner’sche 
und Piorkowski’sche Verfahren wandte ich nur in 10 Fällen an, ersteres 


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Alkuecht Buiujach: 


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:t:to 

ohne positives, letzteres mit dem einen positiven Resultat. In mm 
Fällen, von denen sich später zeigte, dass es keine Typhusfälle waren, 
wurdeu aus dem Stuhl öfters bewegliche Darmbakterieu isolirt, von denen 
besonders bemerkenswerth war ein durch Typhusimmunserum im Ver- 
hältniss 1:150 agglutinirbarer, alkalibildender und Traubenzucker ver¬ 
gällender, die Gelatine nicht verflüssigender Bacillus, der bei derselben 
Patientin (Fall 19) auch aus dem Blut gezüchtet worden war. 

Nach Abschluss meiner Untersuchungen veröffentlichten v. Drigalski 
und Conradi 1 ein neues Verfahren zum Nachweis der Typliusbacille« 
aus dem Stuhl. Bei ihrer Methode vereinigt sich der Vortheil der frac- 
tionirten Agaraussaat mit der Lackmusreaction, indem sie ihrem Nähragar 
Lackmustinctur und Milchzucker zusetzen, wodurch eine leichte Difteren- 
cirung der Typhuscolonieen gegen Colicolonieen auf der Originalplatte 
erzielt werden soll. Ueber Erfahrungen mit diesem Verfahren kann ich 
noch nicht berichten. 

Ich komme jetzt zu den relativ einfacheren Wegen des Typhusbacilkn- 
nach weises aus dem Blute, den Roseolen, dem Milzsaft und dem Urin. 

Nachweis der Typhiisbaclllen im Blut. 

Dass wir die Typhusbacillen beim Abdominaltyphus in deu ver¬ 
schiedensten Organen localisirt finden, erklärt sich nach Kruse 2 durct 
die Annahme, dass „dieselben regelmässig in den Kreislauf übergehen". 
Diese Annahme wird durch den Nachweis der Bacillen im Blute erwiesen, 
welcher jedoch nicht immer gelingt, so dass Heim 3 4 * die Aussaaten von 
Blut der Typhuskranken für uugeeignet zur Diagnose hält, „da die Typhus- 
keime nur selten im Kreislauf augetroffeu werden“. Die zum Zweck des 
Bacillenuachweises augestellten Blutuntersuchungen erstrecken sich aul: 

1. Das circulirende Blut (meist einer Armvene entnommen), 

2. das Roseolenblut und 

3. den durch Milzpuuktion gewonnenen Saft. 

Fraenkel und Simmonds* erhielten bei der Untersuchung des Blutes 
hebernder Typhuskranker mittels des Koch’schen Platten Verfahrens in 
B 1'allen stets negative Resultate; später berichten sie an anderer Stelle 
über ein positives Resultat unter 6 Fällen. Seitz 6 untersuchte lei 

1 v. Drigalski und H. Conradi, Ueber ein Verfahren zum Nachweis der 
TyphiLsbaeilleu. Diese Zeitschrift . l‘J02. Ild. XXXIX. 

* Kruse, F1 ü g g e 9 s Alikroorganismen . 

3 Heim, Lehrhuch der Bakteriologie. 

4 Fraenkel und Simmonds, a. a O. 

3eitz, a. a. O. 


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Original frum 

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Deb Nachweis von Typhusuaoillen am Menschen. 


331 


11 Typhuskranken 7 Mal das Fiugerblut; dabei Hessen sich weder mikro¬ 
skopisch noch culturell Typhusbacillen nachweisen. Einen Vortheil für 
die Praxis, speciell für die Diagnostik kann sich daher Seitz von den 
Blutuntersuchungeu bei Typhus nicht versprechen. Heyseis 1 will in 
9 Fällen im Fingerblute, allerdings nur sehr vereinzelte, Bacillen mikro¬ 
skopisch gesehen haben, die er als Typhusbacillen anspricht, wozu ausser 
dem Glauben allerdings keine Veranlassung vorliegt. Lucatello 2 hin¬ 
gegen kam bei mikroskopischer und cultureller Untersuchung des Blutes 
der Körperperipherie von Typhuskranken in 9 Fällen stets zu negativem 
Ergebniss. Ganz abenteuerlich klingen die Berichte von Almquist 3 in 
einer älteren Arbeit. Er beobachtete mikroskopisch Fäden und Kurz¬ 
stäbchen mit theils schlängeluder Bewegung im frischen noch nicht 
coagulirten Blute von Typhuskranken, die er für die Erreger der Krank¬ 
heit hielt. Dagegen gelang es Merkel und Goldschmidt 4 5 nicht, im 
Fingerblute mikroskopisch Typhusbacillen zu sehen. Janowski 6 machte 
bei seinen ausgedehnten Untersuchungen an 26 Typhuskranken nicht 
weniger als 236 Ausstriche auf erstarrter Gelatine mit Blut theils aus 
der Fingerkuppe, theils aus der Vene, ohne eiu positives Resultat zu er¬ 
halten. Auch Stagnitta 6 erhielt bei Untersuchung des während der 
Krankheit aus der Vene entnommenen Blutes mikroskopisch und culturell 
negative Resultate. Pasquale 7 8 gelang es in einem Falle, aus dem circu- 
lirenden Blute eines Typhuskranken die Bacillen zu züchten, deren Nach¬ 
weis nach dem Tode auch aus den inneren Organen gelang. Silvestrini* 
machte während der 1890 bis 1891 in Pisa herrschenden Typhusepidemie 
Blutentziehungen aus der Fingerkuppe und konnte dann, nachdem er das 
Blut in sterilisirten Glasröhren mehrere Tage sich selbst überlassen hatte, 
mehrmals darin Typhusbacillen nachweisen. Seine Bacillen prüfte er in 
Bezug auf ihr Wachsthum auf der Kartoffel, auf Lackmusagar, in steriler 


1 Meysels, Ueber das Vorkommen von Typhusbacillen im Blute und dessen 
diagnostische Bedeutung. Wiener med . Wochenschrift . 1880. Nr. 21—23. 

2 Lucatello, Sulla presenza del bacillo tifoso nel sangue splenico e suo possi- 
bilc valore diagnostico. Bullet, d. R. Academie med. di Genova . 1880. Nr. 8. 

a E. Almquist, Ueber die Bakterien des Typhoidfiebers. Aus des Verfassers 
Schrift: Wie entstehen unsere J Jasernepidemieen ! Göteborg 1885. 

4 Merkel und Goldschmidt, a. a. O. 

5 Th. Janowski, Zur diagnostischen Verwerthung der Untersuchung des Blutes 
bezügl. des Vorkommens von Typhusbacillen. Centralblatt für Bakteriologie. ls v s9. 

Bd. V. S. 657. 

• Stagnitta, a. a. O. 

7 Pasquale, a. a. (). 

8 Silvestrini, Studi sulT cziologica doll* ileotifo. Studien über die Aetiologie 
des Ileotyphus. Rimsta generale di clinica mcdica. 1802. p. 330, 304. 


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Albkecut Buuuacu: 


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Milch und auf Gährungsvermögen; indes erkennt er nach Babes ver¬ 
schiedene Typen au. Ferner will Guarnieri 1 2 in einem Falle von Angio- 
cholitis 12 Tage vor dem Tode aus dem Blute ein mit allen biologischen 
Eigenschaften des Eberth-Gaffky’schen Bacillus ausgestattetes Stübchen 
gezüchtet haben. Fräseani* züchtete aus dem Blute einer Schwangeren, 
die von Abdominaltyphus befallen wurde und im 7. Monat eine todte 
Frucht gebar, den Typhusbacillus. Klein 3 hatte in 10 Fällen von Blut¬ 
untersuchungen mikroskopisch und culturell negative Resultate. Thiemich 4 
gelang einmal der Nachweis der Bacillen im Veuenblute. Neuerdings 
gelang Kühn au 5 in 2 Fällen, die klinisch kein typhisches Bild dar¬ 
boten, sondern als Sepsis bezw. Meningitis erschienen, durch den Bacillen¬ 
nachweis aus dem Blute die Diagnose zu stellen. Kühnau’s etwas 
umständliche Methode bestand in fünffacher Verdünnung des Blutes mit 
Bouillon, von welcher dann sofort eine grössere Anzahl von Agarplatten 
gegossen wurde. Urban 6 dagegen bemühte sich vergeblich bei 6 an 
Typhus erkrankten Kindern aus dem circulirenden Blute zu züchten, ob¬ 
wohl er auf der Höhe des Fiebers täglich später alle 2 bis 3 Tage Ent¬ 
nahmen machte. Block 7 erhielt 2 Mal aus dem Blute eines Typhus- 
kranken intra vitram Typhusbacillen in lteinculturen. Nach dem 24 Stunden 
später erfolgten Tode gelang der Nachweis der Bacillen aus dem Herzblut 
nicht mehr, wobei als ursächliches Moment die bereits stark vorgeschrittene 
postmortale Zersetzung angeführt wird. Schottmüller 8 9 legte Agar- 
platten mit je 4 ecm Blut an und konnte nach 4 Tagen vereinzelte Typbus- 
colonieeu abimpfen und indentificiren, jedoch fehlen noch detaillirte Be¬ 
richte über seine Resultate. Castellani“ erhielt zunächst, indem er Blut 
in Reagensgläschen mit Bouillon verdünnte, negative Resultate; darauf 

1 Guarnieri, Contributo alla patogenisi dolle infezioni iliari. Bivista generali 
di clin. medica. 1892. p. 234 u. 258. 

2 Frascnni, a. a. 0. 

3 Klein. Report on the Etiology of Typhoid Fever. XXII. Annal Report of 
the Local ( lovernment Board. London 1892. 

* Thiemich, Klinisch-bakteriologische Blutuntersuehungen b. Abdom inaltyi'lm.-. 
luaug.-Diss. Breslau 1894. 

1 W. Kühn au. Ein Fall von Septicopyaemia typhosa. Berliner k/in. Wochen- 
schrift. 1896. Nr. 30. — Zur Kenutniss der Meningitis typhosa. Ebenda. 1896. Nr. 25. 

4 K. IJrban, Blutuntersuchungen beim Abdominaltyphus und die Grober- 

Vidal’schc J^emdiagnostik. Wiener med. Wochenschrift. Nr. 32 U. 35. 

7 Block, A ease of Typhoid fever in which the typhoid was obtained twice 
from the blood during lil’e. Bull, of the Johns J lo/di ns Hospital. Vol. VIII. p. 119. 

4 Schottmüller, Ueber eine das Bild des Typhus bietende Erkrankung, her- 

vorgerufen durch typhusähnliche Bacillen. Deutsche med. Wochenschrift. 1900. Nr. 32. 
S. 511. 

9 Ca stell an i, a. a. 0. 


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Der Nachweis von Typhtsbacirlen am Menschen. 


333 


nahm er grössere Mengen Bouillon und liess darin 10 bis 40 Tropfen 
Blut hinein und kam zu positivem Ergebniss, und zwar unter 16 Typhus- 
lällen 4 Mal. Die betreifenden 4 Fälle verliefen sehr schwer, 3 endeten 
letal. Seine Methode wurde weiter verwerthet von Dnger und Auer¬ 
bach 1 , die in 300 ccm steriler Bouillon in Erlenmeyer’schen Kolben 
10 bis 20 bis 30 Tropfen Blut aus der Vena mediana mittels ausgekochter 
Canüle aufßugen und auf ungefähr 18 Stunden in den Brütschrauk stellten. 
Wie Castellani fanden auch sie in dieser Originalaussaat zum Tlieil 
allgemeine Trübung, bedingt durch bewegliche Typhusbacillen oder auch 
durch immobilisirte und zum Theil noch durch den Einfluss des Serums 
agglutinirte Stäbchen, die dann erst bei der Weiterimpfung auf Agar sich 
als echte bewegliche Typhusbacillen erwiesen. Sie erhielten unter 10 Fällen 
7 Mal positive Resultate und empfehlen daher das Verfahren zur Schnell¬ 
diagnose, „da es schon innerhalb 36 Stunden zu einem entscheidenden 
Ergebniss führen könnte“. Allerdings kann man ihren Untersuchungen 
den Vorwurf der Leichtfertigkeit nicht ersparen, da sie zur Identiücirung 
ihrer Bacillen nur das Verhalten derselben in steriler Milch und gegen¬ 
über einem „hochwerthigen Typhusserum“ heranzogen, was freilich ganz 
ungenügend ist. Trotzdem verdienen ihre Untersuchungen und ihre 
interessanten Schlussfolgerungen Beachtung, indem sie nämlich vermuthen, 
dass der „Typhusbacillennachweis im Blute nur während der Continua 
oder im Eruptionsstadiura der Roseolen sowohl bei der ersten Infection 
als auch beim Recidiv gelingen dürfte“. Bei einem Typhusrecidiv er¬ 
brachten sie nach der obigen Methode den Bacillennachweis noch am 
42. Kraukheitstage. Bei 6 Typhusfällen versuchte ich den Bacillennach¬ 
weis aus dem Blute zu führen (Fall 4, 5, 7, 10, 13, 29), indem ich von 
der zur Vidal’schen Reaction steril entnommenen Blutprobe sofort nach 
Einlieferung eine Verdünnung von etwa 1:30 in steriler Bouillon vor¬ 
nahm, jedoch stets mit negativem Resultat. Die betreffenden Aussaaten 
wurden nur gemacht, wenn in den Fällen continuirliches Fieber bestand. 
In vier dieser Fälle wurde der Bacillenuachweis aus Urin, Roseolen oder 
Stuhl geführt, die beiden auderen waren wenigstens durch die klinischen 
Symptome und den positiven Ausfall der Vidal’schen Reaction als Typhen 
genügend charakterisirt (Fall 5 u. 29). Seiner Zeit hatte Kölzer 2 nach 
obiger Methode im Dauziger Institut bei 46 Typhuskrauken bei 77 Blut¬ 
untersuchungen nur 2 Mal ein positives Ergebniss gehabt. So hatte 
diese Methode wenig ermuthigendes und die besseren Resultate nach der 

1 Max Auerbach und Ernst Unger, Ueber den Nachweis von Typhusbacillen 
im Blute Typbuskranker. Deutsche med. Jf ockenschrift. 1000. Nr. 49. 

* W. Kölzer, Weitere Mittbeilungen über die Vidal’sche Keaetion. Diese 
Zeitschrift. Bd. XXXVI. S. 76. 


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Albkeciit Buhdach: 


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Castellani’schen Methode veranlassten mich, auch diese Methode anzu¬ 
wenden. Leider war das Krankenmaterial nur spärlich. Acht Fälle mit 
Typhusverdacht kamen zur Untersuchung, vier davon hatten ätiologisch 
mit Typhus nichts zu thun (parenchymatöse Nephritis, Miliartubercuh.ee. 
puerperale Sepsis, schwere complicirte Influenza); von den übrigen vier 
waren drei leichte Fälle und schon im Stadium des remittirendeu Fiebers, 
nur die positive Vidal’sche Reaction liess sie neben gastrischen Sym¬ 
ptomen als Typhus erscheinen, im 4. endlich (Fall 28) gelang der Nach¬ 
weis der Typhusbacillen unschwer. Jedoch zeigten auch hier die Bacillen 
in der Origiualbouillon (40 Blutstropfen in 300 < ' cra Bouillon) nicht freie 
Beweglichkeit, sondern waren zum grösseren Theil agglutinirt; dieser Um¬ 
stand dürfte sich daraus erklären, dass an demselben Tage, dem sechsten 
Krankheitstage, auch schon die Vidal’sche Reaction 1:50 positiv war. 
Erwähnen muss ich, dass bei der Castellani’schen Methode Verun¬ 
reinigungen von der Haut gelegentlich in den Bouillonkolben gelangen 
können, so erhielt ich von Fall 20 (Miliartuberculose) Staphylokokken und 
von Fall 29 (Typhus) Heubacillen. Bei Fall 27 (puerperale Sepsis) jedoch 
fanden sich auf dem Boden des Kolbens, wo sich von der sonst klaren 
Bouillon ein hauptsächlich aus Blutkörperchen bestehendes Sediment ge¬ 
bildet hatte, eine Reincultur von Streptokokken, die auch aus dem Inhalt 
der pemphisgusartigen Blasen der Haut und nach dem Tode aus den 
inneren Organen sowie dem Eiter der rechten Tube in Reinculturen er¬ 
halten wurden. Im Fall 30 endlich wurden in dem schwer zu erhaltenden 
Sputum des stark benommenen Patienten am 31. Krankheitstage Influenza¬ 
bacillen gefunden und daraus auf Blutagar gezüchtet; im Blut fanden 
sich immer wieder Stäbchen, die sich nach Gram färbten und auch 
reichlich in dem Eiter eines am 33. Krankheitstage entleerten peripructi- 
tischen Abscesses vorhanden waren. Sie erwiesen sich für Mäuse pathogen, 
wuchsen auf gewöhnlichem Agar typhusähnlich und verflüssigten die Ge¬ 
latine nicht, ln diesen beiden Fällen bewährte sich also dieCastellani’sche 
Methode als ein Mittel, überhaupt Fieber erregende Organismen im Blute 
nachzuweisen. Ebenso glaube ich den Fall 19 (parenchymatöse Nephritis) 
auffassen zu müssen, in welchem wegen des allgemein typhösen Krank¬ 
heitsbildes eine Blutaussaat nach Castellaui gemacht wurde; nach 
ca. 15 Stunden war die Bouillon vollkommen getrübt durch lebhaft be¬ 
wegliche Stäbchen, die durch unser Kaninchentyphusimmunserum 1:150 
vollständig agglutinirt wurden, jedoch Traubenzucker vergährten, in der 
Laekmnsmolke deutliche Blaufärbung hervorriefen, die Gelatine nicht ver¬ 
flüssigten, sich nach Gram entfärbten und die Milch nicht zum Gerinnen 
brachten. Zumal es später gelang, dieselben Mikroorganismen auch aus 
dem Stuhl der Patientin zu züchten, dürfte es wahrscheinlich sein, dass 


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Der Nachweis von TTratrsBACiiiLEN am Menschen. 


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der betreffende Bacillus, sei es primär, sei es secundär, in Folge Stauungs¬ 
katarrh des Darmes in dem Krankheitsverlaufe eine wesentliche Rolle 
spielte. Man dürfte dann aus diesem Fall die Lehre ziehen, dass man 
sich bei der Identificirung von Typhusbacillen niemals lediglich auf die 
Agglutinationsprobe verlassen darf, und dass das Vorkommen von Bakterien 
der Coligruppe im Blute möglich ist. 1 

Roseolennntersuchangen. 

Im Anschluss an den Bacillennachweis im Blute sollen die Züchtungs¬ 
ergebnisse aus Roseolen besprochen werden. Während man früher all¬ 
gemein vom „Bacillennachweis im Roseolenblut“ sprach, müsste man 
heute richtiger sagen „aus dem Gewebssaft der Roseoie“, der allerdings 
zur Aussaat immer mit etwas Blut vermischt gelangt. Denn erst in 
neuester Zeit sind wir über das Wesen der Roseolen aufgeklärt. Neu- 
hauss 2 hielt sie für durch Typhusbacillen bewirkte Hautembolien, E. 
Fraenkel dagegen 3 früher angesichts seiner und fast aller anderen 
Untersucher gänzlich, negativen Untersuchungsergebnisse beim Versuch 
des Bacillennachweises für Toxiuwirkungen. Erst nachdem Neufeldt 4 
den ursächlichen Zusammenhang der Roseola typhosa mit den Typhus¬ 
bacillen klarstellte, indem er zeigte, dass der Bacillennachweis aus dem 
„echten“ Roseolen entstammenden Gewebssafte leicht gelingt, und dass 
für negative Züchtungsergebnisse ausser der „oft nicht leichten Unter¬ 
scheidung anderer Hautefflorescenzen von den Roseolen“ einmal „die 
geringe Zahl der in den Roseolen enthaltenen Bacillen und zweitens die 
bei der Abimpfung unvermeidliche Blutbeimischung mit ihrem schnell 
wirkenden baktericiden Einfluss“ als ursächliche Momente in Betracht 
kommen, schien die Roseoie sich als reactive Entzündung um in der 
Haut extravasculär sitzende lebende Typhuskeime deuten zu lassen. Die 
histologische Bestätigung dieser Annahme wurde durch Eugen Fraenkel 5 
erbracht. Was Neufeldt als vergebliches Bemühen bezeichnet hatte, in 
Schnitten von excidirten Roseolen die so vereinzelten Bacillen zu finden, 

1 Vgl. auch Schottmüller, a. a. O. 

* R. Neuhauss, Nachweis der Typhusbacillen beim Lebenden. Berliner Hin. 
Wochenschrift. 1886. Nr. 6. — Weitere Untersuchungen über den Bacillus des Ab¬ 
dominaltyphus. Ebenda. 1886. Nr. 24. 

* E. Fraenkel, Zur Lehre von der Aetiologie der Complieationen im Abdominal- 
typhus. Jahrbücher der Hamburger StaatskrankenamtaU. 1889. Jahrg. I. 

* F. Neufeldt, Ueber die Züchtung der Typhnsbaeillen aus Rosr.dnilorken 
nebst. Bemerkungen über die Technik bakterielog. Blutuntersuchungen. Diese Zeit¬ 
schrift. Bd. XXX. S. 498. 

* E. Fraenkel, Ueber Roseola typhosa. Ebenda. Bd. XXXIV. S. 482. 


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Aubreciit Burdach: 


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erreichte er durch sein schon hei Organstückchen von Leichen mit Erfolg 
angewandtes Anreicherungsprincip, indem er die unter antiseptischen 
Kautelen excidirte ltoseole in sterile Bouillon fallen liess und diese 
18 Stunden in den Brütschrank stellte. In den später angelegten Serien- 
schnitten fanden sich entsprechend dem Centrum der Roseoie im Stratum 
papilläre bezw. reticulare vereinzelte Bacillenherde, deren zum Theil deutlich 
bäumchenartige Anordnung Lymphgefässen der Haut zu entsprechen schien. 
Die Fraeukel’schen Beobachtungen erscheinen besonders dadurch gestützt, 
dass gleichzeitig von denselben Patienten aus anderen Roseolaflecken 
Typhusbacillen gezüchtet wurden. Durch den histologischen Nachweis 
der Bacillen ist die Bedeutung der bakteriologischen Untersuchung der 
Roseolen für die Diagnose erst in’s rechte Licht gesetzt, und es dürfte 
ein Roseolaexanthem erst dann als typisch angesehen werden, wenn aus 
einem oder dem anderen der Fleckchen der Bacillennachweis gelungen ist. 

Diesen Nachweis hatte schon Gaffky vergeblich erstrebt. Neubauss 1 
und nach ihm Rutimeyer 2 waren die ersten und lange Zeit einzigen 
Untersucher gewesen, die mit positivem Erfolg Roseolenblut bakteriologisch 
untersuchten. Neubauss skariticirte die Roseolen unter den nöthigen 
Kautelen und vertheilte das Blut in Gelatineröhrchen. Der Bacillen¬ 
nachweis gelang ihm in 9 von 15 Fällen, Rutimeyer in 1 von 6. 
Diesen beiden Untersuchern standen mit gänzlich negativen Ergebnissen 
gegenüber: Fraenkel und Simmonds 3 bei 6 Typhusfällen, Seitz 4 5 bei 
14 Untersuchungen an 11 Typhuskrauken, ferner Merkel und Gold¬ 
schmidt 6 , Chantemesse und Yidal 6 , Janowski 7 , Grawitz 8 9 , Curscli- 
mann 0 , Urban. 10 Erst Thiemich 11 wieder züchtete bei 7 Typhusfallen 
3 Mal aus dem Roseolenblute Typhusbacillen, indem er es direct am 
Krankenbette mit flüssig gemachtem Agar vermischte und dann Platten 
goss. Erheblich bessere Resultate erzielte Neufeldt 12 , indem er flüssige 
Nährmedien auwaudte in der richtigen Erkenntniss, dass die nur ganz 


1 Neubauss, a. a. O. 

2 Kutiineyer, Ue!>er den Befund von Typhusbaeillcn aus dem Blute Kim 
1i«d>onden. Ceniralhlatt für kiir. Al edi ein. 1887. Nr. 9. 

3 Fraenkel u. Simmonds, a. a. O. 

4 Seitz, a. a. (). 

5 M(*rke 1 und Go 1 dschmidt, a. a. O. 

6 (' h a n te m es so und Yidal, citirt naeli (’u rseli man n, Monographie. 

7 Janowski, a. a. O. 

8 Grawitz, a. a. O. 

9 ( ’ u r s c li m a n n, Der Ahdom i n a lfyphus . 1897. 

10 Urban, a. a. O. 

11 T b i em ieh, a. a. < K 

12 Neufeldt, a. a. (>. 


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Der Nachweis von Typhusbacillen am Menschen. 


337 


vereinzelt in den Roseolen vorkommenden Bacillen, in dem beim Skari- 
ficiren hervortretenden Blutstropfen der baktericiden Kraft des Blutes aus¬ 
gesetzt, davor nur durch möglichst schnelle und ausgiebige Verdünnung 
desselben gerettet werden könnten. Unter 14 Fällen gelang bei 13 der 
Bacillennachweis. Seine Methode, die um so sicherer zum Ziele führt, 
je genauer man sie bis ins Kleinste befolgt, beschreibt Neu fei dt folgen- 
dermaassen: „Zunächst wird die betreffende Hautstelle ohne starkes 
Drücken und Reiben mit einem in Alkohol und Aether getauchten Watte¬ 
bausch gereinigt, alsdann mit einem spitzen Scalpell oder Impflancette ein 
seichter Einschnitt in die Roseoie gemacht; nun kratzt man, bevor noch 
der erste Blutstropfen hervordringt, mit der Spitze desselben Messers etwas 
Gewebssaft aus der kleinen Wunde heraus und bringt diesen sofort in 
Bouillon; aus dem Röhrchen bringt man mit der Messerspitze einige 
Tropfen Bouillon auf die Wunde, um die hervorquellenden Blutstropfen 
sofort zu verdünnen; dieselben werden dann ebenfalls in Bouillon oder in 
das Condenswasser von Agarröhrchen, wie oben beschrieben, verimpft. 
Gewöhnlich habe ich von jeder Roseoie auf diese Weise ein Agar- und 
2 Bouillonröhrchen geimpft.“ Zu beachten ist auch ferner nach Neu¬ 
feld t’s Beobachtungen, denen ich mich nur voll uud ganz anschliessen 
kann, dass der Bacillennachweis am ehesten aus ganz zarten eben auf- 
gebotenen Roseolen gelingt, und dass man sich nie mit der Abimpfung ver¬ 
einzelter Roseolen begnügen soll, sondern, wenn möglich, stets mehrere, 
4 bis 5, untersuchen soll. 

Nicht selten erhält man Staphylokokken in den Culturen, die nach 
Neufeldt meist aus den Hautdrüsen stammen dürften, m die man durch 
die einfache Oberflächendesinfection nicht dringen kann. Nach diesen 
grundlegenden Untersuchungen Neufeldt’s gelang es sogleich mehreren 
Beobachtern, die Brauchbarkeit seiner Methode zu bestätigen. Cursch- 
mann 1 erhielt bei 20 Typhuskranken 14 Mal positive Resultate und be¬ 
zeichnet „die bakteriologische Untersuchung der Roseola typhosa“ als „ein 
neues gutes Stück in unserer diagnostischen Rüstkammer“. Ferner hat 
im Aufträge Rumpfs 2 Krause bei 11 klinisch sicheren Typhusfallen 
aus den Roseolen Typhusbacillen gezüchtet. Rumpf erwähnt, dass „nicht 
in jeder Roseoie Typhusbacillen gefunden wurden, sondern oft erst in der 
3. bis 5. desselben Patienten“ und bezieht diese Thatsache auf die geringe 
Zahl der im einzelnen Fleck vorkommenden Bacillen. Erwähnt sei noch, 
dass ein Versuch von Unge rund Portner 9 mit Piorkowski’scher Gelatine 

1 Curschmann, Zur Untersuchung der Roseolen auf Typhusbacillen. Münchener 
med. Wochenschrift . 1899. Nr. 48. S. 1597. 

* Rumpf, Der Abdominaltyphus. Berliner klin. Wochenschrift . 1900. Nr. 23/24. 

• Unger und Portner, a. a. O. 

Zeitgehr. f. Hygiene. XLL 

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Original frum 

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338 


Albbecht Bubbach: 


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bei der Boseoienuntersuchung von negativem Erfolge war, ebenso wie bei 
mir. Aus den Protokollböchern des Danziger Institutes finde ich vor der 
Zeit meiner eigenen Beobachtungen 9 Roseolenuntersuchungen an 8 Typhus¬ 
fällen nach der Neufel dt’schen Methode, von denen 3 ein positives Er- 
gebniss hatten. Ich selbst machte bei 21 klinisch sicheren Typhusfällen 
25 Mal die Roseolaabimpfung nach Neufeldt, jedoch nur 10 Mal mit 
positivem Erfolg. Die verhältnissmässig grosse Zahl der negativen Ergeb¬ 
nisse schreibe ich ausser den von Neufeldt und Rumpf angegebenen 
Ursachen dem Umstande zu, dass ich in dem Wunsche, möglichst bei 
allen vorräthigen Typhusfällen den Bacillennachweis zu führen, oft genug 
ältere Roseolen oder nur schwach Roseola verdächtige Flecke abimpfte, 
zumal ich aus äusseren Gründen die Kranken nur gelegentlich, gewöhnlich 
aber in den ersten Tagen nach der Aufnahme inspicirte. In diesen 
letzteren erythemartigen Flecken wurde öfters Staphylococcus albus bezw. 
citreus, in einem Falle unbewegliche Stäbchen, die sich nach Gram 
färbten, gefunden. Wie Neufeldt fand auch ich, dass in den Bouillon¬ 
röhrchen mit dem Roseolablut die Beweglichkeit der Typhusbacillen ge¬ 
schädigt sein kann. Im Fall 18 war sie sogar ganz aufgehoben. Ich 
bemerke, dass in diesem Falle die gleichzeitig am 9. Krankheitstage an- 
gestellte Vidal’sche Reaction sofort 1:50 positiv war, und man ersieht 
daraus, dass die Typhusbacillen selbst im agglutinirten und paralysirten 
Zustande keineswegs todt, wie es in gewissen Lehrbüchern der klinischen 
Diagnostik noch zu lesen ist, sondern sogar erheblich vermehrungsfähig 
sind; denn wie hätte sich anders das betreffende Bouillonröhrchen trüben 
können, wie hätte man anders schon im hängenden Tropfen dieser Bouillon 
die unbeweglichen Stäbchen constatiren können, die auf dem nächsten 
Agarausstrich sich als eine Reincultur von freibeweglichen Typhusbacillen 
erwiesen. Erwähnen muss ich noch Fall 9, der in der ersten Woche 
seines Krankenhausaufenthaltes durchaus das Bild eines Typhus darbot; 
es wurden bei ihm am 14. und 17. Krankheitstage je 3 und 4 roseola¬ 
verdächtige Flecke abgeimpft, jedoch blieben die Röhrchen steril: die 
Vidal’sche Reaction zeigte nur am 29. Tage, vielleicht als Folge des über¬ 
standenen Darmkatarrhes, eine schwache Beeinflussung, blieb jedoch negativ, 
wie am Anfang der Krankheit. Das Fieber verschwand, nachdem eine 
linksseitige Epulis, aus deren Eiter Streptokokken gezüchtet worden waren, 
verheilt war, während die erbsensuppenartigen Stühle noch längere Zeit 
bestehen blieben. Aus ihnen, wie aus dem Uriu liessen sich Typhusbacillen 
nicht züchten. In der That waren die oben erwähnten Flecke durchaus nicht 
von echten Typhusroseolen zu unterscheiden, als blassrothe, leicht erhabene, 
auf Druck verschwindende Fleckchen. Indessen wurde der Fall auch klinisch 
im weiteren Verlauf nicht als Typhus, sondern als Enteritis acuta aufgefasst. 


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Der Nachweis von Typhusbacil:len am Menschen. 


339 


Milzpunction. 

Ich schliesse hieran die von den Antoren gewonnenen Resultate bei 
Milzpunctionen, wonach dieselbe das unfehlbarste Mittel zum Bacillen- 
uachweis sein dürfte. Indessen ist sie wegen ihrer Gefährlichkeit wohl 
an den meisten klinischen Anstalten nicht gebräuchlich. Die Berechtigung 
ihrer Anwendung zu diagnostischen Zwecken ist besonders von E. Fraenkel 1 * , 
Grawitz* und Curschmann 3 beanstandet worden. In ihrem Sinne be¬ 
richtet auch Haedtke 4 * über einen nach der Milzpunction bei der Ob- 
duction beobachteten Kapselriss von 0-5 cm Länge und daraus stammendem 
Bluterguss von 100 ccm in die Bauchhöhle, den er allerdings nicht als 
letale Ursache betrachtet, um so wunderbarer, als er eine andere nicht 
anführt; denn es dürfte vielleicht doch beinahe einer Darmperforation 
gleichkommen, wenn ein Blutextravasat mit massenhaften Typhusbacillen 
in der Bauchhöhle verweilt. Die historische Entwickelung der Milzpunction 
sei kurz im Folgenden erörtert. Wie die ersten Leichenbefunde von 
Typhusbacillen in der Milz gemacht waren, lag der Gedanke nahe, in 
vivo durch Punction der Milz sich etwas von der weichen Pulpa zu ver¬ 
schaffen und darin den Bacillennachweis zu versuchen. Meiseis 6 fand 
mikroskopisch im Milzblut reichlicher Bacillen als im Fingerblut, bis¬ 
weilen 8 bis 10 im Präparat. Lugatello 6 erhielt bei 17 Fällen 10 Mal 
aus dem Milzblut Typhusbacillen durch Culturverfahren. Philippowitz 7 8 
machte in 4 Fällen mit der Pravazspritze Milzpunctionen ohne schädliche 
Folgen und konnte stets mikroskopisch und in Stich- und Platteuculturen 
Typhusbacillen nachweisen. Ferner erhielten positive Resultate Vidal und 
Chantemesse 9 , Dreifus-Brisac und Yidal. 9 Stagnitta 10 hatte, wie 
bei seinen sonstigen Blutuntersuchungen auch bei Untersuchungen 


1 E. Fraenkel, Ueber Abduminaltyphus. Deutsche med . Wochenschrift. 1887. 
Nr. 6. S. 101. 

1 Grawitz, a. a. O. 

8 Curschmann, a. a. 0. 

4 Hädtke, Die Diagnose des Abdominaltyphus und Vidal's sero-diagnostisches 
Verfahren. Deutsche med . Wochenschrift . 1897. Nr. 2. S. 21. 

8 Meiseis, a. a. O. 

• Lucatello, a. a. 0. 

7 Philippowitz, Ueber die diagnostische Verwerthung der Milzpunction bei 
Typhus abdominalis. Wiener med. Wochenschrift . 1886. Nr. 6/7. 

8 iVidal et Chantemesse, a. a. O. 

• Dreyfus-Brisac et Chantemesse, Epidemie de famille de fi^vre typhoide. 
V. Malad es, consid^rations cliniques et recherches bacteriologiques. Gaz. hebdom. 
de med . et de chir . 1886. Nr. 45. S. 126. 

10 Stagnitta, a. a. O. 

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340 


Albrecht Bubdach: 


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des Milzblutes nur negative Erfolge. Von deutschen Autoren tritt be¬ 
sonders Rettenbacher 1 * für die diagnostische Verwendung der Milz- 
punction in zweifelhaften Fällen ein. In 13 Fällen erhielt er 10 Mal 
Typhusbacillen; ein Fall erwies sich bei der Obduction als Meningitis, die 
beiden anderen blieben unklar. Bonardi, Flora e Silvestrini* fanden 
in 8 Fällen im Milzsafte neben Typhusbacillen den Streptococcus und den 
Staphylococcus albus. Ippa 3 berichtet über einen Fall mit dem Nachweis 
von Typhusbacillen im Milzsaft und Recurensspirillen im Blut. E. Neisser 1 * 
empfiehlt die Anwendung der Milzpunction zur Frühdiagnose und theilt 
die Beobachtung mit, dass die durch diese Methode bei ein und demselben 
Kranken zu verschiedener Zeit gewonnenen Typhusbacillen am Anfang der 
Krankheit die höchste Virulenz besitzen. Silvestrini 6 berichtet über 
4 Fälle von Züchtung von Typhusbacillen aus dem Milzblute, ohne dass 
bei der späteren Section sich Darmläsionen und die typischen Verände¬ 
rungen der Peyer’schen Plaques gefunden hätten. „Nach seiner Ansicht 
könne man die Diagnose auf Typhus stellen, wenn das der Milz ent¬ 
nommene Blut nach 15 Stunden die Bouillon gleichmässig trübte und im 
hängenden Tropfen Bacillen sich zeigten, die sich schnell nach verschie¬ 
denen Richtungen bewegen, theils eiförmig, theils einzeln stabförmig, theils 
in Ketten stabförmig zu 3 und 4 vereinigt seien und sich schnell aal- 
artig fortbewegten. Das Bacterium coli, das sich post mortem so leicht 
aus der Milz gewinnen liesse, werde nie aus dem Blut oder Milzblut des 
Lebenden gewonnen.“ Diese Behauptung dürfte sich denn doch nicht 
bestätigen, und ich möchte hierbei nur wieder an den Fall 19 erinnern, 
wo die Züchtung eines Bacillus aus der Coligruppe aus dem Blute gelang, 
der noch dazu in seiner Beweglichkeit dem Typhusbacillus täuschend ähnlich 
war. Da wir jetzt nun andere Methoden des Bacillennachweises beim 
Typhus am Lebenden haben, so können wir mit Recht der gefährlichen 
Manipulation der Milzpunction entrathen, bei welcher wir gewissermaassen 
eine natürliche Schutzvorrichtung des Organismus, als welche wir die 
Festhaltung der Krankheitserreger in der Milz aufzufassen geneigt sind, 
künstlich beschädigen, indem wir den Bacillen ein, wenn auch nur nadel¬ 
stichgrosses Thor in die Bauchhöhle eröffnen. 


1 Rettenbacher, Ueber den diagnostischen Werth der Milzpunction bei Typhus 
abdominalis. Zeitschrift für klin. Medicin. 1891. Bd. XIX. 8. 311. 

* Bonardi, Flora e Silvestrini, a. a. O. 

* Ippa, a. a. 0. 

4 E. Neisser, Untersuchungen über den Typhusbacillus und das Bact coli com. 

Zeitschrift für klin. Mediän. 1893. Bd. XXIII. 

* R. Silvestrini, 11 reperto del bacillo tifico in clinica. Settimana med. 1896. 
Nr. 5 u. 10. 


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Der Nachweis von Typhusbaclllen am Menschen. 


341 


Nachweis der Bacillen im Urin. 

Wenn wir die Milz als dasjenige Organ auffassen, welches die schäd¬ 
lichen Krankheitserreger, die ins Blut gelaugt sind, auffängt, um die 
übrigen. Organe davor zu bewahren, so könnten wir bei der Typhus- 
bakteriurie an eine zweckmässige Function der Nieren denken, welche ja 
nach unserer Kenntniss unorganisirte Gifte aus dem Blute eliminiren, 
und zwar meist wenige Stunden nach ihrer Aufnahme in den Organismus, 
dann freilich oft auch sehr allmählich und unvollständig. Dass die Aus¬ 
scheidung der Typhusbacillen durch den Urin aber meist erst in späteren 
Stadien der Krankheit vor sich geht, dürfte mit einer activen Betheiligung 
der Bacillen selbst an diesem Processe Zusammenhängen. Die vorläufig 
beste Erklärung für diesen Vorgang verdanken wir, wie auch Neufeldt 1 
annimmt, den Beobachtungen von Konjajeff 2 , welcher „in Schnitten, in 
Lymphknötchen (Lymphomen) der Niere bei an Abdominaltyphus Ver¬ 
storbenen Bacillen fand, ebenso in Kapillaren, sowie in den mit runden 
Zellen oder auch mit Harncylindern erfüllten Harnkanälchen, in welch’ 
letzterem Falle sie zwischen Cylindern und Kauälchenwand lagen. Behufs 
culturellen Nachweises der Typhusbacillen aus frischem Knötchenmaterial 
wurde dieses unter antiseptischen Cautelen in verflüssigter Gelatine ver¬ 
theilt und in Platten gegossen. Die beiden sich entwickelnden Colonie 
formen, die einen oberflächlich, die anderen in der Tiefe gelegen, stellten 
sich zufolge des charakteristischen Wachsthums der von ihnen aus ange¬ 
legten Kartoffelculturen als unzweifelhafte Colonieen von Typhusbacillen 
heraus. Damit schien auch die Identität jener in sämmtlichen typhösen 
Nierenlymphomen constatirten Bacillen mit Typhusbacillen festgestellt.“ 
Des Weiteren bemerkt der Autor, dass er die genannten Lymphome erst 
am Ende der zweiten bezw. Anfang der dritten Krankheitswoche auftreten, 
sich dann weiter entwickeln und gelegentlich in Harnkanälchen durch¬ 
brechen sah. Es dürfte sich auoh dieThatsache, die auch Neufeldt® beob¬ 
achtete, dass nämlich der Urin, der durch mehrmalige Urotropingaben 
keimfrei gemacht ist, hinterher wieder Typhusbacillen enthält, so erklären, 
dass vielleicht neue Herde aus dem Nierengewebe sich nach den Harn¬ 
kanälchen entleert haben. Auch die schwankende Keimzahl dürfte in 
solch grösseren oder kleineren Nachschüben ihre Erklärung haben, da wir 

1 F. Neufeldt, Bakteriurie bei Typbus und ihre praktische Bedeutung. Deutsche 
med. Wochenschrift. 1900. Nr. 51. 

* Konjajeff, Die bakterielle Erkrankung der Niere beim Abdominaltyphus. 
Jescheniedielnaia klinitscheskaja Gaseta. 1888. Nr. 33—38. — Ref. Centralhlatt für 
Bakteriologie. 1889. Bd. VI. S. 672. 

»Neufeldt, a. a. Ü. 


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AijBbecht Bubdach: 


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nicht ohne Weiteres eine starke Vermehrung der Bacillen in dem meist 
sauer reagirenden Urin innerhalb der Blase verstehen können, beobachtete 
ich doch in einem Fall (Fall 23) mit stark sauer reagirendem Harn, in 
welchem mikroskopisch zahlreiche, meist zu Häufchen verklebte Typhus- 
bacillen sichtbar waren, dass einfache Agarausstriche von dem Bodensatz 
des Urins steril blieben, während noch am Tage vorher aus demselben 
Urin massenhafte Colonieen aufgegangen waren. Es war am Tage vorher 
kein Urotropin gegeben worden. Indessen will ich, bevor ich meine eigenen 
Fälle zusammenstelle, kurz die bisher bekannten Fälle von Typhus- 
bakteriurie aufzählen. Seitz 1 beobachtete sie zuerst, und zwar unter 
7 Fällen 2 Mal mit reichlichen Bakterien und Eiweissgehalt. 


Konjajeff 2 3 


unter 20 Fällen 3 Mal, 


Neumann 8 ... „48 

Karlinski 4 5 6 ... „44 

Wright and Semple® ,, 7 

Hueppe 8 .... „ 18 

Baart de la Faille 7 „ 27 

Levy und Gisler 8 „ 22 

Urban 9 .... fand in 2 
Horton Smith 10 . . 3 

Potruschky 11 . . . bei 3 


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Richardson 12 


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Typhusbacillen im Urin, 
von 7 Fällen, 

„ 50 „ während der 

Reconvalescenz, 

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1 Se itz, a. a. O. 

* Konjajeff, a. a. O. 

3 Neumann, Ueber Typhusbacillen im Urin. Berliner kUn. Wochenschrift. 
1890. Nr. 6. 

4 Karlinski, Untersuchungen über das Vorkommen der Typbusbacillen im 
Harn. Prager med. Wochenschrift. 1890. Nr. 35/36. 

5 Wright u. Semple, On the presence of typhoid bacille in the urine of pa* 

tients suffering from typhoid fever. Lancet . 1^95. 

6 Hueppe, cit. nach Neufeld, a. a. 0. 

7 Baart de la Faille, ßakteriurie bei Typhus. Dissertation . Utrecht 1^95. 
3 James Levy und Gisler, Untersuchungen über Typhusserum. Münchner 

med. Wochenschrift. 1897. Nr. 50/51. 

9 Urban, a. a. 0. 

10 Horton-Smith, On the presence of the typhoid bacilli in the urine of pa- 
tients suffering from typhoid fever. Transact. of the Royal med. and chirurg. 
London. Vol. LXXX. p. 141. 

11 Petruschky, Ueber Massenausscheidung von Typhusbacillen durch den Urin 
von Typhusreconvalescenten und die epidemiologische Bedeutung dieser Thatsache. 
Centralblatt für Bakteriologie. Abth. I. Bd. XXIII. Nr. 14. S. 577. 

“Richardson, On the presence of the typhoid bacillus in the urine. Jour», 
of exper. Med. Vol. III. p. 349. 


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Dkb Nachweis von Typhusbacillen am Men schen. 


843 


Bösenberg 1 .... bei 10 von 22 Fällen, 
Horton-Smith 2 . . . neuerdings bei 17 von 45 Fällen, 

Neufeldt 3 .in 3 von 12 Fällen. 

Im Danziger Institut wurden in der Zeit vom April 1897 bis Ende 
Juni 1900, also in 3*/ 4 Jahren nach den Aufzeichnungen der Protokoll¬ 
führer an 53 Typhusfällen Urinuntersuchungen auf Typhusbacillen gemacht, 
weil die betreffenden Urine durch ihre trübe Beschaffenheit den Verdacht 
der Bakteriurie erregt hatten, indessen liessen sich nur bei 10 dieser Fälle 
Typhusbacillen nachweisen. Ich selbst machte dann im Danziger Institut 
innerhalb 8 Monaten an 25 sicheren Typhusfällen die bakteriologische 
Urinuntersuchung und fand Typhusbacillen in 10 Fällen. Man sieht aus 
den angeführten Zahlen, dass man nicht im Entferntesten in der Lage 
ist, einen Grenzwerth für die Häufigkeit der Typhusbakteriurie festzu¬ 
setzen; nur scheint die Forderung darans hervorzugehen, dass man ver¬ 
pflichtet ist, dort, wo eine bakteriologische Controle der Typhusurine un¬ 
möglich ist, in allen Fällen und sonst in den Fällen von Bakteriurie durch 
wochenlange Urotropingaben bezw. monatelange Urindesinfection einer 
Weiterverbreitung der Seuche zu steuern. Wie gefährlich die Typhus¬ 
bakteriurie wegen der kolossalen Mengen der ausgeschiedenen Keime ist, 
darauf ist namentlich von Petruschky 4 aufmerksam gemacht worden 
und neuerdings auch von Richardson 5 , Horton-Smith 6 und Neufeldt. 7 
Aus diesem Gesichtspunkt und wegen der von allen oben angeführten 
Autoren, mit Ausnahme von Karlinski 8 hervorgehobeneu Thatsache, dass 
die Typhusbakteriurie erst einer späteren Krankheitsperiode angehört, 
scheint der praktische Werth des Bacillennachweises im Urin hauptsäch¬ 
lich in der Prophylaxe zu beruhen. Indessen giebt es auch Fälle, in 
denen die Diagnose erst durch den Bacillennachweis aus dem Urin ge¬ 
sichert wurde. Unter Neumann’s Fällen 9 befanden sich beispielsweise 2, 
die wegen des starken Roseolaexanthems als Flecktyphusfalle imponirten, 
bevor die Bakteriurie auftrat. In der Arbeit Fischer’s 10 ist ein Fall er¬ 
wähnt, in welchem die Vidal’sche Reaction immer negativ blieb und erst 
der Bacillennachweis im Urin die Diagnose sicherte. Besonderes Interesse 


1 K. Bösenberg, Ein Beitrag zur Kenntniss des Abdominaltyphus. Dissertation. 
Mönchen 1897. 

* Horton-Smith, Welche Rolle spielen die Fäees und der Urin typhöser 
Patienten in der Verbreitung der Krankheit? J'he Lancet. 1900 

3 Neufeldt, a. a. 0. * Petruschky, a. a. O. 

* Richardson, a. a. O. * Horton-Smith, a. a. U. 

7 Neufeldt, a. a. O. 8 Karlinski, a. a. O. 9 Neumann, a. a. O. 

10 A. Fischer, Welchen praktischen Werth hat die Vidal’sche Reaction? Diese 

Zeitschrift. Bd. XXXII. S. 407. 


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S44 


Albbecht Bubdach: 


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beansprucht der Fall von Rostoski* aus der Leube’schen Klinik, ein 
„Nephrotyphus“: er zeigte ausgesprochene nephritische Symptome, jedoch 
die allmähli ch sich steigernd positive Vidal’sche Reaction und der am 
32. Krankheitstage in dem mittels sterilen Katheters entnommenen Urin 
erbrachte Nachweis von Typhusbacillen stellte die Diagnose sicher. Die 
fraglichen Bacillen wurden allerdings nur auf ihre negatives Gährvermögen 
in Traubenzuckeragar und ihre Agglutinirbarkeit durch Typhusserum hin 
als Typhusbacillen angesprochen, wodurch der Fall leider an absoluter 
Sicherheit einbüsst. Immerhin erscheint die Bemerkung des Verfassers 
beachtenswerth, dass „es rathsam sein dürfte, in jedem Falle von Nephri¬ 
tis, die als sogenannte idiopathische imponirt und dabei hohe Tempera¬ 
turen aufweist, durch die bakteriologische Untersuchung des Harns und 
die Anstellung der Gruber-Vidal’schen Reaction auf eine Infection 
mit Bacterium typhi zu fahnden.“ In meinen selbst untersuchten Fällen 
war die Vidal’sche Reaction, die doch bisher von den Klinikern als aus¬ 
schlaggebend bei positivem Ausfall in zweifelhaften Fällen angesehen wird, 
stets mehrere Tage, bevor die Bacillen im Urin auftraten, positiv, nur im 
Fall 7 fiel das positive Ergebniss der Vidal’schen Reaction, als dieselbe 
nach dreimaligem negativen Ausfall zum vierten Mal angestellt wurde, mit 
dem Bacillennachweis im Urin zusammen, und im Fall 22, in welchem 
es sich um ein 3jähriges Kind handelte, war mit Rücksicht auf das Alter 
des Kindes (dessen Geschwister übrigens auch an Typhus erkrankt waren) 
die Vidal’sche Reaction unterblieben, so dass hier der Bacillennachweis 
allein die Diagnose sicherte, während wiederum bei den Geschwistern die 
positive Reaction für die Diagnose ausschlaggebend war, während der 
Bacillennachweis auf keine Weise gelang (vgl. Schlusstabelle). Schliesslich 
bleibt doch der theoretisch wissenschaftliche Werth des Bacillennachweises 
in jedem einzelnen Falle unbestreitbar, da er uns gleichsam mit mathe¬ 
matischer Genauigkeit lehrt, wie weit unsere diagnostischen Schlüsse nach 
beobachteten klinischen Symptomen gehen dürfen. Zum Zweck des 
Bacillennachweises im Urin bediente ich mich der mikroskopischen Unter¬ 
suchung im hängenden Tropfen des möglichst frisch unter antiseptischen 
Cautelen entleerten Urins, zum quantitativen Nachweis des Ausstrichs oder 
der Piorkowskiplatte gelegentlich nach vorausgegaugenem Anreicherungs¬ 
verfahren, indem der Urin in den Brütschrank gestellt wurde, zum quan¬ 
titativen Nachweis bei einer zweiten Entnahme des Gelatineplattenver¬ 
fahrens in Verdünnungen mit sterilem Wasser 1:100, 1:10000 und 
1:1000000. Der Nachweis gestaltete sich immmer leicht, da die Typhus- 


1 Rostoski, Zur Keimtniss des Typhus „renalis“. Münchener med. Wochen¬ 
schrift. 1S99. Nr. 7. S. 209. 


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Der Nachweis von Typhusbacillen am Menschen. 


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Digitized by 


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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 










34tf 


Albrecht Burdach: 


Digitized by 


Tabelle der 30 von mir zwecks Nachweises von Typhusbacilleu unter- 

25 klinisch sichergestellte Tjphen sind. 


Lfde. 

Nr. 


Name, Alter, Stand, 
Krankenhaus¬ 
aufenthalt 


Klinische 
Diagnose 
Krankheitstag 
b. d. Aufnahme 


Klinische Symptome 


jMüller, Hermann, 28 J.jTyph. abdom 
v. 20. VI.—26. VII. 1900! un d 

t 26. VII. 1900. 


Kuschinski, Lucie.9J 
27.VI.-I.X. 1900. 


(lisella, 23 J.. 
Schmiedegeselle, 
23. VII.—22. IX. 


Lehmann, 19 J., 
Schiffsgehülfe. 
8. VIII.—21.IX. 


Schiass, Paul. 18 .1., 
Sattlergeh Ulfe, 

8. VIII.—21. IX. 


Schwarz. Juliane, 17 J. 
| Mädchen, 

i 1S.VI11.—15.X. 


Spannowski, 27 J„ 
Frau, 

20. VIII.—5. XI. 


Pyczka, Wladislaus, 
25 ,1 . Schlosser, 

3. IX.—31.X. 


Hohes, meist kontinuir- 
liches Fieber, Durchfälle. 
Tuberc. pult».! Koseoien an Brust und 
: Bauch, Stat. typh. hämor- 
! rhagisches Sputum mit 
j Tb. pos. Diazoreaction. 

Typh. abdom. Hohes, zeitweise konti- 


(9. Tag) 


Typh. abdom. 
~ Tag) 


Typh. abdom 
(14. Tag) 


Typh. 
(5. 


abdom. 

Tag) 


Typh. abdom. 


Typli. abdom. 

6. August 
1. Krankheits¬ 
tag 

Typli. abdom. 
Tag) 


nuirliches Fieber, Durch¬ 
fälle, bisweilen blutig 
deutliche Roseolen auf 
Brust u. Bauch. Positive 
Diazoreaction. 

Hohes, zeitweise konti- 
nuirliches Fieber, zahl- 
reicheRoseolen, Bronchial¬ 
katarrh, Durchfälle, Neg. 
Diazoreaction. 

Hohes, zeitweise konti- 
nuirliehes Fieber, Erbsen¬ 
stühle, Stat. typhosus, 
Koseoien auf Brust und 
Bauch. Bronchialkatarrh. 
Pos. Diazoreaction. 

Hohes, zeitweise konti- 
nuirliehes Fieber, ver¬ 
einzelte Koseoien, Erbsen¬ 
stühle, zeitweise blutig, 
Bronchialkatarrh. Neg. ! 

Diazoreaction. 

Hohes, zeitweise konti- 
nuirliches Fieber, Erbsen- 
stühle, Roseolen, deut¬ 
licher Milztumor. Bron¬ 
chial katarrh. 

typische Fiebcrcurve, 
Status typhosus, Roseolen 
auf Brust u. Bauch, Milz 
palpabel. Pos. Diazo¬ 
reaction. 

Typische Fiebcrcurve u. 
Stillile, Status typhosus 
mit Sc 1 i werliöri gk eit, 
Koseoien auf Brust und 
Bauch, Bronchialkatarrh. . 


Temperaturen 
an den Tagen der 
bakteriologischen 
Untersuchungen 


3. VII. 

37 

•4 — 

3s 

• s 

6. VII. 

38 

•4- 

40 

•1 

9. VII. 

39 

*8— 

40 

•1 

11. VII. 

40 

•4- 

35 

*> 

30. VI. 

39 

•3- 

4 1 ' 

, 

3. VII. 

39 

•4- 

39 


6. VII. 

38 

-2— 

4i.i 

4 

29. VII. 

36 

- ,s — 

37 


25. VIII. 

36 

•4- 

3s 


25. VII. 

39 

•0- 

4o 

4 

27. VII. 

3* 

•5- 

40 

4 

7. VIII. 

37 

•5 — 

39 

K 

11. VIII. 

36 

•0- 

37 

Q 

25. VIII. 

36 

• 4 — 

3h 

> 

20. VII. 

39 

•1- 

39- 


23. VII. 

38 

•1- 

4u 

(I 

7. VIII 

36 

*4— 

38- 


25. VIII. 

36 

•4- 

37* 

‘j 

11. VIII. 

39 

•0- 

40 - 

l( 

16. VIII. 

38 

•5 — 

39* 

9 

25. VIII. 

lieherl 

nji 


6. IX. 


?• 



20. VIII. 

40 

•0— 

40 * 


22. VIII. 

39 

•0- 

40* 

•V 

25. VIII. 

38 

•0— 

39 • 

* 

14.IX. 

36 

•0- 

37- 


23. VIII. 

3S 

•1 — 



25. VIII. 

40 

•0— 

40 - 

u 

81. VIII. 

37 

■0 — 

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3.IX. 

36 

•5- 

3>' 

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28. DL 

36 

•5- 



8. IX. 

39 

•6- 

40' 


4.IX. 

40 

•1 — 

41« 


6.IX. 

4 0 

■0— 

36« 


8. IX. 

39 

•0- 

39« 

> 

12. IX. 

39 

•0- 

39- 

b 

14. IX. 

38 

•5 — 

39« 

b 


NB. Bei Fall 1 wurde am 4. VII. das Sputum untersucht und Tb. Gaffky IV fest- 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 





Der Nachweis von Typhusbacellen am Menschen. 347 


suchten Fälle, von denen bei 18 der Bacillen nach weis erbracht wurde und 
1. Juli 1900 bis 1. März 1901. 


Vidal’sche 
Reaction 
1:25 1:50 
sofortu. nach 
2 Stunden 

Eventueller 

Leichen¬ 

befund 

Stuhl* 

Untersuchungen 

1 

Urin¬ 

untersuchung 

Roseolen 

i 

i 

Blut | 

i 

Eiter 

11. Tag am 
21. VI. neg. 
23. VI. pos. 

27. VII. aus 
allen Orga¬ 
nen Bact. 
coli. 

Hochgr. 

Nephritis 

3.VII. pos. von 1 
Agarplatte nach 
retruschky 
6. VII. pos. „ 
11. VII. pos. „ 

9. VII. neg. j 
nur Coli 

i 

1 

i 



30. VI. 
starke Be- 1 
-intiussung 

5.VII. pos. 

i 

1 

3.VII. pos. M 

6. VII. pos. » 
29. VII. Pyocva- 
neus Petrusch kyl 

25. VIII. neg. 

I 

1 

! 

30.VI. neg. 



t5.VII.po8. 
9. Tag 

1 ; 

1 

i 

1 

25. VII. neg. ,, 

>7. VII. neg. „ 

1 

i 

7.VIII. Kokk. 

1 l.VIII. steril 
25. VIII. Kokk, 
unbewegliche 
Stäbchen 

25.VII.pos. 

— 

— 

.'O.VII.pos. 
15. Tag 


23. VII. neg. „ l 
Elsner neg. i 

i 

23 VII. neg. 

7. VIII. neg. 
25. VIII. neg. 

23.VII.posJ 

20. VII. neg. 

_ 

1 

11. VIII. 

pos. 

8. Tag 

- 

i 

16. VIII. neg. Pet. 
Elsner neg. | 

* i 

' 1 

| | 

11. VIII. neg. 

25. VIII. 
Streptokokk. 

6. IX. neg. 

i 

11. VIII 
Kokken 

11. VIII. 
neg. 

- 

20. VIII. 

pos. 

i 

i 

i 

i 

1 

22.VIII. Strepto- 
1 kokken 

25.VIII. pos.neb. 
Streptokok. und i 
Darrabakt. 

14.IX. pos. Pet. 

22. VIII. 
Streptokokk. 
25.VIII. pos. 
neben Strepto¬ 
kokk. u. Coli 
14.IX. pos. 

20. VIII. 
neg. 

22. VIII. 
pos. 



1. VIII. neg. 
3. „ BeeinfL 
5.VID. neg. 
nit Beeinfl. 
l.VIIL pos. 

i 

i 

1 

i 

26.VIII. neg. Pet. 
(31.VIII. neg. Pet. 
i Elsner neg. 

3. IX. neg. Pet. 

23. VIII. neg. 
25* VIII. neg. 
31.VIII. pos.- 
28. IX. pos. 
16.X. neg. 

29. VIII. 

neg. 

25. VIII. 

neg. 

25. VIII. 
neg. 


t.IX. pos. 

I 

3.IX. neg. Elsner 
6.IX. neg. 

12.IX. p o 8. v. d. 

8.IX. pos. 
14.IX. pos. 

i 4.IX. pos. 




Agarplatte 
14.IX. pos. 


gestellt, während der Nachweis von Typhusbacillen im Sputum nicht glückte 

□ igitized by Google 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




348 


Albrecht Burdach: 


Name, Alter, Stand, 
Krankenhaus¬ 
aufenthalt 


Conrad, 28 Jahre, 
Bürstenmacher, 
14. IX.—19. X. 


Frau, 

16. IX.-3.XII. 


Klinische 
Diagnose, ! 
Krankheitstag 
ib.d. Aufnahme 


Enteritis acuta; 
I 1. September 
1. Krankheits- 
| tag 


Klinische Symptome 


an den TiL T fG i ’ 
bakteriolcirii-'iiiü 
Untersuchen^: j 


Hohes Fieber, Durchfall. 

H.IX. 

3*i*6-•».’.? 1 

Roseolen auf Brust, u. Bauch, 

27. IX. 

38-*2—.-SH; 

Wadenschraerzen, Diazor. 

29. IX. 

36-8 

pos. Linksseitige Epulis | 

30. IX. 

36-5~oe: 

Hohes Fieber, Erbsenstiihie. 

17. IX. 

39‘4-SH 1 

Roseolen auf der Bauchhaut, 

21. IX. 


Milz als harter Tumor zu 

15.X. 

36-5->> i 

fühlen 3 Finger breit unter¬ 

lfi.X. 


halb der Rippen. 

1 15. XI. 

fii-Ler:r-r. 

1 

27. XI. 

fl 


11 Brüggemann, Kind, Typh. abdom. Hohes Fieber, weicher | 17.IX. Sy-'i-U-f 

15. IX.—19. XI. Milztumor. | 20.IX. 

28. IX. 36-4-4-: •! 

! 16.X. 35-V-^i 
; 24.X. 35-T-o J 
|8. u. 10.XI. fcböM 

12 Jedneralski, 28 Jahre, Typh. abdom. Hohes Fieber, Erbsenstühle, j 23.IX. 39-4-4 * 

Ziegler, | (10. Tag) Status typhosus. Diazoreact. 2S.1X. 38*4-^”* 

21. IX.—15. XI. j : pos. lioseolen auf der Brust. 20.X. 36-M-i 


Hohes Fieber, weicher 
Milztumor. 


jTyph. abdom.: Hohes Fieber, sehr zahl- ! 23.IX 38-3-^ 
13. September reiche Roseoleu, weicher 28.IX. 37 - 0 -S*» 
•l. Krankhtag.l Milztumor. j 


Glaz, 17 Jahre, 
Lauf bursche, 
22. IX.-19.XI. 


14 Latuscheck, 26 Jahre, [Typh. abdom. Hohes Fieber, zeitweise j 3.XI. 

Mädchen, ■ * Darmblutungen, Diazoreact. 4. XI. 

3. XI.—10. XII. f I positiv, mehrere Roseolen , 8. XI. 

auf dem Bauch. ! 27.XI. 36-» 


Schimikowska, 
Johanna, 18 Jahre, 
6. XL—17. XII. 


jTyph. abdom.| Hohes Fieber, Durchfall. 8. XI. 
; 30. Oetobcr Cehörverschlechterung, Ro- 9.XL 
1. Tag scolen auf Brust u. Bauch, 27. XL 
i Diazoreaction negativ, Milz 
| nicht palpabei. 


16 Schimikowska II, Typh. abdom.j Hob. Fieber, Leibschmerzen, 7.XL 
Martha, 16 J., Näherin, 7. November | kein Milztumor, Roseolen | 8.XI. 

7. XL—17. XI. 4. Tag I auf der Bauchhaut, 9.XI. 

, I Bronchitis. i 12. XL 


39 * 2 - 4*1 
36-M^l 


39-6-^’ 
38-0-^ 


Digitized fr. 


Go. 


Original from 



Der Nachweis von Typhusbacillen ah Menschen. 


349 


nlaPsche 1 
KVaction ! 
25 1:50 
i.»iort und 
. 2 Stund. 

Eventueller 

Leichen- 

befund 

Stuhl- ® 

i 

Untersuchungen 

Urin¬ 

untersuchung 

Roseolen 

Blut 

i 

Eiter 

4. IX. neg. 
29. IX. 
geringe 
BeeinÜ. 

- 

14. IX. Stuhl 
Typhus negativ 
(Streptokokken) 
30. IX. negativ 

80. IX. negativ 

14. IX. neg. 
17.IX. „ 

14. IX. neg. 
29. IX. „ 

j 

14. IX. neg. 

Strepto- u. 

Staphylo¬ 

kokken 

4 . IX. pos. 
15. Tag 

i 

17.IX. positiv 
Agarplatte 
lElsner 
jPiorkowski 
(Verflüssigung) 

21. IX. negativ 
15.X. pos. (Rein- 
cultur) 16.X. pos. 
(100000 Keime 
im ccm). 

15. u. 27.XI. neg. 

17.IX. 

steril 

I 

- 

17. IX. 
steril 

16.X. neg. 

Staphylo¬ 

kokken 

(Glutäal- 

abscess) 

0.1X. pos. 

0. X. pos. 

i 

i 

17. IX. pos. Pet 
_ Ä _ lElsner 

JPiorkowski 

(Verflüssigung) 

21. IX. negativ 
| 28. IX. 

16. X. positiv 
24.X. 

8. XI. „ 

12. XI. negativ 

i 

• - 

! 


2. IX. pos. 


23. IX. negativ, 
Elsner negativ, j 
28.IX. pos. v. d. 
Piorkowskiplatte 
Stuhl verdünnt 
mit steril.Wasser 
1:1000 zahlreich, 
gezopfte Colon.) 

23. IX. Coli 

28. IX. steril 
i 20. X. ,, 

23 IX. neg. 

i 

1 

i 

1 

3. IX. pos. 
(10. Tag) 
nach 

1 Stunde 

i 

! 

i 

23. IX. negativ 
28. IX. 

23.IX. pos. 

23. IX. neg. 


.XI. neg. 
Beeinfl.) 
iueh mit 
aus den 

Kuseolen 

/•-züchtet. 

Bacillen 

Section 

verweigert 

i 

i 

i 

4. XI. negativ 
Elsner 

i 

i 

3. XI. negativ 
' 8 . XI. „ 

27. XI. „ 

23.XI. p o s. 

(unter 

3 Roseolen 
aus einer) 


• 

XI. neg. 
iBeeinfL) 

IT.XI. pos. 


9. XI. negativ 
Elsner 

9. XI. negativ 
27. XI. 

1 

8. XI. neg. 

! 

i 



T.XI. neg. 
i*. XI. pos. 

1 

1 

— 

I 

9. XI. negativ 

; 12 . xi. 

8. XI. neg. 


i 

i 

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i i 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 





350 


Albrecht Bübdach: 


Digitized by 




17 


18 


19 


20 


21 


22 


23 


Name, Alter, Stand, 
Krankenhaus- 
aufenthalt 


Klinische 
Diagnose 
Kran kheits tag 
b.d. Aufnahme 


Klinische Symptome 


| Temperaturen 
an den Tagen «irr 
bakteriolugis»chtrn 
Untersuchungen 


Heier, Marie, 7 Jahre, Typh. abdom. Hohes Fieber, Stat. typhös. 
22. XL—24. XII. .vor 10 Tagen Roseolen auf der Bauchhaut, 
erkrankt , Milz nicht palpabel, 
Bronchialkatarrh. 


Bezelius, 19 Jahre, ! Typh. abdom. 
Heizer, |2. November 

9. XI,—27. XII. j 1. Tag 


Rogalski, 35 Jahre, 
Frau. 

11. XII.—15.11. 


Philippsen, 16 Jahre 
Lehrling, 
10.-19. XII. f 


Meta Frenzei, 13 Jahre, 
Kind, 

14. XIL—25. II. 


Hertha Frenzei *, 3 J., 
14. XII.—18. I. 1901 


Hans Reder, 7 Jahre, 
19. XIL—28. IV. 19ül 


Nephritis 

parenchvma- 

tosa 


Typhus 

abdominalis? 

Miliar- 
tuberculose? 
Seit 10 Tagen 

Typhus 
abdominalis, 
seit 4 Wochen 
krank 

Typhus 
abdominalis, 
seit 3 Tagen 
krank 

Typhus 
i abdominalis, 
5. December 
I 1. Tag der 
J Erkrankung 


*24 Radtke, 32 Jahre, 
Bäckergeselle, 

31. XIL—29. 1. 1901 

i 


Hohes Fieber, Erbsenstühle, 
Milz nicht palpabel. Diazo- 
reaction positiv. Stat. typh. 
und Bronchialkatarrh. 

Hohes Fieber, Durchfälle, 
Status typh. Albuminurie 
und Cylindurie. 
Diazoreaction negativ. 

Hohes Fieber, Benommen¬ 
heit, Bronchialkatarrh. 
Diazoreaction negativ. 


Status typh. Milztumor, 
Roseolen, Puls dikrot. 
Diazoreaction positiv. 


Roseolen, Fieber, Milz nicht 
palpabel. Diazoreaction 
schwach positiv. 

Hohes Fieber, zeitweise 
Bewusstlosigkeit, Roseolen, 
palpabler weicher Milz¬ 
tumor, Durchfälle. Diazo¬ 
reaction negativ, starker 
Decubitus. Seit 2. Januar 
Dauerbad (38-0). 


Typhus 1 Hohes Fieber, Durchfall, 
abdominalis Roseolen, Diazoreaction 

negativ. 


37*4 — 
39*S— 40-i> 
fieberfrei 


22. XL 

23. XI. 

2. XII. 

4. XU. 

14. XIL 

4. XI. 88-0—40-?. 

15. XI. 37-7-40-tj 
27.XII. fieberfrei 


11. XII. 39-4 

12. XII. 38-6-39- 


11. XII. 39-0—4«>5 
15.XU. 38-0-39-9 
19. XIL t 


15.XII. 38-0— 

8.1. 36-Ö—36-* 


17.XIL 39-0—39-> 
19.XIL 37*5—40-0 


20. XU. 

6 . 1 . 

8 . 1 . 
29.1. 
23.11. 


38-9-3V-9 
36-0— ofc-3 
36-8 
38-6 

37*2—37-5 


6 . 1 . 

10 . 1 . 


36-1—37-6 
35-8—36-7 


1 Der Patient machte seit 15.11. eine künstliche Immunisirungskur gegen Typhus durch. 


Gck igle 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




Deb Nachweis von Typhusbacillen am Menschen. 


351 


i da Esche 

Keaction 

:25 1:50 
.'fort und 
2 Stund. 


Eventueller 

Leichen¬ 

befund 


Stuhl¬ 

untersuchungen 


Urin¬ 

untersuchung 


Roseolen 


'»•• m t i v 

II. Tag 


22. XI. lebhaft 18. XI. positiv, I 20. XI. 
bewegliche Coli- 2. XII. „ \ negativ 


bacilleu von 
Agar platten. 
Elsner negativ 


500000 Keime, 

14. XII. pos., 

500 000 Keime 

15. XI. positiv 14.XII. 
(50-60 Millionen) positiv 
27. XII. negativ 


4. XIL 
negativ, 
Abscess 
1. Ober¬ 
schenkel 


12. XII. 
negativ 


— 12. XII. negativ. 11. XII. neg. (Ei- 

Coli v Alkaligenes, weiss u. Nieren- 
| ' bestandtheile), 

I 12. XII. negativ 

! 

19. XII. 15. XII. negativ — 

; negativ, (Agarplatte) 

Miliar- (Tabritsche wskv 
tuberculo.se negativ 


1. XII. 

negativ, 

Castellani 


11. XII. 
negativ, 
Castellani 


H. I. negativ 


15. XII. 15. XIL 


negativ 


negativ, 

Castellani 


' 17.XII. positiv, — 
19. XII. negativ ^ 


i.I. mit 
m Serum 

'■üs dem 
-ter des 
lumerus- 
u^eesses 
• 50 pos. 




29. I. negativ 
(Pyocyaneus) 
fester Stuhl 


Urin trübe, 
2‘L II. positi v 
(sehr reichlich), 
etwas Albuinen. 
Bac. agglutinirt 


10.1. neg. Coli 


21. XII. 

posi ti v, 
15. Krank¬ 
heitstag 


6 . 1 . 

positiv 


6.1. negat. 
Staphyloc. 
pyocyaneus 
I 8.1. pos. 
vom recht. 
Humerus, 
daneben 
Staphyloc. 
(Das 
Serum 
des Eiters 
1:50) pos. 

I Vidal. 


Difitized by Gougle 


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352 


Albbecht Bubdach: 


Digitized by 



Name, Stand, Alter, 
Krankenhaus- 
aufenthalt 

Klinische 
Diagnose, 
Krankheits tag 

Klinische Symptome 

Temperatur«, 
an den Tajftii 
bakterioiojrw! 

— i | 

b. d. Aufnahme 


Untersuchung: 

25 

Schroeder, Adolf, 

Typhus 

Hohes Fieber, Durchfalle, ' 

9.1. 

3S-0-3 


16 Jahre, 

abdominalis 

Koseoien auf Brust und 

10. L 

37-2-v^ 


5.1.-16.IL 1901 


Bauch. Diazoreaction pos. ! 

16.1. 

36*0— : ' -S 

26 

Krause, Martha, 10 J., 

„ H 

Remittirendes Fieber, 

11.1. 

37 •2-SS-: 


8.1.—21. III. 1901 


Diazoreaction negativ. 

16.1. 

37-0- 




Keine Roseolen, kein Milz- < 

25.1. 

38*5—4>. -S 




turnor, keine Durchfalle. 

27.1. 

37 

27 

Müller, 27 Jahre, 

Sepsis 

Am 20. XII. Partus. Nach ' 

15.1. 

38*2-4i' , -i 


Frau, 

puerperal is 

8 Tagen schon aufgestanden 




13.1.—16.1. 1901 f 

i und seit 11.1. krank mit 





Durchfällen, Frost u. Hitze. 



28 

Kowalleck, Friedrich, 

Typhus 

1 Hohes Fieber, Roseolen auf 

21.1. 



20 Jahre, 

abdominalis 

Brust und Bauch. Erbsen- 

26.1. 

38-0— 


Schmiedegeselle, 

3. Tag 

stühle. Status typh. Diazo- 

5. II. 

3H-3 V; ' 


18. I.—21.11. 1901 


reaction negativ. Milztumor 

6. II. 

351- ■ • ' 




nicht zu fühlen. 
Dikrotie des Pulses. 



29 

Gustke, Ernst, 5 Jahre, 

Typhus 

Hohes Fieber und Roseolen, 

5.11. 

37 


1. II.—18. III. 

abdominalis, 

Lungenkatarrh (rechts hint. 

6. II. 

3 



Lungen- 

unten verkürzter Schall). 

14. II. 




entzündung, 
5. Krankheits- 

Kein Durchfall. Diazo¬ 
reaction positiv. 





tag 



30 

Schütz, Johann, 31 J., 

unbestimmt, 

Hohes Fieber, Benommen- 

14.11. 

37*1'—' k,> 


Arbeiter, 

1. Krankheits- 

heit des Sensoriums, Fistula 

15.11. 

37'0-ä- 


14.11.—24. V. 

tag 

i ani verkürzt. Schall am r. 

21. II. 

88 *0-^. 


i 

27. I. 

j Oberlappen, Rasseln auf 
beiden Lungen. Kein Durch¬ 
fall. Diazoreaction negativ. 
Sputum am 23. H. reichlich. 

23. IL 





Influenza. 




i 


Gck 'gle 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Der Nachweis von Typhusbacillen am Menschen, 


353 


idal’sche 
Reaction 
: 25 1 : 50 
sofort und 
. 2 Stund. 

jEventueller 

Leichen¬ 

befund 

Stuhl- 

Untersuchungen 

Urin¬ 

untersuchung 

Roseolen 

ßlnt 

Eiter 

— 

— 

16.1. negativ 

10.1. 

— 

9. L 

negativ, 

Staphyloc. 

citreus 

— 

i 

11.1. 
positiv 
1:25 

1:100 


27.1. negativ. 

16.1. negativ 
Staphjloo. albus 

25. L negativ 

1 - 

11.1. 

negativ, 

steril, 

Castellani 

i 

! 

15. L 
negativ 
(geringe 
Jeeinfluss.) 

17. L 
Strepto¬ 
kokken 

— 

— 


15.1. 
Strepto¬ 
kokken, 
Castellani 

15.1. 
Strepto¬ 
kokken 

21.1. 

positiv, 

6, Tag 

— 

26.1. negativ 

5. II. „ 

6.II. positiv 

i 

21.1. 
positiv, 
6. Tag 

21.1. 
positiv, 
Castellani 

— 

5. II. 
positiv, 

10. Tag 

— 

14.11. negativ, 
fest 

6. II. negativ 

6. II. 
negativ, 

3 Roseolen 
abgeimpft, 
1 steril, 

2 unbeweg¬ 
liche 
Stäbchen 

5.11. 
negativ, 
Heu¬ 
bacillen 

— 

15. II. 
negativ, 

20- Tag, 

.1. Q.23.IL 
negativ 
(ganz 
geringe 
Beeinfluss.) 

I 


i 

17. II. negativ 
Kokken 1 

i 

j 


15.11. 

negativ, 

Kokken. 

21. II. 
negativ, 
Kokken u. 
Stäbchen. 

. 23.11. 
negativ, 
Castellani 

negativ, 
nach Gram 
gefärbte 
Kurz¬ 
stäbchen 




354 Albheoht Bubdaoh: Deb Nachweis von Typhusbacillen u.s.w. 


Digitized by 


bacillen, wie auch bei anderen Autoren, meistens in Reinculturen und in 
grosser Menge vorhanden waren. Die diesbezüglichen Beobachtungen an 
dem Gesammtmaterial des Danziger Institutes sind in der vorstehenden 
TabelleI zusammengestellt; besondere Angaben über Beginn und Dauer der 
Bakteriurie und eventuelle Keimzahl finden sich in den Fällen, in welchen 
in längerer Folge von Untersuchungen sich die Dauer der Bakteriurie be¬ 
stimmen liess und in den selbst beobachteten Fällen. 

Wie aus der vorstehenden Uebersichtstabelle ersichtlich ist, gelang 
es mir, in 18 von 25 Typhusfallen auf einem oder mehreren Wegen den 
Bacillennachweis zu führen, d. h. in 72 Procent Nochmals betone ich, 
dass mir immer bei allen meinen Untersuchungen eine genaue Iden- 
tificirung der Bacillen am wichtigsten erschien, wodurch freilich die 
Untersuchungen immer auf 2 bis 3 Tage sich ausdehnten. Aus diesem 
Grunde wird der Bacillennachweis freilich als diagnostische Methode gegen 
die Yidal’sche Reaction immer schwer auf kommen; indessen dürfte in 
Folge der zahlreichen Methoden, die zum Ziele führen, eine möglichst 
häufige Anwendung derselben uns nicht nur in der Erkenntniss der „in¬ 
teressantesten“ unter den heimischen Infectionskrankheiten, wie Fraenkel 
den Typhus nennt, sondern auch der acuten Darmerkrankungen überhaupt 
weiter führen. 


Zum Schluss erlaube ich mir meinem hochverehrten Chef Herrn 
Dr. Petruschky für seine Unterstützung und reiche Anregung bei Ab¬ 
fassung dieser Arbeit meinen Dank auszusprechen. Für die liebenswürdige 
Ueberlassung des Krankenmaterials und der Krankengeschichten bin ich 
Herrn Sanitätsrath Dr. Freymuth, Chefarzt am Danziger Stadtlazaretb, 
Olivaerthor, sowie seinen Herren Assistenten Dr. Zuckschwerdt und 
Kolbe, so wie der Schwester Luise an der Typhusbarracke zu Dank ver¬ 
pflichtet, den ich hiermit in aufrichtigster Weise zum Ausdruck bringe. 


Gck igle 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



[Aas dem Königl. Institut für experim. Therapie zu Frankfurt a/M.] 
(Director: Geh. Med.-Rath Prof. Dr. P. Ehrlich.) 


Weitere Studien über den Dysenteriebacillus. 

Von 

Dr. K. Shlga. 


Als ich im Jahre 1897 den Dysenteriebaoillus entdeckte, constaiirte 
ich, dass dieser Bacillus, obgleich er augenscheinlich nur im Darme 
localisirt bleibt und nicht in die Ciroulation übergeht, gleichwohl die Ent¬ 
stehung specifisch wirksamer Antikörper im Serum veranlasst. Ich habe 
diese Erscheinung in Anlehnung an die Gruber-Widal’sche Reaction als 
wesentliches Hülfsmittel bei der Diagnose der Dysenteriebacillen benutzt. 

Im Laufe der folgenden Jahre sind die von mir gefundenen Tbat- 
sachen bezüglich der epidemischen Ruhr an verschiedenen Punkten der 
Erde bestätigt worden 1 , zumal seitdem Kruse das Studium der epidemi¬ 
schen Ruhr in Deutschland so erfolgreich aufgenommen hat. Ueber die 
Identität des von Kruse herausgezüchteten Bacillus mit dem meinigen 
kann ein Zweifel heute nicht mehr bestehen, auch wenn über gewisse 
morphologische Details eine völlige Einigung noch nicht erzielt ist. Alle 
wichtigen Charakteristika der von mir gefundenen Bacillen, sowie die 
Agglutination durch das Serum der Kranken sind von Kruse völlig be¬ 
stätigt worden. Dass trotzdem geringe Wachsthumsunterschiede Vor¬ 
kommen können, ist auch bei anderen Bakterien, selbst bei Cholera, 
nichts Ungewöhnliches. Besonders schwierig ist es, die Frage einer even¬ 
tuellen Beweglichkeit zu beantworten. Ich gab zuerst für meine Bacillen 
die Beweglichkeit an, Kruse fand sie unbeweglich. Es ist bekannt, dass 
es nicht imm er leicht ist, zu unterscheiden, ob ein Bacillus beweglich 
ist oder nicht, und Kruse selbst giebt für die Beweglichkeit als Charak¬ 
teristikum der Coligruppe bei Flügge, Bd. II, S. 361, an: „dass man 


1 Vgl. auch die nach Abschluss dieser Arbeit erschienene Abhandlung: 
ruchtmgen Über die Rühr. Berlin 1902. 


28* 


Unter - 


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Gck igle 


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356 


K. Shiga: 


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bei Feststellüng dieses Charakters vorsichtig sein muss, da die Bewegungen 
oft nur kurz dauernd sind und nicht unter allen Lebensbedingungen 
(Nährböden, Temperatur) stattfinden.“ Ich erinnere in dieser Beziehung 
noch an den Bacillus des Schweinerothlaufs, dessen Unbeweglichkeit noch 
von manchen Autoren in Zweifel gezogen wird. Die Beweglichkeit meiner 
Culturen habe ich immer als eine schwache bezeichnet. Auffallend war 
es mir allerdings, dass es mir zunächst nicht gelang, Geissein färberisch 
nachzuweisen. Als ich aber späterhin einmal in einem Präparate zwei 
endständige Geissein fand, glaubte ich diese Frage für erledigt anseheu 
zu können. Inwieweit ich hierbei einem Irrthum anheimgefallen bin. 
möchte ich noch nicht entscheiden, und ebensowenig möchte ich die Be¬ 
funde von Vedder und Duval 1 , welche peritriche Geissein fanden, vor¬ 
läufig als Bestätigung meiner Befunde ansehen. 

Nachdem ich bereits im Jahre 1898 Pferde mit Dysenteriebacillen 
immunisirt und damit ein hochwerthiges Serum hergestellt hatte, mit 
welchem in den Jahren 1898 bis 1900 fast 300 Menschen behandelt worden 
sind, schien es mir wichtig zu sein, dieses von mir zuerst hergestellte 
Dysenterieheilserum nach den Gesichtspunkten der heutigen Immunitäts- 
lehre zu untersuchen. Zugleich wollte ich auch noch einmal die Identität 
des Kruse’schen mit dem meinigen auf dem serodiagnostischen Wege 
erweisen. 

Zur Verwendung gelangten eine originale Cultur von mir, eine Cnltur 
von Hm. Prof. Flexner, eine Cultur des Kruse’schen Bacillus aus dem 
hiesigen Institute und eine Cultur des Kruse’schen Bacillus von Herrn 
Dr. Conradi-Berliu. Ich bemerke von vornherein, dass diese Culturen 
bei den verschiedensten baktericiden Versuchen sich völlig gleichmassig 
verhielten, so dass ich im Folgenden immer nur von. dem Dysenterie¬ 
bacillus als solchem sprechen werde. Ueber eine gewisse Verschiedenheit 
des Flexner’schen Bacillus von dem meinigen und Kruse’schen werde 
ich bei der Agglutination sprechen. 

Zunächst wurde die baktericide Kraft normaler activer Sera gegen¬ 
über dem Dysenteriebacillus geprüft. Die Methode der Prüfung entsprach 
vollständig derjenigen von M. Neisser und Wechsherg angegebenen, 
auf die ich deshalb verweise.* 

Die Einsaat betrug immer 1 j ROO n,g einer eintägigen Agarcultur, welche 
Menge bei der von mir gewählten Verdünnung in 1 • 0 ccm Kochsalzlösung 
enthalten war. Die gesammte Menge in einem Röhrchen betrug 2*0 < * ra , 
wozu stets drei Tropfen Bouillon kamen. Die Einwirkung des Serums 

1 The etiology of acute dysentery in the United states. The Journal of experi¬ 
mental Medicine . 1902. Yol. VI. Nr. 2. 

* Münchener med . Wochenschrift. 1901. Nr. 18. 


Gck igle 


Original frum 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Weitere Studien über den Dysenteriebacillus. 


857 


betrug drei Stunden bei 37°, nach welcher Zeit sechs Tropfen zu 
Agarplatten verarbeitet wurden. Die Beurtheilung der Platten erfolgte 
nicht durch genaue Zählung, sondern ebenfalls nach M. Neisser und 
Wechsberg durch ungefähre Schätzung, da nur grosse Ausschläge als 
beweisend angesehen wurden. Manchmal wurde der Rest, der in dem 
Röhrchen nach Herausnahme der sechs Tropfen verblieb, wiederum in den 
Thermostaten gestellt. Man erhält so häufig eine werthvolle Bestätigung 
der Agarplatten, indem man das Wachsthum oder Nichtwachsthum in 
den Röhrchen notirt. 

Die stärkste baktericide Kraft — die übrigens immer noch im Ver¬ 
gleich zu manchen anderen Bakterien gering ist — besitzen das Ziegen- 
und das Hammelserum, welche in der Menge von 0*3 bei der angegebenen 
Versuchsanordnung die Keime vollständig oder fast vollständig abtödteten. 
Schwächer wirken das Rinder-, Pferde-, Menschen-, Hunde-, Meer¬ 
schweinchen- und Kaninchen-Serum. Eine Reactivirung normaler inactiver 
Sera gelang nur bei folgender Combination: normales inactives Ziegen¬ 
serum konnte durch eine an sich nicht abtödtende Menge normalen 
activen Pferdeserums völlig reactivirt werden. Es ging aus diesen Ver¬ 
suchen schon hervor, dass nur wenige Sera zur Reactivirung'brauchbar 
waren (z. B. Pferdeserum), augenscheinlich, weil die übrigen Sera einen 
nennenswerthen Ueberschuss oder überhaupt freies dominantes Complement 
nicht enthielten. Dies wurde durch die Completirungsversuche, welche 
mit -einem hochwerthigen Immunserum augestellt wurden, vollständig be¬ 
stätigt. Als Immunserum stand mir ein Serum eines Pferdes zur Ver¬ 
fügung, das ich selbst noch zu immunisiren angefangen hatte und das in 
der Zwischenzeit weiter immunisirt worden war. Es wurde mir von Japan 
mit einem Zusatz 0*5 procent. Carbol zugeschickt. (Dieser Carbolzusatz 
störte, wie Controlversuche zeigten, bei den kleinen Mengen des verwendeten 
Serums in keiner Weise die baktericiden Versuche.) Die ersten Versuche, 
welche mit der Completirung durch actives Pferdeserum angestellt wurden, 
fielen insofern negativ aus, als eine abtödtende Wirkung nicht zu be¬ 
merken war. Es zeigte sich alsbald, dass dies auf dem M. Neisser- 
Wechsberg’sehen Phänomen der Complementablenkung beruhte, denn, 
als immer kleinere Dosen des Immunserums verwendet wurden, wurde 
die abtödtende Wirkung immer deutlicher. Die folgende Tabelle, in 
welcher Columne A. das Resultat des Platten Versuches, Columne B. das 
Resultat des gleichzeitigen Röhrchenversuches ergiebt, zeigt die abtödtende 
Wirkung ebenso klar, wie das Phänomen der Complementablenkung. Man 
sieht daraus, dass noch 0*0025 und 0-0005 ecm eine deutliche baktericide 
Wirkung haben. Dieses Verhalten wurde zu sehr verschiedenen Malen 
und mit verschiedenen Stämmen in fast gleicher Weise erzielt. 


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368 


K. Shioa: 


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Tabelle I. 


Inactives 

Dysenterieserum 

com 

Actives 

Pferdeserum 

oom 

Dysenteriecultur 

A. 

Zahl der Keime 
auf der Platte 

B. 

Wachsthnm 
im Röhrchen 

0*01 

0*8 

1*0«“ ('/,„"•) 

00 

+ 

0*0076 

ft 

ft 

00 

+ 

0-005 

ff 

ft 

00 

+ 

0*0026 

ft 

ff 

fast 0 

— 

0-001 

ff 

ff 

0 

— 

0*00075 

ff 


fast 0 

— 

0*0005 

i ft 


ca. 60 

— 

0*00026 

! ft 

ft 

etwa 100 

+ 

0*0001 

1 » 

ft 

etwa 1000 

+ 

0*000075 

! ” 

»t 

einige 1000 

+ 

0*00005 

ft 

ff 

00 

+ 


— 

0-8 

! i*0““ c/ M o-*) 

einige 1000 

+ 

o 

U) 

— 

— 


00 

+ 

fl 

o 

0-1 

— 

! tt 

0 

— 

O 

— 

0-8 


0 

— 


Ausser dem Pferdeserum war zur Completirung dieses Immunserums 
nur noch ein Serum verwendbar, nämlich das active Menschenseram. 
Die folgende Tabelle ergiebt einen der diesbezüglichen Versuche. 


Tabelle II. 


Inactives 

Dysenterieserum 

ccm 

Actives 

Uenschenserum 

ccm 

0-01 

0-3 

0-003 

tt 

0-001 

tt 

0-0008 

tt 

0-0001 

tt 

0-00003 

tt 

0-00001 

1 ” 


0*8 



Dysenteriecultur 

Zahl der Keime 
auf der Platte 

1*0«“ (*/»o« m *) 

00 

*t 

00 


00 

1 

ft 

wenig 

tt 

0 


etwa 100 

” 1 

etwa 1000 

1*0““ CU“*) 

00 

tt 

00 

— 

0 

— 

0 


Ich habe bisher das Serum von 6 Individuen geprüft und 5 Mal 
(4 Mal Placentaserum und 1 Mal das Serum von Erwachsenen) für wirk¬ 
sam gefunden; nur 1 Mal war das ganz frische Serum eines Nephritikers 
bei der Completirung unwirksam. Erwähnt werde übrigens, dass das eine 


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Weitere Studien über den Dysenteriebacillus. 


859 


dieser Sera mein eigenes war, welches beträchtlich stärker war, als die 
übrigen. Ob diese Eigenschaft mit einer vor 4 Jahren vorgenommenen 
activen Immunisirung im Zusammenhang steht, möchte ich auf Grund 
dieser wenigen Prüfungen dahingestellt sein lassen. 

Ich glaube demnach den Beweis erbracht zu haben, dass das von 
mir therapeutisch verwendete Pferdeimmunserum diejenige Anforderung 
erfüllt, welche man heutzutage an ein baktericides Immunserum stellen 
muss, dass es nämlich einerseits ein sehr hochwerthiges ist und anderer¬ 
seits im normalen Menschenserum ein passendes Complement findet. Es 
ist dieses Serum als das erste in der menschlichen Therapie verwendete 
Serum, das die von Ehrlich 1900 in der Croonian lecture ausgesprochene 
Bedingung erfüllt. Die von mir in Japan erhaltenen guten Heilresultate 1 
geben andererseits eine Stütze für die Ehrlich’schen Anschauungen. 

Mit dem Complement des activen Pferdeserams war, wie erwähnt, 
das Phänomen der Complementablenkung sehr schön zu zeigen. Da nun 
diese Ablenkung in erster Linie von der Menge des vorhandenen Immun¬ 
körpers abhängt, so wird man vielleicht das Maass der Ablenkung als 
Maassstab für die Hochwerthigkeit verschiedener Immunsera verwerthen 
können. Versuche, welche ich in dieser Beziehung auf Anregung von 
Hrn. Prof. M. Neisser angestellt habe, sind noch nicht zu einem end¬ 
gültigen Abschlüsse gelangt. 

Wie erwähnt, waren die übrigen activen Sera (z. B. Ziegenserum u. s. w.) 
zur Completirung des Dysenterieimmunserums nicht brauchbar, obgleich 
sie an sich baktericid waren. Es lässt sich aber mit dem Immunserum 
auch bei diesen Seris das Phänomen der Complementablenkung sehr schön 
demonstriren, wie die folgende Tabelle III zeigt. 


Tabelle ELI. 


Dysenterie- 
Immun serum 

eem 

Actives 

Ziegenserum 

ocm 

Dysenteriecultur 

Zahl der Keime 
auf der Platte 


0*1 

0-8 

1/ mg 

Ib 00 

00 


0*03 

99 

n 

QO 


0-01 

99 

99 

00 


0-003 

99 

99 

0 


0-001 

99 

99 

0 

© 

_ 

0-3 

11 mg 

/ 500 

0 

2 

_ 

j _ 

99 

00 

-*» ( 
a 
© 

0-1 


— 

0 


k — 

| 0*8 

| — 

0 


1 JJetUtche med . WocJimuchrift . 1901. Nr. 43—45. 


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Gck igle 


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360 


E. Shiga: 


Vielleicht ist auch diese Versuchsanordnung zur Bestimmung der 
Werthigkeit baktericider Sera verwendbar. 

Ich habe mich übrigens durch einen Absorptionsversuch analog den 
Versuchen von A. Lipstein 1 ausdrücklich davon überzeugt, dass die be¬ 
schriebene Complementablenkung in der That durch den überschüssigen 
Immunk örper, und nicht etwa durch eiu Anticomplement, hervorgerufen wurde. 

Noch in einer anderen Beziehung glaubten Prof. Neisser und ich 
das Phänomen der Complementablenkung verwerthen zu können. Bei 
der von Ehrlich und seinen Schülern erwiesenen Pluralität der Com- 
plemente des normalen activen Serums war es denkbar, dass durch die 
Complementablenkung in Folge grossen Zusatzes von inactivem Immun¬ 
serum zu einem an sich baktericiden Normalserum wesentlich nur das 
Complement abgelenkt würde, welches zur Completirung dieses Immun¬ 
serums geeignet ist, während die übrigen Complemente verhältnissmässig 
unbeeinflusst blieben. Daraus würde folgen, dass das betreffende normale 
active Serum im Wesentlichen nur diese eine babtericide Wirkung ver¬ 
loren, alle andere aber ziemlich behalten haben könnte. Man hätte somit 
ein Serum, welches seine bactericide Wirkung im Wesentlichen nur für 
das Bacterium verloren hätte, dessen Immunkörper im Ueberschuss zu¬ 
gesetzt worden ist, also gleichsam einen wirklich specifischen Nähr¬ 
boden. Auf Grund dieser Erwägung setzten wir kleine Mengen von 
normalem Stuhl, welchen wir künstlich mit geringen Mengen Dysenterie¬ 
bacillen inficirt hatten, zu 2-0 ccm normalen, activen Ziegenserums, und 
fügten 0*2 oom inactiven Immunserums hinzu. Nach 3 Stunden im Brut¬ 
schrank wurden 6 Tropfen davon in ein zweites, dieselben Serumgemische 
enthaltendes Röhrchen übergetragen. Es wurden Agarplatten ausgestrichen: 
1. von dem ursprünglichen Stuhlgemisch, 2. aus dem ersten Röhrchen 
und 3. aus dem zweiten Röhrchen, nachdem es ebenfalls 3 Stunden bei 
37 0 C. gestanden hatte. Bei sehr vielfachen Versuchen zeigte sich nun, 
dass auf diese Weise in der That eine specifische Anreicherung der 
Dy senteriebacillen eintritt, derart, dass, wenn auf der ersten Platte 
nur ganz vereinzelte Dysenteriebacillencolonieen zu finden waren, diese 
auf der Platte II oder III reichlich auftraten. Einmal gelang es uns 
sogar in der Platte II und III Dysenteriebacillen zu finden, die auf der 
Platte I nicht zu finden waren. Als Agar benutzten wir übrigens mit 
Vortheil den von v. Drigalski und Conradi 2 für Typhusbacillendiagnose 
angegebenen. Diese Methode, die den ersten Weg zu einer specifischen 
Anreicherung angiebt, dürfte vielleicht zu einer weiteren Ausbildung em¬ 
pfohlen werden. 

1 Centralblatt für Bakteriologie. 1902. Bd. XXXI. Nr. 10. 

* Diese Zeitschrift. Bd. XXXIX. 


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Weitere Studien über den Dtsenteriebaoillus. 


361 


Proagglutinoid. 

Durch die schönen Untersuchungen von Bail 1 * einerseits und Eisen¬ 
berg und Volk* andererseits sind zwei neue Phänomene bei der Agglu- 
tinationsreaction beschrieben worden, welche für das Studium der Agglu- 
tinine von grosser Wichtigkeit sind. Bail beschrieb zuerst, dass Typhus¬ 
bacillen , welche man zu einem durch die Hitze inactivirten Agglutinin 
zusetzte und abcentrifugirte, durch erneute Zugabe von activem Agglutinin 
nicht mehr agglutinirt werden können. Eisenberg und Volk zeigten 
die weitere wichtige Thatsache einer ungleichmässig verlaufenden Versuchs¬ 
reihe bei der Agglutination, derart, dass die Röhrchen mit der grössten 
Menge Agglutinin keine oder schwache Agglutination zeigten, die Röhrchen 
mit geringerem Agglutiningehalt eine starke Agglutination zeigten. 3 Bail 
glaubte, das von ihm beobachtete Phänomen mit dem Zusammenwirken 
zweier Componenten (entsprechend Amboceptor und Complement) zu er¬ 
klären und erhärtete diese Annahme durch einige Reactivirungsversuche. 
Eisenberg und Volk erklärten diese unregelmässige Reihe durch das 
Vorhandensein von Agglutinoiden, welcher Erklärung ich mich vollständig 
anschliesse. 

Nur möchte ich diese Agglutinoide 4 entsprechend der Ehrlioh’schen 
Nomenclatur als Proagglutinoide bezeichnen. Es handelt sich dem¬ 
entsprechend um die Wirkung von Körpern, welche durch äussere Ein¬ 
griffe aus dem Agglutinin entstehen, welche weiterhin eine höhere Avidität 
zu den Bacillen haben, als das unveränderte Agglutinin, und welche 
schliesslich diejenige Gruppe, welche Trägerin der eigenartigen Agglu¬ 
tinationswirkung ist, verloren haben, während die andere Gruppe, welche 
die Verankerung mit den Bakterien besorgt, erhalten geblieben ist. Aus 
der grossen Zahl von Versuchen, die ich mit dem Dysenterie- und Typhus¬ 
bacillus angestellt habe, will ich im Folgenden nur diejenigen Versuche 
herausgreifen, welche zum Beweise des oben Gesagten dienen sollen. Mit 


1 Archiv für Hygiene. 1902. Bd. XLIII. 

* Diese Zeitschrift. 1902. Bd. XL. > 

• Dieses paradoxe Phänomen hat Asakawa im Bericht ans dem Institut für 
Infeotionskrankheiten zu Tokio (Sept. 1901) angegeben und „ein umgekehrt sieh ver¬ 
haltendes Phänomen“ genannt. 

4 Nach Abschluss dieser Versuche sind zwei neue Arbeiten von R. Kraus 
(Centralblatt für Bakteriologie, 1902, Bd. XXXII, Nr. 1) und v. Pirquet, sowie von 
Eisenberg ( Extrait d. Bull. d. l’Acad. des Sciences de Cracovie. — Ebenso auch 
Centralblatt für Bakteriologie , 1902, Bd. XXXI, Nr. 15) über Präcipitoide (Ueber 
Präcipitoide s. bereits Wiener klin. Wochenschrift, 1901, Sitzungsbericht) erschienen. 
Die Verfasser kommen bezüglich des Präcipitins zu denselben Resultaten, wie sie 
für Agglutination beschrieben worden sind. Sie haben für diese Propräcipitoide die 
gleichen beweisenden Versuche, wie ich für Proagglutinoide. 


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362 


K. Shiga: 


meinem oben erwähnten Dysenterieimmunserum und meinem Origiual- 
dysenteriestamm oder mit der Kruse’schen Cultur liess sich das Eisen- 
berg-Yolk’sche Phänomen unschwer demonstriren. Die Versuchsanord¬ 
nung war folgende: Eine Agarcultur wurde mit 10-0 ccm 085 procentiger 
NaCl-Lösuug aufgeschwemmt und Anfangs lebend, in späteren Versuchen 
(nachdem constatirt war, dass zwischen Verwendung der lebenden und 
der auf diese Weise abgetödteten Cultur kein Unterschied vorhanden war) 
nach Zusatz von 0 • 02 ccm 40 procentigen Formalins verwendet. Von dieser 
Aufschwemmung kam in jedes Röhrchen 1*0 ccm . Dazu kamen fallende 
Mengen des Immunserums ( 2 / 10 , 2 / 20 , 2 / 40 u. s. w. gewöhnlich bis 2 / 6120 COT ). 
Das gesammte Volumen in allen Röhrchen betrug 2-0 ccm . Die Röhrchen 
kamen in den Thermostaten (37 0 C.) und wurden nach 2, 5 und 24 Stunden 
besichtigt. Diese Besichtigung erfolgte mit dem blossen Auge und mit 
der Lupe. 

Notirt wurde: — keine Agglutination, ± Spur, + makroskopisch 
deutlich aber schwach, + + sehr deutlich, + -f + völlig geklärte Flüssig¬ 
keit mit agglutinirtem Bodensatz. Die folgende Tabelle IV zeigt einen 
solchen Versuch. 


Tabelle IV. 


Verdünnung 
des Dysenterieserums 

2 Stunden 

5 Stunden 

24 Stunden 

1 : 10 

— 

— 

± 

1 : 20 

— 

± 

+ + 

1 : 40 

± 

+ 

4- + + 

1 : 80 

+ 

+ + 

+ + + 

1: 160 

± 

+ 

+ + + 

1: 320 

— 

+ 

+ + + 

1: 640 

— 

± 

+ + 

1 : 1280 

— 

— 

•± 

1: 2560 

— 

— 

— 

1 : 5120 

— 

— 

— 


[Durch entsprechende Zugabe von normalem Serum und anderen 
Flüssigkeiten (z. B. Gelatine, Gummilösung u. s. w.) wurde der Ein wand 
widerlegt, dass die grössere Menge des Serums in den Röhrchen an der 
Behinderung der Agglutination Schuld sei.] Der erste Punkt, nämlich 
die Entstehung des Proagglutinoides aus dem Agglutinin konnte an dem 
alten Dysenterieserum nur insofern erwiesen werden, als die Menge des 
in diesem Serum bereits vorhandenen Proagglutinoids durch Erwärmung 
oder durch ausgedehnte Belichtung oder durch Versetzen mit Chloroform 
gesteigert werden konnte. 


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Weitere Studien über den Dysenterieb acilijUS. 


363 


Tabelle V. 


Verdünnung 

des 

Das 17 Tage der 
Belichtung ausgesetzte 1 
Serum 1 

Das auf 60° C. 1 Std. 
erhitzte Serum 

1 Das mit Chloroform 
durchgeschüttelte 

1 Serum 

Dys.-Serums 










2 Std. 

5 Std. 

24 Std. j 

2 Std. 

5 Std. 

24 Std. 

! 2 Std. 

5 Std. 

24 Std. 

1: 10 

— 

— 

— 

1 

— 

— 


— 

— 

1: 20 

1: 40 

— 

— 

+ 

— 

— 

+ 


— 

— 

1: 80 

± 

+ 

+ + 1 

— 

— | 

+ + 

! — 

— 

± 

1: 160 

+ 

+ 

+ + + 

— 

± 

+ + + ! 

— 

— 

+ 

1: 320 

+ 

+ 

+ + + 

— 

— 

+ 

! — 

— 

± 

1: 640 

± 

± 

+ + 

— 

— 


_ 

— 

± 

1:1280 

1:2560 

1:5120 

— 

— 


— 

— 

— 

— 

— 

— 


Noch deutlicher war die Entstehung des Proagglutinoides aus dem 
Agglutinin an einem frischen Typhusimmunserum (Ziege) zu zeigen. Das 
Serum, welches keine Proagglutinoidzone gezeigt hatte, wies nach der 
2 Mal 4stündigen Erhitzung auf 60° C. eine deutliche Proagglutinoid¬ 
zone auf. 

Die höhere Avidität des Proagglutinoids ging bereits aus diesem 
Versuche hervor, konnte aber noch durch andere Versuche bestätigt 
werden. Durch Versetzen des Dysenterieserums mit Chloroform war 
schliesslich eine fast völlige Umwandlung des Agglutinins zu Proagglutinoid 
zu erzielen, so dass das Serum in fast keiner Verdünnung mehr agglutinirte. 
Setzte ich zu einer an sich agglutinirenden Dosis des unveränderten 
Dysenterieserums absteigende Mengen des mit Chloroform behandelten 
Serums, so blieb die Agglutination bis 1:160 Verdünnung aus. Control¬ 
versuche mit chloroformirtem normalen Serum fehlten natürlich niemals. 


Tabelle VI. 


Dys-Serum in der 
Verdünnung 1:8 

Der auf 65° 8 Stunden 
erhitzte Dys.-Serum 

Aufschwemmung 
der Dys.-Cultur 

2 Std. 

5 Std. 

0*1 ccm 

1: 10 (1*0 ccm) 

1 .()ccm 

— 

— 

tt 

1: 20 


9} 

— 

— 

99 

1: 40 

» 

9t 

— 

— 

99 

1: 80 


99 

— 

— 

99 

1: 160 

»> 

99 

— 

— 

99 

1: 320 

»> 

99 

— 

— 

99 

1: 640 


9* 

— 

± 

tt 

1:1280 


99 

— 

+ 

V 

1:2560 



— 

+ + 

n 

1:5120 



— 

+ + 

Controle 0*1 00,11 

Kochsalzlösung l«O ccm 

1-0 ecm 

+ 

+ + 


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364 


K. Shlga: 


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Dasselbe war anch bei Dysenterieserum durch Erhitzung zu erzielen. 
Das auf 65° C. 3 Stunden erhitzte Dysenterieserum verhinderte in der 
Verdünnung 1:10 bis 1:320 die Agglutination der an sich wirksamen 
Dosis des unveränderten Dysenterieserums (1:160). (S. Tabelle VI.) 

Dass schliesslich das Proagglutinoid an die Bakterien verankert war, 
also die agglutinirbare Gruppe der Bacillen verstopft hatte, war leicht 
dadurch zu erweisen, dass die Bacillen aus denjenigen Böhrchen, in 
welchen die Agglutination ausgeblieben war, abcentrifugirt und gewaschen 
wurden und danach mit einer an sich wirksamen Dosis des Agglutinins 
versetzt wurden. Es zeigte sich dabei stets, dass diese Bacillen inaggln- 
tinabel geworden waren. 


Tabelle VII. 

A. 


Verdünnung 

des 

Dys.-Serums 

24 Std. 


Zum Rückstand 
da8 */i6o Dys.-Serum 
zugesetzt 

2 Std. 

5 Std. 

Bemerkungen 

1: 10 

— 


2*0°°m 

— 

— 


1: 20 

— 



— 

— 


1: 40 

+ 

H 

*a 





1: 80 

+ + + 

«2 




Wegen pri¬ 

1: 160 

+ + + 

! B 



1 

märer Agglu¬ 

1: 920 

+ + + 

| 

0 

§ 

i 

i 



tination nicht 
zum 2. Male 

1: 640 

+ + ! 

1 ^ 

2 

l 



geprüft 

1:1280 

+ 

i 



‘ 


1:2560 

— 

Q 


+ + 

+ + + 





Controle 







2*0 + Dys.-Bacillen 1 


+ + + | 



Verdünnung des auf 
65° 8 Std. erhitzten 
Serums 

5 Std. 

24 Std. 


Zum Rückstand das 
Vteo Dys.-Serum 

zugesetzt 

2 Std. 

5 Std. 

1: 

10 

" 

— 


2*o° cm 

— 

— 

1: 

20 

— 

— 

-4-3 

i) 

— 

— 

1: 

40 

— 


J-l 

‘So 

99 

— 

— 

1: 

80 


— 


79 

— 

— 

1: 

160 


— 

’C 

-4-3 

ff 

99 j 

— 

+ + 

1: 

320 

1 “ 

— 

<z> 

o 

99 

± 

+ + + 

1: 

640 

1 _ 

— 

1 g 


+ 

+ + + 

1: 

1280 


— 

| Q 

99 

+ 

+ + + 

1:2560 


— 


99 

+ + 

+ + + 



I 



Controle 








2*0 + Dys.-Baciilen 

+ 

+ + + 


Gck igh 


Original fro-m 

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Weitere Studien über den Dysenteriebacillus. 


365 


Noch ein anderer Funkt mag erwähnt werden. In den bisher an¬ 
geführten Versuchen war die Menge der in den einzelnen Böhrchen vor¬ 
handenen Bakterien stets die gleiche (siehe oben). Wurde aber die Menge 
der Bakterien sehr vergrössert, so zeigten sich andere Erscheinungen. Wie 
die folgende Tabelle VIII zeigt, verschwindet die Proagglutinoidzone voll¬ 
ständig, wenn man eine geuügend grosse Menge der Bakterien verwendet. 

Tabelle VIII. 


Verdünnung 

des 

Dysenterie- 

senuns 

Normale Aufschwemmung 
der Dysenteriebacillen 

5fach conc. Aufschwemmung 
der Dysenteriebacillen 

2 Stunden 

5 Stunden 

24 Stunden 

2 Stunden 

| 5 Stunden 

24 Stunden 

1: 10 

— 

— 


+ 

++ 

I + + + 

1: 20 

— 

± 

+ 

+ 

++ 

! +++ 

1: 40 

± 

+ 

+ + 

+ 

++ 

+++ 

1: 80 

± 

+ 

+++ 

-h 

+ + 

+++ 

1: 160 

± 

+ 

+ + + 

± 

+ 

++ 

1: 320 

± 

+ 

+++ 

— 

+ 

++ 

1: 640 

— 

± 

+ 

— 

± 


1:1280 

— 

— 

— 


— 

— 

1:2560 

i 

1 — ! 

i 

— 

■ j 

— 

1:5120 

| — 


! - i 

— 

— 

— 


Die Erklärung hierfür ist nicht schwer, wenn man einerseits die Ver¬ 
suche von M. Neisser und Lubowsky 1 und andererseits von Eisen¬ 
berg und Volk mit in Betracht zieht. Zumal aus den letzten Versuchen 
geht unzweifelhaft hervor, dass z. B. Typhusbacillen ein ungleich viel 
grösseres Quantum von Agglutinin zu verankern vermögen, als zu ihrer 
Agglutination nöthig ist Man wird deshalb annehmen müssen, dass auch 
der Dysenteriebacillus eine grosse Zahl von Beceptoren besitzt, welche 
das Agglutinin bezw. das Proagglutinoid zu verankern im Stande sind. 
Um aber den Dysenteriebacillus zu agglutiniren, genügt augenscheinlich 
die Besetzung von nur wenigen dieser vielen Beceptoren mit dem wirk¬ 
samen Agglutinin. Setzen wir nun verhältnissmässig wenige Dysenterie¬ 
bacillen zu einem Serum, welches viel Proagglutinoid und wenig Agglutinin 
enthält, so werden alle die zahlreichen Beceptoren der Bacillen mit Pro¬ 
agglutinoid besetzt werden. Setzen wir hingegen eine grössere Menge 
Bakterien der gleichen Menge Serum zu, so wird das Proagglutinoid nicht 
mehr zur Besetzung aller Beceptoren ausreichen und es wird noch Agglutinin 
verankert werden können. Das bedingt aber das Eintreten der Agglutination. 


1 Centralblatt für Bakteriologie. 1901. Bd. XXX. 


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366 


E. Shiga: 


Wie wir oben angegeben haben, verhielt sich meine originale Cultur 
bezüglich der Proagglutinoidzone völlig identisch mit der Eruse’schen 
Cultnr. Hingegen zeigten die Flexner’schen Colturen ein anderes Ver¬ 
halten. Wie nämlich aus folgender Tabelle IX hervorgeht, wird die 
Flexner’sche Cultur in etwa gleich starker Weise von dem Immunseium 
agglutinirt, aber die Zone des Proagglutinoides fehlt vollständig. 


Tabelle IX. 


Verdünnung 
des Dysenterieserume 

2 Stunden 

5 Stunden 

24 Stunden 

1: 10 

+++ 

+++ 

+ + + 

1: 20 

+ + 

+++ 

+ + + 

1: 40 

++ 

+++ 

+ + + 

1: 80 

+ 

+ + + 

+ + + 

1 s 160 

± 

+ + 

+ + 

1: 320 

— 

+ 

+ 

1: 640 

— 

+ 

+ 

1 :1280 

— 

± 

+ 

1:2560 

— 

— 

— 

1:5120 

— 

— 

— 


Absorptionsversucbe, die ich weiterhin ausführte, zeigten, dass Zusatz 
des Eruse’schen Bacillus zu meinem Immunserum diesem Serum das 
Agglutinin und das Proagglutinoid für diesen Stamm vollständig entzog, 
während das Agglutinin für den Flexner’scben Stamm in nur geringerem 
Grade absorbirt war. Und umgekehrt entzog Zusatz und Centrifugiren 
von Flexner’schen Bacillen meinem Immunserum das Agglutinin für die 
Flexner'sehen Bacillen, aber nur wenig von dem Agglutinin und Pro¬ 
agglutinoid des Eruse’sehen Stammes. 

Man wird deshalb annehmen müssen, dass mein Originalstamm 
mit dem Eruse’schen Stamm bezüglich des Receptorenapparates voll¬ 
ständig übereinstimmte, während diese beiden Stämme mit dem 
Flexner’schen Stamm sowohl identische als auch verschiedene Re- 
ceptoren besassen. Wir dürfen weiterhin annehmen, dass das Serum, mit 
welchem diese Versuche gemacht waren, nicht nur durch die Immuni- 
sirung mit meinem Stamm gewonnen war, sondern dass im Laufe der 
Jahre verschiedene Stämme zur Immunisirung verwendet wurden. Da¬ 
durch entstanden Agglutinine von etwas verschiedener Art, die deshalb auch 
für Stämme mit etwas differentem Receptorenapparate passend waren. 
Dass übrigens der Receptorenapparat der Bakterien qualitativ und quan¬ 
titativ nicht etwas dauernd völlig Constantes zu sein braucht, gebt aus 
einigen Versuchen hervor, in welchen es mir gelang, durch Züchtung eine 
Veränderung dieser Eigenschaften hervorzurufen. Naohdem ich nämlich 


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Weitere Studien über den Dysenteriebacillus. 


367 


Tabelle X. 


Verdünnung 
des agglutini- 

Normale Cultur 

I. Generation j 

der Milchcultur 

IV. Generation 
der Milchcultur 

renden Serums 

2 Std.j 

5 Std. 

24 Std. 

2 Std. 

5 Std. 

24 Std. [ 

2 Std. 

5 Std. | 

24 Std. 

.~i7~Yo j 

— 

— 

± 

— 

± 

4 

± 

4 

4 

l: 20 

— 

4 

+ + 

± 

+ 

4 

± 

4 

44 

1: 40 1 

dh 

+ 

+ + + 

+ 

+ + 

4 4 4 

4 

44 

4 4 4 

1: 80 

+ 

44 

444 

+ 

+ + + 

+++ 

4 

444 

444 

1: 160 

± 

4 

444 


+ + + 

4 4 4 

+ 

+++ 

444 

1: 320 

— 

4 

+ + + j 

; ± 

+ + 

444 

± 

4 4 

4 4 4 

1: 640 

— 

± 

44 ! 

1 — 

+ 

+++ 

j ± 

4 

444 

1:1280 

— 

— 

± ! 

| — 

± 

4 

1 __ 

± 

44 

1:2560 

— 

— 

— ! 

i 

— 

— | 

i 

— 

— 

1:5120 | 

- 


" 



i 



i 

Verdünnung 1 
des agglutini-! 

VI. Generation 

VIII. Generation 

X. Generation 

der Hilchcnltnr 

der Milchcultur 

der Milchcultur 

renden Serums j 

2Std.| 

5 Std. 

24 Std. 

2 Std. 

5 Std. 

24 Std. I 

_i 

2 Std. 

5 Std. 

24 Std. 

1: 10 

4- 

- 44 

44 

+ + 

+ + + 1 

+ + + 

44 

4 4 4 

+ + + 

1: 20 

+ 

4 4 

444 

+ + 

+ + + ; 

1 + + + 

44 

444 

444 

1: 40 

+ + 

+ + + 

+ + + 

+ + 

4- + + 

+ + + 


444 

+++ 

1: 80 

4* + 

+ + + 

+ + + 

+ 

4- + + 

! +++ 

!++ 

444 

+++ 

1: 160 

1 + 

4 4 4 

4* 4 4 

+ 

++ 

+++ 

i + 

+++ 

+++ 

1 : 820 

,! + 

+ 4 

+ + + 

± 

4 

4 4 4 

t ± 

4 

44 

1: 640 

ii ± 

i + 

+ + + 

— 

± 

4 

1, ~ 

± 

4 

1:1280 


! ± 

++ 

— 

— 

— 

i. ~ 

— 

— 

1:2560 

1:5120 

1! __ 

ii _ 

^ — 



_ 

_ 

— 

— 

!' — 


die Kruse’sehen Bacillen 10 Mal hinter einander (je den 2. Tag) auf 
steriler Milch gezüchtet 1 und zuletzt auf Agar übertragen hatte, zeigte 


1 Dieses Culturverfahren wurde eigentlich entsprechend der Angabe von Celli 
gemacht, der in seiner Mittheilung „Zur Aetiologie der Dysenterie“ (v. Leyden, 
Festschrift) geschrieben hat, dass mein Bacillus ebenso wie der von ihm gefundene 
auch Milch coagulirt, wenn er 8 bis 10 Mal auf alkalische Milch verpflanzt worden 
ist. Das Resultat meines Versuches war vollständig abweichend, weil mein Original- 
stamm und auch der Kruse'sche und P1 einer'sche Stamm Milch gar nicht coagu- 
lirten , wenn sie vorsichtig, vor Verunreinigungen ganz geschützt, 10 Mal hinter 
einander auf Milch gezüchtet worden waren. Da ich schon in Japan geprüft hatte 
dass der von Celli gefundene Bacillus ziemlich stark Gas bildet und Milch coagulirt, 
wahrend mein Bacillus solche Eigenschaften nicht hat, und ferner der Cellieche 
Bacillus mit dem Immunserum, das mit meinem Bacillus hergestellt wurde, keine 
Agglutination zeigte, so schliesse ich, wie ich schon in meiner früheren Mittheilung 
(a. ft. O.) geschrieben habe, dass diese beiden Bacillen von einander ganz 
reraohieden sind. 


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368 K. Shiga: Weitere Studien über den Dysenterebbacillus. 


dieser Milchstamm nicht mehr die Zone der Proagglutinoidreaction; und 
bei J wechselseitigen Absorptionsversuchen verhielt er sich nun nicht mehr 
wie der ursprüngliche Kruse-Stamm, sondern vollständig wie der Flexner 1 - 
sche Stamm. Es hatte sich somit, wie aus der vorstehenden Tabelle X 
hervorgeht, durch diese Züchtung auf Milch eine allmählich zu beobach¬ 
tende Veränderung des Kruse-Stammes vollzogen, die in der Verschieden¬ 
heit bezüglich der Proagglutinoidzone des Absorptionsvermögens ihren 
Ausdruck fand. Weiteren Versuchen in dieser Richtung bleibt es Vor¬ 
behalten, ob mir eine Zurückzüchtung des Milch-Kruse-Stammes zu dem 
ursprünglichen Kruse-Stamm, bezw. einer Umzüchtung des Fleiner- 
Stammes in den Kruse-Stamm gelingt. Bisher haben der Flezner-Stamm. 
sowie der ungezüchtete Flezner-Stamm ihre Eigenschaften Monate lang 
oonstant erhalten. 

Resumä. 

1. Mein Originaldysenteriestamm aus Japan verhielt sich bei halt- 
terioiden Reagensversuchen, sowie bei Agglutinationsversuchen völlig iden¬ 
tisch mit den beiden Kruse'sehen Stämmen. Da diese Methoden die 
schärfsten sind, die uns zur Zeit zur Verfügung stehen, so ist an der 
Identität meines Originalstammes vom Jahre 1897 mit dem Kruse’schen 
Bacillus (1900) nicht mehr zu zweifeln. 

2. Das von mir im Jahre 1898 bis 1900 zu therapeutischem Zwecke 
verwendete Dysenterie - Immunserum vom Pferd ist ein sehr hoch- 
werthiges und ist das erste derartige Serum, dessen Completirbarkeit 
durch menschliches Serum nachgewiesen worden ist. 

3. DieM.Neisser-Wechsberg’sche Complementablenkung war damit 
sehr leicht zu constatiren und ergab einen neuen Weg zur specifischen 
Anreicherung von Bakterien in Gemischen. 

4. Die Umwandlung des Agglutinins in ein Proagglutinoid gelang bei 
Dysenterie- und Typhusserum. 

5. Verschiedene Stämme können einen etwas verschiedenen Recep- 
torenapparat besitzen. Durch dauernde Milchpassage war eine gewisse 
Aenderung im Verhalten des Receptorenapparates eines Dysenteriestammes 
zu erzielen. 


Zum Schluss danke ich Hm. Geheimrath Prof. Ehrlich und zumal 
Hrn. Prof. M. Neisser, in dessen Abtheilung vorliegende Arbeit ent¬ 
standen ist, für ihre vielfache Förderung. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



[Aus dem Institut für Infectionskrankheiten in Berlin.] 
(Director: Geh. Med.-Rath Prof. Dr. R. Koch.) 


Die Differencirung 

der Staphylokokken mittelst der Agglutination. 

Von 

Prof. Dr. W. Kollo and Dr. B. Otto. 

AbtheilungsTorateher am Institut Oberarzt beim 1. Garde-Feld-Art»Regt. 


Bei der grossen Verbreitung, welche die Staphylokokken aufweisen, 
ist die Frage von Bedeutung, in wie weit die bei pathologischen Processen 
des Menschen, auf normaler Haut und Schleimhaut, in der Luft vorkommen¬ 
den Kokken eine einzige Art bilden oder nicht. Die Differencirung der Kokken 
mittelst der Färbungs- und Culturmethoden liess hier vielfach im Stich, 
so dass z. B. Neisser und Wechsberg 1 in der Einleitung zu ihrer Arbeit 
über das Staphylotoxin sagen konnten: „Wir finden Staphylococci aurei 
im Eiter, auf der gesunden Haut, auf gesunden und kranken Schleim¬ 
häuten, in der Vaccine, in der Luft u. s. w., und immer wieder erhebt 
sich die Frage: Ist das jedes Mal der typische Staphylococcus pyogenes 
aureus, oder aber haben wir es, wie vielleicht bei den Streptokokken, mit 
verschiedenen, für den Menschen pathogenen Arten zu thun? — eine 
Frage, die in ihren hygienischen und therapeutischen Consequenzen gleich 
wichtig ist. Und dieselbe Unsicherheit besteht in vielleicht noch grösserem 
Maasse für die weissen Staphylokokken. Auch diese findet man sehr 
häufig als augenscheinlich harmlose Saprophyten, bis man bei manchen 
Befunden wieder an ihre pathologische Bedeutung gemahnt wird.“ 

Es gelingt ja, wie bekannt, an den Wachsthumseigenschaften der 
Staphylokokken auf Gelatine und Agar, von der grossen Gruppe der aurei 
und albi, die etwa 90 Procent aller bei Züchtungsverfahren gefundenen Kokken 

1 Diese Zeitschrift. 1901. Bd. XXXVI. 

Ze itechr. t Hygiene. 2L1. 24 


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370 


W. Kölle und R. Otto: 


ausmachen, einige selten vorkommende Arten oder gar nicht zu den 
Staphylokokken gehörende Mikroorganismen abzutrennen. Zu den ersteren 
gehören die als Staphyloooccns citreus, cereus-aureus, -albus bezw. -flavus 
bezeichneten Kokken, zu den letzteren aber alle Gelatine nicht verflüssigende 
Kokkenarten, die damit schon von der Klasse der echten Staphylokokken 
abzutrennen sind. Denn alle letzteren verflüssigen die Gelatine mehr 
oder weniger stark. Auch kann die Farbstoffbildung als ein sicheres Art¬ 
unterscheidungsmerkmal nicht angesehen werden. Denn die ausgesprochene 
Fähigkeit, ein gelbes Pigment zu erzeugen, kann bei echten pyogenen 
Kokken quantitativ sehr schwanken, wohl meist in Abhängigkeit von den 
Nährböden, dem Luftzutritt 1 * u. s. w. Bei längerer Fortzüchtnng auf Nähr¬ 
böden wurden anfangs schön .goldgelb gefärbte Stämme, wie wir mehrfach 
in Bestätigung ähnlicher Angaben beobachten konnten, häufig hellgelb, 
ja unter Umständen 1 so weiss, dass sie kaum von typischen Albus- 
Stämmen zu unterscheiden sind. Weiterhin konnten wir feststellen, dass 
ein Stamm von Pyogenes aureus durch Thierpassage nach und nach seine 
gelbe Farbe verlor, bis er schliesslich nahezu weiss wurde. Im Allgemeinen 
bestätigte sich auch die von Gärtner 3 gemachte Erfahrung, dass Sta¬ 
phylokokken, die aus tief liegenden Eiterherden gezüchtet waren, sich durch 
schwächere Pigmentation von den aus oberflächlichen Eiterungen stammenden 
unterschieden. Aehnlich liegen die Verhältnisse bezüglich der Pigment* 
bildung bei den als Staph. cer. aur., alb., flav. beschriebenen Kokkenarten. 
Der Verlust der Fähigkeit, Farbstoff zu bilden, wird ja auch bei manchen 
anderen pigmentbildenden Bakterien beobachtet So verliert z. B. bekannt¬ 
lich der Bac. prodigiosus durch länger dauernde Züchtung bei 37° C. auf 
Agar sehr häufig die Fähigkeit, das schöne Purpurpigment zu bilden. Man 
kann aus den genannten Gründen also die Fähigkeit der Farbstoffbüdong 
der Culturen nicht als constante Art-Charakteristik a n s Ahwn. 

Was die Versuche betrifft, die Thierpathogenität zur Entscheidung 
der Artfrage der Kokken heranzuziehen, so verfügen wir bis jetzt, wie aus 
der umfassenden Monographie von v. Lingelsheim 4 hervorgeht, über kein 
Verfahren und kein Versuchsthier, um auf diese Weise in Bezug auf die 
Arteinheit und Artverschiedenheit derTrauhenkokken Klarheit herbeizuführen. 
Der Grund liegt wahrscheinlich in der schwankenden Virulenz der Staphylo* 


1 Vgl. Lubinski, Ueber die Anaßrobiose bei der Eiterung. Centralblatt f* r 
Bakteriologie. Bd. XVI. S. 769. 

* Der Staphylococcus aureus I wuchs aus einer alten, 1 Stunde auf 85 * eT ' 
wärmten Bouilloncuttur vollkommen weiss. 

* Citirt nach Lubinski, Centralblatt für Bakteriologie. Bd. XVI. 8.774. 

4 Aetiologie und Therapie der Staphylokokken-Infectionen. Beiträge ** r eepef- 
Therapie. Urban und Sch warzenberger, Berlin and Wien. 1900. 


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Die Diffebencibung deb Staphylokokken u. s. w. 


871 


Tabelle I. 

Herkunft und Wachstum der untersuchten Staphylokokkenstämme. 




w 

a c h s t h u 

m 








s 

Herkunft 

Farbe 
auf Agar 

in Trauben¬ 
zucker¬ 
bouillon 

in GeUtine- 
stich 

Bemerkungen 

1 

Eitrige Peritonitis 

gelb 

Trübg., keine 

verflüssigt 





Gasbildung 



2 

Furunkel (Revier) 

11 

i* 

»» 


3 

n n 

11 


ii 


4 

Phlegmone (Lazareth) 

11 

m 

ii 


5 

Furunkel (Revier) 

11 


ii 


6 

Thierkörper 

11 

ii 

1 1 


7 

Abscess (chir. Poliklinik) 

11 

ii 

ii 

Staphyl. 

8 

Luft (Garten) 

V 

ii 

•>i 

epiderm. 

9 

Haut (Acnepustel) 

weissgelb 

ii 

ii 

albus Welch? 





(schwach) 

Vgl. Fort» ehr. 

10 

Abscess (Entnkephaiis F.) 

hellgelb 

ii 

verflüssigt 

for Medicin . 

11 

91 11 

gelb 

ii 

verflüssigt 

1892. Nr. 21. 

12 | 

Eiter (Lazareth) 

weiss 

n 

ii 


13 j 

Abscess (Lazareth) 

gelb 

ii 

ii 


14 

Abscess (Poliklinik) 

11 

ii 

ii 


15 

ii ii 

11 

ii 

ii 


16 

ii ii 

11 

91 

ii 


17 

Furunkel (Revier) 

11 

11 

ii 


18 

Mandelbelag (Lazareth) 

11 

11 

ii 


19 

Furunkel (Lazareth) 

11 

11 

» 


20 

Sputum 


11 

ii 


.21 

Rachensohleiinhaut 

weiss 

11 

ii 


(gesunde) 





22 

F^urupkel (Reyier) 

gelb 

11 

ii 


23 

Luft (Garten) 

iweisslich 

11 

ii 


,24 

Pyogenes aure.us Kral 

gelb 

" 

i » 


25 

„ albus „ 

weiss 

r 

ii 


26 

„ citreus „ 

citrouen- 


ii 




gelb 


(schwach) 


27 

Urin 

weiss 

ii 

verflüssigt u 


28 

Kleider 

gelb 


ii 


29 

ii 

weiss 

ii 

ii 


30 

St. haemorrh. Kral 

weisslich 

ii 

ii 


31 

Luft (Platten verunreinig.) 

gelb 

ii 

ii 



24* 


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372 


\V. Kolle und R. Otto: 


kokken einerseits und in der geringen and schwankenden Empfänglichkeit 
der Versuchsthiere (von denen Mäuse, Meerschweinchen und Kaninchen 
doch in erster Linie in Betracht kommen) für die von menschlichen 
Krankheiten stammenden Staphylokokken andererseits. Zur Orientirung 
geben wir in der folgenden Tabelle die Resultate der Virulenzprüfungen 
der von uns zur Agglutination benutzten Culturen an Mäusen. Irgend 
welche Schlüsse lassen sich aus diesen Thierversuchen an Mäusen, wobei 
jede Regelmässigkeit der Wirkung fehlt, nicht ziehen. Meerschweinchen 
haben sich auch uns bisher als die am wenigsten geeigneten Thiere für 
die Prüfung der Thierpathogenität der Traubenkokken gezeigt, während wir 
über die Brauchbarkeit der Kaninchen zur Zeit noch kein abschliessendes 
Urtheil fällen können. 

Einen Schritt weiter in der Trennung der Staphylokokkenarten 
brachten die Untersuchungen von van de Velde 1 , später diejenigen von 
Neisser und Wechsberg 2 über das Leukocidin und das Staphylohämo- 
lysin. Diesen Autoren gelang es, nachzuweisen, dass bei Thieren durch 
Vorbehandlung mit Staphylokokkenpräparaten Antikörper gegen das Sta- 
phylohämolysin sowohl wie gegen das Leukocidin auftraten. Neisser und 
Wechsberg 2 nehmen an, dass das Hämolysin der pyogenen aurei und 
albi ein und dasselbe ist und glauben deshalb, dass dieses Gift ein Merk* 
mal der typischen pyogenen Staphylokokken darstellt. Auch das Leuko¬ 
cidin soll nach Ansicht dieser Autoren für Staph. aur. und alb. einheit¬ 
lich sein. Der Beweis für diese Unität der Gifte wird von Neisser und 
Wechsberg 2 in der Wirkung der Antikörper gefunden, die sie gegen 
Leukocidin und Staphylohämolysin durch Immunisirung hergestellt haben. 
Nach ihren Untersuchungen paralysirte z. B. ein mit Staph. aur. her¬ 
gestelltes Antihämolysin nicht nur das Hämolysin sämmtlicher Aureas- 
stamme, sondern auch der Albusstämme. 

Die zahlreichen Immunisirungsversuche, welche mit der Leibessubstanz 
der Kokken oder ihren Derivaten von den verschiedensten Forschern aas¬ 
geführt sind, haben zu einer sinnfälligen Demonstration specifischer Körper, 
der Bakteriolysine oder Agglutinine, in dem Serum der-einer Immuni¬ 
sirung unterworfenen Thiere bisher nicht geführt. Obwohl eine Anzahl 
der Experimentatoren, welche mit derartigen von ihnen hergestellten Sera 
arbeiteten, sicher echte und wirksame Staphylokokken-Antikörper, wie auch 
v. Lingelsheim 8 anerkennt, in der Hand hatten, ist doch über die Art 
der Wirkung derartiger Sera, ihrem Gehalt an Bakteriolysinen und Ag- 
glutinen, sowie die Specifität ihrer Wirkung bisher nichts Sicheres bekannt 

1 Van de Velde et Denys, La Cellule. 1894. T. X u. XI. 

* A. a. 0. 

* A. a. 0. 


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k 

£ 

2 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

13 

14 

15 

16 

17 

18 

19 

20 

21 

22 

23 

24 

25 

26 

27 

28 

29 

30 

31 


Die Differencibung der Staphylokokken ü. s. \v. 


373 


Tabelle II. 


Virulenzprüfung an Mäusen. 


in trap 



8 u b c 

u t a n 


V, OeBe 

Vt Oese 

*/ 4 Oese 

Vio Oese 

‘/so Oese 

7,0 Oese 

Vioo Oese 

t 

t 

t 

t 

J. 

1 

+ 

t 

+ 

lebt 

lebt 

t 

lebt 

lebt 


t 


yy 

lebt 

yy 

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t 

t 

t 

yy 

yy 

99 


t 

t 

lebt 

yy 

yy 

99 


t 

t 

V 

yy 

yy 

99 


t 

t 

yy 

yy 

yy 

99 


lebt 

lebt 

yy 

yy 

yy 

99 


JL 

i 

V 

yy 

yy 

yy 

99 


t 

t 

yy 

yy 

yy 

99 


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t 

T 

yy 

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99 


t 

lebt 

lebt 

M 

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99 


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ff 

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yy 

99 


lebt 

T 

lebt 

t 

yy 

99 


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t 

t 

lebt 

yy 

99 


lebt 

lebt 

lebt 

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yy 

99 


t 

T 

-L 

1 

yy 

yy 

99 


t 

t 

lebt 

>♦ 

t 

99 


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lebt 

99 


t 

t 

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99 


t 

lebt 

lebt 

yy 

yy 

99 


+ 

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99 


lebt 

lebt 

yy 

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19 



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3iT4 


W. Kölle und R. Otto: 


gegeben. Dass die Untersuchung auf das Vorhandensein von Agglutininen 
und bakteriolytischen Körpern in dem Staphylokokkenserum, auf die Mög¬ 
lichkeit seiner Benutzung zur Differencirung der Traubenkokken bisher 
nicht ausgeführt ist, scheint um so auffälliger, als bereits bei verschie¬ 
denen Bakterienarten diese streng specifischen Eigenschaften der Aggluti¬ 
nation oder Bakteriolyse mit Erfolg zur Trennung von einander nahe¬ 
stehenden Bakterienarten da verwandt sind, wo die anderen bakteriologischen 
Differencirungsmethoden — culturelle Untersuchung, Thierpathogenität, 
Giftbildung u. s. w. — im Stich gelassen haben. Wie durch die Arbeiten 
von Pfeiffer und Kolle 1 * 3 , Pfeiffer und Vagedes*, Kolle und Mar¬ 
tini 8 bewiesen ist, gelingt eine Differencirung der echten Typhusbakterien 
von den typhusähnlichen Bacillen, der echten Cholerabakterien von den 
choleraähnlichen Vibrionen (sog. Rothbildnern) und der Pestbakterien von 
den ihnen nahestehenden Mikroorganismen mittelst der Agglutination, 
ja diese specifischen Serumreactionen haben im Grunde sich als das ein¬ 
zige Mittel herausgestellt, die Differencirung bezw. Identificirung der ge¬ 
nannten Bakterien zu ermöglichen. 

Gelegentlich der Immunisirung mit Staphylokokken haben wir diesen 
Eigenschaften des Serums zunächst unsere Aufmerksamkeit zugewandt und 
wollen im Folgenden unsere Beobachtungen über die Agglutination kurz 
mittheilen. 

Zur Immunisirung für Darstellung möglichst stark agglutinierenden 
Serums verwandten wir Kaninchen, welche mit abgetödteten Agarculturen 
der Staphylokokken vorbehandelt waren. Die Einverleibung geschah intra- 
peritoneal. Es wurde mit einer Agarcultur begonnen, dann wurde die Dosirung 
auf 2, 4, 8, 12, 24, 36, 48, 60 Culturen gesteigert. Die Thiere magerten 
nach der Injection grösserer Mengen von Culturmassen oft nicht unerheb¬ 
lich ab. Es wurde deshalb mit der Injection einer grösseren Dosis stets 
so lange gewartet, bis die Thiere das ursprüngliche Körpergewicht wieder 
erreicht hatten. 

Zur Injection wurden die Traubenkokken Nr. I, III, VIII und XXV 
benutzt. 

Die Prüfung auf Agglutination wurde in folgender Weise vorgenommen. 
Von dem zu prüfenden Serum wurden Verdünnungen mit 0-8procentiger 
NaCl-Lösung 4 * hergestellt. Von diesen Verdünnungen, z. B. 1:10, 1:20, 
1:50, 1:100, 1:200, 1:400, 1:1000 u. s. w., wird je 1 ccm in ein gut 

1 Deutsche med. Wochenschrift. 1895. 

3 Centralblatt für Bakteriologie. 1895. 

3 Deutsche med. Wochenschrift. 1902. 

4 Bouillon eignet sich wegen ihres schwankenden Gehaltes an Salzen u. s* w. 

gar nicht znr Anstellung der Aggluticationsreaction. 


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Original frum 

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Die Differencirung der Staphylokokken u. s. w. 


375 


gereinigtes, steriles Reagensglas gefallt. Man hat dann eine Scala, indem 
z. B. im ersten Röhrchen 0*1, im zweiten 0*05, im dritten 0-02 com n. s. w. 
des Sernms immer in l 08 “ Flüssigkeitsvolumen enthalten sind. 

Bezüglich der Einzelheiten der Methode wiederholen wir die Angaben, 
welche für die Pestbakterien von Kolle und Martini bereits gemacht 
sind: In jedem der Röhrchen wird eine Oese = 2“» frischer Agarcultur- 
masse am Rande verrieben und nach der Verreibung in der Flüssigkeit 
durch Schütteln fein vertheilt. Das Verreiben der Culturmasse mit der 
Flüssigkeit geschieht in folgender Weise. Die Cultur wird oberhalb des 
Flüssigkeitsniveaus an der Wandung des Röhrchens abgestrichen, ein 
Tropfen Flüssigkeit mittels der Oese zugefügt und dann verrieben, bis 
die mit blossem Auge sichtbaren Klümpchen verschwunden sind. Alsdann 
wird das Gemenge langsam herabgeschwemmt und nun bei Schräghaltung 
des RöhTchens die Probe in dünner Schicht beobachtet. Hierbei lässt das 
Eintreten der Häufchenbildung sich durchaus sicher feststellen und verdient 
den Vorzug gegenüber der mikroskopischen Beobachtung besonders mit starkem 
System, die sehr leicht zu Fehlschlüssen führen kann. Denn sehr oft werden 
bei der letzteren vereinzelte, in Zooglöa zusammenliegende Bakterien, die durch 
das Verreiben nicht von einander gelöst waren, für agglutinirte Bakterien¬ 
häufchen gehalten, obwohl sie mit den durch die Agglutination zusammen¬ 
geballten grösseren Bakterienhaufen nichts zu thun haben. Die Haufen¬ 
bildung der Bakterien muss, wenn sie als echte Agglutination gelten soll, 
kurze Zeit, spätestens V* Stunde nach dem Mengen von Culturmasse und 
Serum, dem blossen Auge unverkennbar erfolgen. Nur auf diese Weise 
können eindeutige Resultate erhalten werden. Man kann mit dem blossen 
Auge den Vorgang bei den im Thermostaten von 37 °C. gehaltenen 
Röhrchen gut verfolgen. Bei der echten Agglutination ist einer¬ 
seits der Vorgang der Häufchenbildung ein fortschreitender — 
die fast sofort nach der Mischung von Serum und Cultur sich bildenden 
Häufchen werden mit zunehmender Zeit grösser und sinken zu Boden, 
darüber eine klare Flüssigkeit lassend — und andererseits die Grösse 
der Häufchenbildung eine mit der Concentration des Serums 
genau wachsende, so dass die verschiedenen Röhrchen eine regelrechte 
Scala bilden. Bei den Controlen mit reiner 0 • 8 procentiger Kochsalz¬ 
lösung oder normalem Serum (bei diesen nur in starken Concentrationeu) 
tritt bei den echten pyogenen Staphylokokken keine Agglutination ein. 
Der Bodensatz, den die Staphylokokken auch in den letzten genannten 
Medien nach längerem Stehen bilden, hat mit der Agglutination nichts 
zu thun. Man kann das daran erkennen, dass dieser Bodensatz sich beim 
kräftigen Umschütteln wieder in Emulsion auflöst, während wirklich 
agglutinirte Bakterienhäufchen dabei als solche erhalten bleiben. 


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376 


W. Kölle und R. Otto: 


Bei der Ausführung der Versuche ist es nothwendig, bestimmte 
Cautelen, wie hei dem gleichen Verfahren mit Cholera-, Typhus- oder 
Pestbakterien, nicht ausser Acht zu lassen. Dazu gehört in erster Linie 
die Benutzung guter, den Staphylokokken zusagender Nährböden. Des 
Weiteren ist auf die absolut klare Beschaffenheit der Kochsalzlösung Werth 
zu legen, was man durch mehrmaliges Filtriren durch gehärtete Filter 
am besten erreicht. Controlversuche mit normalem Serum in gleichen 
Verdünnungen und physiologischer Kochsalzlösung allein sind nie zu 
unterlassen, um Irrthümer auszuschliessen. Denn es giebt saprophytische 
Kokkenarten, welche in physiologischer Kochsalzlösung und normalem 
Serum eine geringe Häufchenbildung, die am besten als PseudoagglutinatioD 
bezeichnet wird, erkennen lassen. Derartige Kokken können schon durch 
diesen Umstand als verschiedenartig von den echten Staphylokokken er¬ 
kannt werden, und eignen sich nicht zur Austitrirung mit Staphylokokken¬ 
serum. 

Eine Vorbedingung für die Gewinnung eindeutiger Resultate ist ein 
in Bezug auf Agglutination hochwertiges Serum, wie es nach 8- bis 
4 monatlicher Vorbehandlung von Kaninchen mit abgetödteten Culturen 
bei Befolgung der oben gegebenen Vorschriften gewonnen werden kann. 

Mit dem hochwertigen Serum der drei Staphylokokkenstämme I, HI 
und VIII haben wir bei sämmtlichen in der Tabelle I aufgeführten Culturen 
die Agglutinationsproben in der angegebenen Weise angestellt und stets nach 
mehrfacher Wiederholung der Versuche die Agglutinationstitres möglichst 
genau festgestellt, wie sie in der folgenden Tabelle (III) enthalten sind. 1 
Der Vorgang der Agglutination vollzieht sich makroskopisch und mikroskopisch 
genau in der gleichen Weise, wie bei anderen unbeweglichen Bakterien, 
z. B. den Pestbakterien. Irgend welche Formveränderungen sind an den 
einzelnen Kokken selbst bei starker Concentration des hochwerthig agglu- 
tinirenden Serums nicht zu bemerken, auch nicht nach längerem Ver¬ 
weilen in dem Thermostaten. Die Kokken ballen sich ausnahmslos zu 
grossen Haufen zusammen. Aneinanderlagerung zu Ketten, wie sie als 
Analogon der sog. Fadenreaction bei Bact. coli (Pfaundler) oder der 
Kettenbildung der Pneumokokken im Pneumokokkenserum (Neufeld) 1 
vermuthet werden könnte, tritt bei den Staphylokokken nicht ein. 


1 Die mit Serum XXV (albus-Stamm) gefundenen Agglutinationstitres konnten 
nicht mehr angeführt werden, da die genaue Austitrirung erst während der Druck¬ 
legung dieser Arbeit vorgenommen wurde. Die Austitrirung ergab jedoch, dass alle 
von Serum I und III agglutinirten Kokken auch von XXV agglutinirt wurden, da¬ 
gegen nicht Nr. 8, 9, 21, 23, 26, 27, 28, 29, 31. 

* Diese Zeitschrift . Bd. XXXIX. 


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Die Differencirung deb Staphylokokken u. s. w. 


377 


Tabelle III. 

Agglutinations-Titres mit Serum I und III. 


Lfd. Nr. 

Tritt bei Verdünnung 
des normalen Serums 1:10 
bezw. Serums VIII 1:10 
Agglutination ein? 

Norm. Ser. | Ser. VIII 

S e r u 

agglutinirt 
bis zur Ver¬ 
dünnung von 

m I 

Titre 

Sern 

agglutinirt 
bis zur Ver¬ 
dünnung von 

m III 

Titre 

1 

Andeutung 

0 

1:500 

0-002 

1:200 

0-005 

2 

0 

0 

1:200 

0-005 

1:500 

0-002 

8 

0 

0 

1 :200 

0-005 

1:400 

0-0025 

4 

0 

0 

1:100 

0-01 j 

1:500 

0-002 

5 

0 

0 

1:100 

0-01 

1:400 

0-0025 

6 

| Andeutung 

0 

1:100 

0-01 

1 :400 

0-0025 

7 

1 0 

0 

1 :100 

0-01 ! 

1-400 

0-0025 

8 

' 0 

0-005 

1:10 

0-1 | 

1:10 

0-1 

9 

Andeutung 

0 

0‘ 

0 

0 

0 

10 

0 

0 

1 :500 

0-002 

1 :300 

0-003 

11 

o 

0 

1 : 100 

0-01 1 

1:200 

0-005 

12 

0 

0 

1 : 400 

0-0025 

1; 200 

0-005 

13 

0 

0 

1 : 100 

0-01 

1:800 

0-008 

14 

0 

0 

1: 100 

0-01 

1:200 

0-005 

15 

1 0 

0 

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* O bedeutet: Es tritt Belbst bei Verdünnungen von 1:10 und 1:5 keine 
Agglutination ein. — Unter 1:100 ist unterstrichen. 


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378 


W. Kölle und R. Otto: 


Wie aus dieser Tabelle hervorgeht, zeigt das normale Kaninebenserum 
selbst in der Concentration von 1:10 (d. h. 0* 1 cem Serum in 1 CCT0 physiuL 
NaCl-Lösung bezogen auf 1 Oese Culturmasse) keine Agglutinationswirkung; 
während das Staphylokokkenserum eine Anzahl der aufgeführten Stämme be¬ 
einflusst (theilweise bis zur Verdünnung von 1:1200). Die Sera I u. III, welche 
mit pyogenen gelben Traubenkokken hergestellt sind, agglutiniren in einer 
Verdünnung von mindestens 1:100, meist aber 1:200, 300 oder 400 die 
sämmtlichen gelben Traubenkokken, die als Erreger von Eite¬ 
rungen, schweren Furunkeln u. s. w. in Reincultur aus diesen 
gewachsen waren. Nicht bezw. nur in physiologischen Grenzen agglu- 
tinirt dagegen wurden Nr. 8, 9, 21, 23, 26, 27, 28, 29 und 31. Um¬ 
gekehrt beeinflusste das mit dem Staphyl. VIII hergestellte Serum sämmt- 
liche Stämme nicht oder nicht stärker als normales Serum mit Ausnahme 
von 8 und 23. Diese beiden Kokken waren aus der Luft durch Auf¬ 
stellung von Agarplatten im Freien gewonnen worden, 8 ein gelber, 
23 ein weisser Luftstaphylococcus. 

Nach den bei anderen Serumarten (Typhus, Cholera, Pest) sicher¬ 
gestellten Erfahrungen können die von dem Staphylokokkenserum nicht 
agglutinirten Kokken nicht als zur Classe der echten pathogenen Kokken 
gehörig betrachtet werden. Denn es ist bisher noch bei keinem agglu- 
tinirenden Serum beobachtet worden, dass ein solches Serum, ein in die 
betreffende Bakteriengruppe gehörendes Bacterium nicht agglutinirt hätte. 
Man hat vielmehr umgekehrt eine Agglutination bei Bakterien beobachtet, 
welche mit den zur Serumerzeugung benutzten nicht identisch waren, 
sondern ihnen nur nahe standen, sog. Gruppenreactionen. In der That 
sprechen auch manche andere Gründe bei den nicht agglutinirten Stämmen 
dafür, dass sie mit den echten gelben pyogenen Kokken nichts zu thun 
haben. So ist Nr. 26, ein aus der Kral’schen Sammlung bezogener Staph. 
citr., der zwar ein den gelben Kokken ähnliches, aber doch in dicker 
Schicht von ihnen in der Farbe völlig verschiedenes Pigment bildet. Die 
Stämme 9, 21, 27, 28, 29, u. 31 aber waren nach ihrer Fundstelle (nor¬ 
male Haut, Schleimhaut, Kleider u. s. w.) von vornherein als nicht für den 
Menschen pathogene Kokken verdächtig. Wenn endlich die völlige Cou- 
gruenz der Wirkungsweise von Serum I, III und XXV berücksichtigt 
wird, so kann an der Thatsache nicht mehr gezweifelt werden, dass hoch- 
werthig-agglutinirendes, mit menschenpathogenen Trauben¬ 
kokken hergestelltes Serum als ein Erkennungsmittel der echten 
menschenpathogenen Traubenkokken zur Differencirung der 
pathogenen und saprophytischen Kokkenarten benutzt werden 
kann. Wie die Schwankungen in den Titres, soweit sie unter 1:100 liegen, 
zu erklären sind, darüber möchten wir vorläufig kein Urtheil abgeben. 


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Die Defferencibüng deb Staphylokokken u. s. w. 


379 


Wenn die bei Typhus, Cholera und' Pest von Pfeiffer, Kolle und 
Martini gemachten Beobachtungen bezüglich der stärkeren und geringeren 
Beeinflussung durch ein und dasselbe Serum auch für die Staphylokokken 
gelten, so sind die Schwankungen der Titres vielleicht mit der Virulenz 
der einzelnen Stämme in Beziehung zu bringen. 

Die Angaben von der Ubiquität der pathogenen Staphylokokken dürften 
nach Bekanntgabe dieser Untersuchungen einer erneuten Prüfung zu unter¬ 
ziehen sein. Denn es ist, wenn man über ein hochwerthig agglutinirendes 
Serum verfügt, ohne grosse Schwierigkeiten möglich, eine grosse Anzahl 
von Kokken, die in der Umgebung des Menschen, an Kleidern u. s. w. 
Vorkommen, auf Agglutination zu prüfen. Es hat nach unseren Unter¬ 
suchungen den Anschein, als ob die echten pyogenen Kokken 
bei Weitem nicht so saprophytisch in der Natur verbreitet 
sind, als man es gemeinhin anzunehmen geneigt ist. Von 
Wichtigkeit scheint uns zu sein, dass wir mit Hülfe der Agglutination 
zu ganz ähnlichen Resultaten gelangt sind, wie auf ganz anderem Wege 
Neisser und Wechsberg, welche fanden, dass alle aus Eiterungen bei 
Menschen isolirten Kokken Hämolysine bildeten, während einige von Thieren 
(Vaccine) oder aus der Luft isolirte Aureus- und Albusstämme kein Hämo¬ 
lysin bildeten. Auch bei unseren Versuchen verhielten sich die Albus¬ 
stämme (Nr. 12 und 25), welche aus Eiterungen der Menschen stammten, 
völlig gleich in Bezug auf Agglutination wie die pathogenen Aureus- 
stämme, während die saprophytischen, aus der Luft, von gesunder Schleim¬ 
haut, von Kleidungsstücken u. s. w. isolirten Albusstämme nicht durch das 
mit pathogenen Kokken hergestellte Serum, dagegen theilweise durch das mit 
dem Luftcoccus Nr. 8 hergestellte Serum stark agglutinirt wurden. Einige 
dieser saprophytischen Albusstämme wurden von keiner der von uns her¬ 
gestellten Serumproben, auch nicht von Serum 8, beeinflusst. Nach der 
Thierpassage veränderte sich weder bei den Aureus- noch Albusstämmen 
irgend etwas in Bezug auf die Agglutination oder den Titre. 

Aus allem geht hervor, dass die Staphylokokken-Agglutinine sich an¬ 
nähernd gleich so verhalten, wie die gut studirten Agglutinine des Cholera-, 
Typhus- und Pestserums. Wir kennen jetzt als Bestandtheile des Staphylo¬ 
kokkenserums also drei Körper: das Antileukocidin (van de Velde), das 
Antihämolysin (Neisser und Wechsberg) und das Agglutinin. Die lange 
Zeit ohne Widerspruch angenommene Behauptung von van de Velde, 
dass „die Staphylokokkenimmunität gleichbedeutend ist mit Antileukocidin- 
bildung“, ist aber nicht mehr haltbar. 


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Original frum 

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[Aus dem Institut für Infectionskrankheiten zu Berlin.] 
(Director: Geh. Med.-Rath Prof. Dr. R. Koch.) 


Ueber den Einfluss der Thierpassagen auf die Virulenz 
der Pestbacillen für die verschiedenen Thierarten. 

Von 

Dr. B. Otto, 

Oberarzt beim Erzteu Garde-FeldartllJerie-Regiment. 


Es ist verschiedentlich die Ansicht ausgesprochen worden, dass die 
Pestbakterien durch wiederholten Uebergang von Thier zu Thier derselben 
Art an ihrer Virulenz für andere Thierarten Einbusse erlitten, während 
für die Passagethierart eine Steigerung der Virulenz einträte. Man hat 
die Vorstellung gehabt, dass sich die Pestbakterien in dieser Hinsicht also 
ähnlich verhielten, wie gewisse Streptokokkenstämme. Nach den Unter¬ 
suchungen von v. Behring, Knorr, v. Lingelsheim, Petruschky u. A. 
kann es als sichere Thatsache gelten, dass Streptokokken, welche in 
kleinster Menge, z. B. weisse Mäuse durch Sepsis tödten, durch lang- 
dauernde Passagen durch Kaninchen ihrer Infectiosität für Mäuse beraubt 
werden können. Umgekehrt lassen sich die für Kaninchen hochinfectiösen 
Kettenkokken durch vielfache Uebertragung von Maus zu Maus ihrer 
Pathogenität für Kaninchen berauben. Die Frage nun, ob ähnlicher 
Weise ein antagonistisches Verhalten der in verschiedenen Thierarten — 
sei es spontan unter natürlichen Verhältnissen, sei es experimentell durch 
künstliche Infection im Laboratorium — fortgezüchteten Bakterien auch 
bei den Pesterregern vorkommt, bietet nicht nur ein rein Wissenschaft 
liches, sondern auch ein praktisches Interesse, namentlich in epidemio¬ 
logischer Beziehung. So ist von verschiedenen Seiten der Vermuthung 
Raum gegeben worden, die geringe Ausbreitung einzelner Pestepidemieen 
der letzten Jahre, z. B. iu Alexandrien und in Konstantinopel, bei welchen 
die sporadisch und zeitlich getrennt vorkommenden menschlichen Pest- 


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Einfluss der Thiebpassagen auf die Pestbacillen Virulenz 381 


erkrankangen auf lufection von Ratten zurückzuführen waren, unter den 
Bewohnern der von Rattenepizootieen heimgesuchten Städte sei vielleicht 
auf die geringe Virulenz zurückzuführen, welche derartige, die Ratten- 
pestepizootieen hervorrufende Pestbakterien für den Menschen besässen. 

Demgegenüber muss betont werden, dass die aus menschlichen Pest¬ 
fällen gezüchteten Pestkeime für Affen, Katzen, Ratten, Mäuse und Meer¬ 
schweinchen hochvirulent sind und auch Kaninchen tödten. Andererseits 
verlaufen viele Pestinfectionen, die sicher auf von Ratten stammende Pest¬ 
bakterien zurückzuführen sind, so rasch tödtlich, wie es bei einem für 
Menschen wenig virulenten Infectionsstofife nicht sein könnte. Erfolgte 
doch auch bei jenem traurigen Ereigniss in Wien die Infection von einem 
pestkranken Thiere, nachdem die Pestbakterien seit Jahren nur durch 
Thiere gezüchtet waren. 

Trotzdem auch die bisherigen, in der hiesigen Peststation angestellten 
zahlreichen Beobachtungen gegen die Annahme antagonistischer Virulenz¬ 
beziehungen der in verschiedenen Thierarten dauernd fortgepflanzten Pest¬ 
bacillen sprachen, schien es doch geboten, diese Frage weiter zu verfolgen 
und durch Versuche mit genauer Dosirung des Infectionsstoffes die Viru¬ 
lenzunterschiede lange in einer und derselben Thierart fortgezüchteter Pest¬ 
bakterien zu bestimmen. Die Erreger der Pest zeigen in mehrfacher 
Beziehung Neigung, sich an veränderte biologische Bedingungen anzu¬ 
passen. So wachsen Culturen, die frisch aus dem Thierkörper gezüchtet 
sind, anfangs nur recht kümmerlich auf den gebräuchlichen Nährböden, 
auf denen sie nach wenigen Umzüchtungen üppig und rasch gedeihen. 
Biologisch nicht minder interessant und wichtig ist die Thatsache, dass 
Pestbakterien, die häufig, z. B. durch experimentelle Inhalation, bei den 
Thieren zur Ansiedelung und Vermehrung in den Lungen (wo sie dann 
eine primäre Pestpneumonie erzeugen) gezwungen sind, die Neigung 
erhalten, durch mehrere Generationen nach Uebertragung auf Agar und 
Rückimpfung auf Thiere, sich nach subcutaner oder intraperitonealer In¬ 
fection wieder mit Vorliebe in der Lunge anzusiedeln. Derartige Be¬ 
obachtungen konnten mehrfach bei den vorliegenden Versuchen gemacht 
werden. (Weiteres vgl. unter „Rattenpassagen“.) 

Wenn man nun auf Grund dieser biologischen Eigenthümlichkeiten in 
der Anpassungsfähigkeit der Pesterregtr, die sich ausser den genannten 
Bedingungen auch auf die Wachsthumstemperaturen bezieht, ein gleiches 
Verhalten für die Virulenz verschiedenen Thierarten gegenüber erwarten 
durfte, so haben die vorliegenden Passageversuche mit einer Einschränkung 
für die durch Kaninchen fortgezüchteten Pestbacillen nichts Derartiges 
ergeben. Ich theile die Einzelheiten dieser Versuche, welche an Meer¬ 
schweinchen und Kaninchen noch längere Zeit fortgesetzt werden sollen, 


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382 


ß. Otto: 


A. Passage durch Kaninchen. 


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1 + 2 III. 



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Passage abgebrochen, da neben Pestbacillen viele andere Bakterien (Kaomchen* 
seuche) in den Organen. Anlegung einer Reineultur. 


1 Mba. = Milzbouillonaufschwemmung; dieselbe wurde hergestellt durch Zerquetschen 
eines l cm langen Milzstückes in 3 CC ® Bouillon. 


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Einfluss der Thierpassagen auf die Pestbacillenvirulenz 363 


Fortsetzung. 


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Abgeschlossen. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 





384 


R. Otto: 


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hier vollständig mit, unter anderem auch deshalb, weil dieselben zur 
Orientirung über die Herkunft des bei den vergleichenden Werthprüfungen 
von Pestserum verschiedener Herkunft 1 benutzten Infectionsmaterials 
dienen. Zumeist waren nämlich die Controlthiere gleichzeitig Passagen 
bei diesen hier mitgetheilten Versuchen. 

Die zur Infection benutzte Cultur stammte von einer im Decembt r 
1901 auf dem Dampfer Chios todt aufgefundenen Ratte und wurde im 
Hamburger hygienischen Staatsinstitut isolirt (von Herrn Dr. Kister). 

Als Versuchstbiere wurden Kaninchen, Meerschweinchen, Ratten und 
Mäuse benutzt. Der Verlauf jeder einzelnen Infection ist aus den beigefügten 
Tabellen ersichtlich, zu deren Erläuterung noch Folgendes bemerkt sei. 

A. Kallinchen. (Tabelle A.) 

Die directe Uebertragung von Thier zu Thier erlitt mehrfache Unter¬ 
brechungen. So musste bei der 6. Passage auf die Reincultur der 5. 
zurückgegangen werden, weil beide Passagethiere der erstgenannten Reihe 
an Kaninchenseuche litten. Bei der 12. Passage blieben beide Thiere am 
Leben und nach der 14. Passage wurden die Versuche mit diesen Thiereu 
überhaupt auf längere Zeit unterbrochen, nachdem die bakteriologische 
Untersuchung bei der Section neben Pestbacillen die Erreger der Kanin¬ 
chenseuche festgestellt hatte. Erst Ende Mai habe ich mit der aus der 
14. Passage gewonnenen Reincultur die Passagen mit Kaninchen wieder 
aufgenommen und bis zur 32. Passage mit einer Unterbrechung (bei der 
25. Passage wegen Mischinfection mit Kaninchenseuche) fortgesetzt Neben 
der Unsicherheit der Infection in Folge der geringen Empfänglichkeit der 
Kaninchen für Pest (3 von 56 Thieren blieben bei intraperitonealer Infection 
leben) konnten gerade bei den im Kaninchenkörper vorkommenden Pest¬ 
bacillen stets auffallend viel Involutionsformen beobachtet werden. Bei der 
17. Passage fanden sich nach subcutaner Infection nur an der Injections- 
stelle, wo sich ein starkes hämorrhagisches Oedem gebildet hatte, und in 
den nahen Drüsen reichliche Pestbacillen. Wenn hier also vereinzelt der 
Tod nicht durch Septiciimie, sondern durch Gift Wirkung erfolgt war, so war 
diese Erscheinung häufiger bei den Battenpassagen zu beobachten. Die 
Schlussprüfung ergab, dass nach 31 maliger Passage des Kaninchenkörpers, 
während welcher Zeit die Cultur 4 Mal über Agar ging, eine Ab¬ 
schwächung der Pestbacillen für Kaninchen, Meerschweinchen und 
Mäuse nicht nachzweisen war, dass aber eine vorübergehende Herab¬ 
setzung der Virulenz der frisch aus dem Kaninchenkörper gezüchteten 
Pestbacillen für Ratten bestand. 

1 Vgl. W. Kolle und R. Otto, Vergleichende Werthprüfungen von Pestserum 
verschiedener Herkunft. Diese Zeitschrift. Bd. XL. 


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Original from 

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Einfluss deb Thiebpassagen auf die Pestbacellenvirülenz 386 


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B. Meerschweinchen. (Tabelle B.) 

Der Verlauf der Krankheit und der Sectionsbefund waren bei diesen 
Thieren von Anfang bis zur 60. Passage stets so vollkommen gleich, dass 
schon hieraus eine Aenderung der Pestbacillen in Bezug auf ihre Virulenz 
nicht anzunehmen war. Die tödtliche Infection — intraperitoneal, subcutan 
und cutan — erfolgte stets prompt (sogar nach Impfung von Viooooooooo 
Oese intraperitoneal.) Eine Steigerung der Virulenz oder der Toxicität der 
Pesterreger nach monatelangem Passiren des Thierkörpers konnte nicht be¬ 
obachtet werden. Die Unterbrechung der Passage nach der 30. Passage 
erfolgte absichtlich, nachdem eine umfangreiche Prüfung an Kaninchen, 
Meerschweinchen, Ratten und Mäusen nicht die geringste Virulenz¬ 
änderung für irgend eine der Thierarten ergeben hatte. Später wurden 
die Passagen bis auf 60 fortgesetzt. Die Schlussprüfung ergab dasselbe 
Resultat, wie die erwähnte Prüfung nach der 30. Passage. 

1 C. Batten. (Tabelle C.) 

Wesentlich anders als bei den Meerschweinchen und bei den ersten 
Passagen dieser Reihe war der Sectionsbefund bei den Ratten, wenn das 
Impfmaterial bereits öfters den Rattenkörper passirt hatte. Bei der Infection 
durch Stich mit inficirter Hohlnadel in die Schwanzwurzel waren zwei 
Formen der Pest genau zu verfolgen. Hatte das Impfmaterial den Ratten¬ 
körper erst einige Male passirt, oder war es vorher mehrmals über Agar 
geschickt, so erfolgte der Tod last stets an Pestsepticämie. Dies war da¬ 
gegen später, ungefähr von der 20. Passage ab nur ausnahmsweise der Fall; 
es kam dann meistens zu einer Localisirung der Pest in den Leistendrüsen 
und zum Tode des Thieres an Giftwirkung von hier aus. Besonders 
toxisch erwiesen sich die Pestbacillen nach mehrfacher Inhalation, wo 
sie diese Eigenschaft selbst nach Uebertragung auf Agar und Rück¬ 
impfung behielten. Sehr interessant war in dieser Beziehung der Be¬ 
fund bei 2 Ratten, welche von 2 Parallelpassagen (Nr. 38 bis 43) stammten. 
Während in der einen Reihe die Uebertragung durch Infection in die 
Schwanzwurzel mit einer durch Milzsaft inficirten Hohlnadel bezw. durch 
intraperitoneale Injection von 1 / xo Oese Pestagarcultur erfolgte, wurde 
in der zweiten Reihe die Pest von Thier zu Thier durch Inhalation 
einer Pestlungen - Kochsalzaufschwemmung übertragen. Nach der 
43. Passage erfolgte einerseits aus der Milz einer an Pest eingegangenen 
Ratte der I. Reihe und andererseits aus der Lunge eines an Pestpneumonie 
verendeten Thieres der II. Reihe die Züchtung je einer Pest-Agar-Rein- 
cultur, von welchen je Vio Oese 24 h Cultur eine Ratte intraperitoneal 
eingespritzt erhielt. Der Tod erfolgte bei beiden Thieren in 24 bezw. 
22 Stunden. Die Section des I. Thieres (= Passage 44, I) ergab: Reich- 


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398 


R. Otto: 


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den Lungen keine Pestbacillen nachweisbar; dieselben zeigen keinerlei 
krankhafte Veränderungen; hei der IL Ratte dagegen fanden sich neben 
einem doppelseitigen Leistenbubo (reichlich Pestbacillen enthaltend) schwere 
rein toxische Schädigungen (starke Hämorrhagieen) aller Organe, be¬ 
sonders der Lungen. In letzteren liessen sich reichlich Pestbakterien 
mikroskopisch naohweisen, während sie sonst nur in dem Bubo zu finden 
waren. Es wiederholte sich also die bemerkenswerthe Thatsache, 
dass die von Lunge zu Lunge durch Inhalationen übertragenen 
Pesterreger neben der Neigung wieder in den Lungen sich an¬ 
zusiedeln die Eigenschaft erlangten, äusserst stark toxisch za 
wirken, d. h. an dem Primärherd Gifte zu erzeugen, mit denen 
sie die Thiere tödten, ohne Herbeiführung einer Septicämie. 

Die directe Uebertragung der Pest von Thier zu Thier war in Folge 
ähnlicher Verhältnisse häufig schwierig, da mehrfach Ratten zur Section 
kamen, die nur in den kleinen Leistenbubonen Pestbacillen aufwiesen. 
Eine Unterbrechung der directen Uebertragung musste ich in mehreren 
Fällen vornehmen, wo der mikroskopische Befund bei der Section eine 
Mischinfection ergab. 1 

Zusammenfassend lässt sich über die Virulenz der von Ratte zu Ratte 
übertragenen Pestbacillen sagen, dass sie durch längere Passagen von 
Ratte zu Ratte keine Einbusse an ihrer Virulenz, weder für Ratten 
selbst noch für andere Thierarten erleiden, dass sie dagegen eine erheb¬ 
liche Zunahme ihrer Toxicität erlangen. 

D. Mäuse. (Tabelle D.) 

Bei den Mäusepassagen erlitt die directe Uebertragung von Maas zu 
Maus bei der 27. Passage beider Thiere eine unfreiwillige Unterbrechang 
dadurch, dass die Thiere nicht eingingen. Nach 46. Passage habe ich 
eine Züchtung über Agar vorgenommen, da sich beide Passagethiere 
in stark verfaultem Zustande befanden und nach den Erfahrungen bei den 
Rattenpassagen die Gefahr einer Mischinfection nicht ausgeschlossen schien. 

Im Gegensatz zu den Rattenversuchen kam es bei Mäusen stets 
zur Pestsepticämie bei der Infection in Schwanzwurzel. Nur einmal 
(Passage 70) fand ich eine Localisiruug der Pestbacillen in einem kleinen 
hämorrhagischen Bubo, ohne dass sonst in dem Mäusekörper dieselben 
uachgewiesen werden konnten. Weiter konnte ich im Gegensatz za den 


1 Vgl. auch W. Kolle und R. Otto, Vergleichende Werthprftfungen von Pest- 
serum verschiedener Herkunft. Diese Zeitschrift. Bd. XL. 


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Einfluss dek Thierpassagen auf die Pestbacillenvirulenz 399 


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Einfluss der Thierpassagen auf die Pestbacillenvirülenz 401 


Bemerkungen 

Mba. Sehr vereinzelte Pestbaeillen 
im Bubo. 

Buboaufschwemmung. 

24std. Agarcultur (1 Oese in 

1 ccm Bouillon) von Passage 25. 

Mba. 

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Einfluss der Thierpassagen auf die Pestbacellenvirulenz 403 



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Vergleichsprflfungen der dnrch die 

verschiedenen Thierarten geschickten Pestbakterien an den verschiedenen Thierarten. 


Einfluss dee Thieepassagen auf die Pestbacillenvieulenz 405 


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Einfluss der Thierpassagen auf die Pestbacillenvirulenz 407 


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Der in Tabelle III vorhandene Virulenzunterschied besteht also nicht mehr. 


1 Die Infection erfolgte mit derselben Cultnr wie in Tabelle III (III), nachdem 
diese Cultur zweimal innerhalb 10 Tagen über Agar geschickt war. 


Uebersichtn tabeile 

über die Art der Uebertragung des Infectionsmaterials bei den 
verschiedenen Thierarten.' 


A. Bei Kaninchen. 

1 Agarcultur. 

2 — 6 Von Thier zu Thier. 
7 Agarcultur. 

8—11 Von Thier zu Thier. 
12 Agarcultur. 

13—14 Von Thier zu Thier. 
15 Agarcultur. 

16—24 Von Thier zu Thier. 
25 Agarcultur. 

26—32 Von Thier zu Thier. 


B. Bei Meerschweinchen. 
1 Agarcultur. 

2—30 Von Thier zu Thier. 
81 Agarcultur. 

31—60 Von Thier zu Thier. 


C. Bei Ratten. 

1 Agarcultur. 

2—24 Von Thier zu Thier. 

25 Agarcultur. 

26 — 30 Von Thier zu Thier. 

31 Agarcultur. 

32—40 Von Thier zu Thier. 
41 Agarcultur. 

42—43 Von Thier zu Thier. 

44 Agarcultur. 

45— 64 Von Thier zu Thier 

D. Bei Mäusen. 

1 Agarcultur. 

2 — 25 Von Thier zu Thier. 

26 Agarcultur. 

27 — 47 Von Thier zu Thier. 

48 Agarcultur. 

49—61 Von Thier zu Thier. 
62 Agarcultur. 

63—85 Von Thier zu Thier. 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 





408 


R. Otto: 


anderen Passagereihen bei den Mäusepassagen beobachten, dass nach 
häufigen Thierpassagen eine eingelegte Zwischenzüchtung auf Agar die 
Virulenz vorübergehend steigerte. (Vgl. Passagen Nr. 63 bis 69 und 
Nr. 631 bis 691.) Die Schlussprüfung ergab, dass die Pestbacillen 
durch 82 Mäusepassagen mit 3maliger Züchtung über Agar keine Ab¬ 
schwächung in ihrer Virulenz erlitten hatten, weder für Mäuse noch 
für andere Thiere. Es muss jedoch beachtet werden, dass die Empfäng¬ 
lichkeit der Mäuse für Pest erheblichen individuellen Schwankungen 
unterliegt, wie auch aus den Tabellen hervorgeht, da z. B. mehrfach ein 
Thier in 2 Tagen einging, während das andere am selben Tage mit der¬ 
selben Dosis und auf dieselbe Art und Weise inficirte Thier erst nach 
mehreren Tagen an Pestsepticaemie starb. 


Vergleichende Virulenzprüfungen wurden mehrfach im Verlaufe der 
Passagen zu verschiedenen Zeiten angestellt, ohne dass sich eine wesentliche 
Differenz in Bezug auf die Virulenz je ergeben hätte. 

Tabelle I enthält z. B. einen solchen Vergleich der Virulenz der 
Pestbacillen, nachdem dieselben hei jeder Thierart — mit Ausnahme 
der Kaninchen — 40 Mal den Thierkörper passirt hatten. Die Infection 
erfolgte bei den Versuchsthieren (Meerschweinchen) durch Verreiben 
v 4 Oese 24 ständiger Pestagarcultur auf die rasirte Bauchhaut. 

Tabelle II und III enthalten die Resultate der abschliessenden Virulenz¬ 
prüfungen. Die Infection erfolgte einerseits mit Pestorganstücken durch 
Verreiben auf Bauchhaut, andererseits durch Injection kleiner Dosen 
24 ständiger Agarreinculturen. Die Kaninchen wurden mit Vxo Oese intra- 
peritoneal, die Meerschweinchen mit V 60 Oese Cultur subcutan inficirt. 
Bei Ratten und Mäusen erfolgte die Uebertragung der Pest durch Ein¬ 
tauchen einer Hohlnadel in eine Agarculturaufschwemmung (1 Oese 
24 stündige Pestagarcultur in 1 ccm physiologische Kochsalzlösung) und 
Einstich in die Schwanzwurzel. 

Tabelle IV enthält eine zweite Vergleichsprüfung der durch Ratten 
und der durch Kaninchen gegangenen Pestculturen, nachdem dieselben 
zwei Mal über Agar gesschickt waren. Die Infection erfolgte in gleicher 
Weise durch Schwanz wurzelstich. 

Die Einzelheiten und Ergebnisse dieser Vergleichsprüfungen sind, 
soweit sie nicht bereits bei den einzelnen Thierarten besprochen sind, aus 
den Tabellen ersichtlich. Ebenso die Nummer der Passage, von der das 
Infectionsmaterial abstammte bezw. entnommen war. 


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Einfluss dee T hiebpassagen auf die Pestbacellenvibülenz 409 

Aus dem Verlaufe der Passagenreihen und den Ergebnissen der ab¬ 
schliessenden Vergleichsprüfungen lassen sich folgende Schlussfolge¬ 
rungen ziehen: 

1. Die Pestbakterien haben nach zahlreichen Thierpassagen, 
d. h. nach häufiger (nur von vereinzelten Züchtungen auf Agar unterbrochener) 
Uebertragung von Thier zu Thier derselben Art, der sie bei Kaninchen, 
Meerschweinchen, Ratten und Mäusen unterworfen wurden, in keinem 
Falle eine Abnahme der Virulenz für die betreffende Thierart 
erkennen lassen. 

2. Auch zu einer wesentlichen dauernden Steigerung der 
Virulenz der allerdings von Anfang an gut virulenten Cultur ist es trotz 
der zum Theil zahlreichen Passagen nicht gekommen, dagegen zu 
einer besonders bei den Rattenpassagen sehr hervortretenden Neigung 
zur Localisation in den Drüsen, mit Steigerung der Toxicität 
der Pesterreger. 

3. Ein Antagonismus in Bezug auf die Virulenz für die ver¬ 
schiedenen Thierarten nach längerer Passage durch eine Thierart liess 
sich nicht nachweisen; nur die längere Zeit durch Kaninchen ge¬ 
schickte Cultur hatte frisch aus dem Kaninchenkörper gezüchtet bis zu 
einem gewissen Grade an Virulenz für Ratten eingebüsst, ohne dass 
eine Abnahme derselben für Kaninchen selbst, für Meerschweinchen und 
Mäuse festzustellen war. Diese Virulenzabschwächung war keine dauernde 
(siehe Tab. IV, Seite 407), sondern war bereits nach zweimaliger Züchtung 
über Agar nicht mehr vorhanden. 


Zum Schlüsse ist es mir eine angenehme Pflicht, Hm. Geh.-Rath 
Koch für die Erlaubniss in dem Institute für Infectionskrankheiten ar¬ 
beiten zu dürfen und Hm. Prof. Dr. W. Ko Ile für die Unterstützung 
bei diesen Arbeiten meinen ergebensten Dank aussprechen zu können. 


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[Aus dem staatlichen hygienischen Institut zu Hamburg.] 
(Director: Prof. Dr. Dunbar.) 


Zur Anwendbarkeit 

des serodiagnostischen Blutprüfungsverfahrens. 

Von 

Dr. J. Kister und Dr. H. Wolff, 

AatUtenten am Inititute. 


Als wir eines Tages bei unseren Arbeiten mit dem zur Differenzirung 
verschiedener Blutarten dienenden serodiagnostischen Verfahren ein frisch 
gewonnenes, hochwerthiges Serum eines mit Pferdeblut vorbehandelten 
Kaninchens auf seine präcipitirende Wirksamkeit prüften, waren wir über¬ 
rascht, dass in einer Anzahl heterologer Blutlösungen eine so deutliche 
prompte Trübung und des Weiteren Flockenbildung und Bodensatz zu 
Gesicht trat, wie man sie nach dem augenblicklichen Stande der Litteratur 
nicht erwarten durfte. Wohl ist verschiedentlich darauf hingewiesen worden, 
dass das Blut verwandter Thiere, z. B. Hammel und Ochse, Pferd und Esel, 
Mensch und Affe u. s. w. und in sehr geringem Maasse auch Blut nicht 
sehr verwandter Thiere sich bei der serodiagnostischen Prüfung ähnlich 
verhält, aber nach allen bisher über diesen Gegenstand erschienenen 
Arbeiten musste man im Allgemeinen annehmen, dass, abgesehen von 
Blutarten der Thiergattungen, die als verwandt zu bezeichnen sind, die 
Reaction als eine unbedingt specifische anzusehen sei. 1 Die erwähnte auf¬ 
fällige Erscheinung gab uns Anlass, in einer grösseren Versuchsreihe der 
Frage näher nachzuforschen, ob nicht den in heterologen Blutarten be¬ 
obachteten Reactionen eine gewisse Regelmässigkeit und Gesetzmässigkeit 
zu Grunde liege und ob die Reaction in der That eine unbedingt speci- 


1 Diese Arbeit wurde Ende März dieses Jahres abgeschlossen. 


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J. Kister und H. Wolff: Blutprüfungsverfahren. 


411 


fische sei, oder ob sie gewisser Einschränkungen bedürfe und bei Deutung 
und Verwerthung der bei ihr erhobenen Befunde eine gewisse Vorsicht 
geboten erscheine. 

Zunächst seien Angaben über die Herstellung der von uns verwen¬ 
deten Sera und über die Versuchsanordnung vorausgeschickt. Das Thier¬ 
blut verschafften wir uns aus dem hiesigen städtischen Schlachthof, indem 
wir es beim Schlachten in sterilen Kolben auffangen Hessen. Nach dem 
Absetzen wurde das mehr oder weniger klare Serum abgegossen und das 
gewonnene Quantum zu mehreren Injectionen verwandt. 

Das Menschenblut gewannen wir Anfangs durch Entnahme aus der 
Armvene, letzthin nach dem sehr praktischen Vorschlag von Uhlenhuth 
mittels Heurteloup’sohen Schröpfkopfes; man erhält zwar damit etwas 
weniger leicht und schnell Blut, aber diejenigen, welche ihr Blut zu 
unseren Versuchen hergaben, waren mit dem letztgenannten Verfahren 
weit mehr einverstanden. Bei den geringeren Quantitäten, welche uns 
von Menschenblut zur Verfügung standen, verwandten wir die ganze 
erzielte Blutmenge, nicht nur das Serum. 

Die Vereuchsthiere, kräftige Kaninchen im Gewicht von ca. 2500 ^ 
und im Alter von 1 bis 2 Jahren, erhielten mittels sorgfältigst gereinigter 
Lüer'scher Spritze, je in zweitägigen Intervallen, 10 ccm dieses Blutes 
bezw. Serums intraperitoneal 1 ein verleibt. Die Zahl der Injectionen betrug 
8 bis 20. Die Versuchsthiere vertrugen im Allgemeinen den Eingriff 
recht gut, nur ganz vereinzelt ging uns ein oder das andere Kaninchen 
an Peritonitis zu Grunde. Selbstverständlich sind wir sowohl bei der Be¬ 
schaffung des Blutes als auch bei den Injectionen mit den denkbar 
grössten Cautelen verfahren: Zu Beginn unserer Versuche haben wir das 
Blut vom Schlachthofe durch einen auch sonst mit diesen Entnahmen be¬ 
trauten Diener holen lassen; um aber jeder Möglichkeit einer Verwechselung 
der Blutarten vorzubeugen, hat bei denjenigen Versuchen, auf deren Ergeb¬ 
nisse wir unsere nachstehenden Ausführungen stützen, stets einer von uns 
der Blutentnahme beigewohnt. Eine Verwechselung der Versuchsthiere 
im Laboratorium schlossen wir von vornherein mit Sicherheit dadurch 
aus, dass wir erstens die Thiere in deutlichster Weise kennzeichneten, dass 
ferner jedes Thier seinen eigenen Käfig erhielt, und dass wir endlich stets 
zu zweien die Thiere controlirten. Es kann daher niemals ein Thier eine 
andere Blutsorte erhalten haben, als diejenige, welche ihm zugedacht war. 


1 Die intraperitoneale Injection wurde im Anschluss an die Versuche Uhlen- 
hyth's und Anderer gewählt, bei späteren noch nicht abgeschlossenen Versuchen 
wurde, um ein hochwerthiges Serum zu gewinnen, die intravenöse Injection vor¬ 
gezogen. 


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412 


J. Kisteb und H. Wolff: 


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Zur Feststellung der präcipitirenden Wirkung der Thiersera wurden 
im Laufe der Behandlung kleinere Proben Ton ca. 5 ccm aus der bei 
Kaninchen oberflächlich an der Innenseite des Oberschenkels verlaufenden 
Arterie entnommen, aus der wir in der Regel reichlicher und bequemer 
Blut erhielten als aus der Ohrvene. Hatten wir uns von der genügenden 
Wirksamkeit des Serums überzeugt, so entnahmen wir zu den Versuchen 
eine grössere Probe von ca. 40 bis 50 ccm aus einer Carotis. Hierzu diente 
uns entweder ein Glasrohr, dessen eines Ende fast rechtwinkelig um¬ 
gebogen und zu einer Capillare ausgezogen war, oder aber wir durch¬ 
schnitten die mit einem Häkchen fixirte Carotis und liessen das Blut in 
ein Kölbchen spritzen. Diese kleine Operation, die auch für grössere Ver¬ 
suchsreihen reichlich Serum liefert), führt zu keiner offenkundigen Schä¬ 
digung der Thiere und lässt die Möglichkeit sowohl einer späteren Blut¬ 
entnahme wie einer weiteren Serumbehandlung zu. Unser aus dem ent¬ 
nommenen Blut gewonnenes Serum, das wir regelmässig centrifugirten, 
war fast stets hellgelb und klar. Entsprach dasselbe nicht diesen An¬ 
forderungen, so wurde es zu den Versuchen nicht verwandt Die Klar¬ 
heit des specifischen Serums ist nämlich unseres Erachtens absolute Vor¬ 
bedingung für eine einwandsfreie Beobachtung der eintretenden Reactionen. 
Auch ohne Zusatz von Desinficienten hält sich das Serum bislang im Eis¬ 
schrank unverändert. 

Auch bei den zu prüfenden Blutsorten haben wir in unseren Ver¬ 
suchen möglichst vermieden, mit zu röthlich gefärbten Blutlösungen zu 
arbeiten, weil sich die ersten Anzeichen der beginnenden Reaction in mehr 
farbloser Lösung ungleich deutlicher erkennen lassen als in stärker ge¬ 
färbten. Aus diesem Grunde und auch, weil es uns darum zu thun war, 
über die Grenzen und die Leistungsfähigkeit des Verfahrens nach einer 
ganz bestimmten Richtung hin Aufschluss zu erhalten, haben wir davon vor 
der Hand Abstand genommen, den praktisch so wichtigen Untersuchungen 
an eingetrocknetem, faulem Blut u. s. w. näher zu treten. Zur Verdünnung 
der Blutlösungen diente 0*6 procentige Kochsalzlösung. Die Lösungen 
wurden ebenfalls centrifugirt und nur, wenn sie ganz klar waren, verwendet 

Bei den Arbeiten mit nur klaren Lösungen vermag man auch die 
feinsten Trübungen mit Sicherheit zu erkennen. Zur Verzeichnung in 
unseren Tabellen gelangte nur dann eine Trübung, wenn auch der Ver¬ 
gleich mit den Controlröhrchen, die wir sowohl von den Blutlösungen als 
auch von den angewandten Seris anlegten, jeden Zweifel ausschloss. 

In der Versuchsanordnung gingen wir in folgender Weise vor: 

Zunächst stellten wir den ungefähren Titer des auf seine präcipi- 
tirende Wirkung verschiedener Blutarten gegenüber zu prüfenden Serums 
fest, d. h. wir stellten fest, wann und in welcher Verdünnung das Serum 


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Anwendbarkeit des serodiagnost. Blutprüfungsverfahrens. 413 

in einer homologen Blntlösung bekannter Concentration eine deutliche 
Trübung hervorrief. Sodann maassen wir vermittelst genau graduirter 
Pipetten in sauber gereinigten und sterilisirten Reagensröhrehen von jeder 
Blutart, die wir prüfen wollten, eine Lösung in der Concentration von 
1:10 ab. Da wir annehmen konnten, dass der Ausfall der Reaction in 
einem bestimmten Abhängigkeitsverhältnisse von dem Concentrationsgrade 
der Blutlösung steht, so legten wir von der Lösung 1:10 in gleich* 
massiger Abstufung bis 1:320 Verdünnungen an. Das geschah wieder 
mit genau graduirten sterilen Pipetten und zwar brauchten wir selbst¬ 
verständlich zu jeder neuen Verdünnung eine frische Pipette. Die Blut¬ 
lösungen wurden des Weiteren in kleine Reagensröhrchen von 0,8 cm 
lichter Weite gebracht und der Serumzusatz im Verhältnis von 1:1 bis 
1:100 darauf so gewählt, dass wir in den letztgenannten Röhrchen stets 
2 cm Flüssigkeit hatten. Dieses Quantum stellte in den Röhrchen eine 
Flüssigkeitssäule von nahezu 2 1 / 2 cm Höhe dar. Das zugesetzte Serum 
wurde in den Röhrchen durch Umschütteln gleichmässig vertheilt. 

Im Ganzen prüften wir vor der Hand 5 Blutarten: Hammel-, 
Menschen-, Ochsen-, Pferde- und Schweineblut. Serum kam zur Ver¬ 
wendung von Kaninchen, die mit Pferdeblut (Serie I), mit Hammelblut 
(Serie II), Ochsenblut (Serie III) und Schweineblut (Serie IV) behandelt 
waren. Unser Serum von Menschenblutkaninchen war noch nicht so 
hochwerthig, wie unsere anderen Sera und wurde einstweilen für Serien¬ 
versuche nicht benutzt Den Ablauf der Reaction haben wir sowohl hei 
Zimmertemperatur wie bei 37° C. beobachtet. Da wir uns jedoch von 
wesentlichen Unterschieden in der Reaction hei der verschiedenen Auf¬ 
bewahrung der Versuchsröhrchen nicht überzeugen konnten, so haben wir 
uus darauf beschränkt, in der letzten Zeit nur noch hei Zimmertemperatur 
die Versuche auszuführen und haben auch nur bei Serie I die Prüfungs¬ 
ergebnisse nach Aufbewahrung der Röhrchen bei 37° C. mitgetheilt 

Unsere Eingangs erwähnte Beobachtung legte uns nahe, unsere Ver¬ 
buche mit dem Serum des Pferdeblutkaninchens zu beginnen, die in den 
folgenden 6 Tabellen niedergelegt sind. 

Das zu dieser Versuchsserie verwendete Pferdeblutkaninchenserum 
brachte, einer einprocentigen homologen Blutlösung hinzugesetzt, in einer 
Concentration von 1:200 nach 15 Minuten eine deutliche Trübung hervor, 
die weiterhin zur Flocken- und Bodensatzbildung führte. 

Zur Erklärung der Tabellen sei gesagt, dass ein Strich einen negativen 
Befund, d. h. Klarbleiben der Blutlösung bedeutet, T bezeichnet das Auf¬ 
treten einer Trübung, F das einer Flockenbildung. Das erste Auftreten 
der Flocken wurde mit Hülfe einer Lupe festgestellt. B bedeutet das 
Auftreten von Bodensatz. 


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Anwendbarkeit des serodiagnost. .Blutprüfungsverfahrens. 417 

Wie Tabelle I zeigt, trat bei einem Serumzusatz im Verhältniss 1:5 
in allen Blutlösungen, mit Ausnahme der Hammeiblutlösung, in sämmt- 
lichen Verdünnungen, sowie auch der Schweineblutlösung im Verhältniss 
von 1:320 nach 5 Minuten eine Trübung auf. Nach weiteren 5 Minuten 
war auch die Schweineblutlösung 1:320 getrübt, desgleichen die stärkeren 
Concentrationen der Hammelblutlösung 1:10 —1:80 incl. 20 Minuten 
nach Ansetzen des Versuches waren auch die schwächeren Hammelblut¬ 
lösungen getrübt. Somit war in sämmtlichen geprüften Blutarten 
nach Ablauf von 20 Minuten auf Zusatz von Pferdeblutkanin¬ 
chenserum im Verhältniss 1:5 eine positive Reaction ein-, 
getreten. Die Trübung in dem homologen Blut war von Anfang an 
wesentlich stärker und deutlicher ausgesprochen als bei den anderen Blut¬ 
arten, am nächsten kam ihm das Menschenblut. Aber auch in den übrigen 
Lösungen war die Trübung eine unverkennbare. Waren wir in einem 
oder dem anderen Falle — und das gilt auch für die späteren Ver¬ 
suche — zweifelhaft darüber, ob wir eine Trübung registriren sollten oder 
nicht, so gaben wir unser Urtheil im negativen Sinne ab; in solchem Falle 
konnten wir aber bei der nächsten oder übernächsten Ablesungsphase 
stets eine Trübung verzeichnen. In manchen Fällen haben wir bei schwach 
getrübten Lösungen die mikroskopische Untersuchung im hängenden 
Tropfen mit Erfolg angewandt, indem man dabei die präcipitirten Massen 
als kleine Häufchen erkennen kann. In weiter fortgeschrittenen Trübungen 
hat man ein Bild vor sich, das einer Bakterienagglutination sehr ähn¬ 
lich sieht. 

Eine Flockenbildung machte sich im weiteren Verlaufe des Versuches 
bei sämmtlichen Blutarten bemerkbar, allerdings nicht in allen Concen¬ 
trationen. Entsprechend der stärkeren Trübung in dem homologen Blut 
trat diese eher und stärker auf, als in den anderen Blutarten; dasselbe 
gilt von der Bodensatzbildung. Zeigte sich die letztere noch nicht nach 
Ablauf von 2 Stunden, so war doch stets, wie ohne Weiteres verständlich, 
in sämmtlichen Röhrchen, in denen überhaupt nur eine Trübung auf¬ 
getreten war, nach 24 Stunden ein mehr oder weniger massiger Boden¬ 
satz vorhanden. Dass es sich hierbei etwa um Bakterienentwickelungen 
handeln könnte, ist ausgeschlossen, schon deshalb, weil wir in möglichst 
steriler Weise die Versuchsröhrchen ansetzten und in denjenigen Röhrchen, 
die überhaupt keine Trübung aufgewiesen hatten, auch nach längerer Zeit 
kein Bodensatz auftrat. Gelegentlich wurde auch das Nichtvorhandensein 
von Bakterien mikroskopisch nachgewiesen. 

Hinsiohtlich der Frage, ob die Intensität der Trübung abhängig ist 
von dem Concentrutionsgrade der Blutlösungen, können wir bemerken, 
dass die Trübung zuerst in stärker concentrirten Lösungen bemerkbar 

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418 J. Kistek und H. Wolff: 

wurde; die Flockenbildung dagegen manchmal gerade in den verdünnteren 
Blutlösungen frühzeitiger sich einstellte. Noch deutlicher geht dieses aus 
den nächsten Versuchen hervor. Insbesondere zeigen diese Erscheinung 
die Tabellen II und III der Serie I. Es macht sich also in den concen- 
trirten Lösungen ein hemmender Einfluss geltend. 

Bei den weiteren Versuchen dieser Serie (Tabellen II bis VI) mit 
immer geringer werdendem Serumzusatz zeigt sich mit grösster Prägnanz 
die Erscheinung, dass allerdings Schweineblut und auch Ochsenblut in 
ihrem positiven Verhalten immer mehr zurücktreten, aber immer noch 
deutliche Reaction zeigen. Bei einem Serumzusatz 1:50 tritt schliesslich 
in der Schweineblutlösung überhaupt keine Trübung mehr auf. Beim 
Ochsenblut ist bei 1:75 immer noch in der stärksten Concentration nach 
2 Stunden eine Trübung wahrnehmbar, bei stärkeren Verdünnungen trat 
keine Trübung mehr ein. Noch ähnlicher dem Pferdeblut reagirt in dieser 
Serumverdünnung Menschenblut und Hammelblut. Bei der Verdünnung 
1:100 indess versagen sämmtlicbe anderen Blutarten so gut wie ganz, 
nur noch beim Hammelblut ist nach 1 bis 2 Stunden bei einer Ver¬ 
dünnung von 1:100 in den stärksten Concentrationen eine Trübung auf¬ 
getreten. Das Pferdeblut zeigt auch bei diesem Serumsatz eine schon nach 
5 Minuten deutliche Trübung. 

Unter der Voraussetzung, dass man unter einem positiven Ausfall 
der Reaction eine Trübung versteht und absieht von dem Intensitätsgrade 
der Trübung, so müsste also nach den mitgetheilten Ergebnissen in unserem 
Falle, um mit aller Sicherheit in einer Lösung Pferdeblut von den an¬ 
geführten anderen Blutarten zu unterscheiden, höchstens Serum im Ver- 
hältniss 1: 75, besser im Verhältniss 1:100 zugesetzt werden. Bei einem 
grösseren Zusatz von Serum, etwa 1:10 bis 1:50 müsste man auf die 
Zeit, zu der die Reaction auftritt, besonderes Gewicht legen. Bei einem 
Serumzusatz von 1:5 kann höchstens noch der Intensitätsgrad der Trübung 
den Ausschlag geben. Besondere Vorsicht bei der Beurtheilung einer frag¬ 
lichen Blutlösung dürfte aber bei Blutgemischen geboten sein. Auf diese 
Verhältnisse, denen bei der praktischen Verwerthung der präcipitirenden 
Wirkung der Sera die grösste Bedeutung zukommen muss, werden wir 
weiter unten ausführlicher eingehen. 

Um uns nun mit aller Sicherheit von der Constanz dieser Ergebnisse 
zu überzeugen, haben wir uns nochmals durch entsprechende Behandlung 
eines Kaninchens ein neues Pferdeblutkaninchenserum verschafft und mit 
diesem die obigen Versuche wiederholt. Wir bringen in Tabelle VII das 
Ergebniss eines Versuches mit dem Serumzusatz 1:10. Dieser Versuch 
ist ganz analog der Tabelle II verlaufen; hier zeigte sich eher noch aus- 


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Tabelle VII. 

Pferde-Kaninchenserum C. (2 Tage alt). I. Reihe. Serumzusatz 1:10. 


Anwendbarkeit des serodiagnost. Blutprüfungsverfahrens. 419 


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Tabelle IX. 

Hammel-Kaninchenserum (1 Tag alt). II. Reihe. Serumzusatz 1:10. 


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Anwendbarkeit des sebodiagnost. Blutpbüfungsverfahbens. 421 

gesprochener das Auftreten der Reaction in den heterologen Blutarten, 
das Menschenblut war wieder nächst dem Pferdeblut am stärksten getrübt. 

Nach diesen Erfahrungen, die wir an dem Pferdeblutkaninchenserum 
gemacht haben, war von vornherein als wahrscheinlich anzunehmen, dass 
wir zu ähnlichen Befunden bei der Prüfung anderer Sera gelangen würden. 
In der That traf dieses auch bei dem Serum des Hammelblutkaninchens 
(Serie II) bis zu einem gewissen Grade zu, andererseits aber bot diese 
Versuchsserie eine Reihe weiterer bemerkenswerther Momente. 

Das zu der Serie II verwendete Hammelblutkaninchenserum hatte 
eine solche Werthigkeit, dass es im Verhältnis von 1:100 homologem 
Blut hinzugesetzt, dasselbe in einer Verdünnung von 1:15 in 5 Minuten, 
in einer Verdünnung von 1:240 in 20 Minuten trübte. 

Ueber die Versuchsergebnisse dieser Serie geben die Tabellen VIII 
bis XI Aufschluss. 

Zunächst sei hervorzuheben, dass beim Ochsenblut (siehe Tabelle X) 
die Reaction selbst noch bei einem Serumzusatz von 1:50 in allen Con- 
centrationen der Blutlösungen nahezu in derselben Zeit wie beim homologen 
Hammelblut eintrat; auch die Deutlichkeit der Reaction, d. h. der Grad 
der Trübung, war im Ochsenblut nur um ein weniges geringer, als in 
der Hammelblutlösung. Erheblich weniger als die beiden genannten Blut¬ 
arten reagirten jedoch Schweine- und Pferdeblut. Selbst bei einem Serum¬ 
zusatz von 1:10 (siehe Tabelle IX) waren in diesen beiden Blutarten erst 
nach Ablauf von 2 Stunden Trübungen nachweisbar. Ganz auffallend für 
uns aber verhielt sich das Menschenblut. Bei diesem war sogar bei dem 
äusserst hohen Serumzusatz von 1 Theil Serum zu 1 Theil Blutlösung 
keinerlei Trübung zu constatieren (Tabelle XI). Dieses ablehnende Ver¬ 
halten der Menschenblutlösung gegenüber dem Serum des Hammelblut¬ 
kaninchens musste uns um so mehr stutzig machen, als wir inzwischen 
gesehen hatten, dass Serum eines Ochsenblutkaninchens (siehe Serie III, 
Tabelle XII) in einer Menschenblutlösung die Reaction recht prompt und 
deutlich auslöste und das Ochsenblut, wie die Tabellen VIII bis XI zeigen, 
dem Hammelblut sehr nahe stand. Welche Verhältnisse dieser Erscheinung 
zu Grunde liegen, wollen wir einstweilen nicht weiter erörtern, unsere 
Ueberlegungen darüber sind über das Stadium der Vermuthung noch nicht 
hinaus. Mit Versuchen, die auf eine Klärung dieser Frage hinzielen, 
sind wir zur Zeit beschäftigt. 

Zu der Serie III sei noch erwähnt, dass das verwendete Ochsenblut¬ 
kaninchenserum im Verhältniss 1:200 in einer Ochsenblutlösung von 
1:160 nach 10 Minuten langer Einwirkungsdauer eine Trübung auslöste. 

Abweichend von unseren bei Serie I besprochenen Beobachtungen 
trat hier bei der Pferdeblut- und Schweineblutlösung, wie Tabelle XII 


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UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 























Anwendbabkeit des sebodiagnost. Bldtpbüfukgsveefahbens. 423 

zeigt, die Trübung zuerst in den schwächeren Concentrationen der Blut¬ 
lösung auf; ferner wurde bei Ochsenblut- und Hammelblutlösung die 
Flockenbildung zuerst in den concentrirteren Blutlösungen sichtbar. 

Um Wiederholungen zu vermeiden, müssen wir es uns versagen, über 
die drei bisher besprochenen Sera weitere Tabellen zu bringen. 

Es mögen nur noch die vorstehenden beiden Tabellen XIII und XIV, 
welche die Versuchsergebnisse der Serie IV mit dem Serum von Schweine¬ 
blutkaninchen enthalten, hier Platz finden. Das verwendete Serum trübte 
eine 1 procent. homologe Blutlösung, im Verhältniss 1:100 zugesetzt, in 
5 Minuten, im Verhältniss 1:200 in 10 Minuten. Das Schweineblut 
nimmt, wie sich auch schon aus den anderen Tabellen andeutungsweise 
erkennen lässt, eine gewisse Sonderstellung den vier anderen Blutarten 
gegenüber ein. Wir konnten unsere Versuchsreihe schon nach einem 
Serumzusatz im Verhältniss von 1:10 abbrechen, da bei einem solchen 
Zusatz trotz des hohen Titers eine Reaction in den heterologen Blutarten 
so gut wie ganz ausblieb. (Siehe Tabelle XIII und XIV.) 

Nur das Hammelblut und Ochsenblut reagirten bei verhältnissmässig 
erheblichem Serumzusatz geringfügig, Spuren einer Reaction wies noch 
das Pferdeblut auf, das Menschenblut verhielt sich wiederum absolut 
reactionslos. 

Verweilen wir noch einen Augenblick bei den Tabellen, so ersehen 
wir aus denselben, dass das Menschenblut, während es mit dem Serum 
des Hammelblutkaninchens und Schweineblutkaninchens keinerlei Reaction 
giebt, dem Serum des Ochsenblutkaninchens und besonders auffallend dem 
Serum des Pferdeblutkanincheus gegenüber recht deutlich reagirt. 

Das Hammel- und Ochsenblut steht sich, wie das bereits von anderer 
Seite ausgesprochen ist, sehr nahe; in unseren Versuchen war der Ablauf 
der Reactionen bei diesen Blutarten ein so ähnlicher, dass der Unter¬ 
schied hinsichtlich Intensität der Reaction nur für ein geübtes Auge sinn¬ 
fällig war. Das Schweineblut differenzirt sich am besten von den vier 
anderen Blutarten, sowohl in Bezug auf Bildung von Präcipitinen, als 
auch hinsichtlich seines Verhaltens gegen fremde Präcipitine. 


Können nun aus unseren Versuchen Schlüsse für die Anwendung 
dieses serodiagnostischen Verfahrens in der Praxis gezogen werden? Wir 
wollen zunächst hervorheben, dass wir weit davon entfernt sind, die mit 
unserem Material angestellten Versuche nach irgend einer Richtung hin 
als erschöpfend zu bezeichnen, immerhin bieten sie uns aber unserer An¬ 
sicht nach Handhaben genug, um gewisse Vorsichtsmaassregeln anzurathen, 


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424 


J. Kisteb und H. Wolff: 


die bei der Beurtheilung und Verwerthung der Reactionen erforderlich 
erscheinen. 

Um die subjective Beurtheilung der Reaction nach Möglichkeit aus- 
zuschliessen, muss man sich in erster Linie klar darüber werden, dass 
eine Reaction als positiv oder negativ nur dann zu bezeichnen ist, wenn 
entweder eine Trübung vorhanden ist oder eine solche eben nicht besteht. 
Auf Grund von Nuancirungen einer Trübung sein Urtheil abgeben zu 
wollen, ist und bleibt etwas Subjectives. Wir geben selbstverständlich 
gern zu, dass die durch die Sera hervorgerufenen Trübungen in homologen 
Blutarten ungleich intensiver in die Erscheinung treten, man sollte aber 
in entscheidenden Fällen, eventuell dem Richter gegenüber mit solchen 
Compromissausdrücken, wie stärkere oder schwächere Trübung sein Urtheil 
nicht begründen. Wir wollen dieses an einem Beispiel erläutern. An¬ 
genommen, es ist ein Mensch in den Verdacht gerathen, ein Pferd wider¬ 
rechtlich getödtet zu haben. Man findet an seinen Kleidern Blutspuren. 
Das Vorhandensein derselben erklärt der Beschuldigte damit, dass er wohl 
einen Hammel geschlachtet und sich dabei die Hand verletzt habe. Es 
könne daher wohl an seinen Kleidern Menschen- und Hammelblut haften, 
Pferdeblut dagegen nicht. Die Angelegenheit soll serodiagnostisch klar¬ 
gestellt werden. Wir setzen also zu der aus den Blutflecken hergestellten 
Lösung erstens, um die Angaben des Beschuldigten auf ihre Richtigkeit 
zu prüfen, Serum von Hammelblutkaninchen, dann solches von einem 
Menscheublutkaninchen zu. Der Ausfall ist positiv. Also ist nach den jetzigen 
Anschauungen Hammelblut und Menschenblut an den Kleidern vorhanden. 
Zur Bestätigung oder Entkräftung der gegen den Betreffenden erhobenen 
Beschuldigung setzen wir nunmehr Serum eines Pferdeblutkaninchens zu. 
Nun wird, wie das nach unseren bereits mitgetheilten Tabellen durchaus 
nicht unmöglich erscheinen kann, wieder eine Trübung, wenn auch eine 
schwächere, in der Blutlösung auftreten, d. h. die Reaction wäre wieder 
positiv. Daraus müsste mau folgern, dass der Beschuldigte allerdings 
Hammel- und Menschenblut an seinen Kleidern hat, in etwas geringerem 
Maasse sich aber auch mit Pferdeblut beschmutzt hat. Diese Folgerung 
kann aber ein Trugschluss sein. Das zeigt folgender Versuch: Wir haben 
Menschen- und Hammelblut, beides in einer Lösung 1:40, zu gleichen 
Theilen gemischt, dieses in drei Röhrchen vertheilt und denen im Ver- 
hältniss von 1:10 zugesetzt: erstens Menschenkaninchenserum, zweitens 
Himmelkaninchenserum, drittens Pferdekaninchenserum. Bei allen drei 
Röhrchen war die Reaction positiv, bei dem mit Serum des Pferdeblutr 
kauinchens versetzten Röhrchen trat nach 10 Minuten deutliche Trübung, 
nach 30 Minuten Flockenbildung auf, obgleich in der Blutmischung 
Pferdeblut nicht enthalten war. (Siehe Tabelle XV.) Dasselbe Resultat 


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Anwendbabkeit des sebodiagnost. Blutpbüfungsvebfahbens. 425 


erhielten wir bei einer Mischung von Menschenblut und Schweineblut, 
der ausser den homologen Seris das Serum eines Pferdeblutkaninchens 
hinzugefügt war. 

Tabelle XV. 

Gemisch von Menschen- und Hammelblut Serumzusatz 1:10. 


Röhrchen I mit j Röhrchen II mit 
Zusatz von Serum Zusatz von Serum 
von Hammelblut- , von Menschenblut¬ 
kaninchen kaninchen 


Röhrchen III mit 
Zusatz von Serum von 
Pferdeblutkaninchen 


Nach 5 Minuten 


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Einen ganz anderen Eutscheid wird man aber erwarten können, wenn 
man einen Blick in unsere, die Versuche mit Serum von Pferdeblut¬ 
kaninchen betreffenden Tabellen (I bis VI) wirft, nämlich wählt man den 
Serumzusatz schwächer — bei unserem Serum etwa im Verhältniss 1:100—, 
so bringt das Serum eines Pferdeblutkaninchens im Hammel- und Menschen¬ 
blut oder auch Schweineblut keine Trübung mehr hervor. Die praktische 
Nutzanwendung aus diesen Ausführungen dürfte nun dahin lauten, dass 
man sich über die Wirksamkeit seiner Sera auf andere Blutsorten vorher 
orientirt und nach dem Ausfall dieser Prüfung die Menge des Zusatzes 
der Sera im einzelnen Falle wählt. Dieses erscheint weiterhin aus dem 
Grunde erforderlich, als man aus einer solchen Vorprüfung über die zeit¬ 
lichen Verhältnisse der Reaction Aufschluss erhält. Man muss für das 
homologe Blut eine zeitliche Reactionsgrenze in der Weise festlegen können, 
dass nach Ablauf dieser Zeit die Reaction nur in dem homologen Blut, 
nicht aber in den Controlröhrchen aufgetreten sein kann. Die Grenzen 
hierfür dürfen aber nicht zu eng abgesteckt werden, wollte man dabei 
mit Minuten rechnen, so würde man sich vor verhängnissvollen Irrthümern 
nicht schützen können. Das gilt nicht nur für die Laboratoriumsversuche 
mit Blutlösungen bekannter Concentrationen, sondern höchstwahrscheinlich 
in erhöhtem Maasse für die Fälle, in denen es sich um die Identifizirung 
eingetrockneter Blutspuren handelt, bei deren Auflösung bezüglich der 
Concentration ziemlich uncontrolirbare Verhältnisse bestehen. Um fest¬ 
zustellen, inwieweit Beziehungen ähnlich den in unseren Versuchen ge¬ 
fundenen, zwischen anderen Blutarten bestehen, ist es nothwendig, ein¬ 
gehende Versuchsserien auch für diese zu gewinnen. Wir können nicht 
umhin, gegen uneingeschränkte Nutzbarmachung der Methode für foren- 


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426 J. Kiste» und H. Wolff: Blutpbüfungsvekfahren. 


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sische Zwecke Bedenken zu äussern, bevor nicht diese Beziehungen in 
exaktester Weise weiterhin klargestellt sind. In der Zeitschrift für 
Medicinalbeamte hat Schwabe jüngst einen forensischen Fall veröffent¬ 
licht. Es handelte sich dabei um die Identificirung von Menschenblut 
in einer eingetrockneten Blutspur. Der Nachweis galt für erbracht, als 
in der Lösung derselben das Serum eines Menschenblutkaninchens im 
Verhältniss 1:10 hinzugesetzt nach 2 Stunden und 10 Minuten eine be¬ 
ginnende leichte Trübung hervorrief, welche erst nach weiteren 55 Minuten 
ausgesprochen war, während in den angesetzten Controlröhrchen, die nur 
Rinder-, Hasen- und Schweineblut enthielten, keine Trübung auftrat. 
Dieser Ausfall der Reaction beweist für uns noch nicht mit aller Sicher¬ 
heit das Vorhandensein von Menschenblut in der fraglichen Blutspur. 

Wie hei der Verwendung der agglutinirenden Eigenschaft specifischer 
Sera in diagnostischer Hinsicht gewisse Einschränkungen am Platze sind 
und gerade in neueren Arbeiten immer wieder betont wird, dass beispiels¬ 
weise Typhusbacillen durch nicht specifische Sera in gewisser Concen- 
tration agglutinirt werden oder umgekehrt hochwerthiges Typhusserum 
andere Bakterien agglutinirt, so wird es sich unseres Erachtens auch mit 
der präcipitirenden Eigenschaft specifisoher Sera verhalten. 

Wenn auch mit der Deutung der Reactionsbefunde allerlei Schwierig¬ 
keiten verknüpft sind und wir dabei nach unseren bisherigen Versuchen 
eine gewisse Vorsicht anzurathen für erforderlich halten, so liegt es uns 
doch, wie wir besonders betonen, fern, die hohe Bedeutung der Methode 
für die Praxis in irgend einer Weise anzuzweifeln. 


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[Aus dem hygienischen Institut der Universität Zürich.] 

Bakteriologisches über einige Fälle 
von „Gangrene foudroyante“, von Phlegmone nnd von 
Tetanus beim Menschen. 

Ein Beitrag zur Kenntniss der pathogenen Anaeroben. 

Von 

Privatdocenten Dr. W. Silberschmidt, 

Assistenten am Institut« 


Die Prototypen der pathogenen Anaeroben sind uns namentlich durch 
die zahlreichen experimentellen Untersuchungen und durch die in Instituten 
seit Jahren weiter gezüchteten Culturen bekannt. Was namentlich die 
Gangräne foudroyante, das progressive gangränöse Emphysem der 
alten Chirurgen, anbetrifft, so finden wir meist die Angabe, dass diese in 
neuerer Zeit viel seltener gewordene Erkrankung auf Grund des klinischen 
Bildes und der pathologisch anatomischen Beschreibung identisch sein 
dürfte mit dem jetzigen malignen Oedem. Bis jetzt ist die Anzahl 
der beim Menschen beobachteten und genau bakteriologisch untersuchten 
Eälle gering; merkwürdig ist aber, dass in der grossen Mehrzahl der 
untersuchten Fälle nicht der Bacillus des malignen Oedems, sondern der 
von Welch zuerst beschriebene und von Ernst kurz darauf in Schaum¬ 
organen gefundene Bacillus aörogenes capsulatus (von E. Fraenkel 
Bacillus phlegmones emphysematosae benannt) nachgewiesen und 
als der eigentliche, ja sogar als der einzige Erreger der typischen Gangrene 
foudroyante angesprochen worden ist. In den letzten Jahren hatte ich 
Gelegenheit, einige Fälle von Gangröne foudroyante und einige Phleg¬ 
monen mit übelriechender Secretion, ferner verschiedene Fälle von 
Tetanus, welche auf der chirurgischen Universitätsklinik zur Beobachtung 
kamen, bakteriologisch zu untersuchen und möchte ich die erhaltenen 


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428 


W. Sil b eh sc hm idt : 


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Resultate hier mittheilen. In einer früheren, gemeinsam mit Haemig 1 
veröffentlichten Arbeit habe ich schon kurz die bei den zwei ersten Fällen 
von Gangräne foudroyante erhaltenen Resultate angeführt. Es sei mir 
gestattet, Herrn Professor Dr. U. Kroenlein, Director der chirurgischen 
Klinik, für das freundliche Entgegenkommen und für die Ueberlassung 
der Krankengeschichten meinen beste! Dank ausmsprechen. 

I. Fälle von Gangrene gazeuso. 

Fall 1. Die 47 Jahre alte Bauersfrau St. wurde am 26. Juni 1838 
Abends auf die chirurgische Klinik gebracht. Vom behandelnden Arzte 
wurde mitgetkeilt, dass Pat. am 22. Juni Abends von einem Heuwagen auf 
eine steinige Strasse gefallen war, dabei eine sehr grosse Lappenwunde mit 
Fissur am Schädel, eine Wunde am Nasenrücken und einen complicirten 
linksseitigen Vorderarmbruch acquirirte. Am 23. Juni wurde eine 
gründliche Desinfection vorgenommen, die Wunden mit sterilisirter Jodoform¬ 
gaze und Watte bedeckt und der Arm ziemlich stark suspendirt. Am 24. Juni 
nichts Besonderes. Am 26. Juni, d. h. & l / 2 Tage nach der Verletzung, 
wurde der Arzt wieder geholt, weil die Frau schwarze Flecken am Arm 
hatte, es wurde eine Gangrän diagnosticirt und die Pat. in’s Kantonsspit&l 
transportirt. Bei der Spitalaufnahrae wurde u. a. notirt: Die gutgebaute 
und ordentlich genährte Pat. ist bei vollkommen klarem Sensorium, Tem¬ 
peratur 38-5, Puls regelmässig, schwach 140, Respiration 40 bis 50. Der 
linke Vorderarm und der Oberarm bis zur Mitte stark geschwollen und grau¬ 
grün gefärbt; die Verfärbung setzt sich bis in die Axilla fort und ist hier 
mehr gelbbraun und marmorirt und geht auch auf die linke Thoraxseite 
über. Bis zur Mitte des Oberarms fühlt sich der Arm eisig kalt an, Sen¬ 
sibilität erloschen, nirgends Pulsation fühlbar. 

Von der Wunde am Vorderarm aus, verbreitet sich ein penetrant 
fauliger Geruch. Die Gegend der linken Mamma ist deutlich vorgewölbt, 
bei Druck am Oberarm und am Thorax wird reichliches Knistern wahr¬ 
genommen. 

Diagnose: Acuteste, progredirende Gasphlegmone (Gangröne fou¬ 
droyante) „Rauschebrand“, ln der Nacht schlummerte Pat. und erbrach 
ein Mal; am nächsten Morgen 37*1 bei 140 Pulsen. Erst jetzt hatte die 
Pat. ihre bedingungslose Einwilligung zu jedem therapeutischen Eingriff ge¬ 
geben. In leichter Aethernarkose wird die Exarticulatio humeri sin. vor- 
genommen und die seitliche Thoraxwand reichlich drainirt, wobei sich eine 
trübe, blutig seröse Flüssigkeit, vermengt mit Luftblasen aus dem Unterhaut- 
Zellgewebe und auch aus der Musculatur entleert. 

Nach der Operation erwacht die Pat. prompt aus der Narkose und ist 
wieder bei vollkommen klarem Bewusstsein. Reichlicher Stuhl, Urin enthält 
beträchtliche Mengen Eiweiss, keinen Zucker. Gegen Abend wird die Pat. 
unruhig, furibunde Delirien, bis sie Nachts 1 Uhr plötzlich ruhig wird. 
Cheyne-Stoke’sches Athmen zeigt und mit plötzlichem Collaps um 1 l j 2 Uhr 
Morgens Exitus macht. Die Temperatur hatte 38*9 nie überschritten. 

1 Correspo ulenzidatier für Schweizer Aerzte. 1000 


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Gangräne foudroyante. 


429 


Die, 10 Stunden nach dem Exitus, durch Herrn Prof. Ribbert vor¬ 
genommene klinische Section ergab im Wesentlichen Folgendes: Gut 
genährte Leiche mit grünlicher Verfärbung der Haut, der seitlichen Bauch- 
theile und des Halses. Haut über den unteren Extremitäten prall gespannt, 
gashaltig, äussere Genitalien vorgequollen. Zellgewebe über dem Thorax 
mit reichlichen kleinen Bläschen durchsetzt. Beim Oeffnen der Bauchhöhle 
entweicht Gas, in derselben wenig Flüssigkeit. Bauchfell und Mesenterium 
überall mit Gasblasen besetzt. Dünndarmschlingen stark gebläht. Die Leber 
überragt den Rippenbogen fingerbreit. Zwerchfell links an der 6., rechts 
an der 5. Rippe. Beim Anschneiden der Brusthöhle entweicht Gas. Herz¬ 
beutel sehr weit freiliegend, aufgebläht durch Gas, das sich entzünden lässt 
und mit bläulicher Flamme brennt. In den Pleurahöhlen dunkle, klare 
Flüssigkeit. Herz gross, unter dem Epicard kleine Gasblasen, ebenso unter 
dem Endocard. Musculatur auffallend schlaff, blass. Lungen ödematös, 
sonst nicht verändert. Milz auf’s Doppelte vergrössert, schlaff, Kapsel glatt, 
keine Zeichnung zu erkennen, mit Gasblasen durchsetzt. Nieren schlaff, 
Oberfläche glatt, Schnittfläche schmutzig-braun, rechte mehr blutig imbibirt. 
Leber entsprechend gross, Serosa durch Gasblasen abgehoben; auf der Schnitt¬ 
fläche ist das Organ morsch, trocken, enthält Gas. Schleimhaut des Dick¬ 
darms, theilweise etwas blutig imbibirt, glatt. Harnblase leer, unter der 
Schleimhaut zahlreiche Gasblasen, ebenso in Uterus und Vagina. Weich- 
theile der Oberschenkel mit Gasblasen durchsetzt, beim Anschneiden der 
Unterschenkel entweicht Gas mit zischendem Geräusch. 

Bakteriologische Untersuchung. Bei der Operation wurde, theils 
mit sterilen Instrumenten, theils mit sterilen Pipetten sofort Material ent¬ 
nommen, und zwar: Blut aus der Exarticulationswunde, Fett und Blut 
aus den Incisionsstellen am Thorax. Ferner wurden aus dem exarticulirten 
Anne Muskelstückchen herausgeschnitten, aus den oberflächlichen Gangrän¬ 
blasen seröser Blaseninhalt und aus verschiedenen Stellen, so namentlich 
an der offenen Fracturatelle, Flüssigkeit aspirirt. Es sei besonders hervor¬ 
gehoben, dass nirgends Eiter vorhanden war, sondern dass überall (aus 
dem Unterhautzellgewebe, Muskel u. s. w.) mit Gasblasen vermengte, 
schäumend schmutzig seröse, sehr übelriechende Flüssigkeit aspirirt wurde. 
Auch bei der Section wurde nirgends Eiterbildung constatirt. 

Directe mikoskopische Untersuchung. Blut und Flüssigkeit aus 
der Operationsstelle: Sehr viele, grosse, milzbrandähnliche Bacillen, meist 
einzeln, hier und da zu zwei und in kurzen Ketten angeordnet, daneben 
nach Gram entfärbbare Kurzstäbchen. Aus den anderen Stellen wurde ein 
ähnlicher Befund erhoben. 

In dem Inhalt der Epidermisblasen waren die milzbrandähnlichen 
Bacillen vereinzelt, aber in langen gegliederten Ketten angeordnet; die 
Ketten sind zum Theil länger als ein Gesichtsfeld. 

Culturen. Die mit einem aus der Tiefe des Armes entnommenen 
Gewebestück angelegten Culturen ergaben: 


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430 


W. SlLBEESCHMIDT: 


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Traubenzuckerbouillon, nach 18 Stunden starke Gasbildung, Trübung, 
Bodensatz, sehr starker, unangenehmer Geruch. Mikroskopisch dicke Bacillen 
mit abgerundeten Enden, nach Gram nicht entfärbt, einzeln und zu zwei 
angeordnet, häufig mit einer helleren Zone in der Mitte. 

Agarstrich. Stecknadelkopfgrosse und grössere Colonieen von lebhaft 
beweglichen, kürzeren, nach Gram leicht entfärbbaren Bacillen. Milch nach 
einigen Tagen geronnen. 

Erhitzte Bouillon. Das Bouillonröhrchen wurde auf 100° erhitzt 
und mit einem grösseren Muskelstück beschickt; am 1. Tage kein Wachs* 
thum; nach 48 ständigem Aufenthalt bei Brüttemperatur ist Trübung in der 
Tiefe und der typische, sehr schlechte Geruch wahrnehmbar. 

Erhitzter Agar. Agarröhrchen wurden auf 100° erhitzt und ähnlich 
geimpft, wie die Bouillon. Am 2. Tage starkes Wachsthum in der Tiefe, 
Gasbildung und typischer Gestank. Nach 48 Stunden sind in der aeroben 
und anaeroben Bouillon und in den anaöroben Agarculturen typische, sporen¬ 
haltige Bacillen. 

Die ovalen Sporen sind zum Theil mittel-, zum Theil endständig und 
erscheinen etwas breiter, als der Bakterienkörper, so dass Trommelschläger 
und Clostridiumformen neben einander Vorkommen. 

Gelatine (verflüssigt und heiss geimpft); am 4. Tage verflüssigende 
Colonieen in der Tiefe. 

Die, mit dem, aus der Exarticulationsstelle entnommenen Material, an¬ 
gelegten Culturen, haben ein ähnliches Resultat ergeben: In der Bouillon 
und im flüssig geimpften Agar (Gasbildung), dieselben nach Gram nicht 
oder schwer entfärbbaren Bacillen, neben entfärbten Kurzstäbchen; auf der 
Oberfläche von Agar und Serum, leicht erhabene Colonieen, bestehend aus 
meist kurzen sporenfreien Bacillen. 

Die flüssig geimpfte und zum Erstarren gebrachte Gelatine zeigt zwei 
verschiedene Colonieen, kleine, runde, nicht verflüssigende, sowohl in den 
oberen Theilen, wie in der Tiefe, daneben nur anaerob in der Tiefe wachsende 
verflüssigende Colonieen. 

Auf den aeroben Gelatineplatten sind nur coliartige Colonieen, keine 
verflüssigende Art zur Entwickelung gekommen. 

Es sei besonders betont, dass die aus den verschiedenen Stellen 
des Armes und des Thorax mit Gewebesaft, Muskel- und Fettstückchen 
angelegten Culturen, übereinstimmende Resultate ergeben haben. 

Mittels directer mikroskopischer und mittels cultureller Untersuchung 
wurden zwei Arten von Mikroorganismen nachgewiesen, welche isolirt 
und morphologisch genauer studirt wurden. Der eine, aerob wachsende, 
erwies sich als dem B. coli commune entsprechend: Kurze, wenig beweg¬ 
liche, verschieden lange mit Methylenblau nicht gleichmässig gefärbte, nach 
Gram leicht entfärbbare Stäbchen, welche das charakteristische Wachsthum 
auf der Gelatineplatte und Gasbildung in 1 procent. Traubenzuckerbouillon 
zeigten. Die Gerinnung der Milch trat in einer Cultur nach 6 Tagen 
ein, ein anderes Röhrchen war nach 14 Tagen noch nicht geronnen. 


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GangbEne foudboyante. 


481 


Der andere Mikroorganismus wurde aus Culturen verschiedenen Ur¬ 
sprungs (Exarticulationsstelle, Tiefe des Oberarms) entweder direct oder 
nach vorherigem Erwärmen auf 80 hezw. 100° C. isolirt; es stellte sich 
heraus, dass die verschiedenen Culturen keinen Unterschied im Aussehen 
aufwiesen und nur eine Art darstellten. Die Colonieen waren in der 
Gelatine am 3. bis 5. Tage sichtbar, in Form von rundlichen punkt- 
bis stecknadelkopfgrossen, verflüssigten Kugeln, mit einem dichteren 
Centrum und einer ziemlich gleichmässig getrübten Peripherie. Kings 
um die ziemlich rasch wachsenden Kügelchen sind in der Gelatine- 
cultur Anfangs kurze Ausläufer vorhanden, welche der Colonie ein 
stechapfelartiges Aussehen verleihen. Die Verflüssigung nimmt rasch zu, 
so dass am 4. bis 5. Tage die Ausläufer mit in den Bereich derselben 
hineingezogen werden. Die isolirten Colonieen zeigen noch einige Tage 
lang im Centrum eine dichtere, mehr oder weniger sternförmig aussehende 
Stelle, die übrige verflüssigte Gelatine erscheint mehr körnig. Im 
flüssig geimpften und dann erstarrten Glycerin und in Traubenzucker- 
Agar ist schon nach 24 Stunden Entwickelung in der Tiefe unter starker 
Gasbildung und Zerklüftung des Nährbodens; der obere Theil des Nähr¬ 
bodens bleibt klar. Die einzelnen Colonieen sind rundlich, nicht scharf 
begrenzt, am ehesten mit kleinen Wattestückchen zu vergleichen. Im 
Agarstrich beginnt das Wachsthum etwas unterhalb der Oberfläche, es ist 
am üppigsten in der Mitte des Röhrchens, währenddem es nach unten 
wieder abnimmt Längs dem Strich sind zahlreiche, aber kurze, ziemlich 
dicke Ausläufer. In Bouillon, aerob, kein Wachsthum. 

In anaerober Bouillon üppige Entwickelung, starke Trübung und 
etwas flockiger Bodensatz. Die anaerobe Milchcultur zeigt nach einigen 
Tagen Gerinnung, dann wird die geronnene Milch peptonisirt. Im 
hängenden Tropfen sind die Bacillen aus frischen Culturen beweglich; 
die Bewegung ist eine schlängelnde; die längeren Fäden, deren Gliederung 
in gefärbten Präparaten leichter zu erkennen ist, bewegen sich langsamer. 
Die hellen, stark lichtbrechenden Sporen sind oft schon in 2tägigen 
Bouillon- oder Agarculturen nachweisbar, am 4. Tage sind dieselben 
massenhaft vorhanden. Auch in der Gelatine kommt es innerhalb 8 Tagen 
zur Sporenbildung. Hier und da kann man auch bewegliche, sporen¬ 
tragende Bacillen finden. Je nach dem Nährboden sind einzelne, ziemlich 
kurze Stäbchen oder längere, mehr oder weniger gewundene sechs- und 
mehrgliederige Ketten vorwiegend. Es fiel mir auf, dass die sporen¬ 
tragenden Bacillen ziemlich häufig trommelschlägerartig verdickt sind; 
vom Tetanusbacillus unterscheiden sich dieselben durch die plumpere 
Gestalt und durch die deutlich ovalen Sporen. 


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W. SlLBEESCHMlDT: 


Thierversuche. 

A. Das frisch entnommene Material wurde noch am gleichen Tage 
zu Thierversuchen verwendet und zwar: 

1. Blut und Secret aus der Operationswunde an der Schulter. 

Kaninchen 1 erhält am 27. VI. etwa 0• 2 ccra Flüssigkeit (aufgeschwemmt 

in 1 ccm steriler Bouillon) injicirt. Am nächsten Tage Röthung und Schwellung 
an der Injectionsstelle; es entwickelt sich ein Abscess, der spontan durch¬ 
bricht. Am 4. VII. werden im Eiter Kokken und lange Bacillen nach¬ 
gewiesen. Das Thier magert immer mehr ab, 6tirbt am 10. VII. und wird 
am 11. VII. secirt. Der Abscess ist auf die Injectionsstelle beschränkt ge¬ 
blieben, keine Metastasen, keine weiteren Veränderungen. Mikroskopisch 
sind im Eiter massenhaft Mikroorganismen nachweisbar. In den Culturen 
(Gelatine und Zuckerbouillon) B. coli; die Culturen aus dem Herzblut bleiben 
steril. 

Meerschweinchen 1. Subcutane Injection von etwa 0* 1 ccm Flüssig¬ 
keit mit etwas Bouillon aufgeschwemmt. 

Meerschweinchen 2. Intraperitoneale Injection derselben Flüssigkeit; 
beide Thiere zeigen keine Krankheitserscheinungen. 

Zwei Mäuse, von welchen die eine 0-5 com , die andere nur einen 
Tropfen Aufschwemmung subcutan injcirt erhielten, blieben am Leben. 

2. Fettstückchen excidirt am Thorax: 

Eine Maus erhält etwa 0* 1 ccm des flüssigen Saftes und bleibt am Leben. 

3. An der Operationsstelle ausgeschnittene Gewebestücke: 
Eine frisch bereitete Aufschwemmung in Bouillon wird zwei Thieren injicirt. 

Meerschweinchen 3 erhält 1 ccm dieser Aufschwemmung subcutan. 
Es tritt Röthung und Schwellung, später Abscess auf, welcher aufgebissen 
wird. Am 11. Tage ist eine grosse in Heilung begriffene wunde Fläche 
an der Injectionsstelle und in beiden Inguinalfalten; wahrscheinlich wurden 
auch die Inguinaldrüsen aufgebissen. Das Thier erholte sich wieder. 

Meerschweinchen 4 erhält lVa 60 ™ derselben Aufschwemmung intra- 
peritoneal injicirt. Es stirbt am 28. VI.; 26 Stunden post. inj. Die am 
29. VI. ausgeführte Section ergiebt serös eiterige Peritonitis und Pleuritis. 
In dem Peritonealerguss sind massenhaft Mikroorganismen, meist Kurz¬ 
stäbchen, die auch auf Agar wachsen. (Coli.) 

4. Aspirirte Flüssigkeit aus der Tiefe des Oberarmes. Der spärlich» 
Saft wird mit Bouillon aufgeschwemmt und sofort injicirt. 

Kaninchen 3 erhält lVa' 01 ” Aufschwemmung intravenös und zeigt 
keine Krankheitssymptome. 

Eine Maus (5) wird subcutan, eine zweite (6) intraperitoneal injicirt, 
beide bleiben am Leben. 

5. Die aus den Hautblasen aspirirte Flüssigkeit wird einem Kaninchen 2 
und einer Maus 3 subcutan injicirt; keine Krankheitserscheinungen. 

B. Mit den directen Culturen wurden eine Reihe von Thierver¬ 
suchen angestellt; es seien hier einige mitgetheilt: 

Kaninchen 4 erhält 2 ccm 6tägiger anaerober Zuckerbouilloncultur aus 
dem Gewebestück intravenös. Ausser einer kleinen Schwellung an der In¬ 
jectionsstelle ist nichts zu bemerken. 


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GangkEne foudroyante. 


433 


Kaninchen 5 wurden 2 ccm derselben anaöroben Cultur in Zucker¬ 
bouillon subcutan injicirt. Es entsteht ein deutliches Oedem, das zunimmt; 
nach 4 Tagen ist es zur Bildung eines etwa nussgrossen, flachen, scharf 
begrenzten Abscesses gekommen, der sich spontan öffnet und nach und nach 
verschwindet. 

Kaninchen 2 (einmal mit direct aus den Hautblasen aspirirter Flüssig¬ 
keit geimpft) erhält subcutan am Ohr 2 ccn anaerobe Bouilloncultur aus 
einem Gewebestück. Das Ohr schwillt beträchtlich an, hängt 4 Tage nach 
der lnjection herunter; das sehr beträchtliche Oedem nimmt allmählich ab. 
Das Thier geht nach intravenöser lnjection von B. coli zu Grunde. 

Zwei Mäuse, welche 1 / a bezw. 1 ccm derselben anaeroben Bouilloncultur 
subcutan injicirt erhalten, bleiben am Leben. 

Meerschweinchen 1, welches die subcutane lnjection von aspirirtem 
Gewebesaft ohne irgend welche Störung ertragen, erhält 7 Tage später unter 
die Bauchhaut 2 ocm einer anaöroben Bouilloncultur aus einem tiefen Ge- 
webestück. Das Thier stirbt nach 48 Stunden. Section 1 bis 2 Stunden 
post mortem. Pseudomembranbildung und blutig gefärbtes Oedem, von der 
Injectionsstelle ausgehend, die Haut lässt sich bis in die unteren Extremitäten 
von der Musculatur abheben. Milz kaum vergrössert. Mikroskopisch sind 
in der Oedemflüssigkeit dicke und schlankere Stäbchen einzeln und in Ketten 
angeordnet, ferner Kurzstäbchen nachweisbar. In der Milz wurden viele 
coliähnliche und vereinzelt dickere, nicht entfärbbare Bacillen, im Herzblut 
ebenfalls vereinzelt dicke, einzeln und in Ketten angeordnete Stäbchen neben 
kurzen Formen nachgewiesen. In den Culturen aus dem subcutanen Oedem, 
dem Herzblut und in dem Milzsaft waren neben Coli, die anaeroben, die 
Gelatine verflüssigenden Stäbchen nachweisbar. 

Meerschweinchen 2, welches 7 Tage vorher mit dem directen Material 
intraperitoneal geimpft worden, erhielt 2 ccm 6tägige anaerobe Zucker- 
bouilloncultur aus dem aspirirten Safte subcutan am Bauch injicirt. Es ent¬ 
steht ein Abscess, der am 4. Tage aufgebissen wird; im Eiter werden die 
zwei Mikroorganismen nachgewiesen, das Thier erholt sich wieder. 

C. Thierversuche mit den Reinculturen djr gefundenen Mikro¬ 
organismen: 

1. Coli. 

Ein kleines Meerschweinchen 7 (197 grm ) erhält 5 ccm lOtägiger Cultur 
intraperitoneal: Tod in der darauffolgenden Nacht mit starker Peritonitis. 

Eine weisse Maus, welche 1 ccm Peritonealerguss von Meerschweinchen 7 
subcutan injicirt erhält, stirbt ebenfalls innerhalb 24 Stunden. 

2. Isolirter anaerober Mikroorganismus. 

Kaninchen 6. Subcutane lnjection am Bauch von 6 ccm 4tägiger 
anaerober Bouilloncultur: 

Abscess an der Injectionsstelle, das Thier bleibt am Leben. 

Kaninchen 7. Subcutane und intramusculäre lnjection derselben Cultur 
am rechten Oberschenkel, das Thier bleibt gesund. 

Meerschweinchen 8. Subcutane und intramusculäre lnjection von 
l l / 2 ccm 4tägiger anaerober Bouilloncultur in die rechte'hintere Extremität; 
keine Krankheitssymptome. 

ZdUchr. t Hygiene. XLL. 28 


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434 


W. SlLBEESCHMIDT: 


Meerschweinchen 9 erhält in ähnlicher Weise 1 * 2 '' rm derselben 
Cultur und bleibt gesund. 

Es werden ferner zwei weisse Mäuse mit IV 2 hezw. 1 j 2 ocm anaerober 
Bouillonreincultur subcutan geimpft und bleiben am Leben. Auch die In- 
jection von anaeroben Gelatineculturen wurde von den Thieren ertragen. 

Aus dem Mitgetlieilten geht hervor, dass bei der directen mikro¬ 
skopischen und bei der culturellen Untersuchung von Gewebesaft, Blut, 
Muskel, Fett aus verschiedenen Theilen des befallenen Gebietes stets zwei 
verschiedene Mikroorganismen nachgewiesen werden konnten. Die Ein¬ 
reihung der einen aeroben Art in die Gruppe des B. coli commune 
ist begründet worden. Nach eingehenden, morphologischen und ver¬ 
gleichenden Untersuchungen, wurde der anaerobe Mikroorganismus der 
Gruppe des Bac. oedematis maligni eiugereiht. 

Fall 2. Ein 24jähriger Dachdecker fiel am 6. Juni 1899 4 Stunden 
von Zürich entfernt, Nachmittags 3 Uhr, von etwa 10 m Höhe auf einen 
gepflasterten Hof. Er war nicht bewusstlos und bemerkte gleich, nahe dem 
Handgelenk, einen Knochen aus einer Wunde am rechten Vorderarm heraus¬ 
ragen, sowie eine Wunde am rechten Ellbogen. Er wurde in einer Scheune 
auf den nackten Boden gelagert, 1 , / a Stunde später kam ein Arzt, legte einen 
Nothverband an und dirigirte den Pat. in’s Spital, wo er Abends 9 Uhr 
ankam. Der Pat. zeigte kaum eine Alteration des Allgemeinbefindens. In 
Aethernarkose wurde sogleich die sorgfältigste Desinfection mit Seife, Alkohol 
und Sublimat gemacht und die genauere Untersuchung vorgenommen. Durch 
eine grosse Weichtheilwunde auf der Beugeseite war das rechte Ellbogen¬ 
gelenk breit geöffnet, quer durch die Wunde verliefen ca. 3 t ‘ m weit frei¬ 
schwebend der N. medianus, sowie die kräftig pulsirende Art. radialis. 
Eine Knochenläsion lag hier nicht vor. Grosse Hautwunde nahe dem Hand¬ 
gelenk, von der aus man sofort auf die multipel zersplitterte Epiphyse des 
Radius gelangt. Beide Wunden wurden mit Sublimat 1:2000 reichlich 
ausgewaschen und ausgiebig drainirt. Jodoformgaze-Holzwollekissenverband. 
Drahtschiene. Schon vor Einleitung der Narkose war constatirt worden, 
dass an der Hand Circulation und Sensibilität normal waren. 

Am nächsten Tage war bei 38*4° Abendtemperatur nichts Besonderes 
zu constatiren, am übernächsten Tage (8. Juni) stieg die Temperatur im 
Laufe des Nachmittags bis 39*6° bei 104 Puls. Die Sensibilität der Finger 
ist stark herabgesetzt, nirgends aufgehoben, die Finger rechts sind ent¬ 
schieden weniger warm, als links. Mässig starke Schmerzen. Der Verband 
ist von blutigem Secret durchtränkt, riecht ziemlich stark und wird ab¬ 
genommen. Der ganze Arm ist beträchtlich geschwellt, die Ellbogen¬ 
gegend geröthet und erhöht temperirt. Am Vorderarm ist unter der Haut 
spärliches, aber deutliches Gasknistern zu constatiren, auf der Dorsal¬ 
seite, nahe dem Handgelenk ein etwa handtellergrosser Hautbezirk mit 
leicht bläulicher Verfärbung und vollkommen aufgehobener Sensibilität. Es 
wird nun die Diagnose auf gangränescirende Gasphlegmone gestellt, 
und mit Einwilligung des Pat. ex indicatione vitali Abends 6 Uhr die 
Ablatio humeri *in Aethernarkose vorgenommen. Dabei zeigt es sich, 
dass in der Amputationsebene zwischen mittlerem und oberem Drittel des 


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GangrEke FOUDKOVANTE. 


435 


Oberarmes das Zellgewebe noch ödematös und gelblich verfärbt ist, besonders 
im Sulcus bicipitalis int. Es wird möglichst alles Erreichbare noch excidirt; 
bei der Resection der Stümpfe der grossen Nerven fällt auch eine gelbliche 
Verfärbung der Nerven auf. Nach Einlagerung eines dicken Gummidrains 
werden die Lappen vernäht und ein Jodoformgaze-Holzwollekissen-Verband 
angelegt. Während der Operation Entnahme bakteriologischen Untersuchungs¬ 
materials. Grosse Alkoholdosen. 

Bis zum nächsten Tage Temperaturabfall auf 36*3° bei 88 Puls, 
Abends jedoch wieder 39*2° bei 112 Puls. Allgemeinbefinden zufrieden¬ 
stellend, Sensorium frei. 

Eei andauerndem hektischen Fieber fängt Pat. am 11. Juni an zu 
deliriren. Der Stumpf sieht gut aus, zeigt keine phlegmonösen Erscheinungen. 
Inguinaldrüsen beiderseits äusserst schmerzhaft, stark vergrössert. 

Am 12. Juni wird zur bakteriologischen Untersuchung aus der 1. Vena 
mediana Elut entnommen. Als daraus Reinculturen von Streptokokken 
gewonnen wurden, entschloss man sich bei der so trüben Prognose, doch 
einen Versuch mit Streptokokkenserum zu machen. 

In der Cantonsapotheke war genügend Material da, aus der Lyoner 
Fabrik, das Serum war 11 Monate alt und leicht getrübt. Eine erste In- 
jection von 20 ccra wurde am 13. Juni gemacht, eine zweite von I0 ccm am 
14. Juni und eine dritte von 10 Cfm am 15. Juni. Die Injectionen wurden 
abwechselnd an der Aussenseite beider Oberschenkel subcutan gemacht. 
Jeweils nach den Injectionen stieg die Temperatur um 0*4 bis 1*0°. Bei 
andauerndem hektischen Fieber stellte sich nach und nach an den Injections- 
stellen, sowie an den Stellen, wo die Blutentnahme stattgefunden hatte, in 
ziemlich grosser Ausdehnung starres Oedem ein, das nach und nach weicher 
wurde und schliesslich in deutliche Abscessbildung überging. Die Schwellung 
der inguinalen Lymphdrüsen war indessen stark zurückgegangen, dagegen 
Hess sich nun zu oberst an der Innenfläche des rechten Oberschenkels, also 
an einer Stelle, wo kein therapeutisches Trauna eingewirkt hatte, wie an 
Stelle der anderen Abscesse, in der Tiefe deutliche Fluctuation bei grosser 
Schmerzhaftigkeit constatiren. Es wurden nun am 27. Juni die Abscesse 
in Aethernarkose gespalten und drainirt, wobei sich die drei ersterwähnten 
als nur unter der Haut gelegen erwiesen, der letzte tief unter dem M. psoas 
aufgesucht werden musste. Ihr Eiter enthielt ausschliesslich Streptokokken. 

Die Amputationswunde am rechten Oberarm war indessen breit geplatzt, 
doch blieb sie völlig reactionslos und heilte per granulationem aus. 

Trotz der Entleerung der Abscesse dauerte das Fieber an, immerhin 
etwas weniger hoch und Pat. delirirte wenig mehr. Erbrechen trat nur ein 
einziges Mal auf und zwar nur wegen zu reichlich genossenen Weines. 
Schon nach zwei Wochen waren die Abscesse am linken Arm und Bein 
ausgeheilt, diejenigen am rechten Oberschenkel secernirten weiter. Der 
Urin war meist eiweissfrei, nur fanden sich vom 15. bis 29. August als 
Symptome einer Nephritis Blut, Cylinder und entsprechend Eiweiss; Eiter 
war nie vorhanden. Von Mitte Juli bis Mitte November blieb der Zustand 
ziemlich stationär: bei normaler Morgentemperatur abendliche Steigerung 
auf 37-6 bis 38*8° und Puls fast immer über 100. » 

Eine am 30. October entnommene Blutprobe aus der linken Vena mediana 
blieb steril. Am 18. November trat plötzlich reichliche Eiterentleerung durch 

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W. SiLBKRSCHMIDT: 


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das Rectum auf, die noch längere Zeit andauerte. Durch die Digitalunter¬ 
suchung konnte nur eine starke Infiltration des rechtsseitigen Beckenzell¬ 
gewebes nachgewiesen, die Perforationsstelle nicht gefunden werden: da der 
Abscess an der Innenseite des rechten Oberschenkels seither erheblich 
weniger secernirt, hängt er wohl direct mit einem im Becken gelegenen 
zusammen. Das Befinden bessert sich allmählich und der Pat. kann nach 
mehrmonatlicher Behandlung geheilt entlassen werden. 

Bakteriologische Untersuchung. Es wurde behufs näherer 
Untersuchung unter möglichst aseptischen Cautelen Material aus folgen¬ 
den Stellen entnommen: bei der Operation Blut aus der Amputationssteüe. 
aus dem amputirten Arm, Wundsecret, aus den Drainröhren, Knochen¬ 
mark aus dem Os humeri und Gewebesaft bezw. Muskelstückchen aus 
der Tiefe. Später wurde wiederholt das Blut untersucht und der Eiter 
aus den verschiedenen Abscessen. 

Directe mikroskopische Untersuchung. In dem Wundsecret 
aus den Drainröhren waren Kokken, meist zu zwei, auch in kurzen 
Ketten angeordnet, ferner sehr spärliche Bacillen vorhanden. Der aus der 
Tiefe des amputirten Armes entnommene Gewebesaft enthielt zahl¬ 
reiche, ziemlich lange, einzeln, zu zwei, selten in Ketten angeordnete 
Bacillen mit abgerundeten Enden, Kokken waren hingegen nicht oder 
äusserst spärlich vorhanden. In einigen Präparaten war eine kapselariige, 
nicht gefärbte Zone um die Stäbchen herum. Sporen wurden in den direcren 
Ausstrichpräparaten nicht gefunden. 

Culturelle Untersuchung. Culturen wurden angelegt: mit dem 
Wundsecret, mit aus der Tiefe entnommenen Muskelstückchen, mit dem 
aspirirten Knochenmark, mit Fett- und Nervenstückchen, welche an der 
Amputationsstelle excidirt wurden. 

Aehnlich wie im ersten Falle wurden aerobe und anaerobe Culturen 
in Bouillon, Gelatine und Agar angelegt, einige Röhrchen wurden auf *0'' 
erhitzt, andere bei 40° geimpft. Die Culturen aus dem Knochenmark bliebtr 
steril. In dem an der Amputationsstelle entnommenen Blut waren Strepto¬ 
kokken in Reincultur nachweisbar. In den Bouillon- und Agarculturen, aus 
dem Wundsecret und aus den Muskelstückchen der erkrankten Stellen war 
schon nach 20 Stunden Gasbildung und ein sehr übler Geruch wahrnehmbar. 
Mikroskopisch war der Befund ein übereinstimmender: Stäbchen, in ihrer 
Form entsprechend den im directen Ausstrichpräparat ‘ gefundenen, uni 
Kokken in Ketten angeordnet. In den direct angelegten, nicht erhitzten 
aeroben Bouillonculturen kamen, wie im ersten Fall, beide Mikroorganismen 
neben einander zur Entwickelung unter Gasbildung, und der Geruch war 
ebenfalls ein sehr unangenehmer. Im flüssig geimpften Agar war der 
Bacillus nur in der Tiefe nachweisbar; es stellte sich heraus, dass dieser 
Mikroorganismus anaerob, der Streptococcus hingegen aerob w'uchs. 

Die Isolirung beider Mikroorganismen bot keine Schwierigkeiten. Per 
anaerobe Bacillus zeigte von Anfang an eine grosse Aehnlichkeit mit 
in dem ersten Falle isolirten. 

Der Coccus entsprach in seinem morphologischen und in seinem bk»- 
logischen Verhalten dem Streptococcus pyogenes. 


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GaegrRne foudroyante. 


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Sämmtliche Culturen des anaeroben Bacillus zeichnen sich durch 
einen sehr starken, unangenehmen Geruch aus. Die jungen Colouieen in 
der Gelatine zeigten am 3. Tage längere Ausläufer und entsprachen in ihrem 
Aussehen etwa Wattestückchen; am nächsten Tage war die Verflüssigung 
schon deutlich. Die grossen Colonieen sind kugelig, ziemlich gleichmässig 
getrübt und verfliessen rasch; die kleineren lassen noch das dunklere Centrum 
und die trübe, graue, etwas hellere Peripherie erkennen, die Ausläufer 
befinden sich meist schon im Bereich der Verflüssigung. Die Colonieen 
haben bei durchfallendem Lichte ein schimmerndes, sammetartiges Aus¬ 
sehen. Das dichtere Centrum sinkt zu Boden und die kugeligen Colonieen 
erscheinen dann gleichmässig getrübt. Die einzelnen Colonieen ver¬ 
schmelzen, die Verflüssigung schreitet weiter, so dass am 6. Tage die 
Gelatine bis dicht unterhalb der Oberfläche verflüssigt ist und am Boden 
einen ziemlich bedeutenden, fetzigen, grauweissen Bodensatz aufweist. 

In Agar und in Zuckerbouillon war das Wachsthum üppig unter 
Gasbildung; eine anaerobe Cultur auf erstarrtem Rinderblutserum zeigte 
Verflüssigung bei gleichzeitiger Gasbildung; am 6. Tage erschien die 
Cultur eingesunken in Form eines dicken, gelblichen Belages; der mit 
Paraffin hergestellte Verschluss wurde in Folge der Gasbildung gelockert. 

Mikroskopisch waren in den Culturen dieselben etwa 2 bis 10 u 
langen und 0-5 bis 1*0/* dicken Stäbchen mit deutlicher Eigenbewegung; 
nach drei Tagen war die Sporenbildung schon vorgeschritten. Die Sporen 
sind deutlich oval, einige sporentragende Bacillen zeigten noch Eigen¬ 
bewegung. Mittels der Löffler’schen Methode gelang es, lange, ge¬ 
schlängelte Geissein, allerdings nur an den sporenfreien Bacillen, in ver¬ 
schiedener Zahl nachzuweisen. Die Bacillen waren einzeln, zu zwei oder 
in kürzeren Ketten angeordnet. Im thierischen Gewebe, so z. B. bei Maus 1, 
wurden subcutan sehr lange Fäden von 40/* und mehr gefunden, welche 
nur aus wenigen (2 bis 3) Gliedern zu bestehen schienen; hier und da 
war der Bacillus an der einen Extremität hakenförmig gekrümmt. 

Thierversuche. Nach subcutaner Injection des frisch entnommenen 
Materials auf Kaninchen und Meerschweinchen traten Abscesse an der 
Injectionsstelle auf, einige Mäuse starben mit Streptokokken im Blute. 
In keinem Falle gelang es, ein Krankheitsbild zu erzeugen, welches dem 
beim Menschen beobachteten ähnlich gewesen wäre. 

Versuche mit Culturen: 

Meerschweinchen: Subcutane Injection von 2 ecm 3 tägiger anaerober 
Bouilloncultur. Das Thier bleibt am Leben. 

Maus 1. Injection von 1 ccm 16 ständiger Cultur in Zuckerbouillon, 
Tod in der Nacht. Subcutanea blutiges Oedem mit vielen Bacillen in Fäden 


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W. Silberschmidt: 


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angeordnet und Kokken. Im Herzblut und namentlich in der Milz lassen 
sich die grossen Bacillen neben den Kokken nachweisen. 

Kaninchen 1. 21. VI. Subcutane Injection von je 1 ccm Bouillon der 

isolirten Streptokokken und anaeroben Bacillen. Das Thier bleibt gesund. 
Am 25. VI. werden 5 ccm Bouillonreincultur subcutan ins Ohr injicirt. Es 
entsteht ein Oedem und Röthung im Bereiche der Injection. Am 28. VI. 
werden ferner 5 ccm 16 stündiger Bouilloncultur aus dem Abscess am Ober¬ 
schenkel (Streptokokken) intravenös injicirt. Das Thier stirbt in der Nacht 
vom 3./4. VII. Bei der Section wird notirt: eitrige Peritonitis mit Strepto¬ 
kokken. An der Injectionsstelle am Ohr ist ein Defect mit eitrigem Belag 
vorhanden. In den Culturen aus dem offenen Abscess sind neben Strepto¬ 
kokken die anaeroben Bacillen gewachsen. Im Herzblut sind Streptokokken 
in Reincultur. 

Trotz der wiederholten Injectionen ist es nicht gelungen, bei diesem 
Kaninchen das Bild der Gasphlegmone zu erhalten. Hingegen wurde fest¬ 
gestellt, dass der anaörobe Mikroorganismus 8 Tage lang im Eiter lebens¬ 
fähig blieb. 

Kaninchen 2 erhält am 26. VI. 2 ccm einer 3 tägigen anaeroben 
Bouilloncultur subcutan und intramusculär in den linken Oberschenkel injicirt. 
Das Thier zeigt keine Krankheitserscheinungen. 

Versuche mit Reinculturen. 

1. Streptokokken. Eine direct aus dem Blute (1. Arm) gewonnene 
2 tägige Bouilloncultur wird zwei Mäusen subcutan und einem Meer¬ 
schweinchen intraperitoneal (2 ccm ) injicirt. Die eine Maus stirbt nach 
24 Stunden; im Milzsaft werden Streptokokken nachgewiesen. Die zwei 
anderen Thiere bleiben am Leben. Maus 5 erhält etwa 2 / 10 00111 frischen 
Eiter (Streptokokken) und stirbt innerhalb 24 Stunden. 

Ein Kaninchen erhält 1 ccm frischen, aus dem linken Oberarm ent¬ 
nommenen (streptokokkenhaltigen) Eiter. Das Thier bleibt am Leben. 

Aus diesen wenigen Versuchen geht hervor, dass die aus verschiedenen 
Stellen gewonnenen Streptokokken für die Versuchstiere verhältnissmä^ig 
wenig virulent waren. 

2. Anaerober Bacillus. Kaninchen 3 erhält 8 ccm 9 tägiger anaercher 
Bouillonreincultur intramusculär und subcutan injicirt, ohne Störung. 

Eine subcutane Injection von 2 ccm derselben Cultur bei einer Maus 
wird ebenfalls ohne Störung ertragen. 

Ein Meerschweinchen erhält am 21. VII. 8 ccm anaörober verflüssigter 
Gelatinecultur subcutan injicirt; an der Injectionsstelle beisst sich das Thier 
auf. Es entsteht ein Schorf mit blutigem Belag; die Haut lässt sich in 
einem weiten Bereich von der Musculatur abheben. Am 25. VII. wird das 
Thier getödtet; unter dem Schorf ist kein Eiter mehr. 

Ein zweites Meerschweinchen wird intraperitoneal mit 10 CCT1 ver¬ 
flüssigter Gelatinecultur geimpft, es zeigt keine Krankheitssymptome. Nach 
5 Tagen w r ird dasselbe getödtet und finden sich nur einige Verwachsungen 
im Peritoneum vor. 


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Gangräne foudroyante. 


439 


Die genaue, längere Zeit fortgesetzte Untersuchung des anaörobeu 
Mikroorganismus führte zur Identificirung desselben mit dem im ersten 
Falle beobachteten und mit der Reincultur des Instituts; es handelte sich 
bei unserem zweiten Patienten um eine Mischinfection eines Bacillus 
aus der Gruppe des Bacillus des malignen Oedems mit dem 
Streptococcus pyogenes. 

Fall III. Der 40 Jahre alte, sonst gesunde Parquetier F. erlitt am 
3. April 1900 Abends gegen 9 Uhr einen Unfall,, indem ihm das Rad eines 
Eisenbahnwagens über den vorderen Theil des rechten Fusses fuhr. Mit 
einem vom Arzt angelegten Nothverband wurde er Abends 11 Uhr ins 
Spital eingebracht. Sämmtliche Zehen des rechten Fusses waren blauroth 
verfärbt, anästhetisch und kalt anzufühlen. Im Bereich der Metatarso- 
phalangealgelenke dorsal und plantar eine Reihe von Risswunden, aus denen 
theilweise Knochensplitter vorstehen. Da sich der Pat. mit aller Entschieden¬ 
heit gegen einen operativen Eingriff verwahrte, musste man sich mit gründ¬ 
licher Desinfection und Verband begnügen. Am nächsten Tage war der 
Pat. fieberfrei und gab nun seine Einwilligung zu einer Exarticulation im 
Bereiche des Fusses, die in Aethernarkose Abends 4 Uhr im Chopart’schen 
Gelenk ausgeführt wurde. Die Exarticulation musste aus dem Grunde so 
weit hinten gemacht werden, weil besonders die Weichtheile der Fusssohle 
ausserordentlich stark gequetscht waren. 

Auf eine Infection hinweisende Zeichen fielen bei der mit Esmarch’scher 
Blutleere ausgeführten Operation nicht auf. Uebliche Drainage der Wunde und 
Hochlagerung der Extremität. Bis am 5. April Abends stieg die Temperatur 
auf 39-4°; der Puls auf 108, und der Pat. fing an, leicht zu deliriren. 

Am 6. April war bei 38*9° Temperatur das Bild der gefürchteten In¬ 
fection nicht zu verkennen. Dem Verband entströmt ein ausserordentlich 
widriger Geruch; bei seiner Abnahme findet man den Stumpf stark ge¬ 
schwellt, aus den Drainagestellen fliesst dünnes, ziemlich helles Sekret aus. 
Die bei der Operation am stärksten gequetscht gefundene Plantarfläehe zeigt 
keine Spur von Gangrän, dagegen finden sieh auf der Dorsalseite gegen 
den äusseren Knöchel hin zwei isolirte, rundliche, ca. zweifrankenstückgrosse 
Hautpartieen, die bläulich-schwarz verfärbt sind. Unter der Haut verspürt 
man ein sehr feines Knistern. Von dem bläulich-livid verfärbten Fuss- 
rücken aus erstrecken sich zungenförmige Hautpartieen auf der Aussen- und 
Innenseite des Unterschenkels bis gegen die Kniegegend, die blass röthlich- 
bräunliche Verfärbung zeigen. In Aethernarkose wird Morgens 9 Uhr die 
Exarticulatio genu vorgenommen. Nach Anlegung einer Constrictionsbinde 
in der Höhe der Glutäalfalte treten die verfärbten Hautpartieen des Unter¬ 
schenkels noch viel deutlicher hervor. Bei der Bildung der Lappen lässt 
man die verfärbten Hautpartieen in Wegfall kommen; in dem sonst völlig 
normalen vorderen Lappen zeigt das Unterhautzellgewebe noch eine Reihe 
kleinster Gasbläschen, die durchschnittene Musculatur hat vollkommen nor¬ 
malen Aspect. Situationsnähte der Lappen, ausgiebige Drainage. 

Mit dieser Exarticulation war die Infection coupirt. Die Temperatur 
blieb unter 39*0°, der Puls unter 100; eine verdächtige bräunlich-röthliche 
Verfärbung einer kleinen Lappenpartie sclnvand in wenigen Tagen wieder; 


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440 


W. Silberschmidt: 


einige Nähte schnitten durch, die Secretion aus den Drains blieb massig 
und völlig geruchlos. Einige Tage delirirte der Pat. noch Nachts. Bei 
Genuss von kräftiger Kost, Wein und Eiergrog erholte er sich dann sehr 
rasch, ist seit 2. März fieberfrei und ausser Bett. Am 13. Juli wird Pat. 
entlassen. 

Bakteriologische Untersuchung. Aus verschiedenen Stellen des 
exarticulirten Unterschenkels wurde Material entnommen. 

Die directe mikroskopische Untersuchung des Wundsecrets 
ergab: Ziemlich viele, grosse, nach Gram nicht entfärbbare pleomorphe, zum 
Theil spindelförmige Bacillen, einige mit hellem Hofe (Kapsel?) umgeben, 
einige mit Sporen versehen. Neben den im Innern der Bacillen gelagerten 
Sporen sind auch einige frei. Daneben sind Kokken einzeln, zu zweien und 
in kurzen Ketten. Schon im directen Ausstrichpräparat war ersichtlich, dass 
wir es mit einer mannigfachen Bakterienflora zu thun hatten. 

Untersuchung der Culturen. Agaroberfläche. Nach 24 Stunden 
sehr viele Colonieen von Kokken in Haufen (Staphylokokken). 

Agar flüssig geimpft und dann erstarrt, Kokken und nicht entfärbbare 
Bacillen. 

Bouillon. Kokken in Ketten und in Haufen, geordnet, ziemlich dicke 
Bacillen und zarte Streptokokken. 

Die heiss geimpfte Bouillon zeichnet sich namentlich durch einen sehr 
unangenehmen Geruch aus; mikroskopisch lassen sich in derselben Kokken 
und sehr viele dicke, plumpe Bacillen, nach Gram nicht entfärbbar, nach- 
weisen. 

Gelatine. Verflüssigende Colonieen von Kokken, sowohl an der Ober¬ 
fläche wie in der Tiefe; nicht verflüssigende Colonieen von ziemlich langen, 
zum Theil etwas gekrümmten Bacillen, ferner in der Tiefe verflüssigende, 
kugelförmige Colonieen von Bacillen. Die verschiedenen Culturen, nament¬ 
lich Bouillon, zeichneten sich durch einen sehr unangenehmen Geruch aus. 

Die in den Culturen gefundenen Staphylo- und Streptokokken wurden 
nicht weiter untersucht. 

Mittels Erhitzen gelang es, aus verschiedenen Culturen einen anaöroben 
Mikroorganismus zu isoliren, der sich durch folgende Eigenschaften aus¬ 
zeichnet: Mikroskopisch ist er ein ziemlich langer und ziemlich dicker, im 
Gegensatz zu dem in den zwei ersten Fällen gefundenen, unbeweglicher 
Bacillus. Häufig ist er in Ketten von drei bis vier verschieden langen 
Gliedern angeordnet, und die Ketten hier und da parallel gelagert; die 
Bacillen sind gestreckt oder gebogen, zeigen deutlich abgerundete Enden 
und w r erden nach Gram nicht entfärbt. 

In Gelatine und Agarculturen konnte trotz wiederholter Unter¬ 
suchung Eigenbewegung nicht festgestellt werden. Der Bacillus bildet Sporen, 
allerdings nicht so rasch und auch nicht in so grosser Zahl, wie der Ba- 
’eillus des malignen Oedems; die ovalen Sporen zeichnen sich ferner dadurch 
aus, dass dieselben nicht, oder kaum breiter als der Bacillenleib sind, so 
dass Trommelschläger- und Clostridiumformen nicht wie in den früher be¬ 
sprochenen Culturen auftreten. In der Regel waren die Sporen mehr gegen 
das eine Ende, aber doch nicht ganz endständig gelagert. 


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Gangräne foudroyante. 


441 


Eigenartig ist das Wachsthum in der Gelatine (22° C.). Nach ein bis 
zwei Tagen wird die Colonie rundlich, etwas unregelmässig, meist von einem 
etwas trüben Hof umgeben. Am 2. Tage beginnt die Verflüssigung. Die 
Colonieen sind Stecknadelkopf- bis erbsengross, kugelig, die verflüssigte 
Gelatine ist etwas getrübt. Zu Beginn der Verflüssigung ist meist im Centrum 
der Colonie ein rundlicher, punktförmiger, fester und dichter Theil, welcher 
bald zu Boden sinkt, so dass man am 3. Tage am Boden einer jeden erbsen¬ 
grossen, kugeligen Verflüssigung die eigentliche kleine Colonie erkennen 
kann; dieses Aussehen ist eigenartig und trat regelmässig auf. In Agar 
und in Zuckeragar ist bei Brüttemperatur das Wachsthum in den unteren 
Theilen üppig; es findet intensive Gasbildung statt. Die Colonieen sind 
rundlich, aber ziemlich unregelmässig. Der Stich erscheint als unten ziem¬ 
lich breiter Streifen aus dicht neben einander liegenden unregelmässigen, 
faserigen Colonieen zusammengesetzt; am ehesten lässt sich die Cultur mit 
einem Wollfaden mit vielen kurzen Ausläufern vergleichen. 

In Bouillon ist das Wachsthum üppig, aber nicht charakteristisch. 
In Milch wurde am 3. Tage Gerinnung und Peptonisirung beobachtet, nebst 
eigenartigem Geruch; nach 5 bis 7 Tagen ist die Peptonisirung fast voll¬ 
ständig, Reaction schwach sauer, H 2 S-Probe positiv, Geruch nach Lim¬ 
burger Käse. 

In dem am 18. April aus der Operationswunde entnommenen Eiter 
wurden mikroskopisch Streptokokken, in den Culturen Streptokokken und 
einige Pseudodiphtheriebacillen, hingegen keine Anaeroben gefunden. 

Thierversuche. Nur die ersten Versuche an Meerschweinchen lieferten 
ein positives Resultat. 

Meerschweinchen 1 erhält am 7. April eine mit steriler Bouillon 
hergestellte Aufschwemmung des direct aus der Wunde entnommenen Secrets 
subcutan und intramusculär injicirt. Tod in der Nacht vom 8. zum 9. April, 
etwa 36 Stunden nach der Injection. Bei der Section ausgedehntes sub- 
cutanes, hämorrhagisches Oedem. In der Flüssigkeit sind lange 
Bacillen, meist je zu zweien angeordnet, nach Gram nicht entfärbt, ähnlich 
wie in frischem Material. 

Meerschweinchen 2. 7.IV. Subcutane und intraperitoneale Injection 
der nämlichen Aufschwemmung, Tod ebenfalls nach etwa 36 Stunden. Bei 
der Section ausgedehntes hämorrhagisches Oedem am Bauch; die Bauch¬ 
decken sind von der Musculatur abgelöst. 

Wenn auch in diesen zwei Versuchen das Krankheitsbild demjenigen 
der foudroyanten gangrene gazeuse nicht vollkommen entsprach, so muss 
doch eine gewisse Aehnlichkeit zugegeben werden. 

Mittels Injection von directen Culturen konnte bei Meerschweinchen 
und bei Mäusen eine rasch tödtlich verlaufende Erkrankung nicht hervor¬ 
gerufen werden. 

Der isolirte anaerobe Mikroorganismus wurde wiederholt Thieren injicirt, 
allein ohne Erfolg. 

Auch in diesem dritten Falle handelt es sich um eine Mischinfection. 
Neben Eiterkokken (Staphylo- und Streptokokken) waren ana&robe, 
gasbildende Mikroorganismen vorhanden. Der Bacillus des malignen 


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W. Silberschmidt: 


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Oedems war in den Culturen nicht nachweisbar, hingegen gelang, es in 
den verschiedenen Culturen aus dem ursprünglichen Material einen Mikro¬ 
organismus zu isoliren, dessen Eigenschaften weiter oben angegeben 
worden sind. 

Es liegt nicht in meiner Absicht, die ätiologische Bedeutung des be¬ 
treffenden anaeroben Bacillus des Näheren zu begründen. Die Möglich¬ 
keit, dass noch andere anaerobe Mikroorganismen, deren Isolirung nicht 
geglückt ist, bei der Entstehung der Erkrankung eine Rolle gespielt haben, 
muss zugegeben werden. 

II. Fälle von Phlegmone ohne ausgesprochene Gasbildung. 

IV. Fall. Der 28jährige Pat. geriet am 23. Januar 1900 Abends mit 
dem rechten Bein unter einen Wagen, dessen Vorderrad ihm dicht unter 
dem Knie über das rechte Bein fuhr. Er wurde Abends 8 1 j 2 Uhr mit von 
Blut durchtränktem rechten Beinkleid in das Cantonsspital gebracht. Von 
dem Localstatus sei Folgendes mitgetheilt: Pat. ist besonders an den Stellen, 
wo unter zerfetzten Kleidern die Wunden liegen, stark von Strassenkoth 
beschmutzt. Im Bereich des unteren Drittels des rechten Unterschenkels 
befindet sich eine etwa handtellergrosse Wunde; aus derselben ragt, etwa 
4 cm lang, das centrale Fragment der Tibia vor, in der grössten Ausdehnung 
vom Periost entblösst; das centrale Fragment zeigt eine einfache querlaufende 
Bruchfläche, das periphere ist hingegen etwas zersplittert. Starkes Hämatom 
von ungefähr Handgrösse in mittlerer Höhe des Unterschenkels. In der 
Tiefe der Wunde sind Sand, Kothpartikelchen, sowie kleine Knochensplitter. 
Gründliche Reinigung mit Seife, Alkohol und Sublimat, Entfernung aller 
fühlbaren Fremdkörper. Gummidrain quer durch den Unterschenkel, Re¬ 
position und Jodoformgaze, Kissenverband. 

Am 24.1. Nachmittags klagt Pat. über Schmerzen und hat erhöhte 
Temperatur. Am 25.1. Vormittags ist der Verband durchnässt, das Seeret 
hat einen üblen Geruch, Temperatur Abends 39-4°. Am 26.1. verbreitet 
die Wunde einen scheusslichen Geruch; bei Druck entleert sich graugelbes, 
schmieriges Seeret. Stellenweise deutliches Gasknistern; Amputatio fernem 
an der Grenze im gesunden Gewebe. Nach der Amputation ist die Tem¬ 
peratur beinahe bis zur Norm zurückgegangen. Wundverlauf normal. Pat. 
verlässt das Spital am 27. März geheilt. 

Bakteriologische Untersuchung. Es wurde das aus dem Drain 
Üiessende übelriechende Seeret und aus verschiedenen Stellen des anr.u- 
tirten Unterschenkels Material entnommen. Direct an der Fraktursti Ile 
ist das Gewebe morsch; es fliesst schmutzig gelblich und rosa gefärbte 
Flüssigkeit ohne Gasverinenguug heraus. Es handelt sich somit nicht um 
eine ausgeprägte Gangrene gazeuse, wie in den drei ersten Fällen. 

Direct© mikroskopische Untersuchung. In dem Eiter der ver¬ 
schiedenen Stellen und im Knochenmark werden kürzere Stäbchen, längere, 
nach Gram nicht entfärbte, verschieden dicke Bacillen mit abgerundeten 


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Gangräne foudroyante. 


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Enden und sehr viele Kokken gefunden, zu zweien, in Ketten und in Haufen 
angeordnet. Die dickeren Bacillen wurden auch hier, namentlich in der 
Tiefe, gefunden. 

Culturen, Agarstrich. Staphylococcus pyogenes aureus und albus, 
sehr viele Streptokokken, einige Colonieen von coliartigen Kurzstäbchen. 

Zuckerbouillon. Nach 24 Stunden Gasbildung; mikroskopisch Diplo-, 
Streptokokken, einige dicke Bacillen. In der Gelatine kommen neben 
den angeführten, noch verflüssigende Colonieen eines proteusartigen Bacillus 
zur Entwickelung. 

, Serum. Streptokokken, nach Gram entfärbte und ziemlich viele diph¬ 
therieähnliche Bacillen. 

Wie aus dieser kurzen Schilderung ersichtlich, konnten Staphylo-, 
Streptokokken, Proteus, coli- und diphtherieähnliche Bacillen, 
neben einem anafrob wachsenden Mikroorganismus im Wundsecret 
nachgewiesen werden. 

Der anaerobe Mikroorganismus war auch in den aeroben Bouillon- 
culturen nachweisbar; die Isolirung gelang in einem mit Muskelstück 
flüssig geimpften und zum Erstarren gebrachten Röhrchen. 

Mikroskopisches Verhalten: Ziemlich grosse, unbewegliche milz¬ 
brandähnliche, gerade, oder etwas gebogene Stäbchen, einzeln, zu zweien und 
in kürzeren Ketten, angeordnet. Nach Gram häufig entfärbt, in älteren 
Culturen scheinbar leichter entfärbbar. Die Bacillen färben sich häufig 
eigenthümlich, unregelmässig, so dass ein Stäbchen aus zwei oder vier 
Punkten bezw. Kokken zusammengesetzt erscheint. Hier und da kolbige 
Anschwellungen. Erst nach längerer Zeit gelang es deutliche, meist end¬ 
ständige Sporen zu erkennen, welche nicht dicker als der Bacillenkörper 
waren. 

Culturen. Die Culturen wurden etwa 2 Jahre lang weiter verfolgt. 

Agarstrich, anaerob runde, Stecknadelkopf- bis linsengrosse, feucht- 
glänzende, wenig erhabene Colonieen mit dichterem Centrum und mit heller 
Peripherie. Im Condenswasser etwas Bodensatz. Serum anaerob, keine 
Verflüssigung, Wachsthum im Condenswasser. Die ersten Reinculturen des 
anaeroben Mikroorganismus wurden in Agar erhalten. 

Agar, flüssig geimpft. Wachsthum streng anaerob, weder im obersten, 
noch im untersten Bereich des Röhrchens. Schon nach 24 Stunden Gas¬ 
bildung. In den späteren Culturen nahm die Gasbildung ab. Die isolirten 
Colonieen sind rundlich, unregelmässig begrenzt bis stecknadelkopfgross. 
Agarstrich ziemlich breit, namentlich im unteren Theil mit rundlichen Aus¬ 
buchtungen. 

In gewöhnlicher Bouillon aerob kein Wachsthum, anaerob Trübung, 
später fester Bodensatz mit klarer Flüssigkeit. 

In Zuckerbouillon mit Zusatz von SNa 2 nach Trenkmann ist die Ent¬ 
wickelung auch aerob üppig mit Gasbildung. In späteren Culturen war das 
Wachsthum in der Bouillon viel spärlicher. 


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W. Silberschmidt: 


Gelatine, Entwickelung langsam. Nach 7 Tagen kleine runde Colonieen, 
welche ein dichteres Centrum und eine hellere Peripherie aufweisen. Nach 
3 Wochen ist ein Theil der Gelatine verflüssigt; die verflüssigte Gelatine ist 
klar, die darin zur Entwickelung gekommenen Colonieen bilden einen geringen 
Bodensatz. Das Wachsthum in der Gelatine, welches 1 Jahr lang verfolgt werden 
konnte, blieb später aus. Ebenso war die Gasbildung ursprünglich ziemlich 
beträchtlich; in späteren Generationen blieb dieselbe aus. In Milch wurde 
keine Veränderung beobachtet. 

Thierversuche. 

a) Versuche mit dem frischen Material. 

Kaninchen 5, 26. I. 1400 ^ m . Subcutane Injection von 4 ccm mit 
steriler Bouillon hergestellter Aufschwemmung aus einem Muskelstück des 
amputirten Unterschenkels. 29. I. Schorfbildung und Röthung um die In- 
jectionsstelle herum. 5. II. Gewicht 1200 grm , keine # weiteren Krankheits¬ 
erscheinungen. 

Meerschweinchen 8, 26. I. Subcutane und intramusculare Injection 
von 1V 2 ccm derselben Aufschwemmung mit eiterigem Brei vermengt, Tod 
in der Nacht vom 27./28.1., d. h. nach etwa 36 Stunden. Section 28. I. An 
der Injectionsstelle (linke Hinterpfote) ödematöse Infiltration, pseudomem¬ 
branöse, subcutane Auflagerung. Mikroskopisch an der Injectionsstelle zahl¬ 
reiche Kokken, in Ketten und in Haufen, verschiedene dünnere und dickere 
Bacillen, letztere zu zweien und in kürzeren Ketten. Inden Culturen dieselben 
Mikroorganismen, wie im directen Material. Im Herzblut Coli. 

Meerschweinchen 9, 26.1. Intraperitoneale Injection von l 1 /., ccm 
derselben Aufschwemmung mit Muskel und Eiter hergestellt. Tod nach 
23 Stunden. Bei der Section: In der Bauchhöhle trüb seröser Erguss mit 
eiterigen Auflagerungen, keine Gasbildung. In den Culturen Streptokokken 
und die Gelatine verflüssigende Kurzstäbchen, im Herzblut Streptokokken. 

Zwei mit demselben Material subcutan geimpfte weisse Mäuse starben 
nach 36 Stunden mit Oedem an der Injectionsstelle. 

Mikroskopisch sind verschiedene Kokken und Bacillen, culturell Coli, 
Streptokokken und dicke Bacillen nachweisbar. 

b) Versuche mit directen Culturen. 

Kaninchen 6 erhält am 31.1. 3 ccra 5tägiger Bouilloncultur subcutan 
am Ohr injicirt; Tod in der Nacht vom 5./6. II. Das Thier ist abgemagert. 
Oedematöse Schwellung am Ohr. Psorospermicn in der Leber. 

Meerschweinchen 10, 250 ffrm . Subcutane Injection von 5 ccm anaerober 
Bouilloncultur. Schorfbildung an der Injectionsstelle. Das Thier magert 
ah (160 grtn ) und stirbt am 7. Tage. Unter dem Schorf ist eine granulirende 
Wunde (mikroskopisch Kokken). In den übrigen Organen nichts Auffallendes. 

Meerschweinchen 15, 12. II. Subcutane Injection von 5 cctu anaerober 
Bouilloncultur. Nach 2 Tagen Schwellung an der Injectionsstelle mit Gas¬ 
bildung. Das Thier wird am 17. II., 5 Tage nach der Injection, getödtet. 
Eiter eingedickt, an verschiedenen Stellen ist der Schorf zerrissen. Brust 
und Abdomen normal. Im Eiter Streptokokken und gasbildende Bacillen. 


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Gangräne füudroyante. 


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c)Yersuche mit Reinculturen des isolirten anaeroben Bacillus. 

Kaninchen 7, 700 grm . Subcutane Injection von etwa 1 / 4 ccm ver¬ 
flüssigter 20tägiger Gelatinecultur. Keine Krankheitserscheinungen. 

Maus 6. Subcutane Injection derselben Cultur, bleibt am Leben. 

Verschiedene andere, an Mäusen und auch an Meerschweinchen aus- 
gefiihrte Versuche lieferten ein negatives Resultat. 

Aehnlich wie im 3. Falle, ist es nicht möglich, nach dem Resultate 
der culturellen und der experimentellen Untersuchung einen bestimmten 
Mikroorganismus als den Krankheitserreger zu bezeichnen. Es 
handelt sich um eine Mischinfection, wobei neben Staphjlococcus 
pyogenes aureus und albus, Streptokokken und B. coli commune, 
ein anaerober Bacillus gefunden wurde, welcher morphologisch eine 
gewisse Aehnlichkeit mit dem B. aörogenes capsulatus (Welch) 
hat; ob noch andere anaörobe Mikroorganismen ätiologisch eine Rolle ge¬ 
spielt haben, bleibe dahingestellt. 

Fall 5. Der 44jährige Pat. B. hat am 30. Januar 1900 beim Aufladen 
von Eis eine Quetschung am kleinen Finger der rechten Hand erlitten. 
Am 1. Februar bemerkt Pat., dass die Hand geschwollen ist; er wird am 
nächsten Tag in’s Spital aufgenommen, wegen beginnender Phlegmone der 
rechten Hand. Bei den am 8. II. und am 12. II. vorgenommenen Incisionen 
kam wenig eiterige, blutig seröse Flüssigkeit zum Vorschein, die bakterio¬ 
logisch untersucht wurde. Pat. erholte sich nach längerem Kranken¬ 
lager wieder. 

Bakteriologische Untersuchung. Im Eiter wurden gefunden: 
Strepto-, Staphylokokken, Bacillen und ein anaerober Mikro¬ 
organismus, der sich durch folgende Eigenschaften auszeichnet. 

Unbewegliche, ziemlich kurze Bacillen einzeln, zu zweien und in kurzen 
Ketten angeordnet, gerade, gewunden, häufig mit Anschwellungen versehen, 
so dass Kolben und Spiessformen entstehen; nach Gram theilweise entfärbt. 
In Bouillon wurden kleine, rundliche Sporen beobachtet, in Agar nicht. 

Culturen. Die directe anaerobe Bouilloncultur zeichnet sich durch 
einen sehr unangenehmen Geruch aus. 

Der durch Erhitzen isolirte anaerobe Mikroorganismus wurde 
einige Zeitlang w r eiter verfolgt. 

Agar. Oberflächenculturen (im Vacuum) nach 5 Tagen, wasserhelle, 
w r enig erhabene zusammenfliessende Colonieen; am 8. Tage sind dieselben 
durch unregelmässige Begrenzung ausgezeichnet. 

In Bouillon mit Schwefelnatrium bildet sich nach kurzer Zeit ein 
Bodensatz, w r ährenddem die ursprünglich getrübte Bouillon wieder klar wird. 

In Culturen, welche nach einiger Zeit aus den ursprünglichen an¬ 
geigt wurden, kam der Mikroorganismus nicht mehr zur Entwickelung. 

Thierversuche. Ein Meerschweinchen und eine Maus erhielten 
10 bezw. 1 ccm einer l 1 ^ tägigen anaeroben Bouilloncultur subcutan injicirt, 


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W. SlLBEEBCHMIDT: 


beide Thiere blieben am Leben. Mit dem frischen Material wurden keine 
Versuche angestellt. Ergebniss der bakteriologischen Untersuchung: Misch- 
infection von Streptokokken, Staphylokokken mit anderen Mikro¬ 
organismen, wovon ein anaerober Bacillus isolirt und weiter verfolgt 
wurde. 

Fall 6. Die 63 Jahre alte Weberin Tr. tritt am 12. August 1901 ins 
Spital wegen eines kalten Abscesses am rechten Oberschenkel; dieser Abscess 
wird am 16. VIII. incidirt und drainirt; am 6. September steht Pat. auf, 
der Gummidrain wird entfernt und die Secretion hört fast völlig auf. Am 
28. September, ohne nachweisbaren Anlass, steigt die Temperatur bis auf 
39 «8°. Am 30. IX. ist die Schwellung am unteren Theil des Oberschenkels 
wieder bedeutender; die bereits zugeheilten Wunden werden wieder geöffnet 
und es entleert sich nur wenig Eiter. Das Fieber bleibt hoch, die Eiterung 
wird stärker, Sehnen und Fascien stossen sich ab, die Abscesshöhle setzt sich 
bis in die Inguinalgegend weiter. Trotz ausgiebiger Drainage schreitet die 
Eiterung auch gegen den Unterschenkel weiter fort. Die Secretion wird immer 
profuser, aus allen Drainöffnungen strömt Eiter heraus. Ablatio, welche 
am 19. X. verweigert wurde, wird am 22. X., nachdem die Abscesse am 
Unterschenkel gazös geworden sind, vorgenoramen. Das Fieber nimmt zeit¬ 
weise ab, die Secretion ist aber noch sehr stark, der Eiter stinkend. Am 27. X. 
entsteht ein Gasabscess am linken Vorderarm und Tags darauf erfolgt unter 
zunehmender Schwäche Exitus. Bei der Section wurde gefunden: zum Theil 
septisch erweichter Thrombus der Vena fermoralis dextra, septisch 
erweichter Milztumor. Alte Endocarditis. 

Bakteriologische Untersuchung. Als Material diente am 22. X. 
entnommener Eiter, gelblich, dick, sehr übelriechend. 

Im directen mikroskopischen Präparat sind massenhaft Mikro¬ 
organismen vorhanden: Kokken, typische Streptokokken, in kürzeren 
und auch in längeren gewundenen Ketten, dünne schlanke, nach Gram 
nicht entfärbte, aber schwer färbbare Bacillen und einige wenige, ganz 
vereinzelte dickere Bacillen. 

Culturen. Agar aerob Colonieen von Streptokokken. In dem flüssig 
geimpften Agar sind oberflächlich und in der Tiefe Streptokokken. 

Gelatineplatte: Nach 3 Tagen, viele kleine Colonieen von Strepto-, 
einige Staphylokokken. 

Die Bouilloncultur zeigt nach 2 Tagen einen unangenehmen Ge¬ 
ruch und starken Bodensatz. 

In der anaörob angelegten Bouilloncultur ward am 5. Tag starker 
unangenehmer Geruch wahrnehmbar, im mikroskopischen Präparat sind Mikro¬ 
organismen, welche ursprünglich als unregelmässige, punktförmiggefärbte 
Stäbchen, bei weiterer Untersuchung aber als kurze Streptokokken er¬ 
kannt wurden. 

In einer zweiten anaerob angelegten Bouillon waren nach 8 Tagen an 
den Wandungen des Gefässes kleine, runde, kaum sichtbare weissliche 
Colonieen; mikroskopisch dieselben kurzen Streptokokken, welche zuerst von 
verschiedenen Untersuchern nicht als solche erkannt wurden, wegen der 
kleinen Dimensionen und wegen der schlechten Färbbarkeit. Auch in einer 


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Gangrexe foudroyante. 


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dritten anaeroben Pipette war der Befund derselbe. Auffallend war der 
eigenartige, unangenehme Geruch dieser anaeroben Bouillonculturen. Andere 
Mikroorganismen konnten in den Culturen keine nachgewiesen werden. 

Eigenschaften des isolirten anaeroben Streptococcus. Im 
mikroskopischen Präparat sind die Kokken klein, meist schwer zu färben, 
in gewissen Culturen, so z. B. in einer anaeroben Agar-Oberflächencultur 
sind die Ketten ganz typisch färbbar, in kurzen gebogenen Ketten, hier 
und da, allerdings nicht regelmässig waren die Kokken scheinbar eingehüllt 
in einer Kapsel. Die Färbung war ziemlich schwierig; die Kokken Hessen 
sich in der Regel nach Gram nicht entfärben. 

Culturen. Aehnlich den Strepto- bezw. Diplokokken-Culturen, aber 
streng anaerobesWacbsthum mässiger in Bouillon als in Zucker-Bouillon. 
Nach 2 Tagen Bodensatz und feiner Belag längs der Wandungen. Die 
Culturen haben einen deutlichen, unangenehmen Geruch. 

Agarstricb (anaörob). Kleine und scharf begrenzte, punkt- bis steck¬ 
nadelkopfgrosse, durchsichtige Colonieen; üppiges Wachsthum im Condens- 
w’asser. 

Agarstich. Wachsthum in der Tiefe; am Rand wellige Begrenzung, 
keine isolirten Colonieen. 

Milch, keine Gerinnung beobachtet. 

. Gelatine, kein Wachsthum. 

Thierversuche. Zwei Meerschweinchen und mehrere Mäuse 
wurden mit verschiedenen Mengen 2tägiger und älterer BouilIon-Rein- 
culturen des anaeroben Streptococcus injicirt, stets ohne Erfolg. 

Das Resultat der hier mitgetheilten bakteriologischen Untersuchung 
ist gewiss interessant. Wir begegnen neben den gewöhnlichen Strepto- 
und einigen Staphylokokken einem Mikroorganismus, der beim ersten 
Anblick wie ein gebogenes schlecht gefärbtes Stäbchen, bei näherer Unter¬ 
suchung aber als Streptococcus erkannt wird. Es ist dies ein streng 
anaProber Streptococcus; eine weitere Eigenthümlichkeit bestand darin, 
dass die anaöroben Bouillonculturen einen ganz ausgesprochenen, un¬ 
angenehmen Geruch zeigten. 

Dass der anaProbe Streptococcus in ziemlich grosser Zahl im ur¬ 
sprünglichen Eiter enthalten war, ist auf Grund der directen mikroskopischen 
Untersuchung wahrscheinlich; es gelang, denselben in drei mit dem ur¬ 
sprünglichen Eiter angelegten Culturen nachzuweisen. Dass dieser Mikro¬ 
organismus die Gasbildung hervorgerufen hat, ist nicht ausgeschlossen, 
kann aber nicht mit Bestimmtheit angenommen werden. Es sei mir ge¬ 
stattet, auf einen anderen eigenartigen Streptokokkenbefund auf¬ 
merksam zu machen. Bei einer älteren Patientin mit acut aufgetretener 
seniler Gangrän wurden bei der Section typische Streptokokken in 
grosser Menge direct mikroskopisch nachgewiesen. Auf Glycerinagar wurde 
nur in denjenigen Röhrchen (in dem ödematösen Arm uud in sämmt- 
lichen Organen: Herzblut, Milz, Leber) Wachsthum beobachtet, welche 


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\Y. Sllbekscumidt : 


mit Blut oder mit bluthaltigem Material beschickt worden waren. Ich 
dachte zuerst an eine Varietät des Streptococcus, da auch die zweite Ueber- 
impf'ung nur auf Blutagar wuchs, allein nach einigen weiteren Ueber- 
tragungen kam der Streptococcus auch auf gewöhnlichem Agar und in 
Gelatine zur Entwickelung. Eine derartige Beobachtung ist gewiss nicht 
ohne Interesse und beweist von Neuem, wie werthvoll die directe Unter¬ 
suchung und die Anlegung von mehreren Cultureu unter Umständen sein 
x kann. 

III. Fälle von Tetanus. 

Dass der Nachweis von Tetanusbacillen in Fällen von typischem 
Tetanus beim Menschen schwierig ist und häufig nicht gelingt, konnte 
ich wiederholt beobachten. In einigen Fällen führte der Thierversuch an 
weissen Mäusen zum Ziele; hier seien zwei im letzten Jahr untersuchte 
Fälle angeführt, bei denen der Nachweis von Tetanusbacillen auch 
im directen Ausstrichpräparat gelang. 

Im ersten Falle handelte es sich um einen Tetanus, der sich etwa 
14 Tage nach eiugetretener Frostgangräu beider Füsse ereignete. Der 
Fall verlief trotz Anwendung der Serumtherapie, lethal. In dem Gewebe¬ 
saft des einen gangränösen Theiles des Fusses liessen sich überall 
sehr viele typische Trommelschlägerformen nachweisen. Bis 
dahin hatte ich noch nie so viele Tetanusbacilleu im directen 
Ausstrichpräparat gesehen. Dass es sich thatsächlich um solche ge¬ 
handelt hat, beweist der Umstand, dass ganz geringe Mengen des Gewebe¬ 
saftes genügten, um den Tetanus bei Mäusen zu erzeugen und dass d.e 
Injection von directen auaeroben Agarculturen ebenfalls zu Tetanus führte, 
ln diesem Fall hat trotz der grossen Zahl von Tetanusbacillen die Incubation 
lang augedauert; das lässt sich vielleicht durch die in Folge der Gangrän 
aufgetretenen ungünstigen CirculationsVerhältnisse und durch die niedrige 
Temperatur im erfrorenen Fass erklären. Die Vermuthung, dass auch 
in den Culturen sehr viele Tetanusbacilleu zur Entwickelung gelangen 
würden, hat sich nicht bestätigt; es kamen ln den heiss geimpften Agar¬ 
röhrchen viele anaörobe Mikroorganismen zur Entwickelung, allein es 
stellte sich heraus, dass es ödemartige und andere Bacillen waren, hin¬ 
gegen sehr wenige erwiesen sich als Tetanusbacilleu. Durch die weitere 
l'eberimpfung einiger Colonieen auf Agar gelang die Isolirung verschiedener 
gasbildender anaerober, für Mäuse nicht virulenten Mikroorganismen, näht 
aber des Tetanusbacillus. 

Warum ist es in diesem Fall zum Tetanus und nicht zur Gasgaugrän 
gekommen? Yerneuil 1 hat drei Fälle von Gasphlegmone mit. Tetanus 

1 Yerneuil, Sem . m *' d . 1S90. Xr. 48. 


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Gangräne foudroyante. 


449 


mitgetheilt; bei dem einen wird nach der frühzeitigen Amputation die 
Gangrän sistirt, der Tod erfolgte in allen Fällen an Tetanus. Busch¬ 
mann und Lindenthal 2 nehmen an, dass bei der relativ langen In- 
cnbationszeit des Tetanus und der Perniciosität der Gasphlegmone die 
Individuen zu Grunde gehen, ehe es zur Hanifestirung des Tetanus kommen 
konnte. In unserem Falle müssen wir uns vielmehr fragen: Warum ist 
die Gasphlegmone trotz Vorhandensein von anaeroben gasbildenden Mikro¬ 
organismen nicht zu Stande gekommen? 

Ein zweiter, vor Kurzem beobachteter Fall von Tetanus ist auch 
interessant: Einem 9jährigen Knaben wurden am 21. XI. 1901 zwei Finger 
in einer Futterschneidmaschine abgeschnitten; am 25. XI. Spitalaufnahme, 
der Arzt exarticulirt den einen Finger; der nicht entfernte verletzte Finger 
ist etwas gangränös. Es wird eine sorgfältige Desinfection vorgenommen 
nnd die Demarcation abgewartet; am 27. XI. treten die ersten Erschei¬ 
nungen von Tetanus auf. Es werden sofort 40 Tetanusserum intravenös, 
am nächsten Tag weitere 20 ccm subcutan injicirt. Der Tod erfolgte in 
der Nacht vom 28./29. XI., 7 Tage nach der Verletzung. 

Bakteriologische Untersuchung. Im directen Ausstrichpräparat 
aus der Tiefe des exarticulirten Fingers sind Kokken, Kurzstäbchen, einige 
dicke Bacillen und vereinzelte Bacillen mit deutlichen Trommelschläger¬ 
formen vorhanden, die Sporen sind nicht alle gleich gross. Von zwei mit 
einer Aufschwemmung injicirten Mäusen starb die eine nach 23, die 
andere nach 25 Stunden. Die mit 2tägiger (anaßrober Agar- und aßrober 
Bouilloncultur mit Zusatz von Schwefelnatrium) Cultur injicirten Mäuse 
hatten ebenfalls nach 24 Stunden deutlichen Tetanus. 

Auch in einer anderen 9 tägigen directen Agarcultur waren mikro¬ 
skopisch und experimentell Tetanusbacillen nachweisbar, währenddem eine 
aus der anaßroben SNa 2 -Bouillon überimpfte Cultur keine Tetanusbacillen 
enthielt. Die Reinzüchtung der Tetanusbacillen mittels Culturen gelang 
in diesem Falle nicht wegen der Ueberwucherung der Culturen mit 
anderen widerstandsfähigen Anaßroben, welche in künstlichen Nährböden 
üppiger wuchsen, als der Tetanusbacillus. Die zwei isolirten Mikroorga¬ 
nismen, wovon der eine in Gelatine langsam verflüssigende'Colonieen bildete 
und der andere nur bei Brüttemperatur gedieh, waren beide Gasbildner. 

Die zwei angeführten Fälle liefern uns den Beweis, dass auch, wenn 
Tetanusbacillen in ziemlich grosser Zahl vorhanden sind, die Isolirung 
mittels Culturen erschwert werden kann durch die Anwesenheit 
anderer widerstandsfähiger anaßrober Bakterien, welche auf künstlichen 


1 Hitschmann nnd Lindenthal, Ueber die Gangrene foudroyante. Wien 
189». S. 186. 

Z«IUehr. f. Bjgiene. XLI. 

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450 


W. SlLBERSCHJILDT: 


Nährböden üppiger gedeihen Für den Nachweis Ton Tetanusbacillen 
ist zur Zeit wohl der Thierversuch das einzig richtige Mittel. Ferner 
ist der erste Fall insofern von Interesse, als es sich um einen heutzutage 
wohl seltenen Tetanus nach Frostgangrän handelt. Der Tetanus¬ 
bacillus kann sich auch in gangränösen, schlecht ernährten 
Körpertheilen vermehren. 

Methodik der AnaSrobenzflchtung. 

Die bei den vorliegenden Untersuchungen geübte Methode war folgende: 

1. Directe mikroskopische Untersuchung, wenn möglich aus 
verschiedenen Stellen und auch aus der Tiefe. 

2. Culturen in grösserer Anzahl in Gelatine, Agar, Bouillon mit 
und ohne Zuckerzusatz, Bouillon mit Schwefelnatrium. 

3. Culturen anaerob in Bouillon oder Zuckerbouillon (Vacuum oder 
H.-Atmosphäre), Agar und Gelatine (flüssig geimpft). Die isolirten anaeroben 
Bakterien wurden dann auf die verschiedenen Nährböden übergeimpft. 

4. Culturen in Agar und in Gelatine auf 80 oder 100° erhitzt. 

5. Thierversuche mit frischem Material an weissen Mäusen und 
an Meerschweinchen, nur einige Male an Kaninchen. 

6. Thierversuche mit directen Culturen und mit Reinculturen 
einiger Mikroorganismen. Die Injectionen wurden in der Begel subcutan 
oder intramusculär, intraperitoneal und manchmal intravenös gemacht. 

Die Anzahl der zur Züchtung und Isolirung der Anaörohen angegebenen 
Methoden ist bekanntlich eine sehr grosse. FiS wird wohl Niemand be¬ 
streiten, dass kein einziges Verfahren als ein ideales betrachtet werden kann 
und es ist begreiflich, dass eine einheitliche Methode noch nicht existirt 
Eine einfache Methode besteht wohl darin, dass das zu untersuchende 
Material in flüssig gemachtem, auf 40° abgekühltem und dann zum Er¬ 
starren gebrachtem Agar geimpft wird; da eine Anzahl bekannter Anafrobier 
ziemlich widerstandsfähig gegen höhere Temperaturen ist, wurde ferner 
in den meisten Fällen der Agar heiss bei 100° oder etwa 80° geimpft, 
so dass die meisten aerob wachsenden Bakterien abgetödtet waren. Die 
Isolirung aus der Tiefe bietet, wenn wenig geimpft wurde oder wenn 
genügend Verdünnungen angelegt werden, keine Schwierigkeit: man 
fischt eine Colonie mit der Platinöse, oder' besser mit einer sterilen aus¬ 
gezogenen Pasteur’schen Pipette heraus und überimpft weiter. 

Fast regelmässig habe ich auch gewöhnliche (aerobe) Bouillon mit 
oder ohne Zusatz von Traubenzucker mit dem Material geimpft und in 
Bestätigung des von anderen Autoren schon Mitgetheilten beobachtet, dass 
auch streng anaerobe Bakterien, vermengt mit aeroben, bei Luftzutritt 
üppig wachsen konnten. 


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GangbEne foudboyante. 


451 


Neben den im Verlauf meiner Untersuchungen über Gasgangrän 
gesammelten Beobachtungen, wonach in sämmtlichen Bouillonculturen, 
neben aeroben auch streng anaerobe Mikroorganismen bei Luftzutritt 
wuchsen, habe ich einige Versuche angestellt, um die Fähigkeit der 
Anaeroben, in Reinculturen von aeroben Bakterien zu wachsen, 
einer Prüfung zn unterziehen. 

Hier seien folgende Resultate mitgetheilt: 

Es wurde der Bacillus des malignen Oedems übergeimpft in Bouillon; 
derselbe entwickelte sich bei Luftzutritt mit zwei verschiedenen Strepto¬ 
kokkenstämmen, B.coli, Typhus, Proteus, Cholera, Pyocyaneus, 
Subtilis, Actin. Eppinger und mit einem säurefesten Butter¬ 
bacillus. Es stellte sich heraus, dass Wachsthum erfolgte bei gleich¬ 
zeitiger Impfung beider Bakterien und auch bei Ueberimpfung des Anaeroben 
in frische oder in ältere Culturen des Aeroben. Es kam z. B. in der 
Streptokokkenoultur zur typischen Gasbildung in Zuckerbouillon nachdem 
der Bac. oedem. mal. übergeimpft worden war. Eine ältere (einen 
Monat alte) Staphylokokkencultur erwies sich als ungeeignet. Einige weitere 
Versuche wurden mit erhitzten Bouillonculturen von Proteus und 
von Pyocyaneus vorgenommen mit theilweise positivem Resultate. 

Ein Versuch mit, im Chamberland’schen Filter, filtrirter Heu* 
bacillencultur verlief auch positiv; der geimpfte B. oed. mal. aus 
dem ersten Fall war schon nach 24 Stunden nachweisbar, und am 2. Tage 
war auch der Geruch typisch. 

Ferner wurde die von Trenkmann 1 angegebene Methode des Zu¬ 
satzes von Schwefelnatrium zu Bouillon in einer grossen Anzahl von 
Culturen häufig mit Erfolg geübt. In der Regel wurden 10 bis 20 Tropfen 
einer 1 procent. sterilisirten Lösung pro Röhrchen verwendet. Es ist 
wichtig, das richtige Präparat zu verwenden und die Lösung frisch 
zu verbrauchen, da dieselbe nicht lange haltbar ist 

Versuche mit Schwefelleber und mit Schwefel Wasserstoff lieferten 
keine befriedigenden Resultate, das in letzter Zeit von Hammerl * 
empfohlene Schwefelammonium habe ich nicht nachgeprüft. 

Auf einen weiteren Umstand, den ich wiederholt beobachtet habe, 
möchte ich noch aufmerksam machen: In verschiedenen, mit einem 
Stückchen des excidirten Gewebes geimpften, erhitzten Bouillonculturen 
konnte ich anaerobe Mikroorganismen züchten. Es genügt ein kleines 
Fleischstückchen am Boden des Röhrchens, um das aerobe 
Wachsthum des Anaeroben zu ermöglichen. 


1 CentraJJblatt für Bakteriologie . Bd. XXIII. S. 1042. 

* Ebenda. Bd. XXX. S. 658. 

29 ♦ 


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Original frum 

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452 W. Silberschmedt: 

Aus dem Gesagten geht hervor, dass bei Misohinfectionen von anaeroben 
mit aeroben Mikroorganismen die Culturen in Bouillon oder in Zucker¬ 
bouillon nicht nur die aeroben, sondern auch die anaeroben Mikroorga¬ 
nismen in lebensfähigem Zustande und häufig in ziemlich grosser MeDge 
enthalten und dass es u. A. auch gelingt, wenn ein Stückchen Gewebe 
übergeimpft wurde, eine aerobe Reincultur eines Anaeroben zu erhalten. 

Ob die Virulenz bei aerober Züchtung geschwächt wird, kann 
ich auf Grund meiner Untersuchungen nicht sagen; hingegen hatLebrand 1 
gefunden, dass der Tetanusbacillus bei gleichzeitiger Ueberimpfung 
und aerober Züchtung mit B. subtilis mindestens ebenso viel Toiin 
bildet, als in anaerober Reincultur. In einer 2 tägigen aeroben SXa,- 
Bouillon waren in dem einen Tetanusfall virulente Tetanusbacillen ent¬ 
halten; es schien mir aber, dass die Culturen in SNa,-Bouillon in der 
Regel nicht so virulent waren, wie anaörobe. 

Die isolirten Mikroorganismen wurden in Bouillon, Agar, Gelatine 
und Milch, manchmal auch auf Serum und auf Kartoffel anaerob ge¬ 
züchtet Die geimpfte Bouillon wurde meist, in Pipetten aufgesogen und 
im Vacuum nach Aspiration der Luft aufbewahrt. Dies Verfahren ist 
ein rasches und sehr bequemes: die Herstellung der oben etwas ein- 
gezogenen Pipetten bietet keine Schwierigkeit und der Verschluss ist ein 
ganz sicherer. Der einzige Nachtheil besteht darin, dass nur geringe 
Mengen Cultur in einer Pipette enthalten sind, und dass nach dem Oeffnen 
ein weiteres Wachsthum nicht erfolgt. Für grössere Mengen wurden mit 
Gummistöpseln gut verschlossene dickwandige Reagensröhrchen verwendet; 
für die Oberflächenculturen nach Büchner in einem weiteren Gefäss 
Pyrogallussäure und Natronlauge gemischt und das oder die geimpften 
Röhrchen bei gleichzeitiger Anwendung von Luftpumpe und Wasserstoff¬ 
apparat weiter verfolgt. 

Auf einen Punkt sei noch aufmerksam gemacht, welcher erst in 
neuerer Zeit Berücksichtigung gefunden hat, auf die Isolirung der 
Anaeroben. Ein jeder Forscher, der sich eingehender mit Anaeroben 
befasst hat, weiss, dass in vielen Fällen nicht eine, sondern ver¬ 
schiedene Anaörobenarten neben einander Vorkommen; dies konnte 
ich namentlich bei der Untersuchung von Material aus Tetanusfällen be¬ 
obachten. Dieser Umstand erschwert die Isolirung und namentlich die 
Deutung des Versuchs um ein Bedeutendes. In Bezug auf Wachsthnm 
auf künstlichen Nährböden ist das Verhalten der einzelnen Mikroorganismen 
verschieden und es kann Vorkommen, wie z. B. in den zwei Tetanusfällen, 
dass eine Reihe von verschiedenen ai'roben und anaöroben Bakterien wachsen, 


1 Annalen de VInstitvt Fasteur * 1900. p. 757. 


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GangeEne foudeoyante. 


45 a 


dass aber der eigentliche Krankheitserreger nur spärlich oder gar nicht zur 
Entwickelung gelangt. Wenn der Krankheitserreger, der Tetanusbacillus, 
eine grosse Pathogenität für Thiere besitzt, so gelingt der Nachweis durch 
den Thierversuch sehr leicht, wenn aber, wie in einigen unserer Fälle, die 
Thierpathogenität des frischen Materials schon gering ist, so ist es unmöglich, 
die Bedeutung des einzelnen isolirten Mikroorganismus zu bestimmen. 

Von Hibler 1 macht den Vorschlag, zur Isolirung der pathogenen 
Anaeroben den Thierrersuch heranzuziehen und die im Thierkörper zur 
Entwickelung gekommenen Bakterien weiter zu verfolgen. Diese Methode, 
welche gewiss in einigen Fällen zu einem Resultate führen wird, kann 
aber nicht als eine allgemein anwendbare betrachtet werden. 

Nach dem Gesagten sei hervorgehoben, dass weder die culturelle, 
noch die experimentelle Methode in allen Fällen ausreicht; es sind viel¬ 
mehr in jedem Falle verschiedene Methoden neben einander anzuweuden. 
Auf Grund eigener Erfahrungen möchte ich der directen mikroskopi¬ 
schen Untersuchung des verdächtigen Materials einen besonderen 
Platz einräumen. Wie oft wird Eiter oder Secret nur auf Agar ge¬ 
impft und nachher auf Grund der Untersuchung der Cultur eine Rein- 
infection mit C!oli oder mit Streptokokken angenommen, währenddem 
die directe Untersuchung die Anwesenheit massenhaft anderer Bakterien 
ergeben hätte. Auf diesen Umstand haben u. A. Veillon und Zuber* 
in ihrer schönen Arbeit aufmerksam gemacht. Die directe mikroskopische 
Untersuchung muss aber richtig ausgeführt werden, ein Präparat nach 
Gram und ein zweites mit Methylenblau gefärbt, führt in der Regel zum 
Ziele. Bei Gasphlegmouen genügt es aber nicht, die Untersuchung des 
Secrets vorzunehmen, wie ich in einem Falle (2) zu beobachten Gelegen¬ 
heit hatte. Währenddem in den Präparaten von Wundsecret und von 
der Oberfläche nur Kokken nachweisbar waren, gelang es ohne Schwierig¬ 
keit, in der Tiefe, namentlich im veränderten Muskel, zahlreiche dicke 
Bacillen nachzuweisen. Es ist anzurathen Material aus verschiedenen 
Stellen zu entnehmen. Auch in den zwei Fällen von Tetanus war die 
directe Untersuchung werthvoll: es konnten namentlich in dem einen 
Falle zahlreiche typische Tetanusbacillen direct nachgewiesen werden, 
währenddem in den Culturen fast nur andere anaörob wachsende Mikro¬ 
organismen zur Entwickelung kamen. Allerdings giebt die directe mikro¬ 
skopische Untersuchung allein auch nicht genügenden Aufschluss; der 
Pleomorphismus gewisser Anaöroben und die Aehnlichkeit ver¬ 
schiedener Mikroorganismen im mikroskopischen Bilde gestattet häutig 
nicht, mit Bestimmtheit die Anzahl der Arten anzugeben. 

1 A. a. 0. 

* Arch. de mid. exp. 1898. Nr. 4. 


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454 


W. Silbekschmidt: 


Die Annahme, dass z. B. bei Bauschbrand und bei anderen durch 
Anaerobe bedingten Krankheitsprocessen nur ein anaerober Mikroorganismus 
zugegen sei, hat manche Autoren irre geführt, so dass wiederholt Misch- 
culturen als Reinculturen angesehen wurden. 

Die Ansichten der verschiedenen Autoren, welche sich in den letzten 
Jahren mit der Aetlologie der Gangräne foudroyante befasst haben, 
gehen noch ziemlich weit aus einander. Welch 1 2 hat 46, im Laufe der 
letzten 7 Jahre veröffentlichte Fälle sammeln können, in welchen der 
B. aörogenes oapsulatus (B. phlegmones emphysematosae) nach¬ 
gewiesen werden konnte, davon wurden 32 von amerikanischen und nur 
14 von anderen Autoren (darunter 4 von E. Fraenkel, 5 von Hitsch- 
mann u. Lindenthal und 3 von Muscatello) beschrieben. E. Fraenkel* 
betrachtet die durch den B. phlegm. emphys. erzeugte Erkrankung als 
eine Krankheit kat exochen, unter zwanzig in der Litteratur gesammelten 
Fällen wird in der überwiegenden Mehrzahl dieser Mikroorganismus als 
der Krankheitserreger bezeichnet. Die durch den Bacillus des malignen 
Oedems bedingte Erkrankung ist nach Ansicht von F. eine ganz andere, 
da beim Thierversuch ein sich langsam ausbreitendes teigiges Oedem auf- 
tritt mit Aussickern der trüben Flüssigkeit, aber ohne Gasbildung, so 
dass er an der Verschiedenheit beider Krankheitsbilder festhält 
im Gegensatz zu Hitschmann u. Lindenthal 3 4 5 , weichein ihren Schluss¬ 
folgerungen die Gangräne foudroyante als einen Sammelbegriff von 
klinisch und anatomisch einheitlichen, ätiologisch aber differenten Infectionen 
betrachten und die Bacillen des malignen Oedems an erster Stelle und 
dann den B. aärogenes capsulatus, Bact. coli communis und Proteus, als 
Erreger der Gangräne foudroyante anführen. Grassberger u. Schatten¬ 
froh* sind der Ansicht, dass der von ihnen mit dem Namen „Granulo- 
bacillus saccharobutyricus immobilis liquefaciens“ identisch 
mit dem B. aärogenes capsulatus sei, und dass demselben nicht nur 
bei der Gasgangrän, sondern auch • beim Rauschbrand eine ätiologische 
Bedeutung zukomme. Die Autoren haben sich eingehend mit den Stoff- 
wechselproducten der betr. Bakterienart befasst. 

In seiner äusserst interessanten und ausführlichen Arbeit über die 
durch den B. aerogenes capsulatus bedingten Erkrankungen bemerkt 
Welch 6 , dass die Frage der Bedeutung des Bacillus des maligneu 


1 Bull, of the Johns Hopkins Hospital. Sept. 1900. p. 188. 

2 Münchener med. Wochenschrift. 1899. S. 1869 u. 1420. 

3 A. a. 0. S. 165. 

4 Münchener med. Wochenschrift. 1900. S. 1733. — Archiv für Ilypene. 

Bd. XXXVII u. a. 

5 A. a. 0. p. 191. 


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GangbEne foudboyante. 


455 


Oedems beim Menschen noch genaue Nachforschungen erfordert, indem 
die früheren Autoren nicht mit exacten Methoden gearbeitet haben und 
es ihm und E. Fraenkel, welche wohl die grösste Anzahl von Fällen 
von Gasgangrän, „Emphysematous gangrene“ beobachtet haben, nicht 
gelungen ist, in einem einzigen Falle diesen Bacillus nachzuweisen. 

In dem von Brabec 1 veröffentlichten Fall mit positivem Befund 
handelt es sich um ein blutiges Oedem ohne Gasbildung, also nicht um 
eine Gangräne foudroyarite und in den zwei von Haemig und Silber* 
schmidt* beschriebenen Fällen sei kein genügender Beweis erbracht, um 
die Diagnose B. oedematis maligni zu rechtfertigen. Dieser letzte Ein* 
wand ist berechtigt; ich wollte weitere Untersuchungen und weitere Er¬ 
fahrungen sammeln, bevor ich die bakteriologischen Untersuchungen aus¬ 
führlich mittheilte. Nach der oben angeführten Beschreibung wird Welch 
wohl zugeben, dass die in den zwei Fällen von Gangräne foudroyante (1 u. 2) 
aus verschiedenen Stellen isolirtenMikroorganismen nichtdem B. aörogenes 
capsulatus entsprechen. Die deutliche Beweglichkeit, die Sporenbildung, 
die rasche Verflüssigung der Gelatine, die Peptonisirung der Milch, der 
üble Geruch sämmtlicher Culturen sind wohl genügende Eigenschaften, um 
den betreffenden Mikroorganismus als in die Gruppe des malignen Oedems 
gehörend, zu bezeichnen. Vielleicht erscheint es gerechtfertigt, hier die 
anderen von Welch angegebenen Differenzirungsmerkmale ebenfalls an¬ 
zuführen und zwar die Neigung, Fäden zu bilden, die leichtere Entfärb- 
barkeit nach Gram und der negative Versuch der Gasbildung, wenn 
Kaninchen kurz vor dem Tode inficirt werden. Diesen Versuch habe ich 
ebenfalls ausgeführt: ein Kaninchen und ein Meerschweinchen erhielten 
intravenös bezw. intraperitoneal grössere Mengen einer Cultur injicirt, 
wurden nach einigen Minuten getödtet und bei (ziemlich hoher) Zimmer¬ 
temperatur, etwa 24 Stunden lang aufbewahrt. Bei der Section war keine 
Gasbildung, weder subcutan, noch in den Organen nachzuweisen. Die 
Entfärbbarkeit nach Gram ist eine Eigenschaft, welcher nach meinen 
Versuchen differentialdiagnostisch keine grosse Bedeutung zu¬ 
kommt. In Culturen konnte ich bei vergleichenden Untersuchungen der 
zwei isolirten Mikroorganismen mit der Stammcultur des Instituts fest¬ 
stellen, dass alle 3 Bacillen bei kurz dauernder Entfärbung die Farbe 
beibehalten, bei starker Entfärbung leichter entfärbt werden, als z. B. der 
Milzbrandbacillus. Die Fadenbildüng habe ich auch beobachtet, nament¬ 
lich ist die verschiedene Länge der Einzelglieder von Wichtigkeit. 

Es ist angezeigt, die Differentialdiagnose mit dem „Rauscli- 


1 Wiener klin. Rundschau. 1000. S. 145 u. 167. 

* A.a.0. 


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456 


W. Silberschmidt : 


brandbacillus“ zu besprechen, da die Fälle von Gangräne gazeuse häufig 
noch als „Rauschebrand“ bezeichnet werden. Die von den einzelnen Autoren 
angegebenen Unterscheidungsmerkmale sind nicht ganz übereinstimmend. 
Kruse 1 giebt als Hauptunterscheidungsmerkmal die Lagerung, die Breite, 
die Form der Sporen an, beim Bacillus oedematis maligni sollen die 
Sporen meist in der Mitte der isolirten Stäbchen sein, ohne wesentliche 
Auftreibung der letzteren; die nach Fraenkel und Pfeiffer repro- 
ducirte Fig. 66 zeigt aber auch einen etwas verdickten sporentragenden 
Bacillus. Die Sporen des Riuschbrandbacillus sind kurz, elliptisch, mittel¬ 
oder endständig und übertrifft ihre Dicke, besonders im letzteren Falle, 
die des Stäbchens. Lehmann und Neumann 1 * geben als Unterscheidungs¬ 
merkmal für den Bac. oedem. maligni an, die langen gegliederten 
Fäden im Oedem, den constanten Befund in der Galle, die Nichtfarb¬ 
barkeit nach Gram und die Pathogenität für Kaninchen, währenddem 
beim „Rauschbrandbacillus“ keine langen Fäden im Oedem, und 
meist eine geringe Pathogenität für Kaninchen und Mäuse vorhanden ist. 
v. Hibler 8 hat bei Verwendung von Hirnnährböden eine Schwärzung 
beim Bac. oedem. malign., nicht aber beim „Rauschbrandbacillus“ beobachtet. 
Auch Hitschmann und Lindenthal 4 5 vertreten die Ansicht, dass 
Kaninchen sehr empfänglich für das „maligne Oedem“, aber ganz refractär 
gegen „Rauschbrand“ sind. Bei Meerschweinchen soll nach Kitasato 8 
das maligne Oedem nach subcutaner Injection ein ausgebreitetes Oedem 
mit vereinzelten oder fehlenden Gasblasen, der Rauschbrandbacillus 
hingegen eine Anhäufung von Gas im Unterhautzellgewebe bedingen. 

Im Verlaufe ihrer Studien über Anaerobe haben A. Schattenfroh 
und R. Grassberger der Fähigkeit der Mikroorganismen, Buttersäure 
zu bilden, eine grosse diagnostische Bedeutung zugeschrieben. Die Prüfung 
der Stoffwechselproducte ist von Wichtigkeit; allein es ist heutzutage nicht 
mehr möglich, nach den chemischen Leistungen Bakterien zu unterscheiden 
oder zu identificiren. Auf die Aehnlichkeit zwischen den bei Ranschbrand 
und bei Gasphlegmone gefundenen Mikroorganismen haben Sch. und G. 
wiederholt aufmerksam gemacht In ihrer letzten Veröffentlichung 6 kommen 
die Verfasser zu dem Schluss, dass dem Erreger des „Rauschbrandes“ 
ein doppelter Formen- bezw. Entwickelungskreis zukomme; es wird neben 
dem unbeweglichen, sporenfreien, für Thiere unschädlichen Bacillus eine 


1 Flügge, Mikroorganismen. 1896. II. S. 234. 

1 A. a. O. 2. Aufl. S. 289. 

8 Centralblatt für Bakteriologie . 1899. Bd. XXV. 

4 Ueber die Gangrene foudroyante . Wien 1899. S. 129. 

5 Diese Zeitschrift . Bd. VI. 

6 Münchener med. Wochenschrift . 1901. Nr. 33. S. 1812. 


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GangrEne foudroyante. 


457 


zweite, bewegliche, sporentragende, in Agar anders wachsende pathogene 
Clostridiumart anerkannt. 

Die hier angeführten Merkmale beweisen, was auch Leclainche et 
Valide 1 * * angeben, dass sehr nahe Beziehungen zwischen beiden Mikro¬ 
organismen bestehen. Nach diesen letzterwähnten Autoren ist aber eine 
Unterscheidung durch die längeren Formen in der Oedemflüssigkeit und 
durch die streng specifische Serumreaction möglich. Trotz der fast regel¬ 
mässig beobachteten Anschwellung der sporenhaltigen Bacillen, der schweren 
Entfärbbarkeit nach Gram und der geringen Pathogenität für Kaninchen 
und Mäuse betrachte ich die in beiden Fällen (1 u. 2) isolirten Mikro¬ 
organismen als Vertreter der Gruppe des Bac. des malignen Oedems. 
Bei dem grossen Pleomorphismus der fraglichen Bakterienarten und bei 
der Schwierigkeit, dieselben zu isoliren, erscheint es angezeigt, noch weitere 
Untersuchungen abzuwarten, um ein bestimmtes Urtheil zu fallen. Auf 
Grund meiner Erfahrungen neige ich zur Ansicht, dass verschiedene Mikro¬ 
organismen im Stande sind, ein ähnliches Krankheitsbild hervorzurufen. 

Ganz besonders sei betont, dass nach unseren Untersuchungen der 
Pathogenität für Thiere für die Diagnose keine grosse Be¬ 
deutung zukommt. Es ist dies von verschiedenen Autoren hervor¬ 
gehoben worden; trotzdem wird aber dieses Moment noch immer differential- 
diagnostisch zu verwerthen versucht. 

In seiner grundlegenden Arbeit giebt R. Koch * in Bezug auf Virulenz 
der Oedembacillen bei Meerschweinchen an, dass, wenn die Impfung 
sicher sein soll, das Corium völlig durchtrennt werden muss; dann wirken 
auch sehr kleine Impfmengen tödtlich. In der Veröffentlichung von 
Gaffky® vernehmen wir, dass die höchste Virulenz bereits in der ersten 
Generation erreicht wird. Bekanntlich haben verschiedene Forscher, so 
z. B. Berson 4 unter den prädisponirenden Momenten die Mischinfection, 
die chemische oder die mechanische Läsion, namentlich aber das Bestehen 
einer „offenen“ Fractur, angeschuldigt und deren Bedeutung experimentell 
nachgewiesen. Es ist mir wiederholt gelungen, nach subcutaner Injection 
von Erde, Staub aus einer Rosshaarspinnerei oder von Culturen aus Erde 
und aus Staub bei den Laboratoriumsthieren, eine acut tödtlich verlaufende 
Erkrankung mit typischem Befund von Oedembacillen zu beobachten: mit 
dem direct vom Menschen stammenden Material, welches eigentlich noch 
schädlicher wirken sollte, fielen viele Thierversuche negativ aus, ein neuer 


1 Annales de VInstitut Pasteur. 1900. p. 596. 

1 Mittheilungen aus dem Kaiserl. Gesundheitsamte . Bd. I. S. 54. 

% Ebenda. Bd. I. S. 112. 

4 Annales de VInstitut Pasteur. 1895. 


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W. Silberschmidt: 


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Beweis dafür, dass die Passage durch den menschlichen Organis¬ 
mus die Thierpathogenität des Bac. oedem. maligni nicht noth- 
wendiger Weise erhöht. Auf Grund der Pathogenität erscheint 
es mir nun nicht mehr möglich, die einzelnen pathogenen 
Anaeroben zu unterscheiden. Dabei möchte ich es aber nicht unter¬ 
lassen, hervorzuheben, dass es in Folge dessen sehr schwer fällt, den 
oder die eigentlichen Krankheitserreger mit Bestimmtheit za 
erkennen. Während in den Fällen 1 u. 2 bei der directen Untersuchung 
und in sämmtlichen Culturen nur 2 Mikroorganismen zur Entwickelung 
kamen, waren in einigen anderen Fällen mikroskopisch und culturell eine 
grössere Anzahl verschiedener Arten zugegen. Es genügt nicht, wie dies 
noch allzu häufig geschieht, diejenigen Mikroorganismen, deren Isolirung 
und Reinzüchtung gelungen ist, als die Krankheitserreger hinzustellen; 
andererseits ist der negative Ausfall des Thierversuchs mit einer Reincultur 
nicht beweisend gegen die Specifität des betreffenden Mikroorganismus. 

Diese Auseinandersetzungen scheinen mir von Bedeutung, um die 
von verschiedenen Autoren gemachten Angaben kritisch zu beleuchten. 
Es liegt wohl ausser Zweifel, dass der von Welch und von E. Fraenkel 
wiederholt nachgewiesene Mikroorganismus als einer der Krankheitserreger 
bezeichnet werden kann. Ob in sämmtlichen von den genannten Autoren 
angeführten Fällen ein und derselbe Mikroorganismus gefunden wurde, 
ist schwer zu sagen. 

Der Bacillus des malignen Oedems ist nach den mitgetheilten 
Fällen wohl auch als Erreger der Gasphlegmone zu betrachten. Dieser 
Mikroorganismus ist gewiss im Stande, Gasbildung im menschlichen Orga¬ 
nismus zu erzeugen: dies beweisen unsere zwei ersten Fälle, namentlich 
und zweifellos Fall 2. Wäre es bei der einen Patientin noch angängig, 
das Bact. coli commune als bei der Gasbildung mitbetheiligt zu betrachten, 
so ist dies im 2. Falle, in welchem neben dem Bacillus oedem maligni 
nur Streptococcus pyogenes nachgewiesen werden konnte, nicht mehr 
möglich. 

Somit anerkenne ich mit Hitschmann und Lindenthal, dass 
eine Anzahl von Mikroorganismen als Erreger der „Gangröne fou- 
droyante“ aufzufassen sind. Nur die eine Frage, ob B. coli oder Proteus 
vulgaris allein im Stande sind, das bekannte Krankheitsbild hervorzurufen, 
möchte ich nicht in bejahendem Sinne beantworten. Auf Grund 
meiner Erfahrungen bin ich geneigt, die typische Gasgangrän anae¬ 
roben Mikroorganismen zuzuschreiben. In den wenigen veröffent¬ 
lichten Fällen mit Coli- oder mit Proteusbefund hätte möglicher Weise 
eine genauere Untersuchung zur Entdeckung von anaCroben Mikroorga¬ 
nismen geführt. 


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Gangräne foudroyante. 


459 


In letzter Zeit ist im Anschluss an eine Veröffentlichung von Doerfler 1 
die Therapie der Gangrän zum Gegenstand verschiedener Arbeiten 
geworden. Allerdings wurde die Sache mehr vom praktischen Standpunkte 
aus behandelt. Doerfler spricht sich in seiner ersten Mittheilung mit 
Entschiedenheit gegen die Amputation in allen Fällen von Gangräne aus, 
auch bei Gangräne foudroyante, malignem Oedem u. s. w., da bei Auftreten 
der Gangrän das Blut schon vergiftet, inficirt ist; von Bergmann und 
sein Assistent Heinrich Wolff*, betonen, dass in gewissen Fällen die 
Amputation die einzig lehensrettende Operation darstellt, und diese Ansicht 
wird u. A. auch von einem Assistenten von Angerer’s, Brauser, ge- 
theilt. Die meisten Autoren, welche sich eingehend mit der Frage befasst 
haben, betonen, dass es nicht möglich ist, eine allgemeine gültige Hegel 
zu geben. Vielleicht ist die bakteriologische Untersuchung für die Be¬ 
antwortung des einzelnen Falles nicht ohne Bedeutung. 

In den meisten wissenschaftlichen Werken und auch in den Lehr¬ 
büchern wird das maligne Oedem als eine hauptsächlich durch das er¬ 
zeugte Gift schädlich wirkende toxische Erkrankung bezeichnet. Es ist 
durch die Arbeiten von Roux u. A. nachgewiesen, dass in Culturen des 
Vibrion septique Toxin enthalten ist, und dass es gelingt, Thiere mit 
bakterienfreien Filtraten zu tödten; mit den Stoffwechselproducten allein 
ist aber das typische Bild der Gasgangrän wohl noch nicht hervorgerufen 
worden. Eine scharfe Unterscheidung zwischen toxischer und infectiöser 
bakterieller Erkrankung ist heutzutage nicht mehr möglich; wir wissen, 
dass auch bei den sogenannten infectiösen Erkrankungen die Stoffwechsel- 
producte der Bakterien die Hauptrolle spielen, wie bei den toxischen: bei 
ersteren ist aber eine deutliche Vermehrung der Krankheitserreger im 
inficirten Organismus nothwendig, bei letzteren nicht, oder nur in geringem 
Grade. Dass zwischen diesen zwei Grundtypen alle Uebergänge existiren, 
braucht nicht besonders betont zu werden. Bei der „Gangräne foudroyante“ 
kommt es in der That zu Erscheinungen (z. B. Delirien), welche einer 
Intoxication zuzuschreiben sind, allein diese Vergiftuugssymptome können 
bei Amputation der befallenen Extremität wieder völlig verschwinden, was 
beim Tetanus bekanntlich nicht der Fall ist. Ferner ist zur Entstehung 
der schweren allgemeinen Symptome schon ein grosser Krankheitsherd 
erforderlich, wiederum im Gegensatz zum Tetanus. 

Die Vermehrung des oder der Krankheitserreger ist bei der 
Gasgangrän im ganzen befallenen Gebiete wahrzunehmen; wo Gas¬ 
bildung vorhanden ist, sind auch die betreffenden Mikroorganismen nach- 


1 Münchener med. Wochenschrift. 1900. Nr. 17 u. 18. 
* Ebenda. 1900. Nr. 48. 


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460 


W. Silbebschmidt: 


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weisbar. Die Ausbreitung findet in der Regel nicht auf dem Blut¬ 
wege statt, sondern per continuo; darin ist auch das günstige Moment für 
den operativen Eingriff zu erblicken. Der primäre Krankheitsherd ist 
häufig auch der Ausgangspunkt für eine Septicämie, wie z. B. in unserem 
2. Fall, wo Streptokokken im Blute nachgewiesen worden sind. Durch 
neuere Untersuchungen wissen wir, dass Mikoorganismen viel häufiger im 
Blute Vorkommen, als dies früher angenommen wurde; Prohaska konnte 
im Blute von 60 der Reihe nach, ohne Auswahl, untersuchten Pneumonie¬ 
kranken Pneumokokken nachweisen, obschon bei den wenigsten die Er¬ 
krankung tödtlich verlief. Dass ein gangränöser Krankheitsherd, wie in 
unserem 2. Fall die Septicämie sehr ungünstig beeinflussen kann, und 
dass namentlich unter solchen Umständen eine Amputation angezeigt er¬ 
scheint, braucht wohl nicht besonderer Beweise.- 

Für das Auftreten der Gangrene foudroyante beim Menschen 
sind viele prädisponirende Momente erforderlich. Bekanntlich kann 
man die betreffenden Krankheitserreger als „ubiquitär“ bezeichnen; die¬ 
selben lassen sich namentlich im Boden und im Darminhalt nachweisen, so 
dass eine jede mit Erde, Mist u. s. w. inficirte Wunde diese Mikroorganismen 
enthält. Wie oft kommen derartige Infectionen vor und wie selten ist 
die Gasgangrän! In den meisten Fällen ist eine complicirte Fractur 
die eigentliche Ursache der Erkrankung; die schwere Ernährungsstörung 
uud die mechanische Schädigung gestatten den Mikroorganismen, welche 
unter günstigeren Verhältnissen von den Phagocyten zerstört worden 
wären, die Weiterentwickelung. Selten sind diejenigen Fälle von Gas¬ 
gangrän, welche ohne Fractur entstehen, wie z. B. die zwei von Brieger 
und Ehrlich 1 beschriebenen: die Erkrankung entstand bei zwei Typhus- 
kranken nach einer Morphiuminjection mit einer inficierten Spritze. Es 
ist nicht ausgeschlossen, dass, z. B. bei kaltem Abscess, bei schon be¬ 
stehender Infection die Gasgangrän als Secundärinfection auftritt; die 
häufigsten Fälle, die im Anschluss an schwere Traumen vorkommenden, 
speciell complicirte Fracturen, sind wohl als primäre Mischinfectionen 
aufzufassen. In Folge der verminderten Widerstandsfähigkeit des Orga¬ 
nismus kommt es zu der localen Affection und wahrscheinlich nicht selten 
zur AUgemeininfection auf dem Blutwege. 

Die anaeroben Mikroorganismen, welche als die Erreger der Gas¬ 
gangrän betrachtet werden, entwickeln sich local und sind im Stande, in 
das gesunde Gewebe immer weiter zu wandern. An dem primären Krank¬ 
heitsherd vermehren sich aber auch die aeroben Mikroorganismen, und 
zwar ist es wahrscheinlich, dass die aeroben die Entwickelung der 


1 Berliner klin. Wochenschrift. 1888. 


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Gangräne foudroyante. 


461 


anaöroben Bakterien begünstigen; diese aeroben Krankheitserreger werden 
aber auch auf dem Blntwege weiter verschleppt, wie dies für den Strepto¬ 
coccus in Fall 2 nachgewiesen werden konnte. Wenn Doerfle r 1 annimmt, 
dass beim Auftreten der ersten Symptome von Gasgangrän eine Blutver¬ 
giftung schon vorhanden, und dass daher die Amputation der erkrankten 
Extremität ohne Nutzen ist, so erscheint diese Schlussfolgerung nicht ge¬ 
nügend begründet: so lange der ursprüngliche Krankheitsherd besteht, so 
lange kommt es daselbst zur Vermehrung der aeroben und der anaeroben 
Bakterien; wird der primäre Herd entfernt, so wird gleichzeitig die Haupt¬ 
bildungsstätte für sämmtliche Mikroorganismen aufgehoben. Die im Blute 
kreisenden Bakterien werden durch diesen Eingriff nicht direct vernichtet; 
wohl aber ist der Organismus im Stande, den Kampf gegen dieselben mit 
grösserer Aussicht auf Erfolg aufzunehmen. Es darf daran erinnert werden, 
dass bei nekrotischen und bei ähnlichen Processen der Alexingehalt im 
Blutserum abnimmt und wahrscheinlich auch die Widerstandsfähigkeit 
gegen Infectionen. Damit soll allerdings nicht behauptet werden, dass 
die sofortige Amputation in jedem Falle von Gasgangrän indicirt ist. 

Es darf nochmals darauf aufmerksam gemacht werden, dass unter 
gewöhnlichen Umständen, d. h. wenn keine schwere Verletzung oder 
Schwächung des Organismus vorliegt, die Gefahr der Infection mit 
den ubiquitären sehr widerstandsfähigen Erregern der Gas¬ 
gangrän eine sehr geringe ist. Eine kleine mit Mist, Gartenerde u. s. w. 
inficirte Wunde ist tetanusverdächtig, obschon in der Regel mehr Oedem 
als Tetanusbacillen an der Infectionsstelle anzutreffen sind. Der Bacillus 
des malignen Oedems und die anderen Mikroorganismen dieser 
Guppe sind nur unter gewissen Bedingungen für den Menschen 
pathogen. Allerdings muss beigefügt werden, dass, wenn es einmal zur 
Gasgangrän gekommen ist, der Verlauf ein sehr acuter und häufig, falls 
nicht therapeutisch eingegriffen wird, ein tödtlicher ist. 

Ich habe bei der Beschreibung der bakteriologischen Befunde die 
Eigenschaften der verschiedenen isolirten anaeroben Mikroorganismen, 
welche ich Monate oder Jahre lang weiter verfolgt habe, angegeben. Auf 
Grund der weiter oben angeführten Ansicht erscheint mir eine Identifi- 
cirung bezw. eine genaue differentialdiagnostische Studie mit von anderen 
Autoren beschriebenen Bakterien überflüssig; wir wissen, dass einer 
grossen Anzahl von anaeroben Mikroorganismen bei Infectionskrankheiten 
des Menschen, eine ätiologische Bedeutung zukommt. Eine strenge Ein¬ 
teilung, wie die von Welch und von E. Fraenkel für den Bacillus 
aörogenes capsulatus vorgenommene, ist kaum gerechtfertigt, da die An- 


1 A. a. 0. 


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462 


W. Sllberschjmidt : 


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nähme, dass das durch diesen Krankheitserreger hervorgerufene Krankheits¬ 
bild ein ganz eigenartiges sei, durch die Beobachtungen verschiedener 
Autoren und auch durch die drei beschriebenen Fälle von Gasgangrän 
widerlegt ist. 

Von den übrigen verdient Fall 6 noch besondere Erwähnung: im 
Verlauf eines kalten Abscesses des Oberschenkels, nebst tuberculösen 
Fisteln am Kreuzbein, kommt es plötzlich, ohne äusseren Anlass zu Fieber, 
secundärer Fasciengangrän, profuser Eiterung und Sepsis. Im Eiter 
wurde neben Eiterkokken ein anaerober Streptococcus gefunden. In diesem 
Falle, welcher in seinem Verlaufe dem typischen Bilde der Gangräne 
foudroyante nicht entsprach, war Gasbildung aufgetreten, ohne dass es gelang, 
Bacillen der Gruppe des malignen Oedems nachzuweisen. Ob diesem 
Streptococcus und ob den in den anderen Fällen isolirten Anaeroben eine 
ätiologische Bedeutung zukommt, bleibe dahingestellt. 

Die Untersuchung derartiger Mischinfectionen ist eine schwierige und 
zeitraubende. 


Nachtrag. 

Seit Abschluss vorliegender Untersuchungen sind mehrere Arbeiten 
über dasselbe Thema erschienen. Stolz 1 kommt zum Schluss, dass die 
Hauptrolle in der Aetiologie der Gasinfectionen dem Weleh-Fraenkel’schen 
Gasbacillus zukomme und bezweifelt die Bedeutung des Bac. des 
malignen Oedems. Ersteren Mikroorganismus hat St. allerdings nur in 
einem von zwei untersuchten Fällen von Gasphlegmone nachweisen können; 
im 2. Falle wurde ein anaörober Buttersäurebacillus isolirt. Bei 
der Section einer an Sepsis mit Gasbildung nach Abort gestorbenen Frau 
hat Uffenheimer 2 einen aeroben gasbildenden Bacillus isolirt (anaerobe 
Culturen wurden keine angelegt)! Albrecht 3 hat innerhalb kurzer Zeit 
an der Gussenbauer'sehen Klinik in Wien 7 Fälle von Infection mit 
gasbildenden Bakterien beobachtet, von denen die meisten als Spital- 
infectionen aufzufassen, im Anschluss an einen schweren operativen Ein¬ 
griff entstanden sind. Diese Beobachtungen sind von grossem Interesse 
als Beweise für die Möglichkeit der Infection mit anaöroben Bakterien in 
einer grossen Klinik trotz Anwendung der modernen Anti- bezw. Asepsis. 
In vier Fällen fand Albrecht Mikroorganismen, welche mehr oder 
weniger dem Welch-Fraenkel’schen Bacillus entsprachen und 2 Mal 

1 Beiträge zur lclin. Chirurgie. Bd. XXXIII. S. 72. 

* Zieglcr’s Beiträge zur pathol. Anatomie. Bd. XXXI. S. 383. 

3 Archiv für klin. Chirurgie. 1902. Bd. LXVII. S. 514. 


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Gangräne foudroyante. 


463 


Stäbchen, welche mit den fäalnisserregenden Buttersäurebacillen 
von Schattenfroh und Grassberger identificirt wurden. Die Bezeich¬ 
nung „malignes Oedem“ möchte Albrecht streichen, da diese Diagnose 
weder in klinischer, noch in bakteriologischer Hinsicht richtig ist. Er 
nimmt an, dass es überhaupt keinen typischen, wohl charakte- 
risirten Bacillus des malignen Oedems giebt. In einer ausführ¬ 
lichen Arbeit, die ich nicht eingehend besprechen will, da dieselbe in 
dieser Zeitschrift veröffentlicht wurde, bespricht E. Fraenkel 1 neuerdings 
Gasphlegmone, Schaumorgane und deren Erreger. Ich hoffe, in der 
vorliegenden Veröffentlichung Fraenkel und Welch überzeugt zu haben, 
dass der von mir in zwei Fällen von Gangröne foudroyante mit 
typischem Krankheitsbilde isolirte Mikroorganismus von dem Gasbacillus 
bezw. Bac. aörogenes capsulatus verschieden ist, und dass verschiedene 
Mikroorganismen als die Erreger dieser Krankheit zugesprochen werden 
müssen. Der Ansicht von Albrecht, dass der Bacillus des malignen 
Oedems nicht mehr einen wohlcharakterisirten Mikroorganismus darstellt, 
will ich gerne beistimmen; dasselbe gilt aber auch für den Welch- 
Fraenkel’schen Bacillus; beide Bezeichnungen stellen Sammelnamen 
dar. Ob der Name an aerober Buttersäurebacillus vorzuziehen ist, 
bleibe dahingestellt; eine grosse Anzahl von Anaeroben sind Buttersäure¬ 
bildner, so dass wir es wiederum mit einem Sammelbegriff zu thun haben. 
Auch die klinische Diagnose Gasphlegmone bezw. Gasbrand stellt 
einen Sammelbegriff dar. Wir dürfen uns heutzutage nicht mehr damit 
begnügen einen aus einem Gemenge isolirten Mikroorganismus als den 
specifischen Krankheitserreger anzusprechen; wir müssen vielmehr berück¬ 
sichtigen, dass verschiedene Mikroorganismen ein ähnliches Krankheitsbild 
erzeugen können, und dass die Mischinfectionen bei den hier besprochenen 
Erkrankungen eine viel grössere Rolle spielen als dies bis jetzt angenommen 
wurde. 


Schlussfolgerungen. 

Die Resultate unserer Untersuchungen lassen sich in Folgendem 
resumiren: 

1. Eine sichere Methode zur Züchtung und zur Isolirung 
der pathogenen Anaöroben giebt es nicht. Bei Gangröne fou¬ 
droyante und bei ähnlichen Processen mit übelriechender 
Secretion sind häufig verschiedene anaörobe Mikroorganismen 

1 Diese Zeitschrift. Bd. XL. S. 73. 


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464 


W. Selbebschmtdt : 


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vorhanden. Auf künstlichen Nährböden gelingt es nicht, pathogene von nicht 
pathogenen Bakterien zu unterscheiden. In Fällen von Tetanus wachsen 
aörobe und anaerobe Bakterien in den Culturen üppig, der eigentliche 
Krankheitserreger hingegen nur spärlich oder gar nicht; auch bei anderen 
Erkrankungen dürfen daher die durch Züchtung erhaltenen Mikroorga¬ 
nismen nicht ohne Weiteres als die Krankheitserreger bezeichnet werden. 
Die directe mikroskopische Untersuchung, wenn möglich, aus 
verschiedenen Stellen, auch aus der Tiefe des erkrankten Körperteiles 
giebt häufig wichtige Anhaltspunkte. 

2. Der Thier versuch führt namentlich in Fällen von Gasgangrän 
nicht immer zum Ziele, da wir wiederholt beobachten konnten, dass vom 
Menschen stammendes, sehr virulentes Material bei Yersuchsthieren nicht 
die entsprechende Erkrankung zur Folge hatte. Namentlich ist auch 
hervorzuheben, dass Reinculturen von Mikroorganismen, wie z. B. des 
Bacillus des malignen Oedems, ihre Virulenz sehr leicht einbüssen können 
und von angeblich empfänglichen Thieren beinahe reactionslos ertragen 
werden. Eine Differenzirung verschiedener Mikroorganismen 
auf Grund der Thierpathogenität hat daher nur einen rela¬ 
tiven Werth. 

3. In zwei Fällen von „Gangräne foudroyante“ ist es pir 
gelungen, neben B. coli bezw. Streptococcus einen Mikroorganismus zu 
isoliren, welcher mikroskopisch und culturell der Gruppe des Bacillus 
des malignen Oedems entspricht; in einem dritten Falle wurde ein 
anaörober, sporenbildender, unbeweglicher Bacillus isolirt. 

Auf Grund dieses Befundes halte ich mich berechtigt anzunehmen, dass 
auch der Gruppe des Bacillus des malignen Oedems die Fähig¬ 
keit zukommt, das typische Bild der „Gangräne foudroyante“ 
mit Gasbildung beim Menschen zu erzeugen, ähnlich, wie dies von 
Welch, E. Fraenkel u. A. für den Bacillus aerogenes capsulatus 
nachgewiesen worden ist. In Uebereinstimmung mit Hitschmann und 
Lindenthal bin ich der Ansicht, dass die Gangräne foudroyante 
in bakteriologischer Hinsicht einen Sammelbegriff darstellt. In den 
meisten Fällen, wenn nicht immer, handelt es sich dabei um eine Misch- 
infection von verschiedenen aäroben und anaäroben Bakterien. 
Ob aärobe Bakterien, wie Bakterium coli commune, Proteus vulgaris, 
allein im Stande sind, in einem (durch Diabetes) prädisponirten Orga¬ 
nismus das betreffende Krankheitsbild hervorzurufen, erscheint 
mir zweifelhaft. Diesbezügliche genauere bakteriologische Untersuchungen 
sind für die Entscheidung der Frage erforderlich. 

4. Die Prädisposition für das Auftreten der „Gangräne 
foudroyante“ beim Menschen ist eine geringe; zur Entstehung 


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Original frum 

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GangbFnce foudeoyante. 


465 


sind besonders nngünstige Verhältnisse erforderlich, wie z. B.: eine com- 
plicirte Fractur mit Infection in der Tiefe und schwerer Circulations- 
störung, schwere Operation, vorherige Schwächung des Organismus durch 
eine Infectionskrankheit u. s. w. 

Daher ist die Gefahr der Infection mit dem Bacillus des malignen 
Oedems, dem Bacillus aerogenes capsulatus und den anderen ubiquitären 
anaeroben Bakterien dieser Gruppe für den gesunden Menschen eine 
geringe; diese Mikroorganismen kommen häufig an mit Erde u. s. w. in- 
ficirten Wunden vor, ohne schädlich zu wirken. Da aber eine ganze Anzahl 
von ubiquitären, namentlich im Boden, Staub, Fäces vorkommenden Mikro¬ 
organismen im Stande sind, die Gasgangrän zu erzeugen, so kann eine 
jede schwere Verletzung, namentlich eine complicirte Fractur Anlass geben 
zu der betreffenden Erkrankung, und es ist erforderlich, diesen Umstand 
zu würdigen. 

5. Ein ganz anderes Verhalten weist der Tetanusbacillus auf, 
welcher in ganz geringfügigen Eiterherden zu einer tödtlichen Erkrankung 
führen kann; allerdings sind auch beim Tetanus prädisponirende Momente 
erforderlich. Die zwei mitgetheilten Fälle von Tetanus liefern uns den 
Beweis, dass der Tetanusbacillus in nach Verletzung oder nach 
Erfrierung gangränös gewordenen Körpertheilen für seine Ent¬ 
wickelung günstigeBedingungenvorfindet. In prophylaktischer 
Beziehung sind diese Fälle zu beherzigen. 

6. Die „Gangröne foudroyante“ stellt im Gegensatz zum Tetanus 
keine rein toxische, sondern eine mehr infectiöse Erkrankung dar. 
Auch nach Befallensein einer ganzen Extremität kann es noch gelingen, 
nach Entfernung des Krankheitsherdes den Patienten am Leben zu er¬ 
halten. 

7. In den Fällen von Gangrän oder Phlegmone mit übel¬ 
riechendem Secret, mit oder ohne Gasbildung, handelt es sich meist 
tun Mischinfectionen von anaeroben mit aeroben Bakterien. 
Behufs Aufklärung dieser Fälle in ätiologischer Hinsicht sind genaue 
Untersuchungen erforderlich, wobei auch das directe Ausstrichpräparat 
und die anaeroben Culturen zu berücksichtigen sind. 


Zeitsehr. f. Hygiene. XLI. 


30 


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[Aus dem hygienischen Institut der Universität Zürich.] 


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lieber die Bedeutung der im Säuglingsstuhle 
vorkommenden Mikroorganismen mit besonderer 
Berücksichtigung der anaeroben Bakterien. 

Von 

Dr. A. Rodella, 

Asaistentcn am Institute. 


ii. 

Vorliegende Arbeit ist die Fortsetzung der in Band XXXIX dieser 
Zeitschrift erschienenen Abhandlung, betitelt: „Ueber an aerobe Bakterien 
im normalen Säuglingsstuhle“. Damals war der Nachweis von AnaCroben 
im Stuhle gesunder Säuglinge mein Hauptzweck, und ich habe in genannter 
Arbeit zweier sowohl für die Physiologie als für die Pathologie sehr 
wichtiger Fragen kaum Erwähnung gethan, nämlich der Wirkung der 
Darmflora der Säuglinge auf Casein und Milchzucker. 

Was wir darüber wissen, ist, wie auch Czerny und Keller in ihrer 
jüngsten Publication sagen, „nicht viel mehr als Escherich in seiner 
-ersten Arbeit über die Darmbakterien der Säuglinge ange¬ 
geben hat“. 

Den Grund dieses stationären Zustandes in einem so wichtigen Capitel 
müssen wir hauptsächlich in der Thatsache suchen, dass auch Autoren, 
welche, wie z. B. Tissier, sich mit dieser Frage eingehend beschäftigt 
haben, anstatt die Wirkung der gesammten Flora auf die Milchbestand- 
theile zu studiren, nur einzelne Arten berücksichtigt haben, welche bis 
jetzt isolirt wurden, die aber, wie auch aus Eberle’s Arbeit ersichtlich 
ist, nur 4-5 bis 10’6 Procent von den Arten ausmachen, die mit unseren 
Färbungsmethoden in den Fäces nachweisbar sind. 


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A. Rodella : Bedeutung de» Mikboorganismen u. s. w. 467 


Die chemischen Untersuchungen der Stoffwechselproducte der Darm¬ 
bakterien haben auf dieses Gebiet mehr Licht geworfen als die bakterio¬ 
logische Forschung. Wir wollen hier nicht die verdienstvollen Unter¬ 
suchungen Baumann’s, Brieger’s, Nencki’s, Salkowski’s, Blau- 
berg’s u. A. eingehend erwähnen. 

Es sei nur hervorgehoben, dass nach Ansicht vieler physiologischer 
Chemiker der Verdauungsprocess auch bei Säuglingen als ein 
beschränkter Fäulnissvorgang aufzufassen ist. 

Das häufige Fehlen der Producte der Eiweissfäulniss in den Säuglings- 
fäces lässt sich mit der leichten Resorbirbarkeit der gebildeten Verbin¬ 
dungen erklären. Man kann aber zur Zeit sagen, wie Blauberg richtig 
bemerkt, dass zwischen der Darmfaulniss beim Säuglinge und der bei 
Erwachsenen nur ein quantitativer Unterschied besteht, der durch die Art 
der Nahrung, durch die Fähigkeit des Säuglingsorganismus, die betreffende 
Nahrung besser auszunützen, durch die vorwiegend saure Reaction im 
Darme und zum Theile auch durch die Verschiedenheit der Säuglingsflora 
bedingt ist. 

Da unsere Kenntnisse über die Beziehungen der letzteren zu den 
physiologischen Vorgängen im Säuglingsdarme ungefähr den von Escherich 
in seinem Werke mitgetheilten Befunden entsprechen, so halte ich es für 
zweckmässig, Escherich’s Versuche kurz anzuführen, bevor ich zur Be¬ 
schreibung der meinigen übergehe. 

Escherich hat vier sterilisirte Kolben mit je 200 ecm Fleischinfus 
gefüllt und je 5 snn feuchtes (2 • 07 Trockensubstanz) Casein und je 5 
Fibrin hinzugefügt. Die Kolben wurden dann mit einem Partikelchen 
frischen Milchkothes inficirt und während 10 Stunden bei 88° gehalten. 

Das Resultat war, dass sowohl das Casein wie das Fibrin unverändert 
geblieben war. 

Um sich gegen den Einwand zu sichern, dass die Milchkothbakterien 
geronnenes Casein nicht angreifen, wohl aber die sich im Darme unter 
dem Einflüsse der Verdauungssäfte bildenden Caseinpeptone verbrauchen, 
wiederholte Escherich seine Versuche, indem er neben den Bakterien 
auch eine Pankreatinlösung auf das Casein wirken liess. — Aus seinen 
Versuchen glaubte er schliessen zu dürfen, dass unter günstigen Be¬ 
dingungen die Milchkothbakterien innerhalb 10 Stunden höchstens 
21-3 Procent des vorhandenen Caseins in andere Verbindungen umzü- 
wandeln im Stande wären. Da aber solche günstige Bedingungen im 
Darme hauptsächlich in Folge von Sauerstoffmangel nicht Vorlagen, 
so fügte Escherich weiter hinzu, würde „das .Casein von den Spalt¬ 
pilzen gar nicht verändert“. 

30 * 


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468 


A. Rodella: 


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Tissier hat sich neuerdings vom bakteriologischen Standpunkte aus 
mit dieser Frage beschäftigt und ist zum gleichen Schlüsse gekommen, 
wie Escherich. Er bemerkte richtig, dass man die Fäces von Brust¬ 
kindern von denen der Flaschenkinder wohl zu unterscheiden hat, indem 
bei ersteren die Verdauung in einer viel vollständigeren Weise vor sich 
geht als bei letzteren; da er in keinem der von ihm beobachteten Fälle 
peptonisirende Arten. (ausgenommen den selten in Flaschenkinderkoth auf¬ 
tretenden Staphylococcus albus) isoliren konnte, folgerte er, dass sowohl 
in den Fäces von Brustkindern, wie auch in den von Flaschenkindern 
„les microbes qui font fermenter la casßlne ne paraissent pas 
exister“. 

Da ich nun durch meine Studien über die Anaßroben des Säuglings¬ 
stuhles die Gewissheit erlangt habe, dass eine grosse Zahl der sich darin 
vorfindenden Mikroorganismen gerade zu den Anaßroben gehört, deren 
Existenz bisher verneint oder bezweifelt worden ist, wollte ich erfahren, 
ob wirklich den Darmbakterien des Säuglingsstuhles jede peptonisirende 
und proteolytische Eigenschaft abgeht, wie Escherich behauptet, und wie 
die meisten Autoren angenommen haben. 

An den Versuchen Escherioh’s ist auszusetzen: 

1. Die Zusammensetzung des Nährbodens, welcher neben dem Casein 
so viele andere Nährstoffe enthielt. 

2. Die geringe Anzahl der geimpften Bakterien, welche der im Darm 
enthaltenen Menge nicht entspricht. 

3. Die kurze Dauer des Versuches. 

Wenn die Zeit von 10 Stunden als Dauer der Bakterieneinwirkung 
im Darmtractus des Säuglings als richtig anerkannt werden darf, so ist 
nicht zu vergessen, dass in vitro die Verhältnisse ganz andere sind. 

Ich habe daher vorgezogen, Milch als Nährboden zu verwenden, viel 
grössere Mengen Darmbakterien zu überimpfen und die Culturen längere 
Zeit (24 bis 48 Stunden) bei Brüttemperatur aufzubewahren. 

Um diese Frage zu studiren, bediente ich mich folgender Methode: 
Mit 6 bis 8 ccm sterilisirter Kuhmilch vermengte ich 1 / 8 bis 1 ccm Säuglings- 
koth, den ich auf die schon früher angeführte Weise entnommen hatte. 
Die so inficirten Milchproben wurden dann in grösseren Glasröhren, worin 
mittels einer Pyrogallussäure-Kalilaugelösung und langer Aussaugung der 
Luft eine möglichst strenge Anaßrobiose erreicht wurde, hineingethan, 
und im Brütschrank 24 bis 48 Stunden auf 37° gehalten. 

Die Resultate meiner Untersuchungen sind aus den nachfolgenden 
Tabellen ersichtlich. 


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Bedeutung der Mikroorganismen im Säuglingsstuhle. 469 


a) Brustkinder. 


Fall 

Name 

Alter 

Farbe 

Reaction 

Consistenz 

Milch-Peptonisirung 

innerhalb innerhalb 
24 Stunden 48 Stunden 

1 

Baumann 

3 Tage 

braun¬ 

schwarz 

alkalisch 

zieml. fest 

völlig 1 


2 

Behrt 

4 

yy 

goldgelb 

sauer 

flüssig 

fast 

vollständig 


3 

Weinhaupt 

5 

yy 

gelb 

schwach 

sauer 

weich 

M 


4 

Peringer 

6 

yy 

braungelb 

alkalisch 

fest 

nicht 

deutlich 

deutlich 

5 

Kempter 

6 

yy 

braun 

*» 

»9 

deutlich 

fast völlig 

6 

Strndcher 

7 

yy 

dunkelgelb 

schwach 

sauer 

flüssig 

beginnend 

ziemlich 

deutlich 

7 

Weber 

7 

yy 

gelb 

sauer 

99 

deutlich 

7* peptoni- 
sirt 

8 

Enter 

7 

yy 

eidotter- 

gelb 

schwach 

sauer 

99 

unbedeu¬ 

tend 

unbedeu¬ 

tend 

9 

Schelli * 

7 

yy 

yy 

yy 

99 

99 

99 

10 

Neilkomm 

14 

yy 

graugelb 

sauer 

weich 

beginnend 

nicht stark 

11 

Natolini 

9 

yy 

goldgelb 

yy 

7» flüssig 

unbedeutd. 

unbedeutd. 



11 

yy 

yy 

yy 

99 

99 

99 



20 

yy 

yy 

yy 


ziemlich 

deutlich 

deutlich 

12 

Schlegel 

14 

yy 

yy 

« 

weich 

keine 

keine 



20 

yy 

yy 

yy 

99 

deutlich 




24 

yy 

yy 

yy 

99 

ziemlich 

deutlich 

ziemlich 

deutlich 

13 

Guiznetti 

1 

3 Monate 

gelb 

yy 

fest 

völlig 



b) Kinder mit gemischter Nahrung. 


1 

Hocker 

8 Tage 

grau 

leicht 

alkalisch 

weich 

völlig 


2 

Müller 

10 

yy 

goldgelb 

sauer 

flüssig 

nicht i 
deutlich 

wenig 

deutlich 

3 

Haries 

10 

yy 

graugelb 

neutral 

fest 

völlig 


4 

Schweiger 

11 

yy 

gelb 

sauer 

yy 

deutlich 

i 

5 

Lang 

12 

yy 

hellgelb 

schwach 

sauer 

7 s fest 

nicht sehr 
deutlich 

nicht sehr 
deutlich 


' Zum Theil Meconiuin. 


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470 


A. Kodella: 


o) Flaschenkinder. 


Fall ■! 

1 

Name 

Alter 

! 

Farbe j 

i 

i 

Reaction 

1 

Consisteuz i 

! 

Milcbpeptonisirun g 

innerhalb 1 innerhalb 
24 Stunden 48 Stunden 

l[ 

1 1 

Grev 

5 Tage 

dunkel 

sauer 

weich 

nicht stark ziemlich 
deutlich 

2 

Greib 

6 

1t 

dunkelgelb 

tt 

Vs weich 

vollständig vollständig 

3 ! 

Ketin 

6 

tt 

gelb 

alkalisch 

fest 

fast völlig völlig 

4 

i 

Bnrkhardt 

7 

ff 

weiss- 

gelblich 

neutral 

)> 

völlig 

5 i 

Wademann 

7 

ft 

graugelb 

alkalisch 

tt 


e i 

Urst 

8 

ft 

gelb 

sauer 

Vs flüssig 

tt 

i 

: i 

Brem 

9 

ff 

graugelb 

schwach 

alkalisch 

fest 


8 i 

Zenbauer 

11 

ft 

gelbgrün 

sauer 

» 

it 

9 i 

Hochmüller 

13 

ft 

gelbweissl. 

alkalisch 

fest trocken 


io! 

Thebmer 

17 

ft 

dunkelgelb 

neutral 

fest 

1 

ii 

11 ' 

Hochraüller 

21 

ff 

| gelb 

j alkalisch 

tt 

i 

12 ^ 

Nabalini 

4 Monate 

braun 

j neutral 

i 

1 

” i 


Um den Vorgang der Peptonisirung zu beobachten, bediente ich mich 
des makroskopischen Criteriums, wobei ich die Peptonisirung im weitesten 
Sinne des Wortes auffasste, nämlich als die Umwandlung des Caseins 
in andere Eiweissverbindungen. Die Biuretreaction nach der Fällung 
aller in der Milch enthaltenen Eiweissarten mit Ausnahme der Peptone 
durch festes Ammoniumsulfat erweist sich auch nicht als ganz zuverlässig, 
da neben Peptonen theilweise auch Albumosen in Lösung bleiben. Es 
handelte sich für uns um den Nachweis, dass einige unter den Darm¬ 
bakterien der Säuglinge proteolytische Eigenschaften haben und zwar 
manchmal in sehr hervorragendem Maasse. Dadurch werden die von 
Uffelmann, Wegscheider und Blauberg erhaltenen Resultate be¬ 
stätigt. Blauberg sagt, dass „Peptone in den Säugliugsfaces während 
der ersten Lebenswoche nachzuweisen sind“, Uffelmann und Weg¬ 
scheider bestätigen dies auch für eine spätere Zeit. 

Die Thatsache, die wir besonders hervorheben wollen, ist die, dass 
ein bedeutender Unterschied in der peptonisirenden Eigenschaft 
des Darminhalts von Brustkindern und desjenigen vonFlaschen- 
kindern besteht. Bei letzteren war, wie aus der Tabelle hervorgeht, 
mit Ausnahme von Fall 1, in dem kurzen Zeitraum die Peptonisiruug 
eine fast vollständige, während selbst in den Fällen -von Brustkindern, in 
denen die Peptonisirung eine verhältnissmässig bedeutende war, dieselbe 


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Bedeutung deb Mikboobganismen im Säugungsstuhee. 471 


höchst selten den Durchschnittswerth derjenigen bei Flaschenkindern er¬ 
reichte. Diese mit den allgemeinen Beobachtungen im Einklänge stehende 
Thatsache hat bereits Tissier besonders hervorgehoben; er sagt: „en 
gen&ral les fermentations sont plus actives chez l’enfant au biberon que 
chez l’enfant au sein.“ 

Ich kann auf Grund meiner Untersuchungen nicht mit Bestimmtheit 
die Frage entscheiden, in welchem Grade sich Anaeroben bei dem Processe 
der Peptonisirung betheiligen; ich habe nur 6 Fälle daraufhin untersucht 
und nur in vier derselben gelang mir die Isolirung anaerober Arten, mit 
denen ich noch eine Nachprüfung auf ihre Peptonisirungsfahigkeit vor¬ 
nahm. Neben diesen Anaeroben fanden sich stets auch Aerobe, und es 
ist nicht unwahrscheinlich, dass sich darunter auch peptonisirende Arten 
befunden haben. Es ist jedoch leicht möglich, dass die Milch für die Darm¬ 
flora der Säuglinge einen weit günstigeren Nährboden bildet als die bisher 
gebrauchten, und dass deshalb mehr Arten in Milch zum Wachsthum 
kommen als auf festen Nährböden. Jedenfalls ist aber durch unsere 
Untersuchungen festgestellt, dass sich im Säuglingsdarme 
peptonisirende Arten vorfinden, dass ihre Zahl bei künstlich er¬ 
nährten Kindern viel grösser ist und dass die Anabrobiose die 
Peptonisirung des Caseins nicht hindert. 

Eine Reihe anderer Untersuchungen nahm ich vor, um festzustellen, 
ob Bact. lactis aerogenes der specifische Gährungserreger im 
Säuglingsdarm sei, wie Escherich behauptet. Diese Untersuchungen er¬ 
schienen uns auch deshalb von Wert, da verschiedene Autoren behaupten, 
dass die Gährung des Milchzuckers hemmend auf die Fäulniss der Milch wirke. 
Escherich giebt noch an, dass diese Gährung durch das oben genannte 
Bacterium in den oberen Partieen des Dünndarmes statthabe, und diese 
Annahme wurde fast allgemein für die richtige gehalten. Wie ich schon 
in meiner ersten Arbeit mitgetheilt habe, schien mir dies mindestens 
zweifelhaft, da sehr viele Darmbakterien gasbildend sind und nicht ein- 
zusehen ist, warum Bacterium lactis aerogenes bezw. coli der einzige 
Gährungserreger sein solle. Um dies zu entscheiden, stellte ich folgenden 
Versuch an. 5 ccm Bouillon wurden mit Va ccm Fäces iuficirt, und nach 
dem Vermengen 8 Minuten auf 80° erwärmt. Um mich von der er¬ 
folgten Abtödtung von Bacterium coli und Bacterium lactis aerogenes zu 
überzeugen, wurde eine Controlcultur auf Bouillon angelegt. Nachdem 
noch 5 ccm einer 10 procent. Milchzuckerlösung zugegeben worden wareD, 
wurde die Flüssigkeit in 2 Reagensgläser in gleichen Theilen vertheilt 
und dieselben in einer weiteren Röhre, die mit Kautschukpropfen und 
Hahnrohr verschlossen war, in den Brütschrank gestellt. In dem einen 
Falle war die Röhre vorher noch evacuiert worden. Nach Verlauf von 


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472 


A. Rodella: 


24 Stunden wurden die Hahnröhren mit einem mit Barytwasser gefüllten 
Gefässe verbunden und der Hahn — nachdem der Apparat vorher mit 
einer in Thätigkeit befindlichen Säugpumpe verbunden war — geöffnet 
Eine in beiden Fällen auftretende Trübung des Barytwassers zeigte die 
stattgefundene Gährung des Milchzuckers. Es ist somit erwiesen, dass 
auch andere Darmbakterien und nicht nur Bacterium lactis aerogenes 
und Bacterium coli eine Gährungsthätigkeit entwickeln. 

Ich gebe im Folgenden die Beschreibung eines derartigen den Milch¬ 
zucker vergährenden Mikroorganismus, cs ist ein facultativ anaerobes 
Plectridium, das mit dem in meiner früheren Arbeit sub Nr. 3 beschriebenen 
Bacterium eine gewisse Aehnlichkeit zeigt. 

Mikroskopisches Aussehen: Ziemlich lange, schmale, meistens 
gerade Stäbchen mit einer ovalen Spore am Ende; leicht färbbar nach 
den üblichen Methoden, sowie nach Gram. Die Sporen lassen sich 
manchmal in toto färben, manchmal erscheinen nur die Conturen gefärbt 
während ein ungefärbtes, helles Centrum bestehen bleibt. Auf festen 
Nährböden, besonders auf Agar, trifft man die sporentragenden Gebilde 
häufiger; die Stäbchen zeigen sich dann zum Theil einzeln, zum Theil 
paarweise angeordnet. Fäden bemerkt man selten, öfters sind die Bacillen 
ein wenig gekrümmt. Ziemlich lebhafte Eigenbewegung, die Spore stets 
der Richtung der Bewegung zugekehrt. 

Culturelles: Es findet sowohl bei Zimmer-, wie bei Brüttemperatur 
aerob, wie anaörob Wachsthum statt 

Agar-Platte. Nach 24 Stunden sieht man mikroskopisch kleine 
Colonieen, die aus mehr oder weniger radial angeordneten, geschlängelten 
Fäden bestehen. In späterer Zeit sind die Colonieen nicht vergrössert 
oder verändert. 

Agarstich: Länge des Stiches flaschenbürstenförmig angeordnete, in 
der Tiefe sich etwas verbreiternde Colonieen. In Zuckeragar reichliche 
Gasentwickelung. 

Agarstrich: Die Entwickelung findet längs des ganzen Striches, 
auf diesen beschränkt bleibend, statt; die einzelnen, sehr kleinen, rund¬ 
lichen, farblosen, nicht erhabenen Colonieen sind in der Mitte oft etwas 
vertieft Sie treten bereits innerhalb 24 Stunden auf, nehmen aber dann 
kaum mehr an Ausdehnung zu. Das Condenswasser ist klar und enthält 
einen geringfügigen Bodensatz. 

Gelatineplatte: Körnige, unregelmässig begrenzte Colonieen von 
gelblicher Farbe, die keine längeren Ausläufer bilden. 

Gelatinestich: DemStich entlang entstehen getrennte, punktförmige, 
weisse Colonieen, stellenweise unterbrochen von sehr ausgedehnten, flocken- 


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Bedeutung dee Mikboobganismen im Säüglingsstuhle. 473 


förmigen, die den ganzen Nährboden trüben. Selbst nach 8 Monaten 
auch keine Spur von Verflüssigung des Nährbodens. 

Gelatinestrich: Längs des Striches kleine Colonieen, wie bei Stich 
mit baumförmigen, senkrecht zur Oberfläche in den Nährboden hinein¬ 
gerichteten flockigen Colonieen, deren Ausdehnung von oben nach unten 
zunimmt. 

Milch wird innerhalb 4 bis 6 Tagen zum Gerinnen gebracht; es 
findet energische Gasentwickelung statt. 

Bouillon: Innerhalb 24 Stunden zeigt sich deutliches Wachsthum; 
in Zuckerbouillon entsteht unter bedeutender Trübung und lebhafter Gas¬ 
entwickelung ein weisslicher, feinpulveriger Bodensatz. 

Für die üblichen Laboratoriumsthiere erweist sich dieser Mikroorga¬ 
nismus als nicht pathogen. 

Ich habe dieses Bacterium so eingehend beschrieben, da es eine grosse 
Aehnlichkeit mit dem in meiner früheren Arbeit sub Nr. 3 beschriebenen, 
besitzt. Es ist in Gegensatz zu diesem ein facultativer Anaerobier und 
ist etwas breiter; ferner besitzt er Eigenbewegung. Die culturellen Merk¬ 
male gestatten eine leichte Unterscheidung. Ob diese Mikroorganismen, 
die beide der Gruppe der Köpfchenbakterien nach Escherich oder der 
Plectridiumgruppe Hüppe’s zuzuzählen sind, näher mit einander ver¬ 
wandt sind, lässt sich nicht sagen. Bienstock und Tavel haben gleich¬ 
falls im Darme Bakterien gefunden, die in ihrem mikroskopischen Aeusseren 
eine grosse Aehnlichkeit mit unseren Bacillen zeigen. Durch ihre cul¬ 
turellen Merkmale unterscheiden sich alle von einander wesentlich. Die 
Glieder dieser Gruppe werden vielleicht durch weitere Untersuchungen 
vermehrt werden. 

Im Verlaufe dieser Arbeit haben wir, wie schon einmal erwähnt, in 
4 Fällen durch verschiedene Ueberimpfungen Mikroorganismen erhalten, 
die nur in der Tiefe des Agar wuchsen. Wir haben sie nur morphologisch 
untersucht und nicht auf ihr culturelles Verhalten hin geprüft, da uns 
die zeitraubende und schwierige Züchtung anaörober Arten zu weit geführt 
hätte. Wir wollen aber doch eine anaörobe Streptokokkenart erwähnen, 
die 6- bis 7gliederige Ketten bildete und auf Gelatine nicht zur Ent¬ 
wickelung kam. Bereits Klecki hat im Darme einige Kokken gefunden, 
die besser anafirob, als aerob wuchsen, obligate Anaerobe beobachtete er 
keine. Es wäre so nach unseren Kenntnissen diese Streptokokkenart die 
erste anaerobe, die sich im Säuglingsdarme findet. 

Den häufig auftretenden gasbildenden Arten wollen wir keine grosse 
Bedeutung für die Physiologie zumessen. Die Frage, ob wirklich der 
Milchzucker bereits im Dünndarme völlig verarbeitet wird, wie Escherich 
behauptet, ist noch offen, da andererseits die chemischen Untersuchungen 


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A. Rodella: 


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von Wegscheider, Blauberg, Hoppe-Seyler u. s. w. ergaben, dass sich 
in Säuglingsfaces Milchzucker nachweisen lässt. Eine eingehende chemische 
wie bakteriologische Untersuchung zur Entscheidung dieser Frage wäre 
sehr wünschenswerth. 


Untersuchungen auf Anaerobe in einigen Fällen von Kinder¬ 
diarrhoe. 

Ich schicke hier die Beschreibung der in den pathologischen Fällen 
gefundenen Arten voraus und werde dann neben einigen klinischen Notizen 
auch über den directen mikroskopischen Befund berichten. Ich werde 
auch die hierher gehörigen Bakterien im Anschlüsse an die in physio¬ 
logischen Fällen aufgefundenen mit fortlaufenden Nummern bezeichnen, 
da ich nicht entscheiden kann, ob die ersteren bei der Krankheit eine 
ätiologische Rolle spielen. 

Anaerob Nr. IY. 

Mikroskopisches Aussehen: Sehr dicke, meist gerade Stäbchen, von 
wechselnder Länge, mit abgerundeten Enden; mit den üblichen Anilinfarb¬ 
stoffen und nach Gram gut färbbar. Eigenbewegung fehlt. 

Culturelles. Agarstich: Nach 24 Stunden ist ein ziemlich deutliches 
Wachsthum, einige Millimeter unter der Oberfläche beginnend, längs des 
ganzen Stiches zu beobachten. Die Cultur zeigt ein grob-körniges, etwa an 
einen Milchzuckerstengel erinnerndes Aussehen; hier und da zeigen sich 
längs des Stiches unregelmässige, flache Auftreibungen. 

In flüssig geimpftem Agar entstehen kleine rundliche Colonieen, die den 
Nährboden zerreissen. 

Agarstrich (anaerob): Bereits nach 24 Stunden erscheint ein etwas 
erhabener, feuchter, breiter Belag. Das Condensw r asser ist stark getrübt. 
Häufig zeigen sich, durch die Gasbildung veranlasst, Risse im Nährboden. 
Die einzelnen Colonieen sind rundlich, etwas erhaben, nicht ganz regel¬ 
mässig, von weisser opalisirender Farbe. 

Gelatinestich: Es erscheinen dem Stiche entlang, getrennt, einzelne 
Colonieen, die sich allmählich vergrössern und durch Verflüssigung einen 
birnenförmigen Raum bilden, der zum Theil mit der stark getrübten Flüssig¬ 
keit angefüllt ist. Die Verflüssigung erfolgt in 6 bis 9 Tagen; am Boden 
des Stiches bemerkt man einen weisslichen Satz. 

In flüssig geimpfter Gelatine entstehen rundliche, unregelmässige Colonieen 
von w r eisser Farbe, die, wenn sich nur 1 bis 2 entwickeln, in einigen Tagen 
die Grösse eines Hirsekornes erreichen. Entwickeln sich viele Colonieen, 
so tritt 6chon nach 3 bis 5 Tagen im unteren Theil des Röhrchens Ver¬ 
flüssigung ein. 

Auf Kartoffeln (anaerob) entstehen kleine, weisse nicht confluirende 
Colonieen in Gestalt von Körnchen unter Auftreten eines schwachen käsigen 
Geruches. 

Bouillon (anaerob): Es erfolgt unter starker Gasentwickelung und 
Bildung eines reichlichen Bodensatzes eine Trübung. 


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Bedeutung dee Mikroorganismen im Säuglingsstuhle. 475 


Milch wird innerhalb 3 bis 5 Tagen völlig peptonisirt, unter Auftreten 
eines schwachen käsigen Geruches wie bei Kartoffeln. 

Serum (anaörob): Wird nicht verflüssigt. 

Pathogenität: Dieselbe wurde für die üblichen Laboratoriumsthiere 
nachgewiesen, und zwar sowohl durch subcutane als auch interperitoneale 
Injection. Da jedoch die Versuche in dieser Richtung nichts Entscheidendes 
für die Aetiologie der Dannerkrankung bringen können, fassen wir uns 
mit der Beschreibung ihrer Ergebnisse kurz. 

Subcutane Injection: DieThiere gehen unter folgenden Erscheinungen 
zu Grunde. Abdomen stark aufgetrieben, Darmgefässe injicirt, die Gedärme 
aufgeblasen. Ein mit 3 ccm einer 3 Tage alten Bouilloncultur geimpftes 
Meerschweinchen von 475 Gewicht starb am Tage der Injection. 

Intraperitoneale Injection ruft fast die gleichen Erscheinungen, wie sub¬ 
cutane hervor. 


Anaerob Nr. V. 

Das mikroskopische Aussehen ist dem von Nr. IV fast völlig gleich, 
nur 6ind die Stäbchen ein klein wenig schmäler. — Eigenbewegung fehlt 
gleichfalls. Färbbarkeit wie Nr. IV. 

Agarstich. Die Cultur ähnelt der des eben beschriebenen etwas; es 
entstehen längs des Stiches, etwas unter der Oberfläche beginnend, unzusammen¬ 
hängende, traubige Gebilde. Einzelne Colonieen lassen sich nur stellenweise 
am äussersten Rande der Cultur erkennen; sie erscheinen im durchfallenden 
Lichte als Körper mit einem dunklen, von einem etwas helleren Hofe um¬ 
gebenen Centrum. 

Agarstrich (anaörob): Innerhalb 24 Stunden beobachtet man dem 
Striche entlang deutliches Wachsthum in Form eines weissen, erhabenen 
Belages. Die Colonieen sind nur stellenweise zusammenhängend, meist ge¬ 
trennt und dann von halbkugeliger Gestalt und weisslicher opalisirender 
Farbe. Im Zuckeragar findet lebhafte Gasentwickelung statt. 

Gelatinestich: Rundliche, ungleichmässig gestaltete Colonieen in ge¬ 
trennter Anordnung; nach 5 bis 7 Tagen verlieren sie in Folge Verflüssigung 
des Nährbodens ihre Form; es entsteht ein weisslicher Bodensatz 

Gelatine, flüssig geimpft. In diesem Falle entstehen sehr charakte¬ 
ristische Formen, besonders wenn wenige Colonieen zur Entwickelung kommen. 
Es bilden sich durch Verflüssigung Hohlräume von der Gestalt einer Birne, 
an deren nach unten gekehrtem schmalen Thcile sich die Colonie als un¬ 
durchsichtiger weisser Punkt befindet. 

Milch wird nach vorausgegangener Coagulierung in 3 bis 5 Tagen fast 
völlig peptonisirt. 

Bouillon (anaerob) wird in kurzer Zeit stark getrübt; in Zuckerbouillon 
findet energische Gasentwickelung statt; stets ist ein reichlicher, weisser 
Bodensatz zu finden. 

Serum (anaerob) wird im unteren Theile des Röhrchens verflüssigt. 

Pathogenität: Subcutane Injection: Meerschweinchen von ca. 400 ?rm 
Gewicht mit 2 ccm einer 2- bis 3 tägigen Bouilloncultur (anaerob) geht binnen 
2 Tagen zu Grunde; es bildet sich an der Injectionsstelle ein subcutanes 
hochgradiges stinkendes Oedem, worin die Bacillen mikroskopisch und 
eulturell nachgewiesen werden konnten. Abdomen ist aufgetrieben, die 


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A. Rodella: 


Peritoneal-Flüssigkeit ist vermehrt, ferner findet man acute Nephritis. Einen 
ähnlichen Befund beobachtet man bei Versuchen mit anderen Laboratoriums- 
thieren. 

Intraperitoneale Injection: Die Thiere starben unter ganz ähnlichen Er¬ 
scheinungen, nur erwies sich die subcutane Injection weniger wirksam. 

An aerob Nr. VI. 

Mikroskopisches Aussehen: Stäbchen gewöhnlich paarweise oder 
in kurzen Ketten von 3 bis 5 Gliedern von etwas grösserer Länge als die 
vorangehenden, auch ein wenig schmäler als Nr. IV. — Charakteristisch ist 
das Auftreten von am Ende geknickten Formen; manchmal trifft man auch 
stark gekrümmte Individuen. Eigenbewegung fehlend, Färbbarkeit wie oben. 

In seinem culturellen Verhalten steht dieser Mikroorganismus den 
beiden oben beschriebenen sehr nahe; wir beschränken uns darauf, nur 
die Verschiedenheiten anzuführen. 

Agarstrich (anaerob): Die Colonieen sind kleiner als die früheren 
und zeigen keine Opalesceflz. 

Gelatine, flüssig geimpft: Die getrennten ovalen Colonieen senden von 
einer Stelle ihrer Oberfläche aus zahlreiche, dünne, wurzelförmige Ausläufer, 
die manchmal kurz sind, manchmal sich durch den ganzen Nährboden er¬ 
strecken und sich häufig verwirren. Oefters sieht man eine Colonie theil- 
weise von kleineren Colonieen umgeben, die in der Richtung nach ersterer 
einen kurzen Ausläufer besitzen, scheinbar aber nicht mit ihr in Verbindung 
stehen. 

Serum (anaerob) wird nicht verflüssigt. 

Pathogenität: Dieses Bacterium erwies sich gleichfalls für die Labo- 
ratoriumsthiere pathogen, jedoch in schwächerem Grade als die beiden voraus¬ 
gehenden. Von 5 Thieren (3 Meerschweinchen und 2 Mäusen) kamen ein 
Meerschweinchen und eine Maus mit dem-Leben davon; die Meerschweinchen 
erhielten 2, die Mäuse 1 / 2 ccm einer 2- bis 3 tägigen Bouilloncultur. — Die 
subcutane Injection rief auch hier ein geringeres Oedem hervor, das geruchlos 
war. Nekroskopischer Befund war gleich wie in den vorigen Fällen. 

Wir haben diese 3 Mikroorganismen ihres theilweise abweichenden 
culturellen Verhaltens wegen getrennt beschrieben; trotzdem glauben wir, 
dass dieselben zu derselben Classe gehören oder wenigstens sehr nahe ver¬ 
wandt sind. 

Anaerob Nr. VII. 

Stäbchen 4 bis 8 ft lang und 2 bis 3 u breit mit kantigen Enden. 
Nach Gram nicht entiärbbar. 

Agarstich: Trotz wiederholten Versuchen konnte ich keine Stichcultur 
bekommen. Ich bediente mich zwar ausschliesslich der Agarröhrchen in 
hohen Schichten; die von Büchner angegebene Methode für anaörobe Stich- 
culturen habe ich nicht angewendet. In flüssig geimpftem und nachher er¬ 
starrtem Agar, wenn man einige Platinösen aus einer Bouilloncultur über¬ 
impft, kommen kleine rundliche oder etwa linsenförmige, weisse Colonieen 
zur Entwickelung, welche auch nach langer Zeit etwas kleiner als ein 


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Bedeutung der Mikroorganismen im Säuglingsstuhle. 477 


Hirsekorn bleiben. Mit der Lupe beobachtet, sehen die Colonieen homogen 
aus; eine Zerreissung des Nährbodens findet nicht statt. 

Agarstich (anaerob): Nach 6 Tagen sieht man auf der Oberfläche 
von einander weit entfernt kleine makroskopisch kaum sichtbare unregel¬ 
mässige Colonieen. Das Wachsthum ist allerdings sehr kümmerlich und mit 
blossem Auge kaum sichtbar. 

Serum (anaerob): Auch auf Serum wächst dieser Mikroorganismus 
nicht viel besser. Keine Verflüssigung. 

Bouillon (anaörob): 4 bis 6 Tage nach der Impfung erfolgt ein kümmer¬ 
liches Wachsthum. Die Flüssigkeit bleibt vollständig klar; am Boden des 
Röhrchens findet sich ein weisser, spärlicher Satz. 

Die Milch bleibt unverändert. 

In Gelatine kein Wachsthum. 

Dieser Mikroorganismus ist für die Laboratoriumsthiere nicht pathogen. 

Anaerob Nr. VIH. 

Mikroskopisches Aussehen: Sehr feine, fast fadenartige Gebilde 
von sehr wechselnder Länge, die meist in längeren Reihen angeordnet sind; 
sie sind mit den üblichen Anilinfarbstoffen, sowie nach Gram zwar färbbar, 
jedoch nicht gleichmässig. Neben den gefärbten Stellen finden sich im 
Innern der Individuen schwächer oder gar ungefärbte Stellen, so dass man 
eine gewisse Aehnlichkeit mit Streptokokken zu sehen glaubt. 1 Eigen¬ 
bewegung fehlt auch ihnen. 

Culturelles. Agarstich: Das ein wenig unterhalb der Oberfläche be¬ 
ginnende Wachsthum erfolgt in Form eines breiten, etwas zerzupften Woll- 
fadens. 

In flüssig geimpftem Agar entstehen sehr kleine, weisse Punkte. In 
keiner Cultur war eine Gasbildung wahrzunehmen. 

Agarstrich: Nach 3 Tagen erblickt man weisse, punktartige Colonieen; 
das Condenswasser bleibt klar. 

In Bouillon erfolgt ein langsames Wachsthum ohne Trübung; nach 
4 bis 6 .Tagen erblickt man in der Bouillon einen weissen, zum Theile an 
den Wänden adhärirenden Niederschlag, der zusammenhängend und fetzen¬ 
artig ist. Auch sieht man einige Punkte, die vermuthlich einzelnen Colonieen 
entsprechen. Diese Cultur erinnert entfernt an die mancher Streptotrixarten. 

Milch wird nicht coagulirt. 

In Serum findet ein dem auf Agar ähnliches Wachsthum, ohne Ver¬ 
flüssigung des Nährbodens, statt. 

Dieser Mikroorganismus lässt sich in der Gelatine nicht züchten. 

Er ist nicht pathogen. 

Fall 1. Der 4 Wochen alte Patient wurde am 10. August 1901 von 
der Zürch. Med. Poliklinik unter der Diagnose: Gastroenteritis acuta in 
Behandlung genommen. Er hatte im Tage 10 bis 15 Entleerungen, die 
von brauner Farbe und flüssiger Consistenz waren und einen unangenehmen, 


1 Mit Methylenblau lassen sich die Bacillen schwer färben; die zu Stande 
kommende Erscheinung erinnert etwas an die Polkörnchenfärbung von Diphtherie¬ 
bacillen. 


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A. Rodella: 


jedoch nicht sehr intensiven Geruch besassen. Das Abdomen war sehr ein¬ 
gesunken. Am 15. August trat eine Besserung ein, am 20. verschlimmerte 
sich der Zustand wieder und am 21. starb das Kind. 

Mikroskopisches Aussehen der directen Präparate: Die meisten in diesen 
bemerkbaren Mikroorganismen entfärbten sich nicht nach Gram. Es fanden 
sich in der Mehrzahl ziemlich dicke Stäbchen, theils in regelloser, theils in 
paralleler Anordnung. Einige derselben besassen abgerundete Enden, nur 
wenige waren kantig. Auch konnte man vereinzelt kurze, fast ovale Stäbchen 
mit einem hellen, einer Spore gleichenden Centrum beobachten. Ferner 
waren viele schmale nicht sehr lange Stäbchen vorhanden, die nach Gram 
nur sehr schwach gefärbt wurden; einige schmale Stäbchen bildeten Ketten 
von 2 bis 4 Gliedern. Endlich sah man noch lange fast fadenförmige, 
gerade oder gebogene, manchmal sogar geschlängelte Formen; auch einige 
spindelförmige Gebilde waren vorhanden. — Kokken waren in diesem Falle 
wenig zahlreich vertreten, meist vereinzelt in Diploanordnung. Man konnte 
endlich noch einige spärliche, an Sprosspilze erinnernde Gebilde bemerken. 

Culturelles: Es wurde wie gewöhnlich Zuckeragar und Gelatine ver¬ 
wendet. Im Agar fand alsbald eine starke Gasentwickelung statt, wodurch 
eine Isolirung der Colonieen sehr erschwert wurde. Die Gelatine wurde in 
kurzer Zeit zuerst im unteren, dann auch im oberen Theil des Röhrchens 
verflüssigt. 

Yon anaeroben Arten gelang es mir nur aus dem grossen Gemenge 
Anaerob Nr. IY zu isoliren. Von den nicht näher untersuchten aeroben 
Arten sah man einige Stäbchen, die zur Gruppe der Heubacillen zu gehören 
schienen. 

Fall 2. Rückenbacher, 8 Wochen alt, gleichfalls von der Med. Poli¬ 
klinik behandelt, erkrankte am 29. October und starb am 21. November 1901. 
Die Diagnose lautete wie oben. Der Patient hatte ca. 10 Entleerungen im 
Tage; dieselben waren flüsssig und enthielten grüne und weisse Flecken; 
sie zeigten saure Reaction und stanken sehr. 

Mikroskopisches Aussehen der directen Präparate: Viele sehr kurze 
Stäbchen mit abgerundeten Ecken, deren manche mit grossen Coccobaeillen 
zu vergleichen waren; manche kurze Stäbchen waren in Diploanordnung. 
Ferner fanden sich einige lange dicke und einige lange schmale, diphtherie¬ 
bacillenähnliche Formen; auch fadenförmige und einige sporentragende 
Gebilde waren zu sehen. Auch Kokken waren mehr als im vorausgehenden 
Falle vorhanden, einige in regelloser Anordnung, einige zu zweien, andere 
zu kurzen Ketten vereinigt. — Auch beobachtete man aus vielen unregel¬ 
mässigen Gliedern bestehende Ketten. Einige wenige Hefezellen waren 
ferner noch zu sehen. 

Culturelles: Die, wie bei Fall 1 angelegten Culturen ergaben ein ganz 
ähnliches Resultat; die Gelatineverflüssigung erfolgte gleichfalls sehr rasch und 
stark. Auch hier waren die heubacillenähnlichen Gebilde vorhanden; sie 
kamen auf der Oberfläche des Agars zur Entwickelung. Aus der verflüssigten 
Gelatine im unteren Theil des Röhrchens gelang mir die Isolirung der unter 
Anaerob Nr. V beschriebenen Art. Wegen der Zersprengung des Nähr¬ 
bodens war die Isolirung von Arten aus dem Agar mit vielen Schwierig¬ 
keiten verbunden. 


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Bedeutung der Mikroorganismen im Säuglingsstühle. 479 


Fall 3. Patient (Grob) im Alter von 7 Wochen wurde am 15. XI. 
unter gleicher Diagnose wie oben von der Med. Poliklinik in Behandlung 
genommen. Entleerungen fanden im Tage etwa 5 bis 7 statt; dieselben 
waren von gelber Farbe, sehr weicher Consistenz und schwachem Geruch. 

Mikroskopisches Aussehen der directen Präparate: Viele Stäbchen von 
mannigfacher Grösse und Dicke; viele derselben waren sporentragend. Die 
runde oder ovale Spore befand sich entweder in der Mitte, so dass ein 
spindelförmiges Gebilde entstand, oder am Ende eines Stäbchen. Bei ovalen 
dicken Formen zeigte sich die Spore als heller Fleck in der Mitte oder am 
Ende der Bacillen; letztere Gebilde zeigten oft Aehnlichkeit mit Tetanus¬ 
bacillen. Die meisten besessen abgerundete Ecken; oft traten sie in Form 
2- bis 4gliedriger kurzer Ketten auf. — Die Kokken bildeten hier fast 
1 j l der ganzen Flora; einige derselben traten vereinzelt, andere in Ketten 
von 4 bis 6 Gliedern auf. 

Culturelles: Agar wird nur im geringen Grade zersprengt, so dass die 
Isolirung einer Art (Anaerob Nr. VII) nicht schwer gelang. Aus der 
Gelatine konnte ich nur eine Art züchten (Anaerob Nr. VI). 

Fall 4. Patient, Wieder, 7 Wochen alt, wurde am 27. V. 1901 im 
Kinderspital aufgenommen und am 10. XII. 1901 als geheilt entlassen. Die 
Diagnose lautete: Gastroenteritis, Convulsionen. Phimosis. — Der Patient 
erhält als Nahrung sterilisirte Milch und Haferschleim. Am Tage der 
bakteriologischen Untersuchung hatte er 6 Entleerungen, die von graugelber 
Farbe, halbflüssiger Consistenz mit Gehalt von unverdauten Speiseresten 
uud schwach saurer Reaction waren. 

Mikroskopisches Aussehen der directen Präparate: Die Flora bestand 
hauptsächlich aus schön verzweigten Stäbchen; es zeigten sich Formen, die 
entweder an einem oder beiden Enden eine gabelförmige Verzweigung auf- 
wiesen, oder man bemerkte mehrfach geknickte Ketten, an deren Knickungs¬ 
punkte gleichfalls eine Verzweigung stattfand. Ferner beobachtete ich einige 
wenige Köpfchenbakterien, und mehrere gerade schmale, längere oder kürzere 
Stäbchen, auch wenige fadenförmige Gebilde. Auch sah ich ein paar Stäbchen 
mit zugespitzten Enden in paralleler Anordnung. Endlich fanden sich ovale 
Gebilde mit einer glänzenden Spore in ihrer Mitte, daneben auch Cocco- 
bacillen. — Kokken waren meist in Diploanordnung vertreten, auch einige 
grosse waren vorhanden. 

Culturelles: Es wurden wie bei den vorigen Fällen Agar- und Gelatine- 
culturen angelegt. Auf beiden Nährböden war ein überaus üppiges Wachs¬ 
thum zu constatiren. Neben anderen aeroben Arten konnte ich auch noch 
eine Actinomycesart beobachten. Von den vermuthlich in grösserer Zahl 
vorhandenen anaeroben Arten gelang mir nur eine Art rein zu isoliren 
(Bacillus Nr. VIII) und weiter zu züchten. Zwei weitere anaörobe Arten 
konnte ich nie von einander trennen; unter dem Mikroskop bemerkte ich 
stets ein Gemenge von Kokken in Ketten und Stäbchen, beide entfärbten 
sich nicht nach Gram. — In Gelatine kamen die beiden Arten nicht zur 
Entwickelung. 


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480 


A. Rodella: 


Wir wollen hier nicht an die Frage heran treten, ob die Anwesenheit 
der Darmbakterien für die Verdauung unbedingt nöthig ist oder eine 
wesentliche Rolle spielt Die Versuche von Nnttal und Thierfelder 
haben hierüber nichts Bestimmtes ergehen; diese Autoren sind zu dem 
Ergebniss gelangt, dass auch hei einer völlig sterilen Nahrung die Thiere 
gleich gut wie mit unsterilen gedeihen. Schottelius hat dies bestritten; 
er hat bei seinen Versuchen mit Hühnern gefunden, dass die steril er¬ 
nährten in ihrer Entwickelung gegenüber den Controlthieren erheblich 
zurückgeblieben waren. In neuester Zeit ist Metchnikoff bei Versuchen 
mit Froschlarven zum gleichen Ergebnisse gelangt. Kurz vor Beendigung 
dieser Niederschrift hat Schottelius .eine Erweiterung und Vervoll¬ 
ständigung seiner Versuche veröffentlicht, die die Ueberzeugung bestärken, 
dass die Bakterien für die Physiologie der Verdauung geradezu unentbehr¬ 
lich sind. 

Wir haben in erster Linie gesehen, dass sich unter den Bakterien 
im Darme proteolytische Arten finden, die ihre eiweissspaltenden Eigen¬ 
schaften auch unter Luftabschluss bethätigen können; letzteres ist 
bekanntlich von Czerny und Keller bestritten worden, die, sich auf 
Escherich’s Befund stützend, sagen: „Die ausser B. coli im Darme 
vorhandenen Mikroorganismen, welche wohl Eiweissfaulniss erregen können, 
sind im Darmcanale durch Sauerstoffmangel in ihrer Wirksamkeit gehindert.“ 

Die proteolytischen Eigenschaften verdienen eine um so grössere Be¬ 
achtung, weil Spiegelberg die Bedeutung proteolytischer Mikroorganismen 
auch für die Pathologie betont hat. Wie wir gesehen haben, finden sich 
viel mehr proteolytische Mikroorganismen bei Flaschenernährung als bei 
Brustkindern; in pathologischen Fällen ist die Zahl dieser Bakterien am 
höchsten und ihre Thätigkeit erstreckt sich dann nicht nur auf den Ver¬ 
brauch von Casein, sondern auch von Fibrin, was in einer starken Gelatine- 
verflüssigungs-Fähigkeit der Culturen zum Ausdrucke kommt. Das Auf¬ 
treten so vieler Gelatine verflüssigender Arten in den pathologischen Fällen 
spricht für eine grosse Mannigfaltigkeit der Darmflora. 

Es ist nicht zulässig, aus dem Fehlen Gelatine verflüssigender Arten 
auf das Fehlen von Bakterien, die Casein peptonisiren, zu schliessen, wie 
dies von fast allen Autoren geschehen ist. Es können einerseits sehr 
wohl Casein peptonisirende Arten auf Gelatine gedeihen, ohne diese zu 
verflüssigen, wie ich schon in meiner ersten Arbeit erwähnt habe; anderer¬ 
seits giebt es viele, die Casein verbrauchen, jedoch nur bei Brüttemperatur 
gedeihen. 

Eine eingehende Untersuchung in dieser Richtung hat vielleicht für 
die Pathologie einen weit grösseren Werth, wie für die Physiologie der 
Verdauung, da wir wissen, dass die Peptone neben ihrem Nährwerth auch 


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Bedeutung deb Mikboorganismen im Säuglingsstuhle. 481 


einen schädigenden Einfluss ausüben können, wenn sie in zu grosser 
Menge vorhanden sind. 

Die Ansichten über die Pathologie des Darmes sind heute noch sehr 
getheilte, was schon aus der verworrenen Nomenklatur der Darmkrank¬ 
heiten hervorgeht. In neuerer Zeit bat sich Escherich bemüht, eine 
systematische Eintheilung derselben aufzustellen. Er unterscheidet: 


A. Ectogene 
Intoxication 


Toxischer 
Katarrh des 
Magens, 

Dünndarms 


Cholera- 

Infantum 


B. Chymus- 
Infection, 
endogene 
Intoxication 
durch 
abnorme 
Zersetzung 
des 

Danninhaltes 


Bakterielle 

Dyspepsie 

(Diarrhoea 

acida 

Eichstaedt) 

Dy spepti scher 
Katarrh 
(Diarrhoea 
catarrhalis 
West) 


C. Darm- 
infectionen, 
entzündliche 
Reizung oder 
Invasion der 
Darmwand 
durch patho¬ 
gene Mikro¬ 
organismen 


'Entzündlicher 

Katarrh 

(West) 


Entzündung, 
Gastritis, 
Gastroenteri¬ 
tis, Enteritis, 
Enterocolitis, 
Colitis. 


Man sieht jedoch sofort, dass man verschiedene Krankheitsformen in 
mehreren der Abtheilungen unterbringen kann. Es liegt nicht im Rahmen 
unserer Aufgabe, dieses Thema eingehender zu behandeln; wir wollen 
keineswegs die Resultate jener Autoren bestreiten, die in verschiedenen 
Fällen von Darmerkrankungen, Streptokokken, B. coli, B. coli dysentericus, 
B. enteritidis sporogenes (Klein) u. s. w. gefunden und für die Erreger 
derselben gehalten haben. In allen unseren Fällen ist es jedoch kaum 
zweifelhaft, dass ein specifischer Krankheitserreger nicht vorhanden war; 
dagegen zeigte das mikroskopische Bild eine ungeheure Mannigfaltigkeit 
von Formen verschiedenster Art. 

Bereits Ciechanowski und Nowak hatten eine ähnliche Beobach¬ 
tung bei Dysenteriefällen gemacht. In 21 bakteriologisch und zum Theil 
histologisch untersuchten Fällen gelang es genannten Autoren aus dem 
Darminhalte das Bacterium coli commune beinahe in Reincultur zu züchten. 
Von den vielen fast ausschliesslich sich nach Gram nicht entfärbenden 
Mikroorganismen, die sowohl in directen Stuhlpräparaten als in den ge¬ 
färbten Darmwandschnitten zu sehen waren, kam kein einziger auf aeroben 
Platten zur Entwickelung, weshalb die Autoren ihre Züchtungsversuche 
als misslungen betrachten. Die Mannigfaltigkeit der von ihnen mikro¬ 
skopisch beobachteten Bakterien stimmt auch mit unseren Untersuchungen 
vollkommen überein und es freut uns, dass wir dank unserer Methode 
(Erwärmen des Materials und Anlegung anaörober Culturen) weitaus 
bessere Resultate bekommen haben als die citirten Autoren. Wir er¬ 
wähnen noch an dieser Stelle, dass sehr viele aerobe Arten, die in unsere 
Culturen gelangten, von uns nicht näher untersucht worden sind, weil 

Zeitschr. f. Hygiene. X.LI, 3] 


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482 


A. Rodella: 


unser Hauptzweck nur ein kleiner Beitrag zur Frage anaerober Bakterien 
in pathologischen Fällen war. Wir beschränkten absichtlich unsere Auf¬ 
gabe, indem wir glauben, dass jeder Versuch, Theorieen zu gründen, welche 
einen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit haben, ganz zwecklos und ver¬ 
früht sei, bevor wir über die Physiologie der Verdauung besser orientirt 
sind. Die in meinen Arbeiten enthaltenen Andeutungen haben, wenn 
nicht viel zur Lösung der vielen diesbezüglichen Fragen beigetragen, doch 
wenigstens gezeigt, dass wir mit unseren Forschungen bis jetzt nicht 
gerade den richtigen Weg eingeschlagen haben. Die so häufig gestellte 
Frage, warum eigentlich Flaschenkinder Darmkrankheiten jeder Art mehr 
unterworfen seien als Brustkinder, ist bis jetzt noch nicht endgültig 
gelöst worden. 

So viel Licht auf diesem Gebiet die neuerlichen Arbeiten über Alexine 
in der Frauenmilch und Blutserum von Brustkindern geworfen haben, so 
glauben wir doch, dass sehr viele Factoren in den chemischen Leistuugeu 
der gesammten Bakterienflora zu finden seien. 

Bereits Tissier hat sich die Frage gestellt, ob auch saprophyte 
Bakterien, wenn sie in so grosser Menge auftreten, wie dies in patho¬ 
logischen Fällen vorkommt, im Stande wären, Krankheiten zu erregen; 
er fügt hinzu, dass man an die Entscheidung dieser Frage so lange nicht 
herantreten dürfe, als die Kenntniss der pathogenen Mikroorganismen 
des Darmes eine noch so wenig vollkommene sei. 

Trotzdem die Pathogenität dieser Mikroorganismen für Thiere keinen 
Schluss auf eine etwaige pathologische Wirkung im Darme gestattet und 
solche pathogene Mikroorganismen auch in einigen physiologischen Fällen 
beobachtet wurden, so ist es doch möglich, dass die Anwesenheit von 
Bakterien, die toxische Producte liefern und eine bedeutende Zersetzung 
des Darminhalts bedingen, wie unsere drei Anaöroben, Nr. 4, 5, 6, der 
Gesundheit des Organismus nachtheilig sein kann, wenn diese Mikro¬ 
organismen in sehr grosser Zahl im Darme Vorkommen. 

Wir wollen mit unserer Arbeit nur einen kleinen Beitrag zur Klärung 
dieser Frage liefern; es bleibt weiteren Untersuchern Vorbehalten, die Be¬ 
ziehungen zu erforschen, die das Auftreten dieser Anaöroben in physio¬ 
logischen Fällen mit den in pathologischen Fällen verbinden. Für ein 
solches Studium ist die genaue Beobachtung directer Präparate unerlässlich, 
um aus den culturellen Befunden gezogene unrichtige Schlüsse der 
Autoren zu vermeiden. Leider fehlen in vielen Fällen genauere Ang aben 
über erstere. 

Das anaörobe Plattenverfahren ist, wie schon erwähnt wurde, zu ver¬ 
werfen. Es lässt sich schwer sagen, warum verschiedene Autoren mit 
dem Plattenverfahren ganz von einander abweichende Resultate erzielt 


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Bedeutung der Mikrrorg anismen im Säuglingsstuhle. 483 


haben. Eberle, der sich sowohl des aeroben, wie des anaßroben Platten¬ 
verfahre ns bediente, konnte gerade bei letzterem merkwürdiger Weise 
weniger Colonieen zur Entwickelung bringen und will mit Gelatine bessere 
Resultate erzielt haben als mit Agar. Im Gegensätze dazu haben De Lange 
und Matzuschitta beim anaeroben Verfahren bessere Resultate erhalten 
als beim aeroben. Tissier benutzte gleichzeitig geraden und schrägen 
Agar und fand, dass in letzterem häufig nur spärliche Colonieen gediehen, 
sich viele dagegen im tiefen Agar gut entwickelten. Jedoch auch ein 
anaerobes Plattenverfahren, selbst wenn es gelänge, ein ideales zu finden, 
wird meiner Meinung nach kein tadelloses Resultat liefern. Ich konnte 
öfters beobachten, dass Arten, die ich zuerst im directen Präparat be¬ 
merkt hatte, erst dann sich auf den Culturen nachweisen liessen, wenn 
andere, die jene gewöhnlich überwucherten, eliminirt worden waren; ich 
erwähne dies besonders deshalb, da Tissier in den von ihm beobachteten 
Fällen keine proteolytischen Arten gefunden hat, wie Spiegelberg. Es 
liess sich dies wohl nur damit erklären, dass Tissier nicht, wie Spiegel¬ 
berg, bei Anlage der Cultur das Material erwärmt hat. — Ich konnte in 
der That in verschiedenen Fällen die Angaben Spiegelberg’s bestätigen. 

Wir dürfen hierbei nicht vergessen, dass die noch wenig untersuchten 
Verhältnisse der Symbiose und des Antagonismus die verschiedenen Re¬ 
sultate zum Theil erklären können. Dieses sonst noch wenig erforschte 
Gebiet der allgemeinen Bakteriologie hat kürzlich von mehreren Autoren 
speciell für die Stuhlbakterien einige Beiträge erhalten. So hat Bien¬ 
stock mitgetheilt, dass B. coli und B. lactis aerogenes die Entwickelung 
von B. putrificus verhindern; Gabricewski und Maljutin berichten, 
dass Coli durch Cholera Vibrionen verdrängt wird; ferner hat Dalle- 
magne durch beweisende Versuche gezeigt, dass B. Coli viele andere 
Bakterien in ihrer Entwickelung behindert oder ganz aus den Colonieen 
zu verdrängen vermag. Tissier hat mit seinem B. bifidus eingehende 
Versuche über diese Frage angestellt und gefunden, dass derselbe einer¬ 
seits in Symbiose mit einigen Bakterien üppiger wächst, andererseits 
wieder fähig ist, gewisse Arten aus den Culturen fern zu halten. Er 
führt sogar aus, dass die Widerstandsfähigkeit von Brustkindern gegenüber 
Durchfällen wahrscheinlich dadurch bedingt sei, dass die im Darme jener 
vorkommende Art von bifidus die Entwickelung schädlicher Arten ver¬ 
hindern solle. 

Fassen wir zum Schlüsse die Ergebnisse unserer Versuche nochmals 
kurz zusammen: 

1. Es finden sich im Stuhle von gesunden Säuglingen Casein pepto- 
nisirende Arten, die ihre Wirkung sowohl bei Luftzutritt, wie bei Luft- 
absc hl uss entfalten. 

31* 


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484 


A. Rodella: 


2. Die Peptonisirung der Milch ist grösser in Culturen, welche mit 
Stuhl von Flaschenkindern geimpft werden, als mit solchen von Brust¬ 
kindern. In pathologischen Fällen ist die Peptonisirung am grössten. 

3. Vielen neben B. coli commune und B. lactis aProgenes im 
Säuglingsdarme auftretenden Mikroorganismen kommen gasbildende Eigen¬ 
schaften zu. 

4. Viele peptonisirende und gasbildende Arten sind anaProb. 

5. Für die Isolirung der letzteren ist es nöthig, zur Anlage von Cul¬ 
turen gleichzeitig Gelatine und Zuckeragar zu verwenden; das vorherige 
Erwärmen des Materials, auch wenn dadurch eine geringe Ausbeute folgt, 
ist hauptsächlich für die AnaProbenuntersuchung in pathologischen Fällen 
empfehlenswerth. 

6. Ueber die thatsächliche Rolle, die die Anaöroben in physiologischen 
und in pathologischen Fällen spielen, wissen wir einstweilen noch nichts 
Bestimmtes; doch kann die Bedeutung der grossen Zersetzungsfahigkeit, 
die diesen Mikroorganismen eigen ist, für manche pathologische Fälle 
nicht bezweifelt werden. Die Krankheitserreger bei Darmkrankheiten dürfen 
wir heutzutage nicht mehr ausschliesslich in der Coligruppe und unter 
den aProb wachsenden Mikroorganismen suchen. 


Den Herren Professoren 0. Wyss, Th. Wyder und H. Müller für 
die TJeberlassung des klinischen Materials und Herrn Docent Dr. Silber¬ 
schmidt für seinen stets bereitwilligst ertheilten Rath spreche ich an 
dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank aus. 


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BßÜKl/TUNG Dßli MlKliOOKÜANlSMKN IM SaUGLINOSSTUUIjK. 485 


Litteratar-Verzeichniss. 


1. Bagin ski und Stadthagen» Ueber giftige Produete saprogemr Darm¬ 
bakterien. Berliner klin. Wochenschrift . 1890. Nr. 53. 

2. Bicnstock, Fortschritte der Medicin. 1883. — Zeitschrift f. klin. Medicin. 
1884. Bd. VIII. Archiv für Hygiene. Bd. XXXVI u. XXXIX. Annales de VInstitut 
Pasteur . 1899. T. XIII. 

3. Blauberg» Experimentelle und kritische Studien über Säuglingsfäces bei 
natürlicher und künstlicher Ernährung. Berlin 1897. 

4. Czerny und Keller, Des Rindes Ernährung , Ernährungsstörungen und 
Ernährungstherapie . 

5. Ciechanowski und Nowak, Zur Aetiologie der Dysenterie. Centralblatt 
für Bakteriologie . 1898. Bd. XXIIL 

6. Dallemagne, Archives de medicine experimental et clanatomiepathologique. 
1895. T. VII. 

7. De Lange (Cornelia), Zur Darm Vegetation gesunder Säuglinge. Jahrbuch 
für Kinderheilkunde. 4. Decbr. 1901. 

8. Eberle, Zählung der Bakterien im normalen Säuglingskoth. Centralblatt 
für Bakteriologie. 1896. Bd. XIX 

9. Escherich, Die Dannbakterien des Säuglings. Stuttgart 1896. — Wiener 
klin. Wochenschrift. 1889. Nr. 41/42. — Deutsche med. Wochenschrift. 1898. Nr. 40/42 
und speciell Wiener klin. Wochenschrift. 1900. Nr. 38. 

10. Gabritschewsky und Maljutin, Ueber die bakterienfeindlichen Eigen¬ 
schaften des Cholerabacillus. Centralblatt f. Bakteriologie. 1893. Bd. XIII. S. 780. 

11. Lübbert, Ueber die Natur der Giftwirkung peptonisirender Bakterien in 
ler' Milch. Diese Zeitschrift. 1896. Bd. XXII. 

12. Matzuschitta, Untersuchungen über die Mikroorganismen des menschlichen 
Kothes. Archiv für Hygiene. 1902. Bd. XLI. 

13. 0. Metschnikoff, Note sur Finfluence des microbes dans le developpement 
des tötards. Annales de VInstitut Pasteur. Bd. XV. p. 631. 

14. Nuttal u. Thierfelder, Thierisches Leben ohne Bakterien im Verdauungs¬ 
canal. Zeitschrift für phys. Chemie . Bd. XXI u. XXII. 

15. Rodella, Gazzetta degli ospedali e della cliniche. 1900. Nr. 108. — Central¬ 
blatt für Bakteriologie. 1901. Bd. XXIX. Nr. 18. — Diese Zeitschrift. 1902. 
Bd. XXXIX 

16. Schottelius, Die Bedeutung der Darmbakterien für die Ernährung. Archiv 
für Hygiene. Bd. XXXIV u. XLIV. 

17. Spiegelberg, Ueber das Auftreten von proteolytischen Bakterien in Säug¬ 
lingsstühlen und ihre Bedeutung in der Pathologie der Darmerkrankungen. Jahrbuch 
für Kinderheilkunde. 1899. Bd. IL. 

18. Tavel, Ueber den Pseudotetanusbacillus des Darmes. Centralblatt für Bak¬ 
teriologie. 1898. Bd. XXIII. Nr. 13. 

19. Tissier, Recherches sur la flore intestinale normale et pathologique du no- 
misson. Paris 1900. 


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[Aus dem staatlichen serotherapeutischen Institute in Wien.] 
(Vorstand: Prof. K. Paltauf.) 

Ueber das Verhalten des Lyssavirus im Centralnerveu- 
system empfänglicher, natürlich immuner und iminuni- 

sirter Thiere. 

Von 

Pri vatdocentcn Dr. R. Kraus, Dr. E. KeUer und Dr. F. Clairmont. 


Die principiellen Ergebnisse der experimentellen Lyssaforsehung sind 
mit dem Namen Pasteur’s und seiner Schule auf’s Innigste verknüpft. 
Die Entdeckungen, die wir Pasteur verdanken, sind in Bezug auf Trag¬ 
weite und Fruchtbarkeit für die weitere Lyssaforschung von fundamentaler 
Bedeutung gewesen. 

Der Nachweis, dass das Lyssavirus im erkrankten Centralnervensysteni 
in Reincultur zu finden und durch einen bestimmten Infectiousmodus 
auf andere Thiere übertragbar sei, „eröffnet©, wie Högyes (1) in seiner 
Monographie der Lyssa sagt, eine neue Aera in der experimentellen Patho¬ 
logie der Lyssa; es konnten nunmehr viele unbeantwortete Fragen in 
Bezug auf diese Krankheit experimentellen Untersuchungen unterworfen 
werden und auch diese Methode war es, die Pasteur zur Entdeckung der 
an tirabischen Schutzimpfungen führte, die zu den grössten Errungenschaften 
der modernen experimentellen Therapie gerechnet werden müssen.** 

Wenn auch durch spätere zahlreiche Arbeiten auf diesem Gebiet? 
wichtige Fragen gelöst wurden, bleibt immerhin noch eine Reihe von 
Problemen der künftigen Forschung Vorbehalten. 

Die mitzutheilenden Untersuchungen beschäftigen sich mit der Frage 
der Fortpflanzung des Lyssavirus im Centralnervensystem. 


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II. Ki^aus, E. Keller und P. Clairmont: Das Lyssa virus u. s. w. 4S7 

Da vergleichende Untersuchungen über die Fortpflanzung des Lyssa¬ 
virus im Centralnervensystem natürlich empfänglicher Thiere, natürlich 
immuner oder resistenter Thiere und künstlich immunisirter Thiere bisher 
nicht durchgeführt wurden, gingen wir daran, dieser Frage näherzutreten. 

Diese Untersuchungen, an und für sich interessant, machten es im 
Vorhinein wahrscheinlich, dass sich neue Gesichtspunkte für die Auffassung 
der Immunitätszustände ergeben werden, dass möglicher Weise der Mecha¬ 
nismus der Lyssainfection, der bisher nicht geklärt ist, Aufklärung er¬ 
fahren dürfte. Auch für das Verständniss der Schutzimpfung nach Pasteur, 
über deren Wesen bisher nur vage Vorstellungen existiren, schienen 
derlei Untersuchungen günstige Ausblicke zu gewähren. 

I. Ueber die Fortpflanzung des Lyssavirus im Centralnerven¬ 
system gesunder Kaninchen. 

Dass das Lyssavirus sowohl das Strassenvirus als auch Virus fixe fast 
ausschliesslich auf dem Wege der Nerven zum Rückenmark und Gehirn 
gelange, kann man wohl als feststehende Thatsache hinnehmen. 

Die Art der Ausbreitung und Vermehrung des Virus im Central¬ 
nervensystem seihst, scheint jedoch trotz der beweisenden Versuche von 
Vestea und Zagari nicht allgemein anerkannt zu werden. Sagt doch 
Högyes in seiner Monographie darüber Folgendes: 

„Die Geschwindigkeit, mit der das Virus während der Incubation in 
das Centrum gelangt, ist mangels genauer Untersuchungen noch un¬ 
bekannt; unsere Versuche beweisen aber, dass zu Beginn des Ausbruches 
der nervösen Erscheinungen das Gehirn bereits voll virulent ist; die in 
diesem Stadium von lebenden Kaninchen durch eine Trepanationslücke 
entnommenen Theile der Hirnrinde erzeugen bei anderen Kaninchen mit 
Sicherheit Wuth. Bei mit fixem Virus subdural inficirten Kaninchen er¬ 
scheinen die ersten nervösen Symptome im Durchschnitt am 6. Tage; da 
aber zu dieser Zeit bereits beide Gehimhiimosphären virulent sind, so 
kann es als wahrscheinlich angenommen werden, dass die Virulenz den 
Bulbus früher erreicht und zwar gleichzeitig mit dem Beginne des Fiebers 
in der zweiten Hälfte des vierten oder in der ersten Hälfte des 5. Tages, 
zu welcher Zeit die chromatolytischen Veränderungen der Nervenzellen 
bereits im ganzen centralen Nervensystem verbreitet sind.“ 

In der Arbeit „sulla transmissione della rabbia per la via dei nervi“, 
zeigten im Jahre 1887 Vestea und Zagari (2), dass bei mit Virus 
fixe subdural inficirten Kaninchen der Bulbus in einer gewissen 
Zeit infectiös sei, nicht das Lumbalmark. Umgekehrt ist bei in 


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Original frum 

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488 


1a. Kraus, E. Keller und P. Clairmont: 


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den Nervus ischiadicus inoculirten Kaninchen in einem gewisseu 
Stadium die Cauda equina virulent, nicht der Bulbns. 

Dieser Unterschied in der Verschiedenheit der Virulenz der ver¬ 
schiedenen Abschnitte lässt sich am besten zwischen dem 4. und 5. Tage 
nachweisen. 

Die späteren Arbeiten von Roux (3) und von G. Ferr6(4) kommen 
ebenfalls zu dem Resultate, dass bei Kaninchen durch subdurale Infection 
von Virus fixe die Medulla am 4. Tage, wo das Thier noch vollständig 
gesund erscheint, bereits virulent sei. 

Unsere Untersuchungen beschäftigen sich zunächst mit der Nach¬ 
prüfung der Arbeit von Vestea und Zagari, da wir die vollkommene 
Sicherstellung der Ergebnisse ihrer Arbeit zunächst für eine werthvolle 
Bereicherung unserer Kenntnisse in der Pathologie der Lyssa halten. Die 
Versuche, die mit Virus fixe durchgefüht wurden, sind in der Weise an¬ 
gestellt worden, dass die dichte Emulsion in einer Reihe von Versuchen 
subdural oder intracerebral, in einer anderen Reihe intranervös injicirt 
wurde. Die Kaninchen wurden in bestimmten Zeiträumen nach der In- 
jection entblutet und die Medulla und Lumbalmark in dichten Emulsionen 
wieder gesunden Kaninchen subdural injicirt. 

1. Versuch am 19.III. Subdurale Infection von Virus fixe. 


Subd. 

Injeetion 

Kan. 

Tag der 
Infection 

Entblutet 

nach 

Medulla 
subd. Kan. 

Resultat der 
subd. Medulla- 
infection 

Lumbal¬ 

mark 

subd. Kan. 

1 Resultat der 
subd. Lumbal- 
markinfection 

268 ” 

i 

i 

19.111. 

i 

24 Stunden 
20. 111. 

1 

| 

232 

232 f nach 18 
Tagen ohneEr- 
scheinungen, 
davon Med.- 
Kan. 201 bleibt 
am Leben 

207 

j 207 f nach IS 
, Tagen okneEr- 
scheinungeo, 

( davon Med.* 
Kan. 265 über¬ 
lebt 

290 

i 

! 

19.111. 

i 

• 

l 

48 Stunden 
21.111. 

157 

157 f nach 17 
Tagen ohneEr- 
scheinungen, 
davon Med.- 
Kan. 126 über¬ 
lebt 

256 

256 f nach 18 
Tagen ohneEr- 
scheinungen 

134 

! 19.111. 

1 

3 Tagen 
22.111. 

1 

147 

1 

i 

i 

147 Lyssa 

1. IV. t 

104 

104 f Dach 7 
Tagen ohneEr* 
scneinuDiren. 

davon Medulla 
subd. Kan. UH 
überlebt 

300 

19.111. 

4 Tagen 
23.111. 

147 

2. IV. Lyssa 
4. IV. f 

119 

1 

fin 13 Tatren 
ohne Erschei¬ 
nungen, davon 
Medulla subd. 
119 f in 5 Tg. 
ohne Ersdu 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




Das Lyssa virus im CentralnervenSystem immuner Tuiere. 489 


Subd. 

Injection 

Kan. 

Tag der 
Infection 

Entblutet 

nach 

Medulla 
subd. Kan. 

Resultat der 
subd. Medulla- 
i infection 

i ! 

Lurabal- 

raark 

subd. Kan. 

Resultat der 
subd. Lumbal- 
markinfection 

265 

19. III. 

5 Tagen 
24. UI. 

264 

3. IV. Lyssa 
4. IV. f 

255 

überlebt 

142 

i9. m. 

6Tagen 
25. IIL 

265 

1. IV. Lyssa 
4. IV. f 

57 

2. VI. Lyssa 

4. IV. f 

201 

i9. in. 

7 Tagen 
26. UL 

107 

3. IV. Lyssa 
6. IV. t 

201 

3. IV. Lyssa 

5. IV. t 


2. Versuch. Subdurale Infection mit Virus I 

fixe. 

13B 

13. UI. 

4 Tagen 
17. III. 

232 

26.UI. Lyssa 
29. UL t 

159 

überlebt 

35 

11. IX. 

4 Tagen 
15. IX. 

35 

27.IX. Lyssa 
1. X. f 


i 

i 

34 ! 

15. IX. 

6 Tagen 
17. IX. 

34 

27.IX. Lyssa 
29. IX. f 

159 

überlebt 

47 

15. IX. 

7 Tagen 
18. IX. 

47 

27.IX. Lyssa 
29. IX. f 

40 

27. IX. Lyssa 
l.X. f 

133 

12. IX. 

5 Tagen 
17. IX. 

133 

27.IX. Lyssa 
l.X. t 

161 

überlebt 

135 

12. IX. 

6 Tagen 
18. IX. 

134 

26.IX. Lyssa 
28. IX. f 

184 

29. IX. Lyssa 

30. IX. f 

1. Versuch am 

19. III. 1 

[ntracerebrale Injection mit Virus fixe. 

269 

19. UL 

24 Standen 
20. III. 

125 

25. III. f ohne 
Erscheinun¬ 
gen, davon 
Medulla subd. 
Kaninchen 91 
überlebt 

108 

29. III. f ohne 

Erscheinun¬ 
gen, davon 

Medulla subd. 

108 f. 18. IV. 
ohne Erschei¬ 
nungen, davon 

Medulla 108 
überlebt 

170 

19. Ul. 

1 

1 

1 

48 Stunden 
| 21. UL 

290 

6. IV. + ohne 
Erscheinun¬ 
gen, davon 
Medulla subd. 
290f- 12. IV. 
ohne Erschei¬ 
nungen, davon 
Medulla 264 
überlebt 

170 

überlebt 

57 

19. III. 

4 Tagen i 
23. IIL 

i 

84 

überlebt 

106 

überlebt 

144 

19. UI. 

5 Tagen j 
24. IU. 

271 

1. IV. Lyssa 
3. IV. f 

251 

i 

13. IV. f ohne 
Erscheinun¬ 
gen, davon 

Medulla snbd. 

251 überlebt 

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o 

o 

o 

S le 



Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 





490 


R. Kn aus, E. Kellük und P. Claikmont: 


2. Versuch am 27.IIL Intracerebrale Injection mit Virus fixe. 


Subd. 

Injection 

Kan. 

Tag der 
Infeetion 

Entblutet 

Dach 

Medulla 
snbd. Kan. 

1 

Resultat der 
subd. Medulla* 
infection 

Lumbal¬ 

mark 

subd. Kan. 

Resultat der 
subd. Lumbal- 
naark infection 

110 

27. III. 

24 Standen 
28. UI. 

242 

10.IV. Lyssa 
16. IV. f 

102 

überlebt 

122 

i 

27. III. 

48 Stunden 

29. m. 

122 

9.IV. Lyssa 
14. IV. f 

103 

überlebt 

244 ' 

27. IIL 

8 Tagen 

so m. 

112 i 

■ 

überlebt 

146 

4.IV+ohne Er¬ 
scheinungen 

123 

27. in. 

4 Tagen 

81. m. 



123 

12. IV. + ohne 
Erscheinun¬ 
gen, davon 
Medulla subd. 

Kan. 21 +. 
12. V. ohne Er¬ 
scheinungen, 
davon Medulla 
subd. 21 über¬ 
lebt 

105 

8. III. 

4 Tagen 
12. IIL 

290 

1 

21. III. Lyssa 
25. HL f 

107 

22.1U. Lyssa 
25. HL f 


Die Versuche mittels subduraler Infection des Virus fixe lehren, dass 
die Medulla schon am 3. Tage infectiös sein kann. Die mit der 
Medulla von 3 Tage lang inficirten Thieren wieder subdural behandelte 
Kaninchen gehen typisch an Lyssa zu Grunde. Das Lumbalmark 
jedoch ist weder am 3. Tage, noch am 4. und 5. Tage infectiös. Erst 
am 6. und 7. Tage nach der Infection gewinnt das Lumbalmark die 
volle Virulenz, wie sie die Medulla bereits 2 bis 3 Tage vorher besitzt. 
Immerhin ist bemerkenswerth, dass die mit 1 bis 2 Tage inficirter Medulla 
injicirten Kaninchen am 17. oder 18. Tage nach der Infection ohne Lyssa 
und Lumbalmark-Erscheinungen unter Abmagerung zu Grunde gehen. 
Die Medulla dieser Thiere ist nicht infectiös. Ob dieser Tod irgendwie 
mit der Lyssa in Zusammenhang gebracht werden darf, wollen wir nicht 
entscheiden. Wir werden auch bei den weiteren Versuchen ähnlichen 
Befunden begegnen. Bemerken möchten wir hier nur, dass beim Ueber- 
impfen der Medulla dieser Thiere eine ausserordentliche Weichheit des 
ganzen Centralnervensystems zu constatiren war. 

Wir finden also in Uebereinstimmung mit Vestea und Zagari, dass 
das subdural eingebrachte Virus fixe von der Injectionsstelle aus sich im 
Gehirn ausbreitet und vermehrt. 

Nach den Untersuchungen von Högyes wissen wir, dass Virus fixe 
in bestimmten Verdünnungen 1:10000 Thiere nicht mehr tödtet, mit Ver- 


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Original fro-m 

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Da« Lyssaviküs im Ckntualnekvensyütkm immuner Thiere. 491 


dünnungen 1:5000 gingen die Thiere mit verlängertem Incubatiousstadium 
zu Grunde. 

Ob das Virus am 1. und 2. Tage nach der subd. Infection bereits in 
der Medulla vorhanden sei und dazu in Mengen, die keine typische Lyssa 
erzeugen (entsprechend den hohen Verdünnungen in den Versuchen von 
Högye’s), lässt sich nicht entscheiden, da ja die Medulla der unter dem 
Bilde des Marasmus zu Grunde gegangener Thiere nicht infectiös ist. Wir 
müssen also die Frage offen lassen, ob das Virus von der Infectionsstelle 
im Gehirn aus schon in ganz kurzer Zeit 24 Stunden nach der Infection 
in die Medulla und in’s Rückenmark sich fortgepflanzt hat. Nach den 
Angaben von Vestea und Zagari und nach den Erfahrungen, die wir 
darüber besitzen, ist das in den Nervus ischiadicus eines Kaninchens 
peripherwärts injicirte Virus in 24 Stunden im Rückenmark. Die 
Kaninchen gehen trotz der Durchschueidung des oberen Antheiles des 
N. ischiadicus typisch an Lyssa zu Grunde. Es pflanzt sich demnach das 
Virus in der Nervensubstanz ziemlich rasch fort. Der Annahme, dass 
nämlich das Virus bereits vor dem 4. Tage nach der subduralen Infection 
das ganze Centralnervensystem ergriffen hätte, widersprechen die erhobenen 
Befunde. Würde nämlich die Infection gleich nach der Injection gleich- 
massig erfolgen, Hesse sich die Thatsache, dass die Medulla bereits am 
3. Tage, das Lumbalmark aber erst am 6. Tage infectiös sei, nicht recht 
verstehen. Denn angenommen, das ganze Nervensystem sei von Anfang 
an gleichmässig inücirt gewesen, müssten dann wahrscheinlich alle Ab¬ 
schnitte zur selben Zeit gleich infectiös sein. Nur noch mit Zuhülfe- 
nahme der Hypothese, dass das Virus in den verschiedenen Abschnitten 
des Centralnervensystems sich ungleichmässig vermehrt, in der Medulla 
rascher als im Lumbalmark, Hessen sich diese Tliatsachen mit der ge¬ 
machten Annahme erklären. 

Ob wir nun aber an der Annahme festhalten, dass das Virus gleich 
nach der subduralen Infection im Centralnervensystem sich ausbreitet, 
eine Annahme, die hypothetisch bleiben wird, so lange es nicht gelingt, 
das Virus zu züchten oder ob wir uns die Vorstellung bilden, dass das Virus 
nach subduraler Infection sich langsam fortpflanzt, und die verschiedenen 
Partieen in verschiedener Zeit erst ergreift, eine Vorstellung, die sehr viel 
Wahrscheinlichkeit für sich hat — an den festgestellten Thatsachen wird 
dadurch nichts geändert. Es steht fest, dass die verschiedenen Ab¬ 
schnitte des Centralnervensystems nach subduraler Infection 
mit Virus fixe zu verschiedener Zeit infectiös sind. 

Bei Anwendung der intracerebralen Methode der Impfung finden wir im 
1. Versuch, dass bis zum 5. Tage weder Medulla noch Lumbalmark infectiös 
sei. * Am 5. Tage ist bloss die Medulla infectiös, nicht das Lumbalmark. 


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Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



492 


I?. Kkaüs, E. Kellkü und P. Claibmont: 


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Im 2. Versuche finden wir, dass dieMedulla bereits nach 24,48 Stunden 
und 4 Tagen infectiös geworden ist; das Lumbalmark erweist sich erst 
am 4. Tage als infectiös. Jedenfalls scheint auch dieser Versuch für eine 
langsame Fortpflanzung und Vermehrung des Virus im Centralnerven¬ 
system zu sprechen. Die verschiedenen Abschnitte, wie Medulla und 
Lumbalmark sind bei Anwendung der intracerebralen Impfung früher 
infectiös als nach subduraler Impfung. 

Für das Studium der Fortpflanzung und Vermehrung des Virus fixe 
im Centralnervensystem ist die Methode der subduralen Impfung vor¬ 
zuziehen. 

In den weiteren Versuchen studirten wir die Fortpflanzung des Virus 
fixe im Centralnervensystem des gesunden Kaninchens nach intranervöser 
Infection. Vestea und Zagari, wie bereits angeführt wurde, haben 
mittels der Infection in den Nervus ischiadicus ganz ähnliche Fortpflanzungs- 
Verhältnisse constatiren können, wie nach der subduralen Infection. 

Bevor wir die Fortpflanzungsversuche begonnen haben, überzeugten 
wir uns noch, dass die Methode der Impfung in den Nervus ischiadicus 
ziemlich constante Resultate giebt, und dass die Lyssaerscheinungen zur 
selben Zeit wie nach der subduralen Injection auftreten. 


1. Versuch. Infection mit Virus fixe in den N. ischiadicus. 


Infection 

Tag der 

. 1 

Resultat 

! Infectiosität d. Medulla 

Infectiosität 

Infection 

| subd. Impfung 

d. Luinbalmarks 

274 

6. UI. 

16. III. Paralyse 

17. III. entblutet 

Kan. 263 

25. III. Lyssa, 29. III. + 

Kan 274 

29. UL j ohne Ersehng. 

142 

6. III. 

14. III. f ohne 
Erscheinungen 

Kan. 118 

24. IIL Lyssa, 25. III. + 

Kan. 113 

21.HL f ohne Erscbng. 

265 

6. III. 

17. III. Lyssa 
entblutet 

Kan. 288 

25. IIL Lyssa, 26.111. f 

Kan. 104 

25. HI. Lyssa, 26. III. f 

263 

6. III. 

16. III. Lyssa 
| 17. III. entblutet 

Kan. 115 

24.III. Lyssa, 26.ÜL + 

Kan. 182 

24. HL Lyssa, 26.111. f 

42 

6. m. 

i 

17. III. Lyssa 
entblutet 

Kan. 111 

25. HI. Lyssa, 28. IIL f 

Kan. 121 

25. HL Lyssa, 26. III. t 

271 

l 7. HL 

18. III. Lyssa 

Kan. 242 ! 

! Kan. 102 



entblutet 

26. HL Lyssa, 29. LU. + 26. IH. Lyssa, 29. HI. t 


Diese Versuche zeigen, dass nach Infection mit Virus fixe in den 
Nervus ischiadicus Lyssa in der typischen Weise auftritt wie nach sub- 
duraler Infection, und dass zu der Zeit, wo Lyssaerscheinungen nachweisbar 
sind, das ganze Centralnervensystem infectiös ist, und nachweisbar Lyssa¬ 
virus enthält. 

Des Interesses wegen wollen wir hier zwei Versuche einscbalten, in 
denen nach der Impfung die Thiere.oline Erscheinungen zu Grunde gingen, 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Das Lyssavirus im Centralnervensystem immuner Thieke. 493 


deren Centraluervensystem sich hei den weiteren Versuchen jedoch als 
infectiös erwies. 

1. Kaninchen 244 wird am 6. in. in den Nervus ischiadicus mit Virus 
fixe geimpft. Am 27. III. Exitus ohne Erscheinungen. Davon wird Medulla 
und Lumbalmark subdural Kaninchen 125, 182 injicirt, beide gehen typisch 
an Lyssa ein. 

2. Kaninchen 271 wird am 7. III. inficirt. Nach 37 Tagen am 12. IV. 
geht es ohne Lyssasymptome zu Grunde. Die Medulla und das Lumbalmark 
subdural injicirt, erzeugen typische Lyssa. 

Wir sehen also auch hier Thiere ohne Lyssaerscheinungen zu Grunde 
gehen, die, nach dem Impfresultate zu schliessen, wie wir es gewohnt 
sind, als lyssabrank auzusehen waren. E. Genaro beschreibt eine sogen. 
Consumptivwuth, die auf einen hohen Grad der Abschwächung des Wuth- 
giftes zurückzuführen wäre. Genaro unterscheidet bei der cousumptiven 
Lyssa eine übertragbare und eine nicht übertragbare Form. 

Die nächstfolgenden Versuche beschäftigen sich mit der zeitlichen 
Bestimmung der Ausbreitung des Lyssavirus im Centralnervensystem nach 
intranervöser Infection. 

1. Versuch am 26. III. 


8 3 

—» o 

Tag der 
Infection 

Entblutet 

nach 

Lumbalra. 

subd.Kan. 

Resultat 

Medulla 
subd. Kan. 

Resultat 

125 

26. III. 

24 Stunden 

37 

14. IV. f ohne Erschei¬ 
nungen 

288 

12. IV. + ohne Er¬ 
scheinungen 

121 

26. ID. 

48 Stunden! 

111 

3. IV. f ohne Erschei¬ 
nungen,davon Medulla 
8ubd.Kan.lll. 15.IV. 
f ohne Erscheinungen 

121 

13.IV. f ohne Erschei¬ 
nungen, davon Medulla 
subd.Kan. 121 überlebt 

212 

26. HL 

3 Tagen 
29. Hl. 

95 

überlebt 

212 

12. IV. f ohne Erschei¬ 
nungen,davon Medulla 
subd.Kan.212 überlebt 

115 

26. III. 

4 Tagen 
30.111. 

115 

überlebt 

173 

22. IV. f ohne Erschei¬ 
nungen, davon Medulla 
subd.Kan. 173 überlebt 

104 

26. III. 

5 Tagen 
81. UL 



110 

überlebt 




2. Versuch am 31. V. 



33 

81. V. 

3 Tagen 

2. VL 

33 

24. VI. f ohne Er¬ 
scheinungen 

37 

überlebt 

30 

31. V. 

6 Tagen 
6. VI. 

30 

überlebt 

32 

17. VII. f ohne Er¬ 
scheinungen 

31 

31. V. 

7 Tagen 
6. VI. 



31 

15. VI. Lyssa, 16. VI. f 

34 

31. V. 

als Control-Kaninchen erkrankt am 11 

. VI. 

Lyssa, 14. VI. f. 


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494 


R. Kraus, E. Keller und P. Clairmont: 


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3. Versuch am 20. VI. 

Infection einer oder beider N. ischiadicus mit Virus fixe. 


Infection 
in den 

N. ischiad. 

Tag der 
Infection 

Entblutet 

nach 

Lumbalm. 
subd. Kan. 

Resultat 

Medulla 
subd. Kan. 

200 

Jnfection 
beider Isch. 

20 . VI. 

5 Tagen 
25. VI. 

206 

überlebt 

200 

201 

Infection 
einer Isch. 

20 . VI. 

5 Tagen 
25. VI. 

207 

11 . VII. ohne 
Erscheinungen 

201 

203 

Infection 
beider Isch. 

! 20 . VL 

GTagen 
26. VI. 

1 

209 

8 . VIL Lyssa. 

9. VIL f 1 
Med. subd. K.209' 
18. VIL Lyssa, 

21 . vn. t 

203 

203 

Infection 
einer Isch. 

20 . VI. 

6 Tagen 
26. VI. 

208 

überlebt 


204 

Infection 
einer Isch. 

20 . VI. 

7 Tagen 
27. VI. 

205 

6 . VIL Lyssa, 

8 . VIL f 

204 


Resultat 


ta.VII.Lyssa, lO.YIl.f 
jMedulla subd. Kan.201 1 
I 10. V ULI. Lyssa, 11. 7 
11 . VII. ohne Erseb. 
Medn 1 la so bd. K an . 201 
! 30. VIL f ohne Ersch. 
11 . VII. 7 ohne Er^b. 
Medulla subd. Kao.2M3 
überlebt 


4. VIL f ohne Erseh., 
j davon Medulla subd. 
' Kan. 204 

ill.VIL Lyssa, 13.VII 7 


Aus diesen Versuchen geht zunächst sicher hervor, dass die Fort¬ 
pflanzungsverhältnisse, trotzdem die Lyssa in Bezug auf Incubatimu- 
stadium und Krankheitsstadium sich nach der Infection in den Nervus 
ischiadicus ganz gleich verhält wie nach subduraler Infection, sich anders 
gestalten als nach der subduralen Injection. 

Zunächst begegnen wir wieder der Erscheinung, dass Kaninchen, dje 
mit nicht infectiöser Medulla oder Lumbalmark subdural injicirt wurden 
nach 16, 17 oder 18 Tagen und länger ohne Erscheinungen zu Grunde 
gingen. Die Medulla und das Lumbalmark ist bei dieser Art. der In- 
l'ection am 4. Tage noch nicht infectiös. 

In einem Versuche war die Medulla zwar am 5. Tage bereits infecti's. 
das zugehörige Lumbalmark hatte sich als nicht infectiös erwiesen. In 
anderen Fällen war die Medulla und das Lumbalmark noch am 5. Tagt 1 
avirulent und erst am 6. und 7. Tage erwies sich das Lumbalmark infeeü 'S. 
die Medulla dagegen nicht infectiös. Ob im Versuch, in welchem das 
Lumbalmark am 6. Tage bereits infectiös war, die Infectiosität mit der 
Impfung des Virus in beide Ischiadici, also mit Verimpfung einer grossen 
Menge Virus in Zusammenhang zu bringen sei, wollen wir unentschieden 
lassen. Derselbe Versuch, wobei die Kaninchen in einem Ischiadicus bloss 
geimpft waren, ergab nach 6 Tagen, dass das Lumbalmark nicht infectös sei. 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




Das Lyssavibus im Cektealnervensystem immuneb Tiiikre. 495 

Wir sehen, dass die Art der Ausbreitung im Centralnervensystem 
nach einer Infection in den Nervus ischiadicus zeitlich von der Fort¬ 
pflanzung nach subduraler Infection verschieden sei. Wenn wir von dem 
Falle, in welchem das Lumbalmark sich als nicht infectiös erwies, die 
Medulla voll virulent war, absehen und diese Art der Ausbreitung als eine 
atypische ansehen, so dürfte anzunehmen sein, dass die Fortpflanzung 
hier von unten nach oben fortschreite, indem zunächst die unteren Ab¬ 
schnitte ergriffen werden. 

Warum diese Verschiedenheit der Infectiosität der einzelnen Ab¬ 
schnitte des Centralnervensystems nach Infection in den N. ischiadicus 
zeitlich von der nach subduraler Infection so abweicht, lässt sich nicht 
absolut entscheiden. Wahrscheinlich hängt es mit der Menge des ein- 
gebrachten Virus zusammen. Thatsache ist, dass das der Infectionsstelle 
am nächsten gelegene Lumbalmark erst am 6. und 7. Tage infectiös ist, 
wogegen die Medulla nach subduraler Infection am 3. Tage bereits virulent 
erscheint.' 


Alle die bisher angeführten Versuche sind mit Virus fixe durchgeführt 
worden. Nachdem in der Litteratur Versuche, in denen Strassenvirus 
angewendet worden wäre, nicht vorliegen, gingen wir auch daran, die Fort¬ 
pflanzungsverhältnisse des Strassenvirus im Centralnervensystem gesunder 
Kaninchen zu verfolgen. Die Versuche wurden in derselben Weise aus¬ 
geführt, wie die früheren Versuche mit Virus fixe. Das Strassenvirus, 
welches von Hunden, deren Schädel zur Constatirung der Wuth eingesendet 
wurden, stammte, war an Hunden, Kaninchen und Meerschweinchen ge¬ 
prüft worden. 


1. Versuch am 27.VI. Subdurale Infection mit Strassenvirus!. 


(Teplitz.) 1. Passage durch Hund. 


Kan. 

Tag der 
subduralen' 
Infection 

Entblutet 

nach 

Medulla 

subdur. 

Kan. 

Resultat 

Lumbal¬ 

mark 

subdur. 

Resultat 

210 

27. VI. 

4 Tagen 
30. VI. 

210 

überlebt 

232 

22. VII. f ohne Erscheinung, 
davon Med. 232 überlebt 

211 


5 Tagen 

1 . VII. 

241 

14. VII. f. 
ohne Ersch. 

242 

überlebt 

212 


6 Tagen 

2 . VII. 

212 

19.VII. 
Lyssa, 21.f 

245 

>» 

213 


7 Tagen 

3. VII. 

213 

überlebt 

243 

| 


214 


8 Tagen 

4. VII. 

214 

>* 

244 

i j 

i 

»* 


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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



496 


R. Kbaus, E. Keller und P. Clairmont : 


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Kan. 

Tag der 
subdaralen 
Infection 

Entblutet 
| nach 

Medulla 

subdur. 

Kan. 

Resultat 

Lumbal¬ 

mark 

subdur. 

i 

Resultat 

215 

27. VI. 

10 Tagen 
6 . VII. 

215 

19. VII. 
Lyssa, 21.f, 
davon Med. 
subd. Kan. 
215, Lyssa 
5. VIII, 6 . f 

246 

20 .VII. f, ohne Erscheinung, 
davon Medulla subdur. Kan. 

246. — 2 . VIII. Lyssa. 

3. VIII. t, davon Medulla 
246. 19.VIII. Lyssa, 20 . f 

217 

Controle: 

14 Tagen 
10 . VH. 

217 

25. VII. 
Lyssa, 27. t 

250 

28. VII. Lyssa. 29. VII. j 

218 

27. VI. 

am 18. VII. Lyssa, 

16.VIL f (17 Tage). 


Das Strassenvirus wurde vorher noch einmal durch einen Hund passirl Die 


subdarale Infection erfolgte beim Hand am 6. VI. Die Lyssa trat am 21.VI. aut 


der Exitus erfolgte am 27. VII. 


2. Versuch am 30. VI. Subdurale Infection mit StrassenlyssalV. 
(Passage durch Meerschweinchen.) 


Kan. 

Tag der 
subduralen 
Infection 

Entblutet 

nach 

Medulla 

subdur. 

Kan. 

Resultat 

Lumbal¬ 

mark 

subdur. 

1 

| Resultat 

i 

233 

30. VI. 

5 Tagen 

5. VII. 

233 

überlebt 

246 

i5. vm. 
Lyssa, 16. t 

234 

ff 

6 Tagen 

6 . VII. 

234 

15.VII. + ohne Ersch., 
davon Med. subd. 284. 
22 .VII. f ohne Ersch., 
davon Med. subd. 234. 
29.VII. f ohne Ersch, 
davon Med. subd. 234. 
6 . VIII. Lyssa. 7. f 

247 

überlebt 

236 

ff 

8 Tagen 

8 . VII. 

236 

15.VII. Lyssa. 16.f- 

248 

14. VII. 
Lyssa, 15. f 


Das Strassenvirns wurde vom Hund auf’s Meerschweinchen übertragen, im 
2 t. VI. wird das Meerschweinchen subdural injicirt. Am 29. VI. tritt Lyssa auf, am 
30. VI. Exitus (nach 8 Tagen). 


3. Versuch am 16.VII. Suhdurale Infection mit Strassenvirus I. 


(1. Passage durch Kaninchen.) 


120 

16. VII. 

5 Tagen 
21 . VII. 

120 

überlebt 

124 

überlebt 

121 


7 Tagen 
28. VH. 

121 

8 .VHL Lyssa. 12 . + 

125 

5.VHI.Lys8a,7.t 
davon Med, subd. 







125. 17. vm. 
Lyssa. 19. f 

122 


10 Tagen 
27. VII. 

122 

16.Vin. Lyssa. 18. f 

126 

überlebt 


123 

218 


1 .2 ( 2 . Passage) 16.III. Lyssa 80. VII., 6 . f (nach 15 Tagen). 

-S ( 1 . Passage) 27.VI. Lyssa 18. VII., 16. f (nach 17 Tagen), davon das 
ü Virus zu dem Versnob. 


Gck igle 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Das Lyssayieu8 im Centbalnebvensystem immunes Thtebe. 497 


4 . Versuch am 3. VIII. Subdurale Infection mit Strassenvirus III. 

(Passage durch Kaninchen.) 


Kan. 

Tag der 
subduralen 

Infection 

Entblutet 

nach 

Medulla 

subdur. 

Kan. 

Resultat 

i 

t 

Lumbal¬ 

mark 

subdur. 

Resultat 

108 

3. VIII. 

9 Tagen 
6. V1U. 

150 

überlebt 

152 

überlebt 

106 

»> 

8 Tagen 
11. VIII. 

153 


154 


105 

” 

10 Tagen 
13. VIII. 

156 

12. DL ohne Erschei¬ 
nung., davon Medulla 
subdur. 156, überlebt 



106 

12. VII. 

Controle: 

i 

Lyssa am 1. VIII. (nach 20 Tagen). 

3. VIII. t. 


5. Versuch am 18. VIII. Subdurale Infection mit Strassenvirus I. 

(2. Passage durch Kaninchen.) 


101 

18. VIII. 

5 Tagen 
23. VJIL 

101 

überlebt 



102 


8 Tagen 

26 . vrn. 

102 

13. IX. Lyssa, 14. IX. f 

105 

überlebt 

103 


| Controle: Lyssa am 4. IX. (16 Tage), 5. IX. f. 



6 . Versuch am 20.VIII. Subd. Inf. mit Strassenvirus IV, Graz. 

( 1 . Passage durch Hund.) 


200 

20. VIII. 

1 

5 Tagen 
25. VIII. 

200 

überlebt 

225 

überlebt 

201 

i 

7 Tagen 
27. VIII. 

201 

überlebt 

236 

überlebt 

202 

»• 

9 Tagen 
29. VIII. 

202 

12. IX. Lyssa, f. 
Med. subd. Kan. 202 
26 . IX. Lyssa, 27. IX. f 

224 

24. IX. + ohne 
Ersch., Medulla 
subd. Kan. 224 
10. X. f 
ohne Ersch. 

204 

20. VIII. 

| Controle: 

Lyssa am 6. X. (19 Tage), 9. X. f. 


7. Versuch am 29. VIII. Subd. Inf. mit Strassenvirus V, Mal schütz. 

(3. Passage durch Kaninchen.) 

227 

29. VIII. 

5 Tagen ( 
3. IX. 

227 

t 

17. IX. f ohne Ersch. 

241 

überlebt 

228 


8 Tagen 

8. IX. 

228 

18. IX. Lyssa, 19. IX. f 

242 

29. IX. f ohne 
Erscheinungen 

199 

26 . vrn. 

| Controle: Lyssa am 27. IX. (10 Tage), 29. IX. +. 



Zeitschr. 1 Hygiene. XLI. 32 

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498 


R. Kraus, E. Keller und P. Clairmont: 


In den früheren Versuchen, ausgeführt mit Virus fixe, sahen wir, 
dass nach subduraler Infection des Virus die Medulla bereits am 3., 4. und 
5. Tage sich als vollviruleut erwiesen hat. Am 6. Tage nach der Infection 
ist auch in der Regel das Lumbalmark infectiös gewesen. 

Die mit Strassenvirus durchgeführten Versuche lehren im Allgemeinen 
zunächst, dass die Infectiosität der Medulla und des Lumbal¬ 
markes nach subduraler Infection viel später anzutreffen sei 
als nach Infection mit Virus fixe. In keinem unserer Versuche 
fanden wir die Medulla vor dem 5. Tage infectiös. Das Lumbalmark war 
in zwei Versuchen am 7. und 8. Tage vollvirulent, sonst in allen anderen 
Versuchen erlangte es viel später die Infectiosität. 

Im 1. Versuch finden wir am 6. Tage die Medulla infectiös, am 7. und 
8 . Tage avirulent und erst am 10. Tage lässt sich die Infectiosität derselben 
wieder nachweisen. Solchen Unregelmässigkeiten in der Fortleitung sind 
wir in früheren Versuchen auch begegnet, ohne dass wir hierfür einen 
Grund anzugeben wüssten. Das Lumbalmark ist erst am 14. Tage typisch 
virulent gewesen. Interessant ist der Versuch mit Kaninchen 246. Die>es 
Thier mit Lumbalmark des Kaninchen 215 subdural geimpft, geht nach 
14 Tagen ohne Erscheinungen zu Grunde. Die Zeit würde der Zeit ent¬ 
sprechen, in der Kaninchen 215 mit Medulla geimpft, typische Lyssa 
bekam. Mit der Medulla von Kaninchen 246 wird weiter subdural 
Kaninchen 246 inficirt. Nach 18 Tagen geht das Kaninchen an Lyssa 
zu Grunde. Das mit der Medulla dieser Kaninchen subdural inficirte 
Kaninchen geht nach 17 Tagen an Lyssa zu Grunde. Im 1. Versuch sehen 
weiter wir Kaninchen 234 mit der Medulla von Kaninchen 234 6 Tage 
nach der Infection subdural inficirt ohne Erscheinungen zu Grunde gehen. 
Das mit der Medulla davon subdural injicirte Kaninchen geht gleichfalls 
ohne Erscheinungen nach 7 Tagen zu Grunde. Die Infection mit der 
Medulla dieses Kaninchens hat in der 3. Passage typische Lyssa zur Folge. 

Eine ganz ähnliche Beobachtung machten wir noch in einem nicht 
näher anzuführenden Versuche, wo Virus fixe lumbal injicirt wurde. 
24 Stunden nach der Infection wurden die verschiedenen Abschnitte des 
Ceutralnervensystems subdural Kaninchen iujcirt. Das Lumbalmark erzeugt 
typische Lyssa. Das Dorsalmark ist nicht virulent Nach Injection der 
Medulla geht das Kaninchen nach 14 Tagen ohne Erscheinungen zu 
Grunde. Mit der Medulla dieses Thieres wird ein Kaninchen subdural 
injicirt und geht nach 16 Tagen an typischer Lyssa zu Grunde. 

Auch diese Thatsachen, sowie die bereits angeführten dürften iu dem 
Sinne zu deuten sein, dass es eine Form der experimentellen Lyssa giebt, 
die ohne besondere Erscheinung einhergeht, wobei die Thiere unter Ab¬ 
magerung zu Grunde gehen. Diese Form der Lyssa trat bisher überall 


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Das Lyssavibus im Centralnervensystem immuner Thiebe. 499 

dort auf, wo Kaninchen subdural mit noch nicht vollvirulentem Virus 
inficirt worden waren. 

Der 3. und 5. Versuch, ausgeführt mit demselben Virus nach weiteren 
Passagen durch Kaninchen, wobei aber zu bemerken ist, dass das In- 
cubationsstadium sich nicht geändert hatte, ergiebt am 5. Tage einen voll¬ 
ständigen Mangel der Virulenz der Medulla und des Lumbalmarkes. Am 
7. und 8. Tage ist die Medulla bereits typisch virulent. Das Lumbalmark 
ist einmal am 7. Tage virulent, am 10. Tage in demselben Versuch ist es 
avirulent, ebenso wie am 8. Tage in einem anderen Versuche (5). 

Im 2. Versuche finden wir eine Wiederholung einer atypischen Fort¬ 
leitung, wie wir sie bereits früher kennen gelernt haben, indem die 
Medulla am 5. Tage nicht infectiös erscheint, das Lumbalmark dagegen 
bereits typische Lyssa erzeugt. Am 6. Tage ist das Lumbalmark avirulent, 
die Medulla erzeugt eine atypische Form der Lyssa. Am 8. Tage ist 
sowohl Medulla als auch Lumbalmark virulent. 

Im 4. Versuche, in welchem ein Virus mit einem Incubationsstadium 
von 20 Tagen in Anwendung gelangt, ist die Medulla selbst am 10. Tage 
noch nicht vollvirulent. 

Im 6. Versuche tritt die Infectiosität der Medulla erst am 9. Tage 
auf, im 7. Versuche am 8. Tage. In beiden Versuchen war das Lumbal¬ 
mark um diese Zeit nicht typisch infectiös. 

Zusammenfassend betrachtet, müssen wir sagen, dass sich im Ver¬ 
gleich zu den Versuchen mit Virus fixe zeitliche Unterschiede 
in der Fortleitung des Strassenvirus im Centralnervensystem 
gesunder Kaninchen ergeben haben. Nach subduraler Infection 
mit Virus fixe ist die Medulla bereits am 3. und 4. Tage infectiös 
hier nicht vor dem 6. Tage, gewöhnlich später sogar erst am 
10. Tag. Dementsprechend finden wir das Lumbalmark später infectiös 
am 7. und 8. Tage, und oft auch um diese Zeit erweist sich das Lumbal¬ 
mark als avirulent. 

Unsere Kenntnisse über die Verschiedenheit der Eigenschaften des 
Virus fixe und des Strassenvirus sind äusserst lückenhaft. Versuche über 
die Verschiedenheit sonstiger Eigenschaften, über das Verhalten gegen 
chemische, thermische und andere Einflüsse mit dem Strassen- und 
Passagenvirus sind nicht angestellt worden. Man kennt nur das ver¬ 
schiedene Verhalten des Strassenvirus und des Virus fixe im Thierkörper. 
Man kennt die Thatsache der Abschwächung des Strassenvirus durch 
Affen, vielleicht durch Hühner, die Verstärkung nach Passage durch Meer¬ 
schweinchen, Kaniuchen und andere Thiere. Man weiss, dass das Virus 
fixe sich durch die Kürze der Iucubationszeit vom Strassenvirus unter- 

32* 


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Original frorn 

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500 


R. Kraus, E. Keller und P. Claibmont: 


scheidet, durch seine Constanz bei weiteren Passagen und durch die Form 
der Lyssa. Worin die Verschiedenheit in der Wirkung des einen und 
des anderen Virus begründet sei, wissen wir nicht; auch bestehen darüber 
in der Litteratur keine Angaben. 

Högyes glaubt, die Verschiedenheit in der Wirkung des Strassen¬ 
virus und des Virus fixe mit der Menge der Wuthmikroben (?) erklären zu 
können. Den Ausgangspunkt seiner diesbezüglichen Betrachtungen bilden 
seine Versuche über die Wirkungen des verdünnten Virus. 

Im Jahre 1888 zeigte Högyes, dass Virus fixe in 10000 fachen 
Verdünnungen gar nicht wirksam war. Nach subduraler Injection der 
Kaninchen mit 5000facher Verdünnung des Virus starben schon einige 
Thiere, aber mit verzögertem Incubationsstadium; die 1000- bis 
250fachen Dilutionen tödten schon sämmtliche Kaninchen nach 
stufenweise sich verkürzender Incubation. Die 200- bis 10fachen 
Verdünnungen wirken ebenso stark, wie die ganz dichte Emulsion des 
verlängerten Markes. „Die gleichen Volumina, sagt Högyes, der successiv 
weniger verdünnten, daher auch successiv mehr fixes Virus enthaltenden 
Emulsionen erzeugen nach successiv sich verkürzender Incubation die 
Wuth, ihre Virulenz ist daher gesteigert. 

Es entsteht aber nun die Frage, ob die bereits erwähnte Steigerung 
der Virulenz, die bei successiven Weiterimpfungeu des Strassenvirus be¬ 
obachtet wird, nicht auch auf eine solche quantitative Vermehrung der 
Wuthmikroben und des von ihnen erzeugten Giftes zurückgeführt werden 
könnte, oder mit anderen Worten, ob beim Erlangen der Fixicität die 
Erhöhung der Virulenz nur eine scheinbare sei. 

Aus den Verdünnungen zu urtheilen, müsste ein Stück verlängertes 
Mark eines an Strassenwuth verendeten Hundes ohne Zweifel weniger 
Mikroben und auch weniger Wuthgift enthalten, als das gleich grosse 
Stück Mark eines mit Passagevirus geimpften und gestorbenen Kaninchens; 
es bleibt aber noch die Frage zu beantworten, ob nicht die gifterzeugende 
Fähigkeit der Wuthmikroben eine stärkere wird und ob die Differenz 
nicht dadurch entsteht, dass bei derselben gifterzeugenden Fähigkeit für 
die Vermehrung der Mikroben das Nervensystem des Kaninchens einen 
geeigneteren Nährboden darstellt als das Hundehirn. Dies würde experi¬ 
mentell dann bewiesen sein, wenn es mit der subduralen Einimpfung 
einer grösseren Menge des Strassenvirus gelingen würde, die Wuth mit 
einer 5- bis 6 tägigen Incubation bei Kaninchen zu erzeugen. Daraus 
konnte nun der Schluss gezogen werden, dass auch das Strassenvirus ent¬ 
haltende Hirn mit derselben gifterzeugenden Fähigkeit versehene Mikroben 
enthält, wie das Passagevirus enthaltende, folglich, dass bei der Erhöhung 


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Das Lyssavirus im Centralnervensystem immuner Thiere. 501 


und Abschwächung der Virulenz bloss quantitative Verhältnisse maass¬ 
gebend sind.“ 

Aus den Versuchen von Högyes geht das Eine sicher hervor, dass 
zur Erzeugung einer typischen Lyssa mit Virus fixe nach subduraler In- 
fection eine bestimmte Menge Virus gehöre. Geht man unter diese 
Menge, so tritt überhaupt keine Lyssa auf. 

Diese Thatsachen stehen in vollem Einklänge mit unseren sonstigen 
bakteriologischen Kenntnissen. Mit virulenten Mikroorganismen können 
wir einen acuten, subacuten oder chronischen Tod erzeugen, je nach der 
angewendeten Menge der Mikroorganismen. Es gelingt auch, wie wir 
wissen, einen wenig virulenten Mikroorganismus, der ein Kaninchen nach 
2 bis 3 Tagen in Mengen von 1 bis 2 ccm tödtet, nach systematischer 
Passage durch Kaninchen ihn auf eine Höhe der Virulenz zu bringen, 
so dass Viooooo ei Qes Cubikcentimeters Kaninchen acut in 6 his 12 Stunden 
tödtet (Streptokokken, Pestbacillen). Wodurch diese Virulenzsteigerungen 
eventuell Virulenzschwächungen bedingt sind, darüber ist bisher nichts 
Feststehendes bekannt. 

Nach unseren Versuchen scheint die Verschiedenheit des 
Strassenvirus und des Passagevirus auf einer verschiedenen 
Fortpflanzungs- oder Vermehrungsfähigkeit zu beruhen. Das 
Virus fixe ist nach subduraler Infection bereits am 3. Tage in der Medulla 
nachweisbar, das Strassenvirus erst am 6. Tage oder auch später. Die 
zeitlich verschiedene Nachweisbarkeit in den verschiedenen Abschnitten des 
Centralnervensystems spricht entschieden dafür, dass das Strassenvirus 
sich entweder langsamer fortpflanzt oder auch langsamer vermehrt. 

Eine langsamere Vermehrung des Strassenvirus muss auf jeden Fall 
erfolgen. Angenommen, das Virus pflanzt sich rasch von der Injections- 
stelle zur Medulla fort und erreicht dieselbe früher, bevor es noch nach¬ 
weisbar ist, wäre ohne die Annahme einer langsamen Vermehrung die 
Spätinfectiosität der Medulla unverständlich. 

Wenn das Virus aber von der Injectionsstelle durch fortschreitendes 
Wachsthum die Medulla und das Lumbalmark erreicht, so ist selbst¬ 
verständlich, dass die langsame Fortpflanzung durch eine langsame Ver¬ 
mehrung bedingt sein muss. Wie wir auch gesehen haben, hängt die 
Vermehrungsfähigkeit hezw. Fortpflanzungsgeschwindigkeit, nach der In- 
fectiosität der Medulla und des Lumbalmarkes zu schliessen, mit der Länge 
des Incubationsstadiums des Virus innig zusammen. 

Wir würden nach dem eben Angeführten zum ersten Male auf Grund 
von Experimenten eine Erklärung für die Verschiedenheit der Eigen¬ 
schaften des Strassenvirus und des Passagevirus erbracht haben. Wir 


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502 


R. Kraus, E. Keller und P. Cl airmont: 


glauben annehmen zu können, dass die Verschiedenheit des Strassen- 
virus und des Passagevirus in einer verschiedenen Vermeh¬ 
rungsfähigkeit des Virus im Centralnervensystem des Kanin¬ 
chens begründet sein dürfte. 


II. Veber das Verhalten des Lyssavirus im Centralnervensystem 

todter Kaninchen. 

Unsere Kenntnisse über die Natur des Virus der Lyssa sind auch 
dermalen noch nicht weiter gediehen, als sie zur Zeit Pasteur’s waren. 
Wir wissen auch heute noch nicht über das Virus mehr, als dass das 
Centralnervensystem der beste Nährboden für dasselbe sei, und dass man 
es nur durch Passage im Thierkörper erhalten könne. Es steht weiter 
auch fest, dass das Virus, in’s Gehirn empfänglicher Thiere eingebracht, 
sich daselbst fortpflanzen und vermehren könne. 

Nachdem alle Versuche, das Virus ausserhalb des Körpers zu züchten, 
gescheitert sind, nachdem durch die Untersuchungen von Vestea und 
Zagari und durch unsere Arbeit eine Vermehrung des Virus im Central¬ 
nervensystem empfänglicher Thiere in vivo ganz sichergestellt ist, ver¬ 
suchten wir es, das Centralnervensystem empfänglicher todter Thiere als 
Nährboden zu benützen. Unsere diesbezüglichen Versuche wurden in der 
Weise durchgeführt, dass ganz analog wie in den Fortpflanzungsversuchen 
im Centralnervensystem lebender Thiere das Virus subdural oder cerebral 
in’s Gehirn eines soeben getödteten Kaninchens eingebracht wurde 
und nach verschiedenen Zeiträumen die Medulla auf ihre Infectiosität ge¬ 
prüft. Aus der Arbeit über die Fortpflanzung des Virus im Central¬ 
nervensystem verschiedener Thiere wissen wir doch, dass nach subduraler 
Infection mit Virus fixe bei gesunden Kaninchen die Medulla am 3. oder 
4. Tage nach der Infection ganz regelmässig infectiös sei. In unseren 
jetzigen Versuchen konnten wir demnach, nach dem, was uns über die 
Fortpflanzung des Virus bereits bekannt war, aus dem positiven oder 
negativen Impfresultate mit der Medulla der todten Thiere auf die Fort¬ 
pflanzung und Vermehrung des Virus schliessen. 


1 . Versuch. Die Kaninchen werden entblutet und cerebral mit 


Virus fixe inficirt. 


Die Thiere liegen am Eis. 


Cerebral Virus fixe 


Liegt am Eis bis 


Medulla subdural 
Kaninchen 


Resultat 


111 26.111. 128. III. nach 2 Tagen j 115 überleb: 

290 26. HL | 31. III. „ 5 „ 109 , „ 

142 26.111. i 31. III. „ 5 ,, Lumbalm. subdur. 113 „ 

Inj. in den N.ischiad.| | 


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Das Lyssavibus im Centralnervensystem immuner Thiere. 503 


2 . Versuch. Kaninchen werden zu Tode chloroformirt; sofortige 
cerebrale Injection mit Virus fixe. 


K Cerebral | Liegt am Eis oder 

* Vir, fixe am bei Brüttemp. bis 

Medulla 
subdur. am 

Besultat 

Mednlla subdur. 
Kan. 

2 | 17. V. 

f 

21. V., nach 4 Tg. 
bei 37° 

Kan. 22 

4. VI. nach 15 Tagen 
ohne Erscheinungen 

12 

am 25. V. + ohne 
Erscheinungen 

6 

I 

21. V., nach 4 Tg. 
am Eis 

„ 25 

81. Y. nach 10 Tagen 
Exitus ohne Ersch. 

25 

13. VI. Exitus ohne 
Erscheinungen 

5 

° v 

i 

25. Y.. nach 8 Tg. 
am Eis 

„ 42 

25. VI. nach 1 Monat, 
j Exitus ohne Ersch. 

42 

überlebt 


Controls 1 chloroformirt, in Narkose inficirt. 


17. V. j25.V.Lyssa,29.+| 


3. Versuch. Kaninchen werden zu Tode chloroformirt. 6 Stunden 
post mortem, intracerebral Virus fixe. Liegen am Eis und bei 37°. 


Kan. 

Cerebral 
Virus fixe 
am 

Liegt am Eis 
oder bei 37° bis 

Medulla subdur. 
Kaninchen 

Resultat 


9 

18. V. 

22.V. am Eis 4 Tage 

72 

von der In- 
jectionstelle 
subd. Kan. 75 

überlebt 

1 .VI. Lyssa, 2. + 

i 

10 

>• 

23.V. nach 5 Tagen, 
liegt 4 Tage am Eis 
und 24 Std. bei 37° 

77 

4.VI. Exitus nach 
12 Tagen ohne 
Erscheinungen 

77 Exitus 
2.VII. ohne 
Erschein. 

16 

•9 

25.V. nach 7 Tagen 
am Eis 

40 

15. VI. f nach 
21 Tagen ohne 
Erscheinungen. 
Lumbalm. subd. 
39 

überlebt 

19 

99 

25. V. nach 7 Tagen, 
liegt 3 Tage bei 37° 
und 4 Tage am Eis 

44 

überlebt 


17 

1 

! 

i 

9t 

28.V. 10 Tage am Eis 

68 

Injectionsstelle 
subd. Kan. 65 

28. VI. f nach 

1 Monat ohne 
Erscheinungen 

16. VI. + nach 
19 Tagen 

68 

überlebt 

65 

überlebt 


Control*Kaninchen 1 in Narkose inficirt. 
| 18. V. | 25. V. Lyssa, f | | 


4. Versuch. Kaninchen zu Tode chloroformirt. Dann cerebral Virus fixe. 


Liegen am Eis. 


240 | 27. VI. 

1. VII. nach 4 Tagen 

240 

überlebt 

6h | „ | 

| 2. VII. nach 5 Tagen 

65 

ft 


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504 


R. Kbaus, E. Kelleb und P. Claibmont: 


5 . Versuch. Kaninchen zu Tode chloroformirt Sofort subdural Virus fixe. 


Liegen 48 Stunden bei 37°, dann bei Zimmertemperatur. 


Kaninchen 

Subdural 1 
Virus fixe 
am [ 

Liegt bei 37° und 
bei Zimmertemperatur 

Medulla subduralis 
Kaninchen 

r 

Resultat 

l 

8. IX. 

48 Stunden bei 37° und 
48 Std. bei Zimmertemp. 
12. IX. 

148 

i 

| 

überlebt 

2 

»» 

48 Stunden bei 37° und ] 
3 Tage bei Zimmertemp. 
13. IX. 

189 

i» 

3 

9t 

48 Stunden bei 37° und 

5 Tage bei Zimmertemp. 
15. IX. 

160 

*» 

4 

9t 

48 Stunden bei 37® und 

8 Tage bei Zimmertemp. 
18. IX. 

! 74 

i 29 

.. 


Aus den vorliegenden Versuchen ergiebt sich zunächst, dass es nicht 
gelingt, das in’s todte Gehirn subdural und cerebral injicirte 
Virus fixe in der Medulla der todten Kaninchen nachzuweisen. 
Weder nach 4 noch nach 5, selbst nach 10 Tagen ist die Medulla dieser 
Thiere infectiös. Es dürfte sich nach dem Ausfall dieser Versuche zu 
schliessen das Virus fixe, eingebracht in’s Centralnervensystem todter Thiere. 
daselbst weder fortpflanzen noch vermehren. Ob das Virus im Gehirn der 
todten Thiere zu Grunde geht, ist schwer zu entscheiden. In einzelnen 
Versuchen ist es uns nicht einmal gelungen, die Injectionsstelle infectiös 
zu finden. Nur in einem Versuche erwies sich die Injectionsstelle noch 
nach 4 Tagen typisch infectiös. Diese wenigen diesbezüglichen Versuche 
lassen keinen sicheren Schluss zu, da möglicher Weise die Verdünnung 
des Virus, da ja das Virus sich nicht vermehrt, die Ursache für die 
Nichtinfectiosität der Medulla sein könnte. Immerhin steht es aber fest, 
dass nach den übereinstimmenden Resultaten dieser Versuche das in’s Gehirn 
todter Kaninchen eingebrachte Virus sich anders verhalte, als das im Ge¬ 
hirn lebender Kaninchen. Das Virus pflanzt sich im Gehirn todter 
Kaninchen nicht fort und vermehrt sich auch nicht. 

Um womöglich günstige Bedingungen für die Vermehrung des Virus 
zu setzen, wurden frisch getödtete Kaninchen, nachdem das Virus injicirt 
wurde, auch bei 37° gehalten. Selbst bei dieser Anordnung gelang es 
nicht, die Iufectiosität der Medulla nachzuweisen. Es vermehrt sich 
darnach auch das Virus im todten Ceutralnervensystem der Kaninchen bei 
37° nicht. Dass niedrige Temperaturen das Virus in seiner Virulenz 
nicht zu schädigen vermögen, war Pasteur bekannt und ist durch Ver- 


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Das Lyssavibus im Centbaenebvensystem immuneb Thieke. 505 

suche von Yiala und Jobert nachgewiesen. Yiala konnte mit einem 
im luftleeren Raume hei —4° bis 4° C. auf bewahrtem Gehirn wuth- 
kranker Kaninchen noch nach 5 Monaten Lyssa erzeugen. 

Jobert konnte selbst nach 10 Monaten bei —10° bis 25° C. die 
Virulenz des Virus unverändert nachweisen. 

Dass Temperaturen von 35° C. durch längere Zeit die Virulenz des 
Virus nicht beeinträchtigen, ist auch nachgewiesen worden. 

Die Temperatur, bei der die Kaninchen in unseren Versuchen auf¬ 
bewahrt wurden, können demnach nicht als Ursache für die negativen 
Resultate herangezogen werden. 

Es ist weiter noch bekannt und von verschiedenen Seiten auch nach¬ 
gewiesen, dass die Fäulniss die Virulenz des Virus nicht beeinträchtige. 
Wir konnten in einzelnen Versuchen uns davon überzeugen, dass das 
Gehirn der frisch getödteten Kaninchen selbst nach einigen Tagen weder 
aerob noch anaerob cultivirbare Mikroorganismen enthielt. Auf diese 
Weise würde auch der Einwand, dass eventuelle Fäulnisskeime das Virus 
in seiner Vermehrung gehemmt haben dürften, entkräftet. 

Wir glauben nach dem Vorangehenden zu dem Schlüsse berechtigt 
zu sein, dass die Vermehrung der Virus fixe im todten Gehirn 
empfänglicher Thiere nicht stattfinden könne und nur im Ge¬ 
hirn lebender Thiere erfolge. Ob die Fortpflanzung und Vermehrung 
des Lyssavirus nur an das Leben der Nervenzelle gekuüpft sei, oder welche 
andere Momente hierfür maassgebend sind, lässt sich nicht entscheiden. 

Ob aus der Feststellung dieser Thatsache auch auf die Unmöglichkeit 
der Cultivirbarkeit des Virus ausserhalb des Organismus geschlossen werden 
darf, müssen wir ebenso offen lassen. 


III. Ueber die Fortpflanzung des Lyssavirus im Centrainerven* 
System der Tauben und Hühner. 

In einer früheren Arbeit (6) konnten wir zeigen, dass das Verhalten 
der Vögel gegenüber dem Lyssavirus (Virus fixe und Strassenvirus) ein 
anderes sei, als das der Säugethiere. Sowohl durch Virus fixe als durch 
Strassenvirus lässt sich durch subdurale Infection bei Hühnern, Gänsen, 
Enten, jungen Tauben Lyssa erzeugen. Die Incubation ist verschieden. 
Während dieselbe bei Gänsen, Enten meist ca. 14 Tage beträgt, ist dieselbe 
beim Huhne verlängert und dauert 40 und mehr Tage. Es tritt auch 
kein Unterschied ein, ob das Ausgangsvirus kurzer oder längerer In¬ 
cubation war (Virus fixe und Strassenvirus). Die Krankheitsform bei den 
empfänglichen Vögeln ist die der paralytischen Wuth, jedoch ausgezeichnet 
durch langwierigen, 14 Tage, ja mehrere Wochen dauernden Verlauf. 


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Original fro-m 

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506 


R. Kraus, E. Keller und P. Clairmont: 


Die Erscheinungen sind zu Beginn Ataxie, später tritt Parese, endlich 
Paralyse der Extremitäten und der Halsmusculatur auf. Viele Thiere ver¬ 
weigern jede Nahrungsaufnahme und gehen unter grosser Abmagerung 
meist zu Grunde. In seltenen Fällen tritt jedoch unter allmählichem 
Zurückgehen der Erscheinungen Heilung auf. 

Die Krankheit lässt sich von den Vögeln wieder auf Kaninchen über¬ 
tragen, doch nicht so constant wie bei den letzteren. 

Alte Tauben verhalten sich dem Lyssavirus gegenüber vollkommen 
refractär. Weder durch Virus fixe, noch durch Strassenvirus lässt sich 
normaler Weise bei Tauben Lyssa hervorrufen. Durch Hungern jedoch 
können alte Tauben für die Lyssainfection empfänglich gemacht werden. 

Weitere Versuche über die natürliche Immunität der Tauben haben 
ergeben, dass weder das Blutserum noch die Gehirnsubstanz rabicide 
Eigenschaften dem Lyssavirus gegenüber besitzen. 

Gibier zeigte in seinen Versuchen, dass das Lyssavirus noch nach 
12 und 20 Tagen nach der subduralen Impfung bei einem Hahn und 
einer Taube im Gehirn enthalten sei. Unsere diesbezüglichen Versuche 
über das Verhalten des Lyssavirus im Taubengehirn sind nicht einheitlich 
ausgefallen. Neben einer Reihe negativer Befunde ist es uns gelungen, 
in zwei Versuchen das Virus nach 48 Stunden und 12 Tagen im Tauben¬ 
gehirn nachzuweisen. Wir schlossen aus unseren Versuchen, dass das 
Virus fixe im Taubengehirn nicht zerstört werde. 

Nachdem es uns aber in unseren früheren Versuchen nicht gelungen 
ist, eine Lösung der Frage über das Verhalten des Lyssavirus im Ceutr.il- 
nervensystem natürlich immuner Tauben herbeizuführen, gingen wir noch 
einmal dieser Frage nach. 

In den früheren Versuchen wurde das ganze Taubengehirn emulgirt 
und mit der Emulsion subdural Kaninchen injicirt. In den folgenden 
Versuchen kam dieselbe Methodik, wie bei den Fortpflanzungsversuchen 
im Kanincheugehim in Anwendung. Das Virus wurde subdural injicirt 
und nach verschiedenen Zeiträumen die Medulla und Cervicalmark in 
Emulsionen subdural Kaninchen injicirt 


1. Versuch. Subdurale Injection von Virus fixe am 4.IV. 


Subd. Entblutet 
Taube Infect. 

: am nach 

iMed. subd. 
u. Cervical¬ 
mark 

Kaninchen 

Resultat 

Vom 

Kaninchen 
Med. subd. 

Resultat 

1 4. IV. 13 Tasten 

17. IV. 

157 

25.1V. Lyssa, 

28. f 

vom Kan. 
157 

auf Kan. 
157 

7. V. Lyssa. 8.V. f 


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Das Lyssavibus em Centbalnebvensystem immunes Thiere. 507 


Taube 

| Subd. 
i Infect. 

! am 

1 

Entblutet 

nach 

Med. subd. 
u. Cervical- 
mark 

Kaninchen 

Resultat 

Vom 

Kaninchen 
Med. subd. 

Resultat 

1 

2 


23 Tagen 
27. IV. 

270 1 

23. V. Lyssa, 

so. t 

nach 26 Tagen 


Das mit der Medulla 
geimpfte Kaninchen 
^eht Tags darauf zu 

3 

*9 

23 Tagen i 
27. IV. ' 

1 

113 

1 

* ' 

überlebt 

1 




2 . Versuch. Subdurale Injection von 

. Virus fixe am 27. IV. 

1 

27. IV. 

6 Tagen 

3. V. 

123 

6. VI. f ohne 
Erscheinung, 
nach 33 Tagen 

123 

12. VI. f ohne 
Erscheinungen. 

2 

99 

6 Tagen 

3. V. 

169 

21. V. f ohne, 
| Erscheinung. 



3 


10 Tagen 
7. V. 

122 

| überlebt 




3. Versuch. Subdurale Injection mit Virus fixe am 18. V. 

1 

18. V. 

10 Tagen 
28. V. 

61 

7. VI. Lyssa 
12. VI. f 

61 

19. VI. + ohne Erseh., 
davon Medulla sujjd. 
Kan. 68 f 26. VL 
ohne Erscheinungen. 

2 


18 Tagen 
5. VI. 

13 

25.VI. f ohne 
Erscheinung. 



3 


38 Tagen 
25. VL 

100 

13 

überleben 



4. Versuch. Subdurale Injection mit 

, Virus fixe am 17. VII. 

1 1 

i 

17.VII. 

5 Tagen 
22. VII. 

171 

16.VII. + ohne 
Erscheinung. 

69 

überlebt 

2 


7 Tagen 
24. VII. 

173 

überlebt 



3 

1) 

9 Tagen 
26. VII. 

175 

» 



4 

V 

11 Tagen 
28. VII. 

178 

7. VII. f ohne 
Erscheinung. 
10 Tagen 

178 

14. VII. Lyssa, 16. +. 


Diese Versuche stehen mit unseren früheren Untersuchungen in voller 
Uebereinstimmung; wir sagten damals, dass nach dem Ausfall der drei 
positiven Versuche, welche ebenso ausgeführt wurden wie die zahlreichen 
negativen, das Virus fixe im Taubengehirn nicht zerstört werde; ferner, 
nahmen wir an, wenn wir die negativen Versuchsresultate zu Schluss- 


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508 


R. Kraus, E. Keller und P. Clairmont: 


folgerungen yerwerthen wollten, dass das Virus im Taubengehim sich nicht 
vermehrt Ob das Virus im Taubengehirn abgetödtet wird, kann aus diesen 
Versuchen nach dem positiven Ausfall einzelner Versuche und aus dem 
negativen der Control versuche nicht geschlossen werden. 

Auch in der jetzigen Versuchsreihe stehen einer grossen Anzahl negativer 
Befunde einzelne positive Resultate gegenüber. 

Es gelang, mit der Medulla und Cervicalmark der Tauben im 1. Ver¬ 
suche 13 Tage nach der Infection Lyssa zu erzeugen. Bei der 2. Taube 
im selben Versuche war die Medulla nach ,26 Tagen infectiös. Allerdings 
ging das Kaninchen erst nach 26 Tagen an typischer Lyssa zu Grunde. 
Bei der TJebertragung des Virus fixe von Hühnern auf Kaninchen fanden 
wir in früheren Versuchen auch eine Verlängerung des Incubations- 
stadiums auf 17 und 19 Tage. 

Im 2. Versuche gelang es weder nach 6 noch nach 10 Tagen die 
Infectiosität der Medulla nachzuweisen. 

Im 3. Versuche ist die Medulla nach 12Tagen virulent gewesen, in¬ 
dem das Kaninchen typisch an Lyssa zu Grunde geht Dass die weitere 
Impfung resultatlos verlief, ist nicht verständlich. Eine ähnliche Beob¬ 
achtung finden wir in unserer früheren erwähnten Arbeit Mit der Medulla- 
emulsion einer an typischer experimenteller Lyssa zu Grunde gegangenen 
Eule wird ein Kaninchen subdural geimpft Dasselbe geht ohne Er¬ 
scheinungen zu Grunde. Die subdurale Impfung mit der Medulla dieses 
Kaninchens erzeugt Lyssa. Die weitere subdurale TJebertragung gelingt nicht. 

Die weiteren zwei Tauben beim 3. Versuch liefern ein negatives 
Resultat. Im 4. Versuche sind die Resultate bei drei Tauben negativ, bei 
der vierten Taube begegnen wir einem analogen Befund, wie im eben 
erwähnten Versuch mit der Medulla von der Eule. Die Medulla von der 
vierten Taube ist noch nach 11 Tagen infectiös; das genannte Kaninchen 
geht zwar ohne Lyssaerscheinungen zu Grunde, die Medulla erweist sich 
jedoch typisch infectiös. 

Wir hatten auch bei den früheren Untersuchungen die Beobachtung 
gemacht, dass die Impfung mit der Medulla der sicher an experiment. 
Lyssa zu Grunde gegangenen Vögel (Hühner, Gänse, Eulen) bei Kaninchen 
nur bei einzelnen Fällen typische Lyssa erzeugte. In vielen Fällen er¬ 
krankten Kaninchen überhaupt nicht oder gingen ohne Erscheinungen zu 
Grunde. Ob die ohne Erscheinungen zu Grunde gegangenen Kaninchen 
in den früheren sowie in den jetzigen Versuchen einer Lyssainfection 
erlegen sind, können wir nicht entscheiden. 

I)a es uns immerhin in einigen wenigen Fällen gelungen ist, nach 
längerer Zeit eine Infectiosität der Medulla und des Cervicalmarkes nach¬ 
zuweisen, sehen wir eine Bestätigung der früheren Versuche und 

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Das Lyssa virus im Centralnervensystem emmuneb Thiebe. 509 


können auch hier sagen, dass das Virus fixe im Taubengehirn sich 
erhalten könne. 

Ob in den Fällen mit negativem Resultat das Virus vollständig zer¬ 
stört wurde, oder nur für Kaninchen durch Anpassung an das Tauben- 
gehim unwirksam oder abgeschwächt wurde (Exitus ohne Erscheinungen), 
ist schwer zu entscheiden. 

Wie wir sehen, haben die Fortpflanzungsversuche mit Virus fixe und 
mit Strassenvirus im Centralnervensystem des gesunden Kaninchens, also 
einer empfänglichen Thierart, im Vergleich zu den Fortpflanzungen im 
Taubengehirn, ganz bedeutende Unterschiede ergeben. 

Im Centralnervensystem der empfänglichen Thiere pflanzt sich das 
Virus in ganz typischer Weise fort und ist constant in einer bestimmten 
Zeit im ganzen Nervensystem, zunächst in der Medulla, dann im Lumbal¬ 
mark nach .subduraler Impfung nachweisbar. Im Centralnervensystem der 
natürlich immunen Vögel kann sich das Virus auch fortpflanzen und 
ist auch noch nach längerer Zeit nachweisbar. Zumeist gelingt es 
aber, das Virus nicht nachzuweisen, ohne dass man deswegen berechtigt 
wäre, daraus schon ein Zugrundegehen des Virus im Centralnervensystem 
dieser Thiere anzunehmen. In beiden Fällen pflanzt sich das Virus fort, 
im empfänglichen Kaninchengehim gesetzmässig, ob im natürlich un¬ 
empfänglichen Taubengehirn in einer nicht typischen Weise, entzieht sich 
der Beurtheilung. Ohne dass Tauben unter gewöhnlichen Verhältnissen 
an Lyssa erkranken würden, kann sich im Gehirn dieser Thiere das Lyssa¬ 
virus fortpflanzen und vermehren. 

Wie die Versuche mit Serum und normalem Taubengehim lehren 
und wie spätere Versuche noch weiter zeigen werden, besitzt das normale 
Taubenserum und Taubengehirn keine rabiciden Eigenschaften gegenüber 
dem Lyssavirus, so dass die Immunität der Tauben weder in rabiciden 
Substanzen des Serums noch in solchen des Centralnervensystems eine 
Erklärung findet. 

Die nächstfolgenden Versuche beschäftigen sich, mit den Fort¬ 
pflanzungsverhältnissen des Lyssavirus im Centralnervensystem der Hühner. 

In unseren Untersuchungen konnten wir zeigen, dass Hühner im 
Allgemeinen für das Lyssavirus empfänglich sind. Die mit Virus fixe 
und Strassenvirus subdural inficirten Hühner erkranken nach verschieden 
langen Incubationsstadien unter charakteristischen Erscheinungen und 
gehen nach längerer oder kürzerer Krankheitsdauer zu Grunde. Das 
Incubationsstadium betrug in den einzelnen Versuchen 28 bis 69 Tage. 
Durchschnittlich betrug das Incubationsstadium nach Impfung mit Virus 
fixe 40, mit Strassenvirus 44 Tage. 


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510 


R. Kraus, E. Keller und P. Clairmont : 


Die Uebertragung des Virus vom lyssakranken Hnbn auf andere 
Hühner ergab unregelmässige Resultate. Ebenso ist die Uebertragung des 
Virus vom Huhn auf Kaninchen schwankend. In sechs Fällen wurden 
Kaninchen mit Medulla lyssakranker Hühner inficiri Nur in zwei Ver¬ 
suchen trat Lyssa auf, wobei das Incubationsstadium 17 und 19 Tage betrug. 
Nach dem Ausfall dieser Versuche war es von vornherein wenig anssichts¬ 
voll, Lyssavirus im Centralnervensystem der inficirten Hühner nachzu¬ 
weisen, zumal es doch in der Mehrzahl der Fälle nicht gelungen ist, von 
bereits lyssakranken Hühnern Virus auf Kaninchen zu übertragen. 

In unseren Versuchen wählten wir kürzere Zeiten, als sie der nach¬ 
gewiesenen Länge des Incubationsstadiums entsprechen würden. 

Die Hühner wurden subdural geimpft und die Medulla von den ent- 


bluteten Thieren subdural auf Kaninchen verimpft. 

1 Versuch am 4 .IV. Subdurale Infection mit Virus fixe. 

Huhn 

Subdurale j Entblutet 

1 Infection am j nach 

Medulla und 
Cervicalmark 
subdural 

Resultat Medulla v. Kaninchen 

1 

4. IV. J 2 Tagen 

1 6. IV. 

256 

20. IV. f ohne 

Erscheinung 

2 

13 Tagen 
| 17. IV. 

119 

| l 

überlebt 


2 . Versuch am 19. V. 

Subdurale 

Iufection mit Virus fixe. 

1 

19. V. 9 Tagen 

28. V. 

I 69 

16. VI. f ohne’69 subd. Kaninchen 69« 
Erscheinung [ 14. VI. Lyssa. 16 f 

2 

„ 17 Tagen 

! 5. VI. 

I 54 

19.VI. f ohne 

Erscheinung 1 

3 

, ., 24 Tagen 

95 

18. VI. Lyssa, 


12. VI. 

1 

Lumbal mark 
subd. Kan. 
96 | 

19. VI.'0 

überlebt j 


3. Versuch. Subdurale Infection mit Virus fixe. 

1 

17. VII. 6 Tagen 

23. VII. 

170 1 

172 

überlebt j 

2 

8 Tagen 

25. VI. 

177 1 

i 

3 

23. VII. 8 Tagen 

31. VII. 

181 1 

1 

»» I 


4. Versuch. Subdurale Infection mit Virus fixe. 

1 

15. VIII. 13 Tagen 

28. VJfll. 

116 i 

1 

7. IX. Lyssa, 

9. f 

2 

„ 18 Tagen 

2.X. 

115 

1 

15.IX. t ohne subd., überlebt. 
Erscheinung | 


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Das Lyssavibus im Centralnervensystem immuner Thiere. 511 


Die Versuche sind ganz analog wie die Versuche mit Tauben aus¬ 
gefallen. In einzelnen Versuchen gelang es, nach 9, 13 und 24 Tagen 
das Virus in der Medulla inficirter Hühner nachzuweisen. Die Mehrzahl 
der Versuche, wie auch zu erwarten war, fiel negativ aus. 

Dass der negative Ausfall in diesen Versuchen nicht in der Zer¬ 
störung des Virus bedingt sein kann, dafür sprechen unsere früheren Er¬ 
fahrungen, wonach Hühner fast regelmässig nach subduraler Infection an 
Lyssa erkrankt sind. Wir hätten noch die Annahme zu machen, dass 
das Virus in den verschiedenen Zeiträumen noch nicht in der Medulla 
vorhanden war oder in zu geringer Menge, oder dass das Virus für 
Kaninchen bis zur Unwirksamkeit abgeschwächt wird. 

Gegen die erste Annahme spricht der Umstand, dass es uns in drei 
Fällen thatsächlich gelungen ist, nach 9, 13 und 24 Tagen Virus nach¬ 
zuweisen. Für die weitere Annahme liesse sich der Umstand anführen, 
dass das Serum der Hühner, wie wir bei besonders darauf gerichteten 
Versuchen feststellen konnten, normaler Weise bereits stark rabicide Eigen¬ 
schaften besitzt. 

In welcher Weise die Fortpflanzung des Virus im Centralnervensystem 
der Hühner erfolgt, vermögen wir aus den eben angeführten Gründen der 
Unmöglichkeit eines sicheren experimentellen Nachweises nicht zu ent¬ 
scheiden. Wir können nur sagen, dass es gelingt, das Virus nach längerer 
Zeit, wie auch aus den früheren Versuchen hervorgeht, im Centralnerven¬ 
system der inficirten Hühner nachzuweisen. Dass das Virus früher in 
der Medulla nachweisbar sei, bevor noch Krankheitserscheinungen auf- 
treten, geht ebenfalls aus den Versuchen hervor. Aus der Thatsache, dass 
die Hühner nach subduraler Infection fast ausnahmslos an Lyssa erkranken, 
dürfen wir schliessen, dass das Lyssavirus sich fortpflanzt und 
vermehrt und dass die negativen Uebertraguugsversuche auf 
Kaninchen in einer Abschwächung des Virus ihren Grund 
haben dürften. 

Trotzdem Huhn und Taube in Bezug auf Empfänglichkeit für das 
Lyssavirus sich ganz verschieden verhalten, finden wir in den Resultaten 
der Fortpflanzungsversuche Analogieen. In beiden Versuchreihen fällt die 
Mehrzahl der Versuche bezüglich der Ueberimpfbarkeit des Virus auf 
Kaninchen negativ aus. Ohne dass die Tauben eine nachweisbare Rabicidie 
des Serums aus der Gehirnsubstanz hätten, wird das Virus offenbar für 
Kaninchen geschwächt. Der Mechanismus der Abschwächung des Virus 
im Taubengehirn dürfte allerdings ein anderer sein, als der der Ab¬ 
schwächung des Virus im Hühnergehirn. 

Die gesunden Hühner besitzen ja ein stark rabicides Serum, so dass 
die Abschwächung für Kaninchen sich daraus schon erklären liesse. 


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512 


R. Kraus, E. Keller und P. Clairmont: 


IT. Veber die Fortpflanzung des Lyssavirus im Centralnerven- 
system immnnisirter Kaninchen. 

Im Weiteren soll nun der Frage näher getreten werden, wie sich das 
Lyssavirus im künstlich immunisirten Thier verhält Wenn auch durch die 
Arbeiten von Bab es (8), Tizzoni(9)und ihrer Mitarbeiter die Eigenschaften 
des Serums immunisirter Thiere bereits studirt wurden, sind wir trotzdem 
darüber, was mit dem Lyssavirus im immunisirten Organismus geschieht, 
nicht näher orientirt. Denn wenn auch das extravasculäre Blut immuni¬ 
sirter Thiere rabicide Eigenschaften in vitro besitzt, ist damit die Frage 
nach dem Schicksal des Lyssavirus im immunisirten Organismus noch 
nicht entschieden. Wissen wir doch, wie häufig die extravasculäre Wirk¬ 
samkeit eines Serums einem Mikroorganismus gegenüber direct der 
Empfänglichkeit des serumspendenden Organismus für dieses Bacterium 
absolut widerspricht. 

Mit der Gesetzmässigkeit im Verhalten des Lyssavirus im empfäng¬ 
lichen Kaninchengehirn und Rückenmark hatten wir eine Basis gewonnen, 
um diese Frage richtig zu verfolgen. Die Versuche wurden in der Weise 
angestellt, dass Kaninchen Anfangs nach Pasteur, später mit Dilutionen 
von Virus fixe nach Högyes immunisirt wurden und nachher mit Virus 
fixe oder mit Strassenvirus subdural, intraoculär oder intranervös infioirt 
wurden. Nach verschieden langer Zeit wurden die einzelnen Abschnitte 
des Centralnervensystems auf ihre Infectiosität geprüft. 


1. Versuch am 5. VI. Subdurale Infection mit Virus fixe. (Kaninchen.) 


Immunis. 

Kaninchen 

Inficirt 

subd. 

am 

Entblutet 

nach 

Medulla 

subd. 

Resultat 

Lnmbal- 
mark subd. 

Resultat 

14 

5. VI. 

5 Tilgen 
10. VI. 

93 

17. VI. f ohneErsch. j 
nach 7 Tagen, davon 
Med. subd. 93, + 28.VI. 
ohne Erscheinung 



15 

1 

| 

7 Tagen 
12. VI. 

1 

99 

3. VII. f ohne Ersch. 
nach 23 Tagen, davon 
Medulla subd. 

99 überlebt 

60 

22. VL f 
ohne Er¬ 
scheinung 


Die Kaninchen waren mit steigenden Mengen von Virus fixe-Emulsioneu 
in zweitägigen Intervallen vom 1. V. bis 15. V. immunisirt worden und 
waren die einzig überlebenden aus einer grösseren Anzahl von Versuchen, 
da viele Thiere während der Immunisirung an Lyssa zu Grunde gingen; 
die angewandte Methode erwies sich damit als unzuverlässig. 


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Das Lyssaviris im Centralxervensystem immuner Tjiiehe. 513 


Was unsere Frage selbst anbetrifft, so würden die beiden Fälle zeigen, 
dass beim immunisirten Thiere 5 und 7 Tage nach der subduralen In- 
fection weder Medulla noch Lumbalmark infectiös sind, denn die hiermit 
inficirten Thiere blieben am Leben. 

In diesem Versuche waren die immunisirten Thiere 20 Tage nach 
der letzten Injection zum Versuch verwendet worden; das ist nothwendig 
einzuhalten; in zwei Versuchsreihen, bei denen die Kaninchen nach 
Pasteur’s Methode immunisirt worden waren, hatten wir die Infection 
kurz nach der letzten Injection vorgenommen und fanden virulentes Mark 
oder Tod an Lyssa. Zweifellos lag der Misserfolg in der raschen Auf¬ 
einanderfolge von letzter Injection und der subduralen Infection. Cen- 
tanni (10) zeigte bereits, dass noch am 8. oder 12. Tage nach der 
Vaccinatiou die Mehrzahl der behandelten Thiere der Probeinfection nicht 
widerstehen. Am 17. Tage können noch einige Thiere der Infection unter¬ 
liegen, erst nach 20 Tagen sind die Thiere immun. 

Im nächsten Versuche wurde dieser Thatsache Rechnung getragen 
und 20 Tage nach der letzten Injection erfolgte die subdurale Infection 
mit Virus fixe. 

Die Virus fixe-Emulsion ist nicht filtrirt. Zur Infection wird eine 
Verdünnung 1:1 und 1:50 verwendet. 


4. Versuch am 15. XI. Kaninchen immunisirt nach Hügyes. 20 Tage 
nach der letzten Injection subdurale Infection mit Virus fixe. 


Immunis. 

Kaninchen 


Inficirt am 


Resultat 


82 15. XI. mit 23. XI. Lyssa, 

Virus fixe 1:1 25. XI. f 

87 1 15. XI. mit desjrl. 

| Virus fixe 
i 1 : 50 


Trotzdem also genau nach den Angaben von Centanni und Tizzoni 
die Infection 20 Tage nach der letzten Impfung erfolgt ist, sehen wir, 
dass die immunisirten Kaninchen an typischer Lyssa erkranken. Es sei 
liier nun erwähnt, dass das Serum dieser Thiere auf filtrirte Emulsionen 
von Virus fixe in Verdünnungen von 1:50 rabicid gewirkt hatte. Dieses 
Serum vermochte jedoch in demselben Zeitraum Emulsionen des Virus in 
Verdünnungen 1:1 nicht zu zerstören. Wir sehen also, dass immunisirte 
Thiere, deren Serum auf bestimmte Mengen Virus rabicide Wirkungen 
auszuüben im Stande ist, der Infection mit demselben Virus erliegen 
können. Diese einander widersprechenden Thatsachen seien vor der Hand 

Zeitschr f. Hygiene. XL1. 33 


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514 


R. Kraus, E. Keller und P. Claibmont: 


nur constatirt. Analoge Beobachtungen finden wir in der noch näher zu 
besprechenden Arbeit von Centanni. Derselbe findet beispielsweise das 
Serum eines vaccinirten Tbieres am 11. Tage nach der Vaccination sehr 
wirksam, ohne dass das Thier selbst immun gewesen wäre. Aus diesen 
und ähnlichen Befunden schliesst dann Centanni, dass die Immunität 
der vaccinirten Thiere unabhängig sei von den Eigenschaften seines Blutes. 
Immunität und immunisirende Kraft des Blutes sind nach Centanni 
zwei verschiedene Dinge. 

Der nächstfolgende Versuch zeigte, dass wir aus dem Ausfall dieses 
Versuches von Centanni nicht berechtigt sind, Schlussfolgerungen zu 
ziehen. 

Es wurde im 4. Versuch das Virus zwar in Verdünnungen von 1:1 
und 1:50 verwendet, ohne dass die Emulsion filtrirt war. Bei unseren 
Versuchen über Rabicidie des Serums sehen wir, dass eine derartige 
Emulsion kein gleichmässiges Gemenge giebt, da neben fein vertheiltem 
Virus grössere Flocken vorhanden sind, die unberechenbare Virusmengeu 
enthalten können. 

Bei den Versuchen über die Rabicidie des Serums haben wir die 
Wichtigkeit einer genauen Methode der Dosirung des Virus dargethan; 
es sei hier im Allgemeinen nur bemerkt, dass beim Nachweis der Lyssa¬ 
immunität wie auch der Rabicidie der Sera dieselben grundlegenden Gesetze 
befolgt werden müssen, wie bei Bestimmung der Immunkörper und über¬ 
haupt. Dahin gehört vor allem ein genau und sicher ausgewerthetes 
Gift; ein solches giebt in unserem Falle nur die durch Papier filtrirte 
Emulsion. 

Im folgenden Versuch dient zur Infection eine durch Papier filtrirte 
Emulsion von Virus fixe. 


5. Versuch am 6. XI. Kaninchen immunisirt nach Högyes. 20 Tage 
nach der letzten Infection subdurale Infection mit Virus fixe-Emulsion. 


Irauiunis. 

Kaninchen 

Inficirt am 

i 

Resultat 

Entblutet 

am 

Medulla 

subd. 

Resultat 

31) 

6. XI. mit filtr. 
Emulsion 1 : 50 

überlebt 

16. XII. 

1 150 

7.1. f ohne Erschein., 
davon Medulla subd. 
150, überlebt 

69 

6. XL mit filtr. 
Emulsion 1 : 100 

jj 

1 




Nach dem Ausfall dieses Versuches mit Virus fixe war es wahrschein¬ 
lich, dass im activ immunisirten Kaninchen das subdural eingebrachte 
Virus sich nicht fortpflanzt, möglicher Weise sogar zerstört werde. 


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Das Lyssa virus im Centralnerven System immuner Thiere. 515 


Mit Rücksicht auf das praktische Interesse jedoch, welches der Frage 
nach dem Schicksale des Virus im activ immunisirten Organismus zu 
Grunde liegt, wurden die weiteren Versuche mit Strassenvirus durch¬ 
geführt. Die Schlussfolgerungen, die sich aus diesen Versuchsreihen er¬ 
gehen, lassen sich nach dem Vorausgehenden ohne Weiteres auf Virus 
fixe anwenden. 


Versuch am 5.IX. Kaninchen immunisirt nach Pasteur und Hügyes 
vom 11. VII.—l.IX. Intraoculare Infection. 


Immun. Kan. 

Inficirt am 

| Entblutet nach 

Med. subdur. 1 

Resultat 

54 1 

5. IX. 

20 Tagen am 26. IX. 

54 

überlebt 


Der mit demselben Virus intraoculär geimpfte Hund geht nach 20 Tagen 
an typischer Lyssa zu Grunde. 


In diesem Versuche wurde die intraoculare Impfung statt der sub- 
duralen angewendet, welch’ erstere beim Strassenvirus ebenso sichere 
Resultate 1 liefert, als die letztere. 


Versuch am 9. X. Kaninchen immunisirt nach Högyes vom 3.-24. IX. 
14 Tage nach der letzten Injection intraoculare Infection. 


Immunis. 

Kaninchen 

Inficirt 

am 

■ Entblutet 
nach 

Medulla 

subd. 

Resultat 

Lumbalm. 

subd. 

Resultat 

13 

9. X. 

25 Tagen 
| 24. X. 

13, 12 

' i 

überleben 

51 

überleben 

22 

i 


: 25 Tagen 

24. X. 

67 

1 überlebt 



11 


21.X. Lyssa 

1 23 * + | 

11 

3. Lyssa, 4. + 



10 

Controle*. 

Kaninchen 

46 

| 9.X. 

i 25 Tagen 

1 24 X. 

i 

19.Lyssa, 20. + 

10, 53 

i 

l überleben 

1 




I i 


1 Johne (11) zeigt, dass die intraoculare Impfung mit Strassenvirus ebenso 
sichere Resultate liefert wie die subdurale Impfung. — Nachdem wir in einer früheren 
Arbeit (12) zeigen konnten, dass die intraoculare Impfung mit dichten Emulsionen 
von Virus fixe unsichere Resultate liefert und die subdurale Methode an Exactheit 
nicht erreicht, gingen wir daran, die Angaben Johne's nachzuprüfen. Die Ver¬ 
suche wurden mit verschiedenem Strassenvirus durchgeführt und haben ergeben, dass 
die intraoculare Impfung mit Strassenvirus ebenso sichere Resultate liefert wie die 
subdurale, mithin kann bei Versuchen mit Strassenviruß die intraoculare Impfung 
als gleichwertig der subduralen genommen werden. 

33* 


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516 


R. Kraus, E. Keller und P. Clairmont: 


Im vorstehenden Versuche erfolgt die intraoculäre Infection mit un¬ 
verdünntem Strassenvirus 14 Tage nach der letzten Injection. 

Aus diesem Versuche, wie aus dem vorigen geht hervor, dass die 
activ nach Högyes immunisirten Kaninchen nach intraoculärer Infection 
mit dichten Emulsionen von Strassenvirus nicht an Lyssa erkranken, 
und dass nach 25 Tagen nach der Infection das Lyssavirus nicht nach¬ 
weisbar sei. Nur bei Kaninchen 11 trat typische Lyssa auf, was mög¬ 
licher Weise, wie in den Versuchen mit Virus fixe, auf die grosse Menge 
Virus zurückgeführt werden könnte oder auf individuelle Immunitäts¬ 
verhältnisse. Um vollständig reine Versuchsresultate zu bekommen, wurde 
in den folgenden Versuchen zur Infection theils durch Papier filtrirtes 
Strassenvirus in Verdünnungen von 1:50 angewendet, theils unfiltrirtes 
unverdünntes Virus und die Infection 20 Tage nach der letzten Vacciuation 
vorgenommen. 


Versuch am 22.X. Kaninchen immunisirt nach Högyes vom 5.IX. 
bis 2.X. Intraoculäre Impfung mit Strassenlyssa. 


Iiumunisirtes 

Kaninchen 

lnficirt am 

Entblutet 

nach 

4 Medulla 
intraoeular 

Resultat 

23 

22. X. 

I 

16 Tauen 

7. XL 

23, 79 

überleben 

24 

yy | 

! 

12 Tauen 
3. XI. 

70 

17.XI. f ohne Erscheinung, 
davon Medulla intraoeular. 
7.XII. + ohne Erscheinung 

27 

| 

34 Tagen 
25. XL 

' 47, 27 

überleben 

33 

yy 

33 Tauen 
24. XI. 

33 

16. XII. f ohne Erscheinung 

Controle 
Gesundes Kan. 
71 


2. Lyssa, 

4. f 

n. 10 Tagen 




Versuch am 6. XI. Kaninchen immunisirt nach Högyes. 
Subdurale Impfung mit Strassenvirus. 


38 

6. XI. 

44 Tauen j 

138 

3. f ohne Erscheinung, 



16. XII. | 


davon subd. Kaninchen 138 



1 


überlebt 


Als wichtigstes Ergebniss dieser Versuchsreihe ist somit hervorzu- 
heben, dass das Lyssavirus im activ immunisirten Kauinchen¬ 
gehirn und Rückenmark verschwindet und sich dem Nachweis 
entzieht. Ob das Virus local zerstört wird oder sich noch fortpflanzt, 
um dann erst zerstört zu werden, lässt sich nicht entscheiden, da wir die 


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Das Lyssavibus im Centralnervensystem immuner Thiere. 517 


der Incubation entsprechende Zeit abwarten mussten, ehe wir den Nach¬ 
weis über das Verhalten des Lyssavirus führen durften. Würden wir die 
Kaninchen innerhalb der Incubationsperiode zu diesen Versuchen ver¬ 
wendet haben, hätten wir über den Immunitätszustand dieser Thiere nichts 
aussagen können. 

Auffallend ist, dass in den Versuchen mit Strassenvirus bei Infectionen 
mit unverdünntem untiltrirtem Virus die immunisirten Kaninchen am Leben 
geblieben sind. Das Virus war auch in der Medulla dieser Kaninchen 
nicht nachweisbar. In den Versuchen mit Virus fixe haben wir nur 
nach Einhaltung der von Centanni angegebenen Periode nach der letzten 
Injection und nach Verwendung filtrirter verdünnter Emulsionen brauch¬ 
bare Resultate erzielt. Zur besseren Illustration dieses Factums sei noch 
folgender Versuch im Zusammenhänge angeführt. 


Kaninchen immunisirt nach Högyes. 

Nach 20 Tagen Infection mit Strassenvirus und Virus fixe. 


ImimiDis. Kaninchen j 

Inficirt am 

, Subd. Virus unfiltr. 

Resultat 

92 

15. XI. 

Strassenvirus 

1 : 1 

überlebt 

91 

r,) 

Strassenvirus 

1 : 50 

überlebt 

82 

1 ” 

Virus fixe 

1 : 1 

23. Lyssa, 25. f 

87 

i 

77 

Virus fixe 

l : 50 i 

23. Lyssa, 25. f 

Ges. Kan. 231 Controle 


Strassenvirus 

1: 1 

25. Lyssa, 28. f 

Ges. Kan. 232 Controle 

77 

Strassenvirus 

1:50 

24. Lyssa, 28. f 


Es scheint demnach, was wir in unseren Versuchen nicht berück¬ 
sichtigt haben, dass das Virus fixe viel virulenter sein dürfte, als das zur 
Infection verwendete Strassenvirus (Maschitz, Graz). In den rabiciden 
Versuchen werden wir ganz analoge Beobachtungen machen, die darauf 
hinweisen, dass das Virus fixe in gleichen Emulsionen virulenter sein 
dürfte als das Strassenvirus. Durch genaue Werthbestimmungen, die aller¬ 
dings viel Thiermaterial beanspruchen würden, Hesse sich diese Frage viel¬ 
leicht entscheiden. 

Mit der Feststellung der Thatsache, dass im immunisirten Kaninchen 
das subdural injicirte Virus zerstört wird, ergiebt sich ein principieller 
Unterschied zwischen der natürlichen und der erworbenen Immunität; bei 
der Immunität der Kaninchen geht das eingeimpfte Virus zu Grunde, 
während es bei der natürlichen Immunität der Tauben erhalten, aber 


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518 


R. Kraus, E. Keller und P. Clairmont: 


wirkungslos ist; wir führten oben bereits aus, dass die Immunität der 
Tauben dadurch zu erklären wäre, dass das Centralnervensystem dieser 
Thiere gar keine Empfänglichkeit für das Virus besitze, wohl aber noch 
einen Nährboden zur Erhaltung und Vermehrung des Virus abgeben könne. 
Die Erscheinung ist an sich nicht principiell neu; die weissen Mäuse, die 
für das Diphtherietoxin, wie bekannt, unempfindlich sind, geben beispiels¬ 
weise ganz analog für den Diphtheribacillus einen sehr guten Nährboden 
ab; die Bacillen vermehren sich, ohne dass die Mäuse erkranken würden. 
Die künstliche Lyssaimmunität findet aber ihre Erklärung in der Zer¬ 
störung des Virus im Centralnervensystem dieser Thiere. 

Mit der Feststellung der Thatsache, dass die immunisirten 
Kaninchen der Infection widerstehen und dem Nachweise, dass 
das Virus im Centralnervensystem zerstört werde, erscheint 
wohl der Mechanismus der Immunität ergründet, nicht aber 
die Ursache derselben. 


V. Rabicidie des normalen Kaninchensernms 
und des lmmnnsernms. 

Ueber die Rabicidie normaler Thiersera liegen vereinzelte Angaben 
in der Litteratur vor, so giebt Babes an, dass die Froschlymphe die 
Fähigkeit besitze, die Virulenz des Virus fixe abzusohwächen. Högyes 
bemerkt zu diesen Versuchen, dass die aus den Versuchen gezogenen 
Schlüsse nicht ohne Weiteres als beweisend angenommen werden können, 
da keine Controlversuche angestellt wurden. Evangelista (18) fand, dass 
das Blutserum von Hunden die Virulenz des Virus ebenfalls vermindert, 
nach 25 Stunden gänzlich vernichtet. Das Serum von Tauben soll nach 
Evangelista eine noch stärkere Wirkung besitzen und die Virulenz des 
Virus fixe schon in 15 Stunden vernichten. 

Nach Genaro soll bezüglich des Verhaltens des Blutserums von ge¬ 
sunden und wuthkranken Kaninchen dem Wuthgift gegenüber kein Unter¬ 
schied bestehen; Babes und Lepp, Tizzoni und Schwarz, Tizzoni 
und Centanni haben jedoch nachgewiesen, dass das Serum immuner 
Hunde und Kaninchen rabicide Eigenschaften besitze. 

Die folgenden Untersuchungen beschäftigen sich mit der Einwirkung 
der Eigenschaften normaler Kaninchensera und der Immunsera auf Virus 
fixe und Strassenvirus. 


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Das Lyssavirus im Centralnervensystem immuner Tuiere. 519 


Versuche am 9. VIII. mit normalem Kaninchenserum auf 


Virus fixe und Strassenvirus. 


Menge des 
normalen 
Kaninchen- 

Menge des 
Virus 

Concentration i 
des Virus 

Dauer der 
Einwirkung 
des Serums . 

Infection 
subd. Kan. 
am 

Resultat 

serums * 




10 Tropfen 

5 Tropfen 

Virus fixe, 

22Stunden bei 

9. VIII. 

15. VIII. f ohne 

dichte Emulsion ( 

Zimmertemp. 


Erscheinung 


5 

Virus fixe. 


9. VIII. 

17. VIII. Lyssa, 

(Serum von 
Lyssa-Kan.) 


dichte Emulsion 

i 

! 

1 

22. t 

10 Tropfen 

i 

5 „ : 

Strassenvirus, 

48 Stunden bei ( 

20. VIII 

überlebt 


dichte Emulsion 

Zimmertemp. 



10 „ 

5 „ 

Virus fixe, 

24 Stunden 

23. VIII. 

1. IX. Lyssa, 5. f 



dichte Emulsion 

bei 37° 


0-5 „ 

o-2 „ ; 

Strassenvirus 

24 Stunden bei 

27. IX. 

12. X. Lyssa, 13.f 


1 

(Graz). 

Zimmertemp. 

i 

1 



dichte Emulsion 



Controle 

0-2 

Strassenvirus 

11 

27. IX. 

16.X. Lyssa, lT.f 

0*5 Tropfen 


(Graz), 



Kochsalzlsg. 


dichte Emulsion 




0*5 Tropfen 

0-2 „ 

Strassenvirus 

(Malschütz) 

11 

27. IX. 

10. X. Lyssa, 12.f 

1*3 „ 1 

0-5 „ 1 

Virus fixe, Vor- 


25. X. 

überlebt 


1 

dünnung 1:100, 



Controlthier geht 



filtrirt 



typ. an Lyssa zu 






Grunde 

0-5 „ 

0-5 „ 

Virus fixe, 

18Stunden bei 

S. XI. 

15. XI. Lyssa, 17.f 



dichte Emulsion 

Zimmertemp. 


■0*5 

0-5 „ 

Virus fixe 1:50, 24Stunden bei 

8. XI. 

28.XI Lyssa, 30.f 



filtrirt 

Zimmertemp. 

} 

0-5 „ 

i 0*5 ff 

Virus fixe 1:100, 


8 XI. 

überlebt 



filtrirt 



Controlthiere mit 
Verdiinnung von 






1:300, 1: 400 






gelien typisch an 

Lyssa zu Grunde 

0*5 »> 

0-5 „ 

Virus fixe 1:1, 


26. XI. 

3. XII. Lyssa, 7. f 



unfiltrirt 




0-1 „ 

0*5 „ 

Virus fixe 1:50, 

ii 

26. XI. 

7. XII. Lyssa, 9. f 



filtrirt 




0-5 „ 

0*5 „ 

Virus fixe, 
dichte Emulsion 

18Stunden bei 
Zimmertemp. 

18. XII. 

31. XII. Lyssa 



unfiltrirt 



0-5 „ 

0*5 „ 

Virus fixe 1:50, 20Stunden bei 

| 3. II. 

13. II. Lyssa, 15. f 



j filtrirt 

Zimmertemp. 


0*5 

0*5 „ 

Virus fixe 1:100, 


3. II. 

15 11. Lyssa, 16. + 



i filtrirt 




0-5 

! 0-5 „ 

Virus fixe, dichte 


3. II. 

13. II. Lyssa, 15. *j* 


i 

| Emulsion 1:1 



0-5 „ 

,0*5 „ 

jVirus fixe 1:50, 

11 

3. II. 

13. II. Lyssa, 16.f 



filtrirt 



0-5 „ 

0*5 „ 

! 

Virus fixe 1:100 

V 

3. II. 

14. II. Lyssa, 19. f 

l 

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520 


R. Kraus, E. Keller und P. Clairmont : 


Die Versuche ergeben, dass das normale, frische Kaninchen¬ 
serum nicht im Stande ist, das Virus fixe auch nicht nach 
längerer Zeit, weder bei Brüt- noch bei Zimmertemperatur zu 
zerstören. Das Virus fixe, welches zu diesen Versuchen benutzt wurde, er¬ 
zeugte allerdings nicht constant noch in Verdünnungen von 1:500 und 1:1000 
Lyssa bei Kaninchen. Das Virus wurde theils unfiltrirt, theils filtrirt in 
Verdünnungen verwendet. Es zeigt sich, dass das Serum bis zu Mengen von 
O. 5 com auf 0*5 ccm lOOfacher Verdünnungen (entsprechend also einer 200 - 
fachen Verdünnung) nicht im Stande war, das Virus selbst nach 20 ständiger 
Einwirkung zu zerstören. In zwei Versuchen finden wir bei lOOfacher 
Virusverdünnung ein Ueberleben der Thiere. Ob diese Resultate an¬ 
gesichts der vielen negativen Erfolge auf eine Rabicidie des Serums zurück¬ 
zuführen sei, ist unwahrscheinlich. Es steht jedenfalls fest, dass in den 
zahlreichen Versuchen das normale Kaninchenserum nicht im Stande war, 
das Virus fixe in Verdünnungen bis 1:100 zu zerstören. Es wäre möglich, 
dass das normale Kaninchenserum in grösseren Mengen auf stärkere Ver¬ 
dünnungen des Virus rabicide Eigenschaften besässe. Die verwendete 
Infectionsdosis dürfte einer 10 fach letalen Dosis entsprechen, so dass 
möglicher Weise bei lfach letalen Virusmengen (1:1000) eine eventuelle 
Rabicidie des normalen Kauinchenserums zum Ausdruck kommen könnte. 


Versuche mit Immunserum von Kaninchen auf Virus fixe 

und Strassenvirus. 


Menge des i 

Immunserums 

CC Q 
& * 
TD 

o 

»•r x 
~ 3 

z.z 

&> 

i Dauer der ! 
Concentra- Einwirkg. ! 

tion des Serums 

des Virus beiZimmer- 
temperatur ; 

Infection 
subd. Kan. 

am 

Resultat 

1 Cfm (von Kan. 13 nach 

0*5 1 

Strassen- 24 Stunden 

25. X. 

überlebt 

Högves immunisirt, dann 

■! 

virus 

intraoeulär Das Controlthier be- 

iniicirt und überlebt) 


1:50 liltrirt 


kommt typ. Lyssa 

1 ccm von Kan. 13 

0*5 

Virus fixe | „ 

25. X. 

überlebt 

| 

I 

1:100 ! 



l ccm (von KaD. 10 nach 

1-0 , 

Strassen- „ 

5. XI. 

überlebt 

Högves immunisirt, dann 


virus 

intraoeulär 


iniicirt und überlebt) 


1:50 filtrirt 



l ccra (von Kan. 24 nach 

1*0 

! Strassen- „ 

5. XI. 

S.XILt ohneErsch., 

Högyes immunisirt, dann 


virus 

intraoeulär 

davon Medulla subd. 

iniicirt und überlebt) 


1:50 filtrirt* 

t 

[ 96 überlebt 

lccm ($ erurn von Kan. 24) 

1-0 

Strassen- 1 „ 

5. XI. 

überlebt 



virus 1:50 


i 

0-5 ccm s erQrn von Kan. 23 

0*5 

Virus fixe 18 Stunden 

8 . XI. 

; überlebt 

(nach Högyes immunisirt, 


1 : 1 , nicht 



dann iniicirt u. überlebt) 


filtrirt 



0.5 ccm (dasselbe Serum) 

0*5 

Virus fixe ' „ 

1 8 . XI. 

überlebt 



1:50 filtrirt 

1 ' 



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Das Lyssavirus im Centralnervensystem immuner Thiere. 521 


(Fortsetzung.) 


•g » i Dauer der 


Menge des 
Immunserums 

Menge dei 
Virus fix« 

Concentra- Einwirkg. Infection 
tion des Serums subd. Kan. 

des Virus beiZimmer- am 

temperatur 

0-5 ccm (Serum v. Kan. 23) 

Control-Kaninehen 

0*5 ! 

Virus fixe 
lrlOOfiltrirt 

Virus fixe 
1:300 

1:400 

18 Stunden 

8. XL. 

11 

0-l ccra (Serum v. Kan. 82, 
nach Högyes immunisirt, 
dann mit nicht filtrirtem 

0-5 

Virus fixe 
1:1 

unfiltrirt 

20 Stunden 

26. XI. 

Virus 1:1 inficirt und an 
Lyssa erkrankt). Die 
Serumprüfungerfolgte vor 
der Infection 





0*1 ccm (dasselbe Serum) 

; 

0-5 

! I 

Virus fixe 
1:50 filtrirt 

n 

11 

0* 1 ecm (Serum v. Kan. 87, 
nach Högyes immunisirt, 
inficirt mit Virus 1:50, 

j 0*5 

i 

Virus fixe 
1:1 

unfiltrirt 

n 

11 

erkrankt an Lyssa. Diel 
Serumprüfungerfolgte vor! 
aer Infection) i 



1 

0 • 1 06111 (Serum v. Kan. 87) 

0*5 

Virus fixe 
1:50 filtrirt 

» 

11 

0*1 oem (Serum v. Kan.27, 
nach Högyes immunisirt, 

0*5 

| 

; Virus fixe 
1:50 filtrirt 

n 

11 

1 

dann inficirt u. überlebt, 




1 

danach Ser. entnommen)! 




0 • 5 com (Serum y. Kan. 138, 
nach Högyes immunisirt, 
inficirt und überlebt) 

! 0-5 

Virus fixe j 
1:1 

unfiltrirt 

» 

, 18. XII. 

I 

1 

O-i ccid (Serum v.Kan. 138 ) 

0-5 

Virus fixe 
unfiltrirt 

n 

i 

ii 

0-i ccm (Serum v. Kan. 138) 

0-5 

Virus fixe 
1:50 

unfiltrirt 

n 

\ 

ii 

0-5cctn(Serum v.Kan. 138) 

0-5 

Virus fixe 
1:50 
unfiltrirt 

n 

ii 

0 - 5 ccm (Serum v. Kan. 88, 
nach Högyes immunisirt, 
dann inficirt u. überlebt) 

0-5 

i 

Virus fixe 

1:1 

unfiltrirt 

l 

ii 

ii 

0 - 1 ccm (Serum v. Kan. 88) 

0-5 

Virus fixe 
1:1 

unfiltrirt 

ii 

1 

v 

0 - 3 <*m (Serum v. Kan. 92, 
nach Högyes immunisirt, 
inficirt, überlebt) 

0-5 

|. ; 

Virus fixe 
1:1 

unfiltrirt 

ii 

! 3. II. 

1 

0• 5 ccm (Serum v. Kan. 92) 

0*5 

i 

Virus fixe 

1:50 filtrirt 

ii 

11 


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Resultat 


überlebt 

Lyssa 


4. XII. Lyssa, 8. j 


21. XII. +, davon 
Medulla subdural 
Kan. 40 überlebt 
5. XII. Lyssa, 7. + 


; überlebt 

i 

überlebt (20 Tage 
nach derlnfection zu 
Grunde gegangen) 

f nach 26 Tagen 
| ohne Ersch. 14.1. 

' 26. XII. Lyssa, 27 f 

i überlebt 


7. I. nach 20 Tagen 
ohne Erscheinung 

'28. XII. f ohne Er- 
! scheinung 

26. XII. Lyssa, 27. t 

! 

| 12. II. Lyssa, 16. t 


überlebt 


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522 


E. Kraus, E. Keller und P. Clairmont: 


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(Fortsetzung.) 


— 

«• © ! 


Dauer der 


i 

Menge des 

£ * 

Concentra- 

Einwirkg. 

Infection 


[ bo « ! 

tion 

des Serums 

subd. Kan. 

Resultat 

Immunserums 

: £ 2 ! 

des Virus 

beiZimmer- 

am 


! 


teraperatur 

i ! 


0*01 « cm 

j 0-5 

Virus fixe 

20 Stunden 

3.11. 

überlebt 

(Serum von Kan. 92) 

1 

l: 50 fiitrirt 


i 


0 * 3 ccm (Serum v. Kan. 91. 

! 0-5 

Virus fixe 


yy 

y* 

Immunisirt nach Högyes. 


1:1 




inficirt, überlebt) 

1 

unfiltrirt 




0-05 ccm 


Virus fixe 

v 

' ji 

yy 

(Serum von Kan. 91) 

I 0-5 

1:50 fiitrirt 




0*01 ccm 

' 0-5 

Virus fixe 


yy 


(Serum von Kan. 91) 

1 | 

1:50 fiitrirt 

! 




Aus den angeführten Versuchen geht ganz deutlich hervor, 
dass das Serum immuner Kaninchen sowohl Virus fixe als auch 
Strassenvirus in vitro zu zerstören vermag. Serummengen von 
0-6 ccm normalen Kaninchenserums auf Virus fixe in filtrirten Verdünnungen 
von 1:100 waren nicht im Stande, nach 18* bis 20 ständiger Einwirkung 
das Virus abzuschwächen oder gar zu zerstören. 

In den Versuchen mit Immunserum wird im Gegensatz zum nor¬ 
malen Serum sowohl Virus fixe als auch Strassenvirus nicht nur in Ver¬ 
dünnungen von 1:100, sondern auch in Verdünnungen 1:50 nach 18- 
bis 20 ständiger Einwirkung zerstört. Geringere Zeiträume wurden nicht 
versucht. Serummengen von 0*01 ocm genügen schon die 50 fache Ver¬ 
dünnung, das Virus unschädlich zu machen. 

Wurden statt der 5Q- bis 100 fachen Verdünnungen das Virus un¬ 
verdünnt und uufiltrirt zu den Versuchen verwendet, so sehen wir, dass 
0*1 bis 0-3 ccm Serum nicht genügt hat, das Virus zu zerstören, indem 
nach subduraler Injection des Gemisches bei den Thieren typische Lyssa 
auftrat. 

Wie genau quantitativ die Wirkung dieser Immunsera sei, sehen wir 
in den Versuchen, wo ein und dasselbe Serum auf verschiedene Virus- 
concentrationen eingewirkt hat. 

Bei Anwendung von 0*1 bis 0-8 Immunserum auf Virus fixe in 
unverdünnten Emulsionen wurde die Infectiosität des Virus gar nicht be¬ 
einflusst. Wurden stärkere Verdünnungen des Virus genommen (1:50 
bis 1:100), so äusserte dasselbe Serum sogar in Mengen von 0-05"”) 
rabicide Wirkungen. 

Ganz eclatant geht die Wichtigkeit der Berücksichtigung quantitativer 
Verhältnisse in den Versuchen mit dem Serum von Kaninchen Nr. 82 n. 87 
hervor. Kaninchen Nr. 82 u. 87 wurden, wie aus früheren Versuchen S.517 


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Das Lyssavibus im Centralnervensystem immuner Thier e. 523 


hervorgeht, nach Högyes immunisirt und 20 Tage nach der letzten 
Yaccination mit Yirus fixe Emulsionen, (die nicht filtrirt waren) in Ver¬ 
dünnungen 1:1 und 1:50 subdural inficirt und gingen an Lyssa zu 
Grunde. Das Serum dieser Thiere war ebenso wie das Serum von Ka¬ 
ninchen, die der Lyssainfection widerstehen konnten, nicht im Stande, 
Virus fixe in der Verdünnung 1:1 zu zerstören. Dieselben Sera erwiesen 
sich aber auf filtrirte Emulsionen von Virus fixe in Verdünnungen 1:50 
wirksam. Auf die Bedeutung der Filtration des Virus durch Papierfilter 
zur Erzielung gleichmässiger Verdünnungen haben wir bereits hiugewiesen. 
Wir möchten noch einmal hervorheben, dass sowohl für die 
Werthbestimmung der Sera als auch zur Prüfung des Im¬ 
munitätszustandes, wie aus dem Versuch auf S.514 hervorgeht, 
eine genaue Dosirung des Virus absolut wichtig ist und exacte 
Resultate nur dann zu erwarten sind, wenn die Verdünnung 
quantitativ erfolgt und die Emulsion gleichmässig durch 
Filtration gewonnen wird. 


VI. Zar Theorie der activen Immunität gegen Tollwuth. 

Wenn wir nun auf Grund der vorliegenden Thatsachen auf die Theorie 
der Pasteur’schen Schutzimpfung eingehen, so muss zunächst bemerkt 
werden, dass eine solche, die allgemein anerkannt und fundirt wäre, bisher 
fehlt. Pasteur nahm an, dass in der Emulsion des an Wuth verendeten 
Thieres neben dem Gifte auch eine matiöre vaccinale vorhanden sei, 
welche bei der Abschwächung des Giftes beim Trocknen noch erhalten 
bleibe; bei der subcutanen Einverleibung der ungiftigen und giftigen 
Rückenmarksemulsionen findet diese Substanz Zeit, auf das Gehirn und 
Rückenmark als das für die Tollwuth empfindliche Organ schützend ein¬ 
zuwirken, so dass das Gift selbst bei subduraler Infection nicht mehr 
einwirken könne. Es entsprach diese Vorstellung der auch später bei 
anderen Infectionsprocessen vertretenen Anschauung, dass neben der Gift¬ 
substanz auch immunisirende Körper selbst in den Culturen gebildet und 
vorhanden wären. 

Babes hat die Vorstellung, dass durch die Schutzimpfung die Zellen 
des Centralnervensystems die Eigenschaft erlangen, das in dasselbe ge¬ 
langte Gift zu zerstören. 

Högyes geht von einem Versuche aus, bei welchem er durch Injeetion 
grosser Quantitäten einer Gehirn-Rückenmark-Emulsion (eines immunisirten 
Hundes) in die Bauchhöhle von mehreren Hunden bei einem dieser Thiere 
absolute Immunität erzielte. Högyes nimmt demnach, ähnlich wie 


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524 


R. Kn aus, E. Keller und P. Clairmont: 


Pasteur, das Vorhandensein vaccinirender Substanzen im Centralnerven¬ 
system an. Högyes findet aber ferner, dass auch ohne Annahme immuni- 
sirender Substanzen die Immunität sich durch die Gewöhnung der Nervei:- 
zellen an das Gift, wie eine solche bei der successiven Einverleibung 
steigender Mengen des Wuthmikroben und des von ihm erzeugten Toxins 
stattfinde, erklären lasse. 

Centanni, dem wir ausgedehnte Untersuchungen über die Empfind¬ 
lichkeit der Gewebe und Organe gegenüber dem Wuthvirus danken, geht 
von der Anschauung aus, dass die Immunität unabhängig sei von den 
Eigenschaften des Blutserums, welche Thatsache er am Kaninchen bei 
der Infection mit dem Bacillus meningit. aerogenes erhoben hatte. Be¬ 
züglich der Lyssa stützt er diese Anschauung auf folgende Thatsachen: 

1 . Wenn die giftzerstörende Eigenschaft des Blutserums, welche bei 
der Immunisiruug gegen Wuth besteht, auch geschwunden ist, so bestehe 
noch immer die Immunität auch gegen die subdurale Infection. 

2. Vaccinirte Thiere können bei einer zu frühzeitigen oder zu inten¬ 
siven Infection erliegen, trotzdem in ihrem Serum eine giftzerstörende 
Wirkung besteht. 

3. Das Blut sei nicht der Infectionsweg des Lyssavirus, so dass man 
mit der Annahme immunisirender Substanzen im Blute noch keine Er¬ 
klärung für ihre Einwirkung auf das in einem anderen Gewebe (Nerven¬ 
gewebe) sich verbreitende Wuthvirus besitze. 

Centanni constatirte zwar die giftzerstörende Wirkung des Blutes 
immunisirter Thiere, fand aber auch am ganz frischen Blute von gesunden 
Kaninchen eine allerdings erst nach längerer Einwirkung, aber doch 
bereits nach einem 3 stündigen Contact auftretende Zerstörung des Wuth- 
giftes. Da aber diese giftzerstörende Wirkung des normalen Blutes weit 
davon entfernt ist, am lebenden Thiere das Nervensystem zu schützen, 
so kommt Centanni schliesslich dazu, anzunehmen, „dass das Blut uns 
keinen sicheren Anhaltspunkt dafür bietet, was innerhalb der Gewebe vor¬ 
geht, welche ihre eigene Constitution und ihren eigenen Stoffwechsel be¬ 
sitzen.“ 

Zur BeweisfiihrungCentanni’s wäre nur zu bemerken, dass nach unseren 
Untersuchungen dem normalen Kaninchenserum die rabicide Eigenschaft 
fehlt, dass eine solche nur dem Immunserum zukommt, womit einer seiner 
Einwände fällt, während der andere, das Bestehen der Rabicidie im Blute 
nicht zur Erklärung der Immunität herangezogen werden könne, weil das 
Wuthvirus sich auf dem Wege des Nervensystems verbreite, wohl nur 
eine Annahme vorstellt, indem ja loco iufectionis immerhin die rabicide 
Wirkung des Blutes beim immunen Thiere eintreten könnte. 


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Das Lyssavirus lm Centralnervexsystem lmmüxfr Thierk. 525 


Marx (13) nimmt an, dass das Wuthvirus bei der Passage durch 
das Kaninchen an seiner Resistenz gegenüber • dem Menschen abuimmt, 
daher im menschlichen Körper, wie es bei der Pasteur’schen Schutz¬ 
impfung und bei der Methode Högyes’ der Fall wäre, leicht und sicher 
abgetödtet wird; dadurch werden die die Immunität erzeugenden Sub¬ 
stanzen, der Inhalt der abgetödteten und der Auflösung verfallenden 
supponirten Wuthmikroben frei und regt jenen zur Immunisirung führenden 
Zellreiz an. Die Immunität kam somit bei der Wuth in ähnlicher Weise 
zu Stande, wie bei den Schutzimpfungen gegen Pest, Cholera und Typhus. 
Marx findet einen Unterschied nur darin, dass es bei der Wuth nicht 
gelänge, das Virus für die Schutzimpfungszwecke abzutödten, ohne gleich¬ 
zeitig die immunisirenden Substanzen zu vernichten. Dem könnte ent¬ 
gegengehalten werden, dass nach Babes die Immunisirung auch mit er¬ 
wärmtem Marke zu erreichen ist. 

Für die Annahme, dass das Virus fixe in seiner Resistenz gegenüber 
dem Menschen sehr herabgesetzt sei, bringt Marx allerdings keine Beweise, 
denn seine Versuche an Javaäffchen sind in dieser Richtung nicht aus¬ 
reichend. Doch könnte eine Analogie in dem durch Kaninchenpassage 
in seiner Virulenz gesteigerten Streptococcus Marmorek gefunden werden, 
welchen Petruschky für den Menschen als nicht infectiös gefunden hat. 
Es sei auch verwiesen an die gewiss nicht zu unterschätzende Thatsache 
der praktischen Erfahrung bei den Schutzimpfungen gegen Lyssa, bei 
denen in den vielen Tausenden von Fällen auch nicht einmal eine Er¬ 
krankung erzeugt worden ist; auch nicht bei der verstärkten Methode, in 
welcher bereits am 3. Tage für das Kaninchen virulentes Mark dem 
Menschen ein verleibt wird. 

Unsere Untersuchungen habeu iu der Frage nun einen Schritt weiter 
geführt; sie haben nicht nur die Thatsache bestätigt, dass das Serum 
immuner Thiere die Eigenschaft besitzt, das Wuthgift in vitro abzutödten, 
sondern haben auch die Thatsache erbracht, dass im immunisirten Thier 
das Virus bei intranervöser Application, ebenso wie bei subduraler nicht 
nachweisbar ist, dass es zerstört wird im Gegensätze zum empfänglichen 
Thiere, bei welchem es constant nach bestimmten Zeiträumen in der 
Medulla oblongata bezw. im Lendenmark nachzuweisen ist. Es liegt nahe, 
die Erscheinung auf an der Infectiousstelle bereits in Wirksamkeit tretende 
rabicide Kräfte zurückzuführen. Wenn Centanni die Beschaffenheit der 
Blutflüssigkeit für irrelevant erklärt, so lässt sich dem zwar nicht absolut 
widersprechen, wie es das Verhalten des Wuthgiftes im Organismus der 
Taube zeigt; im Centralnervensystem dieser natürlich immunen Thiere 
erhält sich das Virus längere Zeit, trotzdem kommt es zu keiner Er¬ 
krankung — ein neuer Beweis für den verschiedenen Mechanismus der 


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Original frum 

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526 R. Rraus, E. Keller u. P. Clairmont: Das Lyssa virus u. s. w. 

natürlichen und erworbenen Immunität. Die Immunität der Taube steht 
allem Anschein nahe der Giftimmunität, die in der histogenen Immunität 
Behriug’s ihre erklärende Vorstellung findet. 

Wir wären also geneigt, die erworbene Immunität der empfäng¬ 
lichen Thiere und in Analogie die des Menschen auf die erworbenen 
Immunsubstanzen zurückzuführen, ganz so wie bei anderen Infections- 
krankheiten, bei der Cholera, Typhus u. s. w. 


Litteratur-Verzeichniss. 


1. Högves, Lyssa. Wien 1897. — A. Holder, Nothnagel's Handbuch der 
specicllen Pathologie und Therapie. (Hier ausführL Litteratorangaben.) 

2. A. di Vestea e G. Zagari, La Psychiatri. Napoli 1887. 

3. E. Roux, Annales de V Institut Pasteur. 1889. 

4. G. Ferrö, Ebenda. 1889. 

5. E. Genaro, La Riforma med. Nr. 7/8. — Ref. nach Baum garten’a Jahres¬ 
bericht. 

6. R. Kraus und P. Clairmont, Diese Zeitschrift. Bd. XXXIV. 

7. Gibier, Reclierches exper. sur la rage. Thhe. Paris 1884. 

8. Babes, Annales de VInstitut de pathol. et bact. Bukarest 1891. — Annales 
de VInstitut Pasteur. 1889, 91, 94. 

9. Tizzoni, Riforma med. 1891, 1892. — Berliner lclin . Wochenschrift. 1 &94. 
Äfodo di Preparare siero antirabico. Bologna 1895. 

10. E. Centanni, Deutsche med. Wochenschrift. 1899. 

11. Johne, Zeitschrift für Thiermedicin. 1898. 

12. Evangelista, Riforma med. 1892. 

13. Marx, Deutsche med. Wochenschrift. 1900. 


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[Aus dem staatlichen serotherapeutischen Institute in Wien.] 
(Vorstand: Prof. R. Paltauf.) 

[Jeber die Bildung von Immunsubstanzen 
gegen das Lyssavirus bei natürlich empfänglichen und 
unempfänglichen Thieren. 

(Außgef&hrt mit Unterstützung der Gesellschaft zur Förderung deutscher 
Kunst, Wissenschaft und Litteratur in Böhmen.) 

Von 

Privatducenten Dr. R. Kraus, und Dr. R. Maresch, 

Assistent am Institute. Assistent am paihoL-hutol. Instilute. 


Ueber die Bildung von Immunsubstanzen gegen ein bestimmtes Virus 
oder bakterielles Gift bei natürlich empfänglichen und unempfänglichen 
Organismen liegen bisher wenig systematisch vergleichende Unter¬ 
suchungen vor. 

Die Frage, ob natürlich unempfängliche Organismen gegen das be¬ 
treffende Virus oder Gift Immunsubstanzen ebenso zu produciren im 
Staude wären, wie die natürlich empfänglichen Organismen, ist bisher 
nicht in bestimmter Weise entschieden worden. Aus Untersuchungen von 
von Metschnikoff (1) z. B. geht hervor, dass Krokodile (Alligator missi- 
sipiensis), die gegen das Tetanustoxin und das lösliche Choleragift äusserst 
unempfindlich sind, in kurzer Zeit Antitoxine liefern. Junge Krokodile, die 
ebenfalls gegen das Tetanustoxin unempfindlich sind, produciren ebenfalls 
Antitoxine, jedoch viel langsamer als alte Thiere. Schildkröten geben, trotz¬ 
dem sie auch unempfindlich sind, überhaupt kein Antitoxin. Nach den Be¬ 
obachtungen von Calmette und Delöarde erzeugen niedere Wirbelthiere 
gegen pflanzliche und thierische Gifte, für die sie sich empfindlich er¬ 
weisen, keine Gegensubstauzen. So lassen sich beispielsweise Frösche mit 
steigenden Dosen von Abrin immuuisiren, ohne dass im Serum Antitoxine 


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Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



528 


R. Kraus und R. Maresch: 


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nachzuweisen wären. Vaillard und Knorr (8) konnten zeigen, dass das 
gegen Tetanustoxin sehr resistente Huhn nach Ueberstehen des Tetanus 
ebenso wie die empfindlichen Kaninchen reichlich Antitoxin produciren. 
In letzterer Zeit hat de Nittis (3) nachgewiesen, dass das Serum von 
Meerschweinchen, die mit Milzbrand behandelt wurden, Mäuse und Meer¬ 
schweinchen gegen eine Milzbrandinfection nicht zu schützen vermag. 
Das Serum von immunisirten Tauben, die für Milzbrand unempfänglich 
sind, vermag Mäusen und Meerschweinchen Schutz gegen die Milzbrand¬ 
infection zu verleihen. 

Ueber die Entstehung von Immunsubstanzen bei empfänglichen und 
unempfänglichen Thieren gegen das Lyssavirus sind überhaupt keine Ver¬ 
suche angestellt worden. 

Die nachfolgenden Untersuchungen beschäftigen sich in systematischer 
Weise mit der Frage, ob bei natürlich empfänglichen und unempfäng¬ 
lichen Organismen gegen das Lyssavirus nach Immunisirung Schutzstoffe 
im Blute dieser Thiere nachweisbar sein dürften. 

Aus den Arbeiten von Babes, Tizzoni und unseren Untersuchungen 
wissen wir bereits, dass bei Hunden und Kaninchen, die für Lyssavirus 
sehr empfänglich sind, nach Immunisirung mit dem Virus Immunsub¬ 
stanzen im Blute dieser Thiere auftreten. Diese Substanzen vermögen 
sowohl das Virus in vitro zu zerstören als auch, wie hauptsächlich aus 
Tizzoni’s Versuchen hervorgeht, das in den Organismus bereits eiuge- 
drungene Virus unschädlich zu machen. 

Neben Kaninchen und Hunden einerseits, wurden andererseits in un¬ 
seren Versuchen Thiere verwendet, die für das Lyssavirus unter gewöhnlichen 
Verhältnissen absolut unempfänglich sind oder sich sehr resistent verhalten. 
Gibier und wir (4) konnten zeigen, dass alte Tauben für das Lyssavirus, 
sowohl für das Virus fixe als auch für das Strassenvirus, unempfänglich 
sind. Die cerebrale Impfung mit Lyssavirus bei alten Tauben bleibt 
erfolglos. Hühner können, wie aus unseren früheren Untersuchungen her¬ 
vorgeht, nach der cerebralen Infection mit Lyssavirus an Lyssa erkranken. 
Die Krankheitssymptome treten aber bei Hühnern, selbst nach cerebraler 
Impfung mit Virus fixe sehr spät auf, die Krankheitsdauer ist eine viel 
längere als bei Kaninchen und Hunden. Ja, wir konnten sogar spontane 
Heilungen nach Ausbruch der Lyssa beobachten. Es verhalten sich 
demnach die Hühner dem Lyssavirus gegenüber anders als Kaninchen 
und Hunde, indem sie viel später nach der Infection erkranken und auch 
viel länger Krankheitssymptome darbieten als die letzteren. 

Nachdem, wie bekannt, Kaninchen nnd Hunde, Thiere, die für Lyssa 
empfänglich sind, nach Immunisirung mit Lyssavirus ein specifisches 
Immunserum liefern, war es noch von Interesse zu erfahren, ob bei den 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Bildung von Imaiunsubstanzen gegen das Lyssa virus. 


529 


weniger empfänglichen Hühnern oder bei den unempfänglichen Tauben 
nach der Immunisirung Immunsubstanzen nachzuweisen sein werden 
oder nicht. 

A priori würden wir ja auf Grund der Seitenkettentheorie von 
Ehrlich erwarten, dass bei empfänglichen Thieren gegen ein bestimmtes 
Gift Immunsubstanzen nach der Immunisirung sicher im Blute auftreten 
werden. Beruht doch die Empfänglichkeit der Organismen für ein be¬ 
stimmtes Gift nach Ehrlich auf dem Vorhandensein von entsprechenden 
Receptoren, die das Gift an sich reissen und in der Regel, wenn sie in 
Ueberschuss producirt werden, ins Blut als Immunstoff ausgetossen werden. 
Wir müssten also bei den empfänglichen Thieren nach Injection von Sub¬ 
stanzen, die die Receptoren zur Regeneration anzuregen im Stande sind, 
Immunsubstanzen im Blute an treffen. 

Bei Organismen, die natürlich unempfänglich für ein bestimmtes 
Gift sind und deren Unempfänglichkeit auf einem vollständigen Mangel 
an empfindlichen Elementen beruht, werden wir auch nach der Immuni¬ 
sirung keine Immunstoffe im Blute vorfinden dürfen. Ein Mangel 
an Receptoren schliesst nach Ehrlich ja jedwede Bildung von Immun¬ 
substanzen aus. 

Wenn auch der Mechanismus der Lyssainfection bis heute nicht klar¬ 
gestellt ist und ein Lyssagift noch nicht nachgewiesen wurde, lässt sich 
immerhin die Ehrlich’sche Betrachtungsweise sowohl für die Intoxi- 
cationen als auch für die Infectionen in Anwendung ziehen. 

Unsere Versuche wurden zunächst an den für das Lyssavirus em¬ 
pfindlichen Kaninchen und Hunden durchgeführt. Vor Allem untersuchten 
wir das Serum normaler Kaninchen und Hunde auf eine eventuelle ra- 
bicide Eigenschaft. Diese Versuche wurden zunächst aus dem Grunde 
angestellt, um die gefundenen Werthe des Serums mit den Werthen der 
immunisirten Thiere vergleichen zu können und durch Vergleich auf die 
Immunwerthe schliessen zu dürfen. Ausserdem war es interessant zu 
erfahren, ob die natürliche Empfänglichkeit dieser Thiere und auch die 
natürliche Resistenz und Unempfänglichkeit der Hühner und Tauben in 
den Eigenschaften des Serums zum Ausdrucke kommt. 

Die Versuche mit normalem Kaninchen- und Hundeblut wurden in 
der Weise ausgeführt, dass das frische Serum in verschiedenen Mengen 
zu filtrirten und verdünnten Virus fixe-Emulsionen zugesetzt wurde. Nach 
18 Stunden (bei Zimmertemperatur) wurde von dem Gemenge etwas 
Kaninchen subdural injicirt. 

Gleich Eingangs möchten wir bezüglich der Methodik der Serum¬ 
prüfung hervorheben, dass wir nach den Erfahrungen der früheren Ar¬ 
beiten das Lyssavirus in verdünntem Zustande zum Serum zusetzen. Wir 

Zcitschr. f. Hygiene. XLI. 

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34 

Original fram 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



530 


R. Ivb aus und R. Makesch: 


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konnten nämlich zeigen, dass nur bei genauer Einhaltung der quantitativen 
Verhältnisse eine Werthbestimmung des Serums für das Lyssavirus möglich 
sei. Das Virus fixe und auch das Strassenvirus enthält in dichter Emul¬ 
sion, wie sie für gewöhnlich benützt wird, die 500- bis 1000fache lat. 
Infectionsdosis. Es ist selbstverständlich, dass bei Benützung einer dichten 
Emulsion Serumwerthe, die nicht besonders hoch sind, nicht zum Aus¬ 
drucke gelangen können. Ohne des Weiteren auf diese wichtige Frage 
eingehen zu wollen, da wir sie in unserer früheren Arbeit zur Genüge 
gewürdigt haben, bemerken wir, dass wir ebenso, wie in den früheren Ver¬ 
suchen, eine filtrirte Verdünnung des Virus fixe 1:100, die sich als 
typisch virulent erwiesen hat und ganz sichere constante Resultate liefert, 
in den folgenden Versuchen als Testdosis für gewöhnlich verwendet haben. 
Die höheren Verdünnungen 1:500 und 1:1000 waren uns, obwohl sich 
mit diesen Verdünnungen auch noch Lyssa erzeugen liesse, doch zu un¬ 
sicher, um sie als Testdosis zu verwenden. Wir werden sehen, dass sich 
mit der Verdünnung 1:100 im normalen Serum von Hühnern rabicide 
Substanzen nachweisen lassen. Im Uebrigen haben wir, um dem even¬ 
tuellen Fehler zu begegnen, dass die Testdosis zu hoch genommen wurde, 
auf der anderen Seite das Serum in grossen Mengen zugesetzt. 


Versuch mit normalem Kaninchenserum auf Virus fixe. 


Menge des 
normalen 
Kaninchen« 
senuns in ccm 

Virus fixe- 
Emulsion 

1 u. 0*5 ccm i 

i 

Nach 18 Std. 
bei Zimmer¬ 
te mp. subdur. 
Kaninchen- 
infection 

Subdurale 

Infection am 

Resultat 

Serum 1 



| 


0-5 

1 : 100 

37 

30. IV. 

am 9. IV. Lyssa, 13.f 

0-25 

1 : 100 

89 

99 

am 9. IV. Lyssa, 12. 

0*5 

| 1 : 50 

30 

99 

am 9. IV. Lyssa, 18. + 

Serum 2 

1 




0*5 

1:100 (0*5 ccm ) 

40 

3. II. 

am 15. II. Lyssa, 16. f 

0-5 

! 1:50 

35 1 

9* 

am 13.ILL} T ssa, 15. f 

Serum 3 





0-5 

1 : 100 

! 

10 

i 

3. II. i 

1 i 

am 14. II. Lyssa, 19. f 

Diese Versuche und auch solche, über die 

in der früheren Arbeit 


berichtet wurde, lehren, dass das normale Kaninchenserum in Mengen 
von 0-5 ccm nicht im Stande war, auf 0-5 ccm und 1 ccm einer Virus fixe- 
Emulsion von 1:100 selbst nach einer I 8 stündigen Einwirkung das Virus zu 
zerstören. Höhere Serumwerthe als 0*5 ccm wurden bei unseren Versuchen 
nicht benützt. Es wäre möglich, dass bei Verwendung grösserer Mengen 
Kaninchenserum als 0*5 ccra und einer noch stärkeren Verdünnung des 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Bildung von Immunsubstanzen gegen das Lyssavibüs. 


531 


Virus fixe vielleicht ein Werth des normalen Serums hätte nachgewiesen 
werden können. Wie ans den weiteren Versuchen hervorgehen wird, war 
es nicht nothwendig, diese Versuche in der angedeuteten Weise zu er¬ 
gänzen. 

Im Anschluss an diese Versuche führen wir einen Versuch mit 
Serum von immunisirten Kaninchen zum Vergleich an. Ausführliche 
Versuche in dieser Bichtung haben wir in der früheren Arbeit mitgetheilt, 
so dass wir auf eine ausführliche Wiedergabe ähnlicher Versuche ver¬ 
zichten können. Die zum Versuche benützten Kaninchen wurden einige 
Monate mit Virus fixe behandelt. 


Versuch mit Immunserum von Kaninchen auf Virus fixe. 


Menge des 
Immunserums 
in ccm 

Menge der 
Virus fixe- 
Emulsion 

.... 

Concentration 
des Virus 

Dauer der 
Einwirkung 

Subdurale 

Infection 

am 8. V. 

Resultat 

Kaninch. 118 

i 





0-5 

J ccm 

1 : 50 

18Std.bei Ztp. 

132 

überlebt 

0-25 

99 

1:50 

91 

213 

14. Lyssa, f 

0-5 

99 

1 : 100 

11 

*227 

überlebt 

0-25 

99 

i 1:100 

ii [ 

102 

ii 

Kaninch. 150 


i 

I 


i 


0-5 

1 J ccm 

! 1 : 50 

„ 1 

'186 

ii 

0-5 

»» 

1 : 100 

ii 

241 

ii 

0-25 

»t 

1 : 100 

” i 

116 

i 

u 

Wie aus diesem Versuche und aus den früheren Versuchen ganz 


klar hervorgeht, besitzt das Serum immunisirter Kaninchen die Eigenschaft, 
Virus fixe in vitro zu neutralisiren; 0-5 und 0*25 ccm dieses Serums ver¬ 
mögen nicht nur eine Virus fixe-Emulsion von 1:100 zu ihrer Wirksam¬ 
keit zu zerstören, sondern sind auch im Stande die doppelte Infectionsdosis 
(= 20 let. Dosen), zu neutralisiren. Dieser Versuch und auch die zahl¬ 
reichen früheren Versuche beweisen zur Genüge, dass im Serum der 
mit Lyssavirus immunisirten Kaninchen thatsächlich Schutz¬ 
stoffe auftreten. 

Ganz gleiche Versuche, wie die mit normalem Kaninchenserum und 
dem Immunserum wurden mit normalem Hundeserum und mit Serum 
von immunisirten Hunden angestellt. 

Ebenso wie dem Serum der für Lyssavirus empfindlichen Kaninchen 
normaler Weise nachweisbare Werthe an rabiciden Substanzen mangeln, 
findet man auch imn ormalen Hundeserum solche Stoffe nicht vor. Erst 
nach Behandlung dieser Thiere mit Lvssavirus treten solche Schutzstoffe 
auf und sind im Blute nachweisbar. 

34* 

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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




682 


R. Kbaus und R. Mabesch: 


Versuch mit normalem Hundeserum auf Virus fixe. 


Menge des 
normalen 
Hundeserums 
in ccm 

Virus fixe- 
Emulsion 

| ccm 

Dauer der 
Einwirkung 

Subdurale 
Infeotion am 
9. V. u. 21 V. 

Resultat 

Hund 1 

0-5 

1:50 

18 Std. b.Zimmertp. 

85 

18. Lyssa, 20 . f 

0-25 

1:50 


74 

19. Lyssa, 20. t 

0-5 

1:100 


90 

20 . Lyssa, 22 . 7 

0-25 

1:100 

>> 

37 

22 . Lyssa, 27. 7 

Hand 2 





0-5 

1:100 


55 

18. Lyssa, 21. f 

Hand 3 





0*5 

1 : 50 

yy 

8 

29. Lyssa, 30. + 

0-25 

1 : 100 

V 

46 

30. Lyssa, 31. 7 

Hund 4 





0-5 

1 : 50 

yy 

37 

29. Lyssa, 30. + 

0-25 

1 :100 

V 

35 

29. Lyssa, 30. f 


Versuch mit Serum von immunisirten Hunden. 

Menge des 

Virus fixe- 

Dauer der Ein- 

Subdurale 


Immunserums 

Emulsion 

Wirkung d. Serums 

Infection 

Resultat 

in ccm 

| ccm 

auf den Virus fixe 

am 11 . VI. 


Hund I 





0-5 

1 : 50 

18 Std. b.Zimmertp. 

6 

überlebt 

rii °- 25 

1 : 50 

” 

73 


0-1 

1 / Hund II ! 

1 : 100 


63 

yy 





■ir; <•> ö 

1:50 

V 

94 

yy 

- 1 - i.i 1 Ü 5 

1:50 

tf 

67 

M 

• Iii i.:; Onb 

1 : 100 

tJ 

26 

yy 

[ liCqnfople 



71 

18. Lyssa, 29. f 

xln \W< i! 1 





"in kEsi würde also aus 

diesen Versuchen hervorgehen, dass die für das 


/iLpssatiiirufe empfindlichen Kaninchen und Hunde nach Immuni- 
sirung mit diesem Virus Schutzstoffe zu produciren im Stande 

i»ibdini;>l iiorl-jil!», 

.i'i ’-’iiEtie weitereniiUntersuchungen beschäftigen sich mit der Frage, ob 
Jds± Serum fl natürlich unempfänglicher Thiere, wie es die Tauben sind. 
’iioiiaaldr'^Wefisb'Sohutzstoffe enthielte und ob im Serum der mit Lyssa¬ 
virus behandelten Tauben etwa solche auftreten. 

t : 


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Original from 

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Bildung von Immunsubstanzen gegen das Lyssavirus. 


533 


Wie aus den früheren Arbeiten hervorgeht, widerstehen alte Tauben 
der cerebralen Infection mit Lyssavirus, sind also für das Lyssavirus 
unter normalen Verhältnissen unempfindlich. Es wurde auch gezeigt, dass 
diese Unempfänglichkeit für das Lyssavirus nicht dadurch zu Stande 
komme, dass das Virus, im Gehirn dieser Thiere eingebracht, zerstört 
werde, wie wir es bei den immunisirten Kaninchen gefunden haben. Das 
Lyssavirus pflanzt sich im Gehirn der natürlich unempfänglichen Thiere 
fort und lässt sich nach langer Zeit noch experimentell nachweisen. 
Gleichzeitig wurde auch ermittelt, dass das Serum der Tauben keine 
Lyssa virus schädigenden Eigenschaften besitze. Die natürliche Un¬ 
empfänglichkeit der Tauben beruht demnach auf der Un¬ 
empfindlichkeit der Zellelemente für das Virus oder dessen 
Gifte. Das Vims findet im Gehirn der Tauben einen entsprechenden 
Nährboden, auf dem das Virus seine Lebensfähigkeit und Infectiosität lange 
Zeit behält, auf dem es sich vielleicht auch vermehrt, es findet aber 
keine Angriffspunkte für die schädigende Wirkung. 


Versuch mit normalem Taubenserum auf Virus fixe. 


Menge des 
normalen 
Taubenseruras 

Virus fixe- 
Emulsion 

1 ccm 

1 Dauer der 

Einwirkung 

Subdurale 1 
Infection 
am 21 . V. 


Resultat 

Taube 1 







0-5 

1 s 100 

18 Std. b. ZimmertpJ 

11 

29. 

Lyssa, 

30. f 

0-25 

| 1 : 100 


96 

29. 

Lyssa, 

30. T 

Taube 2 

0-5 

Taube 3 

1 : 100 1 

i 

V | 

1 

17 

j 

29. 

Lyssa, 

30. f 

0-5 ; 

1:100 ; 

i 

” 

62 

11 . 

Lyssa, 

12 . f 


Es vermag mithin das normale Taubenserum in Mengen von 0-5 ecm 
Virus fixe-Emulsionen von 1:100 zu zerstören. 

Die folgenden Versuche wurden mit Serum von Tauben angestellt, 
die mit Virus fixe-Emulsionen subcutan behandelt worden sind. Zu den 
Immunisirungen wurden nicht, wie bei Hunden und Kaninchen, erst hohe 
Verdünnungen nach Högyes benutzt, sondern die Tauben bekamen gleich 
infectiöses Virus von 1:100 und wurden rasch mit höheren Conceutrationen 
des Virus behandelt. 

Die Tauben wurden vom l.V. bis 22. V. mit Emulsionen des Virus 
fixe von 1:100 und 1:50 behandelt und bekamen in bestimmten 
Intervallen 5 ccra von diesen Emulsionen; 19 Tage nach der letzten 
Injection wurde das Serum geprüft. Wie aus den Versuchen von Cen- 


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534 


R. Kbaus und R. Mabesch: 


tanni, Tizzoui und unseren Versuchen hervorgeht, ist diese Zeit die 
geeigneteste zur Serumentnahme. Nach dieser Zeit, also am 20. bis 25. Tag 
nach der letzten Injection, findet man bei empfindlichen Thieren die 
höchsten Werthe von Schutzstoffen im Serum. 

Sonst wurde der Versuch in derselben Weise ausgeführt wie die 
vorhergehenden. 


1 . Versuch mit Serum von mit Virus fixe-Emulsionen behandelten Tauben. 


Menge des 
Immunserums 
in ccm 

Virus fixe- 
Emulsion 

J ccm 

Dauer der 
Einwirkung 
des Serums 
auf Virus fixe 

i 

1 Subdurale 
! Infection 

1 am 17. VI. 

Resultat 

1 . Taube i 
0-5 

1: 50 

18 Std. b.Zimmertp. 

95 

18. Lyssa, 20. f 

0*5 

1 :100 

»» 

45 

tf ft 

0-25 

1 : 100 


' 74 

*» M 

2 . Taube 

0-5 

1:50 ! 

i 

f* 

97 

>> »* 

0-5 

1:100 

tt 

8 

99 »• 

0*25 

1:100 1 

tt 

98 | 

tt tt 


Nach dem Ausfall dieses Versuches würde das Serum der mit 
Lyssavirus behandelten Tauben keine Schutzstoffe enthalten, 
es verhält sich das Serum ebenso dem Lyssavirus gegenüber 
wie normales Taubenserum. 

Um dem Einwande noch entgegenzutreten, dass möglicher Weise die 
Tauben zu wenig Virus bekamen, wurden im folgenden Versuche Tauben 
verwendet, die durch längere Zeit Virus fixe-Emulsionen 1:100, 1:50 
und auch concentrirtes Virus bekamen. 

Die Tauben erhielten vom l.V. bis zum 2. VIII. 14 Injectionen und 
zwar bekamen sie vom 1. V. bis 9. V. 3 ccra Virus fixe 1:100, vom 13. V. 
bis 22. V. 3 ccm 1:50, vom 27. V. bis 4. VI. 2 0cm 1:25, vom 11. VL bis 
2 . VIII. 6 ccm dichte Emulsionen. 20 Tage nach der letzten Injection er¬ 
folgte der Aderlass. Die Versuche wurden in der üblichen Weise mit 
dem frischen Serum ausgeführt; bei der 3. Taube wurde das Serum nach 
36 Tagen entnommen. (Siehe 2. Versuch.) 

Nach dem Resultat dieser Versuchsreihe konnten auch bei drei Tauben, 
die durch längere Zeit mit Virus fixe-Emulsionen hoher Concentration 
behandelt wurden, keine rabiciden Substanzen im Serum nachgewiesen 
werden. Dieselben Mengen, die im Versuche mit normalem Serum Virus 
fixe nicht zu schädigen vermochten, waren auch hier nicht im Stande, 
schädigend auf das Virus einzuwirken. Es verhielt sich demnach das 


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Bildung von Immunsubstanzen gegen das Lyssayibus. 


535 


Serum der behandelten Tauben dem Virus fixe gegenüber ebenso passiv, 
wie das Serum normaler Tauben. 

2 . Versuch mit Serum von mit Virus fixe-Emulsion behandelten Tauben. 


Menge des 
Immunserums 
in ccm 

Virus fixe- 
Emulsionen 

| ccm 

Dauer der 
Einwirkung 
des Serums 
auf Virus fixe 

Subdurale 
Infection 
am 28. VIII. 
bis 5. IX. 

Resultat 

1 . Taube 





0*5 

1 : 100 

18 Std. b. Zimmertp. 

107 

1 . Lyssa, 4. + 

0-2 

1:100 

i 

» 

154 


2 . Taube 



i 


0-5 

1 : 100 

»» 

124 

4. Lyssa, 6. t 

3. Taube 





0-5 i 

1:100 

ft 

175 

14. Lyssa, 16. j 

0-1 

1 : 100 

tr 

60 

16. Lyssa, 18. f 

4. Taube 





22 .VUL 0*5 

1 : 100 

tt 

113 

0 

0-25 

1 : 100 

tt 

227 

0 

5. IX. 0-5 

1 : 100 

t* 

137 

o 

0-1 

1 : 100 

tt 

140 

0 


Nur das Serum der 4. Taube zeigte sich dem Virus fixe gegenüber 
wirksam. Bei wiederholtem Versuche konnte nachgewiesen werden, dass 
im Serum dieser Taube rabicide Stoffe vorhanden waren, dass also die 
Taube Schutzstoffe producirt hatte. Nachdem doch in zahlreichen Ver¬ 
suchen bei Tauben normaler Weise keine rabiciden Substanzen nach¬ 
gewiesen werden konnten, ist wohl in dem Falle der Schluss erlaubt, dass 
erst während der Behandlung diese Substanzen aufgetreten waren. 

Die Versuche, in denen es gelang, Tauben durch Hungern für Lyssa¬ 
virus empfänglich zu machen, scheinen dafür zu sprechen, dass Receptoren 
auch bei Tauben für das Lyssavirus de norma vorhanden sein dürften, 
deren Affinität zum Virusgift erst unter besonderen Verhältnissen aus¬ 
gelöst werden könne. Auch der besondere Fall lässt sich in dem Sinne 
deuten, dass auch die unempfänglichen Tauben Receptoren für das Lyssa¬ 
virus besitzen. Normaler Weise haben diese Receptoren gar keine Affinität 
zum Lyssavirus. Die Unempfänglichkeit der Tauben für das Lyssavirue 
und der Mangel an Immunsubstanzen im Serum, die nach Ehrlich aus- 
gestossene, im Ueberschuss producirte Seitenketten sind, sprechen in diesem 
Sinne. Unter besonderen Umständen, durch Hungern beispielsweise, lassen 
sich diese unempfindlichen Receptoren empfindlich machen, die Tauben 
bekommen nach der Iufection Lyssa. Ob solche für Lyssavirus disponirt 
gemachte Tauben auch Immunserum liefern, was ja möglich wäre, haben 
wir nicht untersucht. 


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Original frum 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 





536 


R. Kraus und R. Maresch: 


Die Hühner verhalten sich dem Lyssavirus gegenüber anders als 
Kaninchen und Hunde und anders als Tauben. Die Hühner nehmen in 
Bezug auf die Empfänglichkeit für das Lyssavirus eine Zwischenstellung 
ein, indem sie weniger empfindlich sind als Kaninchen und empfind¬ 
licher als Tauben. Nach subduraler Infection mit Virus fixe können 
Hühner an Lyssa erkranken. Nach einem sehr langen Incubationsstadium 
treten die Krankheitserscheinungen auf. Die Krankheit selbst hat auch 
einen ungemein schleppenden Verlauf. Es war also interessant zu erfahren, 
wie diese Thiere auf die Behandlung mit Virus fixe reagiren, ob bei den 
Hühnern ebenso wie bei Kaninchen Schutzstoffe auftreten oder nicht. 
Vorher wurde ebenso wie in den früheren Versuchen das Serum normaler 
Hühner auf rabicide Eigenschaften geprüft. 


Versuch mit Serum von normalen Hühnern auf Virus fixe. 


Menge des 
Hühner¬ 
serums 
in ccm 

Virus fixe- 
Emulsion 

1 ccm 

Dauer der 
Einwirkung 
des Serums 
auf Virus fixe 

1. Huhn 




0-5 

1 

100 

18 Std b.Zimraertp. 

0-25 

1 

100 


2. Huhn 




0-5 

1 

100 

44 

Controle 

1 

100 


3. Huhn 




0*5 

1 

100 


4. Huhn 



i 

0*5 

1 

100 


0-25 

1 

100 


5. Huhn 



1 

0-5 

' 1 : 

: 100 

»» 

6. Huhn 




0-1 

1 

: 100 


7. Huhn 




0*5 

1 

50 

f » 

0-1 

1 

: 100 

»♦ 


Subdurale 
Infection 
am 13. VI. 

8. VIII. 

Resultat 

75 

überlebt 

78 

I 

29. Lyssa, (nach 16 Tagen), 
3. f 

74 

überlebt 

77 

22. Lyssa, 24. -f* 

117 

überlebt 

131 8. VIII. 


140 

25. Lyssa (nach 17 Tagen), 

‘ 26. f 

196 

16. VIII. Lyssa, 18. + 

148 21.VIII. 

30. Lyssa. 4 7 

1 ' 

101 

29. Lyssa, 2. 7 

197 

2. Lyssa, 5. 7 


Diese Versuche lehren, dass das normale Hühnerserum in der Regel 
in Mengen von 0-5 ccru auf 1 ccm Virus fixe-Emulsion 1:100 geprüft, im 
Stande ist, dasselbe in 18 Stunden zu zerstören. Es sind also rabicide 
Substanzen im Serum normaler Hühner vorhanden. Bei 
keiner der bisher untersuchten Thierart haben wir im normalen Serum 
rabicide Substanzen nachweisen können. Die Hühner besitzen solche und 
zwar in Werthen, die sich zwischen 0*5 ccm und 0-25 ccm bewegen. Die 


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Bildung von Immunsubstanzen gegen das Lyssavirus. 


537 


Serummeugeu von 0*25 ccm sind zwar nicht mehr im Stande, das Virus 
vollständig zu zerstören, sie können aber das Virus so abschwächen, dass 
das Incubationsstadium verlängert ist. Bei Verwendung von 0 • 1 eom Serum 
tritt gar keine Wirkung auf Virus fixe zu Tage. 

Versuch mit Serum von immunisirten Hühnern auf Virus fixe. 


Memre des 
Immun so rums 
in ccm 

Virus fixe- 
Emulsion 

^ ccm 

Dauer der 
Einwirkung 
des Serums 
auf Virus fixe 

Subdurale 
Infeetion 
am 6. IX. 


Resultat 

1 . Huhn 






0-05 

1 : 100 

18 Std. b.Zimmertp. 

83 

15. 

Lyssa, 18. f 

0-1 

1:50 


162 

19. 

Lyssa, 22. j 

2. Huhn 

0*05 

1 :100 


102 

15. 

Lyssa, 18. f 

0-1 

1 : 50 

>> 

187 


»♦ M 

3. Huhn 






0-05 

1 : 100 


8 

15. 

Lyssa. 17. + 

0-1 

1 : 50 

9f 

70 

15. 

Lyssa, 18. f 

4. Huhn 






0-05 

1 :100 

M 

33 

16. 

Lyssa, 18. f 

0-1 

1 : 50 


185 

15. 

Lyssa, 18. f 


Die Hühner wurden vom 2. V. bis zum 2. VIII. mit Virus fixe 
immunisirt. Sie bekamen im Ganzen 14 ccm Virus üxe-Emulsionen und 
zwar 3 cctn Virus fixe 1:100, 3 f0m Virus fixe 1:50, 2 0Cra 1:25 und 6 ccra 
concentrirte Virus fixe. 33 Tage nach der letzten Injectiou wurde 
das Serum der Hühner geprüft. Wie die Versuche ergeben, konnte 
bei den behandelten Hühnern ein Immunwerth im Serum nicht uaeh- 
gewiesen werden. Nachdem der normale Serumgehalt an rabiciden Sub¬ 
stanzen fast 0*25 ccm beträgt, war zu erwarten, dass die Immunwertlie 
zumindest 5 fach und noch höher sein dürften. Es zeigte sich, dass die 
Werthe 0*05 auf die Emulsion von 1:100 und 0-1 auf die Emulsion 
1:50 nicht schädigend einzuwirken vermochten. 

Die Hühner waren mit concentrirten Emulsionen von Virus fixe von 
Anfang an behandelt, so dass, weun Substanzen producirt werden könnten, 
solche sicher entstanden sein mussten. Bei Ivaniuchen und Hunden er¬ 
folgt die Bildung dieser Substanzen auf viel geringere Mengen von Virus, 
da die Thiere wegen der Infectionsgefahr nach der Methode vonHögyes 
langsam mit steigenden Concentratiouen immunisirt werden. Die In- 
jectionen werden mit Dilutionen von 1:10000 begonnen und erreichen 
zum Schluss die Concentration von 1:100, mit der wir bei Tauben und 
Hühnern begonnen haben. 


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538 


R. Kraus und R. Maresch: 


Es war noch an die Möglichkeit zu denken, dass die Immunsubstanzen 
bei Hühnern, entsprechend dem langsamen Verlauf der Lyssa bei diesen 
Thieren, sehr langsam producirt werden dürften. Dieser Möglichkeit wurde 
im folgenden Versuche Rechnung getragen, indem die Hühner 45 Tage 
nach der letzten Injection auf Immunstoffe geprüft wurden. Die Hühner 
wurden vom 22. X. bis 5. XII. mit Virus fixe behandelt und bekamen 
32 cem conceutrirtes Virus. Am 22.1. wurde das Blut entnommen und 
das Serum in der üblichen Weise auf Virus fixe-Emulsionen 1:100 ein¬ 
wirken gelassen. Das Serum wurde in Mengen von 0-5 und 0-l crra aus- 
gewerthet. 0*5 ccm ist der normale rabicide Werth der gesunden Hühner. 
Mengen von 0 • 1 ccm Serum und 0 • 25 ccm Serum normaler Hühner erwiesen 
sich als unwirksam. Das Serum der immunisirten Hühner erwies sich 
bei drei Hühnern nicht anders wirksam als normales Hühnerserum. 0 • 1 < * m 
Serum war nicht im Stande das Virus zu zerstören. Es vermochte bei 
zwei Hühnern sogar 0*5 ccm Serum, also Mengen, in denen das normale 
Hühnerserum wirksam war, das Virus nicht abzutödten. Nur ein Huhn 
lieferte ein Serum, dessen Werth höher war als der normale Serumwerth. 


Menge des 
Imraun serums 
in ccm 

Virus fixe« 
Emulsion 

| ccm 

Dauer der 
Einwirkung 
des Serums 
auf Virus fixe 

Subdurale 
Infection 
am 22 . 1. 


Resultat 

1. Huhn 







0-5 

1 : 100 

18 Std. b.Zimmertp. 

231 


Lyssa 


0-1 

1 : 100 


239 

30. 

Lyssa, 

1.1 

2. Huhn 







0-5 

1 : 100 


236 

29. 

Lyssa, 

i -1 

0-1 

1 : 100 


173 1 

31. 

Lyssa, 

t 

3. Huhn 







0*5 

1 : 100 

y> i 

238 

30. 

Lyssa, 

i -1 

0-1 

1 : 100 

1 

ff 

209 

31. 

Lyssa, 

i -1 

4. Huhn 







0-5 

1 : 100 1 

ff 

245 


überlebt 


0-1 i 

1 : 100 

ff 

82 1 


*9 


I 

Controle i 

1 : 100 

i 

ff 

151 | 

29. 

Lyssa, 31. 7 


| 


An der Immunisirung konnte es also nicht liegen, das wir bis auf 
ein Huhn bei allen anderen Hühnern negative Resultate zu verzeichnen 
haben. Es muss nach allem daran gelegen'haben, dass die Hühner für 
das Lyssavirus viel weniger empfindlich sind als die empfindlichen Ka¬ 
ninchen und Hunde, die rabicide Immunsubstanzen zu produciren ver¬ 
mögen. 


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Bildung von Immunsubstanzen gegen das Lyssavebus. 


539 


Ergebnisse der Untersuchungen. 

1. Die empfindlichen Kaninchen und Hunde besitzen physiologischer 
Weise in ihrem Serum keine rabiciden Substanzen. 

2. Die Kaninchen und Hunde geben nach Immunisirung mit Virus 
fixe ein rabicides Immunserum. 

3. Tauben, die für Lyssa empfindlich sind, besitzen normaler Weise 
kein rabicides Serum. 

4. Tauben besitzen auch, nachdem sie mit Virus fixe behandelt 
worden sind, keine Immunsubstanzen im Blute. 

5. Hühner, die für das Lyssavirus wenig empfindlich sind, haben 
normaler Weise im Serum rabicide Substanzen. 

6 . Hühner produciren nach Immunisirung mit Virus fixe für ge¬ 
wöhnlich keine rabiciden Substanzen. 


Litteratnr - Y erzeichniss. 


1 . E. Metschnik off, Immunität. Handbuch der Hygiene von Weyl. 1897. 

2 . A. Knorr, Fortschritte der Medicin . 1897. 

3. DoNittis, Annales de VInstitut Pasteur. 1901. 

4 . R. Kraus, E. Keller u. P. Clairmont, Diese Zeitschrift . 

5. R. Kraus u. P. Clairmont, Ebenda. 1900. 


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[Aus dem Institut für Infectionskrankheiten in Berlin.] 
(Director: Geh. Med.-Rath Prof. Dr. R. Koch.) 


Ueber die Differenzirung der Ruhrbacillen 
mittels der Agglutination. 

Von 

Marinestabsarzt Dr. E. Martini und Kreisassistenzarzt Dr. O. Lentz, 

commandirt zum Institut für Infectionskrankheiten. 


Im Jahre 1898 berichtete Shiga (1), ein Schüler Kitasato’s, dass 
es ihm gelungen sei, aus dem Stuhl von Dysenteriekranken einen Bacillus 
von ganz bestimmten morphologischen und culturellen Eigenschaften zu 
isoliren. Während diese Mittheiluug zunächst nur geringe Beachtung 
fand, theilte Kruse (2) im Jahre 1900 mit, dass er gelegentlich einer 
Ruhrepidemie im rheinisch-westphälischen Kohlenbezirk in den Stühlen von 
Ruhrkranken ein dem Typhusbacillus ähnliches, von demselben aber sicher 
durch biologische Merkmale zu trennendes Kurzstäbchen gefunden habe, 
das er für den Erreger der Krankheit anzusprechen geneigt sei Fast zu 
derselben Zeit kam aus Amerika die Nachricht, dass Flexner (3) und 
Strong bei Ruhrkranken in Manila auf den Philippinen ein dem von 
Shiga beschriebenen Bacillus ähnliches oder identisches Bacterium ge¬ 
funden hätten. 

Alsbald mehrten sich ähnliche Beobachtungen, v. Drigalski (4) 
E. Pfuhl (4) und Sch mied ecke (4) fanden bei den Kranken auf 
dem Truppenübungsplätze in Döberitz, der erste auch bei einigen der 
heimkehrenden Chinakrieger sowie bei Kranken in Ostfriesland einen Ba¬ 
cillus, den sie mit dem Kruse’sehen für identisch hielten. Flexner 
und seine Assistenten (5) wollten einen mit dem Bacillus der Philip¬ 
pinenruhr identischen an verschiedenen Orten des Ostens der Vereinigten 
Staaten von Nordamerika gefunden haben. — Dann wies Th. Müller (6) 


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E. Martini und 0. Lentz: Differenzirung der Ruhrbacillex. 541 

bei einer Ruhrepidemie in Steiermark einen mit dem Kruse’schen Bacillus 
identischen nach und endlich fand Deycke (7) in Konstantinopel in den 
Stühlen Ruhrkranker sowie in der Milz an Ruhr Verstorbener ein Stäbchen 
von ganz bestimmten Eigenschaften, das er aber selbst für nicht identisch 
mit dem Shiga’schen Bacillus erklärt. 

Jeder der genannten Forscher berichtete, dass sein Bacillus mit dem 
Serum von Ruhrkranken die specifische Agglutination gebe. Müller 
identificirte seinen Bacillus mit Hülfe schwach wirksamer Sera von künst¬ 
lich immunisirten Kaninchen mit dem Kruse’schen Bacillus. 

Es waren also hiernach 6 Ruhrbacillenstämme gefunden, der von 
Shiga, Flexner, Kruse, Müller, Deycke und der Döberitzer Stamm, 
unter denen die ostasiatischen Flexner, Shiga und der deutsche Stamm 
Kruse von Flexner (8), die deutschen und steiermärkischen Stämme 
von Th. Müller seither als identisch angesehen wurden. Nach Kruse 
hingegen waren die Bacillen von Shiga und Flexner einerseits, die 
Kruse’schen Bacillen andererseits in ihrem morphologischen und biologi¬ 
schen Verhalten nur ausserordentlich ähnlich; in zwei Punkten schien 
eine Differenz zu bestehen. Shiga und Flexner beschrieben ihren Bacillus 
als beweglich und geisseltragend; beide wollten hin und wieder vereinzelte 
Stäbchen mit einer polständigen Geissei gesehen haben, während Kruse 
seine Stäbchen als geisselfrei und unbeweglich, wenn auch durch starke 
Molecularbewegung ausgezeichnet beschrieb. 

Kruse sieht aus diesem Grunde den von ihm gefundenen Bacillus 
für eine besondere, wenn auch mit dem Shiga-Flexner’schen Bacillus 
verwandte Species an. 

Auf Veranlassung von Hm. Geheimrath R. Koch verglich neuerdings 
eine Commission, bestehend aus den HHrn. Prof. E. Pfuhl, Oberstabs¬ 
arzt Schmiedecke, Stabsarzt Schüder und dem einen von uns (Lentz) 
5 Ruhrstämme, Shiga, Flexner, Kruse sowie 2 Stämme der Döberitzer 
Epidemie mit einander und fand dabei, dass die geprüften Bacillen mor¬ 
phologisch und culturell keine wesentlichen Unterschiede erkennen liessen, 
dass sie insbesondere sämmtlich die gleiche, stark oscillireude Molecular¬ 
bewegung zeigten und sämmtlich keine Geissein trugen. Eine geringe 
Verschiedenheit von den anderen Stämmen hatte nur der Flexner’sche 
insofern gezeigt, als er bei der Agglutination mit dem Serum eines Recon- 
valescenten der Döberitzer Epidemie in der Verdünnung 1:50 eine etwas 
schwächere Agglutination gab als die anderen, die von dieser Verdünnung 
noch stark agglutinirt wurden. 

Auch hiernach war somit die Frage nach der Identität der bisher 
gefundenen Ruhrerreger nicht endgültig geklärt, vielmehr die Arteinheit 


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542 


E. Martini und 0. Lentz: 


der bisher für identisch gehaltenen Stämme Shiga und Flexner wieder 
in Frage gestellt worden. 

Dazu kam, dass Kruse (9) berichtete, dass er bei der Ruhr der 
Irren häufig Baoillen gefunden hätte, welche zwar seinen echten Ruhr¬ 
bacillen ähnlich wären, sich aber doch in mancher Beziehung von ihnen 
unterschieden. Auch fand Schmiedecke bei einem an Ruhrrecidiv Er¬ 
krankten aus der Döberitzer Epidemie einen ruhrähnlichen Bacillus, während 
es Lentz gelang, bei einem Herrn, der 2 Jahre zuvor im Sudan eine 
kleine ruhrähnliche Attaque durchgemacht hatte, als er im letzten Winter 
an einer Enteritis mit blutigen, schleimigen Entleerungen erkrankte, aus 
letzteren ebenfalls einen ruhrähnlichen Bacillus zu züchten. Beide Stämme, 
sowohl der von Schmiedecke als auch der von Lentz gefundene, 
Hessen sich zwar bei der Weiterzüchtung auf verschiedenen Nährböden und 
durch die Geisselfärbung unschwer von den echten Ruhrbacillen unter¬ 
scheiden (vgl. Tabelle I), doch wuchsen sie auf der v. Drigalski’schen 
Lackmus-Laktose-Agarplatte genau wie echte Ruhr. Sie waren auch, von 
dieser Platte entnommen, im hängenden Tropfen weder morphologisch 
noch durch eine Differenz in der Beweglichkeit, da sie gleich den Shiga’- 
schen Bacillen nur lebhafte Molecularbewegung zeigten, von den echten 
Ruhrbacillen zu unterscheiden, so dass sie den Gedanken wachrufen mussten, 
dass es sich hier möglicher Weise um echte Ruhrbacillen handeln könnte. 
Vervollständigt wurde diese Täuschung zunächst dadurch, dass Ruhrrecon- 
valescentenserum diese beiden Stämme noch in der Verdünnung von 1:100 
kräftig agglutinirte, d. h. ebenso stark wie die zum Vergleich herangezogenen 
echten Ruhrstämme. Bei den weiteren Untersuchungen ergab sich dann 
jedoch, dass die beiden Stämme beweglich waren und Geissein trugen 
sowie auch culturell in mancher Beziehung sich anders verhielten wie die 
echten Ruhrstämme. Daraus ergab sich, dass man bei der Verwendung von 
Reconvalescentenserum zur Dififerenzirung echter Ruhr- und rohrähnhcher 
Bacillen Gefahr lief, die bereits bestehende Unsicherheit nur noch zu steigern. 

Nach den Erfahrungen, die bezüglich der Dififerenzirung anderer 
pathogener Bakterien von den ihnen nahestehenden saprophytischen Arten 
durch Pfeiffer, Issaeff, Löffler, Abel, Kolle, Dunbar, Fränkel 
und Sobernheim gemacht waren, lag es nahe, die specifischen Eigen¬ 
schaften der künstlichen Immunität heranzuziehen. Wir fassten daher 
auf Anregung von Hrn. Geheimrath R. Koch und Prof. Kolle sowohl 
die active als auch passive Immunitätsreaction, sowie die durch Vor¬ 
behandlung geeigneter Thiere eventuell in starker Concentration zu 
erzielenden Agglutiniue des Serums ins Auge. Was zunächst die 
DitYerenziruug mittels activer und passiver Immunitätsreactionen im Thier¬ 
körper betrifft, so sind unsere Versuche für eine Entscheidung nach 


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Original frum 

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Über die Defferenzirung der Ruhrbacillen. 


548 


dieser Richtung hin nicht ausreichend. Dies hatte seinen Grund in den 
ausserordentlich toxischen Eigenschaften der Ruhrbacillen einerseits, in 
ihren geringen infectiösen Eigenschaften bei Yersuchsthieren andererseits. 
Die activ immunisirten Thiere erlangen eine verhältnissmässig geringe 
active Immunität mit wenig baktericid wirksamen Eigenschaften ihrer 
Körpersäfte. Trotz vielfacher Versuche gelang es uns weder bei den activ 
noch hei den passiv mit Serum einer immunisirten Ziege behandelten 
Meerschweinchen das Analogon des Pfeiffer’schen Versuches mit Erfolg 
auszuführen. 

Als die einzige Möglichkeit, Klarheit in diese Frage zu bringen, blieb 
nunmehr die Beschaffung eines künstlichen, möglichst hochwerthig agglu- 
tinirenden Serums durch Immunisirung von geeigneten Thieren übrig. 
Ein derartiges, auf Gewinnung von specifischen Agglutininen in starker 
Concentration gerichtetes Vorgehen erschien um so gerechtfertigter, als 
durch die Untersuchungen von Pfeiffer und Kolle (10) bei Typhus, 
durch Gruber und Durham (11), Pfeiffer und Vagedes (12) bei 
Cholera, von Kolle und Martini (13) bei Pest, Neufeld (14) bei Pneumo¬ 
kokken bereits der sichere Nachweis geliefert war, dass eine DifFerenzirung 
der Erreger der genannten Krankheiten von den ihnen nahestehenden, 
oft auf keine andere Weise von ihnen zu unterscheidenden Arten mittels 
hochwerthig agglutinirenden Serums unschwer gelingt. Wir haben uns 
deshalb auch genau an die schon bewährte Methodik, wie sie präcis für 
Pest von Kolle und Martini (15) beschrieben ist, gehalten. 

Als wir unsere Untersuchungen begannen, standen uns aus der In¬ 
stitutssammlung folgende Ruhrstämme zur Verfügung: je 1 Stamm von 
Shiga (Japan), Flexner (Philippinen), Kruse (Westfalen), 4 Stämme 
der Döberitzer Epidemie (Anderssen, Przygode, Schwarte und Stratmann), 
sodann die von ruhrkranken Chinakriegern stammenden ruhrähnlichen 
Stämme Pseudodysenterie I, II und III, welche ebenfalls durch Serum 
von Ruhrreconvalescenten noch in stärkerer Verdünnung agglutinirt worden 
waren, ferner der ruhrähnliche Stamm Barabinow, den uns Hr. Ober¬ 
stabsarzt Schmiedecke gütigst überlassen hatte, und der von uns ge¬ 
züchtete ruhrähnliche Stamm, den wir der Kürze halber als Pseudo¬ 
dysenterie Lentz bezeichneten. Die Stämme Pseudodyseuterie I, Barabinow 
und Pseudodysenterie Lentz gehören als Geisselträger streng genommen 
nicht hierher. Da sie aber durch das Serum von Ruhrreconvalescenten 
noch in stärkerer Verdünnung agglutinirt wurden, sich auch culturell in 
mancher Beziehung den echten Ruhrbacillen gleich verhielten, zogen wir 
sie der Vollständigkeit wegen in unsere Untersuchungen hinein. 

Da es sich im Verlaufe unserer Untersuchungen als wünschenswerth 
herausstellte, dass wir noch weitere Ruhrstämme in dieselbe einbezogen, 


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544 


E. Martini und 0. Lentz: 


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Tabelle 


1 

Stamm 

Grösse und 

Form 

+3 

M 

Tb 

V 

* 

Geissein 

Gelatine 

Besonderheiten des 

Bouillon gew. Aga: 

i 

i 

« 




i 

Shiga 

Etwas dicker 
; und plumper 
als d. Typhus¬ 
bacillus 

Stark oscillir. 
Molekular¬ 
bewegung 1 


Dem Typhus sehr 
ähnlich, tiefe Colo- 
nieen hell, rund, 
oberflächliche zart, 
weinblattartig 

Nach24Std. Massig grr«?«, 
trübe, von runde, d::> 
oben lang- scheinend* 0 io- 
sam klar nieen. Imteh 
werdend sich wenig sc¬ 
hreite au, 

1 durchschtinrid 

Kruse 

desgl. 

desgl. 


desgl. 

desgl. desgl. 

Andersen 

” 

ii 

— 

ii 

11 V 

Przygode 

n 


-- 

ii 

11 " 

Schwarte 

1? 


— 

ii 

11 

Stratmann 

11 

1 

ii 

— 

ii 

11 f * 

Mehrkötter Laz. 

11 

ii 

— 

i* 

11 

Homev 

11 

ii 

— 

ii 

11 V 

New Haven 

I 

11 

v 

— 

ii 

11 " 

Müller 

11 

ii 


ii 

11 ■' 

Flexner I 

desgl., doch 
häufig etwas 
schlanker als 

1 Shiga 

ii 

i 

ii 

1 11 

Flexner-Manila 

Wie Flexner I. 

ii 

— 

y 

1 >1 

Strong 

desgl. 

ii 


desgl., doch etwas 
langsameres 
Wachsthum 

] 

klar, desgl. :t. 

dicker, ge- etwas >cfcmw 
ballter 

Bodensatz 

Pseudo- ; 

dysenterie I 

i 

Etwas kleiner 
als d. Tvphus- 
baciilus 

+ 

i 

1 end¬ 
stän¬ 
dige 

Kleine knopffiörm. 
Colonieen 

Trübe Sehr kleir.e ^ 

darchscneifltt'ie 
| CdoEKn. 

schmaler, i *^ r * 
weisser 

Pseudo¬ 
dysenterie II 

Wie Shiga 

Wie 1 
Shiga 

i 


Wie Shiga 

s 

Wie Shiga Colonieen sr&v' 
i als von *£'-■»• 
sonst wie d.-.e.r 

1 

Pseudo - 
dysenterie III 

desgl. 

desgl. 

j ~~ 

desgl. 

i 

i 

desgl. d^gL 


+ bedeutet 


Gck 'gle 


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Über die Differenzlrung der Ruhrbacillen. 


545 


T. 


W achsthuras in bezw. auf: 


Lackmus- 
Laktose-Agar 
v. Drigalski) 


Lackmusmolke 

(Petruschky) 


Milch 


c 

o 


Gasbildung 3 
in 0 * 5 proc. 
Trauben¬ 
zuckeragar 


155 
29 

§>a 

3 to 




Agglutination in stär¬ 
keren Verdünnungen v. 
Ruhrreconvalescenten- 
serum. (Wo nur + be¬ 
merkt, gilt dies nach 
Angabe des Entdeckers 
des betr. Stammes) 


Massig grosse, tau* 
tropfen artige durch¬ 
sichtige Colonieen. 
Agar bleibt blau 


desgl. 


Klar, schwach 
sauer 


desgl. 


nicht 

coagu- 

lirt 


desgl. 


Kleine weisse, un¬ 
durchsichtige Colo¬ 
nieen. Agar bleibt 
blau 


Colonieen ähnlich 
denen von Shiga, 
jedoch grösser und 
leicht milchig 
getrübt. 

Agar bleibt blau 


Trübe, alkalisch 


desgl. 


desgl. 


Trübe, siuer 
= Coli 


— negativer Ausfall. 

Zeitschr. f. Hygiene. XU. 


Bis 1:150 


+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 


+ 

+ 


desgl. 


+ 

+ 

Bis 1 : 50 , doch lang¬ 
samer u. schwächer als 
Shiga (vgl. a. E Pfuhl 
u. seine Mitarbeiter) 

+ 

+ 


35 


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546 


E. Martini und 0. Lentz: 


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Tabelle I 


Stamm 


Meerkötter- 

ruhrähnlich 


Pseudo- 

dysenterie Kruse 


Grosse und 
Form 


<L> 


tx 

o 

•s 


ja 


Besonderheiten 4c? 


Gelatine Bouillon gew. Agir 


Wie Shiga Wie 
i Shiga 


desgl. dc>gl. — 


Barabinow 


Schlanker als 
Shiga 


Tiefe Colonieen 
rund oder oval, ( 
gelblich, oberfläch -1 
liehe dick, gelb, , 
weinblattartig ! 


Wie Shiga 


zahl- Tiefe Colonieen 
reiche jrund od. oval, hell, 
seiten-! oberflächliche sehr 
i stän- j breit, hell, wein- 
j dige blattartig 


Pseudo- Wie Shiga 
dvsenterie Lentz 


desgl. 


Devcke-Milz 


Wie Typhus I Wie 
Shiga 


Deycke-Stuhl 

Coli 


desgl. | desgl. — 


Typhus 


Kurzstäbchen ;| 
Grösse und I 
Form als be- I 
kannt voraus-l 
gesetzt 


| Tiefe Colonieen ! 
; rund oder oval, 
gelbbraun, 
oberflächliche klein,! 
1 flach, unregel- ' 
, massig contourirt, i 
i ohne besondere ! 
I Structur 

I Tiefe Colonieen 
klein, rund, braun, 
mit Randzone, 
oberflächliche 
scharf contourirt, 
kreisrund, dunkel¬ 
braun, knopfförmig 
erhaben 

desgl. 

-h I zahl- !ln der Tiefe dunkle, 
reiche runde u. wetzstein- 
seiten- förmige Colonieen. 
stän- Oberflächliche 
| dige j Colonieen dick, 

I weinblattförmig 

+ desgl. Tiefe Colonieen | 
i hell,rund, oberfläch- 

I I liehe zart, wein- | 
i blattförmig 


Trübe Colonieen grf???r 
als von Sh.gi, 
sonst wie fcc? 


desgl. Wie Shiga. 4 '.i 
im Strich bre.r-ir 

und 




desc 


Die einitte 
ColonieeD d 
! weniger dar. 1 :* 
scheinend ib 
I Shiga. 
schmal und 


aes^t. 


Wie 


•f bedeutet positiver. 


Gck 'gle 


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Über die Differenzirüng der Ruhrbacillen. 


547 


(Fortsetzung). 


W achsthuni an 

Lackmus- 
Laktose-Agar 
(▼. Drigalski) 

bezw. auf: 

Lackmusmolke 

(Petruschky) 

Milch 

i 

i 

1 

Gasbildung 
in 5*0proc. 
Trauben¬ 
zuckeragar 

Indol-Reaction 

i 

Spermageruch 
der Agarcultur 

Agglutination in stär¬ 
keren Verdünnungen v. 
Ruhrreconvalescenten- 
serum. (Wo nur -f be¬ 
merkt, gilt dies nach 
Angabe des Entdeckers 
des betr. Stammes) 

Colonieen ähnlich 
denen von Shiga, 
jedoch grösser und 
leicht milchig 

getrübt 

Agar bleibt blau 

Nach 24 Stunden 
schwach sauer, 
wenig getrübt, 
nach 48 Stunden 
alkalisch 

nicht 

coagu- 

lirt 

+ 




desgl. 

Klar, stärker 
sauer als bei 
Shiga, schwächer 
als bei Coli 

desgl. 


i 1 
| 

i 

i 

1 

i 

1 

*» 

Nach 24 Stunden 
schwach sauer, 
trübe, schnell 
alkalisch 
werdend 

I 

| 

+ 

+ 


Bis 1:100 

. 

desgl. 

» 

+ 


1 

Bis 1:150 

Agar roth, 
massig grosse 
durchscheinende 
Colonieen 

Trübe, sauer 
= Coli 

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1 

+ 

1 

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desgl. 

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+ 

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Trübe, sauer 

i 

i 

coagu- 

lirt 

+ 

+ 



Wie Shiga 

1 

Klar, schwach 
sauer 

nicht 

coagu- 

lirt 

— 

1 

i 

— 


— negativer Ausfall. 

35* 


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Original frorn 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



































548 


E. Martini und 0. Lentz: 


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wandten wir uns mit der Bitte um Ueberlassung Ton Culturen an die 
HHrn. Professoren E. Pfuhl-Berlin, Kruse-Bonn, Fl ein er-Philadelphia, 
Deycke-Constantinopel, sowie Dr. Th. Müller-Graz, welche uns in 
liebenswürdigster Weise Culturen zur Verfügung stellten, wofür wir ihnen 
auch an dieser Stelle unseren ergebensten Dank sagen. Von Hrn. Prof. 
E. Pfuhl erhielten wir drei von Chinakriegern, die nach ihrer Rückkehr 
an Recidiven erkrankt waren, stammende Culturen; zwei derselben 
stammten von demselben Ruhrkranken und waren von Pfuhl als Meer- 
kötter-Lazareth und Meerkötter-ruhrähnlich bezeichnet worden. Der dritte 
Stamm war als Homey bezeichnet. Prof. Kruse sandte ausser seinem 
echten Ruhrstamm uns einen ruhrähnlichen Stamm (von Ruhr der Irren), 
den wir als Pseudodysenterie Kruse rubricirten. Hr. Prof. Fleiner 
schickte uns je einen Stamm von den Philippinen (Flexner-Manila) und 
aus Nordamerika (New-Haven), sowie eine von Strong in Manila ge¬ 
wonnene Cultur (Strong), Hr. Prof. Deycke je eine aus dem Stuhl und 
der Milz von Ruhrkranken in Constantinopel gewonnene Cultur (Deycke- 
Stuhl und Deycke-Milz), sowie Hr. Dr. Th. Müller einen in Steiermark 
aus dem Stuhl Ruhrkranker gezüchteten Stamm (Müller). Die wichtigsten 
morphologischen und culturellen Eigenschaften sind in der vorstehenden 
Tabelle 1 zusammengestellt. Zum Vergleich zogen wir dann noch je 
einen Typhus- und Colistamm heran. 


linmunisirang kleiner Thiere zwecks Serumgewinnung. 

Anfangs versuchten wir, wie oben angedeutet, Meerschweinchen und 
Kaninchen zwecks Serumgewinnung mit den zuerst genannten 7 Ruhr¬ 
stämmen zu immunisiren, mussten aber bald sehen, dass dieses ein zweck¬ 
loses Unternehmen war, da diese Thiere ausserordentlich empfindlich 
gegen die Ruhrtoxine sind. Sie reagirten schon auf kleine Dosen, 2 bis 
3 Oesen abgetödteter Culturen, die subcutan bezw. intraperitoneal injicirt 
waren, sehr stark mit Temperaturerniedrigung, mangelnder Fresslust, 
Abmagerung und erholten sich nur laugsam von der gesetzten Schädigung. 
Schon geringe Steigerung dieser anfänglich noch vertragenen Dosis tödtete 
einige der Versuchstiere, und dies wiederholte sich bei jeder weiteren 
Impfung, so dass wir bald einsahen, dass wir auf diesem Wege nicht zu 
einem befriedigenden Resultat kommen würden. Nur die Injectionen mit 
dem Stamm Fleiner I wurde von den Kaninchen gut vertragen, so dass 
wir hier in kurzer Zeit bis zu zwei ganzen lebenden Culturen intravenös 
geben konnten. Wir bekamen auch ein brauchbares Serum, über das 
weiter unten noch näher berichtet werden soll. 


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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Über die Difeerenzibung der Ruhrbacillen. 


549 


Immunisirung einer Ziege zwecks Serumgewinnung. 

Nach den anfänglichen Misserfolgen mit den kleinen Thieren nahmen 
wir sofort eine Ziege in Versuch. Zur Immunisirung verwandten wir 
den Stamm Shiga. Wir legten Culturen auf Schrägagar in Röhrchen 
von 2 cm Durchmesser an, indem wir das Condenswasser impften und dann 
über die Agarfläche laufen liessen. Später nahmen wir für grössere 
Mengen Kolle’sche Schalen, welche eine Culturmenge liefern, die etwa 
der von 12 grossen Röhrchen entspricht. Die Culturen blieben 24 Stunden 
bei 87 0 im Brutschrank und wurden dann in möglichst geringen Mengen 
0 • 85 procentiger Kochsalzlösung aufgeschwemmt. Für die ersten In- 
jectionen wurden sie darauf .bei 60° C. im Schüttelapparat abgetödtet, 
was in 1 Stunde gelang. Es wurde nach dem Abtödten eine Probe in 
Bouillon geimpft und bei 87 0 C. bis zum nächsten Tage eingestellt, 
während die Aufschwemmung im Eisschrauk aufbewahrt wurde. Büeb 
das Controlröhrchen steril, so wurde injicirt. 

Auch die Ziege reagirte stark auf die Injectionen. Die Iujectionen 
der abgetödteten Bacillen riefen stets eine anfängliche Temperatur¬ 
erniedrigung um 1 bis 2° C. hervor, auf die ein 2- bis 3 tägiges fieber¬ 
haftes Stadium folgte; bis zum 4. oder 5. Tage war die Temperatur meist 
lytisch zur Norm zurückgekehrt. 

Nach den Injectionen lebender Cultur, mit denen begonnen wurde, 
als das Thier 12 abgetödtete Culturen gut vertragen hatte, stieg die 
Temperatur gewöhnlich steil um 2 bis 3° C. an, uni dann in 3 bis 4 Tagen 
zur Norm lytisch zu sinken. Nach intravenösen Injectionen erlitt das 
Thier meist einen schweren Shok, von dem es sich aber in ca. 5 Minuten 
wieder erholte. Abscesse haben wir im Gegensatz zu Kaninchen und 
Meerschweinchen bei der Ziege nie erhalten, nur massige Infiltrationen 
blieben an den Injectionsstellen einige Tage lang bemerkbar. 

Das Gewicht sank nach jeder Injection um 1 bis 2 Pfund, hob sich 
dann langsam wieder. Erst wenn das alte Gewicht wieder erlangt bezw. über¬ 
schritten war, wurde von neuem injicirt. Die Ziege erhielt folgende Dosen: 


1 . 

3. III. 

1902. 

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Cultur, 

abgetödtet, 

ff 

subcutan. 

2. 

17. III. 

1902. 

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ff 

ff 

3. 

7. IV. 

1902. 

3 

Culturen 



4. 

18. IV. 

1902. 

6 

ff 

ff 

ff 

5. 

28. IV. 

1902. 

9 

ff 


ff 

6. 

10. V. 

1902. 

12 

ff 

ff 

intravenös. 

7. 

27. V. 

1902. 

V, 

Cultur 

lebend 

fi 

8. 

5. VI. 

1902. 

8 

Culturen 

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19. VI. 

1902. 

12 

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subcutan. 

10 . 

20. VI. 

1902. 

24 

„ 



11. 

5. VII. 

1902. 

48 





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Original frnm 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



550 


E. Martini und 0. Lentz: 


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Nach dieser letzten Injection, bei der die Ziege das ansehnliche 
Quantum von 48 lebenden Culturen erhalten hatte, die übrigens ohne 
locale Reaction resorbirt wurden, wurde das Thier krank. Es stellte sich, 
nachdem die anfängliche Fieberreaction bis zum 3. Tage abgefallen war, 
am 4. Tage von neuem Fieber ein. Das Thier frass nicht, bekam Durch¬ 
fall und magerte ab. Im breiigen Koth konuten Ruhrbacillen nicht nach¬ 
gewiesen werden. Allmählich erholte sich das Thier wieder, so dass wir 
dasselbe vielleicht noch weiter zur Serumgewinnung werden verwinden 
können. 


Agglutination. 

Nach der fünften Injection wurde der Ziege am 10. Y. d. J. 50 ccro 
Blut entnommen. Das Serum, durch Centrifugireu von Blutkuchen be¬ 
freit, agglutinirte den Stamm Shiga nur bis zur Verdünuung von 1:40, 
war also noch auffällig schwach. Nach der Blutung erhielt die Ziege die 
nächst höhere Injection von 12 abgetödteten Culturen intravenös. 17 Taue 
später agglutinirte das Serum den Stamm Shiga bereits bis zur Ver¬ 
dünnung von 1:300, ein Beweis für die weitaus kräftigere Wirkung der 
intravenösen Injection gegenüber der subcutanen. Die nächsten Injectionen 
(V 2 und 8 lebende Culturen) machten wir daher ebenfalls intravenös. 
Schon die nächste Injection von 1 / 2 lebender Cultur ergab in 8 Tagen 
eine weitere Steigerung der agglutinirenden Kraft des Serums. Dasselbe 
agglutinirte jetzt den Stamm Shiga bis zur Verdünuung 1:500. 

Heber diesen Agglutinationswerth ging das Serum nicht hinaus. 
Schon die intravenöse Injection von 8 lebenden Culturen erzielte keine 
weitere Steigerung. Wir gingen daher auch wegen der starken Shok- 
wirkung, die auf die intravenösen Injectionen folgte, wieder zu der sub- 
cutanen Impfung über und konnten so das Serum auf demselben Werthe 
erhalten. 

Methode der Agglutination. 

Wir wandten zur Agglutination die von Pfeiffer und Kolle bezw. 
Ivolle und Martini angegebene Methode an. Bei dieser wird stets die 
gleiche Menge der agglutinirbaren Substanz mit abgestuften Mengen der 
agglutinirenden Flüssigkeit im Reagensglase gemischt, das Resultat makro¬ 
skopisch ohne optische Hülfsmittel, wie Lupe oder gar Mikroskop erkannt 
und demonstrirt. Gerade diese grobsinnlichen, aber dabei doch ein exactes 
Arbeiten gewährleistenden Eigenschaften der Methode liessen sie uns für 
die Vergleichung culturell und morphologisch nahestehender Bakterien 
besonders geeignet erscheinen. Wir kamen dabei auch nicht in Gefahr. 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Über die Dieeerenzirung der Ruhrbacillen. 


551 


lockere Zusammenballungen, zu denen die Ruhrbacillen und besonders 
einige ruhrähnliche Stämme wie Pseudodysenterie Lentz, ßarabinow und 
Strong an sich schon neigen, etwa in Folge der Lupe oder schwachen 
mikroskopischen Vergrösserung für Agglutinationshäufchen anzusehen. Im 
Einzelnen führten wir die Agglutination folgendermaassen aus: Zur Ver¬ 
dünnung des Serums benutzten wir Anfangs sowohl Bouillon als auch 
0 • 85 procentige Kochsalzlösung. Erst nachdem wir erkannt hatten, dass 
die Resultate bei beiden Verdünnungsarten vollkommen gleich waren, 
begnügten wir uns mit der Verdünnung durch die Kochsalzlösung. Wir 
beschickten mit den zu prüfenden Culturen stets zunächst das Verdünnungs¬ 
mittel für sich, sodann, wenn hier keine Agglutination eiutrat, die 

Serumverdünnung V l0 , Vm» V # o» Vhx» Vmo» Vsoo u - s - f * Wo es noth ‘ 
wendig erschien, schalteten wir Verdünnungen von 1 j 30 , 1 / 00 und 

V 75 ein. 

Die zu prüfenden Culturen wurden auf Schrägagar angelegt und, 
nachdem sie 24 Stunden lang im Brütschrank bei 37 0 C. gewachsen waren, 
zur Agglutination verwandt. Zur Entnahme der Culturmenge benutzten 
wir stets dieselbe Oese, welche genau tarirt war und 2 m * Cultur fasste. 

Zur Agglutination verwandten wir stets 1 ccm der Serumverdünnung, 
sowie eine Oese Cultur. Letztere wurde am Glase fein verrieben und 
allmählich mit der Flüssigkeit vermischt. Schon beim Herabfliessen der 
Aufschwemmung war dabei oft Krümelbildung zu beobachten. 

In der Regel trat die Agglutination etwas langsamer ein als bei den 
„Typhusbacillen unter der Einwirkung des Typhusserums“, ein Ereigniss, 
das wohl im Zusammenhang mit der mangelnden Beweglichkeit der Ruhr¬ 
bacillen steht. Hatte der Agglutinationsprocess aber einmal begonnen, 
so konnten wir, namentlich wenn wir das Röhrchen bei Schräghaltung 
sanft hin- und herführten, so dass sein Inhalt in schaukelnde Bewegung 
gerieth, deutlich ein rasches Wachsen der Krümel erkennen. So war die 
Krümelbildung bei Verwendung der schwächeren Verdünnungen des 
Serums bei Zimmertemperatur nach wenigen Minuten unverkennbar, bei 
Anwendung stärkerer Verdüuuungen z. B. bis zu einer solchen von 1:400 
in etwa l j 2 Stunde deutlich; bei der Verdünnung von 1:500 trat dieselbe 
erst nach einigen Stunden ein. Brüttemperatur beschleunigte den Agglu¬ 
tinationsprocess nicht wesentlich, rief auch sonst, da unser Serum nur 
schwach bakteriolytisch ist, selbst bei 24 ständigem Aufenthalt der Auf¬ 
schwemmung im Brütschrauk keine Aenderung des Agglutinations¬ 
phänomens hervor. 

Die agglutinirten Bakterien sanken zu Boden und die darüber stehende 
Flüssigkeit wurde klar. Da aber, wie bereits erwähnt, sowohl die echten 


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552 


E. Martini und 0. Lentz: 


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Ruhrbacillen, wie auch gauz besonders einige der ruhrähnlichen Bakterien, 
die Neigung zur Klumpenbildung haben und bei längerem Stehen der 
Aufschwemmung zu Boden sinken, erkannten wir eine Agglutination nur 
an, wenn die Krümelbildung auch dann noch deutlich zu erkennen war, 
nachdem wir das Gläschen, während wir es an seinem oberen Ende hielten, 
5 Mal mit kurzem, kräftigem Schleuderstoss geschüttelt hatten. Auf diese 
Weise prüften wir mit unserem Serum sämmtliche von uns oben ge¬ 
nannten Stämme. 


Tabelle IT. 



1 Wird 

von 

dem Shiga-(Ziegen-) 

Somit bedurfte es zur 


Serum agglut. in der Verdünnung 

Agglutination von 

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4- 

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4- 

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4- 

4- 4- — 

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Flexner I . 

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Flexner Manila . . . 

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Pseudodysenterie Lentz 

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1 4- = positiv, — = negativ, ± = schwach positiv. 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 


















Über die Differexzirung der Ruhkbacileen. 


553 


Daneben stellten wir Controlen an mit normalem Menschen-, normalem 
Kaninchen- und normalem Ziegenserum, ferner mit Seris, welche von 
Menschen stammten, die an tuberculösen Darmgeschwüren litten, ferner mit 
einem starken Cholera-(Ziegen-)Serum, Titer 1:5000, und einem Typhus- 
(Ziegen-) Serum, das den Titer 1:500 hatte. Tabelle II und III geben 
die so erhaltenen Resultate wieder. Schon ein Blick auf die Tabelle II lässt 
uns zwei Gruppen von Bakterien ohne Weiteres unterscheiden, die eine 
bestehend aus den 10 ersten Stämmen, welche von dem Ruhrserum noch 
jenseits der Verdünnung 1:400 agglutinirt werden, und die andere, inner¬ 
halb deren die Agglutinationsgrenze bei der Verdünnung des Serums von 
1 :25 liegt. Innerhalb des grossen Zwischenraumes zwischen den Ver¬ 
dünnungen 1:25 und 1:400 finden wir keine Verdünnung, welche den 
Grenzwerth der Agglutination für irgend eine der untersuchten Bakterien¬ 
arten darstellt, ein Verhalten, welches an sich schon die Erklärung zu 
rechtfertigen geeignet ist, dass Stämme der Gruppe II mit denen der 
Gruppe I nicht identisch sein können. 

Betrachten wir nun die beiden Gruppen etwas näher, so finden wir 
in der Gruppe I nur solche Bakterien, welche, wie Tabelle I zeigt, sich 
morphologisch und culturell vollkommen gleich verhalten, d. h. mit anderen 
Worten: die Stämme der Gruppe I, also auch die Stämme 
Shiga und Kruse (was bereits E. Pfuhl uud seine Mitarbeiter be¬ 
tont hatten) ebenso der Flexner’sche Stamm New Haven sind 
nach dem heutigen Stande der bakteriologischen Wissenschaft 
identisch. 

In der zweiten Gruppe finden wir ausser den Controlen uud den 
beiden Deycke’schen Stämmen die sämmtlichen Stämme, welche wir Ein¬ 
gangs schon als ruhrähnliche bezeichneten. Ausser diesen enthält Gruppe II 
aber auch drei Stämme, Flexner I, Flexner-Manila und Strong, welche sich, 
wenn wir von der schnellen Klärung der Bouillon beim Stamm Strong 
zunächst absehen, morphologisch uud culturell nicht von den Stämmen 
der Gruppe I trennen Hessen, und die auch Seitens ihrer Entdecker mit 
dem Stamm New Haven, welchen Flexner iu Nordamerika züchtete, iden- 
tificirt wurden. Auch Kruse uud Shiga hatten bisher diese Stämme 
für identisch mit dem von Shiga gefundenen Bacillus gehalten, während 
E. Pfuhl und seine Mitarbeiter bezüglich der Identität des Stammes 
Flexner I mit den Shiga’schen Stäbchen Zweifel geäussert hatten. 

Auf Grund unserer Resultate mit der Agglutination mittels unseres 
Serums halten wir uns nach allem, was über dieses Phänomen bisher 
bekannt geworden ist, für berechtigt, zu erklären: dass die von uns ge¬ 
prüften, von Flexner und Strong in Manila gefundenen Stämme 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



554 


E. Martini und 0. Lentz: 


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UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 





















Über die Differenzirüng der Ruhrbacillen. 


555 


mit dem Shiga’schen Bacillus ebenso wenig identisch sind wie 
mit einem der anderen Stämme der Gruppe I. 

Flexner und Strong hatten die ätiologische Bedeutung der von 
ihnen in Manila gefundenen Stämme für die Ruhr auf den Philippinen 
und die Identität derselben mit dem von Flexner bei Ruhrkranken in 
Nordamerika gefundenen Bacillen (New Haven) ausser auf die gleichen 
morphologischen und culturellen Eigenschaften hauptsächlich auch auf die 
Agglutination der betreffenden Stämme durch Reconvalescentenserum ge¬ 
gründet, ein Resultat, dessen Richtigkeit auch E. Pfuhl und seine Mit¬ 
arbeiter zwar stark in Zweifel zogen, jedoch in Folge Mangels eines künst¬ 
lichen hochwerthigen Ruhrserums noch nicht mit Bestimmtheit als un¬ 
richtig erkennen konnten. 

Einen wie geringen Werth aber diese mittels des Ruhrreconvalescenten- 
serums gewonnenen Ergebnisse haben, ergiebt sich aus der Betrachtung 
von Tabelle III, Spalte 1, 4 und 5. Hier sehen wir, dass die Stämme 
Flexner I, Flexner-Manila und Strong schon durch normales Menschen¬ 
serum sowie durch Serum von den an tuberculösen Darmgeschwüren 
leidenden Menschen bis zu den Verdünnungen 1:35, 1:50, ja 1:60 ag- 
glutinirt werden, ein Beweis dafür, dass auch in dem Blute normaler oder 
an ulcerösen Darmaffectionen leidender Menschen Stoffe enthalten sein 
können, welche diese Stämme auch in stärkeren Verdünnungen des Serums 
zu agglutiniren im Stande sind. 

Da auch einige der auderen ruhrähnlichen Stämme Pseudodysenterie 
Lentz und Pseudodysenterie II mit diesen Seris und wie auch der Stamm 
Barabinow mit Reconvalescentenserum noch bis zu den Verdünnungen 
1:25, 1:35 und 1:50 Agglutination ergaben, halten wir das Serum 
von Ruhrreconvalescenten für ungeeignet zur Identificirung 
von Ruhrbacillen. Hierzu ist einzig ein mittels eines echten 
Ruhrstammes erzeugtes hochwerthiges Serum geeignet, dessen 
Agglutinationstiter mindestens 0,0033 (oder 1 I 300 ) beträgt, wobei angenommen 
wird, dass die Werthbestimmung nach den oben angegebenen Methoden 
erfolgt. Ein solches hochwerthiges Ruhrserum von genau bekanntem 
Wirkungswerth ist das sicherste Mittel, um auf raschestem Wege die 
Ruhrbacillen zu identificiren und von den ihnen nahestehenden Arten zu 
differenciren. Die Agglutinine des Ruhrserums reihen sich somit den Ag- 
glutininen des Typhus-, Cholera-, Pest-, Pneumokokken- und Staphylo¬ 
kokkenserums an. 

So war es uns denn mit Sicherheit gelungen, durch die Agglutination 
mit unserem Serum eine bestimmte Gruppe von Bacillen als gleichartig 
festzustellen» andere, die bisher nicht als ungleichartig erwiesen waren, 


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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



556 


E. Mahtini und 0. Lentz: 


aus dieser Gruppe auszuschalten. Für einen von diesen letzteren, Flexner I, 
erzeugten wir überdies sein specifisob agglutinirendes Serum bei einem 
Kaninchen. Dieses Serum ergab ausserdem, wie aus Tabelle IV hervor¬ 
geht, nicht allein die völlige Verschiedenheit des Bacillus Flexner I and 
Flexner-Manila von der Gruppe I, sondern auch die weitere Thatsache, 
dass die drei Stämme Flexner I, Flexner-Manila einerseits und Strong 
andererseits, die sich eulturell wie die echten Ruhrbacillen verhalten hatten, 
von den ruhrähnlichen Stämmen dagegen in dieser Hinsicht sich hatten 
trennen lassen, ebenfalls unter einander nicht identisch sind. Dies zeigen 
die Agglutinationsversuche auf Tabelle IV, in die wir zum Vergleiche den 
Ruhrstamm New Haven, sowie den Stamm Shiga einschlossen, auf’s 
deutlichste. 


Tabelle IV. 


Stamm 


Flexner . . 

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New Haven 
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in der Verdünnung 



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0-00025 

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Resultate. 

Kurz zusammengefasst, kamen wir mit unserer Arbeit zu folgenden 
Resultaten: 

1 . Das Serum von Ruhrreconvalescenten ist zur Feststellung einer 
Gleichartigkeit der bei verschiedenen Ruhrfällen aus dem Darminhalt 
bezw. den inneren Organen gezüchteten Bacillen durch Agglutination 
unbrauchbar; 

2 . die Bestimmung der Gleichartigkeit einzelner von diesen Bakterien- 
sorton durch Agglutination gelingt nur vermittelst hochwerthiger, durch 
active Immuuisirung mit der einen oder anderen dieser Bakterienarten 
erzielten Sera; 


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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 







ÜBER DIE DrFFERENZIRUNG DER RüHRBACELLEN. 


557 


3. die Ruhrbacillen Shiga’s, Kruse’s, Th. Müller’s, Flexner’s 
von New Haven in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, E. Pfuhl’s 
aus China und die der Döberitzer Epidemie des Sommers 1901 — auf¬ 
fallender Weise sämmtlich Bacillen, die bei Ruhrfallen aus Epidemieen in 
der nördlichen gemässigten Zone gefunden waren — sind dieselben; 

4. alle anderen bei Ruhr aus den Darmentleerungen bezw. den inneren 
Organen seither gezüchteten Bakterien, wie z. B. die Flexner’s von 
Manila, Strong’s von Manila, Deycke’s von Konstantinopel, Kruse’s 
bei Dysenterie der Irren, sind von obigen verschiedene Arten. 


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Original frorn 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



558 E. Martini und 0. Lentz: Differenzirung der Ruhrbacillex. 


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Litteratur -Y erzeichniss. 


1. Shiga, CentraV latt für Bakteriologie. Bd. XXIII. S. 599. 

2. Kruse, Deutsche med. Wochenschrift. 1900. Nr. 40. S. 637. 

3. Flexner, Centralblatt für Bakteriologie. Bd. XXX. S. 449. 

4. Veröffentlichungen auf dem Gebiete des Militär-Sanitätswesens. 1902. S. 65. 

5. Fouierton, Centralblatt für Bakteriologie. 1902. Bd. XXXI. 

6. Th. Müller, Centralblatt für Bakteriologie. Bd. XXXI. S. 55S. 

7. De icke, Deutsche med. Wochenschrift • 1901. Nr. 1. 

8. Flexner, Centralhlatt für Bakteriologie. Bd. XXX. S. 453. 

9. Kruse, Deutsche med. Wochenschrift. 1901. Nr. 23 u. 24. 

10. Pfeiffer u. Kolle, Ebenda . 1896. Nr. 12 

11. Gruber u. Durham, Münchener med. Wochenschrift. 1896. Nr. 13. 

12. Pfeiffer u. Yagedes, Centralblatt für Bakteriologie. Bd. XIX. S. 385. 

13. Kolle u. Martini, Deutsche med. Wochenschrift. 1902. Nr. 1 — 4. 

14. Neufeld, Diese Zeitschrift. 1902. Bd. XL. S. 54. 

15. Kolle u. Martini, Deutsche med. Wochenschrift. 1902. Bd. 1—4. 


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Original frum 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



[Aus dem Institut für Infectionskrankheiten zu Berlin.] 

(Director: Geh. Med.-Rath Prof. Dr. R. Koch.) 

Vergleichende culturelle Untersuchungen 
über die Ruhrbacillen und ruhrähnliche Bakterien nebst 
einigen Bemerkungen über den Lackmusfarbstoff. 

Von • 

Kreisassistenzarzt Dr. Lentz, 

cominaudirt zum Institut. 


Nachdem es Martini und mir 1 mit Hülfe der specifischen Agglu- 
tinationswirkung des hochwerthigen Ruhrserums gelungen war, den Nach¬ 
weis zu führen, dass einerseits die Stämme Flexner I, Flexner-Manila und 
Strong von den echten Ruhrbacillen und andererseits die beiden Flexner’- 
sehen Philippinenstämme von dem Stamm Strong artverschieden sind, 
unternahm ich es, auch auf culturellem Wege diesen Nachweis zu führen. 

Der Stamm Strong hatte ja durch sein langsames Wachsthum auf 
Gelatine, sowie dadurch, dass er Bouillon klar liess und am Grunde des 
Bouillonröhrchens einen dicken Bodensatz bildete, immerhin kleine Ver¬ 
schiedenheiten gegenüber den echten Ruhrlacillen sowie den Flexuer’schen 
Philippinenstämmen gezeigt, doch sind derartige Unterschiede, zumal auch 
die Ruhrbacillen in der Bouillon, wenn auch langsam, zu Boden sinken, zu 
gering, um bei dem sonst gleichen Verhalten der fraglichen Stämme bei der 
Cultivirung auf den gebräuchlichen Nährböden eine Artverschiedeuheit damit 
begründen zu können. Es war also nur wenig Aussicht vorhanden, mittels 
der gebräuchlichen Nährböden zum Ziele zu kommen. Dagegen hoffte 
ich, mit Hülfe verschiedener Zuckerarten, wie sie von Drigalski und 


1 Siehe die vorhergehende Arbeit. 


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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



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Lentz: 


Tabelle 


Maltose-Lackmus-Agar 


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1 Drigalski giebt an, dass Coli den Mannit-Nährboden blau lässt. Um den Widersprc^ 
ihres Wacbsthums auf Mannit-Lackmus-Agar und fand neben vielen, die den Nährboden roth g*- 
Stamme verhalten sich also offenbar verschieden dem Mannit gegenüber; darin stimmen sie jed.nl 


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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 


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Untersuchungen über die Buhubacillen ü. s. w. 


561 


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24 Stunden 48 Stunden 

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dieses Resultats mit dem meinigen za klären, untersuchte ich mehrere Coli-Stämme bezüglich 
färbt hatten, auch einen Stamm, der ihn nur violett erscheinen liess. Die verschiedenen Coli- 
sämintlich überein, dass^sie alle Gas bilden. 


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36 Original from 
UNIVERSITY OF CALIFORNIA 





















































562 


Lentz : 


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Conradi 1 zur Dilfcrenzirung von Typhus, Bacterium Coli und Ruhr bei 
ihren Lackmus-Nährböden angewandt haben, den Zweck zu erreichen. 

Der Vollständigkeit wegen dehnte ich diese Untersuchungen auch 
auf sämmtliche in der vorhergehenden Arbeit aufgezählten Stämme aus. 

Ich stellte mir nach dem Vorgänge von v. Drigalski und Conradi 
Nährböden her, welche als Zusatz zum gewöhnlichen 2 procentigen, leicht 
alkalischen Agar 13 Procent Lackmuslösung (nach Kahlbaum) und 
1-3 Procent einer der folgenden Zuckerarten enthielten: Maltose, Duleit. 
Dextrin, Fructose, Inulin und Mannit. 

Zuerst verwandte ich Platten von Maltose-Lackmus-Agar, die ich 
mittels des von Drigalski’schen Glasspatels mit den Culturen beschickte. 
Die mit den Stämmen Flexner I und Flexner-Manila geimpften Platten 
zeigten nach 24 Stunden, während deren sie im Brütofen gestanden hatten, 
rothviolette, nach 48 Stunden rothe Färbung des Nährbodens, während 
die Culturen Strong genau wie die der echten Ruhrstämme blau blieben. 

Sodann untersuchte ich, um gleichzeitig auch etwaige Gasbildung be¬ 
obachten zu können, sämmtliche Nährböden im Reagensglase und legte 
von allen Stämmen Stichculturen an. Das Resultat dieser Untersuchungs- 
reihen ergiebt die beigefügte Tabelle. Bemerken möchte ich hierzu, dass 
die Nährböden im Reagensglase eine blauviolette Färbung zeigten. Die 
Bezeichnung „rothviolett“ bedeutet daher leichte, „roth“ starke Säuerung, 
„blau“ Alkalibildung. 

Die Duleit-, Fructose- und Inulin-Nährböden gaben nur geringe 
Unterschiede, die für die Unterscheidung der nicht gasbildenden Stämme 
gar nicht in Frage kommen. Den Maltose-Agar hatten jedoch die beiden 
Flexner’sehen Philippinenstämme nach 24 Stunden rothviolett und nach 
48 Stunden roth, den Dextrin-Agar nach 24 Stunden dauernd violettroth 
gefärbt; die Culturen des Stammes Strong zeigten dagegen auf diesen Nähr¬ 
böden keinen Unterschied von den echten Ruhrculturen. Ein solcher trat 
jedoch deutlich in dem Mannit-Agar hervor. Diesen färbte der Stamm 
Strong, ebenso wie die beiden Flexner-Stämme nach 24 Stunden roth¬ 
violett und nach 48 Stunden leuchtend roth, während ihn die echteu 
Ruhrstämme unverändert Hessen. 

Diese biochemischen Reactionen treten constant und mit derselben 
Klarheit ein; es darf somit auch auf culturellem Wege der Nachweis als 
erbracht bezeichnet werden, dass einerseits die Stämme Flexner I, Flexner- 
Manila und Strong mit den echten Ruhrstämmen nicht identisch sind. 


1 v. Drigalski u. Conradi, Ueber ein Verfahren zum Nachweis der Typhus¬ 
bacillen. Diese Zeitschrift. 1902. — Siehe auch VeröffentL a. d. Gebiete d. Militär- 
sauitätswesens. Hit. 20. Untersuchungen von Stabsarzt Dr. v. Drigalski. 


Qriginal from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




Untersuchungen über die Ruhrbacillen u. s. w. 


563 


uud andererseits auch der Stamm Strong von den F lex ne r’sehen 
Philippinenstämmen artverschieden ist. 

Auch bei der Differenzirung der übrigen Stämme mittels der geprüften 
Nährböden hat der Mannit-Lackmus-Agar die besten Resultate ergeben. 
Während nämlich auf den übrigen Zucker-Lackmus-Nährböden stets eine 
grössere oder kleinere Anzahl der untersuchten ruhrähnlichen Stämme sich 
wie die echten RuhrbaciUen verhalten, zeichnen sich auf dem Mannit- 
Agar nur diese letzteren dadurch aus, dass sie den Agar unverändert 
lassen; die meisten anderen Stämme färben ihn roth, zum Theil unter 
Gasbildung, während ihn die beiden Stämme Pseudodysenterie I und II 
leicht bläuen. Diese könnten so noch immerhin zu Verwechselungen mit 
echter Ruhr führen, doch unterscheiden sie sich von dieser weiterhin da¬ 
durch, dass sie die Petruschky’sche Lackmusmolke alkalisch machen, 
während echte Ruhr sie säuert. Der Bacillus Pseudodysenterie I ist ausser¬ 
dem beweglich und trägt eine Geissei, unterscheidet sich also auch da¬ 
durch von echter Ruhr. 

Wenngleich somit die Cultur auf Mannit-Lackmus-Agar ein sicheres 
einwandfreies Resultat liefert, so tritt ihr Werth als diagnostisches Hülfs- 
mittel doch, wie der aUer culturellen Hülfsmittel gegenüber der specifischen 
Agglutinationsreaction eines künstlichen hochwerthigen Serums, das in 
wenigen Minuten ein absolut sicheres Resultat liefert, zurück; unter den 
culturellen Hülfsmitteln dürfte jedoch der Mannit-Lackmus-Agar bei der 
Ruhrdiagnose sich vielleicht einen Platz erringen. — 

Ueber eine Erscheinung, die ich bei den Lackmusagarculturen häufig 
beobachtete, sei es mir gestattet, noch einige Worte hinzuzufügen, nämlich 
die Entfärbung des blauvioletten Nährbodens in der Tiefe der 
Röhrchen. Der Agar ist hier vollkommen hell wie ohne Zusatz von 
Lackmuslösung, und zwar ganz gleich, ob die oberste Schicht blau oder 
roth erscheint, ob Gasbildung in den Röhrchen vorhanden ist oder nicht. 
Es ist dies dieselbe Erscheinung, die Behring bei der Cultivirung von 
Bacillen des malignen Oedems, des Tetanus, der Kaninchensepticämie, 
des Milzbrandes, ferner des Pfeiffer’schen Kapselbacillus und von Strepto¬ 
kokken in mit Lackmustinktur versetzten Agarnährböden beobachtet, und 
von der er nachgewiesen hat, dass sie auf einer Reduction des Lackmus¬ 
farbstoffes durch das Bakterienwachsthum beruht. 1 Dieses Verhalten 
gegenüber dem Lackmusfarbstoff boten in mehr oder weniger aus¬ 
gesprochener Weise alle von mir untersuchten Ruhr- uud ruhrähnlichen 
Stämme, wie auch die als Controle dienenden Typhus- und Coliculturen. 


1 Behring, Beiträge zur Aetiologie des Milzbrandes. Diese Zeitschrift Bd. VII. 

36* 


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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



504 Ljsntjc: Unteksuchungen übek die Kuhkbacieeen i\ s. w. 


Ich hatte bereits früher beim Kochen von Lackmus-Milchzuckerlösung, 
bei der Herstellung des von Drigalski-Conradi’schen Nährbodens die 
Beobachtung gemacht, dass die blaue Farbe der Lackmuslösung in braun- 
roth umschlug, wenn der Wattepfropfen des Kochgelässes mit Feuchtig¬ 
keit getränkt war und so die Luft abgesperrt hatte. Diese braunrothe 
Farbe machte jedoch nach der Eutfernuug des Wattepfropfens und leichter 
Abkülilung der Flüssigkeit schnell wieder der blauen Farbe Platz, und 
zwar vom Bande der Flüssigkeit her beginnend, an dem letztere in 
dünnster Schicht mit der nun einströmenden Luft in Berührung kam. 
Ich hatte mir dieses Phänomen so gedeutet, dass bei dem Kochen der 
Lackmus-Milchzuckerlösung unter Luftabschluss, vielleicht in Folge von 
Caramelisirung des Milchzuckers, eine theilweise Reduction des Lackmus¬ 
farbstoffes eingetreten war, die nach Oeffnung des Verschlusses in Folge 
der nun erneuten Luft- bezw. Sauerstoffzufuhr wieder der Oxydation der 
gebildeten Leukobase des Lackmusfarbstoffes Platz machte. So hatte ich 
auch jetzt den Eindruck, dass es sich um einen ganz analogen Vorgang, 
um eine Reduction des Lackmusfarbstoffes bei Sauerstoffmangel handle, 
wie ihn Behring bei seineu oben bereits erwähnten Untersuchungen beob¬ 
achtete. 

Ein einfaches Experiment überzeugte mich von der Richtigkeit dieser 
Vermuthung. Ich zerschlug solche Röhrchen und liess die Agarsäule in 
ein Schälchen fallen, legte auch noch einige Schnitte durch den aufgehellten 
Theil des Agars. Alsbald fingen die hellen Partieen, und zwar an den 
scharfen Kanten beginnend, an, sich zu färben; nach wenigen Minuteu 
war keine Differenz mehr zwischen den einzelnen Theilen der Agarsäule 
zu erkennen. Dabei waren die Agarstücke, deren oberer Theil die Lackmus¬ 
farbe blau gehalten hatte, blau geworden, die Agarsäulen dagegen, deren 
oberster Theil in Folge der erfolgten Säurebildung geröthet worden war, 
erschienen roth. 

Es beweist dies zweierlei: 

1 . Die durch Reduction des Lackmusfarbstoffes entstandene Leukobase 
desselben ist ausserordentlich unbeständig und wird schon durch die Be¬ 
rührung mit dem Sauerstoff der Luft in die gefärbte Oxydatiousstufe über¬ 
geführt und 

2 . in der Tiefe der Cultur, in der die Bakterien bei Gegenwart von 
nur wenig Sauerstoff oder unter gänzlich auaeroben Bedingungen wachsen, 
findet die Vergährung eines etwa vorhandenen Zuckers bezw. die Zersetzung 
des Eiweisses und die damit verbundene Säure- bezw. Alkalibildung in 
demselben Maasse statt, wie bei Gegenwart von reichlich Sauerstoff. 


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Zeitschrift für Hygiene. Bd. XLI. 


Taf. I 














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Zeitschrift für 




Fig. 1. 




Tafel III. 



Fig. 8. 



Fig. 9. 

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Zeitschrift für K> 



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Fig. 25. 


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Zeitschrift für Hygiene Bei. XLI. 


Tafel VI. 



Fig. 28. 


Fig. 29. 



Fig. 30. 


Fig. 27. 



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Verlag von VEIT & COMP., Leipzig. UNIVERSITY OF CALIFORNIA 





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Zeitschrift für H' 


Tafel IV. 




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Zeitschrift für Hygiene Bd. XLI. 


Tafel VI. 



Fig. 27. Fig. 30. 


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Zeitschrift fiir Hygiene. 1kl .XLI. 


Tafel XIII. 



Verlag Veit JkComp. Leipzig. 


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